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Full text of "Rechtfertigung der von den Gelehrten misskannten : verstandesrechten Erfahrungsheillehre der alten scheidekünstigen Geheimärzte und treue Mittheilung des Ergebnisses einer 25 jährigen Erprobung deiser Lehre am Krankenbette"

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T  o  r  r  e  d  e* 

Mfie  ^«kdBche  UntannchaDg  einer  Heillslire  luum 
nur  darin  bestehen,  dui  -wir  der  all  rentandeirecht 
erkannten  Lehre  am  Krankenbette  folgen;  das  ErgebniM 
unserer  Heilversuche  mnu  «i  ausweisen,  ob  sie  sich 
als  nützlich  für  die  Uelnng  der  Kunst  bewähret  Da 
ich  46  Jahre  dieHettkunst  geübt  and  in  den  25  letiten 
der  Lehre  der  ahen  GeheimÜrxte  gefolgt  bin,  mithin 
E^abrungen  mittheile,  welche  ich  während  meiner  ärzt- 
lichen Grossjährigkeit  erworben,  so  wird  mir  niemand 
vorwerfen  können,  ich  sei  zu  eilig,  oder  zu  leichtsin- 
nig in  Schätzung  ihres  praktischen  Werdtes. 

Wenn  ich  in  meinem  Werke  von  ffoienheümt  Heil- 
lehre  spreche,  so  bitte  ich  die  Leser  dringend,  diesen 
Ausdruck  im  engsten  Sinne  dee  Wortes  sn  nriuaen, 
nämlich,  für  eine  einfache,  vnstuidesrechte  Anweisung, 
kranke  Menschm  gesund  zu  madien.  Aus  Hmkntheimg 
physiologischen,  pathologischen  und  padiogmetischfls  Ge- 
danken eine  sogenannte  Theorie  herauszuklaaben,  halt« 
ich ,  weil  wir  der  Theorien  genug  und  übmgenug  haben, 
für  ganz  nutzlos.  Während  idi  gegcmwärtiges  Werk  ge- 
schrieben, haben  sich  ja  mehre  Aerzte  in  diesem  Ge- 
schäft versucht,  und  es  werden  sich  gewiss  noch  mehre 
darin  versnchen,  ja,  ich  stelle  nicht  in  Abrede,  dass 
sie  vielleicht  zuletzt  noch  unter  sich  selbst  rechten  wer- 
den, wer  von  ihnen  denn  eigentilieh  das  Wahre  getrof- 
f«a;  ich  bin  aber  keineswegs  Hitbewerber  in  diesem 
Wettstreite. 

240953        - '^""8''^ 


In  meiner  Jugend  verliess  ich  schon  als  Zweifier 
die  Hochschule,  und  habe  seitdem  immer  alle  sogenannte 
Theotieen  geringgeschätzt,  ohne  mir  jedoch  den  Grund 
dieser  Geringschätzung  angeben  zu  können;  nur  erst  als 
ich  zur  ärztlichen  Grossjährigkeit  gekommen  war,  fing 
ich  an  zu  begreifen,  dass  mfiine  Theoriescheu  von  einer 
in  meinem  Kopfe  dämmernden  Verstandesmahnung,  zwi- 
schen der  rohempirischen  und  der  sogenann- 
ten rationellempirischen  Heillehre  mit  ihren 
unzähligen  Artungen,  müsse  noch  eine  dritte 
wahrhaft  verstandesrechte  Heillehre  liegen, 
erzeugt  sei  Wozu  half  mir  das  aber?  zu  nichts.  Mit 
aller  Mühe,  die  ich  mir  auch  geben  mochte,  war  ich 
nicht  im  Stande,  die  dunkle  in  meinem  Kopfe  aufge- 
tauchte Verstandesmahnung  zur  verstandhailen ,  niittheil- 
baren  Klarheit  zu  bringen. 

Im  Jahre  1815  stiess  ich  ganz  zufallig  auf  ein  Ar- 
zeneimittel,  welches  damals  noch  in  keinem  Apothe- 
kerbnche  verzeichnet  war;  die  wahrhaft  merkwürdige 
Heilwirkung  desselben  brachte  mich  auf  die  Vermuthung, 
es  könne  vielleicht  eines  von  den  berüchtigten  Gross- 
mitteln  der  alten  iatrochemischen  Sekte  sein.  Die  Neu- 
gierde trieb  mich,  bloss  in  dieser  Hinsicht  die  Schrif- 
ten des  The^^tut  von  SohenAemt  zu  durchstöbern, 
und  ich  fand  gar  bald  meine  Vermuthung  bestätiget. 
Diese  Bestätigung  erzeugte,  wie  die  Leser  wol  glauben 
werden,  das  Veriangen  in  mir,  Sohenheim  ganz  ken- 
nen zu  lernen,  und  dieses  koimte  nicht  geschehen,  oder 
ich  musste  seine  Schriften  mit  Aufinerkaamkeit  lesen. 
Kaum  hatte  ich  diese  Lesung  begonnen ,  so  traf  ich  auf 
eine  Stelle,  in  der  er  sagt,  die  Praxis  müsse  nicht  aus 
der  Theorie  hervoi^ehen,  sondern,  umgekehrt,'aus  der 
Praxis  die  Theorie.  Wie?  dadite  ich,  wenn  die 
Theorie   aus  der  Praxis  hervorgehen  soll,    so  kann  das 


Dicht  geschehen,  oder  Lehre  und  Uebiing  der  Kunst 
müMen  ssusammen  eine  untrennbare,  eine  unscheidbare 
Knheit  ausmachen;  eine  s*Iche  Erfahrungsheillebre  ist 
mir  ja  noch  von  keinem  unserer  ärztlichen  Kwypbäen 
geboten.  Mir  schien  es  der  Mühe  werth,  zu  untersu- 
chen, ob  jene  Rede  Hohenkeitns  ein  blosser  Sinn-  oder 
Kemspruch  sei  (desgleichen  man  auch  wol  in  anderen 
medizinischen  Bfictiem  findet,  aber  leider  beim  Weiter- 
lesen bald  gewahret,  dass  des  Verfassers  praktischer 
Geist  sich  rein  in  der  küstlichen  Sentenz  erschdpft  habe), 
oder  ob  Hohenkeüiu  Erfabrungsheillehre  wirklich  mit 
der  Praxis  eine  Einheit  bilde.  Nicht  ohne  Mühe  ge- 
langte ich  endlich  zu  der  Ueberxeugung,  dass  der  Mann 
nicht  Prahler  sei,  sondern  wahrhaft  Lehre  und  Uebung 
der  Kunst  zu  einer  unscheidbaren  Einheit  verschmolom. 
—  Nachdem  ich  nun  die  Lehre  als  verstandesrecht  er- 
*kannt,  also  in  ihr  die  endliche  Beruhigung  meines  sper- 
rigen Verstandes  gefimden,  so  trug  ich  kein  Bedenken, 
ihr  am  Krankenbette  zu  folgen,  und  bis  jetzt  hat  mich 
das  auch  noch  nicht  gereuet. 

Dass  ich  als  aufrichtiger  Mann  bekenne,  von  Bo- 
henheim  besser  belehrt  worden  zu  sein,  als  von  allen 
vor  und  mit  mir  lebenden  Aerzten*  wird  gewiss  der 
iuztliclien  Rechtlichkeit  und  Freisinnigkeit  unserer  Zeit 
nicht  anstÖssig  sein.  Wollte  ich  die  Heillehre,  die  ich 
bekenne,  als  das  Erzeugniss  meines  eigenen  Verstandes 
vortragen,  so  weiss  ich  recht  gut,  dass  sehr  wenige 
Leser,  (vielleicht  kein  einziger)  mich  des  literiuischen 
Raubes  bezichtigen  wurden,  ich  selbst  müaste  mich  aber 
desselben  zeihep;  es  ist  jedoch  für  jeden,  der  nie  schrift- 
stellerische Freibeuterei  getrieben,  etwas  niederschla- 
gend, sieh  selbst  einen  Dieb  nennen  zu  müssen;  lieber 
will  ich  über  mich  ergehen  lassen,  dass  vorschnelle 
Beurteiler  mich,   meiner  Aufrichtigkeit  wegen,   einen  . 


Paracelsuten  schelten,  wiewol  das  ein  verzweifelt  anrüch' 
iger  Titel  ist;  Aenn  welche  Mühe  gich  auch  am  Ende 
des  vorigea  Jahrhonderts  der  vielseitig  gebildete  Nicht- 
arzt  eoff  Murr  und  in  der  neusten  Zeit  nnhre  trefDiche 
Aerste  gegeben,  uns  Hahenkeim  als  «inen  verständigen 
Haan  darzustellen,  so  ist  doch  dessen  Andenken  der- 
inassen  von  den  Gelehrten,  selbst  noch  in  dem  jetzigen 
ifdifhundert  besadelt,  und  also  besudelt  und  geschändet 
in  die  lesende  Votksklasse  übergegangen,  dass  ein  deut- 
scher Lustspiel'  oder  Roroanendichter,  wenn  er  einen 
lohen,  unwissenden«  groben,  waghalsigen,  marktschreie- 
rischen Aftejcarzt  bezeichnen  will ,  sieb  wundersam  kurz 
fassen  kann,  er  braucht  ja  ein  solches  Geschöpf  nur  ei- 
nen Anhänger  des  FaraceiMU,  einen  ParaeelsicCen  zu 
nennen,  so  weiss  gleich  jeder  Deutsche  Bescheid.  Aus 
dem,  was  ich  jetzt  gesagt,  werden  die  Leser  schon 
abnehmen,  dass  es  sich  in  meinem  Werke  nicht  um 
nne  bücherliche  Alterthümelei,  sondern  vielmehr  um 
etwas  allgemein  Verstandhaft»  handelt,  welches,  wenn 
der  Verstand  der  Menschen  nicht  mit  dem  fortschreiten- 
den Alter  unseres  Erdb^les,  gleich  der  vorsündfiutlichen 
Thier-  und  Pflanzenwelt,  firg  znsemimenschrumpft,  wol 
bis  zum  Ende  aller  Dinge  etwas  allgemein  Verstandhaf- 
tes bleiben  wird. 

Ich  bin  vollkommen  überzeugt ,  dass  in  den  Köpfen 
aller  denkenden  praktischen  Aerzte  immer  die  dunkle 
Ahnung  einer  weit  besseren  fieiUehre  gelegen,  einer 
weit  verstandesreehteren ,  als  ims  je  die  Schule  in  allen 
ihren  buntscheckigen  Artungen  geboten  bat  und  künMg 
noch  bieten  wird.  Fragt  man  mich,  wie  ich  diese  Be- 
hauptung beweisen  wolle,  so  antworte  ich:  ea  ist  nichts 
leichter,  als  diesen  Beweis  zu  liihren.  Vorausgesetzt 
die  Unläugharkeit  der  geschichtlichen  Thatsache,  dass 
seit  der  vorhippokratischeo  Zeit  bis  jetzt  eine  Unzahl 


T<m  Theorieen  erdacht  und  früher  oder  spater,  als  un- 
brauchbar filr  die  Uebung  des  Heilgeschäftes ,  Terwor- 
Ten  sind,  mache  ich  folgenden  Wechselschluss.  —  Ent- 
weder haben  die  Aerzte  ihre  Theorieen  erdacht  und  ver- 
breitet, bloss  um  sich  einen  berühmten  Namen  zu  ma- 
chen, um  eine  eigene  Schule  zu  gründen,  um  minder 
begabte  Geister  in  ein  Labyrinth  von  Wagesätzen  und 
Trugschlüssen  zu  treiben ,  um  die  HeiUcunde  immer  mehr 
Ton  dem  Ziele  möglicher  Vollendung  zn  entfernen;  — ' 
oder  sie  haben  ihre  Theorieen  erdacht  und  Terbreitet, 
weil  eine  in  ihren  Köpfen  dämmernde  Ahnung  eines 
Musterbildes  wahrhaft  Terstandeveehter  Heillehre  sie 
mit  unwiderstehlicher  geistiger  Gewalt  zu  dem  Erden- 
ken und  Verbreiten  ihrer  Theorieen  getrieben. 

Da  nun ,  wäre  der  erste  Satz  dieses  Schlosses  wahr, 
ans  demselben  folgen  würde,  dass  die  ErAnder  und 
Verbreiter  der  Theorieen  hochmüthige  Narren,  Verrä- 
tlier  und  Schurken  gewesen  sein  müssten;  wir  alle  sie 
aber  doch  wot  Ar  verständ^e  rechtliche  Männer  halten, 
dJw  gewiss  den  guten  Willen  gehabt,  uns  zu  belehren, 
nur  in  der  Art  der  Belehrung  niissgegrilTen:  so  ergibt 
sich  von  selbst,  dass  wir,  weil  wir  den  ersten  Satz 
des  Schlosses  ilif  unwahr  halten  müssen,  genöthigc# 
und ,  den  zwaten  für  wahr  zu  halten.  —  Fragen  mich 
nun  meine  Leser,  warum  denn  die  Aerzte  das  dunkel 
in  ihr«a  Köpfen  liegende  Wahre  nicht  zur  verstandhaf- 
ten mittbeilbaren  Klarheit  gebracht  und  so  die  Medizin 
Ton  einer  Kunst  zn  einem  echten,  auf  Erfährung  basir- 
ten  Verstandesgeschäft  erhoben  haben;  so  erwiedere  ich 
darauf:  Mein  ganzes  Buch  ist  eigentlich  eine  ausführliche 
Beantwortung  dieser  F^age,  darum  kann  ich  in  dieser 
Vorrede  nur  Folgendes  bemerken.  —  Die  Aerzte  sind 
durch  die  ihnen  in  der  Jugend  angeschmiedeten  Schul- 
fesseln,    deren  Druck  sie,    weil  sie  desselben  längst -ge- 


wohnt,  nieht  mehr  föhlten,  einzig*  ich  sage  einzig 
behindert  worden,  den  geraden  Weg  zur  Wahrheit 
einzuschlagen. 

Die  alten  Theologen- sagten,  der  Weg' zur  Holle  iei 
breit,  der  Weg  zum  Himmel  schmal;  etwas  Aehnliches 
kann  man  auch  in  der  Medizin  von  den  Wegen,  die 
vermeindich  zur  Wahrheit  -fuhren  sollen,  behaupten. 
Dqr  Hypothesenweg,  der  zw  trostlosen,  nebeligen  Wü- 
ste der  Zweifel  führt,  zu' diesem  Kampfplane,  wo  die. 
arztlichen  Fechterspiele  gefeiert  werden  (in  denen  je- 
doch bei  meiner  Lebzeit  noch  keiner  der  Andabaten  un- 
terlegen, auch  nimmer  unterliegen  konnte)  ist  wahrlich 
breit  Bnd  lustig  genug.  —  Hingegen  ist  der  Weg,  der 
zur  «nigen  anschaulichwahren  Heillehre  führt,  so  schmal, 
so  unscbeinlich ,  daas  ihn  nimmer  der  sich  spreizende 
ftrztliche  Hochmuth  wanddn  wird;  möglich  ist  es  je- 
doch und  mir  selbst  wahrscheinlich,  dass  mancher  de- 
müthige,  anspruchslose  Praktiker,   der  nie  die  Sehrifttii 

'  eines  Bttymundua  LulHiu,  Paractbta  oder  anderer  Ger 
heimärzte  gelesen,  bloss  durch  seinen  schlichten ,  gesim- 
den  Verstand  geleitet,  ihn  zum  grossen  Heile  seiner 
Kranken  wird  betreten  haben  und  auf  ihm  zur  endli- 
^cben  Beruhigung  seines  Verstandes  und  seines  beein- 
trächtigten Httlicken  Gefühles  wird  gelangt  sein. 

Nun  muss  ich  noch  einiger  ausserwesentlicher  Klei- 
nigkeiten erwähnen.  Das  Verfkssen  dieses  Bncbes  ist 
für  mich  gerade  das  gewesen,  was  fOr  meine  grossstäd- 

,  tischen  Amtsgenossen  Schauspiele,  Conzert^  und  andere 
Ergetzlichkeiten  sind,  nämlich,  eine  Erholung  von  mei- 
nen Geschäften.  Ich  habe  meine  Mussezeit  dazn  ver- 
wendet, und  da  diese  beschränkt  ist,  sechs  Jahre  dar- 
an geschrieben.  Beim  Sehreiben  stellte  ich  mir  immer 
vor,  ich  sässe  im  vertraulichen  Kreise  ärztlicher  Freun- 
de,   unter  denen  sich  auch  etliche  junge  be&ideo;    es 


^-     IX     ^ 

machte  mir  grouea  Vei^nDgen^  mich  einmahl,  so  weit 
meine  Erfahniag  reicht,  über  die  ganze  Heilkunde  mit 
aller  Oftenherzigkeit  auszusprechen.  Wenn  nun  meine 
Leser  den  Gedanken  festhalten ,  dass  ich  nicht  aU  Viel- 
oder Ailwisser  sie  belehren  will ,  sondern  bloss  als  ehr- 
licher Freund  zur  Unterhaltung  mit  ihnen  plaudere,  so 
wird  es  ihnen  auch  wol  gar  nicht  anstössig  sein,  dass 
ich  mich  der  leichten  vertraulichen  Schreibart  bediene. 
Der  Katheder-,  Kanzel-,  oder  Schulmeisterton  kann 
mir,  dem  kleinstädtischen  Heilmeister  unmöglich  zur 
Hand  sein,  die  Gabe,  den  tiefsinnigen  Vortrag  gelehr- 
ter und  philosophischer  Aerzte  nachzuahmen,  fehlet  mir 
gänzlich;  darum  schreibe  ich  einGütig,  wie  meine  unge- 
schlachte Natur  es  mit  sich  bringt 

Da  ich  im  nemi  und  sechzigsten  Jahre  meines  AI-  ' 
ters,  also  den  verhängnissToUen  Siebzigen,  welche  die 
wenigsten  Aerzte  erreichen,  ganz  nahe  stehe,  so  ist  es 
tuuicfaer,  ob  ich  je  ein  gründliches  Urtheil  meiner  Zeit- 
genosseo  über  das  Buch  vernehmen  werde;  dass  dieses 
Urtheil ,  bei  dem  verschiedenen  Grade  intellektueller  und 
erfahrungskundiger  Bildung  der  Aerzte,  ganz  verschie- 
denartig ausfallen  wird,  seheich  vorher;  darum  bin  ich  mir 
selbst  schuldig,  den  Lesern  folgende  Erklärung  zumachen. 

Denen ,  welche  selbstgenügsam  mein  Buch  von  vom 
herein  für  eine  Posse  halten,  in  demselben  die  phanta- 
stische Beschreibung  einer  Reise  in  das  abergläubische 
Dunkel  des  Mittelalters  zu  finden  glauben ,  habe  ich  kein 
begütigendes  Wort  zu  sagen;  höchstens  könnte  ich  mich 
bei  ihnen  entschuldigen,  dass  ich  sie  getäuscht.  Nur 
denen,  welche  es  aus  einem  ernsten  Gesichtspunkte  be- 
trachten, und  meinen  noch  näheren  Geistesverwandten, 
die  Lust  haben  mochten,  den  von  mir,  leider  viel  zu 
spät  eingeschlagenen  Weg  weiter  zu  verfolgen,  lege  ich 
folgende  Bitte  ans  Herz. 

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Wie  abweichend  auch  die  Uitheile  meiner  Zei^e^ 
über  mich  lauten  mö^en,  halten  sie  nur  immer 
fest  an  dem  Glauben,  dass  ich  als  wahrtiaftiger  Mana 
das  Buch  mit  der  strengsten  Gewissenhaftigkeit  geschrie- 
ben. Gegenstände,  die  ich  genau  zu  beobachten  und 
Bu  untersuchen  belahiget  gewesen,  habe  ich  von  denen 
ausdrücklich  geschieden ,  zu  deren  Untwsuchung  sich  mir 
seltener  die  Gelegenheit  dargeboten.  Die  merkwürdige 
und  ausgezeichnete  Heilwirkung  einiger  IMittel,  die  ich 
nur  in  wenig  Fällen  erprobt,  und  deren  gründliche  Un- 
tersuchung mir  die  wahrscheinlich  kurze  Frist  meines 
Lebeos  wol  nicht  mehr  erlauben  wird,  habe  ich,  die 
Wichtigkeit  derselben  vermuthend,  meinen  Lesern  zur 
eigenen  Untersuchung  empfohlen,  die  geringe  Zahl  der 
Fälle,  in  denen  ich  sie  selbst  erprobt,  ausdrücklich  da- 
bei bemerkend.  Von  einigen  anderen  Alitteln,  denen 
unsere  Zeit,  nach  bloss  chemischen,  oder  nach  thera- 
peutisch-schulrecliten  Ansichten  urtheilend,  alle  Heil- 
wirkung absprechen  wird,  oder  sdion  abgesprochen  hat, 
muss  ich  gerade,  durch  reiche  Erfahrung  belehrt,  be- 
haupten, dass  sie  nicht  bloss  wirksam,  sondern  wahr- 
haft unei'setzlich  sind.  Kurzum,  ich  habe  als  prakti- 
scher Scliriftsteller  alles  geleistet,  was  ich  mit  dem  be- 
sten Willen  leisten  konnte;  treu  habe  ich  den  Leser  ge- 
rade auf  den  Punkt  des  praktischen  Wissens  gestellt, 
auf  welchem  ich  selbst  stehe;  kühn  kann  er,  da  ich 
ihm  einmahl  die  Bahn  gebrochen,  von  diesem  Punkte 
aus  fortschreiten,  und  wird,  ist  er  unverdrossen  in  sei- 
nen  Forschungen,  nach  zehn  Jahren  ein  weit  besserer 
Heilraeister  sein ,  als  ich  jetzt  bin. 

Goch  am  Niederrhein  den  I.  April  1S41. 


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Eifite»    ILavltel. 

Cchcp  die  Stcllunc  <I«p  «cheldeUAnstlceM  Gekelmll^le 

zn   den   Cl»l«nllieni.    tb«r  rankcelfliis  und  seine  Hell- 

leltre,  In  ■•  fewrn  sleli  diese  In  seinen  Achriften  durefc 

nn«w«ldeH«lae  Stellen  nsehwelsen  lAfst. 

«W  enn  man  jemand  mit  Minnern  bekannt  mRchen  will,  gegen 
welche  er,  von  blofsem  Höfensagen,  mit  Voninhetten  eingenom- 
men ist,  so  erfodert  es  die  Khgheit,  ihm,  bevor  er  in  die  ver- 
rufene GesellscfiHrt  tritt,  seine  Vorurtheile  xu  benebmen,  damit 
er  befrihiget  werde,  selbst  zu  sehen,  selbst  sii  uriheileo. 

Die  Vorunbeile,  mit  welchen  unsere  heutigen  Heilkünitler 
gegen  die  allen  Geheimärzle  etogeoammen  üind,  beruhen  auf  Be- 
schuldigungen der  Galeniker;  diese  Beschuidignngen,  durch  münd- 
liche und  schriftlich«  Ueberlieferung  aut  aasere  Zeit  übergegan- 
gen, werden  selbrt  von  sehr  venittndigen  und  rechtlichen  Aere- 
len  ohne  eigene  Untersuchung  auf  gnien  Glauben  nachgesprochen. 
Um  also  die  Leser  in  den  Stand  in  tetsen,  ganz  unbefangen  die 
Kunat  der  Geheimarzte  xu  würdigen ,  ist  es  dringend  nothwendig, 
sie  zuerst  auf  die  grofsen,  je  fast  unüberwindlichen  Schwierigkei- 
ten aufmerksam  zu  machen,  die  si^h  dem  Geschieht sforscber,  der 
blofs  aus  bücherlichen  Quellen  Belehrung  schöpfen  will,  enlgegen- 
thürmen.  Diese  Schwierigkeiten  sind  in  der  Stellung  zu  suchen, 
worin  sich  die  Galeniker  zu  den  Abtrünnigen  von  der  Muiier- 
scbiile  befanden,  welche  Stellung  ich  den  Lesern  wol  am  an- 
schaulichsten machen  werde,  wenn  ich  versnche,  die  Frage  zu 
beantworten:  warum  die  scheid ekünstigen  Aerzte,  towol  ihre 
Heilmittel,  als  ihre  Lehre,  wie  jene  auf  den  erkrankten  Körper 
angewendet  werden  müfsten,  nicht  verständlich,  sondern  nur  in 
dunklen  Andeutungen,  untermischt  mit  einem  Schwalle  von  sinn- 
losem Wortgewirre  und  von  unverkennbar  absichtlichen  Mifsleitun- 
gen,  der  Weh  vorgelegt   haben. 

Der  Hanptgrand  dieaer  venrofenen  Sellsuikeit  lag  darini 
^1-    ■"  ----'8"^ 


-    2    -  • 

rfafg  die  Ilcillehre  der  chemischen  Aersle  auf  einen  gnn>  aadern 
GniDil  gebniiet  war  nia  die  des  Galen.  Die  Geheiinärzle  gründeten 
sie  auf  die  blofse  Heilwirkung  der  Arzeneien,  Galen  aber  auf 
eine  angemafsie  Kenntnifs  des  belebten  Menscbenleibea.  Dafa  die 
Basis  seiner  Lehre  die  phantaatischen  EleneDie  waren^  ihat  hier 
nichts  cur  Sache,  daa  Wesentliche  ist,  dafa  er  sich  Termafs, 
die  inneren  Vorgänge  dea  belebten  Menschenleibes  so  kennen, 
lind   auf  diese   vermeintliche   Kenntnifs   seine  Heillehre  gründete. 

Wenn  die  Leser  nun  bedenken ,  dals  zwei  Heillebren ,  auf 
HO  ganz  verschiedene  Grundfesten  gebauet,  sich  unmöglich  ver- 
standhaft mit  einander  rerschnielzeD  liefsen,  ao  wird  es  ihnen 
wol  eben  so  deutlich  sein  als  mir,  dafs  die  Galeniker,  bfitlen 
sie  die  Lehre  der  scheideküntiigen  Abtrünnigen  als  versiandea- 
nnd  erfafarungsgeinSfs  wollen  gellen  lassen,  den  ganzen  gelehr- 
ten Kram  ihrer  Schule  hlofs  durch  dieses  Geltenlaaaen  würden 
über    den.    Haufen    gestofaen  haben. 

Die  Gehcintärzlc  müfslttn  aber  weder  die  sinnliche  Natur  des 
Menschen  überhaupt,  noch  inabesondere  die  der  schulrechten 
Aeixte  als  Casien menschen  gektmnt  haben,  wenn  sie  dem  kindi- 
schen Wahne  hfiiten  Kaum  geben  wollen,  die  Galeniker  sollten, 
btofs  zur  Steuer  der  Wahrheit,  ihren  ganzen  gelehrten  Plunder, 
ihr  Prunkgewand,  ihren  einzigen  HMchtfaum  und  ihr  Gedeihen  von 
sich  werfen,  dastehen  wie  verarmte  Prauer,  und  sich  von  unge_ 
waachenen  Hunden  in  das  dunkle  H.eiligthum  der  Natur  einführen 
lassen ,  dessen  gesetzlich  geweihte  Priester  sie  ISngst  ansachli«fs- 
lieh  zu  sein  wähnten, 

Dafs  also  deutliche  Mittheilung  ganz  ohne  Zweck  sein  mufele, 
ist  wol  oQenbar.  Wenn  sie  aber  von  der  einen  Seite  ganz  zweck- 
los war,  so  würde  sie  von  einer  anderen  höchst  schädlich  gewe- 
sen sein. 

In  der  alten  Welt  hatten  Quacksalber,  »rztliche  Landstreicher 
und  ärztliche  Beulelschneider  vollkommen  freies  Spiel.  FahritiUM 
Hiläaaui ,  der  am  Ende  des  sechzehnten  und  im  Anfange  des 
siebsehnfen  Jahrhunderts  wirl^te,  also  dna  Medizin alwesen  jener 
Zeil,  wo  die  chemische  Heilkunde  dreister  als  früher  ihr  Haupt 
erhob,  aus  eigener  Rrfahrung  kannte  und  beschrieb,  macht,  in 
der  Vorrede  zu  seinen  Werken,  es  der  Ohrigketi  zur  dringenden 
Genisaenssache ,  solchem  gräulichen  Unfnge,  der  besonders  mit 
chemischen   Mitteln    getrieben    wurde,   ein  Ziel   za    setzen.*)    Ja 


*)  Er  W(t ,  in  frähiMr  Zeit  hsb«  ntn  nena  HiUsl  Kaent  so  Vertiracheni ,  di* 
IIB  Toda  verartkeilt  gewusD  ,  vanaebt,  nad  dtnn  Kbrt  er,  tiek  biennT  be- 
(■«bend,  tlio  Tort:  Si  boe  lanporB  nnpliiiima*  HagUtratu  nbiqno  ■■bditomin 
Mlatcm,  leqne  »e  IUI,  eonret,  (D«i  HU  gtiket  mü.t  Papit  Cknaw  VII  nad 
Rtiiar  UaiintUan  II. ,  diu«  ballen  ilnUeb  ■!(  ArMselaiUtetB  ao  Verlir«ekem 
Vemab«  H*eh«a  laMea  1  ravani  tat  inperita«  konieM ,  pfaidachyakeatroi, 


Hobe^eim  beklagt  iich  in  leiaer  Verihaidigaiig  bill«r,  Jura 
Kaet^e ,  die  ihm  In  leiner  cbemiiebcn  Werkslalt  inr  Hand  g«- 
gangea,  und  uDwiaaende  Schüler,  di«  lu  Basel  efwaa  von  ihm 
lafgeschnappl ,  tror|;eb)ich  mit  aeinen  CteheiinmitielD ,  Land  anf-, 
Land  dtxRgen  and  die  Lerne  am  Geld  prelllen.  „Ich  für  mein 
„Tbeil  (sagt  er)  HchSme  mich  der  Arzenei,  angeBchea,  dafa  sie 
„M  gar  in  einen  Betrag'  kommen  ist.  Es  ist  doch  kein  venwel- 
„feker  Ilenker,  Hurenwirib,  oder  HundnchlSger  nicht,  er  will 
.,ieiQ  Menachen-  oder  Hiindeschmalz  nm  Gold  verkaufen  nnd  alle 
„Krankheiten  dniiiit  heilen." 

me  scheideknnstigen  Aenle  konnlen  also  sicher  darairf  rech- 
nen,  da&  ihre  Arzeneieo,  von  den  arbulreehten  Aleialern  ans 
Vornribeil  od*r  Hocbtnutb  verworfen ,  in  dte  Hände  jener  Land- 
Streicher  fallen  iTtirden;  mithin  war  das  Geheimhalten  derselben, 
oder  das  Verschleiern  ihrer  Bereitung,  nicht  blofs  Sache  der 
Kingbeil,  soadem  selbst  der  Sittlichkeit.  Dieses  sintAiuo  wol 
die  zwei  Hanpliirsachen ,  warnm  die  Jat reche niiker  ihre  Mittel 
und  ihre  Lehre  entweder  gani  geheim  hielten,  oder  diese  auf 
eine  aolche  Weise  der  Welt  vorlegten ,  dafs  nur  die  Geweihten 
die  W^rheii  ahnen,  vermuthen,  aber  selbst  diese  nur  durch  ei- 
genes Forsch^  in  der  Natnr  znm  vollkommnen  deutlichen  Ver- 
ständnisse gelangen  konnlen ;  die  der  Scbeid^kiinst  unerfahrenen 
Galeniker  und  AfterHrztehingegen-,  dnrch  eine  undurchdriagliche 
Klnfl  von  jenen  Geheimnissen  auf  immer  getrennt  blieben,') 

Es  gieht  aber,  anfser  diesen  zwei  Hauplnrsacben  dea  Geheira- 
,  baltens,  noch  folgende  geringere,  untergeordnete,  die  in  der  sinn- 
lichen Natnr  des  Menschen  liegen. 

Wir  sollen',  nach  der  kristlichen  Lehre,  unsere  Feinde  lieben, 
segnen  die  nns  fluchen  und  wohhhun  denen,  die  uns  hassen. 
Wenn  ich  gleich  nicht  mit   einem  Widersacher   des  Krislenthumt 


•Ireumroraiieoi     inpios    etroiflcci    Bt  hqjnt    farJMe    oefariM   hoaiiDe« ,    aeqae 
arte    laqae  experiiiittia   valeotes,  eo  «tian   adiferet,  nt  iriji  aas«  paricolam 

in  BtleBeii  n«balonibDi ,  ton  nt»»  honestii  hoBlsibni  be«renl.  — 

Sad  prob  dolor!  qotB  pro«il  abeat  a  acapo  ,  can  cUan  qamodl  InpÜ  et 
inpiriti  nebBloDCB  laepeanaicro  mallii  in  loci«  a  prinarii«  ReipabUeae  Prooe- 
ribni  ooa  loloa  aliit  paritia  dtKlitqaa  nedieit  aalepoBantDr ,  ati  au  qnideai 
Bliam  ra*  darmil,  nt  U,  qoi  Paraeelaj  aliorsBqa«  ChfiÜBorBiii  libroi  vix 
•Xtrenb,  qnod  ajnat,  iabiit  desutaraol ,  aolta  mlniu  lagarant,  sarmlitata 
■tqae  naDdaciU  «aia  Tirsi  prinarioi  an  aaqaa  dcdneanl ,  at  bod  nmdo  aeriat 
■ale  pracparala  et  vBaenoia  mcdieameata  minBralia  approbeal ,  aed  ettaai  lo- 
niB  \n  MM«tiptii  pettealaBi  et  eiperlaiantoii  Taeiaat. 
*J  ^'"'^f*''""  *acl:  Nafai  vli  atlo  bideadali  plaidsH  aibl  vjderer  patraviiM, 
ai  tan  CKcellMilia  proFaBBran  ■jitarla  ,  et  oBaian  aofBitioai  proatltaarev, 
VoriUli  lasHo  hae  in  parte  bbUoa  foeata  facio :  proBt  ytn*  al  expertaa 
CheaiiBna  faeita  in  lit  deieriptioBiboa  ,  qna*  nagia  eladdara  aan  licet,  daprc- 
haadat.  -~  Ptnih  4l«)HtmtM.  pmg.  iOU  i 


_     4     — 

dfi'  Moiniin^  bin,  dieses  Gebot  enthalte  elwas,  der,  Natur  des 
Mi'DMelien  Widersprechendes  j  so  hat  mich  doch  die  Erfahrung  ge- 
Irhn,  dofs  PS  in  unserer  nnvollkonitnnen  Welt  seilen  oder  nie 
hpfolgi  wird,  itth  vielmehr  in  diesem  Punkte  die  sinnliche  X'alur 
(IcN  Menchen  fast  immer  Meisterinn  bleibt.  Denken  wir  uns 
also  die  allen  Clieiiiikef  nicht  als  reinsittliche  Wesen,  sondern 
nU  ehrliche,  irdische  Menschen,  so  werden  wir  es  leicht  begrei- 
fen ,  daf^  sie  wenig  Lust  haben  konnten ,  den  schnlrechien 
Aerzien,  ihren  Schmühern  nnd  Verfolgern,  die  mit  grofser  Mühe 
erworbenen  ärztlichen  Geheimnisse  mitzuiheilen. 

Wahrlich  I  die  Erbitterung  der  schnirechten  Aerzte  war  so 
grofs,  die  Ausbrüche  derselben  so  pöbelhaft,  dafs  ein  gesitteter 
Mensch,  der  diese  nicht  mit  eigenen  Augen  in  Siteren  und  neue- 
ren Schriften  gelesen ,  sie  dem  Ersfihler  kaum  glauben  wird.  Ho 
nennt  z.  B.  der  lUiier  und  Lerburzi  des  Herzoges  von  Lothringen 
SympholthK  Champicr  den  zneifelbaften  Ifei-uie»,  einen  gewissen 
Araber,  einen  Slerndeuter,  der  von  der  wahren  Philosophie 
nichts  gewuUt;  Geier  «inen  unwissenden,  albernen,  aus  dem 
Koibe  gezogenen  Schurken  mit  modrigem  Gehirn.') 

Hohenheim  nannten  seine  tirztlichen  Zeitgenossen  einen  Gold- 
koch, einen  Lnndstreicher,  einen  Tenfelsbiindner,  einen  Mörder, 
eine  grobe  Schwrfzerkuh ,  den  Waldesel  von  Einsiedeln,  Cn- 
cophraitu»  und  hutkeru».")  Bei  seinem  Tode  beschuldigte  man 
ihn  des  Selbsiinordes;'*")  ja  fast  hundert  Jalire  nach  seinem  Tode 
nahm  Guido  I^ttin  es  den  Buchhändlern  fast  ühel,  dafs  sie  die 
Werke  dieses  grofsen  Halunken,  der  nur  bei  den  unerfahrenen  ■ 
Goldköchen    in    Anmerkung    komme,    und    dessen     vorzüglichste 


*)  Alchfiulae  anclares  pnecUpni  Tuere  Heimei,  dod  qaiileni  TrUmrgistos  ille 
Icr  HiaxiiDDS,  sei)  irubi  qnidam  Rstrolngui  a  rcri  philnanpliii  ■lieaDS.  Ali- 
qnanto  patt  Barbonu  quUlam ,  ineplisiimua  Inrco ,  patricliqne  cerabri ,  B  lula 
ctauii»  ,  Crhrr  quidim  ,  nee  mliiDS  capliimcnliii  clekelalos  ,  «ophitlieiiqnc  v«- 
DDliaacalU,  uaaiu  HurmcteiB ,  ufto  ArgyptiDin  sed  pnlitu  Araben  e  teüebri« 
cduil.  füllte  nflui'h  knntiiieB  Alberhit  uoil  Ranmitn'liii  Lalliut  etwai  besser 
bei  dem  Eiferer  »fg,  und  iwar  weil  beide,  wie  er  vor^bt ,  von  ibren 
IrrtbCniEra  zuriiciigeLebrt  iriea.  Amalili  niia  n  Dm.  S^myAoriatto  Cnu>pt~ 
gio    erHtir,  io  der  Baseler  Aaagabe  der  Werke  des  Araaldas  de  Villa  anva  töSi. 

")  Ueter  dsn  Scbimpraamen  Lutherut  sagt  Hahtnfirim  pDlgciides:  „Waram  aUd 
,.]ie  mir  so  ^bal^tt  waram  nxib  ich  Lalberoi  heifiea?  ich  bin  TheopbrailDf, 
,,nlelit  LulberD«.  Lalberoa  vermlworte  ia»  Soias,  <cb  uerda  daa  Heioe 
,,aDeb  besteben.  Ihr  tbnis  nicbt  aa  Ebren,  sondern  xn  Nachreden,  deon  ihr 
„veraehtel  den  Luther  nnd  ibr  meinet,  Ihr  ivifsl  mehr  deoa  er:  also  soll  ich 
„Latherai  aein  and  ibr  sollt  mehr  nisaen  deoD  leb.  Scbümen  itünde  eocfa 
„wobl  an,  denn  ihr  leid  mir  dimm  Feind,  itfa  tbr  Dicht«  kSnat.  tcb  weib 
,,aneh  niemand,  der  Lnthero  Feind  sei,  ali  dem  er  die  RUebe  gebüsert  nnd 
„Scbermer  sind.  (Oai  Werl  Sehermrr ,  Ktlc/iet  air  jetzt  Sdiirmer  ithrii' 
„ben  Karden .  bedealel  hier  einen  mnlkwitb'gen  ZSnker.  In  der  niederlän- 
„diiehen  Sprae/ie  itt  Sthermer  ein  Ferhier } 

••■)  OtifBlii  Crollii  praefatio  adnonEtoria  f.  189.  .'CioOOlc 


—     5     — 

KiiiiBt  dwin  bMlaodeD,  die  Menschen  cbeniiacb  xu  morden,  neu 
auflöten. ') 

Docb,  nicht  blofa  solche  allgeraeioe  Höflichkeiten  waren  es, 
die  die  Chemiker  von  einer  freisinnigen  Mittheiinng  «irück- 
■ehrecken  moliieo,  sondern  auch  das  buhnische  Verachten  des 
Mitgeiheilleo ,  das  den  Gaienikern,  wie  sllen  aufgeblnsenen  Steif- 
liogeo,  eigen  war;  die  Ificherlicbe  AoMellerci ,  alles  schon  lüngat 
gewafst  *a  haben,  nrn  des  Danket  «oiiibriget  an  sein  aod  um  in 
den  Aogen  der  •Well  die  Mitlheiler  herunter  zh  selscn,  niufslc 
diesen  doch  wol  auf  immer  das  MiliEietleD  verleiden.  Ilohenheim 
sagt;**)  „Ob  sich  scbon  ein  anderer  hart  und  viel  hin  and  wie- 
„der  bemühet,  bis  er  die  haben  Gaben  Gattes  und  die  Wirkung 
„der  Natur  erfinde  nnd  nacbmahls  nns  auch  gern  an  erkennen 
„und  ED  wissen  gübe,  ao  sind  wir  so  verderbt,  dafa  wir  es  nicht 
, «allein  mit  Undankbarkeit  annehmen,  sondern  nocb  da«n  iKatem, 
,iverspolten  nnd  verlachen.  Wollte  denn  solches  nicht  rinem  ge- 
brachten Ante,  der  ea  Mit  Treue  meinet,  wehe  ihun?  wallte 
„denn  dieaes  nun  auch  nicht  klarer  «o  schreiben  abhalte«  f  —  Ich 
„hStte  euch  gern  alle  meine  Künste  auf  das  einfdltigate  gesofarie- 
„ben  und  euch ,  gleich  als  womu  jnngen  Kinda ,  das  Hnfs  int 
„Maal  gestricben ,  aber  euer  EJirgeia  nnd  Eigenniita  bat  mich 
„abgeballen,  dais  ihr  das  Lob  euch  selbst  aumeaset,  nnd  nicht 
„einem  anderen,  von  dem  ihr  es  habL  Darum  so  seid  ihr  meiner 
„Kunst  nicht  werth,  obacbon  ich  zulasse,  6»!»  ihr  derselben  hoch- 
„oolbdiirfiig  wäret,  so  ihr  anders  rechte  Aerzie,  und«  dem 
,,\ich8ten  die  Liebe  erweisen  wollt." 

Ferner  war  der  Geiz  der  sehnlrecbten  Aerzle,  die  damahls 
zwar  nicht  nach  einer  gesetzlichen,  aber  doch  nach  einer  her- 
küinmlichen  Taxe  ihre  Bemühaagen  berechneten,  ein  grofses 
Hindernfls  aller  nOttlicben  Mittheiinng;  in  wo  fem  nämlich  leicht 
vorauszusehen  wnr,  dafa  solche  Heilarten ,  die  die  Krankheiten 
abkürzten ,  wodurch  also  der  Besnche  nnd  Verordnungen  weniger 
mtrden,  unmSglich  bei  Aerzten  BeifiiU  finden  konnten,  die  sich 
ihre  Kanal  nach  Besuchen,  Verordnungen,  Kitten  n.  s.  w.  bezah- 
len liefsen.  Rohenheim,  nachdem  er  in  seinein  Ruche  von  den 
Würmern  eines  einfurhen  nittels  erwHbnt,  fthrt  also  fort;  ,.D!e- 
„weil  aber  dies  und  dergleichen  mehr   euch  wenig  in  Kucbe   und 


'}  Er  telireibi  aa  Barl/.oliKut :  GtaartUK»  Ifpngrivi  nova«  coneiaiiint  ei\tia- 
Bcn  «pBruD ,  HagDi  qnidcm ,  led  peuini  aebalouii  Cacopbruti  ParaeeUi, 
cnJDi  migia  eit  apnil  ivparite«  Safftoaea  aactoriUi ,  et  iaiifai«  potiDtia  la 
Becaadi«  per  ebfniaai  Honinlbna.  TAoatmt  BmriÄnIiM  Eptrt,  merifc.  Cent.  II- 
Epül.  to.  Doa  Wort  SüloaM  hat  der  FraaiMa  wal  vsn  dia  rraaitaiichca 
Wort«  SooDaar  gaiehniedel,  [rabor  die  vcrKcbllioke  BcoeDaaBg  dai  Schcide- 
könallerf. 

"I  Du  mystariit  veraisn. 


,L,  Google 


—     6     — 

„Seckel  dienen  w&rde,  m  könnt  ihr  es  nickt  leiden,  sondern  es 
„urafs  von  ench  verachtet,  versfHittet  gelästert,  nnd  gar  auage- 
„reatet  werden,  welcbes  wol  lu  beklagen  und  zn  erbarmen  int. 
„O!  wie  vielen  habe  ich  mit  solchen  und  dergleichen  gerathen 
„und  geholfen,  da  ihr  mit  eurer  Anenei  versagt  seid;  dafür  mir 
„anch  kein  Pfennig  werden ,  ich  schweige  andere  Mflhe  und  Ar- 
„beit ,  so  ich  amsonst  geihan ,  Sonderlich  bei  den  Armen ,  aach 
„nichts  begehrt  habe,  so  doch  ihr  Docteres  nicht  einen  Leich 
„umtonst  besehet.  Denn  es  hat  hei  ench  alleif  seine  Ordnung 
„und  darf  niemand  dawider  sein:  als  oft  ein  Leich  ein  Balzen, 
„ein  Zettel  ein  Groschen,  ein  Gang  fünfzehn  Kreuzer,  ein  Ritt 
„auf  dem  Esel  ein  halber  Gulden,  ein  Haft  ein  ganzer  Gulden. 

Dem  rechtlichen  Leser  könnte  aber  ein  solcher  Geis ,  dessen 
Hohenheim  die  Aente  hesehnidiget ,  unmöglich,  die  Beschnldi- 
gung  mithin  onwafar  und  böslich  zu  sein,  bedanken.  Da  hab- 
süchtige Aerzte  ihre  eigene  Verworfenheit  wol  schwerlich  durch 
den  Druck  bekannt  machen  werden,  so  möchten  geilnickle  Be- 
weise übel  anfzulreiben  sein.  Dafs  aber  eine  solche  Habsucht 
nicht  iu  das  Reich  der  siltlichen  UnmSglichkeilen  gehöre,  kann 
man  aus  den  Werken  eiaos  viel  späteren,  aber  sehr  achiba'ren 
Antes,  nämlich  des  Richard  Marlon  beweisen.  Zu  seiner  Zeil 
fing  bekanntlich  der  Gebranch  der  Fieben-inde  an ,  sich  zu  ver- 
bteiten.  Weil  nun  dadurch  die  Aerzte,  denen  die  langwellige 
schulreohte  Behandlung  der  Wechselfieber  ein«  reiche  Qaelie  des 
Erwvbs  gewesen,  einen  grolsen  Ausfall  in  ihrer  Kasse  spürten, 
so  verbanden  sich  zu  London  inebre  ärztliche  Schelme,  dieses 
Mittel  durch  allerlei  erdichtete  Beschuldigungen  in  fihlen  Knf  su 
bringen,  nm  sich  auf  die  Weise  den  gewohnten  reichlichen  Geld- 
erwerb »u  sichern.  Diese  weltklugen  Herren  verauchien  selbüt, 
Morton  zn  überreden',  ein  Glied  ihrer  Bande  zu  werden;  also  ist 
dieser  rechiiicfae  Mann  doch  wol  der  nn  verwerflichste  Zeuge  soU 
eher  Scbandtbat. ') 

.Weiter  mnfsle  das  gehässig«  Aufpassen  der  Gateniker  auf 
die.  Praxis  der  scheideknnstigen  Ketzer,  ihre  tolle  Foderung,  diese 
sollten,  wenn  ihre  Kunst  wirklich  versüglicher  sei,  auch  unheil- 
bar« Kranken  gesund  machen,  auch  solche  heilen,  welche  hei  ei- 
npr  langen  schulrecblen  Behandlung  schon  an  den  Rand  des  Gm- 


*)  VcriMbnü  fnlden  ett,  ood  defDiue  Dehrioi  qaosdu  detrecUtorm  abiqn, 
praMsrUn  Loadlni,  qsi  dola  nslii  eoDiUlna  CApcrnot  de  bi^u  Febrifsgi  Tum 
pnanatara  ■npprineida,  n«  »eillc«!  bse  laodBcta  ■Mbodo  febrot  obtranuBdi, 
•esrotsatiiuB  enmtau  eaalgeBdi  oeeulo  tolleratar.  Da  boe  CDBiptratioiie 
Hepe  palam  v«rbt  habsit  Dominu  Bertrra  nanMoopoU  jtm  deriiDCtn* ,  cni 
fidem  !■  bte  r«  pronpie  adbibai ;  qaf*  BA^oan  qnidui  et  I^it!  ,  qnorun 
BDBilDa  bonorii  caaaa  «tleo,  nanet  !;•«■ ,  ttadeu  illeeebrii,  tn  ioa«  partes 
Irabere    («atwaDt.       —  Sitharii  Mtrttn  »ftra  mti.  Ttm.  II.  pag.  99. 


—  7-  — 
bes  ^oamen  waren,  ihr  ZetergMchroi  wenn  ein  solcher  unter 
der  Behaadlung  der  Chemiker  starb,  ihn  gehSsgige  Beschuldigung, 
er  sei  durch  mineralische  Gifte  gemordet,  nothweodig  die  Ge- 
müiber  der  ncheidekiinstigeo  Aerzte  erhittem  und  sie  von  ihren 
Galentschen  AiutBgenossen  immer  mehr  entfernen.  „Wunderbar, 
„sagt  Petrtu  Poferüu,  ist  es  xu  schauen,  welche  Scbuiüibungeo 
, Jeae  Xeidhane  gegen  mieh  aaBspeieo,  wenn  einmahl  ein  Kranker, 
„wegen  uobeUbarer  Fehler  der  Eingeweide,  oder  wegen  anderer 
„ZafUligkeiten  unter  meiner  Behandlung  iiirbl.*) 

Und  Hofaenheim  sagt:  „dafs  ich  uuiiiögliche  Dinge  nicht  heilen 
„kawi,  warum  werft  ilir  mir  es  in  den  Bartl  so  ihr  das  Mögliche 
„nicht  könnt  heilen,  und  verderbt  es,  das  ich  wieder  mufs  auf^ichien. 
„Wie  kann  ich  ein  abgehauen  Hers  heilen,  eine  abgehauene 
„Hand  aosetsen*  Wem  ist  es  im  Lichte  der  Natur  je  möglich  ge- 
„wesen ,  den  Tod  und  das  Leben  Eusammen  zu  fügen  und  zu  vec- 
„eioigen,  also,  dab  der  Tod  das  Leben  sollte  empfahen!  es  ist 
„doch  nicht  natürlich,  aber  wol  göltlicb." *> 

Ferner  in  den  Bmchitücken  über  die  Lnatseueho  beifst  es; 
„Was  Laster  ist  <his,  dafs  ihr  mich  seihet,  ich  verderbe  die 
„Kranken,  so  mir  doch  nicht  möglieb  ist  sie  su  rerderben,  denn 
„ihr  verderbet  selbst  alle  die,  von  denen  ihr  plerret-  Sind  otKobe 
„lehnuahl ,  funfiehoihahl  in  der  Schmiere  gelegen ,  nun  rechnet 
„ans,  wie  das  eine  Schelmerei  sei.  Wer  will  so  viel  Qneoksil- 
„bw  hetaustrsiben ,  das  im  Mark  liegt,  im  Gehirn,  im  Magen 
»n.  s.  w.  Zu  dem,  dab  ihr  sie  im  Kauobe  fünf,  bis  secfaiuiahl 
„gehabt  habt,  im  Holxe  dreUsigmahl,  im  Wasser  zehnmahl.  Soll 
„das  von  mir  verderbt  sein,  das  ihr  gelödtet  habt,  darum,  dafs 
„ich  es  Dicht  lebendig  machen  kann  das  todt  ist,  das  ihr  erwü^t 
„baiui  Sagte  her!  wer  kann  die  getödteten  Glieder  lebendig  ma- 
nchen? niemand:  darum  kann  ich  es  auch  aicht>  Sagt  mir  aber, 
„was  habe  ich  verderbt  oder  getödtet  f  sagts  ihr  Laurer ! " 

Die  letzte  untergeordnete  Ursache,  warum  die  Chemiker 
ihre  Ileillefare  und  Heilmittel  geheim  hielten,  ist  in  ihrem  Ehr- 
geize za  suchen.  Ich  sehe  die  Ehrbegierde  als  etwas  an,  was 
lar  siDollcben  Natur  des  Menschen  gehurt,  und  so  wenig  ich 
den  fädele,   der   den  Geruch  der  Kose,   oder   den   Geschmack  ei- 


*J  Ptiri  Pater»  opira  tmnia  midUa  et  chemica.  pag.  ISi.  Er  inllle  eine  Wu- 
Mtaiditife  Fras  heilen  ,  die  j  «sit  vier  HoBateii  roa  iwei  ivhnlrechleD  Aeraten 
Muidelt,  aar  dai  AeufseMle  gebricht  war.  Er  b*l  liv  >aeh  gebeilt,  Mgt 
•ber  bei  der  Gelcfenbeit.  Ego  Dei  tniiericordii  rretna,  quid  Dostra  In  bis  de- 
plerati«  VBlereet,  eiperiri  ninioie  recuso,  licet  invitoi,  «t  anaepi  valde,  bmr 
oftilOB  Bscai  cDoieqaerer,  Quad  ii  furle  aliqatndo  volis  coalrBriam  coadn- 
S*f-i  ivm  ob  labilantiae  viicertun  eorrupllonem ,  lom  ob  oegri  ant  adtttea- 
lian  errorei ,  mimm  videre  e*t,  ,  quat  convkla  in  aoa  evonant  iavidi: 
henni  laaiea  DebaloaBin  voeein  ninime  exlimesco. 
"]  Die  Veranlwonsng  Ultf  eüichs  UagliDipraagcn  »eioer  Uir*gi>BDCr. 


—     8     — 

nes  edUn  WeiiiM  liebt,  eben  bo  wenig  tadele  icb  anefa  den,  der 
da  Blrebl,  sich  die  Achtung  nnd  das  unbegreoste  Zairauen  geiner 
Vliibürger  so  erwerb«ii,  veraaBgeseizt ,  dafe  sein  Streben  deM 
Veralande  und  der  Sitilicbkeit  untergeordnet  sei. 

Es  scheint  io  der  Natnr  des  Menschen  au  liegen ,  daft  anfTal- 
lende  Erscheinungen ,  durch  verborgene  Ursachen  bewirkt ,  weit 
mehr  Reiz  (ur  ihn  halien,  als  die  näuilichen  Ertcheinnngen  durch 
vermeinilich  bekannte  Ursachen  hervorgebracht.  Wenn  also  der 
scheidekiinsiige  Ar»  mit  geheimen  Arieoeifn  beschwerliche  und 
geffthrltche  Krankheiten  heilte,  die  von  andern  wol  möchten 
achulrecht  behandelt,  aber  nicht  geheilt  werden,  so  ist  leicht  lu 
begreifen,  dafs  er  in  den  Augen  der  Leute  dea  Anstrich  eines 
Wnndenhaters  erhielt;  war  er  nun  zugleich  ein  sittlich  guter  und 
ein  gebildeter  Mann,  a*  müfsie  der  meiner  Leser  ein  gnr  schlech- 
(er  Menschenkenner  sein ,  der  einen  Augenblick  zweifeln  konnte, 
dafs  ein  solcher  Gebeiiuarzt,  in  den  Augen  des  Publikums,  unler 
welchen  er  wirkte,  weit  höher  geschiitst  gewesen,  .als  sei  er  mil 
allen  Orden  aller  Fürsten  Europens   geschmückt. 

Die  chemischen  Aerzie  hatten  also  ihrer  Ebrbegierde  de« 
Veralande  ganK  richtig  otttergeordnel.  Es  ist  nHmlich  weit ,  Weit 
verständiger,  dafür  zn  sorgen,  dafs  man  in  den  Umgebungen, 
worin  man  lebt,  welche  doch  an widemp rechlich  den  bedeniendsiea 
Einflu/s  auf  die  Annehmlichkeit  unseres  Oas«Ds  haben,  für  den 
klügsten  und  erfahrensten  Mann  gelte,  als  dafa  man  mühevoll 
strebt,  sieh  diesen  guten  Namen  in  weiter  Ferne  zu  sioheni; 
Beine  Miibürger  and  Xacbbam  hingegen  in  dem  Wahn  läfgi,  man 
sei  ein  beschränktet  Kopf,  schlechter  Heilmeisler  und  alberner 
Gesell. 

,  Dafs  der  Ehrgeiz  der  Chemiker  aber  auch  der  Sittlichkeit 
untergeordnet  war,  daran  wird  gewifs  keiner  zweifeln,  der  sich 
dessen  erinnert,  was  ich  oben  gesagt.  Kurz,  alles  wohl  erwo- 
gen, war  es  den  scheidekünstigea  Aerzten  auf  keine  Weise  zu 
verdenken,  dafs  sie  sich  selbst  zu  wirklicAen  geheimen  Medici- 
nalräthen  machten :  Kaiserlich ,  oder  Königlich  war  ihnen  die- 
Her  Ehrenname  freilich  nicht  Terbriefl,  aber  er  war  ihnen  auf 
das  bündigste  verbrieft  in  den  Herzen  und  Köpfen  ihrer  Mil- 
hrirgrar. ') 

')  Heut  zu  Tigo ,  w»  dnrub  dai  Verbot  des  SelbildiipeDsireni ,  durcb  den 
Zwa*g ,  ftlle  VerordDaDgGD  io  die  Apotheke  ed  ichickco ,  dei  Gafaeinhalteo 
irgend  eiaei*  Sache  DDiaS|(lieh  fewordea  ,  iit  den  Aaraten  ran  dein  Getelzge- 
Ler  eio  Hanptpafj ,  ihren  Ehrgeii  zb  berriedigen  ,  verbaaeo,  Sie  werden  •[" 
■0  andere  Wege  lachen  müieii ,  and  wir  woliea  boffen ,  dafi  lie  iwner  aaf 
rechten  wandeln.  Uebrigena  kommt  m  mir  ae  vnr,  sl*  stehe  dieiea  Verbot 
in  dem  gretUlea  Widenprncbe  mit  dem  Staattreebte.  Die  Aerzle  aiad  ja  da- 
durch vnn  der  Wvhltbat  dei  Grandgeseliei  alles  bärgeriicbeo  Vereloa ,  des 
Ki|(eulbiuu9rechtei ,     aosgeichtotsen    und    zs    ESuklingcn    des   Staates    ei-klürt. 


—    9     — 

Nacbdcn  ich  aiin  4ie  ^ag>  beaDtworlet,  warnm  die  Jntro- 
cbemiker  ihr«  Lelir«  uod  Heilniuel  in  du  gcheiuiailiivolteM  üiin- 
kel  g^ilDet,  as  tnula  ich,  l»evor  ich  in  Hohenheiin  uad  aeinCf 
Heillebre  übergeh«,  eine  Ideine  EinachBltung  nuichea. 

Bekanntlich  ial  die  Gescbichle  der  MmKain  in  Beireff  der 
iatrachentiscfaen  Sekte  seb  nager;  das  liegt  in  der  Natur  der 
tische  aclbM.  Die  wenigateB  Ueheiniftnle  lind  ja  als  Scbrift- 
sleller  aufgetreten;  sie  babeo  ihre  Lehre  und  ihr«  UeiliuiUel  bloü 
■lyndlicfa  solchen  Aenian  witgetbailtt  die  wirklich  Belehrung  bei 
ihaeu  aaclMeD,  nicht  oi>«t  den  GüleueebeD  Vielwiasem.  ÜHlee- 
pkratt  von  Htieni^im,  deuen  erste  Waadeniag  wol  den  Zweck 
gehabt  babea  wird,  sieh  mit  den  HeiwKcbkeiieD  jener  Kekte  be- 
kannt ZB  iMochaa,  im  rIm  in  diesem  Punkte  eia  wichtiger  Mann, 
deMcn  Schriften  eine  erniihaftere.BeaehtMig  Terdi«aen,  als  niao 
ihnen  bii  jeut  gcsoheukt.  K,  Sprengel  sagt  xwar,  GrBifitu  sei 
derjenige  nnier  den  ParaceUislen ,  der  Hnhenfaeinii  I«kre  an 
besten  dargui^U;  da  aber  dieser  gelehrte  Geicfaichtschreiber  di* 
I<ebre  adbst  nicht  kannte,  wie  konnte  er  denn  wmen,  ob  Croi- 
Hu*  sie  rid^g  oder  falsch  daegastelk}  Crof/iiu  ist  awar  ein 
Tucbt  frommer  und  ebrlicher  Haan,  aber  übr^ns  ein  sehr  be- 
aebr&nkler  Kopf,  der  eu  schwach  war,  IlobcDfaitima  Lehre  lu 
fassen.  Waa  er  darüber  Tortrfigt,  ist  dummes  Zeug,  das  noch 
überdies  oiil  so  viel  albasmen  religiös -nysliiehen  Gedanken  ver- 
mengt ist,  dofs  man  «s  nicht  ohne  Ekel  lesen  kann ,  und 
Bin  Ende  gerade  so  klug  ist ,  als  ata.  Anfange.  *)  Sein  grdft- 
tea  Verdienst  ist  wol,  daie  er  sich  Mühe  gegeben,  die  Paracel- 
aischen  iJeilnnitel  sa  e>forschen:'*J  wie  viel,  oder  wie  wenig 
er  aber  in  diese«  Punkte  gleistet,  mag  ich  nicht  beurtheilen. 
Von  Pftracsisas  UeilUhre  wufsie  er  gac  aiebta;  die  ist  aber  ge- 
rade die  Hauptsache:  was  helfen  uns  die  Mittel,  wenn  uns  die 
Lehre  ihrm  richtigen  Aswendong  verborgen  bleibt? 

Um  nun  den  Lrser  mit  dieser  Heillehre  bekuint  zu  Uacben, 
hake  ich  Folgende  Ordnung  fdr  die  beste. 

1)  Ich   werde   die  Beschuldigungen,    die    man   Hohenheini   ge- 
macht,  einer  ehrlich-verstandhnften  Kritik  unterwerfen. 


lo  den  Sebarse  civiliairter,  aurgekUrler  StMteo  beGodiD  fieh  die  Airzte  io  eiarr 
weit  aBhBiiBliDherfliiSleUD«g,ils  lie  lUhim  rokcaNalarzaslRPde  beSoden  würdea, 
wo  jederieioEigaBthDiBdDrcb  Gemltoder  List vertbeid igen  Icidd.  Wer  rertcbai- 
dot  dieieUaUMT  — Webrliefa  Hiebt  dieFBritiB,  Dlofatlbnliliiiilcr,  deandiBkEB- 
acB  ja  voD  d«p  Medizin  gnr  Bichti ;  ei«si{  aniere  todtaa  Amtibrödra  vencbnldaB 
tie,  welebe  Pärilen  nnd  Uinister  ber*[b«n,  abBr  in  bdb  lebr  nabred«rlich  Bchundelt 
babea.  Freillcb,  lie  baben  als  Cryptogatajaikcr  gaeb  ibrcr  beslea  Bioiichl  gebia- 
delt,  aber  leider  taagte  ibre  bette  Einaicbt  nicht  viel.  Sie  babeu  SaaDieo  ana^e- 
alfent,  der  auf  die  Daaer  lekr  bSte  Plücble  tragen  wird ,  deren  NoihreiQer 
wir  jettt  acboB  koste  a. 

'}  Praefalio  adaienitDtia. 

")  Batilica  cbjnaica. 

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—      10     — 

2)  Einselne  QedaDken  deuelben  so  zimmmenreihen ,  dafs  ihn 
daraus  jedBF  Leser  selbst ,  als  VerstaodeBinenschen ,  als  Ant, 
und  als  sittlichen  Menschen   beurtfaeiten   kann. 

3)  Seine  einfache  HeiUehra  ans  beweisenden  Stellen  seiner 
Schriften  darstellen. 

Zuerst  also  von  den  Beschul dignn^en ,  die  man  gegen  ihn, 
noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhaben.  Wir  fangen  billig  nit 
seiner  rorgegebeaen  geistigen  Unbildung  an.  Man  hat  behauptet, 
er  habe  in  fleiner  Jugend  nicht  einmal  eine  schulrechte  wissen- 
schaftliche Bildung  erhalten,  man  hat  ihn  einen  rohen  nawiaaen- 
den  Menschen  noch  in  dem  jetzigen  Jahrhundert  genannt,  ja  ich 
habe  selbst  eine  Schrift  des  jetzigen  Jahrhunderts  gelesen,  deren 
Verfasser  die  bekannte  Stelle  in  Hoheoheims  Werken,  wo  er  sagt, 
er  sei  unter  den  Tannenzapfen  geboren  und  bei  KSie  und  Hafer- 
brei grofs  gebracht,  als  ein  SelbstgesiSndnili  ansah,  dab  er. in 
der  ersten  Jugend  keinen  Sefanlunierricht  genossen,  sondern  als 
ein  roher  wilder  Jnnge  aufgewachsen  sei.  Hohenheim  sagt  alwr 
in  dieser  bekannten  Stelle  blofs  auf  eine  launige  Weise :  er  sei 
Schweizer,  und  höfische  Siitea  seien  der  Schweizer  Eigenihuin 
eben  nicht.  Die  Schriftsteller  des  16.  nnd  17.  Jahrhunderts  hat 
ein  gänzlicher  Mangel  Kstheiischer  Bildung  zu  einem  groben  und 
lächerlichen  Mifsverslehea  mancher  Aeultierungen  des  Paracelsus 
gebracht,  wovon  ich  weiter  unten  Beweise  beibringen  werde. 

In  der  alten  Welt  galt  keiner  für  einen  unterrichteten  Mann, 
der  der  lateinischen  Sprache  unkundig  war,  mithin  ist  es  ganz 
nalBrlich,  dafs  Hobenheims  Widersacher  zuerst  dafür  sorgen 
mufsten,  ihn  in  diesem  Punkte  zu  verdfichtigen.  Höchst  wahr- 
scheinlich ist  die  im  sechzehnten  Jahrhundert  ganz  unerhörte 
Erscheinung,  dafs  Paracelsus  als  Hochschullehrer  seine  Vortrüge 
In  deutscher  Sprache  hielt,  die  erste  Veranlassung  zu  dem  Vor- 
geben seiner  Neider  gewesen,  er  lehre  deutsch,  weil  er  im  La- 
tein sich  nicht  ausdrücken  kSnne.  Damahls  war  dieses  Vorgeben 
allenfalls  zu  entschuldigen,  aber  das  jetztxeiiige  Nachspre^en  des. 
selben  ist  ganz  unverzeihlich.  Von  mehren  angeblichen  Thaisa- 
chen,  deren  Z u sammen besieh n  entweder  unmSglich,  oder  doch 
höchst  unwahrscheinlich  ist,  kann  man  nur  die  fiir  wahr  halten, 
welche  die  glaub  würdigsten  Gründe  für  sich  hat ;  die  andern 
müssen  unwahr  sein.  Die  Thatsache^  dafs  Hohenheim,  nachdem 
er  die  Ueilknnst  erlernt,  zn  seiner  weiteren  Belehrung  Spanien, 
Frankreich  nnd  Italien  durchreiset  hat,  um  die  berühmten  Mei- 
ster dieser  Länder  kennen  zu  lernen,  hat  unparteiische  und  ge- 
wit^tige  Zeugnisse  für  sich,  ist  nuch,  so  viel  ich  weifs,  nie  be- 
zweifelt worden;  sie  stehet  aber  doch  mit  dem  Vorgeben,  dafs  er 
der  lateinischen  Sprache  unkundig  gewesen,  in  schreiendem  Wi- 
derspruche.    Er    hfilte    entweder,    wollte    er  sich     belehren ,    die 


FraniSsiscbe,  S|Mniiijhe  und  ItalittDiBche  Sprache  vertleh«!)  mris- 
MD,  wlire  '^o  ia  dieier  Hituicht  wail  noterrichtBter  gewesea  all 
Ti*Ie  QDMrar  braligm  Aenfe^  —  oder  er  bfitte  eioen  Dolmel- 
sdier  Mit  lieh  führen  nöaaea,  welehei  aber  sehr  nnwahrachein- 
lieh  ist,  deaa  sr  ward«  ihm  nicht  geringe  Koaleo  yeriirsacht 
haben,  and  ao  viel  man  geaehichtlich  weift,  ancb  aus  seinen  ei- 
genen Aeniaeningen  eraehen  kann,  war  er  nicht  wohlhabend;  — 
•der  die  FrmxSai gehen ,  ItBliänischen  nnd  Spanischen  Aerate 
müften  damchla  der  Dentachen  Sprache  mächtig  gewesen  sein, 
welches  sie  jetat  nicht  aind;  —  oder  er  hat  sich  in  Lateinischer 
Sprache  mit  den  ansllndischen  Meistern  nnterhalten  niüsseo.  — 
Da  nun  von  diesen  vier  MSglichkeiten  die  drei  ersten  gans  on- 
wabrscheiolicb  sind,  somnfs  die  Vierte  Wirklichkeit  sein.  Sie  stimmt 
anch  gana  mit  dem  Gebrauche  jener  Zeit  überein ,  denn  die  Knnst- 
Frennde  aller  Nationen  verständigten  sich  damahls  einzig  durch 
die  lateinische  Sprache  unter  einander.  —  Ich  habe  aber  Hoben- 
beims  Termeintliche  Unwissenheit  in  der  lateinischen  Sprache 
manche  nftrrische  Dinge  gelesen,  die  ich  mir  aber  nicht  ■chrif)' 
lieb  beineHit,  sie  also  auch  nicbt  bestimmt  nachweisen  kann. 
Zwei  recht  artige  SiöckcAien ,  die  mir  besonders  gefallen,  will 
ich  dem  Leser  mittheilen. 

Der  Kaiserliche  Badearzt  StrtielAerger  fSbrt  in  seinem  Bu- 
che über  den  Zahnscbmerx  viele  Stellen  ans  anderen  Schrifistel- 
lent^  an,  nnd  unter  diesen  eine  Denlsche  von  Hohenbeim, 
bei  welcher  er  folgwide  Einachaltong  macht ;  Ita  eitim  rwao»«« 
linguae  igntrax  kam«  matemo  idittmate  lequitur.*)  -w-  Da  aollte 
uns  wahrlinftig  der  Aosw  ignorax  nnd  das  matemum  idioma  auf 
den  Gedanken  bringen,  der  ehrliche  Strobelberger  müsae  selbst 
ein ,  wo  nicht  fat^tae,  doch  ÜMuinat  linguae  ignorex  homo  ge- 
wesen sein. 

Unserem  gelehrten  Jf.  Spremgel  spielt  sein  nnnberwindlidies 
Vomrtheil,  welches  er  gegen  Hnfaenheim  hegt,  einen  noch  weit 
drolligeren  Possen.  (Er  scheint  nHmltcb  auch  der  Meinnng  an 
sein,  Hoheiihelm  habe  nicht  rinmahl  Latein  verstanden.**)  )  Er  sagt : 
„Manche  dunkle  und  unverstftndliche  Ansdrücke  sind  offenbar  die 
Folgen  setner  Unwissenheit.***)  —  Nachdem  er  nun  mehre  solcher 
Ausdrücke  angeinbrt,  sagt  er:  „Man  darf  sich  ancb  nicht  darüber 
„wundern,  wenn  man   bei  ihm  das  Wort  Tonitru   declinirt  fin- 


*)  J«.  Siph.  Strobelbeifmi,  tenoistri  C««Hr«l  mariti   ate.  De  deollut  podaifn, 

•M  potini   odoBKcn,    iOmvn  dMtlm,    TruUlus  «btobtiMiniu.    LipcUa 

IS30.  pitr.  71. 
•■)  6M«Ueht«     a»T    AiMaaikaada    3t«-    Th«ll    S.  439    Ia    der    ABaaritanf. 

(NB.  Heise  Aoffibraagea  «u  diMaa  Werks  batlakes  rid  aar  die  dritte  Aar- 

taf«,  welche  voa  tSSl  bii  1838  heraoisekoniBea. ) 

••..s.,- .«.„,.  (^.^,^,^1^, 


—    u    — 

„del;  nla,  der  S/eiM  tonitrui.  Hipr  Ut  der  gelehrte  und  veralftu- 
dige  .Mann  offenbar  der  Hchluminernde  Homer.  Wir  haben  es, 
wcriha  Leser!  doch  wol  alle  in  der  lateiniscbea  Schale  gelernt, 
dufs  die  Römer  den  Donner  durch  drei  Worte  beseichneleo,  näm- 
lich, durch  das  indecUnable  Won  Tonitru  und  durch  die  declinablen 
Tonitru»  und  Toniirvum.  Wober  wubie  denn  Sprengel,  dafa 
PuraceUus,  wenn  er  sagt,  der  Siein  Unitrui,  das  indeclinable 
Tomitru  habe  deeliniren  wollen!  —  TonürUi  Ut  ja  offenbar  der 
zweite  Fall  des  Wortes  Tonitruum.  Sprengel  will  entweder 
durch  seine  Ausstellung  Uohenheiiu  mit  Gewalt  zum  unlateini* 
scheu  Menschen  tiempeln ,  oder  er  bat  selbst  das  echt  cdmische 
Wort  Tonitruuat  vergessen.*) 

So  fiel  ich  die  Menschen  in  dieser  Welt  kennen  gelernt, 
verachten  gewöhnlich  Aerzie,  -welche,  in  der  Jugend  vernach* 
lä&iget,  das  Ileilgeschäft  erlernt  haben,  alle  höhere  Verstandes- 
bildung; sie  erheben  vorzugsweise  die  Erfahrung,  and  vergesseo 
«a'gnnt,  dafs  gerade  eine  höhere,  vielseitige  Geistesbildung  den 
AfZt  weit  besser  befähiget,  richtige  Erfahrung  zu  erwerben,  als 
Geistesrohheit  und  Einseitigkeit.  Hohenheim  müfste  eine  sehr 
seltene  Ausnahme  von  dieser  Regel  gewesen  sein,  wenn  er,  wirk- 
lich selbst  aller  früheren  Geistesbildung  bar,  die  Federung  einer 
jugendlichen  Geistesbildung  an  die,  welche  sich  der  Heilkunst 
widmen  wollten,  sollte  gemacht  haben.  £r  bat  füe  aber  gemacht, 
wie  die  Leser  aus  folgenden,  ganz  anzweideutigen  Stellen  er«e- 
hen  werden.  Er  sagt:  „AlleHandwerker,  Schuhmacher,  Kürseh- 
„ner  und  andere  müssen  von  Jugend  auf  erzogen  sein  darin ,  noch 
„mit  mehr  Fleifa  von  junger  Jugend  auf  Mahier,  Bildschnitzer, 
„Goldschmiede.  So  das  in  den  Handwerken  ist,  noch  vielmehr 
„in  der  .Arzenei,  die  mehr  Lernen  bedarf  als  sie  alle.**j 

„Darum  so  ein  Arzt  auf  einen  Grund  stehen  soll,  mufs  er  in 
„der  Wiege  gesSet  werden  wie  ein  Senfkorn.***) 
*J  Da  Uh  SpTtngfl  aahr  hoehichlitie ,  lo  ih«g  ich  nicht  glinbep,  dah  er 
dareh  leloe  AatstallBSg  dam  Paracelrai  bSitich  elWH  kaba  aDhÜagCD  iroilen ; 
ich  glanba  vialoiehr ,  difi  er  dai  Wert  tonitruttnt  lelbit  Targssoep  habe. 
Hsioa  jüngeren  Later  müjiea  sieb  über  solche  Vergewenhait  einei  gelshrtaa 
Haones  siebt  wundern;  man  Bndel  dergleicbea  mehr  bei  Gelebrlen  ,  beioaden 
in  Sprachen  nnd  Zifalen,  Kampe  z,  B.  war  gewift  ein  ventindiger  Moon 
nnd  gnter  Sprach  fo  neb  er ,  der  tagt  aber  dach  in  lelneu  dentichm  WSrlnr- 
bnohe  nnler  dem  Worts  Limduntrm  Folgeoda» :  f'ietleiebt  kaben  diete  Um- 
thlere  de»  Kamen  vo»  den  Linden,  teeil  tie  geico/inlick  unter  tchSnen  Ao. 
TitH  Linden  ihr  Wrte*  trieben.  —  Der  Sprach faracher  marale  doeb  wo!  Wil- 
len ,  dar»  in  den  Niederlandea  und  ip  elnan  Tbeile  Daatooblanda  daa  Wort 
Lind  oichta  Bohr  nnd  Biahta  weaigar  bedealat,  nli  dsi  Wort  Bmnd,  dnfa 
aliD  Lindwam  gerade  daa  ist,  wai  Bandwarm j  nnd  doidi  hat  er,  iodem  er 
jeDN  »cbriab,  nicbl  an  daa  DEnnigiieh  Bekanala  gadocbl  —  Dai  Ift  4och  wol 
ein  weil  stürkerer  6«dücbtitiri«lelp«r  oJa  jener  noscr««  Sj>r<n(el. 
••)  Paragranam  Tfoct.  *. 

*  '  '■  .  „,,,_.dtv Google 


—     13     — 

Er  Isdelt  «  aehr,  daft  MSaner  im  ipateren  mXnnlichen  AI. 
tet  sich  ooch  der  Medizin  widmeten ,  welcheH ,  wie  es  Bcfaeint» 
zur  damahli^n  Zeit  nicht  seilen  geschtth.  Er  »agt:  „es  ist  un- 
„tnftglich ,  dafs  eio  nUer  Corrector  in  einer  Dmckerei,  ein  aller 
„Conventor  in  eines  Logikerbors,  ein  alter  Paler  in  einer  Sehn- 
„le  ein  Am  werde.  Denn  wenn  ein  Arzt  soll  wachsen ;  wie 
„kSnnen  die  Alten  wachsen!  —  Sie  sind  ausgewachsen  nnd  ver- 
, , wachsen,  nnd  in  Moder  vermooset  nnd  verwickelt,  dnfg  atchls, 
„denn  Knorren  nnd  Knebel  daraiiB  werden."") 

Merkwürdig  ist  es,  dafs  er  in  seinen  Scbriflen  eine  för  sein 
Zeitalter  sehr  hohe  ästhetische  Bildung  an  den  Tag  legt.  Man- 
che Stellen  derselben  enthalten  nicht  bloßi  schlagende  Wahrheit, 
sondern  dieses  Wahre  ist  auch  so  schSn  ausgesprochen ,  dafs  man 
davon  iiberrascht  wird  nnd  sich  die  Frage  stellet:  wie  war  es 
möglich,  dafs  der  Mann  xa  jener  Zeit  so  sch5n  schreiben  konnte  f 
Fremde  Völker,  die  seine  Schriften  blofs  in  lateinischer  L'cber- 
setziing  lasen,  konnten  dieses  itnmftglich  erkennen;  denn  iiiii  et- 
wa» Schönes  auch  schSn  zn  übersetzen,  dazu  gehSrt  schon,  dafs 
der  13ebeT9et7,er  einen  eben  so  guten  Geschmack  habe  als  der 
Verfasser  selbst.  Der  gnie  Qcschmack  fehlte  aber  nnseren  Vor- 
fahren; er  hat  sich  erst  im  achtzehnten  Jubrhnnderl  unter  ihnen 
gebildet,-  also  werden  die  lateinischen  Uebersetzungen  anch  wol 
sehr  geachtnncklos  gewesen  sein.  Man  war  in  früher  Zeit  so 
vonkominen  tlbcrzengf,  ParacelsuH  habe  ganz  anerlr^glich  bar- 
barisch geschrieben ,  dafs  selbst  sein  eifiigsier  nnd  wSrmsIrr  An- 
hänger, üttealfl  CrolfiHt,  in  seiner  Prae/atio  admoniloria  (Vir  nSibig 
hfilt,  ihn  deshalb  liebevoll  zu  entschuldigen.  Dieser  näniliclA  Crol- 
liiis  schreibt  aber  selbst  so  ekelhuft,  schachtelt  Parenthesen  in 
Parenthesen,  nmchi  so  ungeheure  und  durch  ihre  LSnge  fast  unver- 
alündliche  Perioden ,  dafs  ich  nie  in  meinem  Leben  etwas  Ge- 
schmackloseres gelesen  habe. 

Wie  sollte  nun  anser  Landsmann  Pnracelsus  zn  der  Hstheii- 
schen  Bildung  kommen,  (die  ihm  hent  zu  Tage,  zwar  nicht  alle, 
aber  doch  gewifs  mehre  vom  n  heil  freie  Aerzto  zugestehen  wer- 
den ) ,  wenn  er  nicht  in  seiner  Jagend  eine  gute  wissenschiifiliche 
Ersiehung  genossenV—  Gelehrsamkeit  können  wir  als  Scbrifisleller 
nns  anlügen;  Verständigkeit  können  wir  uns  auch  anlügen,  wir 
brauchen  nur  mit  neuen  Worten  das  alte  Verständige  nachzn- 
sdtreiben:  aber  ich  bitte  Euch,  werihe  Leser!  lügt  Euch  einmabl 
äsibeiiiche  Bildung  an.  Das  könnt  Ihr  ja  nidit.  Wäre  dieaes  so 
gemSeblich  zu  thao  als  jenes,  wir  würden  gewifs  nicht  so  viel 
verunglückte   Seh 3 hsch reiber  haben.     Der  Wille,   ihre   Gedanken 

'}  1.  e.  —  Er  hat  Raebt.  Ein  Aral  muf«  wadueo ,  absr  gewib  Dicht  all«, 
welche  ia  der  Jugend  galen  Uoterricht  genosien ,  wschien  la  der  Raul ;  taa 
■•Khen  werdeo  »ach  nsr  Rnorreo  aid  fiaebel. 


lieblieh  TWsairagNi,    ist  wol    bei  sllen  da,  aber   die    AnBfafaning 
gelingt  doch  den  wenigsten. 

Nun  wollen  wir  hären,  wu  Moreri  Qber  die  Jugendliche 
Geisteshildong  HobeDheimfl  sagt.  Moreri  und  Baifle  sind  xebr 
'  gnle  geschichtliche  Kritiker.  Der  letite  hat  den  ersten  da  er- 
ginzt,  wo  er  glaabwürdige  geechicblliche  Quellen  vorfand;  wo 
ihm  die  febiien ,  bat  er  geschwiegen.  Nun  findet  man  bei  Bayle 
nichts  über  Hohenheim,  also  muls  et  dem,  was  Moreri  gesagt, 
nichts  Glaubwürdiges  haben  snseixen  kBnaen.  Dieser  sagt,  in 
seinem  hekaonten  geschichtlichen  WSrterbncfae,  von  nnserm  Pa- 
racelsus  Folgendes,  und  zwar  nach  P.  Ramu*  und  anderen  Schrift- 
stellern, die  ei  nicht  besonders  namhaft  macht:  Sein  Vater  (Wil- 
helm) natürlicher  Sohn  eines  Fürsten,  war  gut  in  den  Wissen- 
Schäften  bewandert  und  wendete  gro&eQ  Fleifs  auf  die  Erziehung 
seines  Sohnea.  Dieser  entsprach  vi^lkommen  det  Vaters  Be- 
mühungen, und  da  ibn  seine  \eignng  xiini  Stadium  der  Medizin 
trieb ,  so  machte  er  in  kurser  Zeit  grofse  Fortschritte  in  dersel- 
ben. Er  bereiset«  Frankreich,  Spanien,  Italien  und  Deutschland, 
am  sich  mit  den  berühmtesten  Aerslea  dieser  Lfinder  bekannt  zn 
machen.  Bei  seiner  Heimkehr  liefs  er  sich  zu  Basel  nieder,  und 
lehrte  hier  die  Heilknnst  in  gemeiner  deutscher  Sprache.  J.  B. 
V,  Helmont,  der  aber,  als  späterer  Schriftsteller,  in  mehr  als  ei- 
ner Hinsicht  minder  glaubwürdig  igt  als  der  gleichzeitige  Peiru» 
RoMut,  berichtiget  dieses  dahin :  Pamcelsns  Vater,  ein  gemeiner, 
aber  bü che rre icher  Arzt,  hnbe  seinen  Sobn  dem  Abt  von  Spon- 
heim,  Trtlheim^  zum  Unterricht  anvertrauet,  später  dieser  von 
SigitmuMd  Fugger  die  Scheidekunst  erlernt  und  eine  grofse  Wifs- 
begierde  gezeigt.*)  Wie  stimmt  nun  das  alles  mit  der  Behaup- 
tung, dafs  er  in  der  Jugend  keinen  ordentlichen  Unterricht  ge- 
nossen %  **) 

Das  Vorgeben  einiger  Neider,  als  habe  er  Frankreich,  Spa- 
nien, Italien  und  Deutschland  durchreiset,  blofs  um  sich  von  den 
in  diesen  Ländern  zemtreuleD  Geheimflnten  und  Goldköchen  einen 


*)  J.  B.  00B  HetmoHi  op.  «bbis  ftg.  222.  Wm  er  Bbric«Ba  vod  der  Waih- 
TMOf  dM  ParBcebai  M|t ,  rerdioat  kelaa  BMcfatsBg )  er  vemeift  tWtmhit 
•eioa  cnte  W»deras|,  tob  der  Horeri  daeb  Rsntu  «priebt,  mit  Miaer  swei- 
tea.  Letite  muCt  er  w«l  aBgetretea  babea  ,  da  er  der  FrorcHnr  an  Baael 
aSde  geworden ,  deaa  Ermtwnti  aehlieCit  aeiaeB  Brier  aa  Ibn  ait  d«a  Wop- 
tea:  Vtinmm  tit  ea  ftrhaui  quae  It  Bmtilitit  meretur.  Wena  aaa  allei  Wi- 
derapreaheade  geleaei,  mt  ^reagel  aber  HobaBhaiB«  jnBeadltehe  GeiitetbU- 
daag  aach  biieberlieben  Aosabeo  aafKealalll,  »o  kina  naa  auletit  aiehta 
■abr  Blaabea  ala  dai,  was  Horeri  aach  den  gleieJuMiliEea  Ramaa  aad  nach 
aadarea ,  wabneheinlieh  aaeb  Bleicbaeitif  ea  Scbriftatellrra  sagt. 

*•}  In  der  Cbirargia  maga»  (Part.  11.  Tract.  III.  (Up.  I.]  aennt  er  bbb  aelbit 
vier  snUtlicbe  Herren  ,  oKailicb  drei  Bltebtifa  apd  eiaen  Saffraciaeun ,  derea 
Schrirtea  iba  renäglicb  belehrt. 


—     15     — 

Sadc  ToU  WDodcriM^e  ■«Hiamea  mi  betteln,  ktnm  Mr  in  mi- 
dien Kftpfen  eneagt  lein,  die  selbxt  nnftfaig  wnren,  ani  «einen 
Schriften  win  Intlicfaea  Winen  zn  erkennen.  Wer  dieses  er- 
kannt hat ,  nnd  will  ihn  nicht  al«  «inen  m  Mltanen  Wundermen. 
ichen  anaeben ,  der  blof>  darch  eigene  Geitteakraft  sich  den  Fes- 
seln seiner  Zeit  enti^anden,  der  mnla  noch  glaaben,  dafs  er  aaf 
aeiitan  Reisen  lolcbe  Belehrung  von  den  GebeiaiKnien  erhallen, 
welche  nicht  blofs  in  Geheinimitteln ,  sondern  auch  in  einer  weit 
richtigem  Anaidit  der  \atnr  and  de«  kranken  Menachenleibes  be- 
standen habe ,  als  tie  ihm  die  daniRbllge  Schule  geben  konnte  ^ 
vnraDsgesetat  jedoch ,  dafs  er  nicht  tait  Ge/fiiu  ZeMtema  denke :  Ho- 
faenbeim  aai  entweder  naier  einer  sehr  gläckliehcn  Cooslellation 
geberen,  oder  darch  die  Gaben  des  heiligen  Geistes  TOnüglich 
erleuchtet,   oder  von  allen  Teufeln  besesaeo  gewesen.*) 

Die  Befaauplnng,  die  man  in  alier  Zeit  ansgetprochen ,  daiä 
er  ein  Verächter  der  Wisaenschaften  gewesen,  hatte  daraafals  wol 
einigen  Grund;  denn  wer  das  nicht  tiir  wahr  hielt,  was  Galt» 
nnd  die  Araber,  beaondara  der  Evangelisla  Medicoram  Sleme  ge- 
sagt, der  war,  nach  den  Begriffen  jener  Zeit,  ein  VerKcbier  der 
Wiesenschaften.  Wenn  er  naa  noch  obendrein  den  Götsen  Arisio- 
telei  verspottete,  so  mafsie  er  der  rohste,  verworfenste  Mensch 
sein.**^  Veta/iut,  der  die  anatoniiscbeB  Imhümer  des  Galen 
Stück  für  Stiieh  aafdeckte ,  wnrde  deshalb  von  den  Aertten ,  na- 
mentlich von  dem  AnBlomen  JtKoi  SylviH»  angefeindet.***) 
Hier  handelte  es  sich  doch  nur  von  der  Form  der  Tbeile,  also 
▼OQ  sichtlich  erkennbaren  Dingen,  und  doch  waren  selbst  Anato- 
men so  blind  fär  Galen  eingenommen,  dafs  sie  dessen  Afl'enana- 
tomie  durch  die  Zergliederung  der  menschlichen  Leichname  be- 
BtSligel  glanbten.  Aus  dieser  unbestreitbaren  Thaisacfae  kann  je- 
der XtU,  der  auch  keinen  einaigen  Schriftsteller  aäs  jener  Zeit, 
als  nur  den  Vetalif,  gelesen,  schon  schliefsen,  dafs  Hohenbeim, 
der  die  gan»  Galeniscbe  ElementanheoHe  und  den  Aristoteles 
verwarf,    als    ein   Verächter   der    Wiatenschaflen    ma&te    ausge- 


*)  CreJa ,  aul  mira  iafimtutia  im  ea  tit  nmlmht ,  tml  mrj*r  »pirlttiM  tuneH  gratia 
fs  eo,  aal  aaivtrta  txiiteittia  DaemaMwm.  Di«  sSrriteha  Stalls  «lebst  Ta. 
I.  |Mf.  S24  ter  SmCtbarger  FoUoaiMgabe  d«r  P«niM)ti«ehM  Sebrin«. 

*0  Walde  Verfolfnf  fast  aidt  P.  Ranp  w«faa  MiB«r  ADSTtr«  «sf  die 
Arvtateliiebe  Disleetlk  «nlaldatl  INeliMM^r«  Uttmrii^*  *t  eriUqm  par  P. 
Bayle.  Wer  «ich  hindprstUeb  ifa«neii§ea  will ,  wie  im  «echxefaotos  Jtkrbm- 
dert  4er  Venrtsod  eisiig  des  A>HprüekeD  4at  Ariitotele«  saterteordnat  war, 
le«e  aar  dia  PMIataphta  HaturaUt  AnGrtgor  Honi;  «i«  iit  aber  etwu  tsop 
weilif  ta  letes. 

***)  Aadreae  Veaalil  Epiitola,  niioeen  BiidaBqaa  prapiundi  ridieii  Cfayase  da- 
eoelsai  perlractaD«  etc.  Builiae  1546.  Der  Titel  iit  la  tiog,  im  ihn  g«as  ab- 
BQKhreiben,  Au  dieiCB  Bache  kapa  naa  tiek  eine  recht  lebeadiBa  Vantet- 
Isaf  TW  dtn  fieiala  der  daauhlifes  Zeit  suiehsB.  i 


—     16-   — 

schrica  werden.  Dafg  man  aber  noch  in  nnscren  Tagen  diese 
Beschuldigung  den  (lalenikern  nachspricht,  halle  ich  für  sehr  un- 
schicklich. Wir  behandeln  ja  alleaammt  die  Kranken  nicht  mehr 
Gaiemscb  nnd  d«nioostrtren  nlohl  mehr  Arisloteliach;  also  ver- 
werfen wir  das,  was  Paracelans  dreihandert  Jahre  früfaer  verwor- 
fen. Wäre  er  diesen  Verwerfena  wegen  ein  Verftchter  der  Wia- 
senschafl  gewesen,  so  mnfsten  wir,  folgerecht,  ja  allesammt  in 
der  nSmlichen  Verdammnifs  sein. 

i\nn  wollen  wirbSren,  waser HelbstBuderheBprachpRenBeschul- 
dignng  sagt.  „Ich  habe  mich  (schreibt  er)  wol  eben  so  stark  nnd 
„heftig  auf  ihre  Lehre  gelegt  ala  sie.  Da  ich  aber  sah,  dab  die 
„Lehre  nichts  anders  als  Tödten,  Sterben,  Würgen,  £^kr^lHlM•l^ 
„P.rlahmen,  Verderben  macht  nnd  luricbt,  nnd  dais  kein  Grund  nicht 
„da  war,  so  ward  ich  beiwungen,  der  Wahrheil  in  andere  Wege 
„nachsugehen :  darnachsagten  sie,  ich  verstände  den  Avizenna nichi, 
„Cialeu   nicht,    und  ich  wüfsle  nicht,  was   diese  scbriebpn. ') 

Er  drang  auf  Selbst heobachlung  der  \etnr  und  sog  diese  der 
damaligen-  ltüch«rgelehraamkeit  weit  vor;  letxte  hielt  er,  ohne  . 
die  erste,,  für  lächerlich.  Er  sagt:  „Der  grolse  (laufen  hült  al- 
„lein  an  die  Bücher  des  Buchstabens  nnd  läfst  die  besten  Bücher 
„fallen,  ist  faul  und  will  selbst  nichts  lernen.  Sie  sagen  blofs:  das 
„bat  l'linius  geschrieben,  das  Aristoteles,  Avizenna,  Galen  etc.; 
„aber  alle  verzweifeln  sie,  nnd  keiner  will  so  viel  lernen,  dab 
„er  Galenuin  und  Avizenoani  iiberirefie,  oder  doch  zum  min- 
„desten  ihnen  gleich  werde.  Die  (inade  ist  doch  uns  gleich  so 
„wol  gegeben   aU  dem   Avizenna,    Galen   und    andern.  *' ) 

An  einem  anderen  One  sagt  er:  „Anders  sind  die  Codice» 
,iScribenlium^  anders  das  Lumen  Naturae  anders  das  Ijumen 
„apolheearior»m.  So  sie  nun  nicht  eines  Weges  sind,  und  doch 
„der  rechte  Weg  in  Einem  liegen  inufs;  achle  ich  das  Buch  Hir 
„das  rechte,  das  Gott  selbst  gegeben,  geschrieben,  dtktirt  und 
„gesetzt  hat.  Die  anderen  Bücher  (nach  ihrem  Bedünken  Conti- 
ly/ia,  Opiniotte»)  geben  so  viel  sie  mögen;  der  Natur  ist  nichts 
„genommen."  '") 


*)  Faragrmii  drittor  Traotat  tod  der  Uebjntj.  —  Htlmant,  d«r  bektnotlieh  tach 
die  Gahuiiehe  Lebre  verlier« ,  weil  er  lie  Ter  aBbreechtwr  es  den  Beilm- 
•chäFt  erksanle,  die  WakAeit^sbor  aar  lelDe  eigeBt  Weiie  (achte,  Hgt  von 
dieser  Lehre  da«  Nimliehe ,  wii  ParaeeliDB  ,  aar  ein  wenif  höflicher  :  Sntt 
fuduit  mt,  »el  ah  tdöltteentt,  qvod  oftruriut  •ocalit«  mi  opat,  tUud 
prcmilltret,  ittrelgtit  premiaii :  Ego  vtro  ad  infirmmw»  initi«  morbi  et 
eontttnHIiia  aihuc  »ibi  viribut  voeatu»,  timitm  Mturirt  pentitUrtm> 
Optra  omnim  pag.  II.  Columma  8. 

**)  De  pettilitaU  Triciataa    1. 

"')  LabyriKthiu  MirfKerum  ia  der  Vorrede.  —  Fal|«DdB  nette  sleioblaatende 
Stella  fledel  sua  bei  LancUi:  Fremant  qui  Tkearitttn  deperemt ;  dieam  quid 

.  lentio :  Biblietkeea;  mekäreitle  1  omniuat  philotephoriim  ac  mediearum  vnwi 


—     17     — 

Er  mgt  »iMminhlir  „Die  Aerat«  wellen  die  Niitiir  swingen 
„in  ihren  Weg,  4ie  dock  um  Htloher  Schütten  Lehre  rnirf  Po- 
„eheii  niefats  g;ibt.*^*) 

Umt  an  einem  andern  One:  „Wm  will  mich  der  iMensrh  leh- 
„ren  in  de«,  dna  nicht  in  ih«  iati  Die  Arzenet  liegt  nicht  in 
„dem  Menschen;  nnd  ob  der  Menmh  etwas  lehret  den  nndern, 
„fio  mufa  es  ihn  die  Nainr  gelehrt  bähen,  Hai  er  es  von  der 
„Xatnr,  so  lebt  sie  noch;  also  bleibt  er  ein  Schüler  neben  mir 
„qimI  iefa  neben  ihm."") 

Von  den  VerfHSsern  der  ibernpen tischen  Lefarbücher  sagt  er: 
„Sie  führen  eine  Ordnung  vom  Hanpte  zu  den  Füfsen,  und  all« 
„Krankheiten,  die  in  der  A-rienei  begriffen  sind,  die  niÜKHcn  alle 
„daran,  sie  keanen  es,  oder  nicht.  Beschämen  sich  :inszu)assRn, 
„das  de  nicht  kennen.  Sie  streicbea  Farbe  an,  die  manchem 
„Hein  Leib  nnd  L^ben  nimmt.  Das  ist  also,  dais  ich  der  alten 
i,Scribenten  Bücher  mit  Fleifs  nnd  Mühe  durchlesen  habe  und  ge- 
„trenlich  gefolgt,  aber  mit  grofsen  Schanden  abgezogen;  wiewol 
,,ich  nicht  allein,  andere  anch. '****) 

Merkwürdig  ist  das  Bild,  das  er  ang  von  der  Liieraltir  sei- 
ner Zeit  entwirft,  und  noch  merkwürdiger  wird  es,  wenn  vtir  es 
an  nnsere  heutige  medisiniscbe  Literatur  hallfn.  „Es  toll  euch 
„nicht  seltsam  nehmen ,  dafs  ich  oiemaad  weise  anf  die  Bücher 
„des  Pa|>ieres,  in  ihnen  den  Anfang  der  Arzenei  zu  lernen, 
„denn  die  Ursache  ist  aoth,  dafs  die  betrachtet  werde.  Kg  schrei- 
„ben  durch  einander  Gute  und  Böse,  zwtckddrnige  Leute  und  viele 
„der  Schwärmer  durch  einander,  Gutes  und  Böses  zusammen. 
„Falschen  das  Gute  durch  das  BSse,  finden  und  erheben  eher  das 
„Böse  ak  das  Gute,  und  machen  durch  einander  ejn  Plndermufe, 
„dafs  einer  in  die  Wellen-  kootmt,  kann  auf  kein  stilles  Meer 
„kommen,  und  ein  jeglicher  will  ven  andern  Federn  seinen  Aa- 
„men  erheben  und  ein  neues  aufbringen.  Dnrch  solche  Scnben- 
„ten  ist  die  Arzenei  gar  serbrachen,  und  ist  den  papieriscbeo 
„Büchern  nicht  za  vertrauen.""") 

Nun  müssen  wir  uns  zu  der  berüchtigten  Prahlerei  unseres 
Hofaenheim  wenden,  t^od  untersuchen  einmahl  etwas  genauer  als 
es  bisher  geschehen,  ob  er  denn  wirklich  ein  solch  ungeheu- 
rer Prahlhans,  oder  ob  vielleicht  seine  ihn  mifsversiehenden  Zeit- 
genossen Sehafköpfe  gewesen.     Berüchtigt  ist  seine    Prahlerei  ge- 


Birtf  vidtlur  tHperare  humnni   tiirpnra  tiber ,     rnjut  toiK»t»larii  tunt,  guol. 

juat  ab  heMinuHt  infenÜM  eraratl,    in  immrinuiH   petira    rrtctruMl.     Optra 

Tm.  II.  pag.  M3. 
*)  De  cidneo  malrieis  t  VII. 
•*)  Da  ridaco  m«tri  g     VIII. 
*")  Fragiaeit  xa    dam  Traktot  de  cadaca   mitricis. 
**■•)  Llbjriothai   Ifediiioniin  Cap.   2,  Dig  iz^di-  GoÜ'jlt' 


wifs,  denn  die  Hanptildten  an«  seinen  Schriften,  welche  ver- 
iiieimlieh  dieselbe  beweisen  sollen,  sind  nicht  blofs  tod  ^lehr- 
ten ( Geschieh  fach  reibern  hervorgehoben ,  sondern  sind  schon 
iKngst  in  AnekdoieQHHmmlnngen  nad  Yademecnm,  als  eine  treffli- 
che Speise  lustiger  Gemütber,  übergegangen.  Man  bat  sieh  aber 
wohl  gehütet,' sie  nnverfitlscht  xnin  Besten  xa  geben,  sondern  man 
hat  sie  aus  Dummheit,  oder  absichtlich  beachnilleD,  nro  ein 
schlechtes  Lieht  auf  Hobenheim»  Charnliter   zu  werfen.*) 

Hohenheim  hatte  wirklich  die L'eberzengung,  seine  Kunst,  kran- 
ke Menschen  gesund  za  machen ,  sei  weit  vorzüglicher  als  die  der 
Galeniker.  Ohne  mich  rühmen  zu  wollen,  alle  seine  Heimlich- 
keiten zn  kennen,  weifs  ich  doch  so  viel  ron  denselben  nnd  von 
der  Knnst  der  damahligen  Galeniker,  dafs  seine  Ueberzengang 
auch  die  meine  geworden  ist.  Sie  gründete  sich  wahrlich  nicht 
auf  Kinbildung,   sondern  auf  handgreifliche  Erfahrnng. 

Die  Galeniker  mtifsten  sie  folgerecht  für  grobe  Prahlerei 
ansehen ;  denn  da  sie  dnmmglänbig  von  dem  Satz  ausgingen : 
eiHxig  in  Galent  Lehre  itecke  die  wahre  Heilkutut,  so  mufsten 
sie  oothwendtg  den  fi(r  einen  onerirSglichen  Grofssprecber  halten, 
der  seine ,  aus  einer  anderen  Quelle  geschSpfte  Kunst  ihrer  Gale- 
nischen  vorzog.  Wollten  teir  aber  znr  jetzigen  Zeit  diesen 
Scblufssaiz  des  Syllogismus  noch  für  wahr  gelten  lassen ,  so  wdi^ 
den  wir  uns  alle  als  sehr  unlogische  KBpfe  bekunden;  denn  da  wir, 
als  Nichtgaleniker ,  den  Obenalz  des  Syllogismns  als  unwahr 
ISngst  verworfen  haben,  so  können  wir  auch  unmöglich  den 
Schlnfssatz  für  wahr  hallen. 

Wenn  nun  aber  Ilohenheinis  Ueberzengnng,  dafa  seine  Kunst 
vorzüglicher  sei  als  die  Galenische ,  anf  unverwerfliche  Erfahrnng 
gegründet,  nicht  Prahlerei  ist;  worin  steckt  denn  eigentlich  seine 
Prahlerei,  von  der  man  so  viel  Auflieben  machte  —  Meines  Er- 
achlens  xteckt  sie  einzig  in  dem  dreisten ,  schonungslosen ,  das 
Gemüih  seiner  Gegner  schmerzhaft  verwundenden  Aussprechen 
dieser  Ueberzeugung.  Aber  auch  diese  Prahlerei  müssen  wir  jetzt 
etwas  näher  ins  Auge  fassen. 

Es  giebt   eine  Art  Witz,    den   man   wol   am  richrigaten  den 


')  Ich  bin  weil  «nlTerDt ,  alle  die ,  waleb*  jene  StaRei  vtrsläawett  •nieführt, 
der  Büswillitkeit  la  huehnldlgeD ,  deuke  vielmehr,  difi  DSDcbe  dieielhei 
gnlglEabig  dBrnmen  aod  bHswilligen  Wldenaebern  dei  P«neeliai  werden  naeb- 
geicbriebei  haben,  i.  B.  C,  W.  Hufeland,  der  ii  «einerHakrobiolik  eine  lol- 
che  Stalle  ganz  verttBinmelt  angarakrt,  war  ein  viel  la  rechtllehsr  Mann,  ab 
dafa  er  aie  aelbat  sotlte  vcntümmelt  baben  ;  Ja  er  beaafa  eine  anlcbs  Ge- 
aohmackabitdnn; ,  dari ,  balle  ar  die  Stelle  in  ihreni  ZiiaanBenbange  snd  voll- 
atäadls  gekannt,  er  den  ricbtigen  Sinn  derielbaa  angeabliekljoh  erTaliit  nad  iia 
gawifi    Dicht   all  einen  Beweii   dar   PanecUiiehen   Pnhlarej    aBfefnhrt   haben 


—     19      - 

rahmredigen  neniM;  er  sScbligct  dreist  Baflrelen<fe  Groruprecher 
iadarch ,  gibt  sie  dadorch  dem  j^eodiehen  oder  gelieimeti  Gelich- 
ter der  Geaellschaft  Preis,  duh  er  ihrea  kühnen  BehHuptungen 
DDcb  weit  kühnere,  gasa  abkreiaende  und  ins  Llc herliche  gehende 
entgegenaetxt.  Hobenbeimi  Termeiniliche  Prahlerei  ist  nichts  an- 
den  als  solch  ein  ruhmrediger  Witz ;  will  man  ihn,  dieaes  Wiites 
wegen,  Tiir  einen  groben  Prahler  halten,  ao  wird  man  den  Herrn 
r.  Münchhaosen,  desaen  anekdotenformiger  Wi(z  der  Art  geaam- 
nelt  nnd  gedruckt  ist,  mit  eben  dem  Fuge  einen  groben  Lügner 
nennen  iHÜsaeo.  Eids  tadele  ich  allerdings:  PataceUcis  hat  unbe- 
achtet gelanaen,  iah  der  nibmredige  Wila  sich  in  der  Bücher- 
aprache  nicht  sonderlich  ansnimrat.  Selbst  in  draniaiiscfaen  Dich- 
tungen wird  er  sich  besser  auf  der  Bühne  als  beim  Lesen  aus- 
nehmen, denn  auf  der  Bühne  wird  er  darch  die  erDsibnfie  Hal- 
tung des  Schauspielers,  durch  dessen  rasche,  scheinbar  ungesuchte 
Erwiederungen,  und  durch  andere  PerattnÜchkcileo  gehoheo,  wel- 
che beim  blofsen  Lesen  wegfallen.  Abgesehen  von  diesem  Mib- 
griffe  HoheobeiiAH,  ist  es  aber  doch  kaum,  glaublich,  dafa  man 
seinen  rahmredigen  Witz  für  wirkliche  Prahlerei  gehallen ;  ja  es 
iat  goN»  nngtanblich,  dafa  man  noch  in  unserer  Zeit  solche 
Scbriftstellen  als  Beleg«  der  Prahlerei  anführt,  in  denen  er  es  nn^ 
am  Code  verständlich  genug  sagt ,  wie  wir  den  Sinn  derselben 
zu  nehmen  haben.  Es  ist  sonst  die  Weise  witziger  Köpfe  nicht, 
ihren  Stachelr^deD  eine  Erklfining  ansufaangen,  Wahrscfaeinlieh 
bat  den  Mobeoheim  eine  Ahnung,  dafg  man  ihn  mifsTctsiehen 
werde,  bewogen,  von  dieser  Weise  abzugehen.  Was  hat  ihm 
aber  seine  Erklärung  geholfen t  Nichts;  er  ist  bis  diese  Slunde 
ein  grofser  Prahler  geblieben  und  wird  es  fortan    auch  bleiben. 

K.  Sprenge/,  der  Hohenbeiius  Prahlerei  zwar  nicht  so  grell 
hervorhebt  als  manche  andere  Aerzte,  sucht  ihn  doch  auch  nicht 
von  diesem  Vjarwurfe  zu  reinigen,  welches  wol  eigentlich  Pflicht 
des  unparthe iischen  Geschichtschreibers  gewesen  wSre.  Er  scheint 
mir  aber  nur  da  in  seinem  wahren  Elemente  sich  zu  bewegen, 
WD  eine  Vergleichong  bücherlicher  Angaben  snr  richtigen  Beur- 
Iheilong  eines  Schriftstellers  hinreicht.  Da  wo  zu  dieser  Beor- 
theilnng  auch  nur  ein  ganz  mäfaiger  Grad  ästhetischer  Bildung 
gehört ,  ist  er  nicht  zu  Hause.*) 

Nun   will   ich    die  zwei  berüchtigten  Stellen  aus  Hohenheima 


*)  Dia  tJeKbmickiblUang  iahtTt  lich  zwar  bei  den  wiDlfittD  Hgoithea  darch 
eiM  BaRUfuag ,  «albit  etiraf  SebSnea  bervonsbriosBa,  (diia  icbeiot  siaa 
eipac  NatnraütaKS  la  (abSrai )  ile  Üahart  lich  «bar  dccb  bei  alica,  dia 
aia  baaitMa,  darok  ciaa  Bafibigaar,  d»  ScbSae  ib  arkeaaea  nnd  tob  dea 
UuehliMn  sa  aiteraakaidan.  War  aaiaaa  Gaicfanack  aar  ganz  fewSbsllafc 
gabitdat  bat,  dar  wird  niebl  «■■  Witupial  wSftliab  rentebes,  aicht  aiae 
ditbiwbcb  aeln  aoltande  Elnkleidsog  fSr  Pro«*  labmen.  ,1  , 


—     20     — 

MViltiii  (obüchon  mir  <!»■  Abschreiben  der  so  oft  »bgcd nickten 
ziiutdcr  int)  gnn/.  genau,  wie  sie  sich  in  der  tSimfsbiirger  Folio- 
niisgube  von  1610  ßnden,  hier  hinselzea,  und  dnun  den  gebilde- 
ten und  unparlheÜBchen  Leser  selbst  arifaeiieo  lassen.  Sie  stehen 
beide  iti  der  Vorrede  au  dem  Bache  Faragrannm,  und  innn  mufs 
nicht  übersehen,  dafs  er  in  dieser  Vorrede  geinen  Widersachern 
ihre  Unwissenheit,  ihre  alberne  Anhänglichkeit  an  die  Antorit3t 
des  tialen,  ihre  feindlichen  Gesinnungen,  ihre  Sncht,  jeden  zn 
verleumden  und  zu  verfolgen,  der  sich  einen  neuen  Weg  zur 
Wuhi'heit  bahnen  wollte,  auf  eine  eben  so  derbe  als  spottende 
VVeise  vorriiclii.  Hi<^r  sagt  er  nun:  „Ihr  mir  nach!  mir  nach! 
,tAvK:e»iia,  Gnleae,  Rhati»,  Mojilagnaiia')  Meme  etc.  mir  nnch! 
„und  ich  nicht  Kuch  nnch.  '  Ihr  von  Paris,  Ihr  von  Montpellier, 
„Ihr  von  Schwaben,  Ihr  von  Meissen,  Ihr  von  Cöln,  Ihr  von 
„Wien  und  was  an  der  Donau  und  Hheinstroin  liegt.  Ihr  Insulo 
„im  Meer,  du  Dalmatia,  du  Athenig,  du  Griecb,  du  Arabs,  du 
„IsraciiiR,  mir  nach!  und  tch  nicht  Euch  nach.  Euer  wird  keiner 
„im  hintcrsien  Winkel  bleiben,  an  den  nicht  die  Hunde  seichen 
„werden;  Ich  werde  Monarcha  nnd  mein  wird  die  Monarchen  sein, 
,,und  ich  fiiiire  die  Monarchey  und  gürte  Euch  Eure  Lenden.  — 
„Wie    gefällt   Euch    Cacophrastns  ^    —   Diesen   Dreck   miifst   ihr 

Hier  nennet  er  also  selbst  seine  Prahlerei  einen  Dreck,  den 
er  seinen  Widersachern  zu  verschlucken  gibt,  ich  sollte  denken, 
diese  Stelle,  die  freilich  stark  nach  der  unkeuschen  Derbheit  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  schmeckt,  sei  so  Tersiändlich ,  dafs  sie 
nicht  nol   eine   »ndere  Deutung  zulasse  als  die  von  mir  gegebene. 

Die  zweite,  eben  so  berüchtigte  i^ielle,  lieifstini  Zutan-iiien- 
litinge  nUo: 

„Ich  soll  Euer  Ketzer  und  Vagant  sein,  so  mich  doch  die 
„Wahrheit,  und  nicht  eure  Lügnerei,  zum  Wandern  bewegt?  Ich 
„sage  Euch:  mein  Gauchhaar  im  Genicke  weifs  mehr  denn  Ihr 
„und  alle  eure  Scribonien,  und  meine  Schuhrinken  sind  gelehrter 
„als  euer  Oa/enus  und  Avizenna^  und  mein  Bart  hat  mehr  er- 
„fahrcn  als  alle  eure  hohen  Schalen.  Ich  will  die  Stunde  grei- 
„fen,  da  Euch  die  SHue  in  Koih  müssen  umziehen.  ~~  Wie  ge- 
„FüIIt  Euch  der  Perepiamf  Wie  gefällt  Euch  der  Waldesel  tou 
„Kinsiedeln!  — 

Wie  gesagt,  Hohenheim  hatte  wirklich,  und  zwar  mit  Hecht, 
die  Ueberzeugung,  dals  seine  Kunüt  weit  vorzüglicher  sei  als  die 


')  Heinea  jSagereo  LcMrn  bemtrka  icb  ,  iti»  Bartholamtut  ttamtmgnana ,  Pn>- 
TeiMr  lu  Piiloa ,  eia  eohtar  Galanilur  ,  danahls  oMh  du  gnldM  Kalb  war, 
»ai  (liv  Aeratc  aabelel«a,  WMhalb  ibs  auch  Paraoaliai  ntcr  ü»  GGlaaB  je- 
ner Zeil  Mtil. 

"■■■  -    '■  ---— 'O" 


—    21    — 

in  tialeniker;  ftber  die  grelle  bildliche  l:^inkl«idung  dieser  Ueber. 
leugung,  das  vie|uiMeade  Gauchhaar,  die  g«Iebrlen  Schuliriiiken 
und  der  vielerfabrene  Bart  sind  doch  oSenbar  weiter  nichts,  als 
nihinTediger  VVitx,  mit  welchem  er  meinen  Gegnern  den  Landstrei- 
ctier  nnd   deo  Einaiedeliscben  Waldesel  ziirückEablte. 

^Ilen  DUO  iioter  meinen  Lesern  noch  solche  sein,  welche 
ita  früheren  läppischen  Gegnern  des  taracelsns  mehr  irauien  als 
ibrera  eigenen  Varsiande,  to  will  ich  mich  aoch  noch  dieser 
freu ndscbaft lieb  annehmen  nnd  ihnen  Folgendes  zu  bedenken 
giben. 

Wenn  die  angefnbrte  erste  Stelle,  die   von  jeher  als  die  be- 
irmandsie  hervorgehoben   iil,  nicht   ruhmrediger   Wirz,   sondern 
n  irkliche  Prahlerei  wAre,  tto  würde  ans  derselben   folgea: 
l>  Dals  Paracetsus  als  Stwingberr  in  der  Medfzin ,  als  Monarchn, 
andere  Meinungen  alx  seine  eigenen,  nicht  habe  dulden  wol- 
len nnd  nicht  habe  dniden  können. 
2)   Dafs    er    seine    Knnst   als    ein   vollendAteH,    abgeschlossenes 
Ganze  betrachtet,  das  der  Vervollkommnang  und  der  yerl>ps- 
sernng  anbedtirfiig   sei;  denn    nur   einzig  der,   welcher  diexe 
nari'ische  Meinung  von  der  Yollkonimenheit  seiner  Kunst  bat, 
und  kkin  anderer,  kann  die  Frechheil   haben,   sich  selb»!   als 
Zwingherren  öffentlich  auszarufen. 

Die  Theologen  sagen,  man  müsse  Schrift  durch  Scbrifl  er- 
klären; das  gilt  aber  nicht  blols  von  der  heiligen  Schrift,  son- 
dern von  allen  Büchern,  Wenn  Ihr,  werthe  fVmisgenossen !  ein 
neueres  Buch  leset,  und  stofst  anf  Stellen,  die  mehrdentig  sind, 
dann  deutet  Ihr  dieselben  doch  so,  daf'i  Fnre  Deiitung  mit  de^ 
Vrniandesbildung ,  die  der  Verfasser  in  dem  ganzen  Buche  an 
dpn  Tag  gelegt,  ii  herein  stimmt.  Findet  Ihr  aber  vollends  in  dein 
It'chp  andere,  deutliche  Stellen,  die  mit  dem  mehrdeuligen  ver- 
wnndl  sind,  so  legt  Ihr  leizte  gewifs  so  ans.  dnfs  sie  mit  den 
frsiPD  übereinstimmen,  zum  wenigsten  ihnen  nicht  widersprechen. 
Wollet  Ihr  sie  so  anfliegen,  dafs  sie  den  dentlicben  Stellen,  und 
überhaupt  der  Ver><tandesbildnng  des  A'erfassers  widersprächen, 
io  »Hrde  Eure  Dputuug  fine  solche  sein ,  die  die  allen  ItSmer 
eine  neidische  (invidiosa)  nannten,  wir  Deutsche  eine  gehiissige 
neanen.  Ilafs  und  Neid  langen  aber  beide  nicht  viel«  man  mufs 
l)ei  einer  solchen  Bennbeilnng  ganz  ehrlich  verfahren. 

In  der  Voraiis^eizuiig ,  dafs  die  Leser  diesen  Gruud^alx  der 
Kfiiik  billigen,  wenle  ich  jetzt  einige  Stellen  ans  llohenlicims 
^^chrifien  anführen,  die  jeder  niil  dem  prahlerisch  scheinenden 
vcffrleiehen  kann,  und  wem  der  wahre  Sinn  der  letzten  durch 
dime  Vergleichnng  nicht  klar  wird,  dem  woifs  ich  nicht  zu 
hMfen. 

In  den»  dfiuen  Tniklai  des  Buch os  Furtigrauum  sagt  Ilohcn- 

— — "-'gl^' 


—    22    — 

heim:  „Der  den  Krunkcii  tr«o  and  fromm  ist,  der  der  Nalnr  «itl 
„nachfolgen  in  ihrer  Kunst,  der  wird  mich  nicht  fliehen.  Nun 
„sind  sie  doch  nicht  alle  Kriato  nachgegangen;  hei  seiner  Zeit 
„waren  viele,  die  ihn  rerachtelen :  warnm  solEle  mir  denn  eine 
„solche  Freiheit  sein,  dafs  mich  niemand  lollte  verachten?" 

Wie  stimmt  nnn  diese  Stelle  mit  der  Monarchey  nnd  mit 
dem  Hiindebeseicben  ?  Dafs  er  seine  Kunst  nicht  als  ein  vollende- 
tes, abgeschlossenes  Ganxe  angesehen,  «rhellet  aus  folgenden 
Stellen. 

In  dem  Buche  De  caduco  matricü  f  1  heifst  es :  „Die  Arze- 
„nei  ist  noch  bis  anf  diese  Stunde  anf  keinen  Termin  kommen 
„oder  End,  sondern  für  und  für  vorbehalten,  weiter  and  raehre- 
„res  zn  lernen  und  zn  erfahren.*' 

Im  4ten  Traktat  POragrani  sagt  er :  „Nun  ist  die  Erfahrenheit 
„von  Jugend  anf  bis  in  das  Alter  und  gar  nahe  bis  in  den  Tod, 
„nicht  zehn  Standen  bleibt  einer  ungelernt.'* 

Dafs  er  wol  das  Geschwils  der  Galenischen  Bucherhelden, 
aber  nicht  die  Kunst  anderer  erfahrenen  Aerzte  verachtete ,  und 
dafs  er  sich  keinesweges  vermafs,  ein  Viel-  oder  Allwisser  zn 
sein,  gehet  ans  folgender  Stelle  nnwidersp rechlich  hervor,  die 
man  im  17ien  Kapitel  des  Buches  von  den  lartarischen  Krank- 
heiten findet.  Hier  sagt  er  deutlich ,  ganz  ohne  Riickhalt :  „So 
„du  elwas  kannst  oder  weifst  zn  dem  lartarischen  Wesen,  niagnt 
„du  es  auch  in  solcher  Gestalt  appliziren;  denn  nicht  dafs  ich 
„alle  Kunst  kann,  sondern  andere  sind  auch,  die  wissen  und 
„können." 

Nun  wollen  wir  von  der  Asirologie  reden,  anf  welche  er  an- 
geblieh   seine  Heillehre  soll  gegründet  haben,*)    da  -er    doch    in 


*)  SpTtngtl  Mgt  in  isiaer  Guckichle  d«r  Hediiin  ( 3.  Tb«il  Seite  439)  Holeft- 
btim  «el  aar  Oeco}ampaiiu»  EnpfehloDS  Hochieh  all  ehre  r  ig  Baiel  gewordea. 
Dai  itetet  Ja  In  den  (rettilen  Wldenprscbe  mit  der  Behanptang  ,  er  habe 
lelae  Belllehre  aar  Mtrnlo^iiebeD  Uotina  f^rSndtt.  Oteelampaiiug  Is  aelaea 
exefetltrben  CouBCDlarien  aber  dai  Bach  Hieb  (Cip.  38.  V.  33)  ugt  v*i 
der  RoMt  der  Aitrologen:  doh  e«t  alle  vaniar  et  inoertier.  Beim  2.  VerM 
dei  10.  Cap.  d«e  Jeremiai,  welcber  lantet :  I6r  tollt  nitht  der  Heiden  Weit» 
lernen  und  tollt  euch  nicht  furchten  eer  den  Xelthen  det  Himmelt  teie  die 
HeidemZttch  färehten  —  atgt  er  Folpendei :  Loeoi  eit  tuigala  eoatra  Aatr»- 
lofof  lapMlor«!  oneioM  nuilBiei.  Seira  antem  eman  eoali ,  ortam  «t  «•• 
Miui  atellaram,  e  qnibat  tenpomm  d)itin«ii«  luhetar,  calpa  caret.  Fatara 
antam  lade  praedieere  el  vin  alellia ,  qnem  naa  babeal ,  tribaero  ,  inpiaH 
eal ;  ex  prino  ealBi  Geaeaaoi  diBcimat ,  qaod  eanun  eal  laeera  et  dlatiafaer« 
tenpora ,  operatiaaen  aaten  la  elemeetli  Scriptan  aoa  lideribiu ,  aed  Deo 
tribalt,  et  pr«pterea  aon  eal  lerribile  Sainntt  aaqae  mite  VeaerU  aatran  ate. 
Aaeh  aber  dea  lelilaa  Vera  dea  14.  Cap.  Mgt  er  etwai  AebaUeket.  Wie 
ktaa  »an  aaa  glaabeg ,  daf«  dieaer  ehrlMe  Mann ,  der  dl*  Aalrologl«  eiaa 
■oitleie  asd  betrlgerijobe  Hnait  aauat,  HobeohalR,  bitte  dieaer  wirkliah 
Miae  Heillebre   aaT   ailrolagiteban  Uaiiaa  sefrfiadet,   wun  Amte   eiaaa  Hoeb- 


—    23    — 

seioeB  Sehrifilea  ausdrucklich  gegen  dieaen  AberglirabeD  aviner 
Zeit  eifert.  Dieses  ist  gerade  die  Beschuldigung,  von  der  er  sich 
am  gemäcblichslen  reiaigea  läfat. 

BeltanDtUcb  nahm  man  lu  seiner  Zeit  und  io  früheren  Jahr- 
hunderten beim  Aderlässen  besoadere  Itücksicht  auf  die  (lesiirne; 
das  Aderlabmännlein  hat  sich  ja  noch  bis  diese  Stunde  als  ein 
alienbüinliches  Bild  in  etlichen  Volkskalendern  erhallen.  Wir 
müiuen  eiamahl  hören,  was  Uohenheim  in  seinem  Buche  vont 
Aderlässen  darüber  sagt.  Da  ich  aber  nicht  alles  ubicbreibeM 
kann,  was  er  sagt,  so  biiie  ich  jeden,  der  sich  überzeugen  will 
es  selbst  nachniseheD ;  ich  kana  hier  nur  einige  kurze  Stellen 
worilich  midheilen  und  von  den   längeren  einen  Auszug  geben. 

Im  Anfange  des  ersten  TraktatS'  macht  er  darauf  aufinerksaBi, 
dafa  Aderlässen  io  vielen  FftlUa  zwar  nufzioa,  aber  doch  auch 
ohne  sichtlichen  Schaden  angewendet  werde.  Wenn  ea  nun  im 
giiten  Zeichen  verrichtet  sei,  beweise  das  doch  sehr  schlecht  die 
liichtigkeit  der  astrologischen  Hegeln.  ,, Dabei  merkt  auch  (sagt 
^«r)  so  im  gnten  Zeichen  nichts  Arges  begegnet,  wird  es  auch 
„nicht  im  Wollen  begegnen,  und  so  Im  Wollen  ein  Arges  be- 
„gegnet,  wird  ea  ench  noch  im  guten  Zeichen  begegnen;  denn 
„die  Krankbeil  ist  an  dem  Ort  mehr  denn  der  Himmel,  aie  will 
„angesehen  sein ,  und .  nicht  in  ihren  N(>ifaen  nach  dem  Himmel 
„regiert  werden,  haut  Eiieh  eins  sagen,  damit  ich  dies  Argu- 
„uient  bescblieÜBe;  Suchet  euch  ein  gutes  Zeichen  aus,  und  unter 
„demselben  lafst  fnnfsigen  gleich  Ader  schlagen,  so  wird  euch 
„funfzigeriei  begegnen.  Dieses  Begegnen  kommt  nicht  ans  dem 
„Zeichen,  sondern  ans  der  Krankheit.  Dieweil  Euch  solches 
,, nicht  will  maeo  Unterricht  geben,  womit  meinet  Ihr  dann,  dafa 
„Ihr  xa  unterrichten  seid?" 

„Weiler  merket  auch:  ao  Ihr  Ader  schlaget  mit  aller  Anv- 
„erwähiung,  dafs  ofimuhls  die  Arme  erkrümmen,  geschweUen 
„nnd  auflaufen.  Solches  wird  von  Ench  der  Himmel  nicht  be- 
„schuldigflt ;  aber  den  Meister,  der  aie  geschlagen ,  seihet  Ihr,  er 
„habe  vergift,  bös  Eisen  gehabt;  welchen  ich  eittschnidige  und 
„sage  Nein.  Ibr  habt  unrecht  gerathen,  aus  welchem  Unrecht- 
„mthen  das  lüebel  entstanden  isi ;  nnd  so  es  im  \euen  beacheben 
„w&re,  so  hätte  es  der  Himmel  müssen  gethan  haben,  nnd  die 
„Irmng  wSre  der  Astronomie  zugelegt,  so  sie  doch  der  Arzenei 
„unterworfen  ist." 


■ckallokrcra  lollte  «n; rohlen  habeoT  —  Bai  loletiai  nnd  UnlieheD  Widertfrl- 
eken ,  ssf  wclcbe  wir  oaeh  in  der  Folge  «lofieD  werden  ,  dseke  iek  fMmer 
■a  dM  WM  BayU  ie  teilen  blrtoriKh-erilitcbea  WSrterfaacke  vei  den  Ver- 
lioadaagea  lagt,  die  nu  Über  Latber  verbreitet:  Oa  a'e  en  ^rd  ••  «eis, 
■i  au  vraieeKlklable ,  ai  aeS  regtea  de  l'art  de  miäht,  «t  l'en  «'eel  iomai 
loele  te  hardlcue  de  ceaz,  qni  eoitt  trei-pereotdei,  qee  Ie  peblie  adoptera 
avcBfUBcat  Icat  ee  qa'Üa  debiuront,  ^ael^au  abtarde  qu'il  psiue  dire.        i 


-    24    — 

WnH  er  weilet  tagt,  will  ioh ,  weil  es  ku  waillÜMfliff  >u,  im 
Aiiftzog  (lern  Leser  mittheilen.  Rr  be«ei'kt:  unbedeutend  schei- 
nende  Wunden  würden  zuweilen  lödilich;  die  Aente,  die  das 
Dipiit  erklären  könnten,  schöben  ans  Einfalt  die  Todilichkeii  auf 
die  Geiiime,  sagend,  solclie  Lerne  seien  unier  einem  bösen 
Zeichen  verwundet.  Diese  Meinung  Ijicheilich  lu  machen,  führt 
er  wirklich  einen  schlagenden  Beweis  an.  In  einer  Schinchi,  sagt 
er,  werden  zn  einer  und  derselben  Zeit  etliche  tausend  Menschen 
verwundet;  nun  lehre  aber  doch  Aih  Krfahrnng,  dafs  von  diesen 
manche  Scbwerverwnndete  genesen ,  und  manche  Leichtverwun- 
dete sterben;  daraas  folge  doch  ginz  iinwiders|ireclilich,  dafs  die 
(■eslimnng,  unter  der  sie  verwundet  worden,  keinen  Eintlufi  auf 
die  Todttichkeit,    oder  Heilbarkeit  der  Wunde  haben  können. 

In  dem  Buche  De  vera  inßuentUi  rei-UM  sagt  er  über  die 
HeilkrJifle  der  Kr&uter,  im  ersten  Traktat  Folgendes. 

„So  wir  nun  wissen,  dafs  das  Kraut  die  Tugend  hat,  so 
„ist  die  Frage:  wie  kommt  die  Tugend  in  das  Kraut j  —  Der 
„Bescheid  ist :  nicht  ans  den  Planeten,  nicht  aus  den  zwölf  Zeichen, 
„nicht  aus  anderen  Sternen,  sondern  nus  Gott,  der  hat  es  dnhin 
ng*gßhen.  —  —  —  Es  ist  aber  srbwer,  den  grofsen  irrigen 
„Hänfen  da  berein  zu  fiihren,  die  sich  in  des  Himmeli«  Angesicht 
„belustigen  und  lassen  sich  bedünken,  sie  sehen,  wie .  Mnrs, 
„Saturnua  und  dergleichen  den  Menschen  etc.  uiachen.  Gott  ist 
„der  Schmied  und  setzt  keinen  Statthalter,  aU  die  vermeinte 
„Aslronoraia  und  Sternguckerei  sammt  etlichen  Büchern  der  Fhilo- 
„Nophen  ausweisen.  Daher  zu  wiseen,  dafs  aller  Dinge  Tn^en- 
„den  (ohne  nlle  Mittel  and  Einkehren  unterwegs)  von  Uoii  in 
„die  Natur  laufen." 

In  dem  Buche  De  inveHlione  arlivm  am  Rnde  des  3.  Traktats 
hütt  er  sich  darüber  auf,  dafa  die  Astrologen  selbst  nnserem 
Heilande  die  NaiivilSl  gestellet,  er  sagt: 

„Es  ist  umsonst  dafs  die  ABtroHomi  den  Himmel  stellen  auf 
„<<eine  Geburt  und  ihn  dadurch  loben  wollen,  er  sei  im  guten 
„Gestirn  geboren.  Wie  viel  sind  mehr'  Kinder  auch  geboren  xur 
„selbigen  Zeil  tn  seinem  Lande  und  weiter,  und  worden  mehr 
„Narren  daraus  denn  Witzige.  Darutu  ist  es  eine  Lapperei,  die 
„Dinge  also  zu  erigiren." 

Wer  ist  nun  unter  meinen  Lesern,  der,  nach  diesen  ganz 
unzweideutigen ,  bestimmten  AeiifBerungen  Hohenbeims ,  noch 
behaupten  könnte,  er  habe  seine  Lehre  auf  astrologischen  Aber- 
glauben gegründet)  Seine  Astronomie,  die  er  eine  der  Säulen 
der  Heilkunst  nennt,  iat  ein  ganz  anderes  Hing;  v»o  der  loofs 
ich  weiter  nnten  ausführlicher  reden.  Sie  halte  ioh  für  eine  der 
gröfsten,  aber  nützlichsten  Heimlichkeilen  der  damahtigen  iatroche- 
mischcn  Sekte,   und   da   sie  für  i:us  Praktiker  seit  dem    siehzehiv 


—    25    - 

tn  isbriiuMlArt  kein«  Heimlicbkait  meiu  ist,  so  werden  wir  auch 
wdI  Hobaoheims  Aeufgerungeo  darüber  besser  versiehen,  als  man 
iie  im  16.  und  t7t0«  Jahrhundert  verstanden   bat. 

Nun  zur  Tbeosophle,  aaf  uelcbe  er  anch  angeblicli  seine 
Heillehre  soll  gebaaet  haben.  Welchen  bestimmten  Begrilf  ver- 
biDdct  man  mit  dem  Worte  Theosophie^  Ich  weifa  es  wahrhaftig 
Dichi.  üa  das  Wort,  ins  deutsche  übersetzt,  Uottesweiaheii  heifst, 
10  joUie  man  fast  vermuihen,  ein  Theosoph  müsse  luebr  von  der 
(ioiiheit  wissen  als  andere  ehrliche  Leute.  Was  kann  er  aher 
Diehr  davon  wissen  t  Einen  deutlichen  Be^iff  v»a  dem  \\'esen 
in  Gottheit  kenn  er  ja  nicht  .haben ,  oder  er  selbst  müfste  Gott 
sein.  Von  den  Eigenschaften,  die  der  Gottheit  beigelegt  werden, 
iaon  er  keine  andere  Begriffe  haben  als  veroeinende;  denn  wena 
nui  sagt:  GoU  sei  allmächlig,  allwissend,  allweige,  u.  s.  w., 
M  bellst  das  doch  weiter  nichts,  als,  Gott  ist  nicht  so  unmäcbiig, 
Kl  unwissend ,  so  uoweis«  ab  wir  Menschen.  Uie  ganze  Tfaeo- 
M|)hie  ist  wahrscheinlich  in  manchen  Köpfen  blofs  eine  Ausge- 
burt der .  Pbaotasie ;  und  weil  die  Phamasie  des  Menschen  sehr 
üppig  ist,  in  das  Grenzenlose,  Unerkennbare  herumschwäniien 
kann,  so  wird  der  Phantasietheosoph  sich  auch  wol  eiobilden 
hönnen,  in  einer  innigen  Verbindung  mit  der  Gottheit  zu  stehen 
und  uoniitlel  barer  Eingebuagen  derselben  gewiirdiget  zu  werden. 
Die  Erfahrung  hat  aber  zur  Genüge  gelehrt,  dafs  die  Phantasie- 
Üieosophen  eine  grofse  Neigung  zur  Beschaulichkeit  haben;  die 
Xaiar  dieses  Glaubens,  bringt  solches  auch  schon  mit  sich.  Wie 
«limuit  nun  diese  Erfahrung  mit  dem  thätigen  Leben  Hohenheiau, 
der  die  halbe  Welt  durchwandert ,  viel  Kranke  behandelt  und 
nach  obeadrein  viel  Bücher  verfafst  hat!  Es  siebet  ja  in  dem 
grellsten  Widerspruche  mit  dem  Geschichtlichen. 

Wollte  man  solche  Stellen. seiner  Schriften,  in  denen  sich 
Kin  Iromiues  Gemnib  etwas  krgfiig  ausspricht,  als  einen  Beweis. 
uführen,  dafs  er  foei  Uebung  der  Kunst  auf  unmittelbare  güuliche 
Eiagebang  g«rechnet  habe,  so  müfsle  man  manbhe  unserer  Theo- 
logen and  Dichter,  ahnlicher  Aeufseningen  wegen,  auch  zu  den 
gemeinen  Phantasietheosophen  zählen.  Wir  sind  so  billig,  dieses 
siebt  zu  thun;  warum  sollten  wir  denn  bei  der  ßeurtheilung 
Uohenheims  diese  Billigkeit  verläugnen?  Deshalb  vielleicht, 
weil  unsere  nnäslbeti sehen  Vorfahren  so  blind  gewesen? 

Ich  werde  jetz>  einige  Stellen  anftihren ,  und  den  gebildeten 
Leser  selbst  urlheilen  lassen. 

In  dem  ersten  Paragraph  des  Buches  von  den  hinfallenden 
Siecbiagen  äufiert  er  die  Meinung;  die  Menschenliebe  treibe  den 
Am  weit  besser  ia  der  Erforschung  der  beilsamen  Heimlichkei- 
ten der  Natur,  als  der  Hochmulh  und  andere  Leidenschaften. 
Hier  sagt  er  dann:  „Ist  dein   Herz   getreu   und  gerecht;   ehe  dir 

-- — '^^8l^" 


—    26    — 

„TTÜrden  Kunst«  gebresten  durch  deine  uDwiuende  Erfahrenheit» 
„es  würden  ehe  mit  dir  die  KrButer  nnd  Wurzeln  reden,  darin 
jdann.wSre  die  Kraft,  der  du  Nothdurft  hättest.  Willst  du  aber 
„in  Zweiflung  fallen  und  dich  mensch  lieber  Anweisung  bebelfen, 
„aufserhalb  vorangezeigter  Schule,  so  werden  dir  zu  Stummen 
„werden ,  was  du  in  der  Hsnd  trügst." 

Er  hat  den  Glauben,  die  Geilheit  habe  Heilmittel  gegen  alle 
Krankbeilen  erschaffen.  Es  ist  wirklich  leicht  einzusehen,  dafs 
ein  Arzt,  der  diesen  Glauben  hat,  aacb  Heilmittel  suchen  wird, 
dafs  hingegen  der,  welcher  denselben  nicht  hat,  sie  nicht  suchen 
wird.  Letzter  behilft  »ich  mit  mentekUcker  Atneeüvng,  er  sucht 
alle  Weisheit  in  den  Büchern ;  findet  er  in  diesen  das  Heilmittel 
nicht,  dessen  er  bedürftig,  so  beruhiget  er  sich  nnd  Iröstet  sich 
mit  dem  gemeinen  Trosie ,  er  habe  sein  Bettet  gefhtrn.  Nna  ver- 
hKli  sich  doch  die  Wahrscheinlichkeit  wie  hundert  gegen  eins, 
dafs  der,  welcher  ein  Heilmittel  emsig  sncbt,  es  eher  finden  wird, 
als  ein  anderer,  der  es  nicht  sucht;  mithin  ist  auch  wol  nichts 
mystisch  Theoso^hisches  in  Hohenheims  Rede;  man-  möchte  denn 
das  dichterische  Sprechen  der  Kräuter  und  Wurzeln  dafür  nehmen, 
welches  doch  wahrlich  eine  sehr  gezwungene  Auslegung  sein 
würde. 

Sollte  nun  aber  dennoch  jemand  anf  das  wirkliche  Sprechen 
der  KrSnter  und  Wurzeln  bestehen,  so  mag  dieser  folgende  Stelle 
aus  Hohenheims  erster  Venheidigung  hdren. 

„Eine  jegliche  Krankheit  hat  ihre  eigene  Arzenei,  denn 
,,Gott  will  wunderbarlich  mit  den-Kranken  gesehen  werden,  als 
„niimlich  in  den  Krankheilen  des  fallenden  Siechiagps,  in  dem 
„gühen  Schlage,  im  St.  Veitstanze  und  allen  andern,  nicht  Noih 
„hier  zu  melden.  Gott  ist  der,  der  geboten  hat,  du  sullst  den 
„Nächstenlieben  als  dich  selbst  und  Gott  lieben  vor  allen  Dingen. 
„Willst  du  nun  Gott  lieben,  so  mufst  du  auch  seine  Werke 
„lieben:  willst  du  deinen  Nächsten  lieben,  so  miifsi  du  nicht 
,, sagen,  dir  ist  nicht  zu  helfen;  sondern  dn  mufst  ERgen,  Ich 
„kann  es  nicht  und  verstehe  es  nicht.  Diese  Wahrheit  entschnl- 
„diget  dich  vor  dem  Fluche,  der  wider  die  Falschen  gehet.  Also 
„merket,  wie  gemeldet  ist,  dafs  weiter  aoll  gesucht  werden  so 
„lange,  bis  die  Kunst  gefunden,  aun  welcher  die  rechten  Werke 
„gehen;  denn  so  Kristus  spricht :  perserufamtni  »criptura» ,  warum 
„wollte  ich  nicht  auch  sagen:  perscrnlamini  natura»  remml" 

Diese  Stelle  widerspricht  ja  geradezu  der  göttlichen  unmittel- 
baren Eingebung;  denn  wer  die  Aerzte  ermahnt,  die  Natur  der 
Üinge  zu  erforschen  und  Heilmittel  so  lange  emsig  zu  suchen, 
bis  er  sie  gefunden,  der  wird  doch  wol  nicht,  in  Beschaulichkeit 
versenkt ,   auf  göttliche- 'Offenbarung  harren. 

Xun  will  ich  noch  eine  Stelle  berseuen,  die  den  Geschmack- 


—    »7    — 

ioMn  dra  PfcantHfliMheMophie  HfthenheiiM  mag  bMlItiget  babea> 
ia  der  aber  ein  gelAalerter  Gescbmack  wol  schwerlich  den  GUa- 
b«n  an  gSilUche  Eingebung  entdecken  wird.  Die  Stelle  itehet 
im  Sten  Kapiiel  des  Bachei  von  den  naiGrlichen  DingeD  und  lau- 
te! also:  „Von  allererst  seUe'n  wir  lachen  das  Reich  Gottes;  ab«r 
„nicht  bei  den  Priestern ,  noch  bei  den  Leviten ,  sondern  bei  den 
„Snmaritanen,  So  wir  die  Barmheraigkeit  io  uns  haben  und 
„ihun  dieselbe  aneh,  so  iit  Gott  mit  uns  auf  solche. Barinherxig- 
,,keii,  nnd  ob  keine  Hülfe  da  wir«  geschaffen  in  der  Natur,  er 
„würde  von  Sinnde  an  sie  flehaffen.  Aber  dieweil  levitisch  und 
„priesterlicb  von  den  Aerzten  gehandelt  wird ,  so  bleibt  die  Kunst 
„in  der  Hand  Gottes;  die  Kranken  fahren  m  Gott  in  sein  Reich; 
„der  Ant  lum  Teufel,  auch  in  sein  Reich,  das  soI^wd  priester- 
„licben  Aenien  und  leriiischen  Doc/oribm  bereitet  ist.'* 

Noch  eine  Stell«  aus  dem  vierten  Traktat  des  Baches  Parm- 
granvm  mag  hier  einen  Plan  6nden.  „Du  mufst  in  Gott  eines 
„ehrlichen,  redtiehen ,,  starken ,  wahrhaftigen  Glaubens  sein,  mit 
,, allem  deinen  Gemüthe,  Hera,  Sinnen  und  Gedanken,  in  aller 
,, triebe  und  Vertraanng.  Alsdann  anf  solchen  Glauben  und  Lie- 
„be  wird  Gott  seine  Wahrheit  nicht  von  dir  ziehen ,  und  wird 
„dir  seine  Werke  offenbar  machen,  glaublich,  sichtlich,  tröstlich.'* 

leb  sehe  diese  S(«(len,  nnd  manche  andere,  blolä  ah  Offen- 
barung einer  höheren  LTtik  an,  die  in  anserm  ehrlichen  Lands- 
mann» glühte,  und  die  mit  der  alhemeo  PhaMasietbeosophie 
nichts  gemein  hat.") 

Sollte  aber  dennoch  Jemand  geneigt  seio,  die  aogefBfarten 
Stellen  als  Prosa  wSrtUch  zu  nehmen ,  so  will  ich  sn  dessen 
Bekehning  Hohenbeimt  Anslegnng,  wie  der  Ant  an  der  EAennt- 
nila  der  Heilwirkung  der  Arzeneien  gelange,  hier  hinsetzen,  da- 
mit sich  jeder  Zweifler  oberzenge,    Hohenheim  sei  zu    dieser  Er- 


*)  lek  varBathB ,  imtt  TonegUd  HctankehDi  AMbcrnDg,  Mif  die  ■ts  biulK 
im  leineB  SchrifUii  ttSht;  du  liSchila  Wbibd  ■«'■  der  Urqiell  tller  Ddlilichco 
irdiictea  KaantiiiM,  aUo  «üb  dar  araeDaiiiebeD ,  ibo  bei  LaieblainDigaa 
aad  UasHabi^D  xam  Pb«Dlaaietbeo*opIien  («micbt  babsa.  Io  Jeaer  Aenneruns 
■leckt  aber  do«b  keiBesweia  der  Glisbe  aa  eine  namitleUMre  gSttlicbe  Bia- 
f^Df.  Uatar  Wille  (aiaa  aeaae  ibn  Inaerbia  dea  fraiea)  Ut  ai  wabrlieb 
aiehtalleia,  der  aai  befakiBet,  aätiUcbe  Hellbeinliehkeiten  zu  eutdecken, 
•ondera  Zeit  and  Umjtlade ,  die  docb  •iiinintlich  aicbt  in  nnterar  Gewalt  i(a- 
hea ,  ile  aiad  ei ,  die  In  aoa  den  Willen  an  niialicken  Foncbnnsen  waeken, 
■1«  iind  e«,  die  diesen  Willen  atltan  ood  Ihn  emiarken,  dar«  er  niebt  lalh 
wvde.  Weaa  alaa  Hoheabeua  ia  lelaem  (reaaea  Siane  aar  den  blbliiehaa 
Sanwb  kinwaitel:  aVt  guia  Cata  md  allt  v»lUowtmemt  Gab»  t»mwtl  *«> 
oie»  ktrab,  eaa  äMm  Vmtar  d>i  Liclili,  aa  wird  er,  denke  iab,  wo)  eha 
la  got  begriffen  baben ,  all  wir  alleiamBit ,  dafa  der  Valer  dei  Liebla  feaof 
Mtörliebe  Hitlal  und  Wege  babe ,  den  Ant  aa  niilillchen  Enldaekangeo  ii 
Uiit»;  der  abcraatirticlies  fiiagebang  alio  gu  aiebt  bedorTe, 


—    28    - 

keDtUaifs  gerade  auf  die  aänilicbe  Weüe  gelangt  als  wir  alle- 
samiut,  ond  seine  siirecbenden  Kriioter  und  Wurzeln  und  sein 
uene   Mittel  schRtfender  Gott  seien  blafk  lyriaofae  JBiidenjiraclie. 

In  dem  dritten  Paragraph  De  caiittcü  gibt  er  laehre  Wege 
an,  duroh  welche  die  Aerzle  zur  Crkenntnifs  der  Heilkräfte  der 
Arzeneiintitel  gelangea.  Die  Stelle  ist  aber  su  lang,  um  sie  ab- 
xuKcbreiben,  und  auch  xn  wenig  bemerkenswerth ;  denn  znlMzt 
lauft  alle«  darauf  hinauSi  dafs  der  Zufall  gröfatentheilH  die  Heil- 
kräfte der  Arzene'ien  entdeckt  habe.  Die  Einfalt  der  Menschen, 
nichiige  zauberiacbe  Künste,  die  Chironianlie  der  Pfianzen,  die 
Aehnlichkeit  der  Form  und  manche  andere  irrige,  abergläubische 
Ansichten  haben  zu  solcher  Entdeckung  Veranlassung  gegeben. 
So  mag,  sagt  er,  manches  Mittel  blolig  der  Seltenheit,  oder  der 
Tbeure,  oder  des  Geschmacks  wegen  verschrieben  sein,  und 
man  hat  ganx  absichtslos  eine  herrliche  Heilkraft  in  dem  gegebe- 
nen entdeckt-  Nun ,  wer  ist  unter  uns ,  der  an  der  Wahrheit 
dieser  Rede  zweifeki  mäcbtef 

In  dem  ersten   Traktat  De  Petti/itate  findet   man   noch    eine 
nette    Stelle    der    Art.      Er    sagt:      „Es  sind  -  mancherlei    Arie- 
„neien   von   dem   gemeitieo  Manne   erfunden  worden,  davon  noch 
„in    der    Arzenei     die  .Kränler     ilen    Nameo    tragen,     wie    den 
„gelehrten   Aerzten   wissenltich.     Es   sind   aber    solche  Arxeneien 
„in   des   gemeinen    Maiines   Händen    gealanden,     wie    ein    gntei 
„Schwert  in   eioes   Krenken  Gewalt  und  Hand,  denn  er  kann  ea 
„nicht  führen.     —    —     —      —     —     — .    —      —     —     —    — 

„Solche  Arzeaeien  langen  an  uns  Aerzle  aus  des  gemeinen  Mun- 
„nes  Händen;  so  sollen  sie  doch  nicht  anders  in  unsere  Hände 
„kommen,  denn  wie  ein  gutes  Fechiscbwert  ans  des  Unerfahrnen 
„Händen,  der  das  Schwert  nicht  kann  brauchen.  Aber  so  wie 
„es  in  eines  erfahrenen  Fechiraeistors  Hand  kommt,  und  nach- 
,,mahla  der  Fechfmeisler  das  Parat  damit  schlägt,  und  braucht 
„es  nach  seinem  Willen  künstlich,  also  sage  ich,  soll  auch  ein 
„Doctor  wissen  kfinsilicher  zu  handeln  mit  der  Arzenei  als  der 
„gemeine  Mann." 

Haben  denn,  werden  meine  Leser  jetzt  fragen ,  alle  Aerzle, 
selbst  unser  gelehrter  Gescbichlsch reiber  K.  Spreugel,  sich  so 
gröblich  in  Paracelsua  geirret}  sollte  er  wirklich  der  Theosophie 
nicht  angehangen,  sie  nicht  mit  der  Medizin  vermischt  habendi  — 
Ganz  unbedingt  mag  ich  das  eben  nicht  behauptet]:  ich  behaupte 
blofs,  er  war  nicht  gemeiner  Phantasieiheosoph.  Ich  weifs  iiichi. 
oh  unsere  Philosophen  zwei  Arten  der  Theosophie  unterscheiden- 
ich  unterscheide  sie  aber,  und  zwar  nicht  als  Philosoph,  der  ich 
nicht  bin,  sondern  a|9  Beobachter  des  leiblichen  und  geisii^m 
Menschen,  der  ich  als  Arzt  sein  iimfs.  Die  Art  der  Theoso]ihte, 
von  der  wir  gesprochen,  ist  eine  Ausgeburt  der  Phaulasic. 


Eiu  andere  Art  ül  ratn«a  Enengnifs  itw   sitilicben  GeRihU; 
TMi  dieser  letiiea  möchie  ich  Hobenhcim  ntcbt  frei 


Was  iHRD  daren  hin  nnd  wieder  bei  den  nach  paracet  riadien 
UeheimSnten  findet,  ist  dunkel;  so  nel  ich  weirs,  hat  sich  kei- 
ner bestimmt  und  aasfShrlich  darfifacr  geünfsert.  CroUitu  spricht 
iwar  in  seiner  Pra^alia  admo»iloria  viel  davon;  seine  AnhXng- 
liehkeit  an  kirehlidie  LehnStse  macht  aber  das  Dunkle  noefa 
dankler,  bo  dafs  man  zulelat  aelbit  nicht  weifs,  was  er  ha* 
ben  will. 

Ich  kann  dem  LeflOT  -won  dieser  Gefählslheosophie  nicblt 
anderes  sagen ,  als  das ,  waa  mir  als  Gesa mniicind nick  too 
dem  Einzelnen,  auf  welches  ich  hin-  und  wieder  gestoben,  über- 
geblieben,  nnd  dieses  mag  angefiihr  Folgendes  sein. 

Die  Heilkunat  gründet  sieb  urspriingiieb  aof  das  Gesets  der 
Liebe,  welefaea  ans  nicht  voa  AaÜMo  gegeben,  sondern  Theil  an* 
aeres  geistigen  Wesens  ist.  Wie  die  ünfsere  Welt  uns  den  Glau- 
ben an  eine  allmSehiige  Welinrsache  aufdringt,  so  dringt  die  heilige 
Welt  in  unserem  Innern  uns  den  GlaiAen  an  eine  unbegriR'ene 
llrliebe  auf.  Das  Gotusgesetz .  der  Liebe,  welches  in  uat  lebt, 
ist  in  Widerspruch  mit  unserer  Sinalicbkeit ;  je  mehr  wir  aber  dem 
Geseixe  folgen,  Geis,  Hocfammb,  Selhetsucfai  und  andere  Lei- 
denschaften in  DU  bekämpfen,  am  so  stärker  wird  <fflser  Gianbe 
an  die  Uriiebe.  Der  höchste  Grad  dieses  Giaubeux,  der  aber 
nnr  dureb  mügliofaste  Beficinng  von  allen  irdischen  Leiden- 
schaften erreicht  wird,  ist  die  innige  ^'eieinignng  mit  der 
Gottheit.  Auf  dem  mit  der  Urliebe  geeinlen  Arst  ruhet  der 
Gottesfriede,  der  ihn  beftihiget,  die  schweren  PSichlen  seines 
Bemfes,  die  nur  au  oft  dem  sinnlichen  iVlensehen  widersireitpn, 
mit  Freudigkeit  au  erfällen,  nnd  durch  das  Befreitsein  ron  der 
Koechtschaft  der  TjeidenacbafieD  wird  aein  Verstand  heiler,  und 
fRh!ger,  die  heilwirkeoden  Heimlichkeiten  der  ^'atur  au  er- 
foraeben.') 


■)  Dttmiaeit  malricit.  Paraf^aptut  U.  Bier  baban  wir  di«  Pylh»gori(eh-Plt- 
tMitcke  RclDlsssf  «nd  GvItüMtchaDg,  vod  weM>«r  GottibitticbaDK  «nrh  Hiß- 
polvltt  iprichl.  Ueberhasft  hsb«  ich  b«i  flabsoMsi  mebrs  Plalooiiehe  Gc- 
dankta  «Marforgnton ;  da  iah  abar  nlebl  n  4w  Zanft  derer  gahlira  ,  diei 
weas  «i«  bei  etilen  qiitaraD  8obrin«lal1ar  asf  SaiaDkes  treffco,  die  lehwi  ela 
viel  fribarw  aaaieiyrethM  ■  fatliglicli  f  laabas ,  der  spllere  bebe  *i«  na  de« 
fräbircD  enllebat,  oder  lis  ihn  abgeatoblea  ;  aa  Ba(  ich  sacli  H«beabeiH  kei- 
oeiwag*  eiasi  (ckrlflitelleriacbaa  Diebatahla  saihen ,  begreire  vicliaebr  reeüt 
gDl,  darb  eis  and  dartatbe  Gadaok«  rieb  In  «ielea,  ja  in  natihllgeD  Mea- 
acbaDklipren  na  aalbt  eraesgea  kdaae.  Z.  B.  der,  de«  PiMa  in  PhNo  aoa- 
(pHcbl.  Lermaji  ■>(  nitklw  ah  titk  triKueTM ,  Indat  fich  anefa  In  Bnbea- 
balBi  SebrlftcB  iB.  II.  S.  319  A.),  okoe  dah  jedeeb  Hnbeeheisi,  ^^tlk  Pta- 
la,  ein  vorgeborlliobaa  Sein  aoaerei  Seala  daraaa  bairnleilea  taebl.  Dieaer 
Gedanke  bembet  ano  deeb  asf  eiser  gaai  sSTtrhesobaiea  Selbatlltaaobais  ; 
"■■■  -     ■'  ^-'-~-^-' 


Nim  boffe  ich,'  die  Leaec  werden  Hohenbeim  venteben, 
wimn  er  §aft:  „Schwataen,  sufs  R«4len,  Blandtrsn  Ut'des  Mwi- 
t,les  Amt;  Helfen  aber,  qutx  sein,  erachiefsiieh ,  ist  des  Herzens 
„Amt.  Im  Hersea  wächst  der  Ant,  sai  Gou  gehet  er,  des  na- 
„türlichen  Licbtei  Ist  er,    der  Erfabrenbeit." 

Es  ist  doch  wol  ofteabar,  dafs  diese  Tbeoiophie,  oder  my. 
siisube  Theologie,  ein  reines  EraeognifB  des  aiitlicben  GefShls^ 
nicht  aber  der  Phantasie  ist.  Freilich  maf«  ich  als  Beobachter 
des  geistigen  'JUeaschen  sugehen,  dafs  in  manchen  Menschen 
beide  Arten  der  Theosofhie  wunderbar  unter  einander  gemischt 
sind;')  ich  kann  aber  doch  in  Hohenbeims  Geist  diese  Vermi- 
s<^ung  beider   nicht  oachweisen. 

Man  hat  gesagt,  die  GefShlatbeosopfaie  sei  Platonisch  -  Py- 
ibagoriacben  Ursprunges;  das  ist  aber,- meines  Erachleos,  «in 
sehr  einfSltiges  Vorgeben.  Da  sie  ein  reines  Ejrengnift  des  sitt- 
lichen Gefühls  ist,  so  muls  sie  schon  vor  i^/tAagora»  und  Plata 
in  der  Welt  gewesen  sein,  und  wenn  sie  sich  sp&ter  anch  in 
ktistlicben  Gemüthern  iufserle,  so  beweiset  das  wahrlich  nicht, 
dafs  diese  Krislen  PUtoniker  waren,  sondern  es  beweiset  blofi,  dafs 
ihnen,  sowol  als  dem  Pytbagoras  and  Pinto  ein  hohes,  Qberwelt' 
liebes  Musterbild  der  Sittlichkeit  vorschwebte,  dem  sie  nacbsii- 
slreben  suchten,  kurz,  dafs  sie  Menschen,  sittliche  Menschen 
waren;  denn  ist  das  Sitiengeseti  in  uns,  oder,  wie  der  gemeine 
Mann  sagt,  das  Gewissen,  wol  etwas  anderes,  als  das  Leben 
eines  unerreichbaren,  überwelllichenMaBterbildes  der  Sittlichkeil ? 

Die  Meinung  der  alten  GeheimKrzie,  dafs  der  Verstand  des 
Arxtes  durch  die  ßesiegung  aller  irdischen  Leidenscbafien  vor- 
sriglicfa  befähigt  werde,  die  heilwirkenden  Heimlichkeiten  der 
Natur  zn  entdecken ,  mag  ich  gerade  nicht  verfechten ,  sie  kann 
blofs  ein  frommer  Glaube   sein.     Eins    weifs  ich  aber   bestimmt : 

dena  da  wtr  d*i  NichlwIusD  deucD ,  wm  wir  «iBashl  wiu«D ,  nni  ■■■<{- 
lieb  (inaliiik  vontetlBD  kSsDen  ,  lo  mntk  Dalhweiidi|[  sin  Gefülil ,  •!■  ob  wir 
ei  voD  j«b«r  gBwarit ,  ant  einwobaeB.  Du  froher«  Niebl^wafttbabeo  Ut 
bl»r«  etwu  GMcbiebdlohM ,  wsi  nun  Verftiad  •!•  w«br  aasHtaBBaa  nnff, 
Vena  ei  gleich  nntBroH  GefSbl« ,  itt  Ufegebcnen  Grande*  wegen ,  wider- 
•pritbt.  Wer  kaao  aan  >weifelB ,  dab  der  vetaMintHcfa  Plalaeiiehe  Gedanke 
■kh  in  vieha ,  ja  ia  iniEbligAB  vor  oad  naeh  Plala  Jebeodan  Ripfaa  ar- 
naiit  babef  Wahrlteb  I  nar  der  kSanta  daraa  aweifeln,  der  des  lellaaBea 
Glaabena  w£re,  kein  Haaick  lai  in)  Stande,  tlA  grober  SelbattÜMck nag  bii- 
ngnben,  all  allaia  der  gStllielie  PUto. 
"}  Weaa  Vermiiakang  itl  in  maaekea  GaiiUra  aabr  haraloi.  So  iat  i.  it.  dar 
Qlaabe  an  «in  käartigef  Laben  ein  reinei  Briangnif^  de*  ititllcbea  GelSbli. 
Da  aller  asaer  aitüichea  Gefebl  aai  über  die  ^t  daa  kaalUgen  Saini  gani  im 
Dankala  llUat,  lo  iil  anch  daa,  waa  aaaehe  Hanacbeo  von  dam  WU  dea 
kSoMgea  Saiai  glanbea,  .wlknen  ,  neinan,  ikr  Basiebea  walltieker  Varatek 
langen  anf  dn  äborwellliobai  Leben ,  bieb  ain  Etseagatri  ihrer  Pkaalaaia, 
jadooh  ein  Mkr  aaaeboldtfaf ,  4m  wa4er  ibaea  aelbit,    noeb  aadarea  aalkadat. 


—    31    — 

"mEhr-  nmd  GtU^a,  Hochmoih  nnd  SeltwtBiicht  den  Ant  ru 
ulckn  naulichen  Eiitdaekuiig«D  vorsSgJich  ^schickt  macliten, 
u  mnhte  die  Heükonit  schon  lange  vor  nnserer  Zeil  auf  den 
bächiten  Gipfel  möglicher  Vollkommenheit  gebracht  seis.  „Wehe 
>n  Arste  fangt  C.  W.  Unftland),  der  Ehr-  oder  Geldgeix 
>jui  Zi^  seine«  Slrebeoa  macht.  Er  wird  im  ewigen  Wider- 
i,i^ehe  mit  sich  aelbst  and  anneo  Pflichten  gteheo;  er  wird 
^ne  Ht^Bong  ewig  getfinscht  und  sein  Streben  nie  befriediget 
„fiodea ,  nnd  inlebt  einen  Bemf  Terwfinachen,  der  ihn  nicht  lohnr, 
„weil  er  Minen  wahren  Lohn  nieht  kenne." 

Nun  mnfa  ich  einige   minder   wichtige   Beschuldigungen,   die 
man  Hohenheim  gemacht,  untersncheR. 

Er  soll  Goidmacher  gewesen  sein.  Diese  Bcschuldigang 
schreibt  sich  tos  einet.,  Zeit  her,  wo,  bei  den  unverstSodigeo 
Galenikem,  Sduidekanai  mit  der  betrüglicfaea  Goldmacherei  ver- 
wechsek  wurde.  In  spSlerer  Zeit  ist  es  erst  Sprachgebrauch  ge- 
worden, das  Wort  Alehtßmie  fnr  Goldmacherei,  and  Chemie  ffir 
die  Scheidekanst  überhaupt  m  aehmen.  Manche  apftiere  Aerate, 
die  sich  wol  wenig  nm  die  Verflndening  des  Spracbgebranches 
modiieo  liekümmert'  haben ,  mofsten  Hohenheiins  Goldmacherei 
scheinbar  in  aeiaen  Sehtiften  bestätiget  £nden ;  denn  er  spricht  ja 
nach  dem  damahligen  SjwacbgebraaclM  von  der  Aichymie,  aber 
nicht  Ton  der  Chemie;  Freilich,  gelehrte  nnd  verständige  Männer 
werden  dieses  Mi&verslflndnila  wol  recht  gut  eingesehen  haben; 
aber  in  nnserer  Literatur  ist  leider  die  Stimme  der  Unverständi- 
gen mweilen  lauter  als  die  der  Verständigen.  Das  Wort  Alchy 
mie  soll ,  wie  kundige  Leute  behaupten ,  arabischen  Ursprunges, 
und  die  erste  Silbe*  AI  4er  Andeoler  oder  Artikel  sein.  Ich  mnfs 
«s  glauben,  denn  ich  verstehe  das  Arabische  nicht;  ans  ist  anch 
hier  wenig  an  einer  Erklärung  des  Wortes  gelegen ,  sondern  mehr 
an  dem  Begriff,  den  Hobeoheim  mit  demselben  verbindet,  und 
den  bestimmt  er  also:  „Was  ist  Aichymia^  Eine  Bereiterüin  der 
i^Aneoei,  die  da  die  Arsenei  rein  macht  nnd  lauter  and  giebt 
,,sieSollkommeo  und  ganz,  dafs  der  Ant  sein  Wissen  vollende."  *) 
Im  Bacbe  vom  Terpenfhin  heibt  es :  „Die  Scheidung  lehret 
„die  dritte  Säule  der  Arzenei,  nämlich,  die  Kunst  Aleii/mia' 
„nicht  die  Alchimie,  die  da  gebraucht  wird,  Silber  nnd  Gold 
„zu  machen,  (denn  alle  Länder  voll  solcher  Boben  erfüllt  sind) 
„sondern  die  Alchjmie  meine  ich,  die  da  lehret  vf>n  einen d ersehe i- 
),den  ein  jegliches  Sfj/tteriuat  in  sein  sonderes  Reiervaeulum." 

In    dem    Boche,     genannt    Coelum  pkilotophorum   «r»   Mer 
vexationum,  macht  er  sich  über  die  Goldköcbe  Instig  nnd   sagt: 


*}  ¥rmgm»mtm  m*M:a  ad  Portgraimm  fTtinttittü. 


itv  Google 


-    33    — 

yyAlekymi«  ial  nnr  «in  Filrnehmen  Hnt)  ein  Itatlg  G«iiiehi,  ilnnit 
„mxn  i(ie  UeflGhl«chier  «ter  Melslle  verwHndell,  nus  «tncin  Stm- 
„«te  iin^j  Nfttnr  in  den  nndereo  au  bringen.  Demnach  mag  jeder 
„wol  tlichien  eine  gute  Rlciiymiatische  KnnBl  daich  sein  Sinnen 
„und  Gedanken;  denn  wer  bafs  dichtet,  der  trifft  anch  bafi  die 
„Knnst  nnd  findet  die  Wahrheit."  —  JNnn,  ich  denke  die  Wahrheit 
werden  alle  Goldmacher  laulelzt  wol  gefunden  haben. 

Dafa  aber  die  Knnst  Geld  zn  machen  nicht  erfunden  sei,  sagt 
er  ja  ansdrücklich  in  dem  Buche  vom  Vitriol,  nnd  zwar  in  dem 
Kapitel  von  dem  viiriolischen  üel  in  der  Alcbymie  zu  gebrauchen. 
Er  fSngl  das  Kapitel  mit  folgenden  Worten  an:  „Damit  ich  Euch 
„aber  unterrichte,  was  doch  für  alohymiatiBche  Possen  im  Vitriol 
,^ind  u.  s  w." 

Aas  diesem  Anfange  kann  man  schon  den  neckischen  Geist 
abnehmen ,  der  in  diesem  Buche  henscht.  Nim  behauptet  er, 
Eisen  sei  in  Kupfer  sii  verwandeln;  er  lehrt  auch  den  Proxefs. 
'Dafs  er  das  aber  blofs  Ragt,  um  die  Unkundigen  zum  Besten  sn 
haben,,  ist  oB^nbar;  denn  in  dem  nämlichen  Buche  (anter  der 
Aufschrift  von  den  Speciebus  det  Vitriol»)  kann  man  sich  iiber- 
xengen,  dafs  er  und  andere  es  recht  gut  wnfsten,  dafs  sich  aus  dem 
Kupfervitrioi  das  Kupfer  auf  Eisen  in  fnetalliacher  Gestalt  nredei^ 
schlügt,  die  angebliche  Verwandlung  des  Eisens  in  Kupfer  also 
nnr  Blendwerk  ist;  an  dem  angeführten  Orte  heifst  es  ausdriick- 
„lich :  „Nun  igt  det  Vitrinh  Prob«  an  dem ,  daf*  er  wohl 
,Ji9pfere  a^f  Juten." 

\|icbdem  er  nun  die  possenhafte  Verwandlung  des  Eisens  in 
Kupfer  ausgelegt,  fahrt  er  also  fort:  „Bei  der  VermSglichkeit 
„(nävtlich  £üen  in  Kupfer  xu  verwandeln)  ist  uns  allen  wol 
„abEunebmen ,  dafa  noch  mehr  mSgen  sein  solcher  Transmulatio- 
„nen,  aber  uns  nicht  bekannt;  denn  es  ist  nicht  minder,  viel 
„Künste  sind  uns  verhaltet,  darum,  dafs  wir  Gott  nicht  gefällig 
„sind,  dieselben  ans  zn  eröffnen.  Nun  aber.  Eisen  in  Knpfer 
„zn  machen  ist  nicht  so  viel  als  Eisen  in  Gold  zu  machen;  dar- 
„um  das  Wenigere  ISist  Gott  offenbar  werden,  das  Mehrere  ist 
„noflh  verborgen,  bis  auf  die  Zeit  des  Helitu^  so  er  kommen 
„wird. "  ■) 


*)  Die  Z«it  des  Heliat,  von  der  PeracclioB  Babrmals  sprkbt,  war  Jtim,  iDd 
wibracheinlirb  deo  GeheimSrileD  überbaupt,  etos  iiDbestiDiaibare  künftige 
Zeit,  Ib  der  ibre  elaracbe  verdandesreebte  Lebre,  die  sie,  wegen  Undald- 
Mmkeit  der  acbsireeblei  Aerale  lange  gebetn  goballeo,  offeoknadig  wurde  ge- 
lebn  werden,  and  von  der  Hebnsabl  vertlaadiger  Hiiiter  Beirall  erbalten. 
Bei  des  Worte  Heliat  kane  icb  nicbt  gat  an  den  Propfaelen  Elias  denken, 
denn  waa  bat  die  Hediila  mit  den  nnd  teinem  feurigen  Wagen  m  scbaffent 
Ba  liegt  einmn  weit  niher,  dabei  an  den  Helloi  in  denken,  na  ein  Liebt, 
du  eiasi  da«  dnukle  Wimal  der  Mediiin  beleacbten  wird. 

"■■■  -    ■'  ^-'-~-^- 


—    33    — 

1b  Acm  6.  Cnp.  Lib.  I.  dvt  Bh'fMoph.  aagac.  heifst  m: 
„Wn  nicht  ganx  ist  nnd  nicht  Tollkominen ,  rfns  ist  niohf  von 
n€«t,  BOBflem  Fantuej  T«n  Menuhen,  als  ein  Exampel  mit 
ijkt  Alcbcmey ;  die  4a  wollan  Gold  nixl  Sittier  madien ,  das  ist 
„Meht  gerecht,  dn-inn  dreachen  sie  leeres  Strsii,  denn  es  ist 
„nicht  van  tioU  gegeben,  sondern  Erdichlevei    ven  Mensehen." 

Man  hat  es  sehr  anttSfstg  gefuadeB,  dafs  Hohenheim  den 
jET9f«en  Theil  seines.  Lebens  nit  Wandeni  verbraehi;  dieser 
Wanderang  wegen  hilt  loan  ihn  einan  Landstreicher  genannt,  ja 
ibn  W(d  gnr  mit  herDmciefaenden  Marktsebreiem  und  Beutcbichnei- 
Jera  in  eine  Kategorie  '  sstsen  wollen.  Wir  müssen  einmal  hö- 
rni,  was  «r  in  seiner  vierten  VertheiSignog  selbst  darüber  sagt. 
Er  bat  gewandert,  um 'die  Meialte  in  den  Bergwerken  selbst  ken- 
nen za  lernen.  Die  Berge  (meinet  «rj  gehen  fticbt  dem  Arzte 
oacfa,  sondern  er  ntafe  ifanra  nachgeben.  „Wo  die  MiitentUa  lie- 
,^n,  da  ahMl  die  Kfinsiler;  will  einer  Knnsller  suchen  in  Schei- 
„dnng  and  Bereitnbg  der  Nato»,  so  nala  er  se  sachen  an  den 
„Orten,  da  die  Mitterafim  sind.^ 

Ferner  war  der  Zweck  seines  Wandems,  allerlei  Künste  und 
HandwM-ke  da  kennen  n  lernen,  wo  sie  rorsnglich  getrieben  . 
nurdea.  „Die  KfinMe,  (»tfgt  er)  babm  nicht  Füfse,  dafs  sie  dir 
„die  Metzger  nachtreiben  könnten.*)  Sie  sind  ancb  nicht  in  Kisten 
„sn  fBfaren ,  noch  m  kein  Fafs  sa  venchla|^ :  diewell  sie  nnn 
„den  tiebrechen  haben,  so  mnfst  du  dasselbe  ifaun,  was  tie  ihun 
„sollten."  Endlich  wanderte  er  auch,  nm  die  Krankheiten  vei^ 
schiedencr  Länder  kennen  2u  lernen.  Er  sagt:  „die  engeländi- 
„sehen  TlnmoreB  sind  nicht  Ungriscbe,  noch  die  Neaptdilanischen 
„Prenfsische ,  darnm  mnfsl  dn  dahin  ziehen ,  da  sie  sind ,  and  je- 
„mehr  dn  dabin  siebest  nnd  jemehr  ihrer  erfährst,  je  gr&fger  dein 
„Verstand   in  deinem  Vaierlande." 

Ueherhaapt  glaubte  er,  man  känne  die  Xatnr  nur  dnrcb  ei- 
gene Beebacfaiong  kennen  lernen.  Am  Ende  der  vierten  Ver- 
iheidignng  beifst  es:  „Das  will  ich  bezeugen  mit  der  Xatnr;  der 
„sie  durchforschen  will,  der  mnfs  mit  den  Füben  i^e  Bücher 
„Utttn.  Die  Geschrift  wird  erforsi^iet  durch  ihre  Buchstaben, 
„die  Naior  aber  durch  Land  an  Land ;  als  oft-  ein  Land ,  als  oft 
„ein  Blau:  also  ist  Codes  Natttrae,  also  mnfs  man  ihre  Blätter 
„ninkehren." 

Dafs  bei  einer  solchen  Wanderung  weder  viel  Geld  zu  er- 
werben, noch  ein  üpi'iges  Leben  zu  rühren  war ,  siebet  jeder  von 


*)  VRTHieBBbsr  iit  Ker  durch  SebnU  det  Dracker«  oder  Abtebraiben  «twu 
astealUMB.  -Id  der  Uaedtcbrlft  wird  der  Sali  wol  «eltitet  haben :  Die  Ria- 
iti  hibea  nickt  FöTie ,  dafs  bbu  lie  dir  ,  wia  das  Vieb  dea  If  elif  crrt ,  iMch- 
lr*'*«i  kSaale.  —  S«  hM  ancb  der  Geofer  UeberMlwr  dea  Sin«  «"f^^^lOQlc 


—   u    - 

selbst  ein.  Die,  welche  [lubeaheiw ,  ■mdbi  WanderM  wegen, 
in  Eine  Knlegorie  mit  Mnriiteotireieia  und  BenteUchDeidem  ge- 
setzt haben ,  inüssen  seihet  so  engheni^  Geielleo  geweeen  hid, 
dHfs  sie  sich  nicht  eininahl  m  dem  Gedanken  m  erheben  ver- 
mocht, ein  Mann  könne,  ohne  Aussicht  anf  reichen  Griderwerb, 
blef«   aus  Wlfebegierde  welle  Wanderungen  nnlenwhmen. 

Wie  angenehm  damahhi  das  Wandern  gewesen,  beschreibt 
uns  Hohenhflini  nach  seiaor  lawiigen  Weise  also.  „Es  ist  wol 
„wahr,  die  es  nicht  thnn  fdai  fV«»dem,)  haben  mehr,  denn  die 
„es  tbnn.  IJle  hinler  dem  Ofen  sitaen,  essen  Rebhühner,  und 
„die  den  KBnaien  nachsiehen,  essen  eine  Milehsnppe,  Uie  Win- 
„keiblaser  tragen  Ketten  dnd  Seide  an;  die  da  wandern,  ndgen 
„knnm  einen  ZwUlicb  in  bezahlen.  Die  in  den  Ringmauero  ha- 
„bea  Kaltes  und  Warmes  wie  sie  wolten;  die  in  den  Kfinstea,  — 
„wenn  der  Bnnm  nicht  wäre,  sie  bitten  nicht  einen  Sdtatlon.** 

-Zum  Sehlnsse  dieses  Artikels  bemerke  ich  noch,  dafa  die 
Galeniker,  iadeM  sie  Hoheobeisna  Wanderuofen  beepotleten  und 
denselben  nnedl»  Beweggründe  muersehobeti ,  sieb,  gerade  durah 
diesen-  Spott,  selbst  als  faScbstunwissende  Menseben  bekundet 
haben,  die  nicht  einmaht  ihres  AbgotMs  Galen  Schriften  gelesen, 
denn  der  hält  ja  das  Reisen  für  nötbig  und  aoerlälslich  zur  Aua- 
bildnng  eines  Arstes.*)    ' 

Die  Bescfauldigang,  Hohenheim  sei  eia  Verädter  des  Kristeur 
(faams  gewesen,  mBcbie  auch  schwer  au  erweisen  sein;  um  so 
leichter  ist  aber  dei  wahre  Grund  dieser  falschen  Beahuldigung 
XU  entdeken. 

Er  machte  sieb  die  Geistlichen  tu  Feinden;  was  Wundert 
dafs  ihn  diese  als  einen  unkrisllichen  Menteben  aassohrien.  li» 
z\v«iien  Traktat  De  petlilitate  seist  er  Elftster  und  Hurenhofe  in 
eine  Kategorie.  In  dein  Buche  De  caducc  malricü  §.  /.  gebet 
er  den  Geistlichen,  die  damabls  meist  Vorsteher  der  luilden  8lif- 
inngen  waren,  selbige  «her  wol  aiefat  aum  mildesten  vecua'leii 
Mochieo,  liun  cn  Leibe.  Er  sagt,  itu  Spital  liegen  die  Gesunden 
im  ltciie,^und  die  Kranken,  Dürftigen,  Prefsbaftea  iw  Sialle. 
Er  gediehet  es,  schon  früher  die  Geistlichen  ermahnet  zu  haben, 
sin  Kollien  ihre  feinen  llemdpu  den  Kranken  geben  und  ziehen 
die  schiiiuizigea  seihst  ho;  und  «as  er  ihnen  noch  weiter  vor- 
wirft, ist  auch  nicht  viel  tröstlicher  als  diese  Ermahnung.  Er 
schliefst    endlich    also:    „Tbnt   was    Ihr  wollt;    so    Euch    Kristus 

•)  In  des  Buche  ^ued  apliMui  nedicut  idem  tl  ttt  lHiilotophu$  Hgl  «r  (nMh 
UratmMi  UebenclZBiig)  Jam  ter»  cam  apetleat  mtdiram  varia*  rtgi»nei  orhit 
tutiranr,  d/eenatqnti  eitllatmut  tl  heeruK  Umperaturat,  Hm»,  rt  toatti- 
iKtioua  armraU  ii»»-|ic,  ■!  de  imi  peiiü Jid/efam  fem  ;  maHiM'tm  uUqat 
'•'>  9ai  laltt  lil  «raMurat;  mm  detere  ■•*  mod»  coatemptortat  prruniur, 
iid  tupr^  modKiH  tttam  indattrium  atqa»  imptgmm  rite. 


—    8ft    — 

„nidbi  bewegen  mng,  wm  wollt  Eaeh  denn  bewegen  neiD  Schrei- 
ern, dns  Ihr  doch  weder  ^lesen  n»eb  hören  werdet.  Also  sicci.i 
„der  Tenfel  in  Ench,  and  nicht  der  heilige  Geül,  den  Ihr  tlnch 
JfthKhltch  Bnlüget."     • 

Abgesehen  tob  diesen  ansagenebmen  WahiheilNi,  die  erden 
GeiaiHcbeB  »agt,  Debet  in  dem  nSmlidwn  Paragraph  eine  Stelle, 
iie  allein  hinreichte ,  ihn,  nech  damahligen  BegriHen,  als  einen 
Verächter  de«  Krislenihnnu  m  beBeiefanen;  Rte  lautet  aUo:  ,.Ibr 
„«<rflt  mir  es  fnr  unkriHilich  achten  und  analeren,  lo  idi  tm 
nmändlieh  rede,  und  aage:  ei  sei  nülier,  du  wäschest  den  Ar- 
nüirn  ihre  Schaden  and  bindest  denselben  ihre  Wanden,  denn 
„dafi  Da  in  der  Rieften  aietiest  plftrren,  and  in  der  Prim  und  in 
,,der  Ten,  Vesper,  Conipl«.  Ihr  sagt,  ich  sei  unkristlicb  dar- 
„na  nnd  handle  wider  den  kristlicben  Glenben}  Und  ich  bin 
„es,  der  es  von  Krisle  hat,  dn  sollst  speisen,  trAnken,  klei- 
„den,  nnd  hat  dn  Metten  nicht  gedacht."*)  Uebrigem  hat  er 
sieb,  so  viel  ich  weif«,  nicht  von  der  rdmisoh-katbolischea  Kir- 
che lesgesagt,  obgieich  er,-  nach  der  angefiihnen  Stelle  zn  Sefalies- 
sen,  anmögli^  «a  echtrr  katholischer  KHst  sein  konnte.  Zniu 
Lathelaiüainus  ist  er  bestimmt  nie  übergegangen,  er  ncblele  je- 
docfa  Laiher  als  eineq  Geistesverwandten,  nnd  wenn  K.  Sprem- 
f^fl  in  diesem  leixien  Punkte  anderer  Meinung  ist,  **)  so  sprictit  ' 
gerade  die  Stelle,'  die  er  ans  den  Fragmenten  als  beweisend  an- 
führt, gegen  seine  Meinang,  denn  sie  schliebt  Ja  mit  den  Woi> 
len:  „Schimen  siänide  Ench  wohl  an,  dafs  Ihr  mich  wollt  Luthe- 
„riria  heifsen,   dem  am  allermehrslenSchfilke  und  Buben  feind  sind.** 

Mit  der  angeblichen  Verachtung  des  Kristenihums  stehet  Ho- 
benbeims  Tenfelsbundnetei  im  ■Bcbnea  Zusammenhange.  ***)     Da 


*)  li  «clneB  Mfei»st«D  pkilsMpbitcbcD  Sehriflcs  tattn  lieb  aocb  Hthr  ankalboli- 
Mke  Cadankea;  ja  %r$ta  wIdii  AMtlkernnK,  ttle  TeneUedrne  HcRiciieurUM 
klsatn  «sSilBlIek  vo*  •«■est  elnigco  MbumIibd,  dem  HsHtwbaB  Adan  ib- 
■^■■■if  —  werdCB  wibracbaiaUcb  larh  dls  Prolotailca  jrs«r  Z«i(  protctiirt 
bikea. 

Uobcrbispl  siScbi«  ich  «bar  die  Ecbihiit  illcr  irioer  pbilosaplilH'h»  Ab- 
knAnofEn  aiebl  vrTliirf«B  ;  ■■■  ilSfat  ja  in  dciirlb«*  »ar  tehraieada  Wider- 
ifriebe  aad  «an  Ekel  aof  enlfs  WicderbolaniVU.  A«  beilaa  (efillt  Mir  daa 
Back   lie   invtnUuitm  grÜHm. 

•^  eea^iekte  der  Med.  3.  Tbei)  S.  HO. 

"•)  Dafa  Maa  iba  Tar  ainsii  TenrelibSadiMr  hMt,  war  guis  in  in  Ordasif, 
deaa  tm»  HaapllcbrBeiiter,  der  Abi  J-  Trilhemiuf  war  «oak  als  rln  inleber 
baksaat;  t»b  dleteM  kann  kh  da*  Leier  rio  Zaaberrtiok  Bitltnilea.  la 
dM  Tkemira  Diabolxrut  ( Prsakt.  a.  H.  1165)  beibt  ei  bl.  112  alin:  E« 
■ddet  PiUappm*  MetaiteAtAan  ,  wie  M  Mantiitt  •■Higl  in  den  Colteclaneit 
PUippima,  daß  dar  Abt  van  Spaalwitt,  Jaannet  Tritktmiat ,  welcher  ela 
BrafMr  Sebwarekiailler  nnd  Zaaberer  gaweiea  ,  eiaaabl  fareiael .  (  nach  Aa- 
HlgaBy  dai  BtlthmUI  Pimiamtri)  ssd  lit  ia  «Im  Hei^er^  gekoKmaa,  da 
riiUa   r«rcaiMl«l  mr;   da  habM  «tUsbe  lebtscwriM  aa  iba  c«tagi:   Elgr-| 


—    36    — 

man  aber  beut  za  Ta^  wedar  d«m  Teafot  so  vi«)  Maclit  üImt 
den  Mvnachflti,  norsh  dem  MeKsehen  lo  viel  Mftcht  Sber  den  Teo- 
Eel  zngattebat,  bIh  im  sechzehnten  Jahrfaandert,  ao  würde  eine 
Jetztzeit  ige  Rechtfertigung  nnserea  Bchtbaren  Landaniannei  anch 
etwas  läppisdi  «elo.  Bleft  zor  Uaterbaltnng  meiner  jüngeren  Le- 
ser will  ich  ein  'recht  nettes  Teufekstöokehen  aas  Hebenheinu 
Zeit  anfahren. 

XioauM  jHnutut  (Part.  XI.  Ditjmt.  de  med.  not>.  Parae.)  hat  nnz 
folgende  eigene  Woete  des  Georg  Vetter  anfbewnhrt,  der  FMien- 
beim  eine  Seit  lang  auf  seinen  Reisen  beglejiei.  ,y]Viit*i  stagis 
mefKi,  guotiea  ebriu»  erat,  (erat  entern  JreqmeHterJ  quam  nt 
agmen  Diaholorum  accerteret^  f"^  »aepenvatero  facere  v»fmit, 
Mpeciem  artit  auae  editttnu,  ted  a  me  rogatua  o^int.  Cum  so- 
hriam  monerem,  nt  ittkaec  miaut  faceret,  quod  Deam  graviter 
offtuderet ,  ^üdque  ad  extremwm ,  atipen^imm  tritte  penotvere 
»oHtua  nt  Jamuiü  »ni»  Diabofu»:  re$poMdeiat,  «e  non  muHo 
po»t  reeepiui  caMiaiurum  eue.  Meine  Leser  sind  gewi&  mit  mir 
einrenuanden,  dafs  die  Erzflhiung  weit  aamnibiger  sein  würde^ 
wenn  der  alberne  Georg  Vetter,  statt  Hofaenbeim  von  seinem 
Vorhaben  abznbringen,  ihn  vielmehr  gebeira  hätte,  das  Heer 
der  Teufel  wirklich  andicken  zu  lassen.  *) 


wärdiger  Harr,  Lieber,  versebah  bbi  ein  Eotu  Gcrictt  von  Fi»eh«s.  Er 
ktt  BW  ■«  du  FflMlM  («khiplk,  von  «tuBdan  Ist  eiaer  bareiBgiikoHMaB 
Bit  siaer  frofiea  Scbibs«!  voll  g«aott«aer  HeehtD. 
*]  D*ra  T&amai  Erattut  lolcb  •Üiriichea  Zea;  niltheilt,  mafi  nieaiaDd  wdd- 
dgrn,  denn  er  war  eio  abergliabiteber  Mann  und  eia  wabrbaflsr  Verreckter  dei 
Teaf^It.  Von  lelaer  nitfutatio  de  Lamfii  leu  Slngikat.  Baiil.  1573  vagt 
SpreKgfl  (B.  3.  S.  nt)  ,  aie  lei  otfenbar  gegta  Wieria  fwchrieben  ,  dieier 
aber  niobt  darin  genaant.  —  Abgetehen  davon ,  dafi  Brail  eben  nicbt  der 
uruinnlge  HtpD,  der  am  Scboonng  Wierui  Aamen  «ollle  venchwli'gen  nnd 
bW«  deaMD  Grands  wideriagt  babea,  iit  ea  nir  ana  anderen  U«stindeii 
wahncbeiolich ,  itü  jene  Dispnlatiaa  lebon  vor  firaebeinnaB  dea  Wieriaeben 
Bacbea  uSaie  feaebrieben  lein.  Znr  kann  ieb  da«  siebt  Bit  voller  Oewira- 
bell  bebanplen ,  denn  ieb  weira  aieht  bealinnit  daa  iahr  ,  in  welebeai  Wimt 
ineril  «ein  Bach  de  praeitigiii  Daetnomum  bekannt  gemacbt,  Hnde  e*  aocb 
weder  bei  Siirengtl,  noeb  bei  Morerl,  nocb  in  WiemM  Lebeaabetcfareibans 
angegeben,  die  der  Asagabe Hiner  aiaisillicben  Schriften  {Amttelodami  1A60) 
vorgedmekt  iat.  Vor  beaagter  Aaagabe  itabet  aber  dea  Prof.  von  Groningen 
Marti»  Sehviieke  Urtbeil  ober  Wierut  Scbrihen ,  der  ipiebt  Von  einer  Streil- 
■ebrift,  die  Thom.  Eraiitii  1578  gegea  Wiem  bemaagegnben.  Den  Titd 
nennet  er  swor  nicbt  beatinait,  Hibrt  aber  eine  Steile  nna  der  Efittola  dtd{- 
catarla  dertelben  an.  Dar  Inhalt  ijt  knrclich  rottender.  Wiemi  babe  ibn, 
dem  Eratt,  leboD  einige  Jabre  Präbar  erSCTaet,  dafa  er  aia  Sebntiredner  der 
Hexen  annrelen  werde;  tr,  Era$l,  ael  niobt  bbra  daait  uifriedeD,  eandem 
■elbft  aebr  neggierig  geweaen ,  die  ver^rDchene  SekriR  kd  laaen,  Xaa  fikrt 
er  alto  Tort:  Rn  «t  ts  nuHsa  alifuol  dttata,  tt  tum  nihil  tfirarem  ttmpHut, 
Unden  eirea  principiuBi  Aiu«(  amni  lamto  a»ti  inteatula  eon/Utali»  prodlit, 
(Darana  iDlile  man  nlio  acblie&en  Witrat  Sebrift  mÜM«  erat  im  Anfanke  dea 
iahre*   1578  eraebienaD   mib,    und  babe   den  Zweck,  gebabt,    dia  TM    Eratt 


_    37    — 

Die  Worte  ia  der  angeftibrtaii  Stelle:  quoUe»  e&rtmi  erat, 
mt  amtem  frequenler^  reraitlauen  utich,  auch  ein  Wort  über 
UoheabeiniB  wigeUiche  Völlerei  so  wi^en.  Ich  bin  nit  Herrn 
Dt.  f.  JaiM  einverstanden,  daf»  er  bei  seinem  thSligen  Leben 
ooMSglich  ein  eigenilieher  Trunkenbold  habe  sein  können.  *)  In 
hstiger  Geeelliohafi  wird  er  riob  xnweilen  wol  bernuicht  haben; 
Bon ,  daa  haben  mehr  Aente  in  ihrer  Jugend  getban ,  ohne  dafs 
«jemand  eingeölten  wftre,  sie  Tronkesbolde  xii  schellen.  Ue- 
berdies,  wer  sind  Uohenheims  AnkIRgerl  G,  Vetter  und  Opori- 
aiit ,  xwei  Schwaohkö^.  Sie  sind  an  verschiedenen  Zeiten  seine 
Reisegefllhrteo  gewesen,  und  werden,  denkeich,  deni  net^scben 
Manne  als  ÜHSwürsie  gedient  haben.  Ueber  Vetter  sind  meine 
Leser,  nach  der  eben  angeführten  Erzählung,  wol  schon  im  Kla- 
ren. Was  aber  Oporimu»  beiHttt,  so  erzShll  uns  K.  Spremgel, 
aus  der  J^ebensbeeebreibnng  desselben,  **)  ein  Stückchen,  das, 
uns  über  die  Versiandesachwftche  dieses  Mannes  auch  nicht  in 
Zweifel  iB&t.  üa  Hebenheiui  Professor  n  Butel  war,  soll  er 
einst  gesagt  haben,  aus  dem  Harne  eines  Menschen,  der  drei 
Tage  und  drei  NSchle  gefastet,  könne  man  dessen  Censliiation 
erkennen.  Sein  Schüler  Oporituu  bnngert  und  dürstet  nun  drei 
Tage  und  Nficbte,  and  bringt  dann  seinem  Lehrer  ein  nenig 
Hain  in  einem  (Ülase;  der  laofat  den  leicbfgliDhigen  Narren  aoN 
und  wirft  das  Glas  an  die  Wand.  Es  ist  wol  offenbar,  dafs  Ho- 
henheim,  der  die  ganse  äalenisdie  Elenantariheorie  verwarf, 
aber  die  Uesiimmang  der  Coastitntion  in  seinen  Vorlesungen  ge- 
spoilet  hatte,  nicht  ahnend,  dafs  ein  einziger  seiner  Zuhörer  so 
ungeheuer  dumm  sein  werde ,  den  Scherz  für  Ernst  zu  nehmen.  "*) 
Wenn  ihn  also  der  MifsgriQ'  des  ansgebungerien  Oporimm  zum 
Lacken  bewegte,  nod  er  de«  Unbelehrbaren  Harngkui  an  die 
Wand  warf,  so  war  das  wol  das  Klügste,  was  er  ihun  konnte. 
Jeder,  der  die  Wirkung,  die  der  Wein  auf  Menschen  von 
ganz    verschiedenen    (ieistesfähigkeiten    äu&ert ,    beobachtet   hat, 


ftiber  «a^eslellteo  GtiaJe  sa  •■tkritlan.)  Bfo  mm  cmm  avitit  perlegfne'«, 
et  wuliora  «m  siiarsM  fraalrm  txpeetaeiuiii ,  mirmm  «tl ,  ;■«■  fkerim  de- 
miratMi.  JiiUl  taim  frortmi,  fuei  fuühm  KU»itmU  alt€tJM  enel .  dtfrt- 
ttmJi,  qitti  IM«  antta  ttlid«  a  me  to^ulmtam  fmUttt,  Itmfue  lit  mmum 
rmtivein^ri  tatfi:  Si  tir  tmmim»,  *t  im  A««  f|>lB  ftianHom*  lam  exereilalia 
Ist  jMm  BMKit  niM  artwfOmrt  ftult,  fustnttmm  i^firmwrtt,  val  ««a  earr— 
*»rarel,  («Hl  awi/ttlmm  «I,  fvMto  wMUttt ,  fumm  defemOi»  ftwito« 
•VI.  —  Uaan  aulcbea  FiaderliBc  tltUsB  eaMra  GM«kiElitsolu«ib«r  HokeahelB 
•■If «gen  I 
'i  lil«riris«h«  AduIbd  du-  goiMHiaa  HBilkaado  vh   Dr.   F.  J.  C.  Haker   3. 

")  f'il«  O/triMi.  ArgetU.  Wti. 

*")  Um  vsiilciek«  nit  dm  UcMgUm  (iilapi  Bucb  Di  oftima  eorpaHt  futUM' 

""^  „,. >ogk 


__    88    — 

wird  FolgeodM  erfahren  haben.  £inäüiige,  stanpfiilnDige  Men- 
Kchen  werden  iwch  dem  Getwauche  einer  luäfiigen  Portion  Weis 
langweilig  und  ,überl&itig,  oder  ue  werden  Btamin  imd  nehuMB 
eine  sehr  ehrenfasts  Hallung  an.  Geisireicbe,  witsige  Kffpfe 
hingegen  werden  zu  aiunehinend  unterhaltenden  GeseUachafien. 
Ihr  ireiieN,  fertiges,  hew^gliohe«  Gedäcfatnifs  macht  miianter  sol- 
che überraschende  Aehnlichkeitsapninge ,  dnfe  ein  trflger,  iImbi- 
pfer  Verstand,  der  diesam  Gedankengange  nicht  n  fi^gtn  Ter- 
mag,  sie  für  ganz  berauscht,  oder  wol  gar  für  irrsinnig  hallen 
uiufs.  Es  ist  also  sehr  wahracheiBlich ,  dala  der  geistreiche  He- 
henbeiiu,  wenn  ihn  der  Wein  aucb  nur  ganz  nitifsig  aufgetegl, 
einem  Vetter  und  Oporinu»  ala  ganz  betrunken  und  verrüt^t  vor- 
kommen mnlsie. 

Wenn  aber  K.  Sprengel,  auf  Oporitm»  Bericht  sich  stülzeDd, 
sagt:  er  habe  gewöhnlich,  erst  wenn  er  betranken  nach  Hause 
gekommen,  seinen  Schreibern  diklirl ;  so  will  mir  das  von  einem 
so  TerslSodigen  und  übrigens,  auch  unparteiischen  Geaehlchlsebrei- 
ber  nicht  sonderlich  gefnllea.  Er  hfttie  sich  jn  ans  den  Fragmen- 
ten, welche  sich  in  Hohenbeims  Naehlaase  gefunden,  überxen- 
gen  können,  dafs  dieser  uiefat  blofs  eiaaeine  Stellen,  sondern 
ganse  Bücher  mehnnahls  überarbeiiel ,  also  Fleifs  darauf  gewen- 
det, mithin  sie  wol  aehwerliofa  in  der  BeirankeufaeU  wird  diktirt 
haben. 

Da  ich  in  diesem  Kapitel  schon  mehre  Stellen  aus  Hohen- 
heims  Schriften  angeführt  und  weiter  noch  mehre  nnführen  MCr- 
de,  so  mSgen  niHue  Leeer  selbst  nnheilen,  ob  seine  so  wahren 
nnd  miinnter  so  schdn  ausgedrückten  Gedanken  in  einem  d  irch 
Trunkenheit  veidumpften  Gehirn  er/.engt  sein  köoinen.  ']  Eins 
kommt  mir    in  O^oriftii«  Entühlu^   lächerlich   vor,    weil   es   ihn 


*J  Miettet  Pfeander  bat  od*  ifneo  Briet  vob  eiaem  Schrelbsr  HobaobBlidi,  NiOKiii 
Frans  Mtbewahrl,  deo  Chriit.  Gattl.  tob  Murr  Im  3.  Baid«  •eiuci  dmmo 
Joarnil»  inr  Lilieralnr  und  Kaoalfeicbickle  Seile  311  a.  w.  fc*t  ibdncktD 
luien,  Sf ander  iigt  von  diesem  Frau,  er  aei:  Vir  pieUite,  doelrina,  ofibat, 
diguilale  tb'am  ah'guamdo,  tt  atUtt  tepliugtnwria  in  BaSmim  inier  not 
frtmiamt.  Diner  ■It«  HaD« ,  der  bei  Hahcnbelsi  im  Heee«  gewobat,  legt 
eis  wkr  rübmürhei  Zeagnib  bsb  teimt»  liebt»  Praietftore,  Uatturt 
Tkeapkrail«  ab i  eher  er  enritkel  ntl  keiaeH  Worte  deMea  Vbllerd.  Wenn 
er  gleieh  i»«!,  er  hebe  Altera  halbcB  waaehM  vergeaaee  ,  eo  wir4a  deeb 
die  TrBDk.eabeit  Hoheebeine  Uui,  dea  Am»nH«mi,  •»  \iitif  ^ewoaei  eeio, 
defi  er  dieaea  joiteadUebea  OraifuU  •leb  gewifk  nock  in  .hokea  Aller  bi^ 
iaaert  beUa.  Waiu  aejlto  er  nu  devea  «cbirefgaaT  —  VMlaieht,  weil 
er  parleiiach  für  Hebeakeim  etagenommea  wart  — leb  sieiaeakar,  la  dietem 
Falle  ■Sfkta  die  Parteilickkrit ,  wir«  faa  vorsebileb«  LMler  BekaakeiM 
laadküodig  gewtjcn  (nie  nan  aaa  will  ftanbcD  ■aekea) ,  iba  vletaaehr  be- 
ilimnl  belign  ,  «einen  lieben  PtSceptor  la  enlaakaldigea ,  oder  saaa  tod  der 
Aeaeboldigaof  u  reieigea.  Gerade  öea  cbriicbaa  Hanaei  BaailicbM  Sckwai- 
gen  mackl  da*  Vi>rfeb«a  der  WiderHeber  Uolieabeisi«  lebr   verdacbtlg. 


—    3»    — 

gcnA»-  selbst  als  Dsisrabiirt  Wseioknet.  lo  HobeoheinM  8chrjf- 
in  ündet  hob  (k>ch  nnwiderspracbli^  weit  mehr  wahre  uad  schö- 
w  Gedanken,  hU  in  d«o  Bücharo  gar  vieler  gleich-  und  nacb- 
teitigcn,  wahiliaft  nüchternen  SchriflBleller :  Oporinti»  macht  also 
ivnit  uiae  Ersählimg  Hobenheiin  sii  eioein  WundermenscheD, 
^r  ia  d^  Tninkeaheit  geacbeitere  Gedanken  vorgebracht  als  an- 
dere ia  dco'  Kücfalernheit.  Ich  glaube  aber  an  eine  solche  Wun- 
dererecheinDDg.  nicht,  yiol  aber  daran,  dafii  Hafa  uad  \eid  im 
lecbtehoien  Jahrhnaden  viel  Lügen  und  Fabeln  geschmiedet,  und 
daAi  wir  diese  für  wahr  halten,   weil  nie  gedruckt  sind.  ') 

VoB ' Hobenheinu  Weiberhatse  viel  xu  sprechen,  halte  ich 
für  6berflüuig,  denn  es  kann  uns  ja  ganz  gleichgültig  sein,  ob 
er  die  Weiber  gehabt  oder  geliebt  b&t.  Die  Stelle ,  die  K.  Sprett- 
gel  als  beweisend  anführt,  beweiset,  lieset  man  sie  im  Znsnni- 
■anhange,  wenig,  oder  vielmehr  gar  nicht  Hohenheims  angeh- 
liehen  Weiberhefg.  Andere  Stellen,  in  denen  llofaenheim  eiwRS 
angezogen  ausfährt,  beireffen  nicht  die  Weiber  int  Allgemeinen, 
sondern  blols  die  ('hefranen  seiner  Amtsgenosara ,  die  Doklorin- 
nen  und  Meisierianen.  Mir  scheint,  der  Grund  seines  Weiher- 
hassen,  wenn  man  aaders' seine  unartigen  Ausfiille  als  einen  Be- 
weis desselben   ansehen  darf,    ist  wahrlich   nicht  weit  au  stichon. 


'}  Dtbcr  OferiHKf  amd  dan  fEuehichtUchen  Wcrtb  uiner  Aaiiigan 'uurj  nas 
Ib  den  AnbiBge  der  Gcnrar  Antobe  dar  Paracelilsekca  SohrKtcD  nulsr  der 
tfitenchrift  TA».  Paraf.  Tetla^mnlnm  du  MicAa/,1  Teritti  Vomde  leMa. 
Bier  heibt  ea;  KIMI  fiiM  tentra  amieum  meum  Joamntm  Op*riHuwt  alUgm'* 
rW«,  ml  h»t  mM  M»a  fraetrreumJttm  (itfuidfm  variitimum)  juad  utihi  ff». 
»■■  eit,  te  imngmKm /avtntf  firltima  apud  TheephrvMlum  hihih,  el  haue 
ilH  frpediriMii- ,  quod  KedMntie  ftvdie  rfh'clo  atiawt  jrro/rgtfoneK  empltßm- 
nt  etiet!  ittm  fratttreti ,  le  tum  ttmpBrit  nan  moBlUe  ,  laula  diKlrima  The»- 
pkratla»  fU*Tr,  promt  id  poitim  etmptHmm  hmbait;  Klgae  i/nomm  le  rat- 
dt  p»emUtrt  »aepim  t"****"  ■**>  »Imirum,  gm»d  librot  m  ThtaphraUa  ae- 
ttplM  imUgro$ ,  tHIitet  eJKl  praeparatiane»  et  ret  aiiat,  atiit  mHlMO  dederil  I 
delnde  guod  t/iittolam  ie  TbtPphratto  ad  Dtetorem   WIcmm  lertplrrü, 

Friderimt  Bilitiitii,  elo  echter,  aber  doek  venlüadiger  Aahaagvr  Habeo- 
heiaa,  der  deaiea  Werke  Ia  der  Genfer  Aetgabe  beverredet,  eBitrbatdigrt 
(dacB  BeUea  >■  Beireff  der  Neiranf  xd«  Wrialrink««  »af  eiaa  cIwki  drolli- 
g»  AK.  Br  lagt  nSaitich ,  dieaa  NeigaDg  *ei  nicbl  «mvdI  eine  UntDgcad 
Hobeahelai«  gewriea  ,  als  vielnebr  dei  deotMlea  Vnlke«  BbcrtanpL  Feraer 
tagt  er  r  TAroplirailai  habe  dea  Weia«i  zar  Brfaebong  seiner  ReialeikrErte 
beda>n ,  vM  M  ibrr  lebr  eebirlerige  nad  dnnkele  GegrastHiide  bebe  aaeh- 
Irakea  B&uea.  ~-  IHc  Helamg  voa  der  trhtttttmalg  laachendea  Kraft  de* 
Wriaa  anfi  wol  tleialieb  alt  teln  ,  leb  arisaera  aiieh,  ale  icbea  beiai  Araal- 
dn  TM  fiHnuoTa  geTnnden  za  bibea.  Kater  lagt  (  Op.  an.  pag,  ISOI). 
Bjt  hoMö  viao  plM  guam  er  gugeunqua  aho  pubi  generantur  el  iHvlti- 
ptieamtur  wpMIat  tttbtUei ,  elari  et  puri,  et  ind*  ett  quud  Theolegt,  ecm- 
tempiare  t»Uti  efrro  irllinima,  ha»a  etaa  dUlguMt.  (leb  glaabe  wabrbaFUff, 
di«  Tbaolac««  alad  ia  dea  501>  Jahren ,  Hit  Arnmldiu  dietr«  gaaehrlebea, 
■U  ihraa  Coatemplatienibn  ttre»  altntfma   goch  alikt  fertig  gewordep.  ) 

"■■■  -      ■'   ---— ^^;," 


—    40     - 

Der  ODrnhig«,  nach  angemeneDerFreiheit  stvebeode  G«i«,  woUm 
sich,  iperrig  wie  er  war,  dem  Urtheile  der  Frauen  nicht  nnter- 
werfen.  £r  begriff  es  nicht,  dafs  wir  praktischen  Aerzte  anwi- 
derrtiflich  unter  dam  geheimen  Minnegerichte  der  Frauen  atefaen, 
und  dafa  diese  in  nnser  wahrhaft  irdisches  Leheo  uns  himm- 
lische Bösen  flechten:  er  begriff  das  nicht,  und  er  konnte 
es  nicht  begreifen,  denn  er  war  ja  unter  den  Tann«iixa- 
pfea  geboren  and  bei  Käse  und  Haferbrot  grofs  ge- 
bracht;   das   kann  keinen  subtilen  Gesellen  machen. 

Aus  dem  Weiberhasse  ist  wahrscheinlich  das  MUbrchen  sei- 
ner Entmannung  gesponnen;  es  soll  ihm  nümlich  in  der  Kindheit 
ein  Schwein  die  Hoden  abgebissen  haben.  Zwar  kann  uns  seine 
Entmannung  eben  so  gleichgtiliig  sein  als  sein  Weiberhais;  aber 
das  Nachsprechen  solch  einer  Altwrnheil  in  unseren  Tag«n  be- 
weiset doch,  wie  geneigt  wir  auch  jetzt  noch  sind,  alte  Fabeln, 
ohne  eigene  Untersuchung,  zu  verewigen.  leb  las  tnerst  das 
Muhrchen  bei  Hefmont ,  und  bewunderte  gleich  die  Vorsicbiigkeit 
der  kastrirenden  Sau  nnd  ifar  subtiles  ManI,  dafs  sie  den  nrmen 
kleinen  Theophrastns  blofs  enthodet,  und  ilim  nicht  das  Eine  mit 
dem  Andern  weggerissen;  bis  diese  Stuttde  weifs  ich  aber  nach 
nicht,  ob  je  ein  gleichzeitiger  glaubwürdiger  Schriflsieller  der 
Sache  gedacht,  Christoph  Gottlieb  von  Murr  sagt  zwar  (Neun 
Journal  zur  LUleralur  und  Kunstgeschichte  2.  B.  Seite  182),  er 
hhbe  die  Erzählung  in  einem  Briefe  Theodor  Zwingers  unier  den 
Thomasiusiscben  Handschriften  gefunden;  da  Theodor  Zwinger 
aber  erst  im  Jahre  1533  geboren  und  Hobenheim  1S4)  gestorben 
ist,  so  kann  man  ersten  nicht  als  einen  gleichzeitigen  Schtift- 
sleller  ansehen.  Er  konnte  bei  Hohertheims  Tode  nnr  ein  acht- 
jähriges Kind  sein,  wird  auch  nicht  als  Kind,  sondern  als  Mann 
sich  um  jene  Sache  bekümmert  haben;  die  vermeioiliche  Thal- 
sache  hätte  also,  da  das  Gerücht  derselben  seine  Aufmerksamkeit 
in  Anspruch  nahm,  zum  mindesten  schon  über  fünfzig  Jahre  alt 
sein  müssen.  Wahrlich!  ein  sehr  schlechtes  geschichtliches 
Zeugnifs. 

lAomas  Ermatf  der  anch  von  der  Sache  spricht,  ist  1523 
geboren ,  konnte  also  bei  Hohenheirns  Tode  nur  ein  achtzehnjäh- 
riger'Jüngling  sein;  man  kann  ihn  mithin  nicht  für  einen  gleich- 
xeiiigen  Schriftsteller  ansehen.  Seine  Angabe  ist  auch  so  unbe- 
sttromt  nnd  von  der  Zwingerischen  abweichend,  dab  nnr 
ein  Leichtgläubiger  ihr  geschichtlichen  Wertb  beilegen  kSnnte. 
Von  Paracelsus  sagt  er  fDUput.  de  tnedtc.  novo  Paracehi  p.  I. 
p.  237^/  In  Carinthia  narralum  mihi  ett,  exuectot  et  tette» 
fuwe  a  miliie  dum  tattere»  patceret.  Er  nennet  also  weder  be- 
stimmt den  Ort,  wo  sich  die  Begebenheit  zugetragen  haben  soll, 
noch   die  Leule  die   sie  -ihm  erzählt,    sondern  gibt  blofs  im  All- 


_    4t    — 

gfcitn  efn  SS  M«U»n  lasgM  md  14  MeileD  braiiM  Henog;- 
ihaa  an,  in  iem  ihNi  du  Gerücht  za  Ohren  gekomnran,  und 
Kwar  ein  Land,  in  den  die  angeblidie  Tbatnwfae  sich  nicht  eio- 
iMibl  mgetragen;  denn  Wilhelm  von  Hohenheini,  der  Vater  dea 
Tbeophroat,  iat  ja  erat  1302  nach  Willach  in  Kirnthen  gezogen, 
miihifl  taüfate  die  Kaslradoa  entweder,  wie  Zwinger  angibt,  in 
dem  Dorfe.Gaift  de«  Caatona  AppenaeH,  «der  zu  Eioaidlen  im 
Caalon  Schwitz  geacheben  sein.  Entats  Angabe,  dafi  ein  Sol- 
dat (also  nicht  ein  Schwein)  den  kleinen  Jungen  aoU  enifaodel 
haben,  macht  die  Sacfae  aadi  nicht  wenig  verdXchtig,  denn  zwi- 
«cfaen  einen  Seldaten  and  einem  Schweine  ist  doch  ein  merk- 
licher Unterschied.  Endlich  ist  es  noch  höchst  nnwabrscfaetiiliGh> 
dafs  Wilhelm  tod  Hohenheim,  der  doch  kein  armer  Mann  gewe- 
aen ,  sein  vier-  «der  finfjAhriges  S5bneben  als  GSaaehinen  sollte 
gehranobt  haben.  Man  atSüit  hier  Ja  von  alten  Seiten  auf  Un- 
wabraeheinlichkeiten  titod  WiderspriiGfae.  Ch.  H.  von  Murr,  der 
dieses  wol  «elbsl  fiihlt  and  doch  die  fabclfaafle  Kastration  nicht 
will  fahren  lassen ,  hebt  den  Umstand  als  besonders  beweisend 
hervor,  defa  Paracdsns  aaf  alten  Gemlbldea  bartlos  da^eatellt 
wird.  Im  16.  Jnhrhundert  lielken  ^tet  doch  nicht  alle  M&naer 
ihre  BAne  waobfie«.  Ich  habe  von  Lmher  ein  altes  Bfid  gese- 
hen, welches  ihn  bartlos  darstellt,  die  besseren  Kapferstiche ,  die 
doch  nach  alten  Bildern  gemacht  sind,  geben  ihn  auch  bartlos; 
nun ,  der  ist  geivifg  nicht  Kastrat  gewesen ,  denn  er  hat  ja  Kin- 
der erxengt;    was  beweisen  also  Bilder  in  dieser  Sache) 

ich  hatte  roo  Murr  dem  Polyhistor,  ron  diesem  nnermüdlichen 
Forseber  erwartet,  dafi  er  in  allen  ßfichem  dem  eigentlich  ent- 
scbeidetiden  Punkte  nachgespiirei ,  nämlich,  ob  ein  gleichzeitiger 
Freund  oder  Feind  Hobeaheims  anch  angemeritt,  dala  dersell»«  die 
feine,  unmännliche  Stimme  eine«  Kastraten  gehabt.  Wäre  dar- 
über kein  Zengnifs  in  ali«i  BOchern  zu  finden ,  so  hfilte  Murr 
dieses  verneinende  Ergebnifa  seiner  Forschung  nns  millheilen 
müssen ,  weil  hier  gerade  die  Verneinung  den  vBlligen  Ungmnd 
der  Kastration  schlagend  beweisen  würde;  wie  hätte  nämlich  der 
Hochschullehrer  von  Hohenheim,  der  tigttch  öffentlich  sprechen 
mnfste,  jenes  Zeichen  seiner  Entmannung  verbergen  könnenf  — 
Die  feine  unmännliche  Stimme  des  berühmten  Meisters  hnlle  ja 
alsobald  jedem  Zuhörer  auffallen  müssen ,  und  würde  als  eine 
seltsame  Eigenthümlichkeit  desselben  allgemein  bekannt  geworden 
sein.  Wer  kann  nun  glanben,  dafs  seine  Neider,  die  ihn  doch 
blof«  aus  Spott  znm  Kastrat  machen  wollten,  von  einer  Thatsa- 
cbe  schweigen  sollten,  die  ihrer  neckischen  Behauptung  einen  be- 
dentendui  Wahrschein  wflrde  gegeben  haben? 

Nun  komme  ich  aber  auf  einen  noch  wichtigeren  Punkt,  bei 
dein  wir  kein  Zeugnifs  eines  Geschichttiforschers  bedürfoi.     Wäre 

— —  "s'^' 


-  tt  — 

llohcnheim  als  Kind  kastrirt  worden,  mithin  bankM  gcUMea, 
wie  würde  er  denn  seinen  Srztlicben  Widemchem  gesagt  haben; 
mein  Bart  bat  mehr  erfahren  als  alle  enre  hohen  Scha- 
len? Ueber  die  Verstüinnielung,  witre  sie  ihm  wirklieh  in  der  Kind- 
heit zu  Tbeil  geworden ,  konnte  kein  verBtändiger  Mann  lachen,  sie 
kennte  ihm  nie  die  Achtung  sebmilerB,  die  er  al»  Arxt  erwocben; 
hätte  er  aber  als  faanloser  H&fflmliog  aoch  aar  bildlich  von  «ei- 
nem Barte  gesitrocheii ,  so  würde  er  sich  ja  dadurch  als  einen 
Albfmen  bekundet,  und  sieb  dem  Gelächter  aller  eeiaer -Bekann- 
ten anageseist  haben.  Wer  ist  aber  so  unweiee  zd  glauben,  da& 
er  gerade  in  der  Vorrede  des  Bnohes  Paragrtamm,  welche  Vor- 
rede reich  an  derben  nnd  witzigen  Angriffen  ist,  seinen  Gegoem 
eine  solche  Blebe  sollte  gegeben  haben  1  —  Wäre  die  Barlstelle 
weniger  bekaant  als  sie  ei  wirklich  ist,  se  könnte  ich  das  Nach- 
sprechen des  Kastnuionsmährcbens  noch  allenfalls  eotscholdigen ; 
da  aber  gerade  diese  Stelle  eine  solche  isf',  die  als  lästiger  Be- 
weis der  Paracelsiachen  Prahlerei  längst  in  AnekdoteDsammlungen 
übergegangen,  also  sattsam  bekanntist,  so  würde  es  mir  schwer 
sein,  auch  nur  eise  scheinbare  £ntscbuldigang  anaerer  heutigen 
äbergrofsen  Glänbigkeit  zu  ersinnen. 

Nachdem   ich    nun  nn^ern  ehrlichen  Landsmann  von  den  ihm 
gemachten  Beschuldignngen  gereiniget,')  so  werde  ich,  bevor  ich 


•)  Ich  ritho  Jedm,  in  künnip  Lojf  bubrn  n^ctile,  cfne  Grirbiehle  der  ItrJt- 
tin  t«  Khrctben  ,  (Ich ,  bevnr  er  ■■  üi,  Ge*ehiekte  des  hraerliinnBi  Rehe), 
pinE  Bit  4cB  •ohBikeadeo  Geiile  dci  16.  JahrboBdtrti  Tortrmnt  an  nich«*. 
Iltt'hda'ahrirlteiilicb  wird  diese  Vcrlrtellieit  ihn  die  Aac«a  dei  VenliBdet 
*o  ölfneD ,  data  er  die  BtieboldigangcD ,  welche  maa  gefea  Uobcnbein  er- 
hnbrn,  lär  du  erltenol ,  wu  lie  «irklidi  lind  ,  nümlieb  ,  Kr  iea  ekethineir 
Roth,  Vit  weleben  die  Lögeibral  deiniblifcr  Zeil  Jeden  bertilimlen,  den  Zeil- 
fehi»  liobl  tmldtgeDdea  Kam  beeebnitile,  nid  er  wird'  pwHk  alte  L«it 
verlieron ,  jeae  BeacbaldisaBfea  all  wicbdfe  Beicblcbtlicbe  Urfcnadea  in  Mi- 
nen Bache  la  verewifee.  Vm  dieaei  Ratbei  VaratlndiRlieit  gam  aniehaulicb 
tn  maohen,  will  icb  einnabi,  lom  Ergeliea  neioer  jüngere d  Leser,  die 
Schnibunfea ,  welche  man  gRfen  Hohenbein ,  nid  die ,  welche  nan  {tf^ 
den  gleiebEetltgee  Lather  aiageipien,  fcsn  nebeiieiaaaderalallen.  —  Aafc^ 
lieb  war  Bnheuhein  vea  eiaar  t">ciBeD  ,  llederlichcB  Weibaperaoa  geboraa 
—  Hit  Lntben  Hnttar  halte  ein  SpirilHt  Incubui ,  dai  beirst,  eia  Tfofel, 
welcher  (leb  in  einea  Hcutcbea  venlellet,  gebahlt ;  die  Prorht  dicaer  Bnbl- 
acbaft,  Lolher ,  war  aUo  ein  wahrer  Salanuobn.  —  Hohenheini  war  eiu  ge- 
wiiienloser  Memcb ,  der  .die  Kreaktn  dnrrh  Bineraliirba  GiFle  aitirdrte.  — 
Lnllief  war  ebenfalU  ei«  Haen  ohne  Gewiaaev.  —  Hnhenbcln,  den  naa 
hiaiicblltch  der  «seriaablaa  BefHadifang  dei  (i«ieblr«blatrirtc(  darchant  nicM« 
SaUndliebea  andichten  kannte,  lieft  man  dnrch  eine  Sau  kaatrirea.'  —  La- 
ther,  den  ia*o  nanGflich  tnm  Railralen  nacben  kennte ,  rnnr^ie  nit  aeiner 
oacbtaerigen  Fma  baren,  ■>>,  iat»  dieie  den  Tag  leck  der  Huchzeil  loa  Kiid- 
bcll  kan.  —  Hahenbeim  war  ein  Verlebirr  der  Wlairniebart.  —  t.alfarr  wor 
ein  freriier  Vernegliaifrer  atlea  bShrrea  Wiaaeaa ,  der  arholatliai'hi-n  Thmlo- 
gie  «ad  der  UiincniGUss ,   er  ver«r«Uate  aapir  die  acadeniachea  Titel  und 


-^    4S    ~ 

Mfnfl  eigsailieb*  Hatlldire  RSBlsge,  eilieb«  seiner  meAsiniflehea 
Gedanken,  wie  ne  mir  gerade  in  den  Warf  kommen ,  zusHiniiien- 
•teilen,  damit  ihn  meine  Leser  daraas  als  Verstandesmenschen, 
als  praktischen  fi.nt  and  als  sittlichen  Menschen  kennen  lernen, 
und  «ai  so  mehr  bvwogen  werden,  seiner  Heillehre  die  Anfhierk- 
samkeit  an  sehenken,  die  m«  verdient.  Um  aber  ganz  unparteiisch 
sn  verfahren,  werde  ich  etat  seine  Lichtseile  and  dann  «eine 
Schattenseite  xeige*. 

Wir  wollen  mit  einigen  Fodemngen  heginnen,  die  er  an  die 
Aente  mache.  KaMst  tadelt  er  ihre  Kleiderpracht  und  sagt,  es 
aei  ein  Grflael ,  <laii  ein  Ant  gepotst  wie  ein  Bild  hemmtrete.  *) 
Üeliwer  würde  es  henl  an  fage  seiDf  ans  eine  lebendige  Vontel- 
luDg  von  der  Zierlichkeil  unserer  allen  Kollagen  SO  machen, 
wenn  Hobenheiin  nicht  dafBr  gesotgt  hXtte,  der  Nachwelt  in  sei- 
nen Schriften  das  Bild  eines  solche«  Pnmkanttes  anfKabewahren. 
Kr  sagt"}  „Ein  Arst  soll  wohl  gekleidet  gehen,  soU  seinen  Ta- 
„lar  antrage«  mit  Knftpfni,  seinen  rotheo  Jnget  and  eitel  Koih 
„(waniin  rethl  gedlllt  den  Banern  wohlj;  und  das  Haar  fein  ge> 
„Mlrelet  nnd  ein  rothes  Baret  darauf  Ringe  an  den  Fingern,  Tiir- 
„kis,  Smaragd,  Sta|ihir  darin  (wo  nicht,  jedoch  Glasische«  auf  das 
„wcnigsie),  so  mag  der  Kranke  einen  Glauben  an  dich  haben. 
„(Jnd  die  ESieine  haben  solche  treffliche  .Vatnr,  da&  sie  den  Kran- 
„ken  ihr  Herz  eaixfinden  snr  Liebe  gegen  dich.  O  du  mein  Lie- 
.,ber!  O  du  mein  Herr  Doktor!  —  Ist  das  Hiynicai  Ist  da»  Jua- 
fjnranJum  Hippoeralüf  ist  das  Cbirargikf  ist  das  die  KunstI  ist 
„das  derGrnnd*  —  Odu  Kalsensilber!" 

Kr  verlangte  fernpr  von  den  AerzK^n ,  sie  sollten  jene  losen 
Kiinsle,  die  iiiitn  unter  dein  Nniiien  üry.lliche  PoÜlik  begreift,  fah- 
ren lassen.  Ihre  einzige  Wellklugheit  miisse  darin  beslaban, 
rechtlich  au  handeln  und  den  Kranken  in  ihrea  Nölhen  gnt  za 
helfen.  Von  den  Aerzien  seiner  ^h  aagt  er:  „Also  haben  sie 
„die  Leute  geaarret,  dafii  diese  ganz  in  deu  Glaabea  sind,  freund- 
„lich,  liebkos  leben,  Federklauben ,  ZutüteJn,  viel  | 


WiiHes.  —  UabcifcaiH  war  ■!■  TmakanboU.  —  LmAar  war  siehl  blori  eli 
Trunk« Db«ld ,  ■oodera  diehlata  LobUader  «or  die  Vüllerti.  —  Bobe»b«ia 
mr  «iBVariaklw  4m  Chrislaalbun.  —  .Lilhcr  tlieU  folIntitlrrUeb«  ScbMi- 
basgen  ftfB»  di«  baills«  Sofarilt  ■•*,  verwirf  di«  (iMlerblkhkcil  der  Scela, 
ja  ,  war  aia  GaltefUfper.  —  Hohaobeln  bat  ficb  eadUeh  durch  SalbitHard 
aM  dar  Welt  (eacham.  —  Doa  aagtSckÜeheB  Leiber  bat  elmt  iir  Hacbtieit 
«er  Tenfal  B«boll ,  »der ,  wie  aadera  waDea ,  ibi  blofi  ardraiialt.  [  M,  War 
dlafe  Sebnibnig«D  fcgea  Lalbar  ait  des  Naaien  dar  SehHiber  nid  mh  de- 
res  etgeaal«!  Wortea  Iciea  wUl,  dar  Badat  illa»  ]■  d«Bi  blttwljeb  -  kritbebe« 
WSrlsrbDfha  von  BajUe.  ] 

•)  /),/««.o  5. 

**)  Ronar  Brgriff  der  Craad  dar  Anari.  womf  tie  ilebH  «alL  fVnrfr««' 
mlUrtui  Truel.  i. 


-JOgIc 


—    44    — 

„die  Kunst  uod  die  Ancnei.  IleifwD  den  eimn  Janker ,  der 
„erst  von  der  KrÜiiierlade -herlauft,  heifsen  den  andern  Herr  und 
„Ew.  Weisheil;  bt  ein  Schuster  und  ein  Tölpel  n.  b.  w/' 

Nun  III  seinen  medizinischen  GeditnkeB.  Ich  fange  hier  wohl 
am  schicklichsten  mit  dem  Leben  an.  Er  war  der  Meinung}  aum 
wisse  nicht,  was  das  Lehen  sei^  nnd  bezeichne  es  desbalh  durch 
uancherlei  bildliche  Aasdriicke, 

„Nun  ist  das  Leben  des  Menschen  nichts  anders,  als.eio 
„uiraliBcher  Balsam,  eine  balsamische  Impression,  ein  himmli- 
„sches  and  unsichihores  Feuer,  eine  eingeschlossene  Luft,  ein 
„tingirender  Salsgeist.  Andere  und  deutlicher  kann  man  es  nicht 
„nennen,  wiewohl  es  mit  vielen  und  mehr  Namen  mochte  genuiBt 
„werden."") 

Es  ist  nut  Ein  Leben  in  dem  ganzen  Körper;  «s  äofsert  sich 
nur  anders  und  aaders  in  den  verschiedenen  Organen. 

„Der  Spirilm  viiae  ist  eio  Geist,  der  da  lieget  in  allen 
„Gliedern  des  Leibes  wie  siq  dann  genaant  werden,  und  ist  in 
„allen  gleich,  der  Eine  Geist,  die  Eine  Kraft  in  dem  einen  wie 
„in  dem  andern,  und  ist  das'faÖ£hsle  Korn  des  Itebens,  ans  dem 
„alle  Glieder  leben.  Aber  so  weit  er  sich  ausiheilt,  so  ist  er 
„der  Statt  nach  mancherlei;  denn  in  dem  Herzen  treibt  ihn  das 
„Herz,  dafs  er  berzische  Stärke  gebraucht,  das  er  iu  anderen 
„Gliedern  nicht  ihut;  in  der  Leber  desgleichen  der  Leber  Slaikt! 
„und  ibut  dos  in  andern  Gliedern  auch  nicht  a.  a.  w."  ") 

Es  ist  nur  Ein  Leben    in  der  gunzen  Natur. 

„In  allen  Gestirnen  und  Influenzen  des  ganzen  Himmels,  so 
„weit  das  Firmament  begreift,  liegt  die  Kri^t  des  Spiritus  viltte 
„uod  ist. gleich  einem  vapori  coeletti  inviaiiili.'^*") 


•)  De  natura  rtrum   LH.  IV. 

")  De  Viribm*  meHttraramCaf.  I.  —  In  disMn  Pnokle  wir  Dohcnttin  klii< 
f«r  all  der  HMiUehe  Latbant  J.  Dolaeat  der,  1691  \m  («tnar  KneyelofmeJia 
mtiica,  dsn  Lebe* ,  je  Mckdcn  «•  aiob  in  d«n  eimsalnen  Ors*aen  iaricrt, 
gant  vcrtcbiedeao ,  «ehr  wDodertiebe  Titel  beila^  ,  ala:  Gatteranax ,  Cardi- 
Wteleckf  Mierocoimelor ,  Cottnotorget.  Trotz  disaor  leibarzllicben  Harr- 
heit    ist  it»   Baeb    aber    doab   far  jeae  Zoit  gat,  beaaer  ali  unnebea  «ädere 

*">  D*  virii.  memirtr,  Lit.  1.  Die  Idea  eine*  «llgameuee  WellLebeni  oder 
einer  WelUeile  iat  balcnnntUcb  lehr  alt,  eiaat  bat  *ie  einer  anaerer  Zeilge- 
noaaeo  tebr  «inareicb  betonden  auf  nnaern  Erdball  beiogan ,  denselben  ab 
ein  ungeheurea  Tbier  angeaeliBn  ,  awi«elien  denen  Haaren  wir  atae  HeaicbcD 
nabat  aadern  (äeiebfipran  beramltfabbela ,  von  deuea  nücblipn  Au  -  und 
Eioalfanien  Ebbe  and  Fiat  de*  Heerai  abbantan.  Ich  würde  diete  eiseoe 
Aawendnns  der  alten  WeltHelenidee ,  obtteicb  tie  mit  bain  Leaea  Vei^ 
gaügen  f emacbt ,  lingil  verfeisen  babea,  wens  micb  nicbl  tpSler  Mar%Uiut 
Fitinui  dnrcb  eine  Stelle  aeipet  Bncbea  De  trlplM  viia ,  in  welcber  aaib  von 
liaarea,  Knocbeo  aad  Zjürnea  unierct  Wnndulalernei  die  Bede  bl,  auf  eine 
wirklieb  UberrafcbeRde  Weite  daran  erinnert  hiilW.  Die  oieritwürdife  Siede 
"■■■  -     ■'  ---— ^^^" 


—    45    — 

Das  L«b«n  d«r  Namr  offenbart  sich  nur  dnrcb  einen  Kninpf 
und  in  <1ie§«ni  KampFe  ist  iler  Mensch  begriffen. 

,4)araiif  merkel,  iuU  alte  Dinge,  die  da  geachafTen  sind, 
„wider  den  Menschen  sind  and  der  Mensch  wider  sie.'^*) 

Is  diesem  Kampfe  bai  jedes  Wesen  das  Bestreben,  sein  ei- 
gen ibnmli  che  8  Setn  in  eilialten;  ohne  dieses  Bestreben  würde  die 
Heilknnsl  ein'  Unding  srin. 

„Also  soll  nun  der  Mensch  wissen  und  reraiehn,  so  Gott 
„ihni  seinen  nalürlioben  AtM  nnd  seine  natürliche  Arxenei  nicht 
„gegeben  bsite  und  gesdiaffen,  de«  äufseren  Anies  halben  bliebe 
„nichts  beim  Leben."  **) 

Die  Eansl  kanii  da  mit  Vortheil  eingreifen,  wo  die  \alur 
xa  langsam  heilt;  es  ist  aber  thSricht  von  den  Aersten,  dab  sie 
alle  Heilungen,  sonderlieh  die  der  aknten  Fieber,  ihrer  iwecklo. 
sen,  langweiligen  BehandluDg  xuscbreiben.  Hier  ergreift  anseni 
Hohenbeim  der  satirische  Geist  nnd  er. spricht  alsu: 

„GeAtzl,  es  wäre  ein  Kranker  vorbanden  an  einem  Fieber, 
„hätte  seinen  Termin  12  Wochen,  nnd  danb  wHre  es  am  Ende; 
„so  hBtte  er  zweierlei  Aerzte  vor  ifaut,  den  falschen  und  den  recb- 
„len.  Der  falsche  handelt  also:  Fttbet  gemSchUch  und  langsam 
„an  zu  arzeneien,  vertreibt  viel  Zeit  in,  Sprvpü  in  LaxaUrit, 
„mil  Purganzen  und  Ilafermüfslein,  mit  Gersten,  mit  Kürhsen,  mit 
„CilmliU,  -mit  Julep  nnd  anderem  solchen  Geschmeifs.  Lang- 
„sam,  —  mit  der  Zeit,  —  und  oft  dazwischen  klfsrirt;  —  weifs 
„selbst  nicht,  womit  er  umgehet,  —  nnd  schleicht  also  mit  der 
„Zeit  und  mit  seinen  sanfien  Worten  hindurch,  bis  er  auf  den 
„Termin  kommt:  dann  legt  er  den  eigenen  Abzug  des  Fiebers 
„der  Kunst  zn.  —  Aber  den  gerechten  Arzt  erkenne  also:  Die- 
,,sen  Termin  tbeüet  er  in  zwölf  Theile,  den  einen  und  den  hal- 
„ben  nimmt  er  zn  seiner  Arbeil.'****) 

Wer  denk)  hier  nicht  an  das,  weis  über  den  nämlichen  Ge- 
genstand unser  C,   W.  Hitfeland  gesagt  hat! 


Asdat  lieh  rot.  S6  der  SlnfabDr^er  Augab«  von  Jalira  ISIi  dbJ  lastet  ■!••: 
ViUi  mtmdi  amniim  inttia  prapmgatur  teldenter  in  Verbal  et  mrhant  gnati 
im  pilat  ikI  carparft  algue  raptHot,  tumtl  intuptr  l»  lapiäe*  et  mt- 
talla  vtlat  rfentri  et  anm ,  ft/talat  futgue  In  ttttnlet  eearhai  terrae  ei  /»- 
pUibm  a4hatrvnte* ;  haee  entm  nen  tarn  proprio  fuam  xpta  tommuni  lotint 
rita  ritunt,  guat  lant  eomatiinlt  vita  mutiB  gliam  magit  titper  terra» 
im  eorpuribut  vigel  nbullarltat  tanguam  frapSagnioribul  amimat,  per  etiju* 
elgartm  iatimum  aqua,  Ser,  igntt  visentia  tua  pattUtnl  aljue  movemlnr ; 
tila  haec  ärrem  ignmqiie  etiavt  magit  gitam  larrim  et  agaam  Jirel  mgital' 
fue  perpelue   mota  tte. 

*)  ParamIraM    Traet.  f. 

")  l^bfriaMui   m^dirarum.     f:ap   7. 

")  n^fenU»  I.  f^  I 

D,3-,zedt,C-.OOglc 


—    4«    — 

Die  Heilvrirknng  der  Anenet  nah  Ilohenbeim^  alt  «luras  anf 
anwandelbnre  Xalurgeaeixe  GegrilndMes,  für  sicher  Rit. 

„Uns  ist  ein  Am,  dw  da  ueUs  zu  helfen  und  w  vertretbea 
„die  Krankheit  mit  Gewalt;  denn  wie  eine  Axt  an  einen  Bunni 
i*gel'gt  wird  nad  der  fSIIt  um,  und  daH  iit  ^ewlfs;  also  gewifs 
„isr  auch  die  Arseaei  ia  dem  KraDken.  Kann  ich  es  nicht ,  tu» 
„jiage  ich  fröhlich,  ich  sei  an  dem  Orte  auch  kein  Ani,-Hls  wohl 
„als  Ihr.«'} 

Obgleich  er  aber  die  Heilwirkung  der  Aneneirn  für  sicher 
hielt,  so  dnehle  er  doch  ganz  anders  über  die  Erkenninifs  der 
Krankheil;  diene  sei,  meinet  er,  schwierig,  erfodere  grofse  Sorg- 
falt and  Umsicht.  Das  schneUe,  nnbedacbte  Ahnrtheilea  Tiber  die 
Naiur  einer  Krankheit  leng*  von  grofsem  UnTerslande  des  Ar«- 
tes;  denn  die  Natur  mancher  Krankheiten  sei  ja  einr.ig  durch 
Probeaiiliel  {Bemgentta  mtdica)  tu  ergrfinden. 

„Sie  sagen:  so  ich  zu  einem  Kranken  komme,  so  wineich 
„nicht  von  Stunde  an,  wa^«  ihm  gebrist,  sondern  i<^  Surfe  eine 
„Zeit  dazu,  bis  ich  es  erfahr«.  Es  ist  wahr,  dafs  sie  es  von 
„Stunde  an  nrrheilen,  ist  ihre  Thorhelt  schuld,  denn  am  Auskeb- 
„ren  ist  das  ers(e  Unheil  falsch,  und  von  Tage  zn  Tage  wissen 
„sie  je  ISnger  je  minder,  was  es  ist,  nnd  siellen  sich  selber  zn 
„Lügnern;  so  ich  begehre,  je  llingcr  Je  mehr  zur' Wahrheit  zu 
„kommen." 

Nun  vergleicht  er  den  nniersucbenden  Arzt  mit  dem  bergmän- 
nischen Metallurgen,  der  die  Erze  durch  Proben  nniersucbl,  nnd 
dann  fiihrt  er  fo^endermafsen  fort. 

„iVlso  ist  es  auch  in  den  verborgenen,  langwierigen  Krank- 
„heiten  j  dafs  nicht  so  schnell  ein  Unheil  geschehen  mag;  denn 
,es  ist  unmöglich,  dafs  ein  Hund  so  bald  gefunden  wird,  oder  in 
„der  Küche  eine  Katze,  wie  viel  minder  in  einem  so  geführli- 
„cheo,  heimlichen  Handel.  Damm  die  Dinge  zu  erwägen,  zn 
„ermessen,  zn  versuchen  (so  viel  der  Versuchnifs  zustehet)  nicht 
„zu  verargen  ist;    nnd  alsdann  mit  der  rechten  Kunst  daran.     Da 


•)  FragmeM.  Ut.  Calamm.  rntü.  Praafatia.  Hiebt  alle  Acnta  dinkn  in  di». 
ua  Pukia  wie  HahcDkaJa.  Da  F,  SgUUi ,  bei  dea  im  Jabre  1669  lu  Lei- 
den bemchendeo  bSten  Fieber,  »gine  KhmI  ao  vegig  bewühne,  dnü  zwei 
DriUel  der  varnebnen  Elawobner  «tarben  ,  lo  war  er  weit  entfernt,  TrSblieb 
■B  bekennan,  dab  er  in  dieaer  Sencbe  nicbl  Arat  (eweaen  ;  er  icbrieb  viel- 
nehr  eine  aebr  lan^e  and  gelebrle  Abbandtnng  daräber.  Wie  liabl  licb  nna 
d«r  btrülnta  Htns  ana  dar  Rleamet  —  Auf  die  ■Uereinfkcbite  An.  Seine 
HellaK,  bobanptet  er,  *ei  die  beate  pweien  ,  aeine  Araeaeimittel  die  iweck- 
■ifilgiten ;  —  aber  —  Galt  bebe  den  Anenelen  loinen  Segen  venn^ ,  ■■> 
die  Leidener  Herrn  nnd  Franen  ibr«r  Sünden  wegra  xn  iDcbügen.  —  Dm 
beirit,   kriitliob    nnd   profeaioraliack  in|ieicb  aprecheo. 


,Jic^  der  Palt,  J«  li«gt  der  Schars,  also  «oll  Man  mit  lolchpn 
„Krankheitaa  baadala."') 

Da  maa  in  vieleo  FlUao  dis  Natar  der  Krankbeilen  nur, 
wie  dar  SeliaklekäBitler,  Aank  Prabeiaitldi  erkennen  kann;  ■« 
iM  an  bagreifen,  dab  in  mancbaa,  Irots  der  idwellMi  anit  aiche- 
reu  Heilwirkung  der  ArBaaeünittal,  die  Heilung  dach  nnr  langaan 
v^bracbt  winL 

„Den  Kranken  iat  die  Kamt  laag,  denn  Ungaara  wird  ifatu 
„g^olfen.  Kaoat  nad  Arxenei  tind  aweleriei.  Die  Kunst  ist 
„iHOgsam,  an  erkennen  die  Hülfe  and  die  Kraakbeil.  Dia  Arxeaei 
„Im  sohaeU,  die  Kuait  iat  langaaM:  das  macbt  der  [rrgai^,  ao  in 
„4er  Arzenej  ut,'^"} 

Er  tadall  es  leht,  dafi  die  Aanla  gemein«,  wabifeile  Mittel 
veraehiea;  in  dicaea,  glaaU  er,  Hecke  inwaÜen  eine  wicbligera 
Heilkraft  ids  ia  thauem  dimI  auslüadiuihen. 

„Ea  ist  Je  and  je  der  Tennaiotea  Aenie  Brauch  gewesen, 
„dafs  alles  das,  was  geringe  SimfUeia  waren  and  keiaen  Schein 
„noch  Ansehen  hatua,  waiea  leichtllch,  ja  etwa  nutsonst  au  be- 
„koiiiman,  daa  qtufste  alles  niohis  gehen,  nnd  von  ihnen  verach- 
.  „tet,  Terworfan  and  hinior  die  TbSr  geeeut  werilea.  Haben  nicht 
„bedacht,  dafs  Gott  der  Allmächtige  nichu  vergeblidi  geschaU'e«, 
„Boadeni  ein  jegliches  Geachdpf  niil  saaderlichea  Tugenden  be- 
„gabet,  aacfa  setoeBi  gSttliofaea  Willen  und  Wohlgefallea.  Dafs 
„wir  aber  solches  wenig  wissen  und  erkennen,  da  sind  wir  selbst 
„Schuld  an,  dab  wir  ao  scblSfVig,  so  faul ,  so  uogiänbig  und  to 
,,verdriisBig  sind,  ao  suchen  in  der  Xatur.""*) 

An  einesa  anderen  Orien  sagt  er: 

„Ea  ist  nicht  von  Ndihen ,  so  viel  Büchsau  nnd  Scatuln  und 
„Krüge  und  GlAaet  in  der  Apotheke  zu  haben  —  —  — " 

„Der  Arat  soll  sieb  fleifsen,  dafs  er  nicht  in  vielen  Büchsen 
„liege,  nicht  ia  den  Arzeneien,  die  aus  weilen  Landen  kommen, 
„sondern  er  soll  sieb  befleifMD,  dafs  er  nicht  übersichtig  sei, 
„sondern  Tor  sich  niedersebe  wie  eine  Jnngfraa;  so  findet  er  vor 
„dvD  Fufsen  einen  mehreren  Schatz  zu  allen  Krankheiten,  denn 
„India ,  Aegipten ,  Barbaria  und  Graecia  vermag.  Solchem 
„Grande  soll  der  Arzt  nacbgehan ,  denn  es  ist  eininafal  gut  wis< 
„sen,  (daa  ein  jeglicher  Banernknecfat  versteht)  dafs  nichts  dann 
„Trügerei  in  den  Büchsen  ist  und  Scaluln;  nnd  wie  sie  hSizen 
„sind,  so  sind  Doktoren  und  Apotheker  auch  hSizen,  Gleich  und 
„Gleich  kommt  zusammen."  ****) 


•)  DffemU   J. 

")  AiulrgM(  i»r  Afimiimm  dca  Hipprtrstu.     lifJitr.  I. 

***)  Ltb.  frimeipiarum  teu   d»   mj/tttrHi  ttrmium.     Cmf,  S. 

■»)  Vm  Am  ssdMkkM  Diofss  Kss.  «.  ^->  ■ 


—    48    — 

Diese  lefxieD  Worte  geben  mir  Vtnalatmng,  von  Hahen- 
heinis  Verhiilinifs  zn  den  Apothekern  zu  spredwn.  Er  war  kwin 
Freund  der  Apotheker  und  diese  konnten  es  nicht  von  ihm  sein, 
denn  er  scbrtob  wesig  nitd  kurze  Rezepte  und  verlange  gute 
Waare  von  ihneo;  er  WKfste  aach  das  Gate  von  dem  Schleefalen 
ui  nnierscheidea.    Er  sagt  von  den  Apothekern: 

„Ich  schreibe  kerze  Rezepte,  (nicht  auf  40  oder  60  StSek) 
„wenig  and  selten,  leere- ihMen  ihre  Büchsen  nicht  aus,  ubaffe 
„ihnen  nicht  viel  Geld  in  die  Küche;  das  ist  der  Handel,  darum 
„sie  mich  ausrichten,"*)  nnd  weiter: 

„So  oft  ich  die  Kni-.  Podagrae  habe  wollen  antreten  und 
,,roich  mit. einer  grofsen  Zahl  der  Kranken  versehen,'  so  ist  mir 
„begegnet  von  den  Apothekern,  (das  ist  von  ihrem  grsfsen  Un- 
„verslande)  dafs  ich  die  Arzenei  durch  sie  in  kein  Werk  niefat 
„habe  mögen .  bringen.  Zadem ,  dafs  si«  mir  engen  scheinlich 
„Quid  pro  QtM>,  Merdam  pro  Motcko  eihgemisctit  haben;  so 
„sehSndiich  die  Medioamina  gemacht,  dafe  Gott  aus  sonderen 
„Gnaden  Sofaaden  vefhOtst  hat;  nnd  zndem  ein  grofs,  nnziemlieh 
„Geld  gefoderl,  nnd  die  Sachen  so  gepriesen  und  geschStst,  dafs 
„ich  nicht  glaube,  dafs  geschicktere  Leute  zum  Lügen  mögen  ge- 
„fnnden  werden.'*"*) 

Zu  jener  Zeit  mag  es  freilich  etwas  nnheimlich  in  den  Apo- 
theken aasgesehen  haben.  Rondeht  nnd  Vaitriu»  Cardut,  deren 
Apothekerbüoher  vom  Ende  des  löten  Jahrhunderts  sind,  klagen 
beide  sehr  fiber  den  Zustand  der  Apotheken ,  besonders  darüber, 
dafs  jeder  Apotheker  die  Zusammensetzungen  nach  seinem  Gut- 
dünken mache,  und  darüber,  dafs  sie  keiner  Beanfiichiigung  un- 
■  tn^orfen.***)     Vaferttu  Cordu»  zeichnet  uns  auch  das  Bild  eines 


')   Defenna   7.     Du  Wort  ■airicbtsa   heibt   Id    diuar   Stell«,     nacblhaiDg 
benrihtilM,  varleondBa.    Kampt  Mft,   ei  mI  Is  diM«r  BadMlnns  lehr  bd- 
B«w)ibaliBb. 
**)  FraBUBot  ib«r  die  podagriictes  Krankkuteu. 

'")  K.  Sprengtl,  Aar  gern  dis  enl«  Spar  nanchM  pUn  Dioge  ia  fröhBraa 
Jahrfanaderleii  fiadet,  glaubt  aacb,  diB  Spar  alner  ApoIhBkanbeaaftichtlgaag 
BcboD  im  ISiBB  J*h(^aDdert  eatdecki  ca  babBB  aad  iwar  in  dBH  Äromataria 
du  Salnii»  voB  Ateiila,  Leifaint  dea  GroraMUBBtab«!«  von  Nsapel.  Da  er 
dea  Ptllea ,  waraat  die  BBaaraufati^af  berrargebea  Boil ,  ie  einer  Anaer- 
kug  aar  nit  ein  paar  Worte«  erwibnt ,  bq  will  ich  dan  aeagierigeB  Leier 
die  Geiebicbt«  elsMhl  pil  Saladiaa  eigenatea  Wortea  erublen.  Rex  arago- 
nutn  piinhit  aeriler,  et  lurpiler  eonieamavit  Kiapoli  gutndum  tJKi  ara- 
malaritm,  c«t  mtJiei  »tat  Majtitati*  orJiMavemat  quoddam  elecluarium 
roriialt,  tx  juo  ingreiitbannr  coralli  altt.  Et  illt  aromatariu*  noa 
haMat,  ud  eombuntt  caralloi  rsira«,  jm' 'ex  eombii$l{«»*  effrcH  mnt 
alii ;  %»dt  Aoe  etnit  ai  itotilimm  Demm  Regit ,  el  it'c  i/ff  /nit  eanitm' 
nemtm»  i*  aeenn  a«>nttai  dacalii,  et  de  eeter*  noluU  tum  pro  «raaia- 
lario.  ~~  Meliu  tum  expatitione  MeMÜni  etc.  f»lio  SIB.  Lugdalü  Mti. 
Mir  lehelDt ,  die»  GeBsblcbte  beweiatt  ««kr  seblecbt  di«  AfalhokeateaafBlcb- 


-    49    — 
wMhrfiHft   piten   A)iorhekeri;*)- ich   gestehe  aber,    bis  jelzt  nodi 
keinen     solchen     Viileriach  -  Cordiichen    Apotheker    gefunden    su 
haben. 

Sollte  unter  meinen  Le«em  rieh  Ttefleicht  ein  glBnbi^er  Apo- 
ihekerrerehrer  fifi<len ,  dem  lloheabeims  AnsstellDn^n  analS^ig 
geueMD,  «o  will  ich,  dieseni  m  Liebe,  einmal  die  Ehrentitel 
nponen ,  die  ein  fTirsilicher  Leibarct  den  Apothekern  beilegt. 
Wttlttr  Charleto»  nennet  sie ;  Pei:fida  ingratüiima^e  impotto- 
rum  gern»,  aegrorum  pernieie»,  rei  medicae  ealamitat  et  hihitinae 
prae*ide».  **)  Mir  acheint,  der  Ma»D  ist  noch  weil  ungeachiiffener 
nis  Paracel.itis,  ('ehrigen«  kommen  bei  Leislern  diejenij^en  Aersia 
auch  übel  weg,  welche  ans  Unkenntaifs  gezwangen  sind,  die  Ar- 
zeneien  von  den  Apothekern  auf  gnlen  Glauben  fltr  echt  hiazo- 
nehnien.     Er  *ngt> 

„Die  Apotheker  sind  so  falach  und  betrüglich,  dafa  sie  die 
„Pölaterdokloren  am  Narrenseile  nmziehen.  Sprechen  sie:  das 
„ist  das,  80  spricht  Doktor  Gimpel;  ja,  meia  Herr  Apotheker! 
„daa  tsi  wahr.  Alao  geacht  ein  Narr  den  andern;  der  Apotheker 
,,Q«<dpr«gwo  zeigt  dem  Polalerdoktor  Merdam  pro  BaUamo: 
„gesegne    es   Gott    den   Kranken,     die  anter  ihren   Hftnden  lie- 

Er  verlangte  von  den  Aerzfen,  sie  loTIten  die  Nichtigkeit  der 
auf  eine  anmafiliche  Kenntrrifii  des  helebien  Menacbenleibea  ba- 
sirlen  Galenischen  Lehre,  die  Nichtigkeit  ihrer,  von  dieser  Lehre 
ausgehenden  Verstandesverrichtongen  (welche  er  Speknlation  nen- 
net) einsehen  lernen,  und  sich  an  die  Beobachtung  der  Natur  hal- 
ten, dabei  würden  sie  weiter  kommen. 

„Aus  der  Natur  gehet  der  Arzt  hervor,  nnd  nicht  ans  der 
„Spekulation.  Die  Natur  ist  sichtig,  aber  die  Speknlation  ist  un- 
„sichtig.  Das  Sichtige  macht  einen  Arzt,  das  Unaii^ige  macbt 
„keinen.  Das  Sichtige  gibt  die  Wahrheit,  das  Unaichtig« 
„nicbtB."****) 

Den  theoretisirenden  Galenikem  ruft  er  zu:  Ihr  seid  Poüten 
und    poetisch    arzeneiet    Ihr,      Die    iheoretirirenden  Schriftsteller 


lifBBK ,  dmiB  die  Koralle  ab  leicbciri  konot«  docb  enr  dnrob  Verralb  elaci 
Gakaifen  inr  Kaantniri  d».  Anlu  sBlangt  tela.  Wir«  fie  Lalwcrpfl  lör 
ciiMD  Bucr  oder  BBi^ir  ^eweten  ,  kein  BrIid  würds  dancch  gekribal  htben. 
Ueberhaapt  lit  ji  iUb  Be(Dr*ii:litif an;  dar  Apolhskea  blofi  ein  nirhtiKM  Srbat- 
tanbild ,  walohai  erat  lo  tpKtercr  Z«lt  MiideoMtldUieb« ,  rrrptof  alcf  iiiAa 
Firrtanbertthtr     ^naren   Vcnlanda   all   atwa»   NatslIohH    habea   aardriDsea 

*}  Vat.  CarX  Di$p»ntal»rium.  pag,  10. 

*^  Dt    »evrbat».     Ub*r  tißgularis.     Autvre    GaatteM    CharUttn.     CarmK   II- 

Mag.  Brtt.  Regit  »td.  or^in.  pag.  3M. 
***)  Von  TarpMlUa  Kap.  1. 
••*•)  Pmragramim  Trmcl.  k 

4     D,3izedt,L,ÜOgle 


—    50    — 

wind  bei  ihm  Dokloren  des  Scbreibeas,  aber  nickt  des  Gcsiind- 
niachens. 

An  vielen  Stellen  seiner  Schriften  dringt  er  auf  eigene  Be- 
obnchtiing  der  \atnr  und  spoiiet  über  die  Aersle,  die  diese  ver- 
nacblügsigen.  So  sagt  er  x,  B.  in  dem  Buche  De  petfäitate 
Tractat  1. 

„Weil  der  Geis  sum  Gelde  dem  Geize  Kunst  zu  lernen  vor- 
„gehet  nitd  die  Faulheit  voririfl't,  so  ist  es  kein  Wunder,  dafs 
„man  sagt :  ach  t  ich  finde  von  dieser  Krankheit  in  keinem  Scri- 
„benlen  nichu;  denn  der  Arzt,  ist  eine  arme  CVealur,  so  er  »Hein 
„aus  papiernen  Büchern  sich  behelfen  vvill,  der  Kranke  wird  ver- 
„säurat  bei  solchem  Unfleifs.*' 

Er  hielt  es  für  sehr  thörichl ,  der  vorurtbeil freien  Beobach- 
tung ganz  widersprechend,  dafs  man  annehme,  die  N'alnr  erieuge 
nur  eine  gewisse  Anzahl  Krankheiten,  und  wer  diese  und  deren 
hergebrachte  Ileilarten  kenne,  der  sei  ein  vollendeter  Meisler: 
er  glaubte  hingegen,  die  Natur  könne  unzählige  Krankheiten  er- 
zeugen, habe  sie  erzengt,  und  werde  sie  künftig  erzeugen.   Er  sagt : 

„E^  sind  der  Krankheiten  riete,  nicht  in5glich  zu  erzählen; 
„auch  viele  «ergangen,  deren  keine  mehr  sind;  viele  zukünftig, 
„deren  wir  nicht  Wissen  haben ,  und  mehr ,  denn  wir  gegenwär- 
„Itg  haben  and  erkennen.  Viele  gehen  gegenwärtig  bin ,  deren 
„wir  nicht  Acht  haben ,  nicht  verstehen ,  und  übersehen  also  aus 
„Unwissenheit.  -Darum  ist  es  mir  nicht  Noih,  sie  alle  zu  erzUbleu, 
„sondern  nur  die,  so  mir  oflenlbar  sind ;  jedocb  aber  dabei  zu  er- 
„roabnen,  dafs  ihrer  viele  und  unzählige  seien,  wissend  und  un- 
„wissend,  gegenwärtig  nnd  künftig."*) 

„Ihr  möget  euch  wol  ergründen ,  dafs  ihr  alle  die  Rezepte 
„habt  für  die  Febres  gar  wohl  ausgestrichen.  Aber  wie  gut  ihr 
„die  habt,  so  milsräih  ench  ener  Handel  so  schwer,  dnfs  ihr 
, «selbst  erschrecket  daroh*  So  ihr  betrachtet  den  Grund  dersel- 
„ben,  so  findet  ihr,  dafs,  ihr  selbst  den  Grnnd  nicht  verstehet. 
„Ihr  Bebtet  ein  anderes  als  ihr  achten  solltet.  Ihr  theilet  aus  die 
„Geschlechte  der  Fieber  von  70  Theil,  und  betrachtet  nicht,  dafs 
„ihrer  fiinfuiabl  70  sind."  **) 

*)  Da  ptMi»  eum  additionibii  Lit.  I  —  Gkln  in  dasi  Boche  Qued  oplimut 
medieut  idem  tl  Hl  Pliilotofhut  u|t  rolgeadei  (nich  Eratmitt 
UeberietiDD^):  Qai  igHur  tobriatatit  antator  eil,  nee  bii'h«!  eerilali't  amantt 
Aie  venu  madieui  eoatperilur.  Hnir  oHtem  cum  naturaii,  eliam  an  raUo- 
Kolit  diteendtt  axercendaqttt  ttl:  quo  leial,  guot  tH  anivtrutm 
»int  morii  et  qtto  paete  eujntjut  tumenda  ti(  e*Talio»i^ 
ratio.  Welch  «Bfbenige,  ftliehe  An«icht«D  ia  Vergleich  mit  dea  Ptracel- 
■isebiD  I ! 

**)  Paramir.  dt  V  Entib.  morb.  prelog.  5.  —  Der  Aoidraek  5  mihi  70  i>l  hier 
wol  Dicht  wortlich  la  venteheo  ,  «ODdem  er  beieicheet  nur  cioe  Brorie,  Ba- 
beitimmbare  Zahl. 


—    51     — 

Dah  man  keioen  allgemeinen  klaren  BegritT  des  feindlich 
Einwirkenden  aufstellen,  niilhin  auch  keine  genügende  Bealim- 
mnng  desien,  wai  (lift  sei,  geben  könne,  «ah  Ilohenheira  recht 
gut  ein ,  dnrnm  sagt  er  anch  in  seiner  dtiuen  Vertheidiguag  Fol- 
gendes. 

„E^  ixt  das  Geschrei  -noch  gröfser  anler  den  nnverstftndigea 
„nnd  erdichteten  Aerzten,  die  da  gesagt,  dafa  meine  Uczepte,  so 
„ich  schreibe,  ein  Gih,  Corrosiv  aod  Extraktion  seien  aller  Bös- 
„heit  nnd  Gifrigkeit  der  \atar.  Anf  solches  Vorgeben  nnd  Aas- 
„itchreien  wMre  meine  erste  Frage  (so  sie  an  antworten  tüchtig 
„wtren):  ob  sie  ivissen,  wa«  Gift,  oder  Nichfgift  sei!  oder  oh 
„im  Gift  kein  Mysleriiini  der  Natur  aeit  denn  in  selbigen  Punk- 
„ten  sind  sie  nav«w8ndig,  [nod  anwissend  in  den  natürlichen 
„Krfiften.  Was  itt,  das  Gatt  erschaffen  hat,  das  nicht  mit  einer 
„grofsen  Gabe  begnadet  sei  dem  Menschen  xa  gniel  —  ^  — 
„Wo  ist  eine  Pmrgatio  in  allea  enem  Büchern ,  die  nicht  Gift 
„sei,  oder  nicht  aiim  Tode  dienen,  oder  uhne  Aergernib  gebraucht 
„werden,  so  die  ftosia  in  rechtem  Gewicht  nicht > betrachtet  wird'.' 

„ Ihr  wiht,    dafs  Argentum   vivvm    nichts  ist  als  allein 

„ein  Gift,  nnd  die  tSgliche  Erfahrung  beweiset  dassellte.  Nun 
„habt  ihr  das  im  Brauche,  dafs  ihr  die  Kranken  damit  schmieret 
„Tiel  stftrker,  denn  ein  Schuster  dos  Leder  mit  Schmer.  Ihr 
„rKuehert  mit  seinem  Zinnober,  ihr  waschet  mit  seinem  Sublimat, 
^,und  wollet  ntehf,  dafs  man  sage,  es  sei  Gift,  dns  doch  Gift  ist; 
„und  treibt  solches  Gift  in  den  Menschen,  ^re^end,  es  s«  ge- 
,,annd  nod  gnt«    es   sei   eorrigirt   darch   Bleiweifs,  ^eich  als  sei 

„es   kein   Gift. Das   sollt   ihr*aber   merken,    dafs   das 

„kein  Gift  sei,  was  dem  Menschen  sum  Gaten  ersohenlst;  das  ist 
„allein  Gift,  dos  dem  Mensehen  mm  Argen  enebenfit,  dös  ihm 
„nicht  dienlich,  sondern  schUdlich  ist." 

Mericwiirdig  sind  auch  folgende  Gedanken  fiber  die  Demitn- 
reinigkeiien ,  nnd  inwiefern  der  Am  sie  bei  Behandlangen  der 
Krankheiten  an  berücksichtigen  habe. 

„Am  allerersten  erkenne,  ob  die  Krankheit  die  Siercmra  re- 
„giere  oder  nicht.  Regiert  sie  die  Stercora,  so  pnrgire  in  kel- 
„newege.  So  aber  die  Sfercortt  di«  Krankheit  regieren ,  so  pur- 
„gire  die  Stercora,  so  gehet  die  Krankheit  hinweg."*) 

„Du  sollst  nicht  3fodum  pkarmacandi  versieben  xn  purgi- 
„ren,  sondern  Virtviem  diget/ivan  wiederzubringen,  so  hö«  der 
„Siermu  selbst  auf.  Uieweil  das  nicht  bescfaiehetj  dieweil  ist 
„fSr  nnd  für  das  Wachsen  der  Ht'ankheil."**) 

„Also   sind  Krankheiten  im  Leibe,   die   nii^t  Stereora  sind; 

*)  Dt  ■BfA  pkmrmacanJi  Trael.  It. 
**)  Dt  m»4e  pkwrmaemnii  Trmti-  IF, 

ü,!^,ztdtv  Google 


,',das  ist,  nicht  Stercorakrankheiten ,  sondern  rechte  Krankhciipn, 
„die  oflmalils  ancli  vergiften  den  Dreck,  also,  dafa  er  ans  seiner 
„Art  nod  Natur  kommt,  und  fallt  in  eine  Ursache,  dafa  er  aon- 
„derliche  Krankheit  macht."*) 

„Purgando  soll  das  Ezcremenl  ansgetrieben  werdMi,  da« 
„Creafttm  ist,  nnd  nicht  erst   creiren."-") 

Mir  icheint,  in  diesen  Sfttzen  stecken  sehr  versiandige,  wah- 
re Gedanken;  die  Wahrheit  und  Verständigkeit  derselben  bat 
aber  die  Galenische  Schule  nicht  anerkannt,  nnd  die  SioUische 
Schule  eben  so  wenig.  Seit  dem  Verfalle  der  letzten  sind  jedoch 
diese  Gedanken  ron  klugen  Aerzten,  freilich  mit  anderen  Worien, 
nasgesp  rochen. 

Hohenheim  wai  der  Meinung,  der  Werth  des  Arztes  werde 
allein  dnreh  die  Befthignng,  den  Kranken  in  ihren  Nöthen  gut 
XU  helfen,  bestimmt. 

„Also  wird  beschlossen,  dafa  das  Geaundraachen  einen  Arzt 
„gehe,  nnd  die  Werke  machen  Meister  nnd  Doktor;  nicht  Kai- 
„ser,  nicht  Papst,  nicht  Fakultät,  nicht  Privilegia,  noch  keine 
„hohe  Schule."*") 

Ueberhaupt  hatte  er  einen  sehr  edlen  Begriff  von  der  Würde 
des  Arztes. 

„Ein  Arzt  mufs  kein  Larvenmann  sein»  kein  altes  Weib, 
„kein  Henker,    kein   Lügner,    kein   Leichtfertiger,    sondern  ein 

„wahrhaftiger   Mann  mufs  er   sein Kunst   und   Werk- 

„Bchaft  müssen  aus  der  Liebe  entspringen,  sonst  ist  nichts  Voll- 
„kommnes  da.  Denn  in  gleicher  Weise  wie  wir  zweierlei  Apo- 
„Btel  haben ,  der  eine  liebte  Kristum ,  von  wegen  seines  eigenen 
„Nutzens,  darum  ward  ibra  der  Seokel  des  eigenen  Nutzens  zn- 
„geslellf ,  also  bati«  er  seine  Ursache ,  Kristum  selbst  zu  verkau- 
„fen ,  auch  von  seines  eigenen  Nutzens  wegen  in  den'  Tod  zu 
„geben.  So  nan  das  Kristns  hat  müssen  erdulden,  dafs  er  von 
„wegen  des  eigenen  Nnlzees  hat  iiuissen  verkauft  werden  und 
„verrathen;  wie  viel  mehr  die  falschen  Aerste  den  Mensehen  er- 
,, krümmen  and  lähmen,  erwürgen  und  tödien.  Sobald  die  Liebe 
„erknllet,    so    mag   sie   dem    Nächsien   keine  gute   Frucht   mehr 

„tragen. Darum  so   folget   daraus,    dafs   dein-  Tbeile, 

„der  da  wandelt  in  dem  Wege  Gottes,  vollkommene  Werke  und 
„Früchte  e ntspri eisen ;  die  aber  anders  handeln,  als  die  Geschrift 
„ausweiset,  dieselben  sind  mit  viel  Jammer  und  F.lend  umgehen, 
„mit  sammt  dei^enigen,  bei  denen  sie  den  eigenen  Nutzen  sn- 
„chen."  ••")  • 

*)  Df  mad,  pharm,  fragiatttt.  Hb,  3. 

**)   Dt  Hnd.  pharm,  frag,  ad  Tract.  II. 

***)   Vamde  in  dai  Bach    Paragraanm. 

•"•)  lUftntio  5.  /^-  I 

Dig-izedtvLiOOglC 


-  »  - 

Wie  trefflich  uiuuaet  dieses  mit  der  cchdneB  SieU«,  die  ich 
■chon  obeo  aus  meiaes  ehrwürdigen  Meiiilers  HitfeloMd  Schriften 
angeführt.  Wenn  dieier  du  Weh  über  den  Ant  auamft,  dar 
Lhf  -  und  Geld^eiz  mm  Ziele  «einet  Strebena  macht ,  wenn  er 
•a^,  ein  solcher  werde  ewig  im  Widerspruche  mit  sich  selbst 
und  seinen  Pflichten  stehen-,  seine  Hoffnung  ewig  gettluicht  und 
sein  Streben  nie  befriedigt  finden;  so  heifst  das  doch  wohl  nichts 
anders,  als  was  Hohenheim  sage  der  Siclave  oiederer  Leiden- 
schaften sei  mit  viel  Jammer  und  Elend  umgeben. 

Dafa  Hohenheim  ein  Freand  und  Helfer  der  Armen  war,  ha- 
ben selbst  seine  strengsten  Widersacher  nicht  gelfiugnet,  darum 
halle  ich  es  auch  für  ganz  unn5ihig,  davon  viel  Worte  zu  ma- 
chen ,  zumahl ,  da  ich  schon  oben  zu  einem  anderen  Zwecke 
Stellen  angeführt,  die  seine  lobenswerlhen  Gesinnungen  in  diesem 
Punkte  bekunden.*) 

Zum  Schlüsse  miifa  ich  nun  noch  eine  nette  Stelle  mitlhei- 
len,  in  der  sich  seine  warme  Anbftngl  ich  keif  an  die  Kunst  aus- 
spricht. 

„Ihr  habt  mir  viel  verargt  und  übel  ausgelegt  meinen  ge- 
„riogen  Reichtbum  und  achlecbte  Kleidung,  so  ich  gehabt  und 
„gelrngen.  Hätte  ich  mir  alle  meine  Sa<rhen  so  wohl  bc-zahlpii 
„lassen  und  dem  GeMe  gelockt  und  gericht,  und  deines  SeckcU 
,,\ntzen  mehr,  denn  der  Kranken  \uizen  belracbiel,  wollte  r«i- 
„eher  sein,  denn  eurer  keiner.  Wiewol  ich  ohne  diefs  reicher 
„bin,  denn  euer  keiner;  Uraach,  ich  habe  ein  viej  beständigeres 
„Gut  als  ihr,  nämlich  die  Kunst  ist  mein  Gut  und  bestes  Reich- 
„thom,  denn  es  kann  mir  es  kein  Dieb  stehlen,  auch  kein  Feuer, 
,, Wasser,  oder  RSuber  nehmen,  man  nehme  mir  denn  zuvor  Leib 
„und  Leben:  und  so  würde  ihm  doch  die  Kunst  nicht;  denn  sie 
„ist  in  mir  verborgen  »nd  ein  unbegreiflich  Ding,  derhalben  geht 
„es  mit  mir  dahin  wie  der  Wind.*' 

Jetzt  hoffe  ich,  diese  vereinzelten  Gedanken,  die  ich  meinen 
Lesern  aus  Hobenheims  Schriften  mitgetheilt,  werden  ihnen  den- 
selben sBlIsam  als  einen  recht  verständigen ,  sein  Zeitalter  weil 
überragenden   Mann    bezeichnet    haben.      Sie'  werden    aber    auch 


*>  Wer  eioeo  bennd«rM  Zo;  tos  HskenbeiB*  UaelKeniBtiiglieit  mnd  MeMck««- 
liebe  leicD  will,  der  Sndrt  ihn  in  den  tcba»  frSber  vod  mir  «osfnihrtiD 
Briefe  winei  Schreiben,  PTuneot  Prsoz,  weteben  Brief  CAr.  GolU.  e.  Mun- 
in* H.  Neinden  Ortiit  lerraf  iHtm'DcJa  explieationt  hit  «bdrucken  Umcd. 
Frasi  KblUm  dk  Getchtehte  »U  blseedM  Wortsa:  ,,de««teleb<o  ireile 
ich,  difi  er  [PirtcelA*]  Aoetiltilsa,  WauenScblif ■ ,  FaUtüchtige ,  Podesri- 
*cbe,  Pr(D()i«Mche ,  nod  «ädere  ■•tihlife  viele  Rraoke  |er  omioDit  carirt, 
da«  Ihn  dens  die  GBleuiichen  Daetoren,  aicbt'ohae  nerUicbe  Schaid«,  aicbt 
■■rhihnB  Bi|rea;  didureb  il«  d*an  ia  fn^tt  VeraebtMg  hei  Je4erasaR  8*- 
liaMnei,  sad  w,    Tbe*phraiUt« ,  d«s«B«a  geehrt  Ul  wordes. 


,L,  Google 


-    54    - 

mit  mir  eiaremandeD  tein,  dafs  manclie  derselben  seinen  Galeni- 

schen  Zeilgenossen   etwas   nn  verstand  lieb   und  aberwitzig  vorkom- 
men mnfsten. 

Sollte  mir  vielleicht  jemand  vorwerfen,  ich  habe  diese  ver- 
ständigen und  raitunier  schün  ausgedrücklen  Gedanken  in  dem 
Dunkel  der  Paracelsischen  Schriften,  wie  vereinzelte  Leuchtkäfer 
sorgsam  gehascht,  um  ihm  davon  einen  hellen  Slrnhlenkranz  am 
sein  deolsches  Haupt  zu  heften;  das  Dunkle,  das  Unverständige, 
das  Aberwitzige  habe  aber  doch  in  seinen  Schriften  jedenfalls  das 
IJe berge w icht :  so  antworte  ich  darauf  Folgendes.  Schriebe  icb 
ex  pT^euo  über  den  Mann,  SO  würde  ich  ganz  ohne  Mühe  jedem 
Zweifler  zeigen,  dafs  die  angeführten  Gedanken  wahrlich  nicht 
die  einxigen  verständigen  sind ,  die  sich  in  seinen  Schriften  fin- 
den, sondern  dafs  seine  Schriften  vielmehr  reich  an  klugen,  den 
wahrhaft  erfahrenen  Praktiker  bekundenden  Stellen  sind.  Da  ich 
aber  in  dem  gegenwärtigen  Werke  blofs  zur  Frohn  über  Hohen- 
heini  schreibe  (es  würde  ja  gesucht  und  z.imperlich  ausseben, 
wenn  ich  von  diesem  Haupt  vergegenwärtiger  der  iairo  che  mischen 
Sekte  ganz  schwiege);  so  mufs  ich,-  um  nicht  gar  zu  weitlüuftig 
zu  werden,  manches  Wahre  und  SchSne  unberührt  lassen.  Ge- 
setzt aber,  die  von  mir  angeführten  Ho henhei mischen  Gedanken 
wären  auch  nur  die  einzigen  verständigen  in  seinen  Schriften,  so 
bleibt  doch  das  Verständige,  auch  in  einem  Wüste  von  Unsinn 
versteckt,  immer  das  Verständige,  wie  das  Gold  immer  Gold  bleibt, 
obschon  es  mit  einer  grofsen  Menge  unedlen  Erzes  versetzt  ist. 
Verständige  Gedanken  gehen  aber  nicht  aus  einem  unverständi- 
gen Kopfe  hervor;  darum  «wird  man  Hobenheiin  für  einen  ver- 
ständigen Mann  halten  und  den  Grund  aufsuchen  müssen,  warum 
er  seine  Verständigkeit  nnr  in  wunderlicher,  närrischer  Verpup- 
pung der  Welt  ofTenbaret.  Im  Allgemeinen  habe  ich  schon  an- 
fangs dieses  Kapitels  d^n  Grund  dieser  Seltsamkeit  angegeben ; 
weiter  werde  ich  aber  wol  Gelegenheit  ßnden,  den  besonderen 
Grund  mancher  einzelnen  scheinbaren  Narrheit  aufzadecken.  Jetzt 
würde  mich  dieses  .auf  Abwege  führen  und  der  Verständlichkeit 
des  Ganzen  Abbruch  thnn ;  denn  wir  müssen  erst  Hohenheims 
Schalienseite  mit  Aufmerksamkeit  betrachten,  weil  gerade  sie 
die  gelehrtesten  Geschieh tscbreiber  zu  groben  Mifigriffen  verlei- 
tet  hat. 

Er  besafs  viel  Witz  und  zwar  mehre  Arten  desselben,  raifs- 
branchte  aber  diese  Geislesgabe,  und  das  mag  ich  nicht  ent- 
schnldigen. 

Was  eigentlich  Witz  sei,  weifs  ich  nicht  einmahl  bestimmt 
aningeben;  denn  da  ich  selbst  nichts  mehr  und  nichts  weniger 
von  dieser  Gottesgabe  besitze ,  als  all«  meine  achtbaren  Ainubrü- 


kf  (mit  Auaschlafii  jedoch  der  eigenilichen  whiigen  Kfipfe,  die 
^gieiflicb  derselben  mehr  b«Mitzen  nmsaen,  und  mit  Auschlufi 
in  gelehrten  Steiflinge  und  Mnrrköpfe,  die  derselben  ganz  bar 
sind),  so  iHt  es  mir  auch  nie  eingefallen,  über  diesen  Gegenstand 
Belehrung  bei  den  Philosophen  zu  glichen,  kann  also  nur  davon 
iprechen  wi«  der  Blinde  von  der  Farbe.  Ich  habe  gehört,  Wilx 
toll  das  Vermögen  unseres  Geistes  sein,  Aehnlichkeiien  über- 
haiipt  ond  besonders  Aehnlichkeit  in  ganz  verschiedenen  Dingen 
aufiEufindeo.  Es  mag  wahr  sein,  allein  einzig  darin  kann  der 
Witz  anmagltcb  bestehen;  denn  ich  habe  bemerkt,  dafs  wltxigea 
Köpfen  nicht  blols  das  einfällt,  was  Aehnlichkeit  mit  einer  zu 
besprechenden  Sache  hat,  sondern  auch  das^  was  in  naher  oder 
entfernter  Beziehung  mit  derselben  stehet,  und  dab  ein  einziger 
Gedanke  eines  witzigen  Kopfes  zuweilen  die  vermeintliche  gründ- 
liche Gedankenfolge  eines  gelehrten  Steiflinges  über  den  Haufen 
wirft,  ja  ihre  Folgewidrigkeil  uns  so  deutlich  vor  Angen  rückt, 
dab  wir  Mühe  haben,  ernsthaft  dabei  zu  bleiben.  Es  ist  sehr 
begreiflich ,  dufa  gelehrte  Steiflinge  abgesagte  Feinde  der  witzi- 
gen KBpfe  sein  inSssen,  nnd  sehr  za  enlschnldigen ,  dafs  sie  eine 
groCM  N'eignng  haben ,  uns  glauben  zn  machen,  gründliches  Wis>- 
sen  nnd  Witz  können  nicht  zusammen  in  Einem  Kopfe  bestcbn; 
denn  da  in  ihrem  eigenen  Kopfe  alle  Gedanken  über  jeden  Ge- 
genstaad  in  geschloüsenen  Heerhaofen  gerichtet  dastehen,  auch 
nur  in  Reibe  und  Glied  ausrücken  können ,  so  ist  es  ihnen  eben 
nicht  zu  verargen,  dafs  sie  solche  Köpfe  scheuen,  deren  beweg- 
liche, behende  Gedanken,  gleich  leichten  Truppen,  -ihren  ausge- 
rückten bleiernen  Gedankenphalanx  umscbwfirmen,  und  ihn  zu- 
weilen da  unversehens  durchbrechen,  wo  er  am  besten  geschützt 
Kchiea.  Die  Erfahrung  hat  aber  doch  ,zur  Genüge  bewiesen ,  da& 
gründliche  Gelehrsamkeit  und  glfinzender  Witz  recht  gut  in  einem 
nnd  dem  nfimlichpn  Kopfe  Raum  haben. 

Der  Witz  ist  eine  besondere  Geistesgabe;  diese  deshalb  in 
aaderen  Menschen  zu  verachten,  weil  man  sie  selbst  entweder 
gar  nicht,  oder  nur  in  geringem  Grade  besitzt,  halte  ich  fnr  Un- 
recht. Den  Mifsbranch  desselben,  wie  überiiaupt  den  Mifsbrauch 
aller  anderen  Geistesgaben  mnfs  man  tadeln ,  nnd  ich  mifsbillige 
ihn  anch  bei  Hohenheiin.*  Wen  die  Nainr  mit  glänzendem  Wiiz 
ausgestattet  hat,  der  mag  denselben  wo!  mit  ^Rofser  Umsichi, 
selbst  aU  VertheidignngsnafTe  gebrauchen;-  muthwillig  aber  da- 
mit andere  angreifen ,  ist  unweise,  sehr  unweise.  Eine  leibliche 
Wunde,  in  Zorn  versetzt,  heilet  ^^eit  eher  und  vergifst  sich  auch 
weit  eher,  als  eine  geistige,  die  ein  giftiger  Witzpfeil  zurückläfst. 
Gerade  Hohenheiins  Wilz,  oder  vielmehr  der  Mifsbrauch  dessel- 
lien,  macht  es  dem  Geschichlschreiber  schwierig,  ja  fast  unmög- 
lich, aus    blofu  bücherlichen  Quellen   richtig    über    ihn  zu   urthei- 

— — '"8'^ 


-se- 
ien. Er  halte  sjcb,  durch  laiae  hetfsenden  AutflU«,  Geiaüich«, 
Aerzie,  Apotheker  uad  Weiber  zu  Feinden  gemacht;  da  nun 
diene  mit  der  Mehrzahl  der  Menschen  in  der  nächsteo  BerübruDg 
stehen ,  bo  kann  man  sich  leicht  die  unwahren  und  unbilligen 
Urtheile  «einer  Zeit  erklären,  and  die  Schwierigkeilen,  die  den 
Geschichtsforscher  aufatofsen  utiisseo. 

HohenheiiQ  besufs  mancherlei  Arien  Wiu,  es  ist  mir  über 
als  einem  Unkundigen  unmöglich,  diese  unter  gewisse  Kaiego- 
rien  zu  bringen.  Zwei  seiner  Wiisarten  sind  deiu  geschieh lli eben 
Kritiker  sehr  wichtig,  darum  niufs  ich  sie  besonders  hervorhe- 
ben: diese  sind:  der  ruhmredige  und  der  mystilizireDde  Witz. 
Von  dem  erelen  habe  ich  schnn  gesprochen,  und  mag  das,  «as 
ich  darüber  gesagt,  nicht  wiederholen,  also  handeln  wir  jelzt 
vortüglich  reo  dem  niyilifixirenden  Witz.  Das  Wort  M^slifizi- 
reo>  welches,  wenn  ich  nicht  irre,  erst  bei  meiner  Lebzeit  nus 
der  französischen  ia  die  deutsch«  Sprache  übergegangen ,  in  Jener 
bekanntlich  miitifter  heilst  und  ein  nttckischei  Miftibrauchen 
der  LeichlgiKubigkeit  der  Menschen  bezeichnet,  sHgt  doch  wol 
eigenilich  nichts  mehr  als  unser  deutsches  Zumbestenhalieo: 
wir  failUen  also  nicht  nöthig  gehabt,  unsere  Sprache  luii  dem  aus- 
ländischen Worte  zu  bereichern.  Hohenheim  besitzt  nicht  allein 
diese  Art  des  Witzes,  sondern  er  gefällt  sich  darin,  er  läfst 
ihn  allenthalben  hervorstechen,  zuweilen  so  grell  herversle- 
chen,  dafs,  wenn  man  sein  Zeitalter  nicht  kennete ,  man  sich  die 
Frage  stellen  würde,  wie  er  gewagl,  den  Lesern  so  etwas  zu 
bieten. 

Dieses  Zumhestenhalten  der  Menschen  geflillt  mir  gar  nicht, 
es  ist  doch  nur  auf  die  Leichtgläubigkeit  und  Dummheit  berech- 
net; für  mich  liegt  etwas  Widriges  in  dem  Gedanken,  dafs  der 
Starke  den  ScbwacbeH ,  der  Kiuge  den  Dummen  angreift.  Gera- 
de weil  Ilobonheims  Zeilaller  ein  sehr  abergläubisches  war,  wird 
man  an  dem  Manne  irre;  man  weifs  oft  nicht,  hat  er  das,  was 
er  sagl,  selbst  geglaubt,  oder  hat  er  es  blofs  seinen  Zeilgenos- 
sen aufbinden  wollen.  Von  den  übrigen  Wiizarlen ,  deren  er 
Meister  war,  wollen  wir  nicht  sprechen,  da  das  Erkennen  der- 
selben keinen  Einfliifs  auf  die  geschichtliche  Kritik  haben  kann- 
Sein  Aberglaube  ist  hingegen  einer  gen«ueren  Untersuchung  werth. 
Leider  habe  Ich  aber  Selbst  keinen  klaren  Begriff  von  dem ,  was 
eigenilich  Aberglaube  sein  soll.  Während  meiner  Lebzeit  hat 
man  früher  für  Mährchen  gehalten ,  was  man  jetzt  als  Wahrheit 
anericennt.  Da  ich  noch  ein  Junge  war,  sagte  mir  mein  laieini- 
aoher  Sprachmeisler ,  wenn  es  beim  Liviu»  hiefs,  lapidibut 
fluit:  der  Sieinregen  sei  ein  Aberglaube  derRitraer;  icbniufsle 
das  glaubeu ,  obgleich  es  mir  etwas  unbegreiflich  vorkam ,  dafs 
die  klugen  Höiuer  nicht  einmnhl  sollten  erkanni  haben,   oh  ihnen 


-    57    — 

^ttiM  inf  den  P^v  gelalten.  Da  ich  auf  der  Hochscfaale  die 
HnlluHwt  lerote,  Mgte  der  Profeisor  der  Chirurgie:  das  Anhei- 
In  ciser  fleisiJieriiea  N«se  sei  ein  Mührohen  der  Alteren  Wnnd- 
inie;  in  neuer  Zeit  Ut  aber  ancb  dieae»  Mäbrchen  zur  Watir- 
kil  gewfwden.  W«|cbcii  Begriff  «oll  ich  denn  fligentlicb  mit  dem 
Worte  Aberglaube  rerbiadea! 

lu  16len  JahrhuDderi  spielte  der  Teufel  eine  Hanplrolle,  er 
Hsr  der  eigeBÜiche  Held  der  damabligeo  WellbiUme.  Er  buhlie 
Hit  den  Weibern,  machte  die  Ijeule  krank,  verwirrte  den  Ge- 
Irhrien  den  Verstand,  störte  Luther  im  Bibel  übersetzen  und  der 
«arr  ibu  das  Otatenfajs  an  den  Kopf.  G old wache re ■ ,  Sterodeu- 
terei,  ChiromaiHie,  Gespenster,  Teufelsbeaitsung ,  Zauberei  wa- 
ren Dinge,  an  denen  niemand  zweifeln  durfte,  wenn  er  nicht 
uls  Ungläubiger  wollte  verschrien  sein.  So  wurde  ja  Baplüt 
hr/a,  der  in  seiner  Mttgia  naturali  vieles  vermeintlich  Zaube- 
rische natüriieh  zu  erklären  versuchte,  als  Magiker  angeklagt 
und  atulue  nach  Rom  kommen,  um  sieh  za  verantworten.*)  Wit- 
m»,  der  in  seinem  Buche  von  den  Werken  des  Teufels  g^«B 
den  Aberg4uaben  kämpft  un<^sicb  der  unglüoklichen  Hexen  an- 
nimmt, hält  es  doch  für  geratben,  den  Cinflafs  dea  Teufels  au- 
zugeben  und  durch  viele  Geschichten  zu  besiAtigen. ")  K.  Sprett- 
gei  meint,  der  helle  Kupf  habe  diese  Geschiebtea  selbst  nicht 
geg'anbL  Es  iitt  mir  dieses  auch  nicht  wahrseheinlish;  ich  denke 
abiT,  der  Mann  hat  die  TeufelBgesebichten  nicht  hiofs  zu  seiner 
eigenen  Sichersiellung,  sondern  auch  deshalb  vorgeschoben,  um 
den  Voruriheilen  «einar  Zeiigenoasen ,  deren  Verstand  er  aufkltt- 
ren  wollte,  nicht  gar  zu  urplötzlich  und  st^onungdos  entgegen 
SU  treten.* 

Wie  läfiit  CS  sid^^un  denken ,  dab  Hohenheim  in  dieser 
dunklen  Zeit  sieb  ganlnen  Fesseln  des  Aberglaubens  salll«  ent- 
wanden haben  1  wahrscheinlich  iat  es  cum  wenigsten  ni^t.  Was 
er  aber  geglaubt,  oder  nidit  geglaubt,  mdehle,vVean  man  seine 
Neigung  mm  Ujsiifisiren  in  ErwSgung  ziehet,  stdiwer,  ja  un- 
nöglioh  zu  bestimmen  sein.  Wenn  «r  uns  die  Sippschaft  der 
Teufel   auslegt,    wenn   er  von  den  Erduanochen   oder  Schrötlein 


*)  Ifl  laiBir  Mvgim  matHrah  B«d«  ick  iber  docb  iBCb  viilci  Pabalhtfle ,  wu  er 
gcwif«  Die  talbit  venacbt ,  (ondoni  m  bbr«  aodercD  ««r  gatoi  GUabea  sach- 
Seacbriehea  bat. 

**)  Kr  iet  euer  voe  Am  Belehriis  Aente*,  die  ddi  dvcb  Scbsatregeo  Ihrer 
grerten  ieUieaheit  emüdea,  ei  faUt  Um  gm  die  Gabe,  die  Unub)  tos 
Teafcl»-  «pd  Baxesteecbicbtaa  ipf  aiaa  anterballeade  Weiia  laaaaiiDeaHrai- 
bca.  la  der  ABalardaBncr  AHgab«  aeiaar  Werk*  aabaiaa  dia  aecba  Bäcb«r 
De  pra*illgi'»  ßaemoHKm  et  incamlatitnibut  ae  vintficli*  aod  der  Aabaag 
Mer  afat'gatiBM*  et  Piemdam»MarelUei  Daemanum ,  Über  4«  LmmH*  et  et- 
memltUit  jtjamii»  ?M  QaartaeiUB  aia. 

„,,,_..,L,  Google 


ausfiihi^ich  schreibt,  wenn  er  behaiiplet,  voa  dem  in  KlJtetem  nnd 
Hiirenhöfen  verschütteten  Samen  bilde  der  Teufel  eine  Art  Halb- 
menschen  u.  s.  w-,  so  knnn  er,  so  gut  als  tVierit»,  der  Vorur- 
theile  seiner  Zeit  geschonet  haben,  um  nicht  ganz  und  gar  ver- 
ketzerl  za  werden ,  er  kann  auch  dadurch  der  LeichtgISubigkeit 
Keiner  Zeitgenossen  ges))Otiet,  oder  anch  viot  es  selbst  geglaubt 
haben.  Wer  kann  es  wissen?  —  Für  das  Letzte,  nSmIich,  dafs 
er  alles  selbst  geglaubt,  spricht  der  abergiButiiache  Geist  seiner 
Keit;  fBr  das  Erste,  nftinlich  dafs  er  es  nicht  geglanbt,  sprechen 
mehre  Stellen  seiner  Schriften ,  von  denen  ich  ein  paar  anführen 
werde.  Bekanntlich-  widerspricht  noch  bis  jetzt  die  Römischka- 
tholische  Kirch«  dem  Glauben  nicht,  däfs  an  den  Gräbern  der 
Heiligen  WunderheÜtingen  geschehen ;  Paracelsua  aber  wider- 
spricht demselben  und  sacht  .ihn  seihst  lächerlich  zu  machen. 
Daraus  sollte  man  doch  glauben ,  er  müsse  auch  wol  Bber  andere 
GfgenalHnde ,  die  man  jetzt  nicht  mehr  als  Wahrheit  anerkennt, 
freier  gedacht  hallen,  als  die  Geschi eh Ischr eiber,  die,  unbekannt 
mit  den  Eigenibii  ml  ich  keilen  seines  Geistes,  alle  seine  Reden 
btichslAblich  nehmend,  es  vorgeben.  Die  Stelle  jroranf  ich  mich 
beziehe,  stehet  im  4ien  Buche  D,e  origine  moriorum  iHvMbi/ivm 
und  lautet  also: 

„Sie  sprechen ,  seilet  an  ^  den  grofsen  Zulauf,  der  hierhin- 
„kommt;  wie?  kann  es  denn  nichts  sein?  Sehet  an,  die  grofsen 
,iOpfer,  die  sie  herlrageo  ;  ist  das  nicht  ein  kristlich  gilt  Ding?  (und 
„vergessea,  dafa  auch  die  Heiden  so  tbiin,  die  nicht  Kristen  sind.) 
„Sehet  an,  den  g^ofiien  Haufen  der  Krücken  und  Stecken;  sfhet 
„an,  die  wNchsemen  Bilder  mit  Spiefsen  und  Pfeilen;  sehet  an,  die 
„Kerzen  und  Ampeln;  leset  die  Zeichen  ab  den  Tafeln  herab,  die 
„beschehen  sind!  -—  Und  wenn  es  schoi^^les  wahr  wflre;  ist  der 
,, Ursprung  «in  KSrper,  so  halte  ich  es  fiMlne  Badofuhrt ;  denn  zu 
„beiden  Seiten ,  geraihe  es  wohl  oder  übel ,  werden  viel  alter  Krük- 
„ken  verlassen,  und  nur  Ein  Weg  (rSgt  Gerade  und  Lahme  hin  nnd 
„wieder.  Sollte  es  ein  Heiligihuin  sein,  so  wäre  es  doch  dein  Hei- 
„ligett  eine  kleine  Ehre,  dafs  <;r  neue  Krücken  um  die  alten  gäbe, 
„lind  so  viele  Lahm«  liefse  wieder  hinweggehen,  denen  er  nicht 
„hülfe,  die  ihn  so  getreulich  suchen  mit  müden,  elenden  Bei- 
„nen." 

In  dem  angerührten  Buche  findet  sich  auch  folgende  Stelle: 
„Es  gebühret  sich  nun  fiirhin  von  den  mikrokosmisc^en  KrAf- 
„len  zu  reden ,  die  Dinge  zu  erklären ,  die  durch  nnsichtbare  Art 
„gewirkt  werden,  die  zauberisch,  hexisch,  teufelisch  zu  sein, 
„das  gemeine  Volk  vermeint;  so  sie  doch  alle  natürlich  sind  und 
„in  natürlichem  Grunde  erfunden  werden.  Denn  ihr  sollt  in  des 
„Menschen  Gliedern  eioe  zweifache  Natur  erkennen:  eine  greif- 
„lich  wirkende  Kraft   und   eine  nngreiflich  wirkende  Kraft,    denn 


—  i»  — 

„der  ricMge  Leib  hat  arin«  nxt&rlieh«  Wirka^,  der  nnaicfatige 
„dieselbe  aach."*) 

Znweilen,  weno  er  eben  über  «Ben  Gegenstand  des  daiiinh- 
Itgeo  Aberglaubens  redit  verslttndlich  gesprocben,  füllt  er  plöts- 
li«h  auf  die  nbgesnhmackiesten  Fabeln,  —  plündert  davon  so  treii- 
bensig,  als  dürfe  nieuand  an  der  Wahrheit  derselben  xweifeln; 
und  denaoeh  schaael  ans  der  ernsthaften  Rede  das  spultlaehende 
Gesiebt  des  neckischen  Schalkes.  So  spricht  er  i.  B.  in  deui  drit- 
ten Bliche  De  origine  merlomm  iitri»ibilium  über  den  Imemiu» 
und  Succubm»  sehr  verständig.  Diese  Terineiolliehe  BuhUchaft, 
aagi  er,  geschehe  blofs  durch  die  Eiobildungskraft,  also,  dafs 
jemand  in  seinem  Sinne  ihm  eine  Frau  pbantasirt, 
und  also  dieselbeBnhischaft  auf-  nnd  endführt.  (NB. 
Das  Wort  endführen  ist  sehr  angewöhnlich;  hier  bedeolet  es 
offenbar  nicht  entftihren,  sondern  an  F.nde  führen,  wofTir  wir 
heut  au  Tage  volirühren  sagen. )  —  Nachdem  er  nun  bis  dahin 
Tersittndig  gesprochen,  föllt  er  aof  einmahl  in  alte  dumme  Fa- 
beln, and  sagt,  den  bei  einem  aolchen  Phantasieb  ei  schlafe  ver- 
achiiiieien  Samen  sammeln  die  Nachtgelster ,  auch  wol  die  Hosen, 


*)  Di«  Htiaaag  Hoheabeiiu,  Mt  dsr  Heateb  ciaen  lichtbarcQ  *ad  ■Dficbthtr«! 
L«lb  bdbe,  ■af*  wo)  sehr  ill  ««in  ,  ■■*  indet  tia,  ait  udern  Wortaa  asi- 
Hedräeiit,  icboa  bei  Katm  nad  iwlr  ia  amatm  Phmtio  ( Griacbiaob  -  Jat«iiiUcfaB 
Aupb«  VDi  F.  Att  1.  Baad,  S.  131  ■.  i.  w. )  MarHHu*  Fitin»»,  eio  Ireacr 
AakiiiBerderPlalaBiicbeB  Idaei,  M^t  (OraW*  T/.  f»  Csiibi'C.  ATat.  )  :  Triafr»- 
ftct»  riitHtur  Im  nobit  tue,  Anima,  Carput  et  SfiriliU.  Amfmu  tt  CTfaM 
Matart  langt  intir  It  dietrttiiiiaa  Sfirita  m*ita  tafulantmr,  firf  rafr  ftrf. 
äam  eil  tiamittimm*  tt  ftUatUMt  ftr  tardit  jcalaram  tx  mMliUima  pari» 
tanguiait  faät  prr  amnia  mtmbra  diffatui  aaiMac  virra  artifil  tt  traut- 
fxadu  in  torpia.  Bai  neiaer  Lebaail  bat  Jiat§  leaaaBl  Siilllwg  dicMa  Ga- 
faoilaad  wieder  beiproelieD ,  nal  dnrtli  leiaa  Theorie  der  Geiiterlonde  liSekiU 
«abracbaiulicb  viel  aebwacliliepflfe  Hemefaea  «pakellDbig  se^ackl.  —  lob 
■ab  «Berteaaea,  ith  naneba  KrtebeinaDfen,  sanaatlleb,  ia  «aaeren  Tagea, 
die  de«  thieriacbea  HifaelitHU ,  alEerdiogi  a«f  etwas  Daaiclilbarei  Leiblicba» 
ia  deo  MeBaebea  btaweiiea.  Uebrigeas  hat  Hnbaoliaim  indrre  Gedankea  ülwr 
den  aaakhliBeD  Leib,  dea  «r  daa  lyderiii^aa  aaant,  all  Plalo.  Leitter 
■■gl:  Hen^chen,  die  in  den  Feiiela  irditeher  LeideDacharten  alQrbtD  (alaa  die 
Pytbasoriache  Kaihargii  aiebt  anlargapgen)  apnkten  auf  deüGrlbera,  Hpbea- 
beim  biafefen  aagt,  der  «fderiMhe  Leib  aebeide  aicb  beim  Sterben  von  den 
elemealiMbea  j  letiter  venuae,  jener  werde  lancnm  in  der  LuEI  veraebrt, 
er  aei  ein  t»dtei  Pbanio»,  welcbet,  weaa  ei  aocb  unter  fewiaaea  llmilladea 
d«n  Aasen  dar  Lebendea  aieblbar  würde ,  doch  ,  voUkounan  aeelenla* ,  we- 
der tebin,  b&rea,  nocb  reden  kGaae.  Darnn  »ei  e«  eine  gmttt  Unwaisheit, 
anleke  Sehattea  za  beiebwSren  and  bannen  wallen  ;  ja,  wat  noch  da»  Tellat«, 
der  Tearat  kriaehe  »aweiien  ia  ein  aolcbea  SehatleaMId  ,  «nlwarte  ana  deti- 
telheB  «ad  habe  den  BeachwGrer  zam  Narren.  —  Die«a  BeltbniD;  Hoben- 
beimt ,  die  anverkannbar  data  dienen  eoIUe  ,  den  groben  Aberglaabea  danab- 
n|er  Zelt  ta  aleuern ,  ohne  ihn  durch  gKexIlcben  UngUnben  gar  la  lekraff 
ealgegenintTetea  ,  wird  wahrtcbelaticb  dea  HSoehu,  die  vo>  den  Gelalertan* 
nen  Vorlheil  httl«a ,  nfehl  fondarlieh  gehllM  habet.     (Ui.  /  Philai.  tagae.) 


-.ügic 


—    «0    — 

tragen  ibn  an  beimlithe  Oerter ,  wo  Krdien ,  Wfinner  nnJ  Andere 
nnreine  Tbiere  hausen;  hier  werde  er  ausgebrütet,  und  au«  ihm 
eraeugen  sich  die  grftulicfasten  Ungeheuer.  —  Nun  kommt  er  auf 
das  berüchtigte  (Jngelhüiu,  den  Baailisken,  and  hat,  wie  es 
scheint,  Mühe,  seine  Spoulust  an  aügeln,  denD  hier  heifat  es: 
„Darauf  ihr  wissen  sollt ,-  dafs  gar  nahe  hier  der  Uraprung  de« 
„Basilisken  ist,  des  Form  und  Gestalt  niemand  gründlich  wisteo 
„mag,  deoD  wer  ist,  der  ihn  ao  eben  gesehen  hat,  so  docb  nie- 
„mand  unter  seinen  Augen  darf  bleibent  denn  «o  acbaell  folgt 
„der  Tod  durch  sein  Gesicht,  däfs  niemand  die  Weile  hat,  ihn 
„zu  beschreiben.*' 

Sprengel,  der  ohne  Hohenheims  sellsanien  Geist  au  erfas- 
sen, sich  an  den  blolsen  Buchstaben  hallend,  uns  alleriei  aberglSu- 
biscbe  Dinge  von  ihm  anfsählt,*)  findet  zuletzt  folgeode  Aeufse- 
rung  des  Mannes  merkwürdig:  „l^be  die  Welt  unicrgebe,  niüs- 
„sen  noch  «iele  Künste ,  die  man  sonst  der  Wirkung  des  Teufels, 
„oder  der  Aftermeoschen  an  geschrieben,  offenbar  werden ,  und  man 
„werde  dann  einsehen,  dafs  die  meisten  dieser  Wirknngen  von 
„natürlichen  Kräften  abbangen."  { mieiopiia  magna  pag.  318} 
In  der  Genfer  Ausgabe  stehet  die  Stelle  Tm.  IL  p.  4S7. 
Sprengel  sagt  jelii :  Diese  Weifasagung  hat  sich  frei- 
lich vortrefflich  bestätiget:  allein  wie  klingt 
sie  in  Paracelsns  Munde?  —  Ich  Kollte  meinen,  recht  gut. 
Sie  und  ihre  Beaiftiigung  beweiset  ja,  dafs  Hohenheim  ein  ver- 
ständiger Mann  war,  und  gerade  sie  und  andere  eben  angeführte 
Stellen  müssen  uns  mahnen,  etwas  vorsichtiger  in  unserem  Ur- 
theile  zn  >ein  als  wir  bjs  jetzt  gewesen. 

Damit  ich  mir  nun  nicht  das  Ansehen  gehe,  hIk  sei  ich  niehr 
der  Lobredner  als  der  Beuriheiler  unseres  achtbaren  Landsman- 
nes, so  darf  ich  auch  von  dem  Allerfabelhafleslen,  was  in  sei- 
nen Schriften  vorkommt,  von  der  chemischen  Mensch eamacberei 
nicht  schweigen.  Er  sagt:  man  kdone  einen  Menschen  machen, 
wenn  man  männlichen  Samen  in  ein  Geffifs  verscfalSsse  und  die- 
ses in  Pferdemisl  vergrübe.  In  verschiedenen  Stellen  spricht  er 
verschieden  vou  dieser  Sache.  So  erinnere  ich  mich  einer  Stelle 
(die  ich  mir  aber  leider  zu  bemerken  versäumt),  io  der  er  davon, 
als  von  einer  Kuost' spricht,  die  blofs  den  nlten  Aegiptischen  8pa- 
gyrikern  bekannt  gewesen.  Aus  anderen  Stellen  hingegen  sollte 
man  schllefsen ,  er  behaupte ,  diese  grofse  Kunst  selbst  zu  ver- 
stehen. •*) 


*)  Gciebiehle  der  Had.   Tlwil  3  Seil«  ISO,  4BI. 

**)  Sprengel  rcrwciicl  uat  auf  dli  Bucb  Dr  rilit  langmt  An  dem  Oi>«  irl 
«iw  teilfiafig  v*i  iietw  nwrksil  diu  Rede.  Den  imrubrlklien  ProMr*  , 
difl  AaweiiiDg,  wie  dei  HamMitciil**  tnU  eraibrt  irerd«>,  lUdet  ai»  >■> 


—    61     — 

Wag  loll  man  rod  tu  dieser  Narrheil  sagen  t  —  Wenn  man 
bedeokt,  dalä  der  nBmIicfae  Mann  von  dem  Sp^dßco  AltracHvo 
Mi^:')  Alto  in  am  begegnet,  dafi  ein  aolcheB  Al- 
traktif  beranBgesogen  hat  an«  dem  Leibe  in  den 
Mond  die  Longe.  —  Und  weiter:  „Ea  igt  iiiSglich,  dafa 
ein  Aitraktif  einen  Ast  ab  einen  Bnnm  reifst,  oder 
deagleichen,  eine  Kiih  mag  anfgeiogen  werden  n.  a. 
W."  Wenn  er  TOn  dem  Sprcifico  ityptieo  ragt,  diMci  babe,  an« 
Beabeit  Leuten  an  den  After  gebracht,  denielben  M  verengert  und 
veracfaliMaen ,  dafa  man  ihn  mit  JV'dppern  habe  anfbohren  mat- 
ten:")  ao  begreift  man  doch  leicht,  dab,  wen«  er  aarh  von 
der  Anatomie  gar  nichta  verstanden,  er  doch  aas  einem  geaeklaeh- 
teten  Schweine  oder  Rinde  die  phjaiache  UnmSglichkeit  würde 
erkannt  haben ,  die  Lange '  in  den  ^nnd  so  tieben.  Er  mrifsie 
aber  wiiklich  so  dämm  wie  ein  Bnnd  ü^troh  gewesen  >ein,  wenn 
er  den  veiachloaaenen  Aßer  mit  grofsen  Bohren  (Nttppern) 
hStte  Bufbobren  wollen.  Solche  handgreifliche  Narrheiten,  nit 
deoen  er  doch  offenbar  seine  leichlgiftnhigen  Zeiigenoaseti  tarn 
Betten  hatte,  naohen  ea  aebr  w abriebe inl ich ,  dab  et  auch  mit 
dem  chemischen  MeaacfaenaBsbraten  nicht  cmtilich  gemeint  g«- 
weson. 

G««e(zt  aber  auch,  er  babe  dieaes  albeme  Mlbrchca  selbst 
für  wahr  gehalten,  so  würde  ea  nicht  atninahl  in  diesem  Falle 
UM  acb«lrecht«n  Aerzten  inr  Ehre  gereichen,  dab  wir  nnaeret 
todten  Amisbrudert  Schwachheit  durch  die  ganze  Wt-lt  anaposaiH 
aen  and  iftn  tnm  Spielhnll  der  LHit«|)ieldichier  nnd  anderer  F»- 
beltfchreiber  machen.  Wir  haben  ja  in  nnserer  nchiilreclxen  Zunft 
mebr  als  Einen  Schriftatelier ,  der  uns  albemet,  no  gl  au  blichet 
Zeug  genug  anfgetiaelit  hat.  Wir  begnügen  uns ,  von  toicben 
Schrifistellern  lu  sagen,  sie  seien  nicht  frei  von  dem  aberglNubi- 
achen  Geisie  ihres  Zeitalters  gewesen;  aber  einzelne  Narrbeilea 
dertelben  heben  wir  nicht  hervor,  nnd  wir  ihnn  recht  daran. 
Waniin  bal  man  diesen  Grundsatz  der  Billigkeit  bei  Ilohenfaeim 
verläugnelf  — 

Meinen  jüngeren  Lesarn ,  die  vielleicht  glauben  möchten, 
man  könne  in  den  Bficbem  der  scbnlreobten  Aertte  kein  anmn- 
thiget  Gegenstück  zu  Hoh^nheims  cbemisch  ausgebrütetem  Mensch- 
letn  finden,  werde  ich,  blofs  zum  Beweise,  dafs  man  es  k&nne, 
eine  kleine  Geschichte  mitthnilen ,  welche  uns  der  flirxtlich  An- 
hallBche  LeitbrA  Pküipp  SalmmlA  in  aeinea  Beobnchtungen  (Cent. 


Bneba  Dt  Ge»traHi>%e  rrrmm' nrnturaHrnm.     Im  wM«!  Bande  der  StraMtrscr 
PsnuHitbe  Stile  S83.   C. 
•)  ArrhUtra  IM.  rH. 

Digizedt^LiOOgle 


3  Ohterv.  94)  ersfthlt.  (P.r  tebie  nm  Ende  des  16ten  nnd  im 
AnfHnge  dpü  17ten  JahrhiindertB )  Eilte  jnnge  KeichsslSdtfirinn 
bricht  ein»  unter  fi:rofsea  Schmerzen  und  nnier  lebena^fahrlichen 
ZuHiMeii  ein  fingeilangea  Kindchen  anii.  Die  ihr  beistehenden 
Franen  legen  ea ,  neil  ea  todt  ist ,  in  eine  Schnehtel  und  begra- 
ben es.  Die  Kunde  diesea  merkwürdigen  Falles  kommt  zu  den 
Ohren  des  reichssiäddschen  Senats;  der  läfsl  das  fingerlsnge  Kind- 
chen gleich  ausgraben  und  ea  Foa  etlichen  ehrbaren  MiUinern  un- 
lersucbfln,  wo  dann  die  Untersuchnng  ergibl,  dafs  es  ein  toII- 
kommnes,  mit  all^n  inneren  und  Snliberen  Organen  begabtes  Kind 
ist.  Nun  wird  die  Kindbetierinn  befragt.  Die  Aussage  derselben 
ist  sehr  wunderbar,  aber  auch  so  Teraweifelt  schmutiig,  dafs  ich 
aie,  um  mich  Tor  allem  Verdachte  der  Yerf^lsehimg  ui  schützen, 
in  dem  echten  Salmuthischen  Latein  miiiheüen  miifs;  Puerpera 
c»fUtaH/er  affu-Mttvit  ^  marHt$m  temper  cum  ifla  per  o*  coiviäte, 
et  »perma  in/auce*  immMiue:  tibi  (utpote  a  natura  plane  rimpti- 
ci,  »icqne  a  marite  Jaci/e  perttuuae)  primo  gnid^M  de  afio  eof- 
umdi  modo' nihil  prortu»  con»iiii*ie,  donec  a  viciHa,  qiimcum 
de  eo  ali^tinda  commtimicmtel ,  aliter  edocta  fuitaety  atqwe  «e 
t'ta  a  marilo  delutau  pottmodum  advertiuet. 

Das  ist  gewifs  eine  wunderliche  Geschichte,  eine  Magen  ach  wan- 
genchaft.  Anaxagwat  von  Kftaiomene  soll  zwar,  wie  Aristole- 
les  in  seinem  Buche  von  der  Erxengung  der  Thiere  vorgibt,  be- 
hnuptet  haben,  dafs  Raben  nnd  Ibis  sich  vermiltelat  dea  Schna- 
bels begatten  nnd  die  Wiesel  ihre  Jungen  durch  Erbrechen  von 
sich  geben;  von  Menschen  bat  aber  dergleichen,  so  vieL  ich 
weifs,  noch  kein  Philosoph  behauptet:  mir  scheint  also,  Para- 
celsus  ausgebrütetes,  mit  Menschenblut  erquicktes  Mflnochen  nnd 
Salmulhs  Däumling  könnten  sich  wol  die  Hand   geben.*)     üebri- 


*)  Der  Aberflinb«.  friberer  Zeit  Mb  wiillleb  eiie  HiBCDichwaDgerscban  ■!■ 
«in  ErelgniCk  ao  ,  welchei  lieh  mitnatsr  xalragg.  PsraeeUni ,  dar  ia  saiMO 
philoBopbiachsD  lliicbern  nni  alle  ibergllnbitehe ,  danahli  gingiffl  He'muDgCD 
XDRi  Beilen  (iebt,  »(t  Ia- den  Bache  De  HornuKtulit  ti  lUtnitrit  Pölzende* : 
„WisiBl ,  diri  die  SadoniteD  das  Sferma  \a  da*  Haat  TalteD  Uiien  eto.  anl 
„aUo  oftmahU  in  deo  Migea  komiiil  gleleb  ala  ia  dis  Jtfatrfnin ,  •Itdana 
„10  wiihat  in  Hagen  aneb  ein  Cewüeba  darau,  Htmuneuln»  uAer  Mmuirmm, 
„  oder  wai  dergleichen  iat,  daraui  dann  viel  ealitebt  nnd  «elUama  Kraobhaitea 
„lieb  eiren^en  bli  mm  Anibrneb;  nnd  iit  gleicb  all  einer,  der  Leich  vna 
„Friitebea  etc.  trinkt  nnd  difi  lie  in  ihn  wiehaeo.  Alao  iit»  ancb  aiil  die- 
„  lem  ,  10  ander!  die  Natur  loleben  Diag:en  nicbi  voricooiBit  and  abwendet  und 
„verwhrt.     <ll  Baiil  Seite  38t  A.  Slrafhborg    Ifl03.)  * 

(HB.  Hamumenlut  Ut  eigentlich  ein  Aftemcnich,  der  zwar  lebt  nnd  triichil, 
dem  aber  da*  GBUlicbe,  die  Seele  Teblt.)  Uebrigent  iit  Robenbein«  Itibliehe 
Aixicbt ,  die  Hanteben  dnrcb  Anfiäblnng  lolcb  •ehanderharier  Dinge  von  der 
Wide rnalörl ich Bn  Befriedigung  dei  Geichlechtdriebei  nriicluaich recken  gmi 
naverkenabar;  wer  lioh  davon  nbaraaagea  will,  der  leae  anr  die  Eraahnnag, 
welche  der  aDgefübrlen  Stella    Tolgl, 

"■■■  -     ■'  ---— ^j-," 


—    63    — 

g«iM  bemerke  ich  noeh  zum  Schluwtf,  clafii  men  Unredil  hal, 
dm  Abergtwiben  ilei  ICien  Jahrhunderts  ao  sehr  grell  lirriontit- 
hebee.  Udb  koiniut  ea  allerdings  so  vor,  ala  buhe  ea  aich  in 
dieser  Hinaicht  ausgezeichnet;  dafs  es  uns  aber  Boscheinel,  r^htl 
w«l  daher,  dafs  im  sechseboten  Jahrhiindprt  mehr  Biiciier  ge- 
druckt wurdeo  als  im  ISlen,  aus  jeneai  also  mehr  tSiimmen  au 
ans  sprechen ,  als  aus  diesem ,  und  aus  den  früheren  Zeiten ,  wo 
die  Buchdtiickerknnst  noch  nicht  entdeckt  war.  Allen  Aberglau- 
ben des  16ien  Jahrhunderts  findet  man  nicht  vermoihlich,  son- 
dern bestimmt  in  riel  Alleren  Schriften  ausgesprochen.  Selbst 
Ualen,  den  Philosophen,  kann  man,  hat  man  sein  Buch  Oe 
prat»agi0  ex  intomnii»  »umeinio  gelesen,  nicht  eiomahl 
vom  Aberglauben  frei  sprechen.  Ich  gestehe  aber  ehrlich,  nie 
solche  TrSiime  gehabt  zu  haben,  ans  denen  er  uns  den  Zuaiand 
dea  Körpers  heurtheilen  lehret  j  tum  wenigsten  hat  mir  nie  ge- 
irSumt,  dafs  ich  in  Miat  und  Dreck  gelegen,  glaube  auch,  riab 
einem  Schweine  weit  eher  so  etwas'  (räumen  wird  als  einem 
MenjBchen. 

\un  mafs  ich  noch  kürxUch  llohenheinw  Meislerachaft  im 
Schimpfen  berühren.  Seine  Scfaimpfwönec  hat  einer  unserer  Zeit- 
gensasen  «isammengeslellt ;  sie  gefallen  mir  aber  nicht  sonder- 
lich. Ich  mag  Hohenhcim  nicht  einmahl  mit  dem  schimpiiichen 
Geiste  seiner  Zeit  entivchaldigen.  Ein  Mann,  der,  wie  nun  nun 
vielen  Stellen  seiner  Schriften  ersehen  kann,  eine  für  sein  Zeit- 
alter seltene  GescfaiiiHckabildung  hatte,  halle  sich  solcher  Ge- 
meinheit nicht  schuldig  uiHchen  müssen.  Waa  soll  man  dazu  sa- 
gen! Ea  ist  mir  ein  grofaes  Rftlhsel,  warum  sich  in  allen  Faknl- 
taie»  und  »a  allen  Zeilen  (nicht  ausgeschlossen  unsere  eigene) 
Mllnner  gefunden  haben,  die  ein  Vergnügen  darin  suchten,  an- 
dere mit  Schimpfreden  an  verfolgen.  Wären  die  Schimpfer  (in- 
ner Dummköpfe',  bo  liefse  sich  das  Ding  allenfalls  noch  erklä- 
ren; aber  es  sind  mitunter  recht  gescheite  Leute,  und  dadurch 
wird  diese  Erscheinang  rHihaelhaft.  Von  allen  scbimpfenden  Aers- 
ten  gefüllt  mir  keiner  besser  als  F.  Sylvina,  Der  beschniulzt 
doch  seine  eigentlichen  niedisinischen  Schrifien  nicht  mit  Schimpf- 
wörtern, sondern  schimpft  sich  blofs  in  seiner  Mpintola  apoiage- 
Ne«  Ein  für  alle  Mahl  tiichtig  aus,  nnd  damit  ist  die  Sache  ah- 
gelhan.  In  diesem  Schimpfbriefe  ist  sein  Ilanpt Widersacher  Deu- 
»ing  ein  Pelufcu»,  Suffenu»,  lorex,  bonorum  omninm  conlemptor, 
Doctor  »tentoreHB  y  Doctor  ampuilariu» ,  Thra»o  glorioau»,  vifiiifi- 
gater  turiu/eHluf,  locutti/^'u»  homo,  ArütarcAua  c&imaericut.  Von 
seinen  übrigen  gemeinen  Widersachern  sagt  er  in  Bausch  und 
Bogen,  sie  seien  Trnnkenbolde,  schündliche  llorer,  Neidharte, 
Geizhälse,  Ilochmüihige  und  Verläumder.  Ein  anderer,  der  auf 
Einer  Linie  mit  Deuting  ta  stehen  scbeiM  und  dessen  Namen  er 

)üglc 


-    «4    - 

rorlitiifij^  flnn  hesoitrierer  Aehlnng  verschweigl,  im  Mnh  ein  (Mi- 
nenkopf  und  alberner  SchwKtzer. 

Mir  schoini,  dieses  berühmiefi  Prefesaori  Sc-himpfgnb«  iM 
nicht  viel  geringer  ah  die  unseres  Hohenheitn;  de*  ganz  witzlo- 
sen Mannes  Schimpfbrief  erregt  ans  nber  nur  Ekel,  indefs.-die 
mit  drolligem  Witze  gemiscbfen  Schimpfreden  Hohenheims  uns 
nicht  selten  ein  Lächeln  abnSthigen. ") 

Anfangs  dieses  Kapitels  habe  ich  schon  die  Grfinde  angege- 
ben, warum  die  GebeimSrzte  ihre  Lehre  und  Heilmfllel  nnr  in 
dunklen  Andentnngen  der  Welt  init'getheilt ,  Hie  meisten  aber  wol 
ganz  geschwiegen  haben.  Jetzt  mnfs  ich  noch  besonders  von 
Hohenheim  bemerken,  dafs  er  anch  da,  wo  er  gerade  keine  ür- 
tache  dazu  hatten  gern  den  GeheimnifsTollen  splehe.  Dieses  ge- 
ßllt  mir  nicht  bioS»  nicht,  sondern  es' hat  für  mich  auch  elwna 
Widriges.  Ich  kann  es  hur  mit  seiner  ersten  Erziehung  entschnl- 
digen.  Vielleicht  bat  ihm  sein  Vater,  der  ja  selbst  Arzt  gewe- 
sen sein  soll ,  schon  in  der  zarten  Jugend  die  Geheintnirsgankelei 
eingeprftget;  hat  der  es  aber  nicht  gethan,  so  hat  es  ganz  nnzwei- 
felhaft  Sigiimund  yugger,  sein  Lehrer  in  der  Scbeideknnst  gethan, 
denn  damakls  waren  ja  die  Scheidekünstler  allesammt  Geheimnif»- 
krJtmer.  So  viel  ist  sicher,  wSre  ihm  die  Geheimancfai  eingelelbt 
gewesen,  ho  bfttte  er  sich  nicht  kSnnen  beigehen  lassen,  an  den 
gelehHen  nnd  TeraiXndigen  Ertumu»  so  rSthselhaft  zu  schreiben^ 
dafs  dieser  ihm  antwortet:  Aenigmata  Iva  non  ex  arte  Medica, 
quam  nimgnam  didiciy  led  ex  ntUero  teniu  verinima  e»»e  agnoa- 
eo.  Hohenheims  Brief  an  Eraamut  habe  ich  wirklich  nicht  ohne 
Ekel  lesen  k&nnen. 

Jetzt  will  ich  versuchen  ,  die  eigentliche  Helllehre  der  geheim- 
Srzitichen  Sekte,  ans  den  Schriften  Hohenheims,  des  deoilichsien 
VergegenwSrtiger» dieser  Sekte,  darzustellen.  Dafs  ich  mich  dabei 
mit  unserem  gelehrten  Gescbichisch reiber  K.  Sprengel  in  Obstand 
beßnde,  ist  sehr  begreiflich.  Er  benrtheilt  Hohenheim  und  seine 
Heillehre  hlofs  als  gelehrter,  nur  schriftliche  Zeugnisse  vergleichen- 
der Geschichlschreiber;  ich  hingegen  als  praktischer  Arzt,   der  die 

*)  Wenn  ick  asth  sIrdIib,  BobenbeiH  weg^o  «atset  angenaiMMD  Sebinpfeaa 
Mit  Beohl  tadeln  la  kjiinen  ,  «o  bbTi  ich  diwh.  Dm  Uliig:  «ad  wahr  n  blai- 
beo , -diiyflnigea  meiner  Le*er,  die  vielldcbl  der  Meiagng  ilod,  er  htbo  kei- 
ncD  Uotaneliied  iwUehen  den  Aenten  k*i*)ac)<I)  ••otern  sie  ■■■nt  «nd  *(in- 
d«ri  gelliitart ,  »a!  den  Scblafi  ceiaer  Vorrede  inr  fraßen  Cbirnrgf«  iChaead 
blovel«eB.  Hier  erklSrt  er  ja,  wie  er  gar  wobi  wiiie,  d*ft  et  kennlDlflM 
retcbe  Aenle  glbe,  welche  wlrkllebe«  bfilneieteriichet  EifeiKbaa  heihfteo, 
diMe  (■  belehren ,  marie  er  liek  keideiwegee  an  ,  wem  er  etwa«  lebarf  ani- 
hlle ,  10  kenne  aia  dni  nicht  irren ;  die  nowiaieaden  mnd  angeiebicklen  AertI« 
hiogegeD  würden  leiebt  begreiren  ,  dari  e«  nnr  anf  aie  gemünit  lei.  —  Ich 
denke  aber ,  lie  werdes  ichverlich  dadnrch  gelebrier  and  geaebiefcler  geworden 
leia,  »In  UHte  er  die  Mibe    qiaren  ktinoea. 


r 


—    65    — 

aa  bavrtbailfliida  BeUMire  cvnnstg  Jtbr«  ani  KndnabMM  «probt 
b>t,  Diiit  dam  mitbin  bei  dieser  pisktüchea  Untenracban;  tI^m 
dwulich  fevtordea,  warn  dem  gelehrten  Geschiobtechreiber  nnfb- 
wcndig  dKnkd  blniben  tna&te.  Die  grofse  ^hwierigtceit,  Hohco- 
Iwin»  eigentliche  Heiliehre  ani  Beinen  Scbriften  hemanaktnuben, 
hat  Sprengel  mehr  gefnblt  als  denüicb  gedacht;  denn  die  Schwie- 
rigkeilen ,  welche  er  anfuhrt ,  sind  blofs  die  geringeren.  *)  Fret* 
liab,  die  Untreue  dar  Abschreiber  und  Dmdter  macbt  maiivhas 
dnakel;  man  st^t  nicht  blols  auf  Aoalassnngen  einzelner  Parti- 
keln, sondern  anch  ganzer  Sobatantirc,  auf  Analassang  der  Ver- 
aaianng,  auf  Vergchreibnng  oder  Verdnidcnng  von  Wörtern,  die 
eine  ganie  Stelle  zu  Unsinn  maoben.  **)  Femer  ist  auch  ein 
Hinderaifs  das  Verständisses ,  dafs  mas  mweilen  nicht  sinmabl 
weifs,  ob  das,  was  man  lieset,  wiriclich  voa  Hohenfaeim,  »der 
snr  ihm  untergeschoben  ist,  und  dafs  alle  Papieraehnitxel ,  wel- 
che man  in  seinem  Nachlasse  gefunden,  abgedruckt  ond  seinen 
Werken  einverleibt  sind,  ohgleioK  er  aaf  manchen  hl^  die  Fe- 
der mag  ienacbt  haben.  Dafs  er  nnter  gRR>  verschiedenen  WSr- 
tavn  Em«  und  die  n&inlicbe  8ache  begreift,  darnber  bat  schon 
Rtti.  Batffe  geklagt :  *")  grSfser  ist  aber  das  Ilindernib  des  Ver^ 
stefaena,  daf«  gewöhnliche  Wörter  nngewofanliche ,  also  geheim» 
Bedeniong  bei  ihm  haben.  Alias  das  sind  aber  pnr  Kleinigkei- 
ten in  Vergieich  mit  folgenden  drei  Hauptpunkten. 

Er  spielt  d«a  rationellen  Empiriker;  er  Mellet  sieb  an,  ala 
habe  er  den  fiergnng  des  erkrankten  Menschenleibes  ergtfindet, 
und  wolle  ibn  uns  recht  verständlich  auslegen,  im  Grand«  ist 
aber  alles  das  blefs  gehciluürztllche  Larve.  Meine  Amtsbrüder, 
welche  sich  die  Mähe  geben  wollen,  seine  Schriften  mk  Auf- 
merksamkeit durobziilesen ,  werden  so  gut  finden  als  ich,  dafs  er 
nicht  selten,  wenn  er  scbetnbar  im  besten  Erklären  begriffen  ist, 
Knall  nnd  Fall  von  der  besprocfacnen  Sache  abspringt  nnd  anf 
ganz  fremdartige  Dinge  Mit.  Ja  inanohe  seiner  sehr  verständi- 
gen Aenfseningen  heben  seine  rationell  -  empirischen  Anslegnngen 
entweder  ganz  anf,  oder  erklären  sie  doch  indirekt  für  ein  blofs 
werthloies  Verstandesspiel.  So  sagt  -er  z.  B.  Im  Eingänge  des 
Bnchei  De  origiue  morbornm  inrüibilivM:  In  allen  anslcht- 
baren  Dingen  haben  wir  blinde  Urtheile.     Nach  dieser 


*)  3t«r  Theil  S.  «7  n.  ■.  w. 

**)  Die  Slellfl  i.  B. ,    die   trh,  oben  «nfeführt,   ii»  infiiact!     Kr    ktbt  üir  viel 

vwargt  nd  Sbel  «tisselect ,  Miion  prmsen  Rclekihoa  nnd  icMachla  Etetder 
^       ■.  •■  w.   beibt   ia.  der  SlralUu^r  AMfaba  ■l«a:    Ihr  bibt  ml^  vl«l  rtnrtt 

nad  Sbel    »Mftltge^  me'iae  Bittga ,    ReiehlbaM   sid   Mblseblt  Kieidw  a.  ■.  w. 

das    iit  Ji   bssrar  Uoiinn.      In    den   Fr«EBeDtei   Indcl  «leb   diete  Steflc  saeb 

Bod  swar  ricbti^sr ,  wie  ich  ii<  anfenibrt. 
■**)  Cigmllla   ttepUemt  part.  4  (.  1, 


—    M    — 

AenCwrung,  (ler«ii  Wiibrheit  wol  jeder  rarst&ndlge  Arzt  aneiken- 
n«n  vird,  knnn  man  nnmöglich  glauben,  dab  er  lelbst  WeRk 
aftf  Beine  pHlfaologischeD   und    patbogenetucben  Erklärungen  Kel». 

N'nn  wäre  hier  zu  oniecsucbeD,  ob  er  das  RaiioDellempirische, 
du,  den  inneren  Vorgang  in  dem  erkrankten  Menschenleibe  erklä- 
ren Wollende,  blofs  aU  unlogischer  Kopf  mit  seiner  reioenipiriicheo 
Heillehre  gemieebl  habe ,  oder  ob  er  das  Ungleichartige  absicbllteb 
lo  seltaatn  verachmolsen ,  uni  den  Galenikem  den  Kopf  wi  verwir- 
ren, ihnen  seine  eigentliche  reinem piris che  Heillehre  nnKugSoglieh 
ta  machen.  Meine  Meinung  spricht  für  das  Letzte;  da  ich  «ieaber 
nur  mit  einem  grofsen  Aufwände  von  VerstnndesgrSnden  nnd  Anfüh- 
rungen ans  Flobenheiins  Werken  wahrscheinlich  machen  kSnnie, 
nnd  die  Sache  an  sich  von  keinem  Belang  für  meinen  Zweck  ist ,  so 
überlasse  ich  es  jedem ,  seiner  eigenen  Meinung  zu  folgen. 

Das  zweite  Ilauptbindernifs  des  Verständnisses  der  Hebenhei- 
mischen Heillehre  ist  folgendes.  Er  flickt ,  entweder  als  neokiscber 
Mann ,  der  seine  Zeitgenossen  zum  Beaten  haben ,  oder  als  Mann, 
der  sich  seinen  abergläubischen  Zeiigenoseen  euni  wenigsten  dem 
Aenfsereo  nach  gfeicbstcllen  und  so  ihre  Aufmerksamkeit  erregea 
wollte,,  allvn  mBglichen,  damaMs  beliebten  Aberglauben  in  sein« 
Sobrifien  ,  und  gibt  sich  dae  Ansehen ,  als  wisse  er  unendlich  mehr 
TOD  allen  diesen  Heimlichkeiten  als  ein  einziger  seiner  Zeitgenos- 
sen. Dafs  das  aber  nur  ein  Aasbängeschild  ist  und  «r  selbst  da* 
dumme  Zeug  nicht  geglaubt,  kann  man  unwidersprocUieh  aua 
seinen  deutliehen  Aeufserungep  beweisen.  So  s(»ridit  er  z.  B. 
mebrmdhla  von  der  Signatur  der  Pflanzen  und  von  ihrer  Chiro- 
mantie. Wenn  er  aber  deutlich  sagt:  „Ihr  sollt  wiuen,  dafs 
„alle  KtKuier,  wei  Geschlechtes  sie  seien,  aueh  eine  Chironiaa- 
„lie  haben.  DaCs  aber  die  Linien  derselben  ungleich  sind  und 
„in  einem  mehr  nnd  ^Sfser  als  in  dem  anderen,  ist  allein  das 
„Alter  schnld.  Darum  sagen  wir  hier,  dafs  die  Chiromaniei  der 
„Kräuter  anders  nichts  nutz  sei,  denn  allein  7,n  wissen  nnd  zu 
„erfahren  das  Alter  eines  Krautes  nnd  seiner  Wurzel."  *) 

Und  wenn  er  an  einem  anderen  Orte  von  den  Kräutern  sagt : 
Die  Form  gibt  das  Wissen  der  Tugenden  nicht,**)  sck 
si^et  man  leicht  ein,  dafs  er  es  mit  der  Signatar  unmöglich 
ernsthaft  gemeint  haben  könne.  Uebrigens  legt  er  den  Wörtera 
Signatura  rerum  naturalium,  Astronomie  und  Philosophie  einen 
zwar  ungewöhnlichen ,  aber ,  wie  ich  weilet  nnien  zeigen  werde, 
recht  veratändigen  und  praktischen  Begrifl'  unter.  Er  macht  ea 
angefähr  wie  die  ersten  kristlicben  Kirchenlehrer,  die  manche 
heidnisch  -  gottesdienstliche    Gebräache    beibehielten ,      denselbea 

*)  B*  t/gmmtura  rermrn  naUratiuM   Üb.  9 

DigizedtyUüOgle 


—    #7     - 

i^r  «UM  kriMlicbe  8«rf«ituRg  gaban.  Bavor  mwi  miB  Jim«  Ei- 
^eaheii  Hohenlieims  kenn).  Bleckt  in  ibr  ein  grofsrs  (iindcruit* 
4m  VwsttiMlivseB. 

Dh  «ller^röfsie  Hinrfpmifis  babea  wir  aWr  ia  unserem  rigc- 
•«■,  aehnUehrt^  varkrfippclten  VcrstaiMifl  m  sncbwi.  Worin  Im- 
stebei  Jean  in  ibeilicki«  Verkr3pp«luDg  unacra«  VerataMlwf 
Haines  Erachlens  darin,  dali  mr  aas  einbilden,  eiae  lieillekre 
ktaae  nur,  eni»eder  auf  eine  geaaue  KenniDifa  des  Uclebleo 
Maaacbenlei  be« ,  oder  anf  die  sjnnliah  erkeanbareti  Krnnkhehs* 
sußlle  gegrnfidet  werden.  Da  wir  nun  die  leiste,  rolie  Km- 
pirie  (FonnenbebaadltHig)  naanen,  und  tie,  wo]  nicht  niil  Tu- 
ceefat,  aU  Hiuulin|;lidi  für  die  Uebung  der  Kuasi  ansebrn,  so 
folgt,  dab  Mir  genStbiget  siad,  die  erste  Basi«,  aRialicb  die 
Kenntnifa  des  belebten  Menacbenleibei ,  als  ilia  ein«ig  inSgliehe 
an  betrai^lea,  auf  welche  man  eine  Terataadeueeble  Jlrillehic 
grfindea  könne.  Wir  übersehen  also  gans,  dafa  noch  eiiie  dritte 
Basii  einer  Heillebre  inaglich  ist,  näinlid],  die  blofs*  Heil- 
w  i  r  k  a  n  g  der  Arzeneien.  —  Waniiii  übersehen  wir  denn  diea« 
dritte  Baal«!  — ~  Dcabalb,  neil  unser  scbalrecbi  venuniuer  Vcr- 
Biand  Mcli  die  Heilwirkung  der  Arseneimlttel  nicht -rein  den- 
L«ii  kann.  In  dem  Augenblicke,  wo  er  es  versuobi,  diesen  Ue- 
dünken  au  erfassen,  laufen  ihm  die  hei Imi (teil ehrigen  und  puiho- 
logtscheii  Kniegorieo,  uuier  welche  di«  Schule  Kruokheiten  und 
lleilmitlal  reihet,  Üugs  in  die  Quere,  Das  sind  nber  afleohar 
blofs  gedaakenbildliche  bnlegwrien  der  Svhiillehre,  «ad  selbi- 
ge kann  man  doch  nicht  auf  eine  Lehre  bestehen ,  welche  sieh 
aaf  eine  gaaz  andere  Basis  gründet,  als  die,  der  jene  Katego- 
rien angehören.  Widlen  wir  also  durch  unsere  rationelle mpiriiKh 
geschliffene  Brille  die  reine  Erfahrnagsl ehre  der  allen  Geheiiii- 
firaie  beschauen,  wfihuend ,  dnrcb  diMes  Beschauen  au  einem 
deutlichen  Begriff  derselben  gelangen  gut  können ;  so  unieraehaien 
wir  etwas,  was  in  sich  selbst  einen  Widersprach  enihilt,  niihin 
die  ünaiSglichkeit,  uns  Je  dem  TOrgeseizten  Ziele  su  nahen. 
Dem  rationellen  Empiriker  niufs  die  Heillehre- der  Geheiniärzie 
für  und  für  als  ein  wirres  Unding  erscheinen.  Das  liegt  aber 
lieht  a»  dieser  hächst  einfuchen  und  wliklich  folgereehten  Lehie 
selbst,  tondero  an  unserer  iheilichien  Vem-aadesTerkrüppelung, 
welche  die  Schale  schon  in  der  Jugend  uns  angebüdet.  Hier  habt 
Ihr  nun,  werihe  Aiulsgeooasen!  die  grüftfte  Schwierigkeit,  die 
eine  treue  r(>rstandhafto  Darstellung  der  geheimttrstlicben  HeiU 
lehre  bis  jetzt  unmöglich  gemacht  bat.  \un  zu  der  Heillehre 
seihst. 

I.  Hohenheim  behauptet:  Krankheit  sei  etwas  Unsichtbares, 
und  die  finfteren  Erscheinungen,  die  ZufUle,  gebea  uns  keine 
Erkenniaifs    des  Uosicbtbarea-     ,,Ali  wenig  ein  Wind    oder  eine 

.    4.-    .., 


„Luüt  mag  gegrifien  oder  gesahen  werden,  »H  wenig  aaeh  die 
„Krankhei(.'<  *) 

Dbs  Unsicfilbare  «ber,  das  eigentliche  Wesen  der  Krankheit 
ial  m,   wat  der  Ant  kennen  mnft. 

„Von  de«,  daa  nntlditbar  i«t,  soll  der  Am  reden,  imd 
„das  Sichtbare  soll  ihm  in  Wissen  atehen.  Gleich  wie  einer, 
„der  kein  Arsi  ist,  der  erkennet  die  Krankheit ,  and  weifi,  vnu 
„sie  ist  bei  den  Zeichen;  nno  ist  er  aber  dämm  kein  Arzt;  der 
„ist  MO  Arzt,  der  das  Undchlbare  weib,  das  keinen  Namen  hat, 
„keine  Materie  hat  und  hat  doch  seine  Wirkang.  **) 

„Das,  was  die  Eskremeate  macht,  vaa  die  fiueet  im  Leibe 
„macht,  die  Ua  Hitmoret  heibeal,  dieselbe  aind  nicht  die  Krmk- 
„heiL  Das  ist  die  Krankheit,  die  dasGelbe  maclit,  dafs  es  also 
„wird.  Wer  siebet  dasselbe!  \ieniand.  Wer  greift  esf  Nie- 
„mand.  Wie  kann  denn  ein  Arat  in  inmoräiu  die  Krankhut 
„suchen  and  ihren  Ursprong  melden  aus  denselbMi ,  dieweil  sie 
„Ton  der  Krankheit  werden  geboren ,  und  nicht  die  Krankhdt 
„TOn  ihnen?"***) 

XX>  Das  Unsichtbare,  diu  Wesen  der  Krankheit,  in  des- 
sen Erkennlnifs  das  eigentliche  Kunstwissen  des  Arztes  bestehet, 
kann  nicht  in  den  Menscheq  selbst,  sondern  nur  in  der  Infa^ren 
Notar  erkannt  werden. 

„Befindet  der  Ant  in  dem  Menschen  eine  Krankheit;  wer 
„sie  sei  and  wie,  wird  er,  'ans  der  Statt,  darin  sie  liegt,  nicht 
„erkennen,  ssndera  er  ninfs  das  ao&erhalb  erfahren  nnd  ler- 
„nen."  **••) 

Nachdem  er  an  dem  angeführten  Orte  die  Nichtigkeit  der 
Galenischen  Eleiaenlartheorie  gezeigt  nnd  bespottet,  fShrt  er  al- 
so fort: 

„Das  ich  schreibe,  bitte  ich  eaeh,  leset  es,  ermesset  es, 
„nnd  das  mit  Fleits.  Nieht  mit  Neid,  nicht  mit  Verachtung, 
„nicht  mit  Gespött;  denn  die  Dinge  werden  en^  am  Lettten 
„xustehen  in  enre  eigene  Verachtnng,  dadurch  ihr  jetzt  mich 
„verachtet.  So  ihr  doch  Auditore»  seid,  lernet  und  hSret  aa  bei- 
„den  Seiten,  and  klaubet  heraas  das,  das  nutz  ist.  Denn  di»- 
„weil  in  euch  nicht  täglich  mminirt  wird,  das  ich  melde,  wo 
„wird  euch  der  Grund  der  Arzenei  gegeben  werden,  also,  dalii 
„ihr  den  Microcotmum  erkennet  in  der  Knfseren  Natur  f  Darin 
„Ihr  begreifen  werdet 'Wander  und  grofs  HeimUcbkeit ,  so  in  dem 
t^Menseben  lieget;    nicht  nir  zu  Dienst,    sondern  euch  nnd  dem 


*)  Paragrani  alltr.  Tratl.   II. 
*•)  Loca.  eil, 

•■-,  t. .. 

""),ftrr«piB(«i«i.   Trurl.    I.  ^  , 

Digizedt^LiOOgle 


„Knaketo  and  Gatt  nim  Lobe.  Wer  tat  je  g«WM«n,  der  den 
j^enaohBii  als  einen  Menschen  fiirgenoininenl  £9  lind  in  ihm 
„acfaliwtet  alle  FnkoldllNi ;  nieniRiid  kennt  ihn :  daratu  entapringt 
„ur  Vardeiben." 

Ca  sind  jeiat  309  Jahre  vergai^a,  leit  Hohenbeira  dieses 
Bcbrieb;  wie  trefflich  hat  sieh  aeioe  Ausaage  bestätiget!  Dia 
Aerxte  haben  «eine  ErmahBong,  die  Eikenntnifs  de«  Wesens  der 
iu^diheit  in  der  äufscren  Natur  m  snnheb,  Terachlet,  oder  niobt 
Tcntanden ,  sie  heben  selbige  in  dem  Menschen  aelbst  gesncht, 
sie  haben  PathogaoicR  bihI  Therapien  geschrieben,  sie  haben, 
wie  Hehenbeim  sich  ansdrfidit,  iden  Menschen  als  einen  Men- 
acbea  vorgenommen :  dafs  sie  aber  in  dieser  Utri ersnchung  erblin- 
det, beweigen  am  besten  die  vielen  Theorien,  die  seitdem  er- 
aeagt,   sad  wieder  uofergegaagen  sind. 

■n*  Wir  können  von  dem  ODsicfaibaren  Weeen  der  Krank- 
heit niebts  anders  erkennen,  als  sein  Verbftltnilä  an  der  Heil- 
wirkang  der  Anenei.  (Die  Kenntnib  der  Heilkräfte  der 
ArxenMaritlel  ist  bei  Hobenheim  Philosophie  and  eine  seiner  Säu- 
len der  HeUknnst.)')  Die  Urilwirknng  der  Arzenel  ist  etwas 
sinnlidi  Erketrfbares,  also  nitdits  Phantastisches;  mithin  ist  anch 
der  Begriff,  den  wir  durch  dieselbe  von  dem  Wesen  der  Krank- 
heit bekommen ,  ein  Wiridichkeitsbegriff ,  nicht  ein  Phnntasiebe- 
griff.  Aaf  die  Heilwirkang  der  Arzeneimitfel  gründete  Ilohen- 
faeini  seine  Heillehre,  also  auf  einen  wirklichen  und  erkennbaren 
Grtind,  indefs  seine  Widersacher,  die  Galeniker,  Ihre  Heillehre 
aof  einen  blofs  phantastischen  Grand,  auf  die  Elemente  bauten.  ^ 
Auf  welcher  Seile  war  nun  die  Wahrheit!  —  Er  sagt  an  dem 
eben  angeführten  Orte: 

„Wo  anders  ein  Gnnd  hergenommen  wird  anfserhalb  der 
t,PhiIo8ophie,  ist  ein  fiefriegnifs;  dettn  nnser  Verstand,  wie  ihn 
,,die  Hirnschale  beschleufst,  ist  an  schwach,  au  gebfiren  einen 
„Arzt.  Denn  also  mnfs  die  PhiIoso|Aie  der  Aneoei  geführt  wer- 
,>dea,  dals  auch  die  Aagen  den  Verstand  begreifen,  and  dafs 
„sie  in  den  Ohren  i5ne,  wie  der  Fall  des  Rheins,  nnd  das  Ge- 
jftSn  der  Philosophie  al^o  hell  in  den  Ohren  liege,  wie  die  sau- 
„senden  Winde  aus  dem  Meere.** 

Ich  bilte  jeden  Leser,  der  Hohenheims  Werke  besitzt,  die- 
aen  Traktat  über  die  Philosophie  ohne  Vomrtheil  nnd  mit  Auf- 
merksamkeit an  lesen;  er  wird  sich  ohne  Mühe  überzeugen,  dafs 
dessen  0eillehre  einzig  auf  die  Heilwirkung  der  Arzeneimittel 
gegründet  war.  Er  spottet  an  dem  Orte,  nicht  ohne  Witz,  über 
die  Galenische,  auf  die  Elemente  sich  gründende  Lehre,  er  sagt, 
das    sei   eine  blofs  phanlastist^e  Grandfesle,     die    der    gesunde 

*}  Puragram.    PhtlaiapMa. 

Digizedt»  Google 


—    70    — 

Vffratand  iiiohl  Bnerkmuen  könne.  Dieie  phantasiiMche  Baiia  der 
Heillehre  iimohe  es,  data  mh  die  Aerzte  vob  ullen  anderen  Ge* 
lehrten  wie  Himdscchliiger  von  ebrlicheo  Leuten  schieden,  und 
dafs  kein  Gelehrter  ihre  nürrischen  Schreibereien  verMeben  kSfiM. 

„Wer  wollte  einen  Juristen  über  euch  znni  Strafer  tetzenl 
„ihr  habl  euch  derniafsan  hinterBcfalagen ,  dafs  Kaisern  und  Pflp- 
„aien  rothwäUoh  ist,  uaa  ihr  bandelt.  Wie  wollte  ench  der 
.,Theologiia  etwRH  Abgewinnen,  so  er  in  eiiern  Schriften  nickt  M> 
„viel  versiebet,  ob  ihr  Gott  oder  dem  Teufel  anhanget,  nnd  ver* 
„berget  eure  Lügen  in  die  Hum»ret ,  iaSs  nao  euch  weder  Bufa« 
„nodi.  Ablofs  geben  kann.  Wer  will  den  gemeinen  Mann  als 
„Richter  über  euch  letzen?  Ihr  seid  jedermann  roihw&lseb,  nod 
„halft  euch  so  setuaine  Dietianario»  und  Vocabulario»  gemach«, 
„wer  es  ansiehet,   mag  unbescbitsen  nicht  hinwegltommen."*) 

Hoheaheim  erinnext  in  so  vielen  Steilen  seiner  Schriften  an 
die  Heilwirkung  der  Arseneieo  als  die  einzige  erkennbare  Basti 
einer  brauchharen  Heillelice,  dafs  ich  nur  den  kleinsten  TheÜ 
dieser  Stellen  anführen  darf,  indem  das  Sfier«  Wiederhokn  Ei- 
ner und  derselben  Wahrheit,  woi  einen  B«lehrer  der  Sehwad»- 
sinnigen,  aber  oiciit  mich  kl«iden  würde,  der, itjh  sn  venuBadi- 
gen  und  scharfsinnigen  Männern  rede. 

In  dem  ersten  Traktat  des  Buches  Fbragranmm  beibt  es: 
„Sagt  ihr,  der  Morhu*  ist  Pulegii,  der  ist  Melwae,  der  BaU- 
nae,  so  habt  ihr  eine  gewisse  Kar  ans  dem  Nomen."  b^r  erkaoMe 
die  arzeneimit  teil  ehrigen  Kategorien  nicht  an*  die  sich  damahls 
von  der  ElementarlbeÖrie  berschrieben.  Den  Salx  Contraria  cmt- 
trariia  curaniur  verwarf  er.  Dafs  er  jedoch  den  Salz:  Gleiches 
wini  durch  Gleiches  geheilt,  an  dessen  Stelle  gesetzt  habeo  soll- 
te, ist  >war  gesagt,  und  noch  in  unseren  Tagen  gesagt,  aber 
fCiinz  unwahr.  Wie  die  Arzenei  heile,  hielt  er  für  unerkennbar ; 
blofs  dafs  sie  heile,  hielt  er  für  erkennbar.  Also  ist  bei  itun 
dHs  Heilen  eine  Heimlichkeit,  ein  ^^rctffitrai.  So  sagt  er  im  er- 
sten Traktat  Faragrani: 

,  Contraria  a  comirariii  curantw,  das  ist;  HeiCs  vertreibt 
„KhIi  u.  s.  w. ,  das  ist  falsch,  in  der  Arzenei  nie  wahr  gewe- 
„sen ;  sondern  also :  Arcanum  and  Krankheit ,  das  sind  die  Co»- 
„fraria.  Arcanum  ist  die  Gesnndheit ,  and  die  Krankheit  ist  der 
„Gesundheit  widerwärtig;  diese  zwei  vertreiben  einander,  das 
„Rind  die  Widerwärtigen  die  einander  vertreiben " 

')  SiDd  di«  mediiiaiicben  SchrifleB  naterar  bcnligen  Acrate  dem  oicbUirlxGchea, 
(fcbililetcB  Vcnliode  deullieher,  oder  liad  lia  ihn  noch  ebeato  roltawKJiehr 
Di(  Lotxle  mUcbte  wohl  d«r  Fall  lein^  und  witiud?  Weil  der  icblloMe,  ge- 
loida,  gebililele  Venlsod  nnmH^lirh  Pbanlaitikaircoricn  Kr  Wirklichkcilika- 
Irgoiien  hiDDehmcii  ktaa  ,  ja  nicht  ainnitbl  eini  Ahoang  von  diuer  Virwerbae- 


_    71     — 

In  dem  n&iulichen  Traktate  heifiU  ca :  „Ein  aatnrliober ,  wahr- 
^hülipr  Ar«  apricfat:  das  ist  Mmbua  lerebintkUtmt ,  das  ist  Mor- 
,^  »tferw  MoslAM',  das  ist  Mortui  hieharimmt  a.  s.  w.;  und 
niic^t,  daa  ist  Brauckm,  das  ist  RkeuMa,  das  ist  Cbrix«,  das 
„id  Cetarrhu;  Diese  Namen  kommen  niebt  bm  dem  Grand« 
^der  Afzenei;  denn  Gleiches  apU  aeineiu  Gleichen  mit  dem  Nn- 
„uien  verglichen  werden:  aus  dieser  Vergleichung  kemmcn  die 
„Werk«;  das  ist,  die  Arcan»  erSffneo  sie  in  ihren  Kraakheiiea." 
In  dem  sweiien  Traktat  Paragrani  sngt  er:  ,^Wer  weirs  die 
,^ahl  der  Krankheiten?   \ur  der,    der  da  weifs  die  Zahl  der  na- 

„tfirlichen  GewAebse   und   nalürlteben   ArkKncn.  —  — " 

'„Allein  die  äuTseren  Dinge  geben  die  ErkenntnÜH  detlnua- 
„ren,   sonst  mag  kein  inneres  Ding  erkannt  werden." 

KV*  Diese  Ansicht  der  Natiu  würde  nun  die  Medizin  zn 
einem  wafarhafien  Chaos  machen, -werto  der  absondernde  Verstand 
nicht  dne  Rc^l  in  diciM  Wirrung  brichto*  Hohenlieinu  Ordnung 
besiebet  darin,  dafs  er  die  Krankheiten  einiheilt  in  Urorgankrank- 
beitcn  nnd  jn  UmaiTersalkfankheiten.  Die  Organkraakbeilen  spie- 
laa  in  seinen  Schriften  eine  wichtige  Rolle,  woraus  ich  erkenne, 
AmW  er  die  Natur  genau  mnfs  beobachtet  haben.  Ich  werde  auch 
znent  von  diesen  si«echen,  wenn  ich  vorher  folgende  kleine, 
mm  Verst&ndnils  nöthige  Einst^altnng  gemacht. 

Man  hat  Huhenhei«  aeoli  in  oBserer  Zeit  ati  rohen  Empiri- 
ker ausgescbrien,  das  heifst  doch  wol:  er  sei  ein  Mann  gewesen, 
der  sogenannte  Speäfioa  blindlings  auf  nosologische  Formen  an- 
gawendet,  der  Mittel  gegen  WasAerfuchl,  Schwindsncht ,  Gicht 
D.  8.  w.  gehabt.  Ich  kenne  aber  wirklieh  keinen  Arzt,  der  freier 
von  roher  Empirie  gewesen,  als  gerade  er;  seine  reine  Erfab- 
raogalehre  ist  ja  die  voIlkonmenUe  GegenfRliilerinn  der  rohen 
Formenbehandlung.  MSglich  ist  die  irrige  Meinung  deshalb  auf- 
gekommen ffnd  big  jetzt  geblieben,  weil  man  im  gemeinen  Le- 
ben nnd  auch  in  der  scbulrecbtärstlicheD  Spreche  unter  dem  Aus- 
drucke Speci/icum  ein  besonderes,  auf  eine  gewisse  nosolo- 
gische Form  gerichtetes  Mittel  verslehet,  und  weil  HoUenheim 
Mitunter  die  Organ  heil  mittel  ^tifiea  nennet.  ')  Einige  Stellen 
sSgea  beweisen,  dofs  er  kein  Fonnenbehandler  wnr,  ahrr  wol 
das  nrerkrankie  Organ,  von  dem  die  noiologisclic  Form  ahhing, 
in  heilen  bezweckte.  So  sagt  er  z.  B.  in  dem  Buche  De  rnilnco 
malriciw:    „Also  ist  Caductu  inl€»tinoram,   caducui  diapkragMa- 


•)  Der  Mifijriff  k»nn  Mck  Jib«r  röliMB,  i»h  i'it  Gilenik«  dleltfi-AV«  tpffi- 
fitet,  ilM  keif«!,  Miehe  Aerate,  wekhc  dl«  BeilwirtunB  der  HUIcl  nl.ht  ■»» 
J«>  SlearaUrqnalirilra  MilKrt«D ,  »ondw»  diewlbe  -ti  eine  uunklSrb.r. 
HeUatiebkeit  (^«mh«)  UHben.  »poU««»«  Euiriiler  niunlen.  P«»""  - 
ram.    Pretaf.  3. 

-- — "-'S'^' 


—  n  — 

„lü,  em^icm»  ämttivm,  cadmemt  mtmut,  petlit,  fttMlMtJbrtm, 
„medullae,  gutturit  etc.**  Uod  in  dem  Bacbe  vom  Kakeaweh 
„Das  itt /iedri»  »plenia^  dies  »tomaeki,  dies  cerebri^  die«  aoM- 
„gu^i* ,  dies  ivtt«nwM  etc."  —  Nun  von  dieum  Abspnng«  wie- 
der KU  der  HttBpuacbe. 

JL>    Zuerst  von  den  OrganboilmiUeln. 

Er  behauptet,  jedes  kranke  Organ  habe  ia  der  Soberen  iNa- 
Inr  sein  Heilnilte).  Diese  Heilmittel  nennet  er  (auf  die  ^gna- 
fnra  verum  naiurahun  anspielend)  die  HuüiereD  Organa,  ulti.  B. 
die  auftere  Leber,  das  ftofsere  Gehirn,  die  ftufsere  Milx  u.  ■.  w. 
Daraus  mat^t  er  als»  das  scheinbare  Pßradoaroin  Gleiches  müsse 
durch  Gleiches  vertrieben  werden.  Dieses  schien  iwar  dem  Satxe 
der  Galenischen  Schule  schnurgerade  an  widersprechen ,  kam  aber 
wirldioh  mit  demselben  in  keine  Berührung;  denn  der  Gnlenische 
Sati  beeog  sich  auf  die  elementischen  Qnalitäien ,  der  des  Ho- 
henheim  anf  die  geheimen  Kräfte  der  Oiganheilmittel.  Das  Pa- 
radoxe des  Hohenhnmischen  Satzes  lag  bltfla  in  dtm  Worten,  in 
einer  Anspielaog  > anf  die  Signatnra  rerum  Hmtttralium,  (Hier 
haben  die  Leseh  ein  Beispiel ,  wie  er  eine  damahlige  abergläu- 
bische Meinung  zur  Schau  trSgt,  ihr  aber  eine  verstfindig»  Be- 
deutung unterlegt.)  Non  wollen  wir  die  Bel^e  zu  dem  Gesagten 
hdren. 

„So  Aer  Arzt  den  äufseren  Menschen  wohl  neils  und  ihn 
„wohl  erkannt  und  erfahren  bat,  alsdann  soll  er  sich  geben  in 
„die  Faciillftt  der  Arzenei,  und  den  äulseren  in  den  inneren  wen- 
„den,  und  den  inneren  in  flem  fiafseren  erkennen:  sich  hüten  in 
„alle  Wege,  dafs  et  keinesweges  iu  dem  inneren  Menschen  lerne, 
„denn  da  ist  nichts  als  VerfDhmng  nnd  der  Tod;  denn  bis  sie 
„ohne  solch  Sufserliehen  Menschen  des  Menschen  Anliegen  er- 
„kennen,     wie  Tiel  Feld  nnd  Acker  müssen  zu  dieser  Probe  lom 

„Kirchhof  werden. Aus  dem  folgt  nun,    dtils  die   Sez- 

„zung  der  Bezepte  al«o  geonlnet  mufa  werden,  auf  dafs  das  Glied 
„zum  Gliede  komme,  je  eines  dem  anderen  gereicht  werde.  — 
„—  ^  Das  Hera  dem  Herzen,  Lunge  der  Lnnge,  Milz  der 
„Milz.  N'icfat  Milz  von  Kühen ,  nicht  Hirn  von  Säuen  dem  Hirn 
„des  Menschen,  aondem  das  Hirn,  das  des  inneren  Menschen  än~ 
„fserea  Hirn  ist.*) 


*y  Paragrami  alferiut  Traet.  I,  Za  dicMr  Sulla  raDfii  Ich  elM  kklo«  Benn^ 
klag  naehen.  Spramgtl  gibt  Otaall  Crolliit*  ■!■  den  Sebritt*t«Uer  u,  dar 
Paneelsiu  Lebra  am  baatea  darraatallt.  Noa  bitte  iob  dia  Laiar,  ait  dar 
■Dgaührten  Stella  tolftaiti  lU  CrolHut  Boeb  ße  tigualurit  inttmit  mrum 
pag-  04.  KH  TergleiBbeD.  Ctrebmi  tnillui»  phrandlicit  prodatti  td*»  alürai 
H,  qui  mtmtriam  amlterunt ,  tum  javamanlo  vteUKtar  etrtbr»  ptrcino  tmm 
mgr'hlica  et  eimmammomo  aremaiitala.  Der  Haui  hat  »ffmbar  leiBei  «ng«- 
beteteu  Vorbilde!  Lebra  Khleebt  bagrlffes. 


—  »  — 

„Abo  Md  <li«  KrinMr  «oeh  GKeder:  «Im  kt  •(■  Hen,  du 
,jUt  «M«  Leber,  das  ist  eioe  Mib  etc.  Da&  iJI  Hen  ein  Hen 
j,*ei  des  Auge  tiolitbar,  ist  niebu,  MiidefB  es  ist  eine  Kmfl  und 
mMQ»  Tt^end  dem  Henen  gl«icb.*'*J 

„In  ^iritn  Utgt  die  Ancnei  and  niehl  in  Leibe,  deaa 
„Leib  bimI  Spiritua  sind  xwelerici."**)- 

Er  faatte  aieb  mdic  gut  b^fri&u,  dafi  in  Einer  Pflenxe  Mehre 
GnmdatsSi  sieckea  könnea,  deren  Jedw  auf  mb  iMsoadwee  Ot- 
gMi  beilsam  wirkt. 

„Ea  sind  in  etoem  Csr^M*  vieleatlei  Glieder,  sind  aber  nur 
„Ein  Leib,  du  nw  Ein  Kiant  ist,  abef  allsriei  Tngenden  in 
„ihm."**») 

„Om  ist  mm  du  vierte  Back,  dab  der  Arst  leene  erkeBBen, 
^dnfs  weder  mehr  noch  minder  üi  pkffaie«  corptrt  sei »  als  wel 
t^»  er  Butfeodig  welfr,  wie  tnancberiei  Spexiea  Lignmim.,  Lm- 
nPi^'h  Berbmrum  etc.  nnd  dals  diesdttea  Spexiea  aodi  im  Me»< 
„sehea  seien.  Doch  aber  niebt  ib  solcher  Gestalt,  wie  in  den 
„EJcmeaien,  ****)  s^dem  in  Gesandheilsweisa  wtd  Krankheilsge- 
„Malt  seilen  sie  in  dem  Menaehen  gefanden  werden.  Das  Gold 
„im  Element  ist  als  ein  Gold,  im  Menecfaen  ein  nalSrlich  Con> 
„fMtarif;  also  weiiM  wisset  von  idlen  SpeeUbtu  der  Uemeate, 
„dafs  sie  aneh  also  im  AflkrokosBM  sind.  Der  nnn  weils,  di« 
„Sptdet  zu  nehnwa  nnd  an  erkeoneB  in  plii/ne»  corpore  also: 
„du  ist  im  Messchaa  der  Saphir,  du  ist  der  Merfcnr,  du  ist 
„Ciprenm»,  das  ist  ßo»  deiri  etc.,  der  hat  du  Bocfa  pkgaiei 
„eorporia  wobl  eigrSndef;  nnd  so  er  nnn  soUbe  Sptde»  earporm- 
,^«t  wohl  weifs  nnd  erfahren  hat,  so  mag  er  ein  Mediem*  sein 
„nnd  seine  T^eoricam  finden«  die  nicht  »peemiativa  sein  waM, 
„sondern  aas  der  Putetica  soll  sie  geboren  werden ;  deoD  nicht 
„ans  der  apecuiativa  7%eorica  soll  Practica  flieften,  sondern  au 
„der  Practica  T&eorica.**-\^) 

Die  Leser  sehen  ans  dieser  Stelle,  dafs  er  die  Wahrheit: 
du.  Wesen  der  Krankheiten  InJane  nnr  in  der  Suisereii  Natnr 
dnrch  die  Heilwirkang  der  Arxeneimittel  erkannt  werden ,  in  ein 
ander«  bildliches  Gewand  kleidet.  Oben  sprach  er  von  einer 
Snfseren  Leber,,  von  einem  ftoJseren  Gebim  a.  s.  w.  Hier  spricht 
er  von  einem  inneren  Cupreatua,  von  einem  inneren  Merkur,  von 
«Den  inneren   Saphir.      Nnn,    wenn   er   einmahl    eine    Wahrheit 


**)  D»  podagrith  JUb-  I. 

***)  LubyriMth.  mti,    rap.  S. 

****>  Btcr  s«bnw:bt  er  tat  WoH  Blen«gt,  Blehl  in  Gakaucbtta  Siuie,  Modtra 

flr  dte  loriere  Ntlar. 
•f)   LmtfrimtAiu   mtdicamtM    Cmp.  4. 

„,,,_„.,L,  Google 


—    74    — 

bildlich  T6rtm;*B  wollte,  so  mag  die  «ine  EiDkleUnaf  so  viel 
werlh  iein  ali  die  andere.*) 

Die  HBOpUeohe  bläht  iniiaer ,  dafi  er  seine  Heillebre  nicht, 
wie  die  schulreohien  Aente,  auf  eine  anmaüslicfae  Kenntnib  dea 
bellten  Menecbealeibei ,  eondern  anf  die  HeilwirkoDg  der  Ane- 
neimiiiel  gründete,  aUo  auf  eine  erkennbare  Baaii,  und  da£i  aune 
Theorie  reines  Abstrakt  der  Erhitrung,  mitbin  Theorie  und  Praxis 
bei  ihm  Eins  war.  Dieses  ist  für  uns ,  als  Verslaadesmenschen, 
das  Wicbtigs;e  in  den  Paracelsi sehen  Scbriften,  nnd  ist  wabr- 
seheinlich  anoh  die  wichtigste  und  nütdiehste  Helmliekkeit  der 
alten  scbeidekilnsiigen  Aerste  gewesen. 

Nun  niiifa  ich  nocfa  eine  Stelle  miiiheilen ,  Hie  am  Ende  des 
ebeA  angeführten  Kapitels  stehet,  in  der  er  seine  Meinung  über 
die  anf  eine  aatuafslicke  Konntaifs  des  belebten  Menschenleibet 
bastrie  Ueillehre  der  schulrechten  Aente  ausspri^t.  Diese  Stelle 
ist  jeint  weit  merkwördiger  als  damafala,  weil  die  Aerste  jerst 
schon  dreihundert  Jahre  IfiagM  auf  die  nfimliche  noerkcnnhare 
Gmodfesie  eine  braachbare  Heillebre  %a  bauen  verancbt  haben. 

„Es  ist  von  etlichen  gesagt  worden :  wo  der  Philosoph  anf- 
„böre,  da  fange  der  Ana  an.  Das  in  der  Gestalt  geschiebvt:  so 
„der  PMo»»phua  m^orem  watndum  Hobl  erkennet  in  Himmel 
„and  Erde  nnd  >n  allen  ihren  GmteratioHibu*  ^  so  hat  er  die 
„Erkenntaifa,  in  verstehen  suissresi  tmmditm.  Der  in  solcher 
„PhiloBophey  nnd  Lelire  nicht  ist,  der  mag  JUier»coämitm  nicht 
„erkennen.  Was  er  von  der  Nator  des  Meosehea  schreibt ,  ist 
„nichts  besser,  denn  so  viel  der  Blinde  von  der  Farbe  redet; 
„er  wShnt  es  allein,  es  Iräamt  ihm  allein,  er  siebet  Aurw» 
„mtutet  itt  Bitpamia," 

Gnier  Gott!  die  Aerzle  habeo  seitdem  so  viel  goldenp  Berge 
KU  sehen  gewähnt,  die  jcisi,  in  der  Geschichte  der  Medizin,  jlm- 
merlich  ihre  ungoldenen,  grauen  Hünpier  gen  Himmel  recken, 
dafs  den  sinnigen  Mann,  der  dieses  nnwiribbare  Xordkap  durch- 
wandert, ein  Gefühl  von  WefaMOlh  ergreift,  und  der  pHracelsiseh« 
Gedanke  in  ihm  auftancbt ;  das  Gehirn  des  Menschen,  wie 
es  die  Hirnschale  beschleafst,  müsse  wo!  sn  schwach 
sein,    zn  gehSren  einen  Arst. 

B*  Ueber  die  Uaiversaliaitiel  ist  Hehenheims  Lehre  so  dun> 
kel,  dafs  man  anfangs  glaubt,  nimmer  damit  ins  Klare  in  kom- 
men. Denkt  man  aber  nur  ein  wenig  darüber  nach,  so  wird  es 
einem  nach  nnd  nach  licht.  Am  besten  werde  ich  meine  Ansle- 
gung   mit   einem  Beispiele  anheben.     Nehsset  einmahl  an,  werihe 


*)  Di«B  lalila  Hldlicbe  EinUeiduai;  pilkt  jrdarh  nicht  fsl  «uf  di«  OrK«nhri1- 
miltel  DsdUrorgiDlcnnlikcilen,  sondmi  brwer  luf  die  UDivcrMlailtel  «ad  di« 
Urorkraokaassn    de*    Ce»mmtargaDiiaiM. 

L,, ,_..,,,,  Google 


-  »»  -     * 

AMtri^Mcrl  ieh  bStte  ein  gcmebm  Hpiel  Kuisn  ta  irr  IUmI, 
nad  gfibe  each  einen  Theil  in  Bliiter ;  go  wnidei  ihr  J«  hos  den 
gegebenen  Bl8ttern,  obne  sonderliohM  NaeMenken,  diejenigen  be- 
Mimmen  k9anen,  welche  ieh  in  der  Hund  bebnlten.  Nun,  «bai 
no  mache  ich  es  mit  Hohenbeim ;  bt  bat  mir  den  Begriff  den  Or- 
gan  heil  mit  teia  gegeben,  nna.  dienern  feigere  ich  den  Begrifi  deg 
UniverulheilmitleU.  In  seinen  Schriften  spielen  die  Orgnnbell- 
»ittel  imd  Organkrankheiien  eine  Haoptrolle;  daraus  llbl  sich 
Ja,  nicht  Terninthlicb,  sondern  mit  Sicherheit  sehliefsen,  dafs  seine 
Univeraalniittel ,  wekhe  er  noter  mancberlei  Namen  l>egreiA,  anC 
etn'Rs  ErlcFanktca  gerichtet  seio  mKssea,  mflefaei,  ancfa  der  ge- 
wdhnlicfaen  äprachweise,  nicht  zu  den  Organen  gerechnet  wird. 
Wa:<  ist  nnn  dieses  unbekannte  Etwas?  —  ich  denke,  es  ist  das, 
dessen  Erkrankung  die  Aerste  verschiedener  Schulen  and  ver- 
sehiedener  Zeilen  nitt  gar  mancherlei  \amen  belegt  haben.  8i» 
Inben  e«  bald  inflammatorischen ,  bald  sthenisehen  Zustand ,  baM 
Sebwiche,  bald  Asthenie,  bald  FBalnifs,  Ataj^a  nervarmm,  Ver- 
flaonng  der  Lebensgeister  nnd  Gott  welfs,  wie  nnch  sonst  ge- 
nannt. Die  Krkranknng  des  von  den  Organen  unterschiedenen 
Unbekannten  miifji -Dasjenige  sein,  worenf  Hohenheims  Universal* 
mittel  gerichtet  SLud^umt  da  wir  gesehen,  dafs  «:  das  Wesen  der 
Organicrankheiten  nicht  in  dem  Körper  selbst,  aoadem  ia  der 
iofteren  \a1ar,  aus  den  Heilkrttften  der  Orgnnmillri  erkennen 
will,  so  folgt,  dafe  «r  auch  die  Erkenninift  des  Weaen  der  nlt- 
gemeiami  Erkrankong  nicht  {d  dem  Körper  selbst,  sondern  in  der 
ftafseren  Natur,  also  in  der  Heilwirkung  der  Uoiversalmittel  fin- 
den mufste.  Dieses  ist  doch  eine  ganx  einfache,  Teratandesmcbl« 
Folgerung  aus  dem,  was  ans  Hofaenbeim  gegeben  bat. 

Man  kann  übrigens  wol  ans  seinen  Schriften  erkennen,  wel- 
che Mitlei  er  fiir  Vnivenaiia  hKit,  aber  nicht,  wie  riel  er  der- 
Bftlben  gehabt.  Was  ich  davon  weifs,  hat  mich  meine  eigene 
Erfahrung  gelebret;  denn  da  idi  einmabl  den  richtigen  BegriS 
eines  Unirersalinittels  erfaÜM,  eo  fand  sich  das  (Jebrige  von  selbst. 
Ich  mag  aber  hier  nicht  mein  eigenes  Erf ah rungs wissen  mit  Ho- 
henheims Heillebre  vermischen.  Von  letzter  darf  ich  nichts  be- 
haupten, was  nicht  mit  deotlichen  Stellen  seiner  Schriften  zu  be- 
legen ist.  Deutliche  Stellen  habe  ich  nkbt  gefunden,  wol  aber 
dankle;  ieh  will  dem  Leier  etliche  derselben  miitheilen.  In  den 
Bfiehern  De  virihut  meniromm  unterscheidet  er  in  dem  er- 
sten Buche  De  vtribui  apiritualivm  den  Spiritum  vitae, 
als  etwas  Allgemeines,  von  den  Oi^anen  Unterschiedenes;  er 
sagt,  derselbe  sei  vers^iedanen  Krankheiten  unterworfen,  daraus 
kennen  entstehen  fehm ,  Bpottemata ,  Plenretei ,  Icleritia,  ulce- 
ra  etc.  Iru  zweiten  Kapitel  dieses  Buches  warnet  er,  dafs  man 
Urerkrankiingen    der  Organe  nicht  fiir  allgemeine  Erkrankung  des 


—  7d  — 

^rilu*  vitae  Dehmra  Mile.  Da  abex  iu  AnfSbrea  oinMlaer 
t^ellen  diMar  Bücher  dam  Lnaec  Hoh«nheiina  offenbar  alMicbtlich 
dtioket  Forgeiragene  Gedankea  oioht  Terdeutlichen  köonan,  so 
maCi  ich  jeden  Nea^eri§^  auf  die  Bücher  selbst  rerweisati. 

In  dem  achten  Buche  der  Arcfai^oxen  sof^t  er  von  seinen 
Uoiveraalmitld *  welches  er  unter  dem  Namen  Elixir  begreift, 
Folgeo4es. 

„Darauf  nun  xa  Teratehen  isi,  dab  das  Elixir  gebraucht  wijrd 
„an  dem  Leben,  das  ist  in  dem  Herzen  and  an  die  Ende,  wo 
„das  Leben  liegt,  qw>d  ett,  ad  apiritvm  vitae  per  umiva-ium 
„corput  düperium.  Et  cuatodit  »piritum  vitae  ia  hoc  virtute, 
„qua  üorput  vel  cadaver  mortmtm  a  putritfactione  cwtodiat, 
„Qjta»i  vulntu  aut  uieu*  extrimtcu»  polest  a  putredine  et  mah 
„dutodiri:  ita  ttiam  intrituecum.  corpus  ah  ««in»  advertitate 
,,cm»todiri  de  po»ae  tat.  Damm  so  ordoea  wir  ein  Elixir,  das- 
„lelbe  wirket  in  »piritu  vitae  gleich  wie  ein  Ferment  in  eioeiu 
„Teige,  nad  wächit  im.  Leibe  als  wenn  ein  Baom  in  der  Wnrxel 
„gefärbt  wird,  das  ihm  nimmer  ausgehet." 

Abs  dieser  nnd  ähnlichen  Stellen,  die  sich  aber  untereinan- 
der in  den  Worten  widersprechen,*}  gehet  so  viel  hervor,  dab  er 
etwas  von  den  Organen  Ualerschiedenes  und  Erkrankbares  in 
dem  Menschenlelbe  annimmt;  oh  er  daa  nun  Spiritu»  vitae t  oder 
anders  nennet,  läuft  auf  Eins  hinaus.  Da  er  das  Wesen  der  Or- 
gteerkraaknog  nicht  in  dem  K5rper  selbst,  sondern  in  der  äufae- 
ren  Natur,  aus  der  Heilwirknng  der  Organmillel  erkennen  konn- 
te, so  konnte  er  aueh  das  Wesen  der  Erkrankung  jenes  Unbe- 
kannten ,  von  den  Organen  Unterschiedenen ,  nicht  in  dem  Kör- 
per selbst  erkennen,  sondern  er  mufsle  es  folgerecht  in  der  Sufse- 
ren  Natur,  aus  der  Heilwirkung  der  Universalmillel  erkennen. 

Was  ich  bi«  jetxt  gesagt,  ist  das  eigenrliche  Reinversland- 
hafie  der  Hob enbei mischen  Heillehre.  Da  dasselbe,  so  viel  ich 
weifs,  noch  nie  deutlich  ausgelegt  ist,  so  wird  meine,  liofTentlich 
deutliche  Darstellung  dem  sinnigen  Leser  wohl  zum  ernsten  Nach- 
denken veranlassen.  Aber  auch  diejenigen  meiner  Leser,  die 
keine  Lust  zum  Nachdenken  haben  mochten ,  werden  mir  doch 
zngesieben  müssea,  dals  der  Gedanke,  eine  Heillehre  anf  eine 
sinnlich  erkennbare  Basis  zu  gründen,  ein  Gedanke  ist,  der  un- 
möglich in  dem  Kopfe  eines  Narren  könne  erzeugt  sein. 

Was  ich  nun  weiter  noch  von  Hobenheims  Heillehre  zu  sa- 
gen habe,  ist  für. die  praktischen  Aerzle  minder  bemerkenswerlli,; 
denn  da  es,    seit  dem  Verfalle  der  Galenischeo  Schnle,  auf  dem 


*)  HiD  vargleiebe  iiil  dar  «DfardbrieD  Stille  da«  lile  Bach  De  ciribut  HUmbro- 
mm  Cap.  II.  und  dia  IV.  Back  Sbar  die  veneritcbe  Krenkbeit  von  5.  Repilal 
liU  EBV  Bnd«  dei  BaekM. 


—    77    — 

W^«  der  BeobBchttin;  erkannt  nai  naeh  nnrf  nach  «ir  allgemei- 
D«o  Kwhl«  gebracht  ht,    m  kann  ei  jettt  nur  noch  hu  geacliicbl-  - 
Heber  Hinsieht  Beachtung  verdienen. 

Am  meiner  Dantellang  des  Ventandhaflan  der  Ilobenhofmi- 
•dien  Helllehre  kannten  meine  Leser  leicht  scbliefsen,  es  nel 
«{ne  rein  dynamisehe  Heillehre.  Gana  Unrecht  hfliten  aie  dnria 
■lehl;  allein  der  Mann  war  su  verstSniig  nnd  erfahren,  als  dafa 
•r  ^nnper  DTnamiker  bHile  sein  können.  Er  b^riff  es  vtelnehr 
sehr  gut,  dafs  die  Irrnngen  der  ab-  nnd  anssondemden  Organe 
rine  Regriwidrigkeit  das  Ab-  nnd  Aassonder«ng8gescbllites  nnd 
des  Ab-  und  AoBgeaonderten  lur  Folge  baben  miaaen,  nnd  dab 
das  regelwidrig  Ab-  nnd  Aasgesonderte  als  nener  feindlieher  Reta 
auf  den  Körper  wirken  könne,  ohne  dessen  Enifemang  die  Hei- 
Inng  einer  Krankheit  nweilen  nicht  geschehen  möge.  Wir  ha- 
ben schon  frfiher  aus  einigen  Sielten  ersehen ,  dafs  er  dergleichen 
materielle  Reite  xa  entfernen  rXth ,  aber  anch  Umsicht  dabei  em- 
pfiehlt. Er  leene  jedoch  nicht  imfier  diese  schädlichen  Stoff« 
ans,  »oadera  nahm  noch  auf  ihre  ehamischa  Beschaffenheit  RBok- 
sicht  nnd  aantraliiiirte  sie.  In  dem  Buche  von  den  tirtarischea 
Krankheiren'J  sagt  er:  jedes  Organ  habe  die  Kraft,  dai  Schftd- 
HdM  TOR  dein  Unschldllcfaea  ni  scheiden;  we  diese  Befähigung 
In  Irrung  geraifae,  da  erseoge  sich  Tanariu.  Ihm  ist  also  alles 
das  Tanarns,  was  hllie  nnsgesonden  werden  mRssen,  aber'nioht 
«■Rgesondert  ist,  und  nun  snm  feinditchea  maleriellen,  oder  ma- 
teriell-mechanischen  Reise  wird.  So  sind  Stein«  Ja  den  Nieren, 
in  der  Blase,  Leber,  Lnnge,  in  den  Dirmen,  unter  der  Zunge 
aod  an  anderen  Orten  Tarlarns;  aber  auch  Magen-  und  Darm- 
s&ure  ist  Tartarus.  Von  der  leisten  sagt  er,  sie  sei'  am  leichte- 
sten %a  heben,  werde  aber  von  den  Aenlen  bflufig  verkannt. ") 

„Habt  gut  Acht  und  Fleifs  auf  die  Dinge  alle,  damit  Ihr  nicht 
„Tartarum  für  Co/ieam,  nicht  für  I/iacam,  oder  Venteaüate»  an- 
„sehet,  denn  es  ist  ein  grofses  Irrsal,  und  stehet  Sbel,  dalä  so 
„viel  wSische  Aarzte,  sonderlich  zu  Montpellier,  Salcmo,  Paris, 
„die  da  wollen  vor  anderen  den  Krnns  haben  und  jedermann  ver- 
pachten, doch  selbst  nichts  ItSanen,  sondern  ötfentlich  erfunden 
„wird,  dafi  ihr  Maul  und  ihre  Pracht  alle  ihre  Kons!  ist." 

Merkwürdig  ist  es,  dafs  er  den  Tartaram  der  DSrme  (wel- 
ches Darmsäsre  ist)  dadurch  hebt,  dafs  er  mit  den  Speisen ,  son- 
detlicb  mit  gehacktem  Fleische  ein  Salx  mischt,  welches  er,  nach 
seiner  Atlrrischen   NVeise,    Alca/i  glaoiei  dmrae   nennet.***}     Ich 

*)  Tratt.  IV  tf«  origimi  muri,  rx  lartar»' 

")  Paramir.    Ltt.  11/  de  Ttg.  marb.  ex  tttrl, 

***)  Bsek  VBD  des  Urttriacba«  Rraalhatt»  Kap.  IS.  —  Ich  bab«  ÜCMi  KsDil- 

«tilek,    mit    alner   klclnea    aar  dcD    Geiehaaek  befa«bBatas   AhtsderaaKt  "'* 

rtTHchl ;    in  dar  Falm  ward«  ich  sstr  davoa  lacw.  . 


-    7»    — 

drnke,  et  viti  wol  Mifro»  »in;  «r  kRonie  diMM  mm  we- 
Digaten:  ein  apüierer  Geheimant,  P.  jPvMrt««,  -  lehrt  nh  iIm- 
aen  Beieitung  ganz  deailich  und  oMinet  w  CtyitmlÜ  AmltmmM 
talU.  y) 

Auch  hinsictitlicb  de4  Tartan»,  der  iieb  in  anderen  Organen 
erzengt  und  als  Stein  nicht  teilen  vial  bite  ZuftiU  maobt,  gibt 
er  temerkeatwerthe  pralciiaehe  Winke.  loh  iwnn  aber,  ohne 
■ich  einer  Unichicklichkeit  tchnldig  lu  machen ,  unmöglich  aUea 
fiute  nnd  Wahre,  wat  den  Mann  aU  einen  erfahrenen  und  (iicb- 
tigen  Pr^iker  bd^iutdei,  auuohreibeD.  Bioft  eine  einnge  Sielle, 
in  der  ar  darauf  Bvfnierktatn  macht,  dait  die  Aeraie  häufig  die 
GallentCeim  verkennen,  will  ieh  dem  Leter,  ihres  eigenthüinli- 
liehen  drolligen  Anttriehet  wegen,  xum  Beaten  geben;  sumahl  da 
dietea  Verkennen  anob  noch  wol  itf  niweren'  Tagen  Statt  hat. 
Er  sagt:  „Gallenateine  machea  Gelbaiicbt,  Krümmen,  Libmung, 
„Grimmen,  Drücken  nm  daa  Grübietn  und  desgleichen ;  Efbrechen, 
„bdsen  Magen  und  Däuung.  Solches  allet  achSmen  sich  die 
^Aerxie  nicht,  dafa  sie  sagen,  es  int  eine  Cholera.  £s  iat  eine 
„seltsame  Cholera !  Freilich,  Cholera  bei  euch  X^nrren,  aber  nicht 
„hei  den  Erfahrenen."  ") 

Jetzt  Herden  die  Leter  auch  von  mir  erwarten,  dafs  ich  von 
den  fünf  nraachlichen  Dingen  t  von  dem  ^u  anträfe,  veMemah 
rtltatura/e,  tpirituale  nnd  deale  ein  \^'on  tage.  Da  aber  roebte 
dieser  Dinger  mit  dem  Puracelslschen  Säulen  der  Medisin  xusam- 
menfliefsen,  90  Ififst  sich  nnniöglich  besondMV  davon  sprechen. 
Wahrscheinlich  haben  diese  ursächlichen  Dinger  einen  vermeinl- 
liohen  Ge.ichichtschreiber  reranlafgt,  Ilohenheims  vorsiiglinbsles 
Verdienst  darin  zu  setzen,  dafs  er  auf  die  Krankheitsuta  sehen 
mehr  Kücksicht  genommen  als  Galen  und  die  Araber.  Das  ist 
aber  witl  ein  kleiner  Mifsgrilf.  Freitich,  er  wird  anf  die  sinnlich 
erkennbaren  Scbüdlicfa keilen,  die  nicht  blofs  eine  Kraiikheit  ge- 
madu  hatten ,  sondern  durch  ihre  fortgesetzte  Einwirkung  die 
Krankheit  ualerbielten,  in  so  fem  Rücksicht  genommen  haben, 
dafs  er  diese  SehBdIichkeiten  entfernt  hat.  Dafa  er  aber  übri- 
gens, wie  die  apttieren  Aerzte,  aua  den  Schädlichkeit«!,  welche 
asf  den  Körper  gewirkt,  und  weldie  in  vielen  Fällen  blofs  et- 
was Vermuthliches  atod ,  das  Wesen  der  Krankheit  habe  erken- 
nen wollen,  ist  unwahr.  Oieae  Behauptung  stehet  im  geradesten 
Widerspruche  mit  seiner  Heillehre,  denn  er  wollte  ja  blofs  aus  der 
Heilwirkung  der  Arzeneimittel  dat  Wesen  der  KVankheit  erkennen, 
nnd  verwarf  alle  auf  blofse  Vermathung  sich  gründende  Eikenntnifa 
als  ein  Hirngespinnat. 


*>  Optrm  vmnia  p*g,  4 IS 

**)  Paramir-  Lii.   III  it  «rig,  «wrft.  ax  Imrt.  Trmt.  IF.  ,-.  , 


—  »  — 

Wn  «r  TM  iImi  fSaf  urucUietwn  Dingen  tilgt,  Ist,  mit  .4as- 
aeklab  hosten ,  was  Mit  Rnn«n  drei  SfiolM  der  HeUltoiiBt  xttaaiu- 
mnaflirftt .  (wovon  ich  gleioh  ipiecheo  werde)  blofa  ein  eitelet 
Gewliicfa ,  weichet  wit  teioer  HeiUebre  in  keincM  direklcn  Za* 
uniMenhai^  stehet. 

Wena  dwr  die  Bntlidie  Unaefasacherei  aacli  nicht  ia  gerft> 
den  Widerapracbe  mit  seiner  HeiUebre  gestanden  und  er  dae  Un* 
logiacfae,  das  in  derselben  liegt,  sieh  auch  nicht  deatÜeh  gedacht 
hatte;  sc  würde  er  doch  gewib  als  geistreicher  Mana  es  gefTihh, 
das  heifstf  sein  Vertlaod  würde  es  sieh  daaltal  gedacht  habea. 
In  dam  Buche  JPurmmirum')  sagt  er:  ,,WJr  heban  unsere  Ante- 
t^ei  bei  der  Heilung  an,  und  nicht  bei  den  Unachen,  dämm 
„dafs  uns  die  Heilung  die  Ursache  anxeigt." 

An  einem  Hudereu  One  heifxt  ea:  „Allein  erkeane  d«n  Leib, 
„so  hast  da  die  Krnnklieit  erkannt;  denn  da  lanfi  der  hinweg, 
„der  lie  macht,  bleibt  nicht,  und  dus,  damit  er  es  macht,  aiiumt 
„er  lait  ib«;  darum  darbt  du  es  nicht  suchen  da.  — ''  —  — 
„Das  iai,  wie  ein  Ziuiaemiann ,  der  nimmt  Sfige,  Axt  o.  s.  w. 
„mit  ihm  hiowcK, -l&fitt  allein  dns  llwus  stehen"") 

Weil  enifernt,  aus  den  Uraaehen  die  Nalur  der  Krankheit 
erkennen  zu  wallen,  begriff  er  recht  gut,  diifs  die  Nainr  oder  das 
Wesen  der  Krankheit  in  den  aieisien  Füllen  nur  durch  einen  Pre- 
beprocefs,  durch  ReMgentia  »ediea  sn  erkennen  sei.  Ich  habe 
schoD  oben,  zu  einem  anderen  Behuf,  eine  Sielle  angeführt,  die 
dieses  beweiset;  folgeade  ist  aber  nicht  uiindec.  beweisend : 

„Ob  es  gleichwol  so  g;iir  nicht  ergründet  mag  werden ,  so 
„ist  es  die  Arzenei,  die  da  suchet,  und  die  Augen  hat,  inwendig 
„zu  finden  dasjenige,  so  sie  sucht.'*' 

Von  dieser  l-'.inschaltung  wende  ich  mich  zn  den  drei  Para- 
celsischeo  Säulen  der  Fleilkunsl:  Philosophie,  Asironoiuie,  und 
Aluhyinie."") 

Von  der  Pbilasophie  habe  ich  schon  oben  spreoheo  müsaen, 
nm  die  Basis  der  Hohen  bei  mischen  Heillehre  ins  ^lare  zn  stel- 
len. Dafs  aber  Philosophie  bei  ihm  nluht  einzig  in  der  Kennt- 
nifs  der  Heilwirkungen  der  Arzenei  mittel  bestand,  sondern  auch 
zugleich  in  eiaer  durch  Beobach.ung  erworbenen  Kenalaifs  des 
kranken  Menschen  Iai  bes,  erhellet  ans  folgender  ganz  anzweideuti- 
gen Stelle. 

„Was  ist  Phtiotophidf  Das  ist  sie,  das  zu  erkennen,  was 
„der  Erde  Gewächs  ist  und  des  Wassers,  deren  Natur  und  Kraft 
„EU  wissen :  hingegen  ist  aucfa  der  ein  i^s/asepAi» ,   der  der  Man- 


*)  Paramir.   Prahtgas  I. 

")  Dt  PitdmgriHt   LH.   II. 

'")  Voa  des  (arttrischts  KraoUcitaa  Kii.  IS.  ^^^  , 

Digizedt^LiOOgle 


—  m  — 

„tchea  Lasf  weife  nnd  erfehren  HrI  aai  ihn  eHnmdct.**  *)  Die 
Leser  mBnen  hier'  wol  bedenken ,  Ma  er  Ton  «iner  dorch  Et' 
fahnin^  erworbenen  Kenntnifii  aprichi,  nicht  von  einer  eidgebilde- 
ten, RnmafBlicfaen ;  diese  letEte  hei&t  bei  ihm  Specalalion ,  er  b«- 
legt  lie  auch  \iel  mit  anderen  unheimlicheren  Xamen.  Die  da- 
mahtige  Aristotelische  Philosophie  hllt  er  für  den  Giacht  des  auf- 
brausenden Verainndes,  and  die  Aristotelischen  Philosophen  mnd 
ihm  Sophisten. 

Nun  inr  sweitea  SSule  der  Meditin,  in  der  Astronomie.  Wir 
haben  schon  oben  ans  nnsweideuligen  Stellen  seiner  Schriften  ge- 
sehen, dafs  er  nicht  Sterndenter  war,  dafs  er  vielmehr  diesen  da* 
mahls  Iieliebten  Aberglauben  verspottet.  Im  16ten  Jahrhundert 
nod  in  den  früheren  Jahrhunderten  war  die  Astronomie  -oder  Aslro- 
logie  nothwendiges  Wissen  eines  gelehrten  Arztes;  sie  kam  aber 
schon  «m  Knde  des  16ien  in  ziemlichen  Verfaß.  Ich  besitze  ein 
Exemplar  der  Pestordnung  der  Stadt  Hamburg  vom  Jahre  1&97, 
welche  der  i^iadtphj^ikus  Dr.  Jaianit  BSkeliu*  anf  Verlangen  dea 
ätadirathes  verfafst.  Dieser  ehrliche  Mann,  der  den  Teufel  noch 
•inen  hochgetahneo  Geist  nennet,  verwirft  sehon  die  Astrologie, 
bRit  es  jedoch  fiir  nÖthig,  die  Gründe,  warum  er  sie  verwirft,  im 
fSafien  Kapitel  jener  Pestordnung  ausfahrtich  dem  Pobliko  vor- 
anlegen.  Er  ist  der  Meinung:  die  Pest  sei  nicht  durch  die  Ge- 
'stirnnng  verursacht,  sondern  einzig  durch  der  Hamburger  goltla- 
ses,  unbiifsfertigeH  Leben,  durch  ihr  Fressen  nnd  Saufen,  dnrch 
ihre  fleischliche  Wollust  und  durch  ihre  Uaflftlherei. '*)    Dafs  also 


*)  Fragmemtm  Med.   ad  paragrtnwm. 

*•)  Die  BMehreibasf ,  die  er  vra  der  tiBflItberei  der  Bewoln«r  Bwbargi  siMhl, 
lit  *a  einii;  drollig,  difi  ich  nick  nicht  eitbaltea  Lann  ,  lie  deacD  neiaer 
Leier  Diirialbeilea ,  die  da*  jelxtgo  Baaibarf  kenDcn.  Er  sagt  Fei.  14:  HiexB 
d«B  lach  Loant,  dafi  fo  dieier  ^tea  Stadt  die  Hanser  nnd  Wohnno^n, 
•oaderiieh  der  Ar«ea  ,  inoh  die  GaMen  hla  and  wieder  ao  oDreln ,  nnianbar 
vaA  aaHilfalB  j;ehallen  wardan,  dab  Ich  ea  daflr  halte,  d«f*  kela«  Siadt  is 
Bsrapa  ist,  in  welcher  ea  ■aflälbicer  mü(e  gebatleB  werden.  Kas  aehe  anr 
an  die  Faulhanren  oder  Lappe aberie  ,  die  Fanl-  oder  Scblammfcaalen  ,  welche 
alebt ,  waan  der  Hlal  oder  Rolb  aoeb  tViieh  ,  toadern  wans  er  eia  balbea, 
•dm  ein  Vierteljahr  Kau»»!'  n^r  eise«  HaDfen  lieget  nnd  wenn  er  dann 
raol  nnd  atlnkead  ,  erat  erregt  ud  weggebracht  wird.  Danm  denn  ao  ahi 
ein  grlalieher  GeiUalt  entttebel,  dab  ,  wer  vorübergehet,  wol  In  eine  Oba- 
Maehl  fallen  nSehte.  Geachweige  ana  waa  fnr  eiaa  abiebenliebe  Ualitherei 
nnd  baraligkeit  ia  disaar  gntea  Stadt  geiehiebet ,  daf*  Jang  und  Alt  lo  gaas 
navenehSal  aith  hin  nnd  wieder  anf  den  Gasian  niedenetil,  ihr  Gemach 
thnn  nnd  einer  den  nidem  vor  aeiaen  Thnrea  ao  gaai  HnBUlhig  beachmcibti 
iäU  gnte  Leale,  vomSmlloh  Frende,  aoleha  Uaflitberei  snifeien  nad  die 
Aagea  ond  Naaan  (Sr  des  grinileben  Gcitanic  ssd  ahicbealicbes  Anblick  la- 
balten  aaden.  Sotchea  wabriieh  ia  woblbealalten  BegiBenteu  kelneewegea 
gedsMet,  dafa  eiser  dem  sadera  rir  die  Thnr  boSrea  and  ielaea  Hfft  aat 
ile  geBelae  Gtsi«  worfea  lell. 


—    M    — 

H«b«nbeim,  in  dw  enun  Halfi«  jeoM  jRhrbun<l«rti  von  der  Aatro- 
nomt«  sprach  aai  sie  für  ein«  der  Säulen  der  Heilkanii  an- 
gab, iu  gani  in  der  Ordoung.  Hfttle  er  es  nicht  gelbRn,  so 
wfirde  mnn  ihn  fiir  einen  gROS  unwinenden  Menacheo  gebulien 
haben.  Die  Leser  könnten  aber  fragen :  wie  gleicht  er  den  grellen 
Widersprach  ans,  dafa  er  eine  aberglftu bische  Sache,  die  er  ver- 
8|iot)et,  deiea  Nichtigkeit  er  hiAidgteiflich  gexcigt  hat,  su  einer 
SSnle  der  Heil kunst  macht t  Nun,  er  weils  sich  schon  lu  helfen; 
er  behauptet,  eine  höhere,  edlere,  für  die  Uebung  der  Kunst 
braucfabarcre  Kenntnifs  des  Himmels  zu  besitzen  als  die  tialeoi- 
ker,  sagt  aber  dabei,  die  Astronomen  würden  ihn  nicht  verstehen. 
Ich  glaube  das  gerne,  denn  seine  Aslronomie  war  nichts  weniger 
und  nichts  mehr  als  daigenige,  was  hnndert  Jahre  spKter  Sgden- 
ham  Cotutitutia  epidemica  nannte.  Dafs  allgemeine,  aber  unbe- 
kannte Ursachen  eine  gleicbmlfsige  Cigenthiinilicbkeit  der  Krank- 
hellen bewirken,  und  diese  gleicfaraSlsige  Eigenthümlichkeii  von 
Zeit  SU  Zeit  verändert,  wufate  Hohenheim  so  gnt  als  Sydemham; 
ja  seine  Beobtichtnng  ist  minder  einseitig  als  die  des  Sgdeniam, 
der  sie  fast  einzig  auf  die  akuten  Fieber  beliebet.  Ich  vermothe, 
dafs,  nächst  der  erkennbaren  Gnindfeste  der  geheimärii liehen 
Heillefare^  die  Beobachtung  der,  epidemischen  Coostiintion  das 
gröfsie  Geheimnifs  der  scbeidekünstfgen  Sekle  gewesen  sein  müsse. 
Hohenheim  wird  es  wol  von  den  nich  tsch  reiben  den ,  wahren  Mei- 
stern dieser  Sekte  gelernt  haben ;  denn ,  wie  ich  schon  oben  ge- 
sagt, ich  kann  mich  uomSglich  mit  der  Ansicht  befreunden,  da& 
einzig  in  seinem  eigenen  Kopfe  so  viel  wahre,  von  der  Zeit  ab- 
weichend« Gedanken  sollten  erzeugt  sein. ') 

}m  6leDlE*pitBl,  welchei  roa  dar  Sishrapc  dar  Smüms  hu'Bll ,  wtedtrtolt 
er  dinie  Brtriirribtaf  fut  wSrIlkk ,  aod  dasD  Mtllfbt  er  «U  f«wiMcaban«r 
Stadipbjaikaf   allo; 

G»  nur*  gtaagt  Mia ,  deoa  ••  (rilBlieher  iit ,  al*  ea  kann  Bit  Wvrtea  aatfe- 
redct  wtrdaai  ci  m*$  tnrnep  wer  will,  Grofl-  »der  KIcinbaDi ,  a*  iai  leider 
dio  Wabrhcit,  und  ieb  kaai  lolcbu  meinea  trafcadea  Aate«  balbea  alcbl 
Tencbweigea. 
*)  Palgeade  Stella,  welche  aicb  io  Rebeobeiaii  philoiophiacbeo  Sebrirten  Lfb.  I 
ÄrehidQT,  mrg.  ladet,  rrchtrerlisel  meioe  ADairbt  aaf  dai  tchlacmdate  :  „Ka 
„iaI  ftmita  ,  dafi  voo  den  ofcerea  GFilira  und  dessen  Gewalt  dem'  Heoacheo 
„dea  mebHbeHi  Keehtban  osd  Krasbhett  lualebee  und  aaf  die  KSrper  fallei, 
„daeb  siebt  ao  gar  bebesd  ,  dafi  aiaa  ei  mplndet ,  oder  von  ateodaa  ioae 
„wird,  wie  den  Schlag,  ader  tob  Scbretkra  die  FalliDcbt,  sondern  laDgiaM 
„lieb  lunnelt   ebne   alle  BapSadlicbkeit ,     bis  to    lanfe    sich  der    aogeiogeae 

„Waat    iBaammenaanmell Aladana    la    eupflndet    der  Henaeb  enl 

„«ata  GebrealBB  aa  Lühns  dar  Glieder ,  aa  Ualail  der  Spaiie  and  det  Getriinka, 
„Htm,  aa  EnpflndBag  dei  Webtati  aaeh  einer  jUta  Krankheit  Art  and  Ei- 
„geaaebalt,  dareb  Isafe  Wli^ong  dea  Geatirna  ,  ntit  Hnir«  andarar  ZanUn  ia 
„naa  dnreb   die  angeioBane  Laft   prüparirl  aad  vorbBreitet." 

Wahr  and  aebr  wiehilg  f'ir  üt  Uebnag  der  Rnait  lit  dieie  BaobacbtuBf  aller- 
diagi ;  alleia  ,    wie  kSaale  lia  Bohaobeln ,    bei  ieiaen    •■(täten  ,    waadarsden 

.,.,«  ^., 


-     8S    - 

Wir  hüben  ncbon  obeo  gesehen,  daft  »r  imr  l^in  Leben  in 
<ler  Natnr  Hnerkeanet.  In  dem  ersten  Trakint  des  Hncbes  htra- 
graimmy  Kn|i.  7,  bsseichnet  er  dieses  Nnlurleben  durch  den 
Ruchaiaben  M.  Im  8len  Kapüelwigt  er:  „Also  sollt  ibr  merken, 
„dafB  die  Geslirne  nicht  inkliniren,  allein  vei^ftea 
„durch  ihren  Ounst  dat  M,  «lurch  weiches  wir  dann  vergiftet 
„werden  und  geschwächt.  Und  biso  ist  Sn*  mtrale  das,  das  nn- 
„seren  Leib  ändert  zum  Guten  oder  Bösen  dnrcb  einen  solchen 
,,Weg.  Welcher  Mensch  der  ist,  der  also  genatnret  ist  aus  sei- 
„nem  natürlichen  BInte  demselben  Dunste  widerwärtig,  derselbe 
„wird  krank;  der  aber  nicht  wider  das  natiiret  ist,  dem  schadet 
„es,  nicht.'* 

Der  rohe  Begriff,  dsfs  der  Stand  der  Gestirne  unseren  Dnnst- 
kreis  vergifte  und  dadurch  Krankheiten  mache,  liegt  wul  nicht 
in  dem  Genagten;  ifenn  das  gebeimnifs volle  M ,  das  durch  das 
En*  atfrafe  vergiftet  werden  soll,  ist  nicht  der  Dunstkreis  nnse> 
rer  Erde,  sondern  das  allgemeine  Natnrleben-  Er  saf^i  ja  am 
Ende  des  6inn  Kapitels:  „Aber  also  merket  euch,  dafs  dies  Jf 
„alia  GeNchopfe  erhalt  im  Himmel  und  Erde,  und  alle  Elemente 
„leben  ans  ihm  und  in  ihm."  Ueberhnnpt  scheint  mir  sein  Em 
nttrale  die  unbekannte  Ursache  der  epidemische»  Consiimtinns- 
verSndemng  an  sein,  von  welcher  Ursache  er  eben  so  nenig  et- 
was wissen  konnte  als  Sydenkam  nnd  als  wir  allesnmint. 

Nun  könnten  mich  aber  Männer,  die  seine  Schriften  gelesen, 
auf  den  «weiten  Traktat  des  Buches  Paragrantim  verweisen,  sa- 
gend, ich  werde  dort  deutlich  lesen,  dafs  er  die  Wirkung  der 
Arxeneien  an  die  Gesiirnung  knüpfe.  Recht !  wer  von  Vorurihei- 
len  geblendet  dieses  Buch  lieset,  der  wird  astro logischen  Unsinn 
darin  zu  sehen  glauben.  Aber,  ist  es  denn  lablich,  dafs  wir,  von 
Voruriheilen  besessen,    an  eine  solche  Untersuchung  gehen,    und 


Leben  aslk«!  (CDBelit  biben?  Du  ist  ja  bir  nnmGgliGti ;  ugr  ein  Ant,  der 
luge  Id  Einer  DDd  derialben  Gegend  die  Kumt  geübt,  iit  lu  lolcber  BenliMh  • 
lung  bePataigt.  —  Üebrigtnn  verbindet  HobcDheim  mit  dem  Worte  .iifrim  oder 
Getlir*  einen  lebr  ■MgedeboteD  Bcgrif.  Nach  dem  Ge*«Binteiadrueke  la 
■prscbea ,  der  mir  von  der  Letong  leiser  vediEiaiieben  nnd  pbiletopbisehea 
Scbriflaa  B«b)i«bcs,  beceichnet  er  dnrob  4ai  Wort  Atlrmm  das  Unncbthare, 
Unwägbare  nad  tlameribare ,  wa*  aoT  die  lebenden  ManichcBleiber  wirkt,  anf 
welches  anier  Ventand,  innerhalb  de*  Unscblicbkeitscbrankens  gebannt,  von 
den  SeDknebtnngen  »a  seblierien  geiwnngen  itt.  Wenn  er  in  der  angerührtea 
Stelle  von  dem  oberen  Gestirn  ipriebt,  so  iil  wobl  offenbar,  ätti  bt  jene* 
Uobelitnnte ,  wai  eine  gleichmäbige  Erkrtnknng  der  Mansebenleiber  nacht, 
in  dcB  bliherea  Regionen  der  Atnoephlira  nrzengt  glaaht.  Htm  ,  Verantfanngea 
f  tehea  jedem  frei ;  nngeräbr  hondert  Jahre  ipäter  lagte  Syden/uat  vsn  dieiera 
Unbekannten ,  ron  dieiem  nackten  HeiichweaeB  dea  Ventaudct :  Opimari  mihi 
luiiil,  Coattilulionit  ntutmliantai  a  lecrela  a/ifua  »bäüa^t  alleraliane 
•a  Itrrat  ritteriiui  «taioipluitram  aniuM  frrvmdtntt,  vtl  m  corpomm 
totlettinm  influm  »Uquo  maximt  ftitdart. 


—    8S    — 

litht  rininahl  von  'denselben  lassen ,  wenn  »«  nns  auch  in  di« 
^lUt«n  Widersprnche  mstricken^  Ich  will  die  Stell«  ans  dem 
mgcfahrirn  Traklat,  rfie,  tieini  flüchtigen  Lesen,  Hohonlieirnt 
Mrnlogisclien  AWrglaiibcn  7.11  beütliligen  scheint,  hierhin  setzen, 
mi  \asswii  «innn  edtt  praktische  AerzI«,  (tas  helfet  solche,  die  die 
\aiar  selbst  beobachtet  bttben,  fiber  den  wahren  Sinn  derselben 
■rtheilen.  Sie  lautet  a'so:  „Der  Himmel  wirket  in  seiner  Zeit 
hUiid  er  iai  dev,  der  da  erÖß'net  die  KrKfie  der  Dinge;  und  Krilfie 
„nnd  Tugenden  sind  Hnferworfcn  dem  Iliitimel.  Warum  darf 
,.deno  einer  schreiben  die  Tugend,  der  jiicbt  hinznselzt  der  Tii- 
„geod  Stunde.'" 

Non  Trage  ich  jeden,  der  die  epidemische  Constitution  und 
die  Veränderungen  derselben  viele  Jahre  lang  beobachtet,  jeden, 
der  die  Kranken  nicht  schulrecht  herumgezerret ,  sondern  wirk- 
lich geheilt  hat,  ob  nioht  die  Wirkong  der  Arzeneien  durch  die 
epidemische  Consiiiuiion ,  oder,  wie  Hohenbeim  sagt,  durch  den 
Himmel  bedingt  wird?  —  Jetzt  beilt  ein  Organmiitel  das  kranke 
Organ,  auf  welches  ea  gerichtet  ist,  In  allen  vorkommenden  Fäl- 
len (mit  seltenen  Ansnabmen)  bald  und  sichtbar.  Nach  einem 
halben,  oder  ganzen  Jahre,  oder  anch  früher,  leistet  das  näm- 
liche Mittel  in  der  scheinbar  gleichen  Krankheit  nichts  mehr; 
nnn  hat  aber  wieder  ein  anderes  .Mittel  die  schnelle  sichtbare  Hcil- 
wirknng.  Ja  selbst  die  Gabe  Eines  und  des  nfiinlichen  Arzenei- 
miiieU  ist,  Paracelsisch  zu  sprechen,  dein  Himmel  unterworfen. 
Jetzt  geben  wir  die  volle  Gabe  eines  MUiels  im  Allgemeinen  mit 
angenscheinl icher  Hülfe,  und  über  einige  Zeit  müssen  wir,  bei 
der  scheinbar  gleichen  Krankheit,  die  Iliiire  in  der  Viertelgabe 
nchen. *)     Es  ist  also    ganz  erfahrungswidrig,    von   der  Wirkung 


*)  Wma  icb  btrr  vnn  drr  Tnllrn  Gabe  «prpfbe,  10  vfrXebe  icb  darnnti-r  «<ne 
Micbe ,  wekbe  obb  rfortb  eine  HcUia  von  Jibreo  des  Rraiken ,  im  AUgf*«- 
■eo ,  nil  siclitbkrer  BeiUirkiuig  segclieB  bat.  Weno  irh  aber  von  der  Vier- 
lelgake  ipreclie  ,  so  ist  äas  bivr.  bthpielwi'iie  zu  vecHehtJi ;  icb  bätle  ebeo 
.  to  gal  vun  einer  Sechiebniel- ,  oder  ZweiiiüddrcifslEJlrlgohe  «prttchen  können. 
Dareb  Rrankbrit  kino  dai  VarbSttuifs  de*  M«nidien1eibes  zur  AnTdenivelt 
(aln  inch  ro  den  ArMDeien)  «0  sattiain  varündert  werdtD ,  dar«  aicb  darcb- 
a«*  keine  Itefel  hinsicbtiieb  der  Areeoeigaben  fesMellaü  Üfat.  Hahenbeini 
bat  dieiea  auch  recbt  gut  bigriCTen.  Im  5.  Buvb»  11.  Ksfitel  De  caaiit  et 
arigine  lait  gallicae ,  vergieitbt  er  die  HeilkrKrte  der  Arzeaeimiltel  mit  dan 
Fcaer.  Wie  cid  eiariger  Fnake  eiaea  (crolbm  Htaren  Hvia,  ja  eineD  gaaiaa 
Wald  ia  Braad  aeUen  köniie,  «n  ,  neial  er,  kSnae  auch  eine  ganz  garisc« 
ArseDeigibe  «ioe  sra^ae  Kraokbeit  gewültigea.  QuemadmodtiM  ergo  (ia(l  er) 
,  »HnUUa  iate  ■tu«  pendere  eil,  tic  nttdicammlum ,  qued  adMtnitlratur, 
qaautitlocamgue  ponSere  tufficera  dibe{  ad  actiattetn  tuant  abtundam.  — 
NB.  DaGi  ich  dieae  SteHe  ,  die  gerade  zur  jelxigea  Zeit ,  wegen  der  bonKe- 
palbiachea  sniriig -  aad  nmeäharea  ArteBcisabcD,  beaoadera  mcrkwördif  itti 
aiehl  ia  dar  dtataebea  Uraprache ,  toudern  ia  lateiniacber  UeberaettuiK  aa- 
lähre,  bat  awnea  guten  Graad,  aämUch,  ieb  h«be  die  cbirargiacban  Sebrit- 
tat  Hebanheiaa  osr  i>  dar  Genfer  Uebenetians.  ^._  OqIc 


—    84    — 

der  Mitiel  unbedingt  ni  spreebeo,  da  dUselbe  offenbar  nnd  am 
allermeisten  dnreli  die  epidemische  CoDstitulion ,  dnrch  den-Para- 
celsischen  Himmel  bedingt  ist.  Und  wenn  Hohenheim  in  dem 
vorangefütirien  Traktat  sagt:  „wie  aus  einem  Baaer  ein  Doktor 
„kann  werden ,  so  kann  aucli  aus  Gentian  Rhabarber  werden ,"  bo 
hat  er  vollkommen  Recht;  wer  unter. nns  sollte  das  nicht  erlebt 
haben? 

Keiner  meiner  Leser  wird  wol  von  mir  verlangen,  dafa  ich 
solche  Schriftslellen  anfTihren  soll,  in  denen  Hohenheim  bo 
dentlich  wie  Sydenham  von  der  epidemischen  Constitution  spricht. 
Wfiren  solche  Stellen  vorhanden,  so  würden  frühere  Ausleger  sie 
schon  gefunden  haben ,  nnd  das  alberne  GetrHtsch  von  seinem 
astrologischen  Aherglanben  ISngst  verstummt  sein.  Da  er  aber 
gegen  den  sierndeulerischen  Aberglauben  seiner  Zeit  eifert  und 
ihn  verspottet,  so  mufs  seine  Astronomie  doch  noihwendig  etwas 
ganz  anderes  sein.  Was  kann  sie  nun  anders  sein,  als  die  Lehre 
von  der  epidemischen  Consliiniion?  —  Sobald  wir  dieses  anneh- 
men, sind  alle  Widersprüche  gel&set.  \ehnien  wir  aber  die  ge- 
meine Meinung  an,  seine  Astronomie  sei  Sterndeutcrei  gewesen, 
so  geralhen  wir  in  ein  solches  Wirrsal  von  Widersprüchen,  dnfs 
der  Verstund  aller  deutschen  Aerzte  zusaiumengenomiiien  nicht 
hinreichen  wird,  sie'  zu  lösen.  Welche  Auslegung  eines  mehr- 
deutigen Gegenstandes  sollte  nun  wol  die  wahre  sein,  die,  wel- 
che uns  in  unlösbare  Widersprüche  verstrickt,  oder  die,  welche 
alle  scheinbare  Widersprüche  auf  eine  ungezwungene  Weise  ver- 
standhaft  löset?  ^  Ich  halle  es  mit  der  letzten. 

Hohenheim  konnte  begreiHicb  die  \aiur  der  epidemischen 
Constitution  nur  auf  dem  Wege  der  Beobachtung  nnd  der  Erpro- 
bung kennen  lernen;  in  dem  Punkte  konnte  er  nomöglich  weiter 
sein  als  wir.  Hätte  er  aber  das  den  Galenikern  ganz  ehrlich  sa- 
gen  wollen,  so  würden  sie  ihn  ja  vollends  als  den  rohsten  und 
albernsten  Empiriker  gebrandiuarkt  haben.  Er  hielt  also  für  das 
KISgste,  davon  zu  schweigen ,  nnd  neckt  sie  blofs  wegen  ihrer 
groften  Unwissenheit  in  einer  Tür  die  Uebung  der  Kunst  so  wich- 
tigen Sache.     Er  sagt: 

„Gleich  als  ein  Brief,  der  von  einem  über  hundert  Meilen 
„geschickt  wird,  desselben  Gemülb  verstanden  wird,  in  solcher 
„dflslalt  also  anefa  in  Briefesweise  das  Firmament  an  uns  ge- 
„langt.  Nun  schauet  jetzt  um  den  Bothen  ihr  Atrzte,  wo  ihr 
„ihn  findet,  der  euch  da  hin  nnd  herginge.  Also  soll  das  ändert 
„Bnch  der  Arzenei  (von  der  Astronomie)  angegriffen  wer- 
„den.  Das  Buch  betrügt  niemand,  es  hat  es  kein  falscher  Scri- 
„bent  geschrieben;  der  hat  es  geschrieben,  der  keines  Papiers 
„bedarf,    um  daraus   zu    lehren,     denn  er  hat  wol  gewnfst,   dab 


—    85    - 

„PtetuhmeJici  vrniea  aufsielica  und  nil  leMar  Fcdar  ubiei- 
„Uö.'") 

A.n  einen  anderen  Oite  nucfat  w  sieh  fiber  die  Aerzte  lualig, 
dia  auf  die  epidemiiehe  Constitttttou  (aaf  den  HinnelJ  nicht  ach- 
tead,  die  Krankheiten  nnch  ihrer  Theorie  behandlen  und  enlwe- 
der  keine  Heilwirknng,  oder  wol  gar  ackädlidie  Wirkung  von 
solchen  Milleio  sehen,  die  nach  ihrer  Meinung  gar  tretHiehe  of- 
fenbaren mtilsten. 

„Wo  du  das  nicht  knnnit  (die  Astronomie),  so  isl  all 
,^in  Ding  vergebens  und  iat  nicfais;  darum  so  stehest  du  Arzt 
,,da,  wie  eine  (lüle  und  ein  \arr.  Wann  ea  nicht  liilfi  und  ist 
j^idits  nuiz,  so  venvunderst  da  dich  wie  ein  Meerwunder  und 
„sprichst:  bei  Gott!  da  und  da  stehet  es  geschrieben,  da  und 
„da  bals  es  gelhan;  es  inufs  eine  Plage  sein  von  Gott,  meine 
„Kaust  ist  je  gerecht,  —  Das  macht,  dafs  da  ein  Narr  .bist ,  ken- 
„nest  der  Natur  Concordani  nieht."  '*) 

Er  glauhl,  wenn  der  Arst  den  Geist  der  Oftidemiscben  Con- 
stitution nicht  ergiiindet  habe,  oder  gar  nicht  beachte,  ao  sei  es 
dem  Kranken  nutzer,  sieb  blo&  des  heilenden  Natur,  als  «inem 
solchen  Ante  ansuvertiauen. 

„So  ibr  des  Himmels  Art  nicht  wirst,  so  lasset  den  Hiumel 
„stehen  und  lafst  ihn  in  seiuer  Wirkui^  mhen.  Denn  so  er 
„von  dem  Kranken  selbst  lifst,  so  verderbt  ihr  dieweil  den  Kran- 
„ken,  dafi  nachfolgends  derselbige  von  dem  UinHnel  ledig  und 
„gesnnd  wfire,  aber  von  eucH  lücfat;  sondern  ihr  habt  ihn  er- 
„würgt  und  ihm  längere  Krankheit  gemacht,  dann  ihm  der  ilim- 
„rael  fiirgenommen  hatte.  So  ihr  nun  das  nicht  wilst,  was  ane- 
„neiet  ibr!   oder  was  ist  euer  Grund  1"'"j 

Voa  der  Natur  der  herrschenden  Krankheiten  and  von  den 
VerSnderungen  derselbep  \iist  sich  nichts  allgeneia  Anwendbares 
bestimmen.  Wenn  wir  auch  Besebreibnngen  solcher  Krankheiten 
auf  Iteschreibungen  häufen ,  so  wird  das  doch  unseren  Nachkom- 
men eben  so  wenig  aulien,  ah  die  Besebreibungen  unsere  Vor- 
fahren uns  bis  jeist  genutst  haben.  Wir  mflssen  die  Natur  jeder 
herrschenden  Krankbeil  auf  dem  W^e  der  Beobachtung  selbst 
erforschen ,  selbst  erproben.  Aller  bücherlicher  Unterricht  kann 
uns  bei  diesem  mühseligen  Gescbttft  nnr  nobedenieoden  Vorlheil 
gewähren;  zumahl  da  die  ßescbreibcr  herrschender  Krankhoiieo 
selten  so  ehrlich ,  oder  so  unverzagt  sind ,  uns  die  wahre  Art, 
wie  sie  zur  Erkenninif^  gelangt,  an  erzählen,  manche  andere  die 
Kmokbeit,    welche  sie   beschreiben,    nicht  einnahl   wirklich  ge- 


*)  Labfrinthia  ISed.  Caf.  II. 
")  Paragrani  ailerim   Trmcl,  II. 


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-  «  — 

beUl,  soDdem  nur  Bchulredtt  belMUi4«lt  habeo,  niihin  ab«r',die 
eigeotliche  Natur  deraelbeo  im  Dunkel  geblieben  siod.  Diese 
Withriieit,  von  der  jeder  gut«  praktische  Arxt  überzeugt  ist,  oder 
dovh  überzengt  §ein  sollte,  drückt  Ilobenheim  ia  einer  Stelle  sei- 
ner Schriften,  *J  iwar  biidÜcb,  aber  sa  treffend,  so  wiihrhnft  schön 
bildlich  aus,  dafs  es  ein  Frerel  sei«  würde,  diese  Stelle  den  Le- 
sern vorzu  cm  halten.  Nachdem  er  von  seiner  vorgeblichen  Asiro- 
noinie  mancherlei  geschwatzt,  f^hrt  er  also  fort: 

„Also  ist  der  Weg,  in  der  Arzenei  zu  siudiren,  also  ist  das 
„Buch  der  hohen  Schule  der  Arzenei,  also  ist  der  Scribent  der 
„Arzenei,  also  werden  die  Krankheiten  gefunden  im  Anfang  nnd 
„EU  Ausgang.  Cnd  dieuetl  das  ist ,  dafs  solr.h  Kuch  des  Ftrnitt- 
„ruents  auf  das  Papier  gebracht  wird ,  so  stehet  es  doch  nicht 
„anders  auf  demselben,  denn  wie  ein  Schatten  an  der  Wand, 
,,o<Ier  wie  ein  Bildnifs  im  Spiegel,  die  niemand  vollkommne  Un- 
„terricbtung  geben  können.  Der  aber  wissen  will  die  toIU 
„kommne  Unterrieb  tu  ng,  der  miifsDenselbigcn  sehen,  von  dem  der 
„Schatten  oder  BiEd  im  Spiegel  kommt;  und  so  er  denselben 
„recht  siehe!,  so  wird  er  nicht  betrogen,  und  bedarf  des  Spiegels 
„nicht,  und  siebet  das  Lebendige,  und  aus  dem  Lebendigen  dn 
„gehet  der  Gmnd." 

Wer  nnter  meinen  achtbaren  Amtsgenossen  hat  sophistt'chen 
Scharfsinn  genug,  diese  wahre  und  schöne  Stelle  nnf  slemdeoieri- 
schen  Unsinn  zu  beliehen  1  Sollte  nun  aber  jemand  denken,  die  an- 
geführten Stellen  seien  die  einzigen,  welche  ich  für  die  Wnhrsdiein- 
Hchkcit  meiner  Meinung^  anrühren  könne;  so  bemerke  ich  diesem, 
dsfs  man  eine  Unzahl  solcher  Stellen  findet,  die  treffhcb  auf  din 
Lehre  von  der  epidemischen  Constitnlion,  aber  reniwcifelt  schlecht 
anf  die  Stemdeulerei  passen.  Es  schickt  sich  aber  nicht  für  mich, 
drr  ich  blofs  beilAufig,  mein  praktisches  .Werk  einleitend,  Gber 
Ilobenheim  schreibe,  die  beweisenden  Stellen  zu  fafinfen. 

Von  llobenheima  dritter  Sfiule  der  Heilkunst,  von  der  Alchy- 
mie,  habe  ich  schon  oben,  da  ich  ihn  von  der  ungerechten  Be* 
schnidignng  der  tioldkocherei  reinigen  mnfsle,  gesprochen.  Weil 
ich  nun  dort  seine  ganz  unzweideutige  Begriffsbestimmung  der 
Alchfinie  wörtlich  angeführt,  hier  aber  dns  Gesagte  nicht  wieder- 
holen mag,  so  Bebe  ich  diesen  Pnnkt  als  erledigt  an,  nnd  somit 
ist  meine  Darslellung  seiner  Heillehre  nach  meiner  besten  Ue- 
zeugiing  vollendet. 

\iin  muls  ich  noch  eine  Ennabnong  Hohenbeimi  anfuhren,  die 
ein  trefflicher  Schlufsstein  dieser  Abhandlung  sein  wird.  Bekannt- 
lich haben  fremde  Völker  uns  Deutsche,  denen  sie  früher  in  verstand- 


■)    Lab^TiattHi   Mrd.  Cnp.   II. 

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IwrtfT,  später,  w«  aicbi  in  v*ratatidhaAeT,  doch  gewiüiin  ästhetMcher 
KildunK  torgeeilel  warfo,  für  duwm«,  uagehobellfl,  geachinackloie 
Gnchöpfe  ai^^eben.  Wi«  viel  JiüirhuBilerttt  siod  nicht  varitossen, 
uit  Galen  unsere  ebrliebea  Altvordem  in  Eine  Kaie|^rie  mit  den 
Bären  und  wilden  Sühmi  setue, ')  bU  zu  der  Geburt  des  VoltSriaeh- 
MMtrdiiwben  Freiberreo  von  ToflnerihentruDk.  Die  Deiilschen 
baiten  dtese«  uDbeimliche  Urtbail  so  lange  und  ho  oft  gehört, 
iik  sie  es  znlelzl  selbai  für  wahr  bielien,  ihre  eigenen  Schrift- 
Keller  geringschälxlen,  ja  alles  yemchlelen,  was  unter  ihnen  er- 
■»igi  war,  nur  das  erhebend,  »»a  ans  weiter  Ferne  ibneii  ge- 
bracht wurde.  HoheDhaiin  luüls  es  auch  aehr  gnt  gewu&t  haben, 
iak  der  Uentsche  den  Deulichen  nicht  achret ,  denn  er  sagt  den 
jungen  Aerzlen:")  „Ich  will  aber  die  eriuahoei  haben,  die  da 
»Hollen  Aerzle  werden,  dafs  sie  geschickler  die  Sache  angrej- 
„fen,  denn  ihre  Fraeceptore» ,  und  selbst  aus  ihrem  Fleifse  und 
„Lrtheil  die  Sache  bedenken  twischeu  mir  und  dem  Gegeniheil, 
„und  keinem -Theile  zu  früh  zufallen  und  den  anderen  verwerfen. 
„Bedenket  mit  grofsem  Fleifs,  wotu  ihr  wollt  lenden,  nfimlich,  io 
ndie  Gesundheit  der  Kranken.  So  das  nun  euer  Vornehmen  ist 
»tutd  alles  Argument,  so  la&t  mich  auch  in  der  Zahl  sein  derer, 
i-die  euch  lehren,  denn  ich  lende  in  die  Gesundheit  der  Kran- 
„keo;  mit  was  Gniod  und  Tapferkeit,  ist. beschrieben,  und  läg- 
»lich  werde  ich  es  öffnen.  Darum,  dals  ich  allein  bin,  dafs  ich 
»neu  bin,  dafs  ich  Deutsch  bin,  verachtet  darum  meine 
„Scbrifien  nicht  und  lafst  euch,  nicht  abwendig  machen.*' 

Ich  habe  jetzt,  als  ein  ehrlicher  Geisterbeschwdrer,  den  Geist 
des  Deilmeisters  Huhenbeint  aus  der  GeUhrtheit  düsterem  Schat- 
tenreiche heranfgenifen  und  ihn  meinen  Lesern  dargestellt,  nicht 
gehüllet  in  gauklerisches  Halbdunkel ,  sondern  umflossen  .von  der 
Wahrheit  hellstem  Glänze.  Beschleicht  uns  nicht,  werihe  AmU- 
biTider!  ein  leises  Gefühl  von  Wehmulfa,  wenn  wir  bedenken,  wie 
einst  dieser  rastluse  Forscher  der  Natur,  dieser  versCÜndige  Mann, 
dieser  treue  Arzt,  dieser  barmherzige  Samariter  von  einem  gro- 
ben Theile  seiner  arxtüchen  Zeilgenoasen  verkannt,  verB|>oiiei 
und  gescIimUhet   wurde*     Wir   wollen   zwar  gern    dem   Lrfifiigen 


*)  De  tanitale  luertda  Lib.  l.  —  Naehdem  er  hier  »hpr  die  phyaitche  KinH.r- 
enlehuDf;  minchei  geplmdert,  icfalierit  er  ■(«o  :  DtMCi  »«B«  ich  «brr  nirbr 
deo  DenUehen  ,  oder  »pdorem  domaea  Volke,  «o  weiig  ilf  ich  ei  den  Birea 
«■d  Hildeo  Sinea  Hsa ,  iDOdarn  ich  Mge  e»  den  G riech« b  and  denen,  welche 
der  Geiileibltduag  dar  Griechen  Dechitroben. 
-)  Par„granmu,  Traet.  3.  —  U  dieter  Stelle  kolOBt  di»  .lldeot»ehe  Zeilwort 
Lended  vor,  welelie»  vielleicht  nKnchem  meiner  I^ter  unhehinnt  ist. 
Kat,i,e  MBt  in  »«inem  Würleeburhe .  es  badeuie  lenken,  »endeii,  lod 
•etde  H<iil  all  RfBipruan»  sabraocbl.  Er  Rihrt  all  8ei»[iiel  eine  Sletle  aui 
Ofii  Uedicbleu    an.  .. 


MaoDfl  gtnaben,  inSa  ea  Uim  leichler  war,  lieh  aeinsr  Wider- 
aaoher  *a  erwehren,  al«  eeine  Glatxe  vor  Fliegen  zu 
achirmenj  wie  wollen  ihm  geraglanben,  dafi  der  Kaiser« 
wäre  ea  dem  eben  so  leicht  geweeen,  den  Feind  von 
Mailand  su  halten,  weder  eines  Reisigen,  noch 
Landsknec  b-tea  bsdorft;  —  eher  Hofaenheim  fragt  uns  doch 
selbst,  ob  denn  das  Verkanntwerdea  einem  gerechten 
Arzte,  der  es  mit  Treue  meinet,  nicht  weh  thun  sol- 
le! —  so  wird  es  aach  ihm  wol  heimlich  weh  gethan  haben, 
dem  rauhen  Degen;  darum  iat  es  nur  gut,  dals  er  schon  früh  in 
das  Land  gegangen,  wo  kein  Wehe  mehr  ist,  wohin  seine  Tba- 
ten  ihm  nachgefolgt  und  wo  er  die  Stimme  des  DrKngers  nicht 
hSrt. 


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Zweites    KupiteL 

VerslelclieiMle  ttclifttBimc   der  ■iSicIlrfcen  Granil festen 
elK*r  Helll«hre    un«l    Grundrifta    der    relven    Erfkk- 
r«nanili«Ulelkre  der  «Iten  OehelB>ftr«te,   wie  mein  Ver- 
stand dle»el»e  erAtlM  h*«.  *> 

^Pa»  Wort  Grundfeste  ist ,  anf  eine  Gedaakeafolge  bezogen, 
ein  bildlicher,  von  eioein  Gebäade  hergenommener  Aoadmclc, 
und  bezeichnet,  in  vetetandfaafter  Hinaidit,  du,  die  M9glieh> 
keit  einer  gewissen  Gedankenfolge  Bedingende,  oder  den  Paokt, 
von  dem  die  Gedankenfolge  ansgehet,  ohne  welchen  ■!•  in  der 
Act,  wie  sie  ist,   nicht  wBrde  lein  können. 

Wie  vielerlei  Grundfesten  einer  HeiOriire  kann  sich  der 
menschliche  Verstand  denken? 

Alles,  was  in  dem  Verstände  der  Menschen  liegt,  konmt 
früher  oder  spSter  xu  Tage.  Es  kann  wol  einiges  lange  Zeitvec- 
korgen  in  den  Menschen  liegen,  durch  Kansl  oder  ftuftere  Ge- 
walt unterdrückt  werden ;  aber  endlich ,  nnd  wäre  es  auch  nach 
Jahrhunderten,  taucht  es  doch  auf.  Die  Gesdiiehte  der  Heditin 
mufs  uns  also  über  die  möglichen  Grundfesten  einer  Heillriire  die 
beste  Belehrung  geben. 

In  der  Ur-  und  vorgeschichtlichen  Zeit  konnten  die  Men- 
schen ihre  Heillehre,    so  roh  und  unvollkommeD  sie  war,    anf 


■)  Da  ich  im  labre  1827  diwei  KipiUl  ToIleDdet  bitte ,  nuhta  ich  SBi  deM 
enlen  Theita  deuclban  dnrch  Zotelzen  und  AhicbDSidca  eineii  Joarial«ar»ti 
■od  »liiekte  dieicB  d«n  jetil  varstorIxDea  C,  W.  Huftland  (Joarual  der 
pnkt.  Hdtkaode  B.  U  St.  0).  Seioo  Nachrede  bewiai  et  mir  aber  aanider- 
ffraettiek,  dab  aein  Kitei  Gedäebtsir«  leboa  aiark  in  Ahaehaas  besrifl^ 
(•Id  Biviae ,  dcDD  ar  «nebta  ugebliebe  BebaoptaBgen  la  widariefes ,  dia  ga' 
Dicht  iD  jeDcn  AnfMU«  aulhaltca  «areu  ,  ar  iKhllB  Mich  sn  dan  SrliUcheo 
ZweiSen  ,  obgleich  jener  Anftalt  kaiaaawegaa  Zweiblai ,  laadera  vieUsehr 
vaiiie  varatandbafle ,  deallich  begrindala  UebeneacaDg  anaapraeb, 


...gic 


nlcbts  soderes  grdnJcn  ali  auf  die  KrunkheitszufBlte.  Dirne  ta- 
gen ihnen  uätiilich  am  nächaten,  and  ihr  ungebildeter  Verstand 
reichte  bin^  diese  sinnlich  erkennbaren  Zufälle  zu  beobachten, 
sie  in  Gruppen  zu  ordnen  ,  diesen  Namen  zn  geben,  und  diejeni- 
gen Heilmittel  daranf  anzuwenden,  welche  sie  entweder  der  Zu- 
fall, oder  einAliige  Erprobungen  gelehrt.  Uafs  dieses  sich  la 
der  vorgeschichtlichen  Zeit  so  rerbalteo  haben  müsse,  lehrt  uns 
noch  jetzt  die  Beobachtung.  Betrachten  n  ir  nttmlich  das  [landein 
ungelehrler  und  ungebildeter  MeaHi5hea-  oder  Tbierirzie,  so  se- 
hen wir  gar  bald,  dafs  ihre  ganze  Kunsi  einzig  in  der  Anwen- 
dung gewisser  Ileiiniillel  auf  gewisse  Zufallsgruppen  beslehet. 

Die  Krankheitszufttlte  oder  SjnipLoine  waren  also  unwider- 
Bprechlich  in  der  Urzeit  die  Grundfeste  der  rohen  Heillehre,  der 
Punkt,  durch  welche  die  Möglichkeit  derselben  bedingt  war. 
Diese  rohe  Heillebre  ist  nachher  in  der  geschichtlichen  Zeit  et- 
was mehr  ausgebildet,  und  hat  noch  viel  Anhänger  gefunden, 
da  schon  die  Verstaodesheilkunst  in  Flor  war.  *) 

Nun  ist  leicht  einzusehen,  dafs  die  Menschen,  je  nachdem 
ihr  Verstand  sich  ausbildete,  die  Unzuliinglichkeit  jener  rohen 
ErfahruDgsheillebte  erkennen  mnfsien.  Sie  suchten  sich  also  eine 
andere  Grundfeste,  um  darauf  eine  bessere  Lehre  zu  bauen.  Die 
Philosophie  mischte  sich  mit  ins  Spiel,  und  das  Ergebnifii  war, 
da&  sie  eine  Heillehre  auf  eine  Keoninifs  des  belebten  Menschen- 
leres (des  Organismus)  bauten.  Da  es  nun  aber  unmöglich  war, 
eich  eine  genaue  Kenntnils  des  Oi^anismus  zu  erwerben ,  der  eine 
Ant  denselben  immer  besser  kennen  wollte  als  der  andere,  so 
mufaten  sich  nothwendig  vielerlei  Theorien  erzeugen;  die  jedoch, 
bei  aller  ihrer  Verschiedenheit,  das  Gemeinsohafiliche  hatten, 
daf«  sie  allesaiunit  auf  eine  veriiieini liehe  Kennlnifs  des  beWbten 
Leibes  gegründet  waren.  Nach  vielem  Kampfe  und  nach  vieler 
Büvberschreiberei  gewann  endlich  die  Elemeutariheorie ,  entweder 
durch  Galens  Meisterschaft  im  Demoosiriren ,  oder  durch  uner- 
klärbaron  Zufall  so  die  Oberband ,  dafs  sie  sich  anderibBlbtausend 
Jahre  behauptet  hat. 

Im  16ten  und  17ten  Jahrhundert  ling  der  schlummernde  \er- 
stand  der  Aerzte  an,  nach  und  nacd  zu  erwachen.  Sie  sahen  die 
Unbrauchharkeit  der  Galenischen  Lehre  für  die  Cebung  der  Kuuät 
endlich  ein,  nnd  gingen' nun  darauf  aus,  eine  bessere  Lehre  »u 
ersinuen.  Da  sie  aber  das  Irrige  der  Galenischen  Lehre  in  der 
Form  dieser  Lehre,   und  nicht  in  der  Basis  derselben  suchten,") 


•)   ConttKut   Celiu*.     PraefaUo. 

**)  HohtHÄaim  war  klüger ,  er  aaehte  du  Irrie*  in  der  Badi.  In  im  Vorrede 
lur  grafteil  Wondlieilkanit  llgt  er;  Relirtit  iit ,  quae  olim  mudirtraiii  « 
frafiuiirlbut ,  tum  guae  ab  mnHjuit  in  re  mtdien  Iraäila  eroal ,  imirllf.ii. 
terat  ac  ftMHHaa  mtäicinmt  rmdieem  m  mamimi  üfarim  ■W7«a>ii  imitiltc- 

"■■■  -     "  ---— 'O" 


—  «  — 

■•  buiteo  lie  BMk  und  nacb  viel  gJfinMBde  Heilbiirgen  «uf  di« 
alte  marsafae  Gnindfeite,  welche  begreiflieb,  weil  die  GruiidfeMe 
nicht  tMigie,  irolz  ilirer  Stattlicbkeit  gar  bald  verainkcn  mufaien. 
Jwieeb  haben  die  T«rmeiaiIicb«B  Reformaioren  ei,  wo  oiebt  deut> 
lieb  gedacht,  doeh  gefühlt,  daft  sie  sieb  eine  genauere  Kennt- 
nifs  dea  belebten  MenacbenieibeB ,  der  Baaia,  worauf  sie  bauen 
wellien,  erwerben  laüblen,  ala  Galen  aie  gebubt.  Kiin  wurden 
XU  dam  Ende  die  Zergliederungakunat ,  die  ScheideliuDU  und  an- 
dere KuoBte  mehr  und  mehr  ausgebildet.  Ao  die  Stelle  der  au 
Urabe  getragenen  Aristotelischen  Phüoaepbie  (raten  nach  aad  nach 
andere  Sjsteme  der  Philosophie,  vermischten  sich  mit  der  Medi- 
ain aud  machten  die  Wirrang  noch  gröfser.  A'un  folgle,  erat 
langsam,  bald  aber  in  reifseoder  Schnelle  eine  neue  Ileillehre 
der  andern.  Jeder  vermeinte  die  wahre  gefunden  lu  haben,  und 
auf  die  Dauer  wies  es  sich  aus,  dafs  keiner  sie  gefunden.  Mit 
dem  besten  Willen  uns  zu  belehren,  mit  anglauhlicben  Anstren- 
gungen haben  so  viele  gelehrte  und  philosophische  Kö|ife  es  end- 
lleb  dabin  gebracht,  dafa  jetzt  kein  Anl  mehr  weife,  woran  er 
ist,    und  dafe  er  demüihtg  mit  unserem  Claadiua  sagen  uufs:. 

Wir  stalle  H«Dich«nkiDdBr 

Sind  eitel  arme  SB ■  der 

Usd  wiwea  (ir  oicbl  viel; 

Wir  ifiDBCP  Luftfefpiaaite 

(Jpd  (ucliea  viele  RÜDits 

Und  koomeD  weiter  vod  dem  Ziel. 

Das  Uebelate  in  diesem  \^'irrt,al  war  «od  ist  noch ,  dafa  die 
scbutreefaten  Aerste,  besonders  die  gelehrten,  so  ganz  von  der 
vermeintlichen  Wahrheit,  eine  Terstandeareehte  Heillehre  sei  nur 
auf  eine  Kenntnifs  des  belebten  Menscbenleibes  xu  gründen,  über- 
zeugt sind,  data  sie  jede  Grundfeaie  blindlings  verwerfen,  sie 
keiner  Beachtung  würdigen,  ja  einen  Abacheu  davor  anfaern,  wia 
verzarlelte  Weihet  vor  Kröten ,  Scblangen ,  Eidechsen  und  ande- 
rem unheimlichen  Gewürm.  *) 

foH  vr(  detcrijitaBt ,  ted  eirta  ritat  otumt*  ,  cirea  foMtn  MMi'a#j«  t^tupa- 
tum  fuitte. 
*)  Dafi  die  Gelehrten  le  iperrig  jede  leise  HilinaiiE,  einen  vernieiEitlich  langst 
sbgenrtbeillcD  nnd  verdammlen  Gegenatand  aaf*  nene  beller  la  beleuchten, 
karr  und  wegwerfeiid  znrnekweiieD ,  kann  ieh ,  obgleich  ich  ci  lelbat  schon 
iweimabl ,  freilich  aof  eine  sehr  bermlose  Weise  erfahrea  ,  dorchaoi  nicht 
mirtbiltigen  ;  denn  wetcbcD  Belang  haben  die  Gflefaiien,  den  Wertb  der  iu5c- 
lichen  tirandfeaten  einer  Heillehre  gegen  einander  abiuwügea,  die  geheimiint- 
liehe  Lebre  grandlicb  itt  erferscbenT  BäcbsteDs  den,  dafi  sie  durch  (olehe 
Untsrsnubnng  belübigal  wurden,  einen  Punkt  der  Grscbicirte  in  berichtigen. 
Wakriieb  1  ein  geringer  Vurtbeil  Tür  so  viel  Fleiti,  als  jene  UntersuDbuBg  ver- 
langt. —  Für  ans  Praktiker  hingegen  ist  es  von  der  grürslen  Wicbltgketd 
die  Hedi^B  von  einer  Kunst  in  einem  reiten,  aarErrabroDg  boiirlea  Vcrslan- 

"■■■  -      ■'   ---— ^^;," 


—    98    — 

Itk  habe  oben  geugt:  allea,  wm  in  den  VerMande  der 
MeoscheD  liege,  miiase  früher  oder  später  za  Tage  kommeD.  So 
lafst  sich  denn  auch  wol  denken,  dafs  in  der  langen  geschicht- 
lichen Zeit,  von  der  wir  eben  gasprochen,  sich  eioxelne  Aerate  wer- 
den gefunden  haben ,  welche  das  Unlogische  des  tiedankeni  einge- 
sehen, «ne  Heillehre  auf  die  KennlDiJs  des  belebten  Leibes  sa 
gründen.  Diese  Einsicht  hat  sie  getrieben,  eine  bessere  Basis 
iD  Sachen ,  und  sie  haben  selbige  in  der  reinen  Heilwirkung  der 
Arzeneiniittel  gefunden.  Aus  ihnen  bildete  sich  dann  eine  beson- 
dere Sekte,  die,  wegen  der  Verfolgnogssucbt  der  Galenischen 
Schule,  ihre  Heillehre  geheim  hielt.  Ueber  den  Ursprang  dieser 
Sekte  sind  wir  ganz  im  Dunkeln.  Sie  selbst  behauptet,  sehr  allen 
Ursprunges  zn  sein;  die  papierene  Geschichie  der  Medizin  setzt 
denselben  in  die  Zeit  des  Mittelalters.  Wer  Recht  hat,  mag  der 
Himmel  wissen.  Die  Wahrscheinlichkeit  ist  jedoch  auf  der  Seile 
der  Gebeimärzle ,  insofern  es  nämlich  höchst  an  wahrscheinlich  ist, 
dafs  der  gescheite  Gedanke ,  eine  Heillehre  auf  die  reine  Heilwir- 
kung der  Arzeneiniitlel  zu  gründen ,  der  doch  dunkel  in  dem  Ver- 
stände aller  Aerzte  liegen  muJsle,  erst  zur  Zeit  des  mittelalierigen 
Barbarlhums  sollte  zur  Klarheit  gebracht  sein. 

Alles  wohl  erwogen,  lassen  sich  also  in  der  Geschichte  drei 
Grundfesten  einer  Heillehre  nachweisen,  nämlich;  die  Krankheils- 
zufiÜle,  der  ganze  belebte  Meuschenleib,  und  die  reine  Heilwirkung 
der  Arxeneimittul.  Da  nun  mein  Verstand  keine  andere  zu  ersin- 
nen vermag,  so  kann  ich  auch  nur  diese  drei  einer  vergleichenden 
Schätzung  unterwerfen. 

Zuerst  müssen  wir  über  die  nothwendigen  Erfordernisse  einer 
guten  Basis  der  Heillehre  nachdenken. 

Der  praktische  Art  treibt  Geschäfte  mit  der  unwandelbaren 
Natur.  DaJs  die  Lehre,  welche  Anweisung  zur  richtigen  Betrei- 
bung dieser  Geschäfte  geben  soll,  ebenfalls  auf  eine  nnwandel- 
bare  Basis  gegründet  sein  müsse,  von  der  Wahrheit  dieser  Folge- 
rung sind  die  Aerzte  aller  Jahrhunderte  überzeugt  gewesen,  und 
ich  mnfs  ihnen  vollkommen  beistimmen,  in  sofern  ich  nämlich 
urtheile,  dals  eine  auf  einer  wandelbaren  Grundfeste  beruhende 
Lehre  selbst  wandelbar  sein  müsse,  also  eine  schlechte  Leilerinn 
bei  Geschäften  sein  mSchte,  die  wir  mit  der  unwandelbaren  Na- 
tur abzumachen  haben. 


dgigMchift«  in  erbeben ,  Theorie  and  Pruii  in  «tser  veratandeireehtea ,  n>- 
■chaidlMren  Einheit  tu  verfcbmelien.  Mir  ecbeint  es  eUe  lebr  billig ,  ittt 
wir  Praktiker,  die  die  Pracht  ^oierien  wollen,  nacb  den  Acker,  worauf  dia- 
ee  einiii;  wiohsen  and  gedeihen  kenn ,  lelbit  bearbeiten.  Solche ,  «ahrlicb 
nicht  geriage  Habe,  au  Fialheit  den  GoUhrten  «aiinaeo,  welche  ohnedies, 
ihrer  Stellnng  wogen ,  eich  mit  allen  elloD  nnd  nenen  literäriichen  Geburten 
und  Hibi^ebiuiei  raheloi  beechKrtigen  mÜMen ,  lat  bSchat  aneobiekllch. 


—    93    — 

W«Dn  aber  Unwaiklelbarlceit  das  ent«,  all^m^ii  anerlcanM« 
Erfoduoi&  der  Basia  einer  Heillehre  iat,  ao  ist  das  aweite;  Er- 
kenn barkeit. 

Wire  sie  nur  znn  Theil  erkennbar,  so  würdeo  wir,  nm 
eine  Lehre  danraf  xa  grfinden,  genöthigt  lein,  die  Lacken,  du 
Unerkennbare ,  niit  Gedankenbildern  aosxnfullen ,  und  <He  daraef 
gebaale  Lehre  nrSfste  eine  mehr  oder  mitMer  gedanken bildliche 
■ein.  Wie  nun  eine .  mehr  oder  minder  gedankenbildliche  Lehre 
uns  bei  dem  ernsten  GeschSfte  mit  der  unwandelbaren  Natur  lei- 
ten kSnne,  daa  nöehte  der  gesunde  Verstand  wol  sebwer  be- 
greifen. 

Nachdem  wir  nun  Uawandelborkeit  und  Erkennbarkeit  als  die 
notbwendigflo  Erfodernisae  einer  gtiten  Basis  der  Heillehre  be- 
Biimmt,  so  wollen  wir  die  drei  geschichtlicbea  an  diesen  Maß- 
stab halten.  Zuerst  also  von  der  Basis  der  rohen  Erfahrnng^cil- 
lehre,   von  den  KrankbeitBxiinillen. 

Dalä  diese  auf  unwandellutre  .Naturgesetze  sich  gründen ,  ihnen 
also  als  GrundfcBle  einer  Heillehre  Unwandelbarkeit  augestanden 
werden  müsse ,  ist  nicht  su  längnen.  Sie  sind  unstrutig  an  und 
in  dem  KSrper  das  einzige  sinnlich  Erkennbare,  was  uns  das  in- 
nere Unsichtige,  die  Krankheit,  offenbaren  kann.  Ob  man  die- 
sem möglich  Erkennbaren  aber  eine  unbedingte  Erkennbarkeit 
zuschreiben  dfirfe,  dnrdi  welche  es  sich  zn  einer  gnten  Basis 
der  Heillehre  eigene,  das  ist  eine  Frage,  welche  wir  jetzt  erör- 
tern messen. 

Im  Allgemeinen  kann  man  als  wahr  annehmen,  dab  die 
M5glicbkeit,  sich  ein  vollständiges  Bild  aller  KrankfaeitszofilUe 
zu  verschaffen,  in  jedem  einzelnen  Falle  durch  den  Zustand  des 
Geistes  desjenigen,  von  dem  wir  die  Zuimie  erforschen  wollen, 
bedingt  wird.  So  kAnnen  wir  z.  B.  bei  einem  Wahnsinnigen 
wol  erkennen ,  dafs  sein  geistiges  Vermögen  in  Irrung  geraifaen 
sei,  wir  können  seinen  Pols,  seine  Zunge,  seine  Haut,  seine 
GesichlsaMge  untersnchen;  aber  alle  abnorme  Gefühle,  die  et  in 
seinem  Inneren  haben  mag,  kann  er  nicht  Ilufsem,  und  waa  er 
uns  sagt,  ist  nutzlos  für,  die  Erkenntnifs,  .weil  wir  nicht  wissen 
können,  ob  es  wahr  oder  unwahr  sei.  Es  ist  also  bei  solchen 
Kranken  bar  unmöglich,  ein  treues,  vollständiges  Bild  der  Ge- 
sammibeic  aller  Krankheitszufälle  aufzufassen.  .Bei  Kindern  kön- 
nen wir  auch  nnr  das  Sicht-  und  Fühlbare  der  KrankbeiiszufäUe 
erkenDen;  alle  krankhafte  Gefühle,  die  uns  blofs  die  Aussage 
offenbaren  könnte,  bleiben  uns  verborgen,  weil  ganz  kleine  Kin- 
der nicht  iprechen  können ,  und  grölJsere  noch  zu  verstandes- 
■chwach  sind,  um  auf  ihren  Körper  zn  acbleD  und  ihre  krank- 
haften Gefühle  mit  Worten  auszusprechen. 

Einfältige  rohe  Menschen,    die   gor   nicht   auf  ihren  Körper 


—    94    — 

nirrkpn,  sin<l  eben  ko  wenig  im  StRnrie,  nns  rfnreb  ihre  Aiih- 
•tngf  das  ni^ihige  KrankbeitBiuralUbild  zii  vervollsilinilrgen.  Von 
ihnen  können  wir  nichts  erfahren,  ah  nur,  ol>  sie  in  dem  einen 
nder  dem  anderen  Theilc  starken  Schmen  haben,  nnd  das,  Xfun 
wir  von  den  Znfiitien  darch  Angen  nnd  Gefühl  erkennen.  Sol- 
chpr  einfältigen  rohen  Menschen  gibt  es  aber  eine  Unsahl  in  der 
Well. 

In  aknten  Fiebern  kSnnen  wir  nncb  TOn-  den  Zufällen,  RufKer 
d«nen ,  welche  wir  dnrcb  das  Gesicht  und  das  Gefühl  erkennen, 
wenig  mehr  erfahren,  als  das  eine  oder  das  andere  scbmershafte 
Leiden.  In  ernsthaften  Fiebern  befindet  Rinh  gewahnlicb  der  Geist 
der  Kranken  schon  im  ersten  Zeiträume  in  einem  solchen  Ziisinn- 
de ,  der  ihn  unruhig  macht ,  auf  sich  selbst  zu  achten.  Das  her- 
vorstechende Schmerzhafte,  sein  Gefühl  Torziiglich  StSrende,  hc- 
schüftiget  ihn  ansschliefslich;  die  anderen  minderen  Znf^lle  wer- 
den durch  die  gröfseren  verdunkelt,  so  dafs  wir  nimmer  ein  voll- 
BiHndigea  ZnfHllxbild  durch  tlrfragen  von  ihm  erhalten  können. 

Von  einbildischen,  ihren  Körper  Hngsllich  hütenden  Men- 
schen, köMien  wir  eben  so  wenig  ein  volUtSndiges ,  wahres  Zn- 
fntlübild  durch  das  Anttfragen  nns  verschaffen.  Unsere  Fragen 
selbst  verleiten  sie,  sich  einxnbilden,  sie  hnben  wirklich  jene 
krankhaften  Gefühle,  nach  denen  »if  nna  erkundigen,  obgleich 
sie  dieselben  in  der  That  nicht  haben. 

IIi>rr  ilaknemann,  der  in  nniserer  Zeit  die  Basis  der  rohen 
Erfabrungsheillehre  wieder  erhoben,  und  sie  als  die  einzig  rich- 
tige aufgestellt,*)  führt  selbst  den  schlagendsten  Beweis,  dafs 
dies«  Rasis  mm  grofsen  Theil  unerkennbar  sein  iniisBc.  Vorans- 
gesel/t  die  Wahrheit  des  Salzes:  Gleiches  heilt  Gleiches, 
mttfste  er  Jn  in  jedem  Falle,  wäre  es  möglich,  die  Gesainnitheit 
des  ZufHllsbildes  vollstHnd'g  nnd  Mahr  aufzufassen,  das  richtige 
lltfilmitiel  beim  ersten  Griffe  trefTen.  Da  er  und  seine  Anhünger 
aber  oft  genug  genölhiget  sind,  mehre  Mittel  nach  einander  zu 
verstehen;  so  führt  er  selbst  den  Beweis  der  Un  erkenn  barkeit 
seiner  Heillehrbasis.  Uebrigens  kann  ich  unmöglich  seine  Hypo- 
these :    Gleiches  heilt  Gleiches  für  ein  Axiom  annehmen- **) 


*)  loh  aotersehcide  mId«  Bcillehr«  von  (eioar  EIci'miltelfladini|tl*hr«  ;  Min« 
•i(«aUiefaB  Oeülcbre  grÜDdet  lich  eioiig  aar  dii  KraaLbiitaxallHe,  alio  «uf 
di«  ilta  Bgsi«  der  roben   ErrahraogthEillehre. 

**)  Wann  ich  dai  gleich  nicht  hiDn,  to  schiilie  ich  doch  Herrn  Bahnentann  lebr. 
Er  iiE,  10  viel  ich  wcifi ,  dir  erste,  dar  «eit  dem  UntErgins«  der  «Iteo  em- 
pirischen Sehole  versackt  hat ,  eiae  Heillefare  »r  eine  andere  Quii  m  baaen, 
nis  aaf  die  der  tchnlrechlen  Heillehre.  Uebrigens  ist  die  HabneiianniKha 
Heillebre  nnd  die  Verbreitoag  derselben  eine  EracheionDg  nnierer 
Zeit,  dte  weil  nebr  Beachtneg  verdient  al«  Bauche  es  za  gliDbea  scheinen; 
iefc  balt«  nich  jedo^  nicht  Tür  beniren ,    diesei  der  Uofa  sach  toizategen. 


—  t«  — 

Jmh  MiiiMH  wir  die  «weite  Bniii,  den  Orj^nisniiis ,  b«- 
tnidilen.  Diese  Grundfeste  ist  no  »It ,  ilir<i  ich  ihr  Aller  eben 
■0  wenig  geschichilich  nachznweieen  wiifate  alt  das  der  «riteit. 
Hi)>pokrste8 ,  in'  seinem  Buche  tob  der  nllen  Me^tiisia,  spricht 
schon  von  einer  alten  Elementartheorie  and  von  anderen  Ansich- 
len,  die  es  Baiser  Zweifel  setzen,  dafs  man  schon  sehr  frrth  ver- 
snobt, auf  eine  Kenmnifs  doM  helebten  Menschen I ei bcs  eine  Heil- 
lahre  zu  gründen.  Die  Clementartheorie ,  die  später  durch  Ga- 
lens  gelehrte  Demonstrationen  n  so  grofsem  und  aDsachliefslicbera 
Aoaehen  getangte,  ist,  wie  ons  die  Geschichte  lehrt,  unprnng- 
lich  ein  Zwiiterersengaifs  der  Philosophie  und  Medizin. 

Dafs  der  Organismiis,  diese  Cmodresle  aller  schnirechten, 
vielartigen  Heillehren,  das  erste  Frfodernifs  einer  gnten  Grund- 
feste  hahe,  nämlich  Dnwandelbnrkeit,  daran  ist  wol  nicht  in 
Eweifeln,  in  Korern  er  nämlich  Theil  des  Alles  der  \atiir  ist,  die 
nach  ewigen  und  nn wandelbaren  Gesetzen  wirkt;  also  haben  wir 
es  nur  mit  der  Untersnchnng  zu  ihtin:  ob  ihm  auch  das  zweit* 
Frfodernifs ,  die  Erkennbarkeit ,  k&nne  sugesianden  werden.  In 
dem  belebten  Menschcnleibe  Mind  vier  Hnupislncke  zu  betrachten  i 
diene  .sind:  das  Leben,  die  künstliche  Knrjieniiascbine ,  die  M<%- 
icrie,  wornim  er  bestehet  nnd  die  sich  in  ihm  erzeugt,  und  end- 
lich nein   Verhülmifg  zum  All  der  .\alnr. 

Dafs  daii  Leben  etwas  Wirkliches  sei,  glauben  wir,  in  so- 
fern -wir  uns  bi^wuf^t  sind,  dafs  wir  lebe».  Was  das  Leben  aber 
sei,  wissen  wir  nicht.  Weil  wir  das  nun  nicht  wissen,  so  liegt 
auch  des  Lebens  <|ualiiatives  um!  quantitatives  Verbttlinifs  mifser- 
hnlb  der  Grenzen  des  menschlichen  Wissens. 

(Jeher  die  Eigenschaften  eines  ganz  unbekannten  Dinges  xn 
nnheilen,  wird  wol  so  leicht  keinem  einfallen;  aber  über  die 
(Junniiiat  desselben  zu  unheilen,  dieser  Irrung  könnt«  man  sich 
eher  sohnidig  machen,  indem  man  ans  den  mehr  oder  minder 
stark  in  die  Sinne  fallenden  LebensBufsemngen  anf  ein  quantita- 
tiv stärkeres  nnd  schwächeres  Leben  schlösse.  Dafs  dieses  aber 
ein  Trtigachlufs  sei,  nnd  dafs  das,  was  der  Veniand  uns  sagt, 
lieh  vollkommen  in  der  Erfahrung  bestätige,  Ufst  sich,  mit  Ueber- 
gehen  aller  hierhin  gehörigen  Beobachtungen,  durch  die  einzige, 
von  den  Aerzten  allgemein  als  wahr  angenommene  Erfahrung  be- 


J«d«Bf«IU  shil  mir  die  gebüislgco  Angriffe  «laiger  lebiitreEblen  Eiferer  etwti 
■MtSffif.  DtsM  Berren  überaeben  ei  fatx,  d*9l  lia  dareli  d»  l«ii)«iigebBri- 
lifbe  AsftralaD  ihrs  eigene  lebalroeblB  Reiilehre  verdiiokligcD.  Wäre  diCM 
eiae  i>  «Lleo  Tbeilea  roleerecble  Lehre,  «n  märiten  Js  ille  Angrife 
tat  dieielbe  ihoea  weil  eber  Spafs  >U  Verdraft  veranaebeo.  Sie  rdbleo, 
dati  sie  aelbit  ala  Krellicbg  Veritandeime Dieben  anf  eioe  wankelbere  Grand- 
feate  fofMa  ;   »ie  Ifirchten  von  der  neuen  Encbeinung  nnifeitDr>ai]  in  arerdee, 


..ogic 


—    96    — 

weisen,  dah  wir  aicht  eioTaalil  winen  kftiiDen  >  ob  in  «inein  an- 
geblichen Leichname  dai  Leben  erloschen,  oder  ob  es  noch  darin 
vorhanden  sei,   bis  das  Erste  durch  die  F&nlnifs  ans  gewifs  wird. 

Der  Lebenskraft  wird  gar  oft  von  den  Aeriten  erwübnt;  in 
jüngeren  Jahren  babe  ich  davon  gesprochen,  seit  ich  aber  ftller 
geworden,  und  Zeit  gewannen,  selbst  darüber  nBchzosinoen, 
acheini  sie  mir  wirklich  eine  Undenkiichkeit.  Jenes  unbekannt« 
Etwas,  welches  sich  hur  einxig  unter  der  bekannten  Form  der 
Leb^nsfiufsenmg  nnsern  Sinnen  offeniwret,  von  dem  aber  die  Er- 
fahrung im  Allgemeinen  gelehrt  hat,  dafs  es  sowol  im  aosgabil- 
detea  ihierischen  K8rper,  als  im  befruchteten  nicht  gebrüteten  Ei 
vorhanden  sein  könne,  ohne  sieh  unseren  Sinnen  zu  offenbaren 
(welchem  Vorhandensein  ab^  in  dem  Einzelfalle  nur  durch  den 
glfickenden  Versuch  darzuthan  ist);  jenes  unbekannte  Etwas  ist 
doch  dem  gewöhnlichen  Verstandesmenschen  das  Leben.  Wel- 
chen Begriff  verbinden  nun  die  Gelehrten  mit  dem  Aoadnick« 
Lebenskraft!  —  Unmöglich  doch  den  des  Lehens  selbst;  dieB<>s 
würde  ja  eine  zwecklose ,  weit  eher  sn  Begrißs Verwirrung  als  m 
Begriffsanfhellung  führende  Wortvertanschung  sein.  Ich  erinner» 
mich  auch  nicht,  irgendwo  gelesen  oder  gehört  zu  haben,  dafs 
der  Ausdruck  Lebenskraft  bestimmt  als  blofses  Tauschworl 
fiir  den  allgemein  verständlichen  und  bekannten  Ansdmck  Leben 
angegeben  wäre:  also  bin  ich  der  Meinung,  die  Gelehrten  ver- 
binden mit  den  Wörtern  Leben  und  Lebenskraft  unterschiedene 
Begriffe.  Dieses  vorausgesetzt,  kann  Lebenskraft  für  mich  nichia 
anderes  sein  als  die  Ursache  des  Lebens,  also  nichts  als  ein  blo- , 
fses  Ileischwesen  des  Verstandes,  und  der  Obersalz  des  Schlus- 
ses, der  mich  sur  Annahme  derselben  bestimmen  kSnnle,  würde 
lanten:  Alle  Dinge  müssen  ihre  Ursache  haben. 

Dieses  Urtheil  kann  nun  sein ,  entweder  ein  durch  Erfahrung 
erworbenes,  und  In  solchem  Falle  wird  ihm  wo)  keine  Sicherheit 
und . Allgemeinheit  zugestanden  werden  können,  denn  wahrlich! 
uiuere  Erfahrung  ist  in  diesem  Punkte  höchst  unvollkommen,  wir 
kennen  von  gar  vielen  Dingen  die  Ursache  nicht;  oder  das  Ur- 
dieil  ist  ein  in  nnserm  Verstände  notfawendig  begründetes,  wel- 
ches die  Alten  ein  angeborenes  nennten.  In  diesem  Falle  wür- 
de« wir  gezwungen  sein ,  für  und  für  also  zu  nrlheilen :  die  Ur- 
sache des  Lebens,  Lebenskraft  genannt,  müfste  auch  ihre  Ursache 
haben,  diese  Ursache  wieder  die  ihre,  und  so  miifalen  wir  bis 
znr  Gottheit  hinaufgehen ;  ja  es  bliebe  uns  nicht  einmahl  die 
Gottheit,  sondern  wir  müfaten  ins  Unendliche  mit  unsern  Urthei- 
len  nnd  Schlüssen  fortlaufen ;  es  würde  unserm  Verstände  eben  so 
wenig  möglich  sein,  einen  Rnhepunkt  sb  finden,  als  es  unserm  ati 
Banm  nnd  Zeit  gebundenen  sinnlichen  Vorstellungavermögen  mög- 
lich  ist,    sich   etwas   anfter   dem  Ranne  nod  der  Zeit  zu  denken. 


—    OT     — 

}Km  Mhemt  et  also  klüger  m  tein^  bei  dei»  Leben,  bei  rfviii 
iwar  weeeotlich  Unerkanolen ,  ajter  im  Bewufitiein  Wirltlt«ben 
tfeben  zu  bleiben,  als  jeaaeit  deaaelben  noch  ein  phantasliucbes 
Elwai  willkiirlMb  binzoBteilen. 

Was  die  künstliche  Körperinuebiae  betrifft,  so  verkenne  ieh 
liciaeiwegea  den  Fleifs  unserer  Anatomen  und  Physiologen ,  so 
weaig  als  .die  Forisohride ,  die  nnser  Wüsen  in  diesem  Ponk- 
te  sieit  ein  paar  Jahrhunderten  gemacht  hat.  Mit  Uebergefaen  je- 
rioch  dea  niHnniglicti  bekannten  Lückenhafien  nnserer  PbjBiolo- 
gie')  erinnere  ioh  nnr  an  Eins,  nümlicfa  an  das  sogenannte  Sy- 
sieiu  der  CapillargefU&e.  Dieses  SjstMn,  aus  welchem  der  ganse 
KSrper  mit  allen  seinen  Organen  gen^ebt  ist,  blieb  bis  jetxt  tut 
luu  ein  nnbekannles  Land.  So  viel  wissen  wir,  dafa  in  diesem 
ti'^wcbe  die  Ernährung,  die  Ersetzung  des  Verlorenen,  die  Ab* 
tondening  der  zum  Leben  nothwendigen  Stoffe  und  4as  Wachs» 
tbnffl  SiMt  hat.  Gerade  diese  Xaturrerricfatongen  drücken  aber  eben 
dem  Körper  das  Siegel  des  Organischen  auf;  und  da  wir  nicht 
einaiabl  den  Bau  der  ge heim nif« vollen  Werkstatt  kennen,  worin 
jene  Operationen  geschehen,  so  komnil  es  mir  fast  vor,  als  sei 
nasw  anatomisches  und-  physiologiaches  Wiaseo  dem  Wissen  ei- 
nes jungen  Kindes  zu  vergleichen ,  das  von  seiner  Mutter  gelernt 
hat,  die  Weh  bestehe  aas  Himmel  nnd  Erde,  der  Himmel  aus 
Sonne,  Mond  und  Sternen.  **) 

Li  Betracht  der  Materie,  woraus  der  Körper  bestehet  und  der 
die  sich  in  ihm  erzengi,  dürfen  wir  auch  nicht  auf  unsere  Kennt- 
nisse pochen.  Es  würde  aber  etwas  albern  und  höchst  langwei- 
lig sein,  in  diesem  Punkte  die  Blofzeo  der  scfaulrechlen  Kunst, 
an  denen  kein  verslfindiger  Arzt  zweifelt,  weitl&nfdg  anbndecken. 
Mir  ist  es,  in  Erwfigung  der  fast  unüberwindlichen  Sohwierigkei- 
(es ,  die  sich  der  Scheidekanst .  bei  Untereiiebnng  menschlicher 
Stoffe  entgegenstellen,  höchst  nnwahrscheinlich,  dafs  man  bei  nn- 
«erer  Lebzeit  bedeutende,  nützlich  auf  die  Heilkunst  einwirkende 
Porisehritte  in  dieser  Sache  machen  wird. 

Endlich  müssen  wir  nun  noch  von  dem  allerwichligsten  Punk- 
te, von  dem  Verbftitnisse  des  belebten  Leibes  xu  dem  All  der 
Nstur  reden.  Waran  ich  .dieses  VerhKitnifs  dea  allerwichtigslen 
Pankt  nenne,  das  wird  denen  meiner  Leser,  welobea  es  jetzt 
Doch  dookel  sein  mödite,  in  der  Folge  achon  klar  werden. 

*)  Dn  Aofabran  dei  Allbek»nt«D  werdeo  mir  dla  Leier  sern  erliMea ;  ich 
«wii«  lAw  Is  dea  relieadaa  Raplteln  wel  GelesanhBit  flidan ,  aaKre  gnü« 
CawiHeaheil  is  Balreff  der  Verrichtang  «inwer  Orgaae  sa  leigaa ,  welcli« 
wir  (crade  am  beatea  zd  keaaea  nübneti. 

"1  leb  verweUe  hier  iai  Allfemeioea  aar  den  Verinch  einer  pragmatiiehen  Ge- 
■ekiebts  der  Anntomie  nnd  nifiiologie  vom  Jabra  ISOO  —  1S2S  vod  Buriard 
F.Mt-  tsskesaadere  aber  «af  du  T.  HaapttlSok  dleiei  Werkea. 

7       ..    -        ^-.^-^^,.- 


^    M    — 

Es  Hcbeini  mir  nmnSglich,  den  einzelnen  Theil  elnea  Ganzen 
kennen  in  können,  ohne  dna  Ganze  zn  kennen,  mit  welehem  der 
einzeloe  Tfaeil  nicht  blofa  xiuammenhangt ,  sondern  in  Wecheel- 
wirkung  itehet;  denn  durch  diese  Wechsel wirkong  erfaSlt  er  ja 
■eine  ei(;entUche  Bedeiitang  nnd  Wesenheit.  Wenn  wir  nns  also 
aninaben,  den  belebten  Menschenleib  zn  kennen,  so  müssen  wir 
RQch  das  All  der  Natar  kennen,  dessen  Theil  er  ist  nnd  mit- dem 
er  in  bestflndiger  Wechselwirkung  stehet ,  ohne,  welche  Wechsel- 
wirknng  sein  Sein  undenklich  ist. 

Was  kennen  wir  nun  aber  von  der  Natnr  und  ihrer  Einwir- 
kung auf  den  menschlichen  Lcibi  Was  wissen  wir  z.  B.  tob 
den  verscbiedenartigen  Ansflüssen  der  Erdef  was  von  der  dem 
blofsen  Auge  unsichtbaren  Thierwelt,  die  in  nnsern  Leibern  ihr 
tägliches  Grab  Aodetl  was  von  der  Loft  nnd  ihren  Verflnde- 
rangen!  Welche  aützliche  Ausfaente  fnr  die  Kunst  haben  die 
Bcfanlrechten  Beobachtungen  über  Schwere  und  Wärmegrad  der- 
selben bis  jetzt  gegeben I  Wer  sngi  uns,  wo  und  wie  sieh  di« 
Luftgifte  erzeugen,  welche  bald  die  Leiber  der  Menschen,  bald 
einzelner  Thtergaftuageo  feindlich  ergreifen,  bald  in  einzelnen 
Gegenden  weilend,  bald  ganze  Landstrecken,  ja  Welttheile  durch- 
ziehend ! 

Welchen  Einflufs  auf  uosern  Körper  hat  die  nngeheure  uns 
umgebende  Wasserwelt ,  mit  ihrem  ewig  regen  Leben  in  den 
abentenerlichsteo  Gestalienf  W^r  kennet  die  Berge,  die  Tbitler, 
die  Abgründe  der  nngeniessenen  Tiefe,  aus  der  in  nnsern  Tagen 
der  Vorwelt  Fabelwesen  wieder  auftanchenl 

Wer  hat  des  nnterirdischen  Feuers  verborgene  Herde  erspB- 
het,  wer  seinen  Eiofliifs  aaf  der  Menschen  Leiber  berechnet! 
Wenn  es  die  Erde  erschiitlert  nnd  in  Gliihströiuen  aus  Bergen 
bricht,  dann  wissen  wir,  dafa  es  dem  Menschen  Verderben  bringt ; 
aber  wir  kennen  nicht  sein  stilles ,  heimisches  Walten  in  der 
Tiefe. 

Wer  hat  den  Einflufs  der  Gestirne  auf  den  menschlieben 
Körper  ergründet,  ob  sie  nns  blols  leuchten  bei  dankler 'Xachi, 
oder  ob  sie  unsere  Gesundheit,  unser  Leben  bedingend  Dafs  das 
Siebengestiia ,  dafs  der  Ring  des  Saturn ,  oder  des  Perseus  Me- 
dnsenhaupt  Einflufs  auf  meinen  Körper  habe,  wfire  au  behaupten 
Vermessenheit;  aber  es  zu  verneinen  würde  nicht  minder  vermes- 
sen sein. 

Wer  hat  je  die  Wahlverwandtschaft  der  menschlichen  Geister 
enti&thselt?  Unerkannt  stolsen  sie  feindlich  ans  von  sich  zurück, 
oder  ziehen  uns  freundlich  zn  sich  hin,  dafs  uns  fast  leises  Ahnen 
eines  früheren  Seins  nmwebt  und  an  Pylagoriache  Trfiunie  mahnt. 

Wer  hat  die  Kraft  des  festen  Willens  und  des  auf  einem 
Gegenstande   gelagerten    Gedankens   entziffert?     wer   die    Allge- 


—    99    - 

mit  4m  Glaabeai,  dei  friMoinHi  Gthtta,  Hmi  lonigMi  Vrreios 
mU  4am  Urquell  allea  Itichti^  ja  wer  lut,  den  uiuichtbareD 
EmfluCi  mcBschlii^er  Leiber  auf  raenBcfalielie  Leiber  wahroeh- 
neud,  von  dam  LeiUicheo  du  Geiilige  xti  seheSdeti  Termochlf 

Wu'  wirkt  Ha&  und  Liehe,  was  Freude  und  geiiliger  Sehmere 
auf  des  Meoaefaen.  leibliches  Wohll  Achl  man  hat  es  nioh  ge- 
lehrt da  iefa  jung  war,  nun  ich  aber  alt  bin  weifs  ich  es  nicht. 
Selten,  sehr  selten  fand  ich  uugeniischt  diese  geistigen  Gewalten, 
wie  konnte  ich  da  rein  ihr  Wirken  erschauen  i  Die  Liehe  hat 
ja  ihr  Sorgen  und  Bangen;  durch  das  Dunkel  hSusIrcher  Trübsal 
mskt  der  Weiterschein  kleiner  hfiaslicber  Freuden;  der  Schmers 
an  dem  Grabe  unserer  Freunde  flügelt  zu  des  Glaubens  Sonnen- 
höbe  die  trauernde  Seele  empor. 

Wer  hat  endlich  der  Geisterwelt  nndnrcbdringlicbea  Verbang 
gelüftet,  wer  das  unbekannte  lenseits  gesehaui^  Wer  weib  es, 
ob  der  Finsternifs  grause  Mächte  feindlich  den  Erdkreis  durch- 
rasen, ob  friedliche  Gotteaboihen  dem  müden  Pilger  unsichtig  La- 
bnng  spenden,  ob  der  Vollendeten  selige  Geister  ans  lichter  Höhe 
in  Standen  der  Weihe  freundlich  zu  uns  hemiederachweben  I  Aus 
dee  Menschen  ahneuder  Brost  i5nt  Eine  Stimme  vernehmlich 
durch  alle  Jahrhunderte;  die  Afterweisheit  hohnlacht;  der  Ver- 
stand schweigt. 

Da  sieben  wir  nun  an  den  Marken  unseres  Wissens  und 
schauen  snrüek,  wie  beim  erwachenden  Tage  der  Wanderer,  an 
dessen  Erinnemng  die  seltsamen  Nebelgesialten  des  nacbilit^ 
darchreia'ten  Weges  in  winem  Gemisch  voröbergleiten.  Sollte 
ich  auch  der  Wahrheit  zn  nahe  treten,  wenn  ich  behaupte,  dais 
das,  was  wir  von  dem  belebten  Menschenleibe  erkennen,  sich  zu 
den  Unerkannten  and  Unerkennbaren  wie  Eins  m  Hundert  verhaltet 
—  Das  ist  nun  die  Grandfeaie,  worauf  seit  sweitausend  Jahren 
die  scb nl recht en ,  die  gelehrten  Aerzte  eiae  haltbare  Heiltebre  xn 
bauen  versucht  haben. 

Es  war  wo!  anmöglich,  eine  Heillehre  auf  so  anvollkomrone 
Kennlnilä  des  Organismus  zu  grfinderi;  also  mufslen  die  uDgehen- 
reo  Lücken  diesee  Wissens  durch  Gedankenbilder,  das  hcifsl, 
durch  aolcfae  Annahmen,  die  in  dem  sinnlich  Erkennbaren  nicht 
naofaxuweiaen  waren,  ansgefiillt  werden.  Die  verschieden  an  igen 
Heiilebreu,  die  seit  der  Gateniachen  Schule  bis  auf  unsere  Zeit 
entstanden  and  untergingen,  nnlerscheiden  sich  von  einander  da- 
durch, dafs  sie  sich  je  anf  den  einen  oder  den  andern  der  vorhin 
angeführiea  Hauptpunkte  dea  Organismas  vorzugsweise  grfinden; 
dieses  und  die  eigene  gedankenbildliche  ErgSnznng  der  Locken 
in  jenen  Hauptpunkten,  gibt  jeder  verschiedenen  Lehre  ihre  ei- 
gentliche Färbung;  daher  Sftfteheillehre ,  Nervenhetllehre ,  Erre- 
gnngsheiHehre  n.  s.  w, 

'.,,  ?,•.,,  Google 


—     »00    — 

E»  würde  untchicklich  und  überdtM  eine  lebr  undRnkbare 
Arbeit  sein,  wenn  ich  mich  in  ttiesea  angeheure  LabyriiAfa  von 
Wirklichkeil  und  Gednnkenhildlichkeit ,  von  Wahrheit  und  Tau- 
schung, von  Erfahrung  and  Phantasie  vertiefen  wollte,  zumahl  d» 
rs  nicht,  wie  das  Cretische,  eine  bestimmte  Einrichtung  hat, 
sondera  vielmehr  täglich  einen  neuen  Anbau  too  Ir^ewinden  be- 
koniini ;  denn  unermefslich  ist  ja  das  Reich  des  Ideellen.  Zweek- 
mäfsiger  scheint  es  mir,  das,  was  ich  bis  jetct  gesagt,  an  das 
unhesiriltene  Geschichtliche  zu  halten.  Stimmt  dieses  mit  jenem 
iiberein ,  so  werde  ich  wol  Recht  haben ;  stimmt  es  nicht  daiiiit 
überein,  so  werden  diejenigen  Aerr.te  Recht  haben,  die  das  Ge- 
geutheil  metner  Behauptung  fSr  wahr  hallen. 

Zuerst  tnache  ich  auf  die  heilmittellehrigen  Kategorien  anf- 
merksam,  die  sich  doch  nawidemprechlich  auf  eine  Kenotnifs  deg 
Organiümui  gründen,  indem  sie  ja  das  Wie  der  Wirkung  der 
Aneneien  andeuten  sollen. 

Data  die  Digitalis  das  kranke  Hers,  das  Schellkniut  die 
kranke  Leber,  das  Änlimoninm  die  kranke  Lunge  heilt  u.  s.  w. 
darin  sind  alle  Aertte,  die  die  Wirkung  dieser  Mittel  kennen, 
einig,  nnd  werden  darin  noeh  über  hundert  und  lausend  Jahre 
einig  sein,  denn  die  Heilwirkung  dieser  Miiiel  oft'enbarl  sich 
sinnlich  durch  die  geheilten  Organe  selbst.  Ob  aber  ein  Mitlei 
siftrkend,  schwächend ,- reisend ,  krampfstiilend ,  belebend,  belftu- 
bend,  kühlend,  erhitzend,  beruhigend  wirke,  darüber  sind  die 
Aerzte  nimmer  einig.  Heute  kann  ein  Mittel  reizend,  morgen 
kühlend,  heote  sehwfichend,  morgen  stärkend  sein.  Diese  Kate- 
gorien sind  nicht  blofs  in  verschiedenen  Schulen  verschieden,  sie 
haben  nicht  blofs  mit  jedem  Zeilaller  gewechselt,  sondern  jeder 
Arzt  fiihll  sich  auch  als  echter  Republikaner  befi^,  jedes  Mittel 
unter  jede  beliebige  Kategorie  zu  reihen.  Dag  ist  denn  doch 
wol  der  beste  Beweifs,  Hafs  nichts  Wirkliches  nn  diesen  Gedan- 
kenfächern ist,  sondern  dafa  sie  blofs  etwas  Willkürlicbes  sind, 
nnd  nur  Erzeugnisse  einer  Heillefare  sein  k&nnen  ,  die  sich  mehr 
auf  Dichtung  als  anf  Wirklichkeit  gründet.  Damm  haben  auch 
nniere  henligen  araeneiinillellehrigen  Kategorien  nm  kein  Haar 
mehr  Werth,  als  das  Kalt  nnd  Warm,  das  Feucht  ond  Trocken 
des  Galen. 

Das  zweite  unlSugbare  Geschichtliche,  auf  welches  ich  mich 
berufe,  ist  die  Menge  vergebener  VerHuche,  auf  die  venneiniliche 
Kennlnifs  des  belebten  Menschenleibes  eine  gate  Heillehre  sa 
gründen.  Wenn  wir  bedenken ,  wie  viel  Heillehren  schon  vor  Her 
Galenischen  Schule,  wie  viel  nach  derselben  von  den  Koryphften 
der  Kunst  aufgestellt,  welchen  grofsen  Ruf  sie  crfanlten  und  doch 
wieder  untergegangen  sind;  wenn  wir  bedenken,  wie  viel  minder 
berühmte  Männer    neben  jenen    KoryphHen    ihre    Stimme   eriioben 


—  Ifll  — 

haben ,  die  am  ftmer  Zeil  jetn  lumm  noch  verachmbar  zu  tleiit 
bii«rator  bcrnberfaciUet ;  nnd  wenn  wir  endlich  bedenken,  wie 
y'ui  Theorien  bei  unierer  Lebzeit  im  In-  und  Aaslande  erfnn- 
ien  lind,  von  deren  keiner  inan  sz^n  kann,  dafs  sie  sieb  am 
Krankenbette  bewähret  hfilte:  so  innwen  wir  doch  wo)  endlich 
in  Frage  aufwerfen,  ob  die  Vergeblich keit  aller  Anairengunj^, 
eine  ^le,  ani  Krankenbette  haltbare  Theorie  zu  bilden,  in  dein 
Veiztande  der  Aerzle,  oder  in  der  Sache  selbst  ihren  (iraod  ha- 
be. Die,  welche  eine  neue  Theorie  auf  der  alten,  oft  überbauien 
and  mit  Trümmern  früherer  Lehreti  bedeckien  Gnindfeate  auffüh- 
ren wellen,  müisen  nothwendij;  der  ersleo  Melaiini^  sein,  sie  iiiüs- 
Mn  ihre  Vorgftnger  für  etwas  albern  ballen,  sonsl  würden  sie 
■ichi  mil  so  kecker  Hand  des  SiMyphiii  Stein  antasten.  Ich  bin 
■(»er  gar  nicht  der  Meinung  solcher  Kähotiiütfaigen;  zwar  gebe 
ich  gern  zu,  dtdt  man^e  Aerzte  von  sehr  beschränktem  Ver- 
stände sich  schriftstelleriscfaen  Ruf  erworben ,  dafs  man  also  von 
dem  scbriftzlellerisohen  Hufe  darobaas  nicht,  auf  die  Verslündig- 
keii  u^  l^rfahrenheit  eines  Arztes  schliefsen  könne;  was  aber 
die  eigentlichen  KoryphSen  der  Kunst  betfifi^,  die  vorzüglich  seit 
dem  Wanken  der  Galenisoben  Schale  sich  dauernden  Ruf  erwor- 
ben, so  gestehe  ich,  dals  ich  auf  keinen  gesiofsen  bin,  dem  ich 
■icbt  Ventand,  Scfaar£(inn  und  Erfahrenheit  zagesleben  müfsle. 
Es  verstehet  sieb  wol  von  «elbtt,  dafs  sie  sich  nicht  alle  in  allen 
Punkten  gleich  sein  kilnnen;  bei  dem  einen  wallet  der  gelehrte 
Scharfsinn  vor,  bei  dem  anderen  dev  schlichte  gesunde  Venland, 
bei  dem  dritten  die  Erfahrenheit:  wie  verschied eaartig  aber  ihre 
Geistesgaben  anch  sein  mögen,  so  halle  ich  doch  mehre  dersel- 
ben wol  für  fähig,  eine  gale,  haltbare  Heillehre  auf  unsere  Kennt- 
a'iU  des  belebten  Menschenlribes  zd  gründen,  wenn  dieses  an 
sich  möglich  wfire.  Jene  vergeblichen  Veraaehe,  die  ron  guten 
KSpfen ,  nicht  seit  etlichen  Jahrzehnten ,  sondern  seit  vielen  Jnhr- 
haoderten  gemacht  sind,  müssen  uns  doch  wol  etidlich  den  Glau- 
ben aofdringen,  dals  es  ganz  unmöglich  sei,  eine  gute  Heillehre 
■af  jene  Grundfeite  zu  bauen ,  wenn  der  gesunde  Verstand  das 
UnaiAglicbe   dieses  llnternebmens  auch  nicht  deutlich  erkenncte. 

Das  dritte  Geschichtliche,  worauf  ich  mich  berufe,-  ist  die 
Klage  über  lohe  Empirie.  Die  sehulrecfat  gelehrten  Aerzte  haben 
n  allen  IKeiten  darüber  geklagt,  auch  in  unsem  Tagen  hat  noch 
ein  aahr  gelehrter  nnd  sehr  berühjuter  Mann  das  nlte  Ued 
Bsch  einer  neuen  Melodei  wieder  abgesungen.  —  E»  fi^gl  sich: 
ist  die  Thatsacbe,  worüber  die  Gelehrten  klagen,  wahr,  und  ist  ihre 
Klage  gegründet} 

Hinsichtlich  des  ersten  Punktes,  mulii  ich  ihnen  beistimmen; 
r*  ist  nur  zu  nähr,  da£)  Aerzte  von  gutem  Verslande,  von  tr^- 
liehen   Kcnoln tssen ,     im   sitiiteren   männlichen    Alter    zur    rohen 


,,,  Google 


-    102     — 

Krankheittfonnanbehandlnn^  anTerkennbar  sieh  hinn«igen.  Ob  aber 
die  Klage  der  schulrechtea  Gelehnen  deshalb  einen  guten  Gnind 
habe,  dos  Ut  hSchlich  za  bexweifeln.  Wäre  die  Schallehre  nidit 
blofs  eine  geschwützige  Erklärerin  dessen,  was  geheilt  ist,  son- 
dern eine  treue  Leiterin  bei  dem,  was  noch  geheilt  werden  aoli, 
so  würde  es  doch  wol  keinem  Manne  von  Verstände  einfallen, 
sie  schweigend  gering  za  schfitzen,  sie  heimKoh  so  verlassen, 
und  sieh  der  rohen  Formenbehandlang  hinxageben.  Gwade  difr 
Klagen  der  schreibenden  Meister  aber  robe  Empirie,  beweisen  am 
biindigsteD,  dafs  die  Schallehre  am  Krankenbette  wenig  oder  kei- 
nen Wertb  haben  müsse.  Die  Dampfhoote,  die  Spinnmasefainen, 
die  Gasbeleuchinng  nnd  andere  kfiosl liehe  Erfin dangen  nnserer 
Zeit,  die  wirklich  im  Leben  branchbar  waren,  sind  gar  bald  von 
denen  gebraucht,  die  ihrer  bedarfien;  die  Lauf-,  Laft-  und  Plü- 
gelinasohinen  hingegen,  sind  zwar  erfunden,  aber  nicht  gebrancht, 
alt  zur  Belustigung  des  Volks.  Wenn  nnn  jemand  eine  schrift- 
liche Klage  erbeben  ood  untere  Fefabothen  der  Narrheit  heziicb- 
tigen  wollte,  dale  sie  nicht  dotcfa  kolhige  nnd  holperige,  Wege 
mit  der  Lanfmaschine  liefen,  und  unsere  reitenden  Eilbothen, 
dafs  sie  nicht  mit  der  Flügelmaschine  durch  die  Lüfte  z&gen,  so 
würde  man  doch  '  weit  geneigter  sein,  den  Beschuldiger  eim 
die  Bectcbald igten  für  anweise  xa  halten :  —  wie  sollen  wir 
nun  in  nnserer  Medizin  über  Beseholdiger  nnd  Bescbnldigt«  nr- 
theilenl 

Der  menscfaliche  Geist  ist  fUhig,  rastlos  nach  dem  entfernte- 
sten Ziele  zn  streben;  weder  die  Schwierigkeiten,  die  sich  ihm 
entgegenstellen,  noch  die  Läi^e  der  Zeit,  thnn  der  Ausdauer  sei- 
ner Kraft  Abbrach;  aber  das  HrnaasrGcken  des  vermeintlich  er- 
rungenen Zieles,  das  ist  es,  was  die  Kraft  des  Geistes  lähmt:  ge- 
sofaiebet  dieses  Hinaa^riicken  des  Ziels  oft,  so  erstirbt' jegliche 
Kraft,  nnd  ohnmüchtiges  Hingeben  tritt  an  ihre  Stelle.  Wenn 
also  ein  Arxt,  von  gesundem  Verstände  und  guten  S ch ulken ntnia- 
seo,  sich  lange  genug  mit  fremden  und  eigenen  ideellen  Abstrak- 
tionen den  Kopf  zermartert,  nnd  immer  etwas  Besseres  and  Bes- 
seres gesucht,  und  das  Ziel  der  Vollendung,  dem  er  eifrig  nach- 
rannte und  das  er  bald  zu  erreichen  wähnte,  gleich  einem  gau- 
kelnden Irrlichle  sich  immer  weiter  nnd  weiter  von  ihm  entfernt, 
und  ihm  nnn  endlich,  nach  so  vielen  vergeblichen  Versuchen,  die 
wahre  sichere  Leiterinn  des  Heilgeschäfls  zu  finden,  der  Glaube 
anfgedrungea  wird,  all  sein  Abmühen,  sein  treues-Ringen  nach 
Wahrheit  sei  eitel  gewesen;  ist  es  da  auch  wol  zn  wundem, 
dafs,  wenn  sein  Haar  ergraut,  er  seinen  oft  getäust^ten  nnd  bafs 
zermarterten  Kopf  auf  das  gemächliche  Kissen  der  rohen  Empirie 
bettet? 

Das  vierte  GescbicblUcbe,  worauf  ich  verweise,  ist  das'prak- 

♦      _,,, .Google 


—    103    — 

liflcfae  Geßihl,  der  KunsUiiui,  dieaeH  anbekanate  Elww,  norunf 
sich  die  sduilrecfaten  Aerste  berufen.  Hie  berufen  sicU  darauf  aU 
reclitliche,  aufrichtige  MSnner,  weil  sie  selbst  es  fühlen,  dafs  Jlire 
blofse  l^hre  allein  nicht  hinreicht,  sie  am  Krankenbette  xn  lei- 
Mn;  denn  wenn  diese  hinreichte,  würde  ee  doch  ausgemacbier 
Aberwiu  aein,  noch  ein  unbekanntes  dunkles  Ktwai  lu  Hülfe  xu 
rufen.  Das  praktische  Gefühl  raufa  also  am  Krankenbelle  dem 
Ante  entweder  luehr  sagen,  oder  etwas  Anderes  and  Besseres 
sagen,  als  die  Lehre,  welche  er  bekennt.  Sagt  ed  ihm  nun  mehr, 
als  die  mit  Worten  aossprechliche  Lehre,  ao  ist  offenbar,  dafs  die- 
se Lebre  etwas  ganz  Ueberflüsaiges  sei;  denn  das  Mehr  mufs 
doch  das  Minder  enihalien,  wie  der  Zehner  den  Fünfer.  Sagt 
ihm  das  Gefühl  aber  etwas  gana  Anderes  und* Besseres  als  die 
Lehre,  so  ist  die  Lehre  nicht  hloU  etwas  UeberBüsgiges,  sondern 
selbst  etwas  Schädliches,  weil  sie  den  jungen  Ant,  in  welchem 
das  praktische  Gefühl  noch  nicht  ausgebildet  sein  kann,  mm  Ver- 
derben der  Krankten  in  die  Irre  fiihreo  mufs-  Darum  ist  es  un- 
läugbar,  dafs  die  schnlrechten  Aerste  dadurch,  daf^  sie  ein  prak- 
tisches Gefühl  oder  Kunslsiim  als  Leiter  oder  Miileiter  am  Kran- 
kenbette annehmen,  selbst  schweigend  bekennen,  ihre  Heillebre 
sei  bei  dem  Heilgeschäfte  etwas  UeberSüssiges  oder  '  Schäd- 
liches. 

Das  ftiofie  meine  Ansiebt  bestfttigende  Geschicfattiche,  ist  dar 
sohulrechten  Aerzle  Scheidung  der  Theorie  von  der  Praxis.  Der 
gelehrte,  sogenannte  philosophische  Anit  siebet  ja  mitleidig, 
selbstgenügaam ,  fast  verachtend  auf  den  schlicht  verständigen 
Praktiker  herab ;  er  hält  sich  für  ein  weit  vorzüglicheres ,  viel 
edleres  Wesen,  für  ein  Wesen,  dasbwnfen  ist,  den  armen  Prak- 
tikern den  einzigen  Weg  zur  Wahrheit  xu  xeigen.  Da  er  sie 
aber  nicht  selten,  statt  zu  der  Wahrheit  Sonnentempel ,  in  Snnpf 
und  Moor  weiset,  so  ist  es  schon  längst  dahin  gekommen,  (Jafs. 
schlicht  verständige  Heiimeister  die  Wörter  Theoretiker  nnd 
Aherwitxling  für  gleichbedeutend  nehmen. 

Unser  firstliches  Wissen  ist  doch  ein  Erfahmngswissen.  Der 
Verstand,  wofern  er  ein  gesunder  Verstand  ist,  kann  nur  einen 
Bolchea  allgemeinen  Abzug  von  den  Einxelheilen  der  Erfahrung 
machen,  welcher  nichts  mehr  enthält  als  die  Einzelheiten  der 
Erfahrung  enthielten:  mithin  roofs  der  allgemeine  verslandhaftc 
Abzug,  als  etwas  rein  aus  der  Praxis  Hervorgehendes ,  eine  Ein- 
heit mit  der  Praxis  oosmacben.  Ist  dieser  Absug  (die  Lehre,  die 
Theorie)  nicht  eine  Einheit  mit  der  Praxis  (wie  es  der  Fall  bei 
allen  Scbiiliheorien  ist),  so  steckt  ja  schon  in  dieser  Doppelheil 
selbst  der  Beweis ,  dafs  eine  solche  Theorie  auf  etwae  anfserbalb 
des  sinolich  Erkennbaren,  auf  etwas  blofs  Ideelles  und  Phanta- 
stisches gegründet  sein  müsse. 


-    104    — 

Nachdem  icb  Dan  die  Gnindfeate  der  rationellempi riachen 
Ileillelire  eiaer  verstandhaften  Prüfung;  nnlerworfen ,  and  gezeigt, 
dar»  dds  Ergebnifs  dieser  Prüfung  mit  deiti  unsweifelliafien  Ge- 
Bohichilichen  fibereinBliinme,  so  wend«  icb  mieb  jetit  zn  der 
Grundfesie  der  reinen  Erfährangale bre  der  alieo  tieh^^inftme,  und 
werde  diese  eben  so  im part heiisch  schSizen.  Wenn  ich  aber  von 
der  Heilwirkung  der  Arzeneien  als  Bitsia  der  Ilrillehre  rede,  so 
biiia  ich  den  Leser  dringend,  nicht  dübei  an  die  nrzetteimiltel^ 
lebrigen  Kategorien  der  Schale  za  denlten ;  diese ,  als  etwas  blofn 
Ideelles  und  Theil  der  ralione'leiiipiriijchen  Heillehre,  können 
hier  durchaus  nicht  in  Betracht  kommen :  der  Leser  imifa  sie  ganz 
vergessen,  und  nur  an  die  blofse  Heilwirkung,  an  das  znm  Nor* 
lualslande  Zurlicbfiibren  des  Erkrankten  denken. ') 

Ex  fragt  sieb  also  zuerst,  ist  diese  Gnindfeste  unwandelbar? 
Ich  sollte  denken,  sie  sei  es.  Das  Heilwirken  der  Mittel  ninfa 
doch  nach  bestiinTnieo  Naturgesetzen  geschehen;  sie  dem  Zufalle 
zuxuscbreibrn ,  wKre  (Jnweisheii ;  denn  welchen  BegriS  woll- 
ten wir  mit  dem  Aasdrucke  Zufall  verbindcnl  Wir  könnten 
nur  den,  eines  Geschehens  aufserhalb  der  Sjthilre  der  Naiurge- 
setze  damit  verbinden.  Von  dem,  was  anfaerbHlb  der  Sphiire 
der  Naturgesetze  geschehen  könnt« ,  vermag  aber  der  Mensch, 
der  selbst  Theil  der  Natur  und  dessen  Denkvermögen  innerhalb 
der  Sphäre  der  Xaiiit  bescbrSnkt  ist,  nnmöglich  einen  wirklichen 
Begriff  zu  haben,  er  könnte  höchstens  einen  uneigentlichen,  ei- 
nen verneinenden  sich  anmafsen;  ich  sage  anmafaen,  denn  um 
zn  einem  solchen  negativen  Begrifi  r.u  gelangen,  würde  niohia 
Geringeres  erfodert,  ala  die  ganze  Natur  und  alle  ihre  Geseixe 
zu  kenn^i.  Wir  können  also  mit  dem  Ausdrucke  Zufall  nur 
den  Begriff  eines  solchen  Geschehenen  verbinden ,  von  dem  wir 
in  unserer  irdischen  Beschränktheit  nicht  nachzuweisen  vermögen, 
wie  und  wtiruni  es  geschehen;  das  Wort  ist  mithin  nur  ein  Mahl- 
Zeichen  unserer  grofaen  Unwissenheit  in  den  naifirlicben  Dingen 
und  überhaupt  unserer  menschlichen  Beschriinkiheit. 

Wenn  wir  also  zugeben,  dafs  die  Heilwirkung  der  Mittel 
nach  beatimmten  Naturgesetzen  gescbiehet,  so  werden  wir  der- 
selben auch  Unwandelbarkeit  zugestehen  müssen,  in  sofern  wir 
nämlich  der  Natur  und  ihren  Gesetzen  Unwandelbarkeit  zugeste- 
hen. Die  Heilwirkung  der  Mittel  muh  eben  so  sieber  sein  als 
die  Wahlverwandtschaft  der  Körper,  eben  so  sicher  als  der  I<anf 
der  Gestirne.     Die  Behauptung ,   ein  Arzneimillel  habe  im  vorigen 


*)  Bi  varitebl  licb  van  Mlbst ,  data  hier  surb  nicbl  vod  dem  geKneritcheD  Hei' 
lea  die  Rede  lein  kano,  welebea  durch  ffliodliehea  Apgreifan  ,  eotweder  dei 
GeNinpilarBtni»u4 ,  oder  eieielaer  Organe  eraiell  wird.  Ueber  dieeeo  Ge- 
(cntUed  ward«  ich    in  fi    Kipilel  diiece  BsiAet   bandelo. 

"■■■  - ^-—-^^■~ 


-    105    — 

Jftht«  eine-  Knmkheit  geheilt,  und  vertage  ia  diesem  Jabre  bei 
der  nSmlRfaen  Kraaliheit  seine  Dienste,  ist  eben  se  ifaöriolit,  aU 
es  die  Behaoplang  Hin  tviirde,  das  laufende  Jahr  ItSnne  woi  ein- 
nahl  XDi  Abwechaelnng  rier  oder  fänfbundeit  Tage  haben.  Diese 
Uede  kann  nur  dem  anaiöfsig  sein,  der  die  Begrifte  von  Krank- 
heit und  von  nosologischer  Form  mit  einander  veniüscfal.  Noso- 
logisehe  Formen  kümmern  an«  aber  hier  nicht;  wir  müssen  diese 
Kindericlapper  ans  der  Wi^e  unserer  KoiMt  gans  vergessen ,  wenn 
wir  die  Gmadfeate  der  reinen  Erfahrungsheillehre  richtig  fassen 
nullen. 

Da  wir  nun  der  Heilwirkung  der  Arsenoien,  wollen  wir 
nicht  in  Widersprüche  fallea,  L'nwandelbarkeit  mgeitefaen  müs- 
sen, so  wird  jetzt  n5lhig  sein,  so  untersuchen,  ob  man  ihr  aneh 
die  Erkennbarkeit  ansprechen  dürfe.  Mir  scheint  dieses  durchani 
keiopitt  Zweifel  nnierworfen ;  denn  wenn  wir  nicht  erkennen  könn- 
ten, ob  durch  den  Gebraiicli  der  Arzenei  der  Kranke  gedund  ge- 
wordfn,  so  würde  ja  uDsere  ganse  Kunst,  wir  mSchlen  sie  nnn 
nach  dieser  oder  nach. jener  Lehre  üben,  ein  wahres  Gaukel- 
spiel sein. 

Zwar  hat  es  Schriflsleller  gegeben,  welche  behanplet,  die 
prakrischfo  Aertte  seien  in  Betreif  der  Wirkung  ihrer  Mittel  Kin- 
bildlinge.  Diese  Schriftsteller  müssen  aber  wol,  wie  Hohenheim 
tagt,  Doktoren  des  Schreibens,  nicht  des  Getanrfmaebens  gewe- 
sen sein;  denn  wirkliche  Heilmeister  wissen  es  sn  gnt,  dafti  wir 
uns  die  reine  Heilwirkung  der  Mittel  nnmöglicb  einbilden  k6n- 
neo;  die  Kranken  selbst  entrücken  uns  schon  dem  Reiche  der 
Dfchiong  und  versetzen  uns  in  das  der  nüchternen  Wirldichkeit. 
Gern  gebe  ich  freilich  zu,  dafs  sich  der  praktische  Arzt  gar  wol 
einbilden  könne,  er  habe  einen  enizündlicben  Zustand  des  KSr- 
pen,  oder  einen  fauligen,  oder  einen  ijpbSsen  gehoben,  er  habe 
mit  reizenden,  oder  mit  stärkenden,  oder  mit.  kram  pf still  enden 
Mitteln  geheilt:  das  sind  aber  alles  blofs  ideelle  Uinge;  dem 
einen  kann  das  entzündlich  sein,  was  dem  andern  krampfig  ist, 
and  dem  dritten  kann  es  faulig  sein.  Wenn  die  schulrechlen 
Aerzte  nnter  einander  sich  der  Einbildung -bescfanidigen,  und  uort- 
Kecfaseln,  wer  Recht  oder  Unrecht  habe,  so  streiten  sie  ja  alte- 
samml  über  des  KHisers  Bart.  Uns  gehen  hier  diese  ideellen 
Dinge  gar  nichts  an,  wir  haben  es  blofs  mit  der  reinen  Heilwir- 
knng  der  Mittel  zu  ihun,  und  die  wird  kein  vernünftiger  Mensch 
für  unerkennbar  angeben,  oder  er  müfste  die  ganze  Medizin  als 
ein  Unding  verwerfen  wollen. 

Nachdem  ich  mm  die  Grundfeste  der  reinen  Erfabningsheit- 
Uehre  der  allen  GebeimÜrzte  an  den  oben  Hiifgeslellten  MafstHab 
gehallen,  und  die  Leser  boBenllicli  »lit  mir  einversiaadt-n  sein 
vterden,    dals   selbige   die  Erfoderniase  einer  guten  Gruudfeue  in 


-Jügic 


—    106    — 

weit  höherem  Grade  habe,  bIs  die  Grandfesten  der  ratitraeUefli- 
piriachen  und  der  roheinpiriBcbeD  Ileillehre,  so  will  ich  jelit  die 
ersten  Grundziige  der  reinen  ErfafaruDgvheiUehre  entwerfen.  IJin- 
ücbtlich  des  Feineren,  PrakiischeD  der  Lehre,  mnfa  ich,  weil 
CK  nur  durch  Beobachtung  erkannt  wird,  auf  die  folgenden  Kapi- 
tel verweise^.  Auch  die  Lehre  von  der  epidemischen  Constitu- 
tion, von  der  Paracel^schen  Astronomie,  kann  ich,  weil  sie  auf 
blober  Beobachtung  beruhet,  in  diesem  für  das  Verstandhafte  be- 
stimmte Kapitel  nicht  voriragen ,  und  verweise  den  Leser  auf  die 
folgenden  Kapitel,   nameqtlich  auf  das  siebente. 

Wir  wollen  bei  den  Krankheitsursachen  anfangen.  Die  reine 
ErfabruDgsheil lehre  erkennet  nur  Eine  Art  Krankheitsursachen  an, 
näiulich  jene  sinnlich  wabniehmbaren ,  welche  man  krankheil- 
enthaltende  nennt,  weil  blofs  durch  die  Entfernung  derselben 
die  Krankheit  gehoben  wird ,  oder  weil  doch  die  Entfernung  der- 
selben nnerlftJsliche  Bedingung  des  Ueilens  ist.*)  Der  reine  Er- 
fahningsarzt  betrachtet  aber  dieses  ursächliche  Heilen  als  ein  blo- 
faes  Geschäft  des  schlichten  Mensch  en  verstand  es ,  und  hütet  sich, 
dasselbe  xu  «erkünsteln.  Er  wendet  «eine  beschränkten  Kennt- 
nisse des  Organismus  und  die  Hülfawissenscbafien  der  Kunst  da- 
zu an,  dafs  er  die  im  Korper  vorbandcneo  krankmachenden  ma- 
teriellen Ursachen ,  sie  mögen  in  dein  Körper  selbst  erzeugt,  oder 
von  aufsea  hineingekommen  sein,  auf  eine  das  Getriebe  des  Or- 
ganismus am  wenigsten  störende  Weise  entferne;  damit  auf  alle 
Falle,  wenn  er  sieb  auch  in  der  Erkehntnifs  möchte  geirret  ha- 
ben, and  aus  der  Ursachkrankheit  schon  eine  selbstständige  ge- 
worden wlire,  er  eicht  durch  feindliches  Eingreifen  das  Wohl 
oder  das  Leben  des  Kranken  gefährde.  Er  handelt  also  wie  ein 
guter  Fechter,  der  nicht  blofs  seinem  Gegner  einen  derben  Stofs 
zu  versetzen  sucht,  sondern  der  dieses  auch  so  ibut,  dafs,  im 
Falle  der  Stofs  mifslänge,  er  immer  gedeckt  bleibt.  Dieses  ist 
die  einzige  Veredlung  des  ursachlicheo  Heilens,  dieses  einfachen 
Verstandes-  und  naiurlriebigen  Geschäfts,  welche  sich  der  reine 
Erfahrungsarzt  erlaubt.  Was  die  übrigen  Krankbeilsursacben  be- 
trifft, die  io  der  Krankbeilsl^hre  unter  mancherlei  Namen  vor- 
kommen, so  läugnet  er  diese  im  Allgemeinen  nicht,  aber  er  sie- 
bet in  dem  Einzelfalle  jede  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand 
als  nutzlos,  ja  als  schädlich  an,  weil  der  Gegenstand  aufseihalb 
der  Grenzen  des  uienschlichen  Wissens  liegt.  **) 


')  Der  Begriff,  dei  Elter«  Acnte  Mit  dwi  Asidracke  Cauiu  tomtimem»  ver- 

basdcD  ,  Iit  lebr  *cbwiiikend. 
**J  Oeber  dieiiD   wiehiigep  Paakt   werde  ich  in  tiebent«*  Ripilel,    weichet  voa 

der  Erkenntnllk  der  Rrsekheit  handell,  ■eifSbrlieb  redea,  ■■&  m\A  alte  hier, 

ta  Wiedsrkohugea  ■IclichM  ■•  BeiAae  ,  kan  fUtea. 

.,,,_„,,,, Google 


—    107    — 

D«r  reia«  Enpiriker  will  lo  gmt  als  der  ratioselle  dm  We- 
sva  der  Krankheit,  dax  feindliche  Ergrifi'enieln  dei  Lebeaa,  in 
aofern  eg  von  der  Krankbeitifoim  Terflcbieden  iit,  erkennen.  Er 
>agt  es  eich  aber  deuiliefa,  welchen  einzig  mSglichen  Begriff  sein 
Ventaod  von  diesem  nntichtbaren  Weaeo  haben  kBone ,  nSmlich 
ei  Ken  blofr  bezieh)  ichen. 

Daa  Weien  der  Krankheit  iat  doch  an  licb  etwas  linnlich 
UnerkeBDbares,  also  können  wir  auch  nur  da«  Verbillnifa  unn- 
lich  erkennen,  in  welchem  es  an  demjenigen  Theil  der  Suberen 
Namr  ueiiet,  den  wir'Ueilmittel  nennen,  milbin  nur  einen  nn- 
etgeatlicheo ,  einen  relativen  Begriff  von  demselben  haben.  Hier 
aniemeheidet  sieh  der  reiae  Jürfabrun^aiat  stark  von  dem  aoge- 
nannten  rationellen ;  letMer  «alat  sich  entweder  einen  anbesieli- 
lichen,  einen  wirklichen  Begriff  an,  oder  er  Urst,  als  echter 
Mystiker,  sich  selbst  und  andere  nber  die  Natur  seines  Begriffes 
im  Dunkeln. 

Da  wir  von  dem  Wesen  der  Krankheit  nichts,  als  sein  Ver- 
bftltnifa  zb  der  Heilwirkung  der  Arseneimittel  sinnlich  erkennen 
können ,  so  gibt  es  flir  unseren  Verstand  auch  so  viel  erkennbare 
Krankheiten  ,  als  Heilmittel  in  der  Natur  nad.  Du  Wesen  einer 
Krankheit,  auf  welche  wir  kein  Heilmittel  -wissen,  bleibt  so 
lange  flit  aoserea  Verstand  etwas  Unerkanntes,  bis  wir  das  wahre 
Heilmittel  gefunden.  Wir  dürfen  also  wol  von  einer  Krankheit 
behaupten,  sie  sei  unerkannt,  aber  nidit,  sie  sei  unerkennbar: 
letUe  Behauptung  wSrde  die  nawaise  Vorausaetaung  in  sich  schlier 
ften,   wir  kennetea  alle  HeiUErfifie  der  ganxeo  Kufseren  Natur. 

Die- Crfahraog  bat  gelehrt,  dafs  es  Mittel  in. der  Natur  gibt, 
welche  erkrankte  Organe  gesund  machen.  Das  Wie  des  Gesnnd- 
Machens  Hegt  aufserbalb  der  Greaien  des  menschliehen  Wissens, 
also  ist  es  auch  höchst  onverstSndig,  data  man  die  Organbeilnit- 
tel  nnter  solche  Kategorien  reihet,  welche  die  Art  ihres  Heilwir- 
kens andeuten  sollen.  Der  reine  Erfahrungsarxt  erkennet  in  jedem 
Offene  so  vielerlei  mSgli^e  krankhafte  Zusiftnde  an ,  als  ihn 
die  Erfahrang  Heilmittel  auf  das  Organ  gelehrt  hat,  dabei  zuge- 
bend, dafs  noch  andere  Krankheiten  des  Organs  möglich  sind, 
welche  ihm  nicht  bekannt,  anderen  Aerzlen  aber  gar  wol  bekannt 
sein  können.  So  kenne  ich  z.  B,  in  der  Leber  eine  Schellkraut-i 
eine  Brecfanufa-,  eine  Frauendisiel  - ,  eine  Terpenihin-  und  eine 
Quassiakrankheit ;  ich  behaupte  aber  nicht,  andere  Krankheits- 
znsl&nde  dieses  Organs  seien  unmöglich,  sondern  ich  g^e  gern 
in,  daJs  meine  praktischen  Leser  noch  m^re  Leherkrankheiten 
kennen  können  als  ich ;  ja  ich  verwerfe  nicht  einmahl  die  Mög- 
lichkeit einer  künftigen  Leberkrankheit,  deren  Natur  uns  allen 
unbekannt  sein  kaon,  weil  wir  vielleicht  allesammt  ihr  wahres 
Heilmittel  nicht  kennen.     Die  Leset  geben  also,    dab  ich  das 


—    108    — 

Wesen  der  Organerknu^angeo  nicht  in  dem  KiJrpcr  flberhAupt, 
sieht  in  dem  kraniteo  Organ  >elbu,  aoadern,  wie  Paracaluu 
rätb,   ia  der  äufaeren  Natur  such«. 

Auf  dem  Wege  der  Beobadiliiag  halten  dia  reinen  Erfali- 
ningsärele  erkannt,  dafa  es  Mittel  in  der  Natur  gebe-,  welche, 
wo  nicht  alle,  doch  die  meisten  Krankheitsformea  beseitigen 
könniea.  Aus  solcher  Beobachtung  schlössen  sie,  diese  Mittel 
konnten  nnniögUch  auf  einzelne  Organe,  sondern  sie  müfsien  auf 
etwas  Allgemeineres,  von  den  Oi^anen  VerschiedeiMs  heilend 
einwirken,  und  sie  nannten  sie  deshalb  (JniTersalniillel.  Das 
Allgemeine,  worauf  sie  wiricen,  ist  ein  Unbekanntes,  Gber  des- 
sen räumliobes  Sein  wir  wol  Vemiathnngen  anfstellen  ,  aber  keine 
Gewifsbeit  haben  können.  ")  Das  einaige  Sichere,  was  wir  wis- 
sen, iät,  dafc  etwas  Allgemeines  im  Körper  sein  müsse,  worauf 
die  Universal  mittel  heilend  einwirken.  Der  reine  Erfahrungsarsii 
der  das  blofs  Vermnthliche  nicht  in  seine  Heillehre  aufnimmt, 
begnügt  sich  mit  diesem  sicheren  Wissen  und  gehet  nicht  darüber 
hinaus.  Er  begreift  auch,  dalii  er  das  Wesen  der  Erkrankungen 
jenes  leiblich  Unbekannten,  Allgemeinen,  nicht  in  dem  Körper 
selbst,  sondern  mir  in  der  äiifseren  NaluV  und  zwar  in  den  Uni- 
versalmitteln  ^   durch  deren  Heilwirkung  erkennen  könne. 

Ich  werde  in  diesem  Werke  das  Unbekannie  in  dem  Körper, 
was  erkrankt  durch  die  Uni  versalb  ei  Im  itiel  geheilt  wird,  mit  dem 
Namen  Gesammtorganismns  belegen.  Gern  bKlie  ich  einen 
besseren  Ausdruck  gewählt ,  wenn  mir  ein  besserer  eiDgefallen 
wfire ;  jeder  andere  jedoch ,  der  auch  nur  vertnulfaen  liefse .  man 
wolle  durch  ihn  des  Unbekannten  Leiblichkeit  «der  RBumlichkeit 
andeuten,   würde  offenbar  schlechter  sein. 

Dafs  die  alten  Geheimärsie  Kupfer,  Einen  und  kubischen 
Salpeter  [iir  Universalmitlel  erkannten,  ist  keinem  Zweifel  unter- 
worfen; dals  «ie  aber  nur  diese  drei  gehabt,  Ififst  sich  durch 
eine  ehrlich  verstandbafte  Kritik  nicht  ausniiileln,  denn  sie  sind 
sehr  dunkel  in  diesem  Punkte.  Da  iab  aber  ihre  Heillebre  zwan- 
zig Jahre  am  Krankenbette  erprobt  habe,  so  ist  es  mir  durch 
vergleichende  Beobachtungen  klar  geworden,  dafs  sie  kein«  an- 
dere Univeisalmitiel  können  gehabt  haben  als  die  genannten 
drei.  ") 


')  Du  Vtmiiithlicba ,  «m  licli  daräber  itgtn  lafit,  wards  ich  Im  vierten  Kapi- 
tel vorirageo:  Jedocli  nater  einer  beeandereB  AiftehrUt,  dasiil  mir  Niemiad 
verwarbn  küose,  kh  veniiMh«  da*  VeraiBlUicke  solofiiefa  hii  der  reian 
Brr«brus. 

**)  Et  $t)ilin  viel  Gedald  agd  ein  gute«  Bciiehlichk  eil  «gedacht  pif«  dam,  am  d«a 
GeheirDÜntea  hinter  die  Schliche  in  ttoBimen.  VVnllle  ich  c«  der  LÜnge  nach 
analegen,  wie  Ich  nach  und  necb  durch  Vrrgiciehang  dnakler  Andeolungm 
ivi  ReymMHäui  LhIHhi,  Pkr«ee/iiu  ,  Becher,  Ctaltiia,  fottriia,   IfmeritltHtm 

"■■■  -     "  ---— 'O" 


—    109    — 

Der  Sant:  m  gibt  ilrci  UniTarNlnill«!  in  4er  \ainr,  nni 
dici  dnrcfa  dieseJbeo  beilbar«  KraokhcttnostSnde  des  Gesamnit- 
organiBmus,  ist  iiickti  ander««  nnd  kann  nichts  anilereB  MJn  als 
ein  reines  Abiinkt  von  den  Einielheitra  der  Erfahrung.  Rein 
bt  nur  dann  ein  aUgemeiner  Erfabmngssali ,  wenn  er  nichts  nwbr 
eatblli,  als  die  EiMielfaeite(^  der  Erfabrang  enthalten,  von  wel- 
chen er  ■bgexi^;en  ist.  Enihfilt  mt  mehr,  so  kann  dieses  blofs 
etiTRS  Credukenbild liehe»  «ein,  welches  am  Krankenbette  wol 
■ehwerlicb  grtifeen  Wenh  habMi  wird.  So  lange  nnser  Erdball 
in  den  Verbiltnisse  xn  nnderen  WeltkSrpem  bleibt,  in  welchem 
er  sich  bis  jeist  befonden ,  werden  aneh  die  Leiber  der  Mensebea 
«rol  Roleben  Erkrankungen  des  Gesumm torganismns  nnterworfeit 
bleiben,  welche  anier  der  HeilgeWalt  des  knbiscben  Salpeins« 
»der  des  Kopfers,  oder  des  Eisens  stehen.  Anch  der  grSftle  Ei- 
ferer wird  dagegen  nicht  streiten,  Toransgeselzt ,  dafi  er  die 
Heilwirlning  dieser  wohltfafitigeo  nnd  mRcbtigen  Mittel  etwas  bee- 
ler  kennt,  als  er  dieselbe  bis  Jetst  ans  den  papiemen  BniAien 
«neben  konnte.  Darara  nennet  ancfa  BtiymMitdHM_  LmlHma  mitvol- 
lem  Recht  ein  Universalmittel  Realität  mn^ertaiw. 

Das  Einxige,  was  man  gegen  die  Ahen  einwenden  ktante, 
wBre,  dafs  jene  drei  Univeiaalmitte]  nicht  alle  UniTersalkrafie 
aller  anderen  Mittel  enthielten,  detien-  die  Aenie  allgemeine 
Heilkräfte  nsehreiben.  Voraus geset st,  dafs  man  hier  nicbt  anf 
die  feiDdlicben  Vniveriaiia  xielt,  als  Quecksilber,  Arte- 
Bib  n.  ■.  w.  <i*it  denen  wir  jetst  nicht  sa  tbnn  haben,  denn  e> 
baodelt  sich  von  solchen  Allgemeinmitteln ,  die,  dem  Organismns 
befreandet ,  den  Gesanden  nicht  krank ,  sondern  den  Kranken  di- 
rekt gesund   machen),    ao   siebet  der  denkende  Leser  leicht  ein. 


tu.  zsr  ErkiBotnir«  itt  Unircnalmittet  gel*ii|;t,  lo  wBrde  meine  AnileguDg 
M*ri  aef  oiae  bficharilebfl  AltArtkÜnilai  hiaamlanfCD;  unter  drei  hundert  Aerxlen 
BMet  ritk  «her  k»ui  eii  eiaiieer,  der  Sio*  Kr  elae  aalche  Aulofiiig  baham 

«Scbte,  smI  da  Kir  gaai  dit  GaiM  UU  ,  darflaMbss  trookaa  UHweilif- 
keitaa  anterhaltead  aal  aatnntbig  vnnutragaa  ,*  lo  bomarke  iefa  meiaen  übrigen 
Leiero  ,  die  alch  nickt  gen  liügweilen  Uiien  ,  luir  künlieh  Folgaodei ;  Ho- 
kenbeim  venteht  unter  dem  Worte  Chgirt  Eiiea  nnd  nnter  im  V/orU  Antrat 
Rafirar,  kUlM  neaDot  «r  aoeh  wol  itrppMHimi  AHlhot ,  oder  anek  bloff 
8a„JUni« ,  wt«  «r  (MMaaOUb  ia  niatr  Chiiwsie)  aa  einar  Stella  dta  Eiiea 
Carallut  oeanet.  —  Sollta*  die  weaifan  Altarthiimler  nntar  neiaaa  Laiera 
■il  dieaer  BeBerknog  nicbl  einTer«t«adea  «ein ,  eo  kum  icb  mieb  mil  Ihnen 
gar  leicbl  vertragBii ,  ieh  bin  ninilich  erbBtig,  "die  KnldeekunB  der  UniTerial- 
beilkraft  du  Biaani  nnd  Knpreri  ,  wenn  lie  dlaielbe  den  Ittrocbcmtkern  ab- 
■precba« ,  ala  Beia  Elsentbua ,  and  zwar  ah  eia  «tr  Toa  ibaea  aarsedraDRenea 
aaaehaMB,  ao  aind  ivir  (erlig;  dano  jane  Bnldadnes  wird  diwb  wol  niebt  gar 
(»ie  dia  SantUa  Mteu}  Ret  nnllint  lein.  Was  den  knbitcben  Salpeter  be- 
Irin ,  (0  kann  man  dieieu  nnd  denen  Bereitung  oban  HjUk  in  den  Paracel- 
riuben  Sebrinan  nachweisen.  Irh  «erde  in  dem  erden  Abaehnille  de»  vier- 
tea  KapiUfa  »ebr'darM  tagea. 

"■■■  - ^-—-^^■~ 


—  ito  — 

imb  sifflh  iibrr  solche  Einwandiingen  dnrchsnii  atcht  itreiten  Ififst. 
Der  rationdln  Einpirikcr  kana  innsrhalb  der  Schranken  seiner 
Theorie,  und  machte  er  sich  dieaelbcn  agdi  noch  wo  gerftomig, 
nnindf lieh  gegen  die  reine  ErfabniDgslehre  strnlen ;  wollte  er  aber 
ans  diesen  Schranken  (relen ,  so  müfste  er  entweder  aaf  die 
Grundfesie  der  rohen  Empirie  fafae»,  oder  er  würde,  anf  nichts 
fufiend,  in  der  Luft  schweben  (wo  sich  denn  auch  Übel  ficht); 
oder  er  müfste  sich  xum  Streit  anf  einen  höheren  Standpunkt  stel- 
len, den  ich  mir  bis  jetzt  noch  nicht  habe  denken  können.  Damm 
kann  diese  Sache  wol  ein  Gegenstand  ruhiger  Unleraoehung  am 
Kmokenbette ,  aber  nimmer  ein  Gegenstand  des  httssigea  Strei- 
tens und  Bücherscbreibens  werden. 

Uebrigens  hoffe  ich,  die  Leier  tränen  mir  so  viel  Verstand 
xn,  dafs  ich  einem  allgemeineo  Erfahrungssatze ,  und  wftre  er 
auch  noch  so  rein  ron  den  Einzelheiten  einer  laus  endjährigen  Er- 
fahrung abgezogen,  keine  ewige  Feste  zaachreibe.  Hat  er  sii^ 
auch  noch  so  lange  als  wahr  am  Krankenbette  bestätiget,  so  kann 
es  immer  möglich  sein,  dafs  man  früher  oder  spilier  genftihig^  ist, 
ihn  xn  erweitern  oder  su  verengern.  Ich  glaube  aber,  dafs  nllge- 
meine  reine  Abstrakte  von  den  GJnzelheiien  der  Erfahrung,  trots 
dieser  Unvollkommeobeit,  die  ihnen  allen  leider  gemein  ist,  doch 
noch  weit  bessere  Leitregeln  am  Krankenbette  sein  werden,  als  gana 
oder  faalbideelle.  Jede  der  drei  Erkrankungen  des  Gesammtoi^- 
nismus  kann  in  jedem  Organe  vorwalten  und  allerlei  nosologische 
Formen  hervorbringen.  Da  nun  diese  Formen ,  je  nachdem'  die 
Erkrankung  geartet  ist,  durch  kubischen  Salpeter,  oder  durch 
Eisen,  oder  durch  Knpfer  beseitiget  werden,  so  kann  der  flüch- 
tige und  ungeduldige  Beobachter  leicht  anf  den  Gedanken  ger»- 
ihen,  die  Universalmiitel  seien  Organheilmittel.  Dieser  Gedanke  ist 
aber  irrig;  die  Ueberseugung ,  dafs  er  irrig  sei,  kann  man  je- 
doch nur  durch  Geduld,  und  mit  der  Zeit  durch  vergleichende 
Beobachtungen  erlangen. 

Die  Universalmiitel  heilen  nnr  Uraffektionen ,  selbststSndige 
des  Gesammlorganismns ,  nicht  aber  consensuelle.  Also  werden, 
weder  Salpeter,  noch  Eisen,  noch  Kupfer  solche  Fieber  heben, 
welche  consensoell  von  einem  urerkrankten  Organ  abhangen. 
Diese  können  einzig  durch  Heilen  des  nrerkrankten  Organs  ge- 
heilt werden. 

Alle  Organheilmitlel  heilen  Dur  Urerkranknngen  der  Organe, 
nicht  conseosoelle  und  eben  so  wenig  Vorwaltungen  der  Atfektion 
des  Gesammiorganismas  in  den  Organen.  Die  wohlthfitige  Wir- 
kung, die  sie  in  beiden  letzten  Organatfektionen  »weilen  äufse- 
ren,  ist  nicht  eine  wahrhaft  heilende,  sondern  bloh  eine  be- 
schwichtigende,  bald  wieder  verschwindende  und  täuschende. 

Es  kann  eine  Ureiknmkung  de«  GesammlorganisinnB  nnd  eine 


UrerganerknnkuDg^  gleichxeitig  im  Körper  bealchen;  rfaii  niiti 
dann  die  Mlidikninkheiteii ,  welch«  oft  genog  in  der  fntxis  vor- 
komaien. 


loh  habe  jetit  meinen  Legern  den  ersten  rohen  FlntwurT  der 
reltaan  Erfahrnngshei Hehre  vorgelegt;  aus  deiaselben  ergibt  «cb 
dar  deutliche  Begriff  dieser  Lehre  von  aelbal,  sie  ist  nftmlicb: 
«ine  auf  die  direlcie  reine  Heilftirkung  der  Ananciea  gegruadele 
Lehre,  die  von  den  Einzelbeiten  der  Erfahrung  reine  allgemeine 
Erfahr« ngssälze  abziehet  und  diese  eiiuig  als  Lritregein  des  Ileil- 
gesebäftes  anfslelli.  —  Ist  nun  das  endliche  Ziel  möglicher  Voll- 
endung unserer  Kuait  in  den  engeu ,  bescheidenen  Grensea  des 
sinnlich  ErLennbaren  und  rein  Rrfithrungsgemäfsen  xa  suchen,  so 
haben  ungnweifelt  die  allen  GeheimBrite  den  rechten  Weg  ein- 
geschlagen; ist  aber  jenes  Ziel  möglicher  Vollendung  in  den  nn- 
geiuessenen  Räumen  des  Ideellpn  zu  suchen,  so  mufs  der  Weg, 
den  die  rationellen  Empiriker  wandeln,  der  wahre  sein. 

Ich  selbst  folge  freilich  der  reinen  Erfahrnngslehre ,  und  habe 
die  rationelle,  als  eine  am  Krankenbette  unbrauchbare,  iRngst 
verlassen;  aber  deshalb  fühle  icb  nicht  die  mindeste  Neigung  in 
ntir,  meine  Ueberzeugung  andern  aufzudringen.  Was  ist,  wer- 
the  Autsbf iider !  ärztliche  Verslandeawahrheit  in  dieser  unvoll- 
kommenen Weltl  —  Mir  scheint,  nur  das  ist  jedem  unter  uns 
Wahrheit ,  was  sein  Verstand  als  aolcbe  erkennt ;  und  dafs  er 
ein  Dieses,  und  nicht  ein  Anderes  fiir  wahr  hält,  hängt  von  der 
eigen thümlicheo  Bildung  seines  Verstandes,  und  diese  wieder  von 
erblicher  Anlage,  von  Erziehung,  vom  Umgange  mit  anderen, 
von  der  Zeil,  worin  er  lebt,  und  von  gar  manchen  ZuHilligkei- 
ten  ah,  welche  nicht  in  seiner  Gewalt  siehn:  darum  ist  es  fast 
widersinnig,  mit  jemand  über  das,  was  wahr  oder  nicht  wahr 
sei,   EU  rechten. 

Wie  es  eine  uoerklärbara  VerwaDdlachaft^  unter  den  Körpern 
gibt,  so  gibt  ea  auch  eine  nnerklärbare  Verslandesverwand tschaft, 
die  bestimmt  nicht  von  dem  Mehr  oder  Minder  des  Verstandes 
abhängt;  hinge  sie  davon  ab,  so  müfste  die  Meinung  eines  Man- 
nes von  grofsem  Verstände  den  ausschliefslichen  Beifall  aller  gro- 
Iseo  Geister  haben  und  nur  den  beschrAnkien  Köpfen  als  Irnhnm 
erscheinen.  Die  Erfahrung  lehret  aber  gar  oft  das  Gegeniheil. 
Ein -Schwärm  beschränkter  Köpfe  bfilt  zuweilen  die  Meinung  ei- 
nes Mannes  von  grofsem. Verslande  nicht  blofs  fCr  wahr,  soodetn 
macht  selbst  Miene,  sie  mit  Feuer  und  Schwert  vertheidigen  zu 
wollen ,  indela  sie  anderen  klugen  Köpfen  Irrthum  zu  sein  he- 
dünkt.  So  kann  denn  auch  nur  den  mit  nur  verwandten  Geistern 
meine  deutlich  begründete  Meinung  Wahrheit,   den  unverwandten 


—    112    — 

muh  sie  Irrtham  sein.  Von  einem  imverwanHlen  Verstände  Bei- 
fall erwarten,  wRrde  ebea  lo  anweise  sein,  rIr  vonreiiTef  F«m, 
der  ich  leiblich  nidrig,  sinnliche  Liebe  heischen.  Wie  abwei-. 
chend  also  aticli  unsere  Wege  im  Keiche  des  Verstandes  laufen 
nißgen,  meine  Freunde!  so  lafat  uns  doch  nie  einander  lieblos 
des  Unverstandes  zeihen;  lafst  uns  vielmehr  wohl  bedenken,  wie 
nnvollkonimen ,  wie  bescbrSnkt  der  menschliche  Verslnnd  Ist, 
und  wie  wir,  bei  aller  Verschiedenheit  unserer  Versiandegan- 
stchten,  doch  als  wahrhafte  Aente  den  ernsten  Willen  haben,  der 
Menschheit  Leiden  zn  mildem,  also  in  dem  Gotiesreiohe  der 
Liebe  allesammt  nnr  Einen  Pfad  wandeln.  Gegenseitiger  Glanbe 
an  ein  treues  Streben  nach  diesem  frommen  Zwecke  der  Kunst, 
und  Friede  und  Eintracht  sei  mit  uns  für  and  für. 


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»rUtea    KnplteL 


Eial  eituug. 

Mwie  Schwierigkeit,  gule  Organheilmittel  kennen  zn  lernen, 
ist  uhi  grofj).  In  der  folgenden  Untersuchung  werde  ich  Gele- 
genheit genug  finden,  den  Lesern  dieses  recht  anichaulich  zu 
machen  ,  weit  anachaHÜcher  als  es  in  dieser  Einleitnng  geschehen 
könnte.  Hier  beschrünke  ich  mich  blofs  auf  folgende  Bemerknng. 
Die  Urerkranknng  der  Organe  ist  in  manchen  Fällen  deallich 
dnrch  Zeichen  zu  erkennen,  in  anderen  nur  undeutlich,  and  wie- 
der in  anderen  gar  nicht;  was  wir  sehen,  sind  consensuelle  Za- 
mie,  die,  znweilen  garvieldeaiig,  auf  das  nrergriffene  Organ 
nicht  hinweisen.  Wollen  wir  also  Organheilmittel  kennen  lernen, 
■0  müssen  wir  die  Belehrung  bei  den  deutlich  ausgesprochenen 
Crorganerkranknogen  suchen ,  nicht  bei  den  nndenllichen ,  und 
noch  viel  ^teniger  bei  den  dnrcb  Zeichen  ganz  nnerkenn baren. 
Es  gibt,  wie  ich  in  dem  Folgenden  zeigen  werde,  Fälle,  wo  wir 
die  Urerkranknng  eines  Organs  mit  Augen  sehen,  mit  Händen 
greifen,  uad  doch  ist  das,  was  wir  sehen  und  greifen,  blofs 
das  consensoell  Erkrankte;  das  Urerkrankle  ist  noch  verhor- 
gen.  Solche  iSaichende  Fälle  veranlassen  grofse  Imhiimer  in 
der  Medizin.  Wir  entgehen  diesen  Irrihiimern  nur  dadurch,  dafs 
wir  nnn  nicht  durch  etliche  Beobachtungen  oder  Versuche  hin- 
länglich belehrt  glauben,  sondern  viele  Fälle  mit  einander  ver- 
gleichen; denn  nur  durch  die  Vergleichung  rieler  Beohach- 
luDgen  können  wir  zu  der  wahren  praktischen  Ueberzeugiing  von 
4er  Heilwirkung  der  Organmittel  gelangen. 

Ans  dem  Gesagten  folgt,  dafa  der,  welcher  in  dienern  Punkte 
fm, stehen  will,  nicht  blofs  vielen  Fleib  anwenden,  sondern 
><>ch  grobe  Geduld    haben  nub;   denn  er  mnfs  Ja  warten,  bis  die 

.  -» '^'S'^' 


~     lU    — 

KrHukheiisfülte  sich  ereigaen,  die  ihn  belehren  können.  Bc- 
kKnalMch  erkranken  einige  Organe  häufiger,  andere  seltener;  den 
wiihren  tiebrauch  eiaes  Miirels  anf  ein  solches  Organ,  welches 
h&ufig  erkrankt,  kann  ein  beschäftigter  Arzt  nicht  vor  vier  Jah- 
ren gründlirh  kennen  lernen;  Mlitel  auf  Organe,  welche  aelieoef 
erkranken,  erfodem  zu  ihrer  gründlichen  Erforschung  weit  lun- 
gere Zeit. 

In  der  folgenden  Unlerauehing  habe  ich  nur  solch«  Oi^n- 
mittel  aufgeführt,  welche  ich  durch  eigenen  Gebrancb  kennen 
gelernt.  Wo  ich  von  etneni  Mittel  nicht  ausdrücklich  sage,  dnfs 
ich  es  nnr  kurze  Zeit  erprobt ,  können  meine  Leser  darauf  bauen, 
dafs  ich  es  durch  den  Gebranch  hinlSnglich  kenne.  Haben  sie 
die  vorigen  zwei  Kapitel  mit  Aufiuerksamkeit  gelesen,  so  wird 
es  ihnen  deutlich  geworden  sein,  dafa  die  reine  Erfnbrnngslebrci 
dem  Forsch ungsgeisre  des  Arztes  alle  Freiheit  läfst;  es  wird  sie 
also  auch  nicht  befremden ,  in  dem  Folgenden  auf  solche  Mittel 
zn  slofsen,  welche  erst  nach  dem  16ien  Jahrhundert,  ja  auf  sol- 
che, welche  erst  zn  unserer  Zeit  in  den  Arzenetscbaiz  gekom- 
men. Man  mnfs  das  Gute  suchen,  wo  es  zn  finden  ist;  e»  fin- 
det sich  aber  eben' sowol  in  unserer  Zeit,  als  in  der  frilfarren, 
jn  selbst  unter  solchen  Mitteln,  welche  man  heut  zu  Tage  ver- 
altete nennt. 


Krater    Abschnitt. 

BaackmlMel. 

Frauenäitiei»ame. 

Zuerst  mufs  ich  von  zwei  Mitteln  sprechen ,  welche  nnf  Le- 
ber und  Milz  gleich  wobhhStig  wirken,  zu  diesen  gehört  der 
Frauendistelsame.  Am  Ende  des  vorigen.  Jahrhunderts  sah  ich 
einst,  dafs  eine  Frau  durch  dieses  veraltete  Mittel  vom  chroni- 
schen Seitenstechen  befreit  wurde.  Ein  Bchlicfaler  Landmann  hatte 
es  ihr  geralhen.  Da  ich  nan  früher  meine  schulrechten  Künste 
vergebens  bei  ihr  angewendet,  so  machte  mich,  der  ich  dnniahls 
schon  ztark  an  der  Unfehlbarkeit  der  Schullehre  zweifelte,  diese 
Heilung  stnlzig.  Das  vermeintlich  unwirksame  Miitel  schien  mir 
der  Beachinng  werth,  ich  wendete  es  in  einigen  Fällen  schniert- 
hafter  BmstaflektioD  an;  da  es  sich  aber  als  uowirknm  auswies, 
kam  es  bei  mir  in  Vergessenheit.  Damahls  war  ich  zu  einer  sol-  - 
eben  Untersachong  noch  nicht  beHthiget. 

Es  mögen  jetzt  18  oder  19  Jahre  sein,  da  sollte  ich  einer  Fran 
helfen,    welche  in  den  \iederlandea  mehrmahls  und  hier  im  Lande 


—     115    — 

Ein  Mnhl  an  chraniiiehem  Erbivchen  gelitten,  dnMit  Gntnrf  we- 
iter der  niederlHndiscbe  Arxi,  noch  ich  erknnnt.  Ch  hotte,  wenn 
e*  ^echs  bis  »ch(  Wochen  gewährt,  nach  irnrf  nnch  von  iielbfit 
aufgebort,  ohne  dafn  man  hüile  behaupten  kennen,  die  gereich- 
ten Arxeneinn  haben  auch  nur  das  geringste  sn  dem  Aufhören 
beigetragen. 

Ihr  jeizige«  Uebel  bestand  aber  nicht  in  Erbrechen ,  sondern 
in  Baiichscbinerz.  Dieser  Schmers,  obgleich  er  den  ganxen  Baiicb 
einnahm,  war  doch  in  der  Umgegend  des  Blinddarmei  besonders 
TOrwallend.  Alles  wol  erwogen,  hielt  ich  ihn  fTir  ein  consen- 
(nelles,  ron  einer  IJmfiektion  Her  Leber  abhnitgendes  Darmlei- 
den. Ob  Gallensteine,  oder  Verhartnng  eines  TheÜs  der  Leber 
Torhanden ,  war  nngewifs ;  beide  Uelwl  sind  gnr  ichlimm  zn  er- 
kennen, nnd  letztes  wahrlich  nicht  immer  mit  Hündin  za  grei- 
fen. Ich  hatte  xn  jener  Zeil  zwar  schon  eine  reiche  Erfabmng 
ober  chroniflche  nnd  akute  Leberübel,  sie  half  mir  aber  in  dem 
gegenwärtigen  Falle  zn  gar  nichts.  Schmerzen  and  Krämpfe  blie- 
ben wie  sie  waren;  es  entstand  schleichendes  Fieber;  bei  ganz 
gemndheiisgemäf^em  Harne  vurde  die  Gesichtsfarbe  schmnizig, 
schilletie  ins  Gelbliche,  der  Schlaf  fehlte  gftnzlicb,  die  Abmage- 
rung mirde  so  grofn,  dafs  keiner  mehr  daran  zweifelte,  die  Frao 
leide  an  der  Anszehmng  und  sei  verloren. 

In  diesem  bedenklichen  Znstande,  wo  ich  mit  meiner  Erfah- 
rung wirklich  ganz  am  Ende  war  und  doch  helfen  sollte,  kam 
mireine  ErinnemngausE.  Stahls  Dissertationen  Wunderbar  zu  Stat- 
ten. Dieser  rühmt  nAmlich  den  Samen  der  Frauendisiel  als  be- 
Ronders  heilsam  in  denjenigen  Brnstentzündungen ,  welche  sich  xn 
Gnllenfiehem  gesellen.  Die  angebliche  Siibinflammntion  der  Lun- 
ge, gegren  welche  er  ihn  mit  Nutzen  gebraucht  haben  will,  sab 
ich  htaln  als  eine  schnlrecbt-ürztliche  Idee  an.  Bei  mir  lanlei* 
■eine  reine  Erfahrung  also:  er  hat  den  Saniea  der  Frauendisiel 
in  Leberkrankheilen  gebraucht,  und  coosensnelle  BmStleiden ,  die 
bekanntlich  bei  diesen  nieht  seilen  sind,  besser  damit  gehoben 
aU  mit  andern  Mitteln;  daram,  dachte  ich,  ist  es  wahrschein- 
lich, dafff  der  Frauendislelsame  beulend  auf  die  Leber  wirkt,  und 
nicht  auf  die  Lange. 

Ich  liefs  jetzt  eine  Abkochung  des  Samens  machen  und  die 
Krnnke  Ktnndlich  einen  LölTel  davon  nehmen.  Die  Wirknng  war 
in  der  That  wundervoll;  der  Schmerz  und  alle  krampfbafie  Zu- 
Mle  minderten  sieb  von  Stunde  an  angcnscheinlich,  die  Kranke 
genas  allein  durch  den  fortgesetzten  Gebrauch  dieses  einfachen 
Trankes 

Von  der  Zeit  an  habe  ich  das  Mittel  nie  wieder  verlassen 
■■od  mich  je  Itinger  je  mehr  üfoerzengt,  dafs  es  bestimmt  durch 
kein  nnderes   zn    ersetzen   ist.     Sehr   wichtig   ist  es   In  dem  eon- 


—    116    — 

KeDsiieilcn  Blulspeicn,  welches  sich  nicht  seilen  zu  chroiihclien 
lieber-  und  Milzlciden  gesellet.  In  unserem  ganzen  Arzeneiachaise 
lindet  sich  kein  Milfel ,  welches  so  b»ld  und  so  sicher  diesen  den 
Kranken  sehr  beunruhigen  den  Zufall  beseitiget.  In  den  häufig 
vorkommenden  akuien  Lebertiebern ,  die  mit  Seitensiechen ,  Hu- 
Rfen  und  bluiigem  Auswurf  verbunden  sind,  kenne  ich  kein  Mit- 
tel, welches  diesem  in  Heilwirkung  gleich  käme.  Mit  ihm  habe 
ich  Mtilterblntfliisse ,  die  consensiiell  von  einem  Leberleiden  her- 
kamen, gestillt,  mit  ihm  consensnelles,  von  einem  Leber-  oder 
Milzleiden  abhängendes  bedenkliches  Nasenbluten.  Ein  einziges 
Mahl  heilte  ich  eine  Gelbsucht  damit,  die  durch  andere  gute  Le- 
bermittel eher  schlimmer  als  besser  wurde.  Sie  war  neu ,  mit 
Bauchschmerzen  and  mäfsigem  Durchlaufe  verbunden.  Die  Hei- 
lung machte  sich,  bei  dem  Gebrauche  einer  schwachen  Abko- 
chung des  Samens,  sichtbar  und  bald.  Das  Hüftweh  hängt  auch 
zuweilen,  als  consen^uelles  Leiden  des  Hüftnerven,  von  einem 
Urleiden  der  Leber  oder  der  Milz  ab,  in  welchem  Falle  es  den 
Samen  der  Frauendistel  weicht.  Viele  chronische  Husten  habe 
ich  damit  gehoben,  die,  von  Urleiden  der  Leber  oder  der  Milz 
abhangend,  nicht  seilen  schon  durch  viel  schulrechle  Mittel  ver- 
gebens von  andern  Aerzien  bekämpft  waren.  Hiebei  bemerke  ich 
aber  ein  für  allemahl  der  jüngeren  Leser  wegen,  dafs  man  so- 
wol  beim  Blulspeien  als  beim  Husten,  wenn  sie  consensuell  von 
einem  Urbauchleiden  abhangen,  genau  zusehen  mufs,  ob  che- 
misch scharfe  Stoffe  sich  im  Darinkanale  befinden;  ist  das  der 
Fall,  so  wirkt  kein  Bauchuiiitel  jemahls  das,  was  man  von  ihm 
verlangt.  Ich  werde  aber  von  der  Entfernung  chemischer  Schär- 
fen,    durch  Xeutralisireu ,    oder  Ausleeren,  weiter  unten  sprechen. 

Der  reine  Abzug  meiner  Beobacfauiugen  über  die  Heilwir- 
kung des  Fraucndistelsamens  lautet  also.  F.s  gibt  einen  eigenen 
krankhaften  Zustand  in  der  Leber  und  in  der  Vlilz,  welchen  die- 
ses Mittel  weit  sicherer  und  besser  hebt  als  jedes  andere;  da, 
wo  es  auch  nicht  als  eigenthümlicbes  Heilmittel  kann  angesehen 
werden,  me  z.  B.  beitu  Stein  und  bei  Verhärtung,  bewirkt  es 
doch,  daJs  das  Srilich  Abnorme  nicht  mehr  feindlich  in  das  Le- 
ben eingreift;  es  wandelt  in  dem  Kranken  das  Gefühl  des  Krank-, 
seins  in  das  des  Gesandseins  um,  es  macht  die  Anwendung  des 
eigentlichen  Heilmittels  möglich;  vorausgesetzt,  dafs  ein  sulcbes 
zu  finden  sei. 

Nun  wollen  wir  noch  ein  wenig  von  Gallensteinen  sprechen. 
Beim  tobenden  Stein  kommt  in  Beschwichtigung  der  üblen  Zu- 
fälle kein  Mittel  dem  Frauendislelsamen  gleich.  Wie  schnell, 
oder  wie  langsam  man  aber  alle  bedenkliche  ZufUlle  beseitiget, 
hängt  begreiflich  von  Umständen  ab,  welche  weder  in  des  Arz- 
tes,   noch   des   Kranken  Gewalt  stehen.     Heftiges  Bauchweh    ist 


—   ii7   - 

«hoe  Zweifel  niclii  der  geringste  unter  den  böseo  Zufällen.  Hier 
soll  der  Arzt  helfen,  Bchoell  lielfcu;  wie  kann  er  über  helfen, 
wenn  er  das  urerkraakte  Organ  nicht  kennt,  und  wie  kauu  er 
dieiios  und  die  Meinernen  Feinde,'  die  eit  beherbergt,  kennen  lec- 
iienf  —  Ich  iveifti  e^  wahrhaftig  iiivlit,  und  sehe  die  Federung, 
die  man  an  den  Arzl  macht,  für  eine  sehr  uubillige  an.  liu 
Aligemeinen  ist  es  klug,  bei  allen  Bauch^cbmcrzeu ,  sie  mögen 
unter  der  Benennung  von  Alagenkrain|)f,  Kolik,  oder  unter  an- 
derer lorkoninien,  auf  deu  Ort  zu  iicbieu,  wo  bcJm  .Nachlasse 
des  Mchinerzes  sich  das  lelzle  lci»e  Weh  noch  tcriüili;  hier  ist 
luehrenthcils  das  urerj^-rill'cne  Organ  ■£»  snclicn.  Abgesehen  von 
der  Unsicherheit  .dieser  Kegel,  kann  dieselbe  bei  der  von  Gulle»- 
Kteiuen  abhängenden  KoIiU  die  Drkenninifs  wenig  fitrdern,  weil 
«tie  .Nachlässe  oft  nur  sehr  unbedeulend  sind.  Ist  der  Kranke 
dem  Arzte  fremd,  so  kann  dieser  leider  nichts  ihun,  als  auf  den 
Uannkanul  heilend  einwirken;  er  nimmt  aUo  das  conscnsuell  er- 
gritleoe  Organ  für  das  urergriQ'ene.  Bekannllicb  sind  aber  allt. 
symptomatische  Heilungen  unsicher;  nicht  sehen  crscheini  die 
Hülfe  langsamer  als  dem  Kranken  und  dem  Arxie  lieb  ist,  mit- 
uotei  will  sie  sich  auch  wul  gar  nicht  finden  lassen.  Ich  bin 
einmahl  auf  eine  recht  seltsame  Weise  zur  Erkenuinifs  des  Gul- 
leiuteins  gekommen.  Ein  alter  Mann,  der  früher  wol  über  iSud- 
brennen,  Vollsein  und  AufstoJsen  nach  dem  Essen  geklagt,  wur- 
de von  heftiger  Kolik  e^rifl'en,  bei  der  die  in  solchen  Fallen 
allzeit  hülfreichen  Darmmitiel  ganz  ihre  Dienste  versagten,  wor- 
aus ich  schlofs,  das  Darmleiden  müsse  ein  cooseniuelles  sein 
und  von  einem  anderen  urerkranklen  Organ  abhangen.  Zur  un- 
gewöhnlichen Zeit  liels  die  Gatlinn  des  Kranken  mich  einst  bii- 
l«U,  zu  ihr  zu  kommen;  angeblich  hatte  sie  mir-  etwas  sehr 
Merkwürdiges  mitzutheilen.  Da  ich  hinkam  hörte  ich  nun  Fol- 
gendes. Der  Kranke ,  in  seiner  Schmerzensnoih ,  billet  die  Gai- 
tinn,  ihm  ein  Tellertucb  fest  um  den  Bauch  zu  binden.  In  dem 
Augenblick,  wo  der  Knolen  des  Tuches  zugezogen  wird,  ver- 
scliwindet  der  Schmerz  wie  durch  einen  Zauber.  Ich  begrill' 
leicht,  dafs  durch  dieses  mechanische  Mittel  nur  eine  von  Gal- 
lensleiuen  abhängende  Kolik  könne  gehoben  sein.  Durch  das  ra- 
sche Zuziehen  des  Knotens  konnte  leicht  die  scharfkaniige  Seite 
einss  Sieins,  welche  die  Wand  der  Gallenblase  slark  und 
Bchmer/hafi  gereizt,  nach  innen  hin  gewendet  und  auf  die  Weise 
uuschädlich  gemacht  sein.  Ein  eigenes,  leises,  fremdartiges  Ge- 
fühl, welches  jetzt  nach  verschwundener  Kolik  in  der  Gegend 
der  Galleublase  noch  zDrückgeblieben ,  gab  dieser  hüchsfwahr- 
ücheinlichen  Vermuihung  fast  den  Werlh  der  Gewifsheil.  Durrli 
Heu  sechsmonal liehen  Gebrauch  des  Dürandscben  Mittels  wurde 
iler  Mann  uicbt   blols   vor  der  Kolik  bewahrt,   sondern  er  wurde 

„,,  ,_ -.-OOgIc 


—  118  — 
auch  von  allen  vermeinilichen  Magenbeschwerden  -so  ^"ladlich 
befreiet ,  dafa  er  in  13  Jahren  keiner  Araenei  mehr  bedarfie. 
Nun  meldeten  sich  aber  die  steinernen  Güsle  wieder,  jedach  nnter 
anderen  Larven  als  früher.  Mich  (Huschten  sie  jetzt  nicht;  ich 
gab  wieder  das  Dürandsche  Mittel,  die  Beschwerden  verschwan- 
den bald  und  sind  auch  nie  wiedergekehrt ,  der  Mann  ist  in  einem 
sehr  hohen  Alter  an  Marasmus  gestorben. 

Das,  mit  Husten,  blutigem  Auswurfe  und  lebhafiem  Fiober 
verbundene  Seitenstechen  ist  ebenfalls  ein  Ztifal)  der  Gallensteine, 
wodurch  der  Arst,  der  als  Fremder  zum  Helfen  aiifgefodert  wird, 
KU  argen  Alifsgriflen  kann  verleitet  werden. 

Die  Gemahlinn  des  unglücklichen  AdmiraU  St"  lebte  hier 
eino  Zeil  lang  in  grofser  Bescfaränkiheir.  Sie  Htl  an  Oyslerie, 
deren  vorwaltender  Zuftill  unwillkürliches  Weinen  war.  In  den 
Niederlanden  hatte  sie  viel  frilher  an  einer  tiehr  harfnSckigfn 
Gelbsucht  gelitten.  Gegen  das  jetzige  üebel  halle  sie  schon  viele, 
von  mehren  Aerzten  verordnete  Arzeneien,  ohne  Hülfe  zu  finden, 
rerscbluckl.  Der  Grund  desselben  war  auch  wnbrlich  sehr  schwer 
zu  erkennen.  Drei  Wochen  gingen  hin ,  bevor  ich ,  einzig  durch 
Probemiltel,  zn  der  Erkenntoifs  gelangte,  dafs  alles  F.lend  der 
gnlen  Fran  von  Gallensteinen  abhänge.  Nun  gab  ich  ihr  aber 
das  Diirandsohe  JMitiel  mit  so  gutem  Erfolge,  dafs  sie  sich  schon 
nach  achtlSgigem  Gebrauche  desselben  viel  wahler  fuhlie  als  seit 
vielen  Jahren,  und  ich  ihr  eine  vollkomrane  Heilung  bestimmt 
r.usichern  konnte. 

Sie  mochte  ungeHihr  einen  Monat  mit  immer  zunehmender 
Bessemng  das  Mittel  gebraucht  haben,  da  wurde  einer  ihrer  alten 
Freunde  zum  Minister  ernannt.  Wahrscheinlich  hatte  sich  dieser 
der  nnlerdrücklen  fran  erinnert;  denn  sie  erhielt  die  Weisung, 
es  sei  jetzt  Zeil,  eine  Federung  von  30000  Gnlrfen  an  den  Staat, 
und  von  einer  jährlichen  namhaften  Summe  an  dift  Miliiärwilwen- 
kasse  geltend  za  machen  (beides  war  ihr  unter  der  Franzoaen- 
herrschaft  widerrochilich  rorenthalien  worden).  Zu  dem  Ende 
mufitle  sie  aber  persönlich  in  der  Residenz,  oder  gar  (wie  mir 
vorstehet )  bei  dem  Könige  selbst  erscheinen.  Wie  sie  mir  die- 
ses mit  grofaer  Freude  erzählte,  bemerkte  ich  ihr  in  Betreff  der 
Reise  zur  Residenz,  es  sei,  bei  der  grofsen  Unwahrscheinlich- 
keit,  ja  bei  der  Unmöglichkeit ,  dafs  die  Gallensteine  schon  durch 
das  gebrauchte  Mittel  ganz  könnten  nufgeiöset  sein.  Vorsieht  nS- 
ihig,  um  diese  Feinde  nicht  durch  die  Erschütlenug  des  Fah- 
rens  in  Aufruhr  zu  bringen.  Ich  rieth  ihr,  den  gemächlichsten 
Mieihwagen,  den  sie  haben  könne,  zn  wShIen.  Sie  hat  freilich 
meinen  Raih  treu  befolgt,  aber  die  Wahrheit  des  Horazischen 
Spruches:  Q»id  quiiqme  vitet,  nunquam  homini  tatii  cautvm  tat 
in  Aorat,    bestätigte   sich    dennoch.    Eiiiige  Tage  nach  ihrer  Ab- 


-     119    — 

reitic  bekam  ihre  Tochter  «tie  Nuchrichl,  die  gute  alte  Mutler  sei 
uiir  faalbeiti  Wege  zur  Residenz  von  Seiten Steclien  ergrill'en  wor- 
den, habe  nicht  weiter  reisen  IcÖnnen ,  sondern  liege  gefährlich 
krank.  Aus  dem  Briefe  ifarer  iJegleiierlnn  ersah  ich,  dals  ihre 
Krankheit  von  dem  dortigen  Arzte  als  entzündliche  Pleureitie  mit 
Aderlaimen,  Zagpflaaiern  u.  a.  w.  behandelt  wurde.  Wäre  sie 
junger  gewesen,  so  hätte  sie  vielleicht  die  Krankheit  und  die 
Kur  ansgehalien;  als  Siebzigerinn  unterlng  sie  aber  diesem  dop- 
pelten Sturme.  Die  \achricht  ihres  Todes  traf  unmiiielbar  nach 
dem  ihrer  Krankheil  ein. 

ScfawefelȊure  ist  ein  Erkennung! mittel  der  Gallensteine, 
wahrscheinlich  aber  nur  solcher,  die  eine  rauhe  Oberfläche 
haben ;  die  Säure  wird ,  denke  ich ,  die  Gallenblase  oder  Gallen- 
gfinge  verengern,  wodurch  die  Wände  derselben,  den  scharTen 
Kaulen  der  Steine  mehr  genähert ,  dem  mechanischen  Reize  der- 
selben mehr  ausgesetKl  sind,  und  mehr  oder  minder  schtnersbafte 
ZuTälle  entstehen  müssen.  Da  wir  aber  niibt  befähiget  sind,  den 
Grud  solcher  ktinsilich  hervorgebrachten  Leiden  vorher  zu  be- 
uimmen,  und  eben  so  wenig,  selbige  nach  Gutdünken  zn  be- 
»chwichitgen ,  so  ist  es  besser,  von  einem  solchen  gefährlichen 
diagnoBiiscben  Experiment  ganz  abKusiehen.  Steine  mit  glaiien 
Oberflächen  scheinen  mir  ziemlich  unschuldige  Dinger,  ich  glaube 
nicht,  dafs  sie  böse  Zufälle  hervorbringen  können;  sie  lollen 
aber,  wie  ich  gelesen,  selten  sein.  Vor  mehren  Jahren  fand  i4^h 
einen  solchen  bei  einer  Leichenöffnung.  Fr  hatte  die  Farm  einer 
Cidiel,  war  vollkommen  glntl,  blofs  an  beiden  Enden  etwas 
braun,  übrigens  ganz  weifs  von  Farbe.  Die  Gallenblase,  wor- 
in er  steckte,  enthielt  keine  Spur  von  Galle,  und  konnte  sie 
nicht  enthalten ,  denn  sie  war  so  vollkommen  um  den  Stein  zu- 
sammengezogen,  dak  .kein  Raum  für  die  Galle  überblieb.  Das 
Etiif^ere  Ansehen  derselben  war  von  dem  Ansehen  anderer  Gallen- 
blasen ganz  verschieden;  sie  sah  nämlich  aus,  nie  ein  Stück- 
eben  r&thliches  Fleisch.  Der  Mann,  den  ich  genau  kannte, 
halte  nie  einiges  Ungemach  von  dem  Gallensteine  gehabt,  er 
war  an  einer  YerhÄrtung  und  Vereiterung  des  MHstdarmes  ge- 
storben. 

\nn  müssen  wir  noch  von  der  Form  sprechen,  in  welcher 
man    den  Frauendistelsainen    geben  kann. 

Zuerst  ist  wohl  zu  bemerken ,  daf«  man  ihn  nicht  in  Emul- 
sion geben  darf;  er  leistet  in  dieser  Form  gar  nicht»,  weil  die 
Heilkraft  nicht  in  dem  Mehle,  sondern  in  den  Häuten  steckt. 
In  Pulver  ist  er  wirksam ;  man  kann  von  demselben  vier  bis 
Rinfmahl  tags  einen  kleinen  TheelftfTel  voll  geben.  Lüfst  aber 
der  Apotheker  die  Häute  auf  dem  Siebe,  und  gibt  dem  Kranken, 
n«  ein  recht    feines   Pulver  zu   liefern,    bloJs   das   Mehl,    so   ist 

— —  "s'^' 


-     120    — 

aach  wenig  Wirkung  davon  m  erwarten.  Ein  wiifaamM  Putrer 
ist  nie  ganz  fein»  denn  die  HSnte  des  Samens  sind  hart,  und  Sbel 
zu  pulvern. 

Die  zweite  Form  ist  die  Abkochung.  Wenn  man  diese  wirksam 
haben  will,  so  mufs  eine  ganze,  oder  eine  halbe  Unze  gestofseuer 
Same  mit  sechzehn  Unzen  Wasser  zur  Ilälfie  eingekocht  werden. 
Von  diesem  Tranke  nimmt  der  Kranke  stündlich  einen  L&ffel. 
Wird  der  Same  nicht  stark  auKgekochl,  so  ist  der  Trank  mehr 
oder  minder  unwirksam.  Der  Absod  hat  auch  die  Unbequemlich- 
keit, dafs  er,  wegen  des  darin  enifaaltenen  Mehles,  leicht  sauer 
wird,  man  also  nur  Tür  Einen  Tag  verordnen  kann,  besonders 
bei  warmer  Wiiteruog.  Um  dieser  Unbequemlichkeit,  die  beson- 
ders solchen  Leuten  fühlbar  ist,  die  zwei,  drei  Wegstunden  enifernt 
wohnen,  auszuweichen,  habe  ich  in  den  letzten  fünf  Jahren  mich 
hanftg  einer  Tinklnr  bedient,  deren  Vorschrift  die  Leser  unten 
finden.*)  Die  Gabe  ist  fnofmafal  Tags  von  15  bis  30  Tropfen, 
mit  einer  halben  oder  ganzen  Tasse  Wasser  oder  Milch  ver- 
mischt za  nehmen.  Ist  Durchlauf  consensueller  Art  mit  dem  Leber- 
oder Milzleiden  gepaart,  so  mufs  man  aber  die  Gabe  viel  kleiner 
nehmen.  In  solchen  Fällen ,  wo  der  consensuelte  Durchlauf  den 
Heweis  einer  hohen  Steigerang  des  Unorganleidens  gibt,  führt  man 
mit  grofsen  Gaben  nichts  aus.  Nnr  kleine,  von  4,  3,  2  ja  ^on 
einem  Tropfen  4  bis  5  mahl  tags,  helfen. 


MitclUing  von  Terpenthinol  und  Schuefelätker. 

Diese  Mischung  nennt  man  heut  zu  Tage  das  Dürandsche 
Mittel.  Paracelsus  sagt,  das  Terpenthinol  sei  zuerst  von  den 
Scheidekünatlern  entdeckt.  Es  habe  den  Aerzten  eigentlich  ob- 
gelegen, die  Heilkräfte  dieses  Oels  auf  den  erkrankten  Korper 
zu  untersuchen.  Da  sich  diese  aber  mehr  damit  hcschlifiigten, 
die  Leute  mit  Schmeichelei  zu  bethören ,  als  die  Heilkunde  zu 
vervollkommnen,  so  sei  das  Ding  in  Vergessenheit  geraihen.  Er 
behauptet,  das  Terpenthinol  mit  den  Approprialit  (das  heifst,  mit 
den  Eigenmitteln  auf  die  erkrankten  Einzelorgane)  verbunden,  sei 
hiilfreich  in  aller  Verhürlung. 

Freilich,  wer  nichts   mehr  vom  TerpenthinBl  weifs  als  dafs  es 


*J  Drsl  PriDd  Stmenhünte  werden  mit  leebi  Phsd  reisen   Bnsntwria  von  IS 
edar  10  Grad  seehi  Tage  digerkl ,  anigefrEckt  sad  flitrirt. 

tiB,  Von  i  PfoRd  Satnen  bleibe« ,  wann  aie  gaitiABn  and  geaieht  eiod,  drei 
Praad  Saneabänle  über.  Dien  Bit  ü  Praad  Braaotweia  diferirl,  gebeo  i  Pfand 
Tioetnr.  Da  et  aber  nniDSgiieh  iit,  dai  Msbl  vollkommeü  vae  deo  Hinlen 
zu  ■•ndera  ,  i«  iit  die  Tiuctnr  gewobnlicb  etwa«  trabe.  Dorcb  die  Zelt  iinkt 
dai  Hebt  in  Bad«n  lod  mao  fcun  die  Tinktar  davoD  ibglabeB. 


—    121     — 

den  BandwartD  treibt  und  mit  Aedur  rerbandten  GaMeasteine  auf- 
läset, der  w«ilii  sehr  wenig  davon. 

Zuerst  von  der  Foftn,  worin  ich  dieses  Miiiel  gebe.  An- 
ffioglich  habe  ich  einfach  Schwefeläther  mit  Terpenihinül  gege- 
ben. Da  ich-  aber  sab,  dafs,  wenn  man  die  Mischung  io  Wasser 
tröpfelte,  sie  sich  trennte,  und  wenn  mao  sie  auf  Zucker  gab, 
sie  iheils  wegen  des  Terpentbinöls  manchen  Menschen  zuwider 
war,  theila  wegen  der  Flüchtigkeit  des  Aethers  nur  wenig  davon 
in  dea  Mageu  komraea  könne,  sondern  das  meiste  durch  Mund 
und  Nase  wieder  verdunsten  mfisse:  iv  bediente  ich  mich  weiter 
des  Ilofmannischea  Liquors  Statt  des  Aetbers.  Wenn  mau  diese 
Mischung  in  eine  Tasse  tröpfelt  und  giebt  Wasser  darauf,  so 
wird  das  Wasser  wol  ein  wenig  trübe,  aber  dtr  Kranke  bekommt 
doch  das  Ganie  richtig  in  den  Mngen.  Konnte  man  wirklieh 
eine  Mischung  von  Ol.  iereb,  und  Aether  unzerseixl  in  den  Ma- 
gen bringen,  so  würde  sie  doch  im  Magen  selbst,  durch  die  darin 
befindlichen  Feuchtigkeiten  entmischt  werden;  ja,  würde  sie 
nicht  entmischt,  so  würde  es  noch  wahrhaft  unbegreiflich  sein, 
wie  die  Mischung  zu  den  Gallensteinen  gelangen  and  sie  che- 
misch auflösen  sollte.  Von  der  ganien  Sache  kann  man  weiter 
nichts  mit  Sicherheit  behaupten,  als  dais  die  üblen  Zufölle,  die 
wir  vermufhlichcn  Gallensteinen  zuschreiben,  durch  Aether  -und 
TerpenihinSl  gehoben,  und  nicht  blofs  beschwichtiget,  sondern 
durch  den  lang  fongeseizten  Gebrauch  also  gehoben  werden,  daft 
der  Kranke  auf-iinmer,  oder  doch  auf  viele  Jahre  von  allem  Un- 
gemache  befreit  ist.  Dieses  kann  man  nun  eben  so  gut  durch 
Spiril.  SulpA,  aether.  und  ol.  tereb.,  als  mit  Aether  und  Ter- 
penthinöl  bewirken;  also  scheint  mir  die  Frage,  ob  sich  Gallen-- 
■teine  eben  so  gut  in  ^er.  einen  Mischung  als  in  der  andern  auf- 
lösen, ganz  überflüssig. 

Ich  habe  das  Verbältnib  des  Spirit.  SuIpA.  eelk.  und  des 
oL  tereb.  verschiedlich  verändert,  und  mich  znletzt  bei  einer  Mi- 
schung von  sechzehn  Theilen  .  Spirit.  SulpA.  atth.  nnd  einem 
.  Theile  ol.  tereb.  am  besten  beftuden. 

Auf  die  Gabe  des  Mittels  kommt  alles'an.  Man  mufs  leiüe 
aDfangen ,  mit  zehn ,  ja  bei  reizbaren  Körpern  mit  fünf  Tropfen 
in  einer  halben  Tasse  Wasser  dieimahl  tags.  Nun .  mufs  man 
langsam,  oder  geschwind  die  Gabe  vermehren,  je  nachdem  der 
Körper  es  verträgt. 

Oft  erscheint  unmittelbar  nach  dem  Einnehmen  ein  leichter 
Schm«rs  in  der  Leber,  dw  eine  oder  ein  paar  Minuten  anhält. 
Obgleich  dieser  Zufall  nicht  s<^dct,  sondern  vielmehr  erwünscht 
ist,  so  mufs  man  doch  die  Gabe  des  Mittels  nicht  eher  verstär- 
ken, bis  der  Kranke  luebre  Tage  diesen  Schmerz  nicht  mehr  be- 
merkt hat.    Ferner  nufi  man  hauptsächlich  auf  den  Urin  achten  j 


-.oylc 


—     122    — 

sobald  dieser  Rnf^n^  sieb  dunkler  zu  färben  (wo  deon  auch  lu- 
gleich  der  Kranke  Unbehaglich  keilen  im  ^igatlrio  m  bekoRiinen 
pfiegt),  niiifa  man  zur  Stunde  den  Gebrauch  der  beai>rocb«nen  Mi- 
schung einstellen,  und  eine  Abkochung  des  Samens  der  Frauen- 
diHtel  Bo  lange  reichen,  bis  die  Unbehaglichkeit  im  Epigiutrio 
verschwunden  und  der  Urin  wieder  klar  und  hellstrobgelb  von 
Furbe  ist.  Nun  darf  man  wieder  mit  den  Tropfen  anfangen ,  je- 
doch in  minderer  Gabe  als  man  anfgebörl,  und  darf  auch  nicht 
bald  die  Gabe  verraebren. 

Oft  genug  kann  man  mit  zehn  Tropfen  dreimal  tags  anfan- 
gen, und  rasch  bis  zu  sechzig  für  die  Gabe  steigen  (letzie  ist  die 
bitcbsle,  welche  ich  bis  jeizt  gegeben),  ohne  dafs  man  auf  Schwie- 
rigkeiten St&fsl.  Zuweilen  treten  die  angegebenen  Warnungszei- 
chen  nach  vier,  nach  acht,  nach  vierzehn  Tagen  ein.  Ich  habe 
schon  den  Fall  erlebt,  dafs  ich  dreimahl  die  Tropfen  bei  Seile 
netzen  und  eine  Abkochung  des  Frauendislelsaraens  geben  mufaie, 
ehe  ich  zum  Zweck  kommen  konnte.  Sobald  man  merkt,  dafs 
man  bei  einem  K&rper  nur  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  mit  den 
Tropfen  steigen  kann,  thut  man  am  besten,  bei  dieser  Gabe  zu 
bleiben  und  das  Aufsteigen  ganz,  zu  vergessen.  Die  geringMle 
Gabe,  die  ich  je  hülfretch  gebraucht,  war  zehn  Tropfen  dreiuiuhl 
tags.  Es  war  bei  einer  Frau  aas  der  Klasse  der  Vornehmen. 
Ihr  (Jngemach  bestand  abwechselnd  in  chronittchem  Diircbfalle, 
Husten  mit  blutigem  Auswurfe,  schmutzig -gelblicher  Hautfarbe, 
Waasergesehwulat  der  FQfse  bis  zu  den  Kadcheln,  nnd  Abmage- 
rung des  KSrfiers.  War  der  Gallenstein  aber  am  loben,  dann 
hutle  sie  tni  Epigaiirio  heftigen  Schmerz  bis  zur  Obomacbt ,  ein 
krampfhaftes  Zusammenziehen  der  Banchmnskelfasem  im  Hypo- 
gattrio  der  rechien  Seite,  welches  sich  gerade  anfiihlie,  als  ob 
dort  Verhärtungen  im  Bauche  wären ,  Erbrechen ,  Verminderaiig 
der  Urinabsondening ,  trüben ,  dtinkelgefltrbten  Urin  nnd  gelbsüch- 
tige Hautfarbe.  Der  Körper  dieiter  Frau  war  so  reizl>ar,  dafs 
eine  angenehme,  aber  etwas  lebhafte  Unterhalinng  mit  Frenn- 
den  ihr  einen  solchen  Anfall  zuzog.  Die  Zufalle  kamen  etliche-  , 
mahl  schon  in  der  selben  Nacht,  wo  sie  am  Nachmittage  Tor- 
hcr  höchst  angenehm  aufgeregt  gewesen  war.  Der  vorsichtigen 
Frau ,  die  gut  wufaie ,  dafs  ihr  Körper  sehr  reizbar  sei ,  über- 
liefs  ich  es,  selbst  in  beliebig  kleinster  Gabe  die  Tropfen  an- 
_  zufangen  und  vorsichtig  damit  zu  steigen.  Sie  üng  mit  drei 
Tropfen  an  nnd  sti^  langsam  bis  zu  zehn>  mit  so  herrlichem 
Erfolge ,  jlafs  alle  jene  bösen  Zufall«  in  unglaublich  kurzer  Zeit 
verschwanden. 

Ks  hat  mich  zuweilen  gar  seltsam  bednnkt,  dafs  die  in  Kede 
stehende  Arzeneimiscbung  in  solchen  Fällen,  wo  das  Vorhanden- 
sein   der  Steine  ganz  unverkennbar   war,     gerade    am  schnellsten 


—    123    — 

die  davoD  herrfihren4eii  ZuRiile  hob.  Weno  hier  eine  cheniiacbe 
AuflSsang  der  Steiae  in  der  GallenbliBe  oder  den  Gallengan^ea 
Start  finden  aollte ,  so  k9na(en  die  von  den  Steinen  abhängenden 
Leiden  uoinögUch  lich  sobald  bescfawiclidgen.  Der  anhaltende 
Gebrauch  Ut  bei  allem  Anaobeiae  acbneiler  Hülfe  doch  dringend 
aölbig.  Eia  halbes  Jalir  ist  die  kürzeste  Frist.  Man  kann  niuht 
hineinschauen;  also  mufa  man  die  VorsichtigLeit  der  Uovorsich- 
ligkeit  vorziehen.  Die  Erfahning  hat  mich  aber  gelehret,  dah 
■ich  die  Menschen  seilen  so  solcl^anbaliendeni ,  obgleich  wenig 
ISsligem  Aneneigebranche  beijuemen,  wenn  sie  nicht  vorher  we- 
nigstens ein  paar  Mahl  einen  rechten  Schmerzenssturin  ausgestan- 
den nod  um  da«  Leben  besorgt  gewesen  sind. 

Jetzt  wollen  wir  von  den  Versiopfungen  und  l'erhärlungen 
iler  lieber  nnd  der  iMilz  reden. 

Dergleichen  Verstopfungen  sind  suweilen  in  dein  vorderen 
Lappen  der  Leber  zu  erkennen,  fast  gar  nicht  an  dem  hinte- 
ren, nnil  eben  so  wenig  an  der  Milz,  vorausgeseizl,  dafs  letztere 
nicht  bedeutend  vergröfsert  sei.  Zuweilen  fühlt  man  bei  der 
Verstopfung  eines  TbeiU  den  leidenden  Organs  eine  mthr  oder 
minder  dctillich  erkennbare  S{iBnnung  in  dem  llypochondrio, 
HO.  das  ergriffene  Organ  liegt.  Nur  ein  einziges  Mahl  habe 
ich  den  ganzen  vorderen  Leberlappen  (so  weit  ich  ihn  näm- 
lich bereichen  konnte}  im  eigentlichen  Sinne  knochenhart  ge- 
fiioden. ')  Bei  schmerzhaften  Leberleiden,  welche  gar  nicht 
all  waren,  nnd  von  denen  man,  in  Erwägung  aller  Umstände, 
nicht  vermulhen  konnte,  dnfs  sie  sehr  eingewurzelt  wären, 
habe  icli  schon  eine  solch  harte  Spannung  der  .  rechten  Seile 
des  Bauches  bemerkt,  dafs  ein  einbildischer  Arzt  selbige  ge- 
mächlich für  Verhärtung,  Gott  weifs,  welcher  Baue  hei  nge  wei- 
de hatte  nnseheu  können.  Es  sind  dieses  aber,  wie  ich  schon 
oben  bemerkt,  aller  Wahnicbeinlicbkeit  nach  uicbis,  a's  consen- 
■nelle  Leiden  der  Bauch muskel fasern ,  welche  sich  an  der  Seile, 
wo  das  erkrankte  Organ  liegt,  krampfhaft  zusammenziehen.  Eben 
so  gut  als  Uralfektionen  der  Bancbmuskeln  heftige  und  schmerz- 
hafte CO n sensuelle  A Sektionen  der  Baucheingeweide  bewirken, 
eben  so  wird  auch  die  krankhafte  Allektion  eines  Buucheinge- 
weidfls  die  Bauchmuskeln  consensuell  aufregen  können. 


•)  Vom   J»hr    18J7.  

■■  diesna  Jabr«  ward«  leb  •!■  tweller  Arat  n  Biner  wsiier-  nnd  gelbtiiA- 
ligea  Fran  f«rarts,  deren  rardarar  Leberltppen,  lo  weil  ieb  iha  Eihten 
keaata.  aafgetrieheD  war;  du  Selteae  bei  dieian  ntcbt  lelteaaB  Falle  Ul 
FelfeBdea:  Der  irbarfe  Rand  du  LebcrlappFni  war  hier  id  weil  uacb  aii- 
rieo  aorgeslBIpt,  iaTt  ich  mit  De'iDtD  FiRf«pn  anter  deniellice  knmiuep  knen- 
te,  aber  freilicli  ,  aieht  weit.  So  viel  ich  mich  erinnere,  habe  ith  iine 
AalilSIfaBf  diu  RandM  bei  aargelrlebenei  Lebern  froher  nocb  nie  beoboablel. 


—    124    — 

In  den  Fällen,  wo  ich  (heiligte  Verhürtungeo  der  Leber  be-  ' 
■tinimt  fühlen  konnie,  erscliienen  sie  meinen  fühlenden  Fingern 
gewöhnlich  in  der  Grofse  eines  Hühnereies  oder  einet  Oberlasse 
ohne  bestintmt  umschiiehene  Grenzen,  werden  aber  wol  in  der 
Wirklichkeit  gröfser  gewesen  sein  als  sie  sich  meinen  Fingern 
dargleltten.  — 

Der  Zusrand ,  worin  eich  solche  Versiopfangen  oder  Verhfir- 
lungen  der  Leber  oder  Milz  befinden  können,  ist  zweifach,  der 
der  Ruhe,  und  ein  anderer  des  Aufgereglseins.  Eben  so,  wie  es 
Menaclien  gibt,  die  Gallensteine  bei  sich  haben,  ohne  dafs  ihre 
Gesundheit  dadurch  gelrübt  wäre,  so  ^ibt  es  auch  Menschen,  die 
eine  (heiligte  Verstopfung  der  besprochenen  Bauch eingeweide  ha- 
ben, ohne  dafs  bedeutende  Beschwerden  davon  enisländen;  andere 
bähen  mancherlei  conseasuelle  Leiden,  welche  mancherlei  \anieD 
bekommen,  ohne  dafs  das  Urühel  erkannt  wird.  So  sah  ich  davon 
entstehen,  chronischen  Kopfschmerz,  Wahnsinn,  Amblyopie,  Ent- 
zündung der  Augen,  Doppelsich tigkeii,  chronischen  Husten  mit  oder 
ohne  Ansvvnrf,  chronischen  Durchfall,  Verstopfung,  Blatbrechen 
(dieses  jedoch  meist  ron  Affeklion  der  Milz),  Wassersucht,  fusi 
unaufhaltsames  Nasenbluten,  und  anderes  kleines  Ungemach,  als 
Fehler  der  Verdauung,  Anfstofsen,  Wiederkfiuen,  unregelniäfäigeit 
Herzschlag  u.  s.  w:  Wenn  sich  aber  solche  Verstopfungen  im 
aufgeregten  Zustande  belinden,  so  äufsern  sie  sich  durch  mehr 
oder  minder  heifse  Fieber,  Seitenstechen,  Husten  mit  blutigem 
Auswurfe,  heftige  Schmerzen  im  Epigaatrto  und  im  Rücken,  hef- 
tige Koliken,  unaufhaltsames  Erbrechen,  grofse  BeSngsiigun;,', 
Unmöglichk^t  im  Bette  auszudauern,  und  (wenn  diis  Ucbel  in 
der  Leber  silzi)  zuneilen,  aber  nicht  immer,  durch  gelbsüchiige 
Zufülle. 

Wenn  ich  einen  zweifachen  Zustand  annehme,  worin  sich 
solche  Verstopfungen  befinden  können,  so  ist  wol  unläugbar,  dafs 
unser  Versland  die  beiden  äufsersten  Enden  beider  Zustünde,  des 
der  vollkommnen  Ruhe  und  des  der  vollkommnen  Aufgeregtheit, 
deutlich  nnlerscheiden  kann;  aber  an  den  enigegengeseizten  En- 
den, wo  sich  diese  beiden  Zuslände  nähern  und  sich  berühren, 
hut  die  Natur  durchaus  keine  scharfe  Grenzen  gezogen. 

Alle  möglichen  Ursachen  anzuführen,  wodurch  eine  Versto- 
pfung aus  dem  ruhenden  in  den  gereizten  Zustand  versetzt  vtcr-. 
den  kann,  würde  in  diesem  Werke  höchst  uuschicklicb  sein;  ich 
beschränke  mich  also  auf  Folgendes : 

In  manchen  F&llen  ist  durchaiii  keine  Veranlassung  des 
Wechsels  beider  Zustände  zu  entdecken ;  dafs  aber  eine  Erschüt- 
terung und  heftige  körperliche  Anstrengung  eben  so  wol  bei  den 
Verstopfungen    jenen   Wechsel   der  Zustände    veranlassen    könne 


—     125    — 

hIs  beim  Gallen-  oder  iXierensieinp,  das  Nl  wahr.  Hierbei  habe  ich 
Folgendes  zn  bemerken.  Beim  Sieine  kann  beknnnilich  eine  frerin^c 
ICrKchiilterung  oder  Analrengiing,  zuweilen  eine  eigene  Biegung  oder  j 
Wendung  des  Körpers  die  Schmerzen  nnd  nblen  ZiifKlIe  henorni- 
fen;  diese  ZiifSlle  erscheinen  alsobald  nnd  steigern  sich  sclineil 
bis  XU  einer  gewissen  Höhe.  Bei  V'erslopfungen  der  Leber  orfer 
Milz  rnnfg  dio  Ffschülleriing  weit  grOfser  oder  anhaltender  sein, 
nm  üble  Folgen  hervorzubringen.  Lnler  den  Er^chüllernngen 
nnd  Anstrengungen  stehet  das  Traben  auf  einem  nngemHehlichen 
Pferde,  das  Fahren  in  einem  nnberederien  Wagen  anf  holperigen 
Wegen  nnd  das  Erbrechen  oben  an.  Der  Znsland  des  F.rregt- 
seins,  welcher  durch  solche  Erschiitferung  in  einer  krankhaften 
Leber  oder  Milz  hervorgebracht  wird,  erscheint  nicht,  wie  beim 
Aufregen  der  Sieine,  nnmiitelbar,  oder  kurz  nach  der  Erschütte- 
rung,  sondern  so  lange  hernacb,  dafs  der  unaufmerksame  Beobach- 
ter, oder  der  Arzt,  der  solchen  Fall  zum  ersten  IMahle  erlebt, 
ninimer  die  übten  Kiifölle  der  y.wei  oder  drei  Tage  vorher  nnler- 
gangcnen  Erschütterung  oder  Anstrengung  zuschreiben  wird. 

\iin  ist  meine  Meinung  eben  nicht,  als  n1>  die  üblen  Folgen 
der  Erschiillerung  erst  wirklich  so  spüt  einlrülen.  Die  Aufregung, 
die  (tuich  die  Erschütterung  in  den  Verslopfungen  verirrsacht  wird, 
Niellt  steh  ohne  Zweifel  unmittelbar  nach  der  Er^chüiierung  ein; 
sie  steigert  sich  nur  so  langsam,  dafs  zwei  Tage  gemächlich  hin- 
geben können,  ehe  benachbarte  Organe,  oder  der  Gesammiorga- 
nismus  davon  betheili  werden,  und  ehe  sie  dem  Gefühle  des 
Kranken  als  Schmerz  und  Kiankhcit  orscbeinl. 

Allen  Freunden  und  Schiitzrednern  der  Brechinillel  will  ich 
hiemit  ans  Herz  legen,  dafs,  wenn  sie  den  zweiten  oder  dritten 
Tag  nach  gegebenem  Brechmittel  bedeutende  Verschlimmerung 
der  Bauchleiden  bemerken,  oder*  wenn  neue  Leiden  erscheinen, 
von  denen  anfiinglich  keine  Spur  vorhanden  war,  sie  alsdann, 
ehe  sie  sich  zur  Heilung  anschicken,  oder  ehe  vielleicht  die  Wie- 
derholung des  Brechmittels,  als  des  einzigen  nnd  höchsten  Heil- 
mittels, verordnen,  wol  erwSgen ,  ob  die  üblen  Zufalle  von  der 
Krankheit,  oder  von  dem  anfänglich  gegebeneD  Brechmittel  her- 
rühren. 

Ich  erinnere  mich  deutlich  zweier  Fälle,  wo,  gleich  nach  ei- 
nem von  selbst  entstandenen  Erbrechen,  in  dem  vorderen  Leber- 
Iapp6n  eine  harte  Geschwulst  ohne  deutlich  zn  fühlende  Grenzen 
entstand,  welche,  anfünglich  wenig  schmerzhaft,  innerhalb  zweier 
Tage  sehr  schmerzhaft  Aurde  nnd  die  benachbarten  Theile  con- 
sensnell  ergriff.  Der  ente  Fall  ereignete  sich  bei  einer  Frau, 
ungefähr  vier  Wochen  vor  ihrem  Tode,  welche  schon  lange  an 
der  Banchschwindsncht  krank  war;  der  zweite  Irug  sich  bei  einer 


-.ügic 


—     128    — 

angeblieh  ^minnden  XliÜdien  Fran  eh.  AU  ich  zd  ihr  genifen 
wiirdi>,  iiiochi«  «■  <l«r  rfrillt*  oder  der  vierle  Tay  nach  ErHch«l- 
niing  der  GeMchwiilst  sein.  Dieae  Geachwiilst  war  uniuiitelbAr 
nach  pinern  Krbrechen,  deisen  Grund  nicht  anmg'eben,  enUianden 
nnd  in  Zeit  von  etlichen  Tagen  immer  schmerzhafter  geworden. 
Sie  war,  in  ihrem  harten  Kerne,  von  der  Grörse  einer  gewöhn- 
liehen Obertasse,  aber  nicht  sichtbar  hervorragend j  die  Grenzen 
waren  nicht  zu  bestimmen,  weil  sie  mit  den  weichen  Theilen 
verflosaen.  Die  Mitleiden  waren:  mäfsig^s  Fieb«r,  Bauchschmer- 
zen, vorzüglich  in  Her  Herzgrube  nnd  an  der  rechten  Seite,  we- 
niger, trüber,  dunkel  gefürbter  fJrin  und  schmutzige  GesichisfArbe. 
Auf  den  Gebrauch  einer  Abkochung  des  Frau end ist elsamens  nnJ 
eines  erweichenden  Umncfalages  verschwand  die  Geschwulst  in- 
nerhalb fijnf  Tage  (das  keifst,  sie  war  meinen  Fingern  nicht 
mehr  fühlbar)  und  das  Befinden  trat  wieder  in  das  alte  (jleis. 

Was  nun  die  Heilung  der  heilbaren  Verslopfungen  durch 
Aeiher  nnd  Terpenthin5l  betrifft,  so  gilt  davon  eben  das,  was  ich 
von  rfrr  Auflösung  der  Gallensteine  gesagt  habe.  fteobacblPt 
man  dabei  alle  dort  angeführte  Yorsichtigkeilen ,  so  kann  man 
manchem  Menschen  helfen,  dem  auf  andere  Weise  nicht  würde 
zn  helfen  sein. 

Wenn  es  zuweilen  scbnierig,  ja  unmöglich  ist,  Gallensteine 
von  Verstopfung  der  Leber  zu  unterscheiden,  so  ist  es  ein  wah- 
rer Trost  für  den  praktischen  Arzr,  dafs,  weil  auf  beide  Uebel 
ein  und  das  nümliche  Mittel  pafitt.  er,  troiz  der  Unsicherheit,  ja 
der  Unmöglichkeit  einer  sichern  Erkenninifs,  dennoch  den  Kran- 
ken von  seinen  Leiden  befreien  kann. 

Welches  ist  nun  die  reine  Summe  meiner  F.rfahrung  über  die 
besprochene  Mischung^  Wollte  man  sagen,  die  Mischung  sei  hei- 
lend in  Verstopfungen  der  Leber  und  Milz,  oder  wie  Paracelm» 
sagt,  in  Verhärtungen,  und  sie  iQse  Steine  auf;  bo  wurde  dieses 
Abstrakt  nichts  weniger  als  reine  Erfahrung  enthalten.  Abge- 
sehen davon,  dafs  Steine  von  andern  chronischen  Banchletden 
schwer  j.rx  unterscheiden  sfod ,  leistet  Jene  Mischung  in  solchen 
Krankheiten  der  *  Leber  und  Milz  Hülfe,  sichere  und  schnelle 
Hülfe,  WD  wir  weder  mit  unsern  Fingern  Verhürtungen  fühlen, 
noch  Verslopfungen  mit  gutem  Grunde  nachweisen  können;  hin- 
gegen versagt  sie  wieder  in  chronischen  Leiden  jener  Organe 
ganz  ihre  Hülfe,  wo  andre  Mittel  bald  und  sit^her  heilen.  Alles 
also  wol  erwogen,  wird  die  reine  Summe  meiner  Erfahrung  also 
lauten;  Es  gibt  in  Leber  nnd  Milz  einen  krankhaften  Znstand, 
der  durch  die  besprochene  Mischung  besser  nnd  sicherer  als  durch 
andere  Mittel ,  ja  der  nur  einzig  durch  diese  Miscbang  zn  he- 
ben int. 

Ueber   die    Wirkung  derselben    in  Verstopfung   des  Pankreas 

„,,,_„,,,, Google 


and  in  V«rhKrtang*n  dea  GekrdMi,  habe  ich  «i  nenig  Flrralining, 
kU  i»fa  ich  mir  erlMabfiti,  dfirfte,  darüber  lu  aprerhen. 

■«•MHl«a«  HHMel  «nf  die  I^hrr. 

Quattia  und  Quastiairamer. 

Dafa  das  Qaauiaholi  auf  die  erkrankle  Leber  wohlihStig 
•inwirke,  wnfate  ich  llngat.  Meine  Erfahrnngen  darüber  waren 
aber  lehr  beacbrtnkl  nnd  sehr  roh,  weil  icb  bis  xiirii  Jabr  1x25 
no4^  keine  Gelegenheil  gehabt  hatte,  eine  beirlichiliche  Zahl 
adcher  Leberkraobheiten  zu  behandeln,  welche  vursiigaweite  nn- 
ter  der  Heilgewali  diesei  Mittels  atanden. 

Im  1825  iwang  mich  aber  die  \oth,  die  wunderrolle  Wir- 
kung der  QuB^aia  kennen  zu  lernen.  Ea  zeigten  aicfa  nimliok 
im  Prnbjabre  gar  aeliaame  P'tebrr,  die  da«  Aaagezeicbnele  halten, 
dufa  aie  tftglich  aolcfae  Remia« tonen  machten,  welche  nahe  »n  in- 
lertniasioDen  greniien.  Bei  ciuigen,  jedoch  bei  wenigen,  fingen 
die  Anfalle  jedeamahl  mit  leiaem  bald  rnrü  hergehen  dem  Frösteln 
an.  Eline  einzige  Kranke  erinnere  ieb  mich  geaehen  zn  haben, 
die  zweimahl  tags  einen  aolchen  mit  leiaem  FrÖaieln  beginnenden 
Anfall  bekam.  Dieser  doppelte  Anfall  griff  sie  aber  so  an,  data, 
ob  aie  gleich  eine  dar  siXrkslen  Fraoen  ist,  die  ich  kenne,  sie 
den  vierten  Tag  schon  ohnmftchtig  wnrde  da  aie  »na  dem  Belle 
Biifsteben  roafste.  Ein  grofaer  Theil  der  Kranken  klagte  über 
mafiigen  Schmerz  in  der  Leber,  andre  hingegen  nnfttten  niehta 
von  diesem  Znfnlle.  Es  aielite  aich  bei  den  meisten  Durchfall 
ein.  der  den  Znstand  nicht  rerbeaaerte,  sondern  Terschliinmetfe. 
Die  Kopfschmerzen  waren  mSf^ig,  der  Curat  wandelbar,  der  Pult 
ao  verschieden  bei  verschiedenen  Menachen ,  als  ich  ihn  noch  nie 
bei  herrschenden  Fiebern  bemerkte.  Bei  einigen ,  welche  stark 
ergriffen  waren,  wich  er  wenig  von  der  gesnndheitageraäfaen  Ge- 
sell windigkeit  ab;  bei  andren,  welche  weit  weniger  krank  waren, 
war  er  fieberhaft  beachlennigel.  Anfall  nnd  Xacblafs  liefx  sieb 
bei  diesem  Fieber  nicht  sowol  ana  dem  Polse,  als  vielmehr  aus 
dem  ganzen  Befinden  dea  Kranken  bennheilen.  Der  Urin  war 
ebenfalls  bei  verschiedenen  sehr  verschieden ,  bei  einigen  trübe, 
bei  andern  strohgelb,  bei  andern  goldgelb.  Ueber  üblen  Ge~ 
sebmack,  Aafslofsen  n.  a.  w. ,  klagten  iufaerat  wenige,  und  in 
dieaen  aelinen  Fällen  war  der  Znfall  sehr  bald  zn  heben ,  ohne 
daf^  dadurch  die  Krankheit  auch  nur  nni  ein  Hanr  wfire  verbes- 
sert worden.  Die  Znnge  war  nicht  belegt,  hatte  nnr,  wie  bei 
den  leichieaten  Fiebern ,  in  ihrer  Mille  einen  kleinen  weifalicben 
Anfing. 

leb  sah  diese  Krankheit  aU  ein  Urleiden  der  Leber  an,  und 
überzeagte  mich  bald ,  dafs  das  Fieber  ein  rein  consensiielles  sei- 

— —  "s'^' 


—    128    — 

Wozu  half  mir  aber  diese  Erkenolnifs^  Zn  g«r  nichts,  denn  ich 
kannte  liein  Miticl  gegen  dieses  Leberleiden.  Da,  WO  Scbmera 
in  der  rechion  Seile  war,  kannte  ich  diesen  wol  mit  dem  Samen 
der  Frauendisiel  heben,  aber  aach  weiter  nichts  damit  aasDihren. 
Alle  meine  Erfnhriingen,  die  ich  je  über  Leberkrank  heilen  ge- 
macht,  zeigten  sich  ganz  nutzlos;  ich  war  wirklich  in  dieser 
Krankheit  so  unwetse  als  ein  junges  Kind.  Das  übelste  war, 
dafs,  wenn  man  sie  nicht  anfhallea  konnte,  später  Irrereden, 
Schlafsncht,  h^iiger  Bauchschnierz,  Sehnenspringen,  trockne 
Zunge  und  andre  verdächtige  Zufälle  biniutraten.  Das  einsige 
Mittel,  womit  diese  Krankheit,  zwar  nicht  im  eigentlichen  Sinne 
geheilt,  sber  doch  so  aufgehalten  werden  konnte,  dafs  sie  dem 
Arzte  nicht  unter  der  Hand  schlimmer  wurde,  war  das  Chinin  zn 
zwei  Gran  alle  zwei  Stunden.  Wenn  ich  mich  bei  dieser  Krank- 
heit blindlings  an  der  Form  hielt,  nnd  sie  als  verlarvies,  bösarti- 
ges Wechaelfieber  behandelte,  so  hatte  ich  zum  wenigsten  die 
Genugihunog,  zu  sehen,  dnfs  die  Reiuission  nach  und  nach  in  In- 
tennission  überging  und  die  Anfalle  endlich  ganz  ausblieben. 
Ich  sage  endlich,  denn  das  Ausbleiben  verzog  sich  nicht  selten 
bis  zu  Ende  der  dritten  Woche.  Man  mufs  sich  aber  alsdann 
den  Kranken  nicht  krSfiig  nnd  wol  denken;  nein,  er  war  viel- 
mehr noch  matt  und  bedurfte  einer  ziemlichen  Zeit,  um  wieder 
zu  Kräften  zu  kommen.  Halte  ich  es  aber  mit  Armen  und  Un- 
vermögenden zn  than ,  deren  es  doch  in  der  ganzen  Welt  weit 
mehre  gibt  als  der  Reichen,  so  befand  ich  mich  gar  in  der  Klero- 
nie.  Das  Chinapniver  belastete  Magen  und  Darmkanal  und  er- 
regte Durchfall,  der  Absod  half  zu  gar  nichts,  das  Fieber  währte 
ewig. 

In  dieser  Zeit,  die  mir  wahrlich  sehr  verdriefslich  nnd  lang- 
weilig war ,  wnrde  ich  zu  einem  Fräulein  gemfeo ,  die  ganz  mft- 
fsig  an  diesem  Fieber  erkrankt  war;  das  heifst,  die  Anfölle,  die 
ohne  Schänder  eintraten  und  ohne  Schweifs  endigten,  kamen  ziem- 
lich regelmüfsig,  und  die  Kemissioneo  waren  unverkennbar  nnd 
ziemlich  lang,  Durchlauf  war  nicht  da  und  erschien  auch  nicht 
im  Verlaufe  der  Krankheit.  Da  ich  dieses  Fräulein  früher  ge- 
kannt und  mehrmals  als  Arzt  behandelt  halte,  so  war  mir  bewnfst, 
dafs  sie  in  ihrer  ersten  Jugend  ans  einer  Erziehungsanstalt  einen 
Fehler  der  convexen  Seite  der  Leber  (Folge  eines  heftigen  und 
lang  anhaltenden  Stickhustens)  mitgebracht,  gegen  welchen  Feh- 
ler schon  mehre  Aerzte  ihre  Kunst  versucht.  Da  sie  reich  war, 
brauchte  ich  den  Preis  des  Chinins  nicht  zu  scheuen,  und  wenn 
ich  dieses  gleich  nicht  als  wirkliches  Heilmittel  anerkennen  konn- 
te, so  versieht  es  sich  doch  von  selbst,  dafs  ich  es  verordnete, 
weil  ich  nichts  Besseres  wufste.  Ich  konnte  es  aber  leider  in 
vierzehn   Tagen   nicht   weiter   mit   dem  Chinin   bringen,    obscbon 


—    129    — 

ich  die  Gabe  verdoppslte,  aU  dafi  ich  daa  Fi«ber  damit  snr  Ifin- 
gwiy  deatlicheni,  nAher  aa  IniarmiaBion  grauzenden  Reminion 
iwaog,  all  es  vor  dem  (Jebranche  des  Chinina  gehabt.  Daa  war 
freilieh  n-enig  für  ao  viele  Mähe  und  so  viele  Kosten.  Nun 
fiel  es  mir  ein,  dnfs  ich  es  mit  diesem  Fieber  eininahl  machen 
wollte,  wie  ich  es  inehrmahls  mit  Wechsel  fiebern  gemacht. 
Wena  oAmlich  snweilen  Wechselfieberkranke  *a  mir  kamen,  die 
die  China  nicht  vor  dem  Paroxismas,  sondern  durch  die  gaato 
freie  Zeit  geneminen,  China,  und  abennahia  China  gegessen  ohne 
Enda  im  Ziel;  so  biefs  ich  sie,  gaiu  mit  Aneneien  aufhören.  Nicht 
Immer,  aber  doch  eben  nicht  selten  verschwand  das  Fieber  blofs 
durch  das  Entziehen  des  schon  tat  Gewohnheit  gewordenen  Chi- 
nareiaes.  Verschwand  es  nicht,  io  war  der  Kftrper  doch  durch  mefar- 
iHgige  Entbahnng  von  aller  Araenei  des  Cbinareixes  entwShnt, 
and  ich  konoie  dann  das  Fieber  durch  eine  kurs  vor  dem  Anfalle 
gereichte  xweckmäfsige  Gabe  der  Rinde  geroichlich  heben. 
Nun  rechnete  ich  zwar  bei  nnserm  Frfialein  nicht  anf  das  Aus- 
bleiben des  Anfalls,  sondern  mehr  auf  das  Entwöhnen  von  der 
Chiaaeinwlrkung;  aber  alles  ging  doch  ganz  anders  als  ich  ge. 
dacht. 

E^  würde  nämlich  in  diesem  Falle  etwas  anslSfsig  gewesen 
sein,  wenn  ich  daa  betiUgerige  MSdchen  ganz  ohne  Araene!  ge- 
laasen hätte;  so  gab  ich  ihr  denn  eine  halbe  Drachme  Quassia- 
extrakt  in  acht  Unzen  Wasser  aufgelSa't,  nnd  liefs  davon  stund- 
lich einen  LSffel  voll  nehmen-  Ich  ihat  das  nicht,  weil  ich  eben 
Busgezeichnete  Wirkung  von  der  Quassia  erwartete,  (denn  ich  hatte 
dieae  aebon  nenn  Jahre  früher  anf  die  Probe  gealellt  und  gefan- 
den, dafs  sie  damahls  bei  den  herrschendeu  Fiebern,  bei  denen 
die  Gallengfinge  krankhaft  ergrifien  waren ,  wenig  leistete)  ich 
gab  sie  jetzt  blofs,  weil  ich  des  Anstandes  wegen  etwas  gehen 
mulste,  nnd  weil  einige  geringe  für  die  Quassia  sprechende  Er- 
fahrungen aus  meiner  früheren  Praxis,  welche  ich  damahls  ans 
Mangel  an  Gelegenheit  nicht  weiter  verfolgen  konnte,  und  sie 
deshalb,  wie  die  Juristen  sagen,  ad  acta  gelegt,  bei  mir  den 
Gedanken  aufregten:  wir  kenneten  das  Leberorgan  zu  wenig,  um 
anzunehmen,  dafs  ein  Mittel,  wdchea  anf  die  erkrankten  Gallen- 
gfinge  keine  merkbar  wohlthBtige  Wirkung  finfsere,  auch  deshalb 
auf  das  innere  Leberorgan  oder  auf  dessen  convexe  Seile  keine 
heilende  Einwirkung  Sufserea  könne. 

Wna  war  nun  die  Wirkung  der  Quassiaf  —  Als  die  halbe 
Drachme  Extrakt  verbrancht  war,  war  das  Fieber  verschwondeir. 
Der  noch  etwas  gereizte  Puls  und  die  Schwäche  vergingen  bei 
dem  fortgesetzten  Gebrauche  des  nämlichen  Mittels  nicht  einbil- 
disch ,  sondern  augenscheinlich.  Dieser  Fall ,  ob  er  gleich  nicht 
Tollkonunen  beweiMoä  war,    machte  mir  doch  grofse  Hofihung, 


—    130    — 

in  der  UuMsia  eio  lleilmiKol  auerer  Fieber  geftHidefi  so  haben. 
Ich  gab  sie  jatat  amierii  Kranken,  wie  sie  «ich  gerade  ia  den 
verschiedenen  ZeitrüMinen  der  Krankheit  vorfanden,  und  siehe! 
ich  iiberzeitgie  niieh  bald,  iaU  ich  das  wahre  Ueilniuel  ge- 
fallen. 

Da  nan  aber,  wie  ich  vorhin  beiiivrki,  der  grdfsle  Tbeil  der 
Kranken  am  Dnrchfalle  liU,  welcher  das  Urleiden  eher  veracMim- 
merie  als  verbesserte,  und  da  ich  bemerkte,  dafs  die  Quassia  die- 
sen hervorrief,  wo  er  noch,  nicht  war,  und  sehlimnier  machte,  wo 
'er  schon  vorhanden:  so  brachte  mich  nicht  blofs  die  Verinnihnng, 
sonilern  anderweitige  Krrahrungen,  dab  der  auf  den  Gest^maek 
Blnrk  einwirkende  GrimdslofF  mancher  Mittel  nicht  das  eigenilich 
ITeilende,  sondern  dafs  dieses  Heileade  znweilen  in  einem  an- 
deren, wenig  sinnlich  vorwaltenden,  den  Geschmack  fast  gar 
nicht  angreifenden  Grundstoffe  tu  suchen  sei,  anf  den  Gedanken, 
von  dem  Quassiaholze  ein  geistiges  Wasser  bereiten  su  lassen. 
Dieses  Wasser  war  nun  der  Talisman,  mit  welchem  ich  nnsre 
versweifelten  Fieber  händigen  konnte;  und  da  dieselben  hier  nnd 
in  der  Umgegend  ein  ganzes  Jahr  geherrscht ,  so  habe  ich  Qe- 
legenheit  genng  gehabt,  mich  von  der  grofsen  Wirksamkeit  die- 
ses einfachen  Mittels  zu  überzeugen.*) 

Wenn  ich  aber  die  heilsame  Wirkung  des  Quassiawassers 
blofs  bei  dem  besagten  epidemtaclien  Fieber  erfahren  halle,  so 
würde  ich  ein  wahrhaft  thSrichtes  GescbSft  durch  das  Millheilen 
meiaer  Erfahrungen  veirichten;  denn,  da  ich  bei  dreifsig  Jahren 
die  Kunst  geübt,  ehe  ich  dieses  Fieber  zu  behandeln  b^ommen, 
so  könnt«!  andre  Ainlsgenossen  dreifsig,  vierzig,  Tiinfoig  Jahre 
ihre  Kunst  üben ,  ohne  dafs  ihnen  dieses  Fieber  aiifstiefse ,  and 
der,  dem  es  aufstiefse ,  würde  von  sonderlichem  Glücke  za  .sagen 
haben ,  wenn  ihm  diese ,  dann  längst  vergessene  Schreiberei  in 
die  Hände  liele.  Die  Mühe,  die  ich  mir  durch  diese  Mitiheilung 
gebe,  beruhet  auf  einem  viel  verständigeren  Grunde.  Zuerst  he- 
mcrico  ich,  dufa  meine  Vermuthung,  als  oh  der  Sitz  des  Urlei- 
dens,  von  welchem  nnsre  Fieber  consensuell  abgehangen ,  in  dem  - 
convexeo  Tlieile  der  Leber  gewesen,  auch  weiter  nichts,  eJs 
blofse  firztliehe  Vcrmnihung  sei,  welche  man  von  dem  reinen 
Abstrakte  meiner  Erfahrung  wohl  nnicrscheiden  raufs. 

Das  reine  Abstrakt  lautet  nlso :  es  gibt  in  der  Natur  einen 
krankhaften  Zustand  der  Leber,  welcher  durch  den  destillirbaren 
Stoff  der  Quassia  besser  und  sicheret,  ja  meiner  Meinung  nach, 
einzig  durch  diesen  SiolF  zum  Normalslande  Kurückgefühn  wird. 

')  Za  oiner  Unx«  lä(cli<-h  in  gelhtilleD  Gaben  (^freiehl  bewirkte  es  |leirb  (icbt- 
baro  Besaernni;'  Dia  Anrilli'  wardcn  «Ilmühtich  milder  and  kürzer,  die  Hei' 
lung  erfulgle   in  M  bii  10  Ta^n. 


—  «I  — 

DiflMr  kraaUiaft*,  von  indarn  krankhaftea  ZusiOadan  dea  Leber- 
•rgaos  gani  venwbiedefie  Zustand  erscheiat,  wie  niich  Jetzt  Bcbon 
eiae  xehnjahrige  Erfuhrnng  gelehrt,  nicbt  gar  seltea  aU  cbroni- 
•ehei  Lebedeiden  und  venmacht  leickt  BaBcbwawennicbt.  Das 
üt  dann  die  Banebwasserucbt ,  bei  wel<dMr  urioueibeade  Mittel 
entweder  gar  nicbt«  leiiteo,  oder  wenn  sie  etwas  loisiea,  die 
gute  Wirkung  derselben  nicbt  lange  Stand  bAlt;  dai  ist  daoo 
üae  TOB  den  Waueranobteii ,  bei  welchen  nach  Anwendung  dra- 
■liscber  Purgirmitlel  leicht  cbrosiicber  Dnrofafall  nuriickbleibt, 
oder  wo  anch  ohne  gegebene  Piirgirniiue) ,  cbfonischer  Diirchfidl 
früher  oder  spnur  von  sribet  eioirltt.  Diese  WaBsersncht  ist  kei- 
ne Affektten  dea  GesamnitorganisBiua ,  sondern  ein«  conscnsuelle 
der  iVieren;  dämm  ist  in  Diaoeheo  Fülleo  solcher  Wassersncht 
die  Urinabsonderuog  blofs  verininderl,  ol)ac  daia  der  LVin  in  Far- 
be und  QnalitBt  verSadert  wSre;  darum  machen  in  solcher  Wai- 
sersacht  Diureliea  den  Urin,  wenn  «r  triibe  und  dunkel  von  Far> 
be  ist,  Kuweilen  klar  oad  naiiirlieh  gefSrbt,  und  vermehren  die 
Aussonderung  desselben  bedeutend,  ohne  dab  der  Arit  daraus  anf 
eine  baldige  Ueiicsnng  des  Kranken  aclilie&en  darf,  denn  nach 
ein  paar  Togen  geht  luwcilen  alles  wieder  den  Krebsgang.  Man 
kann  wol  ein  coosensuelles  Leiden  durch  Einuirken  auf  das  eon- 
sensuell  er^rilfene  Organ  aufbeben  oder  mindern,  aber  dieses  Aof- 
heben  oder  Mindern  währt  nnr  eine  gewisse  Zeit,  oft  eine  gar 
kurze  Zeit,  und  in  den  lueislen  Füllen  glückt  es  gar  nicbt.  Damm 
ist  ein  Mittel,  welches  durch  heilendes  lüiowirken  anf  das  ur- 
«ricrankte  Organ  die  coosensiielle  .NierenotTekiion  hehl,  sehr 
«ebittxbar. 

Man  mufs  dieses  Wasser  aber  nicht  in  grefaer  Menge  rei- 
chen. Viermahl  tags  ein  halber  Löffel  roll,  mit  BraimeawBSs« 
vetdSant,  ist  hinreichend.  Gibt  man  es  in  grSfserer  Menge  so 
siebt  man  die  wohlthätige  Wirkung  desselben  auf  die  Mieren  bei 
weitem  weniger,  aU  wenn  man  ea  in  der  angegebenen  mäfgigen, 
oder  in  noch  geringerer  Dosi  reicht. 

Doeh  nicht  bloJs  Wassersncht,  sondern  auch  andre  chronische 
Leberleiden,  welche  unter  mancherlei  Formen  auftreten,  können 
durch  dieses  Mittel  geheilt  werden. 

In  einem  Zeiträume  von  10  Jahren  ist  mir  die  lleberzengnng 
geworden,  dafs  der  eigne  krankhafte  Zustand  der  Leber,  ja  welchem 
das  QnassiawBSser  sicheres  Heilmittel  ist,  sich  durch  keine  bestimm- 
te Zeieben  offenbaret ;  ferner  ist  mir  die  Ueberzengnng  geworden, 
dafs  andre  akute  Bauchkrankheiten  in  diese  chronische  Leberkrank-' 
heit  nicht  selten  übergehen. 

Da  das  Quassiawasser  ein  wichtiges,  ja  scbwerlicb  durch 
andre  Arseneien  ersetzbares  Mittel  ist,  so  will  ich  die  Bereitung 
desselben,  üb  sie  gleich  gani  einfach,  genau  angeben. 


—    132    — 

Mfin  nehme  zwei  und  dreibig  Unzen  giilos,  nicht  von  Ver- 
fSUchern  vorher  ausgezogenes  Quassiaholz  ntiil  acht  Unzen  Qnas- 
starinde,  zerschneide  und  zerslofse  alles  wie  gewShnlich,  schütte 
es  in  eine  Uesiillirblase,  giefse  eine  hinreichende  Menge  Wasser 
nebst  zehn  Unzen  Alkohol  darauf,  lasse  es  48  Stunden  weichen, 
und  ziehe  davon  80  Unzen  Flüssigkeit  ab. 

Dieses  Wasser  bat  keinen  bitteren,  aber  einen  eignen,  Ge- 
schmack und  Gerdch,  so  dafs  jeder,  der  es  Einmahl  gerochen  nnd 
gekostet,  es  von  allen  andern  Destillalis  noch  lange  Zeit  nachher 
nnterscheideo  wird. 

Nnn  mnfs  ich  znm  Schlosse  noch  einer  seltsamen  chemi- 
schen Eigenschaft  des  QuassiawasserB  Erwähnung  ihun ,  nHm- 
(ich  der,  dafs  es  die  rothe  Farbe  der  Cochenille  tilgt.  Um  sich 
davon  zn  überzeugen,  hereile  man  eine  gute  Cochenillelinktnr, 
aber  (>vie  sich  von  selbst  versteht)  ohne  Alann.  Ist  die  Tinktar 
gut  bereitet ,  so  ßrbt  eine  halbe  Drachme  derselben ,  vier  Unzen 
Qnnssiawasser  so  roih,  dafs  es  das  Ansehen  eines  rolhen  Rhein- 
weins hat.  Wenn  man  diese  Mischung  24  Stunden  bei  dem  ge- 
wöhnlichen Warmeswnde  der  Luft  stehen  läfst,.  so  ist  nach  vier 
nnd  zwanzig  Standen  die  rothe  Farbe  also  verschwunden,  dals 
nur  eine  schmutzige,  kaum  etwas  ins  Röthliehe  schielende  Mifs- 
farbe  überbleibt.  Hat  die  Mischung  noch  vier  und  zwanzig  Stun- 
den länger  gestanden,  so  ist  alles  Roth  verschwanden,  und  die 
Mischung  sieht  aus  wie  ein  dünner  Anfgiifs  von  Thee.  Dafs 
hier  kein  Niederschlag  Statt  findet,  soodern  ein  mir  nnerklfirbtt- 
res  Verschwinden  des  färbenden  Grundstoffes,  davon  habe  ich  mich 
überzeugt.  Seihet  man  das  Qnassiawasser  durch  ein  Tuch ,  so  ver- 
liert es  diese  die  CocheDilIe  entf3rhende  Eigenschaft  zum  Theil. 
Da  nun  bekanntlich  destillirte  Wässer,  welche  ätherisches  Oel  ent- 
halten, durch  das  Durchseihen  an  Oelgehalt  verlieren,  so  könnte 
man  auf  den  Gedanken  kommen,  ob  vielleicht  ein  äiherischea 
Oel  der  Qaassia  den  die  Cochenille  entfärbenden  Stoff  enthalte. 
Quassia Wasser ,  welches  nicht  ganz  kurzlich  destillirt,  aber  übri- 
gens sorgfältig  aufbewahrt  ist,  enif^rbt  die  Cochenille  nicht  so 
schnell  als  das  ganz  frische.  Uebrigens  kenne  ich  noch  drei  an- 
dere Aneneien ,  welche  die  Cochenille  entfärben ,  das  ist :  die 
Jodtinktur,  das  Kirschlorbeer-  und  das  Bitlermandelwasser.  Der 
letzten  zwei  Wässer  wegen  kam  ich  auf  den  Gedanken,  ob  die 
Blausäure  das  Entfärben  bewirke;  da  ich  aber  gesehen,  dafs  ein 
Zusatz  von  der  nach  dem  Preufsischen  Apotbekerbuche  bereiteten 
BlansSore  keine  Veränderung  in  der  rothen  Farbe  der  Cochenille 
hervorbrachte,  so  habe  ich  begriffen,  dafs  meine  Vemiiilhung  ud- 
gegründet  sei.  Sollten  den  Scheidekiin stier n  die  angeführten  That- 
lachen  noch  unbekannt  sein,  so  wäre  es  wol  der  Mühe  werth, 
dafs  sie  selbige  genauer  unterauchten.     Ich    erinnere   mich  nicht, 


—    133    — 

über  diesen  Gegemland  eiwaa  gelesea  zu  haben,  auch  aodere, 
bei  demn  ich  luicb  erknodiget,  wUmb  mir  oicliti  darüber  zu 
■Bgea. 

ZuaBts  rom  Jabr  1836. 

Ich  habe  in  diegem  Jahre  noch  einmahl  aus  Neugierde  die 
Enifärbnng  der  Cochenille  durch  Quauiaivauer  rersncht.  Dag 
Wasser  war  biusichtlich  des  Geruches  und  Gescbmncka  untadel- 
haft,  auch  hatte  es  die  gewohnte  Wirkung,  allein  die  ü^ntfllrbaDg 
der  Cochenille  erfolgte  durch  dasselbe  höchst  nnvollkomroea ,  ob- 
gleich der  Apotheker  versichene,  es  sei  erst  vor  Knrsem  bereitet. 
Wovon  dieser  Unterschied  abhitngt ,  kann  ich  nicht  angeben. 
Früher  nahm,  wie  gesagt,  Herr  B.,  der  jetzt  nicht  mehr  Apothe- 
ker, sondern  Rentner  ist,  mit  dem  Holze  einen  Theil  Kinde;  ob 
vielleicht  in  der  Rinde  der  eniHtrhende  Stoff  stecken  magf  ob 
vielleicht  die  jelxigen  A(KMheker  das  Holz  ohne  Rinde  gebrau- 
chen I  —  Da  ich  von  dem,  was  sie  bereiten  gute  Heilwirkung 
sehe,  so  ist  mir  an  der  Sache  nichts  gelegen.  Ich  führe  den  be- 
obachteten Unterschied  blofs  an,  damit  neugierige  Leser,  die  ein- 
mnhl  vergebens  die  EniAirbung  der  Cochenille  versuchen  mSchlen, 
mich  nicht  fTir  einen  unglücklichen  Erblindeten  hnlten,  —  Ist 
auch  falsches  Quassiahol»  im  Handel  I  —  Ich  mufs  es  fast  glau- 
ben, denn  einst  sagte  mir  eine  Frau,  eine  Portion  Quassiawasser, 
welches  sie  eben  aus  der  Apotheke  erhalten,  habe  einen,  von 
dem  früher  gebranchten  Wasser  ganz  verschiedenen,  sehr  garsti- 
geu  Geschmack.  Da  ich  es  kostete,  fand  ich,  dafs  die  Frau  Recht 
hatte,  es  war  wirklich  ein  Wasser  von  sehr  nnlustigem  GeKchmaok 
nod  Geruch,  das  mit  dem  Quassiawasser  eben  so  wenig  Aehnlich- 
keit  hatte  als  mit  anderen  apolhekarischen  WSssern.  Da  also 
keine  Verwechselung  mit  einem  anderen  Wasser  Statt  hatte,  so 
vermuthe  ich,  dafs  es  von  einem  falschen  Quassiaholse  müsse  ab- 
gezogen sein. 

Scie/iAraut.     ChelidcniHa. 

Zuerst  muls  ich  zu  meiner  Schande  bekennen,  dafs  ich  die- 
ses, schon  in  früher  Zeit  als  Hepaticum  berühmte  Mittel,  bis  zum 
Jahr«  1827  als  ein  solches  verachtet. habe,  welches  ich  vermeint- 
lich längst  durch  ein  weit  TorKÜglicheres  ersetzt  hätte.  Der 
Grund,  warum  ich  es  geringachSKte ,  war,  well  ich  es  in  meiner 
Jugend  mehrmahla  in  der  Gelbsucht  hatte  anwenden  sehen,  ohne 
gewahr  zn  werden,  dafs  die  Gelbsucht  davon  vergangen  wäre. 
Ferner  waren  Gelbsüchten  in  dem  ersten  Driiiol  meiues  ärzilicbea 
Lehens  sehr  selten,  die  vorkommenden  Fälle  so  nnbedenlend,  dafs 
etwas  veraülstes  Quecksilber,  oder  der  mäfaige  Reiz  eines  Laxir- 
MitMts  hinreichte,  sie  zu  heben.  Weiterhin  hatte  mehr  der  Zu- 
fall aU  die  Belehrung  anderer  mich  auf  die  Wirkung  der  Krähen- 


-  134  - 
atig«n  anftnerksiitTi  gemacht;  und  da  tch  später  bei  gastrisdier 
ConstilDtion  viel  von  gelbsfichligein  Volke,  lelbst  aus  entfernte- 
ren Gegenden  angelaufen  wurde,  so  hatte  ich  oft  genug  Gelegen- 
heit, durch  den  fnichltosen  Gebrauch  der  Mittel  anderer  Aerzte, 
in  deren  Verordnungen  veraüfatea  Qaecl£silber,  Extractitm  Cke~ 
lidonii  und  AloS  feststehende  Artikel  waren,  mein  Vomrtbeil  zti 
verstSrken.  Im  Jahre  1827  endlich,  wurde  ich  für  meinen  Un- 
glauben an  die  Erfahrung  alter  Meister  mit  vieler  .Mühe,  vielen 
Sorgen  und  vieler  Kopfbrecherei  beairaft. 

Im  Spütaoramer  des  besagten  Jahres  fing  näinlich  ein  sehr 
seltsames  Fieber  an,  «ich  zu  aeigen ,  welches  ich  nach  einer  reif- 
lichen Untersuchuflg ,  bei  der  ich  leider  länger  als  mir  lieb  war 
die  Rollo  des  Zauderers  und  vorsichtigen  Probers  spielen  mufsie» 
für  ein  Urleiden  des  inneren  Leberorgans  erkannte.  Da  nun  in 
den  medizinischen  Büchern  mehr  von  Affeklionen  der  convexen 
und  der  concaven  Seile  der  Leber,  als  von  der  Affeklion  der  in- 
neren Leber  die  Rede  ist,  so  künnten  die  Leser  es  seltsam  fin- 
den, dafs  ich  diesen  drllten  krankhftflen  Zustand  beachte,  es 
konnte  ihnen  bediinken,  solches  snliiites  Scheiden  krankhafter  Zu- 
stände stehe  mir,  dem  vermeintlich  reinen  Erfahrungsarzte  sehr 
übel  an. 

Es  ist  wahr,  wenn  ich  gezwungen  würe,  die  Zeichen  anzu- 
geben, dnrcli  welche  diese  LeberalTeklion  von  andern  Leberaf- 
fektionen  in  allen  Füllen  zu  unterscheiden  sei,  so  würde  ich  mich 
wirklich  in  Verlegenheit  befinden.  Die  N'aiur  hat  zwischen  den 
verschiedenen  ^rankheilssiislündcn  eines  Organs  keine  scharfe 
Grenzen  gezogen.  Die  innere  LeberafTekiion  iKfst  sich  an  ihrer 
äufserslen  Grcnvic,  in  ihrer  vollkouinienslen  Form  ganz  gut  durch 
Sinne  und  Verstand  von  andern  krnnkhafieo  Ziisifinden  der  Leber 
unterscheiden;  nur  da,  wo  sie  durch  unberechenbare  Schaltun- 
gen, sich  andern  kranklinfien  Zustünden  nühert,  werden  die  Zei- 
chen immer  dunkler  und  verschwinden  endlich  ganz.  Die  voll- 
kommne  Form  der  inncrn  Lehcrafl'cktian  fiufsert  sich  durch  weifse, 
ganz  ungefiirbie  Excremcnie  wie  bei  GelbHÜcfatigen ,  und  durch 
günzlicfae  Abwesenheit  aller  gelbsüchligen  Zuteile.  Die  Haut  ist 
und  bleibt  wetfs,  bat  nicht  cinmahl  ein  schmalziges  Ansehen, 
nnd  der  Urin  ist  blofs  strohgelb  wie  bei  Gesunden.  Diese  innere 
Leberall ektion  ist  in  solch  vollkommncr  Form  ziemlich  selten; 
man  ündet  ihrer  von  elHchen  Scbriftst ellern  Erwähnung  gelhan. 
Ich  selbst  habe  sie  fünfmahl  in  meinem  Leben  beobachtet.  Ilfitie 
aber  auch  kein  einziger  Schriftsteller  ihrer  erw&hnt,  halle  ich 
sio  kcIIhk  nur  ein  einziges  Mahl  gesehen,  so  würde  dieses  einzige 
Mahl  das  wirkliebe  Vorhandensein  eines  solchen  krankhaften  Zu- 
slandes  eben  so  aufser  Zweifel  setzen,  als  oh  ich  sie  hundert 
nnd  mehre  Muklo  gesehen;  nnd  in  Erwägung  der  unbestreitbaren 


—     135     — 

Wahrhmt,  daf>  di«  \nlnr  nnberechenbore  AbilafuDgeD  eines  und 
des  oäitilichen  krankhaften  Znitandes  macht,  würde  man  auch 
UDberecbeobare  Ahatti fange d  jenes  Znslandeg  annehmen  niiissen. 

Ein  Ant  braiiiht  gerade  keine  gtofse  Erfahrung  zu  haben, 
um  SU  Winsen,  dafs  die  Krankheit  der  Leber,  die  sich  in  ihrer 
vollkommen  Ken  Forra  als  Gelbsucht  äuftert,  unendUclie  Abstn- 
fungen  hat ,  wo  sie  im  gemeinen  Leben  and  nach  ärzilichem 
Spracbgebraacfae  nicht  mehr  Gelbsiicht  heilst.  Der  geringste  Grad 
aber  dieses  krankhaften  Zusiandes  änfsert  sich  noch  im  (Jrine 
durch  blasse  Goldfarbe,  nnd  auf  der  Haut»  besonders  auf  der 
des  Gesichts,  durch  ein  mehr  oder  weniger  sclimiitxigcs  Ansehen. 
Ua  nun  bei  den  vorhin  besprochenen  l'^llen  die  wcifsen  Excre- 
menle  unwidersprechlioh  beweisen,  dafs  dos  ErgieJsPO  der  Galle 
in  den  Darmkanal  nicht  mehr  Statt  lindet;  so  beweiset  die  glinx- 
liclie  Abwesenheit  der  leisesten  Spar  gclbsnchiigcr  Zntälle  eben 
so  nnwidersprechlich,  dafs  hier  nicht  blofs  eine  Uehinderung  der 
Ergiefsung  abgesonderter  Galle  in  dos  Jhtodeiuim  vorhanden,  son- 
dern dafs  jenes  uns  nnbekannie  Organ,  wodurch  die  Galle  aus 
dem  Blute  bereitet  wird,  selbst  erkrankt  sei;  dafs  gar  keine 
UaUe  vorhanden,  milhtn  auch  keine  eingesogen,  in  die  Haut 
abgeseixt  nnd  durch  den  Urin  ausgeleert  werden  hdnne.  Wenn 
ich.  also  VOR  einer  An'ekiion  der  innern  Leber  rede,  so  werden 
die  Leser  wol  so  gütig  sein,  dieses  nur  als  einen  bildlichen  Aus- 
druck anzusefau,  denn  ich  hescheide  mich  gern,  dafs  ich  eben  so 
wenig  als  irgend  einer  meiner  Amtsgenossen  weifs,  an  welchem 
One  der  Leber  das  eigentliche  Galle  machende  Organ  sich  befindet. 
\'un  zu  unsem  Fiobern.  Sie  begannen  mit  nnt  er  misch  tent 
Schauder  nnd  Wlirme,  und  dieser  Zustand  hielt  nngewöhnlich 
lange,  .zuweilen  zwei  bis  drei  Tage  an.  Der  Kopfschmerz  war 
ni&fsig  und  verschwand  in  den  ersten  Tagen  von  selbst;  an  seine 
Stelle  trat  bei  allen  ein  Gefühl  von  Schwindel  oder  Taumel  ein, 
welches  die  Menschen  mit  dem  Ausdruck  Tollheit  oder  Leich- 
tigkeit des  Kopfes  bezeichneten.  Dieies  Geßhl  geht  aber  be- 
kanntlich den  gewöhnlichen  Gallenüebero  und  deo  Gehimfiebem 
auch  nicht  selten  vorher.  Nur  zweier  Kranken  erinnere  ich  mich, 
die  heftigen,  unerträglichen  Kopfschmerz,  gerade  wie  bei  Ge- 
hirnfiebern, hatten.  Der  Puls  war  nififaig  schnell,  wie  bei  ganz 
gawShnlichen  unschuldigen  Fiebern,  bei  sehr  wenigen  unregel- 
fliijfjsig.  Dar  Durst  bei  dem  einen  zwar  mehr  als  bei  dem  andern, 
aber  im  Allgemeinen  doch  mä&ig;  die  Zunge  nicht  belegt,  kaum 
in  der  Mitte  einen  leichten  weifsen  Anflug  zeigend.  Schmerz  und 
Gespanntbeit  in  den  Präkordien  war  nicht  vorhanden ;  in  sehr 
seltnen  F&llen  war  ein  leiser  Schmerz  in  der  I..ebergegend  zu 
erknndscfaaflen.  UrustulTeklionen  waren  sehr  selten,  nnd  nur  in 
deo  Fällen  vorbanden,  wo  geringe  schmerzhafte  Leberleiden  sich 


—  136  — 
zeigten.  Bei  manchem  Kranken  bemwkte  ich  rin  uowillkürli^im 
SenfzeD.  (Um  dieies  za  seha,  mofste  man  ihn  aber  sich  aelbfit 
fiberlaaseo,  nicht  mit  ihm  plandern.  Es  ist  ein  wichtiges  Zei- 
chen, welches  nna  nicht  selten  geheime  Bauchaffektionen  ver- 
rHih.)  Bitterer,  sanrer;  oder  garstiger  Geschmack,  Aafstolsen, 
Uebelaein  n.  s.  w.  war  nicht  TOrhanden,  nnd  in  dem  äiifserst  sel- 
tenen Falle,  dafs  ein  Kranker  über  bit^ern  Geschmadc  klagte, 
war  dieser  Zafall  durch  etwas  Natron  in  vier  nnd  awansig  Stun- 
den gehoben,  ohne  dafs  die  Beseitigung  desselben  auch  nur  den 
mindesten  Einflufs  aof  das  Befinden  hatte.  Der  Uiin  war  aehr 
verschieden,  hei  einigen  etwas  gelblich  und  etwas  nnklar,  ohne 
dafs  man  ihn  grade  trübe  littlte  nennen  können;  bei  andern  klar 
von  beller  Goldfarbe,  wie  er  bei  leichter  Affieklion  der  Gallen- 
günge  zn  sein  pflegt;  bei  andern  gani  hlalsslrohgetb  wie  bei 
Gesunden.  Bei  manchen  wurde  er,  wShrend  der  unverkennbar 
eingetretenen  Genesnng,  diinkelgelb  wie  bei  hervorstechenden 
Leiden  der  Gallengünge.  Bei  aller  Versohl edenbeit  des  Urina 
fehlte  die  HarosRnre  nie. 

Die  MnskelkrHfte  wurden  wenig,  selbst  nicht  im  weitem 
Verlaufe  des  Fiebers  bedentend  gesohnHcht,  nnd  wenn  ich  ein 
paar  Menirchen  ausnehme,  die  sich  nicht  mehr  im  Bette  anfrich- 
len  konnten ,  so  vermocbien  die  meisten  sich  nieht  blofs  ohne 
Hnlfe  im  Bette  a»rznrichien,  sondern  konnten,  wenn  man  ihnen 
die  Hand  reichte,  ans  dem  Bette  steigen,  ja  derer  waren  ge- 
nug,  welche  aussteigen  konnten  ohne  allen  Beistand. 

Die  Haut  war  weder  trocken  noch  feucht;  hei  einigen  brach 
von  Zeit  zu  Zeil  Schweifs  ans,  ohne  dafs  dieses  Nutzen  gehabt 
hätte.  Die  Farbe  des  Gesichts  war  bei  einigen  ganx  unverän- 
dert, bei  andern  schmutzig,  wie  sie  bei  leichten  Afiektionen  der 
Gallengftnge  zu  sein  pflegt. 

Die  Paroxismen  des  Fiebers  waren  nnregelmäfsig ;  sie  fiofser- 
ten  sich  durch  Unruhe  des  Kranken  nnd  vermehrte  Vollheit  des 
Pulses,  die  Remissionen  nicht  durch  verminderte  Geschwindig- 
keit, sondern  durch  verminderte  Vollheit  des  Pulses. 

Dpn  Verlauf  desselben  ausführlich  zu  beschreiben,  ist  wegen 
seiner  UnregelmSfsigkeit  ganz  unmöglich,  eskonnte  von  drei  bis 
zwölf  Wochen  währen ,  die  meisten  Znfölle  konntet  bald  früh, 
bald  spät  eintreten;  kurzum,  es  war  etwas  so  Wandelbares  In 
dem  Verlaufe  desselben,  dala  et  wol  am  besten  sein  wird,  ich 
fahre  die  Zufälle,  von  denen  es  begleitet  war,  einzeln  an,  mit 
dem  Bemerken,  ob  sie  hSnfig  oder  selten,  früh  oder  spät  ein- 
getreten.    Diese  Zufölle  waren  folgende. 

Sehnenspringen  war  häufig  nnd  stellte  sipb  nicht  sdteo  sdion 
in  den  ersten  fünf  Tagen  ein. 

Trockenheit  der  Zunge  war    faänfig,    aber  oiehl  aBbaliend; 


—    137    — 

hMjlle  wn  dt«  Zaage  trocken,  nurgen  fcBchi,  fibAnaorgen  wie- 
der trocken  n.  a  w. ;  dieser  ZafBll  konnte  schoo  io  den  ersten 
■edu  Tagen  erscheinen.  Anhaltend  trockne,  mit  dickem  Schmn- 
Ixe  belegte  Zunge  habe  ich  gar  nicht  gesehen. 

Irrereden  war  bei  dm  wenigsten  anhaltend,  leigie  sieh  oft 
io  den  «nten  acht  Tagen ,  ja  bei  einem  FrKnIein  habe  ich  am 
ersten  Tage  eine  nahe  an  Irresein  grenzende  Aufgeregtheit  des 
Geistes  bemerkt.  Wenn  aber  dag  Irresein  selten  anhaltend  war, 
SD  konnte  ich  doch  in  seinem  Wiederk^ren  nnd  Verscbwindeo 
durchaus  keine  Regelmäfsigkeit  entdecken;  bri  einigen  wenigen 
war  es  anhaltend,  bei  zweien  mit  einer  beslSndigen  Neigung  daa 
Bett  an  verlaasen  gepaart;  hei  manchen  w»r  gar  kein  Irresein. 
Den  l>ei  akuten  Krankheilen  sehnen  Fall  sah  ich,  dab  eine 
Fran,  ohne  im  eigMitlichen  Sinne  irre  zu  reden,  sich  mit  reli- 
giösen Zweifeln  den  Kopf  aermarterte.  Diese  Fran  halle  nie  vor- 
her nn  solcher  religiösen  Yerstandeflirmiig  gelitten ,  mit  der  Krank- 
heit versohwaad  selbige  auch. 

Durchfall  war  sehr  häufig,  so  hSn&g,  dafs  das  Nichtrorhan- 
densein  desselben  als  Ausnahme  ron  der  Regel  betrachtet  werden 
konnte.  Er  stellte  sich  friib  ein,  zuweilen  fing  die  KranUieit 
mit  selbigem  an;  in  einigen,  jedoch  seltnen  Fflllen,  war  er  der 
VofflBafer  der  Krankheit,  in  den  meisten  währte  er  bis  zur  Ge- 
nesung des  Kranken.  Die  Excremenle  waren  meistens  hellgelb, 
wie  Kinderdreck;  bei  einigen  aber  auch  natürlich  braun.  Ich 
«eifs  keinen,  der  graue  oder  weilse  Escremente  entleert  hätte. 
Der  merkwnrdigHte  Zufall  bei  diesen  Fiebern  war  der  unfreiwil- 
lige Abgang  des  Kothea,  welcher  zwar  gerade  nicht  bei  allen 
denen  Statt  halte,  die  am  Dorchlaufe  litten,  aber  doch  bei  gar 
TieleD,  und  bei  diesen  auch  nicht  besiftndig,  sondern  abwech- 
selnd, so  dals  sie  hente  das  Bett  besobmaizlen ,  morgen  trocken 
blieben  n.  s.  w.,  ohne  dals  man  in  diesem  abwechselnden  Er- 
scheinen und  Verschwinden  des  lästigen  Zufalls  etwas  regetmäfsig 
Periodisches  hätte  entdeoken  können.  Uebrigeus  raufs  ich  bemer- 
ken ,  dafs  der  Durcfalanf  ganz  schmerslos  war;  es  ging  der  Bauch- 
entleemng  nicht  einmahl  die  gewöhnliche  Anmabnnng  im  Bauche 
vorher,    die  bei  jedem  gesunden  Menschen  Statt  findet. 

Dalii  beim  Irresein ,  beim  gröfslen  Grade  der  Erschöpfung, 
in  seltnen  Fällen  beim  ersten  Nachtasse  des  Rnhrsluhlzwangea, 
beim  Bmehe  des  Rfickgrathea,  bei  VerbärUing  des  Mastdarms, 
ud  swar  in  der  letzten  Zeit,  unfreiwilliger  Abgang  des  Koihes 
erfolgt,  das  ist  in  der  Ordnung;  aber  dals  bei  roUem  Verstände 
and  bei  guten  Kräften  der  Kranke  das  Bett  lieschmnlzt,  ohne  es 
sdbst  sn  wiaam,  bis  es  geschehen,  oder  bis  die  Nisse  an  seiner 
Hau  ilm  duaa  mahnt ,  daa  war  bis  dahin  in  meiner  Praxis  uner- 
hört.   Bloüi  eines  eiaiigeii  Falles  erinnete  ich  midi  aat  frBher  Zeit, 


—  138  — 
wo  sieh  etwoa  Aebnltchaa  mtnig.  Damahh  lehon  kam  es  mir 
so  vor,  aU  miisBe  diese  nnfTeiwillige  EnHeening  auf  einer  eign- 
neit  eonsoflSHelteu  AfTektion  des  Mastdaniis  beniheti,  welche  sieti 
sehr  übel  anter  eine  pathologische  Kategarie  bringen  liefse;  jeist, 
da  U^  diesen  Zufall  oft  genug  erlebt,  wetfs  ich  auch  noch  nichts 
lUBgeres  darüber  au  denken  und  au  sagen. 

Schlftfrigkeit  stellte  sich  bei  einigen  Menschen  im  Verlaufe 
der  Krankheit  früher  oder  spHter  ein,  war  aber  ebenfuIU,  wie 
in  den  meisten  Fällen  das  Irresein ,  wandelbar. 

Brostleiden  war  seilen;  Husten  selten,  sowohl  im  Verlaafe, 
als  b«i  der  Besserung  der  Krankbetr. 

Bancbschiuenen  entstanden  bei  manchen  Kranken  (aber  laog« 
nicht  bei  allen)  in  später  Zeit  der  Krankheit,  und  waren  zuwei- 
len so  heftig,  dafs  sie  den  Ant  nm  das  Leben  des  Kranken  be- 
sorgt machen  konnten.  Ich  erinnere  mich  des  Falles,  dafs  zwei 
bejahrte  Avraie  in  gemeinschaftlicher  Iteralhnng  solche  heftige 
I hl »ch «dl merzen  für  Darmentzündung  erkannlea  und  demgenilifa 
bebandelten.  Oh  die  Leichenöffnung  ihre  Crkenntnifs  bestiiiiget 
littbe,  kann  ich  nicht  sagen.  —  Diese' Bau chscli merzen  sind  aber 
kein  ansgeze  ich  neter  Zufall  der  beschriebenen  Fieber;  denn  wenn 
ich  sie  gleich  nicht  bei  den  gewöhnlichen  Gallenöebem  beobach- 
tet, so  habe  ich  sie  doch  als  Sj'mptom  des  spRiern  Zeilrauioea 
anderer  Bauchfieber  oft  genug  erlebt. 

Vor  dem  beschriebenen  Fieber  hatte  ein  ganzes  Jahr  ein 
anderes  geherrscht,  welches  ich  fiir  ein  lirleiden  der  Bauehspei- 
clteldrüse  angesehen  und  mit  dem  Jod  gar  bald  geheilt. 

Da  der  Anfang  beider  Fieber  sich  im  ersten  Zeiträume  ziem- 
lich gleich  war,  so  wurde  i<^  auf  die  unbekannte  Natur  des  Be- 
scbriebenen  zuerst  durch  das  Nichthetlwirken  des  Jods  aufnierk- 
sam.  Bei  der  Untersuchung  haue  ich  also  scfana  das  voraus,  dafs 
ich  wuläte,  ich  habe  es  nicht  mit  dem  Pankroaü  xu  ihnn.  Der 
Maogel  aller  Zeichen,  die  auf  ein  Urleitlen  der  Mils,  oder  der 
Dirme  deuten,  verbunden  mit  den  wahrhufi  schwachen  und  höchst 
dunklen  Zeichen,  die  auf  eine  Leberaß'ekiion  hinwiesen,  mufste 
mir  wol  den  Gedanken  aufdringen,  dafs  ich  es  mit  einem  Leber- 
leiden  eigner  Art  zn  tbun  habe.  Aber  was  half  mir  diese  For- 
neoerkenntnils  f  Da  bei  manchen  Menschen  der  goldfarbne  Harn 
auf  eine  leise  Affektion  der  Gallengftnge  schliefseo  lieb,  so  wandte 
ich  mein  alte«  bewShrtes  Mittel,  die  Nux  vomica  ao;  allein,  ob 
ich  gleich  von  müfsigen  Gaben,  bis  su  den  kleinsten  abslieg, 
so  sah  ich  doch  dadurch  den  Durchfall  erregt  und  den  vorhande- 
nen bedeutend  vermehrt.  Bei  der  Besserung,  wo  (wie  ab*>n  ge- 
sagt) bei  einigen  Menschen  galliger  Harn  auf  eine  gewöhnliche 
AJTektion  der  GallengKnge  scbliefsen  liefs,  leistete  die  A'uj;  vo. 
mica  ihre  ölten  Dienste ,   die  laudernde  Genesung  ging  mit  raschen 


—    139    — 

Settritten  TorwHrts.  Diese  Bemerknnff,  diifi  die  eigemliclie  Af' 
(eIctioB  der  tinIlen|f8Dge  die  anvericMinbare  Boamimtg  begleiten 
k5nne,  mnfsle  mir  wol  den  Gedanken  anfnöthigen,  der  Siti  der 
Krankheit  sei  in  dem  Innern  dieses  grofsen,  ans  vielleicht  noch 
wenig  bekannten  Organs.  Die  Qnassia,  welche  mir  das  zweite 
Jahr  TOrher  solch  ansgezeiehnete  Dienste  geleistet,  half  durch- 
au  nicbt.  Caloraei  versnehte  ich  bei  Einem  Kranken ;  allein  die 
verdichtigen  Zuf&lle  der  Krankheit,  weit  entfernt  ansxableiben, 
traten  l>eim  Gehraaefae  dieses  Mittels  greller  hervor  als  sie  riel* 
leicht  sonst  würden  gethan  haben,  nnd  ich  hsite  wiridwb  nie  die 
eigentlich  wohlthllige  Wirkang  nnseres  modischen  Uoirersalmit- 
tels  milsBen  gesehen  haben,  wenn  ich  in  ihm  das  Heil  »tiBW 
Kranken  hfitte  suchen  wellen.  Ich  mag  den  Leser  nidit  länger 
mit  Aofsfiblang  meiner  vef^benen  Veranche  langweilen;  es  ist 
genng,  wenn  ich  ihm  sage,  dafs  von  allen  Krankheilen,  die  ich 
je  erlebt,  diese  beschriebene,  fainsicbilich  der  ErkenDtnifSf  mif 
die  allergröfste  Mühe  verursacht  bat.  Schon  war  idi  auf  dem 
Pankte,  von  meinen  Untersnehnngen  gSnxlicb  abznatehen  nnd 
mich  notbgedningen  in  die  far  mich  ekelbafie  Rolle  des  Krxllicben 
Behandlers  sn  ergeben;  da  dämmerte  es  einst  in  meinem  Ge- 
dftchfnils  auf,  irgendwo  gelesen  zn  haben,  dura  mit  dem  Schell- 
krante  man  in  der  Vorzeil  bSsarlige,  peslilenzial Ische  Fieber  ge- 
beilt Beim  \achsebn  fand  es  sich  bald,  dafs  EUmUiler  mir  in 
Gedanken  gesehwebt  hatte;  leider  konnte  icb  aber  beim  Nach- 
schlagen  nichts  mehr  und  nichts  weniger  daraus  erlesen,  als  das, 
was  mir  erinnerlich  gewesen. 

In  Erwägnng  aber,  dafs  unsre  Allvordem  solche  Fieber, 
deren  sie  nicht  Mcisicr  werden  konnlen,  bösartig  genannt  haben, 
nnd  pe^ilenzialiscb ,  wenn  viele  Menschen  daran  starben;  in  Er- 
«ignng,  dafs  sie  sowol  einige  ürfieber  des  Gesammtorganisnns, 
aU  ancb  consensnelle  Fieber,  welche  Hegleiter  epidemischer  Ur- 
leiden des  Gebirns ,  des  Kiickenmarks  ,  der  Banchganglien ,  der 
Leber  u.  s.  w.  sind ,  bösartig  genannt  haben ;  in  Erwfigong  fer- 
'  ner,  dafs  das"  Schell  kraut  weder  anf  ein  Urgesammtleiden ,  wel- 
eherlei  Art  es  anch  sei,  noch  anf  ein  Urleiden  des  Gehirns  und 
Rückeiunarks ,  aber  wol  auf  ein  Urleiden  der  Leber  pafst;  und 
feraer,  in  Erwägung,  dais  die  Alten,  die  ea  als  Hülfe  in  pesti- 
lenzialrschen  Fiebern  ge|iriesen ,  wol  schwerlich  mit  gewöhnlichea 
Galleoiiebera  werden  zn  kämpfen  gehabt,  denn  sonst  würden  sie 
sie  erkannt  nnd  also  benannt  haben;  in  Erwägung  endlich,  dals, 
wenn  auch  meine  Meinung  gerundet,  und  die  Nux  «osilca  den 
Vorzug  in  Heilung  der  Affektion  der  Gallengänge  verdiene,  dar- 
ans  noch  lang«  nicbt  folge ,  dals  das  Schellkraut  in  der  Afl'ektion 
des  inneren  Leberorgans  nicht  weit  vorzüglichera  Dienste  leisten 
könne:    in  ErwSgnng   oller    dieser  Bedenken,    hielt  ich  es,    wo 


—    140    — 

■lieht   gerade    fnr  wnhnehftiolich ,     dock    Rlr  mSgllch ,    iah   du 
Gi^idonium  Heilmittel  unnres  Fieberg  seia  Itäooe. 

Da  ich  kein  Freund  vod  Extrakien  bin,  weil  von  manchen 
Aneneien  in  dieaer  Form  gleiohmifBtge  Wirkung  kaum  zu  er- 
warten lat,  and  weil  ich  auch  heimlich  den  Verdacht  hatte,  ob 
Tielieicht  gerade  die  Extraktfonn  nnd~  die  manchmahl  aelisanie 
ZntanmenMtxnng ,  in  welcher  ich  das  Schellkraut  hatte  geben  ••• 
b«n,  telbigea  bei  mir  in  üblen  Ruf  gebraebi;  ao  liefs  ich  eine 
l^iiktar  ana  dem  Safte  bereiten.  (Der  Saft  wird  mit  >o  r!el  Al- 
flobol  Termiicht,  dafii  er  sieh  klBrt  and  vor  der  Verderbnifg  be- 
wahrt bleibt.)  Dieae  Tinktar  leistete  nnn  wirklich  alles,  was 
NMB  billigerweiae  von  einem  wirldichen  HeUiuiitel  erwarten  kann. 
Nach  einen  angefiihrwi  Ueberschlage  nehme  ich  an ,  daCi  die 
QUe  Krankheit  dadnrch  in  einem  Dritt«!  der  Zeit  geheilt  wurde, 
and  griindlieh  geheilt  wurde ,  in  welcher  die  Natur  ohne  Hülfe 
des  Antes  aia  heilte,  al>er  vielroahls  nnvoUhommm  beiher  Man 
mufs  schon  zufrieden  sein,  in  vierzehn  bis  achtzehn  Tagen  eine 
Krankheit  xu  heilen,  welche  ihrer  Natur  nach  vieraig,  sechzig, 
achtzig  nnd  mehrere  Tag«  w3br«i  kann.  Solche  Afiektioneu  der 
Organe  haben  das  Unangenehme  an  sich ,  dafs  man  sehen  wissen 
kann ,  wie  lange  sie  in  den  Organen  eingewurzelt  sind ,  ehe  si« 
den  Menschen  dnrch  Erregung  eines  mehr  oder  minder  starken 
«onsensnellen  Fiebers  ins  Ketle  gworfen. 

Man  kann  kühn  annebmen,  dafs  zwei  DriUel  der  von  den 
uns  nnhekapnten  luftigen  oder  irdischen  Einflüssen  feindlich  bo- 
rührten  Menseben  nicht  ins  Beit  geworfen  werden,  sondern,  aller- 
lei  Ungemach  klagend,  ihren  Geschäften  nachgeben,  und  dnfs 
TOD  dem  DriKel,  bei  denen  die  Krankheit  als  akutes  Fieber  er- 
scheint, bei  weitem  die  Mehrzahl  eine  längere  oder  kürzere  Zeit 
fieberloB  die  Krankheit  getragen  habe.  Das  ist  der  Grund ,  wat^ 
um  einige  in  wenigen  Tagen  genesen,  andere  in  xwei  Wochen, 
und  andere  noch  langer  zögern.  Das  ist  auch  der  Grund,  nurum 
solche  Menschen,  die  das  Fieber  durch  Ansteckung  überkom- 
meo,  eher  genesen,  als  manche  andre,  welch«  es  von  selbst  be- 
kommen; denn  die,  weiche  angesteckt  sind,  haben  das  Uebel 
Tienebn,  höchstens  achtzehn  Tage  im  Körper,  ehe  es  zum  Ans- 
bmche  kommt;  indefs  die,  so  es  von  selbst  bekommen,  es  drei- 
and  viermabl  Ifinger  können  getragen  haben. 

Die  Wirknng  der  Schellkrauiiinktur  war  die,  dafs  sie,  vom 
Anfange  der  Krankheit  an  gegeben,  derselben  Einhalt  that,  also, 
dals  der  Kranke  so,  wie  er  sich  mir  anvenrante,  znr  Bessemng 
aberging.  Manehe  iihle  Zufälle,  welche  schon  gleich  in  den  er- 
sten Tagen  sich  einstellten,  oder  schon  vorhanden  waren  wenn  * 
ieb  hinkam ,  waren  nicht  ganz  zn  kehren ;  dahin  gehört  der  Unrcb- 
fall  nnd  ein  wenig  Sehnenspriogen ,    seltner  das  Irresein.     Wo 


—    141     — 

letzteres  ToHianden,  (aui  es  ti«  in  seltnen  nUea  fcbon  ia  ilea 
ersten  acht  Tagen  ein)  konnte  man  nichts  Besonderes  dagt^eo 
ibon,  es  mnbie  mit  der  Krankheit  vergehen,  denn  es  war  ein 
echt  conseosaelles.  Uebrigena  war  das  Irresein  eine  höchst  seltae 
ErschetBoa^  seit  ich  das  GkefidüMütm  als  Hsilniltel  anwandte. 
Gegen  den  Durcfafalt,  der  ebenfalls  ein  consensnelles  Leiden  der 
Dfirme  war,  konoia  man,  ohne  die  Hanptkraakheit  n  TerstAlim- 
aem,  nichts  Entscheidendes  thna.  War  kein  Dnrohfall  vorhai^ 
den,  so  war  eine  Dradime  Sebellkrauttinktar ,  in  TiemadswaH^ 
Standen  gegeben,  die  passende  Menge,  welche  mit  acht  ünieii 
Wasser  nnd  etwas  Gnmmi  Termiseht  stündlich  nr  Gabe  eioaa 
Löffels  gereicht  die  wohlthütigste  Wirkung  finfserte.  War  aber 
Durchfall  Toriianden,  so  mn&te  man  die  Gabe  der  Sehellkrant- 
linktnr  nothwendig  mindern.  Ein  Sempel  derselben  mit  einer 
Cnze  arabischen  Gummi,  drei  Drachmen  Mohnftl  nnd  acht  Unsea 
Wasser  gemischt,  und  davon  stündlich  einen  LSffel  roll  gereicht, 
hob  entweder  den  Durchfall  ganz,  oder  mSfsigte  ihn  dodi  sehr. 
In  seltnen  FSlIen,  wo  er  auf  diese  Weise  nicht  zu  beseitigen 
war,  liels  ich  ihm  seinen  Willen;  er  mofsle  doch  mit  der  Heilung 
des  Vrieidens  verschwinden.  Ueberhnnpt  ist  der  consensuelle 
Durcbfall  bei  den  UraSektionen  der  Bancfaeingeweide  und  btü  de- 
nen des  Gehirns  nnd  Rückenmarks  nicht  so  sehr  zu  fürchten, 
so  bald  die  Affekiion  des  Gesammlorgatiismat  (das  Fieber)  rein 
consensuellei  Natur  ist  und  der  Gesammt Organismus  sieb  mithin 
in  dem  Indifferenzstnnde  befindet.  So  wenig  einen  Gesunden 
drei-  fünf-  oder  mehrmahlige  tfiglicfae  flüssige  Bauchenileerung 
tÖdiel,  halte  er  sie  auch  Tienehn  und  mehre  Tage,  eben  so  we- 
nig wird  dieses  den  Kranken  t5dlen.*)  Man  mnfs  solche  consen- 
suelle DuicblauFe  nicht  denen  gleich  achten,  die  sich  als  Zufall 
gewissen  Uraffekiionen  des  Gesa mmt Organismus  beigesellen  und 
wahrhaft  ein  Vorwalten  dieser  Uralfeklionen  im  Dannkanal  sind. 
Ein  solcher  Durchlauf  ist  nicht  blols  Zeichen  der  Steigerung  der 
Uraffektion ,  sondern  er  ist  auch  eine,  -  die  Uraffektion  verbd- 
semde  Schädlichkeit.  Hier  ist  also  ein  Zirkel  zwischen  Ursache 
nnd  Wirkung;  die  Uraffektion  des  Gesammto^aDismus  macht  den 


*)  Zssats  roB  Jahr  183S. 
(ttifet  bab«  iA  in  Jikn  1829  saHbrnbaD.  Obcteiob  icb  aocb  aoeb  Jatit  die 
Wabrbeit  dai  CJeiagtca  anerkeBaaa  bibI^  ,  w  tat  mir  diwh  «BitdcH  dareh 
Vaiflalebaag  vMet  aad  niehrarti|«r  Filla  dl«  (JabarwaraBg  fewordan ,  dab 
iar  esaiaDiaelte  DaraUaar,  mn  er  |faieb  aicht  d«M  KraDkaa  verderblieb  Ut, 
diwb  ata  ZaUl  aioer  Uibarea  Stetgaraag  dea  UrorgaBlaUeaa  die  eaasMas 
Biabr  »dar  wader  ven9s*rt,  aed  aaa  iba  aa  battea  dadareb  bebt,  dab  van 
dal  Ueihailtel  tuT  daa  arerLraoble  Organ  ia  wait  garingcrea  Gaben  reisbt  ala 
icb  ei  [b  Jebre  1827  getbaa.  Aa  Ende  dtnea  Arlikeb  wird  aan  eiaen  dia- 
aee  tfageoaUnd  beUefendan  ZsmU  res  1S39  fladea. 


—  1«  - 

Ourcblanf,  und  dieMr  Ist  wiader  Uitaebe,  iab  Jene  sieb  üuBUi 
Mehr  steigert;  eise  kann  m  deo  Arxt  wol  eben  nicht  überrucheo, 
wenn  der  also  ergritfene  Kranke  gar  bald  ohne  Sinne  und  Ver- 
stand daliegt ,  nnd  es  ist  der  Klugheit  gemfift ,  in  diesen  Zirkel 
einaogreifen ,  wofern  wir  anders  nicht  das  Leben  des  Kxanlua  in 
die  Schanse  geben  wollen. 

WoUie  man  aber  die  bei  solchen  Fiebern  gemachte  Erfab- 
mng  auf  die  consensuellen  Fieber  and  eoosensaellen  OnrchMle 
der  TeMchiedenen  Uraffecäonen  der  Eiozelorgane  aaweuden ,  so 
wSrde  man  entweder  nichts  ansrichten ,  oder  das  Urleiden 
selbst  versehlimmern.  Von  dem  Unierschiede  zwischen  eefat  cos- 
sensnellen  OnrchßUleo,  nnd  denen  von  einen  Heise  chetaischw 
Schärfe  berrüfarendeD ,   werde  ich  im  Folgenden  mehr  sagen. 

Jetst  noch  ein  Wort  von  den  consensuellen  Unistaffektionen, 
die  sich,  wie  oben  bemerkt,  zuweilen,  jedoch  selten  bei  ungein 
Fiebern  einfanden.  Wo  ich  sie  bemerkte,  äufserten  sie  sich 
durch  m&faigen  Seitensehmerz ,  korsen  Atbeu  und  BeSogstignng. 
Die  gewöhnliche  Gabe  (eine  Drachme  Tinet.  Chelid.  in  viemad- 
swanzig  Slnoden)  vermehrte  diese  ZufBIle  so,  dafs  ich  in  einen 
Falle  genSthigt  war,  die  Tinktur  ganz  bei  Seile  zu  setzen  uad 
einen  Adsod  des  Franendialelsamens  zu  geben ,  welcher  die  Zufalle 
beschwichtigte..  Ich  aetsle  darauf,  weil  ich  wol  wufste ,  dafs  ich 
mit  Frauendialelsumen  allein  die  Krankheit  nicht  heben  würde, 
einen  Scru|iel  Seh  eil  krau  ttioktur  xii  dem  Aksod ,  da  ging  die 
Sache  gut,  and  ich  fand  hernach,  dufs  bei  conaensnelleD  Urnst- 
leiden  ,  eben  »a  wie  beim  consensueDeo  durchfalle  ein  Scrupel 
Scliellkrauuinktur  die  höchste  Gabe  sei,  die  man,  in  siündlichen 
Portionen  verlheili,  innerhalb  vierundzwansig  Stunden  mit  Vor- 
tlieil  geben  könne.  (Jeberhau|tt  mufs  man  mit  dem  Schellkraule 
nicht  EU  freigebig  nmgeliea,  \teun  man  seine  wahrhaft  wohlthHiige 
W^irkung  sehen  will.  Ich  habe  einmahl  versneht,  einen  alten, 
verschlissenen,  wassersüchtigen  Mann,  dessen  '  Wasaersncht  von 
einem  alten  Leberleiden  herrührte,  sich  aber  nicht  als  Gelbsucht 
ttufserle,  durch  die  Schellkninltinktur  ans  Harnen  xu  bringen. 
Den  beabsichtigten  Zweck  konnte  ich  nicht  eher  erreichen,  bis 
ich  die  Gabe  der  Tinktur  unter  einen  halben  Scrupel  tat  den  Tag 
verringerte  nnd  dieien  halben  Scmpel  in  stündlicbe,  kleine  Portio- 
nen verlheilte. 

Einst  kam  ein  getinger  Mann  vom  Rheine  m  mir,  der  die 
Gelbsucht  im  hohen  Grade  hatte.  Auf  meine  Frage ,  ob  er  schon 
Arzenei  gebraucht,  antwortete  er:  blofs  ein  Hausmittel  habe  er  ge- 
braucht, nämlich  den  Saft  von  Schellkraut,  viermahl  tags  einen 
Fingerhut  voll.  Sein  Uebel  sei  aber,  statt  besser  zu  werden, 
schlimmer  geworden;  denn  seit  vierzehn  Tagen,  wo  er  dieses 
Mittel   gebraucht ,    sei    das  Hellgelb   seiner  Haut  in   Dunkelgelh 


—    143     - 

««rftNdcft,  liii<l  die  ^uning  ib  der  Oberbauchgegeod  so  sehr 
venuehrt,  dafs  er  dem  Handel  nicht  mehr  trsne  und  deshalb  mei- 
ne Hülfe  beehre.  Ich  gab  diesem  Manne  eine  Unx«  Sehellkrani- 
linLliu-,  und  liefs  ihn  fünfiuahl  tag;i  fanfzebn  Tropfen  jcdcsHiahl 
nehmeot  Als  die  Unze  venehrt  war,  kam  er  abermahls  %u  mir, 
und  ich  hörte  von  ihm,  duf*  der  freie  Ergnfs  der  Galle  in  den 
Uarmbanal  wieder  hergeslelll  sei ,  denn  seiner  Annage  nach 
waren  seine  Excremente  wieder  brunn.  Ich  gab  ihm  jelzt  noch 
eine  Unze  Tinklnr  mit  der  Vorschrift,  nur  viernialil  la^s  daTon 
SU  gebrauchen,  bis  die  gelbe  Farbe  der  Haut  gnnx  verschwunden 
sein  würde.  Die  gHnzliche  Herslellnng  ist  auch  ohne  weitem 
Anslofs  erfolgt.  —  Dieser  Fall,  der  fibrigens  nichts  MerkwSrdi- 
gea  eotbJtll,  ist  darin  lehrreieh,  dafs  er  beweiset,  die  wohhhäiige 
Wirkoog  des  Sdiellkrantes  sei  nur  dein  Arzte  sichtbwr,  der  es 
in  passender  Gabe  anzuwenden   versteht. 

Ich  bin  spHter  aaf  chronische  Lebererkrank angen  gestofses, 
die  ich  mit  zwei  oder  drei  Tropfen  Tinktur,  vier-  oder  finf- 
mahl  tags  gereicht,  heilen  mufste.  Im  Sommer  183S  herrschten 
hier  im  Lande  8chellkrant}eberkrankhei(en,  bei  denen  im  Allge- 
meinen ein  halber,  hSchstens  ein  gnnzer  Skmpel  die  pafsliche 
Taggabe  war,  welche  Taggabe  aber,  mit  Wasser  verdünnt,  io 
16  Portionen  vertheilt  werden  mufste.  Eine  erwachsene  inng- 
frau,  welche,  nebst  consensnellem  lebhaften  Fieber,  heftigen 
Husten  nnd  Dnrchlaaf  mit  Stnhlzwang  hatte,  heilte  ich  in  fünf 
Tagen  dadurch,  dais  ich  ihr  viormahl  tags  nur  einen  einzigen 
Tropfen  der  Tinktur  mit  einer  halben  Tasse  Wasser  verdünnt 
gab.  Jedoch  bemerke  ich  dabei,  dafs  ich  den  Stublzwaug,  weil 
er  ein  sehr  peinlicher  nnd  Iftstiger  Zufall  ist,  gleich  anfSnglioh 
durch  Einreiben  der  Delladonoasalbe  nn  den  After  beschwichtigle. 

Ua  ich  in  der  Folge  mehrmahls  auf  die  Wirksamkeit  kleiner 
Arzeneignben  aufmerksam  machen  werde  ( ohne  jedoch  die  grdfie- 
ren  zu  verwerfen ) ,  so  könnten  die  Leser  denken ,  ich  neige  in 
diesem  Punkte  zur  Homöopathie.  Abgesehen  davon,  dafs  meine 
kleinsten  Gaben  in  Vergleich  mit  denen  des  Herrn  Hahuemann 
wahre  Riesengaben  sind,  bin  ich  weit  entfernt,  zu  behaupten, 
die  Zeit,  in  der  ich  lebe,  könne  keinen  Einfluia  auf  mich  ge- 
habt haben.  Eins  weifs  ich  aber  bestimmt  anzugeben:  Helmont 
^  ist  derjenige,  der  zuerst  den  Gedanken,  kleine  Arzeneigaben 
können  grofse  Heilwirkung  haben,  mir  in  die  Seele  geworfen;*) 
die  Wichtigkeit  desselben  wurde  mir  jedoch  erst  klar,  seit  ich 
einsehen  lernte,  wie  nothwendig  zur  Heilung  vieler  Krankheiten, 
nanienilicli  der  akuten  Fieber,  die  Erforschung  des  ure^tffenen 
Organs  sei,    und    seit   ich   meine   früheren   rohen  Ansiditen   von 


')  Ufert  vBtMi*  pag.  593  in  dem  Kap((«l,  wetchai  die  Ucberidrifl  i'icf"' b 

„,,,_„,,,, Google 


Urorganerknuikangen  durch  flci&ige  BeobschtoBg  natuigemSfs  be- 
richtiget haue.*) 

Verht'itduitg  de*  tahtauren  Kalke*  mit  der  Seie/fAreuttinktiir, 

Diese  Yerbindang  iat  also:  ]^  Liq,  calcariat  muriat.  ^U 
Tütet.  ekeUdonü  5i<  ni.  Ich  habe  mich  übeneugt,  dafe  es  eine 
LebererkrankuBg  in  der  Notar  gibt*  die  einsig  unter  der  Heil- 
gewalt  dieser  Miichung  siebet.     Hier  das  Geschichtliche. 

Bis  lum  Juni  1830  hatten  eine  ziemliche  Zeit  solche  Leber- 
kranlcheiten  geherrscht,  die  unter  der  Ileilgewalt  der  Brechnub 
ttandeo.  In  dem  Itesagten  Monate  wurde  ich  zu  einem  Manne 
gerufen,  der,  nach  den  Zufälleu  zn  schliefsen,  an  der n&mlichea, 
bü  dabin  landgaugigen  Krankheit  zu  leiden  schien.  Das  Fieber 
war  mfilsig ,  machte  tfiglich  deutliche ,  ja«Ioch  unrcgelmäiäige  Re- 
missionen. Der  Harn  war  dunkelgelh,  der  Durst  mäfsig,  der 
Kopfsciunent  erträglich ,  kein  Zeichen  abDoiroer  Gallenabaonde- 
ning  vorhanden.  Kurz ,  die  ganze  Sjmplomengruppe  halte  durch- 
ans  nichts  Stürmisches  oder  Verdächtiges.  Ich  gab  ein  Priiparat 
der  Brechnufs,  welche  sich,  wie  gesagt,  damahls  schon  eine 
ziemliche  Zeit  als  sicheres  Heilmittel  haw&hrt  hatte.  Trotz  der 
scheinbaren  Gutartigkeit  des  Fiebers,  wollte  es  aber  doch  dem 
Mitlei  nicht  weichen ,  sondern  wnrdc  Dach  uud  nach  hedenkliclier. 
Dafs  es  ein  Leberfieber  sei,  dafür  sprach  der  gelbe  Harn  and 
die  Abwesenheit  aller  Zufölle,  die  auf  ein  anderes  erkranktes 
Organ  hätten  deuten  können.  Dals  keine  abaorme  abgesonderte 
scharfe  Galle  im  Magen,  oder  Darmkanal  sei,  bewies,  die  Ab- 
wesenheit aller  bekannten,  so  etwas  rerralhenden  Bauchleiden. 
Da  es  nun  keine  Brechnufsleberkrankbeit  war,  so  raufste  ich  die 
Natur  derselben  weiter  durch  Proben  untersuchen.  Alle  diejeni- 
gen Lebermitle),  deren  Wirkung  ich  so  genau  kenne,  wie  der 
Tischler   seinen   Uobel,    wie   der  Bildhauer  seinen  Meifsel,    ver- 


*)  Bnt  apit,  dimlich,  da  ich  diew«  Werk  «cboa  giDS  Tollcndet,  babi  icb 
BsfaviibaiHt  cbirargucbe  Sebriftes  aargelriabcn ,  bin  ibar  wirfclicfa  darin, 
darch  dei  Haanea  Aniiebt  fiber  dia  ArsaaelgabeD,  auf  eine  arfrcalkbe  Weift 
iberraiebl  wordan.  Im  arttea  Kapital  dieaei  Bncbai  «pracb  icb  acboa  davon 
in  «insr  Amarknog;  jatst  bitte  leb  aber  di^aalgenLeaer,  welche  HoheabelBU 
cbirarEitcbe  Welke  besittaa,  oder  lia  licb  venebafTan  köanea,  das  irilfle 
Kapitel  da«  (üaRen  Boeha^  De  eaiud  et  arigiae  luü  GaUieaa  mit  Aofmerk- 
aaiikeit  kq  dorcbleien ;  wbdd  lie  dieiea  Ectban ,  werden  lie  wol  nicbt  mebr 
von  hoMSopalbiichen  Aneneigaben  sprechen ,  aondarn  lie  werden  begr«ir«, 
dabdieWahrbeit— nnwÜB-and  «avefibare ArsVoeisaben  fcSanea, 
wenn  da*  dnrcb  Krinkbeit  veränderte  Verbütnirt  dea  KBi^ 
per*  aar  Anfaenwelt  lieh  daza  eigcDe,  wandcrvol  le  Heilwir- 
kang  inriern  —  mit  der  logenanntan  homaopathiaehca  neoi^e  gar  aieht  ia 
Berührung  konunt. 


-    t4S    — 

wahlg  Ml  RRch  amt  naeh,  Mtin  leider  Tergebnii.  AlimShlig, 
gKoa  allniKhIig  leigten  «ich  Terdlebtige  Zofllle,  als  fon  Z«h  m 
Zeit  «iD  wenig  Fatwlo,  ein  weaig  Dnrchlanf,  ein  wenig  8eh- 
«•nspriir^ea;  aber,  nicht  wie  bei  manchsn  andern  Fiebern  (wenn 
wir  ihr  wahre«  Heilmittel  nicht  kennen),  eine  nnverscheDe  alQr- 
Mische  Verschlimmerung.  Die  Erwigang  aller  (JniMSnde  nnd  die 
Eiprobnngen  mufuen  mir  wol  am  Ende  den  Glauben  aufdringen, 
ich  habe  ei  mit  einer  nenen,  das  heif«t,  mir  nnch  nicht  vorge- 
kommenen Lebercricrnnkung  zu  ihiin.  E>  iat  wahrlich  eine  «chwere 
Anfgabe,  die  \atnr  einer  lolch  nnbekaanten  Krankheit  zu  er- 
gründen, leb  aniefauehte  jelit  aufa  neo«  mit  inetner  Hand  den 
Bauch  dea  Kranken,  ah  ich  vielleicht  etwas  entdecken  mBchte, 
waa  mir  früher  entgangen,  oder  sich  aeitdem  enengt.  Ich  fand 
aber  nichts,  als  nnr  in  der  rechten  Seile  der  Magengegend  einen 
Heck,  der  f&r  _den  Druck  meioer  Finger  eMpfiDdlieber  war  nia 
der  fibrige  Bauch.  Solllfi,  dachte  ich,  der  Magen  oongensuell 
ergriffen,  nnd  das  CoDsenanelle  zum  Urleiden  dieaes  Organs  wer- 
den wollen,  oder  vielleieht  gar  acfaon  geworden  aeinf  —  Mein 
Verstand  konnte  in  dieser  Sache  gar  nicht  entscheiden,  aber  wol 
der  Versuch,  der,  weil  ich  nieht  mit  feindlichen  Mitteln  probe, 
gefahrlos  sein  mufate. 

Ich  liefii  also  den  Kranken  ein  gnles  Magenmitlei,  den  salz- 
sanren  Kalk  nehmen ,  und  «war  ganz  ohne  alle  Vermischung, 
als  nur  mit  der  de«  Wassers;  es  erfolgte  aber  auch  keine  Bease- 
rang.  Ich  Bchlofs  daraus  ,  die  conaeninelle  Affeklion  des  Magens 
k5nne  noch  nicht  zum  Urleiden  geworden  sein;  ob  sie  aber  nicht 
auf  dem  Wendepunkte  stRnde,  zum  Urleiden  an  werden,  das 
aaulste  ich  erkennen  kSmien,  wenn  ich  ein  Lebermittel  gleich- 
zeitig mit  dem  Magenniillri  gab.  Ich  wühlte  die  Schell  krault  ink- 
Mr,  ohne  gerade  fTir  diese  Wahl  wichtige  Gründe  an  hshen,  denn 
ich  hatte  ja  schon  alle  mir  durch  Erfahrung  bekannte  Lebermit- 
lei  uMBonat  gebraucht;  bScbiiens  konnte  ich  aie  deshalb  wShlen, 
weil  ich  die  Lebererkrankung  nicht  für  eine  Erkrankung  des  Oi^ 
gana  ansah ,  welches  in  der  Leber  die  Galle  absondert.  Durch 
den  gleichseitigen  Gebrauch  des  salzsanrea  Kalkes  und  kleiner 
Gaben  Sehellkranttinktur  wurde  die  Beaaening  sichtbar  befördert. 
Die  Heilwirkung  war,  wie  ea  sich  hernach  anawiea,  keine  ein- 
gebildete, die  Heilung  keina  sanilige;  aber  der  Gedanke,  der 
mich  beaiimmt,  beide  Mittel  gleichieiiig  zu  geben,  war,  wie 
e«  sieh  auch  hernach,    und  zwar  gar  bald  answiea,  gmndblach. 

Eine  Frau ,  welche  ich  gleichzeitig  mit  jenem  Manne  an  be- 
handeln balle  nnd  sie  eben  so  wenig  heilen  konnte,  haue  zwar 
Torwallendere  Zeichen  der  LeberafTeklion ,  allein  keine  Empfind- 
lichkeit der  Magengegend  fflr  den  Suiseren  Druck,  also  konnte 
ich  aaeh  nicht  Teruniben,-  dab  bei  ihr,  wie  bei  jenem  Mwine, 


—    146    - 

der  Magmi  gleivhwMlig  nit  der  I^her  erkrankt  wi.  Der  äntank«« 
der  mich  bei  dem  Uaane  bestimmt^  die  zwei  besagten  Mittet 
gleichzeitig  su  geben,  haue,  »Is  eine  blofs'e  Veriuiiifaqiig ,  ivs 
inieh  keinen  Werih.  Aus  der  oacklen  ThalsHcha,  A»ia  der  Maas 
sichiiiar  durch  die  beiden  gleiobaeitig  gebrAucbWB  Miliel  geneMn 
Kei,  konnte  uiatb  aueh  venuuthvQ,  er  habe  an  einer  besoaderea 
Lebererkrankung  gelitten,  welche  Bur  durch  den  gleichaeii^^D 
tiebranoh  beider  heilbar  gewesen.  Diese  Vermuihnng  beaiimini« 
iiuch ,  beide  Mlitel  auch  gleichseitig  der  Frau  xu  geben ,  nad 
siehe!   sie  waren  bei  dieser  eben  so  heilsam. 

INun  kainea  nach  «ad  nach  mehre  Kranke  der  Art ;  ich  mach- 
te, der  Gemächlichkeit  w^;eB,  au)  beiden  Mitteln  die  oben  er- 
wähnt« ^usamiueBsetzaag ,  nnd  IMs  iia  Allgeweiaen  davon  lä 
Tropfen,  lait  einer  halben  Tasse  Weisser  verdünnet,  fünfmahl 
tnga  nehmeD.  Jeut.  war  iob  Mei«l«r  der  Krankheit,  das  heifsi, 
ich  bracht«  sie  ans  dein,  ersten  Zeiträume  gleich  in  den  aer  Ge- 
nesung; vieliuabb  übeiraachend  scbDell,  wiweilen  langsamer} 
aber  doch  vom  Anfange  an  sie  verbessernd.  Wer  das  Leberiibel 
lange  getragen,  ehe  eg  ihn  ins  Bett . geworfen ,  d«r  genas  lang- 
samer als  der,  den  es  gleich  so  s|ark  angi-ill,  dufs  er  Hülfe 
suchte.  Dieses  Verhälinifs  findet  sieb  aber  bei  allen  herrschen- 
den Organ  krankbeitea. 

In  dem  nfiMÜchen  Sonuuer  bab»  ich  auch  viel  Menschen  ge- 
heilt, die  nioht  akut,  sondern  dvooisch  von  der  BÜniliehen  Le- 
bevkrankbeil  ergrlflen  waren.  Weder  bei  den  akuten  noch  chro- 
nischen Kranken  fiind  ich  weiter  die  Empfindlichkeit  des  Magens 
für  den  Kafsercn  Druck,  den  ich  bei  dem  ersten  Kranken  ent- 
deckt. Also  war  meine  erste  Venautbiing  eines  gleichzeitigen 
Ergriflfenseios  des  Magens  offenbar  fahch,  und  doch  haue  mich 
diese  falsche  Vermuihuag  zu  der  Erkennlnifs  der  veiborgeoeii 
Natar  dieser  dnoklen  Krankheit  geleitet.  Ich  bedaore  nichu 
mehr,  als  dafs  ich  dem  Leser  keinen  einzigen  allgemeinen,  ans- 
geKeichneten  Zufall  angeben  kann,  4ec  au  einer  kOnfiigen  \¥ie- 
dererheni>4ing  diesten  kannte.  Bei  nlW  Aufmerksamkeit  habe  ich 
keinen  entdeckt,  und  das  AuCsäblen  solcher  Sya^toiue,  welche, 
90  nicht  allen,  doch  gar  vielen  Fiebern  geawin  sind,  i^  für  die 
künftige  Wiedererkennung  ganz  zwecklos. 

Im  Sommer  lfi3A  erschien  die  nämliche  Krankbeil  abnnuJhls 
hier  im  Lande  und  jenseits  der  Grenze,  auf  dem  niederl&ndi- 
Gchen,  oder  d^ut  belgiaeben  Gebiet«.  Aus  Mangel  aller  Erken- 
nungszeichen mulsie  ich  sie  aherniahls  durch  Prubemitlel  edcen- 
nen.  Die  Erprobuon;  war  aber  jetzt  geui Uefa I icher  tds  im  Jahr 
l.$30,  denn  ich  wufste  jeizl,  dafs  in  der  \atur  eine  solche  Le- 
berkraakheit  sei,  weluhe  unter  der  Heilgewalt  des  mit  den  sali- 
sauren  Kalke  gemischten  ScIiellkrautRafies  Meh!^    IJlw;  firltMIlUnifa 


—  ur  — 

^g  «Ibo  nicht  mehr,  wie  früher,  von  einer  danklen  Vermn- 
ihong  und  g'Incklichem  Rufalle  ab,  soii<lern  to«  meinem  nüchter* 
■eil,  probenden  Verstände.  Mehre  Menschen  atia  dem  Belgi* 
■cheo  haben  damahlR  Hülfe  bei  mir  geaaeht  nnd  mieh  gefunden, 
denen  ihre  Aeriie  gleioh  anfangs  Breehmlltel  gegeben.  Durch 
die  Brechknr  waren  sie  in  einen  qainenden  Zusland  geratben. 
Ein  junger,  gilt  nntenichieter  nnd  recht  verständiger  Belgischer 
Kollege  gestand  es  mir  ehrlich  ,  daf«  die  Lehre  seiner  univerfli- 
iStiseben  Meister,  in  Beiretf  der  heilsamen  Wirkung  der  Brech- 
nilKel,  sieh  sehr  schlecht  bei  dlewr  herrschenden  Krankheit  be< 
wShrt  habe. 

KrSkeuaHgt.     Nnx  «omica. 

DicMB  llUle)  luib«  ich  als  LebMniliel  so  lange  gabrBtt'eht, 
so  «A  apd  Ttel&ch  ttewlÜHt  gründe« ,  dafs  ich  es  ab  ein  die 
atknuakten  Galleagänge  amm  KormBlBtande  xoriickf&fatendee  eehr 
k*ck  halle.  Wir  können  uiu  iwei  Fornsen  von  Gallenkrankhei- 
Um  dcaken:  bebindertes  Eigiefiien  ahgesonderter  Galle  in  den 
ZwBHi^erdarm ,  and  den  enigegengesetsien  Zustand,  iibermä- 
fiäge  Abeondecting  und  Ergie&nng  der  Galle  in  den  Dannkanal. 
Der  erste  K rank beiiamsl and  steUt  sich  dem  Arste  als  Gelbsncht 
dar,  dar  andre  (weil  die  vermehrte  Absenderang  ^ach  gewöhn- 
lieh eine  cheranch  eigens chaftli che  Verfindernng  der  Gdfa  vemr- 
sacht)  als  Gallenßeber,  Gallenkolik,  Erbrechen,  Durchfall  n.  ■.  w. 
Diese  beiden  ZustSnde  Bind  sehr  gut  in  ihren  abgewandte»  Enden . 
mn  einander  -xn  nnterscbeiden ,  aber  in  ihren  siigewandlen  En- 
4eo,  wo  sie  sich  durch  onmerklicfae  8challangen  einander  nähern, 
snd  »ie  waiirliefa  nicht  so  gnni  leicht  von  einander  zu  anterschei- 
dea.  Damm  ist  es  gm,  daia  wir  in  der  Nitx  vomica  ein  Mittel 
haben^  welches  a«f  beide  Zostttade  pafst.  Vom  Jahre  1816  bis 
19,  wn  Gallenficber  hier  hemohten,  hat  mir  die  Nmx  vomiea 
beniiche  Dienste  geleistet.  Ich  bemerke  aber,  dafs  ich  diese 
ndber,  in  ifarem  ersten  BtQmiiscfaen  Zeiiranme,  welcher  nnwlder- 
tpreeblieh  TOn  den  Beize  chemisch  beaiiiambarer  Schärfe  anf  den 
Darmkanal  hervfihrt",  nidit  nach  Slollischer  Weise  mit  Brech- 
end L.Bxinnittela ,  sondern  durch  eine  verbesserte  Nentralisirweise 
vsfHoHiacher  Heister  behandelt  habe.  Die  i«t  Magen  nnd  den 
Dinnea  vorhanden«  Scharfe  war  sauer,  und  iet  wol  bei  solcher 
Krankheit  imaser  sauer  gewesen  se  lange  die  Welt  steht;  denn 
vreaa-  ieh  gleich  sagebe,  d^s  eich  In  verlrilrletsn  Drüsen»  aof 
der  Haut  oad  in  andern  GebUden  solcke  fressende  jnd  ätzende 
S^bfen  krankhaft  erzengen ,  w«lehe  wir  nicht  anter  die  Kate- 
gerie  der  Sfioinen  and  Laogensalze  reihen  können,  so  wenig  al» 
die  leharfan  Stoffe  mancher  Pflamen  und  einiger  MetdUtt ;  s»  hat 


-  14«  - 
doch  Doch  keio  die  aiuleerende  Methode  sebüiKender  Arat  Khn- 
liche  nnneulralisirbare  scharfe  Slofte  im  Dambanal  Dachgewiesen, 
zuiu  wenigalea  nicht  in  eraten  Zeiträume  der  Galleofieber.  Die 
Erfahrung  loebrer  tclugen,  vor  Sloil  lebeoden  Aenile  bat  aber 
zur  Genüge  die  wohlibSlige  Wirkung  absorbireoder  Mitlei  in  die- 
SMi  Fiebern  dargeihao;  also  ist  ea  doch  wol  wabracheinlich ,  dafr 
in  der  langen  Zeit,  da  diese  Methode  im  Sehwange  war,  di« 
scharfen  Stoffe  im  Dartakanal  sauer  gewesen.  Was  mich  be- 
trifft, HO  habe  ich  häufig  Gelegenheit  gehabt,  beiui  freiwilligen 
Erbreehen  (n-elchea  bekanntlich  nichts  Seltnes  bei  diesen  Fie. 
bern  ist),  mich  durch  die  Aussage  der  Kranken  und  durch  che- 
mische Erkennunganiitlel  xo  übenengen ,  dafa  die  im  Oarmkanal 
vorhandnen  Stotle  wirklich  saurer  Natur  sind. 

Wosn  nun  also  deu  Measchen  mit  Brechmitteln  plagen  f  ihn, 
wenn  er  vielleicht ,  ohne  dafs  wir  e«  wissen  oder  wissen  könueo, 
Gallenslaine  beherbergt,  oder  geheime  Verhärtungen  in  Leber 
oder  Mils  hat,  kranker  machen  als  er  vorher  gewesen,  ZnßÜI« 
hervoiTofen,  die  wir  uns  nicht  erklären  können,  den  Verlnaf 
der  ganzen  Krankheit  stören,  selbige  in  die  Länge  ziehen,  and 
das  L«ben  in  Gefahr  stellen!  Wenn  der  Magen  auch  nodi  so 
voll  saarer  Stoffe  ist,  so  läfst  sich  diese  Säure  ja  eben  so  ge- 
mBehlicb  im  Magen  neutralisiren  als  in  einem  Glase;  ja  wenn 
es  darauf  ankommt,  so  kann  man  schneller  die  Säure  im  Magen 
neatralisiren  als  durch  Brechweinstein  oder  Brechwurzel  ans- 
leeren. 

Die  die  Ausleerungsmethode  schützenden  Aerzte  machen  viel 
Aufhebens  von  der  krampfsiillenden  Wirkung  des  Brech  Weinsteins 
und  der  Brcchworzel.  Einen  deutlichen  Begriff  kann  ich  mir  von 
dieser  vorgeblichen  Eigenschaft  nicht  machen;  so  viel  weUs  ieh 
aber  durch  Beobachtung,  dafs  Brechwei n stein ,  selbst  Goldschwe- 
fel, and  wahrscheinlich  aach  andre  Antiraonialbereitungen,  die 
gesnndheitsgemäfse  Bewegung  der  Gallengftnge  mindern;  also 
werden  sie  die  krankhaft  vermehrte  Bewegung  derselben  auch 
recht  gut  zum  Nonnalstande  zurüekffibren ,  und  die  von  jener 
vermehrten  Bewegung  abhängende,  ühermülsige  Gallenaussonde- 
rung mSfsigen  können,  selbst  wenn  sie  nftht  einmahl  in  d«- 
Brechgabe  gleicht  sind.  Ich  habe  mehrmahls  bei  Menschen,  de- 
ren Leber  zwar  etwas  reisbar,  aber  übrigens  nicht  krank  war, 
von  vier  Gran  Goldschwefel  inneriialb  vier  und  zwanzig  Stnndon 
gegeben,  um  einen  Hasten  zu  heilen,  grauen  Abgang  erfolgen 
sehen.  Ich  sab  einit  ein  schönes  Fräulein,  der  ein  Meücodiir- 
nrgw,  weil  si«  sich  den  Magen  mit  Speise  überladen  hatte,  ein 
Brechmillel  aofscbwatzie ,  gleich  nach  dessen  Wirkung  gelbsücb' 
lig  werden.  Heute  hatte  sie  das  Brechmittel  genommen,  und 
morgen  früh  sagto  ihr  ihr  Spi^el  die  uncdrenliche  Neaiglt^ 


—    uo   — 

ne  SM  gelb.  Frciliefa  WRr  dieae  Gellwuchl  keine  cruiliari«  Krank- 
Ml;  wenn  si«  «eh  gleich  nicht  ganz  eo  hurtig  hob  als  sie  ge- 
MMht  war,  so  war  doch  der  aDiagoniBiische  Reis  eine«  leichren 
AbfnkningsmiiteU  hinreiehend,  diese  Reg«l Widrigkeit  der  Gallen- 
gX^e  in  ein  pnar  Tagen  sii  heben.  Der  Brechweinslein ,  dem 
die  Gasiriicer  Tonfigliches  Lob  beilegten,  heilt  also  nicht  Mofs 
die  GalleDÜeber  dnrch  Ansleeren  der  scharfen  Gaile,  sondern  sa- 
gieicb  dadurch,  dals  er,  die  krankhaft  vennehrte  Aktion  der 
GallengSttge  luinderad,  der  SbermSCtigen  Gallenei^iefeang  Gren- 
sen  seist. 

\na  mnfs  der  Leser  aber  wohl  bedenken,  dafs  die  Laugen- 
saU«  nicht  blob  die  vorhandene  S%Hre  aeniralisiren ,  sondern  dafs 
sie  aach  die  nflnilicbe  Wirkung  anf  die  Gallengfioge  haben  als 
das  AmtimumiuM ;  das  heifst,  in  sofern  sie  als  Laiigensalse  auf  den 
Magen  wirken ,  ahm  nieht  in  sofern  sie  Miitelsalae  mit  der  SHnre 
iHlden.  Wenn  also  jemand  diese  LaHgenanlse  in  sn  kleinen  Por- 
tionen gibt,  so  wird  «r  wol  eine  mehr  oder  minder  wohlihSligo 
Wirkung  davon  sehn,  aber  doch  nicht  die  eigentliche  wahre. 
Idh  gebe  von  dem  Nairn  carhonico  in  viernndswaniig  Stunden 
•ine  halbe  Unse,  nnfgelfts't  in  acht  Unsen  Wasser,  nnd  lasse 
diese  AnRösung,  sur  Deckung  des  einas  nklea  Gescbmadu,  m\% 
einem  Skrupel  Traganih  mischen.  Im  Allgemeinen  sind  drei  sol- 
cher Portionen  hinreichend,  den  üblen  Geschmack,  die  VolUwit 
der  Prfleerdien  und  das  Fieber  zu  heben,  wenn  dieses  blols  and 
alirin  von  dem  Reise  der  SSiire  auf  den  Darmkanal  nnd  von  der 
rarmehrtcn  Aktion  der  Galleogfinge  abhängt.  Yon  dem  .^««mio 
ear^mieo  gebe  ich  in  eben  dieser  Mischung  swei  Drachmen  in 
Tieinndswanzig  Standen.  Magnesia  habe  ich  auch  gebraucht, 
aad  swar  xu  einer  Zeit,  wo  die  Neigimg  der  KSrper  zu  Versto* 
pfong  grSfser  war  als  zu  Durchfall.  Eine  halbe  Unze  gebrannte 
H^nosia,  mit  acht  Unzen  Wasser  zum  ScbBtteltranke  gemacht, 
ist  die  brauchbarste  Form.  Wenn  der  Kränke  davon  drei  Por- 
tionen verbraucht  hat,  ist  er  gewöhnlich  geheilt.  Mit  der  Mag- 
nesia cfreichl  man  einen  doppelren  Zweck;  indem  sie  nämlich 
■it  der  Sfture  ein  Laxirsalz  bildet,  fithrt  sie  einen  Thcil  nicht 
aemralisirter  SSure  darch  den  Siuhlgang  ab.  Es  ist  unglaublich, 
bis  zn  welchem  Grade  Atzender  SrhSrfe  die  Darms&nre  gesteigert 
werden  kann.  Mehrmahls  habe  tch  gesehen,  dafs  der  After  nach 
zwei  bis  drai  BOssigen  Stuhlen  schon  wund  und  sehr  schmerzhaft 
war,  entweder  durch  Schrunden  swiachen  den  Hautfalten  der 
Magtdasasm&ndang ,  oder  durch  kleine,  nadelkopfgrofse ^  helle, 
w«Um  Bllschen.  Die  Magnesia  wirkt  in  verschiedenen  Körpern 
sehr  aagleidi.  Einige  laxiren  nach  der  ersten  haltwn*  Unze ,  an- 
dre, wenn  die  zweite  halbe  fast  rerbrancbt  ist.  Bei  einigen  we- 
oigea,     deren  Dfirme  vielleicht  sehr  reixbsr  sind   und   die  «in« 


—    150    — 

grofse  Meoge  Sfiure  bei  «ich  haben ,  wirkt  üe  alsobald  «iiniii*dit 
selbst  zu  heftig  angreifaad;  weshalb  ich,  wo  ich  so  etwas  be- 
fürchte', lieber  erat  vierundzwaoiig  SluiMleii  Aair<m  gebe  und  den 
folgenden  Tag  Magaeüa.  äooderbar  ist  es,  dafs  die  gebraBiU« 
Magnesia,  ehe  sie  laxirend  wirkt,  ein  Kochen  uqd  Lftrinen  im 
Bauehe  macht,   als  ob  Froacbe  duiio  ibr  Wesen  trieben. 

Bei  d«m  von  selbst  eintretenden  Durcblitufe,  der  im  ersien 
Stadio  der  Gallenfieber  xu  gewissen  Zeiten  nicht  selten  ist,  ihut 
AMUttniumj  oder  Natron  gut«  Uiensie.  Da  beide  mit  der  Darni>- 
säure  kein  Laxirsais  bilden,  so  siiltpn  «ie  den  Durchlauf  durch 
Neutrallsiren  der  Säure,  in  sofern  dieser  nAiiilioh  bloüi  von  dem 
Beize  der  Säure  abhängt.  Zwischen  der  Wirkung  des  Anuu- 
tuum,  des  Aairon  und  der  Magnesia  im  ersten  Siadio  def  Galten- 
äeber  sehe  ich  keinen  Unterschied,  und  weifs  keine  Vonheile 
des  Gebrauchs  anzugeben  als  die  wenigen,  welche  ich  schon  iin- 
gegeben.  Bei  scbmenhafter  AS'ektioo  der  Leber  iw  ersten  Zeit» 
niuue  würde  icb  lieber  das  Ammonium  weiden  und  das  A'air^n 
gebrauchen,  weil  ich  mir  vorstelle,  jenes  könne  die  schiHenEhafie 
Affektion  der  Leber  vielleicht  vermehren.  Eis  kann  aber  auch 
sein,  dals  ich  mich  hierin  irre,  dals  meine  Vorsicht  auf  einem 
udgegriindeten  Vorurtheile  beruhet. 

Ehe  ich  nun  vom  Gebrauche  der  Kräb«naugen  bandle,  mufs 
ich  noch  vorher  Eias  bemerken.  Die  Anhänger  Stof/i  rShmeo 
sich,  dala  sie  xnweilen  die  Galleufieber  mit  einem  einzigen  Brech- 
mitlei heben  und  gleichsam  in  der  Geburt  ersiickcn  können. 
Das  ist  volikomuien  wahr;  aber  hei  der  i\eutraJisinuetb«<U  hat 
man  fünf  Füllo  gegen  eioen  bei  der  ausleeremten ,  dafs  man 
in  einem  einzigen  Tage  das  Fieber  bel>l.  Wenn  diese  Fieber 
nun  gehoben  werden,  es  sei  in  einem  einzigen  THga,  oder,  was 
häufiget  vorfällt,  in  drei  bis  vier  Tagen,  es  sei  dtireb  Ausleeren, 
oder  durch  Neutralisiren ,  so  kaqn  m^  siqher  sein,  es  blofs  und 
einzig  mit  einer  vermehrten  Aklio«  d^r  Galleogänge  zu  thnn  ge 
habt  zn  haben. 

Bei  aolchea  epidemischen  Fiebern  ist  aber  nur  ein  Tbeil  der 
Kranken  so  leicht  ergriffen.  Bei  einem  andern,  und  zvar  nicht 
kleinem  Theile,  sind  nicht  bloCs  die  Gallengänge  affisirt,  sondcni 
auch  die  Leber  selbst  ist  erkrankt.  Wenn  iiinn  also  die  krank- 
haft vermehrte  Aktion  der  Gallengänge  gewinderi,  der  ErzeuguBg 
neuer  Säure  vorgebauet  und  die  vorhandene  neulralisirt  oder  aus- 
geleert hat,  so  äuXsert  sich  jene  Affektion  der  Leber  selbst  (wel- 
che höchst  wahrsehfliaüch  neben  der  vermehrten  Aktion  der  Gal- 
lengänge schon  bestand ,  aber  im  ersten  siiinnischen  Stadio  unmög- 
lich sinnlich'  eikennbar  vorwalten  koante)  als  eine  an  Itttermittetu 
grenzende  liemillen».  Der  lu«nkhafie-  Zustand  der  Leber,  von 
dem   dieses  Fieber   abhängt,    ist   weder  durch  ausleerende  MiHf], 


-     191     —      . 

M^  durch  laiifSRSMlüige  m  heben.  Hi«r  IeiM«t  onn  die  AV« 
vwmiea  alles,  was  man  wöDHchen  kann.  Die  Tinktur  der  ßfvx 
vmmica  vA  (wie  dieses  anch  «chon  längst  von  andern  bemerlit 
worden )  de«  Extrakte  weit  vorxuziehn.  Die  Gab«  war  vom 
Jabr  1816  bis  19  fflnfniabl  taf^  fiinhehn  Tropfen. 

Dieeer  xweiie  Zeiirauni  der  Gallenßeber,  welcher  mehr  in 
«■■er  vermladerten  Gallenabsonderung ,  aU  In  einer  vermehrten 
n  bestellen  sebeint,  erfodert  in  der  Behandlung;  bei  manchen 
Menschen  einige  Vorsicht,  fiei  einigen  nSailich  ersclieint  nach 
Mefartfigignn  Gebranche  der  KrUhenau^ntinktiir,  bei  sichtbarer 
Abaakne  des  Fiebers  und  bei  unveikennbarer  IJessernng,  auf  ein- 
■ahl  bitterer  Gesehmnclt ,  VoDheil  dex  Magens ,  verniehrte  Unbe- 
faagliehkeit  gleich  nach  verschlackter  Krüheanugeniinkltir.  Diese 
Zeichen  sind  ein  Beweit,  dafs  verhaliene  Galle  rieh  aufs  neue 
in  den  Magen  eigoaaen  hat.  Man  mufs  jetxt  abcrmnhis  Lau- 
gensals  geben;  aber  nnn  kommt  es  damiif  an,  vorsichtig  in  sein. 
8e  bald  nämlieh  der  üble  Geachmack:  und  die  Vollheit  des  Ma- 
gens beseitiget  sind ,  mufs  man  augenblicklich  mit  dem  Gebran- 
che des  Langenaaltes  aufhören.  Hier  handelt  es  sicti  Hiebt  dar- 
um, (wie  im  ersten  Zaiiraume)  eine  grofse  Menge  sanrer  Stoffe, 
wemit  der  ganze  Dannkanal  erfnilet  war,  zu  nentrali^iren ,  son- 
dern hier  handelt  es  sich  blofs  dämm ,  eine  geringe  Portion  sau- 
rer Gälte  nnacbSdlich  zu  machen,  die  wahrscheinlich  durch  das 
Nachlasaeo  krankhafter  Zneammenzlehitngen  der  Gallengtlnge  oder 
der  (iailenblaie  sioh  nachfrfiglieh  in  den  ZwSlffingerdairni  ergoa- 
■aa  bat.  Wenn  es  klug  ist,  diese  geringe  Portion  scharfer  Ga'Ie 
MiMebSdlich  zu  machen,  so  würde  es  doch  sehr  unklug  sein,  mehr 
Laugensniz  zn  geben  als  gerade  zum  .Neuiralisiren  der  vorhande- 
nen SSnre  nAthig  ist;  denn  das  Mehr  wirkt,  wie  ich  oben  be- 
me^,  spezifisch  Huf  die  Gallengange  und  mindert  ihre  Bewe- 
gung. Dies«  Wirkung  War  im  entlen  Stndio  wohlthfitig  Und  di- 
rekt bellend,  bei  der  nachtrUgttcfaen  Gallenerglefsnng  aber  ist  sie 
nacbiheilig.  Woni  soll  es  führen,  die  schon  znm  \ormalatnnde  zn- 
räckgebraohie  Aktion  der  Uallengünge  noch  mehr  zn  mindern  t  So 
bald  man  da«,  was  gut  i^it,  verbesttern  will,  verdirbt  man  es  ge- 
witfanlieh;  dHram  mtifs  man  das  Laugensniz  in  sulober  CiMbe  rei- 
chen, dafs  es  nichts  mehr  th»n  kann,  als  ehetnlscb  anf  die  Santo 
einwirken.  So  gegeben  wirkt  es  wohlthSlig,  und  ans  der  aicht- 
lieb  fortacbreiieuden ,  raschen  Besserung,  die  einer  solchen  nach- 
tiigliehen  Qallenergtelirang  folgt,  kann  »an  sieb  dann  Oberten- 
gen,  dafii  diese  «weife  Gallener^iefsnng  ein  ganz  anderes  Ding 
sei,  als  die  des  ersten  Zeitraumes. 

Die  Vortichtsmafaregel ,  die  ich  hier  in  Betreff  des  Lau- 
gensslzes  empfehle,  paftn  anob  ganz  auf  die  Gelbsucht  und  auf 
die  vielen  A.lMtnfungen   dieser   Krankheit,    welche  -weder   int  ge- 


.       —    IW    — 

««inen  Leben,  ooeh  in  der  imlichen  Kntskk^iildir«  einen  be- 
sondern  \amea  bekommen  haben. 

Bei  der  aoBgebiMeten  Gelbgucfat  bin  ich  soent  auf  die  Eigen- 
schaft des  Laugensalzes,  die  Aktion  der  GallengSnge  %a  minder 
anfinerksani  geworden.  Hier  irifi't  es  sich  bekannilicb  aneh  saweile% 
dafs,  wenn  die  freie  Ergiefsung  der  tialle  in  den  Zwölffingefdana 
durch  zweckin&fsige  Mittel  wieder  hergestellt  wird ,  dann  aogleiek 
mit  dieser  gGnsligen  Veränderung  Unbehaglichkeit  in  den  Prftkor- 
dien,  und  eine  Vennehrung  dieser  Unbehaglichkeit  nebet  bäufigeui 
Aufstofsen  gleich  nach  dem  Einnehmen  der  vorher  gani  wolthneiiden 
Mittel  sieb  seigt.  Wenn  ieh  hier  Natron  reichte ,  so  veraehwan- 
den  diese  ZufiäUe.  So  bald  ich  aber  aas  übel  berechneter  Voi^ 
sieht  gelbiges  etwas  länger  gebrancben  liefs,  als  genan  sur  Ent- 
fernung jener  Zufälle  n&thig  war,  so  sah  ich  xu  meinem  Ver- 
druase,  daCi  die  kaum  sum  Xormalstande  zurückgeführte  Aktion  der 
Gallengänge  sich  krankhaft  verminderte,  itr  Harn  dunkW  geOrbt 
und  der  Kolb  wieder  grau  wurde.  Anfänglich  schrieb  ich  diesen 
Rückgang  sufSIligen,  mir  unbekannten  Umstanden  su;  die  Felge- 
zeit hat  mich  aber  gelehrt,  dafs  er  blofs  dem  Uebergebrandie  de« 
Natron  zoniscbreiben  ist. 

Aufser  dem  Autimonio  und  den  Laugeatalzen  gibt  es  be- 
kanntlich noch  manche  andre  Araeneisubslanzen ,  welche  die 
Aktion  der  G&llengänge  mindern,  selbst  gesunden  Menschen,  die 
etwas  reisbare  Gallengange  haben ,  graaen  Abgang  verursachen. 
Zu  diesen  gehört  unter  andern  der  Mofan«aft,  weshalb  ihn  aneb 
SyMui  beim  Gallen&eber  anwendet ,  obgleich  er  sich  auf  seine 
Weise  eine  ganz  andere ,  uns  heut  xu  Tage  wenig  ansprechende 
Erklärung  von  dessen  gniea  Wirkung  niacbL  Laxirmittel ,  'als 
rofifsige  Beize  auf  den  Darmkanal  angewandt,  vermehren  die 
Thätigkeit  der  Gallengänge;  wird  aber  der  Darmkanal  etwas 
feindlicher  von  den  LAxirmiUeln  angegriffen ,  so  bewirkt  dieser 
-..Beiz  eine  Verminderung  der  Aktion  der  Gallangänge,  zum  wenig- 
sten eine  Yermtaderung  der  Gallenergtefsung  in  den  ZwSlffingw. 
darm;  (welche  letzte  freilich  eben  so  gut  durch  eine  Zusaiamen- 
ziehung  der  EinmQndung  des  gemeinsobaftlicben  Gallenganges  kt 
den  Zwölffingerdarm,  ab  durch  eine  verminderte  Thätigkeit  der 
Gallengänge  überhaupt  kann  bewirkt  werden ).  Die  gnte  Wir- 
kung der  I^axirmittel  beim  Gallenfieber,  welche  die  ausleerenden 
Aerzte,  nicbst  den  Brechmitteln,  besonders  rühmen  nnd.  den  Kran- 
ken stark  damit  znsetseo,  beruhet  nicht  blolz  auf  der  Aualeentng 
schädlicher  Stoffe,  sondeni,  aui^  hauptsächlich  mit,  auf  der^  die 
krankhaft  vermehrte  Thätigkeit  des  gallo nabsondemden  Organs 
mindernden  Darmreiznng,  welche  die  Laxirmittel  veniraachen. 
Wäre  dieses  nicht  so,  so  würde  auch  die  Heilung  der  Gallenfie- 
ber durch  Dannansleeningen  unmöglich  sein;    oder  wir  mülti^ 


—    153    — 

4flB  Bmeb  Am  MeofekM  ah  rine  blofn  Sditiiidgnibe  ansalm,  die 
wir  Dir  KU  fcg«a  braaokten,  nin  deo  KrankeD  xu  heilen.  D> 
■■■  sber  di»  Sllrk*  eiara  Duinreliei  etwas  sehr  Helxtives 
ist,  und  die  Wirknag  ibeils  von  dem  Grade  der  Reiibarkeit  des 
tfeanakaaBlS)  llieils  von  der  der  GallengSnge  abklagt;  so  ist  Icickt 
waawaeha ,  dafs  das  niaiticlw  Mitlei  ia  verschiedenen  Kärpeni 
ganx  rersehiedeoe ,  nnm^licb  vorher  su  berechneade  Wirkuag 
babea  oad  diese  antagoaiftiscfae  Ueiiatt,  wie  alle  aadre  antago- 
■i^seke  Heilanan,  uasicher  sein  ainsse.  Sollte  nna  aber  jeauiod 
an  der  die  ThOtifkeit  der  Gsllengfinge  miademdea  WIrkang  ei- 
nes erasthafieD  Darmreiies  iweifela,  to  eriaaere  ith  diesen  oar 
an  das  VoiUofefalaiSnni  jener  Halirea ,  welche  den  gaoaen  Darm- 
kaiui  eigreiha,  (die  Mastdarmrahr  hat  keine  Voraeichaa;  sie 
überflÜll  pifttxlicb).  Gtaoer  Koih  ist  ja  das  siefaersta  Zeieben  der 
nahenden  Rohr.  Za  solcher  Zeit  ist  die  erkennbare  Darmreisnng 
noch  ansdieinend  so  Mfilsig,  dals  kanm  drei  oder  Tier  breiige, 
kathiga  Slihla  ia  viernndzwaiuig  Standen  erfolgen,  uod  eia  Un- 
erfahrner  Icaum  Mwas  BSses  ahaen  sollte.  Bm  den  einfacheo 
Dardifolle ,  wcleher  saweilen  anf  eine  Erktitung  des  Körpers 
folgt,  kann  man  sich  auch  von  der  Eiowirkung  eiaes  Üarmreiaes 
■nf  die  Galleaglnge  Sbemeagea^  besooders  ■  bei  etwas  rrikbarea 
Lebam  nnd  wenn  der  DurcfafaU  schon  ein  paar  Tag«  angn- 
kaltea. 

i^  fragt  sieb  Jetit:  welches  ist  der  wohltbatige,  bellende  Grand- 
atoff in  der  Aitr  vomiemf  Die  Leser  werden  unbedenklich  sagen : 
das  Strycbnin  ist  es.  Indossen,  werthe  Leser!  die  Sache  ist  noch 
aO'ganx  au^cMacht  aiehL  Dafs  da*  Sli7efanin  Wiriinng  anf  den 
Kdrper  habe,  ist  keioem  Zweifel  nnterwMfen;  ob  eher  die  nn- 
mittelbar  wulthitige  Wirkung  der  Akr  tMMica  anf  Leber  nad 
Darmkannl  von  dem  Strjchnin,  oder  von  einen  andern  nicht  fait- 
tem  Grundstoffe  abbange,  daröber  nttssea  noch  aihere  Untersu- 
chungen angestellt  werden.  Was  ich  darüber  erfahren,  werde 
ich,  so  unvollkommen  es  au^  ist,   tren  den  Loser  miltheilen. 

Vor  mehren  Jahren,  da  hier  ^ebirnfieber  berrscblen,  ich  die 
wohllhtttige  Wirkung  des  Tabaksgeistes  aaf  das  erkraakte  Gebim 
obd  Rückenmark  erprobte  und  mich  üheneagte,  dals  der  Exlrakt- 
Uvatoff  dos  Tabaks  in  seiner  Witkung  von  dem  dorch  Wein- 
geist aasaiehbaren  and  dastillirbaren  Stoffe  verscfaiaden  sei,  kam 
ich  anf  den  Gedanken,  auch  einen  KrShenaugengeist  bereiten  an 
lassen.  Ich  war  n&mlich  anf  Fälle  gestolsen,  wo  der  bittere  Stoff 
der  KrShenaugen  von  den  Kranken  übel  vertragen  wurde,  ob- 
gleich ich  nach  meiner  Erfabnuig  nrthailen  malste ,  dafs  gerade 
in  den  Krftbenangen  das  Heil  des  Kranken  stecke.  Wenn  man 
also,  dachte  ich«  den  Mgentlicfa  wi^lthätigen  Grundstoff  durch  die 
Destillation  von  dam  bitten  scbeiden  kSiut«,  so  uüiae  das  eine 


—    154    - 

gnr  gnte  AraeiMi  werden.  Der  Gerät  war  Imld  destiUirt,  mber  m- 
fiel  so  g;e8chmHck(os  ans,  dafs  ich,  auch  bei  dem  beMen.  (ülan- 
b«n,  nicht  wol  hesontlere  Tuenden  !n  itini  inchen  konnte;  er 
bfich  also  nni>ennixi  in  der  Apoifarite  stehen.  Lange  Zeit  nadi- 
lier  sollle  ich  eine  geringe  Fraa  Ton  einer  sehr  heftigen  Kolik 
befreien;  diein,  «b  ich  gleioh  mein  Besieg  tbat,  »o  wollte  sieh 
das  Ding  doeh  so  nhel  maehen,  dafe  die  Fraa,  an  ihrer  Geneenng 
versweifelnd,  sich  znm  Tode  anschickte  and  den  Notar  ond  Qeisfr- 
liefami  rufen  liefa.  Ein  Trank  ron  Krfilmnaugentinktnr  mit  stin» 
kendem  Aaant,  den  ich  selten  vergebens  in  einer  solchen  Kolik 
anwende,  halte  hier  auch  seine  Hülfe  versagt.  In  diesen  venwei- 
felteta  UmstftadeB  fiel  mir  mMn  veracbteter  KrSfaenai^engeist  wi«" 
der  ein.  Well  ich  aber  seibat  keinen  Glauben  daran  hatte,  itabn 
ich  die  Gabe  etwas  reichlich,  nlmlicb  eine  Unae  mit  sieben  l}o~ 
aen  Wasser  gemischt,  und  liefs  die  Kranke  von  dieser  Mist^aag 
jede  halbe  Stunde  einen  EfslSffel  voll  Tersefalackea.  Nachdeai 
drei  LAfTel  voll  verbraueht  waren,  liels  die  Heftigkeit  des  Sehmep- 
zes  nach,  nad  nach  rerbrauchler  Hftlfl«  d«a  Trankes  war  Jede 
Spar  des  wahrhaft  gefahrdrohenden  Uebela  verschwanden.  HtH 
ich  diese  Erfahrang  gemacht,  habea  mehre  Jahre  Gdtimkianb- 
heilen  und  solche  Baaohkrankheiten  geherrscht,  hei  denen  "weder 
die  Tinktur,  noch  der  Geist  der  Krihenaogen  fafillireich  sein  koon- 
le.  Ich  hatte  aUo  nur  selten  Gelegenheit ,  mich  zu  BbeneogeB, 
iat»  der  Geist  der  KrShenangen  in  solehen  Fftll^  von  Leber- 
tind  Darmleiden  hfilfreich  sei,  in  welchen  die.  Tinktur  aiebt  hlob 
vergebens,  sondern  «elbat  mit  Venchlimmerang  gcbraueht  ward«. 
Im  Jabre  1829  habe  ich  endlich  hinreichende  Gelegenfaeit  gefuiK 
den,  mich  von  der  WiAriieit  meiner  früheren  ErMirungeo  z«  ver- 
gewissern. Ea  «elgieu  sieh  nimlich  im  Frühjahre  des  besagiea 
Jahres,  nachdem  fast  ein  Jahr  lang  vorher  ein  Crleiden  dea 
Plexta  coeiiad  geherrsehl,  welches  mit  Bttiermandelwasser  molste 
geheilt  werden,  eine  Lebei^mnkhelt ,  die  mit  den  früher  erlebten 
wol  einige  Aehttlichkeit  haue,  aber  doch  auch  wieder  himmelweit 
von  ihnen  verschieden  war.  Die  GalleagKnge  waren  allerdings 
krankhaft  ergriffeo;  das  konnte  man  aus  dem  galligen  Harn  sa- 
hen,  der  Euweilen  blois  goldfarbig,  öfter  aber  diinkeibraon  war. 
Sehmerzea  in  der  rechten  Seite  und  in  der  Herzgrube  waren  aocb 
hkufig  Geßyirten  dieser  Krankheit.  Erschien  sie  als  alrates  Fie- 
ber, SD  war  ihr  Auftreten  bei  weitem  nicht  so  stürmisch  als  das 
des  gewühnlichen  Gallanfieben.  Dm  Kopfschmerz  war  mltbig 
und  verschwand  in  ein  paar  Tagen  bei  dem  Gebraocbe  dienlicbei' 
Mittel.  Bei  denen,  welche  sich  erbrachen,  konnte  mun  sich 
überzeugen,  dafs  der  Magen  und  das  Duodenum  keine  krankhaft 
sdtarfe  Stoffe  enthielten.  Uebeibaupt  bestand  die  Aftektion  der 
Galleagftnge  bei  diesea  Fieber  offenbar  nicht  io  einer  vermehrten 


—  t»  — 

ThStigkek  dcraaBwii,  ebMi  lo  wenig  In  einer  vermehrten  ttai  qwor- 
litariv  vcrtnilenen  ÖaUembaonderang ,  aondern  es  war  vielmefar 
«m  Affektioa,  welche  lu  i«n  aniKMigen  Abstfifung«a  4*w  (ttl^ 
ncbl  gebone.  Wirkliche  GaUMnchten  habe  ich  den  gamen  Soiu>- 
wer  Mir  swei  sa  bebamMn  gehabt. 

Bei  den  -  etMen  Renen  Fieberkianken ,  «Ke  ioh  im  Fröhjahre  . 
■ehe,  war  DnrcUaof,  und  bei  ein  paar  hefilg«r  Untdilanf  der 
berrorsiecbende  Zufall.  Ea  war  ein  von  der  ABclciion  der  Letter 
geradem  abhängender  eonaenaaeUer  Darahfsl).  Kin  wenig  biiiervr 
(üeaehnack  bestimmie  mi«h,  das  Xaiion  ana^wenden;  allein,  •]>- 
gleich  der  bitlere  GeadHuadt  dudnrofa  veraefawand,  lo  wurde  doeh 
der  Durchtaaf  Termchri;  znai  Beweise  bI<d,  dab  dieser  geringe 
bitlere  tiescbmaek  niofat  von  an  bertiekaichiigenden  aasem  Sloftien 
herrühne;  dann  bei  den  frühem  Fiebern  hörte  der  van  aaiiren  StoF- 
fen  entatandeot  Dmrcfafall  heim  Gebraac^  dea  IVatrona  gar  bald 
aaf. 

lab  veranebte  Jctai  das  Sebellkrant ,  äbeneugle  mieh  aber 
bäUd,  daf«  e«  daa  wahre  Uiiiel  nicht  aei.  Der  Durohlaaf  wurde 
dadurch  vermehrt,  der  dunkle,  gnlliga  Harn  noch  dankJer';  und 
wann  iah. auch  die  8«ibellkraultiaktur  in  gnna  geringer  Gabe  reichte, 
imt  ombiacbeni  Gnnmii  und  Oal  veiwkpht,  so  wurdm  doch  die 
besagten  ZuMle  and  das  gaaxe  Bdinden  des  Kranken  ebet  sehlim- 
HMT  als   besser. 

Die  Krähesnagentinklnr  that  etwas  bessere  Dienste;  dt^ 
Kraaka  fühlte  sich  erleiehiert  bei  dem  Gebranche,  aitch  wurde 
der  Uain  blasser,  abe>  des  Durchlauf  vermehrte  mcb,  selbst  wenn 
iah  die  Tinktur  tu  gar  geringen  Gaben  reichte.  Alles  wob)  er- 
wägen, schien  es  mir  am  klügsten,  den  Krühennugengeiet  an  ge- 
ben,  and  ich  überaeugle  mich  auch  bald,  das  wahre  woblihHlige 
Ueilmiitel  gefunden  an  liaben.  Nan  sana  ich  darauf,  ob  niefat 
der  wolilifaäiige  GivDdttoff  ans  dmt  K«Bhe«aiigen  noch  besser  darch 
Wasser  mit  eiaem  aebwachen  Znaataa  von  Weingeist  noaanaiehen 
aai,  als  dareh  blolaeu  Weingeist^  leb  halte  micb  auch  in  meiner 
VenuBthang  nicht  geirrt;  denn  das  geistige  Wnaser,  von  solches 
Stärke  bereitet,  dais  ein  Pfund  Krfthenangen  anf  riw  Pfuad  des 
Deadllala  komiiM,  leistete  wirUiob  sdlas,  was  laan  von  einem 
gntea  Hmlaiitlel  veriaagen  kann.  Der  Lerier  mulä  aber  nickt  den»- 
ken,  ak  kÖane  maa  dieses  Wasser,  weil  es  wenig  Gesdunaf^ 
hat,  in  starken  Gaben  reichen.  Ahgaaeben  duTon ,  dafa  Krankhei- 
ten emdninen  lännea,  in  walehen  giMifim  Gabea  vielleicht  treffliche 
Dienste  leisten,  wird  man  die  bette  Wiricnng  sehen,  wenn  man 
aieht  fiber  awei  Draclimen  in  vieraadzwanaig  Standen  gibt.  In 
den  meisten  Fftllen  habe  ich  nur  füufmabt  tags  dfeilsig  Tropfea 
gerecht,  welnbes  ein  wenig  mehr  als  eine  Drachme  ausmacht. 
Die  Fieber  nun,    von  denea  ick  eben  spreche ,' veitadenen ,   wie 


—     156    — 

M  nni  SoMnw  kam,  ihre  ZuOHe,  duie  JmIocIi  Ihr*  Nalw  nt 
verftodera.  Mit  dem  Darchfalla  halte  umd  min  nicbl  xu  fechte«, 
aber  man  hatte  ea  mit  einer  adtaanen  Verbiiwlnng  au  ihnn,  waU 
«he  sie  mit  iea  gewöhnlicheo  Somiuerwediselfiebeni  eingingen. 
Biti  einigan  Meoschca  entatand  aus  dieaer  Verbtodiuig  «ffeBbar 
MAe  Kusammeageaetxte  Krankheit.  Bei  den  neiMen  aber  warda 
daraoa  eine  ein/acbe,  näailiGh  eine  Leberaffekrion  mit  «iaer  eon- 
aanaueUea,  die  oBroIlkemmene  Form  eines  Weebielfiebers  anneh- 
menden Affeklton  det  GesammtorganiamiM.  Unter  lebn  Menseben, 
die  angeUich  mit  bdaen  Weetuelfiebera  behaftet  waren,  genaaen 
gewi&  aieben  U«&  dorob  daa  Wasaer  An  Krihenuigen.  8ieb 
aelbat  SbeiiaBien,  fingen  diese  Fieber  oft  als  Ttrtiaxa,  aeltner 
als  QßptidiaMa  an.  Die  Iniermiaaton  war  nie  gaax  rein,  and  Statt 
dafs  bei  eiafnolien  Wecbaelfi^iern  die  Intermiaüoaen  immer  rei- 
ner werden,  geaebafa  hier  gerade  da«  Gegentfaeil;  nadi  acht,  «dar 
nach  aehn  Tagen  ging  die  Tertiana  in  Quotidiamm  über  nnd  dis 
unreine  Qftotidiana  wnrde  gar  bald  an  einem  Fieber,  daa  Mit 
dem  Weehaelfieber  gar  wenig  Aehniichkeit  hatt«.  -~  Bei  einigen 
«ntaland  ana  dw  Verbindnng  de«  Marhl  »tati»mttrii  mit  den  Soni- 
merfifllMtm,  wie  eben  gesagt,  ein  xnsammengesetater  Znstand- 
Hier  konnte  ich  mit  dem  Krlheaaugenwaaier  wol  die  I^aher  miM 
Nornialsiande  bringen ,  altar  nicht  da«  Wechselfieber  haben ;  die- 
ses wurde  aber  durch  Heilung  de«  Leberleidens  rein  in  aemar 
I»lerMünoH,  nnd  eignete  sieh  also  besser  anm  Unterdrücken 
darch  die  Rinde.  Bei  einigen  fing  das  Fieber  als  C%»tiMm»  ra- 
miUeMi  mit  vorwaltendem  Leberleiden  an,  and  wenn  anf  dan  G»- 
braneh  des  Krtthenangeowasaers  Bessening  eialrat,  $o  erschien 
ein  Wechselfieber  in  reiner. Form,  welches  nicht  mit  Krtthenau- 
gcn  konnte  rert rieben  werden.  Bei  dnn  Unterdrücken  solcher 
Wechselfieber  richte  ich  mich  nach  dem  ffame  der  fieberfreien 
Zeil;  ist  dieser  dem  geanndbeiisgamllfsen  gleicfa,  so  kann  nun  ea 
frei  uniardruoken.  Aber,  wie  gesagt,  nach  einem  nngeffthren, 
doch  gewib  nicht  aariebligen  Ueheracblage ,  konnte  ich  von  Ktha 
angeblichen  Wechselfiebem ,    aieken   blofa  mit  dem  KrihenangMi- 


Voo  den  awei  eiaxigen  Gelhanchtigen ,  welche  ich  in  diesem 
Sommer  an  behandeln  hatte,  ist  noch  merkwflrdig  an  baricfaten, 
dal«  eine  dieser  Gelbiochten  nnter  der  Heilgewalt  des  Krfthenau- 
genwassers,  die  andre  unter  der,  der  Schellkranitiakliir  stand. 
Der  erste  Fall  ereignete  aiek  bei  einer  in  der  aweiten  HllAe  der 
Si^wangencbaft  sioh  befindenden  Jongen  Fran.  Ein  Erbrechen, 
welcbea  «war  nleht  heftig  war,  wodarch  aber  doch  alle  Nahnings- 
mittel  nnd  Getrtnbe,  sobald  sie  in  den  Magen  kamen,  ausgewoi^ 
faa  worden,  und  welcbea  nicht  ron  der  Schwangetachaf t ,  sondern 
von  der  LebemSiektiim  heirOhrta  (denn  sie  hatte  ea  vor  Eintritt 


—    187    — 

4v  faHiwclH  nid«  B«habi)  «Ülie  ich  erat  ■!!  WiMMth,  and  m 
■dUle  ilefa  l«icht.  Daranr  gab  leb  fBnriwihl  tiifs  ftinfufan  Tropf» 
KrlfaeMHganwHWr.  Dia  Wiika^  wv  m  giit,  dxli  iefc  schon 
naeb  ri«run(lKwanxig  8tm«lea  ms  der  FkiIm  dM  Haravs  die  Beo* 
■eraog  Mrknmilc.  Di*  Heilyng  folgt«  ueb  ngclMlUg  and  schaeti, 
dflon  di«  tielbMcht  war  gaai  am.  Di«  mw«h«  Kmnlce  war  «bca- 
falb  eiae  jang«  Fnn  and  die  Kraakbeil  nea.  Darin  fand  liafa 
ein  Lloterscbied,  dab  di«ae  Fran  nicht  tchwaagcr  war ,  lich  nicht 
erbtacb,  and,  ibrer  Anaaga  nach,  bni  KW«i  Monaten  allerlei  Baacb- 
baaehwerdan,  jadacb  NMbt  llatige  ak  tduMtshaAe  gehabt.  Sie 
rerhraacbie  awei  Uaien  da«  Kdlbanangemwa  und  die  Galb- 
racht  wurde  eher  icblinnier  ale  heaier.  Daraaf  gab  ieh  ScbeH- 
krantlinktar;  dl«  Beaaerong  arfalgte  biüd  nnd  Mlirilt  ragelMJfcig 
bia  lur  ToUkoMinnen  HeJlung  fort. 

Was  iat  nan  daa  Abstrakt  Meiner  Effahrang  3ber  Kribeoan 
gen  mmI  SebdHtraat.'  —  Es  gibt  beatlMMt  awei  krankhafte,  aber 
nicht  dareh  Zeichen  antencbeldbare  Zustttnde  in  der  Leber,  de- 
ren einer  naler  der  Heilgewalt  des  ChelEdoninnia ,  der  aadere  na- 
ter  der  der  Kr&heoangen  stellet.  Diesen  Satx  halt«  ich  für 
wdbr;  atteia  di«  Frage,  ob  di«  KiMenangenlebeikraakheit 
aweietiei  AR  sm,  also,  da&  eine  anter  der  HeilgeWalt  des  flüch- 
tigen, destillirbaren  Gnindsloffes,  dl«  andere  unter  der,  des  bitte- 
ren, Unflüchiigen  steh«,  di«se  Frage  halle  Ich  bis  jeixt  für  un- 
beantworthar,  and  zwar  aus  folgenden  Grfinden.  Wenn  man 
MiAnanft  Hit  einen  Abfibraagsmiitel  verbinden  wollte,  so  wür^ 
de,  je  na^dam  der  Grad  der  Reiabarkeit  des  Oarmkaaris  sich 
verhielt«,  entweder  die  Wirkung  des  Mobnsaftes,  oder  die  des 
Laxinntltels  vorwaltea.  Eben  so  verfallt  es  sich  auch  wabis 
scbeinlieh  mit  allen  Mitteln,  «elcbe  einen  doppelten  Grundstoff 
haben.  Im  Jahre  1816  und  in  einigen  folgenden  Jnbrwo  ist  viel- 
leicht die  Reiabarkeit  der  Leber  nod  d««  Magens  weit  geringer 
gewesen.  Der  bittere  Grundstoff  der  Nmx  v»miea  kann  damahla 
die  Heilwirknog  des  Aüebtigen  blofa  nicht  beeintrftcfatiget ,  der 
flichtige  aber  gerade  der  eigeailiofa  heilende  gewesen  sein.  8pA- 
t«r  wirkte  bei  einer  eriiSht««  Reisba^ait  de«  Epigastrinms  der 
bittwe  Grundstoff  feindlich,  die  Wehlihfitigkeit  des  flBehligen 
gans  oder  anm  Theil  aufhebend,  nnd  sinfsle  deshalb  von  den 
fliicbtigea  geschieden  werden.  So  kann  die  Sache  «ein,  sie  kann 
aber  nach  anden  sein.  Frübar  kann  d«r  bitt«re  nfiflüohtig«  Grund- 
itoff,  spUer  der  unbiltere  flü^itig«  Il«flmiite1  gew«sen  sein.  Wer 
kann  es  wissen!  —  KSnut«  ich  zehn  oder  xw5lf  Jahre  wieder 
surückgehe»,  so  wollte  ich  bald  Gewifsheit  in  dieser  Sacbe  ha- 
ben; aber  Jetat  mafs  ieh  waitm,  bis  «innahl  wieder  acH- 
ehe  Leberkraakheiten  hanrsdieB,   bei  welche«   di«  Kilhenai^B- 


liakiM  h«(lawu  tat,    dann   iKfst   tiah    du  D'mg    löcbt    HMIdi- 

Seil  1»29  bis  183S  habe  ich  hanfig  eelegt-nbait  gdiabt,  daa 
KrtthenangaBwasBer  bei  hemdiMideD  Knwkhoitea  «i  erprobeB;^ 
alles  aber  der  Lftage  nach  an  enlhlen,  wGrde  in  weitlS>ftig  and 
MI  weaig  belehraad  aeio,  ich  wvrde  al«o  aar  eisiger  praktiaobea 
biaiea  gedankto ,  deren  maxt  bei  dem  Gehraacfae  deuelbtn  nicht 
eaibehrea.  kann. 

Beim  eonsenauellen  Ijuatea,  der  von  einer  Urerknwkung  der 
E^er  herkomMt,  mnfii  man  ei  -nie  aläcker  ala  an  IS  Trepfen 
für  die  Gabe  frinfauhl  l^  reäibea,  md  jedaanmbi  mit  einer  kel- 
bea  Taeae  WaRSer  vcD-niiaebl.  Solcher  Hatten  ekoniaciier  Art 
siehet  man  bei  gastrischen  Zeitlftafcn  vir4c.  IVieht  selied  ist  der 
Husten  der  einzige  Zufall ,    durch    des    aiefa  die  LebarerkreakiHig 


•)  Vom  Jahrs  1839. 

Badlich  Ua  icb  M  dir  VtkenBugtat  Hl»«* ,  dkh  bclda  Prijwnt«  dar 
Broctanra ,  dit  TineUr  end  dM  Wataar ,  Rrgca  swei  veneUvdemrIlfa  L*ter> 
krankheilea  UeilmiUsi  liBil.  1b  SoBmet-  dci  Jabrw  1838  war  der  Marbat 
tl^lianariui  eine  Lebcrkr«Dkheil ,  wt-lche  uDtir  d«r  Heilgewall  de*  Breehosh- 
wMier*  tland.  hn  SoBmer  verSndcrte  lie  lo  Hira  HatDr ,  dafi  lis  onler  dis 
der  Tioktar  tat.  Bet  dieier  iptoleo  Hrankbelt  war  aar  in  aollflaeB  nHaa, 
■elbat  wsna  tie  alt  akatM  Fiafcar  «raaibe ,  recalwlilnf«  GriUaiUtad—ag 
vorbaiden.  Dm  Fieber  war  Conlinua  rtmiUtut  DPd  iwar  uit  recbt  dcilli- 
ctaeo  ReBiMioucD  ,  Jeducb  oicbt  mit  lolcbea  ,  dsfi  bbd  lie  an  IntcrBiiiioDca 
grcDiende  bK[le  pcnnfD  kÖDoen.  Die  ExnzerbalioneD  keinen  meist  TrBh  each- 
nitUsi ,  lettDcr  ronnllta^.  Der  Hara  war  neftt  frfiK  oad  geK,  Mlt«i 
bfMD  uDd  klar.  Saitaaataefcai  war  «eir  geBda.  Der  GeMMBlnasHnsM 
bebad  »lab  Im  Iiidiff«raaulaada ,  «omoI  bei  dar  ■knUn  sla  b«i  der  «hrgBiaelua 
Purtn  ;  man  brancbte  alag  nar  dia  kranke  Lebar  getaud  ed  niacben ,  lo  uaebU 
luaa  den  gaoien  Heaacbea    geinnd. 

Ich  bebe  mirb  dqd  voUkommen  überzeugt,  dar*  da«  Srrehnpfiwesier  nicht 
diB  Biindeet«  ReilwiriLBag  In  diäter  Laberkraakbeit  iartarle  ,  wader  ia  kleiMoa 
ai>M  ia  gtSberaa  6ab«ii  saraaebt;  aber  die  Tiiiklar  leiatol«  alle*,  wa»  itM 
i'vrlaoEaB  koanle.  Jedocb  ,  welcbe  Vvracbiadenbeit,  biniiihllick  der  Heiliabi!, 
zwischen  dieier  Leberlcraukbuit  and  jener,  die  in  den  Jabreu  IS  bii  Iti  herr«ch- 
lel  Damahl*  gab  ich  13  Trupfeni  S  buM  toRt ,  aiio  75  Tropfen  als  Ta;^ 
gäbe;  bei  der  JeCzifea  Krankheit  beiland  die  Taggab«  ia  G  bia  10  Trepffn, 
die  iak  bek  aHvk«!  SaltMttMteD  nad  tUrtTorwalleadoB  aaaanKBlIaB  Bratt- 
leidan  bU  S  Uann  UaBBlaaKaB^  ganiaobi  atdadlieh  tüfalwaiaa  oakB^lieb  ; 
ja  ttärker  jape  Znlllle  waren  ,  um  is  terinKor  naftte  die  Gabe  aein.  Weaa 
die  Leberkrankbeit  nicht  uU  akale*  ,  londern  als  tchlaicbenües  Fieber  aullrBt 
gab  Ich  S  mahl  tags  zwei  Tropren  in  einer  halben  Taase  Waster',  and  weil  lieft 
swei  Tropfen  oiehl  gnt  ti^phln ,  landern  hiebt  nehr  Tropfen  aal  deu  FISiob- 
•hea  lanfaB ,  diaaea  Hvbr  aber  tet  ipaaeand« ,  oder  iiitfiiaaiibai'iiiBilii  fia- 
tühl  in  deni  Bplgaalria  cb«r  rentehrte  alt  TerBioderte ,  a«  bin  ich  aof  den 
gaDi  einrachan  Gedanken  gekomnen  ,  den  KniDkea  ,  oder  eiu  rerttündigei  Glied 
der  Familie  alle  Morgen  die  ganze  Taggabe,  zehn  Tropfen,  mit  drillehatb 
Tnssen  Wataer  mischen  la  lusen ,  wovon  dann  der  Kranke  fiint  mahl  Ugi 
eine  halbe  Taeae  Mhn.  Diese«  ging  ««Ar  gnt ,  well  aiab  10  Trepfen  beiair 
iSUaa  a|«  iwej. 


—     IM    — 

nnatb ;  eiao  iit  m  »Utk  DimtBiid  n  reriiahen ,  iaS»  mk  denul* 
bra  fir  «Ben  Uoften  KnlarrbMlfaiHlcn  h^  Die  mebteD  Mao* 
Mken  w«  int  Mittlea  und  ualeren  VollublRwe  «icbto  ent  dum 
Hilf«,  WMUi  üebibare  AbnwgeniDg  iem  Kör[»en,  un4  eine  gar  wi 
l^ige  DkBer  ih»eB  4eii  HuM«n  verd&okiiget.  Gvwftkalioh  wl  er 
mckea,  nur  mit  gerugem  Awwiirfe  sines  klaren  Sdileiw«  ge- 
pHTst;  zuweilen  werfen  aber  die  Leute  viel  ans.,  und  der 
ü^leim  IM  dwk  bmI  gelblioli.  Dieser  Unteracbied  w)r4  wol  von 
4er  Teschiedenen  EigeMhri»Uchkeit  der  Kärger  und  vun  den  ver- 
•eUedenen  Grade  4er  Heilbarkeit  ibrer  Langen  abheagea.  Sol- 
che* die  iräber  oft  aüt  KatwrhaUwBteD  geplagt,  die  Heilung 
tieudfcoo  bledii  der  Namr  überbuwn  haben,  bahalieo,  wenn  die 
n^tnr  Ungsain  in  ihrer  Heilung  geweaen,  gewöhnlieh  eine  kmnk- 
hn&e  Rwibnriceit  der  Lunge.  Wird  nun  diese  La^e  >pi((w  durch 
ein  Urlebwrleiden  eonsenenril  lum  Haste*  aafgeregt,  aa  «iahet 
MUi  Eiaehünnngen ,  die  man  na  uiindar  raisbaren  Lungea  niebt 
aiebet. 

Im  Al^^eminen  kann  man  annebaien,  dnfa  liefai  EinailbnieB, 
Tnbniu-,  Holx-,  oder  Kebleonucb  den  canwnuKlIeD  Husiei» 
nicht  nofrogt,  Ea  gibt  aber  Auinah«en  von  der  Reget,  die,  wie 
d*r  SebieiniMiawiirf,  .von  dem  dgeMhümliohan  Grade  der  Heia- 
bariwit  der  Langen  abkaage*.  Ainn  mufa  alao  niebt  von  solchen 
AwnnbntifQ  fiaga  auf  ein  Urleiden  der  Lni^  aebliefeen ,  ^eich 
an  Kaeten,  Eititrbealan  and  Geschwüre  denken.  Solche  vor-^ 
wituge  Schlüsae  haben  wabrUch  aanctien  Kranken  Leib  und  Le- 
ben gekoatM:  diene  Kcanken  waren  niebt  Uagciuiichtig ,  da  sie 
aan  Arst  kamen ,  ijMr  «ie  werden  ea,  weil  der  Aizt  sie  dafür 
hielt  und  nach  dieser  faUahen  Ansicht  die  Heilung  versuchte. 

Uehrigens  muiä  sich  aber  keiner  yortiellen,  rIb  üefse  sich 
ein  nlier  cnnsensnellec ,  von  ei*er  LeheretkiaBknag  abhängender 
Huatea  in  vier  oder  fTmf  Tagen  durch  das  KitbeDBiigenwasHer 
heben.  Solch  alie  Dinge  hebrn  aich  lucbt  s»  schnell;  iah  bin 
schon  snfrieden,  wenn  ich  bald  Besiermig  sehe,  deaa  was  bee- 
aerl,  da«  wird  gewöboiicfa  durch  den  ferlgeaeuiea  Gebranch  des 
Miuela ,    welches  die  Besaefniag  eingelpiiet ,    gMS  gutr 

Ich  habe  aeit  1829  gar  manche  Menschen  vom  conseusnallen 
Husten  durch  das  einftiche  Kiähenaugen-  oder  ßrechnufswasser 
befreiet,  welche  schon  vergebens  die  schulrechle  Kunst  in  Aa- 
spncfc  geaaiMmeo.  Meine  Meimng  ist  nbev  nicht,  ata  kihnie 
man  an  jeder  Zeit  aHe  eepemsaeHe ,  ans  der  vpafkranktea  Leber 
■priefHnde  Httaten  dwrch  Ab»  nümliche  Mittel  heüen;  ich  gebe 
vMmcbr  meinet»  jängenen  Lesern  feigenden  Htaih.  Sie  mäasen 
bei  allca  verkoaim enden  aonsensnellen  Husten  steh  stierst  ia  der 
ViM  den  H«U«*itinU  nach  der  «pldemlsehen  Conarituiivn  riohien 
(ifb  aehme   dtoscit  duisdnick  inv  reindriahnuigaftntliehen  Sinne), 


—    i60    — 

lind  eonMnnidl«  Hsttva,  wem  8ch^kniadeb«rkranklMftan  land- 
glngig,  darefa  geriag»  Gabsii  SehaUknatdBktar,  wenn  &«eh- 
nnftleberktsnkheiiBB  landgSngig,  dnrch  KriUtanmgeHWanMr  an- 
greifen Jt.  %.  w.  Allerdinge  Tcrttadero  loldi«  Lebererkninlningen  and 
die  davon  abhangeadeo  HnMan,  wenn  sie  lange  in  einem  Körper 
geneilet,  xnweilen  ibre  Naliir;  an«  der  Sekellkrauikninkheit  kaan 
eine  Franeodistel-,  oder  Quauiakm'nkheit  werden,  und  amg»> 
kehrt,  aoch  aus  dieser  jene;  das  mnfi  man  wol  bedenken,  aber 
doch  nicht  die  Ansnahroe  mit  der. Regel  verwechseln. 

Nun  noch  ein  A^'ort  vom  eonsenanellen  Durchlaufe.  Wo  die- 
ser voD  einer  Urerkrankni^  der  Leber  abfaingt,  mBsaen  alle  Lo- 
hermilte]  in  ganx  kleinen  Gaben  gereicht  werden.  Da  das  Rrech- 
nnfswauer  wenig  Geschmack  hat,  ao  dachte  ich  anfangs,  bei  des- 
sen  Gebraoch  sei  diese  Vorsieht  nicht  M  sehr  ndthig.  Das  war 
aber  eine  Bethörang,  die  mir  noch  von  der  Sdiole  anhing;  im 
Jahre  1829  wurde  ich  davon  gelieilt.  Ich  wurde  so  einem  Man- 
ne gerufen,  der  von  dem  damahls  herrschenden  Leherfieber  nn- 
gewSbnlieh  heftig  ergriffen  war,  and  schon  am  aweilen  Tage  der 
Krankheit,  wo  ich  ihn  sah,  den  Beginn  eines  coosenaaeHen 
Durchlnufes  halte.  Ich  verschrieb  ihm  einen  Trank  von  einem 
Skrupel  Traganth,  «cht  Unaen  Wasser  und  swei  Dradimen  Breeb- 
nnfswasser,  davon  nahm  er  Mfindlicb  einen  UifM.  Am  folgen- 
den Tage  war  der  Dorchlanf  vermehrt ;  Ich  vermiodene  das  KrS- 
henangenwasser  am  die  Hälfte.  Am  anderen  Tage  war  der 
Durchlauf  noch  wie  er  gewesen;  ich  vermtDderie  die  Drachme 
um  einen  Skrupel,  dm*  Durchlauf  blieb.  Nun  setxle  ich  nur  einen 
einzigen  Skrupel  zu  den  acht  Unzen  Guninriwasser,  und  siebe! 
der  Durchlauf  h9r1e  gleich  auf  und  die  Genesung  erfolgte  rasch. 

Seitdem  habe  ich  da,  wo  ich  es  mit  veratHndigen  Leuten  an 
thon  hatte,  diesen  das  Brechnnkwasser  pur  verschrieben,  und 
sie  davon  4  oder  5  mahl  tags  6  bis  7  Tropfen  in  einer  hal- 
ben Tasse  gemeinem  Wassw  nehmen  lassen ,  nnd  suar  mit 
überraschend  günstigem  Erfolge.  Roben,  oder  leichtsinnigen  Men- 
schen, die  zum  Tropfenzählen  nicht  langen,  gehe  ich  ihre  Tag- 
gabe  in  einer  Flasche  nit  Gummiwnsser. 

Zusats  vom  Jahre  1836. 

Eine  1836  herrachende  ll«berkraokbelt  stand  vom  Anfange 
des  Jahres  bis  zum  Monat  Jnnius  unter  der  Heilgewalt  des  Frauen- 
distelsamens ,  trat  dann  aber  unter  _die  des  Safrans.  Ueber  die 
Heilwirkung  des  Safram  auf  die  Leber  ist  nnicre  Literatur  (so 
weit  iob  sie  als  Ungelebrter  kenne)  arm;  man  Iwt  mehr  von  sei- 
ner WirkoBg  auf  die  Brost  und  auf  den  Kopf  gefabelt,  als  seine 
Lebtriieilkraft  eignfindet.     Da  idi  nnn  ror  mehr  denn  30  Jahran 


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ihft  BotsloB  in  BniM-  und  Kopfleidea  fcbnmeht,  lo  witr  er  b«i 
»ir  gm  in  Varacbt  gekoimnen.  Der  gemeioe  Mnon  mag  den- 
■elbeo  SKwailen  beilMoi  in  der  Gclbradit  befund«  baben,  denn 
vor  vielen  Jahren  «nflblle  mir  eine  at^ibare  Fran,  aie  aet  einat 
roa  der  Gelbaucht,  welcbe  ein  verslXndigei-  und  erfahrener  Arat 
■ut  awei  iMonalen  vergebena  bekani|>fi,  durefa  eiseo  Au^fa  dea 
Safnna  bald  befraiet  worden,  nnd  dieaea  Mittel  habe  ihr  ein 
acklidiler  Landmann  geralbea.  —  Mich  hat  aber  wader  dieae  Er- 
«Bblnng,  noch  Cr«ltäu,  der  in  aein«  Schrift  —  De  »tgnaiurü 
imtermi»  renm  —  den  Safran  als  Gelbauchtheiluiliel  angibt,  auf 
die  Leberbailkraft  deasdbea  aufjuerkaMu  gemacht,  fondem  ein- 
aig  ft^^nder  Zafoll. 

Zu  der  Zeil,  da  der  Fraaeodiatelmmen  anfing,  «eine  Heil* 
wirfaiog  an  veraagen,  ich  alao  andere  Hülfe  aucben  mnfste,  be- 
Minirolea  micb  einige  Encbeiaungen  der  Kranltheit,  da*  Quaatia- 
waaaer  xaverauchen.  Ich  tah  von  diesem  awnr  wirkliche  Heil- 
wirkung, aber  doch  nicht  eine  so  rasche,  als  ich  sie  verlangte, 
und  all  sie,  nach  meinen  früheren  Beobachtongen  über  dessen 
AVirknng  an  unbeüen,  hätte  sein  müssen,  wenn  die  Krankheit 
eiae  echte  IjnaatialeberkroDkbeit  gewesen  wfire.  Da  ich  aber 
nichts  beaserea  wiifste,  so  blieb  ich  vorlänfig  dabei.  In  dieser 
inrsen  Zwiachenxeit  der  Halberkenninifi  bekam  ich  hier  im  Orte 
einen  COJIhrigen  Mann  au  behandeln,  den  die  Krankheit  als  aku- 
tes Fieber  mit  eonsenauellem  schmerahaften  Bnislleiden,  Husten 
■ad  bjuiigem  Auswurf  ergrilt'en  halte.  I>ai  Qiiasatawaaser  ver- 
beasene  allerdings  den  krankhaften  Zualand ,  aber  die  Bessernng 
machte  sich  doch  langsam.  Nach  acht  Tagen  fragt  mich  der 
Kranke,  oh  ich  dem  Qaassiawaaser,  welches  anfange,  ihm  wi- 
drig an  werden ,  nicht  einen  etnas  anderen  Geschmack  geben 
bSaael  —  Ihm  willfahrend  setze  ich,  wirklich  blofii  in  der  Ab- 
sicht ,  der  Arxeaei  einen  ander»  Geschmack  und  eine  andere  Farbe 
xa  geben,  einen  Scrnpel  Safrantlnklnr  lu  vier  Uoxen  Qiiassta- 
Wie  uiirde  ich  überrascht,    da  ich   die  herrlicbsie  Heil- 


wirkniig  von  dieser  Mischung  sah!  Durch  Vergleichnng  mehrer 
FlUe  erlangte  ich  gar  bald  die  IJebenengung,  nicht  diese  Mi- 
achaog,  sondern  einzig  der  Safran  in  dieser  Mischung  sei  das 
wahre  HeÜmiiiet.  Begreiflich  habe  ich  nun  den  Kranken  blofs 
Safrantiaktur  gegeben,  und  ihnen  eben  so  gut  und  rasch  gehol- 
fen, als  in  den  vorigen  fünf  Monaten  durch  den  Frauendiatelsa- 
men.  EInaelne  f^lle  anzuführen,  würde  tu  weitlSnfiig  sein,  je- 
doch kann  ich  einen  einzigen  nicht  ganz,  übergehen.  Mit  diesem 
waren  consensuelle  Dannleiden  verbunden ,  die  die  Form  der  re- 
ihen Ruhr  vollkommen  darstellten ,  nämlich ,  Fieber,  Bauch- , 
Bchmen,  Sluhlxwang,  Entleerung  gana  kotbloser,  schleimigbln- 
liger  Stoffe ,    und  EcbroCben.      Diese  Dytenitria   hepatica   heilte 


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sirb  gani  ^mBchlich  durch  kleine  Guben  SkfraiHiRktar ,  weil  aie 
consensnell  von  dem  durch  Safran  heilbaren  Urleideo  der  Leber 
abhing.  Hfille  mir  vor  30  Jahren  der  Zofall  die  Leberheillcraft 
des  Safrans  so  deutlich  vor  Augen  gerückt  als  jetat,  u  wüide 
ich  vielleicht,  in  meinet  damabligen  bücherlichen  Befangenheit, 
diese«  MiHel  als  das  höchste  Hepaticum  in  einem  Journale  an*- 
gprufen,  ja  ich  wurde  wo)  gar  die  Aente  für  blinde  Meoseben 
geballen  haben ,  dafs  aie  dem  Safran  nicht  schea  lingit  vor  allen 
andern  Leberiiiiileln  den  Preis  zugestanden.  Seil  mir  aber  Para- 
celsus  die  ratioDelleropiiiscbe  Brille  zerbrodien,  ich  also  aüt 
hiofsen  Augen  die  \atur  beohaphtet,  ist  es  mir  deutlich  gewor- 
den, dafs  man  keinem  Organ  heil  mittel  unbedingte  Heilkraft  ni- 
scbretben  könne,  sondern  dafs  die  recht  deutliche,  handgreifliche 
Oßenbarung  derselben  allermeist  durch  die  epidemische  Consiiln- 
tiou,   durch  den  Paracelsischen  Himmel  bedingt  wird. 

Milzmittel. 

Ea  ist  schwierig,  gnte  MUxmitlel  an  finden,  weil  die  Mih, 
Jn  Verbfiltnifs  zu  der  Leber,  selten  in  ihrer  Substanz  achmenc- 
haft  ergriffen  wird.  Wenn  sie  schmerzt,  so  schmerzt  sie  weit 
häufiger  auf  der  Grenze  der  Reg.  epigaitricae  und  kgpoehoMdria- 
cae  tinittrae  als  im  HypockandriB  selbst.  Aber,  leider!  gerade 
auf  diesem  Flecke  tialsert  sich  anch  nicht  selten,  sondern  sehr 
häufig  die  Affekiion  der  Leber,  wodurch  dann  dieses  Zeichen 
unsicher  wird.  Das  gemSchliche  Li^en  auf  der  linken  Seite, 
und  die  Unmöglichkeit,  ohne  Beschwerden  auf  der  rechten  u 
liegen,  spricht  allerdings  für  ein  Milzleiden,  vorausgesetzt,  dafs 
die  linke  Lnnge  nicht  erkrankt  sei;  aber  ob  es  gleich  gut  ist 
auf  solch  ein  Zeichen  zii  achten,  so  gibt  es  doch  keine  Sicher- 
heit. Die,  denen  die  Milz  stark  ergriffen  ist,  müssen  eben  so 
gut  als  die ,  denen  der  hintere  Leberlappen  sehr  krank  ist ,  auf  dem 
Rücken  liegen,  und  können  nicht  ohne  widrige  Gefühle  auf  der 
Seile  mben.  Wenn  wir  nun  daan  bedenken,  dals  die  Milz  (so  viel 
wir  bis  jeui  wissen)  kein  aus-  oder  absonderndes  Organ  ist,  wir 
also  keine,  sich  auf  die  Störung  solcher  Verrichtungen  beziehende 
Zeichen  haben  können ;  wenn  wir  ferner  bedenken ,  dafs  zuweilen 
bei  MilsalFektionen  die  Gallengänge  consensiiell  ergriffen,  der  Harn 
dadurch,  wie  bei  Gallenkrankheilen,  gefärbt  und  die  Metutma 
digei/ioni»  überhaupt  qualitativ  verändert  werden;  und  dafs,  on 
das  iVIufs  Hller  Schwierigkeilen  voll  zu  machen,  Voll bliiiigkeit  des 
BaiichaHcruyRfenis  zuweilen  die  Gestalt  schmerzhafter  iMilzaffektion 
annimiitl:  so  ist  leicht  zu  ermessen,  dafs  das  Auffinden  guter  Milz- 
mitlel  eine  schwer«,  sehr  schwere  Sache  sei.  Die  consensuellen 
von  Milxaftekiion  \eruraachteo  Zuffille,   Helche  mir  im  Laufe  mei- 


HS  SnlKchen  Wirkeos  häufig^er  oder  Kelreoer  vorgekommen,  sind 
folgende:  Magenschmen  hftufig,  Husten  oft  nod  zwar  heftiger,  ei^ 
■tickender,  Bauchschmerz  zuweilen,  chronischer  Durchfall  oder 
Verttopfang  emas  öfter,  Asihma  ielieo,  ge>t8rle  Verrichtung  der 
Nieren  nod  diiTOD  abbangende  WaBserBocbt  oft.  Unter  solchen 
Wasnrsuchlen,  welche  nicht  in  einem  krankhaften  Zustande  des 
Gesaraintorganistnus  begründe  sind,  schreibe  ich,  nnch  einem 
nngerBhrea  Uebersehlage ,  ein  Drittel  auf  Rechnung  der  Milz. 
Bei  Weibern  wirkt  die  Milsaffektion  anf  die  (lebarmntler  und  die 
Scheide,  macht  bald  Verhallung  des  Monatlichen,  bald  BlntflSua, 
bald  weifsen  Flufs.  Manche  akute  Fieber  conaensneller  Am, 
manche  WecbselSeber  sind  blola  ZoAlle  einer  Milnffektioo;  wenn 
Banchkrankheiien  herrschen,  siebet  man  zuweilen  Milziieber. 
Aber  das  eine  Jahr  nnlerscbeidet  sich  sehr  darin  von  dem  andern ; 
ich  habe  wol  in  einem  ganzen  Jahre ,  wo  Leberkrankheilen  herrsch- 
ten, kein  einziges  Milafieher  zu  bebandeln  gehtAt,  und  dann 
wieder,  hei  herrschenden  Leberkraokheiten ,  Milzfieber  von  Zeit 
Ca  Zeit  einzeln  dazwischen  laufen  sehen.  Gehirnleiden,  unter 
der  Form  von  Manie  and  Melancholie,  Angenaffektioneo ,  als 
Diplopie y  Aiabfyvpie,  chronische  Entzündung,  habe  ich  bis  jetzt 
wol  der  Leber,  aber  nicht  der  Milz  enteprossen  beobachtet.  Hatte 
ich  eine  epidemische  MilzkranUieit  erlebt«  so  würde  ich  mehr 
von  diesem  Organe  xa  sagen  wissen;  da  ich  aber  eine  solche 
epidemische  Krankheit  nicht  erlebt  habe,  so  kann  das,  was  ich 
über  Hifamiittel  zu  sagen-habe,   nur  novollkommen  sein. 

Holzkohle. 

Dieses  Mittel  habe  ich  schon  sehr  lange  gebraucht  und  in 
diesem  langen  Zeilranrae  nicht  wenig  Menschen  damit  geholfen, 
ohne  dafs  ich  mich  der  Zweifel  entschlagen  konnte,  ob  es  auch 
wol  wirklich  als  Splenicum  wirke.  Lange  habe  ich  die  Sache 
unentschieden  gelassen ;  jetzt  scheint  sie  mir  zwar  noch  nicht 
über  allen  Zweifel  erhoben,  aber  doch  so  weit  gediehen,  dafs 
sie  miiiheilbar  ist.  Wenn  man  von  einem  Eigenmittel  auf  ein 
erkranktes  Organ  sprechen  und  andern  es  empfehlen  will,  so 
mofs  man  vor  allen  Dingen  es  in  solchen  Füllen  erprobt  hab«i, 
wo  über  das  aflizirte  Organ  kein  Zweifel  obwalten  kann.  Der 
einzige  Fall  von  Milzaffektion ,  der  wenig  Zweifel  über  das  affi- 
rine  Organ  znläfst,  ist  derjenige,  der  durch  Schmerz  sich  an 
deai  Orte  offenbaret,  wo  die  Milz  bei  Gesunden  liegt.  Gans 
strenge  genommen,  ict  auch  dann  noch  keine  vollkommne  Sicher- 
heit« denn  ich  erinnere  mich  eines  Falles  (aber  auch  nur  eines 
einsigen),  wo  bei  einer  Gelbsucht  der  Schmerz  nicht  im  rechten 
Hjrpochoadrio ,    sondern  ganz   im  linken,    nahe   dem  Rückgrathe 


—    164    — 

wnr.  Wnrii  hier  nicht  ilie  Lebernffeklion  durch  iindere  Zeicheo 
unrerkennhxr  gewesen,  so  würde  der  On  des  S>cliiiieraeg  den  Arzt 
io  die  Irre  gpfiihri  haben.  Abgesehen  aber  von  dieser  kleinen 
UnsichorhcU ,  \sl  doch  \^oI  die  von  mir  angegebene  Krankheils- 
forin  gerade  die,  welche  den  wenignien  Zweifel  über  das  aflixirle 
Organ  zulafst.  *)  Nun ,  in  aolchen  FHlIen  habe  ick  die  flolKkohle 
gebraucht,  aber  nur  Erleichterung  des  Schmerscen ,  nicht  voll- 
koniitine  Heilung  damit  bewirken  können.  Auf  die  Weise  fehlt 
mir  der  beHiu  Beweis  für  die  Heilwirkung  der  Kohle  auf  die  er- 
krankte Milz. 

Positive  Zeichen  sind  bei  MUzleiden  oft  so  unbedeutend,  dafs 
sie,  ftir  sich  genommen,  nichts  sagen.  \\'»s  bed^itet  z.  B.  ein 
flüehliger,  von  ,Zeit  zu  Zeit  sieb  einsiellendcr  Stich  im  linken 
Hypochondrio ,  den  der  an  chranischeni  Huslen  leidende  Kranke 
zuweilen  vor  Entstehung  des  Hustens ,  welchen  ich  heilen  soll, 
empfunden  hat,  nnd  den  er  jetzt  wirklich  nicht  mehr  empfindet f 
An  sich  nichls;  es  kann  ja  ein  Wind  gewesen  sein,  der  sich  in  der 
Biegung  des  Colons  verhalten.  Aber  bei  der  Abwesenheit  aller 
Zeichen  von  Lebcrnfl'ekiion ,  bei  dem  iVichivorhandensein  aller 
mutbmafslicben  Gründe  für  eis  Urleiden  der  Lunge ,  ist  solch  ein 
unbedeutendes  Zeichen  von  grofscr  Wichligkeil,  nicht  für  den 
dispuiirenden  Ar/.t,  sondern  für  den  Heilmeisier.  In  solchen 
Fallen  nun,  wo  das  Kranksein  der  Milz  zwar  mehr  oder  minder 
deutlich,  aber  nicht  aller  Zweifelei  enthoben  ist,  habe  ich  die 
Kohle  in  con  sensu  eile  n  Brustaffekiionen  gegeben,  nnd  damit  nicht 
blufs  unbedeutende  Husten  geheilt,  sondern  auch  solche  ernst- 
hafte, welche  von  erfahrnen  Aerzten  mit  krAfiigcn  .Mitteln  verge- 
bens bekümpft  waren.  Sollte  jemand  sagen,  die  Kohle  sei  ein 
Lnngenmitlel,  so  ralhe  ich  ihm,  selbige  als  solches  zn  versu- 
chen, leb  habe  schon  vor  gar  langer  Zeit  den  nSmlichen  Gedan- 
ken gehabt ,  bin  aber  gar  bald  davon  zurückgekommen,  ki  neuer 
Zeit  ist  die  Hwixkoble  als  Htpaticum  angegeben;  ich  habe  dar- 
überkeine  verneinende  Erfahrungen  gemacht  und  keine  bejahen- 
de. Man  auM  Hucb,  wie  ich  gelesen,  den  Gänsen  dadurch  die 
Leber  vergröl'^ern ,  dafs  man  ihnen  Holzkohle  .nnter  das  Fuiier 
mengt.  —  Vorausgesetzt,  dafs  dieses  wahr  sei  (ich  habe  es  nie 
selbst  vf^rsncht  K  so  scheint  mir  solche  an  Gttnsen  genmchle  Er- 
fahrung, -  die  Meinung,  als  sei  die  Kohle  ein  gutes  Hepalicum, 
eben  nicht  sonderlich  zu  bewahrscheinigcn ;  denn  abgesehen  da- 
von, dafs  der  Mensch  keine  Gans  ist,  würde  ich  ein  Mittel, 
welches  die  gesumte  Leber   anschwellen  macht,    nicht  gerade  für 


*)  In  der  Folge  werJt'  ich  leif^CQ,   i»^i  iiibb  (Üb  nickl  Mor«  bei  icliiDenihlfler, 
oDdern  lelbst  bei  hiiictgreiniclier  MilzetkraikoDf  tluebCD,  nnd  leicbt  dai  con- 
"«  Laidia  Hir  Urleide*  Mihisaii  küsse. 


—     165    - 

•in  -soldi««  halle« ,    weichet  die  erkrankte  ^emnfl  xu  mnt-hcn  im 
Stande  sei.') 

üaa  Bahnllende ,  des  Xachls  sich  verböBcmde  Asthma,  ist 
ein  aicbt  hiiilig  vorkomwende«  üebel.  Es  kann,  eben  no  gut 
als  der  Husten,  eonkensi) eller  Naiur  »ein  und  von  eintr  MilenP- 
feklioD  abhängen.  Ich  habe  vor  nach  nicht  langer  Zeit  einea 
belehrenden  Fall  der  Art  erlebt.  Ein  Mann,  der  von  Jugend  an 
einen  nfisnenden  Flechienauuchlag  über  den  ganxen  Leib  gehabt^ 
welcher  AusKchlag,  vergebeat  mit  ArzeneiniiHeln  bekfimpft,  sich 
von  aellHit  im  mienlicben  Aller  verloren,  aber  eine  garstige 
&tchhaatShnlicbe  Epidermis  in rfiekgel aasen  hatte,  Jing  an,  über 
Spannung  im  linken  Hypocfaondrio ,  welche  inweilen  in  eineh 
nnbedantenden ,  dumpfen,  bald  vorübergehenden  Schmerz  abarle- 
te,  SU  klagen.  Diese  Beschwerde  war  es  aber  nicht,  sondern 
«ine  iHslige  Kiiruihemigkeit  war  es,  we^alb  er  meinen  Hnt- 
licben  Beistand  in  Anspruch  nahm.  Icfa  wurde  bald  gewahr,  dafs 
er  die  Spaonnng  im  Hypochondrio  schon  weit  Ifinger  als  das 
Auhma  geliabl,    unbeilie    also,    dala   ar  an  einer  Aftektion    der 


*)  V»U  lie  Leiirr  der  Gisi«  darck  des  Gcouh  der  Holikabie  *crgrär>ert  werde,  ' 
babe  teh  »ft  sehKrt,  nmi  zwaiMtkl  ■■  HaCHtodiiehoa  Joaroal  gelvicn  ,  aber  ai 
der  Wakrkstt  disMi  Vorsebani  Krawcirelt ,  weil  Baptiil  Ptrta,  dar  über  dia- 
*«■  Geseulaad  ictreibt,  {Mmgiii  umluralli  pag.  5)0)  gar  aichl  der  fEoble 
erwühnl.  teb  betitle  anel]  ein  allri  Karbbnch,  deuea  yrrfauer  irh  nicht 
aeanea  kaan  ,  weil  Bein  Eienplar  teipcn  Tilel  verioren  ;  über  Jeder  BlalUeile 
ilebea  aber  die  Worte:  Ot  arl»  magirica  Itbtr.  R«  iit  alao  ein  ecbt 
K«lelutes,  lateiniaebaa ,  Mit  rie1«a  griecbiaefaea  WSrtera  dnrchafirkles  Kecb- 
baeli ,  daa  *mi  •eehietataa  Jabrbaadarl  aela  wiXa ,  weil  der  Verfaiaar  voa 
F.ramtKt  alt  vns  aeiiieM  Zeilge»Heu  iprieht,  lo  demielbea  jit  aoo  aacb  tob 
den  kÜMtlichen  Grorimarbea  der  CäuarleberB  die  Rede ,  aber  der  Kotilc 
wird  Biebl  Kedaebt.  Ver^tiehe  ich  dai,  was  ia  beides  BUtbcrn  darüber  ge- ' 
Mgt  lal,  Mit  einaider,  ao  ffihrt  «icb  die  saaie  HIatkaHil  dannr  lariiek,  dtf^ 
aaa  des  Tbierea  «oiclie  Nabrisf  gibt,  welebe  aie  lairbt  verdaueo:  dadarcb 
«ioiig,  «ad  nickt  doreb  ICobhabeiiniKbaiig ,  werdea  ihr«  Lebera  and  ihre 
[^iber  ongeheaer  feil  j  welrbea  sie  in  den  Grade  iiir  doreb  icliwcrverdan liebe 
Nahrnng  werdea.  Seil  ellichen  Jahren  wobnl  hier  eine  Fraa,  die  die  Knntt, 
den  Giniea  gror*e  Lebera  za  machen,  ani  dem  Grande  veratehl.  Dieae  lehickte 
■ir  einal  eine  Leber  vna  !8  Latb  ,  welebe  vun  einer  kleinen  Gan*  war.  Um 
micb  IQ  überungen ,  dnrcb  welcbea  Stnff  elgentlick  die  Leber  so  rer^olaert 
•ei,  aa  der  ich  doch  weder  dureh  daa  (jeticbt,  aocb  durch  dja  Gerdhl  atwa* 
KrankbaRea' erkeaaea  kiiDnIe ,  Mer«  ich  ile  ,  ebne  alle  Zaihal ,  bioi  mit  aia 
weeig  Sal*  ia  einen  Topre  braten,  leb  warde  gewahr ,  dafa  aie  nsr  darch 
Fell  ao  ackwer  and  grora  geworden ;  deoa  abgleieb  aie,  darch  da«  Brataa ,  dea- 
lelbea  fchaa  eia«  grobe  Meofe  verlorea  ,  war  «ia  doch  kouM  vor  FetI  h 
(^esiefaen ,  hatte  aber  Ubrigena  einen  votlkommen  reinen  GeaebBack.  Die  FrsH 
atnpn  die  Günae  mit  Hublnudaln  nach  eiuer  gewiaaeu  Ordnung;  die  gaaie 
Heimliehkcil  bealebt  darin,  dafa  aie  die  Nudeln  erat  garkocbl,  bevor  tle  «ie 
den  Gänaen  giebt  {  aie  bebanptel ,  dnrcb  robe  Nudeln  kSnne  nie  der  Zweck, 
erreicht  werden.  8i«  bat  mich  naeh  aichllieh  tiheracagt,  dib  darch  dieae 
HiainH  aK^I  Uofa  die  Leber,  lOBdero  dai  ganie  Tbier  niigebancr  tatt  wird. 


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Mili  leide,  welches  am  ao  wahncheinliclnr  war,  weQ  er  früher  - 
Die  auch  nur  den  geringsleo  Fehler  der  Lunge  §ehabt.  DiMem 
Manne  nun  gab  ich  nicht  die  Kohle,  Mudera  ein  anderes  Mittel, 
von  welchem  ich  bernach  sprechen  werde,  and  sein  Uehel  hes- 
serte  sich  xosehens.  Wie  es  auf  einen  gewissen  Punkt  der  Bes- 
serung gekommen,  wurde  er  von  einem  damafals  herrschenden 
Leberfieber  hart  ergriffen,  welches  bei  ihm  mit  bedeutenden  cm- 
setuaellen  Brustleiden  verbunden  war.  Diese  Bruslleidea  bestan- 
den aber  nicht  in  den  vorigen  asthmaiiscben  Zufdllen,  sondern 
in  Seitenstechen  mit  Husten  und  blutigem  Aaswurfe.  Er  genas; 
aber  kaum  '^jpx  er  so  weit,  dafs  er  den  ganten  Tag  anfser  dem 
Bette  sein  konnte,  so  fing  das  alte  Asthma  an,  mit  erneaerler 
Gewalt  aafzDtreten.  Ich  Hirchtetc,  das  Leberübel  möchte  noch 
nidit  gründlich  gehoben  sein,  und  gab  nr  Vorsorge  ein  gutes 
Lebermitiel,  aber  das  Asifama  blieb.  Jetst  geh  ich  ihm  das  Spie- 
nicmm ,  bei  welchem  vor  der  akutea  Krankheit  das  Uebel  angen* 
Bcheinlich  gebessert  war;  aber  dieses  Mittel,  nach  welchem  der 
Kranke  selbst,  als  nach  einer  bewährten  Hülfe  verlangte,  leistete 
jetzt  gar  nichts.  Asthma  und  Husten  blieb,  und  statt  dafa  er 
nach  überstandener  Krankheit  sicli  bÄlle  durch  oSchtliche  Buhe 
erholen  sollen,  trieb  ihn  das  Asthma  allnäcbtUcli  xum  Bette  hin- 
ans.  Jetxt  gab  ich  ihm  die  Kohle,  diese  veränderte  bald  die 
Scene.  Huslen  und  Asthma  minderten,  letztes  verschwand  bald 
ganz,  so,  dafs  der  Mann  seine  Freunde,  die  ihn  fiir  verloren 
gehalten,  in  einer  EDifernung  von  einer  bis  swei  Wegstunden  zu 
Fnfse  heimsuchen  konnte.  Aber  jedes  Asthma,  das  aus  der  Milz 
entstehet,  weicht  nicht  der  Kohle.  Solche  Schmerzen  des  Ma- 
gens, I  welche  beim  Nachlasse  sich  im  linken  Hypochondrie  ver- 
loren und  die  ich  für  MilzatTektionen  hielt,  habe  ich  einzelne 
Mahle  mit  der  Kohle  gehohen ,  öfterer  jedoch  mit  andern  Milz- 
mitleln. 

Consensnelle  von  einem  Urmilzleiden  abhängende  Affeklion  der 
Nieren  mit  der  daraus  folgenden  Wassersucht  versuchte  ich  noch 
nicht  mit  der  Kohle  zu  heilen ,  weil  ich  in  solchen  Fällen  bis  jetzt 
mit  andern  Mitteln  ausreichen  konnte,  und  es  für  Unrecht  halte, 
au  blofser  Neagier  Versuche  zn  machen. 

MttrTtwiebel. 

Dieses  Mittel  habe  ich  in  meiner  Jugend  gebraucht  wie  es  viel 
andere  Aersle  gebrauchen,  als  ftuslmitlel  und  Uriulreibendes.  Da 
ich  aber  diese  Zwiebel  als  eine  höchst  unsichere  Hülfe  erkannte, 
welche  man  vielmahl  anwenden  kann,  ohne  kaum  Einmahl  Heil 
davon  zn  sehen;  so  kam  sie  bei  mir  ganz  in  Verachtung.  Seit 
20  Jahren,    wo  ich  mich  am  die  AffekRonen  einzelner  Organe 


-     167    — 

■ebr  bekiÜMiwrfe,  die  Nolhw^digkoit  begriff,  gii:e  und  siuhere 
EigeBmkiel  anf  diegelfaea  kennen  211  lernen,  und  ei  bei  mir  wirk- 
licb  um  die  Milxuiltel  sefar  windig  anHiah,  la4  icb  einsl  in  ei- 
nem alten  Galeniker  (ich  weifs  wirklich  nicht  mehr,  in  welchem], 
dab  die  Meerzwiebel  ein  gar  gutes  Sptmicum  sei.  *)  Alles  wohl 
erwogen,  was  ich  früher  selbst  erfahren,  schien  mir  der  Ge- 
danke des  Allen  ein  versiändiger  Gedanke,  ich  brauchte  von  der 
Zeit  an  4ie  Mesrswiebel  als  Spfenicumy  und  hübe  sie  auch  nicht 
wieder  verlasaea. 

Wenn  icb  rorfain  sagte,  ich  sei  in  Betreff  der  Holzkohle 
noch  etwas  zweifelhaft,  ob  sie  wiriciich  auf  die  erkrankte  Milz 
heilend  einwirke;  so  kann  ich  von  der  Meerzwiebel  gerade  das 
(jegeatbeil  renichem.  Ich  hübe  sie  in  solchen  schnierzhafiefl 
Milzleiden  bald  nnd  sicher  hiilfreich  befunden,  wo  wahrlich  nicht 
der  geringste  Zweifel  auch  dein  grSfsien  Zweifler  aufsteigen  konnte, 
ob  wol  wirklit^  die  Milz  das  schmerzhaft  nrergriffene  Organ  sei. 

In  aolchen  dampfen  Sehinerzen ,  die  anf  der  Grenze  der  R^- 
fiofiä  epigaatricae  und  kgpoehomilriacae  linülrae  sich  äufsern, 
wo  alle  Seichen  der  Leberaffektion  fehlen,  wo  also  ein  einas 
unsichetes  posiiires  «ad  mehre  negative  Zeiohm  fitr  die  Milzaf- 
fektiOQ  «precben,  habe  ich  sie  mit  Nutzen  al«  HeilntiHel  ange- 
wendet. Aneh  in  jeufM  angeblichen  Magenschmerzen,  welche 
sich  dnrch  das  Liegen  auf  der  linken  Seite  mehr  oder  minder 
beachvrichtigen  liehen,  nnd  welche,  all«r  Wahrscheinlichkeit 
Bach,  von  einer  Uraflektioa  der  Milz  abhiogen,  habe  ich  sie 
ni(  ansgezeichnelem  Nuuen  gebraucht.  Endlich  habe  ich  sie 
aach  in  einem  einzigen  Falle  von  anhaltendei«  Asthma  mit  nftcht- 
licher  Verschlimmerung,  welches  von  der  erkrankten  Milz  ab- 
biag,  nnd  in  welchem  die  Kohle  nicht  helfen  wollte,  mit  gntem 
Nulxea  angewandt;  da  aber  die  Milzversiopfnng  sehr  aU  war,  so 
riebt  es  nm  die  gründliche  Heilung  mifslich  ans. 

Waa  die  von  KUIzaffekiion  abhängende  Wassersucht  beirif», 
so  werde  ich  in  jüngeren  Jahren,  ohne  selbst  über  die  Natur 
mancher  Wasaersochlen  im  Reinen  zn  sein,  wahrscheinlich  die 
Meerzwiebel  in  der  Milzwassersncht  gegeben  haben.  Das  mögen 
«ol  solche  Wasaersuchlen  gewesen  sein,  in  denen  ich  sie  heil- 
sam befanden;  mit  Besiiranitheit  kann  icb  aber  darüber  nichts 
sigea.  Seit  ich  mich  mit  grofsrnn  Fleifse  darauf  gelegt,  bei  al- 
len Krankheiten  das  arergriffene  Organ  auszukundschaften  (vor- 
aosgeseict ,  die  za  heilende  Krankheit  bestehe  nicht  in  einer  ür- 
affeklion   des  Gesamratorganiamua),    habe  ich   sie   noch  nicht   in 

•)  Di>»k0rid€i  rechoet  ji«  «nch  w  den  MiliniUlelü.  Der  hit  «bet  m  viBle  Arw- 
■«#■  ab  OrF«n»Htel  MKeK<b<B ,  *•»  e«"  8»"«»  MeiwehoBl»«««  Dich!  >u>- 
nitbM  wSrlo,  ««r  die  Bilfle  dersollwo  m  erffobes. 


—     168     — 

d«r   MilxwaMemteht    gebraucht,    weil    ich   ihrer    nidil  bsJurAe, 
welches  ich  im  Folgendeo  dem  Leier  deutlicher  sadegeB  werde. 

Was  aoii  die  Gabe  der  Meerzwiebel  hetriOl,  so  habe  ich 
sie  früher  immer  in  Subslans,  zu  eia  bis  xwei  tima  ricrniahl 
tags,  hfiuGger  aber  aa  ein  als  zu  xwei  (üran  gegelMO;  seit  aber 
die  Tiaktur  of&unell  ist ,  mich  dieser  vor xu^weiie  bedieat.  Im 
Jahre  1829,  wo,  wie  früher  gesagt,  Leberkrankheilen  herrsehend 
waren,  ers^ienen  Milzleiden  häufiger,  hN  sonst  bei  fthalicben 
epidemischen  Leberkranltheilen ,  nnd  hier  habe  ich  Gelegenheit 
genug  gehabt,  die  gute  \Virkung  der  Tinktur  n  arproben.  Ich 
gebe  sie  za  fünfzehn  hu  dreifsig  Tropfen  fTinfnuih)  tag*.  Üa 
nun  aber  die  Meerzwiebel,  wan  mag  sie  in  Substanz,  oder  in 
Tiaktur  geben,  einigen  Menscben  den  Stuhlgang  ein  wenig  ver- 
mehrt, so  k5nnie  ein  Zweifler  aaf  den  Gedanken  kommen,  sie 
hebe  schmerzhafte  Milzleiden  blofs  durch  einen  antagon  hui  sehen 
Heiz  auf  die  DSrni«,  sei  also  kein  Spienicum,  sondern  habe  nicht 
mehr  Werth  als  jedes  andere  L^xirmiltel.  Dafs  durch  eine  krtnsl- 
liche  Vermehrnn^  der  Darmbewegung  schmerzhafte  MiU-,  belier- 
und  Magenleiden ,  wo  nicht  gehoben ,  doch  heiehwicfaliget  und 
der  Schmerz  dadurch  kfinne  geslillet  werden,  ist  wahr.  Dafs  aber 
die  Meerzwiebel  nicht  als  antagonistischer  Uamireiz,  sondern  als 
Milzmittel  wirke,  beweiset  die  Erfahrung,  ditfs  sie  nicht  bei  sol- 
chen Kranken  schmerzhafte  MilzaSekt  innen  hebt,  bei  welclien  sie 
auf  den  iSluhlgang  wirkt,  sondern  eben  so  wol  bei  denen,  bei 
welchen  sie  nicht  diese  .Nebenwirkung  hat.  Ueberfaaupt  wirkt  sie 
bei  den  wenigsten  Menschen  auf  den  Abgang,  und  wo  «ie  ee 
that,  habe  ich  blo^  durch  Vermindenrng  der  Gabe  der  /.wecklo- 
sen Darmausleernng  Einhalt  ihun  k5noen.  Ich  erinnere  mich 
eines  vor  Knrxem  beobachielen  Falles,  wo  die  TiH€.  Sgui/lae  auf 
sehr  heftiges  schmerzhaftes  Milzleiden  die  wohlthtkiigsie  Wirkung 
ttufsertej  ich  mufste  aber,  wegen  des  Durchfalles,  die  Gabe  Ihs 
auf  fünf  Tropfen  fiinfmahl  tags  vermindern. 

PliehelMira»»er. 

Dieses  Mittel  habe  ich  auf  eine  wunderliche  Weise  kennen 
gelernt-  Vor  vielen  Jahren  (ich  erinnere  mich  nicht  mehr  genau 
der  Zeit)  fragte  mich  ein  Zimmermanns  -  Gesell ,  der  früher  in 
Crefeld  gearbeitet,  wegen  chrcmischer  Bauchschmerzen  nm  Rath. 
Seiner  Aussage  nncb  hatte  er  lange  bei  dem  Hofrath  Schnöder 
io  Crefeld  arzeneiet;  da  ihm  der  nicht  helfen  kdnnen,  hatte  et 
ihm  gerathen ,  sich  an  den  Professor  Günther  in  Duisburg  zu 
wenden ;  zehnmahl  war  er  dorthin  gewandert ,  aber  eben  so  ver- 
gebens. Nachdem  ich  diesem  Manne  ebenfalls  vergebens  das 
verordnet,    womit   ich  andern  Menschen  in  anscheinend  ähnlichen 


—    IflO    - 

lldkn  gehtrifea,  mo  rieih  ich  ihm,  da  ich  sah,  da&  er  eiD  ge~ 
■chiektar  Tischler  war  und  auch  ein  weDig  in  die  StelhiiRcherei 
pfsscbie,  Mch  bei  einem  Land  edel  rann  ne  ala  Tischler  zu  verili»- 
geo;  denn  ich  anheilte,  die  Kost  «m  Bediententiscbe  des  Edel- 
nannes  werde  seineni  schiuerxhnrten  Bauche  besser  zusagen  als 
der  Speck,  das  Sehwarsbrol  und  die  Kartolfeln  -des  Ziinnikrniei- 
sten.  Nun  wobnie  der  Bancbkranke  raanofaes  inhr  hei  deto 
Edelmanne  und  ich  bSne  werter  nichts  von  ihm.  Endlich  hei- 
nthet  er  dort  mit  einem  KammeriuSdcheo  und  lifsl  sieb  in  bie- 
si^r  Stadt  als  Tischler  nieder.  Einst  bin  ich  bei  seiner  er* 
krankten  Frau,  mir  fällt  jene  alle  Gesebichie  wieder  ein,  und  ich 
frage  ibo,  wie  es  doch  jeut  um  sein  früheres  Bauchühel  afehe. 
—  Gut,  antwortet  er,  er  sei  sclion  luebre  Jahre  daven  befreit. 
\ua  erxiblt  er  mir  Folgendes.  Es  sei  einst  ein  AledieocAirurf^mg 
Huf  den  Edelhof  gekommen,  den  habe  er  nm  Halb  gefragt  und 
folgenden  Katb  von  selbigem  erhalten.  Er  solle  Eicheln  schttleu, 
mit  einem  Messer  schaben,  das  Schabsei  auf  Branntwein  setzen, 
einen  Tag  ziehen  lassen ,  und  dann  etliche  Mahle  tags  Ton  diesem 
HranMwein  ein  GIftschen  trinken.  Er  habe  den  Rath '  befolgt, 
gleich  Linderung  der  Schmerzen  gefShIt,  und  sei  in  kurzer  Zeit 
von  seinem  langen  Elende  befreit  worden. 

Den  Medicociirm-gitM  hatte  ieh  ein  einziges  Mahl  in  meioem 
Leben  gesprochen ,  ihn  aber  als  einen  gar  zn  rohen  Empiriker 
kennen  gelernt,  als  dafs  ich  von  ihm  selbst,  hfltte  ich  ihn  befra- 
gen \roUea,  einige  verstffndige  Aufklarang  über  diese  Sache  hatte 
erwarten  küanen.  Wahrscheinlich  würde  er  mir  nichts  mehr  und 
nichts  weniger  gesagt  haben,  als  was  ich  von  dem  Tischler  ge- 
bön,  nämlich,  EicbelnsehalMel  auf  Branntwein  gesetzt  sei  gut  ge- 
gen Baucbschmerxen ;  wäre  es  hoch  gekommen,  so  würde  er  mir 
wol  den  Arzt,  oder  den  Bauer,  oder  die  alte  Frau  genannt  haben, 
von  der  er  das  HRuamiiiel  gelernt. 

Da  mir  nnn  aber  mit  solcher  Kunde  wenig  gedient  und  ich 
in  dem  Zeiträume,  worin  diese  Geschichte  spielt,  weit  listiger 
geworden  war;  so  fragte  ich  den  Tischler  aufs  neue  aus,  über 
die  Art  des  ehemahligen  Schmerzes,  besonders  über  die  Gegend 
des  Bauches,  wo  sich  bei  dem  Nachlasse  heftiger  Anfälle  der 
Sehmen  zuletsi  verhalten.  Er  besann  sich  keinen  Augenblick, 
sondern  leigte  gleich  auf  die  Stelle  des  Bauches,  die  dem  linken 
Hfpoehondrio  am  nächsten  ist  Nnn  hatte  ich  starke  Vermuthung, 
dals  der  Banchschmerz  Offenbarung  eines  Urleldens  der  Mili  ge- 
wesen; diese  Vermuthung  wurde  noch  durch  die  Erinnerung  ver- 
stärkt, dals  dem  Maone  die  bewährtesten  schmwzttillendeo  Darm- 
und  Lehermitiel  auch  nicht  den  geringsten  Dienst  geleistet. 

Um  mit  der  Sache  bald  aufs  Reihe  zu  kommen ,  liefs  ich 
gleidi  eine  Eichelntinkiuc  bereiten  und  gab  davon  fUnfmabt  tags 


-     170    — 

einen  Theelftff«!  toU  mit  Wasser  vennischt,  einem  fast  rerschlin- 
senen  BranntweinHäafer,  von  dem  ich  wufsr«,  dafs  er  lange  «n 
der  MIIe  gelitten  und  von  Zeit  zii  Zeit  schmerzhaft  gelitten,  der 
jeutt  den  Bauch  voll  Wasser  hatte  und  dem  die  Fütie  bis  an 
die  Knie  wassersücblig  geschwollen  waren.  Meiner  Meinung 
nach  mnfste,  wenn  die  Eichelntinktnr  heilend  auf  die  Milz  ein* 
wirkte,  bmA  die  consensiielle  Xierenaffaldion  und  die  davon  ab-' 
hangende  Wassersacbt  besser  werden. 

lab  sah  sehr  Itald,  dafs  ich  richtig  gerechnet;  die  Urinabson- 
'demng  vermefarte  sich  ai  igen  scheint  ich.  Aber  der  Kranke  klagfe. 
nach  jedesmahligeiB  Einnehmen  spüre  er  eine  Beengtheit  der 
BnisL  loh  schrieb  dieses  dem  susa  mm  an  sieh  enden  Stoffe  der 
Eicheln  lu,  and  denkend,  der  eigentlich  heilende  Gnindsiotl'  wer- 
de wol  ein  flüchtiger  sein,  liefs  ich  die  Tinktur  deslilliren.  Die- 
ser Eioheingetst  bewirkte  keine  Beengang  mehr  und  die  Crinnb- 
tonderang  vermtihrte  aich  noch  meridicher;  die  Spannnng  in  den 
Prftkordien  minderte  nach  und  nach,  nnd  dieser  un verbesserlieb« 
Sfiufer  genas  vollkoromen,  gans  wider  Vermnthen  aller  derer,  die 
ihn  kannten,  nnd,  anfridttig  gesprochen,  auch  wider  mein  Ver- 
natben. 

Nachdem  ich  nnn  den  Eichelngeist  anf  eine  harte  Probe  ge- 
stellt ,e  nnd  zwar  bei  einem  Falle,  den  ich  schon  früher  genau 
kannte,  wo  es  unmöglich  war,  in  der  Erkenntnifs  des  Urleidens 
sn  irren;  so  ging  ich  weiter,  und  wendet«  ihn  nach  und  nach  in 
allerlei  Milzleiden  an,  theih  in  scbraerthaften ,  ttieib  in  schmerx- 
losen,  ibeils  in  deutlich  erkennbaren,  iheils  in  Mofa  vermnlhlichen. 
Die  Ueberzengnng  wnrde  mir  mit  der  Zeit,  daf»  er  ein  durch 
kein  anderes  zn  eraetsendes  Heilmittel  sei-  Vorzügliob  ist  er 
vso  groCiem,  ai^^t  hoch  genag  anzuschlagenden  Nutsen  in  der 
Mibwassersncbt. 

SpHter  habe  ich  gefunden,  AaSn  der  flüchtige  Ileilstoff  der 
Eicheln  durch  Wasser  mit  einen  Zasatse  von  Alkohol  noch  bes- 
ser anigezogen  werde.')  Vielleichl  würde  blofHea  Wasser  den 
wohlth&tigen  Grundstoff  am  besten  ausKiehen ;  aber  blofses  Was- 
ser ist  dem  Verderi>en  unterworfen,  gibt  also  unsicnere  Hnliin- 
gen;  abgesehn  davon,  dafs  dergleichen  verderbliche  Arseneien  - 
eine  grofse  Plage  für  den  Apotheker  sind. 

Die  Gabe  des  geistigen  Eichel  nwassers  (ich  habe  mich  des- 
selben in  den  letzten  Jahren  ausschlirfslich  bedient)  ist ,  vieriäabl 
tags  ein  halber  £&l3ffel  voll  mit  gemeinem  Wasser  vermiscbt. 
Der  Geschmack  ist  unbedeutend ,  mancher  würde  sagen ,  es  habe 
gar   keinen  Geaohnaek;    der  Zweifler  braucht   aber  nur  eine  Mi- 


*)  Die  AquM  glundium  wird  lo  bereitet,  Aah  eia  PIViDd  geicbitit«  isd  SMluapn» 
BicbelM  ■nf  eia  PTtid  d«f  D<*ti1f«t«  hoHat. 


-     171     — 
l  von  eben  dem  VerhälmisBe  Alkohol  nnd^WRattr  in  kosten, 
■o   wird   er   sieb   wol  Obenengen,   dnfs   das  Eicbeinwasser   einen 
eigenen  Gescbmack  bat. 

Zweier  besonderen  Wirkangeo  desselben  ninfs  ich  noch  Er- 
ir&hining  ihnn.  Einige,  aber  wenige  Menschen,  bemerken  gleich 
nach  dem  Evinehinen  ein  eigenem,  kanin  eine  oder  zwei  Minuten 
aohalteDdei  Gefühl  im  Kopfe,  weli^es  angeblich  der  Beranschnng 
afaniich  sein    soll. 

Bei  einigen,  besonders  solchen,  welche  an  allen  MtizTeriMo- 
pfnagen  leiden,  entslebi  nacb  einem  xwei,-  oder  drei »Schenlli eben 
Gebraacfae  ein  Durchfall,  der  wohlibäiig'atif  das  Befinden  wirkt; 
er  hAlt  selten  über  einen  Tag  an,  nnd  ist  nicht  angreifend,  son- 
dern roilsig.  Man  brancht  deshalb  das  Eicbeinwasser  weder  ans- 
XDsetzen,  noch  die  Gabe  zu  vermindern.  Ich  konnte  manche  be> 
lehrende  Ffllle  von  Milz  Wassersucht  nnd  andern  Milsleiden  beifS- 
gen,  IQ  welchen  der  flüchtige  CrnndslofT  der  Eicheln  heiUam  ge- 
wesen, da  ich  -aber  dem  Leser  noch  gar  vieles  zu  sagen  habe, 
so  darf  ich  in  Einem  Punkte  nicht  zu  weiiläuftig  sein;  überdies 
scheint  mir  das,  was  ich  schon  gesagt,  ftir  rerstHndige  Aerzie  ge- 
nag.  Einige  Kleinigkeiten  ntuls  ich  aber  noch  dem  Leser  be- 
merken. Die  akolen  Milzfieber,  wellche  bei  herrschenden  Lebet- 
fiebero  mit  unterlanfen,  behandelt  man  ainbeslen  mit  dem  Eiohelo- 
Wasser,  zum  wenigsten  lautet  meine  Erfahrung  aUo.  Ferner  bin 
ich  ät>erzeugi,  dab  die  drei  Splexica^  von  welchen  ich  gesprochen, 
aaf  drei  verschiedene,  krankhafifl  Znsiäade  der  Milz  als  Heilmit- 
tel passen;  weiter  weijä  ich  aus  meiner  Erfahrung  recht  gut,  dafs 
die  Eicheln  auf  die  meisten  lorkomnienden  Milzaffeklionen  passen; 
und  endlich  sind  mir  keine  bestimmte  Zeichen  bekannt,  durch 
welche  man  jene  drei  krankhaften  Ztistlinde  der  Milz  mit  Sicher- 
heit  unterscheiden   könnte. 

Es  gibt  noch  andere  MiJzmittel,  denen  ich  auch  Heilwirkung 
auf  dieces  Oigan  zugestehen  niufs;  ich  habe  sie  aber  nicht  so 
oft  gebraucht,  ala  jene,  weil  die  Krankheitszuslände,  in  denen 
sie  vorsöglich  heilend  wirken,  mir  seltener  vorgekommen.  Die 
von  mir  Tersuchlen  sind:  Galiopai»  grandifiora,  ein  berüfamies 
JlilziBtttel  der  alten  Zeit,  welches  nicht  zu  verachten  ist.  — 
ftmiüt  tütetontwt,  in  dieser  habe  ich  auch  die  ihr  zugeschriebenen 
KrSfte  anerkennen  müssen;  da  ich  sie  aber  nicht  oft  genug  an- 
gewendet,  kann  ich  anch  nichts  Genügendes  darüber  sagen. 

Waehholderbeeren.  Aach  diese  sind  ein  gutes  Milx- 
nittel,  welches  ich  den  geritten  Lenten  oft  in  Milzleiden  gera- 
theo,  and  zuweilen  guten  Erfolg  davon  gesehen.  Man  mufs  die 
Beeren  ■emtofsen,  eine  Hand  voll  mit  vier  Tassen  kochendem 
Wasser  lang  sieben  lassen ,  wenn  man  Wirkung  davon  sehen 
will.    i\a  ist   mir   wahrscheinlich,    dnfs   nicht   dn«  flthcrinch«  Od, 


-    17t    ^ 

wodeni  eiQ  imflileluigcr  GraadalofT  der  DeeMB  als  Sp/enieum 
-wirkl. 

BerMiteiHol.  Dieses  ist  ein  giiies  Milxmillel.  Man  tniirs 
es  in  kleioen  Gaben  reichen,  und  weit  sich  die  Menschen  beim 
Tröprela  leicht  venchülten,  so  ibat  man  am  besten,  wenn  man 
es  mit  einer  andern  Flüssigkeit  mischt.  Ich  lasse  es. mit  Eicheln- 
waaser,  früher  mit  Eichelngeisl ,  uisammensetiten.  Aaf  sechs  lin- 
sen  Kichelnwasser  seiie  ich  einen  hnlben,  oder  einen  ganzen 
iSkrupel  Oel.  Es  vermischt  sich  nicht  chemisch,  aber  wenn  man 
das  Gemiseb  gut  nmschritteli ,  so  erreicht  man  seinen  Zweck  da- 
mit; der  Kranke  bekommt  nicht  mehr  von  dem  Oel  in  den  Ma- 
gen als  man  haben  will.  In  der  Zusammenseunng  ist  Rlirigens 
keine  besondere  Heimlichkeit,  lum  wenigsten  habe  ich  keinen 
hinreichenden  Gmnd ,  so  etwas  anzunehmen.  Das  Bemsteinöl  lei- 
stet bei  sehmereharten  Milzaffectionen ,  zn  welchen  sich  solche 
krftmptige  Zaßille  gesellen,  dergleichen  die  hysterischen  l'ranen 
und  Hypochondrislen  klagen,  «ehr  gute  Dienste.  Ein  eiosiges 
Mahl  hBl>e  ich  gesehen,  dals  der  Gernch  desselben  einer  Frau 
hysterische  Krftmpfe  verorsachie;  das  ist  aber  eine  seltne  Ausnah- 
me von  der  Regel.  Oswald  Crollins  legt  groben  Werth  auf  das 
Keinigen  des  Bernsteinöls ;  was  er  aber  darüber  sagt,  i»t  nicht 
wahr.  Das  gereinigte  Oel  leistet  bei  weitem  nicht  Bo  gute  Dienste 
als  das  ungereinigte.  Ueberhanpt  ist  Crollios  der  ehrlichst«  und 
Mt-firichtigstfl  aller  Jatrochemiker,  nber  ein  Mann  von  wenigem 
Verstände.  • 

SciierliHgt  (Conium  maculatum).  Der  rerBlorbene  Pro- 
fessor GÜMlier  zu  Üniubtirg  pflegte  gegen  chronischen  Husten 
l'ulv*r  zB  gehen,  die  ans  einem  Gran  Schierling  und  zehn  Gran 
oder  einem  Skrupel  Eichehiiistel  hesiandm.  Einst  hatte  er  einen 
allen  Herrn  dadurch  geheilt.  Einer  meiner  Kollegen,  ein  alter 
verzweifelter  Skeptiker,  der  lange  vergebens  an  dem  Hemi  fte- 
flickt,  siellie  die  Heilung  nicht  in  Abrede,  schrieb  sie  aber 
auf  den  Zufolt,  auf  den  besonderen  Glauben,  den  der  Kranke 
an  GUmlher  gehabt,  nicht  auf  die  Wirkung  der  INilver.  Ich 
konnte  aber  uom&glich  seiner  Melnnsg  sein;  denn  obgleich 
ich  selbst  damahls  noch  wenig  Erfahrung  über  den  Schierling. 
hatte,  kannte  ich  doch  G.  als  einen  versifindigcn  Arzt,  der  ein- 
fach verordnete,  also  die  Heilwirkung  seiner  Mittel  wol  kennen 
muiste.  Einst  befand  ich  mich  mit  GUittAer  bei  einem  Kraeken, 
über  welchen,  weil  er  sichtlich  dem  Tode  nah ,  wenig  zu  verhan- 
delo  war.  Ich  bat  ihn  im  Lanfe  des  Gespräches,  mir  seine  An- 
sicht in  Betreff  des  Scbterlinggebmuches  niilzuiheilen.  Er  war 
dazu  willig;  indem  er  aber  seine  Auslegung  anhub,  wurden  wir 
durch  die  überliistigen  Freunde  des  Kranken  uoterbroehea ,  so, 
dafs  ich  nichts   anders  gewahr  wurde,    als  das  Einzige,    er  lege 


-    173    — 

grofsen  Werih  auf  dl«  lleilwirkang  lies  braproebenen  Miilel«. 
leb  batie  mehriuahli  Kranlv»  voiu  conseosiiellen  Leberiiasicn  obD« 
Mübe  befreiet,  die,  wie  ich  am  den  ii  tilge  brachten  Hecepleo  er- 
sabt  den  Scb i er) i n^  t ergebe ns  gebraiichl,  und  daratia  geschlossen, 
er  könne  unmöglich  ein  sicheics  Leberrailiel  sein.  Id)  batie 
friiher  ein  paarniabl  den  Schierling  in  schnierxbnfien  Milsletdea 
nutzlos  gebraucht,  daraus  aber,  weil  ich  noch  dnniiu  war,  in  voi^ 
eilig  geschlossen,  er  sei  kein  Milzmitlel.  Jeixr,  da  ich  ei»M 
klüger  geworden,  und  begriff,  dafs  die  Natur  mehre  Arten  der 
Milzerkrankung  hervorbringen  könne,  sah  ich  anch  ein,  dafs  der 
Schierling  io  der  einen  Art  der  Erkrankung  nmslos,  in  der  an* 
deren  ausgeieicfanel  heilsam  sein  kSnne.  Ich  wendete  ihn  aUo 
jetzt  einnwthl  bei  dem  consensuellcn  Husten  an,  der  von  einer 
(Jrerkrankung  der  Milz  abhing.  Dieser  ist  schwer  su  heilen;  alle 
Langeniniltel  leisten  nichts  darin.  Von  den  Baiicbmilteln  war  der 
l'rauendisielsauie  das  einzige,  von  dem  ich  mitnnier  Hülfe  gese- 
hen. Ich  stellte  jetxt  den  Schierling  auf  eine  entscheidend«  Probe; 
ich  gab  ihn  nSmIich  in  Fnllen,  wo  mich  der  FreuendiMelsnma  in 
i&ttch  gelassen;  und  siehe!  ich  sah  die  herrlichsie  nnd  überrasch  end- 
ete Heilwirkung  von  ihm.  Seiidem  hübe  ich  ihn  nie  wieder  ver- 
lassen, und  weil  ich  keine  unbillige  Federungen  uo  ihn  macbf, 
bat  er  mich  auch  nicht  verlassen.  Ich  hnbe  oben  gesagt,  (Hl»- 
tker  habe  ihn  in  Verbindung  mit  der  Eichenmistel  gegeben,  dar- 
in steckt  aber  keine  besondere  Heiuilichkeil;  ich  habe  ihn  eben 
so  wirksan  befunden,  wenn  er  mit  Miiebzucker  »der  mit  Süfsholz, 
als  wenn  er  mit  Eichenmistel  ausammengerieben  wRr. 

WeiiuteiHtaure  Biltenatzertle  (Ma'gHttia  tarlaricaj. 
Rm  wird  den  Lesern  wol  wenig  daran  liegen,  lu  erfahren,  wie 
ich  %a  diesem  Mittel  gekommen.  leb  sage  ihnen  nise  blob,  ich 
bah«  es  weder  einem  Anitsbruder  abgestohlen,  noch  bat  es  mir 
einer  freHndscbafiücb  ntilgeibeill ,  noch  habe  ich  es  in  einem  Bu- 
che gefiinden.  F.s  ist  »her  oflenbar  eine  Ar/.enei,  durch  welche 
aiaa  ein  Miizleiden  heben  kann,  welches  durch  andere  mir  be- 
kannte Milzmitlei  nicht  su  beben  ist.  Ich  bekenne  jedoch,  dafs 
ich  es  erst  vor  vier  Jahren  kennen  gelernt,  und  wenig  angewen- 
det habe ,  weil  mir  die  Gelegenheit  dnzn  gefehlt.  Ua  ich  aber 
■chmerzbafie  Milzerkrankung  damit  gehoben,  welche  anderen  Mit- 
teln nicht  gehurchie,  so  schliefe  ieh  daraus,  es  mOsse  in  der  Na- 
tnr  eine  Milzkrankheit  sein,  welche  vorzugsweise  unter  der  Heil- 
gewalt dieses  Mittels  stehe.  Weil  diese  Krankheit  mir,  im  Ver- 
halinifa  zu  anderen  Milzluankheiten ,  wenig  vorgekommen,  daraus 
folgt  nicht,    dals  sie  kilafiig  eben  so  seilen  sein  wird. 

ich  habe  das  Mittel  noch  nicht  in  solchen  Milzkrankbeiien 
gegelwn,  die  sich  durch  coiisensuellen  Husten,  oder  durch  Was- 
sersscbt  offenbaren,  und  zwar  aus  dein  Grunde,  weil  ieh  mit  an- 


—    t74    - 

4lereii  tnii  Ifingcr  bekannlco  Mitteln  saueicbte.  Ich  luche  Venm'eb« 
■jit  n«tun  ArzeDeten  oar  da,  wo  mich  die  alten  im  Stiche  laamn. 

Wag  die  Bereitung  der  Magnetiee  tartaricae  betriSl,  bo 
macht  man  sie  begreiflich  am  geinSehlichsten  durch  die  gerade 
Verbindung  der  Biltersalzerde  mit  der  reinen  WeinueinsSure. 
Wohlfeiler  würde  nao  tie  im  Groften  bereiten,  wenn  mao  einer 
AnSKxang  dea  Weinateina  so  viel  BillerBalzerde  Enaetite,  dafa  die 
vorwaltende  SSiire  dei  Weinsteine  dadarch  neutraliairt  würde.  Die 
Scheidung  beider  SalKe,  der  Jtfagnetiae  tartaricae  und  des  Kali 
tartarici  hat  keine  Schwierigkeit j  denn  erste  ist  schwer,  letztes 
leicht  löslich,  mithin  muJs  erste  auf  den  timnd  fallen  und  letztes 
in  der  Brnh  bleiben.  Schüttet  man  die  das  Kali  farlaricmm  ent- 
ballende Flüssigkeit  ab,  und  wHicht  die  Magnesia  tartariea  rasch 
lait  frischem  Hasser,   so  wird  sie  rein  genug  sein. 

Die  Mitlelgabe  des  Mittels  ist  vier-  bis  fiinfinahl  mgs  ein 
Skrupel.  Es  bat  in  dieser  Gabe  keine  laxirande  Wirkung.  Sollte 
nun  aber  aaf  sehr  reizbare  Därme  siofsen ,  die  durch  diese  Gabe 
snr  vermehrlen  Bewegung  aufgeregt  würden,  so  mnfs  mein  weni- 
ger geben,  denn  ich  habe  bemerkt,  dafs  das  Laxiren  die  Heil- 
wirkung nicht  fördert. 

Helmtnt  läfst  Krebssteine  in  Wein  kochen,  und  will  das  in 
Milzerkrankung  heilsam  befunden  haben.  Ich  kann  nicht  darüber 
urtheileu,  denn  ich  habe  es  nicht  erprobt,  weil  ich  Helmont  nicht 
trän«. 

\an  mnfs  ich  noch  von  ein  paar  äufserlichen  Mitteln  sprechen. 

Cicuta.  —  Ist  schon  ein  alles  fiufserlichcs  Milzmittel.  Ii^ 
babe  es  einst  bei  Jo.  Heurniui  gefunden,  der  bekanntlich  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16ien  Jahrhunderts  wirkte  und  Professor  zu 
Leiden  war.  Seine  Vorschrift  lautet  also.  Acrdpe  Cicutae  M  .  iv 
^«ijRonfo«'  tb^  injnnde  aceto  acerrimo  die»  oeto:  deinde  bulliat 
dum  ammoniacum  »ohatur,  hittc  per  pannvm  Jortem  liuemm  valide 
eJiprimatur,  Herum  expretttu  liguor  ehulliat  guinguiet,  et  adjecta 
cera  cum  oleo  amygdal.  f.  unguentum.  —  floc  »»7  pro  teereta ; 
nam  omnem  duriliem  molUt. 

Mir  scheint ,  man  ist  am  geschwindesten  fertig ,  wenn  man 
Extr.  cicutae  mit  dem  gebräuchlichen  Ammoniakpilasler  mischen 
lifst.  Ich  habe  es  mehrraahls  bei  schmerzhaften  chronischen  Mil>- 
leiden  mit  Nutzen  gebraucht. 

Acidttm  pyrolignoaum.  —  Auch  dieses  versuchte  ich  in 
den  letzieh  Jahren  mit  noch  günstigerem  Erfolge  bei  achinerzhaf- 
ten  ganz  unzweifelhaften  chronischen  Milzleiden.  Man  mnfs  es 
zwei-,  auch  wol  dreimahl  tags  sanft,  aber  eine  halbe  Stunde  lang 
in  das  ganze  linke  Hypochondrinm  einreihen  lassen. 

Vereiterang  der  Milz  habe  ich,  wo  mir  recht  ist,  aar  zwei- 
mahl in  meinem  Leben  beobachtet.  ,  .  , 


—    176    — 

Der  ente  Faü  batraf  tiata  ganz  nagctM,  bfjalwltn,  lauge 
krüokelndsa  Schneider,  der  gegen  Min  Milaübel  nie  anenaut 
hatte.  Da  ieb  ihn  aab,  ragte  die  iMilz  weit  tinier  den  Kppea 
berror,  war  nicht  blofs  hart ,  sondern  auch  angehaiier  knorrig. 
An  der  oberen  Seite  fühlte  ich  eine  FJnkiuaiion,  die  aber  etwas 
lief  stak,  leb  gab  allerdii^  dem  armen  Maone  den  Trost,  aeiae 
im  Vm^ilern  begriffene  und  ihn  aebr  sehnienende  Mila  werde 
aicfa  mit  der  Zeit  nach  aulaen  öfftien,  nnd  er  könne  dann  geae- 
■eo.  £r  hat  aber  dieae  Zeit  nicht  erlebt;  ja  hfitte  er  aie  erleben 
k&nnen,  es  würde  ibn  doeb  xu  nichts,  als  awr  Verl&ogerong  sei* 
ner  Leiden  gedient  babea;  denn  in  einem  so  knorrig  verhärteten 
Eingeweide  erxeugt  sieh  nicht  leicht  eine  reine,  runde  Eilerbenla, 
Baadern  weit  eher  «n  VerschHiren,  dai  vielhihlige  Untoreuinaog, 
Fistelgänge  und  solch  nnbeimliche  Dinge  macht,  die  doeh  anletsl 
den  Tod  des  Leiden  berbeirDhren. 

Der  zweite  Fait  betraf  ein  1  »Jähriges  Müdebaa.  Bei  ibt 
batle  sich  in  der  sehr  veigröfseilen  Mila,  die  sich  nber  mehr 
straff  gespannt ,  aU  hart  anfühlte ,  eine  Eiterbeule  erzeugt.  Sie 
mufote  lai^e  und  schraershaft  geliHen  haben,  denn  si«  war  aom 
Gerippe  abgemagert.  Da  ich  deaiÜclM  FlukiuMion  füblle ,  legte 
iefa  auf  die  finktuirende  Stelle  Waebualbe  mit  Kapfereifd  ge- 
mischt. Die  Oelfiuing  der  Eiterbeule  wnrde  dadnreh  in  einigen 
Tagen  befBrdert  nnd  eine  grofse  Vlenge  Eiter  endeett,  der  keine 
rerdiehiige  Eigenschaften  aeigte.  Nach  der  Entieerong  hörte  der 
Scbniera  ganz  auf,  die  Eiicrbeole  heilte  in  knmr  Zeil,  ohne 
wnndSntliche  Unlfe  von  selbst  aui,  und  das  Midcheo  gewann 
gar  bald  wieder  Fleisch  and  Krftfie.  i^ie  ist  jetat  eine  derbe, 
kernhafie  Dirn,  der  gewifs  niemand  ansehen  wird,  dafs  ihr  früher 
die  Milz  verschworen. 

Die  Kunst  kann  sehr  wenig  bei  aolGhen  Fällen,  ibnn;  darum 
bandelt,  meines  Emchtens,  der  Arzt  am  klügsten,  der  die  Natur 
in  ihrer  Heiloperalion  am  wenigsten  stört. 

Baue  iapeicheld  rät  eil  mittel. 

Die  Zeichen,  dnrch  welche  wir  eine  Affektion  des  Pankreas 
eHtennen,  sind  höchst  unsicher,  indem  sie  aueh  auf  lo-ankbafie 
Zustände  der  Leiter,  der  Milz  und  des  Piexu»  coeliaci  mehr  oder 
nisder  passen.  Die  Erkenotnifi  wird  aber  dadnreh  varsüg^cb 
enchwert,  dafs  die  Affeklion  des  Pankreas  zuweilen  wirklieh 
sebmenhafie  consensnalle  Leiden  des  Magens,  der  Leber,  Atit 
Uilz,  oder  der  Brust  macht  und  uns  s«  irre  leilet.  Zweimabl 
habe  ich  bei  der  A»giiut  ptetori»  starke  Vermulhuag  auf  ein  \}t- 
leidea  des  Pankreas  gehabt,  obgleich  ich  damabls  noch  nicht  ge- 
lesen batle,    dals  man  sichtbare  Febfer  des  PankMas   nach  dem' 


—    17»    — 

Tode  bei  sotcben  Kranken  gferunden.  Die  Ldchenaffhung  halte 
ich  aber  nicht  machen  kQonen. 

Zu  der  Zeit,  da  xnent  das  Jod  in  die  Medixin  kam,  hatte 
ich  einen  Marken  Landniann  kd  behandeln,  der  ülwr  dnmpfe« 
nicht  durch  Druck  aich  vermehrende  Schmerxea  in  der  Tiefe  der. 
Marengegeiid  klagte,  welehe  SehaMraeo  nicht  auch  der  iVlahlxeit 
zunahmen.  Mit  dieaen  ;Sehmenen  war  Mangel  an  iJalast,  be- 
denlende  Abwngeruag  and  grofse  Mattigkeit  verbunden.  Die  Ge- 
■ichtsrarbe  war  sobwiiisig,  der  Puls  weaig  gereist.  Uebrigeut 
war  das  Uebel  noch  von  ganz  abweehaelndea  Zeichen  begleitet ;  bald 
glaubte  ich,  lait  der  Leber'su  thon  xu  haben,  bald  mit  der  Mila, 
bald  mit  dem  Pforiadersystem ,  baM  mit  dem  iVejrM  c»e/ime». 
Mehr  als  Einmahl  war  der  dumpfe,  tief  liegende  Schaiers  in  der 
Mille  der  Regimti»  eptgattricae  TenchwQnden ,  nnd  safs  im  rechten, 
oder  im  linken  Hjpocbondrio.  Einst  safs  er  in  der  linken  Seite, 
die  Homabsoaderung  minderte,  der  Banch  füllte  sich  mit  Wasser. 
Nnn  glaubte  ich  nichts  sicherer,  als,  ich  habe  es  mit  einem  Ui^ 
leiden  der  Milz  nnd  mit  einer  von  diesem  abhängenden  consen- 
floetlen  Niereaaffeklion  lu  ihnn.  Ich  gab  Eichelngeist,  den  idi 
damahls  noch  Stau  des  Wassers  gebrauchte.  Die  Hamabsonde- 
mag  vermehrte  sich,  der  Bauch  wurde  leer  von  Wasser,  der 
Schmers  verschwand  ans  dem  linken  Ilypocbondrio  und  —  war 
wieder  auf  dem  allen  Flecke.  So  wurde  mir  denn  wol  endlich 
die  Ueberzeugtiog  aufgeswnngen ,  dafa  ich  es  mit  dem  erkrankiea 
Pankreas,  also  mit  der  Krankheit  eines  Organs  zu  thun  hake, 
auf  welches  ich  kein  sicheres  Eigenmittel  kannte.  Ich  rieih  dem 
Kranken,  sieh  in  meinem  Sliesien  und  erfahrensten  Amlsgenos- 
sen,  dem  Professor  Günther  in  Duisburg  zn  hegeben  und  zu  se- 
hen, ob  der  vielleicht  Rath  wisse.  Der  Kranke  wollte  aber  leider 
nicht  von  mir  weichen,  nnd  ich  mufste  wider  Willen  das  vencwei- 
felie  Ding  noch  elninabl    angreifen. 

Eine  Zeillang  vorher  war  das  Jod  als  Kropfmiilel  in  die 
Medisin  eingeführt.  Ich  hotte  mich  schon  von  der  Wichtigkeit 
dieser  Arsenei  und  von  ihrer  eben  so  schnellen  als  wohlihStigen 
Wirkung  bei  Anschwellung  der  Mandeln  und  Speicheldrüsen  über- 
zeugt. Die  Aehnlichkeit  dieser  Organe  mit  der  Bauohspeichel- 
drüsebracfate  mich  auf  den  Gedanken,  das  besproofaeoo  Mittel  bei 
unserm  Kranken  aniiiwenden.  Ich  gab  die  eingebe  Tinktur,  zu 
zehn  Tropfen  dreiiitahl  tags.  Der  Erfolg  war  gut;  alle  Zuflllle 
minderten  sich  nach  und  nach ;  die  Bessemng  erfolgte  langsam, 
aber  ganz  regelmüfsig  fortschreitend.  Der  Kranke  gelangte  zu 
seiner  Gesundheit  und  ist  seitdem  auch  gesund  geblieben. 

Weil  nun  aber  das  Elrkranken  des  Pankreas  nicht  httnfig  ror- 
koniint,  so  hatte  ich  wenig  Gelegenheit,  das  Jod  auf  ähnliche 
Proben  zu  stellen.    Int  Jahr  1836,  im  Spätsommer,  fing  hier  ein« 


—    177    - 

Kiukhak  an  n  bafnchvo,-  bat  naleher  die  Leute  einstiiiuug 
über  Schmers  aml  andre  naangenehnw  Sefüble  in  der  Hengmbe 
klagten.  Dhr  Schmers  veiraehrte  liofa  bei  einigen  nach  der  Mahl- 
aril,  bei  andern  Dicht.  Nach  dem  GefBhIe  der  metaten  lag  w 
in  der  Tiefe  des  Oberbnnchee,  ancfa  klagten  nicht  wenige  übw 
Sebmen  des  Rückeni,  welcher  Schmers  mit  den  TeraeiBtlicben 
Magentcfamen  in  gleicher  Höhe  dea  Rückeas  aieh  ftulierte.  Ue- 
brigeoa  war  der  Schmers  nicht  heftig,  bei  Tiden  aehien  ea  ein 
Mittelding  swiacben  Schmers  und  nnbehagitebem ,  nnheimlichom 
Uefiihle  so  adn.  Einigen  konnte  ^an  auf  den  Magen  drS^ea, 
ohne  dafs  ei  ihnen  hinderlich  war;  andern  war  «a  htndwlteh; 
lelsteren  war  wafaracheinlieh  der  Magen  eouenaaell  ergriffen.  Die 
nbrigen  B^eiler  dea  fieberloaen  Zaitaodea  waren :  eine  Unbehq;- 
lichkeit  nnd  Mattigkeit  im  gänsen  Körper,  Maugel  der  EUnat, 
nnmhiger  Schlaf,  trüber  Harn,  und  im  Falle  der  Zustand  aeban 
ein  paar  Wocben  gewahrt,  ncbtbare  AbanageniRg.  Beim  fiebflE- 
haften  Zuatande  waren  die  nftmlidien  ZnAlla  nebat  den  gewöhn- 
lichen Zeichen  dea  Fiebera,  welche  nichta  Besooderca  dariHiiMi 
nnd  welche  idi  deshalb  übergehe.  Der  trübe  Harn  {«rüia  Jumem- 
IomJ  war  ein  herrorttechendea,  bestftndigea  Zmchea.  Ich  will 
damit  gerade  nicht  behaupten,  dala  nicht  hin  und  wieder  bei  ei- 
nem einsdnen  Fieberkranken  dieses  Zeichen  rermilst  aein  aoUte; 
aber  ich  habe  doch  aelien  ein  solch  beatfindigea  bei  einer  herr- 
acbendcD   Krankheit  gesehen. 

Da  früher,  bis  dahin,  jene  Leberkrankbeit  gehnrscht  hatte, 
welche  unter  der  Heilgewalt  der  Quassie  stand,  nnd  ich,  weil 
die  jetzige  sehr  wenig  Angseiehnendes  hatte,  sie  anfangs  für  die 
Torige  nahm,  so  warde  ich  durch  das  Niehtwirken  des  Quaasia- 
WBSsera  zuerst  anf  die  eigene  Xatnr  dieser  Krankheit  anfmerkaam 
gemacht.  Zweifelhaft,  mit  welchem  neuen  Feinde  ich  ea  an  thun 
haben  möchte,  aah  ich  mich  getwnngen,  die  RoUe  des  Zauderers 
an  spielen,  mehrere  Kranke  so  beobachten,  ohne  entscheidend 
einzogreifen.  Ich  wurde  bald  dsrch  Vergleichnng  mebrer  Ftllle 
gewahr,  dafs  das  urergrifiiene  Organ  in  der  Mitte  der  Regitmia 
epigaitHcae  liegen  müsse;  denn  bei  einigen,  wo  Leber  oder  Mils 
angegriffen  schien,  förderte  das  Einwirken  anf  einea  dieser  Or- 
gane die  Heilung  aneb  nicht  im  geringsten.  Hiebei  mofa  ich  be- 
merken, dafa  das  Fieber  bei  denen,  welche  fieberten,  echt  cen- 
sensueller  Art  und  hinsichtlich  seiner  Form  Continna  remitteiu 
war,  aber  sieb  der  Intermitttiu  durchaus  nicht  näherte.  Bei  ei- 
nigen Kranken,  jedoch  bei  wenigen,  ftafsene  sich  in  den  ersten 
Tagen  eine  eigene  Bruslaffektion ,  welche  in  einem  Gefühle  von 
Beflngstignng  bestand;  von  scharfen  Stoffen  im  Magen  rührte  die- 
ser Zufall  aber  nicht.  Bei  dieser  Krankheit  fand  sich  auch  keine 
Spar   Ton   dngleicheD    anuuleerenden   oder    zu    neutralisirenden 


—    i7H    — 

SlofleD.  Aabsliendes  Irresein  habe-  iefa,  ala  wiritlichvo  Zufall 
der  KrKokbeil,  nur  bei  eiiutm  einziges  ind  iwar  bei  einem  Jfiog- 
lioge  beobachtet.  Eio  Mann,  bei  deni  das  Irreseia  an  Manie 
grenxie,  und  von  welchem  man  behauptete,  daft  bei  ihm  die 
Knuikheit  auf  dieie  Weise  begonnen,  hatte,  ich  weife  nicht,  wel- 
che Arzenei  genommen;  mithin  konnte  seine  Tollheit  eben  so 
gut  eine  Wirkung  der  geaorameDen  Millei,  ala  der  Krankheil, 
öder  der  vereinten  Wirkung  beider  sein,  war  also  nicht  ak  ech- 
ter Zufall  der  Krankheit  atuosehen. 

Wenn  man  nun  der  Krankheit,  sonderlich  der  mit  Fieber  Ter- 
bundenen  nicht  t^inhalt  zu  thtin  vermochte,  ao  gesellten  aicb  nach 
und  nach  andre  Zufälle  hinzu,  aU :  trockne  Zunge,  Durchfall,  (der 
aber  nicht  heftig  war)  geringes,  nicht  anhaltendea  Irrereden,  spli- 
ter  unverkennbare  Afl'ektion  der  Gallenginge,  und  in  noch  apKte- 
rem  Zeiträume  Bauchachinera.  Die  Krankheit  war,  ihrer  Naiur 
nach,  langweilig,  aehr  langweilig;  die  Zeit  ihrer  Dauer  aber  nicht 
an  healimuien.  Ich  hatte  diesea  Mahl  das  Glück,  bei  meiner  IJn> 
tersuchung  aehr  beiehrende  Fftlle  zu  treffen.  Bei  aolofaen  wahr- 
haft verborgeneo  Krankheiten  kommt  das  Erkennen  oder  das 
Nicbterkennen  aufs  bare  Glnck  an.  Drei  Krankheitsfälle  können 
zuweilen  so  belehrend  sein,  dafs  sie  dem  Arzte,  wenn  er  nicht 
ganz  vernagelt  ist,  die  ErkenntnUa  aufzwingen;  ein  anderes  Mahl 
kann  er  fiinfaeho,  zwanzig  Fälle  behandelt  haben,  und  noch  eben 
so  unwissend  sein  als  im  Beginne. 

Alle  Zuf&lie  (apUer  eintretende  und  anfängliche)  nebst  der 
positiven  und  negativen  Wirkung  der  gereichten  Mittel  znsamuuM 
herechoend,  glaubte  ich,  hinreichende  Grunde  zu  haben,  die  he- 
aprochene  Krankheit  als  ein  Urleiden  des  Pankreas  anzusehn,  und 
dem  gemftlk  zu  ■  behandeln.  Ich  gab  also  dreifsig  Tropfen  Jod- 
tinktur mit  acht  Unzen  Wasser  und  einem  Skrupel  Traganihgum- 
mi  gemlacht,  und  liefs  davon  stündlich  einen  LöS'el  roll  nehmen. 
Sehr  bald  sähe  ich,  da&  ich  richtig  gerechnet  hatte;  die  Krank- 
heit wich  diesem  MiUel  so  iiherraschend  geschwind,  dafs  ich,  ao 
lange  ich  Am  bin,  noch  nie  eine  ernsthafte  Krankheit  eines  £in- 
xelorgans  so  schnell  habe  weichen  sehen.  Ich  glaube  sicher,  dafs 
man  zur  Heilung  eines  aolcheo  Fiebere  nicht  mehr  Tage  nölfaig 
hatte ,  als  es ,  seiner  \atnr  nach,  Wochen  würde  gewährt  haben. 
Diese  Krankheit  hat  ein  rnndea  Jahr  geherrscht,  und  dann  der 
Leherkrankheit ,  welche  nniex  der  Heilgewalt  des  SchdUuaul» 
stand,  Platz  gemacht. 

Nun  machten  aber  die  Leaer  denken,  ich  führe  sehr  achlechl« 
Beweise  für  die  Behauptung,  dalä  die  beschriebene  Krankheit  in 
einem  Urleiden  des  Pankreas  bestanden  habe;  mithin  sei  meine 
Erfahrung  über  die  Heilwirkung  dea  Jod  auf  das  Pankreas  auch 
ganz  werthloa.    Freilich  sind  die  Zeichen  der  Affektion  des  Pan- 


—    179    — 

krm ,  wie  solcheg  «neh  «eboo  andere  ventlndige  Aente  erinumt 
haben,  «ehr  nDsicher;  en  würde  alao  von  wenigem  Verstände  lei- 
ten, wenn  ich  die  hetrlicfae  Wirknag  dea  Jod  bei  der  besehrie- 
benen  Krankheit  als  eine  gültige  Probe  «einer  Heilwirkang  anf 
des  Pankreas  ansehen,  and  den  Lesern  einen  Cireulmm  in  demon- 
itnaidv  tür  einen  guten  Beweis  verkaofen  wollte.  Alles,  was  ich 
darüber  gesagt,  ist  hSchst  naTollkommen ;  aber  wer  in  solch 
daakle  Dinge  mit  Gewall  Licht  bringen  will,  der  kann  dieses 
niefat  immer  thno,  ohne  die  Wahrheit  anfxnopfern. 

Damit  die  Leser  sich  übenengen,  dafs  iiA  ihnen  die  berrlidie 
Wiifaing  des  Jod  bei  nnsern  Fiebern  nicht  als  einen  TdlgBltigen  Be- 
weis seiner  pankreatischen  Heilwirknng  anfsndringen  gesonnen  sei; 
so  bemerke  ich,  dals  das  Jod  das  beste  Mittel  ist,  das  Erbrechen 
zn  hemmen,  dafs  es  eins  der  besten  Mittel  ist,  heriige  Kolik- 
sehmerzen sn  stillen,  und  dafii  es  dieses  eben  so  schnell  thof  als 
der  Mohnsafl.  Daraus  könnte  man  nnn  mit  einiger  Wahrsehein* 
lichkeit  folgern,  dab  es  anf  die  Banchnerrenknoten ,  namentlich 
aaf  den  ifeint«  eoelimeva  geradem  wohlihKiig  einwirke;  and.ans 
•einer  goieo  Wirknng  bei  nnserm  Fieber  könnte  man  dann  aber- 
nabls  folgern,  dieses  Fieber  habe  consensnell  von  einer  Affaktion 
de«  Kexua  coeliaci  abgehangen.  Wer  gibt  nns  Licht  in  dieser 
Dunkelheit  1  —  Obgleich  einige  wahrscheinliche  Grande,  nament- 
lich die  Uebereinstimmnng  der  schnellen  Heilung  unseres  Fiebers 
mit  jener  Aer  Speicbeldrüsenatfektion ,  mir  den  Glanben  aufge- 
fcbmeichelt,  als  habe  ich  unter  der  Form  des  besprochenen  Hebers 
eine  wahrhafte  Urkrankheit  des  Pankreis  geheilt,  so  lafst  doch 
mein  Vetitnnd  die  Sache  unentschieden  und  übergibt  sie  der  Zeit, 
die  vieles  Unreife  bis  lur  Reife  bringt.  Vielleicht  erlebe  ich  noch 
die  Gelegenheit,  das  jetit  Unentscheidbare  nBher  su  erforschen; 
sterbe  ich  aber,  ehe  die  Gelegenheil  sich  dargeboten,  so  wünsche 
ich,  dafs  sie  in  reichem  Mafse  solchen  Amtsgenossen  werde,  wel- 
che Sinn  für  dergleichen  Forschungen  haben. 

Zusatz. 

Obiges  schrieb  ich  im  Jahre  1829.  Jetzt,  im  Sommer  1835, 
aeixe  ich  folgende  ßomerknngen  hinzu.  Ich  habe  mich  Rbenengt, 
dafs  die  chronische  Erkrankung  des  Pankreas  weit  hiufiger  ist 
all  man  gewöhnlich  glaubt.  Hinsichtlich  der  Erkennungszeichen 
dieser  Erkrankung  bin  ich  aber  in  den  sechs  Jahren  um  kein 
Haar  klflger  geworden.  Da  die  GallengBnge  suweilen  consensuell 
ergriffen  werden ,  so  kann  der  Harn  in  solchen  Fallen  so  dunkel 
geHrht  sein,  wie  bei  Url eher erkm&knn gen ;  nnd  da  bekanntlich 
Ürlebererkrankongen  sich  häufig  durch  Sehmen  and  Druck  in 
der  Magaog^eud  äufsern,   so  kann  man  in  die  Tänschnng  fallen. 


—    180    — 

die  eine  furkrankang  für  die  widere  m  nehmen.  In  diesem  dun- 
klen Handel  bleibt  niohtB  anders  über,  nia  das  Jod  selbst  als  Er- 
kannungsraiitel  d«r  Pankreaserkrankung  xu  gebraacfaen.  Zu  dem 
Ende   miifs  man   sieh   aber   übeneugen ,    dafs  es  nicht  auf  Leber 

.  und  Mii«  heilend  einwirkt;  denn  ohne  diese  Heb erzeugung  würde 
es  wahrlich  ein  sehr  schlechtes  Erkennungsmittel  der  Pankreas- 
eikraultung  sein.  Icfa  bin  durch  vergleichende  Beobachtung  zn 
dieser  Ueberaeaguag  gelangt;  es  wurde  aber  eine  ausführliche 
Erzählung  dieser  Ucobachtungen  den  Leser  wenig  unterhalten. 
Ich  warne  nur  jeden,  der,  mir  nicht  glaubend,  solche  Beohachtun- 
gen  und  Versuche  selbst  machen  will,  Pankreaserlcrenkung  nicht 
für  Lebererkranknng  aoxusehen.  So  bald  er  sich  dieser  Täuschung 
hingibti  wird  er  des  Glaubens  werden,  das  Jod  sei  ein  gar  treff- 
liches Leberheilinittel ;  und  das  ist  nicht  wahr. 

Im  Anfang  des  Jahres  1835,  vielleicht  auch  schon  am  Ende 
des  vorhergehenden  (ich  kann  das  so  genau  nicht  wissen,  denn 
der  Dezember  1S34  war  ausnehmend  gesund,  ich  sdbat  aber  nn- 
wohl)  fing  die  Pankreaskrankheit  wieder  an  lu  herrschen,  und 
Hufserte  sich  bald  als  akutes  Fieber,  bald  als  chronisches  Leiden 
unter  maacberlei  Form,  Sie  herrschte  aber  nur  reichlich  vier 
Monate  und  machte  dann  einer  Sehelllcrautleberkrankheit  Platz. 
Auch  Jeiz<  fand  ich,  dafs  div  trübe  Harn  das  allgemeinste  Zeicfaeti 
war.  Bei  der  akuten  Form  fehlte  et  fast  nie  und  bei  der  chro- 
nischen seilen.  Eine  Bemerlning  halte  ich  aber  jetzt  zu  machen 
Gelegenheit,  die  ich  im  Jahre  1820  nicht  gemacht,  dafs  nämlich 
bei  einigen  an  dem  akuten  Pankreaafieber  Leidenden  die  Nieren 
coDsensnell  ergriffen  wurden,  und  dafs  das  consensnelle  Ergriffen- 
sein   dieser  Organe    zum   Urleiden   derselben    zu   werden   drohte. 

.  leb  erkannte  die  consenauelle  Erkrankung  und  deren  Uebergang 
zur  Urerkrankuog  aus  dem  braunen  Harn,  der  bei  der  unverkenn- 
baren ßesseruag  nicht  heller  von  Farbe  werden  wollte.  Ein  Asf- 
gufs  der  Goldrutbe  hob  diese  Unregel  in  xwei,  auch  wol  in  ei- 
nem Tage.  Hebt  man  sie  nicht,  so  bleibt  der  Kranke  in  einem 
quineaden  Zustande,  and  ist  dann  die  heilende  Natur  nicht  so  ge- 
fällig, der  Unweisbeit  des  Arztes  beizuspringen ,  so  kann  Wasser- 
sucht daraus  entstehen.  In  der  Folge  werde  ich  wol  Gelegenheit 
finden,  von  dieser  bei  allen  Bauchorgaakrankheiten  sehr  wichtigm 
Sache  mehr  zn  sagen. 

In  den  vier  Monaten,  da  die  Krankheit  herrachte,  habe  ich 
nicht  wenig  Menschen  durch  die  Jodtioklnr  vom  chronischen  Ha- 
sten befreiet.  Er  war  ein  eebt  conssnsualler,  von  der  Urpankreas- 
krankheit  abhängender.  Da  die  meisten  Menschen  ihn  anßngUeh 
für  einen  Katarrhalhusten  hielten,  so  suchten  sie  nicht  eher  Balb, 
bis  sichtbare  Abmagerung,  Mangel  an  Elslnst,  MÜafarbe  oad  kar- 
zer  Aihem  ihnen  denselben  verdächtigte. 


—     181    — 

Die  mehtMi,  mwo)  akot  als  chronisch  Ergriffenen,  gaben 
ein  eigeaei  Gefühl  in  der  Mageogegend  an,  weiches  sie  aber 
lange  nicht  alle  Schiaers  nuinlen,  sondern  hftiifiger  ein  beengen- 
des, oder  ein  drückendes  Gefühl,  auch  wol  ein  Gefiihl  aU  ob 
ihnen  die  Präkordien  mit  einen  Bande  xusammengeschnSn  wl- 
ren.  Maoehe  hatten  auch  dabei,  gleich  den  Hjsterischen  oder  Hy- 
pochondrischen, ein  Gefühl»  als  ob  ihnen  ein  Brocken  im  Halse 
stocke;  andere  klagten  über  ein  Hindemifa  beim  Schlingen,  ohne 
dafs  ich  in  ihrem  Schlünde  etwas  Regelwidriges  erschauea  konnte. 
Bei  manchen,  welche  über  sanres  Aufstolsen  und  über  ein  bren- 
nendes Gefühl  im  Magen  klagten,  rührte  diever  Znfall  blofa  von 
der  nnpafslichea  Wahl  ihrer  Nahmngsmittel  her.  Man  konnte 
denselben  gar  bald  durch  etwas  Natron,  oder  Bittersalierde  be- 
seitigen und  dem  Kranken  angenblicklich  Erleichterung  verschaf- 
fe«, aber  heilen  konnte  man  ihn  dadurch  nicht,  sondern  einzig 
durch  das  Jod. 

Di«  Krankheit  fiafserte  sich  damahls  Toraüglicfa  hier  and  anf 
Beigiachem  Grunde,  weniger  in  anderen  Gegenden  meioee  Wir- 
kungskreises, in  denen  es  vielmehr  sehr  gesunde  Zeit  war. 

Heilmittel  auf  den   Plexu»  coeliacu». 

Zu  einer  Zeit,  da  ich  mit  Urieiden  des  Gehirns  und  dea 
Knckenmarkes  an  kSmpfen  hatte,  legte  ich  mir  die  Frage  vor, 
was  ich  wtrf  machen  wuUe,  wenn  eine  Erkrankung  des  Plextt* 
coe/48C(' landg&ngig  werden  sollte.  Ich  wufsie  diese  Frage  nicht 
au  beantworten,  und  wenn  ich  gleich  gern  in  Frieden  mich  auf 
den  Krieg  gerüstet  und  ein  gutes  Organheilmiuel  auf  den  ^exu» 
coeliacu»  gesucht  hätte,  so  fehlte  mir  doch  fast  ganx  die  Gel*> 
genheit  zu  solcher  FortchuDg. 

In  der  Mitte  des  Sommers  1828  »igle  sich  mir  die  efsle 
Spur  eines  neuen  Fiebers,  welches,  obgleich  mit  wenigmi  Zu- 
fitllen  gepaatet)  sehr  böse  und  langweilig  war.  Bis  dahin  hatte 
fast  ein  Jahr  lang  die  früher  beschriebene  Scbellkrautleberkrank- 
heit  geherrscht.  Diese  war,  wie  die  Leser  wissen,  sehr  hftkelig 
und  erfoderte  ?iel  Aufmerksamkeit;  seit  ich  aber  ihr  Heilmittel 
kennen  gelernt,  hatte  die  Gewohnheit  mich  mit  ihr  befreundet. 
JeUt  luubte  ich  bei  der  neuen  Krankheit  wieder  auf  die  Rolle 
des  Ileilmeistera  verzichien,  und  die  unangenehmere  des  blofsen 
Beobachters  unsl  Probinueisters  übernehmen. 

Ich  habe  kaum  je  eine  Krankheit  gesehen,  welche  im  Alfge- 
meioen  so  wenig  henrorstechende  Zufälle  halle.  lo  den  ersten 
zwei  Tagen  wechselieo  K&lte  und  Wärme  ein  wenig  ab,  und  ein 
mälsiger  Kopfschmerz  verschwand  gewSbnlit^  schon  nach  -  zwei 
Tagen.     Der   Doiat   war   mäüüg,    Pols  niäJsig   schnell   and  roll. 


—    182    — 

du  Fieber  Cmi^ua  remitttiu ,  nicht  an  LOerminiem  gnueod. 
Im  weilem  Verlanfe  entMand  mSfaiger  Darchfall,  der  bis  lar  toII- 
koraniaea  Genesung  blieb,  aber  nichia  Krilischea  an  sich  batle. 
Bei  einigen  erschienen  Schmerzen  in  der  rechten ,  bei  andern  in 
der  linken  Seile,  ja  bei  einem  und  deiintelbcn  Kranken  war«i  aie 
abwechielnd  heuie  rechts,  morgen  links. 

Im  Anfange  hatten  die  meisten  Menschen  gani  m&Tsigen 
Schmerz  in  der  Mitte  der  Begioni»  eptgatiricaet  bei  einigen  er- 
schien am  Ende  der  Krankheit  staricer  Schmerz  im  Unterbauche. 
Der  Harn  war  klar,  fast  dem  gesunden  ihnlich,  nar  zuweilen  im 
Verlaufe  der  Krankheit  wurde  er  ein  wenig  trübe,  zuweilen  ein 
wenig  goldfarbig.  Bei  einigen,  aber  wenigen,  fing  im  Verlanfe 
der  Krankheit  das  Fieber  an,  ein  wenig  an  Intermiltcna  in  greiH 
len ,  ohne  dala  die  Anfalle  mit  Schauder  eintraten ;  ein  weaig 
Irrereden,  was  alsdann  bei  der  CxBMThation  sich  einstellte,  war 
ganz  belanglos.  Anhallendes  Irreseln  in  der  ersten  Periode,  habe 
ich  nur  zweimabi,  so  wie  aacb  ein  paarmahl  anhaltendes  Kopf- 
weh beobachtet.  Die  Zunge  war  rein ,  kaum  in  der  Mitte  einen 
weifslichen  Anflug  habend,  und  blieb  auch  also  im  Verlaufe. 
Trockene  Zunge  habe  ich  nicht,  auch  bei  denen  nicht  beobachlct, 
wellte  ich  behandeln  mufste,  bevor  ich  das  Heilmittel  kannte. 
Manche  Menschen  klagten  sehr  über  Schmerzen  in  den  Füfsen, 
welche  mehr  in  den  Nerven,  als  in  den  Muskeln  ihren  Sitz  za 
haben  schienen,  denn  die  Bewegung  der  Füfse  war  nicht  dadurch 
behindert.  Die  Klage  über  Kückenschmerz  war  auch  ziemlich  ge- 
mein, jedoch  nichts  ausgeneichnet  Heftiges  dabei. 

Eine  wahrhaft  Bcluauie  Erscheinung  erUbte  ich  bei  diesem 
Fieber,  oSmIich,  allen  denen,  welche  Würmer  im  Bauche  hatten, 
gingen  diese  von  unten  und  oben  weg;  wäre  ich  einbildisch,  so 
könnte  ich  davon,  wie  einst  vif«  der  Botch^  eine  Hittwiam  cmi- 
ttUutioHi$  epidemica«  verminotae  schreiben.  Heble  Zufölle  habe 
ich  von  dem  Aufrühre  der  Würmer  nur  in  einem  einzigen  Falle 
gesehen,  und  zwar  hei  einem  erwachsenen  Mädchen. 

Die  beschriebene  Krankheit  bat  mir  viel  Mühe  gemacht.  Da 
sie,  hinsichtlich  ihrer  ZufSMe,  einige  Aefanlichkeit  mit  der  Affek- 
tion des  Pankreas  hatte  (ausgenommen  den  trüben  Harn),  so  fiel 
ich  zuerst  darauf,  das  Jod  zu  geben.  Allein  dieses,  obgleich  es 
nicht  feindlich  auf  den  Kranken  einwirkte,  war  doch  nicht  Heil- 
mittel; aUo  mufsie  ich,  in  meiner  Vermuthung  getäuscht,  auf 
andern  Rath  sinnen.  Das  vergebene  Einwirken  iiuf  Leber,  auf 
Milz  und  auf  Pankreas  drang  mir  zuletzt  noihwendig  den  Gedan- 
ken auf,  dafa  ich  mit  einem  Urleiden  des  Ptexua  coeh'aei  zu 
tbuD  habe.  Da  ich,  wie  oben  gesagt,  schon  früher  an  die  Mög- 
lichkeit eines  epidemischen  Urleidena  dieses  Organs  gedacht  und 
einige  schwadie,    freilich   anf  sehr  unvollkomiine  Versuche  sich 


—     183     - 

■itiMnd«  Vermmlnmg  hmie,  itth  4m  BitierioKntlelwnsMr  ein  Ei- 
geniuinel  unf  den  («rkraDklen  P/tJtMi  coeliacHi  sein  k&nn«:  ho 
weodele  ich  dieses  Wasser  an,  und  sah  sehr  bald,  dafs  ich  daa 
wahre  lleilnHiel  getroffea.  Ich  gab  davon  eine  Unse  in  rier 
wnd  swHnzig  Stunden,  uad  zwar  in  einem  schleimigen  Tranke 
▼on  8  Unsea,  foa  welcbeu  der  Kranke  stiindlich  einen  Löffel 
nahm.  Die  Leser  könnten  aber  vielleicht  denken,  als  sei  die 
Heilaog  dieser  Krankheit  durch  das  BillenaandcUvHsser  eben  so 
rasch  gogungen,  als  die  HeÜDBg  der  vorigen  durch  das  Jod;  aber 
daran  fehlte  wahrlieh  viel.  Eisige  der  ersten  Fülle,  welche  sehr 
sebnell  und  gut  rerliefen,  fiäfsten  mir  die  ihörichte  Iloffanug 
ein>  dafs  das  also- geschehen  kdnne;  bioien  nach  innfsie  icli  mich 
selbst  der  UnweiMhcit  besuch f ige n ,  solch  eiteler  HoChnng  aach 
nur  einen  Augeablick  Raom  gegeben  sn  haben^  IlStle  ich  tnelae 
Beobachtungen  Über  (Jrgehirnleidea  in  BrwSgung  gesogen ,  hätte 
ich  bedacht ,  wie  hier '  bei  eioigen  Menschen  die  consensnellen 
Leber-  oder  Milaleiden  lu  Urleiden  dieser  Organe  wnrden,  und 
wie  da,  wo  dieses  geschehen,  an  keine  Heilang  des  Gehirns  sn 
denken  war,  weoa  nicht  jene  Bauchaffektionen  beseiiiget  wurden; 
hülle  ich,  sage  ich,  dipse  Erfahrungen  wohl  in  ErwSgnng  gezo- 
gen, so  wSre  es  leicht  gewesen,  vorher  zu  wissen,  dafs  bei  ei- 
neui  Urleiden  des  Phxu»  coeliaci  die  oäinlicheD  Verhüllnisse  und 
in  noch  weit  höherem  Grade  einljrelen  mufsten.  Das  g:eschah 
denn  auch  wirklich;  ein  Theil  der  Menschen  genas  bald  und  ohne 
Anstofs  durch  Bitlenuandelwasser ,  bei  andern  wurde  die  Leber, 
oder  die  Milz,  oder  die  Nieren  consensuell  ergrifTen,  and  wenn 
ich  den  Urwerden  dieser  consensuellen  Leiden  nicht  vorbeugte 
so  zog  sich  die  Krankheit  in  die  LHnge. 

Ich  bin  ein  grofser  Freund  loo  einfacben  Mitteln;  man 
kommt  weiter  damit  als  mit  zuaammengeseixlen.  Wer  aber  bei 
unserer  Krankheit,  aus  Verein fachungssü cht igkeit,  blols  Bitter-- 
mandelwasser  bUte  reichen  wollen,  oder  bei  der  eonsensuellen 
Leber-  oder  Milzaffeklion  blofs  die  E^igenmiitei  auf  diese  O^ane, 
der  würde  den  Zweck  der  Medizin,  möglichst  schnelle  und  si- 
chere Heilung,   in  manchen  Fallen  verfehlt  haben. 

Ich  habe  es  also  gehalten.  Biliermandelwasser  war  das 
Banplmitlel  aof  daa  urergrifi'eae  Organ;  sobald  ich  aber  ans  dem 
Harne,  oder  aus  andern  wahrscheinlichen  Zeichen  merkte,  dafs 
Leber,  oder  Milz,  oder  Nieren  consensuell  nnd  nur  einigenna- 
fseo  ernsthaft  ergriffen  wurden,  verband  ich  das  EigeniHtiict  auf 
das  consensnell  ergriffene  Organ  mit  dem  Bitlermandelwnsser  und 
beugte  MO  dem  Urwerden  des  Consensuellen  vor.  Bei  eiaselnen 
Kranken,  hei  denen  alte  Leber-  oder  Milzleiden  durch  diese 
Krankbeil  aufgerührt  wurden,  zog  sich  die  Sache  bei  aller  Vor« 
«ioht  doch  noch  etwas  in  die  Ltinge.    Dieses  ist  bei  allen  gastri- 


—     184    - 

«ih«n  Fiebwn  der  Fall ;  dana  lernt  Man  don^  aoMie  Epidenim 
nicht  blofs  akale  Fieber,  sondern  auch  allei4ei  chronbche  Baneb- 
leiden  behandeln;  ja  man  lernt  an  einer  solchcD  Zeit  in  ein  paar 
Jabren  mehr  von  Holcfaen  Dingen  alt  sonst  in  einem  lialben  M«i- 
scbenleben.  In  allen  Krankheiten  Itönnen  eonseosnelle  Leides 
xa  Urleiden  werden.  Warum  dieses  aber  leichter  nnd  hän%er 
bei  dem  lelzibeschriebenen  tieber  geschah  als  bei  andern  Krank- 
heiten, welche  ich  je  erlebt,  davon  weifs  ich  keinen  wabncfaein- 
liehen  Gmod  anzugeben.  Eins  weifs  ich  gewils,  auf  dieaen 
Wege  werden  die  aotagODiatischen  Eielbsiheiinngen  der  \ntiir  voll- 
bracht. Das  nrergriffene  Organ  macht  in  einem  nndem  Oi^ae 
consensuelles  Leiden.  Dieses  eonsensuelle  Leiden  wird  auf  eine 
öhel  an  erkiHrende  Weise  zum  Urleiden,  ond  wenn  dieses  znm 
Urleiden  gewordene  Mitleiden  bis  auf  einen  gewissen  Grad  ge- 
steigert ist,  so  kehrt  das  anßlnglich  hanpterkrankte  Organ  anm 
Normalstande  znrück.  Diese  Selbstheilungen  der  Katar  sind  aber 
höchst  unsicher,  hBchst  langweilig  nnd  höchst  nnvollkomnen ; 
denn  es  ist  doch,  bei  Lichte  betrachtet,  weiter  nichts,  als  eine 
Veränderung  der  Krankheit;  dämm  scheinet  es  mir  am  klügsten 
xa  sein,  solchen  antagonistischen  Selbstheilungcn  anf  die  ange- 
gebene Weise  vorzubeugen,  Klage  Mftnner  haben  st^n  ISngst 
bemerkt,  da&  Leichenöffnungen  den  mit  der  Untersuchung  einer 
akuten  herrschenden  Krankheit  beschäfiiglen  Ant  lei^t  gfiazlicb 
in  die  Irre  fGhren  können ;  sie  können  ihn  nSmlich  verleiten,  ein 
sichtbar  verSndertes  Organ  als  den  Ursitz  der  Krankheit  anzuse 
hen,  da  doch  das  nrergriffene  leicht  ein  ganx  anderes  ist  So 
wenig  Leichenöffnungen  richtigen  Aufschlnfs  über  die  \atnr  sol- 
cher Krankheiten  geben,  eben  so  wenig  Aufschlnfs  geben  auch 
die  Xachkrankheilen ;  denn  diese  \achkrankheiten  hangen  mei- 
Btens  von  dem  zuletzt  ergriffenen  Organe  ab ,  durch  dessen  Krank- 
machen die  Natnr  die  antagonistische  Heilung  des  nr-  und  hanpt- 
erkrankten  Organs  bewirkt  hat.  Ich  habe  in  den  letzlen  Jahren 
mehre  Kranke  ans  der  geringen  Volksklasge,  die  in  Holland 
krank  gelegen  und  angeblich  hergestellt  zuriickkamen ,  behandelt, 
aber  mir  nie  erlaubt ,  über  die  Natar  der  dort  herrschenden  Krank- 
heit zu  urlfaeilen.  Unter  andern  erinnere  ich  mich ,  dafs  ich ,  in 
einem  niederländischen  Grenzstädtchen  mich  befindend,  von  ge- 
ringen Lernen  angesprochen  wurde ,  ihrer  ihnen  ans  dem  Inneren 
von  Holland  su  rück  geschickten  Tochter  ärztliche  Hülfe  zn  leisten. 
Als  ich  hinkam,  erkannte  ich  zu  meinem  Erstannen  In  dem  nn- 
glücklichen  siechen  Wesen  ein  Mädchen,  welches  noch  vor  we- 
nig Jahren  bei  einem  meiner  Bekannten  gedient,  und  sich  da- 
mahls  durch  Schönheit,  Sittsamkeit  und  ein  eigenes  bescheidenes 
Vorkommen  attszeichnete.  Ihrer  Aussage  nach,  halte  sie  im  In- 
nern von  Holland  an  dem  hemcbenden  bösen  Fieber  zwölf  Wo- 


-    I8S    - 

ekmt  knak  «nd  mter  Amch  nrW  Wocb«i  ein  paar  ohoe  Ba- 
■iBDaDg  gelegea;  da  sie  über  bei  whr  gaien  Menschen  gewohnt, 
kuie  ••  ihr  weder  an  Pflege,  noch  Bntlicbeni  Beistände  gefehlt. 
Jetit  war  ihre  Schönheit  gans  dahin;  «•  war  sehr  mager,  blafs, 
hastete  riet  nnd  warf  aus ,  hau«  schleieheDdes  Fieber  mit  nficht- 
licber  Veracfalimmemng,  Mangel  an  fJslait,  anmhigcn,  nicht 
•r^nickenden  Schlaf,  Schmers  im  liokeo  Bypoekmtdri»;  der 
Baocb  war  voll  Waner,  die  FiÜM  bis  an  die  Knie  geschwollen. 
Da  ich  diesen  Zustand  fSr  eine  Milsaffektion  hielt,  Wassenncht, 
Hnsten  ood  andere  ZnMIe  für  Frige  derselben,  so  gab  Ich  ihr 
blofs  FioheIngeiBf ,  den  ich  damofal«,  st^tt  jetzt  das  Wass«,  ge> 
brauchte.  Bei  der  Erkenntnifs  des  Uebels  komue  nicht  leicht 
TftnBchnag  obwalten ,  also  erfolgte  ancb  die  Heilung  dureh  du 
gegebene  Mittel  regehn&Ciig  ond  obae  Uotetbreebnng,  Wie  dia 
Kranke  rollkommen  hergestellt  war,  wnrde  sie  weit  fetter  als  sie 
vorher  gewesen.  Wie  ist  es  nun  mSglicb,  bei  solch  einem  Fslle 
sieh  nur  die  leiseste  Vermathong  über  die  Natur  der  in  Hollaad 
herrschenden  Krankheit  su  haben*  Wfirde  es  nicht  tbdriobt  sein, 
m  saften,  die  ganze  zw 9lf wöchentliche  Krankheit  habe  in  einer 
Affdrtion  der  Milz  bestanden  *  —  Von  dieser  Abscbweifnng  kehr« 
ich  nnn  wieder  zu  nnserer  Krankheit  ittrGck.  Von  allen  Bauch- 
fcrankbelteD,  welche  ich  je  erlebt,  kcane  ich  Iceine,  welche, 
sich  selbst  überlassen,  solche  üble  Fingen  gehabt  bälie  ah 
die  eben  beschriebene.  Einigen  war  die  Milz  ergriffen,  andern 
die  Leber,  einigen,  jedoch  wenigen,  die  Nieren,  andern,  aber 
ebenfella  sehr  wenigen ,  die  Lungen,  Nie  habe  ich  so  riel  Was* 
■ersncbten  zn  behandeln  gehabt,  als  nach  dieser  Krankheit;  aber 
es  war  nicht  immer  einerlei  Art  der  Wassersucht,  sondern  bald 
Bfdrop*  kepatieiut  bald  wpleMüm*.  Ich  nnilste  sie  entweder  mit 
Quassia-  oder  mit  Eichelnwasser  hmlen.  Nur  einen  einsigen  von 
allen  Wassersöcbtigen  habe  ich  gesehm,  bei  de^n  die  Krankheit 
in  einer  Uiafiektion  des  Gesammlorganismus  bestand.  Die  Leser 
m&sseo  aber  nidit  glauben,  als  sei  die  Wassersucht  blols  Folge 
schwerer  Krankheit  nnd  langer  BettlSgeri^eit  gewesen ;  ach  nein, 
der  gröCite  Theil  derer,  weldie  Hülfe  bei  mir  sucblea,  war  von 
der  Krankheit  nicht  einmabl  ias  Bett  geworfen  worden,  sondern 
hatte  idch  mne  Zeitlang  ia  einem  zwischen  Krankheit  und  Ge- 
Bondheit  sehwebend«i  Zustande  befanden.  Wenn  zn  jener  Zeit 
Lente  zu  mir  kamen,,  die  fiber  knnen  Athem  klagten,  so  konnte 
ieh  fiMt  mit  Sicherheit  vermutben,  dafs  sie  den  Bauch  voll  Was- 
ser holten,  nnd  bei  der  Untersnehung  traf  es  sich  äniserst  seilen, 
dals  meine  Vermulhung  nicht  sur  handgreiflichen  Gewiisheii  ge- 
worden wKre.  Bai  diesen  üblen  Folgen  der  Krankheit  brancbl« 
man  gar  mdit  mehr  auf  das  anffinglidi  eigiiffene  Organ  zu  le- 


-JOgIc 


—     18«    - 

hflo,  dleMt  batls  die  Natur  t^ton  «af  ihre  eigsoe  «ntag^siBlbcbe 
Weise  gebellt. 

Nun  wil)  ich  noch  einige  SonderbarkeiteD  der  beacbrie- 
beneo  Krankheit  anführen,  die,  da  sie  eelien  verkamen,  lieh 
nicht  wohl  in  das  allgemeine  Bild  der  Krankheit  einfngeD  lauen. 

Bei  einigen  wenigen  Menschea  wurde  im  Verianfe  der  Krank- 
heit der  Maatdarm  ergriffen ,  dais  aie  Sluhltwang  bekamen  and 
blutgealreiften  Schleim  entleerten.  Bei  einigen  wenigen  wurden 
die  NiMvn  im.VwIaBfe  ao  aeltsam  affiairt,  dafa  der  ausgeleerte 
Urin  einen  wahrhaft  aashaften  Geruch  verbreitete,  dabei  aber 
reich  an  Harnsinre  war.  Zwei  Menschen  habe  ich  gesehen ,  die 
beim  ersten  Eintritte  des  Hebers  halb  besinnungslos  waren,  beide 
erbrachen  sich;  bei  dem  einen  war  das  Elrbreehen  so  heftig,  dab 
ich  Mühe  hatte  es  su  stillen.  Trotz  diesem  siiirmiicben  Anfange, 
halte  die  Krankheit  aber  keinen  übleren  Verlauf  als  gewöhnlich. 
Bei  einem  Mädchen  fing  da«  Fieber  mit  Btnibreehen  an,  ohne 
dafs  dieses  Blntbreehen  einen  si^immen  Einflnfs  auf  die  ganse 
Krankheit  gehabt  hätte.  Vier  Menschen  hatte  ich  an  behandeln, 
welche  im  Verlanfe  der  Krankheit  Darmblutung  bekamen;  swei 
davon  starben.  Im  Allgemeinen  siebet  man  Darmblnlungen  bei 
Fiebern  nicht  gem.  Ich.  habe  aber  bei  den  jetzt  bescfariebeneo 
den  Fall  erlebt,  dafs  ein«  alte  verschlissene  Frau  mit  verdorbe- 
nen Lungen ,  bei  welcher  sich  das  Fieber  auf  die  gegebene  Ar- 
senei  übel  bessern  wollte,  aach  einigen  reichlichen  Ausleerungen 
von  geronnenem  Blute  sieb  awar  allerdings  sehr  matt  fühlte,  so 
dafs  ihre  Kinder  glaubten,  sie  würde  sterben,  aber  doch  wieder 
beikam  und  genas.  Hier  war  die  Blnlung  nicht  kritisch,  aber 
doch  wohltbfttig;  denn  nach  derselben  leistete  die  Araenei  die 
erwartete,  woblihStige  Wirkung,  welche  sie  vorher  nicht  leisten 
wollte. 

Einer  der  lödilich  abgelaufenen  Fftlle  bietet  durchaus  nichls 
Merkwürdiges  dar,  denn  er  belriffl  eine  xiemlich  bejafane  Jung- 
ürau  mit  alten  Abdominalleiden ;  die  wflrde  aich  wol  ohne  Blu- 
tung an  dieser  nnd  an  jeder  aaderen  ernsthaften  Krankheit  ge- 
storben sein.  Der  zweite  Fall  aber  ist  mir  deshalb  merkwürdig 
gewesen,  weil  ich  hier,  in  Betreff  des  tödiliehen  Ausganges, 
uiA  nicht  die  leiseste  Vorahnung  haben  konnte.  Eine  Frau  in 
den  besten  Jahren  hatte,  was  das  Fieber  betrifft,  durchaus  keine 
avsgeseichnete.Zuntle,  aufser  dafs  der  Kopfschmen,  der  bei 
diesem  Fieber  in  ein  paar  Tagen  verschwand,  bei  ihr  anbiell. 
Der  Durchfall  war  mäfsig.  Die  Krankheit  blieb,  ohne  su  ver- 
schlimmern, ohne  verdächtige  ZuMle,  vierwhn  Tage  anf  dem- 
selben Punkte.  Freilich  war  dieses  Bleiben  auf  dem  nämlichen 
Punkte,  SB  einer  Zeit,  wo  sie  in  voller  Besserung  hätte  begrif- 
fen sein  nCggeii,    verdächtig  genug;    allein   wer  konnte  wissen. 


—    IW    — 

wwna  sieh  die  Biobe  hRklef  Eiaei  llorgeu  klagte  läe  fiber 
gma  nifsigen  Schmeis  im  reehtea  Hjpoehondrio.  Nach  acht  mvi 
vienng  Siundea  sD^fHfar,  w«  dieser  Schalen  oicbt  besser  nod 
Bidit  seblinner  geworden  irar,  ging  ihr  ein  halber  Naehttspf 
W9Ü  geronaeMes  BInt  ah ,  dem  bald  noch  eine  gate  Menge  folgte. 
Ein  paar  Standen  darauf  hatte  sia  eine  Eotleerang  Ton  eioer 
grauen ,  sehr  übel  riecbenden  Maaae ,  die  gerade  anssah ,  als  ob 
Eiler  mit  Schleim  msammeo  gerfihrt  wHre.  Was  es  für  ein  Stoff 
gewesen,  weifs  ich  nicht;  so  viel  sah  ich  aberjmld,  dafs  die 
Kranke  gleich  nach  dieser  lijitleeniog  sich  aom  Tode  anschiekte« 
Der  zweite  Fall  mit  gutem  Aosgange,  hat  auch  etwas  Alerk- 
wGrdiges,  nfimlichzw«!,  wahisclmnlicb  sriien  snsammeniraffeKde 
Zefälle.  Ein  wahrhaft  schönes  Madchen,  anf  der  Greose  swi- 
sehen  Kind  and  Jungfrau,  halte  das  Fieber  ansebeiDend  in  ge- 
ringem Grade,  klagte  wenig  in  den  Präcordien,  hatte  keinen 
Dnrchfidl,  fing  geg^  den  sechsten  Tag  an,  über  ganx  mafsigen 
Sehmerx  in  der  rechten  Seile  an  klagen,  die  Baucbexcnmenie 
worden  ganz  weifs,  obae  dals  die  reine  Hautfarbe  nur  im  min- 
desten gelblich  oder  erdfarbig,  ohne  dafs  der  klare  Harn  auch 
Dar  im  mindesten  krankhaft  gefftrbt  wurde.  Am  achlen  bat  mich 
die  Maller,  das  Kind  abends  zu  besuchen,  weil  es  über  BeSng- 
stigang  klage.  Kaum  war  ich  dort,  so  bekam,  die  Kranke  Oeff- 
nang,  wurde  halb  ohnnUlcfaiig  und  die  dünnen  Excramenle  liefea 
ins  Bell;  die  Mutter  entdeckte,  dafs  das  Bett  voll  Blut  sei.  Das 
schien  freilich  übel;  indessen  war  es  nnmöglich,  abends. beim 
Kerzenlichie  die  Sache  richtig  zu  benrtheilen.  Den  andern  Mor> 
gea  ergab  sitJi,  dals  der  aosgesonderte  Stoff  dnnkelgrau  von 
Farbe,  wie  Siralsenkoih,  und  mit  dicken  blutigen  Streifen  durch- 
mischt war.  Ich  begriff  Jetst,  dafs  das  Blut  aus  einer  hohen  G^ 
gend  des  Darmkanals,  aus  dem  Zwölffingerdarme,  oder  aus  dem 
oberen  Theile  des  Leerdariaes  kommen  müsse.  WSre  die  Darm- 
bewegung nicht,  aus  mir  unbekannieu  Ursachen,  plSlslicb  rec> 
mehrt  worden,  wftre  die  Enileernng  am  folgenden,  oder  am  dril> 
ten  Tage  geschehen,  so  würde  man  die  dicken  btui^en  Streifen 
in  der  grauen  Masse  nickt  mehr  haben  sehen  kännen.  Wenn 
Blut,  das  in  der  höheren  Gegend  des  Darmkanals  nah  am  Mar 
gea,  ergossen  ist,  in  der  Stuhlausleerung  als  Blut  erscheinen 
soll ,  so  mufs  eine  bedeutend  verwehrte  Darmbewegung  Statt  fin- 
den, ßei  der  gewöhnlichen  wird  das  Blut  im  Darmkanale  eben 
so ,  wie  die  Nahrungsmittel ,  ganz  umgeändert  und  enoheint  in 
dem  aasgeleertea  Darmkothe  nicht  als  Blut.  Was  bei  normaler 
Darmbewegung  als  dnokelrothes ,  geronnenes  Blut  erscheint,  das 
kann  unmöglich  ans  den  höheren  Regiooea  der  Dftrme,  das  uufs 
ass  dem  B^cto  oder  Colo  kommen ,  Torausgeselsl,  dalii  die  Fie- 
•^Mn*  cali  nicht  mit  Leber,    Milz  oder  Zwerchfell  verwaobaen 


-    188    — 

üoi,  in  weitem  Fall«  freiUdi  Leb«-*,  Milt-  and  hmt^nab»- 
sesse  sieb  io  den  Grimtndarm  entleeren ,  und  ebenfalb  dabei  Bla- 
tnngen  Stalt  finden  können,  die  nicht  im  Dsnne  selbst  encugt 
sind;   von  welchen  Seltenheiten  wir  aber  jetxt  niefal  reden  wollen. 

Der  angeführte  Fall  ist  deshalb  merkwürdig,  weil  hier  zwei 
Umst&nde  zusammentreffen,  welche,  aller  Wabracbeinlichkeit  nach, 
seilen  sasammentreffen ,  das  war  nämlich,  behinderte  Gallenergia- 
bnng  in  den  Dannkanal  und  Darmblulang.  Beim  Blutbrechen, 
wo,  awar  nicht  immer,  aber  doch  in  den  allermeisten  Fftllen  eine 
gute  Menge  Blut  nach  unten  geht,  wird  dieses  Blat  (vorausgeselst 
dafs  kein  Durchfall  voriiandea  sei)  nicht  als  Bhit  durch  den  Stuhl- 
gang entleert,  sondern  als  kohlschwarzer  dintenartiger  Kolfa,  der 
einen  ungeheuer  aashaften  Gestank  verbreitet.  Bei  unserer  Kran- 
ken, bei  welcher  der  Einflufs  der  Galle  in  den  Darmkanal  ge- 
hemmt war,  fand  solch  schwane,  dinlenanige,  aashafte  Ausleening 
nicht  «taU;  man  sollte  also  daraus  «chliefsen,  dafs  bei  Darmblu- 
tungen, ianr  Bildung  des  kohlschwaraea  aashaflen  Kothes,  die 
freie  Ergiefsung  der  Galle  nothwendige  Bedingung  sei. 

Unsere  Kranke  wurde  gleich  nach  dieser  Ausleerung  wieder 
hartleibig,  wie  sie  vorher  gewesen.  Ich  war  nun  sehr  neugierig, 
welchen  Einflnfs  diese  Blutentlee  tu  ng  auf  die  Leber  haben  möch- 
te, mufsie  aber  meine  Neugier  drei  Tage  lang  mftfsigeo,  so  lange 
Dämlich  wShrte  es,  ehe  das  in  den  Dftrmen  zerseisie  Blut  als 
grauer  Koth  abging  (die  blutigen  Adern  waren  aber  nicht  mehr 
darin  in  erkennen).  Nach  drei  Tagen ,  da  diese  Masse  entleert 
war ,  Sberzeugte  ich  mich ,  dafs  der  Zustand  der  Leber  noch  der- 
aelbe  sei,  denn  der  Koth  war,  wie  vor  der  Blutung,  ganz  weife. 
Kritisch  kann  man  diese  Darmblutung  nicht  nennen,  aber  wohl- 
thfttig  war  sie  dennoch;  denn  eine  Mischung  von  Bidermandel- 
wasser  und  Scbellkraultinkiur ,  von  welcher  ich  in  den  ersieo 
Tagen  wenig  Wirkung  sah ,  nnd  mir  den  Ko^tf  zerbrach ,  woran 
sich  die  Sache  haken  m&chte,  ihat  jetzt  so  gtite  Wirkung,  dafa 
das  Mfidchen  trotz  dem  beschriebenea  Abenteuer,  bald  genug  wie- 
der auf  den  Beinen  war.  Die  ganze  Krankheit  hatte  nahe  an 
zwanzig  Tage  gewährt;  das  ist  freilich  lange  genug,  aber  wo 
bei  akuten  Fiebern  solche  -Zwischenspiele  gegeben  werden ,  da 
na£i  man  leise  auftreten.  Ein  .Arzt,  der  sich  bei  solchen  FftHen 
gar  zu  sehr  apnlet,  kommt  auch  wo!  am  spätesten  sinn  Ziele. 
Dafs  diese  Krankheit  nicht  nnprüoglich  in  der  Leber  ihren  Sitz 
hatte,  davon  war  der  beste  Beweis,  dafs  das  Mädchen  vom  aku- 
ten Fieber  genas,  den  ganzen  Tag  aiifssfs,  im  Zimmer  heniiu- 
ging,  einen  nicht  zu  stillenden  Hanger  haue,  nnd  dafs  bei  diesen 
Umständen  die  Excremente  weife  wie  bei  Gelbsücbiigen  waren, 
ohne  dals  jedoch  die  Hantfarbe  und  der  Harn  auch  nar  im  min- 
dest«! auf  Gelbsucht  gedeutet  bäUeo.    Sobald  das  Fiebez  nnd  alle 


«Mrigc  Gefiäil«  n  der  ObwIwchgegBBd  TencbmiBdaa  wmn, 
habe  icli  Uob  Sckdlkraatiinkiar  gegeben,  nnd  dieie  nocfa  weit 
Ginger  naohgelmnKhen  lanen,  als  e«  dee  weiben  Abgängen  we- 
gen nSifaig  gewesen  sein  wSrde;  denn  aisht  blole  die  Dnrmblo- 
tatkg,  sondern  noch  ein  xonunüihiges  Wesen,  weldies  du  Mil^ 
dwn  schon  lange  TorfaM*  angenommen  batle,  liela  woiil  auf  iltere 
Verstopfungen  scUielaen;  dämm  wnr  es  der  Klngbeit  gemll«, 
das  Leberheilraittet  noch  lange  nacbgd>ninchen  m  lassen.  Merfa- 
wirdig  ist  aodi  bm  diesem  Falle,  tUfa  das  MNcben  gleich  nach 
überstnndener  akoterKirnnkhett,  trots  der  noch  gansgestSrteB 
Gallennbsondernng,  einen  kanm  zn  Milleaden  Bnnger  hntts. 

Die  DarmUntnogen ,  weldie  aieh  bei  nknten  and  efaronischea 
Krankbeitea  snweilen  ereignen,  sind  immer  TerdSchtig;  ob  sie 
aber  tödtKch  sein  werden,  das  Iftlst  sich  in  manchen  FXlIen  nidit 
allein  nicht  mit  Sicherheit ,  sondern  nicht  eiaitthl  mit  Wahncbeia- 
lidikeit  vorhersagen;  d^n  wer  kann  wissen  woher  solche  Blntnn- 
gen  kommen!  Es  ist  mir  wahrscheinlich,  dafs  sie  sieh  meist  aas 
geborstenen  Blntadennschwellnngea  ergieJsen.  Wie  dieses  ge- 
scfaicbet,  sehen  wir  mni  wenigsten  an  Snfseriicfaen  Tbeilen.  Ein 
«inniges  Mahl  hdw  ich  eine  kleine  Blniadwanadiwellaag  nnf  der 
Spiixe  der  Nase  bersten  sehen;  weil  der  Mann,  (dessen  Ant  ich 
fibrigens  nicht  war)  an  einem  lypfaSsen  fleber  knab  hg,  welches 
BlniTerlnit  nbel  Teitmg,  so  war  der  Tod  die  Folge  der  ftofsem 
\asenblntnng.  Je  nncfadem  die  Blntaderansdiwelhin^n  weit  «der 
enge  sind,  können  geringere  oder  siirkere,  jn  sdmell  iftdiliebe 
Blntongen  enisteben.  leb  batle  einst  einen  jnngen  Mann  aas  iet 
geringeren  Volksklasse  am  gaalriHchen  Fieber  su  faehandelo,  der 
schon  mehre  Jahre  «ine  sehr  nngesande  Farbe  gehabt.  Das  Fi«> 
her  wollte  sich  auf  die  g«^ebenen  Mittel  übel  schicken ;  weshalb 
ich  einige  Verranthnng  hatte,  da£i  es  in  dem  Bauche  des  Kranken 
nicht  gehener  sein  möchte.  Da  ich  nber  sah,  dafs  er  langsam 
besBMte ,  das  Fieber  los  wurde,  den  gansen  Tag  anfser  dem  Bette 
sein  konnte  (ohne  jedoch  das  Ibns  in  Terlassen)  and  gnle  Efslnst 
bekam,  so  vergab  ich  meine  frühere  VerranthuDg  gar  bald.  Ich 
hatte  ihn,  als  einen  Genesenen,  mehre  Tage  nicht  gesehen,-  da 
wurde  ich  eines  Abends  sp&t  lu  ihm  gerufen,  mit  der  Bedentung, 
er  habe  einen  Ueberfall  bekommen.  Wie  ich  ihn  sähe ,  lag  er 
halb  besinnungslos,  es  war  ihm  so  viel  Blut  durch  den  After  ab* 
g^gangea,  dafs  man  hätte  glauben  sollen,  in  seinem  Bette  sd 
ein  StSek  Vieh  geschlachtet  Im  Bnuehe  kollerte  es  ihm,  er  klagt« 
über  nichts,  denn  er  war,  wie  gesagt,  halb  besinnungsloi ,  gegen 
Morgen  starb  er. 

Von  dieser  Abschweifung  kehre  ich  wieder  zam  Bitlermandel- 
WBsser  als  JKgenmittel  auf  den  erkrankten  P/exn*  coeliacu»  zu- 
rnek.    Man  kdautc  sagen,    es  sei   schwer  su  beweisen;    dals  das 


—    190    — 

inlMH  bMchriebeae  h^mclieBde  Fieber  in  einem  Kranksein  dee 
Pfextu  eoe/üici  beitandeo ;  mithin  sei  der  Beweia  dar  Behnnplnng, 
Bittermandel waseer  lei  Heilmittel  des  kranken  Ple- 
xua  coeliaei,  gam  unstatthaft.  So  viel  weifa  ich  sicher, 
das  betehriebene  Fieber  bestand  nii^t  in  einer  Affeklion  des 
GesamnitorganiBmas ,  nicht  in  einem  Urleiden  der  Milz,  des  Pan- 
kreas, der  Leber,  des  Magens,  der  Därme;  mithin  wird  es  wirf 
in  einer  Affeklion  des  F(exiu  eoeliaci  bestanden  haben.  Ich  ge- 
be jedoch  gern  an,  dafi  dieses  eine  etwas  kühne  Vermaihnng 
lei.  Wer  aber  alle  Zufälle  der  Krankheit,  die  consensuell  er- 
griffenen Organa  und  dia  Folgen  der  Krankheit  Wohl  erwigt,  der 
wird  bekennen  müssen,  dafs  die  Behauptung,  ein  anderes  Organ 
sei  nrergriffen  gewesen,  noch  weit  kühner  und  grundloser  sein 
würde.  Was  ich  beim  Pankreas  gesagt«  mufe  ich  wiederholen, 
ich  kann  nicht  meto  geben  als  ich  habe. 

Wallte  ich  der  Vertheidiger  und  Lobredner  der  alten  sdiei> 
dekönstlerischen  Aerate  sein,  so  würde  ich  »ich  schon  jetzt  in 
sehr  greiser  Verlegenheit  befinden.  Da  ich  aber  blob  die  An- 
wendbarkeit nnd  NStzlicfakeit  ihrar  Lehre  am  Krankenbette  unter» 
sucht  habe,  und  dieae  Untersnofanng  gana  nnpariheüsch  meinen 
AmtsgMiossen  mittheile;  so  ist  mir  gar  nicht  anstBfsig,  dafs  die 
Schwache  dieser,  nach  reiner  Erfafarang  strebenden  Lehre,  bei 
mehren  KranUieiteu  offenbar  am  Tage  liegt.  Wo  ist  aber  die 
Lehre,  die  in  den  beschriebenen  Krankheiten  nicht  weit  grdfsere 
Schwichen  Terrathen  würdet 

Wenn  wir  als  wahr  annehmen ,  dafs  das  Biltermandelwasser 
eigenes  Heilmittel  des  erkrankten  Plexu»  caeliaci  sei ,  so  ist  doch 
dieses  Nerrengewinde  ein  so  sehr  zusammengeseistes  Organ,  dafs 
man  schwerlich  darauf  rechnen  darf,  dafs  jede  Krankheil  dessel- 
ben einem  und  dem  nSmlichen  Mittel  weichen  werde.  Denken 
wir  nun  vollends  an  die  andern  Nervengewinde  des  grofsen  sym- 
pathischen Nerven,  erwSgen,  dafs  jedes  dieser  einzelnen  Organe 
erkranken  kann ,  nnd  dnfs  von  diesem  Erkranken ,  der  Himmel 
weifs,  welche  seltsame  Fieber  nnd  wunderliche,  ja  tödtliche  Zu- 
fälle abhängen  können,  welche  an  heben  wir  nicht  im  Stande 
sind ,  wenn  wir  nicht  das  arerkrankle  Organ  erkennen ,  nnd  eia 
Eigenmittel  auf  dieses  erkrankte  Organ  wissen:  so  mQsseo  wir 
bekennen,  daCi,  da,  so  viel  ich  weifs,  solche  Eigenmittel  bis 
jetzt  noch  nicht  bekannt  worden,  wir  noch  weit,  sehr  w«it  von 
der  wahrhaften  Heilnieisterscbaft  entfernt  sind.*) 


')  Is  d«D  %a  Jihns  ,  leit  icb  der  gchtisUülilicbeD  Lehrs  folg« ,  *iad  mir  iwil- 
■■■bl  sportdiich*  inileckaDd«  Fieber  voifekomiBea ,  deren  Ptilar  itb ,  Iroli 
■Ifer  angeweadelen  Mähe ,  niebl  «rfcennen  kointe.  Dia  verneineadea  Grpro- 
biDfes  gtbes  aiir  wol  die  aa  Gewibhelt  stmireBd«  WaJutckniliehkeit ,   deb 


JlageMmitlel. 

Eg  gibt  gar  viele  Arzeneien ,  die  il^n  Namen  haben ,  als  ob 
nie  den  erkrnnkieo  Magen  gesund  machen  könnlen;  wenn  uian 
die  Sache  aber  näher  llnlergu^hl ,  so  LIeibei  nicht  viel  Wahres 
daran.  Ich  habe  es  im  Magen,  ich  habe  es  vor  dem 
Herzen,  das  sind  gewöhnliche  Klagefornietn.  Bei  Lichte  besehen 
hat  der  Eine  eine  Krankheit  der  Leber,  der  Andere  eine  der 
Milx,  der  Drille  des  Pankreas,  der  Vierte  der  Nieren,  der  Fiinrte 
des  Pforladersystenis ,  der  Sechste  des  G esammt Organ is mus ;  nnd 
der  arme  Magen  ist  anschuldig,  er  leidet  nur  mit.  Der  Magen 
ist  der  wahrhafte  Sündenbock,  der  die  Fehler  aller  andern  Orga- 
ne anf  lieh  nehmen  mufs,  auch  wird  er  bafs  dafür  geschoren; 
bald  soll  er  vermeinte  Unreinigkeiten  entleeren  und  wird  mit  al- 
lerlei feindlichen  Mitteln  zu  coavnlsi  viseben  Bewegungen  gereixt; 
bald  soll  er  zu  schwach  sein  und  wird  mit  schauderhart  biliem 
Mitteln  erfüllet,  mit  scharfen  Substanzen  geätzt,  mit  Wein  Ober- 
scbwemml,   oder   mit  starkem  Branniwein  Tersengt. 

Ist  es  leicht  zu  wissen,  ob  der  Magen  uretkrankl  sei!  Ich 
sollte  denken,  das  sei  in  vielen  Fällen  sehr  schwer ;  ja  ich  kenne 
fast  kein  Zeichen,  durch  welches  das  Urleiden  von  dem  Mitleiden 
mit  Sicherheil  zu  unterscheiden  wXre.  Die  Leiden  des  Magens, 
die  mit  dem  allgemeinen  Namen  Magenschniers  belegt  wer- 
den, welche  vom  leisen  Murren  bis  zum  heftigsten  MagenkrampFe 
unzählbare  Abstufungen  haben,  sind  in  den  meisten  Fällen  con- 
sensueller  Art  und  können  nur  durch  Heilung  des  urergriffenen  Or- 
gans gründlich  gehoben  werden.  Das  Beschwichiigeh  derselben 
durch  lieinnbende  Mitlei  glückt  nicht  immer,  wird  nicht  selten 
nur  darch  grofse  Gaben  erzwungen  und  hat  keinen  Bestand. 

Hungerlosigkeit  nach  Krankheit  ist  in  den  seltensten  Fällen 
Fehler  des  Magens,  sondern  sie  ist  blofs  Zeichen,  dafs  die  Haupt- 
krankheit noch  nicht  gänzlich  gehoben  sei.  Wenn  es  möglich 
wäre,  durch  bittere  und  gewÜrzhafle  Mittel  die  Efslust  zu  erwek- 
ken,  so  würde  doch  der  Arzt  seinen  Vortfaeil  als  Künstler  schlecht 
kennen ,  wenn  er  nach  einer  gehobenen  Krankheit  von  diesen 
Mitteln    Gebrauch   machen   wollte;    er   würde   sich  ja   muthwillig 

dia  gasM  ZaralUfTufr«  v«b  (dm  Urersriffesteia  eioea  der  Baaehgs^iM 
conHDiuU  abbancBD  m&nt;  woia  dioBtc  di*  abei  r  Za  garalcbu.  Ja,  bitte 
ich  das  ■rcrgriflene  Ganflian  erkiont,  aber  teio  Batlsiitlel  Jtraaf  pvaftt, 
M  wSr4«  Iah  SDob  «■  kein  Haar  w«il«r  gewMen  seto.  Dieie  fpoisditrbfa 
snstMkeadea  Ftahar,  iie  «lliebaHäMcr  ia  eja«r  baBa«Uartcs  GeHeiüde  h«im- 
■Bobten ,  hatten  mit  den  lUorbe  ttaUofario  utchti  (eHcia.  Ich  war  aber 
rrnb  ,  diTii  «ie  nicbt  weiler  omgriffen  ,  dina  *lg  wiren  oicbt  bloGi  genbrliih, 
iiindtira  aorh  von  linf^r  Diaer  ;  die  Nitar  heilte  A  aar  dorcb  (Sulirbs  Er- 
Mchliftmag  du  OrgipiiMU,  i   ^ 


—  t«  - 

dM  beitsQ  Zeiehwn  benmbea,  ana  wetcbem  «r  die  VollMSBdig'- 
keit  uod  GröDdliehkeit  xeiaer  HflUang  beurtheileo  kann. 

Fehler  der  VerdaDnng,  welche  telbat  bei  starkem  Hunger  Statt 
Ilaben  k5nnen,  uod  welche  durch  widrige  Gefühle,  die  ron  dem 
Kranken  nicht  nnler  die  Kategorie  .dea  Schmerses  gereiht  werdeo^ 
«oodein  durch  andre  Zuf&lle,  ala  da  eind,  Sodbrennen,  Anfetoben, 
Wiederkäuen  n.  b.  w.  sich  offenbaren,  aind  auch  in  den  wenig- 
Hen  Fällen  Urleiden  dev  Magens,  londern  hänfiger  Fehlra  der 
Leber,  der  Mili,  oder  dea  Pfortadersfslema,  und  werden  in  dieaea 
FSllen  weit  gründlicher  nnd  aicfaerer  durch  Einwirken  anf  das  xa- 
erkraakte  Organ,  bIb  dnrch  Einwirken  anf  den  Magen  gehoben. 

Krankheit  des  Magens,  die  sich  durch  Erbrechen  kund  gibt, 
und  die  nicht  selten  mit  Säure  des  Magensaftes,  oder  mit  Scbment 
des  Magens  verbundea  erscheint,  ist,  meiner  Erfahrung  nach,  häu- 
figer ein  Urleiden  des  Magens,  als  es  der  bloläe  Schmers,  Man> 
gel  der  Verdauni^,  oder  Huogerlosigkeit  sind.  Freilich  ist  auch 
das  Erbrechen  oft  blofs  consensnell;  so  brechen  sich  Schwangere, 
Steinsüchtige,  innerlich  Gewundete  u.  s.  w.;  aber  Terhältnilaweis« 
gegen  andre  Magenkrankbeitsformen ,  deutet  Erbrechen  häufiger 
auf  ein  Urleiden  des  Magens.  Es  verstehet  sich  aber  wol  von 
selbst,  da&  ich  hier  nicht  von  jedem  leichten  F>rbrecbea  spreche, 
tendero  von  einem  solchen,  welches  schtHi  eine  Zeit,  wenn  gleich 
tmr  eine  kurze,  gewährt,  wo  alle  Nahrung  ausgeworfen  wird,  nnd 
wo  die  Noth  den  Kranken  zwingt,  die  Hülfe  der  Kunst  an 
neben. 

Das  Erbrechen,  es  mag  ein  Urleiden  des  Magens,  oder  ein 
Mitleiden  sein,  ist  immer  ein  übles,  hinderliches  Uing;  wenn  wir 
nicht  Mittel  haben,  es  so  beschwichtigen,  so  hilft  uns  alle  unsere 
Obrige  Weisheit  nichts.  Wir  müssen  kräftige  Mittel  haben,  wel- 
che den  Magen  nicht  blofs  beruhigen,  wenn  er  urerkrankl  ist, 
sondern  auch,  wenn  er  mitleidend  krank  ist.  Im  letzten  Falle 
ist  freilich  die  Beruhigung  nur  als  ein  Waffe iistillstand  anzuse- 
hen; allein  auch  der  ist  wichtig,  denn  er  verscbaffl  uns  Zeit,  auf 
das  nrerkrankie  Organ  heilend  einzuwirken. 

Ich  will  den  Leser  nicht  mit  Erfahrungen  über  ganz  bekannte 
Mittel  langweilen.  So  ist  das  Bitmutium  nitricum  (magiittrium 
Biamuthi)  ein  sehr  gutes  bekanntes  Magenmiltel,  mit  welchem 
man  Erbrechen  stillen  kann ;  eben  so  das  Kali  acetitmm  und 
\atron  aceticum.  Auch  kann  man  diesen  Mitteln  die  Krafi  niebt 
absprechen ,  gewisse  schmerzhafte  Gefühle  des  Magens  zu  beben ; 
als  ausgezeichnet  mag  ich  sie  aber  in  letzter  Hinsicht  nicht  an- 
preisen. Einer  der  wichtigsten  Punkte,  auf  welchen  es  beim  Stil- 
len des  Erbrechens  ankommt,  ist,  dafs  man  wol  zusehe,  ob  der 
Magensaft  sauer  seiest  der  sauer,  so  wird  alles  sauer,  was  in 
den  Magen  kommt,  nnd   das  Erlwecbea  erfolgt  blob  dorch  Ein- 


-  Hß  - 

wiclntag'  dUwr  Hebarr«!!  Säur«.  !■  dioMtt  Fall«  Iwb«  ich  oioliiB 
Be«twre*  und  achaeller  Wirkendes  gefnadeo,  aU  das  kohleosaiir« 
flüclitige  Laagensalx  (ammoMimm  emrimticumj.  Ich  aehnie  von 
diMeni  swei  Üracbiaen  und  einen  SkrnpeL  Tragaathgannii ,  laaae 
beide  in  acht  Unxen  WHaser  auBSica,  and  TOn  dieser  Müchnng 
■ixinit  der  Kranke  atündlich  einen  Löffel  v«ll,  Sollte  der  erst« 
oder  »weite  Löffel  aoagebrochen  werdet^,  M  laacbl  das  nicbls 
ana ;  man  mufa  nar  mit  de«  £ingeban  Torf  fahren ,  so  kuMint  man 
cum  Zweck,  tcfa  habe  gar  manchen  Menschen  von  chroniaehen 
Krbrecben  durch  dienen  einfachen  Trank  geholfen,  auch  aolchen, 
die  lange  ve^ehens  andre  Mittel  gebraneht  halten.  *)  Die  Koh- 
lens&ure,  welche  sich  hier  im  Magen  ealwickell,  kann  wol  das 
Ihrige  snr  Beschwichtignog  des  Eriiredteaa  beitragen,  denn  es  ist 
nicht  an  Ungnen,  dals  diese  sehr  gute,  bemhtgenda  Wirluwg  auf 
den  Magen  ftalaert.  Ich  habe  schon  Leuten ,  die  ea  bezahlen 
konnten,  an  Statt  Arzcnei,  den  adiftamenden  Champagnerwein  ge- 
gen das  Erbrechen  gerathen,  nad  gefunden,  dafs  dieser  ebeR  so 
gote,  wo  nicht  bessere  Wirknng  tbut  als  das  BranseiränicleiB. 

Das  Jod  ist,  meines  Erachten«,  eina  der  beaten  und  aiefacr- 
at«n  Mittel  anr  Stillung  des  Erbrecfaens,  die  einfache  Tinktur  su 
dreiAig  Tropfen,  mit  acht  Unzen  Wasser  nod  einen  Skrupel  Tra- 
ganthgunmi  gemilcht,  stillet  ei,  wenn  man  tob  dieser  Mischnng 
stündlich  einen  LSffel  voll  nehmen'  Isfst.  Die  Mischung  ist  aa- 
l&nglich  etwas  acbw&rslich,  wird  aber  hernach  weifs.  Das  JmI 
scheint  mit  dem  Tragant hgnmmi ,  oder  vieileieht  mit  einem  sieh 
aus  diesem  entwickelnden  Laugensalse  eine  cbemische  Verbia- 
duag  einzugeben.  Dafs  sich  ein  Langenaalz ,  ich  weib  nicht  weU 
ehea,  aus  dem  Tragant  ha  chleime  entwickelt,  ist  wol  sicher;  denn 
wenn  man  den  Schleim  verderben  lAfst,  so  untergehet  er  nicht,  wie 
andre  Pflansenstoffe ,  eine  sanre  Gibning,  sondern  er  fanit  wie 
eine  thieriache  Substanz.  Miacht  man  ihn  mit  Schwefel,  oder 
mit  acbwefelhaltigen  Sachen  zusammen,  so  entwickelt  sich,  je 
nachdem  der  Wärmegrad  ist,  bald  früher,  bald  später,  hepatische 
Luft. 

Das  Jod  hat  nicht  blofa  Kraft,  das  Erbrechen  zu  hemmen,  son- 
dern es  stillet  auch  die  Schmerzen  des  Magens  eben  so  acbnell  als 
Mohnaaft  oder  andere  narkotische  Snbstansan  es  nur  j^  vermögen. 
Wie  m&ditig  es  ist,  das  Erbrechen  «n  aiillen,'  habe  ich  zuerst 
bei  einer  unheilbaren  Magenkrankheit  gesehen.  Bei  ganz  sn- 
bailbaien  üebeln  nufii  man  die   Kraft  der  Heilmittel  kennen  ler- 


*)  Haicbta  bat  die  Sian  icli»  eim  rosenarlige  EoUbdnnf  der  SprlierBhi« 
bewiAt,  walcbe  Min  aui  eineu  brenaeadaB  GvfDlil ,  du  ibnen  dti  Riiaater- 
tcbliDgaa  wansar,  oder  geiitiger  GaU-iake  BaaM,  arkanBaa  kaaa.  DiaM« 
■ab  lua  ai«U  Aweonian,   loadara  llafRMU  («bca. 


-    J94    - 

nen.  li^in  Mittel,  weldwa  eioe  Zutlnng,  wenn  auch  nnr  nuf  et- 
liche Tage,  wohllhätig  auf  ein  nnheilbar  ericranklei  Organ  ein- 
wirkt, das  ist  nahrhaft  schätzbar.'  Sobald  es  die«e  Probe  be- 
standen hat, -kann  man  ziemlich  sicher  sein,  dafs  man  damit  heil- 
bare Uebel  des  Organs  bald  und  sicher  wird  heilen  können.  Der 
Fall,  in  dem  ich  znaril  das  Jod  als  Magenmittel  kennen  lernte, 
war  die  Verhärtung  des  Magens.  Ich  mufs  aber  bemerken,  dafa 
es  keine  den  Fingera  fühlbare  Verhärtung  war;  fühlbar  ist  sie 
nur  in  der  vorderen  Magenwand. 

Der  Fall,  welchen  ich  jeixt  niittheile,  war  weit  schwieriger 
sni  erkennen.  Die  Verhärtung  safs,  wie  ich  meine,  in  der  hin- 
lern Magenwand;  ich  konnte  durchs  Gefnlil  nichts  entdecken,  nod 
wenn  gleich  der  Kranke  selbst  behauptete,  er  kSnne  von  Zeit  %n 
Zeit  in  der  Tiefe  eine  Härrigkeit  entdecken,  so  war  doch  diese« 
Vorgeben,  weil  ich  ihn  zum  Fahlen  aufgefodert,  niehubeden- 
lend;  zum  wenigsten  in  meinen  Augen  haben  Antworten  anf  Sug- 
gestivfragen wenig  Werth.  leb  erkannte  die.  Verhärtung  blofs 
'  aus  dem  Nicfalwirken  solcher  Mittel,  die,  meiner  Erfahrung  nach, 
das  Uebel  hätten  heben  müssen.  Der  Verlauf  nnd  das  Ende  be- 
stätigten denn  auch  diese  Erkenutnifs:  einige  Zeit  vor  dem  Tnde 
erbrach  der  Kranke  eine  graue  stinkende  Masse,  die  einer  Mi- 
schung von  Eiter  und  Schleim  ähnlich  sah,  zugleich  zeigte  sich 
ein  grofser  Verfall  der  Krfifte;  ein  paar  Tage  vor  dem  Tode  lag 
er  in  beständigem  Schluchzen.  Die  Oeffnnng  des  Leit^nams  hfitte 
ich  wol  machen  können,  wenn  ich  gewollt;  aber  andere  Geschfifie 
bei  lebenden  Menschen  erlaubten  nicht,  mich  mit  dem  Todian 
weiter  zu  befassen.  Ueberdiefi  war  eine  eiternde,  oder  vielmehr 
jauchende  Verhärtnng  des  Mtigens  in  der  letzten  Zeit  so  unver- 
kennbar, dafs,  wenn  man  fünfzig  Aerzte  von  der  grofHeo  Land- 
sirafäe  aufgegriffen  und  zu  dem  Kranken  gebracht  hätte ,  gewifs 
kein  einziger  anden>r  Meinung  gewesen  sein  würde. 

\iin,  dieser  Mann,  der  zwar  im  eigentlichen  Sinne  kein  Trun- 
kenbold, aber  doch  ein  alter  Branntweinsäufor  war,  nnd  der,  wie 
man  leicht  denken  kann,  das  Absprechen  des  Branntweins  voraus- 
sehend, so  lange  wie  möglich  gezögert  halle,  mich  um  Rnih  an- 
zugehen, kam  erst,  da  er  fühlte,  Branntwein  nnd  geistiges  Bier 
ifane  ihm  kein  Gut  mehr.  Nachdem  ich,  wie  gesagt,  nicht  durchs 
Gefühl,  sondern  durch  das  Nichtwirken  der  oft  von  mir  erprobten 
Heilmittel  zur  Erkenninifs  gekommen  war,  dafs  eine  Verhärtung 
im  Magen  vorhanden  sein  mfiase,  so  gab  ich  ihm  wirklich  mehr 
aus  Pflicht,  die  mich  heifst,  das  Aeufserste  zur  Rettung  eines 
Menschen  zu  versuchen,  als  in  der  Hoffnung,  ihn  zu  heilen',  die 
Jodtioktnr  zu  fiinf  Tropfca  funfmahl  tags  in  Gersten wasser. 
Die  Wirkung  war  so  wundervoll,  dafs  ich  ganz  verblüfft  wurde, 
nnd  Mark   %n  zweifeln  anfing,    ob  meine  Erkenntaifi  auch    wol 


—    195    — 

richtig  tei.  Doi  Brecfa«a,  an  welcbeni  lolcbb  iioglBckliche  Men- 
icben  viel  leiden,  hftne  gleich  aaf,  schon  die  erste  Gab«  blieb 
bei  ibm,  und  der  greuliche  Magen schm erz ,  der  den  armen  Mann 
schon  M  lange  gemnitcrt  halle,  hörte  zwar  nicht  ganj  auf,  wurde 
•her  doch  so  onbetteuiend,  dafs  er  sich  für  fast  geheilt  aniah.  Ver- 
dficbiig  war  es  allerdings,  dafa  der  früher  sehr  kräftige  Mann, 
nach  so  bedeutender  Beschwichtignng  des  Schmerzes,  nicht  das 
Bell  verlassen  wollte,  und  dafs  sein  Pnia  mehre  Tage,  nach  ge> 
«illiem  Erbrechen  und  beruhigtem  Schmerze,  immer  noch  schnell, 
wie  der  eines  Scbwindsücbligen  blieb.  Die  gnle  Wirknng  des 
Jod*  hielt  ungefähr  eine  Woche  lang  Stich,  da  ging  alles  wieder 
4en  Krebsgang.  Ernt  wurden  die  leisen,  erträglichen  Schmerzen 
wieder  nach  nnd  nach  anerir&glich,  das  Erbrechen  zeigte  sich 
■an  ein  paarmahl  tags,  bald  wurde  wieder  alles  ausgebrochen, 
was  in  deti  Magen  kam,  und  dann  eifolgie  auch  Erbrechen,  ohne 
dafs  das  Geringst«  in  den  Magen  gebracht  war.  Oh  ich  non  di« 
Gabe  der  Jodtinktur  vermehrte  oder  verminderte,  das  Eine  half 
so  wenig  als  das  Andre ,  ich  sab  jelst  nichts  Gutes  mehr  von  ihr. 
Das  liehet  ging  seinen  Gang  fort ;  «■  enlsland  ein  paarmahl  hef- 
liget  Nervenschmerz  in  Einem  Fube  (wie  man  dergleichen  bei 
Gehirn-  nnd  Bauchkrankheiten  wol  zn  sehn  gewohnt  ist),  di«  Ab- 
magerung nnd  Kraftlosigkeit  nahm  immer  mehr  zn,  es  erfolgt« 
das  vorhin  erwäbnie  Ausbrechen  grauer  stinkender  Materie,  sicht- 
barer Verßill  der  Krufle,  baslSodiges  Schluchzen  und  endlich  d«r 
Tod. 

Die  Wirknng  des  Jods  auf  den  Magen  zu  erproben,  bitte 
ich  wol  schwerlich  einen  belehrendem  Talt  wünschen  kennen. 
Meine  Folgerung  aus  dieser  Beobachtung,  dafs  nämlich  das  Jod 
in  heilbarer  Magenaffekiion,  die  sich  durch  Schmerz,  oder  Erbre- 
chen äufsert,  sicheres  und  schneltps  Heilmittel  sein  müsse,  hat 
■ich  mir  seitdem  in  den  meisten  Ftillen  bestätiget.  Ausnahmen 
habe  ich  allerdin^  gefunden;  von  diesen  werde  ich  hernach 
reden. 

Der  SeirrAua  des  Magens  ist,  wie  ich  eben  bemerkt,  in  der 
vorderen  Wand  des  Magens  wol  durch  das  Gefühl  zu  erkennen, 
wenn  er  einmahl  als  Scirrhiu  atugebildet  nnd  einen  gewissen 
Grad  der  Härte  erreicht  hat;  ob  er  aber  in  seinem  ersten  Entste- 
hen zn  erkennen  sei ,  dfiran  zweifle  ich  nehr.  Ich  erinnere  mich 
nicht,  einen  einzigen  Menschen  behandelt  zn  haben,  bei  dem  sich 
nnier  meinen  fruchtlosen  Heilversnchen  der  ScirrAui  ansgebildel 
hätte;  mithin  kann  ich  über  dessen  Entstehung  nnd  allmählige 
Ansbildnng  nicht  urtheilen.  Auf  die  Aussage  derer,  hei  denen  er 
greifbar  aiisgebildpt  xvar,  kann  ich  auch  nicht  sicher  fnfsen,  denn 
diese  hatten  schon  mit  so  viel  Elend  und  Jammer  gekämpft,  dafs 
sie  sieb   wol  schwerlich  der   «rslen   Entstehnog  nnd  des  allmäUl- 


—    196    — 

gen  Fori  geh  reitens  ihrer  Krankheit  werden  erinnert  haben.  Sa 
Tiel  ist  sichor,  dafs  bei  denen,  welche  ich  gesehen,  der  Schmerz 
sich  viel  früher  gezeigt  hatte  ftia  das  Erbrechen.  Der  Anfang  . 
wird  abor  auch  wol  riel  von  dem  Orte  abhängen,  wo  der  Scirrku» 
sitzt.  In  den  Fallen,  wo  ich  ihn  fingerlich  erkennen  konnte.  Bah 
er  ungefähr  in  der  Mitte  der  vorderen  Wand,  mehr  nach  der 
linken  Seite  hin ,  als  nach  der  Gegend  des  PfSrIners.  Nah  am 
Pförtner  niufs  er  früher  Erbrechen  verursachen,  und  es  ist  inSg^ 
lieh,  dafs  dieses  zugleich  mit  dem  Schmerze  auftritt.  In  vermuth- 
lichen  PfSrinervcrhärtungen,  welche,  wenn  der  Arat  recht  verma- 
ihet  hat,  gewahnlich  einen  tQdtlichen  Ausgang  Dehraen,  habe  ich 
die  Verhärtung  noch  nie  mit  meinen  Fingern  erkennen  können. 
Einen  einzigen  Fall  erlebte  ich,  wo  eine  vermutbliche  VerbSrtnng 
und  Verengerung  des  Pfftrlners  mit  heftigem  Dtutbrechen  in  Kur 
kern  tSdtlich  endigte.*)  Uebrigens  mufs  es  in  einem  verhärteten 
Magen  zuweilen  seltsam  aussehen.  Eine  Kranke,  die  ich  heilen 
sollte,  aber  schon  bei  dem  ersten  Griffe  auf  den  Magen  jeden 
bedanken  an  Heilung  schwinden  liefg ,  zeigte  mir  einst  als  eine 
Seltenheit  Kirschsteine,  welche  sie  ausgebrochen,  nnd,  ihrer  Ani- 
sage  nach,  mindestens  vier  Wochen  vorher  mit  den  Kirschen  ver- 
schluckt hatte. 

Doch  genug  von  diesem  garstigen  Uebel,  gegen  welches  ich 
keinen  Ralh  weifs ;  lieber  will  ich  von  dem  salzsanren  Kalk  re- 
den. Ob  andre  Aerzle  sich  desselben  als  Magenmitiel  bedienen, 
weifs  ich  nicht;  mich  hat  die  Noth  zu  dessen  Gebrauch  gezwun- 
gen. Die  gute  Wirkung,  die  ich  von  ihm  in  alten  Geschwüren 
nnd  anderm  Snfserlichen  Ungemache  gesehen  ,  liefs  mich  mit  gro- 
fser  Wahrscheinlichkeit  berechnen,  dafs  er  im  Stillen  des  Erbre- 
chens müchiiger  sein  werde  als  irgend  ein  anderes  Mittel.  Iiu 
Jahre  1829  hatte  ich  oft  Gelegenheit  zu  sehen,  dafs  ich  richtig 
gerechnet;  ich  will  aber  solche  Fälle,  welche  durch  andere  Mit- 
tel vielleicht  eben  so  gut  würden  beseitigt  «ein,  mit  Slillschwei- 
gen  übergehett ,  und  nur  elliche  Fälle  anführen,  welche  etwas 
ernsthafter  und  belehrender  sind. 

*)  Sitzt  dia  VarbirtDBs  in  dorn  obcrm ,  die  CRrdI«  be|FreBzand«a  Tfaeila  d«i 
Hageas  ,  in  iit  et ,  du  hebindcrtca  Schliigeni  irrgeo ,  xawcilto  unnligtieb, 
m  bealisusBD  ,  ob  ma  m  mit  eiD«r  VercngaDg  dei  DnlsrsD  Theilei  der  Spei- 
■«rGbn  ,  oder  mit  einer  MagenveriilirtanK  lu  thiui  fait.  la  demPalle,  wo  die 
Higanleiden  licb  tnerst  zeigen  nnd  die  Dysphagie  ent  «püter  biaxntrlit,  hat 
miB  einigen  Grand,  des  Magen  aU  dai  srergri Ten e  Organ  aauiaben.  In  dea 
•atgcfengeietiten  Fall«  aber,,  wo  da*  baUnderte  Seblingea  inaril  erMhaial, 
oder  aneh  gleiebzeitig  mit  den  Hagealeiden,  iat  die.  BrkeaatBiri  doreb  die  Z>- 
flille  bar  annSglicb.  Ich  erinnere  mieb  ineier  Falle  ,  io  denen  daa  Uoerkeao- 
bare  iiu  apaleren  Zeltranm  licli  *1a  Ha  gen  Verhärtung  durch  wirkliebei  Erbrechea 
b^ntigur  Jani^  bertnaalellle ,  indofa  cleietiieUif  da*  Sebliageo,  nicht  auf  karae 
Zrii,   (oadera  bis  zmb  Tode,  wieder  ertriKlidt  gni  voa  Statten  ging. 


_     lOT    — 

B«  der  Dmclmibaag  d«r  im  Jahre  ,t  826  faerrt^eaden  Bauch* 
kranklieit ,  welche  mit  dem  Bitterineadelwauer  geheilt  wurde, 
habe  ich  schon  gesagt,  dafs  bei  iweieo  MeoscheD  diu  Krankheit 
mit  Ecbreches  und  halber  Bewufallosigkeit  angefangea.  Bei  ei- 
iMui  Tou  dieses  wandte  ich  den  aaUsaureu  Kalk  auerst  an,  und 
«war  nicht  aus  Mulhwillen,  nicht  aus  Probesacht,  sondern  a»a 
wahrer  K»lb.  Er  war  aufser  der  Sladt  von  der  Krankheil  fiber- 
fallen  worden  und  seine  Begleiier  halten  ihn  nach  Hause  ge- 
schlappt. Ich  fand  ihn  in  folgendem  Zustande :  Er  war  halb  be- 
sinnungslog ,  man  konnte  nur  Ja  und  \ein  von  ihm  herausholen; 
sein  Gesiebt  war  entstell!,  wie  das  eines  .Menschen,  der  mehr 
Auanichl  hat  au  sterben  als  su  leben,  er  war  kalt  am  ganzen 
Leibe  und  der  Puls  wenig  fühlbar,  ich  kannte  wol  von  Zeil  au 
Zeit  ein  leises  Ticken  fühlen,  aber  bald  konnte  ich  es  auch  wie- 
der nicht  fühlen,  so,  dafs  über  den  Puls  wenig  zu  bericblen  ist, 
Uebrigens  erbrach  der  Krank«  sich  beständig,  und  würgte  mit 
grofser  Heftigkeit,  nicht  blofs  wenn  Getrllnk  in  den  Magen  kam, 
soatlern  anch  ohne  diese  Veranlassung;  dünne  Exkrenieni«  liefen 
dabei  ins  Bett,  ohne  dafs  er  dieses  wubte. 

Ich  habe  diesem  Manne  alles  gegeben,  ivomit  ich  je  Elrbre- 
chen  gesiillet,  sowol  innerliche  als  Suberliche  Mittel,  aber  alles 
nmsonst.  Lieber  nebt  and  vierzig  Standen  lag  er  mit  wenig  Ver- 
änderung in  dem  beschriebenen  Zustande,  aufser  dnfs  der  Durch- 
lauf naebliefs,  and  Verstopfung  eintrat,  welche  hernach  anhielt, 
und  dafs  es  mir  vorkam,  als  sei  die  Kälie  seine»  Leibes  nicht 
mehr  so  T«rwaltend  als  im  Anfange,  leb  fing  aber  an  zu  begrei* 
fen ,  dafs ,  wenn  ich  keinen  neuen  Bath  fände,  der  Mann  sterben 
müsse;  denn  wie  konnte  er  auf  die  Dauer  so  etwas  auabaltent 
Durch  das  beständige  Würgen  waren  die  Prikordien  sehr  schmen- 
bafl  geworden ,  worüber  er  viel  janlnerle ,  auch  waren  die  Gal- 
lengftnge  ergriffen ;  denn  da  ich  den  dritten  Tag  früh  Morgens 
zu  ihm  kam,  hatte  er  eine  gelbe  Gesicfatsfarb«  bekommen;  an- 
ftinglich  war  diese  scbinutzig  gnin.  Jetzt  griff  ich  zu  dem  salz- 
aauren  Kalke,  liefs  diesen  in  zwei  Tbeilen  Wasser  aufläsen,  und 
gab  slnndlich  von  dieser  Aaflüsuog  ftinfzehn  Tropfen  mit  einer 
halben  Tms«  Wasser  verdünnet.  Der  Erfolg  war  ganz  erwüoschli 
das  Wärgen  und  Erbrechen  hBrle  auf,  der  Puls  wurde  fühlbar, 
die  Hant  warm,  die  volle  Besinnung  kehrte  wieder  und  die  gan- 
ze Krankheit  hatte  (-wie  ich  schon  früher  erzählt),  trotz  diesem 
bangen  Anfange,  keinen  ungunstigea  oder  ungew&bniichen  Vei^ 
lauf.  Ich  glaube  aber  doch,  wenn  einen  scbwächlicb^n  Menschen 
die  Krankheit  so  überfiele,  und  man  fände  so  spät  Rath  darauf 
als  ich  in  dem  angeführlen  Falle,  so  würde  solch  Abenteuer  doch 
wol  einen  bedeutenden  und  nngünsiigen  Einfliifii  auf  den  Veilanf 
und  den  Ansgang  jeder  akuten  Krankheit  Aufsem. 


—    198    — 

Der  sweite  Fall  war  nicht  lo  bange,  aber  um  «o  viel  Sltw. 
Ein  junges  maonbarei  FräaleiD  hatte  achon  seit  techi  Monaten 
alle  Speiaeo,  ungefähr  eine  halbe  Stunde,  nachdem  sie  selbige  xa 
sich  genommen,  wieder  ausgebrochen.  Was  «ie  für  Arzenei  da- 
gegen gebraacbt,  konnte  man  mir  nicht  sagen.  Da  das,  was  sie 
ausbrach,  ihrer  Aassage  nach,  sauer  schmeckte,  so  gab  ich  ihr 
zuerst  kohlensaures  flüchtiges  Langensalz.  Die  Säure  Terschwand, 
aber  das  Erbrechen  blieb,  zum  Beweise,  dafi  es  nidit  von  Säure 
entstanden.  Ich  gab  ihr  darauf  das  Jod,  h9ne  aber  schon  in  ein 
paar  Tagen,  dafs  dieses  Uebel  nicht  unter  der  Heilgewalt  des 
Jods  stehe;  das  Erbrechen  blieb,  wie  es  war.  Nan  wandle  ich 
Liquor  Caicariae  muriafi'cae  za  fünfzehn  Tropfen  ftinfmahl  1^^ 
■n,  und  gleich  war  das  sechsmonailiche  Erbrechen  gehoben.  Dals 
ich  aber  dem  Stillstände  nicht  blindlings  tränte,  sondern  znr  Vor- 
sicht den  Salzsäuren  Kalk  noch  einige  Zeit  in  absieigeader  Gabe 
foftgebrauchen  liefs,    brauche   ich  wol  kaum  zu  erwähnen. 

Der  dritte  Fall  betrifft  ein  armes  Dienslmädcben,  welche  von 
ihrer  Herrschaft  sollte  nach  Hause  geschickt  werden,  weil  sie  schon 
zwei  Monate  lang  alle  Speisen  und  Getränke  ausgebrochen,  nnd 
die,  da  sie  beständig  dabei  gearbeitet,  endlich  sehr  flau  ond  zur 
Arbeit  unlustig  wurde,  leb  rietb  der  Herrschaft,  mit  dem  Nach- 
hauseschicken  noch  ein  wenig  zu  warten ,  und  gab  dem  Mädchen 
di«  vorhin  beschriebene  Salzsaurekalkanflösung  zu  fünfzehn  Tro- 
pfen fünfmabl  tags.  Was  soll  lA  viel  Worte  von  dieser  Sache 
machen  t  das  Erbrechen  horte  auf,  und  das  Mädchen  erhohe  sich 
gar  bald  wieder.  In  diesem  letzten  Falte  war  die  Erkennlnifs, 
ob  das  Erbrechen  Ur-,  oder  Mitleiden  des  j\iagens  sei,  durch  Zei- 
chen ganz  unmöglich.  Wenn  man  die  Kranke  ansah,  und  ihre 
Klagen  hörte,  so  sollte  man  geschworen  haben,  ihre  Leber  müsse 
■ebr  angegriffen  sein;  denn  sie  hatte  Schmerzen  in  den  Präkor- 
dien  und  sah  recht  garstig  gelb  aus.  Ein  Urleiden  des  Magens 
kann  aber  ganz  gut  cousensnell  auf  die  Gallengänge  einwirken, 
eben  so  gm  als  eine  Urkrankheit  der  Gallengänge  conseosnelle 
Magenleiden  venirsachen  kann:  darum  sind  alle  solche  Zeichen 
nicht  viel  werth. 

Der  vierte  Fall  betrifft  ein  mannbares  Mädchen ,  welche  acfaon 
lange  über  Schmerz  im  linken  Hypiockandrio  geklagt,  mfifsig  Blut 
wbrochen ,  und  darauf  am  Erbrechen  geblieben  war.  Hier  war 
das  Erbrechen  noch  nicht  alt,  aber  schmerzlfaft.  Der  salzsaore 
Kalk  leistete   auch  hier  alles ,   waa  man  wünschen  konnte.  — 

Ich  fSrchte,  durch  weitschweifige  Erzählung  gewöhnlicher 
Krank  he  it  sßllle ,  den  Leser  tu  ermüden,  darum  mag  es  mit 
diesen  genug  sein.  Seit  jener  Zeit,  bis  ins  Jahr  1836,  hat 
«ich  mir  der  salzsaure  Kalk  als  ein  ausgezeichnetes  Magenmittel 
bewähret.        Er    hebt    einen    eigenen    krankhaften    Zustand    des 


—  I»  - 

MagM»,  4er  «kfa  nicbt  imner  dncli  Etbrethmt,  MB^ern  auofa 
4«ccb  madere  kraokbafis  Gefühle,  duicb  Scbuiorz,  Aufgetrieben- 
h«it  Dach  dem  Euea ,  Aufstofaen  von  Windea  u.  a.  w.  offenbaret, 
nsd  der  sich  weder  darcb  Kali  acelicum  nocb  dureh  Natnn  ace- 
Üemm,  WisMOlh,  Kohleiu&ure,  Jod,  oder  andere  MagenniiUel 
-  beben  läfst. 

Wer  diesen,  kronkbafien  Zusinnd  unter  eine  ideelle  icbulrechte 
Kategorie  reiben  will,  der  mag  ea  ihnn.  Ich  ihae  es  oichi ,  weil 
ich  weifü,   dab  darin  kein  Niilsen  für  die  Praxis  steckt. 

In  der  Folge  werde  ich  nocb  wol  Gelegenheiten  finden,  eini- 
ge Fälle  anxuführen,  die  die  aaSgeze! ebnete  Wirkung  des  Mit- 
mIm  deallich  bekunden;  jeiit  läfat  sieb  diesem  nicht  ibun,  uenn 
irh  nicht  von  der  mir  vorgesetzteji  Ordnung  abweichen  nill. 

Oben, habe  ich  gesagt,  Magenleiden,  ea  möge  als  Schmers, 
Erbreohen,  oder  Krämpfe  sich  äufsern,  sei  in  den  meisten  Ffillen 
ein  con sensuelles;  jelxt  setze  ich  nocb  hinzu,  deb  in  manchen 
F&llen  die  Auffiodaag  des  uiergrifi'enen  Organs  nicht  allein  ziem- 
lich schwierig,  sondern  fast  unin5gltcb  sei.  Ich  bebe  einst,  vor 
acht  und  dreifsig  Jabren,  mit  einem  sehr  heftigen  Magenkrämpfe 
»1  kämpfen  gehabt,  ihn  als  ein  UrUiden  des  Marens  angesehen, 
und  in  dem  Jahre  1829  ist  es  mir,  wo  nicht  gewifs,  doch  sehr 
wahrscheinlich  geworden,  dafa  der  heftige  Magenachmerz  von 
Galleusteinen  hergerührt  habe.  Da  der  Falt  wirklich  in  fietrclV 
der  Diagnose  etwas  Belehrendes  enthält,  lo  will  ich  ihn  in  aller 
möglicben  Kurse  erzählen. 

Im  Jahre  1797  sollte  ich  eine  nngefähr  dreifsigjäbrige  Frau 
(beiläufig  gesagt,  die  schönste,  welche  ich  je  gesehen)  vom 
heftigen  Magenkrämpfe  befreien.  Der  Krampf  kam  mefarmahls 
des  Tages,  war  heftig,  sehr  sehmenchaft,  und  endigte  mit  Cin- 
mahtigem  Erbrechen-  Er  blieb  zuweilen  mehre  Tage  aus  und 
kehrte  dann  ohne  auffallende  Veranlassung  wieder.  Die  Frau 
war  äbrigens  gesund,  gut  genährt,  hatte  ein  blühendes  Ansehen 
uDd  vollkommen  reine  Hautfarbe.  Id>  Ihat  mein  Bestes,  sie  von 
den  grofsen  Leide  zu  befreien ;  aber  meine  Bemühung  war  frucht- 
los, und  nach  manchem  vergeblichen  Heilversucbe,  blieben  Mofa o- 
■aft  und  warme  Umschläge  die  einzigen  Mittel,  dje  ich,  damabls 
noch  in  meiner  Einfalt,  zur  Linderung  auftreiben  konnte.  Das 
Uebel  schlils  ab,  ohne  dab  ich  sagen  konnte,  ich  habe  es  ge- 
heilt. Die  Spur  desselben  blieb  aber  immer  zurück,  und  es  ist 
selten  ein  Jahr  vergangen,  wo  nicht  ein,  oder  ein  paarmabi  sich 
eine  Mahnung  mehr  oder  minder  schmerzhaft  einstellte.  la  den 
leuten  Jahren,  seil  ihr  alter  podagriicber  und  steinsüohtiger 
Mann  das  Zeitliche  gesegnet,  sah  ich  sie  wenig;  denn  sowol  sie 
als  ihre  Kinder  waren  kräftige  Menschen,  die  sich  ein  kleioes 
ki>fperlichei   Ungemach   nicht  irren   liefien.     Vor  ungeßibr  neun 


—    200    —       . 

Jibren  norde  ieb  za  ihr  gerafen;  ne  litl  an  Eibrechaa,  wvIobM 
schon  mehre  Togs  angshallMi,  and  da  mb  anfing  inatt  so  wu> 
rlen ,  80  trauet«  sie  dem  Hand«)  nicht  mehr ,  begehrt«  drabaib, 
ich  Rotle  ihr  von  dem  Uogemaebe  helfen.  Die  Hölfe  war  gering 
gefonden ,  drtifiig  Tropfen  Jodtinktur  stillten  das  Crbrechea,  und 
ich  härte  nicbta  mehr  von  der  Frau ,  ala  dafi  sie  wohl  sei.  Ich 
muls  aber  hier  noch  bemerken,  dafa  sie  schon  vor  mehren  Jah- 
ren über  Schmerzen  in  den  Fersen  geklagt;  das  ist  kein  gulea 
Zeichen.  Mit  solchen  Ferse nBchm erzen  sind  leicht  solche  Men- 
schen behaftet,  welche  Verstopfungen  in  Leber,  in  Mils,  oder 
im  Pforladersystem  haben,  oder  solche,  welche  heiniliob  Gallen- 
oder Nierensleine  bergen.  Im  Jahre  1829  fragte  sie  mich  um 
Halb,  was  zu  thun  sei,  wenn  man  Gallensteine  bei  sich  habe, 
Sie  zeigte  mir  einen,  der  ihr  durch  den  Stuhlgang  abgegangen. 
Aof  mein  Befragen,  ob  sie  nicht  ein,  oder  ein  paar  Tage  vor- 
her Schmerzen  gefühlt,  antwortete  sie:  nein,  sie  habe  anch  kei- 
nen Schatten  von  Schmerz  gefühlt;  aber  seil  sie  diesen  SieiD 
%a  Tage  gefördert,  fühle  sie  einen  dampfen,  jedoch  ganz  leid- 
lichen Schmerz  in  der  rechten  Seite.  Der  Stein,  welchen  sie 
mir  zeigle,  war  zwar  ranb,  hatte  aber  keine  scharfen  Ecken, 
er  war  xwar  nicht  grofs,  aber  doch  so  grofs,  dafs,  wenn  man 
nicht  die  Ausdehnbarkeit  der  Kanäle  int  menschlichen  Körper 
kenneie ,  man  nicht  begreifen  könnte ,  wie  er  ohne  Scfanierzea 
zu  erregen  sich  einen  Weg  durch  den  Gallengaug  gebahnt :  aber 
die  Kanäle  im  menschlichen  Korper  sind  nicht  blols  sehr  aus- 
dehnbar, sondern  auch  sehr  gefällig,  so  lange  sie  nicht  feind- 
lich gereizt  werden.  Ein  dreimahl  kleinerer  Stein,  mit  scharfen, 
spitzen  Kanten,  würde  bei  seinem  Durcbbniche  durch  den  Gal- 
lengang wahrscheinlich  die  übelsten  Zufälle  erregt  haben.  Mir 
ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dafs  Gallensteine  ( deren  wabrscheio- 
licb  noch  eine  gnle  Menge  in  der  Gallenblase  steckten,  deoa 
sonst  würde  der  kleine  wol  schwerlich  herausgedrSngt  sein)  schoa 
vor  zwei  und  dreifsig  Jahren  dieser  Frau  die  MagetuchinenMo 
verarsBcht  haben.  Mftglicb  ist  es,  dafs  damahls  die  Steine  scharfe 
Ecken  gehabt,  darum  ist  der  Schmerz,  den  sie  verursacht,  sehr 
heftig  gewesen.  Durch  die  Zeit  sind  die  scharfen  Unebenheiten 
"l>S^gl^i"t  1  ausgefiillet,  oder  der  Himmel  .weifs,  auf  welche 
Weise  geebnet,  und  der  Schmerz  ist  minder  geworden  und  selt- 
ner gekommen.  Das  Abgehen  der  Gallensteine  durch  den  Sluhl- 
gang  mag  vielleicht  öfterer  geschehen  als  wir  denken;  wer  ach- 
tet auf  solche  Dinge,  und  wer  kann  darauf  achten !  Fünfzigmahl 
können  Steine  durch  den  Stuhlgang  weggehn,  ohne  dafs  der  Stein- 
siicbiige,  oder  sein  Arzt  auch  nnr  eine  VernMithiing  darüber  ha- 
ben. In  dem  gegenwäfiEgen  Falle  hing  die  Entdeckung  der  Stein- 
auBSondening  von   einem   ganz  kleinen  Zufalle  ab;   nämlich,    die 


—    JOl    — 

Fna  b*koMMt  «hnaabl  OKcbtt  Oefiiaag  nnd  bedient  «ich  d«« 
LsilMtableB,  dieier  hat  einen  blechernen  Eimer,  die  Magd  böK 
beim  AaatrageD  des  Eimers  das  Anschlagen  des  Steines  an  da« 
Bbeb,  nnd  dadnrcb  wird  die  Entdeckung  gemacht;  wäre  der  Ei- 
MST  rua  Holi  gewesen ,  «o  wfirde  sie  nicht  gemacht  worden  sein. 

Ich  IcitaDle  jetst  noch  von  einigen  andern  MagenniiUeln  spre- 
chen; da  t^  aber  besorget  Manche  Leser  m&cbten  Mehr  Erfafa- 
ning  aber  salbige  haben  als  ich ,  so  wird  as  am  besten  sein ,  ich 
•ehweige,  aamahl  da  ich  in  der  Folge  noch  Gelegenheit  6ndeB 
werde,    fiber  das  eine  und  das  andre  ein  Wort  fallen  lu  lassen. 

leb  kann  aber  nicht  rem  Magen  scheiden,  ohne  vom  Blut- 
brechen-  etwas  tii  sagen.  Die  Meinnog  der  Schrifiitsller  nber 
diese  Krankheit  bAngt  wahndieinlich  von  ihrer  besondem  Erfah- 
rang  ab.  Der  eine  siebet  das  IVbel  als  recht  geführlicb ,  der  an- 
dere als  minder  gefUhrlich  an.  Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  nor 
einen  einzigen  Menschen  daran  sterben  sehen ,  nnd  xwar  den, 
von  welcbcm  ich  ao  eben  gesprochen,  der,  weil  er  schon  ein  Jahr 
lang  alle  Speisen  MHgebrocfaen  nnd  viel  Schmersen  im  Magen  ge- 
babl,  wahrscheinlich  am  Seirrio  litte,  also,  dafa  dns  Bluibredien 
der  letale  Anfiritt  eines  mehraktigen  Trauerspiels  war.  Urber  die- 
sen Kranken  und  Qber  die  Art  seines  Todes  kann  ich  weiter  nichts 
sagen;  denn  ich  war,  nach  eingetretenem  Blntbrecben,  nnr  als  bera- 
ihender  Arzt  ngest^n. 

Da  ich  nnn  seit  dem  Jabr«  1795  bis  1835  nnr  Eiaen  Menaohen 
asa  Blnlbreefaen  habe  sterben  sehen ,  *)  das  Blnibrechen  aber  (  wie 
^scbaftigte  Praktiker  wol  wissen)  gar  nicht  n  den  sriienen  Uebeln 
gehört;  so  kann  ich  der  Meinnng  solcher  läcfariftsieller  nicht  sein, 
die  es  für  geHbrlich  halten.  Eine  andn«  Frage  ist  die,  ob  es  eis 
bedenkliches  Hebel  sei  ?  Das  ist  es  allerdings ;  es  ist  gewilhll- 
lieh  die  Folge  chroniacher  Affektion  der  Mila,  leltener  der  Le- 
ber; sum  wenigsten  siebet  man,  dafs  solche  Lente,  die  lange 
aber  Scbmeräen  im  linken  B^ockoitdriu  gekl^^ ,  endlich,  wenn 
selbige  keinem  Mittel  weichen  wollen,  ans  Blntbrecben  kommen, 
■ad  dafs  dann  die  dm  Apolhekermiiieln  widerstehenden  Schmer- 
Ken  durch  das  Blntbrecben  gehoben-  werden.  In  vielen  Fällen  ist 
■a  offenbar  wobltbätig;  darum  tbut  aian  auch  dem  Kranken  einen 
seUechten  Dienst,  wenn  man  es  dnrdi  usanimeMiehende  Mit- 
te) ,  oder  dnreh  SInren  m  besamen  sncbt ;  Jedoch  darf  man  aneb 
von  dieser  Regel  keinen  allgemeineD  Canon  machen,  denn  ea^ 
kSnnen  ja  Unaläode  sich  hieben,    da£i   von  der  ktttftigea  Ham- 


*)  Seit  ich  Obife«  g«tekrieb«B,  habe  ieb  dco  swcilna  tSdtlkhen  Fall,  aod  mar 
bei  ciaer  Jangfran  erlebt,  die  alte  Baacbleidea  lalle.  Sie  itirb  dea  Sita 
Tif.  Dret  Jalre  Mber  nrde  fie  laa  erHea  Heble  y  ~'  '  ~ 
aa4  4s»tbU  keileta   *•  *akas  Hfib« ,  sie  »  erballes. 


,„,  Google 


mung  der  Mag^enUatung  i»  ErhalWDg  dea  Lebws  sinrig  sUiftagt. 
ich  babe  eiRen  solchen  Fall  wirklich  noch  nicht  erlebt,  bcgraifo 
wb9r,   dafs  er  sieh  Eucrogen  kann. 

Es  ist  schwer,  ja  unmöglich  lu  sagen,  ob  die  üblen,  baa- 
geo  ZnfiÜle,  die  swar  nicbt  immer,  »ber  doch  oft  genug  i»a 
Bhitbrechen  begleiten,  ah:  mehr  oder  minder  enisiellles  Gesicht, 
kalte  Extremitäten,  kleiner,  kaum  fiifalbarer,  zuweilen  nnregel- 
laäfaiger  Puls,  zuweilen  Beiinnungsloaigkeit,  oder  wirkliche  Ohn- 
macht; ob,  sage  ich,  diese  Zufälle  sieb  zu  dem  Akt  der  Blut- 
Hiissondemng ,  die  in  dem  Magen  vorgebt,  als  Wirkung  zur  Uf> 
aache  verbalten ;  ob  sie  blofs  nothwendige  Begleiter  einer  gewalt- 
■amen  Natnrselbslheilnng ,  oder  eineFol^e  der  Erschöpfung  darsh 
starke  Bluiausleerung  sind.  UnmSglich  ist  dieses  zu  bestiMmeo; 
denn  heftige  Blutungen ,  die  hier  unsichtbar  vorgeben  kSnaan, 
(das  in  den  Magen  ergossene  Blut  kann  ja  eben  sowol  nach. un- 
ten gehen  als  durch  Brechen  ausgeworfen  werden)  mögen  recht 
gut  die  nämlichen  Zufälle  hervorrufen,  als  das  woblthätige  Be- 
streben der  Natur  sich  Rchädlicber  Slotfe  zu  eaileeren.  Auf  all« 
Fälle  glaube  ich,  dafs,  da  im  Allgemeinen  beide  von  einander 
sehr  versobiedene  Zustände,  die  doch  auch  wol  eine  ganz  ver- 
schiedene Behandlung  erfodern  möchten ,  nicht  m  iintersebeidea 
sind,  man  am  besten  tbnt,  ein  solches  Mittel  zu  reichen^  wel- 
ches mit  eigentbiimlicher  Kraft  woblthätig  auf  das  Epigaririuwt 
einwiriien,  nnd  ohne  der  Selbst heilung  der  Natur  gewaltsam  in 
den  Weg  zu  treten,  allen  überniäftigen  Blutungen,  die  im  £pi- 
gattrio  ihre  Entstehnng  haben,  Einhalt  thiit.  leb  spreche  biM 
von  einem  Mittel,  von  dem  ich  schon  viel  gesagt.  Dämlich  von 
dem  Samen  der  Frauendistel.  Seit  16  Jahren  habe  ich  mich  beim 
Blnibrechen  einer  Abkochung  desselben  bedient,  und  mich  besser 
dabei  befunden  als  bei  allen  andern  Mitteln.  Früher  gab  ich 
Mohosaft  io  kleinen  Gaben;  auch  das  ist  in  vielen  Fällen  ein 
gutes  Mittel.  Manche  Menschen,  besonders  AltP,  vertragen  aber 
den  Mobnsaft  nicht  etnmahl  in  kleinen  Gaben,  er  erregt  ihnen 
ein  GefBh)  von  Hinfälligkeit,  ja  selbst  Ohnmächten.  Diese  Mohn- 
saftsnnvertriglicfakeit  kann  man  niemandem  ansehen ;  darum  habe 
ich  es  hintennacb  vorgezogen,  mich,  so  viel  e«  thunlicfa,  eines 
Mittels  zu  enthalten,  welches,  da  ich  nnmöglich  die  Besonderheiten 
der  Natur  «Her  Einzel  mens  eben  kennen  kann,  zu  deren  Beistand 
ich  aufgefodert  werde,  mich  durch  seine  Wirkung  in  Verwirrung 
bringen  könnte;  indem  die  Zufälle  einer  feindlichen  Mobnsafts- 
wiricung  mit  denen  des  Blntbrechens  die  grofate  Aehnlicbkwt 
haben. 

Das  BIntbrecben  ist  eins  von  denen  Uebeln,  bei  welchen  es 
vorzüglich  dringend  oothwendig  ist,  dafs  der  Arzt  das  Gemnth 
des  Kranken   beruhige.     Fnrobt  und  Schrecken   bringen  Iwi  man- 


ckM  KBrpeni  ZofMle  hervor,  die.d«iwn  äballeh  sind,  wriohe 
du  BlnlbreebeD  bwgleiten ;  alio  werden  jene  Gemüt bsbewegoogen 
wol  vorxB^lioh  Bchädlich  sein  nnd  deD  wohlUiSti^en  Ileilmiiieln, 
wdehe  wir  reieben,   enigegenwiiken. 

Ueber  die  Weise,  wie  das  Blnt  in  den  Magen  kommi,  sind 
■ich  die  Aerxie  in  der  Schriftsteller  weit  aneh  nicht  ganz  gleich. 
Mein«  Meinung,  die  ich  an  dem  One  geäufsert  habe,  wo  ich 
von  der  DarnMutung  gesprochen ,  innfs  ich  jetzt  wiederholen : 
mir  scheint,  das  Bint  mag  herlioranien,  woher  es  will,  so  k^nu 
es  doch  nicht  in- dton  Magen  kommen,  als  dorch  Aufberslon  einer 
Bluiaderanscbweliang  im  Magen.  Bei  Oe&hung  der  mn  Bluibre- 
diMi  Verstorbenen  will  man  keine  Schrunden  gefunden  haben; 
aber  das  Ueherseben  einer  solcbeo  Kleinigkeit  ist  leicht  möglich. 
Eine  Schrunde  in  einer  Blutaderan Schwellung,  welche  grofa  ge- 
nug wSre,  eine  bedeotende  Monge  Blut  in  die  HShle  des  Magens 
an  laseen,  mufs,  eo  bald  die  Anscfawellung  zusammen  gefallen 
ist ,  mm  oabedeulenden  Uitzchen  zusammenscfanimpfen ,  gerade 
wie  auMheinend  grobe  nnd  tiefe  Schnittwunden  wassergeseh wul- 
stiger Thnle,  nach  beigefallener  Wasiergeschwulst ,  als  anbedeii- 
tende  Schrammen  erscheinen;  und  wie  leicht  kann  so  etwas  bei 
der  Leiebenbesicbtigung  übersehen  werden.  Eine  Blutung  per 
Anattauotin  scheint  mir  zwar  im  Allgemeioeo  nicht  gerade  «in 
intlicfaea  Pbantasiebild,  es  kommt  mir  aber  so  vor,  aU  eigene 
sich  der  Magen  und  der  ganze  Darmkanal  (mit  Ausschlüsse  des 
Mastdarmes),   so  wenig  alr  die  Haut,    zu  solchen  Blutungen. 

Ueber  das  AdeilasseU  beim  Biuibrecben  sind  anch  schon  in 
der  Medizin  rerachiedene  nnd  enigcgengeseizte  Meinnugen  vorge- 
tragen; es  scheint  mir  aber  nicht  der  Mühe  wenfa,  über  diesen 
Gegenstand  ein  Wert  zu  verlieren.  Wer  gesunden  Verstand  be- 
sitzt, der  wird  schon  selbst  wissen,  was  von  der  Sache  zu  hal- 
ten sei;  wei  diosen  nicht  besitzt,  der  mufs  thnn',  wie  der  ge- 
lehrte und  berübrate  Arzt  schreibt,  dessen  Bach  er  gerade  zuletzt 
gelesen  hat. 

Wichtiger  ist  der  Gebraacb  der  Laxirmiltel.  Da  in  den  mei- 
sten Fällen  ein  grofser,  ja  vielleioht  der  grofste  Theil  des  in  den 
Hagen  ergossenen  Blutes,  nicht  dnrch  Brechen  ausgeworfen  wird, 
■ondern  den  Darmkanat  binnnlersleiget ,  so  fragt  es  sieb,  ob  dieses 
durch  Laxirroittel  müsse  entfernt  werden.  Im  Aligemeinen  ( rorbe- 
hallen  die  Ausnahmen  )  kann  man  tt^hsuplen ,  ja ,  es  ist  eine  Ansloe- 
nog  des  in  den  Darmkanal  hinuntergegangeneoBlutes  durch  gelinde 
Laxirmittel  sehr  zweckmäfaig ;  denn  dieses  Blut  scheint ,  nach  dem 
angebener  aashaften  Gemche  des  Abganges  za  schliefsen ,  eine  eige- 
ne Verderbnifs  in  dem  Darmkanale  zw  untergeben.  Der  mehr  oder 
minder  hervorstechende  fieberhafte  Zustand ,  der  ein  paar  Tage 
nach  Slillinig   des  Erbrechens   und  BeKihigong  des   gnosen  Org«- 


nbrnuB  eiatiitt,  nod  der  alltnÜBgs  xaww)«a  mir  In  U^ehagUob- 
keii  unil  etwas  Fräsielo  b«itehei,  suweiloD  «iMr  in  «in  lebhaft*» 
Fieber  aoaariet,  wird  wol  vod  dem  Reise  dei  verdorbenen  Blaies 
berkominen ;  denn  -man  kann  ihn  ja  durch  AuRleernng;  dei  lehww 
Ken  Schlamme*  heben«  ihm  eelbit  durch  »ilige  Anweadong  dei- 
Laxirmiltel  xuvorkommen. 

Ut  ea  aber  im  Allgemeioen  gnt,  den  DarnikaiMl  tob  dem 
verdorbenen  Blute  n  befrcieo ,  so  kann  doch ,  sonderlich  bei 
allen  Leuten ,  durch  doa  Bluibrechen  ein  eolcher  Zsitand  des  Ge- 
■ammtorganiitnue  herbeigeführt  werden,  der  die  Anwendung 
der  Laxirniitiel  verbietet.  Ich  habe  schon  erlebt,  dala  ich  ei- 
ner alten  Frau,  nach  einem  heftigen  Bluthrechen,  durch  grofin 
und  oft  wiederholte  Gabeo  Schwefelälher  xwei  Tage  lang  eia 
künstliches  Leben  unterhalten  mufste,  und  dafs  erat  am  dritten 
Tage  das  Leben  wieder  selbsut&ndig  xn  werden-  anfii^.  Wer 
würde  ea  ubd  hier  wagen,  gleich  nach  dieaer  Scene  Laxiimiltel 
in  den  Darmkannl  an  schicken!  Ich  habe  mich  auf  einfache 
Hauftklystire  besebrHnkt,  und  es  darauf  ankommen  lassen,  ob 
Laxirmittel  in  der  Folge  dringend  nöihig  sein  würden  oder  nicht. 
Sie  waren  es  nicht;  die  Masse  des  in  den  Damikanal  binanier 
gegangenen  Blutes  war  im  VerhSitnifs  zu  dem  ausgebrochenen 
nur  geringe  gewesen. 

Ea  kann  mttglicb  sein  und  ea  ist  mir  lelbst  wahrscheinlich, 
dafs  aoweilen  heilaame  Blutungen  in  dem  Magen  vorgeben,  von 
welchen  selbal  der  Kranke  keine  Ahnung  hat-  Ich  sehe  nieh« 
ein,  warnm  gerade  Hagenblutnng  immer  ein  Erbrechen  sollte  be- 
wirken müssen;  das  Blut  kann  auch  hinunter  gehen,  und,  wia 
andre  in  den  Magen  gebrachte  Dinge,  durch  den  After  ausgeleert 
werden.  Auf  die  Weise  kann  mancher  von  allen  Bauchleiden 
pldtxlich  befreiet  werden,  und  niemand  mag  hintennach  das  Ge- 
heimniia  seiner  Heilung  ergründen.  Auch  nidiUnülxigcr,  aweck- 
widriger  Anenei  wird,  wenn  ihr  Gebranch  mit  solchen  Natnr- 
operatiooen  xosammentrifft ,  ein  aonderlicber ,  aber  unverdienter 
Ruhm  beigelegt.  Ein  gar  einf&ltiger  Ant  (wofern  nimlich  daa 
Vorhandeiiaein  eines  solchen  in  unaern  Tagen  noch  rodglicfa  ist) 
kann  in -den  Augen  der  Welt  das  Ansehen  eines  wahrhaften  Heil- 
weisen  erhidten,  wenn  die  Natur  mit  ihren  gewaltsamen  Opcra- 
liotwB  WMndergleich  eingreift  und  Er  eben  Men  Beben  verstand  gt- 
nng    hat,  seiner  Meiaietinn  nicht  gar  lu  widtrsKtiig  xu  sein.*) 


*)  In  den  Jabrea  183S  und  3A  bcobacbtste  lob  iwti  wlcbcr  Füll« ,  du  aina« 
bei  einem  BOjibrigen  Henn«,  dep  iweitep  bei  einer  jgncen  «ebwiagerea  Fraa. 
Beide  klagten  ober  ein  GerSbl  voi  rrofter  HiaräHigkeil,  waren  betllbgeils, 
■nd  waiea  plHaliek  «TBrilnn  worden.  IHe  jnose  Fmn  hatte  liare  nad  eil 
wiederkehrend*    Ohnwwhiaa«  and    nahaltesda   KriEarr«    In    dar    Sraii«r«hra. 


—    205    — 

Ich  bähe  die  Gewahnheil,  solchen  MvnicKen,  die  lang«  an 
ScfameneD  im  liokeo  IfypoekMiJrio  geliiten,  tind  solchen,  bei 
denen  der  Scbmen  auf  der  Grense  der  Regiomü  tpiga$lricme  and 
kypocko*driacae  tinittrae  seinen  Siu  hatte,  und  welche  schon 
mehre  Aerste  vergebens  gebraiit^l,  es  als  wahncheinlicb  vorher 
lu  sogen,  dafs  sie  frBher  oder  ipSier  Blutbrechon  bekommen  wer- 
den, dafs  sie  sich  aber,  im  Falle  solches  einträte,  nicht  furch- 
Ion  sollen  SU  sterben;  vielmehr  werde  aolcbei  su  ihrem  Heile 
gereichen.  Durch  diese  Voransiaguitg,  nicht  eines  gewissen, 
aber  eines  wahrscheinlichen  oder  mSglichen  Begebnisses,  welches 
in  den  Angen  der  meisten  Menschen  furchtbar  ist,  habe  ich  die- 
sem Begebnisse  znweilen  seine  Furchtbarkeit  benommen  nnd  mir 
grofsen  Dank  «rwörfaen.  Solche  Voran ssagnngen  gehftren  nicht 
lu  den  firztlichen  Ganklereien,  sondern  sie  sind  wahre  Hülfsheil- 
miitel.  Wer  die  Berohignng  des  Gemnths  nicht  als  ein  HQIfs* 
heilmitiri  heim  Blntbrecheo  erkennen  wollte,  der  würde  dadnrch 
beweisen,  dafs  er  noch  nie  einem  solchen  etwas  ernsthaften  Auf- 
tritte beigewohnt.  Eine  Vorauisagung  des  knnfiigen  Heils  durch 
das  Blnibrechen  wirkt  beim  wirklichen  Eintritte  dieses  Begebnis- 
ses (und  ich  habe  schon  erlebt,  dafs  es  erst  drei  bis  vier  Jahr 
nachher  eintrat ) ,  nnglanblich  beruhigend  auf  den  Kranken.  Diese 
Voraussagang  mufs  man ,  hinsiehtlich  ihrer  Einwirkung ,  ja  nicht 
mit  den  Bertibigungsreden  in  Vergleich  stellen,  die  erst  dann 
von  dem  Arzte  ausgesprochen  werden ,  wenn  das  furchtbare  Er- 
eignifs  wii^lich  eingetreten  ist;  diese  leisteren  werden  von  dem 
Kranken  zu  den  gemeinen  Vertröstungen  der  Aerxie  gesShIt,  de- 
ren auch  der  Sterbende  nicht  bar  bleibt,  nnd  welche  sehon  iKngst 
allen  Glauben  würden  verloren  haben ,  vrenn ,  mm  Glttcke  der 
Aerzte,    der  Mensch   nicht  das  gern  glanbte,    was  er  wfinscht. 

Wenn  es  aber,  nicht  so  wol  der  Klugheit,  als  vielmehr  der 
ftrstlichen  PAicht  nnd  der  Menschenliebe  gem&fs  ist,  den  Kran- 
ken, sonderlich  denen,  welche  von  Srztlicher  Hülfe  etwas  ent- 
fernt wohnen,  da«  mftgHcbe  künftige  Bluibrechen  vorher  an  sa- 
gen ;  80  mnfs  ich  doch  bekennen ,  dafs  man  mit  solcher  Voraus- 
sagnng  seine  Amtsgenossen,  die  torher  an  dem  Kranken  geflickt, 
auf  eine  unschuldige  Weise,  als  ungeschickte  nnd  einfältige  Heil- 
meister darstellen  kann.  Ich  habe  einmabl  den  Fall  erlebt  (bei 
einem  eben  nicht  ganz  einstigen  Manne),  dafs  meine  Voraussa- 
gnng,    in  Betreff  des  Bluibrechens ,    nngeOthr  schon  vier  Wochen 


Der  Absang  tsbleDtctwiriBf ,  ■■•bstter  Exkrc««D(«  gab  dis  tieher«  Br- 
keoBtaih  det ,  blnilebtlieb  itrZatiM»,  rilhielbinea  Zaitinder.  Et  liTft  iieb 
gerade  siebt  bcb«uplea  ,  iI*F^  la  lelcbcn  F'iIIcb  dai  BIdI  «di  diai  Hagea 
kaHBi«;  aber  dafi  ei  aai  einer  bobea  Gegend  dei  Damkanali  knaae,  llftt 
■kk  ail  Btaltaalbail   batiia|ilrn. 


—  J06  — 
nachher  in  GrftlDnng  giif  und  <lAfs  er  von  allen  leioen  Banch- 
leiden  befreit  wurde,  (  ob  für  imner!  das  will  ich  wahrlich  niohi 
behaupten).  Dieser  Mann  stellte  nun  folgende  ganz  einfache  und 
anf  seine  Weise  kluge  Betrachtung  an,  von  deren  nnumstöfsK- 
cher  Wehrheil  er  ao  fest  iiberseugt  war,  dafs  ich  ihm  das  Ge- 
geniheil  nicht  einmahl  als  wahrscheinlich  in  die  Wage  legen 
durfte.  Mein  langes  Elend,  sprach  er,  ist  von  verdorbenem 
Blute  im  Bauche  hergekommen ;  Sie  haben  diese  CatuoM  materta- 
lem  alsohald  erkannt,  denn  Sie  haben  mir  gesagt,  es  würde  mir 
frfifa  oder  spKt  das  Blut  von  oben  weggehen ,  von  unten  würde 
eine  kohlaohwarze ,  aashafte  Masse  entleert  werden  und  ich  dann 
mich  besser  befinden.  Alles  ist  eingetroffen,  und  ich  begreife 
wol,  dafs  Ihre  Arzenei  das  Blut  und  die  schwarte  Materie  los* 
gearbeitet  hat.  Warum  haben  nnn  aber  meine  zwei  vorigen  Aerzle 
eine  so  einfache  Sache  nicht  auch  eingesehen?  Ans  dem,  was 
diese  mit  mir  getrieben,  mufsich  wol  schliefsen,  dafs  sie  enl- 
weder  ganz  einfältige  Menschen  sind,  welche  die  Hochgchnle  mit 
Unrecht  zu  Doktoren  der  Medizin  gemacht  hat*  oder  da(t  sie 
Schelme  sind,  die  mich  nur  lange  haben  hinhalten  wollen,  um 
brav  Geld  von  mir  zu  ziehen. 

Was  soll  man  nun  zu  solchem  verzweifelten  GeschwBlze  sa- 
gen! —  Es  hat  Pasquillen macher  in  der  Welt  gegeben,  die  nna 
vo^eworfen;  Wir  seien  es  nicht,  die  Krankheilen  heilen,  son- 
dern die  Nalnr  ihue  et  allein.  Es  hat  schreibende  Aerxie  gegeben» 
so  wol  in  der  alten  Well,  als  jetzt,  die,  besonders  von  den  akuten 
Krartkheiten ,  dasselbe  behaupten,  ja  die  noch  weiter  gehen  nnd 
vorgeben,  hei  akuten  Krankheiten  stehe  der  Arzt  nur  zu  oft  feind- 
lich der  heilenden  \atnr  gegenüber,  nnd  diese  müsse,  um  zu  hei- 
len, Krankheit  nnd  Arzt  zugleich  bekSmpfei».  Allerdings  ist  et- 
was Wahres  daran,  dafs  die  heilende  Natur  selbst  den  Unwissenden 
nnd  V erste ndesarmen  zum  Rnfe  eines  IrefHichen  Heilkiiustlerz  ver- 
helfen kann;  da  aber  diese  nämliche  heilende  Natur  den  verstän- 
digsten Arzt  in  den  Augen,  wo  nicht  einer  grofsen  Menseben  messe, 
doch  in  den  Augen  gewisser  Gesellschaftskreise  «um  wahrhaften 
Tölpel  machen  kann,  so  hebt  steh  meines  Eracbtens  Vortkeil 
nnd  Nachtheil  gegen  einander  anf,  und  es  läfst  sich  weiter  nichia 
davon  sagMi,  als  dafs  die  Medizin  eine  gar  wunderliche  Kunst  sei. 

Darmmittel. 

Zuerst  bemerke  ich  hier,  dafs  Krankheilen  der  Dfirme  grSfs- 
teniheils  entweder  AfTekiionen  des  Gesammiorgantsmus  sind,  wel- 
die  in  dem  Darmkanale  vorwalten,  oder  coosensnelle  Affektionen. 
Nach  meiner  Erfahrung  zu  nrtheilen,  ist  in  den  allerwenigaien 
Füllen  Darmkrankheit   ein  Urleiden  der  DRrme. 


—  ior  - 

Di»  F«fMeii,  nottr  tUnen  sieb  Darmaffektiancn  daratelUn,  e.i 
migva  nun  Uraffektioiicn ,   oder  conunsnelle  «ein.    Bind  folgend«. 

1)  Solch«  widrig«  Gofuble,  w«[che  di«  Menachcn  niebi  iiMer 
di«  Kategorie  dm  Sehnen««  reih«o,  lODdern  mit  gar  man- 
eheriei  Namen  belegen,  al«:  Terschlosiene  Winde,  Mniier- 
plage,  Hypochondrie  t>.  9.  w. 

2)  Schmers ,  welcher  im  geraeinen  Leben  bald  einfach  Banch- 
■ehmera  ,    bald  Kolik   beoannt  -wird. 

3)  Dsrcblanf  und   Hartleibigkeit. 

Sobald  da«  Dannleiden  consenineller  Art  iat,  können  von 
einem  and  dem  nämlichen  Urleiden.  die  Terachiedenilen  Formen 
der  Dnrmleiden  entmehen.  Dieae  verachte  denen  Formen  können 
nsaromen  vorhanden  aein ,  oder  mit  einander  abwechseln.  80 
sab  ich  von  Leber  oder  MilxleiHen  chroniache  Harileibigkeit  und 
bald  daraaf  chroniaehen  Durchlnuf' entstehen.  Schmerz  nnd  nicht- 
schmerEbnfte  Kriropfe  können  mit  beiden  vereint  sein,  oder  mit 
ihoen  abwechseln.  Von  Nierensteinen  sah  ich  ehenfalla  die  ver- 
Kchiedenartigfsten  DarmkrankheitsFoniien  enlslehen.  Aach  di«  Voll- 
blntigkeit  des  Pfortaderajatenis  kann  die  veraohie  den  artigsten  For- 
men von  Darmkrankheit  veranlassen.  Die  Uebung  der  Heilknnst 
winf  dadurch  aehwierig,  sehr  achwierig,  dafo  das  Leiden  des 
nrerkrankten  Oi^aas  gerade  dann,  wenn  consensuelle  Aßektionen 
■larlc  vorwalten ,  sich  am  wenigsten  durch  lolehe  Znfäl)«  verrftib, 
welehe  geeignet  sind,  die  Aufmerksamkeit  des  Anlea  anf  selbi- 
ges in  lenken  oder  srn  stäien.  Wenn  zam  Beispiel  chronischer 
Dnrchfall  oder  Kolik  von  einem  Urleiden  der  Leber,  oder  der 
Mils  entsteht,  so  wird  man  am  wenigiien  Schmers  in  den 
Bypochondrien  gewahr  werden.  Ich  sah  von  Nierensteinen  heftige 
Kolik  entaiehen,  ohne  Sehmerz  in  dar  Nierengegand  und  ohne  die 
mindeste  Harn  he  seh  werde.  Ueber  den  die  Erkenotnib  erschweren- 
den Antagonismns  der  einzelnen  Orgnu»  werda  ich  an  einem  achick- 
licherea  Orle  reden;  jetzt  führe  ich  diesea  nnr  deshalb  an,  damit 
kein  Leser  denke,  ich  wolle  ihm  probate  Mittel  aaf  Kolik,  auf  chro- 
ntaehea  Darchfall,  auf  Hypochondrie  uod  andere  nosologische  For- 
men aofachwatjEen.  Die  Mittel,  welche  ich  kürzlich  anführen  werde, 
wirken  blofa  heilend' auf  Urleiden  dea  Darmkanala.  Durch  dieaeBe- 
bauptung  will  ich  aber  nicht  lAognen,  dafa  sie  aachzaweileofaeaebwich- 
ligend  auf  consensuelle  Darmleiden  einwirken,  ao  wenig  als  ich 
ISugneD  tnag,  dafs  sie  auch  einige  in  den  Därmen  vorwaltende  Affek- 
tioneo  dea  Geaammtorganismua  auf  eine  kurze  Zeit  beruhigen  mögeti. 

Znerat  spreche  i(^  von  einem  ganz  einfalligen  Mittel,  welches 
allen  Aerzten  bekannt  ist,  welches  aber  von  manchen  gering  ge- 
aefaatit  wird,  ich  meine  eine  Mischung  von  Oel,  arabischem  Gum- 
mi ond  Wasser.  Es  ist  dieser  einfache  Trank  bei  Durchfällen, 
selbst  bei  schnerzhaften ,  ein  gar  wohlthKtigesHeiltniUel;  sondern 


lieb  iai  er  bei  Kiadern  niobt  hoch  gcrag  m  icbitMa.  Er  wirkt 
nicht  anein  wohllbälig  auf  die  Dftrmc,  smilcrn  anefa  aaf  <li«  G$X- 
lengftnge.  Ich  habe  Oel,  Guinnii  and  Walter  in  venchiedeaen 
V«rhS)(niaua  Basamnengaeetxt  und  gafuadeD,  dafs  drei  Drachmen 
Oe),  eine  Unze  arabiachei  Gummi  nsd  acht  Uniin  Waaaer  iat 
beste  VerhAlinifs  ist,    worin  man  dieiM  Miichung  geben  kann. 

Bei  scbraersharien  Atfektionen  der  Därme  mit  Verst«pfmg, 
oder  sum  weoigsien  ohne  Durchfall,  ist  d«s  btofse  Oel  zwackmS- 
fsiger;  manche  Mutter,  die,  wenn  ihr  Kind  Bauchweh  bat,  gleich 
xum  Arsie  sebickl,  würde  scboellere  Hülfe  im  Gele  finden  als  in 
allan  krampfstilleoden  Apotfaekermillelo.  Fried.  Hoffmann  hält 
-grobe  Stacke  auf  das  Oel,  besonders  bei  Kindern;  der  alte  Mann 
hat  Recht,  ea  roSchte  in  manchen  Fmen  schwer  ilarch  ein  ände- 
ret Mittel  m   eraetsen    sein. 

Das  Mandelöl  ist  ein  gntea  Oel,  da  es  aber  leicht  raaaig 
wird  j  so  iat  das  Verordnen  deateUten  eine  groia«  Schererei  für  den 
Apotheker.  Am  brancbbanien  ist  das  Mohnöl,  es  iat  gans  mtM 
Ton  Geschmack  und  wird  oicht  ranzig,  wenn  man  es  nur  in  Tö- 
pfen aDl1>ewahrt,  welche  blols  mit  eieem  Leiotuche  gedeckt  sind, 
damit  der  Staub  abgehallen  werde  and  die  Luft  freien  Zutritt  habe. 
Daa  im  Handel  vorkommende  taugt  selten  zum  inneren  Gebraache; 
von  zehn  Fftasem  iat  kaum  ein  einziges,  welchea  geacbmacklos« 
Oel  enthalt.  Abgeaehen  von  der  ^ringen  Sorgfall,  die  man  auf 
die  Bereitung  desselben  verwenden  mag,  rührt  der  gröfsera  oder 
goringere  Grad  Ranzigkeit  wol  hauptsftchlich  von  seiner  Anfbe- 
wabrung  in  vertchlossenen  Fissem.  Ich  lasse  daa  Maboöl,  dessen 
ich  mich  als  innere  ArseOei  bediene ,  von  dem  Apotheker  adbtt 
und  zwar  unerwKrmt  anapreaien ;  auf  die  Weiae  iat  ea  nntadelhafl. 

Oft  habe  ieb .^en  Anadnwk  gelaaen  und  gehört:  mildes  Oel, 
Wenn'  man  diesen  Ausdruck  auf  den  Geacbmack  bezieht,  ^s«  laaae 
idi  ihn  gelten;  glaubt  man  aber,  Oel  wirke  anf  keinen  Theil  des 
Körpers,  anfaerlich  mit  demselben  in  Berübning  gebracht,  feind- 
lich, daa  Gefahl  dei  Aeizeni,  Beifaeaa,  Schreiaens  veruraach^d, 
aa  mufa  ich  gegen  aolche  rermeiniliche  Milde  des  Oels  Einrede 
Ihun.  Die  meiatea  Mitlei,  deren  ich  mich  bediene,  habe  ich  an 
meinem  eigenen  Leibe  bpi  vollkoiumner  Gesundheit  versucbt ,  nm 
zu  aehen,  ob  aie  dem  geaunden  Menachen  einige,  wenn  auch  nur 
geringe,  daa  behagliche  Gefühl  der  Gesundheit  Irübeade  Verände- 
rung hervorbringen.  Galen  sagt  in  dem  zweiten  Buche  von  den 
Eigenschaften  der  einfachen  Arzeneimittel:  das  Olivenöl  veniraaohe, 
in«  Aoge  gebracht,  ein  Geßihl  des  Brennens  und  Beifsens.  Da  mir 
eines  Tages  einfiel,  dieses  an  meinen  eigenen  Augen  zn  versuchen, 
aber  nicht  gerade  Olivenöl  zur  Hand  hatte,  so  strich  ich  mir 
Rapiamenöi  ans  Aage.  Kaum  war  durch  die  Bewegung  der  Li- 
der das  Oel  an   den  Apfel  gekommen,    so  bi&   und   sehreinle  ea 


—    «OB     - 

nieh  «■  so  «bBebeoliefa,  ani  nMchledii  A.Dge  lo  rotfa,  alt  habe  ich 
Pfeffer  bineiogiebrmht.  Ich  Terlor  dadorob  alle  £.ait,  weitere 
Vsna^e  mit  anderen  Oden  ansoitellen,  nberredete  aber  ein  paar 
junge  Leute,  dieses  an  meiner  Statt  zu  ihno.  \achdem  lie  bei- 
de ihre  Aagen  ^esalbel,  der  eine  mit  Oliven-,  der  andere  mit 
Mohnöl,  lo  behaupteten  §ie,  kein  Geßfal  davon  %a  babea;  bald 
aber  fin^  et  an,  beide  eo  bSfilich  xn  beirsen,  und  die  thr&nen- 
dea  Aagen  wurde  ihnen  ao  reth ,  dafa  sie  wOnscblen ,  den  Ver- 
Bucb  nicht  gemacht  m  haben. 

Anf  der  Hoehichule  hat  man  mich  mit  dieser  Wirlinng  des 
OeU  nicht  bekannt  gerakcbt,  Galen  bat  sie  mich  gelehrt.  Später 
Wnnaehle  ich  m  wissen,  ob  die  heattgen  nniversilitiKhen  Meister 
in  diesem  Punkte  auch  noch  die  Belebrang  ihrer  Scbäler  den  Ga- 
len nbeilassen.  Die  Gelageaheit,  meine  Neugier  xn  befriedigen, 
fand  sich  bald.  I^  traf  nSnlich  einst  in  der  Apotbkke  einen 
jangen  Aixt,  der  eben  erst  von  Berlin  kam.  Oa  mir  noch  von 
meiner  Jugend  bei  eine  besondere  Hochachtung  vor  allem  Berli- 
nUeh-Mediziniscben  Wissen  anhält,  und  der  Mann,  gut  nnterricb- 
tet  war,  se  glaubte  ich,  bei  ihm  mrine  Neugier  am  besten  befrie- 
digen XD  kSanen,  fragte  ihn  also:  ob  ihm  ancb  der  Berlinische 
Professor,  bei  dein  er  die  JUateria  mtdica  gehört,  die  Wirkung, 
welche  fette  Gele  auf  das  Auge  haben ,  ausgelegt.  Er  antwortete 
ausweichend ,  wahrscheinlich ,  weil  ihn  die  Geringfügigkeit  neiner 
Frage  kiAnkle.  Ich  bat  ihn  aber  ohne  viela  UinsiKnde,  sich  ein* 
mahl  ein  beliebiges  fettes  Oel  ans  Auge  xa  streichen :  er  tbat  es  i 
ob  er  Mohn  -  oder  Baumöl  wKblte,  weib  iob  nicht,  Anfangs  fiihlt» 
er  nichts,  bald  aber  fing  er  an,  mit  den  Aagenliedern  zn  nicken; 
nun  aufsene  das  Oel  seine  onheimlicbe  Wirkung  und  ich  entfernte 
mich ,  weil  ich  jctst  wubie,  was  ich  wissen  wollte,  aäinliob,  dafs 
ihn  sein  Lebrer  nichts  von  dieser  Wirknng  des  Ocls  auf  das  Ange 
gesagt   haben   könne. 

Heutiges  Tages  sollen  alle  Arzeneien  iiberrein  sein;,  warum 
reiniget  man  das  Oel  nicht  von  dem  scharfen  Stoße.  Da  er  eine 
SSore  ist,  so  läfst  er  sich  leicht  davon  scheiden.  Man  selze  nur 
eine  beliebige  Menge  gebrannter  Magnesia  zu,  lasse  das  Gemisch 
mehre  Tage  stehen  und  scbiitlle  es  in  der  Zeit  oft  um ,  so  ver- 
bindet sieb  die  schiirfe  Säure  mit  der  Magnesia,  und  das  Oel 
wird  so  mild,  daf^  eü  im  Ange  nicht  mehr  heifst  und  dafs  es  das 
Kupfer  nicht  mehr  auflöset,  denn  nicht  das  Oel  als  Oel  löset  das 
Kupfer  auf,  sondern  die  mit  dem  Oele  verbundene  Säure.  Die 
.Scheidung  der  Magnesia  und  des  erzeugten  Salzes  von  dem  Oele 
niachi  sich  am  besten  dnrcb  einen  Zusatz  von  Wasser;  gehet  aber 
langsam   von  Statten. 

14 


J   9J. 

Dieses  iit  ohne  Zweifel  eio  seht  wohlihueDdes  und  scbnell- 
wirkendes  Oarmiiiiltel.  Ich  hnbe  damit  Bauchschmerzen  (die  aber 
nicht  ron  scharfen  Sioffen,  noch  voo  angehäiifteiu  Darmkothe  eni- 
Blanden)  eben  so  schnell  gehobea,  all  man  sie  je  durch  iVlofansafl, 
oder  andre  narkoiische  Mittel  hat  beben  sehen.  Ich  bediene  mich 
der  einfachen  Tinktur;  vierzig  Tropfen  venniscfae  ich  mit  acht 
Unzen  Wasser  und  einem  Skrupel  Tra^aoih,  und  lasse  too  dieser 
MischuB^,  je  nachdem  die  Schmemen  mehr  oder  minder  heftig 
sind,  Btündlteh,  oder  balhsiiindlicb  einen  Efslötfel  voll  DchHen; 
jede  Gabe  belrlgt  also  noch  kein«  drei  Tropfen.  Da  man  abar 
bei  ehconiacben  Uebeln  gewöhnlich  zehn  Trapfen  anf  EinisiAl 
gibt,  und  die  Kranken  kein  Uindeiwifs  von  dieser  Gahe,' vierniahl 
tags  genommeB,  spüre«;  so  wird  maa  auch  im  .\othfalla  bei  Ko- 
liken grjjfsere  Gaben  ohne  Nachlfaeii  and  vielleicht  mit  groEsem 
Nutzen  reidiea  köancn.  Uia  jetzt  kann  ich  aber  aus  eigener  Er- 
fahrung nicht  daiüber  unheilea «  iadä«  ich  mit  der  angeftihrlan 
geringen  Gabe  meinen  Zt\«ck  erreicht  habe. 

Mitckung  fflKf  KräheHangenlinilur  «nd  itimkendem 
Atant. 

Diese  gehört  zn  den  wenigen  Mischungen ,  in  welchen  eine 
wobbfaSiige  Heimlichkeit  verborgen  nu  Beide  Substanzen  zind 
bekanntlich  nach  «eh  il recht«'  Ansicht  krampf-  und  schmerzstil- 
lend; aber  jede,  einzeln  gereicht,  wird  nie  das  leisten,  was  diese 
Mischung.  Ich  bin  vor  vielen  Jahren  zur  Entdeckung,  aber  Dicht 
zur  CrklKrung  dieser  Heimlichkeit  dnreh  blofscn  Zufall  gelaogt. 
Ein  Mavn,  der  schon  Eintnafat  an  Kolik  krank  gelegen, -and  den 
ich  daniabis,  weil  sie  von  DanntSure  herrfihrfe ,  durch  eine  An(- 
lösnng  von'Natmn  gar  bald  geheilt  halte,  wurde  lange  nach  die- 
ser Zeit  abermahls  von  der  Kolik  heimgesucht.  Die  Schmerzen 
waren  sehr  heftig  und  hatten  nnr  ganz  kurze  erlrfigUche  Zwi- 
schenräume. Nachdem  ich  diesem  Manne  alles  ,  wodurch  ich  jo 
ßaucbsch merzen  gestillet,  ganz  ohne  Erfuig  gegeben  halte,  eines 
Abends  an  seinem  Belte  safs,  er  niicb  uro  des  Himmels  willen 
bat,  ihn  von  seiner  Marter  zu  befreien,  und  ich  wirklich  gar  Dichts 
mehr  wufste,  was  ich  ihm  hätte  geben  können;  so  dachte  ich,  es 
■ei  auch  einmahl  meine  Zeit,  den  Hanswurst  zu  spielen.  Ich 
halte  ihm  zuletzt  einen  Trank  von  zwei  Drachmen  stinkendem  Asant, 
acht  Unzen  Wasser  und  Eigelb  verschrieben ;  die  Hfilfle  war  noch 
da,  der  Trank  half  ihm  gar  nicht.  Mit  weiser  Miene  ergreife  ich 
Clin  anf  dem  Tische  Ktehendea  Tropfeogläscheo ,  woiia  sich  nuge- 


—    211     — 

flAr  tw«i  Dnushmen  KrübenaagcDtialtar  InAmkIm,  welche  Tink- 
tur er  ri»enfalk  sehon  fanz  ohne  Hülfe  genommen ,  scMde  die 
TinktiiT  an  dem  Terfelsdreclrtfank,  nnd  Iteffie  ihn  4ie  Naobt  durch 
aCndlicb  davun  n^men.  -  Ich  bekenne  Rnfriehtig,  daft  ich  zq  dte- 
atf  KuamniefMelxaiig  dwohans  keiocD  aadern  TenifindigeD  Grund 
hatte,  all  den,  dafa  ieh  dem  nach  Hiilf«  verlangenden  Manne,  von 
äemlieb  beaohrlnktcu  Venn^mi,  eine  neue  Anenei  geben  kSnn- 
te,  obn«  ihn  nene  UnkitUeR  in  derApethelce  zu  veninachen,  nnd 
d«b  ieb  Z«h  gcwAane ,  neuen  Ratfa  xn  rochen.  loh  dachte  aber 
eber  an  meinen  eigenen  Tod  ab  daran,  daft  der  Kranke  HStf» 
in  dieser  Mieebang  finden  würde,  deren  Besiandiheile  er  einzeln  ' 
■o  gaaz  ohne  die  mindeste  Erleiefatening  genommen.  Dtesei  ge- 
schah AtMndH. 

Am  andern  Morgen  war  ich  verwunden,  noch  keinen  Boihen 
anf  der  Thür  zn  haben.  Gewöhnlich  wird  man  ja  bei  lolchen 
dringenden  Zastiaden,  bei  denen  man  gerade  keine  HSite  weifs, 
aaa  allerirgtlen  überlaufen.  Wo  wir  Aerxfe  Häife  wissen,  da 
bleibl  anofa  bei  den  grölaten  und  geRlbrlichBien  Hebeln  alles  ia 
selaeA  Fngen,  niemand  überlänft  m»  nnd  pla^t  nns  nnil  zerklopft 
iiai  die  Tbiir  bei  ungelegener  Zeit.  Entweder  iat  der  Mann  todt, 
oder  geheilt,  dachte  ich;  aber  wie  er  geheilt  sein  könne,  dai  war 
mir  ein  wahrtuft  nnlösbarea  Rftthsal. 

Nachdem  ich  ruhig  gefrübstickt ,  begebe  ich  mich  nach  sei- 
iwr  Wobnong.  Im  Hause  ist  ^les  still.  Ich  gebe  geradexn  ins 
Sefalafsimmer ;  alles  ist  «tili  wie  iro  Grabe,  die  Vorh&nge  sind 
ntnd  am  dos  Bett  dicht  zngezogen;  das  GerHusch  meiner  Tritte 
ermnntert  den  Kranken,  er  schaut  mit  lächelnder  Miene  zn  den 
VorbBi^en  hinaus.  Wie  gebet  esl  frage  ich.  Gnt,  antwortet  er; 
ieb  habe  die  ganze  -  Nacht  geschlafen.  Von  dem  ersten  LöRel 
der  gestern  Abend  suiammengemiacbten  Medizin  fiihlte  ich  grofie 
Erlelcbterang.  Als  ich  das  merkte,  nahm  ich  nicht  eine  Stande, 
sondern  eine  halbe  Stunde  darauf  den  zweiten  Löffel,-  nnn  ver. 
sehwand  der  Schmerz  fast  glnzlich;  nach  dem  dritten  Löffel  kam 
iA  in  einen  wundeitmr  rahigen  oad  scbmerzloseo  Zustand  nnd 
habe  seitdem  nicht  mehr  eingenommen,  denn  i<^  bin  in  Schlaf 
gefeilen. 

Was  war  nun  sms  dieser  Sache  zu  machen!  VorlSnfig  ent- 
schied ich  nichts  darfiber,  sondern  wartete  es  ab,  ob  nnd  wie 
sieb  diese  Erfahmng  in  der  Folge  bestätigfh  werde.  Es  sind 
jetzt  ober  fonfundzwamig  Jahre  verflossen ,  seit  ich  zuerst  jenen 
Fall  erlebte,  seh  mich  der  bare  Zafall  ein  schätzbareB  Heilmittel 
keuMi  lehrte;  nnd  seit  dieser  Zeit  habe  ich  wenig  Fslle  von 
Bauchschmerzen  erlebt,  in  weichet)  mich  jene  Mischong  verlas- 
sen bitte.  In  dringenden  FBllen  gebe  ich  alle  halbe,  und  in  min- 
der drij^fonden  aUe   Standen  eisen  ElsUffel   voll  von  folgender 


MtscIiuDg;  tjr  Aime  /•etlitae  Jii  Lmtei  worum  tf.  «.  Aqti4U  |vfii 
Timclttnu  nucit  vomicat  ^\\\  (oder  ^|})  M.  D.  Db  rfiete  Ml- 
■chiing  sogleich  hMlsun  Mif  Hie  Leber  ist,  lo  kann  mm  (iprioh- 
w&nlich  zu  reden)  swei  Fliegen  mit  einer  Klappe  sahlagen.  Nicht 
immer,  oder  vielm^r  niemahls,  sind  bei  hefiigen  BanchsohraerxeM 
die  Kranken  in  der  Stimmung,  viel  Xratliches  Getcbwäti  and  eine 
ansrshrliche  seh  algerecht»  Aosfragung  xn  erdulden;  sie  verlang«! 
Hfiire  Dod  baldige  Hüire.  Damm  ist  es  gut,  ein  Mine)  xu  haben, 
welches  «nf  z\ni  Organe  wohlihfitig  einwirkt.  Unter  den  con- 
sensnellen  Koliken  ist  ohne  Zweifel  die  Leberkolik  die  hEiifigite; 
darin  liegt  wal  der  Grund,  dafs  Jene  Mischung  mich  selten  im 
Stiche  gelassen.  Aber  in  seltenen  F&llen  hat  sie  mich  doch  ver- 
tanen, nnd  ich  habe  im  Vorigen  schon  einen  Fall  ersäblt,  we 
der  blofse  Krfihenaugengeist  bei  einer  heftigen  Kelik  den  Preis 
davontrug. 

Man  kommt  auch  in  Fälle,  wo  diese  Miecfauag  unanwendbw 
ill,  nicht  wegen  ihres  Geschmackes,  (denn  wer  bei  heftiger  Koltk 
sagt,  die  Amenei  schmeckt  abscheulich,  der  ist  scfaoo  halb  ge- 
heilt) sondern  wegen  Unduldsamkeit  des  Magens.  Es  gibt  Ko- 
liken, wo  nit^t  bloJs  alles,  was  in  den  Magen  kommt,  selbst 
das  Unschuldigste  und  Mildeste  gleich  aasgebrochen  wird,  sondern 
wo  auch  der  Mastdarm  so  ziisaMmen gesogen  ist,  daA  die  Klystire 
neben  der  Klystirpfeife  wieder  xuin  Afier  hinauslaufen.  Was 
fftngt  man  da  an!  „Aderlässen I"  werden  etliche  Freunde  des  Blul- 
vergiefsens  sagen,  da  ist  OnnnentninduDg.  Wahr  ist  «s,  wertbe 
Amlsbrüder!  mfin  kanii  mit  Aderlassen  helfen,  aber  in  den  wenig- 
filen  Fallen  mit  Einem  Aderlnis,  nicht  selten  werden  xwei,  ja  drei 
reichliche  erfodert,  und  da  Ififsi  sieb  dann  auf  keine  so  tehndle 
Hülfe  reebnen,  wie  sie  wol  die  Noth  des  Kranken  und  di«  Helf- 
willigkeit des  Arztes  fodern  mScfatea.  Ich  habe  mit  dieser  Waffe 
gekliiHpft  weil  ich  jung  war,  weifs  also  recht  gut,  was  von  ihr 
zu  hallen  sei;  da  ich  aber  in  einem  besondem  Kapitel  von  den 
verschiedenen  antagoaistischea  Heilarten  sprechen  werde,  so  mag 
es  genug  sein,  hier  su  bemerken,  dafs  bei  c&rifichen  K&rpem, 
besonders  bei  weibÜDhen ,  starker  Blatverlu«  durch  Aderlässen 
sehr  üblen  Einflufs  auf  ihre  künftige  Gesundheil  haben  kann. 

Nicht  jede  Mensehennalur  läfst  sich  nngeräcbt  ss  feindlich 
angreifen.  Wenn  es  irgend  möglich  ist,  inufs  man  freundliche 
Schonung  der  GewAsamkeit  Toniehea;  man  kommt  wirklieh  in 
den  meisten  Ffillen  weiter  mit  ihr  als  mit  Gewalt. 

Der  Fall  von  Kelik,  der  mieh  auf  die  angoführte  Weis*  xnm 
ersten  Mahle  Zeit  meines  Lebens  recht  in  Verlegenheit  setzte, 
ist  folgender : 

Eine  junge,  etwas  reixbare,  znrt  gebante,  nicht  schwangere, 
regelinälirig   menstrnirte  Frau,    in   dem  gaoiNB  Lebenslaufe  mir 


—    213     — 

•idito  b«ka»iit  war,  wm  EiBfliifa  a«f  ihrsa  gegenwärtigen  Zattnnd 
hfttta  babea  kdnnen ,  (und  ich  kannte  sie  von  ihm  frfihen  Kinri- 
büt  u  sehr  geoMi)  wnrrfe  aof  Einiuahl  Ton  einer  hefiigen  Kolik 
überfallen.  -  Was  ich  hier  ibat  oder  nicht  tbai,  kann  nicht  in  Aa- 
uerkang  koiunieo,  denn  allai,  waa  in  den  Magen  kam,  warde  au- 
geaUioklicb  antgehroehen,  und  die  eingespritalen  Klyitir»  dfSnglen 
aich  neben  der  Klj'tiirpfeife  aus  den  Mattdamie.  Uebrigena  war 
der  ächmen  befi^,  mit  gaoi  knncen  onroHkommBen  Nneblftaien, 
der  Pola  beaebloHDigt  and  klein,  die  Extreniitftten  Kwar  nicht 
wann  nad  nicht  kalt,  aber  doch  wol  um  ein  Wenige«  kfibler  an- 
3Enfüh)ao  all  im  gesunden  Zustande ,  daa  Gesiebt  im  hoben  tirade 
Schmers  aosdrQckend,  ohne  enisiellt  la  «ein,  der  Baacfa  for  die 
Berührung  etwas  empfindlich ,  aber  nicht  in  dem  Grade ,  iath  die 
Anwendung  änfserlieber  Mittel  dadurch  wBre  unmdglich  geworden, 
übrigens  nicht  aufgetrieben,  aber  geitpannl.  Da  ich  zu  der  Kraa- 
k«n  kam,  hatte  das  Elend  schon  ein  paar  Stunden  gewähret  (ich 
war  nttnriicb  aufserhalb  der  Stadt  bei  dessen  Beginne)-;  die  feuchte 
Wflnno  war  schon  Hnfserlich  durch  einfhche  H  reium  seh  lüge' gans 
ohne  Nutzen  rerNucbt,  und  ich  nbenengte  mich  bald,  dafs  hier  wed^r 
durch  innere  Arxenei,  not^  durch  Kljaiire  ettvas  aussurichten  sei. 
Ueberdies  kannte  icb  damaMs  die  Hanplniittel  zur  Stitlnng  des 
Erbrechens,  den  salzaauren  Kalk  und  das  Jed  noch  nicht,  letzte- 
res  war  noch  nicht  entdeckt. 

In  dieser  Verlegenheit  kain  ich  auf  den  Einfall,  durch  hart- 
nlldiige  Emwirkuttg  auf  die  Haut  des  Bauches  den  Darmsehmerz 
KU  heben.  Ich  halte  freilich  bis  dahin,  so  gut  wie  andre  Aervie, 
caweilea  bei  Banchach merzen  eine  gni»  Salbe  oder  Balsam  auf 
den  Bauch  schmieren  lassen,  ohne  aber  eben  sonderlichen  Werth  - 
anf  dieses  Sebmieren  m  legen  und  ohne  auch  sonderliche  Wir- 
knng  davon  zu  sehen.  Jetzt  aollie  ich  leinen ,  was  Schmieren 
verrang.  leb  verschrieb  flüssigen  Selfenbalsani ,  (in  Erniasgelung 
desselben  könnte  man  auch  Seifenspiriloa  nehmen)  und  miachie 
ätzenden  Salmiakgeist  zn  gleichem  Tbeile  dazu.  Das  Glas  mit 
dieser  Miscbnng  liefe  ich  In  eiii  GefSls  mit  lanwarmem  Wasser 
setzen,  um  ihr  die  ungefähre  Temperatur  des  K5rpers  zn  geben, 
and  darauf  inufate  ein  der  jnngen  Frau  sehr  ergebenes  Kammer- 
mildehen das  Beibea  beginnen;  eine  Freundion  Mand  daneben, 
om,  wenn  die  reibende  Hand  des  Mfidchens  trocken  würde,  neuen 
Balsam  hineiOEuBchiitten.  Das  Beiben  geschah  sanft,  mit  Kreis- 
strichen. In  der  ersten  VienelMinnde  büeh  alles  wie  es  war;  ge- 
gen die  Hftifte  der  sweiteo  begehrte  die  Kranke,  welche  sehr 
durstete,  eine  Tasse  Theo;  diese  blieb  in  dem  Magen,  zum  De- 
weise, dafs  das  Reiben  anßog  hülflich  zu  werden.  In  der  letz- 
ten HSlfte  der  zweiten  Viertelstunde  nahm  der  Schmerz  so  ab, 
dafs.    nachdem  die  rolle  halbe  Stunde   Tarflossea    war,    nur  noch 


—    214    — 

eine  «diraenh«£lc  Mahoing  d«i  groben  Elenas  io  den  Därmen 
übrig  blieb.  Nun  haue  nao  mit  Eiofeibeo  fügliqh  aiifbörm  kö>- 
nen ;  mir  liam  es  aber  weiser  vor,  den  leUlan  Brat  voHend«  w<Bg>- 
zuschmiereo ;  dazu  geiiörie  auch  nicht  mehr  als  noch  eine  halbe 
Viertelstunde,  also,  dals  dieaes  furchtbare  Uebel  in  awei  ao4  ei- 
ner halben  Vienelatunde  gehoben  war.  Wahreebeinlich  wird  der 
jungen  Frau  des  aoder;i  Tages  die  Haut  wol  etwas  geschreim 
haben;  sie  hat  iitir  aber  nicfala  davon  gesagt  und  ich  habe  niokt 
danach  gefragt. 

Dieser  Versuch,  zu  welchem  mich  im  mgeBtIicbea  Siooe 
die  Noth  zwang,  ist  mir  in  der  Folg«  nebr  nütsiich  gewesen. 
Ich  habe  mich  zuerst  bestrebt,  durch  Öftere  Anwendung  der  Ein- 
reibuDgsknr  in  solchen  Ffillen,  wo  die  Anwendaag  innerliclier 
Mittel  keinesweges  bebindert  war;  denn  die  Fälle,  wo  sie,  wie 
in  dem  eben  enählten,  ganz  unmöglich  ist,  sind  zu  selten,  alii 
dafs  ich,  um  meiae  Wifibegierde  zu  befriedigen,  auf  das  Vorkom- 
men blols  dieser  hätte  warten  sollen ;  ich  habe  mich ,  sage  iofa, 
beslrebl,  auszumitteln,  ob  das,  was  ich  in  dem  erzählten  Falle  er- 
fahren, blols  in  der  Besonderheit  dieses  Körpers  begründet  ge- 
wesen, oder  ob  es  auf  allgemeine,  uns  wenig  bekannte  Netarge» 
setze  sich  gründe.  Durch  mehre  Versuche  belehrt,  mula  ich  Letz- 
teres annehmen;  denn  sobald  keine  malerielle,  oder  mechanisebe 
Ursache  der  Kolik  vorhanden  war,  wich  sie  nicht  blofs  der  Einrei- 
bung, sondern  die  Art  des  Verschwindens  hat  bis  jetzt  noch  immer 
mit  jener  ersten  Beobachiung  gestimmt.  In  der  ersten  Viertel- 
stunde sieht  man  wenig  \ui2en  vom  Einreihen,  in  der  zweiten 
fängt  der  Schmerz  ae^  zu  verschwinden,  und  nach  einer  halben 
Stande  schweigt  er  gUiulich. 

Nun  wäre  es  wol,  rein  künstlerisch  von  der  Sache  zu  spre- 
chen, ndthig  gewesen,  anssumitteln ,  ob  das  balbslüadig«  fieiben 
allein  Heilmittel  sei,  oder  ob  der  Seifenbalsam  mit  Aetzami^ODiwn 
auch  das  Seinige  zur  Heilung  beitrage.  Zu  dem  Zwecke  hätte 
ich  mehre,  mit  ernsthafter  Kolik  Befallene,  mit  der  blofsen  trock- 
nen Hand,  oder,  weil  sich  also  nicht  gut  reibt,  »it  eiafaehem 
Schmalze  eine  halbe  Stunde  müssen  reiben  lassen ,  um  zu  sebeo, 
ob  der  Schmerz  eben  so  gut  dadurch  verschwinde.  Wollte  er 
nicht  weichen,  so  hätte  ich  den  Seifenbalsam,  mit  Ammontun 
verbunden,  auf  Leinwand  streichen  und  den  gauzen  Bauch  damit 
bedecken  mfissen;  Sorge  tragend,  dals  diese  Mischung  eine  halbe 
Stunde  feucht  bliebe,  nndJm  Nöthigkeitsfalle  sie  erneuernd.  Auf 
die  Weise  würde  sich  bald  ergeben  haben,  ob  die  haibstflodige 
Einwirkung  dieser  Mischung  auf  die  Baucbhanl  dem  Kranken  ohne 
Reibung  Heil  bringe. 

Ich  bin  der  Meinung,  die  Heilkraft  liegt  zugleich  in  dem 
halbstündigen  Beiben  und  in  dem  Balsam ,  also ,   dafs  beide  Mit- 


—  zia  — 

t«l*  ^Met«  fiif  aiefa  g«bnw«ht,  «U*  nidu  lekuo  k«M«D,  wu 
n«  TCfeiot'lwMfla.  Bew«iani  kana  ich  aber  diaae  Meinuag  Am- 
balb  tiieht,  wall  as  «fgata  meiiu  Pflicht  atraitat,  nath williger- 
weiM  Varancbe  mit  den  Krankea  *a  maobao.  Wenn  ein  von 
baftiger  Kolik  Ergiiffenar  meiaa.  Hülfe  sucht,  ao  thoi  ar  ea  dach 
in  den  GUobeD ,  dab  teh  ihm  nach  meinaai  baatan  Wi<ien  die 
tth^allata  Hülfe  ward»  aagedeihen  lasaaD.  Wtre  aa  ouo  nicht 
pfllckiwidrig,  ja  wäre  ea  nicht  verrfltheriaofa,  wen  ich  diesen 
Glanben  tAuacbea  woUlef 

Ich  habe,- nachdem  ich  mich  von  der  Hsicharbeit  der  ^hiiiier- 
kar  hiniäa^iofa  übafaeagl,  aelUge  nicfal  jnehr  filrs  Gewöhnlich» 
gebraucht,  sondern  sie  bJols  ak  einen  guten  ßüdihaU  für  den 
Nothfall  gaapart.  £s  wird  vielleicht  dieses  manchem  Leser  »alt- 
aara  bedilnken,  er  wird  inainan,  aa  sei  doch  weit  gemüclilicher 
für  dea  Kranken,  sich  eine  halbe  Stunde  den  Uanch  reiben  lu 
hwwen,  als  viel  garsitga  Araenel  au  schlucken.  HSu«  ich  die 
Einreibung  nur  Einmahl  versiicht,  so  würde  ich  die  Schwtprigkeit, 
«dche  sie  mit  sich  ftibrt,  aicbt  kanoeo;  da  ich  sie  «bar  oft  ver~ 
»i»d>t,  so  kenne  ich  diese  Schwierigkeit  auf  ein  Haar  und  will 
aia  dem  Leser  ameigen.' 

Es  ist  gans  leicht  gesagt,  jemandem  eine  halbe  Sliinde  luiig 
den  Hauch  an  schmieren,  aber  ea  ivt  wahrlich  nicht  teichl  gethaa. 
Wann  nicht  die  Uhr  dabei  ist,  tiohibar  oder  hörbar,  »o  glaubt 
der,  4ar  fünf  Miauten  gerieben  er  habe  es  schon  eine  Viertel- 
stunde geihan.  Dar  Einreibende  mufs  sich  vor  dem  Bette  auf  die 
Knie  niederlassen ,  nnd  der  Kranke  sich  mögliehst  nahe  an  den 
Ranä  des  Baues  legen  (lelitwts  hat  seine  .Schwierigkeiten ,  wenn 
daa  Lager  nicht  ans  einer  Matratse,  sondern  aus  einem  Federbette 
baatefaei,'  und  wenn  die  Garte  des  Battgestelles  etwas  durchge- 
sackt sind).  In  keiner  andern  Weise  h&lt  ein  Mensch  das  halb- 
stündige Reiben  au,  am  wenigileo,  wenn  er  dabei  stehen  oder 
siuea  will  nnd  wenn  der  Kranke  in  der  Mitte  eine«  breiten  Bet- 
lea  liegt.  Leuten ,.  welche  wenig  Belang  hei  der  Genesung  de^ 
Krankan  haben,  ist  als  Einreihern  gar  nicht  au  traun;  wenn  nie 
nade  sind, .machen  sie  dem  Kranken  weis,  die  halbe  Stunde  sei 
varlnufea;  kurzum,  die  Scbmierkur,  so  leicht  sie  sich  nusprichl, 
so  wenig  empfehlhar  ist  sie  zum  gewöhnlichen  Gebraache. 

Damit  aber  keiner  meiner  Leser  glauben  miige,  nls  halle  ich 
die  Schmierkur  in  der  Kolik  fdr  ganz  unfehlbar,  so  bemerke  ich, 
dafs  ich  zwei  Fälle  erlebt  habe,  wo  wegen  Undulddumkeit  des 
Magens  die  Anwendung  innerlicher  Arxenei  unmöglich  und  die 
der  KljHRtire  nnialos  war,  in  welchen  beiden  Fällen  ich  ebenfalls 
die  SchnUerkur  vergebens  gebraucht.  In  dem  einen  bin  ich  Tiber- 
zeugt,  dafs  sie  genau  oach  Vorschrift  angewendet  ist,  in  dem 
zweiten   kann    ich   dieses    nicht    mit  Gewifsheit    behaupten,    denn 

— — ^'S'^' 


-.  116    — 

hier  war  «n«  Fraa  krank,  daren  Ebrnmaii  der  MeinuBg  war,  m- 
ne  juDge  Geliebte  Bei  weit  uMeriialtCDder  als  eine  alternde  6at- 
linn;  und  da  weifa  man  schon,  wie  es  gehet,  beaendera  wenn 
keine  Tochter  im  Haave  iat.  In  beiden  Fällen  hat  mir  ein  recki 
altiaodiachea  äufsereB  Mittel  geholfen,  welchea  man  mir  kehon 
in  meiner  Jugend  als  gegen  daa  Erbrechen  nntKÜch  angerAhmt 
hat;  es  iat  dies  die  Krauaemunxe.  Ich  lief*  von  dieser  eine  diclw^  , 
leicht  gesteppte  Decke  machen,  so  grofs  der  Baach  ist,  ond  sie 
auf  den  Bauch  legen.  Auf  die  Weise  war  die  Haut  des  Baackea 
in  einem  beständigen  würxigen  Lafthade,  und  das  wirkte,  sehr 
wofallhälig  anf  den  Darmkanal.  Wenn  ich  mir  gleich- nicht  er- 
klären kann,  wie  ein  solches  wuniges,  die  Haut  des  Bauches  be- 
spülendes Luftbad  das'  Brechen  und  die  heftigsten  Schmeraen  der 
Därme  beschwichtigen  und  den  Kranken  wieder  gesund  machen 
kann;  so  habe  ich  doch  in  beiden  Fällen  gesehen,  da&  die  Ke- 
lik  und  das  davon  abhängende  Erbrechen  in  Zeit  von  einer  bis 
anderthalb  Stunden  ganz  aufhörte. 

Ueberhaupt  werden  aromatische  Luftbäder  viel  an  wenig  von 
den  Aerzteo  angewendet ;  wahrscheinlich  desbalb,  weil  Menschen, 
die  nicht  gerade  bettlägerig  krank  sind ,  ungern  mit  solchen  stark 
rieohendeii  Dingen  zu  ihun  babe^;  ja  selbst  die  Bettlägerigen 
hassen  auf  die  Dauer  solche  starke  UerQebe,  und  doch  sind  sie 
wohllhätig  und  durch  andre  Mittel  zuweilen  nicht  zu  ersetzen. 
Sie  wirken  nicht  blofs  anf  die  Därme,  wie  in  den  angefiihrteo 
Fällen,  beruhigend,  sondern  sie  beleben  auch  den  ganzen  Or- 
ganismus, weshalb  ältere  Wundärzte  sie  vor,  oder  nach  schwe- 
ren Operationen  in  Anwendung  bracfalen,  wie  man  dieses  beim 
Fahritim»  HUdanua  und  wahrscheinlich  auch  bei  andern  lasen 
kann.  Es  ist  gerade  nicht  immer  nbihig,  Kränterkissen  zit  ge- 
biauchen;  die  deatülirten  gewiirzhaf^en  Oeje,  mit  Seifenspitftua 
oder  flüssigem  Seifenhalsam  gemischt  (  weil  man  sie  für  sich  we- 
gen ihrer  Concentration  nicht  wol  gebrauchen  kann),  auf  die 
Haut  ein  wenig,  aber  nicht  lange,  eingerieben  und  dann  den 
geriebenen  Theil  gut  bedeckt,  rnacken  auch  ein  gewünboftes 
Luftbad.  Ich  habe  blofs  durch  leichtes  tägliches  Einreiben  eines 
solchen  mit  Nägeleinöl  gemiichlen  Seifenbalsams  zuweilen  chro- 
nische Durchfälle  bei  Kindern  gestillei,  welche  mehren  guten 
inneren  Mitteln  widerstanden  hatten. 

Eitigtattrer    Zink. 

Dieses  Mittel  ist  eigenilicli  das  wahrhafte  mineralische  Opium. 
Man  stillet  damit  den  Durchlauf  eben  so  gut,  wo  nicht  besser, 
als  mit  Mohnsaft.  Wenn  man  anderthalb  Drachmen  von  diesem 
Zink   und  eine    Unze  arabisches   Guuuni   in    acht  Unzen   Wasser 


—    817    ^ 

idinielzt,  lo  kann  mai»  von  dem  Traok«  aUe  StnodeB  einen  LSf- 
M  voll  geben.  D«  er  aber  leicht  Uebalkeit  and  Erbrechen  er- 
ngt,  es  tbnt  man  gut,  weda  man  die  enrten  vier  Standen  nnr 
einen  balben  Löffel  voll  gibt ;  auf  dieie  Weise  beagt  maa  dem 
Uebelwerden  vor,  denn  der  Zink  ist  eine  von  denen  Aneneien, 
mit  welehen  licb  der  Magen  gar  leicht  and  bald  befreundet.  Die 
Oe>M,  die  ich  angegeben,  iit  die  Miilflldoais.  Man  findet  Men- 
■ehea,  jedoch  wenige,  die  diese  nicht  TertragenkAnDen;  denen 
maft  man  nor  eine  Drachme  Statt  anderthalb  in  den  achtnazigen 
Tniok  thnn.  Ee  gibt  aaeli  Menaeben,  die  mehr  vertragen,  de- 
nen kann  man ,  wenn  man-  will ,  mehr  gehen ;  ea  ist  aber  eine 
VermdiniDg  der  Gabe  aweckic»,  swei  Draefamen  leisten'  nicht 
Hehr  als  anderthalb.  leb  habe  diesen  Trank  selbst  genommen; 
er  aehmeckte  anftngKdi  gar  nicht  tibel ,  aber  auf  die  Dauer  wi- 
derte er  mir.  Dass^e  habe  ich  bei  den  meisten  Meeachen  be- 
merkt. Das  UehelmarJien  Iftfit  sich ,  wie  gesagt ,-  kehren ,  aber 
aof  das  frflbere  oder  spStere  Widrigwerden  weift  icfa  keinen 
Ralh.  Ich  habe  nmnche  Zosätae  versucht  (es  versteht  sich^  sol- 
ehe,  die  der  Wirknng  keinen  Eintrag  thaten);  das  Ergebnifa  aK 
1er  Versage  iat  gewesen ,  dafs  die  Kranken  zuletzt  wieder  zu 
dem  angegebenen  elufachen  Tranke  zurückkehrten. 

Da  ich  das  Bemerkenswen beste,  was  ich  vom  Zink  so  sagen 
habe,  dann  sagen  mnfs,  wenn  ich  von  demselben  als  von  dem 
oBMitbebrllchsten  Gehimnittel  rbden  werde;  so  ist  es,  nm  allen 
WiedarbelnngeB  z&voRsakommen,  am  betten,  dafs  ichjelzl  abbreche. 

MiMckung   von   dem  Exlrnet  der    Mimota    Catecku 

und   Salmiak, 

Man  kann  diese  Mischung  in  einen  Trank  bringen,  oder  in 
Pulver  geben.  Ekele  Leute  haben  sie  lieber  in  Pulver,  weil  sie 
dieses  in  Ob)aie  wickeln  und  ohne  Uebebchmack  hinunierschlio« 
gea.  Daa  beste  Verbaltnifii  swischen  beidei»  Arzeneien  ist  Ein 
Tbeil  Salmiak  g^en  zwei  Tbeile  Caiechu.  In  gelbeilieo  Gaben 
kann  nan  in  vier  und  swanxig  Stftnden  Eine  Unze  Catccku  nnd 
räia  halbe  Unze  jBatmiak  geben.  Gibt  man  es  in  Form  eines 
Trankes,  so  ist. es  g«t,  su  einer  kleinen  Deckung  des  durch- 
dringend sälsigea  Geachniackes ,  arabisches  Gummi  xnznsetzeD. 
Folgendes  ist  meine  gewöhnlich«  Vorscbrift.  Rr  Extraeti  Cate- 
cMm  ^i  Salü  ammomiaci  ^ß  Oummi  Arabici^i  Afuae  |viii  M,  D, 
Von  diesem  Tfanke  nimmt  der  Kranke  standliefa  einen  LSffel  voll, 
oder  alle  zwei  Standen,  je  nachdem  man  schnell  oder  langsamer 
halfen  will.  Diese  Mischnng  ist ,  um  einen  Durchfall  zn  ballen, 
der  nicht  eonsensnell,  nicht  ei«  in  den  Därmen  vorwaltendes  Lei- 
den  des  Gesammtorganismns   ist,    sondern    der  in  Mnem  w^ren 


—    218    — 

UrieidMi  der  Dttrme  battobt,  leicbt  dn  -  b«Ma  Alittflt ,  welehw  dU 
Mednio  8ufsuweisen  bat.  Daft  di«  Cattekm  gM  geg*»  den  Owroh< 
fall  ist,  4m  iit  längst  bekannt;  ebMfatlU  ist  bekannt,  dafa  dar 
SaltnUk  Sbnlicbe  Tugend  beBitat;  dafs  aber  ie  der  Zniaiaiiienmi- 
lohuog  beider  eine,  besondere  aaageaaicfanete  Heimlrebkeit  atacke, 
ist ,  so  viel  ich  weifa ,  nicbt  bekannl.  Die  Zuaarameaaetaung  Jm- 
Bt«t  bei  weiUB  mehr  ala  jede  der  beiden  Araeneien  für  sieb  gt- 
piben:  dämm  gehört  dieae  Miichoag  au  den  wenigen  Miaobnn- 
gen,  denen  meine  Erfubrung  eine  wirkliebe,  nicht  eingebildete, 
wobllbätige  Ueimlicbkeit  zvgestehen  »oft.  Drr  Salmiak  ist  eine 
nierkwüidige  Subalaaa.  In  meiner  Jugend  wollte  man  ihn  ala 
Bogenanntes  AMNpAlogüttcttm  fast  dem  Salpeter  g^eichBlellen ;  das 
war  nun  wol  ein  wenig  arg  mifagsgriffen.  Heut  an  Tage  will 
man  damit  Vereiterung  des  Blaseabalses  geheiti  haben.  Üb  glau- 
be das  wol,  denn  er  sofaeini  mir  eine  tpesifiach  wohlthfitige  Cio- 
wirkung ani  alle  Schleim  abBondemde  FlJfofaen  in  haben :  so  ist 
er  unveritcnnbar  heilsam  in  krankhafter  Schleimabaondeniog  der 
Lunge ,  anoh  bei  Vereiiemag  dersdben ,  in  so  fem  ditae  heUbar 
ist,  und  so  setat  er  ancb  den 'krankhaften  Absondemngen  des 
Dnrmkanals  Scfaranken.  Bei  demjenigen  Durchfalle,  der  eine  in 
dem  Üarmkanale  vorwallende,  unter  der  Heilgewalt  des  kubi- 
schen Salpeters  siebende  Affektion  des  GeumnilolfanismnB  ist, 
leistet  er  wol  ein  wenig,  wenn  dieae  Affektion  dem  Grade  nneh 
gering  ist;  sobald  sie  aber  bedeniender  ist,  leistet  er  gar  nichts. 
Ich  habe  ihn  schon  vor  nenn  und  dreifaig  Jahren  bei  der  Bnbr 
rersucht,    aber  nichts  damit  ansgertchtet. 

Die  Aerzta  sind  in  Betreff  der'Wirktmg  der  Mittel  mit  ihren 
ibeoreliscben  Erklärungen  gar  gescliwiod  bei  der  Hand.  Ich  er- 
innere mich  aber  nicht,  eine  halber  Wege  annebmliche  GrklX- 
ning  der  Wirkung  des  Salmiaka  geleaen  au  haben.  !>  ist  gnt 
hei  Entaündnng,  er  ist  gnt  beim  Durchfalle,  gut  bei  Eileniog 
im  Blasenb&Ise,  gut  bei  Eiterung  in  der  Lange,  gut  fiafseriidi 
beim  kalten  Brande,  und  er  vertreibt  die  Warzen.  Es  gehttrt 
wahrlich  viel  Scharfsinn  daxn,.  ihn  unter  eine  solche  araeneimit- 
tellehrige  Kategorie  zu  bringln,  die  diese  vielfachen  Tugenden 
geolgend  erklärt.  Dalä  er  die  Warsen  vertreibt ,  ist  bei  meiner 
Lebxeit  als  etwaa  aenderlicb  \eues  vorgetragen,  ist  aber  aiemlieh 
alt.  B»r«H  hat  diese  Erfahrung  zuerst  in  die  bekannte.  Bücher- 
weit  gebracht;  er  bat,  wie  er  sagt,  die  Sache  von  dem  Leib- 
arzte des  Daapbina  gelernt,  und  gleich  einen  ^ncklichen  Ver- 
snob an  dem  Gebeimscitreiber  dee  oiederlttndisi^eit  Gesandtschaft 
gemacht,    dessen  Körper  sdieufglich  von  Warzen  entstellt  war  *> 


*)  pari  BmrtOi  MtUrürr.  et  •iiarval.  mt4inpü*it'  ßtat.  U  »kttr».  W. 

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—    2W    — 

EHe  CateekM  üt  tbanfftUa  «iaa  uhiuue  AneiMMiibBlanz,  d»- 
sva  yiitkamg  wir  vielleicht  oaefa  nicfat  guu  kenaeD.  üie  ist  um- 
big  MMMiaeiMtebeiid ,  dämm  habe  lA  xie  «ach  ia  fiiiherar  Zeit« 
da  4ie  Biade  ao  ungehener  tbeuer  war,  sIs  sogeBaooieB  fixe« 
SliflimgMiiltel  mit  gute»  Nataea  bei  cbrvniacben  and  akulea 
Ueb^  gebraodu.  In  «inigMi  Ai-ieoeimiltellefareB  alebt  geaohrie* 
beo,  aia  aei  gat  gagen  Mottarblulfliiaae ;  das  glanbaicb  aber  Dicbt. 
Die  Aenie,  die  aie  gegen  aolcbea  Udbel  gegeben,  bi^«n  wahr- 
•chainliflh ,  nach  ihrer  ladekHertben  Weiae  die  Uiuel  phantaaiitcb 
HMamiaenaaDiiacfaen ,  aie  aiit  Alaun  rerbunden;  da  baan  es  denn 
mSglich  sein,  dab  MuliMbltftftüaie  geatillet  sind;  aenst  wird  .die 
CmteeJm  weit  eher  Mntterblntflüaac  macbea  als  si«  stUlea.  Ich 
habe  einmal  ein  seltaames  epidaniachaa  Fieber  erlebt  (des  Jab- 
rea,  worin  es  herrschte,  crinnef«  ich  midi  aber  nicht  beelimmt 
mehr);  bei  diesem  konnte  man  darauf  rechnen,  da&,  wenn  die 
Menstmation  aaf  ihre2eit  eintrat  and  aueh  eben  nicht  übermärsig 
lief,  dodi  die  Weiber  dadurch  viel  kranker  worden  und  oft  in  Be- 
tfiubnng  nad  irmeden  verfielea.  Bei  diesem  Fieber,  welches  ich 
damahla,  daasit  es  nicht  nomenla«  bliebe,  Nerveafieber  nannte, 
thalen  sogenannte  fixe  slftrkead»  Mittel  sehr  gnie  Dienste.  Ich 
bedienie  mich  im  Allgemeinea  der  Catedmt  aie  bewährte  sich 
als  beikam  nad  war  wohlfeil  dann ;  aber  bei  weiblichen  mann- 
bnren  Kftrpem  mnlste  üb  aie  gar  bald  wieder  verlasse«.  Ich  aab, 
dalfl  sie  das  Monatliche  acht,  bis  Tierxehn  Tage  vor  der  Zeit  and 
«war  bei  maacben  äbeireicblicb  hervorrief,  wodorch  ich  dann  den 
Weibern  schlechten  Nulaen  and  mir  selbst  ein  grobes  Kraus 
schaßte.  Seitdem  habe  ich  mich  der  Ca/ccA«,  weil  ich  aie  durch 
ein  andere«  weit  michtigeres  Mittel  «setzt,  nicht  mdir  bedient, 
als  biob  in  der  besprochenen  Ziisammeosetanag.  In  dieser  gab 
idi  aie  eiost  einer  JuagCran  gegen  chroiiischen  Durchfall ,  nnd  sie- 
be! bei  dem  Gebranebe  dieser  Mischung  trat  auch  die  Menslrua- 
lion  acht  Tage  vor  der  Zeit  ein ,  welches  mir  das  Mädchen  (eine 
Zeit  Lebens  gana  pünktlich  Menstruirte)  mit  bedenklicher  Miene 


Ich  bemerke,  dab  diese  Mediiin  jn«ine  Sltesle  Zmammen- 
letaaog  ist  Vor  acht  nnd  dreibig  Jahren  habe  ich  zuerst  damit 
einen  allen  pensionirtea  Obersten  vom  chronischen  Durchfalle  be- 
freit. iU  war  freilieb  ein  seltaamer  Gedanke,  ein  AniiphlogMi* 
CUM  und  ein  Roiarant  fixum,  awei  Mittel,  welche  unter  xwei 
eatgegengesetiten  nnd  widentrritenden  aneneimittellebriga  Kate- 
goriea  nach  achnlreohter  Ansieht  gehSren,  msammenanfugen.  Wag 
■oll  ieb  aber  dam  sagen?  Ich  habe  von  Jagend  anf  einen  gro- 
ben Unglauben  in  Beireff  der  Ircilieben  schulgerecbtea  Theorien 
bei  mir  vermerkt,  und  da  kann  es  wol  möglich  sein,  dab  idi 
bei  ZnMmmenaeizoBg  dieser  Mittel  einen  argen  Book  geschossen- 


..ogic 


aber,  tvie  geragt,  der  alle  Oberile  wurde  dadorch  gnl  vom  Durdi- 
falle  befreit.  Seitdem  lind  laaD^miahl  Jahre  bingegaagcn ,  dafs 
icb  diese  Mediiin  nicht  gebraucht  bebe,  weil  ich  keine  Gelegen^ 
heit  dazD  gefunden';  deon  in  luanehea  Jahren  nnd  die  vorkoHi- 
mendeo  DurchfftlEe  ein  in  den  Dämien  vorwaltendes  Leiden 
des  GesammlorgaDianiofl ,  oder  sie  sind  faäirfig  coHMneneller  An, 
oder,  wenn  es  Uileiden  des  Darmkanals  sind,  so  sind  es  doch 
Urleiden  anderer  Natur,  welche  vielleicht  licberei  unter  der  Hetl- 
gewalt  des  Zinks  stehen:  aber  wo  sich  die  wahre  Gelegenheit 
dai^boien ,  habe  ich  dieses  Mittel  immer  bewKbrt  gefunden.  Sol- 
ehe  Mittel  gefaraacht  man  xa  einer  ^ii  hilafig,  ond  dano'  wieder 
in  mancher  Zeit  gar  nicht.  Niemand  kann  erklären,  warum  die 
Natur  der  Krankheilen  so  seltsam  verändert ;  ich  halte  es  auch 
für  eine  grafse  Tborbeit,  darüber  au  grübeln,  denn  wir  werben 
die  Wahrheit  doch  nimmer  erfassen. 

Die  Mischnng ,  von  der  icb  jeixl  rede ,  hat  die  Eigenschaft, 
dafs  sie  eine  in  den  Dftrmen  als  Dnrchlimf  vorwaltende  Afiekiion 
des  Gesammtorganismns ,  welche  nnler  der  HeÜgewalt  Hes  kabi- 
icben  Salpeters  stehet,  so  vermehrt,  als  es  nnr  immer  ein  geitMbn- 
licbes  Laxirmtttel  ihnn  wurde.  Ein  Darchfall,  der  Sj'mplom  einer 
nnter  der  Heilgewalt  des  Eisena  stehenden  Alfcküon  des  Gesammt- 
organismns ist,  wird  dadurch  eine  Zeitlang  gestUlet,  denn  die 
Catechn  bat  mit  dem  Eisen  Verwandtscbafi ;  die  Besserung  seigt 
aber  keinen  Bestand.  Wie  die  Mischung  sich  m  den  Därmen 
verhallen  wird,  wenn  der  Darchlauf  Sympiem  einer  unter  der 
Heilgewalt  des  Kupfers  stehenden  Aäektton  des  Gesain mtorgants- 
mos  i'fl ,  kann  ich  itidit  sagen ,  denn  ich  babe  noch  keine  Gele- 
genheit gehabt,  dieses  zu  beobachten.  Es  gibt  aoch  consensuelle 
Durchfälle,  bei  welchen  jene  Mischung  nicht  blofs  nicht  hilft, 
sondern  seihst  den  Durchfall  verschlimmen^  Der,  welcher  von 
Gallen-,  oder  Nierensteinen  kerrührt,  wird  dadurch  böser;  die 
Mischung  kann  dann  aber  zugleich  Erkennnngsmitiel  solcher,  an- 
weilen  ganz  verborgenen  Fehler  sein,  in  welchem  Falle  der  Vor- 
tbeil  der  Erkennlnifs  des  Verborgenen,  den  \nchiheil  einer  ao- 
genblioktichen  Verscblinunernng  des  con-iensuelJen  Leidens  weit 
Qberlriffl. 

Unter  den  Gewürzen  luuls  ich  der  Muikalennnls ,  Muskaten- 
blüte  und  den  Nftgelein  wohllhBiig«  Einwirkung  auf  den  Darm- 
kanal zugestehen.  Sie  sind  sowol  in  schmerzhafter  Affeklloo  der 
Dfirme,  als  im  Durchlaufe  wirksaJn,  ohne  dafs  .ich  ihnen  eben 
ansgeaeichneLe  KrSfte  zascbreiben  kSnnle.  Die  Mtukatennufs 
lobeint  mir   selbst  eine  wohlihBtige  Einwirkung   anf  die   Qallen- 


-  ni   — 

ging«  n  likbea.  Sowol  Nofs  ali  Mfite  babe  ieh  den  Venncheit 
wegen  in  reichlicher  Giibe  seHivt  eingenomnen ,  (gani  genan  er- 
innere ieh  mich  der  Qniiaiitit  nicht  mehr)  nnd  keine  feindliche 
Einuirlding  auf  meinen  KSrper  können  gewahr  werden,  aofaer, 
dats  ich  eine  Tcockenheii  des  Mnndea  nnd  Schlundei  bekam,  die 
Aehnliehkett  mit  der  hatte,  welche  einige  nnrkotiacfae  Aneneien 
TvmrsRchen.  In  meiiter  Jugend  habe  ich  gesehen ,  dafg  durch  ein 
racfat  altntndiachea  Raminiltel  (ein  Kifschen  von  Migelein  in  Brannt- 
wein geweiebt  and  auf  den  Magen  gelegt)  Magen ichmersen  min- 
itr  wnrden  und  nach  nnd  nach  rergingen,  deren  Gmad  lehr  dun- 
kel war  nnd  welche  ich  damahia  anf  keine  andere  Weise  heben 
könnt«.  Seifdem  habe  ich  aber  das  Mittel  oft  genug  anwenden 
sehea,  ohne  da&  Hälfe  erfolgt  \vire. 

Die  Kägelein  haben  ala  Gewürz  in  Speisen  grbrant^'t  das 
Unangenehme,  dafa  aie  Aiifstofmn  erregen.  Dieses  scheint  mehr 
von  einem  eigenen  scharfen  Grundstoffe,  als  von  dein  ftiherischen 
Oele  derselben  verursacht  au  werden;  darum  ibnt  man  auch  wol 
am  besten,  xtini  innerlichen  niedisiniscben  Gebranche  das  Oel  xn 
wiUen.  Man  mnfs  es  aber,  wenn  es  wohlibSiig  wirken  soll, 
nw  in  kleinen  Gaben  reichen.  Vier  bis  sechs  Tropfen  hinrei- 
chend verdünnet  nnd  geiheilt,  ist  anf  vi erunds wanzig  Stunden 
fibergenvg.  Es  leistet  im  chronisehen  Durchfalle  gute  Dienste, 
vielleicht  eben  so  gnte,  wo  nicht  besaere,  als  Mnakatennofs  nnd 
Mfite.  Nach  dem  Gebranche  des  Oela  habe  ich  die  Menschen 
nicht  über  Anfatofsen  klagen  hören. 

Laxirmittel. 

Von  dem  gar  au  trtgen  Stuhlgang«  rubren  ohne  Zweifel  man-  , 
che  Beschwerden,  darum  aind  blofs  in  dieser  Hinaicht  solche 
Mittel,  welche  die  Bewegung  der  Dftrme  beacbleunigen ,  bei  Ue- 
bnng  unserer  Konat  nicht  gana  an  inigaen.  Auf  das,  was  ich 
vom  Dnrchfalle  gesagt,  mnfs  ich  hier  zuerst  verweisen.  Die 
Harlleibigkeit  kann  eben  so  giit  eonsensneller  Art  sein  als  der 
Darchfall ,  und  dann  ist  es  wol  am  kifigaten ,  das  Urleiden  zu 
heben.  Laxirmittel  bei  Lebar-,  Mils-  nnd  Nierenaflektion  an- 
haltend ,  oder  gar  zu  heftig  anf  Einmahl  gegeben ,  verBndern  zu- 
weilen die  Verstopfiheit  in  chronischem  Durchfall :  darum  mag 
jeder  wohl  zusehen,  sonderlich  bei  der  Baucbwassersncht ,  mit 
welchem  Urübel  er  es  su  thun  hat,   ehe  er  ans  Verordnen  gebt. 

Hier  sprechen  wir  jetsi  blofs  von  der  Trägheit  des  Stuhlgän- 
ge«, welche  in  dem  Darm kanale  selbst  begründet  ist.  Dafs  dieaer 
«ine  znaammenhangende  R5hre  sei,  daran  sweifelt  niemand,  aber 
ans  dieser  Zu sanunenh angung  folgt  nicht,  dala  er  ein  einziges 
Organ  sei..     Der  Maatdarm   ist  ein  eigenet,    mit  Besonderheiten 


—    282    — 

miflgwttaieiM  OfgRn  ond  der  Antagooi«  dea  fibrign  Danwk— a 
Im.  lo  ihm  liegt  snweilen  hiot»  nai  riiein  die  Ursache  der  Hart- 
leibi^N ,  wem  er  nBmHch  kein  Gef&hl  Inr  den  Reix  dM  in  ihm 
beniDlerBteigeaden  Kotlies  bat.  Wie  weit  sieh  diese  TrRgheit 
nbcr  deo  Grimmderm  verbr^en  kain ,  ISAt  sich  nicht  beslira- 
men.  Mao  kann  aber  wol  vamdiben ,  dals ,  wenn  der  Masidarn 
E^nmahl  irSg  in  seiner  Verrichtung  ist,  des  Grimmdarm  dann 
Rueh  nach  und  nach  an  dea  Reii  einer  grdfieren  Masse  Kotb 
sich  gewfthnt,  als  er  sonst  wurde  Miragen  baban,  elHM  aar  ver- 
taehrtail  wnrmfilrniigen  Bewegung  geprickelt  tu  werden.-  Ein« 
sitsende  Lebensart ,  banplaSchlich  das  Niehtentleeren  dea  MaM- 
darms  wenn  die  Natur  daiu  nsahnet,  wodurch  der  Uarm  an  das 
Ertragen  einer  grofien  Maase  Koth  nach  und  nach  gewöhnt  wird, 
sind  "Wol  Ursachen  solcher  Fühllosigkeit.  Jedoch  kann  dieses 
Debet  auch  andre  Ursachen  haben,  die  ans  bis  jetxt  varborgen 
sind.  Das  Sitxen  allein  nacbt  es  nicht  ans,  denn  Schnster, 
Schneider,  Leinweber  silaen  eben  so  viel  als  die  Gelehrten ,  nnd 
wenn  Ich  gleich  anlasse,  daft  noler  den  besagten  Randweriiem 
manche  von  Hartleibigkeit  Beschwerde  haben  mögea,  so  ist  doch 
bei  weitem  der  gröfste  Theil  derselben  davon  frei.  Unter  den 
Baoem,  die  doch  sehr  wenig  sitien  nnd  schwer  arbaflen,  findet 
man  die  Hartleibigkeit  und  das  Ungemach,  welches  von  dersel- 
ben abhKngt,  nicht  so  seilen,  als  mancher  gro&stld  lisch  er  Artt 
es  glnoben  mö^t«.  Die  Ursachen  vieler  körperlichen  Uebel  ha- 
ben die  Aente  von  jeher  offenbar  mehr  in  ihrer  Pbaniaaie  ans- 
geheckt,  als  selbige  in  der-  Nafnr  beobachtet.  Es  gehört  mit  zur 
Bcbnigerecbten  Ordnung,  dafs  über  die  Ursachen  einer  Krankheit 
mufs  gesprochen  werden.  Da  man  nnn  die  -Urseeben  mancher 
Uehel  nicht  hat  «rgrnnden  können,  so  hat  man,  um  nicht  nnge- 
lehrl  zn  scheinen,  etweldie  ersonnen  und  viel  GetchwSts  davon 
gemacht.  Dieses  Gescbwftts  haben  andere,  die  sieh  für  minder 
klug  und  gelehrt  hielten,  naehgoplaudert ,  es  ist  von  Aller  n 
Aller  vererbt,  und  •»  habea  wir  featafehende  Ursachen  gewisser 
Uebel  bekommen.  Wenn  man  die  Sacke,  nicht  als  Gelehrter, 
sondern  als  einfacher  Beobachter  nntersacbl,  so  bleibt  mwcäen 
wenig,    Euweilea  gar  nichts  Wahres  an    solohan  Ursachen. 

Wie  kann  man  nnn  diejenige  Hartleibigkeit,  die  in  einer 
Gefühllosigkeit  des  Mastdarmes  besteht,  heilen?  Ich  weifs  kei- 
nen andern  Ruh  als  Klynire;  aber  keine  Kärap'fische,  son- 
dern'hiofs  Klysiire  von  einer  Kochsalzanflösnag.  Znerst  mufs 
man  die  Menge  Salx  durch  Versuche  ansmiileln,  die,  in  den 
Mastdarm  gespritzt,  in  Zeit  von  ungeRbr  ffinf  Minuten  Oeflnnng 
bewirkt.  Ist  diese  Menge  bestimmt,  ao  mi^  sich  der  Kranke 
tSglieh   gerade   aar  nämliehen  Zeit  nnri  Stund«   das  Kljslir  ein- 


-   tu  — 

ipiitssa.  BiR  gKusdai  McKwh  g«lH  gswöbnfidi  in  ei««r  be* 
MiMmlea  Zeit  da«  TagM  sn  SmU*}  ihmi  mi^  alw^  bei  dem 
Gekmyeb«  der  SaInruMrklyMira  alt  Beilmittel  d^i-  Mmdarm- 
'uiffbmht  der  Natu  ■aebubiuen.  Wann  man  den  Maaidarm  eine 
Zridang  H  einer  nad  der  nSmiiehen  Smnde  sich  m  euleecen 
geswungsa  h«t,  so  ibni  er  ea  binteimach  aar  scibigea  Stande  von 
aalbat  und  obae  Iwaag.  Bh  dem  UlgliobeD  Gebraudie  der  Sala- 
Ufsti^  Mufi  gewäfaaltch  die  Menge  Salz,  welche  enfönglicb  in 
ffiof  HiaateB  Oe&aag  bewirbt,  iai  Verlaafe  der  Zeit  vermindert 
wcrd^ ,  weil  der  Mnüdaria  durcb  die  iBglieb«  regelaäfaig«  Eot- 
leeralig  aacb  und  amtk  »eina  GefTiblloaigkeit  verliert,  tniibin  für 
die  Prickelaog  dea  Kochaaliea  je  Mnger  je  tuebr  empAnglicb 
wird.  Mancbe  Ujrpoobondrie  ist  nichu  al»  eine  kranltbarM  Ge- 
fihlloaigkeii  dea.MmidaraM,  imd  kann  weit  faeuer  diir^  Salx- 
klyslire  als  dnreh  die  Apeibeke  gebeill  werden.  Der  cnic  Kranke, 
bei  dem  ich  diese  Ileilan  vor  vielen  Jahren  mit  ieai  beste«  Er- 
folge anwaadi«,  war  kein  byiiechoadjiBcher  Gelehrter,  Bondem 
•in  hjipochowdriecber  Bauer.  Dafh-  dieser  gro£Ms  Ungemneh  von 
der  Ventopfung  haben  mufsle,  erhellat  sehen  dnraas,  dafs  er  kq 
dem  /tnkan/c  «ad  Gebrauche  der  Klyslirsprilse  m  beratben  war; 
wirkliGh  war  er  auch  schon  brav  al^emagert  da  er  diae«  Heilart 
anfing.  Seiidem  habe  ich  dieses  eiafftllige  Mittel  manoheni  Hart- 
leibigen mit  sehr  gutem  Eriolge  geratben,  mieh  aber  auch  über- 
«es^,  dnft  es  nur  da  hilf),  wo  der  Fehler  in  dem  Mastdarm  liegt. 
Ist  bingegea  deiv  gaase  Dnimkanal  zb  trüge  in  seiner  Bewegung, 
so  hilft  das  Kifirireti,  ama  mag  es  au  einer  bestimmten  «der  nnba- 
stimintea  Tageszeit  Ibuo ,  gar  nichts.  Der  Kranke  bekommt  in  die- 
sem Falle  nach  dem  Gebrauche  der  Salaklystire  aur  etwas  spar- 
aamen,  oft  schafkeiielfthnticben  Abgang;  nnd  wenn  maa  ih» 
xwamig  Jahre  lang  tfigÜdi  kl;>tin«,  se  würde  man  ihn  nimmer 
dorcb  KIjslire  heilen. 

Hier  rnufs  der  ganxe  Danakanal  2ar  vermehrten  Bewegung 
geprickelt  werden.  Die  Frage  ist  smi:  mit  welchen  Mitteln!  Es 
Ififci  sich  darüber  \m  der  Tfaat  keine  solch  allgemein  gültige  Re- 
gel aafsieUen,  dafe  asaa  aitfbt  Ansnafamen  iMgeban  miifate.  Man- 
chen alle»  Lernen,  welche  übrigens  regelmRfsig  OeSirang  haben, 
bleibt  diese  zuweilen  aus,  nnd  dabei  befinden  sie  sich,  wo  nicht 
gecade  krank,  doch  unlnstig.  Wenn  selbige  Leute  Laxirpillen 
sahmea,  nad  swar  solche,  welche  den  Namen  eines  Arztes,  oder 
einer  Siadt  führen,  so  moft  niaa  sie  in  Frieden  dabei  lassen. 
Von  den  Laxirmitteln  aus  dem  Pfianzenreicbe  vertrügt  der  eine 
dieses,  der  andere  jeues  besser,  da«  Gutvertragen  heifst  nichts 
andres,  als  dafs  das  Mittel  Abgang  macht,  ohne  eigeMliche 
Dönnleibigkeit,  ahne  Bauehkneipen  und  ohne  andere  widrige 
Baocfagef&Ue.     Sa  gcttraoebt  der  Eine  eiaen  Anfgois  voo  Sddnes- 


—    W4    — 

blättern,  der  Andte  du  Polper,  der  Qriite  asft,  bride  madiMt 
ihm  BanchichmerEen  nad  er  könne  aicb  mit  ein  wenig  Jalappe-  bee- 
ler  helfen.  Auch  die  -Coloqeinte,  ob  aie  gleich  den  Nanea  «iaea 
draaiiacben  Purgirmiitels  hat,  l»nn  man  reclrt  gat  bei  eilidien  KSr*' 
pem  all  erfiffnende«  Mittel  gebraücheo;  man  gebe  nnr  die  Tii^- 
tnr  tropfenweiae,  ao  läfat  aicfa  bald  finden,  wie  riel  Jemand  ntttbrig 
hat,  am  gamSdiliche  Oeffnung  in  bekommen.  Man  kann  manchen 
Menschen  mit  füofsebn  oder  xwanaig  Tropfen  beaaer  aod  ge- 
laäcfaliefaer  Oeffnang   machen  ala  mit  berühmten  Lesirpillen. 

In  Ffillen ,  wo  die  Trägheit  dea  Stnhigangea  Uefa  ron  Ge- 
fuhlloiigkeit  des  Grimradarmea  abhängt,  achaffeo  weder  Klyatiie 
noch  Laxirulie  Hälfe,  aber  wol  Coio4]aintentinktar  in  kleinen 
Gaben  gereicht;  aie  bewirkt  breiigen  Abgang  aod  xngleicb  gehen 
die  in  den  Taachen  dea  Grimmdarmea  eingepferchten  harten  Koih- 
klumpen  weg,  mit  grolaer  ErJeichlemng  des  Betbeiliglen.  Die 
Erkenntnifs  einer  aolcheo  Gefähllosigkeit  dea  Griuindamies  (wel- 
che überhaupt  nicht  oft  vorkommt)  ist  nicht  immer  leldit;  wenn 
La\iraalxe  fiüasige  OeSnang  ohne  Erleichterung  bewirken  und 
Klyatire  nutzloa  gegeben  werden ,  ao  läfst  dieaea  einen  stachen 
Zualand  des  Grimmdarmea  TOmmthen  (voraasgeietin  dafa  niclit  eiti 
weit  grofaere«  Uebel,  eine  Verengnng  des  Darmkanala,  im  Spiele 
iat).  So  viel  ich  mich  erinnere,  habe  ich  nur  zwei  Fälle  beban- 
delt, in  denen  die  Erkenntnifs  handgreiflich  war,  und  zwar 
bei  einer  der  Niederkunft  ganz  nahen  Frau  nnd  bei  einem  erwach- 
senen recht  kräftigen  Mädchen.  In  beiden  War  -das  Colon  tratu- 
vtrtum  wo  ungeheuer  durch  Koib  ansgedehnt,  dllTs  ich  bs  wie 
eine  dicke,  harte,  runde  Wulst  deutlich  fBblen  konnte.  Selbst 
die  Beiheiligten  and  ihre  Freunde  fühlten  es ,  weil  sie  aber  nicht 
wnfsien,  was  ea  war,  ao  hielten  aie  es  für  eine  widernatürliche, 
verditchtige  Verbärtang  im  Bauche.  Die  begleitenden  Znflille  wa- 
ren: ein  Gefühl  von  Spannung  im  Bauche,  Beängstigung,  rolhes 
aufgetriebenes  Geaicht,  rermehrte  Wärme  und  lebhaftes  Fieber. 
Nachdem  ich  durch  Coloquinteminklnr  eine  grofae  Menge.  Terfafir- 
teien  Koih  weggeichafiit,  verschwand  daa  Fieber  gleich  mit  den 
nnderen  Zufällen,  znm  Beweiae  dafs  das  ganze  Uebelbefinden  ein- 
zig durch  die  unnatürliche  Ausdehnung  des  Grimmdarmes  bewirkt 
war. 

Wie  gesagt ,  die  Fälle ,  wo  man ,  ohne  Einbildnng  zu  sein, 
die  Tragheil  des  Stuhlganges  auf  RecfanuDg  einer  Gefühllosigkeit 
dea  Grimmdarmes  schreiben  darf,  kommen  wenig  in  der  Praxis 
vor.  Im  Allgemeinen  kann  man  annehmen,  dafs,  wenn  Klysiire 
keine  erleichternde  Oefionng  verschaffen,  der  Grund  in  einer  Träg- 
heit des  ganzen  Darmkanala  liegt,  und  in  solchen  Fällen  sind 
Laxiraalze,  anliaitend  gebraucht,  wahre  Heilmittel. 

Wer  dieafl  als  etötfoende  Mittel  gebraucht,  der  bedarf  auRütg- 


—    225     - 

lidi  Tielleieht  «iner  sismlichan  Menge;  wenn  er  sich  aber  tüglicfa 
dsraelfaea  bedleor,  wird  er  die  Gabe  je  iBnger  Je  mcbr  Terniiodem 
nüuen.  Glanber-  und  Seignetsalx  sind  die  beiden  einzigen  Salze, 
die  ieh  den  anhaltend  Terstopfien  und  hartletbi^n  Menschen  rathe. 
Enterea  wif^  stBrke'r  als  L«lzleres;  aber  aus  der  stärkeren  oder 
sehwfiefaeren  laxireuden  Eigenschaft  ISfit  sich  nicht  gat  erlilären, 
wanw  einigen  das  Glauber-,  andern  das  Seigneisalz  besser  be- 
kommt. Die  Hanptsache  ist,  dalit  diese  Salze  in  genügsamem 
Wnsser  aorgelöset  werden.  Ein  Pfand  Wasser  ist  das  wenigste, 
worin  «ine  Unze  Salz  mofs  anfgeldst  sein.  Will  man  mehr  Wai- 
ser nehmen,  so  ist  es  auch  gut;  weniger  mofs  M  nar  nicht  sein, 
denn  die  lazireode  Kraft  des  Saliw  wird  durch  du  Waiuer  Ter- 
■Iftrkt 

Wie  viel  nun  jemand  nßthig  habe,  um  sich  tfiglich  den  Leib 
oBen  zu  erballen,  das  mufs  er  selbst  erproben.  Er  kann  z.  B. 
anfangen,  alle  zwei  Standen  eine  Theelasse,  oder  ein  Weinglas 
Toll  za  Irinken,  bis  er  merkt,  dafs  Oeffnung  erfolgt,  oder  bis  er 
die  erste  Anmahnung  zum  Stuhlgänge  spart;  nun  mufs  er  mit  Trin- 
ken für  den  Tag  einhalten.  In  Zeit  von  etlichen  Tagen  wird  er 
es  schon  ausgemitielt  haben,  wie  viel  er  bedarf,  um  Oeffnung 
tüglich  zu  behalten.  Wer  sich  mit  dem  Salzwasser  will  Oeff- 
nung erhalten,  thut  am  besten,  es  vormittags  zu  gebraachen ; 
jedoch  habe  ich  auch  bemerkt,  dafs  einige  Menschen  sieb  gut  be- 
finden, wenn  sie  abends  beim  Schlafen  gehen  einen  Schlack 
davon  zu  sich  nehmen;  dies  macht  ihnen  am  andern  Morgen 
Oeffoang,  ohne  sie  nachts  aus  dem  Bette  zu  Ueiben.  Durch 
den  anhaltenden  Gebrauch  der  genannten  Salze  kann  man  nicht 
Uofs  die  Darmbewegung  täglich  beschleunigen ,  sondern  dieser 
Fehler  der  Bewegnog  so  heben,  dafs  nach  und  nach  immer  wen- 
iger und  weniger  Salx  nöthig  wird,  bis  endlich  Oeffnung  ohne 
Salzwasser   erfolgt. 

Anfser  dem  Glanber-  und  Seignetsalze  habe  idi  bis  jetzt  kein 
anderes  Salz  za  dem  besagten  Zwecke  versucht ;  andere  werden 
aber  auch  wol  die  nttmlichen  Dienste  leisten.  Manche  derselben 
bat  rann,  da  sie  zuerst  in  die  Medizin  eingeführt  sind',  wo  nicht 
wie  Giauber  das  Seine,  zu  Wundersalzen  gemacht,  aber  ihnen 
doch  so  viel  Gutes  nachgerühmt,  dafs,  wenn  ich  auch  ihre  allhei- 
lende,  doch  nicht  wol  ihre  abführende  Krfifte  bezweiffen  darf. 

Jetzt  will  ich  noch  von  der  Kothkolik  ein  Wort  sagen.  Diese 
mufs  wol  selten  sein ,  denn  ich  habe  sie ,  so  lange  ieh  Artt  bin, 
nar  bvi  drei  Menschen  beobachtet.  Zwei  derselben  waren  Lento 
in  minnliehen  Jahren,  die,  an  regelmafsigen  Sfnhigang  gewdhnt, 
in  etlichen  Tagen  keine  Oeffnung  gehabt  hatten.  Bei  beiden  war 
der  SduaiKs  itirk,    das  Fieber  lebhaft,   aber  sie  erbnidien  sich 


—    2M    — 

nicht.  Ich  wollte  ihneo  mit  krampfeiilteodeo  Mitteln  die  Kolik 
beben,  es  giii|;  nicht;  da  ich  sie  ein  paar  Tage  vfi^ebaoa  Arte- 
oei  baue  verschlacken  lassen,  kam  ich  auf  den  verstSndigen  Ein- 
fall, ihnen  eUi  Abfüfarungsmiitel  ui  geben.  Sie  wurden  dadnreh 
eine  grofse  Menge  verhfirtelen  Kolhea  qailt,  und  aur  Stund«  war 
der  Banchschiiierz  verschwunden. 

Es  Ist  wirklich  eine  eigene,  bedenkliche  Sache,  Loxirmlitel 
in  solche  schmerzlich  atirgeregle  OSrme  za  schicken.  Wenn,  man 
es  vermeiden  kann ,  so  vermeide  man  es  ja.  Mancher  mSchte  nicht 
gestorben  sein,  hSlte  man  ihm  nicht  mit  LaxirmiKeln  ziigeaelzt. 
ha,  wo  uns  gesagt  wird,  vor  der  Kolik  sei  schon  Verstopfung 
vorhanden  gewesen,  da  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  eine  Ansamm- 
lung von  Koth  die  materielle,  oder  mechanische  Ursache  der 
Bauchschmerzen  sei;  und  es  wird  wol  verständig  sein,  diese  ma- 
terielle und  mechanische  Ursache  %a  enifernen.  Ganz  sicher  ist 
man  aber  anch  in  diesem  Falle  noch  nicht,  den  Kranken  zn  hei- 
len; denn  wenn  er  gleich  mehre  Tage  vor  der  Kolik  verstopft 
gewesen,  so  kann  man  noch  nicht  mit  Sicherheit  daraus  folgern, 
dafs  eine  Ansammlung  von  Koth  die  Ursache  der  Kolik  sei,  son- 
dern diese  kann  von  andern  unbekannten  nnd  dem  Arate  nner- 
gründbaren  Ursachen  herrühren.  Dem  eiin/igen  Kranken,  der  je 
unter  meiner  Behandlung  an  der  Kolik  gestorben  ist,  habe  ich, 
fufsend'auf  seine  Aussage  in  Betreff  der  vorhergegangenen  Ver- 
stopfung, ein  Laxirmiitel  gegeben. 

Kennt  man  die  besondere  Natur  des  Kranken,  so  kann  man 
weit  sicherer  zu  Werke  gehen.  So  bekam  z.  B.  Einer  von  den 
beiden,  welche  ich,  wie  eben  erzAhlt,  durch  Laxirmittel  von  der 
Kolik  befreit,  viele  Jahre  nachher  Hbermahls  dieses  Uebel.  leh 
war  in'  dieser  langen  Zwischenzeit  bei  allen  vorkommenden  Krank- 
heitsfullen  sein  Arzt  gewesen,  ich  kannte  die  Eigenheiten  seines 
KSrpers ,  wiifsle,  dafs  er,  täglich  regelmäfsig  zu  Stuhle  gehend, 
mehrlagige  Verstopfung  nicht  leiden  konnte.  Jetzt  hielt  ich  mich 
nicht  bei  schmerz-  und  krampfstillenden  Mitlein  auf,  sondern  gab 
ihm  ein  schnell  durchschlagendes  Laxans  von  einer  Abkochung 
einer  halben  (Jnze  Sennesblätter  mit  einem  Zusätze  von  zwei  Un- 
zen Glaubersalz.  Da  der  Trank  acfat  Unzen  betrug  und  ich  stünd- 
lich eine  kleine  halbe  Tbeetasse  nehmen  llefs,  so  erfolgte  die 
Oeffnung  gar  bald  und  dir  Kolik  war  gehoben. 

Einige  Menschen  können  mehrtägige  Verstopfungen  ertragen, 
andre  nicht.  Es  ist  schwer,  oder  vielmehr  gar  nicht  zn  aageo, 
warum  der  eine  vom  angesammelieo  Darmkothe  Fieber  mit  Sei- 
lenstvchen,  der  andre  Rückenschmerz  und  der  dritte  Kolik  be- 
kommt. 

Icl)  babe  ntich  bis  jetzt  noch  nicht    in'  der  Notbwendigkeit 

„,,,_„,,,, Google 


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bafiiB^en,  MetRlIbnpln, ')  oder  metatlbchei  Qaecksilber  aU  erÖff- 
nande  Mittel  anKuwenden,  glanbe  aber,  dafi  da«  inMalliiche  Qoeck- 
iritber  ein  gar  f^ats"  Mirtel  ist.  In  iblchen  FSlI«n ,  wo  ich  zweifel- 
haft wäre,  ob  Laxirmittal  dienlich  leiit  mBchten,  würde  ich  ohne 
Bedenkea  metaDiBches  Quecksilber  geben.  So  viel  ich  die  Sache 
einsehe,  ist  ea  blofa  der  Reii  seiner  Schwere  und  seiner  Beweg- 
tichkeit,  welcher  den  Motum  perüta/licum  vermehrt;  und  in  wel- 
chen flUlen  kSnnle  dieser  so  einfache,  Entsündung  gewifs  nim- 
mer veninachende  Keis  schaden!  — 

Dafs  das  vencblackte  metallische  Qaecksilbef  früher,  odet 
apner  nad  mitunter  sehr  schnell  durch  den  Stuhlgang  entleert 
werde,  dafür  sprechen  die  Reobachtnngen  der  Aerzte,  welche  es 
im  Ifeua  gebraucht.  Wie  et  aber  seine  Reise  durch  den  Darm- 
kaoal  nnacht,  das  weifs  ich  nicht  gat  xn  erklären,  am  weolgsien, 
wie  es  das  Calon  ateendeiu  binanfklimml.  Ich  habe  starke  Yer- 
mmbong,  dafs  wir  bei  aller  nnserer  heutigen  physiologischen 
Weisheit  noch  nicht  etnmahl  das,  wie  uns  bedünkt,  fast  hand- 
greifliche Treibwerk  des  Darukanals  kennen.  **) 

Bei  dem  mit  Verstopfung  und  Erbrechen  rerbundeneh  Bauch- 
weh kann  ich  nicht  mir  Besiimnuheit  behaupten,  je  das  Ausbre- 
chen des  Darmktrihes  erlebt  xn  haben.  Vor  ungefähr  acht  aod 
dreifsig  Jahren  bin  ich  aber  einmabl  gelegentlich  von  einem  Dorf- 
pastor XU  einem  armen  .Manne  gebracht  worden,  der  angeblich 
vienehn  Tage  (so  viel  ich  mich  nämlich  jeixt  noch  der  Zahl  der 


*)  flnr.  ah  Hern  »»gl,  niebdem  er  vod  der  gako  Wirkang  in  naUUUek«! 
Qseekatlbcn  In  f/mi  ^«(procbcs  .■  ntat  alH  in  hoe  raiH  eurtat ,  argtmtemt, 
mal  ttimm,  »i  Uta  ifinl,  ptamieat  pra*ecH6aKl.  (Obi.  3.  M,  1.)  i»  mUwI 
Sebrat  Jit  MioB  leses  ita  il*a*  Mit  GlSak  gebrucbt,  Zaeutut  Latitanu» 
(Ob:  S4.  la.  3.  Prwt.  admiramd.)  hat  eiaen  HaaD,  dar  dnrch  nbcmliriigcB  Ga- 
nari  rober  Kailauiaa  den  tltat  faekanmeB ,  drcibig  ScfarolkSratr  ia  iwei  Ga- 
Wd  TerKktnckeü  laiaca  and  Ika  dadnrch  prbeilt.  Er  an[t  aber  wol  felnCB 
Schrat ,  dar  bei  dea  Jigara  Dnait  helftt ,  gabraacbt  haben  ,  dena  er  aeanl  ihn 
parva»  fibUai  phu^itat ,  faibmt  »elftariS  ad  nfeamdoi  paiierti  tittintmr. 
Biae  aaltaane  Knr  daa  Ilmt  ladet  Ban  hei  Jmalai  LatiUmnt  ,  der  ISfat  den 
Kranken  mit  einen  Blaiabalsa  Lnft  in  den  After  blaacn  {FalUm  fabrilem  ano 
tmdldimv*  et  es  flatnm  in  tenirtm  immiiimui) ,  nooiitlelbar  daranf  ein  er- 
weicbendra ,  Bit  Traeh.  alhand.  geniaehtea  Rlyalir  einapriliaa ;  ea  erfolgt 
Oeffaeni  nnd  dar  Kranke  lat  gereitet.  —  Drapraaglieh  ilamnt  dieaea  Ranal- 
itäi'k  wol  van  BipfpiraUt  oier  voa  Polgiai,  Ctf>>;ia>r«f.  Werke  hher- 
aatil  taa  Grimm,  reridirt  van  Lilitnhaln   2.  B.  ft.  9  aad  10. 

~)  Dar«  daa  melalliacbe  Queckailber  «ehr  icbDcll  den  Damkaaal  darchlaohn 
kSnne ,  4aFEr  ipricbt  folgende  SirShlnag  dei  Hear.  ab  fiten  (obt.  tib.  l)  ; 
Viammt  Aadte  malU,  fut  aoraml  etatariontm  maa  IIa  fridtm  mtrtma» ,  eni 
tarn  frinttf*  eaatauttabnadat  ia  media  eompelaHama  rltam  eapient  teHbram 
argeati  cisi  ■■  eapael  pocula  viao  pleno  frefinaadam  earanel,  Ipte,  ob- 
dKtle  amytUde  tau  ,  fraeUHlibui  omnibut  (neque  talm  adhae  fett  b&en* 
faftT«  peleral)  atgut  in  eachinnot  tffutll,  larfiuimt  tl  eam  feenar»  pridl- 
anat  eeema»  ftr  sshm  hattxit  rtddidtt.'  . 


Tage  erinnere ,  den»  metne  Memorienblllter  sind  io  der  letzten 
Kriegeszeil  zum  Theü  Terachleppt)  am  J/em»  gelitten,  nod  bU  da- 
hin,  weil  er  kein  Geld  hatt«,  ohne  Kraillehe  Hülfe  geblieben  war. 
Dieser  behauptete,  er  breche  Koth  aus,  seine  Ehefrau  nnd  der 
Pastor  sagten  es  euch.  Da  der  PastM  es  aber  nur  vom  HSren- 
lagen  halte  nnd  ich  es  nicht  selbst  gesehen,  so  kann  man  es 
glauben,  und  man  kann  es  auch  nicht  glanben.  Der  Kranke  sah 
erstaunlich  mager  and  epUtellt  aus,  sein  Puls  war  beschleunigt 
und  klein,  der  Bauchschmerz  angeblich  grofs,  das  Erbrechen  er- 
folgte aber  nicht  anders,  als  wenn  er  Speise  und  GetiSnk  m  sich 
nahm  (so  lange  ich  in  der  Hütte  war,  hat  er  si^  nicht  erbro- 
chen). A.US  der  Dauer  des  Uebels  scblofs  ich,  dafs  die  Ursache 
desselben  uamögliGb  Darmentzündung  sein  kSnne,  und  trug  also 
kein  Bedenken,  ihm  Jalappenpulver  mit  veraüfslem  Quecksilber 
SU  geben.  Die  Frage  war  nun,  wie  dieses  Laxirmiltel  ror  dem 
Ausbrechen  .^u  schützen  sei.  Ich  hatte  schon  bei  der  epidemi- 
schen rothen  Rohr,  bei  der  das  Erbrechen  häufig  war,  hinsicht- 
lich dieses  lästigen  Zufalles  allerlei  Listen  gelernt.  So  wnbte 
ich  schon,  dafs,  wenn  man  beim  Erbrechen  Arzenei  in  die  Därme 
bringen  will,  man  diese  in  Pillenform  geben,  und  die  Pillen 
tüchtig  austrocknen  mufs,  damit  sie  -nicht  in  dem  Magen,  sondern 
erst  in  den  Därmen  schmelzen.  Zergehen  sie  in  dem  Magen ,  so 
priklen  sie  dieses  bis  zum  höchsten  Grade  der  Heizbarkeit  gesteigerte  . 
Organ  und  werden  zor  Stunde  ausgeworfen.  Ich  liefs  also  Jalappe 
und  versüfstes  Quecksilber  zu  Pillen  machen,  selbige  gut  aus- 
trocknen, in  Gerstenschteim  tanken,  dafs  sie. schlüpferig  wurden, 
und  sie  so  hinunterschlingen  ohne  darauf  zu  trinken.  Hätte  der 
Mann  darauf  getrunken,  so  würde  er  sie,  weil  er  alles  Getränk 
ausbrechen  mufsle,  mit  dem  Getränke  wieder  ansgespien  haben; 
so  blieben  .sie  in  dem  M&gen,  gingen  in  die  DNrme  und  brachten 
Oeffnung  hervor.  Das  ganze  Uebel,  welches  wahrscheinlich  blofs 
Ten  einer  Ansammlung  von  Koth  entstanden  nnd  aus  Mangel  an 
Hülfe  anf  diesen  Grad  gesteigert  wat-,  wurde  dadurch  anf  Einmahl 
gehoben.  Da  ich  die  erwünschte  Wirkung  der  verordneten  Mittel 
aus  dem  Berichte  der  Ehefrau  des  Kranken  vernommen,  so  war 
ich  neugierig,  den  Mann  von  allen  seinen  Leiden  befreit  zu  se- 
hen. In  meiner  jugendliehen  Unerfahren  heil  glaubte  ich,  ich  wür- 
de ihn  zwar  noch  wol  etwas  malt,  aber  übrigens  froh  and  lebens- 
lustig antreffen.  Acht  wie  wurde  ich  enttäuscht.  Frei  von  Bre- 
chen und  Schmers  war  er  wol,  aber  übrigens  ein  Gerippe,  sein 
Puls,  wie  der  eines  Schwindsüchtigen,  die  Fulse  bis  über  die 
KnScfael  geschwollen,  die  Efalust  geringe.  Die  genossenen  Speisen 
die  anch  nicht  die  luftigsten  sein  mochten,  machten  ihm  Drücken 
und  Aufstofsen,  er  mnfste  abwechselnd  das  Bett  Sachen,  so  dafs 
er,   alles   zusammengerechnet,    nicht  die  Hälfte  des  Tages  anfser 


—   ssu    — 

dam  Bmm  Min  boaDte,  Ich  lieib  ihm,  er  tolle  eine  gale  HmnA 
yM  bitterea  Dreiblatt  (MemyaMkn  tr\foiiataJ  tSchtig  anakochea 
(disaes  wiofast  faief  in  Ueberflnfs  uod  kostet  nichts),  mit  dieser 
AbkoofauDg  eine  Hand  toÜ  zerklopfte  Waohholderbeeran  ein  paar 
Standen  lang  auuieben  lassen  und  den  T^ank  täglich  nach  und 
nadi  versehren.  Ich  glaube  aoch  noch  jetzt,  dala  dieaei  der  beste 
und  wohlfeilste  Rath  war,  den  man  einem  armen  Manne  nach 
mich  äbeffatandenam  Siraalse  geben  konnte. 

Von  den  Würmern  müfate  ich  jetzt  auch  wol  reden.  Es  wird 
sich  aber  in  der  Folge  eine  weit  aehicklicbere  Gelegenbeii'  dar- 
bieten,  von  der  Vertilgung  dieses  Cngeziefers  ein  Wort  zu  sagen; 
damin  will  icb  jetzt  nur  derselben  ini  Vorbeigehen  erwähnen. 

Behaupten  zn  woUon,  man  brauche  nie  bei  Uebuag  der  Kunst 
auf  Eiageweidewurmer  besonders  Rücksicht  zn  nehmen,  diese  ver- 
schwinden, als  Eigeotbümlichkeit  der  Kindheit,  bei  reifereni  Al- 
ter von  selbst,  scheint  mir  uheririeben  und  der  Wahrheit  wider- 
i^recbeod  zu  sein;  aber  allemhalben  Warmer  au  wittern,  und  bei 
soleben  akuten'  Krankheiten,  deren  Nalnr  weder  abrührende  Mittel, 
noch  Quecksilber  verträgt,  diese  Mittel  zn  reichen,  um  durch  ei- 
nen Crews]  tsireich  die  Schmarotzer  zu  entfernen  und  sich  einen 
vevmeinllich  sicheren  Weg  znr  Heilung  zu  bahnen,  scheint  mir 
eben  so  evfafarungswidrig ;  ja  ich  glaube  wirklich-,  dafs  dnroh  un- 
weises Wnrmtreiben  mehr  Kinder  umgekommen  sind  als  durch 
die  Würmer  selbst.  loh  finde,  dafs  bei  akuten  Krankheiten  den  Kin- 
dern die  Wfirmer  mebrentheils  von  s^bst  abgehen.  Ob  dieaes 
doreh  die  Mittel  kommt,  welche  ich  reiche,  od«r  ob  es  blofs  Znfail 
ist,  weib  ich  nicht.  Ich  habe  schon  seit  fast  d reif gig Jahren  allen  Sy- 
Tup  aus  der  Medizin  verbannet.  Wenn  es  also  wahr  ist,  dafs  Sjrup 
den  Würmern  zn  wider  ist,'  (sonst  hat  man  wol  das  Gegentheil  für 
wahr  gebalten)  so  kam  ich  eben  nicht  denken,  dafs  bei  meinen  Kran- 
ken die  Wnnner  durch  den  Syrap  vertrieben  werden.  Ferner  bediene 
ich  mich  häufig  solcher  Mittel,  die,  wenn  sie  in  der  Gabe,  wie 
man  sie  in  akuten  Krankheiten  reicht,  gesunden  Kindern,  deren 
Därme  doch  mit  Speisebrei  und  Koifa  erfället  sind,  gegeben  wnr_ 
den,  wahrscheinlich  keine  Würmer  trieben ,  in  dem  leeren  Darm- 
ksnal  kranker  Kinder  den  Würmern  gar  wol  zuwider  sein  kdn- 
nen.  Bei  dem  Gehrauche  folgender  Mittel  bähe  icb  in  akuten 
Krankheiten  nicht  ein  oder  ein  paarmahl,  sondern  häufig,  mehr 
oder  minder  Würmer  abgehen  sehen:  Agua  Nucü  vomicae,  Aq. 
Quatiiae^  Aq.  Amygdal.  mmar. ,  Aq.  NicoNanae ,  ArgailuM  cklo- 
räucKm,  Caprum  aceliaim,  Ferrum  aeeticuMt  und  Campher.  Einst, 
da  der  Campher  bei  einer  herrschenden  Krankheit  sehr  gute  Dien- 
ste leistete,  trieb  er  in  einem  Hause,  worin  mehre  Kinder  er- 
krankt waren ,  diesen  zugleich  gar  trefilich  die  Würmer  weg. 
Die  Haaafraii,    welche  sehr  verständig  war  nnd  der  diese  Wurm. 

— —  "s'^' 


—    230    — 

rsnilgang  g^el>  wollte,  angeAhr  zwei  Jahre  BBchdsm,  4ea  nlm- 
lichea  VersDch  bei  ihren  Kindern  anstellen,  die  nan  nicht  an  ei- 
nem akuten  Fieber  krank  lagen.  Der  Versuch  geschah  mit  mi- 
ner Zustimmaog  und  die  Arxenei  war  gerade  wie  früher,' si«  be- 
stand aas  Wasser,  arabischem  Gnmmi  und  Canpber.  Die  Wür- 
mer waren  al>er  dieses  Mahl  nicht  «o  gefSIlig,  von  den  Kindeis 
SU  weichen. 

Die  Wurmmittel  halte  ich  allesamint  für  onaicber,  anfser  Ku- 
pfer, Aloe  und  Oel,  letsteres  in  grofter  Menge.  Das  harKige  Ex- 
trakt des  SeM.  Cirae  bat  mir  in  neaer  Zeit  auch  gute  Dienate 
gegen  Spulwürmer  geleistet. 

Die  Askariden  habe  ich  nie  ohne  Aloe  verlreihen  können. 
Diese  Maden  müssen  ein  zähes  Leben  haben,  weder  Qaecksilb«r 
noch  Kupfer  tödtet  sie.  Die  AlÖa  vvrtreibt  sie,  sie  köanen  der 
Wirkung  derselben  nicht  widerstehn,  werden  aber  nicht  durch 
selbige  getödtet.  Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dafa  sie  ihre  Wob- 
nnng  im  Mast-  und  Grimmdarme  haben.  Vor  Tiercig  Jahren  ha- 
be ich  ein  MSdchen  an  der  Ruhr  bebandelt,  die  eine  grufu  Menge 
Maden  ausbrach;  ich  habe  mich  mit  eigenen  Augen  daron  über- 
seugt.  In  hiesiger  Stadt  war  einst  ein  erwachsenes  Mädchen, 
welches  behauptete,  die  Maden  kröchen  ihr  xnm  Munde  und  snr 
\ase  heraus;  die  Mutter  bestfiiigia  diese  Aussage  durch  Augen- 
zeugnifi«,  ich  seibat  habe  es  nicht  gesehen.  Es  scheint  aber  doch, 
dafs  die  Maden  hinsichtlich  ihres  WohaorlM  nicht  sehr  wfihliscfa 
sind.  Ich  kannte  einst  ein  Madcheo,  der  sie  in  der  Mnlterscbeide 
steckten ;  ob  sie  als  eine  vom  Muiterlande  gesonderte  Kolonie 
sich  in  der  Scheide  oiedergelaasen,  oder  ob  sie  als  blofsea  Wan- 
dervolk selbige  durcEistreifien ,  kann  ich  nicht  bestimmt  sagen; 
letzteres  ist  mir  aber  um  defswillen  wabracheiiilicb ,  weil  ich  von 
dem  Muiterscheiden  -  und  Scham]  ippenleiden  weiter  nichts  mehr 
gehört  habe,  seit  durch  Knpfer  und  Aloe  die  Madenwelt  in  den 
Därmen  zerstört  war. 

Nnn  stelle  ich  eiue  besondere  Frage  auf,  oämlich;  wie  kann 
man  die  im  Magen  hausenden  Spulwürmer  erkennen?  Der  Ma- 
gen ist  bekanntlich  ihre  Wohnung  nicht;  sie  steigen,  «er  weife, 
ans  Notb,  oder  ans  MuibwiUen  hinein,  und  treiben  hier  nicht  sel- 
ten allerlei  Unfug,  wodurch  denn  bei  akuten  Fiebern  die  Kran* 
ken  eine  solch  furchtbare  Beängstigung  bekommen,  dafs  sie  glau- 
ben, ihre  letxte  Stunde  sei  nahe.  Es  wäre  wo]  gn),  *dafs  man  in 
solchen  Fällen  die  Spulwürmer  als  Ursache  der  Beängstigong  er- 
kennen könnte;  ich  weifs  aber  wirklich  keine  Zeichen  anzugelien, 
aus  welchen  man  auf  eine  solche  Ursache  mit  Wahrscheinlichkeit 
sehliefsen  könnte.  Durch  ein  Brechmittel  könnte  man  sich  Ge- 
^rifaheit  Tcrschaffen ;  aber  da  ist  wieder  ein  grofses  Bedenken, 
niimlicb,  die  Beängstigung,  die  von  unruhigen  Sputwünnern,  durch 


—    Ml     - 

ihn  EiBwirkuBg  eatweder  auf  Ana  M*g«n ,  oJer  auf  den  oberen 
Thai]  des  ZwölffiBgerdarnis  herrorgebracht  wird,  hat,  wenn  si« 
siBfls  hoben  GnA  erreicht,  die  gp&iate  Aehnliohkeit ,  wo  aiclit 
-GleidifaMt,  mit  einer  anderen  BeSn j;ettgnii^ ,  welche  ron  iet  an- 
faageaden  IMmang  das  JP/emm»  eoe/iaci  herrSbrt,  io  welcher 
letsiwwn  ein  Brechmittel  tidiJiebm  Gift  in.  Ich  g«be  freilieh  m, 
daf«  die  anfangende  LHhmung  de«  Plextu  coe/iaei  aU  Zufall  ei- 
aer  Krankheit  ftufsant  Balten  Torkomme  (ich  habe  sie  nnr  swei- 
mahl  erlebt),  meial  am  Ende  aknter  und  chronischer  Krankheiten 
der  Tod  selhu  aei ,  nnd  aw»r  der ,  den  der  gemein«  Mann  den 
schweren  Tod  nennt.  Aber  Je  seltener  ein  solch  itbet  zn  erken- 
nender K ra nkh ei tsKU Bland  ist,  bei  dem  ancb  d»  all erverst&nd igst e, 
aber  nnerfahrne  Arsl  leicht  einen  t&diÜchen  Mifsgrilf  machen 
kann,  nm  so  mehr  ist  es  Päichl,  nnertüfsliche  Pflicht  des  schrei- 
bendeo  Arnes,  anf  aelcbe  verhoi^ene  Klippen  die  Unerfahmen 
anfnMriuam  zu  maehao.  Ich  ratbe  jedem,  wenn  er  xweifelhaft 
ist,  ob  Würmer  die  Ursache  solcher  grofsen  Beffngsiigong  Bjnd, 
deren  Sita  der  Kranke  selbst  in  der  Hercgrahe  andeutet,  ich  raibe 
ihm,  sich  der  Urechmillel  zn  enthalten  and  lieber  die  mnihmafa- 
lioben  Wärmer  im  Magen  zn  tddien;  denn  sind  sie  tadt,  so  kön- 
nen sie  kein   Unheil  mehr  anrichten. 

Alle  Spulwürmer  machen  aber  im  Magen  keine.  Beäagsiignng; 
einige  verballen  sich  rohig,  steigen  früher  oder  später  sluberlich 
die  Speiser&bre  fainanf,  der  Kranke  fühlt  ein  Kilieln  und  Bewe- 
gen ins  Schlund« ,  greift  mit  den  Fingern  bin ,  und  xieht  den 
Wurm  aus  dem  Halae.  Aber  die  Wünner,  welch«  BeSngstigaog 
machen,  bah«  ich  noch  nie  so  sftnberlich  ans  dem  Halse  klimmen 
sehen;  si«  werden,  wenn  sie  es  zu  arg  im  Magen  treiben,  von 
diaaem  dnreb  Erbrechen  ausgeworfen.  Gewöhnlich  sieht  man, 
dafs  nur  «ioer,  oder  ein  paar  die  Ursache  grofaer  Beängaligung 
gewesen  sind.  Einen  etwas  seltenen  Fall  der  An  habe  ich  vor 
mehren  Jahren  erlebt.  Ein  Dienstmädchen,  das  eine  DreifsigeriDti 
sein  mochte,  wurde  von  der  berrst^enden  Ruhr  ergriffen,  und  litt 
am  ersten  Tage,  besondrrii  gegen  Abend,  solch  furchtbar«  Be- 
ingstigong,  dnfs  ihr«  'Herrschaft  mich  hat,  sie  in  dieser  .\otb  noch 
abends  selbst  ZU  sehen,  ob  ich  vielleicht  Rath  fünde  gegen  solch 
grofsea  Leid.  Als  ich  hinkam,  hatte  sie  eben  einen  langen  Wurm 
mit  grofsar  Mühe  und  vielem  Würgen  zu  Tage  gebracht;  die  Be- 
ängstigung war  aber  um  kein  Haar  besser  durch  diese  Entleerung 
gnworden.  Ich  uriheilte,  dafs  wahrscheinlich  noch  einer,  oder 
ein  paar  Würmer  im  Magen  stecken  machten,  und  gab,  um  sie. 
zn  entleeren,  einen  Skrupel  Brecbwur.el.  Dieses  Mittel  bewirkte 
sin  hei  einer  Stund«,  mit  weniger  Zwischenruhe,  anhaltende)«  Er- 
brechen, durch  w^hea  nach  und  nach  siebzehn  grofse  Spulwürmer 
«u  Tage  gefördert   wurden.      Nun  war  die  Beängsiigung  gehohen. 


—  ä»  — 

Vom  WummibcD  habe  ich  einnahl  eiiMB  «ehi  wundediehcit 
Fall  erlebt.  Zu  der  Zeit,  da  uns  die  Fransosen  Twlawen  und 
wir  obahenig  waren,  wo,  wie  leicht  lu  erachten,  all«riei  Lnnd- 
itreieher  und  luftiges  Gesindel  weit  freier  sein  Weien  tri«b  als 
bei  einer  beslehendeo  Ordnung,  tritt  ein  Olitälaalutbner ,  int  nn- 
garischea  Wamse,  seinen  ArMneikasten  anf  dem  Rücken,  lu 
eiuem  ehnamea  Bürger  ins  Hans  nitd  überredet  diesen ,  der  .mit 
Spulwürmern  geplagt  war,  die  er  bis  dahin  von  Zeit  xu  Zeit  durch 
Knoblauch,  oder  andere  Hausmittel  au  en (fernen  gesucht,  er  solle 
eiomahl  seine  Wurmmittel  gebrauchen ,  selbige  wnrden  ihn  gründ- 
lich TOD  seinen  lustigen  GSsten  befreien.  Er  gibt  ihm  Wurmmit- 
tel, welche  sieben  Tage  hinter  einander  gebranoht  werden  miis- 
■en,  dann  nimmt  er,  angeblieh,  ein  Laxirpulver  aus  dem  Ka- 
sten, schabet  toq  einer  Snbstanz,  die  die  Farbe  der  Muskaten- 
nnfi  gebäht  haben  soll,  ein  wenig  mit  den  Messer  ah,  Toiscbet 
das  Schabsei  mit  dem  Laxirpulver  und  heifst  ihn,  diesen  Gemisch 
den  achten  Tag  nehmen. 

Mit  den  Wurmmittel,  erafthlte  der  Mann,  sei  alles  goi  ge- 
gangen, auber  dafs  es  keine  Würmer  abgetrieben;  da  der  achte 
xnm  Laxiren  bestimmte  Tag  gerade  ein  Sonntag  gewesen,  habe 
er  das  Laxirpulver  in  dem  Aogenblicke  genommen,  als  er  nr 
Messe  gegangen,  denn  er  habe  geglaubt,  in  der  kurzen  ^it, 
welche  eine  kleine  Messe  wühre,  wurde  das  Pulver  doch  seine 
laxirende  Wirkung  nicht  BulseTn. 

Die  Wohnung  des  Mannes  liegt  faat  der  Kirche  gegenüber; 
als  er  aber  nahe  bei  der  Kirche  ist,  fühlt  er  schon  eine  Umwftl- 
Kung  in  seinem  Bauche  und  ein  solch  seltsames  Ergriffensein  sei- 
nes ganzen  Wesens,  dafs  er  augenblicklieb  nach  Hause  zurück- 
kehrt; wie  er  aber  nach  Hause  gekommen  sei,  behaupteter,  nur 
ntideatlich  selbst  xu  wissen.  Kaum  -hier  angekommen ,  wird  er 
von  einem  furchtbaren  Erbrechen  und  Purgiren  ergriffen  und  ge- 
räth  in  einen  halb  besinnungslosen  Zustand.  Die  Ehefrau,  heftig 
erschrecken,  schickt  zum  Geistlichen  und  zu  mir;  da  ich  aber 
gerade  in  der  Stadt  die  Kranken  hesnchie,  hatte  der  Sendling, 
der  nicht  wufste,  in  welchen  Häusern  ich  zu  thun  halte,  und  der 
meiner  Spur  durch  blofses  Nachfragen  in  den  StraCsen  und  Häu- 
sera  gefolgt  war,  mich  erst  spät  gefunden,  so  dafs  ich  fast  drei 
Viertel  bis  eine  ganze  Stunde  nach  dem  ersten  Auftritte  den  Kran- 
ken XU  sehen  bekam. 

Der  Anblick  desselben  war  merkwürdig.  Die  Farbe  seines 
Gesichts,  der  Zunge,  der  Hände  und  der  Theile  des  Korpers, 
welche  ich  ohne  ihn  zn  entkleiden  sehen  konnte,  war  bläulich.  Den 
Puls  konnte  iiA  nicht  fühlen.  Besinnung  hatte  der  Kranke  noch 
so  halb  und  halb;  er  vermochte  ja  und  nein  su  sagen;  das  war 
aber  auch  alles,   was  ich  ans  ihm  brachte. 


—    ISS    — 

AU«  UnMSnde  wohl  erwogen,  war  es  mir  wabm^einlkli, 
d«&t  der  Lsaditreicber  dem  Muin«  Operanot  unter  daa  LaxirpuU 
ver  gemengt.  Da  et  aber,  wegen  des  gleich  nach  dem  Einneh- 
men erfolgten  heftigen  Brecbetu  aad  Pnigirent  nicht  blofg  wahr- 
icheinliefa,  Modem  fast  gewifa  war,  dafa  der  Mann  daa  rer- 
■cbluckie  Gift,  ea  mochte  auch  ■«!■,  welohea  es  wollte,  wieder 
von  lieh  gegeben ,  und  er  aich  in  ^a  besten  Jahren  des  Menacben- 
leheos,  awisdhen  dreifiig  and  viertig,  befand:  ao  hielt  ich  ea  für 
puHi  über^asig,  ihm  viele  Arzenei  so  veraehreiben ,  sondern 
li^  ^m  nur  alle  halbe. Stunden  fünfzehn  Tropfen  Hoffmaonischen 
Liquor  mit  Wasser  rermiscfat  reichen.  Anderthalb  Standen  nadi- 
hw  sah  ich  ihn  wieder;  nun  konnte  ich  den  sehr  matten  Puls 
fühle«;  er  schlag  regelm&fsig  und  ein  wenig  geschwinder  als  im 
Nomolstaode.  Die  bifinliche  Farbe  der  Haut  war  verschwunden, 
(ein  Geislesxaxiand  aber  noch  gar  nicht  verftndert,  er  war,  wie 
vorhin,  theilaabmlos  für  alles,  was  nn^  ihn  vorging.  Gegen 
Abend  sah  ich  ihn  noch  einmahl .  und  fand  de«  ganzen  Zustand 
meridicb  verfindevt,  die  vollkommne  Bekinnnng  war  surSckgekebrt. 
Da  er  aber  über  ein  Gefilhl  von  grolser  Mattigkeit  klagte  (wel- 
ches wo)  nicht  m  verwundern ) ,  so  durfte  ich  ihn  nicht  mit  Fra- 
gen ermüden.  Am  folgenden  Tag«  war  er  «war  auch  noch  matt, 
aber  doeb  sjemtich  heiter  und  übrigens  nicht  krank.  Jetat  ersSblte 
er  mir  nnanlgefodert  sein  Abenteuer  gerade-  so,  wie  es  der  Leser 
von  mir  vernommen  and  wie  ioh  es  anch  anßinglicb  von  seiner 
Ehefrau  .gehört.  Neugierig  war*  ich ,  über  seine  Geftihle  in  dem 
halbbosinaangalosen  Zustande  einige  Auskunft  au  eriialien;  er 
sagte  mir  aber,  es  sei  ihm  so  seltsam  so  Muihe  gewesen,  dafs  er  es 
für  nnniSglich  halte,  etwas  davon  nacfasaers&hlen.  Alles,  was 
er  sogen  könne,  lasse  sich  anf  xwei  Hanplstücke  xnrfickführen : 
das  ente  sei,  der  feste  Gedanke,  er  mBsse  sterben,  ohne  dafs 
er  eben  sagen  könne,  einige  Furcht  vor  dem  Tode  empfunden 
so  haben,  und  das  zweite  sei,  ein  ungeheures  Geräusch  und  To- 
ben im  Kopfe,  welches  er  am  bested  mit  swei  Mühlenwasserrli- 
dera  vergleichen  könne,  die  sieh  in  seinem  Kopfe  nmgewHlat. 
CebrigeDS  erinnere  er  sich  dessen,  was  um  ihn  vorgegnngen ,  nur 
wie  eines  ganz  dunklen  Traumes.  Zom  Schlüsse  mufi  ich  noch 
bemerken,  dafs  durch  daa  anf|pgliche  heftige  Brechen  nnd  Pui^ 
giren  eine  gute  Menge  Spalwümer  von  ihm  gegangen  war. 

Nno  will  ich,  da  ich  doch  einmahl  von  den  Dfirmen  rede, 
auch  ein  Wort  von  der  VerhKrtnng  des  Mastdarmes  sagen.  Mei- 
ner Kunst  ist  dieses  Uebel  unheilbar;  da  ich  aber  schon  etliche 
Mahle  erlebt,  dafs  junge  Aerxte  ein  seltsames  und  ungeschlach- 
tes Urtbeil  über  selbiges  gefället,  und  sich  in  den  Augen  der 
Meosdiea  lächerlich  gemacht  haben  fob  ihre  Meister  auf  der  Hoch- 
schale  ihnwi  wirklich    nichts   davon  getagt,    oder  ob  sie  da«  Ge- 


_    134    — 

ugte  vei^«suD  haben,  knati  ich  Diebt  wisMO,  4m  LelM«  iat 
mir  alwr  am  glanblicbaien ) :  ao  will  ich,  blofi  ibnen  cu  Lietw, 
■af  die  grofse  Schwi«rigkeit  der  Erkeooinifs  iHid  Rnf  <ft«  noch 
gröfsere  der  Heilung  dieses  klXglich«ti  Uebels  HDfiiierksatn  niacben. 
loh  habe  es,  so  lange  ich  praktischer  Ant  bin,  nur  echtmahl 
gesehen,  also  mnfs  es  zum  Glücke  der  Menscbheil  etwas  sehen 
sein.*)  In  Einem  Falle  fing  es  Ssfierlich  am  After  an  und  die 
VerhBrtnng  verbreilete  sich  nach  innen.  Hier  war  anfUnglich 
ein  Schmers,  als  ob  der  Kranke  an  HHmorrhoidalknolen  liite, 
auch  halte  die  Verhärtung  Tollkommen  das  Ansehen  eines  solchen 
Knotens,  war  aber  knorpelhart,  von  der  GrSlse  eines  Knickers 
nnd  entsündel.  Hier  wltre  das  Ansschneiden  der  VerhHrliing ,  das 
man  heut  la  Tage  Torgeschlsgen ,  niSglich ,  und^  so  viel  ich  be- 
greife, ohne  grofse  Schwierigkeit  anwendbar  gewesen.  Der  <Ve- 
dicochinir^Hs  aber,  dem  sich  der  Mann  anvertrante ,  ist  nicht  aitf 
diesen  Gedanken  gekommen. 

In  den  andern  Fsllen  fing  das  Uebel  in  dem  Inneren  des  Mast- 
darmes an,  und  weil  bier*nm  ersten  Tänschnng  in  der  Krkennt- 
nifs  und  ein  nnweises  Unheil  Siatt  finden  kann,  so  will  ich"  den 
Anfang  und  Fortgang  desselben  knrs  und  genan  besehreihen. 

Ex  RtBgt,  nach  Aussage  der  Kranken,  gann  leise  an,  ao,  daf« 
auch  der  erfahrenste  Ant  in  der  ersten  Entstehung  es  für  einen 
geringen  mit  etwas  wenigem  Stnhiswange  verbandenen  Uiirchfall 
halten  sollte.  Dieter  länschenHe  Anfang  geht  nach  nnd  nach, 
friiber  oder  spHier,  in  wirklich  schmerzhaftes  nnd  öfteres  \3(higen 
ftim  Stuhlgänge  über.  Die  Schmerzen  sind  im  Mastdärme  und  in 
der  Mitte  des  Bauches;  letzter  geht  der  Eirileernug  vorher,  er- 
scheint aber  auch  anfser  der  Zeit  der  Entleerung.  Beide,  so  ver- 
schieden sie  auch  dem  Grade  nach  sein  m9gen,  vermehren  mit 
der  Zeit,  so,  dafs  endlich  der  Kranke  fast  nie  ohnt«  Schm<n-ien 
ist  lind  selbst  des  Nachts  hSnfig  zu  Stuhle  gehen  uiufM,  Der  he- 
slflndige  Schmerz,  das  Nöihigen  zum  Abgehen  nrtd  der  Mangel 
an  nächtlicher  Ruhe  bewirken  begreiflich  eine  sichtbare  Abmage- 
rung; diese  ist  jedoch  nicht  ao  schnell  fortschreitend,  als  sie  es 
gewöhnlich  bei   eiternden  Lungen  ist. 

iNachdem  nun  so  der  Kranke  eine' lange  Zeit,  vielleicht  ein 
bis  «ndenhalh  Jahr  gemekall,  aomithmi  drr  Slohlgang  wieder  ab 
nnd  dar  Baacbsehmera  wird  minder.  Dieses  Minderwerden  der 
iHstigen  HauptsnfUlle  ist  kein  Zeichen  der  BessetDog,  sondern  es 
ist  ein  Zeichen,  dafs  die  Desorganisation  das  Mastdarmes  sieh 
ihrer  Vollendung   nähen.      Nun  entstehen    von  Zeit   zu  Zeit  Bin- 


*)  Seil  ich  Oblsrs  im  Jak r  1810  geichrieken  ,  bin  Ich  noch  bei  einen)  Fnlle  »ul 
8elg<*ehen  Gelitte  tar  Beraihnsf  gttogea  ,  irar»le  sW  keines  R*lh.  Urbri- 
KUM  bnite  dsr  Kall  sUbti  Aatgneiohael««. 

L,, ,_..,,,,  Google 


— gan  US  4«ni  MMtdamie  ogd  &&«rM  NMi(f«Q  mni  Hanic« 
(leMierM  SympCom  habe  icb  weit  herroiMesbMider  bei  den  Mln- 
■em  ■!■  bei  den  Frueo  bemerkt)«  der  Koth  1s«fl  wider  Wtllea 
weg*  der  HvD  ebenfaliB,  md  in  diesem  Zustande  kann  der  «n- 
giücklicbe  Menacb  nocli  Monate  lang  leben.  Unter  den  bieben, 
denen  das  Uebel  im  inneren  Hastdarm  anBng,  habe  ich  eiae  Fraa 
gekaont,  der  in  dem  leisten  .Zeitraum*  ein  schwaraaüges  GewBcbs 
von  der  Qröfse  eines  Ufibnereies  zum  Aft«r  keranswucherte.  Die 
Mmdung  des  AAera  stand  dabei  offen  und  die  Oeßnang  mechie 
FaA  einen  Zell  im  Onrchmesser  haben;  Kotb  and  Jauche  liefen 
besllodig  beram.  Betllügerig  war  die  Kranke  danim  aber  n*ob 
nicht,  nie  saft,  seit  die  Afterorganlsatioo  sich  snlien  geaeigl,  aaf 
einem  Haarkin«n , '  welches  in  der  Mitte  eine  Oefihung  hatte, 
mnfste  sieb  aber  doch  von  Zeit  sii  Zeit  wegen  Mattigkeit  auf  das 
Sefa  legen.  Ich  habe  eine  geringe  Fraa  gekannt  (es  ist  bia  jctst 
der  leiste  Fall  der  Art  gewesen ,  den  ich  erlebt) ,  bei  der  sieb 
das  Maitdannribel  auf  die  Mutierseheide  vcrbreitele.  Masldarni  und 
Mutterscheide  wurden  durch  die  in  der  VerfattrlDog  sieh  bildende 
scharfe  Jancfae  durcbfressen,  und  de«  Darmkoib  lief  dem  nuglQck* 
liehen  Weiba  cur  Scham  heraus. 

Einen  Mann,  der  an  diesem  kllgtiehen  Uebel  gestorbMi  war, 
babe  ich  geSffnet,  nicht  um  zu  sehen,  ob  meine  Erkennt ntfa  richtig 
•ei,  denn  an  dieser  war  kein  Zweifel,  sondern  om  zu  aeben,  in 
wiefern  die  Blase  von  dem  Mostdarmüb«!  eigriffen  gewesen  sei; 
in  dem  letzten  Zeiträume  hatte  er  viel  an  Urinbesch werden  gelit- 
ten. Aber ,  e  Himmel !  wenn  so  das  im  Dunkeln  Verbotene  an 
den  Ti^  gezogen  wird,  dann  ist  es  uns  erst  recht  anscbanlicb, 
in  welchem  Mifa Verhältnisse  die  heilende  Kunst  sn  der  lerstaren- 
Aea  \atar  steht.  Der  derarganuirte  Mastdarm  war  unglaublich 
hart,  am  härtesten  ander  hinteren,  minder  an  der  vorderen,  der 
Blase  zugewandten  Seite.  Die  Verhärtung  fing  gleich  bei  der 
Oetünung  des  Afters  an  und  erstreckte  sich  reichlich  fiinf  Zoll  in 
die  Hdhe.  HSite  der  Mann  nonh  «inen  Monat,  oder  noch  weni- 
g«r  Zeit  langer  gelebt,  so  würden  die  Afierorganisationen  aus  der 
Mündung  des  Afters  heranigewucberl ,  oder  richtiger  zu  sprechen, 
sie  umsetzt  haben;  denn  der  Schliefomuskel  war  schon  ganz  ver- 
bautet und  eine  Linie  von  den  Hanlfalien  der  Mündung  sah  man 
«choo  Afiergebilde  aufsprossen.  An  dta  Blase  war  nichts  Merk- 
würdiges zu  sehen,  die  hintere  Wand  derselben  war  etwas  röttwr 
ah  sie  sonst  bei  Leichnamen  iM,  auoh  nnrerkeonbar  verdidtl» 
d«ch  nicht  in  dem  Grade,  dafs  sie  sich  hMie  fleischicht  anPühlen 
lassen. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dafs  bfi  den  Kranken,  welche  ich  ge> 
sehen,  die  Empfindlichkeit  der  Aftergebilde  des  Mastdarmes  sehr 
>erschieden  war.     Der  Mann  z.  B-,  dessen  Leiche  ich  untersuchte. 


—    236    — 

koDDta  EiMpHlniDgeD  rcoht  gut  venrtigsD;  aber  die  Fraa,  yoo 
welcher  ich  so  eben  erifthlte,  iai*  ihr  die  Afterg^ilde  «um  MaM- 
darme  heraiisge wuchert  Beten,  konnief  ohne  die  heftigsten  Scfamttr- 
MD  xa  empfinden,  nicht  eiBBahl  da>  ronicbtige  Eiupriizen  von 
lauwarnur  Milch  ertragen.*) 

Mittel  auf  da»  Pf9rtaderMf»tem. 

Im  Pfortadenyateme  sind  manche  Krankheiten  begründet,  die 
vj>n  Unerfahrnen  ninner  solches  Uraprnnges  «i  sein  erachtet  wer- 
den. Hftmorrhoiden  sind  wol  in  den  meisten  Fällen  ein  Zeicfaea 
von  Voltbliitigkeit  jenes  Systems;  eb  alleseit!  das  wage  ich  nicht 
ta  entscheiden.  Der  Andrang  deti  Blutes  nach  einem  Theile  be- 
weiset nicht  immer  dewen  Vollbliitigkeit ;  denn  wtire  das,  so  wür- 
de ein  Blutflnfs  aus  selbigem  Theile  das  Uebel  alleieii  beEwn,  »ad 
ISdlliche  Blaifliisse  müfsien,  aufser  bei  Verwundungen,  xu  den 
iinmögliflhen  Dingen  gehören.  Die  Erfahmog  lehrt  aber  das  (>e- 
gentheil.  Wir  habea  Darm-,  Langen-,  Nasen-  und  Muuerhliit- 
Äiisae ,  welche  den  Menschen  tödtlich  sind ,  oder  sie  doch  an  den 
Rand  des  Grabes  führen.  So  kann  auch  ein  Andrang  des  Blutes 
auf  den  Mastdarm  vorhanden  sein  und  sich  als  Hämonhoidalkno- 
len  Knfsern,  ohne  dafs  man  deshalb  mit  Sicherheit  anf  eine  Blut- 
übernilliing  des  gansen  Pfortaders^stems  schüefsen  kann. 

Die  Zufälle,  welche  ich  von  der  Vollblütigkeit  jles  Bauobader- 
ü^aiems  hab«  entstehen  sehen,  sind  gar  manaicbfoch.  Die  Hypochon- 
drie steht  oben  an,  dann  folgt  Schwindel,  Fehler  des  Gesichts,  chro- 
nische EnUündnog  der  Mandeln  nnil  des  Gaumens,  Hasten,  Asth- 
ma, Blnispeien,  Härnbeschwerden  mancherlei  Art,  die  sogenann- 
te kalt«  Gicht  oder  jene  chronischen  Schmerlen ,  welch«  sich  bei 
manchen  Menschen  in  den  Sohultergelenken  änfsern,  den  Gebrauch 
der  Arme  zwar  nicht  ganz  bindern,  aber  doch  gewisse  Bew^in- 
gen  derselben  peinlich  machen,  und  jener  Schmerz  der  Feraen, 
welcher  auch  das  Gehnn  erlaubt,  aber  doch  den  Gung  peiolieh 
und  steif  macht  (Gallensteine  nnd  Leberverstopfung  können  aber 
das  nfiniliche  Ferseniibel  vemrsachen).  Ferner  in  seltneren  Fällen 
eracheint,  diesem  Grunde  enisproisen,  Kolik,  Magenkrampf, 
sonderlich  zur  Zeit  der  Verdaunag,  Hfiftweh,  mftnnliches  üaver- 
mSgan,  oder  iibermSfsige  Geilheit  (mitunter  heidn  xogleichV  Ich 
habe  oor  solch»  Uebel  angeführt,  weiche  ich  selbst,  theils  hAnfi- 
ger,  theils  seltener  beobachtet,  iweifle  jedoch  nicht,  man  wird  in 
guten  medizinischen  Sammelschriften  noch  weit  mehr  von  solchen 
Dingen   finden;    denn    viele  Aerzte,     die  zu  verschiedenen  Zeiten 

*)  Im  iDlchan  FUlcn  liit  dla  UnteraachaBE  darefa   den  Pinser  anch  ihr«  Schnie- 
ri(|fcail«ü. 


^riit,  kSiueii  niAr  bcobachlel  haben  bIi  Einsr.  G«  gibt  A«nn«, 
di«  entweder  d«D  Jahren  nach  jnng  sind,  oder,  hinsichtlich  der 
Eifebrenheit,  m  den  bAMftndigea  jung  bleibenden  gdidran ,  welch»« 
wenn  sie  einen  Kranken  ausfragen,  sich  wohlweislich  erkundigen,  ob 
er  ancfa  mit  Himorrhoiden  behaftet  sei.  Antwortet  er ,  nein ,  er 
kenne  dieses  Uebe]  nicht ,  so  fragen  sie  noch  zum  Ueberflnsse,  ob 
er  Schmerzea  ia  Kreiue  habe.  Antwortet  er  anch  darauf  ver- 
neiHead,  m  glaohen  sie,  es  sei  nnnöihig,  naf  das  Pfortarfefsyttem 
Rieksioht  m  nehmen.  Es  ist  aber  leider  nur  xa  wahr,  dab  M«o- 
scben,  die  nie  Znekeo  am  After  oder  Schmersen  im  Krenxe  gehabt^ 
gerade  am  alferübelsicn  In  dem  Pfortadersysteme  erkrankt  sein 
kSnaen.  Man  mnb  nia  vergessen,  dafs  die  gemeinen  Zeichen 
der  Hämorrhoiden  nnr  eine  einzige  Aeuberaog  des  erkrankten 
Banehaderaystems  sind.  Es  gibt  in  der  Natur  noch  gar  mani^e 
andere  Aeafsernngen  dieses  Uebels,  die  iwar  nicht  so  handgreif- 
lich sind,  aber  nm  so  mehr  die  Anfmerksamkeit  des  Arztes  ver- 
dienen. Wie  manchen  habe  ich ,  ehtiältig  auf  das  Pfortadersy- 
sten  wirkend,  von  Baoebleidea  and  von  anderen  proteusarligen 
Ungemaehe  befreiet,  der  nie  an  wirklichen  Hämorrhoiden  gelit- 
ten, nod  schon  den  ganzen  Wust  biüerer,  atiflSsender,  stärken- 
der, krampfstiilender  Mittel  vergebens,  nicht  selten  mit  Ver- 
sefalimmerang  seiner  Ijeidea  Terschlnckt  hatte. 

Es  frSgt  sieb:  wie  kann  man  Urerkrankong  der  Leber,  des 
Pankreas,  der  Milz,  der  Dttrrae,  des  GekrSsfes  von  der  Vollblü- 
tigkeit des  Pfortadersf Steins  unterscheiden!  Diese  Unterscheidung 
ist  nicht  blofa  schwierig,  sondern  in  vielen  Fätien  bar  unmöglich. 
Bekanntlich  wird  die  Anlage  znr  BauchvollblStigkeit  vererbt,  mit- 
hia  kann  nns  die  Anamnese  zaweilen  aaf  die  Spur  mancher  dunk- 
len Erkrankung  bringen.  Alleia  die  Anamnese  kann  doch  nnr 
dann  Wenh  haben ,  wenn  unine  Kranken  bestimmt  angeben ,  dafa 
ihre  Aehern  an  Himmorrhoiden  gelitten.  Kihinen  sie  blofs  ange- 
ben, ihre  A eitern  und  Voriltem  seien  banchkrauk  gewesen,  so 
hat  diese  Aussage  wenig  Nutzen ;  denn  die  Anlage  zur  Erkran- 
kung aller  Organ«  wird  eben  so  gut  vererbt  als  die  Anlage  des 
Pfortedersystems  zn  Vollblütigk^b  Znweilen  kann  man  einzig 
doreb  Probemittel  in  solchem  heimlichen  Handel  auf  den  Gmnd 
komnaen.  Z.  B.  die  Bauchvollblütigkeil  stört  bei  einigen  Kranken 
siehtbaf  die  Verrichtung  dei:  Leber;  -  da  haben  wir  dann  Schmerz, 
oder  Spannang  in  rechten  Hypochondrio ,  mehr  oder  minder  ge- 
störte Gallenabsondernng,  gelbliche,  sebmulzige  Gesichtsfarbe, 
gelben  Harn,  kurzen  Athem  u.  s.  w.  Wirkt  man  nun  durch  zn- 
verltssige  Mittel  auf  das  scheinbar  nrerkrankte  Organ,  auf  die 
Leber,  so  führt  man  entweder  gar  nichts  aas,  oder  man  siebet 
zwar  die  Zufälle  nach  und  nach ,  frnher  oder  spiier  verschwin- 
den,   aber,    der  Besserung   widerapricbt   das   eigen«   GeffihI  des 


—    IS8    — 

Kranken.  Ehe  msii  es  sich  veniehet ,  fHngt  die  Mili  an  zn  scliiiMr- 
xen,  oder  et  Hafiert  sich  ein  Druck  in  der  Nabelg^gcnd,  od«r 
noderM  Ungemach,  welobes  auf  ein  anderes  ericrankieH  Orf^an 
hindenlel;  ist  man  nnn  bo.  ^iickli^,,  dieae  t enn ei ntlicbe  Erkran- 
kung ancb  gehoben  %a  haben ,  so  fängt  vielleicht  aufs  neue  die 
Leber  an  wa  spuken.  Wo  man  dergleichen  wunderliche  Dinge 
gewahr  wird ,  da  kann  man  darauf  wetten ,  dafs  der  Grund  in 
einer  VoUblüligkeit  des  Banchgeföfiaysteniea  stecke;  voraasgesetat 
jedoch ,  dafs  nicht  ein  weit  grö&eres  oder  gar  unheilbares  Uebel, 
Verhirtnng  im  Gekröse,  solch  wandelbare  Erscheinungen  venirsacfat. 

Der  zusammeageseUte  Zustand  von  einer,  nicht  scbeinharen, 
soildern  wirklichen  Erkrankung  eines  Organs  und  einer  VoUblü- 
ligkeit des  Pforladersyslenu  ist  noch  schwieriger  su  erkemien,  und 
sehr  btiklich  so  behandeln ;  in  der  Folge  werde  ich  an  einem 
schicklicheren  Orte  davon  reden. 

JeUt  wollen  wir  von  dem  alten  guten  Mittel ,  von  dem  Schwe- 
fel bandeln.  Dafit  dieser  heilend  auf  das  erkrankte  Bauchadersy- 
siem  wirkt,'  wissen  wir  allesamml,  wie  er  aber  darauf  wirkt, 
wissen  wir  nicht.  Daraus,  dafs  man  bei  seinem  Gebrauche  nicht 
immer  die  Blnlentleerung  dnrcb  Egel  an  den  After  entbehren  kann, 
scbliefse  ich  blofs,  er  müsse  nicht  auf  das  Bim,  sondern  auf  die 
GefÜfse  wirken.  leb  habe  mich  früher  des  prSzipitirien  Schwe- 
fels gern  bedient,  spater  aber  gefunden,  dais  der  einfache  gerei- 
nigte, von  aller  Säure  freie,  das  NKmIicbe  leiste).  Wer  aber 
den  Glauben  hat,  das  Lac  au/p^rit  besitxe  lorsüglicbere  Heil- 
kräfte, dem  will  ich,  durch  Erfahfong  belehn,  folgende  War- 
nung geben.  Die  Apotheker  sollten  das  Mittel  wol  eigenllieb 
ans  dem  snblimirtes  Schwefel  (Ft9r.  tulpk.)  selbst  bereiten.  Sie 
kaufen  es  aber  oft  genug  vom  Maierialislen.  Uiette  Herren  sollen 
es,  wie  ich  gebÖrty  aber  nicht  verbürgen  kann,  aus  dem  rohen 
Schwefel  bereiten,  und  ihm  noch  einen  fremden  Zubhis  geben, 
um  es  recht  weifi  lu  haben.  Es  ist  also  jedenfalls  ein  verdäch- 
tiges Präparat,  Eine  Frau,  die  ein  Jahr  lang  Pillen  aus  Lac  talpA., 
Gumm.  arai.  ood  Zucker  mit  wohlihäiigeni  Erfolge  gebraucht, 
also  die  Wirkung  des  Miuels  kannte,  lälat  einst  in  einer  grobe* 
reo  Stadt,  wo  sie  sich  zum  Besuche  bei  ihren  Verwandten  befin- 
det, die  Pillen,  von  denen  sie  das  Rezept  bei  sieb  führte,  b»-. 
reiten.  Diese  machen  ihr  gleich  Baucbscfainerzen ;  anflnglich 
schreibt  sie  das  auf  den  Zufall,  bernach  aber,  da  bei  mehren 
Versuchen  die  nämliche  schmerzbafte  Wirkung  sieb  offenbart, 
luifstranet  sie  den  Pillen  nnd  nimmt  sie  nicht  weiter.  Gleich  dar- 
auf kehne  sie  hierhin  surück,  liels  die  Pillen  in  der  hiesigen 
Apotheke  bereiten,  und  diese  halten  die  gewohnte  wohiibälige 
Wirkung.  Auch  weifs  ich  den  Fall,  dafs  eine  Frau,  welche  diese 
Pillen   lange   mit  gutem  Erfolge  gebraust,    von  dem   nämlichen 


Ap*llwker,  der  ihr  immn  gnte  Piltea  geliefert,  eiost  pine  Por- 
(kiQ  fnlieb«  bekam.  Diene  machten  ikr  Bancbscbinerxen ;  sie  hM 
rier  Tag«  lie  genominen ,  und  jedesinRl  Banchichmenen  und  «war 
ao  emaihafte  bekommen,  dafa  aie  anf  alte  weitere  Versncbc  ver- 
sieglet. Üa  aie  mir  das  sagte,  rieib  ieh  ihr,  veraucha» elie  das 
Rexe|tt  in  eine  anders  Apotheke  m  ichicken;  sie  tfaal  e«,  nnd 
«rbiell  Pillen,  die  ihr  nicht  BaDcbacfamenen  nMchien,  aondern 
die  grwabaie  wobltbftiige  Wirkung  fiafsertea.  Wir  Aer7.te  kön- 
«en  die  Haheinlicbe  Sieiliing,  worin  ans  die  froheren  Machtha- 
ber, beratben  dnrcb  Kryplogaleniber,  gebracht,  nicht  abftndem, 
whß  müuen  wir  dnrcb  Veratand  und  Litt  jader  möglichen  Tfiu- 
schnng  aannweiiibea  auchcn.  Seitdem  ich  das  Eriflhite  erfahren, 
habe  ich  von  Stande  an  das  Lac  itUphurü,  welche*  ich  bloCi 
aas  aller  Gewohnheit  bmnchte ,  fahren  lassen  nnd  mich  an  den 
tohlimirten  Schwefel  gehalten.  Wenn  der  durch  Abwaschen  von 
aller  ihm  anhangenden  Sinre  befreiet  ist,  thnt  er  eben  so  gnle 
Wirkung  aU  jenes  verdSehtige  Präparat,  und  oh  er  von  Sänre 
frei  sei,    Ififit  sieh  leicht  erkennen. 

Nun  will  ich  mit  meinen  jüngeren  Lesarn  anerst  von  der 
F«rm  sprechen ,  in  der  man  den  Schwefel  geben  kann.  Meine 
allen  und  erfahrenen  Amtabrüder  werden  es  nicht  iHcherlich  linden, 
dalä  ich  mich  bei  einer  so  geringfügigen  Sache  aufhalle,  denn  sie 
wissen  ea,  wieviel  daran  liegt,  den  Kranken  das  Einnahmen  eioei 
Mittelü,  das  sie  anhaltend  gebraneben  sollen,  geinüchlich  an  mn- 
chen.  Die  Pulverform  iat  die  einfachste  und  wohlfeilale,  darutn 
bediene  ich  mich  derselben  auch  am  h3n6g8ten.  Manche  Menschen 
wiaaea  aber  nit^i  damit  unizdgehen.  also  niufa  man  ihnen  die  Art, 
wie  der  Schwefel  mit  Wasser  an  miacben  ist,  auHlcgen.  Sie 
müaaen  nHnilich  die  Poriion ,  die  aie  rerscbluoken  wollen ,  tiierst 
nur  mit  wenig  Wasser  anfeuchten  und  damit  in  einem  Löffel  oder 
Tasse  XHsamnienreiben  ,  wenn  dann  der  Schwefel  ganx  fencht  )sf, 
können  sie  mehr  Waaaer  fainangiefsen.'')  Wollen  sie,  ohne  vor- 
herige Uefenebuii^,  die  gehörige  Poriion  Wasser  zusetzen,  so 
Bcbwimml  der  Schwefel  onf  dem  Wasser  nnd  ISfsl  sieb  übel  mit 
demselben  mischen.  Man  kaim  ihn  auch  (rocken  in  eine  aoge- 
fenchieie  Oblate  wickeln  und  den  Bissen  verschlucken;  aber  ntcht 
.alle  Leute,  und  am  wenigsten  die  geringen  sind  anstellig  genug, 
eine  solche  Einwickelang  gehörig  zu  machen.  Ich  kenne,  auch 
[.eat«,  die  den  Schwefel  trocken  in  den  Mund  nehmen  und  mit 
einem  Schlucke  Wasser  binunierspfilen :  sie  behaupten,  das  sei 
die  kürzeste  und  gemächlichste  Art  des  Einnehmena;  es  kann  sein, 
ich  habe  es   selbst   noch  nicht  versacht. 

*)  Ell  Tb««lltlal  vsll  WiMar  reicht  ffMsd«  hin  ,   ciaeo  gdiiiarts«  TbnlHbl  vall 
Schwefel  obse  Müh«    usnfMchlea. 

„,,,_„,,,, Google 


—    MO    — 

Dte  PillcDform  Ut  aiub  gut;  manche  Mcntchen,  dte  Pllkn 
sditucken  können ,  -halten  sie  für  die  gemäehlicbsle ;  Hnderen «  die 
«ich  schlecht  anfs  PilUnschlucken  verstehen,  ww"*)«  sie  angomttcb- 
lich,  ja  ganz  unbraachbar  sein.  Man  macht  die  Pillen  am  b«8lMi 
mit  ein  wenig  Schleim  von  Arabischem  Gummi  und  ein  wenig 
Zncker.  Der  Zucker  soll  nicht  dasn  dienen,  sla  xa  verfitCun 
(da«  würde  ein  alberner  Zweck  sein),  sondern  sie  schnell  aaSöa- 
lieh  zu  machen.  Bekanntlich  hat  der  Schwefel  eine  laxfrendr  ' 
'  Wirkung,  diese  ist  aber  so  unsicher,  dafa  es  ganz  nnmdglich  ist, 
nach  nur  eine  nngeffthre  allgemeine  Gabe  desselben  za  besiiraaiflii. 
Einige  Menschen  laxiren  schon  Yon  zehn  Gran,  andere  kdnaen 
zwei  Drachmen  tags  verschlucken ,  ohne  dafs  die  B»wegnng  der 
Dirme  dadurch  vennehrt  wird.  Ja  ich  habe  solche  getroffen,  de- 
nen eine  mäfsige  Gabe  laxirand  auf  die  Därme  wirkte,  nnd  zwei 
Jahre  nachher  brachte  eine,  vier*  nnd  fünffache  diese  Wirkung 
nicht  mehr  hervor.  Im  Allgenieiaen  siebet  man  die  wohlthBtige 
Wirkung  dann  am  dentliehsien ,  wenn  man  eine  solche  Gabe  aua- 
mittelt,  die  breiigen,  nicht  finssigen  Abgang  macht.  Ich  lasse 
ihn  gewöhnlich  morgens  «achtern  nehmen;  dann  bekomnen  sol- 
che Menschen,  die  von  Natar  morgens  Oeffnang  haben,  nachmit- 
tags gegen  drei  oder  vier  Uhr  eine  zweite. 

Bei  solchen,  welche  sehr  tragen  Stuhlgang,  vielleicht  nur  um 
den  anderen  Tag  haben,  vermehre  ich  nicht  die  Gabe  des  Schwe- 
fels so  sehr,  dafs  er  allein  tX^ii^e  breüge  Oeffnung  bewirkt,  zod- 
dern  ich  bleibe  hei  der  Mittelgabe*)  und  helfe  lieber  dem  Stahl- 
gange  durch  Seignet-,  oder  Glaubersalzwasser  nach.  Menschen, 
die  von  Natur  regelmttfsige  und  weilte  Oeflnnng  haben,  gebe  ich 
ihn  so,  dafs  er  nicht  erkennbar  die  Darmbewegung  vermehrt;  sie 
befinden  sich  so  am  besten  dabei. 

Es  ist  bekannt,  dafs  die  Winde,  'die  den  Menschen  bei  dem 
Gebrauche  des  Schwefels  abgeben,  einen  sehr  bösen  Geruch  ha- 
ben. Von  dieser  Regel  finden  sich  äufserst  selten  Ausnahmen. 
Dafs  aber  bei  dem  anballenden  mehrmoDatlicbeo  Gebrauehe  die 
Erzengnng  einer  solchen  stinkenden  Luft  im  Darmkanal  nach  nnd 
~  nach  anfh&rt,  ist  eine  Thatsache,  von  deren  Wirklichkeit  ich  mich 
zwar  binISnglich  überzeugt,  die  ich  mir  aber  nicht  erklären  kann. 
Dafs  man  denen,  welche  wirkliche  Hfimorrboiden  haben,  den 
periodischen  Orgaimum  Aumorum,  dem  solche  Leute  euweilen  nn- 
terworfen  sind ,  nicht  blo£i  durch  Schwefel ,  sondern  durch  eine 
Verbindung  desselben  mit  Salpeter  am  besten  beechwichliget,  weifs 
jeder  praktische  Arzt.     Es  gibt  aber  auch  eine  chronische  Erkran- 


')  Die  Hiltilcab«  Ift  iwci  gsbaun«  ThsslUffal  (ta  teilen  wird  dla  nitlhiga  Gabe 
BMTgeef  näcbtera  tut  Biaathl  ggBeniBeB),  Bei  ebrosiiebea  Laidaa  (UiR«  leb 
feiten  über  dieie  Pertion ,  londtrn  («be  bialgvr  lar  die  fillfle. 


—    2«     — 

kmog  d«  PfortaderB7sl«BU,  bei  dsr  keio  Ant  «iaeii  Orgatwmm 
humormm  erkeonen  wird,  and  die  dennoch  mit  einer  Stilpeipr- 
aflUuioD  de«  Gwanimtor^niiniu  Terbanden  ist ;  also  nicht  dtircb 
Schwefel  allein,  aber  wol  dorch  den  gleit^bxeiiigen  Gebraiieh  des 
Salpelera  and  Schwefels  gehoben  wird.  Ich  habe  bemerkt,  dafs 
eia  iromaielaMi;  geapannler  Banch  leicht  auf  solch  einen  Miach- 
matand  hindentel;  bei  Wohlhabenden,  die  Wein  trinken,  dentet 
aber  das  oabehagltche  Gefühl  nach  einer  gani  mSfsigen  Poriion 
Weia  noch  riel  denilicher  darauf,  denn  Wein  und  Sal}ielcr  haben 
entgfgangeaeizte  Wirknng.  £■  ist  aber  nicht  allein  überÜDisig, 
»ndera  in  niaachen  Ffillcn  aneb  schädlich,  allen  denen,  die  baach- 
kcank.  des  Schwefels  bednrfea ,  S^peier  mit  demselben  nt  geben. 
!■  den  meiaien  Fallen  erreicht  man  mit  dem  blofoeo  Schwefel 
aHeiii  den  Heikweck,  und  in  anderen  Fttlleo  von  Mischkrankheit 
tat  die  mit  dem  Urbanchleiden  verbundene  Aflektion  dea  Geaammt- 
Ofganismns  nicht  einmaht  aal petris eher.  Art,  mithin  miifs  eine  Ver» 
hindong  des  Schwefel«  mit  dem  Salpeter  eher  schaden  als  nnfzen. 
Von  dieaem  Gegenstände  werde  ich  aber  an  einem  schicklicheren 
Orte  in  der  Folge  mehr  sagen. 

Die  Alten  beben  den  Schwefel  BaltamuM  palmoni»  genannt, 
leb  habe  ihn  in  jüngeren  Jabrea  oft  genng  in  Urleiden  der  Lunge 
gcbrancht,  aber  nichts  Balsamisohea  daran  erkennen  können.  Mei- 
ne  Meinung,  die  ich  aber  niemand  aufdringen  will,  gehet  dahin, 
dalä  aeine  bahamische,  oder,  uro  hesiimmier  zu  sprechen ,  seine 
Langenbeilkraft  zn  den  niten  Fabeln  gehört,  von  denen  das  Ge- 
aammtwiasen  unserer  Kunst  wimmelt.  leb  habe  erfahre»,  dafa  er 
mSchtig  genag  ist,  den  Hasten,  ja  die  Lungensucht  au  heilen, 
weldie  als  consensnelle  Lungenleiden  von  einer  Urerkrankung  dea. 
Pforladersyilems  abhangen  (wiewol  er,  wenn  schon  wirkliche  Lnn- 
gengesebwüre  erzengt  sind,  diese  auch  wol  ungeheilt  lassen  wird); 
ihn  aber  deshalb  einen  Balsam  der  Lunge  lu  nennen,  würde  eben 
so  nfifrisch  sein ,  als  ihn  einen  Kopf  baisam  ■  zu  nennen ,  weil  er 
consensaelle  Kopfleiden  hebt.  Von  seiner  vermeintlichen  Heil- 
kraft bei  wirklichen  Lnngengeschwüren ,  welche  noch  bei  meiner 
Itebzeit  hervorgehoben  isl^  und  von  der  grofsen  Täuschung,  die 
bei  aelehen  Beobacbiungen  Statt  haben  kann,  werde  ich  an  einem 
fcblddleheren  Orte  dieses  Werkes  reden. 

Jetzt  wollen  wir  von  der  Blutenlleening  durch  Egel  an  dem 
After  bändeln.  Zuerst  werde  ich  von  dem  Ansetzen  der  Egel  ein 
Wort  sagen,  weil  ich  gemwkt,  dafs  dieses  von  Leuten,  die  e« 
«el  gut  kennen  mfifsten,  sehr  schlecht  gethan  wird.  Vor  allen 
Dingen  mofa  man  sorgen ,  grofae  ausgewachsene  Egel  zn  haben, 
denn  die  jungen  unmündigen  langen  nichts.  Man  mag  sie  von  dem 
Apo^dur,  oder  von  dem  Egelfinger  gekauft  haben,  so  mnfs  man 
aie  mit  reinem  Flufawasser  gut  abwaschen  und  sie  dann  ein  paar 


—    242    — 

Sluiid«D  lang,  «beror  man  sie  gebraucfaeo  will,  in  ein  Iroeknea 
tilmi  Hetzen,  dadurcli  werden  sie  recht  beifsig;  TurausgeMtit,  dafii 
man  das  Gla«,  worin  aie  eingesperrt  aind,  in  einer  ihnen  behag- 
lichen Tenperatar  halte ,  dena  stehen  sie  xa  kalt ,  so  wollen  aie 
übel  aobeiisen. 

Ferner  niüaaen  sie  da,  wo  Hämorrhoidalknoten-  vorhandoa 
aiud,  gerade  auf  die  Knoten,  und  wo  diese  nicht  sind,  ganz  nahe 
um  den  After  gesetzt  werden.*)  Das  wilde  nnacbisnnie  Aasetzea 
derselben  schafft  zuweilen  wenig,  zuweilen  giir  keinen  NatEen. 
Nun  ist,  wenn  die  Egel  abgefallen,  das  Unterhalten  des  Xaeh- 
blutens  eine  Hauptsache,  worin  aber  leider  such  oft  gefehlt  wird. 
Der  Krank«  tiiufs  sich  auf  einen  Xachtstuhl  setzen,  worin  heifaea 
Wasser  ist,  und  die  Bilswunden  müssen  mit  einem  feinen,  in  war- 
mes Wasser  gelanchten  Schwämme  oft  abgewischt  niid  dadnr^  of- 
fen erhalten  werden.  Geschiehet  das  alles  ordentlich,  so  kann 
»lan  darauf  rechnen,  dafs  das  Xadibluien  zwei  Stnnden  wihn^ 

Ueber  die  Zahl  der  Bktegel  läfst  sieh  im  Allgemeinen  nichu 
bestimmen.  Di«  Erfahrung  hat  mich  aber  gelehrt,  dala  man  Leu- 
ten ,  denen  man  zum  ersten  Mahle  diese  Blutentleerung  macht, 
nur  wenig  Egel  ansetzen  mafs,  weil  sie  mitunter  stark  davon  an- 
gegriffen werden.  IHeses  hat  mich  in  jüngeren  Jahren  zu  der  ir« 
i'igen  Meinung  gebracht,  als  ob  nicht  allen  Batich  vollblütigen 
Bluientleerung  aus  dem  After  znsage. .  Später  habe  ich  inieh  aber 
überzeugt,  dafs  anfHnglich  blofs  die  Ungewohnheit  der  Entteerang 
Schuld   an   der   scheinbar   feindlichen  Einwirkung   der  Entleerung 

*)  Zdiiti  von  Jnbre  18S9. 
Lit/rane  behtaptot  (»i«  ich  var  Karun  geUieii) .-  tua  iitt»  die  B(<l  BicU 
gam  dicht  gm  de«  Rand  du  AFteri  lagea  ,  weil  .bei  der  BaacheitlBcriiDg  der 
Riilb  die  Egelbir«-  oder  Slicbwunden  bescbBitui  ond  dnreb  diätes  Beiehnairn 
die  kleiaet  Wundes  leicht  in  birtaiekigen  Gatchwüren  werden  köDntEn.  — 
Mir  «ehvlnt  iber,  weau  L,  je  enlcbe  Geickwäre  beobtehtet  hit,  tu  möiieii 
dieee  eiaea  anderea  Gr«ad  E«h(bt  babei ;  dean  bkUe  der  MenicheDltBlb  eia« 
DO  reiadtiohe  EiawiHtoD«  auf  Wnsdeo ,  lo  künale  ja  keine  Fialuia  amt  darch 
den  Schnitt  geheilel  werden,  oder  man  nüUtc  den  Operirtee  bit  zar  vollkam- 
menen  Iletlanf  ^nzlicb  veralopft  erbaiten.  Üi  iit  mir  wabrscbeinlich  ,  dars 
dnrcb  dai  naehheris«  ilarke  Jucken  der  Bifiwnoden  and  dnrcb  dai  dadanh 
vnraBlafale  Kratien  die  Birnwaaden  in  anfeinnden  Kürpern  weit  eher  xtt  harl- 
nlckisen  Geaebwünio  werdsn  kSonen,  *U  durch  daa  BeeebnaMU  deraalbea  mit 
Kutb,  Obne  eins  »olcbe  GHchwnrblldnn;  Je  eelbat  beobtcblDt  in  babea,  bin 
irh  icFian  vor  vielen  Jahren  dnrch  eine  iwar  gefabrloie ,  aber  dach  lebr  IKitige 
UntzSodnns  der  Baal  der  Atlemiündnng,  dis  ich  dem  Kratzen  nicbrieb,  vei^ 
anlar>t  wardea  ,  UJ«  Urtaobe  den  anerlrKgliehen  Jacken»  anftaiocheu.  Ick  fasd, 
dafi  «■  nicht  darch  die  kleinen  Wanden  letbat,  (andern  viebnebr  daroh  die 
in  ihnen  verhürletea  BlalpFrapfen  enbilebet.  Dieter  Blntpfroprenbildnog  koBwe 
ich  telldeai  dadnrcb  zuvor,  ätü  ieh,  la  bald  die  Wanden  «nagebU- 
let  haben  ,  ein  einrachei ,  feines,  mit  icbwacher  Zink-  oder  Bleiiaibe  fett 
beachatlerten  Upp^ea  aaf  den  hKtr  i«S«i  la  eauiehet  dti  Jodiea  Dicht  «nj 
die  VeianlaMuos  zum  Kralui  Kill  we^' 


~    U3     — 

iai;  denn  Leute,  die  »im  etsten  Mahle  Biark  davon  aogegriffen 
werden,  vertragen  sie  spttler  aebr  gut  und  befiaden  sieb  wohl  da- 
l»ei.  Ich  kenne  z.  B.  eine  Fraa*  welche  nenn  Kinder  nod  xmm 
leuten  Mahle  Zwillinge  zur  Welt  gebracht.  Diese  war  während 
der  letzten  sehr  beschwerlichen  Schwangerschaft  und  im  Kind- 
belle mit  Hämorfhoiden ,  und  zwar  mit  inneren ,  nicht  blutenden 
behaftet.  Später  zeigten  sich  bei  zanehmender  Fettigkeit  des 
ganzen  Körpers,  vorsnglich  des  Banches,  allerlei  Kopf"  und  Bauch- 
leiden,  and  im  Masidarnie  iGhwotlen  die  Knoten  so  an,  dafs  die 
Seheide  dadarch  verengert  und  die  Begattung  dem  Eheinanne  hin- 
derlich, der  Frau  schmersbaft  warde.  Jenseits  des  Afierschliefs- 
noskels  befand  sich  ein  grofser  Knoten,  den  sie  von  Zeil  zu  Zeil 
in  der  Gröfse  eines  Tanbencies  heranidringea  koante.  leb  rieth 
ihr,  an  diesen  Knoten  drei  Biotegel  setzen  zu  lassen.  Sie  folgle 
meinem  Rathe;  die  Blninng  war  zwar  verhältÜch  zu  der  Zahl  der 
angeseilten  Egel  reichlich,  aber  doch  nicht  überreich) ich.  Die 
Fran,  die  gar  nicht  zu  Ohnmächten  geneigt  n'ar,  wurde  während 
der  Entleerung  ohnmächtig,  ihr  ganzer  Bauch  durch  die  Cnllee- 
mng  in  Aufruhr  gebracht,  die  Leiden,  die  dadurch  sollten  ge- 
mindert werden,  venuehn,  und  sie  betum  einen  gro/sen  Abscheu 
vor  den  Egeln.  Lange  nachher  bewirkten  meine  Vorstellung  und 
die  Noth,  dafs  sie  ihren  Egelabagheu  überwand;  nan  ging  die  Sa- 
etn  besser,  sie  fühlte  sich  wol  angegriffen  von  der  Eoileernng, 
wnrde  aber  nicht  ohnmächtig.  Bei  mehrniahliger  Wiederholung 
wvrde  sie  immer  weniger  angegriffen,  und  weiter  fiihlie  sie  sich 
nach  der  Entleerung  gar  nicht'jmebr  angegriffen,  sondern  viel- 
mehr luftig  nnd  wohl.  Jetzt,  da  sie  in  die  Zeit  getreten,  wo  die 
Menstruation  wankt,  würde  sie  recht  elend  sein,  wenn  sie  sich 
nicht  mit  den  Egeln  befreundet  hätte. 

Im  Allgemeinen  habe  ich  bemerkt ,  dafs  banchvollblüligen 
Menschen,  wenn  sie  auch  äufserlich  Knoten  am  After  haben,  ein 
einraahliges  Ansetzen  der  Egel  nicht  immer  den  Nutzen  schafft, 
den  man  davon  erwartet.  Eihigen  wird  dnrch  die  erste  Entleerung 
der  Bauch  in  Aufruhr  gebracht,  und  die  zweite  zeigt  den  erwar- 
lelen  Nnizen.  Bei  anderen,  die  von  der  ersten  Entleerung  wofaI> 
th&tige ' Wirkung  spuren,  hat  diese  Wirkung  nur  knrxen  Bestand. 
(Jm  solchen  Bancb  voll  billigen  gut  zu  helfen,  mufs  man  ihnen  drei- 
mahl die  Entleernng  durch  0,  oder  8  Egel  machen  lassen,  jedes- 
mahl  aber  mit  einem  achtiBgigen  Zwischenräume.  Macht  man  sie 
zu  knrz  hintereinander,  so  ist  der  Andrang  des  Blutes  auf  den 
After  weit  geringer,  was  man  ans  der  geringeren  Menge  des  aus- 
geleerten Blnies  leicht  abnehmen  kann.  Ich  habe  gefunden,  dafs 
man  den  Menschen  anf  die  angegebene  Weise  so  helfen  kann, 
dafs  sie  ein  ganzes  Jahr,  und  manche  noch  viel  länger,  gar  keine 
Beacbweidea  von  ihrer  Banchvollblüiigkeit  haben. 

16"  -      O" 


-    S44    — 

Wenn  kein*  KooMn,  oder  EntsDndung ,  Zeichen  des  BInfaa* 
drang'es  anf  den  After,  bemerkbar  lind,  leiaiet  die  Enileernng 
durch  iCgel  lange  den  Nutien  nichr,  den  aie  beim  nnverkenn baren 
Blutandrange  leistet.  Die  Notfa  zwingt  ans  aber  auch  in  solchen 
Füllen  mitunter  xam  Gebrauche  der  Egel,  und  der  Zweck,  den 
Blutandrang  nach  dem  After  durch  die  Egel  au  beförderq,  glückt 
zuweilen,  aber  leider  nicht  immer. 

Bei  den  inneren  nichtblut enden  HAniorrhoidalknnlen  habe  ich 
die  Egel,  wenn  «ie  nicht,  wie  bei  jener  Frau,  deren  Krankenge- 
schichte ich  oben  enählt,  an  die  Knoten  selbst  gesetzt  werden 
k&nnen,  meist  von  geringer  Wirksamkeit  befunden,  jedoch  auch 
kuweilen  dadurch  Hufsere  Knoten  hervorgebracht.  Den  heftigen 
Schmers,  d«r  sich  zuweilen  bei  inneren  blinden  Hämorrhoid«! 
einstellt,  habe  ich  am  besten  durch  reichliche  Gaben  kubischen 
Salpeter  and  Schwefel  beschwichtiget,  und  wenn  diese  Mischung 
nicht  hinreichte,  Süssigen  Abgang  zu  machea,  setzte  ich  noch 
Glaubersalz  zn. 

In  manchen  Erkrankungen  der  Leber,  der  Milz,  oder  des  G»- 
krÖS(!S,  sind  HKmorrboidEdknoten  ein  sehr  schlechter  Beweis  der 
wahren  Vollbliiligkeit  des  Pforladersysten» ;  sie  beweisen  weiter 
nichts,  als  dafs  durch  die  Anschoppung  eines  Bauchorgaas  der 
Blutumlanf  im  Bauche  nnregelniäfsig  geworden.  Solche  schein- 
bare- Bauchpollblfitigkeit  heilt  sich  nicht  durch  Schwefel  und  Blut- 
.  entleerung,  sondern  durcb  das  Gesnadtoacheu  des  urerkranklen 
Organs.  Ist  aber  das  gründliche  Heilen  eines  kranken  Organa  . 
nicht  mSglicb,  snm  wenigaien  nicht  wahrscheinlich,  denn  manche 
solcher  Organerkrankungen  sind,  wenn  wir  sum  Heilen  anfgefodeit 
werden,  schon  alt,  manche  noch  dasu  Erbstücke;  so  ist.  es  klüger, 
wir  enlhalien  uns  der  Bluieaileening  durch  den  After  entweder 
ganz,  oder  wenden  sie  doch  nur  mit  grofaer  Umsicht  ond  sehr 
mSfaig  an.  Alle  Erkrankungen  der  Bauchorgane  werden  durch 
reichliche  Bluten tleerungen  nicht  geheilt,  sondern  die  Leoi«  m- 
weilen  dadurch  in  grofse  Schwachheit  gestürzt,  die,  wenn  sie  be- 
tagt, oder  durch  eine  wiiste  Lebeusart  schon  baufüllig  sind,  nicht 
immer  gemächlich  zu  beseitigen  sein  möchte.  Werden  aber  ste- 
che Menschen  xufällig  vom  akuten  Fieber  ergriß'en,  so  ist  das 
Bluten  leeren  aus  dem  After  eine  gar  raifsliche  Sache^  ich  kann 
es  keinem  jungen  Amisbrnder  mit  gutem  Gewissen  aaratbeo. 

Ich  habe  einst  de^  Leichnam  eines  an  der  eiternden  Lnngen- 
ancht  verstorbenen  Mannes  geöffnet  (die  Lungensncht  war  nnmit^ 
telbare  Folge  eines  heftigen«  kaum  su  stillenden  Blatstarzes  aas 
den  Langen),  nicht  um  die  serslÖrte  Lnnge  sn  beschauen,  sondern 
um  den  Bauch  su  untersuchen.  Der  Mann  hatte  nKmlicb  sebmi 
lange  allerlei  Bauchleiden  gehabt,  gegen  welche  die  Kuott  nieh~ 
rer  erfahrenen  Aerste,   selbst  eines  in  der  Literalur  sehr  bekann- 


—    W5    — 

lea,  kiehla  T^naocht.  Während  ihn  di«  eiterode  Longenaocht  io 
kuner  Zeit  dem  Grabe  mführte,  batien  sich  infscre  Hfimorrboi- 
dalkaoica  geseigt.  Ich  war  also  sithr  neugierig,  ob  ich  in  dem 
Laich name  das  Pfortadersyslem  mit  Blut  überfüllet  finden  wSrde; 
bwd  ea  aber  wirklich  nicht  so,  sundem  Tielinehr  sehr  blutarm, 
aar  im  Cekrftae  viel  kleine  verfaftrlete  Ocüacn. 

.  Ich  halle  es  für  gana  überflüssig,  ja  selbst  für  uaklng,  sol- 
ehco  Leaten,  die  an  wirklicher  BaachTollblütigkeit  leiden  und 
^er  achmershafie  Üalsere  Knoten  am  After  klagen,  diese  Knoten 
dnrch  Safserlicbe  Mitlei  an  vertreiben ;  wir  benehmen  ans  ja  lelbM 
dadarch  ein  Zeichen,  ans  welchem  wir  den  inoM^n  Zustand  des 
Baacbes  benitheiien  können.  Solche  Menschen  aber,  von  denen 
iA  oben  gesprochen,  Hie  blofa  eine  scheinbare  Banuhvollblülig- 
keit  haben ,  denen  wir  weder  durch  Schwefel ,  noch  durch  Blut- 
enlleerong  he'fen  können,  bedürfen  r.nweilen  der  iliifaerlichen  Mit- 
tel, am  Schmerz  nnd  Enlziindung  der  Zacken  a»  beschwichtigen. 
Sohmen  und  Enlxündnag  werden  leicht  durch  Mifst^raiich  geisii- 
gec  Getrftnke,  dnrch  Reiten  nnd  durch  Fahren  auf  holperigen  We- 
gen Teranlafat,  darum  müssen  solche  SchSdl ichkeilen  gemieden 
werden,  sonst  helfen  alle  ftafaerliche  Mittel  nicht«.  Ich  habe  ntich 
Mit  Vortheil  der  Btet-,  der  Zink-,  oder  der  milden  Qiiecksilber- 
aalbe  bedient ;  dem  einen  thiit  dietse,  dem  anderen  jene  Salbe  gtil, 
ich  kann  davon  den  Grund  nicht  angeben.  Manche  banden  sich 
am  besten  bei  dem  alten  Umguenio  de  linaria;  es  wird  heul  zn 
Tage  von  den  jüngeren  Aersten  nicht,  mehr  verordnet,  bleibt  aber 
iaiaier  ein  schfilsbares  Mittel.  *) 

Die  HäMorrhoideo  der  Blase  sind  gewifs  ein  grofses  Uebel, 
aaa  ihnen  Icann  theits  Schwindsucht,  tbeils'  lebensgefährliche  Harn- 
verfaajtuog  antsieheo.  Ich  habe  noch  nie  Gelegenheit  gehabt«  ei- 
nen an  diesem  (Jebel  Geslorhenen  zu  ölinen,  denke  alter  wol, 
dalä  man  mit  dem  Ansdracke,  Hämorrhoiden  der  Blase, 
den  Begriflf  wirklicher  Blutaderanschwellnngen  im  Blasenbalse  ver- 
binden müsse.  Wie  Bauch  voll  blutige  allerlei  coo&ensnelle  Kopf-, 
Bmsl-,  Rücken-  und  Fufaleiden  haben  können,  ao  können  sie  auch 
eouensuolle  Blasenleiden  haben.  Ans  der  SlrRngnrie,  der  solche 
Leute  sieht  selten    von  Zeit  zu  Zeit  unterworfen  sind ,    ninfs  mau 


*)  Grtgor  Herit  der  an«  (Obttrv.  50  tib.  4)  di«  B«r«it«ns  dar  .Salbe  lebrt,  sAgt 
Foipndflt:  Qii»i  Volare*  ad  m'raeulum  uigut  eamfttlim  ii'ilil,  hoe  lam, 
fttil  htme  mtrttut  4t  ctleMt  in  Haiti»  medieai  It.  Ja.  WtlfiHt ,  hI  {qurm- 
a^admai  »T^rtifwiKt  habt»)  tanquam  »tertlum  ali'qaBil  ft/iitln'iiima  tK„ 
PriucSfi  Ludoeico  itHiori,  llatiiaa  Landgrml»  f«l'«  rsfalm  ,  noa  reeelnre 
veltfl  yrirntquam  ipii  anuuaUm  becnn  tvginalumt  promitlertt ,  qua  proHriii'- 
tnt  fmcta,  »H  tantuM  htrbam  limariam  ei  momtlravtl ,  led  tiiam  addcmd» 
veniaUmK  evmlmelum,  differtntiam  httjn*  ab  Btala  paUfixil:  »imimm  qnad 
E»mlm   lmct«»imt.  Mint  latfLinrnt-ia   <rt$tat. 

"■■■  -     "  ---— 'O" 


—    »4«    — 

nicht  gleich  schUelMa,  dafs  sie  schon  wirkliebe'  Blutaderansohwe). 
langen  im  Blasenhalse  haben.  Solcbe  Slrangiirie  oder  Dfsnrie 
hebt  sich  oft  scbnell  durch  Schwefel,  Salpeter  und  durch  ein  pant^ 
innhltges,  ja  wol  darch  ein  eimnahliges  Ansetzen  der  Blutegel; 
indeb  die  durch  wirkliche  Blataderanscb wellungen  im  Blasenbnlse 
erzengten  Leiden  nicht  selten  sehr  schwierig  za  besoh  wicht  igen 
sind.  Letzte  sind  nii^  in  meiner  l*raxis,  verbälilich  xu  anderen 
Hrnnkhciten,  selten  TOrgekominen.  Es  wäre  mir  zwar  unmöglich» 
die  Zahl  der  Fälle,  die  ich  behandelt,  anzugeben;  aber  rait  Be- 
«iinmlheit  kann  ich  behanpien,  dafs  sitweilen  mehre  Jahre  ver- 
flossen sind,  in  denen  ich  keinen  einzigen  Fall  der  Art  gesehen. 
Die  Blutaderanschwellungen  inSssen  wol  nicht  boi  allen  Leidem 
an  der  nämlichen  Stelle  d^a  Blatfenhalses  sitzen,  und  bei  den  we- 
nigsten der  eigentlichen  Harnröhre  so  nah,  dafs  sie  dieselbe  ver- 
stopfen nnd  wirkliche  Harnverhaltung  bewirken  können,  denn  letzte 
ist  mix  sehr  selten  Torgekommen. 

Einst  wnrde  ich  wegen  Hamverhaltung  zn  einem  fremden, 
mir  unbekannten,  seit  drei  Wachen  hier  verweilenden  Manne  ge- 
rufen. Aus  der  Erfragung  ging  hervor,  dafs  er  schon  lange  Zeit 
an  Harnbeschwerden  gelitten.  Mit  Mühe  halte  er  ans  Harnen 
kommen  können,  und  nach  dem  Harnen  jedesmahl  einen  starken 
brennenden  Schmerz  durch  das  ganze  Perineum  bis  zum  Afier  ge- 
habt. Häufig  hatte  er  anch  beim  Sitzen  Schmerz  im  Perioeo  ge- 
fühlt, und  jede  Erhitzung  des  Körpers  durch  geistige  Getränke, 
oder  durch  Gehen,  das  Uebel  vermehrt,  das  erträgliche  zum  un- 
erträglichen gemacht.  Der  Harn  war  abwechselnd  bald  klar, 
bald  mit  Schleim,  aber  nie  mit  Blut  vermischt  gewesen.  Auch 
gab  er  an,  van-hämorrhoidalischer  Art  zo  sein  nnd  mehrmabis 
Spuren  von  Knoten  am  After  gehabt  tu  haben.  Auf  seiner  Beise 
hierhin,  hatte  er,  drei  Wochen  früher,  in  einem  Grensslädtcben 
an  gfinzlicher  naroverhaltung  mehre  Tage  gefährlich  krank  ge- 
legen. Uebrigens  war  von  mehren  Aeneten,  die  er  von  Zeit  zu 
Zeit  am  Ralh  gefragt,  sein  Cebel  einsiimmig  fiir  Hämorrhoiden 
der  Blase  erkannt  worden. 

Jetzt  fand  ich  ihn  in  grofsein  Schmerz,  nnd  die  Blase  von 
dem  verhaltenen  Harn  schon  stark  ausgedehnt.  Ich  trag  grofses 
Bedenken,  die  Entleerung  durch  den  Katheter  anzurathen,  denn 
mir  schien  dieser  Entleerungs versuch,  wegen  des  Reizes,  den  der 
Katheter  an  den  schmerzhaften  Blntaderknoten  verursachen  könn- 
te, etwas  bedenklich.  Da  jedoch,  wie  das  alte  Sprichwort  sagt, 
Noib  Eisen  bricht,  so  mufste  ich,  nach  vergebenen  medizinischen 
Heil  versuchen,  endlich  doch  zum  Katheter  rnthen.  Was  nun  die- 
ser mechanische  Heilversuch  würde  geleistet  haben,  kann  ich  nicht 
sagen;  denn  während  man  Anstalt  traf,  ihn  ins  Werk  zu  richten, 
folgte   die  Harnentleernng  ■  von   selbst.     Vielleicht   hid>e  ich  ohne 


—  «7  — 
N«th  d«n  K«llM(«r  f;efürcbtM ;  Atintt  jedoch,  we)<^  in  ähnlichen 
Eulen  ihn  minder  fTirchten,  können  eben  so  wenig  in  die  Rlwe 
NBd  Haforöhre  sdiaiien  als  ich,  and  in  dem  Einielfalle  kann  mei- 
ne Bedeoklichkeit  eken  so  viel,  nnd  vielleicht  noch  mehr  wenh 
aein  als  ihre  Unbedenklichkeit.  Ich  habe  ipäier  den  Manne  durch 
monatiicfaea  AnseUen  der  Blutegel  an  den  After  und  dnrcb  den 
Gebranch  dm  Schwefels  grofse  Erleichterung  verschafft.  Er  konn- 
te wieder  harnen,  ohne  lange  lu  drücken  und  ohne  hintennBch 
SehmerMB  nnd  Brennen  au  empfinden;  ja  er  konnte  spSier  eine 
gMle  Strecke  gehen  nod  sich  durch  daa  Gehen  erfailsen,  ohne  sehr 
peinliche  Spuren  Beinea  alten  Uebels  an  empfinden. 

Ich  glatibe,  dafs  die  angegebene  einrache,  aber  rrcilieh  nicht 
nnläslige  Heilart  die  einzige  ist,  wodurch  wir,  wenn  sie  niK  Mä- 
faignng  lange  genug  forigeaetrt  wird,  die  Blasenhämorrboiden  auf 
die  Dauer  in  MaHidarmhämorrboiden  umwandeln  können;  denn, 
wie  ich  achon  oben  gesagt,  Blutegel  entleeren  nicht  Mofa,  sondern 
bei  wirklichen  Bau chToHbiFii igen  befördert  ihr  wiederholter  Ge- 
bxaach  den  Andrang  des  Blutes  nach  dem  Afier.  Wie  es  dem 
Manne,  dessen  Geschichte  ich  eriiShlt,  weilet  ergangen,  kann  ich 
Dicht  sagen,  denn  er  hat  später  diesen  Ort  und  vielleicht  dos  Land 
verlassen. 

Em  ist  merkwürdig,  dafs  auch  die  Aderknolen  im  Blasenhalse, 
welche  stark  blaien,  so  viel  Schmers  verorsacben;  man  sollte  ja 
denken,  durch  das  Bluten  selbst  müfslen  sie  suaiimmenfallen  nod 
Schmers  and  Harnzwang  müfslen  minder  weiden.  Das  geschiehst 
aber  wol  in  den  wenigsten  Fällen.  Vom  Jahre  1828  finde  ich 
in  meinen  Papieren  einen  bemerkt,  der  so  leicht  war,  dafs  Blu- 
tnug  und  Harnitwang  Uofs  auf  den  Gebrauch  des  kubischen  Sal- 
petera  und  Schwefels,  ohne  Blulenileernng  »«a  dem  After,  in  vier 
Tagen  wichen.  Der  arm«  Mann,  der  wegen  eines  kleinen  Zoll- 
Vffgehens  hier  xur  koraen  Haft  verdammt  war ,  wurde  mir  von 
uaaerm  mitleidigen  Biirgemeister  wir  ärztlichen  Behandlung  Über-  - 
geben,  damit  ihm  «eine  Haft  zur  Wohlthat  erschiefsen  mttchle. 
Nach  wiedererlangrer  Freiheit  hat  er  mich  noch  einmahl  ans  sei- 
ner Heimath  beancht  und  mir  die  Nachricht  gebrach^  von  seinem 
Üebel,  welches  ihn  schon  .lange  vor  der  Verhaftung  geplaget,  sei 
anr  noch  ein  kleiner  Best  Über;  gegen  diesen  verlangte  er  noch 
ein«  Portion  der  Arzenei,  welche  ihm  so  gut  gelhan.  Solllen 
meine  jüngeren  Leser,  die  noch  nie  Hftmorrhoiden  der  Blase  be- 
handelt, zum  ersten  Mahle  auf  einen  solcHen  leichten  Fall  sto  .en 
M  ki*nw'eD  sie  sich  der  Einbildimg  hingebe»,  als  set  das  Uebel 
ein  gemächlich  zu  hebendes  und  sie  selbst  ganze  Meister  Frei- 
lich anf  die  Dauer  würden  sie  schon  enttäuscht  werden;  da  aber 
JMle  praktische   Enttäuschung   uns   unangenehm   berührt,    so    will 


-     J48    — 

ich,  um  sie  vor  aller  Einbildung'  zu  Inwabren,    iknen   «{n  eroM- 
hafres  Gegenstück  des  leichteren  Falles  erzühlen. 

Im  Jahre  1832  den  27.  Ociob.  wurde  ich  ga  einem  Manne 
gerufen ,  der  sich  im  mittlen  LehensHlter  l>efaad ,  ohne  gerade 
Trunkenbold  zu  sein,  viel  Branntwein  seit  langer  Zeit  getrunken, 
schon  früher  mitunter  Spuren  von  Ilämorrhoidalknoleo  am  After 
bemerkt,  and  jetzt  schon  eine  ziemliche  Zeil  Strangurie  und  Ent- 
zündung der  HarnrShrenmündung  gehabt.  Der  Zustand ,  werin 
ich  ihn  fand,  war  folgender.  Er  hatte  beschleunigten  Puls,  wetis 
und  dickbelegte  Zange,  ungeheuer  heftigen  Harnzwang,  der  liaro 
war  dunkelbluiig,  die  Mündung  der  HamrSbre  «nlzQndet,  die 
blasse  Eichel  mit  roihen  Flecken  besetzt,  beide  Knie  schmerzhaft 
entzündet  und  geschwollen  wie  beim  BAeumatümut  aculut.  Ich 
liefs  ihm  gleich,  weil  er  ein  starker  Mann  war,  acht  grefse  Egel 
an  den  After  setzen,  liefs  von  einem  Tranke,  der  aus  aSht  Un- 
zen Wasser,  einer  halben  Unze  knbiächen  Salpeter  nnd  zwei 
Drachmen  Schwefel  bestand,  stündlich  einen  Löffel  vtnll  oehmen, 
und  legte  auf  die  entzündete  Harnröhcenmünduog ,  weil  er  «ehr 
darüber  klagte,  eine  schwache  Auflösung  von  essigsaurem  Zink 
mit  einem  Zusätze  von  Billennandelwasscr.  -  Am  folgenden  Tage 
niiifsfe  ich  aber  der  Verstopfung  wegen ,  die  der  Schwefel  allein 
nicht  heben  konnte,  zwei  Unken  Glaubersalz  zu  deiu  Tranke  aes- 
zen.  Ich  will  die  Leser  mit  dem  Tagebuche  dieser  Krankheit 
nicht  langweilen,  sondern  nur  bemerken,  dals  vier  Wochen  hin- 
gingen ,  bevor  der  Mann  ganz  geheilt  war.  Da  ich  spSter  sah, 
dafs  die  Aufregung  des  Gefäfasystenies  nachliefs,  die  Verstopfung 
aber  anhielt,  so  gab  ich  keinen  Salpeter  mehr,  sondern  blofa 
einen  Schülteltrank  von  zwei  Unzen  Glaubersalz ,  zwei  Drachmen 
Schwefel  und  acht  Unzen  Wasser.  Diese  Portion  persehne  der 
Kranke  täglich  und  sie  machte  ihm  gewöhnlich  drei  flüssige  Stfible. 
In  dem  Verlaufe  der  Krankheit  habe  ich  achtmahl  müssen  Blut- 
egel ansetzen  lassen,  jedesmahl  acht  bis  zehn.  Hinsichtlieh  der 
Zwischenräuqie  zwischen  den  einzelnen  EntleerungeD  richtete  ich 
mich  nach  dem  Blutandrange  auf  den  Mastdarm.  Sah  ich,  dab 
eine  Enileerung  minder  reichlich  gewesen ,  go  wartete  ich  mit  der 
folgenden  einige  Tage  länger.  Der  Harn  war  in  dieser  Zelt  meist 
bluiig,  zuweilen  aber  unblutig-  Die  Abnahme  aller  ZnfBlIe  ge- 
schah alliuAhlig,  jedoch  regelraäfiig  forlschreilend.  Da  der  Mann 
ganz  hergestellt  war,  blieb  ihm  noch  ein  Rest  .des  Rheumaiisians 
in  den  Knien  über,  der  seinen  Gang  steif  und  peinlich  machte. 
Ich  sab  diesen,  da  bekanntlich  jede  mitleidliche  Aflektion  eines 
Organs  zum  Urleiden  desselben  werden  kann,  jetzt  für  etwas 
blofs  Oertliches  an,  und  vertrieb  ihn  in  vier  Tagen  durch  Ein- 
reiben der  brenzlichen  HolzsSure.  Der  Mann  gestand  mir,  aich 
seit  langer  Zeit  nicht  so  wohl  gefühlt  zu  haben ,  als  nach  dtewn 


—    M»     - 

hagw«Hi^D  und  wabtfaaft  peidicfacn  Strnnfw,  Sollte  man  nun 
nieht  denken,  er  würde  neiaen  Halb,  den  ich  ihm  beim  Abschie- 
de gab,  and  der  doch  einiig  dahin  zwackte,  ihn  ror  lolch  gro- 
(tem  Leide  ffir  die  Zukunft  su  schütz««,  Inu  befolgt  haben j  Er 
befolgte  ihn  aber  nicht;  wahrscheinlich  weil  ein  Gefühl  Icrfiftiger 
Gecuadheit  ihn  kühnmüihig  machte,  and  ihm  den  Glauben  gab, 
er  kSnue  nie  wieder  so  erkranken.  Das  Ding  ging  aber  anden 
■Is  er  dachte.  Den  16.  Uai  1835  wurde  ich  gebeten,  ihn  in 
besuchen.  Er  war  jelst  ans  Blnihamen  gekommen,  ohne  vorher- 
geh«ide  Aoraabnnng.  Schmersbafier  Harnzwang  war  da,  aber 
nicht  in  dem  Grad«  wie  frfiher;  die  Entzündung  der  HanirSbreo- 
taindang,  der  Rbeumatiamiis  der  Knie,  die  Aufregung  des  Go- 
ÜkMjatema  fehlten  jetzt;  kurz,  das  ganze  Uebel  war,  mit  dem 
frffberen  verglichen,  nur  Kinderspiel.  Ein  zweimahliges  Anseizea 
der  Egel  und  ein  Trank  von  Schwefel  und  Glauberzalz  hoben  ea 
in  acht  Tagen.  Ob  er  jetzt  meinen  Raih,  durch  von  Zeit  zu  Zeit 
angesetzte  fitoiegel  der  Natur  den  ricfat^fea  und  genachlictwn  Weg 
der  Euleemng  za  weisen,   befolgen  A'ird,    mnfs  die  Folge  lehren. 

In  Jahre  1B34  erlebte  ich  bei  eines*  jungen  Manne  ein  Aben- 
teaer  der  An,  welches  denen  meiner  Leaer  liesonders  lehrreich 
sein  wird,  die  eine  auagexeichneie  !Veigiing  haben ,  nlle  der  Krank- 
heit Torfaergegangene  Begebenheiten  mit  derselben  in  einen  phanta- 
•tiaehen  nrsachlieben  "Verband  zu  briogeti. 

Der  junge  Mann  war  von  Aeliem  geboren,  die  beide  den 
Verdacht  der  BnuchrollblQtigkeit  halten,  obgleich  sich  dieselbe 
nie  tknllich  aasgesproehen.  *)  Erfahrene  Aerzle  wissen  aber  recht 
gat^  dafi  dieses  Uebel,  wenn  es  bei  den  Aeliern  ein  bloJs  ver- 
mnifaliehes  ist,  sieh  in  den  Kindern  zuweilen  deutlich  aasprSgt. 
So  ging  es  denn  auch  hier.  Die  Tochter,  eine  jnnge  Frau,  die 
noch  nie  geboren,  litt  schon  an  blutenden  Hämorrhoiden  der  Blase. 
Der  junge  Mann  hatte  auf  einer  GeschEftsreise  in  den  Niederlan- 
de« ein  angeblieb  reines,  aber  dodi  feiles  Mädchen  erkannt. 
Gleieh  darauf  war  der  Naohen,  in  dem  ihn  ein  Schiffer  dem 
Dampfhoote  zuführen  wollte,  umgeschlagen,  und  er  nebst  andern 
Reiaeuden  ins  Wasser  gefallen.  Ans  dieser  Gefahr  durch  hSlf- 
reidbe  HSnde  gerettet,    kehrte  er  in  seine  Heiinath  zurüclc     Ein 


*)  Jetct ,  PÜmlicb ,  ■■  Jihra  1840  bat  «leb  erat  die  Bagcbvollblüligkait  de*  Vt  ■ 
Icn  dcDtlich  olTenbaret  «nd  iwir  nt  eis«  i«  Mllei»  W«)*«  ,  dafl  Ich  Bit 
Wtbrfaeil  bcbsBptaD  kaia  ,  In  den  fiates  Zeitrasve  Baioet  Srlitliebci  Wir- 
kest Bicb'i  Sbalicbti  b<ob*abl«t  za  haben.  Da  ab«r  du  Haaaaaript  dietai 
Baches  icboa  geberiet ,  piiiairt  and  gaaz  leai  Drnrke  ingericblet  iit ,  ta 
kioa  ich  aiubt  wol  die  Enähluag  dieaei  bemerke ntinirdigeü  FtUei ,  oboe  den 
Üefarillielier  za  »lürea  ,  hier  etnicbalten  ,  matt  «lio  dea  L««er  »af  da«  Enda 
dieiei  AbieboiUet  and  cirar  aaf  den  Artikel  Tarweliea,  der  die  (lebencbrin 
■Ml   wvhltbitlgsHarBblaiaablatssf. 

"■■■  -    '■  ---~-\^-~ 


—    250    — 

panr  Tilge  auch  seiner  Rücklcanft  kam  er  xn  mir  nnd  klaigt«  Hber 
einen  dumpfen,  mehr  drückenden,  aAa  giechenden  Schiiieri  im 
linken  Bypeekondrio  nnd  über  Öfierea  NSihigen  zum  Hararn.  Die 
Mündung  der  lUrnrahre  war  leicbl  geröihet  nnd  es  zeigte  sich 
eine  ScMeimsbsoitdening  in  derselben.  Da  er  nie  einen  veneri- 
gchen  Tripper  gehabt,  so  war  er  in  Besorgnifs,  ob  ibni  die  nie- 
derlSndische  ceine  Magd  vieiteicbt  eiwns  sehr  Unreines  mdchte 
luifgetheilt  haben.  Die  Zeit  jedoch,  die  iichon  seil  dem  Bei^chUre 
verflossen,  und  das  gance  Ansehen  der  Ruth«  beKhigle  mich,  ihn 
in  diesem  Pnnkie  xu  bernbigen.  Hiosicfatlieh  des  Seiienschmei^ 
xes,  versicherte  er  aof  meine  Frage  gnns  bestimmt,  dafs  er  bei 
dem  Umschlagen  des  Nachena  keinen  Stofi  hekommea,  auch  auf 
keinen  harten  Gegenstand,  sondern  gleich  ins  tiel^  Wiuser  ge* 
fallen  sei.  Weil  er  bei  diesem  Abenlener  die  Besinnung  nieht 
Tcrrloren,   konnte  ich  auf  seine  Aussage  bauen. 

Sein  ganzes  Befinden  war  übrigens  gut,  nnd  da  seine  Harn- 
beschwerde  blofs  {n  eiftem  öfteren  aber  scbioerslusen  NJHbigen 
zum  Harnen  bestand,  so  hatte  ich  keinen  guten  Grnnd,  dieselba 
als  ein  Zeichen  von  Hämorrhoiden  der  Blase  ansnsehen;  im  Ge- 
geniherl ,  ich  mu&te  sie  mit  mehr  Wahrsckcinliehkeit  für  die  con- 
sensnelle  Folge  der  kleinen  Entzündnng  der  Harnröhreniwiindung 
nehmen.  Uebrigens  stelle  ich  nicht  in  Abrede,  dafa  mir  der  ganze 
Znstand  dunkel  war.  loh  liefs  blofs  eine  sctiwnche  Auflösung  des 
essigBRnren  Zinks  mit  einem  Ziisatse  vtm'Biltermnndelwasaer  auf 
die  Eichel  legen,  gab  zum  inneren  Gebrauch,  weil  der  Schmerz 
in  der  Gegend  der  Mils  war,  die  Tinktur  d«s  Frauendisielsaneas, 
und  wartete  dann  ab ,  ob  mir  die  Zeit  das.  Dsokle  aufbellen  werde. 
Die  Lösung  des  Räihsels  blieb  auch  nicht  lange  aus.  Eines  Ta- 
ges, es  mochte  ein  paar  Wochen  nach  der  entien  llaihfragung 
sein,  werde  ich  xu  ihm  gemfen  und  finde  die  blutenden  Blaaeo- 
faSmorrhoiden  deutlich  ausgeprägt.  Sein  Hurn  war  nffmiicfa  dun- 
kel blutig,  wurde  mit  grofsem  Schmer«  entleert,  und  der  Damm 
schmerzte  beim  Sitzen.  Die  CntKÖodnng  der  Hamröhrenmündnng 
war  auch  gleichzeitig  und  sehr  lästig  vermehrt.  Da  der  Mann 
einen  zarten  und  reizbaren  Organismus  halte,  so  blieben  bei  ihm 
krankhafte  Zufälle  nicht  aus,  denn  diese  sind  ja  bei  reizbaren 
Körpern  gewöhnliche  Begleiter  heftiger  Schmerzen.  Ich  mufsie 
säuberlich  mit  ihm  Verfahren  und  durfte  ihm  mit  den  Egeln  «o 
hart  anfänglich  nicht  zusetzen.  Die  erste  Entleerung  durch  vier 
Egel  griff  ihn  stark  an ,  das  Blasenleiden  war  am  folgenden  Tage 
verschlimmert.  Diese  scheinbare  nnd  bald  vorübergtihend«  Ver- 
schlimmerung irrte  mich  aber  nicht;  ich  hatte  sie  mehr  in  luei- 
nem  Leben  beubachlet,  und  wufste,  dafs  sie  ohne  Bedeutung  war. 
Nach  und  nach  vertrug  er  die  Blutentleerung  immer  besser,  so, 
dafs  ich  die  Zahl  der  Egel  vermehren  komte.     Nach  -der  driitt  n 


—    851    — 

EeltMiuag  nip«D  aidt  mIm  üttmorrfaoidalkaoieD  am  Aficr,  wel- 
ches immer  eine  lefar  envnaiclite  Ericheiming  ist.  Nach  der  (Har- 
ten EUitlecning  Mar  das  Uebel  gehoben;  weil  aber  ein  Rest  des 
Schmenes  in  liaken  Bypochomdrio  nrückgebiiebeo ,  liefs  ich  noch 
eine  wchsle  nachträgliche  filaienlleerong  machen.  Uebrigens  wac 
Schwefel  mit  kubischem  Salpeter  y«-buaden  das  Huptm!llel,  wel- 
ches ich  ionerlieh  gab;  jedoch  nSthigien  mich  ven  Zeit  zn  Zelt 
krampfhafte  ZuAlle,  andere  Arxenei,  ohne  Uialanseiziing  des 
Uauptniittcls,  zu  versuchen.  Diese  Versuche  waren  aber  um  kein 
Haar  erfolgreicher,  als  frühere,  die  ich  bei  anderen  Kranken 
gemacht,  (begreiflieh  rechnet  man  bei  solchen  Vetvncfaen  nur  auf 
seitliche  Beschwichtigung).  Da«  Einreihen  der  BelladoMMsalbe 
in  den  Damm  stillte  die  HchmenEbaften  Krämpfe  der  HarnrShre 
eben  so  wenig  als  ob  ich  gemeines  Fett  iifttte  eiarmbea  lassen : 
das  alle  bekannte  Hausmittel,  warme  WasserdRmpfe,  war  xnr  an- 
genbficklichen  BesHnfiigung  dieses  peinlichen  Zufalles  noch  das  be- 
ste. Die  Daner  der  Krankheit  war  bei  diesem  Manne  noch  Ungwr, 
nls  bei  jenem,  dessen  Lndensgmchichte  ich  eben  enXhlt,  denn, 
wie  gesagt,  ich  mnfate  mit  diesem  Kttrper  säuberlich  rerfahreo. 
Man  kann  niohi  alle  KSrper  über  ein^n  Kamm  acheeren,  und  mufs 
mitunter,  will  man  den  wahren  Zweck,  gründliche  Heilung  er- 
reichen, an  das  alte .  KpriehwArt ,  eile  mit  Weile,  denken. 
Ob  die  BIntaderamchwellungen  im  Blasenhals«  ganz  gehoben  sind, 
kann  man  zwar  nicht  mit  Augen  sehen ;  wenn  aber  die  Zufälle 
bis  auf  des  lelzien  Rest  ganz  Terschwanden  sind,  nud  die  Ver- 
richtung der  Blase  und  Harnröhre  wieder  vollkommen  normal  ist, 
so  mufs  man  doch  annehmen,  dafs  auch  die  Blutaderanschwellun- 
gen  rein  verschwanden  sind,  und  gerade  dieser  l'ankt  ist  die 
Hauptsache.  Bleibt  noch  ein  Rest  dieser  Anschwellung  über«  so 
kann  ein  chrwnisehea  Hebel  daraus  werden,  welches  zwar  nur 
periodisch  recht  bSse  wird,  aber  nuch  anfser  dieser  Verschlimme- 
rangdzeit  den  Menschen  unablässig  plagt;  nach  jahrelangem  Lei- 
den ist  das  Ende  die  Schwindsucht  und  der  Tod.  Vor  ungefähr 
15  Jahren  wnrde  ich  su  einem  Kranken  gerufen,  der  sich  im  Un- 
ten Zeitranine  der  von  Blasenhämmorrhoiden  entslandenen  Sohwtnd- 
sucbt  befand.  Es  war  wirklich  schauderhaft,  diesen  Knochenmann 
zn  sehen  und  die  Erzählung  seiuer  Tieljfihrigen  Marter  ansuhft- 
ren.  So  viel  ich  begrifT,  hatte  er  schon  Vereiterung  im  Blasen- 
halse,  und  nicht  ich,  sondern  nur  der  Tod  konnte  sein  Helfer 
sein.  Meinen  Jüngeren  Lesern  gebe  ich  nun  folgenden  Rath.  Wenn 
Leute  von  IS,  20,  24  Jahr,  die  tob  echter  hämorrhoidalis  eher 
Fnmilie  sind,  über  anhaltende,  oder  vorübergehende,  aber  oft 
wiederkehrende  Strnngnrie  klagen ,  so  ist  es  Zeit ,  durch  Blutent- 
leening  ans  dem  Mastdarm  der  Natur  den  wahren  Weg  zu  bah- 
nen.    Hier    mufs  man  auf  die  genaue  Diagnose  verzichleo;    denn 


maa  kann  keine  beslimmfe  ErkeDotMb  wiaet  Krankh«!  bmben, 
oder  diese  Krankheit  mnfs  •cboa  aaigebildet  in  dem  Menkche» 
liegen.  Es  bandelt  licb  aber  gerade  darum ,  der  Auibildting  der 
Blasenbäniorrhoiden  vennbengen,  milfain  ninfs  man  oicbl  zu  be- 
denklieb in  Anwendung  der  iweckdieniicben  Miltel  sein. 

Bei  nicht  bluten  den  Blaiienbfltiiorrboiden,  die,  änilich  verkanni« 
den  Kranken  Bchon  lange  (über  ein  Jabr),  geplagt,  habe  ich 
durch  riinf-  bi*  secharaabligei  Ansetzen  der  Egd,  durch  Schwe- 
fel und  Salpeter  wol  Erleichterung  verachafft,  aber  doch  nicht 
•ine  solche,  wie  bei  einem  neuen  (Jebe).  -  In  diesen  PMIen  bat 
mir  der  innerliche  Gebmucb  des  Alanna  auflaUenil  giiteniensle 
geleistet.  Ich  denke,  er  wird  wol  die  Blnladerknoloa  im  BlnHe»- 
halse  xnsaamenalebfln  und  dadurdi  die  Ilarnbeschwerden  beseiii- 
g«o.  Die  Eileichtening ,  die  er  schafft,  ist  aber  nicht  von  Bc- 
abind. 

leh  glanbe,  dafa,  da  ich-jetat  von  der  Krankheit  de»  Pfori- 
aderaysteines  geredet,  der  Ort.  nicbl  ganz  unschicklif^  sein  inöcfate, 
ren  der  VerbKrtung  im  Gekröse  ein  Wort  xu  sagen>  Ich  sehe 
dieses  Uebel  aJs  unheilbar  an,  das  heilst,  ich  kann  es  nicht  hel- 
len; ob  andere  es  heilen  können,  will  ich  nicht  entscheiden. 
Ka  ist  ein  seltenes  Uebel,  so  glauben  wir  praktischen  Aerzle;  ob 
es  aber  wirldicb  seilen  sei,  lAfst  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  be- 
haupten. Die  Schwulatverhärtting  des  Gekröses  hat  bei  ihrer  er- 
sten Bildung  genug  krankhafte  ZufHlle  -zu  Begleitern,  aber  kei- 
nen einsigen  ^  aus  welchem  wir  auf .  ihr  Vorhandensein  mit  Bc- 
siimmiheit,  ja  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  sebliefseu  kdonlen. 
Die  Zonile  sind  die  aSmlichen,  worüber  die  llypoebondristen 
klagen;  und  wie  ein  IrrKcfat  den  Wanderer  lAuscht  und  verlockt, 
to  tänscSen  und  verlocken  den  Arst  hier  die  ZufHlle.  Bald  soihe 
man  schwören,  man  habe  ei  mit  einem  Leber-,  bald  mit  einem 
Milzfibel  KU  ihnn,  bald  glaubt  man  wieder,  es  sAfae  in  den  Där- 
men ,  bald  in  dem  Pforiaders^steiiie.  Ich  bekenne  hiemil  aufricb- 
lig,  dafs  ich  den  Scirrhum  Metenterii  noch  nieniabis  habe  er- 
kennen kBnnen,  als  dorch  das  Nicht« irben  meiner  Mittel,  welche 
ich  nach  ttad  nach  auf  alle  Baachorgane  anwandle.  Es  ist  eine 
gar  wehUnfUge  UBtersnchnng ,  und  wenn  man  zur  Erkennlnifs  . 
gekommen,    ist  die  Erkenmnifa  auch  nicht  tröstlich. 

£a  bann  selbst  möglich  sein ,  dofa  sich  das  Uebel  bei  seinem 
Entstehen  gar  nicht  eiomabi ,  oder  doch  nur  Biufserst  schwach 
im  Bauche  äofsert,  sondern  daJä  es  sich  als  Augen-,  oder  Kopf- 
leiden darstellet.  Ich  habe  dieses  zwar  nicht  selbst  erlebt,  aber 
weils  es  doch  aus  dem  Berichte  eines  jungen  Mannes,  den  ich 
in  einem  spKieren  Zeitraome  des  Uebels  behandelt,  und  der  au^ 
an  demselben  gestorben  ist.  Bei  diesem  hatte  es  als  Schwiiche 
der  Aitgea  und  Sehen  von  schwarzen  Punkten  angefangen.  'Der 


-  4M    - 

Professor  II'  io  Q'  bMie  m  aln  U«fMB  AagvaBb«!  behsn^elt, 
welches  ich  Dicht  blofs  bus  den  Beriehic  de«  Kranken,  sondern 
auch  aus  den  niiigeb rächten  VerordoBBgmi  erkennen  konnte.  Ab- 
gesehen von  dem  Berichte  des  Kraidien ,  kann  nun  schon  jeder 
unheilen,  dnfs  das  Bancfaleiden  damnfals  sehr  verhören  ^wese« 
sein  niiifste ,  weil  ein  ^lehrtar  nnd  kinger  Arst  es  nicht  berBek- 
sichiigte.  Mit  dieser  Angenknr  «er  nnn  viel  Zeit  rerbracht,  ohaa 
Hülfe  Sil  erlangen ;  der  Bauch  war  krank  nnd  inner  kranker  ge> 
worden.  Da  Herr  H*  Binst  lange  abwesend  and  «ich  der  Jnnge 
Mann  mit  seinem  Banche  in  grofser.BedrSngnifs  befindet,  wendet 
er  sich  an  den  Prof.  S".  Üies^r  siebet  «ins  ganxa  Leiden  als 
Banchkrankheit  an  ^  Terordnet  ihm  sweckmftfsige  Mitlei  nnd  heifül 
ihn  nach  Ilanse  reisen.  Wie  ich  den  Kranken  sähe,  war,  ob- 
gleich die  Angenaffektion  nodi  anTorllodert  vorhanden ,  4as  Baneb^ 
leiden  so  deutlicb  nasgeaproehen ,  daCi  aach  dar  allereinfUtigst« 
'  Arst  die  Krankheit  weder  in  Kopfe,  noch  in  den  Aogen  wüid« 
geaacbt  haben.  Ich  halte  Znt  genog,  den  jangan  Mann  anf  nataa 
Weise  an  notersnchen  and  zn  behandeln.  Das  Nichtwiikan  aller 
Mittel,  deren  Heilwirkung  ich  genau  kenne,  aber  auch  mir  ein* 
xtg  dieses  NiehtwiikeD  gab  mir  endlich  die  (Jaberseagung ,  dafa 
er  an  einen  Seirrko  iJetemterii  leide,  and  swar  an  einem  sei« 
«hen,  der  nahe  an  den  Darmk^nale  sin»,  vielleicht  diesen  tun 
Theile  versebliefte.  Femer  war  es  wahrseheinlicb ,  AnXtAttSeiT' 
rAtit  an  irgend  einen  One  der  dicken  D&rine  sieb  befinde.  Nicht 
Bowol  die  hartnÜekTgo  Veisiepfiing  nachte  dieses  wahrschelnlleh, 
als  vielmehr  der  leidende,  schmerxbafte,  krampflnfie  Znsiand, 
der  durch  die  Anwendung  eines  ganz  einfachen  nilden  Klystiree 
hervorgerufen  wurde.  Un  ich  anheille,  dafs  das  Uebel  durch 
meine  KunX  ni<^  la  heben  sein  werde,  liefe  ich  den  Jangen 
Mana  lu  seinen  Aellern  anrickkehren  nnd-  ühaigab  ihn  dort  der 
linilichen  Vorsorge  des  jetzt  verstorhenea  MedMnalrathes  K". 
Diesem  bemerkte  ich  zugleich  ansdrikUich,  «r  werde  den  Kran- 
ken nicht  blofs  nicht  heilen,  sondern  nicht  einmnhl  etwas  ersin- 
nen kSnnen  ,  wodarch  er  ihm  die  geringste  Lindemng  seines  Elen- 
des bewirke ;  welche  Rede  neinem  Amtsbrader  hart  und  unglaub- 
lich lu  sein  bedSnkte.  UngeflÜir  einea  Monat  nachher  wurde  Ich 
gebeten ,  den  jungen  Mann  in  seiner  Heimath  sn  besuchen  und 
mich  seiaeiwegen  mit  Hern  tC.  m  besprenhen.  Jetzt  fiagte  ich 
diesen ,  oh  er  dem  Kranken  schon  etwas  war  Erleiohlemng  habe 
geben  können.  Er  sackte  die  AchselD  und  gestand  mir,  es  sei 
ihn  ein  solcher,  der  Kunst  im  eigentlichen  Sinne  ganx  nnzngKng- 
licher  Fall  noch  nie  rorgekoianeo.  Wirklich  'war  es  der  erste, 
den  auch  ich  je  erlebt,  wo  die  Kunst  nicht  einmahl  im  Stande 
war,  auch  nur  die  mindeste  Erteichlerung  auf  eine  Zeitlang  an 
verschaffen.     Bei  meinem  jetzigen  Besuche  konnte   ich  den  Ort, 


—   zu.  — 

wo  der  Seirrhut  8afs ,  d«ntlich  bmlimmen ,  er  safs  ttSmTlch  tD  der 
Gegeml  des  Blinddarnie«.  Ei  wftre  wol  besser,  dals  man  im 
Anfange  die  Sache  ao  genaa  wiuen  kö&nle,  dadurch  würde  man 
viele  Mühe  ersparen.  Ich  weifa  nicht ,  ob  allen  Lesern  die  Art, 
wie  man  im  spateren  Zeilraame  zar  deutlichen  Erkenntnifa  dea 
Seirrhi  Metenttrii  gelangen  kann ,  bekannt  iat ,  oder  ob  man  sie 
in  gedmckten  Büchern  beachrieben  findet.  Sollte  ich  etwas  gar 
%a  Bekannlea  aagen,  so  bitte  ich,  man  wolle  mich  gütigst  ent- 
achuldigen. 

Ich  Inaae  den  Kranken  i^if  ein  SoEn  sich  rücklings  hinatiek- 
ken,  l^e  meine  beiden  Sachen  Hände  auf  den  blofaen  Bauch, 
und  drücke  dieaen,  nicht  plump  und  plöulioh,  sondern  leise,  mit 
nach  ond  nach  xunehmender  Gewalt  recht  derb  zusammen.  Weon 
man  »inem  gesunden  Menschen  dieaea  ihut,  hat  er  davon  weiter 
kein  Leid,  ala  das  Hioderiiche  des  Zasammendrückena ;  ae  bald 
dieses  anfhSrt,  ist  ihm  so,  als  wäre  ihm  nichts  geschehen.  Be- 
findet aiofa  aber  eine  Verhfirtnng  im  Gekröse,  ao  fühlt  der  Krank* 
eine  Zeit  lang  nachher  Schmerz  auf  der  8ielle,  wo  die  VerhSr- 
tnng  sitzt;  der  Schmerz  kann  eine  Viertel-,  ja  eine  ganze  Stande 
anhalten.  Jedermann  begreift  leicht,  dafs  dieaer  Handgriff  im  An- 
fiBOge  der  Krankheit  kein  sicheres  Besnltiil  geben  kann.  Die  Ver- 
bfirtung  mafs  sich  in  einem  krankhaft  gereizten  Zustande  befinr 
den;  Qur  dann  erscheinen  Nacbwehen  nach  ftufserem  Drucke. 
Befindet  sie  sich  nicht  in  einem  aolchem  kranichafien  Zustande, 
«o  kann  auch  kein  \achweh  entstehen,  so  wenig  ala  eine  Aufser- 
Höh  unter  der  Haut  liegende  verhürtete,  sich  nicht  in  einen 
krankhaft  gereizten  Zustande  befindende  Drüse  nach  einem  mäfai- 
Dmcke  web  thun  wird.  Da  nun  aber  die  Schwulstverhänung  des 
Gekröses  bei  ihrer  Entaiehnng  und  bei  ihrem  Waebsibume  wol 
nicht  reizbarer  sein  wird  als  jeder  andere  Theil  dea  Körpers,  son- 
dern da  diese  krankhafte  Heizbarkeit  erst  in  sie  kommt,  wenn  sie 
bis  anf  einen  gewissen  Punkt  gediehen  ist;  so  ist  offenbar,  dals 
der  angeführte  Handgriff  b«  der  ersten  Entstehung  und  bei  der 
weiteren  Ausbildung  ganz  ouizlos  sein  mufs.  Ferner  begreift  nach 
jeder  ohne  Mühe,  dafs  sich  die  Zeit,  wann  man  lur  Sicberheit 
der  Erkenntoib  gelangen  kann,  unmöglich  bestimmen  läfst.  Ais 
Ich  an  dem  jungen  Herrn,  von  dem  jetzt  die  Hede  ist,  die  ange- 
führte Probe  gemacht,  fühlte  er  wol  eine  Stunde  nachher  noeh 
Schmerzen  in  der  Gegend  dea  Blinddarmes:  Man  mufs  aber  den 
Kranken ,  den  man  also  nnterauchl,  nicht  bintennach  fragen ,  ob 
er  Schmert  fühle;  solch  unweises  Fragen  gibt  unaicfaere  Erkeant- 
nifs.  Wenn  er  wiricUcheD  Schmerz  fühlt,  wird  er  es  schon  an- 
gefragt sagen,  und  aus  diesem  freiwilligen  Sagen  gehl  die  ge- 
wisse Erkennlnifs  hervor.  Merkwürdig  war  es,  aber  von  mir 
olohl  zum  ersten  Mahl«   beobaohtet,    dals  der  Pnla    des  Kranken, 


_    255    — 

der  doch  nnr  noch  wsniji^  Woohen  xii  leben  hatt«,  ho  unbwleii- 
lend  faeacfaleuoigei  war,  ia(a  der  Pal«  manebm  etwas  reizbarea  Frau- 
enliorpers  im  gesunden  Zusinnde  aehneller  «shlSgl.  Der  Medixiaal- 
[Hih^.  hat  den  Leichnam  nichi  geöffnet,  wahrscheinlich  ueit.es  »oh 
der  CtnüiSnde  wegen  nicht  wol  thnn  liefi;  b«i  der  deiillichen  Er- 
keiintnifs  wilrtte  aber  auch  die  Oaftnung  ganz  tiberilnuig  und  nula- 
los  gewesen  sein. 

Ich  denice,  die  Geduld  der  Leser  eben  auf  keine  harte  Probe 
XU  stellen,  wenn  ieh  ihnen  noch  «inen  xweiten,  aber  weil  nierk- 
wördigeren  FaD  der  Art  ersilhle,  bei  welchem  di«  Leichenöffnung 
der  Umstände  wegen  «war  nicht  su  nachea  war,  die  Erkenatnib 
aber  schon  ein  randes  Jahr  vor  dem  Tode  anfeer  allem  ZweiCai 
fest  stand. 

Der  Mann,  deaaen  Leidenigeaehichte  ich  jeisl  enfihle,  war 
wiiielmirBig  von  Körfiergestalt  (er  inoehie  fünf  ¥uU  x%vei  «der 
drei  Z<^l  inesseD)  und  tn  fett,  daf«  er  in  seiner  Blnihenxeit  drei- 
hundert und  «ebtzig  Pfund  wog,  das'Pfand  n  ledizeba  Unaea 
gerechnet.  Diese  Fettmatic  machte  ihn  so  unbeholfen ,  dafi  er 
aicb  «ich!  einmahl  die  llftnde  selbst  waschen  koante,  weil  er  aioht 
im  Stande  war,  sie  susamniea  su  bringen.  Er  war  ein  Kimwer- 
«Mt  ond  ein  grofser  Liebhaber  dm  Wetntrinkens ;  selten  sah  man 
ihn  aber  beransehi,  er  konnte  fn  einem  Nachmitlnge  mehrere  Fla- 
■eben  Wein  ni  eiefa  nefauMn,  oboe  duüi  ihn  dies  riibrie.  Einig« 
Jahre  vor  der  Zeil,  da  sich  bei  ihm  die  Veilifirtnng  im  Ciekrftae 
bildete,  bekam  er  eine  Mast  dar  mfiaiel ,  von  wdeber  ihn  der  sehr 
bekannte  nnd  geachieie  Wundarzt  Herr  v.  Roggen  zu  Nimwegen 
dorch  die  Unterbindung  befreite.  Ein  paar  Jahre  darauf  ersengte 
sieb  eine  Fislel  des  .MitielAciscbes ,  welelteHerr  t.  Roggen  durch 
den  Schnitt  heilte.  Diese  Idstein  waren  das  Vorspiel  des  groben 
Elendes,  mit  weldwtn  er  ia  seiner  letzten  Lebensaeit  faeragcsaeht 
wurde. 

Zuerst  erschien  Kolik,  jedoeh'  nur  von  Zeit  zu  ZmI.  .  Ihre 
niciute  erkennbnre  Ursache  war  eine  greise  Masse  Säure.  Wenn 
man  diese  darcb  Magnesia  nenuähsirte  and  wegschaffte,  so  koonie 
man  die  Kolik  sicher  anefa  sehnall  beben.  Die  Säaie  in  seinem 
l>anniunale  war  so  ftuend,  dafs  zwei  oder  böchsyns  drei  ffüssige 
«der  bseiign  SiSfalo  ihm  Scbrnndeo  am  After  maditcn,  welche  so 
lang  waren,  als  die  Haotfalien  der  Dnrmmändung,  AnCier  der 
Kolik  stellten  sich  nach  nnd  nai^  Krämpfe  im  Bnnehe  ein,  w«t- 
cfae,  wie  bei  hypoehendrisehen  Menschen,  zur  Zeit  der  Verdaanng 
micblig  verwalteten.  Ein  wahres  Ungiflck  fBr  ihn  war,  dafs  er 
beständig  Hunger    halle    nnd    doch    die   Speisen    nicht  vertragen 


Ich    will    die  Leser   nicht  luit   Aufzfihlnng  alles   des  Elendes 
Mi/ballen,  mit  welchem  er  in  einem  Zeiinmme  von  ongeflihr  zwei 


—    SM    - 

Jahren  geplaget  warde;  jed«  kann  m\A  das  leiobt  selbst  denken 
and  wird  mir  gern  das  seliulgerecbt  langweilige  Tagebuch  erlaa- 
aea.  Aus  diesem  ZeEirauue  bemerke  ich  blob ,  dafs  nach  und 
nach  der  Wein  und  andere  geisiige  Gclrfioke  iiiiiner  minder  unjl 
minder  verlragen  wurden;  sie  machten  unangenehme,  krankhafie 
Gefühle,  weshalb  der  Mann,  von  mir  anaafgefodert ,  nach  und 
nachseiner  Lieblingserqnickung  ganx  entsagte.  Sein  Körper  wur- 
de allmfihlig  so  empfänglich  für  die  Einwirkung  geistiget  Millel, 
dala  fünfzehn  Tropfen  Hoffmannischer  Liquor  die  höchste  Gaha 
war,  die  er  als  wohltfatUigea  beruhigflndas  Mittel  vertrug;  eine 
etwas  gra&ere  Gabe,  weit  entfernt,  die  Krlm^pf«  au  beruhigen. 
Tarnehrte  die  Torhandenen  und  that  au  den  baaiehanden  krankhaf- 
ten Zuf&Uen  noch  -neue    hinxu. 

£■  war  um  diese  Zeil,  dafs  iob  Jaofa  in  ihm  genifen  wurde; 
er  hatte  zweimahl  knra  naoh  einandar  flüssigen  Stuhlgang  gehabt 
von  breiigem  Koihe.,  welcher  mit  Blnt  anlarnengt  war.  Jedoch 
aebien  mir  die  Menge  des  Blntes  bei  weitem  nicht  so  heirBoblUcb, 
da£i  man  sich  aus  selbiger  die  seltsame  nnd  pl5taliche  Vaitad«- 
rang  seines  ganaen  körperlichen  n'esens,  die  gleiehzeiiig  mit  der 
EntleiBrnng  eingetreten  war,  genügend  hute  eikUrea  kSaaes. 
Diese  VerBndemng  war  se,  dai«  ich  dachte,  -er  seiHahe  daran, 
den  Geist  anfzngebeo.  Die  Kräfte  waren  ginzlich  gaacbwnadaa. 
Er,  der  bis  jetzt  noch  dSn  gaazen  Tag  aufsafi,  zwar  nicht  anf 
die  Stratse  kam,  aber  doch  »eine  jariBliacfaen  GeschRfto  in  HaAae 
versah,  war  plötzlich  nioht  allein  nicht  im  Staade  das  Bett  zu  ver- 
lassen,  sondern,  wean  ihm  znr  Verrichtung  seiner  Noibdnrft  doa* 
läleckbecken  untergeschoben  wurde,  und  er  liegend  seinen  Körper 
mit  Hälfe  der  Arme  so  weit  liebten  rnnble,  um  das  Untersteckea 
des  bekaoniliob  aiedrigea '  Beeketas  möglich  zu  machen ,  war  er 
von  dieser  geringen  Aoalrengiuig,  deren  sonst  die  Kranken  bia 
nahe  ror  dem  Tode  noch  fShig  sind,  so  erschöpft,  dafs  sein  Athara 
Jagend  ging,  wie  der  Athen  eines  Menschen,  der  mit  der  AnlJwr' 
Sien  Anstrengnag  setner  KrSfte  bis  mm  Ausgehen  das  A'iheau  g»- 
lanfen.  Uebrigens  war  sein  Pah  zwar  klein,  aber  doch  binsidit' 
ti^  der  ächnelligkeil ,  vea  den  nornslen  wenig  reraobiedea.  Im 
Rauche  brüllten  beständig  die  Winde;  ein  mülsign:  DnrdifaU 
(nngeAhr  alle  drei  Stunden  eine  Entleerung,  ohne  dafs  dar  Knth 
wnter  nit  Blnt  durchmengt  war)  begleitete  diesen  SobwHehean- 
stand.  In  der  Gegend  des  Blinddarmes  zeigte  aioh  eine  achnerz- 
faafte  Stelle,  auf  welche  man  eben  nicht  sehr  hart  in  drücken 
brauchte,  an  Nachwelten  zu  vemraacbeD,  hier  hatte  hftofast  wahr- 
scheinlich die  längst  vMinuihele  Verhärtung  ihren  Sitz.  Was 
war  nun  aber  in  dieser  für  eine  plötzüdie  Umwälzung  vorgegangent 
Mainer  Meinong  naefa ,  darfte  das  wol  ziemlich  unerklärbar  bleiben. 

Merkwürdig    war  das  Augb   des  Kranken,    es  hatte  einen  ao 


—    »7    — 

umaietUA  flaam  Blkic,  vi»  4u  Auge  deuM,  der  deiu  Tod* 
guu  BKh«  itt.  (JsbrigeM  leigtMi  aicfa  aeiae  geUiigeo  KfSrie 
•foh  ■BveHein ;  er  fSrcklele  dai  SttrkcD,  hM(k  aber  du  Zutrinea 
aa  meiner  Kuml,  dab  sie  «r«]  rikralich  den  Kampf  mit  dein  Tod« 
bestehen  werde. 

Was  war  nnn  bei  der  Sache  in  (hast  —  Uea  geringen  Dureh- 
lanf  durfte  ich  nicht  mit  Gewalt  heminen,  denn  ich  nnbie  ntcbt, 
waa  die  Natur  durch  ihn  sa  ihm  beabaichtigle.  leb  aeizie  iba 
^o  Mofa  eine  einfache  Oelemnl»on  entgegen.  Uebrigena  baiM  icb 
■chon  ähnliche,  wenn  gleich  minder  bedenklidm  Fllle  erlebt,  UM 
■inzBiehen,  dafa  die  Kunat  in  aelbig^n  nichia  anders  iluin  kteae. 
all  ein  ktinatllchea  Leben  Htacben,  nnd  ea  dann  vom  Scbiokaala 
abhangaa  lanen ,  ob  dieaea  liunttlicfa  angefachte  Lebea  wieder 
felbatatfiadig  werden,  oder  erlttseben  well«.  Bia  jetil  hatte  mir  ia 
ibaKchen  Fällen  bei  nndera  Körpern  dar  SehwefelGther  die  baatea 
Dieaatfl  geletatet;  aber  wie  «rfirde  dieaer  bei  einem  Manne  wirka*« 
dar  bia  dafaia  hüehuens  fanfEchn  Tropfen  Hoffinaanniaeben  Li^aar 
veriragao  konniel  tLt  lei  mSglicb,  daehte  ich,  daCi  dnreb  dia 
jetzt  eingetretene  RcToIntion,  aaf  welcher  denn  dadi  «in  nadard^ 
^ringlit^MB  Dvnkel  lagere,  dat  Verhaiinifa  iwiachen  diaaam  kraa- 
ken  Körper  und  der  Anftenwelt  etwaa  verindert  aei;  nicht  bItA 
dt«  käntdariache  Klngbait  anil  WiCabegiard*  arfoder«  hier  eiaea 
voraichtigen  Verancb  nii  Anwendwag  des  Aelhera,  anadein  «cMtat 
«•   Pflicht. 

In  »eichoB  FAllen  kann  aber  wvm  kaiaem  Mitetj  JDcfar, 
Hignmtmr  dia  Rade  aein.  Ich  blieb  bei  dem  Manne,  linfa  ata 
paar  Ikaea  Sebwefalllher  holen,  gab  erat  mSCiig»  PonioneB  mit 
Waaaer,  nnd  da  ieb  aah,  dafs  diese  gat  Teitragan  wnrdca,  immer 
gröiaera  and  in  kfir^ren  ZwiaebearSameo«  Weit  eatfemi,  dab 
der  Aetber  jetat,  wie  froher,  krankhafte,  widrige  GafSfalo  erragt 
Ultta,  bewirkte  er  TJelmehr  daa  G^eatfaeil :  daa  GaAfal  von  gia»- 
lieber  At^fespanUtheit  warde  minder,  daa  flane  Aage  nach  aad 
naeh  aalftriich ,  die  Maakelkrafi  kehrte  inaeihalb  aohtondrienig 
Btoadea  ao  weit  wiadar,  dafs  der  Kranke  aich,  wie  jeder  ander* 
•ebwaobe  Menaeh,  Im  Bette  bewegea  koania,  ohne  aas  dem  Aiham 
an  kommen. 

Nach  acht  nnd  vienig  Stnnden  uibeyte  ich ,  dt*  Lebwaga* 
Mir  Bei  TorCber ;  die  Besaeraag,  in  ao  fem  almiicb  ein  mit  einem 
■BheUbnren  Uebd  Behafteter  beaser  werden  kaaa,  machte  sieh 
bald ;  !a  etliche«  Ti^n  war  er  wieder  auf  dam  Punkte,  aaf  wel- 
chem  «r  tm  di***r  nBarklftriwrMi  UmwUsnaf  gewesen.  Aber 
ano  deake  aich  der  L«aer,  welche  VerKnderat^I  Der  Haan,  dao 
ich  ia  den  ersten  zwei  Tagen  dieses  Abeoteaaia  jeden  Ti^  anm 
mindeaten  swei  Unsen  Aetber  gegeben  nnd  mit  dem  betten  Er- 
felge  .gegeben,    bei  deaa  idi,   wie  dar  Xjeaar  wal  von  seibat  den- 


—    JM    — 

k»n  wird ,  J«  nacMera  die  L«bwi^«f«hr  vendiwsnd ,  auch  jenea 
kiinillichen  Lebenireis  Mtadeile,  diesei  Mann  war  in  einsm  Zeit- 
ranme  von  Mcb*  Tagen  m  aingeändert,  dafs  die  hüchate  Ga[M 
Aeilier,  die  er  rertnig  nnd  die  ihm  wohldiai,  fünf  oder  lecha  Tro- 
pfen berriig.  Ist  es  nicht  wanderbar  und  nahrhaft  nubegreiflicfa 
wie  das  A^erhfiliniie  xwiichen  den!  inenachlicheo  Körper  and  der 
Aefsenweli  so  auffallend  in  kurzer  Zeit  kann  verändert  werden  f 
N'ach  diesem  glficklich  überilandeneii  Straube  halte  der  dicke 
Mann  noch  reichlich  ein  Jahr  zu  leben,  in  diesem  Jahre  ging 
er  ganz  langsam  dem  Tode  entgegen.  Bald  hatte  er  Kolik,  bald 
Dnrchfall ,  bald  hypochondrische  Beaehwerdea,  bald  spielte  die 
Darmsflure  ihre  alte  Rolle.  Das  Fett  seines  KSrpers  verlor  sieb 
immer  mehr  und  mehr,  er  schrumpfte  arg  msammen  und  wurde 
sehr  runzelig.  Heilen  konnte  ich  ihn  freilich  nicht,  aber  in  aUea 
seinem  Elende  habe  ich  ihm  nicht  blofs  eine  kleine  Erleiditerungi 
sondern  selbst  manche  frohe  Stunde  versehafft,  so  dafs  er  des  fe- 
sten Glaubens  blieb,  er  werde  bald,  bald  wieder  der  Alte  sein. 
Der  Hanger  war  eine  seiner  grafsieD  Plagen ,  weil  er  ihn  nidit 
befriedige«  durfte,  ohne  dafür  za  bufsen. 

Unter  mancben  Miueln,  wodurch  ich  ihm  ein  ertrSgliebes, 
und  mitunter  frohes  Leben  machte,  habe  ich  den  Mohnsaft  gana 
bis  xuletxt  aufgesparet.  AVeil  er  durchaus  keiae  Neigung  zu  V«r- 
«opfang,  sondern  eher  xu  Losleibigkeit  hatte,  und  weil  es  unvec- 
kennbar  war,  dals  hei  ihm  die  Schwulstverhartung  des  Gekraoaa 
aMher  dam  Rückgrathe  als  den  Darme  sitzen  nnfste,  mithin  letz- 
ten auf  keine,  Weise  verengerte ;  s«  konnte  ich  den  Mohnsaft  &ai 
anwenden.  (Im  entgegengesetzten  Falle  thnt  man  dem  Kraakea 
einen  sidileohten  Dienst  damiu) 

Der  Mohnsaft  that  nun  auch  solche  herrli^e  und  den  Kran- 
ken froh  überraschende  Wirkung,  dafs  dieser  seine  baldige  He^ 
tteUnog  lebendig  vor  Augen  sah  nnd  sieh  die  Zaknnfi  mit  den 
labhaftCBien  Farben  ansnahhe.  Wafarscbeinlicfa  war  es  die  Wir- 
kung des  Mahnsafies,  dafs  er  die  ganze  Vorderseite  seines  Hao- 
ses  durchbrechen  nnd  sie  nach  der  Zeichnnag  einea  Bauaeiatets 
neu  anfTubren  liels;  er  hat  sie  aber,  ao  viel  ich  miek  eiioaere, 
nur  ein  einziges  Mahl  gesehen,  indem  ar  sieb  mQbsam  aus  dem 
Ziiamer  vor  das  Hans  schleppte. 

Bei  aller  Abnahme  der  KrKfie  blieb  sein  Pah  mbig  nnd  ra- 
gelmftfaig.  Gan*  beuligerig  wurde  er  nur  ein  |uwx  Tage  vor 
dem  Tode.  UngeflUir  tim  uad  zwaaaig  Stunden,  bevor  w  den 
Geist  aufgab,  verlor  er  die  Besinnung,  nnd  seine  Geaichiamnsketo 
waren  in  bestKndiger  eoanllsivischw  Bewegung,  wodurch  denn 
sein  mageres,  rmuliges  Leiebengenicbt  ein  wirldieb  sehauderhaf- 
-t^  Ansehen  bekam.  Zebu  Miauten  vor  dem  Tode  konnte  ich 
seinen  Puls   kaum    wie  ein  Fädobeo  fBUea*    aber  «r  ichlag  noch 


—  «•  - 

•bm  M  laagutn,  eban  w  rf^nülrig,  wl«  der  de«  gMUDdeatcn 
M*mcheB. 

t«h  hib«  n«cb  Kodre  Fülle  roa  ScArAm»  meteitierii  «riebt, 
sie  «ad  aber  weder  belebrand  noeh  nnterhaliend  genng,  nn  eie 
der  LAnf«  nech  lu  enSUen.  EiMt  renchaffie  ich  einem  an  aol- 
cbeiD  Elende  leidenden  Manne,  dem  iwai  Aerxte  mit  ihren  kiampf* 
•nd  ■chraerzsiillenden  Milleln  die  grfiulii^en  Banchtchmereen  nicht 
atHlen  konnten,  dureh  Einreibna;  d^r  Breehweinaleinwibe  auf  dea 
BKnch  eine  ganze  Zeitlang  ein  ertrIgUefaea  Leben.  Aber  freilich« 
anf  die  Dauer  konnte  dio  dnrch  aolcbe  antagoniatisebe  Reizung 
erzwungene  Beruhigung  keinen  Stand  baltan.  Bei  der  Oefinang 
dea  Leicbnama  aoll  man  die  vermnihete  VerbSrtiuig  dea  Gekröaea 
gefiinden  haben;  ick  salbst  habe  sie  niobi  gesehen,  der  Fond  war 
aber  bei  Lebzeit  des  Mannes  misehwer  an  erkennen.  Wer  an 
der  gegenseitigen  Tbeünahme  zwiachea  dem  ftufaerea  Bancbe  and 
den  Elngeweidea  deaaelben  gezweifelt  hBtte,  der  würde  sich  von 
der  Wirklichkeit  einea  soleben  Znsammenbanges  sehr  triftig  hu» 
ben  übeneagen  kftnnen. 

Vor  vielen  Jahren  verlangte  einat  ein  Mann  Heilung  rov  mir, 
der  einen  Seirrkttm  in  dem  GekrSse  der  dünnen  Dftrme  hatte, 
weleber  den  Darmkanal  verengte.  Der  Mann  stand  nnsXgliche 
Sebmerzen  aus,  war  hartoickig  verstopft  und  brach  alle  Speisen 
aus.  Durch  den  mlfsigen  Gebraach  der  Laxirniittel  konnte  ich 
ihm  den  Sohm«-a  ein  wenig  lindern,  Stuhlgang  befSrdem  und  daa 
Erbrechen  hemmen.  Diese  kleine  Hfilfe  wührfe  aber  nur  ein« 
Zeit;  hernach  wnrden  die  Laxirmittel  eben  so  wol  ansgebrochea 
als  die  Nabrangsm itlel  änd  der  Tod  befr«ile  »ha  bald  von  allem 
Elende,  Es  ist  begreiflich,  dafs  in  den  Fallen,  wo  der  Seirrkiu 
den  Darm  verengt,  der  Kranke  ein  kürzeres  Leiden  hat  als  in 
entgegengesetsien  Fillen;  aber  freilich  kommt  anch  hier  wieder 
viel  auf  die  schnelle  oder  langsame  Zunahme  der  Verhartni^  an. 

Oben  bähe  ich  gesagt,  die  VerbKrlnng  im  GekiSse  sei  mei- 
ner Kunst  unheilbar.  Es  kSnnie  maacher  junge  Kollege  ans  die- 
aer  Aenfsernng  schlleiaen,  das  Unheilbare  müsse  aacb  tödtlich 
sein;  ich  ibue  aber  ausdrncklieh  Einrede  gegen  dteae  Folgemag. 
leh  gebe  zu,  dab  das  Unheilbare  in  vielen  F&Ilen  den  Tod  her- 
beifBbrt,  Ja  dafs  zuweilen  drr  Tod  nicht  lange  anf  sich  warten 
ll&t;  man  beobachtet  aber  auch  Fälle,  dafa  solche  Kranken  zu 
einem  ordentlichen  Altar  gelaogeo:  darum  mnb  man  sich  hBl«n, 
nnbedachtsam  das  Todesnnbail  über  einen  Menschen  ausznspre» 
eben.  Ich  kenne  «inen  Herrn,  der  von  hancbkranker  Art  ict;  aein 
Vater  ist  mehre  Jahre  vor  seinem  Tode  irrsinnig  gewerdea,  eine 
tnner  Sehweatam  ist  schon  lange  irrainnig,  oad  eine  zweite  hat 
ancb  aehon  eine  deutliche,  aber  doch  vorübergehende  Anmabnung 
von  Tiflbfim  gehabt.     Der  Herr  idbat,    ron  dem  ich  jetzt  afve- 


—    »60    — 

ch« ,  leidet  uhoa  sait  viel«)  Jahren  «n  den  Zuftllui ,  i\<e  man 
der  Hypochondrie  zuschreibt.  Da  er  mich  zuerst  uiu  Raih  rragte. 
war  sein  CJebel  schoD  att ;  ich  koante  wol  erfrHg«n ,  dar»  er  von 
baucbkranker ,  aber  nicht  dafa  er  gerade  voa  hKiiiorrhoidBiJscher 
Art  sei.  Ich  habe  aein  Cebel  nach  und  nach  durch  alle  mir  be- 
kannte Oi^anheilmittel  untersucht,  und  das  Nichlh  eil  wirken  aller 
■  hat  mir  d^n  Glaabea  anfgedmiigen ,  er  leide  an  einer  Verhärlung 
im  Gekrftse.  Im  Jahre  1831  Sberfiel  ihn  ein  iinrkeB  Bltuapeien. 
Ich  konnte  dieses  nicht  ala  die  Folge  eines  Lnngenfefalers  an- 
sehen,  denn  ich  hatia  ihn  lange  genug  gekannt,  am  zd  ■wissen, 
dafs  seine  Lunge  vallkonnien  gesund  war;  mithin  miifate  ich  tm 
als  eine  consensnelle ,  von  seinem  urerkrankten  GekrAse  abhän- 
gende Lunge  na  ftekiicnt  nehmen.  Ich  gab  ihm  tar  Besc^wiehti- 
gnng  dieser  uonsensuelten  Longe naffektion  eine  Abkochung  den 
FrauendistelHamens ,  der  mich  in  salcfaea  Fälien  fast  nie  im  ätiidi 
Iftfst,  jetzt  aber  wider  Vennuihen  ganz  anwirlcsam  war.  Oi» 
Blntspeien  nahm  za  und  wurde  selbst  so  stark  >  dafi  ich  ernstlieh 
besorgte,  der  schwache  Mann  möchte  sich  gani  verbluten.  Bl«l« 
also  "nm  dem  Tode  cuvonukoMmen,  gab  ich  ihn  Alann,  und 
lief«  es  darauf  ankommen ,  ob  und  wie  sich  der  kranke  Baneh 
mit  diesem  Mittel  vertragen  werde.  DmS»  die  LungenUntung 
gleich  aufliOrie,  ist  nicht  merkwürdig,  aber  daia  der  krafike  BsMKh 
sieh  bei  dem  Alaun  auanehniend  wohl  befand,  ist  merkwürdig  ge- 
nug, um  es  versiandigen  Aerzten  milzalbeilen.  Nach  der  Lungeil- 
Uutung  blieb  eine  starke  Schleimabionderung  in  diesem  Organ 
nrBck  nnd  hielt  mehre  Meoale  an.  Ea  wurde  aber  weder  ad- 
finglrcb,  noch  spftter,  «in  verdlchriger  Kchlein  ausgesondert,  san- 
dera  ein  dicklicher,  ganz  Uarer;  .Husten  war  nicht' Torbanden, 
als  n«r  der  wUlkärliehe ,  dordi  den  der  Kranke  den  Schleim  *Bl- 
laeren  mnfste.  In  dieser  Zeit  wurde  von  andere*  ddbei  Beiheili^- 
tan,  nicfai  In  b&ser,  sondvn  in  gnter  Absiebt,  bei  der  höheren 
Behörde  darsnf  angetragen,  ihn  aaC  ein  Rnhegehalt  zu  setzen;  sie 
waren  nftmlich  der  festen  Uebemengnog,  er  leide  an  der  Sohwind- 
soeht  und  werde  nia  wieder  seinem  Amte  verateben  k&anen.  Ein 
Gotachien,  das  von  lair  gefotlert  wurde,  fiel  a^  so  aus,  dafs  dia 
Behörde,  anf  dasselbe  fnfsend,  die  Verabachindang  Bicbt  fnr  nfithig 
artete,  sondern  ihm  erlanbta,  sich  VMlIufig  einen  Stellvertreter 
an  hallen.  Er  hatte  eine  so  grofae  Funcht  vor  dem  Blntapeian, 
md  «in  so  nnliegrenztes  Zuiranen  cn  deas  Alaun,  dn^  er  wich 
dringend  bat,  ihn  denselben  Weiler  nehmeB  sn  laaaen.  Otasa 
Bitte  kam  mir  gerade  gelegen,  denn  ea  w&rd*  doch  wahrhaft  ihi^ 
riebt  gewesen  sein,  ein  Mibel  fahren  cu'laasMi,  its  ihm  siobljuv 
gnt  that.  Um  ibas  das  Einnehmen  gemächlicher  «n  matten ,  gab 
ich  |ettt  den  Alann  in  Pülenform;  die  Wirkung  war  folgend». 
Die   Scbleinab^ondemog    in-  den   Lungen  veraÜDtlfrte  «llmlblig; 


—  tei- 
lt gtagea  ilb«r  rfici  Monate  hin ,  «he  aie  gaa%  aufboit«.  Diem 
war  nir  der  deadiclule  Bewein,  i»U  »it  niebt  lowol  eine  nnmil* 
lelbare  Folge  der  Blalung  war,  Mwdern  daf«  beide,  Blutueg  und 
Sefaleineneoguag ,  blofs  als  vwsehiedene  Fonoeo  eüiee  conseii- 
■uellen  Lnngenleidens  von  de»  alten  Gekröaefehler  abbiogen. 
Merkwürdig  ist  ei,  dafä  der  Bavch  des  Maiwea  rieh  nicht  blof* 
gut  mit  dem  Alttun  vertragt  •ondem  bei  dera  Gebrauche  derael- 
ben  anTerkennbar  betser  wurde.  Geheilt  ist  er  nicht  und  wird 
wol  nie  ganz  geheilt  werden,  aber  er  ist  doob  jetst  ein  ganz  an- 
derer  Ma«B,  all  er  fnlher  war,  da  ich  ihn  »lent  keanen  lernte. 
Die  Beobacbtting ,  die  maa  üben  früher  gemacht,  daf«  bei  Ver- 
hftrtuagen  iiu  GelirAse,  lelbat  bei  tödtlicfaeD,  ja  bei  eiternden,  der 
Puh  ruhig  bleiben  kann.  beUftligte  steh  mir  auch  hier.  Während 
des  gaaxen  enfthlien  Straufaes  war  der  PuU  m  wenig  aufgeregt, 
ii^b  man  die  geringe  Aufregnng  deHelben,  mit  grofeer  Wahr- 
wbeitkUchkeit*  dem  anlgeregten  Gemüibtzuetaode  beimessen  konn- 
te, in  welcbeiN  sich  der  Kranke,  wegen  einer  uDgeraesseaeo  Furcht 
vor  dem  Blulspeien,  befand.  Die  Leser  werden  (Air  xagebeo,  .dal» 
der  eraiblie  Fall  sehr  ernsthafter  Art  gewesen;  aber  ein  ernst- 
haftes Uebel  t«t  nieht  immer  ein  lödiiichei.  Der  Mann ,  der  sei- 
nem Amte  so  gut  vorstehet  als  fräber,  lebt  jetzt  von  dem  Ertrage 
■eines  Amtes  recht  genäglich;  hä.te  ich  von  Schwindsucht  und 
Ted  getr&HuU ,  so  würde  er  jeiit  von  einem  mageren  Ruhegehalt 
aehren  nüsacn,  und  mir  dels  wol  wenig.  Dank  wissen. 

Die  Verhärtung  im  Gekröse  macht  es  in  manchen  Körpern 
gerade  wie  die  Anschoppung  anderer  Banohorgane;  sie  kann  voa 
Zeit  SU  Zeit  gang  ruhig  sein,  dem  Bohafteteu  kein  Leid  aufügeo, 
dann  aber  auf  einmahl  bdse  werden  und  eine  Zeit  laag  viel  Un- 
heil bewirken.  Das  Schlimmste  bei  der  Sache  ist,  dafs  ich  die 
bösgewerdene  schlecbt  besfinfiigen  kann.  Ich  kenne  einen  Mann, 
der  seit  iwansig  Jahren  ein  solches  Ding  in  dem  Gekröse  der 
Danndftnne  hat.  Er  ist  saweilen  ein  ganzes  Juhr  und  länger  frei 
von  allen  Bauchleiden ;  wird  aber  die  Verhärtung  böse,  so  üufsert 
aie  sieh  durch  einen  diimpren  Sehmen  in  der  Aabelgegeed,  durch 
gestörte  Verdauung,  tragen  Stuhlgang,  Eraeugnng  von  Sfture  und 
ander«  naheiiuliche  Gefühle.  Das  iffihrt  denn  ein  paar  Monate 
and  lifat  alluählig  von  selbst  naoh.  Weder  Egel  an  den  Afler, 
Mefa  Aniepeien  haben  jemohU  dauemdcin  guten  Einflufs  auf  die- 
ses verzweifelte  Ding  gehabt;  augepblicklicbe  Erleichterung  ver- 
•ehafft  Glaubersalzwasser  mit  einem  reichlichen  Zusätze  von  iNa- 
trop.  Da  i«h  in  dem  eben  erzliltiten  Falle  die  wohlihütige  Wir- 
knng  de«  Alanns  mfAllig  kennen  gelernt,  so  versuchte  ich  auch 
einst  diesen.  Der  Kranke  selbst  behauptete,  sehr  wohlihKtige 
Wirku^  davon  zu  spüren;  mir  wollte  es  aber  nicht  recht  ein- 
leaohlen.     Ich    «ah    nicht,    A»Sa  die  LeidenB|»eriode  sonderHoh  da- 


.-.,o^lc 


durch  abgckilnt  wmrde,  ani  du  hau«  doch  getdiebea  aiftNen, 
w«nn  d«r  Alsnii  wirkllcli  beKkwiehti^nd  aaf  die  Anfreping  des 
Mlwn  Uebei*  gawirkt.  Ob  jedocb  der  Kranke  recht  halte,  oder 
ich,  üt  um  deswillen  nicht  ■anoiuittelD ,  weil  die  Zeit  der  Lei- 
densperiode  immer  «ine  onbeelinnibare  war. 

Warum  bei  einigen  Menicben  die  VertiSrtungen  im  Gekritse 
Baochschinersen  inacfaen,  bei  andern  blots  hjpnchondriBcbe  Lei- 
den, und  wieder  bei  andern  Kopfleiden  muicherlei  Art;  ja  warum 
bei  manchen  der  Geint  wunderbar  dadurch  an^griäeo  wird ,  ood 
bei  anderen  nicht;  das  möchte  icbwer  lu  erklfiren  aein:  xum  we- 
nigsten erklärt  sich  diese  Yencbiedenheit .  nicht  au«  dem  Orte, 
wo  die  VeiliArinng  ailat.  Vor  einiger  Zeit  geslaad  mir  ein  >ol- 
eher  Kranker,  er  habe  schon  den  Vorsatx  gehabt,  sich  zn  entlei- 
ben, und  nur  der  Zufall  ihn  an  der  Ausführung  gehindert:  der 
unglückliche  Mann  hatte  schon  manche  AerUe  nm  Bath  gefragt, 
der  leiste  war  damahls  ein  niederUndischer  Professor;  er  wird 
noch  mehre  Aersle  um  Hülfe  aogefaen,  aber  sie  wahrscheinlich 
nirgenda  Gnden,'^lg  im  Grabe. 

Oben  habe  ich  die  Vermuthang  geSufaert,  die  Vethärtung  im 
GekrSie  sei  vielleicht  häufiger  unter  den  Menschen,  als  wir  Acnt« 
es  gewöhnlich  glauben.  Folf^ende  Betrachtung  wird  meiner  Ver- 
mnihang  alles  Paradoxe  benehmen. 

Da  das  besprochene  Uebel  im  Anfange,  ja  in  seiner  Zanabiaq 
dnrch  bestimmte  Zeichen  nicht  su  erkennen  ist,  so  kann  nun 
darauf  rechnen,  dafs  es  in  den  meisten  Füllen  noerkannt  bleibt. 
Die  Kranken  der  mittlen  und  geringen  Volksklasso  der  aafser- 
stftdtischen  BevSikemng  eines  Landes  halten  ja  nicht  'so  l^ge 
Stand  bei  Einem  Arste,  dafs  dieser  das  durch  Zeichen  Utferkean- 
bare  durch  Probemittel  erkennen  könnte.  Sie  laufen  Ton  dem  ei- 
nen Arxte  SU  dem  anderen,  suchen  Hülfe  und  finden  sie  nicht. 
Endlich  werden  sie  des  Hülfesucheni  nöde,  ergeben  sich  in  ihr 
unabwendbares  Schicksal,  und  sterben,  ohne  dafa  ein  Arzt  sie 
liehet.  So  ist  es  nicht  blofs  möglich,  sondern  selbst  höchst  wah^ 
■cheinlich,  dals  das  besprochene  Uebel  weit  mehr  Menschen  mu- 
tert  und  tddlet  als  wfr  glauben. 

Verhärtung  des  Netzes  habe  ich,  so  viel  ich  mich  erinnere^ 
nur  Einmabl  mit  meinen  Fingern  ge^ihlt;  sum  wenigsten  konnte 
ich  das,  was  ich  mit  den  Fingern  deutlich  unterschied,  nach  dem 
Orte,  wo  es  sich  befand  und  nach  seiner  Beweglichkeit,  für  nicht« 
anders  erkennen  als  für  harte  Aftergebilde  im  Neize.  Indem  ich 
einst,  einen  aafiientSdtischan  Kranken  beinchend,  mich  anf  einem 
Dorfwege  befinde,  ruft  mich  ein  geringer  Bauersmann  in  sein 
Haus,  und  bittet  mich,  aeUter  Frau  ein  Mitfei  sur  Linderuug  ih- 
rer grünlichen  Baachschmerzen  zu  verschreiben;  an  Heilung  sei 
bei   ihr  nicht   zu  denken,     wenn   sie  die  wenigen  Tage,    die  sie 


-  J«  - 

mbiwibeiDltck  nar  noch  n.lpben  habe,.  ntrftglMi  darcfabringeB 
könne,  werHe  sie  diesH  all  die  fröiWie  WohllbiU  aoMhen,  wst- 
cbe  ihr  widerfuhren  könne.  Da  ich  sam  Bette  trat«  nnd  den  ge- 
rippabnlichen  Leichnsnt  sah,  mitlBle  ieh  anf  ita  erateo  Blick  dpr 
Meinnog  d«  Bauen  beilreleii,  «n  Heihiog  Mi  nicht  mehr  lu  deD- 
kca.  Die  Kranke  angle  gleich,  sie  habe  iwel  Veihftitungen  wie 
SteUa  Im  Baache,  die  tbäten  ihr  den  Tod  an.  Da  ich  die  Sache  ' 
■aterw^te,  fand  ich  in  der  Nabelgegead  swei  Melnharte  Körper, 
jeder  von  de«  GröTae  einea  Gänseeiee,  ven  glatter,  aber  unregel- 
M&Iiiiger  Geetalt.  Sie  bew^;tea  eich  frei  im  Bancb«,  je  nachdem 
die  Ftma  ihren  Leib  wendete,  und  waren  von  den  Bauchmuskeln 
■od  dam  Bauchfelle  gani  nnabhingig.  Ich  denke,  TerbSrteier 
Koih  in  den  düBoea  Dänuen  konote  dies  nicht  sein,  denn  die 
Fiao  bnlie,  ibrer  Aussage  oacbi  ^cbon  lange  am  Durchfalle  ge* 
litten;  Darniatein«  werden esnucb  wol  nicht  gewesen  aeio,  also  weib 
ich  aus  den  xwei  harten  Körpern  nichts  anders  sn  machen,  als 
dala  leb  sie  fiir  steiDharte  Aftergebilde  im  \atse  halle.  Seltsam 
lautete  indessen  die  Enäbliing  der  Haasleute  j  sie  bebanptetea 
niulieb ,  voo  Zelt  su  Zeit  tobe  und  lexhte:  es  der  Frau  so  laut 
im  Bauche,  dals  sie  es  allesnmnt  nicht  anhören  könnteo,  sondern 
ans  dem  Zimmer  fluehten  mübteuw  Nun  freilich,  das  loub  scboa 
•in  tüchtiges  Gepolter  sein,  was  die  Bauern  aus  dem  Ziinuer 
tehenchl,  die  sind  sonst  so  urlhärig  nisbt 

Mit  Mohnsnft  habe  ich  dieser  unglücklichen  Frau  ihre  leli- 
len -Tage  ertrSgiich  gemacbi^  sie  hat.  aber  nur  nech  gans  kurxe 
Zeit  gdebt. 

Mittel  auf  dit    Urinwerixeug*. 

Die  Urin  Werkzeuge  werden  eben  so  leicht  als  andre  Organe 
conseosuell  alBsirt.  So  habe  ich  schon  im  Vorigen  darauf  aaf- 
flMffksam  gemacht,  .da&  durch  ein  Urleiden  der  Leber,  der  Mils 
n.  8.  w.  die  Nieren  consensuell  afßzirt  werden,  und  darans  leiohi 
•lue-  solche  Wasaersneht  entstehe ,  welche  nicht  dorcb  urintrei- 
beade,  oder  purgirende,  sondern  durch  Leber-,-  Milzmittel  u.  s.  w. 
Blässe  gehoben  werden.  Eiiie  Affektion  des  GesammtorgRaiimiis 
kann  ebenfalls  in  den  Nieren  vMwalten,  die  Urinabsondening  ent- 
weder rermebren,  oder  vermindern,  wodurch  dann  Wassersucht, 
oder  Harnruhr  entslaht.  Solche  Wassersüchten,  oder  Harnnihren 
werden  durch  die  ünirersalmitiel  geboben,  wovon  ich  an  seinem 
Orte  reden  werde.  Jetzt  handelt  es  sich  nur  von  solchen  Mitteln, 
welche  Urietden  der  Urinwerkseuge  heben. 

Die  Nieren  sind  bekanntlich  das  Organ  der  Hamabsoaderang, 
die  Blase  blofs  der  Behttlter  für  den  abgesonderten  Harn;  miihin 
werden  di«  Nieren   auch    wol    die    wichtigsten  Organe    sein,  ^iif 


-Welehe  wir  nitnt   «nere  Avfmerknmkrit  i4ebm  nnd  Mknl  »af 
ibre  Erkranknnf  mebeti  miiMen. 

Die  coBfleuaaellen  Leidan,  welche  ich  dureh  UruSektion  4«t 
Nieren  haba  entatehen  Kben,  sind  folgende:  balboeiti^^ei  periedi- 
■che«  Kopfweh,  Husten  mit  Auswurf,  aeihniaiiKhe  Zufälle,  uhal- 
tende  Uebelkeit,  welche  keinem  Magenniittel  wich,  wirkliches  £r<- 
brecben,  Schnierien  der  Därme  von  venehiedenen  Graden,  cbro- 
nischer  Dur<^fall,  oder  cbronisohe  Hariieibigkeii ,  Hnmwtqd«,^ 
Bauch-,  oder  allgemeine  WaRserwicbt ,  Schmersea  in  den  Feisea 
oder  Ballen  der  FSfiie  und  bei  Weibeni  Muiterblntflüstie.  Da  nun 
heim  Urleiden  der  Nieren,  nicht  in  sellenen,  sondern  in  vielen 
Fallen  die  eigentlichen  Uribheachwerden  gans  fehlen ,  der  Urin 
swar  Kuweilen  wol  djuakel  bnuo,  zuweilen  bloli  trübe,  sobleiiuig, 
oder  fellig  iat,  in  nnderu  FttUen  aber  von  dem  gesuadheiiagemll- 
iäen  weder  in  Farbe,  noch  in  sonstiger  BescbaSeabait  abweicht: 
so  ist  offenbar,  dofs  das  Urleiden  der  Ninren  suweilen  wol  leiobt, 
in  vielen  Fällen  aber  nucb  anfsMordentlich  schwer  an  efkeonen 
Min  niäise. 

Die  Niei-en  sind  ein  absonderndes  Organ;  nnn  kann  die  Ah* 
■onderang  au  häufig,  orfer  zu  sparsam  vor  sich  gehen,  und  das  Ab- 
gesonderte kann  eigenscbaftlich  verändert  sein.  Auf  alles  dieses  mag 
man  wol  achten ,  wenn  man  Nierenkrankheiten ,  welcherlei  noso- 
logische Namen  sie  haben  mügen,  giäcklidi  bebandeln  will. 

Die  vermehrte  Uriaabsonderong  ist  nicht  immer  von  der  Art, 
dafs  man  sie  Harnruhr  nennen  k&nnie,  aber  doch  verdient  sie  die 
Aufmerksamkeit  des  Arztes,  indem  nie  ihn  auf  ein  Urleiden  der 
Nieren  aufmerksam  machen  kann,  von  welchem  vielleicht  die 
heftigste  consensuelle  Affekiion  eines  andern  Oigans,  oder  des 
Gesammt Organismus  abhängen  mag. 

Die  verminderte  Urin abson dem ng  hat  auch  ihre  Grade.  Ist 
die  VermindeniDg  bedeutend,  so  macht  sie  bald  Wassersnebt  nnd 
die  kann  ein  EiofHIiiger  erkennen.  Ist  die  Urinubsondernng  nur 
um  ein  wenig  vermindert,  so  enlslehet  langsam  ein  anscheineades 
Fettwerden  des  KSrpers  nnd  der  Athem  wird  den  Menschen  naeh 
nnd  nach  ein  wenig  kürzer.  In  solchem  Zustande  kann  man  noch 
kein«  Fluklaation  im  Bauche  fäblen,  auch  keine  Gruben  ins  Fleisch 
drncken.  Die  Menseben  kännen  lange  in  solchem  anscbeinaad 
blühenden  und  wohlgenährten  Zustande  bleiben,  und  werden,  wcna 
■ie  über  dieses  nnd  jenes  klagen ,  von  ihren  Freunden  verlacht. 
Anoh  chronischer  Durchfall  kann  hlofs  die  Folge  der  etwas  verr 
minderten  Urinabsondsmng  sein ;  dämm  mnls  man  vor  allen  Din- 
gen auch  bei  diesem  auf  den  Zustand  der  Hamahsondening  ach- 
ten. Es  ist  aber  nicht  genng,  dafs  man  den  Kranken  fragt,  ob 
er  genugsam  bame:  denn  wenn  die  Urinabsondening  mindert, 
ffi^t    er  nicht  selten  itfiere  Neigung  znm  Hamen  als   sonst,    mit- 


htm  wk4  er  4m  Ante  mrf  d«n«ti  Frag«  «Bnnnn,  n  har*» 
viel;  iwUchen  viel  and  oft  banian  iit  aber  «in  grolnr  Umw- 
■chiad.  DaraiD  nafa  mao,  dm  ib  dwaer  UinaiGbi  «ola  Raine  zu 
kaainMt,  den  Krankaa,  veo  welcham  uan  Ternothet,  dafa  di« 
Hami^aoadeniag  brä  ihm  varoüailert  aai,  aein  Waaaer,  walchaa 
•f  in  Tiemnd/wauig  Stunden  baraet,  annnaienbeirabren  laaaea 
(in  ao  fern  aSmlich  aolcbea  die  üiMtiode  erlaobea);  aaa  der  Ver* 
gleiebung  nahrer  Tag»  kaiui  man  dann  wol  die  Wabrbeit  bar- 
aoabriagen.  Darob  dieae  HarMcbftlxnng ,  weichet  wia  iefa  ba- 
aHrkt,  wol  von  den  Aeraiao  in  der  aiMgeiprochenen  WaweraHcbt, 
aber  Mohi  kt  andereni  Ungemacbe,  wo  ne  eben  so  nöihig  aein 
Möchte,  angewendet  wird,  kann  nun  mancher  WaManneht  voi^ 
bMigen. 

Die  QualitKt  dea  Hamea  kann  auch  verändert  werden,  lek 
rede  biar  nicht  von  Farbe  und  Cenaieienx,  aondern  ron  aeinen 
chemiscben  Eigentchaflea.  Jeder  gesunde  Harn  ist  aaaer.  Gleich 
wie  die  Säure  im  iVlagea  and  in  den  Därmen  überhand  oehnea 
und  die  Verricfaiiu^  dieier  Organe  auf  mancherlei  Weise  stören 
kann,  eben  ao  kann  anch  die  Harniäare  in  den  Alieren  überhand 
nehmen  und  die  Verrichtung  derselben  also  stören,  dafa  daraat 
bebinderte  Urioabaondernng  Uud  Wassersucht  entsiebet.  Wer  dipsa 
Wassersucht  mit  solchen  Mitteln  behandeln  will,  welche  gesunde 
Nieren  mr  vermehrten  Harnabsonderung  reizen ,  der  macht  die 
Sache  eher  schlimmer  als  besser.  Hier  sind  Magnesia,  Kalkwas- 
■er  und  die  Langensalze  die  einzigen  uriolreibenden  Mittel,  «ie 
miodem  die  Harnsäure  und  nehmen  die  materielle  Ursache  der 
gestörten  Nieren  Verrichtung  hinweg,  wo  dann  die  Urinabsonde- 
mag  wieder  zum  Normalzustand  zurückkehret. 

Ob  ich  gleich  allen  Laugensalzen  und  erdigen  Mitteln  wohl- 
thäiige  Einwirkung  auf  die  Nieren  zugestehe ,  so  mufs  ich  doch 
der  Magnesia,  dem  Kalkwasser  und  dem  kohlensauren  Ammonio, 
nach  meiner  Erfahrung,  den  Vorzug  geben.  Was  ich  in  neuer 
Zeit  ober  das  Xeurralmachen  des  Harnes  durch  unbedeutende  Ga- 
ben von  Laugensalzen,  ja  Mitlelialaen,  gelesen,  hatte  ich  für  Täu- 
•chnng,  welche  wabrscheiniioh  der  Wenigkeit  der  Verauebe  ns4 
du-  KigenihSmIiehkeit  der  Körper,  an  welchen  die  Versocfae  ga- 
HMeht  sied,  zuauscbreibeo  Ist.  ich  habe  bei  dem  häufigen  Ga- 
branehe dar  Langensalze  Jahre  lang  meine  Anfmeiksamkeit  aitf 
die  Veräaderang  des  Harnes  geriohtet,  und  weifs  recht  gat,  dafa 
im  Allgemeinen,  um  den  Urin  nealral  an  machen,  in.  drei  bis  viar 
Tagen  anderthalb  bis  zwei  Unsen  Natron,  oder  saobs  Draebmea 
bia  nna  Unae  kohleaaanres  AmsseniDm ,  oder  reiohlioh  anderthalb 
Unz«B  g^mmnta  Magnesia  aöthig  sind,  voraNsgaaetzt,  dafs  •!»• 
aäarewHlrige  Lebeasardnimg  hiostchilioh  der  Speisen  und  Getränke 
beobachtet   ^erde.     Bei    krankhaftem    Zaslande   der   Nieren  knnn 


—    »6    — 

aber  im  StwMnNogMIg  in  dw  NiwMi  ncMh  mit   bsileiriwkdw 
•ein. 

.  Meinen  Jüngeren  Ami^meMen  will  ich  Jeiit  eine  lehr  nGu- 
licbe  Waranng  geben.  Em  trifft  eiefa  xnweilea,  dab  Mentchea 
Bit  unheilbaren  Fehlem  der  Leber,  oder  Mili«  ja  celbel  mit  Ver- 
eiiemog  in  dteieo  Organen  waueraücblig  werden ,  und  data  ihr 
Urin  einen  ataiken  Gehalt  T<m  Hamsture  liu.  Wenn  nan  *o)- 
dien  Leaten  mit  Magneaia  die  fibenaifüge  Harnebir»  wegoimmi, 
•«  fangen  eie  auweilen  an  zu  harnen,  und  harnen  sieh,  wo  itiebt 
gwx,  doch  p^feten  Theila  dünn.  Ich  bitte  aber  meine  Jangen 
Amtabrfider,  nicht  viel  Aufbebens  von  der  Sache  an  naehea,  den 
AngebSrigen  des  Kranken  nicht  viel  Hoffnung  za  geben;  denn 
ite  werden  sehen,  daf>  die  ganze  Herrlichlieit  anf  eine  Galgen- 
fr  igt  binauilBnfi, 

Die  laugensaliige  BeHchafTenheit  des  Harns  findet  rasa  noch 
hRufig  genug;  sie  ist  aber  gewöhnlich  Zeichen  einer  eigenen  Af- 
feklion  des  Gesammtorganisnins ,  weshalb  ich  von  ihr  reden  wer- 
de ,  wenn  ich  die  Universatmittel  nUiandle.  Jetzt  zuerst  von  den 
Urtntreibenden  Mitteln. 

Es  gibt  einen  Urbrankfaeilaznatand  der  Nieren,  bei  welchem 
die  Absondening  des  Uarnes  vermindert  ist,  und  wo  eigenilicbe 
Diuretica,  salche  Mittel,  welche  die  Nieren  direkt  zur  Urioab- 
sonderuog  reisen,  wahrhaft  bülfreicb  sind;  allein  wo  haben  wir 
die  wahren  Diuretica f  Manche  Mittel,  welche  bei  M'assersnch- 
ten  die  gestörte  Urinabsonderung  zum  \ormnlsiande  gebracht,  bat 
man  auf  guten  Glauben  Diuretica  genannt,  da  sie  doch  vielfältig 
nicht  auf  die  Nieren,  sondern  auf  ein  anderes  nrerkrankles  Or- 
gan, oder  auf  den  erkrankten  Gesainmiorganisniua  heilend  einge- 
wirkt, so  die  gestSrte  Urinabsonderung  wieder  hergestellet  und 
die  Wassersncht  vertrieben  bähen.  Daher  kommt  es  denn  auch, 
dafs  Bulche  Mittel  so  oft  von  den  Aerzlen  ganz  vergebens  als 
Unr intreibende  angewendet  werden. 

Feiner  ist  wol  an  merken,  dafs  Mittel,  welche  gesunde  Nie* 
ren  nir  vermehrten  Hamabsondernng  zwingen,  diese  Gewalt  nicht 
über  kranke  haben.  Wenn  man  einen  gesunden  Meoseben  mor- 
gens viel  dünnen  Kaffe  trinken  Ififst,  gibt  ihm  einen  Schlodc 
Branntwein  darauf  und  setzt  ihn  dann  der  kalten  Luft  ans,  so 
kann  man  dadurch  die  Hamabsondernng  bei  Ihm  nicht  eiabildisch, 
aoodwn  handgreiflich  vermehren;  aber  deshalb  wird  nun  kein« 
erkrankte  Nieren  dorch  solche  Behandlung  znr  vermehrten  Abson* 
demng  zwingen.  Dafs  ein  grober  Unterschied  zwischen  eine« 
Kranken  and  «inem  Gesunden  zei,  das  zebeinen  die  Aarste  zuwei- 
len vergezaea  und  ans  solche  Mittel  als  DinrtHea  anfgasebwatzt 
zu  haben,  weldio  wol  einem  Geannden  die  Hamabaonderang  ver- 


■ebrBD,    aber  de  krankhaft  geMBrte  nielit  «led^  nonnal  machen 


Ob  wir  eigenilicfa  dirdtt  haraa^bandn  Mittel  habaa ,  darBber 
bin  ich  Moch  iwetfeliiaft.  Wir  haben  abführende  Mit^ ,  mit  4e- 
aea  wir  die  Därme  aar  vermehrten  Aoaiondentaf  awingen;  and 
Mwn  kein  meehaniiehei  Hindemifa  Im  Danakaa^  ist,  und  die 
Lazirmitlel  werden  nicht  aotfebrodien ,  eo  wird  eich  unter  mefa- 
r«B  hoodert  Ffillon  kein  eiDiiger  ereigenen,  wo  diese  Mittel,  in 
varhiliailamafinger  Gabe  gereicht,  ihre  Wirkung  Teruigea.  Mit 
einiger  Einschrttnkung  kann  man  daa  nKinliche  von  den  Brachmit- 
laln  bdiaaptaB.  Wo  iat  noo  aber  der  erfahrene  Arat,  der  dauelba 
TWi  irgend  eiaem  BimreUeo  bebanpten  mö^tef  Und  doch  laSlife 
dies«  anit  Wahrheit  können  behauptet  werden,  wann  naaara  Mit- 
uA  den  Namea  der  nrintrei banden  verdienen  ai^lten. 

Eine  uBfaige,  kaam  fliiuigen  Stnhlgang  bewirkende  Prick«- 
Inag  der  DSrma  durch  Lazirmittel  vermehrt  inweilen  die  krank- 
tieft  geatane  Uriaabeondening.  So  boU  GitmmignU  ia  gaax  klei- 
nen Gaben  die  Urinabaondemng  vermeliren,  auch  Jalappe,  Wein- 
siein  nnd  fast  alle  laxirende  Mittebnlxe.  Man  kann  aber  nicht 
behaupten,  dab  aaidi  diese  HambefSrdening  eine  sichere  Urintrei- 
bang  aei,  denn  nweilen  glückt  sie,  aiiwcilen  nicht.  Daa,  waa 
nun  die  Laxinoittel  in  ganz  geringen  Gaben  leisten,  das  nSmliche 
leittcn  lie  nach  in  gani  grefsen  Gaben  als  heftige  Purganieo  ge- 
braucht. Dieses  scheint  aof  den  ersten  Blick  wideraprechend ,  Ltt 
e«  aber  in  der  That  bichl ;  denn  die  Purgirmiltel ,  in  starken 
Gaben  angewandt,  wirken  hier  als  ein  antagonistischer  Reiz  auf 
den  Dannkanal,  nnd  können  eben  so  gut  einen  krankhaften  Zn- 
•tB»d  der  Nieren  heben,  als  sie  einen  krankhaften  Zustand  der 
Mandeln,  des  Gaumens,  des  Gehirns,  oder  der  änfseren  Glieder 
zu  heben  im  Siande  sind.  Bei  der  Wassersucht  haben  sie 
auf  die  bezeichnete  Weise  einzig  ihran  Ruf  erhallen;  denn  nur 
in  den  Flllen ,  wo  sie  durch  ihren  feindti^en  Reiz  ^  auf  den 
Darmkanal  die  Nierenhfankheit  heben ,  die  Urinabsonderong  zom 
Nomaislande  inrGchfübren ,  einzig  in  diesen  Fallen  sind  sie 
Heilmitiel  der  Wassersucht.  Da,  wo  sie  blofs  das  Wasser  dotoh 
den  Stnhlgang  eofleeren,  ohne  die  Urinabsondemng  zu  regeln, 
notzen  sie  wenig,  denn  das  ausgeleerte  Wasser  erzeugt  sich  gar 
bald  wieder.  Diese  feindliche  Heilart  ist,  wie  alle  antagonisti- 
sche Heilarlen,  unsicher;  ich  habe  mii^  ihrer  wenig  bedienet. 
Oft  genug  habe  ich  aber  Gelegenheit  gehabt,  die  üblen  Folgen 
derselben  in  Fallen,  wo  sie  unverständig  angewendet  war,  zu  be- 
obachten;  denn  zwei  Meilen  von  hier  war  sonst  ein  Kloster,  wel- 
ches einen  mit  gemeinem  Kornbranntweis  bereiteten  Abzug  der 
ialappenwnrzel  als  Geheimmittel  gegen  die  Wassersucht  verkaufte. 
Der  gemeine  Mann  bediente  sich    in  biesigpr  Umgegend  oft  dies*» 


—    168    — 

MtttaLt,  Miwatlen  nlt  Nnuen,  aawcileo  luil  8di»4an.  In  iMslem 
Falle  wurde  dann  der  Anct  ui  Hülf«  gerufen.  Mun  kann  leiokl 
denken,  i^Sa  bei  einem  Mlsban  Aneneihandel  keine  RSokaicht 
■af  die  beMmderen  UiMtfinde  dei  Kranken  kannte  ganoniMen  wer- 
den. So  hob«  ich  scboa  geiebeo,  dnb  eine  im  leUlen  Zeilraume 
der  Laegeomcbt  woMergesehwellene  Frau  dai  Gebeimmiltel  brauch- 
te nnd  fast  nnf  dem  Nechtlopfe-  eUirb.  Manche ,  bei  dearn  die 
Waucrancbt  von  Leber-,  oder  Milaleiden  herrährle,  bekanna 
chroniacfaen  Durchfall  und  ihr  Ucbel  wnrde  nicht  beiaar,  aondem 
viel   Kblinuner. 

Jene  Uraffdclion  der  Nieren,  welche  durch  einen  atadun  ao- 
tngooUtiachen  Reis  auf  den  Oarmkanal  kaoa  gehoben  werden, 
■oheint  mir  von  den  Nierenkrankbeiiea  (gerade  die  xu  Hein,  wel- 
die  am  leichteuen  n  heilen  iu.  Ich  mub  auch  faal  glauben 
dafii  aie  eben  ao  leicht  kann  erwoi1>en  werden  ala  der  Sebnnpfen, 
ade«  der  Husten.  Gar  oft  habe  ieh  erlebt,  «onderlich  in  den  frü- 
heren Kriegeaiüufen,  daft  die  Bauerjungen,  wenn  sie  den  Soldaten 
au  Dienst  fahren  mufaten  and,  wie  leicht  lu  erachten,  achUcble 
Herberge  hatte«,  in  kalter  Nacht  anf  ihren  Kanmi  schlafend  die 
Wassersaeht  bekamen.  £l>ea  so  gnt,  wie  Jemand,  der  etwas 
reisbare  Haut  und  Nieren  hat,  dadurch  Harnwinde  bekommen 
kann,  dafs  er  aeinea  erhitsten  Körper,  sonderlich  den  Rücken, 
einem  kalten  Luftzngfi  aussetset,  eben  so  gut  kann  er  auch  Was- 
aersucfat  bekommen.  Solche  Wassersacht  mofs  nan  aber  nicht 
atit  Wasae rauch leu  gleichstellen  wollen,  welche  von  Krankheiten 
anderer  Eingeweide,  oder  von  einer  Affekiion  des  Geaanimlorga- 
aiajnus  abhängen.  l<etxte  beide  erfodern,  wenn  sie  gebeilt  wer- 
den sollen,  einen  nmaichtigen  und  erfahrenen  Arxi,  erste  mi^ 
wol  von  einem  unweisen  Arxeneibfindlar  and  Marktschreier  gehellt 
werden. 

Jedoch  keine  Krankheit  ist  %ß  leicht,  dnla,  wenn  man  all 
genug  wird,  man  nicht  eitien  aeltaanten,  auitgexeichneien  Fall  der 
An  erleben  sollte,  wohl  werth,  verstiudigen  Aerzien  enählt  *m 
werden.  Ich  hoff«,  mein«  Leser  nicht  xa  langweilen,  wenn  ich 
Ihaea  einen  ganz  ausgezeichneten  und  suiu  wenigsten  in  meiner 
Praxis  einsigen  Fall  solcher  leicht  zu  hebenden  Wassersucht  mit- 
tbeile.  Vor  nngef&br  fGnfxebn  Jahren  achickie  einst  ein  ziemlich 
betagter  Geistlicher  ana  einem  benachbarten  Städtchen  zu  mir  und 
liafs  mir  sagen,  ich  mfrge  ihm  etwas  verschreiben  gegen  heftigen 
Baocbsebmerz.  Der  Botha,  der  die  Nachricht  müatUich  brachte, 
wufste  auf  mein«  Fragen  weiter  nichts  zu  Mitworten  ■  als  dafs  der 
alt«  Herr  Im  Bette  liege,  besliodig  iiber  Bauchsobmers  klage,  sich 
gar  nieht  rubren  könne,  sondern  steif  wie  ein  Banm  anf  einwa 
Flecke  liege.  Ich  tnitfate  mich  hier  blofs  an  den  BnuchscbiuerK 
hallen  und  versehrieb  einen  Trank  ans  atinbendem  Asapt  und  Krrt- 


hMMgenrinkiiir.  Am  MgflaiM  Tage,  ItMt  AWnd«,  Imm  d«r  BmIw 
Docli  etnmabl,  Mth  4eM  ICnuelwa,  4tm  Knulun  MltMrt  in  Aufsa- 
Mb«i«  xn  iielim«n;  dl*  «o-or^MM  Anmti  habe  di»  BaKchccbnflr- 
xen  nicht  im  raindetton  gslindart.  Ab  icfa  u  BM^mi  Tage  m 
d»n  Kiaakea  kmm ,  nh  iiA  »i  mMKcm  Entaunen ,  dafa  er  »laM 
TOD  Wasser  fnoi  aufgatriebaaen  Baucfa  halle,  dafa  uiaa  FüiM, 
bis  xa  des  Wadan,  und  aeio  Hodeunck  wiaacgwchwllea  vnm. 
Dar  Botfae.  hatte  aber  wahr  geiproebeo,  der  Kranke  war  gaaa  aa- 
Afaig,  eich  au  beweges,  lag  iai  eig«fldieb«a  SioD*  sieif  wie  eis 
BauM  iai  Be«e,  «mI,  wa«  merkwüfdig  war,  der  BaadaMbnen, 
gagan  welBbea  er  dnroh  den  Baihea  Hülfe  bei  .mir  gemcbt,  war 
Iceiii  Schmers  der  DSnue,  eandcin  das  änbereo  Baaebea.  Dia 
Aufragnag  des  Manoes  gab  folgende  Maehriebt.  Er  habe  *  sagte 
•r,  als  Geistlicher  vor  aagefilir  aalin  Tagen  eiaen  Kraalten  aaf 
.  4eH  Lande  bei  schneidend  kahem,  BMsea  Wiade  betaoht.  Aaf 
4em  Hinwege ,  wo  iba  der  Wind  tob  vam  angeweht ,  habe  er, 
weil  er  Brasi  «ad  Bauch  gM  bedeckt,  keine  UnanaebailichkA 
gea|iirel.  Aef  dea^  Hcunwege  aber  habe  ihn  der  Wind  von  hi»- 
ten  gepaefai  und  ihn  Reck  und  Wams  so  darehweht,  dab  ihn 
der  ganze  Bücken  kah  wie  eiaa  tSoholle  Eis  ^worden.  Kn  Hnasa 
»ei  ihia  gleich  unbeiadleh  gewesen ;  er  habe  Fliedertfaee  getranken 
nnd  warmen  Wein,  am  den  fibien  Folgen  der  Erkfiltnng  veran- 
beugen.  Bald  darauf  (die  nSckslea  Tage  nttnlieb )  habe  er  be- 
amrkl,  dafc  sein  Aiben  kars  aad  sein  Baaeh  smif  werde.  DIesaa 
üagMwncb  sei  von  Tage  n  Tage  lo  aehnall  TcrgrSbert,  dab  er 
sich  ^tat,  nach  ungeflUv  sehn  Ti^en,  in  den  wahrhaft  hülflosen 
ZastSMde  befinde,  wori«  ich  iha  aeba.  Auf  nein  Befragen,  wie 
«s  gleich  naob  gehabter  RiekcnerkBlbiBg  mit  imm  Hnroen  gegan- 
gen, eb  dasselbe  bedenlend  rarringert  sei,  wabie  er  nictrt  n 
antwortan;  denn  er  war  dn  alter,  ehrlieber,  ainfiHttger  Mann,  der 
ohne  Zweifel  recht  gut  für  die  Theologie,  aber  sonst  gewils  an 
niebla  in  der  Wftli  baaehbar  war.  Den  jArigen  Znataod  der 
HaroabaoaderiMg,  ob  sie  bedeutend  Terringart  sei,  kamie  ich 
nicht  einmahl  von  ihm  erforschen,  er  «aCite  «•  sdbst  niefat;  aber 
daa  wefste  er  wol ,  dnfs  er  keine  Hanislrenge  habe  nad  nicht 
mit  *u  pissen  fanmehe.  Ob  er  nna  aber  nicht  ans  deai  Bette  kam, 
milkia  draafwn  nicht  harara  koania,  ao  mnlMeB  Üe,  welche  ihm 
RufwBrtaten ,  doch  wol  aas  der  VABe  des  Naehttopfes  wissen ,  eb 
er  viel  oder  wenig  harne.  Ais  ich  diese  eioaela  daräher  Te»> 
aommen,  ergeb  sich,  dab  keiaer  sich  «rtnnem  kenate,  je  den 
Nackttopf  aasgeaobäilei  so  bsiben ,  woraus  dann  fslgle ,  da&  dia 
Hnraabsaadarung  bei  ihm  gana  nafgehArt.  Nim  w«ren  mir  du 
Unrennegen  sich  so  bewegen  nad  die  Schmeraen  der  Baadwu»- 
kaln  sehr  erklärlich. 

In   allen  FülleB   von  ßaaehwHsersacbl,    die  ich  Torber  «nd 

„,,,_..iL,  Google 


—    270    - 

nachher  gMeb«n ,  war  die  HerDabsoodenitif  nicht  gmua  aargtho- 
kwn,  aondBro  nur  .mehr  oder  wenige  Tenaiodert;  du  WavMTBUD- 
melie  aich  also  nach  und  naoh  in  dem  Bauche  an,  und  nach  und 
BAch  gewShnteo  aich  Bauchfell,  Hnakeln  nnd  Haut  an  die  Auideb- 
irang.  Hier  aber ,  wo  die  Harnabionderang  gSnilich ,  nnd  wahr- 
«eheinlleb  plötclicb ,  gleich  nach  der  empfindlichen  RfickeneriEll- 
nog  aafgehftrt,  sammslle  ejoh  dai  Wasser  in  Zeit  tob  etlichen 
Tagen  in  der  Banchhöle;  Bauchfell,  Mtukeln  nnd  Hant  wurden 
to  piSizlicb  nnd  widernatürlich  ausgedehnt,  dab  diese  gewalname 
Ausdehnung  sehr  «cbmerxlich  sein  nnd  die  Bauch mnskela  za  den 
willkürlichen,  die  Bewegungen  des  Rniupfea  bedingenden  Zmam- 
measiebuogen  nnfShig  machen  mufite. 

Ein  Schiittetlrank  von  Glanhersalz  nnd  Jalappeapnlver,  beide« 
in  reichlicher  Gabe  stündlich  geaomineD,  entleerte  einen  groben 
Theil  des  Wassers  nnd  stellte  augleich  die  Urinabsondrmng  wi«-  • 
der  her,  wo  dann  die  ToUkommne  Entleerang  des  Wassers  anf 
dem  ordentlichen  Wege  und  die  vollkomrane  Heilung'  wo|  erfol- 
gen mufste.  Merkwürdig  bei  diesem  Manne  war  noch,  dafs  meh 
-sngleich  mit  der  Bauchwassersucht  eine  Ehfdroeelt  des  rechten 
Hodens  erzeugt  hatte.  Da  ich  ihn  zum  ersten  Mahle  sah,  war 
der  Bodensack  sehr  geschwollen.  Ich  fnhlto  wol,-  dafs  der  recht* 
Hode  aufgetrieben  war,  mochte  aber,  wegen  des  stark  gesehwol- 
lenen HodensBokes,  vorlänlig  kein  Urtheil  darBher  nilen.  Dar 
Kranke  behauptete  bestimmt,  nie  vorher  die  mindeste  AnftreUrang 
desHodens  gehabt  zn  haben.  Als  ich  ihn  zum  sweiten  Mahle  gab, 
war  der  Hodensack  gar  nicht  mehr  geschwollen,  und  es  konnte  kein 
Zweifel  über  das  Vorbandensein  der  Bi/droceh  mehr  Statt  finden. 
Dieser  Wasserbinch  verging  von  seihst  nnd  verging  bald.  Da* 
freiwillige  Verschwinden  des  Waaserlwnches  gehört  zwar  nicht  zn 
den  seltenen  Begebenheiten ,  aber  doch  immer  zu  den  anlserge- 
wohnlichen. 

Von  den  angeblich  urin treibenden  Mitteln  kenne  ich  nur  drei, 
denen  idi  diese  Kraft  sugeatehe;  jedoch  ganx  sicher  bin  ich  auch 
noch  nicht  in  diesem  Punkte. 

Das  erste  ist  der  Tartarua  boraxaiu:  Will  man  ihn  als 
nrintreibendes  Mittel  gehen ,  so  mnfs  man  bekanntlich  die  Gab« 
desselben  so  den  DHrmen  anpassen ,  dafs  er  nicht  hSnfige  StfibI« 
erregt;  denn  so  bald  er  nur  mäfsig  anf  die  Dfirme  einwirkt,  treibt 
er  am  besten  den  Urin.  Man  findet  aber  auch  FBlI«,  wo  man> 
dieae  Vorsicht  nicht  beobachtend,  seine  arlntreibende  Krafi  nn- 
widarsprechlicfa  gewahr  wird.  Da  nun  aber,  wie  mllnoiglich  be- 
kannt i  der  Ibr/ariH  boraxatw  ein  Laxirmittel  iat;  eine  geringa 
laxirende  Einwirkung  auf  die  Dirme,  welcherlei  Art  sie  auch  sei, 
die  Urinabsonderung  befSrderti  so  mdchte  es  schwierig  sa  bestim- 
men sein,  in  wiefern  er,  anber  seiner  laziraaden,  ein*  apezfieebe. 


-   «71    — 

«•  Urinabmduwif  baiardMvda  Kraft  ha%«.  Ich  gtanbe  wol, 
Mb  4»  neiitaa  erUtMoeii  Asme  ibm  latxt«  Kraft  «igutekin 
werden ;  aber  wirklieh  xonkea  darf  num  ■ich  mit  Diaauod  daräberi 
DMD  hat  kfliaen'  festen  Gnind,  auf  den  mao  fofseB  kann.  Ich 
habe  sebon  Mmrine  Ftttle  erlebt,  aber  aaeh  nnr  einaelae,  sritene, 
w«  die  Bauch  wauersnefat  röa  nabeilbaimi,  tadtlieben  Feblera  cl- 
»es  Baaeborgane  abhing;,  nod  wo  oichu  desioweaiger  der  TartO' 
nu  isrtuemttu  die  Urinabsonderang  wieder  heratellle ,  sa  dafs  der 
KraiAe  dai  Waaear  glücklich  wegharate.  Wenn  Belebe  Leuta 
■her  alsdann  nicht  bald  sterben,  se  stockt  die  Ürinabsonderaag 
ÜB  korxer  Zeit  wieder  und  die  Wasseransammlnng  fängt  anfs  neu« 
an. ')  Es  sind  jetzt  adil  Jahre,  da  habe  ich  den  Fall  erlebt,  dala 
«in  janger  Mann  aas  der  arbeitenden  Klasse  an  anheilbarer  Ver- 
stepfoBg  der  Leber  litt  (wahrscheinlich  war  schon  Vereiterang 
darin  ).  Dieser  hatte  den  Banch  und  das  Zellgeweba  voll  Wasser ; 
aber,  ob  ich  ihm  gleiofa  sein  Hauptühel  nicht  heben  konnte,  s» 
bfacbte  ich  ihn  decb  mit  TartMtiu  boraxatu»  ans  Harnea,  er 
wurde  wieder  so  dSno  als  jedw  aadre  Menseh  nnd  ging  wieder 
«a«  dam  Haoae.  Die  Freude  wihrte  aber  nicht  la^«,  das  Waa- 
•ar  kam  wieder,  aad  naa  leistete  das  Mittel  allerdings  wol  et- 
was, aber  nicht  saebr  das,  was  es   anm  ersten  Mala  geleistet. 

Im  iahre  iB28  rieth  ein  Pfarrer  einem  alten  waasersfichtigea 
Bmuuweinsiafer,  der  schon  lange  vor  der  Wassersocht  an  Uniei- 
leibsbeschwerden ,  Abmagsrang  und  chronischem  Durchfalle  gelit- 
Ma,  vom  letzten  aber  Jetzt  frei  war,  und' der  schon  geduldig  auf 
das  Leben  veniehlele  (was  auch  sehr  vvrstlndig  war),  er  müss« 
meioe  HSlfe  in  Ansprach  nehmea.  Hier  konnte  nun  wal  ein  Kind 
•insehen,  dafs  kete«  Heilung  möglich  sei.  Aber  da  wir  Aerzte 
doch  einnabi  daan  verdammt  sind,  aa  allerlei  deaden,  verkrfipr 
palten  nnd  halb  vetfaaltan  Leichnamoo  onswe  Kanst  zu  fiben  (von 
welchem  Schicksale  blols  die  soldatisdiea  Aerzte  aosgenommea 
•iad,  diese  haben  imiaer  auserlesene  Körper  za  behandeln);  so 
Mn&te  ich  mich  ia  mein  Schicksal  finden,  und  konnte  auch  nicht, 
ohne  graosam  zu  sein,  den  von  dem  Pfarrer  aagefachten  Funken 
der  Lebensheffnnng  in  dem  armfen  Leider  tiVlpisi^  wieder  erstik- 
ken.  Ich  gab  ihm  also  Uofa  Tarianu  hwaxatua  und  «war  reich- 
Beh  mit  Wasser  verdloaet  (eine  Uaze  auf  ein  Pfund  Wasser). 
Daa  Mittet  bewirkte  retcbUehe  Urinabsonderang ,  nnd  der  schon 
glnalieh  zum  Gerip|M  ausgemergelte,  blofa  von  Wasser  mifge- 
«ehweMmte    KSrper   gewahrte   einen  wahrhaft  seltsamen  Anblick; 


•)  Seit  loh  OblB«f  cetckriebM ,  hib«  i«b  aim«  alle ,  aa  BobiilbarM  Abdoaiaar- 
MUra  laidcode  watHrtScklif«  Fna  daivh  Tariami  iormxmluM  aUea  WaaHf 
»a^arsea  laaaea  aai  fi«  t*t  *nt  Kber  elo  Jabr  aaBbhar  aa  dar  pMtlUtü  mU— 


—  tn  — 

denn  da  er  feia  von  Kaocheaheu  war,  eo  uh  eeia  K«pr,  «o  baU 
du  Waseer  eich  aae  d»m  Zellgewebe  nrioian,  genwle  ao  ■■■,  bU 
«ei  cie  ermeheener  Meaecb  wieder  sont  Kind»  »memiMiga 
•chruiDpft.     Ali  er  das  Waiser  bat  alle  w^^eturiK,  da  itarb  er. 

Solche  ned  fihaliche  FlÜle  von  FeJgewasamaehteD ,  begife- 
det  io  Hohflilbaren  Fehleru  etBaeioer  Organe,  haben  mir  dm 
Qlwtben  gegeben,  deÜi  der  Tarttnttioraxatmi  wirklich  dndurob 
die  krankhaft  vertninderta  Urinabsoodemng  venuebre  md  die 
Waueraacbt  heile ,  dafs  er  direkt  auf  dai  Niarenorgan »  die  Urin- 
abfondening  nnaebend,  einwirke.  Aber,  wie  geiagt,  den  Glas- 
hen  habe  ich  wol  und  ei  werden  ihn  Mich  andere  Aerxte  haben, 
tiar  dti  Beweisen  let,  des  .oben  ai^efülvleii  Grundes  wegen,  nidH 
gut  mSglioh. 

Du  iwaiie  Mittel,  welobea  ich  als  ein  wirklicbei  oriatreibe»* 
des  ansehe,  ial  der  Same  der Coloquinle.  Ich  habe  eg  aus  raneni 
Boche,  welches  Wedel  geichrieben  und  da«  dek  etwu  leltsanMii 
Titel  hat:  Aauenitaiet  mmieriae  medica«.  Der  Verfuser  aagt, 
ein  Wundarzt  habe  einst  (ich  wailil  nidit  mehr,  wo)  «ioa  TtakMr 
aas  Jenen  Same«  bereitet,  und  mit  ielbiger,  als  mit  einen  ao» 
derltcben  Geheinunittel ,  die  Waasenuoht  ^ehailet.  Em  ist  wii4t> 
lieh  eine  gute  Arseaei,  und  weon  die  WuMisncbt  aileuit  ikraa 
Urgrund  in  den  Nieren  b&tte,  und  durch  nrintraibeode  Einwirkung 
auf  die  NierMi  sa  heben  wäre,  so  wfird«  man  weit  Slterer  dnsb 
heilen  köanea  als  wirklich  der  Fall  iit. 

Sie  ist  weit  hanfiger  entweder  consensiidle  NierenaffiBkti»at 
oder  «ine  in  den  Nieren  vorwaltende  Afiektkw  des  Gesawsstorg»- 
nisnma,  we^db  die  etgendichen  urintreibenden  Millel  bagreiflieb 
in  den  wenigsten  F&llen  Heilniittel  sein  können.  Die  Samaukü«- 
ner  der  Coloqointen  haben  bei  weilaas  die  starke  Bitterkeit  des 
FleieslieB  nicht.  Man  nak  sie,  ah«  man  aie  aar  Tinktur  gebunebl« 
erat  gut  «bsiAnben  un^  dann  abwuohen,  damit  der  beim  Auf-' 
brechen  der  Frucht  darauf gefallrae ,  sehr  bittere  Staub  nicht  ia 
die  Tinktur  komme.  Die  Gabe  der  Tinktur  liftt  sieh  im  AUge- 
meinen  nicht  beadmmen.  Sie  bat  adiwache  laxvende  Krflüt«. 
Da  aber  Sdiwadi  nnd  Stark  von  der  JCmpOingliidikut  der  Dana» 
für  diese  Einwirkung  abhfingt,  «o  aufs  man  ne  so  geben,  dal« 
sie  nur  wenig  Jaxiread  wirkt.  DE«  grSCite  Gabe,  welche  ich  nif 
Voilbeil  gareicht,  ist  viernabl  legi  Jreifsig  Tropfen  gewesmi. 
Ich  nufs  aber  hier  noch  bemerken,  dafs,  abgesehen  von  dar  amt 
die  tMlrme  laxirand  eänwirkeoden  Kntft,  man  Aicbt  denken  muls> 
viel  hilft  viel.  Ich  habe  Menseben  getroffen ,  welche  diese  Tink- 
tur, in  der  Gabe  wie  ich  sie  reichte,  nicht  laxirte,  sie  wirkte 
auch  nicht  nrintreibend  auf  die  Nieren;  da  ich  aber  die  Gabe  ver- 
miaderlei  wirkt«  sie  nrintreibend  und  heilend.  80  erinnere  ich  mich, 
dafs  ich  aie  einst  ^aar  siebanugjXbrigen  Fran  n  f&afiubn  Tropfen 


—    »73    — 

viwaafcl  tsga  nfebM.  01a  Fnn,  mlelM  Bamtkwmtmtht  bMie, 
lutirt«  Buht  davon,  aber  dia  UriaabModarang  varmahna  aadi 
■icbt.  Stau  tarn  mit  dar  Gab«  anfiastaigen ,  uMug  ich  ab,  und 
ak  ich  auf  atabeo  Tropfen  Tiarnafal  taga,  jedaamaU  mit  eiaar 
IWie  Wawar  rerdannot,  gakoMmen  war,  da  Sufserl»  das  Miti«! 
aataa  ariatreibenda  Kraft,  und  dia  FrMi ,  dia  blofs  an  den  Nieren 
erkrankt  nnd  übrigeB*  geaaad  war,  genai  giir  bald  darcfa  diätes 
•innit^  Milfal.  Ea  gebet  aber  nit  dieaem  wie  mit  allen  an- 
dern Eigenmilicia  aaf  die-  erkrankten  Orgase;  an  gewitaen  Zeitea 
hat  man  hiafige  Gelegealieit ,  da*  eine  oder  daa  andere  bfllfreich 
aasKweadea,  an  anderen  Zeiten  bat  man  diese  nicht,  weil  die 
Krankheiten  dann  ander«  sataret  aind.  Wer  voteilig  leiaa  £r- 
fabraogen  bekannt  laachl,  daa  beifat,  wer  Erfabnuigen  ober  ein 
Mittel  bekwMt  maebl,  welcbea  er  aar  knrxe  Zeit,  vielleleht  nur 
ein  Jahr  Img,  in  TorkomanendeB  FffUen  gebraacht  hai,  der  erbebt 
kicktlich  ei«  grofaaa  Geaehrel ,  ala  ob  er-  ein  safeblbarea  Mittel 
g«gea  dia*e  oder  jene  KnuiUmt  eaideckt  habe;  fairte  er  drej 
•der  vier  Jahre  gewartet,  se  wßrde  er  wahraeheioli«h  «Iwas  Uein- 
Uater  davon  geeprockea  haben. 

Daa  wirkte  Mittel,  walobei  ieb  bIm  wirklidtea  DiwrtNeum  er- 
kannt habe ,  JM  der  gewSeaerte  Mobnaaft  (drei,  vier,  aaft  hadiei« 
fiaf  Tropfen 'Mohnaafttiaktar  mit  eioeai  MaAn  Waaaer  vermiacht 
und  in  Tierandawanaig  Staadea  veraehrt).  Oieaet  Mittel  iat  aber 
in  der  Media!«  bekannt  genag,  danim  will  ich  ea  aecfr  nnr  eben 
berfibren  und  den  Leser  nleht  mit  vielem  Geaebwltie  tob  desasii 
Wirkang  beaefaHertieb  fallen. 

Dafs  taaa  ^raaiai^  Dsrdimie  anweilea  mit  diesem  gewis. 
sertea  Mohneafte  hebe«  kSnne,  gegen  weltdie  der  Mohosaft  la 
rricUieher  Gabe  m4  coasentrirter  Form  sebon  nntslos  gegebe« 
war,  rBbrt  meines  £raehCe«s  daher,  dafs  manebe  ehronisebe  Barch- 
Mle  bl^  in  einer  etwaa  wmioderten  Oinabaenderong  begria- 
det  sind.  Stellet  maa  die  Urin^mondemag  vrieder  anf  die  ga- 
aaodfaeil^:emarse  Noisd,  so  bSrt  der  Dorefafall  auf.  Mohasaft  in 
eonaentrirter  Form  und  in  aolchen  Gaben,  wie  er  gewSKalicfa  lam 
SdimwastilleB  oder  aam  Stillen  eines  Dardfalles  gegeben  wird, 
*ermiBd«ft  die  Uriaabsonderang,  Statt  sie  bb  vermehren,  kann  al- 
•e  wol  solchen  chroniaefaen  von  einer  Nierenoffektion  entstaode- 
»en  Darebfall  aaf  ein  paar  Tage  mit  Gewalt  hemmen,  wird  ihn 
aber  nie  gründlich  beÜea.  Uebrigens  glaube  ich  doch,  dafs  es 
eine  besondere,  durch  vermisderte  UrinabsoademDg  «ich  iursernd« 
AffiBkilon  der  Nieren  sei,  welche  man  gerade  mit  dem  gewluer- 
t«n  Mohasaft  hebeo  kann.  Jede  verauoderte  Llriaabsonderang, 
»becboa  sie  Urleidea  der  Nieren  ist,  wird  man  nicht  damit  beben ; 
xam  wenigsten  habe  ich  in  friherer  Zrit,  ( vo  idi  fiailich  noch 
wenig  eingeweibi  ia  die  Heinriiehkeit  dar  Waaerandt  srar)  dea 


—    J74    — 

gewKsaeiien  Mohniaft  oft  genng  rergebem  «Is  Ditmtieum  möge- 
wendet;  Koweilen  bat  «-  aber  auch  äbemBctwnde  Wirbing  ge- 
Rnfserl.  Rinen  BellsameQ,  aber  doch  tödilicb  abgeUafcDen  Fall 
der  Art  kann  ich  mich  nicht  enthalten  dein  Leser  lu  enfthlan. 

Ich  wurde  zu  einem  Herrn  gernfea,  der  die  Baneh-  nnd  Zell- 
gewabewas^enncht ,  ich  tveifs  nicht ,  wie  lange  schon  gehabt. 
Zwei  ferste  halten  ihn  behandelt.  Der  ente  hatte  ihm,  angrii- 
lieh,  das  Wasser  durch  Schwitzen  weggeschafft ,  da  es  nber  wie- 
dergekommen, halle  der  zweite  es  durch  Purgiren  auageleert.  Weil 
man  aber  an  die  Herstellung  der  Niereneecrefion,  entweder  nioht 
gedacht,  öder  keinen  Kalb  darauf  gewnfst,  so  war,  wie  leieht  an 
erachten,  das  Wasser  wiedergekommen,  nnd  es  ist  mir  nioht  ein» 
mahl  wahrscheinlich,  dafs  Bauch-  und  Zellgewebe  gans  sollten 
enlleert  gewesen  sein,  denn  das  macht  sieh  so  geschwiMl  nicht.  Da 
ieh  den  Kranken  iah,  war  sein  Bauch  and  der  ganze  K5rper  sehr 
geschwollen,  und  die  Leser  werden  anch  ohne  meine  Krinnening 
begreifen,  dafs  er  nach  dem  überstandenen  Schwitc-  nnd  Pn^ir- 
Blranlse  bettlGgerig  gewesen  sei.  Hfttte  ieh  ihm  nun  getagt,  (voi^ 
ausgeseizt  die  prapheiische  Gabe):  Sie  werden  nicht  an  dieaar 
Wassersucht  sterben,  guter  Herr!  ich  werde  Sie  davon. befrei.ea; 
aber  Sie  werden  dennoch  nimmer  wieder  anf  die  Strafse  kemaeo, 
denn  so  bald  Sie  das  Wasser  weggeharat,  werden  Sie  im  Hai 
am  bösen  Halse  sterben.  Htttie  ich  also  im  propheiiteben  Geiste 
sprechen  kennen ,  so  würde  der  Kranke  mir  ohne  Zweifri  geaiu- 
warlet  haben ;  helfen  Sie  mir  nur  dnrcfa  ihre  Kunst  von  der  Wae- 
sersncht;  für  den  bSsea  Hals  werde  ich  dann  schon  selbst  sor- 
gen. ~  Aber  wirklieb,  so  wie  ich  hier  die  Sache  sage,  ist  sie 
gescbeheo.  Ich  verordnete  gewHsserten  Mohnsaft,  die  Urinabson- 
dening  kam  ia  Kurzem  wieder  auf  d*>a  Nonnalstand,  und  da  konn- 
te es  nicht  fehlen,  der  Kranke  mnlatB  sieh  diinn  harnen.  Als  nnn 
die  Geschwulst  beigefallen  ist,  neue  Hoffnung  und  Lebenslust  in 
sein  Herz  einiiehen  nnd  er  schon  wieder  durch  das  Hans  gehet, 
bekommt  er  une  Halsen tzündnng  und  siirlx  in  «in  paar  Tagen 
daran.  Ich  bemerke  aber  dabei,  dafs  sein  Arzt,  den  er  eine  Meile 
weit  kommen  liefs,  obgleich  in  der  Stadt  seihst  ein  guter  und  er- 
fahrener wohnte,  ein  grofser,  sehr  grofser  Trunkenbold  war;  Gott 
mag  wissen,  was  er  mit  ihm  angefangen,  ein  solch  erschSpfter 
KSrper  ist  leicht  über  den  Haufen  geworfen.  Dia  Leser  werden 
wol  nie  eine  bessere  Auslegung  des  Horazischen  Sprncbes,  Im- 
provüa  letki  vi»  rapttit  rapielque  gemfet,  gehört  haben. 

Anfser  dor  ASekiion  der  Nieren,  welche  durch  YermehruDg 
oder  Verminderung  des  Urins,  durch  saure,  oder  alkalische  Be- 
schaffenheit desselben  sich  äufsert,  gibt  es  noch  eine  andere  Af- 
fektion, welche  sich  nicht  durch  solche  erkennbare  Dinge  Ilulsert, 
sondern  gerade,    wie   die  gehauaea  Leber-  und  Hilxaflektiooei», 


—    275    — 

hloU  diirrii  Leiden,  entweder  benadibaiier,  oder  auch  lebr  ent. 
feroter  Thetle.  Die  gewSholicbsten  f*  aech  dea  EinISliigsien  Aaf- 
nierksaiskeit  erzwingenden  Zuliille  siod  die  Leiden  der  HIaae  uad 
Ilarnröhre,  erscheinend  als  mehr  oder  minder  achmerzhafiea  Ilar- 
neo.  Weniger  die  Anfmerkaaiiikeit  detArciea  auf  die  \ieren  len- 
kend ist  duB  Seiienstectien.  Ist  es  in  der  linken  Seite,  gerade 
wo  die  Milx  lie^  (auf  der  Grenze  der  Begioni*  epigattricae  nnd 
igpociemdriacme  tinütrae,  wo  sich  häufig  die  Lefaeraßekiioaen 
schmerabaft  iufsern ,  sah  ich  bia  jelit  die  t\ierenaffeklioo  sieb 
noch  nicht  ftufsern),  und  ist  dann  der  Urin  »igleicfa  rotb,  so  ist 
dieeea  zwar  kein  sicherer  Beweis,  dafs  die  \iere  ergrilten  sei, 
aber  ee  ist  doch  ein  Fingeraeig  für  den  Arzt,  die  Augen  auFsn- 
ibutt.  Stiche  in  der  rechten  Seite  lait  rothem  Urine  können  die 
Aafmerksamkeil  des  Arztes  weniger  auf  die  Nieren  lenken,  weil 
bei  Affektionen  der  Leber  der  Urin  leicht  roth  ist.  Kotber  Urin 
bei  Abwesenheit  aller  Leberaffektion  lenkt  auch  die  Aufnieiksaia- 
keit  des  Arztes  auf  die  \ieren  Schinenen  in  den  Fersen  und 
Ballen  der  Füfae,  wenn  keine  Leber-,  Milz-,  GekrSse-  und  Ge- 
birnleiden  vorhanden  sind,  deuten  ebenfalls  auf  eine  Nierennffektiöa. 
Ein  Zastand  der  Abinageriing  uiit  bescbleunigiein  Pulse  und  blas- 
ser, selbst  achuiutziger  Gesichtafarbe ,  bei  welchem  der  Kranke 
über  alln'lei  wandelbare  aohmershafte  Gefiilile  klagt,  kann  auch 
blofse  Folge  eines  Nierenleidens  sein. 

Jetzt  mufa  ich,  um  meinen  Lesern  verstXndlicb  zn  werden, 
etwas  die  epidemische  Constitution  Betreffendes  eiosehieben.  Frü- 
her habe  ich  acbon  geaagt ,  dafa ,  wenn  Leberkrankbeilen  herr- 
seben, dann  zuweilen  Milzkrankheitea  mitunferlaufen,  dafa  aber 
das  eine  Jahr  weif  ergibiger  an  solchen  Abweichungen  aei  ak 
das  andere;  das  Nämliche  erinnere  ich  jatst  von  den  Nierenkrank- 
heiten. Ich  habe  in  früheren  Jahren  solche  Anomalien  nur  ein- 
zeln erlebt,  aber  im  Herbste  des  Jahres  1829  mehr  mit  Nieren- 
affektion  zu  ihun  gehabt,  als  in  meiner  ganzen  früheren  Praxis. 
Sie  war  entweder  für  sich  bestehend,  oder  folgte  der  herrschen- 
den Lebereffektion.  In  letzten  Falle  ftnfserte  sie  sich,  sobald  die 
Leber  wieder  zum  Normalstande  znriiekkehrte ,  das  Gefühl  toq 
Gezpanniheit  in  den  Präkordien  nachliefa,  und  Überbauet  der  Kran- 
ke anfing  aicfa  wieder  wohl  zu  fühlen.  War  früher  der  Harn  dua- 
kel  gefärbt  gewesen  und  auf  den  Gebranch  der  Lebemitttel  ge- 
sandbeilsgemKfs  von  Farbe  geworden,  so  wurde  er,  in  Füllen,  wo 
die  Nipren  erkrankten,  unter  dem  fongeaelsten  Gebrauche  der 
Lebermiltel  braun  nnd  etliche  Mahl  frühe.  Hier  war  nun  freilich 
die  Erkenntaifa  oiobt  schwer,  das  beifst,  für  den  nicht  schwer, 
der  schon  mehr  in  seinem  Leben  mit  solchea  Wandelkrankheiten 
za  thun  gehabt.  In  andern  Fällen  wurde  der  Urin  nicht  brenn, 
BOodera  er  blieb  gani  gesnndbeilsgemSls,  wie  ihn  die  Lebermiual 


—    B76    — 

gemacht  hatten;  die  Bewerun;  ging  cJier  nicht  mehr  vono,  son- 
dern weit  eher  siirück.  Der  Puls,  der  vorher  schon  wieder  ruhig 
war,  wurde  von  neuem  unruhig,  gegen  Abend  zeigte  aich  Fieber- 
erhebung  und  die  wiedergekehrte  Efslnat  «chwand  gftmdich.  Id 
diesem  Falle  war  die  Erkenntnifa  schwierig,  denn  man  hatte  kein 
Zeichen  der  Nierenaffektion ,  als  das  SiilUtehen  der  BesHeruag 
and  das  ferner«  Nichtwirken  der  Lebermiitel.  Ich  imifi  aber  hier 
bemerken,  dafi  bei  einigen  sich  auch  allerdings  Harnsirenge  tti- 
har  oder  ipäter  einstellte,  in  welchem  Falle  die  Uebertragang  der 
Krankkeit  von  der  Leber  auf  die  Nieren  leichter  su  vermuthen  war. 

Da,  wo  die  Nierenaffektion  als  erstliehes  Leiden  auftrat,  war, 
am  von  der  Erkenoinifa  durch  Zeichen  ganz  zu  schweigen,  dos 
blolke  Vermnthen  dieser  Atfektion  nichi  allein  «ehr  schwierig,  son- 
dern in  manchen  Fällen  bar  unmöglich;  ich  bekenne  aufrichtig, 
dafa  ich  in  manchen  der  früheren  Falle,  wo  ich  die  Muck«i  die- 
ser Krankheit  noeh  oicht  kannte,  die  Mensehen  vergebens  Arze- 
aei  habe  nehmen  lassen,  da  ich  ihnen  doch  gering  hätte  helfen 
kihtnen,  wenn  ich  nur  die  Stätte  ihres  Leidens  gekannt.  Ich  habe 
k.  B-  Menschen  angetroffen  mit  lebhafkera  Fieber,  ohne,  oder  mit 
Kopfschmerz,  die  über  niehu  klagiten,  als  über  Küekenschmemen, 
Welche  Klage  denn  doch  bei  akuten  Fiebern  sehr  gemein  ist. 
Di«  Leser  werden  vielleicht  denken,  da  49r  Rücken  lang  ist,  hfitte 
ich  das  Nierenleiden  aus  der  Gegend  des  Schmerzes  Tcrmuthen 
lAnnen;  allein  auch  das  ging  nicht,  denn  einige  hatten  den  Schmers 
cwiscfaen  den  SchalterblStiern ,  oder  in  der  einen  oder  der  ande- 
reii  Schalter,  andere  hatten  ihn  im  Kreuze.  Nur  eine  einzige 
Frau  habe  ich  behandelt,  welche  mir  gerade  die  Gegend  der  rech- 
ten Niere  als  Seh  merzen  sstfitte  aticeigte.  Der  Harn  war  «ach  sn- 
weilen  bei  solchen  Kranken  weder  schleimig,  fellig,  noeb  iribe. 
Wie  will  nun  ein  versifindiger  Mensch  us  solchen  Zufällen  aof 
Nierenleiden  sctiliefsen!  und  doch  rerhielt  steh  die  Sacheso.  Bei 
einigen,  wo  besonders  der  (Jtin  mr  RSthe  oder  Gelbe  neigte,  gtri) 
i(^,  da  doch  die  hauptberrsdiend«  Kmakheit  eine  Leberaffektion 
war,  im  Sommer  das  Krfibenaugenwaiser,  und  ia  Herbste,  da  die 
Natur  der  herrschenden  Leberkrankheit  nach  nnd  nach  so  Terlin- 
den war,  dafs  sie  unter  der  Heilgewalt  des  Chelidoniams  stand, 
die  Schellkraulsafttinkinr.  Allein  die  Krankheit  blieb  wie  sie  war 
and  es  kam  kein  Ende  daran;  gab  ich  nnn  ein  gutes  NierenmiK 
tel,  so  erfolgte  die  Besserung  bald  und  sicher;  je  fiwber  ich  es 
gab,  je  schneller  erfolgte  die  Besserung. 

Nun  muffl  ich  aber  noeh  eins  erinnern.  Eben  so,  wie  Leber-' 
kxankheiten  bei  der  Besserung  in  Nierenkrankheiiefl  ibacgebeo  kte- 
nea,  so  kSnnen  auch  umgekehrt  Nterenkraokbeiten  in  Leberkrank- 
Jrehen  Utergehen.  Ob  man  von  diesem  Uebergange  im  Allgemei- 
neo  sag«!  dürfe,  -dftia  er  leicht  zu  erkeimea  sei,  vag*  ich  nicht 


'      —    $77     — 

n  behmpten;  *b«r  ifn  La»«  ich  mii  gulcm  Gswiaua  bshMipiMi, 
iab  b«i  daoea,  ii-elcbe  ich  unter  meiner  Bebandlungf  gakabl,  die- 
•er  UtbergMig  nur  voa  sinem  höchst  Unerfnhriiea  bfttte  können 
verkaant  werden.  Sobald  man  durch  ein  gnlea  Nephrilicu»  die 
Niaren  gannd  gemacht,  das  Fieber  vergangeQ  war  and  dai  (ieföhl 
der  Gaaondheit  wiederliehrte,  welches  in  vier  hie  leoba  Tageo  ge- 
ccbab,  M  Btaod,  wenn  die  Krankheit  sich  anf  die  Leber  warf,  die 
Benenmg  »tili.  Statt  dafs  der  Kranke  tlürker  werden  aollle,  wur- 
de er  schwftcher,  der  Pul*  Mwai  schneller,  der  Urin  mehr  oder 
Minder  dunkel  gefftrbt  nnd  trübe,  io  etlichen  Fällen  selbst  mann 
alig.  Nan  ereehienea  oHchtlicl^  ermalleade  Schweifs«,  die  Eb- 
laat  verging  ganx,  der  Athem  wurde  kurz.  Sobald  man  also  sah, 
dalJs  die  Besserung  und  das  SiRrk  er  werden  des  Genesenen  nicht 
nach  und  sichtbar  fortacbritt,  oder  wenn  xu  dieser  schon  böchst- 
Tcrdäcfatigen  Zauderhafiigkeit  sieh  Boeh  ein,  wenn  gleich  ge- 
ringer Grad  von  Röibe  des  I'rins  geaellte,  an  mnfsle  man  nicht 
waiien,  bis  man  alles  Böse  mit  Händen  greifen  konnte,  sondern 
gleich  die  Scfaellkranttinkter  lu  fTmfaebn  Tropfan  fßafmahl  lag« 
reichen,  dann  wurde  der  Harn  wieder  blals  und  das  Befinden  kehr- 
te bald  mm  NormalslaBde  anruck.  Wurde  «an  bei  aufsersiädti- 
scben  Kranken  aber  erst  dann  ron  der  Sache  benaebriehtiget,  wenn 
alles  Böse  schon  da  war,  so  konnte  man  es  nicht  mehr  abkehren, 
aber  wol  mit  der  Scbellkrautlinktur  vertreiben.  Die  profusen 
NachlBchweifse  (ein  für  den  Kranken  lästiger  nnd  ihn  sehr  sdiwl- 
ehender  Zufall)  wiiAen  nach  dem  Schellkraut,  früher  oder  spfiler, 
je  nachdem  sie  eingewnreelt  waren.  So  waren  nna  die  Krank- 
heilen  bescbaSen,  bei  denen  ich  mehr  ron  Nierenaffeklinn  gelenU 
habe  als  in  irgend  einem  anderen  Zeilpunkte  meines  prakttsohen 
Wiritans;  wiewol  ich  inlasae,  dals  mit  die  Nieren  nucb  schon 
früher  ti«!  Kopfbrecfaen  nnd  Sdiererei  verarMChet  haban.  .Jetst 
SU  den  Nieraaraiitela. 

Cochenille. 

Ich   lernte    dieses  Millel   als-Nierenmiilel   blofs   durch  Ziifoll 
')     leb  habe  schon  oben  gesagt,  dafs  Nierenaffeklion ,  sie 


•)  B«i  Bsiaer  AarDtbme  in  dia  Zoah  dar  Aertte  RrtSrla  dl«  Cocbeaüle  cd  dro  0«;«- 
kriaeUickaa  Mittala ,  ich  uh  aacb ,  m  laiga  ich  Anl  Ua ,  «ia  pvoh  oü  ma 
elMsAnta  veraehreibM,  ohslaicb  de  la  pkaraMseetiiekaa  and  •netaiBiltel- 
lahrlfaa  Schriftaa  dei  vorlgas  Jakrtaaderti  all  DinrtHeKm ,  LilAamIrifUemm, 
Crphalitum  and  SUmatÜnm  u  Bacbe  itelit  {J:  Fr.  CartAtu»^  PimAc 
mrmlM  Malmrim*  »ai.  I7M>  —  t'si>i.  Knmaim  Mediii»i»che  Cbfaiie  I7U  — 
U.  A.  r»gtl  HitiTim  Mmt.  Mid.  1700  *-  J.  S-  Sptelmamm  Intilal.  MvU- 
Timt  m*4.  I7ii.)  Voa  diu*«  War  S«lirirutBlUra  wsrdaa  Sirintr,  IJiUr  mi 
StraM  al*  Gawibnaiaacr    tDBtrdhrt.     Sfltlmmmm   M(t  aber  aasdriefclieh  «o« 


-    278    — 

mmg  in  Sreinen ,  o4ot  In  Boderer  KnnUieh  bertehen ,  saweflen 
sich  durch  schinenhafte  Affekiion  in  der  Mili-,  oder  LebeEgegend 
&nfserl.  leb  balte  «inst  eine  aUe  aime  Fraa  xu  behandeln,  welch« 
ein  wenig  Fluktuation  im  Bauche,  geschwollene  Füfse  bia  «i  den 
Knien,  Husten,  Auswurf,  ichleicheodes  Fieber  mit  wenigem,  dunk- 
len und  trüben  Harne  hatte.  Diese  klagte  anfserordenilich  fiber 
Schinersen  im  linken  Bypockondrio.  Ich  gab  ihr  EichelnwasHer ; 
der  Schmerz  liefs  nach,  aber  der  Htm  vermehrte  nicht.  Weil 
nun  alte  Franen  oft  etwas  wunderlich  sind,  so  kam  auch  diese 
auf  den  Einfall,  das  Eichelowaaser  werde  ihr  nicht  helfen;  ich 
•ehe  ihre  Krankheit  für  unhetlb^-an,  und  geb«  ihr  blofi  cur 
VerlrSstung  eiwaa,  was  nicht  schade  und  nicht  helfe.  Oa  oub 
aber  (Ins  Eichelnwasser  den  Schmers  aas  der  Seite  bald  wegge- 
schaffet,  so  halle  ich  die  Hoffnung,  es  werde  auch  die  Urinab- 
sonderung vermehren  (ich  sab  die  Krankheit  für  Bydrop»  »plemi- 
at»  an),  mochte  die  Anenei  also  nicht  mit  einer  andern  veria»- 
flchen,  Blofa  nm  die  alte  Frau  xa  beruhigen,  liefs  ich  das  Eieheln- 
wasser  mit  Cochenille  färben.  Die  Alte  war  dadurch  ber^h>g^, 
aber  zugleich  sah  ich  auch  solche  herrliche  Wirkung  auf  die  Urin- 
absondernng,  dafs  ich  anfing  Mifatrauen  in  meine  Erkenntnifs  m 
setzen,  ziiniaht  da  ich  mehr  als  einmahl  hei  Xierensieinsitcbtigen 
lohmerzhafie  Affektionen  der  Milz  oder  Leber  erlabt,  mithin  auf 
ein  lolohes  vorwaltendes  Zeichen  eben  nicht  haute. 

Zuerst  versuchte  ich  nun  die  Cochenille  an  mir  selbst«  am  sn 
sehen,  oh  sie  auch  feindliche  Wirkung  anf  den  Gesunden  Knfsere; 
da  ich  sah,  dafs  das  nicht  der  Fall  wnr,  so  trug  ich  kein  Beden- 
ken, sie. bei  Kranken  anzuwenden.  Gleich  anffinglich  hatte  ich 
das  Gluck,  einen  Hufserst  belehrenden  Fall  zn  beobachten ,  dessen 
Seltenheit  mir  erat  im  Herbste  1829,  wo  die  N'ierenaffekiionen 
hSufig  waren ,  recht  deutlich  geworden.  Eine  Frau  von  mitt- 
len Jahren  war  mit  akutem  Fieber  nnd  Stichen  in  der  linken 
Seite,  gerade  in  der  Gegend  der  Milz,  behaftet.  Die  Zufölle  des 
Fiebers  waren  die  gewöbniichea  und  sind  nicht  böthig  zu  enlib- 
len;  ich  bemerke  blofs,  dafs  es  ziemlich  lebhaft  war  nnd  die  Fraa 
tith  recht  krank  fQhlte.  Ich  gab  ihr  Eichelnwasser  sn  einem  hal- 
ben Löffel  vierraahl  tags.  Der  Schmerz  liefs  nach;  aber  nun  er- 
schien Statt  des  Milzschnierzes  heftiger  Schmerz  der  linken  Niere, 
und  zwar  so,  dafg  ich  um  diesen  Schmerz  zu  vermehren  nur  ganz 
mäfsig  auf  den  Ort  zu  drücken  braocbt«;  zugleich  stellte  sich 
auch  Strangurie  ein.     Ich   gab  jetzt   der  Kranken  Cochenille   mit 


dar  CochcniU« ;  ad  ta/bcaarf*  meiiewmeMta  Altar  nat  prattiptrt  trihibetar. 
S«eb«  Jahr«  i^ler  «r«chI«D  HalaenaBB»  UcbiraelEaes  dar  Maitria  MtiUra 
dei  William  CnUtm ,  io  Hettr  tjt  achan  fr  niofat  HEbr  voa  dar  C«cb«ill« 
dia  Rade. 


—    279    — 

av  gvlMn  EWolge,  diifi  innn^Blb  xw«i  Tage  \aehlaJs  der  Sebner- 
wn  erfolgte,  und  dos  Fieber,  welches  aboebinend  ooeh  einige 
Tage  länger  enhiell,  beim  fmlgeietzteD  Gebrancfae  denelben  Mh- 
ida  veracbwand.  Dieser  Fall,  vor  dem  icfi  blofs  dns  enShIe, 
w«B  befefaroBd  i§t,  bHi  diu  Besonder«^  dafs  sich  die  NierenaBekiiun 
d«reh  Sefamen  gerade  an  dem  Orte,  wo  die  Niere  liegl,  oBenfaar- 
le;  dieses  ist  so  seilen,  selbtt  bei  Sleinsüchligrn  seilen,  dafs  icb 
■icb  nur  weniger  fihnlichen  Fälle  erioDere,  in  denen  sich  die 
KrankbeitsetStte  so  deuUieh,  ja  handgreiflich  oSenbart  bMle.  Fär 
«eh  war  der  Fall  besonders  belehrend.  Ich  hatte  nämlieb  jetit 
keinen  Zweifel  luabr,  dais  die  Cochenille  ein  etUea  Organniillel 
anf  die  erkrankten  iVieren  sei. 

leb  will  den  Leaer  nun  nicht  mit  Erzählung  gemeiner  Fälle 
TOM  akuten  Fiebern  ermüden,  wclcbs  icb  im  Herbste  1&29  su  be- 
handeln gehabL  I>a  ich  oben  die  Anomaliea  der  berncheadeii 
LebMrkrankheit  deutlich  genug  auseinandefgesatat ,  so  brauche  icb 
Hchls  weiter  hi  sagen,  als  dal«  in  den  Fällen,  we  die  Nieren  af- 
fisirt  wurden,  die  CeeheDille  mich  nimmer  im  Stich  gelaasen.  An- 
xtehender  wird  es  sein,  wenn  icb  einige  verwickelte  Fülle  erzäh- 
le, wo  eOBSensiietie ,  stark  vorwallende  Leiden  den  Arzt  in  die 
Ine  rühren  konoten.  Ich  bedaure  nur,  dafs  meine  Pflicht  aU  prak- 
tisefaer  Aixt  mir  nicht  iauner  erlaubt  hat,  als  blofaer  Versuchma- 
cber  XU  handeln.  Hatte  ieb  in  dem  ersten  der  folgenden  FKlIe, 
s.  B.,  blois  und  allein  CocfaeDille  geben  wollen,  so  würde  ich  bei 
der  Neuheit  der  Heilkräfte  dw  Cochenille  und  bei  der  Oiinglich- 
keit  der  Umstände  gewissenlos  gehandelt  liaben;  und  hätte  ich 
im  sweitea  Falle  bla&  Cochenille  gel>en  w<rilen ,  so  hätte  ich-  ge- 
gen, meine  e%ene  nnd  anderer  veratändigeo  Aerxte  Erfabmng  bao- 
Ma  müssen,  icb  hätte  nftmlicfa  auf  nnrerkenitbaic  gastrische  Schär- 
fen keine  Rncksicht  nehmen  dürfen. 

Der  erste  Fall,  den  idi  anführe,  betrifft  eine  Frau,  die  ich 
leider  eiebt  aelbsl  gesehen,  von  der  mir  aber,  wegen  des  sehr  be- 
aornblgenden  Zoatandes,  worin  sie  sich  befand,  ganx  piinkllioh 
Nacbiidit  von  dem  Ehemann  gebraobi  wurde.  Die  ZufMle,  wor- 
über diese  klagte,  waren :  aehr  heftige  Rücken  -  und  fiancbachnier- 
un  mit  stark  aufgetriebenem  Banobe,  behinderte  Urinabsondernng, 
Wassergeachwulst  der  FüJse,  Schenkel  uttd  Scham lippen.  Höchst 
wahrscheinlish  war  der  Bauch  voll  Wasser;  bestimmt  kann  icb 
dieses  ^er  nicht  sagen,  weil  icb  es  nicht  selbst  habe  unierBiicIien 
kBflnen.  Ferner  waren  die- conaenanellen  Leiden  der  Blase  nnd 
Harnröhre  ae  vorwaltend,  dafs  die  Kranke  weder  Tag  noch  Nacht 
vor  der  Harnstrenge  Bube  balle.  Der  Wundarzt,  der  zu  Hülfe 
gerufen  ihr  den  Caibeler  in  die  Blase  gebracht,  balle  nur  etwas 
Bist  entleert.  Weiter  üt  wohl  zu  merken ,  dafa  /in  starker  Mut- 
lerblnlfluls   ollem    diesen    Elende   vorhergegangen,     und    dafa    die 


—    SSO    — 

Kranke,  wie  der  Ebenwaii  sagte,  Marin  HiUe  nebst  vielen  Dsnrte 
halte,  und  mehre  Tage  nicht  %u  Stuhle  gegangen  war.  In  den 
benchriebenen  Zustande  hatte  sie  sich  nehon  mehre  Tage  befon- 
den  und  vergebens  die  Hülfe  der  Kuoit  angeeprot^en. 

Aus  dieser  Grzälilung  konnte  ieb  nicbls  anders  eeblieben,  «li 
data  sie  am  lobenden  Nierensteine  krank  sei;  denn  solche  Sleia« 
machen  gern  bei  Weibern  Mnllerbluiflfisse  und  heftige  Leiden  der 
Blase  und  HarnrBhre.  Die  Kucken-  und  BaucbschmerKen  sind  ge- 
meine Zaßlle  des  in  einer  Niere  lobenden  Steines,  Ob  die  Fran 
nun  wirklich  Nierensteine  gehabt  hat,  oder  ob  ein  niehi  von  Klei- 
nen herrührendes  Nierenleiden  durch  Mangel  an  Hülfe,  oder  durch 
unrechte  Millel  (ohne  Schuld  des  ersten  Arztes,  denn  der  wird 
wol  eben  so  gut  nach  Bericht  haben  verordnen  miisaen  als  ich) 
SU  solcher  Höhe  gesteigert  sei,  das  ist  jiieht  mit  voller  Sicherheit 
au  bestimmen.  Ich  gab  dieser  Fran  eine  (Jnxe  gebrannter  Magne- 
sia, xwei  Drachmen  Cochenille  und  seohsxehn  linsen  Wasser  snin 
SchStteltrank  gemacht,  nnd  liels  sie  davon  stüödlieh  einen  Löffel 
voll  nehmen.  Der  Bericht  darauf  lautete:  d«  Rückeasohmerx  sei 
ober  die  Hfilfie  minder  geworden,  der  Bauch  bei  weitem  nicht 
mehr  so  gespannt  nnd  die  Urinabsondernng  wieder  hergeeielli.  Der 
Urin,  den  mir  der  Ehemann  brachie,  war  nicht  roih,  ohne  gerade 
trübe  ZD  sein  etwas  nnklar,  nnd  xeigte  beim  eingetunkten  Lakmnap«- 
pier,  Irots  der  Versehrten  Harne  gebrannter  Magnesia,  noch  reichticbe 
Harnsäure.  Oeffnung  war  nar  Einmahl  erfolgt  nnd  zwar  eine 
reichliche;  die  Sirangurie  hatte  zwar  nachgelassen,  kehrte  aber 
TOD  Zeit  SU  Zeit  in  sehr  vermindertetii  tirade  zurück.  Da  ich 
keinen  Grund  haue,  eine  Veränderung  in  der  Arxenei  %a  maoheo, 
to  liefe  ioh  die  nSmliche  wiederholen ,  mit  dem  Bedeuten ,  weni- 
ger m  geben,  im  Falle  mehr  als  zwei  bis  dreimahl  tags  OeSnnng 
erfolgen  sollte. 

Der  darauf  folgende  Bericht  lanlete:  dais  die  Kranke,  wegei» 
dea  häufiger  erfolgten  Abganges,  die  Arsenei  seltener  genommen, 
die  schmenhafleo  Znftlle  seien  aber  bis  anf  geringe  Spuren  sobMi 
verschwunden,  der  Banch  beigefallen  and  die  Füfse  nur  noeh  bis 
an  die  Knftchel  geschwollen.  Da  der  Urin,  der  jetzt  reichlich 
abging,  trotz  der  verbrauchleo  MagneKia  Harnsfiure  emfaielt,  ss 
lief«  ich  noch  einmahl  die  Arxenei  wiederholen. 

Aus  dem  nan  folgenden  Berichte  hörte  ich:  alleA-  sei  mm 
Nornialsiande  zurückgekehrt;  die  Frau  nber  sehr  mager  geworden. 
(Ich  denke,  ihre  frühera  Beleibtheit  wird  wol  wAsseiiger  Naiar  ge- 
wesen sein.)  Der  Urin  hatte  jetzt  wenig  Harnsanra  atchr  war,  aber 
noch  nicht  ganz  neutral.  Nun  gnb  ich  blofs  zwei  Unzea  Milch- 
zucker mit  zwei  Drachmen  Cochenille  in  Pulverform,  ond  lie& 
davon  fünfmahl^  tags  einen  Theelöffel  voll  nehmen.  Es  ist  auch 
weilet  kein«  Arztnei    nätbig  gewesen;    denn  da  die  Frau  in  den 


-    MI    - 

bwtM  Smhna  wir,  m  kanen  Krilft«  «nd  F1«iieb  wol  toh  kIIwI 
wieder.  Dia  {mmb  and  etwt«  Silrkaag  aaek  Knokbailen  iat  die 
griadliebe  Heilsag  im  Hanptfib^  Ich  bab«  oban  gesagt,  ei  lei 
niebl  aiit  veliar  Siekerbett  n  bectinnea,  ob  Steia«  diesee  befiige 
Nierealeideo  Tennaebt;  die  regelialfaig'  forttchreitend«  Beuerung 
hat  aiieh  aber  doeb  a»  Eade  nbarradet,  daft  wol'  keine  Steine 
in  den  Nierea  eeia  nochlen;  denn  dia  von  Steinen  abbangenden 
Nieranlaidea  lind  gawAhalich  aperriger  an  behandeln«  wenn  lie 
gleich  nickt  eianahl  bis  an  dar  beaebriebMiiea  H5he  gaiuigan 
■isd. 

Der  awaita  Fall,  den  icb  für  intereauat  gmag  balle,  nat  kura- 
anilhlt  den  Leaeni  keine  lange  Weile  la  nMebea,  i>t  falgendcr: 

Ich  wnrde  einea  Abends,  m  dar  Zeit,  da  dia  hnaglta  Nie- 
raaaffeklionen  siamlith  oft  vorkamen,  au  der  Cbefraa  eines  hiesi* 
gen  Borgers  gerafen.  Diese  war  anwailen  von  asthnuilscben  B»- 
sehwerden  beiMgesuehl  gewesen,  gegen  welche  sie  aber  noch  nie 
die  Hätha  eines  Arstas  in  Ansprach  ganommen;  sie  war  Jatst 
aehoB  aait  acht  Tagen  in  boheia  Grade  asthmatisch,  dabei  auf  der 
iWfia  der  Scbwangerachafi.  Der  Pals  war  schnell  nnd  voll ,  der 
Urin  ifnrde  in  gro^r  Menge  abgesaadart  und  war  etwas  rStber 
ala  er  im  Nariaalsiaade  bätie  sein  aiüssen.  IKa  Atfaerasnoik  war 
stark,  nnd  stiiicer  gegaa  Abend,  also,  dalit  dia  Kranke  schon  in 
acht  Tagen  nicht  gdegan  nnd  niebl  geschlafen  hatte,  das  Gesiebt 
rvih  nnd  anfgatrieban,  der  Mick  der  Angeo  flan,  die  Zange  dick 
waift  belegt,  der  Geschmnck  angeblich  bitter;  alles,  was  in  den 
Magm  kam,  bawiriite  Neigung  zom  Anfsto&en,  ohne  dala  dia 
Kranke,  nach  ihrer  Aussage,  recht  snm  AnfstofMD  kommen  konn- 
te; fibrigeas  war  sie  seit  drei  Tagen  veratopft.  Ich  gab  ihr  einen 
ScbStleltrank  von  einer  bnlben  Unse  gebmnnter  Magnesia,  twei 
Drachmen  kubischen  Snipeter  nnd  acht  Uoaan  Wasser,  wovon  sie 
ttindlich  ainaa  Löffel  voll  nahm. 

Nachdem  sie  diesn  Trank  Tenehret,  war  der  Pub  nicht  mehr 
«^,  nbar  noch  nnvermiBdert  achadl,  der  Gesohnuck  wol  ein  we- 
nig besser,  aber  doch  noch  bitter,  die  Gespaanihsit  der  Pr&kor- 
dien  nm  vialas  besser;  Oeffonng  van  steinhartem  Koihe  war  Eip- 
mnhl  erfolgt.  Ich  liefs  den  Trank  wiederholen.  Als  nun  dieser 
■weite  va^rancht  war,  halte  die  Zange  den  dicken  weifsen  Scbmuli 
verloren  nnd  nur  noch  einen  leicbten  weifsen  Anflug,  der  bitlere 
Gesehmack  nnd  die  Gespanntheit  der  Piftkordien  war  gans  ver- 
•ebwandefl,  das  Gesiebt  beigefallan,  knn,  das  Befinden  im  Gan- 
sea  viel  besser.  Dar  Puls  war  aber  unverftndert  schnell,  das  Asihmn 
wel  etwas  minder,  aber  doch  noch  immer  su,  daJs  die  Kranke  nid>t 
liegen  und  nicht  acUafen  konnte.  Der  Urin  "M-ar  reichlich ,  hatte 
die  rSibliche  Farbe  verioren  und  seigle  noch  viel  HamsHure. 
Nneh  diesem    xweiten  Tranke   war  sweimahlige  reichliche  breiige 


Oefinung  erfolgt.  Naa  kam  ich  auf  den  Gedanken ,  ob  hier  da» 
Asihina  such  wol  darch  eine  Nierenaffelction  unierlmlten  «rerdea 
niScbifl.  Ich  gebe  xn ,  da&  die  vorhaadenen  Zeichen  nickt  he« 
Blimml  dafür  sprachen;  denn  wenn  ^eich  rercblicher  IJamabgang 
xuweilen  bei  Nieren affekti'on  Statt  findet,  so  findet  er  doeh  eben 
so  wol  und  iwar  nicht  seilen  beim  gewöhnliohen  Asthma  8iatr. 
Hnsien  nnd  Asthma  künnen  von  Nierenaflektton  herkommen;  hier 
jedoch,  wo  das  Aslbma  schon  mehrmals  vorhanden  gewesen  und 
von  selbst  in  ein  paar  Tagen  vergangen,  konnie  -aian  es  nicht  ah 
von  Nierenalfeklion  entstanden  ansehen.  Aliein  es  konnte  durch 
eine  Nierenaffekt ion  nateriialten  werden ;  denn  da  es  sonst,  naeh 
Aussaga  der  Kranken»  fn  ein  paar  Tagen  von  selbst  vergangen 
war,  so  muble  seine  jetxige  Hartnäckigkeit  doch  in  irgend  einnB 
hegnindet  sein.  Hier,  wo  der  Versuch  dnrchana  nidit  gefthrlich 
wtn-,  hStle  ich  wol  ein  Thor  sein  müssen,  ihn  nicht  za  machen. 

Weil  ieb  aber  durch  Erfahmng  werft,  dab  da,  wo  vi«!  bil- 
lerer  Geschmack,  Aorstofsen  nnd  Spannang  in  den  Prikordnn 
ist,  eine  ganxe  oder  halbe  Unxe  BiHersalserde  wol  mweKen  hin- 
reicht, jene  widrigen  GefShIe  sn  heben,  gewShulich  nber  noch 
scharfe  Stoffe  in  dem  unteren  Theile  des  Dannkanals  kaf(«iT  be- 
sonders wenn  die  Magnesia,  wie  in  dem  gegenwärtigen  Falle,  die 
Bewegung  der  Dflrme  wenig  vermehrt  hat :  so  verband  ich ,  snr 
Vorsicht,  die  Magnesia  noch  mit  der  CocbeoUle,  gab  einen  ScMIl- 
lelirank  von  einer  halben  Unze  Magnesia ,  einer  Drachne  Codw* 
nille  nnd  acht  UnsMi  Wasser,  nnd  Hefa  davon  siiindlidi  einen 
LSffel  voll  nebtnen.  Die  Wirkung,  die  dieser  Trank  anf  das 
Asthma  Hnfserte,  war  mericwürdtg.  üen  ersten  Tag,  da  sie  ihn 
nahnt ,  keimte  sie  sehen  ein  paar  Stunden  naebls  ruhen ,  nnd  lie- 
gend ruhen;  sie  fing  an,  reichlich  Schleim  auscnweifeD,  der  leichte 
wrifse  Anflug  verschwand  gans  T^n  der  Zange.  Ich  lieia  diesen 
Trank  noch  einniahl  wiederholen,  nnd  dann  gab  ich  die  Coche- 
nille in  Pulverform ,  funfmabi  tags  einen  TheelSffel  von  der 
Mischang  einer  ünse  Milchsucker  mit  einer  Diacbm«  Coebenillot 
Das  Befinden  wurde  nun  ttiglich  hesser,  die  RcbleiManssondernng 
aus  den  Lnngen  reichlich,  der  mhige,  annnterbrachene  Schlaf 
kehrte  wieder,  andi  die  Efslust  sfellie  sich  ein  und  die  Speisen 
wurden  gut  vertragen.  Indessen  bei  dieser  wwSnachten  Besse- 
rung war  eine  Erscheinung,  die,  hSite  ich  in  diesem  Falle  anm 
ersten  Mahle  die  Cochenille  gegeben^  mich  arg  wnide  verblüfft 
haben.  Nfimlich ,  der  vorher  sehr  reichliche  Uiin  wurde  bei  dem 
Gebrauche  der  Cochenille  und  bei  der  tSgliobea  Besserong  immer 
minder,  der  Puls  blieb  schnell.  Auswarf  und  Husten  liefsen  niebl 
Dach,  der  verminderte  Urin  wurde  bald  rotb  nnd  trübe. 

Da  ich  nun,  wie  gesagt,  der  Meinung  war,  dafs  eine  Nierei^ 
affektion  das  Asthma,  wo  nicht  geursaeht,  doch  nnlerhallen  habe» 


M  anbte  ieb  bier  «rtt  antennchen ,  ob  im  Jankrigafitrble ,  ipar- 
NM«,  trüb«  Hara  aim  KniitkbritiTaneisiHig  anf  iie  Lehn,  oder 
•ine  V«ribid«ntng  der  Nlereakraekheit  bekaiide.  Alle  Zeicbe«, 
■«  welchen  mu  deniahli  eine  Uebertragoeg  aaf  die  Leber  rer- 
nntben  konnte,  fehlten  ginslich,  die  Frau  halte  weder  Nacht- 
■cbweifw ,  Spannaof  im  rechten  Hypoehoadrio ,  noch  garstige 
Geiichtsfarbe ;  mithin  war  es  wol  em  klfigiten,  dab  ich  ver- 
Ila6g  annahm ,  ea  kSooe  mSglicb  sein ,  dafs  die  Nierenafiek- 
lien  in  ihrer  Natur  veriindert  lei.  So  gat,  wie  ein  gewSholichea 
Qallenfieber  in  Gelbtnchl  übergehen  kann,  eine  rernwhrie  Gallen- 
absondern ng .  also  in  eine  ginziioh  gehemmte,  (wololt«  Gelbsoeht 
die  Alten,  oftnisoh  genng,  eine  kritisciie  geotuinl  haben ,)  ebea 
■o  kann  aneh  eine  durch  vermehrte  Urlnabtondernng  sich  nrknn- 
desde  Nierenaffektion  in  eine  durch  sebr  venniodaite  oder  fast 
nnterdrockte  sioh  orknndende  übergeben.  Dergleichen  Ueberginge 
ia  anscheinend  ganz  entgegengesetxle  Zustinde  können  bei  den 
Krankheiten  aller  abeDoderadea  Organa,  so  weit  diese  nAmlic^ 
■innlicb  xn  bereichen  nnd  an  bennbeilen  sind,  Statt  finden.  Ich 
Terscfarieb  dso  jetxt  der  Kranken  die  Goldimhe ,  liefs  tSglieh  ei- 
ne halbe  Unse  mit  riinf  Tassen  kochendem  Waner  eine  Iwlbe 
Stande  Kiehen,  deon  abgiefaen  nnd  den  Anfgnfs  in  vieniodzwaiwig 
Stunden  reraehren.  Dieses  Kraut  leistete  alles,  was  man  Ton 
naem  guten  Nierenmitiel  verlangen  konnte.  Schon  nach  dem 
enten  Lotfa  halte  der  Uam  die  Trübheit  verloren,  nach  dem  awei- 
teo  die  reihe  Farbe,  nad  dem  drillen  war  er  schon  bedeutend 
vermehrt,  nnd  beim  fortgesetzten  Gebrauche  ging  alles  rasch  sur 
ToUkommnen  Gesundheit,  Hosten  und  Auswurf  verlor  sich  nnd 
itr  Vvi»  wurde  normal.  Ich  habe  aber  snr  Vorsiebt  das  Heilmittel 
noch  weit  länger  nacbgebraochen  lassen,  als  ea  wol  der  krankhaf- 
ten ZofUie  wegen  oAtbig  gewesen  wäre.*)  Man  kann  nie  btbanp- 
ton,  dafs  die  krankhafte  Affektion  eines  Orgaas  gans  gehoben 
sei,  sobald  sie  sich  nicht  mehr  durcfa  erkennbare  Unr^elmälsig- 
ketten  in  dem  Organe  selbst  oder  in  benaehbanen  offenbaret. 
Die  Krankheit  ist  ein  unsichtbares  Ding,  daram  mnis  man  etwas 
vorsichtiger  damit  ver&hren ,  als ,  wenn  es  sichtlich  und  greiflich 
wäre. 

Wäre   mir  die  Wirkung  der  Cochenille,    bei   krankhaft  vor» 


*)  !■  Jahre  iS36  ward«  i«b  ,  tine*  ■nUdestmdei  HalleAlstlnMM  wefai,  m 
derteIhtB  Fraa  larafH,  artnidlfte  mlth  M  dar  Gdcfeahait,  ob  ita  »alt  dar 
ItttUm  KnsUtit  »ft  AaliU«  ihm  pariadiiebe*  AiU^a  sahabt,  and  bSri«  sss, 
data  «e  ia  daa  leek«  Jahraa  aicbt  dia  Iciiaita  Hahoaag  davoo  gMpUret.  leb 
räbre  diMM  dcibalb  aa ,  Wiil  kh  ia  dem  MgtüitA  Abichailte  dieie*  lUpi- 
tilt  voa  dan  («UMtigen  Antblcibea  pariodiicbar  tlt*el  ipweben  nad  »af  dl« 
grab«  Uawdabflit  aafaerkMB  naebea  ward« ,  Hiebet  Aartl«ib«fl  rrtfUiMg 
I  ArHnaiea  HMKhr«tt«e. 


...gic 


—    48*    — 

Mebfttr  UriftalwoadaraBg  dmt  Urin  kb  vmnaiaieny  imlem  ■!«  das 
Haoieheii  geniMl  micbti  niobt  selion  durch  Erfabraag  bekanni 
geweaea,  lo  würde  der  eben  erKihli«  Fail  mich  siiitiig  gemacbt 
babra.  IMma  M^irkmg  der  Cocheaille  ftufurt  sich  aber  nicht 
ia  allen  Fillen  ao,  '  wie  io  dem  enäblten,  dafa  aie  nftmlich  di« 
Hamabaondarang  oieht  blofa  anf  daa  NormalalancI  aurückfUbrt, 
aoadem  (man  arlanbe  laii  den  Aaadnick)  über  den  Noraialaland 
hinanadrflogl  und  in  d^n  «atgegeagafleiilan  krankbaften  Zoatand 
verwandelt:  in  dea  mtsiiten  Füllen  bringt  tie  die  Urinabaonderung 
blol»  auf  dea  Normalaland.  Uebrigeaa  iit  io  dem  enÜhlieB  Fall« 
dieaa  Auanabine  nicht  gerade  etwas  UaerhSrlea.  Der  iJrechweiiu 
Main  M.  B.  wirkt  anweilea  eben  ao  bei  dar  durch  vermehrte  Gal- 
laaabaondarang  aicfa  ftafeanidaa  Krankheit  der  Leber.  Jn  >ielen 
FttUen  Tamtindert  er  die  Gallenabaondeniog  nnd  nthrt  »ie  auf  den 
Normalatand  wirfick;  in  andern  Füllen  dringt  er  aie  über  den 
Normalaiand  fainaoa  and  bewirkt  aia«  krankhaft  Tenninderte  Gal- 
lenabaonderong ,  ja  aelbst  Gelbaucht.  Solche  Wirkaqgan  ainH 
übel  au  erkl&ren;  jeder  mag  sie  sich  oaeh  aaiaei  Weiae  erklSrcui 
veratindig,  oder  phaataallacb.  Ka  mag  aie  nun  aber  jemand  er< 
kllren,  wie  er  will,  ao  wird  er  bei  der  Bebandlong  einea  Kran- 
ken ea  eben  «o  machen  müaaen  ala  ich,  er  mulä  aefaen,  wie  ai^ 
die  Wirkung  dea  Mittels  auf  daa  erkrankte  Organ  gealsliet,  und 
nach  dieaer  Beobachlaag  aeina  weiiereo  Mabregeln  nehmen;  vor« 
her  lifat  aicb  nach  keiner  Theorie  darüber  eiwaa  •Sicberaa  baalim- 

Non  will  inh  den  Leaem  noch  einen  aebr  verwickeilen  Fall 
•rxXhIen,  bei  wdchaiu  dia  Ceobanille  awar  auch  niafal  alleinigaa 
Heilmittel  war,  wo  aber  ohne  Cochenille  die  Heilong  wol  achwar- 
lieb  würde  geintigen  lein. 

Idi  wurde  den  26.  Oetober  1829  wa  der  Ehefrau  «inaa  aebr' 
reratlndigen  Luidmaanea  gerafao,  welche  bia  dabin  einer  meiner 
Amtagenoaien  bebandelt  hatte,  die  aicb  aber  angeblich  is  acbr 
fibleo  lind  labanagenbrlichen  Umailinden  befinden  soliie.  Als  ich 
hinkam,  fand  ich,  dafs  man  die  Sache  berisbtend  nicht  vergrS- 
faert  habe;  denn  die  Fran  war  awar  bei  gnlein  Veratande,.  aber 
übrigena  ao  achwacb,  dafa  aie  daa  Beit  nicht  allein  nicht  verlaa* 
aen,  aendera  sieb  nicht  mehr  im  Bette  aufrichten  konnte.  Sie 
litt  an  einem  so  heftigen  Durchfalle,  dafa  in  einer  Stunde  nnge- 
f%br  fünf  ßauehenilaerungen  erfolgten.  Die  Excremenle  liefen 
ins  Bait,  denn  an  Aufateben  oder  Uaieraiecken  eines  Beckena  war 
iheils  wegen  der  grolaea  Schwäche,  tbeils  wegen  der  Schnelle  der 
Entleerung  nicht  an  denken.  Der  Banch  war  aehr  acbmershaft 
und  etwas  aufgetrieben;  bei  aller  Mühe  aber,  die  Ich  mir  gab, 
konnte  ich  durchaus  nichts  erfragen  und  entdecken,  waa  auf  die 
Affektion    irgend   eines    besonderen  Organea  gedaaiet   hälie.     Der 


—    185    — 

hh  WM  uhnell  uotf  kittin,  lA«  Kungs  elwu  mM%  wigMiMageii, 
4er  nicht  rorfae,  Mark  hnnuBura  (Jria  wrH«,  im  Varlilliaib  ran 
heftigen  Durchfalle,  reiehlick  entleert.  Uebrigana  klagte  dia  Krau- 
lte über  baHiAndige  Uebelkelt  nnd  Sbar  vM  Aufalafaen,  weichet 
zoiTeilen  mit  {■^brechen  einea  geMhiBacklaaen  SeUeimea  abwadiielMi 
der  Dtirat  war  stark  und  die  Hitae  abwechaelnd  groft.  Die  achaa 
IRnger  Kranlce  hatte  in  dieaeiii  Iraerigea  Zaalaade  bereits  ein  paar 
Tage  gelegen. 

Yen  dem  Beginne  der  Krankheit  konnie  iah  Falgendea  in 
Erfehrnng  bringen.  Allta  Klend  halte  mit  einen  Marken  Maitaf* 
blutflmse  angefangen,  gegen  welchea  die  Fraa  Raih  bei  eiaeat 
Itenaehbarten  Arsie  geanehf,  der  ihr  aanre  Trsplen  gegebe«,  wo-, 
nach  der  BIuiDuft  aicb  gestillet ;  aie  war  aber  naeb  geelÜlier  Blii- 
lung  noeh  anwohl  geblieben.  Nun  hatte  der  Arat  für  nöihig  er- 
achtet, ihr  ein  Abführungaraittel  an  Tersehraibea.  Nach  dem  Ge- 
brauehe dieses  Mittels  war  sie  so  nngeheaer  an  den  Onrtbfdt  ge- 
kommen nnd  in  den  Uftglieben  Zaaland  rersetat  worden,  woria 
ii^  sie  fond, 

Atu  dteaer  ErsilMaiig  nnd  aas  4en  Zafiinan  aelbst  war  dnrdi- 
ana  nicht  tu  ericennee,  eb  hier  der  Geaammtarganiamna,  oder  ein 
einielnei  Organ,  nnd  welches,  erkrankt  aal.  Ich  mufcte  alao« 
rerlassen  von  allen  wahrseh  ein  liehen  Gnlnden  für  das  £ine  ader 
t&t  das  Andere,  den  Organismns  dieser  Frau  ait  den  Arconeien 
in  Berilhrnng  bringen ,  und  ans  dem  Verhalten  beider  gegen  ein- 
ander die  Krankheit  beonbeileD.  Innerhalb  acht  Tage  war  ieb 
auf  diesem  Wege  to  weit  gekommea ,  dafs  ich  gewifs  wnisle,  der 
Darehfatl  (der  inzwischen  dnnft  di«  Anwendung  einiger  Dammit- 
tel  wol  lim  zwei  tMitel  nachgelaasen)  sei  eia  eonsensncjler ;  es 
blieb  also  noch  ait  nnlerso^Mn,  ob  Lebw,  oder  eb  Nieren  das 
nrargriffene  Organ  sei.  Für  4ie  Leber  sprach  durchaus  nichts, 
ffir  die  Nieren  ebenfalls  nidits.  Der  Torhargc^ngeae  Mallerhlal- 
flnla  konnte  ein  conseasadles  Leiden  gewesen  seia,  welches  von 
einer  Auktion  der  Leber  abg^angen;  er  konnte  aber  eben  ee 
gut  TOD  einer  Aftektion  der  Nieren  abgehangm  haben.  Der  be& 
ti^  Durchfall ,  Mefs  dareh  «ia  gewBholiebe«  Laxana  Toranlabt, 
iMMinte  eben  so  wol  lo  «ner  Affektion  der  Lober,  als  der  Mieren 
begrfindet  seio.  Es  war  also  anler  diesen  tlmstladen^gleiehbeJeu- 
lend,  ob  ich  zuerst  ein  Lebermiitel,  oder  ein  Nierenmitte]  gab: 
jeb  besiifflmie  mieh  für  letztes,  nnd  zwar  wegen  Mgaader  an 
•teh  unbedenteader  Wahrscheinlichkeiten. 

Ich  hatte  bemerkt,  dati  die  Fran  im  Anfange,  na4  selbst  auch 
in  der  Folge,  cwar  keine  reiehlicfae  Hamnusleerung  hatte,  aber 
4oeb  reiehlieher,  als  sie  es  bot  der  heftigen  Darmaosteeroag  hStte 
haben  mfiasea.  Diese«  gab  mm  eine  aebwache,  aber  wahrlieh 
wbr  schwach«   Wafaneheinllebkelt,    dnfr  dM  Hmptibol  in  dwi 


—    286    — 

Nierm  «ecke.  Fernet  klagt«  '  li«  fibar  bMtBadtge  Uehelkait 
N'an  war  im  Aofange,  wo  die  Damaffaktiaa  iich  so  lahr  ■iDmiacb 
Hsfserte,  am  dieaem  Zufalle  aben  so  waoig  als  ana  dan  Aafilo- 
fsen  und  aus  dem  Erbreehea  %a  Hiachen;  deao  solche  Zaf&Uo  sind 
eben  nioht  uDgewöhnÜBh  bei  Urleidea  des  Darnikanales.  Aber  da 
die  Darmaffektion  durch  den  Gebrauch  einiger  goten  Oaranktel 
nm  iwei  Drinel  gemindert  war,  und  du  (Jebelkeit  noch  inmec 
nnverindert  aDhielt,-  so  deutele  diese  mehr  auf  eine  Nieren-,  al« 
auf  eine  Leberaffektioo ;  denn  wo  findet  man  aohalteadere  Uebel- 
■keit,  als  (zwar  nicht  immer,  aber  doch  inweilen)  bei  Niereaaf- 
fektionenl  —  Aber  freilich  war  das  auch  nur  eine  sehr  geringe 
Wahracheiniiehkeit ;  und  wean  man  naa  beide  kleine  Wahracbein- 
liobkeiieo  lusBmmenaahni ,  so  kam  daraus  noch  ni^ts  Erhebli- 
ohea.  Ich  konnte  nicht  sagen,  hier  iit  eine  \ierenafifektion ,  aber 
ich  konnte  wol  sagen :  die  genannten  awei  nnbedeutendea  Zeichen 
benimmen  mich,  da  ich  so  gnt  wie  jeder  ander«  Arzt  lieher  po- 
siliTo  als  oegaiJva  Wirknag  meiner  Mittel  sehe,  zuerst  lieber  ein 
NepkriticHm  tA%  ein  Hepaticum  mit  dam  Organismus  in  Berührung 
10  hringea.  Das  Micbiwirken  du  NteraniailtelB  wird  mir  dann 
ein  Beweis  sein,  dala  das  Uebel  in  der  Leber  steckt.  Ich  gab 
jetzt  SaecJutri  Lactu  |ii  Coccinellae  Jii  M  f  j  DS  alle  zwei 
Standen  einen  Theelöffe)  voll  zu  nebment 

Die  Wirkang  dieses  Mittels  war  so  aasnehmend  gat,  dafs, 
da  ich  aiu  andern  Tage  die  Frau  sah ,  der  Durchfall  schon  ganz 
anfgeh5rt  hatte.  Sie  hatte  nämlich,  seit  sie  das  Pulver  genommen» 
nur  während  der  ersten  Standen  des  Gebraucbas  Cinatahl  Oeffnnng 
gehabt,  und  seitdem  nicht  wieder.  Der  Puls  war  freilieb  noeh 
■cbnell ,  aber  öbrigens  das  gaase  Befinden  so  som  Vorthail  gelo- 
dert, dafs  ich  es,  ohne  den  Verdacht  der  Unwahrheit  agf  mich 
au  laden,  kaum  zu  sagen  wage.'  Freilich  bin  ich  alt  genug,  nm 
an  begreifea,  dafs,  da  jetzt  alle  faeimliohe  Furcht  des  Sterbeaa 
von  der  Kranken  gewichen  war,  nicht  blols  die  Hoffnung,  sondern 
selbst  die  Zuversicht,  im  Lande  der  Lebendigen  zn  bleiben,  die 
dnrch  die  Cochenille  bewirkte  Besserung  in  den  A«gen  des  blofsea 
Zuschauers  am  vieles  rergrOfserte  und  verschdnie;  eher,  abgeao- 
gen  dies«  durch  psychische  Einwirkung  geursachle  Besaemng,  war 
doch  die  dnrch-die  Cochenille  direkt  genrsachie  physische  bedealend 
genug.  Dafs  ich  bei  diesem  kiiaÜchen  Falle,  da  ich  einmahl  das 
wahre  Heilmittel  getroffen,  nicht  sobald  davon  abging,  sondern 
selbiges  in  verminderter  Gabe  fortgebrauchen  liels ,  werden  die 
Leser  wol  denken.  £s  ereignete  sich  jetxt,  dala,  Stau  des  Durch- 
falles, hartnäckige  Verstopfung  eialrat.  In  den  ersten  Tagen  die- 
ses veränderten  Zustandes  war  der  Banch  noch,  wie  vorhin,  etwas 
empfindlich,  ohne  dafs  eine  hervorstechende  schmenbafte  Stelle 
zn  entdecken  gewesen  wäre;  in  Zeit  von  etlichen  Tagen  lieCi  diese 


—    «87    — 

EMpibitIlicUMtt  NWüh,  4ie  Winrfe  ^Mgreii  frai  von  nntea  w«f,  Anf- 
uofscn  and  Uebelkvit  wnrea  ▼N«eh«i'iin4«n.  Osflnnng  mnÜrie  AmnM 
KlyMire  venchntfi  werden;  denn.  Ha  Ich  4m  Beispiel  meine«  AmM- 
bnider«  (der  eben  nicht  zn  den  Unronicbligen  gehört)  vor  Aug«n 
bntte,  so  hiiteta  ich  mich,  ein  AbfTihningsmiKel  in*  diese  DArme 
KU  aehiefcen.  I>er  Urin  war  in  dieae^  Zeit  iclar,  natürlich  von 
Fa«4ic,  «rdenilich  waer,  nad  der  INila,  den  fSaflen  November, 
wo  ich  die  Kranke  sah,  wieder  aiemlieb  mhig.  (Ob  er  ganx  snm 
NomabcUage  dieaei  KSrpers  aarflckgekehrt  wnr,  konnte  ich  nicht 
wiuen,  weit  ioh  die  t'ran  nie  vorher  behandelt,  ja  aie  nie  vorher 
gesehen  hatte.)  Da  sie  reichlich  eine  deutsche  Meile  von  mir 
wohnte,  nnd  der  Weg  dahin  sehr  übel  war,  so  sah  ich  sie  vom 
füoficn  bis  neiinxebnten  November  nicht  wieder.  In  der  Zeil  bracbia 
der  Ehenaan  Nachricht.  Ich  merkte  aber  ans  diesen  N'aehrichten, 
i»ü  die  Bessemng  atill  stand ;  der  Urin  ward«  nach  nnd  nach 
gtih,  trübe  and  morastig.  l>a  ich  schon  durch  diesjfihrige  Erfah- 
rung den  Lanf  der  Kfaskberten  kannte,  so  begriff  Ich,  besonders, 
da  aieli  noch  <Ke  heftigen  Nachtschweifse  einstellten ,  da&  hier 
eine  KrankheitMibertragn)^  tob  den  Nieren  anf  die  Leber  Statt 
gefunden.  IKe  Kranke  begehrte  den  achtxehnien  November,  ich 
mScbte  sie  selbst  sehen ;  sie  habe  eine  schtnerzhafle  Geschwulst 
im  Bancbe.  Da  ich  am  Neimsehmen  hin  kam,  sah  ich  sehr  bald, 
dafa  meiae  Venoathang,  als  sei  die  Krankheit  aaf  die  Leber  Rber- 
tnigen,  gegrfindel  sei.  Dieses  Otgan  war  nnrerfcennbar  nnd  hand- 
greiflich affizirt,  ja  die  Batiijhmnskeln,  wo  sie  die  Leber  berllbren, 
waren  consensnell  ergriffen ,  nnd  ich  Afalte  hier  eine  VerhHrlung 
von  der  äröfse  eines  Laubthalers  (ohne  bestimmte  Grenzen),  wel- 
che so  empfindlieh  war,  dafa  die  Kranke  nicht  den  leisesien  Dmck 
darauf  venragen  kennte.  Meine  schon  frfiher  an  si«  gerichteten 
Fragen,  in  Betreff  Slierer  Banchleiden,  worden  auch  jetzt  zwar 
nicht  ganz  verneinet,  aber  doch  so  tmbestimmt  beantwortet,  dafa 
nichts  daraus  zu  machen  war.  Landleale,  welche  immer  gesond 
nnd  kBrpertlch  ibfttig  gewesen,  kennen  keine  andere  )a«nkharfe 
Gefühle  als  den  eigentlichen  Schmerz;  sind  sie  von  diesem  nicht 
heimgesucht,  so  sind  sie  auch  ihrer  Meinung  nach  gesund  gewe- 
sen. Ich  konnte  anf  mein  Ausfragen  keinen  anderen  Bescheid 
bekommen,  als  dafs  mir  der  Mann  sagte:  die  Frau  sei  den  gan- 
zen Sommer  nicht  so  recht  gewesen,  wie  sie  wol  bulle  sein  sol- 
len; die  Fran  konnte  diese  Aussage  des  Mannes  nicht  in  Abrede 
stellen;  worin  aber  das  Kichlrechlgewesensein  eigentlich  bestan- 
den, war  nicht  auszumitleln.  Ich  gab  ihr  S  ehcH  krault  in  ktur  und 
legte  auf  die  VerhBriung  Gahneisalbe;  dadurch  ist  sie  zu  ihrer 
Gesandheil  gelangt.  Die  Langsamkeit  des  Besserwerdens  hat  es 
mir  aber  sehr  wahrscheinKeh  gemacht,  dafs  das  sogenannte  Nicht- 
reefalgewesensein  des  vorherigen  ganzen  Sommera  wol  von  einem 


-.    »8    — 

L«b«rieid«B  wird  abg«ba«gw  haben.  Da  bMsbKriigleo  Aencten 
solch«  Fftlle ,  w«  akute  KrankheiteD  cbraniMfa«  Ueb«!  aarrfthrMi, 
■cbr  bekaaat  aiad,  asd  ich  Qbenli«*  diei«B  ÜrankhmlaraJI  mut 
himicfatlich  der  Wirkang  d«  Coehenille  eraäUe:  «o  maft  ich  ab- 
hrecheo,  lua  aieht  laagweÜig  »m  werdeD. 

Folgender  Fall  wird  wabncheialich  dea  UnerTahmea  'Mwiu 
■jbern  bedüakea ;  die  Erfabraeo  wiMen  aber  wol ,  dab  aiwcfaei- 
neod  leichte  Krankheitaa  wo  Inflig  oicht  su  Behaien  liad.  Ee  war 
aämlich  eins  voa  jenea  schleichenden  Fiebern,  bei  denen  die  Men- 
wdien  nicht  bettlägerig  sind,  und  über  nichts  klagen,  als  über  Ver- 
last der  Krifie.  Der  Kranke  war  ein  ehrlicher  Mann  ans  der  ar- 
beitenden Klasse.  Als  er  mir  sein  Leid  ersBhlen  sollte,  wnfst« 
er  nichts  anzngeben,  als,  er  sei  bestSndig  utnde,  habe  lEcinen  Zag 
uin  Essen  nnd  der  SohUT  erquicke  ihn  nicht.  lob  fmgie  ihn  nnn 
besonders  ans  über  Baach,  Bnist  n.  a.  w.  (ohne  ihm  jedoch  Sng^ 
gestirfragen  su  thna) ;  alLeia  es  ergab  sich  dnrchaas  nichtt,  worauf 
ich  hätte  fuisen  köoaeo.  Der  Pols  war  aohaell,  wie  der  eines 
Schwindsüchtigen;  nus  dem  Harne  kennte  idi  nichts  erkennen, 
dieser  war  sauer  und  gans  wie  der  eines  Gesunden,  gefftibt ;  der 
Kranke  behauptete  auch,  nicht  mehr  nnd  nioht  weniger  wie  fräber 
lu  harnen.  Vehrigeoa  sagte  er,  dals  er  sich  bereits  seit  vier  Wi- 
chen in  diesem  xwischen  Krankheit  and  Geaundheit  scbwobeitden 
Zastaade  be&nde  und  arg  mager  geworden  sei. 

Es  lagen  nun  unter  dea  besagten  Umstfioden  swei  Wege  vor 
mir:  entweder  muiiite  ich  ta  dem  Manne  ^»reebea,  ich  weifo  nicht, 
was  dir  fehlt,  oder  ich  nafote  die  Krankheit  hiofa  darch  Erkao- 
nangsmitiel  (Beagemtia)  ergründen.  Ich  wflhlte  den  letitea  Wag, 
nnd  bei  den  Arxeneien,  die  ich  laersl  mit  diesem  Organisno  in 
Berührung  brachte,  hatte  ich  die  Natur  der  herrschenden  Krank- 
heit im  Auge.  Ich  wnfite,  dals  wie  in  der  Musik  der  Grnndton 
einer  Symphonie  in  verwandte  Tonarten  abweicht,  also  weiche 
auch  der  Gruadioa  unserer  epidemisobeB  Constitution,  die  Leber- 
kronkheit,  in  verwandte  Tonarten,  ia  MiU-  und  Nierenleiden  ab. 
Mithin  gab  ich  znerst  die  Sobellknuitlioktur ,  als  weldie  an  der 
Zeit  das  Httuptlebermitlel  war.  Die  half  ober  gar  nichL  Da  gab 
ich  das  Eichelawasaer ;  das  half  eben  so  wenig,  sebadete  aber 
auch  eben  so  wenig  als  die  Schellkroattiaktur.  Da  ich  nun  er- 
fahren,- dafs  der  Fehler  nicht  in  Leber  und  Mila  stecke,  so  mafste 
ich  die  Nieren  nntersnehen,  und  gab  lu  dem  Ende  die  Cochenille 
in  Pulver.  Als  der  Mann  anderthalb  Drachmen  veraehret,  hatte, 
kam  er  zu  mir  mit  grolser  Zufriedenheit  und  sagte:  es  fehle  ihm 
nichts  mehr,  er  sei  wieder  gerand.  '  Sein  Puls  war  jetst  ruhig, 
aber  es  war  aiamlich  unaöthig,  diesen  au  untersuchen,  denn  das 
ganxe  Ansehen  des  Mannes  sprach  es  gar  venUAadlich  aus ,  daf* 
eine  wichtige  nnd  vorlhailhafte  Verlnderang  seinaa  Befindens  vw- 


—    88»    — 

gBgangen  mi.  Da  er  n^  gnn  unbdiaont  wht,  go  k«aiile  ich  ab- 
Ki^icfa  über  das  Aenbara  seinas  LeibM,  in  wiefBrn  ei  von  dem 
Cesnndbn^emafeen  abweiche,  nicbt  aitheilsD;  deaa  manche  Mea- 
Bchoi  haben  ja  bei  ^sundein  l<eib«  ein  gar  ekeliges  Autsehen. 
Jeixt  aber  konnte  ich  ent  aus  der  Veränderang  ania  Gnten  recht 
abnehinen,  ^vie  garstig  er  anfUnglich  atugeeebeo.  Dafs  ich  ihm 
aber  geralhen,  xur  Vorsicht  noch  eine  Portion  Cochenillpnlver  »i 
gebranchen,  versteht  sich  von  selbst.  Die  Gabe,  in  welcher  ich 
i»  erxfifahen  Falle  die  Cochenille  reichte,  wnr  ßnfinahl  tags  ein 
Theelöffel  roll ,  von  einer  Mischung  ans  acht  Theilen  Milebsueker 
und  einem  T heile  Cochenille. 

Der  vierte  Fall  beirilft  einen  so  genannten  Kopfrhearaaiismns. 

Eine  Prmt  von-  mittlen  Jahren  wnrde  von  ganz  nififsigent  Fie- 
ber und  periodischem,  jedoch  noregelrnftfaig  wiederkehrendem 
Kopfsdmcrte  nnd  iwar  von  letztem  in  befiigem  Grade  crgriSen. 
Er  erstreckte  sieh  vom  rechten  Jochbeine  bis  über  die  rechte  Seile 
des  Stirnbeines  so,  dafs  der  rechte  Stirnhögel  die  infserate  Greme 
desselben  autfmaohte.  Der  Augapfel  der  rechten  Seite  litt  bei  je- 
dem Anfalle  mehr  oder  minder  scbmenhaft,  ohne  dafs  er,  oder 
die  Angenlieder  dadareh  würen  geröthet  worden.  Der  Anfall  wtthr- 
te  unregelmifsig,  bald  ISnger,  bald  kürzer ;  im  Durchschnitte  konnte 
MMi  ihn  aiif  awölf  Stunden  anschlagen.  Beim  Nachlasse  war  der 
Pols  vom  gesund  he  iisgemltfsen  nicht  sn  unterscheiden,  jedoch  die 
Frau,  trotz  diesem  Nachlasse,  grSfsten  Theils  beiilftgerig.  Die 
Hamabsondernng  war  sowol  hiner  als  aafser  dem  Anfalle  so  reich- 
lich, dafs  mi^  die  Frau  selbst  ungefragt  darauf  aufmerksam  mach- 
te. Der  Harn  war  nicht,  wie  bei  Hysterischen,  weilii  gleich  Brun- 
nenwasser, sondern  strohgelb  wie  bei  GesnadeD,  auefa  ordentlich 
sauer,  nnd  diese  Eigenschaften  behielt  er  anfser  und  inner  den> 
Anfalle.  Uebrigens  klagte  sie  über  eine  besondere,  empfindliche 
KSite  des  Räckens,  welche  sich  aber  nicht,  wie  beim  Anfange 
mancher  akuten  Fieber,  durch  ein  Ueberlaofen  von  Kälte  oder 
Schauder  über  den  Kücken  änfserte,  sondern  ih  einer  gleicbmäfsi- 
gen  Kftlte  bestand,  die  die  Gegend  des  Kückens  von  der  Spitae 
der  Schulterblätter  bis  Kom  Kreuze  einnahm.  Wiihrend  der  Exa- 
zerbation,  wo  der  Puls  etwas  besohteuniget  wnrd«>,  und  die  Wär- 
me des  KSrpers,  ohne  eben  in  Hitze  auszuarteti,  fühlbar  ver- 
mehrte, nahm  die  Kälte  des  Kückens  m;  aber  blofs  das  GefUhl 
der  Kranken  erkannte  diese  Kälte,  mit  meiner  Hand  konnte  ich 
sie  nicht  erkennen.  Nun  mufs  ich  einschallen,  dafs  bei  dem  hier 
herrschenden  Leberfieber  solche  und  ttbnllche  halbseitige  Kopf- 
schmerzen zwar  nicht  zn  den  gew5hnlichen  Zufällen ,  aber  doch 
anch  gerade  nicht  zu  den  ganz  seltenen  Erscheinungen  gehdrten. 
Ich  hatte  sie  >m  Jahre  1829,  bis  znm  Anfange  des  Herbstes,  im- 
mer durch  Einwirkung  auf  daa  Ldwrorgan,  nnd  zwar  mit  Kräben- 

i9      ---o" 


angenwBiser  geheilet;  vai  da  dieter  Fall  sieh  im  Aofange  JenM 
Hörbares  ereignete,  so  veniMihte  ich  laent  das  Mittel,  «debe« 
bin  diihin  schnell  und  sicher  geholfen;  denn  die  vermehne  Urin- 
nlMondei-iing  und  die  Kälte  dea  Kfiokens  waren  doch  auf  alle  Fall« 
keine  sichere  Zeichen  krankhaft  affixirler  \ieren.  Da  aber  di» 
Kranke  das  Krähen  an  gen  wasser  mehre-  Tage  ganz  ohne  NhIcmi 
gebraucht,  und  die  vermehrte  Urinabsooderang  meine  Anfnierk- 
fiiimkeit  anf  die  \ieren  lenkte,  lo  veisnchte  ich  die  Cochenille  in 
Pitlverfonn.  Diese  half  gleich;  seit  sie  die  Kranke  gebrancbl, 
ist  kaum  noeb  Ginmabl  ein  Schatten  von  Anmahnung  dea  Schnur- 
zes erschienen ,  und  dann  ist  er  verschwunden.  Die  üherm&fsige 
IVinabsonderung  trat  in  die  GesondheitsBchranken  xurQek,  und  die 
Kälte  des  Kückens  wich  der  natürlichen  Wärme,  Von  dem  gan- 
aen  sehr  peinlichen  Uebel  blieb  nichts  über  als  ein  Gefühl  von 
Mailigkeit,  nnd  im  Kopfe  eine  Dussel igkeit ,  welche  letate  aber 
als  VorlKuferisn  und  Xaehfolgerinn  aller  ASektionen  der  Kopf- 
and  Banckorgane  den  Aerzten  genugsam  bekannt  ist-  Es  ist  klug, 
das  Heilmittel  fortgebrauch  an  sn  Jassen,  bis  die  Dnsseligkeit  ganx 
ver^bwnnden  ist.  Wenn  man  diese  Vorsicht  nicht  gebraucht,  ma- 
chen die  Affektionen  der  Organe  leicht  Rückfillle. 

Die  Krfahmng,  w^Atitt  Saater»  über  die  Heilkraft  der  Co- 
chenille gegen  den  Gesichtsschmerz  bekannt  gemacht  hat,  sofaei- 
net dnreb  diesen  Fall  einige  BeMBtignng  zu  erhalten.  So  viel 
habe  ich  aber  begriffen,  nnd  habe  es  schon  längst  begriffen,  dafs 
Kopf-  und  Gesichtsschmerz  (mit  welchem  griechischen  oder  latei- 
nischen Kunstnamen  wir  sie  auch  belegen  mögen)  zuweilen  aller- 
dings ein  Urloiden  des  Gehirns,  öder  fler  Gesichtsnerven,  in  gar 
vielen  Fällen  aber  ürleiden  des  einen  oder  des  anderen  Bauch- 
eingeweides sind,  und  dafs  wir  der  Kunst  einen  schlechten  Dienst 
leisten,  wenn  wie  die  Mittel,  darch  welche  wir  solche  SchneneD 
gehohen ,  ohne  Bedenken  für  Eigenmiuel  anf  die  schmerzlich  er- 
krankten Gesiehtsoerven ,  oder  auf  das  erkrankle  Gehirn  aus- 
geben. 

Seit  ich  Herrn  Sauten  Erfahrnngen,  etwas  spät,  nSmlicb 
am  Ende  des  Jahren  1 829  gelesan,  habe  ich  gleich  darauf  folgen- 
den Fall  beobachtet.  Ein  Mann  ans  der  arbeitenden  Klasse  suchte 
meine  Hülfe  gegen  einen  heftigen  Schmerz«  der  seinen  Sitz  im 
rechten  Jochbeine  hatte,  sich  über  die  SchlKfe  und  bis  zum  Rande 
der  unleren  Kinnlade  verbreitete.  Da«  Schlucken  war  beschwet- 
lich,  aber  keine  Bdthe  oder  Geschwulst  des  inneren  Halses  sicht- 
bar zu  erkennen.  Der  Schmerz  machte  ti^ich  einen  Anfall  an 
nnhesiimmter  Zeit,  verrieih  beim  Nachlasse  sein  Dasein  blofs  durch 
ein  enrSgtiohes  Wehlhan.  Vier  Wochen  hatte  der  Mann  an  die- 
sem Sehmerze  gelitten ;  denn  er  war  arm ,  förchlete  hei  dem  Hül- 
fesochen  nicht  mich,   sondern  di«  Apotheke,  und  zwar  zo  ebrgei- 


-    t9t    — 

sig,  m  TM  d«r  AnmartrwdtuBg  lic  Ansnei  tn  be^rM. 
NRcbdsm  ich  ihn  nno  Torilofig  b«r«det  hmtie,  die  Freiheil  der 
Anenei  Daehtaaaefaen ,  welche  ihm  auch  nicht  g;eweigert  wurde, 
■e  gab  iA  nir  alle  erviBiiIiche  Mühe,  aaa  den  vielleicht  vorhan- 
denen Zeichen  die  Affelilion  irgend  «Ines  Organs  au  ermitteln; 
aUein  ich  konnte  dnrehana  nichts  erkennen ,  waa  mich  nach  nur 
anf  den  Schatten  einer  Vermmhong  hStie  bringen  k&nnen.  Hier 
bitte  man  also  den  Gesichtssobiiien  wol  als  ein  Urleiden  der  Ge- 
aieblsnerren  ansehen  kSnnen;  dala  ich  ihn  also  angesehen,  b»- 
haupte  ich  nioht,  denn  ich  kenne  an  gut  die  beimlichen,  sich  durch 
keine  Zeichen  rerrathendea  Affektionea  der  Banchorgane,  als  dafs 
ich  nicht  vorsiobtig  >n  Benrlheilnng  solcher  Schmerzen  sein  sollte, 
die  ieh  gar  an  oft  an«  jenen  heimlichen  Banchaffektionen  habe 
•otstehen  sehen.  Mir  schien  der  Fall  aber  gans  geeignet,  die 
Cochenille  anf  die  Probe  an  stellen.  Ich  gab  also  dem  Kranken 
ein  Fairer  von  anderthalb  Unsen  Milcbtneker  nnd  anderthalb  Drach- 
men Cochenille ,  reo  welchem  er  alle  awei  Standen  rinen  Thee- 
l&ffel  voll  nehmen  mnfste.  Die  Wirkung  war  aber  nicht  er- 
wanscbt;  weit  entfernt,  dafa  die  Cochenille  den  Schmera  gelin- 
dert, oder  vertrieben  hStte,  wurde  er  vielmehr  bei  dem  Gebrauche 
derselben  so  wülhend,  dafs  der  Kranke  erklXrte,  ihn  noch  nie  in 
solchem  Grade  gehabt  an  haben. 

Diese  Verschlimmerung  des  Scbmerses  will  ich  nnn  eben 
nicht  der  Cochenille  zuschreiben ;  aber  helfen  that  sie  doch  gewifs 
nicht,  nnd  ich  würde  graniam  gehandelt  haben,  wenn  ich  den  Ver- 
soeh  ISnger  hätte  fortsetzen  wollen  als  bis  sam  verbrauchten  Pnl- 
ver.  Nnn  ging  ich  bloJs  anf  die  epidemische  Constitution,  gab 
Schflllkranltinktnr  an  fünfsehn  Tropfen  funfmabl  tags,  nnd  dl 
Schmers  linderte  bald,  war  schon  verschwanden,  eh  der  Kranke 
eine  halbe  Unae  verbraacht  hatte.  Bei  der  Behandlung  solcher 
Schmeraea  isl  es  dringend  nöthig,  anf  die  epidemische  Constitniion 
an  schien ,  weil  sie  nnr  aa  oft  davon  abbangen.  Ich  will  damit 
nicht  sagen,  dala  sie  alleieit  davon  abhangen,  sondern  nur,  dafs 
sie  oft  davon  abhängen.  Es  ist  damit  wenig  auigertohtel,  dafs 
man  der  epidemischen  Constitution  einen  Namen  gibt,  anch  damit 
ist  es  nicht  gelhan,  dafs  man  weifs,  welches  Organ  bei  der  herr- 
schenden Krankheit  urergriffen  ist,  sondern  man  mnfi  wissen,  nn- 
ter  wdcbes  Mittels  Hellgewdt  ca  der  Zeit  das  orerkrankte  Or- 
gan stehet.  Meinen  Jungen  Lesern  tu  Liebe  will  ich  einen,  swar 
ganz  einfachen,  aber  fiuberst  belehrenden  Fall  erzthlen,  ( in  wel- 
chem aber  vOn  der  Cochenille  nichts  voricommt)  der  das,  was  ich 
Jetzt  gesagt,  anschaulich  machen  wird,  nnd  ich  hoffe,  die  Erfahre- 
nen unter  meinen  Lesern  werden  mir  diese  Abschweifung  zu  gute 
halten.  Man  wird  sich  erinnern,  dafs  ich  schon  oben  bemerkt:  im 
Sommer    1829   liaben  Leberkrankheiten  gefaeirschi,    welche  «Dter 


—    292     - 

ier  Heilgewalt  d«s  ICräbenniigenwflsnri  getfanileii,  fm  Hdrtrat  dei- 
flelben  Jahres  sein  6w  Krankheilen  so  vcrflnrleri ,  rfafs  »e  nnler 
die  lleilgewall  dea  Sehellkraniea  gelcomtnen.  Der  Fall,  den  icfa 
jel/,t  erzHtilc,  spielt  gerade  in  beiden  JahresKeiien  und  wird  eben 
dadurcb  belehrend. 

Ein  mannbares,  angeblich  früher  gesandea  Msdchen ,  Iht  im 
iunius  an  heftigem  periodtscben ,  halbseitigen  Kopfschmerze,  wel- 
cher die  rechte  Seite  der  Slirn,  das  Auge  nnd  diis  Jochbein  ein- 
nahm, jedennahl  über  zwftif  Stunden  anhielt,  tSglich  in  den  Vor- 
mittagsstunden unregelinäfüig,  bald  früher,  bald  ajiSfer  wiederkehrte 
und  beim  Nachlasse  nur  als  ein  ganz  leises  Mahlen  sein  Vorhan- 
densein kund  gab.  Da  ich  sie  luerst  sab,  hatte  sie  diesen  Schnien 
ungefähr  vierzehn  Tttge  gehabt;  es  waren  ihr  dagegen  AnttrheH- 
matica  verordnet.  Beim  Anfalle  des  Schmerzes  war  der  Pnis  et- 
was gereizt,  beim  Nachlasse  ganz  rahig.  Abdominatleiden  waren 
dnrch  keine  Zeichen  zu  erkennen.  Der  Urin  sowol  aufier  als  in- 
ner dem  Anfalle  gesundhcitsgemäfa  TOn  Farbe  und  8Sore.  Die 
Efslust  war  freilieb  gering,  allein  bei  solch  anhaltendem  Schmerze 
wird  wol  jedem  Menschen  die  Lnat  zum'  Essen  vergehen.  Ich 
gab  diesem  Mädchen  nicbis  als  Krähenangenwasaer  zu  dreifsig 
Tropfen  fiinfmahl  tags;  in  Zeit  von  vier  Tagen  war  der  Schmerz 
verschwunden. 

Da  sie  nun  aber  jnng,  flüchtig,  und  von  der  arbeitenden  Klasse 
war  (eine  Niherinn),  so  hatte  sie  meine  Ermahnung,  die  Arzenei 
noch  eine  Zeitlang  fortzug^raachen,  in  den  Wind  geschlagen. 

Im  Herbste  gegen  Ende  des  Novembers  bekommt  sie  den 
nSmIichen  Schmerz.  Gleich  greift  sie  wieder  zu  den  Krfthennu- 
genwasser,  dessen  sie  noch  reichlich  eine  Unze  vom  Sommer  her 
vorrfithig  hat;  allein  jetzt  hilft  es  nicht,  weil  die  Krankheit  an- 
ders naturei  ist.  Nachdem  sie  die  ganze  Unze  vergebens  gebraucht 
hat,  l&fst  sie  mich  bitten,  ihr  zu  helfen.  Nach  allen  Zeichen  war 
es  die  nämliche  Krankheit,  der  nSmlich»  Schmerz,  den  sie  vor 
vier  Monaten  gehabt;  selbst  ein  in  üekensei  gerisch  er  Beobachter 
würde  keinen  Unierscfaied  zwischen  beiden  haben  erspShen  ken- 
nen: und  doch  half  Jetzt  das  Mittel  nicht,  was  vor  vier  Monaten 
geholfen.  Jeiitt  half  aber  eben  so  schnell  die  Schellkranitinktur 
zu  fiinfzehn  Tropfen  fünfmahl  tags,  so,  dafs  keine  drei  Drachmen 
zur  Vertreibung  dieses  heftigen  Kopf-  nnd  Gesiebtsscbmerzes  n5- 
ihig  waren. 

Von  dieser  Abschweifung  kehre  ich  wieder  znr  Cochenille 
zurück.  Es  kann  möglich  sein,  dafs  sie  als  ein  speeifiscfaes  Mit- 
tel anf  die  nrerkraoklen  Geuchtsnerven  wirkt;  mir  ist  es  aber 
wahrseheinlieher,  dafs  sie  als  Nepkriticum  consensuelle  von  ei- 
nem Urleiden  der.  Nieren  abhängende  Kopf-  nnd  Gesichisschmer- 
zen  hebet.     Wer  kann  aber  mit  Bestimmtheit  darüber  absprechen  * 


-    2W     — 

Nar  dursb  vei^lwchcn^e  Baobachtnu^Q  kana  man  mit  der  Zmi 
aMfi  Keiae  kommen.  Wenn  man  dia  Affeklianaa  d«r  O^ane  ao 
efMao^a  köoBie,  wie  mancbe  ackalgerecbte*  auweileo  auch  biicher- 
lloh  berühsna  Aera:e  sii  glaubaii  acheinea,  z.  B.  die  Affektion  dec 
niiarea  durch  Harowfnde,  Sokaiera  in  den  Lenden  u,  a.  w.,  die 
dar  Leber  durch  bitlerep  GeachiHacki  VoUbeit  der  Präkerdiea, 
Uelbsucfat  11.  «.  «.,  and  bo  folgend»  die  Afi'ektionen  aller  aoderea 
Organe,  jegliche  durch  ihre  sichereti  Zeichen,  so  würde  eii  ja  kin- 
derleickt  sein,  die  Uraflektionen  der  Organe  za  erkennen,  die 
oaaseaBuelleD  lon  den  selbuKndigen  zu  unterscheiden,  und  di« 
Heilmittel,  wo  nicht  zu  finden,  doch  die  richtige  Anwendung  der 
ftefundenen  zu  befiiiiuwen.  Es  aefaeiat  aber,  als  habe  die  Xalur 
den  inenscblieben  Organiaiuua  so  ürztlich  gelehrt  nicht  geschaffen. 

Ich  könnie  noch  lannche  Erfiibriing  vou  der  (.HMAenilte  als 
Nierenmillel  anführen ;  da  aber  diest^a  Mittel  kürzlich ,  beaoaders 
ia  der  leinen  2e!t,  wegen  der  herrschenden  Krankheit  meine  Auf- 
nierksamkeU  in  Anspruch  genommea  bat,  and  man  leicht,  aprc- 
chend  über  aab  gelegene  G^enaiände,  geschwätzig  wird:  go  will 
ich  Heber  jetzt  abbrechen,  damit  ich  nicht  in  jenes  gameiaan  Feh- 
ler der  Sprecher  und  Schreiber  falle,  meinen  Lesern,  welche  viel. 
Leicht  bis  dahin  weniger  mit  NiereaOhel  zu  kämpfen  gehabt  haben, 
Eckel  und  Langweile  rerunache.  lJnm5gli«h  kann  ich  aber  von 
diesem  Gegenstande  ganz  scheiden,  ohne  meinen  Amiagenosien 
einen  Vorschlag  in  Betreff  der  Harnmhr  zn  ihun. 

Dieias  üebel  habe  ich  sehr  sehen  gesehen,  and  da  war  es 
ein  in  den  Nieren  vorwaltendes  Leiden  dei  GesammtorganinnuB ; 
höiiist  wabruheinlieb  ist  mir  aber,  dafs  ea  aacb  nla  blofses  Ur- 
Laidan  der  \ieren  in  der  Nbuu  vorkouitnen  aaufs,  and  vielleicht 
gerade  alz  solches  den  Bemühungen  der  Heilkünatler  am  bartnak- 
kigatea  wideralcfat.  Da  ich  nnn  geaefaaa  habe,  (freilich  ganz  im 
Klainen)  dafs  hei  einer  Mierenaffektion  mit  vermehrter  Harnab- 
sanderung  durch  den  Gebrauch  der  Cochenille  diese  vermehrte 
Harnabsonderung  zum  NornialsiAnda  zarückgebraohl,  ja  in  einzel- 
nen Fällea  über  den  Norntalstand  zurnckgedrtogt  wurde;  ao  raihe 
ich  denen,  welche  mit  einer  ala  ürleidea  der  Nieren  sich  künden- 
den Harnruhr  zn  thun  haben  moehtei»^  die  Cochenille  xn  versii- 
cfaeo.  Ich  selbst  bebe  aber  keine. ErEabmng  darüber,  ich  vermu- 
tbe  blofs  aoa  den  angefahrten  Erfehrangen,  dafs  sie  Heilmittel  sein 
kdnne.  Aber,  wie  gesagt,  mir  einzig  in  der  Harnruhr,  welche 
in  einem  Urlriden  der  .Nieren  bestehet;  denn  die,  welche  von  ei- 
nem  Urleiden  dea  Gesammtorganismus  abhängt,  wird  nie,  weder 
dareh  die  Cochenille,  noch  durch  irgend  ein  anderes  Nierenmillel 
gehoben  werden. 

Nnn  Mm  Schlüsse  noch  eine  kleine  Bemerknog.  Samten 
gibt  die  CoefaenÜIe  in  Form  einer  Tinktur;  das  iat  gut,  wenn  dar 


—    2W    — 

Kmnke  ai«  ansdriieklich  io  dieser  Form  haben  wollte  and  ri«  in 
keiner  anderen  nehmen  könnte,  Mnat  sehe  ich  keinen  Zwe^  bei 
dieser  Form.  Will  man  die  Tinktur  machen,  ao  mafs  man  sie 
lange  auf  dem  Branntwein  stebeo  lauen,  aie  wird  dann  nm  so  bet- 
aer. Uebrigens  beiaalet  die  Cochenille  in  Pulverform  den  Ma^n 
gar  nicht ;  darum  Uf«  iofa  auch  einfältig  daa  Pnlrer  mit  Milcbiuk- 
ker  inaummenrührea,  welcher,  al«  daa  unschuldigate  und  wohl- 
fsilate  Anlängungsmitlel ,  der  Heilwirkung  der  Cochenille  keinen 
Eintrag  ihun  wird.  Die  CigenmiUel  auf  die  Einaetorgane  sind  oft 
sehr  kiiKlieh  za  gebraachen;  je  einfacher  und  anvermischier  man 
sie  gibt,  je  eher  aiehet  man  ihre  Heilwirkung.  Wer  sich  von  dem 
Hpoihekeriacfaen  Miachroaacbe  nicht  los  machen  kann,  vor  dessen 
sehenden  Augen  verbergen  sich  oft  genug  die  edelaten  Tngenden 
der  Arzeneien.  Sollte  nun  aber  ein  Ant  einmahl  auf  den  Einfall 
kommen,  einen  ^hfideltraDk  von  der  Cochenille  zu  verachreiben, 
und ,  nm  daa  schnelle  Niederschlagen  im  Glase  nnd  im  LötTel  su 
hindern,  etwas  Arabisches  Gummi  insetzen,  nnd  er  sähe  dann,  xu 
dem  Kranken  kommend.  Statt  eines  vermeintlich  achön  roihen,  ei- 
nen schwarzen  Trank,  so  bitte  ich  ihn,  nicht  zn  glauben,  als  habe 
der  Apotheker  Kohle  anstatt  Cochenille  zu  dem  Tranke  gemischt; 
denn  letzte  macht  mit  dem  Arabischen  Gummi  wirklich  eine  schwarz- 
branne  Farbe;  die  Wirkung  auf  die  Nieren  wird  ahet  nicht  durch 
diese  FarbenverHnderung  aufgehoben. 

^        Qoldruthe.   (Solidago  virga  aurta.) 

Dieses  Kraut  ist  ein  gar  alles  nnd  gutes  \ieremnittel.  Bei 
EtImU/er  findet  man  viel  von  seinen  Tugenden.  Auch  in  unsern 
Tagen  haben  bekanntlich  etliche  Aetzte  seine  angebliche  nriatrei- 
bende  Kraft  erhoben.  Diese  Kraft  ihm  beizalegen ,  scheint  mir 
eben  so  klug,  als  dem  Scheilkrante,  oder  den  Krähenaugen  galle- 
treihende  KrKfie  beizulegen.  Es  ist  ein  Eigenmittel  auf  die  Nie- 
iren, es  bringt  die  erkrankten  zum  Normalstande  zariidi;;  mehr 
kann  man  davon  nicht  sagen.  Es  paist  für  einen  eigenen  krank- 
haften Zustand  der  Nieren,  welcher  von  jenem  verschieden  ist, 
der  nnter  der  Heilgewalt  der  Cochenille  steht.  Ich  habe  die  Gold- 
rtnhe  schon  lange  gebraucht  and  mnfa  ihr  viel  Gntes  nachsagen. 
Vorzüglich  habe  ich  sie  bei  akuten  gaatrisohen  Fiebern  da  beson- 
ders heilsam  und  nützlich  befunden ,  wn  bei  deutlicher  ResHorung 
der  Urin  dunkel  nnd  trübe  wurde,  nnd  wo  entweder  die  Besserung 
slill  stand,  oder  weit  langsamer  fortschrilt  als  sie  hätte  thun  müs- 
sen. Wenn  jemand  selchen  dunklen,  einen  dicken  Bodensati  ma- 
chenden Harn  für  kritisch  ansehen  will,  so  habe  ich  nichts  dage- 
gen einzuwenden.  Ich  sage  blofa,  dafs  ich  an  solche  fabelhafte 
kriiisehe  Entleerungen  nicht  gladie ,  bei  denen  ich  die  Beuerung 


—    M9     - 

aicbt  aebnell  ToraiMchrnicn ,  >oi>4ern  weil  eber  MtUMebMi,  od«r 
>3gern  Khe.  Ebe  ieb  die  CocfaflBÜl«  kannte,  habe  icb  mit  4er  ,Gold- 
nrtbe  viel  bei  solcher  \ierenaffeklion  gMbMi ;  ich  sah  sie  lelbtge 
beben,  iem  Urin  wieder  kler  und  aormel  niaohea,  ebne  ibe  gera- 
de m  treiben ,  päd  so  die  eifernde  Bessenii^  rasch  «im  Ziele 
libren. 

Wenn  ich  oben  vom  Jahre  1829  gesprochen,  in  welchem  ich 
solche  Krank  he  i(8Üi>er(ragung  von  anderen  Baucheingeweiden  auf 
die  Xieren  vorzüglich  bemerkt,  so  ist  das  nicht  so  cn  verstehen, 
als  ob  ich  Trüher  solche  Ueberrragangen  gar  nicht  bemerkt  hStte. 
Ich  habe  sie  allerdings  bemerkt,  aber  bei  weilem  nicht  so  hSiifig. 
Früher  waren  nnier  (linTzehn  Fällen  von  Nierenaffekt ion  bei  aku- 
ten Fiebern  gewifrt  vierzehn  hlab  consensueller  Natur,  und  ein 
einziger,  ja  kaum  ein  einziger,  war  als  ein  wirkliches  übertrage* 
nes  Urnierenleiden  anzusehen.  Es  kSnnte  aber  jemand  auf  den  Ge- 
danken kommen,  als  oh  ich  mir  die  Krankheils  Übertragung  von  ei- 
nem andern  Bauchet ngewei de  auf  die  Nieren  blofs  einbilde.  E^ 
kann  möglich  nein,  dafs  ich  mir  so  etwas  einbilde;  ich  kann  das 
Innere  nicht  sehen,  ja  wenn  ich  auch  das  Innere  das  Menschen 
sehen  könnte,  so  würde  doch  die  darin  steckende  Krankheit  ansich- 
tig bleiben. 

Solche  UDsictubare  BegebeubeHeii  ia  den .  venchloweBeo  Höh- 
len des  Leibes  kSanen  dem  Ante  aar  durch  ^en  äu&eren  Men- 
schen veninalicbet  werden.  Bei  den  Gliederschmerzen  x.  B.  stehet 
man  zaweilen  auf  den  Gebraticb  ilcr  Mittel  den  Scfamem  gftnzlich 
verachwiaden,  auweilen  abai  «greift  er,  ebe  er  absieht,  no^  ei- 
nen andern  Mnskel,  oder  ein  anderes  Gelendc.  Wie  oft  siebet  man 
niebt,  wenn  schraeraharifi  Lebemfi'ekttoaen  auf  den  Gebranck  der 
Lebemittel  nachlassen,  die  GaUenabeoadening  wieder  normal  wird 
oad  das  F^ber  venchwiadet,  noch  zo  letzt  die  Zwischearippen- 
mutkela  derselben  Seile  feindlich  und  schmenhaft  ergriffen  wer- 
den. Auf  die  Weise  kttnnen  wir  an  dem  äufseren  Menschen  sieht- 
bar  und  handgreiflich  eiitenaen,  dafs  aolebe  Uebertragungen  von 
einem  Organe  auf,  das  andere  nicht  blols  Stall  finden  kSnnea,  son- 
dern wirklieb  oft  geniig  Statt  finden.  Wollte  nun  jemand  sagen: 
es  sei  Eisbildung  und  Thorheit,  solche  Ueberf ragung  in  den  Höh- 
len des  Kdrpers  blindlings  Bosaaebmen,  so  würde  ich  darauf  ant- 
worten, es  sei  weit  eher  thöricbte  Einbildung,  m  glauben,  dafs 
die  Organe  in  den  verschlossenen  Höhlen  des  l.eibes  solchen  Ge- 
setzen nicht  unterworfen  sein  sollten,  da  sie  doch  Theile  eines 
and  des  oSmlichen  Organismus  sind.  Und  müssen  nicht  endlich 
die  Heilwirkungen  der  Mittel  die  Probe  auf  die  R'cbiigkeit  unse- 
rer Ansichten  sein  i  Wenn  ich  in  dem  Cinxelfalle  mir  blofs  ein- 
gebildet habe,  dafs  eise  Krankheitsüberiragang  von  Leber  auf  Nie- 


—  ««  — 

ran  Stnn  g^efun^n ,  m  wird  am  NiebAailwifl(«ii  ier  NienaiMHel 
mich  ohn«  S^eifel  gar  bald  von  meiiMr  Eiabildnaf  heilen. 

Ich  raihe  nieiaen  jüag'eren  Amisgenossen,  nicht  blofs  bei  e^o- 
niwhen,  lOBdern  auch  hei  nkuten  Krankheileo,  das  N'ierenorgu 
allesflit  im  Auge  ko  halten;  sie  werden  durah  die  Anfmerkaamltcit, 
welche  Hia  demselben  schenken,  dem  Kranken  weit  nülzlicher  waf^ 
den,  als  durch  dns  gründlichste  Studium  der  Hippokralischen  Hani- 
Icbre. 

Ich  habe  bis  jelst  die  Guldruihe  immer  in  Form  eines  Auf- 
gusses gegeben;  ich  lasse  lüglich  eine  halbe  Unze  mit  fünf  Tas- 
sen kochendem  Wasser  eine  halbe  Stunde  ziehen,  dann  abgiefsen 
lind  den  .Au^ufü  kalt  oder  warm,  wie  es  die  Leute  gern  haben, 
durch  den  Tag  \erzehren. 

Es  wird  hier  wol  der  schicklichste  Ort  sein,  tod  Nierenstei- 
nen und  Nierensand  ein  Wort  zu  sagen.  Dafs  man  aus  gewissen 
eigenihümlichen  Zui^llen  das  Vorhandensein  der  Nierensteine  sollte 
erkennen  können,  ist  unwahr.  Zuweilen  machen  sie  Lendenschmer- 
zen und  Harnstrange,  in  welchem  Falle  sie  leicht  zu  muthmafsen 
sind;  zuweilen  aber  wirken  sie  gar  nicht  feindlich  con  sensu  eil  auf 
die  Harnblase  und  auf  die  Uohra :  sie  machen  Zufälle  gerade  wie 
jede  andere  NierenatTektion,  welcher  nicht  der  mechanische  Reiz 
der  Steine  7.11  Grunde  liegt.  Husten,  Brustkrampfe,  Seitenstechen, 
anhaltende  I3ebclkeii,  chronischer  Durchfall,  oder  Verstopfung, 
aashaft  riechender  Harn,  Schmerzen  in  den  Fersen  «nd  Ballen  der 
Fiifse,  und  bei  Weibern  Mntlerblutflüsse  und  Hysterie  siod  so  die 
gewShnlichen  Begleiter  der  Nierensieioe,  wenn  sie  ein  wenig  in 
Unruhe  sind.  Seltener  sah  loh  anhallenden  Stuhlswang,  Hüftweb, 
.  Lflhmiing  der  unteren  ExtremttSien.  Sind  sie  gani  in  Aufruhr,  so 
sind  heftige  Kolik  mit  Erbrechen ,  und  bei  Kerpern ,  welche  Nei- 
gung zu  Krämpfen  haben,  allerlei  Krumpfe,  denen  man  allerlei  fa^ 
teinische  und  griechische  Namen  geben  könnte,  die  Ftdge  davon. 
Wenn  sie  ganz  ruhig  sind,  hat  der  Kranke  gar  kein  Leid  VOB 
ihnen. 

Ich  habe  einen  alten  steinsnchtigen  Herrn  gekannt,  der  hatte 
allerlei  Plage  von  den  Nierensteinen,  nur  keine  Urinbeschwerden. 
Da  diesem  nnn  genug  Steine  abgegangen  sind,  nnd  zwar  von  den 
braunen,  welche,  wie  man  sagt,  cr]"!lalli8irte  HarnsKure  sein  sol- 
len, so  kann  niemand  einen  Irrihnm  der  Erkennlnifs  vermnihen. 
Man  hat  in  neueren  Zeilen  die  Bittersalz  erde  als  ein  speziBsches 
Mittel  gegen  Nierensteine  empfohlen.  Ich  glaube  wol ,  dafs  man 
durch  den  anhaltenden  Gebrauch  der  Magnesia  die  OhermifBige 
Erzeugung  der  Harnsäüro  in  den  Nieren  beschränken  und  so  der 
weiteren  Erzeugung  der  Steine  vorbeugen,  vielleicht  auch  auf  die 
Dauer  die  vorhandenen  auflösen  kann ;  allein  es  lifst  sich  darans 
nicht  genfigend  die  schnell  sich  äufsemde    wohlifaäüge  Wirkung 


imm^bm  mi  ü«  Mw«i  «Ukn»  Oanu»  bin  Uh  dw  MsiDMiig, 
4aS»  üa  «in  wabm  aa4  aobtlsbarM  NiMMbsÜMittol  Ut.  Wslfc« 
wtmm  sie  Win  \Mraaueiae  aber  aabwliagt  nnier—  altsn  erprob* 
MB  Mittel,  <kM  Kalkwausr*  vonietiea,  ao  aiÜale  icb  Eiiired« 
ikoa.  £a  gibt  aUerdioga  Steioaüchlig«,  ^eaeo  in  Magaeaia  bea- 
aar  auaagt  als  daa  Kalkwaawr,  aber  andecea  hilft  wieder  besaar 
das  Kalkwaaser  all  die  Magneiin.  Wanint  daa  nun  also  geschie- 
bat,  da«  nag  vielleicht  profeaaotalisch  gaox  gemichlicb  s«  erklB- 
raa  «ein  ,  aber  heilmaiateriach  iat  es  nngemftchli^  auamulegeo. 
Ea  ist  bekannt,  dafs  mui  dia  Magnesia  als  Niereaaiittel  nicht  s« 
atarit  geben  raub,  daJa  sie  «rdentlichen  Durchfall  erregt.  Wie 
f«ll  man  es  nun  hallen,  wenn  chronischer  Durchfall,  und  zwar 
coosensueller ,  TOa  den  Reiae  der  Niereosteise  herrührender  vor- 
handeo  isti  Ich  keaae  eine  Fraa,  welche  lange  Zeit  an  chroni- 
Mbetu  Durchfalle  geltuen,  gegen  welcheo  weder  einer  meiner  erfab- 
reasien  Amiagenoasea,  noch  ayiUer  icb  selbst,  Rath  n-nfste.  End- 
lich wurde  ich  aar  Erkeaotnifs  des  Uraachlichea  dieses  Dnrebfatlea 
geiwaogen;  anf  elnraahl  fing  nttntlich  anhaltende,  allaächllich  sich 
UMbreikde  Hamsirtoge  an,  der  Frau  so  atark  anzoseiten,  dafi  sie 
meine  Hilfe  in  Anspradi  nehmen  nnfsta.  DamahU  kannte  ich 
die  Cochenille  Doefa  nicht,  die  Virgm  mtrea  gab  icb  Tergebena, 
eben  ao  rergebeas  Mittel  anf  Blaaa  n*d  Harnröhre;  aber  Kalkwaaaer 
half  b^.  Wie  wollte  nan  es  nnn  wol  wegen,  eiaer  lolehen  an 
ehroaischem  Darchthnfe  seit  Jahren  leidenden  Fma  Magnesia  ala 
Nierenniltel  la  geben,  basanders  da  bei  ihr  d^  Dnrcblant  von 
Zeit  an  Zeit,  auch  ohne  erkeanbare  veraalaaaead«  Uraacha,  aebr 
stürmisch  warde  and  sie  aehr  an^friff. 

Einer  anderen  Fimi,  welche  abwediaelad  ««gehener  alinken- 
den,  stark  harasanran  Urin  «uasaaderte,  «nd  periodiscb  mit  hef- 
tigen Schmen  des  redMao  Sehankele,  (der  aber  die  Bewegung 
des  Gliedes  nicht  hinderte)  mit  Erbraebeo  nad  lebhaftem  Fieber 
beingesacht  worde,  bekam  das  Kalkwasier  sut  Milch  sehr  schlecht, 
ihr  Magen  konnte  es  dnrchans  nicht  vertragen.  Virga  aurea  half 
gar  nicht,  Magnesia  half  aber,  nod  half  einaig.  Die  Fran  ist 
jeist  lange  nidki  mehr  mit  ihrem  jUebel  geplagt  gewesen.  Früher 
oder  spffier  wird  es  aber  wol  wieder  aasbreoben,  und  kann  dann 
leicht  unter  einer  gans  andern  Form  erscheinen. 

Ich  kenne  eine  Frau,  welche  nie  an  Urinbesch werden  geliirea, 
aber  seit  mehren  Jahren  ein  chronischen  Durchfalle.  Bei  dieser 
vermindene  einA  unmerklich  der  Urin,  ward  endlich  roth  und 
trübe,  die  Füfse  schwoilea  bis  zu  den  Wnden,  sie  haue  schlaflose 
Nächte,  beständige  (Jebelkeit,  Mangel  an  Efsliint,  Schmers<>n  in 
lien  Fenen  and  Ballen  der  FAfse,  sie  blieb  den  grdfslen  Theil 
des  Tages  im  Bette.  In  ihrpr  Faiailie  waren  die  Nierensteine  xu 
Hause,    ihr  Bmder    hatte  fürcbiarlicb   daran   gelitten.      Jeist,    da 


-    208    — 

sie  die  l>Mebrieb«n«ii  ZaMla  hMe,  litt  si«  nlcbl  mehr  a«  Dttrob- 
hlle,  im  Gegenthai),  sm  war  Tenlopfc.  Kalkwauer  wirkte  gut 
anf  das  Niarenorgan ;  der  Urin  verior  Mine  Tr^be  nad  R&lbe  nnd 
vermehrte  bedeutend.  Die  Frau  hatte  aber  eines  grelaen ,  lehr 
grofiea  Widerwillen  gegen  daa  Kalkwaseer,  der,  wn  dach  km 
-  nandien  andern  der  Fall  ist,  aneh  anf  die  Dauer  nicht  minderte: 
iefa  aafa  mich  also  gexwnngen,  ihr  Magneiia  xu  geben  nnd  dns 
KalkwBiser  fahren  zu  laaaen.  Die  JMagoeaia  wirkt«  eben  90  gut 
als  daa  Kalkwasier,  wurde  gern  genommen  nnd  wendete  die  dro- 
hende Wassersncht  ab.  Nachdem  die  Kranke  nnn  wieder  so  weit 
war ,  dafs  sie  den  gansen  Tag  anfser  dem  Bette  bleiben  konnte 
nnd  schon  einzelne  Mab'e  ans  dem  Hanse  ging,  fing  die  MagneHie, 
welche  sonst  bei  der  Verstopfung  gana  mlifsig  auf  den  Stnhlgang 
gewirkt,  auf  Einmahl  an,  als  starkes  Abführof^ mittel  zu  wirken, 
ja  sie  drohele,  den  allen  Dureblaof  wiader  *a  n-wecken;  denn 
wenn  die  Kranke  von  einer  niäfsigen  Gabe  bente  etwas  weichen 
Stuhlgang  bekam,  so  war  sie,  ohne  weiter  Magnesia  sq  nehme«, 
Bocfa  drei  bis  vier  Tage  nachher  durcfallafig.  Ich  hielt  also  fiir» 
klügste  mit  diesem  Mittel  aufxuhSren,  und  gab  blofs  Codienillev 
welche  denn  auch  alle  Zutdlle  nach  nnd  nach  wegscbaffle.  Die 
Uebelkeit  blieb  noch  lauge  und  wollte  sieh  nicht  geben ;  am  aller- 
längsten  blieb  aber  der  FersenscbraerK.  Dieses  geschah  im  Som- 
mer 1829.  Im  Januar  1830  wurde  die  Frau  ron  dem  damahlji  herT> 
sehenden  Bauchfieber  mtlfsig  ergriffen;  gleich  tufsetie  sich  wieder 
das  Nierenleiden ,  es  war  aber  jHst  nHUg  und  liefe  *i^  durch 
Magnesin  und  Cochenille  bald  rathen. 

Wenn  man  solche  steinsuchiige  Leute  wieder  auf  die  Beine 
gebracht  bat,  man  mag  sie  nua  von  Wassersucht,  «der  Kolik, 
«der  Harnwinde,  oder  andergestaltigem  Ungemache  befreit  haben,' 
so  mufs  man  sie  ja  nicht  als  genesen  ansehen,  selbst  dann  nidit, 
wenn  sie  anch  mehre  Jahre  frei  von  allen  Zuf&Ilen  gehlieben, 
regelmftfsig  und  anhaltend  Magnesia  oder  Kalkwasser  gebraucht 
haben. 

Ich  kenne  in  einem  NiederUndisi^en  GrenntSdlchen  eine 
Frau,  deren  gewöhnlicher  nnd  einziger  Arzt  ich  seit  viemnddrei. 
IJiig. Jahren  gewesen.  Seit  15  Jahren  haben  sich  bei  ihr  ZnfiHe 
von  Niarensteinen  geüufsert,  anfänglich  unter  der  Form  des  chro- 
nischen Seitenstechens,  hernach  nnier  der  Form  der  Strangnrie. 
Magnesia  bat  sie  mehre  Jahre  regehuSfsig  gebraucht,  und  sich  so 
gut  dabei  befunden,  dafs  sie  wenig  oder  gar  kein  Leid  mehr  hallen 
selbst  es  wieder  wagte,  in  einem  auf  der  Achse  ruhenden  Fuhr- 
werke SU  fahren ,  .  welche  Wagschaft  ich  doch  eben  nicht  billigen 


Eines  Tages   will   sie  an    einem  Fenstervorhange    etwas    ver- 
ändern oder   rerschdnen  und  iteigt  zn  dem  Ende  anf  einen  Stuhl. 


_    J99    — 

NsdidMU  sie  ihr  Machwerk  Tdlbmeht  aad  wieihr  heruotenifliget, 
irift  ei  ri^,  <!»&  sie  mMli;  Hit  der  Fwse  des  einen  Fn&es  m- 
erst  auf  den  Grund  tritt.  Dieses  Aoftrelen  von  der  Hdbe  auf  eine 
eder  beide  Fersen  gibt  belcanntlieb  eine  eigene,  sehr  nDangenehne 
ErscfaSitemng ,  welche  sich  durch  den  RSckgnih  fortpilanit.  Bei 
dieser  Frau  brachte,  die  Erschütieniag  angenblicklich  die  Nieren- 
steine in  Aufruf;  ich  Mufste  über  Hals  über  Kopf  su  ihr  eilen, 
nns  die  Siraagurie,  die  fast  gSnxlich  geslKrte  Urinabsonderang,  die 
heftige  Kolik  nnd  andere  b6««,  krampfartige  ZußUle  za  beschwieb- 

Seit  ich  diesen  Fall  erlebt,  habe  ich  keinen  rechten  Glauben 
BMbr  an  die  allnttfaiige  Auflösung  der  Nierensteine  beim  Gebraneba 
der  Bitterwlaerde ,  oder  des  Kalkwassers;  zum  wenigsten  qiiifste 
di«w  Auflösung  TeraWMfell  langsaai  ron  Stalten  gehen,  denn  di« 
Fian,  von  der  ich  Jetat  erzählt,  halte  damahls  wenigstens  vier 
Jahre,  we  nicht  fünf,  regelmftfiüg  Magnedn  genommen.  Es  ist 
immer  klug,  dafs  der,  welcher  mit  Nierensteinen  heimgesucht  ist, 
sich  vor  aller  £rsehAtiernng  hüte.  Aber  wunderlich  ist  es  doch 
dals  ruheode  Nierensteine,  sowol  als  ruhende -Gallensteine,  allerlei 
Ersehniterung  und  Bewegung  des  Körpers  vertragen,  ohne  böse  ni 
werden;  itnd.  sn  einer  anderen  Zeit  kann  ein  einsiger  falscher 
Tritt,  eine  einsige  Bewegung  des  Körpers,  diese  eigensinnigen 
Giate  ersBrnen.  Ich  habe  aodi  bemerkt,  dafs  die ,  welche  Nieren- 
steine bei  sich  liaben,  mUsig  letien  mäsaen ;  denn  nehmen  sie  in 
viel  Speise  au  sidi,  oder  solche,  wodurch  sich  viele  Winde  ei^ 
aeogen,  so  werden  durch  die  Winde  oder  vielmehr  durch  die 
Aosdebnasg  der  Därme,  die  Steine  leicht  in  Aufruhr  gebrachl. 

Es  gilrt  Menschen,  welche  lange  Zeit  Nierensteine  bei  sich 
haben,  ohne  im  geringsten  davon  belistiget  (u  werden ;  und  wenn 
sie  einmahl  belftstiget  werden,  und  man  bat  die  Steine  wieder 
besäaftigot,  so  leben  sie  wieder  dahin,  eben  so  gut  wie  jeder  an« 
dere  Gesunde;  dämm  ist  es  ihöricht,  durch  nrintreibende  Millel 
die  Steine  wegtreiben  au  wollen.  Vor  ein  paar  Jahren  ist  in  hie- 
siger NadiMSschaft  eiu  alter  Mann  wahrscheinlich  am  Schlage 
gestorben;  deau  man  hat  ihn  todt  im  Beile  gefunden.  Dieser  klagte 
mir  vor  mehr  denn  awansig  Jahren,  dals  er  abwechselnd  mit  Harn- 
strenge  und  einem  lästigen  Jucken  der  Eichel  geplagt  sei.  Der 
nAfsige  Bodensals  seines  Harnes,  auf  einen  verglasten  Teller  ge- 
gossen, knirschte,  wenn  man  mit  einem  LöflTel  darüber  strich; 
zum  handgreiflichen  Beweise,  dals  das  Ausgesonderte  sandiger  Na- 
tur war.  Diesem  Manne  habe  id|  danuihls  das  Kalkwasser  geraihen; 
er  liat  es  seitdem  immer  getrunken,  wie  ein  anderer  Thee  oder 
Kaffee  trinkt,  und  nicht  ullein  keine  übleren  Zufälle  in  der  langen 
Zeit  hdmnmen,  sondern  die  vorhin  genannten  sind  nasb  oad  nwk 
verschwunden  nnd  nie  wiedergekehrt. 

„,,,_„,,,, Google 


Du  SteinlniWi  iit  übnfcwipl  aio«  tigtm»  and  etwai  gßUkt- 
liche  Sache,  voronigeaetftt ,  dafa  uwb  Mill«!  kennt,  w«Iehe  wiik- 
Udb  Bolche  Kraft  haben ,  dergjcicheo  mir  bis  jetxt  aber  aocti  aioht 
bckanM  worden  Mai.  Abgesehen  dav9a,  dab  die  Nierenateine  la- 
weiiea  eins  a«ItBaiae  und  rauhe  GmIaU  und  aUaieit  einen  eagan 
nnd  langen  Weg  haben,  eh  lie  aur  Blase  komaien,  wi>dureh  dean 
sehr  b^lige  und  scbmerabafle  Zufälle  err^t  werdea ;  so  kann  aneb 
ia  seltenen  Fällen  die  Form  eines  kleines  so  sein,  dafü  «r,  eingw 
keilt  in  den  Hamgang,  EDUÜQdting  und  selbst  den  Tod  verursHobao 
niufd.  leb  wnr  Arzt  eines  alten  steinsücbligen  Herrn,  der  seboa, 
viele  Steine  mit  grofaeiu  Schmers  los  geworden.  Einst  aeigie  mir 
dieser  einen  Stein,  der  mit  sehr  geringem  Stebinera  durch  den 
Uarngang  sur  Blase  gekoainian  war;  er  war  braan  von  Farbe, 
von  keilförmiger  Gestalt,  aad  an  beiden  Enden  so  spiis,  wie  eiae 
Nadel.  Wttra  dieser  Stein  quer  in  den  Harngang  getreten  (und 
die  Möglichkeit  «ines  seloben  Quereintriiles  hing  docb  von  der 
Weile  der  Einmündung  des  Harnganges  in  das  Nierenbeekea  ab> 
so  würde  Entsündang  des  oberen  Theües  des  Harngaoges  und  iea 
Nierenbeckens  und  der  Tod  des  siebenBigjfthrigeq  Mannes  die  Folga 
davon  gewesen  sein. 

Ich  achte  es  tür  laaine  Pfiicbtj  maine  Leaer  auf  eine  Sache 
aufiaerksaai  au  nacfaen,  worSber  ich  anr  zwei  Beobacbtungau  habe) 
die  aber  von  der  Art  lind,  dafs  ich  es  fSr  Unrecht  balle,  das» 
was  ich  durcfa  Zufall  ganz  abaicbulos  beobacblet,  darefa  absichlliche 
Varsoche  su  (»estaiigen,  oder  au  beriohligM.  Dem  ■teinsiicbtigen 
Herrn,  von. welchem  idi  eben  erzählte,  gab  ich  einst  gegea  Le- 
beraffektion die  Tioklor  der  JVkt  eoaitca,  und  siehe!  dieser  Mann, 
welcher  wenig  oder  gar  nicht  an  Harnitrenge  litt,  bekam  diese 
auf  den  Gebrauob  der  Tinktur  in  zieialichem  (irade,  nnd  die  ru- 
henden  Steine  wurden  aufrühriseh.  Ich  sefarieb  dieses  danahls  dem 
Zufalle,  unemdeekbaren  Ursachen,  aber  nicht  der  IVux  rwwtca  yn. 
Eine  lange  Zeit  nachher  gab  ich  dem  nämlichen  Herrn  gegen 
Baucbschrnerien  abemabU  die  Tinkiur  der  Kräbenaugea,  uad 
siebe!  abermabls  erschien  Harnitrenge,  und  die  Bauchschmerzen 
wurden  nicht  besser,  sondern  ichlimiaer.  Diese  Beobachuogen, 
über  welche  ich  damahla  nicht  aburibeileo  mochte,  wurden  mir 
ungefähr  achtzehn  Jahre  nachher  auf  eine  nnangenehme  Weise 
ins  Gedächtnifs  gerufen.  Einer  Frau,  welche  vor  drei  Jahren  an 
Harnitrenge  gelitten,  anhaliead  gelitten,  und  mit  Kalkwasser  nach 
und  nach  davon  befreit  war ,  gab  ich  .bei  einer  akuten  Krankheit, 
wo  ich  wegen  de,  bei  der  Besserung  auf  F.inmafal  dunkel  werden- 
den Harnes  die  Laber  ergriffen  glaubte,  das  Wasser  der  KrBbea- 
angen.  Sehr  beschäftigt,  wie  ich  dainahls  war,  dachte  ich  wirklich 
niobt  daran,  dab  sie  vor  drei  Jahren  an  Zufällen  von  NierMHleinea 
gelitten,    und  eben  so  wenig    dachte  ich  an  jene   unvollkorameoe 


—  »I  - 

Beobaehtnitg  In  Beireff  der  OU««  Wirkung  der  Nnx  vomica  anf 
die  Nierenateiie ,  wriche  i«h  aekfxehn  Jebre  frohpr  bei  dem  alten 
MeinsächiigeB  Herr»  gemBubf.  In  swei  Tb|^  wurde  der  dnokle 
Urta  hell ;  aber  gleich  nnch  dieser  Veiftndenmg  trat  aock  Ham- 
Mreage  ein ,  and  nähme  nileh  an  die  Steine  der  Fnni  nnd  an 
laeine  frähere  Beobaghtung.  Ich  seilte  die  IVux  voatiem  bei  Seile, 
halle  aber  genng  an  ihan,  den  GbUn  Folgen  der  anfgereglen  Steine 
!ta  begegnen.  Ja  obgleich  ich  geicliwind  begriff,  worauf  es  hier 
askam ,'  bo  waren  doch ,  eh  ich  die  f  Irin  absondern  ng  wieder  nor- 
mal  balle,  die  Fiifse  bis  la  den  Knien  Sdemaiai. 

Nierenaffektioaen ,  wMehe  Steine  zar  Ursache  beben  ,  berahi- 
gao  lieb  nicht  so  schnell,  ala  ^dra  nicht  von  Steinen  herrührende; 
aaweilen  kann  man  Erste  von  Letalen  Mids  dnreb  ihre  Harlnickig- 
keh  erkennen.  Warme  Bibntag  der  Nierengegend  ist  ein  sehr  gn- 
lea  Hfilfcbemhigangamitiel  der  von  SMlnen  berrfibrenden  Nieren- 
besebwerden,  xnio  wenigsten  mnfs  man  ein  aelchea  einfaches  Ne- 
benmittel nicht  reracfalen,  es  leistet  wirklich  in  einzelnen  Fillen 
mehr  als  man  erwarten  sollte.  Ich  lasse  Weizenkleie  mit  warmem 
Wasaer  anmengen,  in  einen  Sack  ihm  und  den  Kranken  sich  dar- 
auf legen. 

Strangurie  von  Nierensteinen  hat  in  einadnen  Fallen  das  Ei- 
gene an  sich,  dafs  iie  plStiliofa  Tersohwindet,  eine,  oder  ein  paar 
Standen  sebweigt,  nnd  dann  plötzlich  wieder  erscheint ;  ja  zuwei- 
len kann  das  plöldlehe  Wiedererschein ea  nnr  angenbllcklieh  sein, 
wie  ein  BKiastrahl.  Jetzt  plaudert  der  Kranke  lustig  mit  nna,  auf 
Einmahl  verserret  er  schmerzhaft  das'  Gesicht,  sucht  das  Naehtge- 
•chirr,  oder  iäutt  eilig  zam  Abtritt,  kommt  über  ein  weaig  wie- 
der und  der  Stofs  ist  TorOber.  Solche  seluame  Abwechselung 
macht  eine  gew&holiebe  Strangnrie  nicht;  wo  man  dei^Ieichen 
wunderliche  Dinge  wehet,  kann  man  der  Nierensteine  tiemlieh  si- 
cher sein;  aber  freilich,  sind  diese  in  den  wenigsten,  in  den  aller- 
weaigsten  Fillen  höflich  genug,  sich  also  blofs  so  geben. 

Den  Walbern  sind  Nierensteine ,  wegen  der  Mutterblntflüsse, 
welche  sie  verursachen  können,  geftthrlieb;  Ich  habe  zwei  daran 
sterben  sehen.  Die  eine  balle  hefUge  tätrangurie ,  der  Urin  war 
blafs,  trQbe-,  mh  einem  Badcnsalse,  der  im  Glase  aussah,  als  be- 
stände er  aus  Schabsei  von  Häuten;  zuweilen  waren  blutige  Fliefs- 
*  i^n  mit  diesem  Scbabsel  gemischt  Sie  hatte  geschwollene  Füfie 
bis  zu  den  Waden,  Wasser  im  Bauche  nnd  periodisch  chronischen 
Durchfall ,  dabei  beatftndig  schleichendes  Fieber  und  von  Zeit  m 
Zeit  mSfsige  Blutungen  ans  der  Bitrniuiter.  Durch  Cochenille,  Kalk- 
wBsser,  Magnesia  a.  s.  w.,  je  nachdem  die  UmsiSnde  die  Anwen- 
dung des  einen ,  oder  des  anderen  foderten  nnd  erlaubtea ,  wurde 
das  Uebel  so  weit  zur  Rnho  gelullet,  defo  das  Wasser  ans  dem 
Bändle    verschwand,    der  Uu/chlanf  aufhörte  and  das  Oedem  der 


-  aoe  - 

FfilJM  ful  VM^ngen  war.  Ich  «igte  Ihr  jMit,  nicht  nnlM  Ti«r 
Augen,  sondern  absichtlleh  io  Gegrawart  ihrer  groli^}ihrigeh  Toch- 
ter :  eie  müne  sich  vor  aller  Bewegang  hüten ,  wodurch  ihr  Kör- 
per eine  Erichiitteraog  erleide,  nanenilich  vor  den  HerunterapriiH 
gen  von  einer,  wena  gleieh  geringoD  Höbe,  and  vor  dem  Faluen 
io  einein  unbefederten  Fuhrwerke.  Weil  nun  aber,  wie  e«  scheint, 
jeder  sein  Schicksal  bat,  dein  er  nicht  eotgeheo  kann.  Ho  trSgt  ea 
sieh  zu,  dafs  ihre  verheiratfaete,  in  weiter  Feme  wohnende  Todi- 
t«r  ihr  einen  Besacfa  aokSndiget,  nnd  den  Tag  der  Ankunft  be- 
Blimmt.  An  diesem  Tage  ist  lieblicIieB  Wetter,  die  Kranke  föhltsiofa 
wohl,  sie  vergifst  meine  Wamnng,  oder  denkt,  ich  sei  xn  sehr  nn 
sie  besorgt ,  ftbrt  in  einem  anf  der  Achse  stehenden  Fahrwerke, 
weil  sie  kein  anderes  haben  kann,  nach  e!n«n  iwel  Wegstanden 
entlegenen  Flecken  der  kommenden  Tochter  entgegen.  Alles  macht 
sich  gBnsjvortreSlich;  aber  gleich  nach  dieaer  Fahrt  wird  die  Uria- 
abflODdernng  aa&  nene  gestört,  es  entsteht  Strangnrie,  starker 
Rrickenscbmers ,  Oedem  der  Fäfse,  ein  heftiger,  maanialtaamer 
Mutterblntflnfs,  und  in  edichen  Tagen  war  die  Frau  todt. 

Der  sweite  Fall  war  gaiu  ander« ;  er  trag  aich  in  einem  Niv 
'  derlfindischen  GrensslSdtchen  in.  Ich  -wurde  hingerufen,  da  die 
Frao  schon  laAgst  bettlägerig  and  inm  Gerippe  abgeiehrt  war.  Sie 
hatte  bis  dabin,  angeblich,  noeh  nie  über  Urinbescbwerden  gekla- 
get,  ihre  Urinabaonderong  war  anch  aicbi  im  mindesten  gestört. 
Bis  dahin  war  die  Hauptsache ,  woran  sie  gelitten ,  ein  nicht  in 
hemmender  BlatflurB  der  Maller  nnd  ein  starker  Kreaiscfamerx  ge- 
wesen. Ihr  Arzt,  der  sie  sehr  lange  behandelt,  hatte  init  beiden 
ZnftiHen  nbel  fertig  werden  können;  jedoch  hatte  der  Mntterblnt- 
flafs,  nachdem  die  Kranke  gfinalich  erachöpfi  war,  anfgehört.  Ob 
darch  den  Gebraach  der  Mittel  meines  Amtsgenossen ,  oder  von 
selbst,  kann  ich  nicht  sagen,  denn  ich  weifs  nicht,  was  er  ihr  ge- 
geben. Die  Krenuchmemn  waren  aber  noch  in  hohem  Grade 
vorhanden,  dabei  starkes  Zehrfieber,  gfinzliche  ErtefaSpfang  and 
Tollkommne  BetllSgerigkeit.  Da  dieser  Fall  sich  vor  langer  Zeit 
sugelragen,  wo  ich  noch  nicht  so  genau,  wie  spftter,  anf  das  U^ 
leiden  der  £inseIorgane  achtele,  nnd  eben  su  wenig  an  Nieren- 
steine dachte,  als  wahrscheinlich  mein  niederländischer  College 
daran  wird  gedacht  haben :  so  wu&fe  ich  wahrhaftig  nicht ,  was 
ich  mit  diesem  auBgemergelleo  Leichname  anders  inacben  soUle,  ah  * 
ihm  sogenannte  slftrkende  Mitlei  reichen.  Ich  sah  aber  von  den- 
selben keinen  Notien  und  keinen  Schaden;  das,  was  sich  gleieh 
darauf  mnig,  kann  ich  dnrchaus  nicht  auf  Reclmang 'der  Mittel 
schreiben.  Es  begab  sich  nBmlichj  dafs  die  Kranke  anfing  über 
Hamslrenge  zu  klagen,  und  es  gingen  ihr  Nterensleine  ab;  nicht 
braune,  welche  ciTstailisirte  HamsSure  sein  sollen,  sondern  weifse 
K^kslelne  von  sehr  rauher  Oberflfiche.     Es  war  mir  gleieh  auffal- 


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htti  und  Mwrknüf^g,  dilii  di«M  Stoiaie,  deren  ethcfae  doch  so 
gmh  waren ,  >1>  ich  je  anagehvnte  geaeben ,  beim  Darchgange 
durch  die  Ureleren  keine  Kdikacbmorsea  vemraacht  hatten.  IVaeh- 
dera  sie  nun  nach  and  nach  eine  gnie  A&sabl  Steine  (die  Zahl  ha- 
be ich  nicht  angesehrieben)  von  venchiedener  Grdfse,  ebne  Bauch- 
•ohinen  losgeworden,  ihr  Zuslaad  aber  dadurch  oicbt  im  minde- 
sten besser  war,  fing  auf  Eiamabl  die  Harnstrenge,  welche  seit 
elitchen  Tagen  Xachlafs  gemacht,  so  grausam  an  su  wiiihen,  dsfs 
die  inneren  und  äuJseren  Schanilefzen  sich  schmersbaft  entsönde- 
l«n  nnd  so  siark  anschwallen,  dafs  die  ame  Frau  vor  Sebtnerz 
nnd  Notfa  aieht  wnfste,  wohin  sie  sich  wenden  sollte.  Entadnduags- 
widrige  Mittel  beschwichtigten  den  beftigeo  Reis  and  die  Geschwulst 
der  Scham  in  etwas,  aber  die  Stra^;urie  konnten  sie  nicht  heben. 
Endlich  wurde  «in  wanderliiAes  Ding  aus  der  Bluse  mit  grolser 
Pein  geprefat;  man  laigt^  mir  es  in  «inem  Theeköpfeheo  von  mit- 
lalroftfsiger  GrSfie,  welches  awei  ßriitd  davon  angerüllei  war.  Auf 
den  ersten  Blick  sah  «s  aus  wie  ein  Flocken  branner,  in  einander 
gvwirrler,  nasaer  Haare;  bei  näherer  UetanuuJiung  ergab  es  ücb 
ak>er,  dafs  es  eine  Mass e  braunen,  gallerlariigen  Schleimes  war. 
Von  aufsen  war  dieser  scbeiabace  Haarfloeken  mit  neun  weifsen, 
sehr  rauhen  und  scharfen  Steinen  beseUl,  von  denen  der  grölste, 
wie  «in«  Erbse,  der  kleinste,  wie  ein  grofier  Nadelkopf  war. 
Dals  diese  rauhen,  scharfen  Steine,  durch  ibr«n  Reiz  auf  der 
inner«  Flftcbe  der  Blase,  die  heftige  Slrangurie  und  di«  Enlxüs- 
diing  der  Schamlefcen  verursacht  haben,  ist  wol  %a  begreifen ;  ancfa 
ist  xo  beguifen,  dafs  sich  durch  den  Reis  der  Steine  der  Schleim 
ans  der  Blase  gesondert.  Aber  zweierlei  kann  ich  nicht  gut  be- 
greifen, nämlich,  wie  dec  Schleim  ia  aoloh  wunderliche  faanrjibn- 
liche  F&dea  gesogen  war,  und  wie  es  mS^ich»  dafs  die  Steine 
auswendig  nuf  der  Scfaleimmass«  saiseo.  Wenn  sie  durch  ihren' 
Beiz  auf  die  Blase  die  Absonderung  einet  solch  gallertartigen  Sdilei- 
mas  so  Ursachen  im  Stande  waren,  so  hätten  sie  inner  der  Schleim- 
BUlMe>  nicht  von  aofsen  auf  derselben  sitzen  müssen.  Doch  wer 
kennet  die  eigeothuulicben  Bewegungen  der  Organe  im  lebenden 
KSryerl     leb  zum  wenigsleo  kenne  sie  nicht. 

Wie  es  nun  w«iler  mit  der  Frau  gegangen,  ist  bald  zu  ersah- 
len.  Si«  war,  nach  Aussonderung  der  beschriebenen  Masse,  von 
allen  Schmerzen  frei,  lebte  noch  eiliche  Tage  ein  Pflansenleben 
and  gab  dann  den  Geist  auf. 

Dieser  Fall  hat  noch  zwei  Besonderheiten,  welche  mir  einer 
kurzen  Erwftgung  wertfa  scheinen.  Die  erste  ist,  dafa  die  Steine 
ohne  Scliraerzen  durch  die  Hamgänge  zur  Blase  kamen ,  obgleich 
mehre  dwselben  so  grofs,  so  rauh  uud  so  scharf  waren,  dafs  sie 
dieHsrngänge  wol  heftig  hallen  reizen  müssen.  Ich  schreibe  die* 
•e  Beaoaderbeit  auf  die  durch  den  grofsen  nnd  anhaltenden  Blut- 


-    3M    — 

verhiflt  veranaehte  EraoUpfsng,  irad  mf  die  Abnahine  dca  L«b«nfi, 
welches  sichtlidi  steh  rieni  ErlSschen  DBhete>  In  koLchem  Zustan- 
de erschlaffen  alle  KanHie ;  Steine,  welche  früher,  bei  ihrem  Durch- 
gänge durch  die  Ureiaren  die  hefiigiten  Zuffille  wärden  erregt  ha- 
ben, können  dann  gar  wohl  ohne  Schmers  in  die  Blase  steigen. 
So  stehet  man  ja  auch  zuweilen,  dafs  bei  tödtlieben  Harnverhal- 
tungen der  Calfaeier,  sobald  das  Leben  zur  Neige  gehet,  ohne  Mühe 
in  die  Blase  zu  bringen  ist,  der  vorher,  von  einer  erfahrenen  Hand 
gefnhrel,  mit  aller  Mühe  nicht  hineinzubringen  war. 

Die  BWeiie  Besonderheit  des  Falles  Ist,  data  die  Steine  in  der 
Blase  einen  su  faefiigen  Reiz  machten.  Bis  dahin  hatte  itb  immer 
gesehen,  dafs  ein  Stein,  wenn'  er  beim  Hemnlersleigea  durch  dea 
Harngang  die  heftigsten  Zußllle  verursachte,  alle  Gewalt  xn  aciuf 
den  verlor,  sobald  er  in  der  Blase  war;  wie  durch  einen  Zauber 
verschwand  dann  in  einem  Augenblicke  alles  Elend,  und  kurz  dar- 
auf wurde  M  ohne  MAhe  ansgebamet.  Sollte  die  Besondeibeit  des 
letzten  Falles  wol  darin  begrilndet  sein,  dals,  wenn  mehre  Strine 
zugleich  in  der  Blase  sind,  sie  sieh  einander  den  Aasgang  selbst 
versperren  ? 

Den  Durchgang  der  Steine  dnrch  die  Ham|^nge  habe  iah  jelst 
in  langer  Zeit  nicht  erlebt.  Da  ich  ihn  en  behandeln  hatte,  and 
oh  zu  behandeln  halte,  kannte  ich  die  Eigenmittel  anf  Nieren  and 
Blase  weiter  noch  nicht  als  dem  Namen  nach,  mufste  mich  mit 
allgemeinen  Milleln  behelfen,  nnd  kann  also  dem  Leser  nicht  bm 
Erfahrung  miitheilen ,  was  die  erwAhnten  nnd  noch  zu  erwähnen- 
den Eigenmittel  in  solch  grofser  Notfa  leisten  werden,  Damahls 
habe  ich  mit  Mohnsaft  und  Laxirmittel  das  Ding  gutmachen  mO^ 
snn.  Sonderbar  vrar  es,  dafs  beide  Mittel,  abwechselnd  gegeben, 
den  Kranken  von  seinem  gräulichen  Banchschmerz  eine  Zeillang 
Cgewdhnlieh  einen  Tag)  befreiten.  Wenn  beule  der  Mohnsaft  die 
Kolik  zum  Schweigen  brachte,  so  liefs  er  mich  morgen  ganz  im 
Stich  :  dann  half  aber  eine  Abkochung  von  Sennesblältem  mit  Glau- 
bersalz. Wollte  ich  nun  am  anderen  Tage  den  wiedererwachtMi 
Schmerz  mit  dem  Laxirtranke  beschlv&ren,  so  that  ich  vergebene 
Mühe;  griff  ich  zum  Mohnsafte,  so  sah  toh,  dafs  in  diesem  nber- 
mahls  die  rechte  Htllfe  war.  Solchergestalt  mnfste  ich,  je  nach- 
dem es  fiel,  Ifingere  oder  kürzere  Zeit  laviren,  bis  der  Stein  la 
der  Blase  war.  Auf  alle  Falle  siiid  dergleichen  Geschichten  aber 
für  den  praktischen  Arzt  sehr  unangenehm ,  wer  sie  nicht  erlebt 
hat,  braucht  nicht  nach  ihnen  zu  verlangen.  Wir  haben  es  mit  ei- 
ner kSrperlichen,  harten,  rauhen,  scharfen,  eingekeilten  Kranken- 
ursache zu  thuQ,  die  wir  nicht  mit  der  Zange  ans  dem  Kftrper  rei- 
fsen  kSnnen,  sondern  mit  der  wir  gar  säuberlich  umgehen  müssen, 
wenn  wir  sie  nicht,  statt  sanfter,  viel  nngeslümer  und  wüthiger 
machen   wollen.     Ich  bin  in  meiner  Jagend  bei  awei  alten  stein- 


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BÜchligen  Herren  in  der  Lehre  gewesen  nnd  kenne  rite  Snche  ans 
dem  Gninde.     Gott   bewahre  jeden  Ant   vor   solcher  Kondscbaft. 

Ich  habe  Torhin  als  eine  Seltsamkeit  angeführt,  dab  bei  der 
Frau,  deren  Krankengeschichte  ich  zuletit  eraShU,  die  Steine  ohne 
Koltk  SU  remrs'tchen  ihre  Reise  von  den  Nieren  inr  Blase  ge- 
nacfal  hStlen.  Man  tnufs  das  mm  aber  nicht  so  versteben,  als  ob 
ich  bei  andern  Sieinsüchtigen  nie  ein  solches  schmeinloses  Hinnn- 
tersleigen  beobachtet  hStte.  Den  ersien  Stein  hnhe  ich  wirklich 
noch  nie  ohne  Schmerzen  nnd  ohne  grofse  Kohmerren  herunierslei* 
gen  sehen;  war  aber  der  erste,  cweiie  and  dritte  dnreh  den  Ureter 
mit  Mflhe  gedrungen,  nnd  der  Kanal  wahrscheinlich  erweitert,  so 
konnte  hiniennaeh  ein  kleinerer  Mit  geringem ,  oder  fast  gar  kei- 
nem Schmerze  darchgehen;  roraosgeselxt ,  dafs  seine  eigenthfim« 
liehe  Gestalt  und-  Rauhigkeit  ihn  nicht  m  solchem  whniefaloseB 
Dnrchgange  iinffihig  machte. 

Der  Schmerz,  den  ich  bei  einigen  nlerensieinifichtigen  nicht' 
podagrinchen  Menschen  in  den  Fersen  nnd  Ballen  der  Fü&e  be- 
merkt, der  nicht  blofs  in  einer  schmerzhaften  Steifheit  dieser  Theil« 
beim  Gehen  bestehet  (desgleichen  sich  zu  mant^en  andern  Baudi- 
leiden  gesellet),  sondern  der  sich  auch  im  mhenden  Zustande  üh- 
fscrt,  hat  mich  auf  den  Gedanken  gebracht,  ob  das  wirkliche  echte 
Podagra  der  Steinsiichtigen  wol  eine  blofs  consensnelle  Affektion 
der  Fiifae  sein  kSnne.  Entscheiden  Iflfst  sich  freilich  darüber  nicht; 
es  ist  mir  aber  der  Gedanke  aufgedrungen ,  wenn  ich  sah ,  dafa 
nach  beschwichtigter  Sieinkolik  gleich  ein  Anfall  des  Podagras  ein- 
trat. Sjdenhams  Abbandiirng  vom  Podagra,  in  welcher  er  uns  sei- 
ne eigenen  Leiden  erzShIt,  ist,  aus  diesem  Gesichtspunkte  betrach- 
tet, nicht  nnbelehrend. 

Die  Nierensteine  haben  schon ,  da  ich  noch  fast  jung  war, 
allerlei  Srziliche  Zweifel  in  meinem  Kopfe  rege  gemacht.  Wenn 
ich  nämlich  sah ,  wie  an  einem  und  demselben  KSrper  beim  Re- 
belliscbwerden  der  Steine  sich  allerlei  Znfllle  äufserten ;  jeict  sol- 
che, nnd  dann  wieder  gans  andre,  so  dachte  ich  anf  meine  Weise: 
hier  ist  doch  nun  eine  materielle,  mechanische  Ursache,  ich  kenne 
sie,  ieh  werde  sie  früher  oder  spKter  mit  meinen  Augen  sehen, 
mit  meinen  Fingern  halten,  und  doch  macht  diese  grobe,  greifliche, 
irdische  Ursache  jetst  solche  ZnfSlle,  vielleicht  über  zwei  Monate 
ganz  andere,  nnd  vor  f?inf  oder  sechs  Monaten  machte  sie  wieder 
ganz  andere,  bald  stinkenden  Harn,  bald  Kolik,  bald  Hamstrenge, 
bald  Seitenstechen,  bald  beständiges  Uebelsein,  bald  Erbrechen, 
bald  Husten  mit  garstigem  Auswurfe,  bald  erstickende  BnntkrBm- 
pfe.  Wenn  nnn  die  von  einer  so  groben,  handgreiflichen  Ursache 
erzeugte  Affektion  eines  Organes  sich  durch  solche  abwechselnde 
nnd  unsichere  Znf^lle  Hufsert,  deren  die  wenigsten  auf  ein  Ergrif- 
fensein  des  urerkranklen  Organes   deuten;    wie  mag  es  dann  wol 


—    3«6    ->- 
am  itie  ftmlicbe  Rrkenntnif«  Hftloher  Affehiicncn  «hh^mi,  «eich« 
von  einpr  iinsiehibRren    und    iingreiiTieben  Ursache  ftbhiingent     Ist 
M  wol  wahrscheinlich,    dafi  di«M  sich  dnrch  beslinimtem  Ziiflill« 
kand  geben  wrden! 

Wollte  ich  aber  behanplen,  dafs  solche  Zweifel  schon  eioeo 
oniniilel baren  £iflfliifs  Ruf 'nteine  inlellectnelle  Arxtliche  Ausbildung 
gehabt  bfttien,  so  mrifsre  ich  Unwalirheil  reden.  OKOiabls  inxcbte 
ich  schiichi  Beobach langen,  nnd  trag  sie  mit  Glossen  vetveben  ia 
das  Ftindbuch  meine«  GedHchtnUses. 

Von  der  Einketlnng  eines  Nierensteinea  in  den  Hnrngaag  habe 
ich  io  meiner  Jugend  ein  einziges  Mahl  lödiliche  Apoplexie  erfol- 
gen sehen.  Kin  KaefmiHin  in  «iaein  benachbarten  Flecken  hegehr- 
te  gegen  Kolik  Hülfe  von  mir.  Ans  den  voriiergegangenen  und 
vorhandenen  ZiiAtlen  urtheilie  icb,  dafs  der  ßanchschmert  ron  ei- 
nem in  den  Ureter  eingekeilten  Kleine  herrühre.  Ich  sagte  ihm 
dieses,  ermahnte  ihn,  ein  wenig  Geduld  n  haben,  nnd  gab  ibm 
abwechselnd  MehsMift  nnd  LaxirniiUel.  Diese  Mittel  leisteten  die 
v«rhiR  beschriebene  Wirkung;  der  SchiMn  wnrde  »ehre  Tage  i8g- 
licb  beMcbwichiigel,  und  kehrte  am  folgenden  Tage  wieder.  Weil 
et  itnn  dem  Manne  za  langsam  ging  tind  er  vielleicbi  Mifstrswen 
in  Betreff  der  Richtigkeit  meiner  Ansicht  hatte,  so  wendete  er  sich 
an  einen  andern  A«(,  damit  ihm  der  schneller  helfen  solllc.  Waa 
dieser  nun  mit  ihm  angestellet  hat,  kann  ich  nicht  sagen;  er  wird 
abw  wol,  da  er  ein  ehrlicher  Mann  war,  sein  BeUes  getban  haben. 
Naeb  zehn  oder  vierzehn  Tagen  bat  man  mich,  noch  einmahl  zu 
dem  Kranken  Ko  kommen.  Sobald  ich  ihn  aber  aah,  begriff  ich 
bald,  dafs  es  mit  ihm  vorbei  s«,  denn  er  war  an  einer  Seite  ge- 
'  l&hmet,  und  diese  Lfihmnng  nach  einer  leichten,  l>ald  vorübe^e- 
gangenen  BetAnbnng  eingetreten.  Nun  hört»  ich,  dafs  mein  Amts- 
genosse, der  den  Baachschmera  schnell  heben  sollte,  noch  weit  we- 
niger Schlag  gehabt,  mit  solchen  Dingen  nmaugeheo,  als  ich.  Ich 
hatte  doch  noch  iRglich  den  Schmers  meistern  können.  Er  hatte 
gar  nichts  gewonnen,  der  Schmers  war  trotz  allen  Bemiihnngen  ge- 
blieben, bis  die  Lithmnng  demselben  ein  Ende  gemacht.  Aber  frei- 
lieh war  auch  das  Ende  des  Lebeas  da;  der  Tod  erfolgte  ein  paar 
Tage  nachher.  Dieses  ist  jedoch  nicht  der  einzige  'Steinsnchtige, 
den  ich  habe  apoplektiseh  sterben  sdien.  Die  cwei  allen  steinsiich- 
ligen  Herren,  tod  denen  ich  oben  gesagt,  dafs  sie  mich  in  meiner 
Jogend  in  der  Mache  gehabt,  sind  beide  am  Sehlage  gestorben, 
der  eine  -  plötzlich ,  der  andere  mit  langen)  and  nngewöbnlichem 
Elende,  welchen  letzten  Fall  ich  an  einem  aohickli^eren  Orte  die- 
lea  Baches  erzfihlen  werde.  In  beiden  wurde  der  Schlag  aber  nicht 
durch  die  Einkeilong  eines  Steines  bewirkt. 

In  der  Zusemraonselznog  der  Rati,  Ononidit  »pinaaae  mit  der 
virga  aurea,  welche  Herr  Dr.  Murbeck  empfohlen,  faabe  icbiieine 


—  aw  — 

bMsnderi  wolilihiiiga  HeimKetikMt  j^wmhr  wwilen  kftmieR,  ob- 
gleich icb  sie  etllcfae  MaUe  Termcht.  Es  komail  mir  fatt  vot,  k1« 
•b  ein  Amt,  der  die  Wtricnng  der  einraehea  Geldruthe  dnrcli  dea 
Gebcanch  keaot,  diese  nicbt  leicht  mil  jener  ZneamraenBetEang  rer- 
faaeben  wird.  Jedoch  mafae  ich  mir  kein  Unheil  in  aol^ea  Din- 
ges an.  Da  ich  in  dem  gaaxcn  LanTe  meiner  Praiia  aafwhr  we- 
nig Ziuaramenaetningen  geMoiaeB  bin,  denen  ich  nit  Ueberseu- 
gnng  gehfliia«  Ktfifte  maehreihe;  ao  kann  es  nicht  fehlen,  ich  mafa 
Mifdiranen  in  die  mir  gebotenen  Zusammenaetaungen  atcllen,  (sage 
■lao  nicht  mm  Unleranchen  solcher  Diage. 

In  Betreff  der  Geldmihe  bemerke  ich  meinen  Leser»  Folgen- 
des :  Unter  dem  Namen  SaUämgp  virga  aurea  wwdeo  von  den  Ma- 
teiiaKaten  raUche  Krftaiet  verlunft.  Da  die  echte  drei  WegstotH 
4eo  von  hier  h&ufig  wichet,  so  lassen  die  hiesigen  Apotheker  sie 
edbst  aammlcn.  Einst  war  eher  dem  Herrn  M.,  weil  ich  sie  nnge- 
wöbnlieh  viel  gebraneht,  sein  Vorrath  sn  frflh  eingegangen,  und 
er  genStbIgM,  sieh  an  die  Materialialen  m  wenden.  Von  vieren 
beknm  er  Mache  Goldmtbe,  aagta  mir  daa  aber  als  gewisaeahafter 
Mann  gleich ,  nnd  ich  behalf  mich  eine  Zeillang  ohne  Goldmihet 
welchea  mir  aber  sehr  Uaiig  war. 

Znsalz   vom  Jahre  1835. 

Obiges  schrieb  ich  im  Jahre  ttt29.  Seitdem  hat  sich  nnn  die 
Cochenille  als  ein  sehr  edeles  Nierenmittel  bewHhrel,  welches 
nicht  dnreh  die  Goldmtfae  sn  erselaen  ist.  F.s  gibt  sweierlei  Er- 
Iminknng  der  Nieren,  von  denen  die  eine  durch  Cochenille,  die 
andere  durch  Geldmtfae  geheilt  wird.  Beide  Mittel  leisten  aber 
nichli  bei  dem  in  einem  Hamgange  eingekeilten  Nierensteine. 

Gebrannte  BittenMlserde  hat  mir,  gleicbxeitig  mit  der  Coche- 
nille gegeben,  beim  Nierensande  ansnehmend  gute  Dienste  gelei- 
Met.  Dieses  gleichseitige  Gehen  beider  Mittel  beschwichtiget  aicbt 
nilein  die  verschiedeoaitigen ,  mitnnier  listigen  ZnfSlIe,  sondern 
befSrdert  nnch  gar  (refilich  den  Abgang  des  Sandes.  Es  ist  kaum 
glanblich,'welehe  Menge  Sand  die  Nieren  eoihalten  kSnnen.  Eine 
Fmn,  die  dnreh  dea  Reia  dea  Sandes  heftigen  eonsensnellen  Schmen 
4es  linken  FuCms  lange  Zeit  gehabt,  zur  Lindernng  des  Scbmer- 
sea  immer  mit  gehogMiem  Knie  gelegen  nnd  gesessen,  wodunA 
4ie  Bengemn^eln  schon  bedeafend  verkürat  waren,  entleerte  anf 
Jen  Gebmncb  der  besagten  Miifel  xehn  Wochen  lang  bei  jedem 
Hamen  schwaragranen ,  selten  rothen  Sand.  Ihre  Gesondbeit  ist 
wiedergekehrt,  der  Scbmen  ans  dem  Fnfse  verschwnnden ;  aber 
des  Knie  kann  nicht  ordenilich  ausgeitreckt  werden.  .  Diese  Ver- 
JcrSppcliing  habe  ich  awar  auf  mechanische  Weise  mm  gröfsten 
Tbeile  gehaben;  gaiu  kann  sie  aber  nicht  gehoben  werden,  da  die 


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FniH,   di«,   Jelsl  frei  von  Sehnten,    tich  wenig  rii«  rfetn  Hinken 
inachl,  <lie  Anwendungf  der  mechRnischen  HitlTe  bin  znr  Tollkomni- 
nen  Geradheit  de>  Gliedes,    weil  sie  ihr  za    langweilig  ist,    ver^ 
BohiiiShel. 

Vor  Kuneni  habe  ich  einen  merkwürdigen  Fall  erlebt.  Eiaa 
fnofzigjKhrige  Fran,  die  angeblieh  achon  lange  mit  allerlei  Leiden 
gekämpft,  deren  maleriellen,  ineehanis^nn  Grand  ich  gleich  in  den 
Nieren  fand,  die  auf  den  Gebrauch  der  Magneeia  u>d  Cochenille 
viel  Sasd  entleerte,  und  nun  ihrer  Leiden  so  weit  wlediget  war, 
dafs  sie  wieder  herumgehen  konnte,  besucht»  mich  eines  Tage«. 
Da  ich  sie  nie  gesehen,  sondern  nur  nach  Bericht  verordnet,  der 
Beriohi  aber  anfkngllch  sehr  hoffnungslos  gel anici,  ao  wm-i«t)  nitdit 
wenig  erstaunt,  in  der  Person  dieser  rührigen  Fran  die  angebliche 
Leiderinn  vor  mir  za  haben.  Ich  Sufiierle  die  Verninihnag,  ihr  S«hn 
werde  wol  in  seiner  anfänglichen  Bescbreilqing  ihres  Znstandes 
sich  einiger  üeberlreifaiing  schuldig  gemacht  haben.  Sie  behanp- 
tBis  aber,  er  habe  nichts  übertrieben ,  sie  sei  wirklich  sehr  elend 
gewesen  ,  aber  mit  Geltes  nnd  der  Arsenei  Hülfe  seien  die  gHtfs- 
ten  Leiden  Ton  ihr  gewichen ,  «ad  sie  lebe  jetzt  der  Hoflitnng, 
ganz  wieder  gesund  zu  wertlen.  Ich  harte  sie  früher  dnrcb  ihren 
Sohn  warnen  lassen,  keine  Urin-,  oder  Steintreibende  Mittel,  die 
ihr  unkundige  Raihgeher  vielleicht  anbieten  nidchien,  zn  gebrau- 
chen; da  nSmlieh  niemand  wissen  könne,  ob  sie  nicht  nebst  dem 
Sande  auch  Steine  in  den  Nieren  habe,  und  eben  so  wenig  ein 
sterblicher  Mensch  hefflhigt  sei,  die  Gröfse  nnd  Form  solcher  Steine 
zu  bestimmen,  so  sei  das  Sieinlreiben  ein  lebensgeföhrlichus  Un- 
ternehmea.  Sie  erittnerle  sich  jetzt  diesor  Warnung,  und  machte 
dam,  indem  sie  mir  einen  ihr  vor  acht  Tagen  al^gangeaen  Stein 
iiberreiehte,  folgende  Aualegnng:  dieser  Stein,  der  doch  nur  kMa 
sei,  habo  ihr  schon  solche  ahscheallche  Schmerzen  bei  seinem  Ab- 
gange verursacht,  dafs,  berge  sie  noch  gvSfsere  in  den  Nieren,  j»- 
der,  der  selbige  mit  Gewalt  buanairetben  walle,  aotfawendig  ihr 
Leben  anf  die  Schaue  setzen  müsse.  Die  gnie  Frau  wniste  aber 
selbst  nit^t,  in  welcher  Gefahr  sie  wirklloh  schon  bei  detn  Ab- 
gange dieses  Steinea  geacbwebt.  Er  war  dw  «eltsamstA,  dta  ich 
je  gesehen.  Länglich  und  nicht  besonders  raofa  hatte  er  an  dem 
einen  Ende  einen  Haken  nnd  zwar  einen  tfiehttgen  starken  nnd 
scharfen.  Wäre  er,  die  offne  Seite  das  Hakens  nach  unten  gericfa* 
tet,  in  den  Harngang  getreten ,  so  wäre  das  Hinuntarsieigen  nor 
möglich  geworden^  und  gefährliche,  ja  tödtliche  ZafSilo  hältm  di« 
Folge  davon  sein  müssen.  Dalä  er  xwar  mit  tuebtigem  Banch- 
schmers,  aber  doch  nicht  mit  lebensgefährlichein  znr  Blase  beför- 
dert war,  bewies  es  gerade,  dafs  bei  seinem  Hi  anal  erste  igen  die 
offne  Seite  des  Hakens  nach  oben  gerichtet  geweaeb.  la  der  Bla- 
se hatte  er  aber  forchthareti  Spuk  gemacht,     ^uz   «las  Erzählung 


—    3W    — 

der  Fnin  mubie  ich  itehlieraea,  er  sei,  die  offo«  Seit«  den  Hakeas 
BBch  uBien  geriohttrf,  ia  die  Harnröhre  getreten,  wo  dann  der 
Onrchf^ang  unmöglidi  wurde.  Der  uagebener  Bchiiienhai'iB  Harn- 
drang, deuen  Grued  die  Frari  nicht  wulsle,  hatle  rie  beslimmt, 
van  ftnilieher  Hfilfe  eatferm,  zur  Hebwaate  m  Bcbieken.  Dteie, 
^t  begreiflich  auch  den  Gruud  des  grofsen  Schaierzea  nidit  wia- 
sMi  kennte,  dröokl,  an  doch  etwas  7.«  thnn,  gegen  die  Hdrnröbre. 
Aof  diecen  Druck  iaht  Haradraag  und  Sebiners  Dach,  wahracheio- 
licb,  weil  der  an  dem  Eingänge  der  UarDröbre  fes^ehakte  Stein 
■B  die  Bliue  aurnckgedrückt  war.  Bald  darauf  bekammt  die  Kran- 
ke wieder  NÖtfaigen  anm  Harnen  und  enileeri  den  Stein  ohne  Miiha. 
Ick  denke,  er  wird  jetat  wol  umgekehrt  in  die  Harnröhre  getre> 
IM  nod  dadwrcb'dai  Anhaken  desselben  nniuägÜch  geworden  Bcin.*} 
Ich  hahe  seit  dam  Jahre  1S80  drei  Menicben  an  NierensieinRn 
aiarben  sebeo.  EUd  alter,  sebon  lange  hettligeriger  Mann,  der 
iwar  wenig  Sand  hanue,  aber  einen  bohrmden  Schmers  in  der 
Niere  und  aoderea  Bauchelend  hatte,  starb  schwinlaüchtig,  zwei 
andere  an  der  Einkeilung  eines  Sielnei  in  dea  Haragang.  Ein« 
diesert  eine  ähllcfae  Jangfer,  mnCi  wol  apoplektisch  geworben  sein, 
dcan  iMch  einem  nnr  dreit&gigen  Leiden  war  sie  unveradiens  todl. 
Die  andere,  eine  rüalige  Frau  in  dem  besten  I^bemalier,  hat  aber 
•»  ungebener  gelitten,  dafs,  wiriite  ich  ihre  Krankengeachichte  nur 
anafiihrlich ,  nicht  weiuchweifig,  erzählan,  ich  ein  kleines  Baeb 
davan  nacben  niifale,  und  wiätrscheiolich  meinen  jangen  Amta- 
brädern  das  Arztgesebäft  dadurch  verlaldan  würde.  leb  bemAke 
nnr  den  Lesern,  dafz  ich  bei  dw  Gdlegeabeit  auch  die  Belladon- 
na ganz  nutzlos  gebraiiebt  habe;  es  ist  jedoch  möglieh,  dafs  sie 
bei  der  Einkeiluog  einea  miodar  gro&eo  .Stcioea  gute  Dienst* 
leialet. 


*>  DitM  Fne  l«t  t«ei  Jthr«  tpttw  ■•  «iner  VirraiteniDg:  mi  ßarcbbabraig  de* 
HMldw«H  gulvrban  ,  wriefc«  iarck  .die  KdmImd  CtsM  I'mIh  txtfUMttrtitl 
vcforucbt  Wim.  leb  btbs  dU  Loiderina  aicfet  gMeliwi,  ihr  Soho  bst  ttir 
aber  einige  Koacfaen  ,  nnier  iiderD  eia  Scbidel-  uad  ein  Scbtenbeia  gebnebl, 
diel«  ichlenro  Biir  voa  einer  angeFIlir  viermuualllefaeo  Frvcbl  la  lein  ;  19  Jabre 
früher  war  die  Fran  arbwanger  geweien,  balte  sber  nicht  geborea,  i1*o  die  T«r- 
Mehllithe  Sehwaageracban  Tdr  TiaacbiiBg  gebtltea.  Der  bicalss  Wanddnt, 
d«r  dtol  hingerarao  warde ,  «■  eiaen  Kaodbw ,  waleliar  aiobl  darcb  dl* 
Hiedsss  dM  After*  woUta  and  aufabeBre  SchmerMa  verdnaohte,  barasMo- 
bolen,  war  der  Meiaoag,  die  geicbwfiriBe,  in  dia  Bkaebhöbl*  gaffende  Osffnang 
beGadt  *ieb  boeb  im  Maatdarme;  die  mecbaDiicbe  EnirerDaag  der  Kaoihaa 
lei  nnnoglhb  ,  nad  die  laogiame  leTbirige  AuttraibBiig  werde  die  Frau  aicht 
nsbataw.  Ich  glaab«,  d*ft  ia  efaMi  ««loben  vcnweiltillen  Falle  dieÖe^dbof 
de«  Ih(Aw  ia  der  LiMta  alba  aatkratbcB  wire;  die««  Operdran  iat  ja  keia« 
Irbeaage^hrtivbe  ,  und  d*a  Heraaafaolen  der  Kaocbea  an*  dur  BaucbbShle  würde 
■erb  keine  beioadere  Suhwierigkeit  haben.  Oh  aber  hernach  die  gesehweciga 
OelTnnng  Jm  Haaldam  heile*  würde ,  laftt  *ich  wol  sa  be*limnl  niebl  vorher- 
*«gea. 


—    310    — 

Am  Elnde  deiJahrei  1833  brackle  luich  die  Aeufsening  ciae« 
allen  und  rersiäDdigen  Kollegen,  insn  habe  in  neuer  Zeit  ein  Seli- 
nerwerden  der  \iereo>lelne  und  des  \iareniaades  beiuerlu,  bmF 
den  Gedanken,  mir  einiiiahl  die  Zahl  der  in  Binem  Jahre  rorlcoiii- 
mcnden  Fälle  aufiuKeicbHen.  Ich  wählte  gleich  dasu  das  folgende 
Jahr,  und  fand  am  Ende  dewelbeD,  dafs  ich  gerade  28  Falle  der 
Art  Hl  behandeln  gehabtJ  Unter  dieien  waren  nur  fünf,  die  mit 
eigentlichen  Harnbeub werden  begleitet,  mir  die  Erkeuninifs  auf- 
drangen. Die  Sbrigen  waren  dunkel,  ich  mafete  die  ainnliche  Er- 
kenntnifs  des  maieriell- mechanischen  tirundes  aller  Leiden  rail 
Vorbedacht  aaeheo.  Da  die  Schriftiieller  in  dieaem  Punkte  meiat 
sehr  unbel'ehrend  sind,  und  die  Hocbschu Hehrer  ihre  Schäler  aach 
Int  Dankien  lassen,  lo  hoffe  ich,  die  jungen  Aeme  werden  ea  mir 
Dank  wisten,  da&  ich  ihnen  einen  guten  Halb  gebe,  nnd  die  Hoch» 
acbullebrer  mir  ea  nicht  übel  deuten,  dafs  ich  ihnen  ins  Amt  gm- 
fe.    leb  bemerke  meinen  jungen  Aralsbrüdem  Folgendes. 

Sie  mSssca  aich  ganx  den  Gedanken  ans  dem  Kopfe  schlage«, 
als  verrieihen  NierenaaBd  und  Steine  sich  Tonfiglich  durch  geatdrie 
Verricbtang,  oder  gar  durch- sohmerahaft  gestörte  Verrichtung  der 
Hamorgane.  Dieser  Gedanke  ist  deswegen  grundfalscb,  weil  maa 
solche  Stärungen  nur  in  den  wenigeren  FAlIen  benbachtet. 

Alle  chronische  Krankheilen,  mit  wenigen  Ausnahmen,  können 
dunkle  Offenbaningen  des  besprochenen  Uebels  sein.  Ich  darf  nur 
diejenigen  Krankheilen  nennen,  die  ich  selbst  als  solche  dunkle 
Offenbarungen  erkannt  habe;  sie  sind  folgende. 

Chronischer  Slnhtawang  (der  nicht  von  einer  VerbKnnng  im  MaU- 
darme  herrührt),  cbronischer  Durchfall,  odw  Verstopfung,  sehmerx- 
hafles  Leiden  der  Milz,  ja  greifliche  Auftreifaang  derselben,  scfamera- 
hafles  Leberleiden,  selbst  Gelbiiicbt,  Bancbschrae» ,  Husten,  mit 
oder  ohne  Auswarf,  vorübergehende  asihmaiische  Zufälle,  halbsei- 
tiges Kopfweh,  Lähmung  der  unteren  Extremitäten,  Hüftweh,  Was- 
sersucht, Aussehrang,  Störung  der  Verdauung,  groise  Geneigtheit 
aur  SSureerzeugang  im  Magen  und  Dannkanai,  chronisches  Erbre- 
chen, Hysterie  nnd  Matferhiulfliisse.  Da  nun,  wie  gesagt,  diese 
Krankheiten  Offenbarung  des  Nierenaandes  und  der  Nierensteine 
blofs  sein  können ,  aber  lange  nicht  immer  aind ,  so  ist  es  doch 
wol  Pflicht  des  Antes ,  die  dunkle  Offenbamng  rar  deutlichen  lu 
machen ,  und  das  kann  aof  keine  andere  Weise  geschehen ,  als 
dtiTch  Untersuchung  des  Harnes. 

Ob  alle  Menschen,  die  Nierensleioe  haben,  auch  gleichzeitig 
Sand  in  den  Nieren  bergen ,  kann  ich  nicht  mit  Be«immiheit  sa- 
gen, denn  sa  der  Zeit,  da  ich  die  beste  Gelegenheit  hatte,  den 
Abgang  der  Nierensteine  zu  beobachten,  war  ich  noch  au  dumm, 
auf  diesen  Punkt  zu  achten.  Seit  ich  etwas  listiger  geworden, 
kommt  es  mir  aber  wahrscbeiDlich   vor,  dais  beide,   die  doch  nur 


—    31t    — 

hiBsicIiiliefa  (l«r  Gr^e  aBteraehiedrn  »od,  sieh  ge«Sbalieb  xiMm- 
■■«■  finden.  Um  m(  uiöglicfa,  data  in  einer  Niere,  die  sehr  grofse 
Sietoe  befaerherg«!,  wenig  8and  ist.  So  kenne  ich  einen  germgen 
Mjwd,  der  an  einer  Lihtnuog  der  unioreD  Cxtreniiiiten  sehen  mehre 
Jnbre  beilllgerig  ist.  Dies«  Lähmung  ist  die  oonsenauelle  Folge 
grefter  Nierem leine,  deshalb  ixt  sie  auch  abwecbselnd,  bald  vnll- 
Mtod^,  bald  offiTolUiändig.  Ich  habe  diesen  armen  Mann  genan 
nad  lange  beobachtet  und  nlcfa  überzeugt,  daf«  er,  selbst  auf  den 
Gehranch  der  Magnesia,  oder  des  Kalkwassersi  verbunden  mit  dem 
gleichaeiiigen  Gebrauehe  der  Cochenille,  oder  der  Goldrulhe,  sehr 
wenig  Sand  eatlaert.  Von  Zeit  *a  Zeit  geben  ihm  blofs  eimelne 
grobe  nad  scharfe. KÖmer  ab.  Uebrigena  i»t  der  Harn  heaiändig 
stinkend,  als  sei  er  faul,  hat  über  iinuier  seine  gehörige  Sftiire. 
Vielnmbls  wacht  »  einen  BodeoiRix,  der  in  einem  diircbsichiigen, 
&st  gallcit-,  oder  froacblelohailigen  Schleime  beaiefael.  Ich  bin 
der  Meinong,  die  Nierensteine  des  Mannes  sind  so  grofs,  dafs  von 
einer  £iokeilnng  eines  derselben  nichts  su  fTircbten  sein -wird.  Sie 
Muesen^  aaeh  siemlich  glatt  sein,  denn  wftreo  sie  rauh,  so  würden 
sie  viel  grefseres  Elend  verursachen.  Er  wird  wol  endlich  was- . 
■ersücbiig  sterben,  kann  aber  noch  lange  liegen.  Ans  deta  gerin- 
gen Abgänge  grober  Sudkörner  kann  ich  in  diesem  Falle  noch 
mcbi  etnmahl  mit  Sicherheit  sehlieüten,  dafs  wirklich  wenig  Sand 
in  den  Nieren  stecke,  denn  einer,'oder  inebre.gro£ie  Steine  kSonen 
auch  wol  de»  Sande  den  Aasgang  versperren. 

Zugegeben  die  Ausnahmen,  wird  aber  wtA  in  den  maisleo  Nie- 
ren, die  StMne  bergen,  aach  Sand  stecken.  Dafs  aber  jederaeit 
in  Nieren,  die  voll  Sand  sind,  nach  Steine  stecken,  kann  ich  nicht 
behaupten,  weil  ich  beobachtet,  dafs  manche  Menschen,  die  mf 
den  Gebraui^  der  genannten  Nierenbeihnittel  anhaltend  riel  Sand 
entleert  hatten,  nach  dieser  Entleerung  von  allen  ihren  Leiden  be- 
freiet waren.  Diese  Heilung  würde  wo!  aiebi  erfolgt  sein,  wenn 
nocb  Steine  Hu  Hinterhalt  geblieben. 

Der  Sand,  «r  mag  nun  mit,  oder  ohne  Steine  sich  in  den 
Nieren  befinde»,  gebel  von  Zeit  zu  Zeit  in  geringer  Menge,  in 
einsclnen  KSmern,  von  sclbsr  ab,  und  darauf  beruhet  die  si- 
chere Erkenntnifs.  Wo  solche  einaeine  Kömpr,  oder  auch  ein 
feiner,  dem  blofsen  Ange  onSichtbarer  Sand  abgehet,  da  kann  man 
sicher  sein,  dafa  sich  eine  ordentliche  Sand  nieder  läge  in  den  Nie- 
ren befindet.  Da  solche  freiwillige  geringe  Emieerung  aber  nur 
von  Zeit  wt  Zeit  geschiehet,  so  mala  man,  will  «an  zur  ErkenM- 
nils  gelangen,  bei  allen  chronischen,  namenilieb  aber  bei  den  eben 
geanantM)  Leiden,  die  Unferauchung  des  Harnes  14  Tage  bis  drei 
Wechen,  ja  noch  lAnger,  ifiglicb  selbst  machen,  oder  von  dem 
Kranken  und  seinen  Frennden  machen  lassen.  Die  Art,  wie  man 
dea  Harn  aaf  Sand  nntersucfal,  ist  so  einfäliig,  daf«  ich  mich  scbl- 


—    31«    — 

luen  würde,  in  dittsen  Buche  davon  ni  Ted«o,  WMin  ich  nicht  malua 
gul  unter  richtete  und  achtbare  junge  Aerilegani  uawiueiul  in  dUf 
veiu  Punkt  befunden,  und  sie  mir  nicht  gestanden  bfiltMi  daf«  ihre 
Meiaier  sie  unbelehrt  gelassen. 

Zuerst  inuls  dafür  gesorgt  werden,  dafa  der  la  umersnchendc 
Harn  rein,  und  kein  Sand  von  aufseu  hineiugef allen  s«i ,  welches 
leicht  geschehen  kann ,  besonders  hier  und  io  des  NiederUndea, 
wo  manche  Zitnnierdecken  blofs  gedielt,  leicht  ein  wenig-  Said 
durchfallen  lassen.  Solche  Täuschung  wird  dadorch  vermiede«, 
dafs  man  das  saubere  Harngeschirr  bedeckt.  Nun  laufs  «an  »r 
UaierSDchnng  zwei  Inslnimeme  haben,  die  sieh  in  allen  Häusern 
finden,  nüinlich  einen  flachen  porzellanen,  oder  fein  verglaselen 
irdenen  Teller  (grobes  Töpfergut  taugt  dazn  nicht)  nnd  einen  me- 
tallenen Löffel.  Ob  Sandkörner  in  der  Verglasuiig  das  Tellers  stek- 
ken, wodurch  man  bei  der  Untersuchung  des  Harnes  konnte  ge* 
täuscht  werden,  lälst  sich  leicht  erkennen,  weon  man  mil'der  c»«> 
vexen  Seite  des  LaSels  über  den  Teller  fahrt. 

Nun  mufs  man  das  IlarngefUfsj  ohne  es  viel  zu  bewegen,  gans 
, leise,  so  neigen,  dafa  der  obere  Theil  des  Harnes,  in  welche« 
do'V:h  kein  Saud  sein  kann,  ab&iefst  und  nur  der  untere  im  Topfe 
bleibt.  Diesen  Theil  de«  Haras  schwenket  man  dann  um,  und 
giefst  ihn  so  rasch  auf  den  Teller,  dafs  der  Sand,  der  damit  ver- 
mischt sein,  mochle,  nicht  wieder  zn  Boden  sinken  und  im  Topfe 
bleiben  kann.  Jetzt  wartet  man  ein  paar  Miauten,  damit  auch 
der  feinste  Sand  sich  senke;  fahrt  man  dann  mit  dem  Löffel  leise 
über  den  Teller,  so  fühlt  man  den  ganz  feiaeo  Sand  deutlich,  usd 
def  gröbere  knimcht  so,  dafs  jeder  es  ein  paar  Schritte  weil  hö- 
ren kann.'  Es  ist  durchaus  nöthig,  dem  Kranken  und  dessen  Freun- 
den diese  Untersuchung  des  Harnes  zu  zeigen,  daiait  sie  voa  ihnen 
täglich  verrichtet  werde;  sie  ist  auch  ao  einfach,  dais  der  Einfäl- 
tigste sie  machen  kann. 

Damit  ich  aber  meinen  jungen  Äuisbriidern  es.  recht  anschau- 
lich mache)  wie  noihwendig  diese  HarauuterituchuHg  bei  den  meisten 
chronischen  Leiden  sei,  will  ich  ihnen  noch  Folgendes  zu  beden- 
ken geben.  Gesetzt,  es  sei  ein  Arzt  aufgefodert,  einen  an  einer  chro- 
nischen Krankheit  Leidenden  zu  heilen..  Cr  (hut  sein  Bestes,  macht 
mancherlei  gar  kluge  lodikatiapee,  verordnet  viele  Arzeneies,  die 
alle  ausoebmend  gut  sind,  nur  das  Gebrech  haben,  dals  sie  nicht 
helfen.  Auf  die  Weise  flickt  er  ein  ganzes  Jahr,  oder  zwei  Jahre 
an  dem  Kranken;  dieser  wird  des  Dinjjes  Gberdrüssig,  sagt  dem 
Arzte,  er  wolle  aufhören  zu  arzeneieo,  schickt  aber,  wenn  er  des 
Flickmeisiers  losgeworden,  zu  einem  anderen  Arzte,  in  der  Hoff- 
nung ,  er  werde  in  diesem  den  HeilmeiHier  treffen,  \ebmet  nnn 
einmahl  an,  werthe  Leaer!  dieser  neue  Arit,  durch  Erfabmag 
gewilxigel«    untersuche   den  Hau,    und  finde  in  diesem  die  füU- 


—    313    — 

Bsd  hSrbMn  ünsche  «ller  Leiden ;  was  meinet  Ihr,  wie  der  Kran- 
ke and  Mise  Freunde  über  den  vori^n  Arxt  ortheilenf  Sie  se- 
Iwn  Um  eslweriflr  fiir  einen  nnwisscndto  Mentcheo  ao,  oder,  wenn 
■ia  das  nichl  wot  können,  weil  er  schon  ein  anerkannt  Ter«i8ndi- 
ger  Mann  ist,  so  belmchlen  sie  doch  die  unirersilitiacbe  Lehre 
wehr  als  eine  Narren-,  denn  als  eine  HüUlebre,  die  den  Aenien 
demaiseo  die  Angen  nnd  den  Verstand  begaakell,  daTs  sie  selbst 
dat  sinnlich  Erkennbaie  m  erkennen  verabsäumen.  Kann  man 
ihnen  darin  wol  Unrecht  geben!  Ich  könnte  das  Gesagte  durch 
mebre  Krankeageschichten  beaiätigen,  wean  ich  eine  solche  Be- 
stätigung nicht  für  nosart  hielte:  blofs  die  treuhenige  Aeti/sening 
einer  Biaerina  erlaube  ich  mir,  meinen  Lesern  miiinibeilen. 
Diese  beschickte  mich  einst  durch  ihre  Schwester,  welche  ein 
gut  nnierritAtelea  und  klages  M&dchen  war,  von  der  ich  also  alles 
Wisaensweithe  erkunden  konnte.  Ich  hörte,  dafs  die  Kranke  an 
solchen  Zufällen  leide,  welehe  wir  Aente  h/sterische  nennen,  dafs 
sie  ate  Harubeschwerden ,  aber  znweilen  Baacfascbnicnen  habe, 
mitanler  einige  Tage  bettlägerig  sei  nnd  sich  gerade  jetzt  in  einem 
•oldien  Sehw&chesustand  befinde.  Da  ich  nan  zugleich  vernahm, 
dafs  sie  schon  seit  vier  Jahren  gekrftnkeU,  and  sich  in  dieser  Zeit 
immer  an  Einen  Arzt  gehalten,  den  ich  als  einen  verständigen 
Mann  kannte,  s«  begilfi'ich  leicht,  dals  ich  hier  mit  einem  verzwei- 
felt heimlichen  Handel  werde  zu  ihnn  bekommen.  Als  ich  das  der 
JaBgftan  Sufserle,  bekam  ich  von  ihr  eine  recht  gescheite  Antwort, 
•ie  sagte  mir  nämlich :  gerade  weil  lob  den  Namen  habe,  dafs  ich 
mich  nicht  verdriefsen  lasse,  solchem  heimlichen  Handel  anf  den 
Grund  an  kommen,  verlaage  ihre  Schwester  meinen  Beistand. 
Am  allei«nten  betchlals  ich  nun,  den  Harn  der  Kranken  auf  Sand 
»a  nntarsKohen,  nnd  hiefs  die  Jungfran,  den  Topf,  worin  die 
Kraake  geharnt,  gut  zugedeckt  bis  m  meiner  Ueberkunft  bewab- 
leo.  Am  folgenden  Morgan  fand  lob  in  der  Person  der  BSuerinn 
•ine  kluge  nnd  gnt  nnt^nichtete  Frau.  Keine  ZaföUe,  die  auf  ge- 
stMte  Verrichtung  der  Hamwerkzenge  gedeutet  hätten,  waren  zu 
erfragen.  Ich  nntersuchta  jetst  den  ganz  klaren  und  vollkommen 
gesund  Bussebeaden  Haia  in  dem  Wohaziminer,  und  zwar  in  Ge- 
genwart der  juagfräuliehen  Schwester,  .damit  diese  ia  der  Folge 
die  L'aienuchuag  selbst  fortsetzen  köanle.  Daa  Wohnzimmer  stieb 
aa  das  Schlafziuimer  der  Kranken ;  diese  konnte ,  weil  die  Thur 
des  letaten  offen  stand,  alles  hören,  was  ich  mit  der  Schwester 
vcthandelle.  Da  ei  sich  nun  anfällig  traf,  dafs  die  Portion  Harn, 
welche  iofa  untennehia,  viel  grobe  Sandkörner  enthielt,  welche  ao 
laat  iwter  dem  LöBiel  knirschten,  doTs  die  Kranke  es  deutlich  auf 
dam  Bette  hörte,  so  hnb  diese  ao,  also  zu  reden.  „Die  Doktoren 
„haben  den  Namen ,  dati  sie  den  Kränkelt  allerlei  weis  machen ; 
„warum  jue   daa   than ,    weUa  ich  niebt    Nieioaad  soll  mir  aber 


_    314    — 

„weis  niachen,  dafa  teil  keinen  Sand  in  den  Nieren  habe,  denir 
„ich  hftre  ihn  lam  genug  kniraehen.  W'er  micb  sinalidi,  fTihl- 
„und  h5rbar  ron  dem  übenengt,  was  mir  anliegi,  dem  glaube  irb 
„mehr,  als  zwanzig  andern,  die  mir  ihr  Vorgeben  nur  mit  Wer- 
kten verbürgen  kSnnen." 

Das  ist  eine  wahre  Rede,  welche  alle  diejenigen  gum  ernaten 
Nachdenken  einladen  mufa,  die  die  sorgffiltige  Erforschnng  diii*k(er 
Organerkninlningen  als  ein  Hirngeapinnat  verwerfen,  indem  -aie  aicl» 
irrig  einbilden,  jede  Urorganerkrankung  iniiaBe  sich  durch  Schmers 
ia  oder  an  dein  kranken  Organ,  oder  durch  erkennbare  Slömnge» 
Miner  Verrichtung  offenbaren. 

In  dieser  Ge  chichte  habe  ich  getagt,  data  der  die  graben 
Sandkörner  enihaliende  Harn  gans  klar  und  von  Farbe  genind- 
beilsgemftfs  ge^veaen.  Meinen  jQngeren  Amtahrüdern  bemerke  ich, 
dals  ich  weit  srier  m  klarem  und  heltgelbem  Harne  Sand  gefun- 
den, al«  in  dein  dunkel  gefärbten,  oder  Iritben,  oder  einen  Boden- 
satz uiBcfaenden.  Wunderlich  ist  ea,  dafa  man,  bevor  man  durch 
Erfahrung  gewitxiget  ist,  das  Vorimbeil  bat,  nun  «erde  ihn  ehet 
in  dem  trüben  und  garstigen,  ala  in  dem  klaren  Harne  entdecken. 
Auch  die  Kranken  haben ,  Ich  weifs  nicht  warum,  dieaea  Vonir- 
theil;  man  mulä  ea  ihnen  aber  benehmen,  damit  sie  aar  eigenen 
Untersuchung  dea  Harna  geschickt  werden. 

Endlich  bemerke  ich  meinen  jnngea  Amtabrfidern  noch  Fol- 
gendes. Im  Allgemeinen  kann  man  zwar  annehmen,  dafa  mehr 
alle  als  jimge  Leute  Sand  und  Steine  in  den  Nieren  haben.  Oieae 
Beobachiiing  darf  uns  aber  nicht  verleiten,  den  Gegenstand  b^ 
Jungen  Leuten  ganz  unbeacbiet  zu  lassen.  In  diesem  laufenden 
Jahre  wurde  meine  Kunst  von  einem  Frfiulein  in  Anspruch  genom- 
men, die  über  Drücken  im  Magen,  SSure,  und  den  hyaieriseben 
Brodcen  im  Halse  klagte.  Da  sie  von  aieinau  oh  liger  Art  war,  s« 
rieih  ich  ihr,  ihren  Harn  auf  Sand  zu  ilaiersnchen.  Sie  behandelt« 
die  Sache  anfänglich  als  einen  Possen,  denkend,  ein  zwansigjah- 
riges  MSdchen  könne  unmöglich  solchen  Unrath  im  Leibe  haben. 
Auf  meine  ernstliche  Vorsielhing  ging  sie  abrr  doch  an  die  Un- 
(ersochnng  und  fand  schon  beim  ersten  Griffe  den  Sand. 

Ich  mfifsle  jetxt  andi  noch  wol  von  der  Kohleosttare  als  Nie- 
renmittel reden;  da  ich  aber,  seit  ich  grofajfihrig  geworden,  sie 
nicht  gebraucht,  so  beschränke  ich- mich  auf  folgende  Bemerknng. 
Ich  habe  sie  ala  ein  Mittel  erkannt,  das  die  Nieren  anfregt,  tia 
zar  vermehrten  Hamabaonderung  prickelt,  mithin  kann  man  damit 
Sand  and  Steine  wegtreiben.  Weit  ich  aber  die  Form  des  si«i- 
nlgen  Inhalte!  der  Nieren  nantdgtich  bennheilen,  nnd  das,  waa 
ich  vorwärts  getrieben  nicht  wieder  surficktreiben  kann ,  so  «at- 
halte  ich  mich  lieber  alles  Treibens.  Meine  JBngeren  Amttbrfider 
ermahne  ich,   im  Gebranehe  der  KohlensKure,  selbst  beim  ehroni- 


—    315    - 

■ctwii  Erfarecfaen,  vQimichri^  in  s«ln.  Wenn  dicMi,  rIs  eonaen- 
,simIIm  Leiden,  die  einzige  O0enlMruDg  der  Kiereniteine  i«i,  ao 
ktenen  aie  e«  duroh  Kohleniiure  heben,  aber  anch  sugleicfa  die 
Nieremleiae  ao  attfrähriaeh  machen,  dali  aie  wol  wfinachaD  Mäch- 
ten, nie  KohlenaSure  gereicht  an  habes. 


HeUMittel  mnt  «le  HMWkI»M  «m4  OanarAlir*. 

Fungi  oder  Glomere»   Cymofbatt  (Sckla/kmHxe). 

Diete  Dinger,  welche  BitmüUtr  mit  dem  deuiacben  Worte 
8chtafkanse  beaeiebnei,  vaA  die  aao  an  dee  Sifimmen  der  wil- 
den Roaen  findet,  aind  bekabntlich  die  anaamnengeselalen  Woh- 
anngen  kleiner  Würnchen.  CroHtu*  in  aeiner  BtuÜiem  ckifmiem 
lehret  aaa,  wie  wir  ant  dieaed  Schwammen  eine  Tinktur  bereileo  . 
Mllen.  Seine  Vorachrift  aber,  die  Thierchea  ana  ihren  Zellen  her- 
auaBiaehBien  and  dann  ron  den  Schwämmen  die  Tinktur  an  ma- 
dien,  scbeiat  aair  etwaa  onweiae,  denn  ich  glanbej  dafa  gerade  in 
dieaen  Thiercken  die  beaondere  Heilkraft  aieokt.  Wenn  man  ein 
••Miea  WBrmohen  awiichen  dem  Daumen  und  Zeigefinger  xer- 
dröokt,  ergreift  mit  beiden  von  dem  Safie  de«  Würmchena  be- 
fevehteieD  Fingern,  heim  Zahnweh,  dea  leidenden  Zahn  und  hSli 
ihm  eine  knrae  Zeit  ninfnagan,  ao  venofawindet  der  Schmer«  eben 
a*  gni,  ala  nach  einer  ähnlichen  Anwendung  des  aiebenpanktigen 
Kornkftfera,  Diese  Kraft,  den  Zahoachiiien  wegzunehmen,  ist  in 
neuer  Zeit  wieder  erpn^bat  worden.  Bei  EitmülUr  gaachieht  der- 
aelheo  ErwfthnoDg. 

Es  ist  oft  schwer  tu  aagen,  ob  Urinbesch werden  von  einem 
UrUiden  der  Nieren,  der  Blase,  oder  der  Harnröhre  abhaogen. ' 
Ich  hti»K  blnreichendea  Grund  anannehmen,  dals  dieRosenschwäin- 
■e  keäneswegea  beilaBd  auf  die  Xieres,  sondern  vielmehr  auf  den 
Btaaenbala  nnd  die  Hamrdhre  wirken.  Die  Sache  scheioi  mir  aber 
KU  mbedealend,  ala  dab  loh  viele  und  langweilige  Ersühhingen 
ilaven  meeben  adlte.  Die  (Jrleiden  der  Blase,  und  Hamcöhre  sind 
in  Verhilinifs  an  den  Urnierenleiden  nad  zu  den  ia  den  Nieren 
vorwaltMidea  Leiden  des  Genammiorganiamna  aeliea  au  nennen. 
Fille  von  einfacher  Straagurie,  welche  oA  durch  gewisse  GeirSn- 
ke,  oft  durch  ErkMtung  veranlalst  wird,  und  der  einige  Körper 
naehr  unterworfeB  sind  als  andre,  heilen  sich  von  selbat;  die  Aa- 
w««da^  der  Tittet.  Jwtg.  egMotbati  in  diesen  Fällen  würde  also 
wenig  beweisen,  ta  ernsthaften  Fällen  von  Strangnrie  und  von 
Hamrerhdtaag  habe  ich  aber  das  Mittel  aebr  heilsam  befunden, 
und  es  verdient  gewÜs  die  Anftnerkaamkeit  der  Aerzte. 

■     Eben  sagte  ich,    dafa  es  auf  die  Nieren  niefat  wirk«.     Wenn 
dM  gleidt  wahr  ist,    ao  kann   es  deonoiih  bei  NicreaslcineD  sehr 


-    31«    — 

nütilich  werdeD.  E»  mag  jeut  jShrig  sein,  da  Vfnrit  iMiae  f  Jülfe 
von  einer  gar  nlten  nittrenitetavücfaligen  Fraa  in  Aoapracb  genom- 
luen,  deren  CrinalweDdeniag,  bei  tii«faiig«D  KreunchnwrzMi  and 
bei  unbedey lender,  abwechselnder,  seilen  aoftaliender  Strangune, 
ganz  in  Stocken  geraihen  war«  Ihr  Harn  war  rotb,  Bshr  weaig, 
sehr  trübe  und  die  Füfse  bis  zu  den  Knien  wassergescfa wollen, 
Ua  ich  ihr  nnn  mit  Cochenille  und  Magnesia  die  Urinabsondening 
normal  gemach)  und  sie  vor  der  nahenden  Waaseraiichi  geHchriizi 
halte,  so  wurde  auf  Cinmahl  die  vorher  iinbedetilende  nnd  seltene 
Strangiirie  so  heftig  und  marternd,  dafs  man  mich  aufser  der  Zeil 
EH  Hülfe  rief.  Hier  gelang  es  mir,  das  scbmers hafte  Leiden  durch 
die  Tincf.  /ung.  eynoäAaU  Ai  beschwichiigc«.  Uana  ging  ith  aber 
wieder  zur  Cochenille  über;  denn  das  Hanpifibel,  welches  Ver- 
derben drohte,  durfte  ich  nioht  zu  lange  sioh  selbst  überlassen.  E» 
gebt  mit  den  UriBwerkaeogeD  gerade  wie  mit  allen  andern  Orga- 
nen; hat  man  das  nrergriffene  -  Organ  fast  beruh  iget,  so  fanden  xit- 
weilen  consensuelle  Aftekiionen  an,  eine  Hauptrolle  su  spielea. 

Hei  der  Sirangvrie,  die  von  Blasenhämorrhoidaa  herrüfart,  ha- 
be ich  die  Tinktur  ein  paarmafal  vergebens  angewendet  Die  aeit- 
(ichfi  Bosch  wicht!  gong  des  Leidens  (welohe  ich  begreiflich  »lleia 
dadnrcb  bezwecken  wiJIte)  konnte  ich  nicht  darin  finden.  Aneb 
hei  der  Strangiirie,  welche  xwar  nicht  von  «igeschwollenen  Blni- 
adem  im  Blasenbalse  herrührt,  aber  doch  eine  von  einer  krank- 
haften Vollbltiiigkeit  des  PfortadersTslems  abhängende  ooosensnell« 
Atfekiion  der  HamrShre,  und  «iweilen  sehr  hartnackig  ist,  habe 
ich  das  Millel  ebenfalls  vergebens  gebniucbi.  Ein  paarmahl  gab 
icb  es  anscheinend  mit  Nnlzen  im  nicht  venerischen  SohleimflnsM 
der  Harnröhre.  Da  solche  KchleimliHsse  aber  auch  wol  von  «eihsl 
aufhftren,  so  kSnnen  ein  paar- einzelne  Voraucdie  nichts  bewMzen. 

Oben  habe  ich  geaa^,  dab  ich  dia  Tinktur  in  Haravcrhal* 
tiing  heilsam  befunden.  Ich  mnfs  JeiH  binznselzra ,  dafs  ich  tia 
einst  bei  einem  sieh enzigj übrigen  Maime  ganz  hülfios  befuadesi> 
Hier  konnte  aber  der  Wiiadarxt  auch'  nicht  mit  den  Cathoier  in 
die  Blase  kommen ,  obgleich  er  erfahren ,  daa  InstmmeM  gm  zn 
handhaben  verstand,  und  früher  als  icb,  gleich  beim  Entstehen  de« 
(Jebels  zn  Hülfe  gerufen  war.  Gegen  die  Entleernag  der  Bitmß 
durch  den  l^icfa  protesiirte  der  alle  Herr,  also  mu&te  er  sterben. 
Ungeftihr  vierundxwanzig  Standen  vor  dem  Tode  ging  der  Cathe* 
ter  ohne  Mühe  in  die  Blase ;  diese  war  aber  echon  ^ISbmt ,  und 
konnte  nm-,  als  der  Caibeter  darin  atak,  dnrch  üoläerea  Drvok  «ai» 
leert  werden. 

Wm  nun  die  dabo  der  Tinktur  betriK,  ao  htt^  bat  diasem 
Millel  nicht  so  viel  davonab,  als  bei  manebem  anderen.  Man 
kann  alle  Stunden,  oder  alle  zwei  Stunden,  dreifsig  U«  vteniig' 
Tropfen  geben,    auch  ein«  ganze  Uns»  mit  sieben  Unaen  Wasser 


—    »17     — 

uni  pltTM  Seh1«fni  misrhrn  und  daron  bII«  SlHn<len  fintm  LSlTel 
roll  rciclien.  Da  das  milde  Oel  ebcnrada  «in  nicht  i»  vrrweifefi- 
dM  Mittel  bei  Hambeschwerden  ist,  so  kann  man,  wenn  man  will^ 
rieben  Linsen  MohnSl  mit  «tner  Unse  Rosenichwammtinktur  za< 
nniKenniiacben,  und  davon  stnnd^eh  einen  LSffel  voll  geben;  die 
MiBchong  muf«  aberjedesniahl  tficblilT  umg;eschütielt  werden.  Wenn 
daa  Oel  aneh  xur  Linderung;  der  Urinbeschwerden  direkt  wenig  bei- 
tragen mStlHe,  so  wirkt  ei  doch  indirekt  vielleicht  dadurch  wahT- 
Ibitig,  dafa  ea  den  malUM  perütaltiemm  ein  wenig  beachleonigpt, 
ohne  die  Dirne  eben  feindtirh  anngreifen. 

Znin  Sehlasae  bemerke  ich  noch,  rfafs  die  RoieniichwSmm* 
swar  eia  ParacelsisefaeB  Biaaenmin«!  sind,  aber  nbrigens  im  16luD 
Jshriiundert  und  früher  offiwinail  gewesen.  Woxn  aie  die  (laleni- 
ber  jener  Zeit  gebraneht,  tat  mir  anbewafst.'  Sgmphorianvi 
CmmpegiMt,  ia  den  Buehe,  worin  er  die  Irrthümer  der  Apothe- 
ker, der  Arabiaeheo*  and  der  damahligen  Jungen  Aente  rügi  (den 
aigeallieheB  Titel  kann  ich  sieht  angehen,  weil  mein  Exemplar 
Iniaen  «aehr  hat),  engt  Jot.  67  Folgende* :  fV»  ipiHa  alba,  ^am 
Ptrta«  et  ÄrtAe»  vatmmt  BeHc^nar,  qnvniam  haee  a  narmacopoU» 
ae  juMtwäm»  Mtdiei»  ignarmhir,  vAntArr  »pongiola  rotae  tyheitrU^ 
quae  üt' tpittd»  natethir:  nam  etii  hatc  plurtmum  in  medicinae 
WM«  diff^mt  a  tpina  alha,  na»  famen  ett  haev  permutatio  exitiali». 

Liquor   Ammonii  tufpkurati. 

leb  habe  dietea  als  Mittel  anf  die  HamrSbre  eiitat  durch  ei- 
■ea  nir  dem  Namen  nach  unbekannten  mederl Bndischen  Amtsge- 
noaacn  kennen  gelernt,  «nd  zwar  bei  folgender  Gelegenheit. 

£tn  Herr,  der  «ft  mit  kleinen  veneriathen  Beschwerden,  ala 
Tripper  und  örtlichen  Geschworen,  behaftet  war,  in  leiner  Jugend 
aber  in  Berlin  an  der  Lusfaeucbe  in  sehr  hohem  Grade  gelitten, 
war  als  Wiitwer  zur  «weiten  Ebe  geschritten,  und  kam,  der  nenen 
Frau  aeine  bieaige  Beslttang  eq  «eigen,  in  die  Nih«  meines  Wohn- 
ortes. Auf  4t»  Beiae  ton  anballender  Harnstrenge  heimgesucht, 
halte  er  sinm  mir  gut  bekannten,  sehr  verstund  igen  Arztnm  Rath 
gefragt ;  der  Ratb  deaaelben  war  aber  nicht  helfend  gewesen.  Ich 
fand  diesen  Herren  an  beatindiger,  achon  seit  mehren  Tagen  nicht 
aaeUossender  Strangnri«  leiden.  Begreiflich  war  er  wol  ein  we- 
nig eolsirilt  nad  sein  PMs  ein  wenig  besehleanigr,  aber  man  konn- 
te ihn  doch  nicht  krank  nennen ,  und  er  nannte  sich  aneh  selbst 
niebt  also,  leb  gab  ihm  Winen  Trank  von  sieben  Unten  schleiini- 
g«a  Wanaer  nad  einw  Unxe  Rosenschwammtlnktnr. '  Da  er  diesen 
Trank,  sitedlleh  einen  Löifel  voll  nehmend,  verzehrt  hatte,  war 
£e  ftarangnri«  gehaben.  Eine  sweite  Unze  Tinktur  liefs  ich  snr 
Vorsorge    noch  langsam   naebbraacbenk     Dm   Eheleuten  gemein^ 

"■■■  -   '■  ---~-c>-- 


—    518    - 

lehaftlicb  bemerkte  ich  Rber,  daf«  sie  steh  des  ebeKcbeo  Lieb«*- 
werkes  eine  kleine  Zeil  enthaliea  Mublen,  weil  oBmlich  die  Hand- 
lang des  Begatlens  Am  kaum  gebeilte  Uebel  am  laichlesiea  wie- 
der harforrofeD  könne.  Nach  einigen  Wochen  kehrte  der  Herr  io 
die  Heimalh  und  halle  bis  dahin  keine  weitere  Anfechtung  von  der 
Strangurie  gehabt.  Ein  Jahr  damnf  sah  ich  ihn  wieder;  er  ersählte 
mir,  wie  er  zu  Hause  abermahls  von  der  Straogurie  sei  ergriffen 
worden.  Sein  Arzt  habe  ihm  etliche  Mitlel  vergebens  gereicht, 
aber  endlich  mit  dem  Liquar  ummo»ii  »ulpkurati,  m  fGnf  big  sechs 
Tropfen  mit  einer  halben  Tasse  Milch  alle  zwei  Stunden  gereicht, 
ihn  bald  wieder  beigestellt.  Oafs  hier  die  Harnröhre  are^riffen 
war,  erhellet  aus  folgender  ThatsacUe.  Der  Mann  hat  nur  etliobe 
Jahre  nncb  der  erzählten  Begebenheit  gelebt,  nnd  ist  in  «einet 
Heimalh  an  einer  Vereiterang  der  Harnröhre  gestorben,  oaohdem 
«r  vorher  lange  nnd  viel  an  Urinbetchwerden  gelitten.  Einer  sei- 
ner Pfichter,.  den  er,  da  er  schon  batlllgerig,  xn  sprechen  verlang- 
te, sagte  mir:  es  sei  ihm  unmöglich,  mir  die  Qualen  lu  beschrei- 
ben, die  dieser  Mann  ausgesUnden;  die  Aersle  hatten  sein  Uebel 
fTir  eine  Vereitemng  der  Harnröhre  und  für  nnhailbar  erkifirt.  Die 
Witwe  des  Herrn  hat  mir  hintennoch  das  nimliche  gesagt;  also 
ist  an  der  Wahrheit  der  Thaisache  nicht  m  xweifeln. 

Ich  habe  nun  den  Liquor  ammanü  nfpkurafi  seit  dtn  Zelt  zwar 
nicht  hfinfig,  aber  doch  mehre  Mahle  mit  gutem  Nntieo  gebraucht. 
Hütte  ich  aber  ernithafie  Urleiden  der  Harnröhre  so  oft  zn  be- 
handeln gehabt  als  ernathnfte  Urleiden  der  Nieren,  so  würde  ich 
den  Lesern  mehr  davon  sagen,  können.  Jetzt  kann  ich  weiter  nichta 
davon  sagen,  als  dals  e*  gewifs  ein  Mittel  ist',  welches  wol  ver- 
dient ab  Hamröhrenmittel  angewendet  xn  werden.  Bei  einer  an- 
halienden  ccnsensaellen  Strangurie,  wo  ich  das  Urleiden  verkann- 
te, weil  es  durch  Zeichen  unerkennbar  war  (es  war  nSmlich  eine 
Krankheit  des  Pfortadersjstems),  habe  ich  du  Mittel  ganz  verge- 
bens gebrauchL  Dieses  beweiset  aber  nichts  gegen  den  Werth 
desselben.  Ein  gutes  Eigenmittel  auf  ein  Organ  besohwiehtigei 
zuweilen  wol  conseosnelle  Leiden  des  Organs,  auf  welches  es 
Macht  hat,  aber  gewib  nicht  immer.  Warum  dsa  Einmahl  ge* 
schiebt,  und  vielleicht  zwei-,  dreimahl  nicht,  wei&  ich  nicht  an- 
zugeben. 

Mit  dem  Blasensteine  habe  ich  bis  jetzt  noch  gar  nichts  n 
tlian  gehabt;  er  ist  hier  so  Lande,  wie  manche  andere  Krankheit, 
nicht  heimisch. 

Der  unfreiwillige  Abgang' des  Harns  ist  ein  Zufall,  der  mir 
zwar  nicht  ganz  selten,  aber  doch  nach  nieht  bXnfig  vorgekomiaea 
ist.  Entstand  er  nach  gehobener  Urinverbaltung,  so  habe  ich  ihn 
nach  und  nach  von  selbst  vergeben  sehen.  Ein  paar  mahl  sab  ich 
ihn  nach  aobweren  Geharten  entstebea  und  bleiben. 


-    31»    — 

Icfa  erinaefe  nicb  unter  ab<l«rD-  ciper  Frau,  dia  naeh  aiaar 
««hweren  Gebart  eiae  Lähmung  der  anivren  Extreniilfileo  und  /m- 
fm»timemtimm  itrinae  behielt.  Einer  nieiner  Bekaonlen ,  dar  eina 
irafflicba  Klek(risiriRR»ohine  b^taf«,  hat  aaf  meine  Bitte  dieae  un- 
gtScUicbe  Frau  iBgIloh  eleklrisirl,  dadurch  ist  die  LShinung  der  an- 
lerat  Extreinitäiea  zwar  ganz  gebeilt,  aber  die  Ineenlittentia  urinat 
ist  geblieben. 

Bei  einem  Menachen,  der  ilen  unfreiwilligen  ITarnabgang  durch 
MOMi  Slarz  von  einem  hoben  Baone  bekommen ,  versncbte  ich 
iIbb  Uebel  durch  den- inneren  Gebrauch  der  spaiiisobeii  Fliegen  xa 
haben;  allein  ich  habe  meinen  Zweck  nicht  erreiebt.  Ich  gab  dia 
Caatbariden  In  Subalani  nod  in  ttiglich  zeigender  Gabe.  Wio 
b«eb  ich  ^eiliegen ,  kann  ich  nicht  bestimmt  sagen  i.  denn  ea  iat 
gar  an  lange  her,  dafi  sieh  dieser  Fall  vugeiragen,  und  ein  Theil 
meiaer  Fapiere,  worauf  ich  solofae  und  ühnliche  Merkwürdigkeiten 
beaerkl,  sind  mir,  wie  ich  schon  eiomabi  gesagi,  in  den  Krieges- 
seiten  verschleppt,  oder  zerrissen,  oder  Gott  weifs  wie,  abhanden 
gekommen.  Wenn  ich  also  nicht  unwahr  sein  will,  so  kum  ich 
nichlB  Melir  ren  der  iSacbe  sagen,  als,  ich  bin  so  hoch  mit  der 
Gab«  der  Caathariden  gestie^n,  daft  ich  nie  geglaubt  hftite,  dals 
man.se  hoch  steigen  kenne.  Da  ich  dem  Leaer  schon  ges^;t,. 
dafs  ich  die  Lähmung  der  IlHrnrÖbre  nicht  damit  gehoben,  so  be- 
greift jeder- -schon  von  seibat,  dab  die  Canthariden  anch  keine 
iStrangsrie  hervorbringen  konnten.  LJebeihau|(t  War  dieser  Fall, 
hinsichtlich  der  drtUchen  \^'irknag  der  Canthariden,  sehr  belehrend. 
Die  Niere«  waren  hier  nicht  ffelKhmt;  da  sich  nun  keine  Zußlle  Kd- 
berieR,  welche  aof  ein  feindliches  Ergriffensein  dieser  Organe  durch 
die  Canthariden  sehlielseB  liefs:  so  mafa  icfa  nrihellen,  dals  das 
ieiadliche  Einwirken  der  Ciuiihartden  auf  die  Harnorgane  bei  ge- 
sunden, zum  wenigsten  bei  nngelahmten  Körpern,  sich  blofs  auf 
die  Harnröhre  beschrftnke.  Wirkten  sie  zugleich  feindlich  auf  die 
Blase  selbst,  so  hätte  ich  das  durch  Ava  einen  otler  andern  Zufall 
doch  wel  merken  müssen ,  denn  die  Blase  war  ja  nicht  gelKhml. 
Sobald  Blase  nnd  Haiw^fare  sugleich  lahm  sind ,  kann  wol  eise 
ÜcAjWm,  aber  keine  Incrntt^enti«  urätae  Statt  finden;  aber  frei- 
tich  ist  das  eine  Harnverhaltong,  bei  Urr  man  den  Catheler  nicht 
nöthig  hat,  ein  Druck  mit  der  Hand  auf  die  Unterbaui^gegend  ent- 
leert sohoD  die  .Blase. 

Bekanntlich  hat  man  in  neneren  Zeiten  das  mit  Weingeist  be- 
milet«  Extrakt  der  Nuas  vomica  bei  der  Ine&ntinentia  mrintt  mit 
Vonhail  angewandt.  Ich  habe  in  dieser  leisten  Zeit,  ohne  ea  selbst 
xa  ahnen,  eine  ähnliche  Kur  verrichiei.  fUne  alte  Fcaa,  die,  da 
sie  mit  ihrer  verheiratheten  Tochter  vor  aehtsehn  oder  neunzehn 
Jahren  hierhin  kam,  eine  uBvollkammne  Lähmung  der  unteren  Ex- 
trcmitäieB  haue,  gegen  welche  sie  aber  nie,  (selbige  fSr  ein  aus- 


—    JM    — 

gemacht  unhtrjlbiirea  Uehel  ba)t«nit ,  meinen  Ralh  vtrlnngt  hnl, 
wurüe  im  Jahre  1829  von  dem  damahla  berrtehenden  Leberfleher 
ergriffen.  leb  gab  ihr  KriUienangeDwasser ,  %a  dreifaig  Tropfen 
fanfniahl  lag«,  nnd  in  drei  bia  Wer  Tagen  war  sie  geeilt,  im 
Winter  des  Jahres  1830,  da  icb  anderer  Kranken  wegen  im  Haoae 
war,  iagt  die  Tochler  der  gelKbmien  Fran  la  mir,  icb  m3ge  doeh 
ihrer  Matter  die  weifsen  Tropfen  vom  vorigen  Sommer  aiifsefarei- 
ben,  sie  kSnne  nKmIich  seit  mehren  Jabren  ihr  Wamer  nicht  hal- 
ten, und  habe  im  vorigen  Sommer,  so  lange  sie  selbige  Tropfen 
gebraucht,  (ich  halle  rhr}  iwei  Unseti  verschrieben)  von  dieaem 
Ungemache  gar  kein  Leid  gehabt.  Aach  jetzt  ibaten  die  Trapfen 
vrirlilich  wieder  dem  Uehel  Einhalt ;  ob  sie  es  aber  bei  dem  halb- 
gelähmten  Zastande  der  unteren  ExtrMuitKtea  aufdie  Dauer  heben 
werden  ,  mufs  die  Zeit  -lehren. 

Ein  armer  Handwerkamann  ist  einst  ganz  vergebens  (ich  konn- 
te ihm  nicht  helfen,)  sechs  Wegstunden  weit'  zu  mir  gelaufen,  nm 
bei  mir  Hülfe  in  finden  gegen  eine  I/tcontinentiaM  tirütae,  die  er 
drei  Jahre  froher  auf  folgende  teltsante  Weise  bekotninen.  Er  bat 
das  UnglQek,  sich  in  eine  Witwe  za  verlieben,  die  ihm  auch  wohl- 
will, nnd  die  er,  nach  Art  der  Handwerker,  alle  Abend  nach  be- 
eodigtem  Tagewerke  besucht.  Die  Witwe  hat  zwei  aufgeschosse- 
ne Jüngelch^n  mit  ziemlich  stericen  Fäusten,  denen  der  neue  Stief- 
vater nicht  gefUILt.  Diese  passen  Abends  dem  armen  Freier  auf, 
werfen  ihn  nieder,  und  schlagen  ihm,  der  eine  mit  einer  eisernen 
Blaspfeife,  der  andere  mit  einem  Holsscbeile,  den  Hinleren  so  nn- 
barmhersig  nnd  anhaltend,  dafs  er  wnndfirztliche  Hälfe  snehen  nnd 
bis  in  die  dritte  Woehe  das  Betl  fafilen  mnfs.  Von  der  Verliebt- 
heit war  er  durch  diese  Arzenel  vollkommen  geheilt;  weil  mau 
sie  ihm  aber  in  zu  sturker  Gabe  gereicht,'  hatte  er  eine  ImcoHti- 
nemlia»  vrinae  davon  beballen. 

Das  grSfflle  Elend,  welches  ich  je  von  Blasenkrankbeii  erlebt, 
ist  eine  DurchlSchemng  der  Blase  gewesen,  icb  habe  diesen  Fall 
im  Jahr«  IS12  im  34st«n  Bande  des  Jeornals  der  praktischen  Heil- 
Inmde  mitgeiheilt.  Da  idi  aber  in  dem  g^enwärtigen  Werke  al- 
les Belebretide  und  MerkwBrdige ,  was  ich  bei  Uebung  der  Kunst 
erlebt,  zusammenflisse ;  vorAssetze,  dafs  ein  grofser  Theil  meiner 
Leser  jene  vor  23  Jahren  geschriebene  Krankengeschichte  nicht  ken- 
ne, und  der  Fall,  ohne  eben  in  der  medizinischen  -Literatur  uner- 
hört zn  Min',  so  sehen  ist,  dafs  viele  Aerzle  leben,  wirken  und 
sterben  kSnnen,  ohne  einen  ähnlichen  beobachtet  zn  haben:  so 
will  ich  iln ,  mit  Hintansetzung  aller  zur  Sache  nichis  thnenden 
schulmafaigen  WettlSufiigkeit,  kärsHch  erzHhIeo. 

Eine  viernndfnnfzigjährige ,  etwas  verwachsene  Frau,  die  von 
Jugend  anf  mit  krankhaften  Znf^lten  mancherlei  Art  zn  kämpfen 
gehabt,   litt   zuletzt,   bevor  sie  das  Blasenäbel  bekam,    an  einer 


~    3tl    — 

KiUBffttrfik,  w«]cb«  gvwöhnlich  all*  ftef  bis  s«d»  MonaM  er- 
MU«a,  «cbt  bifl  MhB  Tage  snbitlt  und  dann  vanehwand.  Ga- 
aiodbeit  nad  KrSfte  kehnan  nacli  eiaem  solchen  Anfalla  imaier 
bald  mrfiek.  ich  batte  mich  iHMnengt,  dafa  sieb  diese  Kolik  nitdit 
d«rcb  Anenei«n  beilan  lieft,  beaehrinkle  mich  also  blafs  daranf, 
den  Sdimef«  durch  KIfMire,  Fanenta Honen  und  aadere  elnfacba 
gewShslicbe  Millel  la  mSfai^n.  Im  Aafanga  des  Wint«ts  1808 
■nllie  aieh  nan  diese  Kolik  abermabls  eiB,  war  aber  wider  Ef^ 
wamng  anbr  gelinde,  nd  verachwand  in  sähe  kancr  Zeil.  Di^ 
ses  Mabl  blieb  eine  Beschwerde  beim  Hamen  Mnrndc,  welche  icb 
fiir  ein  Sj-mptom  von  KrBmpfen  snsabe;  denn  obgleich  die  Kranke 
nie  6ber  ein  Ibnllches  Leid«n  wSbrend  oder  nach  itr  KoIlk*ge- 
klagt,  so  ist  doch  dieMS  Symploni  im  Allgemeinen  eben  nicbi  seU 
lea  bei  Banchnbeln.  Ich  wendete  vergebens  mancherlei  krampf- 
stiHende  Miiiel  an;  die  KiBoke  wurde  der  ArnHiei  nberdriiasig  nnd 
dacbl«,  dieses  Uebd  werde,  "Wie  adte  Toriiergebpiide,  wol  ron  selbst 
v«nehwiadcn ;  ich  selbst  dachte  eben  so. 

Ina  Winter  wurde  die  Straagurie  so  stark  md  nnertrSglieb,  dala 
die  Kranke  genftihiget  wnrda,  mr  Araenei  ibre  Zuflaefat  so  neh< 
men.  Da  ieh  den  Harn  mitersncbte  ^  fand  ich  ihn  trnbe,  mit  einmu 
stafkeii  gtanen  Bodensaiie,  and  hörte,  doTs  er  risnnittelbBr,  mcb- 
den  er  geharnt  sei,  seben  so  amaebe.  Ich  IQrehtete,  die  Wassei*- 
snchi  mSchte  in  AaMge  sein  ,  gab  mr  Vorsicht  Diuretiea,  aber 
ohne  NntMo;  Schmers  nnd  triiber  Harn  hHeben,  jedoeb  werde  leta- 
ler anweÜen,  ebwol  stlton,  klar,  veränderte  sieh  aber  bald  wieder 
mr  Trabe.  Zuweilen  bemerkte  ieh  in  dem  groaen  Bodensatze  kleine 
gdbliche  Kilrpcvehen,  welche  eine  Kleie  von  Roggenbrot  m  sein 
sdiieaen;  bestimmt  kennte  ich  fieses  aber  nicht  behaapten.  Einn 
•^le  mir  Ae  Kranke,  sie  habe  mit  nnertrlgtiehem  Hchmen  einen 
Wind  aus  der  Blase  gelassen.  Hernach  hSrte  kh  dieses  selbst; 
der  Ton  des  Windes  war  scharf,  wie  der  Ton  einer  hSlxernen 
KtndeHi  oMpete,  der  Schmers  dabei  so  nnertrfgliob,  dafi  die  Kranke 
schreien  innrsle.  Inzwischen  wurden  die  KrSfie  mitider  and  die 
Sirangarie  mehrte  sieh.  Die  Anssendemng  fremder  Körper,  deren 
.\'a(nr  Ich  nicht  mit  Bestimmtheit  angeben  konnte,  wnrde  sttrker, 
mebrmahls  des  Tages  wnrden  Winde  ans  der  Blase  gelassen.  So 
fffng  «8  bis  znm  Januar,  wo  das  Elend  den  höchsten  Oipfel  erreiclit 
zu  haben  achicn.  Nacbden  die  Knmke  drei  Tage  Hölleasehmen 
nmgtesianden,  wurde  ein  sonderbarer  Körper  ans  der  Blase  getrie- 
ben. Es  war  dieses  ein  Stück  zXben  Schleimes,  essen  Zoll  lang 
und  efnen  halben  breit ;  eine  der  OberM^e«  war  mit  sieben  klei- 
nen, weifaen,  ranbcn,  zerre  ibbweH  Stein  eben  besetzt;  die  drei  gröfa- 
len  waren ,  wie  der  Kopf  einer  grofsen  Stecknadel ,  deren  man 
sich  cfaemafals  beim  Einwickeln  der  Kinder  bediente,  die  übrigen 
kleiner.  i  . 

M <5'^ 


—    322    — 

NacliJem  diese  Sobstans  «nagelricben  wsr,  fühlte  «He  Krank« 
gtotao  ICrleichlerun^,  Schlaf  und  Efsluat  kehrten  wieder,  sie  glnnb- 
te  Bich  fast  völlig  tier^sleiU.  ladwiaen  Itsfi  ein  iinangeaehmeii  Ge- 
fShl,  welches  in  der  Blasengegend  inräckgebliefaen,  doch  noch  ttf 
dere  Fehler  dieses  Organ  svermuthen.  So  TeratricheM  ein  (Mar  Mona- 
le,  und  plölslich  wurde  alles  wieder  tchlniiiner.  Winde,  StBekcben 
Brot,  Fleisch,  SalalblAHer,  Koriol«n  und  andere  Speisen  wurden 
mit  grofsem  Sehnrari  beim  Harnen  aus  der  Blase  getrieben,  so, 
dafs  auch  nicht  der  geringste  Zweifel  über  die  direkte  Coinaiuni- 
kaiion  des  Darmkanals  mit  der  Blase  mehr  übrig  blieb.  Ueberdiea 
wurde  die  Kranke  sech  von  einem  anderen  Ungeinache  geplagt. 
Fs  *scfaifln  iltr  nämlicfa ,  als  ob  eine  Kugel  in  der  Mutteracfaeido 
hange,  welche  beim  Aufricbien  Im  BettB  mit  ersiHanllchem  Schmer- 
ze hinunter  sittke.  Da  ich  den  Finger  in  die  Scheide  brachte, 
fuhlie  ich  unen  xandan  elastischen  Kftrper  von  der  GrSfse  eines 
Hühnereies.  Es  wm-  denflich  sn  unierseheideB ,  dab  er  nieht  in 
der  Wand  der  Scheide ,  sondern  zwischen  dieser  nnd  den  Sebau- 
knochen  sich  befinde;  also  sehlofr  ich',  die  Blase  selhdt  sei  ver- 
härtet. Da  aber  dieser  harte  KiSrper,  nach  Angabe  der  Kranken, 
plötsKch  entsiaaden  war,  so  urilieilie  iob,  daTs  di«  fiihlbai«  Gr5£M 
der  Geschwulst  nicht  die  wirkliche  Gröfse  der  Verhfirtung  sei,  son- 
dern von  einer  krainpf haften  Zusammen  siehung  der  Blase  abhänge. 
Dieses  besiimmte  mich,  ftufserlich  kranipfsiillende  »nd  erwetehesde 
Mittel  anzawenden  ,  letzte  auch  in  die  Blase  eins u spritzen.  Das 
Einspritzen  mnfsle  ich  aber  bald  aufgeben,  weil  «>  grofsen  Schuien 
Ternrsacfaie.  Von  den  änfseren  Mitteln  und  dem  Einspritzen  in  die 
Scheide  behaupieM  <Ke  Kranke  Linderung  zu  haben.  So  ginge» 
einige  Wochen  unter  abwechselndem  Befinden  hin,  die  Verh&ttnng 
wurde  kleiner,  weicher,  die  daher  entstandene  Besehwerde  erträg- 
lich; das  Ausharneu  der  Speisen  hielt  aber  an. 

Da  jetzt  der  heftigste -Heiz  gemftfsiget  WBr>  so  flberlegte  ich, 
oh  es  rad^idt  sei,  das  Loch  in  der  Blase  zu  stopfen,  und  der 
Kranken,  wo  nicht  die  Gesundheit,  doch  zum  wenigsten  ein  er- 
trägliches Leben  zu  verschaffen.  Zusammeazleheade  Mittel  schie- 
nen mir  zu  diesem  Zwecke  am  besten  zu  passen;  allein  die  grofs« 
Beisbarkeit  der  Därme,  die  Neigung  zu  Kolik  und  Durchfall,  di« 
man  bei  einer  Frau  voraussetzen  muiste,  welche  lange  vorher  ab- 
wechselnd mit  solchem  Ungemaeha  geplagt  gewesen,  liefsen  be- 
für^ien,  defs  die  Adttringentia,  Statt  zu  helfen,  neue  Leiden  be- 
reiten möchten.  Das  unaufhörliche  Aushamen  der  Speisen,  die  da- 
durch veruTsacblen  Schmerzen  und  Klagen  der  Kranken,  setzten  mich 
ladefs  liher  alle  Bedenklichkeit  biqweg.  Ich  liefs  sweigräoige  Pillen 
von  Alaun  machen  und  alle  zwei  Stunden  eine  nehmen.  Da  ich  keine 
tbeie  Wirkung  davon  sab,  vermehrte  ich  die  Gabe,  bis  dieKranke 
zwei  und  siebenzig  (iran  innerhalb  eines  Tages  verzehrte.    Ferner 


—    323     - 

Ii«la  ich  di«  KruiLc  sich  von  allem  GctrSnke  nnd  ftüniger  Nah- 
mng  M  viel  mftjBflich  enihalien;  denn  ich  daehtfl,  Fleisch  iinif  Brut, 
ohne  Qeiränk«  bilde  in  d«m  Magen  einen  festeren  Nahningsbrci 
and  könne  also  nicht  so  leicht  daroh  eio  kleines  Loch  in  die  Bla- 
■«  dringen,  als  wenn  es  mit  vieler  Flüssigkeit  Termiicht  sei, 

Oie  Wirknng  dieser  Behandlung  wa^  gar  wunderbar.  Nach 
drei  Tagen  war  der  Urin  klar,  oder  hatte  höchslens  einen  nnbe- 
dealenden  weilslichen  Bodensaii;  es  kamen  keine  Winde  mehr  buh 
der  Blase,  aacb  wnrdea  keine  Speisen  aiehr  ausgehanet.  Die 
Kranke,  welche  schon  alle  HotFnnng  aufgegeben,  bekam  neuen 
Math,  ja  ihre  Kräfte  fingen  an,  sichtÜch  la  rermehren,  ao  dafs  aia 
sdbst  ein  wenig  anfiitsen  nnd  mit  ihren  Freunden  plaudern  konnte. 
Diese  Besserung  war  aber  von  kurzer  Daner.  \acfa  zehn  Tagen 
werde  ich  eilig  au  ihr  gemfen  nad  finde  sie  in  dem  traurigsten 
ZsBiande.  Sie.  harni  wieder  Stücke  der  genossenen  Speisen,  grö- 
fser  als  je  vorhin ;  die  Schmerzen  sind  ganz  unertEfiglich.  Ich  ver- 
mehre die  Adttringentia,  ich  wende  selbst  zusammenziehende  El- 
senttiiltel  an ;  alles  vergebens :  das  Loch  in  der  Blase  scheint  jetzt 
•o  grofs  KU  sein,  dafs  kein  AAfriMgeiu  es  mehr  verstopfen  kann. 
Der  Pa)s  wird  sehr  schnell,  ganslicher  Mangel  an  Efslust,  bestftn- 
dige  Schlaflosigkeit  and  die  grausamsten  Schmerzen  bringen  die- 
sen aoagemergelteo  KBrper  bald  dem  Tode  nahe.  Es  erfolgen  Ohn- 
mächten, und  endlich  am  achten  Mai  1809  macht  der  Tod  alleia 
Elende  ein  Ende. 

Aerzle,  die  viel  mit  Kranken  umgegangen ,  nicht  blofs  den 
kSrperiichen,  sondern  anch  den  geistigen  Menschen  beobachtet  ha- 
ben, werden  mit  mir  einig  sein,  dafs  es  Menschen  genng  gibt,  die, 
nach  ihren  Beden  zo  nrtheilen,  den  Tod  wünschen,  nach  ihm  sich 
sehnen,  aber  in  ihrem  innersten  Herzen  weil  entfernt  sind,  gern 
sterben  zu  wollen,  und  dafs  derer  wenige,  sehr  wenige  gefanden 
werden,  die  wirklich  auf  das  Leben  verzichren  und  den  Tod  alt 
ihren  Wohllhater ,  als  ihren  Freuitd  erwarten.  Von  der  letzten, 
seltneren  Art  war  unsere  Leiderinn.  Acht  Tage  vor  ihrem  Abster- 
ben fiel  sie  in  eine  tiefe,  lang  anhaltende  Ohnmacht;  xwei  Freun- 
dinnen brachten  sie  durch  Wasch-  nnd  Riecbmittel  wieder  zn  sieb. 
Kanm  war  sie  zu  Besinnnng  gekommen,  so  weinte  sie  bitterlich, 
dafs  die  Ohnmacht  noch  nicht  der  Tod  selbst  gewesen  sei.  Das 
war  also  eine  von  denen,  die  (wie  es  beim  Iliob  hetfst)  den  Torf 
auchen  nnd  ihn  nicht  finden ,  und  grüben  Ihn  wol  aus  dem  Vor- 
bargen en. 

Am  nKchsten  Tage  nach  dem  Abslerben  Sffnete  ich  den  Leich- 
nam nnd  fand  Folgendes.  Die  Leber  war  angew5hnlicb  grofs,  aber 
übrigens  ganz  gesund.  Der  Magen  klein,  enge,  fast  ganz  in  der 
Buken  Unterrippengegend  liegend.  Das  Xelz  klein,  sehr  kurz  und 
ohne  Fett.    Die  Dünne  ganz  leer,    so,  dafs  sie  eher  Stricken  als 


—    324    — 

Dfirm«n  ähnlich  Bähen.  lodAin  ich,  v«n  dem  Magen  an,  den  Dam- 
kanal  dtirvh  meine  Finger  wollte  gleilen  lassen,  wurde  ich  gewahr, 
dtifs  der  untere  Theil  des  Zwalffingenjarmea  hat  an  den  Räek- 
gratk  gewachsen  wsr,  der  untere  Theil  des  Leeidamies  aber  an 
den  «rwnd  der  Harnblase.  LeWte  Verwaehaung  war  gar  aend««^ 
bar  anzusehen.  Am  Grande  der  Blase  nKmlicfa,  übe  it^  einen 
Knoten  von  der  Grüfse  eines  Hübnereies,  weleber  an  den  Gnisda 
angewachsen  war,  oder  vielmehr  mit  ihm  eine  Mftsae  aussamachan 
schien.  Diese  Znaammenwai^sung  nenne  lob  einen  Knoten,  weil 
sie  mit  diesem  die  grSfsie  Aebniiehkeit  hatta.  Die  ganze  Maas« 
war  rund,  weich  und  g)aii,  und  an  beiden  Seilten  sah  »an  awei 
Därme  herausgehen,  so,  dtifs  es  offenbar  war,  dieser  Knoten  sei 
aus  zwei  Windungen  der  düonea  DHrme,  welche  durch  vieles  Zell- 
gewebe mit  dem  BUsengrunde  verwachsen,  gebildet. 

Da  ich  weiter  nichts  Merkwürdige«  in  diesem  Leichname  fand, 
so  schnitt  Ich  die  vier  Enden  DSrme,  da,  wo  sie  ans  dem  Knoten 
gingen,  ab,  and  nahm  die  Geachlechlatheile  mit  der  Blase  herana. 
Na^dem  ich  nun  besagte  Organe  in  ihre  nalurliche  Lage  Bnfdem 
Tische  gelegt,  öffaeie  ich  nterat  d{«  Blase.  Sie  war  klein,  ihre 
W&nde  dick,  fast  wie  bei  denen,  welche  am  Steine  gelitten,  übri' 
gens  keine  VerhHrlong  zq  enldeoken.  Die  innere  Haut  war  roth- 
lieh, glatt,  gfgen  den  Grand  der  Blase  zu  etwas  ranslig.  Im  Gran- 
de der  Blase  sähe  ich  zwei  L&cher.  Das  kleinste,  welches  links 
lag,  war  rund,  die  Ränder  weifslich  und  etwas  angeschwollen;  da 
ich  die  Sonde  bineinbraohle ,  befand  ich  mich  gleich  in  dem  init 
dam  Blasengrnnde  verwachsenen  Theile  des  L««rdarmes.  Das  xwei- 
(e  Loch,  ebenfalls  mnd,  lag  reebis,  von  dem  ersten  ungrführ  ei- 
Kea  halben  Zoll  entfernt,  ea  war  so  weit,  «Ufa  man  gemftcfalieh 
den  Kiel  einer  Sohwanenfeder' hätte  darcbbringen  kKnnen.  Da  ich 
die  Sonde  bineiosieckl«,  befand  ich  mich  wieder  in  dem  nfimlicben 
Tbeile  des  Leerdarniea,  in  welchen  aitch  das  erste  gaffte.  \iin 
j)ffitet«  ich  diesen  Theil  des  Le^rdarraes;  er  war  so  verengt,  dafa 
ieh,  ohne  i»a  Wänden  Gewalt  anzuthup,  höchstens  meinen  klei- 
nen Pilger  bioeinbiringea  konnte,  Di«  Wand  dieses  Darmes  war 
mit  der  Wand  des  Blasengnindea  so  eng«'  verwacbsett,  dafs  beide 
pur  eine  Haut  ausmachten,  in  der  man  zwei  Löcher  sah.  Oia 
Uänder  der  Locher  waren,  hesosders  nach  der  Dariuseite  mi,  so 
glatt  und  rund ,  aU  ob  sie  mit  eioeni  Messer  oder  einer  Scher« 
gemacht  wSren. 

Dia  zweite  Windung  des  Darmes,  welche  nnter  der  ersten  in 
paralleler  Richtung  lief,  und  wabtscheialicb  ein»  Windung  des  obe- 
ren Tlteiles  das  lleums  uar  (wahrscheinlich  sage  ich,  denn  di« 
Grenzen  bmder  Dürute  waren  in  diesem  Leichname  nicht  gut  xa 
boatiramen)  war  nicht  so  genau  mit  der  Blase  verwaobsen;  man 
sah  zwischen  beiden  deutlich  etwas  Zellgewebe.     Di«  beid«a  Dana- 


—  at5   — 

ibsile  waren  ^rch  v!«le>  Zellgewebe  veiWa^M  uai  Mmkleidet, 
wodurch,  Mie  gevigli  dae  GaiMe  einem  Kooten  ihnlich  wnrde.  In 
dem  aweiien  Uanatheile«  welcher  bei  weitem  nicht  aa  enge  wer 
»U  der  erue ,  bcMerkte  ich  doicbmia  nichtt  Normwidrige!.  U«bri< 
gen*  fwid  ich  alle  Eiageweide  gesund,  aad  atifaer  einem  kleinen 
uabedeaieDden  Poly^eo  in  de»  Matiernande,  nichla  Krankhaftes. 
Zun  ScbliiHe  bemerke  ich  noch,  dala,  irUa  der  Verwaehanng 
and  bedeuieoden  örlliefaen  Verengevnng  des  Darmkanal«,  aus  wi- 
chen (fü>gMobeii  von  der  Durebl&cherung  d«-  Blase)  begreiflich  man- 
cherlei körperliobe  Leiden  enUlefatn  rnufsten ,  ich  noch  nie  eine 
Frau  gekaont  habe,  welche  eine  »o  frohe  and  ^eichmUlsige  Ge- 
nnthssiimmung  gehabt  hatte.  Dies  gibt  den  Reweis,  dufs  Rpgel- 
widrigkeiten  der  Bancbeiuge weide  nicht  notbwendig  auf  den  Geist 
feindlich  einwirken:  data  als«  wuhrsokeinlich  daa  feindliche  Ein- 
wirken ,  in  Fällen ,  wo  wi>  ea  doch  unwiderspreehKeh  gewahrm, 
dnrcfa  etwas  bedingt  sein  müsse,  welches  wfr  «cht  kennen,  voa 
dem  wir  vielleicht  keine  Ahnung  haben. 

Mittel  auf  dit  Gebärmutter. 

Wir  wollen  xaerat  von  diesem  Organe,  in  su  fern  es  sich  im 
un befruchteten  Zustande  beiindei,  reden. 

Eine  jauchige  Vereitlung  desselben  habe  ich  selten  erlebt,  in 
den  seltenen  Fällen  war  die  Verjanehnrtg  am  Miitlerniunrfe  nnd  der 
Anggang  iSdilich.  Eine  VerhSrtuitg  des  Körpers  der  Gebärmutter 
habe  ich  mit  Beitimmlheit  nur  Eininahl  selbst  beobachtet  und  be- 
handelt. Die  Frau  hatte  seit  ein  paar  Jahren  ihr  Monatliches  nicht, 
klagte  aber  Scbmerxen  des  Bauches;  in  der  Tiefe  desselben  fühlte 
ich  bestimmt  einen  harten  Körper,  von  der  Gri3fse  eines  Kinder» 
kopfea,  jedoch  ohne  umschriebene  Grenzen.  Uebrigens  hatte  sie 
schon  Wasser  im  Bauche  und  die  Füfse  waren  bis  über  den  Knö- 
cheln geschwollen.  Die  Sabina  hat  mir  in  diesem  FaOe  wirklich 
recht  gute  Dienme  geleistet..  8ie  brachte  suersl  die  gestörte  Harn- 
eutleernng  in  Ordn  mg.  Da  der  Bauch  nun  ganz  leer  von  Wasser 
war  und  die  FrHii  sehr  ningere  Bauchmuskeln  halle,  konnte  ich 
mich  durch  Ars  Gefühl  ganx  deutlich  von  der  Verhärtung  der  Mut- 
ier überzeugen;  natürlich  in  der  Voraussatzong,  dafs  kein  fremd- 
artigsa  Aftergobiide  den  Ort,  wo  die  ausgedehnte  Gebärmutter  lie- 
gen mnfste,  einnahm.  Die  Bauch  nehm  erzen  sind  bei  dem  Gebran- 
che  der  Sahina  nach  und  nach,  jedoch  langsam,  vergangen,  und 
die  Verhärtung  ist  auch  nach  und  nach  st^vertnindert ,  dafs  ich 
auletxt  jnit  meinen  Fingern  nichts  mehr  davon  enldt^eken  konnte. 
Trotx  dieser  gilnsiigen  Verfinderung  glaube  ich  aber  nicht,  dafs 
das  Organ  gunx  zum  Normalstande  zurückgebracht  ist.  Da  die 
Flau  der  Schmerzen  ohne,  und  vor  der  ^Vassersucht  nicht  weiter 


_    SM    — 

bange  war,  gebrtfnohle  sie  die  Sebina  inofat  mehr  regelmftMg. 
Oie  Gescbäfl«  ihres  Maones  waren  offenbar  im  Zurückgeben,  und 
unter  solchen  Cinstäiiden  scheuen  die  geringen  Bürger  die  Apo- 
theke. Drei  Jahre  habe  ioh  sie.  noch  nachher  von  Zeit  zu  Zeit 
gelegeallich  gesehen;  sie  hat  eine  erträgliche  Gesundheit  behalten, 
ihr  MonatlicheB  ist  aber  nicht  wiedergekommen.  Da  die  Haushal- 
tung von  hier  nach  dem  Holläadiicfaen  vn-sogen  ist,  'Werde  ich 
die  Frau  wol  nicht  wiedersehen,  glaube  aber,  dafs  auf  die  Dauer 
doch  nicht  viel  Gute*  aus  ihrer  GebUrmnller  spriefsen  wird.*) 

Eine  grofse  verhärieie  Mutter,  welche  ich  einst  gesehen,  wog 
reichlich  achtzehn  Pfund  BUrgerge wicht.  Das  Madchen,  ans  des- 
Ncn  Bauche  sie  geschnitlev  war,  habe  ich-nichl  gelcannt,  aber  Fol- 
gendes über  ihren  Zustand  erfragt.  Sie  hat  sich  mit  einem  jun- 
gen Menschen  begattet,  wird  nach  und  nach  dioker  und  immer  dik- 
ker,  zugleich  aber  kränklich,  hernach  bettlägerig,  endlich  stirbt  sie. 
Der  Pastor,  der  sie  für  schwanger  hält,  (sie  hatte  sich  seihst  d«- 
fur  gehalten^  läfst  den  Wundarzt  holen,  um  das  Kind  ans  der  tod- 
ten  Frau  durch  den  Schnitt  zu  Tage  zu  f&rdern,  damit  es,  im  Falle 
es   noch   lebte,   könne  getauft  werden.     Wie   der  Wundarzt  deo 


*)  Seit  ich  Obipa  f«tebrieben  ,  babe  ieb  den  iwf  iinn  Fall  einer  pviflicb  ver- 
birlelen  tiebÜramlter  in  bebandeU  gebabl,  aber  mil  der  Sabioa  eben  (•  we- 
niS  anigerielitet  als  mit  andern  Hitlela,  iseb  die  Kaut  ueiiei  Slleilen  and 
errabrcpfteo  wandirtztichen  Frenndea  •eheilerle  hier.  Da  Bocb  keine  Verel- 
lerDDg  oder  Vcrjiucbnng  in  dem  Organ  war,  lo  batte  die  Kraske  blofi  eoa- 
arnsuEtls  Nerv enacbme neu  in  den  unteren  Exlrenilliten ,  welcbe  Schmerren 
are  Gicht  nannle.  Tficbden  die  VerbSrlung  mebre  Jabre  acheinbar  in  dem 
aüaitlchen  Wesen  ^eblteben  ,  atarb  die  Frau  im  JoMat  183B  an  einer  kaam  30 
Slnnden  aahalteaden  Kolik.  Da  iob  Abenda  7  Ubr  binkani ,  fand  Ich  ai«  mil 
knblam  Geliebte  nad  käbleo  Extremitätau ,  der  Pulaschlas  kann  60  naht  is 
einer  Hioote.  Dar  Bauch  war  nicbt  empBndlicb  für  die  Berühmn; ,  er  ver- 
trug  EinreibgnKeu  gut,  lie  leiatelen  aber  nicht*.  D«r  Scbmera  war  angebeuer 
helti^;  die  minnloalanpn  Tftebläiie  waren  nicht  ein  AnHifiren  dei  Schmer- 
lei,  londern  blolk  ein  NacbUaien  aeiner  BefliBkeit.  leb  bin  ein»t  aU  iweiter 
Arat  zn  einer  aa  BmieritiM  leideaden  Fraa  dea  Tag  vor  ibrem  Tnd«  gerafca 
worden  (die  LeicbenSiTnnng  hat  nünlich  die  Diagnoie  rollkommen  baatällcel); 
allein  dleae  Scene  war  mit  der  eriHhllen  licbl  lu  vergleioben.  —  Ob  ein  Za- 
simmeabaag,  nnd  welcher,  zwiacben  der  verbürtetcn  Gebünnntter  nnd  dem 
baldigen ,  nnglanblicb  tebmerzbaltcn  Absterben  war ,  wsir«  ich  nicbt.  Naagie- 
rig  war  ick  wnl ,  da«  Rltkaal  durch  die  LeiehenGB'nung  gelCaet  in  geben  ,  di« 
Freunde  der  kindarloien  Witwe  würden  anob  ohne  Zweirel  die  OeffnuDg  la- 
geatnnden  haben;  allein,  die  Wnbnnng  der  Veratorbenen  war  iwei  Meilen 
von  hier  entferat ,  der  Weg  dahin  acUecbt,  enndig,  zum.Tbeil  durch  eine 
holperige  Heide  In n read :  da*  alnd  UmilKnde ,  die  den  praktischen  Ant  eben 
nicbt  einladen ,  in  der  heirseaten  labreHcil  aeine  Neugierde  bei  einer  Todlea 
ZB  bnFriedfgen,  wenn  Lebendige  leine,  Zeit  in  Anaprnob  ■«bman. 

In  Jahrn  1840  aollte  ich  einer  Fraa  helfen  deren  verbarlela  Gebamatter 
>a  grori  war,  wi«  eine  im  neunten  Honat  acbwangere.  Ich  koanta  aber 
weder  die  GebKrmutlar  aar  Norm  lurückrührcn ,  noch  der  Falgewatierancbt 
steaern.     Die  Frau  starb  nach  aniiglichen  Leidnn, 

„,,,_„,,,, Google 


—  327  — 
Bmeb  Mnet,  «tSlsf  er,  StafI  auf  <l«fl  sebwMigenn  Uiernm,  siif  ei- 
DBB  v«rhftrlelen,  acliDeidet  ibo  in  der  GtticbwiiMligkait  baraus  aoi 
■iniat  ihn  mit  mcb  Haaae ,  ym  nrir  tlieae  Seltenbait  lu  zeigen. 
\«D,  viel  aeltsamea  war  eben  nieht  ^aran  aa  aehen.  Seine  Snb- 
RttM  war  eine  xlemliefa  leirble,  acbwBnmig[e  Maaae,  die  Aehnlicb- 
keit  mit  KnbeMer  baue.  Beim  Durchach  neiden  ward  ich  swei  klei- 
•«  Häyen,  eine  ungefähr  in  der  Mitte  der  Maaie,  die  ander*  inr 
Seite,  gewahr,  die  eine  Unae  Flüaaigkeil  jede  enthahea  mochten, 
welche  wie  titer  aussah,  alwr  weder  den  Gemcfa  de«  Ciiera,  nach 
auch  einen  fauligen  Gernch  hatte.  Durch  die  weiüie  Maise  sah 
ich  zwei  rolbe,  Blrohhaimdtoke ,  dem  Anacheine  meh  DDgeaweigte 
Blatgeßfite  laufen.  Da  faei  dem  sdineHen  und  rauhen  Auuciinei- 
den,  welches  bei  dieaem  Gebär mullerdiebaia hl  SiaH  gefunden,  die 
Anhängsel  de«  Organs  iheils  verlet«,  iheil«  in  dem  Leichnattie  sa- 
rnckgeblifben  waren  ,  so  kann  ich  über  die  Eierstocke  nichts  an* 
gen ;  was  von  den  Mutlertraii^Mea  übrig  war^  beknndete  wel,  dafa 
■le  geannd  gewesen. 

Von  dea  Leiden  der  nicht  cchwangeren  Gekirmutter  sind  die 
fehlende  MenairoMian,  die  achmerahafie  nnd  die  besebwerliche  ge> 
nde  die,  warum  man  uns  Aente  am  nMiaten  flberlKuft ;  dann  folgt 
die  zu  starke  nnd  die  an  oft  wiederkehrende,  leb  kenn  mich  nn- 
mSglicb  über  alle  diese  Dinge  hier  auslassen,  da  iefa  wol  Erfah- 
rung, aber  keine  eigen thümliche  darüber  habe,  überdies  kein  Lebr- 
bach  der  apesiellen  Therapie  schreibe.  Eins  wiU  ich  aber  meinen 
jängerea  Lesern  ans  Hers  legen :  sie  müssen  nie  vergessen ,  dnfs 
die  GebSmiutter  luit  andern  Oi^anen,  besonders  mit  den  Bauch- 
erganen  in  genauem  Consent  stehet,  nnd  dals  Blniflüsse,  heftige 
Bioiflusse  der  .Mutter,  Dicht  selten  blofs  Too  einem  Urleiden  der 
Leber,  der  Milz,  oder  der  Nieren  abbangen.  Mit  einer  Abkochung 
des  Franend  ist  el Samens  kann  man  heftige,  den  zusammenziehenden 
Mitteln  trotzende  Blotflüase  stillen,  sobald  aie  in  einer  Affektion 
der  Leber,  oder  Milz  begründet  sind ;  und  noch  int  vorigen  Jahre 
habe  ich  mit  der  Cochenille  einen  von  einer  Nierenaffektton  ab- 
hängenden Miittprblutflufs  gestillet,  gegen  welchen  unisaost  der  Li- 
quor Slyptiru*  L.  venunht  war. 

Das  Ausbleiben  der  Menstruation  ist  ebenfalls  zuweiten  in  ei- 
nem Urleiden  eines  anderen  Bauchorganes  begründet^  darum  ist  ei- 
ne Zeit,  wo  gastriücbe  Krankheiten  herrschen,  fiir  geehelichte  Wei- 
ber eine  üble  Zeil.  Werden  diese  von  solchen  atmosphärischen 
Ursachen  feindlich  berührt,  so  bleibt  mweiten  das  Monatliche  aus. 
Sie  fühlen  widrige  Bewegungen  in  den  Prfikordien ;  was  ist  natür- 
licher, als  dafi  sie  schwanger  sind?  Weit  entfernt,  ärztliche  Hülfe 
zn  suchen,  schleppen  sie  sich  halb  krank  halb  gesund  herum.  Nnii 
ßngt  der  Bauch  an,  nach  und  nach  dick  zu  werden;  ist  das  nicht 
die  bette  Bestätigung  der  Scbwangersciiaft I    Aber  vergebens  war- 


—  ft»  — 

IM  man  im  funfiMi  MmmM  auf  LebMutebenB^Mi  der  FradM;  41« 
varhäll  sieb  gut«  rnbig.  Nun,  eine  Frau  kann  «Ich  wo)  am  Ma  viar* 
xebo  Tage  vMmibDea ;  wir  rnüasen  norji  ein  paar  Wuchm  warlM. 
80  wartet  man,  bu  in  den  Mobateo  iVI»Bal;  jeut,  da  da«  eigenaio- 
nigs  Kind  immer  noch  «ohlüfl^  wird  endli^  zum  Ante  geschidu. 
Wa«  finden  wif  nun  1  Ein  gnntige«,  gelbes,  oder  erdfarbenei  G*- 
•iaht,  aDbleiebende«  Fieber,  sohiuenfaafte  f  rBkordien  uad  den  Baueh 
voJl  Wauer.  Nun  können  wir  uns  an  die  Arbeit  geben  und  die 
wanergeacbwäagerlt  Frau  beileo ;  eine  erbauliche  Arbeit  I  lefa  habe 
Doeh  nie  gastfisofae  CoasUiation  erlebt,  wo  ich  nicht  sitlofae  Miü»- 
gritte  der  Weib*r  mehr  als  Einmahl  geaebea  bSlte, 

Ueberhaupt  hemcht  bei  den  Weibera  Ober  da«  AnsbJeibendea 
Monaüicbea  ein  gar  veritebrter  Begriff,  den  leider  nicht  wenig 
Aente  mit  ihnen  tbeilen.  Bleibt  «itter  Fran  «dn  eiawn  Mädcbea 
daa  Monatliche  au«  und  aie  wird  kränklieb,  «9  hei&t  e*  gleich, 
diese  Kränklichkeit  komme  ron  dem  Ausbleiben  des  Monatlichen, 
da  doch  gewifs,  nnter  sechs  FsIIen  des  ausbleihenden  Menatlichea, 
in  fSnf  Fallen  gerade  das  Gegentbeil  Stau  findet.  Die  Körper  sind 
krank,  darum  bleibet  die  Menstruation  an«.  Man  mache  die  Kör- 
per geaaad,  so  kehrt  die  Meastmation  wieder.  Will  man  ^e  8ar 
che  umkehren  und  da«  Moa^iche  treiben,  so  macht  man  die  Wei- 
her  kränker  als  sie  vor  dem  Araeneieo  geweeen  sind,  ja  treibt  sie 
nicht  selten  uif  der  Tielbeiretenen  Ueerstrafse  der  Schwindsucht 
■uui  Grabe.  Ich  begreife  nicht,  was  man  von  jeher  in  der  Medi- 
ain mit  dem  Treiben  gewollt  hat.  Da  sind  Bteintreibende ,  uri»- 
treibende,  monatsselltreibende  Mittel.  Ich  sehe  aber,  dafa  die  na- 
türlioheq  Ab-  und  Aussonderongen  von  selbst  wieder  regelmässig 
werden,  sobald  man  entweder  den  erkrankten  Gesammtorganiaauis 
oder  einzelne  erkrankte  Organe  gesund  gemacht  bat;  wozu  soll 
al«o  da«  Treiben  dienen? 

Das  Monatliche,  dem  aoiweder  Scfatneneo  vorhergehen,  oder 
dns  mit  Schmerlen  b^leilet  ist,  weltdie  Krankhaftigkeit  bekannt- 
lich den  Weibern  sehr  lästig  zu  sein  pflegt,  kann  in  manchen  Fäl- 
le« in  dem  erkrankten  Gesammtorganismiis  begründet  sein,  und  ist 
es  wirklich  nar  zu  oft  bei  jungen  erstbliiiigen  Mädchen,  ho  dano 
durch  die  Univenalia  laufs  geholfen  werden,  wovon  icli,  der  Ord- 
nung wegen,  an  einem  «ohioklicheren  Orte  reden  muls. 

In  gar  vielen  Fällen  ist  aber  dieses  Ungemach,  welches  nicht 
blols  schmerzlich  ist,  sondern  durch  welches  die  Blutaussönderuog 
mehr  oder  minder  kann  geslöret  werden ,  eine  eigene  Krankheil 
der  Gebürmutter, .  die  wahrlich  nicht  immer  gemächlich  zu  he- 
ben ist.  Wie  oft  habe  ich  nicht  Mohnsaft  und  andere  schmers- 
«tilleode  Mittel  ganz  vergebens-  ron  den  Aerzten  reichen  «eben, 
«nd  wie  oft  habe  ich  nicht  in  jüngeren  Jahren  selbst  dergleichen 
vergebens  gereicht.     Ca  werden  ungeAbr  zwanzig  Jahre  sein,    da 


—  w»  — 

bmi  ich  mwtt,  iak  mm  giejdiilwiHgc  Mh^ai^  von  Krlhenav- 
gM-  anj  Biebefgciliinkinr  das  bexw  Heilniuel  der  bMagien  Mut- 
icduaaklMU  ■«.  Dibm  MUchung  Bltllet  die  SchnarMU  baM ;  wenn 
■M  sie  ein  paar  Tag«  vr  dem  MonatlkbMi ,  fflaf  bis  archsmabi 
ui  dieifaig  Trapfea  iMftich  nehmca  llf«,  oad  fkhn  daaiit  fon,  m 
böge  das  MpMiliebe  fliclät,  so  kana  man,  w«mi  nuui  jeden  Mo- 
Hat  dieM  Vonchrift  gebrauebt,  auf  die  Dauer  das  Uebel  ganz  be- 
ben. Ob  aun  in  dieaer  ZntaiaBKnsei^ng  eine  besonder«  Heini^ 
licblieit  stecke,  Icnnn  ich  nicht  mit  Besiimmtheit  sagen;  ich  habe 
mich  einftltig  an  selbige  gebnllen,  seh  ich  sie  heilsam  befunden. 
DaiW  Biebergeil  allein  ««lebet  MuHerübel  nicht  hebe,  weift  ich 
recht  gui;  ob  aber  die  KribenaogeB  allein  es  heben  werden,  habe 
ich  noch  nieht  vwsacht.  Das  mfifaie  ich  aber  mehrmafals  und  bei 
verschiedenen  Kdrpem  Tersueht  haben,  wenn  ieb  bestimmt  behanp- 
IsQ  w«Uie ,  in  jener  Miaehnog  «teeke  «ine  besondere  Heimliob- 
keit. 

UebrigPDs  h^M  ieb  mich  bei  dieser  Misebang  nie  des  Sibiri- 
seheo  Biebergeila  bedient  (es  ist  nir  viel  au  theoer},  sondern  ei- 
«M  guten  Canadiscfaeo.  Mit  Biebe^eil  allein  habe  ich  wirklieb 
noch  nie  einen  Mensohea  geheilt;  es  ist  aber  eine  gnte  Belhülfe, 
welche  bei  naneben  Baoobübel  aegenblickliche  Erleichterang  rer- 
scfaafft;  darum  beballe  leb  es  auch  bei,  iadefs  ich  den  grSfstea 
Tbetl  anderer  segenaanlen  krampfstiilendea  Mittel  sch«n  lAngsl  ha- 
be tabren  lassen.  Es  ist  eine  grobe  und  aberwiisige  Einbildung, 
wenn  bbo  gUnbt,  oho«  solch  Zeug  die  Meascben  nicht  heilen  la 


Eine  Tomehme  Frau  bat  mir  einst  ein  Reiepl  geseigt,  welches 
in  Wien  geschrieben  war ;  es  enthielt,  in  einem  genieinen  apoihe- 
keriscben  HischniaMhe,  destillirtes  Wasser  dw  Sibirischen  Biebei- 
geils.  Wenn  ich  nun  gleich  bei»  Beriecben  der  Flasche  aweifel- 
baft  wurde,  ob  das  Biebergeil  sieb  wirklich  in  der  Flasche,  oder 
noch  in  Sibirien  befinde,  so  gefiel  mir  doch  der  Gedanke,  und  ich 
liefs  von  geiem  nichtaib irischem  Biebergeil  ein  geistiges  Wasser 
deslilliren.  Dieses,  in  welchem  das  Verbülinifs  des  Castoreum  snni 
geistigen  Waocr  gerade  das  nilmliche  ist,  wie  in  der  offixinpllrn 
Tiokinr  inni  Weiageiale,  hat  einen  so  starken  Gemeh,  dah  eine 
Drachme,  acht  Unzen .  Flüssigkeit  nicht  einbildisch,  sondern  wirk- 
lich dnrcfasiinkt. 

Sollie  es  nicht  möglich  sein,  durch  ein  inländisches  Mittel  das 
Biebergeil  m  ersetzen ,  damit  wir  doch ,  wenn  unsere  Weiber  die 
Hutterplage  bekamen,  nicht  mehr  nfitbig  bätlea,  ans  Amerika  oder 
«BS  Sibirien  Hülfe  zu  holen I  Die  hotifigen  Wunen,  welche  die 
Pferde  an  der  inneren  Seite  der  FSrne  hnben,  sind  in  der  alten. 
Welt  gebrancht  worden.  Oitoald  Cro/htu  bat  in  seiner  Ba$Üica 
dymica   eine    Timet.   verntcarum   eqHorvm.     Diese    Substanz  bat 


—    S30    — 

wirklich  einen  eigenen,  atintenden,  durchdringendeir  Geruch;  icn 
soitifl  wol  denken,  dafs  sie  d»a  Caatoreniii  eraetsen  kSnme.  Vor 
geraumer  Zeil  habe  ich  eimmahl  eine  Tinktnr  davon  hereiten  las- 
sen. Diese  getiel  mir  aber  nicht;  der  Weingeist  waltete  zuviel 
TOr  und  verdankelle  zu  »ehr  den  feinen  Gerwch  iler  Prerdewarxen. 
Ich  glaube,  dafr  geisligea  VA'agser  den  feinen  durchdringenden  timnd- 
sioif  hesser,  zum  wenigsten  dem  Gerncbe  erkennbarer  ansziehen 
wird  sIm,  Weingeist.  Versiiche  habe  ich  aber  bis  jein  noch  nicht 
darüber  gemacht. 

Die  befruchtete  Mntfer  macht  bekanntlich  manchen  Weibern 
,  viel  Sil  schaffen ;  ich  habe  indefn  wenig  KMh  anf  all  das  Ungemach, 
welches  sie  verursacht,  finden  kSnnen;  jedoch  ist  die  »nvertilgbare 
Neigung  znr  Säure,  womit  einige  Weiber  lu  kflntpfen  haben,  zu- 
weilen von  der  Art,  dafs  man  ihnen  wol  helfen  nMifs  so  gut  man 
kann.  Bei  denen,  welche  in  der  zweiten *Hxlfie  der  Schwanger- 
schaft, öder  dnrcfa  die  ganze  Zeit  der  Schwangerschaft  stark  daran 
gelitten,  rersehwindel  oft  das  Lästige  des  brennenden,  nagenden 
Geflihls  im  Magen,  des  Anfstofaeiu  und  anderes  Ungemach  gleich 
«scfa  der  Niederknnft.  Weil  sie  aber  den  gansen  Darmkanal  noch 
roll  Silnre  haben,  so  leiden  die  nengebomen  Kinder  viel  dadurch, 
bekommen  Durchfall  von  grSnem  Kothe,  Bauchschmerzen  und  ande- 
res Elend.  Statt  nun  an  den  armen  kleinen  Würmern  zu  flicken 
ntid  ihoen  gleich  beim  Eintriue  in  dieses  Jaminerthal  die  Apotheke 
in  den  Leib  zu  schicken,  ihnt  man -wirklich  besser,  die  Mniter 
reichlich  \atron  nehmen  ni  lassen,  damit  in  der  kürzesten  Zeit 
alles  saure  Zeug  in  den  Dünnen  neuiralisirt  werde  nnd  die  Milch 
alle  feindliche  Einwirkung  anf  die  Kindsdärme  verliere. 

Ueherhanpt  kann  man  jüngeren  Aeraten  nicht  genug  empfehlen, 
bei  allen  Bauchleiden  und  den  davon  abhängenden  Krumpfen  saugen- 
der Kinder  auf  die  Mutter  zu  achten.  In  den  Därmen  der  Mutler, 
in  der  Milch  der  Mutter  sitzt  nnr  zu  oft  die  materielle  l'raache  sol- 
cher Kindernoih,  und  wenn  man  den  Kleinen,  nach  VerhHiinifs  ih- 
res Allers  und  ihrer  Zufälle,  entweder  blofa  etwas  mildes  Oel,  oder 
Tragant hanflösung  reicht  (letzte  ist  der  Sänrung  nicht  unierworfen), 
läfsl  die  Mutter  in  gejheilien  Gaben  eine  halbe  Unze  Natron  iftg- 
lich  nehmen  und  eine,  sSarewidrige  Diät  beobachten,  so  kommt 
man  mit  dieser  einfachen  Behandlunf^  in  ^in  paar  Tagen  weiter 
als  mit  allen  zusammengesetzten  syropigen   Kinderarzeneien. 

Ein  übler  Gehrauch  mancher  Aerzte  ist  es,  dafs  sie  säugenden 
Weibern  Bilteraalzerde  reichen,  wenn  die  Säuglinge  Durchfall  mit 
Bauchschmerzen  und  grünem  Koth  haben.  DiCanuen  Kleinen  la- 
xiren  noch  mehr  nach  dieser  Arzenei  und  schwächliche  können  sol- 
che feindliche  Einwirkung  auf  ihre  feinen  Därmchen  nicht  vertra- 
gen. Ein  Glück  ist  es,  dafs  die  Aerzte  ihre  unweisen  Anschläge 
auch   nnweise  ausführen,  sie  geben  nämlich  die  Bilttirsalzerde  in 


—    331     —  . 

so  geringer  Giibe,  dafs  ai«  sur  TilgsDg  «Im  Stare  in  der  tSugeii- 
^n  Fraaeo  DäriDS  nicht  xum  zefanien  Theile  hinreicht;  auf  die 
Weite  wird  «war  die  Säure  nur  sum  kleinsten  Theile  getilgt,  aber 
aa«b  wenig  laxiresdes  8aU  gebildet.  Was  ich  aber  hier  von  der 
Magnesia  sage,  ist  onr  auf  zarte  Säuglinge  m  beliehen;  ältere 
können  schon  einen  Stols  rertregen,  niewol  es  auch  bei  Ruhren, 
Darcbtällen  nnd  Koliken  älterer  weit  klnger  sein  raechie,  den  sftu- 
genden  Weibern  Natron  oder  Ammonium,  als  Bittersalxerde  za  ge- 
ben, indem  erste  beide  mit  der  Darmsfiure  keine  Laxirsalse  bilden. 
Ich  habe  oben  gesagt,  dafs  bei  herrschenden  Baochleiden  ge- 
ebelicbie  Weiber  sich  suweilen  tänachen,  und  Ba  uch  krank  he  it  för 
.  Schwangerschaft  hallen.  Solche  Ternachläfsigte  Bauchleiden  sind 
hintennach  lästig  für  den  Arxi  xu  heben;  aber  übrigens,  wenn  man 
ihn  nicht  befragt  hat,  komiat  die  Täuschung  nicht  anf  seine  Rechnung. 
Ganx  anders  verhält  es  sich,  wenn  wirklich  schwangere  Weiber, 
oder  solche,  welche  zweiflea,  von  der  gastrischen  epidemischen  Coo- 
stilulion  berührt  werden  und  den  Aral  um  Hath  fragen.  Ich  stelle 
hier  nicht  den  Fall,  dafs  sie  vom  wirklichen  Gallenfieber  aufs  Kran- 
kenlager geworfen  werden  ,  sondern  ich  spreche  von  jener  epide-  . 
mischen  Berührung,  bei  der  daa  Gesund  bei  tsgefnhl  der  Berührten 
mit  gewisser  Beschränkung  beslehel.  Wie  ist  ein  solcher  Zustand 
bei  Schwangeren  zu  erkennen?  -~  Ich  weifs  es  wahrhaftig  nichi; 
und  doch  wird  man  um  Hath  gefragt,  suweilen  in  Fällen,  wo  di« 
Fraaen  bestimmt  wissen,  dafs  sie  schwanger  sind,  suweilen  in  Fal- 
len, wo  sie  noch  aweifeln. 

Alle  Zeichen,  wodurch  man  die  Affeklioa  eines  Bnucborgans 
erkennen  kSnnte,  finden  sich  auch  nicht  seilen  bei  Schwangeren; 
wie  wäre  es  also  möglich,  mit  Sicherheit  an  entscheiden!  Z.  B.  der 
Schmerx  in  der  Leber,  der  hei  herrschenden  Leberkrankheiten  aa- 
weilen  ganz  gemein,  zirweilen  seltener  ist,  findet  sich  auch  etliche 
Mahl  bei  Schwangeren,  denn  zwischen  der  Multer  und  der  Leber 
ist  ein  genauer  Consens,  dafs  ich  schon  bei  tödilicher  Verlelanng 
der  Matter  gans  weifsen  Darmkoth  wie  bei  Gelbsüchiigen  habe  ab- 
gehen sehen.  Der  Magen,  der  bei  verschiedenen  Affektionen  drr 
Bauchorgane  consensuell  ergriffen,  nicht  selten  die  Speisen,  bald 
nachdem  sie  genossen,  wieder  auswirft,  thn(  dasselbe  auch  bei  man- 
chen Schwangeren.  Anfatofsen,  Mangel. der  Efslust,  selbst  etwas 
belegte  Zunge  findet  man  sowol  bei  Schwangeren  als  bei  gastrisch 
Berührten.  Wie  sollen  wir  un^  nun,  zum  Helfen  anfgefodert,  ver- 
balten! Dürfen  wir,  einem  dunklen  praktischen  Gefühle  vertrauend, 
mieb  der  Wahrheit  raihen«  Ich  sollt«  denken,  wir  ihäten  bosser, 
uns  alles  Ralhens  zu  enthalten,  denn  was  wir  nicht  mit  unserm 
Verstände  erkennen  können ,  das  werden  wir  doch  durch  blindes 
Rathen  noch  minder  ueffen.  So  wenig  es  mir  möglich  Ist,  aus 
dem  AnMicke  einer  Qacttchnng  oder  Blutunteilanfoiig  »u  besilm- 


„    33«    — . 

meo,  ob  lelbig»  durcb  Blo&eD,  Fallen,  oder  SeUagM  gflurMcbl 
■ei,  80  wenig  wertfe  idi  auch  sage»  können,  ob  die  Afi'ekiion  der 
Uauchorgiioe  von  der  Befnichtuag ,  oder  von  Bliiioaitbtlriscben  Ur- 
Mcbeo  sltbange.  Km  iat  nahrlich  achwer  geaug,  aus  den  vorban- 
denea  Zofiillea  die  verborgeoe  Uralfeklioo  ein«  Orgeo«  zu  ergrü- 
beln;  wie  sollte  es  deon  möglicb  aein,  aua  di««eo  Zufällen  auch 
das  verborgene  Ursachende  solcher  donklen  Urganaflekiion  xu  er* 
kennen  j  Wenn  wir  also  nicht  luit  gelehrten  und  ernatbafien  Ge- 
siebtem paar  oder  unpaar  spielen  wollen,  so  tbun  wir  wol  am  be- 
sten ,  denen ,  die  ans  um  Kath  fragen  >  die  Wahrheit  sn  sagen. 
Wir  können  hei  Uebung  unserer  Kunst  allenibalben  wahr  sein, 
wo  wir  filauben,  von  den  Kranken  verstanden  so  werden,  voraus- 
gesetst,  dafs  die  I'flicbt  der  Menschlichkeit  uns  das  Wabnein  nicht 
▼erbietet.  Wer  da  wibat»  durcb  blindes  Halben  sich  und  die  Kunst 
bei  den  Leuten  in  Ansehen  zu  setsen,  der  kennt  die  Menschen 
nicht.  Die  prakiiscbeB  Aentte  haben  (jedoch  mit  Ausnabirie)  sieb 
von  jeher  beniflbet,  den  Laien  die  UDVollkoniiuenheit  der  Kunsl, 
sonderlich  in  KeireH'  der  Krank  hei  Iserkenntnir«,  zu  verbergen ;  aber 
haben  sie  bis  jelzt  wol  ihren  Zweck  erreicht)  Ich  sollie  es  nicht 
denken.  Je  kluger,  je  listiger  die  Menschen  werden ,  um  so  we- 
niger lassen  sie  sich  täuschen.  Der  Arzt  seut  sich  in  ihren  Angen 
durch  seine  Tu usch versnebe  weit  eher  herunter  als  tfafs  er  sich  be- 
ben sollte.  Wir  leben  wirklich  nicht  mehr  in  jener  Zeit,  wo  der 
NicbisMidirie  den,  der  auf  der  Hochschule  eine  gewisse  Menge 
Wein  oder  Bier  gelniuken,  fiir  ein  Wesen  klügerer  Art,  für  ein 
mit  unbegreiflicher  Eingebung  belfaeiltes  Wesen  hielt.  Die  Ver- 
stand esbil  düng  der  MenvcbeD  hat  mit  der  Zeit  zugenommen  und  ist 
in  beeländigeui  Vorrücken;  war  früher  die  Arailicbe  Wellklugbeit 
in  der  Täuschung  zu  finden,  so  m5cbie  ich  den  eben  nicht  einen 
Unweisen  schelten,  der  sie  heut  s*i  Tage  gerade  in  der  Wahrheit 
suchen  wollte. 

Bei  der  Unmöglichkeit  der  Erkenntnifs,  ob  bei  gasiriseber  Con- 
slitution  die  Leiden  der  schwangeren  Weiber  von  Krankbeitsbe- 
nlhrang,  oder  von  der  Befrncbiung  abhangen,  müssen  wir,  meines 
Eracluens,  Folgendes  in  Betracht  ziehen.  Entweder  sind  die  Zd> 
^lle  von  Krankheit,  oder  von  blo&er  Schwangerschaft  geursachl. 
Wird  im  ersten  Falle  der  Ztiiiand  von  dem  Arsie  verkannt  und 
als  blofse  Schwangerschaft  angesehen,  so  sind  die  Folgen  dieses 
Irrthuuis  verderblich  flir  die  Frau-,  DieAfTektion  des  Bauchorgans 
nimmt  nach  und  nach  zu  und  macht  leicht  Mifagebären,  sonderlich 
wenn  das  Organ  in  den  ersten  Monaten  der  Schwangerschaft  be- 
rührt war.  Wird  aber  in  den  späteren  Monaten  die  Frau  von  der 
gaalriscben  Constitution  berührt,  so  schleppt  sie  sieb  gewöhnlich, 
halb  krank  halb  gesund,  bis  zur  Niederkunft,  bekoniint  zur  ordent- 
lichen Zeit  dos  Milchfieber  und  dieses  gebet  dann  in  das  Baucbfieber 


—    333    — 

nbar,  oder  ist  vielnehr  sehoa  dai  Baackfieber  selbst.  Ein  solches 
Finber,  wenn  auch  iler  GeRRtiiiniorganiBiDus  sich  io  dem  Indifferenz- 
Stande  befiadet  (dwi  besie  tlreignifs  unter  den  scfalechien),  ist  doch 
nicht  eben  gewüehlich  sa  heben,  sonderlich  wenn  die  Frau  di«  Or- 
gBaaffekiiM  sehen  iwei  oder  drei  Monate  jretragen  und  im  Kind- 
heile vielBlnt  vertoren  haL  Ja  palat  der  Ant  nidit  gnt  aaf,  dad 
er  das'  nrergriffene  Organ  bald  erkenne,  oder  ist  er  einer  von  de- 
>e*,  die  alles,  wo  nicht  mit  Feaer  and  Schwert,  doch  mit  Blul- 
e|^l  und  Quecksilber  iwingen  wollen,  so  kann  die  Fran  gar  wel 
in  die  Ewigkeit  gehen. 

N'nn  wollen  wir  den  entgegeagesebiteit  Fall  in  EraUgnng  sie- 
Imb.  Gesetzt,  die  Banchleiden,  wor&ber  eine  Schwangere  klagie, 
rfihrten  nicht  von  Banohk rankheit  her,  sondern  von  blöder  Schwan- 
gerschaft; dar  Arat  nflfaroe  die  Sache  aber,  bei  der  Unmftglichkeit 
einer  sicheren  ElrkenDtnifa,  fir  Baudikrankheit ;'  was  würde  da  die 
Folge  sein  J  —  Was  die  Folge  sein  würde,  wenn  er  die  vermeint- 
liche  gastrische  Afieklioa  mit  wiederholtem  Brechen  und  Abführen 
firilen  wollte,  kann  ich  nicht  sagen;  ^er  das  weifs  ich  wohl, 
wenn  er  auf  die  Art,  die  ich  im  Vorigen  angegeben,  die  nnterw 
stellte  gasrrisehe  Affektiun  bekSmpfte,  so  würde  er  hSchatens  ver- 
gebene Mühe  haben  and  cB«  Frna  würde  rergebens  Atzenei  vei» 
ecMueken,  aber  auf  keine  Weise  feindlich  von  der  Arsenei  ange* 
griffen,  im  Gegenlheil  noch  dadurch  etwas  erlrichtert  werden,  nad 
früher  oder  spKter  würden  sich  Arzt  and  Sehwaagere  übeneiigen, 
daft  die  Aneon  onnöihig  gewesen  sei. 

Nnn  frage  ieh  jeden  verslftndigea  Menschen :  wenn  bei  de« 
UnnsSglichkeit  der  Ericcnninifa  in  dem  EJnxelfalle,  zn-ei  Wege  to« 
mir  liegen,  deren  einer  die  Fran  m  Krankheit,  Mifsfnll  nad  mm 
Tode  fuhren  kann,  der  andere  aber  Sicherheit  der  Gesundheit  und 
des  Lebens  rerbiirgf;  welchen  Weg  miiis  ich  als  gewiesenhafier 
Ant  «nd  alu  Verstandesmensch  eiiwdilBgent 

Ob  es  gleich  der  erfahrenen  Leser  wegen  ganz  überflüssig  ist, 
das,  was  ich  hier  gesagt,  durch  einen  KrankheiiBfaH  zn  eiUuteren, 
so  wiH  ich  doch,  weil  bai  hesrschendan  gaslrischea  Krankbeitei» 
«a  sehr  viel  aa  dar  Sacha  gelegen  iat^  neiaen  jüi^eren  Amtsge- 
neasen  sa  Liebe  einee  Fall  als  Erllalernng  haiftigen  ,  der,  ob  ee 
g4*>cb  an  sieh  nabedeatend  ist,  wir  doch  noch  ganz  frisch  im  Ge- 
dSshlntaae  sebwebt,  wmI  ich  ibs  erst  vor  sechs  Wochen  erlebt  ba- 
b«.  Ich  wurde  bb  eiaer  jangen,  gaas  kürzlich  geheirotbetca  Fran 
ysmfea,  die  ieb  nie  vorher  gesehen.  Ich  fand  Ma  Junges,  zartes, 
tseht  hübsches,  etwas  bl^es  Fraochen.  ^a  klagie,  dals  sie  seit 
«ehe«  Tage«  alles  Essen  lad  Trinken  aui^echea  aiüase,  es  hScIi- 
ateas  eine  halbe  Stande  im  Magen  bctmlten  kenna.  Uabrigens  war 
das  Ansgebrochene  nicht  sauer,  sondern  die  uarerinderie  Nahrung. 
Sie  V9t  man,   gH«  voui  Stuhle  ins  Bell  nad  vom  Bette  auf  dea 


—    334    — 

Siubl.  Ibf  PnU  war,'  ao  viel  ich  ohne  ihn  je  rorher  geffibU  in 
haben  ortfaeil«»  konnte,  regelmSfsi^.  Ihre  Zange  hatte  einen  gani 
schwachen  weifaen  Anflug.  Schmers  nnd  Spannung  in  lien  PrS- 
kordten  war  nicht  vorhanden,  der  Harn  war  (räbe,  der  Schlaf  un- 
ruhig und  nicht  erquickend,  da«  Monatliche,  das  vor  Tieraebn  Ta- 
gen eintreten  inulste,  war  ausgeblieben.  Unter' diesen  Umständen 
legten  die  Ebeletile  und  Aellern  mir  die  Frage  vor:  ob  hier,  wo 
Schwapgeracbaft  doch  wol  wa  brach  ein  lieb  sei,  das  Erbrechen  biofs 
von  der  Schwangert^afi,  oder  von  Krankheit  herkomme. 

Um  diesen  Fall  richtig  zu  beuriheiten,  mufs  ich  etwas  von  der 
epidemischen  Conititotioo  einschallen.  Es  herrschten  im  Anfange 
des  Jahres  1830,  in  welcher  Zeit  diese  Geicfaicbte  spielt,  gastrische 
Krankheiten,  und'  swar  machte  Leberaffektion  den  Grnndton;  Pan- 
kreas- und  Nierenaffekiion  waren  blofs  Abweichungen  von  diesem 
Grundtone.  Die  Leberuffekiion ,  welche  im  Hetbste  des  Jahres 
182tf  unter  die  Heilgewalt  des  Schellkrauies  getreten  war,  ging 
schon  im  Anfange  Aea  Jahres  f83u  wieder  unter  die  des  Krähen- 
augenwBssers  zurück,  unter  welchem  sie  auch  im  Sommer  1829  ge- 
standen ;  jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dafs,  wenn  jm  vorigen  Jah- 
re dreifsig  Tropfen  fönfmahl  tags  Heilung  bewirkten ,  jetzt  sehn 
oder  fünfzehn  dasselbe  leiaieten,  und  dreifsig  nicht  gut  thaten. 
Das  Ert>rechen  war  auch  bei  diesen  Krankheiten,  wie  hei  den  mei- 
sten gastrischen,  nicht  ganz  selten.  Uefaerhaupt  habe  ich  diesen 
Zufall  noch  nie  so  bSofig  und  gewöhnlich  gesehen  als  Seitenste- 
chen, Spannung  der  Prftkordien,  oder  Bitterkeit  des  Mundes;  aber 
bei  allen  gastrischen  Krankheiten,  welcheriei  Natur  sie  auch  sein 
mochten ,  doch  immer  einzelne  Menschen  gefunden ,  welche  alles, 
was  sie  zn  sich  nahmen,  anabrechen  mtilsien.  So  war  nun  di« 
Stellung  der  herrschenden  Krankheit  zu  der  Zeit,  da  ich  der  Fran 
wegen  um  Rath  gefragt  wurde. 

Sollte  ich  nun  sagen:  junge  Frau!  fasse  deine  Seele  in  Ge- 
duld ;  du  bist  schwanger  und  dein  Erbrechen  kommt  von  derSchwan- 
gerschafl,  es  wird  schon  xn  seiner  Zeit  aufhören!  —  Möglich  wit- 
re  gewesen,  dafs  ich  richtig  geraihen;  aber  auch  eben  so  luSglich, 
dafs  mich  die  Frau  vier  oder  sechs  Wochen  nachher  abermabls  zu 
sich  gerufen,  und  hetfifigerig  und  krank  mit  ganz  gerechte  Vor- 
würfe gemacht,  dafs  ich  ihren  Zustand  anfiinglich  ganz  verkehrt 
beurlheilt,  sie  in  eine  Krankheit  habe  fallen  lassen,  der  ich  habe 
vorkommen  können.  Was  wtlre  nun  fiir  eine  Entschuldigung  vor- 
zubringen gewesMi?  Ich  hStte  das  *he  Lied  der  Aerzte  anstimmen 
können:  früher,  da  ich  sie  zuerai  gesehen,  sei  sie  blola  schwan- 
ger, nicht  krank  gewesen,  die  Krankheit  sei  hintennach  hinzuge- 
kommen. Nun  freilich,  man  hört  jn  z.  B.  bSufig,  dafs  die  Menr 
sehen  ein  Cat arrha Ifie her  bekommen,  zu  dem  Catharrhnifipber  tritt 
ein  \erven6eber,  zu  dem  Nervenfieber  ein  Fanlfieber,  zo  dem  Faul- 


-    335    - 

Roher  d«r  Tod  — ;  daa  ist  gMn  in  dar  Ordnung.  Ich  habe  aber 
töniget  Bedenken,  ob  diegei  alle  Krxllicbe  Leientnokcben,  anf  wcN 
cbes  unselige  Variationen  m  machen  sind,  den  Ohreo  dtt  Knm- 
kea  aad  ihier  Frennde  h«ut  %a  Tage  noch  ao  erltaulich  und  irftsi- 
Ueh  klinge,  als  vor  fünfzig  oder  hundert  Jahren. 

Bei  Miaerer  jungen  Frau  habe  ich  den  geraden  Weg  eingo- 
•eblagea,  ihr  uoid  den  Angehangen  ehrlich  gesagt,  dak  ieb  nicht 
wiasen  könne,  eh  hier  blobe  Schwangerschaft,  oder  krankhafi« 
Affeklion  «ines  Baoehorgaas  die  Zufälle  hervorbringe;  ich  habe 
ibsen  alles  verstSndlich  und  begreiflich  getagt,  was  ich  eben  dem 
Leser  gesagt,  und  de  dam  selbst  wählen  lassen.  Da  nun  niemand 
seine  eigen«,  oder  der  Seinigen  Gesundheit  leichtsinnig  auf  die 
Sefaaiue  eelneo  «ag,  se  wird  dei  Leser  leicht  begreifen,  dafs  man 
■ieh  gebeten,  vor  allen  Dingen  den  siebersten  Weg  einiuschlagen. 

Ich  rersuchie  nan  snersl,  dnrch  unmittelbares  Einwirken  anf 
den  Magen  das  Erbrechen  in  stillen;  ntebt  well  ich  glaubte,  die- 
ses sei  ein  Urlciden  des  Magens  (ich  hielt  es  vielmehr  fOr  ein  een- 
sensnrilea),  sondern  weil  mich  die  Erfahrung  schon  längst  gelehrt 
baue,  dafs  man  auch  eonsensuelle  Erbrechen  diirdi  Eigenmin«!  auf 
den  Magen,  wo  nicht  gans  heben,  doch  auf  eine  Zeit  beruhigen 
kSnae,  nnd  dnls  sieh,  bei  solch  seitlicher  Beruhigung  des  eonsen- 
Buellen,  leicht  das  urergrißene  Organ  anf  die  eine  oder  die  andere 
Weise,  mehr  oder  minder  deutlich  offenbaret.  In  dem  gegeawttr- 
tigeo  Fall«,  wo  idi  «Ine  eonzeatrirte  Auflösung  dm  salssanren  Kal- 
kei zu  fünfzehn  Tropfen  seehstnahl  tags  mit  Wasser  vermischt 
gab,  erreichte  ich  aber  diesen  Zweck  nicht-  Es  ist  wnhr,  das  Mit- 
lel  versagie  nicht  ganz  seine  Wirkung,  das  Erbrechen  niinderle, 
kan  nnr  zweimahl  tages,  die  Speisen  blieben  auch  weit  Iftnger  tm 
Magen  ;  allein  am  zweiten  Tage  des  Gebrauchs  war  diese  gute 
Wirkung  minder  als  am  ersten,  «m  dritten  noch  minder.  Ich  liefe 
also  das  Mittel  fahren,  nnd  mich  hlof«  nach  dem  Grundtone  der 
epidemischen  Conslituiion  richtend,  gab  ich  Jeizi  KrübeuAtigenwas- 
ser  zn  fünfzehn  Tropfen  fünfnahl  tags.  Am  ersten  Tage  des  Ge- 
bmachez  erschien  das  Erbreclien  nur  Einmafal,  am  zneiien  blieb 
es  ganz  ans  nnd  ist  seitdem  nicht  wieder  gekommen.  Am  dritten 
Tage  des  Gebraoehes  wnrde  der  trübe  Harn  klar.  Nun  Konnte  ich 
richtig  über  dessen  Farbe  urtheilen,  sie  hielt  das  Mittet  zwischen 
Strohgelb  und  Goldgelb.  Dieses  war  zn  damahliger  Zeit  das  si- 
cherste Zeichen  der  verborgenen  Leheraffektion.  (Ich  gebe  je- 
doch zn,  dafs  selbiges  Zeichen  zu  anderer  Zeit  bedeutungslos  sein 
kann;  denn  die  meisten  Zeichen  haben  einen  zeitlichen,  keinen 
beständigen  Werih.)  Bei  dem  forrgeseizten  Gebrauche  des  Krflben- 
aagenwassers  wurde  der  Harn  in  den  folgenden  drei  Tagen  nach 
nnd  nach  ganz  strohgelb,  wie  der  des  gesundesten  Menschen;  Eh- 
lust  und  ruhiger  Schlaf  kehrten  wieder,  und  ich  fand  «s  üheiflüs- 


—    136    — 

n\gy  di«  Fm  noch  weiur  mt  -Mbco;  ampfahl  ihr  jettoch,  »oeli 
xw«i  Wochen  mit  dem  Gebran^B  4«r  Tropfen  fonaHfahran.  Naeh 
vW  WocheR  begnchie  ich  si«  ■■■  hlofaer  Neogisrde  noch  EinniaU. 
Sie  war  in  dor  Zeit  vo»  Brochea  und  aodenia  UngemBche  bti 
geblieben ;  schwanger  war  sie  aber.  Da  ich  sie,  wie  oh«a  geaaf«, 
sie  früher  gelcanat,  so  konate  ich  bei  neineiH  eiatea  Beencbe  nicht 
über  ihr  äuberea  Ansehen  mid  ihr  Vorkvniinea  laiheUea.  Ans  der 
gegenw&nigea  Verflnderang  ihrer  Farbe  nnd  ihres  ganaeBWeMna 
•ah  ich  aber  jetai,  dafe  dai  zehniftgige  Erbreehen  sie  daaiahla  nebr 
müue  angegriffen  balwn  all  ich  geglaaht.  Die  blaase  jaOge  Ffsa 
war  in  eine  blühende  verwandelt;  und  das  anscheinend  bldd*  We> 
•sn  hatte  einer  gefillligen  Freimüihiglteit  Platz  gemacht. 

Nnn,  was  bedAnkl  denn  meine  Laser  von  diesem  Fallet  ^ 
Sollte  das  Erbrechen  und  Ü«woysein  der  Fran  Uejb  von  dsv 
Scbwsngenchaft ,  oder  tob  eprdemiBch  gastriMcbev  Berihrang  ge- 
koBinten  aeial  -^  Ich  sage  ehrlich,  dals  ich  es  weder  im  Anfang«, 
noch  aui  Ende  mit  Besliiumlheit  habe  wissen  können.  Sehr  geneigt 
bin  ich  aber,  das  Uaaae  für  epidemiach  gastrische  Berührung  sa 
nehmen;  sam  wenigsten  w&rde  i^h  diesen  Fall  nie  einer  medisi- 
aiscben  Zeitscbrifl  einnrleiben,  mit  der  UelierBebrift:  neues  and 
unfehlbares  Mittel  gegen  das  Erbrechen  der  Sehwan- 
gerea. 

Heber  das  FebIgebKren  habe  ich  mancbaHihl  nacfagedaebt»  abef 
weder  durch  mein  Nnchdenlcen,  noch  dofch  meine  Beohacbtung  et« 
was  «onderlieb  Kluges  bernuibriagev  können.  Das  waifs  ich  aüt 
Besifmnlheit,  dafs  die  kraaldufie  AS'aklion  anderer  Organe,  es 
mag  chronische,  oder  akute  sein,  dnreb  consensueJIe  Kinwiikung 
aitf  die  Mutter  Fehlgebartea  ssaeben  kann,  und  dals  wel  die  mei- 
sten BUS  dieser  Quelle  entspringen.  Wenn  wir  also  deniellten  vor- 
bengen  wollen,  so  köflsao  wir  es  an  sieherslen  durch  üesnndina- 
cbea  des  urerkrankten >  airf  die  Gabärnuttnr  feindlich  cooaensoell 
einwirkenden  Dianes.  Aber  freilich  werden  wir  in  den  wenigilen 
Fallen  zu  solchem  Gesandmachen  aufgefodert  Ob  Vollblütigkeit 
Fehlgeb&ren  renirsaeben  kSune,  und  ob  selbiges  Fehtgebären  durch 
wiederholtes  Aderlässen  sn  kehren  aai,  weils  ieb  nicht.  Ich  habn 
dieses  Adtarlaasen  ob  genug  anwenden  sehen ,  unA  die  FeUgehoit 
kam  doch  zu  ihrer  Zeit.  Ob  die  MuUer  aieh  an  daa  Umwerfen 
gewähnen  könne»  weifs  ich  auch  nicht.  Zuweilen,  habe  ich  be- 
merkt, dafs  Weiber  mehrmahls  auf  der  nllnilichea  Hob*  der  Schwan^ 
gerschaft  Sehlgebnren.  Daraoa  sollte  man  fast  vermathen,  dnSs^ 
eben  so,  wie  durch  öfteres. Hamen  die  Harnblase  sich  rerkleiMS- 
ren  kann,  dals  sie  bei  geringer  Menge  Harn  den  Menschen  schon 
sum  Harnen  mahnt,  auch  so  die  Mutler,  auf  dem  Punkte ,  wo  sie 
hei  der  vorhergehenden  Schwnngerschafit  verscbüllel ,  einer  weite- 
ren  Ausdehntiog   ohne  Unbequemlidikeit   nicht   ffthig,    durch   das- 


-    IW    — 

WMl»UHim  <ler  Lribetfrnebt  tarn  -ZasammBtixiehen  nnd  Abortiren 
^reixt  werde.  Wenn  ich  aber  sah,  dafi  Weiber,  nachdem  sie 
dreiaiahl ,  a^efXhr  mr  nSmlichea  Zeit ,  fehlgeboren ,  zam  vier- 
ten Mahle  die  Fracht  gehörig  nnd  ohne  Beschwerde  ansiragen;  so 
nnfite  ieh  wol  jene  EricUmng  alt  unstatthaft  verwerfen,  lieber» 
hanpt  ist  der  Werth  einer  Srxtlichen  Behandlung  fehlgebHrender 
Weiher  sehr  zweifelhaft.  So  habe  ich  schon  gesehen ,  dals  einer 
Fran,  die  ein  paarmahl  abortiret,  Ton  einem  geburtsh«  1  enden  Ante 
wiederholte  kleine  AderUsse  gernthen  waren ;  aber  troia  diesen 
AderlKssea' abortirte  sie  xn  ihrer  Zeit.  Bald  wnrde  sie  wieder 
s^wanger;  wenig  geneigt,  abemiahU  einem  nichthelfeoden  Rathe 
■a  folgen,  Bberiiefs  sie  sich  der  Natnr  nnd  gebar  znr  ordentlichen 
Zeit  ein  aosgetragenes  Kind.  Wenn  also  bei  einer  angeralhenen 
Bnilichen  Behandlung  (sei  sie,  welche  sie  wolle)  solche  Weiber, 
welche  mefarmahls  fehlgeboren,  ordentlich  austragen,  so  ninfs  man 
sieh  hüten,  dieses  glfickliche  Ereignifs  blindlings  und  gifiubig  auf 
Keehnnng  der  Srztlichen  Behandlung  xq  schreiben.  Dafs  die  I^nen 
selber  dieses  tfaon ,  dafs  Ite  ihren  Rathgeber  als  den  erfahreuslen 
Fracht  -  nnd  Kinderhalter  allen  Bekannten  anpreisen ,  das  ist  gut 
und  löblich;  aber  ISblich  ist  es  ni^t,  dafs  solch  f rftul icher  Gl an- 
be  in  nnsere  doktoral Ischen  Köpfe  schleicht 

Ich  habe  schon  vor  gar  langer  Zelt,  ich  weifs  aber  wahrhaf- 
tig nicht  tnehr,  bei  welchem  Schriftsteller  (mSglivfa  bei  OtianJer) 
gelesen ,  dafs  Mifsf&lle  in  ilen  ersten  Monaten  die  Ursache  chro- 
nischer, periodischer,  heftiger  MnlterblulflOsae  sein  könnten.  Eine 
halbe  LSsang  der  Nachgeburt  findet  oft  genug  bei  Fehlgeburten 
Statt,  weshalb  man  anch  snweilen  bei  denselben  mit  heftigen  Blut- 
stSnen  xn  kämpfen  hat.  Ist  Fracht  nnd  Nachgeburt  herausgetrie- 
ben, so  hört  bekanntlich  die  Blutang  auf,  oder  mfifsigt  sich  eo, 
dafs  keine  Gefahr  mehr  zu  fürchten  ist,  vorausgesetzt,  dafs  der 
Abortus  liicht  durch  conienanelle  Einwiritung  eines  andern  urer- 
krankten  Organs  aaf  den  Uterus  bewirkt  aei,  in  welchem  Falle  die 
Blutung  nach  ausgetriebener  Frnchl  und  deren  Anhang  noch  stark 
genug  fortwähren  kann.  Das  vollkommoe  Trennen  der  von  der  Mat- 
ter halbgetrennten  Nachgeburt  in  den  ersten  Monaten  ist  auch  nicht 
iminer  gaos  gemSehlich  su  bewerkstelligen.  Wir  wollen  aber  von 
diesen  Üngen  bei  einer  schtcklichern  Gelegenheil  handeln  nnd  Jetzt 
blofs  davon  sprechen,  dafs  von  frühen  MifsfÜllen  etwas  snriickblei- 
ben  kann,  welches  hernach,  als  ein  Afiergebildc  fortlebend,  in  der 
Geb9rmniter  die  heftigsten  Bliitflüsse  bewirken  kann.  Seil  ich  die- 
se Bemerkung  zuerst  vor  vielen  Jahren  gelesen,  habe  ich  wahr- 
scheinlich ein  einzigem  Mahl  Gelegenheit  gehabt,  mich  von  der 
Richtigkeit  derselben  augenscheinlich  zu  überzeugen.  Die  Frau  ei- 
nes französischen  Wegaufsehers  hatte  angeblich  einen  Mifsfall  in 
den  ersten  Monaten   der  Schwangerschaft  gehabt  und  war  seitdem 

22  ^^■'" 


pfriodlsch  mit  hcfii^n  nnil  gefsfanbohtoden  MuHerUulflusMH  ge- 
plagt itewMen.  Der  Zufell  wollte  ei,  dafs  ich  genid*  sa  Hülfe 
gorufeD  wurde,  da  die  Xatnr  das  Kfiibael  dieser  BluMiünn  löa'te. 
Die  Fmu  haue  zu  der  Zeit  eiDea  lo  h«riigen,  allen  fiufierea  vmi 
inneien  Mitteln  trotzenden  Blulaturz,  dafs  ich  wirklieb  nw  ihr  Le- 
ben besorgt  war.  Den  Puls  konnte  ich  nicht  inrhr  fühlen,  die  Be- 
ainnaitg  war  dahin,  und  die  Exlremiiäten  waren  ganz  kühl.  Un- 
ter diesen  U|Mst&ndeo  wurde  am  der  Mutler  ein  Körper  getrieben, 
welcher  nngeßlhr  drittehalb  Zoll  lang,  einen  Zoll  breit  und  zwei 
Linien  dick  sein  moehie ;  er  hatte  daa  Ansehen  einer  Merabne, 
war  fest-und  \on'Farbe  rdthlioh.  Die  eine  FlSche  war  gaaa  glatt, 
die  andre  nur  bis  znr  Hälfte;  ich  verniuLhe,  dais  die  Suhstanade, 
wo  sie  raub  war,  mit  der  Gebfirinatier  zzaaaimen§ehangen  hatte* 
Nachdem  dieser  Körper  aus  der  Mutter  getrieben  war,  hörte  der 
Blnuiurx  von  seihst  auf.  Die  Frau  war  aber  so  blutarm  gewori- 
den,  dafa  drei  Wochen  hingingen,  ehe  sie  wieder  anf  die  Strafte 
kam.'  Ob  nun  die  aasgetriebeae  Substanz  ein  Ueberbleibtel  tob 
dem  zwei  Jahre  vorher  gehabten  MifsfaNfa  gewesen,  mag  der  Him- 
mel wiüsen.  Die  seit  jeuer  Zeit  mehrmahls  wiederkehrenden  Blu- 
tungen machen  e«  einigermafg«a  wahrscheJolicfa;  aber  xur  Gewifi^ 
hett  fehlet  aocb  riel.  Su  lange  sich  die  Frau  hier  aufgehalte», 
ist  sie  hernach  von  Blutflüuen  frei  geblieben ;  da  sie  aber  Galtinn 
eines  französischen  Beamten  war,  der  ein  waaderndes  Leben  führ- 
te, so  kann  ich  über  ihr  ferneres  Schicksal  nichts  barichlen. 

In  dem  Kindbette  sind  di«  Leiden  der  Gebftrmetter,  die  man 
unter  den  N'anten  der  falschen  Wehen,  Nachwehen  und  der  feh- 
lenden Weben  hegreift,  wol  gröfslen  Theils  eine  in  der  Mutter 
sifJi  otfeobarende  Affektion  des  Gesammiorgaaismas,  and  werden 
am  besten  durch  die  Uni  VC  rxal  mittel  geheben,  von  welcher  Sache 
wir  zu.  seiner  Zeit  ausführlicher  reden  werden.  Es  ist  aber  niebi 
zu  leugnen,  dafs  nach  der  Geburt  sich  zuweilen  ein  krankhafter 
Zustand  der  Gabärmnlter  einstelle!,  den  man  nicht  unter  die  Kategorie 
der  Affektioo  des  Gesamtatorganiimus  bringen  kann,  wenn  er  gleich 
mit  einem  mehr  oder  minder  lebhaften  Fieber  beglei,tet  ist.  Ge- 
wöhnlich äufierc  sich  dieser  krankhaft«  Zustand  beim  Eintritte  des 
Milcfafiebers,  zu  der  Zeit,  wenn  die  Geburtarcinignng  etwas  stockt. 
Die  Gebärmutter  schmerzt  und  ist  mehr  oder  minder  empfindlich 
beim  Aufseren  mäfslgen  Drucke.  Nach  eingetretener  Milch  kann 
die  Geburl sreinignng  b&nfiger  oder  sparsamer,  blutig  oder  unblutig 
wiederersebeinen,  ohne.dafs  dieses  die  schmei^hafie  Mutteraffektioa 
höbe. 

Ich  habe  mich  in  solchen  Füllen  bei  dem  alten  Muttermittel, 
dem  Borax,  am  besten  befunden.  Er  bebt  den  schmerzhaften  Zu- 
sund  der  GebSrmutler  und  dadurch  das  consensnelle  Fieber  weit 
besser  ala  alle  sogenaanle  «oiziindungswidrige  MitteL     Es  Ififst  sich 


-    339    — 

dMT  IsMm-  Jener  Imakhafte  XnMnnd  der  GebSrmatter  nicht  Gaga 
kein  EiBlritle  des  MÜcbfieben  richtig  bennbeilen,  d^nn  beim  Er- 
■ebeinen  diaaee  Fiebers  lafoen  Bfefa  obnedieg  leicht  eine  scbmerz- 
hftfte  Spaonang  !n  der  GebOrmiitter,  welche  bei  geordneier  Milch- 
«beoadening  von  seibat  verschwindet.  Nur  wenn  diese  Absonde- 
nag  \m  Ordaang  ist  nnd  die  Schmerzen  der  Gebarmiuter  und  das 
Fieber  bleiben,  nur  dann  kann  man.  eine  Uraffekiion  des  Cierus 
aU  wiiUicb  vorhanden  annehmen,  und  die  KrkenntniJs  ist  um  an 
gewjaaer,  wenn  man  aaninglich  wegen  der  Stfirke  des  Milchfiehera 
warMiekten  Salpeter  gcrticbt  hat,  mithin  das  \ichtheilwirken  die- 
ses asaditigan  Universalntillele  Bcboa  mit  in  der  Schale  der  Wahr- 
ackcialiehkeit  Iiegt.< 

lefa  habe  .eben  gesagt,  dafs  iVachweben  meist  eine  in  der  Mut- 
ter verwallende  Affektien  des  Gesaramiorganismus  seien.  'Zuwei- 
len sind  sie  aber  auch  nnwidcrsprcehlich  Uraffekfron  der  Gebar> 
■Miter.  Ich  habe  gefnnden,  dab  in  diesem  Falle,  bei  Ihnen  eben 
B^vortfaeUbaft,  als  bei  der  sehm^rKbirften  Menntmatlon,  eine  gleich- 
tbailig«  Miscbaag  von  KrihaMsgen-  und  Biebergeiltinktur  gebrancht 
wird. 

Die '  Verletsnng  dar  debirmniler  bei  dem  GebnrtggeschBfte  ist 
von  dem  binzugemfenen  Ante  wol  einigermafsen  zu  vermuihen, 
aber  nickt  mit  SiebertMÖt  zn  erkennen,  Üafs  bei  der  Gebort  durch 
ZerrcÜauBg  der  Malter  plötzlicher  Tod  erfolgen  kBnne,  ist  bekannt, 
davon  woIImi  wir  also  nicht  reden.  £•  gibt  aber  mindere  Ver- 
lelzmgeo  der  Mutier,  die  sich  nieht  gleich  nach  der  Niederkunft, 
sondern  erst  mit  Eintritt  des  Milehfiebera  finfsem.  Wenn  ich  sage, 
sie  iubera  sich  nicht,  so  versiehe  ich  darunter,  dafa  sie  sich  nicht 
deMlii^  erkennbar  ftnfsern;  fibrigens  bin  ich  Qbersengt,  dafs  eine 
Maiierraletxang  wol  gleich  ihren  Ehiflnls  anf  den  Gesammtoiga- 
■naaMS  kiriwn  wird;  aber  5ber  den  Zustand  mandier  Kindbelierin- 
nen  kann  imn  weder  gleich  nach  der  Niedeikunft,  noch- selbst  am 
faxenden  Tage  riohtig  anheilen;  denn  welche  geistige  nnd  k5r- 
perKcbe  Einflrisse  haben  nicht  auf  sie  gewirkt!  nnd  wie  sollte  es 
mSgltcb  »ein,  dl«  dmch  aolche  Sufsere  Einflösse  bewirkte  Aufre- 
gung des  Organisinna  von  dem  Kranksein  desselben  zu  unterschei- 
den f  Darum  ist  anoh  zuweilen  Freude  die  FQlIe  in  dem  Wochen- 
zimmer,  indefs  der  Tod  schon  nnsicblbar  seine  sichere  Beute  er- 
fnlit  hat.  In  Betracht  dieser  UiMieherheit  der  Erkenntnifs  ist  et 
hdckst  ekelhaft  für  einen  Arat ,  wenn  er  anfgefodert  wird ,  eine  er- 
krankte,  durch  gebnrlsbtilßicheKfinsie  entbundene  Kindifetterinn  zu 
heilen,  voraasgesetzt,  dafii  er  den  Geburlshelf«-  nicht  als  einen  ver- 
■iSndigen  and  (was  die  Hanpisache  ist)  aufrichtigen  Mann  kenne. 
Mieb  bat  einst  eine  gar  verstfindige  Frau,  eine  arme,  kranke,  von 
einem  Geburtsbelfer  entbundene  Wöehnerinn  zn  heilea.  Ich  ver- 
MMbele  an«  ollen  ZsfüUen,  dafii  hier  eine  bedeaiende  Verletzung 


—    340     - 

der  Gett&rnmtter  müsae  Stalt  gefunden  haben,  and  erklfirte  der  mm- 
Kchenfreundlieben,  mich  zum  Helfen  enffodernden  Fron,  dafs  meine 
Ktinsl  hier  scheitern  werde.  Der  Tod  erfolgie  anefa,  ich  w«ifB 
nicht  mehr,  ob  am  anderen,  oder  am  folgenden  Tage.  Kurse  Zeit 
darauf  biiiet  mich  ein  'LandmanD,  seiner  nach  der  Niederkanft  ei^ 
krankten  Frau  etwas  zu  verordnen.  Auf  meine  Frage,  wer  der 
Frau  bei  der  Niederkanft  geholfen,  nennet  er  mir  den  Namen  des* 
selben  Geb)irtshelfers,  dessen  Kunst  oder  Cnkunst  ichjöagst  hatte 
kennen  gelernt.  Ua  ich  nun  wol  einige  Erfahrenheit  in  natärlichen 
Krankheiten  habe,  aber  in  den  künstlichen  gSnilich  unerfahren  hio, 
■o  stellte  ich  dem  Manne  vor,  dafs  -ich  nicht  in  den  Bauch  seiner 
Frau  sehen  könne ;  der  Geburtshelfer  sei  aber  mit  der  Hand  darin 
gewesen,  so  müsse  denn  der  viel  besser  wissen,  wie  es  darin  ge- 
stellt sei ,  als  ich ;  mithin  sei  es  doch  wol  am  klügsten ,  dafs  der 
Geburtshelfer,  nnd  nicht  iidi,  die  Kindbetterina  behandle.  Dem 
Manne  kam  diese  Bade  «ehr  versiSndig  vor  nad  er  ging  bin ,  mei- 
nen Raih  zn  befolgen.  Einige  Zeit  darauf  haUe  ich  in  der  Nach- 
barschaft jener  Kiadbeiierina  »a  thnn',  and  erkundigte  mich  ans 
Neugierde,  wie  es  ihr  doch  ergangen;  da  hörte  ich  denn,  dafs  sie 
schon  am  ersten,  oder  am  zweiten  Tag«,  nacfadaai  der  Ebemitan 
bei  mir  gewea^o,  das  Zeitliche  gesegnet. 

Es  ist  sehr  preislich  von  den  Mediainalhehörden,  dafs  sie  Aen- 
I«  und  Wandärzte,  die  sich  der  EatbindungAanst  widmen  wollen, 
einer  besonderen  und  strengen  Prüfung  unterwerfen;  es  «Sre  aber 
noch  preislicher,  wenn  sie  ihnen  gesunden  Ventand  nnd  gewaa^tn 
Hinde  anprufen  könnten.  80  lange  sie  das  nieht  können,  will  ich 
unter  übrigens  gleichen  Umstanden  lieber  fünf  krank«  Wöoboerin- 
nen  aas  den  HSnden  der  Wehemütter  als  eine  einzige  mu  den 
Händen  eines  Gieburtsbelfers  zu  heilen  übernehmen.  Daft  ehemabh 
'  ans  Mangel  künstlicher  Hülfe  einige  Frauen  in  solchen  Geganim, 
wo  keine  Geburtshelfer  waren,  gestorben  sind,  ist  niebt  in  Abrede 
zu  stellen ;  ob  abar  hont  zu  Tage  nicht  noch  mehr  Fronen  aa  gar 
zu  reichlicher  Spende  der  Geburltfaülfe  sterben,  will  ich  denen  sa 
benrtbeilen  überlazaeo,  die  vermöge  ihrer  Stallnng  diesei  za  benr> 
ibcilen  im. Stande  sind. 

Es  mögen  26  Jahre  sein ,  da  erzSblte  nur  «inea  Tage*  eine 
sehr  versiftndige  nnd  menschenfreundliche  Frau:  sie  komme  eben 
ans  dem  Hause  einer  Kreifseaden,  der  habe  der  Gebarisfael£er  an- 
gekündigt, sie  könne  nicht  ohne  den  Kaiserschnitt  entbunden  wer- 
den. Die -Frau  walle  sich  su  dieser  Operation  nicht  verstehen, 
erkläre  bestimmt,  sie  werde  ihr  Leben  nie  auf  solche  Sdianza  sei- 
zen,  sondern  es  getrost  der  Hand  Gottes  anbefehlen.  Einige  Zeit 
darauf  hatte  ich  Geschäfte  in  dem  Schlosse  der  Berichterstetterinn 
nnd  mir  fiel  jene  Kreifsende  wieder  ein.  Wie  gehet  es,  tagt«  ich^ 
Ihrer  Pücbterinn,  bat  ihr  der  Geburtshelfer  endlich  doch  noch  den 


—    »41     - 

KaiMncfanitt  tmiMH  !  —  Sie  Ut  aiantUMft  in  ihrer  Wei^erfmg  ge- 
blwbea,  uMwortMe  die  manschenfreandliobe  Enfifalerinn  mit  lächeln- 
dH-,  die  KoBtt  höhDendea,  Miene;  der  Gebartabelfer  hat  lie  all 
■«bellber  Verlanen,  und  am  folgenden  Tage  ist  sie  ganz  ohne  UM' 
F«  niedergekommen.  —  Waa  konnte  ich  nun  in  dieser  Tersweirel- 
tea  Geachiehle  aagent  —  Nichta>  gar  Ncfaca;  blofc  die  Benietkuag 
erinuble  ioh  mir:  da  die  Kreifieade  ihr  Leben  glSahig  der  Hand 
Gotlea  anbefohlen,  ao  habe  aich  auch  hier  einmahl  wieder  der  alle 
Spimsh  bewifaret,  es  sei  besser,  in  die  Hand  Gottes  zu 
fftlleD,  alt  iD  die  Hftnde  der  Mensobea. 

Ich  bin  einst  xu  einer  Kiodbetterfnn  unter  so  wunderlichen 
Umständen  gerufen,  deb  icfa  Termnthe,  den  wenigsten  meiner  Le- 
ser wird  etwas  Aehnliebes  begegnet  sei«.  Der  Fran  war  nftmlieb 
Tsa  ^oem  anilAndischen  Geburtshelfer,  zur  Förderung  der  Geburt, 
der  Scbambeinknorpel  etliche  Tage  iorber  durcksehnitiett  worden. 
Sie  nuiüite  sieh  oft  erhreohen,  batta  k7«iaen,  sehsellen  Pnls,  nad 
ob  es  gleich  in  der  heifeesteo  Jabresseii  war,  fnhhen  sich  doch 
Um  Hft»de  and-Arme  kfihi  an,  auch  haUe  ihr  Geeicht  einen  Mge- 
Ben,  fremderiigea  Aasdruck,  den  idi,  de  i^  sie  efi  Torber  gese- 
hen, sehr  gm  wDrdigen  koimte. 

Die  Meinung  der  GehurtahrifiBc  über  die  DurebschBeidnng  des 
Sebambeinkaorpela  war  mir  zwar  bekennt,  ich  hatte  aber  noch  nie 
dieeer  Operation  beigswobnat,  oder  ihre  Folgen  beobecbtot.  Dem 
Gauen,  einem  gar  reniftodigeji  und  halb  stndirtera  Menne,  sagte 
iefc  dieeei  gerade  heraus,  nod  madite  ihm  ohne  Mübe  begreiflich, 
dafs  «•  höchst  aMcbicklicfa  sein  würde,  wem  ich  bei  einem  ao 
wichtigen  Falle  dem  operirenden  Meister  ins  Handwerk  greifen 
wollte.  Es  »ei  weit  beeacr  nnd  herkömmlieber,  dnfs  er  diesen  bä- 
te, die  Kranke  selbst  zu  sehen  nnd  das  Nötbige  zu  verordneo ;  der 
habe  ja  die  Operation  mehnuabis  gemaefat,  werde  also  am  besten 
benrtbeilen  können,  in  wiefern  die  ZufUle,  die  uns  höchst  veT- 
däehtig  vorkämen,  als  noihwendigc  nnd  tiobedenidiche  Folgen  der 
Operation  tuiznseben  seien- 

Der  Geburuhelfer  wurde  gleich  beschickt  und  kam  in  der  ktir- 
zeeten  Zeit.  Ich  hielt,  als  ein  in  dieser  Sache  Ungeweihier,  mein 
Unheil  zurück  und  übernahm  die  blofse  Rolle  des  schneigenden 
Zosdiaaeni.  Der  Geburtshelfer  machte  nicht  viel  Aufhebens  von 
dm  mir  sehr  bedenklich  scheinenden  Zufällen ;  diese  Kühnmüthig^ 
keit  bestimmte  mich  noch  mehr,  zn  schweigen  und  mein  ürtheil  zu- 
rück zu  halten.  Merkwürdig  war  es  mir  indeCi,  dals  er,  die  «ehr 
kühlen  Hände  der  Fran  fühlend,  dieser  sagte :  sie  habe  sich  erkftl- 
tet,  sie  «olle  die  Hände  unter  die  Decke  stecken.  Den  Ebemana 
dreist  bernbigend,  reisele  er  nach  Hanse ;  am  andern  Tage  war  die 
Frau  toil't. 

binige  Zeit   darauf  hM   mir  jemand  eine  Zeitschrift  gegeben, 

„ ,  Google 


_    3«    — 

in  welcher  dieser  Fall  .mit  Heineiii  iddilicben  Antganfe  g«H  d» 
Wahrheit  f^emfifn  beachrieben  war.  Hier  hube  ieb  denn  gelesen, 
dafs  der  Tod  ganz  unerwartet  and  opangekundigel  geksinmen,  und 
daÜB  weder  der  BerichiarHtaiter,  noch  ich,  den  iftdilichtm  Ansgang 
vecmuihet,  Xun ,  ich  ksoo  den  Mann  auch  in  dieaem  Punkte  der 
Uun'ahrbeit  nicht  zeihen;  ich  habe,  wie  geaagt,  aia  ein  in  solch 
ha)  ab  rech  enden  Hftndeln  ganz  Unerfahrener  geschwiegen,  nod  wer 
schweigt,  der  sUmnil  ein. 

Jolzt  will  ich  den  Leaern  blols,  zur  Unterhalinng  eine  solch 
wunderliche  Geschichte  gehnnsbulllichen  Inhaltes  erK^hlen,  der- 
gleichen sie  Doeh  nie  werden  gebärt  haben.  Des  Jahres,  in  wel- 
chem »ie  sich  zugetragen,  erinnere  ich  mich  zwar  nicht  ganz  be- 
slimrat  mehr;  wenn  ich  aber  die  Zeil  zwiBcfaen  den  Jahren  1810 
und  1813  als  ihren  Spielranm  angebe,  werde  ich  der  Wahrheit 
wol  niohi  m  nahe  treten.  Schriftlich  bnbe  ich  mir  nie  etwas  dar- 
über aufgezeichnet.  Die  geburishelferiscbe  Albernheit,  die  damahl« 
ÖtTentlieh  und  landkundig  zu  Tage  gelegt  wurde,  ist  aber  so  aus- 
gezeichnet grefS)  dafs  ich  die  Sache  selbst  niniaer  vergeeaen  wer- 
de. Es  verbreiteie  aicb  nftniliefa  zu  der  angegebenen  Z«it  aufEio- 
mahl  ein  Gerücht  durch  das  ganze  Land:  in  der  Stadt  V**  habe 
eine  Frau  in  Einer.  NiederkaaEt  aecbsebn  Kinder  xar  Welt  gebraohl. 
Anfange  achtete  ich  nicht  auf  dieaes  Gewäsch;  da  mir  aber  die 
Sache  von  verschiedenen  Meoscfaea  uad  nitiiaier  von  verständigMi 
ersähiei,  beaiimnH  der  Arzt  genannt  wurde,  der  dieses  BegriMiiüi 
beobachtet  und  das  Gerücht  desselben  verbreiiet  haben  strike ;  so 
wurde  ich  aufmerksam,  und  ohne  «ben  an  sechzehn  Kinder  zu  dan- 
ken, roufäte  ich  wol  iai  AUgemeioen  für  wahr  annehmen,  d*b  sich 
in  der  Stadt  V**  ein  gatü  an fsstordenil icher  Fall  bei  einer  Schwan« 
gercn  ereignet  habe. 

Die  Leser  können  leicbt  denken,  dafa  das  wunderliche  GerSekl* 
wie  alle  Gerüchte,  darch  den  Mund  vieler  Menschen  wandernd, 
aoch  viele  kleine  Veränderungen  erlitt;  so  aollicn  bald  sechzehn, 
bald  vierzehn  Kinder,  bald  unreife,  bald  ausgptragene  zu  Tage  ge- 
fördert sein,  t'inst  knüpft«  ich  mit  einem  Kcisenden  ein  Gespricfa 
auf  der  Landstrafae  an,  und  da  ich  hörte,  er  sei  ein  Bewohner  der 
Stadt  V**,  so  fragte  ich  gleich  nach  dem  allgenein  besproche- 
nen Gegenstande..  Er  behauptete  die  Wahrheit  des  aechzenkindri- 
gen  Geriichtea,  setzte  aber  berichtigend  hinzu,  die  Frau  habe  eine 
Fehlgeburt  in  d^r  früheren  Zeit  der  Schwangerschaft  gemacht,  die 
sechzehn  Kinder  seien  nicht  gröfser  als  Spinaen. 

Mi^  erinnernd,  doiä  eine  gar  kluge  und  unterrichtete  Frao, 
deren  Hausarzt  ich  war,  in  der  Stadt  V  *  *  Verwandte  habe,  wen- 
dete i(^  mich  an  diese.  Auf  meine  Erkundigung  wurde  mir  die 
Nachricht:  die  in  Rede  stehende  Gehärerinn  habe  eine  Frübgebnrt 
gemacht,  es  seien  nicht  sowol  volUländige  Kinder,  als  vielmehr  sedi- 


—    S43    - 

Mha  befrucbteu  Eier  ron  ibr  gegangen.  Diene  Nachricht  beriible 
aber  auoh  nicbt  enf  BeaiigemeheiHigang,  sondern  auf  Horensegen. 
Die  Beriefaienuuerhia,  die  in  solchen  oaiurlicheo  Dingen  neugie- 
rig war,  schlag  mir  vor,  mich  selbst  hiuubegeben  und  die  Sache 
la  DBterswi^eRj  sie  lasse,  sagte  sie,  über  ein  paar  Tage  eine  Ver- 
wandle v«a  V**  mit  dem  Wagen  abholen,  ieh  aolle  mich  dieser 
gemacblicben  Gelegenheit,  ihre  und  meine  Neugierde  su  befriedigen, 
bfldienea.  Auf  den  ersten  Augenblick  schien  mir  das  frenndliche 
ErbiMen  annehmbar;  aber  hiniennacfa  wollte  es  mir  doch  nicht  recht 
in  den  Kopf,  dafs  ich  meine  Geschäfte  hintansetzen  und  einen  gan< 
Ben  langen  Tag  berumbutsdien  solhe,  am  sechzehn  Kinder  aufzu- 
suchen, die  nisht  gröfser  als  Spinnen  waren,  und  deren  Wirklich- 
keit mir  noch  eben  so  iweifelbaft  schien ,  afs  die  dtr  elftaitsend 
Jnngfrasen.  Ich  tbat  jelst  etwai,  was  rdi  nicht  gern  (hat,  ich 
schrieb  an  den  Arst,  den  das  Gerfleht  als  den  Beobachter  dieses 
Fallsa  beseiehnete. 

Statt  mir  einfach  su  antworten ,  schickt  mir  dieser  den  Vater 
der  scdiBebn  Kinder  selbst.  IfJi  war  ein  armer,  kleiner,  dickkiipfi- 
gn  Schseider;  ein  mi}siger  irdener  Topf  enthielt  seine  in  BrHnnt- 
WMn  eingemachte  Nachkoismensebaft.  Ob  ich  nun  die  .vielbespro- 
chene Sdlenbeit  berausimhai  and  brennend  vor  Neugierde  aie  he- 
tnM^iet«,  was  fand  ich  daf  —  Nichts  als  viermonailiche  Zwillinge 
und  eine  Awwhl  runder  iUniklnmpen,  welche  mein  gelehrter  ge- 
bnrtihülflicber  AmiibrOder  fnr  befruchtete  Eier  angesehen.  Das 
Tollste  bei  der  Sache  war,  da£i  er  mir  xugleicfa  ein  Schreiben  des 
ProÜBSBor  GAtAirr  aus  UaiaboFg  beilegte,  worin  dieser  versttindi- 
ge  Hmw  ihm  auf  sine  höflich«  und  schonende  Weise  das  nftmti- 
cbe  sagte,  was  ieh  lait  meisen  Aagm  sah.  Ein  die  Blutembryonen 
heglsit«iides  Scbreihon  meines  Amtsbrnders  schien  den  Zweck  zu  bä- 
hen ,  mich  »I  seiner  Meinung  iiherxybolen  nnd  die  des  Prof.  GüH- 
tier  verdttchtig  xu  macheiK  Diese  Absiebt  war  tu  enischnidigen, 
denn  ar  wnfste  nicht,  dab  ich  von  Natur  etwas  halsstarrig  bin, 
in  Saobea,  die  ich  selber  sehen  nod  untersuchen  kann,  die  Mei- 
nung anderer  aaf  guten  Glauben  anzunehmen.  Der  billige  Leser 
köanta  vielleicfat  glauben,  die  angeblichen  Eier  seirn  runde  Klum- 
peu.  weifser  geronnener  Lymphe  gewesen  und  auf  dieses  eierähn- 
lidie  Ansehen  habe  sich  die  ärsiliche  Täuschung  gegründet.  Ach 
nein,  lieber  Leser!  es  war  ehrliches,  roihes,  geronnenes  Blut, 
wonns  die  Eier  bestanden,  diese  waren  Mni  Theil  auch  schon  von 
frftheren  Unter suuhera  zerquetscht. 

Icfa  sehe  voraus,  dals  meine  jüngeren  Amisgenossen,  die  die 
Welt  und  das  Vjerhaltnifs  des  Arztes  zu  der  Well  noch  nicht  keo- 
oea,  der  festen  Meinung  sein  werden,  jener  Arzt,  der  sich  nicht 
blob  in  den  Augen  einer  Stadt,  sondern  einer  ganxen  Provinz  lä- 
cherlich gemacht»    ntüssa   sich    Dotbweodig  dadurch  in  seinen  Ge- 


—    3«    — 

Bchäflan  bedeutend  gMcfaadet  haben.  loh  bitM  Euch  ab«r,  nwiae 
Freunde!  schlagt  Euch  solch  anwahre  Gedanken  aas  den  Kopfa. 
Glaubt  es  mir,  jeder  Am,  wenn  er  nicht  ein  anagematihter  Dumni- 
dusel  ist,  hat  seinen  weiteren  oder  engeren  Mensohen kreis,  innef- 
halb  welches  er  die  Bolle  des  unfehlbaren  Wahraagars  spielt,  und 
nimmer  wird  das  niifabilligende  Unheil  einer  mediziaischen  Faoü- 
tät,  nimmer  das  .der  höchsien  Medizinal behörde  >bn  ianerhalb  die- 
ses Zauberkreises  entsatteln.  Weit  eaiferat,  an  glauben,  jenar 
sechzehnki  ndrige  Ant  habe  sich  in  seiaen  Gesobiifien  geschadet, 
hin  ich  vielmehr  in  meinem  Herxen  überxeagt,  dafs  die  Franen, 
deren  Geburtshelfer  er  bei  Leibes  Leben  gewesen ,  bis  auf  dieae 
Stunde  noch  hei  jeder  Schwangerschaft  TiirchtH,  seefaxebn  Kinder 
im  Leibe  zu  haben. 

Vom  Kindbettfieber  inüfste  ich  jetzt  wol  ein  Wort  sagen,  al- 
iein diese  Krankheit  kenne  ich  nur  aus  Büchern ;  in  der  Naiar  ha- 
be ich  sie  nie,  weder  behandelt,  noch  gesehen.  In  meiner  Jagend 
hatte  ich  mir  ans  purer  Neugierde  den  Kopf  so  voll  von  allerlei  firtt- 
lichen  Meinungen  gestopft,  dals  Gott  ans  sonderen  Gnaden  mich 
vor  Narrheit  mufs  behütet  haben.  Das  vielbesprochene  Kindbett' 
fieber  nahm,  begreiflich,  einen  ansehnlichen  Plata  in  der  Plnodei^ 
kammer  meines  Gehirns  ein.  Guter  Gott!  welch  eieen  Wust  von 
wunderlichem  Zeuge,  gröfsien  Theila  ans  einer  ansTührlichao  CoM- 
pilation  geschöpft,  habe  ich  damahls  verschlungen,  das  mirbinteo- 
'    nach  zu  nichts,  au  gar  nichts  genutzt  hat.  *) 

^'^ollte  mich  jetzt  jemand  nur  blofs  über  die  Meinungen  der 
damabia  bekannten  Schriftsteller,  abgesehen  von  den  seitdem  be- 
kaonl  gewordenen,  prüfen,  so  würde  ich  verzweifelt  schlecht  be- 
stehen, denn  ich  hin  jetzt  weit  dummer  als  da  ich  zuerst  von  der 
Hochschule  kam.  Das,  was  ich  seitdem  mit  meinen  Sinnen  und 
mit  meinem  schlichten  Verstände  an  kranken  Wöcbnerianen  be- 
obachtet habe,  ist  herzlich  wenig,  ich  will  es  aber  treulich  dem 
Leser  berichten. 

Dafs  die  Gebärmutter  nach' der  N4ederkunft,  abgeaebea  von 
gelahrlicben  und  tödtlichen  Verleiznngeo  derselben,  so  gut,  wie 
jedes  andere  Organ,  eikranken  könne,  daran  wird  wol  niemand 
zweifeln.  Ich  habe  aber  von  diesem  Krankwerden  schon  ein  we- 
nig gesprochen  und  gesagt,  dafs,  im  Falle  einer  reinen  Uraffektion 
dieses  Organs,  ich  das  alte  Multermitlel,  den  Boras,  noch  für  das 
beste  erkannu  Das  Erkranken  der  Geh&rmutter  wird  aber ,  mei- 
ner Meinung  nach,  unter  andern  veranlassenden  Schädlichkeiten, 
auch  durch  gar   zu   reichliche  Spende  der  Geburtahülfe  geanndit, 

*)  Dis  neuDbiidige  P(lbi>lo|^a  dei  E.  A.  Kicotai  war  dis  ente  Faadgrabe ,  aoa 
der  ich  Eieia  bontacliackigei  piltielo|i*ehei  WUirn  aeliSpfle;  in  ihr  Hnüd 
m«o  rdaruiidxw«asifarlci  Helnaiifea  lh<r  4u  Kiadbetlfieber. 


—    345    — 

IKe  Haad  de»  Aki^ers,  di«  Zange  mi  andere  Iniirameoie ,  nnd 
4|§nweilea  ganz  nonöifaige  nöd  atirenUlDdige  Blnisiillen  nach  der 
Niederkunft,  machen  ohne  Zweifel  nicht  wenig  Weiber  mntlerkrank, 
die,  Uefa  der  Natur  iiberlaiMn,  nie  krank  geworden,  nie  KiadbeK- 
Geber,  nie  Meiritity  PerHonäü,  oder  andere  griechische  nnd  la- 
(Moiache  Uebel  würden  bekoinmen  haben.  Wenn  mao  den  Wenh 
»werer  heutigen  Geburtshillfe  gefaSrig  icbftlaeD  will,  so  rnnfs  man 
Hiebt  fragen,  wie  viel  Fraaeo  sind  während  md  gleich  nach  der 
EniiHndHng  geatorben  <  aoadern  man  mufa  fragen ,  wie  viel  sind 
innerhaU>  vierzehn  Tag«  nach  der  NiederknDfl  erkrankt}  Aus  die- 
sen Geaiehispnnkle  Vergleichungen  anstellen,  heüit  dte  gelehrte 
GebnruhOK'e  nnparteiiieh  würdigen ;  jede  andere  Vergleichuog  sagt  ' 
oiditi  und  ffitui  nur  an  Tänschnng.  Wenn  ichznweilen  dae  Ver- 
hälinifa  der  natüdicbea  Geharten  zn  den  künsrlichen  in  den  Ge- 
bOraiiMailen  Daehaahe,  Sberfillt  mich  wahrhaft  ein  Granen.  So 
Ina  it^  noch  nealieh,  d«&  in  einer  streben  Ansfall  von  sieben  und 
neblz^  Entbindungen  nur  zwei  niid  drei&ig  natöriicb  verlaufen  wa- 
ren; nMor  den  känirlicfaen  waren  vier  nnd  dreifsig  Zangengebnr- 
tea.  Wahrlich!  wenn  hier  die  kiinallicbe  Hülfe  nicht  ganz  noDd- 
iktg  ond  übembnöthig  gespendet  ist,  so  mnla  die  Natur  das  Man- 
■ebengeacUecfat  sehr  sUefmüttertich  bedacht  hab^n.  Wo  ist  aber 
der  verständige  Arzt,  der  diese  Klage  gegen  die  Natur  erheben 
vad  gehörig  begründen  wolltet 

Was  das  hlofie  Milchfieber  betriffi  and  Milchknoten  nnd  wun- 
de Waraen ,  so  will  ich  davon  nichts  sagen ;  denn  das  Milchfie- 
ber bedarf  in  den  allerwenignen  Fällen  ärxilicher  Hülfe,  und  no 
es  seiner  Stärke  wegen  selbige  verlangt,  ist  es,  zwar  nicht  norh- 
wendig,  aber  in  der  Wirklichkeit  gewSholich  ein  Urleiden  des  Ge- 
samiatorgnuismas,  welches  unter  der  Heilgewalt  des  Salpeters  sie- 
bet. Von  den  Mildiknotes  ond  von  der  E^lxündaog  der  Brüsie 
werden  wir  weit  scfaicklicber  onter  den  Universalmittein  reden,  und 
wände  Bmslwarxen  gehören  gar  nicht  hiMhin. 

Die  wenigen  bis  jetzt  angeführten  Erkrankangen  sind  a1>er  die 
ehnigen,  welche  die  WSchnerinnen  Huaschliefslich ,  insofern  sie 
Wöebnerinnen  sind,  befallen;  altes  andre  Krankhafte,  was  sie  er- 
greift, ergreift  sie  blofa,  in  so  fern  sie  Menschen,  nicht  in  so  fern 
sie  WSehaeiianen  sind. 

Würe  ich  ein  Zauberer  nnd  k5nnte  die  fieberkranke  Wücbno- 
rian  augenUicklich  zum  Manne  umscha0en,  so  würde  mir  das  um 
kein  Haar  die  Heflnng  erleichtern;  denn,  kennete  ich  die  Natur 
des  zn  beflenden  Fiebers  nicht,  so  würde  ich  dem  Manne  eben  so 
wenig  helfen  als  der  Kindbetlerinn;  kennele  ich  aber  dt«  Natur 
da«  KD  heilenden  Fiebers,  so  wrirde  ieh  der  Wöchnerinn  so  gut 
helfen  als  dem  Manne,  mithin  wärde  meine  llexenwandeinng  zu 
nichts  fAren.     Da  aber  manchem  Leser  diese  ibde  hart,  die  an- 


—    346    — 
geblicbe  Kunst  berfibmier  Meitt«-  bofaneD«!  varkomnieii  nSebie,  m 
-    will    ich   billig  sein  und  noeh  Eisa  EEgenthÜraliohl»}!   der  ViUpk- 
nerfnnen  g«l(en  lassen. 

Bei  vielen,  aber  gewifi  nicfal  bei  nllen,  befin<tet  ilch  4er  Kör- 
per in  einem  Boleben  Zustande,  dafs  sowot  Anenetmiil^,  welche 
^en  Organianns  feindlich  angreifen,  als  aacfa  so1nhe>  welche  freumt- 
lieh  und  heilfnd  anf  ihn  in  seiner  Erkninkon^  einwirken,  io  weil 
geringerer  Gabe  ihre  Einwirkung  TollfTibren,  als  sie  «■  bei  andern 
weiblichen  oder  männlichen  Körpern  wi  ibnn  pflegen.  Das  hier 
Gesagte  gebe  ich  aber  nur  gani  im  Allgemeinen  sa;  dean  (heihi 
gibt  es  Kindbeiterinnen  genug,  bei  denen  dieser  Zusiaad  des  Or- 
ganismus niohi  nnchsnweisea  ist,  iheils  gibt  es  aueb  MSnaer  ge- 
nug, awiichea  daran  Körper  und  der  Anfsenwalt  das  nimlicfae  Ver- 
iiflhniffl  ubwaltet;  und  endlieh  sind  au  gewissen  Zeiten  alle  kran- 
ke Mens«benk9rper  fa  ein«»  sulchan  kiodbettlichen  Zustande,  daa 
heifst,  wnllen  wir  sie  heilen,  so  mfissen  wir  ihnen  die  HeUmiHcl 
nur  in  der  halben,  oder  Vierlelgabe  reichen,  sonst  helfen  wir  ib- 
neu  entweder  nicht,  oder  maehen  sie  kranker,  statt  gesand,  Aiae 
kann  ich  einen  solchen  Zastaod  des  Körpers ,  mau  nag  ihn  er- 
höhte Erregbarkeit,  oder  Reizbarkeit  nenorn,  oder  ihm  einen  aa- 
dem  Namen  geben,  unmögiich  n)s  eiiiea  dea  Wöabnerianen  o^ 
genthümlicben  Zustand  ansehen. 

Kl  ist  ober  gut,  sehr  gut,  ja  es  ist  nolhweodig,  dafs  jeder 
Arai,  der  eine  erkrankte  Wöchnerinn  heilen  will,  wohl  bedenke 
und  es  sich  deiitlich  sage ,  dafs  er  as  mit  einara  Körper  zu  thun 
haben  könne  und  wahrscheinlich  lu  ibun  bähen  werde,  dessen  Er- 
regbarkeit, im  VerbAlinifi  an  anderen  weihlichen  nieht  kindbetl- 
licben  Körpern,  roehr  oder  minder  ertiithet  seL  Weon  er  sieh 
dieses  deutlich  denkt,  so  wird  er  siinberlich  wit  der  Frau  verfah- 
ren, sie  nicht  mit  feindlichen  Mitteln  bestürmen,  ihr  aelbst  die 
milden,  direkt  heilenden,  in  gana  niflf>iigen ,  Jr  in  kleinen  Qabea 
reichen.  Körper,  deren  Erregbarkeit  sehr  erhöhet  ist,  es  mögen 
männltcbe  oder  weibliche,  Kindbeiterinnen  oder  XtcbtkiadbeHerin- 
nen  sein,  sind  gar  bald  verdorben;  wer  diese  sarten  Gangwerke 
mit  der  Am  und  dem  ISchrubbhobel  ausbesseren  will,  der  branobt 
sich  eben  nicht  xu  wandern,  wenn  sie  gana  in  die  Wirre  geralbee, 
und  Krankheiten  bei  ihnen  sich  bilden,  dereti  Gestalt  gaaz  framd 
und  unerhört  ist. 

ich  habe  oben  schon  davon  gesprochen,  da&  gastrische  Kra»k- 
beilen,  die  nicht  selten  eine  lange  Vorlaufaseit  haben,  bei  Sohwan- 
gtnn  böcbsi  lustig  zu  erkennen  sind,  indem  sieh  ihre  ZuAII«  übel 
von  den  ZunileD  der  blofsen  Schwangerschaft  unterscbeiden  las- 
sen. Aber  nicht  blofs  gasirische  Krankheiten,  soadern  alle  Orgaa- 
kraokbeitea  haben  das  Ueble  an  sich,  dafs  ihre  VorlHufxeii  lang 
sein  kaoa;   je  länger  diese  Vorlaufaeil  ist,   nw  so  sofalimmer  ist 


—    8«    — 

fie  Knakbek  wean  tie  lum  Aaabnwlie  kommt.  K*  itt  wahr,  dnli 
•Miera  M«ns«bMi ,  eben  %o  gal  «!■  8obw»gera ,  von  mlchMi  Or* 
ganknmkhfliten  kSoora  btechlichen  wer4«n ;  allein  01  iit  eben  ■» 
w«hr,  dalfl,  wegm  der  ZuMle  d«r  SchwaBgerftehaft,  di«  Weiber« 
Tcriilldich  H  allen  andeni  Menachen,  im  noTerkennbaren  Nach- 
ibeHe  aiad  nad  mweiten  bei  dem  baiieo  Willca  von  der  Krank- 
beil beaefalieben  werden.  Der  Aaibmeh  aelcber  Oi^nbariihnbeii 
•nn^eiat  als  Fieber  im  Kindbatre  «i  gaoi  nabeMimmler  Zeit.  Am 
htnfigelen  iriftt  e>  wqI,  dafe  da*  MJlcbfleber  sulche  awei-,  drei', 
*«d0r  TiemoRalli«he  Org*»afl«klien  in  Aufruhr  bringt.  In  dieiem 
Falle  hin  im  Alitohfieber  aar  gewafanlicban  Zeit  nicht  auf,  ton- 
dero  wihrt  entweder  als  whleicbendea ,  oder  als  heftiges  akuies 
fort.  Die  Milchahoeademog  macht  sich  entweder  nnvoUkommen, 
•der  die  sehen  geordiiete  wird,  wie  bei  allen  aftiigendea  kranken 
Frauen,  tftgiioh  minder,  oder,  im  Fall  der  Oesnmmtorganiamas  hef- 
tig ergriffen  wird,  hdrt  die  MUcbabaoitdening  gana  auf. 

Wenn  aber  der  Atuhmsh  der  Orgabknnkbeiien  in  den  mei- 
■  stca  Fallao  durefa  das  Milchfieber  reranlailit  wird ,  so  iat  dieaea 
doch  keiae  feste  Regel,  soBdern  der  Aasbracfa  kann  au  jeder  Zeit 
geschehen ;  wiewol  ich  zulasse,  dals  die  «raten  vierxehn  Tage  nach 
der  Niadarkanft  nns  hiufiger  knuike  Wttehnwinnen  liefern  als  die 
folgenden. 

Die  Oebirmntter  kann  bei  Kindbstterinnen  vielleiebt  leichter 
ala  bei  andern  Weibern,  aam  wenigsten  eben  so  leicht,  durch  das 
Urleideo  eines  andern  Organs  oonsenanell  ergriffen  werden,  4m- 
dnreb  bekommen  dann  die  fieberhaften  Krankheiten  der  Weiber, 
aameailieh  die  der  WSchnerinnen,  eine  wonderlicbe,  den  Ant  leicht 
tSnachende  Fum.  Die  Organe ,  die  nach  meiner  Bcobachtnng  in 
TOrsäglich  genauem  Coaseas  mit  der  Muller  ateben,  sind  die  Leber 
ud  die  Nieren.  Von  dem  Urleidoa  beider  habe  ich  bei  fieber- 
kranken Kiodbetterinnen  heftige  consensnelle  BIutflÜM«,  Bauch- 
Hod  Rücken uhwenen  entatehen  sehen;  ich  will  achweigeOTon  den 
eonsensn eilen  Gehirn-  and  Hantaffektiooea,  die,  wo  nicht  die  ge- 
wöhnlichen, doch  BBofa  nicht  die  gani  adieoen  Begleiter  Jener  Ur- 
leideo sind.  Alle  diese  den  Arzt  leicht  rerwirreoden  ZnfKlie  kön- 
nen nur  durch  heUondea  Einwirken  auf  das  arerkrankte  Organ  ge- 
beben werden. 

Ferner  bemerke  i^  noch  zum  UeberRuls,  dafs  auch  Jedes  Ur* 
leiden  des  Gesammlorganismus  bei  Kind  bei  lerinnen  leicht  in  der 
Gebftrmotter  vorwalten  kann;  Ich  sage,  kaan;  denn  dieses  Vor- 
wnlton  ist  nichts  Nothwendiges. 

Aas  dem,  was  ich  bis  jelat  gesagt,  folgt,  dafi  der  Arit,  der 
fieberkranke  Wöchnerinnen  heilen  will,  mit  grofsem  Fleifse  die 
ey idomisehe  Constitution  beoboefalciv.  müsse,  sonst  wird  er  mit  sei- 
»aai  bfteherlicbea  Wissen  gar  bald  festbhrea.     Wie  der  aber  han- 


—    M8    - 

dein  soll,  der,  m  ein«r  fisberkniDken  Wächaeriaa  gsnifeä,  ans 
Faulbeit,  od»  aus  Geis,  oder  ans  Mangel  ao  ZiilraueD  unter  der 
Masse  des  Volkei,  oder  aus  Jnn^eit  aad  ünbekaontachaft  mit  dem 
MeoBcheakrei»,  worin  er  lebt,  miiihwillig  versSumt  hat,  oder  dnr 
(JinstHade  wegen  nicht  befähiget  gewesen  ist,  die  \Ktor  der  land- 
gängigen  Kraaltheit  zu  beabvchien  nad  ihre  feinsten  VerÜRderan- 
gen  in  der  wandelnden  Zeit  m  haschen^  wie  der,  aage  ich,  han- 
deln soll,  das  weif«  ich  nicht,  er  mufs  tbun,  wie  er  kann;  tieit 
helfe  ihm  und  der  Wöchnerinn:  Eins  will  ich  Ench,  meinen  jün- 
geren AuiiBbriidern,  sagen.  Wenn  Ihr  fieberkranke.  WSabnerinnes' 
SU  bebandeln  habt,  und  swar  solche,  deren  Kiebfr  von  der  fiartlhrt- 
heit  irgend  eines  Organs  abhängt,  und  Ihr  bort,  dafs  die  Frau 
schon  einige  Zeit  vor  der  Niederknn& ,  gekriokeli  bat ,  so  denkt 
nur  immer,  dals  Ihr  «s  mit  einem  Falle  zu'lhun  habt,  bei  dem 
das  SiormlaufeB  übel  angebracht  ist.  Da  gilt  es,  mehr  listig  als 
enlschloisen,  mehr  umsichtig  als  gelehrt  sein.  Vergebt  nicht  das, 
was  ich  Eiieh  früher  von'der  VerSndening  des  Krankheitsitces  und 
von  dem  Lirwerden  di>s  Consensnellen  gesagt  babe  es  sind  einfill- 
lige  und  geringe  Dinge,  sie  werden  Euch  aber  bei  Ilcilnng  der 
Wöchnerinnen  wol  zu  Statten  kommen. 

Das,  was  ich  oben  von  der  erböheten  Erregberkeit  der  kran- 
ken Wöchnerinnen  bemerkt,  werden  mir,  hoffe  ich,  meine  erfah> 
renen  Amtsgenossen  nicht  meben  auslegen.  Um  aber  allen  Mifs- 
deutnngen  vorzukemraen,  eiklftre  ich  vorUufig,  dafs  ich  auch  Zei- 
ten erlebt  habe,  wo  man  den  fieberkrankf  a  A^  öchnerinnen  die  kräf- 
tigsten IleilmtUel  in  eben  solcher  Gabe  reichen  inuCite  als  jedem 
andern  Kranken.  Es  hing  aber  solcher  Zustand  des  Körpers  von 
der  Natnr  der  damahls  landgängigen  Krankheiten  ab.  Durch  die 
epidemische  Consiitniion  kann  das  Verhälinifs  den  menschlicfaeit 
Leibes  zur  Au&enwelt  gar  wunderbar  uikI  unbegreiflich  verSodert 
werden 

Von  den  Milchabszessen  halle  ich  schon  wif  der  Hochschule 
gar  wunderliche  Fälle  gelesen,  alwr  vom  Jahre  1795  bin  1829  die 
Heilkunst  geübt,  ohne  jemahls  einen  Milchäbssefs  gesehen  zu  bu- 
hen; im  letzt  genannten  Jahre  endlich,  habe  Ich  den  erMen  Fall 
beobachtet ,  der  mit  einigen  der  früher  gelesenen  Geschichten  die 
grofsie  Aehnlichkeit  hat.  Die  ausführliche  Ertfihlung  mdeble  aber 
wol  dem  Leser  zu  langweilig  sein,  darum  will  ich  nur  das  Haiipt- 
säch liebste  daraus  anführen. 

Die  Ktndbetterinn  hatte  von  der  Hälfte  der  Schwangerscbaft 
an  gekränkelt,  hanptsächlieh  über  Spannung  und  Schmers  in  der 
Lebergegend  geklaget,  sieb  aber  getröstet  mit  dem  gemeinen  Trö- 
ste der  Schwangeren,  alles  werde  mit  der  Niederkunft  von  selbst 
besser  weirden.  Die  Enthindong  war  leicbt  »od  gut  von  Statten 
gegangen;   am   dritten  Tage  trat  «bs  Milebfieber  MlTaig  ein,    mit 


—    349    — 

ihm  aber  allcrl«i  Begebffolisilea ,  welch«  4\b  MilebabsoadwiiDg  in 
Stocken  braebien.  Den  AnAing  machte  heftiger  BancbBchmen  mit 
Kukem  Dnrchlanfe ;  darauf  erschien  mlAjiger  Scbmen  in  der  Le- 
bej^geo4,  ihm  folgte  Sehnen  im  linken  Hypocbondrio ,  diesem 
behinderte  Uri na bson dem ng.  Unter  diesen  sich  abwechselnden  Za- 
mien  vemrichen  iiiehre  Wochen;  ich  wufste  wirklich  nicbi  recht, 
WM  ick  aus  der  Sache  inachea  wllte ,  nnd  hatte  genug  zu  ihun, 
Aie  Frau  von  der  Wanermeht  abanbalten ;  mehr  wie  Eininahl  stock- 
te in  dieser  Leideniseit  die  Uriaabsendernng,  Bauch  und  Fufse  fin- 
gen aa  zn  scbwelleo,  das  QnassiaWBsser  braehte  aber  diese  Ans- 
leemng  jedesmah)  wieder  in  Ordnung,  ohne  anf  das  Ganze  des 
krankhaften  Zustande«  sichtbar  hcil«nd«n  Einflofs  zu  haben.  Von 
allen  wandelbaren  Erscheinnngen  fing  zuletzt  Eine  an  sich  zn  fe- 
stigen; dieses  war  schmerzhafie  Spannang  in  der  Lebergegend. 
FVöher  gehArte  dies«  zn  den  Tor6bergelienden  ZufXHen,  Jetzt  blieb 
sie  nnd  erstreckte  sieh  über  die  ganze  rechte  Seit«  des  Banebes, 
ohne  bestimmt  umscbrieben«  Grenzen  zn  haben.  Ich  dnchte  jetzt 
wi^  an  einen  Leberabszefs ;  allein  es  war  doch  noch  manches,  was 
dagegen  spraclf,  so,  dafs  ich  ehrliofa  bekenne,  ich  bin  bis  zur  L5- 
ming  des  HSihsels  zweifelliaft  geblieben,  mit  welchem  seltsamen 
Ungeaiache  ich  ea  «igenilich  au  thun  hab». 

Endlich  leigtfl  sich  am  ^^  \abet  eine  Wnist,  die  sich  in  ein 
paar  Tagen  röihete,  dann  atubraeh  und  eine  Feuchtigkeit  ergofs, 
die  der  Milch  sehr  ihnKch  war,  Sie  reagirt«  nlmlicb  weder  sauer 
noch  laugensdzig ,  ging  aber  gar  bald  in  einen  laaren  Zustand 
Sber,  so,  dafs  selbst  das  Hemd  nnd  die  I>inwanit,  welche  di«  Fran 
a«f  d«n  Nabel  gelegt,  sauer  rl^hea. '  Die  Meng«  der  ansgeleerlen, 
ganz  weiJsen,  milcfaertigen  Flüssigkeit  war  beträchtlich.  Gleich 
nadi  dem  ersten  Aufbiacbe  zeigt«  mir  dar  Ehemann  einen  Nacht- 
topf, der  zwei  Drittel  davon  eriSHet  war,  und  wie  viel  vst  bei 
dem  uavermuiheten  Aafbruehe  in*  Bett  and  ins  Hemd  gelaufen,  eb 
man  den  Topf  untergehalten. 

8«  viel  ich  die  Saehe  beurtbeilen  kennt«,  war  dieses  ein  Le- 
bermilehabssefs ;  gleich  anfänglich  habe  ich  nicht  darGber  abspre- 
chen mög|^  da  aber  dte  Milohsekreiion  mebre  Monate  in  d«m 
Absiefs  gMmret ,  so  hätte  Ja  die  Milch ,  wenn  sie  sieh  In  der 
HShI«  des  Banches  befunden,  nicht  ans  der  Nabelwnnd«  laufen 
kSnnen,  oder  die  Banchhöhle  hAlte  bis  znm  Nabel  voll  sein  müs- 
sea ,  welches  sieh  dnrch  Fluktuation  ward«  verraihen  haben.  Ich 
habe  aber  nie  im  Unterbanoba  Fluklnatien  fühlen  können,  aafter 
in  d«r  ersten  Leidensperiode  mehrmahls,  wenn  ich  die  atodcend« 
Hamabsondernng  nicht  geschwind  genng  normal  machen  konnte. 
Nach  geSffnetem  Abszefs  hatte  die  UnlerbaiiehhÖhle  mit  der  Mileh- 
abaoiMlerang  nichts  zn  ihnn.  Am  Ende,  wo  die  MilcbAbsondernng 
minder   nnd  minder  wurde,    heilte  zuweilen  di«  Nabeldffniiiig  su. 


_    )S6    . 

fing  nach  einigen  Tagen  u  m  ■chmersMi,  bont  wir,  iiiwl  m  er- 
goU  ■ich  wieder  eine  kleine  Menge  milchiger  Keiichiigkeit. 

ich  habe  mir  Milbe  g^ebe«,  itie  aaßnglich  üben-aiceb liehe  Se- 
kretion in  demAbuefi,  wodurch  hegreiflieh  die  Frau  sehr  gaschwiefat 
wurde,  eq  mäfsigen,  habe  aber  nichts  .Merklichea  aaigerührt.  Ale 
ich  dai  sah,  beschränkte  ich  mich  blols  darauf,  der  Frau,  die  noch 
immer,  wie  in  der  ganxea  Zeil  ihre«  Krankseins,  eine  gelblich 
schmutzige  Gesichtsfarbe  hatte,  die  Leber  und  die  GallensekratiM 
wieder  in  Ordnung  zn  bringen  und  gab  ihr  zn  dam  Ende  eine  Ht> 
schnng  von  Asant-  und  Kr&henaiigentinktur.  Ich  wnr  jetit  glRsk- 
licher  in  meinem  ÜDiernehmen  als  vor  dem  Mücluibizers ,  aneh 
binderte  mich  jetzt  nicht  mehr,  wie  frflhet,  die  conseneuelie  Nie- 
renaffektion ;  ich  konnte  grade  nnd  ohne  Unterbreebmig  meinen 
Zweck  verfolgen,  ohne  ganötbigt  zu  sein,  nebenbei  einen  kleinen 
Krieg  mit  der  Wassersucht  zn  fTibren.  So  geaohah  es  denn,  dafi 
di»  Fran  bald  wieder  eine  gute  Fartm  bekam ,  und  selbst  bei  de« 
anheilenden ,  durch  die  Zeit  nur  langsam  Mindernden  krankhafi«Q 
Milchsekrelien ,  skhtbar  Fleisch  gewann,  lüidlich  nach  reiehUcti 
drei  Monaten' hat  diese  denn  nneh  aufgehört.  Dnfa  eine  Ausdeh- 
nung des  -vorderen  Leberlappens  und  eine  Verwachsung  desselben 
mit  dem  Bauchfelle  Stau  gefunden,  ist  wol  anfaer  Zweifel,  denn 
sonat  hXite  die  Ausleerung  durch  «^aXabel  dicht  erfolgen  können. 
Leicht  hftite  eich  aber  jemand  läusnien  nnd  das  Ganze  fär  Abla- 
gerung der  Miloh  auf  die  HShle  des  Bauches  ansehen  können,  be- 
sonders, wenn  kurz  vor  Aufbrechen  des  Abszesse»  der  üaierbanch, 
wegen  der  coneensuell  gesiScien  Harwibsenderung,  voU  Wasser  ge- 
wesen wäre.  Ob  bei  frübersn  Beobachtungen  äbniicher  Fälle  von 
Milcbablagemng  auf  die  BaacfahtUile  eine  selche  Täuechong  Statt 
gefunden,  kann  man  so  ^eoau  nicht  wiesen.  Bei  der  Gelegoabeit, 
dnh  ich  jetzt  den  Fall  einer  wabrseheinlichen  Hilcbversetaang  ng- 
sShle  ,  die  denn  doch  w«i  durch  tinen  frSheren,  schon  während 
der  Schwangerschaft  Statt  gefundenen  krankhaften  Zustand  der  Le- 
ber vorsüglidi  bedingt  war,  drängen  sich  mir  allerlei  Gedanken 
auf,  die  ich  nicht  unterdrücken  kann,  ohne  mir  Gewalt  anzütbua. 

Kurs  vor  mainei  Anfnabme  in  die  Zunft  der  Aei^,  war  di» 
eigentUcbe,  wahrhafte  Milehraaiastnsenzeit.  VerschwanViner  kma- 
ken  Kindbetlerinn  die  Milch  ans  den  Brüsten,  welches  doch  bw 
Rewissan.  Arten  des  heftigen  Ergiiflensein«  dea  Gesanamtorgania- 
mns  fast  immer  der' Fall  ist,' ao  suhcn  ia  dem  sieh  nun  zeigenden, 
ein^ermalseo  hervorsleohenden  Leiden  die  Aersie  beatisunt  eine 
Milchversetznng.  Ich  erinnere  mich  noch  aus  meiner  Knabenaei^ 
dala  daaiahU  viel  voRMilchverseiinng  gesprochen  wurde,  dena  die 
HtiBlliehe  Modemeinung  halle  sich  aui^  der  KSpfe  der  Niehtänte 
bemeistert.  Wenn  eine  Kiodbettarinn  gestorben  war,  so  sagtMi 
die  klugseinwollenden  Leute,    aus  denen  die  Meinung  der  Aerzle 


-  asi  — 

imd«rfa«IIt6 ,  <fie  Milch  sei  ihr  auf  da«  Gshira ,  atif  die  I<ang»» 
auf  den  Bauch,  und  tiuii  weifs,  auf  was  iB«br  geiehlagen.  Wenn 
MMi  aus  dar  dainahligen  Zeit  eine  ainzige,  oder  e!o  paar  Beobach- 
langen  über  dieaen  Gegenatand  lieset,  so  gewfthret  daa  wenig  Ud- 
lerbaltai^,  es  kann  selbst  wegea  der  ichrifutelleri sehen  Weiiachwei- 
figkeit  (weiche  die  Schreiber  selbst  wahrscheinlich  für  Gründlich- 
keit gehalten)  etwas  langweilig  werden.  Man  mufs  aber  eine  atia- 
fahrliobe  Zasamnienplünderung  über  diesen  Gegenstand,  eine  enge 
ZasammenalelluDg  aller  verstfindigen  und  aberwiuigen  Beobach- 
taagen  md  Meinnngen  lesen,  das  gew&bret  dem,  der  nur  etwas 
Demokritiseben  Sisn  bat,  eine  wahrhaft  köstliche  Unterhaltung,  ja 
es  gibt  aueb  ralcbliohea  Stoff  xnm  ernstlichen  Nacbdeoken  über 
die  grotM  Neigung  der  Aente,  Modemeinungeit  zu  habea.  Mir 
kManst  es  fast  vor,  als  ob  akute  und  chronische  Peritonitis  beut 
n  Tage  in  dea  Köpfen  uianaber  die  wichtige  Holle  der  ehemali- 
ge« Mikhinetastaseo  übemoiimen  habe. 

Da  ich  auf  der  Hochschule  war,  konnte  man  sieh  nicht  ver- 
etaigea,  ob  es  besser  sei«  die  Nachgeburt  der  Natur  ui  überlassen, 
oder  sie  mit  der  Hand  xu  bewerkstelligen;  jetzt,  nach  so  langer 
Zeit,  ist  nan  noch  nicht  darüber  eioverstanden.  Die  Verbindung 
der  Naehgeburt  mit  der  Gebärmutter  ist  bald  siculich  locker,  bald 
fetter»  Das  feste  Verwacbiea  hat  aueb  seine  Grade;  mithin  läfst 
steh  das,  wa»  man  in  dem  einen  FaNe  beobachtet,  nicbt  auf  den 
aadera  anwenden.  Wer  kann  a,  B.  behaupten,  dafs  der  Grad  des 
Zosannenhanges  in  dem  Falle  A  der  nSmlicbe  sei,  als  in  dem 
Falle  B1  Niemand.  Also  Iftfil  sich  im  Allgemeinen  dem  GelMirts- 
helfer  keine  feste  Verhaltuagsregel  votsebreib^n ;  wcun  in  dem  Fal- 
le A  die  I^ösung  der  Naehgeburt  mit  der  Hand  glilckliebe  Folgen 
bat,  im  Falle  B  gerährjicbe  und  tödtUcbe,  so  kann  luan  nicht  be- 
baniriea,  dafs  der  Geburtshelfer  im  Falle  B  nagescbickler  «ich  be- 
Bomnwn  als  iiu  Falle  A,  deaa  der  Grad  dea  Zusammeohanges  der 
Nachgeburt  mit  der  Mutter  kaoo  in  beiden  Fällen  gana  verschie- 
daa  gewesen  sein. 

Will  man  ia  Füllen,  wo  das  Lösen  der  festsiiiendea  Naehge- 
bart  UaCi  der  Natur  überlassen  warda»  die  Nachgeburt  nach  und 
aach  MüdEweise  von  der  Frau  faulte,  und  diese  dabei  litt  und  lange 
ksftakelte  (dergleichen  Falle  sieh  einzeln  xutragen ;  so  hat  vor  drei 
Dod  djteifsig  Jahren  eia  solcher  hier  im  Orte  jedoch  ohae  lödtln 
ohen  Ausgang  sieh  weigaet) ;  will  laan,  sage  ich,  einen  solch  sel- 
teiMa  FM  als  Beweis  für  die  Nolbwendigkeii  der  bandlieben  Lö- 
snag  der  Naebgebiirt  aBratellea,  so  wende  ich  Folgendes  ein.  In 
den  aittwlneo  Fällen,  wo  die  Naiar,  von  ihrem  gewöhnlichea  We- 
ge abweichend,  aiobt  vermögend  ist,  die  Nachgeburt  früher  oder 
-a|Aer  gana  und  uagekrttakt  aasaustofsan ,  wo  sie  also  gezwungen 
ist^  aelbige  stückweise  nach  und  nach  durch  einen  eigenen  Prozefs 


—     JM    — 

Too  der  QebBnnalter  xd  inDnan,  d«r  uns,  des  slcfa  dabei  eoiwik- 
ketnden  böten  GcnichM  wegen,  Fäulnifg  m  sein  bediinkl;  in  di«- 
Ben  einselneti  Fällen  kann  man  kfibn  annehmen,  dafs  die  Nach- 
geburt 80  feat  mit  der  Gebärmntier  verwachsen  war,  dab  eine  ge- 
waltsame Trennung  derselben  dnrch  die  Pinger  des  Geburtshelfers, 
nicht  ohne  heftigen  Reiz  und  selbst  nicht  ohne  Wundiing  der  Ge* 
bürmutter  würde,  haben  geschehen  können,  laiihin  der  Frau  wett 
geßlhrlicher  würde  gewesen  sein  als  die  langsam«  und  stinkende 
selbslige  Absonderung. 

Die  Falle  hinwiederum,  wo  ein  Geburlshelfer  mit  gifieklichem 
Erfolge  lind  ohne  bSse  Folgen  die  festanhangende  Nnchgebnrt  mit 
Müha  von  der  Mutter  trennte,  tteweisen  ebenfalls  nichts  für  die 
Vorxüglichkeit  der  künstlichen  Lösang;  denn  man  kann  hier  sa- 
gen :  hfiltest  du  geburtshülfl icher  Arxt  die  Nachgeburt  nicht  nil 
deinen  künstlichen  Fingern  abgeklaubt,  so  habe  ich  den  Glaufaeo, 
die  gebiirtsbelfende  Natur  würde  auch  ohne  deine  Finger  das  Ab> 
sondern  der  Nachgeburt  vollbracht  haben;  mithin  bleibt  deine  wohl- 
ihfiiige  Hülfe,  die  du  der  Kindbetterinn  vermeinest  geleistet  an  ba* 
ben,  ein  gar  sweifelbaftes  Ding. 

Alles  wohl  erwogen,  glaube  ich,  dafs  eine  der  awei  Meinan- 
gen,  in  Betreff  der  L5sung  der  Naehgebnn,  gar  wol  eine  Zeitlang 
das  Uebergewieht  über  die  andre  bflbanpten  und  zur  Modmneinong 
werden  kann ;  gründlich  wird  man  sich  aber  nie  darüber  vereini- 
gen, und  nach  dreihundert  Jahren  noch  eben  so  gelheilt  sein  wi« 
jetzt.  Ich  habe  inehremheils  mit  KindbetlerinaeD  an  ihuo  gehabt, 
denen  die  Nachgeburt  mit  der  Hand  geldset  war,  und  die  Et^iah- 
rnng  gemacht,  dafs  ein  bemerkbarer  Unterschied  xwfschen  den  ge- 
burtshulflicfaen  Hunden  sei;  die  Hand  de«  -einen  Gebnrtahelfefs  ist 
plump  mit  täppischen,  die  des  andern  gewandt  mit  fiihlfaOmigen 
Fingern.  Mehre  Jahre  lebte  hier  ein  gebnrts helfender  Woodar^, 
der,  weil  die  Wehemütter  einfältig  nnd  nngelehrt  waren,  viel  mit 
Kreifsenden  zn  thuo  halte.  Er  holte  die  Nachgeburt  mii  der  Hand; 
ich  bin  aber  nie  öfter  von  Kindbelterinnen  su  Hülfe  gerufen  als 
in  der  Zeit,  da  dieser  Mann  sein  gebuMsbnlfliches  Geschlft  trieb, 
obgleich  er,  wie  mir  die  Frauen  gewöhnlich  kMm  offenbarten, 
meine  Daswischenknnft  als  einen  Eingriff  in  seine  Rechte  und  ala 
eine  Verkümmening  seiner  gebnrtshelferi sehen  Ehre  so  lange  wie 
niö^ich  aufsus^iehen  oder  ganz  und  gar  abzuwenden  saehte.  Die 
Wöchnerinnen,  zu  denen  ich  gemfen  wurde,  klagten  entweder  fiber 
allgemeine  Bauchschmerzen,  oder  gaben  bestimmt  die  Gebllrtnntler' 
als  lehmerxhaft  ergriffen  an,  die  denn  auch,  Aber  den  Sdrambei- 
nen  nhlbar,  bei  der  Berührung  einen  gröfseren  oder  gerii^ren 
Grad  von  Empfindlichkeit  zeigte.  Unglückliche  FSlIe  der  Art  faab« 
ich  aber,  mit  Ausschluß  eines  eioiigen,  nicht  erlebt.  Damahlabin 
ich  anch  mehr  aU  früher  and  spUer  in  solchen  Wöchnerinnen  ge- 


-  »s  - 

nhn,   üe  «•  lehnach  wwea,  (väm  gfofmm  Wmtvtimta  bii  d«r 
Geburt  Dach  ihr«r  Angabe)  dah  Ü0  Tiebnahh  dM  Tsges  ia  Oho-   ■ 
Macht  lantcen. 

Naehdem  naa  «Knei  Geb«rt<brifer  du  Zei^che  gawgDat,  Dbftr- 
nürta  ein  andeKr  Wondarat  da>  GssehfiFt.  OieMr  übertraf  jaoen 
n  Varstande  und  an  KcDDtDicMo  weil ;  tod  Müiar  wunilftntÜoheo 
Band  konaie  i«h  aber,  blofii  R«eh  Thatiuheii  aftbeileiid,  «ben 
nicht  dia  vartbeUhaftaüe  Abinang  babea.  Dieaer  hohe  ebcDfalU, 
wie  der  rorige,  die  Nacbgvburt,  wean  sie  aichl  gleich  dem  Kinde 
>oa  aalbrt  folgte,  wt  der  Hand  bm  der  Gcbfinnutter.  Er  h^t  lau« 
ge  in  dieaer  Stadt  and  Gegend  die  Gebnruhülfe  geübt;  aber  IrMa 
wiaer  wahrhaft  ungeaehioklen  wundftrzilichcn  Hand,  tnnfs  er  dai 
L6aejt  daa  Matterkuchen  w9»  der  Gabfiruatter  geachiokter  genai^t 
habe«  ah  aeto  V«rgfioger,  denn  ao  lang«  er  gdebl  and  gewirkt, 
bia  ich  von  Kin<lbeUerianeB  w<d  wcf;en  Kmokbeil,  aber  niebt  we- 
gaa  BcbaersbaflAl  GabSrDuKterKffMktiaa  »o  Hnlf»  gemCan.  Der  ein- 
sig« Fall,  bei  dea  er  offeabw  einen  MifsgriJBT  gemaoht,  war  der 
Imu^  wo  ich  n  HüUa  gerufen  wiu4e,  aber  nicht  helfen  konnia. 
Hier  bau»  er  die  Naebgebnrt  halb  gelSa't  nsd  abgeriuen,  di«  andre 
HilfM  iieckte  noch  in  der  GriiOmnttter.  Ali  die  Natar  am  12tea 
Tage  da«  sorüokgiBkltebeaea  Tbefl  der  Naebgebnrt  anigutelieB, 
MtidtSe  »14^  Aa  Fian  üdhiltch  xamTsde  anj  dieaas  nhd  daa  hef- 
tige Eigri&oaein  det  Geeannitorganiamna,  das  von  Anfang  an  ber- 
TOrsteobaad  war,  troti  dem,  dafa  die  Fmm  nngelwaer  viel  Blnt  ver* 
lorea,  nngeraebnet  an^  bdM  Zaicbcn,  all  Dnrchlaaf  mit  veifwm 
Darmkotbe  md  apSter  Erbrachen,  mBchte  e«  nebr  wie  hSofaafr- 
wahnebeinKcb,  diia  dar  GebortAelbr  b^  dem  mifalungenen  Vei^ 
■oebe  dt«  Naobgebort  an  ISsea,  di«  Malter  T«fU<at  haben  mäaie. 
Er  war  aber  lebr  in  entschuldigen,  denn  er  war  damahls  alt,  mit 
HlnaaonAoidea  übel  geylegt  uad  deahalb  Mieif  iia  Rficken,  apia 
y»n  Zeit  n  Zeit  Blut  nad  War  knmthamig,  ato  Thetl  der  D&rma 
sMekle  Ia  aeinem  HadaBaaeke ,  er  sUtaite  atatk  nad  war  gfiniltch 
TeiaehfiMen ,  so  dafi  er  ein  Jahr  .darauf  gaOi  abg^ebt  geaierben 
ist.  Es  itt  Iranrig  genng,  dab  Maegel  oad  grofie  Därftigkait  ei- 
nen Nana  iwlagai,  Geaebifia  fertanaetieai  dvoea  er,  in  Rücksicht 
auf  aeln  Alter  nad  auf  «eia«  k(h:pei4icjie  n«4  geistige  Schwa^heh, 
nicht  mehr  gewaebsen  ist; 

Abgesehen  ««n  diesem  iddtliefaen  Falle,  beweiset  mir  daeh 
der  jahrelang  heobaohlete,  gaoa  Tcnehtedane  Erfolg,  der  von  swoiea 
Gehartabc^fesB  goObten-  bandlteben  Lösung  dar  Nachgabort ,  daüi, 
WMw  aHD  aber  dieMD  Ge^ensland  apraebea  will,  ma«  ror  allen 
Diagen  fie  die  Nachgeburt  laaenden  Hände  mit  in  Anschlag  brin- 
gen Mali.  Saloh*  HtodevennscfaU^iaag  wird  aber  wel  ganz  nn- 
ihnnlich  sein;  denn  wäre  sie  wiiUioh  thanlich,  so  hftlte  ich  4aa 
Zniranen  an  den  HadWnalbahaidan ,  nin  wenigsten  zd  der.oxse- 


—    SM    — 

reo,  sie  wtird«  ntanciinii  fedM^Men  xweifrifsigeit  Thiere  weil  ehrr 
'    das   Prttdikat    eines  G«biirUit5ren    aU    einei    GvlHiriihelfen    be- 
kunden. 

Uaber  die  krankhafie  Geilheit  der  Weiber  habe  loli  wenig  oder 
keine  Gelegenheit  gehabt,  Begbaehtungen  «nzualellen,  oder  HeiN 
mittel  auf  seihige  aoifindig  in  machen.  Ein  einziges  Mahl  in  mei- 
nem Lehen  deshalb  an  Haih  gefragt,  wnfste  icb  aus  dem  Stegreif 
kein  Heilmiliel,  auch  erlaablen  die  UmsiSnde  nicht,  mich  der  Sa- 
che ernaifiafil  ansnftehmen,  unter  welchen  Unisifinden  die  zu  gro- 
tae  Entferanng  der  Kranken  von  meinem  Wohnorte  wol  nicht  der 
g^ingate  war. 

Die  Mnlier  des  MKdchens,  eine  ehrbare  and  fromme  Frau, 
woHm  mich  mit  dem  Ungütcke  ihrer  Tochter  bekannt  machen,  drück- 
te sich  aber,  entweder  ana  Mangel  an  MittfaeiliiRgsgab« ,  oder  ana 
Schamhufligkeil,  lo  verworren  aus,  dafs  ich  zwar  wohl  begrilf,  aie 
spreche  nicht  von  dem  Kopfe,  aondem  von  den  Gescfilechialheilen 
ihrer  Tochter,  übrigem  aber  di«  Art  dea  Hebels  nnmSglieh  erra- 
then  k'onnte.  Sie  fQhrle  mich  endlich  in  das  Eimmer  ihrer  Toch- 
ter und  lief«  mich  mit  dieser  allehi,  damit  «ie  mir  ihr  Leid  selbst 
beichini  inSelite.  Das  war  nun  wieder  eine  grofae  Noth  und  «in 
Driicken,  eh  daa  Bekenntnifa  bemuakam.  -  Ich  mufate  mich  nnfa 
Baihen  legen,  habe  aber  manchmahl  verfcehrt  gerathen,  eh  ich  das 
Wahre  traf.  Vt*  der  Jungfrau  Math  zu  machen,  sprach  ich  etwas 
hcrzlicl)  und  ziiiraolich  so  «hr  nnd  nahm  sie  bei  der  Hand.  So 
wie  ich  sie  aber  berBhrte,  sah  icb  zn  meinem  Erstaanen,  dafs  sie 
Zuckungen  der  Gesichtsmnakeln  bekam.  Ich  machte  mehrmnhia 
ganz  unbefangen  im  Qesprficbe  den  nRintiehen  Versneh,  und  die 
suckende  Bewegung  der  Gesichtsmuskefn  folgte  den  Berfihningen 
nnmiilelbar. 

Ihr  Gestltndnifs  lautete  seltsam  gvnng.  Sie  war  zu  dieser  wi- 
dernatürlichen Geilheit  gekommen,  ohne  xn  wissen,  wi«;  sie  halte 
.  weder  Onanie  getrieben,  noch  ihre  Einhildnpgskraft  durch  das  Le- 
sen unkeuBcber  Bücher  erhitzt.  Die  GeiHieii  war  abwechselnd, 
bald  stBrker,  bald  schwicber,  zuweilen  se  heftig,  dafs  dte  Kranke 
■ich  selbst  zwei  oder  drei  Wochen  lang  von  aller  Geselbehaft  tn- 
rilckxieben  nnd  anf  ihr  Zimmer  verbannen  mnftte,  ans  Furcht, 
sie  inSchie,  durch  den  nngeheuren  wollüstigen  Jleiz  gleich  einer  MS- 
nade  getrieben,  den  Mitnnem  etwas  höchst  Unkensches  nnd  Unge- 
wBbnlichesanBinnen.  Wenn  die  Leser  nun  bedenken,  daf^  hier  niehk 
die  Etede  von  einer  Lnstdime,  aondem  von  einer  ehrbaren  and  from- 
men Jungfrau  Ist,  so  werden  sie  mit  mir  einig  sein ,  dafs  man  eine 
«olche  krankhafte  Geilheit  mit  Recht  ein  grtfaes  Unglück  nennen 
mnfs.  Wunderlich  war  es  noch,  dnfs  die  Kranke  vielniahls  des 
Tages  ejaknliri«,  ohne  di«  Geschlechtst heile  mechanisch  xu  reixen. 
Jene  convulsivischen  Bewegungen  der  Gesichlsmuskeln,  die  ich  an- 


—  355  — 
flinglich,  ioiieiii  ich  Ihre  Hand  s^rifT,  bemerkte  und  nir  nicht  ei^ 
kllren  kiwiite ,  waren ,  wie  ich  hernach  von  ihr  lelhet  faSrta ,  un- 
willkürliche Begleiierianen  jener  Ejakalaiionen.  —  Bartkolimm»  bat 
nna  in  seinen  Briefen  einen  ähnlichen  Fall  enfthlt;  wer  ihn  nicht 
kennet,  der  Tecainme  nicht,  ihn  an  leten,  er  itt  wirklich  merk- 
wardig.') 


Mittel  auf  die  mäumiieAem  Geteklecktutkeilt, 

{ch  weiis  keine  besondere  Mitlei  auf  diese  Theile,  und  wünsch- 
te wol,  dafs  »ich  jeuwad  dergleichen  lehrte,  indem  ich  in  der 
Pr«\ia  derselben  bedurft  hab*  und  wirklich  noch  bedarf.  Das  Krank- 
■ein  der  mttnnlichen  Huthe  flufsert  aich  entweder  durch  überniäfst- 
ga  Geilheit  und  Steifwerden  der'Ruthe,  «der  durch  Geilheit  mit 
einem  UnvermSgen  steif  in  werden  gepaaret,  oder  durch  Unver- 
ndgeo  vergeselUcbafiet  mit  Mangel  an  Geilheit, 

Wegen  übermifaiger  Geilheit  mit  Vemögeo  der  Rothe  bin  ich 
mir  ein  eiaaigea  Mahl  um  Rath  gefragt  und  xwar  ?on  einen  ehr- 
baren Ehemanne«  der  mit  einer  recht  bfibschen  Prao  schon  man- 
chcs  Jabr  verlebt  und  mehre  Kiadw  gesengt  halte.  Hier  war  aber 
die  Geilheit  consensueller  Art  und  hing  von  Baucbleiden  ab.  Nach- 
dem ich  ihm  den  Bauch  gesund  gemacht,  kehrte  der  Trieb  lui  Be- 
gntlnng  wieder  in  die  gehörigen  Schranken  zurück.  WBre  dieser 
Mann  nicht  versündig  gewesen,  so  würde  er  die  übermäisige  Geil- 
heit als  etwas  ganz  Vortreffliches  angesehen  und,  ihr  blindlings 
folgend,  sich  selbst  Bafgerieben  habton;  denn  gew&bnlich  halte  er, 
eine  halbe  Stund«  nachdem  er  seine  Frau  erkannt,  schon  wiedor 
Last  znr  Vermisehting.  Ich  habe  einen  andern  gekannt,  der,  we- 
niger verstSodig,  «eine  Geaundfaelt  nicht  bei  Lustdirnea,  sondera 
bei  seiner  eigenen  Frau  (die  fraÜich  aniiehend  genug  war)  durch 
Miliibrauch  der  B«gattattg  zerslftrt  hat,  obgleich  die  Frau  ihn  oft 
geoog,  die  Bblen  Folgen  seiner  Unersfitllichkeit  ahnend,  gewarnet 
SU  haben  behaspteL  Die  Sehwindsnebt,  die  ihn  ins  Grab  stüntei 
fing  mit  Scbmersen  des  Rückens  an,  darauf  folgte  sichtbare  Ab- 
magerung, darauf  knnMr  Hasten,  su  diesem  gesellete  sich  Blnt- 
speiea,  nnd  so  ging  er  laagaaia  zum  Grabe.  Nach  seinem  Tode 
gebar  seine  Gailinn  noch  die  jüngste  Frucht  seijies  übenpanntea 
Gesehl  echtstriebes. 

Das  Merkwürdigste,  was  ich  j«  von  der  Kraft  der  männlichen 
Ruhe ,  zwar  nicht  selbst  gesehen ,  aber  von  mehren  ganz  glaub- 
würdigen  Augenzeugen  geh5rt  habe,  ist  Folgendes.  Unge^r  in 
dem  letzten   Jahrzeheod   des  Torigeo  Jahrhunderts  lebte  zu  Wesel 


*)  Ctmtmr.  III  Bfiil.  SV. 


^nGoogk 


—    356     - 

•In  PrmfaiMlwr  SoldM»  der  hii  du  aa.l^ricfaielea  Ruth«  einen  ge- 
wöhnlichen IHiwer  voll  VV«uer  «qs  dwn  RheiM  o»ek  der  Wache 
tragen  konnie.  Ich  bin  uobekannt  mit  der  Galageuheit  der  Sndt 
Weeal,  weib  nicht,  wie  l«i^  der  Weg  geweien,  den  der  wundw- 
Ikbe  Weuenrftger  mruckgelegt ;  «her  wi  der  Weg  iinroarbia  kuD^ 
so  wird  ei  ihm  doch  nicht  leicht  jemand  nachthiin.  Die  Herreo, 
die  mir  dieees  enShIt  haben,  sprachen  davon  al«  von  einer  gani 
hekannlen  Sache,  die  -daniahli  jedermann  sehen  konnte.  Der  Sol- 
dat  seigte  seine  Kraft  fir  acht  Greichen;  begreiflieh  aber  aar  an 
frShen  Morgen,  eh  die  Strofse  belebt  war. 

Ungenügende  oder  günvlich  mangelnde  Aafriebinng  der  Raihe 
mit  Neigung  v»r  Begattung  gepaaret,  kann  suweilen  .consensneUc 
AffektioD  der  Geschlechtsihette ,  aber  auch  eine  Uratfektion  detv 
selben  sein,  m  welchem  leuten  Falle  ich  keinen  Raih  darauf  weib, 
nnd  im  ersten  nnr.  In  so  fem  ich  das  UHeiden  au  heben  im  Stan- 
de bin.  Wenn  ein  solch  nnvermtjgender  und  aogleiek  sinnlicher 
Mensch  eich  in  den  Sland  der  Ehe  begeben  will,  gestehet  seinen 
körperlichen  Fehler  der  Geliebten  nnd  diese  will  sich  mit  der  Pla- 
tonischen Liebe  begnügen,  so  ist  nichM  dagegen  einsawenden. 
Wer  aber  einen  solchen  Fehler  verschweigt,  der  handelt  höchst  nn- 
besonoen;  und  doch  erlobt  man  snwei)en  dergleichen  Ponen.*) 

Unanfricfalbarkeit  der  Ifaithe  ist  auch  snweilen  mit  einem  Man- 
gel aller  Neigung  lur  Briwohnung  gepaaret.  Dieser  Znstand  ist 
an  sich  nicht  beklageoaweith ;  begreiflich  kann  «r  e«  aber  der  Um- 
stSnde  wegen  werden.  Ich  bin  in  solchen  Fftllen  etliche  Mahl  nm 
Raih  gefragt ,  habe  aber  keinen  Rath  gewafst  nnd  die  Frager  zn 
andern  Aerzlen  gehen  beifsen.  Mit(«l,  die  ftfalende  Aufrichtung 
ivt  Rnthe  xn  befBrdem,  müssen  wol  in  der  Mediain  bekannt  sein. 
Einige  alte  Arzoneien  habe  ich  nicht  versaeht,  weil  ich  keinen 
Glauben  daran  hatte;  wanm  ich  den  aber  nicht  batfe,  kann  tch 
Dicht  bestimmt  angebeii.  MögKch  war  es  die  bekannte,  mir  etwas 
albern  dankende  Ansicht  Gähnt  und  setner  Anhänger  in  BetreiT 
4er  Anfricfatung  der  Rathc,  welche  mich  abgeschreckt,  dfe  von  ih- 
nen angerathonen  Mittd  au  venwehen.  ßie  spanischen  FKegen  ge- 
fcranehte  ich  in  meiner  Jngend  als  nrintreibendes  Mittel ,  jedMh 
mit  wenig  Glüek,  bemeritte  bei  der  Gelegenlieit  aber  niehl,  da& 
nie  die  AsfriohlaDg  der  Rathe  beflirdevtea.  Einige  der  eilen  Ga- 
leniker  (deren  Namen  ich  aber  nicht  beatimnit  anmgeben  woifs« 
denn  es  ist  gar  lange,  dafs  ich  sie  gelesen)  vermafsen  sich,  das 
reine  Princ^ium  apkrodi*iBctm  der  apanis^en  Fliegen  darstellen 
Ml  ktemn;    wafarscheioliob,    indem  nie  dnrch  Znsitse  den   den 


*>  l«b  weif*  den  Fall,  Uh  «in  Albmer  aio  I«kr  in  der  Ehe  reble,  ohne  dte 
jasfe  FriB  erkenaeo  id  kÜDoeo  ;  iplter  in  er  dnroh  Ulla  BUer  roB  i«iDMii 
UarHrnisea  getaeilt   ud  hat  mebre  Ktader  eraeagl. 


-    357    — 

fciorflicb  Bagrvibndefl  GnindiK^  <ar  Nnll  madiien  i 
(aita  ihrer  Meisterschaft  im  Zasanimenfieizen,  und  am  thrar  Uawii^ 
Maheit  im  Scheiden,  .niufä  man  zum  w*nig«ten  dleic«  Termnthen). 
Wie  aber  ihre  ZuBninmenseUnn^  gewesen  t  hanb  ich  nicht  Mgen, 
ne  haben  selbige  für  sich  behalten,  aus  Vonücbt,  damit  böse  dnd 
Iflii^lsinnige  Menschen  nicht  Mifibrauch  damit  treiben  mächleo. 
Solche  Milfe),  mit  denen  vielleicht  in  Einem  Fitlla  einem  recht- 
lieheo  Manne  in  seinen  NiHheo  kann  geholfen,  in  neun  unil  nenn-, 
sig  Fallen  aber  grofser  Unfug  kann  getrieben  werden,  bleibeii  «neb 
besser  das  Eigenthum  weniger  Menschen. 

Manche  Kranke  haben  mir  nngefmgt  geeist,  dafs  ihnen  die- 
ses oder  jenes  Mittel,  welches  ich  Ihnen  gereicht,  Steilheit  der  R»- 
ths  Tenirsaebt  habe;  so  kenne  ich  einen,  dervlieses  von  dem  in- 
aaran  Gebranebe  des  Kampbers,  einen  ändern^  der  es  von  der  KrR- 
benaugeniinktnr,  einen  dritten,  der  es  von  dem  wnrfelichten  Selpe- 
tar  bebtopiele  i  natersnchte  leb  die  Sache  nSher,  so  bemhie  sie  aut 
Ttasehnngi  man  bftlte  solche  Mittel  htindert  nad  laosend  Mensohan 
reicban  können,  ohne  ihnen  Steifheit  derRuthe  danilt  tu  erwecken. 
Ich  glaube,  dafs  Formeyi  Aenfsernng,  in  Betreff  des  Jod  als  Lnet- 
raismittel,  nach  auf  solche  elnielne  Angabe  eines  Krankeo  bem- 
baa  mafs;  ich  knbe  lum  wenigsten  das  Jod  so  oft  gebraucht,  dafe 
mit,  darsfa  F^m«y  aufmerksam  Oeniacbfen,  wol  schwerlich  diese 
Wirknng  auf  die  mannlichen  Geieblechtsthelle  kannte  entgangen 
sein«  ieb  kabe  aber  noch  nie  diese  Wlrkong  beobadrtei 

Merkwfirdig  ist  es  nnd  nicht  gut  erklfirbur,  dafs  hei  etliches 
MAmtem  naeh  seohsig  Jahren  def  zabni  gewordene  Geschlechts- 
trieb anfs  neue  erwacht  and  sie  mit  Geilheit  nnd  Anfrichiung  der 
Reihe  beimsacht  (wiewol  leiste  Wahrscheinlich  nicht  der  jogend- 
licbea  gleich  sein  wird).  Ich  habe  einen  siebeniigjahrigeh  Anit  ge- 
kannt, bei  dem  dieses  Wiedererwachen  des  Geschiechistriebes  fibi» 
Folgen  baHe.  Weil  er  wegen  seine«  bobea  Alter«  verstandesschwaeh 
war,  folgte  er  blindlings  dem  neu  erwacbten  thieristbea  Triebe^ 
Iref  den  Huren  nach  and  wnrde  von  diesen  mit  4er  Ltostadncke 
begabt. 

In  physiologischer  Hinsicht  ist  mir  die  Aufrichtung  der  männ- 
lichen Ruthe  noch  sehr  dilnkel>  Ich  sah  einst  einen  Knaben,  dem 
die  Ruihe  etliche  Wochen  unablässig  gestanden,  obgleich  er  an 
einer  Lahmung  der  unteren  Exlremiläten  liit,  die  von  Her  Aaftrei- 
bung  einiger  Rückenwirbel  abhing  und  ihn  bald  ins  Grab  stürzte. 

Eigewaitiel  auf  die  erkrankten  Hodea  kenne  ich  gar  nicht, 
wärde  aber  aneh  wenig  Gelegenheit  g^abt  babeii,  sie  aasaweii- 
den,  denn  die  nicht  venerische  Anschwelinng  der  «Inen  oder  der 
anderen  Hode ,  die  ich  xoweilen ,  jedoch  in  VerhBllnifs  su  ande- 
ren Krankheiten  selten  gesehen  nnd  geheilt  habe,  war  jedesmdil 
eine  in  diesem  Theile  vorwaltende  Affektion  des  Gesamiatorganis- 


mus  and  tjand  doMt  dar  HcilgewKli  dei  «tMR,    oder  deli  andM-n 
Uoivcnal  mittels.  *) 

Der  eigentliche  SttürluM  der  Ilodeii  ist  gewÖbnlicb  unheilbar, 
und  man  ihnt  wol  am  besten,  die  verhifriete  Hode  wagiuscbn«i- 
den,  ToraiiBgeielzt ,  dafs  nicht  wichtige  Gpgennnsei^n  sol die  Ope- 
ration widerratben.  Jedoch  hnbe  ich  vor  vierzig  Jahren  einen 
Herrn  gekannt,  der  mit  einer  sehr  grofaen  iind  onförmlichen  scirrhö- 
-aen  Hode  noch  twanxig  J>ihre  gelebt  hat;  so  viel  ich  in  Erfabrnng 
gebmcht,  ist  in  der  verhärteten  Hode  auch  nicht  lei»  Absterben 
begründet  gewesen. 

Was  den  Wasaerbrucb  betrifft,  so  habe  ich  bis  jerat  auch 
wenig  Hülfe  von  Araenei mittein  gesehen.  Oben  schon  ßibrte  ich 
eioen  Fall  von  schnell  enisundener  Wassersucht  an,  bei  der  sich 
Hydroeele  eingefunden,  welche  hernach  mit  der  BaDohwaBsersacht 
iHgleich  verschwunden,  loh  habe  tAtvt  noch  einen  andern  Fall 
erlebt,  wo  ein  dnrch  anfserliche  Gewalt  entstandener  Wasserbmch 
nach  etlichen. Jahren  von  seibat  verschwand.  Ein«  kurze  Mitthei- 
lung  dieses  Falles  wird ,  denke  leb ,  dem  neugierigen  Leser  nicht 
gatiE  unwillkommen  sein. 

Im  Summer  des  Jahres  17117  kam  einer  meiner  früheren  iiber- 
rheiniachea  Bekannlen  in  mir  und  bat  mich,  saioe  Hode  an  be- 
schauen, an  welcher  er  seit  Kursem  Ungemach  bekamaea.  Ich 
erkannte  das  (3abM  für  Wasserbmcb.  Er  gab  eine  kleine  Quet- 
schung der  Hode  ala  Ursache  dar  Schwellung  an.  Er  halte  nim- 
lieh  Geschftfle  in  einer,  ein  paar  Meilen  von  seinem  Wohnorte 
entlegenen  Stadt  gehabt  nnd  ein  bei  ihm  znr  Herberge  liegeadrr 
Benterofflxter  ihm  ein  Pferd  geliehen.  Mein  Freund,  der  mehr  in 
den  Bücbem  als  auf  dem  Sattel  gelebt,  seist  anf  den  Wege  das 
Pferd  in  Trab;  da  er  aber  wahrscheinlich  dem  Thiere  eine  dem- 
selben nnverstSfldliche  lateinische  oder  griechische  Hülfe  gegeben, 
stehet  es  auf  dem  Flecke  still  und  der  nn vorbereitete  Reiter  «joetscht 
sich  die  Hede  ein  wenig  auf  dem  Sattel.  Der  Schmeni  war,  aei- 
ner  Aussage  nach,  nicht  grofs  gewesen,  auch  bald  vorijbergegan-' 
gen,  und  würde  von  ihm  ganz  vei;ges8en  sein,  wenn  ihm  nicht  ei- 


•)  Vau  Jlkr»    18». 

Bekaaitliek  Bodet  man  SBch  laweilen,  jsdocb  lehes ,  bei  altaa,  «iaye- 
wart«lt«B  U<IwIb  dar  Baaokoi^ne  eoDica*nelle  BadeaaffecliiiB.  Wo  ick  dieia 
«ah ,  kettaad  tie  oielil  in  eisern  Aaicbwellen  ,  londarn  ia  ainan  Schwisdei 
der  Bedca  and  Ia  eiaea' Annrlmpea  de*  SawenilrangM.  In  dieasM  Uafenden 
Jahre  keabachi«!«  ieh  aker  eine  ■ehmenkafl«  Erlvtnknag  beider  Hadea ,  tfe 
eeMaaaseD  res  aiser  aenea  «pideMiashen  Lebarkeriihrtkeil  abUeg  aa4  swar 
voa  «iaer  Mlehea  Leberberährthell ,  die  niEht  siit  liner  eonieninellM  akataa 
Leber  gepaart  war.  Hier  warea  beide,  roüfiig  tcbnerteade  Hodao  «ehr  bart 
aber  platl;  ich  giaabe  nicht ,  dafi  ich  je  früher  «oleh  leltum  erkrankte  Roden 
^rrdbll.  UebrlBcni  kehrten  ile  ,  well  sie  bloft  conteniuell  erpiSea  wann, 
siit  desi  Geinsden  der  Leber  aiun  norsialilaBde  inriek. 


-  »e  — 

ImIm  Tag»  daraaf  eio  DicfcerwerdcD  der  einen  HMe  Awu  gt-mak- 
net  hStie.  Dieae  Aaticfaivellnng  nn4  ihre  allraShlige  Zunabiue  balle 
ihn  besorgt  gemachr,  weshalb  er  uiir,  seinem  friUwren  Bekannten, 
itu  Ding  xeigie. 

Der  niederländische,  sehr  ppralfindige,  als  SclHifrMt'eller  bekannte 
Wnsdant  va»  ^y.bal  ia»  Was«er  eiliehemabl  dtucfa  den  Siicfa  ent- 
leerer, nnd  viele,  aber  vei^bene  Miibe  angewendet,  das  fjebel, 
ohne  Dperaiinn,  durch  Aneneiniiliel  xo  beben. 

Nachdem  nun  so  ein  paar  Jahre  vergangen,  traf  leb  lueineo 
wasMrbruchigen  Freund  einst  in  dem  Hanse  seiner  Verwandten. 
Sobald  iefa  micb  mit  ihm  nHein  befand ,  fhigte  iuh  nach  seinem 
Hebe),  nnd  bjirte,  dafs  es  ganx  geheilt  »ei;  aber  nicht  durch  Arat 
•^r  Wundant,  sondern  von  selbst  auf  fol^ode  Weise.  Er  war 
Ton  Ju^nd  anf  sehr  lu  Magensliure  geneigt  nnd  halte  schon  isehr- 
mahts  ubie  Zufälle  davon  geliabi,  weshalb  er  eine  eigene,  der  S»- 
ch«  angemessaoe  Lebensweise  beobachten  muCite.  Einst  bat  er 
dies«  ihm  snsagende  Ordiwng  vemachllssiget ,  die  SNure  nimmt 
nbeffhand,  er  bekontml  starkes  Erbrechen  and  fühlt  sieh  von  den 
Beschwerden  der  Säure  um  vieles  erleicluerl.  Aber  gleich  darauf 
dünkt  ibm,  als  aei  aeiae  damahla  sehr  gespannte  Hode  schlaffer 
geworden.  Bald  gebet  die  Wahrvcbeinlichkeit  in  Gewiisbeit  über; 
die  Geschwulst  wird  tfiglich  minder  and  die  Hode  befindet  sieh 
Imld  gana  wieder  im  Normalsiande.  Aafiinglicb  trauet  er  dieaer 
Ueiluag  nicht  recht,  farchiel,  das  Wasser  werde. sich  wieder  an- 
»•Mmlen ;  nach  md  nach  wird  ibm  aber  der  Glaobe,  dafs  ibm  die 
Natnr  gi^^md  grfindlicb  geholfen.  Jetzt  mögen  secbs  md  dreifsig 
Jahre  nach  dieser  Heilung  VMflouen  sein;  nnd  da  er  in  dietcm 
ganacn  Zeitraame  anoh  nicht  die  mindeste  Mabnui^  von  seinem 
Uebel  gesparei,  aa  mufa  ich  doch  wol  aonebmen,  dafs  die  Nator 
ea  eben  sa  gsSadlich  geheilet,  als  der  beste  Wundant  es  aar  im- 
mer durch  eine  acbmerabafte  Schneiderei  hütte  heilen  k&apan. 

Man  sagt,  wir  Aemte  sollen  die  Natur  baobaebteo,  tob  ihr 
lernen,  ihr  in  ihren  Hulungea  nachahatwt.  —  Das  aiod  allai  gat 
gnte  Redensarten;  wenn  man  aber  swanzig  mit  dem  Wnasarbnicbe 
Behaftete  wollte  speien  lasten,  Gott  weifs,  ob  ein  einaiger  dadurch 
geheilt  würde.')  In  dem  enUIten  Falle  wissen  wir  gewifs,  dala 
der  Mann  sich  erbrochen  hat,  wir  wissen  eben  so  gewifa,  dala 
gleich  daraaf  der  Wasserhmcb  nach  nnd  nach  vergangen  ist;  ob 
aber  ein  Znsaminenbang  iwiscben  dem  Erbrechen  nnd  der  Selbah- 
beilnng  sei,  das  k3oaen  wir  nicht  mit  Bestimmtheit  behaupten.     Ala 


')  Br*d*itlet  vardci  is  den  ebirDrgicchBD  LebrKebcrs  tsr  BaiUsf  4m  Wm- 
urbrsehe«  »prahlen,  uötMi  aber  ««■  nor  U  MlIxaeD  FEIIes  bsIFM,  sesi 
wcsigttea  eriBMf«  icb  »icb  niebt,  i«  »eine«  Wirksaptr«««  «■  eiasr  «si- 
eb«! Hflilug  fkSn  I«  bsb«n. 


.-..Ogk 


VentUMlaubeiudwii  köancn  wir  Uob  4ie  kÜgUeUceit  anerkaMM«', 
ilafa  Brechen  und  SalbMheilung  sich  wie  Unaobe  und  Wirknng  im 
eionnder  verhallen. 


Bitterkeit  de»  Munde; 

Bilterer  Mand,  Aofttofaea,  Yollhait  der  Prikordien  xind  gv- 
wöbnlioh  Zeichen,  dafa  die  Leber  krank  nei,  dafi  ktanktiafi  ver- 
änderte Galle  zu  reit^lich  in  lelbiger  abgvaonderl,  und  in  Je« 
Zwölffingerdarm  nnd  weiter  in  den  Magen  entleeret  waril«B.  Wem 
man  nach  in  des  gewSholiGhea  FlÜlen,  anf  dieaeo  Sehlufs  baoand, 
durch  die  analaeiende,  «der  Bentniliiirepde  Heilait  den  Kiwik«a 
hilft,  ao  iat  ea  doch  nicht  got,  dala  «aan  den  besenderen  behaofi- 
tetiden  Oberaatz  dieaes  Scblaaaea  %ma  ellgemeioen  tvhaupteadBii 
macht,  welche  VerweohMluBg,  wo  nicht  wortlidi,  doch  ihätlicfa  oft 
genug  TOB  den  Aenten  begangen  winl. 

Wober  der  bitter«  Gaaohmaok  bei  einer  grofieii  AntaMisIimg 
von  acharfer  Galle  im  Magen  und  Darmkeaale  herrühre,  ist  mir 
noch  nicht  hinlänglich  klar.  Durch  die  Speiaeröhre  kann  er  niebt 
wol  Mr  Zunge  kommen;  man  kann  ja  durch  Veranche  an  aicb 
aelbat  zur  Uebeneugung  gelangen,  dafa  auch  die  aUerhiUeratea  Sab- 
alauen,  aa  bald  al«  einiaabi  in  den  Magen  aind ,  ww  Jni«eb  bit- 
leren  Mand  machen.  Mir  iat  ea  wabracfaeinlich »  dafs  der  bitfare 
Geachmaoh  bei  Qallenfiebent  und  andern  LeberöhelB  durch  eine 
Cinaaogang  der  Galle  in-der  erkronkien  Leber  and  durch  eine  »li- 
telat  des  grofae«  Kreitlaufea  bewirkle  Ahlngemng  dieaer  Gialla  auf 
die  MoadhöUe  sich  nacht)  ab»,  daf*  nidit  aowal  die  in  den  Ma- 
gnn  Bnd  Danokaoal  ai|;«nene,  ala  vielmehr  die  in  der  Leber  zu- 
räckgobaÜeM  GaHe  die  uatariell»  Ursaehe  dea  bilterm  Geaobmak- 
kea  i«t. 

B«i  vielen  Ftlllea  von  Gelbiucht,  wo  doob  kein  Tropfen  Galle 
in  dea  Damikanal  kommt,  wo  der  Uamkeih  ganz  angeflrbt  iat, 
klagen  die  Kranken  über  oneriiaglich  bitlcm  Geachmack ;  and  bei 
Gallenfidtern,  wo  Magen  und  Darnkanal  voll  lohaiEaE,  reiaender 
Galle  Bind,  fehlet  zuweilen  der  hiuere  Geachmack  g&nzlich.  Ea 
möchte  ichwer  aa  erklttren  aoio,  warum  in  einigen  F&Ueo  die  ein- 
geaogene  Galle  anf  den  inneren  Mund  abgelagert  wird  nnd  bitte- 
ren Geachmack  macht ,  nnd  warum  aie  in  andern  Fallen ,  anf  die 
Haut  dea  ganzen  Kftrpera  ^gelagert,  das  abacheolichale  Jucken 
«od  Brennen  veruraacbt,  wie  man  diesea  znweileo  bei  Gelbauchten, 
ZUM  eilen  bei  Gallenfiebem  wahrnimnU.     Ea  iat  wahrlich  neeh  vie> 


In  iaaluit  in  ttlOtma  Dingm,   Aa  vir  ^uben,    schon  iRugBt  er- 
grBn^M  SU  haben. 

Belegte  Zunge. 

'  leb  hah»  wtit  inehr  vm  <l«r  belsgtM  Znagr«  gahSn  und  g«le> 
■en  als  selbm  gesehen.  Meine  Erfaknief  liolet  aU«:  Im  Anfange 
der  Fieber,  den  ergien,  aweiien,  and  drillen  Teg  »i  die  Zunge  ei- 
waa  welüilich  engeKhlagin;  AuJeerM  aelien  ist  sie  aber  gaoj;  mit 
einem  weiften  Urberaage  bedeckt.  LeUtes  gehört  ichon  lu  den 
Selienheiies  und  scheint  in  der  5bel  erlclärbared  Eigeothümliehkeit 
einiger  Körper  begrändet  tu  sein.  Uebrigens  nehme  ieh  nach  mei- 
ner &fahfmg  ab  wahr  an,  dafe,  wenn  der  Arat  Meisler  de*  Fie- 
bern bleibt,  die  weiCtlich  nngeeiAlegefle  Zunge  nicht  Mhmntxig, 
weder  weilii  pelsidii,  nech  gelb,  noch  bnma,  sondern,  je  nachdem 
die  Beasming  innimmt,  vielmehr  immer  reiner  wird.  Wenn  also 
die  Zunge  onter  der  Befaaadlang  dea  Arxiei  schrootsig  wird,  so  ist 
dieses  ein  Beweis,  dab  er  der  KruMeit  niobt  Meister  ist,  dafs 
diese  mier  aeiaer  Behandlang  soblimmer,  aasiatt  besser  wird.  Bei 
sehr  reiner  nnd  sehr  rolher  Knnge  kann  der  Megea  voll  scharfer 
Galle  stecken.  Das  haben  schon  die  AnhKager  Stella  gewofal. 
Wenn  sie  aber  engen,  dafa  nach  einem  oder  Mwb  ein  pa«r  Breeh- 
milteln  sieh  die  Zang«  belegt,  so  beweieen  sie  durch  solche  Aev- 
fsemng,  dab  sie  mit  ihren  Brechmitteln  die  Krankheit  verschlin- 
Mert  haben.  Wenn  man  bei  reibar  feariger  Zange  im  Gallea^e- 
ber  nentraiisirende  Mittel  in  gehörige  Gabe  reicht,  so  verliert  die 
Zange  wol  ihre  feiHge  Hsifie,  aber  sie  wird  nicht  schnintsig,  nnd 
der  Kr^ke  wird  besser,  ohne  dafs  aicfa  die  Zunge  belegt. 

Die  8pei-  und  Laxirlrale  hatten  einen  Caonn  gemacht,  4er 
lantet  also :  ohne  Brechen  iind  Laxiren  ist  kein  gastrisches  Fieber 
an  beilea.  Dafs  Goit  erbarme!  sie  sprecbeo,  wie  sie  klag  sind. 
Wollte  man  sie  fragen,  ob  sie  necfa  wol  je  die  nentralisirende  Heil- 
act  angewendet,  ond  eb  sie  iribige  ansnwenden  verstSnden,  so 
mAebteo  sie  wol  etwas  kleinlaoier  werden;  wollte  man  sie  aber 
ToHenda  fragen,  eh  sie  anch  au«  eigener  Erfahmng  solche  gaeirl- 
tche  Fieber  keaneten*  bei  denen  beides,  Ansleeren  nnd  Neelrall- 
siren,  wol  mit  gr<tfaem  Naohtbeile,  aber  nicht  mit  Vonbeil  ange- 
wendet werden  könne,  ao  möchten  sie  vielleicht  gana  verstummen. 

Es  ist  wahrtieh  «bei  in  nnsrer  bücherlichen  Welt,  dafa  MSn. 
ner,  die  darch  Ventand  oder  Glück  sich  einen  schriftsletlerHcben 
Kuf  erworben,  diesen  dahin  milsbraachen,  dab  sie  dorch  ihre  dr«i- 
ste,  auf  einseilige  Erfabrung  sich  aiütxende  Behauptung  die  Schwsch- 
versländigen  und  Unerfabrnen  verblüffen.  Man  mafa  dem  Verstän- 
de der  Menachen  keine  Fesseln  ananlegen  versncben.  Es  haben 
vor  Sloll  anch  verständige  Heiteieiattr  gelebt;  lau*  dosh,  Ihr  ge- 


lehrten  Schrelberl  jedeb  Arxt  ueh  ivt^  Mit  4ieien  Metcfeia  ami 
ihren  Crfahrangen  berreunden.  Wean  er  sich  dano  mit  der  Natur 
dea  Menacben  atif  dem  Wege  der  BeobnclitnDg  gana  ohne  Vorein- 
genoHiinenheit  bekaaot  macht,  >o  wird  ihm  sein  gesnuder  Verstand 
schon  selbst  sagen,  was  von  alten  nnd  neuen  Arailidien  Meinungen 
wahr,  was  halb  wahr,  und  was  unwahr  sei,  und  er  bedaif  der  höl- 
xeracD  Wegzeiger  und  der  Wamtafeln  nicht. 

Comiem»tie/le  Zufälle  bei  erkrafkten  Bauckein- 
g«teei4em. 

Gliederreifsen ,  Angenentsündung ,  scbwaraer  Star,  Wuhnsim 
und  andere  Arien  ron  Geiatesverwimmg  kitnne«  belcaantlicb  als 
Zufttlle  eines  gastrischen  Urleideos  entcheraeD.  \\'er  sieh  aber  hier 
blofs  eine  gewisse  Menge  scbnrier  Cialla  im  Baiieke  denken  woll- 
te, deren  Aiisfeernng  den  Kranken  noihwendig  heilen  müsse,  der 
würde  mit  seiner  irrigen  Meinung  sieht  weit  reichen. 

Ich  habe  allerdings  erlebt,  dafs  wirkliche,  im  Därmkanal  vor- 
waltende scharre  Stoffe  Gliederreifaen  rerarsacbien ,  in  wetehem 
Falle  man  den  ElheuraatiamtiB  durefa  iVatron,  oder  Bitteraaiaerde 
gar  bald  meistern  konnte.  In  bei  weitem  den  lueislett  FftUen  sind 
aber  jene  consensnelle  Rhenmatismen  unaiiitelbar  ren  einem  (Jr- 
leiden  eines  Banohorg^ns  abbitngig,  werde»  nicht  durch  Brechen 
und  Lnsiren,  soadern  durch  Heilen  des  nrergriffeoen  Organs  ge- 
hidien.  Das,  was  ich  hier  von  Rheumatismus  sage,  gilt  eben  so 
gut  von  der  Ophthalmie,  AmblTopie,  Amaurose,  Manie,' Melan^o- 
lie  u.  s.  w.  Was  aber  di«  akute  gastriw^e  HalseiHxilnduDg  be- 
iriSV,  so  habe  ich  die  Erfahrong  gemacht,  daf*  dieae  fast  iaimer 
von  einer  guten  Portion  Hcharfer  Galle  im  Darnkanale  abhSagt 
nnd  der  Magnesia  weicht.  *] 

In  gewissen  Jahren,  wo  gastrische  Fieber  herrschen,  siebet 
man  auch  die  gastrische  Entaüodnng  der  Speiseröhre  bald  b&u- 
figer,  bald  seltner.  Dieses  ist  ein  gar  ttuschendes  Uebel;  eh  e« 
sich  die  Menschen  versehen ,  kftonen  sie  gar  nichts  nehr  schluk- 
ken ,  dann  werden  sie  bange  und  schicken  mm  Arxie.  In  der 
flöh'e  des  Mundes  ist  nichts  u  sehen;  saweilen  ist  der  Tb  eil  des 
Scfalundee,  den  man  schauen  kann,  entzündet,  xuweilen  silxl  d'as 
Uebel  aber  tiefer  und  man  sieHet  dann  gar  nichts.  Ich  habe  ge- 
funden, dafs  eine  Uoraxaaflösung ,  die  der  Kranke  iheeldffel weise 
in  den  Schlund  bringt,  indem  sie  vermitge  ihrer  Schwere  langsam 
in  die  Speiseröhre  binnntergleitet,  die  roaenartige  E^txänduag  der- 


*)  Vom  Jahr  1830  bis  3S  hibe  ich  viel  hinfleer  AtintboltD  von  dieicr  Ref>el 
bflabaehtet  all  friher  ;  Ich  wtria  ibsr  !■  dar  FtAge  wol  ein«  Khiekikha  Ge- 
Icffsilieli  laie*  ,  darvi  (OffSlirlich  h  (freebM. 


-    SM    — 

Mftw  gmr  Mi  in  m  w*it  nindut,  iat»  ima  SMtmktu  wimler, 
obMfaoQ  mit  grofaer  Beschwerde,  MineB  Forigang  het.  Subnld  man 
dM  gewähr  wird ,  nnf«  man  oicht  •SuneD ,  eioen  «flure widrigen 
Trank  ia  den  Magen  xu  bringen.  Begreiflich  pafst  aber  hier,  we- 
gen der  wunden  Speiieröhre,  kein  Ammaoium ;  ein  ScfaütleUrank 
ven  Magoeaia  iat  da«  MUdeite  und  Ilülfreiehaie ,    wai  niao  geben 


Verhärtung  der  BancAvrgame. 

Galen  sagt  schon :  er  habe  noch  nicht  geveben,  dafit  eine  wirk- 
liche baadgreiflicfae  Verlairtung  der  Leber  lei  xeriheilt  worden. 
Gans  Unrecht  hat  der  Miuin  wel  nicht.  .  Ist  einmahl  ein  solches 
Organ  lange  and  baadgreiflich  verklirlei,  so  können  wir  wol  daran 
'flicken,  kännen  des  Menschen,  wran  er  erkrankt.  Ja  selbst  bcil- 
ISgerig  ist,  wol  wieder  auf  die  Beine  bringen,  aber  gründlich  hei- 
len werden  wir  ihn  nicht.  Das  Haaplubel  bleibt,  wird  früher  odm 
spUer  wieder  rebellisch  and  slüAt  endlich  den  Measoben  ^och  ins 
Grab,  voraasy seist,  dals  er  nicht  vor  der  Zeit  anf  eine  andre  Wei- 
se nn  das  Leben  komme.  So  lange  man  jung  ist,  bildet  man  sich 
ein,  manche  chronische  Cehel  der  Organa  gründlich  gebeilt  su  ha- 
ben. Wird  BMii  aber  alt,  bleibt  an  Einem  Orfe  wohnen,  und  sie- 
bet, wie  Ein  MensehMgeaefalecbt  nach  und  nach  vom  Schauplata« 
abtritt  und  ein  anderes  seinen  Platx  einnimmt;  so  überaengt  man 
■ich,  dals  die  chronis^ea  Uebel  der  Organe,  sonderlich  die  erb- 
liehen, seilen  grüsdlioh  gabeilt  werden,  und  dafi  es  die  Einrich- 
laag  der  Welt  so  rak  sich  bringt,  dafs  die  Mehrxahl  der  Menschen 
aa  and  durch  Organübel  sterben  mufs. 

Mei^wärdig ■  bleibt  es  immer,  dafs  bei  herfenienden  handgreif- 
lichen VerhBriungen  der  Organe  das  Gefühl  der  Gesundheit  noch 
lange  besleben  kann  osd  dafs  die  Menschen  noch  ein  recht  frabes 
Leben  dabei  fr.brf  n  iiöaiMQ.  An  kleine  unangenehme  Gefühle  sind 
sie  wahrscheinlich  nach  and  aach  gewfthul,  diese  haben  also  das 
SiSrende  verloreir,  welches  sie  ohne  Zweifel  für  eiaen  vollkommen 
Gesunden  fanben  würden. 

Oa^  Merkwürdigste,  was  ich  je  von  verhKrleler  Leber  geHihlt, 
war  bei  einer  amea,  alten  Frau.  Beuligerig  klagte. sie,  es  sei 
ihr  so  hart  vor  dem  Hersen.  Als  ich  binfiiblie,  glaubte  icb  auf 
den  ersten  Grifi',  ich  sei  mil  meinen  Fingern  anf  dem  Brustbeine. 
Vm  war  bei  dieser  snra  Gerippe  ausgesebrten  Frau  durch  dag  Ge- 
fühl, hinsichtlich  der  Härte ,  nicht  so  oDtersebeiden ,  ob  man  sich 
anf  dem  Brustbeine,  oder  auf  dem  Magen  befand.  Die  VerhSttung 
auf  dem  Magen  war  der  vordere  vergrafüerie  und  knocbenbsrte  Le- 
berlapp^;  ich  konnte  ihn  bis  unter  die  Hippen  verfolgen.  Die 
e^nlliche  Knoobeohärte  war  aber  am  auflalleodslen  auf  dem  Mb- 


-    Sftt    - 

gen  xa  ffiMen.  Diese  Frau,  ii«  ga»  ImM  M*A,  h«(ts  BMb  sMg« 
Tage,  bevor  ich  aie  iah,  ihr  Gmohift  vefriefatei,  weleb«*,  da  e« 
tn  Btiteln  bestand,  lie  doch  nötbigie,  dnrcfa  dt*  Stnifiea  m  gtben. 

Vereiterung  der  Buvchorgane. 

Ueber  Vereilerang  habe  ich  wenig  ^selegenheit  gebebt  Be- 
ebachlnngen  sn  machen,  denn  lie  kommt  gar  wüten  vor.  So  lange 
ich  Arst  bio,  habe  ich  aar  «wei  iMoh  atdiwn  sieh  aOfneDde  Lcber- 
vereiterungen  mit  Beglimmtbeit  gesehen.  Die  eine  mit  glücklichem 
Autgange  »t  im  IV.  Bande  des  Journals  der  Praklisohea  Heilkun- 
de bescbrieben,  die  iweite  mit  tSdtlichem  erlebte  icb  im  vorigen 
Jahre.  Hier  habe  ich  mich  Qbenmigt,  dab  eine  soldt«  in  Eite- 
rung übergebende  Entifindnng  sich  von  jeder  andern  alwat  aehnierv 
haften,  bei  efidemisch  gaatrlacher  Conatitntien  ilgllch  ToricofflnieD' 
den  Leberafieklion  in  nichts,  in  gar  niehia  nnieraebeidH ,  weder 
htoafcbilicfa  des  Fiebers  und  dea  Palsee,  noch  des  SebmcneHonM, 
nocb  der  Art  des  Sebmenei,  n9^  des  Hustens,  noch  des  Urins. 
Ich  bemerke  aber,  da&  der  Mann,  von  dem  iah  spvMb»,  an  lang« 
tdi  ihn  gekannt,  und  da  er  eis  Fünraiger  war,  habe  ich  ihn  lange 
gekannt,  immer  eine  aehr  garstige,  ■obmntaige,  gelbe  Getiobtsfarbe 
gehabt;  niSglirii  ist  es  also,  dafs  er  sgImb  lange  nrit  chronischer 
Leberverstoprang  behaftet  gewesen.  Die  Aaafnigung  gab  indessen 
keinen  näheren  Aufschlufa!,  aafser  dafs  er  engab,  oft  mit  Mage»- 
schmenen  geplagt  gewesen  %a  sein. 

Es  hatten  sich  in  seiner  Leber  swei  Eiterbeulen  gebildet.  Di« 
erste  ölFnHe  iet  Wendarxt,  sie  ergefs  einen  «ngefaeaer  stiokeodMi 
Eiter  (ein  biises  Vorzeiten  nticfa  Angabe  der  Schriftsteller);  der 
Eiter  besserte  slcfa  aber  in  der  Folge,  der  Kranke  baka»  Gfslusi, 
verllefs  einen  grofsen  Theil  des  Tages  das  Bett,  rancbt«  mit  Be- 
hagen seine  Pft^e  vnd  seblief  ancb  wiedfl*  gut,  kurs,  ikiclit  er, 
nicht  seine  Frennde  alifteien,  dafs  noch  eiA  verborgener  Feind  ins 
RQckhalte  sei.  Auf  einmnbl  Wurde  die  Laber  wieder  scfamerebafl 
und  es  bildete  sieh  in  etlichen  Tagen  eine  Eiterbeule  neben  der 
alten.  Die  Geschwulst  wurde  faustdick  nnd  ergofs  sich  von  selbst 
mit  grofaem  Gestanke  in  die  alle,  fast  geschlossene  und  wenig  Ei- 
ter mehr  gebende  HStile.  Seitdem  aber  dieser  aweile  Abscefii  sei- 
nen Eiter  «gössen,  verschwand  alle  Hoffnung  lur  Genesung.  Der 
Kranke  nahm  ab  an  Fleisch  und  Kräften.  Die  Efsliist  und  der 
Schlaf  schwanden  nttd  er  starb  gans  ansgenehrt.  Dieses  ist  der 
erste  Leberabssefs,  der  sich  bildete,  wtthrend  ich  den  Kranken  aa 
heilen  verauchte.  Ich  habe  so  eben  gesagt,  dafs  eine  in  Eiterung, 
ubei^hende  EntxünduDg  durch  nichts  sieh  von  jei»r  nndem  schmers- 
haften  Leberaffektion  unterscheide;  icb  aetse  aber  jetxt  noefa  bin- 
lu,  dafs  ich  nicht  selten,  sondern  oft,  weit  aeknemliafret«  Leber» 


affektMBea,  mit  heftigeren  ooniNHKidleB  Braflllel<tta  v%i  belli* 
gerer  Aof^egtbeU  dea  AdmjetaiM  im  bek«ndleii  habe,  die  blor« 
ijod  bJM«  den  Lebermitlels  weiohea.  Und  wanin  ging  nnn  die- 
se* ntioder  ucbmersfaRfie  Leberleidee  in  Eiterung  über!  leb  weib 
viüirbBfüg  «icbt  dwa«f  »i  »tw«vteo,  lo  wenig  ich  weib,  wodurch 
eineai  aakfaen  Uebn^aage  des  tcbmenheftea  ZeitRndee  in  Eile- 
MiDg  TOmbengeB  Mt. 

WeQie  MRO  «igen,  iob  isQeae  solebeo  leber-  nod  fieberkraa- 
kso  MeMcbeo  nnr  reicblieb  uad  oft  nr  Ader  lawen,  duo  werde 
idt  Moeit  lolcben  Uebeigaage  vorbetgen ;  eo  utwoite  ich  daraef  i 
ich  habe  nthoir  in  neiaer  Jugend  alt  rSeliger  Kam|ie  nil  jeaec 
Waffe  gMiriiien,  und  weile  recht  gut,  wie  weit  mao  damit  reiebt. 
Manche  Menfcheot  denea  die  Leber  eehnenhaft  ergriffen  ist,  ver> 
Irageo  wol  das  wiederbolle  Aderlaueo  (wie  oft  werden  nicbl 
acbmenJufte  Leherleiden  ton  den  Aerzlaa  «)■  LuBgenenixaadnngei 
behaadelt ! ),  aber  aadre  vertragen  ei  siebt,  itarbeD  nafh  deai  awei- 
ten  AderlaM«  einaa  uiTenautbeiea  Tode*.  Ich  iniUata  alao,  um 
eiaer  Vereitening,  die  ich  in  •eohB«nddr«iiiiig  Jahren  nur  aweinwl 
erlebt,  TOnnkommen,  da»  Labes  vieUr  Meaaehes  anf  daa  Spiel 
■etxen.  Daa  w&re  vielleicht  lehr  schulgerBefat ,  abet  gewili  aaeh 
sehr  aaventftadig  and  tebr  nuittlicfa. 

Aberaehta  kSoaie  man  sagen,  ich  atfiM»  arfcben  Merkrankea 
Uenacben  Einmabl  lü<^üg  zur  Ader  Ufaen  nnd  ibnen  daimQMckwl- 
ber  TBichan,  das  sei  sicher  nad  unfehlbar.  Gu!  sehr  gntl  ich  keit- 
■•  das;  das  Qnecfcailber  ist  in  jüngeraa  Jahren  eins  meiner  Lieb- 
Hngsmillel  geweaen,  darum  weiia  ich  ^mt  aaeh  recht  gut,  dafs  ii 
nnserm  gaaaen  AmneiachatEV  keip  Mittel  ist,  welebei  bei  chro- 
nischer Verstopfung  oder  Verh^rlnng  der  Organa,  oder  bei  ver* 
bärteten  Drüsen  in  den  Organen ,  so  leicht  Veeeilemag  bewirkti 
ala  gerade  diese  Panazee.  Maa  kann  i.  B.  hei  scbnwrxlich««  fie- 
berhaften ßmslleidei)  mit  einen  eiD(tfg*o  Aderlaaee  nad  binlen- 
nach  gereichiera  Quecksilber  viel  Gutes  ausrichte»,  wean  die  er- 
krankte Lunge  früher  nogefUacbt  war;  waraie  aber  icbon  früher 
voV  Knoten,  ae  kann  man  gerade  durah  das  Quedtsilber  «inen  oder 
iiiebr*K4P>«B>"'Et'*'^^  *f^*>n  i>n4  defi  Kiwnkam,  den  man  von  der 
I^HgaQentiüadqag  befreiet,  in  die  Sehwiadsneht  stürsen.  Gerade 
le  wind  es,  daphe  ich«  mit  der  Lebe^  nnd  mit  aUen  aadera  Orga- 
nen sein.  Der  Doktor  M.  an  S. ,  -mein  eigener  Schwager,  hatte 
gi^;eB  Leberaffektipo  viel  Calomel  gebranidit  nnd  starb  schwlod- 
sSehtig.  Einet  seiner  AmtsgetHMaea  Sffneia  die  Leiche  und  fand, 
iah  «rinaarft  nl«h  nictu  mehr  genau,  ob  eine,  oder  awai  Eiterbeur 
len  in  der  Laber. 

"Weaa  ein  Leberkranker  mich  nm  Baih  fragt,  der  schon  durah 
die  Hinde  awhrar  AerMe  gegangen ,  von  dem  ich  mitbin  vermo* 
thaa  kann,  oder  vtt,  d^ß  Verotdonngyn  «raehri  da^  er  viel  Qaeck- 


•über  Ten«fart|  m  bin  iob  bnonden  TOraiehiig  in  meinen  Ver- 
Kprechnngen.  leb  kann  nicht  in  den  Bancb  lehen,  was  BSses  dort 
das  Quecluitber  BBgeriehtet;  aber  B5aes  bat  et  höchst  wahncfaeio- 
lieh  geiNan,  aobald  ea  nicbii  Gnle§  gewirkt. 

Eine  TOrfaandane  Eiterung  der  Baadiorgane  zii  erkennen  ist 
gar  schwierig,  ja  fast  aniii&glicb.  Das  achleiGhende  Fieber  Iwwei- 
■et  gar  nicht«,  denn  ein  grofser  Theil  leberkranker  Meuchen  ha- 
ben ichleichendes  Fieber,  ohne  dafn  dieses  anf  Eiterung  scbliefien 
liefae.  Stärkere  oder  schwächere  periodische  Scbaader  mit  oaefa- 
folgender  Hilxe,  welche  bei  Lnngenleiden  twar  nicht  mit  GewICs- 
heit,  aber  mit  grufter  Wahrscheinlichkeit  anf  Eiterung  denten,  be- 
weisen bei  Leberleiden  gar  nichts,-  insofern  sie  ein  gemeines  Symp- 
tom sind ,  weiches  bei  etlichen  herrschenden  akuten  Leberkraok- 
beiien  zu  den  tSgiich  vorkommenden  Erscheinungen  des  sweilen 
Zwtran mos  gehört.  Ja,  erscheinen  nicht  manche  Leberkrankhei- 
ten  unter  der  Form  des  ungeregelten  Wechsel fi e bers  1 

Nachlschweifse,  welche  bei  Lungenleiden  verdftchlig  sind,  be- 
weisen bei  Leheraffeklionen  gar  nichts ;  sie  atnd .  nicht  blofs  bei 
diesen  bSufig  nnd  erscheinen  schon  früh  in  der  Zeit,  sondern  ma- 
eben  die  Krankheit  nm  kein  Haar  schwieriger  heilbar. 

Durchfall  j  den  man  bei  Lungenleiden  nicht  gern  siebet,  be- 
deutet bei  Leherlrideo  nichts  Böses;  er  ist  meist  coasenaueller  Art, 
und  das  Schlimmste,  was  man  ihm  nachaagen  kimn,  ist,  dafs  er 
die  Anwendung  mancher  gnten  Mittel  schwfBriger  macht- 

Kurz,  ich  weifa  keine  Zeichen,  aus  welchen  ich  die  Eiterung  der 
Leber  erkennen  kann ,  nnd  weil  ich  daa  nicht  kann ,  so  mnfs  ich 
mit  dem  Kranken  so  bandeln,  als  ob  ich  gewifa  wfibte,  dafs  kei- 
ne Eilernog  in  der  Leber  wftre,  es  fSr  nnd  fnr  aufa  Heilen  und 
Zerlheileo  anlegen.  Ist  wirklich  achon  Citemng  da,  so  findet  sich 
das  am  Schlüsse  von  seibat,  der  Kranke  hat  durch  die  Unsicher- 
heit meiner  Erkenntnifs  nichts,  gar  nichts  verloren. 

Die  Oeffnnng  eines  Leberabssesaes  in  den  Grimmdarm  (wel- 
che begreiflich  nur  mittelst  Verwachsung  des  Darmes  mit  der  Le^ 
ber  sieh  machen  kann)  ist  ebenfalls  eine  seltene  Erscheionng.  Be- 
stimmt weifs  ich  swar  nicht  anxngeben,  wie  oft  ich  sie  in  meinem 
Leben  beobachtet;  gewifs  ist  aber,  dafs  raiinnter  viele  Jahre  hin- 
gegangen sind,  oline  dafs  ich  einen  einzigen  Fall  der  Art  erlebt; 
die  neusten  drei,  die  mir  noch  gans  gegenwärtig  sind,  tragen  sich 
in  den  Jahren  t835,  37  und  38  xu.  Der  Aufbruch  des  Absxeases 
ist  immer  mit  mehr  oder  minder  sorglichen  ZofSIlen  gepaaret ;  ein 
Zufall  ist  aber  alfindig,  nSmlich,  sinhis wangiger  Dorcfalanf  mit  öl- 
druseaaniger  Entleerung.  —  Die  Kunst  kann  bei  einer  solchen  Be- 
gebenheit io  der  Hauptaacbe  wenig  meistern ;  ich  besehrtnke  mich 
driranf,  durch  einen 'Trank  von  Wasser,  Oel  und  Gummi  den  an 
starken  »otnm  ptrUtalticvm  etwas  in  mäfsigen  nnd  dabei  befinden 


-^    1*7    ^ 

sicl)  di«  Kranken  gnt.  In  salt^n  FbIIm,  wo  die  ans^son^MtMi 
SfofÜB  BO  Bcharf  iCJa  m3ctif«n,  daf«  sie  den  Maildann  zum  wirkli- 
chen 9Vmp*mk»  reixten  und  ZasamtnenileliDn^  dei  Duibm  bewirk- 
ICD,  würde  ich  lieber  Oel  nad  Bchleimtge  Stoffa  in  den  Masldnrm 
Mlbat  brin^n;  bis  jelit  ist  mir  nber  ein  lolcher  Füll  noch  nicht  vor- 
giekommen. 

Ca  ist  ancfa  leicht  einiiisehen,  dafs  zuweilen  einige  Nebennm- 
Biandfl  die  BeihitHiB  der  Kamt  nStfaig  machen.  So  hatte  b.  B.  im 
Jahro  1837  die  Fran  etnos  Landmannea,  bei  der,  da  ich  lie  m- 
erst  iah ,  die  Eiletlionle  sieh  tchon  in  den  Grimmdarm  entlecrat 
baMfl,  and  die  aicb  wirklich  in  einem  aebr  kllglicben  ZaUande  be- 
fand, den  Baa^  dabei  roll  Wasaer  nnd  FSbe  and  Schenkel  wa- 
ren stark  geschwollen.  Hier  war  ich  wo!  genSthlget,  die  geslSrle 
Harnabsonderong  normal  >a  machen. 

Uoberbanpt  ist  es  aber  nnneiae,  b«i  einem  solch  mifsliohen 
Handel,  wenn  gleich  die  Eiierfaeule  gut  ansgeheili  und  der  Kran- 
ke  sichtbar  gebessert  ist,  eino  gar  su  günstige  Prognase  sn  slH- 
lea ;  denn  in  den  meisten  Fallen  (nicht  in  allen)  bilden  aicb,  wenn 
«ine  chronisch  erkrankte  Leber  aehwBret,  mebre  Eiterbeulen,  and 
hat  nan  eine  derselben  sich  in  den  Grimmdarm  entleeret  nnd  ist 
■n^  gnt  ausgeheilt,  so  kann  ja  eine  sweite  sieh  abeiraabia  in  den 
Darm  entleeren,  nnd  diese  xweite,  hinsichiliidi  ihrer  Form  unfaeil- 
bnr  (wegen  HShIen  nnd  blinder  Ginge)  den  Kranken,  oder  ver- 
neintlich  Geheilten  durch  Bauchtcbwindsucbt  tSdien.  So  starb  s.  B. 
im  Anfang  des  Jahres  1836  der  BGrger  eines  Belgiidien  Fleckens 
an  den  Folgen  einer  iweiien  nnansbeilbaren  Eilarbeule ,  die  aicb 
in  den  Grimmdarm  entleert  halle.  Die  erste,  die  sieb  im  Jahr  183S 
in  den  Grimmdarm  enileeit  halte,  war  (freilich  nach  vielen  Lei- 
den) eo  gnt  aasgeheilt,  dafa  nicht  blofa  der  verdficbiige  Darchlauf 
gans  aufhörte,  sondern  dafa  man  den  aogeblich  Gebeilten,  da 
ich  ihn  (zu  einem  anderen  Kranken  in  dem  Flecken  gebeten)  ans 
Nengier  besuchte,  vom  Felde,  wo  er  seine  Ackerwirtbschafi  nach- 
sah, rufen  iiinfate. 

Es  kann  anch,  wenn  eine  in  den  Grimmdarm  entleerte  Leber- 
eiterbeule  ausgeheilt  ist ,  eine  zweite  bersten  und  sich  in  die  Bauch- 
höhle ergiefsen,  wo  denn,  je  nachdem  die  Eiterbeule  grofs  oder 
klein  ist,  oder  vielleicht,  je  nachdem  durch  ihr  Aufbrechen  mehr 
oder  minder  mm  Leben  nothwendige  Verrichtungen  der  Leber  ge- 
stört werden,  ein  mehr  oder  minder  schneller,  den  unerfahrenen 
Afxt  aberrascbender  Tod  erfolgen.  So  Ist  z,  B.  die  leberkranke 
wassersüchtige  Frao ,  von  der  ich  oben  gesprochen,  die  naoh  aas- 
geheilter Eiterbeule  wieder  im  Ziiunier  aufsitien  und  hSnsliobe  Ar- 
b«t  verrichten  koaoto,  deren  Kräfte  aber  nicht  wiederkommen  woll- 
ten (ein  sehr  Teidfidittger  Umstand),  einst,  nachdem  sie  auf  ein- 
inabl  ober  ein  seltsames  Ergiiffenseia  in  ihrem  Leibe  geklagt  nnd 


mau  üe  ia«  Beu  gri»n>cbt,  nrrlStakcb  gCatoHwo.  —  Im  Jalir«  1838 
■iwb  suf  BimUcba,  aber  doch  elwu  varKbUifMu  Weiw  eine  FraiK 
b«i  dar  eiiM  LebereUwbenle  licb  unter  sehz  Borglicbon  ZwUlm 
in  d«a  Grüandana  estlMrl  hatte.  Nach  allniftblig  anafehaUter  £!• 
Mrbaule  luaale  die  Frau  wiadar  safutaan  nad  akb  recbt  genfig- 
licb,  ja  laitaDter  recht  ranater  mit  ihren  Freunden  anlerbaliea,  knai 
jadoeh  oicbt  so  u  Krftfien,  ala  a«  hfiUe  gesobebes  «tütaan,  wenn 
dorcb  die  EiuranaleeraDg  Um  Lebec  ToHluMoaian  gainad  gewai^ 
den  wära.  Nachdem  ei  mir  läi^it  deulicfa  gawordan,  dab  dia 
anfangs  ilchlbare  Bauenii^  Btooke,  Sag  tie  aittst  aik»  aber  u&lu« 
gea  Sohinan  im  ^igattria  an  klagen,  dieser  Sohmen  verschwaad 
in  ein  )»aar  Tagaa,  und  Matt  seiner  enchien  ein  mfilsiger  Schmais 
im  Hjfpoftutrio  i  gleiobseitig  aber  mit  diesem  Hypogaatriaeban 
Schmerze  trat  das  Sterben  ein,  n&niiich  plätalicher  Varfall  der 
Kriftfi,  «nlUellies  Gviicbt,  kleiner  schneller  Pnls  *  Vargeaiigkeit, 
tilaisbgükigkait.  Dan  Starben  währte  xwei  Tage*  da  erfttlgta 
der  Ted. 

Blei. 

Dia  alten  scheidekünatlariocben  Aenite  sahen  das  Blai  als  das 
höchste  HUamittel  aa.  Ich  habe  es  nur  selten  in  Mildwdeii  ver> 
sncbi,  und  weil  wenige  Fftlle  nicht  hinreiebeo  ^  nin  M^el  s«  «r- 
piob«Q,  so  will  ich  gaas  davon  schweigen.  Bei  das  Lmgcnmil" 
l«ln  werde  ich  obne  dias  Gelegenheit  baban,  mehr  davw  w» 
sagen. 

Z  i»n. 

Eben  so  sehen  habe  ich  anch  das  ^innoxjd  (magitttrium  Jo- 
vi»)  alR  Hepaticum  gebcaucht ,  obgleich  et  Paraceiiui  nnd  nach 
ihm  Poteriu»  als  ein  gar  nQlzUcbes  Miirel  anpreisen.  So  piel  habe 
ich  begriffen,  dais  man  es  als  Hepaticum  in  kleinen  Gaben  reichen 
müsse.  In  der  Gabe  Ton  sehn  nnd  mehren  Granen  wirkt  es  als 
Abfübmngsiniitel  ohne  Bauchschmersen  an  machen.  Möglich  wSra 
es,  dafs  Aerzte,  die  der  Laxinnittel  oft  und  viel  bedürfen,  (ich 
gehöre  nicht  *a  dieser  Gesellschaft)  in  dem  Zinnoxyd  ein  eben  so 
kfäfiigcs,  als  schiuerzlos  wirkendet  Mittel  Anden  *  welches  andere 
aiisUndisch«  Laxinnittel  reichlich  ersetzte.') 


*)  Seit  den  Jahre  1839,  w«  ich  obisei  (cbriab,  hibi  ich  iu  Zianoiyd  mehr- 
Mshli  hai  FKIIdD  vflnachl ,  wo  mich  ludBr«  Mittel  \m  Stich  liarten ,  iber 
voB  denMlhto  keioa  HsilwlrkBDs  beobtchvt,  «DCh  behndea  ,  ittt  niD«  U- 
licuBde  Krit)  lulohBt  itt.  Wer  h  Bebnuhaa  viH ,  m»tt  iaflr  •orgen,  i»t^ 
•I  b«l   voa  AMMlk  mI. 


iHdifferenxttnnd  4e*   Oeiammtorganitmut   bei   Or- 

Sanerkra»knmgen   und  bei  den  van  dienen  abkangtH' 

den  Fiebern. 

Ich  fanb«  im  Vorigen  mehrmahU  von  dieaem  IixIilferenMlande 
gMprochflii.  Jbixi  bemerke  ich,  dafa  dieser  ZuBtand  dei  KSrperi 
«in  Bolcfaer  ist,  bei  welebem  man  keine  Sratllche  itiicksicbt  anf  den 
GMunrntor^DisiDD*'  211  nähmen,  idndern  einzig  aaf  4m  krankhaft 
berübrte  Organ  za  achten  braucht.  Za  manchen  ZeNen  iit  er  bei 
den  rorkommendea  Kranken  so  vorhemchend,  dafs  AiiHnahmen  zn 
den  Sehenbeilen  gehören,  zn  andern  Zeiten  findet  daz  enlgegen- 
gezelztfl  Verhalinifi  Statt.  Der  Indifferenzstand  de«  Gesammlorgo- 
nlsmns  bat  aber  Beine  Grade;  gar  oft  ist  er  bei  herrschenden  Krank- 
heiten  zo  deatlii^  amgezprochen,  dafs  der  GezainmlorgMiimnz  der 
Fieberkranken  sich  in  dem  nämlichen  Verbalinisse  zu  den  Siifse* 
ren  Schfidlichkeilen  befindet  aTs  der  des  vollkommen  Gesonden. 
Wie  man  einen  gesunden  Menseben  kann  speien  und  pnrgiren  las- 
sen nnd  kann  ihm  zein  Blut  tibzapren ,  ohne  ihm  das  Lebenslicbt' 
ansznblaaen,  eben  so  kann  man  <fen  Fieberkranken  hart  angrei- 
fen, ohne  ihn  zii  iadt«n:  Ja  mfin  kann  ihn,  wie  ich  schon  im  Vo- 
rigen bemerkt ;  dnrch  solch  feindliches  Angreifen  aaf  antagonisti- 
zcfae  Weise  heilen. 

Hingegen  gibt  es  nach  Zeiten,  svo  der  Indlfferenznand  des  Ge- 
zarnniforganismns  zwar  nnwidersprechlich  bei  der  Mehrzahl  der 
Kranken  vorhanden  ist,  so,  dafs  man  sie  am  sicberslen  nnd  schneH- 
sten  dadurch  gesund  macht,  dafs  man  blofi  auf  das  or ergriffene  Organ 
direkt  bellend  einwirkt,  ohne  sich  im  geringsten  an  den  Gonsensuell 
anfgeregiea  Gesammtorganismus  zu  kehren;  nnd  wo  doch  der  Ge- 
aammlorganismus,  bei  diesem  unverkennbaren  Tndifferenzstande,  eine 
heimliche  Geneigtheit  zum  (Jrerkranken  hat.  Diese  Geneigtheit  zum 
Urerkranken  wird  aber  nur  dann  zum  wirklichen  Kranksein,  wenn 
man  den  F.rgriffeoen  durch  Brechen,  Laxiren,  Blaientziehen,  durch 
Quecksilber,  oder  anf  eine  andere  Weise  feindlich  anlastet.  Durch 
solch  feindliches  Einwirken  werden  dann  bei  Banchorganerkran- 
kungen  die  nerr&sen  gastrischen  Fieber  künstlich  von  den  Aerzten 
gebildet.  Wenn  ich  nun  bedenke,  dsfs  es  auch  noch  Zeiten  gibt, 
wo  bei  der  Mehrzahl  der  Kranken  der  GesHunnlorganisinus  sich 
nichts  weniger  als  im  Indifferenz  Stande  befindet,  sondern  wo  er 
nebst  dem  urerkrankten  Organe  selbst  urerkrankt  ist,  und  zwar  al- 
so, dafs  dieses  (Irerkrankisein  kein  feindliches  Angreifen  verträgt: 
so  ist  es  mir  wirklich  unbegreifÜch ,  wie  es  Aerzte  geben  konnte, 
die,  seftdeih  die  der  AusTeerungsmethode  ungünsiige  Erregungg- 
ihcorie  zu  Grabe  getragen  war,  uns  mit  Gewalt  wieder  zu  dummen 
Leibstuhlärzten   nnd  zu  nnweisen  Bliilvergeiidern  machen  wollten- 


Aderlatte»   bei  BaHehorgaHkr.ankieit. 

Ich  orinnere  mich«  geleien  an  liaben,  dafs  öfteres  nnd  reicli- 
)icbeB  AdcrlasKii  bei  Leberkrankheilen  nicht  gnl  vertragen  werde. 
Meine  frühere  Erfabrang  bealäiig«!  dieses  auch.  Sobald  nun  aber 
von  der  Annahme  aatgehel,  dafii  bei  akuten  Krankheiten  «in  ge- 
wisser Theil  der  Kraekea  sterben  müsse,  und  man  schlSgt  diesen 
Abgang  nicht  m  gering  an,  so  kann  man  bei  Leber-  und  MiU- 
krankfaeilen  getrost  das  Blut  abzapfen.  Selbst  habe  i*^  freilieb 
darüber  keine  Versnebe  gemaoht,  aber  oft  genug  Gelegenheit  ge- 
habt, die  Wirkung  des  mederhoUeO' Aderlaasens  zd  beobachten. 
Zur  Zeil,  wenn  Leberkrankheiten  herrschen,  eracbeiitea  sie  oft  un- 
ter der  sehr  lloscbenden  Form  von  Pleuresie  und  werden  von  man- 
chen Aerzien  mit  wiederholiem  Aderlässen  angegriffen.  Wenn  ich 
gleich'  zugebe,  dafa  die,  welche  mich  hiarennach  um  Kath  gefra- 
gei,  durch  das  Aderlässen  ziemlich  baufällig  geworden, .und  daiii 
das  Lebcrleiden  wol  einem  Unerfahmen  noch  deurlicb  erkennbar, 
mithin  nicht  durch  das  Aderlawen  gehoben  wjir:  ss  kann  i<di  doch 
nicht  läiigaefl,  dafa  durch  das  Blifieai ziehen  der  akuie  Zustand  in 
einen  ^ironischen  umgewandelt  war,  welcher  Vonbeil  mir  jedoch 
sehr  gering  scheint.  Ob  viele  durch  das  Aderlassen  gans  ond 
gründlich  von  ihrer  Leberkrankheil  Itefreiet  werden,  ob  auck  ver- 
hüllnifsraärsig  viele,  oder  wenige  bei  dieser  Behandlung  sterben, 
Ist  mir  iinraöglich  anmgeben,  denn  die  Leser  werden  selbst  ein- 
sehen, dafs  weder  die  gründlich  Geheilten,  noch  die  Verstorbenen 
Hülfe  bei  mir  suchen;  nach  blofsem  Volksgeplauder  über  diesen 
Gegenstand  zu  nrtheilen,  ftafal  für  einen  schlicht  verständigen  Mann 
gar  nicht. 

Den  merkwürdigsten  Fall  solcher  Blnlarxnng  habe  ich  im  Jah- 
re 1S3U  erlebt.  Ein  junger  Handwerker,  den  ich  schon  zfveimahl 
an  einer  Leberki-aokfaeit  behandelt,  die  er  sich  entweder  durch 
■eine  sitzende  Lebensart  (er  war  Schnbmacher),  oder  durch  Ein- 
wirkung anerfragbaref  Sc  hSdl  ich  keilen  zugezogen,  und  die  sich 
zum  ersten  Mahle  unter  der  nosologischen  Form  des  Rheumatitmw 
acutut,  einige  Jahre  darauf  anler  der  der  Phuritii  äufaerie,  wird 
im  Jahre  1 830,  nachdem  er  drei  Jahre  lang  wohl  gewesen,  in  den 
Niederlanden  von  der  Leberkrankheit  zum  dritten  Mahle  befallen, 
welche  sich  (nach  seiner  Beschreibung)  als  Rheumatitmut  der  Fü- 
fjW  nnd  als  fieberhaftes  Seitenstechen  mufs  offenbaret  haben.  Vier 
Wochen  hat  er  in  den  Niederlanden  krank  gelegen,  ist  acht, mahl 
Kur  Ader  gelassen,  nnd  jedesmabl  ist  ihm,  angeblich,  ein  Suppen- 
teller voll  Blut  abgezogen,  auch  fünfzehn  Blutegel  sind  ihm  gesellt 
norden.  Xon  holte  ihn  sein«  Mutter,  die,  als  wenig  bemittelte 
Frau,  die  Unkosten  ßr  Verpflegung  nnd  tirttliche  nnd  apoihekerische 


—    371     - 

Behandlung  nicht  beibringen  konnte,  init  einem  Kanvn  hierhin. 
Oamahla  aollte  ihm  zanv  nennten  Mahle  zur  Ader  gelassen,  oder 
es  Ballten  ihm  zwanzig  Blutegel  gesetzt  werden,  welches  aber 
wegen  der  Abreise  umerblieben.  Nun,  wie  war  es  dean  mit  UR- 
senn  leberkranken  Jungen  gestellt,  da  er  hier  ankam?  —  Er  war 
betilBgerig,  sein  Puls  schnell,  wie  der  eines  Schwindsüchtigen, 
die  Leber  schmeixfaart,  ohne  anfgetriebfln  zu  sein,  die  Intercostal- 
nuskeln  nnd  der  dreieckige  Biastbeinmnskeln  waren  consensuell 
«chmeTzbaft  ergriffen,  weshalb  das  AihmMi  und  die  Bewegnng  des 
KSrpers  erschweret  war,  so  dafs  er  sich  nur  mit  Mfihe  ira  Bette 
onfriehten  konnte.  Der  Schlaf  war  wenig  nnd  nnmhig,  die  Zange 
rein,  lie  halte  nur  einen  leichten  weifsen  Anflug  wie  ihn  nach  wol 
Gesunde  zu  haben  pflegen,  die  Gesichtsfarbe  war  gelblich,  so, 
dafs  jeder  Arzt  von  einiger  Erfahrenheit  gleich  auf  den  ersten  Blich 
■eben  konnte,  wo  der  Fehler  steckte. 

Ich  gab  dfcm  Jungen  eine  achtnnzige  Abkochung  einer  Unxe 
des  Franendistelsamens,  und  liefs  von  dieser  stGndlich  einen  LftfTel 
roll  nehmen.  Er  war  schon  nm  folgenden  Tage  nm  vieles  besser, 
in  acht  Tagen  waren  Leberachnien  und  consensueller  Mnikelscbmerz 
vergangen,  Puls,  Efslust,  Schlaf  normal,  sein  Gesicht  war  gebleicht 
und  er  verliefa  das  Bett.  Aber  das  abgezapfte  Blut  konnte  ich  ihm 
nicht  wieder  in  den  KSrper  bringen.  Als  der  Harn  bei  dem  Ge- 
brauche der  angezeigten  Mittel  seine  etwas  goldgelbe  Farbe  in  stroh- 
gelbe veränderte  und  reichlicher  flob,  da  ergab  die  Untersuchung 
mit  gerötbetem  Lackmnapapier,  dafs  er  nicht  allein  ganz  ohne  Sfiu- 
re ,  sondern  selbst  stark  laogensalzig  war.  Ich  hielt  es  nicht  fQr 
gemtben,  diesen  Znsland,  von  welchem  ich  in  der  Folge  ansfübr- 
licher  reden  werde,  der  Natur  zu  überlassen,  indem  er  eine  unter 
der  Heilgewalt  des  Eisens  stehende  Affektion  des  Gesainmtorga- 
nismus  ist ,  welche  die  Natur  sehr  langsam  bebt.  Ich  gab  dem 
Kranken  (Sglich  eine  halbe  Unze  einfache  essigsaure  Eisentinktur, 
(deren  Bereitung  ich  in  der  Folge  anzeigen  werde)  mit  einer  hal- 
ben Unze  arabischem  Gummi  nnd  vier  Unzen  Wasser  gemischt, 
von  welcher  Mischung  er  stündlich  einen  LSffel  voll  nahm.  Da 
die  ganze  Portion  nur  neun  L&ffel  enibielt,  so  konnte  er  gemäch- 
lich die  halbe  Unze  Eisentinklur  täglich  verzehren.  Diese  wirkte 
denn  auch  unglaublich  woblthütig  anf  diesen  blutarmen  KSrper; 
jedoch  hat  es  etwas  lange  gewähret,  eh  der  Harn  wieder  sauer 
geworden. 

ich  tadle  gerade  die  Aerzte  nicht,  welche  solche  Blnlhuren 
machen,  denn  ich  denke,  sie  handien  nach  ihrer  Ueherzeugiing, 
thnn  ihr  Bestes  auf  ihre  W^ise,  wie  ich  es  auf  meine  Weise  thue; 
aber  das  GestSndnifs  wird  mir  wohl  niemand  übel  nehmen ,  dafs 
mir  diese  Kuren  nicht  gefallen.  Mir  scheint,  so  weit  ich  nämlich 
im  Allgemeinen  die   menschlichen  Körper  kenne,    ein  Theil    der 


—  an  - 

Kranken,  die  der  alWinigen  Gewialt  der  KranlihHt  nicht  nntcrlie- 
gen  würden,  iiiH«H«n  dar  veceinten  Gewalt  sulcher  Arznng  und  der 
Krankheil  nochiTendif^  unterliegen. 

Gelbe  Geticktt/arhe. 

leb  babe  früher  geglaubt,  dafa  die  im  Gelbe  oder  Hnrnngetbe 
■pieiende  Geiichtsfafbe  manchen  Menschen  twi  Nalar  eigen  sei 
'  wie  die  Fnrbe  der  HEWue;  Jetx|  bin  ich  attet  anderer  Meinung. 
Den  SftHniern  nod  Italifiitern  ist  eine  solche  Geaichttfarbe  eigen; 
wenn  aber  Leute  unserea  Himnwlssiriehes,  ohne  dafs  sie  aich  der 
SoHimerionne  oft  und  viel  ansgesetit  haben,  gelb  oder  braus  aua- 
aehen,  R]8^.w£^en  sie  von  der  Senne  verbrannt,  so  ist  dieses  ein 
Zeichen  des  Mehr  oder  minder  feindlich  borilbrwB  galleabeoodem- 
den  Organs,  bei  welcher  Berübrüteit  dos  GefTihl  der  Geauodtteit, 
gute  Verdauung  nnd  wlbst  VieUeiscbigkeit  bettehea  tonn.  E»  ist 
freilich  nicht  immer  bestimmt,  dafs  die  BeeiMrächtigung  der  Gal- 
le nabaondentng  eis  Urleide«  der  Leber  sei;  e»  kaon  eben  s«  gaC 
Bauch vollblriiigkeil  sei»,  die  sveh  als  beeintrflohtigte  Gallenabsoa- 
derang  ofEanbaret.  Wie  sich  alier  auch  die  Sache  verhallen  wtKg, 
aof  alle  Ffille  ist  es  rath^am,  wenn  man  einem  hierliüidiscben  Men- 
schen Hülfe  leialcn  soll,  der  hrauoe  oder  gt-lbe  Geaichtafarbe  hat, 
dafa  man  auf  die  Leber  besonders  sein  Augenmerk  ricfalet,  und 
Hieb  gar  nicht  daran  kehret,  wenn  er  ulbst,  oder  seine  Freunde 
bebaii|MeB,  die  gelbe  oder  braune  Farbe  sei  seine  natürliche  ihm 
angeboctte  Gesichtofarbe.  Beim  Schlüsse  der  Rechnung  wird  es 
sich  schon  RusweiseD,  vb  der  Kranke  und  seine  Freunde  Recht  be- 
halten, oder  der  ArsL  Der  gelehrte  Heilkünaller  aber,  der  gegen  Le- 
bertterubriheit  Iceine  andere  Waffe-  kennt  als  Brechen,  Laxirea  und 
eine  Hetie  bitterer  Extrakte,  oder  der  aus-  Voturtheil  von  der  apo- 
thekerischen  SudelkScherei  nicht  lassen  kiwn,  der  braucht  sich  wahr- 
Bcheiolicb  den  gelben' oder  brauosa.  Weihern  nicht  als  Bleichmei- 
ster ansulragen,  en  wird  a>il  Schande  absieben  müssen.  Je  ein- 
facher man  die  Sache  angreift,  je  besser  glückt  die  Bleiche. 

Das  auffallendite  BeiapieL  der  Art  habe  ich  vor  uegefShr  14  Jah- 
ren erlebt.  Eine  junge,  hier  geborae  Frau,  die  jedermann  nie  an- 
ders als  gelb  gekannt  hatte,  bekam,  die  damahls  herrschende  Ge- 
hirnkrankheit, bei  welcher  in  manchen  Fälleit,  ia  dem  gegenwSr- 
tigen  aber  vorzugsweise,  dds  Gehirnleiden  consensnell  auf  die  Le- 
ber einwirkte.  WoUte  i«h  sie  heilen,  so  mufsie  ich  wel  dat  con- 
sensuelle  Lebn-Ieiden,  weloha«  dioble,  zum  Urleidea  m  werden, 
besonders  berückaichtigeD.  Bei  der  Geneanng  liefs  ich,  nnler  de« 
Vorwande  des  zu  verhüleoden  Bückfalles,  lange  Zeit  eine  gleich- 
theilige  Mischung  von  aliokendem  Asant  und  Kr8henaugentinklur 
nehmen:  dadntch  habe  ich  die  gelbe  Frau  voUkomnea  gabbicfat, 


-    873    - 

so,  dafa  sie  einegcunde,  uMiriicbe  Flenehferbe  iMsksmiHrn.  IMb- 
aca  ist  nit^l  der  eimig«,  «bar  «ir  gerade  der  merkw^fdigsle  Fall 
der  Art,  weil  ich  die  Frau  mit  ihrer  garaiigen  Getrichtararbe  von 
HiTer  Kindheit  an  gekannt,  mich  mithin  ia  dieser  Htnafchl  nicht 
anf  die  Aaaaaga  anderer  Menaehen  xn  veriauen  bmocfafe.  llBlie 
ich  riter  a««b  anr  diesen  einzigen  Fall  erlebt,  ae  wSrile  er  hin- 
reicbea,  mir  die  aogeblich  natürliche,  angeborne.  Spanische  oder 
ludiäaiaeba  Geaiabttfarbe   nieerer    Kingeberaen  faöctmt    rentiehitg 


Oefötwchl. 

Ich  habe  ehntelne  Fälle  von  Gelbsucht  erlebt  nnd  den  leisten 
uMb  IM  Jahre  18S9,  wo  die  Menschen  van  be^Kodigem  Erbre- 
chen gaqnälet  wurde«.  Hier  kam  keia  Gran  Galle  ia  den  Dann- 
kasal,  denn  der  Darsakotb  war  gaax  weifs  nad  die  Gelbsucht  gani 
anagelMMet,  allma  bei  jedesmahllgam  Erbrechen  wurde  gelbe,  ganz 
bhiere  Galle  aosgeleeret.  Es  ist  also  wol  offenbar,  dals  bei  einer 
aolcben'  Gelbancht  sich  die  Einmandnng  des  gemeinschaAlicben  Gal- 
leagaoges  in  des  Zwölffingerdarm  in  einem  ähnlichen  Zastande 
befindet,  wie  der  Mastdarm  bei  der  Rahr.  Durch  den  heftigen 
aatagonist lachen  Reis  des  Erbrechens  wird  die  Znsanimenxtehung . 
der  Gallef^ngmüadang  gelSael  nnd  ein  Theil  Galle  in  den  Ma- 
gao  getrieben.  Wahrscheinlich  sind  solche  Gelbsncfaten  (die  nichl 
■ttiaier  mit  Erbrecfaea  varbnadaa  an  sein  braocfaen)  grade  dieje- 
aigea,  welche  man  mit  gelinden  Laxirmitteln  heben  kann,  nnier 
daaen  die  Alofi  sich  bei  eiaigea  Aeniea  ein  sonderliches  Zntraneil 
erworben.  Ich  glauba  aller  nicht,  dafs  alle  Gelbstiabten  solcher 
\atiu  sind,  dafs  sie  mit  Laxirmiüeln,  oder  Tonugsweise  mit  Mot 
XU  heilen  wttrea.  Ob  man  auch  Gelbsucht  Mit  consensaellem  Durch- 
falle durch  Laxirmiitel,  naraeBdich  durch  Alae  heilen  künne,  will 
ich  denen  au  entscheiden  überlassen,  die  uns  solche  Mittel  als  die 
möglichst  besten  in  der  Getbsnobt  anpritisen.  So  viel  ist  sicher. 
Gelbsacht  mit  co n sensuell  em  Durchlaufe  Terbnnden,  ist  awar  eine 
Krankheit,  di»  nicht  aii  den  alltagliehen  gehttrt,  aber  sii  den  gana 
seltenen  kann  man  sie  aach  oichi  rechnen,  und  sie  ist  etwas  häk- 
licher  su  behandlen  als  die  gewöhnliche,  bei  der  die  Menschen 
eher  rerstopft  als  durehläufig  sind. 

Räthieikmfte   SeiwulitverAärtung   in   der    Ober- 
bttueAgegend, 

Im  Jahre  1829  kam  sur  Herbalaeil  einer  unserer  Nachtnfich- 
ter  SU  mir,  wegen  schmersbafter  Leiden  in  der  Oberbaucfagegend. 
Durch  das  Gefühl   konnte   ich    wol    eine  Spannung  io    dieser  Ge- 


—    374    — 

gflod,  absr- sonst  nichts  RegelwidtigM  eudmkeo.  Di»  Geapannt- 
heit  war  aach  nicht -ausgezeichnet,  Mndern  nur  so,  wie  man  st« 
oft  genug  antrifil.  Nach  dem,  was  die  Aosfragong  ergab,  konnte 
ich  nichts  anderes  nrtheilen,  als  dafä  die  Leber  erkrankt,  und  dia 
Erkrankung  derselben  schon  langer  müsse  bestanden  haben'j  ohne 
jedoch  früher  dnrch  eigentlichen  Schmerz  das  GieiUDdheitsgefUhl 
zn  beeinträchtigen.  Ich  versuchte  die  mir-durch  den  Gebranch  be- 
kannten Lebermiltel. vergebens;  das  letsle,  was  ich  ihm  gab,  war 
die  gleicht  heilige  Mischung  von  Brechnufs-  und  Asantlinktar.  An- 
geblicb  bat  er  sich  bei  dieser  Arsenei  am  besten  befunden ;  das 
heifst  wol,  sie  hat  ihm  die  schmershaften  Gefühle  beschwichtiget, 
ohne  heilend  auf  das  Uebel  einiuwirken.  Ich  sah  ihn  jeixt  in 
luehren  Monaten  nicht;  er  Tenrichtete  sein  N'acbtwBchiergeachäfi, 
hat  aber,  wie  ich  in  der  Apotheke  gesehen,  den  Gebrauch  der  ver- 
ordneten Arxenei  fortgesetzt.  Eines  Tages  erscheint  er  wieder  bei 
mir,  und  erklfirtj  sein  Uebel  sei  seit  einiger  Zeit  verschlimmert t 
es  habe  sich  nach  und  nach  eine  grofse,  harte  Geschwulst  im  Ma- 
gen gebildet.  Früher  sei  er  nach  dem  Essen  vol  pustig  gewesen, 
jetzt  aber  habe  er,  wenn  er  nur  ein  Theescbüsselchea  voll  Speise 
zn  sieb  genommen ,  ein  Gefühl  im  Magen ,  als  stecke  eine  unge- 
heure Masse  in  demselben.  Bei  der  Uniersuchnng  Hihlte  ich  in 
der  linken  Seite  der  Oberbauchgegend  eine  harle,  sichtlich  nach 
aufsen  hervorragende  Geschwulst  von  der  Gröfse  eines  Kindkopfea. 
Glitt  ich  mit  meinen  Fingern  von  dieser  Geschwulst  nach  dem  rech- 
ten Ilypochondrio,  so  fühlte  ich,  sobald  meine  Finger  von  der  Ge* 
schwulst  waren,  nichts  Hartes  mehr,  nur  eine  gewöhnliche  Span- 
nung, wie  ich  sie  audi  friiber  gefehlt.  Auf  meine  Bitte  nnlei^. 
suchte  unser  Wundarzt,  Herr  Schtllenierg ,  die  Sache,  konn- 
te aber  eben  so  wenig  einen  Zusammenhang  der  Geschwulst  mit 
der  Leber  entdecken  als  ich.  Ich  wurde  ganz  iire  in  meiner  Er- 
kennlnifs.  Nach  der  Lage  der  Eingeweide  zu  nrtheilen,  mufste 
die  Geschwulst  in  der  linken  Seite  der  vorderen  Magenwand  sich 
befinden.  Da  ich  bis  dabin  immer  gefunden,  dafs  Verbfirtnngen 
in  dem  Magen  mit  Erbrechen  hegleitet  waren ,  dieser  Mann  sieh 
aber  nicht  erbrach,  so  blieb  mir  die  Geschwulst  ein  R&ihset,  das 
nur  die  Leichenöffnung  ISsen  konnte.  Der  Tod  erfolgte  nach  lan- 
ger Beillägerigkeit  und  gänzlicher  Anszebrung  den  2ten  Septem- 
ber 1830,  Da  ich  abgehallen  wurde,  die  Leichenöffnung  selbst  zn 
machen,  übernahm  sie  der  Wundarzt.  Ich  habe  faeinen  ausführ- 
lichen Fundbericht  vor  mir  liegen;  den  Lesern  wird  aber  mit  ei- 
ner Miitheilung  desselben  wol  nicht  gedient  sein,  also  gebe  ich 
nur  die  kurze  und  einfache  Lösung  des  Rathsels.  Die  Verhfirtnng, 
die,  nacb  dem  GefUhle  zu  nrtheilen,  in  der  vorderen  Magenwand 
hätte  stecken  müssen,  befand  sich  in  dem  vorderen,  sehr  vergrS- 
fserten  und- ganz  entarteten  Leberlappen.     Der  Grund,  warum  man 


—    375    — 

dorcb  doa  G«ßbl  Itttinen  ZumrumeDhang  zwis^en  der  Verhärtung 
und  der  Leber  halte  erkeoneii  können,  lag  darin,  da f»  der  übrif^e 
l^il  dea  Leberlappens  zwar  in  seiner  Substanz  entartet,  aber  nicht 
T«rbfirlet  war. 

Einen  ähdiichen,  meiner  Kunst  zwar  nnheilbaren,  aber  vor- 
ISufig  noeh  nicht  tddtlicben  Fall,  bei  weichen  jedoch  die  Verhfir- 
tnng  weder  so  groti,  noch  zo  sichtiMr  Kufserlich  hervorragend  war, 
beobachtete  ich  im  Jahre  1834  bei  einem  Zollbeamten.  Weil  ich 
diaaes  ManaeB  lange  schon  verdorbene  Leber  kannte,  und  Kie,  wenn 
aie  achmerzhaft  aufgeregt  war,  schon  ein  paarmahl  beschwichtiget 
liatte,  so  konnte  mich  das  Gefühl  hinsichtlich  der  Diagnose  nicht 
irren.  Wttre  das  nicttt  gewesen,  so  hätte  ich,  blofs  auf  das  GefiibI 
iwnend,  das  Uebel  für  eine  MagenTerfaSrlung  halten  miisHen,  denn 
die  Vra'bBnnng  aafs  auf  dem  Magen,  und  ein  Zusammenhang  der- 
selben  mit  der  Lriter,  war  durch  das  Gefühl  eben  so  wenig  tu  er- 
keanen  ab  bei  dem  Torigen  Kranken, 

In  Bariin,  wo  die  Anatomie  nie  Mangel  an  Leichnamen  hat, 
habe  ich  mir  in  meiner  Jugend  Mühe  gegeben,  die  Lage  der  Ein- 
geweide durch  Vtbaag  so  kennen  zn  lernen,  dafs  ich  jedes  dersel- 
ben wol  blindlings  greifen  konnte.  Wozu  hat  es  mir  gedient?  — 
Bis  Jetzt  weils  icfa  es  noch  nicht. 

Veher  die  SckvitrigAeit,   Verkäriungen  in  der  Höh- 
le de»  Bauche»  durch  da*  Gefühl  vu  entdecken. 

Auf  diese  Sofamerigbeit  bin  ich  schon  im  dritten  Jahre  mei- 
ner Praxis  gestofseo ,  und  habe  es  mir  deutlich  gesagt ,  dafs  man 
in  Baonhailnilg  solcher  Vei^ärtnngen  Sufserst  vorsichtig  sein,  nicht 
einzig  sein  Fiogergefiihl ,  tondern  auch  alle  andere  Umstünde  zu 
Batlie  zieheD  loüzse.  Balggeschwülate,  die  zwischen  Haut  und 
Bauchmuskeln  sich  bilden,  halte  Ich  Riebt  für  schwer  zu  erkennen, 
sie  haben  umschriebene  Grenzen  und  ragen  hervor.  Ich  habe  im 
vorigen  Jahre  noch  eine  solche  faustgrofse  Geschwulst  gerade  auf 
dem  Magen  gaschen;  aber  auch  der  Unerfahrenste  würde  sie  nicht 
mil  einer  Verhärtung  des  Magens  verwechselt  haben. 

Die  Verhärtung  des  Zellgewebes,  die  man  zuweilen  (jedoch 
in  meinem  Wirkungskreise  Sofserst  selten)  am  Bauche  tindet,  und 
die  einen  gröberen  oder  geringeren  Kaum  einnimmt,  ist  ebenfalls 
leicht  zn  erkennen,  wer  sie  ein  einziges  Mahl  gefühlt  ba^  kennet 
sie  über  zwoang  Jahre  wieder. 

Schwieriger  schon  ist  die  Zusammenkrampfung  eines  Tbeils 
dar  Banchmuskelfasero,  die  man  zuweilen  bei  AQ'ektionen  von  Le- 
ber oder  Milz  findet,  von  der  io  Eiterung  übergehenden  Hartheit 
der  Bauchmuskeln  zu  unterscheiden.  Im  vorigen  Jähre  habe  ich 
beide  Fälle  sa  einer  und  der  nämlichen  Zeit  beobauhtet,   den  er- 


..ogic 


_    37fi    — 

sUd  bei  eioem  Maon«  im  rechten  Ujpochowlrio  fad  Jen  sw«lM 
bei  einer  Frau  in  der  Unterbanchjfqgead.  Ich  ktmot«  kei««B  La- 
lerachied  iwisclien  beiden  finden,  aufser,  dsfa  die  in  £iteiu«g  über- 
gehende Horte  von  Anfang  an  weit  empfindlicber  b^iia  iuüuinm 
Piucke  war,  als  die,  welche  ich' ßir  eine  hWf^  ooweaviraUe  Miu- 
kelfaserzuBaninienkranipfung  hielt.  Leixla  echiMvnte  auch  baiin 
Drucke;  alleip,  wenn  uiao  nicht  garflda  pliiW^  darauf  drückt«, 
konnte  man  sie  doch  mit  den  Fingerp  unlerawcbeo.  Aber  £reu 
war  80  scbiuerzbaft,  dals  mir  die  junge  Frau  «je  guMiittet  bat, 
selbige  gehörig  mit  den  Fingern  xu  untersuchen.  Eh  ich  mit  dM 
Uand  auf  der  Haut  war,  fing  sie  schon,  an  na  kreischen  wie  toll. 
'  Es  bildete  sich  hier  «ine  Eiterbeule  von  uäiäiger  Gtöfse;  wie  die 
geöffnet  war,  hörte  alles  Leid  auf. 

Am  allerscbwierigsten  durch  das  Gerühl  zu  erkenn«»  sind  die 
Hartheiten,  die  s^h  ^wischen  dei«  Bancbfelle  und  Am  BaNchnu- 
keln  bilden.  Dem  blolsen  Fingcrgctühle  vertrauend,  sollte  mn« 
schwören,  man  füblo  Verhfirtangeo  in  ift  Häbla  des  Bauches.  Ich 
habe  davon  einen  sehr  merkwürdigen  Fall  erlebt,  den  ich  meinen 
jüngeren  Amtsbrüdeia  «ur  Warnang  mittbeileo  will. 

Die  Ehefrau  des  hier  wobnhafteu  Kanfmannes  und  Fabrikiuii- 
ten  Herrn  J.  H.  fragte  mich  im  Jfihre  18U5  um  Rath,  wegen  einer 
harten  Geschwulst,  die  sie  unterhalb  des  Nabels,  unter  den  gera- 
den BauQbmuskelo  hatte.  Ich  hielt  dafür,  dafs  diese  Geschwulst 
sich  innerhalb  der  Scheide  der  geraden  Bauchmuskeln  befinde ;  gab 
jedoch  zu,  dafs  die  Erkennlnifs  durch  das  Gefühl  etwas  ungewifs 
sei.  Die  Frau  fragte  darauf  eineq  alieq  Arzt  um  Ratb,  dar  zu- 
gleich erfahrener  Wundarst  and  Geburtshelfer  war.  Dieser  erklär- 
te ohne  viel  Zaud^n  und  ßedenken,  sie  sei  schwanger,  und  die 
Härte,  die  i^an  fühle,  sei  die  Gebärmutter.  Man  beruhigte  sieh 
bei  dieser  ^Vussage  bis  zu  der  Zeit,  da  die  Frucht  sieb  hätte  niii- 
ren  ipüssen.  Weil  diese  gar  kffin  Lebenszeichen  von  sich  gab, 
Qng  maif  i|0  zu  glauben,  dafs  der  alte  ärzilioha  Geburtshelfer  sieb 
gröblich  müsse  geirtet  haben.  Man  fragte  mich  jelst,  was  nun  xu 
tbun  sei.  Ich  schlag  vor,  die  Frau  solle  sich  eiomabl  ron  dem 
Prof.  Günther  in  Duühurg  untersuchen  lassen,  und  hören,  was  der 
ans  der  Sache  mache.  Sie  witr  das  mfrieden  und  reis'te  nach 
Duüburg  ab.  An  den  ßhein  kommend,  ist  das  Wetter  so  stür- 
misch, dafs  sie  die  Ueberfahtt  nicht  wagt.  Mau  gibt  ihr  hier  den 
Elatb,  sich  von  einem  diesseitrheinisofaen  Ante  und  Geburtshelfer, 
der  ihr  nngeiUbr  am  Weg«  wohnte,  untersuthen  xu  lassen.  Da 
dieser  viel  guten  Ruf  hatte,  und  auch  wo|  wirklich  ein  verxtändt- 
ger  und  erfahrener  Mann  war,  so  trägt  sie  kein  Badenken,  den  Rath 
zu  befolgen. 

Sie  brachte  mir  einen  Brief  dieses  Arzte«,  in  welches)  er  ftr-> 
klürle:  sie  habe  eine  verhgi-lete  Gebürmutler  und  man  könne  nur 


—  m  — 

MM  •agiiMiifs  PragnoM  BidUa.  Sw  baUe  etoe  Vnotiamg  vdb 
ihm  g«g«B  Jaa  äcä^Ava  n/fri,  nnd  branchte  diese  Mittel  treu  ei- 
ne gemme  Zelt.  Eues  Taget  kommt  lie  za  mir  aad  bittet  mich, 
ibreD  Beaeb  «a  nntenDcbeii,  es  komme  ibr  vor,  als  fange  die  Ver- 
birtuBg  nn ,  mehr  naofa  asfaen  herTonutreten.  Aii  idi  uaebsebe, 
werde  iob  gleieh  anrerkennbare  Schwappoog  gewahr  >  nnd  ratbe 
ibr,  tteb  das  Ding  angcnblieldieh  tob  dam  Wondarxte  öffnen  an 
tassea.  Sie  that  ea^  «od  es  erg^  sich,  dafs  die  Termeindicfa 
■efawang^e  Geb&rmatter  nnd  die  verhärtete  Gebflrmntte^  aof  eine 
Eilerbeale  Unaoalief.  Der  jetaige  Kreiswaodant,  Herr  Kr4gtr  in 
Chve,  bat  ihr  iva  Abese&  geöfiaet  and  gebeilet,  aber  bei  der  Be- 
handBOg  einige  SMiwierigkeiten  gefunden,  weil  der  Eiter  in  der 
Scheide  der  geraden  Banobrauskebi  herootergemcki  war.  Hin- 
leaach  hat  die  Frau  Booh  mehre  Kinder  geboren;  mm  Bewaiae, 
dafs  die  Gebärmntter  weder  verhärtet  noch  sonst  erkrankt  war. 

Da  dar  anlatat  uqtertnchende  Azat  mir  ohne  Veranlassung  über 
des  Fidl  gesebriebeo,  und  ich  aas  aetnem  Briefe  sab ,  dafs  er  ein 
verstlindiger  Atann  sei:  so  hielt  ich.es  für  bUlig  and  böflieb,  ihm 
JelKt  aaeh  den  Ausgang  der  Sache  in  berieben.  In  sefaer  Ant- 
wort sekieB  er  mir  aber  etwas  betreten;  er  aifalte  mir  alles' da* 
anf,  was  er  aa  dem  Gebftrmattermunde  und  dpreh  den  Mastdarm 
an  der  GebBnnutier  gefühlt  habe ;  aber  er  mochte  gefühlt  haben, 
was  er  wollte,  am  Tage  war  doch,  daft  er  sieb  veifüUt  hatte. 
Dieser  Artt  war  Iceio  junger  Springinsfeld ,  sondern  ein  vieraig« 
jXbriger  Mann,  er  war  kein  Pfuscher,  kein  Lump,  sondern  nn  ge< 
aohtetor  UeilkfinstlM;  also  «ine  Warnung  für  alle  Jai^e  Anste, 
bei  ähnlioben  FlÜIao  vorsichtig  in '  ihrem  Urtheile  «u  sein. 

Merkwürdig  ist  es  mir,  dais  diese  Eitenmg  mit  wenig  Schmer- 
leo  ood  ohne  coasensnelle  Darmleiden  geschah,  da  doch  Eiterung 
in  anderen  Theilen  des  Baucbaa  (in  dea  seltenen  Fallen,  wo  ioh 
sie  sab,  maobte  sie  sich  in,  oder  unter  deo  Muskelfasern  der  que- 
ren Banehmuskeln)  mit  mehr  oder  minder  deutlich  aasgosprodM- 
nem  Darmleiden  gepaarat  ist.  Allerdings  hatte  die  Fraa  auch  ab* 
weclmelBd  Harnbeseiiwerde,  di«  ioh  damabls  als  eonseniuelles  Lei- 
den ansaht  hintemtaoh  aber,  da  sie  mioh  wegen  Urinbescbwer- 
den  schon  ein  paarmabl  om  Ralfa  gcfri^,  au  einer  Zeit,  w«  je- 
nes Abenlener  scbon  vetjäbrt  und  fast  vergessen  war,  bin  ich  awei- 
felbaft  geworden ,  ob  früher  die  Urinbeeahwerde  sich  nicht  hlofs 
aaiilllig  bei  dem  Baoefamn^elabsaesse  eingefunden. 

Eiterung  de*  PtoatmHiAel$. 

Die  Entnindung  und  Eitecung  dieaea  Muskels  habe  ich  nur 
sweimahl  gesehen.  So  viel  leb  begreife,  ist  die  Erkenntnifs  die- 
ser Entsindung  sehr  sehwierig,  ja  fast  unmöglich ;  denn  der  Sobmen 


-  J78  — 
im  Raekan  nn<!  die  bahioderle  Bvwvgnog  daBl  Sch«iri»h  fiirdel  >ietl 
eben  so,  wo  ntctit  at&rk«r,  oft  genug  bei  dem  Rbeumndsiiiaa  des 
KSckeDB.  Ich  glaube,  daii  ich  mehr  den»  Eininnbl  Memehefi  mt- 
nöihiger  Weiaa  das  Blut  abgezapft  habe,  blofs  ftDi  Furcht,  ibr 
heftiger  Schraerx  möchte  Enlzditdang  das  Paoai  aein.  Bis  jetst  itt 
untar  meinar  Bahandlnog  dar  Psoas  Doch  alcbt  ia  Eiteruag  über- 
gegangen; ob  ich  aber  eine  wirldioii»  Enuiiadnng  daaaalbeo  je- 
mabli  unter  Hflndca  gehabt,  ist  aacfa  zweifelhaft. 

£<9  fragt  sich,  ob  bei  der  wirklichen  EotzünduBg  dea  Psoaa 
das  Putaadertfiieni  oODaenanell  müise  aufgeregt  «ein,  ob  ein  acbnel- 
Ivr  and  kräftiger  Pula  nothwendiger  Begleiter  dieser  EotaSndang 
■ei  ?  Auf  diese  kilzlicbe  Frage  weift  ich  aber  nicht  mit  Beatimmt- 
beit  SD  antworten.  Möglieb  ist  es,  dafs  bei  EnlzündoDg  der  dem 
Rückgrathe  nahgel^eoen  Organe  das  Rückenmark  coDsensueil  er- 
griffen wird^  dafs  diese  oonsansuelle  RSdcenhiarkaffektion  eine  ei- 
gene, ans,  wegen  der  Seltanbeit  teloher  FSll«,  wenig  bekannte  Ein- 
wirkung anf  das  ATteriensjatem  bat.  Folgender  FaU  acfaeint  ^e- 
•ea  wahrscheinlich  xa  machen. 

Ein  LandmAdchan  wird  vermeintlidt  von  einam  heftigen  Rhea- 
matismus  dea  Rückens  ergriffen,  sie  legt  sich  auf  einen  Sack  mit 
heiisem  Snade  nnd  vermehrt  den  Schmerz  dadurch  sehr.  Da  sla 
aber  nichts  anders  weifa,  und  alle  Leute  ihres  Schlages  sagen,  dafii 
es  das  beste  Mittel  sei,  so  hfilt  sie  die  peinlicbe  Kar  aus.  Es  modi- 
te  der  sechste  Tag  sein,  da  ich  zufällig  hinkam.  Der  Sofamerz  safis 
in  den  Lenden  und  zwar  in  den  Muslwln  der  linken  Seite.  Beim 
Druck  vermehrte  er ;  Oeschwnlst  und  R3tbe  war  nicht  zd  sAem. 
Dieses  Mädchen,  welches  einen  grthtliehen  Sehnen  ausstand,  hat 
so  lange  ganz  mhigen  Pnia  behalten,  bis  die  in  der  Tiefe  eneugte 
Eiteniog  so  weil  vorgerückt  war,  dab  man  Flubtttation  fühlen  konn- 
te. Da  nur  dieser  Fall  äoberst  merkwürdig  schien,  so  habe  ich 
ihn  so  genau  wie  möglit^  beobacittet,  die  Kranke  ott  vor  Mittag 
und  dreimahl  gegen  Abend  untersacbt,  aber  ihren  Pols  jedesmabl 
hinsichtlich  der  Geschwindigkeit  nnd  VoUheit  dem  geanndhcili^fr 
mflfsen  Tollkommen  gleich  befanden.  Dals  hier  das  RiickeaMiark 
eonsoosnell  ergriffen  war,  ist  keinem  Zweifel  unterworfen  j  ja,  das 
consensnelle  Leiden  dieses  Organs  mnls  zum  Urleiden  gewordm 
sein,  denn  wie  der  AbazeJs  geftftnet  war,  nnd  die  Kranke,  die,  bis 
dabin  wegen- der  Heftigkeit  des  Schmerzes  in  Einer  Lage  verbairei, 
nnn,  aam  gröfsten  Tfaeile  der  Schmerzen  erlediget,  sich  bewegen 
sollte,  ergab  sich,  dafs  üe' eine  Lihmong  der  unteren  ExtremitS- 
teo  davon  getragen,  von  welcher  sie  jedoch  darch  den  inneren  (ie- 
brauch  dea  Kupfers  spKter  vollkommen  geh  eilt  wurde. 

Hier  darf  man  nicht  zweifeln,  ob  eine  wirkliche  Enlziin- 
dung  eines  Tbeils  der  RSckenmuskeln  vorhanden  gewesen,  denn 
die  Eiterung  stellet  diesen  ]hnikt  au/sez  allem  Zweifel;   nnd  dosb 


—  tn  ~ 

war  imt  Pida,  bis  zw  6iig«riich  (bIiUmi«b  Eiternngf,  uJofat  in  mia- 
&ntan  b—chlemigiBt.  Dia  Lewr  kSnnua  TMUcieht  denk«*,  we- 
gea  du  coDMBUieU  afisiitaa  ftock^inarki»  habe  der  Pols  wider* 
natnrlich  laagmm ,  anasetiend ,  «der  aaf  irgend  eiae  Webe  aar»- 
gdmiing  gtmdümgm.  leb  TenKbere  aber  anf  das  beaüaraleate, 
daia  er  gva  r^elmSfaig,  deai  geaandealen  Polie  rnllfc'ttmTii  gleich 
getcblagea  hat. 

Der  hoBB  li^  dscb  bub  aa«h  de»  Rädcgraihe  nahe  geneg* 
aUo  kana  ei  mißlich  aain,  daii  bei  der  Am/»*  ia  elaselneo  Fällco 
das  Rüekennark  «aefa  cooBeaaneU  ergrtSeD  uad  dadorch  eiae  eige- 
ne Eiawirfcai^  auf  dea  Kieifllauf  genraacht  wird.  Zum  weaigaiea 
itt,  biasiclillieb  der  Diagnoetik,  der  enkhite  Fall,  wo  nicht  aebr 
belehreod,  deefa  aebr  xweÜelerrogend. 

I(^  habe  eiost  einen  an  der  Vereitening  dea  Paoaa  geatorbe- 
oen  Mann  geöffnet.  Bei  diesem  ans  Nengier  anleraommenen  Ge- 
■ch&fte  Bii^en  mancherlei  aeltaame  Gedanken  in  mir  aaf,  von  de- 
nen ieb  dem  Leaar  etwas  lutubeilen  will. 

leb  aah,  dala  der  Eiler  aieb  einen  Weg  an  des  Schenkdmua- 
keln  gebabnet  nad  aeben  daa  Fleisch  um  den  Hala  dea  Scheniiel- 
knocbena  noierböfalet  hatte.  Der  Paoas  war  ganz  verschwuaden, 
gaai  in  Eitw  anfgelöset.  Da  nun  diesen  psoatischeD  Eiienaek 
■ichta  mefar  tod  der  Baochhöl^e  aohied  ala  daz  Baachfell,  so  iai 
oSBriHU',  daCs  letztes  zieh  nicht  leicht  enuüodeo  läfal;  eatzSadet* 
ea  ai<^  leicht,  so  wScde  der  Eher  sich  bald  einen  Weg  in  die 
Bandihahle  gebabnet  haben.  Wie  k&nnen  nnn  die  Aerzte,  son- 
derlich die  jüngeren,  ao  wunderlich  von  der  Perilotutit  trttnraenf 
Diese  «oll,  wie  man  aagt,  leiobt  in  Verbirtung ,  oder  Vereiterung 
der  Banohmn^eln  übe^riien;  ich  bin  aber  der  Meinung,  dafs  in 
den  mustea  Fällen  daa,  waa  man  für  AnYeai'fw  bftlt,  wirklieb 
eine  Enlzündnog  eiaes  Theilea  der  tieferliegenden  Banchmoskeln 
sei,  (des  Trtmnertiy  oder  OUiqui  mtemi)  Welche  dnnn  früher  oder 
spiter  in  Eiterung  äbergehel.  Man  muA  sich  gar  nicht  wundern, 
deb  dabei  der  ganze  Bauch  schmerzt,  ohne  dafa  der  Kranke  be- 
stimmt einen  einzelaen  Fleck  als  den  Sitz  des  Uebels  anzugeben 
vermag;  denn  wegen  der  flachen  Aoadefanung  der  queren  nnd  schrä- 
gen Bauchmu^eln,  die  doch  den  ganzen  Bauch  «maehliefsen ,  iat 
es  begreifiit^,  da&  der  ganze  Mnakel  leiden  nnifs,  wenn  ein  Theil 
desaelhen  erkrankt  ietj  und  wegen  der  genauen  Milleidenbeit,  die 
swisi^n  den  Bauehmnakela  und  den  Dinnen  obwaltet,  iat  ea  eben 
so  begreifitcfa,  dafa,  durch  eine.conaenauelle  achmcrzbafte  Anfregnng 
der  letzten,  das  Ganze  die  Form  etnea  inneren  Banchleidena  anneh- 
men mnfa. 

Den  merkwürdigsten  Fall  der  Art,  von  dem  ich  aber  nur  daa 
Ende,  nicht  den  Anfang  beobachtet,  eriebte  ich  in  dem  Niederlän- 
diachen  Gren»lfidtchen  G.     Ein  junger  Mann  hatte  im  Inneren  Ton 


-    38d    — 

H«llBad  krank  gvlagsn,  Mgsblicfi  «n  wfar  heftigen,  Bcknieniliiifi'Mi 
BMchMdcii.  Er  war  sweif«lfaart,'eb  die  IleAiskeit  mihm  Uebela 
^nroh,  oder  bei  dem  Gebrauche  der  Arsenei  nitch  and  Dach  abge- 
neameD.  Kaaia  veffabrbar,  haiia  er  midi  la  seinen  A eitern  bria- 
sea  laMen,  nnd  ich  wnrde  g^ebeten,  mich  seiner  atnanehaen.  V.w 
war  naser,  beltlttgerig,  und  «ein  Pule  ecbnell.  Da  er  voniglieb 
Gbei  die  rechte  Seite  der  Unierbauchgegend  klagte ,  «o  balle  ihn 
der  im  Orte  wobnfaaCie  Wvndant  aebea  anUrsncht ,  nnd  in  jener 
Gegend,  in  der  Tiere  eine  Verhärtung  gefunden.  Ich  begriff  leicht, 
dale  dae  ganie  Elend  des  Maaaee  in  «iner  EnfsiBdang  des  ilwf 
mtli  tranwerii  seinen  Gmnd  gehabt ,  und  dais  die  Heftigkeil  der 
consensnellen  Baucbleiden  nicht  durch  die  verschluckte  Anenei, 
sondern  durch  die  eingelreteae  Eilenag  nach  nnd  nach  gemildert 
sei,  nnd  dafs  es  jetzt  blofs  darauf  ankomme,  dem  Eiter  den  Weg 
aa<^  Aufaen  m  bahnen.  Ich  rieth  also  dem  Wnndarxte,  einen  er- 
waicbeadttD  Breiumschlag  aufinilegeo.  Da  ich  nach  eilichen  Tagon 
den  Kranken  xnm  .aweiien  Mahle  sab ,  nnd  durch  da«  Bfthen  die 
Sache  dorebous  nietit  gefördert  ftiad,  der  Wunderst  nun  ancb  die 
sehr  riditige  Bemerkung  machte,  dafs  das  wol  eiaa  ron  den  ewi- 
gen Kuren  werden  wirde:  so  Terordnel*  ich  nm  inneren  Gebraii- 
ehe  «ssigannres  Kapfier;  wodurdi  die  Eiterung  so  rasch  bafördnrt 
ward«,  dafs  m^n  alter  wundinttlieher  Frennd,  weil  entfetnt,  die 
Knr  eine  ewige  eu  nennen,  sie  nicht  einmahl  su  den  langweiligen 
rechnen  wollte.  Naehdem  der  Abszefs  geöffnet  war,  kehne  di« 
Gesondheit  des  Mannes  bald  wieder  in  das  alle  Gleis  xurück. 

In  dem  voiliegenden  Falle,  wo  nach  aller  Wahrscheinlichketl 
Entiündnng  nnd  darauf  folgende  Eilemng  in  einem  Theile  des  que- 
ren Bauobmuskeli  begann,  hatte  der  Eiter  einen  Kufiant  knrien, 
gemächlichen  W^  in  die  BBucbbfthle  gehabt,  nnd  doch  bat  «r  den 
Weg  nach  Anfsen  g«w&blt,  wo  er  sieb  durch  zwei  Muskeln  und 
durch  die  Haut,  EntxQndung  und  EiieruRg  dieser  ThcHe  erregend, 
durchgearbeitet.  Hier  haben  wir  den  deutlichen  Beweis,  dafs  das 
Banohfell  weder  leioht  entzuadbar,  noch  leicht  vereiterbar  ist.  leb 
glaube,  dafs  die  Natur  itberhaupt  weit  klüger  ist  als  die  gelehrten 
Aente.  Wäre  das  Bauchfell  s6  leicht  entiündbar  als  die  Haut,  so 
würden  ja  Ci>*ch  Aefaulichkeit  ron  der  Haut  anf  das  Bauchfell  an 
schliefsen)  ron  einer  solchen  EniaÜndung  die  fQrcbterlichstcn  Stö- 
rungen der  Verricblnng  aller  Baoobeingeweida  entatehea,  and  ein 
gans  mRtiiiger  Grad  der  PtriUnitU  müfste  fitst  anbedtagt  nnd  sobnaU 
t5dtlich  sein. 

Ueber   die   Diät   der  %%   Magen-  und  DarmaÜHreer- 
zeugung  geneigten   Mentchen. 
Wenn  Magen-  nnd  DarmsSnre  ihren  Grund    in  einem  krank- 
haften Znsland  der  Leber,  der  MiU,  des  Pankreu,  des  Pforiader 


~    Mt    — 

ajilMas,  oder  eiDM  amler««  Oi^on  hat,  lo  mufi  idbw  sDolien  iut 
Qrnmiiih^  m  heben,  sonM  kann  •■■■  «ol  iKe  variiaBdene  SAitra 
RCHlraliiirea ,  aber  die  Geneigtheit  so  Eneagong  deraelbea  nidrt 
beben.  Da  ea  aWr  schwierig,  ja  faat  aonögfioh  isr,  manch»  cfaro- 
aiaehe,^  oder  ai^eeHrte  üebel  der  Bingeweide  gründlich  ■■  heben, 
to  Ufat  ncfa  aaeh  iKe  Geneigtheit  aar  Süareeneegang  nicbl  inamu 
grnadlich  heben.  Um  so  aöthiger  iet  ea  aho,  leia  Angeamerfc  aaf 
dw  IMfit  n  ricliten ;  denn  ein  üMge«!  geaand«>  Meaeeh,  dai  heibt; 
ein  aoiekar,  «reicher  xwsr  kftrpertlcbe  UnvollkoninwnheiieD  haben 
kaas,  abes  keiM  kranbbafte  GafflUe  bat,  will  doch  flicht  beitin- 
Ag  Aneni  aaieo ;  ja  aHe  Araenei  hilft  hier  allein  nichta ,  wemi 
Mckt  tämm  aweekaittfnge  Diät  beobHcbiet  wird. 

Daa  Erste  und  Nntbwendig«4e,  was  die  Sliireersenger  beobaeb- 
tea  aiüeaeH,  ist  Mküngkeit  in  Essen  aitd  Trinken.  Die  Eigen- 
schaften der  Speisen  sind  es  nicht  blofa,  die  eine  snure  Gthrnng  im 
Magen  bewirtien,  sandarn  auch  dm  M&verfaaltBift  ihrer  Menge  xii 
den  VerdaaBBgikrirtMi  das  Magens.  Mt  weifs  aber  nur  m  gut, 
ni»  sohwierig  es  amnchen  iSAareeraeageni  wird,  itAüig  an  essen, 
Mufem  B>e  suweilea  etaen  nastillhareD  Hnager  haben. 

Atta  Sappen,  sie  mögen  Naaien  haben,  wie  sie  wollen,  sind 
den  Siareeneagero  bftelKt  sofattdiieb.  Wer  durcb  gate  Diät  es  sO' 
weit  gehiadM  hat,  keine  Besebwente»  mehr  vnn  der  SNure  sa  b»- 
ben,  der  wird  nach  der  ersten  oder  iweiteo  Mahlselt,  we  er  Smp* 
pe  gegessen,  noch  keine  Beschwerden  ffihlen;  wenn  er  aber  acht 
oder  rienehD  Tage  am  Soppenessea  bleibt,  wird  er  achon  merken, 
da£t  saia  altea  Uebel  sieh  wieder  einMellt.  Ich  erinnere  mich,  nar 
Eiaeo  SobrifMtelter  geleaen  xa  haben,  der  meiae  Beobachtung,  hfo- 
skkalicb  der  ^ppe,  heat«t^,  und  das  ial  EttmWer.  B^reiflteh 
ist  in  dieser  Hinsicht  die  eine  Suppe  fibler  als  die  andVe;  so  be- 
wirkt Kalbflei  Hefa  Etappe,  GersteMQppe' mit  Wein,  Biersuppe  and  an- 
dere« Boloh  schlabberige»  Zeug  ehe»  die  Sfiai«  als  gute  Kindfleiach 
sBppe;' aUciii  man  muft  sieh  doch  triebt  tHoschen  nnd  in  diesem 
Pnakta  nach  Theorie,  eder  naeh  vorgefefster  Meinung,  oder  naeh 
altem  HerhoaMiie»  nrtheilea  wollen;  auch  Rkid->  Schaf-  end'HOh- 
nersnppe  vernrsechen  denen  sar-  SBnreeraengnng  Geaeigien  Sffure. 

Der  SRniaenai^er  darf  vor  lHBtia|<  weder  Brot,  Bwerbrot, 
FMfeeb-,  D*eb  kgend  ein  festes  ^£Ab^Hlgamillel  an  sich  nehmen,' 
soodeen'  nuifit  sieb,  mit  ei»  paar  SohSlchea  Kaffee  oder  Theo  be- 
gaSgea;  Sahne  darf  er  ^ber  nicht  snm  Kafiee  tfaua,  senden  blofs 
einfaelie  Hüeb. 

Mir  hat  scbot»  1«  sweiien  Jahre  der  Praxis  dieae  Leine  ein 
allen  Dsttandiar  Förater  gegeben,  nnd  awar  als  difitetiselie  Regel  fSr 
den  Reiter.  Hernach  habe  ieh  sie  anch  in  einem  allen  Schriftstel- 
ler gefanden  als  dlgemeio«  dfaie*rache  Regel  fiir  den  Sftureerxen- 
ger.     Ob  ick  SB  aber  bstoa  Ettmüthir  adei  beim  Paracetut»  gele- 


~    S8S    - 

MH,  ist  mir  niclit  mebt  erina«riieh,  m  wird  Bach  wel  nielil  d«r 
Mübe  wenh  s«n,  diuer  K]eiwgk«it  wsgeiit  drei  FoliaDlcD  du-ch- 
«astöbem.  leb  telbit  habe  diese  Re^l  oft  und  viel  bewahrt  ge- 
fanden,  aie  mancheni  Meoscheo  mitgelbeilt,  der  aie  für  IreffUoh 
gnt  erkannt.  Uebrigeas  nrafi  man  nicht  denken,  dafs  die  Eetbal- 
tiiBg  TO«  FröbstHcke  eine  grofse  Baftnbung  sei;  wer  ücb  einmabl 
daran  gewöhnt  hat,  findet  nicbti  Lästiges  mehr  darin. 

Was  nun  die  einxelaes  Speisen  und  Geirfinke  betrifft,  so  bat 
Jedes  Land  seine  eigenthänliohen ,  es  )Kfst  sieh ,  wenn  man  hlofs 
ans  Erfahrung  spreoben  will,  keine  allgemeine  Vonehrift  darüber 
§eben.  Jedoch  möchte  ich  im  Allgemeinen  den  Satz  als  der  Wahr- 
heit sehr  nahe  kommend  aafstellen,  dafs  nicht  sowsl  sanre  Spei- 
■en  and  Geirftnke  Sftnreeneugeni  schädlich  sind,  als  rielmebr  sol- 
che, welche  in  Magen  aod  Darmkanale  leicht  in  aaore  Gfthmng 
äbergehen. 

Bier  zur  Mahlzeit  getranken,  sei  es  anch  hinsicbtlioh  seiner 
Eigensc|iafien  ganz  untadelhaft,  halte  ich  doch  f5r  aagesand.  Es 
ist  ein  flüssiges,  krüfiiges  Nabrungsmiltel;  wer  dem  Magen  sein 
bescheiden  Tbeil  Speise  gegeben ,  nnd  überschwemmet  ihn  nodi 
obendrein  mil  Bier,  als  sei  dieses  ein  nichlsbedentendes  AaJs,  der 
brancbt  sich  eben  nicht  zu  wandern,  wenn  der  Magen,  anflhig, 
diese  zu  grofse  Masse  nährender  Stoffe  gebSrig  zu  Terarbeitea,  sie 
in  saure  Gähning  übergehen  läJsl. 

Wein  zur  Mahlzeit  getrunken  ist  den  Saureeraeugern  aaeb 
nicht  gut.  Wollen- sie  Wein  trinken,  so  thun  sie  e«  am  besten 
nach  ganz  vollendeter  Verdauung,  Abends  um  sieben  Uhr  tun 
noch  später.  Aber  auch  da  müssen  sie  mit  den  Kräften  ihres  Ma- 
gens Halb  nehmen.  Trinken  sie  mehr  als  sie  verdauen  kSnaen, 
SD  säuert  ihnen  selbst  der  beste  Wein  im  Magen.  Ferner  sellM) 
sie  ihren  Magen  auch  nicht  mit  dem  Weise  Knall  und  Fall  über- 
slSlpen,  sondern  ihn  langsam  trinken,  da  werden  sie  ihn  besser 
verdauen:  z.  ß.  wenn  jemand  von  sieben  bis  neun  Uhr  Abends 
ein  halbes  Preufsiscbes  Quart  leichten  Wein  tränke  und  dieses  be- 
käme ihsi  gni,  se  wurde  es  ihm  nicht  gut  bekommen,  wenn  er  es 
in  einer  halben  Stande  aasleeren  wollte. 

Päracehia  sagt ,  den  zur  Sänreenengnng  Geneigten  seien  ge- 
mischte M'eine  höchst  schädlich.  Etwas  Wahres  ist  an  dieser  Be- 
hauptung, nur  ist  das  Wahre  zu  allgemein  ansgedröckt.  Ob  die 
Mischung  mebrer  Gewächse  mil  einander  die  Sänrnng  im  Magen 
befördert,  wird  wol  von  jeder  besonderen  Mischung  abhangen, 
worüber  ich  im  Einzelnen  nicht  nnheilen  kann,  weil  ich  diese  Mi- 
schungen nicht  kenne,  die  Weinhftndler  anob  so  freundlich  nicht  sein 
werden,  mir  selbige  ansazeigea.  Eine  weinhändleriscbe  Miscbang 
kenne  ich  aber,  von  der  ich  gewif*  weits,  dalä  sie  ganz  unsi^äd. 
■ich  ist,  das  ■•!  die  des  gemeinen  Bleichers  mit  Tavellewein.    Es 


—    383    - 

imi  gewSlmlicb  vm  Leuinn  eio  Vlertat  and  ron  Emem  drei  Vier" 
tel  gcoonurai.  leh  habe  nidi  übcnenget ,  dnfs  elo  Mag«« ,  i»t 
doa  gamsiBeD  Bleicher  Dicht  vertrSgt,  jene  HiBcbang  gut  verttfigt 
nod  daf<  lie  ihm  keine  gXnre  veninacht  Wer  aber  den  Geachmsok 
in  TavelleweiMs  kennet,  dem  kann  i«r  WeinhSndler  nicht  wol 
aolchen  Miechinnttch  für  Bleicher  Terlotnfea. ")  Anch  die  Miacfanag 
des  gemeinen  Rbeinweiaei,  oder  asderer  mit  dem  Rheinweine  ver- 
wandter GewSchae  mit  Teaeriffswein  ist  nuehSdlidi;  die  gerin- 
gen Getränke  bekemmen  dadorcb  iur  den  Niebtkeniter  den  Ge- 
aebmack  Mierer,  edlerer  Weine.  Schaden  kann  dieae  Miachung 
nicht,  denn  der  Teneriffa  iat  gerade  fiir  LeiUe,  welche  nr  Sftore 
neigen,  ein  trefBicher  Wein  nnd  gar  nicht  theuer.  In  den  Herber- 
gen wird  er  vielffittig  für  Madera  veracbenkt,  welche  swei  Weine 
wol  Aehnlicbkeit  im  Geadimacke,  aber  grorae  Unafanlichkeit  Im 
Preise  haben. 

E^ne  hdcbat  schSdIiebe  Miaohng,  welehe  die  Welnhnndler  mn- 
eben,  iat  die,  dafs  aie  erkrankt«,  in  Gährang  übergegangene  Wei- 
ne mit  gesnndeo  veraebneiden.  Dadurch  wird  der  Geruch  nnd  Ge- 
acbmack  dea  kranken  Weinea  für  den  Nichikenner  allerdinga  mehr 
oder  minder  veralecki;  kommt  er  aber  in  den  Magen,  ao  flingl  er 
aa  m  gftbren  nnd  macht  den  Menschen ,  aelbal  4n  aehr  nififsiger 
Menge  getranken,  allerlei  Besehwerden. 

£ine  Uaapt-  nad  Gnindknr  dea  auf  jede  andere  Weiae  unheil- 
baren Weinea  aoll  aeio,  iaS»  «r  in  einem  mir  nnbekannlen  Ver- 
hüllniue  mit  Most  gemischt  wird.  Dnrch  die  nene  GKhrang,  die 
sieh  nan  dem  ganzen  Gebräiide  nittheilt,  aoll  der  kranke  Wein 
wied.er  gesand  werden.  Ich  will  es  aber  lieber  glauben  als  die 
Geanndheii  des  gebeilten  in  meinna  Magen  erproben. 

Von  den  Versnchen,  die  man  aaberhalb  dea  Körpers  mit  Wei> 
oen  anstellet,  labt  sich  nicht  wol  mit  Sicherheit  scblieben,  ob  sie 
Hcbwachen  Magen  zuirliglich  sein  werden.  Könnte  man  einen  sol- 
chen Schlafs  wagen,  so  mfifste  man  alle  die  als  achSitlich  verwer- 
fen, welche  im  Frühjahr  oder  im  Sommer  leicht  ia  Gährnng  fiber- 
gehen,  nnd  nnr  durch  die  Gewalt  der  aehwefeligen  SSnre  von  die- 
aem  Gährnngaproxeaae  absnfaalten  sind.  Die  Erfahrung  lehret  aber, 
dafa  manche  atdeber  Weine,  m  welchen  man  mehre  Italilnische, 
Spanische  und  FransÖaiache  reebnen  kann,  den  achwachen  Magen 
gerade  am  zotrSglicbaten  sind ;  wahrscheinlich  weil  der  Früblings- 
nnd  Sommergtiirnngaprosefa ,  den  die  Wein«  im  Keller  untei^heo, 
von  dem  Gab  rang*  proxesae  im  Magen  sehr  verschieden  ist. 

Ich  habe   so  eben  vom  Tavellewein  gesprochen;   dies  Ist  ge- 


*)  Die  PrenrtUcbeD  fanhcn  Elngingirechtc  vcrtbenern  jeiil  dea  TavelUwiin  lo 
lebr,  dsri  ihn  wnl  kcio  Weiobüadlcr  ncbr  tur  VeradlDog  dti  grmeinaa  Rhein- 
Ueicbcr«  ««brapfhea  «ird.  i 


-  sw  — 

nie  flJB  •«rfcher,  d«r,  wwib  iirt  Priibjahr  und  SwnmM-  Mictil  geiiM 
anfgamerkt  und  er  mit  ScbureM  goirihijiggt  wird,  kiekt  m  nare 
Gahrnng  übergehet ;  und  doch  ist  dieger  Weia  den  mr  SHnre  ge- 
neigten Magen  aehr  anlrl^licfa.  Er  wird  aber  kbifig  von  den  Weii^ 
kAndlern  mit  geaieinem  rothen  Weibe  remiicht,  wo  er  dann  eine 
mehr  edcr  minder  dimkelrotfae  Farbe  bekommt.  UoTennisefat  hat 
er  eine  gani  hsllrethe,  die  nickt  dnakler  aeia  darf  ala  die  de«  re- 
tben  brausenden  Cbunpagnen. 

Boardeauxwein  ist  nacfa  ein  s^  geie«  GetrAnk  Tür  aSifreer- 
lengende  Magen,  nur  Sobade«  dafi  £e  MeaecbeR  ihn  gar  zn  wefal- 
feil  baben  wollen,  und  die  Weinfaändler,  die  doch  die  hoben  Ein- 
gaegsrechte  davon  bezafalee  müsies,  m  allerlei  Minbungen  twIb- 
gea ,  die  dem  Magen  uoht  immer  wohltbnn.  Ciott  mag  wisaen, 
welche  Mitchangen  hent  zn  Tilge  für  Bonrdeauxweln  rerkaoft  vnf 
den,  meistens  wol  geringe  rotbe  Rheinweine  mit  tvokKeilen  Spa- 
nisehee  veiacbnitten.  Die  WeinMlodler  sind  in  der  Kunst  eu  mi- 
schen so  weit  gekoinmm^,  dah  sie  den  Lernen  ordentlich  den  Ge- 
sehmnok  rerhexet  baben.  Man  setze  den  meisten  MenscheD,  die 
aa  die  weinblndlerischen  Mixturen  gewöhnt  sind',  einen  reinen 
Beurdeanx  vor,  so  werden  sie  sagen,  das  sei  schlechter  Wehi. 

Anch  Portwein  wird  von  sSnreerzei^endenMBgtDgnt  rertragea, 
wenn  er  rein  ist  nnd  nicht  gar  an  starken  Zusatz  Toa  Branntwein 
bat;  aber  leider  wird  aueh  dieser  treffliebe  Wein  von  den  Wein- 
ItAndlean  im  eigentliohen  Sinne  gebranet  luid  der  Branntwein  ni«fc( 
dabei  vergessen. 

Von  nnserm  Rheinwein,  Moselweinen  nnd  den  mit  ihnen  ver- 
wanrlien  nnd  vemachbsrten  GewKchaen  weifs  ich  wenig  am  Er-  ' 
fahning  zn  sagen.  Die  besseren  Sorten  sind  zir  ihener,  als  dafs 
man  sie  Leuten  von  mAiatgem  Einkommen  zum  tflgHcben  Gebran- 
cbe  raihen  könnte,  und  die  getaeinen  bekommen  den  zur  SSure 
geneigten  Magen  nicht  sondeiHeh.  Von  den  Milielih euren  scheint 
mir  ein  guter  Steger  neeh  der  beste  zu  sein;  der  enrhält  wenig 
Sfture  und  macirt  auch  nicht  lerclit  Siave,  voran sges er zt ,  dafs  er 
nicht  weinhindterizcfa  rermiaehi  ist.  Der  Asmannshttascr  roih» Rhein- 
wein ist  zwar  den  zur  SKnre  Geneigten  nicht  abznrathen,  aber  wet 
deaenr  welche'  mit  HHmorrfaoiden  geplagt  sind,  dorn  er  treibt  «Ke- 
se  offenbar.  Uebrigens  wird  unter  dem  Xamen  von  Annannshtlu- 
ser  Ttel  vericaaft,  was  diesen  Namen  nicht  verdient. 

Da  an  derNabe  wachsende  weifse  Wein  bekommt  sohtvachen, 
zur  S&ure  geneigten  Eingeweiden  recht  gnt.  Er  hat  keinen  vor- 
waltenden Geruch,  eb^  einen  angenehmen  und  weit  milderen  Ge- 
schmack als  der  Rheinwein.  Gerade  weil  er  keinen  vorwaltenden 
Geruch  hat,  ist  er  den  Weiohüadlern  sehr  dienlich  ^  indem  sie  ihm 
nSmlich,  durch  einen  Kusatz  von  Rheinwein  Geruch  geben,  kön- 
nen sie  ans    ihm    alle  llheinweinsorien  bereiten.     Freilich  in  dem 


Rhein« einlan<l«  atthu  wardeo  di«  Weintrinkpr  etneifolche  Mischnng 
nicht  far  ecliien  Rheinwein  hiDRehmen,  aber  hier,  Km  Xiederrbein 
yn4  in    dem  nhri^n  Denuchlamle  iit  man  Bchoii  damit  zufrieden. 

Von  den  Speisen  will  ich  nur  kflnlich  die  berühren,  die  wol 
in  gani  Uentschiand  bekannt  sind. 

KTiben,  iMöhren,  Pastinaken,  Kohlrflben,  die  WarMin  der  Pe- 
lersiite  nnd  Seilen  (vielleicht  auch  andere  mekeranige  Wurzeln, 
wnrGlter  ich  aber  nicht  nach  Erfahrong  sprechen  kann),  Spinal  nnd 
Blumenkohl  ninehen  leicht.  Magensfiure.  Begreiflich  ist  aber  die 
eine  Spehe  in  dieser  Hinsicht  lehftdlicher  ala  die  andre.  So  tln- 
ren  Hüben  leichter  im  Magen  aJ»  Mdhren.  ^in  zn  SHorang  ge- 
neigter Magen,  der  «ich  blofs  mit  Kartoffeln  lüttigen  will,  wird 
■leb  ancb  Ai«h(  tonderlich  gnt  dabei  be6nd«n;  all  Znapeite  bei 
andern  Gemüsen  werden  die  Kartoffeln  besser  reriragen.  Trockne 
ErbsMi  and  neifse  oder  branne  Bohnen  taugen  auch  nicht  Ticl; 
minder  übel  sind  Linien.  Geschmolzene  Bniter  als  Brfih  bei  Kar- 
tofTeln,  Fischen  n.  s.  w.  mnfs  ganz  vermieden  werden. 

Besser  werden  folgende  Speisen  vertragen : 

Branner  nnd  gräner  Kohl,  Weifskrant,  grüner  nnd  weifser 
Wirsing,  ^fme  Zacker-  and  Pellerbsen  (letzte  nicht  zd  reif),  gro- 
fse  Bohnen  f9icia  faba),  Sanerkraat,  Vhesbohnen  frisch  nnd  eio- 
geinacbt,  Salalbohnen,  Spargel)  Salat  (Lnttig,  Andivie),  Melonen, 
gelbe  und  weifse.  Vom  Obiia :  saftige  Kirschen,  Erdbeeren,  Hei* 
delbeeren,  die  verschiedenen  Sorten  feiner  Pflaumen,  Pfirsige,  Apri- 
kosen. Uebler  werden  vertragen  Aepfel  and  die  gerneinan  Sorten 
tusaminenziehender,  Oder  nebli<^ter  Sommer*,  Herbst-  nnd  Win« 
rerbirnen. 

In  Betreff  des  Fleisches  bemerke  ich ,  dafs  alle  Arten  von 
Fleisch  gnt  vertragen  werden.  Ist  es  aber  sehr  fett,  oder  wird  es 
fett  mit  Butler  gebraten,  so  stört  es  die  Verdannng  nnd  macht  SBd- 
re.  Daher  bekommen  den  nr  Sfturang  Geneigten  Sefanepfen  nnd 
Krammetsvdgel,  die  in  einem  Topfe  mit  Butter  gebraten  sind,  zu- 
weilen sehr  übel,  sind  sie  aber  am  Spiefse  vorsichtig  gebraten,  so 
bekommen  sie  ihnen  besser.  Hühner  und  Tmibühner,  die  wif  die 
Weise  der  KnnstkSche  beim  Braten  mit  grofsen  Schalen  Speck  nm- 
wunden  werden,  urn  sie  weifs  sn  erhalten,  bekommen  den  znr  SSu- 
rnng  Geneigten,  wegen  des  gebratenen  Speckes,  übel,  iodefs  ihnen 
die  «nbünstlich  gebratenen  gnt  bekommea.  Ueberbaupt  ist  das  Br»' 
ten  mit  Speck ,  welches  besonders  die  KScbe  vornehmer  Herren 
treiben,  eine  unkeneehe  Kocherei>  Wer  dodi  Speak  essen  will, 
der  esae  Speck;  wer  aber  Hahner  oder  Truthühner  essen  will,  dem 
gebe  man  sie  ungefSischl.  *  Der  Geschmack  des  Speckes  waltet  Ja 
in  allen  Braten  vor;  es  gebort  ein  wahtbaft  bäariseber  Geschmaolr 
dntin,  so  etwas  angenehm  zu  finden. 

Vom  Sobweinefldneh  Ist  «ine  gatti  venehiedeite  Meinung  wo- 


—    SM    — 

l»r  den  Aer/t«n.  Salem,  in  dem  Biieba  ¥on  Euchymie  nnd  Ka- 
icouhymi« ,  lobet  «■  sehr,  im  xneiten  Bnchc  seiner  Heiiknnst  rSth 
er  einem  nn  der  Fallsucht  leidenden  jungen  Menschen,  er  solle 
das  Fleisch  aller  vierfufsigen  Thiere  meiden,  nur  Schweinefüfse 
dürre  er  essen.  Die  meisten  Aenie  sind  aber  wol  der  Meinung^ 
dafa  es  schwerer  su  verdauen  sei  als  das  Fleisch  anderer  Thiere. 

Die  künstliche  Küche,  die  alles  nnlereinnnder  mischt,  die  mil 
THiffeln,  Champignons,  Morcheln,  Rocnmbole,  Schallorien,  Spani- 
schem Pfefi'er,  Knoblauch  und  allerlei  JGewünten  wundervoll  schal- 
ret,  kann  sich  nimmer  mil  einem  zur  Säumng  geneigten  Magen 
berrenoden;  der  mt^  ganz  einfache  Kost  geniefsen ,  je  einfacher 
je  besser. 

Fische  vertragen  etliche  zur  SKare  Geneigte  recht  gut,  andr* 
nicht;  der  Unlerschied  liegt  vielleicht  nicht  sowol  in  den  Fischen 
selbal,  als  in  der  Znihat,  in  der  Butter,  in  den  Gewüraen,  in  des 
Zwiebeln,  auch  in  den  Kartoffeln,  welche  Manche  zum  Ueberna- 
fse  mit  den  Fischen  essen.  Am  gesundesten  ist  wol  der  hollindi« 
sehe  Wasserfisch.  Ich  erinnere  mich  noch  aas  meiner  Knabenzeit, 
wenn  die  Holländer  sollten  lächerlich  gemacht  werden,  so  wurde 
angeführt,  dafs  sie  den  Fisch  blofs  mit  Wasser,  Salz  und  Peter- 
silie gekocht  ohne  weitere  Zuthat  afsen  und  dazn  von  einem  Bnt- 
terbrote  bissen.  Seit  ich  aber  diese  belieble  Wassarsode  SelbM 
gegessen,   finde  ich  sie  weil  besser  als  alle  andre  Fischgerichte. 

Den  zur  Säura  Geneif^len  ist  gesfinertea  Brot  nicht  sulrHglicb. 
Ich  kann  aber  blofs  atis  Erfahrung  über  das  gesäuerte  Roggenbrot 
sprechen,  welches  hier  gegessen  wird  und  eine  schlechte  .\bart  de« 
wesiphäli«chen  Schwarzbrotes  ist.  Weizenbrot  nnd  mit  Hefen  bereite- 
tes ungesäuertes  Roggenbrot,  oder  eine  Mischung  von  Roggen  und 
Weisen  ist  solchen  Menschen  zuträglich.  Torten  und  anderes  Back- 
werk mfisscn  sie  ganz  lueiflen. 

Milch  stehet  bei  manchen  Aerzien  in  üblem  Rufe,  abergenifs 
salt  Unrecht.  Wenn  man  jemand ,  dessen  ganzer  Darmkanal  voll 
SSiira  steckt,  blofs  Milch  geben  wollte,  so  würde  er  sie  vielleicht 
Übel  vertragen.  Tilget  man  ihm  aber  die  Säore  durch  neutralisi- 
rende  Mittel,  so  ist,  beim  Gebrauche  dieser  Arteneien,  Milch  daa 
beste  Xahrungsmill«!  und  das  beste  Getränk.  Ja,  ich  bin  schon 
•inmahl  in  dem  Falle  gewesen ,  dafs  ich  aufser  Milch  kein  ande- 
res Nahrangsm iiiel  reichen  durfte,  weil  aufser  der  Milch  alles  aus- 
g«brochen  wtirde.  Wunderlich  ist  es  indefs,  da(s  es  einzelne  Men- 
schen gibt,  sribst  unter  den  Landleuten,  die  einen  Absehen  vor 
»ihr  Milcfa  haben;  auch  haben  mir  einige,  jedoch  sehr  wenige, 
versichert,  dafs  ihnen  die  Milch  Dnrchfnll  errege.  Solchan  Mea- 
scben  kann  man  sie  freilich  nicht  wol  anraihen. 

Brei  von  Milch  und  Weizenmehl,  den  Bauern  nnd  Bürger  zu- 
weilen ganiefscn,  ist  nicbt  blofii  den  mr  Slare  Geneigten,  sondern 


Gberhanpt  Rllen  mit  AbdomiDalIei4e&  BchafMen  seUdlich;  d«D 
GruiKt  dHvon  kann  ich  freilicb  bestinHnl  nicht  angeben,  die  Erfah- 
rang  hat  es  mich  aber  xnr  Genüge  gelehret.*) 

Bnirermilch  und  Suppe  ron  Balteriuilch  ist  ebeDfalU  den  sni 
SSiire  Geneigten  schidlieb. 

Das  ist  mm  so  das  Hatiptsfichllchste,  was  ich ,  in  Beireff  der 
DiSt,  nach  meiner  Crfahraog  xu  sagen  weifB.  Manches  pafst  auch 
auf  akule  gastrische  Fieber.  Wenn  man  hier  die  Nentralisirme- 
ihode  anwenden  will,  so  miifs  man  aber  nicht  blofs  gKhrende  Sub- 
Bianxen,  sondern  die  SSuren  selbst  meiden,  denn  sonst  würde  man 
wol,  Blatt  Fortschrille  zur  Heilung  la  machen^  auf  Einem  Flecke 
sieben  bleiben.  Wenn  gleich,  wie  ich  oben^sagt,  der  anballen- 
de Gehraach  der  Fleiacbsnppe  bei  chronischer  Neigung  liir  Sänre 
wenig  culräglich  ist,  so  kann  man  sie  doch  den  am  gastrischeD 
Fieber  Leidenden  kühn  reichen,  wenn  man  nnr  Kalbfleisch -Suppe 
meidet,  weil  diese  Torzüglich  leicht  in  saure  Gihrung  übergehet  und 
in  erregbaren  Dirmen  Durchfall  veranlafst.  .Uebrigeos  kann  man 
es  den  Menschen  nicht  tu  oft  einschärfen,  dafa  sie  dem  Kranken 
TOr  allen  Dingen  keine  au  mfichiige  Fleischsuppe  reichen.  Milch 
mit  Weifabrot  ist  auch  ein  gutes  Essen  für  B^uchfieberkranke,  wie 
Milch  mit  drei  oder  vier  Theilea  Waieer  verdünnet  ihr  bestes  Ge- 
Irink.  *  Ueberhaupt  fordert  bei  der  Neutral  iiirmeihode  eine  dieser 
Heilart  angemessene  Diät  die  Heilung  unglaublich. 

Aeraie,  welche  die  Ausleerungsmetbode  in  Anwendung  brin* 
gen,  können  den  Kranken  eine  gaoa  andre  DiSt  empfehlen,  sie 
können  sie  gfthrende  Speisen  und  aaure  GeirBoke  nehmen  lassen, 
dagegen  ist  nichts  einzuwenden.  Das  SchKdIiche,  welches  sie  ih- 
nen rathen,  oder  an  nehmen  erlauben,  schaffen  sie  ihnen  ja  mit 
ibreD  aosleerenden  Mitteln  auch  wieder  aus  dem  Bauche ;  milbio 
kann  es  keinen  bleibenden  schSdlichen  Einflnfs  auf  die  Krankheil 
Bufsern. 

Bei  der  gealörlen  Gallenabtonderang  und  sichtlich  bei  der  Gelb- 
sucht habe  ich  S8nren  sejir  schädlich  befunden,  so  selbst,  dafa  ein 
Fehler  der  Diät,  den  die  Kranken  in  dieser  Hinsicht  begingen,  zu- 
weilen in  Einem  Tage  die  gaie  Wirkung  eines  drei-  oder  vier* 
tägigen  Arzeneigehranches  aufhob;  dieses  habe  ich  nichl  EinmabI, 
sondern  oft  genug  erlebt,  nm  mich  roo  der  Wahrbeil  der  Sacba 
an  überzeugen.     Sollten  andre  Aerzte  in  gewissen 'Fällen  daa  G*- 

*}  Seit  tek  OM^t  reicbrieb»,  hit  nieb  alat  Fräs  !■  i«B  PiDkia  wait  gemacht 
Wetbankrat,  ^raab  da,  erMart  ciaa  Staida  Zeit,  üb  far  fabaekca  (■ 
wardea,  Waitsaabret  bisgaseD  iil  hnlg,  aobald  iu  UM  mW  der  Hilcb  or- 
iaatlicb  tiadel;  «lia  kaaa  da*  Hebi  aasiSglieb  gar,  loadars  nara  Tatt  rok 
Mio,  and  wird  wol  datkalb  baoebkraDkeB  Haaieban  ackleeht  bakonuieD.  ^ 
Waram,  erwiadart«  lob,  lll^t  maa  daas  dal  llebl  niebt  gir  kocbeBt  —  IMs 
AMwart  laaltt«  :     WsU  mw  ■•  kalaaa  Brri  bafcaaMS  wBH*.  iw\r 

-■■55  •  ---u^'^ 


ftemh^il  erfahren  tu  haben  behaupten,  to  glaube  ich  ihnen  aU 
wähl  haften  Münnern  nnd  wenle  in  der  Folge  auf  einem  achiokli- 
cheren  Piinkie  dieses  Werkei  unsere  anscheinend  widenprecfaei»- 
den  Erfahrungen  auf  eine  einfache  Weise  zn  einen  versuchen. 

Zum  Schliisse  über  diesen  Gegenstand  bemerke  ich  noch,  dafs 
die  Neignng  zu  Magen  -  und  DarmsfiureerzMigung  bei  Leuten,  wel- 
che nie  daran  gelitten,  durch  den  täglichen,  wenn  gleich  mflfsigen 
Gebrauch  eines  schlechten,  gährenden  und  halb  rerdarbenen  Wei- 
nes kann  geursacht  werden.  So  habe  ich  unter  andern  einen  ManD 
gekannt,  der,  ans  besonderer  Zuneigung  fnr  einen  solch  unnütsea 
Gesöff  verschenkei^M  Wirth,  alle  Abend  mSfsig  davon  trank,  aber 
nach  etlichen  Jahren  so  ungeheuer  an  Magen-  und  DarmsAure  lilt, 
dafa  ich  die  gröfste  Mühe  hatte,  ihn  wieder  in  Ordnung  zu  brin- 
gen. Diesen  Mann  hatte  ich  lange  vorher  gekannt,  er  litt  nie 
froher  an  SSnre,  hatte  diese  Meigung  also  wahrscheinlich  duroh 
den  lang  fortgesetilen  täglichen  Gebrauch  des  schlechten  Weines 
erworben.  Ich  sage,.  WHhrscfaeinllch,  denn  mit  Gewifsheit  Ittfiit  sich. 
dieses  doch  noch  nioht  behaupten.  Schon  Gatem  (  iL  Buch  von  den 
Temperatnenien)  ist  der  Meinung,  dalä  der  Magen  ein  der  in  ihi» 
|;ebraobten  Speise  ähnliches  Exkrement  erzeuge,  sobald  er  die  Spei- 
se nicht  zu  meistern  vermöge.  Auf  alle  Fllle  mSchte  es  klug  lein, 
dafs  sich  jeder  geaunde  Magen  vor  dam  tSglichan  Gebrauchs  solch 
saurer,  verdächtiger  Brühe  hüte. 

An/angende  Lähmung  in  den  Bauchganglien. 

fn  dem  ersten  Jahr«  meiner  Kunstübang,  wo  gastrische  Fia- 
ker berrsehten,  die  ich,  wie  ich  es  gelernt  halte,  durch  Ausleeren 
and  Auflfisen  m  heben  suchte,  trug  es  sich  in,  dafs  ich  xn  einer 
sechzi^ilbrigen  Fran  gernfen  wnrde,  die  seit  vier  Tagen  am  Gal- 
lenfieber  krank  lag.  Sie  klagte  unter  andern  über  sehr  biitereo 
Mund,  nnd  über  eine  grofse  Beängstigung,  deren  Siti  sie  mit  der 
Hand  knrs  nnter  dem  Zwerchfelle  im  Ejtigaairi»  beaeicimete.  Be- 
greiflich varen  es  nach  oben  turgeszirende  Sordes,  die  sddrgrofsA  ' 
Beängstigung  machten,  und  nichts  war  natürlicher,  als  dafs  ich  ein 
Breehmittel  reichte.  Das  Erbrechen  folgte  leicht,  allein,  obgleich 
Galle  htolSnglich  ausgeleeret  war,  so  blieb  doch  der  bittere  Mnad 
mtd  die  Be&egstignng ,  Ja  letzte  vermehrte  nach  dem  Brechen  so, 
dafs  die  Frau  in  ersticken  meinte  uod  bestfindig  aus  dem  Betts 
wollte;  zugleich  fing  der  Bauch- auch  an,  etwaS'Xu  schwellen.  Wer 
konoei  hier  die  nach  unten  targesKtrenden  Serdee  verkeBneaf  wer 
konnte  zweifeln,  dafs,  wenn  ich  dem  Brechmittel  ein  AbfBhmnge- 
luittel  folgen  liefs,  sich  dann  nicht  alles  znm  Besten  schicken  wür- 
4f|l  Aher  ea  wollt«  sich  leider  nicht  schickeo,  die  Frau  erlebte 
die  Wirkung  des.  Laxiemittels  nicht;  es.  erfolgte  Jlfe^eeräeiiM,  L6h- 


nung  dw  Schlund»!  nnd  dann  der  Tod.  DiMer  Fall,  wo  ich  si- 
cher war,  das  ßrschmitiel  nicht  «Hein  meh  nebliger  Aaseige  ge- 
geben zn  bähen,  sondern  wo  selbst  die  Zuftlle,  dnrcfa  welche  dos 
Brechmittel  aogeseiget  worda,  so  vorwalieiea,  dafs  sie-nmSglieh 
der  Einbildung  des  Arztes,  oder  der  der  kranken  Frsn  zugeachriebeD 
werden  konnten,  sondern  als  wirklich  in  dem  Körper  der  Kranken 
vorbanden  nnriienanerkaiMit  werden;  dieser  Fall  mit  seinem  nngliick- 
liehen  Ausgange  erregle  in  mir  allerlei  kelzerische  Gedanken.  Oh- 
ne daniabia  die  Biiaber  des  Paraeehv*  gelesen  xu  haben,  war  ich 
•eben,  mir  selbst  nnbewafst,  Paraeehitt,  denn  ich  fing  an  einxii- 
seben,  dafs  den  papierischen  Büchern  nicbt  zn  tränen 
«ei,  nnd  dafi  in  der  Scbriftalellerwelt  viel  ^eudouedici  mit 
letzter  Feder  gesehrieben.  In  der  Folge  begriff  ich,  dafs 
der  Zniiand,  gegen  welchen  ich  ein  Brechmittel  gegeben,  die  an- 
fangende Lähmung  in  den  Bauchganglien  gewesen,  daJa  man  mich 
also  im  Gründe  zu  einer  ■(.erbenden  Frau  gerureo.  Wenn  der  Tod 
den  menschlichen  Organismus  ergreift,  so  offenbart  sich  seine  Ge- 
walt voraogsweise  in  folgeadeo  Gebilden.  Im  Gehirn,  in  der  Spei- 
seröhre, in  den  Langen  (eine  beschwerliche  Art  des  Sterbens),  in 
den  Beuchganglien  (wahrscheinlich  In  dem  Pltxv  eoeliacoj,  in  den 
dünnen  Dfirmen  (ein  seliner  Fall,  ich  heobachleie  ihn  nur  Einmnhl 
bei  einem  achizigjshrigen  Manne;  Meteorümtu  und  Tenetmu»  wa- 
ren die  Zufdlle,  an  welchen  er  litt),  nnd  endlich  in  der  Blase- 
£ine  sdir  üble  Sache  ist  es,  dafs  manche  Krankheiten  eben  so 
anssehsn  als  jene  anfangende  tödiliche  Lühmung  In  den  angezeig- 
len  Organenj  was  ist  dabei  zn  thun  nnd  wie  kann  man  solche 
Zufälle  Ton  dem  Beginnen  des  Sterbens  unterscheiden  1  Ich  be- 
kenne, dafs  ich  es  nicht  weifa,  glaube  anch  nicht,  dafs  ein  ver- 
Mfindiger  Arzt  sich  dieses  Wissen  anmafsen  wird. 

Es  fragt  sich  jetzt,  ob  eine  anfangende  Lihranng  Im  P/exu 
Meliaeo  zn  heben  sei!  Ich  antworte  darauf :  tritt  eine  solche  Lflh- 
mnng  in  Sftäter  Zeit  der  akuten  Fieber,  den  vierzehnten,  sechzehn- 
ten Tag,  oder  noch  sp&ier  ein,  so  ist  sie  wo)  immer  tSdtlich;  sie 
iM  das  Sterben  seibsi.  In  FKlIen,  wo  sie  den  zweiten,  drillen, 
oder  vierten  Tag  eintrfite,  würde  sie  nnr  dann  heilbar  sein,  wenn 
MMi  gleich  beim  ersten  Entstehen  Hülfe  leisten  ktnnle;  wenn  sie 
aJ»er  schon  mehre  Standen  gewihret,  so  zweifle  ich,  ob  sie  noch 
zu  beseitigen  sein  wird.  Folgender  Fall  scheint  mir  merkwfirdig 
■nd  belehrend  geong,  um  ihn  den  Lesern  niitzulheilen. 

Im  J^re  1816  wurde  eine  vientigjtihrige,  nnfrnchlbare  Frau, 
wel^ie  vi«^  im  Muiterblutfiutsen  gelitten,  auf  welche  Schfidlicbkei- 
ten  man^etiei  Art  seit  mehren  Jahren  eiogestOrmt,  von  dem  dn- 
maMs  berrscheoden  Gallenfid>er  ganz  mSfslg  ergriffen.  Da  sie  et- 
was iKtleren  Geschmack  klagte,  und  überhaupt  zu  jener  Zeit  saure 
Mefaflrfe  im  Darmkanale  mnfitt  berücksichtiget  werden,  so  gab  ich 


—    890    - 

Ihr  eine  Anflftiung  von  kohleaHurBmAnunininm  miiTraganffa.  Du 
gansEe  Befinden  wurde  beaaer,  die  Bitterkeit  des  Mundes  war  am 
dritten  Tage  schon  ganz  beseitiget,  so  dela  ich  den  folgenden  Tag 
ihr  blofs  Krähenaugentinktur  geben  wollte.  Es  geschah  aber  ganx 
anders  als  ich  und  die  Kranke  vermniheien.  Am  vierten  wurde 
ich  eilig  zu  ihr  gemfen  und  fand  alle  Zufälle,  welche  eine  an- 
fangende Lähmung  in  dem  Baucbganglieosyateme  bezeichnen.  Sie 
hatte  eine  fSrcbterliche  Beängstigung,  deren  Sitz  sie  in  dem  Epi- 
gattrio  angab.  Der  kalte  Schweifii  träufle  ihr  vom  Gesiebte,  der 
Ausdruck  ihrer  Mienen  war  wi»  der  einer  Sterbenden,  nnd  ihr 
tonst  sehr  lebendiges  Auge  sah  aiM ;  als  nb  es  erlöschen  wollte. 
Die  Beängstigung  meb  sie  aus  dem  Bette,  aber  di«  Kräfte  ver- 
tagten ihr.  Der  Puls,  der  vor  diesem  Zufalle  hinsichlltch  seiner 
Geschwindigkeit  scbon  fast  normal  gewesen,  war  klein  und  schndl, 
ohne  jedoch  aussetzend  zu  sein. 

Da  ich  jeut  klüger  war  als  im  ersten  Jahre  meiner  Praxis, 
so  gab  ich  kein  Brechmittel ,  sondern  liefs  elliclie  Unzen  Schwe- 
feläther  holen  und  reichte  dor  Kranken  davon  einen  guten  Gufs  in 
einer  Tasse  Wasser,  Diese  Arzcnei  ihat  herrliche  Wirkung,  die 
Beängstigung  liefs  nach  und  die  Kranke  fiel  in  Schlaf.  Aber  nach 
einer  halben  Stunde  erwachte  sie  wieder  mit  grofser  Belingstigung. 
Ich  ging  ihr  aufs  neue  mit  dem  Aelher  zu  Leibe,  die  Befingiti- 
gnng  wurde  wieder  besser  und  es  erfulgte  wieder  Sdilaf.  So  ging 
es  nun  abwechselnd  fort;  der  Kampf  der  Heilknnst  mit  dem  Tode 
währte  bei  acht  und  vierzig  Stunden,  jedoch  so,  dafs  in  dieser 
Zeit  die  Kunst  immer  mehr  im  Vortheile  und  dar  Tod  immer  mehr 
im  Verluste  war,  denn  die  Zeilen,  wo  auf  reichliche  Gaben  Ae- 
lher Ruhe  erfolgt«,  wurden  immer  länger  und  länger,  mithin  ka- 
men die  Anfälle  von  Beängstigung  seliener,  und  wie  nun  das  Ue- 
bel  in  dieser  Hinsicht  bis  auf  einen  gewissen  Grad  überwunden 
war,  so  wurde  auch  die  seltner  kommende  Beängstigung  in  sieb 
■elbu  milder,  bis  nach  ungefähr  acbtundvierzig  Stunden  dieser 
Kampf  zum  Vonheile  der  Kranken  ausgekämpft  war. 

Aber,  werthe  Leser!  welche  Spuren,  welche  unvertilgbare  Spu- 
ren liefs  der  künallioh  bekämpfte  Tod  in  diesem  Körper  zOriicki 
Dafs  auf  solchen  Slrauls  grofse  Sohwä<^e  folgte,  das  fand  ich  sehr 
natüi'Iicb ;  aber  wie  konnte  ich  ahnen  *  dafs  diese  Schwäche  so 
bleibend,  so  allen  Mitteln  widerstehend  sein  werde!  AnfSngUcb 
war  das  Gefühl  der  Sinneswerkzeuge  sehr  gesteigert,  besonders 
das  dos  Ohres,  \ieniand  konnte  in  dem  Zimmer  der  Kranken  ei- 
nem Andern  auf  das  leiseste  etwas  zoflfistera,  oder  sie  verstand 
alles  wSnlich  und  deutlich.  Nachdem  diese  Aufregung  etwas  nach* 
liefs  und  sich  nun  Lust  mm  Essen  and  Schlaf  einstellte,  da  «r* 
wartete  ich,  die  ganz  daniederliegende  Muskelkraft  sollte  ait^  auch 
wieder  trinfinden :  nber  ich  h(tl>fl  wahrlich  lange  darauf  warten  m^s- 


—    Ml    — 

•Mi,  und  mihat  gcffirobtet,  iah  die  Krank*  ihren  KSrpAr  nie  wie- 
der ordentlich  würde  bewegen  können.  Sie  lag  i.  B.  im  Betie, 
nolerhieh  sich  mit  einem  Bekannten  und  ptanderte  wie  eine  EUlcr; 
aber  aofrichtcD  konnte  «ie  «ich  nichl  im  Bette.  Dafa  keine  eigent- 
liche Lftbmnng  der  Muskeln  da  war,  davon  übeneugte  ich  mich 
woli  sie  kannte  alle  Bewegungen  mit  ihieu  Gliedern  machen,  al- 
lein es  fehlte  den  Muskeln  an  Krart,  denen  Verrichtimgen  vorzu- 
stehen, SD  welchen  sie  die  Natur  besliiamet.  So  konnte  sie  z.  B. 
die  FüJse,  liegend  in  allen  Ktchiungen  bewegen,  aber  diese  Füfia 
waren  nicht  im  Stande,  den  Kampf  su  (ragen.  Knrsum,  es  hat 
über  zwei  Monate  gewährt,  ehe  sie  wieder  gehen  konnte.  Uudie 
Arme  eher  als  die  Füfie  was  su  KrSfien  kniAen,  dafi  sie  Krückou 
bandhabeo  konnte,  so  bat  sie  mit  diesen  das  Gehen  gelernt.  Je- 
doch machte  sich  das  Krücken  anfangs  auch  sehr  gebrechlich,  es 
muisle  bei  dieser  Hebung  allezeit  jeiiiuDr)  in  Bereitschaft  stehen, 
der  im  Nothfalle  Hand  anlegen  und  dem  Slüraen  vorkommen  konule. 

Zwei  Jahre  nachher  wollte  sie  einst  mit  meiner  Frau  ausfuh- 
ren; ich  führte  sie  xnm  Wagen,  aber  sie  hHlle  noch  so  wenig  Ge- 
walt in  ihren  Muskeln,  dafs,  obgleich  der  Tritt  des  Wagens  guns 
gemächlich  war,  ich  sie,  im  eigentlichen  Kinne,  in  den  Wagen 
beben  mufsie,  Sie  bat  noch  fünf  Jahre  nachher  gelebt  und  ist 
dann  an  einer  Krankheit  gestorben,  deren  Beschreibung  für  den 
Leser  kein  Intresse  haben  wurde.  Ueheihaupt  wnr  ibr  Körpec 
durch  feindliche  Einwirkungeti  mancheilei  Art  verschlissen ,  und 
das  beschriebene  Abenteuer  wird  auch  wol  das  Seinige  beigetra- 
gen haben ,  den  vorfrühen  Verfall  des  Organismus  sa  beschlea- 
ntgen. 

Ich  habe  zuweilen  gebSrt,  dafs  Aersie  sich  rfihmlen,  diesen 
«der  jenen  vom  Tode  gerettet  zu  haben.  Das  ist  eine  harte  llede, 
die  mir  ninmer  got  gefallen  hat.  Seil  ich  aber  den  beschriebenen 
Fall  erlebt,  will  mir  die  antlicba  Tode^reiierei  gar  nicht  meh^  in 
den  Kopf.  Abgesehen  davon,  daft  ich  nicht  einmahl  In  dem  er- 
sfthlten  Falle  mit  Gewifsheit  behaupten  kann,  die  Frau  vom  Tode 
gerettet  so  bähen,  denn  sie  wSre  vielleicht  auch  ohne  irzilich« 
Hälfe  am  Leben  geblieben;  und  angenommen,  dafs  ich  sie  wirk- 
lich errettet  (welches  mir  auch  wahrscheinlich  ist):  so  beweiset 
doch  gerade  diosM  Fallt  dafs  der  Tod,  wenn  er  jemand  wirklich 
Bof  den  Fersen  gesessen,  gar  üble  Spuren  suriieklgfst ,  und  data 
nun  Dtehi  so  gar  eilig  sein  dürfe,  zu  behaupten,  man  habe  glfiok- 
licb  einen  Kampf  jnit  dem  Könige  der  Strecken  beslandMi. 

Jlent  von  Barmverengung. 

In  diesem  ersten  Abschnitte  des  dritten  Kapitds»  welchen  lA 
im  Jahre  1839  gesohrieben,   habe  ick   den  Fall  eines  Il^m,   der 


Folge  eiofr  verMohJUiiwgtui  KoihMik  war,  enfibll,  uad  bui  dw 
Gelegeoheit  von  dem  metalliichsD  Uuecksilber  gesprochen,  wel- 
ch« iett  aber  In  jeoein  Falle,  weil  ich  auf  den  eraieii  Griff  and^ 
re  Hülfe  fand,  nicht  bedurft.  Jetxt,  im  Jahce  1838,  bin  ich  end- 
lich auf  einen  Fall  gestofsen,  der  mich  xur  Anweaduag  den  m»< 
taltiachen  Quecktilbers  nothigle.  Da  derselbe  keineaweges  ein  aku- 
ter, londern  vielmehr  ein  cfaroniachei  war  (der  sechxijgährige 
Mann  hat  iwei  Monate  daran  gelilten  und  iit  dann  gani  enchBpfl 
generben):  so  würde  eine  läge  bücherliche  Erzählung  den  Leaet 
wenig  unterballen;  ich  will  alto  blob  das  Merkwürdigste  davon 
mittheil  eo. 

Die  vorwaltenden  Zufälle  de«  Heu»  waren:  Verstopfung,  Koih- 
brecheo,  beständiges  Schluchzen,  stark  aussetnender >  nngeregeliM 
Pull,  und  Schlaflosigkeit.  Bauchschmerzen  waren  nicht  vorhanden, 
auch  der  Bauch  nicht  empfindlich  fSr  die  Belastung.  —  N'aohdein 
ich  andere  Hülfen  vergebens  versucht,  liefs  ich  ein  halbes  Pfnad 
Quecksilber  verschlacken ;  dieses  bewirkte  aber  nicht  eine  baldige 
Oeffnung,  sonderp  nachdem  ich  mit  Einreiben  und  KIjsliren  nach- 
geholfen ,  erfolgte  erst  am  dritten  Tage  auf  ein  Klystir  die  erst« 
sehr  mäfsige  Entleerung  von  flünBigera  Darmkolh  mit  untermisch- 
ten Koibbrocken;  aber  keine  Spur  des  verschluckten  Quculcailbers 
war  in  dem  Entleerten  su  erkennen-  In  den  folgenden  fünf  Ta- 
gen, wo  ich  täglich  durch  Klysiire  Oeffnung  bewirken  liefs  (von 
felbst  kam  sie  nicht)  ging  dergrSfaere  Theil  des  Quecksilbers  all- 
mäblig  von  dem  Kranken. 

Ich  habe  mich  nun  sinnlich  überzeugt,  wie  in  diesem  Körper 
das  Quecksilber  (ganz  gegen  seine  Natur)  den  aufsteigenden  Grimm- 
darm erl^lomtnen.  Vermittelst  des  Darmschleimea  war  es  nämlich 
in  ganz  kleine  Perlghen  sertheilf,  und  diese  waren  in  die  äufsera 
fläche  der  Kqibbrookea  eingedrückt-  Einst  zeigte  mir  die  Frau 
des  Hrfinken  einen  zinnernen  \achttopf,  dessen  Boden  gana  mit 
Quecksitberpericheo  hasäet  war;  ne^le  man  dieses  Geschirr  »o, 
dafs  der  Boden  senkrecht  stand,  so  blieben  dennoch  die  QoMk- 
•ilberper loben  daran  hangen,  ein  Beweis  dafs  das  aertheilte  Queck- 
silber durch  den  Darmacbleiin  auch  seine  Liufigkeit  verlaien  hat- 
te. Die  Frau  scftied  auf  mein  Ejsnchen  durch  Zugie&en  von  Was' 
ler  das  Quecksilber  von  dem  Ketb  und  Schleim;  so  bald  es  gut 
abgewaschen  war,  liefen  die  Pericken  uieder  in  Eine  Masse  n- 
sauimen.  Die  Frau  hat  auf  die  Weise  allm&hlig  drei  Unsen  und 
sechs  Drachmen  ausgeschieden ;  ob  das  Uehiige  in  Darmkanale 
geblieben,  oder  Terschülfet  ist,  kann  ich  nicht  sagen. 

Nachdem  nun  die  Oeffnung  dar  Darmeng«  bewirkt  war,  hSrte 
zwar  das  Brechen  auf,  das  Schluchzen,  der  ungeregelte  Puls,  die 
ftchlaflnigkeit  blieben  aber,  wiawol  das  Schlucbian  nach  angeführ 
virrseba  Tagen  bedeutend   nachHefc.     Nicht  Uofs  Mangel  an  VSt,' 


imtt  — »Jm»  flia  wirklMber  Witfcrwillw  gag«n  alle  N«hrnagiwi|> 
ul,  Mcht»  die  EraHbmng  des  ersdöpften  Kraakee  sehr  scbwie- 
tig.  Da  aüefa  die  &bhniBg  schon  llog«  gelplvl,  d«£i  man  9  ans 
eraclidpfte  KSrper  dnrcli  Milch  an  besten  ernibrt,  so  liefs  iok 
■ba  Milcb  iriDkcn;  des  ging  aber  aefar  ■BTolikomtnen ,  die  Qiian- 
liih,  die  er  Dah«,  war  a»  klein,  dafa  der  faeabsichligte  Zveok  nn- 
■iSglieb  dednreh  konnte  erreicht  werden. 

Der  Gedanke ,  darcb  den  Teretchtigeo  Gebranch  einet  Laxir* 
■HiieU  den  Daminbalt  fleuig  oder  dünnbreiig  su  erbeten,  daaiil 
die  Dameng»  lieh  nicht  aufa  nene  rettlopfen  mScbie,  war  gam 
onnQsfäbrbar ;  denn  wenn  gleich  der  Magen  nicht  ao  reizbar  war, 
dnreb  IMiteb,  oder  ein  wenig  Ziviaback,  oder  ein  wenig  dtinn« 
Fleischbröhe  kd»  Erbrecbcn  gereist  sa  werden,  so  rerlrng  er  doch 
kein  Lavirmitiel,  die  geringste  Gabe  machte  gleich  Erbfeeben,  wo- 
durch aber  nicht,  wie  früher,  Dnrmkoib,  sondern  die  wenigen  im 
Hagen  befindlieben  Xahrungsmiliel  entleeret  wurden.  Ich  war  al- 
10,  um  der  abeniiahligen  Verstopfung  der  Dannenge  veraubengen, 
etnsig  anf  Klysiire  bescbrinki.  Ein  gewShnliches  iwwirkte  rHglidi 
Oeffnang,  die  verbKlilich  n  der  wenigen  genosienen  Nahrung, 
reichlich  an  nennen  war. 

Da  nun  aber  der  Kranke,  der  von  Natar  wol  viwaa  eigensii». 
irig  sebi  Mochte  (ich  habe  ihn  friiher  >o  genau  nicht  gekannt)  mit 
der  Ahaabme  sehier  Kräfte  immer  widpihoariger  und  sperriger  wur- 
de, weigerte  er  einst  drei  Tage  lang,  sich  klystiran  an  lassen,  nnd 
da  er  es  am  vierten  auf  instfindiges  Bilten  seiner  Frau  erlaubte, 
wies  sich  aus,  dafs  die  Üarniesge  wieder  verstopft  war.  Ich  rieth 
jatzl  gleich  zam  Qnecksilber,  denn  wenn  ich  nach  die  Krankheit 
für  eine  tödtliche  hielt,  so  glaubte  ich  doch,  dnreh  Anwendung  des 
Queclutlbers  dem  Koibbrechen  vorbeugen  in  kSnnen.  Der  eigeii- 
ainnige  Mnnn  zauderte  aber  drei  Tage,  nnn  erschien  wieder  das 
Erhreehen,  und,  was  wohl  su  bemerken  Ist,  bei  dem  ersten  Erbre- 
(dwn  wnrde  blofa  dunkelgelber  stinkender  Darmkoth  entleert.  Da 
dieses  dem  Kranken  selbst  sehr  ekelhaft  war,  verscbhiokte  er  gnt- 
willig  ein  halbes  I^fand  Quecksilber.  Obsebon  ich  jetzt  mit  Bauch- 
einretbnngen  und  Kiratiren  nachhalf,  so  eifolgie  doch  keine  OeflT- 
nang,  sondern  den  fünrien  Tag  darauf  verlftsohle  das  Leben  die- 
aaa  ganz  erscIiSpften  KSrpers. 

Die  Leiefaenfiffnung  bitte  ich,  obgleich  die  Diagnose  beslimmt 
geong  geweseo,  gern  gemacht,  ich  begriff  aber,  dafs  sie  der  Wit- 
we, dar  Enge  des  Hauses  und  des  Geschäftes  wegen,  wav  darin 
getrieben  wurde,  sehr  hiitderlieh  sein  mShte,  (nig  also  nicht  darauf 
a».  Vehrigens  würde  die  LetcbenSffiiuttg  das  eigemiiehe  Rsthael, 
was  in  diesem  Falle  steckt,  wol  schwerlich  gelAset  baben.  Ich 
hatte  mir  ftfiber  immer  TOrgeslelll ,  Koibbrechen  könne  nicht  eni- 
•tehen,  oder  vorher  mOase  durch  Erbrechen  der  Inhalt  dea  Magens 


-    894    — 

tni  der  Speiaebrei  du  oberen  Theiles  des  Dannkaei^BS ,  rwiaic- 
leUt  eines  motu»  aMtiperiitallici  rückwärts  getrieben,  enileeri  «eio. 
Du  wird  sich  auch  wol  in  den  meisten  Fällen  so  macbcn,  dafi  w 
■ich  aber  nicht  in  allen  bo  macht,  beweiset  der  eriäbtte  Fall.  Da 
ich  elliohs  Tage  vor  Eracheinea  des  Erbrechens  to  dem  Kranken 
gerufen.hin,  wo  er  über  nichts,  als  über  Vollbeit  Im  Epigasirio, 
SohUf-  und  Appetitlosigkeit  klagte  and  über  einen  Geschmaek, 
den  er  einen  stinkenden  nannte^  so  weifs  leb  ganx  heatinint,  daft 
durch  das  erste  Erbrechen  schon  duokelgelber  Dartnkoifa  eolleert 
warde.  Xacbdein  der  Kranke  dwrch  dreitägiges  Verweigern  der 
Klystire  die  geöffnete  Oarnienge  sich  wieder  verstopfen  liels,  und 
■an  aufs  neue  das  Erbrechen  erschien,  wurde  abermabls  Bchon  beiu 
ersten  Erbrechen  duokelgelber  Koih  entleert.  Wie  iat  das  non 
itt  erklären!  —  Was  mich  betrifft,  so  kenne  ich  nicht  einraahl  die 
Bewegung  der  gesunden  Organe  in  dem  lebendigen  Mensobenleibe, 
also  halte  ich  mich  auch  niobt  für  befähiget,  über  die  Bewegna^ 
eines  abnormen  Organa  au  nrlheilen. 

Hinsicbilich  der  Art,  rtie  das  metallische  Qaecksilber  sein« 
angeblich  schnelle  Reise  durch  einen  nornialea  Damikanal  ninchi, 
besonders,  wie  es  (scheinbar  gegen  seine  Natur)  das  CWoa  atcen- 
dtm  hinaufklimmt,  hat  inicb  der  erzählte  Fall  nicht  int  miodeaten 
bielehrt.  Bei  einem  schnellen  Durchgänge  durch  den  Oarmkanal 
kann  es  ja  unmöglich  auf  die  von  mir  sinnlich  eriiaante  und  ba- 
ichriebeoe  Weise  seine  Läufigkeit  verlieren. 

Rtithielhafte   Baiichkrankheit,     die   durch   di«   Lti- 
chenSffnung  noch  räth»elkafter  wurde. 

Im. Sommer  des  Jahres  1S3S  wurde  ich  za  einem  Einwohner 
dieses  Städtobena  gerufen,  den  der  hier  wohnende  Wundarzt  «-ater 
Klasse,  Herr  Bumer^  schon  eine  geraume  Zeit  ärztlich  behandelt, 
aber  nichts  Erspriefsliches  aosgerichlet  hatte.  Mir  ging  es  um  kein 
Haar  beaaer;  ich  flickte  auch  ein  wenig  an  den  Mann;  er  wurde 
immer  schwächer,  immer  magerer,  und  starb  endlich,  ganz  zum 
Gerippe  ausgezehrt,  den  21sten  Juli. 

Chroniichea  Erbrechen  war  der  vorwaltende  krankhafte  Zufall. 
Die  Speisen  wurden  aber  nicht  gleich,  nachdem  sie  genoasen  wa- 
ren, ausgebrochen,  aondern  spfiter  zii  unbestimmter  Zeit,  oft  eine 
Stande,  oft  einen  halben  Tag,  nach  dem  Essen,  ja  zuweilen  blieb 
das  Erbrechen,  auch  einen  ganzen  Tag  aus.  In  letztem  Falle  hat- 
te der  Kranke  ein  gani  ichmerzloaes  Gafnhl  des  VolUeina  in  d«r 
Oberbauchgegend,  welches  aber  verschwand,  sobald  durch  Erbre- 
cfarn  die  Speisen  ansgeworfea  waren. 

Uebrigens  hatte  er  weder  Krämpfe  noch  Schmerua  im  Bauche, 
auch  war  der  Bauch  schmerzlos  beim  Belastenj  nirgend  Auftreihnng. 


—    M&    - 

•d*r  Terfclrtan;  zn  fSbleo.  Der  Kruke  klagte  Mmt  nlrbta,  «la  almr 
grofM«  Mattigkeit;  leio  Pub  war  nicht  beachleuoiget ,  aoMlern  so, 
tubig  und  rhyibmitch  ao  regelmiUiiig ,  wi«  der  des  gesuadeslea 
Heoschen.  Angeblicb  halle  bis  dahin  die  Leibesöffniing  durch  L»- 
iiirinittel  kSnnfa  erswnngen  werden,  und  das  durch  l<>brechen  Enl- 
lecrte  war  erkennbar  die  genossene  Speise  gewesen,  auch  batle  di« 
Eblust  eine  geranne  Zeit  schon  gefehlt.  — 

Auf  meine  Frage,  ob  das  Ansgebro ebene  einca  beslinmieBt 
vorwaltenden  Geschmnek  habe,  antwortete  der  Kranke :  es  sei  sauer, 
•od  nm  ao  sanerer  je  länger  die  Speise  im  Magen  geblieben.  Da 
ich  nan  oft  genug  erfahren,  dais  chronisches  Erbrechen  einsig  von 
einer  AnaaniMiJaag  saurer  Stoffe  im  Darmkaniil  herrühren  käan«, 
■o  war  nichts  einfacher,  als  dafs  ich  vorläufig  diese  sinnlich  er- 
kennbare materielle  Schädlichkeit  zn  entfernen  snchie,  und  su  dem 
Ende,  weil  der  Mann  sehr  verstopft  war,  die  BittersaUerde  wähl- 
te. Ich  hoffte,  nach  Entfernung  der  SSure,  wenn  diese  auch  nidit 
^as  Erbrechen  geursachl,  werde  mir  die  Naiur  dieses  heimlichen 
Hebels  deutlicher  werden,  verschrieb  also  folgenden  Trank.  "SlMag- 
neiiae  u$iae  ^^  Magitt.  BUmuthi  gr  XV  V  |viii  MD.  S.  Stünd- 
lich umgescbüitelt  einen  Löffel  au  nehmen,  bis  ein  paarmahl  Oeff- 
nnng  erfolgt.  Der  Kranke  verschrie  die  ganze  Flasche  ohne  su 
erbrechen  und  eine  sweiie  zur  HUlfle,  da  erfolgte  eine  mehniiab- 
lige  Siuhlentleeriing  von  kohlschwarzem  Kotb.  Den  nfimlichen  Tag 
erbrach  er  sieb  wieder  und  zwar  ebenfalls  eine  kohlenschwarze 
Masse.  Dafs  dieses  schwarze  Zeug  nicht  verdorbenes  Blut  sei,  be- 
wies die  Geruchlos igkeit  desselben. 

Ich  will  die  Geduld  des  Lesers  nicht  durch  eine  ausrührlich« 
Erzählung  der  Fortschritte  der  Krankheit  erniSden,  denn  das  Be- 
nerkenswertbe  läfst  sich  kurz  sagen.  Ohne  Hinzutreten  neuer  2u- 
ftltc,  also  ohne  Sehmerz,  ohne  Krämpfe,  ohne  getei/.ten  Pols,  wnr- 
de  der  Mann  immer  schwächer,  weiterhin  scbläferig,  blieb  bei  vol- 
lem Verstände  und  verlor  die  Hoffnung  nicht.  Die  dureh  das  Er- 
brechen und  durch  den  Stuhlgang  entleerten  Stoffe  blieben  bis  zum 
Tode  kohlschwarz.  Da  ich  das  Uebel  gar  bald  als  unheilbar  an- 
■ah,  bestfirmie  ich  den  Mann  nicht  mit  zwecklosen  Arzeneien,  son- 
dern gab  ihm  nur  ein  wenig  Arzenei,  hesucbie  ihn  aber  täglich, 
damit  der  Funke  von  Hoffnung,  der  noch  immer  in  seiner  Seele 
glomm,  nicht  verlBschen  niitehie.  Drei  Tage  vor  dem  Tode  wur- 
de der  Puls  Ueiner,  ohne  scboellev  zn  werden,  am  Morgen  des 
Todestages  konnte  ich  denselben  nicht  mehr  fühlen  -,  die  Ehefran 
behauptete,  C'onvulsionen  der  GeiichtsmuBkeln  bemerkt  zu  haben; 
ich  selbst  habe  dieses  nicht  gesehen.  Gleich  nach  Mittag  erlSsete 
der  Tod  den  armen  Leider  von  allem  Elesd. 

Dafs  dieses  ein  sehr  heimlicher  Handel  nad  an  einen  Bildungs- 
fehler  im  Bändle   nicht  zn  zweifeln   gewesen,    werden  die  Lesrr 


—  »»  — 

wel  M  gnt  begreifen  all  Ich  ea  gar  biiU  begriff.  W«  at«okle  »hat 
.der  Fehler*  Der  bis  sntn  ToiIm  nornial  lahige  Piila  lief«  mich  ver- 
Muiben,  der  Kranke  bnbe  an  einer  Verhärtung  im  Gekröse  gelit- 
ten, denn  dnfs  bei  dieser  der  Piila  bis  inm  Tode  ruhig  bleiben 
könne,  halte  ich  sehon  frAher  bei  anderen  Kranken  der  Art  be- 
nbachiet,  es  ist  nueb  dieses  errabrenen  Aernten  gar  wohl  bekannt. 
Die  harrnäckige  Verstopfung  lisfs  mich  glauben ,  die  Termuibeie 
Verhärtung  im  Gekröse  sitze  einem  Darme  so  nahe,  dafs  sie  die- 
len Kum  Tbei)  verschlossen  and  das  Hinunter«teigen  der  Speisern 
■ehr  behindert  habe.  Wie  stimmte  aber  mit  dieser  Vermnthhng 
die  Abwesenheit  aller  Krfimpfe,  aller  Schmereen,  TOa  denen  äho' 
liebe  Uaglnckliche  bald  anhaltend,  bald  aussetzend  gemartert  wer- 
den) — -  Die  Leichenöffnung  ergab  Folgendes. 

Das  erste,  was  uns  (mir  und  dem  früheren  Arxt,  Herrn  H.) 
bei  Oefl'nung  des  Bauches  in  die  Augen  fiel ,  war  die  ungewöbn-  ' 
liehe  Gröfse  der  Leber  und  die,  über  den  Rand  derselben  stark 
hervorragende  Gallenblase.  Wenn  ich  aber  von  einer  grofsen  Le- 
ber spreche,  so  dürfen  die  Leset:  ^ich  keine  dicke,  aufgetriebene, 
TerhSrteie,  knorrige  denken;  sie  war  Ticlmehr  nngewöbnlich  |>latlf 
und  ihr«  Gröi'se  bestand  blofs  darin,  dafs  sie  sich  bis  in  das  linke 
Hj'pochondrium  eralreckte.  Krankhaftigkeit  konnten  wir  an  diesem 
Organe  nicht  entdecken.  Die  grofse  von  Galle  strotzende  Gallen- 
blase ergofs,  da  sie  aufgeschnitten  wurde,  eine  kohlscbwane  Galle. 
Ihre  Schwärze  war  aber  nur  scheinbar,  denn  da  ich  sie  an  den 
Finger  brachte  und  auf  ein  weifses  Tuch  strich,  ergab  es  sich 
gleich,  dafs  die  scheinbar  kohlschwarze  Farbe  ein  dunkles  Ponia- 
ranzengelb  war. 

Meine  Vermnthung,  hinsichtlich  der  Gekröse Terhin u ng ,  wies 
sich  als  ganz  irrig  aus;  keine  Verbfirlung  war  ita  Gekröse  zu  fii* 
den.  Was  aber  das  Erbrechen  nnd  die  Versiapfung  bewirkt ,  das 
fanden  wir  im  ersten  GriSe.  Es  war  dieses  eine  Verhärtung  von 
dem  Umfange  einer  grofsen  Wallnufs,  die  sich  ungefähr  auf  der 
unteren  Grenze  des  Zwölffingerdarmes  befand  nnd  den  Darm  g»nt 
nmschlofs.  Oberhalb  der  Verhärtung  w.Ar  der  Darm  so  erweiierl, 
dafs  man  ihn  auf  den  ersten  Blick  für  den  Magen  selbst  hätte  bal- 
len sollen,  unterhalb  der  Verhärtung  fanden  wir  den  ganzen  Üarm- 
kanal  lear  und  zusammengeschrumpfi.  Wir  schnitten  nu«  den 
Terbärlelen  Darmibeil  heraus,  und  ilberzeugten  uns,  da/s  die  Dü- 
nung desselben  nur  so  weit  war,  dafs  man  höcbatans  eise  Sohwa- 
nenspnle  hätte  durchbringen  können.  Die  übrigen  Boucheingewei- 
d«  waren  gesand,  das  Pankreas  aar  ungewöbnliob  klein. 

Dieser  Leichenfund  ist  nn  sich  so  gemein,  ao  oft  von  dea 
Aonten  gemacht  und  besehrieben,  dafs  ich  ihn  gewifii  meinen  Le- 
Mrn    nicht    mittbeiien  würde,    wenn   nicht   di«  Abwesenheit   aller 


-    897    - 

acbmelrsluftra  and  kn>mpfhaft«B  ZuMU,  wMmitd  dM  gansea  V«r- 
kare*  derlSdtltuben  Krankheit,  ihn  höchst  merkwürdig  macht«. 

Wie  WM-  es  mäglich,  daf*  bei  dieser  VerhftrtuDg,  durch  wel- 
^e  doch  die  warmformige  Bewegung  des  Darmkanali  geilörl  wer- 
den muCtle,  weder  Schmers  noch  Krämpfe  entstanden!  —  Ich  weift 
es  nicht. 

Wie  war  es  mäglich,  da&  bei  der  gfinxlichen  Erschöpfung  des 
Körpers  der  Kreidauf  des  Bluies  bis  zum  Tode  nicht  beschleuniget 
wnrdef  —  Ich  weifa  es  nicht. 

Hier  waren  es  nicht  Cntzündnog,  Vereilemng,  Verjauchung, 
Krämpfe,  Schmerz,  die  das  Leben  aufrieben,  also  raufs  der  Mann 
blofs  aas  Mangel  der  Ernährung,  miihia  des  Hungertodes  gestor- 
ben sein.  Ich  mein«  aber  gelesen  zu  haben,  dafs  mehre  Tag«  vor 
dem  Hungertode  der  Kreislauf  sich  beschleuniget,  das  Hungerfie- 
ber einirilt.  Häde  ich  es  aber  auch  nie  gelesen,  so  habe  ich  doch 
selbst  dieses  Fieber  am  Ende  einer  eÜftagigen  Enlhallung  von  al- 
le« Speisen  and  Geirfinken  beobachtet  (icb  werde  den  merkwürdi- 
gen Fall  spSter  an  einem  acbicklieheren  One  dieses  Werkes  er- 
schien). Was  war  der  Grund,  dafs  unser  brechender  und  verhun- 
gernder Mann  ganz  frei  von  diesem  Fieber  blieb!  Icb  weifs  es 
nicht. 

Dafs  der  sehr  erweiterte,  magcnförmige  Zwölffingerdarm»  wenn 
er  mit  Speise  erfüllet  war,  durch  den  Druck  der  Leber  allmfihlig 
nach  der  linken  Seile  mufsle  gedrängt  werden  (wie  wir  ihn  auch 
fanden),  ist  begreiilicb-;  eben  so  glaublich  ist  es  auch,  dnfa  die 
dadurch  bewirkte  allmählige  Zerrung  des  Gallen-  und  Baucbspei- 
ebeldrüsenganges  Einfiufs  auf  die  qualiiarive  und  qnantiiaiive  Ab- 
sondemng  der  Galle  und  des  pankreatischen  Saftes  gehabt  haben 
kann.  Dieses  aber  zugegeben,  wie  war  ea  möglich,  d»fa  die  dun- 
kel pomeraaze  n  färb  ige  Galle,  den  Magen-  und  Darminbalt  kohl- 
schwarz färbte !  —  Ich  weifs  es  nicht. 

Der  kohlschwarze  Oarmkoih  ist,  als  Folge  einer  Magenblu- 
tung,  sehr  geiuein;  dieser  verbreitet  aber,  wie  den  Aerzlen  be- 
kannt, einen  unerträglich  aashaften  Gestank.  Derjenige  hingegen, 
der  lueht  von  verfaultem  oder  aufgelösetem  Blule  nach  Magen- 
oder Oberdarmblulungen,  sondern  von  anbekannten  (Jrsaehen  nh- 
hfingl,  ist  sehr  selten,  und  ist,  wo  nicht  ganz  ohne  Geruch,  doch 
ganz  ohne  aasigeo.  Dadurch  allein  unterscheidet  er  sich  von  Je- 
nem, und  nicht  durch  das  äu&ere  Ansehen,  dieses  ist  vielmehr  bei 
beiden  gleieb.  Aufser  in  dein  erzählten  Fall«,  hab«  ich  nur  ein 
einziges  Mahl  den,  wirklich  gani  geruchlosen,  kohlschwarzen  Darm- 
koih  gesehen,  und  zwar  bei  einer  Frau,  die  bei  de|  Einheiinng 
eines  grofsen  Nicrcnitteines  in  den  rechten  Harogang  consensuelle 
Gelbsucht  und  rühlbare  Auftreibung  der  Leber  bekam.  Da  der 
SHin  Md)  »ehr  Ui^«*  nad  naslglioheii  Leide*  endlich  aar  Blas« 


—    396    - 

i;elan^  war  (bei  seinem  Durchgang  durch  iio  BchrS^,  eng«  Bla- 
seneinmiindnng  des  Harngangea  wurde  der  Schmm  bit  zu  Con- 
Tnlsionen  gesteigert),  liefs  das  conseniaelle  Leiden  des  Gallengan- 
ges  etwa^  nach,  und  nun  wurde  der  Darmlcoth,  der,  wie  bei  GeJb- 
■Sohiigen,  schon  lange  weifs  gewesen,  kohlschwnn  und  blieb  viel* 
Tage  so.  Die  Schwärze  war  nicht  blofg  eine  scheinbare,  sondern 
eine  wirkliche,  denn,  auch  init  Wasser  verdünnt,  blieb  sie.*) 


*)  Im  Jahre  tB40  baba  ich  lam  driUen  UM»  in  meiDem  Lcbea  bei  einen  lech- 
(igjährigen  B«ncb*chwiad»ÜGbtigea  kohliehwarzen  geructalaiea  Darmiubalt  ;«- 
»eben,  iluo  er  voo  oben  und  nnlcn  entleerte  nnd  zwar  einige  Tage  vor  •ei- 
nen Tode.  Da  dieier  Miod  ,  der  angetlieh  gcbon  leit  Oitern  gekrKnkelt  nnd 
«raeneiel ,  «m  ü.  Jall  sn  mir  kan  ,  nlcbt  blor«  einei  («wlbalicliaii  Hasget  ' 
■D  Erdoat ,  »andern  qnen  wirklirbes  Abtchen  var  aller  Spciie  balte  (wie  vir 
(püler  «ein  Soha  lagte  ,  aebon  eLwai  TrCber  gehakt)  uod  dieier  Abacbeu  bis 
■un  Tode  ,  der  am  zweiten  Angait  errolgla ,  aaveräaderl  bEieb ,  lo  itt  er  ,  da 
er  weder  Picber  noch  Eiteran^  hatte,  wal  dei  eigeotliehen  Haogertodet  ga- 
lt orben  ;  bei  ilim  blieb  aber  oiekt,  wie  lo  desi  obei  cniikltea  Falle,  dn 
RaogcrSeber  am  ,  ioaderi  es  crtc.biea  siebre  Tage  vor  den  Tode  mit  acba«)-. 
lern  PnUe,  ilchibarem  Verrille  der  Rrine,  Darat  und  Erbrechen  de*  genoaie- 
aea  Gctrinkei.  Aofangi  war  daa  ,  ebne  die  mVadeile  Aaelrengnag  auigebro* 
ebene  Getränk  nnverkadert,  gar  hnid  ward«  ci  brionlich,  ata  lei  KaOea  danil 
gemilcht ,  aad  dann  kohlichwars ,  nnd  da  ich  am  den  drobendea  Ileut  *on 
««beagen  ,  kanilliebeg  Slahlgang  bewirkte ,  wir«a  die  breiiges  EierenenU 
aneb  koMicbwarz  uod  gerDcblas,  AU  ich  am  li.Jnli,  wie  gejagt,  den  Maas 
aoerit  iik  (den  ich  Trüber  jenau  gekaaol)  ieblor<  icb  an«  dem  Taat  gelhiüch- 
tlgbraonen'  Harne,  ani  der  bedealendra  Abmagerung,  aoi  dem  fremdartig  ge- 
wordenea  Geliebte  and  denen  Hifarirbe,  am  der  verSadcrlea  Genötbttlin- 
nang  ,  die  aiiw  votlkomnen  flciebgölUge  oder  ergebene  wir,  dab  er  an  einer 
araithaTtcB,  eiBgewnrzeltsB  Leliererkranktag  leid«,  otachon  icb  mit  netaea 
Piagera  ia  der  Oberbiachgege'nd  nnd  in  den  rechtea  Hj/perhQndrio  (lo  weit 
dieaet  za  bBrübjen)  nicbl  dai  mindeate  Regelwidrige  entdecken  koante.  Weaa 
icb  aber  ani  den  angeluhrten  Zeicben  anf  eioe  LebererkrankaDg  zu  icktierses 
berechtiget  war,  la  bitte  ich  dbck  Oedipai  telbat  aeie  miiiien,  wenn  Ich  dl« 
Art  dieier  Rrankh'ei^  bitte  erralhaa  kSaneo.  Bei  Brijffanng  der  Baoehhbbla 
einei  Leichnam  fällt  einrn  docb  gleich  die  Leber  in  di«  Aagcn,  deren  vorde- 
rer Lappen  ja  meiil  bi<  zan  icb wErttönn igen  Rnerpel ,  and  i«  manchen  Pil- 
len (wi«  z.  8,  in  den  ob«a  erzihlten)  nnch  viel  weiter  reicht.  Difi  ich  alle 
Bberraiebt  ward«  ,  da  ich  nach  arfiffnefer  Banehbohl«  dea  la  Rede  itehenden 
Haanei  kein«  Sf  nr  von  einer  Leber  aah,  werden  mir  die  Leier  gern  glanbes  j 
die  Leber  war  nanlich  dermarMn  atraptaitob  verkSmmert,  dab  icb  ,  am  il« 
tlchlbar  zn  uachea,  mit  der  Uaad  Ina  rechte  HypochamJriam  Tahren  nad  als 
hervardräagen  mafite;  auch  ibra  Farbe  war  gioa  von  der  Nom  abweichend, 
nSnIicb  ,  «in  ichnntzigea  Dnakelgrib;  asT  der  eenveien  Placbe  sab  ich  hia 
■nd  wieder  naregeimlfiige  ina  Weirilieke  achlllemde  FToeken:  wader  leb, 
noeh  der  mir  heiresde  Wnadarzt,  der  aaeh  sieht  za  den  janges  gebSrt,  bat* 
tcn  je  eise  aclche  alropkiick  eslartel«  Leber  gsteben.  Der  hagreiRUh  voa 
Speiiebrei  and  Roth  ganz  leer«  Darmkanal ,  war  mit  Lnlt  and  einer  kohl- 
aohwarzea  Tinaaigkelt  arßllet,  die,  da  wir  die  Darme  anttackes,  wie  Dials 
beraailief,  ja  islbit  gaaa  denttieb  dnrck  die  Hünle  der  Dinadlme  lebies.  . 
tlebrigeni  waren  angewlknllch  viel  Verwnckaasgen  In  diaacM  Baaebe,  dt« 
aber  w»dar  leb ,  aooh  dar  Wendtnt  »  aatwirNS  Lest  haUaa,  weil  im  FnJli- 


Brdige  Mitttl  bei  Magen-  umä  Darm$Mtire,' 

Ein  paar  Krankheitafftlle,  die  mir  kürilich  Torgekommen  (ich 
mache  diesen  Zusatz  im  Anfange  des  Jahres  1837),  haben  mich  er- 
innert, dafs  ich  im  Vorigen  vergessen,  von  dem  früher  beliebten 
Abiorbens,  dem  Krebssteinpulver  zn  sprechen.  In  der  ersten  Zeit 
meiner  Praxis  gebrauchte  ich  dieses  weit  hSufiger  als  später,  denn 
wenn  ich  gleich  schon  früh  den  Nulzeö  und  die  Vorsüg«  des  Na- 
tron kennen  lernte,  so  war  ich  doch  der  Meinung,  seliges  bild* 
mit  Magen-  und  Darmsflure  ein  LaxirsaU,  fürchtete  also,  es  beim 
Durchlaufe  su  gebrauchen;  das  Irrige  dieser  Meinung  ist  mir  aber 
schon  vor  langer  als  2Ü  Jahren  klar  geworden. 

Daft  das  Natron  mit  ScIiwefeUäure  Laxirsalx  bildet,  ist  be- 
kannt ;  darans  folgt  aber  nicht,  dafs  es  auch  mit  Magen  -  and  Darm- 
süure  Laxiriatz  bilden  müsse.  Mit  der  Salz-,  Salpeter-,  Cssig- 
nnd  WeinsteinsSure  bildet  es  keiue  eigentliche  Laxirsalse,  wiewol 
ich  nicht  in  Abrede  stelle,  dafs  diese  Salze,  so  gut  wie  manch» 
andere  Substanzen ,  in  nngemessener  Gabe  verschluckt ,  wol  den 
Motum  perittallicuM  etwas  vermehren  kdnnen. 

Im  Vorigen  habe  ich  gesagt,  dafs  das  Natron  den  Darchlauf, 
der  bei  dem  gewöhnlichen  Gallen6eber  von  einer  gfofnen  Menge 
aanrer  Stoffe  abhSngl,  hebt,  dafs  es  die  krankhaft  vermehrte  Aktion 
des  galleabsondernden  Organs  mHbiget,  und  so- in  zweifacher  Hin- 
sieht  Heilmittel  dieses  Fiebers  ist.  Ferner  habe  ich  gesagt,  dafs 
in  einem  entgegengesetzten  Zustande  des  Gallenorgans,  bei  der  ver- 
minderten Gallenabsooderong,  das  Natron  nur,  wo  es  nftthig,  mit 
grofser  Umsieht  zu  gebrauchen  sei,  welche  Vorsicht  ich  zuerst  bei 
der  Gelbsucht  gelernt,  wo  zuweilen,  gleich  nach  gehobener  Strik- 
tur  des  Gallenganges,  sich  eine  grofse  Menge  scharfer  Galle  er- 
giefst  nnd  allerlei  widrige  Gefühle  im  Fpigasirio  macht.  —  Nnn, 
das  NSmliche  gilt  von  allen  den  Leberkrnnkheiten,  sie  mSgen  als 
akutes  Fieber  oder  als  chronisches  Siechihum  auftreten,  bei  denen 
man  keine  vermehrte  Gallenabsondening  gewahren  kann,  nnd  di« 
man  im  Allgemeinen  am  sichersten  blofs  durch  Hepatica  heilt. 
Der  Durchlauf,  der  sich  zuweilen  bei  diesen  zeigt,  ist  rein  con* 
sensueller  Art,  er  ist  Zeichen  einer  höheren  Steigerung  des  Leber- 
leidens, und  um  ihn  %a  heben,  mnfs  man  das  znr  Zeil  hniffiche  Le- 
bermittcl  in  ganz  kleinen  Gaben  reichen. 


laden  der  Tiicb  wu ,  wonar  wir  hllfan  ■Acitai  düimd  ,  lad  weil  eis  «»1- 
cArf  Tiieb  scbr  angeinieblicb  iit.  Zorn  [Icberlliih  benerki  icb  Docb  ,  Att» 
d«r  Hinn  weder  tob  (einem 'beiaftlblicbeo  Anio ,  nnch  vos  vir,  Eilen,  oder 
ein  BiMnprlparat ,  oder  irgend  «iao  Arcenei  erhtlten  ,  dar  nna  die  lebwar» 
rarto  dM  IhraiabshM  UMt  HHhrvibiä  UMaa. 


Wird  man  aber  lu  lolchen  Kranken  erat  d^n  fÜnficn,  techaten 
Tag  gerufen ,  so  irifll  es  sich  milanler ,  dafs  diese  durch  ungehö- 
rige Speisen,  welche  ihre  erkraokien  VerdauungswerkKeiige  nicht 
nieiaiern  konnten,  ala ,  durch  Buiiermilch-,  Bier-,  Wein-  oder 
Mchlauppe  ihren  ganzen  Darmkanal  so  versauen,  und  sich  dadurch 
solche  krampf  •  und  schmerzhafte  Leiden  hereiiei  hahen,  dafs  man 
wol  genöihiget  ist,  die  materielle  Ursache  dieser  Leiden  besonders 
7.11  heriicksichligen.  In  den  beiden  Füllen,  die  mich  gerade  in  die-, 
aem  Jahre  an  meine  achriftstellerische  Vergessigkeit  hinsicbiHch 
des  Kreb.isieinpiiU-ers  mahnten,  waren  die  flüssigen  Exkremente  der 
Kranken  ft. sauer,  dafs,  wie  mir  die  Hairsleuie  ungefragt  saglen, 
das  Zimmer  bei  jeder  Entleerung  mit  einem  sehr  sauren  Geruch 
erfüllet  wurde.  —  In  aolchen  Fällen  wird  der  Durchlauf  swar  nicht 
durch  die  Siture,  sundern  eonsensuell  durch  das  Leberleiden  ver- 
ursacht, aber  durch  die  erzeugte  Säure  doch  sehr  verstärkt.  Hier 
ist  nun  das  Krebssteinpulver  sa  einer  halben  Unze  tags  das  wahre 
Mittel,  welches  die  sauren  Stoffe  neutraiisirl,  und  ohne  die  (inl-  , 
lengänge  feindlich  anzugreifen  den  Durchlauf  bedeutend  mflfsiget; 
ganz  hemmet  es  ihn  nicht,  denn  er  hängt,  wie  gesagt,  von  der  er- 
krankten Leber  con sensuell  ab. 

'  Gibt  man  in  solchen  Fällen  Natron,  so  hat  das  eine  sehr  täu- 
schende Wirkung;  man  siebet  das  Gefühl  der  Vollheil,  der  Be- 
ängstigung, des  Schiuerzes  aus  dem  Epigaslrio  verschwinden,  und 
iwar  so  wundervoll  schnell  verschwinden,  dafs  man,  unerfahren  in 
diesem  Handel,  glauben  sollte,  man  hübe  das  wahre  Heilmittel 
gefunden.  LSfst  man  aber  in  diesem  guten  Glauben  das  Natron 
forigehrancben,  so  verschlimmert  es  gar  bald  das  Leberleirlen  und 
begreiflich  auch  den  consensuellen  Durchlauf.  Ich  raihe  also  je- 
dem Arzie,  gleich  von  dem  Natra  abzustehen,  so  bald  er  siebet, 
dafa  es  Durchlauf  macht,  oder  den  vorhandenen  versiArkl,  oder 
auch  nur  den  voritaadenen  nicht  beschwichtiget. 

Sollte  aber  einer  meiner  Leser  denken,  das  Xalron  kdnne. 
Wenn  der  ganze  Darmkanal  voll  saurer  Stoffe  sei,  unmöglich  als 
Natron  feindlich  auf  die  Gallengänge  wirken,  denn  es  verbinde  sich 
ja  in  dem  Darmkanal  mit  der  SSnre  zn  Mitlelsalz ;  —  ao  bemerke 
ich  dieaein  Zweifler  Folgendes.  So  lange  Magen  und  Dnodenum 
voll  saurer  Stoße  sind,  kann  allerdings  das  Natron  nicht  als  aol- 
chea  auf  diese  Organ«  wirken,  sondern  es  mufs  die  Säure  in  den- 
selben neutralisiren  und  ao  dem  Kranken  durch  Enlfernong  dieaei 
materiellen  Reizea  eine  schnelle,  fast  wnndergleiche  Erleichlerung 
verschalfen.  L&fst  man  es  aber  weiter  forlgebrauchen ,  in  der  gu-  »^ 
t6n  jtbsichi,  den  weit  gröfseren  Theil  der  Säure,  der  den  ganzen 
übrigen  Darmkanal  errüllet,  auch  zu  neutralisiren,  so  kann  es  doch 
unmdgttch  zu  diesen  sauren  StofTeo  gelangen,  oder  es  mnfs  durch 
Megen  und  Daedenam  daUa  kaianM»,  «ad  Mf  dMM,  ia  wekbMi 


-    401    — 

«■'niehu  mehr  zu  neatralirireo  6ndet,  als  pnrei  Natron  wirken. 
—  Waiam  daa  Natron,  mit  der  ianeren  Flieh«  des  Magens  und 
de«  ZwSlffingerdarmea  io  BerOhrang  gebracht,  eine  Krankheit  der 
Leber,  hei  der  die  Aktion  de«  Gallenorgani  Terminderi,  znm  we- 
nigfllen  nicht  vermehrt  ist,  weit  eher  steigert  als  heilt,  das  weifs 
ich  nicht  xu  erklären.  Was  ich  gesugt,  ist  blofs  dus  Ergebnifs 
vergleidiender  fieobachlnng. 

Gebrannte  Magneiia. 

Behandelt  man  Kranke,  die  riel  Magnesia  bedürfen,  so  begreift 
man  bald,  da&  das  Reichen  dieses  Mittels  in  Palrerform  seinen 
Haken  hat ;  die  Lente  erschrecken  vor  dem  gro&en  Ranfen ,  den 
sie  verscUingen  sollen,  and  nehmen  selten  das  Mittel  in  hinrei- 
chender Meng«.  Damm  habe  ich  schon  Tor  llnger  als  30  Jahren 
die  Magnesia  in  einen  Sehaiteltrank  gegeben  and  mich  besser  bei 
dieser  Form  befunden.  Acht  Unaen  Wasser  und  eine  halbe  Unz« 
gehrannte  Magnesia  bilden  zusammen  einen  Trank,  der  flüssig  ge< 
ong  ist,  um  ihn  ohne  Beschwerde  nnd  Widerwillen  nehmen  an  kön- 
nen. Stehet  er  aber  über  Nacht,  so  macht  die^Magnesia  mit  dem 
grfifsteo  Theile  des  Wassers  eine  eigene  Masse,  die  fast  galler^ 
artig  za  sein  scheint,  es  aber  doch  nicht  ist.  Heber  dieser  Masse  . 
stehet  ein  Schicht  klares  Wasser.  Wer  da  glaubt,  er  könne  die 
Mag.  «ata,  wie  andere  Pälrer,  durch  Schütteln  mit  dem  Wassw 
mischen,  der  tfiuseht  sich-  Will  man  den  Trank  wieder  flfissig 
haben,  so  mnfs  man  mit  einer  Stricknadel  (die  sich' allenibalben 
findet)  mebrmahls  bis  auf  den  Grand  daroh  die  Masse  fahren,  und 
dann  schütteln,  so  wird  alles  so  flüssig  als  es  frQfaer  gewesen.  Es 
ist  nothwendig,  die  Krankaa  oder  deren  Hansgenossea  mit  der  b«- 
sagtea  Eigenschaft  der  Magnesia  bekannt  zu  machen,  und  sie  den 
einfachen  HandgrifiT  an  lehren;  that  man  es  nicht,  so  siehet  der 
Kranke  die  Arzenei  für  unbrauchbar  an  nnd  iB&t  sie  ateben,  oder 
er  l&fst  anfragen,  Vie  er  es  mit  der  Arzenei  halten  solle,  die  sei 
über  Xacht  so  dick  gewordfa,  dafs  sie  nicht  mehr  aus  der  Flasche 
wolle. 

Sachträgtiehe   Bemerkungen   über    Quania-  und 
Breeknuftteaiier. 

leb 'habe  im  Vorigen  gesagt,  das  Quasslawasser  sei  ein  ror- 
iGglich  gntes  Heilmittel  in  derjenigen  Wassenncht,  die  von  einem 
I3rleiden  der  Leber  vermittelst  consensaeller  ASaktion  der  Nieren 
abhänge;  auch  habe  ich  gesagt,  anderartige  Leberkrankheiten  gin- 
gen anf  die  Dauer  leicht  in  die  Qnassialeberkrankheit  über.     Ans 

diewn  Anliierangeti  könnten  manche  Leier  schliefaen,    ich  halte 

J5      -;     o- 


—    4«    - 

das  Qtiawiawasier  fiir  ein  Specifiam  {b  itfttrvpe  hepatie».  S» 
isl  et  aber  aiehi  gen«int ;  ich  bia  vialmebr  übaneiigt ,  dafi  j«<lei 
Leberhetliuiliel  swar  eine  Leberwuaenucbt  m  heilen  im  Staade 
igt,  aber  doch  jedes  Mittel  nur  immer  eioe  solche  Wauenueht, 
wdche  von  einer  nnler  seiner  Heilgewalt  iteheDden  Leberkrank- 
beit  abhängt,  so  wird  s.  B.  das  QMasiiawasBer  nie  eine  von  eiaer 
Brechnufsleberkrankheit  abhängende  Wasserancbt  heilen,  und  das 
Brechnafswasaer  nie  eioe  TOif  einer  Quassialeberkrankheil  abban- 
gende u.  s.  w.  Als  erklärende  Thatsache  mögen  folgende  swei 
Fälle  dienen. 

Im  Deaiember  IS36  wurde  ich  an  einer  faier  wohaenden  Kiad- 
bellerinn  in  der  9len  Wuche  gerufen.  Sie  hatte  Banch  -  und  Zell- 
gewebewassersuchl  mit  wbletehendem  Fieber,  welchen  abendliche 
Exaserbaiiottea  machte,  die  HRfDausfloaderang  war  sehr  vermin- 
dert, der  Harn  bniua  nnd  trabe.  Die  Leberaffektioa,  tod  der  die- 
ler krankhafte  Zustand  abhiag,  haue  die  Frau  während  dw  Schwan- 
gersehaft  zu  einer  unbe«timmbaren  Zeit  berührt,  ohne  sie  ins  Bett 
XU  werfen;  die  fremdartigen  Gefühle  im  Epigaitrio  waren,  wie 
das  oft  geschieht,  auf  Rechonng  der  Sehwaagerachafi  geschrieben. 
[Jebrigent  konnte  Ich  nicht  gewahr  werden,  dalä  solche  materiel- 
le, feindliche  Reise  im  Darmkanal  atecktea,  die  man  hätte  entfer- 
nen oder  neulralisiren  roJissen. 

Da  ich  über  die  \atnr  dieser  Leberknittkheit  kaum  eine  Ver- 
mnibimg  wagen  konnte,  so  gab  ich  alaErkeonungsmittel  dai  Qoaa- 
Mawatstr.-  Dieses  machte  in  xwei  Tagen  den  triiben  Harn  klar 
»ad  vermehrte  dessen  Ahaoaderung  so,  dafa  ich  nicht  daran  awei- 
felte,  die  Frau  werde  durch  dieses  Miiiel  geheilt  werden.  \ach 
10  Tagen,  da  alles  einen  re^t  erwünschten  Fortgang  hatte,  schickt 
ihr  eine  NaebbartDR  ein«  Suppe,  die  aas  Buttermilch,  Bier,  Syrop 
nnd  Weifabrot  angeblieb  EuaammengesMst  war.  Die  Kranke  schlägt 
meine  Wamang,  solche  Speisen  zu  maiden,  in  den  Wind,  und  ilst 
Mittags  die  Suppe, 

Um  7  Uhr  Abends  (die  gewöhnliche  Zeit,  wo  solche  gähren- 
de.  Mittags  genossene  Speisen,  welche  die  Vcrdaunngsorgane  nicht 
meistern  können ,  recht  ihre  feindliche  Wirkung  äufsern )  wnrde 
ich  an  ihr  gerufen.  Man  sagte  mir,  sie  habe  schon  gegen  5  Uhr 
über  ein  Gefühl  des  VolUeinsin  der  Herzgrube  und  über  Beäng- 
stigung geklagt.  Jetzt  befand  sie  sieb  in  einem  Zustande  halber 
Besinnungslosigkeit,  und  hatte  Zuckungen  der  Arme,  ihr  Puls  war 
klein,  schnell  und  aussetzend;  angeblich  hatte  sie  seit  Mittag  gar 
nicht  mehr  gebamt.  Weil  iefa  bia  dahin  in  ihrem  Darfflkanale 
nicht  die  mindeste  Neigung  zum  cpnsensuellen  Durchlavf  bemerkt, 
gab  ich  ihr,  um  die  materielle  Ursach«  der  Zufälle  zu  beseitigen, 
einen  aehtnnzigen  Trank,  der  blofa  aiu  einer  halben  Unze  Natron 
und  eiaetn  Skrupd  Tragandt  beatand,  von  4»m  ich  u«  stüadUeh, 


dt«  gM»e  NeNtht  dureb,  tiun  Ufftl  voll  BchniMi  liab,  uod  iwar 
Mit  dem  Erfolge,  dals,  von  dani  Angeablioke  dea  Einoebmeat  »a, 
aÜo  üble  Zufälle  oacb  aod  nach  venicbwandeD  nad  üb  aie  am  an* 
den  Morgee  am  0  Ubr  ao  got  fuid,  wie  vor  dieeem  ZwiiicbeD- 
■piele,  mit  Aueacblnlä  jedoch  der  Harnaueaonderunf ,  welche  sioht- 
lieh  dadurch  geaifirt  war,  aach  war  der  wenige  Hara  bmoD  and 
Iräbe,  hatte  jedoch  seine  Säure.  Jetxt  ging  ich  wieder  aum  Q|1b»- 
■iawawer  über,  ia  der  Zuveraicht,  ea  werde,  wie  vor  de«  leter- 
■euo,  die  Haraabsoodeniog  Teimehreo,  tftoachte  mich  ei>er  darin 
■ehr;  ia  vier  Tagen  kam  ich  um  kein  Haar  weiter,  und  begreif- 
lieh vermehrte  »ich  onn  das  Walser  im  Bauche  und  im  Zellgewebe 
merkliefa.  Ueberzangt,  dafr  die  durch  den  nMeriellea  Darmreli  rer- 
nraaebte  eooienauelle  Gehin-  und  NervenaSektion  die  NMur  der 
Lebersrkraakung  verändert  habe,  vermuchte  idi  ein  uiderci  Leber- 
beilmittel  and  swar  das  Wauer  der  Brechonlii.  Ich  fing  jak  fünf 
Tropfen  Bit  die  6abe  fnnfmahl  tags  a«,  »ah  atbon  an  folgendan 
Tage  eine  gäneiige  Varaadeimg  in  der 'Farbe  dea  Hanu,  am  xm^ 
ten  eine  Vermebrang  detaeiben ;  da  aber  am  aechiten  die  Eatlee* 
rang  das  jetzt  gaos  uormalen  noch  nicht  se  reichlich  war  ala  ich 
et  wüosebte,  so  stieg  ich  mit  der  Gabe  dea  Srecbnolsvaasers  bis 
auf  15  Tropfen,  and  weil  ano  die  Hamentleeroog  so  vermehrte, 
dafs  in  dieser  Hinsicht  nichts  in  wünacbea  überblieb,  so  hidt  ich 
nirli  bei  dieaar  Gabe.  Dia  Fran  ist  aseh,  ohne  weiteren  Anstidii, 
Mala  dnreb  dieses  Mhtel  von  der  Waasersacbt  uad  von  dem  schlsi» 
efaenden  Fieber  hefrait  worden;  das  Fieber  blieb  aber,  nach  gaai 
wflggebarntem  Wasser,  noch  über  14  Tage,  and  nalim  allmäUig 
ab,  wie  ea  gewöhnlich  die  Waiae  aolcfaer  von  der  Erkrankung  ei- 
BBS  Orgaaa  abhängenden  Seblaishfieber  ist 

Da  awejte  Fall,  den  ich  bald  daranf ,  gleidveilig  mit  dam 
erxihlten  lu  behandeln  hatte,  betraf  eine  Bllliche  dienende  Jnag- 
fer,  deren  Gesicht  brfiunlicb,  wie  das  einer  Spanierinn  oder  Ita- 
liSneiten  aaasafa,  und  die  behauptete,  diese  Geaiebts&rbe  habe 
aie  immer  gehabt.  Sie  litt  am  SeUeidifieber,  Uagta  ttber  widri- 
ge Gefühle  im  Epigastrie,  die  F&fae  warea  bis  zn  den  Knien  ge- 
■ckwvHen,  der  Baaeh  t«11  Wasaer,  nad,  wns  das  Schlimmste,  rie 
hatte  schon  leit  einem  Monate  aehmerdoaea  Dnrehlanf,  8  bis  10 
Eniteerungea  in  24  Standen,  der  sehr  sparsame  Harn  war  klar  nad 
geld&wbig,  als«  nar  an  eine  Sehattang  danklar  als  der  normale, 
Sbrigeaa  ardentli«^  eatier, 

Oa  Ich  dacch  die  Aeafragang  keine  deotliehe  Nadwicht  über  die 
etale  foutebang  dieser  Krankheit  «rimliea  konnte  (seiche  Orgaaer- 
lowikungea  beseUeIcken  die  Mensobea  «ft  geong  gens  leise  nad  an- 
MMiUleh ) ,  «B«h  «iaht  «imnahl  efna  Venaathnng  aber  die  Natar 
deivelbea  katta ,  die  Fm-m  der  KranUieit  aber ,  das  Leberleiden, 
gwn  tmaikaanbar  mr,  so  gab  ich   ab  Probemittid  raemt  das 


—    «4    — 

Qoaariawnuer ,  weil  mir  diesei  an  oficitcn  in  Hydrope  kepmtic» 
irefllicbe  Dienste  ^leiil«!,  ich  miihiit  ala  Venia idea mensch  nicht 
anders  hnndelR  konnte. 

Nachdem  vier  Unsen  verzehrt  waren,  and  ich  nicht  die  min- 
deste wohlth&tig«  Wirkung  auf  den  Durchlauf  und  die  Harnent- 
leerung gewahrte,  so  begriff  ich ,  dab  hier  die  Wassersucht  nicht 
von  «iner  Qnassialeberkrankbeit  abhänge,  sondern  dafa  die  Leber- 
krankbeit  anders  natnret  sein  müsse.  Es  handelte  sich  also  jetzt 
daram,  diese  unbekannte  Natur  weiter  an  erforsche,  und  wi  dem 
Ende  gab  ich  fiinfmahl  lagi  acht  Tropfen  Brechnufswasser.  Ich 
sah  jetzt  eine  gute  Wirknag,  der  Durchlauf  minderte  tind  die  Hara- 
absondernng  vAiuehrte  sidi.  Da  jedoch  nach  10  Tagen  das  Fort- 
schreiten zur  Besserung  immer  uuderiiaft  blieb,  so  vermindert« 
ich  die  Gabe  des  Brechnnfswassen  nach  uod  nach  bis  auf  vier 
Tropfen  fäafmahl  tags.  Sobald  ich  bis  auf  dies«  geringe  Gabe  ge- 
kommen war,  lieti  der  Dovchlanf  usoh,  und  die  Harnabsonderang 
vermehl-l«  so,  dafs  Bauch  ond  Zellgewebe  bald  ganz  frei  von  Was- 
ser wurden.  Weil  aber  in  diesem  Falle  das  Leberleiden  wahr- 
tchetnlicb  schea  lange  vor  dem  Erscheineii  der  Wassersucht  be- 
standen halte,  gab  ich  der  Juogfer  den  Rath,  das  Brechau&wasser 
noeb  lange  nachzagebraachen. 

Van  der  wohltfaütigen  Wirkung  der  Lebernittel  in  ganz  klei- 
nen Gaben  beim  oonaensnellen  Durchlaof  habe  ich  schon  fraber 
gesprochen ,  darum  brauche  ich  mich  jetzt  nicht  zu  rechtfertigen, 
■dais  ich  im  ersten  Falle  die  anfiingliche  Gabe  des  Brechnufswaa- 
sers  vermehrt,  tm  zw«iien  vermindert  habe. 

lieber  die  Noihviendigkeit  kSrperlicker  und  geitti- 

ger  R%he  b*i  aufgeregter  Antchoppung  der  Bauek~ 

Organe, 

Dafi  Verstopfung,  Anschoppung,  Aafireibnng,  Verhärtung,  oder 
wie  man  noeh  sonst  die  Krankheit  eines  Oi^ns  neanen  mag,  durch 
welche  seine  Form  verändert  wird,  uad  zuweilen  so  verSndett» 
dals  man  das  Abnorme  greiflicfa  erkennet,  sich  in  einem  zweifachaa 
Znstande ,  nämlich ,  in  dem  der  Rahe  und  in  »ineB  anderen  d«t 
Aufgeregtheit  befinden  kitene,  habe  ich  schon  froher  gesagt,  auch 
bamerlu,  d^s  kfirperliche  Anstrengung,  Elrschütteruog  und  geistig« 
Einwirkung  eine  solche  Anfgeregtheit  herbeiführe,  deren  böse  Fol- 
gen sieh  gewühnlicb  erst  den  zweiten  oder  dritten  Tag  rechtmerklich 
durch  coasensuelle  Leiden  anderer  Organe  offenbaren,  and  dafs 
sich  diese  An^eregtbeit  des  Erkrankten  gar  trefflich  iatdt  einao 
Absod  des  Frauendistelsamens  beschwiditigen  lasse.  —  Hier  habe 
ich  nun  eine  sehr  wichtige  Sftdie  vergessen,  nttmJicb,  da&  k&rpar^ 
lioh»  oad  geistige  Buhe  nothweodjge  Bedioguig  des  Besobwiohti- 


—  405  — 
gew  «md.  Dine  Be4ingtiiig-  kaan  leicht  voa  ■inetn  jangen  Ante 
ubenefaen  warden;  denn  dn  nrnnche  Krank«  der  Art  ao  angegrif- 
fen Bind,  dafs  sie  aiich  ohne  irsdiche  Mahnung  im  BeHe  bletben, 
M  tcbreibt  man  ieich*-  die  Beachwiobtignng  der  An^eregtheit  ein- 
ng  Bof  die  Wirkung  der  Anenei,  und  lafsl  die  UnuUtade  anhcr 
Acfat,  oMer  denen  die  Anenei  ihre  wohllharige  Wirkung  offenba- 
ret. Bekomm  man  dann  gpSter  minder  ernatbafie  FUle  ni  bebaa- 
ddn,  das  heifst,  tolche,  bei  denen  die  scfamenhaften  Leiden  den 
Kranken  nicht  beaiimrai  nöthigen  im  Bette  %n  bleiben,  bei  denon 
er  vielmehr  im  Hanse  bemmgehet,  ja  wol  aafaer  dem  Hanae  aeioe 
Geachftfte,  -wenn  gleich  nräbsara  und  peinlich  heacbickt,  bo  wun- 
dert msn  sich  aebr,  dalii  ein  Mitte),  weichet  in  emaihafieD  Ftileo 
bald  BiGhilich  Hnife  geschafft,  iü  diesen  scheinbar  leit^teren  zwar 
flieht  ganz  seine  Dienste  versagt ,  aber  doch  nur  sauderbaft  biin. 
—  Nur  durch  Vergleichang  mebrer ,  versebiedenariiger  Falle  ge- 
langt man  au  der  Ueberzeugung,  dafs  körperliche  Ruhe  die  rnnr- 
lifrliche  Bedingung  ist,  unter  welcher  die  Arzenei  ihre  wahre, 
wohitbfitige  Wirkung  Snfsert.  Wer  dies«  Uebersengang  erlnogt  bat, 
oder  dem  durch  Erfahrung  (Jeberzeugten  Glauben  schenkt,  der  wird 
auch  solche  Kranke,  die  dureb  ihr  Leiden  selbst  otcbt  betllügerig 
sind,  durch  eine  verständige  Vorstelliwg  znr  Rabe  verweisen. 

Das  Nftmlich«  gilt  von  den  geistigen  Reixen,  nicht  blofs  von 
den  heftigen,  unangenebmen,  sondern  ancb  von  den  milderen,  ai»- 
genehmen ;  je  gleicbgiiliiger  die  Geinttthsstimmung  des  Krankes  isit 
um  so  gemftcfalieber  wird  man  die  Aufgeregtheit  dea  leidenden  Or- 
gans bembigen, 

Darmtteing. 

Folgender  Fal),  den  mein  Ältester  wnndArMlicher  Freund,  Herr 
BodeMtaff  (wohnhaft  in  dem  niederlindiscben  Grenzstadt  eben  Gei^ 
mepj  behanddi  bat,  scheint  mir,  seiner  Seltenheit  wegen,  der  ße- 
kannmacbnng  werth. 

Eine  sechs  nod  fSnfzigjflbrige  Frau  in  den  Dorfe  Samdbeeh 
(Land  von  Kemk,  Provinz  Nordbraband),  Matter  von  acht  Kindern, 
hatte  im  April  des  Jahres  1833  starke,  anhallende  Banchacbmer- 
zen  bekommen,  und  da  die  Miilel,  die  ein  Arzt  dagegen  verschrie- 
ben, keine  Hülfe  geschafft,  einen  Monat  spftter  die  Kunst  des  Herrn 
ßodenttaff  in  Anspruch  genommen. 

Da  dieser  ihr  den  Bauch  nntersucbt,  entdeckt  er  in  der  rech- 
ten Seite  der  Unterbau cbgegend,  an  der  Stelle,  wo  der  Blinddarm 
li^,  eine  Verhärtung,  die  er  fflr  einen  iVIadcelabtzela  hXit  und 
einen  erweichenden  Brei  darauf  legt.  Bei  seinem  zweiten  Besuche 
ßhlt  er  ganz  deutlich  Fluktuation,  aber  in  der  Tiefe  dankel  einen 
banea  KBrper.     Er  ftfioet  nun  den  Abizeb;   ob  lanfeo,   nach  un- 


—    406    — 

gcntbrer  Schfttzoog,  aebt  Udmb  Eitar  bemu.  Nacb  Umm  E«- 
leening  kiinD  er  den  faarIeD  K3rf»er  in  der  Tiefe  niebt  mebr  fnb- 
Idd,  glaubt  bUo,  eiob  getäascbt  xa  beben.  Bei  dem  aicheten  Be- 
suche bringt  er  Beinen  kleinen  Finger  in  die  Hdhle  des  Abszeseea 
—  fnfalt  im  Gründe  uniweifelig  den  harten  KSrper,  fTihrl  eine  fein« 
Pinaette  neben  seinen  Finger  anf  den  rithselhaften  Kftqier,  erfaftt 
ihn  ohne  MSfae,  liehet  ihn  heraus  nnd  überzeugt  «ieb  nun  toH- 
fcommen,  dafs  es  ein  wirklicher  Stein  ist.  In  den  folgenden  Ta- 
gen holt  er  auf  die  oänlicbe  Weise  nach  acht  der  gr&lsereo  Stei- 
ne heraus;  die  kleineren  werden  ipälsr  dnrch  die  Eiterung  aoige- 
slofäen.  In  allen  sind  drei  nnd  xwanalg  grftfsere  and  kleinere  Slei* 
ne  zu  Tage  gekommen ;  die  ganze  Knr  bat  zwei  Monate  gewfihrt, 
die  Frau  ist  vollkommen  gesund  geworden  nnd  hat  nach  dieser  Be- 
gebenheit noch  neun  Jahre  getobt. 

Herr  Bodemtaff  ist  der  Meinung,  die  Steine  müliiten  in  den 
wnmfSrmlgen  Anhange  des  Blinddarmes  gelegen  haben,  denn  hU- 
ten  ste  sieb  in  dem  Blinddärme  selbst  befunden,  so  würde  er  bei 
dem  Herausholen  derselben  doch  wol  Spuren  von  Oaralkolh  be- 
merkt haben ;  Ja,  da  die  Höhle  des  Abssasses  mit  dem  Sielnlager 
commnniairt,  hstte  sioh  Dannkotfa  in  dem  Eiier  aeigen  müssen. 

Die  iieinsüchiige  Frau  hat  den  gräiälen  Theil  der  Steine,  sur 
Erinnemng  an  dieses  Abenteuer,  selbst  aufgehoben,  nur  zwei  der 
grfifseren  dem  Herrn  B.  geschenkt,  welcher  mir  einen  davon  ge- 
geben  nnd  awar  mit  der  Bemerkung,  dafs  die  Ghrigen  mit  diesea, 
hinsichtlich  der  Farbe  nnd  Consisienx,  gleich  gewesen. 

Dieser  bat  fünf  Flächen ;  die  ctberste  ist  gewölbt,  bildet  ein  et- 
was geschobenes  Viereck  und  hat  ohne  Zweifel  die  innere  Wandung 
des  wurmßrmigen  Anhanges  des  Bliaddarnies  berQhrt,  wober  ihr 
die  Wölhang  geworden.  Die  eine  Seite  dieser  FISche  ist  einen 
halben  Zoll ,  die  andere  fünf  Linien  lang.  Die  vier  übrigen  Fli- 
ehen sind,  jede,  einen  halben  Zoll  lang,  die  Breite  deraelhen,  w^ 
sie  keilförmig  zusammenlaufen,  ungleich.  Dafs  der  Stein  mit  die- 
sen Tier  FlBchen  zwischen  den  anderen  Steinen  gesteokt^  varmu- 
Ibe  ich,  well  diese  Flächen  nicht,  wie  die  oberste,  gewdlbt,  son- 
dern platt  sind.  Das  Gewicht  des  Steines  ist  23|  Gran,  die  Färb« 
desselben  weifs  ins  Gelbliche  spielend  mit  kastanienbrauner  Spran- 
kelung.  Das  ganze  Concrement  hat  hinaiohilloh  seiner  Leichtig- 
keit und  seiner  feiD«n  Oberfläche,  die  sich  seidenartig^  anfShlt,  di« 
gröfste  Aehnlichkeit  mit  dem  f«insten  und  leichtesten  Meerschaum, 
wenn  dieser  nHmlich  mit  Wachs  getränkt  ist. 

Wohllh&tige  Rarnhlatenhiutmng, 

Ein  sechsundseGhsigjRhrigvr  Mann,  bei  dem  die  Baaobvollblii- 
tigkrit   bis  zum  Jahre    1840    blo«   etwas  Vwrmaihlielwa  gewesen, 


—    407    — 

wn4m  !■  bengien  SAn  (nadulcni  er  ein«  HiibeuiwMiia  ZmI  aa 
cbroBÜcbeai  Unateo  gslitten  und  allmtiilif  «io  wich  üMsa  Ans- 
aalieD  bekommen,  dafs  «eine  Freunde  geglaubt,  ar  sei  im  Jkbgehn) 
van  dem  damahia  landgangigen  Leberfieber  eigriffcn ,  welches  je- 
doch, irMa  deo  bedenklieben  Zueilen,  mit  deoen  ea  begann, 
(Ohanaebr,  Cdltrecheo,  &ihlafguchl)«iich  ohne  Anatob  blofs  durch 
de«  SütmaD  der  Fianendiatel  hailen  lieb.  Nachdem  dec  Gafaeilla 
wieder  auf  die  Strafse  kam  and  aain«!  hier  im  Oite  wahBea- 
deo  Sohn  ein  einsigea  Mahl  beaacht  hatte,  saigtan  aicfa  bei  Ihm 
die  Varbotbes  der  BlaaeshSmorrboidea.  Ich  BHcbla  dem  drohen- 
den Uebel  dorch  Blattei  an  den  Afier  voran bangeo ,  «a  glückte 
aber  nicht;  denn  am  awetten  Tage  noch  dieaer  Eatleemng  erschie- 
nea  die  wirklicben  filasenbäinorrhoiden  mit  Stiangarie  und  don- 
kalblarigeni  Harne.  Ein  paar  Tage  darauf,  oaebdem  ich  norgena 
majae  atädiisehen  Kranke,  alao  auch  den  Mann  beaucbt  haue,  bei 
dieaeaa  niehta  Ungewöhnliches  gefnnden,  uni  mtn,  um  auDwratftdti- 
ache  Gesch&fie  an  beaehiakeo  dem  Hause  des  Kranken  rorbeifuhr, 
wmJe  Ich  hier  von  der  Tochter  angehallen  und  dringend  gebeten, 
eioantreten,  denn  es  habe  sieb,  sagte  sie,  den  Aiigenbtick  bei  ihrem 
Vater  etwas  Seluamea  erMgoet.  Da  ich  iii  dem  Kranken  kam, 
zeigte  man  mir  einen  grofsen  HarDIDpf,  der  fast  halbvoll  von  ei- 
ner sehwanbrannen  Flüaiigkeit  war,  uod  fragte  mich,  ob  ich  diese- 
Flässigkait,  die  der  Mann  geharnt,  für  Blut  balle.  Da  das  Anl- 
gdeerte  mehr  schwarz  als  braun  war,  lo  wurde  ich  wirklich  stns- 
aig,  go&  etwaa  davon  in  ein  grofsei  weilsea  Bierglai,  und  setzte 
■o  lange  Waaser  hiaza,  das  Glaagegen  das  Licht  hallend,  bis  die 
dunkelrotfae  Blutfarbe  sit^lbar' wurde;  ich  veraiobare  aber  dem  Le- 
ser, dafi,  um  diesen  Zweck  au  erreichen,  eine  Verdünnung  roa 
drei  Viertel  Wasser  erfoderlich  war.  Die,  in  Vergleich  mit  ande- 
ren Fallen  von  Blasenhämorrhoiden,  geringe  Harnslrenge  drang  rair 
den  Glaoben  auf,  dafs  ich  ea  jetzt  mit  einem  wahrhaft  kriiiichen 
oder  wobltbätigan  HamblaseabluifluaM  au  ifann  habe,  nnd  der  Vor- 
•och,  die  Natur,  die  hier  den  Weg  der  Entleerung  dnrcb  die  Bla- 
se so  energisch  eingeschlagen,  durch  ferneres  Angeizen  von  Blut- 
egeln an  den  After  in  einen  anderen  Weg  zu  zwingen,  schien 
mir  thörichti  Ich  beschr&nkte  mich  also  darauf,  dem  Kranken, 
der  begreiflich  nicht  ganz  frei  von  Harnsirenge  sein  konnte,  diese 
durch  stündlich  gereichte  dreibig  Tropfen  Roaenschwammiinkinr 
zu  mäbigen.  Dieses  Mittel,  welches  früher  in  anderen  Fällen  von 
BlasenbBmon-hoiden  (die  ich  Tür  ein  nicht  glückendes  Bestreben 
der  Natur,  sich  des  überfliiiaigeD  Bauchhlutes  durch  die  Blase  zu 
entleeren,  also  für  hiofse  Molimina  critica  ansahen  mufste]  nichts 
geleistet,  leistete  in  dem  gegenwärtigen  Falle,  wo  der  Natur  diese 
Entleerung  vollktunmen  gluckte,  recht  gute  Dienste.  Warum  aber 
eine  solche  wahrhaft  wohltbätige  HBroUasenbluinDg  so  leiten  vor- 


—    408    — 

kouiml,  daCi  ich  iie  ent  im  fünf  and  vienigrtfln  Jahre  mBiaat  Pm- 
xii  gesehen,  das  «erden  die  gelehrlen-  Anatomen  nnd  Phjviolt^n 
wahrscheinli^  besser  ansziilegeD  wissen  als  Ich.  —  Was  den  fer- 
neren Verlauf  des  Uebels  bei  iinsereia  Kranken  beiriffi,  ao  kann 
ich  mich  darfibet  kura  fassen.  Der  Kranke  entleerte  noch  einige 
Tage  blnttgen  Harn,  bekam  auch  noth  einen  kleiaeo,  nngeftfar  ei- 
ne Unxe  betragenden  Blulergiifs  ans  der  Harnrfthre,  und  awar  ganz 
ohne  Schment ;  dann  wnrde  der  Harn  nicht  blofs  anblutig,  sondern 
ganz  normal  von  Farbe.  Nach  ein  paar  Tagen,  fKrbte  er  sich  wie- 
der faellblntig  Cwabneheinlicb  wegen  eines  kleinen  Difttfeblers ) 
das  wtthrte  aber  nar  einen  Tag,  dann  war  er  wieder  normal.  In 
den  folgenden  Tagen  reinij^e  aich  die  Blase  von  dem  no*^  in  ihr 
steckenden  Blntgvrinnsel ,  welches  Wahrscheinlich,  von  der  eigeat- 
licben  Hanptbintung  herstammte ;  ich  sah  nXmlich  in  dem  hellstroh- 
gAlben  Harne  kleine  Stückchen  von  scfawanbrannem  geronnenen 
Blote.  Endlich  ereignete  eiob  noch  ein.  Znlall,  der  den  Kranken 
so  besorgt  machte ,  dafs  er  mr  ungewdhnlicben  Zeit  meinen  Ratb 
in  Anspmcb  nahm ;  wenn  er  nBmlich  harnen  wollte,  konnte  er  bei 
aller  Ansirengnng  keinen  Tropfen  Wasser  entleeren.  Ans  allen 
Umständen  schlols  ich,  es  müsse  ein  weit  gröfseres  StSok  Blu^^ 
rinnsei,  als  bis  jetat  von  ihm  gegangen,  sich  in  die  HarnrShre  fe^ 
geaetat  haben  und  sie  verstopfen.  Ich  rieih  ihm  also,  -er  solle  tim> 
läufig  jeden  Versuch  anm  Hamen  ganx  aufgeben,  damit  sieb  eine 
gute  Portion  in  der  Blase  sammle,  and  nur  wenn  er  es  gar  nicht 
mehr  aushalten  könne,  das  Hamen  versuchen. 

Dieser  Baih,  dessen  Befolgung,  bei  der  gesteigerten  Beiabar- 
keit  der  Blase,  welche  nach  einem  solchen  Stofse  noch  eine  Zeit- 
lang fiberbleibt,  allerdings  etwas  lästig  war,  wnrde  möglichst  tren 
tnr  Ansführnng  gebracht,  nnd  da  nun  der  Kranke  das  Hamen  eod- 
iich  versuchte,  trieb  der  kräftigere  Hamstrom  ein  nngeiähr  zoUlan- 
gea  BlntgerioDBel ,  weli^es  sich  wahrscheintieb  qner  in  die  Harn- 
löbie  gesetzt,  ohne  Mibe  heraus,  nnd  damit  war  nun  das  Ende 
aller  Leiden  erreicht. 


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Zweiter    Abschal««. 

■ftttel    mmt  <li«   •rgan«   der   mrmmt. 
Mittel  auf  d*a  Ber%. 

M9«r  iiM«gelnKfiiget  aanetwad«  HBmchlag  üi  nweilen 
•ine  im  Henen  Torwaltende  Affektion  dna  GeMraratorganitinnB, 
nnd  Riebet  nnler  der  Heil^ewalt  eines  der  UnivertalieD.  Oder  er 
ist  eoDsenineller  Art ,  hftngt  ron  der  Affektion  eines  andern  Ein. 
geweides  ab ,  tind  kann  nar  dnrcb  Hebang  des  Gmndfibeli  besei- 
tiget werden.  Dia  Affektion  der  Bancbetngeweide,  der  Leber,  der  Milz, 
des  Pankreas,  des  Pforladersystemes,  oder  der  Banchganglien  können 
ganx  unregelmafsigen  Hemohlag  machen,  so,  dafs  sich  anch  vol 
«in  verständiger  Mann  tiaschen  and  datf  Ganze  ffir  eine  Uraffektion 
des  Henens  ansehen  kSnnte.  Ich  erinnere  mich,  Tor  zwei  Jahren 
den  Füll  erlebt  za  haben,  dafs  bei  einem  Manne  von  höheren 
Jahren-  der  Gallenstein  solch  einen  nnregelmafsigen  Herzschlag 
und  solche  Athemsnoth  machte,  dafs  ich  selbst  mehre  Tage  zwei- 
felhaft blieb ,  ob  ich  es  nicht  mit  einem ,  mit  Bmstwassersncht 
Terbnndenen  Herzfehler  zn  ihnn  hätte.  In  der  Folge  ergab  es 
sich  aber,  da&  ein  Gallenstein  solche  grofse  Noth  verarsBcht  ha- 
be', der  denn  anch  so  gef&llig  war,  sich  durch  eine  Abkochung 
des  Franeodisteliamens  benihigeo  m  lassen.  Aus  den  vorhandenen 
Zeidien  nnd  dnrcb  die  Ansfragvng  lUst  steh  so'  etwas  nicht  immer 
erkennen.  Man  mufs  die  geeigneten  Mittel  mit  dem  Organismas 
in  Berährung  bringen,  nnd  ans  dem  Verhalten  beider  gegen  ein- 
ander  das  IJebel  erkennen.  Es  giebt  Ffille,  wo  wirklich  jede  an- 
dre Art  der  Erkenntnifs  bar  nnmöglicb  ist. 

In  den  Urieidan  des  Herze6s,  die  nicht  von  angebornen,  ode' 
erworlienen  Bildon  gl  fehlem  dieses  Organs  abhangen,  nnd  in  denen 
davon  entstehenden  consensudlen  Affektionen  anderer  Gebilde  ist 
die  Di^talia   wol  du  beste  direkte  Heilmitlei.     Jedoch  mnfs  man 


—    410    — 

sie  oft  Kor  HbdiI  nehmen,  wann  man  ein  krankhaft  aafgtngtea 
Hsrz  griinditcb  damit  heilen  will,  ja  die  gründliche  Heilung  glückt 
nicht  iqinier.  Ich  habe  eine  Jungfrau  gekannt,  die  swanzig  Jahn 
am  anhaltenden  Ilerzlflopfen  gelitten,  ohne  dafa  man  behaupten 
konnte,  ai«  habe  Uerafehler.  Sie  !at  auch  nicht  gestorben,  wie 
Mensohen,  die  an  aolcben  Fehlern  sterben,  eondern  sie  iat  viel- 
mehr alt  und  abgelebt  heimgegangen.  Dieser  Jungfrau  habe  ich, 
da  sie  kaum  iwei  Monate  den  ersten  Anfang  des  anhaltenden 
Heraklopfens  gehabt ,  die  Digitalis  gegeben ,  aber  nicht  die  inin- 
deste  wohlibätige  Wirkung  dieses  Mittels  können  gewahr  werden. 

Wenn  junge  Leute  periodisches  lienklopfen  haben,  so  wird 
dieses  bisweilen  mit  den  Jahren  minder,  nnd  verschwindet  wol 
mit  der  Zeit  gäoslieh.  Haben  wir  diesen  nun  Digitalis  gereicht, 
■o  kSnnen  wir  hintennach  rathen,  ob  die  Digitalis,  oder  die  Zeit 
Heilen  nn  geweson. 

Ich  habe  ein  Fräulein  gekannt,  die  mit  Heraklopfen  und 
Asthma  periodisch  geplagt  war,  und  die  nun  «chon  seit  gar  langer 
Zeit  nichts  mehr  von  diesem  Uebel  weifs.  Sie  hat  keine  Digila- 
II«  gebraucht.  Ich  kenne  einen  Mann,  der  Irnhor  Hersklopfen 
und  aslbmaiisohe  Zueile  oft  hatte;  mit  lanehnienden  Jabren  iat 
dieses  Uebel,  ohne  den  Gebrauch  der  Digitalis,  so  gemindert, 
dafa  er  die  gegründete  Hofinung  hat,  gaoi  davon  befreit  tu  wer- 
den. Sondefbar  ist  es,  dafs  dieser  Mann  das  Herzklopfen  gleich 
dadurch  beschwichtigen  kann,  dafa  er  den  Körper  vorn  beriiber 
beugt,  den  Kopf  nach  unten,  je  tiefer  je  besser. 

Im  Jahre  1836  gewann  ich  die  Ueberzeugung,  dafa  die  Natur 
auch  eine  der  Konst  ganz  nnangllnglicbe  Uerserkrankong ,  wo 
nicht  vollkommen  heilen,  doch  um  vieles  verbesseren  könne. 
Der  17jShrige  Sohn  ein«»  armea  Ochsenbauers  litt  an  einem  so 
furchtbaren  Herztoben,  dals,  wenn  man  die  Hand  auf  seinen 
Brustkasten  legte,  man  nicht  blofs  den  sehr  starken,  nnregelmS- 
fsigen  Herzschlag,  sondern  aetbat  die  zuckende  Bewegung,  die 
das  Herz  bei  jeder  Znaammenziehaag  uiacht,  deutlich  fühlen  konnte. 
Da  weder  die  Digitalis  noch  andere  Mittel  eine  wohllhälige  Wir- 
kung auf  dieses  Herzleiden  äufserten;  so  rieth  ich  dem  Vater, 
sein  weniges  Geld  nicht  zwecklos  in  die  Apotheke  zu  tragen, 
•ondera  nur  dafür  zu  sorgen,  dals  der  Kranke  nicht  durch  kör- 
perliche Ansirengvngen  sein  Uebel  verschlimmere.  Ich  gab  ilim 
den  Trost,  das  Herzleiden  könne  mit  der  Ausbildung  des  Kör- 
pers durch  die  Zeit  von  selbst  besser  werden. 

Zu  der  Zeit,  da  der  Junge  in  die  Militaircooscription  6«l, 
erschien  dvr  Vater  wieder  hei  mir  und  verlangte  ein  Zeugnifs 
über  dessen  Krankheit.  Statt  eines  Zeugnisses  gab  ich  ihm  den 
Ratb,  er  solle  den  Jungen  auf  «einen  Ochsenkarren  laden,  ihn 
nach    G,   fiihren  und  den  ootenncheaden  Militttrirzten  in  meinem 


—    411     — 

NMiMt  «rklirtn :  i«h  bdw  «in  ZengaiA  verweigert ,  VeU  Wean 
■ie  sieb  die  Mike  gebea  vollteii}  den  Jnogen  ihre  Haad  eaf  das 
Ben  zu  legen,  lie  enf  den  enien  Griff  leise  volUcomiiine  Uoleng- 
Kchkeil  xun  MilitlnUenete  geu  ■Dsweifelbafl  erkenaen  würde«. 
Diese  HerreB  weres  encb  u  verständig,  'hn  für  gans  antüehtig 
n  erkiftren. 

Nun  bBrte  ich  in  langer  Zeit  niditt  mehr  von  ihm.  Im  Jahre 
IS36  erschien  er  wieder  bei  mir,  um  für  einen  kranken  Verwand- 
ten Bath  SU  Bueheui  Durch  die  Andildung  seines  Körpers  war 
er  so  verftnderl,  dn&  ich  ihn  ttiobt  mehr  kannte;  da  er  sich  mir 
gu  erkenne»  gab,  seblofi  ich  aus  seinem  gansMt  Ansehen,  dala 
es  mit  seinem  Hersen  viel  besser  beateilt  sein  müsse  nls  früher. 
Anf  meine  Fmge  naeh  seiner  Bessemng  horte  ich  nua  Folgendes, 
Er  habe,  ugte  er,  meinen  Bath,  alle  körperliche  Anstrengungen 
sorgfältig  SU  meiden,  treu  befolgt;  sein  Hersioben  sei  durch. die 
Zeit  allmählich  minder  geworden,  die  Fortschritte  der  Bessemag 
jedoeb  so  unmerklich  gewesen  ^  dals  er  DBMöglicb  einen  bestimm- 
ten Zeitpunkt  •nffallender  Besserung  bezeichnen  könne.  Jetst  trei- 
be er  schon  wieder  ein  paar  Jahre  die  Feldarbeit,  hüte  sich  Je- 
doch dabei  vor  grofser  Anstrengung  und  tot  grolser  Eile.  —  Da 
ich  ihm-  die  Hand  auf  das  Herz  legte ,  Hiblte  ich  allerdings ,  dafs 
ea  noch  stärker  «ohlug  als  ein  gesundes;  allein  was  war  das  ge- 
gen das  frühere  Tobenl  —  Ich  begriff  Jetst,  da£i  der  Mann  bei 
allen  Bewegungen  mit  seinem  Henen  Bath  nehmen  mnlste,  also 
im  eigentlichen  Sinne  ein  Unfreier,  ein  Sklave  seines  Ueneu 
war.  Dieser  Knachlschaft  aber  langst  gewohnt,  führte  er  nicht 
blofil  ein  erträgliches,  sondern  selbst  ein  genüglicbes  Leben. 

Ueher  den  Gebrauch  der  Digiralis  ist  in  unserer  Zeit  so  viel 
Gutes  und  ErfahrungMnXlsigeB  gesagt,  dala  ich  es  für  ganz  über- 
flüssig halte,  meine  eigcnthfimliehen  Erfahrungen  den  Lesern  ane- 
fnhrlich  raitzutbeilen.  Folgendes  kann  ich  mich  aber  nicht  entbal- 
ten  an   heiueriten. 

Die  Digitalis  hat  eine  direkt  heilende  Einwirkung  auf  das 
erkrankte  Herz ;  nur  in  anpassenden  Gaben ,  and  zu  anhaltend  ge- 
bfaucfal,  wirkt  sie  feindlieh  auf  selbiges.  Will  man  das  kranke 
Hen  heilen,  so  mufs  man  alle  feindliche  Einwirkung  vermeiden. 
ich  lasse  10  bis  12  Gran  des  Krautes  mit  8  bis  12  Unaen  Was- 
ser bis  lur  HOlfie  rerkoehen ,  and  den  Kranken  von  diesem  De- 
kokt viermabls  tags  einen  LSffel  voll  nehmen,  so  daiä  die  l*or> 
tioo  in  zwei  bis  drei  Tagen. verzehrt  wird.  Diese  ist  im  Allge- 
meinen hinreichend,  das  Herz  zu  hembigen,  and  die  consensuel- 
leu  Zufälle  aufzuheben.  Sobald  ich  sehe,  dafs  letzte,  z.  B.  Athems- 
noih,  Spannung  in  den  Präkordien  u.  s.  w. ,  nacblassen,  hoifiie 
ich  den  Kranken  gleich  mit  dem  Arseneigebrauche. aufhören,  wenn 
gleich  der  veroidnate  Trank  noch  aioht  ganz  verzehrt  wäre. 


-    4!t    - 

Ven  dem  isindliohm  Ai^jraifM  deg  OkgiDlaau  iatA  dw  Digila- 
lii  habe  ich  bis  j«tBtn<tch  kein  Heil  in  Bsnleidea  gMehcn.  lok  weili 
jedoch  recht  gat,  dafi  man  durch  seloh  feindliehei  Angratfea  i» 
nancheo  KrankheiteD  g;ar  wunderbare  VerSaderangea  bewirkea 
kaan;  et  liegt  nur  anfier  meinem  Plane ,  jelit  von  aoldiea  f«nd. 
liehen  Heilarten  so  iprechen,  da  ich  aie,  der  Deatliebkeit  wegen^ 
in  einen  beionderen  Kapitel  abhandeln  werde.  BUdangtfebler 
dea  Henens  aind  bekanntlich  nicht  ui  heilen,  aber  man  kanndocb 
Tiel  xnr  Erleiehtemng  dea  Kranken  ihnn.  Bei  den  meiiten  Hen- 
krankbeiten,  welche  icfa  i&t  erworbene  Bildnngifehler  hielt,  nnd 
an  welchen  die  MeDseben  auch  Mhnt  oder  spttter  gestorben  tind« 
fand  ich  den  Pata  toII,  wallend,  mehr  oder  minder  annetiend) 
und  dann  mehre  Schiige  lebnell  nnd  minder  kräftig  blntereinan- 
der  ichlagend.  In  den  wenigem  FSll^n  fand  ich  ihn  kleie,  eb- 
sammeogexogen  nnd  aouetnad.  Dieser  Unieracbied  wird  wabr- 
sdwinlieh  von  der  Art  der  Fehlet  abhängen.  leb  veratehe  mieb 
wbet  nicht  darauf,  die  eioselnea  Fehler  durch  sichere  Zeichen  von 
einander  zu  unten ebeiden ,  glanbe  auch  nicht,  dala  dem  prakti- 
adien  Arzte  an  Bolcfaem  (Jntenefaeiden  riel  gelegen  Bein  kann, 
insofern  er  nKmlieb  den  einen  Fehler  ao  wenig  beben  kann  alt 
den  andern. 

Es  adielnt  wol,  dafs  befiige  kdrperliche  AnMrengnng,  dnrcb 
Laufen ,  oder  durch  Heben  einer  Last ,  oder  dala  ein  Sinn  solche 
Bildungsfehler  des  Herzens  Teranlasaen  kann.  Unter  den  franxasi- 
Bchen  Zollbeamten,  die  «nweilen  aua  Dienateifer,  oder  in  Hoff- 
nung guter  Beute ,  den  Schmagglern  mit  der  anfsertten  Anstreo- 
gnog  nachrannten,  habe  ich  mdire  Herzkranke  gekannt.  Auch 
nnter  den  Preufsiacfaen  Zollaufsehem  waren  im  Jahre  1829  n 
gleicher  Zeit  zwei  herzkranke  Leute  in  hiesigem  Orte.  Der  eine 
gab  bestimmt  einen  Stum  in  eine  liefe  Sandgmbe  als  die  erste 
Teranlaasende  Ursache  seines  Leidens  an.  Vor  etlichen  Jahren 
ist  hier  ein  Bäcker  an  Herzfehler  gestorben,  der  einen  wahrhaft 
athletischen  Körperbau  hatte.  Dieser  gab  ebenfalls  bestimmt  das 
Heben  eines  überschweren  Komiaokes  als  die  Veranlassung  seines 
Uebels  an.  Uebrigens  findet  man  Herzknmkc  genug,  die  durcb- 
aus  keine  Teranlassende  Ursache  ihres  Ungemachs  anzugeben 
wissen.  Bei  alten  Leuten  soll  zuweilen  VerkoÖcherung  der  Herz- 
klappen das  Herzleiden  macben.  Möglich  ist  es;  ich  habe  es  aber 
nodi  nicht  gesehen.  Vor  etlichen  Jahren  behandelte  ich  einen 
Mann,  dessen  Uebel  von  dem  Uebel  anderer  aebr  abweichend 
war;  der  Imt  vielleicht  VerknScherung  der  Klappen,  oder  gar  der 
AorU,  oder  Gott  weifs  was  für  andre  verborgene  Fehler  gtfhabt. 
Sein  Puls  war  klein,  fadeofftmig,  anasetzeod  nnd  ganz  unregel- 
mäfsig  schlagend.  Der  Athem  kurz,  ohne  dafs  man  Bruatwasser- 
sucht  annehmen  koBDte.  Die  Nase  war  blaaroth  und  kalt.  Die  Digitalis 


•    —    41S    — 

wirkt«  gw  aiaht  anf  diuea  «dtMmen  Zattand.  Der  Mann  üt 
aaeh  nicht  gMtorb«a,  wie  andre  Henkranka  oder  Bnutwaas«'. 
B&ebtig«,  aoadem,  nacbdea  er  nehrere  Jahre  in  dieaem  Zaaianda 
faeniMgegaagen  und  nach  and  nach  Fleuch  und  Krifte  verloren, 
iat  er  endlich  beltlägerig,  dann  immer  magerer  und  kftltar  gawor- 
deo ,  and  iat  aoleut  im  eigentlichen  Sinne  verlöichi.  Der  Pub 
war  in  der  leisten  Zeit  lo  klein  ,  dala  ich  ihn  nnr  mit  MUhe  fin- 
den konnte,  vk-%  ich  aber  daran  fiihlie',  war  geltsame  ünregelmä- 
Crigkeil.  leb  hin  der  Meionng,  dals  hier  ein  eigenee  Hindernif« 
dea  KraialanfiH  Statt  gefnnden  habe,  mafae  mich  aber  nicht  an, 
selbiges  bestimmen  zu  wollen. 

M&glicb  ist  es,  dafi  manche  Kinder  kleine  Herzfehler  mit  anf 
die  Welt  bringen ,  welche  anfänglich  dem  KreiNlaufe  and  der  Cr- 
aSbrviig  nicht  sehr  binderlich  sind ,  sich  aber  mit  dein  K5rper 
aaeh  und  nach  aoibilden  nndje  Unger je  stürender  aaf  den  Kreis- 
laaf  einwirken.  Möglich  ist  es  aber  auch,  dafi  im  Knabenaher 
solche  Henfebler  dareh  heftiges  Laafen,  Springen  and  andere  ge- 
waltsame Anstrengongen  gearsacbet  werden. 

Die  Gonsensaellen  Leiden ,  die  durch  Herzfehler  veranlafal 
werden,  ihid  nach  meiner  Beobachtung ,  folgende: 

Brost  Wassersucht  und  folgende  BanohwassersacfaL  Blutiger 
Aoswurf.  Krampfhafts  Affektion  des  LnftrShrenkopfei ,  die  sich 
als  Erstiekungsznfaile  Sufsert  Affektion  der  Leber ,  häufiger  je- 
doch, nach  meiner  Beobachtung,  mit  krankhaft  vermehrter,  als 
mit  Termindener  Gallenabsonderung  gepaarel.  Affektion  des  Ma- 
gens ,'  die  sidi  als  Spannung  in  den  Prttkordien ,  oder  als  bestBn- 
digea  Uebelsein,  tind  mitunter  ab  Würgen  änfserl.  Affektion 
der  Stieren,  die  sich  als  Öfteres,  aber  spanames  Harnen,  oder  als 
Bwhr  oder  minder  behinderte  Harnabsondening  und  normwidrig« 
Farbe  des  Harnes  offenbaret  (aaf  die  Weise  kann  bei  Hersfefalem 
Bauchwassersucht  ohne  Brust  was«  ersucht  entstehen,  wiewol  ich 
zulasse,  dafa  uolche  Falle  anberst  selten  vorkommen).  Zuaam- 
menziefanng  des  Mastdarmes,  wodurch  der  Darmkoih  in  ganz  dün- 
nen Kringen  zn  Tage  gefordert  wird,  mit  öfterer  Neigung  tnr 
Entlaatnng  ab  bei  vollkommener  Gesnndbeit.  Endlich  ein  eigenes, 
nach  Aussage  des  Kranken,  ans  dem  OheriMoehe  hervorgehendes, 
selbst  bei  mäfsiger  Bewegung  entstehendes  G^hl  von  HinfAUigkeit 
nnd  Unmficbtigkeit,  welches  nicht  selten  mit  Würgen  begleitet  ist 
PlStzlicbe  Tode  habe  ich  sehr  selten  gesehen,  wo  ich  sie  aber 
■ah,  waren  sie  blltsschnell.  Im  Jahre  1829  hatte  lob  einem  Grenz- 
xollanfseher  ein  Zengnib  gegeben ,  dafs  er  wegen  unheilbarer 
Heizfehler  anftthig  zo  seinem  Dienste  sei.  Durch  gute  Vorspräche 
whtdt  er  einen  gemfichliehen  sitsenden  Posten  an  der  Brücke  zn 
^■■mifareiuiain ,  und  der  Termin  war  ihm  anheranmt,  wann  er 
*i«'i  donbin  be^ben  sollle.     Nachdem  er  eines  Moigeu  Kaffee 


—    414    — 

geirnnken,  recket  er  sich  auf  dem  Stahle,  «od  miebt  eroe  eeliBa- 
me  bange  Miene.  Seine  Frau  springt  au  ihiBt  nimmt  ibn  in  ihre 
Arme ,  nnd  er  veraeheidet  aagenhlicklieh.  Ejnen  ähnlichen  Tod 
halte  der  Obent  von  D  *  * ,  der  achon  mehre  Jahre  anhaltewl 
nnregelmKfsigen  Herzacfalag  gehabt,  Obrigea«  sieh  ziemlich  wohl 
bei  einer  mürRigen,  alisenden,  sorgen&eiea  Lebensart  befanden, 
leh  wurde  im  Jahre  1817  zu  seiner  Gemahlinn  gerufen,  die  an 
einem  chronischen  Uebel  litt.  Nachdem  idi  dieae  unleriucht  und 
ihr  dai  Nötbige  verordnet,  bat  sie  mich,  ihren  Gatten  doch  aneb 
einmahl  za  examiairen,  der  leide,  tagte  aie,  aeit  einiger  Zeit  aa 
karzem  Aihem,  wolle  es  aber  nicht  Wort  haben.  Ich  anteranchie 
ihm  znerat  den  Bauch  und  fand  diesen  von  Wasser  ganz  gespannt ; 

'  in  der  Brnit  halte  er. aber  kein  Wasser,  denn  sonst  haue  die 
AthemskSrze  bei  dem  wasaererHillten  Bauche  weit,  weil -gröber, 
sie  h3iie  schon  wiriiliche  Athemsnoth  sein  müssen.  Der  Puls  war, 
wie  ich  ihn  schon  früher  gefühlt,  voll,  wallend,  aassetzend,  und 
dano  mehre  schwache  Schlage  schnell  hintereinander  thuend.  Ich 
verordnete,  was  ich  ßir  dienlich  hielt,  und  da  die  A|ioiheke  fast 
eine  Meile  entfernt  war,  das  Uebel  ganz  schleunige  Hülfe  nicht 
zn  fodern  schien,  und  es  schon  auf  den  Abend  ging,  so  sollte  fol- 
genden Tages  die  Arsenei  geholt  werden.  In  derselben  Nacht  siebt 
die  Oberstinn  ihren  Gallen  ans  dem  Bette  steigen,  sich  auf  einen 
Stuhl  setzen  und  nach  Athem  schnappen.  Sie  spricht  ihn  an,  er 
antworlet  nicht,  wanket  aber  auf  dem  Stuhle,  als  ob  er  hinunier- 
sinken  wolle,  erschrocken  fliegt  sie  ans  dem  Beue,  umfafst  ihn 
mit  ihren  Armen,  und  eh  sie  das  neben  an  schlafen  de  Midcfaen  berii. 
fen  kann,  gibt  er  schon  den  Geist  anf.  So  gfmachiidi  enden  aber, 
bekanntlicfa,  die  wenigsten  Herskranken.  Die  meisten,  welche  ich 
geaeheu,  Ktten  viel  und  lange,  efa  sie  des  Lebens  bar  worden. 

Apoplexie  sah  ich  noch  nie  sich  zu  Herzfehlern  gesellen 
{vorausgesetzt ,  dafs  man  die  angerührten  plötzlichen  Tode  nicht 
Apoplekie  nennen  will,  woza  aber  keia  Grund  vorhanden  ist)» 
aber  wol  vorübergehende  L&lnaung,  aneb  StBrnng  der  Gefaimver- 
ricblungen.  So  behandelte  ich  z.  B.  einen  allen  Domherrn,  der 
an  einem  Henfehler  litt,  in  dem  sich  Bmstwassersacht  gesellte; 
dieser  bekam  kurz  votlier,  eh  er,  wo  nMit  bettlSgetig,  de«h 
atnfalriisiig  wnrde,  eine  Lähmung  des  linken  Fn&es,  die  sieh  aber 
in  einer  halben  Stunde  wieder  verlor.  Dit  Frau  eines  Laodmannes 
wurde  halbseitig  gelähnst  oad  apraofalos,  (Am  die  Besinnung  za 
verlieren.  Die  I^ähtaung,  sowol  der  Extreraiifiieii  als  der  Zunge, 
wShrte  aber  kaum  vieruadawaazig  Stunden.  Ich  kannte  einen  acht» 
ligjäbrigen  Geistlichen,  der  an  einem  Fehler  de«  Herzens  und  der 
davon  abhängenden  Brustwassersuefat  litt.  Dieser  bekam  einst  ei> 
ne  Lähmung  des  rechten  Armes  und  Fafses ;  Gäiirn,  Znnge,  Mund 

«nd  6encht  waren  «her  frei  geblieben,  Dfeae  Uimmg  vencbwaiMl 


—    41S    — 

innerhalb  «ckt  Tage  m,  dab  er  wieder  in  der  Kirch«  die  Metae 
lesen  konnte.  Ein  aaderes  Mahl  rerlor  er  plöcxUch  Bein  GedRcht- 
mls  in  der  Art,  dafa  er  allen  Gegenständen  einen  verkehrten  Na- 
Men  gab;  dieaea  hat  aieuilicfa  lange  gew&hrt,  verlor  aich  aber  auch 
wieder.  Gott  weifa,  wie  oft  ich  dieaen  Mann  daa  Bnuiwaaaer 
durch  die  Digilalia  habe  wegbarnen  lassen.  Eine  Zeitlang  riefen 
«cb  seine  HanagenOHcn,  wenn  er  Atbanianoih  bekam  and  die  Füfae 
ihm  «chwollen ;  weiterhin  woUteo  sie  mich  nicht  bemühen ,  boo- 
dera  li^en  nur  den  viemuigeD  Fiogerhulsabaod  wiederholen,  weU 
diea  denn  aach  got  ging. 

Ueber  die  erleichtern  de  Behandlang  der  Hersfehler  (auf  wirk- 
tich  heilende  verzichte  ich)  hat  mich  die  Erfabmng  Polgendea  ge- 
lehrt: 

Man  mufi  sorgen,  daa  Wasser  aus  der  Bmit  an  halten,  und 
dieses  kann  man  am  besten  dadorcb  erreichen,  daTs  man  die  Di- 
giulis  als  Heilmiitel  auf  das  Herz  in  unfeindlicher  Gabe  reicht, 
wie  dieses  schon  oben  bemerkt.  Ein  feindliches  Angreifen  des 
Organismus  störet  weit  eher  die  Urinabsonderung,  als  dafs  es  seU 
bige  berördem  sollte.  Bekannilich  sind  aber  die  verschiedenen 
Menschenkör|jer  nicht  gleich  empfänglich  für  die  Einwirkung  der 
Digitalis;  man  mnls  in  dieser  Hinsicht  jeden  einselnen  Körper, 
mit  dem  man  zu  thun  hat,  und  die  Wirkung  der  Arzenei  genau 
beobachten,  dann  wird  man  schon  bald  die  heilsame  iiDfeindlich« 
Gabe  ausmitteln. 

Uenfehler  tauchen  bekanntlich  consensuelle  Leiden  anderer 
Bmst-  und  Banehorgnne.  Im  Allgeiaeiiwa  kann  man  als  wahr  an- 
nehmen, dafs  £e  Digitalis,  durch  wohltbfitiges  Einwirken  auf  daa 
Hers,  diese  csasensuellea  Leiden  hebt  und  zwar  schnell  hebt.  Zu- 
weilen aber  trifft  es  sieb,  dafs  solch  ein  consensuelles  Leiden  ei- 
aes  Organs  anfängt  zum  wirkliehea  Urleiden  zu  werden ,  dann 
weiidit  es  flicht  mehr  der  Digitalis ,  und  gerade  dadurch ,  dafs  es 
nicht  mehr  derselben  weicht,  bekomimt  nun  die  Vermuthnng,  dala 
es  selbstsiändig  geworden  sei.  Hier  maJs  man  durch  die  Eigen- 
mittel solch  «in  urerkranktes  Organ  wieder  zum  Normalstande  ta- 
röekföhren,  dann  wird  man  dem  Kranken  grolse  Erleichternng  ver- 
a«baffen.  So  habe  iöb  schon  erlebt,  dafs  die  Digitalis  die  consen- 
anelle  Spannung  in  den  PrSkordien,  naaientUch  im  rechten  Ifyf»- 
eiomdria,  bei  einem  herzkranken  Manne  nicht  mehr  heben  wollte, 
ich  gab  jetsL  QoasaiBWBSser,  und  dadurch  wurde  dieser  Zufall  be- 
seitiget, und  die  Urinabsondemng,  die  der  Digitalis  nicht  mehr  ge- 
horchen wollte,  wieder  zur  Norm  gebracht.  Ich  habe  auch  schon 
gesehen,  dafs  eine  falsche  Gallenabsoodernng  mit  sehr  bitterem 
Gesohmaok,  nod  mit  anderen  Zeichen  gastrischer  Schärfe  Statt  fand. 
Magaetia,  bi«  sam  drei-  oder  viennabligefi  täglichen  Abfuhren  ge- 


—    416    — 

gebeo,  beieitlgte  4ie  Zuflllle  gar  bald,  and  nan  ibat  dfe  DigitalU 
wieder  ihre  alte  Wirkung. 

Es  ist  dnrchant  oöthtg,  darauf  in  achten,  ob  früher  ichoa  ein 
krankhafter  Zaaund  des  einen  oder  dei  andern  Orgau  vorfaandSB 
gewesen.  Wenn  man  solche  TrQher  vorhandene,  neben  dem  Hen- 
leiden  bestehende  krankhafte  Zustände  der  Organe  nicht  heseiti- 
gel,  so  kann  man  mit  der  Digitalis  allein  nweilen  gar  nichts  aus- 
richten. Haupts&chlich  ist  zu  achten  auf  den  Bauch,  and  in  die- 
sem auf  das  PfortadersTstem.  Bei  solchem  doppelten  normwidri- 
'  gen  Zustande  des  Herzens  und  eines  andern  Organa  findet  ein  ge- 
geaseiliges  Ineinand erwirken  beider  Oi^ane  Statt,  wodnrch  denn 
das  Hersleiden  ungeheuer  gesteigert  wird.  Beschwichtiget  man  die 
Anfgeregtheit  eines  solchen  friiher  erkrankten  Organs  (in  heilen 
ist  es  auch  nicht  immer),  so  beruhiget  man  dadurch  nm  vieles  das 
Herzleiden,  oder  man  bahnet  der  Digitalis  den  Weg,  ihre  beilsa- 
me Wirkung,  welche  bereits  versagt,  aufs  neue  zu  bewahren.  So 
habe  ich  z.  B.  durch  den  inneren  Gebrauch  des  Schwefels  und 
dnrcb  Ansetzen  der  Blutegel  an  den  Mastdarm  den  wankenden  Rnf 
der  Digitalis  als  Herzheilmitiel  und  tds  Diuretieum  auch  sdion 
gerettet. 

Man  mufs  auf  den  Znstand  des  Gesammtorganismus  achten, 
and  diesen,  wenn  er  erkrankt,  zur  Norm  sarückfübren.  Mebr- 
muhls  habe  ich  erlebt,  dafs  die  Digitalis  nicht  mehr  wirken  woll- 
te, und  dafs  die  Kranken  sich  Sufaerst  unbehaglich  fühlten;  ihr 
Harn  war  dunkelroth,  aber  bamsaaer,  die  NSchte  wurden  schlaf- 
los zugebracht,  und  das  Herzpochen  war  nngewSbnlich  heftig. 
Durch  mehrtSgtgen  Gebranch  des  kubischen  Salpeters  wurde  dieser  Zu- 
stand, zwar  nicht  ganz  gehoben,  aber  um  vieles  gemildert,  und  nnnthat 
die  Digitalis  anfs  neue  ihre  herrliche  Wirkung.  Noch  lebt  in  mei- 
ner Xachbarschaft  ein  herzkranker  Mann,  den  ich  sdion  über  vier 
Jahre  behandelt  habe.  Dieser  hat  innerhalb  der  angegebenen  Zeit 
sebon  zweimahl  an  einer  nnter  der  Heilgewalt  des  Eisens  stehen- 
den Affektioa  des  Gesammtorganismus  gelitten.  Zum  ersten  Mah- 
le stellte  die  essigsaure  Eisentinktnr  die  Urinabaonderang,  die  der 
Digitalis  durchaus  nicht  mehr  gehorchen  wollte,  wieder  her.  Ein 
Jahr  darauf  vermochte  es  diese  Tinktur  allein  nicht;  aber  der 
Mann,  der  schon  ganz  bettlägerig  war,  fQhlte  sich  bei  ihrem  Ge- 
brauche wieder  besser  und  sifirker,  und  der  dnnkcIgefBrbte ,  ganz 
alkalische  Harn  wurde  wieder  sauer,  und  verlor,  zwar  nicht  ganz, 
aber  grSfstentbeils  die  dnnkelrotbe  Farbe.  Nun  gab  ich  aufs  neue 
die  Digitalis,  und  sie,  die  vorher  nichts,  gar  nichts  geleistet,  that 
jetzt  so  rasch  ihre  treffliche,  wundergleiche  Wirkung,  als  ich  sie 
je  in  meinem  Leben  gesehen. 

Ob  bei  Herzfehlern  Aderlässen  zur  Erleichterung  der  Beschwer- 
den und  Verlängerung  des  Lebeu  diene ,    darOber  Uiirt  sieh  im 


-    417    - 

AUftBOflinsn  niehl  gemSchlich  absprechen.  Ich  habe,  wie  icb  eben 
bemerkt,  Ffille  erlebt,  wo  sti  dem  Hentfehler  sich  eine  unter  der 
HeUgewali  dei  Salpeters  stehende  Affektion  des  Gesammlorganis- 
mns  gesellte.  Wer  hier  hfiile  cur  Ader  lasien  wollen,  vfirde  da- 
nitwol  nicht  geschadet  haben.  AuchinPSllen,  wo  Leuteschon  früher 
an  BI Uten tlee rangen  gewöhnt  sind,  wo  sie  gat  essen  nnd  Irinken,  nnd 
sich  gerade  wegen  ihres  Uebels  keine  Bewegung  machen  können, 
aneb  in  diesen  Fällen  kann  man  wo!  genöthiget  sein,  ein  paarmahl 
des  Jahres  BInt  zn  lassen.  Ich  kann  aber  nicht  sagen,  daft  ich 
je  in  solchen  Fitllen  eine  direkt  wohlthaiige  Einwirkung  des  Ader- 
latsens  aof  das  Herzleiden  bemerkt  habe;  mir  schien  blofs,  dafs 
nach  dem  Aderlasse  die  wobllhiliige  Wirkung  der  Digitalis  sich  et- 
was deutlicher  heransstellte.  Ganz  bestimmt  kann  ich  dieses  aber 
nodi  nicht  einmahl  behaapten ,  und  es  ist  immer  möglich,  dafs  ich 
es  mir  blofs  eingebildet.  Eins  weifs  ich  gewiis;  ich  habe  mehre 
Herzkranke  behandelt,  denen  das  AdMiassenweit  eher  zur  Yerkür* 
znng,  nie  ,znr  Verlängerung  des  Lebens  wQrde  enchossen  sein, 
wenn  ich  nnweise  genug  gewesen  wSre,  es  anzuwenden.  Wenn 
man  sagen  wollte,  die  verminderte  Blntmasse  wirke  auch  minder 
reizend,  störend  aaf  das  kranke  Herz;  so  gehe  ich  zu,  dafs  sol- 
che ,  auf  nnsre  etwas  nnvollkommne  Kenntnifs  von  dem  Blutsm- 
lanfo  sich  stBizende  theoretische  Ansicht  gnt  vorgetragen,  sich  ziem- 
lich erbaulich  anhört.  Bei  Uebong  der  Kunst  würde  man  sich  ahw 
gar  bald  getHnscht  finden,  wenn  man  ihr  gröfseren  Werth  beil^ 
gen  wollte,  als  sie,  in  Betracht  der  grofaen  Unvollkommenheit  un* 
serer  Kenntnifs  des  menschlichen  Organismus  überhaupt,  haben 
kann.  Wir  siofsen  bei  Beobachtung  der  Kranken  auf  Erscheinun- 
gen, welche  jenen  theoreiischen  Ansichteo  geradezu  widersprechen. 
Eiae  belrfichtlicbe  Verminderung  der  Blutmasse  bewirkt  bei  man- 
eben  Körpern  nicht  sowol  verminderte,  als  vermehrte  Herzschlfi- 
ge,  ja  selbst  nnregelmftfsige  Herzbewegungen.  Ich  erinnere  hier 
nor  an  die  Folgen  heftiger  Mutterblutflüsse.  Eine  geringe  körper- 
liehe ,  oder  geistige  Aufregung  bewirkt  ja  bei  solchen  blutarmen 
Wesen  Herzklopfen.  Ferner  habe  ich  beobachtet,  dafs  manche  ~ 
Herzkranke  (aber  nicht  alle)  geistige  Getr9nke  in  mfifgiger  Menge 
ohne  Vermehrung  ihres  Herzleidens  vertragen.  Noch  jetzt,  indem 
ich  dieses  schreihe,  bin  ich  Arzt  eines  Mannes,  der  schon  vor  fQnf 
Jahren,  als  Folgen  seines  Herzfehlers,  Brost-  nnd  Baiichwasser- 
sucht  und  wassergeschwollene  Fütas  his  za  den  Knien  hatte,  and 
dem  ich  seit  dieser  Zeit  ein  kiinsllicbes  und  recht  ertrftgUcbes  Le. 
ben  erhalten  habe.  Dieser  trinkt  alle  Abend  gegen  fSnf  oder  sechs 
Uhr  eine  ganze  Flasche  Wein.  Hat  er  Ansprache  von  Frennden, 
kann  er  auch  wol  etwas  mehr  trinken.  Ich  sehe  nicht,  dafa  er 
feindlich  davon  angegriffen  wird.  Er  selbst  kann  es  auch  nicht 
Merkm;  daoa  Miut  würde  er  dch  wol  von  dieser  Gewohnheit  h>%. 


—    418    — 

saj^a.  Da  nan  der  Wein  itn  Blatunilauf  .und  die  Zahl  der  Uen- 
schl&ge,  ohne  merkbare  Verscblimnicriing  des  Herzleidens,  deut- 
lich und  sinnlich  erkennbar  vermehrt :  lo  Mufs  man  wohl  gezwun- 
gen' Mifstrauen  in  Hie  ÜrKtliche  Meinung  seilen,  als  ob  man  durch 
Verminderung  der  Uliituiasse  dem  kraakeo  Herzen  eine  wohllhSii- 
ge  Schonung  bereiten  konae. 

Uie  Briiuiwasgersucht  war  in  den  meisten  Füllen,  die  ich  sa 
behandln  gehabt,  von  Herzfehlern  abhängig;  in  elneelnen  «elie- 
aen  entstand  sie  aber  auch  wol  von  elu-oniscben  Leber-  oder  Milz- 
leiden. Da  Leber-  und  Mikleiden  consensuellen  Husten,  bintigen 
Auswarf  und  Asthma  mncheo,  so  ist  xu  begreifen,  dafs  sie  eben 
sowol  ein  MiTsverhäUnifs  zwischen  den  Verrichtungen  der  einsau- 
genden und  aushauchenden  Gefüfse  des  Brustfelles  bewirken  kön- 
aen.  Warum  sie  dieses  aber  »o  seltea  ibun,  woils  ich  wirklieh 
nicht  auszulegen. 

E^  gibt  Fälle  von  Brastwassersucht,  bei  denen  man  weder  die 
Baucheingeweide,  noch  das  Heraaln  Ursacber  des  Uebels  ansehen 
ka^t^  und  wo  man  dieses  als  Urkrankheit  des  Brugifelles  ansehen 
iHufa.  Aber  selbst  in  diesen  Fällen  ist  es  noch  niöglich,  dals  das 
llrustnasser  von  Herzfehlern  abhängt ,  ohne  dals  wir  dieses  ahnen 
können.  Wie  d!e  Leber  erkranken  kann,  ohne  dafs  die  Menschen 
gel bsüchl ig- werden,  wie  das  Gehirn  erkranken  kann,  ohne  iaia  si« 
wahnsinnig  werden,  und  wie  die  \ieren  erkranken  können,  ohne 
dafs  sichtbare  Leiden  dieser  Organe  sich  äufsern,  so  kann  auch 
das  Herz  chronisch  erkranken,  ohne  dafs  sich  dieses  Kranksein 
durch  ungeregelten  Herzschlag  ofienfaarei;  es  kann  sich  vielleicht 
einzig  durch  das  consensuell  gestörte  Verhältnifs  der  einBaiigenden 
und  aushauchenden  GefSfse  des  Brustfelles  äitfsera.  Kein  verstän- 
diger Arzt,  der  den  menschlichen  Organismus  mit  Aufmerksamkeit 
heobachlet  hat,  wird  in  dieser  Sache  das  Für  und  das  Wider  mit 
Bestimmtheit  zu  behaupten  wogen. 

Auf  alle  Fälle  sind  selche  UrbnistwasBersuchten  gerade  am 
allerschwierigsten  zu  erkennen.  Der  Pulssdilag  ist  hier  ganz  re- 
gelmäfsig,  und  der  Kranke  kann  auch,  wenn  die  Brust  nicht  gar  zu 
voll  von  Wasser  igt,  noch  ziemlich  gut  auf  dem  Bücken,  aber  nicht 
gut  auf  der  einen,  oder  der  andern  Seite  liegen.  AÜmrnt  das  Ue- 
bei  zu,  so  inufs  er  mit  dem  oberen  Theile  des  Körpers  immer  hö- 
her liegen ;  endlich  mufs  er  sitzen  mit  vornübergebeugieoi  Körper. 
Gewöhnlich  entstehet  die  Brttsiwassersucht  langsam,  zuweilen  fast 
nnmerklich,  so  dafs  die  Menschen  die  Kurze  ihres  Athems  blofs 
gewahren,  wenn  sie  mit  andern,  die  rasches  Schrittes  gehen,  Über- 
weg wollen.  \acb  und  nach  wird  das  Uebel  deutlicher;  es  gebet 
aber  zuweilen  eine  ziemliche  Zeit  hin,  ehe  die  Menschen  die  Kür- 
ze ihres  Athpins  sich  als  eiwas  Krankhaftes  gestehen.  Das  ist 
nun  das  Gewöhnliche,  welches  jedem  Arzte  bekaont  ist.     Ell  gibt 


—    4W     - 

aber  Aontahmen,  wo  die  Ausbildung  dietet  klSgfidien  Hebels  viel' 
schoeller  geschiehet,  wodurch  denn  die  Erkenntnifs  in  dem  Ein- 
xelfalle  sehr  erschwert  wird.  Des  Hachsie,  was  ich  je  von  schnel- 
ler Entstehung  beobachtet,  will  ich  dem  Leser,  weil  es  mir  hin- 
•ichilich  der  Erkenntnifs  lehrreich  acheinet ,  in  einem  Krankbeils- 
fall« kurzlich  erzählen. 

Vor  mehren  Jahren  fragte  mich  ein  auswärtiger  Mann  wegen 
EngbrGstigkeit  um  Rath.  Er  konnte  nur  langsam,  Fufs  filr  Fufs 
geben ,  und  niufate  noch  zwischendnrch  stehen  bleiben.  Liegen 
konnte  er  am  besten  auf  dem  RQcken,  übel  auf  der  einen  oder  der 
andern  Seite.  Der  Puls  war  ganz  regelmifsig,  Abdoniinalleiden 
waren  durchaai  nicht  tu  entdecken,  so  wenig  als  Schwappung  im 
Bauehe,  welche  lerzte,  bei  diesem  alten,  mageren  Manne,  anch  in 
ganx  geringem  Grade  nicht  zu  verkennen  gewesen  sein  würde. 
Fufsgescbwulst  war  nicht  vorhanden,  auch  nie  von  ihm  früher  be- 
merkt worden.  Der  Harn  war  ganz  normal  von  Farbe,  war  sauer, 
und  wurde,  in  Yerbältnifs  zu  dem  verzehrten  Getränke  (nach  un- 
gefährer ScbBizung),  in  hinreichender  Menge  entleeret  Die  Efs- 
lust  war  wie  früher ;  der  Schlaf  gut,  nur  etwas  unterbrochen.  Die 
Entstehung  seines  jetzigen  Uebels  machte  die  Erkennloifs  ganz  dun- 
kel und  schwierig.  Er  war  nämlich,  so  lautete  seine  Erzählung, 
eines  Abends  in  einer  frohen  Gesellschaft  gewesen,  hatte  hier  roä- 
fsig  gegessen  und  inäfsig  Wein  getrunken,  und  am  andern  Mor- 
ien, da  er  aufstehet,  mehr  noch,  da  er  zur  Kirche  gehet,  (er  war 
nSmIicb  ein  Geistlicher)  wird  er  die  Engbrüstigkeil  gewahr.  Gleich 
fragt  er  den  im  Orte  wohnenden  Arzt  um  Baih.  Der  bchandell  ihn 
nach  seinem  besten  Wissen,  kann  ihm  aber  nicht  helfen.  Er  wen- 
det sich  jetzt  an  einen  auswärtigen  Arzt,  den  er  für  erfahrner  hält; 
dieser  gibt  ihm  ebenfalls  mancherlei  Arzenet,  ohne  ihm  einen  län- 
geren Athem  za  machen.  Nan  kam  er  zu  mir,  damit  ich  ihm  hel- 
fen sollte. 

Alle  Umstände  wohl  erwogen,  sagte  ich  mir  deniüch,  dafs  ant 
den  Zufällen  und  durch  die  Ausfragung  nichts  zu  erkennen  sei, 
und  dafs  ich  hier  die  Arzenei  als  Erkennnngsmittel  in  Anwendung 
bringen  müsse.  Ich  gab  ihm  also  eine  Abkochung  des  Fingerhu- 
tes, und  in  derselben  Nacht,  vor  welcher  er  den  Tag  durch  diese 
Arxenei  gebraucht,  harnte  er,  seiner  Aussage  nach,  doppelt  so  viel 
als  gew5bnlich,  nnd  sein  Athem  war  wieder  so  long  als  er  je  ge- 
wesen. 

Hier  hatte  ich  also  die  Erkenottrifs,  dab  der  Mann  an  der 
Brustwassersucht  gelitten.  Wahrscheinlich  hatte  die  ungewühnlich 
schnelle  Entstehung  des  tlebels  meine  beiden  Vorgänger  getäuscht; 
denn  da  diese  die  Wirkung  der  Digitalis  so  gut  kannten  als  ich,  so 
würden  sie,  hätten  sie  an  Wassersncht  gedacht,  ihm  eben  so  gut 
geholfen  haben  als  ich.     Ich  gestehe,  daüi  aaeh  mich  diese  nog^. 

37" 


-    420    - 

wöhnli<^  ■chmll*  EattiekaBg,  die  ich  bis  iMa  noch  nie  beobach- 
tet,  asfilDglicb  atnixtg;  machte,  beioadera,  da  die  Anuage  die- 
■es  recbtlicheD,  Hülfe  Bochentien,  und  nicht«  weniger  alt  einbildi- 
Bcben  MaaneR  auf  keine  Weise  konnte  in  Zweifel  gezogen  wer- 
den. Ich  dachte  aber,  da  man  einen  Menschen  das  Brnitwaasar 
in  einer  einzigen  \acht  wol  kann  wegfaarnen  lauen,  so  ist  eben 
•idit  nRmSgiich,  dafi  ei  auch  !o  Eioer  \acht  «ntsieben  kann.  Zum 
wenigBien  schien  mir  dieser  ungewöhnliche  Anfang  nicht  wichtig 
genug,  mich  dorch  denselben  von  eisern  Versuche  mit  der  Digi- 
talis abschrecken  su  lassen. 

Es  könnten  Bl>er  die  Leser  denken,  ich  habe  mich  denooi^ 
gelSnscht,  denn  da  die  Digiialis  auch  in  aitdetn  Brust affektionen 
beilsam  sei,  so  folge  aus  ihrer  Hülfleistung  noch  nicht,  dafs  dar 
Mann  an  der  Brust wasserancht  gelitten.  Darauf  antworte  ich :  der 
Mann  ist  etliche  Monate  darauf,  wie  ich  von  seiner  Familie  Mif 
das  bestimmteste  weifs,  von  der  näralicben  Engbrüstigkeit  heimge- 
■uchl  worden;  nachdem  diese  eine  Zeitlang  angehalten,  aind  ihm 
die  Füfse  geschwollen,  darauf  der  Baucb;  endlich  ist  die  Ztdige- 
webewasserauobt  hinangekommen  und  der  Tod  unter  grofsen  Lei- 
den  erfolgt.  Dieser  Ausgang  spricht,  wie  ich  glaube,  iür  die  Ricb- 
tigkeit  meiner  ffftheren  Anaichl. 

Ick  stelle  jetzt  die  Frage  auf:  ist  die  Brnstwasaersacbt  gründ- 
lich zn  heilen,  das  heifst,  ist  es  möglich,  das  VerbSitnifs  swiscfaen 
den  Verriohiangen  der  einsaugenden  und  ausbauchenden  GefSfse  der 
H5hle  der  Brust  so  zur  Norm  zurüekxufnbren,  dafs  die  Leute  fro- 
her oder  apfiter  nicht  an  diesem  Uebel  sterben  t  Mir  scheint,  keis 
Teratlifldiger  Arst  kann  nach  physiolt^iscben  und  pathologis^en 
Gründen  die  Unmöglichkeit  einer  wirklichen  Heilung  darthun;  al- 
so aind  wir  genStfaiget,  die  Möglichkeit  anzunehmen,  and  es  ist 
unsere  Pflicht  das  mit  Fleifs  zu  aucben,  was  nns  vielleicht  in  die- 
sem Punkte  noch  fehlen  möchte.  Wenn  mich  aber  jemand  fragt, 
ob  ich  je  die  Brust  Wassersucht  gründlich  geheilt  halte,  so  mufa  ich 
als  ehrlicher  Mann  gestehen,  dals  ich  niicfa  einer  aolchen  Heilang 
nicht  rühmen  kann.  Die,  von  denen  ich  bestimmt  wufste,  dafs  sie 
an  der  Bmstwasaemicbt  litten,  und  deren  Schicksal  ich  habe  in 
Erfahrung  Bringen  köanen,  sind  endlich  alle,  früher  oder  apftter, 
nachdem  ich  sie  oft  das  Wasser  hatte  wegharaen  lassen ,  an  die- 
sem Uebel  gestorben.  Freilich  erinnere  ich  mich  wol  einzelner, 
seltener  Fftlle,  wo  ich  Leute,  die  etwas  kurzen  Albern  hatten,  die 
aber  noch  ordentlich  gehen  und  ihre  Geschäfte  verrichten  konn- 
ten, nnd  von  denen  ich  vermuthete,  dafs  sie  vielleicht  Wasser  in 
der  Brust  haben  möchten,  durch  die  Digitalis  von  ihrer  Eng- 
brüstigkeit befreit  habe,  die  auch  gans  frei  davon  geblieben 
sind.  Ich  kann  aber  nicht  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dafs  diese 
•inielnen  Menschen  wirklich  an  der  BnulwaatertBeht  geliueo.  Die 


—  ttl   - 

Btutiraaiennefat  igt,  wenn  de  wirkUeh  bis  sn  einem  gewiana 
6rmile  gekommen,  oft  nicht  leicht  n  erkennen,  wie  viel  schwerer 
Mofe  rie  also  bei  ihrem  ersten  Enbriehen  in  erkeBoea  sein,  und 
wie  leicht  kenn  da  TAuidiang  mit  oaterlanfeD! 

£a  kann  möglich  sein,  dals  von  Auswärtigen,  bei  denen  ich 
das  BnutwBiser  bestimmt  erkannte,  und  die  ich  es  weghomen  lisfi, 
der  eine  oder  der  andere  gesond  geblieben  ist;  da  aber  die, 
welche  unter  meinen  Aogen  gel^t,  und  die,  von  deren  Schicksale 
ich  bia  nnterrichlet  werden,  endlieh  am  Bnistwasser  gestorben  sind, 
so  glaobe  ich,  dafg  auch  die,  von  deren  ferneren  Schicksalen  ich 
nichts  gehart,  endlich  ebenfalls  von  dem  Uebel  getödtet  sein  wer- 
den. Wollten  wir  Kranke,  mit  schwer,  ja  mit  selten  zu  iMilendm 
Uebeln,  denen  wir  ihre  Krankheit  bescb wichtige!,  nnd  sie  anachei- 
■end  gesund  gemacht,  desbalb,  weil  wir  weiter  nichts  mehr  von 
ihnen  hören ,  als  grandlicb  geheilt  ansehen ,  so  würden  wir  uns 
selbsl  täasehen,  und  ea  würde  uns  luletit  geben,  wie  den  hemm- 
waademden  Maiktschreiem,  die,  weil  die  Kranken,  denen  sie  Ar- 
lenei  gereicht,  ihnen  auf  ihren  Wanderungen  nicht  nachrennen  and 
sie  mit  ihren  Klagen  behelligen  können,  endlich  der  festen  Mei- 
nung sind,  alle  gründlii^  geheilt  zu  haben;  vor  welcher  markt- 
schreierischen Einbildnng  uns  Gott  bewahren  w(41e. 

Ich  kann  nicht  wol  von  diesem  Gegenstände  scheiden,  ahne 
noch  insbesondere  ein  Wort  3ber  den  auaselzenden  Puls  zu  sagen. 
Ea  ist  bekannt,  dafs  nicht  blofs  Heraleiden,'  sondern  nach  Baneh- 
leiden,  anssetxenden  und  seltsam  schlagenden  Puls  machen  können. 
Den  Puls  znm  Auaaeuen  und  aum  seltsamen  Schlagen  zu  bringen» 
dun  gehört  hei  manchen  Körpern  nicht  viel.  Ich  bin  Arzt  einer 
Frau  gewesen,  die  durchaus  nicht  hysterisch  war,  die  aber  bei  je- 
dem leichten  Uehelhefinden  anssetsenden  nad  nnregelmüfsig  schla- 
genden Puls  haue.  Diese  ist  nun  nicht  an  einem  Herafehler  ge- 
storben, sondern  im  ziemlich  hohen  Alter  an  einer  Verhürtnog  und 
Vereiterung  des  Mastdarmes.  Ich  habe  vor  vielen  Jahren  ein  epi- 
demisches Fieber  beobachtet,  hei  welchem  Säuren,  besonders  Scbwe- 
felsSure,  in  mSfsigen  Gaben  gereicht,  den  Menschen  alsobald  ans- 
letzenden  und  seltsam  schlagenden  Puls  machten.  Das  Nftmliche 
ihat  die  Rinde  und  das  Extrakt  der  Catecfau  (ob  andere  bittere  nnd 
zusammenziehende  Mittel  1  kann  ich  nicht  sagen).  Solche  wunder- 
liche Erscheinungen  möchten  den  Physiologen  und  Pathologen  be- 
•chwerlich  zu  erld&ren  sein;  sie  lehren  uns  aber,  daCi  wir  von 
dem  aussetzenden  nnd  unregelmäisig  schlagenden  Pulse  nicht  im- 
mer Böses  ahnen  dürfen,  und  dafs  es  nnweise  sei,  aus  diesen  Znfftl- 
leo  fingt  auf  Fehler  des  Herzens  zn  achliefsen.  Der  wirkliclieii 
heizkranken  Menschen  gibt  es  leider  genug  in  der  Welt,  wir  brau- 
chen dei^eicben  wahrhaftig  nicht  noch  hiniuxndichten. 

Da  ich  jung  war,  hat  man  mir  geMgt)  dal«  man  nit  der  Dt;!,. 


^tnlit  den  fflntkr^ilanf  Terlaagsainen  köRDe.  Du  itt  allerdiitgs 
vrahr,  allein,  gleichxeiiig  mit  dieiei  Yerlangaamang  wird  der  Hera- 
idilag  aaeh  mehr  oder  minder  auuetzend,  und  die  Meniicbfi]  Juli- 
len  sich  unbehaglich,  so  dafs  aawidersprecblich  solch  Längsamei^ 
werden  des  Pulses  von  einer  feindlichen  Einwirkung  der  Digitalis 
nnf  den  Organismus  abhangt.  UnregelmSfsigen ,  von  Bildangsfeh- 
lern  des  Herzens  abhängenden  Fula  habe  ich  durch  die  Digitalis 
noch  nie  rcgelmäfsig  machen  können,  wenn  gleich  alle  consen- 
suelle  Alfektionen  durch  selbige  beseitiget  wurden.  Da,  wo  der  uo- 
regnlin&isige  Puls  durch  die  Digitalis  regelniälsig  wird,  ist  es  weit 
eher  wahrscheinlich,  dafs  man  es  mehr  mit  einer  dynamischen  Hen- 
erkranknng,  als  mit  einem  Bildungsfehler ,  oder  mit  der  Hersbeii- 
leluassersucht  XU  thnn  hat.  Letzte  ist  aber,  als  fiir  sich  bestehen- 
des üebei,  selten,  und  ich  kann  nicht  behatipteo,  sie  je  behandelt 
tu  haben. 

Es  gibt  ßilduDgsfehler  des  Herzens ,  die  sich  dureh  keinen 
rhythmisch  ungeregelten  Puls  rerralben,  soadem  nnr  dorcb  einen 
beschleunigten.  Da  aber  ein  beschleunigter  Puls  ein  gemeiner  Zu- 
fall gar  vieler  chronischen  Erkrankungen  ist,  so  wird  durch  die- 
sen allein  der  Arzt  nicht  auf  einen  Hersfehler  aufmerksam  ge- 
niBcht.  Sind  nun  noch  dazu  Baocbleiden  erkennbar,  (bekannilich 
gesellen  sich  oft  consensuelle  zu  Hersfeblem)  so  wird  der  Arzt 
leicht  in  den  Irrihum  fallen ,  die  Beschleunigung  des  Kreislanfea 
als  eine  Folge  der  Baucbcrkranknng  anzusehen  ;  und  das  nm  soviel 
eher,  wenn  Bauchkrankheiten  zur  Zeit  landgfingig  sind.  Ein  jun- 
ger Arzt,  der  sich  noch  keine  Menscbenkenntnifs  erworben,  konn- 
te denken,  Leute,  denen  das  Herz  angewöbnlich  stark  in  der  Bmst 
klopfe,  würden  das  auch  wol  ungefragt  dem  Arzte  sagen.  Da«  IhI 
aber  ein  ganz  falscher  Gedanke.  Freilich,  wenn  ein  gesnndes  Hers 
plötzlich  anfinge  siark  zu  klopfen,  so  würde  auch  wol  der  Etaf&l- 
tigsfe  dieses  dem  Arzte  als  etwas  Fremdarliges  und  UngewShn- 
licbes  sagen.  In  den  meisten  Fällen  aber  erkraakt  es  langsam, 
die  Leute  gewöhnen  sich  allm&hlig  an  den  harten  Schlag,  sie  den» 
ken,  das  müsse  so  sein.  Nimmt  nun  früher  oder  spSter  das  (Jebel 
zu,  und  macht  conBensaeile  Leiden,  so  sind  es  gerade  diese,  und 
nur  diese,  wtvüber  sie  klagen. 

Ich  habe  jetzt  von  Erwachsenen  gesprochen  ;  von  Kindern  gilt 
das  Gesagte  aber  noch  vielmehr.  Man  kann  gar  nicht  darauf  rech- 
nen, dafs  die  Aeltern  den  Brustkasten  derselben  untersuchen,  und 
von  den  Kindern  selbst,  wenn  es  auch  zehn  oder  swölQtthrige  sind, 
darf  tiian  das  noch  viel  weniger  erwarten.  Jetzt,  indem  ich  die- 
ses schreibe,  sind  es  noch  keine  sechs  Wochen,  da  ward«  ich  zu 
dem  zwölfjährigen  Töehterchen  woblhabender  und  verständiger 
Laodleute  gerufen.  Der  mündliche  Bericht  des  Vaters  lautete  Bftm- 
lich   so  dunkel  und  widersprechend,   dafs  es  mir,   ohne  das  Kind 


-      428    — 

■«Ibat  BD  leben,  unmögltck  war,  über  dcwsn  Kraokbeil  lu  uribei- 
ha.  Worin  steckte  onn  4x9  Kraakhaiit  Die  BniMschmerzen,  T«n 
denen  der  Vater  viel  gexprocken,  rBbrMQ  einsig  von  dem  ftiroht- 
bnren  Hainniem  eines  unbeilbar  krankan  HenMiis  gegen  die  Rip- 
}»ea  ber.  Hier  war  die  Erkrankung  as,  dafa  jeder  in  iricben  Din- 
gen Dur  einigernia&en  erfabrene  Am,  beim  erttea  Griff  nnf  die 
Brau  die  Hoffnnog,  nicbt  blofa  aur  Heilnng,  aendern  aelbst  aar 
Beacbwicfatigung  aufgeb«a  ninlate.  Und  doch  waren  weder  Vaier 
noch  Matter  jemabla  anf  den  GedankcD  gekotnuMO,  ibre  Hand  auf 
des  Kindei  Brnst  ati  Jegen.  Ivb  rathe  allen  Aersten ,  in  aoleben 
Fällen,  wo  ein  zwar  rhythmisch  regeliidfaiger,  aber  scbnelJer,  vol- 
ler, wallender  Pul^sclilag,  der  mit  den  von  dem  Kranken  angegebenen 
Leiden  in  einem  nbel  iti  erklärenden  Zusaii>menhange  stehend,  auf 
etwas  Unheinilichea  zu  deuten  scheint,  nur  gleich  den  Brusikaiten 
m  nniersDchen.  Sie  werden  dann,  auch  ohne  Stethoskop,  mit  blo- 
fser  Hand  oft  genng  gewahr  werden ,  dafa  daa  vftn  4em  Kranken 
nicht  beschnidigle  Herz  das  nrerkraokte  Organ  iat.  Oh  der  schnel- 
le, rhythmisch  rtgelmAfsige  Puls  auch  Zeichen  einea  blofa  dynamisch 
erkrankten  Herzens  sein  kdnne,  mag  ich  nicht  entscheiden.  Ich 
bin  früher  dieser  Meinung  wol  gewesen,  seit  ich  aber  gesehen, 
dafs  ßildHngsfehler  des  Herzens,  die  sich  dnrcb  anhaltend  abnor- 
men Pulsacblag  offenbarien,  bis  zum  Aller  von  60  Jahren  bestan- 
den, ohne  das  Befinden  de>  Belheiliglen  auch  onr  im  Mindesten 
zn  krünken ;  dann  aber  so  feindlich  in  das  Leben  eingrillen,  dafs 
die  fürchterlichsten  ErstickungszufAlle,  Brustwassersncht,  und  halb- 
seitige Lähmung  nicht  gleichzeitig,  sottdem  nach  and  nach  ent- 
standen; seit  ich  ferner  gesehen,  dafa  eine  vermeintliche  dynami- 
sche Herzkrankheit,  die  ich  gebeilt,  nach  vielen  Jahren  wieder  ei- 
schien:  lO  bin  ich  etwas  bedenklich  in  Bestimmung  der  Herz- 
krankheiten geworden.  Die  B il du nga fehler  aller  Organe,  welcher- 
lek  Namen  wir  denselben  ancb  gebttn  mügMii  können  lange  be- 
aieheo ,  ohne  feindlich  in  das  Leben  einzugreifen ;  und  wenn  sie 
auch  einmahl  feindlich  in  daaselbe  eingreifea,  ist  die  Kunit  nicht 
zelten  befähiget,  dieses  feindliche  Kingreifan  aufzuheben.  Aber 
dadurch  sind  diese  Fehler  nicht  wirklich  geheilt.  Bedenken  wir 
nua  vollends,  dafa  in  blofa  dynamisch  erkrankten  Organen  nach 
ihrer  Heilung  eine  Geneigtheit  zur  nämlicbea  Erkrankung  üher- 
bleibt,  so  folgt  daraus,  dab  nicht  eionah!  ein  sehr  apSter  Hück- 
fall  einen  Bildungsfehler  des  Organs  bekwMlei;  und  was  von  allen 
Organen  gilt,,  das  gilt  noofa  vom  Herzen,  ich  wüfate  zum  wenig- 
sten nicht,  warum  dieses  eine  Ausnahme  von  der  Regel  machen 
sollte.  Daran)  ist  es  fast  unmögliofa ,  in  jedem  Falle  zu  bestirnt- 
neu,  ob  ein  Herz  bilduDgaCehlerhafl,  oder  blofs  dynamisch  erkrankt 
zei.  Ich  kann  nur  da  eine  echte,  blofs  dynamische  U«rakrankhett 
aDDebuen,  wo  auf  den  Gebrauch  der  Digitalis  der  Puls  vollkom. 


—  «M  — 
m«D  nomud  wird.  Vwvofawiiiden  «11«  htÜimy  Ober  vitMt»  4er 
Kranke  klagt,  und  bleibt  der  Pola  anragslmftliif ,  dn  heilst,  bleibt 
der  anuetsende  anuetieiid,  der  beichleaiiigte  beacfalennigt,  to  traae 
leb  dem  Handel  niofat.  Anf  die  Dauer,  nad  wSre  ee  ancb  nach 
langer  Zeil,  wird  es  «ob  echoD  aatweiien,  dalf  dai  vermeintlicb 
UoIj  dynamisch  erkrankte  Hen  wirklich  bildnngifefalerbaft  erkrankt 
ist.  Den  rbythmiaob  ragelrnftbigen  aber  beschlennigten  PdU  bei 
Herxfehlem  Ikabe  ich ,  so  viel  ich  mich  erinaare ,  immer  toI)  nnd 
wallend  gefanden;  er  hat  die  grölxte  AefaDlicfakeil  mit  dem  der 
Wechselfieberkranken  za  der  Zeit,  wean  der  Schweib  ordentlich 
im  Gange  iat. 

Di»  Meinung,  als  aei  der  intermiitirende,  nach  jeder  Intermis- 
aion  mehre  ichnelle  Schläge  hintereioander  machende  Puli  ein  Zei- 
chen der  Bnatwassenucht,  halte  ich  für  eiae  gans  irrige.  Hen- 
fehler  nnd  Braalwasaer  finden  eich  bekanatlich  häußg  suaarainen, 
letztes  ist  die  Felge  des  ersten.  Würde  die  Intermission  des  Pul- 
ses durch  das  BrnstwBsaer  genrsacht,  somürsteja,  sobald  der  Kran- 
ke das  Brottwasser  weggeharnt,  der  Puls  wieder  normal  werden; 
das  wird  er  aber  nichr.  Der  Athein  des  Kranken  ist  nicht  mehr 
geengt,  er  fühlt  sich  seiner  Leiden  erlediget,  aber  sein  Puls  bleibt 
aussetzend  und  schnell.  Vom  Broslwasser,  das  sich  zu  Hwzfeh- 
lern  gesellet,  kann  man  auch  nicht  behaupten,  dafs  es  sich  durch 
einen  kleinen  und  aussetzenden  Puls  offenbart.  Ist  der  Herzfehler 
80  geartet,  dafa  er  den  Puls  tuU  und  anssetzend,  oder  roll  und 
schnell  bei  rbj'thmischer  Kegelmäfaigkeit  macht,  so  bleibt  er  auch 
so  beim  Brustwasser;  ist  er  hingegen  klein,  fadenartig,  unregel- 
mäfsig  schlagend  vor  Erzeugung  des  Wassers,  so  bleibt  er  eben- 
falls so  nach  erzeugtem  Wasser. 

Im  Jahre  1833  habe  ich  einen  bemerkeuswertben  Fall  ron 
Henkraukheit  beohaehteL  Bekanntlich  speien  herskranke  Mensc|pn 
inweilen  Blnt.  Ich  habe  diesen  ZufaM,  Terhftlilich  zu  anderen  Zu- 
allen,  selten  gesehen,  und  wo  ich  ihn  sab,  bestand  der  Auswarf 
blols  in  blulgefirbtem  Schleime,  oder  auch  wol  abwechselnd  in 
etwas  purem  Blute.  Der  Fall,  den  ich  jetzt  erzUhle,  war  aber 
etwas  ernsthafterer  Art  Der  Hjfthrige  Knabe,  den  ich  schon  mebr- 
mahls  das  Bmstwasser  hatte  weghamen  lassen,  bekam  eines  Tages 
eine  Lungenblatung,  dte  das  Mittel  zwischen  Blutspeien  nnd  Blnt- 
■tun  hielt.  Ich  war  nun  neugierig  xn  erfahren,  welchen  Einflnls 
diese  Blutentleerung  auf  das  erkrankte  tobende  Herz  haben  würde. 
Der  Einfiufs  war  aber  so  schlecht,  dafs  das  Hers  noch  viel  hefti- 
ger nach  der  Entleerung  als  vor  derselben  tobte,  und  dafs  von  die- 
ser Zeit  an  meine  zwar  nicht  heilende,  aber  doch  bednftigende 
Kunst  ganz  nntslos  ward«. 


Hlttel  mut  «le  I.«nse. 

Saimiak, 

Diner,  der  in  AJI^emeinsD  ahnlicbe,  j»doch  sehwäobm  Krif- 
M  ds  der  Salpeter  Ruf  dea  Geummtorguismu  äafnn,  hu  a«f 
Tertdiiedeiw  Or^sa«  eine  eigene  wohltbitige  Eiowirkaag.  Bei  ei- 
ner tkrankbaften  Sehleimabiondening  auf  der  inneren  Flttche  der 
Lange  kenne  ich  nkfati  HeiUemerei.  Er  hemmt  diese  Scbleimab- 
■ondMung  naeh  nnd  nach  nnd  beschwichtiget  den  davon  abhängen- 
den Hollen.  Aach  der  Eiterabsonderang  in  geborstenen  Eiierben- 
lea  der  Lange  setst  er  Schranken,  nad  es  ist  wol  schwerlich  ein 
Nittkl  in  der  Apotheke,  welches  Ihm  in  dieser  Hinsicht  gleich  sq 
aebten  wAre.  Ich  gebe  ihn  in  vier  nnd  swansig  Standen  xa  zwei 
Drachmen,  lasse  diese  in  vier  Unxen  Wasser  auflösen,  und  setze, 
mr  Deckaag  des  sehr  salzigen  Geschmackes,  sehn  Gran  Traganth- 
ganni  Uasu,  aus  alter  Gewohnheit  aaeb  wol  sehe  Gran  Bilse»- 
kraalaxtrakt.  Leistern  Znsatae  kann  ich  aber  eben  keine  besonde- 
re, ansgezeichaete  Kräfte  gegen  den  Hasten  suschreiben.  Ein  Kran- 
ker, der  eine  nnd  dieselbe  Araenei  lange  Zeit  anhaltend  nehmen 
mnfs,  veriangt  wol  einmahl  nach  Abwecbselnog,  and  da  kann  man 
ihm  bMser  Bilseokrantexlrakt  rasetsen  (welches  doch,  nach  der 
Meinang  der  Aente,  so  den  nicht  erhitzenden  berohigenden  Mit- 
teln gehören  soll),  als  Sj'rnp ;  denn  der  leckerste  Syrap  schmeckt 
in  Verbindung  mit  dem  Salmiak  garstig.  Eine  Auflösung  von  zwei 
Drachmen  Salmiak  in  vier  Unzen  Wasser  ist  manchen  Leuten  anf 
die  Daner  zn  salzig.  Wenn  man  die  zwei  Drachmen  in  acht  Un- 
zen Wasser  auflöset  nnd  einen  Skrupel  Traganth  snsetit,  so  sind 
sie  besser  zu  nehmen ,  allein ,  dann  muls  mau  den  Kranken  zwei 
LJUTel  voll  jedes  Mahl  nehmen  lassen ,  sonst  wird  er  nicht  leicht 
die  zwei  Drachmen  in  einem  Tage  verzehren.  B«  chronischen 
Krankheiten  ist  ein  sechzebumabligea  Einnebnen  in  vier  und  zwaxH 
zig  Standen  za  viel;  auf  die  Dauer  wird  solch  eine  Vorschrift 
nidit  befolgt.  • 

Bei  den  kleinen  Eiterbenlen,  die  von  Langenknoten  entstehen, 
habe  ich  den  Salmiak  oft  niitzlich  befanden,  auch  bei  gröfiwreo, 
die  zuweilen  auf  eineubel  cn  erklärende  Weise  sich  in  den  Lon- 
gen erzeagen ;  ja  es  ist  mir  oft  so  vorgekommen ,  als  ob  er  den 
Aofbrnch  der  Eilerbeulen  befördere.  Was  aber  das  Anshailea  der 
geöffneten  Eitorbralen  betrifft,  lo  habe  ich  zwar  grofse  Neigung, 
dem  Salmiak  diese  Tugend  zatagestehen ,  bescheide  mich  aber 
gern,  dals  diese  Neigung  nicht  ganz  aus  üeberzeugnng  hervorge- 
het. Man  mnfs  hier  wol  bedenken,  daft,  so  bald  geborstene  Ei- 
tcrbmilen  bliode  ZellMi  und  GSi^  haben,  der  Salmiak  si«  ba- 


—    4»    — 

«iinmt  ai<Mt  RUBbeilet,  und  dafs,  wenn  sie  rnad  Bind,  sie  aucb  wol 
ohoe  Sstroink,  u  gut  wie  j«de(  eiofaebe  Abuefa,  voo  selW  hei- 
len. Mitbin,  iM  in  dieser  Hinaicbt  der  Wertfa  dei  Salmiaks  Bebr 
iweiffllbaft.  £■  sind  gar  man cbe  Mittel  von  den  Aencten  ^riihmli 
all  ob  mit  Relbi^ea  Vereiterung  der  Lunge,  mithin  die  Lnngen- 
■ucbt  KD  heilen  lei.  Wenn  man  dai  Vorgeben  bei  Licht  beiiebei, 
berabel  es  gewöhnliob  anf  Tftnscbnag.  Hunde,  nicht  fiataläte,  oder 
BiniiÖRe  Eiierbeuleo,  die  wol  von  selbst  bellen,  sind  b«i  dem  Ge- 
brauche, nicht  durch  den  Gebrauch  der  geprieaanen  Mittel  ehm- 
geheilt, 

ich  habe  geburstene  Lungeneiterbeuleo  bei  dem  Gebrauche  der 
unBcbuldigalen  Mittel  ansfaeilen  und  die  GewiDdheil  wiederkehren  se- 
fano.  Im  enten  Jahre  meiner  Praxis  wurde  ich  xu  einem  Mann« 
gerufen,  der  wenig  GM  in  die  Apotheke  zn  tragen  halte.  Er  war 
InngeMucfatig,  apie  vielen  und  sehr  atinkeadeB  Eiter  aua.  Ich  hat- 
te in  dem  KÜniko  m  B**  so  manchen  schwindsiichtigeii  Hand* 
werkahnrsdien  sterbeD  sehen,  dals  ich  wenig  Glauben  an  die  Me- 
dizin, hiosichilich  der  Heilung  der  Lungensueht,  hatte,  sagte  alao 
dem  armen  Manne,  er  tolle,  atatt  sein  weniges  Geld  in  die  Apo- 
theke zu  tragen,  sich  lieber  an  blofse  Milch  halteo.  (Er  batle  näm- 
lich, wie  ich  sah,  eine  Knh,  and  lebte  dürftig  von  dem  geringen 
Ertrage  eines  kleinen  gemietbeten  Gartens.)  leb  erzShIte  ihm  aim 
Menschlichkeit  viel  Tröstliches  ~von  der  Milch,  was  ich  leider  selbst 
nicht  glaubte.  Ihm  gefiel  es  gut,  dafs  er  ohne  Kosten  sich  von  aei- 
ner  Kuh  sollte  heilen  lassen;  er  trank  fleilsig-Milefa,  nnd  nichts 
als  Milch  t  und  sein  stinkender  Auswurf  wurde  minder  und  min- 
der, die  Vomiea  heilt«  aus,  nnd  er  genas.  In  demselben  Jahre 
rietb  ich  einer  schwind  süchtigen,  Eiter  auswerfenden  Taglöbnerinn, 
die  noch  weniger  besafs  als  der  vorige  Kranke,  und  weder  Kuh 
noch  G«fs  halte,  sie  solle  Garkensaft  täglich  trinken.  (Es  war' 
nämlich  gerade  in  der  Zeit,  wo  sie  die  Gurken  umsonst  babcQ 
konnte.)  Sie  folgte  meinem  R^e,  ihre  Vomica  heilte  nach  und 
nach  ans  and  sie  genas. 

Im  zweiten  Jahre  meines  hiesigen  Anfenthaltes  kam  ein  Mann 
*  SD  mir,  der  so  kunen  Alhem  hatte,  dafs  er  nicht  g«ben,  sondern 
nur  sehneckenrnSlsig  schleidieo  konnte,  der,  wie  er  bei  mir  an- 
langte, so  ganz  alhemlos  war,  dals  er  erst  eine  Zeit  sineu  und 
ruhen  raufiue,  eb  er  im  Stande  war,  anf  meine  Fragen  zu  antwor- 
ten. Ana  der  Erfiagong  gab  sich  leicht,  dafs  er  eine  Vomica 
der  Lnngen,  Felge  einer  vemachläisigten  EntzGndung  habe.  Bald 
dantnf  barst  der  Eitersack,  nnd  der  Kranke  »igte  mir  eines  Mor- 
gans, da  ich  ihn  besuchte,  eineD  ganzen  Naehtlopf  voll  klaren 
Eiler,  den  er.  in  derselben  Nacht,  wo  die  Eiterbeule  geborsten 
war,  entleeret  hatte.  Ex  ^e  nieht  ai»  wie  oiB  anderer  hustender 
Aknseh ,    er  hatte  deq  Kopf  nr  Seit^  auf  die  Bittplank«  getegl. 


—    «7    — 

■mI  m  badirfie  nur  mbm  mi&ig*o  Aa&fihraM  dar  Bkatt,  aiB« 
willkätlichen  Aufbnatuiif  um  gau«  Mgndvoli  Cit«r  henmfmbriii- 
g«a.  Da  die  Eii«rb«al«  entleert  war,  enutand,  wahncbcinlich 
durch  die  Eiowiilmng  der  Lufi  auf  die  WHnile  de«  ■chnell  entleer- 
ten Eiieruckee,  ein  heftiger,  erstickender  Huaten.  Dieien  nSliiigte 
icfa  durch  etwu  Mohoaaft,  nnd  die  Vomica  heilte  nach  und  nach 
BM,  so  dnfs  in  der  dritten  Woche  der  Anwnrf  nur  noch  nnbe- 
dentend  war,  JeUt  batst  aber  eine  iweite  Eiterbeule,  die  swiw 
nicht  ganz  lo  grob,  wie  die  erst«}  aber,  ans  dem  in  Einer  Nacht 
entleerten  Eiler  an  sehlielsen,  doch  mehr  als  halb  so  grofs  sein 
malste.  Die  Vomiea  ist  auageheilet ;  ich  habe  nichts  gegeben  ab 
ein  wenig  Mofanaaft;  der  Mann  ist  wieder  gesund  nnd  stark  ge- 
worden. Sein  Haupthaar,  welches  er  bei  diesem  Straufse  gans 
verloren ,  (bekanntlich  ein  üblen  Zeichen  in  der  ikhwindsucht) 
in  wiederge wachsen,  und  er  hat  noch  runfundxwanzig  Jahre  nach- 
her gelebt,  wo  er  sieb  dann  endlich  an  Branntwein  an  Tode  ge 
trunken. 

Ich  hebe  eben  gesagt,  dafs  fistnlSse  nnd  ainuöae  Eileibenlea 
nicht  durch  Salmiak,  und  überhaupt  durch  keine  Miuel  auszuhei- 
len seien.  Es  ist  aber  noch  ein  Umstand,  der  die  Heilung  unmög- 
lich macht,  welcher  sich  iudefs  selten  ereignet ;  ich  habe  zum  we- 
nigsten nur  einen  einzigen  auffallenden  Fall  der  Art  erlebt.  Es 
kann  sich  nSmlich  zutragen,  dafs  eine  Vomiea  aun>ricbt;  die  ent- 
staodene  Oeffnnng  ist  aber  so  klein,  dafs  der  Eiler  nicht  frei  ans- 
galeeret  werden  kann.  Hier  ist  an  keine  Heilung  zu  denken, 
l^n  junger  Mann  von  blasser  Gesichtsfarbe,  der,  wie  die  Ausfra- 
gung ergab,  schon  seit  langer  Zeit  etwas  kurzen  Athen,  aber 
keinen  Husten  gehabt,  übrigens  sich  nicht  krank  gefühlt,  wird 
von  einem  hier  herrschenden,  ganz  gefahrlosen,  und  leicht  zu  he- 
benden Husten  ergriffen.  Am  dritten  Tage  wird  ihm  aof  Ein  Mahl 
beim  Husten  gar  seltsam  und  hinfällig  zu  Mtiihe ,  nnd  er  wirft, 
statt  wie  bisher  Schleim,  übelschraeckendes  dickliches  Zeug  aus, 
zagleich  wird  sein  bis  dahin  mäfsiger  Husten  gans  noertrSglicb, 
das  Befinden  so  Sbel,  dafs  er  den  gröfsten  Tbeil  des  Tages  das 
Bett  hüten  inuls,  .und  am  fblgendeo  meine  Hülfe  anspricht-  Ana 
der  Erwügung  aller  Umsiftnde  ergab  sich  leicht,  dab  der  Katairb- 
alhusteo  eine  alle  Eiterbeule  gesprengt  habe ,  aber  aus  der  Klein- 
heit der  ausgeworfenen  Etterkliecken  ergab  es  sich  auch,  dafs  das 
|#ocb  in  der  aofgebcochenen  ^terbenle  sehr  klein  sein  müsse. 
Dieser  Menich  ist  in  Zeit  ron  drei  Wochen  gestorben,  und  hat 
eich,  im  eigentlichen  Sinne,  zu  Tode  gehustet.  Ich  konnte  ihm 
den  Husten  nicht  uififaigen  nnd  das  Loch  in  der  Vomiea  nicht 
gröfier  machen. 

Dafs  durch  Kalorthalhnsten  alte,  verborgene  Eiterbeulen  ge- 
sprengt werden,  .ist  eben  nicht  selten,   aber  liegender  Fall  einer 


—     4t8    — 

gMpreitgten  Eiterbeule  gebftrt  gflwib  m  dea  seltnarcn.  Ein  dem 
Branntwein  sehr  ergebener  Mann  aus  der  arbeitenden  Vwlkilclaasa 
öberaiinint  lieh  in  einem  fremden  Hanse,  Icrie^t  gins  Irunlceu 
auf  den  Heuboden,  und  legte  sich  dortbio  xu  sefalnfen.  Wie  er 
erwBcbt,  erinnert  er  siob,  noch  halb  tannelig,  nicht  deutlich 
des  Ortes,  wo  er  alch  bandet,  stehet  auf,  schreitet  anbesoaneo 
vorwOrtt,  Btrmst  dureh  die  Luke  ron  einer  ziemlichen  Hähe  nuf 
die  gesteinle  Flur,  bricht  einen  Unterarm,  und  ist  vom  Falle  et-  . 
was  bediisselu  Man  bringt  ihn  nach  Hause,  der  Wundarzt  ver- 
bindet  ihm  den  gebrochenen  Ann,  and  man  glaubt,  nun  sei  alles 
beschickt.  Am  selben  Tage  werde  ich  aber  gebeten,  eilig  zu  ihm 
SU  kommen,  weil  er  angeblich  su  eraiickeu  berürchte.  Wie  idt 
hinkomme,  sehe  ich,  dafs  er  wirklich  an  den  furchtbarsten  Er- 
stickungszufKllen  leidet.  Es  war  als  ob  zwei  feindliche  Gewalten 
seinen  Brustkasten  unter  sich  hfitten',  von  denen  die  eine  ihn  zu 
husten  zwänge  und  die  andere  ihn  daran  behinderte.  Da  ich, den 
Wundarzt  als  einen  Mann  kannte,  der  zuweilen  in  seiner  Unter- 
suchung etwas  oberflächlich  sn  Werke  ging,  so  fürchtete  ich,  hier 
mSchle  durch  den  Fall  eine  Rt[fpe  gebrochen  sein  und  ein  Splitter 
in  der  Lunge  stecken.  Da  sieb  aber  bei  näherer  UntersnchuDg 
.  meine  Vermulhung  nicht  bestätigte,  so  wufna  ich  nicht,  was  ich 
aus  der  Sache  machen  loltte,  und  verordnete  deshalb,  weil  doch 
etwas  verordnet  werden  mufate,  eine  schwache  AuASsung  des  Bil- 
senkraulextraktes ;  mehr  jedoch,  am  Zeit  zur  deullicheren  Erkennt- 
nils  des  Uebels  zu  gewinnen,  als  weil  ich  mir  efaea  grolse  Wir- 
kung von  diesem  Tranke  versprochen  hätte.  Abends,  da  ich  den 
Kranken  noch  einmahl  besuchte,  sah  ich,  dafs  die  Beängstigung 
gehoben  und  zugleich  der  Grund  derselben  offenbaret  war.  Er  spie 
Dämlich  Eiler  in  rüchticher  Menge  aus,  nnd  befand  sich,  trotz 
der  gehobenen  Beängstigung,  sehr  matt  und  elend,  und  sein  Ge- 
fäfssystero  war  sehr  nufgeregt,  welche  Zufälle  man  zwar  nicht  bei 
dem  Aufbruche  kleiner,  aber  wol  grofser  Lnngeneiterbenlen  an 
beobachten  pflegt.  Dieser  Mann,  der  viel  Eiter  ausgewofen,  ist 
nicht  allein  bei  dem  Gebrauche  ganx-  einfacher  Mittel  vollkommen 
genesen,  sondern  die  Vomica  ist  noch  «her  ausgeheilt,  eh  der 
Arrabruch  heil  war. 

Meinen  jfingeren  Amtsbrüdem  will  ich,  io  Betreff  der  aufge- 
brocheaeo  Eitersacke,  folgende  Warnung  geben.  Sollten  sie  se- 
hen, dafs  bei  dem  Gebrauche  des  Salmiaks,  oder  anderer  Mittel, 
denen  die  Lobpreisnng  berühmter  AerUe  guten  Ruf  gegeben,  eine 
VemÜM  ausgeheilt  ist;  so  kSnnen  sie  sich  einbilden,  das  gegebene 
Mittel  habe  die  Vomiea  geheilt,  oder  sie  kSnnen  die  M5glichkeit 
der  blolsen  Selbstfaeilung  zugeben,  und  sich  die  UnraSgtichkeit,  in 
solcher  Sache  eine  bestimmte  Entscheidnog  auszusprechen,  deutlich 
denken ;  das  stehet  alles  in  ihrem  Belieben ,  ieh  will  ihnen  darü- 


Iwr  keine  Vonchrifian  macbMi :  meine  Wanuog  gehH  blofs  dahin, 
4at%  sie,  wenn  »ie  TerMeinllicb  eine  solclie  Heilnog  Tollbmchl, 
■ich  nicht  z<a  «ehr  überheben ,  nicht  prableriseb  davon  sprechen, 
sondern ,  dafs  «e  das  Lob ,  welches  ihnen  der  Kranke  und  seine 
Freonde  spenden,  lieber  bescheiden  «blefanen,  als  rubmredig  und 
selbstgnögsam  hinnehmen  sollen.  Wamml  Abgesehen  davon,  dafs 
es  einem  ehrbaren  Arzte  überhaupt  nicht  gezieme(,  den  Prahler 
an  spielen,  so  ist  ins  besondere  wohl  zu  erwSgen,  dafs  sich  öfter 
zwei  und  drei  Eiterbeulen  in  der  Longe  befinden,  als  eine  einzige. 
Wen»  man  nun  Eine  ansgeheilet  hat,  so  liegt  der  Feind  znweilen 
noch  im  Hinterhalie,  and  den  Kampf,  den  man  glücklich  autge- 
bbnpft  zu  haben  vermeinet,  mu&  man  aufs  neue  beginnen,  wo 
man  dann  nie  sicher  sein  kann,  ihn  eben  so  glücklich  zu  vollen- 
den als  das  erste  Mahl.  Wie  garstig  sieht  es  nun  aus,  dafs  ein 
Mensch  stirbt,  zuweilen  bald  stirbt,  an  einem  Uebel  stirbt,  von 
welchem  ihn  der  Arzt  wunder^'oll  befreit  zn  haben  vorgegeben, 
leb  habe  selttarae  Dinge  Ton  Eitersicken  erlebt,  die  ich  unmSg- 
lich  alle,  ohne  die  L^er  and  mich  seihst  zu  langweilen,  erzählen 
kann.  Zwei,  das,  was  ich  eben  gesagt,  trefflich  veranach  an  liehen  de 
Fülle  werde  ich  aber  meinen  jüngeren  Amtsbrüdern  zu  Liebe  ktirx- 
Itch  anführen. 

Ein  ehrbam  Bürger  begehrte  einst  meine  Hülfe,  Er  warf 
vid  Eiter  ans,  halte  Zehrfieber,  Husten  und  Nachtschweifse,  korz 
er  war  Inngensüchtig.  Die  Ansfragung  machie  es  hSchst  wahr- 
sefaeinlich,  daJs  ich  es  nicht  mit  einem  Lungenges chwiire,  sondern 
mit  einem  geborstenen  Abszefs  zn  tbnn  habe.  Ich  reichte  Salmiak 
bald  allein,  bald  zur  Abwechselung  mit  Bilsenkrantextrakt.  Der 
Erfolg  dieser  Behandlung  war  so  günstig,  dafs  die  Eiieraussonde- 
rung  bedeutend  minderte  und  alle  übrige  Zoftlle  der  Schwindsucht 
nachliefsen,  man  also  gegründete  Hoffnung  haben  mufsie,  den 
Mann  ganz  herzustellen.  Bei  diesen  günstigen  Umständen  brach 
«in-  zweiter  Eilersack  auf.  Die  Erkenntnifs  dieses  zweiten  Auf- 
brocbes  war  leicht.  Der  pIStzlicb  sich  zeigende  leichte  Auswurf 
einer  bedeutenden  Menge  Eiter,  verbunden  mit  einem  etliche  Tage 
anhaltenden,  nicht  bloft  dem  Kranken  fühlbaren,  sondeiTi  dem 
Ante  sicfalbaren  feindlichen  Eigriffensein  des  ganzen  Organismus, 
setzten  die  Sache  aufser  allen  Zweifel.  Der  Salmiak,  in  dessen' 
Gebrauche  der  Kranke  in  der  letzten  Zeit,  wegen  der  angenfUIi- 
gen  Besserung,  etwas  schluffig  gewesen,  wurde  jetzt  wieder  ernst- 
haft zur  Hand  genommen  nnd  ganz  regelmäfsig  gebraucht.  Der 
Erfolg  War  noch  günstiger  als  bei  der  ersten  Vomica.  Der  Eiter- 
ausworT  hSrte  nach  und  nach  ganz  auf;  der  Kranke  nahm  wieder 
sichtbar  zn  an  Fleisch  nnd  Kräften,  nnd  von  allen  verdiehtigen 
ZuftUen  blieb  nichts  über,  als  etwas  kurzer  Hnsten,  und  ein  ge. 
ringer  ScUeimauwnrf,  dar  keine  Spar  von  iigend  eioer^biitain 


—    430    — 

hatte,  die  naa  für  Eiler  hfitte  nniebui  kSnneD ;  auch  ivar  der  Pul« 
noch  ein  wenig  gereizt.  Ich  erinnere  mich,  dafi  ich  einit  den 
Kranken  (oder  den  in  der  Meinang  der  Leute  Geheilten)  auf  der 
StralÄe  gehen  sah.  Ich  gesellte  mich  zu  ihm  und  bdrle,  dafs  er 
aus  seinem  vor  dem  Thore  gelegenen  Garten  komme.  Ich  ging 
mit  ihm  über,  aber  ich  bezeuge  dem  Leser,  dafi  ich,  ob  ich  gleich 
weder  lahme  noch  leichdSrnige  Füfse  habe,  doch  Muhe  hatte,  mit 
ihm  Schritt  zn  halten.  Bald  darauf  machte  er  zum  Vergnügen 
eine  Reise  nach  Rnhremunde  (welches  zwölf  Wegstunden  von 
hier  entfernt  ist),  und  zwar  auf  dem  hiesigen  Nationalfuhrwerke, 
der  Hufkarre.  Wenn  die  Leser  nun  bedenken,  dafs  ein  solchea 
Fuhrwerk  weiter  nichts,  alt  ein  zweirädriger,  auf  der  Achse  ste- 
hender, mit  bunten  Brettern  omsteckler  Fracht-  oder  Mistkarren 
ist,  in  welchem  eia  gesunder  Mensch  auf  nosem  Unknnstwegen 
durch  ein  zwdifstündiges  Fahren  ifichlig  ermüdet  wird:  so  werden 
sie  einsehen,  dafs  ein  Mann,  der  nicht  aus  Noih,  sondern  blofs 
zum  Vergnügen  eine  solche  Rnmpelfahn  machte,  sich  ziemlich 
kraftig  fiiblen  mufste. 

Von  diesem  Besuche  bei  seinen  Freunden  kam  er  glücklich 
nnd  wohlbehalten  wieder  hier  an,  und  das  Befinden  blieb  noch 
eine  kurze  Zeit  unverinden.  Eines  Tages  ruft  man  mich  zu  ihm 
und  führt  mich  in  das  Schlafzimmer.  Sobald  ich  hineintrele, 
schlftgt  mix  schon  der  widrige  Qualm  von  stinkendem  Eiter  entge- 
gen. Eines  weiilänftigen  Examens  bedurfte  es  hier  nicht,  nm  zur 
Erkenotnifs  zu  kommen,  diese  drang  sich  einem  wol  von  selbst 
auf.  Die  jetzt  geplatzte  VotHtca  war  weit  gröfser  als  beide  vorher 
ansgeheilie  zusammen,  das  bewies  die  grofse  Menge  Eiter,  die  mit 
wenig  oder  keiner  Anstrengung  aus  der  Lunge  entleert  wurde. 
Der  Geruch  des  Eiters  war  aber  sehr  stark ;  wenn  nicht  beständig 
das  Zimmer  gelüftet  wurde,  so  war  dieses  gleich  so  verstunken, 
dafs  nur  ein  Geruchloser  darin  hätte  ansdauern  können.  Ich  habe 
mir  Mühe  gegeiien,  auch  diesen  Eitersack  auszuheilen,  aber  meine 
Mähe  war  vergebens;  in  der  dritten  Woche  starb  dieser  Mann,  den 
die  Lente  als  geheilt  angesehen. 

Folgender  Fall  ist  in  einem  Punkte  noch  weit  merkwürdiger, 
obgleich  bei  der  Termeintlit^en  Genesong  die  zweite  Vomiea  nicht 
TollkommeD  ausgeheilt  wnrde  und  nicht  ausgeheilt  werden  konnte. 

Ein,  zwischen  vierzig  und  fünfzig  Jahren  aller  Junggesell, 
mit  dessen  schwarzen  Haupthaaren  schon  viel  graue  gemischt  wa- 
ren, litt  an  einer  geplatzten  Eiterbeule  von  mäfsiger  Grofse.  Es 
Rückte  mir,  sie  auszuheilen.  Bald  darauf  barst  eine  zweite,  der 
Kranke  wurde  sehr  elend,  erholte  sich  aber  gar  bald  wieder,  nnd 
es  gelang  mir,  abermahls  die  Vomiea  so  weit  auszuheilen,  dafs 
er  nur  zu  Einer  Zeit  des  Tages  einen  Mund  voll  Eiter  ansspie, 
und  dafs  alle  übrige  ZußUle  der  Sehwindsneht  Tendiwaadmi.^  Er 


—    431     — 

tMkam  wieder  Fkisch  und  giiie,  blähende  G«ajcfabfariw ,  ruhigen 
Sdtlaf,  Eftlust  n.  a.  w.,  j»  was  wahrhaft  merkwürdig  ist,  er  yer- 
lor  leine  graDeo  Haare  und  bekam  dafür  gaox  schwarze,  welefaa 
Verilndernng  ihm,  wie  leicht  zu  erachten,  den  Anstricfa  der  Ver- 
JHDgnng  gab.  Seine  KrSfte  sind  wol  nie  ganz  wiedergekehrt, 
aber  ich  weifn  doch,  dafa  er  zn  jener  Zeit  eiae  Wegatnade  von 
hier  10  einem  meiner  JBekannlen  gegangen  ist,  nm  sich  diesem 
oicfat  blefs  als  einen  rom  Tode  Erstandenen ,  sondern ,  was  mehr 
sagen  will,  als  eines  veijfiogten  iichwarxköpögen  Gesellen  zn  zeigen. 
In  ErwSgnng  aller  UmsiBnde  hielt  ich  daför,  dala  die  kleine  Ei- 
terentleerung, die  täglich  regvlrnäfsig  gegen  zehn  oder  eilf  Uhr 
Tomiittags  geschah,  ans  einem  kleinen  blinden  Kanäle  des  üosge- 
faeilten  Eitersackes  komme,  wdcher  Kanal  nnausheilbar  sei,  und  un- 
beschadet der  Lunge,  wie  eine  Fontanelle  in  selbiger  bleiben  werde. 
Dafs  diej"«  unbeschadet  der  Lange  geschehen  kSnne,  bewies  mir  die 
Kanabnie  des  Fleisches,  der  gnien  Farbe  und  der  Krttfte,  M  wie 
das  Ruhigergewofdenaein  des  Pnlses.  Ich  rieih  also  dem  Manne, 
er  solle  anfhdren  zu  arzeneien,  und  für  das  Geld,  welches  er  von 
jet/tao  zwecklos  in  die  Apotheke  tragen  würde,  sich  lieber  Lebens- 
mittel kanfen.  Es  war  das  zufrieden ,  nnd  ich  sah  ihn  seitdem 
tior  gelegentlich  auf  der  Strafse,  wo  ich  denn  hörle,  dafs  alles 
beim  Alten  bliebe,  und  dafs  die  tägliche,  regelmäfsige  Eitcreoi- 
leemng  sieh  weder  verlliehre  noch  vermindere.  Seine  Kräfte  hat 
er  aber  wafarsch  ein  lieb  in  diesem  Zeiträume  der  Termeintlichen  Ge- 
nesung nie  ganz  wiederbekommen.  Ich  fragte  einst  einen  «einer 
Bekannten,  ob  er  auch  wieder  sein  Handwerk  treibe  (er  war  näm-  ' 
lieh  Tischler).  Die  Antwort  war:  er  schnitzle  wol  ein  wenig  an 
der  Bank,  aber  die  eigentliche  Arbeit,  die  er  tfaäte,  möchte  wol 
fiicbl  viel  zu  bedeuten  haben.  Er  wurde  aber  auch  eio  Thor  sein, 
wenn  er  sich  müde  abarbeiten  wolle,  den«  er  habe  ohni  dies  zn 
leben.  —  Diesen  leisten  Znsatz  Qberhdrte  ich  als  ein  alltSglicbes 
GeadiwXtz  des  gemeinen  Mannes,  das  er  von  jedem  sagt,  der  ein 
paar  Groschen  Eigeaihum  hat,  nnd  ich  begriff,  dafs  ein  Gednhl ' 
von  UnmScbfigkeit  diesen  früher  tfafitigen  und  flailsigen  Haan  von 
der  Arbeit  abhalten  müsse. 

Ungefähr  ein  Jahr  nach  der  vermeintlichen  Heilung  and  Ver- 
jüngung wurde  ich  zn  ihm  gerufen.  Es  war  ihm  jetst  eine  fiülier 
verborgene,  grofse,  alte  Vomica  geplatzt.  Di»  Eiterentleenog 
war  uogebener,  and  der  Gestank  des  Eitws  so  ganz  unenrSglich, 
dals  es  mir,  der  ich  doch  in  diesem  Punkte  gewifs  nicht  venfiiw 
telt  bin,  bar  nnmöglich  war,  ISager  Als  ein  paar  Minuten  in  dem 
Kraidcenzimmer  zu  weilen.  Man  hat  mir  gesagt,  dafs  der  Geist- 
liehe, der  ihn  Beichte' gehört,  nach  vollbrachter  geistlicher  Ver- 
riehtuag,  eiligst  io  das  daranstobende  Hans  geflücblet  sei,  nnd 
sich  FSV  Eckd   heftig   erbrechen  habe.     Ich  glaobe  es  gern^   md 


—    4»    — 

v«nnnidef«  mich  aar,  dib  der  EiektA  ihs  «rlHabl  hat,  «eia«  griw 
liehe  -Varrichlong  la  ToIU>ringfln,  denn  wahrliRftig  ein  fRulende« 
Au  auf  dem  Schindanger  Terbreilet  WohlgerScbe  in  Vergleich 
mit  difliem  Kranken.  Man,  er  halte  diewe  Hahl  einen  knrmB 
Kampf  mit  winem  Uebel ,   er  «tarfa  bald. 

.  Em  iet  eine  eigene  Sache  am  den  nbeln  Geraeh  dei  Eiters  nad 
mir  nicht  gans  deatlieb,  warum  der  Inhalt  der  einen  tilerbeala 
stinkt,  und  der  der  auderu  nicht.  Ich  habe  einen  Mana  gekannt, 
dem  von  einer  alten  gebur^teuen  Eiterbeule  ein  kleiner  Kanal  oder 
Zelle  nnauigeheilt  geblieben  and  Eor  Lnngenfoataaelle  geworden 
war.  So  oft  dieeer  licfa  erlcfiliete  nod  einen  KatarriialhaUen  bekam, 
ttank.  der  anageworfene  Eiter;  war  der  Katarrh  rorüber,  ao  war 
der  Eiter  wieder  gestankloa,  Dieter  Mann  hat  lange  bei  dem 
kleinen  Ungemache  gelebt,  und  hat  noch,  da  er  qtäter  Wittwer 
gewobreo,   mit  einer  xweiiea  Gattinn  mehre  Kinder  eneugt 

Idi  habe  selten  erlebt,  dafi  sich  bei  Eiterbeulen  der  Lnag« 
der  Eiter  einen  Weg  durch  die  HippenmuBkeln  nach  au&en  g«- 
bahnet  hätte.  Jedoch  anter  diesen  seltenen  Fallen  habe  ich  einen 
B«  aasgesaichaet  seltenen  beobachtet,  dafs  ich  &at  iweifle,  ob 
ein  einziger  meiner  Leser  «nan  Khnlicben  erlebt.  Der  Mann, 
nimlieh,  dessen  Schiksal  ich  dem  Leser  kfiralich  mittbeilen  will, 
befand  sidi  im  neunnndueunaigsteu  Jahre  seines  Alters,  da  der 
Eiter  einer  verborgeoen  und  nie  geahntln  Vowtiea  sich  einen 
Weg  durch  die  Rippenmnekdn  bahnte.  Gebnatet  hatte  der  Mann 
wol  seit  undenklicher  Zeit  Einst  fühlte  er  beim  Hasten  ein  selt- 
*  sames,  etwas  schmenhaftes  StoDiea  oder  Herausdrängen  swiscben 
zw^i  Rippen  der  rechten  Seite,  und  da  er  nach  den  Orte  bingreift, 
wird  er  eine  Geschwulst  gewahr.  Er  leigte  mir  diese;  sie  war 
länglicb ,  und  nngeffihr  von  der  Dicke  eines  Taubeneiea.  Durch 
das  Husten  wurde  sie  nnn  immer  gröber  und  gröfser,  und  zaietzt 
so  grols,  wie  eine  tüchtige  Weiberbrast.  Da  die  Schwappung 
naverkenabar  war,  rieth  ich  ihm,  das  Ding  öffnen  zu  lassen;  er 
w<^ie  aber  nicht.  Der  Eiter  machte  sich  nun  allerlei  Wege  awi- 
atdiea  den  Faserbnndeln  des  Bnistmnskels ,  und  bildete  hier  kleine 
Hügel  von  der  Gröfse  der  Hühnereier,  so  da&  das  Ganze  ein  gar 
wanderliebes  Ansehen  bekam.  Einst  merkt  er,  dafs  in  der  Spitze 
einer  der  kleinen  Geschwülste  eine  kaum  sichtbare  Oeffnung  ent- 
standen ist,  woraus  etwas  Eiter  sickert.  So  bald  er  gewahr  wird, 
dafs  wirklich  Eiter  darin  steckt  (er  hatte  bis  dahin  daran  geawei- 
felt) ,  läfst  er  den  Wundarzt  holen  und  die  grofse  Geschwolst  anf- 
scbneiden.  Der  noch  in  Cteve  lebende  Kreiswandarzt  Krüger 
hat  bei  der  ersten  Oeffnnng  zwei  Suppenteller  voll  Eiter  heraus- 
gelassen; jedoch ,  wegen  des  in  dem  Zellgewebe  ergossenen  Ei- 
ters, einige  Mühe  gehabt,  die  Heilung  rollkommen  eu  bewei^stel' 
ligen.    Sie  ist  aber  vollkominea  erfolgt;  der  alt«  MaitB  hat  noeh 


--    «3    — 

riae  Zeit  bernMli  ^lefat«    aad  ist  im  hundert   and   ersten  Jtihra 
■eisM  Altan  geetorben. 

Ueber  die  ^ntsleheng  dleaer  yomt'ea  wnr  nichlt  BeMimmiei 
aanamitteln.  An  Ende  des  eratea  Schleitichen  Kriege«  batie  der 
Maim  ala  Pimfiiecfaer  Soldat  im  Hospitale  gelegen ,  wnlate  sich 
«ber  Dicht  mehr  m  erinnern,  an  welcher  Krankheit  er  geütten. 
Gleich  nadi  dievem  Kriege  war  er  tir  nnfUhig  snu  Dienste  er- 
Itlirt  Bnd  lam  Thoraehreiber  gemacht  worden. 

Da  nun  %a  jener  Zeil  das  Preafsische  Mtlitlr  einem  grofsen 
md  nnverkrSppelten  Seidaten  gewifs  nicht  verabicfaiedeie ,  wenn 
er  nicht  einen  bedetnenden  inneren  Fehler  hatte:  so  ist  es  wahr- 
■cheinlicS,  dafa  nnaev  Aller  am  Ende  des  Schlesischen  Krieges  im 
Hospitale  an  einer  BmsietitsfiRdnng  krank  gelegen,  dafs  diese  in 
Eilemtig  ilbe^egangeii ,  und  dafs  aus  jener  Zeit  die  im  neunund- 
neunaigsten  Jahre  geborttene  Vamiea  stammle.  Seit  jener  Hospl- 
talkranhbeit  hatte  ihm  nie  etweii  gefehlet,  anfaer  dafa  er  gehnslef, 
mit  welebeui  kleinen  Ungemache  er  aber  Ifingst  befreandet  war. 

Ein  eiokiges  Mahl  nnr  habe  leb  beobachtet ,  dafs  sich  'eine 
grofse  Feaiica  in  den  Grimmdarm  entleerte.  Eine  kleine  war  vor< 
her  geborsten,  und  ein  Qbelriecbender  Eiler  wnrde  ausgeworfen. 
Wie  die  grofse  sich  in  den  Grimmdarm  entleerte,  entstand  in  diesem 
Oiigane  eine  groläe  Rerolaiion.  Der  Stuhlawang  war  so  heftig, 
daft  ich  rait^  genölhiget  sah,  schleimige  Kljstire  einspritzen  au 
lassen,  am  die  Schffrfe  des  Eiters,  von  welcher  doch  wol  wahr- 
scheinlich der  heftige  Stnblswang  entsund,  etwas  einznhfiUen.  Den 
Elter  konnte  man  im  Nacbtstuble  sehen,  und  sein  Gerncb  erfüllte 
das  ganze  Zimmer;  also  war  hier  keine  xweifelhafte ,  sondern  ei- 
ne sichere  Erkenninifs.  Der  Tod  erfolgte  aber  gar  bald.  GeSfT- 
net  habe  ich  den  Leichnam  nicht,  die  Oertlichkeit  und  andre  Um-  ' 
stftnde  erlaubten  es  nicht.  Uebrigens  begreift  es  jeder,  dafi  eine 
solche  Entleerung  unmöglich  Statt  finden  kann,  ohne  vorherige 
Verwachsung  der  Fltxucde  Coli  mit  dem  Zwerchfelle,  und  ohne 
Verwadisung  des  Zwerchfelles  mit  der  verschworenen  Lunge. 

Entleerung  eines  Eilersackes  in  die  Höhle  der  Brust  ist  etwas 
selten.  Dafs  sie  selten  bei  Uebnng  der  Kunst  beobachtet  wird,  ist 
auch  leicht  za  begreifen.  Die  Entzündang  der  Sufseren  FiBche  der 
Lunge  bewirkt  Verwachanngen  mit  der  Pleura,  und  so  hat  der  Ei- 
let eben  keinen  gemfichlichen  Weg  zu  der  Höhle  der  Brust. 

Ich  wurde  einst  von  einem  MilitBrwnndarxle  gebeten ,  einen 
kranken  Offizier  zu  besuchen,  und  fand  diesen  im  letzten  Zeiträu- 
me der  LnngensHchl.  Der  Eiterauswurf  war  aber,  in  yerhftllniTs 
zu  den  übrigen  Zufällen  der  Schwindsucht,  so  gering,  dafs  man 
wol  mit  ziemlicher  Gewifsheit  auf  bedentende,  aber  noch  verschlos- 
sene Eiterbeulen  der  Lunge  rechnen  konnte.  Ich  erklärte  dem 
Wundärzte,   dafs   ich  den  Mann  als  verloren  ansehe,    rieih  aber, 

.28   lylc 


—  m   — 

um  Ihm  aein  noch  nhrige§  Leben  w>  ertriglich  wie  'raSglieh  m 
machen,  ibin,  ilatl  des  bis  dahin  gebraacbten  Chinadekoktet,  eiae 
schwache  Auflösung  des  Salpefers  zu  reichen.  Dieter  Offiuer,  der 
wegen  Beines  Liingenfehlen  auf  der  rechten  Seite  nur  erträg^icb 
ruhen  konnte,  ßng  auf  einmahl  an,  «nf  dem  Rücken  su  liegen  und 
konnte  nur  auf  dem  Rücken  liegen,  zugleich  wurde  «ein  Puls,  der, 
wie  der  PuU  jedes  Lnngensüchtigen ,  bis  dahii)  beschleuDlget  ge> 
wesen,  langsam,  wie  der,  eines  gesunden  Uenschen.  Aus  der  Rük- 
kenlage  des  Kranken,  die  .ihm  früher  unmöglich  gewesen,  scblofs 
ich,  dafa  sich  eine  Vomica  in  die  Höhle  der  Brust  entleeret.  Du 
Langiamerwerden  des  Pulses  liefa  ich  aber  ganz  unerklärt.  Er  lag^ 
noch  nicht  acht  Tage,  da  starb  er.  Der  Wundarzt  bat  den  Leich- 
nam geöiTaet,  meine  Gescfaftfie  erlaubten  mir  aber  nicht  dieser  Oeff- 
nung  beizuwabneu.  Was  ich  also  von  dem  Leichenfunde  weifs, 
weifs  ich  blofs  durch  den  Wundarzt.  Er  hatte  eine  bedeutende 
Zerstörung  der  rechten  Lunge,  und  in  der  Höhle  der  Brust  Was- 
ser gefunden-  Auf  mein  Etefragen,  ob  das  Wasser  klar,  oder  0ok- 
kig  ^wesen,  sagte  er  mir  blofs,  es  sei  frühes  Wasser  gewesen! 
Wenn  ein  Mensch  gleich  nach  einer  Eiterergiefsung  in  die  Höhle 
der  Brust  stirbt,  so  wird  man  bei  dar  Leichenöffnung  Eiter  finden; 
stirbt  er  aber  eine  mäfsige  Zeit,  vielleicbt  nur  acht  Tage  nach  der 
Ergiefsung,  so  kann  jiian  wol  nichts  anders  als  trübes  flockiges 
Wasser  Buden,  denn  durch  die  Schftrfe  des  ergossenen  Eilers  wer- 
den die  ausbauchenden  Gefdfse  der  Höhle  der  Brust  zur  vermehr- 
ten Thätigkeit  angereizt,  nod  durch  das  abgesonderte  Wasser  wird 
der  Eiter  so  verdünnet,  dafs  dieser  dem  LeicbenÖflTner  unmöglich 
mehr  als  Eiter  erseheinen  kann.  Was  ich  hier  sage,  ist  bekannt, 
und  die  erzählte  Krankengeschichte  ist  gemein;  ich  habe  sie  blofs 
'den  Lesern  wegen  der  aufserordentlicb  merkwürdigen  Erscheinung 
des  Langsam-  ja  des  Nqrmalwerdeii  des  Pulses  im  letzten  Zeit- 
räume der  Lungeusucht  mitgetfaeili.  Die  Erscheinung  ist  nicht  gnl 
zu  erklären,  sie  ist  aber  so  seilen,  dafs,  ich  sie  nur  dieses  einzige 
Mahl  in  der  Art  erlebt  habe.  Etwas  Aehnliches  beobachtete  ich 
einst  an  einem  lungensücbligen  Mädchen,  welches  die  Krankheit 
durch  Ansteckung  überkommen.  Hier  blieb  der  Puls  bis  zum  letz- 
ten Zeiträume  der  Kraoldieit  normallangsam;  not  im  letzten  Zeit- 
räume wurde  er  beschleuniget,  wie  bei  jedem  andern  Sdiwind- 
süchtigen. 

Es  ist  wirklich  merkwürdig,  dals  Meascbea  an  ein  so  bedeu- 
tendes Hindernif!!  des  AtUemholens,  als  ein  grofser  Eitersack  ist, 
sich  gewöhnen  können,  so,  dafs  ihnen  selbige«  kein  Hindemib 
mehr  zu  sein  bediioht.  Einer  vierzigjährigen  Nonne  barst  einst, 
bei  einem  epidemischen  KtUarrhalbusten,  ein  grofser,  nicht  geabne- 
ler  Eitersack,  dessen  Entstehung  auf  keine  Weise  auszumitteln 
war.    Nachdem  der  Eiier  au^eleeret  und  der  Sack  ansgeheilet  war. 


—    435    — 

wtlehM  la  diMen  Falle  keine  Sdiwlerigkeit  hatte,  Tn^e  ich  ei- 
ne« Tages  die  Noaoe,  ob  sie  denn  bei  diesen  grofsen  Eitersaeke 
nicht  gemerkt,  dafs  ihr  der  Albern  kurz  gewesen.  Sie  antwortete : 
lie  kSnDe  oicbt  befannpten,  j«  eioen  kurzen  Aihem  gehabt  xu  ha- 
ben ,  merke  aber  wohl ,    data  er  jeNit  langer  sei  als  früher. 

Es  frSgt  sioh  jetzt,  in  Betreff  des  Salmiaks,  ob  man  selbigen 
bei  jeder  geborstenen  FsMtca  reichen  kSnne  I  Daranf  antworte  ich 
Folgendes:  Man  mnfs  nie  vei^ssen,  dafs  der  Salmiak,  neben  sei- 
ner spezifischen  Eigenschaft,  Eiter-  and  Schlei mabsondernng  zU 
keumen,  eine  dem  Salpeter  nahe  verwandte  Einwirkung  anf  den 
Gesammiorganismas  hat.  Befindet  sich  der  Gesaramtorganismns  bei 
der  geborstenen  Vomica  in  dem  Indifferensstande ,  so  kann  man 
dreist  Salmiak  reichen,  er  wird  seine  gute  Wirkung  Bufsem,  vor- 
ansgeaetst,  dafs  nicht  die  oben  angeführten  Hindernisse  der  Hei- 
lang seine  Wirkung  vereiteln. 

Befindet  sich  der  Gesamnltorganismus  in  einem  anter  der  Heil- 
gewalt  des  Salpeters  stehenden  Zustande,  so  pafat  der  Salmiak  aU 
OrganheHmiitel  und  als   Univenale  ganz  vortrefflich. 

Bandet  sieb  aber  der  Gesäumt  Organismus  in  einem  Znstande, 
der  unter  der  Heilgewalt  des  Eisens  stehet,  so  ihnt  der  Salmiak 
kein  Gnt.  Di«  Menschen  fühlen  sich  matt  und  elend  hei  dessen 
Gebranche,  und  Hosten  and  Eiterausleerang  werden  beide  nicht 
minder  dadurch. 

Es  frfigt  sieh  ferner:  wie  soll  man  es  mit  dem  Salmiak  bei 
der  Katarrhal-  nnd  Schlelmsehwindsucht  halten?  Ueber  letxte  ha- 
be ich  wenig  Erfahmng  (sie  ist  im  VerhKltnifs  zu  anderen  Schwind- 
süchten selten);  Gber  erste  habe  ich  um  so  mehr  Erfahrung,  weil 
ein  großer  Theil  der  vorkommenden.  Scbwindsnchlen  dieser  Art 
Bind. 

Was  man  von  der  Katarrhalscbwindsuebt  sehen  nnd  von  den 
Kranken  durch  Anafragen  erfahren  kann,  ist  Folgendes:  Die  Men- 
schen bekommen  einen  gewüfanlicben  Katarrhal bnste n ,  und  dieser 
bat  anfanglich  den  gewahnliohea  Verlauf.  Erst  husieo  sie  nnd 
werfen  mit  M&he  etwas  dünaen  wfisserigan  Schleim  ans ,  haben 
meh  wol  etwas  Schmerzen  in  dem  Luftr&hrenkopfe  oder  in  der 
Brost,  und  befinden  sieb  unbehaglich.  In  ellichen  Tagen  wird  der 
Sehicim  dick,  belcomint  ein  grnnlicbes  oder  gelbliches  Ansehen, 
und  das  unbehagliche  GefBhl  verschwindet  ganz.  Statt  dafs  nun 
aber  Hasten  und  Auswurf,  wie  bei  gewübnlichem  Husten,  nach  und 
nach  mindern  und  früher  oder  spBter  aufhören  sollten,  bleiben  bei- 
de; es  entstehet  mit  der  Zeit  schleichendes  Fieber,  Abmagerung, 
Varlust  der  Kritfie,  und  der  Debergang  des  Katarihalfaunens  in  die 
Schwindsucht  ist  gemacht.  Nach  meiner  Beobachtung  hfingt  die- 
ser Lfebergang  aber  gar  nicht  von  der  Menge  des  im  iweiten  Zeit- 
räume des  Lungenkatarrhs  ausgesonderten  Schleimes  ab,  also,  dafs 


—    436    — 

der,  der  ia  dieMOi  Zeilranme  viel  aoBwrirf«,  aneh  nm  m>  ahev 
tchwindsiichtig  würde.  Ich  habe  Menschen  gesehen,  welche  hei 
einem  KHlarrhalhuaien  ongeheaer  answarfen,  ohne  scbwiad tüchtige 
zu  werden,  indefs  andere,  hei  sehr  mfifsigem,  ganz  gew&bnliofaem 
Auswurfe  gar  bald  schwiadsiiehtig  wnrden.  Darum  wird  aach  der 
Uebergang  des  Huiieo*  ia  die  Scbwindsacht  von  gewöhnlichen, 
ihren  Kör[ter  nicht  Sngsrlich  hütenden  Mentcfaen  kanm  friihei  ge- 
ahnet, bis  sichlliche  Abmagerung  und  Abnahnia  der  Kräfte  ihnen 
ihren  HuMen  verdftehiig  maebeo.  Die ,  w^chs  grobe  SebleimniM- 
aen  anawerfen,  fSrchlen  weit  eher  eiwaa  B3aea  aU  die,  walch» 
mSfaigen  Auswurf  haben. 

Wenn  nun  aolche  Kranken  bei  Zeiten  itratlicha  Hülfe  auchen, 
bevor  «i^  Geachwüre  auf  der  inaaren  FIScbe  der  Longe  gebildet, 
BO  kann  das  Hebel,  wenn  ei  reebt  «nteraacbt  und  recht  angegrif- 
fen wird,  geheilt  werden.  Ist  aber  aebon  eine  VerschwSmng  der 
Lunge  da,  so  ist  die  Hnlang  nnlhnnlich;  denn  hier  bilden  sich 
keine  Eiterbeulen  (Vo»icae),   sondern  echte  äeschwnre  (üleera). 

Sollten  sich  unter  meinen  Lesern  Aerzte  finden,  die  den  Cüan- 
ben  hatten,  solche  Longengesobwüre  heilen  zu  können,  so  will  ich 
mir  keine  Mühe  geben,  sie  aua  ibrem  glücklichen  Tranme  an  wek- 
ken;  ich  selbst  kann  mich  aber  nnmöglich  solchen  TrilamereiMi 
hingeben,  glaube-Tielmehr,  dals  ich  wol  V.amicOM^  aber  nocb  ni« 
Uicera  pulmonum  geheilt  habe. 

Es  frftgt  sich  jetxt:  wie  bilden  sich  aolcb«  Uleera  pmfmoMumf 
—  Ja,  wertbe  Leger !  darüber  können  wir  blofs  Verninihangen  ha- 
ben. Die  Leichenöffnungen  derer,  welcbe  an  der  Katarrh alach wind- 
sucht gestorhen,  zeigen  uns  die  Entstehung  des  UebeU  nidit;  da 
■ehea  wir  blofü  wirkliche  Geachwöre,  und  gröfaere,  oder  geringere 
ZerstSrung  der  L  nngens  übst  ans ;  diese  Untersuchung  Ififst  ans  lei- 
der ao  klug  ai»  wir  vorher  gewesen.  Wenn  ein  Meosch,  der  sich 
auf  dem  Punkte  des  Uebergsngaa  des  Katarrhal  husten  s  in  dia 
Schwindsucht  befBnde,  auf  dem  Punkte,  wo  aicb  die  eraten  Spa* 
ren  der  hintennaeh  tödlliehen  GasdiwCr»  hildea,  eines  gewaltaa» 
nieo  Tadel  stürbe,  man  btttte  die  Freiheit  einen  solchen  Leichnan 
m  öffnen,  und  man  aehnilta  dann  nicht  in  die  Lunge  wie  ein  Metz- 
ger, sondern  rpan  Öffnete  vielmehr  die  LuArÖfare ,  verfolgte  sie  in 
ihrer  Verästelung,  md  beschaute  aafraerkaBm  die  iunere  FUoh« 
der  Lunge,  so  würde  man  sieh  einen  anschaulichen  Begriff  von 
der  Entstehung  der  Katarrhalsch windsacht  machen  können.  Da 
das  Zusammentreffen  der  besagten  UmstHnde  aber  sehr  selten  aeia 
möchte,  so  bleibt  uns  wol  niohu  anderes  über,  als  nna  die  Ent- 
atehnng  der  Lnngengeschwiire  nach  Aehnlicbkeit  an  erkMren.  Dafa 
die  ausgesonderten  Ssfie  durch  krankhafte  Affektion  des  auaaon» 
dernden  Organes  einen  gewissen  Grad  ronSchSife  annehmen  kön- 
oen,    haben   uns  die  Beobaobtungen  an  erkrankten  aichf baren  Or- 


—    «7    — 

gancD,  und  mUmH  GnlvaBitcbe  Vennoli«  galetft;  wmib  wir  uDs<lNt 
Kauieben  golcher  Schärffl  gleich  nieht  erklHren  können,  so  mnisen 
wir  (li«a*n  NnturproEela  doch  gUiibeit ,  weil  wir  ihn  mit  Aa^n 
sehen.  So  sehen  wir  s.  B.,  d«b  beim  Schnapfen  an  der  inneren 
Fläche  und.ani  äulaerea  Rande  der  Naae  »tweilen  tirnppen  von 
Pöckchen  auS'ahren,  suasiamenfliefien,  ttafbrecben,  sehr  schmenen, 
und  eiUcbenahl  sdbat  nicht  gnt  heilen  wollen;  wir  sehen,  dafs 
sich  iiu  Monde,  aäcb  einer  oft  uobedeatenden  rosenartigen  £nt- 
xUndiiDg,  Sache,  speckige  Geschwüre  bilden;  wir  sehen,  ditfs  sieb 
auf  der  Haut  bei  weniger  Eotiüodung  Poeteln  bilden,  znaammen- 
fliefsen,  aufbrechen  nnd  Sache  Geschwüre  bilden,  welche,  wenn 
(bosn  nicht  geaienert  wird,  tiefer  in  die  Haut  eiafressen  and  aellMt 
die  Substanz  der  Muskeln  ergreifen.  Nun ,  wird  es  denn  in  der 
Lunge,  in  diesem  schwammigen  Organe,  beider  KalarrhaUchwind- 
sucbt  andera  hergehend  Hier  werden  auch  wol  auf  der  inneren 
Fläche  Gnippea  voo  Pdckcben  auffahren,  xuiaBsnaeBfliehen  und 
flache  Geschwüre  bilden,  welche  io  der  Folge  tiefer  und  liefer  ein- 
fressen, nnd  die  Subslans  der  Lunge  cerstören.  Wo  ist  nun  der 
Punkt,  wo  noch  Heilung  möglich  ist )  —  Ich  weib  es  wahrhaftig 
nicht,  ich  mufa  es  versuchen.  Wenn  es  möglich  wäre,  den  mit 
einer  grofaen  Menge  Schleim  vermiachten  wonigen  Eiter,  der  sieh 
bei  der  ersiea  EnUlebiing  solcher  flachen  tieicfawnre  bildet,  «n 
uniersuchen  und  zu  unterscheiden,  so  würde  man  sich  selbst  m- 
weilen  viel  Mühe  und  dem  Kranken  viel  Geld  ersparen  könoeo; 
da  dieses  Elrkennen  und  Uolersebeiden  nbar  niobt  möglieb  ist,  so 
halte  ich  es  für  kriatlich,  bei  jedem  vorkommenden  Falle  die  Hei- 
lung als  raüglich  vorauszusetsen  und  sie  zu  versochen.  Ich  habe 
manchen  geheilet,  den  ich  in  meinem  Henen,  wegen  der  Menge 
des  garstigen  Auswurfes  nnd  wegen  des  heftigen  Fiebers  für  ver- 
loren hielt;  hingegen  sind  andre  gestorben,  deren  Zustand  nicfat 
den  vierten  Theil  so  bedenklich  schien.  Bei  der  Behandlung  die- 
ser Krankheit  ist  es  weit  klüger,  man  überrascht  die  Lente  mit 
sogenannten  Wunderkuren,  als  dafs  man  Wunderkiiren  in  ihnn 
verspricht. 

Was  leistet'nnn  der  Salmiak  in  dem  ersten  Zeiträume  dieser 
Krankheil,  eh  sich  wirkliche  Geschwüre  ^bildet  haben!  —  loh 
denke  etwas  Gutes,  wenn  der  GesBinrntorganismus  sich  entweder 
in  einem  unter  der  Heilgewalt  des  Salpeters  stehenden  krankbaf- 
lOB  Zustande  befindet,  oder  wenn  die  abnorme  Sekretion  in  den 
Lungen  ein  blofs  Örtliches  Uebel  dieses  Organs  ist ,  und  der  Ge- 
sassmtorganismus,  nur  consenauell  aGKairt,  sich  in  dein  Indifferenz- 
Stande  befindet.  Nach  meiner  Erfahrung  ist  aber  beides  bei  der 
Katarrbalschwindsncht  seltener  der  Fall;  iob  sage  seltener,  damit 
will  ich  jedoch  nicht  so  verstehen  geben,  dafs  beides  niemahls  der 
Fall  wäre.     Häufiger  befiiidet  sich  wol  bei  der  Kaiarrbalschwind- 


-  438  — 
racht  der  Gettunmlerganisuiiii  in  einem  ORMr  der  Heilgewah  des 
Eiwni  siebenden  krankhaften  Zuaiande,  weshalb  auch  im  17.  Jahr- 
hnndert  die  esaigsaiire  Eiaeoiinktnr  so  ^ofsen  Ruf  bei  der  Sthwind- 
sucbt  erlangt  bat,  dafs  sie  Tinctwa  antipHlhUica  genannt  ist,  voa 
welchem  Gegenstände  Ich  susrübrlicber  aprechen  werde,  wenn  ich 
unter  den  Universal  mittein  das  Eisen  abhandle. 

Was  wird  nun  der  Salmiak  in  -der  Schleimachwindsuchl  lei- 
sten f  —  Ich  kann  es  nicht  sagen,  denn  diese  Krankheit  Ist  etwas 
selten.  Ich  glaube  wol,  dafs  eio  Lungenkalarrh  in  Schleimachwind- 
sncht  übergehen  kann,  erinnert)  mich  aber  nicht,  diesen  Uebergang 
je  genau  beobaclitet  su  haben.  Ich  habe  die  echte  Schleimscbwin<!- 
■ncht  (Scbleimfiufii  der  Lunge)  blofg  bei  Leuten  von  hSberen  Jah- 
ren beobachtet,  die  mir  iiber  den  Urspruug  ihres  Uebets  keine  ge- 
nügende Auskunft  geben  konnten.  Es  scheint,  dafs  Bolcbe  Leute 
blofs  durch  den  Verlust  der  Sftfto  -und  durch  die  bfiufige  Unler- 
brechnng  des  nfichilichen  Schlafes  abmagerp,  und  dafs  übrigens  in 
ihren  Langen  weder,  wie  bei  der  Katarrhal  schwind  sucht,  eine  chro- 
nische Enuündnng  der  inneren  Lnngenfläcbe ,  noch  wie  ht\  der 
Kootenscbwindsucbt,  Verh&riungen  in  der  Lunge  su-  finden  sind. 
Aber  übrigens  künnen  solche  an  der  SchJeimschwindaucht  Leiden- 
de, aufser  der  Abmagerung,  gereizten  Puls  und  umschriebene  Wan- 
genröihe,  gerade,  wie  die  an  der  eiternden  Lungensucbt  Leiden- 
den haben,  so,  dafs  jemand,  der  die  Sache  nicht  kennt,  leicht  ei- 
ne üble,  aber  falsche  Prognose  machen  wurde.  Im  Jahre  1795  sah 
ich  einen  Herren  meiner  Verwandtschaft,  der  hustete  viel,  warf 
viel  schleimiges  Zeug  aus,  hatte  gereizten  Puls  wie  ein  Schwind- 
•iichtiger^  sein  K3rp6r  war  ziemlich  zusammengeschrumpft,  und 
es  fehlte  ihm  auch  nicht  di«  amschriebene  Wangenröthe.  Da  er 
nun  gerade  aussah ,  wie  die  schwindslichtigen  Hau dwerksbu rächen 
in  dem  Krankenhause  zn  B*%  von  denen  ich  den  einen  nach  dem 
andern  aus  den  Rette  hatte  verschwinden  sehen,  so  dachte  ich  in 
meinem  Herzen,  mein  guter  Oebm  würde  höchstens  noch  ein  an- 
derthalb Jahr  zu  leben  haben.  Aber,  werthe  Leser!  er  hat  noch 
fünfundzwaniig  Jahre  nachher,  hustend  und  ausspeiend  gelebt,  und 
ist  als  ein  alter,  Terschliisener  Mann,  im  sechsundachtzigsten  Jah- 
re  seines  Alters  gestorben. 

Leichen5ffnüngen  derer,  welche  au  der  Schleimschwindsucht 
gestorben,  kSnnen  wenig  Licht  über  diese  Krankheit  geben,  denn 
Öott  weifs,  welche  VerSndfmngen  kurz  vor  dem  Tode  in  den  Lun- 
gen vorgehen.  Wenn  sie  aber  nicht  an  dieser  Krankheit,  sondern 
an  einer  die  Lange  nicht  angreifenden  akuten  sterben,  oder  wenn 
sie  gewaltsam  getödtet  werden,  so  Ififst  sich  vielleicht  richtiger  der 
Zustand  der  Lunge  benrtheilen.  Zur  Zeit  der  franzftsischen  Herr- 
schaft bin  ich  einmahl  gerichtlich  anfgefodert  worden,  einen  sieb. 
zigjftbrigen ,   zwei  Tage  nach  einer  Milshandlung  gestorbenen  Mana 


—    439    — 

■u  SfiiM,  DIU  zu  Bsben,  eh  iat  Tod  dnreh  4{«  Mifabandluag  g«- 
imaebt  sei.  Ich  bedsure  aar,  dafs  ich  den  KörpeniiMBad  iea  mir 
nDbeicaDnlflu  Veritorbenen  nicht  bei  Minem  Leben  bnlle  uniemi- 
ehen  kSnnen,  aoadem  mich  in  dieser  Hinsicht  blofa  auf  die  Aue- 
■age  seiner  Bekannlen  Verlanen  mulale.  Die  Aunnge  aller,  wel- 
che die  Neugierde  hingezogen,  «iinmte  dahin  öberein,  dalii  der  Alle 
idioa  lange  an  der  Aaaxebrung  gelitten,  Hnsten  und  alarken  Aae- 
wurf  gehabt.  Dab  er  gnna  anagezehrt  aei,  bewiei  augensc heinlieh 
der  in  tehr  hohen  Grade  abgemagerte  Leichnam ;  nnd  da  der  Tod 
zwei  Tage  nach  der  Mifahandlnng  erfolgt  war,  mufste  die  Abma- 
gerung unwiderzprechlich  Folge  eines  früher  beitasdenen  hrank- 
haften  Ziiaiandes  win.  Diese  Leichenöffnung  erregte  anfänglich 
nicht  im  mindealen  meine  Neugier,  deon  ich  glaubte,  in  den  Lun- 
gen diese*  Mannes  Knoten,  Eitersacke,  oder  Geschwüre  zu  fin- 
den. Wie  sehr  warde  ich  übemseht,  da  ich  nichts  von  diesen 
.  gemanen  Dingen  fand.  Die  Lnngen  erschienen,  was  ihre  Sub- 
stanz belrifift,  gesund  von  Farbe  nnd  Dichte,  waren  aber  so  sehr 
von  einem  klaren,  gallertartigen,  dem  Froschlaiche  fthnlichen  Schlei- 
me erfüllet,  dafs  ich  kaum  begreife,  wie  der  Mann  hat  aihinen  kön- 
nen. Wenn  ich  mich  auch  gern  bescheide,  da&  die  fibergrefse 
Masse  von  Schleim  erst  nach  der  Mifshandlnng,  bei  dem  abneh- 
menden Leben  und  bei  der  zunehmenden  UomSgltchkcit,  ihn  durch 
Husten  Sil  enileeren,  sieh  angesammelt  habe,  *o  hegrrtfe  ich  doch, 
dttfa  der  Verator1>ene  bei  Leibes  Leben  an  einem  wahren  Hcbleim- 
flasse  der  Lunge  gelitten,  irod  tHglich  viel  hat  hnsten  müssen,  um 
seine  Lange  nur  ertrügltch  vom  Schleime  zu  reinigen. 

Ich  erinnere  mich  vor  mehren  Jahren  dte  Rezension  eines  frao- 
zöitiscben  Buches  gelesen  zu  haben,  in  welchem  der  Verfasser  von 
der  Katarrhalschwindsncfal  iprichi.  Der  Deutsche  tadelt  den  Franzo- 
sen dieses  Ausdruckes  wegen,  und  behauptet,  das,  was  jener  Ka- 
tarrhalscbwindBUcbl  nenne,  müsse  nnler  die  Kategorie  derSohleim- 
Bchwindsochl  ge reibet  werden. 

Ich  bin  eben  kein  Freund  von,  Krankheiten  amen,  habe  lieber, 
dafs  man  ein  Ueilmiitel,  als  dafa  man  eioen  Namen  auf  eine  Krank- 
heit findet.  Wenn  wir  aber  einmahl  Krankheiten  henamen  sollen, 
scheinet  es  mir  gerade  nicht  unklug,  zwei  Krankheiten,  von  de- 
nen die  eine  den  Menschen  swansig  und  mehr  Jahre  leben  Iflfst, 
die  andere  aber  nach  Einem  oder  anderthalb  Jahren  schon  tödtet, 
darch  Namen  -zu  unterscheiden. 

Ich  bin  in  meinem  Leben  mehrmahls  als  zweiter  Arzt  lu  Kran- 
.  ken  gerufen,  welche  angeblich  an  der  Schleimschwind  sucht  leiden 
■«lUen;  mir  kam  es  aber  vor,  al«  htiiten  sie  echte  Verschwarun- 
gen  in  den  Langen,  nnd  der  bald  erfolgte  Tod  dieser  Menschen 
setzte  es  auch  ohne  LeichenfiSnnng  anfser  allem  Zweifel,  dafs  sie 
wol  an  VenebwBnmg,  aber  nicht  an  einem  Schleimflusze  der  Lunge 


—    440    — 

gestorben.  Dab  ein  Ant  den  Kraokea  in  diMer  HiuiolH  -tSaMihf, 
ist  ki'istlicb;  dafa  er  sich  aber  selbst  tfiuwbta  ist  albern,  und  dafs 
er  einen  Kollegen  xu  täuschen  sucht,  ist  aberwiliig. 

Da  ich  jetzt  einmahl  von  der  Schwindsucht  redcj  wird  ea  daai 
Leser  wol  nicht  unangenehm  sein,  dafs  ich  ihm  meine  Beobacb- 
luDgen  über  Schwindsuchten,  welche  durch  Ansleckuiig  eotslanden, 
tiiidheile.  Aerzie,  welche  blofg  bei  Voraehmeo  und  Beicheo  ihre 
Kunst  üben,  ihun  am  besien,  über  diesen  Ge^nensiand  gsax  zu 
schweigen,  denn  die  Lungeosucht  ist  wahrlich  nicht  so  böse, 
da£i  sie  in  den  geräumigen,  oft  gelüfteten  und  gereinigten  GemS- 
ohern  der  Reichen  ihre  verderblich»  Kraft  äoCwra  sollte.  Will 
luan  diese  kennen,  so  mu(s  man  sie  bei  dem  geringen  Burger  und 
bei  dem  Annen  kennen  lernen.  Ein  enges  Zusammen  wohn  an  in 
kleinen,  niedrigen  Zimmern,  und  daa  ZuBan»raenschIafen  unter  Ei- 
ner Decke,  in  einem  Bettkaaten,  oder  in  einem  umhangeaea  Bell, 
befördert  die  Ansteckung  ungemein.  Wenn  icb  gLaicb  xiflaaae,  daia, , 
Hin  von  einer  Krankheit  angesteckt  lu  werden,  eine  Piädisposiüon 
des  K&rpera  erforderlich  sei,  ohne  welche  k.ein  manschliche«  Gift 
jemnnd  sum  Verderben  eracbiefsen  kann,  so  habe  icb  dach,  nicht 
einbildisch,  sondern  mit  nüchternem  Sinne  beobachtet,  dafa,  um 
von  der  Lungensucht  angesteckt  zu  werden,  keine  aionlioh  erkenn- 
bare  Disposition  ni>ibig  sei,  dals  man  also  höchstens  eine  unsicht- 
bare and  uaerkeonbHre  annehmen  könne,  und  Ewar  einzig  aus  dem 
Grunde,  weil  zwar  viele,  aber  nicht  alle,  die  sich  dem  EinBnsae 
des  Giftes  aussetzen,  angesteckt  werden.  Ich  habe  auffallende  Bei- 
spiele von  der  Aosieckung  der  Lungensucht  gesehen;  wie  könnte 
ich  aber  auch  nur  den  kleinsten  Theil  d^von  erafihleo,  ohne  dem 
Leser  Langeweile  zu  verursachen!  Mir  selbst  (oh  dem  Leser,  kann 
ich  nicht  wissen)  war  folgendes  das  merkwürdigate.  Ein  Mfidchen 
aus  der  geringen  Volkaklasse,  grofs  von  Stator  und  von  solch  kräf- 
tigem Körperbau,  dafs  ich  w^nig  solch  kräftige  weibliehe  Körper 
in  meinem  Lehen  gesehen,  heiiaihete  mit  einem  winzigen  Scbnei- 
der,  in  dessen  Familie  die  Lnngensucht  faeimisch  war.  Sie  hatte 
kaum  ein  Jahr  in  dieser  Ehe  gelebt,  da  rief  sie  mich  sii  ihrem 
Manne;  der  lag  an  der  eiternden  Lungenauoht  im  Bette,  und  es 
war  nichts  Heilendes  mehr  an  ihm  zu  ihun.  Da  ioh  nun  aber  die 
Frau  früher  als  ein  braves  Mädchen  gekannt,  und  sie  mir  beson- 
ders wegen  ihres  kräftigen  Körperbaues  merkwürdig  gewesen,  so 
jammerte  es  mich,  dafa  ein  solch  kräftiges  Geschöpf  in  der  Blöte 
seiner  Jahre  auf  der  Marterbank  der  Schwindsnebt  verscheiden  soll' 
te.  Ich  nahm  sie  also  allein,  und  sagte  ihr  gerade  herana,  ihr 
Mann  nerde  sterben,  er  werde  sie  aber  mit  in  das  Grab  ziehen, 
wenn  aie  ferner  mit  ihm  in  dem  dumpfen  Bettkiisten  schlafe-  Im 
Falle  sie  kein  anderes  Bett  habe,  solle  sie  sich  lieber  auf  Stroh 
betten.     Sie  wurde  nachdenklich,  maobte  EiawenduDgaD,  glaubte, 


-    441    — 

M  Ml  g«g»m  die  «belwha  Lieb«,  ibrwi  knnkca  Meao  atleia  lie- 
gMi  IQ  iMwn,  lie  sei  atark,  und  ea  werde  ifar  ao  leicht  nicht  aoha- 
deD.  Daa  mifsverstaiideBe  efaeltcbe  PflichtgefGhl,  daa  Gefühl  ihrer 
'eigeaen  Kraft,  nod  wahracfaeiolioh  die  leichtfertig  anfgeitthlten  Bei- 
•pfeU  derer,  die  aidi  oitg«atraft  itt  Aatteckoag  blof^eatellt ,  be- 
wegen aie,  in  den  dampfen  WRadksMen  bei  ihre«  Manne  bis  nah 
rot  Mwen  Tode  ni  übemacbten.  Acht  Monate  nngcfthr  nach 
neioem  Tod«  ««b  ich  nie  eines  Tages  in  mein  Ztmin«r  iretan.  Ihr 
Ihr  vorher  kräftiger  Blick  hatte  schon  etwas  Maues,  ihr  früher  Tol- 
les Qesicht  fing  schon  an  beiiafalien.  Eiogedenk  »einer  War^ 
nung,  kansiekii  mir,  Rath  sn  suchen  gAgnn  einen  kunen  trocknen 
Haalen,  wehr  aber  noch  gegen  eine  Mattigkeit,  welche  sie  hinderte, 
•olcke  anstrengend«  Arbeiten  lu  verrichte«,  die  ihr  fräher  nv  Spiel 
waren.  Ich  begriff  bald,  wie  ea  mit  ihr  gestellt  sei,  allein  meine 
Mühe,  aie  sn  reuen,  war  vergebens.  Sie  bat  sieb  noch  dritlehalb 
Jahm  langcnsficktig  berumgesefaleppt ,  und  dann  das  Keilliche  ge- 
•egaet. 

Man  könnte  die  Frage  anfwerfen:  welcherlei  Natur  die  ang»- 
steckt«  Sekwiadsttcht  seit  —  leb  habe  niemafaU  Gelegenheit  ge- 
habt einen  an  der  durch  Ansteckung  erworbenen  Schwindsucht  Ver- 
etorbsnen  eo  öffnen.  Aus  den  ganaen' Verlaufe  einer  solchpu  Krank- 
heit scfaliefse  ich  aber,  dafs  sie  die  PiiAfiü  tuberculaau  sei.  Es 
ist  aach  leicht  zu  begreifen,  daft  die  Aoslftckong  nur  dnrcb  die 
Lunge  auf  dem  Wege  der  Einsangnng  geschehen  kann«  dals  die 
eingealhmeten ,  nnd  auf  der  inneren  Fliehe  der  Lunge  eingesoge- 
nen scharfen  Eitenbaile  ZusaauaenniebuBgen  in  den  Gef&fsen  der 
Langendrusen  vemrsaohen,  woraua  dann  eine  Anachwellang  die- 
ser Drüsen,  und  hinlennaoh,  frQher  oder  später,  Ver«>lernng  der- 
selben entstehet. 

Die  Meinung  der  Mebrsafal  nnsorer  hehtigsn  Aersm  g«bkt 
freilieh  dahin,  die  Lnngeaknoten  aoiea  nicht  Terfalrlet«  DrSsen; 
ieh  kann  diese  Heianng  aber  ni^ht  unbedingt  für  wahr  halteB> 
rergleichende  Beobachtungen  zwingen  nioh  Tiriraehr,  der  Meinong 
solcher  Aersle  beizutreten,  welche  zweierlei  rnn  einander  rerschie- 
depe  Knoten  annehmen,  die  einen  sollen  bloliw  Ablageningea  fremd- 
artiger Stoffe  in  die  Lnngenzellcben ,  *)  die-  anderen  wirUioha  Ter- 

*)  Diew  Ablae«niDS  fremdaHiKer  Stoff«  lil  da  daDhlsr  NalarproMb ,  roa  wel- 
chen wir  wenif  mehr  keaien ,  ■<■  di«  tlchlbare  EnMg»ib  dtwelbM  ia  dea 
LdtAea;  «eiM  bsbea  ab«r  wboa  dia  tltailea  Aenta  gakaaBt,  Hirputruttt 
(4e  tmterm.  »ffM.  omp.  If.)  nU  Jritan*  (£t».  S  Cmp.  8).     E(  til  atWM  u- 

begrailioh  ,  wie  dl«  absalarrte  Hatarie ,  kMlehat  aie  nieht  ia  ataii^M  Cod- 
creaeatea ,  mter  ia  Ebenlich  leharTM  Slaffen,  Ihre  Hällra  n  Entiiadaas  «nd 
ttilcr  briagea  kaaa  ;  wir  näiian  da*  aber  glauben  ,  weU  dia  Encheinnagea  <d 
vi«lcn  FlUlea  dafir  tpreehao,  dafi  EDli&BdnDK  and  Eiteraag  dar  Rsetea  ia  der 
PeriphErie  denelbea  begiant,  wodarch  daan  ecbta  Geackwüra  BilWieh  tablldet 
werdea ,   ikhl  U«ia«  ^ethsrias,-  —  Is  niattt  FSIhn  bildas  üeb  abar  ao« 


—    4«    — 

bSrtete  DrQien  Min.  In  dem  letzten  Viertel  dei.  vorigen  Jahrliiin- 
derti  behauptete  Bautin  (dem  wol  niemand  eine  »ich»  Erfahrang 
fiber  die  Lungenancht  absprecben  wird),  die  enre  Art  der  Knoien 
vereitere  ntelit  leicht,  die  andere  Art  hing^en,  nHmlicfa  die  vet^, 
bftrleten  DrQsen,  tei  leicht  entsünd-  und  vereiterbar,**)  Solcher 
Art  mäwen  nothwendig  die  doroh  Anileckang  erworiiene  leiit, 
denn  man  liehet  ja  nicht,  dafa  die  angesteckten  Meoschen,  gleich 
uideren  Lungenknotigen,  zehn  ond  xwanxig  Jahre  leben  ohne 
tnngensHchtig  lu  werden,  ■ondern  sie  atarben  vielmehr  bald,  das 
faflifst,  in  dem  nngefAhren  Zeilraame  von  swei  Jahren;  mit  Fallen 
und  Aufstehen  slolpera  sie  dem  Grabe  zu.  Einige  Drüsen  k&naen 
kleine  runde  Abaseiae  bilden,  anfbrecfaen  und  wieder  ausheilen; 
aber  niemand  traue  der  anscheinenden  Heaserang,  der  Tod  hat  lei- 
der aein  Opfer  nur  au  sicher  erfafat.  Ich  kann  mit  Wahrheit  sa- 
gen, dafa  es  mir  noch  nie  gelangen  ist,  eine  von  Anatecknng  «nt- 
Mandene  Lnngenachwindancht  sn  heilen ,  obgleich  ich  in  einselnen 
Fällen,  wo  in  der  ersten  Entstehung  noch  Hülfe  möglich  sefaieo, 
mir  die  Sufserste  Mühe  deshalb  gegeben. 

Idi  erinnere  mich  unter  andern  einer  aogeatedden  und  frfifa 
von  mir  gewarnten  ftlllichen  Jungfrau.  Diese  sachte  gleich  meine 
Hülfe,  da  die  ersten  Sporen  flei  kurzen  trocknen  Haatens  ersehie- 
nen..  Welche  Mähe  ich  mir  aber  geben  mochte,  alles  war  verge- 
bens. Unter  Hoffen  and  Zweifeln  verging  die  Zeit,  nnd  der  Tod 
nahte  sich  eben  so  dreist  uad  sicher,  als  hftite  sich  ihm  nie  ein. 
Arat  wehrend  in  den  Weg  gestellt. 

Erbliche  Lnngensnchlen  sind  auch  übel  ni  heilen,  jedoch  kann 
ich  von  diesen  die  Unfaeilbarkeit  nicht  so  bestimmt  behaupten,  als 
von  den  dnrch  Ansteckung  überkommenen.  Von  den  gewShnl»- 
ehen  Arten  der  Lnngensncht  sind  zwei  erblich ,  nimlich :  die 
FktÜfü  tniercmloia  uad  die  catmrJuUia.  Aber  die  Erblichkeit 
verbXlt  sich  bei  beiden  gam  verschieden.  Bei  der  tmbercuhtm 
werden,  wahracheinlieh  in  vielen  Fallen,  die  Lungeoknoten  schon 
rait  auf  die  Welt  gebracht.  Wenn  solche  Lente  in  ihrer  Kindheit 
nicht  gehustet  haben,  folgt  daraus  noch  «cht,  dafs  ihre  Lungen 
frei  von  Verbftrtungen  gewesen;  und  wie  unaureichend  sind  nicht 
bei  manchen  Mensehen  die  Erinnemngen  ans  der  Kindheit! 

d«a  Kaataa  Itleia«  AbuMM  ,  wekks  imb  bei  ibr«H  AaRtracbB  !■  d«B  nei*lfla 
Fillea  taiw«irelk*fl  crbBiDan  htm.  Diaiei  iit  doch  wol  d*r  a^lig«idita  Bo- 
«reii ,  4ab  die  leliles  Kaotaa  ■■HüflUh  blofb«  AJ»U|arwiK  ftaHAutlgar  Stah 
ia  die  L«aK*SMU*beB  lela  ISaaes,  aaBdera  wlrkliaba  vefUMata  Drian,  sm 
waal^rtea  verbärtatei  ervasifeba*  flewabe  ■•■■  aiiMea.  Eis  Raetea  kana 
Didbt  aar  Bitarbeala  werdeo ,  oder  Butiüadeag  aad  fi>[ge*d(  Eiteraas  «Ti  in 
aaiaeB  laneraa  begioneo,  alio  nnh  eeia  laaerai  aa«  arsBoiicbeai  ISewebe  ba- 
■lebea,  daaa  aar  ia  dieten,  eicbt  ia  «iaer  todlea  Haaae  bildet  fleh  Batlin- 
daag  «ad  Eiteraag. 
•■)  Abbaadtnay  Bber  die  Uaseaiochl.   I.  Theil  d,  AhiehatH  1.  aed  «.  Kalter 


—    443    — 

FrShflr  odor  iplMr,  gswSlnilloh  im  J&ngling«-,  oder  im  eni«n 
MoonMalur,  gshen  oaa  diese  Knoten,  auf  eiae  freilich  Qbel  xa 
erklSrende  Weiu,  in  Eiterang  über. 

Es  sdieint  jedoch  auch  jene  eigene,  den  Angen  lichlbare  Be- 
tchaffeoheii  de*  H3rpen,  die  wir  Habitnm  phtkUieum  nennen, 
vererbt,  und  durch  diese  eigene  KSrperbeschafienheit  gerade  die 
frSbzeitige  Yereitemng,  mithin  der  Ansbrneh  der  Lungensncht  be- 
dingt xn  werden.  WSre  das  nicht,  so  würden  gar  viele  Menschen, 
die  Knoten  in  den  Lungen  von  Kindesbeinen  an  gehabt  haben, 
frühxeilig  sterben.  Ich  sehe  aber,  da/s  die,  welche,  wie  das  Volle 
sich  ansdriickt ,  eine  bdfse  Bmst  haben ,  und  deren  in  meinem 
Wirkungskreise  eine  Uniahl  ist,  hBufig  au  einem  ziemlichen  Al- 
ler gelangen ,  obgleich  «ie  von  Zeit  xn  Zeit  heftig  husten ,  wenn 
es  aufs  beste  ist,  bestandig  hSsteln,  nnd  mehr  oder  minder  dampfig 
und  schleimig  sind.  Freilich  sterben  sie  zuletit,  wenn  keine  atcule 
Krankheit  sie  t&dtet,  an  der  Lungensucht;  aber  nicht  frSh,  wie 
jene,  denen  der  Habit*»  p&tküicut  aufgeprftgel  ist,  londem  sie 
werden  nicht  selten  sechsig  bis  siebzig  Jahre  alt 

So  viel  ich  beobachtet  habe,  kann  diese  Schwindsucht  aowol 
von  dem  Vater,  als  von  der  Mnlier  vererbt  werden.  Der  schwind- 
süchtige Vater  kann  mit  der  gesunden  kräftigen  Galtina  scbwind- 
siichlige  Kinder  sengen,  und  der  gesunde  kräftige  Mann  kann 
mit  der  schwindsüchtigen  Gaitinn  ebenfalls  scbwindsRchtige  Kinder 
zeugen.  Auf  diese  Heimlichkeit  der  Natur  läfst  sich  durchaus 
keine  Weise   machen. 

Das  Forterben  der  Katarrhalachwiadsadit  gescbiehet  auf  eine 
andere  Weise.  Es  scheint  die  ertiliche  Anlage  zu  dieser  Scbwiod- 
gnchl,  blofa  in  zn  groÜier  Reizbarkeit  der  Haut  und  vielleicht  auch 
derLnngen  zu  bestehen.  Ein  HabUut  phthüiciu  ist  nicht  vorfaaa- 
den.  Dieser  Schwindsucht  kann  in  der  Jugend  vorgebeugt  werden, 
dadurch,  dafs  man  die  Kinder,  ohne  sie  eben  nackt  gehen  zn  laa- 
len ,  vor  za  warmer  Bedeckung  hütet,  .ihr  Hantorgan  an  di«  Vep> 
andernng  der  Witterung  gewShnt ;  und  dann  dadurch ,  dafs  man 
jeden  entstehenden  Husten  gleich  ipi  Anfange  unterdrückt ,  nicht 
erst  abwerfet,  was  daraus  werden  will. 

Wird  man  aber  zn  solchen  Leuten  gerufen,  wenn  ihr  Kalarrb- 
•Ibnaten  schon  auf  dem  Punkte  stehet ,  in  die  eiternde  Lungen- 
sacht  übervugehen ,  so  kostet  es  zuweilen  Kunst,  aoch  cnweilen 
etwas  Dreistigkeit,  sie  im  Lande  der  Lebendigen  zo  ballen.  Hier 
Jfbt  noch  ein  achtbarer  BArger,  das  einzige  Glied  einer  an  solcher 
Schwindsucht  gestorbenen  Familie.  Ich  wurde  einst,  da  er  Jüng- 
ling war,  zu  ihm  gerufen.  Er  halte  oft  Kaiarrhathusieu  gehabt, 
sich  also  mit  diesem  Ungemache  befreundet,  weshalb  es  ihn  auch 
jetzt  iAel  betrogen.     Ich  faad  ihn  bettlägerig,    fieberhaft,    heftig 


-    *44    - 

han^d  nii4  ungUublicb  häufig  RU«werf«id.  Kein  MeiMfifa  ttioer 
Bekanntschaft  glaubte,  dafa  er  xu  reiien  lei.  Milde  Miiul  wall)«!! 
bei  diesem  hartnackigen  Uebel  nicht  auscbiageu.  Da  reichte  ich 
ihm  eine  Abkochung  der  Oigiuiis  so,  dafs  sein  Organiimus  aichi- 
bur  feindlich  davon  ergriffen  wurde ;  der  Husten  kehrte  sich  aber 
nicht  daran.  Nun  liefs  ich  die  Digitalis  fahren  und  gab  Mohasafi 
in  ganz  mäfsiger  Gabe.  Jetzt  wich  Husten,  Auswurf  und  Fieber 
so  gchnell,  dafs  der  Kranke  gar  bald  vollkoiumen  genas,  und  die 
Leute  seiner  Bekanntschaft  diese  Heilung  für  ein  halbes  Wunder 
ansahen. 

In  dem  Nacheinandergeben  der  Digitalis  und  des  Mohnsafies 
Btekt  eine  übel  eu  erklärende  Heimlichkeit.  Man  mufs  bei  dieser 
Gewallkur  die  Digitalis  bis  zum  ersten  KntitehRn  des  Erbrechens 
reichen,  und  dann  nnmitielbar  Mohnsaft  in  mäfsiger  Gabe  darauf 
folgen  lassen.  Ich  bin  im  Allgemeinen,  sonderlieh  seit  ich  mün- 
dig geworden,  kein  Freund  von  aolchen  feindlichen  Kuren,  und 
habe  deshalb  auch  die  angegebene  sehen  in  Anwendung  gebracht. 
Man  «töfst  aber  bei  Uebung  der  Kunst  Kuweilen  auf  Fälle,  bei 
denen  die  unfeindliche,  milde  Behandlung  durchaus  nichts  fruch- 
tet, und  bei  denen  die  umstände  so  niifslich  und  dringend  sind, 
(Ufs  Zeitverlust  Lebensverlust  ist;  da  mufs  man  wohl  zu  feindli- 
chen Mitteln  greifen  und  das,  was  man  ihun  will,  bald  ihuo. 
Ueber  solche  und  Ähnliche  feindliche  Heilarien,  werde  ich,  um 
nicht  mifsvenlanden  zu  werden,  io  einem  bpsondern  Kapitel  aus- 
führlicher sprechen. 

Der  Mann,  dessen  Schicksal  ich  eben  erzählt,  durch  den  be- 
denkliohea  Zustand,  dem  er  glScklicb  entronnen,  gewilziget,  hat 
in  der  Folge,  so  oft  er  wieder  eine  kleine  Mahnung  von  Kalarrji- 
alhnsten  bekommen,  (nnd  dies  geschah  seitdem  änfserst  selten) 
gleich  meine  Hülfe  gesucht,  nnd  (was  mir  selbst  unerkiBrbar  scheint) 
ich  habe  nie  die  mindeste  MShe  gehabt,  einen  solchen  Husten 
durch  milde  Lnngenmittel  gleich  in  der  Enutehung  zu  ersticken. 
Ein  einziges  Mahl,  da  er  schon  Vater  war,  nnd  sein  SShBcbes  ei- 
nen Kenchhnsten  bekam,  der  sich  durch  Bdladonna  bSodigen  liefs, 
fing  auch  er  an,  stark  zn  husten,  nnd  der  Husten  wollte  den  ein- 
gehen Bruitmitteln  nicht  weichen.  Ich  vemmthete ,  dafs  er  jeixt 
vnn  dem  Kinde  mit  dem  Keuehhusien  begabt  sei,  der  sich  bei  ihm 
wie  bei  andern  Erwachsenen ,  unter  der  Form  eines  starken  Ka- 
tarrhalhnstans  verstecke.  Ich  gab  ihm  also  das  Mittel ,  wdolwi 
dem  Kinde  geholfen,  die  Belladonna,  nnd  siehe,  der  Husten  war 
so  gefällig,  gleich  diesem  Mittel  zu  weichen.  Seitdem  bat  er 
meiner  Hülfe  nicht  mehr  bednrfi,  nnd  da  er  jetzt  so  viele  Jahre 
ganx  frei  von  aller  Bruslalfection  geblieben,  und  nun  schon  zu 
den  Allen  geailblt  wird,  so  ist  zu  vermutben«  dals  seine  erbliche 
Anlage  zur  Scbwindsuobt  tbeils  ^reh  die  Beilk«BSt,    theils  durch 


-    445    ~ 

Jie  Zeit  gelilget  sei ;  Jedoch  frörd«  ich  ibm  anch  Jelit  noch  nicht 
ralhen ,  w«nn  er  einmabt  wieder  einen  Kaiarrhalfansten  bekRme, 
dieaein  g^ewfihren  m  lauen;  denn  die  Kalarrhaltichwindiuchi  acko- 
nel  keines  Alien,  man  kann  sie  sowol  im  fBnfsi^ien  nnd  leeb- 
xigsten  Lebensjahre,  als  im  vwanaigsten  oder  drerfsigaten  bekom- 
men. 

Da  in  Erblichkeit  derulben  nicht  aewol  in  einem  Fehler 
der  Lange,  alt  vielmehr  in  einer  fibergrofsen  Heilbarkeit  der  Hant 
bestehet,  vemiSge  welcher  dieses  Organ  durch  die  VerSndemng 
der  LafttemperHtnr  leicht  feindlich  ergriffen  wird,  so  kann  ei  aicb 
anch  TOlragen,  dafs  der,  dem  ein  solches  Erbtbeil  wird,  wenig 
dem  Husten,  am  so  mehr  aber  dem  Schnupfen  nnd  der  aknten, 
Tonitgfich  der  chronisehen  Gaumen-  nnd  Mandel nentxündung  nn- 
terworfen  ist ,  denn  diese  Organe  stehen  ,  so  gut  wie  die  Longe, 
in  sehr  genanem  Consens  mit  der  HanL  Begreiflich  haben  solche 
Lenle  weniger  von  der  Lungensncbl  an  fTirchien,  sie  thnn  also 
grobes  Unrecht,  wenn  sie  sich  über  ihr  kleines  Ungemach  beschwe- 
ren. 

Von  der  Bebendtong  der  Ka(  arrhalseh  wind  such  t ,  so  lange  sie 
heilbar  ist,  werde  ich  am  scbiokliehsten  onler  den  Universalniilteln 
mehr  sagen. 

SuipAur   amratum   a»timonii. 

DIeaes  Mittel  ist  etoa  von  d«wa,  welche  ich  im  Anfang« 
neiiMf  Praxis  gerii^faefalitste,  weil  ich  «a  TOn  «Rdera,  dio  die  Sache 
hMtaD  besser  keMien'  müssen  als  ich ,  mdurmabl«  vergebens  hatte 
bmneben  sehen.  E»  srochle  nngef&hr  im  finftcn  oder  sechsten 
Jahn  BBeiae«  Praxis  sein,  da  aoUta  iofa  einer,  mit  heftigem  Ha* 
stCD  ans  Hdln&d  kommenden  iVan  heihn.  Ich  griff  sie  mit  Moha- 
aaft,  mit  Qneeksiiben,  inii  D^italii  nnd  aadem  heroischen  Mitlalii 
aa;  nichts  half.  t«ie,  die  scbaa  halb  botdSgwig  war,  da  sie  her- 
kaa,  wurde  es  ganz  nsier  neiner  Behssidlang,  nad  tier  Husten 
wurde  eher  sebÜmnwr  ah  besser.  Naa  fiel  mir  der  Spiefsglanagold- 
schweflsl  wieder  ein.  Weil  ich  aüt  neiner  Weisheit  am  Ende 
war,  und  doch  etwas  mocdnen  amlsle,  verordnete  ich  dieses  vor- 
maiMlich  oicbtsnätaige  Ding,  nnd  weil  ich  die  apmhekerisehe  Mei»> 
gerei  noch  im  Kopfe  haue,  setzte  ich  Pulver  zusammen  von  zebo 
Gran  Bud.  .^mlme,  ebensoviel  Irü  fioraU.  nnd  einen  Gran  Gold- 
e^wefol.  Voo  diesen  Palvan  liefs  ich  die  Kranke  viemabl  tags 
eins  nehmen. 

Wie  sebr  werde  ich  überrascht,  da  ich  den  Husten,  der  den 
Miehtigsteo  Arzeneien  nicht  hatte  weichen  wollen,  gleich  hei  des 
Gebrauche  dieser  geriagen  Pulver  bessern,  von  Tage  zu  Tage 
laiadw  werden,  ba^- fortgaaelztan  Gebraaofae  gaiut  vetscbwlnden, 


nnd  i\»  Flau ,  Ha  ich  ichMi  tut  m  den  SehwiiHlsiiehligea  zllilte, 
gans  gfliMMn  sab.  Dleier  Fall  batl«  «inen  bedeuteadsn  Einfiufs 
•nf  tnBine  prakliiclie  AaibiMang.  leb  fing  an  *a  begreiicn,  dafs 
man  mit  feiDdlicbeni  Einwirken  auf  den  Organiuntu  nicht  immtt 
»n  licheraleD  fabn,  sondern  mit  geringen  Mittein  oft  viel  weiter 
komme.  Wanderlich  aber,  nnd  mir  telbtt  IScfaerÜcli  ist  e«,  dab 
ich  die  angeführte  Zusaumeouttnng  jener  Pulver  von  Skuta^  Irü 
nnd  Su^kur  oMratum  viele  Jalire  gewinenhaft  beibehalten,  ood 
selbst  da  noch  beibehaltea  habe ,  als  ich  mich  schon  langst  über* 
leogt  halia,  daJs  man  mit  einfachen  Mitteln  weiter  komme  A 
mit  xnsam mengesei Men»  und  dafs  in  wenigen,  tetirwenigeoZusammea- 
setsnnged  eine  besondere  wohlthaiige  Heimlichkeit  stecke.  Begreiflioh 
habeich  michzuletstselbsteiaanalbBrnenNarrengescholten,  nndden 
Antimon ialgoldscbweffll  mit  blofsem  Milcbiooker  gegeben,  wo  et 
d«nn  eben  so  gute,  wenn  nicht  bessere  Dienste  leistete,  als  in  je- 
ner Zueammensetiang. 

Ich  habe  ihn  seitdem  häufig  in  fieberhaften  nnd  fieberloseo, 
scbmerxhaften  und  scbinerzloaan,  anler  der  Form  von  Husten,  mit 
oder  ohne  beengtem  Athem  sich  offenbarenden  Bmslaffeklionen 
gegeben,  und  zwar  mit  so  scbneller  und  aosgeieichneter  HBHe, 
dals,  wSre  ich  auch  dergröfite  Zweifeler,  Ja  wBre  ich  ein  wahrhaft  an- 
gläiibiger  Arzt,  ich  doch  die  wohltbätige  Wirknng  dieses  Mittels 
anf  die  Lange  anerkeuBen  müfate. 

Es  -würde  aber  ein  grofser  Irrthnm  sein ,  wenn  man  glauben 
wollte,  der  SpiefsglanKgoldschwefel  müsse  in  allen  Hasten  helfen, 
die  man  im  gemeinen  Leben  unter  dem  Namen  des  Katarrfaalhn- 
etens  begreift.  Solch  ein  Wondensiltel  ist  er  nun  eben  nicht,  »aif 
dem  er  wirkt  blofs  heilsam  in  einem  eigenen  krankbaf^n  Zustan- 
de der  Lunge.  Welchen  Namen  man  diesem  Zustande  geb«i  wUl, 
int  mir  gans  gleichgültig,  wenn  man  ihm  nur  nicht  'einen  solchen 
gibt,  der  die  minder  erf^renen  Aente  in  die  Irre  fGhrt. 

Die  neaereo  Heilung«,  die  nmn  mit  dem  Brechweinsteine  in 
grofsen  Gaben  angeblieb  bei  Lungeirantzündungeo  gemacht- hat, 
kBnnten  einige  Leser  verleiten,  zu  glauben,  ich  habe  viel  mit  ent- 
snndlichen  Bmstaffektionen  sa  ihan  gehabt  nnd  preise  deshdb 
den  Spielsglanz  m6  sehr.  Ntm,  wer  das  Rauben  will ,  der  glaabe 
es  immerhinficb  selbst  bin  überzengt,  dafs  sich  die  Saehe  nicht 
80  verhält.  Freilich  habe  ich  oft  den  Goldschwefel  mit  anffallen- 
der  Hülfe  in  solchen  Fallen  gegeben,  wo  heftiges  .Fieber  und  Hu- 
sIeQ,  grefse  Beangstigaog  nnd  dnmpfe  Schmerzen  unter  dem  obe- 
ren Theile  des  Brustbeines  einen  enlsündlichen  Zustand  der  Ver- 
astnng  dur  Luftröhre  vermuihen  liefsen;  aber  ich  habe  ihn  auch 
mit  eben  so  gutem  Erfolge  beim  chronischen  fieberlosen  Husten 
gereicht-  leb  würde  mich  wahrlich  bei  einer  in  der  Lunge  vorwal- 
tenden,    unter  der  Heilgewalt  des  kabisohen  Salpeters  stehenden 


—    447     — 

AA«kU(Mi  dM  GMamintM'^iiUmai,  wader  aof  SpwlxgIaug;oI<Iieliw«< 
fal,  noch  auf  Brach wein«iein  verlauan.  Wer  jed«  schraenhafte 
Aflbktion  eiiMB  Orgaai,  bei  der  das  GefSfujstetn  nur  zn  oft  hef- 
.  iig,  aber  doch  blob  coBoemuell  angeregt  ist,  Enlsfindiing  nennet, 
der  siebet ,  wobd  er  anch  aar  ein  sehr  mäfstg  beichfifrigler  Prak- 
tiker ist,  iSglicb  EnisiindnageD ;  und  wenn  er  nichts  anders  ken- 
net als  Aderlässen  und  Blutegel,  so  ist  es  ihm  eben  nicht  an  ver- 
argen, dab  er  über  einen  Fand  jaachzet,  welcher  an  wahrer  Heil- 
wirkung seine  Laosette  nnd  seine  Egel  Jinendliah  iibertriffi.  Ue- 
berbaupl  gibt  es  unter  uns  Aerxten  aneh  solche,  welche  nie  die  Kran- 
ken wirkKeh  heilten,  sondern  sie  aar  schulgerecht  behandelten; - 
man  mnls  dieses  es  nicht  nbel  nehmen,  dafs,  wenn  sie,  durch  den 
Zufall  oder  durch  eigenes  Nachdenken  geleitet,  einmahl  wirklich 
sichtbar  nnd  nnxweifelhaft  heilen,  sie  dann,  durch  das  Ungewöhn- 
lich« nnd  Ueberrascbende  ein  wenig  begeistert,  Behauptungen  wa- 
gen, die  sie  vielleicht  nach  etlichen  Jahren  seibat  nicht  mehr  g«t- 
heiben  werden. 

Was  die  Gabe  des  Spiefsglanagoldschwefels  helrifi^  so  schwebt 
diese,  nach  meiner  Erfahrung,  zwischen  vier  und  zehn  Gran  in 
Timrundawansig  Stunden.  Ein  Gran  viermahl  tags  ist  die  gewöhn- 
liche Gabe,  und  aehn  Gran  ia  viernndzwaaaig  Stondea  die  aufser- 
gewdbnlicbe ,  welche  ich  nur  bei  drii^nden  Brustafieklionea  rei- 
che, nnd  alsdann  die  zehn  Gran  mit  acht  Urnen  Wasser  nnd  einer 
Unxe  A^abisohen  Gummi  in  einen  ScbÜtieltrank  bringe,  von  wel- 
chem der  Kranke  stfindlioh  einen  Löffel  roll  nimmt.  Tragant6 
darf  man  nicht  mit  dem  Goldscbwefel  zusammensetzen;  in  dieser 
UiachuBg  bildet  sich  zwar  nicht  augenblicklich ,  aber  doch  inner- 
halb viernndawaasig  JStuaden  Schwefelleberinfl  oder  geschwefeltes 
Waasersioffgas. 

Da  ich  nun  den  Sfüefsglanagoldsehwefel  aett  gar  langer  Zeit 
gabrancfat  und  hlinfig  gebraucht  habe,  so  ist  mir  in  dieser  Zeit 
melirroabU  etwas  Wunderliches  nnd  Unerk Urbares  begegnet:  ich 
habe  Bimlich  Leute,  mit  diesem  einffiliigen,  alten  und  bekannten 
Mittel  vom  Husten  befreit,  welche  vergebens  die  Hülfe  anderer 
Aerate  aBgesproehen ,  und  swar  solcher  Aerzle,  die  ich  wahrlich 
nicht  za  den-onversiändigen  sähtea  möehlo.  Sollte  ea  diesen  M&o- 
nem  ancb  wol  eben  so  gegangen  sein  wie  frfibermirt  Sie  haben 
oho«  Zweifel  auf  der  Hochschule  schon  gelernt,  das  Mittel  sei  gut 
gegen  den  Husten  t.  s.  w„  man  bat  ihnen  aneh  über  diese  Erfah- 
mog  eine  verschiedesartige  theoretische  Tanke  gegossen.  Wie 
sie  aber  das  Mittel  hei  der  eigenen  Knnstiihong  gegen  den  Hosten 
gereicht,  hat  sich  wahrscheinlich  ereignet,  dafs  der  Hasten  hart- 
näckig geblieben,  und  demselben  um  kein  Haar  hat  weichen  wol- 
len. Nun  sind  sie  unwillig  geworden,  haben  Bücher  und  Hoch- 
sdiale  verwünscht,  und  etwas  Besseres  gesucht,   was  des  Husten 


bezwnngeD  hat.  Auf  iKa  Weia»  bt  sin  gnUti  imth  nklita  in  w- 
•etzend«!  Mittel  bei  IfaueD  wol,  gerade  wie  bei  luir,  in  VemditoDg 
gekommen. 

Damit  nnn  eine  solche  UDbill  sich  nicht  ferner  begebe,  «nd 
kein  ehrlicher  Arxl,  gleich  mir,  rerleilet  werde,  eine  edle  GottM- 
gabe  n  Terechien,  to  will  ich  den  Tadel  der  gelebrtao  Beurtbet- 
.  I«-  dietea  Bnchea  in  Gottea  Namen  auf  mich  nebnwa,  ond  mit  mm- 
dem  Worten  das  wiederhalen,  was  ieb  acboo  einmabi  gesigu 

Abgeseben  davon,  dals  es  ein  eigener  Itrankhafter  Zostand  der 
Longe  ist,  der  durch  das  Su^iiir  aia-atum  am  «chnelUten  und  si- 
chersten gehoben  wird,  und  da/s  dieser  Znsland  steh  von  andern 
krankhaften  ZustHnden  der  Lunge,  die  entweder  naier  der  Heilg«- 
wah  des  Salmiaks,  oder  anderer  LimgenmiltelateheD,  nnwidertprach- 
licfa  nnlencbeidet;  so  ist  wohl  au  bemerken,  dafs  dieee  Antimonial- 
krankheit  der  Lunge  rielßlltig  ^>en  so,  wie  die  akuten  hamobM* 
de«  Fieber,  von  atmoiphKrischen,  uns  gBasUch  unbekannten  Um- 
chen  abbängL  Es  wiirHe  also  höchst  irrig  sein,  an  glanben,  weil 
der  SpiefeglauEgoldscbwefel  ein  gnies  Lnngenmiitel  sei,  so  müan 
er  au<^,  wo  nicht  alle,  doch  die  meisten  vorkommenden  sogenaam- 
leo  Katarrbalhnsten  heilen-.  Jahrelang  kann  dieses  wirklich  4tt 
Fall  sein.  Ich  selbst  habe  ihn,  war  weifs  wie  lange  Zeit,  mit  vor- 
Kügli^tem  Erfolge  und  so  hSiifig  gebrancfal,  dals  ich  gar  leicht  wut 
den  Gedanken  hätte  kommen  können,  das  müsse  immer  so  geben. 
Es  gehet  aber  wahrlicb  nicht  immer  so;  es  kommen  auch  andre 
Jahre  und  wol  viele  Jahre  biatereinander,  wo  man  das  Mittel  bei 
den  angeblichen  Katarrbalfausien  nicht  gebrauchen  kann;  thelh, 
weil  ea  Katarrbalhnsten  sind,  welche  unter  Avr  Heilgewalt  unes  a»- 
dern  Lungenmittels  stehen;  tbeils  weil  es  falsche Lungeahntlen  sind, 
das  heifst,  Huslen,  die  hlofs  die  Form  eines  Katarrhal hnstens  h»* 
ben,  im  Grunde  aber  als  consensnelle  Langenaff^tiooen  von  ei- 
nem mehr  oder  minder  verborgenen  Urleiden  des  einen  oder  des 
andern  Bauch eingeweid es ,  oder  des  Gehirnes,  oder  des  ROcken- 
tnarkes  abhängen;  tbeils  weil  es  in  den  Lungen  vorwaltende,  als 
Hniten  sich  ofTeobarende  Affekllonen  des  Gesammtorganismns  sind, 
welche  unter  der  Heilgewalt  des  «inen  oder  des  anderen  (JaiTer- 
salmitlels  stehen.  Ich  liabe  jelst'  seit  mehren  Jahren,  troli  der 
hünfig'  vorkommenden  sogenannten  Katarrbalhnsten,  den  Spiefi^- 
ftlansgoldscbwefel  wenig  brauchen  können,  weil  die  vermelntlicben 
Erkälinngshusten  nicht  Uiinngen-,  sondern  Urleberaifektionen,  und 
vor  dieser  gasuiaeben  Zeit,  gntfsien tbeils  Gehirn-  und  ROcken- 
markaffekiioneo  waren.  Einiebie  FAlle  laufen  freilich  Eoweilen  nrit 
nnier,  wo  man  den  Goldschwefel  in  Anspruch  nehmen  mufs;  es 
sind  aber  so  wenige ,  dafs  es  kaum  der  Mühe  lohnet ,  davon  zu 
sprechen.  So  schreibe  ich  *.  B.  dieses  iin  Anfange  des  Monates 
Angntt  des  Jahres  1830.     In  den  verflossenen  sieben  Monaleo  die- 


SM  JfthrM  hsbe  ieh,  obgleich  di«  angeblichen  Katerrhalhnsten,  hei 
deaen  dte  HSIf»  der  Kuail  in  Aaspnich  genommen  wurde,  unge- 
wöhnlich bänfig  gewesen,  dennoch  den  Spiefsglan'zgoldschweft!!  nur 
in  swei  FUlen  nh  Nutzen  gtitw  können.  Alle  nhrigen  HiiBien 
waren  consensnelle ,  ron  einem  Lelwrleiden  abhängende  Lungen- 
affektionen  und  wichen  dem  KrSfaenaagenwasaer,  Da  meine  ge- 
wShaiichen  eingranigen  (JoldschweTelpuIrer  ichon  geit  langer  Zeit 
in  hiaciger  Stadt  nnd  Umgegend  wegen  ihter  guien  \^'irkung  dem 
Volke  bekannt  sind,  und  von  den  Apothekern  aach  ohne  Vnord- 
ausg  rerkaoft  werden,  ao  hatten  Mboa  mehre  der  HüJfeinchenden 
diese  sogenannten  gelben  Hastpulrer  Tergebens  versucht,  eh  sie  m 
mir  kamen;  ja  ein  paar  Menschen  waren  dorch  frühere  Errafamng 
ao  aehr  von  der  unTeblbaren  Wirkung  dieser  Pulver  überzeugt,  rfab 
sie  das  jetzige  Niehtwirken  derselben  ohne  Bedenken  deui  Apo- 
theker in  die  Schuhe  schieben  wellten,  behauptend,  er  habe  ihnen 
knftlene,  verlegene  Waare  verkauft. 

Es  Ist  wahriiefa  sehr  iftusohend,  bei  einer  und  der  nfimli- 
cben  Krankheit  (Krankheitsfozm)  ein  gutea  Miiiel  seine  lan- 
ge und  hinfig  erprobte  Wü-knng  versagen  an  sehen.  Wenn  irgend 
etwas  ist,  was  den  jungen  Ar«,  nicht  blols  zum  Zweifler  an  der 
Theorie  seines  Meisler*,  soudero  zum  wirklichen  Ungläubigen  ma- 
chen kann,  so  ist  es  gerade  dieses.  Darum  halle  ich  es  als  prak- 
tischer Schriftsteller  für  meine  Pflicht,  die  Sache  so  darsustelles, 
wie  sie  sich  wirklich  in  der  Natur  findet.  Weifs  man  eiomahl, 
dab  sie  sich  so  verhfili,  so  findet  man  sich  darin ;  denn  wer  kann 
der  Natur  Einrede  ihun?  Bildet  man  sich  aber  ein,  man  könne 
ein  edles  Heilmittel  nach  sehnigerecfaten  Indikaiionen  geben ,  and 
dann  müsse  es  nothwendig  helfen;  bildet  man  sich  ein,  mnu  kön- 
ne Ürlongen-  ond  Urbanchleiden  so  sicher  von  einander  unterschei- 
den, wie-mau  Weifs  von  Schwarz  unterscheidet,  da  sie  doch  in 
auoehen  Fallen,  nicht  dorch  Zeichen  zu  unterscheiden,  sondern  nur 
darch  Probeanwendnng  der  Arzeneien  an  beurtheüen  sind :  so  wird 
naa  bei  Selbstühung  der  Kunst  sieb  nur  sn  bald  getäuscht  finden. 
Aus  solcher  TSusehong  geben  aber  leider  Unglaube,  Verachtung 
aller  achalgerechten  Kunst  i  SchmShung  der  irrlehrenden  Mei- 
ster, Gleichgültigkeit  in  Behandlung  der  Kranken,  ärztliche  Gau- 
kelei und  andere  Untugenden  hervor,  die  den  Stand  der  AersI«  in 
den  Angen  des  Volkes  verächtlich  machen. 

Von  der  Anwendung  des  Spiefsglanzgoldschwefels  bei  der  an- 
fangenden Lungensacbt  ist  überflüssig,  viel  zu  sagen.  So  ba!d  ein 
anier  der  HeÜgewaltdieses  Mittels  stehender  Husten  in  die  Schwind- 
sucht überzugehen  drohet,  wird  man  ihn  wol  mit  anderen  Mitteln 
bebandeln,  aber  nicht  leicht  heilen  können;  mit  dem  Galdschwe- 
fel  wird  man  ihn  aber  heilen.  Ebenfalls,  sobald  in  einer  knoti- 
gen Lunge  sich    ein  Husten    eianisiel,    der  unter  der  Heilgewall 


—    «0    — 

dieaes  MiKeli  ileliet,  wird  maa  anreh  hin-,  etnxtg  darch  dtn«  MH- 
te),  dem  Ansbracfie  der  Schwindsucht  vorbengen  kanneo.  Zeiche«, 
eine  solche  AmimonialkranlLheit  der  Lange  ed  erkennen ,  gibt  es 
nicht ;  ich  ratlie  aber  jedem ,  eich  Koer«!  naob  der  epideraiashen 
Constitution  zu  richten,  dann  wird  er  schon  aeheR,  wie  Wltit  er 
kommt. 

Es  frSgt  «ick  jeist :  wirkt  der  HyiefsglanEgaldschwefel  aar  4ie 
Substanz  der  Lunge,  «der  Torzugsweiae  auf  die  Luftrfihre  und  ihre 
Verastongf  leb  bin  geneigt.  Letztes  f3r  wahr  zu  haltmi';  die 
Schwierigkeit,  selbiges  zn  beweisen,  schreckt  mi^  alter  ab,  dea 
Versueh  eines  praktischen  Beweises  vn  wagen ,  zffmshl  da  mir 
gelche  iVlübe  Ton  wenigem  Nutzen  fSr  die  Heilkunst  zu  sein  schei- 
nel,  und  dem  grasten  Tbeil«  der  Leser  Langweile  Tvrarsaehe« 
würde. 

Sobald  diejenigen  meiner  Leser,  welche  über  diesen  Pnnkl 
zweifelhaft  sind,  ganz  ungeblendet  von  irgend  einer  Theorie  2bec 
die  Wirknngsart  des  Spiefsglanzes,  dessen  Heilung  aaf  die  Lange 
nicht  bei  etlichen  Krenken;  sondern  bei  vielen  unparteiisch  be- 
obachten, so  werden  sie,  denke  ich)  nach  zelin  Jahren  meiner  Mei- 
nung sein;  seilten  sie  es  aber  nicht  sein,  ist  es  auch  gut. 

Oafs  der  Spiefsglenzgeldschwefel  bei  Leuten ,  deren  Gallen. 
gSnge  leicht  feindlich  zu  aSiziren  sind,  die  Galle nabsendernng  stS- 
re,  hahe  ich  schon  früher  gesagt.  Gerade  bei  Brustaffektionee, 
wo  ich  dieses  Mittel  in  An weodnng  brachte,  habe  leb  jene  ätürung 
zuMst  bemerkt,  und  nun  den  Grund  der  gnten  Wirkung  derAnti- 
monialmiltel  bei  dem  von  Stoll  und  seinen  Anhängern  heat^riebe- 
nen  Gallenfieber  and  überhaupt  bei  verntehrter  Gallenabsonderang 
begriffen.  Ich  gestehe  aber  ehrlich,  dafs,  bei  Brusiaffekiionen,  die- 
se feindliche  F.inwii^cnng  anf  die  Gallengftnge  and  zuweilen  aaeh 
aaf  die  Uürme  mich  abgeschreckt  hat,  den  Spiefsglanzgeldschwe- 
fel  solche  erregbare  Körper  ferner  gebrauchen  zu  lassen.  Die  neue- 
ren Erfahrungen  über  den  Brechweinateln  in  ungewöhnlich  grolsen 
Gaben  lassen  mich  vermuthen,  dafs  solche  feindliche  Einwirkung 
anf  DHrme  und  '  GallengSnge  nur  vorübergehend  würde  gewesen 
sein,  dafs  ich  also  Unrecht  geihan,  mich  dadurch  von  dem  weite- 
ren Gebrauche  des  Goldschwefels  abschrecken  *a  lassen.  Die  Sa- 
che mag  sich  aber  verhalten  wie  sie  will,  so  sind  die  Fülle,  wo 
der  Goldschwflfel,  in  mSfsiger  Gabe  (zu  vier  Gran  innerhalb  viei^ 
nndzwanzig  Stunden)  gereicht,  DSrme  und  Gallengange  feindlich 
affizirt,  so  selten,  dafs  dadurch  die  Anwendung  dieses  Mittels  nicht 
kann  beschränkt  werden;  die  Mehrzahl  der  Menschen  rertrfigt  es 
recht  gut,  und  ich  kann  kein  feindliches  Einwirken  anf  i^nd  ein 
Organ  gewahr  werden,  weshalb  ich  ihm  auch  eine  direkt  heilende 
Wirkung  auf  die  Lnngen '  zugestehen  mufs.  Ob  übrigens  Brech- 
weinslein  nnd  andere  Antiuionialbereitungen  die  nftmlichen  Dienste 


leisleo,   kaan   ich  nicht  lageD;    ich  vermsdie  ei  wo),    habe  aber 
k«ioe  Vflmiche  darüber  geruBcbt. 

Tahakthrutitea^traAt. 

Oen  Gebnineb  dieses  Extrakts,  als  Langenmiitel ,  habe  ich 
von  JBnut  Stahl  gelcrot.  Zaent  will  ich  von  der  BereiluDg  des- 
■albeo  sprechen,  welche  ich  aber  nicht  von  StaAl  gelernt  habe. 
Ich  bediene  mich  der  Nicotiaa«  rnttica ,  nnd  laaae  das  Extrakt 
von  dem  Safte  des  ganz  friHchen  Kraulei  bereiten.  Die  Nicotianti 
teiacmm,  lo,  wie  sie  in  uosern  Gsgeoden  gesogen  wird,  bat  einen 
üblen  Geraob,  welchen  jene  nicht  hat.  In  dem  frischen  Tabak 
stefb  «in  doppelter  heilender  Steff,  ein  flüchtiger,  d est illir barer, 
welcher  mn  treffliches  Cephalicum,  nnd  ein  nnBiichtiger,  der  in  den 
Extrakte  enthalten  ist,  von  weitem  -ich  jetzt  reden  will.  Bei  der 
Bereitung  des  Extrakts  ist  zu  beobachten,  dafs  die  Bl&tter  ohn« 
Vemg,  nnchdem  sie  gepflückt,  gleich  auigeprebt  und  der  Saft  ein- 
gedicket  werde.  Anf  die  Weise  bereitet,  bat  er  durchans  keinen 
Geschmack,  der  dem  Geschraacke  des  getrockneten  Tabakes  ähnelt. 
L&Ist  der  Apotheker  aber  die  gepflückten  Blätter  nar  ein  wenig  lie- 
gen (aar  Tiernndzwaoztg  Stunden),  ehe  er  sie  auaprefst,  so  nimmt 
das  Extrakt  mehr  oder  minder  einen  dem  Rauchtabake  ähnlichen 
Geschraadc  an.  Das  Nftraliche  gilt  von  dem  Destillat.  Wahrschein- 
lich kommt  aber  die  Lufttemperatur  hier  mit  in  Anschlag. 

Bei  der  Bereitung  der  TabaksbUtter  zum  Rauch  -  oder  Schnnpf- 
tabak  notergeben  diese  eine  eigene,  mir  unbekannte  Veränderung. 
Die  Tabakstauern  bangen  erst  die  Blätter  an  trocknen  in  der  Schen- 
ne  auf.  Wenn  diese  die  gehörige  Trockenheit  haben,  werden  sie 
in  einem  Zimmer  aufeinander  gelegt,  und  müssen  (wie  die  Bauern 
Mgeo)  tebwilzen.  Durch  dieses  Schwitzen  bekommen  sie  die  rech- 
te branae  Farbe  nnd  den  Geschmack,  den  sie  als  Rauchtabak  ha- 
ben müssen.  Es  ist  wol  zn  begreifen,  dals  sie  schon  bei  dem 
Tiocknea  einen  gewissen  Grad  der  Gährung  untergehen,  denn  sie 
sind  in  dick  uad  saftig,  als  dafs  das  Trocknen,  aacfa  in  der  laf- 
tigsteD  Schenne,  die  Gährung  ganz  hemmen  kSnnte.  Durch  das 
■Bcbherige  Anfeinanderliegen  nnd  Schwitzen  wird  dieser  GAhrungs- 
prozeb  noch  mehr  befordert,  und  es  entstehet  eine  eigene  Verbin- 
dang  der  Grundstoffe.  Saher  ist  das  aus  den  trocknen  BUttetn 
bereitete  Extrakt  ein  ganz  anderes  eis  das  aus  dem  Safte  der  grü' 
oen  bereitete.  Letztes  habe  ich  als  Langeomiltel  in  Anwendung 
gebracht,  nnd  es  ist  das,  von  welchem  ich  spreche. 

Im  echten  Lnngeobusten  ist  es  eins  der  besten  Uittel,  welche 
ich  kenne,  nnd  wenn  ich  gleich  Stahlt  etwas  dreiste  Behanptung 
nicht  gntgläabig  unterschreiben  möchte,  so  kann  ich  es  doch  mit 
gutem  Gawissen  denen  unier  meinen  Lesern,    die  darüber   keine 


—  45a  — 

eigeae  Erfahrung  haben  möeht«n,  ftla  eio  Mittel  empf«Uen,  wei- 
chet da,  wo  es  pafsi,  wel  ecbwerHch  durch  ein  nnderai  *a  erset- 
zen sein  wird.  Ich  gebe  ei  so  twei^  vier,  bii  acht  Gran  in  vier 
und  xwanzig  Stunden ,  und  an  einen  halben ,  bis  awei  Gran  pre 
doti.  Ela  junger  Aiiitsbruder,  dem  ich  meine  E>fahning  mitge- 
rheill,  hat  ei  in  weil  ■läriteren  Gabeo  angewendet,  und  mir  ver- 
licfacrt,  dafa  er  davon  keine  feindliche  Einwirkung  auf  den  Magen, 
oder  auf  den  Darmkanal,  oder  auf  daa  Gehirn  gewhen.  Ich  aelbit 
habe  keinen  Beruf  gefühlt ,  Vemiche  mit  grofsen  Gd>en  anau- 
uellen. 

Dri,  was  ich  eben  6ber  den  Spiefsglanzgoldschwefel  gesagt, 
gilt  auch  Tan  dem  Tabaksextrakt  Cs  ist  «chnslles  uad  aieherea 
Hailmiiel -in  eiaem  eigenen  krankhaften  Zustande  der  Lunge,  wel- 
chen ich  keinen  Namen  au  geben  weif«,  der  für  den  praktiaehen 
Arst  auch  nur  den  mindesten  Xnuea  haben  könnte.  Diesen  Zu- 
ataod  trifft  man  in  der  mit  Krankheiten  mancher  Art  heimgesneh* 
tan  Menschenwell  bald  bSufig«-,  bald  seltener  aa.  Durch  bestimm- 
te, sichere  Keichen  verrKih  er  sieh  aber  eben  so  wenig  als  Jener, 
der  unter  der  HeilgewaU  des  Spiefsglanzgol dach  wef eis  stehet. 

Dafs  man  mit  Tabaksextrakt  b«im  eiagewuraelien'  Urlungen- 
husten  der  nahenden  Schwindsucht  Torbengen  kSnne,  ist  keinem- 
Zweifel  unterworfen,  Toransgcsetst ,  dafs  der  Husten  unter  der 
Heilgewalt  dieses  Mittels  stehet;  stehet  er  aber  unter  der  des  An- 
^moniuNis,  so  wird  man  ihn  mit  diesem  bändigen  und  nicht  mit 
Tabak.  Ueberbaopt  müssen  wir  uns  bei  Uebung  der  Heitknnst 
feigende  Wahrheit  ganz  deultich  denken;  die  Krankheiten  richten 
sieh  nicht  nach  den  Gedanken  des  Araiea,  und  wKre  dieser  aoch 
der  gelehrteste  Mann,  also  wird  der  Arzt  wol  genSihigt  sein,  sieh 
nach  der  Krankheit  an  richten. 

leb  habe  einst  einer  Fran,  die  an  einem  chronischen  Urlungen- 
husien  und  starkem  Schleim  aus  würfe  litt,  sich  überhaupt  !n  einem 
Zustande  befand,  der  ia  wirkliche  Schwindsucht  überzugehen  droh- 
te, die  sich  schon  des  Rathes  zweier  Aerzte  bedient  und  viel  Ar- 
senei  vergebens  verschluckt  hatte,  Pillen  von  dem  Tabaksextrakt 
gegeben.  Sie  bat  mich,  wenn  ich  in  ihren  Wohnort  käme,  bei  ihr 
anzusprechen.  Kurze  Zeit  darauf  fBhrte  mich  ein  anderes  Geschäft 
in  ihren  Wohnort,  ich  erinnerte  mich  ihrer  Bitte  und  besuchte  sie. 
Auf  meine  Frage,  wie  sie  sich  befinde ,  Nagte  sie:  die  Pillen  ha- 
ben so  mächtig  den  Husten  gebändigel,  dafs  sie  von  meiner  Vor- 
schrift abgewichen ,  und  statt  viermahl  tags  eine  Pille ,  nnr  swei- 
mahl  eise  genommen.  Erstaunt  aber  diese  Abweichung  von  mei- 
ner Vorschrift  bei  der  auffallend  erwünschten  Wiilcnng,  fragte  ich 
nach  dem  Grunde  dieser  Seltsamkeit.  Mit  überklnger  Miene  ant- 
wortete sie :  da  der  Hosten  so  schnell  auf  den  Gebranch  der  Pil- 
len vermindert  sei,  habe  sie  befürchtet,  im  Schleime  zu  ersticken, 


—    453    — 

wean  sie  mei««  Vorachrift  gani  befolge,  ,,[lRbeo  lie  deon ,  ver-  ■ 
Mitte  ich,  Beängstigung,  kurzen  Albetn,  VoUheit  der  Brust,  oder 
udere  Hrscbwerden  von  dem  Schleime  geipürl?"  —  Xein,  sngt« 
sie,  abef  da  ich  biaber  eine  unglaubliehe  Menge  achMmJgei  Zeag 
aiisgehiuttct,  ao  begreife  icfa  doob  wol,  dafa,  wenn  icb  den  Haatea 
mit  den  Pillen  gana  unterdnicke,  ich  dann  notbwendig  im  Schtei- 
Me  eraiickea  mula,  denn  wie  aall  der  Schleim  obae  Hosten  ana 
der  Lunge  koniHieol  Ich  beruhigte  dieae  überklage  Fran  dadnreh, 
daCi  ich  ihr  aagte:  die  Filten  hitien  mit  nichten  die  Kraft,  den 
HuBieB  geradem  m  unterdrücken,  aondera  aie  hBtten  vielmehr  die 
Kraft,  die  krankhafte  Sohleimabaonderung  in  den  Longen  nüeh  und 
nach  *u  miadero,  ond  ao  indirekt  den  Huaien  an  heben;  Schleim- 
eralickuog  aei  also  gar  nickit  au  fürchten.  Dieae  Daratellung  der 
Sache  genügte  dem  neibltcheD  Veraiande;  aie  nahm  nnn  die  Pil- 
len wieder  aach  Venwhrift,  und  iat  auch  damahii  gani  von  ihrem 
UiHien  befreit  wurden.  Wem  fallen  nicht  bei  dieaar  Enttbiung 
ähnliche  Änalehlea  mancher  fiheren  Aeiate  über  Huatea  und  krank- 
hafie  Schleimabaonderung  ein  f  Wahrhaftig !  manche  unaerer  Vor- 
gänger aind  am  kein  Haar  klüger  geweaen  ala  diese  Bberwciae 
Frau. 

Einst  erlebte  Ich  einen  bemerkenawerthen  Fall  von  der  Wir- 
kung des  Tabaksextraktea,  Welchen  ich  dem  Leaer  mitiheilen  will. 
Eine  aebr  achtbar»  altliche  Frau,  welche  frfiher  an  Pnennionie 
aehr  krank  gelegen  und,  tos  dem  Professor  R"  behandelt,  einen 
heftigen  Husten  überbcbaliea,  mit  welchem  dieser  verslfindige  Mann 
viel  lu  kämpfen  gehabt,  eh  er  iha  bezwangen,  hatte  von  dietem 
Siraafae  eine  so  grofse  Reiabarkeit  der  Lange  behalten,  dafs,  wenn 
sia  «ich  eiomahl  erkaltete,  sie  nicht,  wie  andere  Menachen,  einen 
gewöhnlichen  Huateii,  sondern  einen  aolch  heftigeri  und  nnbeawing- 
biaren  bekam,  dafs  aowol  sie  aelbal,  als  ihr  Arsi,  der  Prof.  R**> 
w«nn  der  Husten  endlich  nach  und  nach  ausgelobet,  aweifethaft 
waren ,  ob  die  mancherlei  verauchten  Medikamente  viel  oder  we- 
nig, elwua  oder  gar  nichts  r.ur  Linderung  dea  Ungemacbea  beige- 
tragen. Da  sie  einst  zum  Besuche  hier  im  Lande  und  mir  nah« 
war,  wurde  sie  von  ihrem  alten  Uusian  wieder  ergriffen,  und  liefa 
mich  bitten,  aie  au  besuchen.  Ich  hSrte  jetzt  alles  daa  von  ihr, 
was  ich  dem  Leaer  eben  erzählt,  merkte  aber  gar  wohl,  dafa  die 
gute  Frau  allen  Glauben  an  die  Arzanei  in  diesem  Uebel  verloren 
hatte,  und  dafa  aie  weit  mehr  ana  Gewohnheit  der  reichen  Grofs- 
Mädier,  in  ihrem  Uebelbefindeo  tob  einem  Arzte  besucht  zu  wer- 
den and  Anenei  ku  verschlucken  (  wenn  acfaon  beidea  ihnen  nicht 
fromoMt),  ala  in  der  Hoffnung  oder  in  dem  Glauben  van  mir  ge* 
heilet  za  werden,  mich  hniie  rufen  lassen.  Ich  nnheilte,  dafs  der 
Hatten,  der  jeisi  seinen  Anfang  genommen,  niftglieh  durch  daa 
£ir/r.  nicofionae  zu  bändiges  sei;    und  weil  dieae«  Extrakt  nidit 


—    4M    — 

in  dflo  Apolbsken  Torbaod«n  ist  uad  von  den  Aanuen  tranig;  |^ 
braucht  wird,  so  war  es  mir  wahrBcheinlich ,  daf>  der  Prof.  R** 
salbi^es  noch  Dicfatin Anwendung  gfebrackt.  Grasd  genug,  duhicfa  »■ 
jelxt  verBchdcb ;  denn  von  den  übrigen  krarapfMiUeRdeu  and  Lnn- 
geniniitaln  würde  wol  in  der  Apotbelte  nicltti  übrig  bmu,  was  nicht 
schon  früher  vergebens  veisiicbl  wHre. 

Ich  lief*  alao  aus  dein  Tabakseittrakt  mit  Akbeewurzelpalver 
Pillea  jnachen,  deren  jede  ein  Gran  dea  Extrakts  enthielt,  und  sag- 
te der  Frau:  diese  Pillen  habe  si«  bestimmt  nie  von  dem  Prof.  R**, 
BOch  nach  dessen  Tode  von  einem  andeln  Arxie  orfaaken,  sie  seien 
aber  von  gar  wundervoller  Wiiknng  gegen  den  Huslcn. 

Die  Heilwiritung  dieses  Mittels  (ia  der  Gabe  von  vier  Gran  in 
24  SlondenJ  ^rar  so  schnell,  dals  die  unglftobig«  Frau  mir  gestand, 
hRtte  ich  ihr  nicht  vorher  gesagt,  dafs  die  Pillen  waaduroll  den 
Hosten  beschwichtigten,  so  wurde  sie  die  Bladigung  ihres  alten 
furcbibaren  Feindes  eher  dem  glücklichen  Znfalle  als  den  Pillen 
zugeschrieben  haben ;  jetat  mfisse  sie  aber  ihren  Unglauben  aufg»- 
ben,  da  ich  ihr  die  wahrscheinlich  schaeUe  und  wohllhfitige  Wir> 
kung  vorhergesagt, 

E,  Stahl  sagt :  das  Rxtr.  Nicot.  sei  so  mSchtig  den  Urlungen- 
husten  zn  bezwingen,  dab  es  als  Erkenaungsmittel  dienen  kfinae, 
in  Füllen,  wo  man  zweifelhaft  sei,  ob  man  es  mit  einem  solchen, 
oder  mit  einem  oonBcnsuellen  zn  thnn  habe.  Streng  wörtlich  darf 
man  diese  Aeufserung  nicht  nehmen,  denn  es  gibt  ja  Urlungenhn- 
Blen,  die  dem  Tabak  wol  schwerlich  weichen  werden,  z.  B.  solche, 
welche  von  Knoten ,  oder  von  verschlossenen  oder  offnen  Eiter- 
säcken hertOhren.  \imrat  man  aber  an,  dafs  Stahl  solche  Fehler, 
als  Jedem  Leser  beltannte  noibwendige  Ausnahmen  schweigend  vor- 
aussetzt, so  ist  es  vollkommen  wahr,  dafs  das  Tabaksextrakt  wol 
anf  idiopathtsche,  aber  anf  keine  consensuelle  Hasten  heilende  Ein- 
wirkung bat.  Mit  Mobnsaft  kann  man  zuweilen  consensuelle  Hu- 
sten,  wo  nicht  heilen,  doch  mftfeigen,  ja  für  eine  kurae  Zeit  be- 
schwichtigen ;  mit  dem  TahakseiUrakte  ist  mir  dieses  aber  bis  jetzt 
noch  nie  gelungen. 

Es  frggt  sich  jetzt :  wirkt  das  Tabaksextrakt  anf  die  LnftrSh- 
re  und  ihre  Verastung,  oder  auf  den  KörpOT  der  Langet  Ich  bin 
der  Meinung,  dafs  es  mehr  auf  die  Lunge  selbst,  als  auf  die 
Bronchial  verastung  heilsam  einwirke,  und  zwar  deshalb,  weil  es 
das  mSchiigste  Mittel  ist,  idiopathische  Lungenhlutungen  zu  heben. 
Wenn  ich  aber  hier  von  Lungenblatung  spreche,  so  verstehe  ich 
darunter  die  Blutung,  die  man  im  geneinen  Leben  Blutspeien  nen- 
ne), wo  entweder  eine  grÖfsere  oder  geringere  Menge  klares  Blut, 
oder  blulgef&rbier  Schleim,  oder  Schleim  mit  Blutstreifen  durchzo- 
gen ausgeworfen  wird.  Zwischen  dem  eigentlichen  Lnngenblut- 
sturze  und  dem  Blutspeien  läfsi  sich  keine  bestimmte  Grenze  ziehen. 


—    «5    — 

Job«  FMc,  w*  dal  ßlat  aunfkaltMuii-iB  grober  Mum  am  d«n 
LnngaB  Munt ,  sio^  iufsent  leltsp.  SoM«  Blnlitirae ,  w«in  lie 
ulia|MrihH^  Bind,  haben  gewöhnlich  frühete  Fehler  der  Lange  snin 
Grund«,  mad  die  Sehvrindaudt^  ist  die  Folge  dttvon.  Ein  einx^ei 
MaU  Iwbe  ich  edebt,  dafa  ein  an  eiternden  Lun^nkoeten  liedieB* 
dea  Frftalein  innerhalb  neb»  Mioutan  Mch  todt  klnlete.  GIncUicb 
war  dieses  für  die  Kranke,  denn  dieia  inuble  ohnedies  bald  eter- 
ben,  aber  sohreckbar  für  di*  Motier,  die,^  gaiu  von  dam  Blute  ih- 
rer Tochter  überab^mt ,  diese  hi  ihren  Armea  verscbeiden  sah. 
Wenn  nma  bei  solchen  BtaUtnneo  aucji  fiuga  gerufen  wird ,  so 
ist  doch  wenig  guter  Kath  dianmf.  Wollen  wir  den  Kranken  nicht 
so  Tode  hinten  lassen,  so  müssen  wir  wol  mit  starken  rosBin- 
inennehendea  Mitteln,  namontlieh  mit  Alann,  oder  dnrch  Be- 
legen dea  gmsen  Briistkastans  mit  Eis  oder  mit  kihntlicfa  gebäl- 
teten  Wasser  das  Bluten  anhubalten  und  ihm  sein  Leben  zn  fri- 
sten sncbon.  leb  habe  roti  aber  zuweilen  die  Frage  vorgelegt: 
efa  es  nicht  riel  measdilicher  sein  möchte,  solche  Kranke  sieh  T«r- 
blnten  und  sie  ihren  eigenen  Tod  sterben  an  lassen ,  als  sie  mit 
Gewalt  im  Lande  der  Lebendigen  aii  ballen,  ans  welchem  sie  doch 
gar  bald,  gemartert,  ansgemergelt  and  geschnnden  wieder  abtreten 
«nisen.  AerztHsh  wftre  dieses  freilich  nicht,  denn  wir  meisieni 
lind  flidre»  ja  an  den  Manschen,  wenn  wir  gleich  dentlicb  sehen, 
dafa  nneer  Meistern  und  Fliofcea  ihnen  eher  sar  Marter  als  sam 
Heil  erscbiefst;  aber  menadilicb  wäre  es  gewifa,  Toraiisgesetst, 
dafs  wir  den  ganzen  kraakhafien  Zustand  Aogs  deutlich  erkenneten. 
Daran  fehlt  aber  io  manchen  FsUen  auch  noch  gar  viel,  sonder- 
lich, wenn  wir  Knall  und  FaH  zn  Muem  nnt  übrigens  Unbekann- 
ten als  Helfer  gerufen  werden. 

Lnngenblainegen  gehftren,  wie  Kolik,  Schlag  ond  etliche  andre 
Krankiis iien,  *n  den  tnmullerregenden.  Alle  UmstSnde  vereinigen 
üob  iiiwrilen,  den  jungen  Arzt  lu  vertollen,  und  doch  bat  er  wol 
nirgend  nülhiger,  seinen  Versland  zusammen  zu  hallen,  als  in  sol- 
chen Fallen.  leh  ratfae  meinen  jungen  Aintabrüdern ,  sich  nicht 
durch  das- Weinen  und  Schrrien  der  Kiuder,  dea  Galten  oder  der 
Gattinn,  nicht  durch  den  TiUQult  und  das  Gefrnge  der  Nachbarn 
und  Freunde,  nicht  durch  das  mit  Blut  besudelte  Betiinch  und  son- 
st^ Leinzeug  verblüffen  zn  lassen.  Solob  Ding  siebet  in  den 
«eisten  Fttllen  anf  den  ersten  Blick  wüster  ans  als  es  in  der  That 
ist.  Ein  M^se^  blutet  sich  nicht  so  leicht  todt;  aber  die  eitele 
Furebl,  dafs  er  sich  todt  bluten  mScbte,  hat  manchen  taghaften 
Arzt  bealimast,  Schwefelsanre ,  Alaun,  oder  andere  znaammenric- 
heade  Uinge  in  Fallen  anzuwenden,  wo  sie  pafsten  wft  die  Fanal 
anfs'  Auge. 

Das  gewöhnliche  Blutspeien  hat  einen  ziemlich  bösen  Namen 
unter  den  Leuten.     Der  Grund  dieses  hÖsen  LBumundet  liegt  theila 


-     45»    - 

hl  d«r  8Mh«  Mlbat,  theih  in  den  Aenlen.  Et'  i«  kein«»  Zmtii- 
fei  nMerworfen ,  dafs  anbeilbar«  Fefalsr  der  Lnoge  ( xu  weleheii 
ich  insbesondere  Knoten,  wenn  sie  iich  in.  grofser  Zahl  Torfiodcn 
und  Fehler  des  Heneiu  rechne)  BJiiHpeiMi  veninacbm  kdnoea; 
ebeo  M  wenig  tat  es  einem  Zweifel  nnierworfen,  dab  eio  nnragel- 
mSbiger  Kieislauf  in  dem  Pfortadenj'BteMe  eowol  conaenanelle  Na- 
sen-, als  Lnngenblutung ,  ond  uiweilen  bedeutende  Blutung  tmr~ 
ntvacben  könne.  Da  nun  solchen  Bl9inngea  vieUlUtig  unheilbare 
Fehler  der  Lunge,  oder  anderer  Organe  zum  Grunde  liegen,  so  iat 
eben  nicht  in  wondern,  dala  früher  oder  spfiter  die  Schwindsucht 
oder  die  Wassersucht  und  der  Tod  darauf  folgt.  Anf  die  Weise 
hat  das  Blutsf^eien,  wie  die  Wassersucht,  bei  dem  Volke  einen  gar 
üblen  and  verdächtigen  Namen  b^ommen,  und  die  Aeme  haben 
dag  Ihrige  auch  treulich  beigetragen  sa  solcher  Veranglimpfnng. 

Warum  sollte  bei  voUblüligen,  gut  genBhrlen,  übrigens  gcann- 
d«n  Menschen  Blutung  ruh  der  Liiogp  geffthriioiwr  sein  ^  Blu- 
tung aus  der  Nase?  Ich  sehe  keinen  Grund  xn  einer  solcbeR  An- 
nahme. Die  Natur  entlediget  sich  des  Ueberflnssigen,  des  ibr  Hin- 
derliehen; diese  Entleecaog  ist  nicht  selten  heilsam,  und  es  ist 
siemlich  gleichgültig,  ob  sie  ans  der  Nase,  oder  aas  der  Lunge 
geschiehei.  Wir  sehen,  dals  bei  jungen  vollblütigea  Menschen  Na- 
sen- und  Lungenblutungen  nicht  ungewöhnlich  mit  einander  ab- 
wechseln ;  dafs  bei  luancheti  Weibern  Tur  dem  Elinlrilte  der  Men- 
struation Blulapeien  entstehet,  ohne  dais  sie  dadurch  an  ihrer  Ge- 
sundlieit  Schaden  leiden.  Bei  akuten  mit  Seitenstechen  verbunde- 
nen Fiebern,  nicht  blofs  bei  Lungen  -,  sondeni  eben  su  faftufig  bei 
Leber-  und  Milsaffektion,  scbea  wir  blutigen  Auswurf,  ohne  dafs 
die  Menschen  schwindsüchtig  werden  oder  sterben.  Also  können 
doch  Lungenblulungen  nit^t  blot«  nach  einer  tntlichen  Theorie 
Statt  linden,  sondern  sie  finden  wirklich  häufig  in  der  Natur  Statt, 
ohne  die  Gesnodbeit  des  Blutenden  auch  nur  im  mindeMen  %a  ge- 
fährden. Warum  wird  d^n  ein  aus  der  Lunge  Blutender  gewöhn- 
lich von  den  Aerzlen  so  rauh  und  sohonnngslos  angegriffen  f  Da 
wird  ihm  mefarroahls  die  Ader  geschlagen ,  und  ihm  das  Blot  bis 
cur  ErscböpfuDg  abgezapft;  da  wüd  er  auf  magere  Düt  gesetit, 
es  werden  ihm  Abführungiimitlel  ^[eben,  nnd,  Gott  weifs,  wie 
man  ihn  noch  weiter  knnslmäfsig  ausmergelt.  Auf  die  Weise  kommt 
mancher  hiofs  durch  die  Sntliche  Behandlung  sur  Scfawindsucbt, 
der,  hStle  er  beim  Blutspeiea  nie  die  Hülfe  der  Kunst  angespro- 
chen, auch  nie  die  Schwindsucht  würde  h^omraee  haben.  Wahi^- 
lieh !  manche  Körper,  sonderlich  junge  im  WacbsthnMe  hegriSne 
vertragen  solch  unweiae  Blutentleerung  und  Ansiasrgeluag  aichl, 
sie  bekommen  dadurch  för  immer  einen  Knacks,  den  weder  die 
heileade  Natur»  noch  die  hellende  Kunst  je  wieder  gut  m  am^en 
im  Stande  ist. 

„,,,_„,,,, Google 


—    457    - 

Dm,  wn  bei  cMMsosa^eD,  im  Baaeb«  IiegrSiidMAB  l^ngen- 
UabiDj^n  du*  Saaie  der  Framndisr«!  leistet,  das  leistet  bei  Urlao- 
genblmaBgRD  Am  Tebaksextrakt.  Dieses  Kxtralct  scheint  direkt 
die  kninkbeft  Tennebrle  Alclion  der  Lnagesblalgefftfae  zd  Terniin- 
dem  «ad  sie  lam  Nortnaktande  ni^dnafahren.  Dammhalie  ich 
ea  aaeh  für  ein  gar  edles  Mittel ,  walches  leicht  ia  den  Biichera, 
ai>er  nicbt  leicht  .bei  wirklicher  Uebnng  der  Kuait  dorch  ein  aa- 
dmea  zu  ersetzen  ist. 

'Es  verstehet  sich  aber  von  seibat,  dafs  mao  bei  allen  Urlnngen- 
Uniangen  wohl  auf  den  Zustand  des  Gesammtorganismos  achten  innfs. 
Dieeer  ist  anweilen,  sondwlieb  bei  jnngeo  Lentea,  in  gewissem 
Grade  erkrankt,  nnd  stehet,  zwar  nicht  noibwendig,  aber  doch  ge- 
aseintglieb  noter  der  Heilgewalt  des  kubischen  Salpeters.  Hier  ist 
es  dann  zweekmäisig,  den  Salpeter  mit  dem  Tidiakseztrakt  za  rer- 
binden.  Stelle  jemand  zweifelhaft  acia,  ob  er  es  mit  einem  ein- 
Anfaea  Urlnngenleiden,  odet  mit  einem  Tennlschten  za  thun  habe, 
M  raihe  ich  ibm,  zur  Vorsicht  den  kabiseben  Salpeter  mit  dem 
Tabaksextraktc  n  verbinde».  Im  Falle  er  sich  geiSuscfat,  and  der 
Gesaaimloi^aiiismna  befinde  sich  ia  dem  Indifferenzstande,  so  wird 
der  würfeliehte  Salpeter  hier  nicht  schaden,  der  Wirkung  des  Ta- 
bakaextiakts  keiaea  Eintrag  ibun.  Den  Zniland  des  Gesaninitor- 
ganismas  nach  gewissen  sicheren  Zeichen  xa  benrtheitea,  ist  im 
Allgemeinen  nicbt  gat  thnnlich«  bei  Longeabblsagea  aber  in  vie- 
len FftUen  ganz  und  gar  namftgjidi.  Der  b8ae  Name,  den  diese 
BIntnngen  haben ,  wirkt  so  ersehreekand  aaf  den  Blntendeo ,  dafs 
mehr  Verstand  dann  gehfirt,  ab  aeha  Aerzle  tasammengenommea 
vielleicht  nicht  haben,  diese  Wirkung  des  Schrecken*  von  einem 
Urergriffensein  des  GesamaMorganismas  zu  aaterscheiden. 

Es  gibt  aber  auch  Lnngenbintnngen,  die,  gleich  nuneben  Blu- 
tangen  aaa  der  Nase,  aas  der  Gebarmotter,  ans  den  Nieren,  wei- 
ter nichts  sind  als  ein  in  den  LnageablntgefSbcn  vorwaltende,  un- 
ter der  Heilgewalt  des  Eisens  atriiende  Affektien  des  Gesninmtor- 
ganianins.  Hier  ist  das  Tabaksextrakt,  wo  nicht  geradezu  schRd- 
lieh,  doch  ganx  überflüssig.  Es  sind  dieses  Blatungen,  bei  wel- 
ebeo  die  Aerzie  Mioeralsatiren  <  Alann  und  ahnliche  Miilel  nüis- 
|ieh  befanden.  So  gut  mm  diese  Arxeneien  in  einem  solchen  Zu- 
Stande  des  Gesammtorganismus  sind,  so  nachiheilig  wirken  sie  in 
dem  unter  der  Heilgewalt  des  würfelichtea  Salpeters  stehenden 
km^harten  Znstaod  des  Gesammtorganismus,  der  sich  nls  Langen- 
bintung  offenbaret.  Von  solchen  Dingen,  uad  von  den  mit  dem 
Eisen  verwandten  Arzeimkörpem  werde  ich  in  dem  Kapitel  von 
Universal  mit  lein  reden. 

Da  ich  jeUt  von  eiaigen  Arseneien  gehandelt,  mit  denen  man 
-  der  Schwindsucht  vorbeugen,  and  die  wirklich  vorhandene,  so  lan- 
ge sie  »ocii  heilbar  ist*    beilea  kann;    so  wird  es  auch  wol,    uw 


—  458  — 
den  G^rauch  der  genanmen  Miiiel  gaiia  deudtcFrm  nmebwr,  drhi* 
gend  noibwendig  sein,  von  dem  gegenseitigen  Conseu,  der  n«i^ 
sehen  den  Liiogen  und  den  BaucharganeD  SiMi  indet ,  ein  Wort 
xn  sagen.  Dafs  die  Lange  dur(^  Uraffektion  d«r  Bauoborgan»  mil- 
leidig  ergriffen  wird,  und  darans  HnsMU,  Blatspeiea ,  und  eadlicb 
Schwindsucht  entstehen  könne,  ist  eine  altbekannte  Sache;,  aber 
bei  ihrer  Allbekanniheit  wird  doch  von  mencheD  Aerzten  weni^, 
sehr  wenig  darauf  geachtet.  Dieses  Nichibeaobten  einer  so  wieh- 
tfgen  Suehe  nihrt  nicht  von  Unwissenheit  her,  denn  die  nciatea 
haben  heiil  xa  Tage  auf  der  Hochscbule  mehr  gelernt,  als  sie  liei 
schlichtem  Yentande  and  bei  fünf  »ogekranklen  Sinnen  je  am 
Krankenbette  werden  gebrauche«  können,  soaderir  es  Fbbrt  vielmehr 
daher,  daft  sie  gar  zu  rohe,  ungehobelte  Begriffe  ros  der  krank- 
haften Affektion  der  Banehorgane  haben.  Wenn  ein  Maisch  nit^t 
gerade  gelbsTichtig  ist,  oder  er  bot  den  Magen  Dicht  voll  scbMfer 
Galle,  so  ist  in  den  Augen  stdeher  gelehrten  Aerate  die  Leber  ge- 
sund; bat  er  keijien  ScbsseiB  and  Geschwulst  des  linken  Nypo- 
cbondriamSf  so  bU  die  Milx  gesund,  md  klagt  er  nicht  über  K-rens- 
schmensen  and  Mastadetknoten,  so  ist  das  PfortadersfUetn  gemnd. 
Sie  begreifen  nicht,  dais  m  gar  manche  Affektienen  der  Baocbor- 
gane  gibt,  die  sich  nicht  durob  selch  grobe.  Zeieben  verratben,  ' 
aus  denen  wol  etneiaRiliiger  Baaer  das  Urfibel  erkennen  möchte. 
Da  ich  aber  in  der  ersten  Ahtbellung  dieees  Kaphel*  Üb«-  die  ver- 
borgenen Affektion«n  der  Batichorgane  anirfiihriich  genug  gespro- 
chen,  so  werde  icb  jetzt  weiter  nichts  davan  sagen,  als  nur  dies 
Ein7.ige,  dafa  gar  manche  Menschen  an  der  Langensuebt  sterben, 
die  gemächlich  halten  erhalten  werden  können,  weH  man  beizei- 
ten auf  die  Urbauchaffekiionen  geachtet  and  selbige  gehoben  hätte. 
Alle  consensnelle  Affektionen  der  Oi^ane  werden  auf  die  Dauer 
zn  Uraffektionen,  mithin  wird  die  gar  zn  lange  consensuril  ergrif- 
fene Lunge  auch  zur  nrergriffeneo ;  es  bildet  sich  chronlsehe  Em- 
BÜndnng  in  diese«  Eingeweide,  aas  welcher  dann  Geschwüre  enl- 
ateben;  oder  es  entstehet,  darch  den  behindAten  Baucbkreialavf, 
Bill  (an  hau  fang  in  den  Longen,  und  diese  verarsaoht,  auweilen  auf 
geringe  Veranlassung,  ZerreifsuDg  eines  mehr  oder  minder  beden- 
tenden  Blulgef^fsea.  In  diesem  Hisse ,  welcher  'doch  eine  Wnnde 
ist  wie  jede  andere  Wnnde,  bildet  sieb  wahracheialich  Eiteraag^ 
und  so  ist  der  Anfang  snm  Lungengeaebw&re  und  zur  Sdiwiad- 
sucht  gemacht.  Wir  können  hier  freilich  das  enle  Entstehen  der 
Schwämng  nicht  sinnlich  erkennen,  weil  wir  nicta  in  die  Lange 
sehen  können;  der  Verlauf  aber  einer  nach  solcher  LMBgenbliiiwig 
entstandenen  Schwindsucht   spricht  für  diese  Annahme. 

Das  (Jrwerden  des  eoniensuellen  Langenleidens  hat,  nach  mei- 
ner Erfahrung  zu  sprechen,  keine  aaefa  nur  angef&hr  su  hektini- 
mende  Zeit;    im  Allgemeinen  kau  icb  beluufteB,    dafs  «a  nicbl 


—    459     — 

sclHidl  gefehielM.  Man  naft  aho  bei  Bshandlnng;  aoleber  Sehwini- 
sacfaten ,  in  iweifol haften ,  dnrch  Zeichen  anerkennbaren  FHIlen, 
ein  blofs  coaMnanellaa  Lnngenleiden  annehmen,  und  das  Crbauch- 
tnden  ausminitteln  nnd  an  heben  Bachen.  Dnrch  dieae  Annahnte 
in  aweifelhaften  Fällen  habe  ich  manchen  Sebwindsiiehtigen  ge- 
beilet,  von  dem  die  l>«nie  glaabien,  er  sei  verloren,  nnd  von  dem 
kfa  wahrhaftig  seibat  naeh  dem  Bnlserea  Anscheine  nicht  viel  gün- 
stiger arthetlen  Itonnta.  Ich  habe  mieh  aber  aacb  mannichmabl 
betrogen  und  werde  mich  in  ^kanft  noch  behiigen ;  denn  laweilen 
ist  die  Lange  sohoa  wirklieh  nrergriffen ,  iodefa  ich  sie  auf  guten 
Glauben  noch  für  consentoell  ergriOen  halte  nnd  auf  das  Urbauch- 
Iriden  arbeite.  Was  schadet  nun  aber  dem  Kranken  diese  Tfin- 
Bofaoagf  Nishia,  gar  niohts.  Eine  sdiwfirige  Lange  heile  ich  doch 
nicht,  alao  ist  ee,  da  der  Kranke  ja  nelhwendig  Arzenei  venchluk- 
ken  Mofs,  siemlich  gleiefagfiltig,  oberBanch-,  Lungen-,  oder  Ge- 
Ummilie)  speiset;  das  eine  wird  ihm  so  wenig  helfen  als  das  andre. 
Wollte  ieh  abiar,  bei  der  S»hwieri|^eit,  ja  bei  der  UnmSg- 
liefakeit  der  Erkennlnift  eine  eMgegengeseIxte  Handlnngaweise  he- 
ftigen,  wollfe  ieh  da,  wo  die  CrkenniBlls  iweifelhaft  ist,  blind- 
lings nnd  kBhn  sagen  i  hier  ist  die  Lange  Terscfaworen,  wollte  sol- 
che Mittd  reioheo,  welche  der  Hoohmutb,  oder  der  Aberwita,  oder 
.  die  VefstaadesschwKsbe  einiger  Aerste  als  InngengeschwQr- 
h eilende  ansposannet  hat;  so  wOr de  ich  manchen  Kranken,  zwar 
nicht  geradem  tddten,  aber  doeh  dnrch  VersSnmung  gründlicher 
Hülfe  sterben  lassen,  der,  wBreichminder  dumnikfibner  Diagnostiker 
gewesen,  wol  im  Lande  der  Lebendigen  geblieben  sein  niftchle.  — 
Dieses  ist  alles,  was  ich  über  die  conaensnelle  Einwirknng  kran- 
ker Banehorgane  auf  die  Lange  zu  sagen  habe. 

Jet«  wollen  wir  umgekehrt  von  der  conaensnelfen  Einwirknng  der 
erkrankten  Lungen  auf  die  Bau  chorgane  reden.  Was  ich  jetzt  ange,  sage 
ichhanpUbchlicbdenBanch-jinsbeaonderedeuLeberSrzten.  Es  gibt  ja 
wirkliche  Aerste,  auf  deren  Geaebwftts  man  anf  die  Vermnthung 
gemthen  k9na(e,  der  ganze  mensoblicbe  Organismna  sei  weiter 
aichta  als  eine  einzige  grofae  Leber,  leb  selbst  habe  eininahl  ge. 
sehen,  dals  ein  solcher  (übrigens  nichts  weniger  ah  unwissend 
oder  nnversiSndig )  einen  Measchen,  der  «ich  im  letzten  Zeitraani 
der  eiternden  Lni^nsacht  befand ,  wo  ancb  jeder  Unkänslige  be- 
begreifen konnte ,  dafs  die  Knnat  hier  nichts  mehr  vermSge ,  mit 
einem  listigen,   altklugen  Gesichle  anf  die  Leber  ktirirte. 

Lungen,  in  denen  grobe  Eitersacke  stecken,  oder  grofae  of- 
fene Geschwüre ,  oder  eine  grofse  Menge  Varhärtnngen,  wirken 
sichtbar  consensuell  anf  die  Banehorgane.  So  findet  man  Schwind- 
afichllge  mit  grofaen  Eltergeschwflren  in  den  Lungen,  die  alles 
anabrechen,  was  sie  in  den  .Magen  bekommen;  bei  andern  findet 
man  dampfen  SchniHi  im  revhten  Hypochoadrio,  ja  ich  habe  selbst 


weiden  Darmkoib,  wie  bei  Gclbiüditigen,  von  ■olcbso  Kmaken 
Bbgehsn  sehen.  Data  dna  LuR^enleiden  coBHOuell  auf  dio  Dftrnte 
wirkt  und  Durchfull  erregt,  ist  bekannt  genv^f.  Di«  A«ntc,  mehr 
wort-  sU  biilfteich,  haben  in  voriger  Zeit  dieaem  Dorcbralie  deo 
Namen  du  eolliqaativen  gegeben,  weil  »ie  aiefa  einbildeten,  er 
rühre  von  einer  AuSösnng,  einer  Schmelmag  der  Sifte  oder  vial- 
leicbt  dei  gansen  Kor|iers  her.  Er  iit  aber  nnverkennbar  ein  blafa 
cORsetisneller,  darum  bekommen  ihn  zwar  wol  die  raei«t«D  Linigen- 
sQciuigen,  aber  nicht  alle.  Auch  den  eoaMMoeUea  StulUzwaDg 
habe  ich  bei  LaBgeaanchten,  jedoch  aelren,  beobacbtM,  Kiereolei- 
den  und  die  daAaa  ennpringende  Waifersiieht  ist  bei  der  Lungen- 
•ucht  eher  eine  gewShnliche,  nie  eine  seltene  Erscheinung. 

Wenn  wir  non  aber  diese  conwosuelIeD  Baacbleiden  ernsthaft 
nachdenken,  so  drin][t  sich  uns  der  Gedank«  auf:  wie  oogehener 
schwierig  die  Entdeckung  des  urergrifleneo  Organa  sein  iBÜsae, 
und  wie  thSricht  es  sei,  selbst  bei  eioein  sichilicfa  affinrten  Bnucfa- 
organe,  blindlings  und  hartnäckig  xu  behaupten,  in  diesem  Organ* 
sei  der  Sitz  der  Krankheit.  WoUten  wir  s.  B.  ao  etwas  von  der 
sichtlich  ergriffenen  Leber  behaupten,  sp  müiaieii  wir  das  \am- 
licha  von  den  aicbtlich  ergriffenen  Därmen  gellen  lassen,  und  d« 
bei  den  meisten  Lungensnchlen  Durchfall  entstehet,  Müfsien  wir, 
um  folgerichtig  au  urthsilent  Jen  Sata  als  wahr  anaehoten,  dafn 
die  meisten  Lungenanehten  von  einem  Urleiden  des  Danukannls 
abhingen,  loh  bin  der  Meinung ,  dafa  es  wehr  als  auvi«!  Fälle 
von  Lungeiwuohien  gibt,  in  welchen  wir  auf  keine  andere  Weiae^ 
als  einsig  durch  Anwendung  der  ArMneien  als  Eickenaungsmittel 
die  Natur  der  Krankheit  ergfinden  können ,  und  dafa  es  hundert- 
mahl gescheiter  ist,  aein  Unheil  aiirausehieben ,  als  ea  gleich  an- 
fänglich berauaaufaseln. 

Damit  aber  die  Leser  nicht  auf  den  Einfall  konmeo,  als 
wolle  ich  durch  grelle  Beleuchuag  der  Schwierigkeiten ,  die  aicb 
der  Uebung  der  Kumt  enigegenstellen ,  unseren  jüngeren  Amiage- 
noasen ihr  Gescbfifi  gar  und  gaax  verleiden,  so  wird  ea  Zeit  sein« 
auf  den  eigentlichen  Zweck  meiner  Rede  au  kommen. 

Das,  was  ich  jetzt  über  consenauelle  Bnuobaffektionen  bei  Ur- 
lungenleiden gesagt,  hat  bei  .unheilbaren  LungengeacbwGren  kei- 
nen Nutzen }  aber  zur  Vorbepgung  der  Sehwindsucht  bei  knotigen 
Longen  bat  ea  grolsen  Nuixeu.  Das  Nämliche,  was  ich  früher  von 
Hörfehlern  und  dttren  Behandlung  erinnert,  gilt  auch  von  Lun- 
genfehlern. Lassen  wir  conseoanelle  Leiden  in  den  Bauchorganen 
aicb  ungehindert  einoisten ,  so  werden  die  coosensuelleo  Leiden 
durch  die  Zeit  au  Urleiden,  und  wirken  auf  die  kmnke  Lunge  feind- 
lich zurück.  Durch  dieses  gegenseitige  Aufeinanderwirkm  der  pr- 
krankten  Organe  leidet  die  knotige  Lnage  ooglanblich.  A'ermehr-  . 
ler  llusleq,  Blatspeiea,  cbronhidw  Caizündnng,  nnd  folgonds  Ei- 


-    4«!    - 

(ernn;  dnd  du  EffabaifatoMiea  CooBIkti.  Wahrivt  m,  eonkett. 
Halle  LsidcB  lau«D  «ieh  nicht  wol  grOadlieli  hsbeiif  als  aar  ianh 
Hebang  (Im  Urisiduw.  Habe«  wir  ab«r  gaie  Eigenniittel  auf  die 
Oi^ne,  so  kftanen  wir  aach  die  conienioeUeD  Leiden  denelben, 
wo  nicht  gmu%  aafbeben ,  deeh  mehr  oder  Minder  beicbwichtigen, 
«od  darch  dieea  Beechwiehtignag  ■ehaffen  wir  dem  Kruken  mehr 
KulieOf  all  dareb  kieüw  oder  grobe  AderllaM.  Dock  aicht  Mofa 
zur  Vorbe«^Bg  der  Scbwiadwoht  bei  knotigen  Langen  ist  daa  Be- 
■ehwiehligen  der  ceneeaiaeUen  Leiden  dieoeam,  eondemeelb«  xnr 
Heitnag,  du  beiftt,  aar  aeliHehen  Heilang,.  denn,  aef  die  Daner 
aterbeo  solche  Heneeken  doeh  an  der  Schwiadenebt. 

Es  begibt  sich  nimlleh  anweilen,  dafii  in  knotigen  Langen  ein 
Knoiea  in  Citemog  Qbe^ehet  nnd  einen  kleinen  Abeaefs  brJdei, 
welcher  sieb  öffnet.  Dieaer  kann ,  wean  er  rund  ist  nad  kein« 
Uinde  Gänge  oder  Mlea  hat^  gemiehlicfa  ansheilea.  Auch  in  di^ 
sein  Falle  ist  du  Beeeh wichtigen ,  MwiJ  aller  coonnsBellen ,  all 
anoh  vorher  beslandenn  Baaehteidan  dringend  nJtrhig.  Wenn  aaf 
diese''SBcfae  aicht  geadilet  wird,  so  Aagt,  wenn  Ein  Knoten  ans- 
geeiten  bat,  ein  anderer  wieder  an  an  eitern,  nnd  bo  gehet  et  fort 
biB  aiim  Tode. 

Endlich  kann  das  Anlineikea  anf  die  eonsensuellen  Leiden 
auch  bei  gana  nnbeilbaren  Lnagaua^len  dem  Krankm  grofie  Er- 
leichlerung  verachaffen.  Die  Wuseisucbt  ist  oho«  Zweifel  ein  sehr 
übler  Znfall,  indem  aie  den  LungeMiiehligen  grofee  Beängstigung 
veruraacbt.  Dieaer  kann  in  rielra  Flllea  dnreh  Baschwicbiignng 
des  consensnellen  Nieren-,  Leber-  oder  Milsleiden  vorgebeugt  wer- 
den ;  nnd  wenn  gleleb  der  Kmnke  an  der  Loagenvereiteraog  ster- 
ben mnis,  so  sparen  wir  ihm  do^,  wenn  wir  der  WasserBucbt  to^ 
bengen,  viel  Marter. 

leider  ist  di«  Kaut  abw  »cht  nlebtig  genng,  in  allen  FHU 
len  die  dnrdi  die  orerkrankta  Lange  gearauhlea  conseMuellen  Lei- 
den anderer  Organe  an  bebea,  oder  'ftaefa  nar  bedenlead  n  be- 
aehwiebtigen.  Leutte  sind  in  einadaan.  Jedoch  selttnen  Flllen, 
lo  anbalteqd  nnd  nnbewe^ich  an  ein  O^an  gebannet,  dafs  sie 
sellMt  erfahrene  Aonte  Terwirma  kSnaeo.  Den  nierkwürdigttea 
Fall  der  Art  habe  ick  i»  Jdu«  18S4  erlebt.  Qne  hier  gebome 
nad  in  Aadem  gehnralbele  jn^^e  ftwa,  welche  bei  einem  schönen 
Kilrper,  etwas  knra  TOn  Athem  war,  <Ane  jedoch  eigenilicfa  aslh. 
■Mtiscfa  an  sein,  welche  ediebe  Mahl,  so  viel  ich  niieh  eriaaere, 
Mark  an  Hüten  gelitten,  wol  InaMr  gehSelelt  hatte,  nnd  ven  der 
es  hSehat  wahrw^einlich  war,  dab  ihre  Longe  nicht  frei  voa  Vor* 
hRnoagen  sei,  wnrde  gleid'  nach  den  ersten  Kindbette  kranklieb, 
nnd  man  bat  mich,  sie  an  besncheo  nnd  mit  ihrem  Arste,  dem  jetat 
▼erstorbenea  Doktor  Beumemd  Ober  ihre  Krankheit  Bath  xii  pfle- 
gen.   Ich  hnd  «i«  den  gröbleo  Tliail  dea  Togu  beuUgerig,  «o- 


—    4«    — 

bedeutend  hmtend  nnd  nur  eiwu  Idsrei)  Sehleim  aaswerfend.  St»- 
liBUe  acbleicbendes  Fieber,  Mangel  an  Efsldgt  und  an  Schlaf;  ihr 
Harn,  der  nicht  dnnkel  gefKrbt  wao,  machte  «nea  starken  weiften 
BodamaU.  (  Lelztes  hatte  Herr  Reumond  von  Anrange  an  unana- 
geaetzt  bemerkt  und  ich  habe  das  nämliche  bia  anm  Tode  der  Kran- 
ken bemerkt.)  Ihre  Hauplklagfl  war  ein  fixer,  durch  änfseren  Druck 
sich  nicht  vermehrender  Schmerz  in  der  Gegend  des  Magens.  Za 
diesem  gesellte  sißh  von  Zeit  so  Zeit  flüssiger  Stuhlgang  und  ab- 
wechselnd peinlicher  Sluhlxwang.  Da  ich  sie  seit  einem  Jahre  nicht 
gesehen,  fand  ich  sie  zwar  abgemagert,  aber  bei  weitem  doch  nicht 
so,  wie  ich  sie  mit  nach  der  .Beeclireihung  vorgestellt. 

Ich  war  mit  dem  Herrn  Dr.  AcMMond  einig,  dafs  es  hSchst 
schwierig  sei,  diesen  Zustand  richtig  an  benrthetten.'  Weil  der 
Sohraera  in  der  Magengegend  vom  Anfange  des  Unwohlseins  an 
hartnäckig  auf  dem  nämlichen  Orte  geblieben,  so  waren  wir  ge- 
neigt anzunehmen,  da£«  das  Hauptübel  nicht  sowel  in  ihren  allei^ 
dingB  sehr  verdächtigen  Luagea,  sondern  viduiehr  iavBaache  stek- 
ke, Aai»  es  aber  nnthunlicb  sei,  das  urergriffene  Organ  mtt  Be- 
aitmmtbeit  anzugeben.  Endlich  waren  wir  darüber  einverstanden, 
dafa  man  in  dieses  dunkle  Leiden  mit  keinen  feindlichen  Mhleln 
trotzig  eingreifen  dürfe,  sondern  mit  milden,  anf  die  fiauchorga- 
ne  einwirkenden  zur  endlichen  ErkanDlnifs  an  kommen  versuchen 


Dieaes  geSehab  Ende  Aprils.  Im  Jan!  war  sie  wieder  so  weit, 
dais  sie  die  Reise  hierhin  antreten  koiwte.  Da  icb  sie  den  ISten 
des  genannten  Monates  zuerst  wiedersah,  war  ihr  Zustand  noch 
ganz  deraetbe,  wie  ich  ihn  in  Aac&en  gesehen,  aufser  dafs  aich 
die  Bauohznf&lle  etwas  miUar  zeigten  nad  die  Kranke  an  Kräßen 
gewonnen  hatte,  welches  Letzte  auch  daraus  schon  erbellet,  dafs 
sie  die  sweilSgige  Reise  nntemommen.  Bei-  ihrem  Hiersein  war 
anAnglicb  ibr  Hnsten  nocfa  anbe«teutend,  nnd  ihr  weniger  Aaswurf 
so  uflverdäahtig  sebleimig,  dafa  aneh  der  nmsichtigsie  Ant  nicht 
ahnen  konnte,  dafs  der  seit  mehren  Monaten  hartnäckige  fixe  Schmeia 
in  der  Magengegend  und  jea«  Darnleiden,  als  blofa  ^(msansueUe 
Ltideo,  von  einer  verhärteten  Lnnge  abhiogen. 

Nachdem  ich  ein  pRU  Monate  mgebena  maiiie  Kaiut  eraebSpft 
und  nicht  weiter  kam,  nbesgab  icb  sie,  so  wie  ich  sie  fibnkom- 
men,  den  17.  September  dem  Herren  Dr.  Artutz  in  Qeve,  damit 
dieser  seine  Konst  auch  eimnabl  daran  versneben  möge.  Er  bat 
sich  viele  Mühe  gegeben  nnd  sein  Bestes  gethan,  aber  eben  <o  we- 
nig aasgerichtet  als  Herr  Benmmid  nad  ich.  We  Kranke  wnrde 
nncb  und  nach  beUlitgerig,  Hasten  und  schleichendes  Fieber  ver- 
mehrten sich,  der  Auswarf  wurde  eiterig,  und  den  13,  November 
Blarb  sie,  wie  die  LungeosUchtigen  sti  sterben  pflegen,  so  dalb  in 
der  leUten  Zeit,  hinsiobüich  der  Langenveraitemng,  kein  Zweifel 


<l/bveiAnm  konnte.  Di  abvr  Ui  mlM«-^  BancMaMm  Qivni»» 
d«rt  geUiebaih  ao  war  «a  waknwfaciKKeh,  dab  4ie  L««haD&ffniiDf 
i^end  eiaen  Fehler  in  der  BaucfaspeiGlieldrüae,  oder  in  der  Leber« 
•der  in  der  Milk,  oder  im  Gekröse  ausweisen  wflrde.  Es  Terhielt 
sieh  aber  nicht  nlao^  die  Bnuehergane  waren  vielmehr  alle  ss  ge- 
sund, daf»  man  keine  gesnndere  sehen  kann.  Mit  den  Lnagen  war 
es  aber  «m  so  viel  übler  bestellt.  Sie  waren  beide  anglanblieh 
kleiiL,  und  wenn  ich  sagen  wollte,  dnfs  sich  in  ihnen  s^r  viele 
Verh&rtnngeB  b«fnnden,  so  würde  ich  mieh  hftchst  im  voll  kommen« 
die  8B<^e  tibel  beseichnend  auidrneken.  Jede  eiuelne  Lange  wnr 
vielmehr  nichts  anders,  aU  eine  elosige  Znsainmballipng  von  Knoten; 
der  mXchtigsie  Kneten  war  wie  eine  Wallnofs,  Her  kleinste  wie 
eine  Erbse.  Wenn  man  nicht  wSfste ,  wie  wunderbar  steh  die 
menschliche  Natur  an  die  behindert«  Verrichtong  mancher  Or- 
gane nach  und  nach  gewöhnen  kann,  so  würde  es  unbegreiflich 
sein,  wie  in  diesem  Knetengeballe  das  Athemholen  anch  nur  anf 
eine  ertrügliche  Weise  haheiT  geaeheben  können.  Uebrigens  war 
die  Eiterung,  welche  sich  in  der  Lunge  fand,  nnbetrHchlllch  in 
Yergleich  mit  den  Zerstöniitgen,  die  ich  wol  In  den  Lungen  ande- 
rer Schwindsrichiigen  angelraffen.  Möglich  aber  bedarfte  es  in  die- 
sem so  gnn-/  von  der  Norm  abweichenden  Organe  anch  nur  einer 
gans  mülsigen  Eiterung,  nm  dem  Leben  ein  Ende  su  machen. 

Indem  wir  jelst  von  dem  eonsensuellen ,  von  DHungenleiden 
abhängenden  Affeklionen  der  Organe  sprechen,  hoffe  ich,  hei  den 
Lesern  nicht  nnMstefsen ,  wenn  ich  auch  von  der  eonsensuellen 
Gehirnaffektion  ein  Wort  sage,  obscbon  ich  weifs,  dafs  das ,  was 
ich  2U  sagen  habe,  gnni  nutslos  fBr  die  Uebnog  der  Knnst  ist. 

Nicht  blofs  den  Aerzien ,  sondern  %ach  den  unkänstigen  Leu- 
ten ist  es  bekannt,  daTs  die  an  Lnngeneilemng  Leidenden  bestän- 
dig gnter  Hoffnung  sind,  sich  ober  die  Oefabr,  in  welcher  sje  schwe- 
ben, so  sehr  iSnschen,  dafs  sie  nicht  idten,  mit  der  Znnabme  ih- 
res Uebels,  der  Genesung  entgegeniugeben  wShnen.  Ich  bin  der 
Meinung,  dels  diese  HoffAungsfBUe  ans  einem  eigenen  consensnell 
krankhaften  Zuaunde  des  Gehirnes  entspringt,  welcher  nicht  blofs 
Begleiter  der  Lungeneilemng ,  sondern  anch  mancher  alcnten  lie- 
ber ist.  Dieses  NichtfBhIen,  Nlehterkennen  des  krankhaften,  oft 
geßhrlichen  Zostandes,  worin  nan  sieh  befindet,  gehet  bei  akuten 
Fiebern  gewöhnlich  in  wirUiehen  Irrsinn  über;  jedoch  ist  dieser 
tjehergang  nicht  nothwendig,  denn  ich  habe  manche  beim  beftigea 
akuten  Fieber  sich  nnr  für  ein  wenig  matt,  aber  sieh  fibrigens  für 
gesund  Haltende  und  von  allen  weltlichen  Dingen  Plandemde  ge- 
nesen sehen,  ohne  dafs  es  snm  wirklichen  Irrereden  gekommen  wR- 
re.  Bei  diesen  ging  aber  das  GefSbl  des  Nichikrankseins  in  das 
Geßhl  des  wirblichen  Krankseins  Gber,  bevor  die  Genesung  er- 
folgte.   Bei  der  Lnngensoehl  gehet  Jene  seltsame  coosensuelle  Gc- 


—    4M    - 

kirnaffekltttO  nnr  io  eiuelasn  FftHm  in  wiAltchen  Imian  iAer, 
dieser  Iminn  ist  daoa  weiter  oiehtt  ak  da  höherer  Grad  derael* 
ben  TSuBcherei. 

Im  Aofaoge  meiner  Praxis  war  es  mir  böchit  aaaiöfiig,  den 
Werth  dw  HMUi^iea  io  meinen  Aagen  herantutetiead ,  da£i  ver* 
Biftadige,  rechtliche,  kristliche  Legte  sich  all  wahr«  Narren  mit 
■ieher«  Heffnang  der  Genesung  sohneichelleo ,  unier  Umsianden, 
wo  ein  Unweiser,  ein  £inffi]tJger,  eis  Kind  den  nahenden  Tod  er» 
kannte.  »Wie,  dachte  ich,  Ihr  wollt  veratandige  Mansdien  sein, 
Ihr  wollt  als  Kristen  den  Glauben  eiaes  jenseitigen  Daseins  be- 
keanen,  und  hangt  s«  ftagatlich  an  diesem  Laben,  als  sei  jenseit 
des  Grabe«  das  Gotlesreich  der  ewigen  Liebe  eint»  M&hre 'der  Traum- 
welt I  Die  Fordit  vor  dem  Tode  hat  eure  Sinne  so  aauberisch  ge- 
fesselt, dals  Ihr  die  AaflSsnog  eurer  eigeaea  Leiher  nicht  gewah- 
ret, dafs  Ihr  die  bedenklichen  Gesichter  aarer  Freunde  nicht  se- 
het, dab  Ihr,  Belbst  am  Bai)de  des  oßhen  Grabes,  weilausseheade 
Plane  irdischer  Hindel  macht  and  Mren  traureaden  Freandvn  ein 
LSchela  des  Mitleidens  entloekL  Ihr  seid  eine  seltsame,  Eneb 
selbst  widersprehende  Art,  der  ich  mit  Liebe  dienen  soll,  die  mir 
aber,  fast  verächtlich  bedenkt." 

So  war  ich  eine  xiemliche  Zeit  befangen  ia  jugendlichem  Wah- 
ne, bis  mir  endlich  ein  Bauer  aus  meinem  Irrihnme  half,  und  mich 
die  menschliche  Natur  richtiger  beortheilen  lehrte.  Hier,  nahe 
vor  dem  Thore,  war  ein  Ackersmann,  der  hatte  einen  aa  der  Lun> 
gensacht  kranken  Knecht.  Es  ging  mit  selbigem,  wie  es  mit  den 
meisten  Longensüchtigen  gehet,  seine  Hoffnung  nahm  mit  dem  V«i>- 
welken  seines  Körpers  au.  Eines  Tages,  es  mo^e  eine  Woche 
vor  dem.  Tode  sein,  glanbf'er  sich  ganz  geaeseo,  kleidet  sich  an, 
ergreifi  den  Spaten  und  will  aafs  Feld  gehen.  ZufliUig  siebet  ihn 
die  Wirthinn  da  er  schon  in  der  Hanstbür  ist,  hält  ihn  auf  und 
lalst  ihn  ins  B^lt  bringen. 

Da  ich  dieses  hSrte,  ging  mir  anerst  ein  Licht  auf,  ich  fing 
an,  die  Menschen  milder  aa  beortheilen.  Ich  begriff,  indem  ich 
nach  and  nach  dieseo  Fall  mit  Shnlicfaen  chtonischeo  und  akuten 
verglich,  dafs  das  thSrichte  Hoffen  der  SchwlndsüiAtigen  nur  von 
einer  consensnellen  Gehirnaffekllon  abhänge,  welche  sich  von  dem 
im  gemeinen  Leben  f3r  Irresein  gehaltenen  Zustande  blofs  den 
Grade  nach  unterscheide;  dafs  dieser  conseRsuelle  Irrsinn  als  et- 
was Ki^rperlichea ,  gleich  Durchfall,  Husten  and  anderen  consen- 
•aeUaa  Leiden,  den  aiSrksten  Geist  eben  so  gat  anwandeln  IcSone 
als  den  aehwacheo.  In  der  Folge  bestätigte  sich  mir  dieses  immer 
mehr:  bei  einigen  Schwindsüch(igen/sah  ich  jenen  krankhaften  Zn- 
stand des  Gehirnes  schon  im  Anfange  der  Lungeneiiernng,  bei  an- 
dern erst  im  Verlaufe  der  Krankeit  entstehen ,  und  hei  einigen 
(welch»  jedoch  die  Minderuhl  auimacfaten)  beioerlü«  ich  ihn  gar 


—    4»    — 

nidit.  Er  verliielt  «idi  aUe  gerade  wi«  dl«  oonMHraelle  Affektio- 
DMi  aBdam  Oi^ane;  tob  iha«ii  kann  msn  oieht  beh«ipteD,  dafii 
■M  sich  noihwendig  bei  einem  gewinen  Urleiiieo  einfinden  mfis- 
WB,  MDdem  MSB  kann  blofs  ragen,  daf«  ans  die  Erfahrang  ihr 
öftere!  oder  seltenerea  Eracheinen  gelehrt  hat,  ohne  daft  um  dai 
Wenin  dea  Eneheinens  oder  Niohlerecheineni  klar  wäre. 

Mittel  muf  die  LmftrSkre. 

Ich  weit«  wiiklich,  anfier  dem  allbekanjitea  Sptefsglanzgold- 
schwefel  und  Queckailber,  nicht  das  Geringate,  welches  auch  nur 
von  fern  Ansprach  aaf  Neuheit  machen  könnte. 

In  manchen  Fällen  iat  der  krankhafte  Zuaiand  der  Laflröhre 
eine  in  diesem  Orgaae  Torwalteode  Afiektion  dea  Geaaramtorga- 
nianins,  der  bei  weitem  nicht  immer  einerlei  Art  ist;  weshalb  ea 
mir  BOeh  gar  nicht  gefftlll,  und  eine  Neigung  unaerea  Zeitalten 
aar  rohen  FormbehaBdlu^  retrfilh,  daia  man  der  bämigen  Bräune 
eiae  eigene  Art  der  Behandlnng  anpaasen  wilU  gerade,  als  mache 
aie  eine  Ananabae  von  allen  and«:n  Krankheiten.  Def  eine  will 
sie  mit  Blutegel,  Brechen  und  Queckailber  heilen ,  und  der  andre 
mit  Kupfer.  Nun,  ich  denke,  beide  Parteien  werden  wol  Recht 
haben,  und  werden  dieaes  auch  auf  die  Dauer  einaefaen. 

Die  Urleideo  der  Lofiröbre  ftufaern  aioh  nnter  der  Form  von 
Ueiaerkeil,  Kitaelhustea,  Aalhn»  nnd  Spraehloaigkeil.  Bei  der  ge- 
wöbnlichMi  Heiserkeit  wird  der  Arzt  einer  kleinen  Stadt  Bellen  an 
Halbe  gesogen;  ea^ub  aoLon  von  dieser  Art  etwaa  Ernsthaftes 
sein,  waa  die  Menschen  bestimmt,  die  Heilkunst  in  Anspruch  m 
nehmen.  Wenn  bei  der  Heiserkeit  der  Kranke  einen  empfindlichen 
Schmers  im  Laftr&brenkopfa  spüret,  wenn  dieser  Schmerz  bei» 
Hasten  lud  beim  äniseren  Dmcke  mch  vermehret,  so  habe  ich  ge- 
funden, dals  man  mit  dem  Spiefsglanxgoldachwefel  diesea  Uebel, 
ist  es  nicht  gar  m  sehr  eingewuraall ,  heben  kann.  Dieses,  und 
daia  doB  nämliche  Mittel  bei  dem  Husten,  bei  welchem  die  Men- 
icheo  über  Schmerten  unter  dem  oberen  Theile  dea  Bniatbeinea 
Idagea,  beeoadera  heilaam  ist,  hat  mir  wahracbeinlicb  gemacht, 
daia  es  ein  achälsbarea  Eigenmittel  auf  die  Luftröhre  sei,  das  beifsi, 
nicht  blols  anf  die  Luftröhre  im  engeren  Sinne  dea  Wortes,  son- 
dern auch  anf  ihre  Veraatoog  und  auf  den  Larjnx.  Bei  eiogewnr- 
aelter  Heiserkeit  bin  ich  aber  mit  ihm  lu  kurz  gekommen.  Hier 
hat  mir  in  heilbareo  Fällen  das  Quecksilber  aasgeholfen.  Man 
brancht  dieses  niebi  bis  aum  angegriffenen  Zahnfleiach  zu  geben; 
gewöhnticb  verschwindet  die  Hmaerkeit  schon,  aobald  der  Athem, 
durch  die  Nasa  ansgeatofswi,  dem  Anaathmenden  riechbar  iat. 

Die  Lnfiröhrenkopfachwindancbt  in,  in  Verhältuili  zu  andern 
SchwindsHchten ,    aelten.     Ich  würde  jedem  rathen,  bei  eingewnr- 

36       ^      ^^v- 


-    466    — 

zelier  Heiserkeit ,  auf  den  BaBch ,  tooderlifji  auf  das  Pfortadenj- 
Stern  zn  schien ,  in  diesem  liegt  niweil«n  der  Grund  der  Heiterkeit 
ufld  der  chronischen  HaUentxündan^.  Ist  eine  solche  Bancharsaob« 
im  Spiele,  so  helfen  alle  Mittel  nichts,  die  man  anf  den  LarjBX. 
anwendet.  Die  eigentliche  Phtküi»  latyngea  ist  eher  abzuwenden 
als  zu  heilen.  Wird  sie  iSdtlich,  so  beschränkt  sich  das  örtliebe 
Leiden  nicht  Mofa  anf  den  Larynx,  sondern  die  Bronchialdrüsen, 
und  wahrscheinlich  die  LufirShre ,  werden  euqh  ergriffen ,  ja  ich 
habe  einst  bei  einem  alten  Herrn,  der,  da  ich  im  Jahre  1797  hier- 
hin kam,  schon  mehre  Jahre  heiser  gewesen  war,  bei  meinem  Hteiv 
sein  noch  mtihre  Jahre  heiser  lebte,  uad  endlich  die  wirkliche 
Pklhüit  laryitgea  bekam,  bemerkt,  dafs  etliche  Monate  vor  dem 
Tode  die  Speiseröhre  mit  angegriffen  wurde,  und  eine  wirkliche 
Dysphagie  entstand,  so  dafs  der  ungltiekliche  Mann  hiofs  Flüssig- 
keil,  und  diese  aar  mit  grofser  Mühe  hinnnlerbringen  konnte. 

Die  Heiserkeit  scheint  in  den  meisten  Fallen  wol  zunKchat  tod 
eioer  chronischen  EntzfinduDg  der  inneren  Hant  des  Larynx  abzu- 
hängen. Iflh  habe  Falle  beobachtet,  wo  bei  der  Heiserkeit  Gaumen 
und  Mandeln  an  chronischer  EntzBadmig  sehr  litten ,  und  da  konn- 
te man  wol  nicht  zweifeln,  dafs  die  sichtbare  Entzündung  auch  die 
unsichtbare  HShIe  des  Latynx  einnehme.  In  allen  Ffillen  IfiJst  sich 
dieses  aber  nicht  mit  eben  solcher  Wahrscheinlichkeit  vermntben. 

Friedrich  Roffman»  rSth,  bei  Heiseriteit  einen  weinigen  Auf- 
gnfs  aromatischer  Kräuter  zum  Gurgeln.  Der  Ruth  ist  gut,  denn 
manche  chronische  Entziindungen  Sufserer  Theil«  weichen  ja  den 
aromatischen  KrHutern  besser  als  den  Blnte^n ,  dem  Aderlässen 
und  dem  Salpeter.  Ich  habe  gefunden,  dafs  lauwarme  Milch  mit 
ein  kleinwenig  HoSiuannischen  Lehensbalsam  gemischt,  noch  bes- 
sere Dienste  leistet  als  ein  weiniger  Krftuieraufgiifs. 

Jede  Heiserkeit  ist  aber  gewifs  nicht  snnBehst  in  einer  chro- 
Discfaen  Entzündung  der  inneren  Hant  des  Larynx  begründet;  das 
sehen  wir  daraus ,  dafs  hysterische  Weiher  nweilen  in  Einem  Au' 
genblicke  heiser,  und  hemaeh  wieder  eben  so  schneit  hellsiiramig 
werden.  Ich  kenne  eine  Frau,  welehe  in  früheren  Jahren  jedes- 
mafal  beim  Eintritte  ihres  hysterischen  Zustandes  heiser,  und  wei- 
terhin ganK  stumm  wurde,  so  dafs  sie  alles  aufschreiben  mnfate, 
wag  sie  andern  wollte  zu  wissen  thun.  Da  war  ohne  Zweifel  ein 
Krampf  im  Larynx ;  —  aber  wie  dieser  Krampf  anf  die  eintelnm 
Theile  des  Organs  gewiekt,  und  Heiserkeit,  und  demnfti^t  Sprach- 
losigkeit geursacht,  ist  mir  wirklich  unbekannt.  Ueberhaupt  ist 
meinem  Verstände  die  Bitdung  der  Töne  im  Kehlkopf«  noch  eben 
so  dunkel  als  die  Bfldnng  der  TSne  in  einem  Blaünstrumente.  Ich 
kann  im  Allgemeinen  wol  darüber  schwatzen,  aber  ins  Einzelne 
darf  niemand  mit  mir  gehen,  oder  ich  muls  ihm  bekennen,  dafs 
ich  noch  sehr  unwissend  in  diesen  Dingen  bin. 


—    467     — 

Folgender  Fall  von  schnell  eaUtaedener  und  s^nell  vergchwnn- 
dener  Heiierkeit  scheinet  mir,  wo  nicht  für  dea  Arzt  als  Heil- 
meiBter,  doch  tat  den  Arxt  als  Physiologen  znm  Nachdenken  ein- 
ladend. 

Ein  nngefShr  ffinfsehnjahrigea  gesandes  Msdchen,  die  bei  kin- 
de^osen  Verwandten  im  Hanse  war  und  von  diesen  als  Kind  ge- 
hallen wnrde,  bewahret  einst  zur  Winterszeit,  da  liire  YervandteD 
xnn  Besuche  bei  Freunden  sind,  das  Haas.  Indem  sie  den  Rost 
des  mit' Stein  kohlen  gries  geheilten  Ofens  mit  dem  Parreisen  luf- 
len  will,  schlägt  die  darch  das  oben  xusamniengesinterle  Gries  ver- 
haltene Flamme  mit  einem  Paff  nnten  zam  Roste  hinaus.  Sie,  die 
gebäckt  vor  den  Ofen  stehet  nnd  in  dem  Roste  pnrret,  bekommt 
natfirlieh  den  Mund  voll  schwefeÜger  Kohlendirapfe,  und  äugen- 
blicldich  wird  sie  so  heiser,  dab  ihre  Abends  zurückkehrenden 
sie  nicht  verstehen  können.  Diese  denken  jedoch,  es  sei  einege- 
Verwandlen  wShnliehe,  nnr  etwas  siiricere  Heiserkeit ,  and  werde 
wol  von  selbst  vergehen.  Da  sie  aber  sechs  Wochen  anhält  nnd 
nm  kein  Haar  besser  wird,  fragen  sie  mich  um  Ratb,  nnd  ich  ver- 
nehme das,  was  ich  eben  dem  Leser  erzählet. 

Das  Mädchen  war  wirklich  so  heiser,  dafs  ich  kein  Wort  von 
ihr  verstehen  konnte,  nnd  dafs  die  Tante,  die  dnrch  die  Zeit  sie 
verstahas  gelernt  hatte,  die  Dolnetscherinn  zwischen  ans  machen 
mn&ie. 

Ich  verschrieb  ihr  eingranige  Pnlver  vom  Hahnemannischen 
schwarzen  Quecksilber,  und  lieb  sie  täglich  eins  nehmen. 

Der  von  den  Verwandlea  bestätigte  Bericht  der  Heilang  die- 
sea  Uebels  lanlet  also:  Eines  Tages  fühlt  das  Mädchen  ein  Knap- 
pen im  Halse,  und  angenblicklich  ist  ihre  Stimme  wieder  eben  so 
^ell  nnd  deutlich  als  sie  vor  der  Heiserkeit  gewesen.  —  Sie  und 
ihre  Verwuidten  schrieben  diese  Heilung  den  genommenen  Pulvera 
xa.  Ich  selbst  konnte  nicht  so  leichtgläubig  sein,  denn  iheils  ist 
die  Heilung  des  Qneckulhers  bei  der  Heiserkeit  ganz  ändert  (das 
Uebel  verschwindet  nach  and  nach  in  etlichen  Tagen),  theils  hat- 
te sie  noch  zn  wenig  von  den  Pulvern  genommen,  als  dafs  diese 
•ine  aolcb  wandergleicbe  Wirkung  bfltten  herviffbriDgen  sollen, 
leb  habe  das  Mädchen  selbst  hintennacfa  ansgefragt,  ob  sie,  bevor 
ihre  Stimme  wiedergekehrt ,  beim  Aasathmen  dnrch  die  Nase  el-  * 
aen  fremdartigen  Geruch  ihres  Athetns  verspüret;  sie  venticfaerle 
aber,  nichts  dergleiebea  gemerkt  za  haben. 

Ich  fiberlasse  dem  Leser,  seihst  über' diese  Geschichte  nach- 
zndeaken,  nnd  will  seinem  Urtheile  nicht  vorgreifen.  Eins  bemer- 
ke ich  aber  ansdröcklicb.  Ich  habe  das  Verhältnifa,  worin  das 
Mädehea  lebte,  genau  gebannt,  nnd  wei£i  recht  gnl,  dafs  bei  ihr 
an  eine  erdichtet^  Krankheit  und  erdichtete  Heilnng  nicht  zu  den- 
ken war.    Bei  allen  atUzerordentlieben  Krankheiten  (zn  dMi«i  ich 


—     <ß8    — 

den  erzSblien  Fall  jedoch  nicht  rechnen  möchte)  und  bei  autaer- 
gewöhnlichen  Heilnogen,  die  sich  bei  Mädchen  and  jüngeren  Wei- 
bern ziilragcn,  hat  man  Unacbe  etwas  niiftlraniBch  zn  sein.  Die- 
se haben  milanler  gar  wunderliche  und  unarklärbare  Mucken. 

Dae  Asthma  ist  (wenn  ich  meinen  Ohren  trauen  darf)  eben- 
falls ein  Leiden  des  Laryox.  Bei  jeder  Aihemsnoth  ist  aber  gewife 
nicht  immer  der  Laryax  «rgriS'en. '  Z.  B.  bei  der  BruMwasaenncht, 
bei  grofaen  Eilerbeulen  kann  der  Alhem  kurv  genug  sein,  ohne 
dafs  sich  jene  eigene,  hörbAre  Affekiion  des  Loflröhrenkopfes  ein- 
stellt, die  man  beim  periodischen  Asthma  vernimmt.  Bia  jetzt  ha- 
be ich  noch  nie  ein  wirkliches  jVstbma  behandelt,  welches  ein  Ut- 
leiden  des  Lnryiix  gewesen  wftre,  1d  allen  Fällen,  welche  ich  b»- 
obachleie,  war  es  «ine  coDst^nsuelle  Affektion  dieses  Organa.  Feh- 
ler der  Lunge,  Fehler  des  Herzens  und  Bauchfefaler  ursadien  b«i 
manchen  Menschen  das  Asthma.  Weil  «s  nnn  in  gar  vielen  Fftl- 
len,  wo  nicht  von  uBheilbareti,  dach  von  alten,  schwer  sn  heben- 
den Fehlern  abhSngt,  so  ist  es  anck  bei  weitem  nicht  in  allen 
Fällen  gründlicb  lu  heben.  Um  so  nöihiger  wäre  wol,  dnfs  wir 
Mittel  auf  den  Larynx  bätien,  es  angenUicklich  zn  beschwichti- 
gen. Wenn  wir  sagen  wollien:  das  Asthma  bestehe  zunächst  in  ei- 
nem krampfhaften  Znstande  des  LoftrÖhrenkopfea,  so  ist  das,  mm- 
nes  Erachtens,  nichts  als  eine  ärztliche  Redeosart,  die  keinen  Nnz- 
zen  beim  Heilen  gowäfart.  Wäre  sie  mehr  als  eine  nackte  Redeoa- 
art,  so  möfst«  man  mit  solchen  Mitteln,  welchen  die  Aerzte  den 
Namen  der  kraiiipfstillendon  beigelegt,  jenen  Krampf  des  Larynz 
heben  können.  Ob  man  das  aber  kann,  mögen  die  Aerzle  selbst 
beurth  eilen. 

Der  sogenannle  krampfhafte  Zustand  des  Lai^nx,  wenn  er  län- 
ger oder  kürzer  angehalten,  läfit  von  selbst  nach.  Wer  dem  letz- 
ten Mitte),  das  der  Kranke  gerade  beim  Nachlasse  des  Anfalles 
verschluckt  hat ,  die  Wunderheilkraft  beilegen  wiD ,  der  thue  es ; 
ich  thue  es  nicht.  Am  klSgsien  wäre  wol,  dafs  man  in  Dampf- 
oder Gasform  Mittel  in  die  Höhle  des  Laryux  brächte.  Aber  bei 
der  Auswahl  dieser  Mittel  würde  ans  das  ara«ieiniltdlehrige  Krampf- 
atillende  auch  vielleicht  wenig  Nutzen  schaßen.  Ich  habe  wol  ei- 
nen Theelöffel  voll  BitfernsaDdelwasser  den  Kranken  in  den  Mnnd 
•  halten  lassen ,  wo  dann  die  durch  die  Wärme  des  Mundes  ver- 
flüchtigte Blausäure  noibwendig  beim  Einatfamen  durch  den  Laryox 
streichen  roufste.  Allerdinga  gab  das  etwas  Erleichterung;  es  fehlt 
aber  viel  daran,  dafs  i0b  dieses  Mitld,  und  diese  Anwendung  des- 
selben, als  ein  sicheres  Eigenmittel  auf  den  Larynx  andern  ehrli- 
chen Aersien  empfehlen  könnte. 

Ich  kenne  einen  Bauer,  bei  dem  das  periodische,  sehr  häufig 
ihn  plagende  Asthma  von  einem  Fehler  der  Lnnge,  wahrschein- 
lich von  Knoten  derselben  herrührt.     Er  ist  einvr  von  denen,  die. 


«w  nan  hier  »i  Lande  sich  aa>4rSeki,  eins  faöw  Bniu  hnbM. 
Dieter  «raXhIte  mir  eimt  PolgeDdes.  Et  btt  io  der  Sudt  G*  *' 
and  hat  itort  Geaehäfte  bei  einem  Herrn.  Der  Herr,  der  im  Ge- 
spräche TOD  ihm  vernimmt,  dnla  er  vom  Asthma  übel  ^plagt  sei, 
rSth  ihm,  sich  an  die  dortige  Apotheke  «i  wenden,  wo  nun  ihn  nit- 
fehibar  helfende  Pulver  gegen  dieeea  Hebel  verkaufe.  Diese  PaU 
ver  waren,  angeblich,  einem  andern  asthmatisehen  Mensche»  von 
einem'  auswftrtigen  Ante  verschrieben,  und  der  Apotheker,  der  die 
gme  Witknng  derselben  von  dem  Kranken  vernommen,  haue  aus 
ihnen  einen  geheimen  Handelsartikel  gemacht.  Der  Bauer  gehet  snr 
Apotheke  nad  bekemnu  für  sein  Gield  einen  Pack  Pulver  und  ein 
Glas  mit  klarem,  etwas  riechenden  Wasser.  Die  Vorschrift  lantet: 
Beim  Eintritte  des  Asthma  mnis  der  Kranke  ein  Leintoeh  mit  dem 
Wasser  befenchlel  fiber  die'  vordere  Seile  des  Halses  schlagen. 
Von  den  Palvern  nois  er.  eins  trodien  auf  die  Zunge  legen  nnd 
es  hier  se^ebes  lassen. 

Aof  dem  Heiraw^e  fiberfftllt  den  Bauer  das  Asthma.  Er  kann 
Dicht  wol  aaf  der  Landstrafse  das  apotbekeriscfae  Wasser  am  den 
Hats  schlagen,  also  begntigt  er  sii^,  eins-rcra  den  Palvera  auf  die 
Zange  su  legen,  end  setst  sich  am  Wege  nieder,  die  Wirkung  absa> 
warten  Er  meikt,  da&  sich  viel  Hpeiehel  im  Mande  absondert 
■nd  dafs  sein  Asifama  in  etlichen  Minuten  nnchwiadet ,  so  dafs 
er  ungehindert  seinen  Weg  fortsatsen  kann.  Dieser  Mann  hat  nun 
lange  die  Pulver  gebraucht  and  immer  mit  gutem  Erfolge,  das 
heifsi,  er  konnte  HUgenhlieklieb  den  Krampf  des  Lufiröhrenkopfea 
damit  heben.  Einst  kommt  er  auf  den  Gedanken,  ob  der  hiesige 
Apotheker  die  Pulver  nicht  untersnchen,  sie  naebtDaeben  und  ibm 
dieselben  billiger  verkaufen  kSnne  als  der  Apotheker  xa  G  *  *  '. 
Unser  ehemaliger  Apeibekcr,  der  jetsige  Rentner  Herr  BorcAAardf 
hat  sie  ontersncbt,  and  om  siehe.-  an  sein,  seinem  damahls  in  Ber- 
fiia  sieh  aufhaltenden  Geh&lfen  auch  ein  paar  Pulver  zn  nnlerso- 
cfaen  äbarschiekt.  Die  Analysen  beider  stimmten  sietnlich  überein, 
wi^en  nur  ein  wenig  hinsichtlich  der  Gewichlsverhftltnisse  ab. 
Die  Pulver  bestanden  aus  kohlensaurer  Bittersalserde,  oxydalirlem 
Eisen  and  ein  wenig  Kohle.  Ich  habe  dieses  Mittel  etliehemahl 
nagewendel,  und  ranis  gestehen,  dafa  es  allerdiags  wohlihSiige  Wir- 
kung anf  den  Larynx  hat;  jedoch  kann  ich  ein  so  grofses  Aufhe- 
ben nicht  davon  machen  als  der  EnShIer  mir  davon  getoacht  hat. 
Mdglich  ist  es  aber,  dafs  meine  damit  angestellten  Versuche  nicht 
riefatig  angestellt  sind.  Abgesehen  davon,  dafs  die  FAlle  von  Asth- 
ma, die  mir  seitdem  vorgekommen,  otfeabar  s^r  verwickelter  Art 
waren,  sich  also  übel  eigneten,  die  volle  Wirkung  eines  Heilm^ 
lels  anf  den  Larynx  kennen  su  lernen;  ist  es  nicht  einraahl  aaiser 
allen  Zweifel,  dafs  beide  Apotheker  die  Wuaderpulver  gana  ricb- 
ütt  aiMlTsirt  haben.     Vor  Karsem  war  der  erste  Ersftbter,  der  asih- 


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■»tisch«  Baner,  elnas  krankea  HanBgenoiMB  w«gro  bei  nir.  Üb 
hatte  ihn,  Hit  ihm.HerrB.  die  sataathmatiachen  Palver  uaclifabrieirt» 
oicht  geiebeo,  fragte  ihn  alro,  oh  Aia  nachgemaehlcn  «Iran  so  gu- 
te Dienste  leiBtelen  als  die,  welche  er  aus  der  Apotfaeke  za  G"'* 
bek*mmen.  Er  sagte :  erste  hätten  allerdings  wol  eine  gute  Wir- 
kung, aber  doch  niebt  ein«  voDkornmen  so  gute  als  die.Ociglnat- 
palver.  Ob  er  vom  Vorortheil  besessen  ist,  oder  ob  die  Apothe- 
ker nariobiig  aaalfiirt  haben,  iKfst  sieb  nicht  wo!  raihen. 

loh  habe  Ursache  for  wahrscheinlich  aa  ballen^  dals  die  Koh- 
leasäure  ein  forsüglicbes  Benihigangs mittel  des  LaArAhrenkopfes 
seL  Meine  Meinnng  ist  aber  nicht,  den  Astfamatiacheo  mit  kohlen- 
saurem Gas  halb  oder  ganz  xa  ersticken,  sondern  ich  glaube  Mola, 
daia  eine  geriage,  die  Verrichtung  der  Lunge  nicht  störende  Men- 
ge kohlensaures  Gas,  durch  den  Laryni  streichend,  die  krampfhaften 
Zufälle  desselben  vielleicht  -beaser  beichwicbtigen  wird ,  als  andre 
sogenannte  krampfalillAode  Mittel.  Der  obengenaante  ehemafalige 
Apotheker  Herr  B.^  der  zu  der  Zeit ,  da  der  Prof.  Leidenftwt  in 
Duitbitrg  als  betagter  Mann  noch  lebte,  in  Cleve  als  Gehülfe  in 
einer  Offizin  stand,  hat  mir  erziÜilt«  dalä  Leidtufrvtt  an  Beschwich- 
tigung des  Asthma  Pulver  von  kohlensaurer  Biitersalzerde  und  Wein- 
ateinaäure  verschrieb,  wriche  der  Kranke  trocken  auf  die  Zunge 
legen  mufste,  wo  sich,  begreiflich,  kohlensaures  Gas  entwickelt« 
und  beim  Einathinen  durch  den  E^arynx  strich. 

Ich  selbst  habe  noch  keine  Mitscheidende  Versacbe  darüber 
angestellt,  denn  iheils  bin  iob  erst  spBt  auf  den  Gedanken  ge- 
braeht»  theils  sind  die  zn  eatscheidenden  Versncheo  sich  eignen- 
den Asihualischen  nicht  so  bttnfig  als  Schwindsüchtige,  Wasser- 
süchtige und  Gelbsüchtige.  Einst  fragte  mich  ein  mir  unbekann- 
ter Mann  vom  Rhein  nm.Raih,  den  angeblich  das  Aalhma  schon 
ein  Jabr  lang  allnächtlich  aus  dem  Beu«  getrieben.  Ich  gab  ihm 
eine  Unze  koUensanra  Bitlersalzeide  und  drei  Drachmen  Wein- 
steinsBure  zn  Pulver  gemisdit,  und  hieb  ihn,  davon  im  benöthig- 
len  Falle  einen  Theelüffel  voll  trocken  auf  die  Zunge  Legen.  Wie 
das  Pulver  verbraucht  war,  kam  er  wieder,  und  behauptete,  durch 
das  Pulver  den  nächtlichen  Anfall  so  beschwichtiget  zn  haben,  dafs 
er  nicht  raelir  genöthiget  gewesen,  das  Bett  zn  verlaasen.  leb  lieft 
ihn  noch  eine  Portion  Pulver  ans  der  Apotheke  holen,  hake  aber 
seitdem  nichts  mehr  von  ihm  gehSrl.  —  Einem  jungen  Pfarrer,  der 
die  Spur  des  periodischen  Asthma  schon  als  Knabe  gehabt,  auf  der 
Universität  es  schlimmer  bekommen,  und  im  Amte  noch  öfterer 
von  demselben  heimgesucht  wurde,  der  nie  dagegen  arzeneiel,  aber 
wol  zur  Beschwichtigung  Stechapfeiblätter  geraucht  hatte,  gab  ich 
Jenes  Pulver.  Es  half  ihm  gar  nicht.  Er  schenkt  es  darauf  ei- 
nem asthmatischen  Bauer  seiner  Gemeinde;  der  macht  viel  RühueiM 
von  der  lindarnden  Wirkung  desselben.    Dem  Pfairer  glaube  ich, 


—    471    — 

dar  [u  «In  ahrifeh»  'ftUoD;  dem  Bauer  gbnbe  iofa  aUfat,  im  kttSB 
die  liadenidfl  Wirkung  des  Palven  blefi  rui  Höflichkeit  gegen  set- 
nen  PJarrer  erdichtet  haben.  Wie  b«**B*.i  "■  ■**  s<^wiertg,  ga- 
•igneie  Kranke  xu  solohen  Venaohea  xu  finden.  Ein  uoiet  def 
Form  d«i  Aelfama  sich  oSenbarendei  Urleidea  dee  LuftrShreako- 
pfei,  würde  wol  die  heitende,  oder  beschwiehtigeade  Kraft  der  Kah- 
IvMflare  auf  die  sicherete  Probe  ■(eilen. 

Oben  habe  ich  gea^,  daft  daa  Aitbna  in  den  meielen  FSl- 
len  coBuntOBUer  Art  sei.  Erfahrenen  Aerslen  iit  bekannt ,  dale 
oonsensnelle  Leiden  mweilan  viela  Jahre  hintereinander  ein  and 
daa  uAniJiche  Organ ,  wo  nicht  anhaltend ,  dooh  periodisch  ergrei- 
fen, Dod  dann  auf  eiom^hl  auablMhcn.  Bei  dieiem  AaBblaiben  wird 
entweder  das  cooeenauelle  Leiden  a«f  «in  anderes  Organ  überin- 
gen ,  oder  das  Drergriffane  Organ  offenbart  sich  dnridi  eigenihüm- 
liche  Örtliche  Laidea  in  sieh  selbtt.  Der  Grund  des  Ausbleibens 
lange  bestandener  ooaieiMueller  Leiden,  oder  ihrer  Ueberiragnng 
auf  andere  Organe,  ist  eben  so  wenig  anxngeben  als  der  ihre«  «i" 
eleu  Erscheinens.  Es  kamt  aber  das  Aafhören  eines  lang  bestan- 
denen consensuellen  Leidens  des  Larynx  einen  Unerfahrenen  in 
grofsen ,  sehr  gro^n  Irrthnm  fl^hrea.  Zafftllig  au  einem  solchen 
Kranken  gerade  in  der  Zeit  gerufen,  wo  das  Asthma  ohnedies  aus- 
bleiben wollte,  kann  er  daa  Aashleibaii  «einen  gegebenen  Mitteln 
siisehretben.  Der  Irrthnm  ist  sehr  Tetseihlicb,  qihI  so  lange  ihn 
der  Aiat  für  sich  bebAft,  auch  miBahaldig;  denn  die  Zeit  belehrt 
ihn  sehen  früher  oder  spiter  eioes  Besseren.  Aber  das  Ansposan- 
nea  einer  solchen  Termeiailich  glOdilioben  HeUong  in  einer  Zett- 
aehrift  ist  sehr  schädlich;  denn  durch  solch  fräh-  und  unseitigea. 
Bakaontmacj^en  verlieren  die  Zeitacbrifien  auletxt  allen  Glauben  bei 
den  praktischen  Asiaten,  nnd  diese,  besondars  die  Siteren,  machen 
sieb  «efaon  jetst,  wie  ioli  gemerkt  habe,  -des  Paracelsismns  theil- 
hafiig,  dadureb,  dafa  «ie  nnler  weh  behaupten,  den  gedruckten  Bä- 
ebwn  sei  nkbt  an  trauen. 

Mittel  auf  die  SpeiterSAre. 

Weil  ich  jetzt  tod  den  Eigenmiueln  auf  die  Brustorgane  red«, 
wkre  wol  niehts  natürlicher,  als  dais  ich  dem  Leser  auch  ein  oder 
etliche  Mittel  anf  die  erkrankte  Speiseröhre  Kiittheilie ;  leider  weif« 
ich  alter  nichts,  gar  nichts  auf  dieaes  Organ.  Ich  hoffe  jedoch, 
man  werde  mir  aanichtübel  deuten,  dafsicfai  meiner  jüngeren  Amta- 
brüder  wegen,  von  der  Verhärtang  und  Verengung  der  Speiseröh- 
re, von  diesem  traurigen,  leider  gar  su  oft  vorkonunendeo  Uebet 
«in  wenig  rede. 

Ich  habe  «riebt,  und  zwar  mehr  als  EinmabI,  data  Aente  sich 
etwas  dreist  verma&en,    dieses  Uebel  heben  su  können;    ja  dals 


-     47Ä    - 

•ie ,  diii«h  die  antofaeüwod  gute  Würkung  ibm-  ^^«bMim  Hinri 
getäuBcbt,  niofat  blofg  dem  Kranken  («a«  M eoscblichkeii), 
■ODdern  aucfa  den  Angehörigen  sicliere  Heilang  penpraohen.  Da 
Dun  der  Auegiing  deonoch  todüich  war,  ao  erschieaen  tie  io  dea 
Angen  der  Leate,  je  nachdem  die  (JnuiSode  waren,  entweder  aU 
Unwissende,  oder  als  Beutelschneider.  Weil  ich  nicht  wol  leiden 
kann,  dal«  steh  approbirte  Aerzte  also  in  den  Aogen  des  Volkea 
heruniersetaen ,  will  ich  ihnen«  um  solchen  Mifsgriffen  TOTanbeu- 
gen,  folgende  Erinnerang  geben. 

Bis  jelat  ist  es  ttir  noch  kein  MBsiges  Mahl  gelaogsn,  dieses 
furchtbare  Uebel  an  heilen,  aacl>  sah  ich  es  bis  jetst  noch  nicht 
durch  die  Kanst  anderer  Aenle  geheilt.  Zwar  M-lebte  ich  wol  ein 
paar  Fäll«,  dals  Leute,  bei  der  ersten  Entstehung  laeiBe  Uäfe  ver» 
langten,  und  mir  es  gelang,  sie  durch  den  Gebraocb  des  Qaack- 
ailbers  wiederberxHslellMi;*)  ich  gestehe  jedoefa ,  dals  in  diesen 
paar  Fällen  die  Erkenotntfa  iwar  nicht  sweifejhaft  war,  aber  dtfch 
für  keine  bedeutende  Steigerung  des  Uebels  sprach.  Bai  dem  qb- 
verkeonbar  bis  au  einem  gewissen  Grade  ansgebildetea  Uebel  iaA 
mir  die  Heilung  i>es(iramt  noch  nie  gelangen. 

Einen  einiigen  Fall  ron  wirklich  bis  zu  einen  bedanklicfaea 
Grade  ausgebildeter  Dysphagie  habe  ich  mit  dem  Jod  anacbeinend 
glücklich  bebandelt,  und  das  Uebel  nicht  Torübwgehend,  sondern 
anhallaod,  nach  und  nach  besser  werden  sehen.  Von  der  tcJI- 
kommnen  Heilung  kann  ich  aber  nicht  sprechen,  denn  der  Manta, 
ein  kaufmännischer  Bauer,  war  etwas  weit  von  mir,  in  dan  Nio- 
derlanden  an  Hause,  and,  wie  ich  hioiennaofa  hörte,  hSch^  aber- 
gläubisch. Man  halle  ihn  glauben  gtraacht^  er  sei  behext;  «r 
hat  (wie  man  hier  sich  ansdrüdct)  gehtlichen  Raih  gesucht,  and 
sich  weiter  nicht  bei  mir  blicken  lassen.  Uebrigens  habe  ieb,  arät 
Entdeckung  des  Jod ,  dieses  oft  genug  bei  der  von  Verengemtig 
und  Verhärtung  der  SpMseröbre  herführenden  Dysphagie  gans  ohne 
Nutzen  gegeben,  weshalb  ich  in  dieser  Hinsicht  nicht  den  gering* 
Sien  Wenh  auf  dieses -edle  Mittel  lege. 

Zuerst  mache  ich  auf  die  Täasebang  aufmerksam,  in  welch« 
ein  junger  Arzt  hinsichtlich  der  Erkennlntfs  verfallen  kann.  Es 
gibt  eine  Entzündung  der  Speiseröhre,  bei  der  man  auch  nicht  die 
mindeste  RSthe  des  Gaumens  oder  der  Mandeln  -wahrnimmt  und 
bei  der  der  Krank«  nur  mit  grober  Mühe  und  Schmerz  Flüasig- 
kflilen,  aber  feste  Speisen  gar  nicht  hinunterbringen  kann.  Wer 
solche  Fälle  mit  der  von  Verbäitung  der  Speiseröhre  herrührenden 


*)  Bald«  wireD  junge  MiDner,  dai  Hipdernir*  dei  Seblingaai  bertnd  lieb,  naeh 
ilireH  Gardhle ,  aBgefibr  ii  der  Hitte  der  ^eiierSkr«.  BeB«rk«nwertt  bt 
e« ,   dsr*  der  Vater  dea   eines  n«le  Jahre   apSler  as  der  Dfiphtfit  ftstoftaa 


,,,,  Google 


—    473    — 

Djnph^«  vsrWMbtelt,  4er  kann  in  aeiner  EmbilJoDg  das  Glfic^ 
haben,  mit  gan*  geringm  Mitteln  Meister  des  Airehlbarsteii  ITebelt 
la  sein.  Solobe  chroDiiche  EnisSadongen  der  8peiaerSlire  sind 
vielfiÜtig  gastrischer  Art,  nun  findet  sie  am  Sftenten  aur  Zeit, 
wenn  gastrische  Krankheiten  herracfaen.  Za  andern  Zeiten  sind  sie 
selten,  oder  man  siebet  sie  vidmebr  gar  nicht.  Dieses  behinderte 
Schlingen  weicht  den  Mitteln,  die  auf  den  gasirischen  Zastsnd  pas- 
sen, Ten  welchen  Mitteln  Ich  im  enien  Absehditte  dieses  Kapitels 
hinreichend  gesprochen.*) 

Die  aweite  TSaschang,  in  welch«  ein  Cnerfiahreaer  fallen  kann, 
ist  felgendei  Bei  wirklicher  VerengiMg  und  Verfaftrtnng  der  Spei- 
secakre  wird  das  behinderte  Schlingen  nicht  gana  nnd  allein  durch 
das  mechanische  Hindemib,  das  in  der  Röhre  steckt,  bedingt,  son- 
dern aar  aan  Theil.  Die  Verhirtung  wirkt  als  etwas  StSrendes 
aaf  die  Mnskelfasem  der  Rehre  nnd  renirsachet  nngeregehe  Zn- 
Mmwenaiebang  derselben.  Das  niecltanische  Uinderaifs  nnd  diese 
Zwammonaiehnngen  der  Mnskelfasern  bedingm  anianiMengenom- 
men  einen  gewissen  Grad  des  behinderten  Sehlingena.  Da  wir  nnn 
MiUel  besitaen,  welebe  den  krankhaften  Zusammenaiebangen  der 
Moskelfaaern  steaem,  so  ist  leicht  einaaaehen,  dafa  die  Anwendnag 
dieser  Mittel  in  maaehen  Fällen  dem  Kranken  daa  Schlingen  sehr 
erleieblera  nnd  ihm  neae  Hoffnung  der  Genesung  geben  müsse.  "*) 
Es  ist  aber  diese  Bnuerimg  nnr  adieinbar.  Du  Hanptübel  nimmt 
nach  nnd  nach  an,  nnd  es  kommt  gar  bald  ein  Pankt,  wo  alle 
sogenanate  krampfslillende  Mittel  ihren  Dien«  gans  versagen. 

Ein  Ant,  der  solche  Kranken,  die  ihn  in  seinem  Hanse  nm 
Batb  fragen,  die  licb  anf  die  gegebenen  Mittel  bessern  nnd  dann 
ganz  wegbleiben,  aof  guten  Glauben  als  geheilt  anriebet,  der  kann 
in  seiner  Eänhildvng  die  nnglücklkbe  Dysphagie  oft  gebeill  haben. 
Ea  ist  aber  die  Wnae  maaehw  Menseben,  dafs  sie,  wenn  anf  ein 
g^ebeoos  Mittel  ein  Uebel  sich  betaert  and  hernach  wieder  achlim- 
nwr  wird ,  durch  diese  get&nsdite  Erwarlang  vecdrielslicb  werden 
nnd  an  einem  andern  Ante  geben.  Man  kann  ^so  ompSglich  die, 
wdche  ttiu  dt«  Nnchricht  ihres  Besaerwerdens ,  aber  nicht  ihrer 
TolIsiSndigeo  Heilang  gebracht,  als  wirklich  geheilt' ansehen,  oder 
nan  würde  in  einen  grofaen  -  Irrtham  verfallen. 

Die  von  Verengernng  der  Speiaer5hre  herrührende  Dysphagie 


')  Mt  ieh  OUff  gMchriebM,  hak«  ieh  afl  gauag  GeleKMhall  sckiht,  •)■  cod- 
HismllM  b«bM«Hei  ScIiUnfeB  m  haabacMei ,  waidiM  iok  ■DMSfflich  einer 
ckrMiiehoa  Eatalbdosg  dar  SpMwrBkre  ■ustretbM  koist«.  d<u  m  wkh 
Rir  Bieht  «eltcD  ■■  Kidmi  Tft  iem  »r  Zeil  beilesdei  L«b*rHtltel,  war  aber 
weil  hiaflgor  Zahll  dar  fiebarloien  all  der  acbcrhartna  LebererkraakDag. 

**}  Di«  klladinBi ,  bekanatlidi  iu  nlhshtigito  MiUel  ia  dieier  HiDtiehl ,  wirkt 
M  waitna  sieht  ia  allaa  Fillen  erleiabterad,  aber  wol  le  maaabon,  snd  ver^ 


-..ügic 


—    474    — 

ttiagt  j  Baeb  der  eiattiraniigai  Anwife  aHet  der  l3nglfielcKoh«p, 
bei  detien  ich  in  meineni  Leben  die  HeihiDg  Teraiicht ,  Rber  nicht 
vollbraobt  habe ,  fol^n derma Isen  -  an.  Die  Leute  haben  beim 
Sohlingen  fester  Speisen ,  wenn  diese  gleich  nicht  trocken  aind, 
gerade  dai  Geftifal,  das  wot  jeder  gesunde  Mensch  hat,  weiw  er 
mehre  Mundvoll  trockner  Speisen  schnell  hintereinaDder  T^rschlak- 
ken  will.  Die  irooknen  Npeisea  können  nicht  schnell  genug  in 
der  Speiseröhre  hinnntersteigen ,  und  die  Vollgestopftheit  des  Oe> 
tophagna  bewirkt  ein  Gefübl,  welchem  die  Menschen  in  Terechle- 
denen  Lindem  einen  ganx  verschiedenen  Namen  beilegen.  Sich 
sticken,  si«h  kröpfen  habe  ich  es  nennen  boren,  w«t6 
aber  nicht,  welcher  Ausdruck  in  gnnx  Deuiscfaland  versfflndUeh 
wBre.  Jedermann  indefs,  der  in  seinem  Leben  schon  elnmakl 
etwas  heifsbungerig  trockne  Speisen  verschlungen  bat,  kennet  es 
recht  gut.  Sobald  man  als  gesunder  Mensch  dieses  (JrefSbl  beim 
Essen  hat,  hört  man  so  lange  auf  id  essen,  his  die  Speisen  Im 
Magen  sind,  oder  man  spHlet  sie  geschwind  mit  einem  gsten 
Schlucke  Uelitnk  hinunter. 

Nun,  das  nftmlich»  GefShl  h^Mn  jene  UnglQcklldien  beim 
Genosse  fester ,  gar  nicht  trockner  Speisen,  des  Gemtises,  des 
Fleisches  u.  a.  Anfänglich  haben  sie  es  blolsi  wenn  rie  Bcboci) 
essen ,  hemaeb  auoh  beim  langsamen  Essen.  Sie  müssen  öftere 
Pansen  machen,  um  den  Speisen  Zeit  lum  Hinontenteigen  m 
lassen.  In  diesem  Zeitranme,  der  zuweilen  lange  währt,  ahnen 
sie  noch  niohts  Böses.  FrQher  oder  spftier  nimmt  das  Uebel  im- 
mer mehr  zu ,  in  dab  bald  fetiie  Speisen  gar  nicht ,  sondern  nur 
flüssige  und  dflnnhreiige  hinnuter  gebracht  werden  könuBu.  End- 
lich können  antfa  Flüsaigkeitw  nicht  mehr  hinnnter,  nnd  die  Un- 
gliicklicben  sterben  des  Hungertodes. 

Der  SilB  der  Verengung  ist  sehr  verschieden.  Einen  einsigen 
Mann  habe  ich  behawdelt,  der  sie  nahe  unter  dem  Schlond«  faatto. 
Dieses  konnte  man  daraus  erkennen,  da£i  er  die  geoosmae  Flüs- 
sigkeit fast  angenblioklich  wieder  ausbrach,  nnd  hei  ihm  geschah 
das  Vanslcbgeben  durch  wirldiohes  Erbrechen,  jedoch  ohne  heftige 
Anstrengung*)     Bei  denen,    welchen  die  Verengung  in  der  Mitte 

*)  S«it  iab  obige»  picbriebas  bibe  ich  dnl  Fülle  beobachtet ,  bei  daiea  die  Ver- 
bartaog  im  Scblaoda  telbit  jleeLta.  Alle  drei  L«ider  waren  •otgMeiebDetB 
BranntweiaiKDrer  1  iia  konalea  biiiom  Tode  flüiilge  nod  hreiisfl  Speiien  aehlnk- 
kcD ,  allein  du  Sehlneken  varorMcblc  ihaen  la  fro&es  Sehaian  in  SchiBBda, 
dafi  fie  ei  «Sgliebat  venaiadea.  Alle  drai  battan  Speiehalflnf* ,  welcber  bei 
aiaeai  denalben  14  Tag«  vor  den  Tede  tob  lelbat  ranehwand;  bai  disaeM 
laliUa  fconate  ii^  »it  Beiacn  Flngar  die  obere  GrEoie  einer  Verbürtnof  ia 
der  raeblen  Seite  der  Znegeohui*  rablen ;  wie  weit  und  wobin  »ick  dlcie  Ver- 
hErtans  erttraekte ,  konnte  leb  aber  licM  tnblen  ,  weil  nein  Kiefer  nicbl  lo 
weit  reiebte.  Die  iwai  iBdern  vartrBfen  dleae  Uolanaehnng  gar  nicht,  aie 
aiachte  ibnen  aa  »ohBienkanea  Brachrali,  da&  M  gaas  iavai  ahatehea  SiHitc. 


—    4»    - 

4w  S^bwrtbre,  »der  in  ds  unter«  Htift«,  o4a-  aqf  der  C'ardh 
Meckt,  gMehiehvt  dai  ZarückMBmeii  it»  Vencfaluckttn  oicht  durch 
•igaoUichet  ErfacMfaen,  RondAn  du  VenidilaGkie  kriecht  deo  Men- 
mhen  die  Speiieröbre  hiaauf  und  in  d«B  Mund  anrSok.  Bei  eini- 
fen  ist,  M  lange  «e  noch  eines  fe«te  Speiiea  udilacken  kön- 
Reo,  die  Verengung  eohmenhefr.  Zwelnahl  habe  ich  die  Verhär- 
tiiBg  auf  der  Cardia  in  VereiteniBg  oder  Verjauchung  übcrge^ui 
■eben.  Ea  kam  dieeea  Leuten  eiterigee,  ühelaehmeckeodei  Zeug 
mit  Blut  Tcrmbcht  in  den  Mnnd,  und  aia,  die  gar  nichts  mehr 
hatten  in  den  Ml^wll.  bringen  können,  lehluekten  nach  dieser  Ent- 
leerung lienlich  frei.  Die  Freude  wihne  aber  nicht  lange,  das 
Uebel  wachs  wieder  an,  und  der  Tod  erfolgre,  wie  gewöholicb. 

Von  nlle»  denen,  di»  ich  behandelt  bal>e,  ist  der  einsige,  dw 
die  Vereogtt^  nahe  unter  dem  Schlünde  halte,  am  baldeaiea  gv 
slorbea;  alt*  übrigen  haben  weit  länger  gdittea.  Es  sind  wenige 
Jahre  meiner  Praxis  verlaufen,  in  denen  ich  nicht  zbr  wenigsten 
einen  bis  drei  solcher  Ffille  beobaohtet  hiue;  das  maeht  im  San- 
nen für  ein  solches  kJiglicbea  Uebel  rine  nur  lu  groÜM  Ansahl' 
ans.  Die  bei  weitem  grofate  Zahl  der  Leider  waren  Minner.  Die 
Meinung  mancher  Avntv  ,  als  ob  der  übermBlsige  Gennla  de« 
Branntweins  die  Verhfinung  und  Vcrengnng  des  Oesaphagas  hefSr- 
dere,  ist  mich  eine  von  den  firsilichen  Fabeln;  ich  habe  allerdings 
ansachweifende  Branntwein  tri  nker,  aber  gewifs  noch  mehr  mifaige 
Mensehen,  jn  Weiber,  die  nie  Branntwein  Imakea,  daran  sterben 
•eben. 

Es  wftre  in  wftnsdien,  da&  kluge  Aertte  ein  gutes  Mittel  ge- 
gen solch  ein  grofkes  Leid  entdeckten.  Die  Verhärtung  des  Masl- 
dnnnes,  die  Veriilrtung  der  GebtrmuUer  wollen  die  beutigen  Wnnd- 
ftnle  mit  dem  Messer  anssehseiden ;  ich  glaube  aber,  daJä  sie  ihre 
Mesner  nnd  Znngoi  und  Haken  in  der  ^eiseröhre  6bel  handhaben 
wilden.  £b  fragt  sich  nun,  «h  eine  geschickte  Hand  die  vereif 
garte  Speiseröhre  nicht  eben  ao  gut  erwetlcm  könne,  ds  die  Ter- 
angwte  Barorfthre;  die  Wnodaraaneiknnst  kttmpft  Jn  nicht  blofs 
mit  Fnner  und  Sdiwert.  Den  eiunigen  Kranken ,  der  die  Veren- 
gong  nahe  unter  dem  Sohinnde  halte,  habe  ich  einem  alten  Frennde, 
•iaem  klugen ,  sehr  erfahreDea  nnd  'ichr  belesenen  Wundarzt  su- 
geschiekt,  am  eiomabi  n  sahen,  ab  dieser  nicht  einen  glicklt- 
obea  Einfall  bitte,  der  dem  Kranken  sum  Heile  erschiefaen  möchte 
m^  alter  Freund  wulsle  jedoch  shen  so  wenig  Halb  als  ich. 

Zusais  rom  Jahre  1836. 

Da  ^ph  obiges  schrieb,  waren,  nh  viel  ich  weifs,  die  Er- 
weitenrigswerkieuge  (Dämtatomt)  noch  nicht  erfunden.  Bis  jettt 
biAe  iflb  weder  Jtmttvm  nedi  J^AdUr«  lutnuaeBt  geieheo,  d>er 


—  ue  - 

wol  ror  Knnem  ^flMn,  4ab  «ro  anlilbamr  Meltlcr  sie  btniti  fitr 
nnvollkcnnmeii  hfilt  narf  Biif  Verbosm^ng  d^rselbeii  bedacht  tat. 
£a  ist  mir  wahracheiBÜeh,  dnfs  man  in  Fällen  tob  einfacher  Ver- 
angewaüg,  wo  di«  \Vftitile  der  Speiseröhre  nicht  gtir  xo  sehr  tbf- 
faHriet  and  verdickt  sind ,  viel  Gates ,  ja  wol  gar  Heilang  dareh 
eine  solche  mecluiDisehe  Hfilfe  bewirken  kann.  Ich  fnrchte  aber, 
da^  in  den  meisten  Fftllen  das  Uebrl,  emsiharierer  Art,  in  einem 
wirkliehen  Scirrlo  der  Speiserßhre  besiehe,  und  da  wird  die  me- 
i^anische  Hülfe  nach  wenig  frnchren;  ja  wenn  cbroaisehe  Cnizfin- 
dnng  in  einem  solchen  Aftergebilde  ist,  wird  sie  weit  eher  schaden. 
Die  schnelle  Zunahme  des  (Jebels,  wenn  es  einmahl  gam  langsan* 
bis  auf  einen  gewissen  Punkt  der  Venchttnimening  gekommen, 
schreibe  ich  eincig  der  sich  in  der  VerbKrinng  erxengtea  chroni- 
■ehen  Entsiindnng  va.  BekauBÜicb  lassen  sich  ehroaiscbe  Entxiin- 
dnngen  nicht  selten  dareh  den  innerlichen  Gebrauch  zasainmenaie- 
hender  Mittel  wunderbar  beschwichtigen;  die  grofse  Erleiehiemng, 
die  manche  an  dem  ScirrAo  Oetopiagi  Leidende  nach  dem  Ge- 
branche  solcher  Mittel  fQblen ,  hängt  wahracheinKeh  von  der  {te- 
Bcfawichtignng  der  ebrenisohen  EnlzSodung  in  dem  Aftergehilde  nnd 
Ton  dessen  dadurch  bewirkten  Umfangsverminderang  ab.  Da  diese 
Arxeneien  aber  nicht  das  GrandSbel  beben  können,  so  hat  die  Er- 
leichlerang,  die  sie  dem  Kranken  verschafften,  auch  kein««  Bestand. 
—  In  diesem  laafeoden  Jahre  habe  ich  abermahls  den  Fall  beob_ 
achtet,  dafs  einem  solchen  Kranken  xweinml,  mit  einer  Zwischen, 
seit  von  ungefähr  vier  Wochen,  blntige,  angeblich  nbelachm eckend* 
Stoffe  BOB  der  SpeiserSbre  kamen.  Diese  Entleerang  bewirkte 
eine  ongefthr  aehtifigige  Erleiehierung;  das  Schlingen  tob  Flüssig- 
keilen ging  etwas  besser;    das  Ende  war  aber  der  Tod. 

Ich  habe  oben  (im  Jahr  1830)  gesagt,  nar  swei  Krank«  seien 
dnrcb  {meine  Knust  geheilt.  Indem  ich  vor  Kursen  die  sämH- 
che  Bemerkung  einem  Freunde  machte,  behauptete  dieser  gaoi 
bestimmt,  ich  (ansehe  mich  ,•  er  selbst  kenne  snm  wenigst««  genau 
einen  jungen  Landmann,  der  von  mir  gebeilt  sei.  Da  mein  Fienad 
ein  rechtlicher  Mann  iUi  und  dem  Geheilten  nahe  wohnt«  so  muTs 
ich  ihm  glauben,  nnd  raufs  überlwupt  die  Möglichkeit  mge- 
ben ,  daÜH  der  eine  oder  der  andere  von  den  entfernt  WobneadMi, 
die  mich  in  meinem  Hause  um  Raih  gefragt,  könne  geheilt  sein. 
Solche  I>nle,  die  durch  unsere  Verordnnagpu  geheilt  sind,  er- 
scheinen ja  nicht  mehr  bei  uns,  weil  die  Gesunden  de«  Antes 
nicht  bedürfen.  Die  Eraäblnng  meines  Freundes  veranlafsie  mich 
zu  folgender  ßelrachlung. 

Bekanntlich  liegen  an  der  hinleren  Seite  der  Speiseröhre, 
ungefähr  in  der  Gegend  des  rünften  Kückenwirbels ,  zw^  Drüsen 
von  dar  Gröfse  der  Vielesbohoeo.  Wenn  diese  Drüsen ,  chronisch 
•nuändai}   anscbwnUeni   sokÖBimn  sie  die  SpaiHrübre  verengen) 


—    477    - 

obJ  soldie  FMie  werde«  «s  wol  t«n,  die  licb  darofa  Jod^  adet 
durch  Quecksilber,  oder  durch  andere  Mittel  heilen  lassen;  denn 
ttaruiD  aollien  «ich  diene  Ürüsen  nicht  eben  so  gnt  xur  Norm  xn- 
rCckführen  Insaen  nls  andere  f  Ich  weila  niebl,  da&  ich  in  neue- 
ren Sdiriftitellern  etwas  Gher  die  Eikranknog  dieser  Orfisen  ge- 
lesen habe.  Um  mich  lu  überzeugen,  ob  ich  wirklich  nichts 
darüber  gelesen,  oder  ob  mir  das  Gelesene  entfalleo  sei,  habe 
ich  die  neuste  Encjklopädie  nachgeschlagen,  «war  viel  von  der 
Oyiiphagie,  aber  nichts  von  der  Anschwellung  der  Bückendinsen 
4arin  gernnden.  Von  letslem  Uebel  haben  aber  schon  mehre  äl- 
tere ächririMeller  gesprochen;  ich  eriooere  mich  des  jüngeren 
Jaamtte»  lUo/taun  und  des  Fkil^  Verhelfen.  Erster  sagt  von 
jenen  Drüsen:  iwAulae  et  tma^factae  aliquB  /mmore,  magnum 
impedimemtuM  adfena^  dsglutitittU.  (Enck«iritUum  analom.  et 
palMohg,  pag.  319^.  Philipp  Verhelfen  aber  sagt:  Vidi  ex  hn- 
mm  glandmlamm  tmmare  et  »eürrhotitnte  palientem  prue  inedim 
misere  aiii$»e,  omni  teificet  via  e^  patuique  ad  ventriculum 
praecIntn.^Aperto  autem  cndmvere  reperi  iaiera  ttephigi  ei 
eehementem  compreniomem  eaalnitte,  iptumque  ^pu  tvhnlum  »nh 
glondnlia  iatia  akiiate  in  eorpta  leiidtim.  Ist  es  einmal  so  weit 
geboMmen,  dann  kann  es  nns  freilieh  sehr  gicichgfiliig  sein,  ob 
das  Uehel  von  dea  Drüsen  ausgegangen,  oder  sich  ursprünglich 
jn  der  Wandung  der  Speiseröhre  arsengt  habe.  —  Mir  kommt  es 
so  vor,  als  habe  «ii^  die  Zahl  der  Uaglncklidien,  die  alljshr* 
lieh  an  diesem  kiftglichen  Leiden  aterbeo,  wibrenf  der  Zeit  mei- 
aer  praktischen  Wirksunkeit  nach  und  aacfa  vermehrt.  Ich  b»- 
greife  freilich  recht  gnt,  dab  ieh  tob  der  jetst  gr3fMi«n  Zuhl 
der  Hülfe  Saehenden  nicht  blindlings  auf  eine  Veruehrnng  der 
Krankheit  in  diesem  Lande  sebliefsen  darf;  alwr  abgesehen  voü 
der  Unsiclwrheit  eines  solchen  Sohlaases,  kann  ich  mich  doch 
des  Gedankens  nicht  erwehren ,  dafs  das  Uebel  jetit  hSuiiger  sieh 
«TKfluge  als  früher.  Im  vorig«!  Jafara  s.  B.  balle  ich  allein  in 
dieser  kleinen  Kiadt  vier  solcber  Mftrterer  au  behandeln,  und 
mehre  von  anderen  Orten  haben  HüUe  bei  mir  gesucht;  wievielt 
das  habe  ich  tticfai  aagaschrieheD  and  werde  es  ancfa  nie  anschrei- 
ben, denn  ich  weile  vorher,  dafi  das. endliche  ErgebolA  einm 
solchen  Bnchfühmng  ein  ganz  untröstliches  sein  würde.  In  mei- 
ner Jugend  miisaen  meine  nniveniiSilsehen  Meister  weit  weniger 
mit  diesem  Elende  xa  ihno  gehabt  haben ;  faStten  sie  so  viel  Jam- 
aaw  davon  erlebt  als  ich ,  so  würden  sie  mir  gawifs  einige  nüm- 
liche  Winke  hinsichtlich  der  Diagnose  nnd  Prognose  gegeben 
haben  Sie  sprndien  aber  nnr  beiläufig  davon,  wo  dals  ich  es 
für  etwsM  A  nlsergew5hn1iches  halten  mubie,  das  vielleicht  so  sel- 
ten in  der  Praxis  vorkomme,  als  Darmsteine,  Zungensteine, 
Foetu»   extramterixK»    und    d.    g.     Ja  F.  Hoffmann,    der  gewifa 


-    478    — 

ein  erfahrener  Arct  iind  treuer  praktischer  Schrifuieller  rat,  muh 
■ehr  wenig  eigene  ErFahrung  daräber  gehabt  haben,  denn  er  be- 
rührt den  Gegenitand  nnr  beilfiufig  nnd  verweilet  nar  auf  «in 
paar  fremde  Beobach fangen.  Was  er  von  den  unlerseheid enden 
Zeichen  der  in  Rede  siebenden  Dysphagie  nnd  der  blofs  krampfi- 
gen  sagt,  wird  gewifs  Jeder,  der  jenes  traurige  Uebel  nni  ein 
duiiendmabl  beobachtet  bat,  unzureichend  findeo.  (Mtdic.  ru- 
tümal.  »yir««.    Tm.  IV.  part  HL  Cap.  5  §.  8J 

Obgleich  nun  aber  das  besprochene  Uehel  in  den  meisien 
fallen  nnbeilbar  nnd  tSdilich  ist,  so  mufs  sich  doch  der  Arst  hü- 
ten, die  Tödtlichkeit  des  Unheilbaren  gar  an  bestimmt  aussuBpre- 
chen.  Da  ich  im  Jahre  1797  hierhin  kam,  lernte  ich  eine  Frau 
Toa  milüem  Alter  kennen,  welche  damabla  schon  mehre  Jahre 
an  der  Dysphagie  geliltea.  Diene  ist,  ohne  geheilt  au  werden, 
über  achtxig  Jahre  alt  geworden,  denn  sie  ist  erst  im  Jahre  1K31 
gestorben.  Sie  halte  eine  Verengung  der  Cardia,  odea  des  dwr 
Cardia  sehr  nahen  Theiles  der  Speiserälire ,  konnte  gar  kein« 
feste  Speisen ,  sondern  nur  dünnea  Brei  und  Flnsai^^en  schlin- 
gen. Das  Uebel  ist  auf  der  nimliehen  Höbe  bis  au  ihrem  Tode 
geblieben ,  sie  ist  auch  nicht  an  der  Dysphagie ,  aondem  au 
Marasmus  gestorben.  Da  sie  aohoo  alt  war,  wurde  ich  einsi  itt 
ihr  gerufen.  Sie  klagte  über  Schmers  in  der'Cardia,  und  das 
Schlingen  war  so  sehr  erscbweret,  dafs  sie  nicht  mehr  dünnen 
Brei ,  sondern  blob  Flüssigkeit  und  swar  nur  mit  Schmers  nnd 
grofser  Muhe' hinunier  bringen  konnte.  Sie  behauptete,  ihre 
Tochter  habe  ihr  eine  Suppe  mit  Zwetachen  bereitet  und  aus  Un- 
achtsamkeit einen  Zweticbenstein  in  der  Suppe  gelassen;  diesen 
habe  sie  versehluekt  und  er  stecke  ihr  im  Magenmunde.  Was 
eigentlich  Wahres  an  diesem  Vorgeben  sein  mochte,  konnte  ich 
nicht  wissen;  alte  Leute  haben  ja  auch  anweilen  seltsame  Ein- 
bildungen. 

Nachdem  sie  einige  Tage  gelitten,  nnd  ich,  um  ihr  Genüge 
SU  leisten,  einen  einfactien  milden  Oeltrank  verschrieben,  xeigte 
sie  mir  eines  Tages  eine  blutige  Snbsiana,  welche  reichlich  einen 
Zoll  lang,  zwei  Linien  breit,  nnd  eine  Linie,  dick  sein  mochte; 
diese  bebanpteie  sie  ausgebrochen  xu  haben ,  und  seitdem  gebe, 
sagte  sie,  das  Schlingen  wieder  besser,  nämlich,  wieder  so  gut 
als  vor  dem  angeblich  venchluekten  Zwetschentfeine.  Das  ana- 
gebrochene  Ding  hatte  die  Farbe  der  in  Branntwein  aufbewahrten 
anatomischen  Pritparate,  wenn  diese  nlmlieh  nlofat  mit  rotbw 
Farbe  ansgespritxt  sind. 

Dieser  Fall  beweiset,  dab  die  unheilbar«  Verengung  und 
Verhirtung  der  Speiseröhre  nicht  immer  tddtlich  sei.  F.s  ist  aber 
anch  dw  ainilge  Fidl  der  Art,   den  ich  seibat  beobachtet  habe. 


Besondere  Bemetkmngt»  Über  eimige  die  Brmatorgme 
betrtffe»4t  GegetuiSnät. 

Unier  den  Milleln,  welch«  angeblich  LuDgeiMiterua^  beileo 
MHen,  behauptet  der  Bleizucker  auch  seinen  Plalz.  Ich  habe 
ihn  in  (rnherer  Zeit  oft  gebrancht,  aber  nichi  gefunden,  Aats  er 
du  leistet,  was  man  von  ihm  geriihmet.  AbssesH  können  bei 
desaoD  Gebrauche  amheilen,  aber  Geaebwüra  heilen  nicht.  B»- 
finden  sich  aber  in  einem  Abssesse  \ebengSnge  und  Zellen^  so 
ivird  diese  der  Bleixncker  eben  so  wenij;;  ausheilen  als  es  andre 
Mhtel  ihun. 

VAta  mnfa  ich  aber  euf  Stener  der  Wahrheit  sagen :  die  Ka- 
tarrbaUehwindsncfat,  wenn  sie  sich  noch  im  Zeiiranme  der  Heil- 
baAeit  befindet ,  nnd  anter  der  Heilbarkeit  des  Eisens  stehet, 
kann,  niefat  einbildiecb,  sondern  wirklich  und  angenfSIlig  durch 
BieiKucker  geheilt  werden. 

Auch  die  Pitkiii»  imberevloia,  so  lange  noch  Hülfe  Möglicb 
ist,  das  heifst,  so  lange  nur  chroBisch«  Eotsfindung  in  den  Kno- 
ten ist,  kann,  wenn  dies«  Entsündung  mit  einer  unter  der  Heil- 
gewalt des  Eisens  stehenden  Affektion  des  Oesamiatorguaismaa 
verbunden  ist,  ebenfaUs  durch  das  Blei  seitlich  geheilt  werden. 
So  ist  ferner  auch  keinem  Zweifel  nnierwurfen,  dals,  untM-  der 
nanliefaen  Bedingung,  ein  rein  abssedirter  Knoten  durch  das  Blei 
ansgebeilt,  die  chronische  Eotsündung  anderer  benachbarten  Kno> 
ten  gekehrt,  mithin  die  Schwindsucht  fQr  die  Zeit  geheik  werden 
könne.  BHdet  aber  ein  solcher  Kneten  ein  GescbwGr,  das  beifst, 
filngt  die  Eiterung,  nicht  wie  beim  Abssefs,  im  Mittelpunkte, 
sondern  anf  der  Oberfläche  an ,  so  ist  das  Blei  bestimmt  kein 
Heilmittel  6ei  J^lküü  tmberculata,  wiewol  ich  siüasse  dafs  es 
den  Arst  und  den  Kranken  sehr  iftoschcn,  beiden  mit  grofs« 
Hvttbnng-  einer  baldigen  Heilang  schmeicheln  kann.  Der  Kranke 
kann  «iob  nftmlieb,  ( varausgesetxt  die  ASektion  seines  Gesamint- 
ofganismus  stehe  nicht  nni«r  der  Heilgefralt  des  Haipeters,  son- 
dern des  Eisens)  so  vortrefflich  bei  dem  Gebraaefae  des  Bleies 
befinden,  dafs  ein  minder  Erfahrener  nothwendig  glauben  mufs, 
er  habe  gewonnenes  Spiri.  Die  Besserung  ist  aber  nur  schein* 
bar  und  beruhet  einxig  auf  <^  woblthStigen  Umänderang  der  Af- 
fektion des  GesammiorganismuB.  Das  Örllicbe  Langenleiden,  die 
VerschwSning  Eines  oder  mehrer  Knoten  gehet  seinen  Gang  un- 
gestört fort,  und  gar  bald  kommt  die  Zeit,  wo  das  durch  Blei- 
xueker  bewirkte  Wohlbefinden  wiednr  xum  Uabelbefioden  wird. 

Das  Blei  ist  in  seiner  Heilwirknng  nahe  mit  dem  Eisen  ver- 
wandt^ es  ist  so  gnt  wie  dieses  ein  Unlrersalmittel ,  ein  Mittel, 
welches  den  anf  eine  eigentbämlicbe  Weise  erkrankten  Gesamrat- 
organismus  sor  Norm  zarückführel ;  es  nntencbeidet  sich  aber 
dadurch   von   dem  Eisen,    da£i    es,    je   nachdem    der   Körper  für 


-    460    — 

seiM  EinwiricuBg  empAng^kh  ist,  («nAkli  aaf  die  Dftmie  od« 
aof  die  Mundhöhle  einwirkt. 

Obgleich  ich  das  Blei  ia  frühem'  Zeit  oft  nnd  viel  gebraucht. 
Wann  ich  doch  Bicht  behaupten,  aeine  feindliche  Einwirkung  auf 
den  Darmkanal  oft  beobachtet  xu  haben,  imGegenlheil,  ich  habe 
Hie  sehr  leiten  erl^t.  Folgendes  hübe  ich  aber  beobachtet,  wel- 
chea  mir,  binticbiliob  dei  Behaodlaog  der  Bleiknuikheiten,  be- 
»erk^BRwerth  icheint.  Der  gröüite  Theil  derer,  denen  ich  daa 
Blei  als  Araeaei  gegeben,  hat  nämlich  früher  oder  ipSter,  zn- 
weilen,  nachdem  in  vieriefan  Tagen  kein  Blei  mehr  genommen 
war,  einen  mfifalgen  Durchfall  bekonuuen,  der  mehre  Tage  an- 
hielt nnd  in  den  meinen  Fällen  ganz  schmerzlos  war;  in  einigen 
Fällen  ging  jeder  Eatlaatung  ein  unbedeutendes  Kneipen  der  Dftt- 
me  vorher.  Ich  bin  der  Meinung,  dafs  sich  die  Natur  auf  die 
Weise  de«  Bleies  entledigt,  und  halte  ei  lur  unweiae,  ihr  atd- 
rend  in  den  Weg  zu  treten.  Die  Zeit,  die  der  Durchlauf  an- 
hält, Mheint  eitaigermalseii  mit  der  Zeitlang«  des  Bleigebraachei 
tm  Verfaähoili  zu  iteheo. 

Sollte  das,  was  i«b  hier  zage,  von  andern  Aerzten  noch 
nicht  bemerkt  sein,  und  die  Leser  deshalb  an  der  Wahrheit  me»- 
Der  Beobachtung  zweifeln  wellen,  so  bezeuge  icb  ihaeo  ansdrück* 
lieh,  dafs  sie  auf  die  Wahrheit  meiner  Beobachtung  bauen  köo- 
nea;  denn  da  ich  diese  Nalurbülfe  etUchemahl'  xufUlig  gewahr 
worden  bin,  habe  ich  mich  hernach  absichtlich  um  diesen  Ge- 
geasiand  bekümmert.  Ist  es  nun,  nach  der  Meinung  verstAndiger 
Aerzte,  sicher,  der  Natur  in  ihren  Heilprozessen  naehsMahmen, 
■o  würden  wir  wol  Blei krankh eilen  dadurch  am  besten  bellen, 
dafs  wir  den  Leider  ein  vierzehn  Tage  bis  drei  Wochen  in  n- 
nem  Zustande  des  mBlsigen  Üurebfallei  erhielten.  Ich  apreche 
aber  hier  falofs  nach  meiner  Beobachtung,  nicht  nach  Verfluchen; 
ich  lebe  in  einem  Lande,  wo  ich  weder  mit  Ber^eaten,  oocb 
mit  Bleiarheitern  zu  tbun  habe ,  mithiu  fehlt  mir  Gelegenheit, 
Versuche  zu  ua^en.  Eine  sehr  seltsame  Wirkung  dea  Bleies 
habe  ich  einmaht  eilebt.  Bei  einem  Bucheinend  starken  Manne 
wirkte  es  nftwlich,  vom  ersten  Augenlilioke  seines  Gebrauohea 
an,  wie  die  heftigste  Pnrgans.  D^Mann  war  klug  genug,  die 
Arienei  stehen  zu  lassen ,  und  mir  von  dieser  heftigen  Wirkung 
Bericht  zu  erslatlen;  die  Leser  werden  auch  wol  denken,  dafil 
ich  nicht  so  unweise  gewesen,  den  Gebrauch  dei  Bleiiucken 
fortietzen  zu  lassen.  Da  meine  Verordnung  in  einer  fremden 
Apotheke  bereitet  war,  konnte  ich  nicht  wissen,  ob  hier  bloü 
die  Eigenthümlichkeit  des  also  heftig  ergriffenen  KSrpera,  oder 
die  Unreinheit  de^  Bleizucken  io  Anichlag  zu  bringen  sei. 

Die  feindliche  Einwirkung  des  Bleies  auf  die  Mundhöhle  ist 
für   den  Kranken    und    den    Arzt   sehr  I&uig;    ich  habe   si«  weit 


—  481  — 
mehr  fchafil,  >Ia  rfie  foiniiliehe  E^nwirkang  auf  die  DSnne.  Sie 
bectehei  is  einer  Eoisilsdang;  der  Mandeln,  des  Ganmefn  und  des 
Zahnfleische«,  knn,  der  ganxen  Mundhöhle,  gerade  wie  bei  dem 
■afangenden  QueeksUbenpeicfaellusae.  Ich  habe  beim  Einlritle 
dieeee  ZnfnlleB  gleich  dem  Gebranche  des  Bleixuckers  cnisagt, 
iweifle  aber  nicht,  der  TortgeMtne  Gebraneb  würde  einen  wirk- 
Kehen  Speichelflufe  vemreachet  haben.  Nicht  durch  Einen,  son- 
dern durch  mehre  FSile  von  der  Richtigkeit  meiner  Beobachtung 
rergewissert ,  nnd  mich  nicht  erinnernd,  je  dergleichen  gelesen 
sn  haben,  sching  ich  etliche  Arten  ei  mit  teil  ehren  nach,  ohne  et- 
was von  dem  Gegenstände  in  linden ;  ja  ich  «ah  selbst ,  dafs  in 
etlichen  der'  neneaten  ein  tiefes  Schweigen  darüber  herrschte. 

Im  Allgemeinen  weifs  ich  zwar  wol,  dafs  die  Augen  man- 
chc(  praktischen  Aerxie  durch  die  Sehullehre  so  sauberisch  ge- 
blendet sind,  dafs  sie  bei  der  Anwendung  der  Aneneien  nur  die 
Wirkung  sehen,  die  selbige  nach  der  Lehre  herrorhringen  müs- 
•en;  jene  aber  gana  nbersehen,  von  welcher  die  Sehullebre 
schweigt.  Kaum  kann  ich  mir  aber  denken,  dafs  anter  denen, 
welche  über  den  Urzllichen  Bleigebrnoch  geschrieben,  kein  ein- 
aiger  sein  sol'le ,  der,  gleich  mir,  die  feindliche  Wirkung  des 
Bleies  auf  die  Mundhöhle  beobachtet  hSlIe.  Das  Wahrscheinlich- 
ste ist,  dafs  der  Zufall  mir  und  meinen  Srsilichen  Freunden,  die 
ich  darüber  befragt,  nicht  jene,  in  der  Biicherwelt  vielleicht  vor- 
handenen, meine  Beobachtung  bestätigenden  Schriften  in  die 
Hsnde  gespielt  bat.  Wollte  ich  also  mehr  sagen,  als,  man  suche 
vergebens  Bestfitignng  meiner  Beobachtung  in  mehren  geschStzien 
Büchern,  welche,  hinsichtlich  ihres  Zweckes,  noihwendig  davon 
XU  reden  hfiiten,  so  mufäte  ich  entweder  ein  ungeheuer  grofser 
Bfl  ch  erkenn  er ,   oder  ein  recht  grofser  Narr  sein. 

Möglieb  ist  es,  dals  manche  A erste,  die  das  Blei  blofs  im 
lotsten  Zeiträume  der  Lnngensncbt  gegeben ,  wo  die  Eatziindung 
der  Mundhöhle  ein  gewöhnlicher  Zufall  ist,  die  feindliche  Wir- 
kung df s  Bleies  eben  so  gat  als  ich  gesehen ;  sie  bähen  aber 
wahrscheinlich  diese  bleiische  EntsOndung  mit  der  phthisischen 
verwechselt. 

Es  gehet  dem  Heilkünstler,  dem  es  Vergnügen  macht,  seine 
eigenen  Beobacbluiigen  mit  denen  anderer  Meister  zu  vergleichen, 
zuweilen  gar  wunderlich.  Man  sucht  in  den  Schriften  berühmter 
Aerzte  vergebens  Belehrung  über  einen  Gegenstand,  und  wenn 
man  sich  den  Kopf  wirre  und  die  Augen  müde  gesucht  hat ,  hört 
man  auf,  sn  suchen.  SpHter,  nachdem  die  gesuchte  Sache  ISogst 
aufgehört  hat,  Gegenstand  einer  besonderen  Forschung  nnd  Lieb- 
haberei zu  sein,  findet  man  zuweilen  die  inieressanteslen  Bemer- 
kungen und  Beobacbtnngen  daröher  ganz  zufällig  in  dem  Buche 
«ines  nnberühmten  Schreibers,  ja  wol  gar  in  einer  nicbtinedizini- 


-^  im  — 

sehen  Schriß.  Mir  ist  es  mdir'inabls  in  meinem  Leben  m  ei^n* 
gee,  nmiiftiMÜfili  aber  mit  dem  Blei.  Schon  Ungtii  haue  ich  den 
Gebrauch  desHelben  rerlaasen  nod  «s  darcb  ein  irafeindÜciiea  Mii- 
Ittl  erieiKi,  da  lese  ich  eines  Tage«  lur  Umethallung  in  C.  P. 
Tku»&ergt  Keiseu  durch  einen  Tlieil  von  Europa, 
Afrika  und  Asien,  und  stofse  auf  folgende  Ej«ftblung<  Der 
Verfasser  baiie,  bei  einer  Seefahrt,  mit  einigen  vom  der  Sobiffs- 
geaeDschaft  Pfannkuchen  gegessen,  in  welch«  wia  Versehen  eine 
guie  Portion  Bleineifs  slalt  Mehl  g«mengt  war.  AVi«  es  ihn 
selbst  darauf  ergangen,  beschreibt  «r  mit  folgenden  W^en: 
„Schon  «IM  nftiiilictten  Tage  schwoll -tiiir  das  Zahnfleisch  um  di« 
„Wurxel  der  Zähne  so  auf,  dafs  sich  kleine  II5cker  forinirten, 
„die  mir  unittreiiig  Bleiweife  wi  enihalteo  schieoeB  (!J,  und  sehr 
t,enipfiadlicb  waren.  Eben  so  schwollen  mir  aaeh  die  Mand«ln 
„nowol  im  Munde  als  unter  dem  Kinno,-  der  Speichel  war  afth, 
„und  die  Zunge  sah  bräunlich  aus.  Am  folgendeo  Tage  fing  ich 
„an ,  förmlich ,  wiewol  gelinde  sa  salivireo ,  der  Mond  wurde  in- 
„wesdig  wand,  besonders  an  den  Seiten,  und  der  Athem  bekam 
„einen  häfslieheA  Gestank." 

Wie  es  den  übrigen  der  SehiSsgesellsebaft ,  die  von  den 
Pfannkuchen  gegessen ,  ergangen ,  wage  ich  nicht  au«  meinem 
Gedäcfalaisse  nachxu schrei b« n ,  denn  es  ist  schon  gar  lange,  dafs 
ich  jenes  Buch  gelesen;  mir  stehet  aber  vor,  dafs  der  grö&i« 
Theil  ähnliche  ZiifSUe  bekommen.  Wem  das  Buch  xur  Hand  ist, 
.der  seh«  es  aeibal  nach.  Den  besprochenen  CJegensiaod  Sndel  er 
im  eraien  Bande  der  deuischen  Uebervetsiu^  von  Groietmr/. 
Seile  79.  *> 

Watteryencheliane. 

Dieses  Mittel ,  welches  mir,  als  Ltmgeneilemng  heilendes, 
luerst  durch  einen  Aafbaix  des  Prof.  M.  Ren  im  Hufelandischen 
Journale  ist  bekanntworden,  habe  ich  in  früheren  Jahren  oft  auf 
die  Probe  gestellet ,  kann  aber  nicht  sagen ,  dafs  es  mir  etwas 
genütst  bBlte.  Freilich  habe  ich  mich  sehr  gehütet,  es  beim  Lnn- 
genabszefs  auf  die  Probe  zu  stellen;  denn,  da  ich,  wie  oben 
erKübli,  schon  in  dem  ersten  Jahre  meiner  Kansiübang  den  Vor- 
iheil  halle,  ein  paar  tüchtige  Lungenabssease  ohne  Apothekermit- 
lel  ausheilen  zu  sehen,  so  würde  es  doch  ein  wahres  Tollhäus- 
lerspiel  von  mir  gewesen  sein,  die  angebliche  Wunderkraft  des 
Wasserfenchels  durch  Heilen  eines  Abszesses  bekunden  xa  wollen. 


')  Seil  ich  Obige*  getiAriebeB,  habe  leb  io  Frarirp  NotiieB  (Bind  35  Sl.  23 
S.  ii)  (eleiBi  ,  dir»  W.  LeiJlme  Veriocfae  mit  dem  AleiiDcker  gesucht. 
Er  hat  ebenfalli  fernnden,  dar«  deraelba  Gesehwalil  de*  Zaboneiacbea ,  ji 
wirkHelMii  SpaiekeMub  vMartMhl. 


—    483    — 

Nein,  irenbe  LetH.'  ich  baba  ihn  nicht  eininahl  in  iwalfelhaf« 
ten  Fallen  auf  4lie  Probe  geetellet.  Es  gibt  nXmlich  FSlle,  wo, 
wegen  Unerfonohlichkeit  der  vorhergegasgeneD  UniiAnde ,  es 
mwiaglich  iit ,  mit  Betliieiatheit  ansngeben ,  ob  mitn  mit  einem 
AbuesMt,  oder  mit  einem  Geschwüre  »a  tbnn  habe.  Ja  es  kann 
aach  ein  anfangi  echter  Abazeb  lum  am  erwählenden  Lungengc- 
schwüre  weiden;  denn  so  gut,  wie  der  Eilei  eines  MntkeUbs- 
■esses,  wenn  dieser  nicht  snr  gehörigen  Zeit  geSffoet  wird,  in 
das  benaehbarle  Zellgewebe  flinsaalcen,  and  dort  Fijnelo,  anue- 
breitMe  Scbwfirungen,  ja  selbst  den  Tod  verursachen  iuinn,  so 
Icann  auch  der  Eiter  eines  Lungen absseatea ,  wenn  sieb  dieser 
nicht  leilig  öffaet»  echte  Ulseratioo  der  Lange  und  grobe  Zer- 
stönutg  ihrer  Subsiani  Tenirsachen ;  denn  wenn  e*  gleich  wahr 
ist,  dafs  manche  Longeoabssesie  fast  uodorchdringUche  Wnudun- 
gen  haheo,  so  fehlt  doch  noch  gar  riel  daran,  dais  sie  «■  alle 
h&tlen.  Nun,  in  solchen  swaifelhaften  Fftllen  habe  ich  den  Wa«- 
serfenchel  nicht  gebraueht,  denn  ich  wollte  eben  so  wenig  daxu 
beiimgen,  seinen  ungegründeten  Ruf  in  bestätigen,  als  seinen, 
vielleicht  mit  Recht  ihm  intcomMenden  sn  sohm&lern.  In  der  Ka- 
tarrholkchwindsucbt,  wenn  fadchst  wahischeiolicb  schon  Eiterung 
eingetreten  war ,  in  der  iftMww  twberculota^  wenn  ebenfalls  £i- 
temug  eingetreten  war,  habe  ich  ihn  gebraucht,  und  noch  kei- 
nen einsigen  Fall  erlebet,  in  welchem  ich  seine  Heilkraft  hätte 
erkennen  k&nnen.  Ja  mir  scheint,  ich  wollte  mit  Buchen-  oder 
Tanaenaägemehl  die  eiterige  Lungensocht  wol  eben  so  erfolgreich 
bdiandeln ,  als  mit  Wasiarfencbal.  Als  billiger  Mann  habe  ich 
ihn  auch  nicht  im  leliten  Zeitraame  der  Krankheit  gegeben,  son- 
deni  iM  dem  Zeitranme,  wo  die  Kranken  noch  nicht  hetilfigerig 
waren,  noch  heramgiogeD  nnd  noch  zum  Tbcile  ihre  Geschlfie 
versiüien,  denn  ich  verlange  von  einem  angeblieh  guten  Heilmit- 
tel nur  das  M&glicbe,  oiobt  das  Uam&gliohe. 

leb  übeilaese  es  den  Lesern,  die  von  M.  Hers  im  zweiten 
Buide  des  Hnfelandiecbea  Journals  eraftbllen  Krankheitsfälle,  nach 
den  vMi  mir  aosgesprocheoen  Ansichten,  (die  von  den  Ansichten 
anderer  veniSodigea  Heilmeisier  wol  luhwerUeh  ab^\ei€hen)  einer 
gnns  billigen  Kritik  «a  unterwerfen;  sie  werden  dann  schon  se- 
hen, wie  der  Grund  beaehaffen  ist,  auf  welchem  der  heutig«, 
xwar  nicht  grofse,  aber  doch  noch  noibdUrftig  sich  hütende  aa- 
li|iluhieische  Ruf  des  beaprocheneD  Mittele  beruhet. 

Uebrigene  bin  ich  weit  entfernt,  dem  WasserfeiKhel  deshalb, 
weil  ich  durch  ihn  heia«  Laogwigeschwute  habe  heilen  können, 
aUe  Heilkräfte  auf  andere  Organe  abzasprechen.  Er  kann  wim- 
derv^e  Kräfte  beritaen,  ich  kenne  me  nur  niehi ,  weil  ich  noch 
keine  Veranlassung  gebäht  habe,    sie  SQ  uatersuchen. 

■      "      •  .,  jj.^Göüglc 


—    484    — 

TbeerriflcberiiDg;  habe  lob  auch  bei  Lung«ngescb»ür«ii  ange- 
winder,  aber  ne,  wie  manche  andere  Dinge  nutzlos  befaadea. 
Voiu  Schwefel  ugie  ich  Bchen.  im  rerigan  Abschnitt«  meine  Mei- 
nung. In  Onniigestak  (nur  nicht  in  schwefelicht  laorer^ 
leialel  er  eben  to  wenig  all  inoeriich  gereicht.  Oi*  Allen  haben 
ihn  freilich  Baitantmm  pulmnmi*  genannt,  dae  ist  ntter  eine  ven 
den  Albernheiten,  deren  xie  mehre  geugt,  nnd  ee  ietganx  üher- 
flÜHig,  heat  sn  Tage  ihnen  selbige  nachzu lallen.  Bai  Verg;lei- 
cfaung  det  Neuen  mit  dem  Allen  haben  lich  xmveilen  eekaame 
tiedanken  in  meine  Seele  g«ichliehen;  ea  ist  mir  nSmIicfa  vorge- 
kommen,  b1«  habe  man  die  treffliehsten,  wahrsten,  auf  richtige 
BeobaehtuKg  «ich  ilfiuenden  Bemerkungen  anierer  Altvordern  Mn- 
beaehlet  gelaaaen ,  midsicb  darauf  beschränkt,  gewisse  toih  grauen 
AUertbume  ihnen  vererbte  GenieiniStxe  und  Albernheiten  als  son- 
derliehe  Wasbeit  herausia heben.  Wahrbafiigi  die  medisinische 
Bncherwelt  ist  eiae  gar  wunderliche  Welt.  Wer,  m  einem  Alter 
von  vierxig  Jahren  gekommen,  nicht,  auch  ohne  die  Erntabanng 
unseres  achiharen  Hufeland,  ven  selbst  duldsam,  ja  wei  nicht 
auni  leibhafMn  Demokrit  geworden ,  dem  enge  iiA  anf  den  Kof»f 
zu,  dafs  er  entweder  auf  der  BSrenhant  gelegen,  oder  dais  er, 
wo  nicht  ein  sehr  achlecbiei,  doch  ein  sehr  schwerfälliges  und 
versteiftes  Gedäcbinifs  haben  müsse. 


Zu  den  Selienheiteo ,  von  denen  ich  früher  in  den  Bachern 
gelesen,  geh&rt  auch  das  Auswerfen  kleiner  KnochenstiickcheB 
aus  der  Lunge-  Ich  hnbe  einen  salchen  Fall  ein  einiiges  Mahl 
erlebt.  Der  Knoehenspeier  halte  von  Kindheit  an  eine  böM  Brost. 
Die  Knochen ,  die  er  auswarf,  waren  gani  kleine,  dem  blofsen 
Auge  jedoch  deutlich  erkennbare  Knoohenblltlcben.  liehrigens 
war  der  Mann  nicht  krank,  und  arsneiete  auch  nicht,  er  hatte 
hlofa,  wie  gesagt,  eine  schlechte  Lunge  nnd  spie  belricfatlich 
Sehleim  aus.  Wie  viel  er  von  den  Knochenbiftttcben  ausgewor- 
fen, wufste  er  seihst  nicht,  nnd  aus  welchem  Theile  der  Lnfi- 
röhre,  oder  des  Kehlkopfes  sie  gekommen  sind,  das  weifs  ich 
nicht.  Ein  paar  von  den  Dingern  habe  ich  noch  lange  bewahret, 
auf  die  Dauer  sind  sie  aber  verworfen  worden.  Das  Knochen- 
answerfen hat  bei  diesem  Manne  nicht  lange  gewiihret,  ich  kann 
aber  nicht  die  Zeit  bestimmt  angeben,  wie  lange,  denn  ich  habe 
ihn,  weil  er  übrigens  auf  seine  Weise  gesund  war,  nicht  als 
Arst  behandelt  und  kein  Bu«^  Bber  seinen  Knoi^nanawurf  gerdh- 
ret.  Er  hat  ungeftthr  noch  zehn  Jahre  nachher  gelebt,  und  ist  dann, 
dnreh  itbermäfsiges  Branntweintrinken  körpetlich  nnd  geistig  zer- 
rüttet, an  der  knotigen  Lnngensucht  gestorben.  In  dieser  letEten 
Krankheit  bat  er  aber  keine.Knochea  ausgeworfen:   das  weifs  ich 


—    485    — 

'  bratiinM,    demr  idi   habe  Uid  Omlich  bdiBiid«li  aai  mich  bvMHl- 
den  dsrnaoh  wkupdiget 


leb  hnbe  int  V«rMebeo4ea  ;«mgt,  daU  ich  in  eiiMcliwD  FbI- 
len  vorfibflTgebsa<le  LährauDg  der  Kxlramitltftn  als  Folge  eines 
Henfeblers'  beobachtet.  Seit  ich  jenes  geadu-iebeR,  erlebte  ich 
den  enlen  Fall,  in  welchem  die  Lähniutig  gewiCi  iMcht  voraber- 
gehend  an  nennen  war.  Dieser  Fall  ist  in  mehr  als  eisar  Hia- 
aicbl  merkwürdig, 'darnat  werde  ich  iho,  mit  Vermeidung  aller 
aicfatssngemlen  scbnigereeiiteir  WeilocbweiGgkeil ,    den»  Leiter   er- 

Eia  vier  and  swaasigjäbriger  Mann'  rerlai^M  den  drillen  Oc- 
lober  1830  UMine  Hülfe.  Er  war  so  katt  von  Aibem,  d»&  er 
nicht  liegen  konnte,  sein  Puls  klein,  and  so  unregelmSbig  und 
aiiseetsend ,  dafs  etwas  Unri^felniariigerei  unmäglich  kann  gedaeht 
werden.  Der  barnaaiire,  sehr  aparaani  ausgesonderle  Urin  war 
so  angebeuer  morastig,  dafs  ich  sehr  seilen  in  meinem  Leben 
garstigem  gesehen  habe.  Die  FDbe  waren  bis  su  den  Knien  öde- 
iiialös  gcBcbwoilen.  Im  Bauche  kennle  ich  keine  Fliikiualion  ent- 
decken. Die  Efiluat  war  gering,  der  Geschmack  biiter.  leb  hielt 
diesen  Zustand  für  die  von  einem  organischen  Herzfehler  abhän- 
gende KruBlwassenuebt  mit  gastrischer  Cemplikation,  und  behan- 
delte ihn  nach  dieser  Ansicht.  Die  gastrisch«  Complikalion  trat 
mir  bei  dieser  Behandtang  so  stftrend  in  den  Weg ,  dals  swei  and 
swansig  Tage  hingingen,  ehe  Ich  den  .Mann  wieder  auf  dem  Punkte 
hatte,  anf  welchem  er  vor  diesem  Uebelbefinden  gewesen  war. 
Da  er  wieder  gat  schlafen,  essen,  trinken  und  harnen  kennte, 
da  er  nicht  mehr  engbrauig,  nnd  die  Fufsgeschwulst  rerachwna- 
den  war,  gab  ich  ihm  den  fiinf  und  awanaigsten  desselben  Mona- 
tes den  Abschied.  Sein  Puls  war  nun  noch  eben  so  ungeregelt, 
als  ich  ihn  bei  meinem  ersten  Besncbe  gefunden.  HSlle  ich  ihn 
aber  noch  ein  ganzes  Jahr  besuchen  nnd  ihm  die  halbe  Apotheke 
in  den  Magen  schicken  wollen,  so  würde  der  Puls  doch  ongere- 
gelt  geblieben  sein. 

Ich  habe  mir,  nicht  blolii  bei  dem  ersten  Besuche,  sondern 
während  der  ganzen  swei  and  zwansigtSgigen  Behandlung  alle 
inSgliche  Mühe  gegeben,  einiges  Licht  über  die  Entstehung  und 
die  Dauer  dieses  Herzleidens  xu  bekommen;  meine  Mühe  war 
aber  ganz  vergebens.  Der  Kranke  wufsle  nichts,  als  daCi  er  von 
Zeit  za  Zeit  dem  Herzklopfen  unterworfen  gewesen,  aber  seit 
welcher  Zeil  er  dieses  gewesen,  konnte  er  nicht  Angehen.  Da 
nnn  in  diesem  Falle  die  Unmöglichkeit,  durch  Ausfragnng  snr 
Kenntnifs  der  Enislehung  des  Uebels  zu  gelangen,  nicht  in  der 
Dummheit  ivt   Kranken   begründet   war,    denn   der  ist  der  Sohn 


—    486    — 

eluM  sehr  TvoUhabeniea  Manna,  hat  einen  gnteir  Ventnd  noi 
ist  gut  uolerrichiet;  bo  bin  ich  der  Meinung,  dftfs  der  Kranke 
entweder  einen  angebornen,  oder  einen  in  der  ersteo  Kindheil 
erworbenen  Herzfehler  habe,  welcher  mit  der  Aasbildong  des  Kör- 
pers, nicht  zum  Guten,  sondern  zum  Böien  ausgebildet,  anf  den 
Punkt  gekommen  sei,  wo  er  feindlich  in  das  normale  Getriebe 
des  KSrperg  einwirke.  Ei  ist  wo]  offenbar,  dafi  ein  Mensch, 
der  noch  nie  das  Gefühl  einer  roUkommnen  Hengesundbeit  ge- 
kannt hat,  ans  schlecht«  Nachricht  über  die  Entstehung  und  Aus- 
bildung seines  Uebels  mnfs  gaben  kBnnen. 

Nachdem  ich  nun  den  Kranken,  wie  gesagt,  den  fünfnnd- 
Kwanzigslen  Oktober  anscheinend  geheilt  verlassen ,  wurde  ich  den 
vierzehnten  November  wieder  zu  ihm  gerufen.  Er  lag  im  Bette 
und  war  halbseitig  gelfihmt.  Er  stiefs  beim  Reden  mit  der  Zunge 
stark  an,  so  dafs  ich  Mühe  halle,  ihn  zu  verstehen,  die  linke 
Wange  war  etwas  gelahmt ,  den  Atigendeekel  derselben  Seit« 
konnte  er  aber  ordentlich  scbliefsen.  Dex  linke  Arm  nnd  Fufii 
waren,  ohne  Verminderung  des  Gefühles,  vallkommen  lahm.  Der 
(Irin  war,  wie  das  vorige  Mahl,  murasiig  und  wurde  in  geringer 
Menge  ausgesondert.  Gastrische  Aäeklion  war  dieses  Mahl  nicht 
zu  bemerken.  Auf  den  Gebrauch  der  Digitalis  ist  die  Urlnabaon- 
demng  gar  bald  wieder  normal  geworden,  nnd  die  Lähmung  der 
2unge,  der  Wange,  und  des  Fnfse«  innerhalb  zehn  Tagen  vergas» 
gen.     Der  Arm  ist  aber  lahm  geblieben. 

Dieser  Fall ,  dessen  aasführliohe  &zSbIang  durchaus  kein  In- 
tresse  für  den  Leser  haben  könnte ,  ist  deshalb  merkwürdig,  weil 
er  einen  Mann  betraf,  der  so  viel  gesunden  Verstand  besafs,  dals 
man  sich  auf  seine  Aussage  verlassen  konnte.  Neugierig  war  ieb, 
wie  sich  vor'nnd  bei  Entstehung  der  LShmnag  das  Gehirn  verhal- 
ten, ob  der  Kranke  ein  Gefühl  von  Betäubung,  von  Taumel,  von 
Gedankenverwirmng ,  kurz,  ob  er  irgend  etwas  von  der  Nonu 
Abweichendes  im  Kopfe  wahrgenommen.  Er  versicherte  mich 
aber ,  nichts  dergleichen  wahrgenommen  sn  haben ,  die  LSbmung 
sei  vielmehr  plötzlich ,  ohne  vorhergehende  oder  begleitende  Kopf- 
alfektion  eniManden.  Die  Aussage  der  Adlern  stimmte  aneh  dar- 
in fiberein,  dafs  sie  an  dem  Sohne  weder  einen  Mangel  des  Ge- 
düchtnisses,  noch  ii^end  eine  andere  Störung  seines  Kopfes  be- 
merkt. Acht  Tage  vor  der  jetzigen  Lähmung  sei  ihm  anf  einnabl 
der  Mund  schief  geworden;  da  dieser  Mifssland  aber  innerhalb 
einer  Stunde  verschwunden,  habe  man  es  nidit  der  Mühe  wenb 
gehalten ,    mich  deshalb  anzusprechen. 

Weil 'wir  Aerzte  halbseitige  Lähmung  in  den  meisten  Fällen 
als  Folge  einer  schlagartigen  Gehimberüfartheit  sehen,  sind  wir 
nnr  zu  geneigt,  bei  halbseitiger  Lähmung  eine  GeUrnafiiakiioa, 
wenn   gleloh    eine    vorübergehende ,     schweigend    Torausznaetzen. 


—    487    — 

Dw  «rsjüilie  Fall  nicht  m  «ausliMiliGh,  daf*  halbseitige  Lshitintig, 
g»ax  ohne  Gebtrnafieklion,  uamiiielbaf  durch  einen  BiidungHfehler 
da>  IJerxena  kÖDoe  bewirkt  werden. 

Ja  der  Tod  des  jungen  Mnniies,  der  na<^  iiu  ulbea  Jabra  er- 
folgte, erhebt  diese  Wahrheit  über  allen  Zweifel.  Au  Morgen  des 
26.  Dexenibers  könnt  er  vom  Hofplatie  im  Webaximnier,  setct 
sich  auf  einen  Stuhl,  liehet  etwa«  veratört  aus  und  ragt  in  Hau 
XII  der  im  Zimner  beechftftigten  Dieoatioagd,  sie  Belle  eilig  seine  • 
Altera  rufen,  er  nüue  sterben.  Da  die  erschrockene  Müller  ins 
Zimmer  tritt,  ruft  er, laut,  Mullerl  Mutter!  Sie  nimnt  den  Wan- 
keoden  in  ihr«  Arme  aod  er  gibt  augenUleklich  den  Geist  auf. 

Folgenden  Fall  von  secnndürer  Apoplexie  mit  halbseitiger  Läh- 
mung, Folge  eines  Henfeblers,  hnbe  ioh  seil  den  Jahre  30  gena« 
XU  beobachten  Gelegenheit  gehabt ,  weil  er  leider  meine  eigene 
Gatlinn  betraf.  Diese  balle  wol  einen  angebomen  Bildungtfehler 
dea  Herzens,  dafür  sprach  mm  wenigsien  der  nnansgesetil  ahaor- 
ne  intennittirenda  Puls,  den  ich  von  jeher  an  ihr  bemerkt ;  der 
Fehler  mofite  aber  der  Art  sein,  daÜi  er  nicht  störend  in  das  KSr- 
pergetriebe  einwirken  konnte,  denn  von  179Ü  bis  183U  ist  sie  immer 
gesund  geblieben,  Knrs  vor  lind  nach  den  60  Jahren  gewahrte  sie 
l>eim  raschen  Gehen  eine  ungewohnte  Kurse  des  Atheuis,  schrieb 
das  aber,  wol  nicht  ganx  mit  Unrecbl,  auf  die  Zunahme  ihrer  Be- 
leibtheit. Wenige  Wucheo,  bevor  es  mir  gani  klar  wurde,  daft 
der  verinuthete  angeborene  Uerafehler  anfiinge,  feindlich  auf  das 
KSrpergetriebe  eiaauwirken«  klagt*  sie  übei*  Unruhe  und  Unerquick- 
lichkeit  des  nfichtllchen  Schlafes.  Eines  Morgens  aber,  da  sie  noch 
im  Belle  lag,  wurde  sie  urpl&txlich  von  einer  so  heftigen  Orthopnoe 
ergriSen,  dergieioben  iah  daroahls  noch  nie,  und  später  nur  ein 
einsiges  Mahl  bei  einem  achuigjährigen  herxknnken  Manne  ge- 
sehen. 

Gleich  nacbdem  die  Gefahr  beaeiiigel  war,  xeigle  es  sieb,  dafs 
das  Gehirn  bei  dieser  Orthopnoe  ergriffen  gewesen,  denn  sie  halte 
ein  eigenes  basiigea  Wesen  angenonuen,  ihr  Mund  stand  schief, 
beim  Essen  liefe  sie  von  der  Speise  anf  ihre  Kleider  fallen  ohne 
üch  darum  zu  bekümmern,  ihr  Auge  hatte  einen  irren  nnatäien  Blick. 
Diese  Zufülle  verschwanden  in  einem  Zeiträume  von  24  Stunden. 
Die  bei  der  Orthopnoe  etwas  gesiöne  Harnabsonderong  blieb  aber 
gestdn,  bis  ich  sie  di)rch  die  Digitalis  regelte. 

Ich  habe  nun  dieser  Frau  vier  Jahre  lang  durch  den  mäfsigen 
Gehrauch  der  Digiialis  (alle  vier  oder  srichs  Wochen  eine  etnsige 
vieruniiga  Abkochung  von  ceba  Gran  des  Kraities)  nicht  blob  ein 
eiträgliohes,  sondern  auch  ein  angenehmes  Leben  erhalten.  Sie 
blieb  in  dieser  Zeit  gana  in  ihrem  gewohnten  Wesen,  anber  das 
alle  4  oder  6  Wochen  sich  Unruhe  des  nfichtliehea  Schlafes  and 
SlBruag  der  Verdauung  Zeigten,  worin  den«  für  mich  die  Mahnung 


1^,  gleich  den  DigiUlUabsod  zn  g«b«n ,  d»r  dann  Baeh  jed«naaU 
dieao  Klagen  flogs  baseiii^e,  ohne  jedoch,  \fu  man  teictit  denken 
kann ,  den  von  jeher  nnregelmAfiigen  Herzschlag  regelniihig  zu 
machen  ■ 

So  hlieb  nun  der  Znstaod  bis  zum  Fjübjahre  1S34;  da  ruft 
sie  einst  in  früher  Morgens  tu  ade  nm  Hülfej  das  nebenan  schlafen- 
de Mfidcheo  eilt  zu  ihr,  kann  sie  aber  .nicht  verstehen;  ich  fand, 
■  dafs  sie  apoplektisch  and  ihre  linke  Seite  gelfibmt  war.  iSpStar 
wies  es  sich  ans,  dafs  die  UDtere  Extremität  vollkoiamen,  and  die 
obere  fast  ganz  des  Gefühles  beraubt  war. 

Die  apoplekiische  GehimaffekiioD  war  der  Art,  dafs  man  di« 
Kranke  wol  durch  Rütteln  und  Anrufen  dazu  bringen  konnte ,  dafs 
sie  die  Augen  aofschlug  und  sprachähnliche  Laute  von  sich  gab, 
Dieniaod  verslaud  aber  diese  Laute,  man  glaubte  blofs,  den  Sina 
derselben  zu  eiraihen.  —  Nach  14  Tagen  war  die  Sprache  wie- 
der versiandlich  und  die  Besinuang  zurückgekehrt.  Naeh  drei  Mo- 
naiei}  kam  ^Inählig  das  GefSbl  in  die  gelAhmien  Glieder  wieder. 
In  dem  Zeiträume  eines  Jahres  wurde  der  Fnfs  so  weit  brauchbar, 
dafs  aie  mit  Hülfe  einer  Handkrücke  im  Hause  faerumschleichen, 
auch  wol  in  den  hinter  dem  Hause  gelegenen  Garten  kommen  konn- 
te. 0er  Ann  blieb  aber  lahm.  DriUehalb  Jahre  Daoh  der  Apo- 
plexie starb  sie  im  siebzigsten  Jahre  ihres  Altera,  aber  nicht  durch 
Rückkehr  der  Apoplexie,  sondern  wie  Ich  manche  alte  Leute,  die 
weder  herz-  noch  gehimkrank  gewesen,  sterben  sah. 

Eine  Aenfserung  des  Herni  D.  L.  Kreytimg  in  seinnr  Phy- 
siologie des  Kreislaufes  (Fortsetzung  des  Hnfelandschen 
Journals  1838  Augus'theft)  hat  mich  vorzüglich  veranlafst, 
den  erzfiblten  Krankheiufall  einzUBohalten,  weil  ich  Folgendes  da- 
bei beobachtet,  welches  dem  Physiologen  merkwürdig  sein  wird. 

Da  die  Kranke  aus  der  Betäubung  zur  Besinnung  kam  und 
man  ihre  Sprache  wieder  verstehen  koitnte,  fragte  sie  mich  einst 
ganz  deutlich :  lendest  du  in  die  Gesondheitf  Das  erste» 
historisch •  er i tische  Kapitel  dieses  Buches  hatte  ich  nämlich  (weil 
es  mir  so  gemächlicher  war)  gans  zuletzt  geschrieben  und  es  kun 
vor  dem  unglücklichen  häuslicheii  Ereignifs  beendiget.  Meine  Gat- 
tinn,  deren  jugendliche  Geistesbildung  sich  noch  von  der  Zeit  bei^ 
schrieb,  wo  in  den  meisten  Häusern  die  Romane  verpSni,  die  Jun- 
gen Leute  also ,  wenn  sie  lesen  wollten ,  einzig  auf  unsere  Klas- 
•iker  angewiesen  waren,  halte  dadurch  ihren  Geschmack  auf  eine 
solche  Weite  gebildet,  dafs  aie  das  Schöne,  allenthalben,  wo  sie 
es  fand,  als  solches  erkannte,  wenn  es  gleich  nicht  mit  dem  Na- 
men eines  berühmten  schon  schreiben  den  Schriftstellers  gestempelt 
war:  mithin  wird  ei  auch  niemand  seltsam  hedünken,  wenn  ich 
sage ,  dafs  sie  viel  Freude  an  manchen  sohönen  Stellen  aus  den 
Paiacelsiscben  Schriften  gefunden.     Die  letzte,  welche  sie  vierTa- 


—  489  — 
ga  TW  dem  ayoplekliwban  ADfalla  gvleaen,  war  geiade  di«,  mit 
der  ich  du  Hapild  g^eschlonen ,  vod  in  dar  di«  Won«  vorkam- 
luvn:  ich  lende  in  die  Gesandbeit  der  Kranken.  — 
Wer  unter  meioen  Leeem  sollte  Dan  nicht  aus  ihrer  Frage:  len< 
deal  du  in  die  Geanndheitl  woria  doch  nicht  blofi  eine  An- 
spielung auf  die  ParacelaiBebe  Stelle,  «ondern  aagleich  ein  na- 
■diuldiger  Scher«  lag,  denn  das  Won  leodea  ist  ja  in  nnaerar 
Zeit  10  gana  aufser  Gebrauch,  dafs  gewir*  mehr  Deuisohe  sein 
werden,  die  es  niobt  kennen  als  die  et  kennen;  wer,  sage  ich, 
sollle  nicht  aus  dieser  Frage  eine  günstige  Prognose  gezogen,  nicht 
geglanbt  haben,  ihr  Gedflehlnifs  und  ihr  Verstand  müsse  von  der 
Apoplexie  ungekrtinkt  geblieben  seinf  —  Gar  bald  wies  ei  sich 
aas,  dafs  ihr  Gedächlniis  auf  eine  eigene  Art  angegriffen  war,  es 
befand  sich  nKmIich  in  einem  Zustande  der  vollkommensten  Gfth- 
mng.  ^icht  blofs  Crinaemngen  knra  Torbergegangenar  Begeban- 
heiten,  noadem  auch  solcher,  die  steh  ror  20,  30,  40  Jahren  an- 
getragen, nicht  Uols  wichtiger,  sondern  auch  unbedeutender,  wah- 
rer Kleinigkeiten  tauchten  in  ihrem  Kopfe  auf,  und  in  allem,  was 
sie  Torbrachte,  war  nicht  das  mindeste  Unwahre,  welches  ich,  da 
ich  salbst  ein  trenes  Gedichtnila  habe,  gans  gut  wissen  konnte.  — 
In  jedem  treuen  nnd  behenden  Gedächtnisse  werden  abM-  doch  sol- 
che Erinnerungen  nur  durch  Veranlassung  geweckt,  welche  Ver> 
aalassang  freilich,  bei  einem  recht  beweglichen  GodSchtnllii  nnr  ge- 
ring su  sein  braucht,  oft  nnr  in  unbedeutender  Aefanlichkeit  bestehet; 
in  dem  Kopfe  metner  Frau  hingegen  tauchten  die  Erinnernngen 
ohne  alle  Veranlassung  anf.  Bei  dieser  GedflcbtuiftgSbmng  war 
sie  sich  so  wenig  ihres  wahrhaft  hülflosen  Zuatandea  bewiifst,  dafs 
sie  einst  den  Kutscher  au  sprechen  verlaagte  und  ihm,  an  meiner 
eben  nicht  erfrenlichen  Ueberrasohung,  sagte,  er  aolle  anspannen, 
sie  wolle  spasieren fahren.  Weiterhin  hörte  diese  GedAohtnifigfth- 
mng  auf,  und  da  zeigte  es  steh  auf  die  Dauer,  dafs  ihr  Verstand 
durch  den  apoplekii sehen  Aufall  ein  wenig  geschwftcbt  war.  Sie 
war  sieh  aber  dieser  SchwScbe  bewnlät,  denn  obgleich  sie,  so  lan- 
ge ich  aril  ihr  verbunden  gewesen,  alle  geldliche  Geschfifte  allein 
besorgt,  so  wollte  sie  doch  nach  der  Apoplexie  nichts  tnehr  von 
Geldgeschäften  hören ,  sie  sagte ,  ihr  Kopf  sei  daan  au  schwach. 
Diesem  GefShle  der  Verstaudesschnttche  schreibe  ich  es  auch  au, 
dafs  ihr  der  Besuch  ihrer  vertrautesten  Freundinnen  .nie  sonderlieh 
willkommen  war,  sie  bat  mich  immer,  bei  der  Geaellscbafi  an  srin 
und  das  Wort  zn  föhran.  Wnbte  sie,  dafs  minder  vertrnnle  Be- 
kannte bei  mir  im  Hanse  waren,  so  versetzte  eine  gm»  grund- 
lose Beförchiung,  diese  würdet»  sie  besuchen,  sie  in  eine  wahr- 
hafte Angst.  Von  Zeit  so  Zeit,  selbst  noch  im  xweiten  Jahre  nach 
der  Apoplexie  gerietb  ihr  Kopf  in  einen  eigenen  Zustand,  den 
ich  frfiber,    aber  sahr  selten,    auch    hei  anderen  beobnchtet,  nnd 


—    4W    - 

denaelben,  weil  er  nach  |;ebobenem  Fieberdsiirio  ersefaien,  gotglfiii- 
big  für  eine  Abart  des  Irreseim  gchnlien.  Seit  icb  ihn  jelxt  bei 
meiner  Frau  gRnBtier  beobaohiet,  kann  ich  jener  Meinung  nicht 
mehr  sein.  Bei  ihr  erschien  er  ohne  vorhergehende  ihn  ankPindi- 
gende  krankhafte  Gefühle ,  wlikne  mir  i>itiche  Mimtten ,  und  be- 
stand darin,  dafs  sie  das  Zimmer,  worin  sie  wohnte,  nicht  mehr 
erkaanie;  wo  bin  ich  dochf  sagte  sie  dann,  es  ist  mir  biet 
alles  so  fremd.  Versicherte  man  ihr,  sie  sei  in  ihrem  Weho- 
ümmer,  machte  man  sie  iiu  Einseinen  anf  ffie  sie  umgebenden  Ge- 
genstände anfiiierkanmt  so  Bchüttelie  sie  unglXnbig  den  Kopf,  liefs 
sich  aber  nie  auf  eine  Beschreibung  des  Fremdseini  ein.  Führte 
ich  sie  in  einem  solchen  Zustande  ans  dem  Zimmer  in  dm  Vor- 
baus, so  war  ihr  aacfa  hier  alles  fremd.  —  Meine  BetAacbtnng  xwingt 
mich  jetr.i,  diesen  seltsamen  Znstand  fiir  nichts  anders,  als  für  ein 
vorübergebendes  Versagen  des  Gesiebt sgedScbtoiases  ansnsebeD; 
denn  in  nns  Menschen  liegt  ja  nicht  blofii  ein  Saoh-  und  Won-, 
sondern  anch  ein  Sinnengedichmifs ,  fiir  jeden  Sinn  ein  besonde- 
res Gedächlnifii ;  in  einem  und  denselben  Mensehen  kaiui  das  Ge- 
dSchfnifs  des  einen  Sinnes  stark  und  das  des  anderen  Sinnes  schwach 
sein,  ja  durch  den  Nichtgebrauch  kann  das  se4u-  gute  GedXchialls 
eines  Sinnes  auf  die  Daner  sehr  schwach  werden,  nnd  ein  schwa- 
ches dnrch  lange  Uebnng  ^ob  erstHrken. 

Bekanntlich  wird  das  sittliche  Gefühl,  oder  fnm  mich  des  Lieb- 
lingsnnsdrnekes  nnsererZeit  sa  bedienen)  das  Gemüib,  in  manchen 
Kranken  gar  wnndervoll  beeinträchtiget;  hei  meiner  Gaiiinn  hat 
der  apoplekiische  Anfall  nicht  den  mindesten  stärenden  Einfiufa 
auf  dasselbe  gehabt,  von  Natur  giitinüthig,  mitleidig  und  woblihft- 
lig,  blieb  sie  es  auch  bis  sii  ihrem  Tode. 

Ich  habe  mich  einst,  hinsiohilich  eines  nrerkrankten  Herr-em, 
durch  den  vollkommen  normalen  Puls  (ansehen  lassen,  und 
swar  noch  seit  dem  Jahre  1B30,  wo  icb  wol  eigentlich  hätte  ktü- 
ger  sein  müssen.  Ob  aber  das  Hera  blofs  djnamiscfa,  oder  bil- 
dongsfehlerhaft  erkrankt  war,  kann  icb  nicht  sagen,  weil  ich  vo« 
dem  weiteren  Schicksale  des  Raihfragendso  nicht  benachrichti- 
get bin. 

^Q  ehrbarer  Burger  aus  dem  Bf  abandischen  klagte  üherSchmer- 
aen  in  der  Mtlzgegend,  Mangel  an  Efslast,  Mattigkeit  ».  s.  W. 
Sein  Puls  war  gnus  regelmäfaig  hinsichtlich  der  Geschwindigkeit 
nnd  des  Zeitmafses.  Ob  der  Mann  wirklich  an  einem  Urleiden 
der  Mil»  litt,  mafste  icb  untersadien,  und  gab  ihm  vorlin&g,  mehr 
als  EfkeiHinngs-,  denn  als  Heiinriitel,  swei  Unscn  des  Pulvers  der 
Frauendistel,  von  welchem  er  Tiermahl  Inga  «inen  TbaelÖSel  voll 
nahm.  Nachdem  er  dieses  Pnlver  verbraucht,  kam  er  wieder  xn 
mir  und  erklärte:  der  Schmers  in  der  Seile  sei  veraehwiinden : 
SiMt  deswn  habe  er  aber  jeiM  ein  widr^es  klopfendes  Gefühl  im 


—    4M    - 

Magm,  und  sriiw  HoBgerlongkeit  aail  Maitigknt  •««r  nm  nnsfani 
gebevert.  Ich  legt«  die  Haod  aaf  sehicD  Magen,  nod  fnhhe  wirk- 
lieb ein  dankles,  mii  den  Pake  gleiefaseitiges  Klopfen,  Ich  räek- 
(e  mit  der  Hand  auf  die  linke  Seite  der  Brust,  und  hier  entdeck- 
te ich  dax  nrerkrankte  Oi^n.  Das  Hera  schlug  mir  ao  deutlich 
in  die  Hand,  dsfs  ich  das  eigene  Zacben,  welches  es  bei  jeder 
ZüMimmenBiebang  macht,  eben  so  deutlich  fnbleD  könnt«  ab  man 
es  bei  manchen  bedeutenden  Bildungsfeblern  fnblef,  bei  denen, 
wSre  man  nicht  überxengt,  mit  der  Hand  auf  dem  Brustkasten  zu 
liegen,  man  schworen  sollie,  man  habe  das  sappelnde  Herx  in  der 
Hand.  Der  Henschlag  war  aber  bei  diesem  Manne,  hinsicht- 
lich der  Geschwindigkeit  nnd  des  sei tmafslichen 
Verhältnisses  der  SchlSge  gegen  einander,  vollkom- 
men normal.  Weil  mir  dieser  Fall  besonders  belehrend  schien, 
köaneo  die  Leser  leicht  denken,  dafs  ich  ihn  nicht  im  Fluge,  son- 
dera  mit  Miifse  untersucht  habe. 

Ich  gab  dem  Leider  einen  aehwachea  Absod  der  Digitalis, 
durch  den  er  nicht  feindlich  konote  angegriffen  werden,  andhiefs 
ihn,  nicbt  eher  als  nach  vierzehn  Tagen  wiederkommen.  Zur  be- 
stimmten Zeil  erschien  er  mit  sehr  vergnügter  Miene.  Alle  seine 
Leiden  waren  beseitiget.  Das  Herz  schlug  jet«  wie  jedes  andre 
Hera,  die  zuckende  Bewegung  desselben  konnte  ich  nicht  mehr 
Ttiblen.  Ich  gab  ihm  noch  eine  Abkochung  der  Digitalis  («inen 
Skrupel  des  KTuuies  mit  acht  Unzen  Wasser  bis  au  vier  einge- 
kocht) und  liefs  ihn  davon  zweimahl  tags  einen  Löffel  voll  neh- 
men, mit  dem  Bedeuten,  nicht  eher  wiederzukommen,  bis  er  eine 
leise  Mahnung  seiner  vorigen  Uebel  oder  anderer  krankhaften  Ge- 
fühle spure ;  jedoch  nicht  so  lange  zu  warten,  bis  diese  krankhaf- 
ten Gefühle  sieh  zn  sefar  gesteigert  baitM.  Wie  et  weiter  ihm  er- 
gangen, kann  icb  nicht  sagen,  denn  ich  habe  ihn  nicht  mehr  ge- 
sehen. Er  hatte  das  Uebel  schon  eine  gute  Zeit,  und  Ich  war  der 
dritte  Arzt,  dessen  Wissen  er  in  Anspruch  nahm.  Nach  seinem 
Gestandnifs  war  die  Arsenei,  welche  er  von  mir  erhalte»,  die  er- 
ste hülßiche  von  vielen,  di«  er  gebraucht. 

Es  ist  maglicb,  dafs  ich  in  voriger  Zeit  manche  übel  zu  be- 
bende Rauchteiden  behandelt  habe,  weTche  (Jrielden  des  liemens 
gewesen,  nnd  dafs  mich  der  ganz  regelmSfsig  schlagende  Puls  irre 
geleitet  Es  kann  mögUch  sein,  dafa  es  andern  Aeraien  eben  so 
ergangen.  Ich  werde  in  Zukunft  genauer  auf  diesen  Gegenstand 
merken,  nnd  rathe  dieses  ebenfalls  meinen  Lesern;  voraosgeselal, 
dafe  sie  nicht  sehon  ISngst  in  diesem  Ponkle  listiger  gewesen  sind 
als  ich,  in  welchem  Falle  begreiflich  meine  Erinnerung  ihnen  ganx 
überflüssig  isL 

Uebrigens  steckt  in  der  e^&hltea  Beobachtung  necb  eine  Heim- 
licbkeit,  welche  ich  nicht  hervorheben  mag.     Wie  gesagt,  i«b  eni- 


Bcbeide  ni<Al,  ot)  du  H*n  biUungsfehlerbafl,  oder  hieb  djnaniacb 
erkrankt  war.  Für  das  Erste  jprach  mein  Tastaion,  für  dM  An- 
dere die  gKiuliefae  und  niicb  übenratdieade  Bembigung  durch  di« 
Digitalis. 'J 

~  ')    ZiiMli  von  Jahr«  f8*ff. 

ta  Jahr«  tSSr  k«bB  ich  ini  Fütla  nHcbdr  UrhaiwrknalngsB  kobiaJelr, 
dia  durch  die  ENsiUli»  Bicht  la  lehr  bciehwieblifsl  wnrdca,  llf  ich  erwarlfl' 
le ;  hier  gab  reh  die  Wareel  der  Ärte»i«ii  ,  Dud  dicM  beili*nigln  bald  iiid 
den  Knaben  tiiblbar  die  eaDHHa«llea  Letriei,  die,  beiooders  n  den  eisen 
der  drei  Filte,  lO  befljg  wiren  ili  ick  ite  aar  »ellea  geaehep.  Id  dcDiel- 
bea  Jakra  liefi  iob  einer  tenliraiikeB  Jaagrna ,  Acren  Herzleiden  der  Digil*> 
lU  gir  nickt  geborgen  wollte,  frtn«  gefaetiehta  MeliMa  anf  dai  tobende 
Hers  legen.  Die  JangTrsn,  die  liekl«  weniger  all  «wbHdiech  iat,  bchan^lel«, 
Kknelle  und  gror*e  Brleieblernntt  davon  in  tfärgt.  NB.  Dielet  iil  eigenU 
lieb  ein  Rnnitiläck  de«  Petria  fortilm ;  wmi  «r  Oiitrv.  i.  Lit.  IT.  dava« 
Btgl,  iit  iebr  merkwürdig. 

!■  iabre  I83II  venacble  leb  den  Salmiak  bei  einem  LaadBasa  ,  der  angeb- 
lisb  aehea  viele  Jabre  an  eiaea  HenkIspren  geKtlea  ,  welebei  Ika  lar  Land- 
arbeit naflibig  geaaebt,  nnd  na  welebeaiL  aobaa  BaDcba  Aerite  ikra  Kaait  ver- 
lacht. NaebdeB  er  vier  Uaiea  Stlmink  renebH,  wer  du  Ilerekl»|ir^B  (aaeb 
■elaem  TnaUinae  na  nrtkeilan)  gewifa  um  iwei  Drillel  geninderl ;  begreiflich 
rietb  ich  ihn,  den  Gebraneb  da*  Silniafc  rortmaetien  ,  ob  er  aber  dem  Bathe 
gefolgt ,  kann  ick  nicht  ugeo  ,  denn  er  bat  aieb  weiter  niekt  bei  mir  lebea 
laaaea.  —  In  dcBielban  Jahre  narrte  ich  die  Heileng  einer  Jnngrraa  vena- 
ehen,  welche  eine  DnbentiaiHbare  Zeit  •■)  Henkloprea  gelitlan ;  lie  war  ncbaa 
lieatlich  ■ilkhrkig  and  nager  dabei  geworden.  Anra^i  hatte  leb ,  wegea  der 
■ehniatzig  galblieken  Geaiektirarke ,  die  Veraiathnng ,  daa  Uenkloprea  kSaoa 
wol  ein  ennienin eitel,  von  einen  Urleiden  der  Leber  nbhangendei  »ein  ;  dieae 
Vermuthnng  wiei  aieb  nker  dnrck  da«  Nick  tkeil wirken  einiger  golen  Leber- 
niltel  ala  fal*ch  ana.  Die  Digital)*,  die  ich  jelil  verfacbte,  leUlele  wer  gnte 
Dienite ,  aber  deeh  alebt  aolcle ,  ala  ick  bei  einer  blefk  djvamiirben  Ueraer- 
kmokoDg  atek  uaiaer  Erfakrang  an  erwarten  berecktlgel  War,  and  eiaeD  Bil- 
dangnfekler  dei  Heneai  in  veraatkan  ,  daiu  war  aock  kein  wahracbeialUher 
Gmad  vorhanden.  —  Nnn  lief*  iah  den  Salaiak  (  i  oinl  lagn  einen  gebinden 
TheelKffen  anhaltend  gebrnnchen.  Dieicr  kerehigte  aaek  ood  nach  dn*  klo- 
pfende Her*  aad  Tcrlnngaimle  den  Blatkreiilaari  bei  der  (icht-  ond  Tählhnren 
Beetcrang  verachwand  die  aekomtiiggelblicbe  Gesiebtafarbe  und  die  Abmage- 
-  rang  waadellc  lieh  in  eine  gerillige  Vollfleisckigkeit  an.  —  Ein  lehr  Bblar 
Unitaad  bei  dynaniiehaa  Urkereerkraaknagea  (welcka  ikrer  Natur  Dich  keil- 
knr  lind )  iit  der ,  dab  daa  gekeilte  Heri  noch  lange  Zeit  nncbker  ein«  vor- 
'  lichtige  Sckonaag  verlangt,  Tanten  ,  Springen  ,  Ligfen  ,  Heben  ,  GeaiDlkabe- 
wegengen  inüiaen  gini  gemieden  werden;  nicht  leiten  lind  die  Lenle  geneigt, 
dm  gekeilte  Hera  abiiebllieh  durch  solche  A nitre ngnngea  naf  die'Prube  H 
itellen,  man  atnfi  ihnen  nlia  keiaeitea  daa  Uniinaige  loleber  Venaekc  be- 
greiflich macken. 

Ob  die  Aente  jetiiger  Zelt  den  Salmlik  all  HerzbeilBlttel  kennen  ,  weifi 
ich  nicht,  den«  ei  iit  mir  uaniiglick,  alle  Schriftea  an  leien  ;  ieh  kann  blofi 
lagen  ,  dafi  ich  mich  nicht  eHnnere  ,  in  neoer  Zeit  elwai  darnber  galeiea  tu 
haben.  Von  den  Klieren  Scbrirtilellern  erinnere  leb  micb  dei  Thimat  «'illlt, 
dieier  gibt  im  Hiruillern  (Trtmtr  eordit)  von  einem  Pnlver  noi  gleichen 
Tkeilen  Salmink  aad    KDrallen  iweidlahl  Ug*  einea.  Skrapel ,    (  PharmmteaUci 


—    493    — 

Zam  Scbluue  wiH  iett  noch  von  der  Lnngcnlihmnng  etn  Wort 
>ag*ii,  wiewsl  m  vielleicht  nnwets«  iil,  Ton  einem  Uebel  tn  Hpre- 
ctien ,  welches  i(4i  nur  dreimahl  in  meinem  Leben  beobscbtet 
habe. 

Ich  spreche  aber  nichi  von  der  LShmung  der  Lunge,  durch 
welche  sich  nicht  seilen  eni  Ende  chroniicher  oder  akoler  Krank- 
heiten der  nahende  Ted  ankündiget;  auch  spreche  ich  nicht  von 
der  dnrch  die  Koast  gemachten  Lähmang ,  welche  bei  aolches 
Pneumonien,  die  unter  der  Heilgewalt  det  Eieena,  oder  des  Ku- 
pfers stehen,  auf  das  Aderlasaea  nnd  den  Gebranch  des  Queckeil- 
here  folgt,  diese  will  ich, -weil  ich  keinen  Hath  darauf  weifs,  an- 
dern za  hnlen  Sberlassen;  sondern  ich  spreche  von  der  Lungen- 
l&hmung,  welche  den  anscheinend  gesunden  Menschen  plötzlfch 
äberfillt,  nnd  die  das  Ar  die  Lunge  su  sein  scheint,  was  der 
Schlag  fHr  das  Gehirn  ist.  Von  dem  Wie  d^  gestSrten  Lungen- 
verriebtung  weifa  ich  mir  keinen  deutlichen  Begriff  xu  machen. 
Die  xiemlich  mechanische  Erklärung  des  Athemholens,  die  man 
mir  in  meiner  Jugend  gegeben,  schernl  mir,  seit  ich  den  mensch- 
lichen Organisnms  mit' eigenen  Angen  nnd  eigenem  Verslande  selbst 
bcabaehtet ,  sehr  ungenügend ;  es  liegt  jedoch  nufser  meinem  Pla- 
ne, über  solche  physiologische  Dinge  su  sprechen. 

Die  anierscheidenden  Zeichen  der  LungenIShmnng  weils  ich 
nicht  anEUgeben,  denn  meine  Erfahrung  Tiber  nniersch eidende  Zei- 
chen der  Krankbrilen  hütet  im  Allgemeinen  also;  Hat  man  eine 
Krankheit  ein  -,  iwei  -,  oder  dreimahl  beobachtet,  so  ist  man,  son- 
derlich fn  der  Jugend,  sehr  geneigt ,  nniersch  ei  den  de  Zeichen  der- 
selben festzusiellen.  Je  mehr  man  aber  Fille  derselben  Art  be- 
obachtet, nm  so  mehr  wird  man,  hinsichtlich  der  unterscheidenden 
Zeichen,  bedenklich.  Ja,  ist  mAn  einmafat  in  einem  gewissen  Al- 
ter gekommen,  nnd  hat  beobachtet,  wie  ganz  verschieden  in  ver- 
schiedenen FRllen  die  von  einem  und  demselben  urergriffenen  Or- 
gane abhängenden  consensuellen  Affektionen  anderer  Organe  sindj 
so  verzichtet  man  sulelzt  ganz  anf  die  Peslsiellnng  eigenthnmlieher 
unterscheidenden  Zeichen,  nnd  fiberl&fst  dieses  Geschift  den  Ge- 
lehrten. 

Dafs  die  von  Lungenlfihmung  ergriffenen  Menschen  grolse, 
tebr  grufae  Athemsnoib  haben ,  verstehet  sich  von  selbst.  Die, 
welche  ich  beofcaehieie,   gaben  aber  nicht   wie  bei  der  LSbmung 


ratiomalit  fag.  170.J  D«s  Bsmltlem  koMMt  walt,  weil  islls«r  Ib  dar  Pr«- 
ai(  vor  als  du  BlK*Dtlicbe  Henklof  ren,  li«  rorigfla  Jihra  bealaibleta  iek  ei- 
eca  lelUamtn  Fall  dtr  Art,  d«  ieii  üSnlieh  dii  Hand  tat  dai  Ran  legte, 
hilta  ich  ain  (ietöhl,  alii  krabbeltea  in  der  Brnat  ein  HaarcD  Bienen;  bei  din- 
ier acItaMuea  Rsnbewegans  war  aber  doch  der  betchteaaigle  Pal«  hlDaieht- 
Ueb  kr  Hetbenrolfe  der  Scbliee  recelMTaiB.  i 


—    4M    — 

.  iw  Bwwhganglivn  d!e  Msgeogsgetid  ah  den  Uniix  du  Atheiiiii- 
jioih  KU,  auoh  hörte  man  b«L  ibaeo  nicht  wi«  beim  Aslhnia  daa 
eigene  tietöne  dei  durch  die  Laftröhre  gewtJluun  duicbgepreblen 
AlheiDs.  Uebrigeoi  hatten  sie  ein  GefTihl  von  Hinfftlligkeit,  wet- 
ehea  ihnen  nach  übarwundeBem  Haoptübel  oocb  mehre  Tage  blieb. 
Der  PnU  war  etwas  wenig  beschleuniget,  und,  hinsichilicb  des  2eit- 
mafses  der  Schlüge  gegen  einander,  regelmtlffig.  Uebvr  aeioe  GrÖ- 
fse  oder  Kleine,  Hürie  oder  Weiche,  konnte  ich  nicht  urtheilen, 
weil  ich  diesen  Menschen  nie  bei  gesundem  Leilj«  den  Puls  un- 
tersucht, und  weil  tich  soldi«  Eigenachaften  des  Pulses,  als  etwn« 
VerhlltUcbea,  blofa  nach  dem  Regelpnlse  jedes  Cinxelmenaehen  be- 
urtbeilen  lassen,  welches  unser  etwas  prahlerhafte  Pulafiibler  Ga^ 
ie»  auch  schon  begriffen  hat. 

Die  Lungenlahmung  ist  etwas  ao  pISixlich  Entstehendes,  et- 
was so  Aengalliches ,  daCi  der  Arst  bestimmt  in  der  ernten  Eni- 
stehung  am  Hülfe  angesprochen  wird.  In  zwei  Fällen,  bei  danea 
ich  erster  und  einxiger  Ant  war,  behandelte  ich  das  Uebel  wie 
die  sogenannte  Apoplexia  »ervota,  ich  gab  ScbwefelStber  in  knr- 
xen  ZwiaebeorSnmen ,  und  in  solchen  Galjen,  dafa  zwei  Unaen  in 
vierandzwanaig  Stunden  verzehrt  worden.  Der  Erfolg  war  der, 
dafs  die  Beängstigung  nach  und  nach  minder  and  da*  Uebel  inner- 
halb zweier  Tage  gehoben  wurde.  Aach  hier  bestätigte  gidi  nur 
daa,  was  ich  mehrmahls  bei  andern  liebeln,  deren  Heilmittel  Ae- 
iher,  oder  tiberhaapt  geistige  Arzeneien  waren,  beobachtet  Hatte. 
Die  Kranken  selbst  fühlten  die  woblthäiige  Wirkung,  und  hatten, 
sobald  sie  diese  einraahl  gefühlt,  ein  Verlangen  nach  selbiger. 

Es  ist  leicht  eiaaniehen,  dafs  die  LnogenUhmung ,  wenn  sie 
aollslftodig  ist,  uns  als  pliMxliofaer  Tod  encfaeinen  muls.  Da  sie 
«ber  %o  gut  als  jede  andere  Lähmung  verschiedene  Grade  haben 
kann,  wird  ihre  schnelle  oder  langsame  Tödtlichkeit,  ihre  Heil- 
barkeit oder  Unbeilberkeit  wol  baoptsüchlicb  von  dem  Grad«  ab- 
hängen, in  welchem  sie  den  Menacheo  zuerst  überfallt.  Jedoch 
glaube  ich,  dafs  eine  Lfibmong,  die  anfänglich  gering  ist,  durch 
vemaohläftigte  Hülfe,  oder,  noch  eher,  dnr<^  verkehrte  Mittel  von 
Tage  SU  Tage  oder  vielm^r  von  Stunde  zu  Stunde  zunehmen  nnd 
cor  vollständigen  Lähmoag  werden  kann. 

Von  den  drei  Krankheitsfällen,  welobe  ich  erlebt,  will  ich  den 
I^esern  den  erzählen,  dar  einen  todtlieben  Ausgang  hatte,  weil  er 
belehrender  nnd  unterhaltender  ist  als  die  beiden  andern  mit  glück- 
lichem Ausgange. 

Den  vierzehnten  November  1802  fuhr  früh  Morgent  ein  Wa- 
gen mit  dampfenden  Pferden  vor  mein  Haus.  Es  sprang  der  Ref. 
R**  heraus,  und  bat  mich  dringend,  augenblicklich  mit  ihm  an 
seinem  Vater  zu  fahren,  der  sehnlich  nach  mir  verlange.  Ich  seta- 
te  mich  gleich  mit  ihm  ein,    und  hatte  auf  dem  Wege  naoh  C*" 


Zeit  i^ang,  i^d  ätw  Üt  Kratikbeit  te  Vatcn  Mu^iftagea.  hh 
hSrte  daan,  iatn  dar  fiwt  ftchuigilfariga  MaMi,  naiok  1  iiwfln  mi* 
DM  AntM,  «■fahUmr  MM-be«  wer4«,  Mw  »r  viellcMht  MhoD  in 
4«a  lAtxten  Zügen  Kege;  li«  er  eber  aaeb  Mir  Terlsngt  Iwbe,  uaA 
nen  eiflsm  äuvbpndcii  nicht  gern  elwM  abecbloge,  Bei  er,  der 
EnShler,  um  ellwt  Veniig  n  beeeitigen,  gleich  mit  fcUgwipMrt 
XU  mir  geeilei.  Auf  meine  Frage,  wer  d«  Arst  des  idiea  HerrD 
eei,    5aanle  er  mir  de«  IMcLor  K**. 

Wenn  e«  eonDglich  uhi  wenig  Aauebendei  (ur  niiek  bati«, 
mit  AufepIeraDg  meinei  Frabetöekes ,  HaU  über  Ki^  wu  etoMi 
alten  aierbttnden  Manne  xn  eilen,  na  welchem  hi>ctnt  wabncheio- 
liefa  nichts  Heilend«*  mehr  sn  tfami  war,  ho  bekam  Jeeb  die  Sa- 
ehe  dadvreh  eiKen  anderen  ond  ganx  nngewShoIichen  Reis,  dafr 
teh  bei  dieser  Gelegenheit  dia  Bekannteobaft  einet  Antea  machen 
Mike,  den  ieb  wol  durch  gnte  nad  bihm  Gerächte,  aber  bia  d*- 
liia  nach  nicht  paretolieh  luuinte.  Er  war  'wirklich  ein  gw  aeli- 
«imer  Kaufs.  Er  hatte  seine  Gattin,  die  das  Gerücht  eine  rer- 
ttfinilixe,  brave  Fran  nannte,  vier  oder  fünf  Kinder,  and  «ioe 
«inirügliche  Praxis  in  einer  der  Ifeicbslen  nnd  ber&lkertsten  Ge- 
genden Oentschlands,  begleitet  von  einer  nicht  soaderlieb  bold- 
■eligen  Geliebte«  verlaseen',  und  sich  in  C**,  eine«  One  von 
8000  Cinwwbnem,  den  man  aw  hSefauens  xn  den  midelmiütig 
wohlbabenden  rechnen  kann,  als  driuer  Arxt  oindergelssaen.  Um 
«r  nun  dieaei  Abenteuer  nicht  im  Inehuiiwigea  Jugendaller,  ■em> 
dern  im  reifen  Mannesaller  bestanden  (er  ültte  schon  seit  dreifiig 
Jabren  die  Hejlkunm),  'so  werden  mir  die  Leser  sngebco,  dafa 
es  wol  der  Aiifopfening  des  Friifastiickes  lohnie,  einen  solcii 
WandervoU  verliebten  Amiqbmder  von  Angesicht  xu  Angesicht  xu 
nchauen« 

leb  hatte  in  C"  Zeit  geH«g  den  kranken  Herrn  «nd  leine 
Freunde  aiwsnfragea ,  ehe  taein.Awtsgenosrc  «nohien.  Den  Kran- 
ken hatte  vor  vier  Tage»  die  Aibisrnspotb  plftMlich  nnd  heftig  er- 
griffen. Sio  war  se  gfofsi  dab  er  bei  jeder,  auch  der  leisesten 
leidenden  Bewegung ,  m  ersticken  fucchteie.  Dieses  war  die  Ur- 
MKbe,  dafa  er  schon  vier  Tage  nnverruckt  auf  dem  aftinlichen 
Flecke  im  Bett«  gelegen.  bajUe.  Er  Iwuni«  in  ein  Harnglaa,  und 
verrichtete  seine  Aetbdurft  ins  Beit,  su  welchenr  Ende  man  ein 
doppeltes  Leintuch  unter  ihn  xu  bringen  suchte.  Seine  Sprache 
war  leiw,  «bgebroehen,  aber  verstlodlicb.  Sein  Atbemholen  kurs 
und  sichtbu  mahum,  ohne  dab  man  auch  tutr  den  geringsten 
Lant  h5rte,  der  anf  eine  krankbafi«  Berühitfaait  der  Luftröhre 
gedeutet  fafiii«.  Seia  Gesicht  war  nicht  reih  oder  aufgetrieben, 
sondern  aber  blaf*  und  baigefailen,  ohne  jednch  in  seinen  Zügen 
den  nabeoden-  Tod  su  rerkündsn.  Die  Zonge  war  weifs  enge- 
«bidge«,    4er  Putß   etwas  bMch|enaiget,     «od,    hiasiehtlich   des 


r^elioBbigni  ZailfflaTus  dnr  SohUge  gegeaeinamlpr ,  diircliRu« 
nicht  kraakbaft.  Der  Urin,  ilrohg^b  von  Farbe,  wurde,  nach 
utigefHhrer  Sehälrang,  in  genngiamer  Meng«  aaagMondert.  Die 
Lage  des  Kranken  im  Bette  war  wie  die  der  meJalen  geannden 
Menacben.  ( Bekanntiicb  liegen  di«  meisten  mit  dem  Kopfe  elwaa 
höher  alt  mit  dem  Bntnpfe;  es  gibt  wenige,  die  mit  dem  Kopfe 
und  Rumpfe  wagerecbt  liegen. ) 

Von  den  Haasgenosien  und  Freunden  erfuhr  ich,  dafs  der 
alte  HeiT  nie  an  ohröniachem  Husten,  Engbriiaiigkeil ,  periodi- 
■cbem  Asthma,  kurz  nie  an  ZoflÜlen  gelilien,  die  einen  Fahler 
der  Lange  vermnihen  liefsen. 

Nachdem  ich  nun  mit  Mnfie  alles  ansfBbrIich  erforscht,  er- 
Bcfaien  mein  Amtsgenosie  Dieser  halte  das  Uebel  fSr  anheilbar 
erkISrt ,  milbin  konnte  ich  bald  mit  ihm  fertig  werden.  Ich  fragle 
ihn  knn:  ob  er  es  für  BrastwasHersncfat ,  für  Asthma,  fiir.Peri- 
pnenraonie,  ftir  einen  organischen  Fehler  des  Henten«  oder  der 
Lange  halte.  Da  er  bestimmt  auf  alle  diese  Punkte  mit  Nein 
antwortete,  wollte  ich  kein  GeslRndnifs,  wofür  er  denn  das  Ue- 
bel eigentlich  balle ,  von  ibtn  Inwingen ,  sendern  sagte  ihm  ohne 
Umschweif ,  dafs  ich  es  fBr  eine  nnvollkommne  Ltthmung  der  Lunge 
halte.  Eine  rollkommne  sei  der  Tod  aelbst;  hier  sei  aber  mit 
Recht  tu  fürchten ,  dafs  die  unvollkomrone  in  eine  Tollkommoe 
fibergehe.  Ob  diesem  Uebergnnge  vormbeugen  sei,  könne  man 
mit  Beslimmtheit  weder  bejahen,  noch  vemetnen;  es  sei  aber 
Vflieht  des  Arxtes,  die  Hülfe  su  TerBuchcn.  In  flSchligen ,  schodl 
wiriienden  belebenden  Mitteln  sei  aber  die  nögliobe  Hülfe  einxig 
Kfl  suchen. 

Mein  Amtsgenosse  sagte  nicht  blofa  so  allem  ja,  sondern  er 
stimmte  auch  so  henlich  ein,  dafs  ich  wol  glauben  niufste,  ick 
hübe  meine  Gedanken  ana  seiner  Seele  gestohlen.  Nun  mufste 
der  alte  Herr  Schwefelltber  in  reichlicfaer  Gabe,  und  in  kurzen 
KwiscbenrHunien  Tag  and  Nacht  durch  nehmen ,  bis  entweder  die 
Gefahr  beseitiget,  oder  bis  man  sich  durch  das  Nichtheil  wirken 
TOn  der  Nichtigkeit  auch  dieser  Heilart  wurde  Gberxengt  haben, 
leb  besiimmte  die  in  vienindswansig  Standen  zu  verxebrende  Men* 
ge  des  Aetben  anf  zwei  Unzen.  Damit  alter  die  Behandlung  in 
den  Angen  der  Umstehenden  etwas  schalgerechter  und  apotbeke- 
rischer  anssBhe,  verschrieben  wir  noch  einen  schleimigen,  lOfTel- 
weise  zu  nehmenden  Trank,  der  HoflniiuHiischen  Lebensbalsam, 
oder  vielleicht  andere  Schnarrpfeifereien  enthielt,  ich  weirs  es 
wirklich  selbst  nicht  mehr;  denn  solche  Kleinigkeiten,  die  znr 
Hauptsache  nichts  thnn,  bemerke  ich  mir  nicht  schriftlich,  und 
wer  mag  sie  dreifsig  Jahre  lang  im  GedHchinffs  behalten  f 

Alles  dieses  geschah  nun,  wie  gesagt,  am  14.  November. 
Ich  mufsie  versprechen  am  141.  wieder  m  kommen,    und  fand  an 


-  4*7  — 
4iM«m  Tage  den'  Kmiikea  wnnderrall  Teriodart.  Dar  Baridil  dar 
Vcrwanitien ,  die  ihm  beigealiuiden ,  Inuteia  also :  er  habe  aieh 
bai  dau  Gebrancha  das  Aetlien  ron  Stande  an  be§ter  befunden. 
Die  Aihenmotb  lei  nicht  iilSialicb,  Mndern  nach  und  nach  im- 
war  miader  geworden.  £■  habe  aieh  in  der  Uizien  Nacht  ein 
paanlnndiger  nihigar  Schlaf  aingeaiallt  und  man  habe  dieaen  aneh 
nicht  durch  Xöihigen  eh»  Einnehnieo  gestört  ( welchae  ge^ifa  sehr 
veratSndig  war),  Xacb  dem  Schlafe  sei  die  Athenisnoib  nicht  sii- 
rfickgek«hn.  Die»  jelste  Nachricht  war  die  wichtigste,  sie  be- 
wies, dafs  die  Gefahr  beseitiget  sei;  wlire  sie  es  nicht  gewesen, 
so  würde  das  Gegenthail  erfolgt,  die  Albemanoih  wflrde  »ach  dem 
Schliife  mit  emanerler  Gewalt  wiedergekehrt  sefn,  oder  vielmehr 
ihn  ans  dem  Schlafe  geweckt  haben,  leb  aelbai  fand  den  Kran- 
ken nach  den  Umatlndea  ansnebnand  wohl.  Dals  ein  aller  Mann 
■ach  solch  hariaai  Stranfse  nicht  das  Bett  verlassen  nnd  im  Zim- 
mer Instwandeln  kooate,  war  leicht  TOrbennsehen ,  al>er  dia  Be- 
SagBiigiing,  das  Ilaopiübel,  war  bis  anf  eine  geringe  Spnr  betei- 
liget. Zwar  konnte  ar  sieb  noch  nicht  iclbst  im  Betta  anfriehten, 
dieses  Unvermögen  rührte  aber  von  grofser  MoBkelBcbwfleha  her, 
denn  wenn  ihn  andere  bewegten  and  verlegten ,  hatte  dieses  Be- 
wegen nicht  den  geringsten  Einflufa  anf  seinen  Athem,  weshalb 
er  anch  jetzt  nicht  mehr  seine  Noihdnrft  ins  Halt  zu  verrichten 
brauchte,  sondern  sich  der  Stackpfanne  bediente.  Uebrrgans  war 
sein  Geist  wieder  ermathtget,  nnd  wie  wohl  er  sich  fühlte,  er- 
bellet daniHH,  dafs  ich  zwar  versprechen  muffte,  ihn  nochmabia 
Snilieh  XU  besnchan,  dafs  er  aber  nicht  von  mir  varlangie,  den 
Tag  meiner  Ueherknnft  an  bestimmen. 

Mit  meinem  Amtsgenossen  vereinigte  ich  mich  dahin,  daft 
die  Gab«  des  Aeibera  nan  nach  nnd  nach  miisse  vermindert  wer- 
den, welche  Verminderung  ich  ihm  nach  den  UmsiSnden  einsu- 
richten  überliefB. 

Zehn  Tage  nachher,  also  am  26.,  beauchte  ich  den  Kranken 
wieder,  und  fand,  dafs  seine  KrSfia  bedeutend  zngenommen  hat- 
ten; von  der  Athemsnoth  war  gar  nicht  mehr  dia  Rede.  Mein 
Amfsgeoosse  hatte  in  der  Zeit  die  Gabe  in  Aeriian  sehr  zweck- 
MKfsig  gemindert,  so,  dafs  Jetzt  nur  noch  etwas  weniges  vier 
oder  fünfniahl  lags  gebraucht  wurde.  Wir  wurden  nun  einig,  die- 
ses Mittri  ganz  bei  Seite  zu  seizeii ,  und  znr  Vollendung  der  Hei- 
lung fixe  Slfirkangsniitlel  zu  retchen.  Bei  meinem  Abschiede  be- 
gehrte der  Genesene  aber,  ich  möchte  ihn  zu  einer  Zeil,  wenn 
es  mir  ganz  gelegen  sei ,  noch  einmahl  besnchen.  Ich  ventjtrach 
Ihm  dieses ,  konnte  aber  mein  Versprechen  anderer  GeschBfie  we- 
gen erst  am  19.  Dezember  erfBlIen,  fand  ihn  damahls  anfser  dam 
Bette  nnd  konnte  nichts  Krankhaftes  mehr  an  ihm  erkennen. 

Ungafnhr  vianehn  Tage  daranf  hatte  ich  Genchftfke   in  C", 
32      ^     -0-~ 


—    498    — 

und  da  mieb  mein  Weg  dem  Hanie  das  allen  Herrn  vorbetniune, 
plagte  mich  die  \eugiard«,  ihn  in  »efaeR.  Man  wies  mich  in  aet- 
ne  Schreibatube ,  ich  fand  ihn  gekleidet  ¥or  einer  Kegiairabir  sie- 
ben nnd  in  alten  AlUen  kraweq.  Mein  Eintreten  wirkte  aichibar 
irtSrend  auf  Uio;  er  war  io  veitieft  io  den  alten  rfttieherigen  Pa- 
piaceo,  dafs  meine  Frage  nach  seinem  Befinden  ihn  fast  su  be- 
fremden schien.  Da  ich  weder  Zeit  noch  Lost  hatlc,  diesen  alten 
verbrieften  KofS  ans  saiaem  papieriecben  Traumleben  zu  wecken, 
so  ging  ich,  mit  dem  Vorgebeo,  Um  in  seinen  wichiigen  Nach- 
ssobungen  niebt  stören  su  wallen ,  itehendea  Fufies  wieder  weg, 
und  er  nmehte  ancb  eben  nickt  die  Miene,  micb  an  meinem  Eni- 
weicben  behindern  zu  wollen. 

Dieses  ist  nun  der  erste  Tbeil  der  Geschieble ;  jetxt  felgt  der 
sweke,  der  nach  Art  der  Traoecapiele  mit  dem  Tode  des  Helden 
sohlielät. 

Am  Abend  des  liien  Febr.  1803,  also  fast  zwei  Monate  nach 
meinem  letzten  arollich  -  Intlicheo  Besncfae,  erbielt  ich  einen  Brief 
von  ihm.  Dieses  Schreiben  war  so  klagend  uod  flehend  abgefabi, 
als  «ei  ich,  mit  der  nobedingtestefl  Gewair,  ihn  dem  Rachen  des 
Todes  zu  eotreifsen  ausgerüstet,  grausam,  hartherzig,  lenfliadi  ge- 
nug, ihn  verderben  su  lassen,  und  als  sei  dieser  Brief  der  letzte 
von  vielen    vergebenen  Versuchen,    mein   versteiuies  Herz  sa  er- 


Was  kannte  ich.  werthe  Leser!  nun  anders  denken,  als  der 
iJte  Mann  sei  loll  geworden!  Gleich  »m  folgenden  Morgen  vor 
Tage  begflb  ich  mieb  zu  ihm  auf  den  Weg.  In  der  Tfaür  des 
Schlafzimmeri  tritt  mir  seine  sehr  ubernBchlig  aussehende  Eokelinn 
entgegen,  und  weiset  mich,  auf  meine  Frage,  wie  es  dem  Grofs- 
vaier.  gehe,  S.att  aller  Antwort,  an  das  Bett.  Nun  freilich,  da  lag 
die  Antwort  deutlicher,  als  die  menschliche  Sprache  sie  geben 
konnte.  Der  Kranke  war  dem  Ersticken  nahe ,  sein  Gesiebt  hip- 
pokraliach,  der  Puls  klein,  schnell  und  kaum  zu  fühlen,  die  Hän- 
de kühl ,  die  Sprache  kaum  veratandlicb-  Als  er  midi  erkuioie, 
fing  er  an  in  reden,  ich  mufate  aber,  un  ihn  zn  verstehen,  mein 
Obr  seinem  Munde  imhe  bringen.  Srine  Worte  waren:  was  babe 
ich  Ihnen  doch  geiban,  dafs  Sie  mich  so  ganz  in  meinem  Elende 
veilaasen  und  mir  niebt  helfen  wolledt  —  Erstaunt  iiber  diene  rSlb- 
•«Ihafie  Hede,  nnd  begreifend,  dafs  ich  von  dem  halbiodten  Man- 
ne keine  Erklfimng  verlangen  könne,  versicherte  ich  ihm  blols, 
dafs  ntir  durch  seinen  gestrigen  Brief  mir  "die  erste  Nacbriobt  tod 
dem  Kückfalle  seines  Uebelssngekomtuen  sei,  nnd  ich  bat  die  £■- 
kelinn ,  mir  das  GeheimnifsvoUe  dieses  Vorganges  zu  cnibiiUoa. 
Sie  erkiftrte  mir  nun  ;  der  Grofsvatar  b^e,  vor  nnge^r  sechs  Ta- 
gen, p'iSuUch  einen  Rückfall  des  vorigen  Uebels  bekommen,  wel- 
ches aber  anfangs  nicht  so  heftig  ihn  ergriffe«  als  dai  TOi%e  Mahl, 


-    4M    -- 

Er  b^c  gMch  zb  Jmb  AkI»  gMcblt^t ,  «thMen  ^betm ,  mir  an» 
T*ni>gli<A.  Nachricht  v»n  diM»n  RfickfaUe  sn  geben  und  meine 
[]«bHk«nfil  ia  Mineni  NanMn  in  va^langeo.  Da  Ich  am  folgend«» 
Tage  niebt  enchienen  lei,  bab*  der  Ant  vei^egeben,  die  von  mir 
erbalieue  Aatwert  hmie,  diifi  andere  GembShe  mir  es  onraöglieli 
MBch'ien  heräberaukominen.  Der  Grobrafer  hnbe  nbermahli  in  den 
Ant  gedrungen,  meine  UeberituDft  aef  dat  emnliefaate  und  drin- 
gendaie  m  Terlat^cn,  am  folgenden  Tag«  eber  die  nimliche  Ant- 
wort mit  «inifer  VcrHndernng  erhalten.  So  ael  es  nan  aUe  Tage 
gegangen ,  der  Kranke  indeb  bei  dem  flebraocfae  der  verardoMen 
Miltel  immer  elender  geworden.  EndKch  habe  er  Verdaobl  ge- 
■ebSpft,  und  ihr  (der  Enkelinn)  anfgelragen,  mir  lelbet  in  seinem 
Namen  zn  scfareiben.  Nun  konnte  ich  mir  freilich  die  SeltianH 
keil  des  Briefes  und  die  Seltsankak  der  Anrede  das  Kranken  er- 
klären. 

Ich  war  jetzl  neugierig,  ob  mein  Amtsgenosse  das  Mittel,  des- 
sen nulfallende  and  wundergleicbe  Wirkung  er  doch  beim  ersten 
Anfülle  mit  seinen  leiblichen  Augen  gesehen,  bei  diesem  Rückfalle 
wieder  angewendet  habe.  Die  EnkeliuD  behanplete,  er  habe  ver- 
schiedene, aber  ganz  andere  Miuel  verschrieben;  da  das  vorige 
sich  durch  seinen  starken  Geruch  verraihe,  k3nne  sie  sich  unmög- 
lich in  diesem  Punkte  t&uschen.  Bei  der  Einsicht  der  Verordnun- 
gen in  der  Apotheke  ergab  sieb  auch,  dafs  mancherlei  Brustmittel 
verschrieben  waren,  die  an  ihrem  Orte  gut  sein  mögen,  di«  aber 
dem  Kranken  unmöglich  helfen  konnten.  Aelher  und  solche  Mit- 
tel, die  in  ihrer'  Wirkung  dem  Aelher  mehr  oder  minder  verwandt 
sind,  waren  nicht  gebraucht. 

Was  war  nun  mit  dem  Kraakan  zu  machen  1  leider  nichts, 
gac  niohlB.  Die  vorige  Heilart  war  wegen  des  schon  erschwerten 
Schlingens  ganz  unanwondbart  and  ein  Kind  konnte  sehen,  dafa 
der  Tod  im  Ansage  sei.  Mit  dem  Kranken  hatte  ich  wenig  in 
schaffen,  denn  der  befand  sieb  sehen  in  dem  Zustande,  worin  sich 
manche  Menschen  nahe  vor  dem  Tode  befinden,  sie  reden  zwar 
nicht  eigentlich  irre,  aber  das  Gedächlnifs  schwindet  ihnen,  sie 
wissen  nicht,  ob  es  Morgen  oder  Abend,  Mitlag  oder  Mitiernat^t 
ist.  Ich  bin  iibersengt,  der  alte  Alaun  hat  eine  Stunde  nachher 
nicht  mehr  gewulsl,  dafs  ich  bei  ihm  gewesen.  Cr  ist,  wie  mir 
das  Gerücht  gesagt,  in  der  folgenden  Nacht  oder  am  folgenden  Tag» 
gestorben.  Meinen  Amtsgenossen  habe  ich  dieses  Mahl  nicht  ge- 
sprochen; kh  sab  den  Kranltea  für  nicht  viel  mebr  als  einen  Leich- 
nam an,  und  über  Leichen  können  praktische  Aerzle  sieb  niebt 
iMMtfaen. 

Es  ist  der  Gebranch  in  der  medizinischen  Bücberwelti  an  ei- 
ne Umgmtiiigt  KcaikengescUobie  eine   noch  Uw^weiligere  Nach- 


-    MO    — 

tcbrifi  KU  raiben.  Danit  ich  diM«in  10bltcli«n  Qebrauoli«  trwi 
bleibe,  iiiacbe  ich  folgende  Naobtobrift.      -' 

Manche  Leier«  londerlicb  di«  jfiDgwan,  d^en  G«isi  mmit  «i- 
aea  dichteriBcbea  Anflug  hat,  künntan  den  Doktor  S  **  elwai  sebarf 
bonribeil«R-  I3ni  nun  die  Scbirfe  ihres  Unheiles  etwea  ni  mSfol- 
gen,  gebe  icb  ibneQ  nacfairKglicb  oocb  folgende  Thalmcbe  «a  ber> 
denken.  —  Einige  Zeit  nach  der  erstthlieo  Begebenheit  ^krankte 
•r  eelbit  an  einem  akuMn  Fiabar.  Aufgefodert  Ton  seiner-Ge* 
Uablen , .  besaohte  ich  ibn.  Nach  reiflieber  ErwSgung  aller  Um^ 
ttlnde,  hielt  ich  dafür,  dafii  ar  des  RiBfaigan  Gebrauobei  geiiiiiger,v 
belebender  Heilaiitlel  xuc  Sicherstallang  «einet  Lebens  eben  lo  %tlbr  ■ 
bedürfe  ala  dar  Gatande  des  Brotes,  und  icb  sagte  ihm  dieses,  weil 
sein  Kopf  ooob  nngekrlnkt  war,  ganz  nnverbobleo.  Er  gab  mtr 
Recht,  nnd  die  Snehe  war  abgaibnn. 

Mehre  Tage  daraof  wnrde  ich  abermahls  ron  der  tieliebteo 
gabeleo  bcrüberEnkoniinen.  Jetzt  fand  icb  ihn  aber,  obachon  nicht 
irreredend,  in  sehr  bedenklichen  UinslSoden.  Sehend,  dafs  er  mei- 
nen früheren  Ralb  blofg  aus  HSflicbkeii  gebilliget ,  ibn  aber  nicht 
befolgt  hatte ,  inacbte  ich  ihn  anf  die  Gefahr  aiifmerksam ,  worin 
er  schwebe,  und  ermahnte  ihn,  seiner  \a(ur  durch  «in  paar  Drach- 
men Essig-  oder  Schwefelather  (auf  viemodzwanstg  Stnnden  ver- 
iheilt)  xu  Iinire  XU  hemmen.  Ich  bemerkte  ihm,  wie  ich  nicht  in 
Abrede  stelle,  dufs  eine  ktüfügv  Natur  bei  jedir  Hrilart ,  s«Ibi<l 
bei  einer  widersinnigen  nnd  feindlichen  den  Sieg  dHrnD  tragen 
kSnne.  Da  ihm  aber  niemand  eine  solch  krfifiige  SelbsibDlfc  sei- 
ner NatiH-  verbrirgan  könne,  so  sei  es  docb  der  Klugheit  gemSfs, 
ihr  mit  belebenden  Mitteln  zu  Hitlfe  sn  kommen  n,  s.  w. 

War  es  nitn  meine  Rede ,  oder  war  es  die  Krankheit  selbst, 
die  ihn  aus  aeiner  bSfischen  Bolle  fallen  liefs,  das  kann  Ich  nicht 
sagen;  genug,  er  gab  mir  dieses  Mabl  keinen  Beifall,  sondern  er- 
klltrie  ganz  aufricblig,  er  werde  meinen  Rath  nicht  befolgen,  denn 
icb  lege  es  darauf  an,  ibn  vn  überreisen. 

Wir  waren  also  jetzt  am  Ende,  and  ich  erklärte  seiner  ver- 
sweifelnden  Geliebten,  dafs  mein  ferneres  Ueberkommen  ganz  nutz- 
los sein  werde.  Ein  paar  Tage  darauf  gelangte  schon  die  Kunde 
seines  Todes  xu  mir. 

Einen  Arxt,  der  seine  Meinungen,  oder  seine  Voniribeile  durch 
seinen  eigenen  Tim)  bestfitiget,  also  den  bBndigsten  Beweis  liefert, 
dafs  er  selbige  wirklich  fiir  Wahrheit  bBlt,  den  kann  man,  meines 
Eracbtens,  nicht  tadeln,  dafs  er  frdher  auch  andere  Kranken  nach 
diesen  Meinungen  und  Vorurtbeilen  behandelt  hat,  und  dals  auch 
der  handgreiflich  glfieklicbe  Erfolg  einer  entgegeng«aetzlen  Heilart 
Ihn  von  seinen  Vomrlhellen  nicht  hat  heilen  können. 

Der  ungeheure  Widerspruch  in  dem  Benehmen  des  Dr.  S**, 
dafs   et  firGber  meine  Tergesehlageae  Aeiherifor  firtadtg   billigt«, 


-    Wl     — 

ihn  gnifl  Wiriang  «nh ,  aad  ne  doch  hernub  beim  Rückfalle  nicht 
wiadsr  anwandle,  gleicht  sich  in  etwas  dadnreh  aus,  dafs  er  nn< 
MagUdi  den  Kranken  für  unrettbar  verloren  hielt ,  ea  ihm  alao 
gana  gleich bcdenlend  win  mufste,  ob  ich  aelbigen  dnrcb  Salpeter 
■bkBblle,  oder  dareh  Aoiber  Tmueintlicfa  überreiEie.  Su  viel  ae- 
beo  die  Leier  ein,  der  Mann  hatte  ein  nnüberwiodliches  Vonirtheil 
g«geo  Aether  und  andre  geistige  Miilel.  Nun,  Gott  weila,  tob 
welchen  Vonirtheilen  ich  beaeaaen  bin ,  und  von  welchen  Ihr  he- 
■esaen  leid,  wertbe  Leser  f  wir  sind  Bllesaromt  schwache  Menaefaen, 
und  wer  aieh  am  klngsten  dünkt,  ist  oft  am  oSchsten  daran,  alber« 
ne  Streiche  au  maehen. 

Uebrigens  will  ich  durch  das,  was  ich  gesagt,  nicht  gerade  den 
Adv^tmtum  diaMi  spielen;  ieh  gestehe  vielmehr  aafridiiig,  daft 
ia  dem  Benehmen  meines  Amlsgenoasen  noch  etwas  Geheimes  and 
übel  m  ErklSrendes  liegt.  Anf  alle  Falle  ist  die  erxahlt«  Ge- 
aohichte  ein  ireffiiefaes  Antijfiticmm  für  »eine  jangeren  Antsbrädor. 


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Dritter    Abschnitt. 
mi«««l    auf  dl«    mwKmm»   *mm   ■&•»'«■• 

Dai  Amg*. 

Mw»  ieli  kein  Augsoant  bin,  mich  also  mit  krankca -Augen 
nicht  mehr  abgebe  aU  jeder  andere  prakiiicbe  Am  la  thun  ge> 
zwangen  ist,  lo  dürfen  die  Leeer  keine  beaondere  iniereuanie  Be- 
meritungen  ron  mir  erwanen,  ieb  werde  ihnen  rielleicbt  mehr  mei- 
ne Unweisheit  als  meine  Weisheit  offenbaren. 

Zuenl  ist  e>  keinem  Zweifel  unterworfen,  dafs  Angenenliöo- 
dungen  nicht  selten  eine  in  den  Angen  vorwaltende  AffekiioD  des 
Gesammiorganismas  ist.  Manche  Aenle  scheinen  aber  fast  der 
Meionng  su  sein,  (inm  wenigsten  nna  ihrer  Behandlang  sollte  leh 
es  Bchliefsen)  als  ob  blofs  eine  unter  der  Heilgewalt  des  Salpeters 
stehende  Affektion  des  Gesammtorgaaiinins  in  den  Angen  vorwal- 
ten kfinne.  Dieses  ist  ein  Irrihnm,  denn  die  swei  anderen  L'mi- 
vertmlia  sind  eben  so  heilsam  in  AngeneotaSadiingen  als  der  Sal- 
peter, so  bald  das  Leiden  des  Gesa  mm  (Organismus  sieb  für  den 
Gebrancb  derselben  eigenet. 

Dafs  Augenentsündungen  und  andere  Augenfehler  als  ÄwMy- 
ojfie,  Ammir»MÜ  ete.  nicht  selten  coDsensneller  Art  sind,  ist  eben- 
fails  bekannt  genug.  Wenn  aber  Aenie  bei  den  Uraffektionen 
der  B an cheinge weide  blofs  an  auszuführende  Unreinigkeiten  denken, 
kann  ich  nur  ihren  Irrthum  beklagen.  Wahr  ist  es,  dals  es  gastri- 
sche Augenentsündungen  gibt,  die  men  mit  ausleerenden  oder  nea- 
tralisirenden  Mitteln  am  besten  heilel ;  es  gibt  aber  manche  Aa- 
genentsundangen,  die  nicht  von  dem  Reise  scharfer  Stoffe  anf  den 
Darmkanal  abhangen,  sondern  die  blob  durch  Ansmitielang  des 
uretkrankieu  Bauchorganes  und  des  geeigneten  Bauehiniltela  an  he- 
ben sind.  Das  N&mliohe  gilt  von  den  conaeniuelien  Augenentzün- 
dnngen,  die  von  einem  Urgehiro leiden  abbangen,  diese  kSnnen  nur 
durch  das  geeignete  Gohirnmittel  gehoben  werden. 


VoB  ifii  htkmmaln  nad  gebribichllchen  fiofterilüheti  Miilela 
bab«  ich  ftflgendp«  in  sageo:  Qaeck-tilbermitlel  werden  xuweileo 
TOB  den  Aenien,  selbst  von  venilindigen,  ja  wol  von  Au^oftn- 
laa*  in  su  starkar  Gabe  angewendet.  Zugegeben,  dafa  in  vielen 
F&llen  dine  tiaben  paaun ,  so  pasnen  sie  doch  gewifs  nicht  in  al- 
l«a.  Icfa  hab«  aiehnuah]«  solche  AiigeneoUiindiingcn,  welche  den 
aiarken  Quecksilbersalben  nicbl  ballen  weichen  wollen,  mit  einer 
Salbe  aas  Einem  Grane  JUeremriMt  einereu»  und  iwei  Orachmen 
Scbweineschinala  gefaeileL  Das  nSmliche  gill  van  dem  Siiblimai: 
man  kann  aniveilen  aiit  fitoem  Grane  auf  sechsefan  Unseo  Wasser 
AngenenisündiingeD  heilen,  wetcbe  rioem  aiSrkeren  Wasser  nicht 
baben  weicben  wollen.  Damm  habe  ich  es  mir  längst  snr  Regel 
gemacbl,  solchen  Leuten,  die  schon  bei  mehren  Aeraien  vergebei»  ■ 
Bath  geattoht,  gans  milde  Aogenmiirel  sn  verordnen. 

Von  den  nicbimerknrialischen  Miiteln  sind  eine  BoraxanflS- 
aong  von  eioer  Dracbni«  anf  sechs  Unzen  Wasser,  oder  eine  Auf- 
IdsuRg  des  essigManren  Zinks  von  Kinen  Grane  auf  jede  Unae  Was- 
aer,  sehr  gute  Augenwiaaer,  die  ich  aber  wenig  von  dan  Aeraleo 
habe  brauchen  gesehen.  Ich  kenne  auch  e!n  gana  milde*,  in  Ao- 
ga  niehl  •  beif^endes  Silbamittel ,  dessen  Bareitnng  ich  unter  den 
GehimMilMio  angeben  werde,  welches  sn  Einem  Grane  oder  sa 
swci  auf  Ein«  Orachtae  Seh wainescb  mala  sehr  gute  Dienste  in 
obroMtfehoo  Augeneotaündungen  leiatet,  nnd  solche  bebt,  die  deo 
Merkarialmiiteln  nicbl  weichen.  Dar  Gebittudi  solcher  Angonmit- 
tel  rieblet  sich  viel  nach  der  Zeit.  In  diesem  Jahre  wird  man 
dieses  Miilel  n>ii  guieai  Erfolge  bei  vorkommcDden  Fallen  gebraii* 
«heu,  im  fulgeaden  ein  anderes.  Es  Ififm  sich  wirklich  aicbia  Ba- 
«lim mies  darüber  vorher  angeben. 

Ich  habe  schon  eine  ansteckende,  ongehaner  achmerabafte  Aa> 
geneniwindttag  erlebt,  in  der  das  «innige  Heilmiltel  Bitlcrmaadel- 
wassar  war;  jedoeb  nicht  das  Wamer  des  Preufiiscbea  Apotheken 
bnches,  dsan  dieses  würde,  wegen  des  reicfalicbeD  Zaialzes  von 
Branntwein,  solch achaaera haften  Aogen  wol  nicht  gutgeiban  baben. 

DtJs  ätherische ,  aromatische  Oele  ia  Diinstgestalt  manchen 
kranken  Angea  gnt  tbnn,  ist  bekannt,  aad  die  beste  Art  der  Aa> 
Wendung  bleibt  wol  die.  Einen  Tro|^an  anf  ein  Läppchen  Linnea 
»I  tr&pfeln,  und  das  Läppchen  vor  das  Ange  wt  bangen.*}  In 
Salban  habe  ich  noch  nie  fttheriacfae  Oele  gebraucht;  dHfs  dies« 
aber  ia  solcher  Form  bSliisch  beilsen  müssen,  bin  ich  su  der  Zeit 
gewahr  worden,  da  dem  Prenfsischen  Apoifaeker buche  eine  Mer- 
karialaageaaalhe  mit  einem  Zosatae  von  Qleo  de  otJro  einverleibet 


*)  Dm  Otmm  Mafurauat  leh«  leb  gar  Bidbl  ron  dan  AerHe»,  »llitt  atokl  mn 
4h  As^dirstM  febraaebcs,   nd  dach  i*t  m,   tmik  mtlmtr  Brhhrast,  dw 


,,,  Google 


—     504     — 

war.  Ich  selbit  habe  freilich  nie  disM  Salb«  Tsnefariebeo,  aa  miai 
aber  au  der  Zeit  mehrmahU  aageokraoke  Menachen,  deaaD  ai«  to« 
Aenten  oder  Wundärxten  Terschrieben  war,  au  mir  gekoMuien,  dia 
da  behaupteten ,  man  könne  mit  dieser  8albe  eher  ein  gaauode» 
Auge  krank,  als  ein  krankes  gesund  machen.  — 

Zweierlei  Augeneniziindnogan  habe  ich  finfaerat  scltea  beobach- 
tet: die  Enlzundung  der  Netzhaut,  und  die  EnlaüaduDg  der  H«rB- 
haut.  Es  ist  gewiüi  eine  sehr  weise  Eiorichtiing  der  Natar,  dafa 
beide  (Jebel  selten  sind,  wKren  sie  so  hftufig  als  die  Entaündung 
der  CoHj'iMciiva  oder  der  Lieder,  so  wurde  man  ron  der  geHngMi 
Menscheoklasae  Blinde  auf  allen  Wegen  anlrelten. 

Die  Entaündung  der  Netshaut  Eines  Auges  behandelte  ich  ein 
-  einziges  Mahl  vor  vielen  Jahren  bei  einem  jungen ,  starken  Man- 
ne. Sie  war  acbnell  eolsUnden.  Aenlseriich  «ah  man  nichts  am 
dem  Auge,  als  eine  unbedeutende  Rdlhe  der  Comjwnctiva.  Dia 
Pupille  war  Dicht  erweiiert.  Ein  dampfer  Schmera  in  der  Tiefe 
de*  Auges  und  daa  ganzlich«  Aufhören  des  Sebovermögeni  bezeich- 
neten mir  diese  Entzündung.  Der  Puls  war  etiyae  gereiai,  jedoch 
behauptete  der  starke  Mann,  sich  nicht  unwohl  an  fühlen.  Zwei 
raichliche  Aderlässe,  ein  einmahliges  Anseizea  von  acht  Blniegeln 
und  ein  Laxirniiitel  von  SeonesbUtIcrab kochung  und  Glaubersalz 
machten  den  Mann  innerhalb  drei  Tage  wieder  sehend.  Er  hat 
aber  noch  etliche  Wochen  nachher  eine  Schwache  dieses  Auges 
behalten,  welche  steh  nicht  durch  nndeutÜehea  Sehen  tlufserle,  son- 
dern blofs  dadurch,  dalk  er  nicht  lange  leaeu  konnte,  ohne  dafa 
ibiu  das  Auge  achnieme  und  dafs  er  aich  beim  Sehen  aasirengen 
mufsie.  Dieses  Ungemach  ist  ohne  Aracaei  nach  edidien  WodieM 
durdi  blofses  Schooen  des  Auges  vergangen. 

Mir  ist  es  wahneheinlicb ,  dafa  die  Zaichen  der  Neizhautent- 
zilndaag  nicht  immer  gleich  sind,  und  dafs  die  Ungleichheit  d«r-> 
selben  in  rersehiedeoeB  Fällen  von  dem  Grade  der  Ealafiadung  ab- 
hängt. Aach  ist  es  mir  wahrscheinlich,  dafs  eine  vernachlässigte, 
oder  verkannle  Nelzhantenizändung ,  wenn  sie  gleich  nicht  in  Ei- 
terung äbergehet,  doch  eine  Lähmung  der  Nelahaut  bewirken  k5o- 
ne.  Eine  auf  Einem  Auge  blinde  Jungfrao  beschrieb  mir  einst 
den  Anfang  ihrer  Blindheit  gerade  so,  als  ich  sie  bei  dem  jungen 
Manne  beobachtet  hatte.  Bei  ihr  .waren  der  dumpfe  Schmerz  in 
der  Tiefe  der  Augenhöhle  und  die  leichte  Höihe  der  C*i^imeUvm 
nach  und  nach  vergangen,  die  Blindheit  war  aber  gehliebea. 

Die  Entzündang  der  Hornhaut  mufs  wol  sehr  sriien  sein,  denn 
in  ihrer  ganz  reinen  Form  habe  ich  sie,  so  viel  ich  midi  er- 
innere, nur  ein  einziges  Mahl  gesehen^  und  zwar  im  Jahre  1829 
bei  einem  jungen  schönen  Mädchen.  Die  Conjunctiva  war  ganz 
leicht  gerätbet ;  da  aber  daa  Mädchen,  Mus  Furcht  blind  zu  werden, 
beständig  weinte,  und  die  Röihe  der  ComjmncMa  nicht  sllriter  war 


—    SOS    — 

Hit  sie  auch  durcb  ia»  Wainen  bewirkt  wird«  eo  kunnie  i^A  un- 
mdgliek  wiaMn,  ob  dieae  RiMfae  wirklich  eine  leichte  Entxüa- 
dun^,  oder  die  gew9boliolM  Tbränenrötbe  war.  Et  gibt  keioe 
Kra nie Iwiis form  id  der  Natur,  welche  man  deutlicher,  beelimmier 
and  küner  beacbraiben  kBnnte ,  ala  di«  Entaünduiig  der  Hornhaut. 
Wenn  man  tagt:  die  entaOndtia  Hsmhant  aiehet  gerade  aus,  alt 
eine  gefrorene  Fensterachetbe,  so  lifti  lich  nichts  mehr  binxasex- 
MO,  wai  dieae  Krankbeiuform  amchanÜcher  machen  könnte.  Die 
Sehkraft  ^ar  awar  bei  dem  MRdchen  nicht  Tcrminden,  lia  tah 
den  hellea  Tag,  konate  ab^r  eben  ao  wenig  die  Gegenatlnde  nn- 
teracheiden ,  alt  man  dietea  dareh  eine  gefrorene  Fenstenoheib« 
ibnn  kann.  Man  bAile  schwören  tollen,  die  Homhant  sei  «nfge- 
leckert.  Koibe  GefHfte  konnte  ich  in  dertellicn  nicht  entdecken; 
da  aber  mein  früher  acharfet  Geeicht  mit  den  Jahren  tebon  viel 
abgenommen,  ao  kann  ea  möglich  sein,  dafa  ich  deahalb  daa  Vor-  ' 
bandansein  ganz  Feiner  roiher  Geßfae  nicht  habe  tehen  können, 
und  daft  die,  welche  dergleichen  bei  Hörn  hauten  txfindung  betAech- 
let,  ein  aehtlrferea  Geeicht  gehabt  haben  als  ich  anr  Zeit. 

Die  Beseitigung  diMet  seltenen  Uebelt  batle  in  dem  erxBhl> 
tan  Falle  durebans  keine  Schwierigkeil.  GUabMaalzwRBMr  xom 
Innerlichen  Gebranche,  aweimahliget  Ansetzea  von  Blnlegetn,  nnd 
ein  Angenwaseer  von  esaigsftnrein  Zink  (Ein  Gran  auf  jede  tlnae 
Waaaer)  hoben  das  Uebel  in  etlichen  Tagen. 

Ich  tagre  so  eben,  die  Hornhaut  bähe  da*  Anaehn  gehabt,  all 
sei  lie  aufgelocl|prt.  Sollte  et  möglich  aein,  dafs  das  Erweioben 
der  Homhnat,  dtu  Aufbrechen  und  Anslaufen  der  Angflpfal  durch 
•okbe  Enisündnng  könnie  veranlaftl  werden  f  —  Folgender  Fall, 
den  ich  awar  nicht  aelhst  beobachtet,  der  mir  aber  von  dem  Lei* 
der  erxihlt  iat,  macht  diese  Vermuthnng  höehtt  wahrscheinlich. 

In  Winter  182$  begehrte  man  bei  einem  tiefaenxig^hrigen 
Landnaaon  meine  Hülfe  gegen  Bancfalefden.  Ich  verordnete  nach 
dem  deutlichen  Berichte  dea  Söhnet  das  Nöibige,  und  rartpracb, 
Mf  sein  Bitten ,  dea  dritten  Tag  darauf  den  allen  Vater  zu  beeu- 
ohen.  AU  ich  hinkam,  hatte  das  verordnete  Miflel  schon  so  gute 
Dienste  geleistet,  dab  der  Alte  ans  den  Bette  stieg,  sich  lebens- 
lasiig  an  den  Tisch  seiste,  und  der  jnngen  Baurinn,  seiner  Schwio- 
gertochler,  den  Safle  bereiten  hiefs;  aus  welchen  Anstalten  ich 
verniuthete,  dafs  er  viel  mit  mir  zu  verbandlen  haben  mösse.  Ka 
ging  aber  besser  als  ich  dachle,  denn  die  Verhandlung  Aber  den 
Bauch  war  bald  abgeiban;  ich  wufste  ihm  nichts  Besseres  zu  ge- 
ben als  ich  ihm  gegeben  hatte,  nnd  er  verlangte  ancb  nichts  Bea- 
eeres.  Xnn  wurde  aber  meine  Neugierde  durch  die  seltsame  Form 
seiner  Augen  aufgeregt.  Uafs  er  auf  beiden  Augen  blind  war, 
hatte  ich  schon  von  dem  Sohne  gehöret;  aber  seine  AugBpfel  sa- 
h»n  beide   so  •usannengefallen  und  aötgelattfen  «us,    als  wHren 


—    506    — 

aie  durch  fiiifwre  Gewaltlkäligkeit,  durch  etnea  Slofa  uder  Siioh 
geöffnet  und-  alle  Contenia  herauigelanea  worden.  Du  mnn  «o 
etwas  oft  genug  an  Einem  Auge,,  aber  gewif«  selipn  an  beiden 
siebet,  so  können  die  Leser  leicht  denken,  dafs  ich  deo  Aliea 
bat,  mir  das  Scbickial  seiner  Augen  %<a  enüblen.  Sein«  Erailh- 
lung  lautet  also:  er  hab«  an  beiden  Angen  eine  anbedeiiiende  Hil- 
tbe  beltommen ,  nieuiuad  habe  Geschwulst  der  Lieder  beiuerlien 
können,  die  Trübheit  sei  aber  seinen  Freunden  sichihnr  gewesen. 
Das  SehverniÖgen  sei  ihm  so  schwach  geworden,  dHÜi  er  allrs 
wie  durch  einen  Nebel  gesehen  habe.  Dieser  Neb«l  sei  gar  bald 
■o  dicht  geworden,  dafs  er  nur  die  ongetähren  Umrisse  der  Ge- 
genatünde  habe  erkeiinen  können.  Eines  Morgens  sei  ihm  beim 
Aufstehen  ein  Auge  gehonten  und  aDsgelanfen ,  eini^  Tage  dar- 
auf sei  es  mit  dem  andern  eben  so  gegangen,  nnd  nun  sei  «« 
vollständige  Naobi  um  ihn  gewesen.  — 

Kleine  Pocken,  welche  zuweilen  auf  der  Coi^metivu  oder 
der  Hornhaut  auffahren,  sind  nicht  selten  so  winzig,  dH&  der 
Arxt  seihst  ein  recht  schärfet  Gesicht  haben  inufa,  wenn  er  sie 
erkennen  will,  nod  doch  ist  m  nftlhig,  sie  alsobald  zn  erkennen; 
denn  sie  TOriragmi -weder  Merknrialmiitel,  nech  xnsaaimentiebendo 
Angenwosser.  Durch  den  Gebrauch  selcher  Mittel  ist  maocker 
Mensch  blind  geworden,  der,  wenn  er  nie  Rath  gesucht ,  sondern 
sein  krankes  Auge  nur  in  lanwarmer  Milch  gebadet  hfale,  sehend 
geblieben  wHr«.  Es  gibt  hier  zu  Lande  AfterattgonSrxle,  die  sich 
vermesnen,  darch  Einblaaen  gewisser  Pulver  in  du  Augedie  Flek- 
ken  der  Hornbant  wegschaffen  zu  können.  AVeil  sie  aber  die  klai- 
nen  eiternden  Pöckchen  der  Hornhaut  nicht  von  dm  Flecken  un- 
terscheiden, so  machen  sie  den  Leuten  ein  unbedeutendes  Pöck- 
chen mit  ihren  scharfen  Pulvern  so  schlimm,. dab  die  ganze  Horo- 
hani  sich  trübet,  und  Blindheit  die  Folge  davon  ist.  — 

Die  Sebwacbsichtigkeit  der  Branntweiasttafer  halte  ich  für  eik 
nnheilbares  Uebel,  besonders  wenn  sie  nicht  von  ihrer  üblen  Ge- 
wohnheit lassen.  Solche  nnglückliche  Menschen  plagen  die  Bril- 
lenschleifer,  ihnen  eine  Brille  sn  machen,  durch  welche  sie  got 
lesen  können;  diese  werden  aber  lange  schleifen,  ehe  sie  ihnen 
inm  Lesen  verhelfen. 

Ich  kannte  einst  einen  Wein-  und  BrannlweinsKufer ,  der  be- 
hanpieta,  alle  Gegenstände  erschienen  ihm  grün  geßirbt.  Begreif* 
lieh  eriKhle  ich  dieses  so,  wie  er  es  mir  erzählt  hat;  ist  seine 
Aussage  unwahr,  so  ist  anch  meine  ErzäUnng  unwahr.  Ich  habe 
aber  nitsht  deo  geringsten  Grund,  an  der  Wahrheit  seiner  Ansang« 
zn  sweifeln.  Dieses  GrBnsehen  bat  nur  ungefähr  sechs  MonMa 
gewähret  und  ist  dann  von  selbst  vergnngen.  — 

Bekanntlich  gibt  es  Menschen,  die  die  Farben  nicht  unlw 
•cbetdaa    kÖMwn.     Einen   solchen    hab«   wwh   ich    ganz    genna 


—    507    — 

gekannl.  Auf  dem  recb(«D  Auge  war  «r  blind,  and  wkr  lo  auf 
die  Well  gskoinmen.  Sichtlieh  konnte  man  an  dieiem  Auge 
aichit  KrnnkhaCteB  erkennen.  Mit  dem  linken  Auge  iah  er  uhr 
giH ,  war  aber  nicht  im  blande  Farben  n  unieracheiden.  Begreif* 
lieh  halM  ich  miofa  hier  aoeh  anf  aeiae  Anuage  verlaaaan  niUa- 
■en;  da  er  aber  ein  aehr  rechtlicher,  vertländiger  Maaa  und  mein 
gater  Bekannter  war,  würde,  ea  unweiae  aei»,  an  aeiaer  Auasage 
tn  aweife!n.   — 

Dafa  die  Netahant  dnreh  inaere  Eindrücke  eben  lo  kann  he- 
rührt  werden,  ala  durch  ftufgere  G^^enuSnde,  ist  bekannt  genug. 
Man  findet  davon  gar  wnaderliche  Geschichten  aufgeseichnei ,  und 
wahrscheinliob  gehSren  alle  GeiNtererseheianngen  in  die  Kategorie 
dieser  nüialichea  Uoerklirlichkeit.  Ich  habe  im  Anfange  meiner 
hiesigen  Koosiübung  «inen  solchen  Fall  erlebt.  Der  achlaigjäh- 
rige  Oberst  von  Ulrich,  der  den  siebenjährigen  Krieg  niiige- 
auehl,  nnd  draaen  auch  Friedrich  der  aweite  in  seiner  Ge< 
schichte  jene«  Kri^ea  erwAhnet,  hatte  ein  so  gutes  Ang« ,  dafo 
er  ohne  Rrille  lesen  kusnie,  nnd  war,  obgleich  vea  Aller  und 
den  Kri^smiihseligkeiiea  versteift,  gesaad  nnd  hei  anverletalen 
Geisleskrifien.  Dieser  Mann  sah  aus  dam  Fenster  seines  an  dein 
kleinen  Flusse  die  Niers  gelegenen  Zimmers  Truppen  aller  Waf- 
fengattung nnd  mit  varNohiedenariiger  Bekleidung,  Packwagen, 
Markelender  n.  s.  w.  über  den  Flufa  setxea.  Uieaea  sah  er  nicht 
Finmahl,  sondern  oft,  an  verschiedenen  Zeilen,  und  die  Gestal- 
ten waren  ganz  deutlich  vom  Kopfe  bis  an  den  Füfsen.  Yon  Zeil 
SU  Zeit  erschienen  auch  Soldaien  von  mancherlei  Waffengatiung 
in  seinem  Zimmer.  Diexe  Zimmersoldsten  waren  aber  nur  vom 
Kopfe  bis  tum  Gürtel  denilich,  vom  Giirlel  an  abwHrts  nndeut- 
lieh,  und  xerflossen  hier  gleichaam  in  einen  Kebel.  Dafa  indem 
ersühltcn  Falle  and  in  ihnliehen  von  anderen  erafihlien  die  Net^ 
hnnt  nicht  dnrcb  die  Licbtslrahlen  solcher  körpeifiehen  Gegen- 
stände, dergleichen  die  Seher  sclinuen,  berührt  «erde,  davon 
kann  sich  auch  der  Einßliigsie  leicht  überzengen.  Diese  Ueber- 
aengnag  gibt  den  sogenannlen  Abergl Kubischen  den  Glauben  an 
eine  nnr  wenigen  Gewaibien  sichtbare  Geist  erweit ,  nnd  uns  ärzt- 
lichen Seh werglAnb igen  gibt  sie  den  Glauben ,  dafs  die  Ketshant 
durch  inaere  Uraariien  gerade  wie  dnrcb  die  Lichtsirahlen  Infie- 
rer  GegeosfKnde  k5nne  berührt  werden.  Nun,  mir  scheint,  beide 
Glaabeo  haben  so  ziemlich  gleichen  Werth.  Es  mächte  uns  nach 
wol  schwierig  an  sagen  sein,  an  welchem  One  des  Gebims  denn 
M^ntlich  der  Bilderkaaiea  liege,  ans  welchem  jene ,  die  Neis- 
haat  von  innen  henias  berührende  GastallMi  hervorgehen.  *) 

*)  Im  IsIm  1840  bat  »llrta  niiaea  eifeneB  Haus  eise  Iksltah«  Bflgcbtnhait  u- 
Sstr^ea.   H«iBe  UassUllMis,  eise  sehtas4*)afBi|iUriffS  JasBham  vm  slrssf^ 


Die     JV  a  »  t. 

Von  dteaeni  Organe  weifn  ich  «beofalU  wenig  m  tagen. 
Mangel  im  Genicbea  habe  ich,  auüar  beim  heftigen  Schnupfen, 
leiten,  lehr  selten  beobachfet,  erinnere  mich  aber  eines  Fiilles, 
in  welehern  er  echt  consenauelter  Ajt  war,  und  ran  einer  chro- 
niaeben  MilzalTekiion  abhing.  AIb  dieae,  iwar  nicht  gani  geho- 
ben, aber  doch  nm  vieles  verbeaaert  Wiar,  kehrte  der  Gertich  wie- 
'der.  Stinkende  Schleinianaaotideriing  aus  der  Xan  hal>e  idi  auch 
Dur  ein  einziges  Mahl  äratÜch  zn  behandeln  gehabt,  leb  gab  dem 
Manne,  der  mich  um  Ralh  fragte,  die  Tegeiabilisobe  Kohle  zum 
inneren  Gebrauche,  and  dna  Uebel  iat  gar  bald  verschwunden; 
lA  M  durch  die  Kohle  geheilet  sei,  möchte  aber  schwer  su  iia- 
gen  aein.  — 

Die  N'eigung  zum  Schnupfen  und  die  HartnSckigkeh  des  Scha»- 
pfena  ist  hfinfigizunftohat  in  einem  Blnlandrange  nach  der  Schleim- 
haut der  \aae  begründet,  and  dieser  hSngt  wieder  bHufig  vea 
Banchrollbliiiigkeit ,  oder  von  chronischen  Leber-  «der  Milzleiden 
ab.  Darum  läfst  sich  eine  solche  Neigting  znm  Schnupfen  auch 
nur  durch  Heilung  des  Grandfibela  beseitigen.  Kopfrihicharangen 
oder  Schnupfpniver  von  Cawpher  sind  in  Verbindung  mit  dem 
inneren  Gebrauche  des  kubischen  Salpeters  hinreichend ,  einen 
gewithnlichen   Schnupfen   Wald,     oft    schnell    so    beseitigen;     mun 


Redlichkeit,  dia  Keiundea  Vtntaad  oad  fttisis  Asi«*  hit,  ikhel  cin*t 
■beaüi ,  da  tie ,  ■■>  lich  igblifsB  lu  l>|«a ,  nil  dem  Ealklelden  ,  auf  einaat 
Stifte  tiUead,  bcjcbiriisct  iil,  die  ZimmerthSr  lieb  Bfnea,  meine  vor  drei 
Jebre*  vereterbeue  Gatlib  bereiDtretee  nad  dsreh  dta  Zianer  fehan ,  ata  bebe 
»ie  kier  eia  Gaaebift  ■■  beicblakeD.  Nael  nrefibrer  SoUtasaB  hatte  dieae 
BrtebeiBaag  aieb  ihr  bü  aaf  alae  EalTerMBi  vm  drei  oder  viertebatb  Feb 
Seaihert ,  »o  dali  lia ,  bei  den  bell  breaaendan  Liebte ,  die  ihr  wähl  ba- 
baaataa  iUeidaDBUtacke  der  Vinlorbenen  eiaieln  bii  Ca  dea  Paolaffela  er- 
kaaat.  Sie  behaDpIct ,  dedareb  twar  aaf  aiae  eigeae  Weise  übemicbt,  aber 
aicbt  eracbreekt  nrorden  m  leia,  leUtai  wibreebeiDlich  deahatk  aickl,  well 
dw  gasM  Aaftritt  la  ken,  Tiellelebt  aar  aiae  Hlante  sewgbrt.  Die  JaBR- 
fraa,  die  eben  lo  weaig  apakiliabig  tat  alt  ea  der  alte  Obant  y.  UlrieA  war, 
kaahia  sir  daca  foJgaade  BeHarkoBg:  WKra  die  BaerklirUohe  EruJieinaac 
wirküeh  meiae  wiederkehre  ade  vertlorfaeae  Gattian  ssweaen ,  ao  würde  die*«, 
die  aeit  nekr  dean  dreiraig  Jabraa  mit  wabrlult  mülterlicber  Liebe  ae  ibr 
Sebaagen,  die  von  ihr  ia  der  letzten,  langea,  tSdlicken  Krankliatl  klndllcb 
trea  Gepüefte  doch  wol  alebt ,  *U  habe  da  eia  aUdgtiebM  GetAifl  Im  Ztai- 
■er  n  beaehiekaa,  te  gMabriUis,  m  tbeilMhadaa  aa  ihr  varüiie^esnveB 
•ata ,  Madara  ri*  werde  Ibr  ««■  waaigalaa  eiMB  hvBBdiiehea  BUok  laachaakl 
babea,  deba  ia  der  bailife*  Sthrift  keifie  m  ja  aaadrSafclleh :  die  Liehe 
hSret  liKBier  aaf,  to  doch  die  WeiaiMaa«««  aarbSren  wer- 
daa  aad  die  Spraehen  «BthSreB  werdiTaad  dai  BrkaaBtair« 
BsnilraB  wir«. 


—    MIO    — 

w3rde  sich  aber  g«r  isfar  ttaachen,  wenn  mmii  dieun  Mlliela  fa 
Jenen  bartaickigan  consen  au  eilen  Schonpfcn  vertrauen  wollte. 

Auch  eine  krankhafte  Reizbarkeit  des  HnnlorgBnei,  rornebm- 
lieh  in  Kopfee  und  Ralaes,  kann  eine  \eigung  zum  Schnnpfen 
und  die  Hartnäckigkeit  deiselben  begründen.  Dm  Waiichen  ilee 
Kopfes  nnd  Halim  mit  Branntwein  im  Winler,  und  im  Sommer 
das  Begiefsen  dieser  Tbeile  mit  kaliem  Wasser  leistet  in  solcbea 
FSlIen  wol  gute  Dienale  wenn  es  lange  genug  fortgesetzt  wird. 
Da  aber  auch  die  Zeit  manches  im  KSrper  veründert  und  verbes* 
Bert,  mScbte  es,  wenn  die  Neigung  zum  Schnupfen  sich  mindert, 
iibel  zu  bestiiumen  sein,-  ob  die  kalten  Begiefsungen ,  oder  di« 
geistigen  Wanchungen,  oder  die  Zeit  diese  gute  Veränderung  be- 
wirkt babfl.  — 

Das  Nasenbluien  ist  in  gar  vielen  Ffillen  consensueller  Art, 
nnd  rührt  von  einem  unrpgelmfifsigen  KreislHufe  im  PforiHders]'- 
Meme,  von  Verslopfung  der  Leber  oder  Milz  her.  In  diesem  Falle 
ist  der  innere  Gebrauch  des  Pulvers  des  Frauendinielsamens  das 
1>esle  Mittel,  sie  zu  beschwichtigen,  wie  ich  dieses  schon  in  der 
ersten  Abtbeilung  dieses  Knpiiels  angeführt,  im  das  Xasenblulen 
eine  ii)  der  Nase  sieb  oifenbarende  Afi'ekiion  des  Gesammtorga* 
'  nismns,  welche  unter  der  Heilgewalt  des  Eisens  siebet,  so  mufs 
tnan  das  Risen  anwenden,  nnd  zwar  die  slfirkeren  zusammenzie- 
henden PrHparai«,  die  salzsaure  Tinklar,  den  Liquor  Sfj/pticm». 
In  diesem  Falle  ist  anch  Eis  oder  Schnee  auf  Kepf  und  Xackeo 
gelegt,  oder  das  Setzen  des  Kranken  unter  eine  Pumpe,  so,  dafs 
der  Strom  des  kalten  Wassers  unausgeselzl  auf  Kopf  und  Nacken 
^lll,.sebr  heilsam,  (jewdhnliche  kalte  Umsehlfige,  das  heifst, 
4uit  kaltem  Wasser  befeuchiete  Tücher,  helfen  nichts  sobald  die 
Blutung  ernsthaft  ist.  leb  nenne  aber  das  eine  ernsthafie  nnd 
sorgliche  Blutung,  wenn  das  Blut  so  aus  der  Nase  Ifiuft,  wie  es 
beim  Aderlässen  aus  einer  tüchtigen  Oeffnang  der  Ader  strömt. 

Vun  der  chirurgischen  Hülfe  bein  Nasenbluten  will  icb'nirhts 
sagen,  weil  darüber  alle«  gesagt  ist,  was  sieh  durüber  sagen 
lüfst.  Das  Verstopfen  md  Verbinden  der  Nase  bewirkt  begreif- 
lich eii^  GerioneD  des  Blaies  in  der  Höhle  derselben,  wodurch 
die  Oeffnung  des  blutenden  Gef^bes  verstopft  wird.  Der  eine  ver- 
bindet nun  die  Nase  so,  der  andere  anders;  wenn  der  Zweck 
erreicht  wird,    ist  alles  gut-  " 

Das  Einspritzen  einer  Auflösung  von  Fischleim  in  die  Nase 
ist  auch  ein  nicbt  su  verMbiendea  Mittel,  bartolckige,  Jedoob 
geringe  Nasenbluln^ea  in  stillen.  Bei  heftigen  hat  es  mich  ini 
Stiche  gelassen. 

Ist  das  Nasenbluten  ein  Urleiden  der  Sohletmfaant  der  Nase, 
so   bann   man   diurefa  G«Urn»ittel>   aanwulieh  doreh   Zink,   «m 


—    SlO    — 

bcBieD  belfsn;  weron  i«b  aber  am  «ehidtUdiilM  aniMr  den  G*- 
hirnmilleln  reden  werde.  — 

Ein  sehr  lästiges  Uebel ,  toq  welcbeni  mooche  Leute  geplagt 
werdeD,  siod  die  Pöokchen,  die  an  der  ioneieD  Flticbe  der  Sa- 
tenflitgel  oder  der  Scheidewand  auffahrea.  Sie  schmerxeD  bald 
mehr,  bald  minder,  geben  in  Eileniog  fiber,  and  scbwSren  aufs 
neue  wieder«  und  ao  gebet  ea  ohne  AuASreB  fort,  wenn  dem 
Uebel  kein  Ziel  geselat  wird.  Zinksalbe,  und  wo  diese  nicht 
faiDreichl,  Quecksilbersalbe  alle  Abend  in  die  Nase  geaebniiart, 
machea  dar  Sache  bald  ein  Ende.  Alle  andre  Salbereien  habe  ich 
nutilos  befunden. 

Leute,  welche  an  ohroniicher,  erworbener  oder  ererbter  Le- 
beraffekiion  leiden,  sind  diesen  Nasenscbw&rcbeu  am  häufigsten  aua- 
gesetzt.  Die  Bemerkung  ist  aber  nicht  neu;  ich  habe  sie  schon 
bei  einem  Schriftsteller  aus  dem  aechiehnten,  oder  siebsehnten 
Jahrhundert  (wejfs  nicht  bestimmt,    bei  welcbeni)  gelesen. 

Der    Mund. 

Fehlenden  Gesefamack  beobachtete  ich  noch  nie.  Ein  Scbwei- 
ler  Of6zier,  dem  eine  Gewehrkugel  durch  den  Mund  gefahren 
war,  und  ihm  die  halbe  Zunge  zerrissen,  dessen  biniennacb  ab- 
gefaulte und  gebeilte  Zunge  ganz  kurz  und  spitz  war,  sagte  mir: 
er  habe  von  allen  Speisen ,  die  er  an  der  linken  Seile  des  Mun- 
des käue,  wibrend  des  Kauens  keinen  (lescbmack,  an  der  rech- 
ten aber  kSnne  er  alles  feben  so  gut  schmecken  als  vor  seiner 
unglücklichen  ZuDgeuversiQminelung. 

Den  Krebs  der  Zunge  sah  ich  dreimaM  in  meinem  Leben. 
In  zwei  Fällen  war  er  durch  scharfe,  die  Zunge  verwundende' 
Bnckensähne  veranlafsl.  Bei  allen  Leiden  der  Zunge,  sonderlich 
der  ItSnder  derselben,  ist  es  durchaus  n3thig,  die  Zähne  zu  un- 
tersuchen. Diese  Vorsicht  ist  schon  von  mehren  verstSadigen 
Aerzlen  empfohlen ,  sie  wird  aber  leider  von  mehren  unverstindi- 
gen  nicht  beobachtet. 

Ist  schon  durch  eine  solche  beständige  Wandung  des  Zungeo- 
randes  ein  jauchendes  Geschwür  entstanden,  sind  die  Drusen  des 
Halses  schon  verhärtet  und  siehende  Schmerzen  in  den  Drüsen, 
so  ist  es  allerdings  noch  Pflicht  des  Arztes,  die  erste  mechani- 
sche Veranlassung  des  (Jebels  in  beseitigen;  jedoch  wird  er  in 
diesem  Zeiträume  wenig  damit  ansfüfareo. 

Einem  derer,  die  ieh  gesc^n,  waren  scIkhi  zwei  die  Zange 
wandende  BackenxKboe ,  von  einem  meiner'  chinitgisehen  Freunde 
nnsgerissen;  da  dieser  aber,  zu  spät  um  Balh  gefragt,  die  Hülfe 
zu  ipttt  geleistet,  hatte  sie  keinen  Einflufs  auf  das  Wohl  des 
Krankan.    Da*  Uebel  madue  tcfandle  Fortwhrltta  and  tüdteta  ihn. 


—  »u  — 

Der  ander«,  ia  deMca  liuksr  ZiingABseil*  sich  ein  ftrofges 
Jaucbendea  Geschwür  mit  uingesiül|ii«n  BBndttrn  bttfand,  deaien 
HalHÜräien  deraelben  Seite  alla  Meinbart  waren,  und  der  über 
UBcriräglicfafl,  wie  Blitxe  durch  die  Zunge  und  die  verhlrtelen 
Urüeen  sehierMnde  Schmerzen  klagte,  hatte  noch,  obgleich  ich 
nicht  der  erste  iMuna  vom  Fache  war,  den  er  sprach,  xwei  ne- 
ben dein  Geschwüre  »itiende  BacLensähne,  deren  innere  Ränder 
so  scharf  wie  Messer  waren. 

Ich  habe  uianchen  Leuten  Ton  chronischer  Entsündung  und 
Wundung  des  Zungenrandea  fiir  einen  Groschen  geholfen,  -ich  hieb 
sie  näiiitioh  in  den  Eisenladen  geben,  für  einen  Groschen  eine 
Feile  kuiifcn,  und  sich  uiit  dieser  die  scharfen  Zfihne  selbst  glatt 
feilen. 

Zuweilen  sind,  bescadera  bei  Blieren  Leuten,  die  scharfen 
Runder  der  ansgeschlissenen  oder  abgebrochenen  Zühne,  suweilen 
ist  Ulufs  der  an  der  inneren  Seite  der  Zähne  sitzende  Kalk  Ur- 
sache iler  Enisnndnng,  Wundung,  oder  Verhärtung  des  Zungen- 
randes.  Noch  vor  korseui  fragte  mich  eine  ehrwine  Biirgerfrnu 
wegen  einer  chronischen  t^ntxiindung  und  kleinen  ihr  sehr  iKviigen 
Verhärtung  des  rechten  Zangenrandes  um  Raib.  Als  ich  binrühlie, 
fObtte  ich  allerdings  den  Knoten  in  der  Zunge,  aber  auch  zu- 
gleich die  me^anisehe  Ursache  des  Knoiens.  Das  war  nHuiliefa 
ein  grofses,  rauhes  Stück  Kalk,  welches  sich  an  der  inneren 
Seile  zweii>r  Backenzäbae  angesetzt.  Ich  hiefa  ihr,  sluh  die  Züh- 
ne  von  einem  Zahn-  oder  Wundarzt  reinigen  lassen,  dies,  sngie 
ich  ihr,  sei  die  einsige  Arzenei  gegen  den  Zungenkrebs,  dessen 
Keim  sie  su  haben  befTirchie.  Nachdem  der  Wnndarat  ihr  ein 
ungeheures  Stück  weUsen  Kalk  von  den  Zähnen  gesioläen,  ver- 
schwand die  chronische  Eniaündung  innerhalb  zweier  Tage,  und 
der  Knoten  in  ein  paar  Wochen  von  selbst. 

Es  sind  aber  nicht  immer  solche  grofse  Massen  weifsen  Kal- 
kes, welche  den  Zungenrand  wunden,  sondern  suweilen  kommt 
dieses  Ungemach  von  einer  Kleinigkeit  eines  harten,  schwarzen 
oder  braunen  Kalkes,  der  sich  jedoch  Sfterer  an  der  inneren  Seite 
der  Wuraelrftnder  der  Schneide-,  als  der  Backenzähne  anlegt. 
Dieser  Kalk  ist  von  dem  weifsen  sehr  verschieden,  er  ist  stein- 
hart, erzeugt  sich  nnr  am  Wurzelrande  der  S^ioe,  nod  bildet, 
so  viel  ich  bemerkt,  nie  grofse,  die  Zähne  zum  Theil  überklei- 
dende Hassen,  wie  der  weifse.  Er  ist  ancb  fast  immer  raub,  ia- 
defs  der  weifse ,  wahrsebeialieh  wegen  seiner  geringeren  Härte, 
sich  weit  leichler  glatt  stdileift.  Eine  ganz  geringe  Menge  jenes 
rauhen  hatten  Kalkes  kann  sohoo  eine  lästige  Wundnng  der  Zunge 
venirsnchen,  dämm  nufii  man,  ehe  man  die  Leute  zur  Apoihek« 
schick! ,  geoan  auf  solche  Kleinigkeiten  achten. 

Von  den  Scbwammebea  haha  ich  &über  mancbH  gelesen,  tie 

.,,  _     .-.  ügTc 


—    Sit    — 

■bar  wlbst  nur  bei  Kindani ,  aui  boi  dmi«a  niebi  rinniihl  blufiit, 
geaeben.  Der  wände  Mnnd  and  Scblnnd  der  Liinj^eiisrichtigen  im 
■eisten  Zeilrannie  ihrei  Rlendea  hat  etwaa'  Ihnlicbea  mit  den 
Schwfininichen,  Wenn  ich  dieiei  ün^emacb  Ruinchiue,  dua  lei- 
der nicht  aeltan  vorkommt,  habe  ich  bei  Erwaobaenea  die  ApAtua 
tebr  selten  gegeben. 

Bei  Kindern  ist  daa  bekannte  Mittel,  der  Borax,  «ol  im 
beite.  leb  bin  aber  von  der  allen  Vorichrift,  den  gepiilTertro 
Borax  mit  Sirop,  wol  gar  mit  Maulheerairop  xn  miacfaen,  gar 
bald  abgegangen.  Fine  AnflSsuog  von  einer  Drachme  Borax  ia 
fiinf  Unxen  Waiser  ihut  besser  als  eip  solches  Siropgeichmiere. 
Warum  man  in  der  allen  Welt  Maiilbeerairop  xugesetxt ,  ist  mir 
unbekannt.  Ich  denke  aber  wol,  weil  das  (Jebel  im  IMaiile  wnr, 
miifsie  Maulbeenirop  heilsamer  sein  als  ein  anderer. 

Bei  den  SchwHmmchen  der  Kinder  kann  man  die  sAurewidri- 
gen  Mittel  nicht  entbehren,  und  bei  saugenden  Kindern  luiifa  man, 
um  die  Heilung  su  beschleunigen ,  auch  den  Süngerinnen  \nlrea 
oder  Ammoninni  geben.  Der  üble  Gebrancb  mancher  Aerxle,  alle 
Anenei  mit  Sirop  zu  vermischen,  ist  bei  akuten  Krankheiten, 
sonderlich  bei  denen  der  Kinder,  eine  wichtige  Ursache  der 
SchwSmmcben.  in  dem  kranken  Magen  gehen  solche  auhalleDd 
gebrauchte  Süßigkeiten  in  saure  Gfihru»g  über,  und  der  Magen 
wird  XU  einem  wuhren  Kssigfnsse;  daher  kommen  dann  SchwArom- 
^en  und  andere  üble  Zuf&lle. 

Die  chronische  En^stlndung  des  Gaumens  und  der  Mandela  ist 
hiiutig  eine  in  dieuen  Theiien  vorwaltende  Afieklion  des  Gesamml- 
Organismus,  welche  unter  der  Heilgewall  des  Eisens  stehet,  und 
k.tnn  also  mit  diesem  am  sichersten  und  schnellsten  gehoben 
werden. 

Zuweilen  rührt  das  Uebel  blofs  von  Magen-  und  Darmsfture 
her,  wo  dtinn  Alkalien  h&lfreich  sind.  In  eioselneo  Füllen  ist  der 
Grnnd  im  PfortaderEysieme  xn  suchen,  man  hilft  dann  am  beMlea 
durch  Schwere)  und  nöihigen  Falles  dorch  Blotegel. 

Aufser  der  conseosiiellen  chronischen  Halsenixündnng  gibi  es 
noch  eine  Örtliche,  die  ein  echtes  Urleiden  des  Gnomeos,  der 
Mandeln  und  des  Schlundes  ist.  Diese  Ist  selten,  aber  sie  ist 
auch ,  wenn  sie  Jhigewurxelt  ist ,  sehr  übel  so  heilen.  Ein  Gnr- 
gelwHSser  von  Sublimal  (ein  halbes  Uran  auf  die-Unxe),  womit 
der  Kranke  Elnmabl  lags  vor  Schlafengehen  gnrgelt ,  hat  mir  gute 
Dienste  geleistet,   es  hat  mich  aber  auch  wol  im  Stiche  gelassen. 

In  neuer  Zeit  habe  ich  Kweimehl  bei  chronischer  Halsentsün- 
dung,  bei  der  die  Mandeln  schon  einen  gewissen  Grad  von  Ver-. 
hftrtnng  angenommen,  (welches  sonst  bei  diesen  chronitcben  Ent- 
xündiingen,  wie  bekannt,  nicht  leicht  der  Fall  ist)  durch  Einret- 
ben TOn  Jodsalbe,    und   dureh    ein  Gnigelwasser   Ton  »cbt  üoseo 


-    513    ^ 

Wauer  and  sechtaebn  Tr»pf«n  Jodlinkim-  die  beste  Hülfe'  geJei- 
•tot.  Aber,  wie  gesagt,  die  Eiuxüaduiig  alt  echiea  Urleiden  der 
aichtbar  ergriffenes  Theile  iel  aellen,  im  VeihMtaifs  xu  der  con- 
•BMneUea  aad  ni  der  io  dem  HaUe  vorwaltenden  AffekliOD  des 
Gesammtorganismna ,  darum  habe  ich  anch,  fainsicbtlicb  der  ei- 
atea,  die  wenigste  Gelegenlieil  gekabi,  eine  Erfahrang  zu  ei^ 
werben. 

Dafa  daa  reaeriache  Gift  cfaronincka  HaUenlaünduDg  verur- 
aachen  köane,  ht  bekannt;  mir  ist  aber  nahracheinlich,  dafe  ea 
noch  andre  ibieriscbe  Gifi«  in  der  Aatur  gibt^  dia  vorzugaweiB« 
tind  inenit  den  inneren  Hals  angreifen,  und  die  wir  wenig  ken* 
nen,  ja  lob  niufa  glaubeo,  dafa  ein  aolcbea  Gift,  in  einzelnen 
Körpern  erzeugt,  anf  andere  übulragen  werden  könne,  bei  denso 
ea  dann  die  nftHltchen  HalazafAlle  venirsacbt.  Ich  kannte  einen 
ehrsamen  Bürger ,  der  an  der  Liingensucht  gestorben  iit.  Bei  die- 
aem  fing  die  Scbwiitdaacfat  mit  chronischer,  nnertrSglicb  brennen- 
der HnlsentzUndiing  an,  ohne  data  sish  jedoch  naf  den  eatzüodelen 
Theilen  Sek wlinni eben,  »der  eine  Spur  von  irgend  einem  AniBchlage 
gezeigt  hS^te,  und  ohne  dafs  die  Lunge  aaffinglicb  ergriffen  ge- 
wesen wSre.  Erst  später  stellte  sich  Husten,  Auswurf  und  andere 
Zufölle  der  Lnngensucbt  ein.  Dieser  Mann  steckte  mit  der  nim- 
licben  Krankheit  Frau  und  Toebtar  an,  ood  bei  beiden  fing  das 
Uebel,  gerade  wie  bei  den  Manne,  mit  chronischer  unertrKglich 
brennender  Malseniaünduag  an ,  -  zo  .  der  sich  später  Husten  und 
andere  Zufalle  der  Scbwindsacht  geselUen.  — 

Den  Krebs  Einer  Mandel  habe  ich  nar  ein  einaiges  Mahl  ge- 
sehen. Die  Leidenszeit  war  hier  weit  kfiner  als  bei  jedem  an- 
deren KrebsgescbwGre ;  «ahrstAeinlich ,  weil  der  Mann  anf&nglich 
die  Jauche  des  GeaefawSras  berunterBChlnckao  nable,  lud  weil 
er  spSter  gar  nichts  mehr  schluchM  konnte. 

Den  Krebs  der  Subliagnaldrfiae  sah  icfa  aachEinmabl;  der 
Mann  hat  aber  weit  IXog^  geUtIeD,  eh  ihn  der  Tod  erlSs'le. 

Blutendes,  sckwammiges  Zabofieiscb  wird  oft  mit  Unrecht  all 
ein  Zeichen  des  Scorbules  angesehen;  ea  ist  hier  su  Lande  in  den 
«eisten  Fällen  ein  ÖEtliohes  Leiden  des  Zahußeisofaes.  In  FAllenf 
wo  man  sehon  vergebens  zuaammensieheade  Mund  Spülungen  ge- 
braucht, heiM  ich  es  wol  durch  ein  paannabliges  SpSbleo  mit 
einer  schwachen  SnblimalanflSsnng  gehoben. 

Eine  woblihtttige  Hischnng  gegen  blutendes  Zahnfleisch  ist 
der  Hoffmannische  Lebensbalsam  mit  Pomeranzen  ach  alensirojt. 
Das  VerfaSltnils  beider  gegen  einander  thut  eben  nichts  zur  Sache, 
leb  nehme  gewöhnlich  einen  Tbeil  BaUamtim  vitae  B.  und  drei 
Ttieile  Sffruptu  Cort.  aurant. ,  man  kann  aber  anch  das  Yerhältnif« 
anders  nehmen ,.  ohne  dafs  die  gute  Wirkung  verringert  würde.  Mit 
diaaar  Miaehnng  unb  man  das  Zahiifleia<di  mehrmahls  des  Tages 


—    SU    -* 

reiben  lauen.  Ob  der  Sifrmptu  Ctrt,  murant.  dorcbnns  nStblg  sei, 
oder  ob  renn  diesen  dnrch  einen  wohlfeileren  erselien  kSnne,  weffä 
ich  Dicht.  Es  iit  eine  Vortebrifl  von  Friedrick  Hoffmann,  und 
da  ich  mich  gut  bei  derMlben  befnndea,  habe  iah  nidls  daran 
Indem  mögen. 

In  neuerer  Zeit  hat  mir  aneb  eine  AnflSinag  de«  lalsunren 
Kalkei  laweilen  gute  Dienste  geleiitel.  Ein  FrSalein  bekam  an 
dem  Zahnfleiiche  der  inneren  Seile  eines  Schneideaabnes  einen 
•ehwamniigeo  Auswacbs,  angefthr  tob  der  GrSfie  einer  graoen 
Erbse ,  der  sehr  schmenle ,  und  swar  rerbreilete  licb  der  Schmer« 
dnrch  die  Kinnladenhöhle  bis  mm  Natenloche  derselben  Seile. 
Da  ich  venebicdene  Mittel  ganx  vergebens  Tersncht,  schickte 
ich  sie  su  meinem  erfahrensten  wund&nrtlichen  Freunde,  damit 
dieser  ihr  Hülfe  leisten  möchte.  Der  fürchtete  wabncbeinlieh 
Entsfindang  oder  Eilerang  in  der  Kinnladenhöhle ,  xog  ihr  den 
Behneidesahn ,  hinter  welchem  das  GewSchs  sab,  ans,  und  gab 
ihr  andre  gtile  Mittel.  Die  Knr  half  aber  nicht.  Einige  Zeit 
darauf  behandelte  ein  anderer  Amtsgenoase  den  acfawammigen  Au»- 
wnchs  wie  einen  Polj'p,  drefale  ihn  mit  der  Zange  ah;  das  Ding 
kam  aber  doch  wieder.  Nun  hatte  ich  in  der  Zeit  gar  manche 
gute  Wirkung  von  dem  salssanreo  Kalke  gesehen.  Ich  gab  ihr 
eine  Auflösung  von  einem  Theile  HalaHanrem  Kalke  in  zwei  Thei- 
len  Wasser,  nnd  liefs  damit  mebrmahls  tags  den  Answnchs  be- 
feuchten. Dieser  wurde  immer  minder  nnd  weniger  scfamenhaft, 
nnd  der  anbellende  Gebrauch  dieses  Mittels  beseitigte  das  hart- 
nSdcige  Uebel  gana.  Ob  aber  die  Heilang  Stand  hallen  wird, 
kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  in  Erfahrung  hringen,  weil  das 
FrSnlein  diese  Gegend  Terlassen  hat.  So  viel  weifs  ich  aber  si- 
cher, and  habe  es  mit  meinen  eigenen  Angen  gesehen,  dala  der 
aaluBure  Kalk  mehr  geleistet  hat,  als  alle  andere  Salbereien,  die 
früher  ich  und  meine  beiden  Kollegen  an  das  FrKnlein  gestrichen.  *) 
Da«  Zahnweh  ist  hSufig  eine  in  den  Zihnen  vorwaltendo  Af- 
fektion des  Gesammtofganismus ,  welche  nnter  der  Heilgewalt  des 
kahiscbm  Salpeters  stehet.  Oft  habe  ich  darch  reichliche  Gaben 
Salpeter  und  durch  Auflegen  der  Galmelsalbe  auf  die  Wange  in 
kuner  Zeit  die  heftigsten  Schmerzen  gestillet,  gegen  welche  Ücbon 
TCrgebeni  manche,  angeblich  unfehlbare  Mittel  gebrancht  waren. 
Es  ist  aber  nöthig  darauf  an  achten,  dafs  die  Menschen  nicht  ver- 
stopft sind.  Ist  der  Stuhlgang  IrBge,  so  mnfs  man  mit  Gianber- 
aalx,  oder  mit  einem  andern  Laxirsalze  an  Hölfe  kommen.  Zu- 
weilen ist  der  Zahnsehmers  ein  rein  örtliches  Uebel     und  er  weicht 


*)  Oblfie*  ichriab  ich  an  Eads  dei  lakrc«  1830.  Jalil  in  KagntX  dei  Jibrci 
183>,  wo  'du  Friialain  leboa  eia  paar  Jahr«  wieder  fcter  iit,  kann  ich  fce- 
■Unal  Tcraiabtre,  dalk  aleb  Loina  Spar  An  vMri(u  Ucbels  suhr  gneiFt  M. 


—    515    — 

alarfann  den  Sehirnniilteln ,  dem  Zink,  dem  Tabakigeiite.  Vnr 
karxent  beot»eblele  ioh  den  Fnll,  dafs  ein  schmenender  schad- 
hafter Backenzahn  ^t  und  ganx  anigeiogvn  war,  und  dafa  der 
Sehmen  riich  weit  heftiger,  aU  er  zaror  ia  dem  Zahne  geWeaeo, 
auf  die  ZahnlScke  lagerte,  nnd  «elbal  da  nicht  adfhSrle  m  iohf>n, 
da  die  wnnde  Zaholad«  achon  verheilt  war.  loh  veranchie,  ihn 
dnr«;^  den  inneren  CDebraach  eines' Silhemiittela,  deuen  Bereitnng 
ich  an  einem  schieklieberen  Orte  diese*  Buches  angeben  werde, 
m  stillen)  jedoch  vergebens.  Der  innere  Gebrauch  des  essigsnn- 
ren  Zinks  bannte  aber  gar  bald  diesen  aaleidlichen  Schmers. 

WAhreod  meiner  Praiis  habe  ich  gar  manche,  angeblich  sd* 
fehlbare  Bufsere  Mittel  von  manchen  ehrlichen  Leuten  gelernt. 
Da  ich  aber  noch  kein  einsiges  gelernt,  welches  mir  in  den  meiste» 
FSlien  Hälfe  geleistet  hSite ,  so  will  ich  dem  Lesef  anch  keine 
Langweile  durch  die  Mitlheilung  solcher  Vorschriften  machen. 

Kommt  der  Zahnschmen  von  einem  angefressenen  Zabne,  so 
ist  bekanntlieh  oft  keine  andere  Hülfe  als  das  Ansreifsen.  Aber 
beim  Ansreifsen  wird,  wie  ich  gemerkt,  oft  genug  ein  grofser 
Fehler  begangen.  Man  reifst  den  gesunden  stark  schmenenden 
Zahn  heraos,  nnd  der  Schmers  wirft  sich  dann  auf  einen  andern. 
Da  heifflt  es  dann,  es  seien  Flüsse,  die  den  Schmers  Temrsa- 
ehen ,  nnd  dagegen  helfe  kein  Zahnsieben ,  man  müsse  sich  nicht 
mehr  an  den  Zahnbrecher,  sondern  an  den  Arxt  wenden.  Nun, 
wenn  in  diesem  Falle  der  Arzt  nicht  klüger  ist  als  der  Zahnzie- 
hor,  wenn  er  dem  Leider  Antirienmatiea ,  Anodina  nnd  anderes 
solches  Geschmeifs  auf  guten  Glauben  in  den  Magen  schickt,  so 
kann  dieser  lange  arseneien,  ehe  er  Hülfe  findet;  denn  das  Ur- 
leiden steckt  snweilen  in  einem  entfernten,  angefressenen,  aber 
gar  nicht  schmerzenden  Zahne,  und  der  Schmers  äofiert  sich  hlofs 
in  dem  •olfernten  gesunden.  So  habe  ich  noch  vor  kursero  ge- 
sehen, dafs  der  Schmerz  der  Scbneidezähne,  die  Geschwulst  des 
Fleisches  derselben,  blofs  rein  consensnell  war,  von  einem  ka- 
riösen, aber  nie  schmenenden,  bachstens  beim  Kauen  etwas  em- 
pfindlichen  WeiaheitaiahDe  kam.  Als  dieser  aasgesogen  war,  ver- 
schwand der  Schmerz  der  SchacidezShne ,  nnd  die  Geschwulst  des 
ZabnSeitches,  welche  keinem  Mittel  hatte  weichen  wollen,  war 
innerhalb  vier  und  zwanzig  Stunden ,  wie  durch  einen  Zauber  ge- 
bannet. Von  den  Zahnen  gilt  das  Nftmliche,  was  ich  von  den 
Organen  überhaupt  schon  früher  gesagt ;  der  Schmerz  ist  ein  tftn- 
achender,  .sehr  länacbender  Bezeichner  des  urergriffenen  Organea. 

Von  dem  Durchbrnche  der  Weisheitszähne  habe  ich  gar  wun- 
derliche nnd  heschwerlicbe  ZuAUla  enlalehen  sehen,  ja  ich  habe 
ein  FrAnlein  gekannt,  die  ihre  Gesondbeit  zum  Theil  dadurch 
verlor;  znm  wenigsten  ist  sie  nie  wieder  die  geworden,  die  sie 
vorher  war.     Eine   mir  besonders  befreundete  Frau  bekam  einen 


—    516    — 

KO  grofaeti  VVeiBheilsz^n ,  itafa  er  beim  Eimrelen  in  die  Zakn- 
reibe  die  benschbarten  Backenzübne  drSngle.  Da  niao  mit  Recbt 
Enizöndung  und  Eilernng  der  KinnJade  befnrchlete,  wurden  ihr 
von  eioeiB  kundigen  Wuodarste  die  zwei  naobBUteheoden  BRckea- 
xUbae  ausgesogen.  Sie  iu  freilich,  ahgegehea  von  dem  Vetluai« 
der  twei  BackeoEShne,  ohne  Scbaden  davon  gekoninieo,  allein 
-  es  iM  kaum  x,u  beacbreiben,  nelch  Elend  üe  erduldet,  ehe  maa 
einraahl  den  wabren  Grund  dieee«  scbreeklicheo  Leiden«  kannle; 
dieser  Grund  war  nicht  sowol  der  Dnrcbbrucb  des  Weisheitssab- 
nes,  als  vielmebr  die  gans  aagewdbaliohe  Gröfse  dieses  Zab^ei^ 
Er  halt«  nümlich  vier  Hügel,  uad  war  HO  grofs  wie  der  grSlste 
Backenzahn. 

Das  Loswerden  der  Zähne  bei  iibrigSDB  ^snndem  Zahnllei- 
sehe  ist  eine  aelfsame  Erscheinung,  loh  kenne  etoe  Frau,  der 
der  erste  Backonsahn  funfseho  Jahre  lang  so  los  gewesen,  bIb 
ob  man  ihn  wol  mit  den  blofaen  Fiqgern  httite  ausziebeo  k&nnen. 
Er  schmerzte  aber  nicht,  das  ZahnSeisch  war  gesund,  und  sie 
konnte  recht  gut  damit  heifsen.  b^  kenne  eioen  Mann,  de»  eia 
ansteckendes  l^fthöses  Fieber,  das  aber  im  ersten  Zeitranise  ge- 
beilt wurde,  sivei  BackenEithne  losgemacht  hat.  Man  kann  beide 
deutlich  mit  dem  Fit^r  bewegen,  daa  Zahnfleisch  ist  fest  und 
gesund  und  er  kann  mit  den  Ztthiien  gut  beifuen.  Auf  solches 
Loswerden  der  Zfihne  habe  ioh  bis  jieiat  noch  kein  Mittel  ge- 
funden. 

Einer  meiner  früheren  Bekannten,  ein  Lileratus,  dabei  ein 
seliseraer  Kautz,  der  auf  maocfaeflei  Dinge  achtete,  die  von  an* 
deren  Menschen  nnheacbtet  bleiben,  eriählie  mir  einst  Folgepdes. 
In  der  ehemahla  herübmleo  Stadt  Calcar  hafae  man  ein  uraltes 
Beinhaus  ausgerftnmet.  Der  Erafthler  bemerkte,  je  tiefer  man  in 
diese  Knochengruhe  eindrang  je  besser  und  anveclelxler  erschien 
das  Gebifs  der  Todtenköpfe.  \artidem  wir  uns  nun  über  diese 
Beobachtung  hin  und  wieder  besprochen,  war  das  Ergebnils  un- 
serer Besprechung  ganz  einfach  folgendes;  es  sei  möglich,  dafs 
naiere  jetzige  Lebensart  den  Zähnen  verderblicher  sei  als  die  nn- 
serer  Altvordern;  es  sei  aber  auch  m&glich,  dafs  ganz  unbekannte 
.  Schädlichkeiten  jetzt  feindlich  auf  die  Zähne  einwirken,  die  fril- 
her  gar  nicht,  oder  doch  weniger  daraof  gewirkt,  und  es  sei  dem 
Narren  leichter,  in  solchen  Dingen  abzusprechen,  als  den  ver- 
ständigen Manne. 

Die  Entzündung  und  Anaehwelfong  der  Parotis  soll  zuweilen 
in  akuten  Fiebern  kritisch  sein;  bis  jetst  habe  ich  das  noch  nicht 
erlebt ,  wie  ich  überhaupt  kritische  Abszesse  und  kritische  Anslee- 
rungen  {ausgenommen  das  VViedererscheinen  gewohnter  Bluißässe) 
sehr  wenig  erlebt  habe.  Es  Iriflt  Steh  aber  zuweilen  ,  dafs  die  Ent- 
zündung der  Parolis,  mit  akutem  Fieber  begleitet,  einen  gesunden 


-    517    - 

Mensdieii  p!(hilie6  »rgrein.  Hi«r  muls  man  irhnell  b^  der  Hand 
sein,  wenn  man  der  Eiierting  vorbeugen  will.  Der  innerliche 
Gebrancb  des  Nalri  nUriei  zn  einer  halben  Unxe  in  rier  and 
zwauxig  Sluadeo  mit  dreifsig  oder  viercig  Tropfen  Jodtinktur,  und 
äitfgerlieh  die  GaUneiwtIbe  anfgelegt,  helfen  am  Kicheriien  und 
schnellsten.  Ist  aber  der  Stvhlgang  trflge,  so  muft  man  diesen 
».gleicher  Zeit  ein  wenig  mit  (ilaubersaliwasser  oder  mit  einer 
aadern  SalKauidsnng  befördern. 

Zuweilen  isi  aber  die  Anschwellung  der  Parotis  mehr  chroni- 
scher Art  und  ein  Urletden  dieses  Organes,  in  sulchrn  FSlIen  ihut 
der  innere  und  Snfsere  Gebrauch  des  Jod  gut«  Diensie;  die  Ver- 
eitentftg  solcher  chronischen  Parotidenge schwülste  ist  nicht  Hellen 
lan'g«'Bilig,  man  nnifs  ihr  anf  alle  Weise  vorbeugen.  Ofo  aber  das 
Vorbeugen  in  jedem  Falle  nidglich  sei,  wage  ich  nivlit  in  be- 
siimmeu.  Zuweilen  scbwillt  eine  Parolis  stark  an  und  wird  Bchmers> 
haft,  die  schon  seit  Jahren  ein  wenig  aufgetrieben  gewesen.  Das 
sind  böse  Dinge,  ein  reiner  Abssels  wird  nicht  dareus,  sondern 
es  bildet  sieh  Vereiterung  in  einxelnen  Thetlen  der  Geschwulst 
und  es  entsiefaen  Fistelgfinge  ,  die  ohne  Hülfe  des  Messers  nimmer 
geheilt  werden.  In  neuer  Zeit  habe  ich  mit  solchen  garstigen 
IMngen  nicht  zu  kSmpfen  gehabt,  kann  als«  nicht  sagen,  ob  ich 
jeist,  da  ich  manche  gute  HälCe  kenne,  die  mir  früher  verbor- 
gen war,  glücklicher  entweder  im  Keriheilen,  oder,  wu  dieses 
unmöglich  wür«,  in  der  Beförderung  einer  gaten,  raschen  und 
vollständigen  Eiterung  sein  wftrde. 

Einen  seltenun  Fsll  von  geschwollener  Parotis  habe  ich  im 
Anfange  meiner  hiesigen  Praxis  erlebt.  Ein  Handwerker  eines 
benachbarten  Dorfes  kam  in  mir,  Hälfe  gegen  eine  geschwollene 
Parolia  m  sncbea.  Die  Dröse  fShlie  sieb  ganz  gewöhnlich  hart 
a«,  war  nichl  eben  grob,  and  es  war  mehr  ISslige  Spannung 
«nd  Sfeifheii,  aU  eigealliefaer  sMrkftr  Schmers  darin.  Uebrigens 
fühlte  der  Mann  «ich  nicht  krank,  denn  er  war  eine  starke  Weg- 
stunde weit  zu  Fufse  hierher  gekoitinien.  Da  ich  in  solchen  Din- 
gen noeh  keine  eigenifaümliche  Erfahrung  hatte,  so  verordnete  ich 
einen  erweichenden  Breiumschlag,  uttd  sum  Einreiben  graue  Queck- 
silbersalbe. Jedoch  mnls  ich  zur  Steuer  der  Wahrheil  bekennen, 
dafs  ich  von  der  unzureichenden  Heilwirkong  dieser  Behandlung 
mich  schon  mehr  als  Einmahl  Gberzeugt  halte;  aber  wenn  man 
niehls  besseres  weifs ,  mufs  mad  sich  schon  an  den  allen  Tränt 
hallen. 

Diese  Behandlnng  hati«  denn  auch  bei  dem  Manne  nichts  ge- 
leistet, er  war,  nm  geholfen  an  werden,  zu  einer  \onne  gegan- 
gen ,  die  eine  Mischung  aus  Krebsen  und  Knoblauch  gegen  den 
Krebs  verkauft ,  and  hatte  tlieses  Mittel  auf  die  vermeintlich  krebs- 
hafie   Verfairtung  gelegt.     Ob    nun   durch   den  Knoblauch,    oder 


-.ügic 


—    518    — 

durch  aadre,  «eitdem  VM  Aeraten  and  AfterSnOeit  verordnet«  Mit- 
tel, oder  blo&  durch  die  Zeit  dai  Uebel  eo  eehr  gesteigert  war, 
kanii  ich  nicht  sageo;  so  viel  ist  aber  sicher,  dafa  die  Parotis 
bis  la  einer  bedeuienden  Gröfse  angeschwollen  und  so  schmen- 
haft  geworden  ist,  dafs  das  ganse  Dorf  damahls  diesen  Mann  und 
seine  grSuliche  Schmerzen  angelegentlichst  besprach.  Eines  Ta- 
ges, da  ich  mich  gerade  im  Dorfe  befand,  liefs  mich  der  Kranke 
bitten ,  ihn  xu  besuchen  ( ich  halle  ihn  seit  seiner  ersten  Raihfra- 
gnng  nicht  wieder  gesehen).  Ich  fand  alsobald,  duls  er  in  den 
angefahren  Zeiträume  von  sechs  Wochen  ginzlich  abgemagert  und 
dab  sein  Auge  so  flau  war,  als  sei  er  dem  Tode  nahe.  Mit  der 
Parotis  war  eine  wunderliche  VerKndening  vorgegangen.  Es  war, 
nach  Aussage  des  Kranken ,  vor  etlichen  Tagen  ein  Speichelflufs 
eingeireted,  und  bei  dieser  Ausleerung  Schmerz  und  Spaannog 
der  Geschwulst  vergangen.  Der  Speichelflufs ,  den  er  noch  hatte, 
war  kein  stinkender,  wie  der  von  Quecksilber  verursachte,  son- 
dern vielmehr  ein  ganz  geruchloser.  Die  Parotis  hing  wie  ein 
leerer  Sack  au  Halse,  und  naeh  ni^eföhrer  ScfaBtzung,  niüfate 
ihre  gröfsle  Ausdehnung  wol  so  groJa.wie  ein  Kindskopf  gewe- 
sen sein. 

Der  Kranke  hafte  mich  jetzt  nicht  wegen  der  Parotis  zu  sich 
entbieten  lasaen,  denn  die  machle  ihm  nichts  mehr  zu  schaffen, 
sondern  wegen  eines  Gefühles  von  unbeschreiblicher  Schwiche, 
das  ihn  nicht  viel  Gutes  ahnen  lieis.  Seine  Ahnung  halte  ihn 
auch  nicht  getauscht,  denn  trotz  meiner  Bemühung,  ihn  durch 
stärkende  Mittel  im  Lande  d*t  Lebendigen  zu  halten,  gab  et 
schon  nach  zwei  Tagen  den  Geist  auf. 

Dieser  Fall  ist  merkwürdig,  eiomabl  wegen  des  orergriffenen 
Offnes,  denn  es  war  arii  Ende  doch  wol  unverkennbar,  dals 
die  Auftreibung  der  Parotis  blofa  von  einer  Versiopfnng  des  D»- 
fitu*  S/enoniani  abgehangen;  zweitens  ist  der  Fall  hinsichtlich 
der  Diagnose  merkwürdig.  Ich  besenge  dem  Leser,  defs  diese 
Parotis,  die  ich  doch  ganz  im  Anfange  ihrer  Anschwellung  ge- 
fühlt, sich  durchaus  nicht  anders  anfühlte,  als  jede  andere  g»< 
schwollene  Drüse;  mithin  ist  anfangs  die  Erkenntnifs  der  Ver- 
stopfung des  Ductu$  SteMO»ia»i  ganz  unmSglich ,  und  am  Ende 
nülzt  sie  zu  nichts  mehr. 

Dafs  in  dem  erz&bllen  Falle  die  Eröffnung  des  verstopften 
Speichelgangea,  die  durch  kein  Aneneimittel  hatte  können  be- 
wirkt werden,  am  Ende  von  selbst  erfolgte,  mufs  man  ni^i  all 
eine  geh  ei  mnifs  volle  Selbsthütfe  der  Xalur  ansehen,  sie  war  viel- 
mehr eine  Folge  des  abnehmenden  Lebens  und  des  nahenden 
Todes. 

Obgleich  die  Geschwulst  der  Pcurolis  eben  nicht  m  den  sel- 
lenen  (Jebeln   gehört,    so  ist  doch  die   von  einer  Verstopfung  des 


—    519    — 

OveAn  S/ffiMMiHtM'  twrrfilHnBd«  ao  ulten,    dab  der  enihlie  Fall 
der  aEuige  isl*   den  ich  je  erlebt  habe. 

Die  gescbwoMnwD ,  eniiiiDdetea  Halidrüsea  der  Kinder  (ge* 
wöliDlich  lind  ei  die  Submaxillardrüeen ,  beide  oder  Eine)  «er- 
ibeilen  üch  übel,  und  io  ^winra  Jahrao,  in  denen  sie  hinfig 
eracbeiiMD,  habe  ich  sie  fast  »luerlheilbar  befunden.  Hie  werdea 
«u  reinen  Absxeaaen ,  venirsacben  aber  den  Kindern  fielen  Schmers 
und  dnrcb  den  Scbmerz  aicbt  selten  befiigea  consensuelles  Fieber. 
Die  beste  Bebaodlnng,  die  icb,  seit  ich  mündig  geworden,  anf 
dieses  Ungemach  gefnoden,  ist  folgende:  Man  legt  einen  mit 
tialineJMlbe  dick  bestrichenen  Leinwand  läppen ,  der  aber  nieht 
sn  klein  sein  darf,  anf  die  verblneie  Drüse,  and  gibt  den  Kin- 
dern, zur  Mindereng  des  coaaeBsuellen  Fiebert,  (denn  gani  tu 
beben  ist  es  nicht)  etwas  kubischen  Salpeter.  Ist  aber  die  Span- 
nung und  der  Schtnen  schon  sehr  stark ,  so  kann  man  über  Tag, 
oder  eine  Zeit  dea  Tage«,  erweidtenden  Brei  anfl^en,  und  des 
iVaohts  die  Galuieisalbe.  Auf  die  Weise  aeriheilt  man  das  Zer- 
ibeilbare.  Der  Haup(v<Hvug  dieser  Behandlung  liegt  aber  darin, 
dalä,  wean  die  enuündete  Drüse  nicht  mehr  an  serlheUen  ist, 
die  Galmeisalbe  die  Eilerang  besser,  und  besiimuit  mit  derllSifie 
der  Scbmenen  befördert ,  als  jedes  andere  Mittel ,  dieser  Voisng 
ist  bei  alleü  Körpern,  besonders  aber  bei  kindlichen,  wohl  n 
beachten.  Icb  will  jedoch  der  Galmeisdbe  die  gute  Wirkung  nicht 
auB«cblie£dieh  nisobreiben,  sondern  ich  spreche  nnr  von  ihr,  als 
ron  dem  Mittel ,  welohea  ich  aaa  Ifingsten  und  häufigsten  gebraucht 
habe.  Vielleicht  leistet  die  milde  Bleisalbe,  die  unter  dem  Sa- 
MMU  Mnitersalbe  in  den  Apotheken  verkauft  wird,  das  Nftmlicbe 
■IV  Beförderang  einer  wenig  ■ehmerzendeu  Eiterung;  einige  FtÜle, 
In  denen  ich  sie  bei  Ermangelnng  der  Galmeisalbe  gebraucht,  Ua- 
aea  mich  dieses  vermuihen. 

Siebet  nan  nun ,  däb  die  Eilening  wirklich  eingetreten  ist, 
und  dafs  die  Hant  aebon  ein  wenig  empindlicb  wird«  so  kann 
man  den  Aufbeuch  durch  einfache  Wachssalbe,  mit  der  man  auf 
die  halbe  ünie  vier  bis  fünf  Gran  kohlensaures  Kupfer  mengt, 
am  besten  befordern;  man  kann  anch  das  Kupfer  in  der  besagten 
Gabe  au  der  Galmeisdbe  aelaen,  diese  Mischung  leistet  auch  in 
dem  leisten  Zeiiraume  treffliche  Dienste,  wiewol  ich  ihr  nicht 
gerade  bestimmt  den  Vonug  vor  der  einfachen  Kupfenuilbe  ge- 
ben mag. 

Ob  man  die  Oeffnuog  der  \ator  überlassen  dürfe  (weldie« 
die  meisten  Mütter  am  liebsten  hRben ) ,  oder  ob  man  sie  mit  dem 
Messer  machen  müsse,  hingt  meines  Eracbiens  davon  ab,  ob  der 
untere  Tbell  der  eiternden  Drüse  sich  luersl  oder  suletst  erweicht. 
Wird  er  suerst  weich,  so  mufs  das  Messer  vor  allen  Dingen  bei 
Zeiten  gebrancht  werden:  bleibi  er  »ehr  oder  minder  hart,  indefs 


—    530    — 

die  Dr&se  schon  auTet^onber  abrasdirt  iat,  ao  kann  mm  £m 
OefTniing  getrost  det  Natur  BberUwen ,  iiian  hat  aladana  du  Eio* 
sacken  des  £iten  in  das  Zellgewebe  der  beoachbarten  Tfaeil«  nicht 
EU  fürchten.  Meiner  Beobachtnog  nach  ist  das  Messer  in  den  we- 
nigsten Füllen  nStbig;  wird  es  aber  von  dem  Arzte  oder  dem  Kran- 
ken da  geacheuet,  wo  es  wirklich  nötbig  ist,  so  konntn  datwn 
sehr  üble ,  jn  selbst  tSdtliehe  Folgen  eatstehen.  Ich  habe  in  mei- 
nem Leben  swei  Meoscben ,  nicht  Kioder ,  sondern  Erwachsen«, 
an  einer  einfach  abszediiten  Haladriise  sterben  sehen.  Dieses  lao- 
let  fast  nnglenblich,  ist  aber  nichlsdestoweniger  wörtlich  wahr. 
Zn  einem  derselben,  dar  schon  zun  Geri|«pe  abgemagert  war, 
kam  ich  den  dritten  Tag  vor  seinem  Tode.  Er  hatte,  so  viel  ich 
aas  der  Ersählang  hegreifen  konnte,  eine  nach  anfsan  abszedirle 
Mandel  gehabt  (einen  b5sen  Hals,  wie  man  es  Damit«};  statt 
dafs  man  den  Abszefs  bei  Zeiten  geäffnet  hXite,  war  auf  denitaih 
eines  Afterantes,  ein  Breiamschlag  aohalteed  gebraucht  worden; 
der  Eiter  war  in  das  Zellgewebe  gesackt,  und  hatte  sich  einen 
Weg  bis  unter  das  Brnstbein  gesncfat.  Hart  aber  dem  Mmtuibri» 
»temi  war  die  Haut  und  die  Luftröhre  durehfressen.  Au  der  Seile 
des  Halses  war  eine  zweite  Haniöffiiang  von  d«  GrÖbe  einen 
FünfgroBchensiiickes. 

Der  andere  Unglückliche,  der  die  Veciagiheit  des  Wundan- 
tes mit  dem  Tede  bozableo  mo&te,  war  ein  athletiseher  Hollin- 
discher  Holzschubmacher.  Ihm  war  die  absaedirte  Parotis  nicht 
cur  Zeit  geöffnet,  der  Eiier  hinnnter  und  wahrscheinli<^  schon 
in  die  Brusthöhle  gesackt.  Da  ich  ihn  xaftllig  sah,  war  sein 
Zustand  schon  so  miAdich,  dafs  man,  auch  ohne  propfaeiiscbe 
Gabe,  den  Tod  voraussagen  konnte.  Ich  rieih  dem  etwas  \vt- 
standesBchwachen  nad  rerzagten  Wundarsie ,  noch  Jetzt  den  schlaf- 
fea  Eitersack  zu  öffnen,  den  Weg,  den  der  Eiter  genommen, 
zu  verfolgen ,  Gegeoöffnungen  ta  machen ,  wo  es  noth  sei  n.  s. 
w.  Indefs  weifs  ich  recht  gut,  dafs  so  etwas  bis  zu  einem  ge- 
wissen Zeiträume  mit  Erfolg  kann  angewendet  werden ,  aber  die- 
sem Zeiträume  hinaus  aber  nuialoa  ist.  Letztes  war  hier  der  Fall, 
der  Kranke  ist  zwei  Tage  darauf  geslorben.  Dafs  dieser  weit 
schneller  starb  als  jener,  dessen  Schicksal  ich  eben  erzählt,  rühit 
wol  von  der  gröfseren  Menge  des  gesackten  Eiters  her;  denn  ich 
stelle  mir  vor,  dafs  die  Eitermasse  eines  tfichtigeo  Parotidenabs- 
zesses  weit  eher  zu  dem  Cava  thoraci»  gelangen  kann  als  die  wek 
kleinere  eines  Maadelabszesses.  Es  möchte  aber  mancher  Leser 
denken :  da  ich  seihst  schon  ein  ziemlich  alter  Gesell  sei ,  so 
spreche  ich  von  alten  Geschichten ,  die  sich  zu  der  Zeit  erngenel, 
da  die  Wnndarzeneiknnst  noch  in  den  Händen  unwissender  Men- 
schen \^'ar.  Ich  niufs  dem  also  vermathenden  Leser  Recht  geben, 
die  Grsubichle  ist  ult,   und  der  Wundarzt  war  auch  einer  von  deu 


—    Wl    — 

im  ▼origes  Jafariianderte  approbirten.  AUeiii  wcbo  nBise  Prea- 
f«Mehe  Leser  sich  eiobilHen  wollten,  einen  beutigen  PreufsUcheo 
CAtrKrj-s  cianieo  könne  nicht  elwu  Aebniichea  beg^nen,  bo  würden 
sie  sich  erstaunlich  t&uachen.  Was  ich  früher  voa  iler  Geburu- 
bä'fe  behauptet,  behaupte  ick  ancb  von  in  Wundaneneikunst : 
die  Medisinaibehörde  kann  keinem  Manne  ein  richtiges  Fiugerge- 
lafal  NÜttheilan,  dem  es  die  Natur  versagt  hat.  Es  gibt  Wund 
Inte,  die  sehr  gut  schneiden,  sobald  sie  das,  was  geschnitten  wer- 
den mufs,  mit  Augen  sehen;  wo  sie  sich  aber  auf  ihr  GeCTikl  ver- 
lauen seilen,  sind  sie  versagt.  Freilich  um  die. Fluktuation  in  einer 
abssedinen  Parotis  nicht  sh  fehlen,  daiu  gehören  schon  newlicfa 
sebwielige  Finger.  Es  giebt  aber  auch  tiefliegende  Absaeiae  iia 
Oberschenkel,  im  GFsOfse,  von  deren  fiüfaseitigen  OeSisoeg  das 
Leben,  oder  die  Nichtverkrüppelung  einsig  abhängt,  deren  Eiter- 
•ebwappung  aber  Ton  achlechtfUbleoden ,  oder  ungeübten  Fingern 
nicht  so  gemBehlicb  gefühlt  wird.  Wie  kann  man  retlangeo,  dals 
ein  WundaRi,  der  den  tiefliegenden  Eiter  nicht  fühlen  kann,  daa 
gesunde  Fleiseb  ins  Tolle  hinein  zerschneiden  soll;  wenn  er  zau- 
dert und  vMxagt  ist,  wer  kann  ihn  ladektf  Man  ninCi  billig  sein, 
»nd  manches,  was  geschieht,  nicht  auf  die  Nachlässigkeit,  «der 
anf  die  Unwissenheit,  noeh  viel  weiriger  auf  den  bösen  Willen 
des  Wondantes  schieben,  sondern  vielmehr  überhaupt  aufdicUn- 
voUkomtneabeit  der  menschlichen  Natur ,  welche  Unvollkomnen- 
beit  sieb  in  allen  bürgerlichen  Einrit^iungeo  snr  Geaüg«  offei»* 
barel. 

Em  Jahre  18t2  habe  ich  in  drei  von  einander  sehr  cntfemlcn 
HSnsem  eine  wunderliche  Krankheit 'der  Speicheldrüsen  beobach- 
let,  welche  ich  dem  Leser  kürzlich  beschreiben  werde. 

Im  Anglist  des  besagten  Jahres  wurde  ich  zu  eineai  Frana»- 
sEaefaen  Unterbeamten ,  der  eine  Gattinn  und  mehre  Kinder  hatte, 
gerufen.  Er  seihst  war  gesnnd,  aber  die  Frau  und  vier  Kiader 
litten  an  ein  und  demselben  Uehel.  Dieses  bestand  in  einem  fie- 
berhaften  Zustande,  der  jedoch,  hinsichtlich  das  beschi^nnit^ien 
Pulses,  der  vermehrten  WSrme  und  anderer  ZufAlle,  sieh  anschei- 
nend mehr  dem  lehleiehenden  als  dem  akutan  Fieber  näherte.  Die 
Snbmaxillar -,  SuUingnaldrnsen  und  die  Mnndeln  waren  geschwol- 
len', das  ZahnfleiHch  war,  wie  beim  bohni  Grade  des  Scorbnts, 
gesehwollen  und  blutend,  und  es  flofs  der  Frau,  die  die  Krankheit 
im  hohen  Grade  hatte,  nnaufhaluam  ein  stinkender  blutiger  Spei- 
chel ans  dem  Mnnde.  Der  übelste  Umstand  war  der,  dab  die 
Frau,  wenn  sie  nur  kurze  Zeit  aas  grofser  Ermattung  schlummer- 
te, jedesmahl  zu  ersticken  fürchten  nnifaie;  das  Blut  gerann  ihr 
im  Halse,  und  es  gehörten  gar  wunderliche  Kiinafe  dar.n,  selbiges 
heranzuholen  und  ihr  Luft  zu  machen,  da  wegen  der  harten  Drü- 
Mn  der  Mund  nur  sehr  wenig  kannte  geöATnet  werden,     üebrigens 


—  »«  — 

ging  das  Sefalingcn  von  FlüMigkeiieD  nur  mit  M6he,  am  icUimm- 
Men  bei  der  Frau ,  die  dal  Uebel  acboa  fünf  Tage  gehabt  halte, 
etwas  beisar  hei  den  Kindern,  die  ipSter  eins  nach  dem  andern 
erkrankt  waren. 

Auf  den  ersten  Blick  dacfaie  ich,  die  Leute  hSlIen  die  Krfilxe, 
nnd  ich  habe  es  mit  einem  Merkarialspeirfadflula  xu  ihun ;  bei  nähe- 
rer Erkundigung  sab  ich  aber  bald,  dals  das  Uebel,  gegen  weichet 
man  Hülfe  verUagle,  kein  so  gemeines  Merk urialkrSlsaben teuer 
sei.  Das  jetzige  Uebel  unterschied  sich  auch,  bei  genauer  Betradi- 
tung.  deallich  von  dem  MerkarialBpeichelBuMe ;  denn,  weco  xwar 
bei  eiaem  hohen  Grade  des  letuen  auch  Blnt  ans  dem  Munde 
kommt,  so  sind  doch  mgleieh  die  Lippen  bedeutend  geaehwollen, 
die  Zahn«  los,  und  die  Zunge  schmerxi  an  ihrem  Rande,  wo  sie 
die  Zfthae  berührt,  elwas  ungemSchiich,  welches  alles  hier  nicht 
der  Fall  war.  Wie  es  aber  überbanpl  in  dem  Munde  der  Kfsd- 
kea  recht  ansgeiebea,  konnte  ich  nicht  wissen,  weil  sie  ihn  nicht 
genugsam  m  fiffhen  vermochte. 

Da  ich  nicht  wnfste ,  was  ich  ans  dieser  Krankheit  madien 
sollte,  so  glaubt«  ich,  ich  w3rde  am  sichersten  fahren,  wenn  ich 
nich  an  dies«  etwas  fremdartige  Form  gar  nicht  kehrte,  sonden 
die  Natur  der  herrschenden  Krankheil  im  Auge  hielt.  Diese  war 
nun  also  beschaffen ,  dab  Boionmtia  fixa  «iehibar  heilende  Wir- 
kung Sufiierten,  und  weil  ich,  wegen  der  Theurting  der  Rinde,  da« 
wahls  mich  im  Allgemeinen  der  Cateehw  bediente,  so  verschrieb 
ich  einen  Trank  von  einer  Unie  Terra  Catecka,  acht  Unien  WaC 
ser  nnd  einer  (Jnie  Arabisches  Gummi.  Von  diesem  mufste  ai« 
alle  Stunde  einen  LiSffel  voll  nehmen.  Den  Kindern  gab  ich,  oaiA 
Verhälinifs  ihres  Alters ,  denselben  Trank.  Die  Wirkung  dieser 
Anenei  war  so,  dafs  ich  schon  den  folgenden  Tag  deutlich  sah, 
ich  sei  auf  deia  rechten  Wege;  die  Heilung  dieser  Familie  erfolg- 
te auch  ohne  Anstofs  bei  dem  fortgesetsteu  Gebrauche  des  n&m- 
lichen  Mittels. 

Ungeföhr  vier  Wochen  darauf  wurde  ich  zn  einem  Bürger  ei* 
nes  benacbbarlen  Fleckens  gerufen,  und  sah  ,  dafs  er  mit  seiner 
Ehefrau  an  der  nämlichen  Krankheit  im  Bette  log.  Das  Uebel  war 
aber  bei  beiden,  weil  sie  bald  HQlfe  gesucht,  nicht  an  dem  Grade 
gesteigert,  eis  bei  jener  Frau.  Ich  gab  ihnen  beiden  den  Catechu- 
trank,  and  sie  genasen  bald  und  ohne  Ansiofs. 

Den  xwolftea  Oktober  desselben  Jahres  wurde  ich  xu  einem 
Mir  früher  bekannten,  sehr  achtbaren  Geistlichen,  am  Rheine,  g«- 
ruf«n,  und  zwar  mufste  ich ,  der  Dringlichkeit  der  Umsifinde  we> 
gen,  noch  gegen  Ahend  hinkommen.  Hier  sah  ich  nun  zu  mei- 
nem Erstaunen  das  Uebel,  dessen  Bekanntschaft  ich  schon  in  swei 
Ilausern  gemacht,  in  seinem  höchsten  Grade,  nnd  awar  war  es 
von  zwei  Aenten  aoiipUc^iMisch  behandelt  worden;  der  erste  bat- 


—    5»    — 

te  etnen  raiehliehni  Aderiafi  TerordoM,  dsr  nrsll«  LmaarnüK  als 
Ableitongfimittei  gegeben.  Nach  reiflicher  Erwlgoag  aller  Um- 
atftnde  hielt  ich  dafür,  ea  Bei  da«  Betle,  dafs  ich,  ala  der  dritte 
Arxt,  den  Kranken  mit  deo  StwbewknuiWDlen  veraehen  liefae. 
Die  UmMlnde  waren  wirklidi  ao,  dafi  man  «ine  baldige  Anflö- 
■nng  befürc^len  mnfste.  Weit  enlfenit,  dafa  die  Drfiiea  durch  die 
aDtiphlogiiiisefae  Behaadlang  artveicht  werden  wftren,  waren  aie 
vielmehr  immer  hRrter  und  grSfser  geworden,  to  daüi  Jelst  Tqm 
Rande  der  Kinnlade  bis  mm  Kehlkopfe  allea  Eine  Verhftrlnng  war. 
Der  Mosd  konnte  nnr  unbedenlend  geöffnet  werden,  und  das  Schlin- 
gen war  so  erschweret,  dab,  hSit«  ich  auch  ein  schnell  wirkendea 
inneres,  nnfehlbares  Heilmittel  gekannt,  die  Anwendung  deaselbea 
doch  nnmöglicfa  gewesen  sein  würde.  Uebrigens  leigte  die  grofae 
Schwiehe  des  Krankmi,  aein  matter,  erloachener  Blick,  nnd  aein 
kleiner  achneller  Pnla  auch  dem  minder  Elrfahrenen  achen  an,  daiii 
das  Leben  bald  abgelanfen  sei.  Der  Tod  ist  anek  wirklieh  in  den 
nSdisten  vienapdswaniig  Standen  erfolgt.  Seitden  habe  lob  die«* 
KranUieit  nie  wiede^esehen. 


Da»    Ohr. 

Taubheit  ist  im  Verhftlinirs  za  anderen  Krankheiten  der  Or- 
gane selten.  SchwerhSrigkeitist  hSufiger,  onil  unter  den  Schwer- 
hörigen hat  ein  grofser  Theil  das  Uebel  ererbt,  in  welchem  Falle 
ea  auch  nicht  gnl  an  heilen  aein  mScbte.*) 

Ea  ist,  meinea  Eracbtens,  eben  keine  sonderliche  itrstliche 
Weisheit,  alle  mdgliche  Krankheiten,  die  jedem  einseinen  Theile 
des  msammengeaelzten  Geh9rorganea  snstofaen  kBnnleo,  aafsnifih- 
lea  und  Heilarleo  dagegen  su  dekretiren ;  ob  der  Knost ,  Tau- 
be hörend  und  Schwerhörig*  leicbthörig  lu  machen,  durch  sol- 
che gaokelhnfte  Schreiberei  anfgehoiren  sei,  daran  mochte  ich 
sweifeln. 

Bei  akuten  Fiebern   ist  bekanntlich   die  Schwerhörigkeit,  ja 


•)  Vm  iar  DvebIwkraaB  da«  TrawMlkUM,  «li  D«1Ih1U«I  der  TaUk«il,  kab« 
ieh  U*BB  rieht*  aiehr  gghSrt;  4iB  Sich«  nali  wdI  aliBMehUfea  ■•!&.  Eiier 
msiaer  altea  niadartündiielieD  Freud« ,  deiieD  erwtchiepar  Soha  laabito«)« 
ut,  bat  (ich  fletbig  nach  dca  ErEebolft  dieaer  Operalioa  erknadiget.  Die 
eiageiogaaa  Nachricht  Ifl  aber  der  Art  feweaea  ,  dafa  hwoI  er  all  aein  S«ha 
•uf  <ie  ■■pblirhe  HailaiR  verzichM  habe*.  Ich  bla  elaMabI  wnilif  U\m 
Dsrchblitlcm  etnea  llteraa  Sehriftatellara  aaf  attraa  disaea  Geieaftaad  Balraf. 
Teadea  geatofMD.  JeaM*et  Riitlanut  JH.  aagl  la  aeioem  Bacieiridia  amale- 
mico  et  pathologica  pag.  30O  Folgendca  ;  In  HalKraH  tarditale  a  con/or- 
Kationit  vilia,  am  lenlanJnm  (tluJ  experiMtnlam,  fiiod  inopinata  tt  ftlieitet 
tatttnU  emiiam,  gmi  iMtnio  aari$e€apio  In  murtm  frffani(MiMt,  dStrupil 
ifmpmK»  frtgttga»  ntiemla,  «I  /•(!*«  ««A'WI  f 


—    «4    — 

41*  wirkliDli«  TMUnk  «in  gus  geniel«r  ZuMI,  «mJ  Jafs  <lWer 
•niwe4er  Doch  wShrand  der  Krankheit  od«r  bei  iler  Baawrnng  von 
Klbtl  TWgebet,  iirt  ebenfnila  bekannt  D«  ich  hwi  in  den  letzten 
aehiEebn  Jabrcn  viel  aknte  Fieber  behandelt  habe,  die  Ton  einem 
Urleiden  einee  Banch-,  oder  Gebtrnorgattea  eioxig  abhingen,  bet 
deaen  alao  die  Taubheit  blefa  ein«  coniensaelle  Affoktioa  des  Ge- 
hftrorganes  war,  so  ist  ei  mir  wabracbeinlich ,  dafe  aoeh  ebrooi- 
iche  Tanbheit  oder  Sehwerhörigkeit  von  ähniit^hen  chroniHchen  Ur- 
leiden abbRAgen ;  ich  habe  aber  über  dieaen  Ge^netand  au  wenig 
eigene  Erfahrung,  als  dalä  ich  wageo  dürfte,  mich  darüber  ans- 
Fäkrliobar  in  fiufsem. 

Verbänetea  OhrenKKinals  kann  nicht  blofs  einen  hohen  Grad 
ron  Schwerhörigkeit,  londern  aticb  aterkes  und  sehr  iKsiige«  Ohreo- 
bransea  verarsBchen.'  Letale  Eracheinung  iai  mir  aber  wirklich 
nieht  ao  erkürlieb  als  erele;  man  findet  jene  auch  siebt  ao  hftn- 
fig  als  dieae.  Im  Torigea  Jahre  sollte  ich  einer  inngfraa  Ratb 
geben,  die  3ber  eis  so  ongebeure«  Ohrenbrauaen  klggte,  dafs  sie, 
freilich  etwas  übertrieben  in  ihren  Auadröcken,  behaapteie,  aie 
wolle  lieber  lodt  sein,  ala  ewig  dieaes  Gebriille  im  Kopfe  haben. 
Ich  biefa  ihr,  mit  Oel  getrSnktes  Pflückael  in  die  Ohren  stecken, 
idieaea  drei  Tage  hintereinander  erneuern ,  und  weh  dann  von  ei- 
nem ebritcben  Landwundante,  der  mir  niehrmabls  in  solchen  Sa- 
chen znr  Hand  gegangen,  die  Ohren  reinigen  lassen.  Wie  ihr 
nun  dieser  die  Ohren  von  einer  grofaen  Menge  Unaanberkeit  be- 
freiet hatte,  war  nicht  blofs  die  SchwerhSrigkeit ,  aondem  auch 
daa  Ohrenbrauaen  wie  durch  einen  Zauber  verschwunden.  Ich  aa- 
ge  aber  noch  einmab),  ich  kann  mir  wol  erklSren,  wie  Unreinig- 
keit  des  Sufseren  Gebörgangea  ScbuerbSrigkeit,  aber  nicht,  wie  sie 
Ohrenbrausen  verursacht;  glanben  mufs  ich  jedoch  Lerzlea,  weit 
ich  mehrmahia  das  Brausen  blofs  nach  der  Reinigung  des  Snfae- 
ren  Gebörganges  habe  verschwinden  sehen.  Das  waa  ich  hier 
BHge  ist  nur  eine  Kleinigkeit;  da  aber  Obrenbranaen  nicht  seilen 
von  Verstojirung  der  Leber,  der  Mils,  oder  von  Vollbliiiigkeii  des 
Pforladersy  sie  nies  entstehet,  so  ist  es  doch  wol  der  Miihe  werib, 
XH  bedenken,  dafs  das  Uebel  von  einer  leicht  m  hebenden  mata- 
riellea  Ursache  im  änfseren  Geböi^gange  ebim  so  wol  entstehen 
kSnne,  und  zuerst  nachxnsehen,  ob  eine  solrhe  Ureache  vor- 
banden sei,  damit  man  die  Leute  nicht  ganz  zweckloa  in  dem 
pharmasenli Beben  Irrgarten  sich  ergehen  lasse. 

Ohrenaehmersen  entstehen  bekanntlich  nicht  selten  von  einem 
kleinen  Absxeaae  dea  Sufaeren  Gehörgangea.  Ich  weifa  keinen  Kalb 
auf  dieses  Uebel,  als  dafs  man  durch  erweichende  Mittel  den  Durch- 
bruch des  kleinen  Abüxesses  beschleunige.  Wenn  man  aber  eine 
Geneigtheit  au  solchem  Ungeuiache  gewahr  wird,  so  uiufa  man 
diese  als  Fehler  der  Haut  de«  finliieren  Geh&rgangea  anieben,  nnd 


—    9»    — 

«i«  durch  Qaeckiillwrtaftt ,  voa  dm  Stirii*i  wie  man  »)e  ali  An- 
genHalbe  gebraochl,  oder  durch  eine  schwache  SnblimaiaufleBang 
(ein  balbet  Gran  auf  di«  Unae  Waaaer)  heben.  Ani  beaien  ist 
wol,  man  wartet  mit  der  Anwendung  dieser  Mille)  lo  lange,  bia 
gerade  ein  kleiaer  Abaaeb  sich  gecffn«t,  der  Ceborgang  aich  aU 
a«  nicht  mehr  in  eioeui  Zutlande  tcmakhafter  Beimng  steh  be- 
findet. 

Ea  gibt  ancb  ein  n&siendea  Exanthem  dea  äufaaren  Gehörgiw 
gea,  mit  übelriechendem  Ausfluase  verbunden,  welebea  der  Subli- 
matanflösimg  weicht.  Man  mafa  aich  nur  hiites,  dea  Goten  ■■  viel 
an  ihna.  Einmabl  Tage«  etwas  mit  dar  Auflöanng  bereaehtele« 
Pflitckiel  in  die  Ohre«  geateekt,  ist  hinreicfaend,  wmm  man  lange 
damit  fonMhrt,  das  lJal>el  xu  heben. 

Mancher  atinkende  AaaSnü  aaa  den  Ohren  rührt  aber  nicht 
v«n  einem  Exantheme  her,  aondem  iit  blola  eine  krankhaft  vei^ 
inderte  ObrenKhmalxaakreiioD.  lat  diesea  Hebel  ah,  ao  ist  wafar- 
acheinlich  6bel  Rath  darauf  an  finden  j  ich  habe  gar  keine  Erfali* 
mag  darOber,  d^m  ich  habe  ai  Uefa  in  einzelnen  Ffillen  bei  Meii> 
Bclian  aua  der  geringeren  VoIfcsUasaa  gaaehea,  di«  keiae  EJftire 
gegen  setbigea  verlangten.  Ein  reicher  Mann  sorget  adH>n  dafür, 
dafs  HO  eiwnR  nicht  bei  ihm  einwursele. 

Dafs  man  manche  Schwerhörigkeit  (aber  keine  erbliche)  da- 
dnich  hebt,  dafs  man  etwaa  Laiapfluclual  nil  achwacher  Subli- 
maiauflftiung  bafeuohtet,  täglich  in  die  Ohren  atecki,  iai  bekannt; 
ich  wcifa  aber  der  also  heilbaren  Sehwerfaörigkeit  keinen  N'amea 
au  geben,  anm  wenigsten  keinen  solchen,  mit  dem  ich  selbst  ei- 
nen deutlichen  Begriff  verbinden  könnte. 

Der  hefttga  Schmem  dea  inneren  Ohres,  der  nicht  von  einem 
Abszesse  des  äiifseren  Geh5rganges,  soadarn  von  anaiohil>aren  nnd 
^nbekannien  draachen  berrdlirt,  iat  ein  sehr  grofsea  Uebpl.  Bei 
Lernen,  die  demselben  unterworfen  aiad,  gesellet  er  sich  leicht 
z»  jedem  Uebelbefindon ;  er  ist  oaregelm&fsig  periodisch,  and  ver. 
schwindet  anweilea  von  salbst.  Der  Arst  hat  also  die  beste  Ge- 
legenheil, sich  allerlei  gnte  Wirkungen  von  den  gegebenen  Mit- 
teln einaubilden.  Oirelu  heilende  Mittel  anf  das  also  erkrankte 
innere  Ohr  weifaioh  nicht;  durch  aniagoniatiaeh  wirkende  kann  ich, 
wenn  mir  das  Glück  weht  will,  eben  so  gut  heilen  als  jeder  andere 
Arzt.  Es  ist  nur  au  bemerken ,  dafs  man  solchen  inaeren  Obren- 
acbaierz  eher  bei  sarlen,  reizbaren,  als  bei  robusten  Körpern  aa- 
triflü,  und  dafs  bei  jenen  die  feindlichen  Heilanen  niobt  iamer 
Anwendbarkeil  finden.  Unter  dieaen  Hwlmiltaln  iat  das  Hnarseil 
im  Nacken  ziemlich  nnscbuldig,  den  Gesammlorganismna  nicht 
sooderlich  angreifend ,  und  ich  habe  daniselhen  aueb  schon  daa 
in  Rede  «tehende  Uebel  weichen  sehen ;  jedooh  iat  mir  auch  ein 
Fall  bekannt,  <We  der  Ohrenachnura  nach  awei  Monateo  wieder- 


—    S86-   — 

kehrte,  obgisieh  du  Tcrmeioilieh  bülende  Haaneil  noch  im  Nak- 
ken  MMkte. 

£>  gibt  Tielfl  Augep-,  and  ZahnBnrte  in  der  Welt,  aber  we- 
nige Ohrenante.  Ich  kenne  einen  durch  epoplekiiicbe  Gehint- 
affekti«n  schwerhSrig  gewordmien  Mann,  der,  nachdem  er  manche 
k&ufliebe  äeheiraraitiel  vergebens  venncht,  ni  einem  Ohrenarzu 
nach  Holland  gereuet,  aber  eben  so  schwerhörig  wiedergekommen 
ist  als  er  hingegangen ;  er  hat  vom  Glficke  zu  spreehen ,  dafa  er 
nicht  gani  taub  geworden. 

In  der  Zeil ,  da  der  Galvanismns  das  Steckenpferd  mancher 
Aerale  war,  wnrde  ich  an  einer  kranken  Jungfrau  gerafen,  die 
«blich  aehwerhSrig  war,  mit  der  ich  mich  aber  früher  dnrch  lan- 
tM  Sprechen  gut  hatte  verslftndigen  können.  Jetzt  war  sie  so 
tanb,  dafs  ich  ihr  Mfidehen  um  Dobaetscfaang  meiner  Rede  bitten 
mufsle,  welche  Dolmetschung  atwr  noch  fibel  genng  Terstanden 
ward«.  Da  idi  nnn  die  ebenfalls  schwerhörige  Mniter  fragte,  wio 
es  doch  komme,  dafs  ihre  Tochter  jetzt  so  versweifell  laab  sei, 
hörte  ich  Folgendes :  Sie  sei,  bei  überrheinischeu  Verwandten  sur 
Herberge,  von  einem  dortigen  Ante  snr  Heilung  ihrer  Schwerhd- 
rigkeit  galvanisirt,  ab«r  leider  dadurch  von  einer  Schwerhörigen 
Kur  Taaben  geworden. 

Es  ist  wirklich  eine  mifsliche  Rache,  Heilvertnche  bei  aolchen 
diwkeln  Uebaln  au  machen,  zamabl  wenn  diese  erblich  sind.  Könn- 
te der  Erfolg  nnserer  Heilversucha  blofa  Heilen  oder  Nicht- 
heilen  sein,  so  möchte  es  noch  hingehen;  aber  Heileo, 
Nichtheilen,  Sohlimmermachen  lind  die  drei  Endpunkte, 
weruin  es  sich  handelt.  Bis  jetzt  habe  ich  noch  nicht  gesehen, 
dafs  der  Arzt  durch  das  Schlimmermachen  sonderlicbeo  Dank  bei 
den  Menschen  verdient  hätte. 

Da  ich  nnn  von  dem  Obre  so  sehr  wenig  medizinisch  prak- 
tisches an  sagen  weifs,  will  ich  tat  Abwechselnng  einmahl  mit 
meinen  physiologisefaen  Lesern  von  der  Musik  reden. 

Dafs  das  Ohr  der  Benrtheilet  der  Reinheit  der  Töne  aei,  dar- 
an zweifelt  keiner  von  ans,  nnd  wir  wiisen  auch  alleaammt,  dafs 
die  Reinheit  dar  Töne  in  dem  VechBlioils  derselben  gegen  einan- 
der bestehet.  Eben  ao  wissen  wir ,  dafs ,  wenn  gleich  ein  reines 
richtiges  Spielen  noch  lange  kein  schönes  Spielen,  doch  letztes 
ohne  erstes  nicht'  denkbar  ist ;  denn  wenn  jemand  auf  der  Geige 
oder  Flöte  die  herrlichsten  Töne  hervorzubringen  verstehet,  und 
er  verstehst  nicht  beim  Spieles  das  richtige  Yerhälinifs  der  Töne 
gegen  einander  xn  beohachten,  so  wird  sein  FaUohapieleo  oiemabli 
gefallen. 

Es  fragt  sich  jetzt :  ist  das  Ohr,  wie  die  Anatomie  ans  aelbi- 
ges  kennen  lehrt,  also  das  anatomische  Ohr,  Ursacher  des  Rei»> 
spielens   auf  Blas-  und  Saiieninsimmeaten f    (B^reifiich  aprecb* 


«eh  htet  nur  vm  dvn  8wtaniMtnaMntM ,  wf  wtithea  iw  Tom 
mit  des  FiDgera  gagriffHi  warden.)  Ich  bshaupt« :  Mi« ;  im  ua- 
tomitdi«  Ohr  hat  mit  4mi  BaÜMpidBa  nichu  la  ihnn ,  M  kaaa 
•uch  Dicht  du  Gcfingste  dam  beitragen.  Sollla  meinen  Leaera 
diese  BehanpHng  elWM  widersinnig  bedünlteo,  es  bitte  idt  lie,  F(4- 
gendee  wohl  *u  erw3gcn. 

Sobald  jeder  einzelne  Tob  einai  MniiktlGdiea  aujt  dem  In- 
atramenle  gebildet  iit,  so  ist  or  auch  verldni^en ;  ist  er  falsch  m 
Tage  gefSrdert,  so  hfirt  das  Ohr  ihn  allerdings  als  falschen  Ton, 
es  kann  ihn  aber  doch  nicht  mrfieknifen  und  zam  reinen  machen. 
Im  langsamen  Zeitmafse  könnte  allenfalls  das  Ohr  den  Falschspie- 
lenden bei  rinem  anhaltenden  Zwei-,  Drei-,  oder  Vier  viertel  tone 
ein  wenig  xurechi  helfen ;  allein  meine  Leser,  welche  selbst  Blas- 
oder Saileninslrumenie  spielen,  wissen  wol,  dufs  solche  durch  das 
Ohr  Teranlafste  Tonverbessaning  eine  ungefKlIige  Siüniperei  ist. 
Im  geschwinden  Zetimafae,  bei  Achteln,  Sechszehnlein,  Zweiund- 
dreifsigaleln  kann  aber  anch  dieae  Verbeaseniag  nicht  eiamahl  Slall 
finden. 

Wie  soll  ich  mir  nun  diese  wunderliche  Sache  erklären!  Ich 
weifs  ea  wirklich  nicht.  Mir,  dem  überhaupt  der  menschliche  Or- 
ganismus ein  grofaes  Rftihsel  ist,  bleibt  nichts  über,  als  gans  ein- 
ftltig  ansunehmeo,  dafa  bei  dem  Spielen  der  Blasinstrumente  die 
Lippenmuskeln ,  und  bei  dem  Spielen  der  Saileninslrumenie  die 
Fiogerapilsen  des  Spielenden  hSren  gelernt  haben.  Wenn  ich  hie- 
lait  die  tbieriach  magnetische  Eracheinoagen  vergleiche,  so  möch- 
te ich  auf  den  Gedanken  kommen,  die  Sioaeswerkxeuge  seien  swar 
so  eingerichtet,  dafa  das  Gefühl  in  jedem  derselben  durch  einen 
eigenen  Reis  des  Schalles,  des  Lichtes  n.  a.  w.  aufgeregt  werde, 
daib  aber  durch  lange  Uebong,  oder  durch  eine  krankhafte,  aber 
freilich  Übel  lu  erklärende  Umstimmnng  der  Nerven,  jeder  Theil 
des  Körpers  au  jedem  Sinaeswerkzenge  werden  könne. 

Sonderbar,  ja  Ificherlieh  ist  es  mir,  daf^i  ich  selbst  bei  vier- 
aig  Jahren  Musikant  gewesen  bin,  ohne  in  dieser  langen  Zeil 
Jetnahla  auf  eine  mir  ao  nahe  liegende  Sache,  dafa  nämlich  daa 
Ohr  sum  Reinapielen  nichts  beitragen  könne,  geachtet  zu  haben. 
Nachdem  ich  endlich  darauf  geachtet,  theilte  ich  dieses  Paradoxon 
einigen  Bekannten  mit,  und  fand,  dalä  dieae  früher  eben  ao  we- 
nig daran  gedachL  Ea  scheinet  wol,  dafs  wir  Menschen  überhaupt 
anf  das  am  wenigsten  achten,    waa  aaa  ganz  nahe  liegt, 

leh  könnte  jetzt  noch  wol  ein  anderea  Paradoxon ,  betreffend 
das  muaikaliaeheZeilmafa,  den  Leaern  vorlegen,  fürchte  aber,  die 
nicht nasikalischen  nöchlen  wenig  Erbauung  daran  finden,  daran 
will  ich  liebet  den  Neugierigen  überlassen,  es  auf  dem  Weg«  der 
Beobachtung  selbst  zu  finden. 


In  dem  letMcn  Kapitri,  welabM  Uh  für  soMie,  4n  Praxis 
nicht  betreffeade  Gegciralände  bMtimmt,  warde  ich  noch  einen 
merlEWÖrdigen  Irrthutu  fügan;  in  den  aail  der  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  die  Dichter  unserea  Volkes  blo£t  durch  venmchlütsig- 
te  Beobachtung  des  Gebororgaii»  gefallen  sind. 


fiehlrnaalttel. 

Taiak. 

Es  war  im  Jnbre  1819  im  Juoioa,  da  sieh  hier  Gehirnfieber 
zo  xeigen  anfingen,  bei  denen  ich  die  heili^rae  Wirknng  des  Ta- 
baks kennen  lernte.  Vor  Erscheinung  dieser  Fieber  hatten  eine 
gerannte  Zeit  gaslriache  geherrscht,  bei  denen  ich  laugensalsige 
Mittel  und  Kräbenaugenlinklar  (wie  ich  dem  Leser  früher  «Tzfthli} 
heilsam  befanden.  Beide  Krankheilen  unierachieden  sich  in  ihrem 
ersten  Entstehea  wenig  von  einander.  Bei  beiden  war  Bii|rker 
Kopfschmen ,  wenig  belebe  Zange  ( bei  manchen  biiteret  Ge- 
schmack), lebhaftes  Fieber  mit  vollem,  schnellem  Pnlse.  Der 
Hara  war  bei  beiden  Fiebern  bald  roth,  bald  trübe,  bald  dem  ge- 
■undbeilsgemSfsen  gleich.  Die  Erkennlnifs,  dafs  das  in  Rede  ste- 
hende Gehirnfieber  von  dem  bis  dahin  herrschenden  gastrischen 
verschieden  sei,  habe  ich,  ehrlich  zu  sprechen,  nur  dadurch  be- 
kommen, dafs  die  Anwendung  der  säiirewidrigen  and  der  Leber- 
mittel nicht,  wie  früher  beim  gastrischen  Fieber,  sichtlich  heilaam 
war,  sondern  dafs  Fieber  und  heftiger  Kopfschmerz  blieben,  und 
überhaupt  die  Krankheit  ungestört  voranschriit.  Ich  gesiehe  gern, 
dafs  ich  nicht  wenig  Terdat%t  wnrde,  da  ich  auf  den  Gebrauch  der 
bis  dahin  heilsamen  Miilel  wot  deo  bitteren  Geschmack  (in  den 
einzelnen  FSlIen  wo  er  vorbanden  war)  vericbwinden,  das  Fieber 
■her  in  der  nämlichen  Lebhaftigkeit  bleiben  und  die  heftigen  Kopf- 
Nchmerzen  nm  nichts  nachlassen  sah. 

Wollte  ich  die  Zufdlle  dieses  Gebirnfiebem  gewissenhaft  anf- 
zühlen,  so  wurde  icb  dem  Leser  Langweile  verursachen,  denn  die- 
ser begreift  leicht,  dafs,  wenn  vom  Fieber  die  Rede  ist,  dann  auch 
die  gewöhnlichen  Zufälle  der  Fieber  vorhanden  gewesen  sein  wei^ 
den.  Ferner  begreift  Jeder  Verständige  eben  so  leicht,  dafs,  wenn 
das  Gehirn  krankhaft  ergriffen  ixt,  solche  Organe,  die  von  den  Ge- 
hirnnerven ganz  oder  zum  Tbeile  versehen  werden ,  den  coasen- 
siiellen  Leiden  sehr  unterworfen  sein  müssen.  Solch«  LaideD  sind 
■her  sehr  uabestfindig,  bei  dem  einen  gestalten  sie  sich  ••,  bei 
dam  andern  anders,  und  wamm  bei  dem  einen  dieaea,  bei- de« 
andern  jene«  Organ  oonsensuell  ergriffen  sei ,  davon  iRfst  sich 
wahrlich  kein  guter  Grnnd  angeben.     So  wnr  Zaboacfanaerz  in  man- 


Dfaen  FUlen  Vorbhifar  dM  Fiabsn,  io  udera  Fittlra  ead^te  dna 
Fieber  dauiii.  Andre  hntteo  UhrenhraaMti,  oder  entzündete  Augen. 
Wieder  bei  andern,  jedoch  bei  den  wenigslen,  wnr  im  Aureng« 
des  Fieben  m  baftigeii  Erbrechen,  dafa  aelbsl  die  unschuldigst c« 
fiairAnlia  augenbliGklich  ausgeworfen  wurden.  Abentialila  bei  an- 
dern, jedoch  auch  bei  wenigen,  seigte  sich  coDsensuelle  Leber- 
attektion  und  eine  davon  abhängende  abnorme  Gallensekreiion. 
Der  Durchfall,  der  sich  znweilen  einstellte,  war  ebenfalls  eine 
consensuelle  Dartnaffektion.  Sebnenhitpfen  war  sehr  selten,  und 
eine  krampfhafte  Zusammenaieboog  der  Muskeln  noch  seltener. 
Ich  erinnere  mich  nor  einer  einzigen  Frait,  deren  Hände  krampf- 
haft geschlossen  waren,  so,  dafs  man  sie  nur  mit  Gewalt  büiie 
BfTnen  können,  woza  ich  aber  keinen  Beruf  fühlte. 

Da  ich  nun.  anfser  dem  jetzt  in  Rede  stehenden  Gehirnfieber, 
noch  von  andeiV  Gehirnfiebern  reden  mnfs,  so  werde  ich  auch  in 
der  Folge,  sowol  von  den  allgemeinen  Fieberziißlleo,  als  von  den 
eonsensnellen  Zufallen,  die  sich  jeder  Verständige  leicht  hinsu- 
denken  kann,  gan«  schweigen,  und  nur  von  den  Zuftllen  reden, 
durch  welche  sich  jenes  Fieber  von  den  andern  beobachteten  Ge- 
hirniiehern,  die  ich  nach  diesem  beschreiben  werde,  auszeichnete. 

0er  einzige  Zufall,  durch  welchen  sich  das  jetzt  in  Rede  sie- 
hende auszeiohneie ,  war  ein  starker,  jedoch  nicht  sowol  klopfen- 
der, als  vielmehr  ziehender  Kopfschuieri,  der  bei  manchen  den 
gauxeo  Kopf  einnahm,  bei  mehren  den  Hinlerkopf,  und  bei  mnn- 
chen  einzig  die  Gegend  des  kleinen  Gehirns.  Bei  denen,  wo  er 
den  ganzen  Kopf  in  den  ersten  Tagen  einnahm,  fixirte  er  sich 
doch  in  der  Folge  auf  den  Hinterkopf. 

Einige,  jedoch  wenige,  klagten  über  einen  Schmerz  im  klei- 
nen Gehirne  und  zugleich  im  Rückgraihe  zwischen  den  Schulter- 
blStiern,  diese  hatten  denn  anch  consensuelle  Brusileiden,  ja  selbst 
blutigen  Auswurf. 

Der  Kopfschmerz  war  bei  allen  anhaltend;  er  setzte  nicht  aus, 
nnd  sein  etwaiger  täglicher  Nachlafs  war  sehr,  sehr  gering,  so 
dafs  der  Kranke,  wenn  ich  ihn  nicht  besonders  darauf  aufmerk- 
sam machte,  nicht  auf  diesen  unbedeutenden  Nachlafs  achtete,  son- 
dern den  Schmerz  unbedingt  als  in  gleicher  Uefügkeit  fonwährend 
angab. 

Die  MnskelkrXfte  blieben  bei  allen  Kranken  ziemlich  gut,  so 
dafs  sich  diese  Im  Bette  aufrichten,  ja  ganz  ohne  oder  mit  gerin- 
ger Hülfe  aufstehen  konnten.  Ehe  ich  aber  ein  Heilmittel  auf  das 
urergrifiene  Organ  wufste,  ehe  ich  also  der  Krankheil  Einhalt  tbun 
konnte,  sah  ich  doch  auf  die  Daner  die  Muskelkraft,  wie  bei  tj- 
pbSsen  Fiebern,  schwinden-  Dafs  ich  dem  Kranken  mit  den  ge- 
eigneten Mitteln  gegen  solche  Schwache  za  Hülfe  kam,  half  mir 
iti  der  Hauptsache  nicIitB;  denn  wenn  ich  gleich  bewirken  konniej 


—    530    - 

diifa  er  «ob  wieder  ohne  Hülfe,  ja  <Ane  Aaitrei^og  im  Bette 
aurrichiele,  ao  war  sein  Gehirn  doch  nicht  dadurch  geheileL  Die 
Krankheit  ging;  ihren  Gang  nngeatSn  fort,  und  die  anacheinend 
woblihfitige  Einwirkung  auf  den  Gesammtorganiernua  verschwand 
wieder  in  etlichen  Tagen  bei  dem  unanageaelzien  Gebraache.d^ 
nämlichen  Mittel,  die  in  den  ersten  xwei  Tagen  den  Kranken  und 
dem  Arzte  mit  der  frohen  Hoffnnng  einer  baldigen  Heilung  ver- 
rttlheriach  geachmetohelt  hauen. 

Dieses  Fieber  währte,  aich  selbst  überlaasen,  lange>  aehr  lan- 
ge, die  Natur  luachle  keine  kritische  Ausleerungen,  sondern  heil- 
te es.  nur  durch  ErschSpfnog  des  gansen  Körpers,  vorausgeaelzi, 
dafs  die  Kranken  diese  langweilige,  endlose  Selbaiheilung  ana- 
biellen. 

Eigentliches  anhaltendes  Irrereden  war  selten,  man  traf  ea  aber 
doch  einieln  an.  Andre  ZufSlle  typhöser  oder  nemser  Fieber,  ala 
Trockenheit  der  Zunge,  Sehnenspringen,  Durchfall,  gesellten  sich 
im  Verlaufe  su  diesem  Fieber,  wenn  es  sich  selbst  überlassen,  war. 
Im  Allgemeinen  waren  aber  auch  diese  Zufälle  aebr  wandelbar; 
ihr  Vorhandensein  oder  Nichtvorhandensein  machte  die  Krankheit 
weder  gefahrvoller,  noch  gefahrloser.  So  konnte  die  trockne  Zun- 
ge feucht  werden,  daa  Sehnenspringen)  der  Durchlauf  konnte  auf- 
hören, ohne  dafs  dieses  die  Besserung  angezeigt  hftlte.  Alle  Er- 
fahrungen, die  ich  mir  früher  bei  sogenannten  typhösen  oder  ner- 
vösen Fiebern  erworben ,  nutzten  mir  su  nichts,  zu  gar  nichts.  Ein 
achtbarer  und  in  der  Literatur  bekannter  Arzt,  der  nur  einen  ein- 
zigen dieser  Kranken  behandelt  hatte,  sagte  mir  damahls:  Bei  die- 
sem Fieber  bore  alle  Diagnose  und  Prognose  auf.  In  dem  Sinne, 
wie  man  gewöhnlich  diese  Kunstauadrücke  nimmt,  halte  er  voll- 
kommen Recht. 

Gleich  allen,  von  einem  erkrankten  Organe  abbangenden 
Krankheilen,  hatte  dieses  Fieber  einen  Vorlaufsseitrauni,  der  hin- 
sichtlich seiner  Dauer  so  verschieden  war,  dafs  ich,  ohne  un- 
wahr zu  werden,  nicht  einmahl  seine  ungefähre  Miilelzeit  angeben 
kann.  Er  offenbarte  sich  durch  Schwindel,  Eingenommenheit  des 
Kopfes,  Ohrensausen,  Zahnschmerz,  oder  Kopfschmerz,  bei  dem 
einen  ao,  hei  dem  andern  anders.  Bei  manchen  blieb  dieser  chro> 
oische  Znstand  anhaltend,  und  ging  gar  nit^t  in  den  akuten  über. 
Ich  bekenne,  dafs  ich  einst,  ehe  ich  in  die  Sache  eingeweiht  war, 
einen  solchen  heftigen  chronischen  Kopfschmerz  für  einen  Rheu- 
matismuB  des  Kopfes  gehalten,  nnd  dem  gemllfa  behandelt  habe. 
Der  Erfolg  meiner  Behandlung  belehrte  mich  aber  gar  bald,  daü 
ich  ea  mit  einem  ganz  anderen  Dinge  zu  thun  habe. 

Dafs  nun  bei  einer  Menge  Kranken  auch  einzelne  seltaame 
Fülle  vorgekommen,  verstehet  sich  wol  von  selbst.  So  erinnere 
ich  mich,   dafs   ein   an  ObnmachieD  gar  nicht  geneigtes ,    starkes 


—    531    — 

DiMntmSdcben ,  Dachdcm  lie  Tieraehn  Tage  lang  «in«  EingeDom- 
menbeit  in*  Kopfei  Tenipüret,  selbige  aber  nieht  geachtet,  eines 
Morgens  auf  dem  HorplaUe  xusammeostijrste ,  auf  dem  Steinpfla- 
ster zwei  S<Jine!de£Sbne  r.erbrach,  ohntuBclitig  ins  Hans  gebracht 
wurde,  bi*  Mittag  ohnmächtig  blieb,  su  sich  gekommen  im  hefti- 
gen Fieber  lag,  and  am  selben  Abend  schon  eine  rotbe,  ganz 
trockne  Zonge  hatte. 

Eines  starken  jungen  Mannes  erinnere  ich  mich,  der  seiner 
guten  Niitiir  vertrauend,  erst  am  dritten  Tage  des  Fieber»  mein« 
Hülfe  Milchte.  An  diesem  Tage  war  nach  einem  reichlichen  Na- 
senblnlen  der  heftige  Kopfschmerz  verschwunden,  aber  slatt  des 
Scbmer/es  ein  solch  furchtbares  Brausen  im  Ko|^e  eingetreten  nn'd 
ein  solches  Gefühl  des  An  gegriffen  sei  ns,  dafs  er  es  für  hohe  Zeit 
hielt,  meine  Kunst  in  Anspruch  zu  nehmen. 

CJeherhaupt  war  in  dieser  Zeit  das  Nasenbluten  (welches  je- 
doch bei  den  wenigsten  eintrat)  nicht  gerade  tödtlich,  auch  nicht 
einniahl  geßihrlich,  aber  doch  unverkennbar  die  Krankheit  ver- 
schlimmeren d. 

Ein  dem  Branntwein  sehr  ergebener  Handwerksgesell,  der  im 
Vorlaufszei  träume  viel  Branntwein  getrunken  nnd  gans  verstand- 
los  dadurch  geworden  war,  starb  an  diesem  Fieber  nach  mancher* 
lei  Abenteiiern,  deren  ErzShlung  etwas  zu  weitläuftig  sein  mdchte. 
Ich  habe  den  Leichnam  ge5ffnet  und  nichts  Krankhafte«  mit  mei- 
nen .Augen  darin  entdecken  kSnnen.  Ja,  wenn  ich  auch  zn  den 
Aerzten  gehörte,  die  bei  Gehiraleidea  gleich  von  EntzOnduDg  träu- 
men, so  hätte  mich  doch  der  Anblick  dieses  Gehirns  nothwendig 
aus  meinem  Entzflndnngsiraame  wecken  müssen.  Ich  konnte  an 
dem  Gehirn  nichts  von  der  Norm  abweichendes  entdecken,  als  ei- 
ne ganz  nngewöhnlicbe  Weiche  desselben.  Da  ich  die  Oeß'nnng 
vieniodzwanzig  Stunden  nach  dem  Tode  machte,  und  die  Laft  eher 
kühl  als  warm  wpr,  so  konnte  ich  diese  Weichheit  nicht  wol  nis 
•iae  Folge  der  Fäulnifs  ansehen,  sondern  mitfste  sie  vielmehr  als 
eine  Folge  der  Krankheit  betrachten;  jedoch  ^^ztf^ 'anch  nicht 
Ifti^  Sicherheit,  .sondern  nnr  mit  einiger -\t>'{^iflli^iiM);tikeil. 
,■ '  .lUebrigens  war  dieses  faerrschenJc  Fieber  ^^r  Aiufeckung  sehr 
v^nlScbtig',  imlehi!  man' weit  ioelvr--äfilil^ito(lV'in'Senen  mehr« 
ftf^fibmtms  fhi.xÜK}M,-  in  dttunour  eih'  »itlKf^  w)ititlikl«.';-Ip 
^aii-tHMifatiwHlniieinfwi^^Mäu^i^R-'IMkann^fftr  liihd  iii  gitvitör- 

sfnltih  4i4>;Be«[hHcliafi^  darri^w^4«'tll><d«;!i^iwnc'jn«ift^.:l|iiile 
eines  Armen,  fh  der  doch  das  beetSodige  Ziisammipnwv&gfen  der 
fifMdaUen'iliAAit^^cBbl^np-tncbt  sa' i(.(rnbid«n/iUvr-si^ier  dem 
BhfSi^ich  Ei^i%nen'kMner;mBUDfeil0wrii(dj;)Jjirf!bi(ii{upt  ist  es 
bei   den   von  Loflgiften  entstandenen  Krankheiten  s^hjr'Wiwer  ib 

34'*  ■  O" 


—    532    — 

bestimmen,  ob  sie  anilecltend  Bind  oder  nicht;  dt«  Meinungen  der 
Aerzle  werden  immer  in  diesem  Piiakte  getfaeill  seia. 

Kb  war  glücklich  für  iiiicb  und  fiir  die  Kranken,  dafs  das  be> 
Bchriebene  Fieber  nicht  plötziich  eine  grofie  Zahl  Menschen,  sab- 
rfern  aiifünglich  nur  einzelne,  and  nach  uod  nach  mehre  ergriS*, 
Stadt  nnd  Uiiigegeod  also  mehr  überachlich  als  überfiel. 

Ich  will  jetzt  dem  Leser  mein  tirziliches  Schicksal,  hinsiebt- 
lieh  dieser  Krankheil,  erzählen. 

Erfahrene  Aerzte  werden  mir  gern  zngeheo,  dafs  ans  den  Zu- 
ßllen  der  Krankheit  die  Natur  derselben  nicht  blofs  schwer,  son- 
dern vielmehr  gar  nicht  zu  erkennen  war.  Ich  hatte  die  Wider- 
wärtigkeit, dafs  gerade  bei  dem  ersten  Kranken  eine  durch  abnor- 
me Gallenseeretion  sich  offenbarende  consensuelle  Leberaffektion 
vorhanden  war;  also  sah  hier  die  Krankheit  gerade  so  aus,  wie 
das  bis  dahin  herrschende  Fieber;  einzig  das  Fortwähren  des  hef- 
tigen Kopfschmerzes  bei  dem  Verschwinden  der  gasiriscben  Symp- 
.  tome  machte  es  mir  begreiflich,  dafs  ich  es  jetzt  mit  einer  andern 
Krankheit  zn  thun  habe.  Aber  was  war  das  nun  für  eine  Krank- 
heil  1  War  es  ein  Urleiden  des  Gehirns,  oder  ein  im  Gehirne  blofs 
vorwaltendes  Leiden  des  Gesanimiorganismus  t  Dafs  man  dieses 
in  den  wenigsten  Fällen  aus  Zeichen  erkennen  könne,  wnfsle  ich, 
also  mufste  ich  gerade  wie  der  Seh eidekiin stier  verfahren,  meine 
Mittel,  deren  Verhallen  zum  gesunden  und  kranken  KSiper  ich  ge- 
nau kannte,  mit  dem  Organismus  des  Leiders  in  Berührung  brin- 
gen. Nachdem  ich  mich  schon  durch  die  Unwirksamkeit  der  bis 
dahin  heiUamen  nniigastrisehen  Knr  nicht  gerade  absichtlich,  aber 
doch  ztiHiDig  nberzengi,  dafs  die  Krankheit  nicht  in  einer  Affekiion 
des  gnllealisondernden  Organa  bestehe,  so  brachte  ich  zuerst  den 
würfelichten  Salpeter  in  des  Kranken  Magen.  Ich  sah,  dafs  er 
sich  frut  dabei  befand,  das  heifsl,  das  lebhafte  Fieber  wurde,  ohne 
jedoch  nachzulassen,  minder,  aber  das  Kopfleiden  blieb  wie  es  ge- 
wesen. \ach  drei  Tagen  mufste  ich  mich  wol  überzeugen ,  dafs 
ich  es  mit  keiner  linier  der  Heilgewalt  des  würfelicfaten  Salpeters 
stehenden  Affekiioi»  des  Gesa  mm  (Organismus  zu  thun  habe. 

Nun  wendete  ich  dte  zwei  andern  Univenatia  der  Allen  Ge- 
heiinürzte,  das  eine  nach  dem  andern  an.  Sie  schadeten  nicht, 
ja,  da  ich  sie  nicht  im  Anfange,  sondern  im  Verlaufe  der  Krank- 
heit gab,  WO  sich  die  Muskelkräfte  schoii  minderten,  so  sah  ich 
selbst  ihre  wohlihälige  Wirkung;  die  Kräfte  nahmen  sichtbar  %a: 
aber  —  der  Kopfschmerz  blieb,  die  ganse  Krankheit  blieb,  nnd 
die  wohithätige  Wirknng  der  gegebenen  Mittel  war  Dur  vorüber- 
gehend. 

Jetzt  war  ich  zu  der  Ueberzeugnng  gelangt,  'Jafi  ich  wirkfich 
ein  Urleiden  des  Gebims  zn  bekämpfen  habe.  leh  hatte  aber  lei- 
der dureh  meine  Untersuchung  oiehts  erworbeof  als  «■•  Fonnen- 


_     533    — 

erkanoMifi  (jm  Srane  der  reinen  Eiypirie);  JelM  war  die  schwie- 
rige Frage  zu  lösen:  welche  Subttianz  in  dergrofseB,  wetten,  re!-   ' 
chen  Naiur  luii  diesem  Urgehirnleiden  in  einein  sicheren  Heilver- 
•    hällaisse  stehe! 

Auüier  der  Anaga/lia  ood  detn  Hyperica,  den  Mitteln,  welche 
die  alieo  Galeniker  beim  Irresein  wollen  wirksam  befunden  haben, 
deren  Heilwirkung  ich  aber  bis  dahin  nicht  sonderlich  bewährt 
gefunden,  und  nutzer  dem  Kampher,  den  man  in  neuerer  Zeit  als 
Cejihalicam  gerühmt,  dessen  HeilwirkuDg  auf  das  Gehirn  ich  bis 
jetzt  auch  übel  habe  finden  könoen,  wuCite  ich  kein  anderes  Mittel, 
als  dea  Zink,  Ich  gebrauchte  diesen  also,  aber  ohne  Erfolg;  der 
Schmen  wich  um  kein  Haar,  and  die  wohlcbälfge  Wirkung,  die 
ich  von  dem  Mittel  sah,  bestand  einsig  darin,  dafs  es  in  den  ein- 
zelnen Fällen,  wo  sich  Irresein  zeigte,  dieses  beschwicbiigle, 
ohne  dafs  jedoch  dadurch  die  Fortschritte  der  Krankheit  gehemmt 
wurden. 

Jetzt  war  icb  mit  meinem  Erfahrung« wissen  am  Code;  ent- 
weder mulste  ich  die  Krankheit  der  Natu^  zu  heilen  überlassen, 
und  den  Krenken  blof»  zum  Scheine  liichiswirkende  Arzenei  ver- 
schreiben (sie  behandlen);  oder  ich  mufsie  ein  mir  bis  jetzt  un- 
bekanntes Eigenbeilmiltel  aufs  Gehirn  suchen.  Das  Erste  war  mir 
im  hoben  Grade  zuwider,  und  das  zweiie  mit  unberechenbaren 
iichwierigkeiteD  verbunden.  Indem  ich  oun  über  die  Lage,  worin 
ich  mich  befand,  verdriefslicb  war  (ehijich  gesfirochen,  es  ist  ein 
eeltsBmer  Wechselfaji,  entweder  die  Rolle  des  Gauklers  oder  des 
blinden  Versnchmachers  spielen  zu  müuen),  and  gerade  eine  Be- 
stellung in  der  Apoiheke  zu  mai^en  halle,  so  fand  ich  dort  eine 
alte  Holländische  Uebersetznng  des  Dodo»eu»,  die  durch  den  Ue- 
bersetzer  noch  mit  vielen  Zusätzen  bereichert  war.  Der  alte 
Foliant  diente  dem  Lehrling  zum  Plätten  der  Pflanzen,  die  er  sich 
JTiir  das  Beriarium  vivum  gesammelt,  war  also  in  grofse  Verach- 
tung gekommen,  unwillkürlich  sclUage  ich  das  alte  Bach  aof, 
und  der  Zufall  will,  dafs  mein  Ange  auf  die  Beschreibung  des 
Tabaks  fällt.  Icb  lese  diesen  Artikel;  aber  durchaus  nicht  in  Be- 
ziehung zur  herrschenden  Krankheit,  sondern  aus  blofser  Neugier- 
de, weil  es  mich  mahnte,  dafs  einst  eine  Zeit  gewesen,  in  der 
man  dieser  Pflanze  gar  wunderbare  Heilwirkung  zugeschrieben, 
ja  ganz  übertriebenes  Lob  gespendet;  nnd  vorzüglich,  weil  die  selt- 
same Erinnerung  aus  Kaitert  Clevischem  Mnsenberge 
in  meinem  Kopfe  auftauchte,  dafs  ein  Geistlicher  zu  damahliger 
Zeit  in  einer  Predigt  das  edle  Wund-  und  Tabakskraut 
mit  unserm  Herrn  Kristo  verglichen  habe. 

Nachdem  ich  den  Artikel  durchgelesen,  und  darüber  nachge- 
dacht, wie  es  mSgUch  sei,  dafs  dieses  Mittel  in  so  ganz  versehie- 
denen  Krankheiiaformeu  könne  geholfen   haben ,    machte  ich  den 


—  sa*  — 

S«Uub :  eolwedn-  mflne  dar  grSbls  Tbeil  der  ersSHltcn  Erfah- 
rangen  erlognen,  oder  d«r  Tabak  roSflse  ein  Heilmiliel  auf  da«  er- 
krankte Gehirn  and  Rtekenmark  «ein.  Da  ick  nun  die  älteren 
Aeriite  nicht  für  so  ;oiili>se  Geschöpfe  halte,  dab  sie  abuichilich 
Erfahrungen  ■olllen  erdichtet  haben,  so  war  ich  geneigt,  die  leixu  . 
Meinnag  für  wahr  sa  halten,  und  bflschluls,  in  der  Preaue,  worin 
ich  Bteckte,  das  Mille]  an  versuchen.  Der  Aiioiheker  halte  di« 
Nicoliana  ntttica  im  Garten  und  swar  in  hinreichender  Menge, 
denn  er  hatte  ant  Liebhaberei  mm  Experimentirea  viele  vergebe- 
ne Versnche  gemacht,  aus  dieser  Pflanze  einen,  dem  Amerika- 
nischen an  Gfite  glelchkoninienden  Rancfalabak  zu  bereites.  Ich 
Hefa  gleich  eine  Tinktur  ans  den  frischen  Bläiiern  machen,  und 
wendete  sie  znerst  hei  mir  selbit  an,  um  zu  sehen,  ob  dieses  Mit- 
tel auch  eine  feindliche  Wirkung  ant  den  Gesunden  fi&fsere.  Es 
machte  mir  aber,  in  der  Gabe  zu  dreifsig,  vierzig  Tropfen,  nicht 
die- geringste  feindliche  Einwirkung,  weder  auf  den  Magen,  noch 
auf  den  Kopf. 

Nun  gebrauchte  ich  es  zuerst  in  Füllen  von  nichtfieberhaften 
Knpfleiden,  und  sah  bald,  dafs  es  herrliche  Wirkung  leistete.  Da 
ich  aber  in  viernndzwanzig  Stunden  eine  halbe  Unze  nehmen  liefs, 
kam  es  mir  vor,  dafs  die  Tinktur  ein  wenig  auf  den  Stuhlgang 
wirke.  Mich  hatte  schon  die  Beobachtung  gelehret,  dafs ,  wenn 
die  Gehirnkrankheit  unter  der  Form  des  akuten  Fiebers  erschieD, 
leicht  ein  cunsensueller  Diirchfalt  sich  einstellte,  der  die  Krankheit 
eher  verscblimmerle  als  verbesserte,  und  da  ich  fürchtete,  die  Tink- 
tur des  Tabaks  raftchte  diesen  Durchlauf  befArdern,  auch  zugleich 
vermntheie ,  dafs  der  flüchtige  desiillirhare  Theil  dus  eigentliche 
Heilmittel  des  kranken  Gehirns  sei,  so  liefs  ich  die  Tinktur  desiil- 
liren  und  einen  Tabaksgeist  bereiten.  Dieser  leistete  nun  alles, 
was  ich  von  einem  guten  Hetlmiilel  verlangte.  Weit  entfernt,  dcD 
Durchlauf  zu  betördern  nnd  den  vorhandenen  zu  vennehren,  be- 
schwichiigle  er  vielmehr  den  vorhandenen.  Der  harinSckige  Kopf. 
schmerz  wich  domselbeo,  und  ich  konnte  die  Krankheit  nicht  blo£i 
damit  behandeln,  sondern  sichtbar  heilen. 

Die  ersten  Kranken,  hei  denen  ich  ihn  anwendete,  waren  sol- 
che, deren  Gef^faaystem  wenig  aufgeregt  war,  bei  denen  sich  also 
da-t  Uebet  mehr  unter  chronischer  Form  offenbarte.  Da  aber  die 
meisten  Kranken  lebhaftes  Fieber  hatten,  und  viele  unter  diesen 
selbst  starke  Hitze  nnd  vollen,  sehr  hescbleunigien  Puls,  ich  aber 
schon,  wie  oben  gesagt,  durch  meine  anfänglichen  Versuche  aus- 
gemiitelt,  dafs  der  kuhische  Salpeter  die  Aufgeregtheit  des  Ge- 
ftlfssystems  michlig  beschwichtige,  ohne  jedoch  der  Krankheit  Ein- 
halt zu  thun:  so  war  jetzt  noch  xn  untersuchen,  oh  das  Fieber 
ein  Mofs  consensuelles ,  also  blofs  durch  Heilen  des  nrergrift'enen 
Gehirns  am  schnellsten  in   heben   sei,    oder  ob  es  ein   unter  der 


•<-    &S5    — 

Hetigewalt  Aaa  kubiichen  Saipwert  stehendn  Urleiden  des  Ge- 
sauHitorgaaiflmiu  sei,  welches  mit  dem  Urgehirnleiden  rerbunden 
die  bemcbeade  KranLheit  ausmache.  Der  Veranch  war  der  ein- 
aige  nnd  offenbar  ganx  gefahrlose  Weg,  om  in  diesem  Punkte 
aufs  Keiae  in  kommen.  Durch  Vergleichung  mehrer  Fttlle  ergab 
sich  bald ,  dä£i  von  den  beiden  Möglichkeiten  die  letzte  Wirklich- 
keit sei;  denn  durch  eine  Mischung  von  zwei  Drachmen  kubisuben 
Salpeter,  einer  halben  Unse  Tabaksgeial  nod  acht  Unsen  Wuü- 
aw*  von  der  der  Kranke  slöndlich  einen  Löffel  voll  nahm,  wurde 
Au  fieberhafte  Gehirnleiden  am  sicherslen  nnd  schnellsten  geho- 
ben. Ich  habe  mich  dieser  Miaehung  in  der  Folge  anverftndert 
bedient,  nnd  die  Krankheit  durch  selbige  ans  dem  ersten  Zeil* 
räume  in  den  der  Gepeaung  gebracht.  Die  Heilung  erfolgte  zu- 
weilen überraschend  schnell  (in  drei  bis  vier  Tagen),  im  Allge- 
meinen aber  in  acht  bis  zehn  Tagen.  Mir  scheint,  wenn  wir  bil- 
lig sind ,  müssen  wir  mit  einer  solehea  Heilung  einer  Kranjibeit 
schon  zufrieden  sein ,  welche  die  Natur  nur  durch  Erschöpfung  des 
ganzen  Körpers  heilt,  nnd  deren  Verlauf  also,  wenn  sie  sich 
selbst  uberlasiten  ist,  zwar  ganz  unbestimmbar,  aber  in  jedem 
Falle  doch  höchst  langweilig  sein  nnfs. 

Weiterhin  wurde  ich  gewahr,  dafs,  wenn  ich  im  spSleren 
Zeiträume  (den  fünfzehnten  Tag  und  noch  spGter)  erst  zu  Hülfe 
gerufen  wurde,  dann  die  Afiektion  des  Gesammtoiganisrnnt  einen 
andern  Charakter  angenommen,  denn  der  TabakssÜpetertraok  ver- 
si^ie  seine  gewohnte  Wirkung.  Sebte  ich  nun,  slutt  des  wür- 
felicbien  Salpeters ,  zwei  Drachmen  roihes  peroxydirtes  Eisen  hin- 
zu, und,  damit  das  Eisen  in  der  Flasche  nnd  dem  Löffel  nicbt 
zu  schneit  zu  Boden  fallen  möchte ,  zehn  Gran  Traganth ,  so  er- 
folgte wieder  die  heilsame  Wirkang.  Diese  Varänderang  des  Zu- 
atandes  da  Gesamnilorganismus  liefs  sich  aber  nicht  durch  Zei- 
chen erkennen.  Auch  der  Zeitraum,  in  welchem  man  zur  Hülfe 
•ufgefodert  wurde,  konnte  keine  Bestimmung  darüber  geben,  häch> 
siens  schwache  Vermuthung.  ich  bin  wirklich  am  fünfzehnten 
Tage  XU  Kranken  gerufen,  denen  der  Salpelertabakslrank  noch 
eben  so  woblthat  als  er  je  einem  Kranken  in  den  ersten  Tagen 
bitte  thun  können. 

In  einigen  Fällen  bin  ich  im  spateren  Zeiträume  der  Krank- 
heit zn  Hülfe  gerufen,  wo  sich  die  Kranken  in  dem  vollkommnen 
Zustande  des  Irreseins  befanden.  Hier  leistete  der  Zink  nicht  blofs 
dadurch  Hülfe,  dafs  er  das  Irresein  hob,  sondern  er 'heilte  auch 
die  ganze  Krankheit  aa,  dab  die  Rückkehr  der  normalen  Ver- 
siandesAufserung  und  die  voUkommne  Heilung  der  ganzen  Krank- 
heit eins  war.  Oben  habe  ich  erzählt,  dafs,  bevor  ich  den  Ta- 
baksgeist als  Geh irnheil mittel  gekannt,  ich  den  Zink  hei  unserer 
Krankheit  gebraucht,    dafs   dieser  aber  in   den  einzelnen  Fftllea, 


—    53C     - 
wo  sieb   liresein  gaxeigt,    selbigM  wol  beschwichtiget,   Jihrigens 
den  Forlschrilien  der  Krankheit  keinen  Einhalt  getfaan. 

Ich  bitte  die  Leser,  anf  diese  gaiu  Terschiedeneo  und  sich 
anscheinend  widersprecbenden  ErfahruDgen  zu  achten;  ich  weide 
in  der  Folge  an  einem  schick  lieberen  Orte  wieder  daran  erinneren. 

Jetzt  müfste  ich,  wollte  ich  schulgerecbt  schreiben,  erläu- 
ternde, oder  beweisende  Krankengeschichten  erEäbleo;  ich  be- 
daure  nur,  dafs  sich  solide  ErsShIungen  nicht  gut,  ohne  lang- 
weilig zu  werden,  maehao  lassen,  darum  will  ich  lieber  die  La- 
ser damit  verscbonen. 

Etwas,  worin  ein  Arzt,  der  je  in  Zukunft  eine  solche  Krank- 
heit SU  behandeln  haben  mdchte ,  sich  leicht  iBuicben  könnte, 
■st  aber  Folgendes. 

Die  Affektion  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  versteckt  sieh 
zuweilen  unter  der  Fonu  des  Bieumatfymua  acutm*  ßxu»  oder 
va^^H»;  da  ist  leicht  Täuschung  möglich.  Auch  habe  ich  sechs 
Fälle  erlebt,  in  denen  sich -die  sporadische  Ilerhsiruhr  nih  der 
Afi'ekiion  des  Rückenmarkes  verband.  Diese  Verbindung ,  die  die 
Anwendung  des  Tabaksgeistes  verlangte,  oRenbarie  sich  durch 
Schmerzen  in  den  Schenkeln,  und  in  Einem  Falle  durch  solch 
heftige,  dafs  ich  das  Geschrei  des  Kranken  schon  vor  der  Thiir 
horte.  Auch  einen  einzigen  Fall  von  echter  Cholera  hatte  ich  an 
behandeln,  in  welchem  der  Tabaksgeist  ebenfalls  schnell  heilend 
wirkte.  Da  iiäx  aber  diesen  Fall  im  Mufetandischen  Journale  er- 
zählt habe,  so  wird  es  üherflüssig  sein,  ihn  hier  ku  wiederholea, 
zuniahl ,  da  mit  der  Zeit  die  Cholera  zu  den  einheimischen  Krank- 
heilen zu  rechnen  sein  wird.  Eins  mufs  ich  aber  bemerken:  die 
deutschen  Aerzle  handeln  sehr  unrecht ,  ja  meines  Erachten«  höclut 
unverständig,  dafs  sie  das  Wort  Cholera  durch  Brecbruhr  über- 
setzen. Ich  habe  in  sechs  Ruhrepidemien  Brechruhren  genug  be- 
handelt, aber  ich  habe  nur  einen  einzigen  Fall  der  Cholera  in 
meinem  Lehen  behandelL  Die  Brechruhr  ist  von  der  Cholera  so 
sehr  verschieden,  dnfs  eine  grofse  Unerfahren heit  dazu  gebärt, 
beide  Krankheiten  unter  eine  Kategorie  bringen  zu  wollen.  Ich 
habe  bei  der  Brechruhr  noch  nie  jene  heftigen  schmerzhaften  Kräm- 
pfe der  unleren  Extremitäten  bemerkt  nie  in  dem  einzigen  Falle 
der  Cholera,  noch  nie  bei  der  Brechruhr  jene  Kälte  des  ganzen 
Körpers  und  jenes  furchtbar  entstellte  Gesicht  als  hei  der  Cholera. 

Mir  ist  es  wahrscheinlich ,  dafs  hei  letzter  (  die  aber  auch  nicht 
immer  einerlei  Natur  sein  wird,  .so  wenig  als  alle  andre  Krank- 
heiten) das  Gehirn,  oder  das  Rückenmark  urerkiankt,  der  Dann- 
kanal nur  consensuell  erkrankt  sei.  Kennen  wir  nicht  das  orer- 
griffene  Organ  und  das  Eigeaheilmittel  darauf,  so  mufs,  wenn 
die  Krankheil  sia]^  um  sich  greift,  notbwendig  die  Sterblichkeit 
grols  sein.     Das.^tliche  Einwirken   auf  den  Danakanal   bleibt 


—    SS7    — 

iuuiar  eise  symptoisadBche  Behandlang.  Aiu  dem  einsigeti  FaII« 
der  Cholera,  den  ich  nicht,  aa  eüiein  Schwächling,  sondern  an 
eioem  kräftigen  Manne  erlebt,  sehlierse  ich,  wenn  je  eine  solche 
oceideaialiscbe,  in  nnserm  Lande  eneugte  Cholera  viele  Menschen 
ergriÜ'e  (der  orientalischen  bedürfte  es  nicht),  und  man-  fände 
nicht  in  den  ersten  Stunden  das  heilende  Mittel,  so  müfsie  genifs 
die  Hälfte  der  Kranken  sterben.  Ja  wenn  wir  auch  das  heilende 
Mittel  kenneten,  so  wilrde  doch  noch  immer  die  Sterblichkeit 
grofs  bleiben,  denn  tbeils  würde  die  N'Bchlässigkeit.und  Gleich- 
■gültigkeit  mancher  Menschen  ans  der  geringen  Klasse,  theils  hin- 
sicbtlicb  des  Arstes  die  Unmöglichkeit  sich  zu  rerallgegeowilrti- 
geo,  immer  ein  bedeutendes  Uinderniis  der  richtigen  nnd  schnel- 
len Anwendung  auch  des  bewährtestes  Heilmitrela  bleiben ;  und  - 
wie  bald  ist  nicht  bei  einer  solchen  schnell  tödtllchen  Krankbeil 
die  eigentliche  lieilzeit  entschwunden. 

Hinsichtlich  des  Tabaks  beinei^e  ich  noch,  dab  ich  in  der 
Folge  satt  eines  Spiritu»  NicoUimae  eine  Aquam  apiritumam  h^e* 
bereiten  lassen,  welches  Wasser  die  volU  Meilkraft  des  Tebaks- 
geisles  hat;  man  kann  es  zn  einer  halben  oder  ganzen  Unze,  in 
vier  und  «zwansig  Stunden  geben,  und  weit  eatfornt ,  Brecben  und 
Durchlauf  zu  verursachen ,  beschwichtiget  es  vielmehr  solchen  Auf- 
mbr  des  Darmkanals  auf  eine  wundervolle  Weise. 

Im  vorigen  Abschnitte  dieses  Kapitels,  in  welchem  ich  von 
dem  Tabaksexlrakte  als  Lungenmittel  rede,  habe  ich  schon  auf 
die  Bereitung,  die  die  Tabaksblätter  bei  den  Tahakshauern  un- 
tergehen, gehandelt.  JeUt  mache  ich  ebermahU  die  Leser  auf 
den  grofueo  Unterschied,  der  zwischen  den  grünen  und  getrock- 
neten Blällern,  hinsichtlich  ihrer  Wirkung  auf  den  Organismus 
Statt  findet,  aufmerksam.  Ich  habe  bis  jetzt  noch  nie  von  den 
getrockneten  BUltern  (von  dem  Rauchtabak)  ein  desiillirtes  Waa- 
Hor  oder  einen  Spirilmm  gebranehi,  Bi>ndern  von  den  griilwn. 
Wer  also  in  Zukunft  sieb  der  trocknen  Bläiter  zu  den  nämlichen 
Zwecken  bedienen  will ,  der  macht  eigene  Erfahrungen,  die,  wahr< 
soheinlich  von  den  meinen  verschieden ,  mit  denen  der  älteren 
Aerzie  übereintlimmeD  werden,  die  viel  von  der  Brechen  und  Pur- 
gieren erregenden  Kraft  des  Tabaks  sprachen. 

Koch  einmabi  bemerke  ich  dem  Leser,  dafs  ich  mich  in  der 
beschriebenen  Krankheit  nicht  der  Nicotiana  tabaeuM,  sondern 
der  Nicotiana  rutlica  bedient  habe.  Erste  hat  in  unsern  Gegen- 
den, wenn  man  sich  aar  den  Feldern  nähert,  einen  sehr  stinken- 
den Gerach,  und  ohne  es  versackt  zu  haben,  zweifle  ich,  dafs 
man  aus  ihr,  wie  au^  der  Nieot.  rutttca,  ein  Wasser  oder  einen 
Geist  bereiten  könne,  der  weder  dem  Gerüche,  noch  dem  Ge- - 
scbniacke  naangenehm  sei. 

fab   b^>e   meine   Meinung  schon   früher  über   den  flüchliMO, 


—    538    — 

Grnnilsloff  dm  Tibska  att8ftBip'*>chB»  >  dafs  iiam  namlicb  ver- 
ziiglicb  auf  dos  erkrankte  kleine  Gebim  nnd  RückeDroark  heilend 
•inwirke.  Der  Hauptgrund,  auf  welchen  sich  diese  Meinung 
«ütst,  iit  aber  vorzüglich  die  bescbriebene  epidcmiHche  Krank- 
heit. *Der  Schmers  im  Hinterkopfe  war  der  einxige  bestindige 
Zufall,  tndefi  alle  übrige  wandelbar  waren.  Wollte  ich  hieraus 
den  bestimmten  Schtufa  sieben,  dafs  der  flüchtige  Stoff  des  Ta- 
baks ein  Heilmiilel  für  das  erkrankte  Gehirn  sei,  so  würde  die- 
sei  ein  etwas  gewagier  Schlufä  sein;  ich  Terouthe  blofs,  nach 
meinen  Beobachtungen,  dafs  sich  die  Saehe  leicht  so  verhallen 
mBchle,  und  überlasse  ei  der  Zeit  ood  der  Beobachtungsgabe 
künftiger  Aente,  diesen  Gegenstand,  n-enn  sieb  giinaiige  Gele- 
genheit darbietet,  (efiwingen  kann  diose  ja  keiner )  geoaner  su 
erforsebeo. 

Steckapfel. 

Von  dieser  Pftans«  bat  man  bekanntlich  in  der  Voraeit  gar 
fabelbafie  Dinge  ersahlt,  welche  ich  bei  ihrem  Gebraoche  nicht 
bestätiget  gefunden.  Ich  habe  sie  bis  sum  Jahre  1821  Hnfserst 
selten  gebraucht ;  in  diesem  Jahre  twang  mich  aber  die  \oih,  sie 
anzuwenden.  Oamahls  nämlich,  veränderten  die  eben  beachrie- 
benen  Gehirnfieber  also  ihre  Natnr,  dafs  der  Tabaksgeist  gar 
keine  heilende  Wirkung  mehr  Hnfserle;  ich  befand  mich  leider 
in  der  nBmIichen  Lage,  in  der  ich  mich  früher  befunden,  ich 
mufste  mir  selbst  gestehen ,  dafs  mir  keine  andre  Wahl  überblieb, 
als,  entweder  die  Roll«  des  Ganklers  tu  spielen,  oder  ein  be- 
sonderes Heilmittel  auf  diese  besondere  Krankheit  zn  suchen,  oder 
den  Leuten  gerade  herdns  an  bekennen,  dafs  ich  keinen  Ralh 
wies«. 

Fieberlos  erschien  das  in  Rede  stehende  Kopfleiden  allerdings 
■o  mehren  einzelnen  Fallen;  im  Allgemeinen  war  es  aber  mit 
starkem  Fieber  verbanden. 

Hinsichilich  der  Form  nnienehied  es  sich  dadurch  von  dein 
vorigen ,  dafs  der  heftige  Kopfschmerz  nicht  im  Hinterkopfe  safa, 
sondern  in  der  Stirn  und  im  Oberkopfe,  dafs  er  nicht  so  anhal- 
tend war  wie  jener,  sondern  an  Iniermission  grensenden  Nach- 
lafs,  bei  manchen  wirkliche  laiermission  machte,  an  welcher  In- 
termisaion  des  Kopfsi^merzes  das  aufgeregte  Gefafssysiein  aber 
keinen  erkennbaren  Anibeil  nahm.  Bei  der  Exazerbation  war  der 
Schmerz  ungeheuer  befkig>  es  entstand  bei  manchen  Kranken  selbst 
Irrereden ,  welches  b«im  Nachlasse  wieder  verschwand.  Dieser 
heftige ,  nachlassende  oder  auaselaende  Kopfschmers  war  das  eio- 
aige  feste  Symptom,  wodurch  «ich  diese  Krankheit  von  der  vort- 
gan  unterschied.    Das  Fieber  war,   wie  alle  Fieber,  r«roiH)rend; 


—    539     — 

di»  Remluion  SnlseHe    sich  abw  ¥eringKflh   darch  mindw«  Vell- 
b«it  dei  PhImi,    Dicht  durch  miodere  ScbneHs  deuelbeo. 

Wa>  die  übrigen  wandvlbaraa  Zufälle  betri&i,  so  kann  ich 
aber  aelbige ,  gerade  weil  sie  wandelbar  waren ,  nur  gsax  in 
Allgemeinen  folgende  Vergleichung  mit  denen  dei  vorigeo  Fiebers 
anstellen. 

Der  Schraera  in  den  Füfsen  (io  den  Wadea  oder  JPersen) 
Vrar  weit  häufiger  bei  dieser  Krankheit  als  bei  der  Torigen,  ja 
als  bei  irgend  einer  lo  genannten  nervSsen  Krankheit,  die  ich 
je  in  meinem  Leben  behandelt.  £r  erschien  nicht  blofs  bei  der 
Genesung,    sondern  auch  lu weilen  im  ersten  Zeiträume. 

Bei  der  vorigen  Krankheit  hatte  ich  mehre  behandelt,  die 
gleich  anfänglich  anfaaliendas  consensnelles  Erbrechen  batieD^  bei 
der  jetzigen  fand  ich  keinen  einiigcn  mit  diesem  Zufalle. 

Bei  der  vorigen  Krankheit  hallen  etliche  Menschen  Husten 
nnd  blutigen  Auswurf,  bei  selbigen  Uefa  der  Schmerz  im  Rück- 
graihe  veriiHithen ,  dals  der  Hosten  von  einer  Affektion  des  Rük- 
kenmarkes  abbing;  bei  der  jetzt  in  Rede  stehenden  Krankheit 
erschien  der  Husten  oft  als  sehr  ISstiges  Symptom ,  ohne  dafs  man 
die  geringste  Vermotbong  des  ergriffenen  Rückenmarkes  haben 
kennte.  Als  consensueller  Zufall  des  Urgehirnleidens  machte  er 
iia  Krankheit  weder  gefahrloser  noch  gefährlicher. 

Der  Durchlauf  war  häufiger  bei  dieser  Krankheit  ala.bai  der 
TOrigen. 

Krampfhafte  Mnskelaffeklionen  waren,  wie  bei  der  rorigen» 
adten. 

Consensualle  Affektion  der  Gallenging«  and  davon  abhängende 
krankhafte  GallenEekretion  bemerkte  ich'  in  der  vorigen  Krankheit 
bei  etlicfacn ,   in  der  jetaigea  bei  gar  keinem. 

Naseohlnlen,  welches  bei  der  vorigen  Krankheit  nachtheilig 
einwirkte ,  ohne  gerade  Gefahr  an  bringen ,  war  bei  der  jeuigen 
geftbrlicb ,  ja  ich  habe  es  selbst  t&dtlich  werden  aeben. 

Die  jetsige  Krankheit  machte  hei  etlichen  Mensi^en  Rnck- 
ftlle,  welches  die  vorige  nicht  that. 

Die  Kräfte  eihielten  sich  hei  dieser  so  gnt  wie  bei  der  vo- 
rigen. 

Die  Daner  der  jerxigan  Krankheit  war,  wie  die  der  vorigen* 
ehe  ich  Ralh  darauf  wufite,  lang,  sehr  lang.  Die  Natur  heilte 
■ar  dnrch  ErsehSpfung;  und  wie  nun  der  eine  Körper  eher  er- 
sohSfft  ist  als  der  andere,  wie  nnn  zu  dieser  schnelleren  oder 
langsameren  Erschöpfung  manche  Umstände  z.  B.  der  Grad  des 
Fiebers,  dea  Kspfachmeraes ,  Durchlauf  oder  Vetatopfusg  beilra- 
gen, to  ist  leicht  so  begreifen,  dafs  über  den  Verlanf  einer  sol' 
chen   Krankheit  nicht   einmahl    etwas  UngefBhtea   kann  beslimiul 


—    540    — 

loh  habe  eioeo  Mann  behandelt,  <ien  aber  nicht  loh,  tooivitt 
die  Natur  ^heilt  hat,  (ioh  kannte  damHhlg  noch  kein  Eij^enniitlcl 
auf  dieitea  (iehirnleidenj  dessen  Krankheit  mit  ihren  Xuchwehen 
( VerstandesschwScbe,  heftiger  Schraen  in  den  Füban,  Ilarnbe- 
■ohwerden)  voni  elftea  September  bis  mm  aieben  und  zwanzig- 
Uen  Dexentber  anhielt.  Eine  junge  Frau ,  die  xur  nBmIlcbea  Zeit 
erkrankte ,  da  ich  noch  uneingeweiht  in  dieser  Sache  war ,  hat, 
du  sie  keine  Nachwehen  bekam,  blofs  vorn  siebzehnten  Oktober 
bis  Silin  fünf  und  zwanzigsten  November  krank  gelegen.  Einer 
meiner  ftlteren  Freunde  lag  ebenfalls  über  vier  Wochen  krank, 
und  wenn  er  periodiscfa  deltrirte,  erinnerte  er  sich  hinlenaach 
dieser  Fabeleien;  auch  bei  der  voUkoniinnen  Genesung  ist  ihm 
die  dentlicbe  Erinnerung,  zwar  nicht  aller*  aber  doch  der  aus- 
gezeichnetsten Phantasien  geblieben.  So  befand  er  sich  z.  B.  einst 
auf  einer  schönen  Aue,  ihn  umgab  eine  grofse  Schar  Kinder, 
die  weifs  gekleidet  und  mit  blauen  Blumengewinden  geschmückt 
waren.  Diese  stimmten  einen  Gesang  an,  und  nie  in  seinem 
Leben  halle  mein  Freund  einen  solch  zauberisch  schönen  Gesaag 
gehört.  Die  Leser  möchten  vielleicht  denken,  der  ehrliche  Mann 
habe  nie  in  seinem  Leben  etwas  Gulei  gehört,  und  darum  sei 
ihm  jener  Gesang  so  gar  lieblich  lorgekommen.  Ich  bemerkt  aber 
darauf:  dafs  er  in  einem  gesaogreichen  Lande  und  zwar  in  einer 
der  gri^erea  Residenzstädte  E^ropens  sechs  Jahre  im  Amte  ge- 
standen, mithin,  als  ein  Liebhaber  der  Tonkunst,  dem  es  nie 
an  Gelde  gefehlt,  aach  ansgeEeichnet  ai^önea  Gesang  gehört  halte; 
aber,  wie  gesagt,  alles,  was  er  je  gehört,  hielt  nicht  den  Ver- 
gleich mit  dem  Zaubergesange  seiner  Phantasie  aus. 

Eh  ich  ein  Eigenmittel  auf  dieses  Gehirnieiden  kannte,  ging 
bei  dem  Fieber  das  periodische  Irresein  in  wirklich  «nbalteodeS 
über,  welches  mit  Schlafsucht igkeit  abwechselte.  In  diesem  Zu- 
stande ihat  der  Zink  gute  Dienste;  jedoch  habe  ich  keinen  gese- 
hen, den  er  wirklich  geheilt  hätte.  Wenn  Irresein  und  Schlaf- 
sucht verschwanden ,  ging  die  Krankheit  ungestört  ihren  Gunj^, 
und  die  Klagen  über  Kopfschmerz,  durch  jenen  besinnungslosen 
Zustand  onterbrnehen ,  fingen  aufs  neue  wieder  an. 

Oh  diese  Krankheit  ansieckend  gewesen ,  kann  ich  nicht  mit 
Gewibheit  sagen;  es  sprachen  Beobachtungen  für  und  wider  die 
Antteckang.  Wenn  die  Leser  nun  bedenken ,  wie  gering  die  un- 
terscheidenden Zeichen  zwischen  dieser  Krankheit  und  der  vorigen 
waren,  ja  wie  ähnlich  sie  im  ersten  Zeiträume  manchen  an  In- 
termission  grenzenden  Bauchfiebero  war ,  so  wird  sich  ihnen ,  ao 
gut  wie  mir,  der  Gedanke  unwiderstehlich  aufdringen,  dafs  die 
Erkenntnifa  der  von  unbekannten  atmosphlrischen  Einflüssen  ahi 
bangenden  Krankheilen  ungeheuer  schwierig  sei,  nur  durch  Ver- 
glaichung  mehrer  Fälle,  und  zwar  hinsichilich  der  Krankheitaaeit- 


—    541    — 

Ktame  Twsehiedener  I^le,  uad  nur  durch  TOraiehtige  Veranche 
kSane  erworben  werden. 

Wiu  Toeinfl  Uniersaehang  dieser  Krankheit  betrifft,  so  be- 
lehrte mich,  wie  gesagt,  daa  Niobtbeil wirken  de«  Tabaksgeistea 
aueni  unwidersprechlieh ,  dala  ich  es  mit  einer  nenen  Krankheit 
all  ihnn  habe.  Es  war  znvdrderst  zu  untersacben ,  ob  diese  tie- 
berhafte  Krankheit  ein  reines  Urkopfleiden ,  das  heifst,  ob  die 
ASektion  des  Gehirns  ein  für  sieh  bestehendes  Uebel  nnd  das  Fie- 
ber consensuell  davon  abhängig  sei,  oder,  ob  ich  es  mit  einer 
gemischten  Krankheit,  mit  einem  Urgehiraleiden  eigener  Art,  und 
mit  einem  Urleiden  eigener  Art  des  Gesammiorganisrnns  zu  ihun 
Iwbe;  oder  endlieh,  ob  das  Ganze  blofs  eine  im  Gehirne  vorwal- 
tende Affektion  des  Gesammtorgnnismns  sei.  Von  diesen  drei 
Möglichkeiten  mnfst«  Eine  doch  Wirklichkeil  sein.  Das  Ungldck 
war  nur,  iaSa  die  sinnlieh  erkennbaren  Erscheinungen  weder  f&r 
das  eine,   noch  für  das'andre  sprachen.  ' 

Da  ich  bald  sah,  dafe  der  würfelichte  Salpeter  die  Anfregnng 
des  Geßfasystemes  dnrvhans  nicht  mäfsigte,  ja  den  Dorchfall, 
wenn  dieser  da  war,  selbst  mit  Oelemolsion  rerbunden,  eher  Ter- 
mehne  als  verminderte,  so  war  ich  sicher,  dafs  ich  es  mit  kerner, 
unter  der  Heilgewalt  des  ^Ipeters  stehenden  Affektion  des  Ge- 
sammt Organ ismns  zn  tbnn  hatte.  Ich  wandte  jetzt  das  Eisen  an, 
nnd  zwar  das  rothe  peroxydirte,  weil  dieses  in  der  letzten  Zeit  der 
vorigen  Krankheit  einigen  wohlthStig  gewesen  war,  niid  Bberhaupl 
das  mildeste  von  allen  Eisenprü paraten  ist.  Es  leistete  anch  jetzt 
offenbar  weil  bessere  Dienste  in  der  Beschwichtigung  der  GefHfsanf- 
regnng,  als  der  Salpeter,  jedoch  nicht  die  Dienste,  welche  ich  ver- 
langte. Einige  F9lle  von  sehr  befti^m  nnd  sehr  nachiheiligem 
Xasenbluien  bestimmten  mich  gar  bald,  ein  krüftigeres  Eisenprä- 
parat, die  einfache  essigsaure  Eisentinklnr  znr  Hand  zu  nehmen. 
Ich  gab  also  eine  Unze  einfache  essigsaure  Eisentioktur  (deren 
Bereitung  ich  an  einem  schicklicheren  Orte  angehen  werde  ),  eine 
Unze  arabisches  Gummi  und  sieben  Unzen  Wasser.  Von  dieser 
Mischung  liefs  ich  stündlich  einen  L5ffel  voll  nehmen ,  so  dafa 
die  ganze  Portion  innerhalb  vier  nnd  zwanzig  Stunden  verzehrt 
wnrde.  leb  sah  sehr  bald ,  dnfs  icfa  anf  dem  rechten  Wege  war, 
denn  die  in  dem  ersten  Zeitranme  der  Krankheit  vorwallende  starke 
Gef&fsBufreguug  beschwichtigte  sich  bald  nnd  dem  Kranken  fShl- 
bar;  ja,  beim  Darchlanfe  gegeben,  stand  dieser  bald.  Letztes 
war  ein  Beweis,  dafs  der  Dnreklanf  kein  cnnsensnellor  war,  denn 
ein  solcher  wSrde  nicht  dem  Eisen  gewichen  sein. 

Bei  aller  guten  Wirkung  des  Eisens  blieb  aber  leider  der 
Kopfschmerz  wie  er  gewesen ,  und  die  Krankheit  hielt  ihren  Vei^ 
lanf. 

Alles  wohl  erwogen,  glaubte  icfa  sicsulich  sieher  zu  nein,  ^^^• 


—    542    ^ 

ich  M  Mit  «iner  gemisohtm  Kruikbeit,  mtt  «in««  UilaideD  iIm 
Gehimg  uod  mit  einem,  anter  der  Heilgewalt  dra  Eiwei  atehen- 
den  ürleiden  drs  G«aanmtorg«iitmy*  Eu  tban  habe.  Jettt  war 
diu  wichtige  Aufgabe  an  ISien:  welcher  Körper  in  d«-  Natnr  ai- 
cfaerei,  ichnellea  Heilmiliel  dea  Urgehirnleidens  lei;  ao  lange  ich 
dieSH  nicht  gefanden,  konnte  ich  anch  die  Krankheit  nicht  hei- 
le»; ich  konnte  blofs,  dnrcfa  meine  Bekanntaebaft  mit  der  Natur 
des  Urleideni  des  Gesammtorganismua ,  dem  lödtlichen  Anagange 
der  Krankheit  Torbeugen  (ob  in  oUea  Fällen!  dai  mdcbte  noeh 
BWflifelhaft  sein). 

Den  eiaigaauren  Zink  hatte  ich  schon  anßDglich  des  aympto- 
lAaliscben  Durcblaufei  wegen  ganz  ohne  Nutaen  gebraucht,  er 
halte  weder  den  Durchlauf  geiiillet,  noch  den  Kopfachmera  ge- 
hoben ;  alao  stand  das  Kopfleiden  auch  nicht  nnier  seiner  Heil- 
gewalt, und  ea  würde  verlorene  Muba  uod  Zeit  gewesen  amot 
Mit  ihm  neue  Veraoche  tu  machen. 

.  Ich  Tersuchte  nno  die  Cepkaltca  der  Alten ,  das  Ht/perieMm 
nod  die  Auaga/li*;  aber  der  Erfolg  war  weder  günstig  noch  un- 
günstig. Jetzt  wendeten  sich  meine  Gedanken  auf  daa  S/raai«- 
mium ,  weil  ich  dieses  Tor  gar  langer  Zeit  iii  einem  einieliMn 
Falle  mit.  Nuixen  beim  heftigen  periodischen,  (Bglicben  Kopf- 
schrnene  gegeben;  Ich  fand  auch  jelst,  da  ich  ea  bei  der  berr- 
Bcbeaden  Krankheit  gebrnuchle ,  dafs  es  das  nnbeBwingbare  Kopf- 
leiden  aichibar  beschwiohiigie,  und  ea  bei  fongesälkteni  Gebran- 
ehe gAos  hob.  Anfänglich  ging  aber  daa  Ding  noch  etwas  gc 
brechtioh,  denn  ich  mufsle  die  Gabe  erst  vontichtig  aasmiitelnt 
als  itih  di«8e  pinmahl  bcaiimml  hatte,  ging  es  besser,  und  meine 
BeaOrgnifs  vor  einer  mSglifrhen  feindlichen  Einnirkung  wurde  im- 
mer geringer  und  schwand  bald  ganz.  Ich  fand,  dafs  ich  im  All- 
gemeinen Eide  Drachme  der  Tinktur  des  Siechapfeisamens  in  vier 
«nd  swanaig  .'Standen  nöihig  hatte;  selten  bin  ich  bei  dringenden 
lÄftsifndbn  (w^en  daK.vitgph^^^n  Schnierzea)  duf  anderthalb 
Oratfhinea'igeiiiiitgen..  ,  '  ;  •''/'  r./t  i  ■•,....,  , 
r-iJt^zt,,.  nun  iclt'idM:tt((hi^:E>g«t>heifminel  abf  d1ls*G)>h?'<'oA*'- 
ge^hl*k,i-jetxti  sBhb.iv^«ildiGVk:;d||«Jph.die: Natnr  der  A^Me^ 
tian.des  GBMmAworgMivilHH  f*f,tVi«l|<rtii«  «ithli^.ibei^beib::^  W 
warwirklicb  keia  rfeit'eoiüJ^MtowIlflSt:  «otOtaa»  M«t«|rtli(d;eb  Vfliki 
gewalt  des  Eisens  deherfdes:  I5rfieber.':.*W4U  .Mli;q?^Rt-'fe«ll4it«[f  ' 
nftthige  Mittel  and  eb«n  ao  nngelrn  niclitoni}ßug<ZitstMilmfiletpiM 
gen  gebe,  so  versucfate  ich,  uai  mieh'rvHkihiAn^'Tnn  jdtfRiflh' 
tigkeit  meiner  Ansicht  in  überzeugen,  miC  der> StOohapfUtinkiilD 
allein  die£^erhafte  Oehirnkrankheit  KU  heben«  Den-KApffchmerz 
konnte  ich  wol  mBfaigen,  allAin  das  Fieber  blieb,  snd  ich  sab 
offenbar,  dafa  sich  dieses  Fieber  ganz  andera  verhielt  als  ein  rein 
consensnelleB,     welcbea  letite,    sobald  man  ein  gnlei  Eigenmittel 


—    543    — 

■nf  itu  nrnkrankte  Or^ao  einwirken  iBfit,  sich  gar  baiA  be- 
xefcwichiigel,  welche«,  wie  gesagt ,  diese«  Mahl  nicht  der  Fall  war. 
leb  hielt  es  aber  für  pflichtwidrig,  den  Versuch  Weiler  zu  treiben, 
soodern  setzte  eine  Unze  essigsaure  einfache  Eiientinktar ,  eine 
Uoze  arabisches  Gummi,  eine  Drachm»  Siechapfehiaklur  und  sie- 
ben Unsen  Wasser  lusamnien ,  welche  Mischung  der  Kranke  in- 
aerhaib  vierundswanzig  Stunden  (atündlicfa  einen  Lilffel)  verzehren 
nnbte.  Diesem  war  nun  das  wahre  Miiiel.  Die  Gel^fsanfregung 
wnrde  dadurch  Snga  gemSfaiget,  der  Kopfschmerz  beschwichtiget, 
die  Besserung  schritt  regehnfiblg  voran,  und  die  endEose  Krank- 
heit hob  sich  innerhalb  acht  bis  vierzehn  Tage.  Ich  war  wirklich 
herzlich  froh,  dafa  ich  mit  dieser  Uniertnohnng  auf  dent  Reinen 
war;  sie  bat  mir  viel  Schererei  gemacht,  znmahl  da  zwei  meiner 
besonders  guten  Freunde ,  von  deren  Leben ,  nach  menschlieher 
Ansicht,  das  Glück  ihrer  Familie  abhing,  von  dieser  Krankheit 
heftig  ergriffen  waren,  bevor  idi  die  Xalnr  derselben  kannte. 

Die  besonderen  Erfahrungen ,  die  ich  hernach  gemacht  habe,' 
lind  folgende. 

In  etlichen,  jedoch  wenigen  Fällen,  sah  ich,  dafs  entweder 
der  vorhandene  Durchfall  sich  nicht  bald  stillen  wollte,  oder  dafs 
er,  lelhflt  bei  dem  Gebrauche  des  angegebenen  Trankes  enisiand. 
SeiKe  ich  dann  eine  halbe  Jünze  Tabaksgeist  zu  dem  Tranke,  so 
hörte  er  gleich  auf.  Offenbar  war  in  diesen  einzelnen  Fällen  der 
Durchlauf  anderer  ^Jatur;  er  hing  mehr  als  echt  consensneller  von 
dem  Gehirnleiden,  als  von  dem  Leiden  des  GesammiorganisuiDS 
ab.  Warum  aber  zur  Beschwichtigu|ig  desselben  der  Tabaksgeist 
mehr  leistete  als  die  Stechapfeltinktur,  ist  schwer  anzugeben.  He- 
ber solche  Abweichungen  von  dem  Gewöhnlichen  einer  herrschen- 
den Krankheit  kann  man  leicht  wortreich  sprechen,  aber  sie  nicht 
leicht  genügend  erkISren, 

Mit  dem  Nasenbluten  habe  ich,  seit  ich  die  Natur  der  Krank- 
heit kannte  und  Mittel  darauf  wnfite,  wenig  mehr  zu  kämpfen  ge- 
habt. Bei  der  angegebenen  Behandlung  erschien  es  nicht  leicht, 
und  wenn  es  auch  in  geringem  Grade  erschien,  liefs  es  sich  durch 
kalte  Umschlage  anf  die  Stirn  bald  heramei^.  Es  hat  sich  aber 
■nr  selben  Zeit  ein  Mädchen  aus  der  geringen  Volksklasse,  aro  dril- 
len oder  vierten  Tage  der  Krankheil,  zn  Tode  geblutet.  Begreif- 
lich haben  die  Ihrigen  nicht  die  Gefahr  geahnet,  zonst  würden  lie 
wol  Hülfe  gesucht  haben. 

Hinsichtlich  des  Nasenblutens  ist  es  eine  eigene,  nnerklärba- 
f*  Sache,  dafs  es  in  dem  einen  Jahre  bei  der  nämlichen  Krank- 
heit hKchst  gefährlich,  in  einem  folgenden  belan^os,  und  wieder 
in  einem  andern,  wenn  gleich  nicht  heilend,  doch  wohlthätig,  das 
Kepfleiden  nehc  oder  minder  bascbwicfatigeod  mId  kann.    Wenn 


—    M4    — 

non  ein  Kranker,  bevor  der  Arzt  die  Natur  der  Krankheit  erforeoht 
hat,  anfängt  zu  bluten,   wie  mofa  «eh  der  Änt  dabei  benehmeal 

Die  schreibenden  und  lehrenden  Aerste ,  die  ea  nch  wahr- 
Bcheinlieb  zur  Schande  rechnen,  nicht  auf  alles  Hülfe  zn  witaen, 
g;eben  ans  den  Raih ,  auf  die  Wirkung  dieser  Ausleerung  »  ach- 
len ,  sie  in  stillen,  wenn  wir  sehen,  dafs  sie  naefatheilig  auf  das 
Befinden  des  Kranken  wirkt.  Es  ist  sehr  klug  gesprochen,  aber  nnr 
sa  beklagen,  dafs,  wenn  wir  bei  solchen  fieberhaften  Krankbeitea 
den  Nachifaeil  der  Blutung  gewahr  werden,  wir  das  ausgelanfene 
Blnt  nicht  wieder  in  den  Kopf  bringen,  und  den  Nachibeil  der 
Aosleemng  suweilen  nicht  wieder  gut  machen  können. 

Da  ich  weder  lu  den  Gelehrten,  noch  zu  den  Lehrenden  f^ 
h3re ,  so  trage  ich  kein  Bedanken  xu  gestehen ,  dafs  bei  solcher 
neuen  herrschenden  Krankheit  mich  das  Nasenblnlen,  wenn  es  et- 
was reichlich  ist,  >b  nicht  geringe  Veriegeobeit  setz).  Es  gibt  al- 
lerdings Zeichen,  ans  denen  man  die  Schädlichkeit  der  Blutungen 
mit  Gewifsheit  bestimmen  kann  (von  welchen  Zeichen  ich  im  fol- 
genden Kapitel  handeln  werde);  diese  Zeichen  sind  aber  in  sofern 
unsicher,  dafs  ihr  Nfchlvorbandensein  das  Nichtvorhandenaein  ei- 
nes Körperznsiandes ,  bei  dem  Blutungen  höchst  nachtheilig  und, 
auf  keine  Weise  Terbürgei. 

E^  gibt  In  jeder  sieb  verschlimmernden  Krankheit  einen  un- 
sichtbaren, nicht  zu  beslimmenden  Punkt,  der  zwar  nicht  das  Ziel 
der  Lebeuszeit,  aber  doch  das  Ziel  der  Heilzeit  ist.  Der  Kranke 
kann  durch  ein  reichliches  Nasenblnten  (vom  überreichlich  hefti- 
gen spreche  ich  nicht)  gleich  auf  jenen  unsichtbaren  Punkt  versetzt 
werden,  und  wenn  er  dann  auch  noch  einen,  and erlhalh,  bis  zwei 
Tage  leben  sollte,  so  werden  wir  doch  vergebens  unsere  Kunst 
aufbieten,  ihn  von  der  Heimfahrt  zarückzabalten. 

Des  Stramoniam  scheint  mir  ein  Mittel,  dem  man  in  früher 
Zeit,  gleich  der  Brechnafs  und  einigen  andern  (refilicben  Heilmit- 
teln, üble  Wirkung  zngeschrieben,  die  es,  in  der  nnmittelharen 
Heilgabe ,  bestimmt  nicht  bat.  Ich  habe  es  bei  dieser  berrschen- 
den  Krankheit  so  hSnfig  gebraucht,  dafs,  wenn  es  irgend  eine  feind- 
liche Einwirkung  anf  den  OigHnismus  geSafsert  hätte,  mir  diese 
anm5glich  hatte  entgehen  kBnnen.  Ich  habe  es  aber  dnrchgehenda 
unmittelbar  heilsam,  und  nicht  feindlich  wirkend  befunden.  Ein 
einziges  Mahl  mochte  bei  einem  etwas  reizbaren  Fräulein  die  Ga- 
be ein  wenig  zn  starte  gewesen  sein;  ihre  Mutter  sagte  mir  zum 
wenigsten,  sie  habe  an  ihr  kleine  Zuckungen  der  Arme  bemerkt. 
Ob  das  aber  von  der  Steobapfeltinktnr ,  oder  von  der  Krankheit 
gekommen ,  machte  schwer  zn  bestimmen  sein ;  denn ,  da  ich  bei 
unserer  Krankheit  schon  gesehen,  dafs  einem  starken  Landmanna 
die  Ferse  eines  Fufses  krampfhaft  bis  an  die  Hinlerbacken  gezo- 
gen wurde,  und  zwar  ehe  m-  Stechapfel,    oder  irgenil  eine  andre 


—    »45    — 

An««*i  gwmwo',  ao  kounte  ümaa  näinliobe  Kiankheh  eiama 
fnivleiD  «acb  wol  ein  weaig  ArwiKikangen  veninacfaeti.  Uebri- 
gnmt  Mi  dicMS  ZDckende  Fr&uleia  eise  von  d«n«n  geweien«  di« 
u»  aebpaUateB  gebeilt  und ;  lie-  genas  in  vier  Taget* 

Bei  deq  Verwicbu»  di»  iob  ipit  der  Sieehapfeliinktiir  an  niei- 
mna  «igaaea  Leibe  bei  vollkoanoer  Gesondbait  aageaiallt,  um 
aM  aebeB,  ob  sie  aaoh  ia  der  Heilgal>e  dea  gvsnndco  Manachea 
fnükiUioh  angreife,  faad  ioh  bieb,  dafa  aie  itiir  eine  lästige  Trok- 
kai^it  des  Munden  varuraaobte.  Merkwürdig  war  •«  mir,  daT» 
die  Krankaa  aiabt  über  diese  Trookenbait  klagian;  ich  weifa.  mir 
diasea  oiclu  andan  M.  erklfirao,  abidaJa  das  KopSeiden,  Fiäber  und 
anderes  mit  jedem  Fiel>er  rerbundenea  Ungemaob  daa  Gefühl  der 
Kmakeui  ganz^.  in  Anaprueb  genoMiman,  und  er  auf  die  kleine-  Un- 
bctguemliebkeii,  die  MiiadtraDkeabeil,  nicht  geachtet. 

Ea  iu  weit  leiobter,.  bei-  dem  Stechapfel  eine  allgemein  paa- 
sende  Hailgab«  auaznfindeDi  als  bei  niaoehen  andeta  narkotischen 
Milieloi  Wann  ein  Mittel»  dos  in  der  Gabe,  wniio  es  fonfxig 
\I«ft9cfaen  hilft,  de«)  einundfunfKigaien  üble  und  bedaoklicbe  Zu- 
Wie  verumaoht,  ohne  dafa  ioh  dimes  vorhers^eO' und  verbuiea 
kann,  so  hat  dieses  Mittel  in  meipwi  A-ugen  wenig  Werih,  und 
bc^i  herrschenden  Krankheiten  es  zu  gebrauchen,  könnte  nur  die 
ftufsersre  itaifajosigkait  mich  heaiinmea.  Das  Stramoniuin  gehört 
niefat  in  diesn  Kategpriej  nun  kana  die  allgemeine  Heilgabe  ge- 
inAchlich  ansniitteJo,  und  wird,  nicht  leicjat  in  unangeoefaiiie  Verla- 
genheiien  garatheo.  Was  ea  iu  grofaen,  feindlich  den  Organli- 
■aas  angreifendeo  Gahea  leistet,  kann  ioh  nicht  iag«n,  da  icli  es. 
blofa  in  der  direkt  wohlihfiiigen  Heilgabe  gebraucht. 

Unter  den  nicht  fieberhaften  Kopfleiden  habe  ich  au  jener  Zeit 
den  Fall  erlebt,  dafs  der  Schmerz  in  der  rechten  Seite  des  Kopfes 
■afs,  und  einen  bestimmten  Fleok  von  der  Gröfse  aiaes  Handtei- 
len einnahm.  Er  war  angabeuer  heftig  and  faat  aahaltend-,  sinm 
wenigsten  der  Nachlafs  höchst  unbedeutend.  Bei  dieaer  Kranken, 
einer  Fran  von  höheren  Jahren,  habe  ich  aoerst  mit  der  Stech- 
apfellinktur  bis  auf  anderthalh  Drachmen  in  viemndswanzig  Stun- 
den steigen  müssen,  in  welcher  Gabe  sie  heilend  wirkte.  In  den 
gewöhnlichen  Fällen  reichte  aber  inuuar  eine  Dttuhjae  hin. 

Zn  jener  Zeit  offenbarte  sich  auch  JM  Kogflaiden  bei  einigen 
Leuten  durch  «ehr  schmerzhafte  Angeaentzündnog,  die  ehenfalla 
dem  Eisen  nud  der  Siecbapfellinktar  wich ,  allen  andern  Mitteln. 
aber  widerstand.  Bei  der  Amaurose,  die  ich  zweiinahl  zu  behan- 
deln bekam,  bin  ieh  nicht  so  glütjklicb  gaweten.  Ein  junges  Kind, 
das.  heim  fieberhaften  Kopfleiden  gatu  blind  geworden  war,  woll- 
te durchaus  vichu  einnehmen,  und  ist  blind  geblieben.  Eine  ält- 
liche Frau  ans  der  arbeitenden  Klasse,  die  beim  nichtfiefaerhaften, 
whr  lahncnUcbea  Kqpfleideo   iif   eii)eip  ZelUanme   von   ungelUhr . 


—    546    — 

4r«i  Wachen  ganz  -bliod  g;eworden  war,  kam  dureh  dan  Gebranch 
der  angezeigten  Mittel  wieder  so  weil ,  dafa  «ie  die  Unriaae  dar 
Gegenstände  und  die  Farben  der  dem  Auge  nahe  gebrachten  an- 
lerscheiden  Bonnte.  Da  verlangte  lie  aehnlich  die  Kanal  einea 
angeblich  in  der  Augenheiiknnst  vorzBglieh  bewandenan  Wund- 
arztes zn  Terauchen.  Der  Veraach  ist  aber  fibei  anigefallen,  die 
Besserung  ist  ruckgängig  geworden  and  die  Fraa  bis  diese  Sinnde 
.  stockbiind.  Unter  memer  Behandlung  wfire  aie  aber  Tielleicht  auch 
nicht  sehend  geworden;  denn  wenn  gleich  bei  dem  schwanen 
Stare  die  ersten  Spuren  der  Wiederkehr  dea  Sehvermögens  erfreu- 
lich sind ,  so  Terbüi^en  diese  doch  nicht  immer  die  Sicherheit  der 
rolikommnen  Heilang. 

Dafs  Zahnsohiherz  auch  nicht  selten  VorgBnger  oder  Nach- 
folger der  Gehirnkrankheit  gewesen,  werden  erfahrene  Aerzte  nuch 
ohne  meine  Versicherung  wol  glauben.  Warum  ich  ihn  aber  nicht 
bei  der  wirklichen  Krankheit  beobachtet,  ist  mir  nicht  ganz  er- 
klftrbar;  aufser,  dafs  ich  im  Allgemeinen  weifs,  dafs  hervorste- 
chende  consensnelle  Leiden  weit  eher  bei  dem  nicht  hervorstechen- 
den Leiden  deä  urergrifi'enen  Organa,  alsoeher  im  Vorlllufer- aad 
im  Genesangszeit  räume,  als  im  Zeilraame  der  wirklichen  Krank- 
heit sich  fiufsern. 

Zwei  Menschen,  die  im  Zertranme  dar  Genesung  sich  einen 
scbMerzenden  und  wirklich  schadhaften  Zahn  aosreifsen  liefien, 
baxahhen  ihre  Voreiligkeil  dnrch  weit  heftigere  Sofamerzen  in  der 
ZahnlUcke;  ja  «Ine  derselben,  ein  junges  FrSulein,  hat  von  die- 
ser Zahnbrecherei ,  welche  übrigens  ganz  knastgerecht  und  glück- 
lich Terrichiet  war,  4iiehr  Elend  überkommen  als  von  ihrer  gan- 
zen Krankheit. 

Was  übrigens  den  Gebrauch  des  Stechapfels  aufeer  der  be- 
schriebenen herrschenden  Krankheit  betrifft,  so  weifs  ich  nichts 
davon  zu  sagen;  denn  ich  habe  bis  jetzt  (im  Ocioher  1831 )  keine 
t^legenbeit  gehabt,   ihn  anzuwenden. 

CAloriniilier. 

Ich  bin  zu  diesem  Silbermiltel  auf  eine  etwas  sallMme  Weise 
£fekommen,   die  ich  item  Leser  erxHhlen  werde. 

Ich  schlage  einst,  anter  andern  alten  Bficharn,  auch  dea 
Woitx  SchatzktaMmer  über  das  Silber  nach.  Hier  finde  ich  fol- 
gende, nach  unserer  heuiigen  chemtschen  Lehre,  ganz  widersin- 
nige Bereimng  einer  iSilbertinkiur.  Man  solle  Silber  in  Salpeier- 
aflore  auflösen,  es  mit  Kochsalz  niederschlagen,  und  das  geftllie 
Silber  mit  Weingeist  and  Spiritui  Urinae  dlgerireo.  Daraas  solla 
eine  blaue  Tinktur  entstehen.  Ich  thetlie  diese  seliaaraa  Bereitung 
dem   datnabligen  Apotheker  Herrn  Bwekard  mit  und  wie  kamen 


—    547    — 

bali)  nbvrein:  m  lei  allerdiags  onmSglich,  dafi  durch  den  be- 
■chriebenei)  Proaefs  «ine  blaae  Tinktur  «oltleben  IcSnne ;  aber  es 
sei  auch  eben  ao  unmoglicb,  dafs  «ioer  seiner  Sinae  nifichtiger 
Menscb  nicbt  ßlan  von  Weife  oder  Roth  eollie  haben  untorsobei- 
den  können.  In  Grwftgang,  dab  die  Allen  die  Corpora  nalurO' 
lia  gar  wunderlich  haben  auf  einander  wirken  lassen,  und  des- 
halb  vielleicht  Ergebnisse  gesehen,  die  wir  jetzt  nicht  sehen,- und 
in  Erwägung,  dafs  der  Versuch,  dieaen  Widerspruch  zu  lösen, 
weder  kostspielig  noch  bescbwerlicb  sei,  übernahm  Herr  B** 
die  Bereitung  der  angeblichen  blauen  fabelhaften  Silbertinklur. 

Wir  überzeugten  uns  dod  bald,  dafs  des  Woits  Gewfthra- 
minn,  statt  eines  reinen,  ein  mit  Kupfer  gemischtes  Silber  müsse 
genommen  haben,  und  dalji  er  besliinmt  die  Tinktur  so  nicht  be- 
reitet habe  als  sie  in  der  Schatzkammer  angegeben  ist;  denn  da 
jetzt  reines  Silber  genommen  wurde,  war  die  Flüssigkeit,  die 
angeblich  blau  sein  sollte,  wasserbell.  Mir  war  das  nnn  eben 
nichl  auffallend,  denn  ich  wnfste  recht  gnt,  dais  die  allen  scbei- 
dekiinslleriscben  Schelme  nicht  selten  die  Bereitung  ihrer  Gebeim- 
nittel  absichtlich  falsch  oder  anvollkommen  angegeben,  am  die 
Aenle  zum  Besten  zu  haben. 

Indem  ich  nnn  bei  Herrn  B**  im  Laboratorio  war,  und  die- 
ser, der  die  Schelmerei  der  allen  Scheidekünstler  ao  gut  nicht 
kaonia  als  ich,  die  Ehre  desTinkturmachera  dadurch  noch  ein  wenig 
aufrecht  so  erhalten  suchte,  dafs  er  in  der  angeblicben  Silberlinktor 
durch  Reagenlien  ein  Atom  Silber  entdecken  wollte;  fiel  mala 
Auge  auf  das  auf  dem  Seibpapiere  liegende  Silber.  Dieses  war 
von  bifitilioher  Farbe ,  wie  feuchter  Mercuriu»  cinereui.  Wie  t 
dachte  ich,  sollte  das  anch  wol  des  Paracelaus  Argenttm  laivreum 
sein,  welches  er  als  Cephalicum  riihtni,  dessen  Bereitung  er  aber 
nicht  andeutet!  Aus  dem  Beilegeworle  latureum  lälst  sieb  doch, 
in  Erwfigung  der  eigensinnigen  Schreibweise  des  Paracelsns,  nichts 
weiter  achliefsea,  als  dafs  die  Farbe  seines  Silbermiiteis  der  blauen 
nfihet  gekommen  sei  als  der  rotben,  grünen  oder  gelben.  Ich 
tbeilte  dem  Herrn  B"  diesen  Gedanken  mit  und  bat  ihn,  das 
auf  dem  Filtro  liegende  Silber. abzuwaschen  and,  dem  Lichte  nicht 
aasgesetzl,  zu  trocknen.  Getrocknet  sah  es  nicht  mehr  so  bUo- 
lich  aus,  da  ich  es  aber  auf  die  Zunge  brachte,  batie  es  einen 
BufTallend  metallischen,  dem  grauen  Quecksilberoxyd  Shnlichen 
Geschmack,  so  dafs  ich  kaum  im  Stande  sein  würde,  es  von  die- 
sem durch  den  Geschmack  zu  unterscheiden.  Ich  urlheilte,  dafs 
dieses  Silber  im  Speichel  auflösbar  sein  müsse,  denn  sonst  kfinne 
es  unmSglich  schmeckbar  sein. 

Was  nnn  die  Wirkung  desselben  betrifft,  so  ergab  sich  durah 
den  Versnch  an  meinem  eigenen  Leibe,  dafs  es,  in  eingraniger 
Gabe,   viermabl  lag  agebraucht,    ein  wenig  den  Stuhlgang  befBr- 


—     548    — 

der«,  d«f>  diese  Einwirkung;  nuf  di«  DHrni»  aber  bei  dem  Tortg*- 
temen  Gebrauche  in  ein  paar  Tagen  von  lelbat  naclilasae,  nnd 
AnU  man  es  in  zweigraniger  Gabe ,  viermahl  lag« ,  ohn«  feind- 
liche Wirknng  verlragen  könne. 

Das  Nämliche  habe  ich  nun  auch  bei  Kranken  beobachtet, 
denen  ich  es,  eines  Ko|tf]eidenB  wegen,  gegeben.  Zwar  nicht 
allen  berördert  es  anfUnglich  ein  wenig  den  Stuhlgang,  aber  dock 
den  meisien^  diese  Wirkung  hört  aber  von  selbst  auf.  Wollte 
ich  behaupten,  dieses  tSiiber  sa  häufig  gebraucht  zu  haben  als 
andre  Cepha/icn,  so  würde  ich  unwahr  sein;  ich  habe  vielmehr 
wenig  Gelegenheit  gehabt,  es  in  Kopfleiden  aniuwenden,  weil 
das  uBier  seiner  Heilgewali  stehende  wenig  vorgekommen  ist. 
Die  wichtigste  Erfahrung  kabe  ich  im  Jahre  1S24  gemacht.  Bis 
.  dahin  hatte  die  eben  baschrietiene,  nnler  der  Heiigewalt  des  Stech- 
apfels nnd  Eisens  stehende  Gehirnkrankheit  geherrschi.  Ungefähr 
Im  Sepiembar  des  besagten  Jakret  v«r8nderte  die  Krankheit  am 
ihre  Natur,  daf«  ich  mit  jenen  Mitteln  nichts  mehr  aasriehte« 
kannte,  leh  mufsle  also  ein  anderes  CephaÜcum  versuchen ,  nnd 
fand  jetsi  Hälfe  in  dem  Chiorinsilber.  Das  unterscheidende  Sei- 
chen dieser  Krankheit  war  aber  mehr  negativ  als  positiv;  denn 
wenn  bei  den  beiden  vorigen  Fiebern  ein  hefifger,  anhaltender, 
oder  umsetzender  Kopfsohmera  vorwaliata,  so  war  bei  dem  in 
Rede  stehenden  der  Kopfschmeni  eine  seltena  firsobeinung,  nnd 
In  den  Fällen  seines  Verbände  «sei  na  war  er  nicht  einmahl  heftig, 
xam  Wenigsten  nicht  mit  dem  der  oben  beaf^riebanen  Kraakhci- 
•en  vergleichbar.  Alle  Krank«  klagten  aber,  aelbst  im  Vnriän- 
fersiadio ,  Ober  «in  wahrscheinlich  dem  Schwindet  verwandtes  Ge- 
fäbl,  welches  sie  in  der  Volkssprache  mit  dem  Namen  TolÜgkeit 
belegten.  Dieses  GefShl,  welches  man  im  Teatschan  wol  am 
richtigsten  dnroh  Tanmeligkeit  bezeichnet,  ist  aber  der  gewfihn- 
liehe  Vorboihe  und  Begleiter  muncher  sogentanten  nervBsen  Bauch- 
fieber, Ja  nicht  lelian  ist  es  der  Vorbotbe  der  gewöhn  liehen  Gal- 
lenfieber. Nur  ein  höchst  Unerfahrener  könnte  ea  also  als  ein 
pathognomoniscbes  Zeichen  nnaerea  Fiebers  ansehen.  Uebrtgeos 
hatte  diese  Krankheit  keine  auagaaeichneta  Zufälle,  welche  man 
nicht  allflsammt  auch  bei  den  früheren  Krankheiten  beobachtet  bitte, 
loh  bin  in  ganx  verschiedeoea  Zeiirftumen  zu  Kranken  geni- 
fen  worden,  und  habe  mich  überzeugt,  daf«  diese  Gehirnkrank- 
heit von  den  twei  vorigen,  aufaer  durch  Abwesenheit  oder  gerin- 
gen Grad  des  Kopfschmerzes,  sich  nur  blofs  dadurch  nnterschied, 
daA  sie  nicht  den  Mitteln  wich,  denen  die  vorigen  vrichen.  Mit 
dem  Silber  konnte  man  sie  aber  aus  dem  ersten  Zeiträume  in  den 
der  Genesung  führen;  das  Gefühl  der  Taumeligkeit  verging  bei 
^m  Gehranehe  desselben  augenicheiofich ,  das  Fiaber  lieb  oaek 
nnd  der  Kranke  genas. 

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—    046    — 

Diifs  diMei  Fieber,  wie  alle  andr*  Gebtfii-  ami  BauehfirbM, 
wenn  sre  nicht  duriA  das  geeignete  Aliltei  auf  das  urerkrunkt« 
Or;gan  im  ersiea  Züiiranme  gehoben  werden,  lich  im  weiteren 
Verlaufe  dem  BOgeoanaten  \ervenfiebcr  gliiioh  geutoltete,  und  bei 
dem  einen  Kranken  diese,  bei  dem  andern  jene  Zufälle  aeigte, 
Mid  dafs  unter  diesen  Zufällen  Irrereden ,  SchlaFsiiohligkeit ,  Mek- 
neMpringen  in  verscbiedenem  Grade,  die  gemeinsten  waren,  braii- 
nbe  ich  wul  kaan  dem  Leser  zu  sngen.  Folgendes  bin  ich  aber, 
der  minder  Erfabrenen  wegen,  zu  sagen  verpflichtet.  Wenn  gleich 
das  Silber  die  besagt«  Krankheit  im  Vorlaofzeilraume  unterdrückte, 
und  im  ersten  Ansbruchsseitraume  bald  und  augenscheinlich  heilte 
(  nicht  selten  in  vier  bis  fitnf  Tagen  ) ,  so  kann  ich  doch  das  Näm- 
liche nicht  von  den  folgenden  Zeiirttnmen  behaupten.  Wurde  ich 
erst  dann  gerufen  >  wenn  sich  die  Krankheit  schon  recht  im  Ge- 
hirn etngtniatet ,  wenn  schon  der  Anfang  des  Irreredens,  der 
Schlafiüchtighmt ,  Sehnenspringen,  trockne  Zunge,  Durchfall  u. 
s.  vr.  vorhanden  war,  so  ifaat  es  allerdings  gute  Wirkung,  es 
blieb  das  einzige  Miuel,  von  dem  ich  wirkliche  Heilwirkung  sah ; 
jetzt  waren  aber  nicht,  wie  im  ernten  Sladlo,  vier  oderfSnf  Ta- 
ge, sondern  wol  vierzehn  snr  Heilung  nötbig-  Bei  solchen  weit 
fortgerückien  Krankheiten  hängt  das  geschwindere  oder  langsa- 
mere Heilen,  bei  gleirh  guten  Mitteln,  gar  zu  viel  von  Umstän- 
den ab,  die  nicht  in  der  Gewalt  des  Arztes  stehen.  Jedoch,  da 
die  Selbsibeilung  soldker  Krankheit  von  der  Natur  in  den  meisten 
Ffitlen  nur  durch  gKnzlicbe  Erschöpfung  des  ganzen  Körpers  be- 
wirkt wird,  so  müfaten  schon  sehr  mifiiliGhe  Umstünde  dem  Arzle 
in  den-  Weg  Ireieo,  wenn  seine  Kunslbeilung  nicht  noch  grofse 
Vonüge  vor  der  SelbBiheilung  haben  tind  dem  Kranken  nnbere- 
eheabare  Leiden  ersparen  sollt*. 

Meinen  Lesern  bemerke  ich  übrigens,  da&  die  besprochene 
Silbergebimkrankbeit  bei  weitem  nicht  so  viele  Menschen  ergrif- 
fe« hat  als  die  Tabaks-  oder  Stechapfelgebirnkraakheit ,  dals  ich 
«la»  nach  ni«ht  ao  viel  Etfakrinig  iibei  das  Silber  habe  als  über 
jene  Mittel.  Sollte  früher  oder  spitar  der  eine  oder  der  andre 
ähaliche,  unter  der  Heilgewalt  des  Silbefa  stehende  herrschende 
Gefaimkranklieitea  an  behandeln  haben ,  ao  würde  er  wahrschein- 
lich noch  manche  Vortheile  des  Silbergebranches  lernen,  die  ich 
jetzt  aus  Maogel  an  Erfahrung  aicht  angeben  kann. 

Ein  Fall  von  Gehirnleiden,  in  welchem  icfa  es  a^ut  nicht 
mk  Voribeil,  sondern  offenbar  mit  Verschlimmerung  des  Uehela 
gegeben,  sebrnnt  mir  der  ErzKbliing  w«I  werih.  Im  Winter  iS^ 
bernebten  hier,  wie  an  vielen  anderen  Orten,  böio  Masern.  Ich 
■olk«  eioen  ««hijaJu'igen  Knaben,  welcher  nach  den  Masern  epi- 
leptisob  gewordc«,  beilan.  Da  bekanntlich  die  Masern  gern  ein» 
Crütm  »eeuudurittm  AuifAi  dM  Stuhlgang  machen,   die  Natur  die- 


-.ügic 


—    6W    — 

■M  ab«r  in  dem  gegenwirtigen  Falle  nicht  gsthan ,  die  KnnBt  ihr 
aach  nicht  nachgeholfen,  io  Tersacfaie  ich  zaerat,  ob  ich  nicht 
darch  Laxtrniittel  dieses  Uebel,  gleich  manchen  andern  Nachkrank- 
heiten der  Maaern,  heben  könnte,  und  du  ich  auch  starke  Ver- 
muibung  baue,  dafa  das  Kiod  voll  VViirraer  «lecke,  richtete  ich 
logleich  anf  diese  mein  Angcnmerk.  Allein ,  ob  ich  gleich  den 
Kleinen  mehre  Tage  hintereinander  dSnnleibtg  hielt  nnd  ihm  eine 
grofse  Menge  Spulwürmer  wegtrieb,  so  haue  doch  diese  Behand- 
lung durchaas  keinen  Einflufs  auf  die  Epilepsie,  die  machte  rM- 
Mehr,  wie  früher,  mehre  Anfölle  in  vier  nnd  swaoxig  Stunden, 
■owol  bei  Tage  als  bei  Nacbl. 

Ich  xweifelle  jetzt  nicht,  dafs  ich  es  mit  einer  Uraffektion 
ita  Gehirns  zu  thun  habe,  nnd  versuchte  das  Silber.  Weit  ent- 
fernt aber ,  dafa  dieses  die  Fallsucht  gehoben  oder  gemindert  hätte, 
kamen  vielmehr  die  Anfälle  derselben  häufiger  und  waren  unver- 
kennbar heftiger  und  anhaltender.  Ich  liefs  jetzt  das  Silber  fahren, 
und  gab  das  Pulver  der  Ariemiaiawursel.  Dadurch  wurde  die  Fall- 
sucht gleich  gelinden,  in  knrzer  Zeit  ganz  gehoben,  und  ist  bis 
jelzt,  da  ich  dieses  schreibe  (im  October  1631),  nicht  wieder- 
gekehrt. Ich  glaube,  dafs  die  Beifufswurzel  die  Fallsucht  nur  dann 
hebt,  wenn  diese  in  einem  Urleiden  des  Gehirns  ihren  GrUnd  hat, 
mit  Atisschltifs  jedoch  der  ererbten  oder  erworbenen  Bildungsfeb- 
ler  dieses  Organs,  oder  auch  der  Hirnschale,  denn  wenn  die  Fall- 
sucht von  solchen  Fehlern  abhangt,  wird  die  Beifufswurzel  nicht 
heilen.  Auch  in  consensuellen  Epilepsien,  die  von  Urleiden  an- 
derer Organe  abhängen ,  wird  sie  wenig  leisten ,  zum  wenigsten 
keine  dauernde  Heilung  bewirken. 

Mir  hat  sich  bei  diesem  Falle  der  Gedanke  aufgedrungen,  dafs 
die  Arteinisia,  ata  Eigenmittel  des  Gehirns,  wahrscheinlich  auch  in 
andern  UrgehirnaltekiioneD  direktes  Heilmittel  sein  kaoue.  Einer 
solchen  Gehirnkrankheit  begehre  ich  aber  gerade  keinen  nosolo- 
gischen Namen  zu  geben;  ich  denke  nur,  wie  ich  bis  jetzt  herr- 
sehende  Gehirnfieher  erlebt,  die  unter  der  Heilgewalt  des  Tabaks, 
des  Stechapfels,  oder  Silbers  standen,  so  kann  ich  auch  noch 
solche  erleben,  die  unter  der  Heilgewalt  der  Artemtsia,  der  Ana- 
gallis  oder  dea  Hypenciim  stehen.  Mittel,  denen  wir  entweder 
aua  eigener  Erfahrung,  oder  nach  der  Erfahrung  anderer,  direkte 
Heilkräfte  auf  ein  urerkrankles  Organ  zuschreiben  müssen  (diese 
Affekiion  mag  sieb  offenbaren,  unter  welcher  nosologiachen  Form 
es  auch  sei}}  sind  für  uns  praktische  Aerzle  von  grofser  Wich- 
tigkeit. Nicht,  dafs  wir  sie  täglich  gebrauchen  und  ihre  Heil- 
wirkung sehen  kannten,  so  meine  ich  es  wahrlich  nicht,  aondera 
es  kSnoen  früher  oder  apäter  Krankheiten  erscheinen,  in  denen 
das  eine  oder  das  andre  einziges  Heilmittel  ist ,  nnd  uns  aus  gro- 
fser  Srzllicber  Verlegenheit  hilft.     Damm    ist  es   eine  übergrofse 


—    Wi    — 

Narrbtit,  eia  Rittet  deshalb  gering  m  schSf  zen ,  weil  wir  in  eiaam 
^wissen  Zeiträume  wenig  oder  keine  Gelegenheit  gehabt,  loine 
Heilkraft  lu  erprohen. 

Zorn  Schluue  werde  ich  jetzt  die  Bereiiuog  des  .von  mir  ge- 
brauch len  Silberpr&parates  angeben. 

Eine  beliebige  Menge  Silber  wird  in  reiner  Salpetersäure  auf- 
gdSset  und  durch  hinreichende  Kochielaautlösnag  niedergeschla- 
gen. Daa  gut  aoegawaschetie  Filtrat  wird  mit  weinichlem  Ainnio- 
oiak,  unter  Vermeidung  der  Einwirkung  deu  LichteH,  in  einem 
Kolben  digerirt,  dann  gut  abgewaschen  und  im  Schalten  getrocknet. 

Z    i    n    i. 

Diese«  Mittel  babe  ich  nnter  dea  Gefaimmitteln  am  frühsten 
«ad  am  faKufigaien  gebraucht,  obgleich  ich  bii  jelzl  noch  keine 
hemehende  Krankheit  erlebt,  die  in  ihrem  ersien  Zeiträume  un- 
ter seiner  Heiigewalt  gaatanden. 

Da  der  Zink  ia  allen  Sauren  auflöslicb  ist,  also  auch  leieht 
im  Oarmkanaie  so  viel  Sture  findet,  um  sich  auficulösen^  so  habe 
ich  für  das  klügste  gehalten,  ihn  den  Kranken  als  essigsauren 
Zink  zu  geben;  und  bis  jelst  kenne  ich  noch  keine  SSure,  mit 
der  man  ibo  als  Cephalicmm  xwedimSfuger  verbinden  k&unte  «Im 
mit  der  Essigsaure;  wiewoL  ich  nicht  in  Abrede  stelle,  dafs  ermit 
ScbwefelsBuie  verbunden  als  Brechmillel  krKfliger  sein  mag,  und 
dals  man  ihn  auch  mit  andern  Sauren  xu  anderen  Zwecken  vor- 
iheilbafler  verbinden  kann. 

Was  die  Gabe  des  essigsaaren  Zioka  betrifft,  so  kann  man 
anderthalb  his  zwei  Drachmen  in  vier  und  zwantig  Stunden  geben, 
ohne  dafs  die  Menschen  dadurch  zum  Brechen  oder  zur  Uebelkeit 
gebracht  werden.  Jedoch  ist  anderthalb  Drachmen  di^  gewöhn- 
liche, swei  Drachmen  die  anfeerge wohnliche  Gabe.  Man  trifft 
auch  einzelne  Menschen,  denen  and  erlhalb  Drachmen  xa  viel  ist; 
diesen  mufi  man  begreiflich  weniger  geben,  jedoch  kann  man 
diese  Quantität  als  die  Mitlelgabe  ansehen,  von  dar  nun  bei  Er- 
wachsenen seilen  abzuweichen  braacht. 

GewShnlich  gebe  ich  anderthalb  Drachmen  in  acht  Unzen  Was- 
ser HU%Blöset,  mit  einem  Zusätze  von  einer  Unse  Arabischem 
Gummi,  und  lasse  von  dieser  Auflösung  stündlich  einen  Löffel 
voll  nehmen.  Der  essigsaure  Ziak  hat  keinen  bösen  Geschraack. 
Wenn  man  ihn  zum  ersten  Mahle  kostet,  sollte  man  glauben, 
man  könne  ihn,  ohne  daia  er  einem  widene,  mehre  Monate  hin- 
ter einander  nehmen;  die  meisten  Menschen  bekommen  aber  schon 
nach  etlichen  Tagen  einen  Widerwillen  gegen  denselben.  Will 
man  ihn  also  bei  chronischen  Leiden  eine  Zeitlang  gebraacben, 
Bo- ist  es    zowmlen   ndlbig,    ihn  in  Pillenform  in  bringen.    Von 


_    (Ö4    _ 

■mhrtbMlb  Urmlimen   Iuob  oibb  «it  'CiBsn  Entn^t»,    Am  Imok 

«tdrcnde  Nebenwirkung  maeht,  oiur  «iiU  JiUfMm  arabiwlMa  Garn- 
tili  dreifdi^  Pillen  inncfaeD  and  von  diesen  a|i»Mcb  «ine  ader  swei 
Bebntea  iMaeen ,  je  naobde»  lin  ilebel  ea  varlao^  ^cb  aprecha 
aber  hier  blofs  im  Allgemeinen,  denn  »  Sacbaa  dei  tiaMthmakt 
kea  gibt  CS  iinner  Aosn^tiDen. 

Hiasicbüicb  der  bracbeoaivegetideo  Eigenvchaft  dM  esügaan- 
reo  Zioks  bemerke  ick :  man  kana  der  Einwirkaag  dasselben  auf 
den  Magen  dadiircb  vorbeugen,  dafs  man  die  erste«  vier  adei 
füar  Stuaden  nur  die  balb«  Gabe,  alao  von  oben  erwftbmen  Traak« 
einea  halben  Löffel  reicbl.  Aaf  die  Weise  gewöhnt  sich  der  Ha- 
gen bald  aa  diese  Anenei ,  nnd  man  kann  dann  ohne  Hinderung 
die  vulle  Gabe  reiehea. 

Ehe  ich  nun  aum  Gebraach«  des  esaigaaaren  Zioks  äbergebe, 
will  iA  dem  aeugierigeo  Leser  noch  einen  Versoeb  Miiubeilea, 
den  teh  mit  Ziokoxyd  an  meiaeik  eigenen  Leibe  bei  vajlkomnaer 
Gesundheit  angestellet.  Ich  habe  aber  daiaahls  wirklich  aiebt  ge- 
duckt, dafs  ich  diesen  Venucb  je  dem  Krstlicben  i^Iblika  miltbei- 
len  würde,  dämm  fcabe  ich  ihn  auch  niobt  mit  der  Ukr  in  dei 
Hand  gemacht,  sondern  aar  so,  daCs  er  meine  eigene  Neugierde 
Iwfriedigle. 

Ich  liefa  Salpetersäuren  Zink  bereiten,  die  Salpetevaänra  dnrcbi 
Feuer  davon  (reiben ,  und  bekaai  etneo  Zinkkalk ,  dea  man  beul 
zu  Tage  Peroxid  nennet,  dan  man  über  etliche  Jabre  vielleicht 
anders,  und  über  iwanaig  Jahre  gcwifs  ahennakls  ander«  beoa- 
men  wird.  Von  diesem  Zinkkalke  venchluckt«  -idi  vormiuags 
balb  seba  (Jbr,  da  ich  aufser  Kaffee  noch  keine  andere  Speisen 
und  Geirttnke  ini  Magen  hatte,  fanfieho  Gran  aafCinniabl.  Ei«« 
kurze  Zeit  darauf  warde  ich ,  ohne  irgend  ein  uaangenehmes  G»> 
fühl  gewahr  an  -werden,  blutroth  im  Gesichte;  bald  daraaf  öbet- 
fiel  mich  eilte  so  grofse  Sct^Hfrigke*t ,  dafs  ich,  wie  ein  wirklieh 
scblaftruahemr  Mensch  mmne  Gadanken  nicht  mehr  zasammei»- 
halten  kennte,  und  einem  mich  gerade  dawabls  um  Raih  fragea- 
den  Bekannten  erkllrea  roubt« ,  ich  fühle  mich  unwohl  wrd  könne 
ihm  in  dem  Augenblicke  niobi  Rede  Neben.  WeiieriiiQ  «tellie  sieh 
etwas  Uebelkeit  ein.  Die  St^atennkenbeit  zwang  mic4i,  mich 
anfs  Bett  m  leg^n,  aber  die  geviage  Uebelkeit  war  groJä  genug, 
mich  nicht  zum  Einschlafen  kommen  za  lassen:  also  war  ich 
zweien  Gewalten  hiagegeben,  dia  eine  schUferte  mich  ein,  und 
die  andre  erweckte  mich.  Dieser  seltsame  Zustand  war  dem  Zu- 
stande sehr  fihnlich,  in  dem  man  sich  befindet,  wenn  man  durch 
starke  iörperficb«  nad  geiatige  Anstrsngimg  und  durch  mebmäeh- 
tiges  UebcTwachen  höchst  ermüdet  and  mgleich  aufgeragt  ist.  Hat 
man  «ndltch  aum  Ruhen  Zeit  gewonnen^  so  kann  man  doch  au 
keinem  ertjuickenden  Schlafe  komaien,    sonilet-n  bei  dem  gröfsMn 


—    5M    — 

Qni4«  4«r  8«hlM4gk«it  vermikt  mu  nor  in  eim  Art  van  nnge- 
afiflicbeiu  IVauni leben. 

iNaefadem  ich  mich  eine  Zeiilaag  in  dietem  Mltsamen  Eostanife 
bvfnmlea,  bekam  kh  inwiMaht  Bfivaifea  StNfalgang,  und  die  fi^l- 
bare  Wirkwig  des  Ztnlu  bM«  mmob  Hud  Aach  auf,  ao  dafs  ich 
za  Mittag  wieder  wie  gewöhnlich  «neii  koRole.  Uebrigeiw  fühlte 
kk  Mich  durch  dieiea  Versnch  weiter  nicht  angegriffen. 

Ich  habe  in  <ter  Feige,  in  etlichen  Fallen  r«n  GehinnSek- 
lioa,  daa  beschribbeae  Zinlcoxyd  wich  ander«,  jedech  nicht  in 
der  Gabe  ven  fünFnehn,  aendem  v«n  fünf  Gran  gegeben,  nnd  ge- 
fanden,  dafi  ea  sacfa  in  dieacr  Gabe  den  Menacheo  eine  anäai- 
leode,  bald  vetühergehende  Hütfa«  Aoa  Gesteht«  verDnaobte;  da 
ich  aber  übrigen«  nicfat  arfi,  dalj  ea  hinsichtlich  seiner  Heilwir- 
In^  V«rznge  vcr  d«ni  essigsatiKn  Zink  halle,  bin  ich  wieder 
M  dieaein  mrückgekehrt.  Meiee  Versuche  sind  indecsen  unToH- 
fcenmen,  miihia  d&rfca  sie  keinen  wifsbegierigen  Anl  von  wei- 
terer Forschung  abhalten.  Vielleicht  steekt  in  diesem  Zinkoxyd 
»och  eine  herrliche  Heilkraft,  welche  eine«  anderen  Arxte  sn 
entdecken  vei1>ehaJtea  ist.  Ich  selbst  bin  rfnrcb  die  Zeit,  darch 
k5rperliche  nnd  geistige  Anstrengungen  schon  so  sehr  verdnmpfi, 
lUfs  mich  der  Kiizel  nicht  mehr  sticht,  ans  blofser  Wlfsbegierde 
amcb  nar  den  gefahrlosesten  Versuch  m  machen;  nur  die  Noih, 
die  Ralhlesigkeil  kann  latch  zn  so  etwas  swingen. 

Jetzt  will  ich  anerst  vom  Zink  im  AllgemMnCa  sprechen,  nod 
dann  von  ecanMn  Gebraache  bei  akuten  Gehirnleiden. 

Der  Zink  ist  der  eigentliche  Mineral m oh nsaft ,  er  bat  näm- 
lich, hinsichtlich  «einer  bembigenden  Kraft,  die  grSfste  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Mobnsafie,  ohne  jedoch  auch  nur  im  geringsten 
seine  gefSfserregeirde  an  tbeiien.  Durch  diese  Eigenschaft  ist  er 
•in  ganz  nnschitzbares  Mittel)  das  unser  alter  Landsmann  een 
Haiatieim  ucit  besser  gekannt  hat  als  die  Aertte  Jetaiger  Zeit. 
£r  ist  dienlicli  und  nicht  selten  überraschend  schnell  wirksam  in 
der  Affektion  der  Organe,  in  denen  die  Gehirnnerven  v-crfloehte» 
sind.  So  kann  man  damit  heftige  Zahnsebta erzen  stillen,  man 
kann  damit  bei  lien  schmerzkaAesten  Angeacntzüadungen  iSchmers 
md  l^nlznndung  ia  knner  Zeit  helien,  man  kann  damit  die  Kepf- 
rose,  wenn  diese  ein  Urleiden  des  sichtbar  ergriffenen  Theila  ist, 
bald  n»d  einzig  beschwichtigen.  LeKtes  möchte  meinen  jungen 
Lesern,  welche  die  Kopfrose  wol  in  einem  leichten,  aber  nicfat 
im  hoben  Grade  gesehen,  eine  Wenig  M  beachtende,  kanm  der 
Rede  wenfae  Wirkung  des  Zinks  nn  sein  bedanken,  loh  bemerk« 
diesen  ako,  dal«  die  Kopfrose,  wenn  sie  ei«en  hohen  Grad  er- 
reicht, H-enn  sie,  mit  heftigem  Fieber  und  irrereden  verinindeB, 
dem  genzen  Kopfe  ein  scheafsHches  Ansehen  gibt,  woM  säcfa 
nrchi  Uefs   die  Haut  4ee  Geuiehte« ,    wdwn  aneh  des  befannrten 


—    5M    — 

Kopfes  in  grofse  Wanerblaaen  erhebt,  lo  dab  dw  KniDkc  bei  der 
BeiseruRg  ganz  enthaart  ist,  dafs,  sage  ich,  die  Kopfrose  ein  «ol- 
chM  Uebel  ist,  auf  welches  die  Kumt,  ao  wie  ich  and  andre  sie 
auf  der  Hochschule  erlernt  haben ,  wenig  vermag.  Es  dnrcfaliuft, 
troll  der  streng  aotiphlogia tischen  Behandlung,  trotz  den  ableiten- 
den Laxirmittelo,  alle  Stadien;  ja,  bei  seinem  endlichen  Abzug« 
kann  es  ( wie  mich  drei  Fälle  gelehrt )  wirklichen  Wahnsinn  «o- 
rücklaisen.  Der  Zink  ist  das  einzige  'Mittel,  welches,  meiner  Er- 
fahrung geraüfs,  diesem  abscheulichen  Uebel  schnell  Grenzen  setat, 
welches  in  vierundzwanzig  Standen  seine  Fortschritte  zicfaibar  hem- 
met. Es  verstehet  sich  aber  von  selbst,  dafs  ich  hier  von  der 
Kopfrose  als  Urleiden  des  sichtbar  aifizirten  Tbeils  rede.  Es  gibt 
ancb  bekanntlich  eine  Kopfrose  gastrischen  Ursprunges,  diese  raafs 
man  antigastrisch  behandeln.  Ich  habe  selbige  aber  bis  jetst  noch 
nicht  tn  dem  beschriebenen  hohen  Grade  gesehen,  vielmehr  be- 
stand die  gastrisch -oonsensuelle  in  der  Anschwellung  '  der  einen 
oder  der  andern  Seite  des  Gesichts  dnd  des  Halses,  nnd  wich  ohne 
UmstBnde,  entweder  der  zweck mafstgen  Behandlung  des  urergrif- 
fenen Baiichorgans ,  oder  im  Falle  von  abnormer  Gallenabsonde- 
rung,  der  Neu  trat isirung,  oder  Ansleening  der  im  Magen  und  Darm- 
kenal  vorhandenen  SSure. 

Der  Zink  ist  auch  in  manchen  inneren  Schmerzen  des  Kopfes 
heilsam,  selbst  in  einigen  Fsllen  des  inneren  Ohrschmerzes,  je- 
doch wahrlich  nicht  in  allen.  Es  ist  eine  eigene  Art  des  Schmer- 
zes, der  unter  seiner  Heilgewalt  stehet,  doch  würde  man  aich  sehr 
(Huschen,  wenn  mnn  glaubte,  diesen  Schmerz  durch  unterscheiden- 
de Zeichen  erkennen  zu  kdnnen.  Der  Schmerz  dea  Kopfes,  der 
dem  Tabak,  oder  dem  Stechapfel,  oder  dem  Silber  weicht,  der 
weicht  nicht  dem  Zink,  und  der  dem  Ziok  weicht,  der  weicht 
nicht  jenen  Mitteln.  Die  Erfahrung  hat  mich  also  vier  schmers- 
hafte  Kopfaffektionen  kennen  gelehrt,  welche  ich  am  richtigsten  Ta- 
bak-, Stechapfel-,  Silber-,  und  Zinkgehimaffektion  nenne.  Diese 
Einiheilung  lautet  wahrscheinlich  nicht  gelehrt,  sie  ist  aber  echt  prak- 
tisch. Es  werden  wol  noch  mehr  schmerzhafte  GehirnaSekiioneo 
in  der  Welt  sein ,  die  ich  bis  jetzt  nicht  habe  kennen  gelernt, 
oder  deren  Natur,  wenn  ich  auch  in  früheren  Jahren  ihre  Bekannt- 
schaft oberflttchlich  gemacht,  ich  doch,  bei  meiner  damahligen  Un- 
mündigkeit und  scfaiilgerecbten  Verstau  des  verkrnppelnng,  nicht  ha- 
be ergründen. können. 

Was  die  Wirkung  des  essigsauren  Zialu  auf  den  Darmkanal 
betrifft,  so  haha  ich  davon  unter  den  Banchmitteln  gesprochen. 

Ea  iM  mir  wabracheinlich ,  dafs  er  nicht  blofs  auf  das  Ge- 
hirn, zondem  noch  auf  das  Rückenmark  heilend  einwirkt.  Dieser 
Knwirkung  schreibe  ich  zum  wenigsten  die  durch  Zink  vollbrach- 
te Hailangen  der  sohiaenbafien  Affektionan   Hulserer  Gebilde  zu, 


—    5»    — 

dw  VBtw  dsB  \aneD  .TOD  Rfa«iiinalianeD ,  Chibt,  N«nralgie,  o4w 
nnwr  andem  bekanolen,  oder  noch  von  aaiera  Srztlicben  \^'5rl«^ 
■MchM-Q  SU  Khaffeoden  N'iiiaea  vorkonunen.  UDixr  dieseo  Uebela 
ist  vorsüglicb  sd  bemerken  die  scbmenbefte  Afisktion  dei  HfiTt- 
•erven,  die  in  gemeiBes  Leben  unter  dem  Nemen  des  Hrifiwehes 
leider  nur  sa  bekannt  ist,  von  welchem  ich  aber  an  einem  andern 
Orte  ■BsfQbrIieber  handeln  werde.  Dieses  sehmershafic,  nnd  wenn 
es  sich  selbst  überlasien  bleibt,  langweilige,  endlose  Uebel  stehet 
in  naacbea  Fällen  (ober  gewifs  nicht  in  allen)  unter  der  Heiig»- 
wnlt  des  Zinks. 

Ich  habe  noch  vor  karsein  den  Fall  erlebt,  dafs  eine  Fnw,  ia 
der  ihr  wahrscheinlich  toö  andern  au fgeach wateten  Meinnng,  si«  ' 
sei  mit  der  Gicht  behaftet,  nad  die  inüMe  ihre  Zeit  haben,  kein 
Ant  kSnoe  sie  heilen,  ein  paar  Monate  an  der  ASiektion  des  Hoft- 
■erren  gelitten.  Endlich  war  ihr  erzählt,  dafs  ich  ähnliche  Uebel 
gehoben,  und  ich  niafsie  nun  auch  meiae  Kunst  an  ihr  versuchen. 
Li  ergab  sieh  bald,  dafs  die  sehr  scbmerabafte  Affektion  des  Hüft- 
nerren  unter  der  Heilgewalt  des  Zinks  stand;  und  ich  befreite  sie 
durch  Zink  und  hiofs  durch  Ztnk  voq  ihrem  Schmers.  Merkwflr- 
dig  war  es  mir,  dafs,  da  die  Geneaene  sich  wieder  auf  der  Strafse 
xeigie,  die  Leute  ihrer  Bekanntschaft  mir  sugiea,  sie  sei  durch  die 
Gicht  ganx  krumm  geworden.  Diese  Zeitung  klang  mir  ganz  selt- 
sam. Ich  hatte  die  Frau  hei  meinen  Beauchen  nie  gehen  lasaea, 
sondero  mich  nur  um  den  Schmerz  hekümniert ,  da  ich  durch  Er- 
fahruDg  recht  gut  wufste,  dafs,  wenn  man  den  Schmerz  nur  grund- 
lich wegschafft,  man  hintennach  wahrlich  keine  besondere  Gang- 
anenei  nöthig  hat.  Die  Neugierde  trieb  mich  jeiai  au  der  Gene- 
senen, um  sn  sehen,  welche  Bewandnifs  es  mit  der  angeblicheii 
Krnmmheit  habe;  und,  wahrhaftig!  ich  fand,  dnfs  die  Lendenwil^ 
bei  nach  einer  Seite  einen  Bogen  machten.  Diese  Krümmung  war, 
da  die  Fraa  beim  Sitzen  zur  Erleichterung  der  Schmersen  eine  und 
die  nHniliche  gezwangene  Haltung  des  Körpers  beobachtet,  blols 
durch  die  Wirkung  der  Muskeln  auf  die  Lendenwirbel  entstanden. 
Eine  ganz  eoigegengeaetzte  Haltung  beim  Sitzen,  die  ihr  aber  an- 
Anglich  recht  mühsam  wtirde ,  beseitigte  den  Mifssiand  in  weit 
küraeref  Zeit  als  ich  vermotbet.  Ich  habe  in  meinem  Lehen  nicht 
wenig  mit  HQftweb- mancherlei  Art  xa  ihun  gehabt,  aber'der  er- 
zählte Fall  ist  der  einzige,  in  dem  das  Kiickgrath  dadurch  ge- 
btrummt  wurde.  Die  Genesene  war  eine  ältliche,  recht  versläudi- 
ge  Frau,  die  meinen  Ratfa,  hinsichtlich  dieser  Verunstaltung,  be- 
griff und  dämm  auch  befolgte.  Einem  unverstKudigen  Kinde,  oder 
dummen  Menschen  würde  schwieriger,  zum  wenigsten  nicht  so  ein- 
fach zu  helfen  gewesen  sein. 

Auch  gegen  den  Rückenschmerz,    der,  mit  der  Affekiion  des 
Hüftnetren    nah    verwandt,   häufig  in  diesen  übergebet,    habe  ich 


Jen  Ziak  ai«bt  aelMn  bU  wirklidm  Ilailmiiwl  bcwXbrt  g«riiB- 
4m. 

Jeixi  will  icb  üb«r  den  Gebrauch  de>  Zinkii  beim  (jiebirnfieb«r 
nieina  ^rfabrungen  dem  Leser  mitibeilvn.  leb  hulte,  wie  oben  ge- 
engt, noch  kein  Gehirs6«ber  beobachlel ,  das  unprfinglicb  «Mer 
desaen  HeilgeWall  grstaode«  bflirc,  so,  dsfe  m  durch  ihn  ane  dem 
erUea  Zeiiranme  ia  den  der  Genesung  bKite  gebracht  werdea  kön- 
nen. Es  ist  mir  aber  wahrscheinlich,  dab  in  der  Folg«  ander« 
Aente  dirae  Crrabning  machen  werden.  Diese  Amtsgeaossen  biit» 
ich  freundlich,  ihre  gemachten  Erfahrungen,  wenn  sie  selbige  pnbli- 
liren,  nicht  als  solche  atwugebeo,  welche  fnr  and  für  in  allen  Ge- 
himfiebem  heilende  Anwendung  finden  raiirsten,  deno  ich  betheue- 
r«  ihnen,  dafs  der  Zink  das  erste  Gehirnheilniitel  int,  welchaa  ich 
kennen  gelernt,  sie  können  also  leicht  denken,  dafs  ich  es  bei 
len  beschriebenen  Gehirnfiebem  eher  angewendet,  ehe  ich  ein 
RCaes  Mitrel  geancht.  Ans  Msthwillen  sucht  man  kein  neue«  Hti- 
l«l,  sondern  aus  Noth,  weil  das  bekannte  nicht  mehr  faulfreich  ist. 
Sollleo  sie  also  je  den  Zink  bei  akuten  Gehirnfiebera ,  welche 
man  nach  ichnlrechlem  Branche  Nerrenfieber  nennet,  als  Heilmit- 
let  im  ersten  Zeiträume  erproben^  so  thnn  sie  am  besten,  die  Be- 
bannlmachung  ihrer  Erfahrung  ein  funfsehn  Jahre  aufioiobieben» 
oder  wenn  sie  dazu  di«  Geduld  oichi  haben,  so  bitte  ich  sie,  eio- 
xig  die  nackte  Thatsncbe  der  Well  mitsotbeilen,  ohne  auf  selbige 
allgemeine  Behauptungen  zu  gründen.  Durch  solche  auf  kurze  zeit- 
rthimliche  Erfahmng  gegründete  allgemeine  Behauplnngea  iit  der 
Medizin  untiKglicfaef  frahaden  geschehen,  dadurch  ist  manchen  Mit- 
teln ein  übertriebener  Wenh  beigel^,  den  die  Folgeceit  uRmi%- 
lich  bestätigen  konnle,  dadurch  sind  ebenlälU  die  ed^slen,  uneni- 
behriidisten  Miliel  in  Vergessenfaeit  gekomman,  und  daderdi  ist 
selbst  die  Kunst,  kranke  Mensches  gasn*d  su  ninchen,  seit  ein 
paar  hundert  Jahren  so  xicinlich  auf  den  eSmlicben  Punkt«  sie- 
ben geblieben ,  und  hat  ihre  Termeintlich  nageheuren  Fortschritte 
in  einem,  bl&den  Augen  imBichtbaren  Tritliwd«  gemacht. 

Ich  habe  den  Zink,  obgleich  ieh  ihn,  wie  gesagt,  ab  wirk- 
liches direktes  Heilmittel  im  ersten  Zeitravtaa  4er  Gehirnfiehtn- 
nicht  erkannt,  doch  bei  keinem  herrschenden  Gehimfieber  in  eio- 
zelnen  Fällen  ganz  entbehren  können.  In  eiancben  Fillea  konnte 
ich  damit  den  symptomatischen  Durchlauf  stiüefl,  ohne  der  Wir- 
kung des  eigentlidtea  Heilmittels  Eintrag  ku  ihun;  jedoch  habe 
ich  schon  gesagt,  dafs  ich  ihn  in  etlichen  aelchcn  Fällen  aiioh 
nutzlos  gegeben.  Dieser  Vonheil ,  et^eiofa  nicht  zu  veracliten, 
ist  doch  hei  weitem  nicht  «ler  wiebligsle,  den  der  Ziak  gewährt. 

Bei  allen  herrschenden  Krankheiten  hekemmeu  wir  bekanailicb 
otohi  immer  die  Kraekea  iiu  ersten  Zeiträume  der  Krankheit,  son- 
dern «ft  dam  erst,  %veMi  ia»  Uebel  sehen  hedeutesd«  Fortschritte 


-    5H    — 

^einaebt.  Tfaeili  int  m«nchfl  Organkrankfaeii  lehr  rarrflihertieh, 
sehinctchelt  durch  pcriodMcbei  Betnrwerdcn  mit  einer  biddigriB 
Geneiung,  woräber  dann  die  Zeil  hingebet,  und  die  Krankheit  h 
einer  ungeahneten  H&be  steigt ;  thells  erlauben  auch  beachränkt« 
VermögensDiniilnd*  manchen  Menichen  nicht,  die  Hülfe  der  Knnat 
B tiza spreche n ;  denn  wenn  aie  auch  wiiun,  dafs  der  Arzt  nienach- 
Ii«h  genug  ist,  ihnen  nnenigelilich  su  dienen,  ao  gcbeuea  sie  doch 
die  Apotheke,  und  nur  die  äuTserste  \otb,  oder  renneiotliche  Le- 
beDsgefahr  zwingt  aie  erst,   die  Hülfe  der  Kunst  zu  suchen. 

Dieae  Ungleichheit  der  Hülfeaacb enden  iat  für  den  Arzt,  ala 
Beobachter  und  Erforacher  der  herrschenden  Krankheit,  von  gro- 
fsenr  Nutzen.  Wenn  ich  nicht  die  naniliche  Krankheit  bei  eini- 
gen sich  selbst  überlassen  und  bei  ändert»  durch  die  Kunst  behan- 
delt rergleichen  kann,  mag  ich  übel  den  Werib  meiner  Heilmit- 
tel Bchäizen;  nur  einzig  solche  vergleichende  Beobnchtungen  be- 
lehren mich  am  kürzesten  und  besten  über  die  Naiur  der  Krank- 
heit, and'sagen  mir  deniÜch,  um  wie  viel  besser  oder  schlechter 
meine  Kansthellung  als  die  Naturheitong  ist. 

Nun,  bei  allen  den  heschriebenen  Ciehirnfiebem  habe  ich  ge* 
Kunden,  dafs  die  Naior  sie  selten  anders,  als  durch  gfin/.lirhe  Er* 
schöpfang  des  gaacen  Korpora  hellt.  Jedoch  ist  dieser  l'r»zefa 
der  Selbttheilnng  nicht  in  alten  Fallen  ganz  einfach;  w&hrend  des- 
sen hSnnen  in  manchen  Körpern  Vertetsungen  des  UHeidens  ron 
einem  Organe  auf  das  andere  entstehen ,  wodnrcb  dann  das  Ein» 
greifen  der  Kunst,  wenn  dieses  nicht  zum  Naehiheile,  sondern  wiw 
Heile  der  Kranken  geschehen  soll,  grofse  Umsicht  erfudert. 

Bei  den  beschriebenen  drei  Gehimfiebern  ging  der  Kopf- 
■chinerz,  sich  selbst  überlassen,  in  wirkliches  anhahendea  Irrere* 
den,  oder  Schlafsüehligkeii  Gber.  Die  Zeit  dieses  Uebergange« 
war  aber  ganz  unbestimmt,  und  wie'  ich  in  sichere  Erfahrung  ge* 
bracht,  sind  auch  Menschen  an  diesen  Fiebern  gestorben,  ohne 
Irre  xn  reden ,  »nd  andra  sind  von  aelbet  nach  langer  Krankheit 
geneaen,  ohne  irregeredet  tu  haben,  od«r  schlafsüebiig  gewesen  zu 
■ein. 

Das  anhaltende  Irreteta  iNnls  man  von  dem  periodischen  woM 
unterscheiden.  Das  Gehirn  und  Rückenmark  Ist  ohne  Zweifel  daa 
Geeine  mehrer  Organe,  deren  Verrichtung  wir  bis  jetzt  noch  nicht 
genau  zu  besrimmen  wissen.  Es  gibt  Organe  im  Gehirn,  die  an- 
widersprechlicb  von  dem  die  regelmlürige  Aenfsenmg  des  Denk- 
vermögens bedingenden  nnterschieden  sind.  Durch  «iae  krankhaf- 
te Affektion  der  etviea  kann  aber  das  letzte  coAtensnell  krank- 
haft ergriflFen  w«rden,  wo  dean  leicht,  sonderlich  wenn  die  Heber 
Biarke  Exaserbationen  machen,  daa  periodlsehe  Irresein  eintritt :  tm 
4elirirte»  die  Krankea  periodisch  bei  unsern  durch  Steehepfel  heil- 
baren GehirBfii4>era,    so   delliiran    sie  leicht  beün  Weshaelfiebar 


—    558     — 

nnd  bei  andern  BchmenfaafiMi  Gchirnleidan.  Bai  nsiern  FiBbcrn 
war  dm  Irreiein  nicht  regclmBrai^  periixliseh,  sonitera  konnte  zn- 
weilen  mehre  Tag«  mit  geringer  UnteHtrecbnn^  anhalten.  Dnrch 
Zink  gemAfsiget  oder  ganz  beseitiget,  ging  aber  doch  die  Kniok- 
beit  ihren  Gang.  Der  Vorihei),  den  man  also  vom  Zink  hatte, 
war  sehr  gering,  lo  gut  als  gar  keiner. 

Bei  dem  wirklich  anhaltenden  Irresein,  oder  bei  der  Schlaf- 
i6chiigkeit  scheint  eine  Krankheil snberlragang  im  Gehirn  Srati  zu 
finden ,  die  Krankheit  scheint  nämlich  von  dem  urergrilfenen  Ge- 
fairnorgane  auf  das  die  regetmäfsige  Aearsening  des  DenkvermS- 
gens  bedingende  übertragen  xa  sein,  so,  dafs  dieses  nicht  mehr 
mitleidendes,  sondern  arleidendes  ist. 

In  den  Fällen,  wo  eine  solche  wirkliche  Uebertragnng  Statt 
gefanden ,  beschwichtigte  ich  nicht  blofs  das  Delirium  durch  Zink, 
londern  hob  auch  die  ganze  Krankheit  damit. 

Es  iai  aber  ganz  nnmögliob ,  aus  den  ZufUllen  der  Krankheit 
XQ  erkennen,  ob  wirklich  ein  solcher  Meiaschematisrnna  sich  g^ 
macht  habe.  Wahrscheinlich  hat  er  sich  noch  oicbt  vollkommeo 
gemacht,  ao  lange  der  Kranke  in  den  hellen  Zeiträumen,  solltcB 
diese  auch  sehr  kurz  nod  anvolUtfiadig  sein,  noch  über  Kopf- 
K^merzen  klagt.  Klagt  er  aber  dann  nicht  mehr  über  Kopfschmer- 
zen, sind  diese  vielmehr  ganz  verschwunden,  so  ist  die  WahrsebaiB- 
]ichkett  vorhanden,  dafs  der  Meiaschematismus  sieh  vollkommen 
gemacht.  Aber  dieses  Zeichen  Ist  leider  auch  nicht  ganz  sicher, 
'und  wird  vollends  nnsicher,  wenn  der  Arzt  unweise  genug  ist,  in 
einem  halb  lichten  Augenblicke  dem  Kranken  die  Frage  vorzule- 
gen;  ob  er  noch  Kopfschmerz  habe.  Die  bejahende  Antwort  des 
halb  tanmeligeo  Kranken  ist  gar  nichts  werih.  Wenn  aber  der 
Kranke  auf  die  allgemeine  Frage,  über  welche  widrige  Gefühle 
er  zu  klagen  habe,  den  Kopf  aU  den  schmerzenden  Theil  angibt, 
so  beweiset  dieses  weit  mehr,  gibt  aber  auch  noch  keine  Sicher- 
heit; denn  dem  halb  besinnungslosen  Kranken  können  diese  Kla- 
geworte  vom  ersten  Zeiträume  her  zur  Gewohnheil  geworden  sein. 
Von  den  freiwilligen  Klagen  des  ganz  nnbefraglen  Kranken  gilt 
eben  dasselbe,  wiewol  man  ihnen  nicht  mit  Unrecht  einen  grSfse- 
ren  Werth  beilegt.  Anf  alle  Fälle  kann  man  die  zweifelhafte  Er- 
kenntnifs  nur  dadurch  zur  sicheren  erheben,  dafs  man  den  Zink 
reicht.  Ist  das  die  richtige  Aenfserung  des  DenkvermSgens  be- 
dingende Organ  urergriffen ,  so  heilt  der  Zink  diesen  krankhafiea 
Zustand,  und  die  Heiinng  erfodert  einen  bis  drei  Tage.  Bei  den 
von  mir  behandelten  Fiebern  war  danii  auch,  mit  der  vollkomm- 
nen  Rückkehr  des  Verstandes  die  Heilung  der  ganzen  Krankheit 
vollendet.  Es  hat  mir,  da  ich  zuerst  den  Zink  als  Gebirnmillel 
kennen  lernte,   grofsea  VergnQgeD  gemacht,   den  tollenden  Kran- 


~    S99    — 

ksB  Bnir^aR  inoerhstb  Tiemndxwanri;  Stnodea  wieder  mm  Ver- 
Maiide  XV  bringen,  \nchilein  ich  diesn  aber  «fi  geeehcn,  hat  m 
4ea  Reia  der  Neaheit,  des  Wanderbaren  aad  UeberraBchendeo  ver- 
loren, nnd  teitdem  koninit  ea  mir  vor,  als  mfiue  dna  lo  sein  nod 
kSnne  nicht  anders  sein. 

Der  Meiaachemaiisnina,  von  welchem  ich  jetzt  spreche,  macht, 
sich  aber  nicht  imner  auf  einerlei  Weise,  Am  öftesten  geschiehet 
die  Uebertragnng  von  dem  luerst  ergriSenen  Gehirnorgan  aaf  das 
die  DenkJcraft  bedingende  langsam ,  in  dem  nabeslimmbaren  Zeit- 
laane  mehrer  Tage,  auf  dem  Wege  der  Mitleidenheit.  AnfUng- 
lich  ist  das  Denknrgan  blofs  raitleid«ad  ergtiffen,  nach  nnd  nach 
wird  das  Mitleiden  anm  wirklichen  Urleiden,  und  das  Urleiden 
des  ineni  ergriffenen  Gehimorganes  wird  immer  dunkler  nnd  ver- 
Kchwindet.snlelxt  ganx.  Wtihrend  die  Nainr  in  dieser  Operation 
begriffen ,  kann  man  mit  Zink  den  phantasirenden  Kranken  nicht 
blofs  verständig ,  sondern  anscheinend  gani  gesond  machen.  Hat 
aber  in  diesem  Falle  noch  kein  echter,  vollkommner  Metascfae- 
matismns  anf  das  Denkorgan  Statt  gefunden,  sondern  blofs  ein  nn- 
Tollkommncr,  sweidentiger,  das  beifst,  ist  die  Krankheit  nicht  gaoK 
nnd  gar  von  dem  nrergriffenen  auf  das  Uenkorgan  übertragen,  so, 
dafs  das  erstergriffene  gani  gesnnd  ist,  so  kann  man  den  Vor* 
dmfa  haben,  den  vermeintlich  vollkommen  geheilten  Kranken  nadi 
mehren  Tagen  wieder  in  die  erste  Krankheit  surDckfallen  n  se- 
hen. Er  Ringi  wieder  an  3ber  Kopfitchmera  ab  klagen,  über  Taa- 
mel,  sein  Puls  bescfalennigt  sich  wieder  n.  n.  w.  Wird  man  als» 
an  einem  Kranken  gerufen,  in  dessen  Kopfe  dia  Natur  jene  lang- 
aame  Krankheilaübertragnng  auf  das  Denkorgan  sa  macheo  im  Be- 
griffe iat,  so  ist  ess  weit  besser,  das  Klgenmiltel  auf  das  im  ersten 
Zeitranme  ergrifl^ne  Organ  so  lange.su  geben,  bis  die  Xaturjene 
Operation  wahrscheinlich  ganz  vollendet  hat,  nnd  dann  durch  Zink 
das  Denkorgan  zum  Normalstande  zurück  sa  führen;  es  ist  bes- 
aer>  sage  ich,  so  zu  handeln,  als  durch  nnzeitigon  Gebrauch  des 
Zinks  jene  geheimnifsvolle  Naturoperation  zn  stören,  und  den  ver- 
meintlich geheilten  Kranken  einem  verdriefalichen  und  gefährlichen 
Rfiokfalle  blofszn stellen. 

Der  Leser  könnte  aber  denken,  in  solchen  zweideniigen  FSl- 
len  würde  eine  Verbindung  des  Zinks  mit  dem  Eigenheilmittel  anf 
das  urergriffene  Organ  heilsam  sein.  Aaf  den  Gedanken  bin  ich 
anch  gekommen,  habe  aber  bis  jeiat  keinen  Vortheil  von  solcher 
Verbindung  gesehen.  Sollte  je  ein  Arzt  Ähnliche  Fieber  zn  hei- 
len haben,  so  kann  ich  ihm  aber  nicht  abraihen,  eine  solche  Ver- 
bindang  in  jenem  zwetdeaiigen  Zustande  zn  versachen.  Theila 
meine  Abneigung  gegen  Verbindung  kräftiger  Heilmittel,  theils 
die,  gerade  ans  dieser  Abneigung  hervorgehende  GeringzKhIigkeit 
nciaet  Vennche,  machen  nothwendig  mein  eigenes  Urtheil  in  dio- 


wr  Sack«  HMul&ogliob.  Da  ich  «bev  hlBlftanKcb  b«i  fcwhfiatuni, 
DAineDilich  b«i  denen,  Tun  eiaaiii  Urlsidea  dn  iVurn»  GoeA'otfii  aW 
hängesdaD,-  durch  ZuaaanMeawtsfln  awai«r  vwaehierfenartigea  £^ 
{enmiiwl  einer  KrankhettHübartraguag  auf  Laber  oder  Atib  xavor« 
gekommen  bin;  so  ist  es  möglich,  dafs  sich  diesea  auch  bei  des 
Gabirnfiebern  ia  den  Gebiruor^BMi  bewarkatel Eigen  Ififat.  Mit 
Gewifsbeit  läftit  aioh  über  solche  dunkle  Uio^  Bichi«  lagcB. 

Wenn  ich  aber  oben  bemerkt,  dab  ich  den  Metaichemati»« 
laua,  eotweder  vollendet,  oder  im  Werden  bcgrifieo«  torzüglieh  bei 
solchen  gefunden,  >u  denen  ich  erat  iiu  ipSteren  ZeiiraunM  der 
Krankheit  gerufen  wetden,  bo  inufa  ick  aU  Fieaud  in  Wahrheit, 
«1a  Feind  aHer  Prahlerei  geatehen,  dafaia  einselaea,  jedooh  arb»- 
nea  Fülle«,  «ueh  bei  aulehcn,  dAnen  ich  vom  Anfang«  an  daa  Heil- 
Mittel  aat  daa  urerkraakle  Organ  gegeben,  Jeae  fiiraBkbeätaitbei- 
iragung  «af  daa  Oenkorgan  eiagelreien  iaa.  Waniln  i  daa  tiab* 
iek  nicht  erfunden  kdaaen,  aondern  mich  b^nügen  n)fisaen^*-delb 
irren  Kranken  durch  Zink  wieder  veraläadig  und  geaand  au  aut' 
eben.  £b  ia(  aiSglich ,  dafa  die  Falgeaeit  mir  a««b  manehea  er- 
•ikUrea  wird,  waa  nir  jetst  dukel  iai:  ea  iai  aber  aaok  nSg- 
licU,  daia  ich,  da  ick  schoa  zn  den  Alten  gtb&vt,  keine  Aufklä- 
mag  wehr  von  der  Zeit  erhalle;  welches  denn  «neb  gtit  iat. 

Daa  iat  nua  allea,  was  ich  von  der  dusch  Miileideaheäl  aich 
laogMHn  uiacheoden  Krankheitanbertragnng  au  aagen  Weib.  Ea 
gibt  aber  auch  eine«  plotidich  eaiaiebandan  Metaaeben&tlsiuaa,  der 
jedoch  aeltner  iat  ala  jeoar.  Man  kann  keine  andre  Beaohreibusg 
Tpn  dieaer  Xaluroperation  geben,  als  dafa  der  Kranke,  der  eili*  - 
che  Tage  über  die  gewöhalichen  ZufKlIe  dea  »niea  Zaiiraumea 
der  Gehirnfieber  geklagt,  auf  ein  Mahl  und  gaoa  ungewamt  ent- 
weder Rebla&Schlig  wie  ein  A pople ktiach er,  oder  toll  wie  ein  Ma- 
oiakoB  wird.  Eritea  habe  ich  jedoch  nie  in  den  beachriebenen 
reinen  Gehirofiebera ,  aondcm  in  den  aogenanalea  nervÜaan  anre- 
gelmSfaigen  Weohaelfiebera  beobachtet,  sonderlich  hei  dem,  wal- 
ehea  im  Spätsommer  des  Jahres  1831  hier  und  in  der  Uotgegand, 
an  Rhein  und  Maaa,  hüufig  verkam  and  in  siemlichem  Grade  u»- 
ateckend  war.  E^  war  ofTenbter  eine  Verbindung  dea  den  gameo 
Sommer  durch  nnglanblieh  häufig  TOrkeMtuendeD  WechBe}fiebert 
mit  dem  im  Spfitaoaamer  entstehenden  Gehirafteber.  Dea  plMüi- 
oben  Uelaachematismna  auf  das  Denkoi^n,  der  sich  nicht  aU 
Sohiafsuoht,  aondern  als  Irraino  offenbaret,  habe  iofa  bei  den  ein- 
fachen Gehireiebafn  iwar  nickt  häufig,  aber  doch  eiaaeln  von 
Zeit  zn  Zeit  beobacblet,  nnd  in  diesem  Falle  nicht  blofs  das  Denk- 
Ofg««  durch  Zink  zum  Normalaiande  anrOckgefühH,  sondern  nach 
augleich  die  ganae  Krankheit  geheilt. 

Einen  selMamen  Fall  der  Art  erlebte  ich  n  der  Zeit,  da  das 
nM«r  der   Heilgewalt   d«a   Tabaka   stehend«  Fieber  h«ri««hl«,    ia 


-     561    — 

rf*r  geringen  Völksklass«.  Ein  Mana  Ton  initilen  Jahren,  nach 
Angabe  Reiner  Ehefnin,  seit  vier  Tagen  mit  einem  heifBeD  Fieber 
behaftet ,  welches  sich  durch  ausgezeichnet  starken  Kopfachmerx 
und  durch  die  gewöhnlichen  Fieberzutdlle  offeqbaret,  wird  am 
f&nfteo  Tage  auf  ein  Mahi  toll,  und  man  rnft  mich  am  sechsten  sii 
Rnlfe.  Ich  fand  den  Kranken  vollkommen  wahnsinnig,  mit  einer 
aBaufhörlichen  \eigung  das  Bett  zu  verlassen.  Sein  Wahnsinn 
war  aber  nicht  bitsartiger  Katar;  er  kannte  mich  gut,  versprach 
auch,  die  Arzenei  richtig  einsunehmen,  ja  er  vermafs  sich,  alle 
Arxenei,  selbst  die  garsiigsie  nehmen  zn  können.  Sein  l'uls  war 
schnell  und  ingfsig  voll,  -seine  Zunge  hatte  einen  leichlen  weifsen 
Anflug,  sein  Gesicht  war  blafs,  er  hatte  aber,  nach  Aussage  sei- 
ner Frau,  im  gesunden  Zustande  auch  keine  Röthe.  (Jchrigens 
konnte  ich  von  der  Frau  wenig  Aufklärendes  und  von  ihm  selbst, 
begreiflich,  gar  nichts  erfahren.  Da  ich  nun  aber  einen  solch  plSixIi- 
chen  M et a Schematismus  auf  das  Uenkorgan,  bei  seiner  verhtilrnifs- 
mSfsigen  Seltenheit,  oft  genug  erlebt  halle,  um  in  gegenwärtigem 
Falle  den  Zustand  richtig  zn  beuriheilen,  so  verschrieb  ich  zwei 
Drachmen  Zink,  liefa  selbige  mit  einer  Unze  Arebisches  Gummi 
itr  acht  Unzen  Wasser  auflösen,  und  davon  dem  Kranken  stünd- 
lich einen  Löflfel  voll  reichen. 

Am  folgenden  Tage,  vierundzwanzrg  Stunden  nuch  dem  ersten 
Besuche ,  fand  ich  den  Kranken  schlafend ;  ich  weckte  ihn ,  und 
überzengle  mich,  dafs  der  Irrsinn  gehoben,  einer  SchlaFirunkenheit 
Plaiz  gemacht,  und  das  Fieber  schon  über  die  H&lfie  nachgelas- 
sen. Ich  liefs  die  nKmliche  Arzenei  wiedeiholen  und  stündlich 
forigebraucben. 

Am  folgenden  Tage,  also  e cht» nd vierzig  Stunden  nach  mei- 
nem ersten  Besuche,  war  der  Krank«  vom  Irrsinn,  Schlafsucht 
und  Fieber  frei.  Jetzt  liefs  ich  blofs  zur  Vorsicht  noch  eine  drit- 
te Portion  Arzenei  holen ,  von  selbiger  aber  nur  alle  zwei  Stun- 
den einen  Löffel  voll  nehmen. 

Da  mir  die  erzählte  Wirkung  des  Zinks  damahls  schon  lang« 
nicht  mehr  Den  war,  so  halte  aoch  dieser  Fall  für  mich  keine  be- 
sondere MerkwSrdigkeit,  er  bekam  sie  aber  hinten  nach. 

Indem  ich  eines  Tages  ans  dem  Hause  ging,  sprachen  mich 
ein  paar  Einwohner  desselben  an  und  (heilten  mir  folgende  sell- 
sdme  Nachricht  mit.  Der  Mann ,  den  ich  jetzt  geheilet ,  lebe  in 
«Iner  unglücklichen  Ehe,  die  Frao  sei  zänkisch  und  boshaft.  Sie 
habe  in  den  «vien  vier  Tagen,  ol^Ieich  der  Mann  sehr  krank  ge- 
wesen und  sie  die  Arzenei  von  der  Stadt  nnenigeltlicb  bekomme, 
absichtlich  keine  Hülfe  gesucht,  in  der  Hoffnung,  das  lieber  wer- 
de ihn  tödten.  Der  plötzlich  entstandene  hefiige  Wahnsinn,  der 
ihr  selbst  sehr  lästig  gewesen,  nnd  die  mifsbill  igen  den  Urlheile 
dut  Mkbewohoer  des  Hauses  haben  sie  endlich  bestimmt,    meine 


HiilTe  in  lacfa».  Nan  habe  sie  ahm,  in  d«r  Meinon^,  nao  kft>- 
tifi  einen  Krnnken  dadurch  tBdten,  dafa  man  ihm  die  Anenei  in 
drei-  oder  viermalil  grSfserer  (iabe  reiche,  ala  die  Vorschrift  de« 
Arzlea  es  heaa^e,  ihrem  wahniinitigeti,  aber  binaiehllicb  det  Ein- 
nehmena  sehr  gefHlIigen  Manne  die  verordnete  Araenei  nicht  nach 
VoTBobrift  siöndlich,  aondern  so  schnell  hintereinander  iüffalweiae 
gereicht,  dafs  der  für  vieru  ad  zwanzig  Stunden  Teracbriebene  Trank 
in  gar  kurier  Zeit  verbrnnchi  worden  aei.  (In  wie  karaer  Zeit, 
konnten  aie  mir  nicht  genau  angeben.)  Die  Wirkung  derArienei 
habe,  wie  man  ans  den  Aenfserungen  der  Frau  wahrgenommen,  ihr 
aofllnglieb  grofse  Hoffnung  gegeben,  dafs  ihre  bSaa  Absicht  gelin- 
gMi  werde,  denn  der  Mann  sei  ans  dem  unruhigen  Wahnsinn  in 
einen  tiefen,  sehr  liefen  Schlaf  gefallen.  Am  folgenden  Tage  ha- 
be sich  aber  gezeigt,  daft  dieser  tiefe  Sohlaf  nicht  der  Vorboihe 
dtfs  Todes,  sondern  der  Genesung  gewesen. 

Ich  habe  diesen  Fall  deshalb  znr  Mittheilung  auagewfihlt,  weil 
er  manchem  Ante  bei  Verschreibang  stark  wirkender,  feindlicher 
Mitlei  zur  nütsiicben  Warnung  dienen  kann. 

Der  Zink  macbi,  auch  in  der  oben  angegebenen  mSfsigen  Ga- 
be gebraucht,  bei  Beschwichtigung  des  Irrsinnes  mebremheils  ei- 
nen ruhigen  Schlaf;  ich  rathe  aber  meinen  Lesern,  beim  ersten 
eintreten  dieses  Schlafes  nicht  zu  denken,  nun  sei  die  Sache  ab- 
geihan,  denn  wenn  sie  den  Kranken  mehre  Stunden  schlafen  las- 
sen, kSnnen  sie  zu  ihrem  Verdrusse  sehen,  dafs  er  eben  so  när- 
risch wieder  aufwacht  als  er  eingeschlafen  ist.  Man  mnU  den 
Zink  Tielmehr  slfindlich  reichen  nnd  den  Schlafenden  zum  Einneh- 
men aufwecken;  nur  dann,  wenn  man  siebet,  dafs  er,  ron  aelbsl 
aufwachend,  verslindig  ist,  nur  dann  darf  man  denken,  dafs  der 
Zink  seine  Heilwirkung  vollbracbt.  Aber  andi  jetzt  wfirdeesnn* 
weise  sein,  ihn  ganz  bei  Seite  zu  setsen ;  man  raufs  ihn  vielmehr 
in  geringeren  Gaben,  oder  in  längeren  Zwiacbenrftumen  noch  ein 
paar  Tage  fortgebrauehen  lassen.  . 

In  icblafnüchtigen  ZuHillen,  in  welche  akute  Gehimleiden  auch 
leicht  fibergehen ,  welche  aber  mit  dem  Irresein  nahe  verwandt, 
Jn  selbst  selten  ohne  diese  sind,  habe  ich  den  Zink  auch  als  Heil- 
mittel erkannt.  Bei  seinem  Gebranche  erwacht  der  scfalafsücblige 
Kranke,  wenn  der  Zink  seine  Heilwirkung  voUbmcht,  von  sdbat 
Jedoch  siebet  man  bei  dem  atQndlicben  Erwecken ,  welches  man 
rfes  Einnehmens  wegen  thnn  mufii,  die  GeisteakrHft«  schon  nach 
nnd  nach  zum  Normalstande  zurückkehren ,  eb*  das  Selbslerwa- 
chen,  welches  dm  Anfang  der  wirkliehea  Heilung  beseiobn«, 
eintritt.  Auch  hier  ist  es,  wie  beim  Irrereden,  der  Vorsieht  ge- 
mafs,  den  Zink  beim  Eintritt  der  Genesung  noch  etliche  Tage  Un- 
gar gebrauchen  zu  Iais«i.' 

httt  rauft  ich  als  ein   treuer  [»rakiücher  SofariAsteUM  An«h 


—    563    — 

fncliMm  bmten  Winen   von  den  HindernifliMi  reilcii,    di«  dftr  c»- 
|>bRli«ctiMi  Heilwirkung  das  Zinks  in  den  W«g  traten. 

Gchirnleiden  machen  leicht  conseniMelle  Baucfaleiden;  das  ist 
b^Rnnt.  Meine  eigene  Erfahning  lehrt  mich,  daff  Magen  Dsr- 
nu  und  Leber  weit  öfter  ergriffen  werden ,  nU  Milx  oder  Pan- 
kreas, oder  iVieren,  wiewol  ich  im  Jahre  1831  die  Milz  auch  bSu- 
fig  ergriffen  geaehea.  Gegen  diese  contensueiien  Affekiionen  habe 
ich  bei  vorher  bngekrftnkien  Kßrpern  keine  besondere  Mittel  n». 
•Wg  gehabt.  Bei  solchen  aber,  in  denen  frühere  Baacbleiden  durch 
eonsensoeire  Affekiion  aafgerührt  wurden,  habe  ich  gefunden  dnft 
das  Heilinitiel  auf  das  .  anfänglich  erkrankte  Gehirnorgan  allein 
nicht  im  Stande  war,  die  Krankheit  im  ersten  Sfadio  an  beben 
diese  ging  vielmehr  in  das  sweite  durch  ASekiion  de«  Denkor- 
gans  bezeichnete  über;  ja  ich  habe  aueh  gefaoden,  dals,  wenn  das 
Baucfaleiden  ernsthaft  war,  dieses  zum  wirklichen  Utieiden  wurde 
nad  das  Delirinni  als  eonsensaelle  Gehirnaffektioa  nnlerbielt  al- 
so, dafs  ein  dem  anfänglichen  VerbSlinissa  gans  entgegengeteu- 
tes  X wischen  dem  Ranch organe  und  dem  Denkorgane  enuiaad. 
Dnfe  dieses  so  und  nicht  anders  sei,  siJiliefse  ich  daraus,  weil  ich 
in  solchen  Fällen  den  Zink  ganz  rergebena  gegen  das  Irrereden 
angewendet,  und  weil  dieses  susammt  der  ganzen  Krankheit  ein- 
zig dem  geeigneten  Bauchmitlel  wich.  . 

Warum  sich  dieses  aber  zo  mache,  mSchle  übel  zu  erklären 
sein;  es  ist  genng,  dafs  man  weifs,  es  kann  so  geschehen  und 
gescbiehet  wirklich  also  in  der  Natur.  Dieses  Wissen  bestimmt 
nns  zum  wenigsten,  unsere  Aufmerksamkeit  bei  Behandlung  sol- 
cher Krankheiieo  auf  diesen  Gegenstand  zu  lenken,  und  befähiget 
nns,  dem  Kranken  zu  helfes,  indefs  einseitige  Aiuichten  uns  cum 
Helfen  ganz  ungeschickt  machen. 

Meinen  jüngeren,  in  dieser  Sache  noch  wenig  geüblen  Amts- 
brüdern, will  ich  aber  nicht  bergen,  dals  solche  Versetzung  des 
Urleidens  von  einem  Oi^ane  anf  das  andere,  und  solche  Rollen- 
Bmtnnscbung  der  Organe  unter  einander,  in  manchen  Fällen  schwer 
zu  erkennen  ist.  Z.  B.  die  znm  Urleiden  gewordene  consensuelle 
Leberaffekiiun,  (wenn  der  Wahnsina  des  Kranken  uns  der  Erfra- 
gnng  desselben  beranbt,  nns  nichts  überbleibt  als  die  Ansfraguog 
der  Freunde  nnd  wenige  sinnlich  erkennbare,  aber  auch  leicht  viel- 
artig an  deutende  Zufälle)  setzt  uns,  wollen  wir  nicht  blofs  Be- 
handler, toodern  Heiler  sein,  in  eine  gar  seltsame  Lage,  In  ei- 
nigen Fftllen  bat  mich  die  gelbe  Gesichtsfarbe  des  Kranken  gelei- 
tet, in  andera  die  gelbe  Farbe  des  Urins  (welches  Zeichen  aber 
unter  den  nnsieheren  das  unsicherste  ist),  in  andern  Fallen  di« 
granliebe  Farbe  des  Oarmkothet  bei  weifser  GesichlsfWrbe ,  nnd 
abermnhis  in  andern  Flllen  habe  ich  die  Arzeneien  als  Erken-^ 
Dungtmittal  (BemgmtittJ  g^aneben  uüsseo.    So  kann  man  a.  B. 


-    564    — 

durch  das  E'imd  «rkeancD,  ob  die  abgmionderte  Galle  eigenaofaafl- 
lich  normnl  sei.  lat  sie  dieaea,  ao  färbt  der  ionerlicb  gebraucht« 
Liquor  »lypticu»  den  Darinkoth  itohlschwarz,"  im  enlgegeDgeietz- 
leD  Falle  aber  grau,  oder  schwarzgran.  Weil  Rber  dies«  atarli« 
Eisenpräparat  bei  weiieni  nicht  in  allen  Ftlilen  anwendbar  ist,  ao 
kaiiD  man  sieh  besser  des  rothen  peroxydirten  Kiaena  zu  zwei 
Drachmen  ia  TierundzwaaKig  'Stunden  bedienen.  Dieses  färbt  ia- 
nerhalb  zwei,  h&chsteDs  drei  Tage  den  Darmkoih  kasl  an  je  abrann, 
wena  die  abgesonderte  Galle  quatitate  normal  ist :  im  Gegentfaeil 
bleibt  er  hellgelb,  oder  bunifarbig,  roth  und  grau  gemischt. 

Auch  die  atmosphärische  Lgft  ist  als  Reagens  zu  gebrauchen. 
W«ttn  die  gelben  oder  braunen  Exkremente,  der  Luft  ausgesetzt, 
innerhalb  eines  Tages  an  ihrer  Oberfläche  mehr  oder  mindt^r  graa- 
licht  werden ,  so  kann  man  ziemlich  sicher  sein ,  dab  die  Galle 
aigenschafilich  abnorm,  mitbin  das  absondernde  Organ  krank  sei, 
denn  die  Exkremente  des  vollkommen  lebergesonden  Menschen 
werden  nicht  hell-,  sondera  dimkelfarbig  an  der  Luft. 

lo  Fällen,  wo  zugleich  mit  dem  Irresein  Durckfall  vorhanden 
ist,  kann  auch  der  essigsaure  Zink  als  Erkennungsmiltel  benutzt 
werden,  indem  dieser  in  den  meisten  Fällen  wul  einen  consfn- 
suellen  von  einem  Urgehirnleiden ,  in.  vielen  Fällen  einen  von  ei- 
nem Urdarnileiden  abhängenden,  aber  wahrlich  nicht  leicht  einen 
oonsenstteHen  V'On  einem  (Jrieberleldeo  abhangendeo  Duir-hfall  he- 
ben wird. 

Es  würde  den  Leser  ennüden,  -wenn  ich  jetzt  von  der  Krank- 
heilriübertrngitng  des  Gehirnleidens  auf  andre  Bnuchorgane  aus- 
führlich sprechen  wollte,  blofs  von  dem  Meiaschematismus  der  Af- 
feklion  des  Denkorgans  auf  den  Darmkanal  sei  es  mir  Erlaubt  ein 
Wort  zu  sagen.  Dieser. Metascliematismus  ist  so  fiufserst  selten, 
dafs  ich  ihn  nur  zweimabl  in  meinem  Leben  beobachtet  habe,  und 
hier  erschien  er  unter  der  Form  des  echt  kritischen  Durchfalles, 
dai  heifst,  eines  solchen  Durcbfaltes,  der  den  Kranken  aus  dem 
gefKhrliflbstea  Krankheitsznstaade  auf  einmahl,  wie  durch  einen 
Zanber,  zur  Genesang  brachte. 

Ich  mufs  aber  vorlan&g  bemerken ,  dafs  ich  einen  Durchfall 
nicht  kritisch  nenne,  den  die  Natur  zaweilen,  und  eben  nicht  sel- 
ten hervorbringt  bei  vernachlässigter  Ausleerong  oder  Nentralisi- 
mag  der  Darmschärfe,  die  entweder  durch  krankhafte  Affeklion 
eines  Banchorgana  erzeugt,  oder  durch  schlecht  geordnete  Difil, 
oder  durch  den  anhaltenden  Gebrancfa  verairopler,  gahreoder  Arze- 
Deieo  Bchnlrecht  gemacht  ist.  Die  chemisch  abnormen  SloflFe  er- 
regen, wenn  ihre  Schärfe  bis  auf  einen  gewisaeo  Grad  gekom- 
men, einen  Durchfall,  der  begreiflich  dem  Kranken  gut  ihnn,  und 
das  durch'  den  Reiz  dieser  DarmschBrfe  gesteigerte  Fieber  rnftfai- 
gen  mufs.     Eigentliche  vollkouimne  Heilung  iah  ich  «bor  noch  nie 


-    565    - 

daäarcb  bewirkt.  Danitn  mag  ich  ati«h  nicht  lei<l«a,  dafi  tnoR 
dicsffit  lind  einen  anderen  Durchfall,  welcher  xaweilen  io  m&fiigem 
Grade  gleich  nach  der  Beendigang  akuter  Fieber  eintritt,  kritisch 
nennet,  denn  der  wirklich  kntische  i§t  wahrlich  ein  ganr.  ände- 
ret Ding. 

Im  Jahre  1  $09,  da  der  xu  erzithlende  Fall  ait^  sninig,  hemch- 
len  hier  itn  Lande  ansteckende  Fieber,  deren  nimmer  verlöschen- 
der Herd  die  FranzSaischen  Gefängnisse  waren.  Ich  nannle  lie, 
nach  dumahls  hergebrachter  Sitte,  Nervenfieher ,  koimle  sie  wo) 
bebandlen,  aber  nicht  heilen.  In  der  Stadl  Gelder»  starben  daran 
in  ganx  kurzer  Zeit  der  Maire,  sein  Adjunct  und  der  Pfarrer  der 
katholisL'hen  Kirche;  diese  Todesralle  machten  einen  solchen  Lärm 
im  Lande  and  in  der  angrenzenden  Provinz  der  Niederlande,  dafs 
die  MedizinalbehSrde  xu  Arnkeim  mir  einen  besonderen  Boihen 
schickte,  am  sich  nach  .diesem  Ungethnmei  zu  erkundigen.  Aus* 
leerende  Mittel'  und  Blutverlust  verschlimmerten  augenscheinlich 
dieses  Fieber.  Alle  geistige  und  andre  exzitrrende  Mittel  machten 
es  ebenfalls  schlimmer.  Fixa  roborantia  und  Schwefelsfiure  tha- 
teil  auch  nicht  gnt,  sie  machten  den  Puls  in  den  meisten  Fällen 
inleiroittirend.  Da  ich  damahl«  Bezirkmrcl  fiir  die  Epidemien  war, 
batie  iob  in  dem  weiilfiuftigen  Clevischen  Beairke  genugsam  Ge- 
legenheit, mich  von  der  Sch&dlichkett  dieser  verschiedenartigen 
Mittel  lu  überzeugen,  -ohne  gerade  selbst  Versuche  zu  machen. 
Dieses  Fieber,  welches,  sieb  selbst  überlassen,  bei  weitem  so  end- 
los nicht  war,  als  die  oben  beachri ebenen,  ging  leicht,  auch  ohne 
von  Arzenei  gesi5rel  zu  sein,  in  des  Zustand  des  Irreseins  und  der 
Schlafsucht  übsr.  Durchlanf  ging  diesem  (Jebergnnge  vorher;  weit 
entfernt  also,  düfs  der  Dnrcblauf  heilsam  gewesen  wäre,  erfolgte 
vielmehr  hei  seinem  Erscheinen  die  Verschlimmerang  der  Krank- 
heit. DainahU,  noch  uneingeweiht  in  solche  Heimlichkeiten  der 
Natur,  die  idi  jetzt  kenne,  war  ich  schon,  als.  Zweifler  an  der 
Mächtigkeit  der  schulgerechten  Heilkunsl,  klug  genug,  den  Kran- 
ken nicht  mit  feindlichen  Mitteln  zu  bestünnrn.  Ich  beschrünkle 
mich  darauf,  etwas  Kampher  zu  reichen  (einen  Skrupel  in  vierund- 
zwanxig  Stunden)  und  den  Durchlauf  mit  Krebsslei npiilver  und  ara- 
bischem Gummi  xu  mSfaigen.  Heilen  konnte  ich  mit  dienen  Mit- 
teln die  Krankheit  nicht,  aber  ich  siörfe  ihren  Verlauf  nicht;  und 
konnte  ich  sie  auch  nicht  merklich  abkürzen,  so  hatte  ich  doch 
die  kleine  Genuglhnung ,  zu  sehen,  dafs  weniger  Menschen  bei 
dieser  Behandlung  starben  als  bei  jeder  anderen  zu  meiner  Kunde 
gekommenen.  Ja,  selbst  von  denen,  die  sich  ganz  der  Nator  über- 
liefsen,.  starben  weit  mehr;  in  welchem  Punkte  ich  mich  n'\^tH 
tauschen  konnte ,  da  ich  als  fiexirksarxt  Gelegenheit  hatte ,  mich 
bei  den  Geistlichen  an  verschiedenea  Orten  nach  d^;  filerblichkeil 
der,  der  blofsen  \aturhiUfe  Ueberlssseoen  zu  e/kundigeo.     Dieseq 


—    566    — 

Untcnehled  Mhrilbfl  !eh  aber  nicht  anf  die  Hetlwtrkoag  in  Kam- 
pben,  •ondflra  auf  den  Unterschied  der  DiBt.  Durch  Verneidaiig 
aller  laureii  and  gSbrendea  Speisen  und  Getrttnke,  durch  Vertnw- 
dung  aller  Sirope,  ^enen  ich  damahls  achon  iKngit  als  unouts» 
und  ichidlichen  ArzeneiTertüfgungea  den  Abschied  gegeben*  blieb 
in  Tiefen  Ffillen  der  Durchlauf  gan>  aus  nad  die  Krankheit  Ter- 
lief  viel  milder;  wenn  er  aber  auch  nicht  ganx  auiblieb,  wurtl* 
er  doch  nicht  so  erschöpfend  als  bei  einer  ungeregelteD  Diäl.  Der 
gemeine  Mann  hingegen,  der  «ich  in  verschiedenen  Gegenden  gaas 
der  Natur  überliels,  afs  dai,  woxu  er  Last  haue,  und  dessen  er 
habhaft  worden  kannte:  gekoohie  Buiterniilch  mit  schwariem  Si- 
rop,  Milch  mit  Mehl  und  Bier  gekocht,  Mehlbrei,  Biersuppe  mit 
Schwarxbroi  gekocht,  katz,  solche  Dinge,  die  in  manchen  gesun- 
den, etwas  reixbaren  Därmen  schon  flüssigen  Stuhlgang  bewirken. 
Dadurch  erregle  er  be'»>  jenem  Fieber  den  Durchlauf,  und  raadtte 
den  rorhandenen  sum  erschöpfenden.  Diesem  Unterschiede  in  der 
Difit  schreibe  ich  einzig  den  Unterschied  der   Sterblichkeit  zu. 

Nun,  in  jener  Zeit  hatte  ich  hier  im  Orte  einen  jungen,  de» 
Branntwein  schon -lange  ergebenen  Mann  an  diesem  Fieber  lu  be- 
handeln. Er  bekam  früh  den  Durchlauf,  und  fiel,  wie  es  bei  den 
Fieber  gewöhnlich  war,  in  den  Znstand  des  Irreseins.  Den  Dur<^ 
lauf  müfsigie  ich  Ewar  dadurch,  dafs  ich  etwas  Krebsateinpulyer 
KU  dein  schleimigen  Kamphertrank  selxie,  er  liefs  in  dem  Zeiirau- 
me  eiiicher  Tage  ganz  nach;  allein  die  Krankheil,  einmahl  in  daa 
Stadium  des-  Irreseins  übergegangen,  stieg  doch  von  Tage  in  Ta- 
ge. Der  Kranke  wurde  bald  gaox  besinnungslos,  seine  Zunge  trek- 
ken  und  borkig,  sein  Puls  klein  und  sehr  schnell,  das  Sebneo- 
■pringen  so  stark,  dafs  man  kaum  den  fadenartigen  Puls  davor 
fühlen  konnte,  der  Körper  rutschte  su  dem  Fufsende  des  Beiles; 
kors,  die  Umstfinde  waren  so,  dafs  ich  seine  Genesung  awar  nicht 
für  anmögtich,  aber  doch  für  sehr  iweifelbaft  halten  ronfste.  Da 
nun  die  Krankheit  aaf  das  Höchste  gestiegen,  und  die  Hoffnung 
in  dem  Hetzen  der  Freunde  des  Leiders  fasi  ganz  erloschen  war, 
kamen  sie  mich  eines  Morgen«  rufen,  sagend,  der  Kranke  habe 
die  Nacht  einen  furcblbareo  Durchfall  bekonunen,  und  es  scheine 
ihnen,  er  liege  in  den  leisten  Zfigen;  sie  wSnschlen  sehr,  ineio 
Unheil  darüber  xu  hören  und  .ob  ich  vielleicht  in  diesen  vcrxwei- 
feilen  Zustande  noch  Ratb  wisse. 

Ich  fand  nun  den  Kranken  in  folgender  Lage:  der  plöixlich 
entstandene  Durchfall  war  so  unglaublich  heftig  gewesen,  dafs  der 
wtsserige  Abgang,  nicht  blofs  durch  das  Bett,  sondern  auch  durch 
de':>  Slrohsack  gedrungen,  auf  dem  Boden  unter  der  Betlaielle  ber- 
trieb. Grofsen  Gestank  konnte  ich  nicht  gewahr  werden.  Auf  den 
ersten  Anbii'v.'s  sollte  man  den  ganx  besinnungslosen  Kranken  wiik- 
lieh   für   einen  Sterhendeo  gehalten  hidten;    da  ich  aber  den  Pnk 


—    567    - 

nuMnncbte,  luvrklfl  ich,  inSn  dieser  etWM  langiiam«r  anit  nnver* 
kenabv  voller  und  kräftiger  geworden  war,  auch  hatte  daa  Seh- 
Denipriogen  fast  ganz  aufgehört.  Ohne  ebea  die  Genesung  be- 
siiinml  rerbOrgen  xo  können ,  gab  ich  doch  den  Freunden  einige 
Hoflnnag,  and.  weil  ich  nun  %u  ihrer  Bembignng  etwas  Anenei- 
artiges  rathen  assbie,.  hieb  ich  sie,  deni  Kranken  stündlich  fSnf 
Tropfen  Li^tur  mnodynM»  B.  mit  einem  Löffel  voll  Wasser  ge- 
nsischt  reichen.  Dadurch  nalerstSlxte  ich  diese  Nainroperalion  weit 
eher  als  dafs  ich  sie  geslöret  hfttte. 

Gegen  Ahend,  da  mich  die  \engierde  wieder  hintrieh,  war 
schon  die  BcdenluDg  dieser  gewaltsamen  \atiiroperation  ganz  au- 
frfer  allen  Zweifel  gestellt.  Die  OesehwindigkeiidM  Pultes  hatte 
nech  mehr  abgenommen ,  and  er  war  noch  voller  nod  krfifiiger 
als  am  Morgen.  Der  Durchfall  wShrte  noch  immer,  aber  er  war 
nicht  mehr  atürmisch,  sondern  sehr  mäfsig.  Die  BesinnnBgslosig- 
keit  hatte  naofagelassen ,  nnd  obgleich  der  Kranke  aus  Schwach- 
heit .  noch  nicht  sprechen  kannte ,  gab  «r  doch  durch  Zeicbea  zu 
erkennen,  dafs  er  reratehe,  was  man  ihm  sage.  Mund  und  Zunge 
hatten  sich  an  diesem  Tage  rollkommaii  gereinigei.  Am  folgen- 
den Morgen  hatte  der  Darcbfall  ganz  aufgehört  nnd  die  Krank- 
heit war  gehoben;  denn  anfaer  grofser  Schwachheit,  konnte  ich 
oiebis  Krankhaftes  mehr  erkennen. 

Ich  wiirde  geglaubt  haben ,  ganz  g^ea  die  Achtung  zu  feh- 
len} welche  ich  vor  unserer  groben  Lehrmaislerinn,  der  Natur  he- 
ge, wenn  ich,  um  in  den  Augen  der  EUnfBltigen  meiner  Knnat  die 
UeiluDg  zazueigenen,  dem  Kranken  jetzt  noch  Arzenei  hSiie  rei- 
ehen  wollen.  Ich  rietfa  ihm,  gleich  einem  jungen  Kinde  Milch 
u  trinken,  und  Weifsbrot  mit  Milch  zu  easeu ;  dadurch  bekam  er 
«oglBabli^  schnell  die  verlorenen  KrHfte  wieder. 

Bei  der  ganz  unverkennbaren  Neigung,  welche  die  scbulge- 
rechlen  Aerxte  von  jeher  gehabt  haben,  die  Natur  in  ihren  feind- 
liofaeD  Hüloperatioiien  nachznahmen,  nnd  ihre  milden,  frenndlt- 
chen,  direkten  Heilungen  als  der  Nacbahmnag  gana  unwürdig  au- 
iMVt  Acht  zn  lassen ,  glaube  icb  doch  kaum ,  dafa  unter  huuHeri 
Aerxten  sich  ein  einziger  finden  wnrde,  der  in  einem  Ähnlichen 
Falle  durch  drastische  Porgaaien  eine  solche  aaiagonistische  Hei- 
loag  nachzuahmen  wagte. 

Ich  sehe,  wie  gesagt,  diesen  Durchfall  als  einen  echten  Me- 
taschematismHS  auf  den  Darmkanal  an.  Da£  Wie  dieser  Natur- 
•peration,  und  die  BedingungMi,  unter  welchen  sie  geschehen  kanu^ 
ist  mir  aber  dunkel,  wie  mir  überhanpt  alle  solche  plötzliche  Krank- 
-  heitsv^rseiznogen  von  einem  Organe  «if  das  andere  sehr  dunkel 
sind. 

lob  hoäe ,  jetzt  nicht  den  Namen  eines  Wirrkopfes  an  ver- 
JieD0B,  wenn  idi  von  dem  Conseos,  der  zwiieban  den  Baucborga« 


n«n  und  dem  GAhirn  hemcht,  noch  ein  Wort  r«d».  Wära  iliass 
Rede  nach  berkömnilicfaer  Weise  scliicklicher  bei  Abhandlung  der 
Bauchfieber  gewesen,  ao  ist  sie,  hier  jetzt  eingereihet,  ventändli- 
cfaer  und  nfitEÜcher. 

Ich  habe  im  Vorigen  mehre  fiauchfiebei  beschrieben,  bei  de- 
nen dos  Gehirn  leicht  in  seinem  Denkorgane  conseoauell  ergriffen 
wurde.  Bei  diesen  Fiebern  fand  aber  kein  Metaschemaiisinu*  auf 
das  Oeukorgao  Statt,  weder  ein  plötzlicher,  noch,  auf  dem  Wege 
der  Mitleidenschaft,  ein  langsam  sich  machender.  Deshalb  leiste- 
te auch  der  Zink  in  dem  Irresein  bei  diesen  Fiebern  nicht«,  gai 
nichts,  denn  es  war  echt  consensuell,  und  konnte  nnr  durch  das 
geeignete  Heilmittel  auf  das  urerk rankte  .Bauchorgan  gehoben  wer- 
den. Aus  diesen  Beobachtungen  folgt  nun  die  praktische  Wahr- 
heit, dafs  bei  Uraffekiionen  der  Bauchorgane  das  consensuelle  Er- 
gciffensein  des  Denkorganes  nicht  leicht  zum  Urleiden  des  Denk- 
organes  wird,  sondern  consensuelles  Leiden  bleibt,  und  nur  durch 
^eil^ng  des  urergriffenen  Baucfaoi^ans  zum  Normalslande  zurück- 
zuführen ist.  Wollte  ich  nun  aber  diese  praktische,  von  den  jün- 
geren Lesern  nipht  genug  zn  beherzigende  Wahrheit  zu  einem 
praktischen  Canon  erheben,  so  würde  ich  selbst  im  Irrthume  sein 
und  andre  Unerfahrene  in  die  Irre  führen.  Es  gibt  Ausnahmen 
von  der  Regel,  und  wenn  ich  diese  eben  nicht  häufig  lieobachtet 
habe,  so  ist  es  doch  nicht  unmdglich,  dafs  einst  solche  Fieber  er- 
scheinen, bei  denen  das  dos  Gewöhnliche  ist,  was  ich  bis  jetzt 
als  Ausnahme  beobachlet. 

Im  Jahre  1830  im  Herbste  habe  ich  ein  herrsehendea,  in- meh- 
ren Gemeinen  sich  stark  verbreitendes,  nicht  ohne  grofsen  Ver- 
daeht  der  Ansteckung  seiendes  Leberfieber  behandeli,  bei  dem  das 
Denkorgan  nicht  leicht  consensuell  ergriffen  wurde.  Aber  bei  ein- 
zeinen  wenigen  Menschen,  bei  denen  es  consensuell  ergriäen  wur- 
de, artete  das  consensuelle  Gehirnleiden  gar  bald  zum  Urgebira- 
leiden  aus,  ich  haMe  ei  dann  nicht  mehr  mit  einem  Leber-,  aon- 
dern  mit  einem  Gefairnfieber  zu  thun,  und  dieses  stand  unter  der 
sicheren  Heilgewalt  des  Zinks;  nicht  blofs  das  Irresein,  sondern 
die  ganze  Krankheit  wurde  durch  Zink  gehoben.  Da  es  nun  aber 
durch  Zeichen  unroöglicb  zu  erkennen  ist,  ob  der  Metascbematis- 
raus  auf  das  Gehirn  sich  vollkommen  gemacht  hat,  so  begcgneu 
es  mir,  dafs  ich  in  Einem  Falle  mit  dem  Zinke  zu  schnell  bei 
der  Hand  war.  Ich  hob  das  Irresein  und  anscheinend  die  ganz« 
Krankheit,  aber  am  dritten  Tage  des  Zinkgebrauches  wurde  der 
vermeintlich  genesene  Kranke  wieder  unwohl,  und  ich  begriff  jetzt, 
dafs  ich  es  mit  einem  anvollkommneo  Meiaschematismus  zu  ihaa 
gehabt,  griff  wieder  zum  Lebormittel,  und  der  Kranke  genas  bald, 
ohne  dafs  das  Denkorgan  weiter  affiairt  wurde,  ohne  dafs  das  Fie- 
ber wieder  überhand  nahm.     Hätte  ich  hier  bei  dem  eiatrelendcn 


-    «Kl    — 
CttwaUieia  nur  Mwu  gexandert,   anf  Am  Leberor^n  hnlend  eia- 
ntwirken,   so  wurde  auadeni  UowohlseiD,   in  ein  paar  Taren  ein 
fitriulicher  Rückfall  des  Leberfieber«  geworden  sein. 

leb  hoffe  jeut  genug  gesagt  zu  babao,  am  den  jüngeren  Le- 
iern begreifliefa  za  machen,  dafs  man  den  Zink,  wie  mftchdg  und 
unaraetziicb  er  auch  nla  Gehirnmitiel  aein  mag,  doch  nicht  blind- 
lings bei  allem  Irresein  heilend  anwenden  kZnae.  Znm  Ueber- 
Suate  bemerke  ich  aach  noch,  dafa  vom  Zinke  eben  das  gilt,  was 
ich  schon  früher,  von  allen  andern  Organmiiteln  gesagt  habe:  er 
wird  nimmer  das  erkrankte  Gehirn  gesnad  machen,  wenn  die  Krank- 
heit, sie  mag  sieh  als  Kopfschmera,  Irresein,  oder  auf  jede  andere 
Weise  Bofsern ,  eine  in  dem  Gehirne  vorwaltende  Affeklion  des  Ge- 
aammtorganiamna  ist. 

Jetzt,  da  ich  von  dem  Irrsinne  geredet,  wird  es  wo!  nicht 
ODsChicklich  sein,  dafa  ich  auch  einmahl  von  einem  seltsamen 
Zustande  Sprech«,  in  welchen  Menschen,  ohne  offenbare  Verstao- 
desverwirrnng ,  im  Anfange  oder  im  Verlaufe  akuter  Fieber  gera- 
ihen  können.  Dieser  Zustand  äufsert  sieh  auf  zweierlei  Weise; 
entweder  blofa  dadurch,  dnfs  die  Kranken,  ob  sie  gleich  nichta 
treiben  noch  ^reden ,  .was  Verstandes verwirmng  anzeigt ,-  kein  Ge- 
fnfal  ihrer  Krankheit  haben.  Bei  den  Gehirnfiebern  habe  ich  die- 
ses am  öftesten  beobachtet.  Die  Kranken  klagen  blofs  über  Mall- 
heil, und  Sachen  bei  atarkem  Fieber  nicht  das  BetI;  ja  ich  in- 
nere mich  eines  Schustergeaellen ,  der  noch  einen  gansen  Tag  ge- 
arbeitet hat,  und  wol  am  Arbeiten  länger  geblieben  aein  wilrde« 
wenn  der  Meister  ihn  nicht  nach  Hause  geschickt  hStte.  GewÖfan- 
lieh  ist  dieser  Zastand  der  Vorboihe  des  wirklichen  Irreseins, 
kann  aber,  ehe  er  darin  Übergehet,  mehre  Tage  anhalten.  Bei 
der  Genesung  erinnern  sich  die  Kranken  dessen  nicht,  was  sie  in 
diasem  Zustande  gethan  oder  geredet. 

Der  xweiie  seltsame  Zuaiand ,  den  ich  aber  nicht  hlofi  bei 
Gehirn-,  sondern  auch  bei  Banch6ebem  beobachiet,  ist  folgen- 
der: der  Kranke  fühlt  sich  von  dem  Fieber  sehr  angegriffen,  ist 
bettlägerig,  antwortet  dem  Arzte  aaf  alle  Fragen  verständig,  und 
doch  erinnert  er  sich,  nachdem  er  genesen,  nicht  des  Mindesten 
aus  diesem  Zeifraame.  Mefarmahls  haben  Fieberkranke,  die  bat 
meinem  ersten  Besuche  ganz  verständig  auf  meine  Fragen  geant- 
wortet, nicht  die  letaeste  Spur  von  Irrsinn  gezeigt  hatten,  mir 
nach  etlichen  Tagen ,  wenn  sie  besserten ,  gestanden ,  dafs  sie 
sich  neines  ersten  BesiK^ea  nnd  dessen ,  was  dabei  vorgefallen, 
durchaus  nicht  mehr  erinnerten.  Dieser  Zastand  ist  lEuweilen  der 
Vorbothe  des  Irreseins,  aber  er  ist  es  nicht  immer;  man  ßndet 
ihn  häufiger,  als  manche  Aerate,  die  auf  solche  Dinge  nicht  ach- 
ten ,   vermntben  möchten. 

,WaB   ist  nun  von  Schenkongan,  Teatamealen,    o4«r  andern 

„,,,_„,,,, Google 


ftffentlicben  UaodliiageB ,  ii«  mignt  geriehllieh  oder  noUrieU  s«i«, 
XU  lialteD,  die  der  Kranke  ia  einem  aoldien  Zu«tniule  begehet} 
Die  Rechtegelehrtea  und  gerichilichen  AerMe  köonsn  BDIworieB: 
wenn  die  Nicbierinoerung  d«uen ,  wna  man  gelkan,  einen  öBeni- 
Ijchen  Akt  ungültig,  vordächtii;  und  anfechtbar  maoben  kÄnm», 
■o  müfalen  alle  öffeniUcbe  Handinngen ,  die  «in  Mann  je  in  aei- 
ueui  Lebeo  gemacht,  nngültig,  oder  anfechlbar  werden,  sobald 
dieaer  apäterhin  lein  Ged&chlnilii  durch  Krankheit  oder  ddrcb  AI- 
IMaohwftcbe  verlöre. 

Mit  dieier  Antwort  nnfa  man  lufrieden  asia,  wiewol  ma« 
[3hlt,    dafs  aie  einen  atarken  Anflug  von  Sopbiiierei  bat. 

leb  gehe  aber  weiter,  und  frage:  wenn  jemand  seinen  Wil- 
len in  einem  solchen  körperlichen  kranken  Zustande  gericbtlioh 
oder  notariell  offenbaret,  und  er  erinnert  sieb  dessen  bei  der  tie- 
neauBg  oicbt.  allein  nicht  mehr,  sondern-  er  ftufiert  dann  einen, 
dem  gerichtlich  oder  notariell  offenbarten.,  gani  eotgegengeaetxteo 
Willen,    was  ist  dann  von  dem  Stfeatlicfaen  Akt  su  haken! 

Ein  Recbtsgelebrter ,  dem  ieb  diese  Frage  einst  voric^e,  «Bl- 
wortete  darauf  Folgendes:  Weno  die  Ver&nderong  des  Willens 
eines  Menseben  gericblliehe  oder  notarielle,  Haadlungeii,  die  er 
begangen,  ungültig  nnd  anfechtbar  machen  könnte,  so  würde  wol. 
ein  grofser  Theil  j;arichtl icher  Handlungen  ungültig  werde«,  in- 
dem der  Wille  mancher  Mensehen  sehr  TerBnderlicb  sei,  was  sie 
jetzt  wollten,  wollten  sie  über  ein  Jabr,  ja  wol  über  acht  Tag« 
nicht  mehr. 

Diese  Antwort  mag  juristiicb  sehr  verstiodig  sein,  mir  als 
Arst  war  es  aber  etwas  unverdaulicb ,  dals  man  die  Gesanden  »il 
den  Kranken  über  einen  Kamm  scheren  sollte.  Es  gibt  offeabar 
in  Fiebern ,  aofscr  dem  Irrsinoe  mit  seinen  vielfBUigeB  Scbattun* 
gen,  ein  dem  Traumleben  nab  Terwaadter,  oder  vieUwcht  mit 
ihm  eins  seiender  Zustand. 

Wollte  man  die  Aeufaernngen  eines  lebhaft  Trtfumenden  ge- 
richtlich an  Papier  bringen,  nnd  den  Erwachten  hintennacb  an- 
haben ,  daa  EU  erfüllen ,  was  er  im  Trauma  T«rsproeben ,  so  würde 
jeder  ehrliobe  Mann  behaupten,  dieses  Verfabres  sei  barer  Un- 
sinn. Aber,  werthe  Leser!  sollte  die  Gültigkeit  mancher  Testa- 
mente sich  wol  auf  etwas  besseres  als  aof  diesen  Unsinn  gründen  t 
—  leb  glanbe  aum  wenigsten,  dafs  mancher,  der  in  fieberhafter 
Krankheit  seiaen  letzten  Willen  geriebilich  ausgesagt,  künnte  er 
ans  dem  Grabe  erstehen,  gar  wanderlicbe  Augen  machen  würdet 
wenn  er  sein  Tealamrat  l8se. 

Folgender  Fall,  den  ich  vor  ungefähr  26  Jahren  erlebt,  hat 
mich  xuerat  xüm  Nachdenken  über  diesen  Gegenstand  gebracht. 

In  der  Zeit,  da  hier  xu  Lande  jene  aogenaonien  Nervenfie- 
ber  bemcbteo ,   von  denen  ich  eben  gnagt ,  dsis  ich  sie  mit  Kam- 


—    971    - 

|ib«r  bfthanddl ,  aber  g«i»da  nlAt  dank  g«b«il«t  hMle ,  ei^mokta 
•B  dieaem  Fiebei  ein«  BcboD  iltliche  Magd,  die  aich  durch  Tage- 
Iftboern  enilhite ,  w^en  ihrer  lUdliefakait  und  Vcrsifiodigkait  Toa 
mehreo  woblbabeodeo  Bürgern  geacbBrat  wnrde«  and  eia  kleinaa 
VermSgen  beaafa,  du  vieUeicht  ein  paar  hundert  Thaler  beira- 
gen  Machte.  Sie  wohole,  eine  Viertelmeile  von  hier,  in  den 
Uniergebauden  einea  abgebrannten  Schlouea.  In  denielben  Ge< 
bftuden,  aber  nicht  mit  ihr  zasamraen,  wohnle  ein  dem  BianU- 
wein  eehr  ergebener  liederlicher  ZimmermaDn.  Dieacr  balle ,  wi* 
man  mir  sagte ,  lebon  ein«  Zeiilai^  Teroneht ,  die  Rolle  de>  Freier« 
bei  ihr  an  apieleil ,  am  iieh  ihrer  kleinen  Habe  zu  beuicfaligen. 
Da  ich  diese  Pereon  xnerat  in  ihm  Krankbeil  besuchle,  halle 
das  Fieber  schon  etliche  Tage  gewähret,  ea  war  mir  alsa,  io 
Betracht  der  Natur  dieses  Fiebers  und  meiner  Unkuode  ea  an  be- 
meisiern,  gar  nicbt  wabraoheinlicfa ,  dab  sia  ohne  irre  as  werden 
daroD  kommen  wurde.  Ich  faod  aber  bei  meinen  Beauche  weder 
eine  Spur  ron  Irnion,  noch  von  den  Vorboihen  desselben.  Di«M 
Vorbolheo  sind»  nach  meiner  Beobacbmng:  entweder  SoblKfrig- 
keil,  oder  Schwüche  des  Gedächtnissei,  welche  sich  durch  Nicht* 
findenkonBen  der  Wörter  und  durch  Verwechselung  der  Wörter 
aufiien ,  NioblgefShl  der  Gröfse  der  Krankheit ,  oder  eodlit^  frei- 
williges, aber  nicbt  unverständiges  Sprechen  über  Gegenstände» 
die  XU  der  Krankheit  nicbt  gebSrcn.  Von  diesen  Vorboihen  des 
Irreseins  fand  ich,  wie  gesagt,  auch  nicht  die  leiseste  Spnr>  Si« 
fühlte  aich  sehr  krank,  sie  war  nicht  redselig,  denn  das  ist  oi« 
ein  schwerkranker  Mensch,  aber  sie  beantwortete  meine  Fragen 
deallich  und  bestimml.  Ich  verordoele  du  NSibige  und  ging  naob 
Hanse. 

Eine  halbe  Stunde  nach  mir  ist  der  Notarius,  ein  sehr  tot- 
ständiger  und  recbtlioher  Mann,  bei  ihr  gewesen,  und  sie  bat  in 
Beisein  zweier  als  Zeugen  berufener  Nachbarn,  dem  vws'ofienm 
Zimniermanne  ihre  ganse  Habe  vermacht.  Gegen  die  Kechtlich- 
keit  und  Geseulichkeit  dieser  notariellen  Handlung  ist  um  so  we- 
niger Einwendung  xn  stachen ,  dn  sowol  Notar  als  Zeugen ,  dureb 
der  Teslirenden  leltsama  Willenserklärung  überrascht,  und  selbige 
in  ihren  Hcraeo  mifsbilligend ,  wohl  angesehen,  ob  die  Erblasse- 
rina  auch  bei  ungekr&nkteiit  Verstände  sei. 

Am  folgenden  Tage,  vielleicht  noch  io  der  nKmliehen  Nacht 
( das  kann  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  wissen )  ist  sie  in  Irrsinn 
verfallen  ,    mehre  Tage  darin  geblieben  nnd  dann  genesen. 

Nachdem  sie  nun  vom  Fieber  befreit,  aber  noch  malt  und 
bettlägerig  war,  besuchte  ich  sie  eines  Tages.  Ich  hatte  von  ib* 
rem  seltsamen  Testament«  gehört,  und  da  ich  sie  schon  von  frü- 
her Zeit  als  eine  verständige  Person  kannte,  so  fragte  ich  sie: 
wie    sie    dooh   anf  den  wmnderliohen  .Gedanken   gekommen,   dem 


—    572    - 

TenoB'enan  ZiTomermaiiD  iKr  Vet-mögeo  lu  vennBchaa ,  ich  küonv 
wir  doch  unmttglich  deoken ,  dafa  aie  je  gwonnen  geweien,  niil 
dieiem  Ansbnnd  von  Liederlichkeit  eio  Ehebüadnib  za  schliefifln. 

Als  ich  also  gexprocben,  fältele  sie  die  Hände,  schaute  gen 
Hinmel,  und  rief  Gott  mm  Zeugen  an,  dais  sie  auch  nicht  das 
geringme  von  der  ganzen  Testamentmaeherei  wisse;  sie  sei  den 
Vorgang  erat  bei  der  Genssnng  gewahr  worden. 

•Sie  weinte  bitler,  dafs  künftig  ihre  Habe,  ihrer  dürfiigen 
Familie  entzogen,  in  die  Hände  des  Liederlichen  Wandern  sollle, 
mit  dem  sie  nie  eine  andere  Gemeinschaft  gehabt,  noch  je  hnben 
werde,  als  dafs  sie  mit  ihm,  jedoch  weit  genug  von  ihm,  in  den 
Uniergebäuden  des  verbrannten  Schlosses  wohne. 

Da  ich  der  erste  in  solchen  Händeln  etwas  Erfahrene  war, 
der  mit  ihr  von  dieser  Sache  sprach,  so  benihigle  ich  gar  leicht 
ihre  Seele  durch  die  Erklärung,  dafs  si«  ihr  Testament  nraänderen 
könne,  so  oft  si«  wolle,  und  dafs  das  in  ihrer  jetzt  überstände- 
nen  Krankheit  anfgenommene  dareh  ein  neues  könne  nngüliig  ge- 
macht werden. 

Ich  halte  diese  Geschichte  deshalb  enählt,  weil  sie  mir  für 
jeden  Arzt ,  der  nicht  blofs  Pulgfnhler  und  Zungenbeschaner  ist, 
bemerk en s werth ,  für  den-  gerichtlichen  Arzt  aber  ins  besondere 
zum  Nachdenken  einladend  scheint  Sie  betrifft  freilich  nnr  eine 
arme  Magd,  freilich  nur  di6  Summe  von  ein  paar  hundert  Tba- 
lem;  aber  gesetzt,  so  etwas  trüge  sich  bei  einem  reichen  und 
vornehmen  Manne  zu,  die  Snmtiie,  worum  es  sich  handelte,  be- 
stände nicht  in  ein  paar  hundert  Thalern,  sondern  in  vielen  tan- 
senden ,  der  notarielle  oder  gerichtliche  Akt  wäre  kein  Teatameot, 
sondern  eine  Schenkung,  oder  ein  anderer,  willkürlich  und  aiit> 
seitig  nicht  aufsuhebender  Vertrag;  der  Fieberkranke  genäse,  er- 
innerie  sich,  gleich  der  testirenden  Magd,  nicht  dessen,  was  er 
in  der  Krankheit  gelban,  mifsbilligte  es  jetzt,  wollte  die  Schen- 
kung oder  den  Vertrag  aufheben,  und  der  Beschenkte  oder  Ge- 
voflheilie  thäie  dagegen  Einsprache;  wie  sollte  der  gerichtliche 
Arzt,  von  dem  ohne  Zweifel  ein  Guiachteo  würde  gefodert  wer- 
den, sich  aus  diesem  Handel  ziehen!  Der  öffentliche  Nolarins 
hat  mir  damahls ,  da  die  ersählie  Geschichte  sich  zutrug,  die  Frag« 
vorgelegt:  Wie  bei  Fieberkranken  ein  solcher  Znstand  das  ver- 
ständigen Traumlebens  von  dem  Znstande  der  wirklichen  wachen 
Verständigkeit  zu  unterscheiden  sei.  Ich  habe  ihm  unverhohlen 
erklärt,  -dnfs  ich  dieses  nicht  wisse,  ihm  aber  versprochen ,  diese 
Frage  den  gelebnen  Aerzten  bei  Gelegenheit  vorzulegen.  Wenn 
ich  dieses  Versprechen  erst  jetzt,  nach  26  Jahren,  also  etwas 
spät  arfüile,  so  rechne  ich  darauf,  dafs  die  Gelehrten  in  dieser 
langen  Zeit  um  so  viel  grSndlicher  den  manscbliehen  Geist,  des- 
sen Zusammenhang  mit  dem  Körper,    und   das  gegenseitige  Elia- 


-    WS    — 

wirken  beidef  auf  cinandw  werdsn  erfonehl  haiMO ,  daü  also  ihr* 
Antwort  auf  maHi«  Frage  (dwen  Wichtigkeit  li«  niebl  Terkeaaen 
können)  um  so  viel  gründiicber,  battimmter ,  den  öffentlichea 
Beamlen  bei  Beurkundung  des  Wilteas  fieberkranker  Measchen 
um  so  viel  bi'aiichbarer  sein  wird. 

Von  dieser  Abschweifung  kefar«  ich  wieder  su  den  Gcbiro- 
mitieln  xuriick,  und  stelle  die  Frage  auf:  Llfstiich  mit  Bestiraml- 
beit  von  jedem  derselben  behanplcn,  es  wirke  beileod  auf  dieses 
oder  jedes  einzelne  Organ  des  GebirDS}steines! 

Ueber  den  flächiigen  desiil lirbaren  Grundstoff  des  Tabaks  habe 
ich  nichts  als  Vermuthung,  dafs  er  auf  das  kleine  Gehirn  und  das 
Rückenmark  wirkt.  Deber  den  Zink  habe  ich  die  Vermuthung,  dafli 
er  auf  da«,  das  regelmXfsige  Denken  bedingende  Organ  heilend 
einwirke.  Manche  Erfahrungen  iodefs  fiber  seine  heilende  Wir^ 
knng  in  schraenbaften  Affeklionen  der  ExtremiiüleR  lftf«i  mich 
auch  vermuthen ,  dafs  er  auf  das  Rückenmark  wohlihStig  einwirke  j 
und  seine  beiletade  Einw  irkuog  auf  sebmerzhafi  erkrankt«  Organe, 
die  von  den  Gebimnerven  verseben  werden,  macht  es  mir  wab^ 
scheiolrch,  dafs  er,  nufser  auf  das  Denkorgaa,  auchnoch  auf 
andre  Gebirnorgane  eigenes  Heilmittel  sei.  Ob  Meine  wohlthBtigO 
Wirkting  im  Durchfalle  von  einer  direkten  Einwirkung  auf  dia 
DSrme,  oder  von  einer  direkten  auf  das  Gehirn  und  Rückenmark 
abhänge,  wage  ich  nicht  zu  hestimuien.  Von  dem  Stechapfel  habe 
ich  grofse  Neigung  zu  glauben,  dafs  er  auf  ein  solches  Organ, 
oder  auf  solche  Organe  heilend  einwifke,  welche  sich  ioi  oberen 
Tbeile  des  Gebima  befinden.  Auf  das  Denkorgan  wirkt  er  nicht 
bellend ,  als  nnr  in  dem  Falle ,  wenn  dieses  cansensuell  ergriffen 
ist ,  nnd  seine  Irrangen  von  einem  Urleiden  solcher  Gfhirnorgano 
abhängen,  welche  unter  des  Stechapfels  Heilgewalt  stehen.  Ich 
mufs  aber  ausdrücklich  in  Erinnerung  bringen,  dafs  bei  den  Fie- 
bern, die  ich  durch  Siechapfel  gebeilet,  und  bei  denen  ungeheuer 
heftiger  Kopfschmerz  nnd  periodisches  consensuelles  Irresein  vor- 
walteten, das  Irresein  verschwand  *  wenn  ich  durch  Stechapfel- 
ttnkinr  den  KoprschmerE  wegschaffte.  Ging  aber  die  Krankheit 
in  den  zweiten  Zeitraom  über,  versehwand  der  Kopfschmerz  und 
trat  da«  anhaltende  Irreatn  ein ,  so  habe  ich  mit  dem  Siediapfel 
aichta,  gar  nidits  mehr  ansricblen  können.  Daraus  schlielse  ich, 
da&  dieses  Mittel  keine  direkt  heilende  Einwirkung  auf  das  Denk- 
organ hat. 

Was  nun  «ndUch  das  Cblorinsilber  betrifft,  so  weifs  ich  wol, 
dafi  es  Gehimmittel  ist,  allein  ich  habe  keine  Veminibung,  auf 
weiches  Organ  des  Gehirns  es  vorzfiglieh  heilend  eiowirke. 

Dem  aufmerksamen  Beobachter  wird  nberbaupt  die  Folgeikit 
noch  manches  binsicblliefa  der  Gehirnmiltel  hell  machen,  was  mir 
bis  jeist  dunkel   ist.     Ich  kann  nidits  mehr  gebao  als  ich  habe; 


—    674    - 

wollt«  ich  m«hr  geben,  m  müf>ten  es  Lügen  Bein,  Nülriichet 
Im  es,  dafa  ich  ein«  Ssehe  in  Anregung  bringe,  die -mir  für  di« 
Hebung  der  Kunal  von  Wichtiglceit  «ofieint. 

Wahrscheinlich  alle  Gehirn heilmittel  (durch  Erfahrnng  kann 
ich  aber  nnr  vom  Zinlc  und  Tabak  iprechen)  sind*  nicht  bUfa  in 
krankhaften  Affektionen  dei  Gehirns  und  Rückenniarkes,  sondern 
anch  hei  dem  normalen  Zasiande  dieser  Organe  in  der  Ursfiektion 
anderer  Organe  mit  Vortheil  aasowenden.  Ohne  mich  besonders 
über  diesen  Punkt  anazulassen,  hahe  ich  schon  im  Vorigen  dar- 
fiber  Erfahrnngen  mitgetheilt ;  ich  bemerke  aber  jetzt :  as  ist  niBg- 
lich,  dafs  gerade  die  heftigsten  and  lödtlicbsten  Affektionen  des 
Darmlianales  oder  der  Bauchganglien  sich  dnrch  Gehirnmitiel  zu- 
weilen besser  beschwören  lassen,  als  durch  die  bewährtesten  Banch- 
miitel.  Meine  Erfahrungen  über  diesen  Gegenstand  sind  xn  nn- 
Tollkommen,  als  dafs  ich  sie  in  abgezogenen  praktischen  SBizen 
mittheilen  dürft«,  und  die  Einzelheiten  derselben  zu  erzfthlen, 
würde  viel  xo  weitlKuflig  s«io:  ich  hoffe  aber,  dafs  die  blols«  An- 
deutung dieses,  wahrscheinlich  wichtigen  Gegenstandes  die  Forsch- 
begierde dankend«  Aeni«  hinlänglich  aufregen  werde. 


Besio,n4ere  BejMerknn ven  Aber  d»a  dehim. 

ChroniacAt    Ver» fandet ttSrung. 

Diese  wird,  meiner  Beobachtung  gemifti,  grftfiHemheils  frü- 
her oder  splter  gefaeilet,  oft  durch  Arzenei,  oft  von  seihst,  und 
nicht  selten  möchte  es  zweifelhaft  sein,  oh  sie  auf  die  eiiM  oder 
andre  Weise  geheilet  sei.  Darum  haben  die  Aerzte  der.Heilirren- 
aostalten  nicht  so  ganz  Unrecht,  wenn  sie  verlangen,  wir  adlen 
ihnen  die  Kranken  recht  bald  schicken.  Begreiflich  werden  sie 
auf  die  Weis«  gar  oft  das  Vergnügen  haben ,  die  Irren  veratSn- 
dig  werden  zu  sehen,  nnd  ihrer  Anstalt  den  Ruf  einer  wahrhaft 
wrfamaehenden  zn  gehen. 

Da  für  nns  einfache  praktische  Aerzte  aber  die  Hmlung  sol' 
ch«r  Kranken  anch  ein  besonderes  Inirease  hat,  zo  werden  dia 
Herren  Irrenärzte  uns  wol  nicht  verdMiken,  dafii  wir  alle  dia 
selbst  heilen ,  die  wir  Pär  heilbar  ballen ,  and  ihnen  nur  aoldie  m- 
s<äiieken,  weiche  wir  für  nnheilbar  ansehen  ^  oder  bei  denen  sl5r«n- 
d«  äafs«re  Umstände  die  Anwendung  der  geeigneten  Hälfe  nidit 
erlauben.  Ueberdiea  wissen -wir,  di^  wir  den  Geist  des  Volkes 
kennen,  recht  gur,  dafs,  durch  das  Geheiltsein  in  einer  Irroo- 
ansialt,  Jedem  Menschen  in  den  Augen  des  Volkes  eine  Mark« 
aufgedrückt  wird,  die  nicht  leidit  verwichset.  Der,  deaa«o  bür- 
gerlidMs  Bestehen  einzig  von  dem  Zatranen  abhängt,  daa  seine 
ÜngebaMgen   in  die  Bichiigltait  des  Varslandea  zctM«  (wie  s.  B. 


—    576    _ 

ein  Janger  Am,  od«r  Gviitllehsr) ,  der  JcOnnls  I«ielit  dnrcfa  dn 
Geheiltsein  in  mdm  Irrenanitalt  nnglBeklicher  werden  bI«  AarA 
<ten  Iminn  seibat.  Mit  lolehen  Leuten  will  das  Volk  niflhts  sn 
ihan  haben,  wahrscheinlich  besorgend,  der -IrrsioQ  nöcht«  ein- 
niahl  mr  angelegenen  Zeil  bei  ihnen  wiederkehren.  Damm  bilia 
ich  meine  Herren  Amtsgenoasen ,  alle  Irren,  welche  sn  der  an- 
gezeigien  Kategorie  gehSren,  keinesweges  einer  Irrenanstalt  m 
übergeben,  sondern  si«  selbst  xn  heilen,  und  dem  Imiooe  einen 
gani  nnschuldigea  und  unanstfifsigen  iVamen  cu  geben. 

Meine  Erfafarang  spricht  daßir ,  dafs  der  Grand  eines  groben 
Tbeila  der  Verstandes! rmngen  im  Bauche ,  eines  geringeren  Thei- 
les  im  Gebim  m  findtn  sei.  Bei  letaler  Art  ist  aber  das  Denk- 
organ nicht  immer  orergriffen,  sondern  xuweilen  mitleidend.  So 
glenbe  ich  a.  B.  data  die,  in  seltenen 'FBlIen ,  nach  dem  mit  Ir> 
resein  verbnndenen  Scharlaehfieber ,  oder  nach  der  mit  Irrfloeln 
verhnndeneo  Koprrosa  inrückb  leiben  da  chronische  Verstandesm- 
wErmng  nicht  ein  Urleiden  des  eigentlichen  Denkorgans,  sondmrn 
vielmehr  eines  Safteren,  nah  unter  der  Schale  liegenden  Gebim- 
theiles  ist.     Welehesi  —   Oai  nag  der  Himmel  wissen. 

'Arn  merkwfirdigsten  fiir  den  Ant,  nnd  auch  am  schwierig- 
sten xn  heilen ,  ist  das  eigentliche  Ürleiden  des  Denkorgans ,  oder 
des  Gehimtheiles ,  welcher  die  regelmüfsige  Aenfternng  des  Denk- 
vermögens kSrperlich  bedingt,  feh  hoffe,  die  Geduld  der  Leser 
aaf  keine  gar  an  harte  Pro l>e  xa  stellen,  wenn  ich  ihnen  kürslieb 
das  niuheile,  was  ieh  binsicbtlich  dieser  Krankheit  beobachtet 
habe. 

Ea  gibt  einen  Irrainn,  welcher  einsig  in  einem  Mifsverhllt- 
nisse  der  Phantasie  xnm  Verstände  hesiehei.  Wenn  ein  Meneefa 
mit  reger  Phantasie,  der  Einsamkeit  Gbergeben,  den  Rufseren  Ein- 
drflcken  mehr  oder  minder  caisegen  ist,  nnd  Her  Verstand  nicht 
anf  wirkliehe  Dinge  geriehtet  wird,  so  lebt  ein  solcher  auf  die 
Daaer  blofa  in  seiner  Phantuiewelt.  Anfangs  in  dieses  andern 
I.eaten  nicht  auffallend,  so  lange  der  Phantast  n«ch  Aniheil  an 
dem  nimmt,  was  vm  ihn  vorgebet,  and  so  lange  die  Bufseren 
EiodrAeke  s«nen  Gedanken  eine  andere ,  den  Eindrfieken  entspre- 
chende, wenn  gleich  vorfibergehende  Riehtnng  geben.  Nach  aai 
nach  wird  es  ihm  aber  immer  schwerer ,  sieh  seioM  Phanlasiewell 
s«  entwinden,  aaf  das,  was  um  ihn  vorgehet,  xn  achten.  Da 
fari&t  ea  denn  im  gemeinen  Lehen,  der  Mensch  leide  an  Abw*> 
senheit  des  Geistes.  Weil  man  aber  so  etwas  auch  wol  greisen 
Gelehrten  nncbgocagt  hat,    so  ahnet  noch  niemand  was  Böaea. 

Indefs  wird  diese  vemeintlicb«  Abwesenheit  des  Cieistes  im- 
ner  hervecstetAeader,  ea  bllt  immer  schwerer,  die  Gedanken  des 
Triumtn  auf  das,  was  um  ihn  vorgriwi,  xn  festigen  und  ihn 
seiiMr  Traumwelt   so  entrei&en.     Endlieh  bewirken  Balmre  Ein- 


^    576    — 

drti^ft  kein  wirkliche!  Erwtchen  ai*kr,  Mndern  >ie  mUchsa- sivii 
vielmehr  mit  den  Phantaiielrinmen ,  nnd  bewirken,  gemisriit  mii 
«tiesen,  eine  gana  andere  Gedankenfolge  als  lie  nngemisdit  bei 
j«deni  andern  kopfgesunden  Menschen  bewirken  würden. 

Nun  befindet  er  sich ,  hinstclulicli  der  ftufseren  Eindrücke, 
gerade  in  demselben  Verfaftllniase ,  als  wir  uns  im  Schlafe  befin- 
den, wo  gewfihnlieh  Sufsere  Eindrucke  auch  eine  gaiu  ander* 
Gedankenfolge  hervorbringen  als  im  Wachen ;  wird  unser  Ohr 
t.  B.  durch  einen  Schall  berührt,  der  nicht  so  surk  ist,  dafs  sr 
uns  weckt,  so  kann  dieser  bewirken,  daJs  wir  vielleicht  in  dem 
Getümmel  einer  Schlacht,  oder  in  einer  belagerten  Feslnag  m 
■ein  wfthnea.  So  lange  nun  der  Phanlasiekrank«  seine  lelisamen 
OedaukcD  nicht  mit  Worten  ausspricht ,  hat  er  blob  das  Ansehen 
eines  Einniligen;  ofl'enbart  er  sie  aber  mit  Worten,  so  neaaet 
man  ihn  im  gemeinen  Leben  verrückt. 

Es  ist  wahrlich  heklagenswerih ,  dafs  luweilen  Aeltero,  un- 
bekannt mit  der  unüchuldig  scheinenden  Veranlassung  solches  Irr- 
sinnes ,  Kinder  von  lebhafter  Phantasie  verständig  unbeschftftiget 
der  Einsamkeit  fiberUssen.  Sie  können  dadurch  den  Grund  xu 
dieser  scbwerheilbaren  Krankheit  des  Gehirns  legen. 

Vor  langer  Zeit  (des  Jahres  erinnere  ich  mich  nicht  mehr 
genau)  führten  zwei  Freundinnen  meiner  Frau  das  Fräulein  Klara 
E***,  ein  siefaKehn  oder  achlsehnjähriges,  seht  hübsches  Mid- 
chen  bei  uns  ein.  Dieses  hatte  aulser  dem  Liebreixe,  eine  so 
seltene  Natürlichkeit  and  Unbefangenheit,  dab  ihre  Origiiialilfil 
meine  \eugier  auf  eine  angenehme  Weise  anregte.  Ich  lieb  mich 
mit  ibr  in  eine  Zweispracbe  eia,  und  da  wir  bald  mit  eioandet 
bekannt  wurden,  und  ich  hörte,  dab  sie  hei  ihren  reichen  ab«r 
betagten  Grofsältern  lebte,  so  sagte  ich  su  ihr:  Fräulein  Klara! 
womit  beschäftigen  Sie  sich  doch  den  ganzen  Tag,  Ihco  Grofs- 
altem  haben  wenig  Umgang ,  und  xnr  Unlerhattung  werden  die 
alten  Leute  auch  wol  nicht  viel  taugen ;  die  Zell  mufs  Ihnen  ciem- 
lioh  lang  werden.  —  Ach  nein!  versetzte  sie,  die  Zeit  wird  mir 
nie  lang,  denn  wenn  ich  allein  bin,  welches  freilich  oft  der  Fall 
ist,  mache  ich  Geschichten.  Ich  verstand  diese  Antwort  anlSng- 
lioh  nicht  recht;  die  Erklärung,  die  sie  auf  meine  Bitte  darüber 
gab,  war,  obgleich  undeutlich  vorgetragen,  doch  deutlich  geimg, 
dafs  ich  begriff,  das  acme  Kind  lieb  in  der  Einsamkeit  seiner 
Einbildung  den  Zügel  ichiefsen ,  und  lebte  in  einer  eigenen  Phan- 
laaiewett.  Ich  hielt  es  für  meine  Pflicht,  sie  zu  warnen,  und 
sagte  ihr  gerade  heraus:  hüten  Sie  sich,  Klaral  vor  dem  Ge- 
schichten machen,  Sie  können  gar  leicht  närrisch  dadurch  werden. 
—  Sie  lacht«  mich  aus.  Wir  nahmen  beide  Antheil  an  einem 
andern  Gespräche  und  der  Sache  wurde  nicht  weiter  gedacht. 

Es  mag  jetzt  drei  Jahr  sein,   da  treffe  ich  in  dem  Hause  eiaea 


—    W7    — 

BskaantMi  «iae  Ui^  nidrt  gM^wne  FraondiiiD,  welche  danwhU 
in  HeiRem  Hwite  gewMea,  da  jenes  holdwlige  FrftnUin  einge- 
föhrt  wurde.  Dieie  wiaaert  aicb  des  frob  verbrachlea  TagM,  num- 
efaer  £iiiielbeiteii  nnierer  Unterbaliaog,  und  briogt  mir  dadorcli 
das  FrHnleio  wieder  iu  Gedäcbtoifs.  Wo  iit  Jelxt,  frage  ieb, 
Klara  £**"}  Ach,  lautet  die  Antwort,  die  litzt  »ehoo  Ungst 
in  Irrenbaniel 

Du  Irreieia  als  Urleiden  dei  Denkorgans  kann  bekanntlich 
aueh  TOD  dem  aohälieadan  Lagern  der  Gedanken  anf  Einem  Ge- 
genstände entstehen.  Hier  findet  das  nämliche  Verhftltnifs  in  den 
Fortschritten  des  Uebels  statt  als  bei  der  vorigen  Art,  jedoch  sind 
die  Fortschrifte  in  nuutcben  Fällen  noch  weit  rascher.  Ist  das 
Hebel  SU  einer  bedeutenden  Höbe  gestiegen,  so  beschäftiget  einige 
Irrsinnige  der  Gegensund ,  der  sie  nrsitrnnglich  närrisch  gemacht,' 
nicht  nebr  anaschlielslicb ,  sondern  ihre  Gedanken  adimen  einen 
gsDi  nngeregehen  Gang;  bei  andern  aher  bleibt  er  aasschliefslich 
der  rerherrsebende.  So  hal>e  ich  eioeo  Jangen  Mann  gekaDut,  der, 
ans  Liebe  an  einer  ret^t  artigen  Gastwirtfainn  närrisch,  sich  den 
Gedanken  in  den  Kopf  geaetat  hatte,  seine  Angebetete  habe  ihm 
in  einer  halben  Flasche  rothen  fransdaiscben  Wein  einen  Liebe*- 
trank  beigebracht.  Der  Mann  ist  lange  irrsinnig ,  nnd  der  wunder- 
liche Gedanke  wahrscheinlich  hia  m  seinem  Tode  vorherrschend 
gehlieben ;  «um  wcnigslen ,  da  ich  ihn  ein  paar  Jahre  vor  seioen 
Tode  znMIig  bei  seinen  Verwandten  traf,  fühlte  er  noch  das 
höllische  Fener  des  Zanbertrankes  in  seinem  Leibe. 

Ich  habe,  so  lange  ich  Arzt  gewesen,  eioxelne  Mensehen  ans 
Liebe,  aas  religiöser  GrSbelei,  aas  Sorgen  der  \ahrang  and  aus 
Hochmnlh  irrsinnig  werden  sehen;  die  Fälle  sind  aber  allesammt 
so  geraein,  dafs  nnr  ein  sehr  genialer  Kopf  sie  dem  Leser,  ohne 
ihn  sn  langweilen,    enihlen  konnte. 

Die  Heiinng  solcher  Gebimkrankheilen  ist  sehr  schwierig. 
Wenn  wir  Aenrte  dem  verliebten  Irren  seine  Geliebte  ins  Bett 
schaffen,  den  Hochmüthigen  lam  Fürsten  oder  xam  Minister  er- 
heben^ den  vor  dem  Yerhangem  Bangen  xam  reichen  Manne  mn- 
cheo,  nnd  dem  religiösen  Zweifler  seine  Zweifel  lösen  könnten, 
dann  w&rden  wir  ganze  Heilmeisier  sein,  voraasgesetzt ,  dafs  wir 
die  unfehlbaren  Mittel  bei  Zeiten  anwendeten,  denn  xa  >päl,  möch- 
ten sie  aneh  wol  nicht  mehr  verfangen.  Wir  sind  aber  arme  Men- 
schen, nnd  nnaere  Heilversoche  kommen  mir  zuweilen  eben  so 
widersinnig  vor,  als  ob  wir  einen  am  Galgen  Hängenden  beleben 
sollten,    ohne  dafs  es  ans  erlaubt  wäre,    ihn  hemnierzanehmen. 

Die  Gelehrten  unter  meinen  Lesern  werden  sagen,  solche 
KfMiken  müsse  man  anf  psychischem  Wege  heilen:  das  lautet 
gut,  bat  aber  seine  grofsen,  sehr  grofaen  Schwierigkeiten.  Um 
die  anf  einem  einzigen  Gegenstailde  gelagerten  Gedanken  von  dte- 

-■■-37    ^---o- 


—    578    — 

WM  abtiikiehea ,  m4  auf  andM«  C(«g«utind«  Dicht  bl«&  tngtn- 
bücklicfa ,  BOndern  daawnd  m  richten ,  lUam  nÜHoo  die  JtJiwwi 
UviKlÜnde  niit  dem  Arxt«  !■  Biisdnih  treiea;  «iad  dteae  ibm  ab- 
hold, Bo  wird  er  wel  ps^cbiidi  sebwatse«,  aber  oiebt  ptf^cbiaeh 
heilen  kÖnnea. 

Wie  geadiivind  ein  Iminalger  dureh  güoMige  UmMfiade  ge- 
heilt werden  könne,  davon  habe  ich  Fälle  erlebt,  die  bamerkens- 
werifa  genug  liod,   um  aie  dem  Leier  lu  eraählea. 

Ein  sehr  achtbarer  Mann  von  h&baram  Altar  hatte  durch  die 
Zeiinmslftade  Verlnu  an  seiner  EiBnahme  erliuan.  Wie  mif  aeio« 
Verwandten  versicherten,  war  dieiier  Verlust  aber  aii^t  ao  he- 
deutend,  dafs  er  je  Maagel  hSiie  leiden  köanen,  ja  er  würde  nicht 
einaiahl  nSthig  gehabt  haben,  ia  seiner  gewebaien  Lebensweiaa 
die  mindeste  einschränkende  Veriindemng  in  taachen.  Er  grüballe 
aber  über  diesen  Verlast  so  lai^e,  bis  die  milamathigen  Vorsiri- 
liiogen  seine  ganae  Ueakkraft  dermafsea  in  Aasprach  Bahweo,  dafs 
er  nicht  n»hr  im  Staade  war,  selbige  auf  andere  Gegenstiade  ** 
richten.  Er  war  gnas  uoföbig  ku  seinen  GewhttfteD,  uaßbig  au 
freondscbafilicfaer  Unteriialtnog  j  der  Schlaf  fioh  ihn  uad  eeioa 
Bauehorgane  wurden  raitleidead  crgriSea. 

Da  nun  die  Seinigen  kftrperllcbe  Uraaehen  dieser  Gcm&tbs- 
krankheit  vwinutheien ,  lo  wurde  ich,  da  ieh  seit  twanaig Jahren 
sein  gewöhplichar  Aru  gewesen,  um  Rath gefragt.  Um  au  sehen, 
wie  weil  et  sehen  mit  ihm  gekomaien  sei,  ob  «ia  kSrperlicber 
■chmerahafiler  Beiz  ihn  noch,  wenn  gieich  vorübergriiead ,  ana 
uinea  Iraorlgen  Phantiuien  su  wecken  vermftg«  (ni^t  ihn  n  hei- 
len^, lief«  ich  ihm  Breebweinsieinsalbe  auf  die  Mageng^end  ein- 
reiben.  Nachdem  dieses  etliche  Tage  geaoheben  war,  trat  ieh 
gerade  ins  Zimmer,  da  seine  Frau  ihn  über  die  sablreich  und  dick 
aimgcbrochenen  Aniinonialpocken  recht  derb  rieb.  Er  gab  nicht 
das  mindeste  Zeichen  von  sich,  dafs  ihm  dieses  Reiben  anange- 
nehm sei ,  er  blieb  vtelntebr  in  tiefem  Xaobdenkea  verloren,  — 
N'un,  alter  Freund!  sagte  ich  ,  ihut  Ihnen  denn  das  nicht  wehl  — 
Ei  wasl  versetsM  er,  ich  habe  an  gaaa  andere  Dinge  xn  denken 
als  an  solche  Kindereien. 

Da  nun  der  Mann  int  geauaden  Zustande  für  scbmersbafie 
Reize  eben  so  empfindlich  war  wie  jeder  andere,  ao  kSnoeo  die 
Leaer  aus  dem  Gesagten  Rbaebmen,  dafa  es  sehen  weit  mit  iblä 
gekommen. 

Ich  suchte  ihm  die  coasensueUcn  Banchleiden  au  heben  oder 
an  mindern;  allein,  da  ich  das  urerkrankte  Organ  nicht  heilen, 
und  die  ftufseren ,  besitimlig  anf  ihn  einwirkenden  ■veranlastendeo 
Ursachen  des  UrleideDs  nicht  beseitigen  kennte,  so  waren  meine 
Remithnngen  fritchtlos;  zum  wenigsten  sctuieb  ich  die  vermeint- 
liche Besaeruag,    welche  die  Seinigen  su  bemerken  glaubten,  mehr 


^     579     — 

Auf  RMliaiisg  ifarei  Wunaeh««  ihn  be«*r  in  lebeB,  aU  aaf  H«eh- 
Dong  der  AriwMi;  denn  des  alla  Sprichwort,  daJji  man  das  g«m 
glaubt,  w«s  man  wünsoht,  «eben  wir  bei  üebnng  unserer  Kunst 
hinfig  bestätiget. 

So  wäbrie  oiin  die  Sacbe  eiae  ziemliche  Zeit;  seine  Haus- 
genossen und  Freunde  biellen  es  für  klug,  seinen  GetQÜlhizustand 
dar  Weh  in  verbergen  ,   und  ihn  für  körperlich  krank  aaszugeben. 

Eines  Tages,  bei  der  neoen  Umwandlung 'der  Dinge,  die 
naeh  dem  letalen  Befreiungskriege  in  manehen  Ländern  eistcal, 
bekommt  unser  irübsinniger  Mann  (der  begreiflich  bei  der  Behörde 
nicht  als  irrsinnig  su  Bache  stand)  eine  amtliche  AusBeichnung, 
seine  EinBahme  vermehrt  sich,  sein  Sohn,  der  als  Offizier  den 
Krieg  mitgemacht,  und  des  er  de^alb  in  seinem  trübsinnigen 
Uamuthe  den  vergnldelen  Bettler  xu  nennen  pfiegie,  wird  im  Ci- 
vUdienste  autl&ndig  und  eintrfig^ich  versorgt ,  und  aiehe  da  I  aoier 
Trübsinniger  tat  von  der  Zeit  an  ao  vollkommen  geheilt,  dafa  er 
seine  aatlioheo  Geschäfte  mit  Leichtigkeit  und  Vergnügen  ver- 
si«bet,  und  dafs  er  wieder  ein  eben  ao  guter  Gesellscbafier ,  ein 
dten  so  ganüglieber  Hansvater  ist,  als  er  je  vor  jenem  Iranrigen 
Gemüt  brau  Stande  gewesen. 

Wie  konnte  ich  biilfarmer  Mensch  nun  meine»  kranken  alten 
Freunde  eine  amtliche  Aasieichaung  beao^eal  wie  konnte  ich 
seine  Einnahme  vermehren?  wie  konnte  ich  seinem  vergoldeiev 
Beiller  eine  einträgliche  Verto^ng  verschaffen  I  Und  doch  faätie 
idi  tUeiiter  solcher  Hülfen  sein  nässen,  wenn  ich  ihn  hellen  wollte. 
Wahrlich  mit  Apotheker-Büchsen,  mit  Messer  und  Brenneisen  ist 
es  nicht  immer  gethan ,  eben  se  wenig  mit  parchiacher  Behand- 
Inng;  denn  hätte  man  nnsern  Kranken  den  Theologen  und  Philo- 
logen XH  heilen  übergeben ,  welche  ehrliehe  Leute  doch  beide  den 
nessefalichen  Geist  besser  tu  kennen  vorgeben  als  wir,  ich  bin 
überzeugt,  sie  würden  ihn  eher  wirrer  als  besser  gemacht  haben. 
Dia  Verändernng  der  Zeitumstände,  ond  sie  nur  allein  hat  ihn 
geheilt. 

Der  zweite  Fall,  den  ich  dem  Leser  ersfihlen  will,  betrifft 
eine  Irric&pfigkeit  aus  Liebe,  und  zwar  eine  seltsame  psychische 
Heilung  derselban   in  ihrem  ersten  Zeiträume. 

Ein  junger  Mann  verliebte  sich  in  eine  geheirathele  Frau ,  de- 
ren Haus  seinem  Wohnzimmer  gerade  gegenüber  lag ,  mit  der  er 
aber,  so  viel  mir  bewufst,  wenig  Umgang' gehabt  hatte.  In  dem 
Hanse  der  Frau  war  ein  Husarenoffizier  einqaartirt,  und  jener 
verliebte  Nachbar  sah  diesen  als  seinen  begünstigten  Nebenbuhler 
nn.  Darüber  brütete  er  nun  so  lange,  bis  er  geistig,  und  mit- 
leidend k&rperlich  krank  wurde.  Ich  sollte  ihn  heilen;  allein  was 
konnte  ich  bei  einem  Menschen-  aniführen,  der  den  Gegenstand 
seiner  unglücklichen  Leidenschaft  beständig  vor  Augen  hattet  Seine 

^■-■-37 -^---O" 


—    580    — 

ElsluBt  war  rerschwntiden ,  ■ein  Schlaf  aiHerbroelMn  nad  dnrch 
Traume  beanruhiget,  seine  Zung«  belegt,  fl«In  Pali  bmchleani- 
gei.  Uebrigens  war  er  bestSiMlig  in  leinen  Phantasien  verloren, 
ohne  lieh  jedoch  fiber  dieie  gegen  mich  anszuBprechen ;  zuweilen 
brachte  er  abgebrochene,  mir  räthselhafte  Beden  hervor.  Wie 
es  überhaupt  mit  seinem  Verstände  beiieltet  war,  kSnnen  die  Le- 
ier aus  folgender  Kleinigkeit  am  besten  abnehmen.  Eines  Abends 
kommt  er,  mit  einem  Nachirocke  angeihan,  ins  \adibarhaas, 
um  hier  seinen  Bruder  zn  sprechen.  Dieser  Bruder  wohnte  aber 
viele  Meilen  von  hier,  und  hatte  nie  im  Sinne  gehabt  hierhin  m 
kommen,  würde  auch  am  allerwenigsten  sich  bei  einem  ihm  niH 
bekannten  Bürger,   der  kein  Gasthaus  hielt,   eingelagert  haben. 

Ich  gab  nun  dem  Kranken,  den  wir  der  gemichlicherea  Er- 
zfihtnng  wegen,  Y**  nennen  wollen,  allerdings  einige  Anenei, 
allein  Nutzen  konnte  ich  nicht  davon  gewahr  werden,  rechnete  auch 
wahrlich  nicht  darauf.  Eines  Morgens  besuchte  ich  ihn ;  er  safs  auf 
einem  Stuhle,  vor  sich  hin  stierend,  in  tiefen  Gedanken  verio- 
ren,  und  ich  hielt  mit  ihm  folgende  Zwiesprache:  I^:  Wte  ge- 
het es  Ihnen  Herr  Y**t  —  ¥**;  Ntra,  Sie  werden  Wal  gehSrt, 
haben,  wie  es  mir  diese  \acht  ergangen.  —  Ich:  Nichts  hdw 
ich  gehSrt,  ich  komme  den  Augenblick  von  Hause,  Sie  sind  der 
erste  StBdlische,  den  ich  spreche.  —  Y**:  Ich  habe  mich  diese 
Nacht  mit  Herrn  v.  T*  duellirt.  —  Ich:  Wer  hat  denn  etwas 
abgekricgtf  —  Y":  v,  T*  hat  mich  verwandet.  —  Hier  zeigte 
er  mir  eine  unbedeniende  Schramme,  die  zwischen  dem  Daumen 
und  Zeigefinger  safs,  auf  welcher  er  ein  Läppchen  mit  Wandwas- 
ser liegen  halle.  Üa  ich  den  Morgen  nicht  sonderlich  aufgelegt 
war,  solche  Narrengposscn  zu  h5ren ,  so  grüfste  ich  ihn,  and 
ging  gerade  gegenüber  ins  Schlofs  der  Zaaberprinzefs.  Ich  fand 
hier  die  Familie,  deren  freundschaftlicher  Umgang  mir  seit  lan- 
gen Jahren  zur  Gewohnheit  geworden,  beim  Frühstücke,  und  sagte 
ihr:  es  mSchte  doch  wol  bald  Zeit  sein,  die  AngehSrigen  des  Y** 
von  dem  unglücklichen  Gemütbszustande  desselben  zu  benachrich- 
tigen, denn  es  werde,  statt  besser,  schlimmer  mit  ihm.  Er  habe, 
wahrscheinlich  die  Nacht,  unruhig  trBumend,  mit  der  Hand  im 
Bette  herumgefochlen ,  und  sich  an  der  Bettstelle  ein  wenig  ge- 
schrammt, nun  bilde  er  sich  ein,  er  habe  sich  mit  dem  Liente- 
nanl  v.  T*  duellirt  und  sei  von  diesem  verwundet. 

Nach  dieser  Bede  staunten  mich  alle  verwundert  an,  fragend, 
ob  ich  denn  noch  ntchta  von  dem  Skandal  der  vorigen  Nacht  ge- 
hftrtl    Auf  mein  Verneinen  wurde  mir  Folgendes  erzfihlt: 

Der  liebekranke  Y"  biuet,  in  einer  Anwandlung  von  Grofr- 
muih ,  oder  Gott  mag  wissen  aus  welchem  andern  Beweggründe, 
seinen  vermein  (liehen  Nebenbuhler,  den  Lieutenant  T.  T*,  znm 
Punsch.    Dieser«  der  auch  einen  Strich  hatte,  kdr^ierlicfa  nnd  gei- 


—    Wl    — 

M^  Bbgaantzt  war,  mniM  die  Eialadnng  an,  obglaieh  er  wohl 
wu&te,  dab  dw  Eioladar  ihn  für  miiicb  begfinsligtea  K«benbuh- 
l«f  halte,  and  dab  es  mit  deuan  VenUande  etwaa  uDheimlich  be- 
U«lh  ■£■•  Waa  Dan  bei  dem  Puuacb  vorgefallen,  daron  kann  nie- 
mand WiaaeAacbaft  haben  i  Mviel  aber  iat  ansgemaeht  ibatafichlich : 
Um  Mitiemacht  bekommen  aie  Streit,  fodern  «ich  heraui,  treten 
ohne  (JmstAnd*  im  bellen  Mondscheine  auf  die  Strafae,  und  feuern 
mit  Pialolen  auf  einander.  Daaie  aber,  abgeaeben  von  dem,  dem 
richtigen  Treffm  etwa«  nngünatigen  PpmcbgeiBie,  beide  elwaa 
wirre  im  Kopfe  waren,  »  acbiefsen  aie  beide  febl;  die  eine  Ku- 
gel BclilSgt  in  eine  Pumpe,  und  die  andere  in  die  Fenaterblende  de« 
verwünachleb  Scbloswa.  Begreiflich  stecken  auf  diesen  Lerm  die 
ana  dem  Schlafe  anfgeaeh reckten  Nachbarn  die  Köpfe  zum  Fen- 
ster hinans,  und  die  noch  auf  der  Strafse  hefioditchen  Menschen 
eilen  xnr  Wahlstatt.  Unter  diesen  befindet  sich  ein  Jäger,  der 
hielei  gleich  seine  Dienste  xnm  Laden  der  Pistolen  an.  Laden 
tbnt  er  sie  nun  awar  ordnnogsmAfsig ,  aber  er  apeiel  auf  die  Zünd- 
pfanne, und  Jetxt  wollen  die  Dinger  mm  Verdmb  der  Kämpfen- 
den nicht  losgeben.  Nach  mehren  vergeblichen  VersBchen  greift 
man  zum  Säbel,    nad  Y**  bekommt  eine  Schramme  auf  die  Hand. 

Hitle  nun  unser  Liebekranke  die  Franaösischen  Geselse  ge- 
kannt, nach  denen  der  Zweikampf  nicht  geseislich  verboten  ist, 
sondern  die  Betheiligten  blofs  hinsicbtlich  der  Folgen  desselben 
verantwonlicb  sind,  welche  Folgen  in  dem  erzähllen  Falle  nicht 
in  Mord  oder  Verstümmelung,  sondern  blofs  in  einer  unbedeuten- 
den Schramme  bestanden,  so  würde  wahrscheinlich  das  Abenieoer 
nicht  seine  Genesung  bewirkt  haben.  Er  kannte  aber  xu  seinem 
Heile  die  Fraozäaiacheo  Geseiae  nicht,  er  besorgte  grofse  ünge- 
iegenheit  von  diesem  Unfuge,  und  da  er  einen  grofsen  Grad  von 
Ehrb^ierde  besafs,  so  wirkte  der  Gedanke,  als  Ueberlreier  der 
Geaetae  und  als  frevelbafler  Slörer  nllcbtiicber  Ruhe  von  dem  öf- 
featlicbeo  Anldäger  belangt  an  werden,  ao  mächtig  auf  ihn,  dafs 
die  Liebetpbaniaaien  in  den  Hintergrund  seines'  Kopfes  zurücktra- 
toa.  Er  saadito  sich  auf  den  Weg,  seinen  entfernten  Vorgeseti- 
len  die  Sache  in  einem  erträglieh  günstigem  Liebte  vorsusiellen, 
eh  das  Helsöogige  Gerücbt  sie  entstellt  und  vergröfsert  an  ihres 
Ohren  bringen  konntet  kurs,  er  ihat  alles,  was  jeder  unter  una 
tbua  würde,  wenn  er  einnabl  aiu  Üebereilung  eine  ähnliche  Narr- 
heit begangen. 

Mit  der  Poliaei  hatte  er  am  wenigsten  ka  schaffen,  denn  die 
wafule  den  Vorgang  mit  allen  Umständen,  sah  mithin  dordi  die 
Finger,  und  das  um  soviel  mehr,  weil  sie  auch  'den  HuaareDof- 
fisier  f3r  balbverrückt  hielt,  worin  sie  eben  nicht  Unrecht  hatte; 
denn  eine  Zeitlang  darauf  bekam  dieser  hier  im  Orte  einen  An- 
fall vofx  WahMinn,  hat  daranf  ao  der  anderen  Seite  des  Rheines 


einen  scbreeklichen ,  aber  mifiilungenen  Vcmidi  ieu  SelbstmordM 
lt«niRcht,  und  ist,  wie  ich  gehöri,  endlich  m  Beriin  wshosliiirig 
im  Krankenhaase  gestorben. 

Der  liebekranke  Y**  war  aber  durch  dieses  Abenteuer,  das 
seine  Gedanken  aof  andere  Gegenstände  nicht  blofs  lenkte ,  son- 
dern zwang,  das  seine  Ehrbegierde  aufregte,  das  seinen  Geist 
und  KSrper  in  Thüiigkeit  setzte,  so  gründlich  geheilet,  dals  er 
keines  Arztes  und  keiner  Araeoei  mehr  bedurfte,  sondern  wie 
jeder  andere  Tersläodige  Mann  lebte  und  seine  amtlichen  Gescb&fte 
versah. 

Dieses  ist  nun  eine  echt  psychische  Heilung;  aber,  stand  es 
wol  in  der  Gewalt  des  Arstes,  den  heilendeo  Straufs.  herheixu- 
fljbren* 

In  früherer  Zeit  hielt  mao  vi«!  aaf  die  Geifselbeilongen.  Wel- 
cher Unfug  damit,  noch  in  meiner  Lebzeit  in  den  Militärkranken* 
h^nsern  getrieben  wurde,  darüber  will  ich  nichu  sagen;  mir  scheint 
xber  doch,  dafs  in  den  eben  besproefaeaeo  Arten  de«  IrrriBiM» 
derbe  Kuthenstreicbe  den  Mensehen  besser  aus  seiner  Traam-  and 
Phantasiewelt  tat  wirklicben  Versiftndigkeil  erwecken  wurde«,  sds 
alle  Arienei  nnd  als  alle  chirnrgische  Aelz-  und  Breonmitlel.  Ich 
glaube  jedoch  nicht ,  dals  man  Menschen ,  die  schon  mehre  Jalire 
in  ihrer  Phaniasiewelt  gelebt,  nod  deren  Gefühl  für  den  Seh  man, 
wie  flir  alle  Snfsere  Reise  schon  bedeutend  vermindert  ist,  dnvch 
solch  empfindlichen  tianireiz  wird  heilen  kSnnen. 

Da  in  der  Medizin  das  Neue  und  vielfach  Besprochene  gar 
bald  znm  Alten,  Vergessenen,  ja  zum  Verachteten,  das  Alte, 
Vei^Bsene  nnd  Veraehieie  aber  zum  Neuen  wird,  so  kdonle  es 
sieh  leicht  treffen,  dals  auch  mit  der  Zeit  wieder  ein  Arzt  Irrsin- 
nige durch  Geifselnag  gründlich  heilte.  Diesen  bitte  ich,  seine 
Heilongen  doch  ja  nidit  in  einer  Druckschrift  bekannt  zu  niaehen. 
Es  gibt  in  der  Medizin,  wie  in  allen  andern  bürgerlichen  GesehSf- 
ten,  immer  solche  Menschen,  denen  die  Natur  die  zur  nmsicbti- 
gen  Betreibong  ihres  Gesch&ftes  ndlhigen  Veratandeskrftfl«  nicht 
verliehen  hat.  Diese  wirden  ohne  Zweifel  durch  die  Bekanntma* 
chung  solcher  gliickliohen  Geifselheiluogen  verleitet  Werden,  das 
gepriesene  Mittel  auch  hei  solchen  Irren  anzuwenden,  bei  denen 
es  das  Uehel  weit  eher  schlimmer  als  besser  machen  mttchte,  nnd 
vor  der  Erneuerung  solch  empürenden  Unfuges  wolle  uns  Gott 
bewahren. 

ieizt  will  ich  den  Lesern  einea  Fall  mittheilen,  den  ich  zwar 
nicht  selbst  beobachtet,  den  mir  aber  der  Geheilte,  einer  meiner 
filtesfen  hiesigen  Freunde,  ein  versifindiger  und  wahrtiaDer  Mann 
erzählt  hat.  Dieser,  in  den  besten  Jahren,  stark,  gesund,  auf 
dem  Land«  lebend ,  und  reichliefa  vom  Schicksale  mit  GlücksgD* 
tum  begabt,   streichelt  »inst  seinenLieblingahund,  und  hört  gleich 


—    5M     - 

darwF,  dafr  «EmtmIW  von  «iHm  wfilfawideB  HuiHlt  gebinen  au. 
Ib  ihn  srwaclu  dsr  GedRike,  er  werds  dis  Waumeben  bskoin- 
nwn,  und  w«d«r  4m  VoralsUniigea  mIdm  Arnos,  noeh  leinor 
Froondo  können  ihn  von  der  Nichiigkeit  diews  Schrockbildes  iiber- 
uugoD.  0er  Gedanke  bescbättiget  ibn  lo  einiig,  so  ausschliefa- 
lieh,  dafs  er  eu  ollen  Geschäften,  *a  allor  gesellachafUtclieD  Uo- 
terhaltung  unfähig  wird,  einiig  in  seineo  düsteren  Phnntaiien  lebt, 
und  die  gräüiliche  lürwartang  des  Rasendwerdens  ibm  alle  Ruhe 
raubt. 

Sein  Ant  und  leine  Freunde  hallen  Zerstreuung  für  die  belle 
Arzeuei ,  und  xn  dem  Ende  macht  er  in  Gesellschaft  yoo  ein  paar 
heitern  und  lebensfrohen  Vertrauten  eine  Heise  .den  Rhein  hinauf. 
Bei  dieser  Reise  beschränkt  inan  sich  nicht  blofa  darauf,  die  sohö- 
nen  Gegenden  au  beobachten,  sondern  man  sucht  aach  jede  an- 
dere frohe  gesellschiifiliche  Unterhaltung,  und  versäumt  eben  so 
wenig,  die  verschiedenen  Rhein w eins rteu  biasicbilich  ihrer  erwär- 
menden und  erheileroden  Kräfte  auf  die  Probe  au  stelleo.  Die 
Wirkung  dieser  Reise  war,  nach  Aussage  meines  alten  Freundes, 
folgende :  Neue  Gegeastftode,  neue  Menschen,  neue  Unterhaltung, 
sobald  diese  nicht  den  Anstrich  des  Gemeinen  oder  Alltäglichen 
hatten,  verdrSngten  auf  kurze  Zeil  den  unglücklieben  Uundege- 
da^Len,  jedoch  verdr&ngt  war  dieser  im  eigeai liehen  Sinne  nicht, 
sondern  er  schwebte  gleich  einem  umtauberen  Geiste  io  luftiger 
Nebelgesiatt  über  der  bunten  Gruppe  lustiger  Rheinbilder,  die  Zeit 
ungeduldig  erharrend,  wo  er  jene  Eindringlinge  wieder  verscheu- 
chen wSrde. 

Leider  geschah  dieses  bald,  denn  knum  war  der  vermeint- 
lich halb  Geheilte  wieder  zu  Hause,  so  wies  ea  sieb  aus,  daf« 
die  Reise  nicht  gefruchtet ;  er  sank  wieder  in  seinen  vorigen  grltfs- 
licben  Gemüthszuatand  ,  und  würde  ohne  Zweifel  ganz  wahnsinnig 
geworden  sein ,  wenn  das  Schicksal  nicht  besser  fiir  ihn  gesorgt 
bitte  als  Menschenwitz  es  vermochte.  Er  bekommt  nämlich,  ein  * 
damafals  im  Lande  herrschendes  typhöses  Fieber,  und  da  sein  Arzt 
dieses  nicht  im  ersten  Zeiträume  zu  händigen  verstehet ,  durchläuft 
es  alle  Zeiträume;  er  liegl  lange  im  Zustande  von  ßesinnungslo- 
tigkeit,    magert  gänslich  nb  und  geneset  dann  langsam. 

Dieses  Fieber  war  nun  das  beste  und  vielleicht  auch  das  ein- 
zige Heilmittel  für  ihn  gewesen.  Hund  und  Hundawulh,  Bellen 
■ttd  Beifaen  vreren  aus  seinem  Kopfe  verschwunden,  und  wie  aus 
eiaem  furchtbaren  Traume  erwacht,  schaute  er  bintennach  atif 
jenea  schre^liehen  Gemüthaaostand  zurück,  dem  er  duich  das  wohl- 
thäüge  Fieber  glücklich  entronnen  war. 

Den  Irrsinn  aus  religiösen  Zweifeln  habe  ich  r.n  beobncbten 
wenig  Gelegenheit  gehabt,  wabracheinlicb  weil  ich  in  einer  Ge- 
gend  die  Kunst   übe,    ia  der  hei    weitem   die  meisten  Bewohner 


-.ügic 


—    5M    — 

katboliidien  Glanbeni  liad.     Vor  eilicbeB  Jabc«o  iM  mir  ^mc  «in 

Fall  vorgekoinnwn ,  deaaen  Enäblung  mir  Ge]eg«nheit  geben  wird, 
über  einen  bei  Bebandlnng  des  Irrsinoes  wichtigen  Gegeiutaod  eio 
Wort  za  sagen. 

Ein  zwanzigjähriges  Mädchen,  aas  der  geringeren  Volktklassoj 
war  in  der  Stadt  G**  bei  öberfrotnmen  Leuten  im  Dienste.  Wie 
diese  ihr  Gewissen  bearbeitet  haben ,  mag  der  Himmel  wissen ; 
ich  weifs  nnr,  dafs  sie  aufser  der  gewöhnlichen  Zeit  den  Dienst 
verlassen  mnfsle  and  irrsinnig  xu  ihren  Aeltern  kam.  Ihr  Irrsion 
hatte  keinen  bösartigen  Anstrich,  sie  war  vielmehr  schweigsaro, 
xa  allen  GeschSfien  anbraachbar ,  nnd  das  Wenige ,  was  sie  sprach, 
war  unznsammentängendes ,  nm  religiöse  Gegenstände  sich  dre- 
hendes Zeng.  Da  Ihre  Zange  belegt,  ihr  Harn  duokelgelb  war, 
sie  viel  Aufstofsen  hatte,  nnd  gastrische  Krankheiten  damahls  im 
Lande  vorwalteten,  so'zweifelte  ich  nicht,  dafs  dieser  Irrsinn  ans 
der  Leber  kSme.  Ich  gab  ihr  eine  Mischung  aus  einer  gleicbthei- 
ligen  Mischung  der  Tinktur  der  KrShenaugen  nnd  des  stinkenden 
Asants,  nnd  in  vierzehn  Tagen  war  sie  wieder  anseheinend  eben 
so  verstBndig  als  sie  je  vertier  gewesen  tein  mochte. 

Die  vermetnllich  Geheilte  ging  nun  zu  ihrer  vorigen  Herr- 
schaft, um  ihre  dort  zurückgelassenen  Kleider  abzuholen;  inner- 
halb zweier  Tage  kehrte  sie  wieder  zurück;  kaum  war  sie  im  al- 
lerlicben  Hause  warm  geworden,  so  offenbarte  sich  aufs  neue  der 
Irrsinn,  halte  aber  jetzt  die  Form  der  Manie,  da  er,  wie  ge- 
sagt,  früher  die  Form  des  Trübsinnes  gehabt. 

Weil  ich  jetzt  wieder  die  vorigen  Zeichen  der  Bauch  beruh  rl- 
heit  sah,  schlug  ich  auch  wieder  den  vorigen  Heilw^  ein,  aber 
leider  mit  so  wenigem  Glücke,  dafs  die  Kranke  weit  eher  schlim- 
mer als  besser  wurde,  und  man  ihres  aufrührischen  Betragens 
wegen  genötbigel  wurde,   sie  in  eine  Kammer  eiazoschliefsen. 

Nachdem  ich  über  den  ungünstigen  Erfolg  der  vorher  wohltfaS- 
tigen  HeiJart  nachgedacht,  hielt  ich  es  für  das  Beste,  jetzt  ein- 
zig auf  das  erkrankte  Gehirn  einzuwirken,  nnd  liefs  sie  zu  dem 
Ende,  stündlich  einen  Löffel  voll  von  einem  achtunzigieD  Tranke 
nehmen ,  der  anderthalb  Drachmen  essigsauren  Zink  nnd  eine  Unze 
Arabiscbes  Gummi  enihielt.  Da  sie  fünf  solcher  TrHoke  versehrt 
hatte ,  war  Irrsinn  und  gastrisches  Leiden  xugleieh  verschwunden. . 
Nun  erklärte  ich  aber  dem  Geisüichen,  der  ihr«  Seele  hüten 
inufüie:  ich  habe  jeUt  meine  Pflicht  als  Ant  getban,  ich  habe 
das  Mädchen  wieder  verständig  gemacht;  seine  Sache ^sei  es  fer- 
'ner,  dafür  zu  sorgen,  dafs  sie  verständig  bleibe,  dafs  er  ihr  die 
religiösen  Zweifel  benehme ,  die  sie  irre  gemacht  und  die  sie  über 
kurz  oder  lang  aberuiabls  irre  machen  würden,  wenn  er  dieselben 
nicht  mit  Stumpf  und  Stiel  ausrotte.      Er  wird. ohne  Zweifel  sein 


BraMs  mit  Eftatg  ^faaa  bab»,  dena  da«  ModvfaM  iu  venifindig 
gebliebeo,  hat  iieh  venhclichet  and  ut  jetil  Mnttpr  mehrer  Kinder. 
\uD  wolleo  wir  fiher  diesfl  Getdiicbte  eitrige  B«trachlaagen 
aoatetlen.  leb  h^e  «choa  oben,  bei  den  akuten  Gehirnlcrankhei- 
len,  von  der  xwiichen  dem  Denkorgan  und  den  Banchorganen  statt- 
habenden Wechselwirkong  gesprochen.  Die  erzählte  Geschichte 
gibt  mir  Veranlaasang,  noch  einaiabl  auf  diesea  wichtigen  Gtgen- 


Dafg  durch  eine  Urafiektion  des  Denkorgans  die  Bauofaorgaoe 
consenauell  ergriffen  werden  kdanea,  ist  aufser  allem  Zweifel. 
Diese  consenauelie .  Banchaffelaion  wiikt  ab^  xnweiten  feindlieb 
wieder  xnrück  aof  das  Gehirn  und  vennehrt  den  Irrsinn.  Gelin- 
get es  nos  nan,  durch  gale  Banchmittel  das  consensuell  ergriffene 
Banchoi^ao,  wo  nicht  ganz,  doch  sum  Theil  wieder  zum  Normal- 
stande  zurückauführen ,  so  wird  die  Aeufserong  das  IrTsinaes  be- 
greifiieh  minder  berrorstechend ;  ja  ea  kaaa ,  sonderlich  beim 
schweigsamen  Irrsinne,  ein  Zustand  eintreten,  der  dem  dar  Gene- 
sung fast  ähnlicb  siebet.  E^ne  tolohe  acbeinbare  Beilung  des  Ge- 
hirnleidens  durch  Baucbmittel  kann  den  Praktiker  aber  sehr  in 
die  Irre  führen,  er  kana  sieb  gar  zu  fest  in  den  Kopf  setzen,  dafä 
er  einen  gastrischen  Irrsinn  gebeilet  habe,  und  kehrt  das  Uebel 
wieder,  so  kann  er  in  dieser  Befangenheit  dem  Kranken  so  lang« 
dea  Bauch  bearbeiien,  bis  das-Urleiden  des  Denkorgans  aurgröfo- 
ten  Höbe  gesteigert  ist. 

Man  mufs  sich  also  dendich  denken,  dafi^  wegen  der  Wecb- 
selwirknag,  die  zwischen  dem  Denkorgan  und  den  Bauchorganan 
Statt  findet,  es  bar  nnmSglicb  ist,  durch  besondere  Gestalt  der 
wahroebmbaren  Zufülle  eine  sichere  unteracbeidendo  Erkenotnila 
m  erlangen,  ob  man  es  mit  einem  Urbaucb-,  oder  Urkopfleidea 
m  thun  habe.  Dieses  deniliche  Denken  der  Unsicherheit  der  £r- 
kanntnifs  Iiewabret  uns  vor  Einseitigkeit  in  der  Beurtheilung  nnd 
Behandlung  solcher  verborgenen  Uebel. 

Dab  man  bei  sichtlich  vorwaltenden  Bauchleiden  zuerst  diese 
zu  heben  oder  zu  mindern  sucht,  ist  der  Klugheit  gemäfsf  man 
raub  nnr  nicht  seinen  Kopf  darauf  seixea,  nnd  denken,  ea  innsse 
noihwendig  ein  Urbanchübel  sein  nnd  kSnne  nichts  anders  sein; 
ea  kann  leider  oft  genug  ganz  anders  sein ,  als  onaer  schulmälsig 
abgerichteter  Verstand  es  sieh  denkt. 

Wenn  ich  aber  geaagt,  dafa  man  durch  Beschwii^tigung  de« 
coB«ensaellen  Banchleidene  das  Urleiden  des  Denkorgans  mindern, 
ja  anscheinend  heben  könne ,  und  wenn  dieses  die  erzählte  Kran- 
kengescbiehte  auch  klftrlich  danbat,  so  mnls  ich  meinen  jüngeren 
Amtsgenossen  ausdrOcklich  erklären,  dafs  man  selbst  bei  unvet^ 
kennhar  vorwaltender  BanchaSektion  nicht  immer  auf  eine  solche 
Verbesserung  des  Hauptübela   rechnen    dnrf,    und  dafs  man  durch 


den  €ebniw)h  der  BaachnilMl  laweilas  niofats  i^wiinit,  rIi  ifnreb 
ihr  Nichtwirken  die  UeberMOgUBg,  imin  babe  m  «inxlg  mit  ei- 
nen reinen  (jrkopfleiden  zu  tbun,  in  welcher  UeberseDgiing  dann 
die  ernsilicfae  Mahnung  liegt,  nnrerweilt  m  dea  Gehimmiuelo  %» 
greifen.  Folgender  Fall,  dw  mit  dem  Torigen  einige  Aehiriiefakeit 
hat,  wird  dieses  dentlich  machen. 

Ein  junger  Tischler,  der  schon  eine  Zeitlang  den  Bramitwein 
mi&brau^t,  übrigens  aber  ein  Mann  von  gewfifanlicbein  Verstände 
war,  wird  vom  Garicbte  als  Taxator  der  Habe  fJninfindiger  er- 
nannt. Er  war  ein  ehrlicher  Mann ,  'nnd  wird  also  ohne  Zweifel 
■lies  nach  seinem  besten  Wiueo  abgeschätset  haben.  Hiotennach 
macht  Ihm  aber  ein  Sberfrommer  und  ü berge wissenhafm  MGeken- 
•eiger  das  GewiMen  bo  enge,  dafa  er  in  Zweifelnag  ftfll«  und 
dann  vollkomnen  irrsinnig  wird. 

Er  war  niobt  bösartig,  sondern  vieltuehr  leidend,  nad  (bat  was 
man  ihm  hiefs;  er  war  weder  schweigsam  noch  radaelig,  waa  er 
nber  vorbra^te  war  allesammt  tolles  Zeug.  Der  bei  ibm  vorberr- 
sehende  Qedanke  war :  die  Ciendarmen  würden  kommen ,  aad  ihn 
gefangen  nehmen,  er  bestimmte  auch  die  Zeit,  wann  sie  -kommen 
wfirdeo;  da  aber  sein  wirres  Gedächtoils  diese  Zeitbeslimmirag 
ni^t  feslznhalten  Termechia,  so  lebte  er  in  einer  immerwährenden 
Fnr^t  vor  der  Gefangenschaft,  welcher  klttgliche  Gemütbuusiaad 
zuweilen  selbst  einen  Harlheriigen ,  darob  seine  ritkreoden  Aen- 
fserungen,   xum  Mitleiden    hätte   bewegen  müssen. 

Nun,  bei  diesem  Manne  war  die  consensuelle  Baacliaffeklion 
eben  so  in  die  Augen  fallend  als  bei  dem  Mädchen  der  vorigen 
Geidiiohte;  vierzehn  Tage  lang  habe  ich  ihn  aus  Vorsiebt  nach 
meinem  besten  Wissen  mit  Lebermitteln  .behandelt*  aber  weit  ent- 
fei^t ,  bei  ihm ,  wie  bei  dem  Mädchen  eine  anscheinende  Heilung 
des  Gehiroleidens  su  gewahren,  sah  icb  vielmehr  von  Hrinen  Mi^ 
tele  nicht  die  mindeste  Wirkung,  weder  auf  Bancb  aoch  auf  Ge- 
hirn. \un  glaubte  ich  nber  meiner  Sache  ganx  sicher  an -sein, 
gab  essigsauren  Zink  nnd  halte  das  Vergniigen,  den  Knmken  in 
vier  Tagen  wieder  verständig  zu  machen ;  die  «onsensuallen  Rauch- 
affektionen verschwanden  sn  gleicher  Zeit  durch  Heilnng  des  Denk- 
organs. 

Warum  nun  aber  die  darcb  ein  Urleiden  des  Denkorgans  eoD- 
sensuell  ergriffenen  Baochorgane  bei  dem  einen,  auf  das  Denkor- 
gan feindlich  zurückwirkend,  dessen  IrrungeD  bedestend  Ueigern, 
bei  dem  andern  diese  feindliche  Rüokwirktuig'  aidu  äufsern,  das 
weifs  ich  nicht  lu  erklären. 

Jetzt  komme  ich  auf  eine  Art  des  Irrsinnes,  der  hier  zu  Lan- 
de so  seilen  ist,  dafa  ich  ihn  nur  ein  einziges  Mahl  zu  beobach- 
ten Gelegenheit  gehabt,  es  ist  nämlich  der,  wdeber  si(^  durch 
libermSlaige   nnd    anhaltende  Anstrengung  des  Verstandes  und  das 


—  587  — 
GsdSehtDlnM  «nengt.  Dah  leb  diesen  Imlnn  nur  ein  eincfgea  MaU 
beobnchlet,  bot  wabnebeialicb  darin  leinen  Grund,  dafa  ioh  in  ei- 
ner Gegend  die  Kumt  3be,  wo  die  Menicben  iwar  listig  nnd  Tar- 
achlagen in  bürgerlichen  HBodeln  sind,  übrigens  sich  aber  mit  Ge- 
genatinden  der  GelebraamkeH  nicht  sonderlich  den  Kopf  lerbre- 
eben. 

Den  Mann,  von  dem  icb  jelat  reden  werde,  habe  ich  Ton  sei- 
ner KioAeit  an  gekannt.  Et  halte  ein  wundervoll  alHrkea  Go- 
dichlnifs,  war  von  \atnr  scbweigBain,  iingefaener  wifabegierig  nnd 
ausharrend  in  seinen  Forschungen.  Auf  der  Hochschule  hatte  er 
wol  gar  sn  heftig  nnd  raiilos  seinen  Verstand  und  sein  Gedäcbl- 
aifs  angeairenget,  dabei  seinen  Körper  durch  Nacbisitsen  gesehwRcfat. 
icb  habe  mehrmabls  Gelegenheit  gehabt ,  mich  xa  der  Zeit  mit 
ihm  SU  unterbniten ,  da  er  seine  hochscfantigen  Studien  vollendet 
und  sebon  von  der  Beharde  geprüfet  war,  ood  erstaunle  jedes  Mabl 
ilber  die  Masse  von  Kenntniuen  in  versobiedenen  Fftcbeni  des 
Wissens,  die  er,  wahrlich  nicht  prahlerisch  vorlaut,  sondern  fast 
kindlich  beseheiden  an  den  Tag  legte. 

Alles  ging  anscheinend  gnt,  bis  m  der  Zeit,  da  ihm  ein  ebren- 
voller  Antrag  m  einer  amilicheo  Versorgung  geschah.  Nnn  fiel 
er  in  Zweifelnng,  glaubte  et  mit  seiner  P&icbt  unvertriglicb ,  das 
Amt  ansnnebaaen,  weigerte  sieb  lobriftlich,  es  ansntreten,  nnd  war 
nnversebens  ans  dem  Hause  seines  nächsten  Verwandten,  bei  dem  - 
er  lieb  damabls  aufhielt,  verseil  wunden.  Da  er  sich  bei  seiner 
Enlweichang  weder  mit  Geld,  noch  n>it  Wasche  verseben  hatte, 
so  konnte  man  leicht  denken,  dafs  er  blofs  an  fentfemien  Bekann- 
ten wSrde  gegangen  sein.  Man  schickte  Uoihen  nach  verschiede- 
nen Seilen  ans,  und  fand  ihn  anob  wirklich  an  einem  der  verma- 
theten  Orte.  Dem  Wunsche  seines  Verwandten,  xarfickzakehren, 
leistete  er  ohne  Einrede  Folge. 

Man  glanble,  sein  seltsamer  Anschlag  nSehte  wol  in  kitrper- 
licher  Krankheit  begründet  sein,  und  mir  wurde  der  Antrag,  Ihn 
zn  nntersDchen  und  wieder  in  Ordnung  za  bringen.  Obgleich  nun 
■lies  Vorhei^egangeRe  mit  Recht  anf  ein  Urleiden  des  Denkorgans 
schliefaen  lieb,  so  hielt  ioh  es  doch  flir  verstfindig,  xu  veranchen, 
ob  ich  soeral  die  in  diesem  Falle  sichlbar  vorwaltende  Berühnheit 
der  Leber  ganz,  oder  zum  Tbeile  heben  kBnnte,  woraus  sich  dann 
ergeben  wfirde,  in  wiefern  diese  Leberaffektion  anf  das  Denkor- 
gan feindlich  eingewirkt.  £s  gelang  mir,  durch  ein«  Migehaog 
der  Krahenangentinktnr  mit  der  des  stinkenden  Aaant  im  Verein 
mit  einer  zweckm»faigen  Lebensordnung  das  Leberleidan  za  he- 
ben, und  die  seltsamen  zweifelnden  Grillen  verschwanden  aus  sei- 
Dem  Kopfe.  Seine  schriftliche  Weigening,  das  Ami  anzunehmen, 
war  von  den  Verwandten  entweder  nnlerdrUckt,  oder  doch  am  ge- 
bifrigen  Orte    dem    naehtboiligea  ClDdroeke,    den  sie    nothwendig 


taaehen  mn&te,  Biif  eine  mir  anbekannle  Weise  rorgetwngM.  Er 
trat  das  Amt  an,  versah  es  pflichtmSbig ,  nai  war  in  seinen  Uhi- 
gebungen  ein  hoofageachleler  und  geliebter  Mann. 

Eine  Nachricht,  die  ich  aber  in  dieser  Zeit  von  iea  Seinen 
erhielt,  gefiel  mir  gar  nicht  Weit  enifernt,  dnreb  das  Geachehe- 
ne  gewitziget  an  sein,  hat  er  sieh  gans  ohne  Schonung  den  ge- 
lehrten Forschungen  hingegeben,  grölsleniheik  bis  Mitlernachi, 
Qiobt  selten  bis  zum  Morgen  anfgeseisen,  kun,  alles  nnverftndert 
so  getrieben  wie  früher. 

Nachdem  er  ein  paar  Jahre  im  Amte  gewesen,  gewann  er  ei- 
ne  sehr  achtbare  Jungfran  lieb,  and  da  diese  mit  ihm  gleiritea 
Standes,  uhd  er  aicbi  blols  ein  gelehrtpr  und  Aisgeaeichneler  Kopf, 
Bondem  ancb  ein  aufserordenilich  gutartiger  Mensch,  nnd  hinsicht- 
lich seiner  Gestalt  eher  schfin  als  hAfslich  war,  s»  hatte  er  nicht 
nach  Art  der  Itomanenhelden  mit  de^  Harth^rsigkeit  seiner  Gelieb- 
ten, mit  der  Graosamkeit  ihrer  Aellern,  oder  eines  grieagrttmi- 
sehen  Vormnades  zu  kämpfen,  sondern  seiner  Varbipdnng  stand 
vielmehr  nichts  im  Wege,  nnd  das  beabsichtigte  Ehehündnils  wür- 
de h&chst  wahrscheinlich  wohltbHtig  auf  seinen  Geist  nnd  Körper 
gewirkt  haben. 

Es  war  aber  im  Ratbe  des  Schicksals  anders  beschlosseB. 
Durch  seine  ausgezeichneten  Talente ,    durch  sein  liebreiches  Be- 

.  tragen  und  streng  sittlichen  Lebenswandel  hatte  «r  sich  nicht  hiofs 
in  dein  beschränkten  Kreise  seines  nächsten  Wirkens,  sondern 
auch  in  entfernteren  Gegenden  die  Achtung  verständiger  und  recht- 
licher Menschen  erwarben,  und  er  bekam  deshalb  in  einem  ganz 
karzen  Zeitranme  von  drei  verschiedenen  Onen  Berufe  zu  Aem- 
tem.  Für  einen  Mann,  der  an  dem  Orte,  wo  er  wohnet,  mit  Sor- 
gen der  \ahning  zu  kämpfen  hat,  der  von  seinen  Umgebnngeo 
eher  gehnfst  als  geliebt  wird,  für  den  ist  der  Ruf,  in  neue  Ver- 
hältnisse zu  treten ,  immer  erwünscht ; '  die  Wahl  vemrsaoht  ihm 
kein  Kopfbrechen,  denn  der  Gedanke,  es  kann  da,  wohin  ich 
komme,  nicht  schlechter  sein  als  wo  ich  jetzt  bin, 
ist  eben  nicht  kopfbr acher isch er  Art  Ganz  anders  aber  gestaltet 
sich  die  Sache,    wenn  ein  Mann  ohne  Sorgen  der  Nabmng,   von 

-  seinen  Umgehungen  geachtet  nnd  geliebt  an  einem  Orte  wobnt. 
Die  Verhältnisse,  worin  er  lebt,  kennet  er  genau,  die  neuen,  worin 
er  treten  soll,  keunet  er  nur  ans  Erzählung  nnd  Hörensagen,  mit- 
bin ist  die  Wahl  milslich,  es  handelt  sich  hier  nm  das  Wohl, 
oder  Weh  des  Lebens;  nnd  wie  manchen  bat  nicht  das  verrftlhe- 
rische  Glück,  dem  er  sieb  treuherzig  in  die  offenen  Arme  warf, 
gleich  der  Spanischen  Jungfer  in  den  alten  Follerkamuern  gar  ua- 
heimlich  geherzt  [ 

Wenn  also  bei  jedem  behaglich  lebenden  Meusehea  eine  sol- 
che Wahl    nicht    ohne  Geantbsbewegung   vsrgdien  kann,    so    iai 


1«iehl  m  bcjfrtrifleii ,  dafs  li«  aoch  auf  nnserQ  jungen  Maati,  der 
drei  Berufs  fa«t  in  gleicher  Zeit  beliaiii,  vorzüglich  aufregend  wir- 
ken rnnfite.  Dieae  Wirkung  war  aber  für  ibn  »o  feindlich,  dafi 
er  in  Irrnnn  fiel. 

Wi'e  ich  von  seinen  Verwandten  erkundet,  hat  sich  der  Irr- 
sinn anßnglich  als  Manie  effeabaret ,  sein  Arst  hat  aber  die  tob- 
sächfigen  KufUlB  dnreh  antagoaisii sehen  Reia  auf  den  Magen  be- 
schwichtiget. Sobald  er  verfofarbar  war,  wurde  er  in  seinem  Ver^ 
wandton  in  meiner  Nachbarschaft  gebrachL 

Er  war  jetsi  ■ehweigsam,  aber  irre;  wai  in  seinem  Kopfe 
vorging,  konnte  man  nicht  ralhen.  Eines  Tages  fand  ich  ihn  im 
Vorhause  an  der  Treppe,  anf  einem  Knie  gesiülzl,  die  Hinde  rin- 
gend, und  nie  habe  ich  den  geistigen  Schmerz  so  grell  ansge- 
drüekt  gesehen.  HStta  mhr  «in  Mahler  das  Konterfei  «nes  solchen 
Kopfes  gexeigt,  so  würde  ich  ihn  gerade«!  der  Uebertreibuag,  der 
UanatOrlicbkett  bescholdiget  haben.  Gott!  welche  schreckliche 
Gedanken  mGsaen  in  einem  Kopfe  bansen,  in  dessen  Zügen  sieh 
der  geistige  Schmerz  so  grifslieh  aassprieht.  War  das  vitdieicht 
ein  lichter  Angenblidt,  in  dem  et  den  ganzen  Umfang  seines  Un- 
glückes itbersehautel  Niemand  kann  es  freilich  wissen,  aber  mög- 
lich ist  es. 

Was  war  nun  b»  der  Sache  zu  thnn?  Wenig  genug.  Ohne 
das  Uebel  gerade  für  unheilbar  erklRren  zu  k5nnen,  hatte  ich  doch 
wenig  Hoffnung,  es  durch  meine  Kunst  zu  heilen,  selbst  in  dem 
Falle,  dafs  die  regelmSlsTge  Anwendung  der  dienlichen  Mittel  mög- 
lich gewesen  wRre.  Diese  war  aber  unmRgKcb,  denn  wenn  der 
Kranke  ein  paar  Gaben  von  einer  ATzenei  genommen,  so  liefs  er 
sie  stehen.  Es  schien ,  dafs  die  Seinen  wenig'  Gewalt  in  dieser 
Hinsicht  über  ihn  hatten;  nidglich  aber  ist  es  auch,  dafs,  da  sie 
vorhatten,  ihu  in  einer  irrenheilanstalt  unterzubringen,  sie,  vor- 
züglich von  dieser  Hülfe  erwartend,  meine  Heilversuche  nicht  son- 
derlich nnlerslntxlen.  Oa  ich  aber,  wie  gesagt,  selbst  wenig  IIoll- 
nung  zur  Heilung  hatte,  und  deshalb,  hinsichtlich  des  Beatnllens 
in  einer  Irrenheilensialt,  vom  Anfange  an  uiit  seinen  A'erwandten 
vollkommen  etoveraianden  war,  so  sind  meine  nicht  ansgefübr- 
ten  HeilanschlSge  für  nichts  zu  achten  und  der  ErwAhnung  nidit 
wenh. 

Der  Unglückliche  ist  jetzt  über  zwei  Jahre  In  der  Heilanstalt, 
allein,  obgleich  sehr  verständige  Aerzte  dieser  vorstehen,  so  hat 
doch  ihre  Kunst  nichts  über  das  Uebel  vermocht ;  ja,  wie  mir  vor 
Kurzem  der  nScbste  Verwandle  gesagt,  haben  sie  den  Kranken 
für  unheilbar  erklärt. 

Nun  werde  ich  über  diesen  Fall  einige  Bemerkungen  machen. 
Zuerst  stelle  ich  folgende  Frage ;  Da  ich  dem  Kranken  zwei  Jah- 
re früher  durch  Lebermiiiei  die  ersten  Scfamllen   aus  dem  Kopfe 


—    «M    — 

■^an«,  war  dsiichon  du  DenkorgBO  arergritTen ,  oimt  war  die 
Leb«rberührth«it  daa  Urleidea,  and  kBrneii  jan«  xweifeliulen  Schrol- 
ha,  jene  nogvahnatc  Flocht  aaa  dem  Hiuie  leiner  Ycrwandten, 
Ton  einer  blofs  conieninellen  Benlhnbeit  dei  Denkorgai»  f 

Ich  bin  der  enien  Meinung,  nämlich  daf«  teio  Denkergan 
schon  damahU  urerkrankt  war,  und  dafg  dai  Leberleiden,  conaen- 
raeller  Art,  aaf  dai  durch  anmüfsiges  Stadiren  krankhaft  gamach- 
te  Oenkoigan  feindlich  srarückwirkead,  die  erste,  dem  Wahnsinna 
gaai  nahe  verwandte  Ertcheinung  hervorgebracht  habe. 

Dia  Erkrankung  dei  Denkorgana  hat,  wie  die  Berüfartheit  al- 
ler anderen  Organe,  nnsählbare  in  einanderflieftende  ScbattoDgeo, 
ehe  aia  la  dem  Punkte  kommt,  wo  die  Aerxte  ihr  einen  noaolo- 
giaehen  Namen  beilegen.  Das  Deakoif  an  nnserei  jungen  Mannea 
war  bestimmt  achon  früher  erkrankt,  früher,  ehe  er,  xwei  Jahre 
vor  Anabrooh  des  wirklichen  Wahnsinnes,  in  Zweifelung  fiel  Daa 
damahla,  der  Himmel  mag  wUsen  durch  welche  Nebenanat&ede 
gesteigerte  coniensaelle  Leberleideo  steigerte  nan  durch  seine  Rück- 
wirkung auf  das  Gehirn  das  Urleiden  das  Denkorgans,  und  venu- 
sachte  einen,  nicht  bloüi  Termulhbaren,  sondern  erkennbaren  krank- 
haften Znstand  desselben ,  denn  der  Mann  gab  sich  solchen  Ge- 
danken hin  und  beging  solche  Handlungen,  welche  von  den  Ge- 
danken und  Handlungen  aller  der  Menschen,  die  man  für  versiKn- 
d!g  hilt;  sehr  verschieden  waren. 

Die  Beaeitignng  des  Leberleidena  und  die  dadurch  aufgehobe- 
ne Rückwirkung  desselben  auf  das  Gehirn  hob  weiter  nichls  anf, 
als  jene  durch  das  I^aberleiden  verurMchte  Steigerung  dea  krank- 
haften ZuBlandes  des  Denkorgans,  wodurch  dann  die  sichtbare  Aen- 
fserung  dieser  Steigerung  noibwendig  verschwinden  nrafste.  Aber, 
war  das  Denhorgan  dadurch  wirklich  vollkommen  mm  Normal- 
Stande  zurückgeführt  t  Ich  tweifle  nicht  blofs  hieran,  sondern  ich 
bin  vielmehr  überaeugl,  dab  dieses  Organ  ohne  Nachlala  krank- 
haft geblieben  ist,  bis,  nach  ungefähr  xwei  Jahren,  diese  Kraak- 
hafiigkeit ,  durch  die  erzSbllen  äufseren  Einwirkungen  gestei- 
gert, in  wirklichen  Wahnsinn  überg'ing.  Meine  Gründe  fär  dies* 
Behanptang  sind  sehr  einfach  und  müssen  jedem  Leser  einleuchten. 

Für  einen  wifs-  und  ehrbegierigen  Mann  ist  doch  wol  nicht« 
■chraeklicher ,  als  in  Irrsinn  su  verfallen  und  lum  unfreien  Men- 
sehen  an  werden.  Der,  dessen  Denkorgan  vollkommen  normal 
Ist,  der  wird  gewifs,  wenn  ihm  ein  solches  CDglüok  auch  nur  von 
lern  drohet,  alles  tbun,  ihm  m  entgehen.  Wie  machte  es  nnn 
aber  unser  junge  Manol 

Da  er  swei  Jahre  vor  Ausbruch  des  Wahniiniies  in  Zweife- 
lung fiel  und  anscheinend  geheilei  wurde,  haha  ich  ihn  unverho- 
len gewarnet,  die  Anstrengung  seiner  Geisteskräfte  au  mHfngen, 
etliche  Jahre  bloEs  seine,  ihn  wahrlich  nicht  ansitengeaden  Anus- 


-    Ml    — 

*«rrichtai^wi  m  vennebeo ,    «ad  bIIcd  gelehnen  Kram  ganz  fah>  . 
na  la  iMaen;    denn  nicht  in  d«n  ApeibekarbüchMn ,    loodeni  ia 
•iner  golciun  GetMesbrache  aei  für  ibo  das  Heil  «n  finden.    Seine 
Verwandlea,  Ten  deren  warnen  Tbeilnahme  er  vollkomtnen  über- 
seiigt  war,  'hal»en  ihm  damabls  dai  Nämliche  ans  Hen  gelegt. 

W&n  hier  blofa  von  einer  kahlen  Warnung  die  Rede,  so 
nSebta  das  \ichibeachlea  derselben  noch  wol  auf  Jugendlieben 
Leichtsinn,  auf  Wifs-,  oder  Khrbegietd«  geccbobea  werden  kön- 
nea ;  aber  hier  wurde  ein  Mann  gewarnet,  der  schon  auf  den  Mar- 
ken  dat  Wahnainnea  gestanden,  er  wurde  vor  Sch8dUchkeiten  ge- 
wamet,  die  ihn  schon  einniabl  auf  jeaen  furcbibarea  Wendepunkt 
gestellt.  lat  nun  das  Nichlaehlen  dieser  Warnnng,  das  anhalten- 
de Beharren  in  aeiaen  gelebnen  Grfibeleien  wol  mit  einer  yoll- 
koBUMfl  Regelmafsigkeit  dea  Denkorgaua  vereinbart  Ich  sollte 
••  nicht  glauben.  Halten  ihn  Wifs-,  oder  Ehrbegierde  nach  «i 
der  anmftfsigen  Anstrengung  seiner  GeiateskrHrie  gespornet,  so 
bktln  «r,  bei  einen  Ttdikomnen  normalen  Oenkorgane,  doch  be- 
grufen  mflsaen ,  dafa  alles  Wiasen  und  alle  "Ehre  im  Irrsinn«  nn- 
«ergebet ,  nnd  dafs  der  arme  Irre  nur  bSchsleaa  das  Mitleiden  der 
Henaehen  erwirbt. 

Anas  wohl  erwogen,  Ua  ich  überaeugt,  dafa  nnaer  Mann  achon 
aof  der  Hoebaebule  die  Krenkbaftigkeit  dea  Denkergana  erworben, 
und  dafa  die  Zweifelbag,  in  welche  er  anßiiiglieh  fiel,  die  Tob- 
saebt,  die  ihn  «in  paar  Jahre  spSler  ergriS  nnd  der  darauf  folgen- 
de aefawaigaanie  Irratan  nur  verschiedenartige,  grell  hervorstechen- 
de Aenlaeningaa  einer  und  der  oämiiehen  ununterbrochenen  Krank- 
haftigkeit des  Denkorgans  gewesen. 

Dia  Krankhaftigkeit  dea  Deakorgana,  die  aich  niehi  durch  nn- 
auaaraaienb angende,  abkreiaend«  Rade  ftufaert,  iat  schwer,  ja  fast 
nanöglieh  mit  Sicherheit  lu  eriunnen.  Zuweilen  ttufsert  sie  sich 
blolk  dnreh  unaittliehe  Handlungen;  da  heifst  ea  dann  im  gemei- 
oan  Leben:  wie-'itt  es  möglich,  dafs  dieser  rechtliche,  genchlele 
Mann  aiefa  aU  geineinen  Hurer,  oder  Säufer,  oder  Verschwender, 
oder  filiigen  Knauser,  oder  ata  Henker  seiner  Familie  sur  Schau 
stellen  kann!  Aeh,  wertbe  Leaer!  ea  ist  alles  mBglich  in  dieser  nn- 
Tollkomnnen  Welt,  allea  mBglicb  in  dieaem  gebrechlieben  Men- 
scbealeibe.  Wie  die  Leber  Jahre  lang  krankhaft  ber&hrt  aein 
knnn,.  ohne  dafs  Gelbsucht  oder  Gallenfieber  aaa  dieser  Berübrt- 
heit  hervergebet,  wie  die  Nieren  Jabre  lang  Steine  bergen  kOa- 
OMi,  ob««  dafa  Bauchgrinmen  oder  Harnbeschwerden  daraus  ent- 
stehen, wie  di«  Lungen  Jahre  lang  Knoten  oder  Eitersacke  ent- 
halten kSntien,  ohne  dafs  das  Alhemholsn  sichilioh  geslSrat  wird, 
kon,  wie  fiberhanpt  alle  Organe  lange,  sehr  lange  krankhaft  be- 
rfibn  sein  kftnnen,  ohne  dafs  ihre  Hauptverricblnng  bandgrsiSiob 
geatdrei  wird;  so  kann  anob  das  Denkorgan  Jahre  lang  krankhaft 


sein,  ohne  dafs  diese  Krankhaftigkeit  dareh  nnsnsanneBbaD^ode 
Beden  und  darch  solehe  Handinngen  sioti  offenbaret,  die  man  im 
gemeinen  Leben  und  in  der  Heilkuntt  als  Aenberungen  des  Ifr- 
ainnes  geateinpelt  hat.  Aber  wehe  dem  Hause,  in  welchem  det 
Herr  oder  die  Herrinn  an  einer  solehen  faeindichen  Krankhaftig- 
keit des  Denhorgaos  leidet!  Den  wirklich  Wahnunnigen  sperret 
'  man  ein,  oder  man  tchickt  ihn  in  ein  Irrenbam;  aber  sperret  do- 
mahl  einen  solchen  heimlich  kopfkranken  Menschen  ein! 

Ich  habe  oben  gesagt,  dafa  ich,  da  der  nnglacklicfae  jooge 
Mann,  von  der  Tobsacht  zam  schwetgsamen  Irrsinn  übergegangen, 
in  meine  Nachbarschaft  gebracht  wnrde,  wenig  Hoffnung  «a  sei- 
ner Genesung  gehabt,  selbst  in  dem  Falle  nicht  einmahl,  weno 
die  regelmKfsige  Anwendung  der  Anenei  möglich  gewesen,  leb 
bin  noch  schuldig,  die  Grfinde  »einer  Hoffhnngsschwäohe  dem  Le- 
ser auszulegen. 

Dieser  Grunde  sind  swsi ;  der  eine  ist  in  dem  enthalten,  was 
ieh  oben  gesagt,  und  gebet  aus  dem  allgemeinen  Erfahrangssatsa 
hervor,  welcher  rorsüglieh  bei  erkrankten  Organen  s«  beherxigen 
ist:  dafs  die  St^wierigkeit  der  Heilung  mit  der  Lftnge  der  Zeit, 
die  die  Erkrankung  gewähret,  im  geraden  VerhfiltDisse  stehet. 
Wenn  es  wahr  ist,  dafa  man  xuweilen  auf  Ansnabmamie  st5fsl, 
so  ist  es  eben  so  wahr,  dafs  diese  scheinlichen  Ansnahmen  gröfa- 
lentheils  anf  blofse  Krankheiisformenveiilnderungen  hinaaslanfeo. 
Der  zweite»  and  vielleicht  noch  wichtigere  Grand  meiner  Bedenk- 
lichkeit  liegt  in  der  grofsen  Wahrscheinlichkeit,  dafs  der  Kranke 
eine  Anlage  zum  Iirsinne  als  Erbtbeil  von  seinem  Vater  über- 
kommen. 

Dieser  Vater  war  aber  nicht  wahnsinnig.  Nach  seinem  Spre- 
chen und  Schreiben  zu  nriheilen,  mofste  man  ihn  vielmehr  fSr  ei- 
nen verstSndigen  Mann  hallen.  Ich  habe  nach  keine  Kunde,  dafs 
ihn  irgend  Jemand  für  verrückt  angesehen :  blofs  ans  seinen  Hand- 
lungen schliefse  ich,  dafs  sein  Gehirn  an  einer  Krankheit  leide, 
die  freilich  schwer  unter  irgend  eine  krankheiislehrige  Kategorie 
XU  bringen  sein  möchte,  die  aber  nichts  desto  weniger  in  einer  Re- 
gelwidrigkeit des  Denkorgans  bestehet.  Thatsäcbliche  Beweise  für 
diese  Meinung  kann  ich  nicht  geben,  da  ich  anvertraute  haasliche 
Heimlichkeiten  nicht  darf  drucken  lassen.  Eine  Thatsache  jedoch, 
die  mir  von  einem  glaubhaften  AugeuEengen  miigeifaeilt  und  die 
blofs  Illcberlich  ist,  werde  ich  dem  Leser  erxHhIen. 

Der  Mann  hielt  sich  eine  Zeitlang  auf  dem  Lande  auf,  und 
lustwandelte  oft  früh  Morgens  im  Felde  herum.  Die  dortige  Ge- 
gend ist  so  bevölkert,  dafs  er  kaum  einen  Schafs  Weges  gehen 
lEonnte ,  ohne  auf  ehrliche  beschüfiigte  Landlente ,  oder  auf  HSu- 
ser  zu  stofsen,  die  auch  wol  niemand  für  Diebshöhlen  hallen  wHr- 
de ;   nnd    doch   trug  er  bei  diesem  Lustwandeln  eine  geladene  Pi- 


—    5W    — 

Hole  in  dw  Twehe.  Dwau  kSneo  dis  Lemr  si^d  abnabiiMn, 
daS»  M  mit  »eineni  Kopfe  Rüden  beetellt  war,  als  mit  den  Köpfen 
eolcher  Meiucbea,  die  man  ini  geneineo  Leben  tär  rentindig 
hält. 

Die  Krwüchait  de*  Denkargane  erbt  bekanotÜch  eben  ■«  leicbt 
nat  die  Naclikoauiea,  alt  die  Krankheiten  oder  KrankheiliaafageB 
aller  anderen  Organe.  Hier  mufa  man  aber  wohl  Ewiscben  Krank- 
heit nnd  Doaeie^ecber  Form  nntertebeiden.  Der  Valcr  kann  viel- 
leicht keine  Krankheit  det  Denkor^nB  liaben,  die  in  irgend  eine 
Boeologiaebe  Form  palat ,  er  kann  aber  an  einer  eolcheo  Krank- 
hofti^eit  deaeelben  leiden,  die  der  schlichte  VerUand  der  Unge- 
lehttea  weit  ricbtiger  als  der  Terknnitelte  der  gelehrtes  Aente  Toa 
dw  Begelmtfaiglteit  nnlertcheidet ,  nnd  sie  dnrck  die  eehsameB 
A^nbücke:  ei»ea  Schüfe,  einen  Hieb,  einen  Sparren, 
fiinen  inviel  haben,  besricfaael. 

Dieser  Sehn&,  oder  Hieb,  edw  Bberr.ihlige  Sinn  kann  aber 
in  den  Kiadcn  oder  Enkeln,  wenn  die  äuberen  Umstände  mit- 
wirken, sieh  aia  wirkliebe,  unter  eine  Bosologische  Kategtfrie  ge- 
hörige Krankbeitsform  des  Denkorgane  offenbaren. 

Dafum,  wenn  man  über  die  leichte  oder  schwierige  Heilbai- 
keit  der  Deake^aakrwikheit  eines  MenscbeD  ein  unuicbliges  Ui^ 
t}teil  füllen  will,  mule  man  nicht  blels  fragen,  ob  Vater  oder  Grofa- 
TBter  des  Kraokea  wahniinnig  gewesee,  aondera  man  rnufs  die 
Sache  etwas  feiner  antersncben.  Da  aber  dieaes  feine  Uatersu- 
eben  aaweÜea  mit  grofser  Scbwier^^il  rorbaBden,  ioweilen  gaoi 
«BBBÖglich  ist  (welcbe  Schwierigkeit  ckder  Unmöglichkeit  dem  ver- 
■Ondigen  Leser  ansnl^en  wel  überflSsaig  sein  wird),  so  ist  of- 
fenbar, da£i  sich  ein  Arzt  hiasicbtiiob  der  Heilbarkeit  des  Irrste 
nes  öbel  tSneehen  kann,  und  dafa  die  Aerite  der  Irren heilanstal- 
len  dieser  Tbischong  eben  so  gm,  ja  noch  mehr  nntetworfeo  sind 
ak  wir. 

Ich  komme  ^tit  auf  dea  periodischen  IrtataB.  Diesen  habe 
leb  nicht  hfiufig  angetro&en,  und  mit  Anseehlefs  eines  einzigen 
Falles,  blofs  nnter  der  Form  des  Trübalanes.  MerkwSrdig  ist  mir 
das  Abkraiiende  gewesen ,  das  ich  in  der  goten  Zeit  bei  solche« 
Memcben-  bemerkt.  So  habe  ich  seit  vierzig  Jahrea  eine  Frao 
gricannt,  die  vor  Knraem,  in  dem  Alter  von  achtsig  Jahren  g»- 
Motbeo  ist.  Diese  hatte  die  erste  Versttndesilenu^  im  KindlieU 
Jwkommen  nnd  war  seitdem  dem  periodiscban  Trübeinne  wiler* 
warfen.  In  ihrer  kranken  Zeit  war  sie'geis^,  sie  fürchtete  su  kun 
SB  kommen ;  In  ihter  gntea  Zeit  war  nie  nicht  Uofi  breigebig, 
•ewdem  selbst  Tenu^wenderieeh.  Eine  andra  Frao,  die  ich  ebeir 
fidh  eowel  in  ihrer  guten  als  bösen  Zeit  beobachtet  habe,  aprach 
■war  iD  der  gntea  Zeit  keine  ODweise  Dinge,  aber  doch  war  in 
ütnm  gamen  Vorkommen  etwas  widrig  AbkreiBendes ,  sie  betiug 


—    5M    - 

k'uA»  wie  ein  aobbsebejabriges  mothwiUigee  MKdchen,  d«  ale  doch 
eine  Witlwe  von  reichlieh  fünfzig  Jahres  war. 

Bis  jetst  sah  ich  noch  keioen  NuIkod  von  dem  Gebrauche  viel- 
ertiger  Arzeneien.  Bei  allem  nnregelmftfstg  Periodischen  hat  die 
Einbildungskraft  des  Araiea  eile  Freiheit,  da*  eelbttige  Beuerwer- 
den  anCBechnnng  der  gegebenen  Mittel  zn  achreiben  ;  nur  die  Zeit 
kann  lolche  IrrthDnier  berichtigen. 

Am  allerübelsfen  kann  man  sich  t&uschen,  wenn  Urbaucbaf- 
fektionen  gleichzeitig  vorhanden  aind.  Man  ist  nur  zn  geneigt, 
die  Afifektion  des  Denkorgana  als  consenioelle  Folge  dea  Baaefa- 
ieidens  anzasehen,  da  doch  beide  mweilen  in  keieeni  Zuaemmen- 
kange  stehen.  So  habe  ich  lange  eine  an  periodiacben  Trübsin- 
ne leidende  Frau  gekannt,  die  zngleicb  mit  Hämorrhoidea  behaf- 
tet war;  der  Trübeion  störte  sich  weder  an  die  dienliche  Anienei 
auf  das  Pfortaderayslem,  noch  an  BluieDtleeningea  aas  dem  Aficr, 
er  erschien  nnd  verschwand,  wie  es  ihm  belieble. 

Ob  gegen  solche  Wechselkrankbett  des  Denkorgana  der  Mag- 
neiiBmus  vielleicht  heilsamer  sein  mag  als  die  Apoikekmitlel,  dar- 
über kann  ich  nicht  aus  Erfahrnng  uctheilen ;  glanbe  aber ,  dab 
der  einzige  magnetiscbe  Heilversucb,  dem  ich  je  in  meinem  Le- 
ben beiwohnte,  und  der  gerade  bei  einer  periodisch  TrGbainnigea 
gemacht  wurde,  nerkwürdig  genug  ist,  am  ihn  meinen  Lesern 
ohne  Langweilnng  enShlen  »a  können. 

Eine  aechzigjährige  Frau  litt  seil  mehren  Jahren  an  periodi- 
Bchem  Trübsinn,  sie  mied  alle  Gesellschaft,  war,  wenn  man  sie 
ansprach,  einsilbig,  safs  immer  hinter  balbgeschlossenen  Fenater- 
blenden  nnd  lag  znweilen  Tage  lang  im  Bett.  Uebrigeo«  konnte 
man  im  Allgemeinen  gerade  nicht  sagen ,  def^  sie  uaversiftndtg 
war;  von  Zeit  zu  Zeit  lief  nnr  etwas  Seltsames  mitnater,  als  s.  B. 
ein  wenig  Unart  g^en  Lerne,  die  ihr  mifsfielen,  ein  wenig  Be- 
sorglbeil  vor  gefönglicher  Haft,  und  ein  wenig  Inswasserspringen; 
letKle  Mncke  mnfste  aber  wol  ein  Erbstück  sein ,  denn  ihr  Vater 
halte  sich  auch  ersfiaft. 

Ihre  Schwester,  die  ebenfalls  an  Wechselt rühsinn  lilt,  sollie 
angeblich  von  dem  in  den  Niederlanden  damafals  niäoni^icb  be- 
kannten Magnelisirer ,  Herrn  v.  d.  L**  geheilt  sein.  Von  dieier 
Magnetiairten  und  Geheilten  wurde  dem  Ehemanne  unserer  Kran- 
ken stark  zugesclzt,  das  dnfebl  bare  Mittel  auch  bei  seiner  Galiion 
XU  versuchen,  nnd  er  berieth  sich  mit  mir  darnber. 

Nichts  hHlte  mir  erwünschter  kommen  können;  ich  halle  noch 
nie  in  meinem  Leben  einer  magnetischen  Heilung  beigewohnt.  In 
meiner  Jugend,  da  ich  die  Ifeilkunst  lernte,  war  der  Magoetismoa 
in  Mifsrof,  und  da  er  wieder  zu  Ehren  kam,  hatte  ich  weder  Zeit 
noch  Lust,  mich  damit  abzugeben.  Ich  sagte  dem  Herrn :  da  von 
der  Medizin,  die  durch  vt&g-  und  mefsbare  Mittel  heile,   die  Ge- 


—  595  — 
»eiRDg  seiner  GHltinn  nicht  zu  hoffen  lei,  bleibe  ihn  Dichti  übrig, 
mU  in  Mngnetiiiiius ;  und  da  der  »Kehlige  Magnetiurer  der  Nie. 
derlHode  gerade  in  den  beDaehbarien  Nimwegen  leine  Kuott 
übe,  würde  es  nnweiie  sein,  diese  Gelegenheit  nnbennl«  zu  las- 
sen. Herr  v.  d.  L**  wurde  also  gebeten,  snm  Magnciistren  faer- 
Bberzu  kommen. 

Wenn  es  mir  gleich  sehr  angenehm  war,  einen  Mann  persSn- 
licb  liennen  xu  lernen,  von  dem  das  vielzängige  Gerficht  Wns- 
derdinga  srsKhlte,  so  war  es  mir  doch  noch  weit  angenehmer,  ge- 
rade bei  einer  Kranlcen  seinen  Heilversuch  sii  beobacblen,  die 
binsicbtlicb  ihres  Geistigen  sich  vollkommen  dazu  eignete,  mir  ei- 
oeu  wichtigen  Zweifel  über  den  Magnetismus  zu  lösen. 

Dieser  Zweifel  ist  folgender.  Wenn  der  thierische  Magne- 
tismus etwas  Körperliches,  etwas  von  der  geistigen  Einwirkung 
Geschiedenes  ist,  so  kann  man  sich  dieses  doch  nicht  anders  den- 
ken, als  unter  gewissen  körperlichen,  nnwfigbaren  and  nnmefsh»- 
reo  Ausflüssen,  die  aus  dem  Leibe  des  Magneti sirenden  in  den 
des  Magnelisirlen  übergehen,  nnd  in  diesem  die  bekannten  Ersi^ei- 
nwigen  hervorbringen.  Wie  kann  man  aber  diese  körperliche  Ein- 
wirkung von  der  geistigen  nnlerscheiden  1  Durch  das  Magnetisi- 
rMi  selbst  lagern  sich  die  Gedanken  des  Magnetisirlen  einzig  auf 
diesen  Gegenstand ;  und  welche  Verändemng  kann  nicht  in  rei>- 
haren  Körpern  blofs  das  Lagern  der  Gedanken  auf  Einen  Gegen- 
tund  bewirken! 

Ferner,  was  thot  bei  Me^schei^  die  gern  geheilt  sein  wollen, 
der  Glaube,  dafs  sie  durch  den  Magnetismus  werden  geheilt  wer- 
den! Endlich  fragt  es  sich,  ob  der  feste  Wille  des  Magneiisirers 
nicht  auch  einen  geistigen  Einflufs  auf  den  Kranken  haben  kann  1 
Alberhu  magnu;  in  seinem  Buche  Dt  mirubihbtu  mutidi  schreibt 
dem  festen  Willen  des  Menschen  eine  geistige,  geheime  Gewalt 
auf  andre  Menseben  zn,  und  dieser  Gegenstand  ist  auch  wShrend 
meiner  Lebseit  wieder  in  Anregung  gebracht  worden.  Ich  ge- 
stehe aber,  dafs  ich  nieinahls  Gelegenheit  gehabt  habe,  über  die- 
se, den  Menschen  angeblich  inwohnende  geheime  WUlensgewalt 
einige  Beobachtungen  oder  Vwsuche  zu  machen. 

Was  nun  unsere  Kranke  belriSt,  so  konnte  icn  ganz  sicher 
sein,  dafs  auch  der  festeste  Wille  des  Magneiisirers  keinen  zwin- 
genden Einflufs  anf  si«  haben  wfitde,  denn  sie  war  von  Natur  ver- 
zweifelt «iBrrkBpfigy  und  nach  der  Meinung  des  Mberfiu  magntu 
kann  der  Wille  des  Menschen  wol  das  S^wSchwe,  aber  nicht 
das  StKrkere  gewaltigen. 

Der  Glaube  konnte  mir  bei  ihr  auch  nicht  in  die  Quere  kon- 
men,  denn  weil  sie  sechzig  Jahre  alt  war,  fiel  ihre  Jugendbildung 
in  die  Zeit,  da  man  die  jungen  Leute  zu  echten  Verstau desmeo- 
aeben  niacban  wollte ;  alles  mnfste  erklfiiet  werden,  nnd  was  nicht 


—    59C    — 

ventandeireeht  cd  erklltren  war,  wnrde  als  Fdicl,  »\m  LGge«  ali 
Aberglaube  Terworfen.  Da  nun  nnaere  Kranke  in  ibrer  geistigen 
Bildung  mit  der  Zeil  nicht  fortgeschritlen  war,  aondem  «ch  al« 
antigelernt  betrachtet  halle,  so  werden  die  Leser  leicht  begreifen, 
dafs  «e  den  Magnetisiniis  als  eine  Posse  ansah,  mit  der  man  nur 
Abergläubische  und  Einfftitige  begaukele. 

Was  endlich  das  Lagern  ihrer  Gedanken  auf  das  Verfahren 
des  Magnetisiren  betrifft,  so  achtete  sie  theils  diese  Sache  viel 
aa  gering,  als  dafs  sie  ihr  auch  nur  die  mindeste  Aarmerksamkelt 
httite  widmen  sollen,  Ihetia  nahm  sie  überhaupt  wenig  Antheil  an 
dem,  was  an  sie  vorging;  mitbin  war  von  dieser  Seite  auch  kel- 
ne  geistige  Einwit^nng  au  befürchten. 

Alles  wob)  erwogen,  eignete  sich  unsere  Kranke  ganz  Tor- 
sSglich ,  reine  Erfahrung  über  den  Magnetismus  zu  liefern ;  denn 
wenn  ich  mir  unter  vielen  hundert  K5rpern  Einen  zu  diesem  Zwek- 
ke  hBtte  aussuchen  sollen,  würde  ich  keinen  besseren  haben  wlb- 
len  können,  als  den,  welchen  mir  das  gijnstige  Geschick  zu- 
führte. 

Bevor  die  magnetische  Manipulation  begann,  unterhielt  ich 
mich  erst  ein  wenig  mit  Herrn  v.  d.  L**  und  legte  ihm  unter 
andern  folgende  Frage  vor :  das  Gerücht  habe  mir  gesagt,  er  kSn- 
ne  jeden  Menschen  durch  seine  Manipulation  in  den  magnetischen 
Schlaf  bringen;  da  nun,  nach  Aussage  anderer  Magnetisirer ,  die^ 
ser  Schlaf  bei  weitem  nicht  immer  das  Eigebnifg  der  magnelisehen 
Manipulation  sei,  so  wünsche  ich  von  ihm  selbst  zu  hören,  ob 
das  Gerücht  seine  magnetische  Mtfchiigkeit  übertreibe,  oder  ob  er 
wirklich  ein  solch  seltener  Einachlftferer  sei. 

Er  antwortete  mir  auf  diese  Frage  ganz  bestimmt  und  ohne 
allen  Vwbebalt,  er  könne  nach  Willkür  jeden  in  den  magneli- 
aehen  Schlaf  bringen.  Nun  wnfste  ich,  was  ich  wissen  wollte, 
and  schickte  mich  an,  die  Operation  mit  Aufmerksamkeit  m  be- 
obachten. 

Die  Kranke  safs  auf  dem  Sofa,  vor  ihr  der  Magnetisirer,  dle- 
wm  zur  Seile,  aber  ein  wenig  zurück,  seine  Ehefrau,  eine  üllliche 
Niederländerinn.  In  weitem  Kreise  um  diese  Gruppe  safsen  zwei 
Tüchler  der  Kranken  mit  ihren  Gatten,  ein  befreundeter  Nachbar, 
der  Hausherr  und  ich. 

Es  herrachle  tiefes  Schwelgen  in  der  Versammlung;  v.  d.  L** 
machte  mit  seinen  Händen  ^eri«  Luftstreiche ,  und  die  Kranke 
achaute  ihn  mit  verBchtlichem ,  höhnendem  Blicke  an.  \achdem 
er  eine  Zeil  lang  diese  Luftbehändelung  getrieben,  acUofs  sie  die 
Augen,  und  v.  d.  L**  gab  mir  einen  Wink,  indem  sieb  die  volle 
Zuversieht  des  Gelingens  seines  Untemebnuns  nnveifcennbar  ans- 
sprach.  leb  konnte  aber  diesen  Wink  mit  gutem  Gewissen  nicht 
•twiedcm,  denn  kh  wnfste  recht  gut,  daüt  er  die  Weise  dar  Kran- 


-    997    — 

ken  to  war,  aU  die  Aogen  in'  achlierwn  bimI  ihren  traben  Gedan- 
ken nachaiifaSngea;  ea  kam  mir  auch  ror,  als  schliefse  sie  jetst 
abiichilieb  die  Augen,  um  den  Anblick  de§  ihr  anfgedrungenen 
Magiken  zn  vermeiden.  Bald  ergab  es  Hieb,  daft  ich  die  Sache 
richtiger  beurtheilei  als  Herr  v.  d.  L**;  denn  ehe  dieser  es  aidi 
Tenab,  öffnete  sie  wieder  die  Augen,  und  ihr  verfichilicher  Blick 
muiste  ihm  wol  eagen,  dafs  jener  Sehet nschlumnier  weder  ein 
nagneiiicfaer,  noch  ein  natürlicber  Sclilaf  gewesen. 

80  ging  nun  das  Ding  seinen  Gang,  v.  d.  L"  durchsägt* 
die  Luft  mit  seinen  Händen  anf  mancherlei  Weise,  and  die  Kran- 
ke sab  Iba  bald  mit  bfimiscfaen  Blicken  an,  bald  scblofs  sie  dia 
Augen.  Eiliebemahl  baaohte  er  sie  an,  ein  anderes  Mahl  legte  er 
ihr  «eine  Hand  awi«cb«n  die  Schulterbläder ;  über  diese  Manipu» 
laiion  warde  sie  aber  ein  wenig  nngedaldig,  und  da  die  Ehefrao 
des  Magikers,  ebenfalls  von  magneiischer  Kraft  geschwSngen,  sich 
rfenielbea  dareh  Hanefaen  anf  unsre  Kranke  entladen  wollte,  wur- 
de diese  im  eigentlichen  Sinne  xornig.  Iin  Grunde  konnte  ich  ihr 
daa  aoch  nicht  verdenken,  denn  wirklich,,  mir  selbst  mülste  eine 
Fran  aneb  sdion  sehr  appelitlioh  sein,  wenn  ich  mich  gutwillig 
von  ibr  sollte  behanchen  lasten. 

So  sehr  nun  meine  Neugierde  gespannt  gewesen  war,  so  we- 
nig wurde  sie  befriediget;  die  Langweile  fing  an,  sich  meiner  z« 
bemeistem,  und  ich  war  beralieh  froh,  da  das  Aufstehen  6ei  Mag- 
natiairen  daa  Ende  der  Operation  beaeicbnete.  Den  übrigen  Zu- 
Bcbanern  ging  es  am  k<in  Haar  besser;  die  anhallende  Spannong 
ihm  Anfmerksamkeit,,  die  anhallende  Erwariang  der  seltsamen 
Dinge,  die  da  kommen  sollten  und  die  nicht  kommen  wollten,  hal- 
le sie  sinmilicb  erwfidet,  und  die  Einladung  des  freundlichen  Hang- 
herm,  an  Tische  au  gehen,  seh)*»  ihnen  höchlich  willkommen. 
Was  mich  betrifft,  so  war  ich  vorsichtig  genug,  diese  Einladung 
höflich  abmlehnen,  denn  ich  besorge,  das  Mahl  möchte,  zwar 
weht  hiosichllich  der  Gerichie,  aber  wol  hinsichtlich  der  Unler- 
tuJinng,  etwas  magnetischer  Xatur  sein;  ich  versprach  aber,  mich 
gleich  matik  Tische  wieder  einzustellen. 

Da  ich  hinkam,  fand  ich  die  Gesellschaft  noch  beim  Nach- 
lische,  sie  erhob  sich  bald,  nud  wir  waren  jetzt  alle  in  Erwar- 
tung, das  Magn«iisiren  würde  aufs  neue  losgehen. 

Unglücklicherweise  mufste  aber  Herr  v.  d.  L"  am  selben 
Nachmittage  noch  dem  Fräulein  *'"'  zu  '*  einen  Bandwurm  durch 
den  Magnetismus  abtreiben,  darum  lieb  er  gleich  anspannen  und 
fuhr  davoB.  Ob  er  nun  den  Kampf  mit  dem  Lindwurm  rühmli- 
cher bwtaadao  als  den  besohriebenen  Heilversoch,  kann  ich  nicht 
sagen ;  da«  kann  ich  aber  mit  Bestimmcheit  sagen ,  data  in  den 
Befiodao  nnaerer  Ungliubigen  nicht  die  mindeste  VerBnderung  durch 
die  magische  Behandlung  bewirkt  ist. 


Eimirrheit  (Monamunie). 

Der  Begriff  den  die  hentigeo'  Aerzle ,  besonders  die  gerieht- 
licben,  inii  dieBen  Worte  Terbinden,  weicht  von  dem,  den  dag 
Wort  selbst  bezeichnet,  and  den  man  auch  früher  damit  verban- 
den hai,  bedeutend  ab.  So  viel  ich  die  Sache  kenne,  bezetcbnet 
man  damit  heut  zn  Tage  einen  vorfi  hergehen  den  Zneiand  der  Un- 
freiheit des  Menschen,  in  Trelchem  aufgeregte  Leidenschaflen  ibn 
Kum  NechdenlieD  ganz  nnffthig  machen ,  und  ihn  zu  einer  nnge- 
■etzlichen  Handlang  hinreifsen,  die  «r,  wenn  jener  Rappel  roriber 
ist,  selbst  mifsbilliget.  Die  Aerzle  sind  der  Meinung,  dafs  die 
Gerechtiglceii  jemand,  der  id  einem  solchen  unfreien  Zustande  ein 
Verbrechen  begangen,  selbiges  eben  so  wenig  zurechnen  kitoae 
als  einem  wirklich  Wahnsinnigen. 

HBret  man  nun  eine  Partei  darüber  sprechen,  so  maft  ma> 
ihr  Recht  geben,  hSret  man  die  andere  sprechen,  luufs  man  djpser 
ebenfalls  Recht  geben ;-  das  ist  schon  ein  Zeichen ,  da£i  in  den 
Meinungen  beider  etwas  Wahres  steckt.  Warum  kSonen  lie  ai«A 
denn  so  übel  einenl  Mir  scheint,  blofs  deshalb,  weil  sie  krist- 
lich  sittliche  Ansichten  von  den  bürgerlichen  Ansichten  nicht  schei- 
den. Um  meine  Meinung  dem  l.eser  deuilich  zu  machen,  will  ich 
eiomahi,  nicht  philosophisch,  nicht  gelehrt,  sondern  schlicht  ver- 
ständig über  diesen  Gegenstand,  zuerst  kristlich  sittlich  und  dana 
börgerlich  sprechen.  * 

Wir  müssen  hier  von  der  Beobachtung  des  geistigen  Menscbea 
aasgehen,  und  es  verstehet  sich  wol  von  selbst,  dafs  jeder  nur  sich 
selbst  beobachten,  nnd  die  GestBndnisse  anderer  ehrliehen  Lame 
vernehmen  kann,  die,  nuTerblendet  von  theologischen  oder  ^ü»- 
Bophischen  Vonirtheilen,  ebenfalls  sich  selbst  beobachtM  haben.  Ana 
dieser  Beobachtung  ergibt  sich  nun  Folgendes. 

Kein  Mensch  kann  eine  Handlung  begehen ,  oder  der  Witt» 
sie  zu  begehen  mufs  dem  Handeln  zum  Grunde  liegen.  Oieaet 
Wille  kann  ein  d«m  Han-leln  vorhergehender,  oder  ein  mit  deM 
-  Handeln  gleichzeitiger  sein.  Wenn  ich  mich  hier  des  Wortes 
gleichzeitig  bediene,  so  nehme  ich  dieses  nicht  im  streng  ab- 
geschlossenen  Sinne,  sondern  nur  im  Gegensatze  zu  dem,  deM 
Handel   vorhergehenden  Willen. 

Der  Wille,  der  nns  zum  Handeln  nSfhiget,  wird  durch  die 
Wahl  dessen,  was  uns  in  dem  Punkte  des  Handelns  das  Beste  ■ebei- 
net,  einzig  bestimmt.  Wollte  jemand  diese  Wahrheit  zweifelhaft 
naacfaen,  so  gebe  ich  ihm  Folgendes  zu  bedenken.  Entweder  wird  der 
Wille  durch  da«  bestimmet,  was  ans  in  dem  Punkte  des  Handelns 
das  Bessere,  oder  ei  wird  durch  das  bestimmet,  was  uns  das  Schlecb- 
Icie  scheinet;  eine  dritte  Annahme  ist  undenkbar.     Lafst  uns  nun 


•intaabl  annehmen,  in  Will«  würde  in  dein  Punkte  de«  H«d- 
deln«  durch  das  scheiolich  ScUeehtere  bestimmet,  lo  wurde  ja  aus 
dieser  Annahme  folgen,  dafs  der  Mensch,  der  aieh  gewBhnt,  di« 
Fodeninj^en  seiner  Sinnlichkeit  der  Fedening  der  Sittliebkeit  onler' 
zuordnen,  dem  also  in  dem  Punkte  des  Handelns  das  Sittliche  da« 
Bessere  und  da«  Unsittliche  das  Schlechtere  schiene,  dafs  dieser 
gate  Mensch  immer  da«  Unsittliche  wollen  nnd  begehen,  nod  dafs, 
im  Gegentheil,  der  unsittlichste  Mensch  immer  die  «tltlichalen 
Handlungen  begehen  müüite.  Da  nnn  der  geannde  Ventand  und 
die  Erfahrung  dieser  Folgerung  geradezu  widersprechen,  so  sehe 
ich  mich  genSthiget,  weil  eine  dritte  Annahme  OBmöglich  iat,  den 
«nfgestellien  Sau,  dafs  die  Wahl  dessen,  wa«  in  dem 
Punkte  das  Handelns  nn«  das  Beste  scheint,  unsern 
Willen  und  mithin  auch  unser  Handeln  bestiraiee, 
für  wahr  zu  halten. 

Wenn  ich  sage,  die  Wahl  dee  Besseren  bestimmet  deo  Wil- 
l«n,  HO  liegt  sehoD  in  dem  Begritfe  der  Wahl  ein  Sch&taen  und 
Vergleichen  inehrer  Oinge  miteinander^  ein  Unheil,  nithln  eina 
V  e  rstaadesverrichtBUg. 

Wenn  der  Verstaud  über  etwa«  uriheilt,  zo  nufi  diese«  Up- 
ibeil  sieb  nothwendig  nach  dem  ihm  Torliegenden  Stoffe  richten, 
■nd  dieser  kann  sowol  in  zaUiger  Hinsicht,  ab  hinsichtlich  sei- 
ner Klarheit  nnd  Lebhaftigkeit  sehr  verschieden  sein,  so  dafs  die- 
se VeralandesTerricblung  vlelmahls  eine  sehr  verwickelte  sein  mufs. 
Gesetsi,  am  äbei  eine  Sache  richtig  au  urtlieilen,  dato  wftren  die 
Gegebnisse  a.  b.  c.  d.  e.  f.  nSthig,  dem  Urtheiler  P*  fielen  aber 
■nur  B.  b.  c.  ein,  dem  Urtheiler  A.*  hingegen  alle  sechs  Gegeb- 
■isse ;  so  würde  P  *  ohne  Zweifel  ein  sehr  einseitige«  nnd  nnriob- 
tiges,  A*  hingegen  ein  sehr  richtige«  Urtbeil  fSlIen.  Die  Leb- 
haftigkeit, oder  Belittndigkeit  des  Gedieh  misse«,  das  heilst ,  seine 
Fertigkeit ,  alle  mit  dem  zu  benrtheilenden  Gegenstände  in  naher 
•der  ferner  Beziehung  «lebende  Dinge  zusammen  lu  ztellen,  be- 
dingt da«  schnelle  und  ricblige  Urtheil. 

Aber  auch  die  Lebhaftigkeit  der  Gegeboi«««  sind  vor  allen  Din- 
gen in  Anacblag  zu  bringen.  Man  nehme  an,  zwei  Menschen,  wel- 
che wir  X  und  Z  nennen  wollen,  hätten  heida  Lust,  eine  Jung- 
frau fleischlich  zu  eHtennen ,  deren  Jungfrau  bürgerliche  Verbalt- 
nisse so  wSren,  dafs  eine  Scbw&ngerung  sie  unglUdElicb  machen 
würde.  Die  .Lebendigkeit  des  sittlichen  Gefühles  und  die  Fertig- 
keit nach  selbigem  zu  handeln  sei  bei  X  nod  Z  gleich,  aber  die 
SiBrke  de«  Gesoblechtstriebes  sei  bei  X=3  bei  Z=;tO:  so  wird 
bei  X  das  «ittlicba  Gefühl  die  Oberhand  bebalten ,  and  ihm  wird 
das  Nichtberübren  der  Jungfrau  da«  Beste  «eheinen ;  bei  Z  aber, 
dessen  mehr  als  doppelt  stärkerer  Geschlechtstrieb  müchtig  auf  «ein 
Denkergan  «inwirkt,  wiid  die  Lebendigkeit  der  wollüstigen  Vor- 


—    MO    — 

ateUaagan  elp«  ridcwirkeaila  Kraft  aat  Ae  GMobtMhtath«!!«  •«- 
fsern ,  diet«  inincr  racbr  KifragaB ,  nui  die  xwnehcn  den  G«- 
■eblecbttUMUcB  imd  dem  Deokorgao  Statt  findende  Wacbselwir 
kuDg  wird  seine  Begiefde  sor  fleiediHcfaen  Vernitclmitg  eo  Hei- 
gern,  die  innere  Stimme  der  SiuUehktät  lo  verdompfea,  dafa  fhn 
gani  nalie  vor,  und  glcidueitig  im  Pankte  des  HuMlehis,  dMK  Ut»- 
Hiltlicbe  dai  Be«(e  acbelnen  nuie,  und  er  wird  eine  Handlung  bv- 
geben, die,  M  iwuiqfeniftb  tie  an  »ich  sein  nag,  bei  da  beita- 
hende«  bürgerlieken  Ordnung  aiyen  Mentehen  an^Scklich  madit, 
tuitbia  eine  uiwittli«he  Handlang  JiL 

Wenn  ick  nsn  dieses  altes  reiflidi  erwfige,  so  tn  da*  Ergab- 
nib  Bolohar  Erwfignng  folgende  Uebenengung :  ob  einem  Menscbea 
in  dem  Pankte  des  Handeliu  das  Sitlliehe,  oder  da«  Unsitlliche,  da* 
gesettlicfa  Erlaubte,  oder  das  straf getelslich  Verbotene  das  Beste 
■eheinl,  das  hingt  von  dem  Zustande  das  KSrpers  übeHiaupt,  ins- 
besondare  tos  erblicker  Anläge,  von  der  Hartnonie,  oder  Dishar- 
monie dar  Organe  gegen  eibander,  von  der  StIIrke  and  Lebhafiig- 
keit  dm  Gedächtnisses,  von  der  Jugendlieben  Ausbildung  des  sitt- 
lichen Qefüfales,  TOQ  der  erworbenen  Fertigkeit  der  Fodemng  der 
Sillliebkvit  die  Fodemngen  der  Sinnlichkeit  ootermordneo ,  oder 
Ton  dem  Mangel  dieser  Fertigkeit  nnd  vielleidK  von  gar  videa 
Dingen  ab,  von  denen  wir  kaum  eine  dnokle  Ahnung  haben 
mSgen. 

So  weit  reicht  die  Beobaehtnog;  wie  slisomet  nun  mit  dieser 
die  heilige  Schrift?  —  Der  ApoMel  Paulus  sagt:  Das  Gnle,  das 
ich  will,  das  tbue  ich  nicht,  und  da«  Bös«,  da«  ich  aiefat  will, 
das  tbue  ich,  Voniasgesem,  dab  n  den  Manschen  in  dem  Punkte 
des  Handelns  nicht,  als  «in  ganz  willenloses  Getriebe  ansiehec, 
gebet  aus  diaaer  Stelle  hervor,  dab  di«  Beobacfatnng  seiner  Seibat 
ihn  gelehrt  bat:  es  könne  in  dem  Punkte  des  Handelns  dnr^  &u- 
fsere  oder  innere  unberttehenbare  Einwirkungen  ein  Wille  eraeogt 
werden,  der  dem,  dan  Handela  Torhergehenden  Willen  gerade  ent- 
gegengesetzt sei. 

Kriitns  lehrt  ans  im  Vatemoser  beien:  Tühre  uns  nicht 
in  Versuefanng.  Auch  aus  dieser  Biite  gehet  hervor,  da&  mensch- 
lich unabwendbare  Einwirkungen  unsern  Willen  nicht  selten  aum 
Böten  bestimmen.  Hinge  es  immer  von  uns  ab,  diese  dan  Wil- 
len bestimmenden  Einwirkungen  xu  vermeidea,  oder  anfnhebea, 
so  würde  jene  Bitto  ja  wahren  Unsinn  enthalten ;  ^e  mGfste  dann 
vielmehr  lauten :  Führe  uns  vit  in  Versuchung,  damit  wir  als  tiieh< 
tige  KSmpeo  unsere  sitdiche  Kraft  und  Gewandtheit  recht  ofit  be<- 
währen  können.  Ich  denke,  Kristns  wird  aber  die  Natur  das  Man- 
schea  wol  beuer  gekannt  haben  als  unsere  wiliensfreie  Philoae- 
phen  und  Theologen;  nm  wenigiten  da  Petrus  an  ihm  sprach: 
Hwr!   ich  hin  berat,    mit  dir  ins  Gefft^aib  and  in  den  Tod  m 


-    60t    — 

gtihtn,  RBtvnirtfltf  w  ifam:  P«<nni!  leb  tag»  «Hr,  dm  Hahn  wird 
beute  nieht  kilben,  ehe  denn  da  di  i  liwrtl  verhlngBel  be«,  deCi 
itn  mkh  kenimt.  Et  iat  b5olist  nnwabncheiDlicfa ,  dkfa  er  den 
guten  Willen  dee  i'etnra,  «llee  MÜsgeschick  mit  ihm  nn  theilen, 
beiwelMl  bebe,  er  het  aber  woU  gewnftt,  daf»  der  Wille  dee 
ecbwaeben  Mensebea  nsr  ni  oft  in  dem  Angenbiicke  dee  Handeina 
ein  gani  anderer  iat  ata  ror  dem  Handeln,  and  dafa  Zeit  und  Um- 
slinde  mit  nnwidetatefalicber  Getmlt  anf  ihn  eiowirben. 

Wie  laniet  nnn  die  an«  dem  Geaagtea  hervorgehende  Sitte»- 
Mtnl  —  Wir  loUea  wol  «ine  auiltliehe  Handlang-  mifsbiliige«, 
ale  ala  nmlldicb  anOTkenaea,  aber  nieht  den  Handelnden  reidaa^ 
men,  daa  beHet,  aeineB  aiitliehen  Wenh  iberbaept  nach  dieser 
Handlung  abacbltaig  bestimmen. 

Da  die  Juden  Kristo  eine  EbriireeheriMi  Torfflhrten  nnd  ihn 
fragten ,  ob  aie  nieht  naeb  dem  Geaelie  mfiaae  geaieiniget  werden, 
hat  er  aie  anAnglich  keiner  Antwort  gewfirdiget,  nnd  da  aie  wei- 
ter In  ihn  gedrei^ea,  ihnen  eiafUt^  8^***S**  ^"'  «■>>«'  *<>ob 
«hne  8Gnde  iM,  der  werfe  den  ersten  Stein  auf  aie.  Nnn  sind 
die  Jaden  weggegangen  nnd  haben  die  Fraq  allein  «eben  lassen. 
Ka  der  sagt  Kristna,  da  er  aiehet,  dafa  ifat«  Ankläger  ne  nicht 
verdammet  haben:  ich  will  dich  naeb  nicht  verdaaimen,  gehe  hin 
nnd  Bündige  hiafoit  ateht  «ehr. 

Alao  aollea  wir  aoch  bei  Benrtheiinng  aoleher  Menadea ,  die 
sieh  grober  Verbrechen  sehbidig  gen»chl,  wohl  bedenken,  dafa 
wir  seibat  bei  weitem  niebt  immer  der  Stimme  der  Sktliobkcit 
OehSr  geben,  dafs  ▼ietleicbt  biols  das  eigene  Zusammentreffen 
von  aofsermi  (Jmstinden,  die  doeh  nicht  in  nnserer  Gewall  ataa- 
den,  ans  vor  ähnlichen  Veibrecben  bewahret  haben,  nnd  wir 
werden  mit  Kristo  sprechen:    Ich  will  dich  nicht  verdammen. 

Dieaes  ist  nnn  die  kristlicfae  Anaicfat  fiber  die  Zarecfannngs- 
nhigkeil,  nnd  es  ist  eine  rein  menaebliebe,  in  der  Naiar  des 
Meaieben  begrfindrte,   aus  dem  GemBibe  sieb  oSenbarende. 

Jetzt  will  ich  aber  ancfa  die  echt  bHigerliohe  Ansiebt  fiber 
ZnrechnangsfKhigkeit  dem  Leser  kSrelich  vorlegen,  und  hier  eben- 
falls von  der  Beobachtung  anigehen,  sehend,  dafa  die  Vertheidi- 
ger  der  Unsurechnangsfthigkeit  der  vermeintlieben  Eioirren  schwel- 
gend  von  demselben  Ponkte  ansgeben. 

Da  des  Menschen  Wille  in  dem  Punkte  des  Handelns  nur 
das  wählen  kann,  was  ihm  das  Beste  scheinet,  and  es  von  gar 
vielen ,  dnrchans  nicht  in  Seiner  Gewalt  siebenden  Umständen  ab- 
biegt, ob-  ihm  du  Sittliche,  oder  dos  Unsittliche  in  solchem  An- 
genUieke  das  Beste  scheinet,  so  mnfs  er  sich  bei  jeder  ungenetz- 
liohen  Handlang  in  einem  Zustande  'der  Unfreiheit  befinden,  uad 
es  mSfsieD  nach  diesen  Ansichten,  alle  V«rl»echeo  nnbestraft 
Ueibeift 


-    801    — 

Wollttt  man  hier,  in  den  einirinen  Fril''n ,  die  dwn  wlblen- 
imn  Vcintaad«  vorliegenden  GegebniMe  hintichilicfa  ihrer  Vielheit 
■nd  ihrer  Lebendigkeit  auf  die  Wage  legen,  nnd  nach  aolrber 
Wignng  die  Fälle  beKimmen ,  in  denen  der  eine  Mensch  frei, 
der  andere  anfrei  gehandelt,  in  denen  ahe  der  eine  aurechnnoga- 
fähig*  der  »ndere  unxareehnungiftthig  wSre,  ao  wnrde  man  ein 
ganz  übermenachliebes  Unternehmen  beginnen,  indem  nicht  gelten 
solche  Begebniue  auf  die  Wahl  zwiaebeB  Siultcb  ntid  UmkiUcb 
Einfinfa  haben ,  die  in  ferner  Vergangenheit  verbergen  liegen ,  tol- 
cbe,  die  der  Wahlende  aelbat  nie  nr  mittheilbaren  Klarheit  su 
bringen  im  Stande  ist,  und  die  auch  der  nniemichende  Arxt  nie 
gehörig  wird  wenhen  können.  Bestrafung,  oder  Freiapretdinog  ider 
Verbrecher  würde  also  einzig  von  der  plumperen  oder  gewandt*- 
ren  Sophistlk  des  den  geraiigen  Zustand  des  Verbreeberi  begtti- 
aohlenden  Arxtes  abhängen,  WoUie  man  nnn  nicht  den  Kriuiinal- 
gericbtshof  zn  einer  sophtsliscben  Glfioksbude  machen,  so  wärde 
man  sich  wol  genötbiget  sehen ,  alle  ohne  Vorbedacht  verfibto 
Verbreohen ,  als  im  Zustande  der  Unfreiheit  begangen ,  anbeeiraft 
m  lassen. 

Mir  scheint,  haben  wir  nna  einmalU  diese  Höbe  billiger  Ge- 
sinnung erklimmt,  so  verschwindet  anob  vor  nnserm  Blicke  der 
Unterschied  zwischen  vorbedachien  uad  ni «hl varba dachten  Verbre- 
chen, so  grufsen  Werih  auch  die  heniigea  Kriminalislen  noch  dar- 
auf legen  mögen.  Beide  unierscheiden  sieb  blofs  dadiireh  von  ein- 
ander, dafs  bei  dem  einen  der  Wille  Böses  zu  thuD  dem  Handeln 
lang«  vorbergebei,  bei  ^em  andern  dieser  in  dem,  dem  Handeln 
nlcbat  vorhergehen  den  Zeilpunkte  erzeugt  wird,  weshalb  ich  ihn 
auch  den  gleichzeitigen  gbnnoni  habe.  Es  ist  also  blofs  der  Zeil- 
punkt der  Willeoseraetignng ,  der  hier  den  angeblichen  UBierachied 
macht ;  nnd  warum  lolt  denn  der  in  dem  Zeitpunkte  ji  erzeugte 
Wille  das  Verbrechen  entaebnldi^D,  den  Verbrecher  straffrei  ma- 
chen,, und  der  in  den  Zeiipunloen  B  C  D  erzeugte  Wille  das  Ver- 
brechen erschweren,  den  Verbrecher  an  den  Galgen  bringen I  Ich 
sehe  davon  wirklich  keinen  Grund.  Betrachte  ich  aber  diese  Sa- 
che in  BeKiehung  auf  die  Sicherheit  der  bürgerlichen  Gesellschafl, 
so  wird  sie  mir  fast  iHoherlich.  Der  einzige  Zweck  bürgerlicher 
Strafen  ist  doch  der,  durch  Tödten  oder  Einsobli^scn  der  Ver- 
brecher die  Gesellscbaft  vor  Ähnlichen  Verbrechen  sicher  zu  stel- 
len, und  die  Oeffentlichkeit  der  Strafe  soll  andre  von  Verbrechen 
abschrecken,  nnd  auch  so  die  Gesellschaft  stöbern.  Die  Sicher- 
heit der  bürgerlichen  Gesellschaft  ist  also  der  einzige  Zweck  aller 
Bestrafung,  nicht  Wiedervergeltong,  wie  etliche  Krinfnaliatea  be- 
hauptet. 

Wollte  man  nur  den  bestrafsD,  der^in  Verbrachen  mit  Vt»i- 
bedacht  begangen,    das  beifst,    den,   bei  dem  der  Wille  et  in  be- 


gtktm  lang«  vor  der  angeMtilMMa  HsB^Inof  ttth  anwtgft,  *ad 
Immb  dea  andern,  bei  dem  der  Will»  ent  in  dem  Angesblick* 
des  Handelaa  entstanden,  aU  Unfreien,  ak  Eioirren  ungestraft 
laafen,  eo  wDrde  die  Sicherheit  der  Gaselleehaft  dureh  solcbe  (Ja- 
teraeheidnng  eine  lebr  achlecbte  Gewfibr  haben ;  denn  wenn  Eacb, 
liebe  Leser  I  jemand  ein  Auge  aus  den  Kopfe  ■cbUgl,  oder  er 
■leckt  euch  das  Hans  in  Brand,  oder  er  tSdi«  Euch  Frau  und  Kind, 
lo  wird  Euch  wol  wenig  daran  gelegen  sein,  ob  der  UebelthXter 
die  Handlung  eio  Jahr  vorher  beschlossen,  oder  ob  sie  ihm  erM 
io  dem  Aagenblicke  der  Ausführung  eingefalleo.  Ja  durch  di« 
Benrafang  derer,  welche  Verbrecbeo  mit  Vorbedacht  begaogea 
nnd  durch  Freisprechen  der  angeblichea  Einirren  würde  der  bür- 
gerlichen Gesellsc4iafi  die  Sicherheit  gerade  ain  allerschlechtesiea 
verbürget  sein;  denn  durch  solche  einseitige  Bestrafung  würde  die 
florgfnliige  Verbergang  des  bSeen  Willens  befördert  werden.  Das 
Dichten  und  Tracbiea  jedes  Verbrechers  würde  sein,  sieb,  im 
Falle  er  ertappt  würde,  aU  Eiairreo  darstellen  zu  können;  die 
.  Vertheidigong  der  Advokaten,  die  gelehrte  Begniaehtaog  der  Aerite, 
and ,  in  aoserm  Lande ,  die  Oeifenfliohkeit  der  gerichtlicbea  Ver- 
haadlang  würden  dann  auch  dieaes  Intfl1i<^e  Studium  nngeneio 
befSrdern.  Wohin  aollte  das  alles  führen!  Dabin,  ohne  Zweifel« 
dafa  kein  ehrlicher  Mensch  seines  Lebens  und  seiner  Habe  mehr 
sicher  wSre. 

Endlich  ist  wohl  m  bedenken :  da  der  bösen  Handlang  der 
Wille  Kum  Gmode  liegt,  dem  Willen  das  Unheil,  mithin  die 
Wahl  des  seheinlich  Besseren,  so  tnuls  die  Furcht  vor  Stufe,  be- 
BOoders  vor  der  Todesstrafe  mit  zu  den,  dem  Versiaoda  vorlie- 
genden Gegehniisen  gerechnet  werden,  und  diese  Furdit  wird« 
wo  nicht  immer,  doch  in  vielen  Fällen,  den  Willen  in  dem  ruokia 
des  Handelns  eher  aain  Guten  ala  zum  Bösen  lenken,  statt  dafs  di« 
Anasicht,  ungestraft  sündigen  au  können,  gerade  das  G^aatheil 
bewirken  mu&. 

Alles  wohl  erwogen,  kann  man  tilso  als  wahr  annehmen,  dati 
die  Beslrafuag  aller  Verbrechen,  sowol  der  vorbedachten  als  dar 
«nvorbedachten  ( letzte  mögen  von  den  Aerzten  dpr  Monomanie  »n- 
geaehrieben  werden  oder  nicht),  jedoch  mit  billiger  Berücksicb- 
tignng  der  erkennbaren  mildernden  UmstHnde  (nicht  der  pbaniasti- 
aehen,  Krztlicb- sophistisch  berbeigeserrten) ,  die  Sicherheit  der 
Gesellschaft  am  besten  befördert. 

Nachdem  ich  nun  die  kristlich  sittliche  qsd  bürgerllebe  Aa- 
■icbt  über  Einirrbeit  und  UnzDrecbnnngsfKhigkeit  der  Einirren  von 
einander  geschieden  dem  Leser  vorgetragen  und  gani  nnparleüscb 
bei  beiden  von  unleugbarer  Beobachtung  ausgegangen  bin;  so  wird  ' 
jedens  Unbefangenen  der  Grand,  warum  eich  die  Aenteso  übel 
in  dieaar  Sache  einen  können ,    ohne  meine  Anilegnng  klar  in  di« 


Angen  fallas.  '  Dm  viaUcBprodiMiB  Pioblem  iH  Bfimliek  eiMa 
fa&faer«!  ProUcn  amargeordnet  mai  in  dieMiu  entbelteu ;  so  lange 
man  alw  du  fauhara  niebt  gelötet  hatt  sind  die  Venecbe,  daa 
unterge ordnete  «n  Ifteen,  oichiig,  nnd  lanEen  auf  blofäei  achrift- 
Meileriscbe«  Pllnkeln  hinaua.  Du  höhere  Problem  lautet  aleo: 
iit  dia  krlalliche,  oder  wenn  nan  Hebet  will,  die  rein  meuck- 
liehe  SiirenlehrB  mit-  der  jetsigea  Cinricbtnng  der  buif^erlicliea  Ge- 
aellacbaft,  ine  baeoadere  mit  dem  peiolicheo  Hechle,  an  eioeni  — 
Sobald  dieee  Frage  gruadliob  wird  beantwortet  lain,  wird  auob 
daa  Problem  roo  der  Teraeioilieben  Ejoirrheit  nnd  der  Uninrecb- 
flOBgatthiglreit  der  Eininren  galöset  aein ,  oder  ea  wird  doch  ohoe 
Mähe  können  geldaet  werden,  leb  bitte  alto  meine  Herren  Amia- 
geenaeea,  aiofa  endlich  einmahl  an  diese«  höhere  Problem  au  ma- 
cben  und  hier  dia  Tialgcrghmia  deutsche  GrändlichkMt  an  bewSh-' 
ran.  Waa  mich  betrifft,  ao  bin  ich  aehon  an  alt,  ala  dafa  ich 
M  vanaehen  därrta,  diasa  atwns  hartsehalige  Nufc  anfaubeifaen ; 
darum  reiche  ich  sie  frenndlieh  meinen  riist^ereo  Lesern. 

Zum  Sefalasae  bin  ich  aber  noch  mir  selbit  schuldig,  mich 
bei  meinmi  Legem  zu  rechtfertigen.  Ea  köoale  nRmlich  einigea 
so  vorkommen,  als  Imbe  ich  im  Vorigen  die  von  den  Philoaopbea 
und  Theologen  Tielbeaprochena  Frnge  ron  der  Wlllenafreibeit  be- 
rühret, und  seihst  Neigung  geBulkert,  Partai  in  diaser  Sache  zu 
nehmen.  Ich  erauehe  sie  aber  höflich ,  von  einem  ehrlichen  Prak- 
tiker nioht  solch  üble  Gedanken  zu  hegen.  Aufrichtig  bekenne  ich 
ihnen  vielmehr,  dafs  meinem  schlichten  Verstände  die  Erörterung 
i)b«r  dia  Willensfreihalt  eine  aefar  unweis«  zu  sein  scheint.  Alan 
mag  das  vielfach  hexankta  Ding  Freiheit  des  Willens,  oder  sitt- 
liche Freiheit,  oder  das  Vermögen,  siidi  selbst  unabhängig  ven 
den  Fodernngen  des  sinnlichen  Triebes  nach  der  höheren  Fede- 
rung der  Vernunft  zu  bestimmen,  neoaen,  so  Iftoft  doch  die  ganaa 
Erfirtening,  entkleidet  von  aller  philoaophischeo  Kunstsprache  und 
ansgedrnekt  in  veralSnd liebem  Deniich,  auf  die  Fn^e  hinana: 
ob  man  den  Willen  haben  könne,  an  wollen;  diese  Frage  enthflii 
aber  leider  schon  wieder  dia  neue  Frage:  ob  man  deo  WilleM 
hnben  könne,  zu  wollen  dafs  man  wolle  d,  b.  w.  Der  Verstand 
mnfs  noihwendig  bei  dieser  Untersuchung  ins  Grenacnlose  fortlau- 
fen, well  er  nirgends  einen  Rnbepunkt  findet.  Nach  dieaem  aof- 
ricfaligea  Gestflndnisae  werden  die  Leser  schon  einsehen ,  dafs  ich 
'nicht  die  mindeala  Anlage  snm  Pbilosphen  habe,  dafs  ich  also 
im  Vorigen,  weit  eiMfemt  eine  philosophisebe  und  theologische 
StreiiCr^a  aufzurühren ,  Uob  ti»  Beobachter  gesprochen. 

Selbstmord. 
Üeber  diesen  GegeoBland  habe  ich  in  meineni  Leben  mancbet^ 
lel  gelaaen ,    bin  tixt   wirklidi  ao,  klug   als  hätte  ich  gar  nicbis 


—    605    — 

daritber  fiesen.  Am  merkwBrdffTileii  ist  mir  dia  BeBprrchan^  ge- 
WMMi;  ob  der  S«lb8imord  von  SebirtcbB^der  von  StSrke  in 
GeiBlMi  zeage;  iinwillkArlieh  fielen  mir  dal>ei  die  Worte  ein*  di* 
Schiller  den  Wellenstein  sagen  lafst;  Des  Gehirn  ifft  weil« 
aber  im  Räume  atofsen  sieh  die  Dinge. 

Ich  denke,  wenn  jemand  e>  Dir  das  Beste  bili,  sich  nmiK* 
bringen,  so  wird  er  sich  nmbringen,  bSlt  er  es  aber  fHr  das  Be- 
ste, in  der  Welt  m  bleiben,  so  kann  er  sieh  nicht  Iftdien.  Dafs 
er  nun  aber  den  Selbslmord  fnr  das  Beste  hlllt,  sn  dieger  Mel- 
nnng  kann  er  durch  gar  maneberlei  Umsiftnde  gebracht  werden, 
die  wir  in  dan  wenigsten  F&llen  erforsehenT  mitbin  anch  nicht 
benrtheilen  können. 

Es  ist  wnl  keinen  Zweifel  nnlerworfen,  dafs  krankhafte  Af- 
fektionen der  Banchorgane,  oder  des  Gehirns  den  Menseben  mm 
äelbsimorde  bringen  können,  aber  es  ist  eben  so  wahr,  dafs  sieh 
Menschen  umbringen,  bei  denen  kein  Arzt  einen  körperlich  krank- 
haften ZosUnd  irgend  eines  Organs  nachsaweisen  im  Stande  ist. 

Es  lödten  sieb  Menscben,  um  dem  Mangel  oder  der  Sehande 
zn  entgehen.  Bei  manchen  dieser  Helbstmörder  liegt  nnverkenn- 
bar  der  erste  Keim  dieser  Handlang  in  ihrer  Entiebnng.  '  Wilr« 
ihr  EhrgefBbl  in  der  Jugend  nicht  liberfipannt  worden,  wSren  sie 
hei  Brot  and  Wassersuppe  grofs  gebracht ,  hKtien  sie  früh  mit  der 
Hand  ihren  Unterhalt  erworben ,  so  würde  sie  spfiler  weder  Fnrclit 
vor  eii^ebildetem  Mangel,  noch  vor  eingebildeter  Schande  zam 
Selbstmorde  gebracht  haben,  leb  habe  aber  anch  PBlIe  erlebt, 
in  denen  kein  Mensch  die  geringste,  nahe  oder  ferne  Veranlas- 
sung snm  Selbstmorde  nnr  mit  einem  Scheine  von  Wabriieil  rer- 
innthen  konnte. 

Da  der  Trieb  der  Selbiterfanltang  der  mRcbligste  'in  der  Na- 
lur  ist ,  so  sollte  man  denken ,  nur  ein  ZusammenlrefTen  von  gar 
gellsamen,  feindUcben  Begebenheiten  kSnne  einen  MenschMi  snn 
^Ibstmörder  iiiaclien ;  und  doi^  erlebte  tcb  den  Fall  bei  einem 
geringen  Manne ,  dafa  in  einem  Zeiträume  von  sechs  oder  acht 
Monaten  die  wSrmste  AnhftDglicbkeit  an  das  Leben  einem  Lebens- 
Qberdruase  Plali  nmcbie,  dessen  Folge  Selbstmord  war.  Da  di^ 
■er. Fall  dem  aeelenkundigen  Ame  bemerkenswerth  Bein  mag,  wiH 
ich  Ihn  kürzlich  erzählen. 

Ein  zwischen  fnnbig  nnd  sechiig  Jahren  aller,  sieh  dureh 
Tagriöhnern  nührender,  ordenAicber  ond  flelfsiger  Mann  lief«  mich 
eines  Tages  zu  sich  rufen,  damit  ich  ihn  von  der  Wassersucht 
befreien  mSehte.  leb  fand,  dafs  er  an  der  Bauch-  wm!  Zellge- 
wehewBseersucht  li»,  und  bedeutend  gesehwollen  war.  Es  eif;ah 
sich  bald ,  dab  kein  alter  Organfebler  dieser  Wassersncfal  ran 
Grande  lag,  sondern,  dafs  sie  von  einer  einfachen  Nierennffek- 
lioo  nbbing,  die  er  sieh  mttgtkh  durch  ErkSltBog  bei  dw  Arbeh 


■■^«xogen,  Darch  Tart»rm»  htrtuemtu»  itnllle  iefa  die  gMtftrte 
Harnabaondarung  wivder  hw,  und  lo  scbrilt  die  Benanjog  regd- 
»Hfaig  b)B  »r  veUkommnen  Heilung  vono.  Da  aber  in  diesem 
K9rper  eine  ishr  grofse  Menge  Wuier  Hak,  die  aaf  dem  gewiUi^ 
liehen  Wege  nnniSglich  in  etlichen  Tagen  konnte  entleeret  wcr> 
den,  nnd  es  ihSricht  gewesen  sein  würde,  die  Enlleerang  dnrch 
Abzapfen  nnd  Scbri'tpfen  in  bescfalennigen ;  so  infserte  der  Mensch, 
bei  der  sicfaibaren  iSgticben  Besserung,  eine  solche  warme  An- 
hänglichkeit an  das  Leben,  eine  solche  alberne  Fnrdit  vor  dem 
Sterben,  iah  ich  fest  dnranf  redtnen  konnte,  einen  Bothen  von 
ihm  im  Hanse  sn  haben,  wenn  ich  ihn,  durch  anfserstftdiisehe 
Geschifie  behindert,  auch  nnr  einen  einzigen  Tag  nicht  gesehen 
halte.  Er  genas  vollkommen,  ging  wieder  seiner  Arbeit  nach, 
nsd  ich  war  wirklich  froh,   dieses  Iftstigen  Dringers  los  za  sein. 

Sechs  oder  acht  Monaie  nachher  sehe  ich  einit  auf  der  Siratw 
einen  Zusammenlanf  von  IHenschen,  der  sich  nach  einer  kleinea, 
TOD  geringen  Leuten  bewohnten  Gasse  hinziehet.  Auf  meine  Fra- 
ge, was  es  dort  Neues  gebe,  wird  mir  die  Antwort:  es  habe  sich 
Jemand  erhftngt,  nnd  das  Gericht  sei  eben  hingegangen,  ihn  zn 
besichtigen.  Die  Neagier  treibt  mich  euch  hin,  nnd  wen  finde 
ich  da  erhtingtf  Niemand  anders  als  den  lodesfiirchtigen  Gesellen, 
der  mich  etliche  Monate  früher  so  sehr  geplagt  bade,  ihn  im 
Lande  der  Lebendigen  zu  halten,  leb  war  neugierig,  ob  irgend 
jemand  ein  besonderes  Ereignifs  als  wahrscheinliche  VeranlaBsang 
dieser  ganz  unerklärlichen  That  angeben  kdnne.  Der  Kntlefble 
balle  als  JunggescU  ohne  Mitbewohner  in  seiner  Hfitie  gelebt,  mit- 
bin waren  die  JNachbaren  die  Einzigen,  die  mir  hätten  Ansknnft 
geben  kSnnen.  Von  diesen  konnte  ich  aber  nur  das  schlecht  ver- 
bnrgie  Gerücht  erkunden ,  dafs  ein  böser  Mensch  dem  armen  Manne 
ein  Ersparnifs ,  welches  man  auf  zehn  bis  fünfzehn  Thaler  schalste, 
gestohlen ;  diesen  Verlust ,  hiefs  es ,  mRsse  er  sich  wahrscheinlich 
so  zn  Herzen  gezogen  haben ,  dafs  er  dadurch  einen  Widerwillen 
•D  dem  Leben  bekotnuen. 

Eine  wohl  zn  beachtende  psychische  Ursache  des  Selbstmar- 
des  ist  das  Lagern  der  Gedanken  nuf  diesen  Gegenstand;  denn 
die  Gedanken  können  sich  auf  denselben  eben  so  fest  lagern ,  al« 
anf  eine  schöne  Frau ,  und  es  ist  alsdann  schwierig ,  sie  davon 
abzuziehen  Aber  die  wenigsten,  die  in  einer  solchen  Gedanken* 
klemme  leben,  'gestehen  ihre  Nnth,  sondern  sie  Tvvbergen  selbige 
vielmehr.  Nor  ein  einziges  Mahl  bähe  ich  das  GesiKndnifs  eines 
Mannes  aas  der  arbeilenden  Klasse  gehört,  den  mir  ein  Geistlidiw 
Bnsofaickie,  in  der  Meinung,  er  leide  an  körperlicher  Krankheit, 
«eiche  aber  nicht  zu  erkennen  war. .  Dieser  Mann  bekannte  mir 
nnverhohlen,  daiz  er  sieb  des  Gedankens,  das  Beste  fSr  ihn  werde 
sein,    sioh    mia  der  Walt   sn  scHaffeD,    durchaus  nicht  erwehren 


kSMte;  ar  muier«  ihn  bei  Tage  und  bei  Naobt,  in  den  Standen 
der  Arbeit  and  in  denen  der  Rübe.  Icli  liele  den  Geisiliehen  wis- 
aen ,  man  rnmie  Acht  anf  den  Menicben  halten ,  denn  die  Erfali- 
nng  habe  gelehrt,  dafs  die,  welche  einmahl  von  dievem  Gedan- 
ken beienea  seien  <  ihn  früher  oder  Bpiicr  xnr  Ausfnhfnng  brich- 
ten.  Meine  Warnung  iat  aber  frnchiloB  gewesen,  denn  ungefähr 
drei  Wochen  nachher  arbeitet  der  Mann  im  Holie,  und  nachdem 
er  lein  Tageweck  Tollendet  hal,  erhängt  er  aich  in  den  nSchilen 
Baum. 

Merkwürdig  iai  es,  dafs  die  Gedanken,  wenn  sie  eine  Zeit 
lang  auf  den  Selbstmord  geheftet  genesen  sind,  durch  Zufall  da- 
von abgelenkt ,  Jahre  lang  davon  entfernt  bleiben ,  und  dann  sich 
wieder  mit  ernenerler  Gewalt  darauf  lagern  können. 

Ich  kannte  hier  im  Lande  einen  Sltlichen  Baumeister,  der  in 
seinem  Fache  wol  ein  TerslSndiger  Mann  sein  mochte,  denn  er 
führte  gute  GebSude  auf;  übrigens  gehörte  er  /.u  denen,  die,  wie 
das  Volk  spricht,  einen  Strich,  einen  Schufs,  einen  Hieb  hüben. 
In  den  Dingen,  die  er  ans  Liebhaberei  trieb,  und  die  ich  auch 
ein  wenig  beunheilen  konnte,  hatte  er  es  nicht  sum  Erträglichen 
gebracht.  Ec  war  auch  Philosoph,  Atheist,  Materialist,  und  Gott 
weifs,  was  mehr;  aber  nichts,  was  ec  dachte  und  vorbrachte,  war 
znr  millheilbaren  Klarheit  gereift.  Bei  dem  allen  halle  er  zuwei- 
len originelle  Gerfanken,  und  seine  Art,  sie  einem  unversehens 
wie  einen  Fangball  zuzuwerfen,  war  noch  origineller.  Von  einem 
seiner  vertrauten  Bekannten  wiifste  ich,  dafs  er  schon  mehrmahls 
den  festen  Vorsatz  gefafsi,  sich  zu  morden,  aber  wunderbarer 
Weise  in  dem  Augenblicke,  wo  er  ihn  zur  Ausführung  bringen 
wollte,   durch  andre  Menschen  daran  behindert  sei. 

Eines  Tages  traf  idi  ihn  bei  einem  meiner  Freunde,  und  wir 
gprieihen  mit  einander  in  ein  Gespräch  über  den  Selbstmord.  Da 
erzählte  er  mir  ganz  unbefangen  nod  launig,  dals  er  sich  einmahl 
durch  Kohlendunst  habe  ersticken  wollen.  Er  sei  lange  mit  dem 
Gedanken  schwanger  gegangen ;  da  er  aber  znr  Ausrübrnog  habe 
schreiten  wollen,  md  um  sicher  zn  gehen,  einige  notbwendige 
Vorbereitungen  in  seinem  etwas  undichten  Zimmer  gemaobt,  sei 
seine  Hauzwirthinn ,  die  Verdacht  gesGb5[^t,  zu  ihm  gekommen, 
bab«  ihm  auf  den  Kopf  zugesagt,  dafs  er  Böses  beabsichtige,  und 
habe  so  verständig  und  beweglich  zu  ihm  gesprochen,  dafs  er  den 
Vorsatz,    aich  zu  entleiben,   ganz  aufgegeben. 

Können  Sie  es  begreifen,  eagie  er  zn  mir,  wie  man  so  nllr- 
riscfa  sein  kann,  sich  selbst  aus  der  Welt  zu  schaffen f  was  hat 
man  Besseres  als  das  Leben f  und  wenn  man,  wie  Ich,  das  L»- 
ben  ohne  Sorgen  geniefsea  kann ,  zo  ist  doch  wol  der  gröfile  Un- 
sinn,   es  als  ein  niefatsnüliiges  Ding  wegzuwerfen.  —  So  apraoh 


iiamt  wltswna  KwM,    oad  hanin  KWei  Jahn  luwUcr  bat  er  Mdi 

Ea  ist  wol  letebt  Muwiebwi ,  iaSm  in  Lagvni  dw  Gedanken 
auf  de«  Selbsunord  ohne  ftnlaere  Vcranlaiiung  nicht  leicht  Statt 
findet.  Dheer  VeranlawRagen  können  viele  eein,  die  lebwerlicb 
aa  beeehreiben  and  noch  eohwleriger  kb  vcnoeiden  ■eia  nScbten. 
Einer  Venalaweiig  nuili  ich  aber  erwähnea ,  ofitHlicb  des  Anfent- 
halte«  en  eine«  Orte,  wo  tchun  ein  Selbelnord  b^aogen  ist, 
denn  hierauf  gründet  aich  der  Volkeabergiaube  von  den  nnbeiaH 
'  lieben  Oeriem.  Ei  ist  wol  begreiflich ,  dsft ,  wenn  man  lich  ein- 
sam in  einem  Hause  befindet,  in  dam  eich  jemand  crhflngt  odet 
erschossen  bet)  man  da  auch  eher  an  den  Selbstmord  denket,  als 
an  jeden  anderen  Gegenstand,  gerade  wie  man  in  den  Trümmern 
eines  alten  Bergscblosies  unwillkürlich  an  stablbewamms'te  Raufer, 
an  Wegelagernng  nnd  Biirgverliefs  denkt.  Freilich ,  dafe  der  al- 
so erweckte  Gedanke  des  Selbstmordes  aum  vorherrschenden ,  snm 
unverschencfabaren  werde,  dazn  gehört  wol  der  Zusammenstofs 
mehrer  Umstände;  wSre  er  aber  durch  den  nnbeimlicben  Ort  nicht 
xuerst  geweckt  worden,  hXtten  ihn  die  nachfaerigen  (Jrasiftade  auch 
nicht  festigen  und  reifen  können.  Wenn  also  der  gemeine  Mann 
den  Aberglauben  heget,  dafi  der  Teufel  an  solchen  unheimKchen 
Oertern  Gewalt  9ber  den  Menschen  habe  nnd  ihn  zum  Selbstmorde 
nöthige,  so  ist  dieser  Aberglaabe  bloJs  eine  in  bildliche  Form 
gehfiltte  Erfabmngswabrheit ,  die  anr  n  sehr  in  der  Natnr  des 
Menschen  begründet  ist. 

Folgenden  merkwürdigen  Fall  bat  mir  ein  ToUkommeo  glaub- 
hafter Mann ,  der  hier  wohnhafte  Freiherr  Friedrich  vom  Bauern 
milgetheilt.  in  seiner  Jngend  lag  er,  zngleieb  mit  seinem  Bru- 
der, fV.  p.  Hallen,  in  Wesel  sur  Besaisnng,  nnd  beide  Brüder 
waren  damsbis  Lieaianaats.  Es  stand  einst  eia  kleines  niedliches 
Haus  ta  mietben,  welches,  weil  sieb  mehre Meaaclmn  darin  ent- 
leibet, in  Vermf  gekoauscn  nnd  deshalb  nicht  gerade  jedem  an- 
Btlndig  war.  Da  beide  Brflder  den  Abergiaaben  des  Volkes  nicht 
tbellten,  so  trogen  sie  kein  Bodenken,  diesen  Termfene  Hans  mit 
ihren  Soldateaborecben  in  besiefaen;  die  finnchea  waren  gesonda 
Lerne  and  keine  Spnr  vea  Trübsinn  an  ihnrn  m  bemerken.  Ei- 
nes Abends  kennst  der  Enfthler  spit  tob  einer  kleinen  Lnstreisc 
hnm.  Die  Dunkelheit  der  Fenster  Iftist  ihn  Tematk^,  dafs  die 
Barschen  sieb  echlafeD  gelegt,  er  schliefst  sko,  da  er  den  Hana- 
scblüssel  immer  bei  sich  führt,  dieThnr  aaf,  und  tappet  so  dem 
Orte  hia»  wo  das  Feneraaug  stehet.  Kaau  hat  er  aber  di«  Kerae 
aageaiindel,  so  erblickt  er  den  Burscken  seines  Bmden,  tänen 
ahriichen  Scfaweixer,    erhftagt  unter  der  Treppe. 

Ich  habe  gelesen,  dafa  in  nnaerer  Zeit  die  Selbstmorde  bän- 
ger sein  sollen  als  früber.    Zwei  gatw  eia&che  Ursaebea  dieser 


—    809    — 

VcrMhiedenheit  zwiachen  jetzt  und  sontt  «ind  ohne  Zweifel  die 
Zuiwltiiie  der  BevölkeraDg  und  das  Beispiel:  nndre  Ursachen  die 
man  Rngi1>t,   will  ich  auf  ihren  Werth  berafaen  lassen. 

Unter  mehren  ErhSngten,  die  ich  gesehen,  babeo  drei  mir 
et  höehst  wahrscheinlich  gemacht,  dafs  diese  Todesart  eine  sehr 
gemftchliche  sein  müsse ;  denn  vorausgesetzt,  dafs  bei  diesen  dreien 
der  Vorsatz  sich  xa  entleiben  nicht  so  unerschS Herlich  gewesen 
dafs  er  selbst  der  Athemanoth  Widersianden ,  mtifs  ich  denken,  dafs 
in  dem  nSmlicheD  Augenblicke,  in  weichem  der  Druck  auf  die 
Infseren  Droaseladem  gescbiebet,  auch  alles  ßewufstsein  dahin 
ist.  Ich  fand  sie  nämlich  in  einer  solchen  Lage,  dafs  es  foII- 
kommen  von  ihrer  Willkür  abgehangen  hatte ,  den  Druck  auf  Dros- 
seladern und  LuftrShre  auhnheben.  Der  merkwGrdigsle  unter  die- 
sen dreien  war  ein  junger  Mann ,  den  man  wegen  Diebstahl  einer 
silbemeo  Uhr  in  das  hiesige  Oefftognifs  gesetzet,  und  der  sich  in 
derselben  Nacht  gelddtel.  Kaum  sollte  man  glauben ,  dafs  es  mög- 
lich sei,  sich  auf  so  einfalle  Weise  den  Tod  zu  geben.  Er  hatte 
sein  kattunenes  Halstuch  strickanig  aber  nichts  weniger  als  fest 
KU  sam  menge  drehet,  die  Enden  durch  einen  Knoten  verbunden,  diese 
Verbindutig  an  die  Angel  des  sehr  niedrigen  Fensien  gebangen 
und  seinen  Kopf  durch  das,  keine  Schlinge,  sondern  einen  ganz 
einfachen  weiten  Kranz  bildende  Tuch  gesteckt.  Das  Fenster  war 
u>  niedrig,  dafs  er,  mit  dem  RScken  gegen  dasselbe  gekehret, 
anfreeht  stehend  nnmftglich  auch  nur  den  geringsten  Drnck  des 
Tuches  auf  Drosseladern  oder  Lufiiöhre  bekommen  konnte.  Um 
diesen  zu  bewirken,  hatte  er  sieh  nur  ein  wenig  in  die  Knie  sin- 
ken lassen,  und  so  war  das  Leben  dahin.  leb  habe  ihn  noch 
ganz  unberührt  in  der  nämlichen  Stellung  gesehen,  in  der  er  sich 
gewürgt;  er  stand  mit  den  Fiifsen  auf  dem  Grunde,  die  Knie  wa- 
ren nur  ein  wenig  gebogen,  sein  Gesicht  war  nicht  anfgelrieben, 
seine  ZBge  auf  keine  Weise  entstellt,  sondern  vielmehr  wunder- 
sam freundlich.  Wahrscheinlich  hatte  der  antle  Jüngling  die  Uhr 
aus  Hunger  gestohlen ,  und  sich  gewürgt,  am  der  Schande  zu  ent- 
gehen. 

Der  Leichtigkeit,  sich  durch  einen  geringen  Druck  auf  die 
Drosseladern  des  Bewuftseins  zu  berauben,  ist  auch  nur  einzig 
folgender ,  höchstwahrscheinlich  nicht  beabsichtigte  Selbstmord  zu- 
zuschreiben. Die  Mägd  eines  hiesigen  Ackerbau  treibenden  Biir- 
gM«  gehet  eines  Tages  auf  den  Heuboden  ,  und  findet ,  zn  ihrem 
greisen  Schrecken,  daselbst  einen  vierzehn-  oder  fünfzehnjähri- 
gen Knaben,  d^r  als  BeilSnfer  und  Kuhjunge  im  Hanse  diente, 
erhängt,  Sie  macht  Lärm ,  man  holet  ihn  vom  SSller  herunter, 
aber  er  ist  todt.  Da  dieser  Junge,  nach  Aussage  aller,  die  ihn 
kannten,  ein  gesunder,  lebensfroher,  näckischer  Gesell  war,  der 
oft  mit  dem  Dienstmädchen  Spafs  trieb ,  imd  da  er  mit  den  Fiifsen 


—    610    — 

anf  dem  Htu  Uefa«Bd,  den  Strick  an  eia  QneriiolK  der  DaciMpai^ 
ren  befestiget  hnue;  so  iat  bAchit  wahnohejnlich»  dafs  er  aicb 
blofs  ia  die  Stellung  eioea  b^rbüngten  gebracht,  um  deio  Dienai- 
mfidchen  einen  Scbreciien  absiijagen,  uicbt  uin  aicfa  wirklich  m 
würgen.  Der  arme  Junge  hatte  niebt  bedacht,  daia  auch  feetga- 
packtCB  Heu  mehr  nachgibt  als  Holx  oder  Stein ,  und  da  durch 
das  Gewicht  des  Körpers  das  Heu  unter  aeinea  FüfsAn  «ia  weo^ 
gesacket  ist ,  bat  ihm  auch  der  SiricL  «in  wenig  die  Oros*«ladera 
Kusainiueitgeprelst ,  er  hat  das  BowafMsein  verloren,  und  ans  de« 
Spafa  ist  Ernst  geworden. 

Materialitmu»    der   Aerxte. 

Ca  ist  nicht  in  ISiignen,  dafs  man  in  unserem  Stande  mehr 
Materialisten  findet  als  in  allen  andern  Ständen  der  bürgerlichen 
Gesellschaft;  aber  nicht  alle  xuin  Malerialisnius  naigende  Aente 
sprechen  ihre  Meinung  über  diesen  Gegenstand  ans,  und  unter  den 
ans  Weltklugheit  schweigenden  wird  wd  die  Mehrzahl  in  solchen 
beateben,  die  das,  was  sie  darüber  gedacht,  nicht  xur  luittheil- 
baren  Klarheil  erhoben  haben. 

Efwas  ist  mir  bei  allen  materialistischen  Aeufaeningen ,  und 
auch  noch  bei  der  neusten  ürzilieben,  die  ich  gelesen,  aufgefal- 
len, nämlich,  dafs  man  die  (Jnmdglichkeit,  das  Sein  eines  von 
dem  Körper  Tprscbiedeneo  geistigen  Wesens  versiandesrecht  au  be< 
weisen ,  schweigend  mit  dem  Nichtsein  eines  solchen  Wesens  ver- 
wechselt. Diese  Begriffsvermiscbung  kann  wol  in  dem  Kopfe  eines 
Philosophen  vorgehen;  wie  sie  aber  in  dem  Kopfe  eines  Arxies 
Siatt  haben  kann,  ist  mir  ganz  nnbegrieiflicb.  Wir  stoben  ja  bei 
Uebung  der  Heilkunat  auf  so  manche  Erscheinungan ,  welche  wir 
nicht  verstandesrecfat  erklären  können,  und  deren  Wirklichkeil 
wir  doch  glauben  müssen,  weil  wir  sie  sehen;  also  solllea  wir 
Aente  doch  wol  am  ersten  begreifen,  dafs  das  Nichtsein  einer 
Sache,  und  die  UnmÖglicbkeil  das  Sein  verstandbaft  zu  erklären 
oder  an  beweisen,   zwei  ganz  verschiedene  Dinge  sind. 

Ich  billige  vollkommen  die  Meinung  der  Verstäudigern  unse- 
rer Zeit,  dafs  das  Sein  eines  von  dem  Körper  verschiedenen  gei- 
stigen Wesena  in  uns ,  und  dessen  Forldauer  als  Eigenweien  nach 
dem  Tode  des  Leibes,  bis  jetzt  noch  nicht  versiandesrecht  bewie- 
sen ist;  ja  ich  gehe  noch  weiter,  und  behaupte,  dafs  es  nie  ver- 
siandesrecht wird  bewiesen  werden. 

Man  hat  von  dar  früher  emsig  gesuchten  Umwandlung  da-  un- 
edlen Metalle  in  Gold  gesagt,  dafs,  wenn  diese  Kunst  je  wurde  er- 
funden und  bekannt  werden,  eine  grolse  Störung  der  bürgerlichen 
Verhältnisse  durch  solch«  Erfindung  entstehen  müfste.  Ich  glaube 
auch ,     dnfa   man  ganz  richtig  genrtheill ;    zum  wenigsten  mülslen 


-    611     - 

alle  Kapitalisten  anne  Leute  werdea ,  iodeia  nur  AttM  Grandeigen- 
tham  Werth  behallea  kdniite. 

DiMe  Störung  würde  aber  bei  weilein  der  nicht  au  verglei- 
ebeo  seio,  die  darch  daa  AaSiDden  und  durch  die  Verbreiiun^ 
•inea  schlicht  renlandearecbten  Beweises  der  Unsterblichkeit  der 
8ede  mübte  bewirkt  werden.  Ich  sprecba  aber  hier  nicht  voo 
einem  pbilosopbiicb  Terslandesrecbieit  Beweise ,  denn  was  den  Phi- 
losophen hente  vollkominen  verslandearecht  ist,  ist  ihnen  vielleicht 
nach  etlichen  Jahren  venlaadeswidrig ;  sondern  ich  spreche  von 
•ineni  solchen  Beweise,  dessen  Bündigkeit  jedem  gesunden,  an- 
verkünsielien  Verstände  einleuchtet,  und  der  ihn  wirklieb  nber- 
zengt.  Die  Leaer  nüasen  sich  aber  wohl  hüten,  den  überaengen- 
den  Beweis  mit  dem  dialektisch  unwiderlegbaren  zu  Terweehseln. 
Menicben  von  gesundem,  unTerkünaleltem  Verstände  haben  die 
ehemahUgen  metaphysitcben  Beweise  für  die  Unsierblicbkeit  der 
Seele  wol  gerade  nicht  dialektisch  widerlegen  kSnneRf  aber  sind 
aie  deshalb  durch  selbige  über«engt  worden  1  —  Ich  glaube,  wie 
gesagt,  dals  das  Auffinden  und  Verbrrilen  eines  schlicht  verslan- 
desrechten  Beweises  der  Unsterblichkeit  dar  Seele  nothwendig  die 
ganae  Menschenwelt  nmgesialicn  mürste;  Ha  aber  das  Vardentlicheo 
dieser  »einer  Meinung  dem  einen  oder  dem  andern  achtbaren  Leu 
aar  etwas  anstBfsig  sein  kSimle,  überlasse  ich  lieber  jedem ,  selbst 
darüber  nachsudenken ;  und  wer  reiflieb  darüber  nachgedacht,  der 
wird  mir  beipflicblen,  dafa  unter  den  Dingen,  die  unser  Verstand 
au  den  UnmSglichkeilen  sHblet,  eine  künftige  Berei sang  des  Mon- 
des noch  weit  glanbltcher  ist ,  als  ein  künftiger  verstandesrechter 
Beweis  der  Unsterblichkeit;  ich  aum  wenigsten  halte  dafür,  es 
möchte  dem  schwachen  Erdbewohner  noch  weil  eher  vergSnnt  sein, 
die  Raumgrense  dieaea  Wandelsternes  an  Rberscbreilen ,  als  auf 
diesem  Sterne  eine  nene  Menachenwelt  an  bilden. 

Es  ist  ein  alter  Gebranch,  (ob  er  gut  ist,  will  ich  nicht  eni- 
aeheiden)  dafs  über  daa  Dasein  Gottes  nod  über  die  Unsterblich- 
keit der  Seele  nur  HiilosopheB  und  Theologen  öffentlich  sprachen, 
and  dab  der  gesunde  schlichte  Verstand  blofs  die  Rolle  des  schwei- 
genden bescheidenen  ZuhÖrera  spielt.  So  könnten  denn  auch  leicht 
meine  Leser  anf  den  Gedanken  kommen,  dafa  ich,  da  ich  doch 
ausgemacht  kein  Philosoph  sei ,  bei  den  anm  Materialismus  nei- 
genden Amtsbrüdern  den  kirchlichen  Bekehrer  machen  wolle.  Ich 
erkISre  ihnen  also  nnr  geradezu,  dab  ich,  der  Theologie  gftna- 
licb  unknndig ,  blofs  ala  schlichter  Verstandesmenach  sprechen  wer- 
de, und  damit  sie  sehen,  dafs  iefa  hinsichtlich  des  Rrztlichen  Ma- 
tertalismna  sehr  billige  Gedanken  hege,  tfiame  ich  ihnen  gleich 
gutwillig  Folgendes  ein. 

Da  wir  sehen,  dafs  die  geistigen  Ffihigkeilen  mit  der  Aua- 
btldung   des  KSrpers   %iti\  ausbilden ,    mit  seiner  Abnahme  abneh- 


—  612  — 
luen,  dureh  orzeneiUelie  oder  selbilig«  SlSrimgen  des  KSrpen 
geatSrel,  und  wieder  durch  Arzenei  oder  andere  xiifftlltge  Einwir- 
kung normal  werden,  so  ist  es  sehr  begreiflich,  ditfs  wir  Aerxte 
geoeigt  aiad,  die  geiitigen  Fähigkeilen  des  Menschen  als  das  Er- 
gebnifa  des  künstlichen  Korpergelriebes  anzusehen,  und  dafi  die 
Meinung  sich  fast  unwillkürlich  bei  nns  einschleicht,  der  Mensch 
werde  gleichzeiiig  mit  der  ZersiSrung  seines  Leibes  aufhören  als 
Eigenwesen  forlxaleben. 

Das  Fürchterliche,  das  Trostlose  des  Aufhitrena  unserer  Ei- 
genwesenheit heim  Sterben  ist,  meines  Erachtens,  anoh  nur  ein 
Himapuk  acbwachkSpfiger  Eiferer;  es  bemhet  einsig  darauf,  itd* 
steh  die  Menschen  daa  \ichlsein  sinnlich  vorMellen  wollen.  Well 
•le  nan  etwas  wollen,  was  in  sich  selbst  einen  Widerspruch ,  al- 
so eine  Unmöglicbkeil  enthftlt , '  so  folgt ,  dafs  sie  sh:h  das  Niehl- 
•eia  vorstellen  müssen,  als  ein  ewiges  Eingeiperrtsein  in  einem 
engen  dunklen  Orte ,  geschieden  auf  immer  von  Licht  und  Freude, 
von  Liebe  und  Freands^aft  und  allem  Lebensgenüsse.  Nnn  frei- 
lich, das  wäre  fürchterlich  genug,  da  würde  einem  die  Zeil  wo! 
etwas  lang  werden.  So  schlimm  ist  es  aber  doch  eigentlich  nicht, 
denn  jedenfalls  würden  wir  doch  nur  sein  ( mit  Hiob  zu  reden  ] 
wie  die  jungen  Kinder ,    die  das  Licht  nie  gesehen  haben. 

Die  gntgeineinlen  Wahrscheinlichmachungen  der  Unsterblich- 
keit der  Seele,  welche  einige  ehrliche  Leute  aus  ihren  Beobach- 
tungen ziehen  wollen,  mSchten  füt  uns  Aerzte  auch  nol  ziemlich 
ouizlos  sein,  leb  habe  in  meinem  Leben  mancherlei  solcher  Sa- 
chen gelesen,  ohne  dafi  ich  sie,  nach  Art  der  Gelehrten,  bestimmt 
nachweisen  könnte.  So  viel  ich  mich  erinnere,  warvn  die  ver- 
meintlich wichtigsten  Beobachtungen  die:  dals  zuweilen  das  gei- 
stige Vermögen  bei  dem  Verfalle  des  Körpers  anverlelzt  hieihi, 
und  dann,  dafs  znweilen,  bei  langer  Störung  des  Denkvermögens, 
der  Veratand  kura  vor  der  Auflösung  des  Körpers  ganz  ungetrübt 
wieder  hervarbricht.  Die  ans  diesen  Beobachtungen  gezogenen 
Folgerungen  für  da«  Sein  und  die  Unsterblichkeit  der  Seele  übw- 
gehe  ich,  weil  sie  sich  jeder  leicht  hinzudenken  kann.  Aber  du 
bemerke  ich  nur :  Wenn  solche  Wahrscheinlichmachungen  flir  einen 
Nichiarst  erbaulich  sein  mögen,  so  taugen  sie  nicht  für  den  Arzl. 
Was  die  erste  Art  der  Beobachtungen  beirilR,  so  sehen  wir  bei 
Uebung  der  Kunst  weit  Öfter  das  Giegentheil,  nfi milch ,  dafi  das 
geistige  Vermögen  sugleicfa  mit  dem  Körper  abnimmt.  Ja  jene 
aelinereo  Fälle  sind  für  nns  nichts  weniger  als  beweisend,  denn 
wir  wissen  es,  dafs  der  Körper  Snfserst  selten,  oder  vielleicht 
nie  gleichmäfsig  in  allen  Organen  verschleifst.  Bei  dem  Verfalle 
des  ganzen  Körpers  kann  die  Verrichtung  des  einen  oder  des  an- 
dern Orguna  unverletzt  bleiben.  So  sah  ich  die  geisiigea  KrSfile 
im  hohen  Alter  bei  gfinzlich  verschlisaeoem  Körper  ganx  nnverletst. 


—    613    — 

ick  Bab  aber  auch  !n  andern  FftDea  die  Sehkraft  des  Aiign,  od«r 
die  Verdanungikraft  des  Mejfeiu  noverlelzl ;  wollt«  ich  non  in  dem 
einen  Falle  aus  den  nnverletxten  Geilt eskräflen  auf  ein  von  dem 
Körper  reracbiedenes  Wesen,  eine  Seele,  schliefBen,  so  mHisia 
ieht  wollte  ich  folgerichtig  iirtheilen,  auch  in  den  andern  Fallen 
eine  Augen-  oder  Magenaeele  aonehuen. 

Was  aber  die  «weite  Art  der  Beobachlnngen  betrifft,  dafs 
nämlich  das  lang  gestört«  Denkvermögen  nahe  vor  der  Auflösung 
dm  Körpers  ZDweilen  ganst  ungelrübt  wieder  hervortritt,  so  lautet 
es  allerdings  etwas  dichterisch,  dafs  bei  dem  ggozlicben  VerfalU 
des  Körpers  die  Psyche,  deren  irdische  Fesseln  noch  nicht  ein- 
mahl  gebrochen,  sondern  nur  gelockert  sind,  schon  ihre  Schwiti- 
gen  pnist,  um  bald  gleich  dem  fabelhaften  iäonnenvogel  vetjilngt 
ober  der  zerstörten  Hülle  empor  lu  schweben:  allein,  sehen  wir 
Aerzie  nicht  die  nfimliche  Erseheinnng  auch  bei  andern  Organen  t 
Der  krankhafte  Zustand  mancher  anderen  Organe  verschwindet 
nicht  ganz  selten  bei  dem  abnehmenden  Leben.  So  sah  ich  die 
den  Arzeneien  und  den  wnndärzt liehen  Bemühungen  unüberwind- 
liche Znsanimenziehung  der  Harnröhre  nahe  vor  dem  .Tode  sich 
selbst  lösen,  ich  sah  Nierensteine  abgehen,  ich  sab  den  lange 
verstopften  Speichelgang  der  Ohrendriise  sich  Öffnen.  Es  liegt  bei 
solchen  Erscheinungen  ein  allgemeineres  Naturgesetz  znm  Grande, 
und  nur  Mangel  an  Beobaditnngagabe,  oder  Mangel  an  Zeil  and 
Gelegenheit  den  belebten  MenstJienlfib  zu  beobachten  j  kann  ehr- 
liche Leute  dazu  bringen,  durch  vereinzelte,  beim  Gehirnorgaoe 
gemachte  Beobachtungen  die  Meinung  stützen  zu  wollen ,  dafs  das 
Denkvermögen  ein  Ton  dem  Körper  f  ersehiedenes  geistiges  Wesen 
sei ,  das  den  Körper  fiberleben  werde.  Sollten  wir  Aerzie  nun 
nicht,  wenn  wir  solche  Wahrscheinlicfamachnngen  hören,  am  er- 
sten auf  den  Gedanken  kommen,  es. müsse  gar  windig  um  eine 
Sache  anssuben,  welche  man  mit  solcherlei  morschen  Gründen 
Biüizen  wolle! 

Ich  habe  in  meiner  Jngend  manches  von  der  Inmalerialilfit 
und  SubslanzialilSt  der  Seele,  nebst  den  daraus  gesogenen  Folge- 
rungen, gelesen,  bekenne  aber  gern,  daiii  mein  Verstand  keinen 
Beweis  für  die  Undlerblicbkeit  der  Seele  darin  finden  konnte,  son- 
dern dafs  mir  das  Ganze  wie  ein  nichlnütziges  dialektisches  Gau- 
kelspiel vorkam.  Da  aber  die  Jungen  damahls  bei  weitem  noch 
nicht  so  aniitafseud  waren  als  in  unsern  Tagen,  so  glaubte  ich 
deiaüthig,  ich  sei  noch  zu  dumm,  die  grofie  Weisheit  der  Mei- 
sler  zu  fazsen,  mit  der  Zeit  würde  ich  schon  zum  besseren  Yer- 
atändai&  gelangen. 

Als  idi  die  Hocbschale  bezog,  fing  die  Kanlische  Philoso- 
phie an  aufzublühen,  und  es  enuündete  sich  ein  Krieg  zwischen 
KaDliaoer  und  Anlikanlianer.     Am  besten  gefiel  es  mir,  daS»  Kant 


—    614    — 

die  mir  frfiher  «DTerMfindliobeB  Beweiie  der  UilMerblichkeit  ver- 
warf; jedoch  gestehe  ich,  dafi  mir  eeia  pniktiicher  Beweis,  uder 
der  meraliache  GUube  damehla  aocfa  nicht  ^db  deuüicb  war.  Was 
Biu  Jener  Zeit  als  OeMunnteindrack  de«  allseitig  Beaprocbeaeii  in 
meinem  Kopfe  fibei^blieben,  kann  ich  gem&chlich  anf  folgende 
zwei  Piinkle  Kurückfüfaren. 

Kant  hat  keinen  veratandesrecbten  Beweis  des  üaaeios  Got- 
lea  und  der  Unsterblichkeit  der  Seele  gehen  wollen. 

Er  hat  nichts  Fremdartiges  in  uns  faineindemonstriren ,  son- 
dem  uns  blofs  darauf  anfinerksam  machen  wollen ,  dafs  der  Glaube 
ao  das  Dasein  G«liee  und  an  die  Unsierblichlieit  in  uns  selbst  lie- 
ge,  einzig  ans  unserer  eigenen  Sittlichkeit  hervorgebea  könne. 
Er  hat  also  im  Grunde  nnr  eine  philosophische  Auslegong  des  bibli- 
schen Spruches  gegeben:  selig  sind,  die  da  reines  Her- 
lens  sind,   denn  sie  werden  Gott  schauen. 

Weil  nan  Kamti  moralischer  Gtaabe  etwas  ist,  was  angeb- 
lich in  jedem  Menschen  liegt,  m  bin  ich,  seit  ich  seihst  mündig 
geworden,  auf  den  Gedanken  gekommen;  der  Weg  der  Beobach- 
tung müsse  ans  am  sichersten  in  dieser  Sache  xnr  Wahrheit  führen. 

Wir  kSnnen  aber,  wie  ich  schon  oben  bemerkt,  nur  uiu  selbst 
beobachten,  und  die  Geständnisse  anderer  hören,  die  sich  eben- 
falls 8«lbst  beobacbiet  haben.  Hinsichtlich  dieser  Geatündnisse  ist 
mir  ^1  bedenken,  dafs  die  wenigsten  Menscban  im  Stande  sind, 
ihre  inneren  Wahrnehmungen  uns  rein'  darzul^en;  sie  kleiden 
selbige  vielinr'br  in  ein  sinnliches,  oder,  wenn  man  lieber  will, 
kirchliches  Gewand.  Der  Beobachter  des  geistigen  Menschen  mufs 
sich  nicht  an  dieses  Gewand  hüllen,  sondern  es  vielmehr  den 
W'^abmehmungen  abstreifen,  so  werden  sie  nackt  vor  ihm  stehen, 
lind  er  wird  auf  diese  Weise  hei  Menschen  von  allen  kircblicheD- 
Bekenninisffiu  und  Sekten  den  Sehaii  seiner  Beobacbiongeo  berei- 
i^ern  kSnnen. 

Vor  Kurseiii  habe  ich  gelesen,  (ich  schreibe  dieses  im  An- 
fänge des  Jahres  1832)  dafs  Herr  H.  Fickte  der  Meinung  ist: 
Kant»  praktischer  Beweis  beruhe  anfeiner  groben  SelbsttSuscbuag; 
man  scheue  sich  aber  dieses  offen  auszusprechen ,  am  des  höseo 
Xamens  willen,  den  man  sich  dadurch  machen  würtf«.  Er  glaubt, 
unsra  MoralitHt  habe  mit  der  die  Unsterblichkeit  betrefenden  Frage 
nicht  das  Geringste  gemein. 

Ich  gebe  es  zu,  wenn  man  den  Kampf,  in  den  die  Sittlich- 
keit mit  den  oft  seltsam  verwickelten  bürgerlichen  Verh&liniseen 
tritt,  im  Auge  hat,  so  möchte  man  «llerdings  mit  Hrn.  F.  aw«- 
feln,  ob  hier  die  Bürgachatt  eines  künftigen  Zestandes  za  finden 
sei.  Meines  Erachiens  müssen  wir  aber  unsere  Gedanken  gans 
von  solchen,  den  Verstand  verwirrenden  Einzelheiten  abaiehen, 
lind   uns  fragen;    wag  ist  SittÜchbeit?    Diese  Frag«  können   Wir 


—    6»    — 

•M  bcaua  mit  dem  bibliseheB  Sfniche  beaMwotten:  die  LMie  iit 
<■«■  fBüMD  GmMzm  ErfüUniif . 

Waa  DHU  die  Liebe  sei,  da«  aa^  ans  am  deuilicbttan  der 
Apoatel  Paulaa,  indem  er  um  die  Er^nscbaflen  der  Lieb«  wif- 
afthlc.  Erwägt:  Die  Liebe  iat  langmüihig  und  freundlid»)  die  Lie- 
be eiTert  nicht,  die  Liebe  treibt  nieht  Mntfawillen,  sie  blähet  Bich 
nicht,  sie  Btellet  Biob  nicht  nngeberdig,  sie  eochet  nicht  dae  Ihre, 
sie  lälst  sich  nicht  erbittern,  sie  trachtet  nioht  nach  Schaden,  sie 
freuet  sich  nicht  der  Ungerechlifckeit ,  sie  freuet  sich  aber  der 
Wahrheit,  sie  vertrigt  alles,  sie  veruanet  allee,  sie  hnffct  alles, 
sie  daldet  alles. 

In  dieser  Liebe,  die  nas  nicht  von  Theologen  eingeprediget, 
nieht  TOn  Philosophen  eindemonstrirt ,  sondern  die  Theil  unseres 
geistigen  Wesens  ist,  in  dieser  liegt  der  Glaube  an  eine  h&chsie, 
ewige  Liebe,  die  nna  nicht  verlassen,  noch  versüumen 
wird. 

Wollten  wir  annehmen,  die  Liebe  in  uns  und  der  Glaube  an 
eine  (Jrliebe  wfirde  durch  den  von  achtbaren  Denkern  nnd  st^on 
Mher  von  denGolteslfingneraangafoehteaen  und  verworfentn  ^Iz 
der  Uraaeblicbbeit  vermittelt,  so  würden  wir  nns  nicht  als  anpar- 
teiidcbe  Beobachter  bekunden.  Wer  sieh  selbst  ohne  vorgefafste 
Meinung  bcoba<^tet,  der  wird  bald  gewahr  werden,  dafa  die  Lie- 
be in  ihm  und  der  Glaube  an  die  Ürliehe  eine  Einheit  ist,  und 
dafs  sich  kein  Syllogisraus  awischen  beide  schiebt.  Auf  der  in- 
neren Wahrnehmung  dieser  Einheit  der  Liebe  und  des  Glaubens 
beruhet  die  von  Slteren  und  neueren  krisllictien  Mystikern,  und 
unter  den  Aersten  von  anserm  ehrltcbeo  Landsiuanne  Crolliu»  be- 
sprochene Vereinigung  des  geistigen  Menschen  mit  Gott.  Jeder 
bat  seine  Wahrnehmung  in  ein  ihm  snsagendes  sinnlichea  Kirchen-, 
oder  Sekleogewand  gekleidet ;  die  Wahrnehmung  bleibt  aber  doch, 
entkleidet  von  diesem  Gewände,  eine  und  dieselbe. 

Auch  der  Meinung  der  allen  nichikrietlidien  Philoaophen :  dafs 
der  Heuseh  durch  Befreiung  von  der  Knechtschaft  der  Sinnlich- 
keit der  Gottheit  ähnlich  oder  gleich  werde,  liegt  die  innere  Wabr- 
neb'mang  der  Einheit  der  Sittlichkeit  und  des  Glaubens  buid  Grun- 
de. Wie  konnte  der  Gedanke  der  Gottäfanliclikeil  je  in  eines  Men- 
schen Kopfe  gdieren '  werden,  wenn  ihm  niohi  ein  hohes,  dem  Ver- 
stände uaefreiehhares  Musterbild  der  Sittlichkeit  vorschwebte,  und 
wenn  nicht  in  dienern  Erhabeiten,  Unbegriffenan  der  Glaube  an 
«in  künftiges  Sein  ligel 

Ob  wir  nun  diesen  Glaaben  an-  eine  Urliebe,  in  der  die  BSrg- 
sdiafit  DOserer  Fortdauer  Bach  de«  Tode  beruhet,  Vamunfioffen- 
barung,  oder  oh  wir  iha  Gefühl,  Abwiag  nennen,  scheint  mir 
fana  gleichgültig.  Wie  das  phyaisclie  Leben  sich  naa  nnr  einxig 
in  Kampf*  feindlicher  GewaHsn  oQenbeiet,  so  ofienbarei  in  dem 


-     616    — 

bfltchtftokten  Mnk*  dinwa  ErdanlebMiii  auch  ii»  Liebe  lit^  um 
nur  in  und  durch  Widentreit.  Von  einer  nicht  im  Kampfe,  aoo* 
dem  rein  sich  offenbaranden  Liebe  können  wir  nnr  einen  Temei- 
neoden,  einen  nneigeatlicfaen  Begriff  haben ,  nnd  daa  nennen  wir 
Gefühl,  Ahnung,  und  insofern  wir  dae  Gefühlte,  Geahaete  ala  et- 
was Wahres,  aber  dem  Verstände  Unerreichbares,  ansriien,  nen- 
nen \tir  das  Gefühl  oder  die  Ahnung  Glanben. 

Wenn  wir  Aeme  den  belebten  Menachenleib  beobachten,  ao 
beobachten  wir  ibn  nicht  blofs  in  dem  ruhigen  Gange  des  voll- 
kommen gesund beitsgemftliten  Getriebes,  sondern  wir  beobachten 
ihn  in  verschiedenen  Zeiten,  in  verschiedenen  Vei-hfiltnissea  xni 
Aufaeowelt;  so  erkläret  das  Eine  das  Andre,  und  unare  nnvoll- 
kommne  Kenntnib  des  belebten  MeDsehenleibes,  die  auch  wol  im- 
mer unvollkommen  bleil>«i  wird,  haben  wir  nicht  einseitigen,  aon- 
dorn  vielseitigen  und  ve^leicbenden  Beobachtungen  zu  danken. 
Den  ntimlichen  Vt'eg  müssen  wir  nuo  auch  bei  Beobachtungen  des 
geistigen  Menschen  eiasohlagen. 

In  dem  ruhigen  Gange  des  ifiglichen  Lebens  sehen  wir  nicht 
das  Einsseiu  der  Sittlichkeit  mit  dem  Glauben,  denn  dem  Men- 
schen, war  er  nicht  durch  sefaleehte  Eniehnng  oder  durch  sndre 
widrige  UmsIKnde  verwildert,  ist  das  Rechthandeln  anr  Gewohn- 
heit geworden,  sein  sittliches  Gefühl  wird  nicht  merkbar  dabei 
aufgeregt.  Wie  aber  den  Körper  auweilen  feindliche  äofser»  Ein- 
wirkungen aufregen,  so  bestürmen  auch  feindliehe  Schicksale  das 
siiiliche  Gefühl.  Dos  gemeinste,  aber  auch  fGr  den  Beobachter 
das  belehrendste,  auf  unser  sittliches  Gefühl  feindlich  einwirkende 
Schicksal,  ist  die  Wahraeheiolicbkfst  oder  die  Gewifsheit  des  Ver- 
luiies  solcher  Menschen,  die  wir  recht  von  Heraen  lieb  haben. 

Ich  halle  lefaon  ia  müner  Jugend  bemerkt,  dafs  die  meisten 
Leute  bei  dem  Tode  ihrer  Freunde  den  besten  Glauben  an  Vor- 
sehung und  Unsterblichkeit  flulserren;  jedoch  weiter  nicht  darüber 
nachgedadil,  höchstens  geglaubt,  ein  solch  unangenehmer  Verlost 
habe  ihnen  jene  Religionswahrheiten  einmahl  wieder  ins  GedScht- 
ni£i  gebrachi.  Da  ich  aber  alter  wurde  und  sah,  dafs  selbst  bei 
solchen  Menschen,  denen  im  gewöhnlichen  Gange  des  Lebens  die 
Religion  eine  gans  gleichgültige,  des  Nachdenkens  kaum  wertbe 
Sache  war,  der  Glanbe  an  Vorsehung  und  Unsterblichkeit  gerade 
beim  Sierbebette  der  Ihren  in  seiner  ganaen  StBrk«  erwachte,  so 
hätte  ich  wol  sehr  nnversffindig  sein  müssen,  wenn  ich  nicht  den 
scheinlicfaen  Widersprach ,  in  welchem  diese  Reobachlung  mit  ei- 
ner andern  stehet,  au  lösen  versucht  hätte. 

Die  andere  Beobachtung,  auf  welche  ich  ziele,  ist  folgende. 
Die  Einbildungskraft  kann  bei  allen  Menschen,  aber  freilich  b« 
dem  einen  mehr  als  bei  dem  andern,  aufgeregt  werden,  und  sie 
kiinnan  gar  seltaame Dinge  für  wahr  halten,  sie  könoMi,  wie  ^ 


-    617    — 

ßilter  TOD  dw  Mascha,  Windmnhlen  für  RisMD  balttn;  aber  m 
weit  treiben  ai*  doch  nimmer  den  Aberwiti,  dafs,  wenn  ihnen  die 
Windmnhlen  den  Kopf  zerschlagen,  lie  diese  iniiner  ntx^  für  Rie- 
sen hallen. 

Vor  der  Wirklichkeit  verbleicht  der  Phanlasie  glühendsiea 
Farbenspiel.  Ein  iahr  in  der  Ehe  verlebt,  inacfat  das  bimmliiche 
Wesen,  das  dn  anbetest,  aar  gsien  ehrlichen  Hansfran  mit  frau- 
lichen Schwacfafaeiien ;  ein  Jahraebend  der  .heilkundigen  Praxis 
streift  dieser  das  Fe«tgewand  ob,  mit  dem  sie  dein  JDgendlicher 
Diehtertranm  achuäckte,  und  du  befindest  dich  auf  dem  Wende- 
jMokle,  wo  dn  entweder  zur  höheren  Lyrik  erhoben  dein  Geschfift 
snr  Religion  machen.,  oder  iintertanchen  nuifst  in  der  Gemeinheit. 

Wäre  nun  der  Glaube  an  (Jnsterbücbkeit  etwas  der  Phanta- 
sie von  aufsen  Gegebenes,  die  Frucht  einer  schlecht  verbürgten 
Erzählung,  dafs  dn  einst  mit  den  Deinen  an  einem  freundlichen 
One  dich  wieilerfioden  wurdest,  so  möchten  diese  lieblichen  Bilder 
sieh  wol  dazu  eignen,  dich  angcnebm  tu  unterhahen,  wenn  dn  in 
Stunden  der  Mn&e  kosend  an  der  Seile  deiner  Gatlion,  im  Kreise 
deiner  Kinder  sllfsest  und  das  kräftige  Leben  aller  dich  umwehte. 
Aber  wenn  nun  wirklich  einmahl  der  Tod  einen  aus  diesem  lieim- 
lichen  KrMse  ergrilfe,  deine  Gatlinn,  dein  Kind  daläge  mii  erlo- 
•ehenem  Blicke,  mit  den  stummen  Zögen  des  CnbewufstseinB,  heim- 
gefallen  den  feindlichen  zeratSpenden  Gewalten  der  grofsen  Natur  j 
wSrde  da  nicht  die  Kunde  von  einem  kfinfiigen  Leben,  von  einer 
künftigen  Wiedervereinignng,  die  einst  in  glücklichen  Tagen  dei- 
ne Phantasie  so  lieblich  aufregte,  vor  der  gräfslicben  Wirklichkeit 
in  Uunst  zerflieliienl  Wahrlich!  sie  würde  in  Nichts  lerrinnen, 
and  hätte  auch  vmr  mehren  lausend  Jahren  die  Gottheit , selbst  sie 
von  allen  Bei^n  des  Erdkreises,  wie  einst  das  Gesetz  vom  Sinai, 
in  Wetter  verkündigt. 

Warom  verschwindet  denn  aber  nicht  der  Glaube  ao  diese 
frohe  Mähr,  gleich  anderem  der  Phantasie  gegebenen  Bildwerke, 
V4W  der  fnrchtbaren  Wirklichkeit,  warum  verstärkt  er  sieh  viel- 
mehr wo  er  sehwach  werden  müfstel  warum  erglühet  er  wo  er 
erstarren  uiüÜite}  Deshalb,  weil  er  kein  Pbaoiasiegebilde  ist,  weil 
er  sich  nicht  auf  geschichtliche  \achricht  gründet,  die  der  Vet^ 
■tasd  bezweiflen  kann,  sehend,  dafs  die  reine  Wahrheit  alles  Ge- 
■cfa^enen,  seihst'  dessen,  was  in  nnaero  Tagen  sieb  zutrug,  kaum 
anszamiueln  und  von  der  Unwahrheit  an  scheiden  ist;  sondern 
weil  er,  dieser  Glaube,  vielmehr  aus  dem  Menschen  seihst  her- 
vorgehet, eine  Einheit  mit  der  Liebe  Ist,  erglühet  wo  die  Liebe 
erglühet,  erkaltet  wo  die  Liebe  erkaltet. 

Beobachtet  einmabi,  werthe  lieser!  die  Seene,  wo  der  Geist- 
liche als  Tröster  des  Ejeidiragaaden,  auftritt.  Fremdling  in  dem 
inneren  Heiligthvme  des  Menscheogemnüiea ,    verwaiset  er  kühn 


—    618    — 

all  anlliehsr  Spender  des  biranlitciHtn  TroMe>  dea  «cbiuenhaft 
efgriSeoen  Leider  aaf  ein  küariige*  Lrbeti,  auf  ein  IcfinfiigeB  Wie- 
dertefaen  des  entachwoadeaen  Geliebten.  Aber,  webe!  der  Scfaaen 
dea  Unglück! icben,  weit  eniferat,  durch  eolGhe  TrÖsiungeo  eich  w 
bMcbwicbtigen ,  wird  rielmebr  heftiger  aufgeregt,  und  die  ThrB- 
aea,  die  dadurch  »allteii  gesiillet  werden,  flielaen  reichlicher.  Wai* 
an  das}  —  Weil  der  Schmen  ans  der  Lieb«  enialehet ,  Liebe 
und  Glaube  eine  Einheit  eind,  dnrcb  Kräftigung  dee  Glaubens  die 
Liebe  gesteigert  wird  und  mit  ihr  der  Schmerz.  Den  befiigea 
Sdimem,  der  naa  beim  Verlnete  unserer  Freflnde  ergreift,  stillet 
aur  die  Zeil  und  nur  allein  die  Zeit;  ihn  dnrch  Hinweisen  auf 
eine  Ictinftige  Well,  anf  eiae  künftige  Wiederrereiaignag  mildera 
wollea,  ist  eben  so  nnweise  als  der  Gedanke  unweise  sein  würde, 
die  aufgeregten  Scblagadem  durch  vermehrte  Aufregung  des  Her> 
seas  m  beruhigen. 

Und  ist  vielleicht  die  Slerbekassmar  der  eiaiige  Ort,  wo  wir 
solche  Beobaobiungen  matdiea  können?  Ach  nein;  sie  ist  blofa 
die  Warte,  von  der  wir  am  klarsten  den  Stern  sehen,  der  ans 
den  dunklen  Pfad  sum  jenseitigen  Lands  des  Friedeas  beleneblet. 
Auch  alle  andre  Aufregungen  des  aiulichen  Gefühles,  die  ans  ent- 
weder m  grofsen  Aufopferungen  nSifaigen,  oder  bei  denen  wir  naa 
solcher  Aufopferungen  fSbig  ballen,  dringaa  uns  den  Glauben  an 
eine  Urliebe  auf;  und  in  dieaem  Glauben  liegt  Ja  eiaaig  die  Bürg- 
schaft eines  künftigen  Seins.  Ea  würde  niob  zn  weit  fuhren, 
wenn  ieh  hier  ins  Einzelne  gehen  wollte,  ich  muls  vielmehr  die- 
sen Gegenstand  dem  eigenen  Beobacbtongsgeisle  de«  Lesers  Biter- 
geben  und  kann  mich  nur  darauf  betofatänken,  sdiM  Aofnerksam* 
keit  auf  einige  Punkte  zu  richten. 

Das  Vergeben  and  Vergeasen  der  Beleidiguogen  Ist  in  man» 
eben  Fällen  mit  solcher  Aufopferung  des  sinalicbcn  Mensoben  ver- 
bunden, dab  man  mit  Recht  diese  Pflicht,  die  doeh  die  SittliiA- 
keit  von  ans  beisdit,  fiir  die  schwerate  aller  ihrer  Fodernngea 
halten  mufa.  Das  blofse  Nichlahnden  der  Beleidigungea  kann  aas 
Stolz,  ana  Verachtung  des  Beleidigers,  ans  Welikingheit  Statt  fia* 
den ,  and  bei  dieaem  Vorgange  in  naaerem  laaeren  wird  das  sitt- 
liche Gefühl  nicht  aufger^i. 

Wenn  aber  allein  die  Liebe  die  empörten  Leidenschafitea, 
Hals,  Raebsacht,  Zommiith  gewttltigsi,  und  wir  von  dieser  £iott*»- 
atimme  in  uns  gemahnt  dem  Beleidiger  verzeihen,  dann  wird  die- 
se Gewalt  des  sittlichen  Geftrhles  zum  Glauben  an  eine  ewig«, 
verzeihende,  erbarmende  Liebe;  nnd  ist  dieser  Glaube  wo!  eia 
anderer,  als  der  an  ein  künftiges  Sein  and  an  eia  künftiges  Heicb 
der  Liebe!  Auch  die  heilige  Schrift,  die  mit  Recht  den  Zunamen 
der  Heiligen  hat,  woil  sie  uns  das  innere  Heiligifaam  unaeree  ei- 
genen Gesnithes  besser   enibüllM  als    irgs&d  eine  aadre    alle  Ur- 


'   _    619    — 

kiinde,  lagt  uds  deatlich,  dah  der  Glaabe  an  einen  veneihenileii 
nod  erbarinenden  Gott  der  Liebe  einsig  am  ungerer  eigenen  Sitt- 
lichkeit berrorgehen  kiinne;  denn  m  heifst  im  Vaiernnser:  Ver- 
gib nna  uDsre  Schuld,  wie  wir  vergeben  denen,  die 
QDB  beleidigen.  \nr  iheologiiehe  Sopfaiatik  könnte  dieser  eia- 
facfaen  und  TersiSndigen  Bitte  eine  andere  Deutnng  geben. 

Ferner  erinnere  ich  den  Leiier  an  die  Geachlechtaliebe,  an 
die  wundervolle  Mischnng  von  tfaierischeni  Triebe  und  ven  aa«- 
Bchliefsl icher  HochtchKtznng  dei  Sittlichen  in  dem  ansiehenden  Ge- 
genstande, bei  welcher  unverkennbar  das  Thierische  dnrch  die  SiM- 
lichkeii  gemeistert  wird.  Hören  wir  die  Menschen,  welche  je  die- 
se Liebe  fühlten,  hSren  wir  sie  vorzüglieh  in  späteren  Jahren,  wo 
schon  das  jugendlich  Abkreisende  dem  ruhigen  Walten  des  Ver- 
standes Plsts  gemacht ,  so  werden  nie  uns  bekennen ,  dafs  solch 
eine  Liehe  sie  veredelte,  dafe  sie  der  Wendepunkt  war,  wo  der 
Geist  von  dem  Irdischen  and  Gemainen  xii  dem  Himmlischen  em- 
porgehoben, wo  der  todie  Glanbe  an  Gott  nnd  Unsterblichkeit  sura 
lebendigen  wurde.  Nach  meiner  Ansicht  ist  dieser  GaiteBglaube 
d^  Liebenden  nichts  Aufserordentliches,  noch  vielweniger  etwas 
Lächerliches;  denn  die  Liebe,  man  nenne  ihre  irdische»  Artnngen 
Gesebleehtsliebe,  Aeltern-  oder  Kindesliebe,  Freundschaft ,  Men- 
schen- oder  Vaterlandsliobe ,  bleibt  in  (dien  diasen  Artungen  der 
Grandion  menschlicher  Sittlidikeil,  nnd  dessen  kräftiger  Anklang 
weckt  für  nnd  für  die  höhere,   überirdische  Oktave,  den  Glanben. 

Eadlich  komme  ich  noch  aaf  eine  Beobachtung,  welche  den- 
jaoigen  meinet  Leser,  die  mit  mir  gleichall  erig,  oder  alter  als  ich 
sind,  weil  verständlicher  sein  wird  als  den  jungen.  Ich  hatte  schon 
in  früheren  Jahren  bemerkt,  dafs  die  Menschen,  wenn  sie  über 
die  Funfxig  hinans  sich  den  Sechligen  nSherten,  eine  weit  vor- 
waltendera  \eignng  lom  Religiösen  hatten  als  die  Jungen.  Ich 
schrieb  das,  ohne  eben  viel  darüber  nacbxodenken,  tbeils  auf  eine 
beinilicbe  Abnahme  ihrer  Verstau  des  krSfte,  auf  eine  davon  abhan- 
^aada  Geistestrtlgheit,  die  lieber  auf  dem  Ruhebette  des  Glaubens 
lagert  als  in  den  Irrgewinden  der  Zweifel  omherachweifl;  theifs 
glanbie  Ich  auch,  der  Tod,  der  den  Alten  nBher  sei  bIk  den  Jun- 
gen, mache  sie  hange  um  ihr  künftiges  Schicksal,  nnd  die  Furcht 
verkläre  die  längst  verbleichten  Farben  der  böKischen  nnd  tenili- 
•chen  Bilder,  mii  denen  laan  im  Kindesaltnr  ihre  Phantasie  be- 
stürmt. 

Da  ich  aber  nach  gerade  selbst  alt  wurde,  und  mich  und  mei- 
Ae  gleicbaher^en  Bekannten  ernsthafter  musterte,  sah  ich  gar  bdd 
die  Ntchiigkeit  meiner  jugendlichen  RrkTSnng  ein.  Die  geisiigeD 
Fähigkeiten,  wenn  sie  nicht  durch  leibliehe  Krankheit  geschwärt, 
oder  durch  Nieh^ebranch  verstumpft  sind,  bleiben  mindestens  bis  zum 
secbsigtten  Jahre,  aber  häufiger  noch  «ehr  weit  daribei  hiaans  gaiu 


—    620    — 

unverletzt,  and  die  Tfafiligkeit  det  Geimea  verslffrkt  nch  wftii  fher 
aU  dafa  sie  sich  verniindern  sollte.  Wu  aber  die  gr^feere  Nifao 
des  Todes  betrifft,  so  ist  es  js  nicht  hloh  eine  alle  Sage,  sondern 
jed«r  Hiebet  es  vor  seinen  Angen,  daf«  mehr  Junge  aU  Alte  iterbpii. 

Die  Aeigung  der  Alien  suni  Religiösen  beruhvi  wahrlich  a<if 
einem  gans  andern-,  and  für  den  Beobachter  des  geiaiigen  Men- 
Bchao  weit  wichtigerem  Gründe.  Der  Apostel  Paulus  sagt:  Et  ist 
ero  Gesetz  in  meinen  Gliedern,  welches  widerslreilet  dem  Gewu-a 
in  meinem  Gemnib.  Dieses  Gesetz  in  iinsern  Gliedern  sinH,  den- 
ke ich,  die  Leidenschaften ,  Stolz,  Ehrgeiz,  Zornmuth  und  wie  die 
bösen  Geister  sonst  noch  heifaen  mögen,  die  den  armen  Menicben 
auf  dieser  irdischen  Pilgerfahrt  plagen.  Mit  diesen  ist  die  LieW, 
bald  siegend,  bald  besiegt,  in  besiindigem  Kampfe. 

Die  Leidenschaften  werden  aber  »tit  den  ziinehineoden  Jahren 
schwächer;  denn  tbeils  sind  sie  etwas  rein  Körperliches,  als  der 
Zornmuth  und  das  aus  dem  GeschlechtBi  riebe  eotspringeode  Be- 
gehren, und  diese  nehmen,  ohne  unser  Zuihnn,  mit  der  Zeit  vou 
selbst  ab,  iheils  beziehen  sie  sich  auf  bürgerliche  Verhalioisse, 
als -Neid,  Stolz,  Ehrgeiz,  und  diese  beschwichtiget  der  Verstand, 
einsehend,  dafs  der  Abend  des  Lebens  nicht  mehr  die  Zeit  isi, 
sie  zu  befriedigen.  Ueberdies  bringt,  nach  meiner  Beobachtung, 
Bowol  die  Unmöglichkeit  die  Leidenschaften  zu  befriedigen,  aU 
die  wirkliche  Befriedigung  derselben  mit  ihrer  Folge  der  Ueber- 
Sättigung  auf  die  Datier  ein  und  dasselbe  Ergebnifs  in  dem  Menschen 
hervor,  nümlich,  die  Salomonische  Uebenseugnng,  daü  alles  eitel  isU 

Wie  nun  mit  den  snnehmenden  Jahren  die  Leidenschaften  im- 
mer schwächer  and  schwächer  werden,  iriit  in  den  Gemnthe  dn 
.Menschen  die  beeintrftchiigie  Liebe  wieder  siegend  in  ihre  natür- 
lichen Rechte ,  und  gleich  einer  ämsigen  Schaffnerinn  reinet  und 
verklärt  sie  die  lang  entweihte  beimische  Stätte. 

Glaubt  Ihr,  die  Jugend  sei  die  Zeit  der  Liehet  —  Ihr  seid 
wahrlich  in  grofsem  Irrihum  befHngen ;  die  Jugend  ist  die  Zeit 
der  Leidenschaft,  das  Aller  ist  die  Zeit  der  Liebe.  Man  nennet 
das  Aller  den  Abend  des  Lebens;  das  ist  eine  gute  bildliche  Itvde, 
aber,  merkt  wohll  -~  es  ist  nicht  ein  dunkler,  stürmischer  Abend, 
sondern  ein  stiller  Abend,  vom  milden  Mondschein  der  Liehe  be- 
glänxt;  und  wie  das  Licht  des  Mondes  am  Himmel  der  Abglanz 
der  Sonne  ist,  so  ist  das  milde  Mondlicbt  der  Liebe,  das  den  Abend 
unseres  Lebens  beleucbiei,  der  Abglanz  der  ewigen  Liebe. 

In  dnnkler  Nacht,  wandelnd  auf  den  Wogen  des  bewegten 
Meeres,  sprach  Krislus  zu  seinen  erschrockenen  Jüngern,  die  ihn 
für  ein  Gespenst  hielten :  Furch tet  euch  nicht,  lob  bin  es. 
Auch  uns,  wenn  die  letzte  Nacht  anbricht,  und  wir  den  nahenden 
Tod  erschrocken  für  ein  Gespenst  hallen  wollten,  auch  uns  rufl 
die  Liehe  zu:   Ich  bin  es,  furchtet  euch  nicht. 


vierter    AbschMltl. 

H«IImlt*el    mnt   Anfaere    •rs«nc. 

JUiese  Organe  sind:  Haut,  Muskeln,  Bfinrfer,  Knochen, 
Dräaen,  Nerven-  nnd  BluigeföfHlSmiBe.  Wenn  ich  sage,  dafs  ich 
auf  diese  Organe  wenig  Eleiliniltel  weif«,  und  dafs  ich  mit  den 
wenigen  noch  nicht  im  Beinen  bin ,  nicht  bestimini  sagen  kann, 
•ie  wirken  auf  dieses  oder  jenes  Organ  hailenr),  so  kann  nnr  der 
aselner  Leser  dieses  Ificherlich  finden,  der  nie  über  die  Schwie- 
rigkeit ,  Eigenniitlel  auf  die  Organe  lu  finden ,  nachgedacht ,  der 
also  nicht  einsiehet,  dafs  diese  Schwierigkeiten  sich  gerade  bei 
den  Sufieren  Organen  am  grellsten  herausstellen.  Ich'halre  es  für 
das  Beste,  tarn  wenigsten  für  da«  Rechtlichste,  mein  unTollkomm- 
n«s  Wissen,  ohne  ihm  die  schriftstellerische  Schminke  der  Sicher- 
heit anzustreichen,  nnvollkoinmen,  wie  ea  ist,  dem  Leser  zn  über- 
geben, damit  der,  rfer  Liebhaberei  nnd  Gelegenheit  dazu  hat,  es 
berichtige  und  verToIlkommne. 

Wir  wollen  von  der  Oberhaut  anfangen.  Zuerst  ist  es  zu- 
weilen schwierig  eq  sagen,  ob  die  Krankheilen  derselben  Urlei- 
den, oder  consensaelle  sind,  ja  bei  manohen  Ausschlagkrankbeilen 
ist  es  zweifelhaft,  ob  scharfe  Stoffe  durch  fehlerhafte  Verdauung, 
oder  durch  fehlerhafte  Hamabaonderong  erzeugt,  sich  auf  die  Haut 
ablagern.  Durch  bittere  gewurzhafle  KrSuierlrSnke  siebet  man  h9u- 
fig  flechtenanige  Haniausacblage  vergehen.  Ich  bediene  mich  ge- 
wShnlieh  des  hier  in  grofser  Menge  wachsenden  Fieberklees,  setze 
auch  wol  aus  (alter  Gewohnheit  etwas  Guajakholi  und  Sassafras 
hinzu.  Ich  habe  grofse  Neigung  zu  gUoben,  dafs  In  den  Fallen,  wo 
dies«  und  Shnliche  Mittel  Hautausschläge  vertreiben ,  die  auf  die 
Haut  abgelagenen  Scharfen  von  einer  fehlerhaften  Verdauung  her- 
rfihren.     Wer  kann  aber  so  etwas  mit  Bestlmnitheil  behaupteaf 

Auch  fehlerhafte  Harnqbsonderung ,  nicht  sowol  hinsicblllch 
der  Menge,  als  wahrscheinlich  binsichlllch  der  Eigenschaften,  kann 
die  Unache  garstigei  flechtenartiger  AutschlSge  sein.    Den  Grund, 


—    821    — 

dafs  der  innere  Gebnracb  des  Kalkwawers  bei  ■olchen  Aunachlfi- 
gen  so  anigesei ebneten  NuUen  achaßet,  enche  ich  darin,  dofs  das 
KnlkwBsser  ein  auagezeicbneles  Nierenmiltel  tat.  Ich  glanbe,  dafs 
es  bei  dem  Miichschorfe  der  Kinder  ein  gutea  Heilmillel  sein  wür- 
de, wenn  man  es  jungen  Kindern  nur  in  der  geh&rigen  Menge  bei- 
bringen könnfe;  weil  sich  das  aber  nichr  tbnn  läfst,  so  habe  ich 
auch  keine  tCrfahrnng  darüber.  Folgender  Fall,  den  ich  vor  fünf 
und  dreiJsig  Jahren  erlebte,  wird,  meiner  Meinung,  wol  einige 
Wahrscheinlichkeit  geben.  Das  Kind  eines  meiner  Freunde  bekam 
den  Milcbscborf.  Ich  ihat  alles  dagegen,  was  ich  gelernt,  das  Ge- 
lernte half  aber  nicht,  im  Gegemheil,  der  Schorf  griff,  anfser  dem 
Gesichte,  aach  einzelne  Flecke  des  Rumpfes  nnd  der  Glieder  an. 
Endlich  waren  sowol  die  Aeliern,  als  ich  selbst  des  vergebenen 
Arzeneiens  mflde,  nnd  wir  dachten,  das  Uebel  werde,  wie  hei  den 
Kindern  geringer  LeiKe,  die  nichts  Arzeneiisches  dagegen  gebraa- 
dien,  von  selbst  vergehen.  Im  Gesicble  wurde  er  aueh  wirklit^ 
mit  der  Zeit  minder  and  verschwand  endlich  ganz,  aber  aa  den 
Gliedern  blieb  er,  bis  das  Kind  fünf  Jahre  ah  war.  Nun  fingen 
wir  an,  Sorge  zu  tragen,  das  Uebel  mBcble  nie  ganz  vergehen; 
nnd  da  eine  schorfige  Jungfrau  nicht  sonderlich  tob  den  jungea 
Männern  gesucht  wird,  so  beschlossen  wir  einen  neaen  Heilveraucb. 
Ich  lieJs  jetzt  das  Kind  täglich  vormillags  eineB  Schoppen  Kalk- 
wasser  mit  Milch  vermischt  trinken.  Dieses  Mittel  war  das  wahre; 
der  Ausschlag  wnrde  bald  heuer,  und  in  Zeit  von  drei  Monaien  war 
er  ganz  verschwunden.  Jedoch  war  die  Natnr  an  diese  krankhaP 
te  Hautaussonderung  schon  sq  gewähnt,  defs  das  Mädchen  wol 
vier  Jahre  nachher  immer  im  Leas«  zn  dem  Kalkwaaser  greifea 
mufste,  weil  sich  in  dieser  Jabnzeii  wieder  Spnrea  des  allen  Ana- 
Bchlages  an  den  Gliedern,  besonders  an  den  Knien,  selgten. 

SublimataaäSanng  habe  ich  noch  nie  gegen  den  Milchschorf 
äufserlich  gebranoht.  In  inaocben  Fällen  bin  ich  mit  Borainnfli^ 
sung  znm  Zwecke  gekommen,  in  andern  hat  mich  dieses  Mittel  in 
Stich  gelassen.  Vermuihend,  nicht  der  Borax  als  Borax,  soMdera 
der  geriage  Ueberschub  des  Natron  in  denselben  mdchle  ak  nen- 
iralisirendes  Mittel  heilsam  seiir,  verznchte  ich  eine  schwache  Anf- 
losung  voa  koblensanrem  Natro.  Dieses  schafft«  den  Ausaefalag 
weg,  allein  die  Epidermis  wurde  glatt,  glSnzend,  spröde,  nnd  be- 
kam  Bisse,  ao  dafi  ich  mich  genSihiget  sah,  Fett  einreiben  zu  las- 
sen, um  dieser  Spr5digkeil  der  neuen  Oberhaut  sa  begegnen.  Ih 
folgenden  Fällen  verband  ich  das  Natron  gleich  mit  Fett,  lieb  ei- 
nen Skrapel  getrocknetes  fein  gepulvertes  kohlensaures  Natron  mit 
einer  halben  Uaze  Schmatz  zusamnienreiben  und  damit  ein  paar- 
mahl  taga  saaft  die  Haut  schmieren.  Dadurch  verschwand  der 
Ausschlag  und  die  neue  Oberhaut  bekam  keine  Hisse.  Begreiflieb 
lauls  mau  aber,  bevor  man  schaueret,  die  Krusten  abweichen  las- 


MD,  denn  wu  iobb  auf  die  Knuten  sehnieret,  wird  wol  wenig 
Wirkang  auf  die  Haut  aufaem. 

Unter  den  wohlhabenden  Bürgern  liehet  man  wenig  Kinder 
Mit  dem  Milchschorre,  der  gemeine  Mann  verlangt  aber  nicht  die 
H&Ife  dei  Antes  gegen  dieecn  Anaachlag;  man  bat  bIbo,  vvrhfilt- 
liefa  xn  andern  Uebeln,  wenig  Gelegenheit  Erfahmngen  in  dieeer 
Sache  lu  machen.  In  Fällen,  wo  ich  du  beengte  Mittel  gehrancbt, 
habe  ich  mich  von  eeiner  Wirksamkeit  öbenengt ,  bin  aber  übti- 
gena  nicht  darauf  ausgegangen,  mir  luilcbscborfige  Kiader  anm 
Experimentiren  zn  verschaffen. 

Gegen  den  gewöhnlichen  ansgebhmen  Kopf  der  Kinder  habe 
in  den  inneren  Gebrancb  des  KalkwasBerg  mit  Milch  besonders 
heilsam  befunden.  Zuerst  heilet  der  Ausschlag,  und  dann  ver- 
schwinden bei  dem  fortgesetiten  Gebrauche  die  angelaufenen  Diii- 
seB  am  Halse. 

Was  ich  aber  vom  ^Ülebschorfe  gesagt,  gilt  auch  von  die- 
sem Ausschlage.  Man  wird  nur  von  reichen  Leuten ,  die  gern  ar- 
zeaeien,  deshalb  angesprochen,  und  auch  gewöhnlich  von  diesen 
onr*  wenn  das  Uehel  schlimm  ist,  die  Kinder  ein  ungesundes 
Ansehen  und  den  Hals  voll  geschwollener  Drüsen  haben.  Die 
Wirkung  des  Kalkwasaers  auf  den  Ausschlag  ist  aber  suweilen 
so  überraschend  schnell,  dafs  einst  eine  Frau,  die  eben  nicht  xu 
den  unverständigen  gehört,  sich  geradeso  weigerte,  ihr  Töchtercfaen 
das  Kalkwaaser  weiter  nehmen  zu  lassen,  weil  sie  es  in  ihrem 
Kopfe  nicht  reimen  konnte,  dafs  eine  so  st^nelle  Heilung  des 
Ausschlages  ohne  Nachiheil  der  Gesundheit  Statt  finden  könne; 
ich  halte  gegen  diesen  fraulichen  Obsiand  nichts  einzuwenden, 
denn  da  ich  selbst  die  persönliche  Freiheit  liebe,  gönne  ich  sie 
aach  andern. 

Das  Voranheil  der  Menschen,  dafs  der  ansgerahrene  Kopf 
der  Kinder  und  der  Milchschorf  gesund,  nnd  es  schädlich  sei,  ihn 
SD  heilen,  rührt  ohne  Zweifel  ans  der  alten  Welt  von  den  Aerz> 
t«n  her.  Da  nun  beide  Uebel  nicht  gecade  tödilicfa  sind ,  sondern 
ia  den  meisten  Fttllen  na^  und  Dach  von  selbst  vergeben,  so 
haben  sich  die  alten  Vomribeile  leicht  unter  dem  Volke  erhalen 
köDBen,  and  werden  sich  auch  noch  sehr  lange  erhalten.  Den 
jungen  Arzte,  der  Lust  haben  möchte  sie  xa  bekfimpfen,  lege 
ich  Folgendes' ans  Herz.  Bekanntlich  ist  die  Sterblichkeit  unter 
Am  Kindern  grofs,  und  diese  Ordnung  der  Natnr  haben  wir  bis 
jetzt  noch  nicht  aufheben  können,  wiewol  ich  zulasse,  dafs  sin 
durch  die  Kuhpockenimpfung  etwas  veräud«t  sein  nag.  Wenn 
nun  ein  Kind ,  dem  wir  den  Milchschorf  «der  den  ausgefahrenen 
Kopf  gekeilt,  hiMennach  an  irgend  eineia  Uebel  stirbt,  so  kann 
die  Mader  sich  allerlei  Giitlen  in  den  Kopf  setzen;  sie  kann  den- 
ken ,    das  Erkranken  nnd  Sterben  des  Kindes  sei  Folge  des  gebeil- 


(en,  oder,  wie  sieh  das  Volk  ansdiäckt,  vertriebenen  AmacUa- 
ges.  i\un  isl  ea  aber  eiae  mifsliche  Sadte,  wenn  »ich  Frauen 
Bolche  Grillee  in  dea  Ko|if  utzea;  die  eine  ist  siark  ^nug,  ■ei- 
bige luil  der  Zeit  zu  gewSltigen ,  die  andre  trägt  sich  lange  4*> 
mit ,  und  ite  wirken  feindlich  anf  ihren  Geist  und  Körper.  Ei 
iat  also  offenbar,  dals  ea  sich  bei  der  Heilung  der  besptoobenen 
Uebel  nicht  bowoI  darum  handelt,  den  Volltsvomrtheilen  draiat 
entg^enzotreien  ,  als  vielmehr  der  Sehwfiehe  weiblicher  Gemntber 
lu  lebonen. 

Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  in  meinem  Wirkangskreise 
viele  Voruriheile  gegen  die  Heilknnst  rait  Sinnipf  und  Stiel  aus- 
gerottet, mich  nie  um  die  verkehrten  Urlheile  nnveniBndiger  Men- 
schen bekdmmerl;  aber  vor  dem  besprochenen  Vorurtheile  habe 
ich  immer  eine  beilige  Scheu  gehabt,  nie  den  Versuch  gemacht, 
es  zu  bek&mpren,  jedoch  es  auch  nie  bekräftiget.  Wenn  mich 
die  Müller  anffodern ,  ihre  Kinder  zu  heilen,  so  ihue  ich  es,  denn 
diese  Auffoderung  macht  es  mir  wahrscheinlich ,  dafs  sie  das  Vor- 
urlheil  des  Volkes  nicht  theilen ;  übrigens  biete  ich ,  selbst  in  den 
HKusern,  wo  ich  Arzt  bin,  nie  meine  Hülfe  gegen  die  bespro- 
chenen Uehel  an,  noch  vielweniger  suche  ich  die  Leute  zum  Ar- 
zeneien  zu  fiherreden. 

Es  ist  mir  höchst  wahrscheinlich,  dafs  einige  Ausschlage  bei 
Kindern  and  Erwachsenen  saure  SchSrfe  absondern«  und  dafs  der 
Sufsere  Gebrauch  alkalischer  Miilel  deshalb  heilsam  ist.  Die  Un- 
tersuchung durch  Lackmuspapier  isl  aber  unsicher,  voraosgesetzl, 
dafs  der  Ausschlag  nicht  so  viel  Feucbiigkeit  absondert,  dafs  man 
das  Lackmospapter  damit  hen&saen  kann.  Ist  man  genSibiget  es 
auf  den  Ansschlag  zu  binden,  und  es  eine  Zeitlang  darauf  liegen 
zu  lassen,  so  mufs  die  Röihnng  desselben  eine  schlechte  Erkennt- 
nifs  der  chemischen  Eigenschaft  der  Ansschlagsfeuchtigkeit  geben, 
weil  die  Hautausdiinstung  an  sich  das  Lackmuspapier  röthet. 

Vor  nngefthr  zwei  Jahren  habe  ich  eine  Erfuhrung  3ber  den 
fiufseren  Gebrauch  der  kohlensauren  BitlersaUerde  bei  einer  klei- 
nen, hartnäckigen,  allen  Mitteln  widentehendeo  Flechte  gemacht. 
Eine  zwischen  vierzig  und  fünfzig  Jahr  alte  Frau  bekam  diese  an 
der  linken  Seite  des  Gesichtes  zwischen  Wange  und  Nase,  nnd 
obgleich  die  Frau  nicht  eitel  war,  so  schien  ihr  doch  die  Entstel- 
lung ihres  Gesichtes  etwas  unangenehm  zu  sein.  Ich  habe  fBnf 
Jahre  lang  alle  mir  bekannte  äufsere  Mittel ,  rait  Ansschlufs  des 
Höllensteines  and  Aetzsteines ,  vergebens  versucht.  Der  Sublimat 
leistete  gar  nichts,  eben  so  wenig  andere  QuecksilberprSparate, 
oder  die  Verbindung  desselben  mit  Blei.  Von  dem  schwefelzan- 
rem  Kupfer  sah  ich  anfangs  Besserung,  gar  bald  wies  es  sich 
aber  aus,    dals  die  Bessernng   nur  scheinbar  gewesen.     Die  neue 


gUttB  Obmiiaat,   die  sich  auf  den  Gebrauch  des  Miftels  eniea^e, 
warde  in  eini^a  Tagen  wieder  rauh  tiod  borkig. 

So  oft  ich  die  Fraa  sah,  nnd  das  war  oft,  weil  sie  eine  gro- 
fiw  Hanshaitung  halte,  in  der  man  häufig  der  HHlfe  des  Arnes  be- 
darft«,  aagle  sie,  wenn  ich  das  NSlhige  beschickt:  denken  Sie 
Mch  eiamahl  an  mich,  machen  Sie,  dafs  ich  das  gantige  Ding 
ww  dem  Geaiebte  loswerde.  Nach  vielen  vergebenen  Heilversn- 
chen  gestand  ich  ihr  mehr  als  einmahl,  dafs  ich  nichts  mehr  wis- 
■e,  als  entweder  die  gantige  Stelle  wegsnfttsen,  oder  den  ganzen 
kraokeo  Hautfleck  anaauscfaneiden ;  zum  Aetien  wolle  ich  nicht 
rathen,  weil  man  für  die  Folgen  nicht  stehen  könne,  aber  das  Ans- 
schneiden  scheine  mir  eine  sicher«  Hülfe,  und  die  dadurch  vemr- 
aachte  Narbe  würde  «ie  bestimmt  weniger  milskleiden  als  die 
ekelhafte  Flechte.  Sie  wollte  sich  aber  zn  dieser  SchnilthMlung 
aiebt  venlehMi,  and  der  Ringelreim  einer  solchen  Unterhalmog 
war  immer:  denken  Sie  noch  «nmafal  über  die  Sache  nach,  Sie 
finden  gewib  noch  etwas,  was  mir  hilft.  Ich  habe  hinlennach  fast 
glauben  mässen,  rials  die  Frau  in  prophetischem  Geiste  gesprochen. 
Eines  Tages,  als  ich  das  alte  Lied  wieder  hSrte,  kam  ich  auf  fol- 
genden Gedanken:  Ich  liefs  die  Kruste  abweichen,  und  nicht  blofs 
die  kranke  Hantstelle,  sondern  auch  den  ganzen  Umkreis  dersel- 
ben mit  kohlensaurer  Magnesia  bestreuen,  und  diese  mit  dem  Fin- 
ger sanft  einreiben.  Dieses  Mittel  war  nun  das  wahre  Heilmittel. 
Die  Kroate  worde  iSglich  abgeweicht  und  Magnesia  eingerieben. 
Bei  dieser  Behandlung  wurde  die  Kruste  immer  dünner  und  die 
Wiedererzengung  derselben  hörte  endlich  gsna  auf.  Die  neue  Ober- 
bant  war  aber  etwas  hart  and  trocken.  Gegen  diese  verdächtige 
Eigenschaft  wendete  ich  kein  anderes  Mittel  an,  sondern  hielt  mich 
•iniig  an  die  Bitlersalzerde  ;  so  ist  das  halsstarrige  Ding  ganz  ver- 
schwunden und  der  kranke  Hanifleek  wieder  eben  so  weich  und 
gesand  als  das  übrige  Gesiebt.  Di«  Zeit,  innerhalb  welcher  die 
Heilang  geschah,  war  zwei  Monate;  das  ist  für  ein  Hebel,  welches 
fßnf  Jahre  gewahrt,  nicht  au  lang.  Seit  der  Zeit  ist  mir  nun  noch 
ein  erwachsenes  Mftdchen  geringer  Leute  in  den  Wurf  gekommen, 
welches  an  mehren  Orten  des  Gesichles  nSssende  Flechten  hnite, 
die  gerade  anssaben  wie  Milchachorf,  jedoch  nicht  aus  der  Kind- 
heit herstammten ,  sondern  sich  erst  in  der  Zeit  der  Mannbarkeit 
.erzeuget  hallen.  Bei  diesen  ibal  die  Magnesia  ftbniiche  Heildien- 
ste. Hier  waren  die  Flechten  nicht  blofs  Örtlich,  sondern  die  gan- 
ze Gesicnishant  war  krank,  darum  brachen  sie  auch,  ein  paar  Mahl 
gebeilt,  an  einem  andern  Orte  des  Gesichtes  wieder  aus.  Ich 
konnte  das  Mädchen  anfangs  übel  dazu  briuf^en ,  das  ganze  Ge- 
sicht einzareiben,  mir  schien,  als  siräube  sich  ihre  jungfräuliche 
Eitelkeit  gegen  diese  Lei  eben  seh  niinkung.  Wer  aber  ein  solch 
ekelhaftes  Uebel  hat,   der  mnfs,  kommt  es  anfs  Heilen  an,   nicht 


«it«)  mia.  Sie  bnt  ei  aneh  gsr  bald  begriff«»,  iah  die  ÜMit  ifa* 
res  ganzen  .Gesichies  erkrankt,  der  BlUerssIxerde  liednrfe,  und  aan 
gelangte  sie  cur  Heilang.  *) 

Diesei  sind  die  iwei  fliaiigeo  Falle,  in  denen  ich  bii  im  Jabt 
1832  die  Magnesia  gebraaoht.  MSglicfa  ist  es,  data  das  vo»  mit 
bis  jetst  wenig  Krproble  dem  einen  oder  dem  andern  Arale  von 
unerwartetem  jVnlzen  ist,  und  manchem  Fraaengesiehie  aiu  Ver- 
schönerung gereicht. 

Deneu,  die  da  Lust  habeu  möchten,  weitere  Vemcfae  ni  nw- 
cfaen,  mufs  ich  noch  sagen,  dafs  ich  bei  der  Frau,  hei  der  ich  die 
Magnesia  heilend  gebrauchte,  schon  früher  eine  Auflösung  dn 
Natrons  vergebens  versudit.  Daraus  könnte  man  sehliefaen,  dal« 
die  Heilung  nicht  blofs  der  Neufralisirung  saurer  Schürfe  xuMir 
schreibtin  sei;  ich  glaube  aber,  dafs  diese  Folgerung  etwas  vor- 
eilig sein  möchte.  Uas  kohleaganre  Natron  wirkt  auf  die  goeuo- 
de  Haut  xwar  nicht  feindlich,  es  kann  aber  auf  ein«  kranke  gar 
wol  feindlich  wirken.  Waschen  wir  nun  die  kranke  Haut  mit  ei- 
ner  AuflSsung  des  Natrons,  so  wird  der  Theil  des  Natrons,  der 
die  ausgesondert«  SSare  neotralisirt ,  nicht  feindlich  auf  die  kran- 
ke Haut  wirken,  aber  wol  der  Theil,  der  nichts  mehr  so  nenlra- 
liairen  findet.  Dn  nun  die  Menge  der  SSure,  die  xur  Zeit  der  Na- 
ironanwendnng  ausgesondert  ist ,  nnmöglich  kann  bestimmt  wer- 
den, eben  so  wenig  der  Zeitraum  innerhalb  dessen  nllmäblig  eine 
neue  Menge  abgesondert  wird,  so  Ist  es  auch  unmöglich,  die  Na- 
ironauflöBung  so  cusurichten ,  sie  so  oft  oder  so  selten  ansnwen- 
den,  dafs  gerade  nur  die  ausgesonderte  Söure  neutrslisirt  werde, 
das  Natron  aber  nicht  als  Natron  dynamisch  feindlich  auf  die  kran- 
ke Hsut  wirke,  und  so  das  wieder  verderbe,  was  es  als  nentrali- 
sirendes  Mittel  gut  gemacht. 

Die  Bittersalserde  hingegen  neniralisirt  eben  so  gutdieSXore 
auf  die  Haut,  als  Natron  oder  Kali;  das  auf  die  Haut  gebrachte 
Zuviel  ilerselben  wirkt  aber  nicht  dynamisch  feindlich  auf  dieselbe, 
sondern  es  liegt  als  ein  gleichgültiger  Körper  da,  bereit,  unablässig 
jede  Spur  nenerEeugler  Sfture  zu  tilgen.  Man  hei  also,  wenn  man 
hei  AusBchUgskrankheitan  chemisch  wirken  will,  in  der  Magnesia 
ein  zuverlässiges  Mittel,  mit  dem  mau  rein  chemische  Versuche 
macheo  kann.  Vom  Nalro  oder  Kali  kann  man  dieses  nicht  be- 
haupten ;  denn  wo  sie  heilen,  möchte  es  zuweilen  zweifelhaft  sein, 
ob  sie  chemisch  oder  dynamisch  gewirkt. 

*)  Btwi*  dihii  Bctiehlichei  Sndet  min  b«i  Ptirut  FomiKi.  SeAot.  eSt.  S. 
Hb,  5.  Ott.  rkirmrg.  Hier  nfi  er:  Pro  Strpigine  putrerum,  mmiime  faciem 
attupgmlB,  Am  areanumt  prepenam.  Crelo  pulverixelur ,  et  miteeatar  cum 
tueca  temptrritti  ad  erattUiem  Hm'mtMti,  gu»  loem»  immgohir:  itatim  *i- 
tinmt  *erp{ttiam  tt  pkiyel*e*at,  B»  rtm»ii»  diu  mntt  mtt  rMfmrgui  qui- 
dam  Dtlpimtit  trmmadt  in  putrit  ufetalmr. 

"■■■  - ---— ^o" 


—    627     — 

Von  der  Krittte  i§l  bei  meiner  Lebzeit  so  viel  geachrieben, 
ei  nnil  so  manche  Mittel  ingegen  Rngernhint,  dafa  ich  es  für  gsni 
überflassig  halte,  dem  Leser  meine  Erfahrungen  milzuibeilen. 
Zweierlei  werde  ich  nur  kfirzlich  anmerken. 

Dafs  die  Subihnahiaflöating  den  Ausbrach  der  KrXtze  anfäng- 
lich befördere,  and  dann  die  au fgebro ebenen  Pusteln  heile,  aach 
die  verboi^oe  Krtttie  sichrbar  mache ,  worauf  nns  nnser  Veteran 
von  Wedekind  aufmerksam  gemacht,  ist  wichtig,  nicht  sowol  für 
die  bürgerliche  Praxis  (wiewol  es  uns  anch  da  tuweilen  trefilicb 
sn  Stande  kommt),  aU  vielmehr  für  die  Praxis  unter  eingelager- 
ten Soldaten.  Gewöhnlich  werden  nur  die  wirklich  Krttizigen  ins 
Siechenhaaa  geschickt,  die  der  Ansteckung  Verdächtigen  bleiben 
aber  bei  den  Bürgern,  bis  die  KrtltKpQSieln  bei  ihnen  ausbrechen. 
In  der  Zeit  haben  sie  wieder  andere  KriegesgefShrten  oder  Bür- 
ger angesteckt,  nnd  man  braucht  sich  also  nicht  zu  wundern,  dafa 
die  Kr9(Be  in  einer  solchen  Gegend  nnglnublich  am  sich  greif). 
Wenn  e.  Wedekin,d9  Erfahrung  sich  bewShrle,  würde  man  ja  der 
Verbreitung  der  Krfitze  bei  eingelagerten  Soldaten  dadurch  am  be- 
sten vorkommen ,  dafs  man  nicht  blofs  die  wirklich  KrStzigen  ins 
Siechenhaus  schickte,  sondern  die  Verdächtigen,  die,  welche,  wenn 
gleii^  nnr  kurze  Zeit,  bei  KrAlzigen  geschlafen,  oder  sonst  in  na- 
her Berührung  mit  ihnen  gewesen  gleich  absenderte  und  durch 
Snblimat wasch nng  auf  die  Probe  stellte.  Begreiflich  müfulen  aber 
die  angeatecklen  Bürger  auch  ihr  Bestes  (hun,  selbst  von  dem  He- 
bel zit  kommen,  und  die  durch  Krülzgift  verunreinigten  Betten  den 
gesunden  Soldaten  nicht  wieder  unterlegen.  Federbetten  sind  in 
Hltusern,  wo  schon  Krfitzige  gelegen,  höchst  rerdHchiig,  und  müfs- 
ten  gar  nicht  gestaltet  werden ;  die  gründlit^e  Reinigung  dersel- 
ben ist  mit  vielen  Umst&nden  verbanden,  nnd  der  Bürger  gehet 
nicht  leicht  dazu  über;  reine  Beillücher  geben  allein  schlechte  Ge- 
wShr.  Ein  reiner  Strohaack  und  frisch  gewaschene  Decken  sind 
in  solcher  Zeit  das  sicherste  Lager  für  den  Soldaten. 

Was  nun  die  SiiblimatanflSsung  als  Kr^fzwascfaung  betrifft, 
so  lasse  ich  gewühnlich  eine  halbe  Drachme  Sablimat  und  eben 
so  viel  Salmiak  in  einem  Pfnnde  Wasser  auflSsen;  es  Isfst  sich 
aber  hinsichtlich  des  Gebrauchea  dieser  AuflSsnng  nicht  wol  eine 
allgeraeioe  Vorschrift  geben,  denn  der  eine  hat  eine  sehr  reizbare 
Haut,  der  andere  eine  minder  reizbare,  der  eine  benBsset  die  Haut 
aanft  mit  der  Auflösung,  der  andere  scheuert  sie  tüchtig  damit. 
So  kommt  es  denn,  dafs  bei  dem  einen  Kranken  das  (Sglich  ein- 
mahlige  Waschen  die  Krätze  gnr  bald  vertreibt,  bei  dem  andern 
sie  von  Tage  zu  Tage  schlimmer  macht.  Letztes  bat  mich  ein- 
mahl in  meiner  Jugend  so  verblüfft,  dafa  ich  die  SublimataafiÖ- 
sang,  welche  mir  ein  Münsterscher  Untversitfttsfrennd ,  als  €.  L. 
Hoffmaniu   gewöhnliches   Krfilzmittel   empfohlen,    für  lange   Zeit 


fahren  liels.  Da  ich  nbei  mit  der  Zeit  di«  Wirkung  de*  Subli- 
mais besser  kennen  lernte,  war  mir  jene  abschreckende  Verichlim- 
meriing  erklärlich.  Die  gar  su  ofte  Anwendung  des  SnbÜman  bei 
aufseren  Entsrindiingen,  weit  enlfernr  Nutzen  zn  schaffen,  vermehrt 
vielmehr  sichtlich  das  Uebel,  welches  er  heilen  aM.  Z.  B.  die 
chronische  Entzündung  der  Mundhöhle  ist  zuweilen  nuc  durch  Subli- 
mat zu  heilen.  Lfifst  man  mit  einer  schwachen  Aufl9«ung  von  ei- 
nem halben  Gran  auf  die  Unze  Wasser  alle  Abend  vor  Schiaren- 
gehen einmahl  den  Mund  spülen,  so  siebet  man  die  Entzündung 
schnell  rergehen,  aiiweilen  im  nur  eine,  zuweilen  sind  zwei  oder 
drei  Spülungen  nöthig.  Lftfst  man  nun  aber  mit  der  nftmlichen 
Auflösung  drei-  oder  viermahl  tags  spülen,  so  macht  man  den  Mund 
weit  eher  schlimmer  als  besser.  Also  kann  man  auch  die  Krätze 
in  manchen  Fällen  weit  besser  heben,  wenn  man  nur  um  den  an- 
dern Tag  mit  der  Sublimaluuflösung  waschen  Iftfst,  als  wenn  man 
es  alle  Tage  thuL  Vorzüglich  rathe  ich  diese  anderiigige  Wa- 
schung bei  solchen  Menschen  ,  welche  schon  vergebens  manche 
nichtinülsige  Mittel  gebraucht  haben,  und  der  Krütie  ganz  über- 
drüssig sindj  denn  diese  scheuem  sich  in  ihrem  Ueberdrnsse  die 
Haut  so  derb,  dafs,  wenn  man  sie  mehr  als  um  den  andern  Tag 
waschen  Ufsl,  die  Heilang  dadurch  verzögert  wird. 

Ich  stelle  jetzt  die  Frage  auf:  Ist  die  Beobachtung  Wede- 
Und»,  dafs  die  SaUiinalwascbung  anftnglich  die  KrAlzpusieln  zu 
Tage  fördert  und  sie  darauf  heilt,  neu  oder  all  *.  Mir  als  Prakti- 
ker ist  es  freilich  ganz  gleichgültig,  ob  eine  gute  mir  branehbare 
Beobachtung  neu  oder  alt  ist,  darum  habe  ich  auch  keine  Schrift- 
sietler  deshalb  nachgesehen.  Da  ich  aber  jene  Beohachtuog  las, 
tauchte  eine  dunkle  Erinnerung  in  meinem  Kopfe  auf,  dafs  ich  die 
nämliche  schon  früher  irgendwo  miiaie  gelesen  haben;  eine  ziem- 
liche Zeit  nachher  fand  ich  den  Scbriflsieller  zuffillig  wieder,  in 
welchem  sie  eoihalien  ist.  Das  Biieh  hat  den  Tiiel:  D.  Aiexii 
Pedemontani  de  tecreti»  libri  aeptem.  Die  vierte  Aof- 
lage  der  lateinischen  Uebersetznng,  welche  ich  habe,  ist  zu  Basel 
im  Jahre  1603  gedruckt,  also  mnfs  die  italiänische  Urschrift  wahr- 
scheinlich ans  dem  letzten  Viertel  des  sechzelmten  Jahrhunderta 
sein.  Die  auf  die  Heilung  der  Kräiz«  durch  Sublimat  sich  be- 
ziehende Stelle  laniet  also: 

Parlet  teait'e  affectat  alttrni*  dithut  lemei  imeniur  et  per  »e 
»iccari  permittantur.  Cum  vero  iertio  parte»  htae /uerint ,  vide- 
bii,  primam  ei  »ecuadam  lotionem  omnem  »cabiem/orat  extraxUte^ 
tertiam  vero  parte»  exticcaate  »tuuuteque.  Qfiare  ad  icabiem  re- 
medium  meliv»  /aciliutque  tio»  erit,  praeterti»  cum  »eque  «MgvMi- 
tü  /betidü,  Heque  ba/neü,  iteque  purgatiomiiut,  ut  commtiniter  «M- 
net  far-ere  Mofeiit,  optit  tit.  Haec  etiam  aqua  cuti  candorem  eon~ 
ciiiat,  atque  cum  omnet  äumarei  vitiMot,  talto*  et putrido*  apre- 


—  629  - 
futtda  cerp9re  extrakat,  veritimile  quoqne  e»t,  eam  ad  morbum 
gallicum ,  podagram  aliaque  hujm*modi  permulta  vim  habere  etc. 
Es  könole  aber  ein  SpQKer  es  hSchst  Ittcherlich  finden,  Ja  es 
den  AenEten  iiir  grofsen  Schande  anrechneo,  dafs,  da  von  dem  an- 
geftihriea  Buche,  allein  in  lateinischer  Ueberselzung ^  znm  wenig- 
sten vier  Anflagen,  also  wahrscheinlich  noch  ein  paar  Iialiänische 
rerhreiiet  sind,  die  Aersle  nicht  lüngsl  auf  den,  jedem  gesunden 
Verstände  ganz  nahe  liegenden  Gedanken  gefallen  seien,  die  Subli' 
matwaschung  als  Erkennungsmiitel  des  verborgenen  KrSlzgifies  zu 
gebrauchen,  nnd  dafs  noch  im  neunsehnten  Jahrhundert  ein  acht- 
barer Schriftsteller  genöthiget  gewesen,  uns  die  krfitZBusireibende 
Kraft  des  Sublinints  zu  lehren,  und  uns  Rufnierksani  zu  innchen, 
dafs  derselbe  gerade  durch  diese  Kraft  das  beste  Erkennungsmit- 
tel des  in  der  Haut  verborgenen ,  noch  nicht  durch  Pusteln  sieh 
offenbarenden  Krittzgiftes  sei.  Was  lafst  sich  nun  zu  diesem  Pas- 
quill sagen?  Nichts,  gar  ntohls,  denn  es  enthalt  nicht  Spott  aus- 
scblielslich  aaf  unsern  äntllchen  Versland,  sondern  es  emhfilt  Spoit 
ftnf  den  menschlichen  Verstand  fiberhanpt. 

Es  ist  heut  zu  Tage  jedem  bekannt,  weil  es  im  Conversationa- 
Lexicon  stehet,  dafs  man  die  Kitesle  bestimmte  Nachricht  über  die 
Zusaiiiinensetznng  des  Schiefspnlvers  beim  Alberiut  Magnut  fin- 
det; aber  es  ist  wenigeren  bekannt  (weil  es  nicht  im  Conversations- 
Lexicon  stehet),  dafs  Af&erttu  Magk9»  und  die,  welche  sein  Biicb 
gelesen,  schon  damahls.  Im  dreizehnten  Jahrhundert,  Kackelen  aus 
dem  Schiefspulver  zu  machen  verstanden.")  Wie  nahe  lag  nun 
den  Leuten  daniahliger  Zeit  der  Gedanke  des  Fenergewehra ,  nnd 
wie  lange  hat  es  dennoch  gewSbret,  ehe  sie  daranf  gefallen  sind ! 
0er  menschliche  Verstand  ist  iiberhimpt  etwas  übersichtig,  wir  se- 
hen das  am  wenigsten,  was  vor  unsern  Ffifsen  Hegt,  und  so  wird 
es  auch  wol  bleiben,  bis  ans  Ende  der  Welt. 

Das  Zweiie,  was  ich  von  der  Kratze  zu  sagen  habe,  betrifft 
Folgende  Kleinigkeit.  Ich  hatte  einst  beim  Thomat  Willit  gele- 
sen: man  künne  die  Kratze  am  besten  dadurch  heilen,  dafs  man 
die  Kratzigen  ein  Hemde  tragen  liefse,  welches  in  Wasser  mit 
Schwefel  gekocht   und   dann  getrocknet  wäre.     Ich  fand  hernach, 

■J  Der  nsricirrigen  Leser  weBCn,  die  niohl  wiweD,  difi  Albertut  Maenut  tUcke- 
lea  II  inacheD  venlaad,  will  ich  die  Stelle  SHSokretbea. 
Ignit  Volant. 
Arript  librui»  »»mm  tulphnrli ,  librai  Juat  earbennm  tiflirii ,  Ttbra*  le.r 
talit  peirgti;  qua*  tria  tuitllinime  leranlur  in  lapUn  Marmore«.  PoUea 
alifKtd  petleriuM,  adlibHum,  ik  luHita  dt  papyro,  «Blamle  vtt  tttnitTiiitm  fa- 
tienlt  paüalar. 

Tamfea  ad  votnmiam  dtbet  tue  laHga,  grarMit,  pultert  itto  tptimt  pUna ; 
ad  fatitmdum  tirs  lumilruum,  ireci'i,  grona  el  lemiplema. 

Dt  mirabHiiu*  rnimdi  »aS  der  lelcten  Seit«. 


—    630    — 

d&fs  b«i  jungcD  Kindern,  derva  reübare  Haut  darch  allerlei  Sd- 
bau  nicht  batla  gesunden  kSonNi,  der  trockne  Schwefel  am  bauen 
Hülfe  Uisieie.  ich  lasse  aber  nicht,  wie  WUlUf  das  Hemde  mit 
Schwefel  kochen,  sondern  blofs  die  inaere  Seite  desselben  und  der 
Strümpfe  mit  trockenem  Schwefel  tüchtig  einreiben,  «(ich  wol, 
wenn  die  Hände  «ehr  angegrifieo  sind,  geschwefelte  leinene  Faust« 
handschub  anziehen.  Ueberbaupt  ist  der  Schwefel  in  trockener 
Gestalt  ein  sehr  woblthäliges  Mittel. 

Was  er  in  allen  Entzündungen  und  Ausscbligen  der  Haot  lei- 
sten mag,  kann  ich  freilich  nicht  wissen,  denn  wenn  ich  dl«  Lao- 
te, des  blofsen  Versuches  wegen,  um  jed<>  Kleinigkeit  mit  Schwe- 
fel Tcrsiinken  wollte,  würden  sie  wol  denken,  ich  habe  den  Ver- 
stand verloren;  ich  wende  ihn  aber  mit  grofsem  Nutzen  in  man- 
chen chronischen  Hantentzün düngen  und  Ausschlägen  an,  die  an- 
dern Mitteln  widerstehen,  und  deren  Hartnäckigkeit  seinen  etwa« 
unangenehmen  Gebrauch  recbtferiigeL  Ursprünglich  habe  ich  die 
Anwendung  dieses  einfachen  Mittels  in  meiner  Jugend  einem  alten 
Medico-chimrgo  abgesehen,  der  mit  selbigem  znweilen  chronische 
Enizfindungen  heilte,  die  seine  jüngeren,  sich  für  weit  gelebner 
ballenden  Kidlegen  nicht  hatten  heilen  können.  Folgende  zwei 
Fälle  seheinen  mir,  ihrer  Seltsamkeit  wegen,  der  Erzählung 
werih. 

Ein  junges  Frfiulein,  dem  ich  schon  ein  paar  Jahr  früher  näs- 
sende Flechten  durch  den  äufseren  Gebrauch  des  essigsaures  Zinks 
geheilet  hatte,  bekam  abermahls  ein  Hautübel,  welches  iuh  besser 
bescbieiben,  als  schulrecht  henamen  kann. .  Es  bestand  in  Flecken 
verschiedener  Grdfse,  die  mehr  auf  den  Gliedern  als  auf  dem 
Kami»fe  safsen,  der  gröfste  mochte  einen  ungefähren  Umfang  von 
drei  Zoll  Breite  und  vierlebalb  bis  vier  Zoll  Länge  haben.  Ich 
kann  das  Ansehen  derselben  dem  Leser  ganz  deutlich  betcbreiben, 
wenn  ich  sage ,  dafs  sie  auf  den  enUen  Blick  von  wunden  Haot- 
stellen,  die  ihrer  Epidermis  durch  Blasenpäasier  beraubet  sind, 
nicht  zu  unieracheiden  waren.  Bei  näherer  ßeschauung  wurde  man 
blofs  den  kleinen  Unterschied  gewahr,  dafs  die  wunde  Fläche  un- 
ebener und  dnnkeler  rolh  war,  als  die  Flüche  der  BlasenpSHter- 
wundungen.  Aus  den  kraiiken  Stellen  wurde  eine,  wahrscheinlich 
scharfe  Feuchtigkeit  ausgesondert,  denn  das  Fräulein  hatte  starkes 
Jucken,  konnte  sich  aber  nicht  kratzen,  weil  es  ihr  schmerzhaft 
war,  mit  den  Nägeln  die  geschundenen  Stellen  zu  berühren.  Ge- 
gen diese  Hautkrankheit,  der  man  wol  nur  ganz  mifsbräucblich 
den  Namen  Flechte  beilegen  könnte,  habe  ich  mehre  Mittel  ver- 
gebens gebraucht,  nicht  ahnend,  dafs  sie  so  hartnäckig  sein  wür- 
de. Endlieh  half  der  Schwefel.  Ich  liefs  die  wunden  Stellen  iGg- 
lieh  etlichemahl  mit  präzipilirlem  Schwefel  pudern,  da  heilten  sie 
in  gar  kurzer  Zeit.     Erst  hürte  das  Jucken  und  das  Ausschwitzen 


-     «31     - 

dar  icfaMfan  Feuehligkeit  auf,  dann  eneagts  sieh  eioe  nene  g«- 
BMide  Oberhaut.  Oaft  ich  aber  noch  eine  Zeillang  fortpndern  lieb, 
und  dafs  das  Fräulein  durch  dea  ualiisligen  Scbwefalgeruch  von 
d«n  Padern  nicht  abgeschreckt  wurde,  werden  die  Leser  aoch 
ohne  weitem  Venichening  glauben. 

Der  zweite  bewerkenswerthe  Fall  ist  folgender.  Das  Fräulein 
V.  W.  hatte  in  gnler  Geiellichuft  zum  Vergnügen  eine  Hbeinreis« 
genacfat,  und  wahrscheinlich  in  einem  unreinen  Bette  geichlafen. 
Ba  sia  nach  Hause  kam,  Bniserle  >icfa  bei  ihr  eine  Hautkrank- 
heit, welche  Ich  nicht  gut  unter  eine  krankheitslehrige  Kategorie 
bringen,  sie  also  blofs  dem  Leser  beschreiben  kann.  Es  waren 
bandgrofse,  sehwachrölhliefae  Flecken  ohne  unischriebene  Grensen, 
die  Röihe  derselben  war  so  schwach,  dafs  man  genau  ansehen 
muffte,  um  aie  zu  erkennen;  die  Grenze,  wo  sie  mit  der  gesun- 
deo  Haut  zusammenfioisen ,  war  gani  unerkennbar,  Hier  und  da 
auf  den  Flecken  sah  die  Oberhaut  etwas  geschrumpelt  aus,  gerade 
als  ob  sie  an  einem  harten  Körper  gerieben  wSre.  Die  kleinen 
Schrumpeln  waren  aber  nicht  roth,  sondern  weifslich.  Auch  die- 
ses war  jedoch  so  gering,  dafs  ich  es  nicht  wBrde  bemerkt  ha- 
ben, wenn  das  Frfiulein  selbst  mich  nicht  darauf  aufmerksam  ge- 
macht hätte.  Das  war  nun  alles,  was  ich  mit  meinen  Augen  vod 
dieser  Hautkrankheit  erkennen  konnte,  und  die  Leser  werden 
mir  zugeben,  dafl  en  etwas  sehr  Geringem  und  (Jnbedeirlendes  ist. 
Das  Gefühl  des  Fräuleins  sprach  aber  ganE  anders  von  diesem  an- 
scfaeinend  unbedeutenden  Hantübel.  Sie  fühlte  nSinlich  ein  solch 
lästiges  Schreinen ,  dafs  sie ,  die  wahrlich  nicht  zn  den  quasigen 
Mädchen  gehörte,  sehr  daran  litt,  und  mich  dringend  bat,  sie  davon 
bald  zu  befreien.  Ansteckend  mufste  dieses  Haninbel  auch  wol 
■ein,  denn  das  Kammermädchen,  welches  die  Rbeinreise  nicht  mit- 
gamacht,  fing  einige  Zeit  nach  der  Znrückknnft  des  Fräuleins  an, 
über  ähnliche  Beschwerden  zn  klagen. 

Nicht  wiHend,  was  ich  aus  dieser  Haaikrankheit  eigentlich 
machen  sollte,  hielt  ich  es  Kr  das  Beste,  mit  dem  mildesten  Haui- 
miltel  versuchsweise  zu  beginnen,  und  liefs  das  Fräulein  sich  mit 
einer  Bornxnuflösung  waschen.  Da  nun  eine  gesütiigte  Boraxanf- 
Idsung  nicht  einmahl  im  Ange  heilst,  wer  faStie  denken  sollen, 
dals  sie  feindlich  auf  diese  kranke  Haut  wirken  würdet  Was  ich 
aber  nicht  vermuthen  konnte,  geschah  wirklich;  der  Borax  ver- 
mebne  nicht  blofs  das  Gefühl  deb  Sdireinens,  sondern  steigerte 
es'zUm  Gefühle  des  unerträglichen  Brennens,  so,  dafs  dag  Fräu- 
lein seblnflose  X&t^ie  dadurch  hatte. 

Bei  dieser  ganz  ungewöhnlichen  Beizbarkeit  der  Haut  hielt 
ich  es  für  uaweise ,  schärfere  Mittel  zn  versuchen ,  liefs  also  et- 
was ipräsipitirteo  Schwefel  in  ein  Läppchen  Nesseltuch  binden, 
nnd  damit  die  Haut  mehrmahls  tags  pudern.     Dieses  Mittel  schaffte 


-    WJ    - 

bald  LiadMnng,    und  iMcrbftlb  nbn  Tage   wmr  dms  Ucbal  gcbo- 
beo.     Das  Karamerm&dchen  genai  aaf  di«  Dämliche  Weise. 

Ich  koinnifl  jetit  anf  die  troekenen  aromBtiachea  Kräuter,  ein 
in  der  Cbinugie  bekaanl«  Alitlel  gegen  chroniaclie  IlaalentBÜD- 
ditng,  welches  aber  vod  manchen  jungen  AmtsganoaMD  so  sehr 
Teraachlässiget  wird ,  dafs  die  Erfahrenen  mir  eine  Erinnerung 
daran  nioht  übel  dealen  werden.  Dieses  würzige  Luftbad  leiatM 
bei  manchen  chronischen  Hantentsündungen  mehr  als  alle  anda* 
Mittel ,  nnd  ist  wol  durch  nichts<  zu  eraelxen. .  Ich  bediene  mich  ans 
alter  Gewohnheit  der  ^ecierum  retohentium,  ond  lasse  die  Krla- 
ter  entweder  in  Leinwand  gefaiillet,  oder  naverhüllet  auf  dieHant 
legen.  Die  Art  der  Enitiiodang,  auch  der  Ort  derselben ,  bestimmt 
die  Art  der  Anwendung.  Sind  wunde  Stellen,  aufgefahrene  Blat- 
tern auf  der  entzündeten  Hatil,  so  verursacht  der  Druck  der  nack- 
ten Kräuter  Schmerz,  den  mufs  man  vermeiden  und  die  Krfiuter 
in  Leinwand  hüllen. 

Ob  in  der  Zusammensetzung  der  Specierum  reiohentium  eine 
besondere  Heimlichkeit  stecke,  kann  ich  nicht  sagen,  bezweifle 
es  aber,  weil  in  den  A^oifaekerbiicbern  bedeutende  Abweichungea 
der  Zusammensetzung  vorkommen.  Bekanntlich  sind  diese  nfiM- 
licben  Spectei,  mit  erwfirmfem  Wein  geweicht  (nicht  gekocht), 
sehr  heilsam  bei  Quetschungen.  Was  nun  diese  Wirkung  betrifft, 
so  weifs  ich  wol ,  dala  ein  altes  Hansmittel ,  welches  ich  schon 
als  Knabe  gekannt,  der  Mfgoran  mit  warmem  Wein,  bei  Qaet- 
scbungen  alles  leistet,  was  man  vqn  den  Spee.  reaot.  erwarten 
kann.  Möglicli  ist  es  also,  dafs  auch  die  Spee.  ret»!.,  als  wür- 
ziges Luftbad  gebraneht,  durch  jenes  Kraul  oder  durch  ein  ande- 
res  einfaches  kdnnten  ersetzt  werden.  *) 

Ferner  erinnere  ich  meine  jüngeren  Leser  an  das  altmodiaebe 
Pufvii  contra  Bry*ipelot.  Auch  dieses  ist  bei  duvoiscben  Ham- 
entzimdungen  nicht  so  verachten.  Ich  habe  eioiela«  Fälle  beob- 
achtet ,  dafa  Menschen ,  welche  gegen  chronische  Hautentsündnng 
der  Fiifse  gar  manche  Mittel  vergebens  gebraneht,  bktfi  durdi  das 
Pudern  mit  Rosenpulver  geheilt  wurden. 

Es  Hiebet  etwas  wunderlich  aus,  wenn  ein  Medien» ^  oder  Jlf«- 
dieo-chirurgui,  jemanden  einen  Tbeil  der  Apotheke  veigebens  in 
den  Leib  geschickt,  und  ihm  einen  anderen  Theil  eben  so  ver- 
gebens von  aufsen  darauf  gelegt  hat,  dann  ein  Laie  in  der  Kunst, 
ein  Einfältiger  su  dem  Kiankenspricht :  wirf  deine  Arzenei,  deine 

*)  JaUl ,  in  Jabra  1830 ,  htb«  ich  darch  uekre  Vantche  die  UcbiruasDDg 
SewoaneD ,  difj  d«r  bloft«  Hsjorin  alloi  teiltet ,  wa*  man  voa  den  Spec. 
molv.  erwarlan  kaon ,  ja  wol  noch  nähr.  Aaf  neinea  Ratb  hat  ihn  ein 
Wondairt  in  eiaem  aebr  «raalhalteo  Falle  aur  die  Probe  geitellt ,  and  dai 
Kraat  bat  ao  Rate  Dieosle  geleitlet,  dafo  icb  faat'  iweillo,  ob  der  Hana  je 
wieder  Spit.  rtitie.  veracbreibca  wird. 

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—    658    — 

WXso«',  KrIInter  diu)  Salben  mm  Henker,  lafa  dir  in  der  Apo- 
theke ffir  ein  paar  Ciroschen  Roaenpulver  holen,  und  pndere  dich 
«fontit,  —  und  wenn  dann  der  Zweigroschen  -  Bath  des  EinßÜligen 
besser  hilft  als  ttie  doktoralischen  oder  medizinalräthlichen  lateini- 
schen Resepte.  Den  Leuten  fHlll  gar  leicht  bei  solcher  Gelegen- 
heit der  ketzerische  Gedanke  ein :  dafs  wir  uns  auf  der  Hoch- 
schule den  Kopf  toll  stadiren ,  und  von  ihr  zu  übersichtigen  Aar- 
ren gebildet  werden.  Darnm,  wenhe  Leser,  lafst  uns  auch  sol- 
che altmodische  und  einfältige  Mittel  nicht  verachten,  die  den 
langen  Gebrauch  für  sieh  haben ,  damit  wir  nicht  einmahl  von  un- 
stadirten  Leuten  am  Krankenbett«  überflügeil  werden. 

Das  ohne  Branntwein  desiillirte  Biltermandelwasaer  ist  auch 
ein  gar  trefHiches  Mittel  bei  Hautentzündungen,  man  kann  damit 
sehr  peinliche  beschwichtigen.  Dafs  es  aber  von  den  Aerzten 
Preufsiacher  Lande  wenig  zu  diesem  Zwecke  gebraucht  werde,  ist 
mir  deshalb  WHhrscheinlicb,  weil  es  nicht  in  dem  Ditpetuatorio 
aufgenommen  ist.  Das  darin  enthaltene  hat  einen  starken  Zusatz 
von  Weingeist,  und  pafst  deshalb  bo  wenig  bei  Augenentzündun- 
gen als  bei  Entzündungen  der  Haut.  Jeder  kann  sich  freilich  in 
seinem  Wohnorte  ein  ungeistiges  von.  dem  Apotheker  bereiten  las- 
sen; soll  er  aber  an  einem  entfernteren  Orte  verordnen,  so  sitzt 
er  in  der  Klemme. 

In  der  Znsammensetznng  des  Quecksilbers  und  des  Bleies 
steckt  eine  besondere  heimliche  Heilkraft,  tbeils  bei  chronischer 
Entaüadnng  der  Haut ,  tfaeils  bei  hartnäckigen  flechienartigen  Ans- 
sehlSgen.  Der  gewesene  Apotheker  Herr  B',  der  die  wunder- 
volle Heilung,  die  ein  Französischer  Wandarzt  bei  einem  hart- 
nlickigen  Fleehtenanssohlage  dadarcfa  bewerkstelligte ,  beobachtet 
halte ,  machte  mich  vor  mehr  denn  zwanzig  Jahren  auf  diese  Mi- 
schung aufmerksam.  Die  Verordnung  des  Franzosen  lautete  also: 
R;  Mercurii  praecipitati  albi  Ji  Plu^Ü  cerhmtici ,  axungiae  porei 
aa  f  ß  m.  Ich  habe  wirklich  garstige  drllicbe  Flechten  mit  dieser 
Mischung  geheilt,  ohne  jedoch  streng  das  angegebene  VerbHltnils 
zwischen  Blei  und  Quecksilber  zn  beobachten,  indem  ich  in  ein- 
zelnen Füllen  dieses  Verhältnifa  so  abänderte,  wie  es  mir  der 
vermuthlicbe  Grad  krankhafter  Reiibarkeit  der  Haut  i;n  erfodern 
schien.  Wenn  ich  aber  Flechten  damit  geheilet  habe,  die  dem 
üufseren  Gebrauche  des  Sublimats  widerstanden  halten,  so  habe 
ich  auch  wiederum  durch  Sublimat  solche  geheilet,  bei  denen  ich 
jene  Mischung  vei^bens  gebraucht  hatte.  Auch  bei  harloäckigen 
Hantgescbwüren  habe  icb  es  anweilen  heilend  angewendet,  denn 
übe  ich  gleich  die  Wundanienaikunst  nicht,  so  kann  ich  doch  in 
einzelnen  Fällen  es  den  Leuten  nicht  abschlagen,  ihnen  einen 
Rath  zn  geben,    wenn  sie  den  Beialaad  des  nficbiten  Wundarztes 


-    «34    - 

vergebens  in  Aoiprucli  g^eoomraen,    uod  ihre  Veno SgeniutiiHtS ade 
ihnen  nicht  erlauben,   einen  eotfernlen  in  benifen. 

Von  nndern  ftafierlichen  Mitteln,  die  bei  der  erkrankten  Ober- 
hnnt  mit  gutem  Nnizen  gebraucht  werden,  hIb  vom  euigaauren 
Blei,  KchwAfeiaanrem  Zinke  und  von  dem  Wundwasser  will  ich 
nichii  sagen,  weil  Aerxt«  und  WundSnie  sie  iSglich  eowenden; 
nur  TOD  zwei  weniger  gebraacbien  Mitteln  gei  et  mir  erlaubt,  noch 
ein  Wort  eu  sagen. 

Uen  essigsauren  Zink  habe  ich,  ehe  ich  ihn  als  Gehimniii- 
te)  kannte,  schon  als  treffliches  Heilmittel  bei  Hauieoliifindungm 
gekannt.  Ich  sah  elmt,  da&i  ein  FraozÖsiseher  Miliiärwandarst 
gegen  Entzündung  eine  Mischung  von  Bleiwasser  und  schwerdsau- 
rer  Zinkauflöaung  verschrieb,  welche  ausnehmend  gute  Dienste 
leistete.  Ich  erinnerte  mich  bei  der  Gelegenheit,  dafs  einer  mei- 
ner Universität  lachen  Meister  die  nimtiche  Mischung  als  Angen- 
wasser  besonders  gerühmt  habe.  Da  nun  in  dieser  Znsamraenaes- 
zong  eine  doppelle  Wahlverwandscbaft  Statt  finden  mufs,  durch 
weichte  sich  essigsaurer  Zink  und  schwefelsaures  Blei  bildet,  ich 
aber  dem  unauflöslichen  schwefelsauren  Bleie  unmSglicb  die  HeiU 
kraft  zuschreiben  konnte,  so  liefs  ich  mir  einen  reinen  essigsau- 
ren  Zink  bereiten ,  und  fand ,  dafa  er  eben  so  treffliche  Dienste 
leiste  als  jene  Mischung.  Merkwürdig  ist  es,  dafs  dieses  Zink- 
salz die  venerischen  Sdianker,  es  mögen  Sniiche,  oder  sympio- 
malische  sein,  weit  besser  wegschafil  als  irgend  ein  Quecksilber- 
mittel.  Man  mufi  ibn  aber  su  dem  Zwecke  in  stitrkerer  Auflösung 
geben  als  gegen  gewShnliche  Entsendungen.  Ein  Skrupel  auf  jede 
(Jnze  Wasser  ist  bei  Schankern  meine  gewöhnliche  Gabe.  Ein 
Wundarzt,  dem  ich  diese  Erfahmng  mitgetheilt,  hat  behauptet, 
dafs  er  mit  einer  gesAlligteren  Anflö^nng  noch  schneller  geheilet 
habe. 

Ich  bin  aber,  nachdem  ich  mich  von  der  Wiikaamkeit  dieses 
Mittels  hintflnglich  Qbersengt  hatte,  einst  seltsam  überrascht  wor- 
den, da  ich  anf  FSlIe  siiefs,  in  denen  es  glnalich  unwirksam 
war.  Diese  Fslle  haben  mich  fast  zum  AnhAnger  der  HaÜMemmm- 
Hüchen  Meinung  gemacht;  dafs  es  in  der  Natur  ein  xweifachea 
teneriflches  Gift  gebe.  Folgende  Beobachtung  theite  ich  dem  Le- 
ser mit,  ansdrfickiicb  jedoch  erklärend,  dafs  ich  zu  weuig  Ei^ 
fahmng  in  dieser  Krankheit  habe,  am  aus  den  Beobachinngen 
Folgerungen  fiir  oder  wider  die  Wahrscheinlichkeit  der  Hakne- 
matiniic/im  Meinung  ziehen  zu  können. 

In  hiesiger  Stadt  und  in  der  Limgegend  von  zwei,  drei  Weg- 
stunden, ja  wol  noch  weiter  von  hier,  ist  die  venerische  Krank- 
heit nicht  zu  Hause,  Was  man  davon  einzeln  siebet,  ist  gewöhn- 
lich von  Clet)€  oder  von  Nymttegen  eingeschleppt.  .Nun  bat  •■  sieh 
aber  einst   begeben,    dafs   ein   fremdes   Weib   in   eine,    ein  paar 


Sebnh  V/tgtn  vod  dkr  Stadt  g«I«g»ne  groüm  BiMuitiveiDUvnDerei 
unter  irgeod  eiaeiii  DichligcD  Vorwasde  gekoin>n«ii  iit ,  ihren  Leib 
feil  zu  bieten.  Die  Arbeiter,  welche  gewStmlioh  aachailtagt 
Tom  Branntweine  etwafl  ■chweinielig  sind,  und  dann  nicht  recht 
tum  Ueberlegen  geschickt  sein  mSgen,  hatten  sich  wabracbeiniicb 
mit  dimem  Weibe  abgegeben,  waren  zum  wenigiten  angesteckt, 
and  Bleckten  bernach ,  da  sie  verheirathet  waren ,  ihre  Frauen 
an.  leb  habe  mehre  von. diesen  Leuten  behandelt ^  allein  vom 
essigaaoren  Zink  bei  den  Sehankern  keinen  JVntsen  geeefaea.  Der 
imere  Gebrauch  des  Quecksilbers  leistete  aber  auch  nichts.  Ein 
Theil  derwlben,  den  ich  bebasdelt,  hatte  sieb  schon  früher  des 
WandKraten  anreriraurt  und  ron  diesen  vergebens  Ihcils  Sublimat, 
iheils  versüfstes  Quecksilber  hekonmen.  Einem  andern  Tbeile, 
der  sich  gleich  au  mich  wendete,  gab  icb  eb«D  so  vergebens  das 
Habnemnansche  schwarze  Oxyd ,  oder  den  rotben  Präzipitat.  End- 
lich fand  ich  Heil  in  einer  Miscbnng  aus  oxydirtem  Kupfer  und 
dem  Hahnasaannischen  Quecksilber.  — ■ '  Da  nun  alle  diese  Leute 
und  die  van  ihnen  hinlennach  angesteckt  wurden  aus  einem  und 
dem  nftmlicben  Glückstopfe  ibr  Loos  gezogen,  so  hat  mich  der 
grofse  Unterschied,  der  zwischen  dieser  Krankheit  und  der,  wel- 
che ich  sonst  gesehen,  auf  den  Gedanken  gebracht,  ob  Herr  Hn^ 
nemann  auch  woi  hinaichtlieb  dar  Doppelbeit  des  vanerisdien  Gif- 
tes Recht  haben  könnet  Wie  wenig  übrigens  die  venetische  Krank- 
heit in  biniger  G^end  unter  dem  geringen  Volke  bekannt  sei» 
eihellel  aus  fegender  Kleinigkeit ,  die  gewifs  manchen  Aerztea 
l&eherlich  vorkommen  nata.  Weil  die  Krankheit  ursprünglich 
auB  der  BrasBiweiBbrennerei,  die  auf  einem  GehSft,  Thomashof 
genannt,  arbeitet,  hervorgegangen  war,  so  kannte  sie  das  Volk 
nur  unter  dem  N'uiaen  der  Tbomasefqual.  Nan,  stewarfrei- 
lich  eine  gr«lse  Qaal  für  arme  Leute,  die  mit  ihrer  Hinde  Ar- 
beit das  Brot  verdienen  mnfaten. 

Von  dieser  Abschweifung  kehre  ich  wieder  zu  den  Hautmit- 
leln  zurück.  —  Von  einer  AnfiSenng  des  Kochsalzes  habe  ich  zu- 
weilen bei  Flechten  aiisgezeiebnciea  Nntxen  gesehen.  Es  ist  ein 
Mittel ,  dessen  Heilwirkung  unter  de«  Volke  zwar  nicht  allgetnein 
bekannt  ist,  das  sich  aber,  als  Hausmittel  ge^sn  gewisse  Aufser- 
liche  Uebel,  unter  demselben  wahrscheinlich  seit  undenklicher 
Zeit  erbalten  hat.  lob  habe  etnmabl  gesehen,  dafs  ein  Herr  von 
einer  in  der  flachen  Hand  sitzenden  trocknen.,  sehr  lästigen  Flecbte, 
gegen  wekhe  Quecksilbereinrei bongen  fruchtlos  gewesen ,  und  ge- 
gen welefa«  ein  sehr  erfahrener  Wuodarst  eben  so  erfolglos  den 
Chlorkalk  geraihen,  bloü  durch  den  8 nfaeren  Gebranch  einer  ge- 
sättigten Koehsalzanidsung  befreiet  wurde.  In  uenerZeit  hat  man 
den  äafseren  Gebrauch  des  Kochsalzes,  dieils  in  See-,  tbeils  in 
Sohlbädern  hervorgehoben.     E»  wHie  ni  wünscfaeo ,  dafg  die  deut- 


.  —    63«    - 

sehen  Asrata  dna  eiomalil  inil  Aiifnierksaiukeit  IXten,  waa  der 
deiitBche  Amt  von  Hohenheim  über  den  äiirMrlichen  (iebraiicli  des 
Kochaalzes  aagt.  Vielleicht  würden  nisnche  etuns  f^ünsiigere  Ge- 
danken von  dem  Erfohrongiwinen  desselhen  hekoiiiTiien  als  sie 
jent  haben  mögen. 

Das  ist  nnn  all«B,  was  ich  in  der  Kurze  über  ifie  Mittel  sa- 
gen kann,  die  anf  die  sichtbar  erkrankte  Kpidermis  heilend  ein- 
wirken. Was  die  Aaswahl  des  einen  oder  des  andern  in  dem  Ein- 
zelfalle belriQt,  so  habe  ich,  seit  ich  Arzt  gewesen,  ja  selbst  zu 
der  Zeit,  da  ieh  die  Heilkunst  erlernte,  beubacbtei,  dafs  Mün- 
neri  denen  ich  geannden  Verstand,  Bekanntschaft  mit  dein  Er- 
fahrnngsgeBammtwiasen  unserer  Kunst,  und  durnh  Alter  nnd  Ue- 
bung  erworbene  Fertigkeil,  ihr  Wissen  auf  den  Einzelfall  anzu- 
wenden, nicht  absprechen  konnte,  allerdings  in  manchen  FKllen 
gleieh  im  ersten  Griffe  das  wahre  Heilmiiiel  nusuKhlten,  in  aI^ 
deren  Fftlleo  aber  du  wahre  nicht  trafen,  sondern  sich  genöthiget 
fanden,  ein,  zwei,  ja  mehre  Mittel  zu  versuchen ,  ehe  sie  das  wahr- 
haft heilende  trafen.  Da  ich  nun  bis  jeixt  anch  noch  nicht  weiter 
in  diesem  Pnnki«  gekommen  bin,  so  trage  ich  kein  Bedenken  z» 
gestehen ,  dafs  ich  die  E]Hderniis  Tür  ein  eigensinniges  Ding  halte, 
welches  sich  zuweilen  übel  unsera  Ärztlichen  Ansichten  fügen  will; 
wir  müssen  ihm  also  seinen  Willen  ihuo,  nnd  wenn  ein  Mittel 
nieht  helfen  will,  ein  anderes  verwehen.  Wer  htntennach,  wenn 
er  ein  IJebel  geheilt  hat,  gelehrt  darüber  schwaiieo  oder  schrei- 
ben will,  der  ihne  es;  ich  darf  es  nicht  thun,  denn  ich  ninfsal* 
pjaktiseher  Schriftsteller  eine  unbedingte  Ehrlichkeit  beobachten. 

Zum  Ueberflusae,  vielleicht  anch  manchem  Leser  sam  Ekel, 
erinnere  iob  an  den  schon  niehrmnhla  wiederholten  Spruch:  dafs 
die  Krankheit  der  Epidermis,  ao  gni  als  die  Krankheit  aller  an- 
deren Organe,  auch  zuweilen  Afiektion  des  Gesanimtoi^nismns 
sein  kann,  welche  aich  blofa  anf  der  Oberbaut  sinnlich  darsfellet, 
lind  dafs,  wenn  man  auf  diese  Sache  nicht  achtet,  man  ganz  ver- 
gebens die  bealen  Mittel  anwenden  wird. 

Ja  es  kann  auch  inöglrch  sein ,  dafs  eine  Krankheit  der 
Epidermis  von  einer  eigenen ,  unbekannten  Dyakrasie  der  SSfte 
abhängt,  und  einzig  deahalh  unheilbar  ist,  weil  wir  kein  Mittel 
auf  dieae  Dyakrasie  wissen.  So  h^M  ich  «ine  alte  Jungfrau  ge- 
kannt, die  von  einem  garstigen,  nSasenden  Flechlenausachlegc, 
der  vorzüglich  Nase  und  Wangen  einnahm ,  auch  hier  und  da  auf 
den  Gliedmafaen  lagerte,  so  übel  geschändet  war,  dafs  niemand 
sie  ohne  Ekel  nnd  Grauen  ansehen  konnte.  Dieae ,  seit  mehr  denn 
vierzig  Jahren  damit  behaftet,  hatte  in  der  Zeit  den  Kalb  luehrer 
Aerzte,  aber  jederzeit  verständiger  und  erfahrener  Männer  gebraaeht, 
ohne  dals  ihr  einer  hätte  belfea  können.  Auch  ich  habe  »iletzt 
noch   vergebeoa   »eine  KuaU  daran  verschwndet.     Die  Juugfnia 


—    «37    — 

i<t,  trotz  dieiier  D;aktame  dw  Sifte,  xn  Bisem  ordeotlicfaei)  Al- 
ter gelangt,  denn  sie  iat  rar  zwei  Jabreo,  den  Siebiigen  sehr 
nnhe,    am  SuhUgwechselfieber  gestorben. 

Ich  machte  eiHBl  die  Bekanntschaft  einer  Edelfran,  die  be- 
•achsweise  sich  in  hiewiger  Gegend  aufhielt.  Sie  hatte  eine  ver< 
Mrtere  und  aurgeiriebene  UnierkioniadendrBse ,  eine  kleine  nfts- 
seode  Fleehle  auf  einer  Wange  und  mehre  auf  dem  behaarten 
Theile  des  Kopfes.  Uiesa  Frau  bat  nun  in  ihrer  resi den» tid ti- 
schen Heimalh  alles  geihan,  am  von  dem  Uebelitande  in  kom- 
men, aber  »lies  vergebens;  auch  das  Seebad,  dem  sie  nahe 'ge- 
nug ist,  war  vergebens  gebraucht.  Mit  Zwiacltenxeiten  von  mah- 
reo  Jahren  habe  ich  sie  viermahl  gesehen ,  aber  jedesmafal  hatte 
das  Uebel  zugenommen.  Einst,  da  sie  sich  in  hiesiger  Gegend 
b^nd,  wurde  sie  von  dem  damahls  herrschenden  Gehirnfieber 
ergriffen,  und  ich  mafste  sie  heileo.  Ich  war  neugierig,  welchen 
Einflub  das  Fieber  «nf  den  garstigen  Ausschlag  haben  lyirrde. 
Es  hatte  aber  wirklich  gar  keinen  darauf,  so  wenig  als  die  Dya- 
krasie  der  Säfte  einen  Einflnfs  auf  das  Fieber  halte;  dieses  lieiii 
sich  bei  ihr  eben  so  gut  heilen,  als  bei  jedem  andern  früher  ge- 
sunden Mensofaeo. 

Wollte  man  geradezu  behaupten,  dafs  die  von  einer  soTdten 
nnbekannien  Dyskrasie  der  Ssfte  herrührenden  AusschUge  den 
Sufseren  MiUela'  jederveit  widerständen,  so  mSfate  man  unwahr 
sprechen.  Sie  heilen  wirklich  zuweilen  durch  den  Gebrsueb  der- 
selben ;  aber  dos  Schlimmste  ist ,  dnfs ,  wenn  wir  sie  en  einem 
Orte  heilen ,  sie  an  einem  anderen  wieder  ausbrechen ,  und  zu- 
weilen an  einem  ungemlichlieheren  als  der  war,  von  dem  wir  sie 
vertrieben. 

Bis  jetzt  habe  ich  noch  kein  einziges  Mahl  Gelegenheit  ge- 
habt, die  erste  Elrzeugung  solcher  Ausschlage  tu  beobachten;  die 
einseinen  Fülle,  welche  ich  gesehen,  waren  alt,  und  die  Kran- 
k«n  schon  durch  alle  medixinlsehe  Schulen  gefuhret.  Eine  War- 
nung mufs  ich  aber  meinen  jüngeren  Amtsbrüdern  geben.  Wenn 
sie  einen  solchen  ausschlägigen  Mensche«  vergebens  behandelt 
haben ,  so  dürfen  sie  nicht ,  wfire  er  auch  früher  eben  so  verge- 
bens durch  die  HSnde  mehrer  guten  Heilmeister  gegangen,  unbe- 
dingt behaupten,  sein  Uebel  sei  unheilbar-  Wir  kennen  solche 
Krankheilen  der  Süfta  viel  zu  wenig,  als  dafs  wir  so  unbediagl 
über  die  .Heilbariteil  oder  Unheilbarkelt  abeprecben  kftnnlen.  E» 
ist  allerdings  wahr,  dafs  solche  der  Knnsl  spottende  Ausschläge 
mit  der  Zeit  ^er  sehlimmer  als  besser  werden;  ich  habe  aber 
den  einzigen  Fall  beobaehlet,  dafs  ein  stark  nfissender  Flechten- 
ansBchlftg,  der,  mit  Ausschlufs  des  Gesichtes,  jlen  ganzen  Leib 
eines  jungen  Mannes  wie  eine  Rinde  bedeckte,  und  den  Bemü- 
bungen  mehrer  gelehrten  und  erfabnoen  Aerste  widwilanden  hatte. 


mil  den  nniAbnieiidsB  JsfareD  Dach  mni  bwA  vor  b«HiiI  verging, 
nnd  nictita  Karückliefa,  «!■  ein«  Boffallende  Hkrte  and  Trocken' 
beit  d«r  Haut.  Dna  allnalilig«  Vergehen  geachah  in  dem  Alter 
zwisehen  dreifsig  nnd  vierzig  Jabren.  Nachdem  der  Aanchlag 
vergangen,  isl  aher  der  Miinn  mit  allerlei  Krttnklicbkeit  heinge- 
■ncht  wordeil,  er  hat,  bald  Leber-,  bald  Mitileiden,  bald  Hn- 
uen,  bald  Aslhn»  gehabt,  ja  er  bat  eine  iRchtige  Lpngeneiier- 
beule  entleeret.  Leisler  Sirwifs  war  ao  eroMbaft,  die  Ansleernng 
dei  aiinkeadea  Eilen  •«  bftufig,  dafe  keiner  seiner  Frennde  mehr 
an  Mine  Geneanng  dachte ;  dieae  iit  aber  doch  mr  grofaeo  Ver- 
wunderung unkundiger  Mentcben  erfolgt.  (Jeber  das  Anaheilen 
des  Lungenabaieasea  habe  ich  lAicb  nnn  freilieb  nicht  genundert, 
denn  das  bäogt  nicht  von  der  Kiindigkeit  des  Arnes,  aondem  von 
der  Geslalt-  dea  Ab^aessea  ab;  aber  darüber  habe  ich  mich  ge- 
wnndert,  dafs  der  Mann,  der  von  Kindheit  an  eine  blasse,  acbmu- 
tztge  nngeannde  Geaicblsfarbe  balle,  nach  ansgebeilter  Vomiea 
ein  wirklich  bitihendea  Anaehen  bekam. 

Ist  nnn  die  verscfaiedeofönnige  Krinklichkeit  von  dem  allmflb- 
ligen  Veracbwinden  des  Anaschlages  entstanden  t  Es  war  einmabl 
eine  Zeit  in  der  Medizin,  da  man  keinen  Anstand  würde  genom- 
wea  haben,  diese  Frage  nnbedenklieh  mit  Ja  an  beantwarten. 
Ich  denke  aber,  wir  sind  jetzt  schon  elwas  klSger,  zum  wenig- 
sten lehret  nna  die  Beobaehlnngi  dafs  manche  Menschen,  diente 
Ansschlag  gehabt,  in  einem  gewlnaen  Zeiträume  ihres  Lebens 
krinklicb  werden,  und  an  (Jewohlaein  von  mancherlei  Formen 
leiden,  hintennach  sich  wieder  erholen  nnd  recht  geannd  and  blK« 
bend  werden :  miihia  ist  kein  Grund  vorhanden ,  in  dem  erzBhl* 
len  Falle,  die  dem  von  selbst  geheilten  Ausaehlage  folgende  KrtnE- 
lichkeit  gradeza  dein  Verschwinden  des  Ansscblages  ZDznscfarei- 
ben;  wiewol  eben  so  wenig  Grund  vorbanden  ist,  einen  nrsacb- 
licben  Zosammenbang  zwischen  beiden  absuIXngnen.  Dreistea  Ab- 
sprechen in  solchen  wahrhaft  dunklen  Dingen  fSrdert  die  Fort- 
sehritie  der  Kunst  nicht;  ea  wird  wol  besser  sein,  wir  flberlat- 
seo  nnseren  NaobkommeD  auch  etwas  zu  beobachten  nnd  zu  nn- 
tersuchen. 

Von  den  aelt«oen  Krankbellen  der  Epidermia  habe  ich  eine 
vor  vierzig  Jahren,  nAmllch  die  Erisengung  eines  Homes  an  der 
inneren  Seile  dea  Schenkcia  beobacbtat.  Eine  alle  Nonne  balle 
ein  solche«  nnd  liefa  es  sich,  wenn  es  sie  bindwte,  von  Zeit  zn 
Zeit  nahe  an  der  Oberhant  abschneiden.  Ich  habe  «inen  Abschnitt 
der  Ejeltsanikeit  wegen  aufgehoben  und  es  im  Anfange  dieses  Jahr- 
bnndeHs  dem  Herren  Leder,  der  damahla  noch  Professor  in  Jörn 
war,  geschickt,  weil  ich' mich  aümlinl)  nicht  erinnerte,  in  seiner 
Sammlung  pafhalogiaeher  SdlenheiteD  ein  Menscheofaom  gesehen 
zu  haben.    S*  viel  iob  mir  jetzt  noch  das  Ding  vomfellen  kann, 


—    6M»    — 

war  n  zwiiebra  iwm  tkd  ini  Zoll  4u;,  aehwanbrasa  roo  Far- 
b«,  aoregelaiafiHg  ntod,  stwaa  gebogen ,  ond  mochte  nngaObr 
di«  Dicke  einer  ScfawBDenapale  habea.  —  Vor  KocKani  la«  ich 
im  ViHe»4Wtte  Babanptung :  aa  seiea  bis  jetzt  ein  and  siebaig  var- 
•ebiodene  Hornhilduagen  bei  Menacben  beobacbiet  und  baaehriebaD 
worden.  Ob  er  Recht  habe,  kann  ich  nicht  beunheUcn.  Sind 
ober  eia  ond  eiebzig  beachrieben ,  ao  aind  gewifs  iünf ,  oder  aecha- 
mahl  mehr  von  dea  Aeratea  beobachtet  worden;  denn  der  beob- 
Rchtanden,  nicht  achreibendan  Aerzte  gibt  ea  viel  nehr  in  dar 
Welt  als  der  achreibendan,  und  die  achreibendeD  werden  ana* 
acbliefaUefa  die  Homer  ntcbt  gaaeheb  haben.  ^ 

Jetzt  will  ich ,  da  ich  doch  einmah)  von  der  £pidertnis  rede, 
eine  mir  bia  jetzt  oaerklSrbare  Sache  erwibaen.  £a  liebem  ainn 
lieh  von  Zeit  zn  Zeit  Gaukler  im  Land«  bemin,  die  feich  mit 
rMhglahendeni  Eiaen  die  Haut  alraichan,  die  geechmelacnea  Blei 
angreifen ,  ohne  davon  verbrannl  zu  werden.  Dafa  dieae  Leol« 
«ich  mit  gewiaaen  Mitteln  die  Hant  baachmieren,  ist  wol  keinem 
Zweifel  unterworfen.  Wiasen  nao  die  Aerzie,  die  Scheidekünat- 
ler,  die  Naturforscher  selbige  Schutzmittel  gegen  das  Fenerf  — 
leb  habe  gedacht,  da  ich  einat  diese  Kanal  sah,  und  so  oft  ich 
di«  AaknodiguBg  aolcfaar  Vorsidlangan  in  der  Zeitung  Ina:  wen« 
die  Gelehrten  dieae  Fenerschotznultel  nicht  kennen ,  aa  ist  ea  wol 
«na  ewige  Schande,  dafs  herumziehende  Gaukler  mehr  von  den 
Heimlichkeiten  der  A'atnr  wiasen  als  die  Gelehrien;  wissen  dieae 
es  aber,  and  haben  aa  nach  ihrer  freisinnigen  Art  bekannt,  alao 
zom  Gemeingnte  gemacht,  ao  ist  es  noch  unbegreiflicher,  wie 
jene  Gaukler  nicht  blofa  in  kleiaea  SlSdten,  wo  sie  auf  die  Un- 
wissenheit der  Bewohner  rennen,  sondern  in  Grofa-  und  Haupt- 
städten ihre  Knast  als  eine  anergrüodliehe  Heimlichkeit  zeigen 
kftnnen.  Bis  jetzt  hat  mir  noch  niemand,  den  ich  daräber  ge- 
sprochen ,    diesen  Widerapmeb  gelöseL 

Feuerachutsmiitel  hat  man  schon  in  ganz  alter  Zeit  zu  ken- 
nen vorgegeben.  \a  At*  Alhertu»  JSiagnu»  Büchelehen  De  mtra- 
bilibu»  «MM  dl  findet  man  m  ehre  Zu  sammenaei  Zungen  solcher  Mit- 
tel. In  des  Mareiu  Aureliiu  Buch  Dt  tffieaei  medicina  iat 
aneb  die  Rede  davon ;  er  führet  mehre  Sdiriftsteller  an ,  die  an- 
geblich solche  Heimlichkeit  oflenbaret  haben,  als:  den  Thettphra- 
ttiu,  PÜMiu«  Fallopiu;  Jakoh  Weker,  Baptüt  ^V)r/g|  Das  ganze 
Gebeinnib  läuft,  mit  Abändemngan ,  auf  Alaun,  Sals,  Etweils, 
Fisefaleim  und  einige  Kräniersftfto  hinaus.  E^o  Ding  ist  mir  et- 
was seltsam  voigekoramen,  nämlich,  daüi  sowohl  Alber tti» 
Magnv,  als  Fallopiv  eine  Mischung  angeben,  in  der  Oper- 
ment  eniballeo  ist.  Da  Fallopiut  dieses  wahrscheinlich  vom  Al- 
berim  Magna»  hat,  so  will  ich  der  neagierigen  Leser  wegen  des 
Leisten    Rezept  abschreiben.     Ea  lautet  als«:     Qfumd»  meeipHur 


antHicum  rnhrum  et  mlumen  et  tenmtmr  tl  eönficnrntiir  cttM  Sutem 
tempervivae  et/e/le  tuuri,  et  limit  cum  eo  A«mo  mmau  two*,  deinde 
aecipitfemtm  ignitum,  mihi  comburit  iptum.  Eise  Weihüperaon,  die 
icb  eimt  selbit  sab,  akh  ihre  weilseo,  kernhaften  Arrae  mit  gl&- 
hcndeo  Eisen  Kreichen,  hnlte  licb  aber  baslimmt  weder  inil  Ochun- 
galle ,   noch  mit  Opernieot  gesalbet. 

Ich  habe  bis  jetzt  noch  Iceine  Versuche  mii  solcben  Reee|tteB 
angMtelll,  denn  ich  irane  ihnen  nicht  so  recht;  tollte  Ich  aber  ja 
eininahl  anf  den  Einfall  kommeD,  so  werde  ich  erst  eins  der  an- 
deren Alberliscben  Receple  auf  die  Probe  slellen,  %.  B.  das,  wel- 
ches den  Menseben  befShiget,  die  Sprache  der  V&gel  zu  Terale- 
ben,')  oder  ein  anderes,  welches  ihn  unsidiibar  macht.")  Be- 
währet sich  dann  dieses,  so  wage  icb  auch  neiae  Haut  daran  nnd 
veraucbe  die  Feuerschiitamiltel. 

Icb  komme  jetzt  auf  die  Schleimhaut  (Rete  Malpigkii),  mufa 
aber  leider  bekennen,  dufs  icb  kein  EigenmitI«!  darauf  weifs.  Es 
scheint  mir  selbst  zweifelhaft,  ob  manche  aichibare  Uebel  Krank- 
heiten der  Ober-,  oder  der  ScbleiwfaaNt  sind.  Nach  meiaem  Auge 
und  Fingergefnhle  zu  nrtheilen ,  mala  ich  glauben ,  dafs  die  ver- 
schiedenen Pockenarien,  manch«  Haatgsschwöre,'  das  Antoniuafeuer 
nod  der  Blaseoaaascblag  in  der  Schleimbaut  ihren  Hauptsita  haben, 
ohne  jedoch  durch  diese  Aeufseruug  behaupten  zu  wollen,  dals  je- 
ne Üebel  gerade  Urleiden  der  Schleimhaut  seien.  Die  FetechieD» 
VOR  deuen  icb  aber  an  einem  Bchicklicfaeren  Orte  ausführlicher  re- 
den werde,  haben  bestimmt  ihren  Sitz  in  der  Schleimhaut,  denn 
icb  habe  mehrmahls  bei  den  sogenannten  Morbo  haemorrhagic» 
maculonQ  bemerkt,  da&  die  Epidermis  so  locker  anf  der  Schleim- 
haut safs,  dafa  sie  bei  der  geringsten  Reibung,  oder  bei  dem  ge- 
ringsten Stofse  sich  von  der  Schleimhaut  ablös'le  und  dann  Blu- 
tungen entstanden. 

Jetzt  wollen  wir  von  der  Lederbaut  (CorittmJ  handeln  und  es 
fragt  sich  zuerst:  gibt  es  innerliche  Mittel,  welche  vorzugsweise 
direkt  heilend  auf  dieses  Organ  wirken!  loh  habe  leider  bis  jetzt, 
mit  vollkomiMier  Ueberzeugnng,  noch  keins  kennen  gelernt.  Die 
Alten ,    besonder«  die  ■chreibenden  scfaeideküiistlerischen  Geheu»- 


*)  Si  ri(  inltUi[tT«  tacet  aeium,  atiorfa  leeam  Juoi  taeiot  in  guinU  Ca- 
Ind.  NoT^^rit ,  el  tadt  in  queddtim  Mernm  cmm  eaniblti  fHOti  ai  ittmn- 
dum,  tl  ülam  b»»tiam ,  y*am  primo  inetnerit ,  dtftr  letum  md  rfMnm  irl 
pratpara  cni»  earde  valpil,  tt  ttatim  imtrlUget  vaesi  mt^km,  vrt  tmUmram, 
tl  »i  vi»  üt  oligul*  iiileltigat,  »tcitia  tum,  tl  tnliltigH  n'milfltr, 

")  In  nido  mptipat  ett  quidiim  lapii,  qui  ttt  dietriomtn  eohr»m,  deftr  ttcmm 
iptum,  tt  erit  iHviiibiHl.  —  Albert,  tdagnu*  de  tterttii  aiulit. 
rxm.  Dt  eirmt.  herb,  lapid.  et  amimalium.  Dt  a  ilril  «t  pla- 
nitit  rernn.  Dt  karit  ditram  et  moetium.  Dt  mirabiU^ft 
ntKHdi  tie.  Amttatiid.   1660.    pug.   190  aid  191. 

"■■■  - ---— ^^^-^ 


—    841     — 

ItKlB  nach  d«in  teehzehnl«n  Jahrbnodert  machen  grofsM  Aulhetien 
ron  riem  Spiers^lanxe ;  da  me  aber  im  Allgemeinen  ron  der  Haut 
reden,  and  damnler  Ober-,  Scbleim-,  Leder-  und  Fetthaut  ver- 
atahen,  ao  tat  daa,  was  sie  behaupten,  unbestimmt,  und  ich  babe 
nie  TOm  Spiefsglanxe  eine  solche  Wirkung  gesellen,  dafi  ich  ihn 
mit  Ueberxengung  als  Eigen  heil  mittel  eines  dieser  Organe  aner- 
kennen kannte.  Solcher  Mittel,  die  bedingongn weise  den  Schweifs 
befSrdern,  gibt  es  mehre  in  der  Aneneimitfellehre,  icb  kann  dies« 
aber  nicht  als  Hanthsilmitid  ansehen ,  so  wenig  als  ich  Laxir* 
mittel  als  Darmbeilmitiel  ansehen  kann.  Die  einsige  Snbstana, 
wel^a  ich  mit  einiger  Wa^raehainlichkeit  für  ein  Hauiheilmitiet 
halte,  ist  die  Peruanische  Rinde.  Ich  sage,  mit  einiger  Wahr- 
ftcheinlicbkeit,  denn  es  fehlet  wahrlich  noch  viel  daran,  dafs 
ich  mit  dieser  Sache  im  Keinen  wfire.  Der  Haoplgrond,  warum 
ich  die  Rinde  für  ein  Haotheilmttlel  halte,  ist  ihre  unbestrittene 
Heilbrafi  gegen  das  Weehaelfieber. 

Das  reine  Wechselfieber  (abgesehen  von  allen  möglichen  Ver- 
wickelungen) halle  ich  für  ein  Urleiden  des  Haotorgans.  *)  Diese 
Untersnchnng  hat  mich  schon  seit  dem  Jahre  1803,  seit  welchem 
die  Fieber  jfihrlich  mehr  oder  minder  hftufig  im  Sommer  herrsch- 
ten ,  beschfiftigei.  Ich  legte  es  nSmIich  darauf  an ,  das  Organ  zu 
entdecken,  welches  beim  Wechaelfieber  urerkrankt  ist,  bin  aber, 
wie  die  Leser  leicht  denken  können,  suweüen  in  grofse  TSnscbong 
verfallen,  besonders,  da  ich  früher  mir  manches,  hinsichtlich  des 
belebten  Menschenleibes  und  hinsichtlich  der  Heilwirkung  der  Ar- 
leneien,  minder  deutlich  dachte  als  jetst. 

Seit  icb  mich  zur  reinen  Erfahmngslehre  der  allen  Jalrocbe- 
miker  gehalten,  hat  aber  erst  meine  Untersuchung  einen,  wiewol 
schwachen  Werth  für  praktische  Aerzie  erhallen.  Indem  ich  ihnen 
jetzt  die  Gründe  für  die  Wahrscheinlichkeit  meiner  Meinung  aus- 
einander setr.e,  hoffe  ich  jedoch,  sie  werden  diese  Mitlheilang  ein- 
aig  als  eine  freandschaftüehe  Einiadnng  ansehen,  der  Sache  gründ- 
licher nachzudenken,  und  keinesweges  als  einen  Versocb,  ihnen 
einen  Wagesalz  als  nnbezweifelte  Wahrheit  aufzuschwatzen. 

Zuerst  habe  ich  nntersnebt,  ob  das  Wechaelfieber  eine  IV- 
aflMction  des  Gesamratorganismns  sei,  und  gefnndea,  dafs  es  nicht 
nnier  der  Heilgewalt  eines  der  drei  Uni veraal mittel  stehet,  kann 
es  also  auch  nicht  filr  eine  Ura^ktion  des  Gesammtoi^nismns 
halten.  Die  Tftuschung,  in  welefaa  matr  bei  einer  solchen  Dnier- 
snehnng  fallen  kaiin,  ist  folgende.  Das  Wechaelfieber  vermischt 
rieh  leicht  mit  dem  Morba  »tatiimario.  Ist  nnn  dieser  so  geartet, 
dafs   der   erkrankte  Gesammtorganisams   unter  der  Heilgewalt  des 

■)  DiMcn   Gedanken   werden   woL  pr  viel«  Praktiker  (ekabt   lnbeDg    ab   er   ia 
dar  literatsr  aa*BMprochM  Irt,  wt\b  Ich  Dicht.  )OqIc 


—    6«    — 

EiHM,  oder  des  Kupfen,  oder  dei  wSrfelichten  Sslpeten  liehet, 
so  liebet  man  la  mehrea  Fnllen  Wecliielfieber  dem  auf  die  tiatio- 
nSre  Krankheit  pasiendeo  Uaiversal mittel  weichen.  Ja,  waa  die 
Täuichnng  oocb  gräber  macht,  mao  wird  gewahr,  dafa  lolelw 
Weebielfieber,  welche  man  gleich  mit  der  lUnde  angegriffen,  in 
manchen  Fllllen  iheils  unvollkommen  nnlerdrückt  werden,  tbeils 
endloie  RiickfUlle  machen.  Gibt  man  hioiennach  dai  anf  den 
Marin»  tlalionärtut  paiiende  Mittel ,  lo  werden  lie  gründlicher 
geheilt,  nnd  das  Gefühl  von  Wohlbehagen,  welchea  der  Gesnnd- 
heil  eigen  iit,  tritt  wieder  ein. 

Hier  könnte  ein  Arzt,  dem  lein  beichrSnkter  Wirkangakreis 
nicht  erlaubt ,  viele  Fälle  mit  einander  zu  vergleichen ,  und  der 
keine  Geduld  hat,  mehrjährige  Erfahrungen  au  sammlen,  gor  leicht 
die  Meinung  aniiprecfaen,  dab  Eisen,  oder  Kupfer  dai  Weebiel- 
fieber heile.  Ei  ist  dieses  aber  nicht  wahr.  Im  Jahre  1832,  wo 
den  gansen  Winter  Krankheiten  geherrscht,  hei  denen  der  Gc- 
saromtorganiinius  unter  der  Heilgewalt  des  Eisens  stand,  und  wo 
im  Frühjahr  swei  Drittel  der  Wechielfieber  als  CoMtinuee  remil- 
ffnfei,  ohne  den  mindesten  Trost  oder  Schander  vor  den  einsei- 
nen Exaaerbationen  anfingen,  wich  ein  Theil  dieser  Fieber  dem 
Eisen,  ein  anderer  Theil  ging  bei  dem  Gebrauche  de«  Eiieng  in 
«inigen  Tagen  in  wirkliche  Intermilfeiu  über  und  roufile  mit  der 
Knde  geheilt  werden.  Ja  von  denen,  die  als  Ctmtinuae  remitten- 
te*  durch  Eisen  geheilt  waren ,  machte  der  gröfste  Theil  einen 
RSckfall,  trat  dabei  gleich  als  echte  lulermitlen»  auf  und  niulste 
durch  Rinde  geheilt  werden.  Im  Jahre  1831  habe  ich  das  NSm- 
liehe  vom  Kupfer  erlebt.  Die  Meinung,  dafs  Eisen  und  Kupfer 
das  Wechselfieber  heile,  beruhet  wabricbeinlich  auf  einer  solchen 
Tftuichung, 

loh  habe  aber  nicht  hiofa  in  den  angeführten  Jahren,  sondern 
auch  in  andern  viele  Venuche  darüber  gemacht ,  und  mich  voll- 
kommen von  dem  überzeuget,  was  ich  hier  sage.  Hinatchtlicb 
dei  wiirfelichten  Salpeters  wird  wol  das  Xftniliche  gellen;  ich  ha- 
be aber  hierüber  nicht  so  vielfache  Versuche  genmcbt,  weil  in 
solchen  sich  mir  die  günittge  Gelegenheit  nicht  dargeboten. 

Nachdem  ich  nnn  die  Ueberzeagung  gewonnen,  das  Wechsel- 
fieber sei  kein  Urleidea  des  Gesammtorgauiimns  ( dals  jeder  ein- 
zelne Anfall  eine  onverkennbar«  Affektion  des  Gesamuiorganismna 
•ei,  stelle  ich  nicht  in  Abrede,  es  ist  eine  ccnseniuelle),  so  war 
Jetzt  zu  utMersnchsn,  von  welchem  urergriffenen  Organe  jenes  con- 
tensuelle  Weehselleiden,  welches  die  Form  der  Intermitttiu  macht, 
abhänge.  Ich  bin  schon  früh,  za  einer  Zeit,  da  ich  von  den  alten 
acheidekünatleriicben  Geheimftrzlen  nnd  ihrem  Treiben  nicbti  mehr 
wufite,  all  wai  ich  vom  HSrensagea  hatte,  auf  den  Gedanken  ge- 
kommen ,    dals  die  Hant  das  urergriffene  Organ  sein  müsse ,    und 


—  543  — 
«war  aus  dem  Grunde,  weil  ich  üb,  <taft  bei  g^IeichmfifBig  war- 
mer Wiflerang  weil  weniger  Rfiokfölle  der  Fieber  vorkamen  ala 
bei  veränderlicher  Temperatur  der  Altnoaphäre.  Jedoch  mein  da- 
mahliger  Gedanke:  durch  zasammenziehende  Mitlel  (durch  Eisen- 
ritriol  oder  Terra  japonica)  auf  die  Haut  zn  wirken,  diese  da- 
durch minder  «mpfSnglicb  für  die  Einwirkung  der  aimospbiri sehen 
Verftadernngen  zu  machen,  und  so  den  RückHlllen  vorzubeugen, 
war  etwas  unverständig,  und  bekundet  meine  damabls  noch  nnge- 
hobeltan  Begrilfe  über  Organberührtbeil.  Dia  Fieber  waren  auch 
wirklich  so  gefSlIig  nicht,  ticb  meinen  albernen  Antcblägeo  zu 
fSgen, 

Da  ich  in  der  Folge  genauere  Bekanntschaft  mit  den  allen 
iatroc  he  mischen  Meistern  machte,  und  nach  ihrer  Ansicht  rerglei- 
cbende  Beobachtungen  über  verschiedene  Fieberarten  und  Fieber- 
forraen  anstellte,  sah  ich  erst  die  grofse  Schwierigkeit  ein,  io  die- 
ser Sache  etwas  zu  bestimmen,  was  nur  einen  hoben  Grad  von 
Wahrscheinlichkeit  hätte;  auf  volle  Gewifsheit  verzichtete  ich- 

Dafs  die  Binde  das  Wechselfieber  vertreibt,  ist  heut  zu  Tage 
eine  nnangefocblene  praktische  Wahrheit.  Nehmen  wir  nun  den 
Wagesalz  an,  dafs  sie  es  deshalb  vertreibt,  weil  sie  als  Eigen- 
faanibeilmiilel  das  erkrankte  Haulorgan  znm  Normalslande  zornck- 
führet,  so  bestehet  die  Schwierigkeil,  diesem  Satz*  einige  Wahr- 
scheinlichkeit zn  geben,  in  Folgendem. 

Die  Affektionen  aller  Organe,  und  zuweilen  die  bedenklich- 
•len,  Bnfsern  sich,  wie  ich  schon  im  Vorigen  gezeiget,  häufiger 
durch  eoasensuelle  Leiden  als  dorcb  solche,  welche  sich  an  dem 
urergriffenea  Organe  erkennen  lasten.  Vermöge  der  genauen,  von 
verständigen  Aerzien  nie  verkannten  Mitleidigkeil,  in  welcher  du 
an  sich  sehr  reizbare  Hautorgan  mit  allen  inneren  und  Kufseren  Or- 
ganen liehet,  wird  aber  die  Schwierigkeit,  das  Urleiden  des  Haut* 
Organs  als  solches  zu  erkennen,  unbereefaenhar  gesteigeH!  Um 
diese  Schwierigkeit  recht  anschaulich  zn  machen,  werde  ich  dia 
eonfensuellen  Affekiionen,  die  ich  selbst  beobachtet,  mit  kurzer 
Bemerkung  des  Seltenen  oder  Aufsergewdhnlicheo  durchgehen. 

Das  Organ ,  mit  welchem  die  Haut  im  nSchafen  Zusammen- 
hange stehet,  ist  das  Harnabaoudernde ;  man  siebet  also  auch  we- 
nig Wechselfieber,  bei  denen  die  Absonderung  des  Harnes  nicht 
Q)aalitate  oder  QuMHtiiate  abnorm  wäre,  und  in  gewissen  Jahren 
ist  die  Battchwasseraacht  eine  unacIteDe  Erseheioong  hei  Wecbsel- 
iehem.  Diese  Bauchwassersucht,  oder  Wassergeschwulst  der  Pft- 
fse,  die  sich  zu  neuen  Wechselfiebem  gesellet,  mnfs  man  nicht 
mit  der  verweebseln,  die  die  Folge  eingewurzaller  Fieber  ist;  letz- 
te hängt  gewöhnlich  von  allen  Leber-  oder  Milzleiden,  jene  von 
•inea  einfachen  consenauelleB  Nierenleiden  ib. 


-     644    — 

Muthein,  ächmeraen  in  diesen  sind  bei  VVechielfieberu 
nicht  teilen;  in  einem  Jahre  erscheinen  sie  alter  häufiger,  all  in 
dem  andern.  Am  hftn6g>ten  sab  ich  sie  im  Jahre  1829.  Dafi 
diese  Rbeumalisinen  als  consensuelle  Mnskelleiden  von  eioem  Uf- 
bantleiden  abhangen,  ist  deshalb  wahrseheinlich,  well  nicht  seben 
Ein  Fieberaorall  sie  veruriacfat,  und  ein  anderer  sie  wieder  eben 
■o  plSdlieb  vertreibt.  —  Das  Zittern  und  Schütteln  beira  Fieber- 
froste  ist  ebenfalls  eine  consensuelle  MuskelafTebiion.  In  jünge- 
ren Jahren  haha  ich  es  als  ein«  Folge  des  GefTihU  der  Kfilie  an- 
gesehen; da  ich  aber  eiost  einen  Kranken  beobachtete,  der  dns 
eigeuilicbe  heftige  Schuiieln  ohne  das  geringste  Gefühl  von  KKite 
halte,  so  begriff  ich  leicht ,  dafs  Kfilte  und  Zittern  sieb  nicht  wie 
Ursache  nnd  Wirkung  zu  einander  verhalten,  sqodern  dafs  Letztes' 
eine  eigene  Muskelaffektion  ist. 

Nervfnttikmme.  Auch  diese  siebet ,nian  oicbt  selten  con- 
sensufll  ergriffen.  Im  Jahre  1829  beobachtete  ich  sie  aber  bdi 
häufigsten.  Der  Hüftnerre  ond  der  fünfte  Gehirnnerve  werden 
laicht  ergriffen.  Ich  sah  schon  den  Gesichts -chmerz  beim  Fieber- 
paroxiHmns  bis  zu  Zuckungen  der  Extreiniifiien  gesteigert.  Auch 
von  diesen  Nervenschmerzen  gilt  das,  was  ich  eben  von  den  Mus- 
kelscfamerzen  gesagt  habe,  sie  erscheinen  bei  Einem  Fieberanfall, 
nnd  ein  anderer  treibt  sie  zuweilen  wieder  weg.  Geschiehet  Lett- 
les  nicht,  so  k&nnen  sie  als  consensuelle  Leiden  nur  durch  Hei- 
lang des  urergriffenen  Organs  vertrieben  werden. 

Dreien.  Auch  diese  werden  mweilen,  jedoch  seltener  als 
andre  Organe  ergriffen.  Ein  Fall  hat  es  mir  wahrscheinlich  ge- 
macht, dafs  das  Wechselfieber  Leuten,  die  verhärtete  Drüsen  in 
den  Lungen  haben,  verderblich  werden  k5nne.  Ein  Mann  hatte 
lange  Jahre  eine  kleine  unschmerzhafie  verhärtete  DrSse  von  der 
GrÖfoe  einer  granen  Erbse  in  der  Haut  des  Hodensackes  gehabt. 
Er  bekam  das  Wecbselfiefaer,  die  Drüse  enlzöodeie  sieb  beim  Pa- 
roxisiRns  nnd  ging  schnell  in  Eiterung  über. 

Geiehleehtitheile.  Diese  werden  ebenfalls  selten  eivrif- 
fen.  Der  weifie  Flufs  der  Weiber  hing  in  den  Fällen,  die  ich 
beobachtete,  nieht  geradezu  als  consensuelles  Leiden  vom  Heber 
ab,  sondern  von  älteren,  durch  das  Fieber  gMteigerten  Mila-  oder 
Leberleiden.  Einen  einiigen  Fall  beobachtete  ich,  in  welchem 
das  Fieber  den  gesunden  Hoden  eines  äliliohen  Mannes  consen- 
tnell,  aber  sehr  scbruerzhaft  ergriff.  Ob  Geschwulst,  Schmen  nnd 
Eolziindang  diese«  Organs  durch  einen  folgenden  Fieb«-anfall  wür- 
den gehoben  werden,  durfte  ich  Di(At  abwarten;  ich  nnterdrnt^to 
das  Fieber,  und  der  erkrankte  Hods  ging  ohne  andere  Hülfe  zam 
Normalstande  snruck. 

Äugt».  Die  eonsensuelle  Enlatindung  dieser  Organe  iatinm 
Glücke  der  geringeren  HenaeheoklasM  salleiwr  als  manche  andere 


—    Mä    — 

conMoanalla  UeM.  In  dan  KhlimmKeD  Fall»n  kann  aar  «Id* 
ruche  Unierdrüekang  dea  Fleben  das  Gmiickt  retten.  Ich  habe 
schon  beobschfet ,  dafs  xwei  Fieberanfaile  den  Kranken  des  Seh- 
lermögcns  so  beraubten,  dafs  er  nluht  einniabi  mehr  die  Umrisse 
grober  OegenstSode  erkennen  konnte. 

Geiim.  Dafs  dieaei  Oi^n  beim  WeohsrISeber  consensnell 
ergriffen  werde,  Ist  allbekannt.  Die  Fülle ,  in  denen  das  Gehirn 
gsr  nicbi  angegriffen  wird ,  gehören  schon  zn  den  aalsergewohn- 
lichen.  Schmeriioser  Schwindel  oder  Tniiinel,  Kopfichinene ,  Irr- 
sinn, Bewufst-  und  GefiihlloRigkeii ,  alles  in  rerscfaiedenen  Gr»< 
den,  sind  die  Formen,  unter  denen  sich  bekanntlich  das  Gehirn- 
leiden  offenbaret. 

Rückenmark.  Dafs  ancb  dieses  Organ  consensnell  ergrif- 
fen sei,  daran  kann  niemand  zweifeln,  der  je  die  Klagen  mancher 
Kranken  über  die  Schmersen  des  Rfiekgrathes ,  durch  welcbe  fast 
der  Kopfsohmers  rerdnnkelt  wird,  gehört  bat. 

Lunge.  CoBseniDelle  Hniten  sind  beim  Wecbaelfieber  gar 
nicht  Bellen,  im  Jahre  1832  erlebte  ich  den  einiigen  Fall,'  dafs 
ein  früher  ganx  Inagengesonder  Mann  beim  Wechtelfieber  ein  ech- 
tes Asthma  bekam,  so  dafs  er  beim  Paroxismus  su  ersticken  glaob- 
te,  aber  aufser  dem  Fieberanfalle  auch  noch  hörbar  dSmpfig  blieb. 
Utrrch  Heilang  dea  Fiebers  warde  dieses  Asthma  gehoben. 

Her%.  Die  eonsensuelle  ASektion  dieses  Organs,  die  eich 
durch  vermehrte  Bewegnag  ftnfswt,  ist  die  allgemeinste  beim  Weoh- 
selfieber.  Im  Jahre  1632  (welche«  reich  an  ongeregellen  Weeh- 
setfiebem  war)  beobachleie  ich  bei  einem  Knaben  den  Fall,  daf« 
ein  solches  Fieber  das  Hers  so  fnrehibar  angriff,  dafs  dieses,  wie 
bei  bedeiiiendein  Organfehler,  heftig  gegen  die  Rippen  klopfte, 
der  Kranke  empfindliche  Stiche  in  der  Bmst,  Scbmensen  in  der 
liaken  Schalter  und  im  linken  H^pocbondrio  halte,  und  der  linke 
Hode  krampf-  und  sehmer^aft  in  die  Höhe  gesogen  wurde.  Ue- 
berdies  konnte  er  nur  in  litiender  Slellnng  etwas  ruhen,  weil  das 
Liegen  das  furchlbare  Herstuben  vermehrte.  Bei  dieser  Anfre- 
gaog  des  Herzens  waren  dach  dessen  Bewegungen,  hinsichtlich 
der  Keihefolge  der  Schlüge,  regelmäfsig.  Der  Puls  der  Schleg- 
adern  eher  klein  als  grofa,  eher  schwach  eU  stark  lu  nennen.  Da 
ich  durch  die  Frfragung  nicht  ansmittelD  konnte,  ob  der  Knabe 
sohoa  früher  Spuren  des  Herzleidens  gebabtt  so  gab  ich  zar  Tor- 
eioht  elwBS  Digilalis.  Diese  leistete  aber  nicht  die  gewohnten 
Dienitie.  Ein  Prüparat  der  Rinde  brachte  allein  Siillsiand  in  die- 
ses Herzleiden  und  stellte  den  Jungen  wieder  her. 

MundhShlt.  Dafs  die  Menseben  Trockenheit  des  Mnndes 
und  Durst  beim  Wecbsetfiebei'  haben ,  ist  etwas  sehr  Gemeines. 
Man  ist  geneigt,  dieses  der  AfTektion  des  Gesaiumiorganisrnna  und 
der  dai'on   abbangenden  Hitze   zuzuschreiben.     Oa>  ial  aber  auch 


—    646    — 

wol  «in«  falsebe  Annafaiae,  denn  wire  *i«  wdir,  so  nCCtf«  molb- 
veaiig  J«dea  Wecbaelfieber  mit  Durit  begleitet  ■ein.  Man  find«! 
.aber  eioEelne  Wechaelfieberkranke ,  die  weder  Trockenheit  des 
Muodes,  noch  Dural  haben.  loh  ■elbsl  wurde  zweiinahl  in  mei* 
Dem  Leben  Tom  Wecbaelfieber  ergriffen,  ohne  Trockenheit  d«» 
Mnndfls,   oder  Darat  beim  Anfalle  xu  spüren.  — 

Leber.  Diese  wird  bald  in  ihrer  inneren  Subslana,  bald  in 
im*  galleabaondernden  Organe  berührt ;  daher  Stiche  in  der  Seite, 
die  aich  bei  jedem  Fieberanfalle  verscbliinmeren,  gelbaücblige  Zu- 
Mle,  oder  überraKfuige.Gallenabsonderung  mit  mehr  oder  minder 
veränderter  Beachafieohflit  der  Galle. 

Milx.  Diese  wird  zwar  nicht  so  faBufig  conaensuell  ergriffen 
ah  die  Leber,  aber  doch  in  gewiaaen  Jahren  xu  hjiufig,  ala  dafa 
man  diese  coosenauelle  Affektion  gerade  «i  deo  aelienen  xfthlan 
könnte.  Die  Milxleiden,  die  man  zuweilen  ala  Begleiter  einge- 
wurzelter Wecbaelfieber  findet,  sind  wol  meistens  vorfieberige, 
durch  das  Fieber  also  nicht  conaensuell  erieugt«,  sondern  blofa 
geaiei^erte  Leiden. 

Magen,  Dieses  Organ  wird  gar  häufig  consensnell  ergrif- 
fen. Daher  ein  anhaltend  schmerzhaftes,  oder  spannendea  Gefühl 
in  der  Magengegend,  welches  hei  jedem  Fieberparoxismus  sich 
mehrt  und  beim  Nachlasse  sich  niiDderi;  oder  ein  eigenes,  vor  dem 
Paroxismua  sich  aufaerndes  Gefühl  von  Leere  und  Hinfälligkeit  im 
Epigastrio,  welches  beim  Ausbruche  des  Paroxisnias  verschwinde); 
oder  das  gewöhnliche  Erbrechen  beim  Fieberanfalle;  oder  endlich 
anhaltendes  Erbrechen,  so  dafs  die  Leute  auch  während  der  guten 
Zeit  keinen  Schluck  Wasser  im  Magen  behalten  können. 

Därme,  Diese  werden  anch,  jedoch  seltener  als  der  Ma- 
gen, conaensuell  ergriffen.  Bei  Kindern  und  andern  reizbaren 
Körpern  ttufaert  aich  dieaes  Ergriffensein  durch  B au chacb merzen, 
aeliner  durch  mäfsigen  Durchlauf.  Den  eigentlichen  stürmiscbeo 
Durchfall,  der  sich  hei  jedem  Fieberparoxismus  einstellt,  habe  ich 
nur  zweimaht  in  meinem  Lehen  beobachtet.  In  diesen  Fällen  wur- 
den aber  die  Kranken  so  unglaublich  erschSpfi ,  dafs  kein  Arsi, 
weder  der  kiügale,  noch  der  dümmste,  würde  Anaiand  genommen 
Imben,  der  Wiederkehr  dea  Fieberanfallea  vonubeugen. 

Wenn  wir  nun  alle  diese  Zufölle,  die  bäofiger  oder  seltener 
das  Wechselfieber  begl<>iten,  betrachten,  so  werden  wir  wol  achwer- 
liob  von  selbigen  anf  ein  (Jrergriffeosein  der  Haut  acbliefsen  kto- 
nian.  Es  fragt  sich  also  ferner:  beobachten  wir  krankhafte  Cr- 
acbeirmngen  an  der  Haut  selbst,  ans  welchen  wir  vielleicht  aiohe- 
rer  auf  ein  tJrleiden  dieaes  Organs  acbliefsen  könnten  t 

Wir  aehen  zuweilen,  jedoch  selten,  beim  Wecbaelfieber  eine 
entzündliche  Rölhe,  oder  eine  andere  Affektion  der  Epidermis,  die 
sich  dem  Auge  wie  weifse,  platte,  linsengrofse  Blasen  darstellel, 


—  «47  - 
w«l«he  im  firnnde  eher  idctu  Ljmphe  endultanda  Blaieo  ■ind« 
■ondarn  aur  scfaeinbare;  dean  lie  venchwiDden  wieder  bei  Besn- 
digniig  dn  FieberwirailM.  Aaa  didser  consenin eilen  Afielction  der 
Epidemiia  läfit  eich  aber  gar  übel  auf  ein  Urleiden  der  Haut 
MhlieÜMD,  denn  eolche  AiiMchlSge  findet  man  aacb  suweilea  bei 
Baucbfiebem. 

Wir  Mben  beim  regelmftfiigen  Wechselfieber,  dafi  Jeder  Pas- 
oxiamus  sair  Kälte,  cnni  weniggten  mit  Schänder  aafUngt  und  mit 
Schweifs  endiget.  Ja  wir  aeben  nicht  leiten,  dafa  beim  Abxuge 
der  Wecbaelfiflber  die  Menacbea  einen  mehnigigen  anhaltenden 
Schweifa  haben,  so  dafa  aie  nicht  blofa  im  Bette,  aondern  au«^ 
aufserbalb  deaaelben  lehwitseo.  Da  nun  aber  nicht  aelien  bei 
Langeneilernng  periodiacfa  wiederkehrende  Kille  oder  Schauder 
Statt  findet,  eben  so  im  zweiten  Zeiträume,  auch  wol  im  ersten 
mancher  gastrischen  Fieber;  wir  aber  weder  dieae  Wechselkähe 
aioem  Urleiden  des  Hautorgaoa  anschreiben,  noch  mit  der  Rinde 
bemeistern  können,  im  Gegentheil  das  Urühel  in  der  Lnnge  oder 
Leber  dadurch  schlimmer  machen;  so  würde  eine  grofae  Unerfah- 
renbeit  daau  gehören,  wenn  wir  von  der  Kälte  und  dem  Schwei- 
fae  gulgifiubig  auf  eine  UraOekiion  dea  Hantorgana  acbliefsen 
wollten. 

Stände  der  Sau  feat,    dafs   die  Rinde    ein  apezifischea  Hant- 
heilmitlel  sei,  ao  köanien  wir  von  ihrer  Heilwirkung  beim  Wech- 
aelfieber  acbliefaeo,  dafa  diesem  ein  Urleiden  des  Haatorgans  sam 
Grunde  läge,     und  dafs  alle  Irrungen  anderer  Organe  als  eonsen- 
auelle  von  jenem  Urleiden  abhiogen.     Bei  dem  jeisigen  Zualand« 
unserer  Crkennlnifs  handelt  es  sich  aber  darum,  beide  Sätze:  das 
Wechselfieber  ist  ein  Urletden  dea  Hanlorgans,  und  den :  die  Rin- 
de  ist   ein   spexifiscbea  Haalbeilmiitel,   su   beweisent     Diesen  di- 
rekten Doppel  beweis  sa  geben,  iat  bar  unmSglicb.     Er  würde  sich, 
in  nackter  Svhlufsform  dargestellt,  also  ausnehmen: 
Die  Rinde  ist  ein  spezifisches  Hauiheilmillel. 
Die  Rinde  heilt  das  Wechselfieber  : 
Also  ist  das  Wechselfieber  eine  Krankheil  der  Haut. 
Wollte  man  nns  nnn  heifsen  den  Oberaatx  beweisen,  so  tnüfs^ 
icn   wir  den  Schlufssalz   wieder   sum  Oberaatz   machen   und    also 
sprechen : 

Das  Wechaelfieber  ist  eine  Krankheit  der  Haut. 
Die  Rinde  heilt  das  Wechselfieber: 
Also  ist  die  Rinde  ein  llaniheilmittel. 
Sfl  ungeheuer  albern   nun  eine   solche  Kreisbeweiaführung  in 
nackter  Schlufsform  dargestellt  auch  lauten  mag,  ao  kann  man  ihr 
doch   durch   weites  Au  sein  and  erstellen   der  einzelnen  Schlufsaäize, 
durch  Einschalten  eine«   ungehörigen,    breit    anagesponoenen  Ge- 


-    648    — 

uhwatEM,  Zitina  und  Kritisiran  fieiiider  McianagaD,  ood  danh 
andr«  KäDif*  g«lehr(er  Faxeomadierei  eineo  Anstrich  von  Gniod- 
lichkeit  ^eben,  durch  welchan  ein  schwacher  oder  irSger  Yeralaiid 
berückt  wird.  Wenn  gleich  der  Versiand  der  Aerale  aller  Zeil 
(wie  ich  ia  einem  der  folgenden  Kapitel  zeigen  werde)  bei  einer 
anderen  Gelegenheit  sich  in  einem  Bolcben  Kreise  faenirngetrie- 
ben,  nnd  selbst  folgende  Gesohlechter  ihnen  gofglSabig  nachge- 
wirbelt haben;  wenn  gleich  bei  meiner  Lebzeit  manche  gelehrt, 
oder  philoiophiach  sein  sollende  Abhandlung  djen  gesunden  schlieh* 
ten  Versland  der  Praktiker  in  einem  solchen  verBteekleo  syliogi- 
stisehen  Drillhaose  bearbeitet  hat,  damit  er  im  Schwindel  dunkel 
die  unbegreifiicbe  Weisbeil  des  Verhssers  demöibig  verehren  mdch- 
le :  so  will  icb  doch,  da  dieses  Bocfa  keine  dialektische  Fechtsehw- 
le  ist,  die  Leser  nicht  mit  solchen  Thorhaiten  unterhalten.  Wir 
wollen  nns  vielmehr  deutlich  denken,  dafs  in  der  besprochenen 
Sache  die  praktiscli«  Untersuchung  oder  Beweisführung  (beides  ist 
hier  gleichbedeuleod)  nur  wechselschlufsartig  sein  könne. 

Vorausgesetzt  die  ärstlich  praktische  Uebersengung ,  dafs  du 
Wecbiolfieher  kein  Urleiden  des  Gesammtorganisrnns  sei,  würde 
der  Abrifs  einer  solchen  Beweisfnbrung,  in  nackter  Schlufsform 
ausgedrückt,  also  lauten. 

Entweder  ist  das  Wechselfieber  ein  Urleiden  der  Haut,  oiler 

ein  Urleiden  eines  anderen  Organs; 
Nun  ist  es  weder  ein  Urleiden  der  Leber,    oder   der  Mils, 

oder  der  Nieren  u.  s.  w. ,  aus  den  praktischen  Gründen. 


Also  folgt,  dafs  es  eine  Krankheit  der  Haut  sein  müsse. 

Jeder  Leser  siebet  ohne  Nachdenken  ein,  dafs^  am  dieses 
Di/emma  überzeugend  xu  machen,  folgende  zwei  Dinge  erfodert 
wurden. 

Wir  müfsten  zuerst  alle  Organe  des  Menschenleibes  kennen. 
Die  kenne  ich  aber  nicht  alle;  manches  Organ,  welches  in  der 
Physiologie  als  Eins  zu  Buche  stehet,  wird  wo!  aus  mehren  be- 
stehen, von  deren  Bestimmung  sich  die  Gelehrten  noch  nichts  träu- 
men lassen. 

Ferner  müfsten  wir  auf  alle  Organe  nicht  hlofs  Eigenheilmit- 
tel, sondern  auch  .die  besten  kennen,  die  in  der  Natur  sind.  Die- 
ser Kenn  tnifs  kann  ich  mich  aber  wahrlich  nicht  rühmen;  ich  ken- 
ne vielmehr  auf  mehre  Organe  bis  jetzt  gar  keine  Eigenheilmit- 
lel,  und  von  denen,  die  ich  auf  mehre  Organe  kenne,  kann  ich 
auch  nicht  unbedingt  behaupten,  dafs  es  die  hosten  der  ganzen 
Natur  sind.  Da  ich  nun  in  dem  Satze;  entweder  ist  das 
Weehselfieber  ein«  Urhnu  tkrankhei  t,  oder  die  ei- 
ne« anderen  Organe«  das  zweite  Glied  des  Satzes  nicht  &ber- 


—    «49    — 

laufend  verneinen  kann,  «o  kann  ich  auch  daa  erala  Glied  nicht 
uhoneugflnd  bejahen.  ' 

Wenn  ich  aber,  bei  dem  jetzigen  Stande  meines  Wisaena,  auf 
eine  vollkommene  veratandhaffe  Beweisfühniiig  verzichte,  so  sehe 
ich  doch  ein,  dafa  alle  praktische  Uniersachung  über  diesen  Ge- 
genstand nur  Wechsel  ach  Inf  sau  ig  lein  kSnne. 

Ich  habe  nun  aeil  einer  Reihe  von  Jahren  die  mir  bekannten 
Eigenheilmittei  anf  alle  mir  bekannte  Organe  versucht ,  sie  aber 
luf  Heilung  des  Wechselfiebers  iinEiireichend  befunden;  dadurch 
ist  mir  der  uiedizlfliachpraktiacbe  Glaube  geworden ,  dafs  das 
Weebielfieber  von  einem  Urleiden  des  Hauforgans  abhänge.  Die- 
aen  Glauben,  den  ich  von  einer  rerstnndhaften  Ueberzeugung  wohl 
unterscheide,  kann  ich  niemand  miltheilen,  jeder  kann  ihn  sich 
alwr  anf  dem  nSmIichen  Wege  prakiiachditemmnlischer  Uniersu' 
drang  erwerben.  Je  weiter  er  in  dieser  Unlersucbirng  forlachrei- 
let,  das  heifsi,  ron  je  mehr  Organen  er  sich  liber/.engf,  dafs  in 
ihrer  Afiektioa  nicht  der  Uigrnnd  dea  Wechselfiebers  stecke,  um 
ao  mehr  wird  er  meinen  Glauben  (heilen.  Jn,  wer  weiter  in  Hei- 
lung der  Organberfibrlheiten  kommt  nts  ich  bis  jetzt  gekommen 
bin,  und  als  ich  in  Betracht  meines  Alters  kommen  kann,  dessen 
|Hiik.tiBcher  Glaube  wird  noch  stärkw  werden  als  der  meine  bis 
jetzt  ist,  voranigeseizt ,  dafs  er  nicht  Eigenheilmittei  anf  solche 
Organe  entdecke,  auf  welche  ich  keine  weif^i  und  dafs  er  nicht 
in  einem  dieser  Organe  den  Grnnd  dea  Wechselfiebers  finde.  Dafs 
ich  jetit,  binaicfatlich  meiner  Versuche,  nicht  ins  Einxelne  gehe, 
nnd  die  Teraeinenden  Ergebnisse  ausfilhrllch  beschreibe,  werden 
die  Leser  wol  nicht  tadeln ,  in  ErwHgung,  dafs  ich  den  Gebmuch 
aller  mir  bekannten  Elgenheilmiliel  anf  die  einzelnen  Organe  ans- 
fihrlieh  nach  meinem  besten  Wissen  beschrieben  habe. 

Gegen  einen  Vorwurf,  den  mir  mancher  gewiasenbafl«  Leser 
maehen  könnte,  mufs  ich  mich  aber  noch  zu  schützen  suchen.  Ea 
kannte  nSinlich  jemand  sagen;  ich  habe,  da  ich  doch  die  Rinde 
als  Heilmittel  des  Wechseltiebers  gekannt,  statt  den  Kranken  durch 
aelbige  bald  zu  seiner  Gesundheit  zn  verhelfen,  als  neugieingcr 
Versochmarher  muthwilUg  mit  seinem  Leibe  und  mit  seiner  Bör- 
■e  gefcpielt.  Den  Unerfahrenen  (denn  nur  diese  kiinnlcn  mir  den 
Vorwurf  machen)  bemerke  ich  darauf  Folgendes.  Hftlte  ich  mei- 
ne Versuche  in  einem,  oder  in  zwei  Jahren  gemacht,  ao  verdien- 
te ich  vielleicht  den  Vorwurf  der  niuihwilligen  Versuch  macherei. 
In  den  letzten  zwanzig  Jahren,  von  denen  sich  TOrznglich  meine 
Versuche  faerschreiben ,  haben  aber  grofslentheils  Organberühn- 
heiteo  als  Morbi  »tationarU  geherrscht.  Eine  solche  herrschende 
Organkrank  heil  verbindet  sich  gewöhnlich  mit  einem  Tbeile  der 
im  Sommer  vorkommenden  Wecbselfieber  und  macht  diese  unre- 
gelniSfsig,    ja  nicht  seilen  gefShrlich.     So  kann  nicht  blofs  l»nd- 


—    656    - 

glogige  Beiühnheit  der  Banchorgane,  sondern  avch  laixlgl^ig* 
Beröhnheil  der  Gehimorgane  sieb  mit  einem  geringeres  oder  grA- 
rxeren  Theile  der  im  Sommer  vorkorameoden  Wecluelfieber  ver- 
binden. Wer  auf  solche  Verbindung  nicht  acblel,  der  wird  maa- 
che  Ficberkrantw  wabrlich  übel  beratfaen-  Ich  habe  nicht  als  muifa- 
willixer  Experimentator,  sondern  als  gexwuBgener  auf  die  einzel- 
nen Organe  heilend  eingewirLt,  nnd  bei  snlchen  Verwickelungen 
.  bemerkt,  dab,  je  nachdem  das  durch  den  Morbu»  itatiamanut  be- 
riihne  Organ  zum  NormalslBode  icuriickkehrie ,  daa  ungeregelte 
Wechselfieber  zum  geregelten,  oder  vielmehr  die  Contixua  remit- 
tetu  zur  I»termitfen*  wurde.  In  den  Fällen,  ho  die  Contittna  ra- 
mittetu  durch  die  Heilung  des  von  der  stationären  Krankheit  be- 
rtihnen  Organs,  ohne  zur  InfermUleiu  zu  werden,  verschwand, 
erschien  gewi5hnlicb  ein  vierzehn  Tage  nachher  die  echte  Inttr- 
mi/Unt  als  Beeidiv.  Durch  diese  nnfreiwUligen  Versuche  ist  mir 
nicht  blofs  der  Glaube  geworden,  dafs  das  nrleideode  Organ  wa- 
der im  Bauche  noch  im  Gehirn  stecke,  sondern  ich  habe  auch  zu- 
gleich die  grofse,  aber  leichte  Tftuschung  erkannt,  in  welche  frä- 
her  manche  Aerzte,  hintichtlich  des  uiergriffenen  Organs,  gefallen 
sind. 

Wir  wollen  Jetzt  anf  einige  Beobachtnngen  achten ,  die  ieder 
beim  Wechselfieber  gemacht  hm,  oder  doch  machen  kann,  and 
die  una,  wo  nicht  gerade  auf  eine  Üraffektion  der  Haut,  doch  ge- 
wifs  auf  die  Uraffektion  irgend  eines  Organs  hinweisen. 

Die  Aerzle  haben  viel  von  verlarvlen  Wecbselfiebern  gespro- 
cben.  Daa  i^l,  meines  Erachten»,  ein  unsinniger  Ausdruck.  Das 
Won  Wechsalfieber  beseichnel  doch  blofs  eine  Form  von 
Krankheit,  oder  eine  gewisse  Gruppe  sinnlich  erkennbarer  Zufäl- 
le. Der  Ausdruck  F'ebrii  intermiflen*  larvata  heifat  also  in  ver- 
siAndlicbes  Deutsch  übersetzt:  ein  Wechselfieber,  welches  kein 
Wechselfieber  ist.  Wir  Aerzta  baben  die  üble  Gewohafaeit,  das, 
was  einfach  und  begreiflich,  jedem  verstehbar  könnte  anagedrü«^ 
werden,  in  solcfa  seliSHUie  roibwülsche  Spiache  zu  verstecken,  dufa 
ein  schlicht  versifindiger  Mann  uns  weit  eher  fTir  Xarreo  als  für 
kluge  Leute  halten  sollte.  Der  mit  solch  einem  seltsamen  Aus- 
drucke zu  verbindende  praktische  ßegriO',  das  heifat  der  Begritf, 
der  Einflufs  auf  unser  Heilung  bezweckendes  Handeln  baben  kann, 
ist  folgender. 

Es  erscheinen  theils  anhaltend  -  nachlassende  Fieber ,  ibeils 
Irrungen  einzelner  Organe,  welche  der  Rinde  eben  so  gut  wei- 
chen als  daa  Wechselfieber  in  seiner  gewöhnlichen  Form.  Nun, 
diese  auf  unbeslriitene  Beobachtung  sich  gründende'  Wahrheit  hät- 
te ja  die  Aerzte  schon  längst  anf  den  Gedanken  bringen  müssen, 
dafs  die  durch  das  Aussetzen  ( Intermiuio)  bedingte  Krankbetts- 
form ein  st^lechles  Merkmahl    abgebe,   aus   weldien  man  erken- 


—    Mt    — 

DMi  kösne,  ob  eia«  Krankheit  darch  die  lUnde  heilbar  sei,  i»Ia  nUo 
dieses  Heilverhaltnils ,  worin  die  Rinde  za  ^ar  mannichfacbgeatal- 
tetan  Uebeln-  Hebet,  auf  einetn  gani  andrem  Grund«  als  auf  einer 
■ogenanDteo  Fieber  vertreibenden  Kraft,  vielmehr  auf  Heilung  ir- 
gend eines  nrerkrankten  Organs  beruhen  müsse.  Ferner,  da  die 
Aerste  durch  Erfahmng  wufsten,  dafs  weil  nicht  alles,  was  nacb- 
läfst  oder  anssetzi,  nnier  der  Herlgewalt  der  Riode  stehet,  und  da 
sie  schon  längst  übeneagt  sein  mnfslen,  dafs  alle  sogenannten  To- 
niea,  Roboranlia  ßxa,  Adttringentia,  knrz,  solche  Mittel,  die  auf 
den  GesaniDitorganisnius  wirken,  die  in  einzelaea  Fftlleo  das  Fie- 
ber  unterdrücken  (wie  es  auch  andere  Mittel  thun,  die  wahrlich 
nicht  unter  jene  Kalegorieen  zu  reiben  sind),  hinsichtlich  der  si- 
cheren fieberver(reibend«n  Kraft  nicht  allein  der  Rinde  nicht  gletch- 
snstellen,  sondern  nicht  einmahl  zu  vergleichen  sind:  so  haue 
ihnen  dieses  Wissen  die  Uefaerseugung  geben  iHÜssen ,  dafs  die 
Rinde  nicht  durch  ihre  termeinilich  Ionische,  stärkende  Kraft  (die  ' 
ich  ihr  übrigens  nicht  abbrechen  will)  auf  den  Gesamiutorganis- 
inas ,  sondern  durch  eine  eigenihfimlicbe  Kraft  auf  irgend  ein  er- 
kranktes Organ  heilend  einwirke. 

Die  Form  des  Wechselfiebers  verschwindet  bekanntlich,  Dicht 
selten ,  sondern  häufig  von  selbst ,  ohne  dafs  dem  Kranken  das 
volle  Gefafal  der  Gesundheit  durch  solches  Verschwinden  würde. 
In  manchen  Ffillen  bringt  die  Natur  allein  die  Körpermaschine 
wieder  ins  alte  Gleis;  in  manchen  anderen  bleibt  ein  schleichen- 
der Krankheitssnstand  surück ,  der  in  alli-rlei  chronische  Krank- 
heitsformen  übergehen  kann,  als  in  WasBersucht,  Gelbsucht,  Lun- 
gensucht,  Raiicbschwindsucht  u.  s.  w.  £in  Arzt,  der  so  lange  und 
häufig  als  ich,  oder  noch  länger  und  häufiger  mit  Wecbselfiebern 
zu  thun  gehabt,  dem  wird  lelbsl  der  Name  Wecbaelfieber  zum 
E^el.  Es  iii  ihm  nämlich  der  Glaube  aufgedrungen,  dafs  das 
Wechseln  oder  Iniermittiren,  welches  das  Unterscheidende  dieser 
eigenartigen  Krankheit  sein  soll,  nur  Nebensache  sei*  und  dafs  die 
Haopisache  irgend  ein  urerkranktes  Organ  sein  müsse. 

Ein  Rückblick  auf  andere  FieberarLen  spricht  auch  fiir  diese 
Ansicht.  Alle  fieberhafte  Afi'ektionen  des  Gesamnitorgaoismus, 
wenn  sie  wirklich  Urleiden  desselben  sind,  nSbern  sich  mehr  der 
C9mti»ua,  alle  von  einer  Uraffeklion  eines  Orgeus  abhängende 
nähern  sieh  mehr  der  Intermillau ;  bei  jenen  sind  die  Nachlasse 
andentlich ,  bei  diesen  deutlich  in  die  Augen  fallend.  Die  tinler 
der  Form  des  akuten  Fiebers  sich  offenbarenden  Craffektionen  des 
Gesammtorganismus  machen,  wenn  sie  beendigt  sind,  nicht  blofs 
keine  Rückfälle,  sondern  sie  schntsen  selbst  den  Menschen,  ent- 
weder für  sein  ganzes  Lehen,  oder  Tür  eine  gewisse  Zeit  vor  glei- 
cher Krankheit.  So  sebäiaen  die  Pocken  auf  ein  ganzes  Men- 
tehenUben,  das  Petechienfiaber  auf  mehre  Jahre,   die  rothe  Ruhr 


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flum  w«i!g*teD  auf  iwei  Jahre.  Hiogegen  Ata  T«a  Uraficlutonrn 
der  Organe  abhängenden  Fieber  machen  nicht  allein  leiofat  RTick- 
fHlle,  ■oodern  ea  bleibt  auch  in  dem  urerltrantElen  Organe  norh 
lange  Zeil  eine  Kmpflinglichkeit  für  gleiche  Krankheit.  So  inn- 
cbcn  Gehirnfieber  nicht  blofa  Rtlclimfe,  sondern  das  Gehirn  bleilit 
Dooh  lange  fiir  gleiche  Krankheit  weit  empfänglicher  alt  ein  von 
dieser  Krankheit  noch  nie  ergriffenes;  dai  nftmliche  gilt  ?on  Lc- 
berfiebern.  Wenn  ich  nun  diese  Beobacfalnng,  die  jeder  Amt  ge- 
macht bat,  oder  doch,  wenn  er  aofinerkt,  machen  kann,  atif  Ah» 
Wechtelfieber  anwende,  m  mnfs  ich  ■choii  aua  der  Inicrmiaiiiun 
■elbii  und  am  der  Geneigtheit  an  Riiekfailen  schlicfsen ,  dala  e«, 
hIs  conienaiielle  Affeklioo  At*  Geaammiorgaoisnius ,  von  dem  Ur- 
leiden irgend  einea  Organa  abhänge. 

Lafit  ans  endlich  anf  die  ungeheure  Meng«  von  Mitteln  ach- 
ten, die  gegen  das  Wecbselfieber  empfoblea  aind.  Wir  wolleii 
solche  von  der  Unaahl  abaiehen,  die  offenbar  feindlich  den  Orga- 
nismus angreifen  ond  das  Fieber  anf  aniagonisiiscfae  Weise  ver- 
Ireiben,  als  Quecksilber,  Digitalis,  Arsenik,  BetUdoana  u.  s.  w., 
■o  bleibt  ans  noch  eine  solche  Menge  übrig,  welche  in  ihren  Wir- 
kungen, nach  schul  gerechter  Ansicht,  sich  so  eiugegengcseiat  sind, 
dafs  wir  geswiingen  werden,  dem  Gedanken  Ranm  ed  geben;  das 
Organ,  in  dessen  Ürergriffensein  die  Form  -des  Wechselfiebers  be- 
gründet ist,  könne  nur  ein  ausgezeichnet  reisbares  Organ  aeia, 
denn  sonst  wäre  es  bar  unmöglich,  dafs  aa  terschiedenanige-,  in 
ihrer  Wirkung  entgegen  gesetzte  Miliel  ein  und  das  nBmlieha  Er- 
gebnifs  herrorbringen  könnten,  das  Aufboren,  oder  das  VerJIndem, 
oder  das  Unterbrechen  der  Krankheitsform. 

Ja  nicht  blofs  Arzeneieti,  sondern  selbst  geistige  Einwirkun- 
gen können  sttweilen  das  nüniliche  Ei^ebnils  herbei fÜ hren ,  und 
xwar  nieht  nur  heftige  Aufregnagen ,  rIs  Zorn ,  Furcht ,  Schleck 
u.  s.  w.,  sondern  selbst  die  Befriedigung  eines  Gelnsie«,  daa  La^ 
gern  der  Gedanken  anf  Einen  Gegenstand,  der  Glaub«  an  eine 
sogennnnte  sympathetische  oder  magische  Heilung.  Was  den  er- 
sten Punkt  betrifft,  so  spricht  dafür  das  unter  dem  Yolke  bekann- 
te Abessen  des  Fiebers.  Man  hat  n&mltcb  beobachtet,  dafs,  wenn 
•in  Fieberkranker  ein  heftiges  Geinst  auf  eine  Speise  hat,  di«  Be- 
friedigung diesea  Gelnsiea  snwetlen  das  Fieber  vertreibt.  Was 
aber  das  Lagern  der  Gedanken  auf  Einen  Gegenstand  betrifft,  so 
habe  ich  zu  der  Zeit,  da  ich  noch  die  Riqde  nach  der  Sekeduim 
Romana  gab,  mehrmahls  gesehen,  dab  das  Fieber  ausblieb,  ebne 
dafs  der  Kranke  die  Anenei  genommen  hatte.  Bei  dieser  Heil- 
art  nach  der  Scheduta  BamoMa  iiiufs  nämliefa  Atr  Kranke  mit  dem 
Einnehmen  nicht  so  lange  warten,  bis  der  wirklidie  Frost  ein- 
tritt, sondern  er  inufe  genau  anf  die  dem  Froste  vorb  ergeh  ende« 
Spuren   des  kommendeu  Fiebers   achten,  als;     anf  Ziehen  in  den 


—    M3    — 

iäJiMlara  oder  im  Rück«n ,  Gfifanea  and  Kodere  leiu  Gefühle  det 
Dabeaden  Kfankwerdaas ,  aad  dann  das  iwei  Drachmen  Rind« 
«nihaliende  Trftnkchtn  anf  Ein  Mahl  TenDhlncken.  Dia  geapann- 
U  Aafmerkaamkeit  auf  die  ersten  Spuren  krankhaHer  Verilndenin- 
gcD,  die  da  kommen  eollien,  war  in  manchen  F&Uen  hinreieheDd, 
das  Fieber  *a  nnierdrilcken ,  und  einige  Kranke  aagien  mir  wol 
seheraweiie,  das  FläMfachen  mniee  eine  gar  krSfrige  Arzenei  ent- 
halten, denn  daa  Fieber  sei  blofa  durch  desies  Anblick  rerschwun- 
den.  —  Bei  den  aogenannlen  i^mpathetiaGheD  Heilungen  kann  man 
aacb  wol  aar  den  Glauben  des  Kranken  in  ADSchlag  bringen.  Ich 
habe  eiuiHahl  eiu  Wech^elfieber ,  und  zwar  nicht  ein  neues,  eon- 
dern  ein  altes,  mit  der  Rinde  vei^ebens  faekKinpfies,  ohne  es  selbst 
SU  wissen  oder  zu  wollen,  magisch  geheilt.  Kiner  meiner  Belgl- 
'scben  Amtsbrüder  bat  mir  nacbmahls  diese  Kur  foIg«n derma fsan 
aasgelegt.  Ein  Mann  aus  der  arbeitenden  Volksklasse  hat  lange 
das  Fieber,  mein  Kollege  kann  ihn  nicht  davon  befreien.  Da  er 
nun  gebürt,  ich  wisse  gut  mit  solchen  Fiebern  nmzngeheii,  sdiickt 
er  mir  den  Menschen,  tarn  meine  fieber vertreibende  Kunst  auf  die 
Probe  zu  stellen.  Von  dem  Kranken  war  ihm,  bei  dessen  Heim- 
kehr, folgender  Bericht  abgestattet,  leb  hsbe  nn  ihn  einige  Fra- 
gen gerichtet,  anter  andern  die:  ob  er  schon  viel  Arzenei  ge> 
bniUcbt.  Darauf  habe  ich  ihn  sietf  angesehen  und  zu  ihm  gesagt: 
er  solle  nur  in  Gottes  Namen  nach  Hause  gehen,  nnd  wenn  in 
vierzehn  Tagelt  das  Fieber  nicht  ron  selbst  ausbleibe,  könne  er 
wiederkommen.  —  Da  nun  innerhalb  acht  Tage  das  Fieber  aus- 
geblieben, war  mein  achtbarer  Amtzgenosse  fast  der  Meinung  des 
Kranken  geworden ,  dkfa  ich  durdi  Zauberkunst  das  Fieber  ver- 
ueiben  kSnne,  und  er  wünschte  diese  Kunst,  an  deren  Wirklich- 
keit er  bis  dahin  gezweifelt,  too  mir  sn  lernen. 

Das  Wahre  an  der  Sache  war  folgendes.  Dals  ich  den  Kran- 
ken besonders  starr  angesehen  haben  sollie,  hatte  er  sich  blols 
eingebildet.  Dafs  ich  ihn  ohne  Arzenei. nach  Hause  geschickit 
nitd  ihn  naeh  vierzehn  Tagen  wiederkommen  geheifsen,  war  wahr; 
■eh  hatte  es  deshalb  gethan,  wril  ich  eine«  von  aller  fremden  At^ 
zeaeiwirkung  freien  Kärper  haben  wollte..  DaCi  ich  ihn  aber  nut 
nnler  der  Bediaguag  wiederkommen  geheifsen,  wenn  das  Fieber 
oteht  TOR  selbst  ausbleibe,  grfladet  sieb  auf  die  Beobachtang,  dids 
bei  Fieberkranken,  welche  viele,  bittere,  zusammenziehende,  ge* 
wflnhafte,  oder  geiziige  Mittel  genommen,  einsig  und  allein  die 
VerUnderung,  welche  das  gXnzlicbe  und  plötzliefae  Entziehen  die- 
ser arxeneiiscfaen  Reize  im  Kflrper  verursacht,  zuweilen  hinreicht, 
da*.  Fieber  za  anterdriteken.  In  dem  gegenwftrtigen  Falle  war 
diese  Enlziehnng  nicht  in  Anschlag  zu  bringen,  denn,  wie  maia 
Kollege  versicherte,  hatte  er  dem  Kranken  nur  blels  die  Rinde 
^geben ,   und  da  zu  jener  Zeit ,    di»  logenanate  China  »eva  von 


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mandMii  gswUtenloMn  Apoihekwn  ffir  gate  Rinde  de«  Ktranken 
verkauft  wante,  so  kann  man  der. Entziehung  dieMi  nicktsRntxi- 
gen,  nnwirkuaiaen  Pulvers  (welchei  der  Kranke  h&chst  wahnohein- 
iich  bekpmnien)  nichr  dat  Ausbleiben  dea  Fiebere  Kaschreiben, 
aoodero  man  mifs  diesei  einzig  auf  Rechnung  der  geUligen  Ein- 
wirkung utKcn ,  snmahl,  da,  wie  mein  AmiKgenoase  mir  verai* 
cherte,  der  Kranke  gleich  bei  «einer  Heimkehr  des  Glanbens  ge- 
wesen,   dafa  ich  eine  magische  Heilung  mit 'ihm  Torgenommeo. 

Wo  ist  nna  ein  Organ  im  ganzen  Menschenleibe ,  das  hin- 
sichtlich seiner  Reixbarkeit  mit  dem  Haatoi^ane  glekhiasiellMi 
wirel  Ich  kenne  wahrlich  k«n  ander«s.  Nicht  blofs  heftige  Ge- 
rn üthsbewegungen  ,  sondern  bei  manchen  Körpern  seihst  ein  leiser 
Verstofs  gegen  gesellaGhafiliche  Herkömmlichkeit  bringt  Ja  eis« 
sichtbare  Verftnderung  in  der  Haut  herror,  welche  sich  bei  dem 
einen  durch  Räihe,  bei  dem  andern  durch  Blasse  des  Gesicht«« 
offenbareL  Bei  herrschenden  Krankheiten ,  diese  mögen  von  Luft- 
gifiien,  oder  anderen  nnhekannten  ScbAdlichkeiten  abhängen,  be- 
fördert in  pr&disponirten  Körpern  die  feindliche  Einwirkung,  wel- 
che die  Verfinderung  der  Lufttemperatur  im  Haotorgan  hervor- 
bringt, gar  leicht  den  Ausbruch  der  Krankheit.  Die  Aersle  be- 
haupten dieses  in  unserer  Zeit  Ton  der  Cholera,  von  der  Rnbr 
bat  man  es  IfingM  behauptet,  und  von  andern  bedenklichen  Krank- 
heiten hat  es  mich  ebenfalls  die  Beobachtung  gelehret. 

Welches  ist  nun  der  Grund,  dafs,  da  in  dem  Gegammiwi»- 
sen  unserer  Kunst  so  nngebeuer  viele  Mittel  als  Heilmittel  des 
.  Wecfaselfiebers  angegeben  werden,  diese  wo!  in  einseinen  FRlIen 
das  Fieber  iinterdrScken ,  aber  sich  im  Atigemeinen  nicht  als  si- 
chere HetIntiltel  bewähren?  Meines  Eracblens  hftngt  dieses  von 
den  eigenthnmlichen  Graden  der  Reixbarkeit  der  Haut  in  de«  ver- 
scliiedeneo  Körpern  ab.  Zwischen  blofser  aneneüscher  Einwir- 
kung auf  ein  erkranktes  Organ,  nnd  xwischen  heilender  ist  ein 
gar  grofaer  Unterschied.  Dnrch  hlofse  anieneiische  Einwirkung 
anf  ein  krankes  Organ  kann  man  die  von  dem  kranken  Organ 
abhängende  nosologische  Form  zuweilen  verändern ,  zuweilen  auf- 
beben, ohne  das  urerkrankte  Oi^an  zu  heilen.  So  kann  man  bei 
erkrankter  Leher  das  Gallenfieber  durch  ein  Breohmitld  wol  in 
Gelbsncht  verwandeln ,  bei  chronischer  Erkrankung  diese«  Organa 
oder  der  Milz,  die  Leibesveralopfung  durch  ein  Pnrgiruittel  in 
chronischen  Durchfall ;  aber  durch  diese  KrankbeiCsformvsrinde- 
rung  ist  die  Leber  oder  die  Milz  noch  lange  nicht  geheilet.  Ob 
man  durch  eine  solche  aneneiische  Einwirkung  die  nosologische 
Form  verSndert ,  hBngt  einzig  von  dem  Grnde  der  Reiiharkeit  de« 
iirerkrankten  Organs  ab.  Ein  Mittel,  welches  das  Wechselfieber 
bei  einem  Grade  der  Heilbarkeit  der  Haut  der  :=  10  ist,  vulreibl, 
wird  es  nicht  vertreiben ,  wenn  der  Grad  der  Reizbarkeit  =  5  ist. 


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Di*  naiitoii  nniichenn  FiebenNittel  OBterilrncken  blofa  die  döso- 
lo^scha  Form.  Id  manchen  FSlIea  bringt  dann  die  heilende  Ka- 
tar daa  nrerkrankie  Organ  nach  und  nach  zum  Normalsiiinde  zn- 
rüek,  in  vielen  Fallen  aber  bleiben  die  Leute  mit  einem  schlepp 
penden  Siechthume  behaftet.  Belehrend  in  dieser  Hinaicfai  ist  die 
Beobachtung,  die  ich  nicht  einzeln,  londern  bfiuGg  gemacht  ha- 
be, dafa  nfimlich  licb  im  Banche  mancher  Kranken  selbst  ein 
Fiebermittel  erxeugi,  welches,  hinsichtlicb  der  lieber  Ten  reiben  den 
Kraft,  anderen  aogenannten  FieEwrmiiieln  um  kein  Haar  nacbsle- 
het  (das  halfst,  es  nnierdrSckt  die  Fieberform,  ohne  die  Leolo 
geannd  au  machen).  Dieses  Fiebermiitel  ist:  eine  giite  Portion 
scharfer  Galle ,  welche  durch  Einwirkung  des  Fiebeni  auf  die  Le- 
ber erzeugt  ist.  Bei  einem  gewissen  Grade  der  Reizbarkeit  der 
Haut  ist  dieser  Gallenreis  auf  die  Därme  hinreichend,  die  Fieber-  ' 
form  nt  anlerdrSeken ;  aber  es  bleibt  Siechihum  zurück,  AlljShr- 
Iteh  kommen  Leute  Rath  bei  mir  su  suchen,  denen  die  Natur  anf 
die  angegebene  Weise  das  Fieber  gehoben.  Bei  den  meisten  kehrt 
du  Wechselfieber  in  gewöhnlicher  Form  wieder  zurBck,  sobald 
ieh  ihnen  dnr^  Natron  oder  Bilierealzerde  die  SHiire  im  Darmka- 
nale  neutralisirt  habe;  bei  andern  kehrt  die  Gesundheit  durch  diese 
Bebandlnng  nnd  durch  Heilung  des  galleabsondemden  Oi^ans  obn« 
Wiedererscb einen  des  Wechselfiebers  zurück. 

Dafs  das  psjchische  Fieberverlreiben  eben  so  nntiicher  ist  als 
daa  gemeine  ■rzeneiisohe ,  in  Einem  Falle  hilft  nnd  In  dreien  und 
vieren  nicht  hilft,  hingt  auch  wol  einzig  von  dem  Grade  der  Reiz- 
barkeit des  arerkrankten  Organs  (nach  meiner  Meinung  der  Haut) 
ab.  leb  habe  einmafal  versucht,  einem  kernbafien,  gesunden  Müd- 
^eo  ein  nenes  Weehselfieber  durch  psychische  Einwirkung  zu  ver- 
treiben. Ich  aage  aber  dabei,  daf»  iofa  gnt  mit  ibr  bekannt  war, 
sonst  würde  ich  es  für  umicbicklich  gehalten  haben,  des'psjchi- 
schen  Heilversaches  wegen  die  Rolle  des  Gauklers  zu  spielen. 
Auf  ihre  Bitte,  sie  bald  vOm  Fieber  lo  befreien,  erklärte  ich  ihr: 
iah  würde  ibr  das  Fieber  ganz  einfach  und  sieber  vertreiben ,  wenn 
sie  etwas  recht  Ahschenliches  verschlucken  kdnnie;  ee  sei  dieses 
■AnBoh  das  Knochenpulvsr  von  dem  Hirnsebadel  eines  Hingerich- 
teten ;  man  kSnne  es  nur  vom  Galgen  «der  Rade  holen.  Die  Jdng- 
fnn  schauderte  vor  Ekel;  naeb  einem  kleinen  Bedenken  erkiKrte 
sie  jedoch :  wenn  ich  gewifs  wisse ,  dafs  es  helfe ,  wolle  sie  sieh 
iberwieden,    ea  tu  nehme». 

leb  reichte  ihr  nun  vor  dem  Fi eberan falle ,  ebe  noch  eine 
Spnr  des  Unwohlseins  sieb  leiglo,  jedoch  so  nahe  VM  dem  An- 
CaUe,  dafs  bis  inr  Zeit  des  mmbmafelieben  Eintrittes  die  geistige 
Ciawirkiing  noch  nicht  konnte  verflogen  sein ,  einen  Skrupel  Kreb«- 
steiopolrer.  Sie  stutzte  ein  wenig,  ehe  sie  znm  Einnehmen  über- 
fing* si«  aefaandtrM,  «ndKoh  &ftle  m  eiaHMi  nnd  TencUockto 


-    »6    - 

wie  im  Anlaufa  daa  Galg«DpoIv«.  Sie  ward«  blafa  I 
Kampfe;  nber,  —  dint  Fieber,  weder  Galgen  noch  Bad  eoheaend, 
kam  aur  gehörigen  Zeil;  ich  macfate  ans  dem  pifebiaehen  Heil- 
veranche  einen  fTeundscbaft lieben  Sehers  and  vertrieb  daa  Fieber 
nach  hergebrachter  Wei«e. 

Daa  ist  nun  Blies ,  waa  icli  über  daa  urerkrankte  Organ  beim 
Wecbselfieber  iq  gagen  weifa.  Ich  bitte  aber  die  Leaer  nocfaniahia, 
das  Gesagte  einzig  al^  die  Miitheilung  einer  uQToIIendeien  prak- 
liacben  Untersuchung  und  nicht  als  das  Anfacbwatzen  einer  Hypo- 
theie  anzii  aeben. 

Jetzt  werde  ich  einige»,  was  mich  die  Beobaehtuog  beim 
Wecbaelficber  gelebrel,  und  was  für  praktische  Aerate  brauchbar 
■ein  kSDOle,   millheilen. 

Die  MeinuDg  unserer  Altvordero,  welche  aaob  noch  in  den 
K5pren  mancher  Aenie  nnserer  Tage  Anklang  findet,  war;  di« 
Leber  sei  der  Sirz  des  Wecbselfiebera.  Ich  aelbat  sah  hlofig, 
dafs  die  Leber  conaenauell  ergriffen  war,  dafs  durch  eine  krank- 
hafte GallenabsondernDg  der  Darmkanal  voll  scharfer  Stoffe  steckte, 
durch  deren  Heiz  die  reine  IntefmiaBioQ  nicht  selten  gestftret  uad 
das  Fieber  eher  RemitieHt  als  Intermittau  wnrde.  Wer  in  sol- 
chen Fallen  die  chemische  Schärfe  im  Darmkanale  nicht  neairjfi- 
airen  oder  aasleeren  wollte,  würde  allein  mit  der  Rinde,  in  wel- 
cher Form  er  sie  aacb  gehen  wollte ,  wenig  anarichlen.  Da  ich 
die  neulralisirenda  Methode  der  ausleerenden  voniehe,  so  weifs 
ich  recht  gut ,  dafa  man  mit  jener  eben  ao  leicht  nnd  noch  siche- 
rer xnm  Zwedte  kommt  als  mit  dieser.  Maa  mvb  abtt  di«  Ne- 
bensache nicht  aar  Haiiptaaebe  machen ,  nnd  wohl  badenkeo,  dab 
das  Fieber  selbst,  beim  jedesraahligen  Anfalle  eine  StStnng  in 
dem  Gallenorgane  hervorbringt,  nnd  dafa,  wenn  man  die  Baapb- 
sa«^«,  das  Fieber,  nicht  wegschaffet,  man  dnrch  bloEus  Ausle»- 
reo  oder  Neatralisireo  den  Stein  des  Sisypbns  wKlzt. 

bt  das  Leberleiden  blols  eine  leichte  consensuell«  Berährlheit 
der  GallengSnge,  so  kann  raan,  so  bald  die  im  Darmkanale  var- 
bandene  Schärfe  weggeachaBk  ist,  die  Rinde  gleich  geben.  Httn- 
fig  aber  ist  bei  gaslriacher  Coostiinlion  daa  Ldwrieidan  bedan- 
tender;  die  Genebtsfarbe  ist  gelb,  der  flam  in  der  fieberfraim 
Zeit  dunkel  gefärbt,  und  imEpigastrio  sind  spannende  oderscbmers- 
baft  stechende  Gefühle ,  welche  bei  dem  FiebertuifiBlU  Temefaren, 
beim  Aufhören  desselben  wol  nachlassen ,  aber  nie  ganz  verachwin- 
deA.  In  diaaan  Füllen  sorge  ich  dafiir,  dafs,  bevor  ich  das  Fie- 
ber vertreibe,  die  Leber  wieder  möglichst  sam  \orma1siande  zn- 
rüakgafahrt  werde.  Ueber  die  anzuwendenden  Mittel  l&fnt  siob  fm 
Allgemeinen  aiehta  bestimmen.  Mich  bat  die  Grfabrang  gelehret, 
dafs  ich  mit  den  Mitteln  am  sicberaien  snm  Zwecke  komm«,  die 
aof  im  hamcheoda  Lriiaräbal  des  Jahres  passen.    Aber  auch  hier 


—    6B7    — 

gibt  es  Auanhbmsii,  wiewol  ti»  Briten  und.  So  habe  ich  erlebt, 
cIrIs  in  einem  Jahre,  wo  die  Lebetbarührtheii  durch  die  Brech< 
mlk  Bofasell  und  aicher  lu  beaeitigen  war,  ich  bei  eiiuwIaeD  Fie- 
berkrattken  mil  der  Schellkraattiokiur  die  Leber  in  Ordnnng  hrin- 
g«o  mnfste,  weil  jenes  allgemein  wohlibfilige  iVliiicI  dieeen  ein-, 
letoen  niohl  hulf.  Daa  sind  aber,  wie  gesagt,  Ausnahmen  von 
der  Regel ;  im  Allgenrainen  kommt  man  am  aicheraten  zum  Zwecke, 
wenn  man  sieb-  nach  den  feinen  Schaltungen  der  epidemiachen 
KoQstituiioD  richtet. 

Das  Beate  ist  nun  wol,  man  lürst  die  Bauchmiilel  »o  lang« 
gebcBuehen,  bis  die  widrigen  tieTiihle  im  Epigastrio  aar  Zeit  das 
Fiebemacbtaasea  ganz  verscbwondeatindt  und  bis  der  Harn  auch 
ZU' dieser  freien  Zeit  die  Failie  d«s  vollkomraen  gesunden  half 
xiim  wenigsten  heilet  man  dann  das  Wechselfieber  am  letcbusieo 
«ad  sicbersten. 

Zuweilen  ist  nbier  diese  aidiere  Behandlung  in  ihrsM  gnnsen 
Umfange  aoanwendhar.  Bei  alten  Leberleiden,  die  duroh  das 
Wechse4fieber  aufgerührt  und  gesteigert  werden,  würde  atBin  den 
Kranken  einer  langweiligen' und  endlosen  Beltandluug  unterwerfen, 
Menn  man  mil  Unterdrückung  des  Fiebers  warten  wollte,  bis  das 
alte  Baiichleiden  gehoben  wfire.  Hier  mufs  nien  sich  darauf  be- 
ttcbrHnken,  den  ersten  Sturm,  den  das  Fieber  auf  die  Leber  ge- 
macht, durch  Hepatica  ku  beschworen,  dann  d«tvh  ein  Priparat 
der  Rinde  das  Fieber  wegachafien,  und  gleichzeitig,  und  hinten- 
tiHcb  die  Leber,    so  viel  es  sich  thun  läfsl,   in  Ordnung  bringen. 

VVeno  ich  aber  hier  von  der  Behandlung  der  Leberleiden  beim 
Wechaelfieber  rede,  so  will  ich  dadurch  wahrlich  nicht  andeuten, 
dafs  die  Leber  jederseit  beim  Weobselfieber  ho  ergriffen  wire, 
dats  man  a&tfaig  hätte,  besondere  Riioksichi  auf  selbige  zu  neh- 
men. Im  tiegeniheil ,  selbst  wenn  Leberaflfekiionen  landglingig 
sind,  nimmt  nicht  ein  Viertel  der  im  Sommer  Torkoannenden 
Wcchsclfieber  Theil  an  dem  landgttngtgen  Leberübel. 

Die  Beobaeblung  hat  uns  Aorzte  längst  gelefarei,  dafs  alle 
consensuelle  Leiden  der  Organe  sn  Urleiden  werden  können,  und 
dafs  in  solchen  Fällen  nieht  selten  das  Leiden  des  nnfSuglich  ur- 
ergriffenen  Organs  gant  verschwindet.  Auch  diese  Beobachtung 
habe  ich  beim  Wechselfieber  bestätiget  gefunden.  So  kann  die 
consensnelle  Leberaftektion  zum  Urleiden  dieses  Organs  werden, 
welches  sich  unter  der  nosologischen  Form  des  Galleofiebers ,  oder 
der  Gelbsneht  darstellet,  in  welchem  Falle  Am  Wecbselfieber  aus- 
bleibt. Auch  das  wniensuelle  Leiden  des  Magens,  welches  si^ 
beim  Pardxismns  durch  vorfib  ergehen  des  Erbrechen  ftnlsert,  kann 
zum  lit-leiden  des  Magens,  zum  anhaltenden  Erbrechen  werden. 
In  den  Falten,  die  iefa,  besonders  in  den  leisten  iabren  sab ,  und 
bei  denen  man  mieh  gerade  des  -  Erbrechens  wegen  ko  Hätf«  rief, 


«tillt»  ich  iHmm  dureh  aalnadreB  Kslk  und  iIm  Fieber  kehrte 
nicht  wieder.  Die  conaeniuetie  NlarenaffektioD,  welche  sich  durch 
trSben,  dankelf^effirbten  Harn  %u  erkennen  gibt,  kann  aach  gar  leicht 
Kum  Urleiden  dieser  Organe  werden,  und  sich  als  WaisersDebl 
darstellen,  in  welchem  Falle  häufig  dai  Wechselfieber  verschwindet. 
Diese  verschiedenen  Arten  des  Melasebemaiismas  können  ni«Ai 
leicht  bei  solchen  Kranken  stattfinden,  die  der  Ar«(  von  Anfange 
an  in  Behandlung  hat,  denn,  ist  er  klug,  so  wird  er  immer  ein 
wachsames  Auge  auf  die  consensuell  ergrifTenen  Organe  haben. 
Wir  finden  die  Krankhettsverietxnng  aber  leider  lu  viel  bei  sol- 
chen Menschen,  welche  gar  keine  oder  verkehrte  Araenei  gebraucht 
haben.  Ich  habe  bemerkt,  dafs  ich  in  diesen  Füllen  am  besten  fah- 
re, wenn  ich  das  Wecfaselfiebar  gani  vergesse  und  das  urerkraAk- 
te  Organ  gesand  mache.  Kehrt  Jenes  dann  nach  w ie derb ergesi  eil- 
ter  Gesundbeil  in  gewähnlicher  Form  sarCek ,  so  heile  ich  ea 
gründlicher  als  es  die  Nainr  oder  die  Unknnst  rrnbar  gebeilt  hatte. 
Es  kehrt  aber  bei  weitem  nicht  immer  luriick: 

W«nn  man  über  dl«  RGckfSlIigkait  der  Wechselfieber  spre- 
chen will,  so  Mehet  der  Erfabrangssaln  oben  an,  dafs  alle  Organ- 
berübnheiien  nicht  blors  leicht  RnckfXIle  machen,  sondern  dafs  in 
dan  wirklich  geheilten  Oi^nea  eine  Disposition  id  gleicher  Krank- 
heit noch  eine  lange  Zeit  naehher  bleibet,  nise  dab,  wenn  eine  sol- 
che Krankheit  landgSngig  ist,  diejenigen  Menschen  weit  eher  von 
ihr  berülirt  werden,  die  sie  schon  einmahl  gehabt,  als  andere,  wel- 
che sie  noch  nie  gehabt. 

Der  zweite  Gnrnd  der  Rückf^lligkeit  der  Wechselfieber  isi  in 
alten  Banchorgaßfehlem  r.u  suchen,  snd  diesen  ans  solchem  Grunde 
entstehenden  RückOlllen  ist  am  wenigsten  vorxubeugen,  wenn  ent- 
weder die  fiauchfehler  unserer  Kunst  unheilbar  sind,  oder  wenn  wir 
es  mit  Leuten  sa  (bun  haben ,  die ,  sobald  der  Fieberanfall  aus. 
bleibt,  die  Araenei,  deren  sie  hochbedürftig  sind^  bei  Seite  setaen. 

Der  dritte  Grund  der  RückfBlligkeit  liegt  in  der  wunderlichen 
Ansicht  nancher  Praktiker,  dafs  es  sich  nur  darum  bandle,  das 
Fieber  zu  vertreiben.  Wer  den  Menseben  als  gesund  ansiebet, 
sobald  der  Fieberanfall  ausbleibt,  dm  wird  oft  mit  Rückfällen,  oft 
mit  allerlei  Kränklichkeiten  zu  kämpfen  haben.  Das  Fieber  ist 
nichts  als  eine  Krankheitsform,  und  die  vermeintliche  Heilung  des- 
halb oft  weiter  nichts,  als  die  bewirkte  Veränderung  dieser  Form. 
Leider  ist  die  dem  Kranken  angekünstelte  neue  Krankbeitsform 
nicht  selten  weit  listiger  als  die  alte,  voranglich  Wassersucht, 
Hosten,  Gelbsucht,  schleichendes  Fieber,  and  er  ist  aaweilen  berz- 
Ikti  froh,  wenn  die  Krankheit  in  der  dun  Wechselfiebeiform 
wiederkehret  und  ihn  von  der  weit  listigeren  Afterfotm  erlöset. 

Diese  Beobachtung,  die  «ehr  alt  und  gemein  ikl,  hat  4er  Mei- 
nung unter  dem  Volke  Eingang  verschaffet,  dafs  die  n  frühe  Un- 


—    65»    — 

lerdrQckan^  des  '  Fiebers  solche  Kränklichkeit  benorbringe.  Ei 
Ut  aber  nicht  die  zu  frühe,  sondern  die  nnTollkommne  Heilang 
der  Krankheit,  das  blofse  Formvert reiben,  was  man  besehnldigen 
mata.  Gebet  man  von  dem  Satse  aas,  dafs  man  es  mit  einem  ar- 
erkrankten  Organe  zti  ihun  hat,  und  dafi  wirkliches,  vollkommenea 
Heilen  nur  roUkoininnea  Heilen  des  urergriffenen  Organs ,  nicht 
blofs  Unterdrücken  der  periodiacfaen  consensuelten  Aufgeregtheit 
des  Gesammtorganismus  sein  müsse,  so  wird  man  einsehen,  dafs 
ea  nns  an  Zeichen  fehlet,  ans  welchen  wir  das  vollkommne  Ge- 
lieiltsein  eikiankier  Organe  mit  Sicherbeil  erkennen  können,  und 
dafs  wir  nur  durch  lang  fottgesetsten  Gebrauch  des  Eigenheilmil- 
tds  die  Wahrscheinlichkeit  des  rollkommenen  Geheiltseins  erlan- 
gen k3nnen.  Ob  aber  auch  in  diesem  Falle  die  Geneigtheit  rat 
tdbigen  Krankheit  in  dem  geheilten  Organe  gaox  getilgt  sei,  kön- 
nen wir  dennoch  nicht  wissen. 

leb  bin  der  Meinung,  dafs  nimmer  in  der  Medirin  ein  Mittel 
wird  entdeckt  werden,  welches  den  Riickföllen  der  Wecbselfieber 
ganz  rorbenget.  Von  Zeit  sn  Zeit  werden  Aerzte  auftreten,  die 
sich  solcher  Erfindung  rühmen ;  di«  Folgezeit  wird  aber  immer 
lehren,  dafs  sie  sich  getäuscht  haben.  Meine  Vorfaersagnng  grün- 
de icb  einzig  auf  den  Wagesalz:  dafs  das,  Wechselfieber  als  con- 
sensnelles  Ergriffensein  des  Gesammtorganismus  von  einem  Urlei- 
den des  Hantorgans  abhänge.  Sobald  man  nämlich  diesen,  frei- 
lich noch  nnbewiesenen  Salz  als  wahr  annimmt,  kann  man  nicht 
wol  glauben,  dafs  ein  Organ,  welches  den  Einwirkungen  der  at- 
mospbftrischen  Temperaturverinderungen  so  sehr  und  so  nnmiltet- 
bar  ausgesetzt  ist  als  die  Haut,  Je  bei  verinderlicher  Witterung 
(auch  gründlich  geheilt)  vollkommen  vor  RückfSlIen  wird  cu  scbilz- 
zen  sein;  so  lange  nämlich  jenes  unbekannte  Feindliche,  welches 
die  Wechselfieber  landgängig  macht,  auf  den  Menschen  einwirkt. 
Hftrt  dieses  auf  zu  wirken,  so  kann  die  Veränderlichkeit  der  At- 
mosphäre allein  keine  Rückfälle  dar  Fieber  machen;  aber  unter 
jener  Bedingung  veranlafst  sie  dieselben,  wie  sie  anch  unter  ähn- 
lichen Bedingnngen  manche  andere  Krankheilen  veranlafst. 

Das  Schlagwechsel fieber  habe  icb  mehrroahls  beobachtet,  Je- 
doch meistens  in  den  letzten  sehn  Jahren.  Bestimmt  erinnere  icb 
mich,  dafs  ich  im  Jahre  1816  erst  zwei  Fälle  der  Art  gesehen 
hatte.  Alle  die  Kranken,  welche  ich  später  gesehen,  und  deren 
Körperbesch äffen heit  icb  entweder  kannt«,  oder  durch  die  Aussage 
ihrer  Freunde  kennen  lernte,  waren  mit  alten  Bauchfeblern  be- 
haftet. Den  Zusammenhang  swischen  solchen  alten  Banchleiden 
und  der  apoplekliachen  Gebirnaffeklion  sehe  ich  zwar  nicht  recht 
deutHch  ein ,  so  viel  weifs  ich  aber  wol ,  dafs  anch  ohne  Wech- 
selfieber  Steinsrichtige  und  an  aller  Leberversiopfung  Leidende 
vom  Schlage  zuweilen  berührt  werden. 


-    660    — 

Wiibrscheinlich  die  Neigung  d*r  Aeraie,  rIIm  iheoreliach  zu 
•Tkifiren,  imd  zugleich  der  seluama,  rohe  Begriff,  all  ob  der 
Schlag  von  einer  Anhäufung  dea  Blütea  im  Gehirn  entefehe ,  bm 
dem  Vorgeben  Eingang  vericbafft,  AwSa  bei  dem  Schlagwecbsel- 
fieb«r  die  Kranken  io  dem  Zeiiraume  des  Frosiea  sterben  mnfs- 
len.  In  unserer  Zeit  ist  diesem  Vorgeben  mit  Recht  widerapro- 
chen  worden,  auch  ich  mufa  ihm  widersprechen.'  Jedoch  dürfen 
wir  unseren  AllvorHern  nicht  unbedingt  die  Meinnng  aufbürden, 
als  ob  der  Kranke  jederseit  im  2eitraun|e  des  Frostes  sterbe. 
Saglivi  sagt:  Omnei  fn'  extinguuntnr  fehre  ahqua  inlermiHeUte, 
circa  initium  paroxytmi  marittntur ,  raro  autem  tu  augmeitto, 
atatu  et  declinatioiu.  Da«  Selten  oder  Nichtselt en  hängt 
TMi  der  eigenihiiinlicben  Erfahrung  des  Anies  und  von  der  Zeit 
ab,  in  der  er  sie  gemnehl.  Ich  habe  allerdings  wol  ein  paar- 
mahl erlebt)  dafs  der  Kranke  im  Zeiträume  des  Froalea  apoplek- 
lisch  wurde ;  die  meialen  die  ich  aber  geaehen ,  wurden  es  erst 
bei  der  Hitae,  ja  ich  sah  deren,  bei  denen  der  Fieberanfall  ohne 
Frost,  oder  mit  uobedeaiendein  erschien,  die  bei  der  Höbe  der 
Hilie  beitnnangsloi,  und  beim  Auabruche  dea  allgemeinen  war- 
men Schweifsea  erat  tÖdtlich  im  Gehirn  ergriffen  wurden. 

Das  Gehirnleiden  ist  auch  hitisichllich  aeinea  Grades  so  ver- 
schieden, dafs  der,  der  diesen  Zustand  nur  ein  oder  ein  )iaar- 
inahl  gesehen,  ihn  gemächlicher  beschreiben  kann,  als  der,  wel- 
ober  ihn  oft  gesehen.  Zwischen  der  gans  gewSfanlichen  cunsen- 
soellen  Gehirnaffeklion ,  die  sich  beim  Paroxismus  durch  Irrere- 
den äulseri,  und  der  apoplektischen ,  bei  der  der  Kranke  gans 
gefuhl-  und  besinnungslos  mit  röchelndem  Athemzuge  dalieget, 
gibt  es  gar  viele  Abstufungen,  so  dafs  ich  selbst  etnmahl  hei  ei- 
nem Manne,  zweifelhaft,  was  ich  aus  dem  seltsamen  Zustande 
machen  sollte,  auf  dem  Punkte  war,  ihm,  dem  kaiholiacben  Kri- 
ateu,  die  letzte  Oelung  geben  »u  lassen..  Bei  ihm  äufserte  sich 
aänilich  die  Gehirnaffektion  bei  der  eintretenden  Hitze  anfänglich 
als  ganz  gewöhnliches  Irrereden,  aber  zwölf  Stunden  nach  dem 
ersten  Eintritte  des  Fiebers  lag  er  im  heftigen  Scfaweifse  ganz  be- 
sinnnngalöa,  und  war  selbst  unfähig  zu  schlucken.  Es  wies  sich 
hiotennacb  aus,  dafs  ein  ungewöhnlich  langer,  über  vierundzwan- 
zig  Stunden  anhallender  Fieheranfall  den  Spuk  gemacht.  Dafs 
ich  der  Rückkehr  dieses  etWBü  verdächtigen  Fiebers  vorbeugte, 
werden  die  Leser  wol  denken. 

Die  Febrit  intermittenM  apoplectica  convuitiva,  von  welcher 
Marlon  t  als  von  einer  eben  nicht  ganz  seltenen  Fiebarform  spricht, 
habe  ich  nnr  ein  einziges  Mahl  gesehen.  Die  Ftfrm  der  Krank- 
heit war  aber  wirklich  weit  näher  mit  der  Epilepsie  als  mit  der 
Apoplexie  verwandt.  Der  erste  Fieberanfall  war  ein  ganz  gewöhn- 
licher gewesen,   der  zweite,  au  welchem  ich  gerufen  wuHe,  war 


—    661     — 

Mm  epileptiMsbe ,  uod  der  tttdtete  auch  deu  allen  Braiintudiisüu- 
fer.  Die  ConvulBlooen  waren  aber,  besonders  in  den  Gliedma- 
iata,  ungeheuer  hefiig,  aad  wHhrten  bei  vier  und  zwanzig  Stun- 
den,   wo  dann  der  Tod  der  ekelbafien  $«ene  ein  Ende  inachle. 

Die  seltsamste  Gehtrnberühriheit  sab  ich  im  Jahre  1829  bei 
einetn  Landinanna  von  mittlen  Jahren.  Der  Anfall,  bei  dem  ich 
gerufen  wurde,  war  der  dritte  eines  andertftg igen  Fiebers.  Der 
erste  war  ein  gewShnlicher  gewesen,  der  EWeite  ein  solch  ban- 
ger ,  dtifs  man  den  Kranken  mit  den  Sakranienien  der  Sterbenden 
versehen,  der  dritte,  bei  dem  ich  gerufen  wurde,  war,  nach 
Amsage  der  Umalehendiin ,  dem  zweiten  Tollkommen  gleich.  Au- 
fser  einem  leisen  Aihemfaalen',  mäfsiger,  nicht  fieberhafter  WSr- 
■iie  und  einem  etwas  beschleunigten  PnUe,  der  biDStchilicb  seiner 
Vollbeit,  miilhmafsHch  von  dein  normalen  dieses  Körpers  wol 
wenig  verschieden  sein  mochte,  war  der  Kranke  wie  ein  lebloses 
Wesen.  Seine-  Augenlider  standen  halb  often,  waren  wie  die 
Augapfel  onbeweglicb,  Kneipen  und  Stechen  fühlte  er  nicht,  an 
Schlucken  war  gar  nicht  cn  denken,  wollte  man  ihn  aufheben, 
so  handhabte  er  sich  gerade  wie  ein  nichterslarrlef  Leichnam. 
Der  Mann  ist  aber  nicht  an  diesem  seltsamen  Fieber  gestorben, 
sondern  der  beschriebene  Anfall  ist  der  letete  gewesen. 

Der  Raih  des  (^arl  Ludw.  Boffmanii,  dafs  man  dem  Kran- 
ken im  Paroxysmus  grofse  Gaben  Opium  reichen  müsse,  kann 
heilsam  sein,  besonders  wenn  die  verdächtige  Gehirne ffeklion  bei 
der  Kille  sieh  zeigt.  Es  ist  aber  wol  offenbar,  dafs  dieser  Schiift- 
atelier  das  besprochene  Fieber  nicht  oft,  also  auch  nicht  in  sei- ^ 
mm  Terscbiedenen  Gestalten  beobachtet  hat.  üeberdies  verdScbti- 
get  seine  iVeignng  zum  Theoretisiren  und  seine  .Abhandlung  über 
die  Wirkungsari  des  Mohnsaftes  seinen  Rath  in  meinen  Augen  ein 
wenig.  Ich  denke  immer,  seine  Kranken  wären  vielleicht  eben 
so  goi  ohne  den  Gebrauch  als  bei  dem  Gebrauche  des  Opium« 
wieder  zn  sich  selbst  gekommen;  zum  wenigsten  habe  ich,  auch 
ohne  gegebenen  Mohnsaft,  sehr  bedenkliche  Anßlle  unlödtltch 
ablaufen  sehen.  Dafs  man  der  Wiederkehr  vorzubeugen  sucht, 
bedarf  keiner  weiteren  Erwähnung. 

Was  die  im  Anfall  zu  gebrauchende  Mittel  betrifft,  so  hat 
Werlhqf'  darüber  geschrieben  j  C.  L.  Hoffnann  verwirft  sie  aber 
als  unnntc  ich  selbst  will  nichts  darüber  eniscbeiden ;  wer  sie 
mahrmahls  versucht  hat,  der  wird  am  besten  ihren  Werlh  schä«. 
■en  können,  üeberhaupl  habe  ich  von  den  drei  klassischen  Schrift- 
stellern über  die  Wechselfieber,  Wtrlh^f,  Sthac  und  Medicut^ 
die  man  mir  in  meiner  Jugend  empfohlen,  wenig  Nutzen  gezo- 
-  gen.  Wfiren  sie  so  reich  an  originellen  Erfahrungen  und  origi- 
aellen  Gedanken,  als  sie  reich  an  fremden  Beobachtungen  und 
Meinungen  lind ,  so  würden  sie  mich  weniger  gelangweilt  haben. 


—    «6S    — 

leb  gisab«  wahrhaftig,  daA  diew  drai  MaiiMf,  tob  deaeo  Senme 
aber  d«r  niagerite  in,  durch  den  Wost,  der  bei  ihnen  aufgeata- 
pelien  Beobachtungen,  Erfafarangen,  RathichlSge  nnd  Meinungen 
allein  im  Siande  wären ,  einen  etwas  aohwachköpfigen  Ant  gana 
toll  in  macbeo. 

Jedenfalls  iit  das  Schlaf-,  oder  Schlagwechielfieber  eine  solche 
Krankheit,  die  auch  den  Tortichligsten  Arzt  berücken  kann;  denn  ein 
solcher  Anfall  erscheint  nicht  allein  ungeahnet,  aondern  ergreift  aaeb 
stuweilen  den  Menschen  so,  dafs  die  Anwendaog  innerlicher  Mit- 
tel ,  kSnate  man  ancb  deren  heilende  Wirkung  verbürgen  (welches 
aber  noch  wol  etwas  sweifelbaft  sein  möehle),  gans  unmSglicb  ist. 

Ich  bin  jetzt  noch  schuldig,  zweier  Bedingungen  zu  erwähnen, 
unter  denen ^  nach  meiner  Beobachtung,  alte  Baucbfehler  leicbi  ein 
Wechselfieber  anm  Schlaf-  oder  Schlagfieber  machen  können. 

1.  Wenn  die  epidemische  Konstitution  so  geartet  ist  >  dafi  bei 
den  hemobenden  aknieti  Krankheiten  der  erkrankte  GesaromtftrgB- 
nigmui  unter  der  Heilgewalt  des  Kupfers  stehet,  ao  nehmen  man- 
che Wechselfieber ,  sonderlich  im  Frühjahre ,  wo  dieae  Som- 
merlandplage erscheint ,  nnd  im  Herbste ,  wo  sie  sich  wieder  zum 
Abzage  anschicket,  Tbeil  an  der  herrschenden  Konstitution.  Durch 
diese  Venniachung  werden  die  Wechselfieber  noregelmKlÄig ,  nl- 
bern  sich  mehr  der  RemitUiu  als  der  Intermitttnt.  Die  Anßlle 
erscheinen  ohne  Kälte,  oder  nur  mit  einem  geringen  Schauder. 
Menschen,  welche  altfehlerhafte  Baucheingeweide  haben,  werden 
dann  leicht  bei  einem  Fieberanfalle  schlafgüchtig ,  oder  apoplek- 
tisch.  Durch  zeitiges  Heben  des  krankhaften  Zuslandes  des  G«- 
•ammtorganismas  kann  man  diesem  bedenklichen  oder  tSdtlichen 
Gehiroleiden  am  besten  zuvorkommen ,  das  ganze  Fieber  entweder 
abschneiden ,  oder  es  so  umgesialten,  dafs  ea  sich  deutlich  der 
lotermission  nKbert.  Sobald  man  dieses  siebet,  mnfs  man  es 
gleich  mit  der  Binde  angreife^i.  Nach  meiner  Erfahrung  darf  man 
aber  nicht  warten ,  bis  der  Parosysmus  regelin&fsig  wird ,  son- 
.  dem  mnfs  gleich  die  Rinde  anwenden,  sobald  man  gewahr  wird,  dab 
die  Exazerhation  nicht  mehr  abends,  aondern  nachts,  nach  Mit- 
ternacht,   oder  morgens  sich  einstellet. 

Wird  man  aber  io  solcben  Fällen  erst  spät,  den  zehnten  Tag, 
oder  noch  später  zu  Hülfe  gemfen ,  so  ist  man  doch  nicht  immer 
Meister  des  Ausganges.  Diese  Fieber  sind  sehr  täuschend  ;ue 
erscheinen  zuweilen  als  echte  Intermittentet ,  machen  zwei,  nach 
wot  drei  Anfälle  mit  Kälte,  und  gehen  dann  in  die  Remittem* 
mit  abendlicher  Exazerhation  über.  Daher  kommt  es,  dait  Leute, 
die  einra  gewöhnlichen  Wechselfiebers  wegen  nicht  aogenblieklioh 
zum  Arzte  laufen,  sondern  erst  fünf  oder  sechs  Anfölle  abwarten 
wollen ,  gar  übel  getäuscht  werden.  Auch  der  Arzt  selbst  kann 
sieh   sehr  leicht   täuschen,    sonderlich  im  Herbste,    welcher  swar 


—    653    — 

aiofat  dar  beatiranie,  aber  docb  <i«r  gendhaUobe  Wendepunkl  der 
•piileiuischeQ  Konstitution  ist.  Wenn  hier  neugeBriete  Krankl^- 
ten  eracbetnen  nnd  sich  mit  den  Weohselfiebera  verbinden,  ao  lat 
u  wabrlich  böse  Arzt  gein.  Glaubt  es  inir,  wertbe  Leser!  man- 
che sogeuannle  NervenGeber,  die,  wenn  sie  aicbt  tödtlich  ablaa- 
fen,  naob  endlosen  Leiden  in  Wecbselfieber  übergebA,  sind  wei- 
ter nicbis  ab  eine  solche  Vermischnng  des  Weohselfiebers  mit 
einem  Urleiden  des  GesammlorganisinoB.  Beim  einfitchen ,  reinen 
Wecbselfieber  befindet  sieb  des  Gesam  ml  Organismus  in  dem  Indif- 
fereuiBtande ;  darum  kann  der  Kranke  eben  so  unschüdlicb  Brannt- 
wein trinken,  als  Blut  lassen,  eben  so  unschädlich  Salpeter  ver- 
■chincken  als  Aether.  Ganz  anders  geslallet  sich  aber  die  Sacbe, 
wenn  der  Geaammtorganismus,  von  der  epidemiscben  Konsiilution 
berübrl,   urerkraokt  ist;   da  heifst  es  aufmerken. 

2)  Wenn  UrgebJrnleiden  herrschen ,  nehmen  die  Wecbselfie- 
ber ebenfalls  leicht  Theil  an  der  herrschenden  Konstitution.  Hier 
gilt  die  nämliche  Vorsicht  in  der  Behandlung  als  bei  der  vorigen 
Vermischung.  Ich  habe  in  einielneo  Fällen  die  Vernüscbung  so 
dentlicb  gesehen,  dufs  die  lalerMtilteiu  als  Terliana  um  den  an- 
dern Tag  morgens  mit  geringem  Schauder  auftrat;  am  Abend  des- 
selben Tages  kam  die  Exazerbation  des  Gehirnfiebers,  währte  die 
ganze  \achl,  und  am  zweiten  Tage  merkte  man  etwas  Nacblafs, 
der  sich  aber  mehr  dem  Gefühle  des  Kranken,  als  durch  vermia- 
derle  Geschwindigkeit  des  Pulses  dem  Arzte  offenbarte.  Am  Abend 
dieses  zweiten  Tages  erschien  nnn  wieder  die  Gehirnfieberexazei- 
baiion,  und  Daohdem  der  Kranke  die  Nacht  höchst  leidend  zuge- 
bracht, stellte  sich  am  Morgen,  als  am  dritten  Tage ,  das  Wecb- 
selfieber  mit  Schauder  wieder  ein.  So  deutlich  ist  nun  aber  lei- 
der nicht  immer  die  Sache.  Der  Wechsel fieberanf all  kommt  nicht 
selten  ohne  Schauder,  ja  statt  der  Tertiana  ist  es  nicht  selten 
fiftoUdiaHa.  Nun  siebet  die  ganze  Krankheit  aus,  wie  eine  Con- 
timta  remitietu  qaotidiana  duplicata. 

Bei  den  jetzt  in  Rede  stehenden  Fiebern  verrieih  sich  der 
Wechselfieberanfall  blofs  durch  seine  Wandelbarkeit,  durch  Vor- 
oder Zarucksetzen ,  jedoch  häufiger  durch  Erstes  als  durch  Letz- 
tes, indefs  der  Gehirn fieberanfall  regelmSfsig  abends  gegen  sechs 
Uhr  eintrat.  Im  Jahre  1832  im  Herbste  fingen  hier  an,  Gehirnfie- 
ber zu. herrschen,  wel^e  unter  der  Heilgewalt  des  Tabaks  stan- 
den, und  bei  denen  der  Zustand  des  Gesammtorganismus  salpetri- 
scher  Natur  war.  Diese  verbanden  sich  nicht  selten,  sondern  häu- 
fig mit  dem  Wechsel  lieber.  .  Wenn  ich  hier  in  vier  und  zwanzig 
Stunden  eine  Unze  destillirtes  Tabakswasser  aod  zwei  Drachmen 
wiirfelichten  Salpeter  gab ,  so  Hefsen  die  Kopfleidea  in  einigen 
Tagen  bedeutend  nach  und  ich  konnte  nun  d^s  Wecbselfieber  er- 
kennen.    Ohne  XU  warten,   bis  dieses  regelmSfsig  mit  Kälte  eii;- 

— —  "s'^' 


trat  (ich  hfille  in  den  mewteD  Füllen  wol  wg^M«  auf  4i«N 
bicheiaung. warten  inüaseD),  griff  ich  es  gleich  mit  Aar  Kiada  a«. 
War  efl  gehoben,  lo  mufale  ich  ilen  Knutkea,  wallte  ich  ihn 
«icfat  scheiDbar,  londern  wirklich  geiand  haben,  eine  Zeit  laag 
das  RindcprSpant  und  gleichzeitig  dai  'Tabakiwaaser  gebraachea 
Innen.  VVVUte  ich  daa  Rindepräparat  allein  gaben ,  so  kriegte  lob 
ihn  nicht  aus  dem  Bette ,  er  blieb  in  einem  schleichenden  Kraok- 
heitsiuatande;  wollte  ich  das  Tabakswaaier  allein  galwn «  sa  spiella 
das  Wechgelfieber  den  Meister;  nur  durch  daa  gleichxeitige  Geben 
beider  Mittel  konnte  ich  sicher  zum  Zwecke  kommen. 

An  diesem  etwas  ungemBohlichen  vermischten  Fieber  habe  ich 
einen  Mann  behandelt,  der  voii  langj&hrigen  Leberleiden  heimge- 
«iichl,  inehre  Aerzte  wegen  dieses  Leberleidens  vergebens  uiu 
Kalb 'gefragt  halte.  Das  Ternijscbta  Fieber  griff  ihn  gelind  an; 
aber  unversehens  würde  ein  Wecbael  fieberen  fall  sunt  achlafsüchti- 
gen.  Krst  Bchlummerie  er  und  war  leicht  au  erwecken,  dann  wur- 
de der  Schlaf  tiefer  und  das  Erwecken  schwieriger,  darauf  ward« 
das  Erwecken  ganz  nnfbuolich ,  endlich  trat  Unvermögen  zu  schlin- 
gen, röchelnder  Athem,  unfreiwilliger  Harnabgang  ein,  uod-«s 
'schickte  sich  alles  edmi  Tode  an,  der  auch  ungefähr  dfeifsig  Sibb- 
<den  nach  dem  Pieberanfalle  erfolgte.  Wie  wenig  ein  allgemeiner 
warmer  Schweifs  in  solchem  Zustande  den  guten  Aasgang  rerbütgt, 
habe  ich  nach  bei  dieser  Gelegenheit  gesehen.  F.inen  erwünsch- 
teren Schweifs  konnte  kein  Kranker  haben  als  dieser  Mann  zu  der 
Zeit  hatte,  da  er  schon  nnenveckbar  schlief.  Nur  beim  Eintritte 
der  unverkennbaren  Agonie  wurde  der  Scbweils  kalt,  klaberig, 
uogleichmäfsig. 

Die  Venniitchung  der  Wechselfieber  mit  andern  Gehiriifiebern, 
s.  B.  mit  solciien,  welche  unter  der  Heilgeualt  des  Sieohapf«ls 
oder  des  Silbers  stehen  j  h»be  ich  so  genau  siu  beobachten  nicht 
die  Gelegenheit  gehabt,  weil  zn  der  Zeil,  da  jeae  Fieber  barracfa- 
ten,  die  Wechselfieber  zwar  wol  landgängig,  aber  nicht  eigentli- 
che Landplage  waren,  als  im  Sommer  fies  besagten  Jahres. 

Ueberbaupt  ist  aber  die  Verbindung  des  Weehselfiebers  inii 
Bauch-  oder  Gehirnfiebern  jederzeit  eine  mifsliche  und  gefährliche 
Sache,  davon  mag  höchstens  die  gemeine  Berühriheit  der  Gallen- 
gSnge,  die  sieb  eniwed»-  durch  'vermehrte  Galle  na  bsondening,  oder 
durch  Gelbsacht  offenbaret,  eine  Ausnahme  machen.  Ich  habe 
zum  wenigsten  von  dieser,  wenn  sie  landgängig  sich  mit  deni 
Wechselfieber  vermischte,  keine  grofse  Gefährlichkeit  bemerkt.  Daa 
tOdlliche  Fieber,  das  im  Jahre  1609  in  Leiden  so  viel  Menschen 
umgebracht  hat,  ist,  so-^iel  ich  aus  der  BMchreibung  des  StfMu* 
abnehmen  kann,  höchst  wahrscheialiob  aoch-Vermischung  eine« 
gefährlichen  Leberfiebers  mit  dem  Wechselfieber  gewesen;  eines 
solchen  Leberfiebers   nKinlich.    das   nicht  von  einem  Urleiden  der 


-  «»  - 

GallengflDg;«,  •oadero  von  einem  Urieideo  der  inneren  Lebeniiili- 
«nox  abbfingt.  Ein  grofser  Tbeil  der  Kranken,  die  nicht  von  je- 
oem  Fieber  gewQrgt  worden,  sind  bei  der  BesseniDg  in  Wechael- 
äflber  gefallen.  Die  Heilact  de«  Professor  Sylviui  und  seiner  Kol- 
legen war  auf  keine  Weise  geeignet,  die  Gefahr  dieser  Krankheit 
abanwenden ;  darum  sind  auch  mehr  Memcheu  aus  der  vornehme- 
ren, die  Hülfe  des  Aretes  in  Anspruch  nehmenden  Klasse  gestor- 
ben, als  ana  den  geringeren. 

Ich  werde  jetxl  dein  Leser  mein  Schicksal  hinsichtlich  de^ 
Gebrauches  der  Penianiscfaen  Rinde  erzählen. 

Im  Anfange  meiner  praktischen  Laufbahn,  die  im  Jabre  179S 
begann ,  waren  die  Wechgelfipber  selten ,  sie  erschienen  im  Som- 
mer einzeln;  ich  hörie  aber  altere  Leute  von  denselben  als  von 
einer  wahren  Landplage  reden.  So  lange  nun  die  Fieber  einieln 
erachienen,  behandelte  ich  sie  wie  ich  es  gelernt  hatte;  das  Ge- 
lernte wollte  mir  aber,  in  mehr  als  einer  Hinsicht,  nicht  sonder- 
lich gefallen.  Im  Jahre  ISO^I,  da  sie  nnfingen,  landgängig  z»  wer- 
den, dachte  ich  an  eine  aweckmäfsigere  Behandlung.  Des  Tt«^ 
ma»  WiiU%  einfache  Beschreibang  der  Wirkntig  der  nach  der 
Sekedu/tt  B«miima  gegebenen  Rinde  brachte  mich  auf  den  Gedan- 
ken, dieser  Vorschrift  zu  folgen.  Sgdenhamt  Vorgeben,  dafs  ein 
Mensch,  der  die  Rinde  also  genommen,  am  VVechselfieber  sollte 
gestorben  sein,  und  meine  eigene  Beobachtung,  dafs  in  einzelnen 
Fillen  nach  dem  Einnehmen  der  zwei  Drachmen  Rinde  ein  nnge- 
wöhnlieh  heftiger  Anbll  entstand,  die  Möglichkeit  also  mir  ein- 
leuchtete, dafs  Sydenhamt  Vorgeben  «ol  wahr  sein. könne,  vnan- 
lafsie  mich  die  Sckedwia  Romana  so  zu  verbessern,  dafs  nicht  der 
■weile  Anfall  nach  der  gegebenen  Artenei,  sondern  der  erste  aiiz 
bfeihen  mafste.  Ich  mischte  nftmlrch  eine  Unze  Königsrinde  mit  acht 
Unzen  Wasser,  setzte  auch  wol  etwas  Gewitrzhaf^es  zu  (welches  aber 
nur  Nebensache  war),  und  liefs  den  Kranken  fewölf  Stunden  vor 
dem  Fieberanfalle  das  Einnehmen  lieginnen.  Er  mufste  sechs  Stan- 
den lang  Blündlich  einen  Löft'el  voll  nehmen,  nach  diesen  sechs 
Stunden  aber  alle  halbe  Stunde  einen  Löffel,  bis  der  Trank  a'le 
war.  Diese  Vorschrift  war  auf  das,  oft  bedeutende  Vorrücken 
der  Paroxiümen  berechnet.  Ich  erreichte  nun  vollkommen  meinen 
Zweck;  der  Paroxismus,  vor  welchem  ich  den  Tränte  gab,  blieb 
ans,  nnd  der  Trank  fnnd  bei  den  Menschen  grofsen  Beifall.  Die- 
ser Beifall  ist  aber  nicht  einzig  der  beschriebenen  Gebrauchsart 
mzuBcbreiben ,  sondern  auch  wol  zugleich  der  Echtheit  der  Kö- 
nigsrinde. Es  gab  frOher  viel  schlechte  Rinde,  wurde  von  man- 
chen Apothekern  ßr  gute  dispeusirt,  und  die  Fieber,  welche  HOl- 
ehem  unnützen  Zeuge  nicht  weichen  wollten,  kamen  bei  manchen 
Aerzten  in  Verdacht,  als  oh  sie  von  einer  fremden,  weit  sperri- 
geren  An  wMren   als   früher.     Ich   erinnere  mich   noch   der  Zeit, 


dtifs  ein  Apotheker,  der  gute  Köoigariiule  luben  wolhe ,  dch  b«- 
■ondera  mit  den  \1aieri allsten  darüber  besprechen  nin&te,  dena 
was  diese  unter  den  Namen  Cort.  cküuie  reg.  opt,  in  ihrer  Preii- 
zeitiing  aufgeführt  hatten,  war  ein  Gemisch  von  guten  und  falacben 
RindesiQcken,  und  leiste  saheD  den  ersten  xiemlich  iknficfa.  Wei- 
terhin kam  eine  ganz  unwirksame  Rinde  in  den  Handel,  die  xa 
der  Zeit,  da  die  echte  Kinde  am  theuerslen  war,  für  drei  Frankeo 
das  Pfund  verkatifi  wurde.  Gewinnsüchtige  und  schelmische  Apo> 
theker  machten  diese  mit  Gentianwurzel  bitter,  nad  diapeosirten 
sie  für  die  Köaigsrinde.  Von  dieser  Betrügerei  habe  ich  mich 
einst  bei  einem  auswärtigen  Anlsbruder,  der,  apoihekerglSabig, 
die  Fieber  einer  ausgezeichneten  Hartnftclcigkeit  beschuldigte,  nicht 
vermuihlitdi,  sondern  sinnlich  übenengt. 

Nachdem  ich  mich  nun  eine  lange  Zelt  des  besebriebenen 
Trankes  bedient,  so  hatte  ich  Gelegenheit  genug  gehabt,  auch  das 
Hinderliche  dieser  Behandlung  kr  beobachten.  Starke  nad  dreiste 
Menschen  hatlea  ihr  Vergnügen  daran,  durch  diesen  nnfehlbare« 
Trank  dem  Fieber  zu  trotzen;  aber  schwachen  Menschen,  Wei- 
bern aus  der  vornebmerea  Klasse,  überhaupt  Z&rtlingen  wollte  er 
nicht  recht  munden,  and  ich  sah  mich  deshalb  genöthiget,  d^ 
Rindepulver  ein  Extrakt  zu  substiluiren ,  welches  ich  ans  der  Kö- 
nigsrinde  bereiten  liefs,  indem  diese  suerst  mit  Alkohol  ausgezo- 
gen, dann  ausgekocht,  und  beide  Auszüge  zur  Extraktdtcke  abge- 
dampft warden.  Abgesehen  von  dem,  bei  der  damafaligen  Thenre 
der  Königsrinde,  hohen  Preise  des  Extrakts,  welcher  dessen  Ge- 
brauch bei  allen  weichlichen  Menschen  nicht  einmabl  erlBDb<e, 
denn  leider  sind  nicht  alle  Weichlinge  aaeh  reich,  schieo  es 
mir  fast,  als  ob  das  Rindepulvw  nicht  einnahl  ganz  dadurch  er- 
setal  würdew  Da  ich  nun  auch  in  der  Zeit,  durch  den  hfiufigen 
Umgang  mit  Wechselfieberu  den  Glauben  an  die  Sj/demAaM^eMe 
Erzählung  etwas  verloren  hatte,  ging  ich  wieder  in  der  Sciedmia 
Romatia  über,  und  weil  ich  früher  schon  bemerkt,  dafs  die  Fieber, 
nach  dieser  Vorschrift  vertrieben ,  gar  leicht  wiederkehrten ,  ao 
suchte  ich  dieser  gar  zu  häufigen  Wiederkehr  dureh  folgende  Ver- 
besserung Torzuheugen.  leb  liefs  drei  Pulver  machen,  jedes  tob 
zwei  Drachiaen  Rinde.  Sobald  nun  der  Kranke  die  ersten  Spo- 
ren des  nahenden  Fleberanf^les  merkte,  mnfale  er  ein  Pulver, 
welches  schon  «in  paar  Stunden  vorher  in  Wasser  geweicht  war, 
auf  Ein  Mahl  verschlucken.  Bekanntlich  bleibet  in  den  wenigsten 
Fallen  dieser  Paroxiamus,  vor  welchem  man  die  zwei  Diacbinen 
Rinde  gibt,  aus,  sondern  der  folgende  bleibt  ans.  Xun  lieis  leb 
den  Kranken  das  zweite  Pulver  den  folgenden  Fiebertag  gerade 
sur  nämlichen  Zeit  nehmen  wie  das  erste.  Er  durfte  jetzt  nicht 
auf  die  erste  Anmahnong  des  Fiebers  warten,  weil  dieses  nur  in 
seltenen  Fällen  erschien.  -  Das  drifte  Pulver  wurde  den  drillen  Fie- 


—    687    - 
b«rtag  ebsnfBlIs  gerade  wat   Dfimlicheii  Zeit  genommen    wie  das 
•nte  und  zweite.     Durch   diese  Art   des  Rindegebrnucbs  bewirkte 
ich,  dalk  die  Fieber  nicht  so  gar  häufige  RfickfÜlle  macbteii ,  nnd 
ich  habe  mich  lange  an  diese  Vorschrift  gehalten. 

Inzwischen  wurde  das  Chinin  entdeckt.  Den  Vorzug,  den 
dieses  Präparat  vor  der  Rinde  in  Substanz  hatte,  sah  ich  bald  ein ; 
er  bestand  in  folgendem : 

Zärtliche  Leute  konnten  es  besser  nehmen  als  das  Pulver. 

Man  konnte  es  lange  nachgebrauchen  lassen,  und  so  nicht 
bloÜB  den  Fieberanfall  nnterdrncken ,  sundern  auch  das  erkrankte 
Hautorgan  gnlndlich  heilen,  welches  sich  mit  dem  Rindepulver 
wol  in  einzelnen  Fällen,  aber  im  Allgemeinen  bei  der  Mehrzahl 
der  Menschen  nicht  tfaun  liefs,   weil  es  sie  gar  bald  anwiderte. 

Bei  dem  iäglichen  Fieber,  welches  von  Anfall  zu  Anfall,  statt 
mehr  und  mehr  auszusetzen,  vielmehr  in  einander  lief,  hatte  es 
den  grofsen  Werth,  dals  es,  zu  zwei  Gran  stündlich  gegeben,  die- 
ser höchst  angreifenden,  Schwachen  und  Allen  höchst  verderbli- 
chen Krankheit  ein  Ende  machte.  Mit  dem  Rindepnlver  konnte 
man  bei  schwachen  Leuten ,  deren  Verdaunngswerkzeuge  zuwei- 
len nicht  zum  besten  bestellt  sind,  solche  Gewaltsknren  nicht  im- 
mer beginnen.  Ich  habe  aber  in  späteren  Jahren  die  in  einander 
laufenden  Fieber  weit  häufiger  gesehen  als  früher.  Machen  sie, 
wenn  sie  geheilt  sind,  Rjickßllle,  so  erscheinen  sie  gewöhnlich  als 
r^elmäfgige  Fieber;  jedoch  finden  sich  auch  znweilen  Ausnahmen 
von  dieser  Regel. 

Das  Unvollkommene  und  Hinderliche  des  Chioingebranehes 
bestand  in  Folgendem: 

Beschränkte  man  sich  blofs  darauf,  den  Fieberparoxismua  durch 
das  Chinin  zu  unterdrücken,  so  gehörte  eine  sehr  grofse  Einbil- 
dung dazu,  den  Vorzug,  den  es  vor  dem  Rindepulver  haben  soll- 
te, zu  erkennen.  Die  Rückfälle  erschienen  eben  ho  biufig  nach 
dem  Gehrauche  des  einen  a|a  des  anderen  Mittels. 

Weil  das  Chinin  anfangs  sehr  iheaer  war,  konnte  man  es  nur 
wohlhabende  Leute  lange  nachgebrauchen  lassen,  und  so  nicht  blofü 
das  Fieber  unterdrücken,  sondern  auch  das  urerkrankte  Hautorgan 
heilen.  Bei  der  Masse  des  Volkes  war  dieses  aber  ganz  unibun- 
Kcb>  und  ist  es  auch  noch  jetzt,  obgleich  das  Chinin  viel  wohl- 
feiler geworden  ist.  Ich  habe  also  bei  der  geringeren  Klasse  die 
drei    Rindepul?er    noch   nach   Erfindung  des   Chinins  gebrauchen 


Endlich  wurde  nun  auch  das  Chioiodin  entdeckt.  Seitdem 
ich  zuerst  von  diesem  Präparat  gelesen ,  habe  ich  nichts  weiter 
von  ihm  gehört,  aneh  nicht  gesehen,  dafs  ein  Arzt  meiner  Bv- 
kanntsehaft  es  anwendete.  Daraus  scblofs  ich,  es  könne  leicht  zn 
der  Unsahl  von  Mitteln  gehören,  deneo  «iozig  der  Erfinder  Wertb 


beilegt,  and  du  ich  eben  kein«  beaondere  Xeigiing  xtini  Venucti- 
machen  habe,  wollte  ich  rorläufig  aDderii  Aersten  dieie  praktische 
UniersüchoDg.  überlaaBen. 

Im  Jahre  1S31  gehet  aber  einer  meiner  Bekannlen  über  den 
Rhein  und  bekommt  dort,  nebst  seinem  Bedienten,  das  Wechscl- 
fieber.  Beiden  nird  das  Fieber  mit  einer  Miscbang  von  Chinio- 
din  nnd  Chinin  gebeilt  nnd  beide  bleiben  gesund.  Dafs  auch  hier 
das  alte  Lied  wieder  gesungen  wurde,  «in  mit  dieser  Arzenei  ver- 
triebenes Fieber  kehre  nicht  wieder,  können  die  Leser  leicht  den- 
ken. Abgesehen  von  diesem  mir  höchst  unwahrscheinlichen  Vor- 
geben war  doch  so  viel  gewifs,  dafs  diese  iMischung  in  sehr  ge- 
mäcblicher  Form  die  ganze  Kraft  der  Rinde  enihieli:  ich  versuch- 
te dieselbe  und  fand  gar  bald,  dafs  sie  grofse  Vorzüge  vor  dem 
Pulver  der  Rinde  und  vor  dem  Chinin  halle.  Die  Vorschrift  lau- 
tet also:  ]^  CAiiiiotlini ^i  Chinini tulph.  gr.  x  ÄlcoM  |ii  M.DS. 
Vierniahl  täglich  fünfzig  Tropfen  7.11  nehmen.  Der  eigene  Ge- 
hrauch hat  mich  nun  Folgendes  gelehret.  In  Wasser  lassen  sich 
diese  Tropfen  nicht  wol  nehmen,  denn  begreiflich  schwimmt  die 
harzige  Substanz,  gleich  auf  dem  Wasser,  setzt  sich  an  den  Li>r- 
fel  oder  die  Tasse,  nnd  der  Kranke  bekommt  vielleicht  nur 
die  Hälfte  der  Gabe  in  den  Magen.  In  einem  schleimigen  Tran- 
ke, z,  B.  in  einem  Löffel  voll  kaliru  Alihee>mfgiifs  genommen, 
kann  dieses  freilich  nicht  Stait  finden;  die  Arzenei  ist  aber  in 
dieser  Mischung  sehr  widerlich  und  ekelt  die  meisten  Menschen 
nn.  Will  man  sie  anf  ein  Stückchen  Zucker  iröpfeln  und  dieses 
im  Mumie  zergehen  lassen ,  so  müchie  die  durchdringende  Bitter- 
keit des  Chiniodins,  selbst  den  Liebhabern  des  bitteren  Ge^chmak- 
kes  doch  wol  etwas  zu  stark  sein.  Die  beste  Art  die*Tropfen  zu 
geben  bleibt  also  folgende.  Man  legt  einen  TheelöfTel  voll  zer- 
riebenen Zucker  vorn  in  einen  Efslöffel,  tröpfelt  die  fünfzig  Tro- 
pfen darauf,  nimmt  diesen  Bitierzucker  in  den  Mund.,  und  apiilet 
ihn  mit  einem  Schlucke  Wasser  hinunter.  Fänden  sich  Leute, 
denen  auch  so  noch  die  Bitlerkeil  zuwider  wäre,  so  können  diese 
den  Bitierzucker  in  Oblate  wickeln  und  hinunterschlucken,  wo  sie 
dann  gar  keinen  Geschmack  davon  haben.  Mir  ist  aber  unter  gar 
vielen  Menschen  nur  Ein  Fräulein  vorgekommen,  welches  Ge; 
brauch  von  dieser  Oblatenbekleidung  machte. 

Die  Anwendung  der  Tropfen  und  ihre  Wirknng  ist  folgende. 
Der  Kranke  mnfs  sowol  an  dem  guten  als  an  dem  bösen  Tage 
viermahi  die  fnnfsig  Tropfen  nehmen.  An  dem  bftsen  Tage  darf 
er  sie  aber  nicht  gerade  in  der  FieberkSlie,  oder  in  der  ersten 
Hitze  nehmen,  weil  das  Weehselfieber  eine  brecheriacbe  Nainr 
bat,  sondern  er  muf«  sie  eine  Zeit  lang  vor  dem  Fieber,  oder  nach 
Beeodigang   desselben    nehMen;    sobald  der  Nehweift  elBwahl  or- 


denllicfa  in  Gange  ist,  kann  er  sie  dr«iii  oehnen,  er  wird  li« 
dann  nicht  mehr  ansfarechvn. 

So  iit  nnn  der  gewöhnliche  Gebrauch.  Wenn  aber  Noih  a« 
Mann  gehet,  kann  man  die  Tropfen  aiärker  geben.  So  habe  ich 
einer  Frau,  die  bei  dem  eogenaDnien  verlarvien  Wechselfieber 
darcb  heftige  Augenentiiindiing  gleich  des  Sebevemiögeiis  beranbt 
war,  alle  awei  Stunden  fnnfsig  Tropfen  gegeben,  dadurch  der  nit- 
gehener  seh  merz  haften  Augen  eDtxüodiing  Einhalt  geibnn  und  dee 
Gesicht  gereitet.  In  einem  andern  Falle,  wo  die  Enisündnng  swar 
auch  Rehr  schmerzhaft,  aber  die  Gefahr  za  Erblinden  nicht  lo 
deutlich  war,  habe  ich  mich  bei  der  gewÖhnlicheo  Gabe  gehallen 
und  es  ist  auch  gut  gegangen. 

Bei  manchen  Menschen  bleibet  nach  eiatSgigem  Einnehmen 
schon  der  Fieberanfall  aiix,  bei  andern  wird  der  zweite  bedeutend 
•ehwBcher  und  der  dritte  bleibt  an*.  Wenige ,  sehr  wenige  «ar- 
branchen  die  Hfilfte  des  FlHschchens ,  ohne  dafs  das  Fieber  ver- 
schwändev  Sollte  aber,  mehr  als  die  Hftifie  rerbraucfat  sein,  oho« 
dafs  es  seine  Wirkung  gelhan,  so  kann  man  darauf  rechnen,  dafs 
solche  Leute  nicht  baachgesnnd  sind,  dafs  llliere,  vorfieberige  Lei- 
den  des  einen  oder  des  andren  Organs  die  Wirkung  der  Tropfen 
hindern.  Es  gibt  nHmlich  unverstündige  Menschen,  jlie,  wenn  sie 
wissen,  der  Arst  vemlehe  gut  mit  dem  Fieber  ninr.iigehen ,  auf 
seine  Frage  nach  ihrem  früheren  Befinden  absichtlich  falschen  9f- 
scheid  geben,  weil  sie  sich  einbilden,  er  werde  sie,  sagten  sie  die 
Wahrheit ,  mehre  Woclien  lang  schulgererht  am  Narrenseile  füh- 
ren, ehe  er  ihnen  das  Fieber  abnehme.  Dieser  iiberlisiigen  Nar- 
ren gibt  es  keine  mehr  in  meinem  engeren  Wirkungskreise,  aber 
in  meinem  weiteren  stofse  ich  zuweilen  noch  anf  solche.  Ich  ha- 
be es  ihnen  mehrmahls  anf  den  Kopf  lugesagt,  dafs  sie  mich  ge- 
tftnsrht,  und  dadurch  das  Geständnifs  ihrer  vorfiebsrigen  ßanch- 
feiden  erprefst.  Aber,  was  ich  oben  gesagt,-  wiederhole  ich  noch 
einmahl  meinen  jüngeren  Kollegen :  es  ist  durchaus  überflüssig,  ja 
«elbst  sehldlich,  solche  fn'iher  banchberOhrte  Menschen  Wochen 
lang  die  Srztliehe  Leihsiuhlschule  dnrchmacfaen  xu  lassen.  Gera- 
de darob  Boleh  aberwitziges  Handeln  uniTersilStisch  abgerichteter 
Meister  hat  sich  in  den  KSpfen  der  Menschen  durch  die  LXnge 
der  Zeit  ein  Arztbild  geforinei,  welches  einem  übersichtigen  ge- 
lehrten Steifling^  oder  einem  markachreierischen  Gauner  ziemlich 
ibniich  sehen  mag.  Mit  Beziehung  auf  das  früher  Gesagte,  erin- 
nere ich  hlofs  daran,  dafs  man  sowol  das  Chinin,-  als  das  Chinio- 
din  und  die  Zusammensetzung  beider  recht  gut  neben  den  Bauch- 
mitleln  nnd  neben  den  Gebirnmitleln  geben  kann,  nnd  wenn  man 
mit  manchen  Kranken  fertig  werden  will,  selbst  gehen  niufs.  Ich 
sage  aber  dadurch  nicht,  dafs  man  sie  zusammenmischen  mfisse, 
das  würde   sich   zum  wenigalea  nit  der  Anfittsang  des  Cbtniodini 


—    «70    — 

nicht  got  ifann  laMen,  sondero  man  kann  ne  einselo  gebeo.  So 
habe  ich  im  Sommer  1832,  da,  wo  es  adthig  war,  aechsmafal  tags 
dreifsig  Tropfen  Kräheoangenwauier  neben  den  xnsammengeteK- 
len  ClüniodiiHropfen  gegeben,  weil  nämlich  damahU  drb  hernchsn- 
de  Leberbenlhriheit  iinier  der  sicfaersten  Heilgewalt  dieaea  Wai- 
■era  stand  (su  einer  andern  Zeil  würde  ich  ein  anderes  pafslichet 
Mittel  geben).  Da  der  Kranke  ohnedies  den  Chiniodinbitterxnk- 
ker  mit  Wasser  hiniinierspälte,  so  kannte  er  in  dieses  Wasser  die 
fast  gescfamaoklosen  Banchiropfen  mischen  und  so  das  doppelte 
Einnehmen  vermeiden. 

Was  die  Rückfälle  der  Fieber,  nach  dem  Gebranche  der  be- 
sagten Tropfen  befriffl,  ao  sind  sie  allerdings  weit  seltener  als 
nach  dem  Gebrauche  jedes  anderen  Rindepräparat«;  ich  denke  aber, 
dieser  Vorzug  wird  wol  grdfstentbeils  anf  die  verordnete  Menge 
der  Arsenei ,  nicht  gerade  anf  die  Zusammensetzung  derselben  m 
schreiben  sein.  Eine  Drachme  Chiniodin  und  zehn  Gran  Chinin 
in  zwei  Unxen  Alkohol  aufgelöset,  hält,  zu  funfsig  Tropfen  Hg- 
lieh  vierniahl  gebraucht,  ungefähr  zehn  Tage  vor.  Da  nun  das 
Fieber  hfinBg  durch  einen  ein-,  oder  zweitägigen  Gebrauch  nnter- 
drüclrt  wird,  ^o  hat  der  Kranke  acht  bis  nenn  Tage  nach  auage- 
bliebenem  Fieber  noch  einzunehmen ,  und  man  kann  darauf  rech- 
nen, dafs  bei  Ticlen  Menschen  das  erkrankte  Hautorgan  durch  den 
zehntägigen  Arzen  ei  gebrauch  schon  geheilt  iat.  Bei  andern ,  wo 
diese  Heilung  nicht  vollsländig  war,  entstehet  Rückfall.  Diesem 
kann  man  am  besten  dadurch  vorbeugen,  dafa  man  die  Portion 
zwei-  oder  dreimahl  verdflert;  denn  man  hat  eben  so  wenig  si- 
chere Zeichen,  ob  das  Hauiorgan  ganz  zum  Normalslande  zurück- 
gekehrt sei,  aU  man  diese  Zeichen'  von  der  erkrankten  Leber, 
Milz,  Bauchspeicheldrüse,  Gehirn  oder  anderen  Oi^nen  bat.  Die 
Kosten  des  Arzeneigebrauches  betragen,  die  zweiunzen  Portion  i«r 
Tropfen  zn  elf  Preufsische  Silbergroachen  drei  Pfennige  gerech- 
net, mit  der  Flasche,  kaum  vierzehn  Pfennige  tags.  Es  mufs  schon 
ein  dürftiger  Mensch  sein,  der  diese  Kosten  nicht  zwanzig  oder 
dreiJsig  Tage  tragen  könnte.  Wem  das  aber  noch  za  tbener  ist, 
der  mufs,  nachdem  er  eine  zweianzen  Portion  genommen,  gnt  auf 
seine  Gesundheit  merken.  Sobald  er  Mattigkeit,  Ziehen  in  den 
Fiifsen,  mehr  oder  minder  Schmerzen  oder  Steifigkeit  Lu  Kreuze 
spüret,  darf  er  nicht  warten,  bis  das  Fieber  wiederkommt,  son- 
dern mufa  mehre  Tage  die  Tropfen  nehmen,  bis  diese  Vorboihen 
verschwinden.  Die,  welche  eine  gleichmäfsige ,  nicht  kSrperlich 
thSÜge  Lebensart  haben  ,  k&nnen  sieb  in  dieser  Hinsicht  nieht 
leicht  tBnschen;  aber  der,  welcher  ifiglich  seinen  Leib  bafs  ka- 
steien mufs,  der  kann  sich  leicht  täuschen,  wenn  die  Vorbotben 
des  Rückfalles  nicht  gerade  in  Schmerzen ,   sondern  blofs  in  Mal- 


—    671    - 

tigkeit  bestehen,  diese  wird  gewöhnlich  aaf  die  untergangene  An- 
Mrengnng  geschriebcD. 

Alles  wohl  erwogen,  ist  jene  Miachang  von  C'hiniodin  and 
•  Chinin,  welche  die  ganze  Kraft  der  Rinde  eDtbBlf,  das  beste  Hetl- 
miltel  des  Wechselfiebers ,  das  mir  bis  jetzt  bekannt  worden  ist. 
Ob  man  das  angegebene  Verhältnifs  zwischen  beiden  RindeprSpa- 
raten  mit  Vortheü  verflndern  kSnne,  weifs  ich  nicht  zu  sagen,  denn 
ich  weiche  nicht  gern  von  dem  ab,  was  gut  hilft. 

Von  wie  viel  Kranken  ich  meine  ersten  Erfahrungen  im  Som- 
mer 1832  gesammelt,  kann  ich  nicht  bestimmt  sagen.  Da  aber 
in  der  Milte  Oktobers  einer  unserer  Apotheker  durch  Vergleichiing 
des  eingekauften  Cbiniodins  mit  dem  noch  vorhandenen  sich 'über- 
zeugt hat,  dafs  in  besagtem  Sommer  acht  Pfnnd  CiFÜgewicht  Cbi- 
niodin  verbraucht  waren,  welches  kein  anderer  Arzt  verordnet  hat- 
te als  ich,  so  werden  die  Leser  aus  dieser  Angabe  leicht  den  Ue- 
berscblag  machen  können,  dafs  das,  was  ich  darüber  gesagt,  nicht 
von  einem  oder  ein  paar  Dutzend  Kranken  abgezogen  ist. 

Nnn  mufs  ich  noch  zum  Schlnsse  von  den  verschiedenen  Wech- 
selformen  der  Fieber  ein  Wort  sagen.  Die  Quartana  ist  hier. zu 
Lande^  in  VerhBltnifs  zu  anderen  Formen,  selten.  Im  Winter,  wo 
die  Wechselfieber  wenig  vorkommen,")  sind  aber  die  meisten  der 
wenigen,  Quartanfieber.  leb  habe  nie  gefunden,  dafs  die  Quarfa- 
Ma  schwieriger  zu  heilen  ist,  als  die  ■  Tertiana,  Alte  Rauchleiden 
erschweren  die  Heilung  der  Tertiana  eben  so  sehr  als  die  Hei- 
lung der  Quartana.  Die  Tertianform  ist  die  allgemeinste  in  mei- 
nem 'Wirkungskreise.  In  den  Jahren  1831  und  1S32  war  der  Ue- 
bergang  der  Tertiana  in  die  Quotidiana  hfiufiger  als  ich  ihn  je 
erlebt  habe.  Die  Quotidiana  ist  die  böseste  Form  ron  allen,  well 
die  Leute  am  härtesten  davon  angegriffen  werden,  besonders  wenn 
die  Paroxismen  lange  anhalten  und  den  Kranken  keine  Zeit  las- 
sen, sieb  KU  erholen.  Das  Vurgeben  einiger  Aerzte,  dafs  die 
Qjtotidiana  ein  doppeltes  Tenlanfieber  sei,  kann  ich  nicht  für 
wahr  halten;  es  ist  zwar  niüglicb ,  dafs  es  sich  in  einzelnen  Fäl- 
len so  verhält,  aber  im  Allgemeinen  ist  es  nicht  so.     Die  Quoti- 


')  S«il  icb  Obisu  isi  htm  1832  «wchriobaa,  bat  «ich  di«  Satb«  veriodwt,  «■ 
cnebeiHaD  weit  mehr  WeehaelBeber  im  Wiater,  *ll  frähcr.  Jatat,  icb  acbrei- 
be  dieiei  *m  Bade  Dezemben  1S37  ,  geheo  wenig  Tage  hii,  difi  aielit  Fit- 
berkrtoke  flilfe  bei  mir  lachen.  Sie  leiden  meitt  am  einfaehea  ,  einige  an 
dspfelten  Qisrtsaf eb«r ,  wenige  isi  sHtÜKigfo.  ta  meine«  Wohanrt«  ud  in 
deMen  Umgabaiig  tind  .dif  Fiebw  Mlten ;  die  neiftna  Kranke«  kommea  rom 
Belfiichea  ,  an«  eiaer  BsIferDang  voa  drei  bii  leeb«  Wecatnndea.  Ob  die 
dertigen  Aerxte,  «der  die  Apstbeker  Schuld  lind,  daTi  4ie  Kranken  oder  de- 
ren Seudlioge ,  eiuei  Fieber«  wrgen ,  «ech«  bi*  iwolf  Standen  in  den  knraeo 
Wintertagea    dorcb    ■•raelige    and  Sde  Wege  laaren  raüitln  ,    mag   ich  aiehl 

""•"'•■■  .,,,_ ..Oügic 


—    «72    — 

diana  duplicala  habe  ich  noch  nie  lange  anhalten  gteteben ;  böch- 
flleM  kommt  etliche  Ta^  hiaterainander  ein  doppelter  Anfall,  dann 
gehet  sie  v<m  lelbst  wieder  in  die  Quotidiana  timphx  aber.  Ich 
glaube  auch,  dafs  eine  sehr  Marke  Natur  dazu  gehören  würde,  ein 
doppelt  alltägiges  Fieber,  ohne  bedeutend  schädlichen  £infla£i  anf 
das  künftige  Belinden,  xwei  oder  drei  Wochen  sa  behalten, 

Ueber  die  Erkensinife  der  sog«Daonten  FebrU  üttermilteiu 
larvata,  das  heifst,  auf  Oentsch^  der  vielgestalielen  Uebel,  welcbe 
durch  die  Rinde  oder  ihre  Präparate  am  sichMsten  könoen  beiei- 
tigH  werden,  läfsi  sich  wenig  ugen.  Auch  die  Schriftsteller,  wel- 
che angeblich  über  den  in  Rede  stehenden  Gegenstand  klassisch 
sollen  geschrieben  bähen,  befinden  sich  offenbar,  wenn  es  anf  die- 
sen Punkt  ankommt,  in  der  Klemme,  und  rutschen,  mit  einem  et- 
was verlegenen  Gesichte  darüber  hin-  Sind  die  Wechselfieber  m 
allgemein  als  sie,  besonders  in  den  letzten  Jahren,  hier  in  Lande 
gewesen,  so  hat  man  wol  Vermulbang,  dafs  manche  mehr  oder 
minder  wechselnde  Uebel ,  ohne  gerade  in  dte  Kaiegori«  der  Fie- 
ber m  gehören,  ebenfalls  unter  der  Heilgewalt  der  Rinde  stehen. 
In  vielen  Fällen  wird  man  die  Vermnihung  bestätiget  finden ,  in 
einzelnen  anderen  wird  man  sieh  aber  tfinschen;  jedoch  kann  die- 
se Täuschung  anch  nben  niemand  zum  Verderben  gereichen.  Das 
iHl  alles,  was  sich  über  diesen  Gegenstand  mit  gutem  Gewissen 
sagen  litf^t.  Wem  es  nicht  genüget,  den  bitte  ich,  das  Kapitel 
über  die  Krankheiiserkeonung  damit  zu  vergleichen. 


Jetzt  werde  ich  von  der  Fetihaut  reden.  Zu  den  Krankbeilen 
derselben  gehört  ein  Uebel,  welches  eigenilich  ein  Gegenstand  der 
Wundarzeneikunst  ist,  bei  welchem  aber  die  Wundarzeneikiiast 
bis  JKizt  wenig  geleiscet  hat;  das  ist  nämlich  der  Furunkel,  wel- 
cher hier  za  Lande  Blulscbwäre,  auch  wol  Neunauge  heifst.  So 
lange  ich  Arzt  bin,  habe  ich  bemerkt,  dafs  alle  Itabungen,  Um- 
schläge, Salben  und  l'flaster,  welche  die  Wundärzte  dagegen  ge- 
brauchten, nutzlos  waren.'  Der  gemeine  Mann  ist  auch  von  dem 
Unvermögen  der  Wundärzte  ihm  zu  helfen  so  sehr  überzeugt,  dnfs 
er  sieb  nicht  wehr  an  selbige  wendet,  sondern  sich  selbst  be- 
schmieret  oder  bepflastert.  Ja  die  Armen,  welche  auf  Kosten  der 
Gemeinde  ärzilicheo  und  wundärzilichen  Itei^sland  «rhalten,  wollen 
nicht  eiumahl  mehr  die  Kunst  in  Anspruch  nehmen.  Da  wir  frü- 
her alle,  nach  altmodischer  Weise  nnteiriobiete  WaadArsie  hatten, 
so  war  ich  beim  Abgange  derselben  neugierig,  was  wol  die  neu 
nnierrichielen  Preufsischen  Chirurgen  erster  oder  zweiler  Klasse 
vermöchten;  fand  aber  b^ld ,  dafs  sie  eben  so  wenig  konnten  als 
die  alten.     Ich   mag   sie  deshalb  auch  nicht  tadeln,    denn  da  ich, 


-  67S  — . 
fa^^rlicb  Sber  dieie«  Seomlahtm,  mefarmahlB  telbM  Veraacke  hin- 
siebtlich  der  Heiinng  jener  Teriweifelten  Dinger  gemRcht,  ao  ha- 
ha ich  niiob  übeneagt,  dafa  dieielben  sich  meinen  keizeriBcbea 
AnaiehMn  eben  so  wenig  fngen  wollten  hU  den  schul  gerechten  mei- 
ner wundAntlicben  Amlsgenossen. 

£a  bat  iicb  aber  in  den  vorleizten  Jahren  Kugetragen,  dalä 
ich  durch  die  Menschenliebe,  die  uns  Aersien  beiwohnet,  gezwun- 
gen warde,  bei  den  Armen  ein  wenig  die  Rolle  des  Wnndarstei 
SB  spielen,  weil  nämlich  unser  StadiwuaHarxi,  gftnalich  versohlis* 
«en,  die  Armen  aus  KSrjjerschwäche,  oder  aus  Vergefslichkeit  vtr- 
nacblafaigte.  Da  beitStigle  sich  mir  nun  die  IrefHicbe  Wirkung 
des  Salzsäuren  Kalkea ,  von  der  ich  in  ZeitscfaciFien  gelesen ,  bei 
manchen  fiufseren  Gebrechen.  Unter  andern  werde  ich  eininaU 
lu  einer  armen,  fieberkranlcen  Frau  gemfen  und  sehe  dort  den 
Ehemann,  einen  Handwerker,  mSfsig  sitiea.  Auf  meine  Frage, 
warum  er  denn  feire,  leigt  er  mir  seine  beiden  Fäfse,  deren  Hant 
wirklich  die  grftfste  Aehniichkeit  mit  einem  Kräoiersiebe  hatte 
Sie  waren  nämlich  mit  kleinen  Qescbwüren  besAet,  welche  im 
Durchschnitt  von  der  Gröfse  eines  PreufHiscben  Sllbergroicbens,  ein- 
■eloe  aber  doppelt  so  grofs  sein  mocfaieni  Sie  drangen  durch  die 
Lederhant  in  die  Fetibant,  sonderten  üble  Jauche  ab,  hatten  ein 
mifsfarbige«  Ansehen,  und  waren  so  schmerahaft,  dafs  der  Mann, 
nnfühig  sur  Arbeit,  zum  grofaen  Nachibeile  seiner  Familie  miifsig 
dnsitzen  mnfste.  Nach  seiner  Aussage,  halle  ihm  der  Stadtwundant 
Mittel  gegeben,  die  nicht  geholfen,  und  ihn  hernach  ganz  ferlassen. 
Diesem  Manne  machte  ich  nun  seine  kranken  Füfse  nicht  blofs  durch 
den  fiufseren  Gebranch  des  Salzsäuren  Kalkes  gesnnd,  sondern  das 
Gesandwerden  geschah  auch  so  schnell  fortschreitend ,  so  sichtbar, 
dafs  dieser  Fall,  Her  an  sich  nicht  der  ErwSbniing  werlh  ist,  mich 
auf  folgenden  Gedanken  braehln.  Es  ist  doch ,  dachte  ich ,  nicht 
vermalblicfa,  sondern  sichtbar  mit  leiblichen  Augen  su  erkenneo 
gewesen,  dafs  die  Unzahl  kleiner  Geschwüre  in  der  Fetthaut  ihren 
Grund  hatten.  Der  saltsanre  Kalk  beschwichtigte  aber  nicht  blofs 
wie  ein  Zanbermiltel  den  Schmerz,  sondern  er  befSrderte  die  Hei- 
Inng  weit  rascher  als  ich  Je  durch  Satben  oder  Pflaster  die  Hei- 
long  ähnlicher  Geschwüre  habe  bewirken  sehen.  Sollte  man  al- 
so nicht  versucht  sein  su  glauben,  der  salzsanre  Kalk  sei  ein  aus- 
gezeichnetes Eigenbeilmittel  anf  die  erkrankte  Fetlhantf  und  wenn 
diese  Vermutbang  Wahrheit  enthielte,  nufste  er  dann  nicht  anch 
das  wahre  Heilmittel  der  Fnrnnkeln  sein,  da  diese  doch  sichtbar 
und.nnwidersprecblieh  ebenfalls  Ihren  Sitz  in  der  Fetthaut  haben! 
Der  Gedanke  war  gut ;  aber  wo  findet  maa  gleich  soleb  blotsehwfi- 
rige  Menschen t  Weil  diese  wissen,  dafs  bei  ans  Aeriten  und 
Wundärzten  keine  wahrhaftige  Hülfe  zu  finden  ist ,  so  lassen  sie 
uns  wohlwddich  ungeschoren ,  und  die  reichlhüinlicbe  Uehersicb- 


-    «74    — 

lig^ail  niaeht  unbefriedliche  Fu4«nifigen  an  die  WuMlbeilkwast. 
Glücklich  M*d  die  Schtirfekfioider;  wen«  ihnea  ein  guter  GmImi- 
ke  einflÜlt,  k&ni>«ii  li«  gleich  auf  der  Steile  einen  Vennch  ina- 
chea.  Wir  Aenie  ranisen  warien ,  bii  sich  naa  die  Geiegenheii 
darbietet,  und  bietet  sie  sich  nna  ia  der  Folgezeit  dar>  so  ge- 
schiehst dieses  xnweileo  ganz  zur  UDrecbten  Zeit,  zu  einer  Zeit, 
wo  der  gnie  Gedanke  schon  iHngst  seine  \euheit  nod  Lebeadig- 
keit  verloren,  zu  einer  Zeit,  in  der  wir  so  sehr  mit  anderen  wich- 
ligen  Gegensiftnden  bexchfifiiget  sind,  dafi  wir,  statt  nach  dem  al- 
ten Sprichworte ,  die  Gelegenheit  beim  Schöpfe  zu  e^reifen ,  sie 
viclinefar  fahren  lassen.  So  ist  es  mir  denn  leider  aaeh  gegangen, 
bis  zum  Jahre  1831.  Da  werde  ich  einmahl  zu  der  fieberkranken 
Tochter  armer  Leute  gerufen,  und  sehe  dort  die  Mutter  der  Kran- 
ken mit  peinlichem  Gesiebte  im  Zimiaer  herumtreten.  Anf  meine 
Frage,  was  ihr  denn  Fehle,  sagt  sie:  sie  habe  nnf  dem  reckten 
Sebulterblatte  eine  grolin  Blutschware,  die  kasteie  sie  so,  dala  sie 
nachts  nicht  schlafen  könne  ond  alle  Efslast  verloren  habe.  Es 
sei  schon  ein  winziges  Loch  in  dem  Dinge,  allein  der  Sehmers  sei 
dadurch  um  keki  Haar  vermindert. 

Die  Besichtigung  ergab,  dafs  sie  wirklich  einen  recht  giftigen 
Furunkel  anf  dem  Sehnllerblatle  hatte.  Die  Verhfirlnng  mochte  von 
der  Grdfee  eines  Handtellers  sein,  die  Eniaündiing  war  sehr  leb- 
haft ,  in  der  Mitte  war  schon  ein  einziges  ganz  kleines  Loch.  — 
Auf  meine  frage,  warum  sie  nicht  die  Hülfe  des  Stadtwnndaix- 
tea  in  Ansprach  nehme,  antwortete  sie:  das  halle  sie  für  ganz 
nutzlos,  denn  die  WiindSrzie  wiifslen  doch  keinen  Raih  auf  die 
Blatsohwiren.  Sie  habe  blofs  gekauten  Pfefferkuchen  darauf  ge- 
legt, der  werde  wol  t^n  so  gnt  sein  als  die  wuod&rxtlicfaen  Mit- 
tel. Dieser  Behauptung  konnte  ich  mit  gutem  Gewissen  nicht  wi- 
dersprechen, zum  wenigsten  schien  mir  gekauter  Pfefferkuchen  eben 
so  gut  als  des  Paiilui  Aegi»ela  gekauier  Weizen,  leb  fragte  sie 
aber,  ob  sie  willig  sei,  ein  Mittel  auf  die  ScbwGre  *a  legen,  daa 
ich  ihr  verschreiben  würde;  wenn  es  ihr  nicht  bald  Erleichterung 
verschaffte,  slSnde  es  ihr  ja  immer  noch  frei,  wieder  zum  Pfeffer- 
kuchen zu  greifen.  Sie  nahm  meinen  Vorschlag  gutwillig ,  jedoch 
mit  einer  .etwas  xweifelnden  Miene  an. 

Ich  liefs  nun  eine  Unze  Balzsauren  Kalk  in  zwei  Pfund  Was- 
ser auflösen,  einen  tfichiigen  Flocken  leinenes  Pfliicksel  damit 
befenchten ,  mit  diesem  den  ganzen  Furunkel ,  so  weit  sich  die 
Verhärtung  erstreckte,  bedecken  und  hestftndig  feucht  halten.  Ei- 
ne Warnung,  die  ScbwSre  vor  allem  Drucke  der  Kleidang  sn.hü- 
ten ,  war  überflüssig ,  denn  der  Sehmerz  hatte  schon  die  Kranke 
gelehret,  ihre  Jacke  so  aasznscbneiden ,  dafs  diese  nicht  den  Fu- 
mnkel  berühren  konnte.  Am  folgenden  T^;e  machte  mir  die  Alle 
ein  recht  freundliches  Gesicht,    und  sagte  sobald  ich  ins  Zimmer 


—    «75    — 

mtt,  es  gehe  mit  ihrer  Blatsehff&re  viel  besser,  leh  flberzeupe 
mieh ,  dafa  die  giftigfe  EnizfiDdung  des  Furunkels  gebrochen  war, 
aai  liefs  ihn  ferner  Mit  der  AuflÖanng  des  selnaareo  Kalkes  he- 
Mindig  feucht  halten. 

loh  will  die  Leser  mit  der  Enählung  der  täglichen  Fort- 
Mfarliie  der  Besserung  nicht  langweilen.  Es  ist  genug,  wenn  ich 
sage,  dafs  die  Verhirturtg  nach  nnd  nach  sieb  erweichte,  dals  die 
Absonderung  des  verdorbenen  Hanipfropfes  nberrasefaend  schnell 
geschah,  und  dafi,  wie  der  Pfropf  herausgefallen  war,  die  Mns- 
lislfasern  so  schön  nnd  saaber  aussahen ,  als  sie  nur  je  der  Zer- 
gliederer an  einer  Leiche  prlpariren  kann.  Ich  liels  jelxt  die  Auf- 
Idsnng  des  salssauran  Kalkes  um  die  Hälft*  rerdünnen,  und  bei 
dem  fongeseliten  Gebrauche  dieses  einfachen  Mitteis  erfolgt«  die 
Heilung  so  schmerslos,  so  ohne  allen  Anstofii,  dafs  ich  niA  etwas 
Achnliches  gesehen. 

Xachdem  ich  nun  noch  in  eia  paar  anderen  Flllen'die  Heil- 
kraft des  sdxsauren  Kalkes  erprobet,  so  blieb  das  Wichtigste  an 
nntersDcheo  über,  nSnilicfa)  ob  er  auch  im  Stande  sei,  die  Furun- 
keln in  ihrer  ersten  Entsiehang  an  xertheilen.  Solche  Fälle  sum 
Versuchmachen  waren  aber  noch  weit  schwieriger  aufxutreibeo. 

Im  Sommer  1832  treffe  ich  eine  Frau  meiner  Bekanntschaft, 
die  im  Winter  an  Bauehkränklicbkeit  gelitten,  aber  wieder  gene- 
aen  war.  Da  sie  nicht  wie  gewfihnlich  eine  heitere  Miene  halte, 
frage  ich ,  üb  es  wieder  nicht  richtig  mit  ihr  sei.  Sie  antwortet : 
Mit  ihrer  Gesundheit  sei  es  gut  geuug  besteUt,  aber  nun  werde 
sie  von  Blnischwären  gemarlerl.  Eine  sitze  en  der  inneren  Seite 
des  Schenkels,  drei  andere  seien  im  Entsiehea  begriffen,  und  von 
diesen  sitze  Eine  auf  einer  so  ungeniächlicben  tSlelle,  dafs  sie  gar 
nicht  wisse,*  wie  sie  das  Leid  überstehen  solle.  (Sie  safs  nämlich 
oben  in  der  Kerbe  der  Hinterbacken,  nahe  dem  Sehwanzbeine.) 

Ich  fragte  die  Frau,  ob  sie  sich  sii  einem  Versuche  hergeben 
wolle;  ich  JcSnne  nämlich  blofs  den  Versuch  machen,  die  im  Ent- 
stehen begriffenen  Blutschwären  .sn  senheilen,  versprechen  könne 
ich  nichts,  als  dafs  ich  den  unaertheilbaren  Furunkel,  den  nSnn 
lieh,  der  an  der  inneren  Seite  des  Schenkels  safs,  und  in  den 
schon  iwei  kleine  Löcher  gefallen  waren,  bald  schmerzlos  heilen 
wolle. 

Da  sie  mit  allem  zufrieden  war,  liefs  ich  sie  die  Auflösung 
des  salisanren  Kalkes  in  der  nämlichen  Stärke  als  der  vorigen 
Frau  auflegen.  Die  drei  im  Entstehen  begriffenen  Furunkel  zer- 
theilten  sich  glücklich,  selbst  der,  welcher  in  der  Kerbe  safa,  nnd 
aaf  welchen  die  Kranke  weder  Lappen  noch  Pflucksel  legen,  son~ 
dern  ihn  nur  oft  benetzen  konnte,  Kertheilte  sich.  Der  uozertheil- 
harp,  in  welcltem  tohon  zwei  Löcher  waren,  heilte  wie  hei  der 
vorigen  Kranken.     Ich  habe  bald  darauf  noch  einem  Fi^ulein  das 


—    67«    — 

nihnlioha  Mitlel  mit  eben  so  giiietn  Erfolg«  zum  ZertfaeÜM  gen- 
üi«n.  Die  Zeil  wird  mich  lehreo,  ob  sieb  diese  Erfahrnng  besU- 
ligel.  Zwei  WuDdärzte,  denen  ich  sie  mitgetbellt,  haben  mir 
Tenprochen,  sie  zu  benutzen,  sie  werden  aber  wahrscheinlidi  we- 
niger Gelegenheit' dazii  finden  als  ich  lelbit.  Da  ich  bei  meinen 
xeiiranbenden  praktischen  GescbHfren  noch  wol  zwei  oder  drei  Jab- 
re  mit  dem  Schreiben  dieses  Buches  besehKfiiget  sein  werde,  in 
dieser  Zeit  aber  noch  bejahende  oder  verneinende  Erfahrungen  über 
diesen  Gegenstand,  ohne  die  Gelegenheit  absichtlich  dazo  tat  su- 
chen, machen  kann,  so  werde  ich  daz  Crgebnifs  derselben  in  ei- 
nem Anhange  dem  Le^er  mitiheilen.  *) 

Es  gibt  noch  manche  andre  Krankheiten  der  Fettfaaut;  sia 
kommen  aber  zn  wenig  vor,  als  dafs  -man  Tiel  Kluges  darüber  sa- 
gen könnte.  So  sind  z.  B.  die  sogenannten  lymphatiacben  Gesahwnl- 
Bte  nicht  hlofs  seltene  Erscbeinungen ,  sondern  die  seltenen  sind 
mir  hauplaXcblich  zn  eia«r  Zeit  vorgekommen,  wo  ich  noch  nicbl 
hlnlRnglich  in  manche  Heimlichkeiten  der  Natnr  eingeweiht  war. 
So  viel  ich  die  Sache  einsehe ,  waren  die  Lerne ,  welche  ich  be< 
obacbtei,  und  welche  zwei  oder  drei  solcher  Geschwülste  von  ver- 
schiedener Grdfse  zugleich  am  Laibe  hatten,  kränklich,  hatten  ein 
mifsliehes  Aniehen,  und  sind  anch,  so  viel  ich  habe  in  Erfahrung 
bringen  kSnnen,  an  diesem  krankhaften  Zustande  gestorben.  Hier 
schienen  also  die  lymphatischen  Geschwülste  Folgen  jenes  allge- 
meinen krankliafien  KSrperznstandes  so  sein,  Dafa  aber  eine  gro- 
be lymphatische  Geschwulst  auch  als  hlofs  örtliches  Uebel  eracbei- 
nen  könne,  davon  kann  ich  mich  iBglioh  überzeugen.  Ich  ken- 
ne eine  Frau ,    die  seit  Unger    denn  zwanzig  Jahren  eine  bedeu- 


')  BU  soat  Asfiul  183t  bin  kb  leider  ssr  aar  aiaia  clBsi|ea  Fatt  sMtaAeD ; 
der  be*t]itift«  mir  aber  niebt  bloft  die  gute  Wirkgng  de*  laliiaaraB  Kalkea, 
■oaderi  war  aaeh  Bocb  in  aDderar  Himirbt  librreicfa.  Der  Krank«,  der  al* 
ZoHbeanler  f^Sber  In  etaer  anderen  Stadt  geitanden ,  nod  dort  (cban  eiacn 
Paninbd  im  Scbenkel  nab  iber  dem  Rate  gebabt ,  welebar  van  einem  MtH- 
ea  cM-vr|a  baluadek  war,  koaala  snek  aelaen  aiganea  Cellble  den  Wnrib 
■weier  Heilartan  an  riebÜKataa  Bit  eiaander  varglaiaben.  Der  FaraolLel,  bei 
den  er  inaiDe  Kanit  ia  Antprnch  aabn  ,  tnta  auf  dam  Baaobe  oDlerbatb  dea 
Nabel«  and  war  van  mlltlerer  Grörie.  An  ZBrtheilea  war  nipbt  mehr  lO  den- 
ken ,  deoa  et  waren  lebon  mehr«  Tage  «eil  aeiner  vollkommDen  Aotbildung 
verfloaten.  Der  «aliaaare  Ralk  bewirkte  aber  gtaicb  einen  bodealenden  Nacb- 
Infa  den  SebMersea.  Naebden  aieh  der  verdorbene  Banipfrapf  awgeaaadert, 
sab  icb  darcfc  die  Oaffnug,  d^  du  Zellgewebe  v«a  dnaksl  «ameaiaratber 
Farbe  war,  nad  erwartMe,  dieaea  werde  die  Nalnr  aoeta  nla  elwaa  Verdorbe- 
aea  ansttsfian.  Uierin  tnnaeble  icb  mich  aber;  die  daakle  Bälhe  dei  Poiitii- 
euK  adipoti  verichwand  in  eis  paar  Tagen)  ei  wnrde  nicht!  ahgeilofien,  und 
die  Hellang  errotgle  ohne  Aniteb.  leb  denke,  diete  dnnkfe  R5the,  die  offen- 
bar nicbt  EnUSndaDgartltb«  war,  wird  wnl  die  Damfttelbnr«  Folfe  der  Träha- 
ren  Entiüiidung  geweien  aain. 


-    677     - 

tcode  au  Hiolerb  Büken  bu;  iteiu  besiiiuat  noch  gröbvr  al«  zw«i 
MaDBsfiiust«.  Die  Fluktuation  fühlt  man  darin  so  dentlich,  daJa 
«atbit  schwielige  Fingor  sie  ohne  Mühe  erkennen  können.  Uebri- 
§Mi»  ist  die  Frau  gesand.  *; 

Ich  habe  noch  eine  andere  Krankheit  der  Fetlhaat  in  fünf  Fällen 
beobacblet.  Es  waren  Getchwulsie,  welche  mit  den  lymphetischeQ 
•iaige  Aehnlichkeit  halten,  aber  hinsichtlich  ihrer  Kleinheit,  ihrei 
■«U)Migen  Aufbrechens  und  ihrer  Entstehung  von  jenen  abwichen. 
Bei  ihrem  Entstehen  fühlte  der  Kranke  in  der  Tiefe  der  Haut  eine 
mlÜkige,  fast  icbmerslose  Verbftriung.  Die  Haut  wurde  immer 
dünner  und  dünner,  die  Flakloation  immer  deutlicher,  endlich  öff- 
nete sich  die  kleine  Gescbwnlst,  und  es  iofs  ein  gerachloser  Stoff 
heraus,   den  mau  weder  Eiter  noch  Lymphe  nenaen  konnte,  weil 


•)  Zaiati   ton  Jabr«  1835. 

In  Torigmi  Jahr«  ward«  icb  ed  diaiar  Fran  ,  ciaea  fariagwa  UnwabUeina 
wegat,  geraTm,  and  1«  lab  mich  aoa  r(Ea|;ierde  naob  ibrer  altea  Geacbwobt 
«rfcsadisig ,  aagte  «ie,  ea  babe  aiob  mit  dieaer  feit  ctUcbaa  Jabreo  roa  aelbal 
•!■•  aoadortarc  Variiadernag  sagotrasea,  *ie  aai  aümliob  aaak  aad  nacb  saai 
aeblapp  gtworAea  ;  icb  iLooDa  m^eb  an  bcaleo  darab  daa  GErUbl  dkroa  übar- 
leoEfln.  leb  raadjelst,  statt  der  prallea  GeicbiroUt,  eioeB  laercii  Sack,  aad 
in  dieiem  Sacjt  tcbwebte  (Ig  läaglicbniader ,  barter,  aber  eiaatiMtber  KErpar, 
Toa  der  GrSfie  elaea  RSbaereies.  Da  er  «icb  oacb  allen  Seilen  frei  bewegen, 
aber  licb  nicbt  nacb  BDlea,  nach  dem  Grunde  dei  leeren  Sackei  bringen  lief», 
an  war  et  offenbar,  dalb  er  dnreb  ein  lellgewebigei  Band  mit  dem  Uiatecbak- 
kea  laaaaimenbäBgeQ  an  rat«. 

Die  lymibatiacJie  Anacbwellaag  einaa  fanxen  GiieUea  babe  itb  lebr  lettes 
geaeben  ;  sie  iit  aber  ein  gar  böiei  Dlag,  beioaders  wenn  lie  niebt  darcb  aina 
necbaniicbe  Urncbe,  lODitera  darcb  eine  innere  Krinkbariigkeit  de*  Rürpera 
enengt  iil.  Bi  DSgea  jetzt  drei  Jabre  »ein,  da  zeigte  mir  dat  Oieoatmlid- 
cbea  einaa  meiner  Freande  ibrea  liakan  Fnfk)  dieaer  war,  ohne  Veranlaatang, 
oaeb  nnd  aaefa  dick  nnd  barl  bii  anm  Rnia  gewnrden.  Der  Watt  war,  da 
icb  iba  a nteri nebte  ,  «d  prall  geipannt,  wie  eine  Trommel.  An  der  iaberaa 
Seile  dea  oberen  Tbeiti  der  Wade  rüblta  icb  deatlicb  Flnclaalion,  ortheilla 
also,  dafi  alle  Zwiicbenriinme  der  Parsmnakeln  mit  Lympüe  anigerHnet  lein 
mürsten.  Da  das  Hädcbeo  angehlicb  von  Jagend  an  kränklieb  geweaen,  aad, 
wie  gtaagi,  die  GeacbwaUt  ubae  iafaere  meehaniaeba  Veranlaiaang  eneegl 
war,  an  aah  ieb  die  Saiba  all  tebr  bedeaklieb  aa  ,  ond  gab  der  Ralbfra- 
gceden,  der  ich  dank  da«  UnlrSalUcbe  aiebl  «ageo  dnrlte  ,  eian  Salbn,  die 
iwar  aicbt  beileod  ,  aber  docb  aach  aiebt  varacblinBereni  wirken  kannte. 
Ein  paar  Tage  daraof  iit  tia,  dnrcb  meiae  Verordnung  wenig  berriedignt, 
an  einem  Wnndinte  gegangen.  Dieaer  bat  an  dec  Stelle,  wo  die' Flaktnation 
In  Füblen  war,  eine  OeSbung  gemacht,  und  e*  aoll  eine  grofie  Menge  lei- 
miger Lympbe  entleert  lein.  Der  ErTolg  dieeer  Entlerrang  war  aber  nicht 
güailig;  daa  Hüdeben  mnfat«  nacb  «llicbea  Tagen  avi  groraar  Scbwieha  dea 
Dienet  Verlanen,  nnd  lieb  in  ihren  Aeltarn  aars  Land  begeben.  Hier  iit  aia 
gleiib  beltllgerig  geworden,  and  der  Tod  kat  nngerahr  drei  Wocben  nach  OeS- 
nang  der  Ceacbwalit  errolgt.  Ancb  ohne  Oeffonag  würde  aie  ,  freillab  fiel 
apiter,  geatorben  sein  ;  aie  würde  aber  alidann  ancb  weit  mebr  Blead  anaia- 
elehaa  gehabt  haben  , 

... ügic 


er  das  Mittel  zwiKhen  betdea  hielt.  Ol«  Hailong  folgte  von  s«IIm(, 
ohne  kÜDStliche  Hälfe.  War  eher  eiaer,  oder  etliche  aufgebro- 
chen, lo  waren  wieder  ein  paar  andere  im  Entliehen.  Der  Um- 
fang der  Geschwnliite  war  sehr  Teraohieden;  die  meiaten  inochteo 
einen  halben  Zoll  im  Darchmener  haben.  Die  fnnf  mit  dieaer 
Krankheit  behafteten  Menichen,  welche  ich  geaeheo,  sind  daran 
gestorben.  Ein  junges,  fast  noch  kindliches  Mfidchen  hat  lange 
daran  gelitten.  Die  Mutter,  welche  mit  ihr  In  einem  Bette  g»- 
achlafen,  bekam  nach  dem  Tode  des  Mädchens  die  nSmIiche  Krank- 
heit und  starb  ebenfalls.  Ich  habe  diese  Beltsame  Krankheit  der 
Fetthaut,  (denn  in  dieser  hatte  sie  doch  wol  ihren  Sita)  jeist  seit 
aWBDsig  Jahren,  nicht  gesehen,  dämm  kann  das,  was  ich  duniahls 
vergebens  dagegen  angewendet,  die  Leser  auch  wenig  anmutben. 
Wir  wollen  jetal  lieber  ron  den  Muskeln  spreehni. 


Die  Schwierigkeit  Eigenmittel  auf  die  kranken  Muskeln  zu 
finden  ist  grofs,  weil  diese  fast  mit  allen  Organen  im  eagen  Con- 
sens  stehen.     So  stehen  sie  in  naher  Veri>indang 

1)  mit  der  Haut.  Darnmsind  manche Muskelschnierzen  blof« 
consensueller  Art,  und  hangen  von  einem  Urhnuileidän  ab.  Darauf 
gründet  sich  ihre  Heilung  durch  die  Rinde. 

2)  Mit  den  Nieren.  Darum  sind  sowo]  BAemm«ii*mMt  acu- 
lut  vagiUf  als  der  ^xu»  ehronicut  nicht  selten  Urleiden  der  Xiereo, 
nnd  ich  habe  in  den  letzten  Jahren  mehre  Fälle  erlebt,  dafsjesie 
ITebel  blofs  durch  die  Cochenille  bald  und  «icher  beseitiget  sind. 
Ja  es  ist  mir  höchst  wahrscheinlich,  dafs  man  den  alten  S)iruGh: 
die  gichtischen  sind  sieinsüchtig,  mit  gutem  Fuge  um- 
kehren und  sagen  müfite:  die  Steinsiichllgen  aiud  gich- 
tiach. 

3)  Mit  dem  Gehirne  nnd  Rückenmarke.  Darum  kann 
man  auch  in  manchen  Ffillen  solche  Miiskelleideu  einzig  durch  Ge- 
hirnmitiel  heilen.  So  habe  ich  sie  mehrmahlg  durch  den  destillir- 
baren  Stoff  des  grünen  Tabaks,  oder  durch  den  Zink  gebeileL 

4)  Mit  allen  Bauchorganen.  Darum  kann  man  mit  den 
Banchmitteln  Rheumatismen  heben,  die  nimmer  einer  anderen  Be- 
handlung weichen,  welches  schon  in  gar  alten  Zeiten  bekannt  ge- 
wesen; StoU  und  seine  Anhänger  haben  es  hernacbinahls  grell 
hervorgehoben  und  viel  vom  Bkeumatintu*  bilion*  gescbwal/.!, 
den  raan  aber  luweilen  übel  nach  ihrer  Anleitung  würde  heben 
kSnnen. 

Endlich  ist  wohl  zu  bedenken,  dafs  in  den  Muskeln  hfiufig 
eine  Beriihnheit  des  Gesammtorganismng  vorwaltend,  sich  unter 
der  Form  des  Kheumaiismus  oder  der  Gicht  offenbaret. 


.   —    679    - 

Alte»  wabi  erwogoD,  rnSchie  n  ia  München  Fällen  «cliwierig 
zu  »agen  ssin,  bb  man  es  mit  «inMU  (Jrleiden  der  Muskeln,  oder 
mit  einem  consensu allen,  oder  iui(  einem  in  den  Munkeln  vorwal- 
tenden Leiden  des  (lesammlofganiamus  tu  ihun  habe,  nnd  in  die- 
ser Schwierigknt  liegt  anoh  die  Si^iwierlgkeit  Elgenmiilel  au^dle 
Muskeln  xu  finden,  und  den  Gebrauch  derselben  so  lu  bestimmen, 
dnfs  ein  anderN  sie  wieder,  ebne  viel  an  ralbeo  und  berumEutnp- 
pen,  inil  Sieberfaeit  anwenden  kann.  Alles  was  ich  also  ober  sol- 
che Miiiel  sagen  werde,  ist  höchst  nnvolEkommen,  mehr  eine  llin- 
deuuing  als  eine  Milibeilung  uobezweifelier  Erfahrung. 

Die  Blumen  der  Armica  montaita  halle  ich  mit  Wahrschein- 
lichkeit ffir  ein  Eigenbeilmtitel  der  Muskeln;  ich  habe  rfamii  xnm 
wenigsten  Örtliche  fixe  Mnskelscbuierzen  gehoben,  welche  ich  lur 
UralTekiioaen  dieser  Organa  hielt.  Ich  erinnere  mich  unter  an- 
dern des  seltneren  Falles,  dafs  ein  Mann,  der  wahrscheinlich  da- 
durch, dafs  er  Nacken  nnd  Hinterkopf  bescbwilzl  dem  Winlerwin- 
de  ausgesetzt  hatte,  einen  Rheumalistnus  des  Hinterhaiipimuskels 
-bekam.  Er  litt  viel  daran,  und  das  Debet  balle  den  sogenaonleo 
AmtirheumatieU  barlnSckig  widerstanden.  Ich  heilte  ihn  in  drei 
Tagen  dadurch,  dafs  ich  ihn,  abends  im  Bette,  drei  Tassen  eine« 
wannen  Aufgusses  von  lefan  Gran  Wolferleihlumen  trinken  liefs. 
Schon  am  ersten  Morgen  nach  dem  abendlichen  Einnehmen  war 
das  sehr  lästige  Uebel  gewifa  um  die  Hslfie  minder.  —  Im  Bheu- 
matüMtu  acutui  vagut  habe  ich  diese  Blumen  bis  jetst  nicht  bd- 
gewendet,  weil  dieser  in  deo  meisten  Fällen,  aonderlich  wenn  er 
landgängig  ist,  von  einem  (Jrleiden  des  Geaammlorganismua  ab- 
hängt, in  Welchem  sie  nicht  passen  möchten.  Ueberhaupl  niufs 
iftan  bei  etwas  reizl^aren  Magen  sich  hüten ,  die  Wolferleihlumen 
in  lu  starker  Gabe  unzuwenden,  sie  verursachen  leicht  widrige  Ge- 
fühle. Sie  wachsen  in  hiesiger  Gegend  wenig;  ich  habe  aber  mit 
den  in  hiesiger  Gegend  gesammelten  an  meinem  eigenen,  recht 
gesunden  Magen  zweimahl  einen  Versuch  gemacht.  Wenn  ich  drei 
Tassen  eines  warmen  Aufgusses  von  zehn  Gran  etwas  schnell  hia- 
ler  einander  trank,  so  fühlte  ich  bald  darauf  ein  mdriges,  ziehen- 
des Gefühl  im  Magen,  welches  «ich  bis  auf  den  Schlund  erstreck- 
te,  und  ungefähr  eine  halbe  Stunde  anhielt.  Deshalb  glaube  ich 
auch,  d)tfs  Aerzte,  welche  dieses  Mittel  in  stärkeren  Gaben  rei- 
chen, und  diese  stärkeren  Gaben  in  weil  reizbarere  Magen  brin- 
gen als  der  meine,  ist,  sich  unwirksamerer  Blumen  bedienen. 

Mir  hat  der  eriählte  Versuch,  die  Wolferleiblumeo  als  Eigen- 
heilmitiel  der  erkrankten  Muskeln  etwas  verdächtig  gemacht.  Es 
ist  nämlich  möglich,  dafs  sie  nicht  direkt  heilend  auf  die  Muskeln 
wirken ,  sondern  durch  feindliches  Berühren  der  Bauchnerven,  aii{ 
antagonistische  Weise.  Die  Schwierigkeit,  in  dieser  ZHeifelbafien 
Sache   aufs   Heine   zu  kommen,    bat   inicb    wol  hauplaäcblich  be- 


alimrat,  die  WoIfwlBiblmBea  in  dsn  latiten  zeha  odw  swälf  Jalt- 
r«ii  weoig  mehr  au  gebraaehea,  indem  eg  ia  d«r  Natar  meinar 
Forschung;  liegt,  solche  Mittel  zn  suchen,  welche  nicht  antngoai- 
stisch,  Boodern  direkt  heilend  auf  die  erkcaakteo  Organe  wir- 
ken.') 

EachenbUtter  (fo l ia  J<'r a x in i).  Ich  babe  mehr  al«  Vei^ 
luutbung,  dah  ein  Aufgufs  dieser  Blattei'  eio  gotea  direktes  Moh- 
kelheilmittel  ist.  Auf  eine  eigene  Weise  kam  ich  sn  dieaar  Ef 
fabrung.  Ein  ehemahliger  Professor  aus  £<«»es,  der,  angeblidi, 
unter  Napoleon»  Herrschaft  das  Weite  suchen  luufste,  langte,  da 
wir  wieder  unter  Preufsiscben  Zepter  kamen,  nach  mancherlei  un- 
glücklichen Schicksalen  hier  im  Orte  an,  und  lehrte«  um  sein  Le- 
hen XU  fristen,  die  Bürgerjungen  etwas  Latein  fürs  Haus.  Ich 
hielt  den  alten ,  armen ,  unglQcklidien  Professor  Tür  einen  gelehr- 
ten Mann,  denn  er  hatte  lateinische  Oden  geschriebel^  welche  ich 
nur  halb  rersiand,  und  eine  französische  Abhandlung  über  die 
Quadratur  des  Zirkels,  welche  ich  gar  nicht  verstand.  Dieser  ei- 
sählie  mir  nun  unter  andern  der  Beachtung  nicht  wenhen  Dingen:. 
er  sei  während  seiner  mehrjährigen  Verbannung  vom  Podagra  ge- 
plagt worden,  dieses  habe  nicht  hlofs  feindlich  auf  seine  Füfse 
gewirkt,  sondern  noch  feindlicher  auf  seinen  Broterwerb,  die  la- 
teinische Sprachiueisterscfaaft,  und  ihn  dadurch  in  nicht  geringe 
Verlegenheit  gesetzt.  Durch  den  Raih  eines  Xichiarztes  sei  er  ge- 
beilt worden.  Dieser  habe  ihm  näiulich  gesagt,  er  brauche  sein 
Uekel  nicht  iHnger  zu  behalten  als  er  tielbst  wolle;  ein  Aufguls 
von  EschenblSttern  werde  es  ihm  unfehlbar  verireiben.  Wenn 
ich  gleich  im  Allgemeinen  solchen  Erzählungen  der  Laien  nur  hal- 
ben tilauben  schenke,  weil  ich  weifs,  dufs  ihre  Einbildung  die 
Heilwirkung  eines  Mittels«  welches  ihnen  geholfen,  übertreibt,  ver- 
schönert, und  es  fast  znm  Wunder-  oder  Zaubermittel  macht,   so 


')  Im  Jahr  I83S  biba  ich  i\e  ia  ellicben  FVIen  von  UmnikellaiileD  mit  loineh- 
mead  fuXaa  J&rMft  (ebrancht,  oDtar  «Ddern  io  iweien  voa  toganaDotcB  Ko^f- 
rbMunariinu.  Eiiin  dcNfllkan  Mbs  \A  ab  BCrkwir4<K  »a  ,  wail  er  air 
«ehr  Hltea  vurgekooBei  itt.  Hier  utt  der  Sehmirs  «Df  den  linkeB  Sllrobü- 
.  gel  nnd  im  lioliea  Aogiprel ,  oder  wsbricbeiiilicli  iu  dsa  Munkeln  dei  Auj- 
«lifels.  Leizles  icblierae  Ich  dirius,  weil  bei  dem  jedesmahligen  Schmarzei»- 
anrall  dua  Auge  zwar  iichlicheii ,  aber  kanm  gEriitbel  war.  Daa  Uebei  halte, 
da  ich  zam  Helfen  aafgerodert  warde ,  Eber  acht  Tage  gewifarl ,  denn  da  «a 
b^aBDllleh  aDfailaweiae  die  Menaobea  ergreift  lad  alarka  HaehlliiM  nacht, 
■0  halte  der  Knuka  hei  jedem  HachlMie  wek  geiohaeiehalt ,  «a  ward«  nicht 
wiederkehrep.  Um  nna  wöglicbat  reine  Errahrang  n  machen  ,  liefe  ich  aehn 
Gran  WalfarleiblDmea  mit  aech«  Tasaen  beir»en  Waiaer  eine  halbe  Stunde 
•uszieben,  nnd  den  Aufgafi  in  getheillea,  kleinen  Gehen  innerhalb  Eiaei  Ta- 
ge« verzehren}  la  konnte  die  Arnika  die  Hageonervea  nicht  reindlicb  angrei- 
fen, leb  hatte  aeebi  aoteher  Pickehen  Blumeo  Teraebriebee ;  4re(  war«*  aber 
hinnioband,  dal  labr  peiaUdie  Uebel  i«  hehaa. 

„,,,_„,,,, Google 


-    681    - 

iiobiMi  mir  doch  die  fllafache  Knäblnng  d«s  alten  Mannes  der  Be- 
achtung wenb.  Ich  Tenncfate  diecet  einfaehe,  wohlfeile,  inländi- 
sche Miilel  in  inanoben  Formen  des  Mnskelschmerses,  welcher  mit 
•io  Ürle'iden  dieser  Organe  xn  sein  schien,  und  fand  wirklieh,  dafs 
es  treffliche  Dienste  lenteie,  Kom  wenigsien  alle  sogenannte  Anti- 
rkeumalicay  hinsichtlich  der  wirklieben  Heilwirkung,  fibertraf.  Ich 
habe  es  selbst  in'  ein  paar  Fällen  bei  dem  Bbenmaiismns  der  Kn- 
Jäereo  Tbeile  des  Kopfes,  welcher  RheunaiismHs  gewöhnlich  sehr 
hartnilokig  ist,  mit  überraschend  wobllhSiiger  Wirkung  gegeben. 

Man  ntflfa  aber  nicht  mehr  von  einem  solchen  Mittel  verlan- 
gen ,  als  es  -seiner  \aiur  nach  leisten  ka«n.  Will  man  consen- 
•uelle  Muskelsehmenen,  die-von  einem  Urleiden  der  Nieren,  der 
Leber,  der  Mil*)  des  Pforiadersysleraes ,  des  Gehirnes,  oder  der 
HbhI  abhängen  damit  bekämpfen,  so  braucht  man  sich  eben  nicbl 
SU  wandern,  dafs  es  seine  Heilkraft  nicht  offenbaret.*) 

Was  nun  den  Gebrauch  der  EschenblKiter  betrifft,  so  muls 
man  eine  Unae  ein«  halbe  Stunde  lang  mit  geniigiamem  heifse« 
Wasser  aussieben,  und  den  Aiifgofa  nach  und  nach  durch  den  Tag 
verstihreo  lassen.  Da.  das  Mittel  gering,  und  im  Sommer  sum  we- 
nigsten umsonsi  au  befewtamen  ist,  so  ist  auch  der  Aernste  im  Sian« 
de,  es  aabattend  bis  mr  Genesung  au  gebrauchen.  Die  Zeit  der 
Heilung  stehet  gewBhnlich  mit  dem  Aller  des-Uebels  im  geraden 
Verfaältniase ;  jedoch  stftfst  man  auch  auf  Ausnahmen ,  und  xiem- 
liefa  alte  Uebel  remohwinden  nweilen  schnell. 

Den  ang«bliohan  Unterschied  swischen  Gicht  und  RheaMatis- 
NMtB  halle  ich  IBr  einen  blofa  hilofaerlichen ,  man  findet  ihii  nicht 
in  der  Natur.  Jedes  Organfibel  kann  akut,  bald  TorUbergebend» 
oder  «hrontsoh  und  periodisch  wiederkehrend  sein.  Ueberhaupt 
bleibt  in  den  erkrankten  Muskeln ,  wenn  sie  geheilt  sind ,  so  gut 
wie  in  aUen  einmahl  erkranktan  und  geheilten  Organen,  eine  Dis- 
position XU  gleicher  oder  ähnlicher  Krankheit  aurSck,  also,  dafs 
dar,  welcher  einmahl  eine  solche  Moskelkrankheit  gehabt,  unter 
susagenden  UmitftiHleu  weit  eher  wieder  von  derselben  ei^lf'en 
wird,  als  ein  anderer,  welcher  sie  noch  nie  gehabt.  Woraus  aber 
Boch  lange  nicht  folgt,  dab  der,  welcher  einaiahl  eine  solche  Mus- 
kelkrankbeit  überstanden,  sie  auch  noihwendig  früher  oder  spSier 
wiederbekommen  müsse. 

Das  chronische  Uebel,  welches  das  Volk  Gicht  nennet,  ist  in 
vielen  Fällen  con  sensu  eller  Art  und  kann  nnr  durch  Heilen  im 
Hrergriflfianen  Oi^:ans  gehoben  werden;  in  anderen  FAllen  hangt  m 


*)  S^ter  kabe  ich  cinnahl  laKUif  (efDiKleD  ,  Jab  die  EsohenblStlPr  >ehon  in 
der  üllerea  Welt  Sarierllch  ftgen  dea  Gichtscbmera  gebraacbt  lind.  Deter 
mrtArilitat  tfU$*fmt  »rdalar,  forendü  pmlrm  irpia  /»Hamm  ftBiimi  ditlUim- 
Im  iM  «/MiMra  plmmiM.     Sammet  Fvrmtmt.  Ot»tr9.  SO. 


blofs  vua  einem  Urleidcn  dm  (lesamnitor^niittius  sb  itnd  kann 
nur  durch  die  Urniverta/ia  geheilt  werden,  md  da  endlich,  wo  es 
al«  wirkliches  Urleiden  der  Glieder  nafiriii,  ist  es  ofTenbar,  eoi- 
weder  eiji  Urleiden  der  Moskeln,  oder  ein  Urleiden  eines  \erven- 
Ktaiitiues,  oder  Krankheit  der  Knochen.  Gegen  leiste  weifs  inh 
keinen  helfenden  Ralh,  weil  ich  kein  Eigenheil  in  itfel  auf  die  Kno- 
chen kenne.  Wenn  ich  in  meiner  Jugend  gichiiscfae  Menschen 
mit  gans  verkrümmten  und  unbrauchbaren  Fingern  sah,  ho  schrieb 
ich  diese  Verkrümmung  dem  durch  den  Schmers  verursachien  lan- 
gen Ungebrauehe  und  dem  ebenfalls  dureh  den  Scbmen  veriu-such- 
len  langen  Verharren  in  Einer  Lage  su.  Jedoch  war  es  mir  auch 
dsmahla  achon  nnerklftrlich ,  wnmin  denn  nicht  alle  Leute,  denen 
die  Gidit  in  den  Hfinden  gesessen,  Terkrfimmie  und  reriteirie 
Finger  bauen,  und  ich  fing  an  su  ahnen,  dafs  die  Bogenannie  Gicht 
in  einzelnen  rtlineren  Fallen  wirkliche  Knochen krankheit  sein 
müsMt.  Hfilie  ich  aber  darüber  noch  «inigen  Zweifel  haben  k5n- 
nen,  so  würde  ihn  tuir,  vor  ungefBhr  sehn  Jahren,  ein  Mann 
benommen  haben,  dessen  Fingergelenke,  beionders  die  minien, 
nach  einein  blofa  vi  er  wöchentlichen  Schmerze  Bflmmtlicfa  aufgetrie- 
ben waren,  dai  heilst,  die  Knfseren  Theile  waren  nicht  aufgetrie- 
ben, sondern  die  Knochenenden  selbst.  Aber,  wie  gesagt,  ich 
weifs  keinen  Ralh  auf  diese  Kranliheii. 

Der  l.ebertrahn,  den  man  in  neuer  Zeit  gegen  die  Oichl  in 
medizinischen  Schriften  angeriihmt  findet,  innfa  wol  ein  gnr  sllea 
Volksmillel  sein.  Ich  habe  schon,  da  ich  in  die  lateinische  Schu- 
I«  ginSi  davon  gehSrei,  und  gesehen,  dafs  meine  damablige,  von 
der  Gicht  lange  geplagte  Nachbarinn  dadnrch  geheilt  wurde.  In 
dem  Sauerlande  der  Graftchaft  Mark,  wo  sieh  dieses  znirug,  sag- 
te der  Volksaberglauhe :  Lebertrahn  vertreibe  die  Gidil,  wer  ihn 
aber  einmahl  gebraucht  habe,  bei  dem  verschlage  kein  andere« 
Heilmittel  je  mehr  an.  Woher  solche  alberne  Sage,  gekommen,  mag 
der  Himmel  wissen,  wahrscbeinlieh  achreibt  sie  sich  aber  wol  von 
unseren  übergelehnen  doktorsi lachen  Altvordern;  denn  wenn  diese 
die  Heilwirkung  eines  Volksmitiels  nicht  geradeso  längnen  konn- 
ten, so  Buchten  sie  ihm  etwas  ansuhSngen,  was  sich  gewöhnlich 
auf  das  apSiere  Befinden  des  Geheilten,  auf  die  bösen  Folgen,  die 
solche  Heilung  in  der  Zukunft  noch  haben  könnte,  bezog.  Heul 
au  Tage  sind  die  Aerzte  ktüger,  sie  suchen  die  verachteten  Volks- 
millel wieder  auf.  Ob  diese  Klugheit  uns  daher  geworden,  dafs 
wir  einen  richtigeren ,  natnrgemäfseren  Begriff  von  der  Heilkunst 
haben,  oder  ob  wir  blofs  deshalb  jener  doktornl lachen  Selierkunst 
entsagen,  weil  sie  hei  den  klügeren  Laien  in  Mifsruf  gekommen, 
mag  ich  nicht  entscheiden. 

Hier  KU  Lande  haben  die  Bauern  seit  undenklicher  Zeil  den 
Xieberlrahn  gegen  die  Giohl  gebraucht.     Bei  ihnen  wird  man  irich 


—    689    — 

über  wol  nicht  btlefaren  kSmto,  gsgan  welche  Art  des  Gliedcr- 
twbraeraw  er  hülfreH^  »I,  denn  sie  iriDkeu  ibn  gegeo  alie  Sehinnr- 
xen  und  Steifheit  der  Glieder;  hilft  er  aicht  immer,  so  wird  er 
doch  auch  nicht  schaden. 

Die  Wasserkur  des  Cadet  de  Vattx  hat  hier  ein  Wundarst 
gegen  man^eriei  Schmeraen,  welche  die  Leute  mit  dem  Namen 
der  Gicht  bezeichnen ,  angewendet ,  jedoch ,  so  viel  ich  in  Erfah- 
roDg  gebracht,  gani  ohne  Natzen.  Er  hat  also  die  Art  der  Giofat 
wel  nicht  getroffen,  in. der  sie  beilsam  Ist;  da&  sie  in  allen  Ar- 
ien beilsaiii  sein  kSnne,  scheint  mir  nicht  blois  nDwahrscheinÜch 
asodein  seihet  anmöglich.  Ich  glaube,  daf«  entweder  die  grorae 
Menge  beilsen  Wassers  eine  eigene  Wirkung  auf  diB  Haut  bni, 
und  aolche  Gliederschmerzen  hebi,  welche  von  einem  Urleideo  der 
Haut  abhangen;  vielleicht  durch  ihre  Einwirkung  anf  die  A'ieren 
auch  solche,  welche  von  einem  IJrleiden  dieser  Organe  abhängen;  i 
oder  dafs  die  grols^  Erhitzung  des  Körpers,  als  feindliche  Einwir- 
kung anf  den  Gesammtorganiamns,  ein  scfaraerzhaftei  Urleiden  der 
Muskeln  und  Gelenke  auf  aniagonisiische  Weise  hebt.  Ich  habe 
aber  mehr  Neigung,  die  erste,  als  die  leiste  Ansicht  für  wahr  zu 
halten.  Diese  Meinung  bat  mich  einmahl  bestimmet,  die  Wasser- 
kur bei  einem  Wechsel  fieberkranken  anzuwenden;  jedoch  mit  sei- 
ner Bewilligung;  denn  ich  habe  ihn  nicbt  verhehlet,  daf*  ich  Lust 
hätte,  einen  Versuch  an  seinein  Leibe  zu  machen.  Ich  bemerke 
hier,  dafs  der  Mann  von  mittlen  Jahren  and  der  {tertodischen  Trun- 
kenheit ergeben  war.  Das  audenigige  Fieber  War  ne»  nnd  stark, 
hatte  vier  Attf&lle-gemaoht;  an  dem  guten  Tage  war  der  Pult  noch 
unruhig,  und' der  Harn  so  braun  als  unmittelbar  nach  dem  Paro- 
xisBius.  Ich  liefs  zw9If  Stunden  vor  dem  Fieberanfalle  mit  Trin-. 
ken  anfangen,  den  Kranken  im  Bette  bleiben  nnd  sich  siebt  wSr- 
ner  decken  als  er  auch  in  gesunden  Tagen  gewohnt  war.  Es  er- 
folgte starker  Schweifs  nnd  starke  Hamanaleerung.  Der  famune 
Harn  wurde  während  dieser  Wassn-kur  erst  strohgelb  Wie  ein  ge* 
sunder,  dann  ganz  Weifs  wie  Wasser.  Der  Fieberanfall  blieb  nicht 
blofs  aus,  sondern  die  volle  Gesundheit  wurde  zugleich  dadurch 
hergesteliet,  nnd  der  Mann,  der  seines  Handwerkes  ein  Dacbdek- 
ker  isi,  hat  sich  den  ganzen  Sommer  in  Moi^eo-  und  Abendkfifa- 
le,  in  Soanenbilze  und  Hegen  auf  den  DScbern  beruni getrieben, 
ohne  auch  nur  eine  Spur   von  Rückfall  zu  bekommen. 

Ein  einziger  Versneb  der  Art  beweiset  freilich  nichts;  die 
Ertöhlung  dessellwn  kann  aber  den  Hospital  flraten  Veranlassung 
geben  ,  der  Sacbe  weiter  naohzudenken.  Möglich  ist  es ,  dafit  eina 
solche  Watserkur  gründlicher  die  erkrankte  Haut  heilet  als  die 
lUnde.  So  viel  ist  sicher,  nur  eine  hinreichende  Anzahl  Versu- 
che kann  darüber  etwas  beiiimnen.  Diese  sind  nicbt  in  der  Bür- 
gerpraxis,   wol  aber  jn  der  Hospiinlpraxis  anzaslelien,   und  keswr 


in  einem  Soldaten-  ala  BiirgerkrBQkenhmiaa,  <Uqb  tn  cnisMi  bnt 
nao  ea  U«fi  mit  Menschan  su  ibnn,  di«  ia  den  bMleo  Jabrea 
4ei  LeiMWt  sinilT  die  alao  eine  sololie  Wauerknr  ertragen  kön- 
nen. Bei  xarlen ,  reizbaren ,  kr inklicbea  Körpern  rodchie  ich  eie 
nicht  gern  nnwenden.  Die  böeen  Felgen,  die  man  von  dieser 
Kur  will  beobachiet  haben ,  rubren  wol  mehr  von  der  anb^ieoden 
Erbimng  dea  KSrpers  als  von  der  Menge  des  venehlaokten  Was- 
sers her,  and  es  frSgt  si^,  ob  es  denn  dnrchnu  nStbig  sei ,  dna 
Wasser  so  sehr  warm  su  trinken*  Nnr  Versuche  können  hiereal- 
seheiden.  Jedenfalls  ist  es  etwas  ungenftchlich ,  swölf  Stunden 
hinter  einander  jede  Viertelstande  nebt  Unien  beifsee  Wnieer  su 
verscbiaekcA. 

Die  EntnindiiBg  und  Vereiteni&g;  der  Muskeln  ist  eigentlieh 
eia  Gegenstand  der  Wundaneneiknnst;  ieh  kann  aber  nicht  an»- 
hia,  die  Frage  aafsuwerfen:  wie  anterscheiden  wir  das  Muskel- 
Bchrnen,  den  man  gewöhnlich  mit  dem  Nrnvaaii  Bieumatitmut  be- 
legt, von  der  in  Fiiemng  übergehbaren  £ntsnndnngt  Ich  gestehe 
ehrlich,  dafs  ich  dieses  aioht  bestimmt  anzugeben  weife.  In  den 
Fallen,  wo  in  einem  einslgen  Gliede  ein  heftiger,  besonders  klo- 
pfender Sehmen  sitzt,  dabei  lebhaftes  Fieber  und  rother  Harn 
diesen  begleiten,  Ist  es  wahrscheinlich,  dals  man  es  eher  mit 
einer  in  Eitemng  fibergehbnreo  Entaündung  als  mit  einem  RAew 
matümiu  m  ifaan  habe.  Wenn  aber  swei  oder  drei  Glieder  in- 
glaieb  erkrankt  sind,  und  der  Sdimen  ist  mehr  xiehend,  bren- 
nend, blitzend  als  klopfend,  so  ist  es  wahrsoheinlich ,  dafa  der 
Kranke  am  Rheomatiamaa  leide.  Das  sind  aber  alles  nar  Wabr- 
sebeinlicbkeiten,  die  leider  «ehr  geringen  Weith  haben.  Die  in  Ei- 
temng iibe^ehbare  Entzündang  hat  nicht  immer  klopfenden  Seh meis, 
ja  das  klopfende  Gefühl  des  SelunoRes  scheint  mir  blefii  dnreh 
die  Nfthe  eines  KaocheBS,  ode*  darcfa  den  Druck  einer  Aponea- 
rose  bedingt  zu  werden.  Das  Fieber  ist  zuweilen  sehr  nXlsig  und 
der  Urin  kaum  roth  geArbt.  Ja  ich  habe  schon  gesehen,  dafs  bei 
einer  solchen  Enizfindong  der  8ohmers  wie  ein  elekuiacher  Schlag 
Ton  Zeit  zu  Zeit  durch  die  Nerven  fuhr,  ein  leichtes  Zucken  des 
kranken  Gliedes  VHuraachle,  und  den  Menachen  zam  laniea  Schreie« 
nStbigte.  Die  n&mliche  Erscheinnng  sah  ich  aber  auch  sobon  bei 
dem  hitzigen  Rheamatisroas ,  der,  wie  gewöhnlieh,  mehre  Glieder 
einnahm.  Ja  bei  der  in  Eiterung  übergehbaren  Enixöndnag  köa- 
aea  zuweilen  zwei  Glieder  sagfeich  schmerzen,  indeCi  der  Rhen- 
matiamus  zuweilen  nur  eins  einnimmt.  Ich  habe  oaier  andern  den 
Fall  erlebt,  dab  ein  Mädchen  starken,  aber  nicbt  klopfenden 
StAmerz  in  beiden  Schenkeln  mit  mfifsigetn  Fieber  verbundea, 
hotte.  leb  hielt  diesen  Schmerz,  gerade  deshalb,  weil  er  in  bei- 
den Schenkeln  eben  ainrk  war,,  fnr  einen  rheuaMtiaoheB,  wollt« 
ihn  durah  einen  antageaiatisdien  Heiz  auf  den  sympathischen  Nac- 


ven  beb«n,  pnd  gab  zn  dem  Rnde  m^rmahlB  Brechweinstein  bis 
xnm  Erbracben.  Am  dein  rschtea  Selienkel  Tertrieb  icb  dimScbin«n 
dadurch  gar  bald ;  dieier  günstige  Erfolg  bestitigte,  wie  ich  da- 
inaUs  irrig  glanble,  die  Richtiglieit  meiner  Rrkenntnlfg,  nnd  er- 
mnnterle  mich,  auf  dein  eingeschlagenen  Weg  foriinich  reiten.  Da 
iob ,  noD  aber  mit  der  aniagonistisohen  Heilart.  nicht  weiter  Itam 
und  jetzt  die  Sache  anders  angreifen  wolhe,  hatte  sieb  schon  in 
ilem  linken  Schenkel  F.iter  eneagt.  Das  Mädchen  ist  freilich  ge- 
heilet 'worden  nnd  unverlcriippelt  geblieban,  aber  der  Fall  hat  mich 
doch  etwa  skopfacben  hinsichtlich  der  antngoaist liehen  Brechmetbo- 
de  gemacht. 

Die  Leser  könnten  sagen :  da,  wo  es  zweifelhaft  sei,  ob  man 
es  mit  einem  Rheiimatiäinnü ,  oder  mit  einer  in  Eiterung  iibergeh- 
baren  Entzündung  su  ibun  habe,  sei  ja  das  Kliigsie,  die  sicher» 
Heilart  jeder  unsicheren  vorzuziehen.  Adertassen  sei  das  sicher- 
ste Mittel  in  echter  Entzündung  der  Muskeln,  und  zugleich  eine 
Haupihülfe  im  bilzigen  Rheumatismus,  welche  schon  seit  der  ftl- 
lesien  Zeit  mit  Nutzen  angewendet  worden :  also  brauche  «an 
sich  den  Kopf  eben  nicht  zu  zerbrechen,  mit  welcherlei  Glieder- 
schmerz man  es  in  dem  F.inzelfalle  zu  thnn  habe.  —  Ganz  recht  1 
so  denke  ich  auch.  Wenn  ich  aber  nach  diesen  Gedanken  in 
zweifelhaften  Fällen  handle,  so  sage  ich  mir  doch  deutlich,  dafs 
ich  salbst  hei  dieser  veniieinllichen  Sicherheit  garstig  in  die  Dinie 
kommen  kann. 

Man  findet  nSnllcfa  aknta  Krankheiten ,  di«  durch  Aderlässen  . 
sichtbar  TerschliBimert,  ja  wol  gsr  tftdtlich  werden.  Solche  akute 
Krankheiten,  (gewöhnlich  Gehirnfiehar)  fangen  in  einielnen  Fal- 
len mit  einem  heftigen  Sehmerze  in  irgend  einem  GHede,  mei- 
■teos  aber  in  einem,  auch  wol  in  beiden  Füfsen  an.  Da  dieser 
Gliedschmerz  im  Vorl auf sseit räume  sieb  einstellt  und  zuweilen  der 
•Invige  Verlftnfer  ist,  so  siebet  jeder  Verständige  ein,  dafs  die 
praktische  Zwickmühle,  von  Am  wir  eben  gesproohen,  das  Ader- 
■•saeii,  uns  dann  auch  nichts  weniger  als  sieher  stellet.  Freilich, 
wenn  eine  solche  fieberhafte  Krankheit  einmahl  landgSngig  ist, 
wird  wol  jeder  Arzt  etwas  leise  auftreten ;  allein  bei  jeder  herr- 
■efaenden  Krankheit  macht  doch  Ein  Mensch  oder  etliche  den  An- 
fang, nnd  wenn  nun  in  diesem  Falle  ein  rheumatischer  Tncke- 
bold  als  einziger  Vorltinfer  des  Ungeksnnten,  ja  Ungeahneten  aaaf- 
tritt,  so  kann  er  leicht  den  Arst  in  die  Irre  und  der  irrende  Arzt 
dm  Kranken  in  die  Unterwelt  f&hren  Was  kann  man  ntin  dazu 
Mgeof  —  Meines  Eracblans  nichts  Klügeres  als  was  Boras  sag- 
te, da  ihm  ein  fallender  Baum  beinahe  den  Kopf  eingeschlagen 
hatte:     ^id  qwüqut   vitet,  nuMqtiam  komimi  imtü  ca»tMm  t»t  i» 

-'- —  "8'^ 


Die  Krankheit  der  Muskeln,  die  sieh  darch  Ziltern  ia&ert, 
eiehet  inHn  nicht  selten.  £a  ist  ein  wenig  wahrBcheinlicb ,  defii 
bei  manchen  Menschen  der  Mifabrauch  geistiger  Getrfinke,  oder 
Mifabrauch  des  Geschlechtstriebes  sie  verursacht.  Da  aber  aaeh 
Menschen  damit  behaftet  sind,  die  weder  In  6eva  einen,  noch  in 
dem  anderen  Pnnkte  ausge;ich weift  haben,  und  andere,  die  wirk- 
lich arg  darin  gesündigt,  nicht  zittern,  so  kann  man  jene  SchHd- 
lichkeiten  nur  als  solche  ansehen,  die  unter  gewissen  Bedingungen, 
welche  wir  gewöhnlich  nicht  kennen  nnd  von  denen  wir  kaam 
eine  Ahnung  haben  kSonen,  die  Krankheit  sn  veranlassen  im  Stan- 
de sind.  Was  wir  also  too  diesen  Dingen  wissen ,  mag  ein  wa- 
«ig  mehr  als,  nichts  sein. 

Vor  vielen  Jahren  hat  einmahl  eine  sehr  achtbare  Fran  vei^ 
gebens  Hülfe  bei  mir  gesucht,  die  auf  eine  gar  seltsame  Weise 
zum  Zittern  gekommen  war.  Sie  f&hrt  eines  Tages  in  sahlreicher 
Gesellschaft  aufs  Land.  In  dem  Wagen,  worin  sie  sitzt,  befindet 
sich  uti  glück!  icher  weise  nin  Herr,  den  der  Miethkulscher  in  Ver- 
dacht bat,  dafs  er  ihm  in  sein  eheliches  Gehege  streife.  Die  tl- 
fersüchiige  Wulb  ergreift  ihn,  er  f%ngt  an  ins  Tolle  in  jagen, 
will  absichtlich  den  Wagen  umwerfen,  um  dem  vermeinllichen 
Buhlen  seiner  Eheliebsten  den  Hals  zu  brechen.  Wenn  nun  gleich 
.  diese  Gewaltsfahrt  zufUltig  ohne  Halsbrechen  abgelaufen  ist,  so 
hat  doch  die  in  Rede  stehende  Frau  durch  den  auageslaadeoen 
Schrecken  ein  starkes  Zittern  bekommen.  Dieses,  von  mehren 
Aenten  behandelte,  aber  ihrei  Kunst  unheilbare  Uebel,  ist  von 
Jabr  xa  Jahr  scUimmer  geworden  und  hat  endlich  einen  solchen 
Grad  erreicht,  dafs  die  Aemiste,  da  sie  wegen  des  heftigen  Zit- 
lerns  weder  Hand  noch  Fub  gebrauchen  konnte,  wie  ein  junges 
Kind  roufste  gefüttert  und  in  einem  HAderstuble  im  Hause  verfah- 
ren werden. 

Hinsichtlich  der  Heilung  dea  Ziilerns,  weifs  ich  nichts  zu  sa- 
geit,  als  dafs  meine  Heilrersuche  bis  jetst  fruehtlos  gewesen  sind. 
loh  spreche  aber  hier  von  dem  anhaltenden  Zittern,  nicht  von  dem 
wechselnden,  welches  die  periedischen  Trinker  bei  Beendiguog  ei- 
nes TrunkHofalles  heimsuchet;  so  etwas  vergebet  wol  voo  s^bal, 
wenn  die  durch  den  Wein  oder  Branntwein  an^re^e  und  wirre- 
gemachle  Körpermasehiae  wieder  in  den  allen  Begelgang  surück- 
kehret. 

Die  uDwillkilrlichen  Muskelhewegungen,  die  gerade  wie  will- 
kürliche aussehen,  begreift  luan  beut  su  Tage  unter  dem  allgetnei- 
nen,  freilich  etwas  seltsamen  Namen  der  Chorea.  Dieses  Uobei 
gehört  SU  den  seltneren;  es  sind  suweilen  mehre  Jahre  hing^nn- 
gen ,  in  denen  ich  es  nicht  ein  einziges  Mahl  gesehen  buhe.  Der 
beste  Beweis ,  dafs  diese  unwillkürlichen  Muskelhewegui^en  den 
wUlkärliehen  voUkommea  ftbnlicfa  sehen,  ist  der,  dafs,  wenn  junge 


—    «87    — 

LMnie  den  ertten  Anfang  davon  bekommen,  sie  gemeiniglich  des- 
halb  von  den  Aelteni  oder  Eraiehern  als  wegen  einer  üblen  An- 
gewöhnung RiisgeaehmShlet  werden.  In  den  meisten  Fttlien  fangen 
sie  in  den  Füfaen  an,  lo  dafs  diese  nicht  können  sliDn  gehalten 
w«rden,  sondern  wider  Willen  des  EigenihUmers  allerlei  Stelltin- 
gen  inaclien.  \ach  und  nach  nehmen  mehre  Muskeln  an  dem  He- 
bel Aniheil,  nnd  im  hohen  Grade  desselben  ist  das  ganie  Mnskel- 
^stein  abwechselnd  im  Aufnihre.  Ich  habe  einmahl  ein  Kind  ge- 
s«ben,  das,  wenn  Vater  und  Mutler  es  zwischen  sieh  bei  den  IlMn- 
den  hielten,  mit  angezogenen  Friften  sich  heftig  wie  ein  Pendel 
schwang.  Aus  den  verdächtigen  Reden  der  einfSlligen  Alien  mnfs- 
te  ich  fast  schliefien,  dafs  sie  es  für  besaiibert,  oder  vom  Satan 
besessen  hielten :  es  war  aber  wirklich  nicht  vom  Satan,  sondern 
von  Würmern  besessen. 

Meines  Erachtens  ninfs  man  bei  Behandlung  dieses  Uebela, 
wie  iitw  dieses  langst  verständige  Meister  gelehret  haben ,  xuerst 
wohl  xusefaen,  ob  Würmer,  andere  materielle  Ursachen,  und  beim 
weiblichen  Gesehlecbte  Unordnungen  der  Menslniaiion  vorhanden 
(lind,  leb  seiM  aber  sa  dieser  alten  und  sehr  weisen  Lehre  hin- 
kh  ;  wenn  so  etwas  erkannt  ist,  so  darf  man  doch  nicht  den  gar 
zn  festen  Glauben  haben,  dafs  solche  Irrungen  und  die  unwillkür- 
lichen Muskelbewegnogen  sich  noihwendig  zu  einander  wie  Ursa- 
che  und  Wirkung  verhallen  mnfsten.  Es  können  auch  von  einan- 
der ganz  unabhängige,  susamnien  bestehende  Irrnngeo  der  thieri- 
scben  Maschine  sein. 

Ii^  den  unwillkürlichen  Bewegungen ,  welche  ich  für  ein  Ur- 
leiden  des  MuskelsTsienis  gehalten,  hat  mir  das  Glaubersalz  di« 
besten  Dienste  geleistet.  f)ie  Erfahrung,  dafs  laxirende  Miitel- 
salse  in  diesem  Uebel  bülfreich  sind,  ist  aber  nicht  mein  EJgen- 
ihum ;  ich  weifs  bestimmt ,  dafs  ich  sie  von  einem  guten  alteren 
Meister  habe,  kann  aber  nicht  mit  Gewifsheit  sagen,  von  welchem. 
Ich  lasse  von  dem  Glaubersalze,  wie  ich  schon  früher  angegeben, 
zwei  Urnen  in  zwei  Pfund  Wasser  auflösen,  nnd  davon  lassen-, 
oder  glUserweise,  stündlich  oder  sweiiiüadlich  trinken,  bis  drei- 
oder  viermahl  tiglich  Oeffnung  erfolgt.  Die  Kranken,  welche  ich 
behandelt,  waren  mehr  oder  minder  hartleibig;  anfänglich  halten 
sie  viel  Glaubersalzwasser  nöihig,  um  die  richtige  Wirkung  auf  die 
DRrme  sn  erzielen,  von  Zeit  zu  Zeit  aber  immer  weniger.  Inzwi- 
schen wurden  die  unwillkürlichen  Miisltelbeweguagen  immer  min- 
der und  blieben  zuletst  ganis  ans.  Die  Zeit  der  vollkommnen  Hei- 
lung ist  unbestimmt;  die  licbibare  Besserung  erfolgt  aber  bald. 
In  Einem  Falle  hat  mir  das  Glaubersal/.wasser  nichts  geleistet. 
Die  Kranke  war  aber  die  Tochter  geringer  Tagelöhner  auf  einem 
-Derfe,  und  ich  kennte  sie  also  nicfat  unter  ineineo  Augen  haben. 
Aas  den  verdScbtigea  Aenfseningen  der  Mutter  nwftite  ich  schlie- 


fwn,  riafs  laan  die  Kraakh«il  Qbernatürlicben  Uroschea  suiobriek, 
nod  dafa  rntia  meioea  ärxtlichen  BeiBlBod  nicht  gesndM,  ■andern, 
dafs  er  der  Kranken  von  d«iH  GeiHilichsu  in  gnter  Abaiefai  anfge- 
drungen  war.  Sie  ist  oicbt  durch  GlauberaaU  geheill ,  das  weifii 
ich  beaiimmt;  ob  sie  aber  das  Glaubonialz  nach  Vorschrift  gaaom- 
luen,  das  weil«  ich  nicht  bestimmt.*) 

Ich  habe  nur  ein  einziges  Mahl  Gelegenheit  gehabt,  den  er- 
sten Anfang  der  CAorea  mit  eigenen  Augen  za  beobachten;  in 
den  Abrigeo  mir  vorgekommenen  Fftllen  ist  er  mir  blofs  von  d«a 
Kranken,  oder  von  den  Angehörigen  derselben  beschrieben  wor> 
den.  —  Ein  Knabe  wird  von  seiner  Mutter  oft  und  viel  aaage- 
aehmählt,  weil  er  beim  Sitzen  allerlei  Faxen  mit  den  Fiiisen  macht. 
Einst  da  sie  ibo  gar  zn  unsanft  anläfst,  fängt  er  an  zu  weinea 
und  sagt  Bchlncbzend,  er  könne  die  Füfse  nicht  still«  halfen,  sie 
bewegen  zieh  ohne  «einen  Willen.  Die  Mutier,  die  nie  von  solch 
seltsamen  Dingen  gehört,  fragt  mich,  was  ich  von  deai  Vorgeben 
ihres  Sohnes  halte. 

ludem  ich  den  Knaben  beobachtete ,  sah  ich  sehr  bald ,  dafa 
er  den  Anfang  der  Chorea  hatte,  und  bemerkte,  was  der  Mauer 
entgangen  war,  dafs  auch  schon  in  dem  linken  Anne  sich  kleine 
unwillkürliche  Bewegungen  äufserten.  Ich  nahm  also  den  Knaben 
gleich  in  Schuu  und  erklärte  der  Mutter,  sie  würde  demselben 
dnrch  den  inneren  Gebrauch  der  GlanbersalzauflÖsuog  weit  bester 
die  Füfse  ia  Hube  bringen  als  durch  Ermahnen  und  Brummen.  Sie 
Obeneugte  sich  auch  gar  bald  von  der  Hichiigkeit  meiner  Ansicht, 
denn  da  der  Knabe  das  GlauberaaUwaasvr  vierzehn  Tage  getrun- 
ken, waren  seine  Füfse  beruhiget  und  sind  auch  mbig  geblieben. 

Es  fragt  sich  mit  Recht:  wirkt  das  Glaubersalz  all  direktes 
Heilmittel  der  Muskeln,  oder  als  sogenuinies  Antipilogülicitm, 
oder  stillet  es  das  Muskelleiden  auf  antagonistische  Weise,  durch 
einen  Reiz  auf  den  sympatbiacheo  Nerven,  oder  wirkt  es  heilend 
durch  Ausleeren  achädlicher  Stoffe!  —  Dafs  ea  nicht  als  Aitti- 
p&logMicuM  heilet,  davon  habe  ich  mich  in  zwei  Fallen  über- 
zeugt, in  denen  ich  den  kubischen  Salpeter  (ein  weit  luächiigeres 
AMtiphhgittiatm  als  das  Glaubersalz)  mehre  Tage,  des  Versuches 
wegen,  ganz  ohne  Nutzen  gab.  Dafs  es  nicht  durch  Ausleere» 
schädlicher  Stoße  heilet,  muä  ich  deshalb  glauben,  weil  in  den 
Fällen,  wo  es  heilend  wirkte,  keine,  mirnnd  den  Kranken  erkenn- 

*>  Seit  ieb  ObifU  feiBkri«b«a  ,  iit  nir  du  Hidekso  laKlUg  wieder  n  Gt*>«kt 
gekamniea.  Sis  war  aacb  nicbt  Kubeilti  id  dm  18  od«r  19  Jehreo  ,  da  \e\ 
■ie  sieht  goehen  ,  hiUa  die  Rrankbeit  eioa  andere,  und  iwar  lo  aelUaine 
Form  angeiioiDmeii ,  dar«  ei  mir  nDmüglicb  i*l ,  islbige  lu  beiehreiberi.  Sie 
kam  jetxt  anregelmirtig  periodiieb  ,  der  Anfbll  wEhrla  angeflhr  10  Hlsotei. 
und  üorterle  aieh  niebt  nelir  ja  dee  Eitrenitileo  ,  loadere  ta  den  MaAela 
dM  Brutkaatesf. 


b«re  und  fahlbare  scbitlliche  Slofle  in  den  Dftrnien  waren.  Ob 
M  aber  lAa  anlagonisiisi^er  lUia  anr  den  sympathischen  Netren, 
oier  als  direklea  Muskel  heil  mittel  wirkt,  wage  ich  nicttt  zn  ent- 
scheiden. Ich  müfslA  weit  mehr  Kranke  der  Art  behandelt,  nnd 
andere  feindliche  Reixe  auf  den  lympathiBchen  Xerren  venmchi  ha- 
ben,   wenn  ich  darüber  etwas  GrÜDdliches  sagen  wollte. 

Es  könnte  aber  meine  jüngeren  Laser,  denen  to  viele  mäch- 
tige Antüpatmodiea,  Nerviaa,  und  Tonica  zu  Gebote  stehen,  sehr 
albem  bedanken,  daft  ich  bebanptele,  ein  solch  geringes  Mittel 
gegvo  ein  so  grolsas  Uebel  mit  ausgeseichneiem  Nutzen  angewen- 
det m  haben.  Ihntn  za  Liebe  will  ich  also  eioeo  FaU  erzählen, 
der  sie  lehren  soll,  das  Gennge  nicht  za  verachten,  ich  wflrde 
aber  den  Fall  wahrlich  nicht  erzählen,  wenn  der  dabei  betheiligte 
Arzt  die  ErxShIang  lesen  könnte. 

loh  wurde  einst  vor  vielen  Jahren  eingeladen,  mich  mit  einem 
Amtigenossen  über  die  Krankheit  einer  erwachsenen  Jungfrau  70 
berathen,  welche  schon  mehre  Monate  im  hohen  Grade  an  der 
Chorea  gelitten.  Sie  konnte  wirklich  kein  Glied  stille  haltMi, 
selbst  lücht  einmahl  die  Zunge,  sie  zangelte  von  Zeit  zn  Zeit  wie 
eine  Schlange.  Sie  war  stark  altgemagert  nnd  hatte  fiberhanpl  «n 
sehr  krankhaftes  Ansehen.  Eine  materielle  Ursache  des  Uritela 
war  nicht  zu  entdecken.  Der  Stuhlgang  war  aber  ir&ge,  konnte 
nnr,  wie  mein  Kollege  versicherte,  durch  Pnrgauten  erxwnngen 
werden,  und  stockte,  sobald  dieser  arzeneiische  Zwang  aufhörie. 
Nachdem  ich  nun  von  der  Kranken,  ihren  Aeltero  und  dem  Arzte 
alles  erfragt,  was  mir  zn  wissen  aSthig  schien,  so  begriff  ich  gar 
bald,  dafii  es  mir  weit  leichter  sein  wdrde,  die  Krankheit  als  den 
Haosarzt  richtig  zn  behandeln.  Dieser  war  nSmlich  ein  achtbarer 
nad  rechtlicher  Mann,  baite  aber,  bei  guten  metHziaischen  Kennt- 
nissen und  bei  einem  guten  Verstände,  den  etwas  seltsamen  Glau- 
ben, kein  anderer  Arzt  kdnne  ein  besseres  Heihnitiel  anf  ein  Ue- 
bel kennen  als  er  selbst.  Zngleidi  besafs  er  noch  di»  Eigenheit 
(auf  welche  ich  aber  schon  mehr  in  meinem  Leben  gestofaen  bin), 
von  allen  Heilmitteln,  die  man  ihm  vorschlug,  zn  behaupten,  er 
habe  sie  schon  vergebens  bei  dem  zn  behandelnden  Falle  gebrancht. 
Ich  glaube  wahrhaftig,  wenn*  «a  möglich  wfire,  ein  Mittel  ans  dem 
Monde  zu  holen,  er  würde  höchst  wahrscheinlich  sich  zur  Unehre 
gerechnet  haben ,  dieses  Mondheilmiltel  nicht  zu  kennen.  Was 
sollte  ich  nun  mit  dem  wunderlichen  Manne  anfangen?  Wahr- 
lich! es  war  eilte  schwierige  Aufgabe,  die  einem  achtbaren  Amts- 
brnder  schuldige  Hofliebkeil  mit  meiner  Pflicht  als  berathender  Arzt 
in  einen.  Die  alte  Regel  der  Lebensklngheit,  dafs  wir  im  Allge- 
meinen die  Menschen  am  leichtesien  nnseren  Absichten  willig  ma- 
chen, wenn  wir  ihrer  Schwüchen  schonen,  liefs  mich  nber  ancli 
hier  nicht  in  Stich.     Ich  sagte  meinem  Kollegen  in  Gegenwart  der 


—    QUO     — 

Kranken  iwd  der  Aeltem:  Er  habe  bei  nwwrer  Kranken  idlea  «•• 
a«h3pft,  wa«  die  KuiMt  variaSge,  icli  wime  wirklioh  bcio  Uriltni»- 
lel  mehr  aomgebeBi  was  er  nicfat  Khon  asgewendet.  Oa  naa  abo 
hIIss,  wa«  wir  J>elde  wishd,  veri^baoB  gebraocht,  und  die  Krank- 
heit kaia  iddtliobes  Uebel  «ei,  eo  loblagB  -ieb  etwas  vor,  wag  er 
iD  seiner  VeratAndigkeit ,  a«sb  oboe  meine  Daxwiachenknnft ,  in 
Knncm  gewib  würde  aar  AwifSbrong  gebiaebt  haben,  nämlicb, 
dafa  wir  die  Kranke  ein  vienabn  Tage  gvts  von  alkn  Aneaei- 
gebraucbe  feiern  laaeeo,  am'einautbl  m  sebea,  wai  die  uoara»- 
neitc  Nainr  fhnn  wollen.  Da  er  aber  enge,  da&  das  Fritalei«  sehr 
hartleibig  sei,  lOt  dafii  Oeffnung  nur  dnrefa  kraftige  farginaiitel 
könne  erawnngea  werden;  eine  vicraehnifi^ge  Veratoffang  ihr  aber 
doch  wol  nicht  aendertieh  lalrfigUeh^in  laüdiie,  ho  schlage  ieb 
ein  eiofUtiges  Hansmittel  TOr,  Mnlicfa  den  tfigHeheo  Gebrauch 
des  GlaabersaJawaaier«,  In  der  Axt,  dn&t  drei  «der  vier  StSUe  tags 
erfolgeti. 

Mein  KoHege,  der  wirklieb  mit  aeiow  Kuwrt  an  Ende  war, 
gab  taeinen  einfältigen  Vorseblage  Beifnll,  nod  die  Kranke  nebst 
ihran  Aeliera,  des  langen  vargebenea  Eing^ens  und  Einnehme« 
aneb  faeralich  um,  waren  ebenfalls  aofneden.  Nnn  wendete  ich 
mich  aber  aa  die  Aeltem,  na4  aagle  ihnen ,  wie  das  GlanberMls- 
wasaer  hereilct  nnd  wie  es  nnantgesetat  mnaie  gelraokeq  werden, 
wenn  man  den  Stuhlgang  so  dadurch  regeln  wolle,  dafs  die  Oeff> 
oung  hemach  von  selbst,  auch  ohne  Glaabersalswaaser  erfeige. 

Mein  Aaitsgenosse,  der  bei  meiner  emslhafien  Aqdegnag  eine 
etwas  lliflhelnd  saiiriiche  Miene  macht«,  gtanble  h&ebst  wahracbei»- 
lich ,  dafs  ich  aus  firstlicher  Weltkingheil  der  eüMtitigen  Sndie 
Wichtigkeit  beilege,  damit  ich,  als  zur  Beralhfiag  Gebeiener,  in 
den  Angen  de«  Levte  nicht  gaos  rathloa  nad  nnrftihgebig  von  iMr 
nen  gehen  möchte. 

Waa  maebii*B  wir  aus  twoh  den  abgelaNfenM  vieriehn  Ta* 
genl  —  tkm  kann  ich  karx  sagen;  ee  war  keine  Rede  mehr  von 
einem  weiteren  Arsen  ei  wecfaeeL  DaaUebel,  swar  noch  nicht  gans 
gehoben,  war  schon  so  überrascbend  gemindert,  dafs  weder  Kran- 
ke noch  Aeltem  daran  dachten ,  von  dem  eingeschlagenen  Bail- 
wege  ahsnweichen.  Das  Mädchen  bat  auch  nichts  anders  gebranoht, 
sondern  ist  hlofa  durch  daa  Glaobersaliwasser  von  ifarem-^Elende 
befreit  worden.  Aafdtiglicb  bat  sie,  um  die  beabsichtigte  Wir- 
kung anf  die  DSrme  au  erzielen,  täglich  swei  Pfund  Wasser  ge- 
trunken, welche  swei  Uq^n  SaU  «ubielteni  nach  und  nach  aber 
immer  weniger  bedurft. 

Ob  nun  bei  dieser  Heilwt  auch  das  Wnsser  in  Anschlag  au 
bringen  «ei,  will  ich  nicht  enlaobeidan.  JP,  E^wumn  enählt  uns 
den  Fall,  dafs  ein  JfingUng,  der  gegen  Krfimpfe,  welche  der  Er- 
zShler  Motu*  »patmpdnsu  vago»  nennet,   aufaloa  viel  Arienei  ge- 


braucht,  durch' Jrs  iKgliche  Trinksn  eiaer  gaien  Porlion  frischen 
Wasaera  j^heilt  sei.  Freilieb  h«t  der  Enfthler  auch  noch  Deben* 
bat  krampfstitlende  Pulver  gereicht;  er  legt  aber  selbst  «uf  diese 
keinen  Werih,  Madem  ichrelbt  die  Heilenj^  dem  Waaaer  zn,  — - 
Es  lind  gar  viele  Ueimlichkeiteo  in  der  \alur,  das  Leben  ist  aber 
zn  knrx,  ntn  alles  zn  ergründen.*) 

Da  nun  die  unwillkürlichen  MnskelbeWegaQgen ,  von  denen 
wir  gesprochen,  in  die  Kategor'ie  der  Chorea  gehören,  so  möchte 
der  nengierige  Leser  wol  fragen,  ob  ich,  der  ich  doeb  IQ  den 
AltMi  gehöre,  in  meinem  Letten  je  das  wirkliche  Tanzen  gese- 
hen! —•  Wahrhaftig!  ich  habe  es  noch  nie  gesehen,  möchte  es 
aber  gern  elnnahl  sehen,  und  könnte  dieses  Scbanspleles  wegen 
wol  eine  Reise  von  «rticben  Meilen  machen. 

Das,  was  bei  meinen  Kranken  höchstenB  dem  Tanze  verwandt 
zu  sein  schien,  war,  wenn  sie  sich  in  aiizenrder  Stellung  befnnden, 
die  Bewegung  der  Fiifee.  Es  kam  mir  aimliich  so  vor,  als  woll- 
ten sie  dia  iBBsnieisterlichen  Positionen  einflfaen.  So  viel  ich  mich 
aber  nooh  jetzt  dieser  Elemente  der  Tanzkunst  ans  meiner  Kind- 
heil erinnere,  machien  sie  diescB)en  verzweifelt  schlecht  und  nn- 
r^elmBfsig. 

')  Za*>tK  VOM  Jibre  1836. 
In  Acten  lahm  htht  ich  iwci  Fülle  behindrtt.  Den  linea  (er  betraf  eio 
noeb  ftit  kiniliicbef  Hädeben)  heilte  iob  dueh  Gteibinali,  er  war  nee  and 
dai  HEdeliaB  hatte  trafen  Stuhl^of .  Der  iweitc  Fall  betraf  eiae  junge  nann- 
bare Jan^ra«,  er  war  iller  ead  die  Rranke  ta  allen  weiblieben  Haad-  oder 
Pinfferarbeilee  uräbiic',  aoeb  war  da«  Gehen  ,  wegen  der  an  frei  will  igen  8e- 
wcfung  der  Füfa«,  an  Bangelbalt ,  data  sie  dit  Bau  Sicht  verUaaen  konolp. 
Da  nnn  diese  keinen  IrägcD  Stghlgaof  halte,  toudern  gaDt  regelmüfaigEn ,  la 
war  ieb  aeagierig ,  waa  dti  Glanberuli  leisten  würde.  Ein  aohtligigcr  Ge- 
braneh  deiaelbea  ebereeagte  nieb  ,  daft  es  gar  nichts  lafile.  Nan  »an  leb 
daraaf,  dai  Dabei  durch  Gcbiramittil  aa  baflen,  mA  verenehte  »erat  da* 
Pnlver  der  Beifariwarul  (Arltmiitm  vMlg.).  Bei  der  Gftba  vdb  ejntn  gebSof- 
ton  TheelGffel,  fnnfBabl  tags,  aib  Ich  bald  die  nnfrei willig«  Bewcfang  der 
CUeder  miader  werden ;  altei«  die  Beasempg  machte  nach  acbt  Tagen  keine 
Portschritle  mehr.  Jettt  gab  ieb  den  esiigsanren  Zink ,  nnd  dieser  war  dai 
elgeutlicbn  Hetlaillel.  Die  vollkopinne  Heilang  bat  sich  aber  langsam  ge- 
naobt.  Da  das  Hldebea  wieder  nKen  ,  sticken  ,  nnd  aof  die  Strafae  gebin 
koonte,  erkaltete  ibr  erster  Eifer  »■  BionehM«.  Sie  war  jang  and,  wie  die 
neisten  jnBgea  Leate,  laich tsinaig ;  eine  kleine  UnaUlbeil  der  Glieder  acbtete 
■ie  nicbt.  tcb  bähe  acbon  Trüber  gesagt,  dafs  der  essigsiare  Zink  zwar  kai- 
nen  üblen  Geschmack  habe  ,  aber  dennoch  auf  die  Dauer  den  Kranken  widrig 
«erde ;  dai  ist  ein  grofies  Hindernifs  seiner  Anwendung  bei  chrnniicben  Ue- 
belo,  bMoedera  wean  die  Kranken  ibn  in  FittenferH  nicht  Debmea  kHnuen. 
Auch  iU  es  seiir  bladerliob ,  daCi  maa  genStUget  ist,  die  Taggabe  faa  Zinks, 
wegen  seiner  ÜbelBaebandoD  EigeHchalt ,  ie  so  Uaine  Pvrtiaoea  in  tbeilea, 
dafs  der  Kranke  itiindlich  einnehmen  mufa.  So  lange  die  ZnrUle  der  Brask- 
heit  dringlich  sind,  gehet  das  ElaDebneQ  regelmafaig,  aber  bei  der   Besseroog 


Ich  will  alter  durch  die  Aonfsening,  dafs  ich 'das  eigentliche 
Tansen  nod»  nichl  geaeheo,  and«te  Schriftsteller  keineswegev  ver- 
dächtig mache«;  im  Gegenlheil,  ich  gestehe  vielmehr,  dafa  ich  die 
vorxügHchB(«ii  und  allbeliannt^  Tanzbeobachturtgen  mit  Vergnü- 
gen gelesen;  ea  sind  kleine,  griine,  lästige  Auen  in  der  dfiiren, 
grauen  Sandwiiste  iinserer  Literatur. 

Unsere  heutigen  Aerzte  werden  wol  sSmiutlich  der  Meinung 
sein,  dafs,  in  Fällen,  wu  kein  Betrug  mituntergelnufen ,  aolche 
Tanzerei  nicht  sowol  Aenfserung  einer  Muskelkrankheit,  als  viel- 
mehr Aeufserung  einer  eigenen  Monorannie  gewesen.  Im  17.  Jahr- 
hundert sprach  schon  Läureiu  BeUini  diese  Ansicht  ans,  denn  er 
sagt:  Fieri poteti,  ul  ejutwtudi  taüatio  tit  timpUx  defirinm  a  guu' 
libet  opinione  prodiicIutH,  quaßat,  vt  delirui  iffe  aailare  debeat 

«.    B.    W. 

Nun,  ich  denke,  wi«  ea  in  unseren  Tagen  Menschen  gibt,  die 
.üicb  allerlei  seluame,  närrisclie  Dinge  !n  den  Koprselna,  so  wint 
es  deren  auch  in  der  alten  Welt  gegeben  haben ;  nnd  me ,  nach 
der  Erzählung  des  Ahb^.Faydit^  der  Pater  Amoux ,  BeiehtvKter 
Ludwig  des  Dreizehnten«  da  er  betagt  wurde,  sieh  einbildete,  in 
einen  Hahn  verwandelt  zn  sein,  als  ein  Hahn  krähte,  und  in  dem 
Jesuitenhause,  worin  er  sieh  aufhielt,  als  Wecker  diente,  früh  mor* 
gens  alle  Gänge  durchlief  und  aus  Lcibcskräfien  krähte;  eben  so 
kann  sich  ein  Anderer  auch  einbilden,  er  müsse  tanzen,  und  dann 
wird  er  tanzen,  wie  jener  krähte. 


Ich  will  jetzt  einniahl  zur  Abwechselung  über  einen  Gegen- 
stand der  Wundarzeneikunst  sprechen,  obgleich  ich  diese  Kunst 
selbst  nicht  übe.  .Die  Wundftrale  sagen:  wenn  die  Achillsaetine 
bricht,  so  haben  die  Leute  ein  GefUhl,  als  ob  ihnen  jemand  einen 
Stein  auf  die  Wade  würfe,  oder  ihnen  einen  mfffsigen  Schlag  mit 
einem  Stocke  darauf  gäbe.  Ich  setze  aber  jetzt  hinzu :  solches 
Schlag-,  oder  Wurfgefühl  ist  nicht  blofs  der  Begleiter  der  voll- 
koinmnen  Zerreifsung  der  Achillsaehne,  sotidern  auch  der  halben 
oder  der  Einreifsong  derselben.  Ein  Herr  bekam  einst  beim  (Je- 
hcrfahien  über  die  Waal,  indem  er  beim  Landen  an  das  Ufer 
sprang,  einen  solchen  Sehnenetnrifs.  Er,  der  von  dem,  was  die 
Chirurgen  sagen,  nichts  wufste,  erzählte  als  eine  Sonderbarkeit, 
es  sei  ihm  in  dein  Augenblicke  der  Einreifsung  so  vorgekom- 
men, als  habe  ihm  jemand  mit  einem  kleinen  Steine  auf  die  Wa- 
de geworfen,  da  er  sich  aber  im  nSmlicben  Augenblicke  uutgeuen- 
det,  um  in  sehen,  woher  der  Wurf  gekommen,  habe  er  geiuerkt, 
dafs  er  lahm  seL 

Im  Jahre  1836  hatte  ich  Gelegenheit,  den  zweiten  Fall  <l^  Art 


za  scfaen.  Ei«  BelgiMher  LaRdmaDD ,  der  mich  wegvn  tohmer»- 
bafier  Lahiaheit  eines  Falaea  um  Kalh  fragte,  erzählte  die  Entoie- 
bong  alao:  Er  S&brt  mit  seiner  Familie  auf  Besuch  su  Verwand- 
tan,  und  gebet  an  einer  Stelle,  wo  der  Weg  schlecht  ist,  xn  Fufs 
neben  dem  Fahrwerke;  binler  ihm  gehet  ein  ihm  iHibekaifnt«r 
Banerjunge.  Anf  einmabl  bekommt  er  einen  Wurf,  soheinbar  mit 
eincni  kieiaea  Steine  auf  die  Wade,  und  tat  Bugenblicklicb  labm. , 
In  der  festen  LJeberzeitgung ,  der  hinter  ihm  gebende  Junge  habe 
ihn  mit  einem  Steine  geworfen,  wird  er  zornig  und  will  diesem 
zn  Leibe.  Der  sehwöret  Stein  und  Bern,  er  habe  nicht  geworfen. 
Der  Landaiann  mnfs,  aus  MangeJ  an  Beweis,  sich  dabei  beruhigen, 
obschoa  er  vom  Gegeniheil  überzeugt  zu  sein  glaubt.  Er  schonet 
nun  den  kranken  Fufs  und  dieser  wird  in  dem  ungefiihreu  Zeit- 
räume etlicher  Wochen  um  vieles  besser.  Bevor  er  aber  ganz  gut 
ist,  rnnfs  der  Landmann  zu  einer  Hechzett.  Mit  deai  festen  Vor- 
sätze, nicht  zn  tanzen,  begibt  er  sich  zwar  hin;  der  Spott  seiner 
Freunde  aber,  als  sei  er  ein  Weichling,  bestimmen  ihn,  einen 
Tanz  zn  wagen.  Der  Tanz  macht  den  Fufs  wieder  so  schlimm 
aU  er  gleich  nach  dem  vermeinllicben  Steinwurfe  gewesen,  nnd 
dieser  Verschlintmerang  wegen  hält  es  der  Mann  iUr  räthtich, 
nach  eiiügen'  Tagen  meine  Meinung  aber  die  rülhselhafte  Lahmheit 
zn  bdren.  Die  Erkenntnifs  war  leicht;  ich  fühlie  denllieb  eine  klei- 
ne Vertiefung  in  der  Sehne,  aber  auch  zugleich,  dafs  sie  nicht 
durchgerissen  war,  auch  war  nicht  blofs  die  Bewegung  des  Flail- 
fofsee,  durch  welche  die  Sehne  gespannt  wird,  schmerzhaft,  son- 
dern auch  die  seiligen  Belegungen  des  Gelenkes  waren  es.  — 
Begreiflich  ist  eine  Schonnng  des  Fufses,  durch  welche  Jede  An- 
spannung der  Sehne  vermieden  wird,  ebne  andere  Künstelei,  das 
ein&ohsle  und  sicherste  Heilmittel  dieses  Sebnencinrisses.  Weil 
aber  jeden  Menscheo  <las  eigene  Gefühl  diese  Art  der  Schonung 
des  Fafses  lehret,  und  die  Heiloag  dadurch  erfolgt,  SO  werden 
Menschen  ans  der  geringen  oder  mittlen  Volksklnsse  die  Knast  den 
Wundarztes  nicht  leicht  deshalb  in  Anspruch  nehmen.  Dieses  ist 
auch  höchst  wahrscheinlich  der  Grand,  dafs  in  den  Letirhücbern 
der  Chirurgie  blofs  von  der  Durcbreifsnng,  nicht  aber  ven  der  Ein- 
reifsnng  der  Sehne  die  Rede  ist.  Da  nun  die  angegebenen  Zeichen 
der  Dnrchreifsung  auf  die  blofse  Einreifsung  schieb  passeh,  und  die 
Menschen,  wie  ich  in  den  zwei  Fällen  gesehen,  beim  Hinken  nicht 
über  Schmerz'  in  der  verletzten  Sehne,  sondern  im  Gelenk  klagen 
(sie  sprechen  begreiflich  nach  ihrem  Gefiihle),  su  kann  ein  Uner- 
fahrener die  Sache  leicht  fiir  Subhixation ,  oder  Tür  d'ie  Nach»  eben 
einer  Subluxation  nehmen.  So  ging  es  zum  wenigHieu  in  dein  erai- 
erzühlten  Falle  einem  jungen  Doktor  der  Cliirurgie,  den  ich  ge- 
rade nicht  zu  den  Unwissenden  und  Einßiltigen  rechnen  möchte. 
Dafs  seine  rauhen  und  schmerzhaften  Manipuluiiunen  die  eingeris- 


—    »4    — 

sette  Bahn«  sieht  gatti  dnrofariMM,  ww  bltiü  d«n  guten  Glucke 
Kuauschreiben.  Ein  aller  nad  erfahrener  Wnndant,  dem  eich  der 
hinkende  Herr  apftler  anvertraute,  erknnM*  den  wahren  Grand  das 
Hinkeos  alsobald ,  and  hi»lt  Schonung  ilee  Fufiies  für  das  be«e 
Heilmittel.  Mir  scheint,  gerade  weil  dieser  Sehneoeinrih  dan 
Wundftrxten,  des  angegebenen  Gmndet  wegen,-  aar  sehr  selten  var- 
komiiiea  kann,  bei  demaelbea  aber  viel  leichter  ein«  Imiog  in  der 
Diagnose  mdglicfa  ist,  als  hm  der  wirklichen  Durckreilsnng^  w> 
wSre  es  doch  wol  Pflicht  der  schreibenden  Meister,  die  Unerfiih- 
renen  besonder»  daraaf  anfinerksain  an  inacheni 

Nun  will  ich  noch  von  der  rüihselhafleD  Dnrohreilsang  einer 
anderen  Sehne  reden. 

Ein  Mann  erxählte  mir  eitwt  das  Nftmliche,  was  die  Achills- 
sehnen brüchigen  erzBhten:  er  habe  auf  der  Landstrafse,  wel^ie 
freilich  bei  ans  etwas  holperig  ist,  ohne  sit  laufen  oder  «a  sprin- 
gen, bei  einem  angleichen  Tritte,  jenes  WurfgefBhi  aaf  die  Wade 
bekommen,  sei  aber  nicht  Uhm  geworden,  sondern  habe  nnr  ein 
widriges  Gefühl  in  der  Wade  behalten,  welches  sich  hiob  beim 
Gehen  ftnlserei  das  er  aber  mit  Unrecht  Schmers  nennen  würde. 
Den  Sitz  dieses  widrigen  Gefühles  konnte  er  xwar  nicht  gaaa  ge- 
nau bestimmen,  bcseiehaeie  alter  als  angefahren  Ort  die  untere 
Gegend  der  Wade.  An  der  fiufseren  Seile  aeigte  er  mir  eine  ver- 
ineinlliche  Blolunierlaufung,  welche  sich  aber  blols  als  eine  feine, 
blÜHliche  Marmelung  dem  Auge  darstellte.  Das  widrige  Gefühl 
beim  Gehen  hat  eine  Zeitlang  angehalten,  ist  allmählig  Blinder  ge- 
worden, und  dann  gans  verschwanden. 

Dnfs  nun  in  dem  eraählteo  Falle  der  Bmoh  einer  Sehne  Statt 
gehabt,  unterliegt  wel  keinem  Zweifel ;  aber  welches  Muskels  Seh- 
ne war  wol  serrissenl  Die  Aohillisehne  war  weder  durch-,  noch 
eingerissen,  der  Mann  giitg  ancfa  nicht  lahnu  Ich  vermuthe  also, 
dttüi  blofs  die  lange  Sehne  des  Flanfari»  lerrissen  war;  überlasse 
aber  gern  den  WundBrcien,  diese  Meinung  an  berichtigen.  Aas 
dieser  Geschichte  folgt  saia  wenigsten ,  dalii'  das  Schlag  -  oder 
WiirfgefShl  auf  der  Wade  aioht  nnschlielalieh  der  Begleiter  de« 
Acbillssehoenbruobes  ist. 


Jetzt  miifste  ich  wol  von  der  Krankheit  der  \ervenstämaia  re- 
den; da  ich  aber  kein  Eigenmittel  auf  diese  Organe  kenne,  son- 
dern sie,  wenn  sie  consensuell  ergriffen  sind,  durch  Heilendes  ur- 
ergriffenen  Organs,  wenn  sie  urergritfen  sind,  durch  Gehirnmiitel, 
und  wenn  ihr  Leiden  eine  in  ihnen  vorwaltende  Affektion  des  Ge- 
sammtorganismus  ist,  durch  die  Universalmiltel  heile:,  so  werde 
ich,    weil  sie  be^ionders  häufig    in  letzter  An  vorkommen,   diesen 


-    fl05    — 

für   den-  AfM   M   wichügna  QtgtamtMad   in  4m)i  Kkpilal  fifaet  die 
UniveisBlinitlel  amfübrlich  baapreeheB. 

Von  den  BlaigBfftfMtiDaaMi,  den  G«lMikbänd«rB,  den  Knochwn 
und  DriiMu  wnä  ich  onfaM  so  sig«««  «ss  mein  lüigcntfaum  wä- 
re ;  aUo  würde  ca  bSchst  bUmiii  tob  mir  aein,  wenn  ich  den  Le- 
wr  mit  allbekannteB  Dingeo  langweileo  wollte. 


Beiondere  Bemerkungen   über   die  äu/*eren    Organe. 

Ich  glaube,  dafs  die  Aawendnng  der  HeilmitI«!  aat  Haatslet- 
len,  welche  man  ihrer  Epidermia  cniblöfal  hat,  in  vielen  Krank- 
heiten nicht  blofii  der  Haut  und  der  Safteten  Organe,  londern  auch 
der  inneren  von  vorzüglichem  Nutzen  sein  mufs;  Torauggeserzt, 
dah  ea  nicht  nDverstandhafl  Ist ,  von  meiner  eigenen  F^rfabrung 
hinsichtlich  der  Wiritung  der  blofs  die  Epidermis  berSbrenden  Mit- 
tel nnd  Ton  den  noch  weit  wichtigeren  Erfahrungen  Allerer  Aers- 
le,  anf  jene  neue  endermalische  Heilart  «n  schliersen ,  welche  ich 
selbst  bis  jetzt  noch  nicht  in  Anwendung  gebracht  habe. 

Die  Heilung  mancher  Uebel  durch  Siifsere  Mittel  scheint  mir 
fror  dem  achuehnten  Jahrhundert  häufiger  getibt  xn  sein  als  B|>ä- 
ter.  Ich  spreche  aber  hier  blofa  nach  dein  nngeföhren  Gesaninit- 
eindnicke,  der  mir  von  meiner  geringen  Leserei  Übergeblieben, 
ohne  meine  Aeiifserung  dnrch  bCcherliche  Anfuhrangen  beweinea 
XU  können.  Früher  bat  man  durch  Sufiterliehe  Mittel  mweilen  wnnr 
dei^leicbe  Wirkung  hervorgebracht,  dergleichen  man  sich  jetzt  kaum 
wird  riihraen  kBnnen. 

Den  merkwiirdigslen  Fall  der  Art,  den  ich  je  gelesen,  will 
ich  jetzt  den  die  endermailache  Heilart  übenden  Aerzten  mitihei- 
len,  blols  damit  sie  sich  selbst  prüfen  mSgen,  oh  sie  mit  ihrer 
neuen'  Methode  das  »uszuführeo  utMemehmen  würden,  was  ein  al- 
ler Arzt  durch  einfaches  Beschmieren  der  Oberhaut  ausgeführt  hai. 
Die  zu  erz&hlende  Tbatsache  hat  Petrut  F^ettn»  aus  den  gehei- 
men Papieren  seines  Meistere  Githert  Brnnt^  Hospitalarztes  zu  Born, 
abgeschrieben. 

Im  Jahre  1537  den  24.  Norepsher  wurden  su  Born  zweien  zum 
Tode  venuiheilien  Verbrechem  fdgeod«  Giftpillen  zu  dem  Zweeke 
gegeben,  die  Macht  ftnfserllch  angehnditer  Gegengifte  zu  versnefaeB. 

I^  Srnb/imali  3i 

Artenici  crytUUlini 

Büagalli  (amriptgmentij  aa  5|} 

\mcti  «amicae  3K 

Gallamm  elepiantinarum  Num.  ü   (sind  mir  un< 

bekannt) 
Badicü   Tkymeleae  ( Mtxereij  5i 


—    666    — 

Napelli  Ji 

Viru»  gaad  dettiBat  de  dente  viperae  ^i  ') 
M.  f.  ^  teMuiuimtu  et  cum  tacdkaro  roiutta  boli  oei«. 
VoD  dieBea  acht  Bissen  mufste  jeder  der  beiden  Verbrecher 
vier  auf  Ein  Mahl  Terschlucken  und  beide  sich  ans  Feuer  stellen. 
Einer  derselben  bekommt  eine  halbe  Stunde  nach  dein  Einnehmen 
Magenschmerzen,  Hitze  im  Mnnde  und  Schlande,  föu^t  an  zu  spei- 
cheln, darauf  zu  erbrechen,  und  kaons  nicht  mehr  nm  Feuer  aus- 
hallen. Man  fieifsi  ihn  jetzt,  auf  und  ab  wandeln;  wahrend  des 
Gehens  vermehrt  sich  das  Erbrechen,  er  bekommt  einen  ungeheuer 
starken  Durchfall  und  ihn  durstet  heftig;  man  gibt  ihm  aber  nichls 
zu  trinken,  Bondern  erlaubet  ihm  blofs,  sieb  den  Mund  mit  Was- 
ser auszuspülen.  In  diesem  Zasiande  bleibt  er  bei  vier  Stunden. 
Nun  überiSIIt  ihn  Mattigkeit,  der  Albem  versagt  ihm,  er  wird  ohn- 
Mfichtig,  der  Puls  ist  nicht  mehr  zu  füblen,  die  Extremiiäten  er- 
kalten, die  Angen  verdrehen  sich,  die  Finget  liehen  sich  krampf- 
haft zusammen,  die  Lippen  zittern. 

Sobald  die  Wirkung  des  Giftes  bis  xn  diesem  Grade  gestei- 
gert war,  wurde  die  Einreibung  des  Gegengiftes  begonnen.  Der 
Arzt  schmieret  die  Gegend  des  Herzens,  der  Schläfe,  des  Pulses, 
den  Mund,  die  Magengegend,  die  Hypochondrien,  den  Rückgrath 
und  die  Nase.  Diese  Salbung  wiederholt  er  viermahl  innerhalb 
vier  Stunden;  am  folgenden  Tage  salbet  er  den  Menscheo  noch 
Ein  Mahl,  gibt  ihm  ein  ÄUxipharmacum  ein,  über  dessen  Zusam^ 
mensetztmg  Gitiert  Hörnt  nur  Vermuihung  hat,  und  der  Gesalbte 
geneset  wie  ein  vom  Tode  Erweckter. 

Der  zweite  Verbrecher  hatte  folgendes  Schicksal. 

Er  halt  eine  ganze  Stunde  beim  Feuer  aus  ehe  er  Ekel  be< 
kommt,  dann  f^Qgt  er  an  zu  speicheln,  hat  ein  nagendes  Gefühl  im 
Schlünde  und  Magen',  ohne  dafs  er  Erbrechen  von  Bedeutung  be- 
kommt. Endlich  schwindet  der  Puls,  es  erfolgt  Ohnmacht,  er  stürzt 
fallsGchlig  hin,  als  wolle  er  augenblicklich  den  Geist  aufgeben.  Man 
fragt  ihn  auf  ein  Lager,  und  da  er  wieder  beikommt,  hat  er  ein  na- 


*J   El  (t«bet  mir  vor,  AenfgernDgeD  Bber  die  ODiRhiidlichkeit  de»  in  dn  IfaKeii 

gebraAten  Viperngiftei  bei  mahrea  Scbrin*t«ller[i  geleian  sa  haben,  icb  kann 
inieb  aber  der  Nameo  denelben  nicht  bealimoil  eriDDern.  Zwei,  deren  icb 
mich  erinnere,  lind:  Latir.  Beilini  nod  Ririeril  Mead.  Letzter  iet  der 
eiBil|;e ,  bei  dem  ich  einigen  Grnnd  Jenes  Vorfebeei  ^rinden  ,  nad  dieaer 
Sauie  Grand  iil:  ,,dalk  den  Henachen  ,  weiche  die  Viperbiie wanden  aoas«- 
«ogen,  kein  Uebel  durch  dicie  Operation  zogeetafiea  *ei."  ^  Ick  denke  aber, 
solche  Laute  werden  wol  die  ailigetogene  Blut  niehl  hinnBlergeaehlDckt,  lon- 
dern  aufcipicn  haben.  Wcan  dal  der  elozige  Grand  iat,  die  Uoachndlicbkeil 
de«  verleb  lack  teil  Viperogiriei  zu  behBapteB,  so  stehet  die  BebaopluDF  wakr- 
Itcb  auf  acbwecfaen  FSniou. 

"■■■  - ^-—-^^■~ 


-    «97    — 

geiMtm  Gefthl  in  allen  aofiienn  Ttwilen ,  knunpfhafm  2i*h«o  der 
Glieder,  Taubheit  der  Finger,  vmziiglich  der  Spiizeo  derselben. 
Nun  ist  der  alte  Arzt  gleich  bei  der  Hand,  schmieret  ihm,  gerade 
wie  dem  ersten  Verbrecher,  ver*cbiedene  Tbeile  des  Leibes  mit 
einem  Oele,  welches  ß'o reatu»  Oleum  Jratri»  Gregorn  vocati  Fe- 
ituii  nennet  (auf  Italiäniech  Fratre  meto  capo),  tSobald  die  HeRB- 
gegend  gesalbet  ist,  bekommt  der  Mensch  Vetdreben  der  Augen, 
AlhemsDOth,  Krämpfe  der  Finger,  Kfilte  der  Glieder  und  Herz- 
klopfen. Nachdem  diese  Zufltlle  zwei  Miserere  lang  gewähret,  las- 
tien  sie  nach;  der  Arm  bleibt  aber  schlaff  und  taub,  und  in  dem 
rechten  ist  auch  noch  ein  geringeres  GefiihI  von  Taubheit,  zugleich 
Snfsert  sich  noch  Be&ngttiguag  nebst  einem  Nagen  im  Mageo,  Hitse 
und  Kratzen  im  Schlünde.  Der  Arst  salbet  ihn  noch  dreiraahl  in 
einem  Zeiträume  von  zwei  Standen,  am  andern  Morgen  noch  Ein 
Mahl  und  verläfst  ihn  dann  gesund. 

Ob  die  Yeritreoher  durch  diesen  ärztlichen  Versach  ihr  Leben 
erkauft  haben,  sagt  Foreitiu  nicht;  meines  Eraofatens  wäre  es  aber 
wol  billig  ^wesen.  Es  scheinet,  dafs  man  jeden  Verbrecher  mit 
einem  besonderes  Balsam  gesalhet  bat;  um  Tergleicbende  Versu- 
che zn  machen.  Die  Zusammensatznng  des  ersten  gibt  forettiu 
an,'  sie  Ist  aber  %a  lang,  nm  sie  absnachraiben ;  wer  sie  wissen 
Vfül ,  kann  sie  im  dreifsigMeo  Bnche  der  Beobaohtungea  auf  der 
ersten  Seile  finden.  Ich  sage  aber  vorher,  dafs  zweihundert  Skor- 
pione die  Grundlage  ansroaefaea ;  wer  die  also  nicht  auftreiben  kann, 
der  braucht  das  Buch  nicht  nachzusehen. 

Das  Oleum  Jratri»  Gregorii  vocati  Pfrutii,  mit  welchem  der 
zweite  Verbrecher  geschmieret  ist,  scheint  im  Anfange  des  secb- 
sehnten  Jahrhnmderts  ein  bekanntes,  oder  doch  zum  wenigsten 
kanfbares  Oel  gewesen  zu  sein.  Ich  kenne  es  nicht,  denke  aber, 
die  gelehrten  Aerzte  werden  es  wol  kennen. 


Was  meine  eigene  Erfahrung  Sber  fiufserliche  Mittel  bei 
schmerzhaften  Mnskelleiden  betrifft,  so  will  ich,  mit  Uebergehon 
des  Allbekannten,  auf  zwei  Mittel  aufmerksam  machen,  n&mlich 
auf  die  Jodsalbe  und  auf  die  Brechnufgtinklur. 

Erste  habe  ich  in  neuer  Zeit,  seit  nSmlich  das  Jod  entdeckt  ist, 
zuweilen  mit  ausnehmend  gutem,  zuweilen  mit  überraschendem  Er- 
folge  angewendet.  Der  merkwürdigste  Fall  mag  wol  folgender  sein. 
Ein  Taglöhne*  stiebt  sich  mit  einem  Nagel  in  den  Zeigeiinger  >der 
rechten  Hand,  weil  ihn  der  kleine  Stich  scbmeriet  und  die  Hand 
zu  schwellen  anfängt,  sucht  er  gleich  Hülfe  bei  unserem  Sladt- 
wuftdante.  Dieser  Ulst  ihn  die  Hand  mit  Spec.  reao/v.  bähen; 
der  Mensch   fallt  aber  in  anhaltenden  Irrsinn,   und  der  Wundarzt 


wQnMht  neiMn  BaktMid.  D«  kh  wma  den  Kbrpw  <dieMa  Mwww 
und  Minen  hicht  sii  vtr*iw— den  Kopf  von  fniber  Z«it  bscMr 
kaniMa  ali  der  Wuadant,  to  Uelt  Ich  den  Irrainn  für  keinen  be- 
deoktiehea  Zufall,  bob  ihn  iaawbalb  awei  Tage  darcb  deo  inner- 
lichen tiebraaeh  daa  aasigiaarab  Zinks.  Aber  die  Hand,  nii  der 
pvg  es  oicht  ao  raaob,  di«  war,  ohne  beiondere  EaiaonduDgardthe, 
■o  dick  und  hatt  geschwollen,  dafa  die  ausfealrecktea  Finger  gam 
unbeweglich  standen,  dabei  war  der  Schnieni  awnr  nicht  aoMrtrfig- 
lich,  aber  doch  von  der  Ant,  dafa  ar  dea  Schlaf  (erscheuchie  und 
die  Ebluat  ranble. 

Der  Waodarst  t>arsi«herte  mich  heilig,  er  habe  die  kleine  Stieb- 
wnnde  TOr  Znnahne  der  Geaebwulat  genau  uniersncht,  sie  dringe 
nicht  eiomahl  durch  die  Ledschaut;  sie  aei  allerdings  wol  die  niobi 
lu  ei^enneade  erste  Yeranlasaung  der  Haadgeschwalat ,  übrigeM 
müsse  leiste  noch  roa  anderen  Ursaehcn  abbangen,  denn  der  ge- 
ringe Stich,  der  jetat  wol  aehon  heil  sei,  kdane  anmöglicb  ein  ao 
grolsee  Uebel  venraaebea.  leb  mufsie  ihn  Beifall  gebe« ;  dann 
wenn  durch  deo  stechenden  Nagel  ein  kleiner  Nerreaaweig  halb 
serrissen  wfire,  wOrden  weit  schneller  heftige  Eotsnadaag,  Brand, 
oder  wol  gar  Starrkrampf  hiaaagekossnwo  sein.  Eine  Eatsiindai^ 
tind  Eitemng  unter  den  Apouearosen  war  auch  nicht  denkbar,  denn 
datu  war  der  Stdinieri  nicht  stark  genug.  Der  Wunderst «  naeb- 
dem  er  noch  den  einen  und  den  anderan  Versoch  der  Zerlbeiinng 
gemacht,  verliefs  den  Kranken  gfinslicb,  oder  virinebr,  er  Sber- 
liefs  ihn  schweigend  meiner  Vorsorge. 

Was  sollte  ich  nun  mit  ihm  machen  f  Fand  idt  kein  Ileil- 
aiHtel  auf  dieses  Uebel,  so  war  er  nr  Arbeit  ttnf%h%  nnd  ein  Ben* 
ler.  Nachdem  ioh  noch  «in  paar  veigebene  Heilversncbe  gemacht, 
ksn  loh  anf  den  Einfall,  die  Jodsalbe  zu  gebrauchen,  und  lieft 
die  ganse  Hand  mit  selbiger  morgeas  nnd  abends  eine  halbe  Siaa- 
de  lang  sanft  einreiben.  Nach  sweimahligem  Einreiben  war  die 
Ver&nderang  schon  auffallend,  die  Geschwulst  so  vermindert,  dafs 
der  Kranke  die  Hand  zwar  noch  lange  nicht  schliefsen,  aber  doch 
schon  die  Finger  bewegen  konnte.  Die  Besserung  schritt  täglich 
sichtbar  voran,  nnd  in  xehn  Tagen  war  dieses  hartnackige  Uebel 
gans  gehoben.  - 

Was  das  nnn  fUr  eine  Krankheit  der  Hand  gewesen,  kann 
ich  wirklich  nicht  aagen.  Ein  lUtenmattamtia  war  es  nicht,  das 
Chimgra  auch  nicht,  und  eine  echte  EntsQndnng  anch  nicht. 
Die  besagten  Uebel  habe  ich  an  oft  gesehen ,  als  dafs  ich  die  al- 
ten Vertrauten  niifskennen  könnte^  Die  gante  Hand  war  ohne 
merkbare  Entzündungsröihe  hart  wie  ela  Stfiek  Holz.  Nun,  wird 
nicht  auch  snweilen  eine  Drüse  hoUhari,  ohne  dafa  man  sie  eben 
eniziindet  nennen  könnte ,  und  sertheilt  sich  auch  wieder  «Sbne 
Blutegel  und  Aderlasseot     Warum   solhe  denn    ao   etwas    a«    der 


Ilaiid  nicht  ebem  «o  gm  g«Mk«lMi  können*  Unsere  ftmlich»  Er- 
kUning  der  Knea^ngiart  msnchcr  Uebel  ist  snweilen  niefats  als 
eine  ZusamiueBBteliung  selunu  klingender  Kumtwörler,  die  dorn 
Verslende  die  Krankheitsenengang  nirhis  weniger  als  klar  m»- 
eben:  daruM  m^  dxi  ehrlicbe  GestKndnifi  des  Nichtwissens  wol 
ohen  so  gai,  wo  nicht  he«er  die  Verstlndigkeit  des  Antes  b^ 
künden,  als  solche  WortzassmiiienwQrrelnng. 

Das  iweiie  Infseriiclie  Mittel,  ron  welchem  ich  reden  werde, 
ist  die  Brechouf«.  Ich  hnbe  tot  vielen  Jahrea  den  Fall  bpobacii- 
let,  dsla  sineFran  den  heftigsten,  sie  sam  JammCrn  und  Schreien 
nftihigenden  Knieachmen  hatte,  der  allm  mir  damahls  bekannten 
innerlichen  and  Su&eriicfaen  Mitteln  widerstand,  so  dafii  ick  fsst 
färchlete,  ich  nidehte  c«  wol  niriit  mit  einem  Rheumatismas  des 
Knies,  sondern  nM  einer  Knochenkrankheit  des  Geleokea  in  ihm 
haben.  Oa  aber  die  Heftigkeit  des  SefamsRcfls  Hülfe  erbeJichie, 
so  raulste  iah  etwas  anssinnen,  was  miofa  bis  dabin  dieErfabrang 
noch  nicht  gelehret  hatte.  Ich  halte  damable  schon  oft  genng  g*- 
sehea,  dab  die  Brechnafs  heftigen^  dem  Mohnsafie  onbeswingba- 
ren  Darmsohmers  geslillet,  nleo  vermethete  ich,  dieses  Mittel  kön- 
(M  anch  wol,  gafserfieh  gehravcht,  den  heftigen  Kniesckmen  stil- 
len. Ich  liefs  SU  dem  Ende  gepoWene  Krthenaugen  mit  warmem 
Wasstr  amnengen  und  ma  das  scbmenbafie  Knie  schlagen.  Die- 
se stillten  nicht  blofs  bald  die  Sehtneraen,  sondern  das  Knie  wur- 
de auch  in  gar  kurser  Zeil  wieder  eben  so  gesund  als  es  vor  dt«- 
sem  Zufalle  gewesen. 

Zu  nmncT  Schande  mufs  ich  gestehen,  dafs  ich  diese  einsl- 
ge,  mir  durch  die  Koth  aufgedrungene  Erfahrang  sehr  lange  g^u 
unbenutst  gelaasen.  Erst  vor  etlichen  Jahren  fiel  es  mir  ein,  die- 
selbe weiter  tu  erproben,  und  ich  habe  nun  gefanden,  dnfs,  wen« 
man  die  Brechnufstinktur  mit  Seifenspiritns  le.  gleichen  Theilea 
misobt,  und  damit  ein  schmerxhaftes  Glied  ein  paarmabl  tags  ei- 
ne' halbe  Stunde  einreiben  lllfst,  man  nicht  selten  heim  Snllcben 
Rhenmatismos  nebr  damit  ausrichtet  als  mit  vislem  anderen  Ge- 
schmiere. Der  Srifeaspiritn«  thnl  nichts  nr  Sachs,  ich  setse  ihn 
nur  sa,  weil  sich  die  Tinktar  io  dieser  Misebang  besser  einreibe« 
liütt.  In  dem  Bieuma/iamo  acuta  vago  habe  ich  Um  aber  nicht  ge- 
braucht,' denn  der  ist  nick  Krankheit  eines  einseinen  Muskels,  aoi^ 
dem  des  ganzen  Maskslsyslens,  und  da  hilft  das  Salben  nicht  viel. 


Ich  habe  eben  gesagt,  ilnfs  ich  in  dem  ersten  Fxlle,  in  wel- 
chem ich  die  BrechnuJti  JtiifxerMoh  gebraucht,  zweifelhaft  gewesen, 
oh  ich  es  mit  einem  Itbeniuiuisiuus,  oder  mit  dem  anfangenden 
Knochenfrafs    des  Kniegelenkes  su    ihun    halle.     Ich   stelle  jetat 


—  700  - 
die  Frage  auf:  Btai  beide  Uelwl  in  ihrer  ersten  t^ntaleliHiig  von 
eiannder  zu  anteracheidenl  —  leb  glaube  es  niofat.  Vor  dem  eben 
erstthlten  Falle  will  ich  nicht  weiter  reden,  denn  ich  war  damahh 
BochJDOg,  kannte  manche  Hülfen  nichf,  welche  jelEt  Theil  dea 
Geeammtwiflsens  nn§erer  Kunst  lind ,  oder  welche  mich  lelldem  der 
Zufall  oder  mein  eigenes  Nachdenken  gelehrei  hat:  vor  ellicben 
Jahren  habe  ich  aber  einen  ähnlichen  Fall  erlebt,  in  dem  der 
Schmerz  dea  Knies  bei  weitem  nidit  so  heftig  war,  und  wo  es 
flieh  doch  auf  die  Dauer  ergab,  und  die  Leichenöffnung  noch  zum 
Ueberflnsse  die  Erkeoninifa  liesiliiigte,  dab  «■  kein  RbeumatisMus, 
sondern  wirklicher  Knpchenfrafs  gewesen.  Hier  habe  ich,  weti 
(mgeblicb  die  erste,  aber  hinsichtlich  der  Zeit,  enifemte  Veran- 
lassung ein  Fall  auf  gefrorenem  Acker  gewesen,  vom  Anfange  an 
w«l  an  die  Möglichkeit  gedacht,  dafs  das  Cebd  ein  Knochenfrafs 
sein  könnte;  alleio  bei  aller  Aufmerksamkeit,  die  ich  absichtlich 
auf  diesen  Fall  wendete,  habe  ich  mir  doch  in  d^  ersten  Zeit 
deutlich  sagen  müssen ,  dafs  kein  verständiger  Grund  vorbanden 
sei,  mit  Bestimmtheit  eine  Krankheit  der  Knochen  zu  erkennen. 
In  der  Folge  freilich ,  da  stellte  sich  dieses  immer  deutlicher  her- 
aus, allein  diese  Verdeutlichung  konnte  doch  zur  Erkenntnifs  im 
ersten  Zeiträume  nichts  beitragen. 

Es  ist  möglich,  dub  das  tödtlich«  Hüftweh,  welches  ich  aber 
sehr  selten,  so  viel  ich  mich  erinnere,  nur  xweimahl  in  meinem 
Leben  beobachtet,  ebenfalls  eine  wickliche  K  noch  en  krank  hei  t  des 
Hüftgelenkes  ist,  welche  durch  Carte»  und  schleichendes  Fieber 
den  Menschen  aufreibt.  Einer  meiner  ärztlichen  Freunde  hat  ein- 
mahl  einen  Landmann,  der  stark  an  Baucbvollblüiigkeit  litt,  nach 
reichlicher,  aber  vergebener  Anwendung  der  Blutegel  am  After, 
und  nach  eben  so  vergebener  Anwendung  anderer,  anf  die  wahr- 
scheinliche BauchursBche  zielender  zweckmäfsigen  innerlichen  Ar- 
zeneien,  durch  das  glühende  Eisen  gar  bald  von  dem  Hüflgeleok- 
schmerze  befreiet.  Der  Mann,  der  mir  nicht  selten  unter  die  Au- 
gen kommt,  hat  aber  einen  gewissen  Grad  von  Steifheit  im  G^ 
lenke  behalten,  weiches  man,  ohne  besonders  aufzumerken,  gleich 
an  seinem  Gange  s^ien  kann.  Das  Brennen  hat  ihm  begreiflich 
das  Gelenk  nicht  steif  gemacht,  sondern  die  Krankheit  hat  es  ge- 
tban.  Das  Brennen  kann,  meines  Erat^iens,  wol  als.  Heilmittel 
dienen,  wenn  es  beizeiten  angewendet  wird,  spSf  gebraucht,  wird 
es  auch  nicht  helfen.  Wo  aber  der  Scheidepunkt  zwischen  dem 
Beizeiten  und  dem  Spät  sein  mag,  weifs  ich  nicht. 

Ich  glaube,  dafs  unter  den  Uebeln,  durch  welche  der  Mensch 
des  Lebens  beraubt  werden  kann ,  das  Hüftgelenkweh  eins  der 
furchtbarsten  ist.  Vor  vielen  Jahren  bin  ich  einst  zur  Anilichen 
Beraihung  in  eine  so  weit  entlegene  Stadt  gerufen ,  dafs  ich  im 
Hanse  der  Kranken   übernachten  mufsle.     Diese  lag  im  Bett,   ab- 


—    701     — 

gemHgerl  kam  Gerippe ,  besiandig  wimmernd ,  nicht  selten  laiit  taf- 
■ebreiend.  Ihr  gewöhnlicher  Arxt  halte  alles  geihan,  wa«  er  wnfa- 
le,  und  die  Brennzilindvr  waren  aach  nicht  Tergessen.  Dann  wa- 
ren andere  Aeriie  um  Ka(h  gefragt,  aber  alles  vergebens.  Antit 
ich  war  rathloa  und  würde  es  auch  noch  jetzt  in  einem  ähnlichen 
Falle  sein.  Die  Kranke  halte  schon  angefangen  sich  durcfaziilie- 
gen,  und  ehe  der  Tod  sie  erlöset  hat,  sind  die  Liegwunden  so  be- 
deutend geworden,  dafa  nan  sie  in  Gurten  schwebend  erhallen 
mnfsle,  und  dafg  ihre  nSchaieD  Frennde  nach  ihrer  Auflösung,  als 
nach  dem  einzigen  Heile  verlaogten. 

Jener  lange  Winterabend,  den  ich  im  Hanse  der  Kranken 
inbringen  inufste,  bat  mir  allerdings  das  beaprosbeac-U^el  in 
seiner  scheu fslit^slen  Gestall  recht  gründlich  gexeigt;  Sbrigens 
gehört  er  zu  den  eiozelftbn  Punkten  in  meinem  Lebe« ,  auf  wel- 
che ich  nur  mit  Granen  snrfickblieken  kann.  Mein  Kollege,  mit 
'  dem  ich  mich  bald  veniHndigei  hatte,  nberliefs  midi  entweder  aiw 
GeaebSflszwang ,  oder  aus  Bosheit  meinem  Schicksale.  Nun  hatte 
ich  zwei  Zinmier,  in  denen  ich  mick  aufhalten  konnte;  in  dem 
einen  befand  lieh  die  Matter  der  Kranke»,  eine  siebzigjährige 
Marschalltnn ,  deren  altfranzösiscke  GetHtesbildung  sich  noch  ana 
Ludwig  den  Vienehaien  Zeit  herschrieb;  in  dem  anderen  lag  ihr« 
verwitwete  Totifater,  die  b&ftkranke  Markise.  Ich  hatte  also  die 
Wahl,  entweder  d!e  JammertÖne  der  tingiflekiichen  Markise  anzn- 
hSren,  oder  die  mediziniseben  Fragen  der  Marschallinni  Eher  den 
Zustand  jener,  nnanfhörlidi  zu  beantworten.  Grober  Gott!  wi« 
ist  mir  der  Abend  so  lang  geworden! 

Wir  praktischen  Aerzte  haben  denn  doch  ein  gar  wunderliches 
Geschäft,  et  fShrt  uns  zuweilen  in  seltsame  Lagen;  so  viel  Ich 
aber  bemerkt,  taugen  die  Sellsamkeilen  durch  die  Bank  nicht  viel. 
Ein  Arzt  des  16.  Jahrhunderts,  StfmphorianH$  Campggitii,  hat  einst 
eine  noch  weit  ausgedehntere  Langweile  ausgestanden,  ob  sie 
aber  an  Innigkeit  der  von  n«r  erlebten  zn  vergleichen  sei ,  dar- 
an möchte  ich  fast  zweifeln.  Er  wird ,  wie  er  uns  selbst  ersibll, 
SU  einem  Kardinal  gerufen,  und  findet  bei  diesem  einen  ganzen 
Schwärm  Aerzte,  mit  denen  er  sich  beraihen  soll,  wie  dem  geist- 
lichen Herren  das  Quarianfieber  zn  vertreiben  sei.  Das  Lustigste 
war,  dafs  alle  Aerzte  dort  bleiben  mafaten,  bis  das  Wecbselfieber 
wirklich  gehoben  war.  Da  man  nun  zu  jener  Zeir  im  Fieberver- 
treiben nicht  sonderlich  fix  war,  so  mufslen  sie  gar  lan^  im  Hau- 
se seiner  Eminenz  verharren  und  langweilten  sich  ungeheuer.  Ei- 
nige plauderten  mit  einander  von  gemeinen,  ungelefarten  Dingen, 
andere  spielten  Sehach,  und  Sga^/ivrian  Ckampier  schrieb  ans  Ver- 
zweifelung  sein  Büchelchen  über  die  Irrihümer  der  Arabischen 
Aerzte,  in  welchem  er  die  heftigsten  Schmähungen  gegen  diese  ans- 
alöfst,  weshalb  «r,  wahrBcheinUcb)  reo  einem  unserer  Gasebichts- 


—    708    — 

ünle  XII  lien  Arabislen  gntthlt  wird.  Mir  schnnt  «ber,  häti« 
•r,  Mall  diese  ScbriTi  zu  verfHaaen^  nit  Minen  Amtegenosaea  Schach 
gHpiett,  «r  wurde  dednrch  der  Kumt  kranke  MeBsohen  gesund  zn 
nacben  anch  keinea  beaunderen  Abbruch  getban  liaben. 

.  Selttame  Mnikelkrankheit, 

In  Jahre  IM40.  ksia  eines  NachmiltageB  ein  niederlfindUeher 
Herr  wegen  einer  periodisebea  Mnak^krankbeit  eeiser  «fwachse- 
nen  Tochter  zu  mir.  Da  angeblioh  der  AafaJl  tSglicfa  und  xwar 
MKibinittagB  eiRiuiretea  pflagle,  ao  bat  er,'  ich  möchie  mich  gleieh 
w  dcK  meinem  Hause  oäcfailgelegenen  Gaslknf,  wo  er  eingekehrt, 
begeben ;  ich  werde  vor  Eintritt  dca  Anfalles  ooeb  Zeit  genug  ha- 
ben, di«  Kranke  selbst  über  alles,  was  mir  in  wissen  nöihig  aus- 
zufragen, und  könne  mich  spUer,  wenn  der'Asfail  erseheiBe,  an- 
ac^nUch  tmi  der  sellsamen  Form  der  Krankheit  ubenengen. 

Ich  begab  uiicb  gleich  hin  «ad  fand  in  der  Leiderian  eis  reeht 
bühscfaes  Fräulein,  der  wb  alcbls  Krankhaftes«  whh  wenigeMn 
nichts,  was  auf  Bancherkrankung  auch  nar  von  fern  gedealet  hSi- 
te,  ansekeo  kannte;  auch  ergab  di«  Aosfragnng  niokis  derglei- 
chen. Aas  den  mitgebrachten  Beeeptea,  die  ihr  ven  awei  Aeis- 
tea  ( der  Vater  nannte  diese  Profesaoren )  rerubrieben  waren, 
enak  ich,  dalä  aie  anf  kciae  Weite,  feindlich  und  wagehüUig 
T0B  diesen  verständigen  MUnnem  angegriffeo  war;  eiuer  der- 
aelhea  hatte  den  Versuch  geaiacht,  diese  periodisebe  Krankheit 
durch  Chinin  wie  ein  Wecha^fiaber  au  heilen,  aber  obaa  Erfolg. 
Nachdem  ich  die  Recey te  gelesen  and  nun  »och  eine  Frage  an 
die  Kranke  richtete,  bekam  ich  keine  Antwort  ven  IIk.  Der  \tk* 
itr  sagte  gleich,  dei  A&faU  nahe  und  komme  früher  als  gewähih- 
Uefa,  er  nahm  die  a«f  einem  Stuhle  am  Fenster  sitzende  Kranke 
aaf  und  legte  sie  auf  ein  im  Zimmer  stehendes  oß'enes  Batt.  Xnn 
konnte  ich  die  seltsame,  mir  aodi  aie  ?orgekomineoe  Erscheimiog 
einer  doppelten  Krankheitiform  deutlich  sehen.  Die  linke  Seile 
dieses  Körpers  war  vom  Surrkrampf  ergriffen,  der  Arm  lag  ganz 
anegestreckt  liart  am  Leibe  und  war  so  steif,  dafs  es  mir  vorkam, 
als  kdane  man  Üui  eher  brechen  als  vom  Leibe  eniferiien.  Mif 
der  rechten  Seite  sah  es  aber  ganz  anders  aus«  diese  befand  sich 
in  einem  convalsiviseben  Zitleni,  und  mit  dem  Arme  diesn-  Seile 
machte  das'  Mideben  allerlei  Geslikulaltonea,  die,  wie  nicht  sellea 
in  der  Chorea,  den  willkürliehen  Bewegungen  ^hslioh  sahen,  wirk- 
lich aber  anvillkürliche  waren.  Der  Vater  bemerkte  mir  avn 
noch,  wie  ich  jetzt  den  Anfall  sehe,  sei  er  ein  geUader,  bei  einem 
eraethafteren  seien  die  Bewegungen  der  rechtes  Seite  weil  hef* 
liger. 

Ich   bdbe    diesem  Fräulein  das  Glanbenalz  gcraüien;    ob  Bie 


—  roa  — •- 

dadurch  geheilt  iat,  knnii  ich,  weil  sie  gleich  nach  dieser  Rath- 
fragong  in  daa  Innere  der  Niederlande  xorSckkehrte,  mir  nleo  die 
anschauliche  Ueberzeitgiing  der  Heilung  tt-Mt,  nichi  inli  Bestimmt- 
heit angeben.  Die  Gründe  welche  fiir  die  erfolgte  Heilung  apre- 
ehen  sind  folgende.  Ungefähr  12  Titge  nachdem  ich  meinen  Kath 
gegeben,  lief»  mich  der  Vater  durch  eine  hiesige  achiUare  Fran 
seiner  Bekannlaehaft  wissen,'  mit  seiner  Tochter  gehe  es  viel  bes* 
aer;  da  aber  das  Glauberaala  anfange  viel  at&rker  adT  den  Stuhl- 
gang n  wirken  als  früher,  so  frage  ot  an,  ob  seine  Tochter  ea 
aosseixen  dürfe.  Ich  sah  daraaa,  dafs  derMann  meinen  mündli- 
chen Unterricht  schlecht  behalten  hatte,  liefs  ihm  also  antworten, 
die  ToehlM*  dfirfe'das  GlanberaaU  nicht  aussetzen,  sondern  aie 
möasfl  ea  femer  in  geringerer  Menge  nehmen. 

Ungefkhr  einen  Monat  spfiter  überreichte  mir  dieselbe  Fraa, 
mit  der  Nachricht  dafs  da«  M&dchen  gaos  geheilt  sei,  namens  ries 
Valera  eine  Erkenntlichkeit,  die  mir  zwar  an  sich  nutxiot  war, 
aber  doch  den  Weith  des  Honorars  weit  üiieratieg,  welches  ein 
preu&iseher  Ant  für  einen  einaigen  stfidiischen  Besuch  zu  fadem 
berechtiget  iat.  Dieser  leixte  Umstand  macht  es  mir  besonders 
glaablicb,  daft  mein  GhMbersalarath  steh  wirklich  als  hellend  mafa 
ausgewiesen  haben,  denn  bis  Jetai  ist  es  sowo)  in  meinem  ange- 
ren  ah  weiierea  Wirkimgskreive  etwas  Unerhörtes,  dafii  jeman<( 
einem  Arate,  der  ihm  ohne  w\e\  La»f»r«i  einen  hellenden 
Rath  gegeben,  fretwiH4g  und  fi^gebig  lehnen  aollte:  mithin  bin 
ich  ab  VerBtaadesmeoMh  gezwungen,  ilni  freiwlIKge  und  freige- 
bige Lohnen  eines  nlebtheitenden  Rathea  für  eine  wahrhafte 
bfii^rtiehe  UnmSgKchkeit  au  h^teo. 


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vierte«   Kapitel. 

V*it   4eH   tmiTersMlmlttelH. 

£inle»tung. 

Mühe  ich  die  Wirkung  nad  d«  Gebraocb  der  iatroohemiielKn 
DniversiiIiniHel  aattage,  wird  m  nölhig  win,  die  Begriffabeuim- 
mang,  die  icli  im  iweiien  Kepitd  von  einem  solebee  Miuel  ge- 
gebea ,  zp  recbtfertigen.  leb  bnbe  dieeen  Begriff  fotgenderoMfeen 
beelimmi:  Ein  ÜDivanalmiuei  sei  ein  aolcbei  Mittel,  welcbee  in 
dem  beleblen  Menschenieibe  da^nige,  wu,  «rkrankl,  niobt  an- 
ler  der  HeilgeAvalt  iigeod  eine«  Ofgaobeilmitule  Uebe,  tarn  Nor- 
inaleiande  aurfiokrübre.  Dm  in  dem  belebteo  Menscbenleibe  durdi 
die  Uni reraal mittel  Heilbare  nenne  ich  den  GesammiorganianuiB, 
im  Gegeasatse  za  den  eiozelaen  Organen,  die,  erlurankt,  nnt«r 
der  Heilgewalt  ibrer  Eigenfa  eil  mittel  stehen. 

Sollte  man  diese  Bestiiamnng  etwas  seltsam  ßaden ,  so  be- 
merke ich  darüber  Folgendes.  In  einer  reinerapirischen  Begriffs- 
besiimmong  darf  nichts  Hypothetisches,  sich  auf  eine  vermeint- 
liche oder  vermnlhlicbe  Kenntnifa  des  belebten  Mensch enleibes 
Beziehendes  anfgenommen  werden.  Das  Bat  ioneil  empiriac  he ,  das 
Varmulhlicbe  über  die  Unirertalmittel  werde  iob  am  Ende  dieses 
Kapitels  dem  Leser  miltbeilen,  damit  es  auf  keine  Weise  mit 
dem  BeinerfahrnngsgemSfsen  vermischt  werde.  Solche  Vermischung 
gibt  Verwirrung  der  Begriffe,  deren  fticb  freilieb  manche  ratio- 
nelle Empiriker  nur  zn  oft  schuldig  gemacht,  welche  mich  aber, 
der  ich  die  Absicht  habe,  die  reinempiriscbe  Heillebre  der  Alten 
dem  Leser  verslfiadlicb  darsulegen,  gar  übel  kleiden  würde. 

Alle  BegriffsbestimmiiDgen  sagen  uns  nicht,  was  das  zu  be- 
stimmende Ding  sei,  sondern  blofs,  welches  sein  Verhällnifs  zu 
andern  Dingen  sei,  mit  denen  es  der  Verstand  möglich  venvech- 
seln  kSnnie. 


-  705  - 
Wsna  die  ScbetrfskllDMiflr  ans  solche  Kürpitr,  welcfae  die 
Kaaat  bia  jetzt  noch  nicht  lu  zerlegen  vennochte ,  bestimmen ,  ho 
Mgen  «ie  nna  niehl,  waä  Hie  sind,  sondern  bloh,  wie  sie  sich- 
n  andern  KSrpero  verhalten.  Also  «eifi  ich  anch  nicht,  waa 
ein  Uni  Versal  mittel  sei ,  wie  and  auf  welche  Weise  es  in  dem 
erkrankten  Leibe  eine  getnadnacheiide  Wirkung  änfsAt ;  ich  schei- 
de es  aber  TOn  den  Eigenheil  mit  lein  der  Organe.  Ohne  mich  in 
das  Hf potbetisrhe  za  verlieren ,  weift  ich  nicht  anzugeben ,  was 
der  Geaammtorganismua  sei;  ich  weifs  aber  gar  wohl,  da&  etwas. 
in  dem  belebten  Meascbenleibe  ist,  welches  eriAAnkl,  nicht  nnier 
der  Heilgewalt  der  OrganheÜmitlel,  sondern  der  Universal heJl mit- 
tel stehet,'  and   dieses  ist   meinem    Verstände   der   Geaammierga- 


Die  schulrecbten  Aerzte  haben  den  lat röche mi kern  hinsicht- 
(ioh  der  Universalmitlel  ofFenbar  einen  nicht  blofs  irrigen ,  sondern 
■albii  albernen  Begriff  anrgebSrdet.  Sie  haben  nfimlieh  t^oi^eg»- 
ben,  als  behanpteien  jene,  ein  Universal  mittel  heܫ  alte  Krank- 
heireo,  und  wer  im  Besitze  eiaes  solchen  sei,  der  bedürfe  keiner 
anderen  Heilmittel. 

Ich  gestehe,  dafs  schon  Baymmndu»  LhIUw  den  scbulrechlen 
Aeralen  Yeranlassnng  zn  dieser  verkehrten  Ansicht  gegeben.  Wenn 
er  ein  nnendliches  Namen verzelchnifs  von  Krankheilen  anfertigt, 
welche  er  mit  einem  nnd  demselben  )1ittel  heilen  zu  kSnnen  be- 
hanptet,*)  so  war  bei  den  Galrnikern  nnd  bei  ihren  Nachfolgern, 
welche  Krankheit  vai  K  rank  hei  tiform  mit  einander  vermischten, 
znm  wenigsten  beide  nicht  versiandhaft  von  einander  achieden, 
der  Gedanke  leicht  zu  eatachnldigen ,  dafa  die  lalroebemiker  wirk- 
lich alle  Krankheiten  mit  einem  nnd  demselben  Mittel  heilen  zn 
können  rorgSban.  Krankheit  ist  ein  eigenes ,  anfaerbalb  der  Gren- 
zen nnseres  Verstandeswissena  liegendes  feindliches  Ergriffenselo 
des  Lebens.  Krankheitsform  hingegen  ist  eine  Gmppa  von  Zn- 
fXllen ,  welche  sich  als  gestörte  Verrichtung  einzelner  Organe, 
nnd  dem  Kranken  als  BeeinlrSefatignog  des  Gesa ndbeitsgefü blas 
infsert.  Krankheitsform  ist  also  die  sinnliche  Offenbarung  des 
Unbekannten  und  Unerkennbaren,    welches  wir  Krankheit  nennen. 

■Dalii  es  Urleiden  des  Gesammtorganismns  gibt ,  nnd  diese  sieh 
von  den  UHeiden  der  einzelnen  Organe  unterscheiden,  daran  ha- 
ben auch  die  scbulrechlen  Aerzle  wol  nie  gezweifelt.  Eine  Umf- 
fekliun  des  Gesammtorganiamua  greift  aber  den  ganzen  Leib  nie 
so  gleichmäfaig  an,  dafa  sie  nicht  in  dem  einen,  oder  dem  ande- 
ren Organe  mehr  oder  minder  vorwalten  sollte.     Daher  Schmerz, 


■)  RapmmniS  LuBü  MaiereaKi  tAb,  dm  Mtdirtntt  $eereUuimii.  DieMr  Philo- 
soph «der  Narr  iit  wabrtcheialieh  einer  von  den  Halbwitieru  der  (aheivünt- 
lieban  Sekt«  gewefw,  weehalb  iha  anek  PtrateliMi  EwiDguhiHt. 

^4$        —ö- 


—  7oe  — 

oder  geuörte  Verrichtung  «inxelnw  Oigan«.  Wegen  der  MUl«- 
denheit  der  Organe  unter  einauder  kann  aiktr  «iD  lolclieK  Yorwal- 
len  der  Atlektioa  des  GeiaiaintorguiiMmna  in  eiaem  Orgaue  nicbt 
Stall  tindeo ,  ohne  dafi  andere  Organe  toStleidliob  dadurch  berührt 
würden.  Auf  die  Weise  bilden  sich  gewiue  Gruppen  von  Zußil- 
len,  welche  ^ne  nosologische  Form  darstallen,  die,  wie  jeder 
leicht  eiaseheu  wird,  je  nachdem  der  Theil  ist,  worin  die  Affek- 
lioa  des  Gesammiorganianins  vorwaltet,  aadera  und  anders  gestal- 
tet sein  mnls.' 

Wie  aber  all«  solche  nftgliche  und  denkbare  Krankheittfot- 
Men  gestaltet  sein  wögen,  so  können  sie  doch  sämaitlldi  Offen- 
barong  einer  und  der  ttämliobea  Afiiektioa  des  GesaamtorgaaüsniHs 
sein  nnd  können  mithin  durch  ein  and  das  nSmliche  Mittel  besei- 
tiget werden. 

Denen  meinei  I>8er,  welchen  das  Gesagte  noch  unrersifiod- 
lich  sein  m&ebte,  will  ich  die  Sache  durch  ein  sohnlgeireehtes  Bei- 
s|uel  gnnz  anschaulich  tu  machen  versuchen. 

Unsere  beuligen  Aerite,  mit  Ausscblofs  der  homöopathischen, 
nehmen  elneo  krankhaßen  Zusund  des  GesammtorganisniiuB  an, 
den  sie  den  «ttsündltchen  nennen.  Dieser  greift  nnn  nie  die  ganze 
Körpertoaschine  sichtbar  gleiehmäfsig  an,  sondern  er  waltet  in 
dem  einen  oder  anderen  Theile  erkennbar  vor.  Dadurch  werden 
kosologiscfae  Formen  gebildet,  als  Cephaiiti»,  Ophthalmie,  Ott- 
tu,  Gintilü,  Axgima,  Fleuriltt,  Rkeumatümtu,  Colic,  nnd  wie 
das  Heer  solcher  Zufallsgnyi^n  von  den  Aeralea  mag  benetutet 
sein.  Alle  diese  verschiedenen  nosologischen  Formen,  die  noeh 
überdies  durch  die  Miileidenheil,  worin  die  Tbeile,  in  welchen 
die  Affekiion  des  Gesamauoi^an Istaus  vorwallet,  mit  anderen  iM- 
ben,  Ubbereehenhar  können  verfindert  werden,  weichen  doch  einer 
und  der  nfimlicben  BebandluDg,  der  schulgereobten  Kutenuiehnag, 
den  sogenannten  aniiphlogistischen  Mitteln,   oder  dem  CalomeL 

Se  wenig  man  nun  sagen  kann,  dafs  unsere  Aenle  anweise 
bandlen,  dafs  sie  ein  ganzes  Heer  von  Krankheiten  durch  eine 
und  die  nämli^.  Behandlung  heilen  zu  können  behaupten,  eben 
so  wenig  kann  man  auch  die  alten  Geheimärzle  AtiM  Aberwitzes 
zeihen,  dals  sie  ein  ganzes  Heer  von  Krankheiten,  oder  alle 
KraoUieiten  (Krankheitsformen)  mit  einem  und  dem  nftmlichen 
Mittel  heilen  zu  können  behanple'en. 

Sollte  nun  aber  einer  meiner  Leser,  trotz  dieser  deutlichen 
Anslegnng,  so  halsstarrig  sein,  die  alle  Galenistisehe,  von  «pS- 
teren  Geschlechtern  gntgläubig  nachgebetete  Meinnag  festmihaltea, 
so  biUe  ich  diesen,  nur  ein  beliefaigeB  Werk  des  ersten  besten 
latrochemikers  aufzuschlagen.  Er  wird  dann  bald  finden,  dafs 
diese  Leute,  nebst  der  Kenntnifs  der  Unlversaiiuittel,  sich  auch 
ausgezeichnet  guter   Organheiliniltel   rühmten;    und   ich    will  ihm 


-    7W    - 

I  ^  Wahl  luwB,  enlweder  mfeins  Aiu]«gaii^  all  die  walw« 
oder  die  alten  Geheim&nte  als  Yollkommne  Toll- 
blailer  anzusehen.  Wen  sollten  sie  der  Or^nheiiniilld  bedurft 
haben,  wenn  sie  des  Glaubens  gewesen,  mit  ihren  Universalmit- 
teln  alle  Krankheiten   heilen  in  können?  — 

Endlich  gebe  ich  jedem  Zweifler  noch  Folgendes  zn  bedeo- 
ken.  GeseUt,  die  Geheiniinte  bitten  auch,  in  der  dunklen  Ur- 
leil  der  Entstehung  ihrer  Sekte,  den  ihnen  von  den  Galenisten 
aafgebSrdelen  albernen  Begriff  von  einem  alle  Krankheiten  hei- 
leadea  Unirersalmittel  gehabt,  so  hftite  doch  ihre  eigene  Erfab- 
ruag  we  nothweadig  gar  bald  von  dem  Irrthunie  lurfickbringea 
nfiaaen;  denn  wie  wir  allesammt  wissen,  ist  die  \alar  nicht  so 
gefiÜlig,  sich  nach  der  Phantasie  der  AerMe  zu  fügen,  und  so 
eigenwillig  sie  jetzt  ist,  wird  sie  es  aacb  wol  von  jeher  gewe- 
sen sein. 

Ferner  ist  die  Meinung  der  Galenisten  und  ihrer  Nachfolger 
aa«h  darin  irrig ,  dB&  sie ,  wie  man  ans  ihren  indirekten  Aeufse- 
nwgen  aohliefsen  mafg,  die  Universalmittel  fBr  isolirt  dastehende 
Arxeneien  ansehen,  welche,  in  ihrer  Wirkung  mit  keinem  ande- 
res Mittel  verwandt,  die  angebliehen  Wunder  verrichten  sollen. 
So  ist  es  aber  wahriich  nicht  gemeint.  Die  Universal  mittel  sind 
keinesweget,  hiosichtüab  iluer  Wirkung,  verinselle,  verwandt- 
lose Findlinge,  sondern  sie  haben  ihre  Verwandten.  Sie  onle^ 
scheiden  sieb  nur  dadurch  voa  ihren  Verwandten ,  dafs  sie  mäch- 
tiger ,  schneller  in  ihrer  Wirkung  sind  und  dafs  ihre  Heilwirkung 
ausgezeichnet  rein  ist.  Rein  ist  sie  in  der  Hiniiicbl,  dafs  sie  we- 
der den  Gesammtorganismus ,  noch  irgend  ein  einzelnes  Organ 
feindlich  angreift.  Die  Univeraalmiitel  sind  also  nicht  b'ols  hin- 
sichtlich ihrer  mächtigen  Heilwirlcnng,  sondern  auch  hinsichtlich 
der  Reinheit  und  Einfachheit  Ihrer  Wirkung  wichtig.  Je  mehr 
Nebenwirknngen  ein  solches  Mittel  hat,  um  so  viel  schwieriger 
ist  seine  Anwendimg;  als  Erkeunungzmittel  würde  aber  ein  unrei- 
ne«, oder  gar  feiadliches  Universal  mittel  gar  scbleebt  zu  gebrau- 
chen Min. 

Die  drei,  in  der  alten  geheimärallichen  Zeit  bekannten  Uni- 
versalmittel  waren,  so  viel  ich  die  Sache  habe  ergründen  können: 
der  würfelicfate  Salpeter,   das  Eisen  und  das  Kupfer. 

iVlan  kann  aber  aus  den  Schriften  der  lalrochemiker  den  Be- 
weis nicht  führen,  dafs  alle  G^eimBrzte  auch  gerade  den  Ge- 
brauch der  drei  Universalmiitel  gekannt  hstfen.  So  hat  Ragm. 
Lultiui  den  würfeücbten  Salpeter  nicht  gekannt;  wenn  also  Ai- 
raceüm»  dessen  HeÜkuost  etwas  gering  ichBlzt ,  mag  er  nicht  gani 
Unrecht  haben.  Paracehu» ,  der  sich  auf  seiner  ersten  Wande- 
rung (die  man  von  seiner  zweiten  wohl  nnierioheiden  mnfa)  mit 
den  in  Frankreich,    Italien,    Spanien  und  Deotachland  hiti  und 


-     7W    — 

wieder  xenireuMn  ünilicb«!!  GcheimfoncharR  baiprocfaen  uaA  aidi 
wahrscbcialich  ihre  Heiiulichkeiiea  angeeignet  halte,  kaaMe  den 
Gebraucb  aller  drei  Univerialniiltel.  Aber  auch  er  spricht  eben 
so  wenig  deutlich  über  diexelben ,  ala  sein  VorgAog«r  und  seine 
Nachfolger. 

Von  Hern  angebliehen  Vater  der  ialrocheuisi^iMi  Sekte,  von 
dem  sweifelhaften  Hermet,  weifs  ich  nichts  su  sagen,  ^eil  ich 
dessen  Schrift  nie  habe  aaifireiben  können.  Ans  einer  Strile  der- 
selben aber,  die  ich  in  Berkert  Pigtiea  miterranea  gefunden, 
maSa  ich  wol  Bchliefsen,  dafa  das  Den  I  lieh  seh  reiben  anch  eben 
seine  Sache  nicht  gewesen.  HSiien  die  latrocfaemikcr  über  ihre 
Uni  Versal  mittel  deuilich  geschrieben,  so  bftiten  sie  dieses  aicht 
ihan  können ,  ohne  ihre  ganse  Heillahre  an  offenbaren.  Ich  habe 
aber  im  ersten  Kapitel  gezeigt,  dufs  der  damahlige  nnbillige,  ver- 
folgende Zeitgeist  jeden  klugen  Mann  von  dem  Deuilichschreiben 
abmahnen  mnCit«.  Die  rftthaeUiafien ,  dankten  Andeutangen  H»- 
hettkeimu  über  die  Univeraalmiuel  mögen  allerdings  woi  die  Forsoh- 
begierde  mancher  "Leser  aufgeregt  haben;  es  konnte  aber  auch 
nicht  fehlen,  dafa  die  Aualegang  jener  duakelen  Andeutungen 
gauf  verschiedenartig  aasfallen  luufsle,  je  nachdem  die  Verstaa- 
deskrifie  der  Leser  und  ihre  Hntliche  Erfahrenheit  verschieden 
war.  Daher  findet  man  hei  den  Paracelsisten  hhisichilicb  tfer  Uni-, 
v^rsalinittel  sehr  abweichende  Ansichten,  und  es  kann  immer  in5g- 
lich  sein,  dafs  die  eigentlichen  ChemiJter,  die  nur  zuweilen  ein 
wenig  in  der  Medizin  pfuschten,  ond  die  man,  obschon  sie  Dok- 
toren der  Medizin  gewesen  sein  m5gen,  nicht  mit  gnieia  Gewis- 
se» au  den  ach eidekünstleri sehen  Geheim8raten  xSblen  kann ,  gans 
irrige  Begriffe  von  den  Uniyersaliuilteln  gelubt  haben,  indem  dU 
Erfahrung  ihre  Begriffe  nicht -bwricbtigen  konnte.  ') 

Zu  dem  wahren  Begriffe,  den  die  eigentlichen  latro Chemiker, 
namentlich  Paraceliu,  von  den  Universalmiiieln  hatten,  kann 
nur  der  gelangen ,  der  den  erkrankten  Menschenleib  selbst  beob< 
achtet ,  selbst  so  heilen  vertatet.  Diese  Selbstbeobachtung  macht 
ihm  inaRche  Aeufserung  HoheKheimt  deutlich,  and  awar  so  deui- 
lich, dafs  er  hintenaach  erstaunt,  jene  Aeufaemng  nieht  gleich 
verstanden  su  bähen,  üeberhaupt  waren  Hvkenheim*  Schriften  fSr 
Beobachter  der  Natur,  für  Selbstforscber  berechnet,  nicht  Tür  ga- 
lenistische  Büchergelehrte.  Den  letiten  mnlsten  sie  immerdar  dun- 
kel bleiben,  indefs  sie  gerade  durch  ihre  geheim nf fsvollen  Andeu- 
tangen die  Neugierde  der  ärstlichen  Forscher  aufregten.  Das  Ge- 
beimnifttvolle  regt  die  Neugierde  forachlus liger  Menschen  auf ,  nicht 
das  De'ntliobe.     ParaceUu»  hat  deutlich  und  offen  gegen  den  Oale- 

")  Owea   tiad   jedM ,    dar  lich    alt    dw  wakres    Lahr«   der   seheialnlliBhea 
Sskie  bakMU  MMbas  will ,  di»  Sebriftea  dar  foraeakbten  UM  pas  aetslM. 


—  709  — 
■t^M  gsklapfl,  «bflr  das,  waa  w  «n  de«sen  Stell«  «etil«,  dan- 
ke) vorgeirafen.  Dadurch  bildete  er  Dicht  sowol  Paracelaiglen, 
aU  vielmehr  Naturforseher ;  uad  wenn  inb  die  Frage  aufstelle: 
würde  er  wol,  hätte  er  aeine  Lehre  deutlich  vorgetragen,  einen 
«o  bedeutenden  Einflurs  auf  die  Medicin  gehabt  haben  aUer  wirk- 
lich g;efaabtl  bo  könnte  nur  der  meiner  Leser  diese  Frage  albern 
finden,  der  den  nenschlichen  Geist  nie  selbst  beohachiet,  nie  die 
Geschichte  inBeiiehung  auf  denselben  gelesen,  nie  von  dem  An- 
hange gehöret,    den  jede  Gebeimelei  gefunden. 

leh  will  nicht  in  Abrede  stellen,  dnfs  das  unendliche  Nuatens- 
verxeichnifs  von  Krankheiten,  in  welchen  die  latrocbeniiker  ihre 
üniversaliMitIcl  wollten  bSIfreich  befunden  haben ,  iheils  auf  Rech- 
nong  ihrer  Eitelkeit,  theils  auf  einen  sie  beseelenden  nfickischen 
Plagegeist  in  schreiben  sei,  der  sie  drang,  die  Galenistea  duFcfa 
die  Aufgabe  eines  ihrem  bücherlichen  Verstände  anauflSslichen 
Rflthsels  zn  Argem.  Es  könnte  aber  auch  wol  io  unseren  Tagen 
ein  Arzt,  der  die  Geheiinkunst  der  Allen  blofs  an  den  bücherli- 
chen Quellen  studiren  wollte,  durch  jene  neckische  Plagerei  in 
die  Irre  geführt  werden.  Er  könnte  sich  nSinlich  vorsteifen,  die 
üttiversalniittel  seien  solche  Arzeneien,  die  bei  tJebung  der  Kunüt 
keinen  Tag  an  entbehren  wSren.  Damit  ich^  gleich  rem  Anrange 
an,  jeden  Leser  vor  solidem  Irnbunie. warne,  wird  es  hinreichend 
sein,  mit  wenigen  Worten  das  Ergehnifs  meiner  zw anxigjfihrige» 
Beobachtung  auszusprechen.  Ich  gebe  aber  gern  zu,  dafs,  wenn 
ich,  Matt  zwBuiig,  vierzig  Jahre  die  alte  Geheiinkunst  geübei, 
das  Ergebnifs  meiner  Beobnchtong  vielleicht  anders  lauten  würde 
als  jefzt.  Bis  jetzt  habe  ich  beobachtet,  dafs  reine  LJrteiden  des 
Gesani  ml  Organismus  in  unserem  Himmelsstriche  neit  weniger  sich 
finden  als  reine  Drorgankrunk heilen  'Wenn  diese  jahrelang  als 
feslBlehende  Krankheiten  herrschen,  so  erscheinen  jene  ah  uni- 
schenlanfende  und  hermchen  nur  monatelang.  Vermischte  Krank- 
heilen, BUB  einer  Uraffektion  des  Gesaiumlorganisnius  und  aus 
einem  Uroi^nleiden  bestehend,  sind  ebenfalls  bSufiger  als  reine 
Uraffektionen  des  Gesammiorganismos,  aber  auch  jene  wfihren 
nur  monale-,  nicht  jahrelang,  und  gehen  dann  leicht  wieder  in 
einfache  Urorganleiden  über.  Wer  also  glauben  wollte,  ich  habe,  • 
weil  ich  der  Lehre  der  alten  Geheiraärzte  gefolgt,  bestSndig,  ent- 
weder durch  würfelichlen  Salpeier,  oder  darcb  Eisen,  oder  durch 
Kupfer  alle  Krankheiten  bekämpft ,  der  würde  sich  einen  ganz 
verkehrten  Begriff  von  jener  Lehre  machen.  Aus  dem  vorigen 
Kapitel  haben  die  Leser  schon  gesehen,  dafs  ich  mit  einfachen 
Organfaeilmitleln  die  übelsten  akuten  Krankheiten  gebeilt  habe, 
leb  sage  aber  noch  znm  Ueberflusse  ausdrücklich,  wer  reiae  Ur- 
o^anleiden  und  die  davon  abhängenden  akuten  Fieber  ■iehl  Uoia 


—    710    — 

behanillen,  sondern  wirklich  beiUn  wiH,  der  mnfi  dia  geeigoMmi 
Organheilmiltel  rran  nod  allein  anwenden. 

Mir  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  HippoAratet  Vraffe]ttianen  de« 
Gesammlorganismus  in  Griechenland  weit  häufiger  beobachtet  hat 
als  sie  in  unserem  Himiiielsstnche  TOrkommen,  und  dafs  sich  daher 
seine  aof  blofse  Beobachtung  gegründete  Lehre  von  den  kritischen 
Tagen  schreibt.  So  ist,  nach  seiner  Aussage ,  in  den  schnell  ver- 
laufenden Fiebern  der  vierte  Tag  der  kriiische,  der  bei  bösartigen 
aber  auch  der  tödiliche  sein  kann.  Ferner  iheill  er  die  entscheiden- 
den Tage  in  solche,  welche  wirklich  entscheiden,  und  in  solche, 
welche  die  künftige  EnUcheidung  anzeigen.  Da  isl  mm  wieder  der 
vierte'  Tag  der  Anzeiger,  so,  dafs  wenn  an  diesem  eine  gfinstige 
Veränderung  eintritt,  der  siebente  der  wirklich  glücklich  entschei- 
dende, wenn  aber  eine  nngünstige  VerSnderung  einiriit,  der  sechste 
der  lödtlicho  sein  wird. 

Merkwürdig  ist  es  mir  gewesen,  dali  be>  dem  Gebrauche  der 
Universal  mittel  in  akuten  Krankbeilen  der  vierte  Tag  des  Araenei- 
gebrauchcs  gewöhnlich  der  Tag  der  BeMcrungist,  dasbeibt,  der 
Tag ,  an  dem  das  Gesnndheiisgefühl  wieder  eintritt.  Freilich  ist 
hier  der  vierte  Tag  des  Arzeneigebraoches  der  Tag  der  Bessemng 
und  bei  Hippokraies  war  der  vierte  Tag,  vom  Anfange  des  Krank- 
heit an  gerechnet,  der  entscheidende »  oder  der  anzeigende.  Ich 
ahne  aber  irgend  einen  Znsammenbang  zwischen  d^m  Uippokraliacb 
kritischen  und  dem  beim  Gehrauche  der  Universal  mittel  eintreten- 
den Genesungstage;  bis  jetsl  habe  ich  jedoch  diese  Ahnung  nicht 
auf  dem  Wege  der  Beobachtung  zur  veFslandbaften  Klarheit  bringeo 
können.  Hfille  ich  die  reinen  Uraffektionen  des  Gesammtorganis- 
mns  so  hftufig  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt  als  die  reinen  Ur- 
organafl'ektionen ,  so  würde  ich  vielleicht  mehr  von  diesem  dunkleo 
Gegenstände  sagen  können  als  jetzt.  Aber  in  diesem  Falle  würde 
anch  weine  ärztlich  praktische  Ausbildung  weit  nnvollkommner  ge- 
hlieben sein,  denn  die  kälteste  Phantasie  würde  bei  dem  beständi* 
gen  Aiuchanen  der  wundergleipfaen  Wirkung  der  Universalmitlel 
sich  erwärmt  haben ,  und  als  praktischer  Schriftsteller  hätte  ich 
Dothwcndig,  auch  bei  dem  besten  Willen,  die  Köpfe  meiner  jün- 
geren Amtsgenossen  erhitzen  müsaen. 

Jetzt  bin  ich  in  eine  etwas  rauhe  Schule  geschickt ,  ich  habe 
die  beschwerlichsten  Urorgankninkbeiten  behandeln  müssen,  bei 
denen,  wenn  sie  gleich  zuweilen  mit  Urleiden  des  Gesammtoiga- 
aismos  verbunden  waren,  die  Universalmitlel  entweder  gar  Bicbt, 
oder  doch  allein  nicht  halfen,  indem  ich  nur  heilen  konnte,  wenn 
ich  das  urergriffene  Organ  erkannte  und  auf  selbiges  das  geeig- 
nete Organheilmiltel  fand.  Dadareh  ist  in  meinem  Kopfe  wol  das 
wahre   Gleichgewicht  enlsuiaden,     welches   mich   als   praktiadien 


—    711     — 

SokrirMeilcr  beClbigei ,   den  Wenh  der  üUroflhemiHcben  Unlvenat- 
mittel  ohne  Uebertrcibung  richtig  lu  Bchätzea. 

Bei  einer  AbhaDdlang  über  die  UniverRalmitlel  miifi  man  mit 
lUcht,  ehe  man  ins  Einaelnv  gehet,  die  Fragen  beantworten :  wie 
offenbaret  fich  die  CralfelniQn  des  GesammtorganitmiiB  ?  gibt  ea 
Zeichen,  dnrcfa  welche  wir  dieselbe  von  der  consensnellen  Aflek- 
tion  des  Gesamiutorganiamna  unterscheiden  können!  und  gibt  e.s 
Zeichen,  durch  welche  sich  die  drei  Uraftektionen  des  GeseiHnM- 
oignnismns  von  einander  nniersoheiden  1 

Wenn  jemand  nur  kurze  Z<-it  die  UniTersalmittel  gebTaiiolil 
hülfe,  ond  er  wollte,  bevor  er  seinen  Verstand  von  der  iheilich- 
len  Verkrüppeln ng  gebeilet,  niil  welcher  uns  allesainnit  der  Kryp- 
logalenisnins  schon  in  der  Jugend  bemakelt  hat ,  deih  Rubliko  seine 
f 'rfahrnngen  mittfaeilen ,  so  würde  er  sich  wahrlich  in  einer  gro- 
Tuen  VerTegenfaeit  befinden.  Von  der  irrigen  Ansicht  ansgebend, 
dals  alle  Krankheiten  sieh  von  einander  durch  gewisse  Zeichen 
nnterscheideo ,  würde  er  ängstlicb  nach  solchen  noterseheidenden 
Kennzeichen  boacben,  er  würde  die  ZnflUla,  welche  er  bei  einer 
geringen  Anzahl  von  Kranken  beobachtet,  als  allgemein  gnltiga 
unterscheidende  Zeichen  nafstellen,  und  lo,  indem  er  der  schnl- 
gere«4iten  Ansieht  fröhnte,  den  Leser  in  die  Irre  fuhren.  Da  ioh 
aber  zu  gewissenhaft  bin,  i^eine  A nitigenossen  absichtlich  xu  t&n- 
sehen,  da  ich  lange  genug  die  üniversalmitiel  gebraucht,  und  nicht 
den  geringsten  Belang  habe,  den  ftulseren  Schein  jI er  Schnlregrl 
SU  bewahren,  so  trage  ich  kein  Bedenken ,  besiimnit  zu  erklären, 
dals  ich  keine  allgemein  sichere  Zeichen  kennen  gelernt,  dnrcb 
welche  ioh  die  Uraffektion  des  Gesammtorganisrans  von  der  con- 
wnsnellen  unterscheiden  kannte,  eben  so  wenig  solche,  durt^ 
welche  ich  die  drei  UraSekiionen  des  Gesamintorgunismii»  von  ein- 
.  ander  zn  onlerscheiden  im  Stande  wftre.  Was  ich  Ventauibliches 
über  dieMD  Punkt  ze  sagen  habe,  werde  ich  bei  der  Auslegung 
des  Gebrauches  der  einzelnen  Uni vwsal  mittel  bemerken. 

Da  jede  der  drei  (Jraffekiionen  des  GeBamratorganisious  in 
jedem  Oigane  oder  Systeme  vorwalten  kann,  so  inufc  uns  schon  ■ 
der  gesunde  Verataod  sagen,  dafs  wir  vergebens  nach  unterschei- 
denden Zeichen  soeben  werden.  Einen  einzigen  beständigen  Zu- 
fall findet  man  bei  allen  Uraffekliooen  des  Gesammtorganisiniis, 
nfimlich,  das  heeinUSchiigle  Gesundheitsgefühls  alle  andere  Zn- 
fdlle  sind  wandelbar,  sie  können  vorhanden,  oder  nicht  vorhan- 
den sein.  Da  aber  das  geiHihte  GesundheitsgeRihl  auch  bei  con- 
sensuellen  ASektionen  des  Gesanimtorganismus  ebensowol  vor- 
banden ist,  so  kann  man  diesen  Zufall  nicht  als  ein  unierschei- 
dendea  Zeichen  der  Uraffektion  des  Gesaiomiorganisrous  ansehen. 
Ja,  da  manche  Urleiden  des  GesammtorganiBmus  sich  langsam 
einschleichen  können,   so  verliert  der  Mensch  in  diesen»  Falle  auch 


—    712    — 

gHDx  allniählig  dus  kr&ftijj;«  GeShl  4«r  GMinidb«it ,  ahne  ei  selbtt 
besiimmt  zu  wUseo  und  ohne  sich  darüber  zu  beklagen,  denn  dm 
tiesundheitsgefübl  ist  ein  sehr  relalivea.  Jedoch,  wenn  die  Affek- 
tion des  GesarainlorgaDlsmuB ,  sie  mag  scfandl  überfallen,  oder 
langsam  überscbleichen ,  bis  %a  einem  gewissen  Grade  gesteigert 
ist,  fühlt  jeder  ein  Unwohlsein;  die 'Verrichtungen  aller  O^ane 
können  noch  wol  ihren  Gang  gehen ,  aber  das  Beerhauviteke  06- 
leciamentum  fehlt  dabei. 

Nebst  dem  beeintriichi igten  Gesoadheitsgefühle  ist  die  Hegel- 
widrigkeit des  Kreislaufes  der  nächste,  aber  schon  weit  minder 
digemeioe  Zufall.  Abgesehen  davon,  dafs  die  consensuelle  Af- 
fektion  des  Gesammtarganismns ,  eben  sowol  als  die  UraSektion, 
sich  durch  Avfrmung  des  Ge^ssystemes  offenbaret,  mithin  der 
beschleunigte  Vulsschlag  keinesweges  ein  unterscheidendes  Zeichen 
der  letzten  sein  kann,  niufs  es  jedem,  der  nur  ein  wenig  den 
kranken  Menschenleib  mit  Aufmerksamkeit  beobachtet  und  der  ge- 
sehen hat,  daCi  die  VerSnderung  des  Kreislaufes  mit  der  Gröfae 
und  Wichtigkeit  der  Affektion  des  Gesammiorganiamus  nicht  alle- 
zeit in  einem  beslimmian  Verhftliniase  stehet,  begreiflich  werden, 
dals  die  Regelwidrigkeit  des  Kreislaufes  unrnSglich  ein  sicheres 
unterscheidendes  Zeiches  der  Uraffektion  des  GesammlorgaDismns 
sein  könne. 

Niemand  zweifelt  wol  daran,  dafs  das,  was  wir  Aervle  Fie- 
ber nennen,  eine  Aftiektion  dea  Gesammtorganismus  sei,  welche 
bald  als  Uraffekiion,  bald  als  mitleidliohe  auftritt.  Wie  nt  es 
denn  aber  möglich,  dafa  man  je  in  der  Medizin  auf  den  Gedan- 
ken hat  kommen  können,  eine  BegriSsbestimmnng  des  Fiebers, 
oder  eine  allgemeine  Beschreibung  desselben  zu  geben  f  —  Eine 
BegriSsbesHinmiuig  (B^nitioj  kann  hier  doch  nicht  das  Wie 
des  feindlichen  Ergriffensf  ins  des  Lebens  ausdrücken ,  denn  dieses 
liegt  ja  aufserbalh  rfer  Grenzen  der  menschlichen  Erkenntnifs; 
also  könnte  sie  blofs  eine  scheidende  Bestimmung  sein.  Diese  ist 
-  aber  nach  zu  geben  unntöglich  ,  denn  der  Verstand  kann  daz  nicht 
scheiden,  was  die  Ntitnr  nngescbieden  gelassen.  Wo  hat  diese 
die  Marken  swischen  der  fieberhaften  und  niditfi eberhaften  Affek- 
lion  des  Gesammtorganismus  gesteckt!  —  Mir  sind  sie  unbekanni. 

Wollte  man  nun  aber  eine  allgemeine  Beschreibung  des  Fie- 
bers geben,  so  müfste  man  einen 'Popanz  von  allerlei  möglichen 
und  denkbaren  Zufällen  zusammensetzen  und  dieses  wurde  dann 
die  wahrhaftige,  allgemeine  Beschreibung  des  Fiebers  sein. 

Will  man  eine  Affektion  des  Gesammtorganismus,  die  sich 
durch  beschleunigten  Pnls  und  veränderte  Temperatur  des  Körpers 
offenbaret,  als  Fieber  ansehen,  so  biß  ich  damii  zufrieden,  he. 
greife  aber  leicht,  dafs  dieses  blofs  die  nichts  sagende  und  nichts 
bezweckende  Annahme  einer  willkürlichen  Krankheiuform  ist.    Wir 


—    71S     - 

würdefi  bei  einer  sokfaen  FormeabcctimiBUBg  maacben  «n  akuter 
Kraakbeit  schwer  und  gefährlich  Leidenden  far  fieberfrei,  und 
Mianchen  sich  nicht  krank  Fühlcndeo  för  fieberkrank  erklären  müa- 
a«D.  Bei  luancheD  akaten ,  gefährlicfaea  Gebirnleiden,  ja  bei  man- 
ofaen  akulen  und  gefährlidien  Baachleiden  weichen  in  einielnen 
Körpern  Puls  und  Temperatur  wenig  von  Normalen  ab,  nnd  bei 
retsbarea  Körpern,  i.  B.  bei  waiblicbeD(  aonderlieh  bei  Ktndbei- 
terinnen,  ist  der  Puls  inweilen  sehr  tteschleoniget ,  ohne  daTs  sie 
das  Gefühl  des  Krankseins  haben.  Wollte  man  nun  diese  fTir  fie- 
berkrank und  jene  für  fieberfrei  erklären,  so  wfirde  man  sich  woi 
io  den  Augen  verständiger  Nichtärale  lächerlich  machen.  loh  ha- 
be aber  wirklieh  einst  einen  recht  belesenen  Arst  kennen  gelernt, 
der  sich  sater  meineo  Augen  einer  solchen  Thorbaii  schuldig  mach- 
te; ihn  hatte  eine  lange  Praxj«  ni^t  aus  seinem  Büchertraume  wek- 
ken  können. 

In  dem  belebten  Menschenleibe  ist  die  Beßikigung  der  einiel- 
neo  Oigan«,  durch  allgameiae,  geistige  oder  körperliche  Reise  lu 
vermehrten  oder  ungeregelieo  Verrichtungen  aufgeregt  au  werden 
«ehr  verschieden.  Bei  dem  einen  Menschen  ist  die  Leber,  bei  dem 
andern  die  Lntige,  bei  dem  dritten  die  Haut,  bei  dem  vierten  das 
Gehirn,  bei  dem  Rinften  das  Hera  und  das  Scfalagadersyitem  vor- 
sfiglich  aufregbar.  So  werden  das  Hera  nnd  die  Schlagadern  bei 
einigen  Körpern  durch  nnbedauleBde  Krankheit  dennafiten  anfge- 
regt,  dafs  manche  Sterbende  kaum  einen  so  schnellen,  kleinen, 
uageregelteo  Puls  haben,  als  solche  Menticheo.  Andre  können 
schwer  erkranken,  ja  sichtbare,  bedeutende  Verletzungen  bekom- 
men, ohne  dafs  Hera  and  Schlagadern  bemerkbar  mitleidig  ergrif- 
fen werden.  Einige  Menschen  haben  bei  jedem  leichten  Unwofal- 
saio  anssetaenden  Pulsschlag,  ja  ich  habe  nne  Frau  genau  gekannt, 
deren  Pals,  wenn  sie  bettlägerig  «rkrankie,  langsamer  war  als  bei 
vollkomflsner  Gesundheit.  Wie  diöricht  würde  es  also  sein,  wie 
so  ganz  BweckloB  für  die  Uebnng  der  Kunst,  den  beschleunigten 
Palssehlag  als  unterscheidendes  Zeichen  des  Fiebers  aoiuaehen. 

E^B  wäre  vielleicht  fanndertmahl  basser  fSr  die  Heilknnst  und 
fOr  die  Menschheit  gewesen,  wenn  man  nie  den  Ausdruck,  Fie- 
ber, in  die  Mediiin  eingeffihrt  hätte.  So  bat  man  sieh  bemühet 
Fiebermittel  an  auchea,  man  hat  die  Fieber  eingelbeilt,  ihnen  selt- 
same griechische  oder  lateinische  Namen  gegeben,  und  die  Acrzte 
■ind  um  kein  Haar  weiter  in  Heilung  derselben  giskomuien.  Hät- 
te man  den  Gedanken  von  Fieber  ganx  fahren  iasspa,  blofs  Mit- 
tel auf  den  erkrankten  Gesammtorganiamns  und  andre  auf  die  er- 
krankten 0^;ane  gesucht,  so  worden  in  hundert  Jahren  zwanzig 
verständige  Aersie  die  eigentliche  Heilknnst  in  diesem  Punkte  wei- 
ter gefördert  bähen,  als  es  jetil  alle  Aerxte  aller  Lande  in  einem 
Zeitraame  von  mehr  dann  sweilansead  Jahren  geiban.  , 

— — "-'S'^' 


—    714    — 

Uebrtgena  bia  ich  weit  entfernt,  diäter  meiner  AMiebt.  we- 
gen, dun  alten  Sprachgebraacbe  in  dieier  Schrift  la  eetsegen. 
Ich  habe  mich  dea  Anadmckm  Fieber  bedient,  and  werde 
mich  desselben  bedienen,  wie  man  sich  mancher  Aasdräcke  im 
tftglichen  Leben  bedieu,  mii  denen  der  Verstand  allerdiogs  wol 
nndenfliche,  aber  keine  klare,  streng  sl^mnrkie  Begriffe  verbin- 
den kann.  Einen  Zustand  des  fiesammiorganiBmas,  bei  dem  das 
Gesnodbeitsgefuhl ,  dem  Kranken  nMrkbar,  geirfibt  und  der  Pals 
beacbleuniget  ist,  wollen  wir  immerbin  Fieber  nennen. 

Hinsichtlich  der  Wirkung  der  Universal  mittel  in  rein  oonsen- 
snellen  ASektionen  des  CtesammtorganiBmns  bemerke  ich,  dais,  da 
die  Universalmitlel  das  Urleiden  der  Orgnne  nicht  heben,  sie  aiieh 
nicht  das  von  diesem  abhängende  ceosensnelle  Leiden  doa  Ge- 
sammterganismns ,  nicht  ein  consensnelles  Fieber  heben  können. 
Jedoch  werden  sie  in  manchen  Fällen  ohne  anffallenden  \aehtheil 
g^eben.  Idi  habe  schon  früher  von  einem  Zustande  des  Ge- 
sainmtoi^anismns  bei  consensnellen  Fiebern  gesprochen,  den  ich 
den  Indifferemisland  genannt.  Ich  nenne  diesen  Zastand,  der  fie- 
berhaft oder  nicfatfieberbaft  sein  kann,  deshalb  gleichgeltand,  gleich- 
bedentend,  weil  es  gleich  gilt,  ob  man  bei  demselben  das  eine  oder 
das  andere  Mittel  reicht.  Wie  das  Befinden  eines  geeondea  Meoseben 
durch  das  Kinnehinen  mancher  Mittel  (voraosgeaetxt,  dafs  diese 
nicht  bar  giftig  sind,  oder  in  nngeraesseoer  Gabe  gereicht  werden) 
nicht  mei^licb  gestdret  wird,  so  wird  anch  der  GesaramtorgaDia* 
mns  bei  manchen  consensnellen  Fiebern  durch  den  Gebrauoh  Kweck.- 
loser  Mittel  nicht  sonderlich  gestört,  voransgesetit,  dala  diese  nicht 
feindlich  auf  das  urericrankte  Organ  wirken. 

Darauf  gründet  sieb  die  seltsame,  oft  gans  eatgegengesetsl« 
Behandlang  verschiedener  Aersle  einer  and  der  nfimlicfaen  Krank- 
heit. Der  eine  entziehet  dem  Mensehen  das  Blut  durch  Aderina- 
sen  oder  Egel,  der  andere  reicht  Weta  oder  Aetbsr,  der  dritte 
Ififst  speien  und  laxiren.  Wenn  die  Kranken  auch  dureh  solche 
Bebaiidlangen  nicht  gerade  geheilt  werden,  ao  steiheo  sie  dodi 
nicht  alle,  nnd  bei  denen,  die  gwiesen,  sciireibt  Jeder  Ant  seiner 
Heilart  die  Genesung  ku.  Dafs  hier  zuweilen  sin  kleiner  Inthnm 
mit  nnterlaufe,  ist  den  Aenteo  nicht  btofs  in  unseren  Tagen,  son- 
dern schon  in  früheren  Jahrhunderten  vorgeworfen  worden. 

Sie  kfinnlen  diesen  Irrthum  leicht  berichtigen,  wenn  sie  un- 
ter der  geringeren  Volksklasae  auf  dem  Lande,  wo  die  Leute,  un- 
vermögend die  hochbetaxlen  Arieneiea  tu  beaablen,  aich  der  hei- 
lenden Natnr  überlassen,  nach  der  Dauer  solcher  selbstgeheilten 
Fieber  forschen  wollten.  Sind  es  nicht  gerade  solche  Organfieber, 
bei  denen  die  groben  Speisen  der  armen  Leute  dem  nrerkrankten 
Oigane  schaden,  so  ist  die  Dauer  derselben  nicht  länger,  zuwei- 
len noch  kürzer  als  die  der  ärztlieb  schulgerecht  behandelten. 


—    71»    — 

Zwischen  Heilen  -  und  BehamHen  ist  ein  groüser  UntenehieH. 
,  Uer  Begriff  dea  Heilem  schliefHt  die  AbkAnning  des  Verlanfeii  der 
Knaklieit  mit  ein;  der  Begriff  deu  änüichen  Behandlens  ist  nn- 
bettiiuml  und  vieldeutig.  Wenn  gleich  die  ÜniTeraal mittel  bei  ech- 
ten Organfiebern,  wegen  des  Indifferenistaadfla  dea  Geeammtorga- 
niarnns,  nicht  offenbar  schaden,  so  kunen  sie  doch  die  Krankheit 
nicht  ab;  man  kann  sie  also  nicht  als  Heilmittel  solcher  Fieber 
anaeben.  Je  einfacher  man  hei  diesen  verf&hret ,  je  reiner  nnd 
unvennisohler  man  das  geeignete  Organ  heil  mittel  reicht,  je  siche- 
rer und  geschwinder  geneset  der  Kranke. 

Inwiefern  aber  die  UniverBal mittel  bei  Untersncbung  verbor- 
ge/ier  Organ krankfaMtm  als  EHceanongamitlel  sa  gebrauchen  sind, 
werde   ich  an  einem  schicklicheren  One  dieses  Werkes  auslegen. 

Zum  Schiasse  dieser  Einleitung  erinnere  ich  noch  eiamahl 
daran;  der  Satz:  es  gibt  drei  Uraffekiionen  des  Gesammlorganis- 
mus,  von  welchen  die  eine  unter  der  Heilgewalt  des  wiirfelicbten 
Salpeters,  die  andre  unter  der  des  Eisens,  und  die  dritte  nnrer  der 
des  Kupfers  stehet,  Ist  durchaus  kein,  von  einer  phai^lastischen, 
vermeintlichen  Kenntnifs  des  belebten  Mensch enleibes  hei^leile- 
ter,  sondern  ein  echter,  reiner  Erfahrungisaiz,  der  also  keineswe- 
ges  als  ein  nnbedingt  gewisser  angesehen  werden  kann.  Ich  gebe 
die  Mftgllchkell  xu,  dafs  künftige  Krfahning  ihn  erweitern,  oder 
Terengem  könne ;  meine  eigene  Erfahrung  hat  aber  bis  jelst  diese 
Möglichkeit  noch  nicht  zur  Wahrscheinlichkeit  gebracht. 

Uehrigens  warne  ich  jeden,  der  Lust  haben  mSchte,  die  Leh- 
re der  alten  Geheim&rzie  am  Krankenbefie  anzuwenden ,  in  der 
Oweiteruog,  oder  Verengerung  dieses  Salzes  nicht  gar  an  hurtig 
zu  seii^  Es  ist  möglich,  daf«,  wenn  er  nach  einem  Zeiträume  von 
drei  oder  vier  Jahren  die  drei  UrkrankheitssUtnde  des  Gesamrat- 
orgnnlsmns  anf  zwei  zurGckgefuhrt ,  oder  auf  Tier  oder  fünf  ver- 
mehrt hat,  er  nach  zwanzig  Jahren,  so  gut  aU  ich,  nur  drei  als 
wahrhaft  von  einander  geschiedene  anerkenneL 


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Erster    AbBchnltl« 

WUrftlickttr   Salptttr   (Natrum  nitricmm). 

nohenktim  ul  der  einzige,  bei  dem  ich  die  Bereitung  den 
würfeüchten  Salpeters  deutlich  gerunden.  Bei  Becker  und  Pet.  Po- 
tcriu»  fatti  ich  nur  dunkle  Andeutungen.  Hohenheim*  Bereitung 
stehet  in  seinen  Archidoxen  unter  der  Aufuchrift  Elixir  »alt». 
Et  giefst  nämlich  auf  Kochsalz  Salpetersäure;  da~  mufs  sieb  be- 
greiflich die  Salpetersäure  mit  dem  Natron  verbinden  nnd  die  Salz- 
säure frei  werden.  Letzte  scheidet  er  durch  die  Destillation  ron 
dem  würfe  lichten  Salpeter. 

Denen,  die  Lust  haben  möchten,  diese  Bereitung  bei  Hohen- 
heim selbst  nachzusehen,  ohne  an  dessen  etwas  dunkle  Schreibart 
gew&bnt  zu  sein,  bemerke  ich  Folgendes. 

Er  sagt  nicht  deutlich,  dafs  er  Salpetersäure  anf  Kochsalz 
giefst,  sondern  ernennet  sie  Aqua  »olven».  Sollte  alsirjeniand 
glauben,  es  sei  Brunnenwasser  gewesen,  so  gebe  ich  ihm  zu  .be- 
denken, dafs,  nach  anderen  Stellen,  Hohenheim  die  Aqua  »olven* 
zum  Auflösen  der  Metalle  gebrancbl.')  Ferner  beweiset  das  Er- 
gebnifs  des  Prozesses  selbst,  dafs  er  weder  Brunnenwasser,  noch 
Schwefelsäure,  sondern  Salpetersäure,  mit  jenem  Ausdrucke  be- 
zeichnet. Er  sagt:  nach  der  Destillation  bleibe  in  J^undo  re~ 
tortae  ein  Oel  zurück  und  dieses  sei  das  Elixir  $äli».  Oel 
nannte  man  aber  in  der  alt  chemischen  Welt,  eine  concenirirte  Auf- 
lösung schwer  krystallisirbarer  Salze;  so  ist  jii  nach  in  den  Apo- 
theken aas  allen  Rezepten  das  Oleum  tarlari  bekannt.  Tläile  nun 
HoAesAet'M'Brunneawasser,  oder  Schwefelsäure  anf  des  Kochsalz 
gegossen,  so  würde  er  nach  der  Destillation  nicht  ein  Oel,  son- 
dern, entweder  Kochsalz-,  oder  Glauhersalzkryslallen  gefunden 
haben.     Weil  er  aber  ein  Oel  fand,  so  folgt,  dafs  er  Salpeiersftu- 


.  r*M.  /.  Seile  Sil  IBtei  er  Mireieil  r«  4«r  Agiim  laletm  ■«f. 


—    717    — 

n  «iif  das  KochiuiU  ^pscbüiiet  fakbe.  Dm  talpet«nMire  N'alroa 
iiryitRlIisirt  «ohwer,  und  tod  diesem  konnte  er  ein  Oel  in  fu»äa 
rttorlae  behalten.  Uer  ZasaM  einei  Goldpriparau  tn  dem  Elixtr 
»ali*  darf  niemand  vnwirren,  denn  Hahenheim  seixet  es  fast  xn 
•Hen  seinen  geheimen  Mitteln.  Daruiis  kann  man  schon  abnefa- 
nen,  dufa  der  Goldzutatz  eines  jener  frrliclitor  ist,  durch  welche 
die  <!ebeim8rste  die  GaUnisten  (fiuBchten,  durch  welche  aber  die 
Geweihten  nicbl  leicht  konnten  gelttuscht  wurden,  so  wenig.  aU 
Jetzt  ein  Arzt,  der  sich  mit  der  selisanien  Schreibart  jener  Leute 
ein  wenig  verlrniii  ^ntacht  hat,  dadnrch  geirret  wird.  Oafs  aber 
HohtnheiM  den  Itrztlichen.  Gebrauch  des  salpetersauren  \airon* 
recht  gut  kannte,  erhellet  daraus,  dafa  da,  wo  er  von  der  durch 
ehemische  Kunst  gesteigerten  Heilwirkung  des  Kochsalzes  spricht, 
er  das  zum  hSehsten  Grade  der  Heilwirkung  gesleigerle  Kochsala 
im  Durchfalle  als  rorzüglich  heilsam  preiset.  Das  Kochsalz  als 
Kochsalz  heilet  nicht  den  Durchfall,  wol  aber  das  in  würfelicbten 
Salpeter  umgewandelte  Kochsalz. 

In  dem  weitiRnftigen  chemischen  Werke  des  Berliner  Sehei* 
deküH«tler!i  IVettmaxM,  welches  in  den  fünfziger  Jahien  des  vorigen 
iahrhiinderts  herausgekoninien,  findet  man  die  Berehung  des  wiir- 
felichien  Salpeters  eben  so  angegeben  als  in  den  HoAemAeimücAem  . 
ArchiHoxen,  nur  mit  iem  ünierscbiede,  dafi  dort  der  Proxefs  voll- 
kommen deutlich  beschrieben  ist.  Heut  zu  Tage  ist  ea  wol  am 
klügsten,  dafs  man  das  \atfon  geradem  mit  SaipetersAure  sfiuigei, 
s«  hat  man  einen  gnien  kubischen  Salper. 

Früher  haben  manche  Aerzie,  denen  die  chemischen  Wahl- 
verwandtschaften nicht  sonderiieh  gelHufig  sein  mochten,  den  w&r- 
felicbten  Salpeter  zuweilen  verschrieben,  ohne  es  selbst  sn  wissen. 
Sie  verschrieben  nSmIicb  eine  Auflösung  Von  einer  Mischung  /Va- 
tmm  tulphuricmm  und  Kali  ailricum.  Da  bekamen  sie,  wenn  sie 
nichv  gur  zu  viel  Kali  nitricu»  losetzien ,  einen  Trank ,  der  aus 
Natrmm  nlphuricum,  Natrum  »itrieum,  ond  Kali  nlphmricum  be- 
aiand.  Dafs  sie  davon  in  uiancben  Fkllea  recht  gute  Dienste  mBs- 
sen  gesehen  haben,  daran  ist  wol  kein  Zweifel.  Diese  Mischung 
i«  aber,  man  mag  das  VerbHltnif«  des  Kali  niirici  zu  dem  Natro 
talpAurieo  nehmen  wie  man  will,  jederzeit  la^irend.  Je^mehr  Kali 
nitrieuM  man  zusetzt,  um  so  mehr  Natrum  niiricmm,  aber  auch 
nm  so  mehr  Kali  »n^Auricvm  erzeugt  sieh.  Je  weniger  Rali  mi- 
tricum  man  ansetzt,  nm  so  mehr  Natrum  »tttpkurieum  bleibt  in  der 
Mischung;  also  jedenfalls  hat  ein  solcher  Trank  lazirende  Eigen- 
schaften, durch  welctie  die  wundervolle  Wirkung  des  kubischen 
Salpeters  vielmabis  mufsl%  getrübt  werden.  Hütte  sich  die  Sache 
so  nicht  verhallen,  dann  würde  gerade  die  frühere  Unbekanntschaft 
der  Aerste  mit  den  chemischen  Wablverwandischafleo  I8ngst  die 
Aofmerksiuakeit  donelbeo  anf  den  kubischen  Salpeter  nioht  blofs 


—    71»    — 

gricnkt,  MMdern  ge»vmgeu  fiaben.  Ko  viel  ich  ab«r  4i«'LilMii< 
Mr  kenne,  ist  er  als  Heilniitel  mit  finulicber  Bewohiheit  ftüber 
ni«  gebraiicbl  worden,  wiewol  er  in  rnnvcben  chemischen  Bücheni 
des  voriges  Jebrhunderts,  gleich  andern  in  der  Medütin  nngebrfiaeb* 

'  liehen  Salmen,  anfgefäfart  wird.  Macher  in  der  sweiien,  im  Jah- 
re 1778  enchieneneD  Ausgabe  seioea  chemischen  Wörterbacbe», 
sagt,  nachdem  er  ndire  B«eitnngen  des  kabischen  Salpeters  aa- 
gegebin,  ansdrücklioh  von  ihm  :  Ce  »et  an  rette  »'eit  utile  »i  dan» 
im  3Iedevi»e^  «•  äaiu  la  Cktßmie,  m»  daua  Um  ArU.  Wahrend 
meiner  Lebuit  ist  seine  Heilwirkung  eben  so  wenig  Scannt  wor- 
den; denn  das,  was  Herr  Prof.  Djierbach*)  foq  ihm  sagt,  slaranf, 
wie  ieh  «ehe,  eiosig  von  mir  her.  Herr  Krelsph]vicns  Dr.  v.  Vei- 
««*,  «ein  Gewährsmann,  bat  es  von  mir,  and  Herr  Dr.  Meyer  von 
Herrn  Dr.  v,   Vel»em. 

Ich  habe  die  Wirkang  dieaes  ftUitels  ursprünglich  nicht  von 
den  alten  Geheimlnten  gelernt,  sondern  im  Jahre  1S14  gans  au- 
Mlig  auf  folgende  Weise  entdeckt,  loh  hatte  früher  gegen  den 
Rkeumatitmut  aeutu»  die  Heitart  des  R.  BroeMetbtf  ,'**)  der  be- 
kanntlich dieses  Hebel  durch  Aderlässen  und  grofse  Gaben  Kali 
Mitrtcum  heilet,  am  besten  befiuiden,  auch  nicht  gesehen,  daft  der 

.  Salpeter  in  grofsen  Gaben  den  Darmkanal  ao  feindlich  angriff,  als 
in  meiner  Jugend  manche  Aerale  dieses  beHirchteten.  Nun  traf 
M  sieh,  dafa  ich  einst  ein  Frftulein  vom  RAeitmalitwuu  acutiu  be- 
freien sollte,  dessen  Magen  etwas  reizbarer  sein  mochte  al«  die 
Magen  derer  gewesen,  welche  ich  bis  dahin  behandelt  tiaite.  Das 
Kali  nitricum  machte  ihr  etwas  Magenschmenen,  und  ob  ich  gleich 
Einen  Aderlaia  bei  ihr  angewendet,  so  schien  mir  doch  die  roebr- 
fache  Wiederholung  desselben  ihrem  etwas  schwachen  Körper  niobt 
sonderlich  dienlich  zu  sein.  Ich  balte  schon  früher  bemerkt,  dafa 
Miuelsaixe ,  die  das  Natron  zur  Basis  hatten ,  milder  wirkten  als 
die,  welche  das  Kali  zur  Basis  hatten.  So  wirkt  Natron  aulphw- 
riaim  milder  als  Kali  lulpkuricvm ,  Natron  tartaricttm  milder, 
al«  Kali  tartaricHm,  ja  das  Seignetsalz,  bei  dem  doch  nur  die 
fiberschüssige  Sfiiire  dea  Weinsteiaa  mit  Natron  geeättiget  iat^ 
wirkt  milder  als  Weinstein  und  als  Kali  tartaricmm.  Ich  kam  also 
auf  den  Gedanken,  ob  Natron  nitricHm  nicht  ebenfalla  milder  auf 
den  Magen  wirken  möebte  als  Kali  nitricum-  Ich  lieb  Natron  mit 
Salpetersäure  sttttigen  und  gab  dieaen  Trank  dem  FrSulein. 

Ilinsiehtlicfa  seiner  nicht  feindlichen  Wirkung  auf  den  Daffiu> 
kanal  hatte  ich  richtig  vermuthef,  allein  hinsichtlich  seiner  Heilwir- 


*)    Die    ledMlea   EntdecLnDgea   in    dar    Matefia   mediea  >od   J.    H.  Ditrbafh 

S.  53i. 
"y  D.  Räkard  BtveUeiiy  Gkonomlich«  nnd  ma^itTnlieb«  BoobMhlangea  a-  *-  «• 

SbarMtrt  vm  D.  Ctr,  Gaia.  Stile. 


—    7W    — 

Icang  Bai  den  gauso  KniBkbeitumtand  hati  ioh  Mww«  WM  Mb 
Hiebt  vennathen  koanle,  niulicb  eine  Hailwirkung,  die  mir,  der 
ick  die  Bro€Me»bifdK  SalpMerfaeilwt  ojft  geang  erprobt,  fast  mb 
Waoder  in  grMweD  sehieB.  Der  RbeapisÜBnaa  wurde  gleich  b«s- 
MT  and  Tersobwaod  nuamiU  dcpt  Fieber  in  eilichea  Tagen.  Von 
weiterem  Blailassen  war  keine  Rede  mebr,  und  diu  Fräalein  ge- 
nas gesdiwiDder  and  gemiohUcher  all  icb  Je  jenand  durck  die 
BrocUetiydte  Heilkrt  bafie  genesen  seben.  In  eiaig«a  ftfanliebea 
FMIen  leistete  mir  das  Mitlei  iholinb«  gute  Dienste,  nnd  da  ich 
M  aiflbt  sowol  als  ein  MuBkelheilmiltel,  sondern  vielnebr  ab  ein 
msgexeiehneles  Fiebenailtel  ansah,  so  wu  der  Gedanke  wol  sa 
entschuldigen,  dafs  idi  vielleioht  eins  der  allen  geheimgeballeaeB 
Fiebemittel  gefandan.  Icb  koante  n&mlicb  schon  daawbls  die  Ge- 
beimftrxte  nicht  bUb  aas  der  GeMhicble  der  Medisin ,  sondern 
pgtru*  Interim  war  mir  sebon  früh  in  die  Hände  gefallen.  Die- 
sen hatte  ieh  gdeaen,  ihn  aber  hinsichtlich  seines  Fiebemittels 
(A»tipgr9ti)  nicht  verstanden ;  denn  bitte  ich  ihn  verstandea ,.  so 
wSrde  ieb  b^riffen  haben,  dafs  gerade  er  am  deutlicbstea  sieb 
darüber  anispricfat,  dal«  die  coasensaellen  Fieber  einsig  durch  f]ei- 
len  das  arergriffenen  Organs  könnan  gehoben  werden.  *) 

In  der  einfUtigen  Meinung  als»,  dafs  ich  ein  gar  herrliches 
Fiebermittel  gefandeo ,  fing  ich  aa ,  es  im  Fieber  m  gebrauchen. 
Unmahls  hatten  schsa  etliche  Jahre  CotUHmae  remittentet  g»- 
berrscfat,  dia  icb  aicbi  gut  unter  eine  kraokbeitslehrige  Kategorie 
bringao  koaMe.  Weder  Hahorantia  fixa^  noch  voiatiiia,  noch 
geistige,  das  Arterieosysleai  aufr^oBdo  Mittel  halfen;  schwKcben- 
de,  küblende,  oder  aasleerende  eben  so  wenig.  Milde  belebende 
Mittel,  als  Casspher  in  der  Gabe  von  sehn  Gran  bis  sum  Skrupel  ta 
Tiernndswanaig  Slnoden,  Bmhaamm  viiae  H.  ia  geringen  Gaben, 
und  MMkaleanois  oder  Blüte  tbatea  gute  Dienste.  Letale  wende- 
te ich  dann  an,  wenn  eine  Neigung  sum  Darehfalle  entweder  an* 
fkaglicb  gleich  da  war,  oder  sich  in  der  FoJge  so  dem  Fieber  ge- 
sellte. Durch  diese  milde  Behandlung  bewirkte  ich,  dali  die  Krank- 
heiten nicht  unter  meinen  Händen  schlimmer  wurden  ;  icb  war  aber, 
wenn  sie  naeh  zcba,  vierzehn,  oder  awanzig  Tagen  aafbörten,  sehr 
■weifelbaft,  ob  sie  durch  meine,  oder  bei  meiner  Behandlung 
vergangen  waren;  ja,  weil  icb  von  jeher  eine  \eigung  gehabt, 
der  Kunst  au  miCstrauen,  so  war  mir  Leixtes  noch  etwaa  wahr* 
■cbeiolicher  als  EJrstes. 

Auf  die  Weise  halte  icb  nun  schon  etliche  Jahre  bei  Behand- 
lung der  akuten  Fieber  lavirt,  und  g^laubt,  es  sei  doch  besser, 
■•Ibige  zaudernd  aus  dem^iten  Stadio,  wann  gleich  langsam,  in 

•)   Pttri  Ptterii  Op*rm  »mmtti   m»Jtea  «t  rAmtee.     LH.  J.  dt  ftMbtu.  Cof. 


—    720    — 

4»*  Stadium  der  Genetang  xa  fShran,  als  sie  Mürmend  ■ehlimmer 
sQ  inHchen ;  desn ,  aafrichtig  .gesprochen ,  ich  habe  es  van  jeber 
nicht  BODd«rlieh  erbaulich'  finden  kSnnen,  dafs  die  Fieber  unter 
der  äniUchen  Behandlung  Behlinimer  worden,  wiewol  es  fast  schei- 
ne!»  als  seien  manche  Aerzte  und  xwar  nicht  die  nngelebrtaatea 
der  Meinung,  es  müsse  so  sein  and  könne  nicht  anders  sein. 

Da  ich  Kuerst  die  Heilkraft  des  würfelichten  Salpeters  kennen 
leraie,  waren  jene  Fielter  so  geartet,  dab  ich,  wegen  des  hinsu- 
kommenden  Dnrchlaufes ,  der  nicht  gut  dabei  ibat ,  sie  blofs  mit 
mäfsigen  Gaben  Maskaleobliite  behandelte.  Nun  hatte  ich  eine 
weihliehe  Kranke,  bei  der  sich  das  Fieber  über  die  gewähnliche 
Zeit  verzog,  dieser  gab  ich  einen  Trank  von  ßfatrum  »ilricum. 
Da  sie  etwas  einfältig  war,  und  wahrscheinlich  von  der  Behand- 
lung der  akuten  Fieber  noch  etwa«  weniger  venland  als  ich  da- 
mahls,  so  fragte  sie  mich  an  folgenden  Tage,  warnni  ich  ihr  doch 
nicht  gleich  diesen  Trank  gegeben;  er  habe  so  fühlbar  wohlthS- 
tig  anf  sie  gewirkt,  dafs  sie,  wenn  es  so  fortgehe,  in  ein  paar 
Tagen  wieder  gesund  sein  werde,  loh  wafste  wahrhaftig  nicht, 
was  ich ,  ohne  unwahr  au  sein ,  aus  dem  Stegreif  antworten  soll- 
te, nheriiörte  also  diesen  Vorwurf,  war  jedoch  in  meinem  Hersea 
froh,  dafs  die  Frau  gerade  an  der  grofsen  Klasse  derer  gehSrte, 
die  ich  umsonst  bediene.  Hätte  sie  au  den  Wohlhabenden  gehdrt, 
so  wfirde  ihr  der  Gedanke  sehr  nahe  gelegen  habra,  dafs  ich  sie 
mit  nawirksamen  Mitteln  blofi  hingehalten,  au  ihr  anf  eine  ehr- 
bare Weise  das  Geld  ans  der  Tasche  in  holen ;  die  VerdäcbtignDg 
ärsilicher  B&rsenschneiderei  würde  also  die  erste,  gar  labende 
Frucht  meiner  nütalichen  Entdeckung  gewesen  sein.  Uehrigens 
hatte  das  eigene  Gefühl  die  Frau  nicht  getttnecht,  sie  genaa  wirk- 
lich in  drei  Tagen.  Ich  erprobte  jetzt  das  Mittel  bei  mancherlei 
Kraiikheiisformea,  bei^giwi,  Hemritü,  Scbarlachfieber,  Dorchlanf, 
Ruhr,  Husten,  Rheumatismus,  Asthma,  und  Gott  weif«,  bei  wel- 
chen anderen  Krankheitformen  ,*  es  ging  alles  gar  herrlich  und  ül>er- 
raschend  schnell. 

Nur  das  Wechselfieber  wollte  nicht  so  gefällig  sein,  dies» 
Wunderarsenei  an  weichen;  wich  bei  chronischen  Fiebern  mit  al- 
ten, deutlich  erkennbaren  Leiden  irgend  eines  Organs,  haperte 
ex.  Hinaichilich  des  Wechselfiehers  hatte  ich  scboo  damahfs  langst 
meine  eigenen,  vermuihlichen  Gedanken,  welche  ich  tm  vorigen 
Kapitel  dem  Leser  milgetheilt ,  und  wenn  ich  gleich  hinsichtlich 
der  Crorganleiden  noch  gar  robe,  echt  galenische  Begriffe  hatte, 
so  waren  di^se  doch  biareicbend,  mir  das  Nichtwirken  bei  den 
chronischen  Fiebeni,  welche  mir  vorluMen,  zu  erkifiren.  So  übte 
ich  nun  die  Kunst  acht  bis  neun  Monate  gar  lustig  und  ohne  Kopf- 
brechen. Es  ging  mir  damabls ,  ohne  dafs  iah  es  selbst  ahneta, 
wie  einem  aoknndigen  Beiter,  d«i  man  auf  ein  ffornmea»  gemttcb- 


—    7Jl     — 

ItchM,  EugeritieDM  Pferd  aetst;  er  tr^M,  ^loppirt,  irnrenirt,  cour- 
betdrt  and  dankt  lioh  ein  gaiw«ir  Slallmeisier  zu  min:  gibt  man 
ihm  aber  einmafal  eine  harttrabende,  eigensinnige,  faBlsstarrige  Mäh- 
re, sn  iata  am  Ende  mit  seiner  vermeintlichen  Keiikunat.  i\un, 
■neb  mir  wurde  gar  bald  das  halsstarrige  Roh  rorgefTihrt,  daa  wa- 
ren die  Leberfieber,  die  ich  im  vorigen  Kapital  beschrieben;  bei 
diesen  wsllie  das  unfehlbare  Fiebermittel  nicht  helfen  nnd  ich  mnfs. 
(e  andern  Ralh  Bachen. 

Schon  frnh  war  ich  der  Meinung,  die  Heilwirkung  der  Mittel 
bernbfl  auf  nnwandelbaren  Naturgesetzen.  Diese  Gesetze  könne 
der  menschliehe  Yeratand  zwar  nicht  ergründen,  aber  er  kenne 
doch  von  Beobachtnngen  und  Versuchen  allgemeine  Stfize  abzie- 
hen, die,  ohne  gerade  auf  unbedingte  Unfehlbarkeit  Ansprnrh  zu 
machen,  tod-  grofsem  Nutzen  bei  künftiger  Behandlung  der  Krank- 
heiten sein  mnfsten. 

Ferner  war  ieh  der  Meinung,  die  Heilwirkung  eines  Mittels, 
wetehe  man  in  einer  so  hinreichend  grofsen  Zahl  von  Füllen  be- 
obnuhiet,  dafs  keine  mfKllige  Tänscbung  möglich,  (welche'bei  we- 
nigen FSlIen  allerdings  möglich  ist)  sei  etwas  ThaigSifhliches,  wel- 
ches nie  durch  irgend  eine  theoretische  Beweislhümelei  könne  un- 
wahr oder  ungeschehen  gemacht  werden.  Das  Nicht  heil  wirken  die- 
bes  Mittels,  bei  scheinbar  ähnlichen  Fällen,  müsse  also  seinen 
guten  Grnnd  haben,  nnd  diesen  Grund  könne  man  nicht  nach  ei- 
ner auf  angebliche  Kenntnift  des  belebten  Menschen! ei bes  Ixisirlen 
Theorie',  sondern  nur  durch  vergleichende  Beobachtungen  aasiniiieln. 

In  Erwägung  der  Kürze  und  Unsicherheit  des  menschlichen 
Lebens,  der  Abhängigkeit,  in  der  wir  praktischen  Aerzie  von  den 
rwkomwaaden  Krankheiten  stehen  ,  schien  es  mir  zweckniSfsig, 
meine  wirklich  merkwürdigen  bestätigenden  Beobachtongen  über 
die  Heilwirkung  des  kubischen  Salpeters,  nebst  den  Beobachtungen 
über  die  NichtWirkung  desselben  beim  gastrischen  Fieber,  einigen 
Aerzten  miizutheilen.  Unter  diesen  war  mein  ärztlicher  Freund 
Herr  KreiitphysiciiB  «o»  Vehen  in  C/eve,  der  auch  hernach  diesen 
Gegenstand  in  Born»  Archiv  zur  Oeffentlichknit  gebracht,  und  vor- 
züglich mein  ehemahliger  Lehrer,  der  SMaisraih  B*ifeland.  Die- 
sem überschickte  ich,  nach  vorläufiger  Anfrage,  schriftlich  und  ans- 
führlich  meine  damahligen  Erfahmogan,  damit  er  sie  privatim  ei- 
nigea  verständigen  Heilkünstlem  bekannt  machen  möchte;  an»- 
drücklicb  jedoch  ihn  bittend,  meine  Mittheilnng  nicht  !■  seinMn 
Journale  zur  Oeffentlichkeit  zn  bringen.  Abgesehen  davon,  dafs 
jene  Schreiberei  mehr  ein  PosUeenium  practicum  als  eine  ordent- 
liche journalrecbte  Abhandlung  war,  glaubte  ich,  eine  voreilige 
Bekanntmachung  meiner  unvollkommnen,  durch  vergleichende  Be- 
obachlung  nicht  gelästerten,  durch  die  Zeit  nicht  gereiften  Erfah- 
rungen, kdnne  der  Knust  wenig  frommen. 


—     722     — 

DaniahU  icbriBb  ich  aber  dem  S(.  R.  H.  elwiu  verwegen,  ieli 
wolle  telbBt  die  Sache  genau  unierauchen.  Ach!  wie  ofi  hnbe  ich 
hintennach  über  meinen  kecken  Muih  lächeln  müuen ,  wie  oft  an 
des  Horax  Spruch  gedacht:  PivdeRii/KttirUemporit  eJ^Uum  cafigt- 
'  Hosa  nocle  preMÜ  Deut.  llSite  ich  die  uoiäf^liche  Mübe  gekannt, 
welche  mir  diese  ünterBUchung  machen  würde,  h&tte  irh  begrttTeo, 
dala  ich  mich  vuo  der  schülgerechieo  Kunat  scheiden,  dafii  ich  die  . 
in  uieinem  Kopfe  fesigewurzelien  krankheits-  und  heilmiuellehri- 
gen  Kalegorien  aoareuien,  dafs  ich  die  langweiligen,  dunklen  Schrif- 
ten der  GebetiiiSrzie  nur  zu  oft  danklas  dnrchiftabern  luülste,  wahr- 
haftig!  ich  glaube  nimraer,  dafs  ich  dai  Uniernehnien  begonnen 
lifitie. 

Uamahls  halte  ich  noch  nicht  die  Schriften  der  latrocheniiker 
gelesen.  Paraeehu*  und  Helmonl  hatte  ich  früher  blofs  aus  Neu- 
gierde einmahl  durchlaufen,  wie  ich  auch  den  Sekteeilemiorg  und 
Jacob  Bö»  durchlaufen  habe.  Uurch  solche  Hiicblige,  stfickweise, 
Wählische  Laserei  hekouimt  man  aber  nur  einen  sehr  verworrenen 
Begriff  von  den  Eigenibümlichkeiten  der  Schriflsieller. 

EttmüUer,  der  ohne  die  Geheinilehre  der  lairocbemiker  ein- 
gedrungen lu  seiu,  manche  ihrer  Mittel  anführt,  und  fiberhaopl  mit 
mehr  Achtung  von  ihnen  spricht  als  manche  andere  Gelehrte,  halle 
mich  iäagst  auf  selbige  aufmerksam  gemacht.  Der  Gedanke  tauchte  bei 
mir  auf,  ob  der  kubische  Salpeter  wol  eins  jener  berfichtigen  iatro- 
cheniiacheo  Grofstuiilel  sein  iiiöcbie.  Peiru»  I^ferim,  der  einzige 
Schriftsteller  der  Art,  den  ich  daiunhls  besafs,  regle  meine  Neu- 
gierde mehr  auf  als  dafs  er  alte  befriediget  hatte  Er  schreibt  wirk- 
lieb, was  die  Bereitung  der  Mittel  betri&'t,  ao  dunkel,  dafs  ich  bis 
diesen  Augenblick  nicht  raihen  kann,  ob  sein  Antipfreium  der  ku- 
bische Salpeter  ist. 

In  der  lilerürigchen  Abgeschiedenheit ,  worin  ich  als  klein- 
Bt&dtischer  Arzt  mich  befinde,  ist  es  etwas  ungeniäcblich,  alte  Bü- 
cher aufzulreibeo.  Ich  hat  damabia  den  in  KSln  wirkenden  Pro- 
fessor BougemoMt,  mir  die  Werke  des  Helmonl  und  Paracehmt 
bei  einem  Antiquar  zu  kaufen.  Seine  wenig  uSsiliche  Antwort 
lautete  aber:  er  habe  den  Helmont  gar  nicht  finden  können,  den 
Paraeeüu*  xwar  gefunden,  der  Antiquar  aber  sechiehn  Laubthaler 
dofiir  gefodert,  und  auf  die  Bemerkung  des  De bertri ebenen  in  die- 
ser Foderung,  blofs  mit  einem,  den  MifsscfaHi/.er  alter  Bücher  be- 
mitleidenden Blicke  geantwortet.  Rougemont  war  eher,  ohne  dab 
ich  ihn  darum  bat,  so  gefällig,  mir  aus  seiner  Bibliothek  die  Wer- 
ke des  t>.  HelMout  und  einen,  etliche  Bücher  des  Forace/tw  ent- 
haltenden Quartband  au  schicken.  In  letzten  fand  ich,  aufaer  man- 
chen die  Medizin  nicht  berührenden  Büchern,  die  Arc&idoxa,  nnd 
da  ich  von  der  Chemie  so  vtel  behalten  hatte,  dafs  man  aus  Koch- 
aals  durch  eine  einfache  Wahlverwandtschaft  kuhischen  Salpeter 


_     723     — 

bereiten  kSnne ,  so  fesselte  in  den  Arehidosen  die  Ueberschrirt 
Elixir  $aii*  gleich  meine  AnfTnerbsamkeit.  Ich  sah  bald,  wie 
ich  oben  bemerkt,  aus  dem  Ergebnisse  des  Proxesses  selbst,  dafs 
die  ParaceMscAe  Aqua  aolvem  Snlpelersäiire  müsse  gewesen  sein, 
welches  sich  mir  hernnch,  da  fch  Hie  Werke  des  Paraceltu»  ron 
einem  ehrlichen  Manne  elwns  billiger  erhandelt,  durch  Verglei- 
drang  mehrer  Stellen  bestSiigte,  gleichwie  ich  den  mir  anfänglich 
grof^e  Zweifel  erweckenden  Zusati  von  Gold  gar  bald  für  ein,  wo 
nicht  eigenihümlich  Piraceltitehe»,  doch  gemeines  iairochemiaches 
Wirrsal  erkannte. 

Nachdem  ich  mich  nun  überzeugt,  dafs  der  kubische  Salpeter 
eines  der  Grofsmittel  dieses  aeltsamen,  so  verschiedenariig  beur- 
theillen  Mannes  sei,  so  Itig  der  Gedanke  mir  sehr  nahe,  dnfs  seine 
KuQSI  doch  wol  etwas  mehr  als  marktschreierische  Aufschneiderei 
gewesen.  Ich  fing  an,  den  mir  schon  eine  Zeillang  höchst  verdächti- 
gen Uribeilen  alter  und  neuer  Gelehrten  vollends  zii  mifitrauen,  und 
beschlofs,  die  geheim  ärztliche  Lehre,  deren  Erfinder  Paracefiu» 
wol  eigentlich  nicht  ist,  deren  VeröfTemlicber  und  Verbreiter  er  aber 
ist ,  selbst  EU  errorschen  und  zu  erproben,  denkend  ,  dafs  ich  einzig 
auf  diesem  Wege  den  richtigen  Gebrauch  des  kubischen  Salpeters 
lernen  würde.  Die  Leser  sehen  also  aus  dieser  treuen  Erzählung, 
dafs  die  Heilwirkung  dieses  Satzes  mir  nicht  von  den  latrochemi- 
kern  offenbaret  ist,  sondt-rn  dnfs,  gerade  umgekehrt,  die  ganz  zu- 
ßllig  enideckte  Heilwirkung  desselben  mich  erst  zum  Erforscher 
nnd  dann  zum  Anhänger  der  geheimärzilichen  Lehre  gemacht  hat. 

Aus  dieser  Erzählung  dringt  sich  uns  von  selbst  fnlgende,  für 
die  Heilkunst,  besonders  für  praktische  Schriftsteller  sehr  nützli- 
che Lehre  auf.  Ueber  acht  Monate  balle  ich  die  ganze  volle,  wun- 
dergleiche Wirkung  des  kubischen  Salpeters  auf  den  erkrankten 
Mensdienleib  gesehen,  da  erschienen  gastrische  Krankbeilen,  da 
erschienen  Gehirnkrankheilen ,  bei  denen  er  entweder  gar  nicht, 
oder  nur  als  Nebenmitiel  diente.  Wäre  ich  also  acht  Monate  spa- 
lte auf  den  Einfall  gekommen,  ihn  zu  gebrauchen,  so  würde  ich 
seine  volle  Wirkung  nicht  gesehen ,  ich  würde  ihn  als  ein  gutes 
Aniiphlogisticum,  das  sich  von  manchen  andern  der  Art  nicht  son- 
derlich unterscheide,  betrachtet,  nnd  ihn  wahrscheinlich  nicht  wei- 
ter gebraucht  haben.  Ton  welchen  Zufälligkeiten  hängt  also  die 
Entdeckung  der  Heilwirkung  der  Mittel  ab. 

Ferner:  hätte  ich  nachdem  ich  acht  Monate  lang  die  Wirkung 
desselben  in  mancherlei  Krankheilsfornien  erprobet,  meine  Erfah- 
rungen sofort  der  gelehrten  Welt  milgetheilt,  nnd  ans  diesen  Er- 
fahrungen allgemeine  prakilscfie  Salze  fiir  dessen  Gebrauch  gezo- 
gen, so  hätten  die  Leser,  varausgesclzt,  dafs  in  ihrem  Wirkungs- 
kreise nicht  gerade  /.ur.Zeit,  da  ihnen  diese  Mittfaeilung  wurde, 
ähnliche   reine   LVaffektionen   des  G es animt Organismus   gcherrschl, 


—     724     — 

mich  euiwedei  für  eiucn  groben  Lügner,  oder  doch  zum  wenigueu 
liir  eiHcn  einbililiäclien,  seiner  Sinne  nicbl  recht  uiftchligen  iiltta- 
Kvhen  hallen  niiisseD;  und  doch  wSre  ich  in  Wahrheit  beides  nichl, 
ich  nüre  blofa  ein  toreiliger  Schreiber  gewesen.  Darniis  folgt, 
AaU,  wenn  wir  die  Heilwirkung  eines  MilleU  nicht  blofs  in  etli- 
chen, sondern  in  gi<r  vielen  Fällen  erprobet  haben,  wir  am  besten 
ihiin,  vorläufig  zu  schweigen,  in  einem  Zeilrauine  mehrer  Jahre 
iiQBere  Erfahrung  durch  vergleichende  Beobach Hingen  zu  berichti- 
'  gen,  und  sie  erst  dniin  Hein  ärztlichen  Publico  mitzutbeilen.  Wer 
aber  die  Geduld  nicht  hHt,  so  lange  zu  warten,  dem  raihe  ich,  die 
beobachteten  Thals. ichen  nackt  bekannt  zu  machen,  ohne  aus  sel- 
bigen allgeiueine  (trüklische  Sätze  für  den  künftigen  Gebrauch  des 
Mittels  zu  ziehen.  Das  hat  aber  auch  seine  groise  Unvollkommen- 
heil.  Da  jeder  krankhafte  Zustand  des  Menschenlei  bes  sich  durch 
Zufälle  oB'enbarei ,  Gruppen  von  Zufällen  aber  nosologische  For- 
men bilden,  die  Erzählung  nackter  Thaisachen  also  nur  als  sinn- 
lich erkennbare  Desciiigung  nosologiacher  Formen  kann  vorgetra- 
gen werden,  so  wird  der  Unerfahrene  das  Mittel,  wenn  es  ihm  in 
ähnlichen  Krankheiisformeo  nicht  hilft,  geradezu  aU  nichtsaüiiig 
verwerfen  ;  oder  er  wird  es  unter  eine  heilmiltellehrige  Kategorie 
leihen  und  es  so  nach  einer  blofsen  Phantasie  anwenden.  Es  bleibt 
also  jedi-nfalls  dem  Zufalle  iU)erlassen ,  ob  die  durch  ErzühLung 
nackter  ThaüMichen  bekann igcmacbie  Heilwirkung  eines  Mittels 
der  Kunst  und  diircli  sie  der  Menschheit  nu  zen  oder  nicht  nutzen 
wird.  Es  wäre  zu  wünschen,  alle  Aerzie  dächten  es  sich  deutlich, 
daJs,  insofern  die  Heilwirkung  der  Arzeneien  auf  unwandelbaren 
Naturgesetzen  beruhet,  hundert  für  die  ausgezeichnete  Heilwirkung 
eines  Mittels  sprechende  Beobachlungeo  iiiehr  werifa  sind  als  tau- 
send dagegen  sprechende.  Jene  hundert  beweisen,  dafs  es  einen 
krankhaften  Zustand  des  Mcnschenleibes  in  der  Natur  gibt,  der 
durch  das  in  Kede  stehende  Mittel  schnell  und  sicher  zimr  Noi- 
malslande  zurückgeführt  wird;  diese  tausend  hingegen  \ieweisen 
btofs,  dals  die  versuchenden  Aerzie  den  krankhaften  Zusinnd  vei- 
kannt,  dals  sie  eine  gewisse  Gruppe  von  Zufällen  als  Zeichen  und 
Burgen  eines  solchen  unsichtbaren  Zustnndes  gutgläubig  angeno.ii- 
men.  Ob  aber  unser  Zeitalter  die  Wahrheit  meiner  Rede  aner- 
kennen wird,  mag  Ich  nicht  vorher  besiiminen 

Jetzt  wende  ich  mich  zii  dem  kubischen  Salpeter  selbst,  und 
werde  zuerst  im  Allgemeinen  von  der  Gabe  reden,  in  der  man  ihn 
mit  Vonheil  gebrauchen  kann. 

Man  kann  ihn  innerhalb  vierundzwanzig  Stnndeo  von  einer 
Drachme  bis  zu  einer  Unze  gehen.  •  Wenn  man  einen  milden  Grad 
der  Reizbarkeit  des  Darmkanals  als  den  normalen  annimmt,  so  kann 
man  behaupten,  dafs  der  kubische  Salpeter  den  Darmkanal  nicht 
zur  vermehrten  Bewegung  reizt,  vorausgesetzt,  dafs  man  ihn  nicht 


—     725     — 

in  aageheuem  tinben  reicIiF.  Jedoch,  da  bei  tieitiiDilen  Im  Darni- 
kaaal  ein  sehr  veftchiedener  find  der  KiHpntnglichkeii  für  man- 
cherlei  Keize  Uaiifindeii  kann,  so  ist  ea  möglich,  daft  groftie  <üa- 
b«D  (eine  Unze  in  24  Sinnden)  manchen  den  Darmkanal  ein  we- 
nig *at  vermehrten  Bewegung,  ohne  schinerzhafle  oder  krankhafie 
Gefühle  sn  verursachen,  aufregen,  and  dafs  bei  anderfeh  Gesunden  , 
selb«  noch  grSftere  Gaben  dieses  nicht  thun. 

Bei  dem  Gebrauche  desselben  in  krankhafien  ZiiM^nden  mufs 
man  aber  den  Oarmkanal  besondera  beachten.  Durch  Krankheit 
iriü  Uicbi  blofs  <tec  Qesammiorganiamna ,  sondern  auch  einselne 
Organe  und  sehr  hSufig  der  Oarmkanal  in  ganx  neue  Verhältnisse 
sur  Anfgenwelt,  s»  dafs  die  Versuche,  die  mun  mit  den  Mitteln 
an  Gesunden  macht,  uns  wenig  ihre  Wirkung  bei  Kranken  ver- 
bürgen. Der  Darmkanal  ist  das  Organ,  dessen  VerbHllnifs  Eiir 
Aufaeowelt  durch  Krankheit  am  ofieslen  verändert  wird;  woher  es 
denn  kommt,  dafs  Mittel ,  welche  einen  Gesunden  nicht  durchiHn- 
fig  machen ,  bei  einem  Kranken  znweilan  als  Laxantia,  ja  aU 
furgaHtia  wirken.  Wollte  man  im  Allgemeinen  den  Satz  als  wahr 
aufstellen,  dafs  die  Gröfse  der  Arzeneigabe  mit  der  flefiigkeit  der 
Alfektion  des  Gesatomtorgani^mus  in  geradem  Verhälioiase  stehen 
müsse,  so  würde  man,  wenn  dieaei  ASektion,  ini  Darmkanale  vor- 
waltend,  sich  als  Durchfall  ilafserie,  mit  dem  kabischen  Salpeter 
»rg  in  der  Klemme  sitzen.  Bei  solchen  Umsifinden  ist  es  nicht 
hiofs  noibig,  Jhn  in  ganz  mtifaiger  Menge  (zu  anderthalb  Drach- 
men' in  2t  Stunden)  anzuwenden,  sondern  es  iat  auch  nHihig,  die- 
se Portion  in  einem  schleimigen  Oeliranke  in  geiheilicn  «tüodli- 
chen  Gaben  zu  reichen.  Ueberhaupt  mufs  man  bei  Bestimmung 
der  Arzeneigaben  den  Salz,  dafs  das  Viel  auch  notbwendig  viel 
helfen  müsse,  zwar  nicht  als  einen  ganz  falschen,  aber  doch  als 
einen  lolchen  ansehen ,  der  bei  Uebnng  der  Kunst  grofse ,  sehr 
grofae  Beschränkung  erleidet. 

Im  Allgemeinen  hat  mich  die  Erfahrnng  gek-hiel ,  dafs  zwei 
Drachmen  in  24  Stunden  alles  leisten  ,  was  man  verlangen  kann, 
und  dafs  grdfsere  Gaben  nur  ausnahmsweise  brauchen  gegeben  zu 
werden,  wovon  ich  weiter  unten  besonders  handeln  werde. 

Die  Mittel,  mit  denen  er  hinsichtlich  seiner  Heilwirkung  in  nü- 
herer  oder  enifernlerer  Verwandtschaft  stehet,  sind  folgende. 

1)  Kali  nilricum.  Dieses  ist  hinsichilicb  der  Mächtigkeit 
seiner  Heilwirkung  auf  den  Gesaiiuntorganismus  am  nächsten  mit 
dem  Natro  nitrico  Terwandi,  ohne  jedoch  ihm  gleich  zu  kommen. 
Es  ist  darin  aber  weit  nnvollkommner,  dafs  ea  bei  etwas  gestei- 
gerter Retzbarkeit  des  Damikanals  diesen  feindlich,  zuweilen  hef- 
tig angreift.  Da  ich,  wie  ich  schon  oben  gesagt,  bevor  ich  den 
kubischen  Salpeter  kannte,  das  Kali  Hitrievm  häufig  gebrancht  ha- 
be, M  gehöre  ich  ninht  zu  denen,  die  die  feindliche  Wirining  des- 


—    726    — 

selben  auf  den  Dnrmluuial  zu  »ehr  hervMliebea ;  Jedoch  k«Da  ich 
nicht  bergen,  <tafi  ea  zuweilen  zu  zwei  Oraehiaen  in  einem  acht- 
nmigea  schleimigen  Tranke  Btündlich  Idffelwciae  gereicht ,  la« 
grofscn  Nachtheile  des  Kranken  heftigen  Durchfall  eiregt,  wes- 
halb ich  mich  in  eioielnen  FAlleo  genöihiget  gesehen,  es  gana  bei 
JSeiie  SU  satien  und  mich  mit  verwandten,  minder  michtigan  Mii- 
teln  XU  beheJfen.  Ohne  also  dem  Kali  mitrico  au  nahe  treten  au 
wollen,  behaapie  ich  bestimmt,  dafs  das  Natrwm  nitricum,  aowol 
hinsichtlich  der  Mfichtigkeii,  als  hinsichtlich  der  Reinheit  der  Heil- 
wirkung auf  den  Gesauimioi^aniamna,  ein  weit  vollkomnineres  üii»- 
vertttfe  ist  als  jenes. 

2)  ^aiM0»i*KM  murialicum.  In  meiner  Jugend  schienen 
manche  Aertte  den  Salmiak,  hinsichllicb  seiner  Heilwirkung  auf 
den  erkrankten  Gesammiorganismus,  fast  den  Kali  mitrico  gleich 
sn  stellen ,  wiewol  ich  angebe ,  dafs  sie  sich  nicht  ganx  bestimmt 
darüber  aussprachen.  £r  stehet  aber  iem  Kali  niiric»  weit,  and 
dem  Nalro  Mitrico  noch  viel  weiter  nach.  Seine  Wirkung  als 
Organheilmitiel  kann  begreiflich  hier  nicht  in  Betracht  komnen, 
ich  habe  davon  schon  früher  gesprochen. 

3}  Verschiedene  Milielsalse.  Die,  deren  Gebrauch  ich 
kenne  als:  Kali  »ulphnriaimy  tartarieum,  aceticum,  Natrmu  *«/- 
phuricuat ,  tertaricum ,  aceticum,  der  Tartanu  nalronatui  und  Ao- 
raxatu»,  die  Magnetia  lu/pkurica  und  tartarica,  die  Calcaria  mu- 
riatica  und  vielleicht  auch  wol  andere  wenig  gebräupfaliche  Miilel- 
salze,  deren  Namea  ich  blofs  kenne,  sind  mit  dem  Natro  mitric9 
in  entfernieu  Grade  verwandt,  stehen  ihm  aber  hinsichtlich  der 
Heilwirkung  auf  den  Gesuuiiutorganistuus  unberechenbar  nach.  Je- 
doch sind  manche  derselben  (wovon  ich  irn  vorigen  Kapiiel  ge- 
bandelt) nneni  beb  Hiebe  Organheilmitiel.  Ob  das  Ammoniiim  MiYrt- 
eiMi  ifafn  aber  biosichtlich  der  Heilwirkung  auf  den  Gesammtorga- 
nismus  naher  komme  als  die  genannten  Mittelsalze,  kann  ich  nicht 
sagen,  weil  ich  es  nie  gebrauchr. 

4)  Mercuriui.  Dieser  ist  in  Betreff  seiner  Heilwirkung 
aaf  den  Gesammtorganismus  nahe  mit  dem  kubischen  Salpeter  ver- 
wandt; welche  Verwandtschaft  auch,  zum  Theil  mit,  der  Grund 
seines  jetst  heutigen  Gebrauches  in  gans  verschieden  form  igen  Krank- 
heiten ist.  Seine  feindliche  Wirkung  aber  auf  verschiedene  Or- 
gane, als  auf  die  ganze  innere  Mundhöhle,  auf  Mandeln  und  Spei- 
cheldrüsen, wahrscheinlich  auf  das  Pankreas,  und  wer  weila  auf 
welohe  andre  Bauchorgane,  unterscheidet  ihn  sehr  von  dem  kubi- 
schen Salpeter.  Die  durch  ihn  verrichtete  Heilungen  geschehen 
nicht  blofs  durch  eine  dem  Sulpeter  verwandte  Heilkraft  auf  den 
erkrankten  Gesainmlorganismus,  sondern  auch  auf  antagonistische 
Weise,  durch  feindliches  Angreifen  verschiedener  Organe ;  von  wel- 
chem Gegenstände  ich  aber  schicklicher  in  einem  anderen  Kapitel 


rodeD  werde.  Die  Meinung,  in  Beireff  «einer  dem  Snl^ier  verwuml- 
I8Q  (enlxundungswidiigen ,  antiphlogiBtischen)  Hwikraft  iM  in  der 
Medizin  l>ekaantlich  gethcilet;  einige  Aerxte  nehmen  sie  an,  findre 
verwerfen  iie.  Ich  sehe  mich  genSifaigef,  den  ersten  belsnlieteu, 
werde  aber  die  GrTmde,  die  mich  dazu  l>eHiimmen,  im  Verfolge 
des  Kapitels,  wo  ich  von  der  Wirkung  des  Kupfers  auf  den  er- 
icranltten  Gesaminiorganiamus  handle,  dem  Leiier  ToHegen. 

Ehe  ich  nun  sum  besonderen  Gebrauche  des  liubischen  Snlpe- 
lern  übergehe,  mnfs  ich  den  Leser  auf  eine  in  allen  solchen  fieber- 
bafien  Zusiftnden,  in  denen  er  heilend  wirkr,  beinerkbnie  Erschei- 
nung anftuerksam  machen.  Er  bewirfci  nümlich  gleich  einen  ge- 
wissen Grad  von  woblihiiiger  Veränderung  im  Körper,  welche  der 
Amt  Bwar  nicht  sehen,  der  Kranke  aber  fiiblen  kann.  DicKes  wohl- 
ihätige  Geßhl  vermehrt  sich  fast  bis  zn  dem  der  Genesung,  ohne 
dafs  der  Puls  bedeutend  langsamer  wird.  Die  Verminderung  der 
Geschwindigkeit  desselben  tritt  jedenfalls  später  ein  als  die  RQck- 
kehr  des  Genesungsgeftihls.  Diese  Beobachtung  scheinet  mir  lu 
beweisen,  dafs  er  nicht  aU  ein  eigentliches  direkt  beruhigendes 
Mittel  auf  das  Hers  und  die  tastbaren  GeföfsstBmme  wirkt.  Ferner 
hat  mich  diese  Beohachlong  aneh  in  der  Meinung  bestärkt,  dafs 
bei  derjenigen  Affeklionsform  des  (üesnmmtorganisinus,  welche  wir 
Fieber  nennen,  die  vermehrte  Aktion  des  Heriens  und  der  Schlag- 
adern etwas  sehr  Anfserwesentliches  sei. 

Wenn  ich  jetst  von  den  einzelnen  Krankbeitsformen  spreche, 
in  denen  ich  deq  kubischen  Salpeter  heilend  gehraucht,  so  mufs 
ich  mich  suerst  vor  allen  unebenen,  gehftssigen  Auslegungen  mei- 
ner Bede  schiitMn.  Ich  erkläre  also  auf  das  bestimmteste:  da  die 
nnier  der  Ileilgewalt  des  kabischen  Salpeters  siehende  AffektiOn 
des  Gesammiorganismus  etwas  Unsicheres  i^t,  welches  sich  nur 
durch  gestörte  Verrichtung  der  Organe  dem  Ante,  und  durch  Be- 
einlrSchlignng  des  Gesondheitagei^ihfbs  dem  Kranken  offenbaret, 
diese  Offenbarung  aber  nicht  anders  geschehen  kann,  als  durch 
Bildung  von  Krankbeitsformen;  so  ist  es  mir  auch  unmSglich,  meine 
Erfahrung  anders  auiznsprechen  als  dnrch  Erzählung  der  Beseiti- 
gung von  Krankheitsformen.  Ditraus  soll  aber  niemand  den  Scbluf» 
ziehen ,  der  kubische  Salpeter  sei  das  trefllichsie  Antikgt/ericum, 
Antipgrecttm ,  An1idg»entericmm,  AntUcariatinunt  n.  ■.  w.  Nein, 
meine  werihen  Ainuhrfider!  ich  kenne  keine  Aniimittel  auf  no- 
sologische Formen.  Sobald  die  nämlichen  nosologischen  Formen, 
bei  denen  wir  den  kubischen  Salpeter  die  herrlichste  Heilwirkung 
(iufseren  sahen,  Offttnbarnngen  eines  anderen  krankhaften  Zustan- 
des  des  Gesammtorganisuius  sind,  so  können  sie  nicht  mehr  durch 
kubischen  Salpeter,  aber  wol  durch  Eisen,  oder  durch  Kupfer  besei- 
tiget werden.  ^ 

leb  bitte  also  meine  raiionellempirischen  Leser,  die,  wie  ich 

„,,,_„.,L,  Google 


—    728    — 

laogBt  gewerki,  bei  aller  RationalilAt  «ne  gebeime  Neigang  nr 
Krank heiuformeitbeh an dlung  haben,  diese  Neigung,  welche  sie,  wie 
ich  an  mir  gelbst  errahren,  nicht  so  Knall  und  Fall  auareuten  k&n- 
nen ,  beim  Lesen  meines  Buches  zum  wenigsten  etwas  sa  nater- 
drücken. 


Hysterie.  Gegen  diese  habe  ich  das  Mittel,  wenn  nicht  ge- 
rade Magea  und  Därme  voll  Säure  steckten,  vielmabls  heilsam 
befunden.  Wenn  es  aber  wahr  ist,  dnfs  manche  Hysterie,  beson- 
ders bei  jungen  vollsafiigen  Mädchen  und  Frauen,  blofs  in  einer 
reinen  Salpet^krankbeit  bestehet,  so  ist  es  eben  so  wahr,  dafs  sie 
in  vielen  anderen  Fällen  Bauch-,  oder  Gehirnorgankrankbejt  vsi, 
und  man  den  Weibern  nur  einzig  dadurch  ein  lebensfrohes  Dasein 
wiederverscbaffen  kann ,  dafs  man  ihnen  das  urerkrankle  Organ, 
von  dem  die  Hjsterie  abhängt,  gesund  mnchl*  In  Fällen,  wo  die- 
ses untbnnlich  ist,  bleibt  unsere  ganze  ftrzllicbe  Behandlung  nur 
Flickwerk.  Jedoch  auch  in  solchen  Fällen,  wo  die  Hysterie  von 
dem  Urleiden  eines  Organs  abhängt ,  der  Salpeter  also  als  wirk- 
liches Heilmittel  nicht  nutzen  kann,  tritt  zuweilen  ein  vorübergehen- 
der krankhafter  Znsiand  des  (jesamratorganiamua  ein,  der  durch 
das  Natrum  nUricum  beseitiget  wird;  wo  es  dann,  hinsicbilicb 
des  ganzen  Krankheitsziislandes  blofs  als  ei leichterndes  Mittel  die- 
net. Deshalb  sehe  ich  auch  wol,  dafs  manche  bysicriscbe  Weiber 
eine  conzenlrirle  Auflösung  des  kubischen  Salpeters  (welche  in  den 
hiesigen  Apotheken  unter  dem  Namen  Salpelerlropfen  verkauft 
wird)  für  den  Noihfall  im  Hanse  haben.  Ja  eine  acbibare  Frau 
meiner  Bekanntschaft  hat  eine  entfernte  Frenndinn,  die  an  hj- 
stei'ischen  Ko^fschtner/.en  leidet,  die  ich  aber  übrigens  nicht  kenne, 
Reit  zehn  Jahren  mit  den  Salpelertropfen  verseben.  Ich  denke, 
diese  mufs  sich  wol  bei  den- Tropfen  besser  befinden  als  bei  an- 
derer Ancenei,  sonst  würde  sie  selbige  längst  haben  fuhren  lassen, 
da  hysterische  Weiber  im  Allgemeinen  eine  grofse  Neigung  haben, 
mit  der  Arzeoei  zu  wechseln. 

Zahnschmerz.  Es  gibt  ein  Zahnweh,  welches  blofs  ein  in 
dsD  Zahnhöhlen ,  oder  in  den  Umkleidungen  der  Wurselo  eines 
oder  mehrer  Zähne  vorwaltende  Affektion  desGesammtorgaoismus 
ist.  Dieses  Uebel,  welches  bei  weitem  nicht  immer  eine  in  Eite- 
rung ühergehbare  Entzündung  ist,  wird  dnrch  manche  MUte),  die 
gewöhnlich  gegen  das  Zahnweh  gebraucht  werden ,  als  durch  das 
Anflegeo  von  Pfeffer  oder  Meerreilig  auf  die  Wange,  dnrcb  Nel- 
kenöl und  andere  an  die  Zahne  und  das  Zahnfleisch  gebrackte 
scharfe  Substanzen,  nicht  blofs  nicht  gehoben,  sondern  noch  ver- 
mehrt, und  zwar  so,  dafs  nicht  blofs  Hac  und  Arteriensysieni. 
merklich   aufgeregt  werden,    sondern    dafs   bei  reisbaren  Körpern 


—    729    — 

MÜMt  leiefate  ZnckBogcD  der  Moikelo  eotsiehen.  Der  iaocre  Ge* 
brftiich  An  kabischen  Salpeten  in  etwas  reichlicher  Gabe  (lu  ei- 
ner halben  ilnxe  ta(^s)  und  daa  Auflegen  von  Zinksalbe  auf  die 
Wange  haben  mir  hier  oft  lichtbareo  Nuuen  geschafft.  Wer  Blut- 
egel an  das  Zahnfleisch  setaen  will,  der  tbue  es,  sie  helfen  aber 
in  solchen  Fällen  .nicht  immer;  cum  wenigsten  bin  ich  mehr  aU 
ein  Mahl  an  Hülfe  gerufen,  wo  dieses  Hansmittel  schon  vergebens 
gebraucht  war.  Ueberfaaapt  sind  die  Fälle,  von  denen  ich  spreche, 
etwas  ernslhafier  An,  denn  in  kleinen  Sllidtea  rufen  die  Menschen 
nicht  um  jeder  Kleinigkeit  willen  den  Arst. 

Kopfrose.  In  dieser  gibt  man  den  kubischen  Salpeter 
mit  grofsem  und  auffallendem  Nutzen,  wenn  sie  nicht  ein  Urlei- 
.  den  des  Kopfes,  oder  gaslrischeo  Ursprunges,  oder  Symptom  ei- 
ner AfTektion  des  Gesammtorganismus  anderer  Art  ist.  Sie  kann 
aber  alles  dieses  sein;  darnm  halte  ich  es  für  sehr  unsicher,  sie 
mit  feindlichen,  stark  ausleerenden  Mitteln  au  bekämpfen.  Ja, 
nach  einem  ungefähren  Ueberschlage  dessen,  was  ich  in  diesem 
Punkte  erfahren,  kommt  es  mir  fast  vor,  als  sei  die  Kopfrose  in 
den  wenigsten  Ffillen  eine  in  den  ftufseren  Thellen  des  Kopfes  vor- 
waltende Aßekiion  des  Gesammtorganismus  salpelrischer  Art  ge- 
wesen. 

A  ngina.  Diese  Krankheit  kommt  so  oft  vor,  dafs  man  sie 
als  die  gemeinste  ansehen  kann.  Es  gibt  Aenie,  die  den  Kran- 
ken durch  Aderlassen  and  Egel  das  Blut  abzapfen  und  Gott  weifs 
wie  vielerlei  Miuel  in  den  Magen  schicken.  Ich  halte  das  aber 
für  ganz  überflüssige  Anschläge;  der  kubische  Salpeter  schafft  wol 
allein  Hülfe.  Wird  man  gleich,  am  ersten  oder  zweiten  Tage  ge- 
rufen, so  kann  man  mit  zwei  Drachmen  kubischen  Salpeter  jeden 
Tag  ausreichen.  Wird  man  am  dritten  gerufen  und  ist  das  Uebel 
schon  sehr  gesteigert,  so  thut  man  am  besten,  den  kqbischem  Sal- 
peter zu  einer  halben,  bis  ganzen  Unze  innerhalb  24  Stunden  zu 
reichen.  Gurgeln  lasse  ich  schon  längst  nicht  mehr  in  diesen  Ar- 
ten der  Angina.  Wer  sich  mit  Milch  gurgeln  will,  der  kann  es 
thun.  Ist  die  Entzündung  schon  weit  gediehen,  wenn  man  hin- 
zukomini,  so  mufs  man,  wie  uns  das  die  Allen  schon  lehrten,  rin- 
f3r  sorgen,  dafs  der  Kranke  nachts  einnehme  und  ni5glichiit  wenig 
schlafe;  denn  schläft  er,  so  kann  er  beim  Erwachen  anfänglich 
gar  nicht  mehr  schlingen  und  hat  die  grÖfste  Mühe,  den  Hals  wie- 
der in  etwas  gängig  zu  macbeu.  Ist  aber  die  Entzündung  noch 
stärker,  ko,  dafs  der  Kranke  seinen  Speichel  nicht  ohne  grofse 
Schmerzen  verschlucken  kann,  so  braucht  man  ihn  nicht  mehr  vom 
Schlafe  abzuhalten,  denn  die  Entzündung  verbietet  ihm  von  selbst 
das  Schlafen.  Beschleicbt  ihn  nftmlich  der  Schlummer  und  er  will 
unwillkürlich  den  Speichel  verschlnoken,  so  weckt  ihn  der  Schmerz ; 
schlackt  er  nicht,  so  läuft  der  Speichel  in  den  Kehlkopf  and  vei- 


—    730    ~ 

uniacbt  Hiiiiten,  auf  di«  Weise  isl  es  bar  uami^licb,  dafs  er  aueh 
nur  xehn  Minuten  lang  Rchlafen  kann.  In  lolchen  dringenden  FSl- 
len  halle  icb  es  doch  fiir  zweckni&faig,  nebat  dem  inneren  Gebrau- 
che des  kubischen  Salpelera  anch  äiifserlicbe  Mitlei  sii  Hüire  lu 
nehmen.  Icb  bediene  mich  seit  langer  Zeit  der  GHlmei-  oder 
Zinksalbe  und  la»e  sie  auf  Leinwand  gesiricheji  um  den  Hala  le- 
gen. In  neuer  Zeit  bin  ich  aber  gewahr  worden,  dafs  eine  Oigi- 
lalisaalbe  noch  weit  heuere  Dienste  leiitet. 

Bei  der  Angina  kann  man  lich,  Toraasgegetzl ,  dala  dem 
Kranken  durch  consensuetles  Crgriffensein  des  Masseters  der  Mund 
nicht  geschlossen  sei,  sichtbar  überzeugen,  dafs  der  kubische  Sal- 
peier  allein  hinreicht,  eine  solche  Entzündung,  die  an  sich  leicht 
in  Eiterung  übergebet,  zu  serlheileo.  Der  roibe  Harn,  den  man 
als  eins  der  Zeichen  entzündlicher  Fieber  ansiehet,  fehlet  zuweilen 
bei  der  durch  kubischen  Salpeter  heilbaren  Angina;  ich  habe  oft 
gentig  gegundheiisgemftfsen  Harn  bei  heftiger  Entzündung  des  Hal- 
ses und  bei  sehr  lebhaftem  Fieber  gesehen, 

Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dufa  man  sich  hüten  mufs,  sol- 
che von  einer  Uratfektioa  des'Gesammtorganisraus  abhängende  Hals- 
entzündung mit  gastrischer  zn  verwechseln.  Letzte  ist  zuweilen 
mit  keinem  einzigen  Zufalle  verbunden,  der  auf  krankafie  Gallen- 
ei^iefsung  in  Mageo  und  Darmkanal  schliersen  liefse,  aandern  sie 
ist  lediglich  consensuellei  Symptom  eines  urergriSenen  Bauchor« 
gans.  Sie  kann  auf  so  wunderliche  und  vielfache  Art  erKcheinen, 
dafs  es  knnni  zu  beschreiben  ist.  So  sah  ich  z.  B.  im  Winter  1832, 
wo  spHt  im  Herbste  Leberleiden  vorherrschend,  geworden  waren, 
Halsentzündungen  erscheinen,  bei  denen  man  nnr  unbedeutende  Ge- 
schwulst und  Höthiing  der  Mandeln  und  des  änfsersten  die  Man- 
deln berührenden  Randes  des  Gaumensegels  gewahr  wurde.  Und 
doch  klagten  die  Leute  über  so  starken  Schmerz  beim  Schlucken, 
w,ie  dieser  sonst  nur  bei  sehr  heftigen  und  weit  gediehenen  Ent- 
zündungen zu  sein  pflegt.  Dabei  war  lebhaftes  Fieber  und  etwas 
gelbgeffirbter  Marn.  Diese  Angina  hob  sich  in  einem  oder  zwei 
Tagen  mit  dem  Brechaufswasser  zu  dreifsig  Tropfen  alle  zwei  Stun- 
den gereicht,  Kine  Frau,  die  oft  mit  eniziindlichem  Halsweh  ge- 
plagt, sich  immer  selbst  durch  Salpeieiiropfen  geheilt  halte,  konn- 
te dieses  MabI  nicht  damit  zum  Zwecke  kommen,  icb  half  ihr  aber 
mit  Brechnufs Wasser. 

Diese  Angina,  welch«  blofs  Symptom  einer  Leberberühnheit 
war,  selbst  in  etlichen  Füllen  mit  schmerzhafter  Leberaffekiion  ab- 
wechtelie,  halte  hinstchllich  des  in  hohem  Grade  scbruerahnft  be- 
hinderten Schluckens ,  und  hinsichtlich  der  nnbedeHicnden  wahr- 
nehmbaren Entzündung,  die  gröfste  Aebnlichkeit  mit  dor,  welche 
znweilen    von  einem  kleine«  Pückchen    in  der  Hnnt  einer  Mandel 


eolitahl.  *)  B|ei  dieser  üt  aber  dtm  Gurgeln  whr  »chmerBhaft ,  ja 
fast  uaihnolieh ;  bei  jener,  von  der  ieh  jetxt  spreche,  konnten  lich 
die  Leute  gurgeln ,  wenn  lie  Liebhaberei  daran  fanden ,  wiewol 
das  Gurgeln  nicht  half.  Ueberdiea  vericnwand  sie  auch  nicht,  wie 
die  PSckchenangina,  in  ein  paar  Tagen  von  selbst,  denn  ich  bin 
za  Leuten  gerufen  worden,  die  ioboo  fünf  bis  aecha  Tage  darv> 
gelitten  und  lieinlich  auf  einem  Punkte  geblieben  waren.  OasFie- 
ber  war  meistens  lebhaft  und  der  Puls  bei  manchen  sehr  unge- 
regelt, ja  ich  habe  eine  nichtfaysteriscbe  Jungfrau  behandelt, 
deren  Puls  so  schnell,  klein  und  auiseuend  achlug,  dafi  gar  viele 
Menschen  sterben  können,  uhne,  selbst  nahe  vor  dem  Tode,  ei- 
nen solch  wahaen  Puls  zu  haben.  Dafs  man  aber,  wenn  diese 
aymptoinatiscbe  Angina  gehoben  war,  das  IJr  leb  erleiden  nicht  all 
ganz-gehoben  ansehen  konnte,  sondern  dafür  sorgen  mufBle,  da£i 
der  Bttn  frei  und  schmerzlos  aefalnckende  Mensch  auch  gründlicfa 
banchgesnnd  wurde,  brauche  ich  wol  kaum  zu  bemerken. 

Bange  Leute  machen  von  einer  Angina  grofses  Aufheben; 
denn  weil  sie  sehr  grofse  Unbequemlichkeit  davon  haben,  so  glau- 
ben sie,  sie  müfaten  sterben.  Ich  habe  aber  bis  jetzt  noch  keinen 
daran  sterben  sehen.  Das  weifs  ich  wohl,  wenn  man  ^ie  Art  der 
Enisündung  verkannt,  wenn  man  eine  Eisen-,  oder  Kupfer-,  tHi 
eine  Stalpeteraffektion  des  Gesammlorganismns  ansiehet,  solchen 
Kranken  daa  Blut  abzapfet,  and  ableitungiweiae  sie  tüchtig  pur- 
girt,  so  können  sie  wol  sterben;  aber  ai$  sterben  dann  doch  nicht 


*)  Obgleich  dioM  Trac*np°'  ein  yatedtateaden  &iag  iit,  lo  kann  ■!•  doch  whr 
liUliS  werdCB,  sod  eiaan  junjen  Amt  lar  AnwoadiniB  maneber  gan  iweeklo* 
$»m  Hhtel  veriaiten,  beaoodaA  wana  da*  PSokcbea  an  dar  hialereo  Seite  ei- 
ner Ilaadel  ailit ,  alao  auicbtbar  lit.  Vor  vielen  Jabrea  baba  ieh  eiail  per. 
aSalieh  die  BekaanUebaft  dietei  UebeU  mmacbt.  Bei  vollkonnner  Ge«aa4- 
heit  rüblle  iab  laeret  geriogea  Schalen  bein  ScblnckeD;  aaeb  twei  Tigta 
war  die*er  an  lUrk,  dalk  ieb  gar  keine  Speiae  mehr  b'manterbriDKen  koanta 
nad  data  ich,  am  eipen  Litff'el  FläiaiBkeil  lu  icbluekea,  wol  dreimahl  aaielzea, 
nad  nach  dabei  aeltsame  Gesiabler  acbaeidea  maüle.  Zwei  Tage  aad  eiae 
Nacbt  nalkte  ich  ia  dieier  gexwaogenea  Eathaluainkait  verbarrcD,  kuaala 
aoch  aiebt  aehbres,  weir  ich  meiaeD  Speichel  aicbt  aeblaeken  kuaate,  dleaer 
mir  aleo  bei  jeden  Veraaehe  inm  Seblarea  ia  den  Laryai  lief  aad  nir  Haateo 
verorMehle.  Da  ieh,  beiah  iob  daa  loaere  meiaea  Ualiea  im  Spiegel ,  siehla 
Knakbaftea  Brkennen  konale ,  aad  jeder  Veraach  inn  Gargeln  mir  dea  Scbmarz 
aasiaabilob  iteiserte,  ao  be^lT  iob  leteht,  von  welchem  winxiKea  Dloge  daa 
liitlge  Uagemaeh  abbiu>  aad  fafate  neiaa  Seele  ia  Gedald.  An  awoitas 
Tage  dea  vellkommneD  UavenHl%eaa  tn  icklaakeD  war  ich  doch  etwaa  Ban, 
'  legte  miib  Abends  aur«  Sofa,  ichllof  ein  ,  erwachte  gegen  Milleroacbl ,  ruMt« 
nicht  die  leUeate  Spar  inetir  von  meinem  HaUleiden,  hatte  aber  atarkea  Una- 
ger.  —  Hatte  Ich  aicbt  ashoa  früher  die  TrugBogina  durch  ein  paar  Fülle,  bei 
deien  die  gerlogs  Uraaefaa  daa  aehmenhart  behinderten  Schtingea*  aiebibtr 
war,  keanes  gelernt,  da*  Diag  wärde  Bicb  doeb,  da  leb  lelbat  davon  ergrir-  . 
Ten  wnrde,  tlDUig  gcvaehl  babea. 


-  7it  — 

4liirob  die  Aagina,  «oadwo  durah  die  alt»«»«  FimaeBbehaadlaog. 
Kben  so  kann  wol  ein  Msnaek  bei  einer  canMneadlen  Angina  ster- 
ben, wenn  man  nicht  im  Stande  iat,  dai  nrergriifene  Organ,  von 
dem  das  conienmielle  lialalflidea  abhingt,  geauad  in  raachen,  Rl>er 
er  stirbt  doch  nicht  durch,  eoadern  bei  der  Angisa;  büite  er  kein 
Haiaweh  gehabt,  wftrde  er  ebeafBlU  geRtothen  sein. 

Die  Bettngciigvng ,  welche  manche  Kranke  bei  heftiger  ilala- 
enlKfindnng  haben,  die  aber  Torfibergebend  ist,  aoheint  mir  nicht 
von  der  Verbreitnng  der  Eniaändung  auf  den  Larynx  absehangen, 
•ondern  von  der  Geechwalst  der  Mandeln,  de>  Gaumens  nnd  der 
hinteren  NaienbShlen,  and  von  der  UnmSglichkeit ,  den  dnrch  die 
Entzündung  erzenglen  lähen  Schleim  xu  entleeren.  Ich  achliefse 
das  daraus,  weil  die  Kranken  gewöhnlich  erst  dann  beklommen 
werden,  wenn  sie  sich  aus  Müdigkeit  dem  Schlummer  bingelieo. 
Uebrigens  will  ich  nicht  gerade  dagegen  streiten ,  dafi  die  Beklei- 
dung der  Stimmritse  niweilen  nicht  auch  ein  wenig  mit  leiden  solltp. 
Die  Terborgene  Angina,  von  der  Hippoiratt»  spricht,  die 
aieh  dnrch  keine  sichibare  Geschwulst  iinfaert,  ist  entweder  eine 
EnlzBndung  der  Speieeröhre  gewesen ,  oder  eine  consensnelie,  von 
einem  Urbaucb-,  oder  Gehimleiden  abhängende  ABekiion  des 
Schlundes.  Femefita  sah  einen  KrRnken  an  einer  solchen  nnsichl- 
baren  Angina  innerhalb  achtzehn  Stunden  sterben.  Einen  sehr  merk- 
würdigen Fall  von  symptomatischer,  schnell  tödtlicber  Angina  be- 
obachtete ich  im  Jahre  1S32.  Rin  fünfzigjähriger  Mann,  von  sehr 
ungesunder ,  scfamni ziggelber  Gesichlsfarbe ,  der  lange  Jahre  ab- 
weobseliwi  an  Bauchbvscbwerden  gelitten,  die  sich  bald  aU  Kolilf, 
bald  als  chronischer  Durchfall  äufserten,  halte,  da  ich  ihn  zuerst 
sah,  unbedeniende  Enizundnng  der  Mandeln,  etwas  Steifheit  des 
Nackens,  ganz  mJtftiges  Fieber,  war  nicht  bettlägerig,  und  hatte 
die  ersten  Spuren  des  Unwohlseins  seif  zwei  Tagen  bemerkt.  Die 
Steifheit  des  Nackens  vermehrte  sich  aber  in  der  folgenden  \acbi, 
verbreitete  sich  über  den  ganzen  Kücken.  Die  Kinnlade,  ohne 
sich  eben  gtinz  zu  lebtiefsen,  wurde  doch  auch  sleif,  so,  dnfs 
der  Mund  nicht  weit  mehr  konnte  geöffnet  werden.  Das  Schlin- 
gen wurde  im  Verlaufe  des  Debets  nicht  'beschwerlicher  als  es  von 
Anfang  an  gewesen,  und  da  war  es  so,  wie  es  bei  der  leichte- 
sten Angima  toniillari  zu  sein  pRegt.  Am  Anfange  des  dritten 
Tages  erfolgte  der-  Tod.  Dieses  war  ein  echter  Starrkrampf,  aus 
innerer,  mir  aber  unbekannter  Ursache,  wie  er  sich  xnweilen  au 
Wunden  gesellet.  Wahrscheinlich  ittt  er  \^ol  in  des  Kranken  al- 
len Banchleidm  begründet  gewesen;  denn  so  gut  wie  von  allen 
Leberfeblern  Scblagllufs,  Lähmung,  Fullsncbt,  Ziitern  nnd  an- 
dere üebel  enisichen,  eben  so  gut  kann  auch  wol  eininabl  Starr- 
.  hrampf  daraus  werden.  Dieser  hing  doch  besiinint  nicht  ton  der 
uofaedeulenden  Angina  ab,    vielmehr  ist  «s   wahrscheinlich,    dafs 


—    733    — 

dl«  leidite  Entiiiadung  4«r  Mandela  icbo«  «in  Syniflvra  des  na- 
henden Slarrkr«uipfe8  gewesen.  leb  hekeane  nbar  gern ,  dafs  icb 
so  etwas  anf^glicb  nicht  ahnete.  Wie  nmncfae  Memchen  klagen 
bei  einer  Angina  tontiUari  über  8letfheit  des  Nacitens,  nnd  über 
weit  läsligere  als  jpner  Kranke,  ja  wie  manchen  ist  dnrch  con- 
senMielles  Leiden  des  Kitiimoakeb  die  Kinnlade  ganz  geschlouen, 
ohne  dafa  es  uns  einfiele,  ans  diesen  gemeinen  Zofällen  etwas 
Bedenkliebes  xa  vemiiiben,  Mein  Kranker  konnte,  da  ich  ihn 
suerst  sah,  den  Mund  ohne  Mühe  so  weit  anrBperren,  dafs  tob 
seine  gance  Mundhöhle  nnd  seinen  Schlund  genau  vn  be>iehtigen 
beiSbiget  werde.  Wie  konnte  ich  da  denken,  dafs  der  Trüwmt 
itn  Ansnge  sei!  Bei  Wanden  bat  es  die  Erfahrung  gelehrt,  daft 
Steifheit  des  \aokens  ein  böiJist  verdüchiiger  Zufall  und  leicht  ein 
Vorbolbe  des  SiarrkrainpfeB  sei;  aber  dafs  ein  NichlTerwnndefer, 
der  blofs  über  etwas  Halsweh  nnd  Steifheil  des  Nackens  klagt, 
den  Anfang  dieses  furchtbaren  Uebela  haben  könne,  ist  etwas  nn- 
gew 5hnlicbea ,  xnin  Wenigsten  hnbe  ich  nie  einen  fihnlichen  Fall 
erl<'bt.  Die  Erkennlnifs  des  Uebels  war  bei  meinem  iweiten  Be- 
midie  schon  so  deutlich,  dafs  niemand  es  hütie  verkennen  kön- 
nen. Der  Verlauf  desselben  war  auch  gerade  wie  d^r  des  Wiin«^ 
starrkrampfea.  Der  ganze  Rücken  wurde  so  steif  wie  ein  Stück 
Hole,  Schlneken  konnte  der  Kranke  noch  immer,  wiewol  mit 
einiger  Beschwerde,  den  Mund  konnte  er  zwar  nicht  weit  auf* 
sperren,  aber  doch  ordentlich  öffnen,  um  Getränk  xu  sich  zn 
nehmen.  Das  Sehlief«en  des  Mundes  ist  aber  auch  bei  dem  Wund- 
starrkrämpfe ein  wandelbarer  ZufaH. 

Vor  eiliuben  Jahren  trog  sich  hier  der  Fall  xn,  dafs  tan  ge- 
■nndes,  starkes  Dienstmädchen  TOn  einem  Hnhnerhabne  nahe  über 
dem  Auge  in  die  Stirn  gebissen  wnrdb.  Zu  dieser  unbedeutenden 
Wunde  gesellte  sich  der  Starrkrampf.  Ich  sab  sie  den  Tag  vor  ' 
ihrem  Tode.  Der  Wundarzt  halte  alles  geihan,  was  in  solchen 
Fällen  erfahrene  Meister  raiben ,  aber  leider  ohne  Hülfe.  Dem 
Mädohen  war  der  Mund  geschlossen  gewesen ;  da  ich  sie  aber  sab, 
konnte  sie  ihn  ohne  Mfthe  so  weit  Öffnen,  um  Getränk  nnd  Ar- 
xenei  zu  nehmen. 

Sollte  micb  nnn  jemand  fragen ,  wie  ich  in  Zaknafi  bei  einem 
nichtTerwundeien  Menschen  den  anfangenden  Starrkrampf  mit  symp- 
lomaiiitcher  Angina  von  einer  einfachen  Angina  mit  geringer  rhea- 
matischer  Affektion  dar  Nackenmuikeln  unterscheiden  wolle,  so 
antworte  ich  einfältig  darauf:    icb  weifs  es  nicht.  — 

Mao  hat  in  dem  Gesammtwissen  unserer  Kunst  nnzählige  Mit- 
tel gegen  die  Angina.  Ein  Krankheitsfall  bat  es  mir  einmahl  vor 
vielen  Jahren  deutlich  gemacht,  wamm  wir  denn  so  gar  maacbe^ 
lei  haben.  Ich  worde  einst  zu  einer  ebriicben  Bürgerfroa  gem- 
fen,    die  an  der  Anginn  tenniiari  litt,    nnd  zwar  so  heftigt  dafs 


—    734    — 

wenn  sie  etneo  Löffel  roll  Flüasigkeit  icblacken  woDle ,  diese  ihr 
tat  Nasa  heraiialief.  Da  ihr  der  Mnnil  nicht  geicblossen  war, 
ich  also  den  Hals  besichtigen  konnte,  so  nrtheille  ich  ans  dem 
Anseho  der  Mandeln,  am  der  Daner  der  Entzfinduag  und  ans  der 
gRnzlichen  Unmöglichkeit  des  Schluckens,  dafs  sich  ein  Abssefii 
gebildet,  der  bald  durchgehen  werde.  Dieses  nnn  dar,  nicht  ohne 
Furoht  vor  Sterben,  in  grofaer  Noih  schwebenden  Fran  auszule- 
gen ,  wnrde  lAcherlich  gewesen  sein.  Ich  verschrieb  also  gar  eh- 
renfest ein  Rezept,  das  bestand  in  Alih«esalbe,  mit  der  «ie  Sut- 
tsrlich  den  Hals  scbmieren  mufste.  Am  anderen  Tage  sah  ich  sie 
wieder;  sie  behauptete,  die  Snihe,  welche  ich  ihr  verschriebeo, 
sai  eine  wahrhafte  Wiindersalbe.  \achdem  sie  sich  ein  einziges 
Mahl  damit  habe  schmieren  lassen,  sei  sie  gleich  eingeschlafen, 
habe  mehre  Standern  hintereinander  .geschlafen ,  nod  beim  Erwa- 
chen sich  von  allen  Leiden  befreit  gefühlt. 

Was  meinen  meine  Leser,  sollie  es  nicht,  hinsichtlich  dar 
BrÜunemittel ,  manchen  Aerztea  der  allen  Welt  gegangen  sein  wi« 
dieser  Frau?  sollten  sie  nicht  die  selbslige  Oefinung  der  Mandel- 
abszesse,  bei  der,  wenn  sie  im  Schlafe  gescbiehet,  der  Eiter  ver- 
schluckt wird ,  wo  dann  eine  anscheinend  zanberisebe  Heilung  a- 
folgt,  für  eine  wundervolle  zertheilende  und  heilende  Wirkung 
ihrer  Mittel  gehallen  und  so  sich  selbst  nnd  die  Nachwelt  getäuscht 
haben?  —  Anker  einer  Unzahl  von  zusammengesetzten  Umschlü- 
gen, Ourgelwftssern ,  Tränken  und  Salben,  auf  welche  man  hü 
früheren  Schriftstellern  stöfst,  ungerechnet  das  Aderlassen  am  Arme 
nnd  unter  der  Znnge,  das  Si^ropfen  im  Nacken  nnd  die  Blasen- 
pflasier,  findet  man  alleio  beim  Dioicoridet  sieben  nnd  zwanzig 
Simplicia  gegen  die  Bi^une,  womnier  etliche  recht  schmntsige  sind, 
als  Hund«-  und  Menschenkoih  (Lit,  2  Cap.  7Z)  und  sein  Ueber- 
a^ty.er  Mathtohu  thut  noch  vier  hinzu.  Nach  diesem  soll,  unter 
andern ,  der  Kranke  den  Rauch  von  auf  Glnhkoblen  gestreuten 
Bernstein  durch  einen  Trichter  einathmen,  und  dieses  ein  Prae- 
ttantiaMtmum  aujtilium  sein  (Lib.i  Cap.^Z).  Ich  glaube, 
wer  beut  zu  Tage  hatskranke  Menschen,  die  ohnedies  Ungemach 
genug  auszustehen  haben  und  arg  in  der  Presse  sitzen »  noch  oben- 
drein mit  Bernsleinranch  verqnalmen  wollte,  den  würden  die  Leute 
weit  eher  für  einen  übergeschnappten  Narren  als  für  einen  ver- 
ständigen  Meister  halten. 

Uebrigens  habtii  beknnntlich  iiltere  Schrißsteller  unter  den 
Namen  ^ngi'xa,  Entzündung  der  Unterkinnladen-,  Unterzungen- 
und  Ohrendrüse,  der  Znnge,  der  Mandeln,  des  Gaumens,  ja 
selbst  des   Nackens   begriffen , ")    ohne  jedesmafal  in  dem  Einzel- 

■)  Diviei  Latite  itamnl  wbI  eiseDttieb  tod  H/fpoiratt*  her .  sder  ,  wie  eto^« 
Gilabrie  n«ipsa  ,  tob  Tkettalui  —  Hipp,  voa  dea  Landfenoben  2. 
BnokanEBdedB)}.  Abiobaittei.  .,,  ,_  ,,  ^  ,   ,.^., 


—    735     — 

falle  ifB  enlBÜndctsD  Theil  besonders  RDZugeben.  Ob  niRnche  der- 
selben di«MS  aus  Nachlässigkeit,  oder  am  Mangel  anatomischer 
Kenntnifs  versäahit,   kaon  ich  nicht  sagen. 

Ziiiii  Schlüsse  dieses  Artikels  inufs  ich  noch  vom  Zapfen  re- 
den, leb  habe,  so  lange  ich  Arxt  gewesen,  mit  einer  besonde- 
ren Krankheit  desselben  nie  zu  Ihun  gehabt.  -Bei  Anginen,  wenn 
sie  nur  eioigermarHen  ernsthaft  Hind,  ist  bekanntlich  das  Vtlmm 
palatinnm^  mithin  auch  der  Zapfen  enuündet  nad  geschwollen. 
Leisler  wird  aber  mit  dem  Gaumen  und  Mandeln  sogleich  gesund. 
Uafs  er  iiiweilen,  wahrscheinlich  durch  chronische  Enisüadung, 
sich  verlängert ,  und  bedeutend  verlängert ,  habe  ich  blofs  gele- 
sen, nie  selbst  gesehen,  ich  weifs  auch,  dafa  man  in  allen  Zei> 
ten  ein  besonderes  Instrument  erfunden  hat,  den  verlängerten  m 
kiirsen.  Das  waren  aber  doch  nar  seltene  Fälle.  Wie  kommt  M 
denn,  dafs  das  Volk  immer  vom  geschoüsenen  oder  gefallenen 
Zupfen  spricht!  Wo  ich  in  meinem  Leben  seil  Kindesbeinen  ge- 
wesen ,  habe  ich  davoii  gehftrt.  Da  ich  zuerst  mich  hier  nieder- 
liefs,  sagten  mir  die  an  Angina  Leidenden,  wenn  ich  wegen  der 
hoch  gesteigerten  Entzündung  sie  fragt«,  warum  sie  doch  nicht 
zeitiger  die  Konst  in  Anspruch  genommen:  sie  haben  anfänglich 
geglaubt,  der  Zapfen  sei  ihnen  blofs  geschossen.  Durch  die  Länge 
der  Zeil  iat  in  meinem  Wirkungskreise  das  Zapfenschiefsen  mit 
anderen  Albernheiten  aus  der  Mode  gekommen. 

Ich  habe  in  meinem  Leben  von  allerlei  Volksmitieln  gegen 
den  gedcbossenen  Zapfen  gehört.  In  dem  Orte ,  wo  ich  als  Knabe 
Meine  erste  wissenschafilicbe  Bildung  erhielt,  war  ein  Handwer- 
ker, der  sieb  grofsen  Ruf  im  Zapfenlichlen  erworben.  Er  packte 
auf  dem  oberen  Theile  des  Kopfes  dessen,  den  er  heilen  wollte, 
einen  Schopf  Haare,  und  zog  selbigen  tüchtig  in  die  Höhe,  so, 
dafs  der  Kranke  arge  Schmerzen  davon  halle.  Dieses  sollte  nun, 
wie  es  bi^fa,  unfehlbar  helfen.  Damahls  kam  meinem  kindischen, 
iinmedizinischen  Verstände  eine  solche  Behandln tig  recht  widersin-' 
nig  vor;  wie  sehr  bin  ich  aber  in  der  Folge  einst  überrascht  wor- 
den, da  ieh  diese  nämliche  Raofkur  bei  einein  sehr  berühmten 
Arzte  des  fünfzehnten  Jiihrhunderta  fand.  BaHhohmatut  Monfag- 
nann,  (Conti/.  S8J  nachdem  er  gegen  den  geschossenen  Zapfen 
trockne  Schröpfköpfe  auf  die  Pfeiinaht  empfohlen ,  fährt  also  fort : 
Violenfer  etiam  «itri»M  allrehaatur  cepi/ii  ejut  (des  Kranken), 
i'At,  Mt  cutü  capilü  exfol^lur  a  cranio  «ko.-  per  tale  enim  inge- 
nium  ttatim  Uvula  mirabililer  »ublevetur.  Vidi  ipmm  fieri ,  etin- 
itanter  prqftiit ;  »ed  non  debet ßeri  Hin  in  cam  arduo  magnae  tvf- 
Jocationi». 


•)  (Zoiiti  vom  Jihre  18*1.)     Seil  ich  ObigM  In  Jahre  1829  ^sicbriebeii, 
•isd   Mir  nrri  FSIIe   von  UrleidcB   4ei  Zapfeo*,    welche«   sick   eil .  ■«rklieh« 


—    736    — 

Die  Frage:  ob  maaeli«  VelkaHiiael  unpränglicb  von  «ks  al- 
len AersiMi  h«raiam»wn ,  vui  den  Nachfolgerii  ilerselbeu  verwor- 
fen und  vergessen,  sich  anier  deM  Volke  durch  mündliche  Heber- 
lieferang  erballen,  oder  ob,  nmgekehrt,  die  allen  Aersie  sie  nr- 
sprSnglieh  vom  Volke  erhalten,  und  sie,  blefs  verlaieiot,  fBr 
ihre  Erfindung  ausgegeben ,  möcbte  nicht  blofs  sehr  schwer ,  son- 
dem  unm&glich  lu  beaniworlea  sein. 

Glosaitis.  Die  eigeniliet>e  Enixündiing  der  Subsians  der  Zun- 
ge (roo  einer  Haaieotzündüng  derselben  i«t  jetsi  nichi  die  Bede) 
gehört  zu  den  selteneren  Krankheiten ;  es  sind  suweilen  mehre  Jahre 
'  hingegangen ,  ohne  dafs  sie  mir  ein  einziges  Mahl  vorgekommen. 
In  den  Fällen,  die  ich  zu  behandeln  hatie,  war  immer  die  Ent- 
zündnng  nur  in  einer  Seile.  Dieses  kann  nutn  gerade  nicht  durch 
das  Gesichi  entdecken,  denn  den  Auge  erscheinet  die  ganze  Zunge 
geschwollen  und  das  Sehlucken  ist  wegen  der  consensuellen  Af- 
fekiion  der  Organe  des  Schinndes  sehr  erschweret.  Fühlet  man 
aber  mit  dem  Finger  die  Zunge,  so  wird  man  gleich  gewahr,  dafs 
in  einer  Seile  eine  harte  Geschwulst  von  der  Gröfse  einer  Wall- 
nufs,  oder  eines  Taubeneiei  ist.  Ich  habe  den  kobischen  Salpe- 
ter  bei  der  Glossitis  eben  so  heilsam  befunden  als  bei  der  Angina. 
Ohne  Aderlassen,  Scarifisiren  und  Blutegel,  hob  er  dieses  Zun- 
genleiden bald.  Die  allgemeine  Geschwulst  der  Zunge  wich  zu- 
erst; war  dieses  gMtcbehn,  so  konnte  mau  in  einer  Seile  die  enl- 
KÜndele  Stelle  gans  deuilich  wie  einen  Ball  fühlen.  Dieser  wurde 
dann  gar  liald  weicher  und  kleiner,  und  das  ganae  Zungen!  ei  den, 
siisammt  dem  Fieber,  war  in  einem  Zeiträume  von  vier  Tagen 
gehoben.  Uebrigens  habe  ich,  weil  in  den  Fällen,  die  ich  be* 
handelt,  die  Geschwulst  sehen  bedeutend  war,  denkabisch«t  Sal- 
peter XU  einer  halben  Una«  in  vier  und  zwanzig  Stunden  gegeben. 
Ich    bin   einst  zu  einem  Landmann  gerufen,    bei  dem  die  Eniznn- 

Verläggeraof  dem  Aage  diritellla  ,  vorgokammea.  Da  beide  Fälle  aber  Des 
Waran,  ao  heitt«ii  ale  aicb  dsrsli  elg  Gni^elwaaaer  voa  AlaoD  far  bald.  Irk 
Iwgraire  aber ,  dafi  eiae  aoiche  ZapreDverlaagerang ,  weaa  aie  dareh  Verucb- 
läaiipBf  aea  elseotltchea  ebroDiacben  tiebel  geworden,  andere  Hüirsn  eStbif 
maobsD  kann.  Ant  den  zwei  Pillen ,  welebe  icb  geteben ,  bei  denen  da* 
Ganmiegel  gar  oUbt  betheiligt  war,  wo  aicb  der  verlüngerla  Zapren  in  einem 
sieht-  nid  rdbibaren  Ziuland  der  Braehliffnng  befand,  mnf^  ich  icblleraen, 
dar*  aiobt  leiebt  jemand  dieaei  liebet  vernaebliaaigen  wird,  dens  nach  der 
Anaaage  beider  Belbeiligten  ,  i*t  ei  ein  wkr  litliga*  Ding,  ila  bilt^  imaer 
ein  Gefühl,  al«  ileeka  ibaen  ein  Brocken  im  Sclilnnde,  den  aia  binnnter 
leblncken  müfalaD.  Ei  iit  mSglicb  ,  dafi  dieae  Kranibeit  dea  Zapfens  Trüber 
viel  binSger  gewaien  ali  jetit,  und  dafi  dalier  die  Volkirede  vom  geaekoa- 
aenen  Zapfen  a lammt ;  liad  docfa  aoeh  andere  Rrankbeiten,  die  TrSber  hinflg 
enehieDea  ,  jetit  leiten  geworden  ,  ja  fall  g«M  vencbwnnden ,  z.  B.  da*  Fiie- 
lelReber  nad  dal  Podagra  ;  hingegen  kummeo  Urberileiden  ,  Hamorrbsiden  der 
Blase  Bad  die  sagliickliebe  Dyapbngie  nlr  jnttl  weil  hiaBger  v«r  als  fröber. 


dang  schon  in  Eiterung  über^gangen  war ,  der  Abszeß  barst  nSm- 
li«h  schon  am  folgenden  Tage.  Der  Mann  hatte  wirklich  grofse 
Unbequemlichkeit  von  diesem  Zufalle,  nnd  Reine  Fran  glaubte, 
er  werde  Elerhen;  es  war  aber  nicht  die  geringste  Gefahr  dabei, 
denn  nachdem  der  Abszefs  geborsten,  war  die  ganze  Sache  ab- 
gethan.  *) 

Laryngitis.  Diese  habe  ich,  so  lange  ich  den  kohisclien 
Salpeter  kenne,  nie  zu  behandeln  gehabt,  ja  ich  habe  so  lange 
ich  lebe  onr  einen  einzigen  Fall  der  Art,  vor  ungeßbr  36  Jahren 
bei  einem  fnnßEigjSbrigen  Manne  gesehen.  Reichliches  Aderlassen, 
BIntegel,  Quecksilber,  (damafals  meine  einzigen  Waffen)  waren 
Dicht  mSchtig  genug,  ihn  zu  reiten;  er  erlebte  kaum  den  dritten 
Tag.  Das  Uebel  war  wirklich  forchtbar,  die  Beängstigung,  mit 
nbwechselndem ,  geringem,  nnTollkommnem  Nachlasse,  ungeheuer, 
so  dafa  der  Kranke  nicht  im  ßefte  danren  konnte;  dahei  ein  Ton 
dra  Hnstena,  der  dem  Tone  eiitea  am  Croup  leidenden  Kindes 
ähnlich  war. 

Uehrigens  bemerkte  ich  bei  Langenaffektionen  mancherlei  Art 
oft  genng  einen  mehr  oder  minder  schinerzhafren  Zustand  des  Lnft- 
r&hrenkopfes ,  der  selbst  dnrdi  finfseren  Druck  vermehrle  ,'  und  der 
dem  kubischen  Salpeier  gar  gemächlich  wich,  ohne  dafs  es  mir 
eingefallen  wKre,  diesen  mit  dem  Namen  Lafyngitii  zu  belegen. 

Häutige  Bräune-  Diese  ist  mir  viel  seliener  vorgekom- 
men als  inanchea  anderen  Aerzien,  und  von  den  wenigen  damit 
befallenen  Kindern  ist  der  grSfste  Theil  gestorben.  Wenn  die 
Krankheit  landgängig  wftre ,  würden  die  Menschen  die  Gefahr  gar 
bald  kennen  lernen  nnd  bei  Zeiten  Hfilfe  suchen.  In  seltenen  spo- 
radischen Fällen  kdnneo  sie  aber  nnmSglicb  die  Gefahr  kennen, 
vorausgesetzt,  dafs  sie  nicht  gerade  medizinische  Volksbücher  ge- 
lesen. Ueberdies  ist  die  Krankheit  sehr  verrälheriscb,  und  kann 
anch  wol  ziemlich  verständige  Leute  berScken.  Ich  erinnere  mich 
des  Falles,  dafs  der  Croup  sich  so  einem  vierzehnifigigen  Katar- 
rbalhnslen,  und  eines  anderen.  In  dem  er  sich  zu  einem  vierw5- 
ehentlichen  gesellte.  Wenn  er  alsbald  in  der  ordentlichen  Form 
anftritt,   suchen  die  Leute  am  zeitigsten  Hülfe. 

Ich  kann  nnr  behaupten,  einen  einzigen  Fall  wirklich  ansge- 
bildeter,  aber  sclinell  entstandener  bSuiigen  Bräune  durch  knbi- 
sehen  Salpeter  geheilt  zu  haben.  Die  Leute  riefen  mich  zeitig, 
nnd  die  Krankheit  war  echt  salpeterischer  Natur,  wie  alle  da- 
mahls  herrschende  Krankheiten  dieser  Art  waren.     Ich  giaqbe  aber, 

*)  In  Jahre  1638  kan  mir  der  zweite  fall  einer  Zuaftatairänintg  vor,  die, 
dl  aao  nein«  EilTi  «aiprach  ,  ■ohon  in  Abludiren  be^ffen  war.  Die  OelT- 
nnn;  dei  Abneue«  trto\gte  bald  ,  nsd  anob  bier  mr  Blofct«  Bedesitliabea  bei 
der  Sacba ,  obgleieb  die  Rinder  der  ■M>tK^htis«B  Krtnkes  dei  Tod  dersel- 
ben rSr  Baabireiidbar  bialUs.  -_-..  ...^.^.^ 
47 


—    738    — 

dafa  u  mit  dem  Croup  gehet  wie  mit  allen  anderen  Krankfaeiteo, 
er  isl  nicht  immer  dertelben  Nnlor. 

Zu  eioer  Z«it,  da  hier  gaslriache  Fieber  berrichlen,  die  man 
durch  Neatraliairen  der  laiiren  Siofl'e  im  DarntkaDale  sicher  nad 
bald  heilen  kaante,  warde  ich  einst  xu  einem  vieijäbrigeD  dicken 
Jungen  gerufen.  Er  halte  lebhaftes  Fieber  mit  allen  Zeichen  der 
häutigen  BrKnne.  Ich  gab  ihm  zwei  Tage  lang  reichlich  kubischen 
Salpe'.er  oboe  den  mindesten  Erfolg,  im  Gegenibeil,  die  Croup- 
zufalle  verschlimmerten.  Jeiit  glaubte  ich,  ob  ich  gleich  keine 
erkennbare  Zeichen,  gastrischer  Alfeklion  gewahr  werden  konnte, 
ich  sei  berechtiget,  aus  dem  Genius«  der  herrschenden  Krankheit 
und  aus  dem  Nicbiheilwirken  des  kubischen  Salpeters  auf  einen 
conseDinell  enUfindlichen ,  in  einem  Urleiden  des  Bauches  begrün- 
deten Zustand  der  Luftröhre  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  lu 
scbliefaen.  leb  setzte  also  zu  dem  Saipelertrank  eine  gute  Portion 
gebrannte  Biltersalzerde ,  and  siebe!  das  fnrrJitbare  Uebel  wich 
in  zwei  Tagen.  Uebrigens  sind  solche  gasirisch  consensuelle  Eot- 
zündoBgen  bei  weitem  nicht  so  gerrihrlich  alz  reine,  in  einem 
Tbeile  vorwaltende  Affektionen  des  Gesammtorganismus ;  sie  ma- 
chen weder  so  leicht  Auascbwilzung  plastischer  Ljuipbe,  noch  ge- 
hen sie  so  leicht  in  Eiterung  über..  Darum  war  auch  in  dem  er- 
zübllen  Falle  durch  die  sweitHgige  ärztliche  Verkennnng  der  Na- 
tur des  Uebels  nichts  rerspiell. 

Der  Ton  des  Hustens  beim  Croup,  den  einige  mit  der  Stimme 
eines  jungen  bellenden  Hundes ,  andere  mit  der  eines  jungen  ko- 
kenden Hahnes  vergleichen,  der  aber  von  den  Tftnen  beider  Thiere 
doch  noch  wol  etwas  verschieden  sein  möchte,  ist,  meines  Cracb- 
lens,  ein  höchst  unsicheres  Zeichen.  Ich  habe -ihn  mehrmabk  bei 
Lungenaffekiionen  der  Kinder  bemerkt  ond  ihn  in  ein  paar  Tagen 
hei  dem  Gebrauche  des  kubischen  Salpeters  verschwinden  sehen; 
wäre  ich  also  einbildiscb,  so  würde  ich  behaupten,  den  Croup 
im  ersten  Zeiträume  oft  genug  durch  jenes  Mittel  geheilt  xa  bä- 
hen. Da  ich  aber  von  Natur  keine  sehr  lebhafte  Einbildungskraft 
habe,  so  kann  ich  auch  so  etwas  nicht  mit  gnlem  Gewisaen  be- 
haupten. Ja  es  ist  mir  selbst  sehr  zweifelhaft,  ob  m^n  dieses 
furchtbar«  Uebel  im  ersten  Zeiträume  mit  Sicherheit  erkennen  kön- 
ne. Aus  den  wenigen  Fällen,  die  ich  beobachtet,  bei  denen  ich 
die  Entstehung  von  den  Mültem  erfragte,  vermuibe  ich,  dafa  es, 
wo  nicht  immer,  doch  oft,  wie  ein  einfacher  Katarrbalbusten  an- 
fängt. 

Von  der  in  der  LufirÜibre  erzengten  Membran  haha  ich  man- 
ches gelesen ,  lege  aber  wenig  Werib  auf  Beobachtungen  solcher 
Falle,  bei  denen  sie  in  den  durch  Erbrechen  nnd  Laxiren  ent- 
leeneo  Stoffen  soll  erkannt  sein.  Hier  hat  die  Einbildongakraft 
des  Beobachters  gar  zu  grofsen  Spielraum ,    als  dafs  man  sich  ei- 


-  739  -^ 
n«s  billigen  ZweifeU  erwehren  kSonie.  So  erinnere  ich  mich  un- 
ter aadem  dea  Falles,  dab  der  ArEl  so  viel  Stücke  Membran  in 
den  durch  Stuhlgang  nnd  Erbrechen  entleerten  Sloften  wollte  ge- 
fanden  haben,  dafs  es  mir  fast  vorkam,  als  könne  man,  setzte 
man  alle  die  Stücke  susammen,  gemSchlich  die  ganze  Luftröhre 
einea  Ochsen  damit  aaskleiden.  Ich  selbst  habe  nnr  ein  einziges 
Mahl  die  Membran  gesehen ,  die  ein  vom  Croup  lödlFicb  ergriff'v 
nes  Kind  den  Tag  vor  seinem  Ende,  nicht  durch  Erbrechen,  son- 
dern blofs  durch  Hnslen  auswarf.  Ich  habe  aber  nicht  mit  eigenen 
Augen  gesehen,  riafs  sie  das  Kind  ausfaiistele,  sondern  die  Mnt- 
ter  hatte  sie  mir  als  eine  Seltsamkeil  aufbewahret.  Weil  hbet 
diese  Mutier,  eine  ehrliche  BHuerinn,  nie  medizinische  Volkshü- 
cber  gelesen ,  also  auch  nie  von  einer  In  der  Lnfirahre  erzengten 
krankhaften  Haut  gebort,  so  ist  nicht  die  geringste  Vemiuihung 
denkbar,   dafs  sie  mich  habe  täuschen  wollen. 

Ich  sah  einst  bei  der  OaOnung  eines  an  Pleuritis  Verstorbe- 
nen die  durch  Ansschwilzen  plastischer  Lymphe  erzeugte  Membran. 
Die  mir  von  der  Motter  gezeigte  halte  aber  nicht  die  geringste 
Aehnlichkeit  mit  jener  plenriiischen ;  sie  hatte  vielmehr  grofse 
Gleicbhetl  mit  dem  Panniculo  adipoto,  das  die  Schilichter  gern 
auf  dem  Kalbfleische  sitzen  lassen,  weil  sie  durch  Anfblasen  des- 
selben dem  nöchieriien  Fleische  ein  sonderiich  gutes  Ansehen  ge- 
ben. Da  die  Mutter  mir  die  Cronpmembran  reichte,  war  diese 
zwei  Stunden  vorher  ausgehnsiet.  Sie  war  in  ein  Kliiinpchen  zu- 
sammengerollt; als  ich  sie  auseinander  legte,  zeigte  sich  Breite 
and  Dicke  ganz  ungleich.  Nach  ungefährer  Schätzung  (denn  einen 
Mafsslab  führte  ich  nicht  bei  mir)  mochte  die  gröfsle  Breite  einen 
Viertel-,  die  geringste  einen  Achtel^oll  betragen.  Ueber  die  Dicke 
kann  ich  nicht  etnraahl,  Ueil  sie  so  sehr  ungleich  war,  etwas 
UngefBhres  bestimmen,  sie  war  aber  so,  dafs  ich  der  Meinung 
wurde,  wenn  die  ganze  innere  FlSche  der  Luftröhre  mit  dieser 
Membran  bekleidet  wlire,  so  würde  doch  noch  Raum  genug  über- 
bleiben, um  der  Luft  freien  Zntritt  zu  den  Lungen  zu  lassen. 
Uebrigens  war  sie,  nach  ungefährer  Schätzung,  reichlich  zwei, 
vielleicht  auch  wot  driitebalh  Zoll  lang  (ich  kann  es  so  genau 
nicht  bestimmen),  weifs  von  Farbe,  durchsichtig  und  sehr  ela- 
stisch, leb  habe  mich  bei  Betrachtung  dieser  Afierbaul  des  Ge- 
dankens nicht  erwehren  können ,  dafs  der  Tod ,  der  beim  Croup 
znweilen  nnvermuihet,  plötzlich;  bei  anscheinender  Besserung  er- 
folgt, von  einer  blo£|  mechanischen  Ursache  abhangen  könne. 
Wenn  nSmIich  die  Aftermembran  durch  Beschwichiignng  der  Ent- 
sSndung  lösbar  wird,  nnd  nnn  darcb  die  Erschiiitemng  des  klinst- 
licb  erregten  Erbrechens ,  oder  darcb  einfachen  unkün  st  lieben  Hii- 
afen  theilweise  wirklich  gelöset  wird,  so  kann  sich  ein  solcher 
gelöster  Theil  zusammenrollen,  bis  lur  Rfurkation  der  Luftröhre 

-■■-„.         o- 


—    740    — 

hiaunierfaJl«!! .  und  hiw,  wean  er  grofi  genug  i*l,  E^bknng 
verursachen.  Vs  gehSrt  wahrlich  fronig  dam,  ein  durch  i— hrti- 
gige  Leiden  eraehöpfieu  Kind  su  ersticken. 

Oab  übrigeas  groJäe  BeSagsitgung  mit  aoi^iriebeaen ,  roüi- 
Müulichein  Gesichte,  begleitet  von  dem,  detn  Croup  eigenen  Tone 
des  Hustens  und  Itupirirens,  und  ron  lebhaftem  Fieber,  nicht  ia- 
mer  das  VurhRudensein  der  häutigen  Brftunn  verbürgt,  hat  miak 
schon  vor  eecfai  und  dreifsig  Jahren  fulgeodar  Fall  gelehrt. 

Ich  wurde  zu  einem  sechsjährigen  Mädchen  gerufen,  welches 
das  Masernfieber  hatte ,  bei  dem  sich  aber  der  Ausbruch  des  Cxb»> 
Üieuis  Bber  die  gewdfanliche  Zfiit  verzögerte,  was  bekanntlich  bei 
dieser  Krankheit  nicht  selten  der  Fall  ist.  Da  diese  Krank«  ans 
selbigen  Tage  alle  ZufÜlU  der  hSatigen  Bräune  hekoromen  halte, 
uelche  ich  daniahU  schon  durch  oinea  tddtlioh  abgelattfeneo  Fall 
in  der  Wirklichkeit  hatte  kwuen  geleral,  so  fürchtete  ich,  da» 
Kind  luScbte  ebenfalls  in  die  Ewigknt  gehaa.  Diese  Besorgnifs 
bestimmte  mich  aber  doch  nicht  zu  einor  stünniscben  Quecksilber- 
knr,  wiewol  ich  danuihls  ein  auloefordentlich  grolser  Freund  von 
diesem  Gewaltmittel  war,  sondern  mein  Skeptisismus ,  hinsichiHcb 
der  Ud  fehl  bar  keit  der  Pathognomik ,  brachte  mich  auf  den  Gedan- 
ken, xwei  Tropfan  Mohnsaftiinktur  mit  vier  Unxen  Wasser  mi- 
schen, und  davon  das  Kind  um  die  andere  Stunde  einen  halben 
ElfsISfiVI  voll  nehmeo  vu  iasaiiD.  Dieses  geschaji  am  \achmiiiage; 
da  ich  aiu  aodereo  Morgen  die  Kleine  wieder  sah ,  waren  mit 
dam  Aosbruobe  der  Masern  die  Be&ngstigung ,  der  Croupton  des 
Hustens  und  des  Alhemholens,  kurx,  alle  ««rweintUche  Zeichen 
der  Angina  meaibraHaeea  verschwanden.  Das  Kind  batt«  gutar- 
tige Masern  und  hustete  dabei  wie  alle  andere  Masernkinder. 

Kä  ist,  so  lange  ich  Arzl  bin,  so  viel  über  die  hfiutigefirfiu- 
ae  geschrieben ,  dafs  jemand ,  der  nur  die  Ilfiifie  davon  hinterein- 
ander laseiv  wollte,  gani  wirre  im  Kopfe  werden  mufste:  ob  man 
aber  bis  jetzt  das  Wahre  getroffen,   mag  ich  nicht  entscheiden. 

Angene  ntzSndung.  Gegen  diese  habe'ich  den  kabisehea 
Salpeter  oft  genug  mit  ansgezeicbnetem  Nutzen  gegeben.  Dals 
ich  ihn  aber  oft  heilend  gegebm,  beweiset  nicht,  dafs  die  in  di.n 
Augen  vorwallende  Affekiion  des  Gesamniiorganismüs  Hatpelrisoher 
Art  häufig  ist,  sondern  Ich  habe  seine  heilende  Kraft  oft  gesehen, 
weil  ich  ihn  schon  zwaniig  Jahre  gekannt.  Selbst  das,  was  min- 
der häufig  vorkommt,  kaim  ein  beschSfii^er  Praktiker  in  zwanzig 
Jahren  oft  genug  sehen,  um  sich  von  der  Heilwirkung  eines  Mit- 
tels binlftnglicb  zu  überzeugen.  An  sich  ist  die  in  den  Augen  vor- 
waltende, unter  der  Heilkraft  des  Salpeters  stehende  Affekiion  das 
Gesaiamtorganismus  seltener  als  in  denselben  vorwaltende  Affeklio- 
nen  des  Gesammtoiganismus  anderer  Art,  seltener  als  echte  Ur^ 
leiden  derselben ,   selteow  eodlicb  als  ooQsensiieUe.     Jedoch  mala 


-     741     — 

du-  L«er  wohl  b«d«nken,  dttU  hier  vielei,  vielleicht  alles  von 
dem  Laufe  der  epideinischm  ComiiiiHion  aUAngt>  Ich  hahe,  wie 
oben  gesagt,  in  den  ]etsien  zwonxig  Jahren  meist  mit  Urleiden 
der  Bancb-  und  Gebirnorgane  sn  kämpfen  gehabt,  und  im  Dorch- 
whmit  mehr  Eiien-  nnd  Kupfer-,  ali  ESalpeieraflfekiionen  des  Ge- 
umiBlorganisMtH  geaehwi.  Meine  künftig  Erfahrung  und  die  künf- 
liga  BMlerer  Aenle  kann  andere  lanten,  das  gebe  Ich  gern  zu; 
jedoch  dringt  sich  mir  der  Gedanke  auf:  weni  die  in  den  Aagen 
vorwaltende  aalpelrisehe  Aflekiion  des  GesaniratorgniiiBraus  nnr  hatb 
so  hftnfig  wSre  als  Augentzündiingen  hA«fig  »inH,  so  würde  man 
niuer  der  geringen  Volkeklasse ,  die  eben  niobt  sebr  eilig  ist  Hülfe 
SD  sotten,  die  anch  daxa  das  YermSgen  nicht  bat,  and  die  Bof 
dem  platten  Lande  nnr  bei  gAnxlicfaer,  beatStigler  Armnth  die  Ar- 
lenei  unentgeltlich  erbSll,  allenthalben  nnfganx,  oder  halb  blinde 
Menschen  etofsen.  Da  das  aber  in  der  Wirklichkeit  nicht  der  Fall 
iat,  ancb  früher  nie  der  Fall  gewesen  sein  kann,  denn  ich  erin- 
nere midi,  selbst  ans  meiner  Jagend  nicht,  viel  blinde  Menseben 
gesehen  an  balwD,  so  wird  die  sa)|»eirieche  Affektion  des  Ge- 
«amiuloi^aaismus  wo)  nie  hStifig  in  den  Augen  Toi-gewaliet  haben. 
Daa  Warnin?  Iftfst  sich  nicht  gut  auslegen;  denn  wer  kann  die 
bewai>demngs würdige  £inricbiang,  die  die  ewige  Weisheit  unse- 
rom  gebrechlichen  Leibe  gegeben,    verstandbaft  ergründen? 

Daia  Ophthalmie  oft  genng  eine  in  den  Angen  vorwallende 
niditsalpelNsohe,  sondern  vielmehr  anderanige  Affeklion  des  Ge- 
ummlorganiimus  sei,  scheinen  manche  Aersle  nnr  mit  Mühe  so 
begreifen.  Aderlässen ,  Blutegel ,  magere  Diüt  nnd  sogenannte 
entsüadungsWidrige  Mittel  tollen  und  mPisseii  nach  ihrer  Meinung 
helfen,  und  doch  bdfen  sie  zuweilen  nicht.  So  ist  es  Jetzt  nnd 
ao  wird  es  wol  von  jeher  gewesen  sein,  HippoAralea  (Aph«- 
ritm.  31  IjA.  6)  sagt  schon,  dafs  das  Weinirinken  schmerzhafte 
Aagcn  heile,  und  Ltaanu  Rivtriwa  fObaerv-  25  cent.  3)  erzfthlt 
nns  davon  ein  nettes  Stückeben.  Ein  Baner,  der  an  Ophthalmie 
lange  gelitten,  die  ihm  von  seinem  Arzte  angefaihene  magere  Difit' 
lange  beobachtet,  nnd  nichts  als  blof^es  Wasser  getrunken,  aber 
sieht  dadurch  beuer  wird,  erfattit  von  einem  andern  Bauer  den 
Baib,  er  solle  einmah)  ttlcbtig  Wein  trinken.  Gleich  nach  dem 
ersten  Becher  liihlei  er  schon  Erleichterung,  »d  nachdem  er  et< 
lieba  Tage  die  Weinknr  fortgesetzt,  ist  er  ganz  wieder  he^e- 
stellt.  Biverüu  sngt,  er  habe  noch  von  zwei  anderon  Khnlichen 
Fallen  gehört. 

Data  aber  Ophthalmie  auch  hAufig  ein  Urleiden  der  Angen 
sein  Mösae,  dafür  spricht  die  nnendlitshe  Menge  Heilmittel«  wel- 
che die  Aerzte  gegen  Aogeoentzflndung  preisen.  Beim  Diotcori- 
de»  findet  man  schon  zwei  nnd  vienig,  und  wie  viel  notdi  bei 
aiMleten  iltereB   und  neaeren  Scbrifuiellani !    Dai  moikwärdigste 


—    742    — 

Heilmitiel  vftn  allen,  hat  ohae  Zweifel  Jao.  Sglviu»  (Comait. 
67  Lib.  7  CoMÜ.  CratMü  et  aliar.  med.  a  SehoHxio  edit.).  Es 
lautet  wörtlich  alio:  Ex  ii*  qKae  lomga  experiemtta  eognovimw, 
laudamu*  iitier  caetera ,  ut  Juvetti»  aliquit  pueffut  amt  Jmencula 
tuavem  kabemiea  amAetitum,  tiuußent  leniter  in  aern/um  laboranti» 
manejejtmi,  uhipritu  et  abluerüit  aquapmra,  in  qua  kora  nma  alt 
altera  aiacerala  fuerit  tem»it  fyentculi,  hkt  moaeh.  et  eiMtammo- 
«K».  Poitea  tero  limgua  lambent  ochlum,  mandent  autem  prtut 
»emeufoenicuH  et  etipkrtuiam.  £ine  fthDliche  Leckkur  findet  man 
bei  Jo.  Baptitla  Monlanu»  (cotuU.  84J .-  Paer  vel  pmella  octo  am- 
norum  j'ejuHo  atomacAo  ataaticiet  roaam  unam  rece/Uem ,  et  pmt 
matticalionem  »tatim  oculoa  fambat.  Hier  zu  Lande  würden  niebl 
einmahl  ganz  arme  J>ute  ihre  Kinder  zu  einer  solchen  ekelhaf- 
ten Angenleckeret  hergehen  wollem 

Delirium  ireae»:  Dieser  Krankheitsname  ist  eine  Et- 
finduDg  unserer  Zeit}  welche  überhaupt  sehr  reich  an  golcben  be- 
wunderunga würdigen,  von  grobem  Scharfiinae  zeugenden  Nameo- 
erfindungen  ist.  Ich  denke,  Wein  und  Branntwein  werden  wol 
von  jeher  einzelne  Menschen ,  die  diese  GeirBnke  gar  ku  über* 
mäfiig  und  anhaltend  gebrauchten,  verrückt  gemacht  haben,  und 
die  Aerxle  werden  diesen  Irrsinn  auch  wol  eben  so  gut  erkannt 
haben  als  wir,  ohne  dafs  sie  es  eben  für  nöihig  gehalten  ,  den- 
selben einen  besonderen  \amen  zn  geben.  Sollte  aber  jemand 
glauben,  nicht  blofa  die  Erfindung  desNameos,  sondern  auch  die 
Erfindung  des  Heilmitlels  (des  Mobnsaftes)  sei  das  Eigenthum 
unserer  Zeit,   so  bemerke  ich  diesem  Folgendes. 

Bei  Greg.  Horit  (obterv.  25  LA.  2J  findet  man  einen  Krank- 
heitsfall beschrieben ,  in  welchem  der  Verfasser  den  Mohnsaft  mit 
sonderlich  gutem  Erfolge  gebraucht  hat.  Die  GeHchichte  ist  ab« 
etwas  zu  lang,  um  sie  wörtlich  abzuschreiben.  Der  kurze  Inhalt 
ist  folgender.  Zu  einem  Manne,  der  durch  nnmHfsiges  Trinken  gani 
toll  geworden,  wird  Horat  an  techsien  Tege  der  Krankheit  ge* 
rufen.  Er  sagt:  pro  primo  atatim  ad narcoiica  confugi ,  propter 
nimiam  caloria  et  apiritnum  efferveacentiam  et  moMitalem  in  aub- 
jecto  calido  et  aicco;  quam  oh  cauaaia  aine  uiteriore  detüeratimie 
aequeniem  Sgrupum  exkihui.  K;  Synipi  papae.  erratici  ^  i  Laudaui 
apiati  gr.  iii  Aguae  Laciucae  ^ß  31.  D,  Nachdem  der  Kranke 
diese  Arzenei  auf  ein  Mahl  verschluckt  hatte,  fiel  er  in  Schlaft 
schlief  die  ganze  Naeht  durch,   und  erwachte  versl&ndig. 

Was  ich  aus  eigener  Beobachtung  von  dem  krankhaften  Za- 
ataqde  weifs,  in  welchen  zaweilcn  unmSfalge  Trinker  fallen,  ist 
Folgendes.  Es  gibt  zweierlei  Arten  Trinker.  Die  der  ersten  Art 
mifabranchen  ISglich  die  geistigen  Getränke,  jedoch  nicht  gerade 
so,  dafs  sie  ganz  ihrer  Skne  beraabi  werden.  Sie  schweben 
gleichsam   zwischen   Himmel   nod  Erde;    dafs   sie  beraascht  sind, 


—    743    - 

si«hel  jeder,  sie  kennen  aber  gehen,  schwatzen,  »(retten  iiDd 
alberne  Streiche  treiben.  Diese  Trinker  werden,  mit  aelienen 
Ausnahmen,  alt  vor  der  Zeit,  reracbleifsen  nach  nnd  noch  kör- 
perlich und  geiBtig.  Ich  habe  viele  der  Art  in  meinem  Lehen  ge- 
kannt, aber  sie  noch  nie,  wenn  sie  bei  dieser  gewöhnlichen  Trink- 
ordnung blieben,  in  den  krankhaften  Zustand  fallen  sehen,  den 
ich  gleich  beschreiben  werde. 

Die  Rweiie  Art  ist  die  der  periodischen  SHufer,  sie  sind,  in 
Verhallnifs  zu  jenen,  selten.  Ein  solcher  Mensch  enlhHlt  sich 
Wochen,  ja  Monat«  lang  aller  geistigen  GetrSnke;  äberfAltt  ihn 
aber  der  Saiifparoxysmus ,  dann  trinkt  er  so  lange  anhaltend  gei- 
stige Getrfinke  in  grofeer  Menge,  bis  er,  seiner  Sinne  nicht  mehr- 
mächiig,  einschläft.  Beim  Erwachen  ftlngt  er  wieder  an  zu  trin- 
ken, und  aeiEt  dieses  fort,  bis  zur  schlar^hnliGhen  BesinnnngslO' 
sigkeit.  So  gehet  es  nun  in  einem  unaufhaltsamen  Wirbel  von 
der  Trunkenheit  in  die  Besinnungslosigkeit,  nnd  von  dieser ,  wenn 
■ie  etwas  schwindet,  wieder  in  die  Trunkenheit.  Auf  die  Dauer 
rouls  begreiflich  jede  Natur ,  auch  die  stärkste ,  solchen  uuanfhdr- 
liehen,  gewaltsamen  Eingriffen  erliegen.  Es  tritt  dnnn  ein  wahr- 
haft krankhafter  Zustand  des  Gesammiorganismus  ein ,  der  sich 
im  Allgemeinen  durch  beschleunigten  Pulsschlag,  belegte  Zunge 
nnd  gestörtes  GesundheitsgeftihI  iiund  gibt;  aber  im  Einzelnen, 
bei  verschiedenen  Körpern  in  giinz  verschiedenen  Organen,  die 
Verrichtung  dieser  mannigfach  störend,  vorwalten  kann.  So  wal- 
tet er  bei  rieni  einen  in  dem  Magen  vor,  und  dieser  hat  anhal- 
tendes mebrtligiges  Eibrechen,  knnn  keinen  Schluck  Wasser  hei 
sich  beballen;  bei  dem  anderen  im  Gehirn,  und  dieser  ist  wahn- 
sinnig; bei  dem  drillen  in  den  Muskeln,  nnd  dieser  zitiert  so 
heftig ,  dafs  er  fast  nnfilhig  zu  willkürlichen  Bewegungen  ist ;  hei 
dem  vierten  in  einem  der  ßaucheingeweide,  und  dieser  bat  KoKk, 
oder  gelbsitchtige  ZufSlle,  oder  anderes  Bauchleiden.  Gewöhn- 
lich wfibret  der  krankhafte  Zustand  bis  an  den  vierten ,  fünften, 
oder  sechsten  Tag;  dann  kehret  die  Natur  wieder  ins  normale 
Gleis  znrfick,  nnd  der  Süufer  ist  bis  mm  nfichsten  Paroxysmus 
ein  recht  nüchterner,  veralHndiger  Mensch.  Jedoch  kann  diese 
ASektion  des  Gesnmmiorganismns  auch  in  den  Tod  übergeben. 

Je  starker  der  Mensch  ist  je  ISnger  hält  er  das  Trinken  aus, 
ehe  jener  krankhafte  Zustand  eintritt.  Da  aber  durch  die  Öftere 
Wiederkehr  des  Trinkanfalles  die  Körpermaschine  in  ibreui  inner- 
sten Gelriebe  gekränkt  werden  niufs,  so  mnfs  auch  nothwendig 
der  Anfall  immer  kürzer  und  kürzer  werden,  und  der  krankhafte 
Zustand  immer  früher  nnd  früher  eintreten.  So  habe  ich  einen 
Herren  von  mittlen  Jahren  gekannt,  der,  da  ich  mich  hier  nie- 
derlieft, vierzehn  Tage ,  bis  in  die  dritte  Woche  trinken  könnt«, 
ehe   die  .Natnr  unterlag.     Die  Paroxystnen   verkürzten  sich   aber 


—    744    - 

nach  und  nach  go,  dafs  er  endlich  qach  einem  zweil^igen  Trin- 
ken «chon  krank  wurde.  Da  ea  so  weit  mit  ibni  gekoioinen  war, 
ging  einat  der  krankhafte  Zustand  des  Gesammiorganisiniis  in  den 
Tod  über.  Erst  erbrach  er  atcb  ein  paar  Tage  unanfbdriich,  uod 
dieses  war  die  gewohnliche  Erscheinung;  dann  hörte  das  Elrbre- 
cben  auf,  der  Puls  wurde  aber  nicht  wie  gewöhnlich  ruhiger,  soo- 
dern  er  blieb  schnell  und  wurde  vom  tollen  krSfiigen  zum  klei- 
nen schwachen,  die  belegte  Zunge  reinigte  sich  nicht,  wie  ge- 
wöhnlich, sondern  blieb  schmnlzig  und  wurde  trocken,  und  die 
Muskelkraft,  sutt  sich  xu  mehren,  minderte.  Da  fünf  Tage,  dl« 
gewöhnliche  Zeit  in  der  hei  diesem  Manne  die  \atur  wieder -io 
den  Normalütand  zurückzukehren  pflegte,  verflossen  waren ,  machte 
ich  die  Ehefrau  und  ihre  Freunde  auf  die  bedenkliche  Lage,  wor- 
in er  schwebte,  aufmerksam.  Man  traute  meinem  Urtheite  in  die- 
ser Sache  and  sorgte  dafür,  dafs  er  eine  lestaraeniariBche  Dispo- 
sition zn  müglichsien  Gunsten  seiner  Gauinn  machte.  Uebrigen^ 
dachte  er  selbst ,  der  so  viele  Jahre  dem  Trank  ergeben  gewesen, 
der  so  oft  den  Slraufa,  welcher  mir  jeizl  gefährlich  schien,  glück- 
lich überstanden  halle,  nicht  ans  Sterben.  Er  nahm  keine  Arze- 
nei,  and  so  viel  ich  seinen  neckischen  Charakter  kannie,  mu£iif! 
ich  denken,  er  mache  deshalb  so  gutwillig  sein  Testament,  um 
uns  hinlennacb  mit  unserer  irrigen  Beaorgnifs  zum  Besten  zn  ha- 
ben.  Wie  wenig  er  ans  Sterben  dachte,  sah  ich  daraus,  dafs 
er,  um  die  Reinlichkeitsliehe  seiner  Gattinn  za  kränken,  aas  Bos- 
heit dns  BetI  beschmutzte.  Er  hatle  näuilich  nicht  den  Durchlauf, 
halte  nicht,  wie  ein  Todtkranker,  den  Koih  unter  sich  geben 
lassen,  sondern  in  einem  unbewachten  Augenblicke  sich  aufgerich- 
tet, war  in  eine  Ecke  des  zweischläferigeo  Beiles  gekrochen,  und 
hatte  dort  seine  \olh  veriicbiei.  Es  ist  wirklich  kaum  glaublich, 
auf  welch  seltsame  Menschen  man  in  dieser  Welt  siofsl.  Mir  mufs 
niemand  mehr  sagen ,  dafs  irgend  eine  Charakterzeichnaog  eines 
Schauspiet-  uder  Romandichlers  übenriebeo,  unrichlig,  unwahr- 
scheinlich sei;  EU  jeder  Zeichnung,  die  nur  die,  toihtte  Phantasie 
gehären  kann,  findet  sich  das  Urbild  in  der  Vt^irklichkeil.  —  Der 
wideihaarige  Gesell,  von  dem  ich  jetzt  spreche,  hat  aber  nie  das 
Vergnügen  gehabt,  mich  wegen  meiner  irrigen  Beurlbeilung  sei- 
nes Zuslandes  necken  zu  können,  denn  ein  paar  Tage  nach  Be- 
Bobickung  seines  Testaments  starb  er  zum  grofaen  Glücke  seiner 
Familie. 

Meine  zwar  nicht  bestimiule,  aber  vermuihliche  Voraussage 
gründete  sich  einzig  darauf,  dafs  ich  aus  der  allinühligen  Verkür- 
zung des  Trinkanfalles  nnd  aus  dem  baldereo  Eintritte  des  krank- 
haften Zustaudea  des  Gesammtorganismus  anf  eines  dorcb  den 
Mifsbrauch  geistiger  Getiänhe  abgenutzten  Organismus  scblofs; 
wozu   noch   kam,    dafs  jetzt   die  Selbsthülfe   der  Natur   ausblieb, 


-    7«    - 

nnd  dati  die  HSife  jder  Knstt,  wegen  Verkefarthait  «nd  wtgeo 
ibärichler  Sicherheit  dei  Mannet,  nicht  anwendbar  war.  Ich  bnbe 
Brust  uaif  Bauch  dea  Leicbniuus  geöS'net,  den  Kopf  aber, nicht, 
weil  die  Fran  Fürbitte  einie^^te,  and  weil  auch  nicht  zu  Teriiiu- 
ibea  war,  dafii  man  in  dieieiu  etwas  Krankhaftes  finden  wiirde, 
denn  er  war  intiaer  ein  gescheiter,  witziger^  aniiriBcher,  etwas 
boühafier  Kopf  gewesen.  leb  fand  nun  in  beiden  Höhlen  auch 
nicht  das  niiodesle  sichtbar  Krankbafie.  Die  Masse  Fett,  luii  der 
sie  aberauagefiiUet  waren,  ftrenzle  ans  (Jnglaubliciw.  Ks  ist  Tiber- 
haiipt  ein  Irrthuin,  wenn  iHaocbe  Aeriie  glauben,  der  Mißbrauch 
geistiger  Getränke  verui-sacbe  Krankhaftigkeit  einzelner  Organs. 
Wo  man  diese  findet,  ist  sie  nol  blofs  zufiillig  tob  anderer  Ein- 
wirkung entstanden ,  wie  man  sie  auch  in  lolidien  Körpern  finde), 
die  niüfsig  gelebt  haben.  Ich  habe  grofse  Neigung  zu  glaabeo« 
dals  der  Mifsbranch  geistiger  Geirftoke  eine  Afagenaiziheit  in  dem 
feineren  Organismas  bewirkt,  den  bis  jeizi  keine  Zergliedernngs- 
knnst  ergründet  hat,  auch  wul  nie  ergründen  wird.  Der  Körper 
des  Trinkers  (ritt  nach  und  nach  in  das  nfiniliche  Yerhällnifs  za 
den  geistigen  Getränkes,  wie  der  Körper  eines  allen,  abgeleb- 
ten Menschen.       , 

Dits  Verhftlinils  der  geistigen  Getränke  som  Körper  rerändert 
mit  den  Jahren  auf  folgende  Weise.  Wenn  ein  Mann  in  der  hi- 
gend,  im  zwansigslen  Jahr«,  sieb  dem  Tranke  ergibt,  so  kaao 
er  anfönglicb  wenig  trinken  ohne  befauscbt  sn  werden;  nach  und 
nach  ge)vöhitet  sich  aber  die  Natar  an  diese  feindliche  Einwirkung 
nnd  er  kann  es  allmählig  zu  einer  wahren  Meisterschaft  bringen. 
Hat  er  nun  dieses  Ziel  erreicht,  so  bleibt  er  Jahre  lang  schein- 
bar auf  dem  nlünlicheo  Punkt«  sieben;  as  ist  eine  grofse  Menge 
geistiger  Getränke  nötbig,  um  ihn  %a  berauschen.  Nach  diesem 
Stillstand«  reränden  aber  das  Verbältnib  aaf  «mgekebrle  Weis«; 
er  verträgt  ^lach  nnd  nach  immer  weniger  ohne  berauscht  zu  wer- 
den. So  kommi  es  denn,  dafs  er  im  fünfzigsten  Jahre,  cJioe  in 
Trunkenheil  zu  fallen,  ein  noch  geringeres  Mafs  geistiger  Flfia- 
sigkeiien  zu  trinken  vermag,  als  mancher  siebzigjährige  Mann, 
der,  ohne  gerade  wcisacbeo  zu  sein,  von  je  her  inäfsig  gelebt. 
Man  kann  also  im  eigentlichen  Sinne  bebanpteo,  dafs  die  Trin- 
ker vor  der  Zeit  alt  werden. 

Was  nun  den  kabischen  Salpaier  betrifft ,  ss  wfirde  ca  erfab- 
rnngswidrig  sein ,  wenn  ich  behaupten  wollte ,  er  sei  für  und  für 
Heilmittel  in  jener  krankhaften  Aflektion  des  GesanrntorganiBmus, 
welche  das  anhaltende  Saufen  Tcranlafai.  Diese  kann  in  Teraehie- 
denen  Körpern,  ja  in  einem  nnd  demselben  Körper  zn  verschie- 
dmen  Zeiten  ganz  rerschiedfiaer  Art  sein,  wovon  ich  in  der  zwei- 
ten Abtheilong  dietea  Kapitels  mehr  sagen  werde.  Ein«  kan  ich 
aber  hier  kühn  Terzichem,    dafs  sie  in  den  mtiiten  Fällen,  son- 


—    74ß    — 

deriich  bei  Trinkern,  die  noch  nicht  im  Abnehmen  sind,  ani\ie, 
irischer  Art  ist.  Zwei  oder  drei  Drachmen  kubischen  Salpeter 
tags  gelben,  schaffen  fühlbare  Linderung  der  Beschwerden,  be- 
schwichtigen die  Aufgeregtheit  aller  Organe,  nnd  kürzen  liber- 
faaapt  den  ganzen  Krankheitssustand  nm  zwei  Drittel  seines  Ver. 
laafes  ab.  Ich  brauche  aber  klugen  Aerzlen  kaum  zu  erinnern, 
dafs,  wenn  die  Affektion  des  GeBammtorganiimiis,  im  Magen  vor- 
walteod,  sich  durch  anhaltendes  Grbrechea  offenbaret,  «s  noih- 
wendig  ist,  ein  gutes  Magenminel  dem  kubischen  Salpeter  zn/u- 
setzen;  denn  wenn  dieser  gleich  wieder  ansgcbrochen  wtnt,  kann 
er  unmitglicb  heilende  Einwirkung  auf  den  Gesamnitorganismuii 
haben.  Am  besten  ist  zu  diesem  Zwecke  das  Natrum  acetirtrm, 
Jedoch  werden  andere  Mittel ,  von  denen  wir  früher  gesprochen, 
sach  wol  dienlich  sein.  Man  braucht  sie  nicht  Iffnger  zu  gebpn 
als  bis  zum  beschwichtigten  Erbrechen. 

Mir  ist  es  zuweilen  etwas  ansiSfsig  gewesen ,  dafs  man  eine 
solch  edele  Goiiesgahe,  wie  der  kubische  Salpeter  ist,  an  wahr- 
haft viehische  Menschen  vergeuden  mnfs,  die  sich  selbst  krank 
machen,  und  die  man  doch  nur  heilet,  damit  sie  sich  desto  eher 
nod  sorgenloser  ihrer  garstigen  Neigong  hingaben  können.  Ich 
verschrieb  einem  periodischen  SSufer^  der  in  seinem  krankhaften 
Zustande  gewöhnlich  an  Kolik  litt,  einen  Trank  von  A'afrum  »i- 
tricum.  Diesen  Trank  hielt  er  so  hoch,  dafs  er  ihm  förmlich 
den  Namen  seiner  Saufmedizin  beitegle,  und  ich  glauLe  wahrhaf- 
tig, dafs  er  seitdem  noch  weit  heftiger  getninken  bat  als  vorher, 
weil  er  sich  jetzt,  wenn  es  Noih  ihat,  weit  besser  zu  helfen 
wnfsle. 

Oben  ist  gemgt,  dafs  ich  jenen  krankhaßen  Zustand  des  Ge- 
aammtoi^nisnins,  von  dem  jetzt  <)ie  Rede  ist,  nur  bei  periodi- 
schen Trinkern  gefunden.  Es  ist  dieses  aber  ao  zu  verstehan, 
dafs  ich  ihn  blofs  ganz  dentlieh  ansgesprocbea  bei  diesen  gefun- 
den, denn  auch  die  gewöhnlichen  Trinker,  die  sich  tfi^ich-  be- 
rauschen, ohne  es  gerade  bis  znr  Sinnlosigkeit  kommen  zu  las* 
Ben,  können  zuweilen  wol  einmahl,  von  ihrer  Trinkordnnng  ab- 
weichend ,  Aber  die  Schnur  bauen ,  dann  fühlen  sie  sich  anch  den 
andern  Tag  krank;  allein  dieses  bald  vorübergehende  Unwohlsein 
ist  mit  jenem  beschriebenen  nicht  zu  vergleichen  und  der  Arxt 
wird  nicht  leicht  zum  Helfen  dabei  anfgefodert  werden.  Jedoch 
habe  ich  einst  bei  einem  solchen  gewBbnlichen  Trinker  eine  so 
seltsame  Beobachtung  gemacht,  dafs  es  wol  der  M6he  wenb  ist, 
sie  dem  seelenknndigen  Leser  mitzutheilen. 

0er  Mann,  bei  dem  ich  die  zu  ersShlende Erscheinung  beob* 
achtete,  war  in  mittlen  Jahren  und  dem  ligliohen  Trinken  von 
Kindheit  an  ergeben.  Seine  Mntler ,  die ,  ohne  seihst  zu  trinken 
nnd  ohne  anverstSndig  ni  sein ,  eine  solch  adlsame  \ftrrino  war, 


—    747    — 

Mk  inaii  wo)  ein  Bach  fiber  »ie  lehreiben  kftDMe ,  baue  tfao  Mboii, 
da  «r  noch  Knabe  war,  daa  Braantweintriakea  gelebrt.  Der 
Sehnappi  war  ihm  alio  von  Kindheit  an  nm  Bedurfnifs  gewor^ 
den ,  den  Wein  (rank  er  wafaracheinlicb  anm  Wohlgeeehinack, 
nnd  alle«,  geistiges  Bier  lur  Abkühlnng.  (Jebrigena  halte  er  ge- 
sunden Versland  nnd  war  ein  guler  Mensch. 

Einst  bat  mich  seine  Fran  sebrifüich ,  möglichst  bald  m  ihm 
SU  konimeo;  er  befinde  sich  in  einem  Zustande,  der  ihr  grofie 
Sorge  mache,  den  sie  mir  aber  nicht  beschreiben  wolle,  den  ich 
■eihst  sehen  mfisae.  Da  ich  gerade  den  folgenden  Tag,  fünf  Weg* 
standen  von  hier,  auf  Belgischem  Gebiete  mit  einem  achibareo 
Autsgenoasen  ans  N**  bei  einem  Kranken  zusammen  kommen 
nnfsle ,  es  in  der  Mitte  des  Wiater»  war ,  die  Wohnung  des  Man- 
Des  mir  swar  am  Wege,  aber  doch  eine  starke  Wegsinnde  aar 
Seite  lag,  es  also  bar  unmöglich  war,  an  Einem  Tage  beide 
Kranke  ta  besut^en,  mit  einem  Kollegen  so  rathschlagen  (wel- 
ches bekannllich  auch  Aufenthalt  verursacht),  und  abends  wiedet 
SU  Hause  sn  sein:  so  beschlofs  ich,  im  Hanse  des  Kranken,  des- 
sen Geschichte  ich  jetit  ersShle ,  xii  übernachleo ,  halle  also  in 
dem  langen  Winterabend  Zeit  genug,  die  seltsame,  mir  xum  er- 
sten Male  anf  die  Weise  vorkommraide  Erscheinung  zn  beobach- 
ten. Dafs  der  Mann  in  Abwesenheit  seiner  Fran  arg  seine  Trink- 
ordnnng  überschritten  halte,  wnfste  ich  schon  tob  dem  Bolhen, 
der  mir  den  Brief  überbracht,  also  erwartete  ich  blofs,  ihn  in 
einem  kraokliaften  Znstande,  der  Folge  eines  mehrtägigen  Ran- 
Bches  XU  finden.  Meine  Erwartung  wurde  aber,  da  ich  abends 
hinkam,  sehr  getäuscht,  ich  fand  ihn  nfinilich  munter  und  wohl; 
die  Folge  des  Trinkstraufses  halte,  wie  es  schien,  die  Natur 
schon  ausgeglichen.  Er  innfste  selbst  den  Tag  anfserordenüich 
uHfsig  gelebt  haben  *  denn  ich  konnte  wirklich  keine  Spar  von 
Aufregung,  Erhitzung,  geschweige  von  Berauschung  an  ihm  mer- 
ken. Ob  diese  Mifsigkeit  anf  Bechoung  meiner  erwarteten  Ueher- 
knnft,  oder  auf  Rechnang  des  gar  zn  frischen  Andenkens  der 
Sberstandenen  Tmnknnbequemlichkeiien  zu  schreiben  war,  kann 
idi  nit^t  sagen. 

Nachdem  ich  ihn  liinISnglich  unterancht,  erklärte  ich  in  Ge- 
genwart seiner  Gattinn,  ich  wisse  nichts  krankhaftes  an  ihm  su 
erkennen;  vielleicht  sei  er  die  vorigen  Tnge  unwohl  gewesen, 
jetzt  sei  er  es  aber  nicht. 

Er  gab  mir  Beifall  und  sagte,  es  fehle  ihm  wirkll«^  aiehts, 
aber  seine  Gattinn  sei  so  Angsitich ,  dafs  sie  sich  seinetwegen  ohna 
Notb  nur  zn  oft  Sorge  mache.  Er  würde  es  bedanern,  dafs  Ich 
ganz  nnniithig  den  weiten  Weg  gemacht,  wenn  er  nicht  dächte, 
es  müsse  mir  selbst,  schon  in  M"  beschäftiget  nnd  acht  Stunden 
lang  enf  den  gefrorenen  Heidewegen  lentaucbt,  behaglicher  sein. 


^    748    - 

bei  ihm  n  übernackteoj  all  oocb  drei  SluBdmt  lAnger  aaf  nicht 
viel  besBCren  Wegen  ia  der  Dnnkelbeil  naeb  Ilauie  sa  kainchen. 
—  Üie  Kode  du  iVtaanes  war  wirklich  aebr  verMftndig,  dai  sag- 
ten mir  nieiae  zerBiofHenea  Glieder,  uod  iab  erwiederle  darauf: 
da  nein  Afuligenossa  aus  \"  Jaage  auf  licb  liabe  warten  las- 
sen und  mir  dadurch  viel  Zeit  verloren  gaganjjen  sei,  so  würde 
ich  wahracbeiulich ,  aacb  ohne  den  Brief  seiner  Gaiiion,  Eiidager 
bei  ihm  genoiiiiiieD,  um  wich  einmabi  mit  IbiU,  dem  lang  Etil- 
bebriea  su  leuen. 

Die  HaiiBfran,  welche  diese  hSflicheftede  and  Gegenrede  ohne 
einzufallen  fiherbdrte,  dachte  ohne  Zweifel,  ieb  würde  gar  bald 
von  selbst  gf  wahr  werden,  wo  der  Knoten  stecke.  —  Wir  setzten 
uns  jetzt  traulieb  zusammen  and  plauderten  über  dieses  und  jenes. 
Indem  ich  ihn  nun  im  Verlaufe  des  Gexprficbes  nach  dem  Befin- 
den leiner  Schwiegerinn  fragte,  kam  er  dadurch  auf  seinen  Schwa- 
ger lu  sprechen.  Er  sagte  mir  unwillig,  dieser  habe  sich  vor  et- 
lichen Tagen  (es  war  gerade  die  Zeit,  wo  der  Erzähler  sehr  trun- 
ken gewesen)  gar  unanstHodig  und  feindlich  gegen  ihn  betrngen. 
Er  sei  n&mlich  im  dunklen  Spftiabend  auf  den  Hausplais  gekom- 
men, habe  ein  furchtbares  Jaulen  erbeben,  und  ein  Dienstmädchen, 
welches- dort  zu  thnn  gehabt,  mifxhandelt.  Bei  dieser  ErzHhlung 
fing  ich  an  Unrath  zu  merken;  dentl  sein  Schwager  war  ein  ver- 
ständiger, gesetzter  Mann,  wohnte  als  wohlhabender  Gutsbesitzer 
sechs  bis  sieben  Wegstunden  von  dort,  und  würde  dem  ErsSbler 
wahrhaftig  nicht  auf  den  Platz  laufen,  um  zu  jaulen  und  die  Magd 
zn  mifsbandeln.  Ich  liefs  die  ErzHhlung  aber  hingeben,  waiiend, 
ob  noch  mehr  Narrheit  zum  Vorschein  kommen  werde. 

Bald  erzählte  er  mir  nun:  an  selbigem  Abend  habe  ein  Spitz- 
bube sieb  ins  Hans  geschlichen  und  sich  unter  das  Beit  versteckt. 
Etj  der  Erzähler,  habe  denselben  «ber  mit  Hülfe  seines  Jägers 
bervorgezegep.  —  Hier  konnte  ich  mich  nicht  enthalten,  ihn  auf 
die  Unwahrscheioliehkeit  aufmerksam  au  machen,  dafs  »ich  ein 
üieb  io  ein  Haus  schleichen  sollte,  ohne  dessen  Gelegenheit  und 
dessen  Bewohner  zu  kennen.  Wenn  er  aber  diese  kennele,  und 
wu&le,  dafs  vier  handfeste  Männer  darin  schliefen,  und  dafs  es 
mit  geladenen  Gewehren  gut  versehen  sei,  so  würde  er  gentl« 
noch  gröfaeres  Bedenken  tragen,  sich  einzuschleichen.  Höchst- 
wahrscheinlich  sei  der  Erzähler  an  Jenem  Abend  eingeschlafen, 
habe  einen  sehr  lebhaften  Traum  gehabt,  und  die  geirllumte  Be- 
gebenheit balle  er  jetzt  für  eine  wirkliche;  er  sei  nicht  der  erste 
in  dieser  Welt,  dem  so  etwas  widerfahren.  Auf  diese  Rede  fragte 
er  mich  ganz  karz  und  besliumit:  ob  ich  ihn  für  verrückt  balle! 
liefii  mir  aber  keine  Zeit  zum  Antworten,  sondern  sog  die  Klingel 
nnd  Iwfabi  dem  eintretenden  Msdcbeo,  dea  JSger  m  rnien.    Die- 


-    749    — 

MB  fr»gt9  er  nan  i  ob  er  Dicht  ^  gemeinschaMioh  mit  ihm ,  an  j«^ 
ncMi  Abend  einen  Spitibuben  unter  dem  Belle  hervorgeiogen  h^ 
be!  in,  betbeoeMe  der  iiger,  so  aei  es;  die  Miene  desselben  und 
die  der  Hausfrau  sprachen  aber  so  deiitlicb  das  Gegentheil  ans, 
dafa  ich  über  den  Gieisieszustand  des  Erzählers  keinen  Zweifel- 
mehr  haben  konnte. 

Bis  eilf  Uhr  Abends  habe  icb  nun.  bei  den  Eheleuten  g;eses< 
sen  und  mit  ihnen  'ge|ilanderl,  am  anderen  Morgen  mit  ihnen  ge- 
frübslOckt,  aber  kein  unversiändiges  Wort  weiter  von  dem  Manne 
gehört.  Bleis  die  swei  Gedanken :  sein  Schwager  habe  Unfug  aaf 
dem  Hiuisplaise  getrieben ,  und  ein  Räuber  sei  unter  dem  Bette 
hervorgesogen  worden,  die  sieb  in  dem  Traumleben  der  Tranken* 
heit  eneogt  hatten ,  waren  so  warm  und  lebendig  in  das  Waeb^ 
leben  der  Aiüi^lernheit  übergegangen,  di^  icb  niebt  zweifle,  der 
Mann,  der  an  sich  ehrlich  und  t\ afarbeitsliebend  war,  würde  vor 
jedem  Tribunal  dio  Wahrheit  seiner  Bebaiiplung  eidlich  eebSrtet 
beben. 

Der  Galtinn,  die  mir  ihre  Besorgnils  tofserte,  dafs  jene  irri- 
gen VorstelloHgen  der  Anfang  einer  vollkommenen  Verrüekiheit 
aein  raBchten,  erklärte  icb,  sie  könne  sich  deshalb  vollkommen  be> 
ruhigen.  Uiese  jeist  so  lebhufien  Voraiellungen  wiirden  gar  bald 
noiter  nnd  iuimer  inalter  werden,  und  endlich  ganz  verschwinden. 
Sie  iiiiisse  fürs  eraio  mir  im  Geopräche  al|ea  veniieiden,  was  die- 
selben wieder  anregen  könnte.  Mein  üribtril  hat  sieb  auch  voll-, 
kommen  beatiltiget.  Die  Vorsiellungen  sind  gar  bald  abgestorben, 
und  niemand  ist  anch  später  so  nnzart  gewesen,  ihn  an  diese  Täu- 
schung an  erinnern.  Wahrlich  I  der  Menschliche  Kopf  ist  doch 
ein  ganz  noergrändUohes  Gemachte.  Man  könnte  gar  nacbdenk- 
liebe  Betrachlongen  über  diesM  Fall  anstellen,  ich  will  das  aber 
den  Lesern  Oberlassen. 

In  alter  und  neuer  Zeil  bat  man  Versuche  geinaebl,  die  Me^ 
sehen  von  der  Trunksucht  zu  heilen.  Es  ist  noch  nicht  manches 
Jabr  her,  da  habe  ieh,  ich  weifa  nicht  mehr  in  welchem  Journal, 
gelesen:  wer  den  Branniweia  mit  Sebwefelslare  gemischt  ttftnke« 
der  bekäme  dadurch  einen  Absehen  vor  ayem  Branntwein.  Beim 
Albertui  Magnut  habe  leb  -  gelesen :  wer  Weis  tränke ,  in  wtA- 
cheni  man  einen  Aal  habe  sterben  lassen,  der  vrerde  ein  Jahr 
lang,  und  vielleicht  für  immer  allen  Wein  verabscheuen.  Icb  ken- 
ne aber  ein  Mittel  gegen  die  Trunksucht,  welches  weit  sicherer 
ist  als  alle  solche  alle  und  neue  Schnurrpfeifereien ,  und  das  ist 
der  feste  Wille,  sich  aller  geistigen  Getr&nke  zu  enthalten.  Es 
ist  ein  grofiwr  Aberwitz  mancher  Aerzte,  dafs  sie  glauben,  ein  an 
den  täglichen  Gebrauch  geistiger  Getränke  Gewöhnter  könne  die- 
se nicht  ohne  Xacbtbeil  seiner  Gesundheit  auf  Ein  Mahl  gänzlich 
meiden,    es  sei  nöibig,  ihm  anfangs  täglich  eise  geringe  Menge 


—    7S0    - 

dandban  nongmebcn.')  Wer  den  Tranke  ergeben,  licfa  tob  die- 
Mm  Iiuter,  oder  vod  dieser  Krankheil  heilen  wiK*  der  HttÜi  keiae 
Wiakeliü^  meehen,  aoodern  Knall  nod  Fall  alle  geistigen  Ge- 
iritoke  meiden.  Sollte  er  in  den  eraten  Tagen  eine  gewiase  Lee- 
re und  Flauheit  im  Magen  spüren,  so  kann  er  ja  Calmas,  Knob- 
lauch, oder  andere  reisende  Subsiansen  in  geringer  Gabe  verschlak- 
ken;  gar  bald  wird  er  aber  einer  aolcbea  Nachhülfe  nicht  mehr 
bedOrfen.  Wäre  es  wahr,  dafa  die  plUilicfae  and  gSnxliche  Ent- 
liehnng  geistiger  tielränke  nachiheilig  auf  das  Befinden  wirkte, 
ao  möfste  man  ja  keinen  Trunkenbold,  der  am  hitxigen  Fieber 
krank  würde,  ohne  Wein  oder  Branntwein  heilen  k&nne«.  Man 
heilt  die  SAufer  aber  eben  so  gut  nageiatig  als  ändere  Heoaeben; 
das  ist  doeb  wot  dar  beate  Beweia,  dafa  die  plötaiiche  Ealaiebang 
der  geiatigen  GetrHnke  nicht  bloia  nnicbAdlicfa ,  aendera  wobllkft- 
Üg  und  heilsam  ist. 

80  oft  ich  einen  anerkanslen  Blnfervon  einer  cfaroniaebeB, 
oder  akaien  Krankheit  geheilet,  habe  ich  es  für  meine  Pflicht  ge- 
halten, ihn  Srztlieh  von  seiner  böaen  Gewohnheit  abaumahoeo,  uod 
ihm  begreiflich  *a  machen ,  dafs  er  jeiii,  da  er  durch  die  Krank- 
heit des  geistigen  Trankes  entwöhnet  sei,  mithin  daa  Bedfirfnile 
zum  Trinken  nicht  mehr  fühle,  nur  muthwillig  und  abaiohtlicb  sieh 
in  das  alte  Laster  luruckatSnen  könne,  ich  kann  aber  mit  Wahr- 
heit behaupten,  dafs  (vielleicht  ausgenommen  die  Menschen,  von 
,dereB  nachfolgenden  Leben  und  Treiben  ich  keine  Kunde  haben 
konnte)  meine  Ermabnnog  bei  allen  fmcbilos  gewesen  ist.  £!■ 
paarmahl  glaubte  ich  wirklich,  etwas  recht  Gute«  geslifiet  au  ha- 
ben, die  Trinker  enthielten -sich  ein  Jahr,  und  ISnger,  aller  gei- 
stigen Getröake;  aber  leider  börie  ich  spltter,  dafs  sie  wieder  ■■ 
den  allen  Fehlw  xurückgerallen  waren  und  ea  Arger  trieben  als 
froher.  **)  Wie  unbedeutend  die  Veranlassung  sein  kann,  die  ei- 
nen solchen  verneinilich  Geheilten  rückfällig  macht,  wird  folgen- 
de Geaefaicfate  leigen. 

Der  Herr  v,  X"  ein  «nmSfstger  täglicher  Branniweintrinker 
seit  vielen  Jahren,  mit  dem  ich  nie  in  einiger  Verbindung  gestan- 
den>  aufoer  dafs  ich  vor  langer  Zeit  als  zweiler  Arct  zn  aeinem 
wassericöpfigeo  Kinde  gerufen  war,  beanchte  mich  einst  in  Gesell- 
aehaft  seinoa  Schwagers  auf  einer  Durchreise.     Im  Laufe  des  Ge- 


*)  Dieie  HeiiMg  itütitB  ilch  wol  frblier  eiaiig  aar  du  Antehcs  itt  Hipta-, 
crali*  (Af^»ri».  II.  50.)  ipiler  liben  ila  siiDche  Aerste,  dia  lich  sn  Hif- 
pacralet  wealf  bekSninertCB,  aor  gatta  Glaoben  nsehgeiproeben. 

"•)    Vesi   Jshr«   1840. 
Jelzt  inari  Uk  isr  Steaer  der  Wskrheil  benerLep ,    iftt  (nach  lahr  glaati- 
wärdisen  Z«Bgitl*teB)  meiae  EraiahoaDg  bei  («ei«n  wirklkli  Berrgrblet,  dkae 
aoUen  neb  aeboa  Bebra  Jabra  alltr  feliliras  CcIrlBke  eatbalien  babea. 


_    751    — 

■präcbes  Mgle  lelxlcr  zu  mir:  gebco  Sie  dodi  neinem  S^wdgar 
ein  gatta  Millel  für  wiae  Augen,  nein  Gmichl  iit  Ja  so  Bchwa^ 
<Ia&  er  nnr  mit  Mühe  leaen  und  lehreiben  luoD.  —  Meine  Aat- 
wort  war:  ich  weil«  kein  Miilt»!  auf  die  AugsuBcbwaohe  des  Herrn 
V.  \-,  die  kotniat  blofs  von  iflineni  i&^Iichea  nniuälkigen  Bräunt- 
weinlrioiien,  die  wird  luil  der  Zeit  immer  achlimraer,  ja  sie  kaan 
endlich  aar  ganslichen  Blindheit  werden.  Er  liehet  ja  das  leben- 
dige Beispiel  an  seioem  sehr  guten  Freundo  dem  Barua  v.  D"; 
der  hat  aehon  weit  und  breit  di«  Kunst  aller  BrillenscUeifor  in 
Tbätigkeit  gesetst,  und  ist  jetit  so  weit,  dafs  er  die  Leute  auf 
der  g[o£Ma  Landstralse  übet  den  Haufen  Iftuft. 

Diese  Rede  war  freilich  nicht  sehr  höflich,  aber  sie  eaibielt 
Wahrheit  nnd  meine  UeberxeuguDg,  .Uebrigons  war  mit  dieser 
Antwort  die  Sache  abgeihan,  das  Gespräch  wendete  sich  in  an- 
deren Gegenständen.  Kt  mochte  reichlich  ein  Jahr  nachher  •eia> 
da  bittet  mich  die  Gemahlinn  des  Herrea  sebrifilich,  bald  herüber 
SU  konmen ,  ihr  Mann  sei  in  sehr  üblen  Umstanden ;  sein  Arxt 
verlange,  sich  mit  mir  su  beratbea.  Ua  ich  hinkam,  fand  ich  aber 
den  Kranken  in  einem  solchen  Stande,  dafs  ich  fast  glauben  mufs* 
te^  mein  kluger  und  aller  Kollego  habe  blols  meine  Ueberkunft 
Terlaogt,  am  einmabi  ein  paar  Stunden  mit  mir  an  verplaudern, 
denn  ton  einer  ernalhafien  Beraihnng  über  den  Zustand  des  Kran- 
ken konnte  wirklieh  nioht  luehr  Rede  sein.  Dieser  war  abgezebrt 
von  sdileiehendem  Fieber,  schwarzgelhuüchiig,  nnd  geistig  so  ver-  , 
schlissen,  dafs  er,  Tollkommen  schwachsinnig,  an  dem,  was  um 
ihn  vorging,  keinen  Antheil  mehr  nahm.  Er  ist  auch  drei  Tage 
darauf  gestorben.  Seine  Gemahlinn  ersahlte  mir  damahls  Folgen- 
des. Ein  Jahr  rorher,  da  mich  ihr  Mann  gelegentlich  besvchl, ' 
und  ich  eine  mediainiscbe  Wahrheit  gans  ohne  Schminke«  ihm 
nicht  ermahnend  aafgedrungen ,  sondern  unahsichilieh  in  die  Rap- 
puse  geworfen,  habe  diese  Wahrheit  so  ernstlich  mahnend  anf  ihn 
gewirkt,  dafs  er  sich  vorgenommen,  das  B  rannt  weintrinken  ganx 
snbugeben.  A«ht  Monate  diesem  Vorsätze  treu  y  habe  sieb  eine 
aufiallende  Veränderoog  in  seinem  K&rper  gezeigt.  Seine  nnsiS- 
ten  Glieder  haben  wieder  Fesligkeil  bekommen,  seine  Gemütlia- 
■timmnng  sei  gleicbmafsig  nnd  heiter  gewoNen,  er  habe  mit  Ver- 
gnügen seine  Landwirthscbaft  und  seine  Büsche  nachgesehen;  ja 
er  sei  so  weit  gekommen,  dafs  er  die,  eine  Wegstnnde  von  dem 
Gate  entlegene  Stadt  zu  Fufse,  ohne  in  ermüden  habe  besuchen 
kSnoen.  Indem  nun  seine  Elrnenemng  und  Verjüngaog  also  sicht- 
bar fortgeschritten,  habe  er  sich  einst  im  Busche  den  Fufs  gesto- 
faen  nnd  eine  unbedeutende  Hautwunde  bekommen.  Der  hingeru- 
feoe  Wundarzt  (selbst  als  arger  Scboappsirinker  bekannt)  habe 
ihn,  da  die  kleine  Wunde  den  aufgelegten  Mitteln  schlecht  gehoi- 
eben  wollte,  gefragt,  eb  er  aneb  Schnapps  trinke.    Auf  die  Ant- 


Wort-,  ittU  er  ifensellwa  frflfacr  hRnfig,  Jefzt  aber  seit  Mtfat  Mona- 
len  gar  Diclrt  mebr  trinke,  den  Kopf  mi&billlgead  gesehüMelt  uimI 
gfläirfsan,  CB  kdirae  doch  anmSglich  Min,  dafs  jemand,  der  so  lan* 
ge  den  Branniweis  gewohnt  gewesen,  ihn  ganr  meide;  ja  er  habe 
nicht  andeuilich  xa  verarehen  gegeben ,  dali  die  reraögerie  Hei- 
liing  der  kleinen  Wnnde  wahncfaeinllcb  der  gar  in  strengen  Eat- 
hallianikeit  iiixiischreiben  sei. 

Durch  diese  niehniinhli  gefinfserte  Vemioibnng  eei  Koenf  ia 
dem  Herren  der  Gedanke  geweckt  worden,  tSglioh  ein  oder  ellidie 
Glflser  SehnappB  blors  als  Heilmittel  sd  trinken ;  aber  gar  bald  set 
er  durch  die  Brannrneinknr  wieder  in  die  alle  Trunksucht  verfal- 
len und  habe  so  nngebeuer  gesoffen,  als  müsse  er  das  seit  acht 
Monaten  VersRniuie  gewissenhafi  nachholen.  Vier  Wochen  nach 
diesem  RBckfall«  liabe  er  schon  in  alle  Wiakel  de«  Hansei,  woria 
er  gewöhnlich  gekommen ,  oder  doch  iii5glich  kommen  konnte, 
sribsi  aitf  den  Abiriii,  Krüge  voll  Brandtwein  gestellt,  damit,  wo 
er  sich  atich  im  flmise  befinde,  er  diesen  Labetrunk  gleich  zur 
Hand,  haben  mSchie.  Nachdem  er  dieses  ongeßlhr  drei  Monate 
so  getrieben,  sei  er  in  den  gegenwfirtlgen  ktiglichen,  boffiinnga- 
. losen  Zustand  gefallen. 

80  lange  ich  Arst  bin ,  habe  ich  manche  Junge  Leute ,  die 
blofs  durch  b5se  Keispiele  verführt  eine  Ehre  darin  snchten,  viel 
Irinken  zn  kSnnen,  mit  der  Zeit  sehr  ehrbar  und  mfiläig  werden 
sehen.  Ihr  eigener  Verstand,  die  Folgen  mancher  im  Rausche  be- 
gangenen AitsBchweifiingen,  and  vielleicht  auch  das  guie  Beispiel 
anderer  brachten  sie  von  ihrer  Vertrrnng  zurück.  Aber  von  den 
eigeniHühen  anerkannten  SRnfern,  die  in  reiferen  Jahren  dieses 
Laster  übten,  habe  ich  nnr  drei  gekannt,  die  darch  den  festton 
Willen  von  der  TriinkBocbt  sich  geheilet  haben.  Durch  welche 
Veranlassung  dieker  feste  Wille  in  ihnen  erzeugt  sei ,  kann  ich 
nicht  sagen.  Zwei  von  diesen  waren  gewdhnliche,  tSghche  Trin- 
ker, und  weder  von  ihrem  Trinken,  no^  von  ihrer  Beasening  wüfs- 
le  ich  etwas  Bemerkenswertbes  zu  sagen.  Der  dritte  war  ein  pe- 
riodischer Trinker,  und  der  ist  im  Jahr  1832,  nachdem  er  seit 
fünfundzwanzig  Jahren  mSfaig  und  «brbar  gelebt,  in  tiemlich  ho- 
hem Alter  (zwischen  70  und  SO)  gestorben.  Da  ich  mich  hier  im 
Jahre  1797  niederliefs,  war  er  wohlhabender  Bauer  und  hatte  sich 
durch  Sern  Trinken  zur  Fabel  der  ganzen  Umgegend  gemacht.  Ich 
kannte  ihn  damahls  nicht  persSnIich,  später  aber,  während  er  als 
Rentner  in  einem  benachbarten  Dorfe  gar  ehrbar  und  anslündig 
lebte,  um  bo  viel  hesaer.  Er  war  wirklich  ein  recht  mflfüiger,  ver- 
slfindiger  Mahn  und  ein  guter  Hansvater.  Ich  habe  es  für  unzart 
gehalten,  mir  von  ihm  selbst  seine  früheren  Verirrungen  erzählen 
SU  lassen;  was  ich  aber  davon  weils,  sianiml  ans  der  glaubwür- 
digsten Quelle,  nlffliicfa  von  seinen  eigenen,  erwachsenen  Kindern, 


—    753    — 

iiml  na  srinnit  ^hi  mit  dem  ftnbervti,  fint  rHbrihafien  0«rilchte 
öbcreiii. 

Wie  ein  Vogel,  der  brüten  will,  sich  rorher  sein  Nest  zube- 
reitel, eo  bereitet«  er  sieh  auch  aein  Nest,  wenn  der  Trinkanfail 
nahte.  In  dem  Bettkasten,  warin>er  »Ach  Art  der  hiesigen  Lnnd- 
leate  schlief,  waren  an  der  Hiaiw-  und  Fufswiind  swei  gleicfaiau- 
feade  Bretter  wie  Biicberbreiter  angebracht.  Diese  stellte  er  roll 
gefullier  Branntweinbrfige ,  nnd  trenm  das  Nest  also  bereitet  war, 
l^le  er  xich  hinein.  Nnn  trank  er  so  lange,  bis  er  tantnelig  war» 
de  nnd  einschlief;  heim  Erwachen  fing  er  wieder  arr  zu  trinken 
bis  xam  Tanmel,  und  so  trieb  er  es  Tag  nnd  Nacht  durch,  ohne 
Speise  nnd  luigeistigeo  Trank  sm  sich  zu  nehmen,  bis  die  \alnr 
unterlag.  Das  Zeichen,  woraus  die  Seinen  die  Beendigung  des 
Anfalles  zuerst  gewahren  konnten,  war  die  Bereitwilligkeit,  eine 
ihm  angebotene  Tasse  Kaffee,  oder  Suppe,  kurz,  etwns,  was  nicht 
Fns«)  war,  zn  sich  su.  n«4inien.  Onroh  öftere  Wiederkehr  des  .An- 
falles war  denn  doch  sein  Gehirn  etwas  gekrankt  worden,  denn 
man  halte  ihn  mefamiahls,  bald  nach  einem  solchen,  nnf  dem  Fei* 
de  zli  den  Korngari>en  sprechend  gefnoden.  Die  Dichter  köimeiL 
freilich ,  ohne  verrückt  m  sein ,  ihre  Rede  an  leblose  Dinge  riefa- 
len,  wenn  aber  ein  Bauer  sich  mit  den  Korngarben  unlerhiilt,  sin- 
ket es  ihm  gewifs  im  Kopfe.  Jedoch  hat  die  Natur  diese  kleinen 
Vers I and eairrnngen  iininer  ron  selbst  wieder  ausgeglichen ;  denn, 
wie  gesagt,  ich  habe  den  Mann  spfiter,  da  er  sich  von  seiner  Trunk- 
sucht geheilt  halte,  als  einen  recht  veritftndigen,  klugen  nnd  gu- 
ten MntiBvflier  kennen  gelernt. 

Man  fani  früher  solche  Mittel  gesnchi,  deren  Gebranch  den 
Mensehen  befÜhigie,  viel  Wein  sn  trinken,  ohne  dadurch  beransobt 
in  werden.  Sdcbe  Hiuel  mochten  ehemahls  in  Deutschland  dem, 
der  viel  in  Geselkchaflen  ging,  wol  wiinschenswerlh  sein,  denn 
man  tat  selten  znsammengekomnien,  ohne  sich  au  beramiohen.  Da 
der  Fyrst  von  Lignitz  (wie  nns  sein  Hefmarediall ,  Diiter  von 
Schwetnichen  in  seinem  Memorienbac^e  crsAbll)  mit  seinem  Ge- 
folge unter  Trompeten-  und  Pankenschell  Land  anf  Land  ab  zog, 
in  den  stKdtiachen  GasthSfen  ohne  Geld  zn  haben  zehrte,  so  dafi 
hftnfig  die  Magistrate,  nm  der  lästigen  GRsts  los  zn  werden,  die 
Zeche  bezahlten  (sie  aasq  nitti  rten),  so  rechnet  der  Hofniar- 
sohall  fast  bei  jeder  Stadt  anf,  wie  oft  er  dort  beranschl  gewesen 
(Ich  habe  da  zwei,  drei,  vier  Räusche  gehabt).-  Das 
war  wahrhaftig  eine  wunderliche  Zeit. 

Felij;  Ptaier  sagt  in  seinen  Beobachtnngen  (Lih.  I.  pag.  A\.): 
Man  habe  ihn  oft  gefragt,  wie  er  es  doch  mache,  daf'4,  da  er  h&n- 
fig  XII  Fürsten,  Edellenlen  nnd  anderen  reichen  Menschen  gerufen 
werde,  bei  denen  man  üppig  lebe,  nnd  viel  trinke,  seine  Gesund- 
heit durdi  loleheB  Zechen  kmnen  Schaden  selitien,  sondern  er  ku 


_    754    — 

«inein  hohen  und  krBftigeD  Alter  ^langt  «ei.  Das  Kuntiilück  sei 
iehr  einfach.  Er  habe  sich  bei  den,  viele  StuDden  wShrenden  Gatt- 
iiiählern,  die  erste,  aaeh  wol  die  sweile  Stunde  alles  Trinkens  ent- 
halten. Nur  wenn- sein  Magen  mit  Speise  erluliet  gewesen,  habe 
er  erst  xu  trinken  begonnen,  nnd  dann  tüchtig  iniiinacheo  k&iineD, 
ahne  davon  einiges  Ungemach  xa  verspüren. 

Man  sieht  darnui,  dafs  frnher  dafs  GeschSft  des  praktischen 
Arztes  ein  weit  schwierigeres  war  als  heul  zn  Tage;  er  mufate 
nicht  blofs  die  Leute  gesund  inacbrn,  sondern  anch  mit  ihnen  ze- 
chen. Gegenwärtig  ist  es  keine  Mode  mehr,  dafs  vornehme  und 
reiche  Leute  den  Arzt,  wenn  er  einmahl  aus  GeschKftszwang  an 
ihrer  Tafel  apeiset,  zum  Trinken  nöthigen.  Er  hat  seine  v.olle 
Freiheil,  viel,  oder  wenig,  oder  gar  keiaen  Wein  zu  trinken;  wir 
bedürfen  also  des  Hatertcie»  Kuoststuckes  nicht  weiter.  Ja,  90- 
viel  ich  die  beutige  Welt  kennen  gelernt,  werden  reiche  nnd  vor- 
nehme Leute  den  Arct,  der  ihaen  gut  in  ihren  N'öthen  hilft  und 
dann  ehrbar  in  seinem  eigenen  Hause  tafelt«  um  kein  Haar  ge- 
ringer achKtzen  als  den,  der  ihnen  ihren  Wein  nnstriokt.  Irri- 
gen! mSehie  das  Knnsistück  des  J<\  IVater  nicht  gerade  allen  Ma- 
gen zusagen;  denn  inancheo  Menschen,  zn  denen  ich  selbst  gehd- 
re,  wird,  auch  durch  ralfsiges  Weinirinken  die  Verdairang  ge- 
stört. 

Dafs  das  Bedürfoifs  zn  trinken,  welches  die  eigenilichen  tSg- 
lichen  Trinker  huben,  in  einer  durch  die  vortügige  Aufregung 
begrnndotea  Flauheit  und  Abspannung  zu  suchen  sei,  glauben 
wir,  -nnd  wol  nicht  mit  Unrecht.  Es  ist  ahn-  möglich  und 
mir  zum  wenigsten  wahrscheinlich,  dafs  auch  bei  solchen  Men- 
schen, welche  man  nicht  zu  den  eigentlichen  Trinkern  zihlen 
kann,  die  zwar  nicht  täglich  Wein  trinken,  aber  in  ihrem  eigonen 
Hause,  oder  in  den  Ilftusern  anderer  Mensehen  jede  Gelegenheil 
willig  ergreifen,  sich,  wo  nicht  zn  berauschen,  doch  sich  ni«-klich 
«nfzoachrauben,  ein  eigener  körperlicher  Zustand  Stntt  findet,  der 
mit  jener  Flauheit  und  Abspannung  der  täglichen  Trinker  einige 
Verwandtschaft  hat.  -  Dieser  Zustand  findet  sich  hlnfiger  bei  jun- 
gen als  bei  alteren  Leuten.  Es  ist  iqöglieb,  dafs  der  menacbliche 
Leib  BpSter  zn  seiner  vollkommenen  Ausbildung  gelangt,  als  man 
gewöhnlich  glaubt,  und  dafs  gerade  das  Unvollkouimene  in  seiner  ~ 
Ausbildung,  bei  körperlichen  und  geistigen  Anstrengungen  das  Ge- 
fühl von  Flauheit  verursacht,  welches  sich  durch  Hinneigung  zu 
geistigen  Getränken  offenbaret.  Wenn  man  vierzig-,  fünfzig-,  seoh- 
zigjfihrige  Menschen  siebet,  die  enthaltsaiuer  leben  als  jüngere,  so 
ist  nwu  geneigt,  dieses  ihrer  Erfahrung  und  erworbenen  Lebens- 
klugheit zuEuschreiben  ;  ich  glaube  aber,  dafs  diese  Meinung  nicht 
ganz  richtig  ist. 

Solche  Leute  haben  mir  seibat  gesiaaden,  dafs  sie  in  junge- 


—    755    ^ 

reo  Jahren  gern  Wein  getrunken,  ja  iah  er  ihnen  ein  wahrei 
Labsal  gewesen,  jelal  ffihlten  sie  aber  nicht  das  mißdeite  Bedfirf- 
nifs  mehr,  Wein  xil  trinken,  und  wenn  sie  ei  thBien,  gesch&he  es 
biflfs  bei  Gelegenheit  der  Mode  wegen,  und  dann  sehr  niäfsig,  ob- 
gleich sie,  ohne  lieranscht  zu  werden,  noch  wol  eben  so  viel  ver- 
tragen kannten,  als  früher.  Eis  ist  also  etwas  unkrisllich  und  un- 
Sndich  wenn  filtere  Heilraeister  jüngere  Kollegen,  die  einmahl 
gelegentlich  hinsiohilich  des  Trankes  sich  einns  iibemehnien,  gar 
zu  scharf  beuriheilen.  Ach,  werthe  Leser!  wer  weifs  es,  wie  we- 
nig lieh  vielleicht  Leib  and  Geist  solcher  jüngeren  Amtsgenossen 
I»  dem  Geschäfte  eigenen  mag,  das  sie  ergriffcin  haben,  ohne  ein 
Haar  mehr  davon  zu  kennen  als  seine  lästige  Aulsenseite;  wer 
weib  es,  wie  vielleicht  ein  geheimes,  ihnen  selbst  nnbewnfsies  Ge- 
fühl sie  mahnet,  ihren  Geist  and. Körper  kansilieh  aufzuschrauben, 
üarch  diese  Erionerong  will  ich  aber  nicht  die  UnmOfsigkeit  in 
Schulz  nehmen«  ich  glaube  vielmehr,  dafs  MSfsigkeit  den  Arzt  weit 
hesser  kleidet  als  UninftJsigkeil. 

Heber  die  Wirkung  des  Weins  auf  das  Gehirn  in  den  ver- 
schiedenen Lebeasaliem  habe  ich  oft  nachgedacht,  aber  die  Ver- 
schiedenheit dieser  Wirkung  mir  nie  ganz  genügend  erklären  kön- 
nen. Ich  spreche  aber  hier  nicfal  von  der  eigentliche^  Trunken- 
heit, sondern  von  der  geistigen  Aufregung,  welche  einfältige  nnd 
ungebildete  Menschen  elwas  aufdringlich  und  iBsiig,  aber  vielsei- 
tig gebildete  und  witzige  Kflpfe  zu  ausnehmend  unterhaltenden  Ge- 
seilscbaflern  macht. 

Wenn  ich  i»  meiner  Jugend  eine  mfif«ige  Portion  Wein  trank, 
so  war  die  gaoie  Well  um  nticb  verftnden;  die  Menschen  waren 
zu  Engeln  des  Lichts  geworden  und  vor  mir  lag  die  Zukunft  wie 
ein  freundliches  Eden.  Je  nachdem  ich  älter  geworden,  hat  der 
Wein  anfgehürt,  diese  Wirkung  anf  meinen  Kopf  zu  äufsern,  and 
wollte  ich  jetzt  in  dem  edelsten  mich  berauschen,  so  bin  ich  über- 
zeugt, Welt  and  Menschen  würden  in  dem  nämlichen  Gewände 
vor  meinen  Angen  stehen,  als  sie  vor  mir  sieben,  wenn  ich  Was- 
ser,  Thee,  oder  Limonade  getrunken.  Woher  rührt  dieser  Unter- 
schied in  der  Wirkung,  den  nicht  ich  allein  bei  mir  beobachtet, 
den  anch  mehre  ältere  Bekannte  durch  ihre  eigenen  Beobachtun- 
gen mir  bestäiiget  babeoT 

Ich  glaube,  dafs  der  Hanptgrnnd  nicht  in  der  dnrch  die  Zeit 
veränderten  Organisation  unseres  Gehirns,  sondern  blofs  in  unse- 
rer Doppelerziehung  in  unserer  jugendlichen  nämlich,  und  in  un- 
serer männlichen  *n  finden  ist. 

Man  sucht  uns  von  Kindheit  an  zu  rechtlichen,  (ugendhafien 
Menschen  zu  bilden;  man  beschränkt  sich  nicht  blofs  darauf,  uns 
mit  kalten  Ermahnungen  zu  unterhalien,  sondern  man  zeigt  uns 
unter  der  Geichiehle  und  Oiehlung  Zanbetbelenchtung  eine  Reitie 


—    75«    — 

miltt  MenBchftfl,  d!«  dorcb  I 'iieigennfilz{gk«it,  Getpchiigkeii,  M^n- 
Rdien-  und  Vitler)iind«liabe ,  Aofopferong  and  Tortes  r»rii<^tMf^, 
gleich  itrahleoden  Feaergebildcn  in  diinkl«r  Nacht,  unsere  Aag«n 
HO  blenden,  dsf«  wir  die  Diabtnngi-  oder  GeuihiehlitlAiiicning  J^ 
ner  Charaklere  überteben,  ja  kaum  ahnen,  lleberdies  lipgi  bm 
unieren  wiiBonachaftlicben  Besireben  der  Gedanke  im  Iliniprgnin- 
de,  dab  wir  durch  gründliche  Vorbereitung  zu  nnserin  GeschSft« 
und  durch  gründliche  ErlerniHig  desselben  den  Beifall  drr  Men- 
schen efwerben,  durch  daa  Gegen tfa eil  Dnbeachteie,  armselige  \^p- 
sen  bleiben  würden.  Aeliern  und  ErEieher  irngen  nicht  wenig  da- 
XII  l»ei,  diesem  Gedanken  seine  Prisehe  in  bewahren,  er  soll  der 
Sporn  aein,  der  bei  den  nnserem  Leib«  und  (ieiste  übel  iwagen- 
den  Bescbäftignngen  nns  in  reger  ThSligkeit  erhalte.  Da  wirnnn 
eine  tolcbe  dicbteriiefae  Ideenwelt  ih  »ni>erem  Kopfe  mgen,  so 
ist  leicht  eiiunsehen^  dafs,  wenn  der  Wmn  unser  Gfbirn  anfregi, 
dipse  inner«  Welt  tou  tnagiachem  Lichte  lieller  beairahtet  berror- 
tritl,  nnd  daf«  wir  die  wirkliche  Hufsere  Weh,  von  der  wir 
noch  wenig  kennen,  mit  jener  inneren'  Dichterwelt  verwechaeln. 
Ilätien  wir,  von  krttmerischen  Aetiem  gebaren,  aobald  nnsere  kin- 
dischen FObe  am  tragen  konnten ,  hinaus  geninfst ,  wie  Hcbiller 
sagt,  io  das  feindlich«  Leben,  erlisten,  erralfen;  hätten  wir,  stau 
mit  Quinta»  Cineinnatua  den  Acker  xti  pflügen,  «tait  mit 
Leomidat  in  den  Tbermopyltfen  m  kfinipfen,  statt  mit  Mueiit* 
Seaevofa  ans  di«  Haod  xn  Terbrennen,  Kaisen-  nnd  HasenbXl- 
ge  oder  Hadern  verschachert,  so  würden,  wenn  der  Wein  uns^r 
Gehirn  aufgeregt,  die  .Vlenichen  un^  wahrlich  nicht  aU  gute  Fngd 
erscheinen.  Ja  bitte  man,  statt  nnti  die  Welt  aU  eine  billige  Ver- 
ge1:erinn  iin-ieres  wissenschaftlicheD  Bestrebens  voringanklen ,  sie 
uaa  treu  wie  BttrtkoUna»  seinem  aii^enkranken  Verwandten  gp- 
Bchildert,*)  so  würde  selbst  im  Weinmusche  die  Zukunft  nicht  als 
ein  Schlaraffenland  vor  uns  liegen;  denn  das  bürgerliche  Leben 
würde  sich  uns  darstellen  wie  e«  wirklich  iat,  nHmlieb,  alu  eine 
von  Menschengewühl  nrasiandene  Olücksbude,  kq  der  man*  sieh 
mir  dur^  tüchtige  Püffe  Plati  mnebea,  and  aus  der  man  fiir  sei* 
nen  guten  Einsatz  gar  leicht  etwas  Scbofelwaare  ziehen  kann. 

Dafs  aber  im  reiferen  miDnlicben  Alter  der  Wein  keine  ma* 
gisehe  Wirkung  mehr  auf  unser  Gehirn  hat,  dieses  \»t  einxig  an- 
■erer  zweiten ,    höheren  Bildung  zuzuschreiben ,    die    wir    in    der 


*>  Da  dieser  w^en  Hiaer  webeo  Augen  nielit  lefar  keftig  Uailirea  konnte  ,  vU 
Kri-htele,  er  Mutbte  nicht  gelehrt  ggniig  werden  ,  nm  ejast  in  der  Welt  sein 
Uiunk  in  necheD ,  la  trostele  ihn  Barthetia  mit  folgeadcD  Worten:  Crtd» 
mihi.  Rara  mafma  foriuna  magiiai»  rradltlonen  teqnilnr.  Satpim  mt- 
iioeria  pTttaHlur,  tmip«  tttam  eaUt  fjiffi  rrmm  tafnill»  md  Dtoi  eerrfl 
•»«  gml/iMw  JlUn.  —  T/twm.  Barlkthmi  EfM-  C*nl.  4.  Bft»t.  94. 
"■■■  -    ■■"  ---— 'O" 


-    757    - 

EUaUeliul«  de«  biirK«rIichen  Lebens  erhaU«n.  Du  bTirferliofae  Lc- 
bea  «mixl  ja  unser«-  jugeodliebeo  thHntaiie  oicht  blaf«  ailulierli«h 
die  Scbwiii^a,  Bondern  reißit  ibr  selbst  die  Scblugfedern  auf  ein« 
verzweifelt  pluia|ie  und  Mfauieribnfte  Art  luit  Siunipf  und  Stiel 
aoi;  WM  Wunder  bUo,  iata  später  auch  der  edeUie  Weiii  die 
•chnäblich  gerupfie  nicht  wieder  befiedem  kann. 

Ich  habe  ■chon  vor  langer  Zeit  den  Gedanken  gehabt,  ei  kön. 
ne  nicht  unbelchrebd  «ein,  durch  Versuche  Husiumiiieln ,  ob  der 
kobiacbe  Salpeter  die  Aufregung ,  die  der  Wein  auf  das  Geföfi- 
•jruein  und  Gehirn  hat,  gaox,  oder  zum  Theile  aiibuheben  im  Stan- 
de eei.  Weil  ich  aber  im  der  Zeit,  da  sich  dieser  Gedanke  er- 
zmigio,  tchun  über  die  Jahre  hinaou  war,  in  denen  der  ^Vein  eine 
frohe,  freundliche  Erregung  hervorbringt,  so  hielt  ich  mich  auch. 
selbst  oicht  mehr  für  diesen  Versuch  geeigenel.  leb  schlage  ihn 
JMsi  meinen  jüngeren  wifsbegierigen  AmlsgenOBsen  vor. 

Zuerü  ist  uöthig,  dafs  der,  der  ihn  machen  will,  den  Wein, 
welchen  er  daxn  angewendet,  durch  den  Gebmuch  genau  kenne. 
Et  iDufs  wissen,  *wie  viel  er  von  demselben  vertragen  kann,  um 
froh  aufgeregt  xu  werden,  ohne  die  Grenzen  des  eigenilichen  Bau- 
■cbea  SU  berühren.  Von  diesain  Weine  jnu£i  er  nun  die  doppelle 
L*oriioa  in  dem  namlieben  Zeilrauiae  au  sich  nehmen,  worin  er  ge- 
wöhnlich die  einfache  zu  trinken  pfiogte,  und  zugleich  eine  Auflö- 
sung von  einer  Unze  kubischen  Salpeter  iu  getheilien  Gaben  ver- 
schlucken. Er  wird  dann  bald  gewahr  werden,  ob  letzter  die  Wir- 
kung des  Weines  auf  das  Gehirn  gans ,  oder  zum  Tbeile  aufhebt. 
t^  verstehet  sich  aber  von  selbet,  da£i,  wer  rein  experiinentiren 
will,  bei  diesem  Versuche  alle  fiufiwre  Aufregungen  meiden  mufs; 
dazu  recbtte  ich  groCte  lernende  Gesrilscbufi,  Musik,  Gesang,  Mil- 
iheilnngen  über  ansiaheade  GegeiMtäa<ie,  Aerger,  Zorn  und  andere 
Gemü (habe wegun gen.  Möglieb  scheint  es  mir  allerdings,  dafs  der 
kubische  Salpeter  die  aufregende  Wirkung  des  Weines  auf  das  Ge- 
hirn zum  Tbeil  aufheben  könne;  dafa  er  aber  die  reizende  Wirkung 
desselben  auT  das  Herz  und  die  Scblagadersiümme  aufheben,  oder 
bedeutend  mindern  seihe,  ist  mir  nicht  Booderlieb  wahrscheinlich. 
So  viel  ich  ihn  habe  kennen  gelernt,  bat  er  keine  direkte  Einwir- 
kung auf  das  Herz  und  die  SchlagaderstSmiHe;  seine  merkbare 
Wirkung  auf  diese  Organe  scheint  mir  eine  indirekte  oder  se- 
cnndire. 

Indem  ich  aber  meinen  jiingaren  A  inisgenossen  vorschlagt;,  ei- 
nen Versuch,  lu  dem  ich  mich  selbst  nicht  mehr  foerdhiget  bulle, 
an  ihren  Kdpfen  xu  machen,  so  soll  der  Zweck  dieses  Versuches 
wahrlich  nicht  sein,  den  unmäfsigen  Trinkern  ein  Rauedisebutz- 
inittel  aufzusuchen.  Das  wäregewifs  eio  reeht  nichtsnutziger  Zweck; 
wer  so  etwas  haben  will,  der  -suche  es  sieh  selbst.  Ich  dpnke 
aber,   man  kann  nie  zu  genau  die  Wirkungen  der  Mittel  zof  den 


—    758    - 

belebten  Menachcnleib  ood  das  Verbfillnili  diuer  Wirkungen  g^ 
gen  einander  ergründen.  Numquam  ahtUtmidum  ah  ohitrvalion&ui 
et  experimenli»  sagt  F.  Hoffmann,  und,  wahrhaftig!  der  Alt«  bat 
Kechl.  Wer  jederzeit  Tragt:  woin  toll  et  nutsen,  der  bleibt 
ewig  ein  Esel. 

Husten.  Es  gibt  Husten,  welche  durch  den  kubischen  Sal- 
peter sicher  und  bald  geheilt  werden.  Die  Zeichen  aber,  aus  de- 
nen  ein  durch  das  besprachene  Mittel  heilbarer  zn  erkennen  ist, 
neifs  ich  nicht  anzngeben.  Wollte  ich  sagen,  starkes  Fieber,  oder 
achmerzhafie  Gefühle  im  Brustkasten,  oder  beide  xusamniHn  seien 
die  begleitenden  Zufhlle  desselben,  so  würde  ich  unwahr  sprechen. 
Bei  dem  als  Husten  sich  offenbarenden  (Jrleiden  der  Lunge  sind 
beide  ZuRille,  lebhaftes  Fieber  und  SchniMs  im  BruMkasten  nicht 
selten  vorhanden,  und  doch  heilt  sich  ein  solcher  Husten  nicht 
durch  kubischen  Salpeter, -sondern  durch  Spiefsglanxgoldaehwefel, 
oder  durch  Tnbakexlrakt,  und  mit  dem  Husten  verschwinden  des- 
sen begleitende  Zufälle.  Manche  Husten,  welche  dnrch  den  kubi- 
schen Salpeter  bald  und  sicher  geheilt  iverden,  sind  nur  von  sehr 
geringem  Fieber  begleitet. 

Man  ibul  am  besten,  wenn  man  keine  überwiegenden  Griinde 
hut-,  anders  zit  handeln,  sich  nach  der  epidemischen  Conaiiliition 
zu  richten.  Haben  wir  die  hernchende  Krankheit  einmahl  als  sol> 
che  erkannt,  welche  in  einer  unter  d^r  Heilgewalt  des  Salpeters 
stehenden  Affeklion  des  Ueaamimorganisinus  bestehet,  so  ist  auch 
Wahrscheinlichkeit  vorhanden,  dafs  die  vorkommenden  Husten  die- 
ser Art  sind,  und  dur  Erfolg  wird  in  vielen,  jedoch  nicht  in  allen 
Fällen,  diese  Wahrscheinlichkeit  lur  Gewifahett  machen. 

Wer  aber  über  die  wahrscheinlichen  Zeichen  eines  solchen  snl- 
peteHschen  Hustens  etwas  wissen  will,  dem  hemeike  ich  Folgendes. 
Vorausgeseiit ,  man  habe  sich  überzeugt ,  dafs  in  einem  gegebenen 
Falle  keine  Leber-,  Nieren-,  oder  Gefairnaffektion  vorhanden  sei, 
so  gibt  der  mehr  oder  minder  roihe  Harn  bei  mehr  oderminder  leb- 
hnftem  Fieber  grofse  Vermuihung,  dafs  man  es  mit  einem  salpe- 
trischen  Husten  zu  thun  habe.  Sobald  man  aber  nur  einige  Ver- 
muthnng  hat,  dafs  eine  solche  in  den  Lungen  vorwaltende  Affeklion 
des  Geimtnmtorganismus  vorbanden  sei ,  ao  ist  es  Immer  klug  und 
der  Vorsieht  gemafs,  den  Salpeter  zn  geben.  Ist  nKmlicb  wirk- 
lich ein  solcher  Zustand  vorbanden,  so  heilet  der  Salpeter;  ist  er 
nicht  vorhanden,  so  gewinnen  wir  dnrch  das  Nichtheilen  in 
zwei  bis  drei  Tagen  die  Ueberceugung,  dafs  wir  es  entweder  mit 
einem  Urleiden  der  Langen,  oder  mit  einem  coosensuereo  dersel- 
ben, oder  mit  einer  aoderartigen ,  in  den  Lungen  vor(vallendeo 
AHektinn  des  Gesaumlorganismus  zn  thun  haben,  und  wir  sind  je- 
denfalh  anf  negativem  Wege  der  Erkenntnifa  nBher  genickt. 

Aber  ich  sage  auf  das  bcslimmiesle :    das  ang^ebene  Zeichen 


—    75Ö     — 

Mt  kein  gswiuet,  «ondera  btofii  eia  rermutbliofa««.  Thxil«  ist  b«i 
mandMia  durcb  Salpeter  heilbaren  Hualen  der  Harn  nicht  roih  ge- 
ftrfat,  tbeils  iiMchl  nicht  blof^i  die  Sal|ta(er-,  soodsrn  andi  die  Ei- 
ten-  und  KupferafFekiton  des  GfsaiiiiiiiorganiKtuus,  wie  ich  hernach 
zeigen  werde,  rotbea  und  ntcbt  seilen  recht  dunkel  reihen  Ilaro 
nnd  lebhaftes  Fieber.  Ferner  machen  ürteber-,  Umieren-  und  Ur- 
gehirnaSeklioDca  ebenfalln  gar  leicht  rolhen  Harn,  und  itn  Ver- 
lan ferzei  trau  lue  ist  liuüten  oft  der  eineiige  Zufall  solcher  Orgnnbe- 
rSbrtbeilen. 

Da  ich  Jetzt  vom  Husten  rede,  werden  die  Leser  auch  wol  von 
mir  erwarten,  rfafs  ich  ihnen  meine  Erfahrungen  über  den  Keuch- 
husten millheile.  Ditf  kann  ich  leider  in  wenig  Worleo  zusammen 
fassen,  wenn  ich  sage:  ich  weifs  kein*  Hülfe  darauf.  Dafs  er 
nicht  in  einzelnen  Fällen  aal  peterischer  Art ,  sonderlich  im  Anfange 
sein  könnte,  will  ich  gerade  nicht  bestreiten,  habe  aber  selbst  kei- 
ne Erfahrung  darüber.  Bii  jetzt  bin  ich  nicht  so  glücklich  gewesen, 
das  Organ  zu  entdecken ,  von  dessen  UrafTeklion  dieser  Husten  ab- 
hftngt.  Ein  Urleideo  der  Lunge  ist  er  bestimmt  nicht,  denn  alle 
Lnngenheiinntiel  leisten  bestimmt  nichts  dnrin.  Zwar  sagt  ein  sehr 
achtbarer  Schriftsteller  nnserer  Zeil,  der  Tabak  sei  heilsam  im 
KenchhuBten;  da  er  aber  hinxuseist,  dafs  vier  Wochen  hingehen, 
ehe  der  Husten  geliebelt  sei,  so  ist  das  schon  der  beste  Deweis, 
dafs  der  Tabak  nicht  Heilmiiiel  des  Keuchhustens  Ist ;  denn  Husten 
die  jener  wirklich  heilet,  heilet  er  bald  und  man  siebet  seine  hei- 
lende Wirkung  gleich  gnns  nnwidersprechlicb.  Ich  bähe  das  Ex- 
trakt des  grünen  Tabaks  oft  genug  gegen  den  Keuchhusten  ver- 
■Hcbt,  aber  keine  Wirkung  davon  in  dieser  Krankheit  gesehen, 
welche  ich  mit  gutem  Gewissen  Heilwirkung  nennen  künole. 

Wäre  der  Keuchhusten  OflTenbarnng  einea  Urlungenleidens,  oder 
wfire  er  Offenbarung  des  Vor  wallen  s  einer  AÖekiion  des  Gesainmt- 
organisiuus  in  den  Lungen,  so.  müfste  man  in  beiden  Fällen  nach 
einer  solchen  Epidemie  allenthalben  lungensüchiige  Kinder  sehen; 
das  siebet  man  aber  gerade  nicht,  sondern  man  siebet  weit ,  weit 
häufiger  Bauchaffekt ionen  als  Folgen  des  Keudihiialens.  Den  Was- 
serkopf, den  ich  in  Einem  Falle,  und  die  AnsamiHlung  des  Was- 
sers in  den  GebirnbShlen,  welche  ich  in  einem  anHeren  siih,  schrieb 
ich  blofs  dem  Springen  eines  Wassergerutjies  im  Gehirn  zu;  denn 
wie  zuweilen  durch  den  Husten  ein  Biutgefflfs  in  der  Conjunktiva 
des  Auges  gesprengt  und  das  ßtnt  in  das  Zellgewebe  ergossen 
wird,  welches  den  Kindern  ein  gar  abscheuliches  Ansehn  gibt,  ac 
gqt  wird  auch  wol  durch  die  Gewalt  des  Hustens  nuf  oder  ia 
dem  Gehirn  ein  WassergeHlfa  bersten  können. 

Die  Leber  wird  oft  consensuell  ergriffen,  und  man  siebet  sich 
genölbiget,  sie  durcb  geeignete  Mittel  ia  Ordnung  lu  hidten.  Aach 


—    760    - 

di«  Milx  leidet  bei  ellieben  Kindern,  und  well  diMe  in  engem  Caa- 
sens  mit  dttn  Nieren  stehet,  wird  in  talGhen  Fällen  leicht  die  Hnro- 
absonderung  gestöret,  ea  «atslehel  WassergeschwuUt  der  Füfue  und 
des  Bauches. 

Durch  die  richtige  Beh«ndliiDg  solcher  consensuellea  Leiden 
kumnil  man  den  bösen  Folgen  des  Kenchhuateos  zuvor,  aber  man 
bellt  ihn  nicht  dadurch.  Der  lelcbiglüiibigo  Arzt  Uhdu  hier  in  gro- 
l'se  Täuschung  fallen.  Die  consensuelLen  Leiden  der  Leber  oder 
Milz  werden  auf  die  Dauer  in  manchen  Fällen  zu  ürleideu,  und 
der  in  seiner  Form  verändeiie,  zum  gewöhnlichen,  aber  barloäk- 
kigen  Husten  unigewaodelte  Stickhusten  hüngt  dann  Itlofs  von  die- 
ser zum  Urleiden  gewordenen  Bauchatfektiofi  ab.  Wenn  nun  iu 
solchen -Fällen  der  Arzt  aus  der  durch  Hepalica  oder  Splettiea 
vollbrachten  Heilung  des  Ilusicns  schÜefsen  wollte,  der  anfäng- 
liche Siickbusten  habe  von  einem  Urleiden  der  Leber  uder  Milz 
abgehangen,  so  würde  das  ein  grober  Irrihum  sein. 

Der  Stickhusten  ist  eine  blofse  Kcankheiisforin ,  und  es  iüi 
noch  lange  nicht  ausgemacht,  dafs  diese  Form  jederzeit  in  dem  Ur- 
leiden eines  und  des  n9mlicbea  Organs  begründet  sei.  Mir  ist 
vielmehr  das  Gegenibeil  wahrscheinlich  und  zwar  deshalb,  weil 
sieb  mir  die  Heilwirkung  solcher  Mittel  nicht  besiäliget  hat,  die 
von  kundigen  und  glaubwürdigen  Aeraten  empfohlen  waren.  Ent- 
weder müfsten  diene  Aerzte  ihrer  Sinne  nicht  mächtig  gewesen, 
oder  ich  selbst  müfste  meiner  Sinne  nicht  mächtig  sein,  oder  wir 
Riitfsten  mit  Tcrschiedenarligen,  unter  einerlei  Form  sich  offenba- 
renden Krankheiten  zu  thun  gehabt  haben.  Da  ich  nun  weder 
das  Erste,  noch  das  Zweite  für  wahr  ballen  kann,  so  sehe  ich  mich 
genöihiget,  das  Dritte  als  wahr  gelten  zu  lassen. 

Sollte  anch  wol  das  Zuerchfell  der  Sitz  des  Siickhustenn  sein  t 
Ich  kann  nicht  dariiber  nribeilen,  weil  ich  kein  Eigenheilmiltel  auf 
dieses  Organ  kenne. 

Mir  ist  es  zaweilen  wahrscheinlich  gewesen,  dafs  er,  als  con- 
sensuelles  Leiden,  von  dem  Urleiden  eines  der  Nervenplexus  des 
synipaihischen  Nerven  abhänge.  Aber  welches  Plexust  das  mögen 
die  Gölter  wissen.  Ueberbanpt  ist  die  Erkenntnifs  dieser  \erven- 
orgnnberiihnbeit  die  schwache  Seile  der  Lehre  der  alten  Geheim- 
ärzte: so  viel  ich  aber  weifa,  sind  auch  die  schul  gerechten  Aerzle 
aller  Farben  nicht  sonderlich  stark  in  dfesem  Punkte,  oder  man 
möchte  ihre  Sl&rke  darin  finden ,  dafs  sie  jene  Organe  und  ihre 
Erkrankungen  ganz  übergehen,  oder  büchslens  einmahl  ein  Wort 
vom  Sonnengeflecble  fallen  lassen.  Psychische  Einwirkungen  hei- 
len bekanntlich  am  ersten  die  Krankheiten  der  Nervenorgane  und 
unter  diesen  Einwirkungen  siebet  Schreck  und  Furcht  oben  an. 
So  lesen  wir  denn  auch  im  Hufelandischen  Jouraale,  dafs  ein  Kind 
durch  einen  Sturz   aus    dein  Fenster  vom  Stickhusten  geheilt  s*i, 


-    761    - 

uad  TAamoM  Willi»  ertShlt  uiw,  dal»  in  selnffip  Lande  di«  Frauen 
ihre  am  Siickbiuieo  leidenden  Kinder  zur  Mühle  bfigea  und  sie  dort 
in  einen  Sack  ueelcieo,  wo  dann  die  armen  Kleinen  io  dem  dunk- 
len Sacke  durch  den  Lärm  de«  Rädergetriebes  so  heftig  erschreckt 
würden,  dafs  der  Husten  verschwände.  leb  denke  aber,  Tkomat 
iVilli»  wird  wol  nicht  oft  dabei  gestanden  haben,  wenn  die  Wei- 
ber diese  Kur  uniernahmea  und  es  mag  auch  wol  manches  Kind 
vngeheilt  wieder  aus  dem  Sacke  gezogen  sein;  denn  wenn  es  nicht 
SU  läugneo  ist,  dafs  geistige  Einwirkungen  Organherührtheiieui 
sonderlich  der  Nervenorgaae  heilen  können,  so  ist  es  noch  weni- 
ger zn  läugnen,  dafs  solche  gewaltMme  ^jcbische  Heiluogeo  nn- 
aicher,  ja  selbst  geCUirlich  sind. 

Ich  habe  einst  bei  einer  Siickhnslenepideniie  (des  Jahres  erin- 
nere ich  mich  so  genau  nicht  mehr)  in  einzelnen  Ffillen  durch 
Belladonna  wahrhaft  und  bald  geheilet,  jedoch  eoeh  zu^eich  er- 
fahren, dafs  die  rechte  Heil^nbe  des  Mittels  im  Allgemeinen  nacb 
dei*  Aller  der  Kinder  gar  Gbel  auszumitteln  war,  vielmehr  bei  {•• 
dem  einzelnen  Kinde  muffte  geüncht  werden.  Dadurch  ist  mir  nun 
der  Gebrauch  schon  datuithU  sehr  verleidet  worden.  Was  hilft 
mir  ein  Mittel,  dessen  Gabe  ich  in  jedem  einzelnen  Falle  erst 
Ängstlich  enifsuchen  mnfsf  Soll  ich  vielleicht  den  Mütcorn  diese« 
Anfsuchen  überlasBen!  Kein!  nein!  das  geht  nicht,  am  wenigsten 
bei  den  armen  Lenten,  deren  doch-  in  der  ganzen  Welt  weit  mehr 
sind  als  der  reichen  und  denen  auch  mufi  geholfen  werden.  Bei 
verständigen  Meoitchen  kann  man  die  Tinktnr,  oder  eine  Auflösung 
des  KxiraklH  geben  und  tropfenweise  aufsteigen  lassen,  bis  man 
die  wahre  Heilgabe  gefunden;  aber  thut  dna  einuiahl,  werihe  Le- 
ser! in  den  Hütten  armer  Leute,  sonderlich  wenn  mehre  Kinder 
zugleich  in  einer  H3(te  am  Husten  sind.  Solche  rohe,  ungeschlach- 
le  Menschen  wären  im  Stande,  einem  Kinde,  dessen  Husten  ihnen 
gerade  sehr  hinderlich  wHre,  das  ganze  Fl8schcfaen  auf  einmahl  in 
den  Hals  zu  schütten. 

Bei  einer  anderen  Stickhustenepidemie  habe  ich  aber  auch  die 
Belladonna  ganz  unwirksam  befunden,  sie  leistete  wirklich  nicht 
das  mindeste. 

Von  allen  gegen  diese  Kraokbeitaform  empfohlenen  Mitteln 
hat  mir  keines  bessere  Oleosle  geleistet,  als  das  von  dem  Hofrub 
Haum  SU  Riga  erprobte  Extrakt  der  Küchenschelle.  (Extr,  Pul- 
tatillae  nigr.J  Ob  es  aber  der  wahre  Stiekhnsteo  gewesen,  in  wel- 
chem ich  diese  vortreflUche  Heilwirkung  gesehen,  kann  ich  nicht 
uiit  Sicherheit  behaapten.  Ich  will  diesen  im  Jahre  1S28  hier  herr- 
sehenden Husten  beaehreiben,  das  heifsi,  auf  den  Unterschied  anf- 
uerksam  machen ,  der  zwischen  diesem  nnd  anderen  von  mir  er- 
lebten Statt  fand.   Hinsichtlich  der  heftigen  antiekeodcn  Asßlle  war 


—    782    — 

•r  von  andeijübrigen  Stiekhuiten  gat  aicbt  zu  uniertck«i4eR ;  Ml>«r 
in  folgenden  Punkten  wich  er  ein  wenig  dovon  ab. 

1.  Er  verbreiteie  sich  bei  weitem  nicht  ao  lehr  unie/  dem 
Volke  als  andere  Keiichhusien, 

2.  El  wurden  drei  erwachsene  Mt-nsehen  von  Kindern  ange- 
steckt und  beknmen  den  Huaten  in  der  nftmlichen  Form  wie  die 
Kinder.  Frßher  habe  leb  auch  wol,  jedoch  äufserat  gellen  gese- 
hen, dafs  Erwachsene  angesteckt  wurden,  bei  diesen  erschien 
aber  der  Husten  unter  der  Furm  eines  gew9hnlichen  heftigen  llii- 
Btena,   nicht  unter  der  des  Slickbnslens. 

3.  Bei  andern  Keuchhusten  endigle  der  Anfall  immer  mit  Er- 
brechen. In  dem  besprochenen  erbrachen  sieh  einige  Kinder,  an- 
dere nicht. 

4.  Bei  andern  Keuchhusten  hehl  daa  Erbrechen  den  Anfall; 
dieses  iat  ja  so  allgemein  bekannt ,  dafa  seibat  die  Mütter  bei  hef- 
tigen, EraiickuBg  drohenden  Anfällen  d,en  Kindern  den  Finger  in 
den  Schlund  stecken,  um  sie  zum  Erbrechen  zu  bringen  und  An- 
durch  die  Beendigung  des  Anfalles  zu  beschleunigen.  Bei  deui 
beaprOchenen  Husten  brachen  manche  Kinder  während  des  Anf»!- 
les,  ohne  dafa  dieser  dadurch  gehoben  wurde.  Ich  weifs  dieses 
nicht  blofa  durch  die  Aussage  der  Mutter,  sondern  ich  habe  in 
dem  Hause  eines  meiner  Freunde  Beibat  gesehen,  dab  ein  fünf- 
jlihriges  Mädchen  sich  während  des  Aufalles  nicht  e^n  wenig,  son- 
dern tüchtig  und  zweimahl  erbrach,  ohne  dafs  der  heftige  AaMl 
sich  daran  störte,  dieser  tobte  aus  und  endigte  dann  ohne  Er- 
brechen. 

MSgliib  ial  es,  dafs  die  PuhaHlla  in  anderen  Keuchhuaten 
das  nicht  hisiet,  was  sie  in  dem  beschriebenen  leistete;  hier  nur 
sie  aber  wirkliches,  sichtbares  Heilmittel.  Die  Heilung  geschah 
ungefähr  innerhalb  acht  Tage,  und  auar  so,  wie  sie  bei  allen 
andern  heftigen  Husten,  die  anfallsweiae  die  iMenachen  ergreifen, 
sich  zn  machen  pflegt.  Die  erste  gleich  sichtbare  Besserung  be- 
stand in  einer  Verminderung  der  Zahl  der  Anfülle,  ohne  dafs  die 
Heftigkeit  jedes  einzelnen  Anfalles  minder  geworden  wäre.  Nur 
erst,  wenn  die  Zahl  der  Anfülle  bedeutend  vermindert  war,  min- 
derten diese  hinsichtlich  ihrer  HeFiigkeit  und  dann  war  auch  die  ' 
Sache  gar  bald  beendiget.  Bei  den  drei  erwachsenen  Menschen 
gab  ich  das  Extrakt  der  Pulaatilla  in  der  Gabe  von  vier  Gran  vier 
mahl  tags;  Kindern,  wie  Herr  I]ofrath  K.  es  bestimmt.  Uehri- 
gens  läfst  sich  über  die  Gabe  solcher  Extrakte,  die  von  Pflanzen 
bereitet  werden,  welche  gerade  nicht  allenthalben  wachsen,  die 
der  Apotheker  alao  von  dem  Materialisten  heziehen  mnfa,  wenig 
Kluges  sagen.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  die  Bereiluag  der 
ExirakiB  und  ihre  davon  abhängende  Wirkaamkeit  allenthalben 
gleich   sei,    mitbin   mufi  der  Ari,     der  sie   anwenden  will,   die 


—  763  — 
richtige,  wirkaame  Gab«  darob  i*a  Gebrancb  BasmiHelii.  \Vm 
er  aber  ansgemiilell  hat,  iat  andero  Aenian,  die  entweder  ein 
IcrfiftigereB ,  oder  ein  DokrSffigeret  Extrakt  in  ibren  Apoibeken 
finden,  ganz  ohIiIm.  leb  liebe  es  nicht,  von  solchen  Pflanzen, 
welche  hier  nicht  beimiscb  sind,  die  Extrakte  zu  gebranchen; 
mit  der  Pulsatilla  habe  ich  elnniahl  eine  Ausnahme  gemacht  und 
ea  hat  mir  wirklich  nicht  leid  geiban.  Ob  aicb  bei  künftigen 
Keuchhusten  ihre  Heilwirkung  bestätigen  wird,  nnfa  ich  abwar- 
ten,  bin  aber  wirklich  in  diesem  Punkte  sehr  kleingUubig. 

Zusatz  vom  Jahre  1  836. 

Im  Jahre  1834  leistete  mir  die  Pulsatilla  beim  Keucbhnsten 
eben  so  gute  Dienste  als  im  Jahre  1828,  allein  auch  dieser  Ha- 
sten war  nicht  von  der  recht  bÖs«n  Art,  wie  ich  ihn  wol  früher, 
namentlich  einst  nach  einer  Masemepittemie  rrlebte.  Seit  dem 
Jahre  28  habe  ich  die  Pnlaaiilla  in  anderen  sehr  angreifenden  Hu- 
sten hei  Erwachsenen  wundervoll  heilsam  befunden.  Es  waren 
dieses  Husten,  von  denen  ich  blofa  eine  verneinende  ErkenntniJs 
halte;  das  heifst,  ich  erkannte  wol,  dafs  sie  nicht  von  einem 
Urleiden  der  Lunge,  der  Leber,  der  Milx,  des  Pankreas  abbin- 
gen,  also  wahrscheinlich  in  der  Urerkrankung  eines  der  Bancb- 
nervenplexns  begründet  sein  iniifsten.  In  diesem  Frühjahr  bekam 
eine  82jabrige  Frau ,  nachdem  ich  ihr  ein  herrschendea  Leberfie- 
ber, von  dem  sie  ungewöhnlich  heftig  ergriffen  wurde,  gebeilt, 
bei  der  Genesung  einen  so  angreifenden  Husten ,  dafs  man  fast 
am  das  Leben  der  schwachen  Frau  besorgt  sein  mufste.  Die 
fruchtlose  Anwendung  mebrer  Bauchmiiiel,  worunter  anch  Ni»: 
renmittel  waren  (sie  hatte  nämlich  Sand  in  den  \ieren;  ich  kenne 
ihren  Klirper  genau,  denn  ich  hin  seit  3^ Jahren  ihr  Arsi)  drang 
mir  den  Gedanken  auf,  bei  dem  Gesundwerden  der  Leber  kSnne 
wol  der  Plexn»  renal!*  erkrankt  sein.  Ich  verschrieb  16  Pulver, 
jedes  von  drei'  Gran  Extr.  Ptrhatillae;  sie  nahm  tSglicb  vier,  und 
wie  sie  16  Pulver  verzehrt  halte,   war  der  Husten  gehoben. 

S)iiiter  gab  ich  einem  jungen  Manne  van  steinsüchliger  An, 
der,  wie  die  Untersuchung  des  Hsrns  ergab,  Sand  in  den  Nie- 
ren hatte,  gegen  einen  schon  ziemlich  lange  bestandenen  kur- 
zen Husten  die  Pulsatilla  ganz  ohne  Nutzen:  Mohnaaft  hingegen^ 
zn  einem  halben  Gran  für  die  Gabe  viermabl  tags ,  bändigte  gleich 
den  Husten  und  bef&rderte  den  Abgang  des  Nierensandes. 

Vor  etlichen  Jahren  gab  ich  einem  lOjShrigen  Jungen,  der, 
ohne  früher  lungenkrank  gewesen  xu  sein,  an  einem  kurzen  trock- 
nen Husten  litt,  iifaer  ein  unheimliches  Gefühl  in  der  Nabelgegend 
klagte,  und  dessen  Harn  schmutzig  goldfarben  war,  der  ohne  ge- 
'  rade  vollkoinmen  bettlägerig  zu  sein ,  schleichendes  Fieber  und 
garstige  Gesichtsfarbe  hatte,  anch,  nach  Aussage  der  Malter,  schon 


—     764     - 

M»A  «bgcmagart  ww,  gana  verg^Mia <  luebre  BAHcbmitiel.  Dm 
NicfatbeilwirkM  Hertalben  butiwBle  niicb,  die  PnlMttilla  xii  rei- 
oh«n,  nad  dieie  hob  Bicbt  allein  bald  irn  kursen  Husiea,  ton- 
dern  auoh  gleiebieitig  dni  uahrnmliGbe  Gefühl  io  der  \abelgegen<l. 
Der  icbBUitxiggoldfarbae  lUrn  wurde  aoriual,  dm  Hobleicheiide  Fie- 
ber and  die  gwmige  Gesioblafiu-be  vprschwand,  knrz,  der  Junge 
wurde  gan»  ge<uod.  —  leb -führe  hier  blofi  nackie  Thnisachca  an, 
kann  auch  nichu  anders  anfUhrep,  denn  ich  kenne  das  Banohner- 
venorgHU  nicht,  vnn  dessen  Erkrankung  der  durch  Pulsaiilla  heil- 
bare Husien  abbängl:  die  allgemeine  Vermuihung  jedoch,  dafii  er 
voD  der  Urerkranknng  eines  der  HaiicbRerienplexna  des  8ytii|iBihi- 
■cbeo  Nerven  abhänge,  enthält  nicht  btofg  eine  M^lichkeit ,  son- 
dern eines  ziemlicben  Grad  von  Wahrscheinlichkaii* 

Asthma.  Manche  Menschen  sind  bei  dem  periodischen  Aslb- 
Ma  ernstlich  krank,  ihr  Puls  ist  voll  und  scbBell  und  ihr  Harn  dun- 
kelrolb.  In  diesen  Fällen  Jsi  gewöhnlich  eine  Affekiion  des  Ge- 
■amiatorganisnias  salpetrischer  An  bei  dem  Uebel  und  steigen  das- 
selbe. Ich  babo  raehrmahls  das  ^atrum  mtrieum  mit- sonderlich  gti- 
leu  Nullen  gegeben;  die  Kranken  fühlten  gleich-Erleit^tening,  die 
Anfregung  des  Gefafssyslemea  beruhigte  sich,  der  rothe  Harn  wurde 
blasser,  und  der  ganze  Anfall  kürser;  in  anderen  Fällen  leiiftete  das 
Miuel  aber  gar  nichts.  Der  Grund  dieser  Verscbiedenheii  ist  leicbt 
einsuselien:  in  solchen  Fällen,  wo  das  Asibma  vttn  einer  Uraffek* 
lioa  der  Luftrühre,  oder  des  Latjnx  abhängt,  kSnnen  wir  es  nur 
durch  ein  gutes  Eigenheilmittel  auf  diese  Organe  heben;  in  aolchen, 
wo  es,  cDusensneller  Ari,  von  einen  Ufleiden  eines  anderen  Or* 
gans  abhängt,  werden  wir  es  nur  durch  Beruhignng  dieses  Urlei- 
dens  heben.  Der  fieberhafte  Zustand  kann  dabei  rein  consensueller 
Art,  milbin  dem  kubischen  Salpeter  unbezwingbar  ssio.  Ja  der 
rothe  Harn  ist  dann  nicht  Zeichen  einer  salpetrischen  Affektion  des 
GesamniorganisrauB ,  sondern  eines  conaensuellen  Nierenlndens, 
und  wird  nicfat  durch  kubischen  Salpeter,  sondern  durch  ein  gute« 
Nierenbeihuiiiel  entfärbt. 

Blut  speien.  Das  Natmat  nitricum  ist  ein  gar  gutes  Heit- 
miiinl ,  wenn  eine  aalpelris^e  Affekiion  des  GeaammlorganiMnins 
sich  durch  Blutung  in  den  Lungen  offenbaret.  Ein  solcher  Zustand 
findetsich  nichi  selten  bei  jungen  Leuten,  sonderlich  beim  weiblichen 
Gescblechte ,  die  übrigens  keine  Fehler  in  den  Lungen  haben.  Das 
Aderlässen  ist  in  den  wenigslen  Fällen  nöihig,  macht,  wenn  es  oft 
angewendet  wird,  solche  in  der  Ausbildung  begriffene  Körper 
bauHillig  und  führet  sie  gerades  \^'egeB  zur  Schwindsucht.  DoTs 
aber  censensuelles ,  von  einem  Uibaucbleiden  alihangendes  Blut- 
speien,  welches  gar  häufig  in  der  Praxis  Torkommt,  nicht  durch 
kubischen  Salpeter  kann  gehoben  werden,  tm  uol  kaum  nölhig 
zu  bemerken. 


—    7«ö    — 

LHng«n9Uch(.  Zu  «tieier,  Bonderlteti  in  der  Pktiüü  tw 
t9reu/9tm,  f^cBellet  «Ich  nwcihn  eine  Aflhkiion  dei  Oeiainintor- 
gADismna  uliieirtscher  An,  itie  steh  itiircb  rmnehriM  Unwohlsflia 
dea  Kranken,  durch  volleren  Pnla  and  durch  roihgeflirblen  Harn 
oßenbarei.  Hier  achain  der  kubräche  Salpeter  aichibar  N'ntien, 
indem  er  diesen  Zuslanrf  beaeitigel.  Er  iat  kein  Antiphtküicum, 
aber  durch  Beseitigung  jenes  krankhaften  Zuatandes  des  GeSBinint- 
oi^aninmnt  macht  er.  die  Heilung  der  Lnngensncht  inBglich. 
Wird  jener  Znatynd  riiehl  beachtet  and  nicht  gehoben,  ao  ist  die 
Heiding  nnmSglich.  Rr  eraetit  nicht  allein,  aondem  er  liber- 
triffiE  in  aeiiter  Wirkung  die  Ueinen  Aderlässe,  deren  aich  die 
Aerxte,  Hahracheinlieb  weil  aie  Dichls  beaserea  kannten,  in  «ol- 
eben  Fällen  bedient  haben. 

Pneiimeniache  Fieber.  Unter  diesem  Namen  begreif« 
ieh  das,  waa  die  Alten  unter  Pfeuritit,  PeripHeamonie  und  Plen- 
r9perip»eHt»9nie  begriffen.  Dafa  die  Meinung,  als  ob  in  der  Pleu- 
ritis die  Pleara,  in  der  PeripBeamonie  die  Lunge,  und  In  der 
Plenroperipnenmonie  beide  Organe  entzündet  seiert,  aoch  weiter 
oUhta  als  eise  Meinung  seri,  die  una  bei  Uebong  der  Knast  sn 
«ichla  diene,  haben  acbon  Vor  mehr  denn  hundert  Jahren  verstlln- 
dige  Aersie  begriffen,  aber  der  Mode  wegen  die  alten  WSner 
beibehalten.  *) 

Es  nind  mir  in  den  1  eist  es  i  wanzig  Jahren  keine  Pnennionie« 
Mtpeirischer  Art  vorgekommen.  Im  eraten  Jahre,  da  ich  den 
kubischen  Salpeter  gebranchfe,  habe  ich  einige  ku  behandela  ge- 
habt, nnd  gesehen,  dafs  diese  wenigen  dem  kubischen  Snipeier 
anch  ohne  Aderlassen  wicben.  Jedoch  gestehe  ich  ehrlich,  wenn 
ieb  an  einem  aolchen  Kranken  den  dritten  oder  vtenen  Tag  Her 
Krankheit  gerufen  würde ,  und  daa  Bmslleideo  wSre  heftig ,  ao 
würde  ich  sur  Ader  lassen.  Dies«  Aenfaerung  mag  aber  rielleiclit 
mehr  meine  Unerfahrenheit  als  meine  Erfahrenheit  in  dieser  Krank- 
heit bekunden;  denn  im  Allgemeinen  habe  ioh  den  kubischen  Sal- 
peter als  ein  weit  raftrhtigeres  Mittel  kennen  gelernt,  alle  inner« 
Entziiadangen ,  welche  die  Schule  echte,  aktive,  auch  noch  wol, 
iB  Naehklai^  der  Terschellenen  Erregungstheorte,  slheniscb« 
nennt  y>  XU  zenheilen,    als  das  Aderlässen. 

Es  könnte  aber  meinen  jüngeren  Leiern,  denen  die  Pneumo- 
nien fast  iBglicfa  vorkommen,  meine  Aeofurang,  als  habe  icb 
dieoe  Krankheit  satt  xwanng  Jahren    wenig  oder  gar  nicht  gesa- 


*)  In  der  gani  altea  Walt  fsb  Dtmetrim*,  AnbSBfer  des  Hertphila»,  PsripMa- 
moiie  Dnd  Pluaritlt  al)  LaPieieDiiÖDdant  «d^  dio  aar  dem  firade  nub  ver- 
Mbiedeo  lei.  8«i»e  Warle,  diB  Cael.  AareliaMui  Lib.  II  Cap.  33  dt  »eu- 
li»  aD^hrt,  UalflB  alio:  Peripittiiiiionia  MI  laM»r  {»  tat»  fvlmtn(t  tarpnt, 
ir  part*  tntm  li/mnil,  pltnrlU»  Meitur, 


-    7M    — 

li«n ,  elWH  mIisbui  badüBken ,  und  •{«  köDUm  denken ,  ich  hmhm 
Mlbige  verkannt.  Uieien  lege  icfa  folgendes  ans  Ben,  Entweder 
sertheill  sich  die  Brnsientiündnng ,  oder  sie  gebet  in  Cilemng  riber» 
oder  sie  tddiet  durch  LHhmang  oder  Brand.  Wollt  Ihr  mich  nnn, 
werthe  Kollegen!  nicht  für  ein  solches  Glückskind  ansehen,  dafs 
unter  meinen  zBuberischen  HSnden  alle  echte  EntxrmduDgen,  ohne 
Anwendung  der  entsHndnngswidrigen  Hälfen,  sich  von  selbst  ler- 
ibeilt  hKtten ,  so  werdet  Ihr  annehmen  möss^n ,  dab  ein  guter  Tfaeil 
der  verkannten  Pneumonien,  entweder  in  Eiterung,  oder  in  den 
Tod  hfiltan  übergehen  müuen.  Wenn  Ihr  nnn  je  zu  einem  an  Pnen- 
monie  Leidenden  so  NpftI  gerufen  seid,  dafs  Ener  Aderlässen  die 
Eilening  nicht  mehr  kehren  konnte,  so  werdet  Ihr  Euch  doch  wol 
überzeugt  haben,  dafs  ein  grofser  Grad  von  Dumgitheil  dazn  ge- 
hören würde,  den  Uebergang  der  Enizündong  in  Eiterung  zu  ver- 
kennen. 

Stirbt  aber  einer  an  der  Heftigkeit  einer  echt  enlnindlieben 
(salpetrinchen)  Pneumonie,  wir  miVgen  uns  nnn  vorstellen,  die- 
ses geschehe  durch  Lfthmnng  oder  durch  Brand,  so  würde  wahr- 
lich noch  wehr  als  Dummheit  dazu  gehören ,  solches  sn  rerkeu- 
nen.  Ich  habe  nur  ein  einziges  Mdhl  aolcb  einen  Kranken  de* 
Abend  vor  seiner  letslen  Nacht  gesehen;  wollte  mich  aber  lieber 
drei  Mahl  henken  lassen,  als  ein  Mahl  an  einer  solch  verdamm- 
ten Krankheil  sterben. 

Ihr  kanntet  hier  sagen,  werihe  Amisgenosmn!  ich  gefalle 
mir  Jn  Ueberireibnngen.  Auch  Ihr  hSitel  solche  brustkranke  Men- 
schen ,  bei  denen  Eum  Blailassen  nicht  hülfreiah  gewesen,  ster- 
ben sehen,    aber  sie  seien  eines  sanften  Todes  verschieden. 

Ich  glaube  wirklich,  meine  Freunde!  dafs  Ihr  Encb  tSuscbt. 
Wenn  Ihr  solche  Leiden  des  Geiammtorganismas ,  die  unter  der 
Heiigpwftit  des  Eisens,  oder  des  Kupfers  siehn ,  und,  in  den  Lun- 
gen vorwaltend,  sich  ata  Pneumonie  oSenbarten,  fit  salpeiriHchfl 
Afteklion  hallend,  mit  Aderlassen  angegrißen  habt,  so  habt  Ihr 
nach  dem  ersten  oder  nach  dem  zweiten  Aderlefs  die  Menseben 
zuweilen  unvermuihet  eines  sanften  Todes  sterben  sehn;  voraus- 
gesetzt; dsls  sie  nicht  nach  dem  Blutlassen  unsinnig  geworden, 
in  welchem  Falle  wir  kunstmäfsig  sn  sagen  pflegen,  die  Jfrank- 
heit  habe  einen  nervSsen  Charakter  angenoninien.  Oder  Ihr  habt 
Leber-  und  Mi IzaflTeki innen ,  die  nicht  selten  mit  contensu eilen, 
schmerzhaften  Brnstleiden  nnd  blutigem  Auswurfe  verbunden  sind, 
ja  zuweilen  einzig  durch  diese  cons^nsuellen  Brustleiden  sich  dem 
Arzte  sinnlieh  offenbaren,  fßr  echt  eniziindliche  Pneumonien  gehal- 
len, wo  Ihr  dann  auch  zuweilen  nach  dem  zweiten  Aderlafs  (selte- 
ner nach  dem  ersten)  ein  sanfieH  Hinscheiden  des  Kranken  gewah- 
ren konntet.  —  Aber  glaubt  es  mir,  an  echter  entzündlichen  Pneu- 
monie sterben ,  ist  ein  ganx  anderes  Ding, 


-    7«7    — 

V^'SreB  <li«  t^chl«»  enttiia4lich«n  Pmamoniea  m  hRufig ,  all 
«in  grofaM-Theii  d»r  Praktiker  (nach  ihrer  Bsbsndlnng  Kuachliefno) 
glanbr,  so  mufsie  man  nnter  der  geringen  Volksklaue  auf  dem  Lan-  - 
de,  die  entweder  aiis  Arinnth  die  Hiilfe  der  Kansl  gar  niclii ,  oder 
erst  spät  sucht,  allenihniben  auf  lungensiichlige  Menscheo  stofsea. 
In  der  Wirklichkeit  findet  sieh  das  aberniehlso;  im  Gegenibeil, 
die  meisten  Schwindffuchien  kommen  ron  chronischen  Bauchleideo, 
ein  anderer  Theil  von  vernachliasiglen  Katarrhal  hu  aten ,  ein  drit- 
ter von  älierlicher  Erbschaft,  und  our  wenige,  sehr  wenige  von 
TernachlRsBigler  Pneumonie. 

Affekiionen  der  Leber  mit  eonsensuellen  Hasten,  Seiiensteeben 
iifld  bttiiigem  Auswurfe,  werden  hänßg  für  LungeDenisnadungea 
gehallen  und  mil  Aderlassen  und  dem  antiphlogistischen  Heilapparat 
behandelt.  In  diesem  Punkte  kann  ich  rnieh  unmöglich  Ifiiiscben, 
denn  ich  habe  in  meinem  Leben  au  viel  also  behandelte  und  ver- 
■iieintlieh  gehellte  Menschen  anier  meinen  HüBcIea  gehabt.  Ge- 
heilt waren  sie  wahrhaftig  nicht ;  sie  hatten  gantige  Mifsfarb«, 
kurzen  linsten,  beiehleuaigten  Puls,  manche  hallen  Nachtschwei- 
fse,  sie  befanden  sich  in  einem  quineoden  Zustande  nnd  wurden 
nur  dnrch  Bauchmittel  wieder  gesund.  Suchen  solche  Leute  aber 
nidit  in  Zeilen  Hiilfe,  oder  finden  sie  nii-ht  die  passende,  so  wird 
das  censenauelle  Lungenleiden  xuni  Urleiden  dieses  Organs,  es 
enislefael  Eiterung  in  demselben  und  eine  noheilbare  Schwindsucht 
mnchi  den  Beschluls. 

Es  ist  seit  gar  aller  Zeit  der  Gebranch  gewesen ,  dafs  e>a  gro- 
fser  Tbeil  Aentte  Kiemlicb  blindlings ,  oder  doch  nach  höchst  unsi- 
eheren  Zeichen  sich  richtend  ,  bei  jedem  fieberhaften  Seitenstechen 
.  zar  A'der  gelassen ,  nnd  ubgleich  ron  2eit  sn  Zeit  kluge  und  vor- 
sichtige Meister  gegen  solchen  Unfug  geeifert ,  so  ist  es  doch  bis 
Jetzt  so  ziemli^  in  der  Medixia  beim  Alten  geblieben.  Chiif.  Bai' 
foHiUM  sagt  (Lii.  1  epid.  et  ephe».  pag.  79J.'  IncredibUt  ett  dictu^ 
quem  mnlto»  trita  vülgalaque  medtndivia,  ac  prae$ertim  im  pieu- 
ritide  perdidU:  nam  andilo  lateria  dolori»  nomine,  »i  qiu'»  aliud 
praeter  venaetectionem  remedium  teniet,  amalhema  etta.  Und  wei- 
ter unten  in  der  nämlichen  Stelle :  Nulla  e*t  cam»a  tarn  exilia ,  tarn- 
pie  parum  ejfficax ,  quae  non  dahrem  i»  latere  excitet :  ac  aequum' 
ne  est ,  tanquam  caute  eadem  nt ,  ac  idem  malvm ,  remediomm 
idem  aturpare,  et  omnihu»  eundem  coikumum  attribueret 

Ja.  Beumiut  (ad  apkor.  Hipp.  33  Seet,  6J  sagt :  In  eorporibu» 
frigidit  ac  pituitoiia  taepe  gravi— im*  dolore*  laterum  a  Jialibu» 
oriuntur  fotibut  mitigandi;  si  venam  pertvderi*  neea&ii.  Vidi 
formotam  mulierem ,  quae,  cnmßatibut  oiuoxia  ettet^  accumcoe- 
nattet  liheraliu» ,  noct«  in  acerbum  laierit  dolorem  coajecta  fuit^ 
illico  a  »ecta  vena  periit.  Die  Allen  ballen  viel  mit  Winden  im 
schaffen,    diese  Meinung  des  Verfasser«  wollen,  wir  niebt  bekrit- 


lein;  abgeR^hrn  von  derielbBn ,  laaiet  aber  dia  rein«  Beobnch- 
IHI^;:  dafa  durch  BaachaßfikliODen  (die  freilieh  iuweil«n  Winde 
verursachen  )  en t »1  n du ngstlhn liehe  Brunleideti  entBlehen  können, 
welche  durch  Aderlässen  nicht  beseitiget  werden,  sondern  het  de- 
nen dHBselbe  gafXhrlich  ist.  Mir  selbst  sind  mehre  FBile  in  mei- 
nem Leben  TOrgekommen ,  die  mit  Uem  des  Hetimiu*  grofse  Aehn- 
lichkeii  hatten  nnd  bei  denen  die  Wirkung  des  Aderlasses  aueh 
nm  kein  Haar  preislii^er  war, 

i*'  Hnffmaitn ,  in  seiner  Med,  Rat.  lytlem.  in  dem  Kapitel  de 
Plenriliäe,  sagt  in  derNachschrirt  xu  der  letzten  Kranbengesohichfe : 
Id  aufem  €X  cmn  koc  in  umm  praeticum  eoHvert^e  licet:  quod  ori' 
go  peripneumMici  mtrfi  eliam  enepottit  in  primU  viiiy  ai  «/oaw- 
eku»  flatihK*'et  apaimii  HetiHelnr,  qiti  iangMinem  nimia  copia  md 
parte»  ntperiore»,  imprimi»  theraeem,  ttrgent.  Tun  qmidtm^  *i 
candide  aeger  delictuM  confitettiry  (HoSinann  denkt  hieran  Mifs- 
btauch  von  Speise  nnd  Trank)  o«ca«»t'o  datWj  cito  praetcindendi 
gravem  Jvturum  moröum ,  ricomMode  evacuantiimi,  ftniorihtt  eme- 
tieir,  laxanli&tu  aut  cfytteribut,  primae  viäe  a  sordibnt  deplemt' 
tur.  Und  in  der  Nachschrift  zn  der  vierien  Geschichte  stigt  er: 
Saepita  ofnervart,  ex  aolo  dohre  eoh'eo  praecedenle ,  qvi  clgileri^ 
hu»  et  aUi*  congrui*  facHe  lofvi potnitset ,  orlam /uisse  periptmi- 
utoniam  in  ro6u»tit  et  crntio'»anguine pleni» ,  praetertim  »ettiw. 

Jeder  Mensch  trägt  die  Fesseln  seines  Zeitalters,  auch  J<\  Hoff' 
man»  macht  hier  keine  Ausnahme.  Fr  legt  offenbar  viel  su  grt^ 
fse  Wichtigkeit  auf  Diäifehler.  Wo  blofs  und  allein  Speise  iiitd 
Trank  die  Bauchaffeklion  nnd  die  tod  dieser  abhängende  pneumo- 
nische ßruslaBeklion  machen,  da  ist  wahrlich  bald  lu  helfen;  so 
'etwas  ist  aber  kanni  wenh,  dafs  man  verständige  Leute  daraaf 
aufmerksam  macht.  Weit  ernsthafter  sind  solche,  von  unbekann- 
ten Einflnssen  abhängende  Atfektionen  der  inneren  Subatanx,  oder 
des  convexen  Theiles  der  Leber,  welche  sich  nicht  durch  ver- 
mehrte oder  etgepschafilich  verftnderte  Gallenabsondernng,  son- 
dern, leider  nur  lu  oft,  einzig  durch  die  pneumonische. consen- 
suetle  Aflektion  offenbaren.  Wahrlich !  wenn  solohe  Krankheiten 
anfangen  zn  herrseben ,  kann  ich  den  Arzt  nicht  tadeln ,  der  eio- 
mahl  einen  Mifsgriff  macht;  denn  in  dem  einzelnen  Falle  ist  es 
bar  anmöglich ,  die  Natur  der  Krankheit  richtig  xu  erkennen,  nnd 
der  KlGgste  kann  daneben  greifen.  Nor  durch  VergTeichong  neh- 
rer  Fslle  in  verschiedenes  Zeiträumen  der  Krankheit  kann  man 
zu  der  richtigen  Beurtheilung  einer  solchen  hetricbenden  Tmg- 
pnenmonie  gelangen,  üehrigens  bewirken  gerade  diese  Leberaf- 
fekiionen  am  ersten  steche  Erscheinungen,  von  denen  y.  Hoff- 
mmtn  spricht;  denn  wie  sie  consensuell  die  Därme  berühren  und 
Kolik  machen,  so  kSnnen  sie  auch  conseaauell  Lunge  oder  Brust- 
kastMi  berühren  nnd  pneumonische  ZofiHle  machen ,  ja  dies«  oon- 


BMUuellen  ZuftlU  kdnnen  in  einem  nnd  dem  nüiulichen  Körppr 
abwechaelD.  Diu  aind  deon  wol  die  Pneamonien,  von  den«D  Hoff- 
maan  tagt,  daüi  •!«  auf  Kolik  fol^n. 

Ich  habe,  wie  oben  bemerkt,  zu  wenig  GelegeDhcit  gehabt, 
die  Wirknng  dei  knbisehen  Salpeters  in  der  aogennntiien  echten 
entsnndliobeD  Pnenmotiie  durch  Erfahrung  kennen  za  lernen,  wenn 
i^  alto  nicht  m  sagen  wage,  dad'  das  Aderlässen  ganz  dabei 
kSnne  entbehret  werden,  so  waifi  ich  aber  doch  wo),  dafs  die 
Sfiere  Wiederhoinng  desselben  durch  den  kubischen  Salpeter  sehr 
wird  beschränkt  werden. 

Vor  vierzig  Jahren,  da  ich  noch  an  kein  Nafrum  nilriemm 
dachte ,  sab  ich ,  dafs  die  Heilung  der  Poeunionie  durch  Aderläs- 
sen in  allen  den  Fällen,  wo  man  den  Kranken  nicht  liglich  be- 
suchen kann,  eine  hdehst  unrollkommene  und  unausführbare  Sa- 
chs sei,  nnd  kam  deshalb  auf  den  Gedanken,  nach  eiiimahligem 
Aderlassen  das  Qaeckailher  zd  reichen ,  welche  Heilart  damahls 
zwar  nicht  unbekannt,  aber  doch  in  Pneumonien  noch  wenig  ge- 
brSnchlich  war.  Diese  QuecksilberhebandluDg ,  welche  ich  aas 
blofser  Noih  ergriff,  um  nSmIich  den  Landlenten,  die  man  in 
Ihren  entlegenen  und  zerstreuten  Wohnungen  doch  unmSglich  täg- 
lich selbst  sehen  kann,  besser  dadurch  zu  helfen >  (über  welchen 
Gegenstand  man  im  lOlen  Bande  des  Hufelandschen  Journals  einen 
AnfBatz  BUS  jener  Zeit  von  mir  findet)  will  mir  jetzt  nicht  mehr 
recht  gefallen.  Gesetzt,  der  kubische  Salpeter  sei  um  kein  Haar 
mächtiger,  solche  echt  enuundlicbe  Pneumonien  au  lerlheilen, 
als  das  Quecksilber,  sondern  diesem  nur  gleich,  so  würde  es 
doch  jedenfalls  geraihen  sein,  .ein  dem  Organismus  befreundete« 
Mittel,  dem  feindlichen  vorzuziehen.  Uebrigens  ist  auch  das  Queck- 
silber bei  Eolzündungen,  abgesehen  von  seiner  bekannten  Unbe- 
quemlichkeit, nicht  ganz  sicher;  über  welchen  Gegenstand  ich 
aber  an  einem  schicklicheren  Orte  mehr  sagen  werde. 

Denen  meiner  Leser,  die  bei  enizündlishen  Pneumonien  ein- 
zig das  Heil  in  wiederholten  Aderlassen  zu  finden  glauben,  be- 
merke ich  noch,  dafs  reichliche  Blnienf7.iehungen  nicht  immer  die 
Zertheilung  der  Entzündung  verbürgen.  Ich  habe  bei  den  prakti- 
schen Schriftstellern  manche  Ffille  gelesen ,  in  denen  trotz  dem 
Aderlässen  die  Entzündung  in  Eiterung  überging,  mir  aber  solche 
Falle  nicht  gerade  schriftlich  bemerkt,  es  nürde  mir  auch  jetzt 
grofse  und  langweilige  Mühe  machen,  selbige  wieder  aufzufinden, 
denn  in  den  Registern  der  Bücher  kann  man  so  etwas  wol  suchen, 
aber  ob  man  es  darin  findet,  ist  eine  andere  Frage.  Da  ich,  um 
die  oben  angeführte  Stelle  in  F.  Hoffmannt  Med.  Bat.  »y»tem.  zu 
suchen .  dieses  Buch  noch  auf  dem  Tische  liegen  habe ,  sehe  ich 
gleich,  dafs  die  Fünfte  Krankengeschichte  des  Kapitels  de  fehrt- 
6u»  pneumonicit  einen  solchen  Fall  enlhrdt.     Hier  wird  Hoffmann 


—    770    — 

nicbt  spfit,  Hondera  glsich  gerafeot  und  er  sagt;  Ego  voeaAw, 
vataeieciioHe  repefiUt  et  puheriiiu  tmtipietiriticU ,  nitro»it  el  ein- 
naharinit,  nee  uon  potu  ii^wi  t&eiformü,  a  perieulotit  lä>erat>i 
ipaum  tymplomalilui.  Bematuil  autem  tmnit  jvaeilam  cum  lenta 
ftbre,  virinm  langnore  corporwqne  M«rcore,  re»piratioue  tarnen 
HÖH  ttdeü  d^fficili.  Nnu,  nach  acht  Wochen  ist  die  eneugie  Eiter- 
beule geboritsn  —  der  Kranke  auf  £in  Mahl  über  ein  Mafs  Eiier 
losgeworden,  hat  darauf  noch  einen  Monat  lang  Eiter  ansgewor- 
f«n  nnd  ist  nach  und  nach  wieder  lar  (jaanndbeil  gelangt. 

Wäre  nun  bo  etwas  einem  blutscbaaea  Arxte  beg^nei,  lo 
könnte  man  denken,  der  habe  die  Aderlabbehandlang  nicht  ver- 
standen; aber  Hoffwum»  war  «ahrbafiig  nicht  blutscheu;  also  im 
dieser  Fall  doch  wol  beweisend ,  dafs  der  Oebergang  der  E^tzdn- 
dnng  in  EUwnng  nicht  unbedingt  darch  wiederfaoltes  AderlaneH 
abzuwenden  sei.  Jedem  sinnigen  Ante  mufs  mithin  ein  Mittel 
schälxhar  sein,  welches,  ohne  feindlidie  Nebenwirkung,  mSch- 
tigere  Kräfte  besitzt,  echte  Entiöndungen  innerer  Gebilde  su  zer- 
iheiten,    als  irgend  ein  anderes  bis  jetzt  bekanntes. 

Ich  rathe  meinen  jüngeren  Amtsgenossen,  hinsichtlich  des 
AdeHassens  bei  Pneumonien,  nicht  blindlings  der  Meinnog  oder 
der  Mode  unseres  Zeitalters  zu  folgen ,  sondern  auch  das  zu  lesen 
nnd  xn  erwDgen ,  was  frühere  gute  und  erfahrene  Meister  darüber 
gesagt.  Zum  Helmottt  möchte  ich  sie  nun  gerade  nicht  in  die 
Schule  schicken,  aber  Ern^i  Stahl  kann  ieb  ihnen  milgotem  Ge- 
wissen empfehlen.  Theils  in  dem  Co/legi»  practica  desselben, 
theile  hin  nnd  nieder  in  den  Diasertaliooen  findet  man  treffliche 
Bemerkungen  und  gar  nachdenkliche  Andeutungen  über  den  be- 
sprochenen Gegensland,  und  seine  Dissertatiun  De  venaetec- 
tione  in  febribu»  acHlia  könnten  ancfa  wol  manche  ältere 
Praktiker  noch  mit  Nutzen  lesen.  ") 

Ich  komme  jetzt  auf  die  Affekiion  des  Gesamratorganismus, 
weldie  im  Bauche  vorwaltet. 

Schmerzen  des  Darmkanals,  \velche  bald  als  sogenannte  Ma- 
genschmerzen,  bald  als  Kolik  auftreten,  sind  in  manchen  Fällen 
salpeirischer  Natur,  vorzüglich  mnls  man  in  unserem  Lande  an 
diese  Wahrheit  zur  herbstlichen  Zeit  denken.  Wenn  ich  aber  6ber 
die  Natur  der  Magen-  und  Bauchschmerzen  im  Allgemeinen,  wie 
sie  Jahr  aua  Jahr  ein  Torkommen,  urtheilen  soll,  so  mnfa  ich 
naefa   meiner  Erfahrung  sagen,    dafs  sie  in  den  wenigsten  Fällen 


*J  Ig  der  Den«r«D  Litemlsr  iat  di«  AbliiBdluiif  tm  B.  Danria  iibar  di«  As- 
wendoBg  i*a  Tori.  tiib.  in  der  P«ripDeniiiani«  bemerk  cd  iwerLb.  (Neue  Samn- 
Isng  ■uerleiner  Abhaudl.  mm  Gebnnche  pnkt.  Aenle  B.  XV  St.  1.)  Min 
flndet  bier  du  VerhSirgir«  der  bei  wiederbolleai  AdM-lawea  GebeiUcp  mA  G«- 
•turbenan  ,   nach  Lanntc ,    chomel  aad  Loait  anssgeben. 


—    771    — 

6tiw  in  dem  Dannkanale  Tonvalteade  AffiektiOB  des  QetmnnUor- 
ganiBiniu  sind ,  londern  in  den  »eisten  entweder  ein  Urleiden  der 
DBma ,  oder  ein  conaennellei ,  welches  von  einem  Urleiden  eines 
anderen  Bauchorgans,  der  Leber,  der  Mils,  des  Pankreas,  oder 
dea  Gekröses  abhängt.  Wir  bednrfen  also  in  den  meisten  Fällen 
der  Eigenheilmiliel  auf  die  Banehorgane  weit  dringender  als  der 
UniTersalmidel.  Aber  gerade  diese  Beebachiang  könnte  am  er- 
sten einen  jungen  Arzt  auf  die  irrige  Meinung  bringen ,  als  mässe 
das  immer  so  sein  und  kSnae  nicht  anders  sein.  Es  kann  aber 
nicht  blols  anders  sein ,  sondern  es  ist  auch  nicht  selten  anders ; 
denn  im  Herbste  besonden,  und  auch  im  Winter,  heilt  man  zn- 
weilen  Koliken  Sberras^end  schnell  durch  den  kubischen  Salpe- 
ter, die  dnrek  DarmkeilBiltal  eher  TerschUmmert  als  verbessert 
werden. 

Ich  habe  manche  Aersie  geftmde»,  die  bei  der  Kolik  ans  der 
Empfindlichkeit  des  Bancbes  für  äufsere  Beriihmng  und  aus  dem 
lebhaften  Fieber  eine  Entxündang  der  Därme,  orfer  des  Bauchfel- 
les ariiennen  wollten.  Ja  b)b  junger  Mann ,  selbst  in  diesem  Irr- 
ihnme  verstrickt,  zapfte  ich  solche«  banchkranken  Menschen  ein-, 
zwei-,  dreimahl  das  Blol.ab.  Da  ich  aber  älter  wurde  nnd  gute 
Organheilmillel  kennen  lernte ,  sah  ich ,  dafa  ith  nicht  selten  in 
ein  paar  Stunden  nnd  zuweilen  selbst  durch  eine  oder  zwei  Arze- 
neigaben  solche  heftige  Bauchschmerzen  hob ,  dafs  dann  die  Em- 
pfindlichkeit dea  Bauches  mit  dem  Schmerze  verschwand  nnd  das 
Fieber  von  selbst  aufböHe.  Weil  ich  nun  unmöglich  glanben 
konnte,  dafs  eine  wirkliche  Entzündung  der  Därme  in  einer  oder 
in  ein  paar  Stunden  eo  gründlich  zu  heben  sei ,  so  gewann  ich 
die  Uefaerzeagung ,  dafs  die  Wichen,  aus  denen  ich  früher  die 
Bkt«ritit  hatte  erkennen  wollen,   hßchst  ansicber  sein  müfsten. 

Rtthr.  Diese  Krankheit  hat  in  den  telzten  zwanzig  Jahren 
daa  Clevisdie  Land  so  sehr  verschonet,  dafs  sie  es  nnr  ein  etn- 
siges  MaU  nnd  zwar  die  Hauptstadt  ein  wenig  besucht  hat.  Ich 
habe,  so  lange  ich  Ant  war,  sechs  ordentliche  Epidemien  ver- 
■chiedener  Art  beobachtet:  ottmlick  iqi  Jahr  1796  in  Cleve,  1800 
und  1802  in  Goch,  tU08  in  deni  jetzt  niederländischen  Grenz- 
«tidtchen  Gennep,  1810  und  1811  in  Goch.  Ueberdies  habe  ich, 
mit  Aasscblufs  weniger  Jahre,  jeden  Herbst  mit  Ruhren  zu  thnn 
gehabt ,  nnd  bei  diesen  sich  nicht  verbreitenden  Herbstmbren  man- 
che merkwürdigere  nnd  belehrendere  Fälle  beobachtet  als  in  den 
«igentlicben  Epidemien. 

Bevor  ich  von  dem  Gebraoche  des  kubischen  Salpeters  spre- 
che, nula  ich  nothwendig  meine  Beobachtung  Ober  die  zwei  ganz 
verschiedenen  Hauptformen  dieser  Krankheit  voranschicken. 

Diese  zwei  Formen. unterscheiden  sich  dadurch,  dafs  die  eine 
ein   Ergriffensein   des  ganzen   Dannkanals,    die  andere   blofs  ein 


—    772    — 

flrgriRcDaein  des  Mastdarmes  ist.  Wir  wollen  die  erste  also  Darm- 
ruhr uod  die  andere  MaBldaritiriihr  nennen.  Vier  der  von  mir  be- 
handelten EpidemieD  waren  Darmrahren;  eine  derselben,  welche 
ich  als  französicher  Bezirksarxt,  aber  nicht  als  lilofs  Bericht  er- 
Blatlender,  sondern  aU  wirklich  behandelnder  beobachtet,  unter- 
■cbied  sich  von  den  drei  anderen  dadnrch,  dafs  im  Allgemeinen 
die  Reizbarkeit  des  Dariiikanals  bei  weitem  nicht  so  hoch  gestei- 
gert war  als  bei  jenen,  weshalb  ich  sie  in  der  Mehrzahl  klefs 
mit  der  Tinktur  der  Krühenangen  bellen  konnte,  und  zwar  im 
Durchschnitt  in  acht  Tagen,  da  in  den  drei  andern  Epidemien 
fast  die  doppelle  Zeit  zur  Heilung  erfo  'ert  wurde.  Uebrigens  war 
sie  auch,  hinsichtlich  der  G'erahr  und  hiosiehtlioh  der  Schwierig- 
keit der  Behandlung,   iiiit  jenen  nicht  zu  vergleichen. 

Die  zwei  Mastdarmruhrepideinieu  behandelte  ich  im  Jahre 
1810  und  181 1  und  hatte  damahia  Gelegenheit,  sie  auch  in  ver- 
schiedenen jenseits  der  Maas  gelegenen  Ortschaften  zu  beobach- 
ten.    Sie  war  dort  gerade  so  geartet  als  hier. 

Bei  der  Darmruhr  ist  der  Darmkanal  vom  Magen  bis  zum  Af- 
ter ergriffen,  jedoch  wallet  das  Ergriffensein  des  Afiers  im  ersten 
Zeiträume  etwas  vor,  und  offenbaret  sich  durch  ganz  kothlosen, 
blutigen ,  Bcbrappseligen  Abgang  mit  mehr  oder  minder  StnhI- 
zwang.  ,  Die  ganz  reine  Darmmhrforni ,  bei  der  gar  kein  Vorwal- 
ten im  Mastdarm  St»lt  findet,  bei  der  diiankoihige  Stoffe  al^e- 
hen,  die,  wegen  eines  consensnellen  Ergriffenseins  der  Gallen- 
gSnge,  grau  von  Farbe  sind,  hat  die  gröfste  Aehnlichkeii,  ja 
Gleichheit,  mit  einem  gewöhnlichen  fieberhaften  Durchfalle.  Sie 
nnlerscbeidet  sich  von  diesem  blofs  dadurch ,  data  sie  in  hohem 
Grade  gefährlich  ist,  sie  kann  in  vier  Tagen  tödien.  Höchst  wahr- 
scheinlich ist  sie  aber  wo]  nie  allgemein  oder  landg^ngig  geuor- 
den;  ich  habe  zum  wenigsten  noch  nie  davon  gelesen  nnd  sie 
selbst  nur  in  einzelnen,  seltenen  Fällen  bei  Darnirubrepidemien 
beobachtet.  Die  diarrhoea  maligna,  von  der  uns  Bartholinmt 
eine  kurze  und  leider  sehr  unvoUkommeae  Beschreibung  hinter- 
lassen (Hiri.  anatom.  Oat.  II  Hitt,  65>  scheint  eine  gans  an- 
dere Krankheit  der  Dfirme  gewesen  zn  sein. 

Die  Maetdarmrubr  sitzj  blofa  im  Mastdarm ,  der  übrige  Dann- 
kanal  ist  nur  wenig,  vielleicht  nur  miJeidlich  ergriffen.  Das  ist 
die  Ruhr,  von  der  die  Schriftsteller  sagen,  dafs  bei  der -Besäe- 
rung  harte  Kothklumpen  abgehen. 

Uebrigens  sind  die  Zeichen ,  durch  welche  man  beide  Ruhr- 
arten in  dem  Einzelfalle  unterscheiden  könnte,  höchst  unsicher. 
Macht  man  aber  von  dar  Mehrzahl  der  Falle  einen  Abzug,  so  wird 
folgender  Unterschied  wol  der  Wahrheit  am  nicbsten  kommen. 


D,riz.dt,Güüylc 


rläaf«: 


MHBldariiiruhr. 
t'orUufertcitrauDi 


Wahret  Ein  bil  drei  Tage,   o.ler  «ul  Ist  «dir  kurz.   Wen«  die  Menschen 

noch    länger.       Ei    geltet    entweder    aui  Murgea  Unbeiiaglichkeit  itu  Bau- 
grauer    gebundener  Koth  ab,   oder    che    fühlen,    hahen    sie    Bui    Abend 


h  Sgl  ich  kl 


>r.  Dabei  im  Unb«- 
Mattigkeit,  Hauch- 
lerz ,  Ulier  ein  Gefühl  von  l''lau- 
und  Leere  im  Efigiutrio. 


■chon  die  Ruhr  mit  blutigem  Ab- 
gänge, und  Kenn  sie  abeudi  so  et- 
»as  fahlen,  können  lie  ichou  in 
derselben  Nactit,  «der  am  folgenden 
Morgen  die  Ruhr  haben.  Nicht  we- 
nige werden  auch  ohne  die  gering- 
■te  Warnung  ergriffen. 


Zeil 


khei'taforni, 
der  Matt- 


Erster  Zeitraum  de 
bildeten       Krankhe 


ehni 


rung. 


I.  DieStüfaie  sind  mehr  oder  min- 
der hüulig,  kothlos,  dunkelblutig 
mit  Scbrappsel  gemilcht.  Die  Men- 
ge dei  bei  jedem  Stuhle  Auigeleer- 
ten  iit  weit  beträchtlicher  all  bei  der 
Maitdarmruhr.  Wird  die  Krankheit 
vernachläMiget ,  oder  übel  behau- 
delt,  10  gehet  in  der  Folge,  abwech- 
lelnd  mit  dem  Blute,  allerlei  bunt- 
gefärbter  Schleim  ab,  nicht  lellen 
achleimigei  gallertartige!  Zeug  wi« 
dunkelgrünei  Glai. 

2.  Der  Stuhlgang  int  tuafiig. 


3.  Erbrechen  ist  häutig. 

4.  Abgeiehea  vcu  dem,  jedem 
Stuhle  vorangehenden  Bauchkneipen, 
findet  man  heftige  Bauchtch merzen 
leiten.  Der  Bauch  iit  emptindlicb 
fär  die  Betaitong. 


5.  Hamitrenge  iit  i 
ZufaU. 


I  gemeiner 


I.  Die  Stühle  lind  lehr  häufig, 
wol  duppelt  H  hüulig  all  in  der 
Darmruhr.  Der  Abgang  kothloi, 
blafiblutiger  Sehleim  in  geringer 
Menge,  oder  blofa  weifier  Schleim 
mit  blutigen  Streifchen  durchiogcn, 
oder  hellrothei  Walser  mit  weifiem 
Schrappiel;  leiten  dunkelblutig  mit 
Schrappiel. 


2.  Der  Stuhlgang  iit  heftig,  und 
kann  von  lelbit,  oder  durch  üble 
Behandinng  bis  suni  Vorfalle  dei 
Maitdarmei  gelte  ige  rt  werden. 

3.  Erbrechen  Hudet  leiten  Statt. 

4.  Abgeiehea  ron  dem,  jedem 
Stuhle  Torangeh enden  Bauchkneipen, 
liDdet  lieh  ilarker,  auhaltender 
Baucliscbmeri  weit  hantiger.  Der 
Bauch  ist  jeilenfalli  empfindlich  für 
die  Betastung. 

5.  Harnatrenge  gehört  su  den 
ungemeinen  Zufällen. 


-    774    - 

Zveiter    Zettramn    der   lut-  Zweiter   Zeitraum    der   «n»- 

geblldeten  Krankheittfortn,  gebildeten  Krankheitsf orin, 

oder  Zeitraum  der  Mast-  oder  Zeitraum  der  Mait- 

darmilSaang.  darmlSsung. 


■  ang. 

I.  Tritt  bei  einer  urecIcmSfaigen 
Behandlung  den  dritten  oder  riertea 
Tag  ein  und  e*  erfolgt  dünner,  ko- 
thiger  Abgang.  Ohne  Diütfehler 
kehret  selten  oder  nie  die  Mutdarm- 
EUichnürnng  zurflek>  sondern  der 
kothlge  Durchfall  bleibt  fortan  ko- 
(big ,  mit  Bauchkneipen  vor  den 
Stühlen. 


2.  Nach  der  bisherigen  Behand- 
Inng  hat  man  ungefähr  lehn  Tage 
Werk,  den  dOnnflüMigen  Abgang 
gonndheitigemSiB  m  machen ,  vor- 
auigesetzt,  dais  der  Kranke  nicht 
früher  nirbt.  Bittere  und  tusam- 
meni  ich  ende  Mittel,  Wein  und  Wein- 
geiat  Tcrmehren  die  Zahl  der  Stühle 
und  machen  den  Koth  dünner,  >o 
da»  man ,  nach  der  biehcrigen  Wei- 
se ,  fast  blofi  auf  den  Mohnsaft  b«- 
schrftnkt  blieb. 


1.  Sein  EiDtritt  ist  nnbestimm- 
bar,  er  kann  erst  den  lechiten,  ach- 
ten, Kchnten  Tag,  ja  wol  noch  spä- 
ter beginnen.  Ea  gehet  dann  ent- 
weder nrdentlicb  geformter,  oder 
breiiger  Koth  ab.  Auch  ohne  DiÜI- 
fehler  kann  aber' die  Mastdarrosu- 
■eboürang  sich  aufs  neue  einstellen, 
und  die  wandelbaren,  bald  kotbi- 
gen,  bald  blofs  blutig  schleimigen 
Entleemogen  k5nneu  mehre  Tage 
abwechseln.  Ist  die  Krankheit  sich 
selbst  überlaaaen ,  lo  Terbreitet  sieh 
der  krankhafte  Reis  im  Mastdarme 
nach  und  nach  über  den  gansen 
Dsmikanal,  erregt  in  diesem  eine 
vermehrte  Ahionderung  der  Säfte 
und  eine  renuehrte  .  wurm  form  ige 
Bewegung,  die  sich  durch  dünnko- 
thigen  DnrohblE  offenbaret.  Auf  die 
Weise  wird  durch  die  Krankheit 
selbst  ein  antagonistisch  er  Keii  auf 
die  dQnnen  Därme  gebildet ,  der  die 
Mastdarm  tu  seh  nnrung  aufhebt  Der 
nach  lang  veriögerter  Mastdarmlö- 
Bung  erseheinende  dunnkothige  Ab- 
gang führt  inweilen  grofse,  harte 
Kothklnmpen  aus. 

2.  Je  kurier  dieMastdarminschnü' 
rung  gewähret,  je  weniger  hat  man 
mit  dem  Durchfalle  au  thun.  Nach 
gehobener  Mastdarmauscbnürung  ist 
die  Krankheit  in  vielen  Fällen,  gana 
gehoben ,  es  gehet  dann  gleich  ge- 
formter, oder  breiiger  Koth  ab.  Der 
Durchfall  aber,  der  bei  lange  rer- 
■ögerter  Mastdarm lösung  überbleibt, 
ist  Euweilen  hartnäckig.  Columbo- 
wurael,  oder  Catechu,  besonders 
letste,  sind  auagezeiehnet  heilaani. 


3.  Bei ScAwangereu  hab«  i«h  nach         3.  In   ivei    Epidenien    ImIm  idh 
«M  eiata  Mifafall  gcMhen.  fttof   MlnRillc    ^Mhen,    und   iwar 

mit  tädtlidiem  Auigange. 


Zeichen  derGefahr   uaddei    Zeiehea  der  Gefahr  and  de> 
nahenden  Todes.  nahenden  Tode*. 

1.  Der  Tod  erfolgt  immer  inmwsi-  I.  Der  Tod  erfolgt  im  enten  Zeit- 
tMi  Zeiträume  der  aaigehildotOR  räume  der  asigeblldcten  Kranliheitt- 
KranLheitiform.  Die  letteaen  Fäll«,  form,  oder  in  der  Hittelieit  tw\- 
in  denen  die  Natnr  den  enten  Zeit-  Mhen  dem  enten  und  iwetten  Zeit- 
runi   gana   überipringt,    lind  aehr  räume. 

gefUurlich,  aber  uioht  jedenwit  tüdC- 
ITeh. 

2.  Eiskalte  Uinde ,  die  rieh  wh  %  Kftite  der  Hinde  stellt  sich 
FrÖsdie  anflihlen,  eind  ein  iicfaeres  aach  vor  dem  Tode  ein,' aber  et  ist 
Zeichen  des  unglückliehen  Aiugan-  nicht  eine  seliauderhafte  Frosehkäl- 
gtt.     D\mf  ZeitAen    erseheint  ei-  te,    sondern  eine  gewöhnliche,  wie 

.  nen ,  ««oh  «ol   awei  Tag«  ror  dam    bei    andern   Sterbenden ,    auch    «r- 
T»de.  scheint  sie  kurs  ror  dem  Tode,  höeh- 

Rtena  awdlf  Stunden  ror  demselben. 
leh  habe  bei  einem  einiigen  diese 
Kftlte  wieder  verschwinden  und  ihn 
genesen  sehen. 

3.  Manche  Kranke  rerbreiteukun  3.  Dan  aashaften  Geruch  habe  ich 
vor  dem  Tode  einen  unglaublich  noch  bei  keinem  Sterbenden  bemerkt, 
aaahaften  Geruch. 

4.  Kindern  istdieKraulilieitnicht  4.  Kindern  ist  die  Krankhrit, 
gefährlicher  als  Efwach»enen.  wahrscheinlich  wegen  der  grdsieren 

Rciabarkeit  ihres  Mastdarmes,  sehr 
gefUirlieh. 

5.  Ahe  Leute  (70,  SOjahrige)  und  fi.  Alta  LcntenndjüagereSdiwäeh- 
jiingere,  welche  bei  Tol^oiuninar  linge-  laufen ,  wenn  die  Krankheit 
Gesundheit  von  einer  gani  geringen  sie  ernsthaft  ergreift,  eben  so  gros- 
GiAe  geistiger  Getrünke  berauscht  seOefohr;  Aean  Uohosaft  rerschliro- 
wecden  ,  laufen ,  wann  die  Krank-  mert  die  Krankheit ,  und  die  Laxir- 
faeit  aie  ernsthaft  ergreift,  immer  metbede,  welche  sie  heilet,  küreet 
Gefahr.  Die  Heilung  durch  Hohn-  die  Danar  an  wenig  ab ,  als  dafs  die 
Mft  ist  bei  diesen  zum  wenigMcn  vn-  Erhaltnng  der  Alten  und  Schwacdien 
thanlich.  wahrscheinlich  «eia  könnte. 

Das  lind  nnn  im  AHg«in«inen  die  nntersctieideaden  ZufUlle 
beider  Rnhrarten.  Ich  erinnere  es  aber  ansdrücklich  noch  einmahl, 
dafs  in  dem  Einzelfalle  sich  sehr  9b«I  die  Art  bestimmen  l&fst. 
Das  wahrmjheiDlichste  Zeichen ,    dafs  man  es  mit  einer  Dannnihr 


—    776    - 

SU  (hnti  bab«!  ut  wol  «in  kothigei  Darebfall  im  VorlSiifeneit- 
rBunie ;  ganz  sicher  iit  aber  diews  Zeichen  nicht.  —  BIs&blatiger 
Schleim  in  kleiner  Menge  bei  jedem  Stuhle  mit  Blarken  Zwange 
entlefft,  gibt  die  Venunihung,  dafs  man  ei  mit  einer  Masldarin- 
ruhr  zu  (hnn  habe.  Dieaei  Zeichen  ist  aber  aaeh  hScbst  unsicher, 
denn  es  findet  sich  zuweiiea  bei  ganz  leichten  Darninibren. 

Bis  jetzt  gab  es  zwei  HaaplheilnrieD  der  Rohr;  die  eine  heilte 
durch  Mohnsaft,  die  andere  durch  Laiirmitiel.  Ich  spreche  abvr 
hier  nicht  von  der  ganz  allen  Medizin,  denn  die  halle  andere  Ge- 
danken, auf  welche  ich  mich  vorläufig  nicht  einlassen  darf. 

Einige  praktische  Schriftsteller  verwerfen  den  Mohnsafi  aU 
ein  Alillel,  weldies  die  Krankheit  nicht  blofs  nicht  heile,  sondMn 
verschlimmere,  ja  lödtlicb  mache,  nnd-sie  erheben  die  Laxir- 
mittel  als  einzige  wahrhafte  Hülfe.  Andere  behaupten ,  Laxirmit- 
tel  verschlimmeren  die  Krankheit  nnd  nur  Mohosaft  heile  sie. 

Was  kann  man  nun  zu  diesem  Widerspruche  sagen  i  —  Wenn 
man  billig  sein  will ,  nur  Folgendes.  Die  wenigsten  Schriftstel- 
ler haben  Gelegenheit  gehabt,  die  besagten  zwei  Uanptarten  der 
Ruhr  zu' beobacblen ,  oder  wenn  sie  selbige  auch  beubachiet,  ha- 
ben sie  decb  versäumt,  auf  das  Organ  zn  achten,  dessen  Ver- 
richtung in  jpder  Art  vorzugsweise  gestört  war.  Als  Kryptogale- 
nisten,  du  faeifst,  als  Leute,  die  da  glaubten,  es  gebe  nur  Eine 
Form  dieser  Krankheit,  haben  sie  die  Behandlung  der  Epidemie, 
oder  der  Epidemien,  die  ihnen  vorgekoniiiien,  als  allgemein  an- 
wendbar, wo  nicht  mit  ganz  bestimmler,  doch  mit  also  zu  deu- 
ten<Ier  Rede  gepriesen.  HScbstens  haben  sie  die  phRntastiKche 
Verse hiedenh ei t  einer  materiellen  Ursache  der  Ruhr  erwähnt ,  und 
sie  nach  dieser,  bald  rbenmatisob,  bald  gallig,  bald  faulig  be- 
namset. 

Abgesehen  aber  von  der  m&glichen  Verschied enartigkeit  der 
Affektion  des  Gesammiorganismus ,  beruhet  doch  der  für  die  Pra- 
xis wichtige  Hanpinntermhied  darauf,  ob  die  Affeklion  des  Ge- 
sammtorganismui  blofs  im  Mastdärme,  ^er  im  ganzen  Darmka- 
nale  vor  walle. 

Man  mujji  aber  wohl  bedenken,  dafs  die  besagten  zwei  Ar- 
ten der  Ruhrform  in  ihren  äubersten  Enden  swar  sehr  von  einan- 
der unterschieden  sind,  dafs  sie  aber  durch  unfnerkliobe  Schat- 
tungen  sieb  einander  näheren  können.  Wenn  es  gleich  wahr  ist, 
dafs  es  liarmrubr-  nnd  Mastdarmruhrepidemien  gibt,  so  ist  es 
eben  so  wahr,  dafs  bei  Darmrubrepideraien  die  Krankheit  si^ 
in  einzelnen ,  wenn  gleich  zuweilen  wenigen  Körpern ,  der  Foim 
der  Mastdarmruhr  mehr  oder  minder  nähert,  und  dafs  sie  sich, 
eben  so  bei  Mastdarm ru hrepidem i en ,  in  einzelnen  Körpern  der 
Danurulir  nShert. 

Bei   der  Darmruhr,    mit  AusacUufs   der  leicblereii  Art  (wie 

„,. ,  Google 


—    777    — 

ich  V.  B.  iiu  Jahre  1808  «rl«l)t),  ist  die  Erregbarkeit  des  gatiEen 
Dariukanala  anglaublich  gealeig;ert.  Nach  gelöster  Siriklor  ded 
Maatduma,  ja  bei  dem  ao  weit  besehwicbiigieo  Durchfalle,  daf^ 
uchoD  breiiger  Kotb  abgebel ,  kann  ein  einsiges  Glas  Weia ,  ein 
wenig  Pomeranzeniioktar ,  oder  ein  anderes  unsohulHigea  biileres 
Mittel  den  Durchfall  wie  ein  starkes  Purgirmiitel  vermehren. 
Weon  man  dud  in  einen  solchen  kranken  Darnikanal  Laxinniltel 
bringt,  was  kann  davon  Gnteg  koiiiinen}  Diene  werden  allerdings, 
im  emtsn  Zeiträume  gegeben,  die  Mastdarnisiriklur  liKienj  allein 
was  ist  damit  gewonnen?  Bei  dieser  Ruhr  sterben  ja  nicht  die 
Menschen  im  ersten  Zeiträume,  in  dem  der  Masidarmsiriktur,  son- 
dern im  aweilen,  des  kalhig«n  Durchfalls,  und  wenn  man  dnrch 
Lax.iruittel  die  ungeheuer  erhöhte  Erregbaikeit  des  OuruikanaU 
noch  mehr  aufschraubt ,  ao  wird  man  den  koihigen  Durchfall  noch 
weit  rebellischer  machen,  und  weit  eher  den  Tod  als  die  Gene- 
•  tuog  des'  Kranken  befördern. 

Beruhiget  man  hingegen  duixb  Mohosaft  den  krankhaft  auf- 
geregten Darmkanal,  ao  lafst  in  zwei  bis  vier  Tagen  die  Musi- 
darmstriktur  nach  nnd  es  erfolgt  dänner  kolbiger'Abgang,  der  nach 
und  nach  bei  dem  fortgesetzten  Gebrauche  des  Mohnaaftes,  ge- 
wöhnlich innerhalb  zehn  Tage,  erst  breiig  und  weiter  fest  wird, 
wo  dann  die  Krankheit  beendiget  ist. 

Wenn  nun  die  Brech-  nnd  Laxickor  bei  dieser.  Ruhr  barer  Uo- 
sinn  ist,  und  der  Arzt,  den  der  üble  Erfolg  solch  widersinnigen 
Heilarl  nicht  eines  besseren  belehret ,  ein  durch  vorgefafate  Meinun- 
gen ganz  vers^robener  und  verbündeter  Kopf  sein  mufa ,  so  ist  es 
aber  doch  auch  eben  so  wahr,  dafa  die  Mobnsaftkur  zwar  unter  den 
schlechten  die  bessere,  aber  übrigena  nichts  weniger  als  eine  gute 
und  TuUkommene  zo  nennen  iat. 

Der  Mohnsaft,  man  mag  über  dessen  Wirkungsart  eine  Theorie 
machen ,  welche  man  wolle ,  ist  immer  ein  das  Leben  feindlich  an- 
greifendes Mittel;  alte  Leute  vertragen  ihn  nur  m  sehr  geringer 
Uabe,  ohne  davon  ein  Gefühl  der  Mattigkeit,  Hinfälligkeit  and  Be- 
täubung zu  spüren,  und  diese  geringe  Gabe  reicht  nicht  hin,  den 
Durchfall  zu  stillen.  Den  vierzehntägigen ,  anhaltenden  Gebrauch 
des  Mittels,  den  die  Widerspenstigkeit  des  Darmkanals  nBthig 
macht,  vertragen  sie  aber  gar  nicht.  Auch  unter  den  Menschen 
von  mittlen  Jahren  gibt  es  einzelne,  die,  hinsichtlich  des  Mohnsaf- 
tes,  den  alten  nnd  abgelebten  gleidi  sind.  Gewöhnlich  sind  diesea 
solche,  die  bei  vollkommner  Gesundheit  durch  sehr  kleine  Gaben 
geistiger  Getränke  berauscht  werden. 

Der  Gedanke,  den  ich  einmabl  halte,  durch  gleichzeitigen  Ge- 
btttocb  d«s  Schwefelälhers  die  feindliche  Wirkung  des  Opinms  bei 
solchen  Körpern  auEiuheben,  war  in  Theai  gut,  bei  der  Aasfüh- 
mng  ergab  sieb  aber,  um  so  viel  icb  die  feindliche  Wirkang  des 


—    778    — 

M«hDtaft«s  durch  Aelher  nMHimlliHfte,  vim  go  viel  benahm  ich  ibm 
auch  Mine  den  Darmkanal  bBrnhigvnda  Kraft;  niiibin  blieb  icb, 
biniichlllch  der  Heiinn;  dorKnuikhsh,  aof  den  nämlichen  Punkte 
Mehen,  welche«  dann  anch  aa  nichts  anderem  als  mm  Tode  füb- 
ren  marate.  Ua  nun  ferner  die  Heilung  der  Rnbr  dnrch  Opiam 
vterxehn  Ta^  erfodert,  go  mnfs  echon  die  vienehntigige ,  oft 
bedenteude  Aoileening,  -das  Fieber,  die  nScbilicbea  Stühle,  die 
davon  abhängende  Störung  der  Nachtruhe,  Menget  an  Efsltist,  ond 
die  M  gftnzlioh  d am ied erliegende  Verdauung,  dafe  nicht  nlieo 
dl*  Speisen  nach  kurzer  Zeit  gana  nnverflnden  durch  den  After 
wieder  abgehen,  manchen  Menschen,  vereint  mit  der  feindlichen 
Wirkung  dee  Hohnaaftei,    verderblieh  werden. 

Bei  jeder,  maA  der  besten  Heilart,  kann  ein  nnvoibergBaebe- 
nar  Zufall,  alte  Fehler  der  Organe,  oder  die  Unmöglichkeit,  die 
dienlichen  Mittel  zweckmifsig  anzuwenden,  wol  einmal  den  Tod 
eines  Krankra  befördern,  ohne  dafs  dieses  gegen  den  Wenh  der 
Heilart  senget.  Wenn  aber  der  darcfa  allgemeine  Beobachtung  des 
belebten  Menschenleibes  beiebne  Verstand  von  einer  Heilart  vor- 
her einsiehet,  dafs  ein  Theil  der  Kranken,  sei  ea  audi  oar  der 
kleinste,  nnmftglich  durch  selbige  kÜane  erhalten  werden,  so  uiufs 
man  eine  solche  Heilart  doch  mit  veliem  Reohte  eine  krüppelbafle 
und  unvollkommne  nennen. 

Dieses  Unheil,  über  die  Opinmbehandlung  der  Ruhr,  könnten 
manche  Leser  als  die  Fracht  meiner  Eigenliebe  ansehen,  denkend, 
ich  fShle  einen  geheimen,  mir  selbst  unbewofslen  Drang,  dem  von 
mir  in  die  Medisin  eingefQbnen  Mittel,  dem  kubischen  Salpeter, 
durch  Vemnglimpfung  des  Mobnsaflea  den  Vorrang  m  verschaffen. 
Diesen  Lesern  belheure  ich  aber,  dafs  zehn  Jahre,  bevor  ich  vom 
kubischen  Salpeter  auch  nur  das  geringste  mehr  wobte,  als  ans 
der  Scheidekunst  seinen  Namen  nnd  seine  Besiandiheile ,  ich  das 
nfimliche  Unheil  über  die  Opinmbehandlnng,  in  «nem  Buch«,  wel- 
ches ich  damahls  nber  die  Ruhr  geschrieben  ( was  aber  wol  den 
wenigsten  meiner  Leser  bekannt  sein  wird )  nicht  zweifelhaft,  son- 
dem  bestimmt  ausgesprochen  habe. 

Jetzt  wollen  wir  von  der  Mastdarmmhr  reden. 

Hier  waltet  die  Affektion  des  Gesammtorganismus  im  Mast- 
darme vor,  der  übrige  Darmkanal  ist  wenig,  vielleicht  blofa  con- 
sensnel)  elwas  ergriffen,  mithin  ist  die  Erregbarkeil  des  letzten 
anch  nicht  sonderlich  erhShei  und  in  manchen  Fallen  vom  Nor- 
raalstande  wenig  verschieden. 

In  den  Därmen  findet  unwidersprecblich  ein  Enlgegenstreben 
zwischen  dem  Mastdärme  und  dem  Übrigen  Danukanale  Stall,  und 
swar  so,  dafs  im  gesunden  Zustande  die  Wirkung  des  Mastdarmes 
immer  etwas  das  Uebergewicht  hat.  Bei  der  natürlichen  gesen- 
den  Darmausleerung  fühlet  jeder  zuerst  eine  venuehne  Bewegung 


—    779    — 

IQ  der  Mitte  de«  Baachw,  ulso  in  deo  dBaoen  Dfiraea,  dadurch 
wird  die  Schlieliaiig  dei  Mastdarmes  überwniideii  and  der  Kotb 
fortgetehafft.  Wäre  dieses  EntgegeBstrebeii  nicht,  so  tfnrde  der 
Keih  ja  anhaltend  von  dem  Menseben  laufen. 

Durch  die  krankhaft  vermehrte  Wiriraeg  des  Mastdarmes  ist 
dieses  regelmäfsige  Verhällnifs  der  bewegenden  KrHfte  des  Darm- 
kanala  gestöret  *  so,  dafs  wenn  der  Henaeh  Mahnnog  sam  Stuhl- 
gänge spüret,  die,  solche  Mahnung  veriiruchende  vermehrte  Be- 
wegung der  Dünndarme  die  krankhaft  vermehrte  Schliefsung  des 
Masidarmea  nicht  überwinden  kann;  daher  wol  Drängen  zun  Ab- 
geben im  Mastdärme  und  Abgang  von  Blut  und  Sebleim  ans  die- 
sem Organe^  aber  k^n  Kothabgang. 

Beicben  wir  nun  I^axirmiilel,  so  reisen  diese,  wenn  es  nicht 
eigentliche  Purganzen  sind,  aiisschliefsluh  die  Dünndärme,  weni- 
ge den  Grimmdum,  und  gar  nicht  den  Mastdarm^  Sie  vermeh- 
ren aliO  die  wnrmföruige  Bewegung  der  DünndSrmB,  und  durch 
diese  känsilich  vermehrte  Bewegung  wird  das  gestörte  Verhälinifi 
swischen  dem  Mastdarm«  and  dem  übrigen  Daimkanale  gewaltsam 
wieder  bergesleUet,  die  ZuSammeoziehung  des  erslea  überwunden 
nod  die  Ausleerung  des  Koilies  erzwungen*  So  geschiebet  nun.  die 
Heilung  der  Maatdarmruhr  durch  Laxtrmitlel. 

Jeder  verständige  Arzt  «iehet  leicht  ein,  dafs. diese  Heilart 
nicht  eine  gerade,  aondern  nne  gegneris«J]e  {aniagoaiitiscbe)  ist, 
und  dafs  sie  auch  nnr  in  der  Mastdarmrubr  mit  Vonbeil  angewen- 
det werden  kann,  weil  in  dieser  die  Därme,  und  wahrscheinlich 
auch  der  Grimmdarm  nicht  iwdeniend  erkrankt  sind.  Man  braucht 
hier  nicht,  wie  bei  der  Darmruhr,  zu  fürchten,  dafa  man  die  krank- 
haft gesteigerte  Reizbarkeit  der  Dünndärme  durch  den  knnatlicheo 
Beil  der  Laxiimillel  nodi  melir  steigere  und  die  Krankheit  gar 
inr  unheilbareD  mache,  weil  man  es  mit  keiner  krankhaft  ver- 
mehrten Reizbarkeit  dieses  Organs  xa  thun  hat. 

Dafs  früher  manche  Aerste  sich  eingebildet  haben,  solche  durch 
I*axirmittel  heilbare  Bahren  seien  gallig,  und  die  Laxirmitlel  hei- 
len durch  Entleerung  der  scharfen  Galle,  ihnt  nichts  znr  Sache. 
Man  mirfs  die  Erfahrangen  der  Aerzte  beachten,  nicht  ilue  meist 
vom  Geiste  der  Zeit  abbangenden  Ansichten. 

Wenn  es  uns  aber,  die  wir  verUandbafl,  blofs  nach  rerglel- 
chenden  Beobachtungen  die  Sache  beurtheilen,  gans  gleichgültig 
sein  kann,  wie  jene  Aerzte  theoietisirt  haben,  so  können  wir  doch 
nicht  läugnen,  dals  die  seltsame  Meinung  von  einer  in  den  Där- 
men liegenden  acharfgalligen  Rnbrursache,  tbeiU  der  richtigen' Ad- 
wendung  der  andeeranden  Mittel,  als  anlagenistis^^er  Reizmittel, 
Eintrag  thun,  theils  (was  das  Bcblimmste  istj  andere  Aersteingni- 
fse  Täuschung  stürzen  mnftte.  Diese  Tänschang  geschah  auf  fol- 
gende Weise. 


—    780    - 

Gerad*  bei  der  Dananihr,  in  der  (fie  Lunirmiitel  gnr  nicht 
pasRen,  leheii  wir  am  ersten  salche  Stoffe  von  dea  Menachen  ge- 
hen, welche  die  Meinung  von  einem  galligen  RuhrstolTe  zu  besttt- 
tigen  Ncbeinen.  Weil  hier  der  ganse  Darriikanal  erkrankt  ist,  wird 
das  gallenabsondernde  Organ  am  leichtesten  miileiHltch  ergriffen; 
daher  schon  im  VariBaferseiiranme  graner,  koihiger  Abgang.  Im 
X\teiien  Zeiträume  der  an  ige  bildeten  Krankheit  lAfat  frfiher  oder 
^kAier  diese  niiileidliche  Zaiammenxiehnng  der  GallengAnge  nach, 
dann  ergiefat  sich  eine  gale  Ponion  dunkelgrüner  Gall.e  in  die 
Därme,  die,  mit  dem  Darmschleime  TPrmischl,  znweileD  wie  dun- 
kelgrünes Glas  anasiehet.  Je  widersinniger  die  Krankheit  vom 
Anfange  an  behandelt  wird,  am  so  l&nger  wShrt  die  miileidlirlie 
Zgsammenschnüning  der  Gallenginge,  and  ym  so  reichlicher  ist 
in  der  Folge  bei  der  Lösung  derselben  die  Gallenergiefsimg. 

Da  aber  diese  Gallenergiefsung  im  zweiten  Zeiträume  der 
Krankheit,  wo  schon  die  Lösnng  der  Maslrfarmsuschnüruog  ge- 
schehen ist.  Statt  findet,  so  wird  begreiflich,  wegen  der  stark  ver- 
mehrt«n  wurinfarmigen  Bewegung  der  Därme,  der  gallige  Sloff 
schnell  genug  fortgeschafft,  nnd  eine  künstliehe  Anspornung  des 
Dnrmkanals  ist  weit  eher  sehKdIicfa  als  nätslich.  Meine  Leser  wer> 
den  mir  aber  ingeben,  dafs  der  Anblick  stflcher  garstigen  dunkel- 
grünen Stoffe  die  Meinung  von  einer  Bcharfeo  galligen  Ruhmrsa- 
ehe  maaehen  Aerzleo  sehr  etnlenchlend  ma^en  und  sie  in  einen 
grofsea  irribnm  verstricken  mufstei 

Da  onn  bei  der  echten  Mastdarmmhr  die  Laxirmiilel,  als  an- 
tagonistische Reizmittel  auf  die  Düno'tArine  angewendet,  wirkliehe 
Heilmitlei  Biad,  so  fragt  ea  sich  Jetat:  ist  diese  antagonistische 
Heilari  eine  vollkommnet  Ich  anlworle  darauf;  sie  ist  nichis  we- 
niger als  vollkommen.  So  wahr  es  ist,  dafs  die  Heilung  der  Darm- 
ruhr durch  Opium  unvollkommen  ist,  eben  so  wahr  ist  es  auch, 
dafs  die  Heilung  der  Masidarmnihr  durch  Laxirmittel  unvollkom- 
men ist,  Jedoch  gilt  von  der  letzten,  was  von  der  ersten  gilt, 
ue  war  bei  dem  bidierigcn  Stande  unseres  praktischen  Wissens 
die  beste  unter  den  schlechten. 

Wie  es  leichte  Darmruhrepidemien  gibt,  deren  ich,  wie  ge- 
sagt, selbst  eine  behandelt  habe,  so  wird  es  ohne  Zweifel  auch 
wol  Mcbte  Mastdarmruhrepideraien  geben.  Ich  selbst  habe  zwar 
keine  bebandelt,  der  ich  diesen  Beinamen  hKlIe  geben  können; 
aber  einzelne  leicht«  Fälle  in  den  behandelten  Masidarmnihrepi- 
demien,  und  einzelne  leichte  Fälle  in  Herbsten,  wo  die  Rnhr  nicht 
überhandnahm,  lassen  mir  keinen  Zweifel,  dafs  es  solche  Epidemien 
geben  fcSnne  and  wiiklicb  schon  gegeben  habe.  So  ist  die  Ruhr, 
welche  ZimmerMutm»  beschreibt  und  für  eine  gallige  hält,  eine  sol- 
che leichte  Masidarmnihr  gewesen.  Bei  leichten  Masldarmruhren 
wird   man  das  Unvollkommne   der  Brecb-,  oder  Laxirbehandlung 


_    781    — 

hiebt  gewahr,  imtm  ein  |Ninrtligiger  Gebraaeh  tchuBcher  Laxinuil- 
■el  hebt  die  ZusantmeoiiehuDg  des  Mastdarmei,  also  auch  Blut-  und 
SchleiiiinbgaDg ,  es. erfolgt  breiiger,  oder  selbst  steifer  Kolb,  und 
■  die  Kiankbeii  ist  gcheilet-  Ein  Lobpreiser  der  Brecbniiiiel  wird 
auob  bei  solchen  Kuhien  oA  Gelegenbek  finden,  die  Wundernir- 
kung  seines  AtJheils  beaüiligel  ku  sehen.  Wer  aber  Erfahrnngen, 
die  er  bei  leicbien  Musldarutruhrepideiuien  gemscbl,  als  bei  ernst- 
haften anwendbar  anpreisen  wollte,  würde  sich  dadurch  scblechfea 
Dank  von  den  Praktikern  rerdienen. 

Niemand,  der  es  nicht  selbst  erlebt  hat,  stellet  es  «ich  vor, 
wie  ungeheuer  da»  Mifst erhälinifa  zwischen  den  bewegenden  KrAf- 
len  des  Oarrakanalea  sein  kann.  Ganz  wilde  Laxirinitie),  als  Mit- 
lelsalze  oder  Si^wefel  (leixter  ist  ja  auch  schon  gegen  die  Ruhr 
empfohlen)  helfen  nicht,  sie  lösen  nicht  die  Schliefsung  des  Mast- 
darmes, heben  nicht  den  St.ihlxwang,  mindern  nicht  die  zahllosen 
StQhle.  Ich  habe  oft  von  einer  achlunngeo  Abkochung  einer  hal- 
ben  Unze  Senoesblfttter  mit  einem  Zusätze  von  einer,  auch  wol  . 
von  awei  Urnen  Glanbersali  stUndlicb  einen  L9äel  voll  nehmen 
lassen,  und  die  Flasche  wurde  fast  gans  verbraucht,  ehe  die  Zu- 
schnüfuog  des  Mastdarmes  oacbliefs  und  koib  ig  er  Abgang  erfolgte. 
Wenn  der  nun  erscheint,  so  ist  die  Suche  aber  noch  nicht  abge- 
than,  sondern  ehe  man  es  sich  versiehet,  Iriit  Zusammen xiehnng 
aufs  neue  ein  und  man  ist  wieder  auf  dem  nämlichen  Pnnkle,  toh 
dem  man  ausging.  \ua  mufa  man  abermaMs  Laxirmittel  so  lange 
reichen ,  bis  kotbiger  Abgang  erfolgt.  Die  Frende  währet  aber 
auch  nicht  lange-,  der  Mastdarm  schliefst  sich  abermabis,  und  aber- 
nahls  mnfs  man  zu  den  Laxirmitteln  greifen.  So  kann  man  acht» 
sehn,  ja  wol  vierzehn  Tage  laviren,  ehe  das  arzeneiiseh  erzwunge- 
ne Gleichgewicht  zwischen  dem  Mastdarme  and  dem  übrigen  Darm- 
kenale  gesundheiisgem&fs,  das  heilst,  ohne  arzeneiische  Xachbülfe 
normal  bleibt. 

Ek  könnte  aber  jemand  denken :  sobald  durch  das  erale  L»- 
xirraittel  die  Zusammenziebung  des  Mastdarmes  gelÖset  sei,  brau- 
che man  Ja  nnr  das  nämliche  Laxirmittel  anhaltend  zu  reichen. 
Durch  fortwährende  Einwirkung  des  gegnerischen  Reizes  auf  die 
DünndSrme  müsse  der  rebellische  Mastdarm  am  ersten  zum  Nor- 
malstande znrfiekgebracht  werden. 

Das  lautet  allerdings  sehr  verstKndig,  ist  aber  in  der  Wirk- 
lichkeit nicht  ausführbar.  Die  Miitetsalze,  welche  nicht  blob  an- 
fänglich, sondern  auch  anf  die  Dauer  blofs  die  DnnndSrme  sn  rei- 
zen scheinen,  sind,  wie  gesagt,  bei  ernsthaften  Mastdarmruhren  ZQ 
unmftchlig.  Die  milderen  Laxirmiltet  aus  dem  Pflanzenreiche,  na- 
mentlich Sennesblüiter  und  Rhabarber,  prickeln  anfKnglich  auch 
blofs  die  Dünndärme  zur  vermehrt«!  Bewegung,  läfst  man  sie  aber 
einen  Gesiiudeo,  d,es8en  Mastdarm  nnr  etwas  ungewöhnlich  reizbar 


—    7»    — 

ist,  aobaltend  gebraucheo,  so  reiten  aie  in  Verfolg«  «adh  den 
Grimm-  and  Maatdann  und  Ternrtachen  mehr  oder  minder  Stuhl- 
xwang.  Rhabarber  ihat  dieses  aber  leichter  als  Senneafolätier.  Man 
brancht  sich  also  nicht  zn  wandern,  wenn  das  Laxirroittel,  welches 
die  Menge  der  blatigen  Stühle  wie  durch  einen  Zanber  mindert 
and  rielleicht  auf  ein  Viertel  der  Zahl  zurückführet,  beim  anhat- 
teoden  Gebrauche  das  Gate,  was  es  bewirkt,  wieder  selbst  auf- 
hebt. In  diesem  Umstände  liegt  die  praktische  Xotfawendigkeit, 
den  Gebrauch  der  Laxirmiitel  auszusetien,  sobald  sie  dia  Zasam- 
menziehung  des  Mastdarmes  gelösei  haben.  Nur  wenn  man  den 
antagonistischen  Reis  anf  die  Dünndärme  Terflanen  und  die  Zusau- 
meniiehung  des  Mastdarmes  anfa  neue  encheinen  sieber,  mafs  nwn 
leiste  nicht  überhand  nehmen  lassen,  aendem  ^eieh  wieder  za  den 
Laxirmitieln  greifen,  und  so  fonnrbeiien,  bis  die  Krtmkbeit  gv 
hoben  Ist. 

Die  Heilung  geschiehst  in  folgender  Ordnung.  AafBoglidi  ist 
.  der  anf  das  antagonistisch  wirkende  Laxirniittel  folgende  Zeitraam 
der  Erleichterung  kurs,  nach  und  nach  werden  die  gnten  ZeiirSa- 
me  aber  iminer  Unger  nnd  gehen  endlich  in  Gesundheit  über. 
Non  üefaet,  denk«  ioh,  jeder  verständige  Mann  ven  selbst  ein, 
dafa  diese  Heilart  eine  hBcbst  onvollkommne  ist ;  denn  einmaht  ist 
die  Mastdarmruhr  zwar  nicht  durch  die  Masse  der  eadeerten  Sftfie 
(wriche  vielmehr  gering  ist),  aber  wol  durch  den  beständigen  Drang 
xom  Stuhlgänge,  dorch  die  gestörte  Nachtruhe  und  in  manchen 
Fällen  durch  starke  Bauch  seh  merzen  Alten,  Kindern  nnd  Schwa- 
chen hdehst  verderhliefa;  mm  andern  ist  die  Zeil,  die  «i  ihrer 
Heilung  erfodert  wird,  die  aber  so  wandelbar  ist,  dafa  ich  nicht 
einmahl  eine  durchschnittliche  anzugeben  wage,  in  manchen  Fäl- 
len zn  lang,  als  dafs  Alte  nad  Schwache  sie  überbringen  kännlen. 

Mohnsafteinspri&nngen  in  den  After  raü£alen,  könnte. man  den- 
ken ,  den  antagonistischen  Reia  der  Laxirniittel  anf  die  Dünndäi^ 
me  herrlich  unterstützen  nad  das  Gleichgewicht  swischen  den  be- 
wegenden Kräften  desJ)annkanals  gar  bald  wieder  herstellen.  Gut 
lautet  dieses  freilich,  ist  aber  bei  der  Uebong  nicht  so  zaverlSssig 
ala  es  den  Schein  hat,  und  überdies  bei  umgreifendeQ  Epidemlsa 
im  Allgemeinen  kaum  anwendbar. 

Der  Mastdarm  iat  in  vielen  Fällen  so  reiEbar,  dafs  die  einge- 
spritzte Flüssigkeil  gleich  wieder  herausgedrängt  wird,  nnd  wenn 
sf«  aaoh  ein  wenig  im  Mastdarm  bleibet,  ist  doch  di«  Zeit  ihres  Ver- 
bleibens  gar  zn  kurz,  ala  dafs  viel  Heil  davon  za  erwuten  wäre. 
In  einigen  Fällen  habe  ich  bei  den  MasidarmmhrepidemieB  die 
M«hnsafleinsprilznng«n  mit  Vortfaeil  angewendet,  in  den  meüMsn 
aber  ohne  Nutzen. 

Eb  scheint,  dois  sie  bei  der  höchsten  Steigerung  der  krank- 
haften Reizbarkeit  des  Mastdarmes,   wo  sie  gerade  an  nSibigsten 


Min  wGrden,  naanweDdfaar  sitid.  Wären  rie  aber  auob  nlrklich 
in  Jedeiu  Falle  anwendbar,  %o  wnrda  doch  bei  einer  ordentlichan 
Epidemie  schon  die  Zahl  der  Kranken  den  allgemeinen  Gebraach 
derselben  untfaunlich  machen.  Im  Jahre  1810  z.  B.  nahm  die  Ruhr 
■o  acbaell  im  hiesigen  One  fibeihand,  dafs  aie  acht  Tage  nach 
ihrem  ersten  Erscheinen  «chon  in  vierrig  HSasem ,  nnd  in  man- 
eben  derselben  mehr  als  Ein  Kranker  war ,  weldie  Zahl  begreif- 
lich weiterbin  noch  Terinehrte.  Wenn  man  nan  bedenkt,  dafs  ei- 
ne einmahlige  iSgliche  Einspriizang  w^en  des  gw  ktn-Eea  Ver- 
weileos der  Flüssigkeit  im  Masidanne  wenig  nntxen  kann,  naa 
also  mehrmahls  tags  einspritzen  mnfs,  so  würdeinan  wo!  beson* 
dere  Spritzmeister  ndibig  haben.  Wir  haben  hier  zwei  Wuadän^ 
le,  und  daran  hat  Stadt  und  Umgegend  übrig  genug.  Wenn  nun. 
fnnfsig  Ruhrkranken  viermabi  tags  Opium  sollte  in  den  Mastdarm 
gespritxt  werden,  so  müfate  jeder  Wnndaral  hundert  Einsprtlgnn^ 
gen  täglich  verrichten,  dabei  aber  auefa  seine  gewdhnliebeB  Ge> 
■chHfle  ia  Sudt  und  Umgegend  versehen;  wie  wQrde  das  mSglich 
sein*  Femer  wfirden  auch  dem  geringen,  ja  manchem  Mittelbar- 
g«r  die  Kosten  einer  aolchen  Spriiakar  viel  za  hoch  nnri  nner- 
schwinglicb  sein.  Nach  aoserer  Preufzischen  Taxe  kostet  das  Se>- 
zen  eines  Klystirs  acht  bis  zwölf  Groschen ,  mithin  würden  vier 
Einspritzungen  tSglich  über  einen  Thaler  kommen;  das  können  die 
geringen  Leute  nicht  bezahlen. 

Die  Verscfaiadenbeit  der  Meinungen,  hinsichtlich  der  Einsprii- 
sang,  bangt,  meines  Eraohiens,  roa  der  Art  der  Krankheit  ab, 
welche  die  Aerste  behandelt  haben.  Ich  selbst  denke  seit  den 
Epidemien  von  1810  und  1811  anders  darüber  als  früher.  Die 
Aerste  der  alten  Welt,  deren  Einapritanngen  aber  meist  ia  schlei- 
migen, oder  in  zusammenziehenden  Dingen  bestanden,  waren  utrier 
sich  auch  nicht  eroig;  so  ist  Balimtint  z.  B.  gegen  die  Klystire« 
aber  seine  galenischen  Gründe  scbeiiaen  mir  etwas  albwn  md  ich 
mag  sie  nicht  nacherzählen. 

Iiieber  will  ich  versuchen,  meinen  jüngeren  l«Beni  die  Un* 
möglichkeit  einer  Heilung  der  Mastdarmnihr  durch  Uohnsaft  be- 
greiflich zu  machen.  Vorher  bemerke  ich  aber  nochmals ,  daft 
nnser  dqrch  Beobachtung  belehrter  Verttand  beide  Rahrarfen  un- 
terscheiden kann,  weil  sie  sich  streng  geschieden  in  der  Nalor 
finden,  weil  in  einzelnen  Epidemien  die  eine  oder  die  andere  nicht 
eiabildisch ,  sondern  so  deutlich  vorwaltet ,  dais  bei  einer  Mast- 
darMurofarepidemie  die  DarmmhrfBlIe  seilen,  und  nmgekebrt,  bei 
Darmnihrepidemien  die  Mastdarram hrfölle  selten  sind.  Dieses  vor- 
ansgeselzt,  mnfs  man  aber  nicht  glaaben,  dafs  sich  die  Natnr  im- 
mer so  strenge  an  eine  solche  Scheidung  der  Formen  binde;  es 
gibt  vielmehr  unberechenbare  Scbattuogen  zwischen  beiden,  and 
auf  dieses  Ine inand erschmelzen   der   beiden  Formen  gründen  sich 


—    TW    — 

wuhrndieinlich  die  verichiedeneD  HflilarteD  venchiedener  Aenle; 
vorausgeaelst ,  düfs  nma  oicht  manches  anf  Rsoboang  d«H  wandel- 
baren SEeilgeistfls  und  auT  die  von  aelbigem  abhängende  tbeilichl* 
Verkrüppeliing  des  Srzilichen  Verstandes  schreiben  will.' 

Ich  kann  mich  unmöglich  auf  die  Mittel-  nnd  Uebergangafor- 
men  der  beiden  Rnbrarien  einlassen,  sondern  daif,  um  den  jünge- 
ren Leiern  denilicfa  xu  bleiben,  blofa  von  derjenigen,  Masldarm- 
rnhr  sprechen,  welche  mir  am  häufigsten  vorgekommen.  So  bald 
ein  Arzt  sieh  die  swei  Hauplformen  deu'lich  denkt  nnd  ihre  Heil- 
arten  zu  würdigen  weifs,  wird  er  $ieh  ohne  viel  Mühe  in  alle  Mit- 
lelfonnen  xu  finden  wissen.  Denkt  er  sieb  itber  jene  beiden  For- 
men nicht  deutlich  geschieden,  so  beklage  ich  ihn  wenn  es  lom 
.Treffen  kommt.  Er  wird  thun,  was  der  eine  Schriftsteller  rüth 
nnd  was  der  andere  rüth,  nnd  das  Ende  wird,  sein,  dafs  er  alle 
Schriftsteller  xum  Henker  wünscht  and  sie  fiir  Lügner  hält,  oder, 
hat  er-eine  h&fliche  Natur,  für  ftrEiliche  SeiliHnzer.*) 
Nun  zar  Sache!   ich  stelle  folgende  znei  Sätze  fest. 

1)  Der  Mohnsanft  mindert  die  wnrnifünnige  Bewegung  der. 
Därme  nach  unterwärts ,  welch«  Bewegung  eine  nothwendige  Be- 
dingung der  Bauchentleernng  ist.  —  Dies  ist  ein  auf  blofser  Er- 
fahrung beruhender  Satz;  keine  sogenannte  Theorie  über  die  Wir- 
kungsart  des  Opiums  kommt  bei  demselben  tn  Betracht. 

2)  Der  Mohnsaft  mindert  diese  Bewegung  gleichmSfiig  im  gan- 
zen Darinkannle,  nicht  |msgesch1ossen  den  Mastdarm. 

Diesen  Satz  kann  ich  selbst  nicht  als  einen  streng  wahren 
ansehen,  denn  das  Opium  mSchfe  wo]  vorzugsweise  in  den  dünnen 
Därmen  seine  den  Molum  perüfaftictim  hemmende  Wirkung  än- 
fsem,  weniger  in  den  dicken  nnd  unter  diesen  am  wenigsten  im 
Mastdarms.  Da  aber  das  Problematische,  was  in  dem  Satze  liegen 
uiüchte,  jedenfalis  nicht  gegen,  sondern  für  meine  auszulegende 
Ansicht  spricht,  so  verzichte  ich  freiwillig  auf  diesen  Vorlheil, 
und  nehme,  der  gemächlicheren  Anlegung  wegen,  den  Satz  als 
einen  unbeschränkt  wahren  an. 

*J  E.  SImJU  in  ■•inir  Dintriali»  ät  D^nUria  tagt:  PUnt»tra  liirmrmm  jkM 
MUpßtlHMl,  fit(  dittrlt  atqnr  tonfiäemtiutmt  fTameribant,  non  telitm  fMid  im 
gHibatlittt,  tt  iMpriatü  d(fficilltna  qaalibet,  m»rbi* ,  agert  comtuial;  tei 
tllam  quitui  maternt  teu  mtdicatnentit  iUud  errlo  perpetrari  poitil :  nte 
ibi  fert  pinaria  aligaa,  ted  abundanlia  (nvenitur,  hI  vgl  ipia  eopia  fatü' 
dlitm  faeert  videalur,  aal  certe  perplexam  tl  inrerfHM  reddert  pattO. 
tlaamd«  vero  eput  lande»  «U  veritatt  premiitomm,  tt  mrgemt  mtrÜ! 
vama  ibi  vtl  »miiia,  vel  tertt  imptditlfima ,  gravUer  prortnt  eanfamltr* 
anlMum ,  tt  palieatimii  imprimU,  nom  magit  extptctationif  guai»  praedpue 
mtttuitati  dtttit ,  tnltemm  omm'modo  ttl  et  mtrflo  duUndum.  Sgllte  nin 
nicb  dieiar,  treBends  Wibrticit  cnlhtllcDden  Red«  nicht  denken,  der  gclahrl« 
Varfasier  toBus,  hinsichlliob  der  Rabr,  atwai  f»r  VurlrelBiches  and  praktixah 
Brm«iUara|  Im  BintertasUe  hsbear  — 


—    7M    — 

Ich  will  nim,  um  jedem  dmiHeh  m  wMdeo,  daa  VarhUlinirs 
zwiBchen  der  Bewegung  des  Mastdarmes  and  der  des  übrigen  DarA- 
kR&al«  in  wilUcm-ltchen  Zahlen  danteltea.  Die  Gröfse  der  Bewe- 
gDDg  dM  MaaldaniieB  «ei  gleich  10,  die  des  GbrigeD  Darnikanals 
gleich  &,  die  tägliche  Vermfndening  dieier  Bewegung  durch  dem 
Opium^brenreh  gleich  1.  DieMB  nvn  voraaigetetzl ,  würde  sich 
eim  Mastdarmrnhr  bei  dem  Gebrauche  des  Mebaxafies  innerbidb 
fTraf  Tage  folge ndermalseii-  gestallen. 

Tag  Darmkanal  Mastdarm 

1t«r  :=  4  —  9 


&  ^  U  unbestimmbar. 

Wollte  man  denken,  sobald  die  Bewegung  des  Darmkanals 
aof  Nnll  gebracht  sei ,  müsse  die  des  Masidätmea  ^  5  sein,  so 
Mürde  eich  dieses  nur  als  wahr  bestätigen ,  wenn  kein  Ant^ottit- 
iiiua  zwischen  dem  Mastdärme  und  dem  übrigen  Darmkanale  Statt 
fandff.  Weil  dieser  aber  wirkKeh  Statt  hat,  au  matn  vielmehr  eine 
unberechenbare  Vermehrung  der  Bewegung  dlmreten. 

Wenn  die  eine  HSifie  des  Gesichtes  gelühmet  ist,  so  sehen 
wir,  dafa  die  gegnerischen  Muskeln  das  Gesicht  schief  ziehen,  und 
zwar  ziehen  sie  es  so  weit  herüber,  als  sie  hinsichtlich  ihrer  Ein- 
pHanziingcD  es  vermögen.  Die  Muskelfasern  des  Mastdarmes  sind 
aber,  mit  Ausnahme  des  Snfseren  Schliefsinuakels ,  keinem  Kno- 
chen eingepflanzt,  mithin  mufs,  durch  Anfhehen  der  Wirkung  ihrer 
Gegner,  die  Vermehrung  ihrer  krankbafien  Bewegung  ganz  unbe- 
rechenbar sein. 

BeMftliget  sich  dieses  nnn  wirklich  also  in  der  ErfabniDgt 
Allerdings,  werihe  AmiBgeBoewn !  es  beslätigel  sieb.  Sobald  durch 
Mobnsaft'  die  Bewegung  der  Ofirme  (wabrscbuiilioh  der  Dünndär- 
iwe)  auf  Null  gebracht  ist ,-  wird  die  Wirküng^  des  Mastdarmes  so 
heftig,  db/s '  gar  nicht  mehr  von  eine«  Zahl  der  Stühle  die  Rede 
sein  kann,  soodern  dafs  sich'  der  Kranke  in  einem  unanfhörlichen 
Smhlzwange  befindet.  Siebet  d«r  Arzt  alsdann  den  Mifsgriff  noch 
nicht  ein,  liiht  reizt  er  nicht  durch  ein  Laxirmiitel  die  Dünndärme 
zur  gegnerischen  Bewegung,  so  aiülfit  sich  der  Mastdarm  um  und 
wie  haben  deti  Voi^aU  desselben,  wodurch  aber  begreiflich  der 
SliiUtwang  nicht  gemindert  wifd.  Ich  selbst  habe  einen  tüchtigen 
Prolapmm  noch  nicht  beobachtet,  was  ich  der  Art  sab,  war  Klet- 
nigkeitj  aber  vor  vielen  Jahren  hat  ein  junger  Kollege,  der,  nach 
seinem  eigenen  Geständnisse,  übel  mit  der  Krankheit  fertig  wer- 
den konnte  und  der  den  Schriftalellern   auch  eben   nicht   viel  Gu- 

"       5«  O" 


—    786    - 

IM  nachaagie ,    mir  dluea  ZaMand   ab  einen  sehr  klflgli«ben  be- 
achriebea. 

'  Ich  glaube,  dafe  i^  jetzt  meinen  jüageren  Amisgenoiaen  die 
UnniSgridikeil,  die  Maeidarmruhr  dnrch  Mohnsafi  xn  heilen,  ganz 
anschaulich  gemacht  habe,  und  (tafs  sie  nun  um  ao  beeeer  das. ver- 
stehen werden,  was  ich  noch  über  diesen  Gegeniiand  xn  sagen 
habe.  Die  Tollkeinmen  rein»  Maatdamiruhr ,  bei  der  die  Püan- 
dftnne  gar  nicht,  sondern  nur  einzig  der  Masldarm  erkrankt  ist, 
kann  wo!  durch  eine  einzige  Gabe  Mohnsaft  ganz  uirglaublicb  ver- 
mehrt werden.  Eine  mir  nahe  berreundete  Frau,  die  mehre  Jahre 
vorher  die  Darmruhr  im  VorlSuferzeilranme  auf  meio  Anreihen 
durch  Mohnsfift  unierdrückt  halte,  veriucbte  einst,  da  die  Mast- 
darmrubr  herrschte,  und  sie  die  ersten  Spuren  der  Krankheit  an 
sich  gewahrte,  das  alte  KunslBiück,  welches  ihr  früher  so  gut  ge- 
ihao.  Sie  haue  einen  grofsen  Abscheu  vor  der  Krankheit ,  und 
weil  Hie  mich,  da  ich  aufiieriialb  der  Stadt  beachfiftiget  war,  nicht 
erat  befragen  konnte,  nahm  sie,  um  keine  Zeit  zn  verlieren,  eine 
ganz  ni&fsige  Gabe  Mohnsaftlinklur.  Etliche  Stunden  nach  dem 
Einnehmen  sah  ich  sie;  sie  halle  aber  schon  einen  solch  furcfat- 
baren,  an  erträglichen  Sluhlzwang,  dnj^  sie  wie  wahnsinnig  int  Zim- 
mer herumlief  und  um  Hülfe  schrie. 

Bei  solchen  vollkommen  reinen  Masidarmnihren,  die  aber 
lerhälinifsniüfsig  seilen  sind,  jedoch  bei  weitem  nicht  so  seilen 
als  die  vollkommen  reinen  Darmruhren,  wird  ans  die  Schäd- 
lichkeit des  Opiunigebrauches  im  eigentlichen  Sinne  aufgedrungen. 
Allein,  wie  ich  oben  gesagt,  in  vielen  Fällen  sind  die  Dünndärme 
ein  wenig  mit  erkrankt,  und  dietie  Falle  sind,  hinBichtlich  des 
Mohnsaftgebrauchea,  am  tänschendsten.  *) 

Hier  siebet  man  anfänglich,  so  lange  die  Bewegung  der  Dünn- 
dSrme  nicht  ganz  auf  Null  zuriickgebrachl  ist,  die  Zahl  der  Stühle 
durch  das  Opium  tfiglieh  minder  werden,  ist  aber  nach-  etlichen 
Tagen  die  Bewegung  der  Dünndärme  auf  \ull  gebracht,  so  tritt 
das' ungehenerste  Mastdarmleiden  ein.  Wie  ist  es  mitglich,  denkt 
da  der  Arzt,  dafs  ein  Mittel,  welches  zwei,  drei,  vier  Tage- die 
Krankheit  gemindert  hat,  sie  auf  einmahl  ungeheuer  verachlimnem 
kann?  Wie  es  dieses  kann,  habe  ich  so  eben  durch  Zahlen  au- 
genscheinlich gemacht,  und  absichtlieh  einen  Fall  von  nicht  voll- 
kommen reiner  Mastdarmrubr  dargestellt,  wie  solche  Fälle  mir 
bei  den  Epidemien  durch  die  Bank  vorgekommen  sind.  Jeder  üe- 
bel  leicht  ein,  dafs  die  Zeit  der  eintretenden  Verschlimmerung  von 
dem  Grade  der  Erkrankung  der  Dünndärme  abhängt.     Je  geringer 


*)   Ob   t«  «nlch«D  Füllen  die  Erkrankung  der  DünadSnne  eine  blofi  couentaelle 
••i,  will  ieb  aielil  eDtfch«id«D  ;   •■  Iumb  licb  GrSade  dirür  nod  dawider  aat- 


—    787     — 

dieser  Grad  ist  je  eher  wird  die  Bewe^ng  derselben  anf  Null  ge- 
bracht and  je  eher  iriit  das  farchtbare  Maatdarinlei  den  ein.  Je 
grftfser  dieser  Grad  der  Erkrankung  der  Dünndärme  Ut^  um  80 
Hpftler  erscheint  das  Mastdarmleiden.  Es  versiebet  sich  aber  von 
selbst,  dHfg  hier  eine  gleiche  Gabe  Mnhnsaft  Toraasgeselzt  wird. 

Im  Jahre  1SI1,  da  die  Masldannruhr,  nachdem  sie  hier  ans- 
gelobt,  das  jenseitige  Maasafer  heimsachle,  wurde  ich  dort  zn  ei- 
nem zehnjährigen  Kinde  gerufen,  am  über  den  bedenklichen  Zu- 
stand desselben  mit  einem  jüngeren  Amlagenosien  mich  zu  be- 
sprechen. Dieser  Arzt  hatte  sich,  wie  er  sagte,  bei  einer  frü- 
heren Ruhr  von  der  Schüdlicbkeil  der  ausleerenden  Mittel  und  von 
der  Heilsamkeil  des  Mohnsaries  durch  eigene  Erfahrung  ilberaeagt. 
Auch  hei  dem  Kinde,  worüber  wir  uns  jetzt  besprechen  sollten, 
war  in  den  ersten  Tagen  auf  den  Gebrauch  des  Mobnsaftes  die 
Zahl  der  Stühle  vermindert.  Statt  dafa  aber,  wie  bei  der  Darm- 
ruhr, nach  etlichen  Tagen  die  Zuaa  m  mensch  nur  nng  des  Mastdarms 
sich  lösen  und  Kothabgang  erfolgen  sollte,  war  ein  heftiger  Stuhl- 
zwang eingetreten.  Jetzt  war  der  achte  Tag  der  Krankheit  and 
das  Kind  hatte  schon  vier  Tage  in  dieser  Presse  gelegen.  Von 
der  Zahl  der-Stnhle  konnte  nicht  mehr  die  Rede  sein,  anch  nicht 
mehr  vom  Gebrauche  des  Nachttopfes  oder  Steckbeckens;  der  nn- 
aufhörliche  Drang  nöthigle  dag  Kind,  die  achleim igblutigen  Ruhr. 
Stoffe  auf  unlygelegte  Tücher  zn  entleeren. 

Da  ich  meinem  Kollegen  den  Vorschlag  that,  der  Kranken 
eine  Abkochung  von  Sennesblätter  mit  Seignettsalz  zu  geben,  so 
sab  er  mich  befremdet  an,  glaubte,  das  Laxirmiitel  müsse  wie  bei 
der  Darmruhr  die  Stahle  vermehren,  und  da  in  dem  vorliegenden 
Fall  diese  Vermehrung  schon  ,von  seihst  aof  den  höchsten  Punkt 
gekommen,  werde  es  durch  seinen  Reis  einen  Vorfall  des  Aftett 
verursachen.  Nachdem  ich  ihm  aber  ehrlich  geaianden,  dafs  ich 
früher  zwar  der  nämlichen  Meinung  gewesen  ,•  später  aber,  durch 
Erfahrung  besser  belehret,  wisse,  dafs,  vermöge  des,  zwiachen  dem 
Mastdärme  und  dem  übrigen  Darmkanale  Statt  habenden  Antago- 
nismus, die  Laxirmittel,  mit  Umsicht  als  gegnerische  Reizmittel 
gebrancht ,  nothwendig  die  Zahl  der  Stühle  vermindern  mBfsteo ;  • 
so  war  er,  von  Natur  verständig  ond  w^abegierig,  nicht  blofs  wil- 
lig, meinen  Vorschlag  anszufilhreo ,  sondern  selbst  neugierig,  die 
verheifsene  Wirkung  des  Laxirmittels  zn  sehen.  Erfand  auch  her- 
nach rollkommen  meine  Berechnung  bestätiget,  ja  er  versicherte 
mir,  der  Stuhlzwang  habe  schon  «in  wenig  gemindert,  kurz  bevor 
die  Wirkung  des  Laxirmitiels  sich  durch  kotbigen  Abgang  sicht- 
lich offenbaret  habe.  Daa  Kind  ist  auch  wieder  recht  geannd  und 
bald  gesund  geworden;  denn  die  Ruhr,  an  der  ea  liit,  war  nicht 
von  der  schlimmsten  Art,  sondern  halte  blofa  durch  den  Mifsbranch 
dea  Mohnsaftea  ein  solch  bösea  Ansehen , bekommen,  — 

50  *  O" 


—    7S8    — 

Denen  meiner  Lmm-,  welchen  meine,  auf  blofse  Bsobachluag 
Am  im  DnrmkanalB  Statt  habenden  Antagonismus  ilch  itülMsde 
RcklKrung  der  Heilwirkung  der  Laxirniiltel  und  der  UnmdgUtUeit 
einer  Heilung  der  MaBtdarniruhr  durch  Mohnsafl  wenig  gefallen 
möokle,  gebe  ich  gera  lu,  dafs  vielleicht  jeder  Andere  eine  weit 
«oharfaiBnigere  Erklärung  vortragen  känne;  alle  Anslegangen  je- 
d»ch ,  die  btofs  dea  Scharfsinn  der  Ausleger  bekaoden ,  ohne  deo 
Praktikern  die  wirkliche  Heilung  der  Krankheit  zo  erleichlera, 
•ehe  ich  als  ein  antxloses  Veratandesspiel  an.  Jeiat,  nachdem  ich 
»Un  Nöihige  vorausgeschickt,  werde  Ich  von  der  Heilung  der  Rohr 
durch  kuhisoben  Salpeter  reden. 

Es  ist  nicht  neu,  dafs  man  die  Ruhr  für  eina  Affeklioo  des 
Geiammto^oniamus  (für  ein  Fieber)  hält  und  «lie  Bancbleiden  für 
eia  VorwallMi  dieser  A&ektion  ia  den  Därmen  (für  Symptom  des 
Fieheca).  Von  den  älteren  Sehrifiatellern,  die  dieser  IVieinung  waren, 
neoae  ich  nnr  den  aUbekaunen  St/deniam.  —  Da  aher  die  Aen- 
te  kein  Mittel  kannten,  mit  dea  sie,  ohne  den  reizbaxen  DSrnMa 
wehe  zu  thnn,  das  f'ieber  bekKtapien  konmen,  so  war  ihr  Gedaa- 
k«  auch  weiter  nicht«  ak  ein  guter  Gedanke,  der  für  die  Praxi* 
Sufaerst'  wenig  Werth  hatte;  denn  mit  Ata  besteo,  varstfindigsten 
Gedanken  köanea  wir  ja  keine  Krankheiten  heilen ,  sondern  nnr 
mit  guten  Arzeneien,  durt^  welche  wir  einsig  beßlbiget  werden, 
unsere  Gedanken  zu  vecwijkikken.  . 

Ich  habe  schon  in  meiuer  Jvgend  der  Meiamg  ««Jeher  Si^rifi- 
ttellei  Beifall  gegeben,  welche  das  Darmleidea  als  ein  Symptom 
ima  Ruhrfiefaers  ansehen.  Da  ich  uher  gewahrt»,  dafs  die  auf  die- 
se Ansicht  gegründete  Befaaodluag  (ich  wulliedamahls  mit  Salmiak 
heilen)  das  aicht  leistete,  was  ich  davon  erwartet«,  ja  da  ich  sab, 
dtla  bei  ihr  die  Kraakheit  eher  scblimaier  als  basser  warde,  ae 
glaubte  ich  gar  bald,  dteae  Ansicht  db  ganx  irrig  verwerfen  an 
HÜaseo. 

Ich  sab  noa  die  RnJ»  als  ein  Urleidea  des  Darmkanals,  das 
Fieber  als  eine  von  diesem  ürdarmleiden'  abhängende  cooseosuella 
Aafregnng  des  Gcsanamtorganismus  aa,  und  da  Mch  dieser  An- 
sicht die  Heihiag  durch  Mobnsaft  erträglich  got  von  Statlas  ging, 
so  blieb  ich  bei  derseUMn.  Ich  belceoae  abe*  gern,  dafs  mir  aaeh 
damahls  manche  ErscheinBagen  g^u  uaerklärlich  waren,  i,  B.  die 
gro&e  iMenge  Mohnsaft,  die  ich  nötbig  halte,  den  DaraULanal  zu 
Iteruhigen,  da  ich  doch  jeden  anderen  Oorcbfall,  war  er  i>icht  ge- 
cade  ein  chronischer,  oder  oaaflenaueller,  mit  geringen  Gaben  mel- 
•tero  konnte.  Ferner  war  es  mir  unerklärlich,  warum  kb  so  lange 
Zeit  nSihig  hatte,  den  DurohfaU  za  stillen,  da  doch  jeder  andere 
DnrchfaJl  dem  Mittel  in  wenig  Tagen  gehorcht«..  Weiter  war  mir 
ouerklärlich,  dafs  das  Fieber  anniagllch  beim  Gebraaehe  des  Mohn- 
safies  vermehrte,  dHjIs  es  nicht  in  Veshäliniüi  zu  den  vMMiaderten 


—  res.  - 

Slühlrtn  abnabm,  and  rfafs  es  nur  bei  gfanz  bfls«itigi«m  Darmlei- 
deo  endigte.  Endlich  stellte  ich  nir  BMch  nOcb  die  Frage,  warum 
die  Bgfar,  die  doch,  nach  gebobeoer  MastdariuzusamnienschDflrutig, 
wie  jeder  andere  Durchfall  aussehe,  den  Menschen  so  krank  ins- 
obe,  und  ihn  in  so  kurser  Zeit  tädten  könne,  da  doch  jeder  ande- 
re Darchfall  dieses  nie  thuel  Daniabls  mufsta  ich  diese  Häthsel 
auf  sich  bemben  lassen,  von  der  Zeit  und  vom  Zufslle  erwartend, 
ob,  und  welche  Lösung  mir  auf  die  Dauer  werden  würdb. 

Die  Lösung  ist  mir  nun  durch  den  wüi-feliohten  Salpeter  ge- 
worden. Da  ich  dieses  Mittel  kennfn  lernte  und  sah,  dufs  es  bei 
akaieo  Fiebern  die  s^iRptonaaiischen  Dnrmleiden  beschwichtigte 
und  diese  mit  dem  Fieber  gleichaeilig  hob,  so  tauchte  der  frühere 
Gedanke  wieder  bei  mir  auf:  die  Ruhr  könne  wol  eine  ABTektlon 
des  ClesammtorganisniuB  und  das  Darntleiden  ein  blofses  Vorwal- 
ten dieser  AffeKtion  im  Darinkanale  sein,  loh  fing  an  zu  ahneD* 
dafs  das  Mifslingen  meiner  frflberen  ßeilversuobe  nicht  meiner  und 
anderer  Aerzte  Iriigen  Aosieht,  sondern  vielleicht  blofs  der  Un- 
vollkommenheil der  bis  dahin  bekKnntea  Heilmittel  zuzuschreibeo 
sei.  Weil  ich  jetzt  ein  vollkommnes  Universal  mittel  hatte,  mu&- 
le  es  sich  bald  ausweisen  ,  ob  ich  früher  Recht  oder  Unrecht  ge- 
habt. 

Bei  dem  ersl^  ordentlichen  Ruhrkranken  boslBiigle  sich  schon 
auf  eine  überraschende  Weise  die  Wahrheil  meiner  Ansicht.  Der 
kubische  Salpeter  wirkte  dem  Kranken  fühlbar  wohlibütig  und  höh 
die  Krankheit  in  einem  Drittel  der  Zeit,  welche  eine  Mohnsafl* 
faeilung  würde  erfodert  haben.  Nttcbdem  ich  mich  mia  durch  eine 
hinreichende  Anzahl  ertisihaft er  Fälle  itberseugt  hatte,  dafs'idie 
Heilung  jenes  ersten  weder  dem  Zufalle,  noch  der  IndivHualitfit 
des  Kranken  zasuschreiben,  sondern  wirklich  und  einzig  durch  den 
knbisehen  Salpeter  bewirkt  sei,  so  fragte  mich  einst  brieflich  mein 
alter  ärztlicher  Freund,  der  Herr  Kreisphysicns  D.  v.  Veite»,  da 
die  Ruhr  in  der  Stadt  C/eve  anfing  zn  herrschen:  ob  in  meinem 
Wohnorte,  oder  ia  dessen  Nachbarschaft  sich  die  Rnbr  auch  schon 
zeige,  und  ob  ich  Gelegenheil  gehabt,  die  Natur  derselben  zu  er- 
gründen. 

Verbreilel  halle  sich  dieselbe  nun  zwar  nicht,  ich  hatte  aber 
den  Herbst  schon  sehn  Falle  zn  behandeln  gehabt,  wufsie  also, 
dafa  sie  salpetrischer  Art  sei;  und  da  Cleve  nur  xwei  starke  Weg- 
stunden von  hier  ist,  war  es  eben  nicht  wahrschetnlloh,  diifs  sie 
dort  anders  sollte  geartet  sein  als  hier.  Ich  rieih  hIso  meinem  al- 
ten Freunde  den  Gebrauch  «des  ^atri  nitriei,  (auf  welches  ich  ibd 
schon  im  Allgemeinen  im  Jahr  1816  aufmerksam  geniacbt)  als  ei- 
nes Heilmiiiels,  welches  alle  bis  jelzt  beknnnie  weit  übertreffe, 
gab  ihm  auch  einige  Anschlllge  hinsichtlich  dessen  Anwendung  ia 
dieser  Krankheil,  so  viel  es  sich  nttmlich  brieflich  im  Fluge  ihiin 


—    790    — 

liefi.  Seine  Erfahning  bei  janer  Epidemie  bettHtigie  nun  die  nel- 
na,  nnd  er  hat  die  Beachreibang  der  Epidemie  und  seiner  Behaod- 
lang  18t9,  io  Hörn»  Archiv  für  mediEinische  Erfah- 
rung im  2ien  Hefte,  der  irztlichen  lesenden  Welt  niitgeifaeilt. 

Diese  Abhandlung  hat  hernach  den  Herrn  Dr.  Meyer  in  Bäche- 
burg bewogen,  den  kubischen  Salpeter  ebenfalls  bei  der  Ruhr  an- 
sQwenden.  Er  sagt  im  64sleQ  Bande  4len  Stücke  des  Hufelandschen 
Jonrnalsder  praktischen  Heilkunde :  „De^  Erfolg  meiner  ersten  Ver- 
„sacbe  fiel  so  günstig  aus,  da&  wihrend  einer  grafsen  Rubrepideinie 
,^iu  Sommer  1822,  dem  neuen  Mittel  (auch  in  der  weit  ausgedehn- 
tsten Praxis  meines  Herren  Collegen,  des  Landphysicua  Dr.  ZägeiJ 
„nicht  nur  der  Vorrang  zugestanden  wurde,  sondern  auch  der  Mils- 
„branch  vMer  Hausmittel  seinem  glfinzenden  Rufe  weichen  inufs- 
„le^  Viele  Hunderte  von  Kranken ,  die  jener  Epidemie  unleH«- 
},gen,  verdanken  dem  Natro  nitrico  eine  schnelle  and  voJIsiändige 
„Genesung,  nnd  keine  zwei  von  hundert  wurden  ein  Opfer  der 
„Krankheit  (zum  Theile  stdiwäcbltche  Subjekte,  bei  denen  gleich 
„au  Anfang  die  complizirte  Form  derselben  einen  bösartigen  Ver- 
„laaf  ankündigte,  oder  VemaehlSfsignDg  des  UebeU  Statt  gefunden 
„hatte)." 

Weiter  sagt  er,  dals  bei  der  Mehrzahl  der  Kranken  der  un- 
aasgesetzte  Gebrauch  des  kultischen  Salpeters  hingereicht  habe, 
die  wesentlichen  ZuMle  und  Krank heilserscheinungen  binnen  ei- 
nem bis  zwei  Tagen  gSnzlicb  zn  entfernen.  Und  als  Beweis,  dafa 
nicht  blofs  der  Ärztliche,  sondern  auch  der  gemeine  Menichenrer- 
stand  die  ansgezeichoete  Heilwirkung  dieses  Mittels  erkannt  habe, 
aetel  er  noch  in  einer  Anmerkung  hinzu:  „Es  war  nichts  selte- 
„nes,  dafs  auawSrtige  Ruhrkranke  sich  geradezu ,  oder  wenn  sie 
„keines  Arztes  habhaft  werden  konnten,  an  den  Apotheker  wandten 
„und  die  (kubischen  Salpeter  enthaltende)  sogenannte 
„weifse  Mixtur  fordern  lie&en." 

Die  Leser  sehen  daraus,  dafs  des  besprochenen  Mittels  Reil- 
krlifie  in  der  Ruhr  nicht  blofs  von  dem  Entdecker  derselben,  son- 
dern auch  schon  von  zwei  unparteiischen  Aerzten  anerkannt  ist. 

Da  aber  das,  was  bis  jetzt  die  Herren  v.  Vehen  und  Meyer 
darüber  gesagt,  bei  manchen  Epidemien  zwar  hinreichend  beleh- 
rend sein  wird,  bei  anderen  hingegen  sich  als  unzureichend  aus- 
weisen möchte ;  so  beffe  ich,  nicht  den  Vorwurf  einer  gar  in  klein- 
lichen Aasfuhr1ic)ikeit  zu  verdienen,  wenn  ich  unseren  jüngeren 
Amtsbrüdern  den  Gebrauch  des  Mittels  so  auslege ,  dafs  sie  sich 
bei  allen  denen  Epidemien,  bei  welchen  es  Heilmittel  ist,  in  je- 
dem vorkommenden  Falle  zu  helfen  wissen. 

Hinsichtlich  der  beiden  Ruhrarten  und  der  Unsicherheit  der 
Unterscheidongszeichen  derselben  bemerke  ich  vorifiufig;  wenn 
gleich   bei  der  Salpeterbe handlang   eine  verstandbafte  Uoierschei- 


—    791     — 

Ainjf  beider  Foniifto  n&tbig  isr,  so  kann  man  doch  durch  ein  V«r-  - 
kenant  der  Form  in  dem  Einzelfalle,  in  einem,  oder  in  zwei  Ta- 
gen,   keinen   Bonderliehen  Schaden   anrichten;    weiter  findet  sich 
dnrch   die  Behandlung  in  sweifelhaften  Fsllen  die  ünleracbeidung 
von  selbst. 

Zuerst  also  voo  der  Darmruhr.  Bei  dieser  kann  die  Reizbar- 
keit der  Dftrme  in  versehiedeneo  Graden  krankhaft  geaieigert  sein. 
In  vwschiedenen  Epidemien  kann  im  Allgemeinen  dieser  Grad  ver- 
■cfaieden  sein,  aber  auch  in  einer  und  der  nfimlichen  Epidemie 
die  Reizbarkeil  der  Dünne  in  einem  oder  in  etlichen  Körpern  mäch- 
tig von  der  epidemischen  Norm  abweichen.  ') 

\un  bezeichnet  aber  das  Wort  Reizbarkeit  oder  Erregbarkeit 
du  VerhSltnifs  des  Gesammlorganismiis  oder  einzelner  Organe  zar 
Aufsenwelt.  Von  dem  Grade  dieser  Keizbarhett  hangt  eines  und 
deMelbea  Mittels  woblthStig  heilende,  oder  feindliche,  die  Krank- 
heit verschlimmernde  Wirkung  ab.  Am  ■anffallendsten  ist  dieses 
in  dem  erkrankten  Üarmkanale  wahrsu nehmen.  Es  ist  also  bar 
oniDÖglich,  eine  allgemein  wofalihStige  nnd  heilend»  Gabe  des  iVa< 
tri  nitrici  anzugeben. 

Bei  einem  gesunden  Menschen  bewirkt  eine  Unze  desselben, 
ioneriiBlb  viernndzwanaig  Stunden  in  geiheillen  Gaben  gereicht, 
keine  merkbar  vermehrte  Darmbewegung;  aber  darans  folgt  nicht, 
iabi  man  es  auch  bei  der  Damimhr  in  solcher  Gabe  mit  Vorthei) 
reichen  könne.  Hier  ist  die  Reizbarkeit  der  Diinndfirme  so  krank- 
haft erhöhet,  dafs  zuweilen  eine  halbe  Unze  innerhalb  viemnd- 
zwanzig  Stunden  gereicht,  schon  slürmischen  Diirtihfall    erregt. 

Die  wahre  Miltelgabe  ist  anderfhalb  bis  zwei  Drachmen  in  ei- 
ner aehtnnxigen  Auflösung  von  einem  Scrupel  Trnganih,  von  der 
der  Kranke  stündlich  einen  Löffel  voll  nimmt.  Ist  aber  die  Reit- 
barkeit  des  Darmkanals  sühr  gesteigert,  so  ihut  man  am  besten, 
anderthalb  Drachmen  Natrum  nitricuM,  in  acht  Unzen  Wasser  aof- 
gelöaet,  mit  einer  Unze  arabischen  Gummi  und  drei  Drachmen 
Mohnöl  zu  verbinden,  denn  durch  diese  Verbindung  wird  der  feind- 
lichen Einwirkung  des  Mittels  auf  die  krankhaft  reitbaren  Därme 
vorgebeugt. 

Der  Fall,  bei  dem  ich  zuerst  diese  Vorsicht  lernte,  hat  et- 
wa« ausgezeichnet  Merkwürdiges,  weshalb  ich  ihn  dem  Leser  er- 
zählen werde. 


*)  In  dar  Epidenii  de«  JabrM  tSOS ,  bei  der  die  SrecboDb,  wtgto  der  siiader 
grsteisarteii  Reitbarkeit  de«  DarmkiOili  im  AllscneinEa  HeilmilUI  wtr,  habe 
ich  gine  Fna  bohtndell,  deren  DannrBizberkeil  von  dieior  r|iideiaiicbaD  Hom 
to  lehr  tbwicb  ,  itü  die  Brecbnolk  alle  Znrill*  der  Kreukbeil  uD^eebliob 
•teigerte;  icb  Riiirete  tte  bbreo  iHien  dbiI  mn  Hobnean  greires,  welcher 
daan  lacb  die  Kranke  wieder  beMtelile. 


-Jügic 


-    702    - 

Eine  siebzigjährig«  Frau  war4«  vaa  iat  Rabe  erginim,  in  «i- 
nem  Herbste,  da  diese  sieb  niofat  verbreiute,  Es  var  sivs  vM- 
kouimen  reine  Oarinruhr,  dss  heilst,  eine  aoiofae,  hei  der  gar  iiei- 
B0  ZuacbuiiruDg  des  Mastdarmes,  liein  Schleim-  und  Biuiabgang 
Statt  fand,  bei  der  aber,  wie  bei  den  meisten  Darmrubren,  die  GbIIbd- 
gfinge  mitleidlich  ergriffen  und  dieGalleaabsiNidwung  gehemiuet  war, 
weshalb  grauer  dünnflüssiger  Koib  entleeret  wurde.  Ich  habe  schsa 
oben  gesagt,  dafs  diese  Ruhr,  die  ich  aber  nur  einsein  gesehen, 
höchst  gefährlich  ist,  wol  inoerbalb  vier  Tage  den  Kranken  tödien 
kann.  Ueberhaupf  bedeutet  in  allen  akuten  Krankheilen  das  üa- 
berspringen  des  ersten  Stadiums  seUan  etwa»  Gutes.  Die  Krauk« 
halte  nicht  eben  sehr  bSufige  Stühle,  bloTs  bei  der  Mahnung  zum 
Abgänge  etwas  widrige  Gefühle  im  Bsuobe,  kein  Erbrechen,  aber 
sehr  schnellen,  schwachen  Puls  und  pjn  GnHibl  -von  grofser  Mat- 
tigkeit. Ich  gab  ihr  einen  achtnnsigen  Trank  von  zwei  Dracb- 
men  Nalrum  »iiricum  und  einem  Scrup^  Traganlh  (slÜDdliah  einso 
Löffet).  Mit  diesepi  hatte  iph  b<s  dahin  die  mir  vorgekomnienen 
KlihrJäjte  glücklieb  und  bald  beseitiget.  (Ich  spreche  hier  reo 
der  ersten  Zeit,  oder  von  meiner  Lehrzeit  des  Salpelergebraocbes,) 
In  diesem  Falle  half  aber  d«r  Trank  nicbt  allein  gar  nicht, 
sondern  der  Durchlauf  vermehrte,  und  am  «weiten  Tage  wunden 
Hände  und  Gesicht  der  Kranken  kühl,  bläulich,  der  Puls  sobnel- 
ler  und  kleiner  als  am  vorigen  Tage,  die  Enikräfiung  nahm  sidit- 
bar  zu,  und  eine  gleichgültige  Gemüthssiimmung,  bei  dieser  swar 
allen  aber  sehr  rührigen  Frau,  liefs  mich  nicht  viel  Gutes  ahnen. 
Ich  sab  den  Mifsgriff  ein,  liefs  einen  achiunsigeo  Trank  von  andert- 
halb Drachmen  Natram  nitricuptt  aiqer  lln«e  arabisches  Gummi 
und  drei  Drachmen  MohnJ^t  bereiten  und  der  Kranken  stündlicb 
einen  Löffel  davon  reichen.  Nun  sehickle  sich  alles  sur  Besse- 
rung an;  der  bedenkliche  Zustand  verschwand  noch. am  afimlichen 
Tage,  und  am  folgenden  war  schqn  die  Zahl  der  Stühle  nni  zwei 
Driltel  Y^rroindert,  der  Koth  nicht  mehr  grau,  sondern  gelb  und 
breiig,  und  die  ganze  Krankheit  dann,  ohne  weitere  Zufälle  in  et- 
lichen Tagen  beseitiget.  Dieser  Fall  war  wegen  der  bl&ulichea 
FSrhung  des  Gesichtes  und  der  Hände  merkwürdig;  ich  sab  diese 
hei  der  Ruhr  noch  nie,  als  vielleicht  im  Todeskampfe  selbst,  wo 
man  sie  auch  wol  bei  anderen  Krankheiten  bemerkt. 

\on  mofs  ich  auf  eine  Erscheinung  aufmerksam  macheui  wel- 
che manchen  Unerfahrenen  täuschen  könnte.  Beim  Gebrauche  des 
kubischen  Salpeters,' mindert  die  Zahl  der  Slühle  bald,  und  das 
Mifsbehagen  im  BaOche  und  im  ganzen  Körper  bessert ,  dem  Kran- 
ken fühlbar.  Sobald  aber  die  Zuschnurung  des  Mastdarmes  nach- 
läfsl  und  koihiger  Abgang  eifolgt,  entstehet  bei  einigen  Menschen, 
aber  lange  nicht  bei  allen,  ein  vermehrter  Durchfall.  Hat  man 
die  Gabe   des  Salpeters  nicht  zu  reichlich  genommen,    so  braucht 


—    793     — 

Ulan  in  ^m  Tranke  nichts  ahzntindHa,  denn  dtese  Vennehriing 
des  Durchlaufii  kehrt,  bei  dem  fortgesetsteD  Gebrauche  der  Arze- 
nei,  iaaerbalb  etlicher  Stunden  in  die  gewahnlichen  Schranken  zu- 
rück.  Der  Gniod  dieier  «aBcheinenden  Venchliininerung  ist  fol- 
gen  der. 

Die  Darmruhr  bat  ein  Vorlaiiferstadiunij  welches,  wie  gesagt, 
etwas  lang  ist,  und  welches  sich  entweder  durch  wenige  dünnko- 
tbige  Stühle,  oder  durch  Rummeln  im  Bauche,  oder  durch  Knei- 
pen, oder  auch  wol  durch  ein  sellsameB,  dem  Hunger  ähnliches 
GefShl  im  Epigasirio  offenbaret.  Alles,  was  nun  die  Menschen 
in  diesem  Zeiträume  essen,  wird  iiichl  verdauet,  und  wenn  die 
ZnschnOrong  des  Mastdarmes  einiriit,  bleihon  die  unverdauten  \«h- 
rangsminel  im  Darmicanale.  Wahrscheinlich  er]ei<len  diese  eine 
saure  Gsfaruag,  cum  wenigsi^n  klagen  manche  Menschen  in  die- 
sem  Zeifraume  über  saure«  Aufstolsen  und  Aber  ein  brenncndeii 
Gefühl  im  Bauche.  Sobald  nun  die  Zusammenziefating  des  Masl- 
darraes  bei  dem  Gebrauche  des  kubischen  Salpelers  sich  lilset,  eni- 
lediget  sich  die  Natur  von  selbst  der  verdorbenen  \ahrungsmiiiel, 
ja,  diese  gehen  nicht  selten  unverdaaet  von  dem  Kianken.  Weit 
enlfernt  also,  dafs  die  anBcbetnende  Verschlimmerung  eine  wirli- 
liche  Verschlimmerung  sein  sollte,  ist  sie  vielmehr  eine  nützliche 
und  zur  Heilung  nothwendige  iSelbslhülfe  der  Natur,  welche  man 
nicht  hemmen  -mofs.  Sind  aber  die  unverdauten,  verdorbenen  Stof- 
fe entleeret  und  der  vermehrte  Durchlauf  mindert  nicht  von  selbst 
in  ein  paar  Stunden,  so  ist  dieses  ein  Beweis,  dafs  die  Salpeter. 
gäbe  verhältlich  zu  dem  Grade  der  krankhaften  Darroreizbarkeit 
zu  grofg  ist.  Man  ihut  am  besten,  den  Salpeter,  bat  man  ihn  in 
gfBfserer  Gabe  gereicht,  gleich  auf  die  Taggabe  von  anderthalb 
Drachmen  einzuachrfinlEea  und  nach  Umstanden  ihn  mit  Gummi  und 
Oel  zn  verbinden.*) 

In  Fällen,  wo  das  Vorlaufersladiuin  sich  durch  reichlichen 
kotbigen  Durchfall  und  Appetitlosigkeit  offenbaret  hat,  ist  eine  An- 
sammlung verdorbener  Stoffe  nicht  möglich,  überdies  wird  durch 
einen  solchen  Vorläuferdurchfall  die  Crkenntnifs  der  Darmruhr  aia 
sichersleti  verbürgt.  Man  kann  in  dieven  Fällen,  wo  die  Erkennt- 
oils  sicher  ist,  den  schleituigöligen  Sulpeterlrank  gleich  geben, 
dann  bat  man  nicht  nöthig,  mehre  Rezepte  für  Einen  Kranken 
zu  schreiben.  Im  Falle  man  aber  nur  einigermafsen  unsicher  ist, 
mit  welcherlei  Ruhr  man  es  zu  thun  habe,  raihe  ich,  lieber  die 
einfache  Salpeteraulloaung  mit  etwas  Gummi  zu  reichen. 


")    Ich  bta  aoob  anf  mie  gHtofain ,    bei  denen    leb  dla   Gibe  dei  Stlpcler*  tat 
R\»*,  ja  auf  «ia«  hsHa  Drachua  verriafera  naTale,  an  aeiaa  wahrt  B«llffir- 


-  79i  - 
'  Dm  Erbrechen,  welchm  he!  der  Darmruhr  eine  gemeine  Er- 
■cheinung  ist,  ilillei  Bich,  wenn  ea  nicht  sehr  hefitg  nt,  oder 
schon  lange  angehnlien  ,  durch  einen  Zosati  Ten  funhekn  Gran 
Megüferium  Bitnmthi  eh  dem  achtnnxigen  SRlp^frrlrtnke ;  niitn 
inufs  aber  dann  keinen  Traganih,  sondern  eine  halbe  Unie  ar«- 
bischea  Gummi  KuseCMU.  Ist  das  Erbrechen  hartnackig,  oderver- 
mnlhet  nian  aus  der  Zeit,  die  ei  schon  gewihret,  dessen  Han- 
nfickigLeit,  so  int  es  klug,  sein  vouügliches  Aageninerk  auf  sei- 
biges  SU  richten;  denn  was  macht  man  mit  einem  Menschen,  il^r 
dieArzenei,  die  ihm  helfen  soll ,  augenblicklich  wieder  ausbricht  ^ 
Ich  pflege  in  solchen  Füllen  mit  grofsem  und  sicbiharem  N'uis«n 
stündlich  einen  LölTel  von  einem  aas  acht  Unzen  Wasser,  zwei 
Drachmen  essigsauren  Natron  und  einer  halben  Uose  arabischeB 
Gummi  bestehenden  Trank  za  geben.  Sobald  das  Erbrechen  ge- 
hoben ist,  niufs  matt  den  Salpetertrank  geben  und  damit  die  Krank- 
heit heilen. 

Nun  habe  ich  mir  aber  von  meinen  allgemeineren  Beobach- 
tungen des  erkrankten  Meoschenleibes  zwei  SKtze  abgezogen,  auf 
welche  ich,  weil  man'sie  bei  der  gründlichen  Heilung  der  Ruhr 
nicht  gut  missen  kann,    den' Leser  aufmerksam  mache. 

1.  Die  Erkrankung  eines  Organs,  welche  das  Vor- 
wallen ei  ner  Äff  ektion  des  Gesammlorganismus 
in  diesem  Organe  ist,  kann,  wenn  die  Affeklion 
des  Gesammtorganismus  gehoben  ist,  als  blofses 
Urleiden  des  Organs  in  diesem  fortwähren,  (ge- 
wöhnlich aber  in  geringcrem  Grade.) 

Dieser  Satz  bestftliget  sieb  auch  bei  der  Ruhr  in  eiHzelnen 
Fällen,  und  man  siebet  sich  dann  genBihiget,  «in  gutes  Dam- 
heilmiltel  za  suchen.  Wer  vom  Mohnsafte  roraüglfch  Hülfe  er- 
wartet, der  wird  finden,  dafs  dieser  hier  eben  io  sicher  hilft  als 
in  jedem  anderen  einfachen  Durchlaufe.  Wer  aber  den  Glanben 
gerade  nicht  hat,  dafs  jene  Heilkraft  ausachliefslich  an  denMofansafi 
gebunden  sei,  der  versuche  den  essigsauren  Zink;  ich  hRbe  von 
diesem  in  solchen  Fällen  auffallend  heilende  Wirkung  gesehen. 
Er  bat  den  grofgen  Vorzug,  dafs  durch  ihn  die  Hamabsonderitng 
auch  nicht  im  mindesten  gestoret  wird ,  welches  man  vom  Mohn- 
safte  wol  nicht  so  geradezu  behaupten  kann. 

Uebrigens  mufs  sich  niemand  vorstellen,  dafs  man  oft  genö- 
thiget  sei,  zu  den  Darroheilmitteln  zu  greifen;  im  Gegeniheil, 
solche  Fälle  sind  Ausnahmen  von  der  Regel. 

Der  Grund,  warum  das  Vorwalten  der  AfTekiion  des  Ge- 
•ammtorganismus  in  einem  Orgaue  zuweilen  zum  IMeiden  dieses 
Organ«  wird,  ist  nicht  gemächlich  anzngebeo.  Wollte  man  bei 
der  Ruhr  eine  frühere  iibergrofse  Reizbarkeil   des  Dnrmkanals  als 


—    793    — 

d»D  Grund  eioes  goldwn  Ueberganges  aogebeo,  «>  laufg  ich  Eig- 
red«  ibun,  denn  icb  habe  Menschen  gelcanat,  deren  Dfiroie  im 
gesanden  Zostaade ,  verbältlich  an  den  Därmen  der  Mehrzahl  an- 
derer Menschen,  sehr  reisbar  waren,  bei  denen  aber,  wenn  sie 
die  Darmruhr  bekamen,  nac^  geheilter  Affeliiioa  des  Gesaiamt- 
organismus  keine  Spur  von  Urleiden  des  Darmkanals  zurückblieb ; 
bei  anderen  hingegen,  deren  Dirme  im  gesunden  Zustande  nichu 
weniger  als  überreizbar  gewesen,  blieb  zuweilen  ein  solches  (Jr- 
leiden  zurück. 

11.  Bei  der  in  einem  Organ  vorwaltenden  Affeklion 
des  Gesammtorganismns  kann  durch  dieses  Vor- 
walten in  dem  Organe  ein  anderes  Organ  mitleid- 
lich ergriffen  werden,  und  dieses  consensuelle 
Ergriffe Qsein  des  Organs  kann  in  einzelnen  Men- 
schen, znin  Urleiden  dieses  Organs  werdend, 
nach  gehobener  Affektion  des  Gesantni torganis- 
mns  fortbestehen. 

Wenn  also  bei  der  durch  Salpeter  bewirkten  siehibareb  Besse- 
rung der  Ruhr  Durchlauf  zurückbleibt,  so  kann  man  diesen  nicht 
immer  blindlings  als  ein  Urleiden  der  Därme  ansehen  und  dem 
gemäfs  behandlen.  Bei  der  Darmruhr  können  alle  Bauchorgane 
mitieidlich  ergriffen  ond  die  conseninellen  Leiden  derselben  zu 
Urleiden  werden.  Diese  neu  gebildeten  Urleiden  können  dann  con- 
seoBueU  auf  die  Därme  wirken  und  einen  Durchlauf  unterhalten, 
den  wir  vergebens  mit  Mohnsaft,  mit  Zink,  oder  mit  anderen 
Darmmitteln  belüimpfen  werden. 

Zwei  Organe  werden  vorzüglich  bei  der  Darmruhr  consensnell 
ergriffen,  das  sind:  die  Leber  in  ihren  Gallengängen  und  die 
Nieren,  Darum  zeigt  sich  schon  im  YorlSuferzeitraume  grau«-, 
koibiger  Abgang,  oder  verminderte  'Harnabsondetung;  ja,  leich- 
ter Harnzwang  begleitet  die  Krankheit  nicht  selten  durch  alle  Zeit- 
räume. 

Sehen  wir  nun,  dafs  nach  gehobpuer  Affektion  des  Gesammt- 
organismiis  das  Gefühl  der  Gesundheit  zwar  wiederkehret,  aber 
doch  noch  in  geringerem  Grade  etwas  getrübt  ist,  dafs  Durchlauf 
aberbleibt,  durch  welchen  ganz  hellgelber,  oder  grünlicher ,  oder 
grauer,  oder  an  der  Luft  grau  werdender  Koth  entleeret  wird, 
und  findet  dabei  noch  gar  ein  widriges,  fremdartiges  Gefühl  in 
der  Leber  Statt  ( Schmerz  braucht  es  nicht  gerade  sn  sein ) ;  so 
werden  wir  den  Durchfall  am  besten  durch  Lebermittel  heben. 
Aber  hier  mnfs  man  Torsichtig  sein ,  nicht  denken ,  viel  hilft  viel, 
nnd  täppisch  mit  den  Hepatici»  hineinfahren.  Alle  Leberleiden 
mit  consensnellem  Durchlauf  wollen  mit  kleinen  Gd>en  der  ge- 
eigneten Mittel  behandelt  leia.     Etwas  Quaaüawasser  (eine  Unze 


-.ügic 


-    TO6    - 

tags),  oder  etwas  Kräfasnangsnwasser  (fünf-  bn  Hcfasnahl  lag» 
fünf  bis  acht  Tropfen),  oder  etwas  Tinktar  des  Schellkraaiaiif- 
tes  (aehi,  besser  noch  fiinf  Tropfen  in  einem  schleiiuigen  Tranke 
■U  Taggabe),  oder  eiwas  Tinktur  der  Prauendislel  (acht  bis  sehn 
Tropfen  fiinf-  bis  sechsmah)  lags  )  Verden  schon  helfen.  Die  Aus- 
wahl mufg  dem  tiberlassen  bleiben ,  der  den  Einxelfall  lu  behan- 
deln hat;  es  läfot  sich  nichts  weiter  darüber  sagen  als  was  ich 
früher  über  den  Gebrauch  dieser  Mittel  gesagt  habe,  welches  ich 
jetzt  nicht  wiederholen  mag. 

Was  die  zum  Urleiden  gewordene  Xierenaffekiion  angfbei, 
welche  man  bei  dem  überbleibenden  Durchfalle  aus  der  Wenig- 
keit, oder  Trübheit  des  Flarnes,  oder  aus  beiden  vereint  veriiiu- 
tbel,  so  sind  hier  drei  Mittel,  welche  nicht«  zu  wünschen  über- 
lassen. Das  erste  ist  die  Mohniafitinktur  zu  drei  bis  vier  Tro- 
pfen mit  zwei  Pfund  lauwarmen  Wasser  gemischt  und  iheeiassen- 
weise  innerhalb  vierundzwanzig  Stunden  verzehrt.  Das  zweite  ist 
das  Pulver  der  Cochenille  zu  zwei  Drachmen,  innerhalb  vierund- 
zwanzig Stunden  genommen.  Das  drille  ist  die  tioldruthe  zu  ei- 
ner halben  Unze  lags  mit  fünf  bis  sechs  Tassen  beifsero  Wasser 
eine  halbe  Stunde  lang  ausgezogen.  Sobald  durch  eins  dieser 
Mittel  der  Harn  klar,  btrohgelb  von  Farbe  und  in  reichlit^er 
Menge  ausgesondert  wird,   hört  der  Uurchf)ill  auf. 

Hinsichdicb  der  Diät  bemerke  ich  Folgendes.  Muffige  Beii- 
wärme  ist  Dothwendige  Bedingung  der  sicberea  und  schoellen  Hei- 
lung. Bei  Mahnung  zur  Bauchenileemng  mub  der  Kranke  im 
Betie  bleiben,  und  Hieb  der  Steckpfanne,  oder  der  gemeine  Mann, 
der  diese  nicht  hat,  sich  des  Nachltopfes  bedienen.  Das  Gehen 
auf  den  Leibatuhl  ist,  besonders  bei  kühler  Wiiteroog,  sehr  nach- 
ibeiligt   es  kann  augenblicklich  die  Krankheit  verschlimmern. 

Enthallting  von  allen  festen  Speisen  ist  unerlälslich ,  dieDfir- 
rae  vertragen  dergleichen  nicht.  Im  ersten  Zeiträume  verursacheo 
feste  Speisen  Bauchschmerzen ,  auch  wol  BeSagsiigung  und  Er< 
brechen,  im  zweiten  vermehren  sie  den  Durchfall  und  machen 
ihn  leicht  sehmerzhafier  als  er  war.  Dünne  Suppe  von  Hühner-, 
Riad-,  oder  Lammfleisch  mit  etwas  Reifs  oder  Weifsbroi  wird  an 
besten  vertragen.  Auch  Milch  mit  Weifsbrot  ist  gut.  Den  gerin- 
gen Mann,  der  nicht  immer  Fleischsuppe  haben  kann,  liefs  ich 
oft  genug  blofs  von  Milch  und  etwas  Weifsbrot  leben.  Ja  ich  habe 
schon  bei  einer  Epidemie,  Jurch  frühere  Erfahrung  gewitzigt,  da« 
Geld,  welches  mir  mitleidige  Menachen  für  die  Armen  gaben, 
eiaeu  Milch  verkaufenden  Bäcker  eingeiiäodigct ,  der  dann  den 
Armen  auf  meine  Anweisung  diese  einfache  und  zweckmfilaige 
Nahrung  reichte. 

Mehl,  selbst  in  geringer  Menge  mit  Milch  gekocht,  langt 
nicht,    es   verursacht   im   ersten    Zeitranme   Baucbsehroeraea    und 


—    797    — 

Bellnguigiing,  im  zwciicn  BAutfaKbuefseD  und  vermehrten  Durch- 
fall, der  lo  .lange  anhält ,  bia  die  Ofime  sich  des  Mehlbreie«  eni- 
lediget  haben. 

Zum  Gelränke  dient  grfiDer  Thee  und  noch  besser  warmes 
Wasser  mit  einem  Vierlei  Milch  gemischt;  kaltes  Getränk  ver- 
mehrt die  ßauchleideo  ungetiblivklicb.  Kamillentheei  der  von 
manchen  Aerztea  in  der  Hubr  und  neuerlich  selbst  in  der  asiati- 
«chen  Cholera  als  eine  Panasee  g^erühml  ist,  in  leisier  Krankheit 
aber  seinen  unverdienten  Kuf  fast  verloren  zu  haben  icheint,  ist 
in  der  Ruhr  weit  dfter  schsdlich  als  unscbAdlicb»  und  wirklich 
heilsam  habe  ich  ihn  noch  nie  erkannt.  Nur  da,  wo  die  Reiz- 
barkeit der  IXiriae  nicht  sehr  gesteigert  ist ,  kann  er  unschädlich 
sein;  im  ealgegeoge»etzies  Falle  schadet  er  beatimmi.  Weil  sieb 
noD  aber  der  Grad  der  krankhaften  Darmreisbarkeit  in  dem  Ein- 
lelfalle  gleich  anfänglich  so  genau  nicht  immer  schätseu  labt,  so 
ist  es  wol  am  klügsten,  sich  des  Kamillentheea  gar  nicht  vi  be- 
dienen. Manche  Leute  trinken  denselben  als  ein  Rnschuldiges- 
Haasmitlei  bei  allem  Unwohlsein;  ich  raihe  als»  meinen  Amts- 
brüdern,  an  diese  ziemlieh  veihreitete  Mode  »i  denken  und  ihn 
den  Ruhrtranben  ausdrücklich  zu  vetbieien,  dnmit  nicht  diese  den 
Darmkaaal,  den  def  Arzt  zu  beruhigen  strebt,  durch  den  Kamil- 
lenthee  nnablfissig  wieder  aufrühren  und  sich  so  ein  gebeiuter 
Ureikaiitpf  zwischen  dem  Arzte,  der  Krankheit  und  dem  Kamil- 
lenthee  enlspiane. 

Der  Grad  krankhafter  Daimreiabarkeil  ist  bei  ernsthaften  Darm- 
rubren  gr&fsar,  als  Aerzte,  die  es  nicht  selbst  beobaofatel,  den- 
ken möchten.  Wenn  z.  B.  hei  kühlem  Herbsiwetier  manche  Leute 
ihre  Arzenei,  damit  sie  nicht  im  Schlafzimmer  flau  werde,  in  ein 
anstofseodes  unbewohntes,  also  k&lteres  Zimmer  stellen  laaaen, 
so  bewir^it  ein  einziger  LSfiM  dieser  kühlen  Arzenei  augenblick- 
lich Drehen  im  Bauche  und  Mahntti^  zum  Stubtgange.  Wer  dar- 
auf nicht  achtel,  dem  kann  es  gehen  wie  mir  in  neiner  Jugend. 
Ich  wurde  wakihaflig  ganz  verblüBt,  dafs  ein  Löffel  Mohnsaftar- 
zenei,  der,  meiner  Meinnng  und  meiner  Erf^rung  nach,  die 
Dftrine  beruhigen  mufaie,  sie  augenblicklich  in  Aufsubr  brachte. 
Jetzt  weifs  ich  Ifingst  die  LiMong  des  Rfithsels  und  sorge  sehen 
dafBr,  da/s  der  Kranke  die  Arzenei  nicht  za  aefar  abkfihlt,  und 
wenn  sie  zn  kalt  aMS  dar  Apotheke  kommt)  lasse  ich  sie  lieber 
etwas  wärmen. 

Diese  Vorsicht  mufs  man  aucli  hei  dem  Gebraocbe  der  Mit- 
tel beebachtan,   mit  denen  man  das  Erbrechen  stillen  will. 

Einer  meiner  früheren  Bekannleo,  der  auf  einer  Geschäfts- 
reise sieh  ein'  paar  Tage  etwas  unwohl  gefiibll,  wurde  von  der 
Ruhr  ergriffen,  and  blieb  eine  Wegstunde  von  hier,  unfähig  wei- 
ter zu    reisen ,    in-  dein  Hause  einea  meiner  Freunde  liegen.     Er 


—    798    — 

Uefa  mir  di«  ZuftÜle  seiner  Krankheit  zu  wüien  thnn,  und  weil 
ihn  nnier  diesen  das  lilrbrMhen  etwas  besorgt  machte  (er  mafste 
nämlich  alles  Genommene  gleich  wieder  von  sich  geben)  so  wünschte 
er ,  ich  m5chte  ihn  gleich  besachen.  Dieses  war  mir  aber ,  wenn 
ich  einen  anderen  Kranken,  der  in  einer  ganz  anderen  Gegend 
wohnte  und  dem  ich  meinen  Besuch  zugesagt,  nicht  täuschen  woll- 
te, zu  thun  unmSglich.  Ich  liefs  ihm  also  sagen,  dafs  ich  erst 
nachmittags  kommen  würde,  und  schickte  ihm  folgenden  Trank: 
Sl  Nairi  nifriei  5iß  Gmm.  arab.  |ß  magüt,  Biamulki  gr.  xv  Aquae 
^fiii  M.  D.  S.  Stündlich  umgeschuitelt  einen  Löffel  voll  seu  neh- 
men. Dieses  geschah  vormittags  zehn  Uhr.  Ich  sah  ihn  nachmit- 
tags vier  Uhr.  Die  Arzenei  halle  das  Brechen  nicht  geslillet,  er 
hatte  sie  vielmehr  jedeami^l,  so  wie  er  sie  genommen,  augen- 
blicklich wieder  von  sich  gegeben.  .Sein  Puls  war  schnell  nnd 
klein,  stündlitih  ungefähr  war  eine  Bauchenlleentng  erfolgt,  und 
nng  den. ausgeleerten  Stoffen,  die  das  Mittel  zwischen  Schleim  nnd 
Koth  hielten,  schlofs  Ich,  dafs  die  Brechnihr  auf  dem  Uebergangs- 
punkte  zwischen  dem  Vorläufer-  und  dem  ersten  Zeiträume  der 
ausgebildeten  Krankheit  sich  belinde.  Uebrigens  war  sein  Gesicht 
hlafs,  die  Augen  lagen  ii«r  in  ihren  Hdhien,  und  alle  Züge  wa- 
ren so  seltsam  nnd  fremdartig  entstellt,  dafs  die  Hauslente  der 
Meinung  waren,  er  müsse  nothwendig  den  Anfang  einer  sebw.e- 
ren  Krankheit  haben.  Ich  glaubte  das  nun  eben  nicht,  denn  ich 
knnnte  ihn  von  früher  Zeil  her,  und  wufsle,  dafs  sein  Gesicht 
zu  den  seltenen  gehörte,  die  durch  jedes,  selbst  durch  ein  leich- 
tes Unwohlsein  wunderbar  entstellt  werden.  Da  ich  nun  blofs  der 
K8lte  der  Arzenei  das  Nichtheilwirken  derselben  zuschrieb,  so 
Rchüiteie  ich  einen  LSffel  voll  in  eine  Tasse  nnd  setzte  diese  in 
warmes  Wasser,  bis  die  Arzenei  gut  erwärmet  war.  Diese  Gnbe 
blieb  im  Magen,  und  der  Kranke  versicherte,  davon  ein  eigenes 
wohlihfiliges  Geföhl  im  ganzen  KSrper  zn  spuren.  Ich  verweilte 
bei  den  Hnusleuten ,  meinen  ahen  Freunden ,  so  lange ,  bis  ich 
sah,  dafs  der  Kranke  die  drille  Gabe  bei  sich  behielt,  und  anfing, 
eine  mäfsige,  ihm  selbst  behagliche  Ausdünstnng  zu  bekommen. 
Am  folgenden  Tage,  da  das  Brechen  nicht  wieder  gekehrt,  nnd  dkr 
Kranke,  bis  auf  einen  unbedenlenden  koihigen  Durchlauf ,  von  al-' 
len  vonägigen  Leiden  befreiet  war,  gab  ich  ihm  noch  eine  acht- 
nnzige  Oelemulsion  mit  anderthalb  Drachmen  Nalrum  nitricum, 
wodurch  denn  der  Rest  des  Darmleidens  beseitiget  und  er  befähi- 
get wurde,   am  dritten  Tage  seine  Reise  fortzusetzen. 

Nun  werde  ich  von  dem  Gebrauche  des  kubischen  Salpeters 
bei  der  Maatdarmruhr  reden. 

Hier  findet  ein  ganz  anderes  Terhälinifs  zwischen  den  dün- 
nen Därmen  und  dem  Heilmittel  Statt.  Weil  die  Reizbarkeit  je- 
ner wenig  gesteigert  ist,   verlragen  sie  auch  den  Salpeter  in  gr8- 


JseRn  Gaben ,  ja  wenn  dicR  grSfaeren  Gaben  ein  wenig  laxirend 
wirkeo,  so  «badet  dieses  nidit,  wadern  ist  rielmebr  nüiKÜcli. 
Wir  schlagen  bier,  wie  das  Spricbwort  sagt,  zwei  Fliegen  mit 
einer  Kla^ipe,  wir  beilen  den  Gcsanimiorganiannii  und  bringen 
mit  dem  nSmlichen  Mittet  einen  aniagoolsiisch  wirlienden  Reiz  in 
die  Dünndärme. 

Hier  bedarf  es  iceiocs  schleimigen  oder  öligen  Zosaizes«  um 
die  Därme  vor  der  Srllicben  Einwirkung  des  Salpeters  zn  schlis- 
xenf    man  gibt  diesen  am  beites  in  einfachem  Wasser. 

Eine  Uoze  in  acht  L'nuen  Wasser  aafgelSset  nnd  davon  stünd- 
lich ein  LöfTe.I,  ist  die  wahre  Gabe.  In  manchen  Fallen,  wo  d^ 
Mastdarm  nicht  gar  zu  heftig  ergriffen  ist,  erfolgt  schon  am  ei^ 
Sien  Tage  koibiger  gebundener  Abgang  nnd -am  zweiten  ist  die 
Krankheit  gehoben.  Bei  einem  höheren  Grade  der  Krankheit 
währt  die  Ziisainmenziehung  des  Mastdarmes  lUnger;  ist  die  aber 
gehoben,  so  ist  auch  die  ganze  Krankheit  gehoben.  *)  Sollte  man 
aber  sehen,  dafs  hei  aacblaasender  MasidarmconNtriklion  der  ko- 
ihige  Abgang  gaDz.dfian  wäre,  so  ihul  man  am  besten,  die  Gabe 
dos  kubischen  Salpeters  auf  zwei  bis  anderthalb  Drachmen  zu  ver- 
mindern, ihn  auch  wol  nach  Umständen  in  einer  schteimigeo  Mi- 
schung KU  reichen.  Jedoch  darf  man  bei  ernsthaften  Fällen  nicht 
gor  zu  hurtig  in  Verringerung  der  Arzeneigabe  sein.  i 

Bei  schnell  geheilten  Kuhten  dieser  Art  hat  man  mit  einem 
zum  Urleiden  der  Darme  gewordenen  Durchfall  nichts  zu  ihun. 
Ist  aber  die  Krankheit  sich  selbst  überlas' en  geblieben,  oder  wi- 
dersinnig behandelt  worden,  ao  bleibt  nach  langen  Leiden  gar 
leicht  ein  chronischer  Durchfall  zurück,  -der  einer  Mischung  von 
Catechu  und  Salmiak  besser  weicht  als  allen  anderen  Darnnnitteln. 

Wenn  aber  nach  einer  gut  geheilten  Mastdarmruhr  ein  Durch- 
fall nicht  wol  snrfickbleiben  kann,  so  kann  aber  doch  das  Mast- 
darmletden  in  seltenen  Fflilen  zum  Urleiden  dieses  Organs  wer- 
den, wo  es  denn,  ohne  den  Menschen  krank  zu  machen,  sieh 
von  Zeit  zu  Zeit  durch  stnblzwangige  Mahnung  offenbaret.  Hier 
wäre  eg  gut,  dafs  wir  ein  Eigenmittel  auf  d«li  Mastdarm  hätten. 
loh  habe  in  meinem  Leben ,  durch  die  Noih  gezwungen ,  manche 
Versuche  in  dieser  Hinsicht  gemacht,  aber  nicht  viel  Gutes  ge- 
lernt. Der  fiufserliche  Gebrauch  der  Belladonna  gefällt  mir  noch 
am  besten.  Ich  lasse  eine  Salbe  von  zwei  Drachmen  Schmalz  nnd 
einer  halben,   auch  wol   einer  ganzen  Drachme  Belladonnaexlrakt 


*)  Bei  msaohaB  tu  der  Usstdirmrabr  LeideidBB  ilad  die  Dirme  sehr  cupfind- 
lich  Kr  dia  EiDWirkoDE  der  Kilto.  Wean  ntn  •Iwi  gewahrt,  dafi  der  Krsa- 
ke  ,  ^sleh  pschdeB  er  eines  LHITel  voll  SsIpetersatlSisas  verstklacki,  B««ch- 
tebacnsa  mad  StokUwias  bakrasit ,  le  mmü  Ms  dl«  Aneael  wsrn  reicbep, 
dadurcb  benMert  asa  die  BeiluB  ■^•■•ia. 


-  (toe  - 

fünf  bis  MebaMfthl  i»^  fiaÜMtlicb  in  die  Mandbng  dea  Afwra  em- 
reibeo.  EiakpriUnsgen  wurden  wol  noch  bewer  sein;  da  aber 
das  Millfll  lu  den  hefligwirkesden  gcbörl,  aod  nan  ntcbt  wjmpb 
kann,  wie  lange  ei  in  dem  Mastdärme  verweilen  wird,  M  läiat 
»ich  aueb  die  richtige  Gabe  nicht  gut  be«timmen ,  es  Itdnnte  io  man- 
chen FHlien  mehr  wirl^en ,  als  einem  gerade  lieb  sein  möehie. 

Uaberhanpt  scheint  die  Belladonna  auf  die  Moskelfascin  eine 
eigene  Wirkung  au  äiibem,  die  man  beruhigend,  Ubmend,  oder 
meinetwegen  erweilerod  nennen  mag,  die  «as  bei  Uebnitg  der  Kamt 
weif  wichtiger  w«rden  könnlc,  als  ihre  angebliche  Heilwirkting  in 
der  Wasieracheu ,  oder  in  anderen  Krankheiiea,  Z.  B.  bei  der  Un- 
inS^icbkeit  den  Calheler  in  die  Blase  zu  bringen  mSchte  vielleicht 
eifie  Belladonnabrüh ,  die  nan  durch  einen  HoMkalheter  leicht  an 
den  Ort  der  krampfbafien  Verseht iefsung  der  Hanirftbre  bringen 
kSonte ,  mehr  leisten  ala  alle  andere  Hülfen.  *) 

Ob  man  nun  den  antagonistischen  Reis  der  Laxirmittet  in  jedem 
Falle  bei  der  Masidarmruhr  entbehren  könne ,  wage  ich  nicb<  sn  I»»- 
Miuinen;  denn  ob  ich  gleich  seit  xwansig  Jahren,  eine-  gate  Zafal 
derselben  behandelt  habe,  so  ist  sie  doch  seitdem  noeb  nicht  aar 
eigentlichen  epidemischen  Stadt-,    oder  Landplage  geworden;    ja, 


')  Die  von  der  Re'cu«  meditafr.  ia  «iDK«kIeinnlen  Brä«han  mpfobleo«  ond  von 
Dmfangfl  erprobte  Belladonna  hat  mir  In  drei  PKüea  nicht  bloft  Knte,  Mi- 
darn  wirklich  aberraieheada  DIende  Balriitet:  ia  alle«  drei  FUlen  «iMAIe 
■ie  die  T*xi|  onnolbi^.  Giaer  diaiar  Fälle,  der  einen  Jänt^ag  betrar,  war 
■o  ernalban ,  dafi  der  errabrene  Wundant ,  wrgen  der  lebr  ■cbmerxbanea 
SpaanonE  det  Brnchei ,  die  TaxJt  vorliafig  nicht  xn  veriDcben  wifle.  Der 
(weile  Fall  betraf  einen  TOJühHgFn  Mann,  dessen  grorser,  alter,  verwaeliie- 
ner  Brach  eingeklemmt  war,  bei  dem  der  Wondint  vergeben!  die  Tuii  ver- 
aaeht  nad  mich  deihalb  in  Ratll  rief.-  SeKrelBich  k«Dnle  die  Beltadenna  des 
varivacb«B*en  Brneh  nicht  in  die  SaaebbSU«  HrSckblringen  ,  aber  ne  bob 
doch  in  knrzer  Zeit  di«  JEÜaklenmunSi  denn  da  ich  den  Kranken  drei  Stan- 
d^n  nacbher  bainchte,  fand  ioh  ihn  niebt  blofi  frei  von  Scbnera  nnd  Erbre- 
eben  ,  aondern  irb  lab  ifan  im  Bette  ailien  and  gant  gemücblich  eine  PTeife 
Tabak  ranehen.  Der  dritte  Fall  betraf  sarh  cioen  TOJIbrireo  anriertladli- 
irhen  Hana  mit  ainein  verwaebaenen  Bmehe,  an  welchem  nocb  knin  Wnnd* 
■nt  die  TaxU  venocht.  lab  venobrieb  gleicb  die.BelladoasMalbe,  aid  wta 
ich  laeb  swei  Stande«  ihn  aab ,  »area  aeboa  die  Znlalle  der  Einkla^maa^ 
gehoben. 

Ei  nag  drei  oder  vier  Jabre  tejo,  teit  ich  xnerit  aber  diesen  Gegen- 
aland  etwa«  geleacDf  BJr,  obgleieb  ich  di«  Cbirorgia  nicht  Sbe  ,  schien  die 
Sache  Ton  grofier  Wlehliglceit.  Bia  jetit  (Im  September  T83fi}  babe  fcb  ge- 
legeatlirh  mit  drei  nnterrlcbteteu  Wnndliriteu  and  mit  einem  Madiee  ■  ekirar- 
gtt  daröber  geapraehea,  aber  alle  vier  warnten  davon  nicbla.  Vor  Runen 
In«  ich  die  anaTiibrliobe  Reeension  einer  aaardlirl leben'  AbhandlDoy  über  die 
Brficbe,  nnd  aacb  in  diäter  war  von  der  Balladonna  nlebt  slnmafal  die  Rede. 
~-  Mir  acbeiBl ,  daa  Praktiaehniilillebe  naaerar  heuttgeo  Litentor  linU  to 
der  apringflnlh  des  UnnDtdiebes  gar  leiekt  la  Bedan  nnd  eaui«ht  alch-  den 
Bllekea  derer,   die  desselben  haobbedirAir «Urea, 


—    801     — 

wlre  sie  das  nach  geworden ,  so  wGrde  vieHeicht  meine  ErfRhrnnff 
noch  nicht  binreiebent  in  diesem  Punkte  etwas  xn  bqiiinimen.  Ans 
der  Gabe  des  ksbischen  Salpeters,  die  Herr  Dr.  Meyer  in  Bücke- 
bni^  mit  Yortbeil  den  Kranken  gegelaen,  scfaliefse  icb,  da fs  er  es 
mit  einer  Masidarmrabr  za  thiin  gehabt;  nun,  dieser  scheint  der 
Laxirmillel  nicht  bedurft  in  beben ,  denn  er  erwibnet  derselben 
gar  nicht. 

Ich  habe  mehrmahls  vier,  Ja  fnnf  Tage  täglich  eine  Unze  Sal- 
peter gegeben ,  che  die  Constriktion  des  Mastdarms  nnd  mit  ihr  die 
Krankheit  gehoben  wurde.  Welchen  Grand  k&nnte  ich  haben ,  zh 
behaupten ,  dafs  bei  künftigen  Epidemien  das  MifsverbSltnifa  zwi- 
schen den  bewegenden  KrSfien  des  Darmkanals  sich  nicht  noch  weit 
greller  heransstellen  bSnne? 

Für  solche  Epidemien,  vorausgesetzt,  dafs  die  Affektion  des 
Gesammiorganismus  satpetrischer  Art  sei,  ratbe  ich  meinen  Amis- 
genossen Folgendes.  Geben  sie  erst  vier  Tage  tSglicb  eine  Unze 
knbiachen  Salpeter  und  lassen  oie  zur  Vorsicht  Belladonnaialbe  an 
den  After  streichen.  Den  fünften  Tag  geben  sie  noch  eine  Unze 
Salpeter  and  lauen  dem  Kranken  dreimahl,  jedesmahl  eine  halbe 
Stunde  lang  den  Bauch  einreiben  mit  einer  Mischung  von  zwei 
Tbeilen  Spiriiut  taponü  und  einem  Tbeije  Brecbnufitinkfur. 
Nur  wenn  sie  sebeq ,  dafs  die  Mastdarmcoaslriktion  diesen  Hülfen 
widerstehet,  wenden  sie  am  sechsten  ein  Laxirmittel  an.  Sie 
werden  dann  gewahr  werden,  dafs  dieses  ganz  nnders  heilend 
wirkt ,  als  es  ohne  den  vorhergegangenen  Gebrauch  des  kabischen 
Salpeters  wurde  gewirkt  haben.  Es  wird  durch  seinen  antagoni- 
stischen Reiz  auf  die  DtiaudSrme  die  Mastdarm  constriktion  gewftl- 
tigea,  kotfaigen  Abgang  bewirken  und  die  Krankheit  wird  gehe- 
ben  sein. 

Dieser  Ralb  gründet  sich  auf  folgende  Beobachtung.  Ernst- 
hafte Mastdarmmbren ,  wenn  sie  durch  Mohnaafi  auf  den  mög- 
lichsten Grad  der  Verschlimmerung  getrieben  waren,  habe  ich 
ohne  den  antagonistischen  Reiz  eines  Lasirmittela  nicht  heilen 
kSnnen.  Also  kommt  es  mir  sehr  m&glich  vor,  dafs  bei  einer 
Epidemie  künftig  einmabl  das  Verhftlinifs  zwischen  dem  Mastdär- 
me und  den  Dünndärmen  sich  durch  den  Genius  der  Epidemie 
selbst  also  gestalten  könne,  wie  es  in  den  von  mir  beobachteten 
Füllen  durch  Mobnsaft  erkünstelt  war. 

Das  ist  nan  das  Wichtigste,  was  ich  in  der  Kürze  über  den 
Gebrauch  des  kubischen  Seipeters  in  der  Ruhr  zn  sagen  habe. 
Ich  erklare  aber  aasdrücklich,  dafi  die  Ruhr,  als  eine  in  dem 
Darmkanal  vorwaltende  AfTeklien  des  Getammtsorganismus ,  nicht 
Doihwendig  immer  nnter  der  Heilgewalt  des  Salpeters  stehen  müsse» 
sondern   dafs   sie   nach   unter   der   des  Eisens ,    oder   des  Kupfers 


irt*hen  könne ;    über  w«lf  hen  GegHiUnnd  ioK  in  dpo  folgeaden  Ah- 
iheiliiogen  dieaea  Kapilnla  nnsfiibrlicher  reden  werii». 

JeiM  will  ich  niich  znm  Schlnaa«  mit  meinen  Lewra  iibw 
eiliclie  wichlige,  die  Ruhr  beU«ffende  Funkle  besprechen.  Znerat 
«Mille  ich  die  Frage  anf: 

Gibt  e«  auch  Rühren,  die  nicht  eine  io  dem  Dan» knnale  vor- 
waltende Affeklion  dei  Geganimtorganiamus ,  sondern  ein  Urieiden 
dieses  Organs  sind,  bei  denen  also  das  Fieber  als  ein  Uofies 
censenauelles  Leidrn   »n  belrachien   isll  — 

So  viel  ich  den  belebten  Menachenleib  kenne,  können  alle 
Organe  nrergriffen  werden,  nnd  icb  »ufate  keinen  Grand  anin- 
geben,  warum  man  dieses  hinaichilicb  dea  Darmkanals  verneinen 
ftollie.  Mit  deutlichem  Bewnrsisein  habe  ich  aber  eine  solche  Ruhr 
noch  nicht  beobachtet.  Wm  ich  der  Art  tiah,  waren  chronische, 
stubliwangige  UeberWeibael  vernachlftsaigter,  oder  Abel  behandel- 
ter Maaldarmrahr;  wollte  ich  ans  dieaen  U  ehe  rbl  ei  bsein  (welche 
freilich  die  Form  der  Ruhr  noch  nnvermiacht  darstellen)  die  Natsr 
der  anfanglichen  akuten  Ruhrkrankheit  benrtheilen,  so  würde  ich 
mich  dem  Leser  als  einen  aebr  unweisen  Menschen  bekunden. 
Meine  frühere  irrige  Ansicht,  als  sei  die  Ruhr  jederseit  ein  Ur- 
teiden  dea  Darmkanala,  habe  ich,  wie  gesagt,  ISngst  fahren  las- 
sen. Ob  aber  die  Ruhr,  welche  ich  im  Jahre  1808  in  dem  nie- 
derlandiachf-n  SiR.ltcben  durch  Brecbnuratinkinr  durcbachniitlich  in- 
nerhalb acht  Tage  heilte,  ein  hlofxes  Urieiden  des  Darmkanals 
gewesen,  bann  ich  nicht  wissen.  Damahls  kannte  ich  wol  die 
Namen,  aber  nicht  die  Wiikung  und  die  Gebraurhsart  der  drei 
iairochemischen  Unirersaltniltrl.  Hftite  ich  diese  gekannt,  sie  ver- 
gebena  bei  jpner  Krankheit  angewendet  nnd  selbige  dann  durch 
Brechnnfs  gebeilt,  so  könnte  ich  mit  Sicherheit  über  die  Natur 
der  Krankheit  nribeilen;  jetzt  ist  mir  dieses  aber  nnmSglich. 

Die  iweite  Frage,  die  icb  aufstelle,  lautet  also:  Gibt  es  auch 
conaensnelle  Rubren,  oder  solche,  bei  denen  das  Dnrmleiden  blofa 
von  einem  Urergriffensein  eines  anderen  Organs  abhfingtl 

Beatimmt  gibt  es  derer  in  der  Natur.  Wie  sich  consensnel- 
ler  Dtircblauf  xn  Leber-,  Mils-,  oder  Gehirnfiebern  gesellet,  so 
wird  sich  auch  wol  eine  Rohr  consensneller  Ak  zu  solchen  Ur- 
organleiden  gesellen  können.  Die  Ruhr  unterscheidet  sich  ja  blofs 
dadurch  vom  Durchfeile,  dafs  in  ihrem  ersten  Studio  eine  Zusam- 
mensiehung  an  irgend  einem  Orie  der  dicken  Oämie  Statt  findet, 
wodnreb  bei  «ebr  oder  tainder  ttarkcr  Neigung  zur  Bauehentlee- 
rang  der  Darmkoth  zurQckgehalten  wird  und  blofa  dte  SBfte  dea 
QDier  der  Stelle  der  Zuacbnüruag  befindlichen  Darmiheiles  snsge. 
teeret  werden.  Sie  ist  also,  hinaiebtlich  der  Form,  vom  fieber- 
haften Duroblaufe  blofa  im  eraten  Zeilrauine  Terschiaden ;  ja ,  wie 
ich  oben  gesagt  ^    in  seltenen  Füllen  überspringt  die  Natur  dieaen 


«rsten  Z«itiiiam  ganz,  wo  dann  einzig  die  gr&f^ere  «der  geringere 
Qefabr  den  Unlerschied  iwisehen  beiden  Krankheit««  ausmacht, 
indefa  die  Formen  derselben  eich  vollltoramen  gleich  sind. 

Die  eonaensnellen  Rühren,  welche  ich  aber  blofs  «iniela  be- 
obaebtei  und  gehetlet,  waren  Gebirtiruliren,  und  was  ich  davon 
weifs,  werde  ich  dem  Leser  tren  raiilheilen,  denkend,  dafs  alles, 
was  einzeln  erscheinet,  auch  in  der  Folg«  einmahl  laadgSngig 
werden  k5nD«,  und  daf«  es  klag  ist,  sich  im  Frieden  mm  Kriege 
so  rSaten. 

Die  Gehirorahr  kann  als  Darmrahr,  oder  als  Mastdarmnihr 
erscheinen,  und  erste  entweder  als  einfache  Dnnnrahr,  oder  als 
ßrecbrnhr.  Im  Jahre  1824  habe  ich  sechs  Fälle  der  einfachen  Ge- 
hirndarmrubr  beobachtet  und  sie  dorch  kubischen  Salpeter  und  das 
-Debtillat  des  Tabaks  bald  geheitei.  Bei  allen  sechsen  bemerkte 
ich  Schmerzen  der  unteren  Extremitäten  in  versebiedenem  Gmd«, 
welche  aber  bei  einem  Kranken  so  heftig  waren,  dafs  ich  sein 
Geschrei  schon  ror  dem  Hanse  hdrte.  Diese  Schmerten,  die  nach 
der  Beschrcibang  der  Kranken ,  aus  dem  Krenze  entstehen  und 
wie  Blitze  durch  die  unteren  EiftremitKten  sehiefsen,  sind  al>er, 
wie  ich  hernach  erfahren,  kein  besISadiger  Zufall  der  Gehirnrnhr.  ' 
Jene  sechs  Falte  schienen  mir  Termiscfale  Krankheiten  zu  sein, 
bestehend  aus  einer  in  den  DSrmeo  vorwaltenden  Salpeieraffektioa 
des  Gesammtorganismns  und  ans  einem  eigenen  Gehirnleiden.  Letz- 
tes war  schon  eine  Zeitlang  Morbui  Uatiimarini;  die  Rnhrj  die 
aber  damabls  nicht  nmgrift',  war,  wo  sie  unvennischt  erschien, 
salpetrischer  Natur.  Also  fand  in  den  sechs  besagtes  Fallen  wol 
eine  Vermischnng  des  Sforbi  »tationarii  mit  dem  inttrcmrrente 
siBit.  Diese  Vermiscfaung  hatte  ich  früher,  mit  Aosnahme  eines 
einzigen  Falles ,  noch  nie  beobacbtel ;  die  Ruhr  hielt  sich  sonst 
immer  rein,  wShrte  ihre  Zeit j  verschwand  wieder  and  vermischte 
eich  gar  nicht  mit  der  herrschenden  feststehenden  Krankheit. 

Die  Gehirnbrechfuhr  ist  ein«  sehr  angreifende  Krankheit ,  sie 
hat  die  grSfste  Aehnlichkeit  mit  der  Cholera.  Im  SpStsommer 
1S32,  da  die  asiatische  Cholera  in  einigMi  Stftdten  der  Preufsi- 
schen  Rheinprovinzea  herrschte,  und  angeblich  in  Emmerich,  wel- 
cbetf  ifnr  drei  starke  Wegstondeo  von  hier  ist,  etliche  Mensehen 
sollte  ergriffen  haben,  hatte  ich  Gelegenheit,  sie  zn  beobachten 
nnd  zu  heilen.  Damahls  waren  die  vorkommenden  akuten  Krank- 
heiien  solche  Gehirnfieber,  die  unter  der  Heilgewalt  des  Tabak« 
BtanHen,  nnd  dafs  die  consensuellen  Bauchleidcn  diesem  Mittel 
besser  wit^en  als  den  Bancbniitleln ,  hatte  ich  erfahren;  mithin 
brauchte  ich  bei  der  Gebirnbrecbmhr  nicht  lange  nach  Hölfe  zn 
soeben.  Da  man  nun  in  den  HRtlen  der  Armen  manefaes,  aon> 
derltch  die  ansgeleerien  Stoffe  nicht  so  genau  beobachten  kann 
als  bei  woblhabeDden  Leuten,    so  will  ich,    mit  UebOTgehen  »fA- 


-     804    — 

chei'  Fälle,   dem  Leser  die  Krankengeschichte  eines  sehr  achtbar«» 
Mannes,   des  Bürgerin  eist  er  L"*  xa  Pf*  eneählen. 

Uieaer  Herr,  der,  wie  ich  beim  Ausbruche  der  Krankheit 
von  itiiii  hone,  ein  paar  Tage  vorher  fremdartige  Gefühle  üii  Bau- 
che gespüret  und  saures  Aufstolsen  gehabt,  wird  in  der  Nacht 
vom  29.  auf  dea  30.  Augasi  von  icfainerzbafiem  GefGhle,  ini  Bau- 
che und  starkem  Froste  befallen,  mufs  auf  den  Nachtstuhl «  und 
es  BtürU  ihm  eine  grofse  Masse  w&aseriges  Zeug  aas  dem  Leihe, 
welche  Ausleerung  ihn  so  angreift,  dafs  er  der  Ohnmacht  nahe 
ist.  Nuo  muls  er  sich  erbrechen  und  die  ausgeleerten  Stolfe  sind 
flieht  bitter,  sondern  wässerig  nnd  geschmacklos.  Kälte,  onans- 
löscblicber  Durst,  Erbrechen  nach  jedem  Schlucke  >^'^asser  odw 
Thee ,  Durchfall ,  ein  seltsames .  übel  zu  beschreibendes ,  befing- 
ttigendes  Gefühl  iui  den  Präcordien,  und  im  Kopfe  ein  Geßhl 
von  Taamel,  machen  ihn  besorgt,  er  könne  ivol  von  der  damahls 
allseitig  besprochenen  asiatischen  Cholera  ergriffen  sein.  Theils 
diese.  BerürchlUDg ,  theils  das  Gefiibl  von  Frost  bestimmen  ihn 
sich  das  Bett  tüchtig  wfirmen  au  lassen,  nnd  mir  einen  reitenden 
Boihen  zu  schicken.  Dieser  kam  um  fünf  Uhr  bei  mir  an.  Da 
ich  wufste,  dafs  der  Herr  einen  gesunden,  starken  Körper  hatte, 
und  eben  nicht  besorgte,  dafs  er  Kamillenthee  trinken  würde, 
denn  wir  hatten  diesen  Punkt  schon  früher  besprochen,  so  ver- 
schrieb ich  gleich,  um  keine  Zeit  zu  verlieren,  folgenden  Trank: 
H;  Nafri  acelici  5ii  0mm.  tirab.  ^P  Aquae  nicoWaitae  |i  V  ^vii 
M.  D.  S.  Stündlich  einen  Löft'el  voll  zu  nehmen.  Nun  stand  ich 
auf,  und  weil  nicht  meine  Gegenwart,  sondern  meine  Mittel  hei' 
fen  inufgien,  so  verschob  ich  absichElicb  nietae  Üeberkunft.so  lan- 
ge, bis  ich  über  die  Wirkung  der  verordneten  Arsenei  würde  ur- 
lheilen köanes.  Nachdem  ich,  ohne  mich  eben  au  sputen,  ge^ 
frühstückt  hatte  und  um  halb  sieben  gerade  in  den  Wagen  steigen 
wollte,  kam  der  zweite  reiieade  ßothe  Hüls  über  Kopf  gejagt, 
und  bat  micb  dringend,  herüberzu kommen.  Da  dieser  nun  gar 
nichts  TOB  dem  Befinden  seines  Herren  zu  sagen  wufste,  mufsle 
ich  HOthwendig  deakea,  das  übersehickte  Mittel  habe  die  erwar- 
tete Wirkang  versagt,  war  also  genötbiget,  ein  paar  einfache 
Arzeaeien  aas  der  Apotheke  holen  zu  lasten,  damit  ich  hernach, 
ein«  Wegstunde  von  der  ftratlichen  Uüstkaminer  entfernt,  Waffen 
zur  Haad  haben  möchte,  womit  ich  den  verdächtigen  Feind  be- 
kämpfen könnte. 

Durch  diesen  Aufenthalt  wurde  es  fast  halb  acht  Uhr,  eh«, 
ich  den  Kranken  sah.  Angenehm  wurde  ich  aber  überrascht,  da 
ich  von  ihm  hörte,  dafs  der  erste  und  zweite  Löffel  Arzenei  im 
Magen  geblieben  und  seitdem  nur  zweimahl  Stuhlgang  erfolgt  sei. 
Ohne  dafs  er  es  mir  gerade  mit  dürren  Wetten  gestand,  begriff 
ich    doch  jetzt  leicht,    dafii  einzig  die  Furcht  vor  der  asiatischen 


—    805    — 

Chol«ra  ihn  beMfmmt  halt«,  mir  4«n  zweiten  ßotlien  zu  BchicLen. 
Sein  gegpnwfiniger  Zuilnnd  war  falgender.  Die  Kälte  wnr  ver- 
gangen ,  die  Haat  war  mftfsig  warm  und  fenelit.  Der  PiiIb  schnell 
and  ntüfsig  toII.  Die  Zan^e  eiwna  weifs  belegt.  Der  Dnrit  nn- 
■nsidublich.  Von  Zeit  so  Zeit  wurrfe  er  von  einem  beängstigen- 
den GefShte  in  den  PrBcordien  ei^iH'en  und  klBgle  über  ein  selt- 
Mmea  Brennen  im  Baache.  Wie  der  Harn  anasah,  konnte  ich 
nicht  gewahr  werden,  denn  er  hatte  nicht  geharnt,  als  nur  ein 
wen^  bei  der  Baucbenileerung.  Uebrigens  war  er  frei  von  Kepf- 
Bchmerz;  blofa  da-  Schwindel  oder  Taumel  war  noch  da,  der  ihn 
beim  ersten  Anfalle  der  Krankheit  ergriffen  hatte. 

Ich  hahemicb  nun  vallkommen  übenengi,  daiä  dieser  Mann, 
der  in  den  zwei  Tagen  des  Voi lüaferstadiunis  zwar  nicht  verslopfl 
gewesen,  aber  doch  keinen  Dnrcbfall,  sondern  btofs  ein  fremd- 
artiges GefTibl  im  Baucha  ond  saures  ihm  ebenfalls  fremdes  Anf- 
stnfsen  gehabt,  der  in  diesen  Tagen  ordenilicb  gegessen  balle, 
also  noth wendig  Kot b  in  den  DHrmen  haben  mu&te,  daCi  der,  b*t 
mchrmahliger  reii^ichen  Baoeheiuleening  dureb  den  After,  aach 
nicht  das  Mindeste  von  Darmkoih  los  geworden  war.  Die  in  j^r*- 
fser  Menge  entleerte  Fliissigkeii  war  ganz  kothlos,  schmutzig  weifs, 
dem  Gersien-  oder  Beihwasser  Khnlich.  Aadi  das  Ausgebrochen» 
war  nicht  gallig,  sondern  blofs  schniMiatg  wSsaerig,  und  hatte-, 
nach  Aussage  des  Kranken,    einen  faden  Geschmack  gehabt. 

Dafs  hier  eine  ZusammenscbiMirimg  im  Darmkanale  Statt  fand, 
wodurch  bei  der  Bauchentleerung  der  Koib  surüdcg  eh  alten  ward», 
lehrte  die  Besieklignng  der  ausgeleerten  Flüssigkeit.  Aber,  an 
welchem  Orte  des  Uarntkanals,  wnr  die  J^nscbaüniDg!  —  Im  Mast- 
därme bestimmt  nicht;  denn  iheils  war  nicht  der  geringste  Stahl- 
zwang vorhanden,  ibeils  sind  auch  die,  biofs  aus  dem  Mastdärme 
entleerten  Flassigkeiten  ganz  anderer  Natur  als  die,  welch«  idi 
hier  s^.  Und  wo  kam  die  grufse  Masse  Flüssigkeit  bert  Durch 
die  wenigen  Stühle,  welche  de*  Kranke  bis  zu  meiner  Ueberkunft 
gehabt,  war  das  Geßfs  des  Leibstuhles  schon  über  halb  voll. 
Aus  dieser  Menge  des  Fnlleerlen  yollte  man  genrigt  seinsa  scblie- 
fsen,  die  Zuscfanürong  im  Darmkanale  müsse  koch  im  Grinundar- 
me,  vielleicht  nahe  der  Vahufa  coli  gewesen  sein.  Aber,  wie 
kann  man  sich  bei  einer  solchen  Annahme  erkliren,  dals  auch 
bei  den  ersten  Stühlen  kein  Kotb  abgegangen  wart  Der  Grimat- 
danii  ist  doch  nur  bei  ganz  ausgehungerten  Menschen  vollkommco 
leer  von  Koth;  bei  einem  Manne,  der  bis  zum  Ansbrucbe  dar 
Krankheit  ordentüeb  gegessen ,  kann  man  eine  solclte  Leere  nicht 
wol  aanehmen,  nnd  aller  Koih,  der  sich  unter  den»  Orte  der 
Oarmzuscbnnrnng  befand,  haue  doch  bei  der  ersten  und  tweiten 
EUitlastang  weggehen  müssen. 

Mno    kannte  sich   vorstellen,    in  dem  zweilügigen  Vorlaufer- 

L,, ,_ ,  Google 


_    806    —     - 

»ladio  b«be  mImhi  ain«  ZundiDüniiig  hocb  im  Grimmduia*  StMl  g»- 
habt,  und  da  der  Kranke  «war  nicbt  durcbläufig,  aber  doch  «ueh 
niobt  v«n(opft  gewateii,  ao  hab«  der  Grimm  dar  m  wäfareod  diaaer 
Zeit  aicfa  aeinei  unter  der  ZuacboOrung  befindlioheD  kothigen  Inhal- 
tes entleert;  auf  die  Weise  baba  bei  dem  eigeatlichea  Analiniche 
der  Krankheit  eioe  %o  reichliche  hoihlose ,  wägBerige  Entleerung  ge- 
■chefaen  können.  ^  Freilich,  diese  Annahme  iai:  die  einxige,  die 
»DB  überbleibt,  um  jene  Bellsame  Eraoheinong,  wo  nicbt  genügendi 
deeh  eioigermaliMD  crtrSglich  zn  erklären:  wer  aiehet  aber  Dicht) 
dals  bei  derselben  auch  noch  Raibsel  lin  Hintergrunde  bleibeol  — 
l>och,  Weiler  in  der  Geachichie! 

Ich  venprach  dem  Kranken,  der,  wie  es  mir  sohien,  stob  von 
dem  Gedanken  niobt  losmachen  konnte ,  er  sei  von  der  asiatischen 
Cholera  ergriffen,  ihn  ge^n  Abend  noch  «iopuihl  au  besucheu; 
rieth  ihm,  wenn  er  Luit  an»  Eesen  au  haben  glanbe,  etwas  dünne 
ftindfleischsuppe  au  nebmen ,  und  weil  es  damahls  aobun  kiibl  war< 
so  viel  Fener  in  den  Ofen  legen  an  lassen,  dafs  die  Temperatnr  des 
gegen  Norden  gelegenen  Zimmers  behaglich  werde ,  damit  er  sich 
hei  etwaiger  Bauchentlacning  nicbt  erliillte- 

Da  ich  naohmiiiaga  gegen  fnnf  Uhr  ihn  wiedersah«  fand  ich 
ihn  so  wohl ,  als  ich  es  nach  den  UmslSaden  erwarten  konnte.  Er 
halle  während  meiner  Abwesenheit  noeb  ein  paarmahl  wSsserige 
Ausleernng  gehabt,  und  dann  wareii  ihm  unverdaute  Speisen,  wel- 
che er  die  vorigen  Tage  au  sich  genommen,  mit  Elrleichierung 
■bgegangen.  Ich  batie  ihm  vorhergesagt,  dafs  er  entweder  an 
diesem  oder  am  folgenden  Tage  unverdaute  Speisen  eDileerrn  wiiiv 
de.  Die  ßeBttttigting  meiner  leitet  an  machenden  und  sicheren 
Vorhersagung  wirkte  offenbar  wohlihStig  auf  seinen  Geist;  gans 
vertrieb  sie  xwar  nicht  die  Choleragedanken,  aber  sie  drang  ihßi 
doch  den  Glauben  auf,  dafs  ich  mit  dem  Uebel,  woran  er  leide, 
vertraut  sein  müsse.  Uebrigens  kam  das  beängstigende  Gefühl  in 
den  Pr&kordien  weit  seltener,  das  Brennen  im  Bauche  war  noeb 
onverfinden,  der  Durst  swar  minder,  aber  doch  nodi  aiark,  der 
PuIb  schnell,    die  Auadünslnng  jnälsig.. 

Am  folgenden  Morgen  (den  31.  August),  da  ich  ihn  besuch- 
te,  fand  ich  alles  viel  verbessert,  es  war  nach  ein  paarraabl  ko- 
tbiger,  dünner  Abgang  erfolgt,  das  beHngsligende  Gefabl  gana 
verschwunden,  das  Fieber  um  vieles  gemindert,  der  Durst  unbe- 
deutend ,  über  Taumel  klagte  er  auch  nicht  mebr.  Nor  das  bren- 
nende Gefühl  im  Bauche  war  noch  nnverinderl.  Da  ich  mehrmabk 
gefanden,  dafs  dieses  bei  der  Ruhr,  auch  wol  bei  Gallenfiebern, 
eine  gute  Portion  scharfer  Säure  im  Darmkanale  vermntben  Ififa), 
so  hiefs  ich  den  Kranken ,  bei  dem ,  wegen  des  aaiuen  Aufal«- 
fsens  im  Vorlänfersladio,  eine  solche  materielle  ürsacbe.des  Brand- 
ge^hles    wahrscheinlich    war,     von  Zeit  zu  Zeit   einen  Theelöffel 


voll  lu*bBS(einpnlver  ■ehtncS)  «hne  jedoch  dsbei  den  Gebrauch 
der  emverordnetcn  Arsenei  su  unierbrechen.  Meine  Veruiulhuag 
bineichtlich  der  Säure  war  aber,  wie  es  sich  bald  auswies,  gaat 
faläch.  Jede  Gkbe  Krebsstf>inpii]\er  niachle  starkes  Aaralotseo, 
und  da  dieses  oicbt  von  enibundener,  leicht  zu  erkenneoder  Koh- 
leosSure  herrührte,  ao  war  es  einfeig  der  noch  sehr  gesteigerten 
Reizbarkeit  des  Mageas  susuBchreibeo ,  der  das  erdige  Miltel  nicht 
leiden  wollte.  Ich  stand,  sobald  ich  dieses  sah,  ganz  da\on  ab, 
iiiid  da  wegen  des  diinnkotbigen  Abganges  von  einer  Zuscbnurung 
im  Qriniin-,  oder  Mastdärme  nichts  mehr  xu  flirchten  war,  gab 
ich  das  Natrmt  aeetieum  tnii  dem  Tabakswaiser  io  Oeleinulaion, 
Am  Morgen  des  dritten  Tngett  (ersten  September)  fand  ich 
ihn  frei  von  Fieber,  das  Brandgefiihl  war  guna  verschwunden,  er 
batie  die  Nacht  rabig  geschlafen ,  seine  liarnabsonderung ,  die  wie 
gewöhnlich  bei  aolchen  Krankheiten  gestört  gewesen ,  war  wieder 
Donual.  Er  hatte  gebundenen  Koih  entleeret,  ebne  vorhergehen- 
de« oder  nachfolgendes  fremdartige«  Gefühl  irn  Bauche.  Er  fühlte 
sieb  wol  doch  matt,  safs  aber  wieder  auf,  und  die  ICfalusI  fing 
an,  sich  einsiistellen.  Ich  hiefs  ihn  jetsi  aufhören  zu  arzeneien 
und  mit  Vorsicht  zu  seiner  früheren  Lebensweise  zurückkehren. 

Am  drillen  Septenber  bat  er  mich  brieflieb,  ihn  noch  ein- 
tuahl  au  besuchen,  er  sei  zwar  wohl  (schrieb  er),  liabe  aber  an 
seioem  Kö|f>er  eine.ao  sellsame  Erscheinung  bemerkt,  dafs  er  mir 
es  nur  mündlich  analegen  könne.  Wie  ich  hinkam,  hörte  ieh, 
die  aelatsame  Erscheinung  bestehe  in  Folgendem.  Er  hatte  lü'slusi  i 
sobald  er  aber  feste  Speise,  z.  B,  etwas  (lasen-,  oder  Kalbsbra- 
len  in  ganz  kleiner  Menge  au  sich  [whiu,  wurde  er  augenblick- 
lich eiskalt  und  kalter  Schweifs  (reff  Ihm  von  der  Stirn,  ohne  dafs 
dabei  sein  Magen  schmerzhaft,  oder  auch  nur  fühlbar  durch  die 
Speise  wKre  gereizt  norden.  Diese  Ersclieiiumg  war  allerdings 
etwas  seltsam.  Ich  erinnerte  mich  nicht,  dergleichen  je  selbst 
beobachtet  sa  haben;  dunkel  tauchten  blols  aus  lueinein  Gedäcfat- 
Dtsze  ähnliche,  von  älteren  Schriflsiellern  besehiiebene  Fälle,  wie 
gesialllose  Nebelgebilde  auf. 

Ich  schrieb  die  ganze  Erscheinung  auf  eine  von  der  Krank- 
bett zurückgebliebene  nbergrofse  Reizbarkeit  des  Magens,  verord- ' 
nste  den  Liq.  Calc,  murinl.  fünf  mahl  tags  zu  fünfzehn  Tropfen 
und  innerhalb  zweier  Tage  war  die  seltsame  E^rscheinung  verschwun- 
den, —  der  Bnrgemeisier  konnte  wieder  ohne  kalt  zu  »erden  es- 
sen ,  was  et-  wollte. 

Hernach  war  ich  doch  in  einer  Stunde  der  Mufiie  neagierig, 
ob  meiner  danklen  Erinnemng,  etwas  Aehidicbea  gelesen  au  ha- 
ben, Wirklichkeit  snm  Grunde  liege,  oder  ob  ich  es  mir  blofs 
eingebildet.  Nach  manchem  vergebenen  Suchen  wurde  mir  die 
Ueherzengung ,   dafs  mein  Gedächlnifs  mich  nicht  ganz  getäuscht. 


Die  allen  ßMbafAtnngkB  wichen  aber  dirtn  tod  der  meiaen  ab, 
dars  die  Lant«  nicht  blofs  gleich  nach  dem  Bossen  kalt,  sondern 
auch  pnlsloB  und  kunt  von  Albein  wurden.  Der  Uaterscbied  kann 
jedoch  darin  liegen,  dafs  lie  eine  ordetMÜche  Mahlzeit  hielten, 
nnd  mein  Burgemeisler  nnr  ein  klein  wenig  IlaBea-,  oder  Kalbs- 
braten sn  lieh  nahm.  Jedenfalls  ist  es  nerkwBrdig ,  dafs  die  in 
den  Mngen- gebrachten  Speisen,  ohne  diewn  nur  im  miadesten  fohl- 
bar  auKngretfen ,  solche  feindliche  Einwirkang  «nf  die  Haut  änfse- 
ren  können.  Pet.  Bairo  (Eitckirid.  LH.  II  cap.  9)  siebet  den  Fall, 
deo  er  erzAhlt,  als  sehen  an,  denn  er  sagt:  JUiki,  iieet  tim  nunc 
»enio  cot\fee1a> ,  to/vm  bii  in  vita  mea  canti  üie  innotuit.  £r  wird 
SU  einem  Kdelmana  gerufen,  der  den  Zufall  für  Bnfserst  geßihrlich 
hSit,  weil  einer  seiner  Verwandten  angeblich  an  dem  nämlichen 
Uebel  gestorben  sein  sollte.  Den  eintretenden  Arxt  empfingt  er 
gleich  mit  der  ErklXrnng :  Ego  ■«>  Vom  vocavi  ui  aperem  tanitatem 
recuperare,  ted  ne  videar  emnitto  vitam  negligere.  P.  Bairo  bit- 
tet sich  bei  ihm  m  Gaste,  um  die  Encbeinung  seihst  m  beobachten. 
Sobald  nun  der  Edelmann  seine  Mahlseit  gehallen,  wird  er  eiskalt, 
sein  Puls  so  zusammengezogen,  dafs  er  kaum  m  fShlen  ist,  aach 
wird  er  sum  Ersticken  engbrüstig;  das  w&hrt  reichlich  drei  Smn- 
den,  und  verschwindet  dann  allmftblig.  P.  Bairo  erinnert  sich, 
dfifa  Gafen  einen  Fürsten  von  einem  Bhnlichen  Uebel  durch  Pfeffer, 
Wein  nnd  einige  Sufserliche  Schmierereien  will  befreit  haben.  Der 
Edelmann  mnfs  also  gleich  dieses  Galeniscfae  Mittel ,  eibe  Drachme 
-  gepulverten  Pfeßer  in  Oblaie  gewickelt  verachincken  und  drei  Un- 
zen warmen  Wein  darauf  trinken.  (Gesalbt  und  gerieben  war  er 
schon  früher.)  Eine  Stunde  nachher  speiset  er,  und  siehe!  der 
lästige  Zufall  erscheint  nicht  mehr.  Der  Verfasser  schliefst  die 
Geschichte  mit  folgenden  Worten:  Te»ti$  tit  aii&i  Dem»,  quod 
mtnquttM  pottea  vtinimam  part«m  aetuit  ilHut  paaaiomia ,  lieeitnitea 
pht»  quam  per  meiuem  eä  ordinarie  poat  omnem  emotionem  infetta- 
retur,  (Die  Leser  werden  wol  so  wenig  begreifen  als  ich,  war- 
um er  hier  Golt  xum  Zeugen  anraft.)  Den  «weiten  Fall  hat  er 
bei  einer  Frau  beobachtet  und  eben  so  behandelt;  er  berBhrt  ihn 
aber  nur  im  Fluge. 

PMKpjmt  Salmuliita  (Obterc.  9  cent.  2}  hat  bei  der  Frau  einen 
Gelehrten  Ihnliebe  ZuftDe  gesehen.  Der  Gelehrte,  den  Satmulk 
die  Beobachtungen  des  P.  Bairo  und  des  Gafen  lasen  li&t,  mft 
in  der  Frend«  seines  Herxens  aus ,  die  Zufälle  seiner  Gaiiian  seien 
von  jenen  Aersten  nicht  blofs  beschrieben,  sondern  lebendig  ge- 
zeichnet. Pfeffer  und  Wein  thaien  dieser  Fran  aber  gar  nicht  gut, 
nnd  obgleich  die  Kur' mehre  Tage  hinter  einander  wiederholet 
ward« ,  10  war  doch  alles  vergebens.  Em  entstand  Kolik ,  Zittern, 
grofse  Geschwulst  des  Hdses,  Libroung,  irad  das  Ende  der  Ge- 
schichte war  der  Tod. 


Wenn  ich  hintennaGh  atlet  reiflicb  erwig«,  \kud  et  do^  wol 
am  beiiea  gewesen  leio,  dafs  ich  dem  Burgemeister  salwaaren 
Kalk  gegeben;  dena  da  die  Goleniache  Pfefferkur  zwar  einen  Für- 
sten und  Edelmann  geheilet,  der  Ehefrau  eiaes  Gelehrten  aber 
übel  bekommen  ist,  so  bKite  aie  vielleicht  auch  für  den  Burge- 
metsler  nicht  gepalat. 

Uebrtgeos  hat  der  von  Oafe»  enäblte  Fall,  der  den  P,  Bairo 
belehrte,  was  er  zu  thun  habe,  weder'  mit  dem  von  ihm  selbst, 
noch  mit  dem  vom  i%.  Salmuth  beobacbieien  sonderliche  Aehn- 
licbkeit. 

Manche  ältere  Aersle  hatteii  den  Wahn,  man  müsse  alles, 
was  einem  xu  wissen  noth  thue,  beim  Qaien,  oder  beim  Htppo- 
krate»  finden  können.  Es  ist  w»!  unverkennbar,  dafi  Gale»  die 
von  Pet-  Bairo  erwähnte  unbedeutende  Geschichte  (LH.  de  /Va^ 
cognitio»e  c^.  ii,)  blofa  geschrieben,  mn  seiner  hofmännisch- 
Iratlichen  Eitelkeit  zu  fröhnen.  0er  Kaiser  Marctu  Äurelitu  bat 
sich  einmahl  den  Magen  überladen ,  befindet  sieh  etwas  übel  und 
frostig  und  sein  Puls  ist  zusammengesogen.  Zwei  Aerxte  hatten 
ans  letztem  ZuEalle  geschlossen,  dafs  ein  F!el>er  im  Ansage  sei. 
Galen  aber,  der  später  den  Puls  untersucht,  und  der^  wie  er 
selbst  behauptet,  mit  einem  ausnehmend  feinem  Gefühle  von  der 
Natur  begabt  war,  fühlt  gleich  an  dem  Pulse,  dals  sich  der  Kai- 
ser blofs  den  Magen  überladen  habe.  Auf  die  Frage,  was  nun 
zu  tbun  sei,  antwortet  er:  Andern  ehrlichen  Leuten  pflege  et 
Pfefier  mit  Wein  zu  geben ;  da  aber  die  Aerxte  fürstlichen  Per- 
sonen gemeinlicfa  nur  sichere  und  unschuldige  Mittel  riethen,  so 
möge  er  sich  blofa  mit  NardenSi  einreiben  lassen.  Der  Kaiser 
befahl  dem  Pitholau» ,  den  gegebnen  Rath  zur  AnsfÜhrnng  su  brin- 
gen nnd  eatlicfs  Galen.  Xachdena  er  nun  das  Oel  warm  auf  den 
Bauch  gelegt,  nnd  steh  die  Füfae  mit  erwärniten  Händen  bait« 
warm  reiben  lassen,  hat  er  auf  guten  Glauben  den  Pfeffer  mit 
Sabinerwein  verschluckt ,  und  darauf  zum  Pilkolatu  gesagt :  wir 
haben  da  wahrhaftig  einen  seltsamen  Arzt  aufgegabelt  und  zwar 
einen  recht  geistreichen.  Seine  Majestät  sollen  auch  nicht  aufge- 
hört haben,  über  GiUen  zu  sprechen,  und  von  ihm  zu  fiufsern 
geruhet:  er  sei  der  vortrefflichste  Arzt  und  ein  auigezeicbneter 
Philosoph.  Mir  scheint  aber,  da  Galenvam.  Kaiser  gleich  nach 
dem  gegebenen  Pfeffertath  entlassen  war,  so  konnte  er  jenss  Ur- 
(heil  nur  von  den  HoQeuten  gehört  haben;  wie  viel  also  wahr 
daran  sein  mag,  müssen  wir  rathen.  Eins  brauche  ich  aber  nicht 
zu  ratben,  weil  ich  es  gewifa  weils:  hätte  der  Kaiser  Galen  ei- 
nen EUel  genannt,  wir  würden  die  alberne  Geschichte  niohl  zu 
lesen  bekommen  haben.  • 

Von  den  übrigen  Fällen  der  Gehirnbrechrubr,  die  mir  im 
Herbste  1832  vorkamen,  waren  zwei  bloja  w^eu  des  Atters  der 


-     8ilO    — 

Bef^eneo  benarkeDiwerib ,  denn  rIia  Leute  Tmirageii  tolche  mit 
reicfa)icheB  Ausleerungen  verbundene,  sUrk  M^reifende  Krank- 
heilen gewöhnlich  fibel. 

Ich  wurde  eines  Morgen*  zn  einer  armen  Fmu  gerufen,  die, 
über  achtzig  Jahre  all,,  seit  dem  vorigen  Tage  an  der  Brecbruhr 
gelitten.  Sie  erbrach  allei,  was  sie  in  den  Mngeo  bekam;  daa 
Eriirecben  gewhah,  wie  ich  selbM  »üi,  uh»»  besondere  Anstren- 
gung, und  die  entl*ene  FlOaaigkeil  war  nicht  niit  Galle  geHlrbt. 
Der  Abgang,  den  ich  aber  nicht  selbst  sebun  konnte,  wnr,  nuch 
Anisage  der  Tochter,  wie  Wasser,  weder  schleimig,  noch  gelb, 
oder  grün  gefärbt.  Die  Alte  klagte  haiiptiRGhlicb  über  Schmer- 
ken in  den  unteren  Extremiiftten.  Diese  Schmerian  miirsteo  aber 
wol  erirlglich  sein,  denn  ich  sah  oicbt,  dafa  sie  sich  ungeberdig 
anatellle.  Hunde  and  Gesicht  ffibrteo  sich  kühl  an,  halten  aber 
nicht  die  den  Riibrtod  verkündigende  Kilte.  Der  Puls  war  schnell 
■ad  klein,  der  Durst  grofs.  Lebrigens  war  die  Alle  Lmunielig  und 
schien  sich  in  einem  gans  gleichgültigen  Gemülhszu stände  zu  befin- 
den. Ich  gab  ihr  den  oben  bemerktoii  Trank  ans  Natrum  mcet.  Ag. 
uieoi.  und  Gmm.  arab,,  glaubte  aber  kannt,  dafn  ich  sie  am  anderen 
Tage  lebendig  wiederfinden  würde.  Meine  Befüroblnng  war  jed««b 
ganz  gnindlos ,  denn  da  ich  am  andern  Margen  hinkatn ,  hone  ich, 
dafs  lehon  nach  dein  ersten  Lütfel  Arzenei  das  Erbrechen  aufgehört 
habe.  Der  Durchfall  warjelst  auf  wenig«  kothige  Stühle  zurückge- 
bracht, und  alle  übrige  Ziifülle  so  gebesserl,  dafs  eine  zweite  l*or> 
tion  des  nftnilieben  Trankes  die  Kranke  ganz  wieder  herstellte. 

Eine  sechs  und  siebzigjährige  Bfirgerfrau  sah  ich  zuerst  abend;«, 
da  sie  am  nämlichen  \acbniiitage  von  der  Krankheit  ergriffen  war. 
Nach  Aussage  ihrer  Kinder,  war  die  durch  Brechen  and  durch  den 
Stuhlgang  enileerie  Flüssigkeit  ganz  wässerig,  Ich  selbst  habe  sie 
nicht  gesehen.  Die  Frau  war  aber  sehr  krank,  ihr  Pala  schadl 
und  voll,  ihre  Ilant  heifa  nnd  feucht,  der  Durst  sehr  grofs.  Ueber 
Schmerzen  klagte  sie  gar  nicht,  ihr  Kopf  war  ganz  dasselig.  Ich 
gab  ihr  den  nümlicfaea  Trank,  den  ich  den  andern  gegeben,  und  da 
ich  au  andern  Morgen  sie  besuchen  und  geradezu  in  das  hinten  iiu 
Hause  liegende  Schlafzimmer  gehen  wollte,  rief  mich  ihre  Enkelina 
mit  der  Bemerkung  zarück,  dafs  die  Grofamiitler  Bi<^  wieder  im 
Wohnzimmer  befinde.  Zu  meiner  Ueberraschung  sah  ich  die  Alle 
frei  TOB  Brechen,  Durchfall  und  Fieber.  Nach  ihrer  Behauptung, 
Mite  ihr  nichts  mehr  als  Kräfte.  Ich  rieth  ihr,  znr  Vordcbt  nodi 
eine  Portion  von  dem  verordneten  Trank«  zu  nehmen. 

Es  mächten  aber  manche  Leser  denken,  die  beschriebene  Buhr 
aei  blofs  ein  Urleiden  der  Därme,  und  nicht  ein  Urleiden  de«  Ge- 
hirns ,  «sie  würde  eben  so  gut ,  ja  wol  besser  durch  Mohnsaft  als 
durch  Tabakswasser  und  durch  Aalnn  aeedteim  zu  heilen  sein. 
Diesen  Lesern  zu  Liebe    will   ich   einen  Fall  aus  früher  Zeil  er- 


—    811     — 

jBAhlen ,  io  welcbsia  ich  Mohnsafi  reidile.  Die  2aht  das  Jabren, 
worin  er  sich  xuirug,  habe  ich  vergeasen,*)  die  !Sacbe  selbst  wird 
aber  nie  meiaen  Gedlchinisse  entfallen.  Ich  habe  oben  gesngt, 
dafii  ich  bis  soni  Jahre  1824  nur  einen  einaigen  Fall  beobacb(el, 
in  dem  sich  der  Morbiu  »talioiiariua  iiiit  der  Ruhr  Terniiscbt  ha- 
be. Der  JHorAu»  »tationariui  wurde  damahla  von  ans  Aersten  Ner- 
venfieber geoannr,  und  lo  viel  ich  jetil  die  Sache  einsehe,  warea 
ein  Fieber,  welches  von  eioeni  eigenen,  mir  aber  dnraahU  unbe- 
kanoien  Gehirnloiden  abhing.  Der  Mann,  dem  ich  zu  helfen  anf- 
geFoderl  wurde,  war  in  den  besten  Jahren  und  von  krfifiigeni  K5r- 
|ierbau.  Die  Ruhr,  woran  er  litt,  schien  mir,  dem  Safseren  An- 
sihen  nacb,  eine  HiKfaige,  einfache  Darninibr  ohne  Erbrechen  xu 
sein,  mit  dei  ich  bald  fertig  werden  würde,  ich  verschrieb  einen 
■chleimigen  Trank  mit  Opiumiinklur;  innerhalb  dreier  Tage  iiefs 
die  Darnischn&rnpg  nach,  nnd  statt  des  hluiigen,  scbrappieligen 
Abganges,  erfolgte  gelber  diinakothiger,  Jeisl  bitte  sich  die  Krank- 
heit von  Tage  au  Tage  bessern  müssen;  allein  das  geschah  leider 
nicht,  der  Kranke  fing  vielmehr  an,  irre  zo  reden,  die  Znnge  wur- 
de trocken,  der  Puls  schneller  «od  kleiner  und  die  Bewegungen 
«eines  Körpers  xiiiernd.  lob  lieb  den  Mohnsafi  fahren,  denn  ich 
aah  eis,  daCi  ich  es  mit  einer  blofs  symptotnaiischen  Ruhr  xn  thun 
gflbaht,  und  dafs  das  Urieidcn  im  Kopfe  stecke.  Da  ich  aber  z« 
jener  Zeit  kein  Heilmiitel  anf  das  Gehirn  wnfste,  so  inafsie  loh 
dem  Dinge  seinen  Laof  lassen  und  den  Zauderer  spielen.  Wochen 
lang  war  der  Kranke  nun  bald  Schlafsucht  ig,  bald  irrsinnig,  er  lag 
sich  durch,  sein  Hodensack  wurde  brandig,  kurs,  er  durchging  alle 
Grade  des  Elends,  das  man  bei  solchen  bSsen  Fiebern  kennen  ge- 
lernt hat.  Die  Xalnr  konnte  dieses  Gehimleiden  auch  nnr  durch 
vollstftndige  Erschöpfung  der  ganzen  Kftrpennaschine  heilen.  Und 
wirklich  war  der  K3rper  dieses  Kranken  bei  dem  sichtbaren  Anf- 
börea  des  Gebirnleidens  so  darchaiia  ersebSpfl,  dafa  die  beMen  und 
zweckmfifsigNieo  Speisea  ihm  nicht  wieder  xn  Kräften  verhelfen 
konnten,  und  dafs  iofa  mit  Recht  befiirchien  mufste,  er  werde  noch, 
bei  der  Besserung  aus  Msngel  der  ErnHhrung  verderben.  Nur  da 
ich  ihn  wie  ein  junges  Kind,  oder  wie  einen  verhungerten  Men- 
schen behandeile,  ihn  blofs  mit  Milch. erhalten  Iiefs,  fing  et  wie- 
der an  aufzuleben. 

Jetzt  komme  ich  auf  die  Gebirnmasldarmnihr,  dos  heifst,  auf 
die,  bei  der  ein  Urleiden  des  Gehirns,  oder  Rückenmarkes,  den 
Mastdarm  also  consensuell  berührt,  dafs  dieser  sich  zusammenzie- 
het und  keinen  Kolh  dorchlSfst,  wodurch  denn,  bei  einer  mehr  oder 


*)  Au  aaderen  Uattind«n  kaou  leb  sohliirnea  ,    dtfi    ich   den  Fall   D«tbwea4if 
VKiuhu  4w  Jshrsa  1M6  lud  1814  anf«  bcbwuldt  hibcD.  . 


'-    812    — 

minder  groben  Neigung  zuin  Abgehen,  ruhrähnliche  EntteerRngen 
entstehen. 

Diese  Krankheit  habe  ich  im  Winter  1833  mm  erMen  Mahle 
in  meinem  Leben  beobachtet;  ich  glaube  aber,  Aafa  sie,  wenn 
sie  je  landgäogig  werden  Hollte>  den  Aerzien  viel  Kopfbrechen 
verursachen'  würde.  VorlSnfig  bemerke  ich ,  dafs  die  Gehirnlie'- 
ber,  welche  seit  1833  herrschten,  leicht  mit  gastrischen,  consen- 
snellen  Leiden,  and  im  Winter  vorziiglich  mit  Leberleiden  gepaa- 
ret  waren,  weshalb  die  Kranken  auch  htiufig  über  Stiche  des  rech- 
ten Hypochondrinma  klagten.  Der  Harn  war  bei  dem  grSfsten 
Theile  IrKbe,  mehr  oder  minder  dankel  gefSrbt;  klarer  und  hocfa- 
gelber  war  zum  wenigsten  Ausnahme  von  der  Regel.  Die  Ver- 
änderung des  trüben  in  klaren,  Btrobgelbeo,  war  Ann  Bichersie  Zei- 
chen der  Besserung ;  übrigens  war  bei  einigen  Schmers  im  Hinter- 
kopfe, bei  andern  im  Rücken,  bei  andern  blofser  Tanrael  oder 
Scblfifrigkeit ,  nnd  wieder  bei  andern  starker  stehender  Schmerz 
in  den  Fü&en  Begleiter  dieses  Gehimleidens.  Der  Durst  war 
bei  den  meisten  Kranken  grofs,  die  Hitze  mSfetg.  Irrereden  aeig- 
te  sich  nie,  als  nur  da,  wo  die  Krankheit  vernachlitrsiget  oder  ver- 
kannt war.  Im  Allgemeinen  stand  dieses  Gehirnleiden  unter  der 
Heilgewalt  des  Tabnkswaaaers.  Je  nachdem  nun  die  consensnellen 
Leiden  entweder  Magen  oder  Leber  ergriffen,  beförderte  ein  Zu- 
satz von  Ntttrum  eceiicnm,  oder  ron  der  Frauendislel ,  oder  vom 
Brechnufs Walser,  auch  wol  von  ein  klein  wenig  Schellkrauttinkdir 
die  Heilung  ungemein,  ja  man  konnte  dadurch  dein  Umerden  die- 
ser consenauellen  Leiden  am  besten  vorbeugen.  Mit  krankhafter 
Gallenabsonderung  halte  ich  nur  in  hScbstaeltenen  Ffillen  zu  ihun, 
und  auch  da  war  sie  nur  unbedenlend. 

Ferner  mufs  ich  noch  einer  eigenen  Seltsamkeil  des  besagten 
Winters  gedenken.  Es  ist  zwar  aichti'  unerhörtes ,  dafs  ich  ein- 
mahl  mitten  im  Winter  einen  eiaselnen  Ruhrfell  lu  behandeln  ha- 
be; aber  vom  SpSifaerbste  1833  bis  sum  Frühjahre  1833  hatte  ich 
über  zwanzig  vm  bebandeln  (den  letzten  bekam  ich  den  7.  April). 
Diese  Rubren  waren  siiuimtlich  echte  Mastdarm  rubren,  sie  heilten 
sich  hlofs  durch  den  Jkobisehen  Salpeter,  in  reichlicher  Gabe  ge- 
reicht, innerhalb  vier  Tage. 

So  waren  nun  die  vorkommenden  Krankheiten  geartet,  als  im 
Januar  einer  meiner  Bekannten  seinen  fünfzehnjährigen,  seit  acht 
Tagen  kranken  Sohn,  aus  der  Fremde  nach  Hause  holte.  Ich  be- 
suchte ihn  noch  am  Abend  seiner  Ankunft.  Er  halle  starkes  Fie- 
ber, klagte  über  Kopfschmerz,  hatte,  nach  seiner  Aussage,  anfling- 
licb  Schmerzen  im  rechten  Hj'pochondrio  gehabt.  Jetzt  halte  er 
aber  Bauchschmerzen,  starken  Durst,  und  aogeUich  Durchlauf. 
Welche  Arzenei  der  Knabe  in  den  ac^t  Tagen  genommen,  konnie 
ich  nicht  gewahr  werden,  auch  nicht,  ob  dort,  wo  er  «ich  aufge- 


-    813    — 

hallen,  ekie  besoadere  KraDkheit  hemche.  Eb  kam  mir  aber  vor, 
alm  habe  er  eine  eigene  Aufgeregtheit  des  tiebirni,  von  der  ich 
jedoch  nicht  wissen  konnte,  ob  sie  ein  Zufall  der  Krankheit,  oder 
durch  die  Heise  veruraacht,  oder  durch  A.rs«neiniittel  erkünstelt  sei. 
Da  ioh  keine  bexiniinie  Erkennlnifs  der  Natur  dieser  Krankheit 
faatte,  aber  doch  veroiuthete,  dafs  alle  Zufälle  von  einem  Urleiden 
des  Gebirna  abhingen,  verordnete  ioh  einen  Trpnk  von  Natntm 
acetieuM  und  Tabakswasaer. 

Au  folgenden  Tage  war  alles  nnrerfindert.  Ans  dem  Abgan- 
ge der,  weiAschleimig,  und  kolhloe,  hitiHOlitlieb  seiner  ConsUteni 
dag  Mittel  «wischen  Syrup  und  Gallerte  hielt,  (am  vorigen  Abend 
batte  ich  ihn  nicht  sehen  können)  scblofs  ioh,  dafs  eine  Ziisam- 
menscbnürang  im  Mastdärme  vorhanden  aei,  and  zwar  in  dem  obe- 
ren Theile  deuelben.  Ich  glaable  also,  mich  in  meiner  vorifigi- 
gen  mnlhmaJiilichen  Diagnose  gelfinscht  zn  haben,  denkend,  die 
ganze  Krankheit  sei  eine  einfache  Mastdarmruhr,  dergleichen  ich 
schon  mehre  in  diesem  Winter  behandelt.  Ich  gab  blofs  Nalrum 
nitricum  in  reichlichen  Gaben  und  lieft  damit  drei  Tage  fortfah- 
ren. Die  Sache  wurde  aber  um  kein  Haar  besser,  im  Gegt^niheil, 
die  Stühle  wurden  häufiger,  waren  koihlos  schleimig,  und  fingen 
an,  etwas  blutig  tu  werden.     Stuhlswang   war  nicht  zu  erkennen. 

Jetst  versuchte  ich,  durch  einen  antagonislischen  Reiz  auf  die 
Oünndärroe  die  Zusamraenscfanurung  des  Mastdarmes  zn  heben. 
Allein,  eine  Abkochung  von  Sennesbläliern  mit  Glaubersalz  preCile 
blofs  etwas  grün  und  gelb  geHirltten  gallertartigen  Schleim  durch 
die  Zuschoürung  des  Mastdarmes ,  ohne  diese  zn  lösen.  Dabei 
wurde  das  ganze  Befinden  übler,  es  entstand  Irrereden,  die  Nase 
blutete  oft,  aber  nicht  stark,  die  Sprache  wurde  uodeullieh;  übri- 
gens blieben  die  Moskelkrftfte ,  nach  den  Umstindeo,  unverletzt 
und  die  Zunge  rein   und  feucht. 

Da  der  Junge  von  Kindheit  an  eine  gelblich  schmutzige  Ge- 
sichtsfarbe gehabt,  nach  Aussage  der  Aeltera ,  früher  von  Zeit  zu 
Zeit  über  Schiuerzen  in  der  rechten  Seile  geklagel,  ja  beim  ersten 
Anfange  der  Krankheit  auch  diese  Schmerzen  gehabt,  >o  dachte 
ich  an  die  Möglichkeit,  dafs  die  ganze  Krankheit  ein  echtes  Le- 
berfieber Bein  könne.  Der  Harn  war  klar,  strohgelb  und  sauer, 
also  dem  eines  Gesunden  vollkommen  gleich.  Zu  jener  Zeit,  da 
ich  herrschende  Leberfieher,  die  mit  Irrereden  uad  einer  eigenen, 
der  Lihmung  fthnlichen  coasensuellen  Mastdarmaffektion  begleitet 
waren,* durch  Sebellknoitinktur  heilte,  (ich  habe  sie  im  vorigen 
Kapitel  beaobrieben)  hatte  ich  schon  bemerkt,  dafs  Leute,  welche 
am  schwersten  von  dieser  Leberkrankheit  angegriffen  waren,  eben 
solchen  gesnndheitsgleichen  Hain  ausleerten.  Diese  Ofuhrung  be- 
stimmte mich,  auch  dem  Kranken,  von  dem  wir  jetzt  fedcn,  tie> 
ber  die  Scbellkrauuinktur  ala  eia   anderes  Lebermitlel   zu  geben* 


—    »14    — 

Icbgnlt  sie  ihm  tu  cineM  halben  Kkmpel  innerhHlb  virnmdzwanrig 
Stunden  und  zwar  in  ■(ündlicb  getheilien  Gaben,  (ßnfs  man  sie  bei 
LelKcleiden,  die  niii  conaensiiellen  Ottrmlaiden  begleitet  sind,  nicbt 
reicblicb  geben  drirfe,  habe  ich  schon  früher  gesagt.) 

WShrend  ich  acht  Tage  dieae  Leberknr  fortaelsen  liela,  war 
nicbt  blof«  mir,  sondern  auch  den  Aeliern  die  anfTallend«  Ver9n>- 
dernng  der  Gesii^igrarbe  des  Kranken  merkwfirdig ;  das  von  jeber 
Bchmutziggelbe  Gesicht  fing  nämlich  an  ra  bleichen.  Leider  hatte 
aber  die  Leberknr  auf  das  ganse  Befinden  keinen  güntligen  Ein- 
flnfs;  denn  aufser  di^s  das  Xasenblnien  atifh&rie,  und  dafs  getb- 
gefilrbler,  gallertariiger  Schleim  durch  die  Striktnr  des  Mastdar- 
mes geprefsl  wnrdet  versefalimnierte  sich  der  gnnze  ZnMand  angen- 
Bcheinlich.  Da  ich  anent  den  gelbgefürbten  Schleim  abgeben  sab, 
glaubte  ich,  auf  meine  Beobachtni^  der  einfachen  Rnfar  mich  stiis- 
jEend,  nun  werde  bald  kothtger  Abgang  erfolgen;  i^  hStle  aber 
lange  aaf  die  Erscheinung  desselben  wariei>  kännen.  Daa  Irrere- 
den vermehrte  sich,  wechselte  mit  SehlafMUcht  ab,  jedoch  erreich- 
te es  nie  den  Grad  der  Tollkommnen  Bewufsilosigkeit ,  denn  der 
Knabe  beeebninlaie  das  Bett  nicbt,  sondern  gab  es  in  venteben, 
wenn  ar  Noth  zum  Abgehen  hatte.  Uebrigens  wurde  die  Sprache 
so  andeutitch,  dafti  man  ihn  als  wirklich  sprachlos  ansehen  konn- 
te. Dabei  war  die  Zunge  rein  und  feucht,  ohne  fearig  roih  zu 
sein,  und  die  Muskelkrftfte  hielten  sich  gut.  Die  Spraidiloaigkeit 
war  in  diesem  Falle  nickt  Folge  der  BewufstloBtgkeil ,  uder  einen 
hohen  Grades  von  Trockenheit  der  Zunge  und  der  ganzen  Mund- 
höhle, sondern  eine  eigene  constHianeile  Affektion  der  ZungMimns- 
keln,  welch»  ich  mebrmuhbi  bei  Gehimfiebem,  auch  bei  gastri- 
schen beobachtet  babe. 

Ich  wurde  jaiat,  naeb  dem  vergebenen  Doppelversache  der  Hei- 
lung, wol  gezwungen,  meinen  ersten,  au  voreilig  verwoffenen  Ge- 
danken wieder  aufzunehmen,  dafii  ntimlich  das  Ganze  ein  Urge- 
hirnleiden  sei,  welches  conseiMuell  die  Bauchorgane  alfizire,  und 
da  ich  die  Leber  nicht  ganz  frei  sprechen  konnte,  obgleich  ich 
mich  überzeugt,  dafa  sie  nicht  daa  urergrifiene  Organ  sei,  so  ver- 
ordnete ich  folgenden  Trank. 

K;  Aquae  micalt'anae  |i  Tätet,  cielidonii '^f^  Aqnae  |vii 
GMm.  arab.  fi}  M.  D.  S.    Stilndlieh  einen  Löffel. 

Diese  Arzeoei  verbesserte  den  Zustand  ganz  unverkennbar,  das 
Irrereden  wnrde  minder,  der  Dirrat  liefs  nach,  die  Zahl  der  Stübia 
wurde  weniger,  aber  die  verzweifelte  ZuaammenziefauRg  des  Mast- 
darmes blieb  wie  sie  gewesen.  In  Erwignng,  dad  Ich  das  lange 
verkannte  Gehirnleiden  wol  schwerlich  so  wnrde  nieniem  können, 
als  wenn  ich  es  anränglich  nicht  verkannt  hStte,  in  Erwflgnng, 
dnfs  der  Versuch,  das  consensuelle  Maat darmlei den  vor  Reilong  des 
Urleidena  za  heben  oder  zu  bezcbwiduigen ,    der  Haaptknr   nicht 


—    8t»    — 

Mob  k«i»en  Kiiiirag  ihnn,  ton^rR  »e  violiiiehr  dureli  Entfernung 
räiM  taaligfln,  erniüitenden  ZafalleB,  erleichlero  werd«,  und  io  Er- 
wägung endlich,  dafs  der  i^lastdarnt  ein  Oi^an  sei,  in  welchem  du 
«otaaenauelle  Leiden  leicht  zam  UHeiden  werden,  und  dran  selbst 
nach  dem  gcholieiien  Gebirnlciden  noch  foriheetehen  könne,  hielt 
kb  es  (nr  sweckiuäliig ,  die  Belladonna  äirfserüch  su  versuchen. 
Ich  TeffiNrdnete  eine  Salbe  von  einer  Drachme  Schinalx  nnd  funf- 
sehn  tiran  BelladonDaextrakt,  und  lieft  sie  nach  jeder  Enileerung 
an  den  Afier  einreiben.  Dieses  Millel  ISs'te  ianerbaJb  zweier  Ta< 
ge-  die  Cunsiriklion  des  Masidsrmes.  Erst  hörte  die  Neigung  znai 
Abgeben  auf,  dann  wnrde  breiiger,  Datnrlicb  braun  gefärbter  Kolh 
«ntleerel.  Ich  hätete  luii^  aber,  das  Einreiben  jettt  ausausetzMi, 
■oBdem  lieiTs  es  noch  mehre  Tage  fortgebraiicben.  Wlire  nun  die 
Zoicbniirnng.des  MastdHrmes  Zufall  einar  einfachen  Mastdarm  ruht 
gewesen,  so  würde  der  Kranke  keiner  Arzenei  mehr  bedurft  ha- 
ben. Hier  war  aber  durch  Beseitigung  des  consenanellen  Mast- 
danuletdens  das  Urgchirnleiden  nicht  gehoben;  diese«  wAhrte  ink 
Allmfthliger,  sichtlicher  Abnahme,  bei  dem  fongeseisten  Gebrauch« 
des  Trankes  noch  über  zehn  Tage.  Die  gans  augenscfaeioliebe 
Besserung  otteabarle  sich  dudarch,  dulJi  der  Kranke  über  Tag  woki 
war,  aber  gegen  Abend  «nrubig  nnd  iMifg  wurde,  mit  Beschleuni- 
gung nnd  Erhebang  des  Pulses.  Die  Sprache  kehrte  bei  der  Bes-  - 
serung  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  vier  Tagen  surnck.  Erst 
sprach  der  Knabe  wieder  einige  Wörter  denllicb,  darauf  mebre, 
endlich  alle.  Die  CoMlrikiion  des  Mastdarmes,  sie  mag  consensuelle 
Affektion  dieses  Organs.,  oder  das  Vorwallen  einer  Affeklien  des 
fiesamiuioiganisaj^us  in  diesem  Organe  sein,  wird  gar  teichi  lum 
[Meiden  dicaes  Organs,  und  wenn  sie  nach  der  Tolltwomnnen  Ge- 
nesang  spHt  einen  RuckfaU  macht,  ist  dieser,  nach  meinet  Beobaobr 
tnng,  jederseii  ein  blofses  Urleiden  des  Mastdarmes  und  mnfs  als 
sclchea  behandelt  werden.  Diese  Wabrlwit,  die  ich  schon  lang« 
bei  der  Ruhr  gelernt  balle,  besiitigte  sich  auch  in  dein  ersithlieu 
Falle.  Vier  Woche»  nach  der  Genesung,  da  der  Knabe  scb«a  ISngat 
4ai  Haus  verlassen  baue,  wnrde  ich  abenuafals  zu  ihm  gerufen. 
Er  halte  seit  drei  Tagen  wieder  eine  Zusammenziehnng  des  Mast- 
darmes gehabt,  verlor  den  Appetit  nnd  war  unlustig.  Ich  hieb 
ihm  jelst  blofs  fiinfmaU  tags  die  Betladoimasalbe  an  den  After 
fltrcictien;  am  anderen  Tage  bekam  er  gesandheitagemftfse  Oeff- 
■ung,  die  Unlust  Terschwand  und  der  Hunger  kehrte  wieder. 

Uebrigens  bat  dieser  Knabe,  der  von  Kindheit  an  eine  gelb- 
schmutsige  Gesichtsfarbe  gehabt,  durch  die  Krankheil  eine  gesunde 
Farbe  bekommen. 

Ich  weifs  über  den  erzählten  Fall  nichts  Klügeres  zu  sagen, 
als  dafs  bei  der  Genesung  mehr  das  Glück  als  mein  äritlicber  Ver- 
stand in  A  nschlag  zu  bringen  isi.   Hätte  der  Junge  nicht  ein  so  sehr 


—    816    — 

xSbes  Leben  gehabt,  wifrde  er  js  getlorbea  sein,  ehe  ich  eiomshi 
fiir  richtigen  Erkennlnifa  der  Krankheit  gelconinien  wire.  E>  iafirt 
sich  über  Krankheiten  nicht  bloft  viel  Gelehrtes^  'ondern  ancli  viel 
VerBlXndigea  nnd  Wahres  schreiben;  aber  leider  fährt  nni  die  Wit-k- 
liehkeit  selbige  znweilen  unter  solch  seltsameD,  widrigeD  Umstän- 
den vor,*)  dafs  ein  weit  sehSrferer  Veratand  als  mir  die  \alnr 
verliehen  dam  gehftreo  würde,  daa  Verstindige  und  Wahre  jede«- 
mahl  richtig  anf  den  Cinielfall  aoanwenden. 

Zu  der  Zeil  da  der  Knabe,  dessen  KraDkengeschichte  ich  jetzt 
erzählt,  in  der  Besserung  begriffen  war,  wurde  ich  an  einem  sech- 
xigjfthrigen  Bürger  gerufen,  der  anfser  periodischen  GichtanfBlIen 
allzeit  gesund  gewesen  und  keine  Fehlerhaftigkeit  irgend  eines  Or- 
gans haue.  Da  er  seit  acht  Tagen  zwar  das  Bett  gehütet,  aber 
über  keine  schmershafte  ZufUlIe  geklagt ,  hatten  seine  Kinder  es 
inr  überflüssig  gehallen,  ünlliche  Hülfe  n  suchen.  Eine  auffal- 
lende Veränderung  in  seinem  ganzen  Wesen  war  ihnen  km  achien 
verdfichtig  Torgekonimen ,  ond  hatte  sie  bestimmt,  mich  au  rufen. 
lA  fand  den  Mann  mit  sehr  schnellem  kleinen  Pulse,  mfilsiger  Wir- 
me,  ohne  Durst,  mit  reiner,  aber  nicht  feuriger  Zunge.  Elr  sdilief 
beständig,  war  aber  leicht  zu  wecken,  und  klagte  dann  über  nichts, 
als  über  Mattigkeit.  Eigentliche  Verstandesverwtrmng  konnte  ich 
■  nit^t  an  ihm  merken,  aber  wol  eine  ganz  gleichgültige  tiemüths- 
Btimmuog,  (velche  von  seiner  gewühnlichen  to  sehr  abwich,  dal« 
gerade  sie  die  Kinder  bestimmt  hatte ,  Hülfe  su  suchen.  Uehri- 
geua  wurde  mir  gesagt,  dafs  er  mehrmahls  des  Tages  dünnen  Ab- 
gang habe.  Der  Abgangwar  kolhlos,  schleimig  mit  Blut  vermischt, 
aber  nicht  sohrappselig.  Ob  bei  der  Entleerung  Stnhlawang  war, 
konnte  ich  von  dem  Kranken  nicht  erfahren,  weil  sein  Kopf  nicht 
so  bestellt  war,  dafs  er  meine  Frage  begriff.  Der  Harn  war  we- 
nig, etwas  dunkler  gefärbt  als  ein  gesunder,  nnd  ganz  trübe,  wie 
ar  diimahls  gaw5hnI1ch  bei  den  Gehimfiebem  zu  sein  pflegte. 

Ich  erkannte  diese  Krankheit  Tiir  ein  Urleiden  des  Gebims  mit 
consensneller  dfseniriacher  Maatdarraaffektion,  und  verschrieb  gleich 
den  Trank  ans  Tabakswasser  und  essigsaurem  Natron,  weil  dieser 
in  solchen  Füllen  wundervolle  Dienste  leistet.  Innerhalb  viernnd- 
zwansig  Stunden  war  die  Schläfri^eit  verschwunden,  nnd  der  sehr 
schnelle,  kleine  Puls  zum  gewühnlich  fieberhaften,  nnverdlebtigen 
geworden.  Nach  dem  zweiten  Tage  war  das  Befinden  so  verbes- 
sert, dafs  der  Kranke  sein  gleichgültiges,  dümisches  Wesen  ganz 

')  Uotir  des  widrigeD  UaMlündei  i«t  wol  ilclit  der  |eriDE*<e  i  diCi  eii  m  «fcn- 
tem  Fieber  Leidender  um  von  eiDem  «nderea  Orte  gebracht  wird.  Werk««! 
wiMCD  ,  wie  die  Nilnr  der  dort  herrgehenden  Krioklieit  iitT  Bat  er  aber 
■ehoB  Anenei  pbriDcM  ,  die  wir  niekl  keaaea,  ao  erackweret  du  dl«  K^ 
kasBlair«  siKh  viel  nekr. 


—    817    — 

verioren  baU«  uimI  seine  AnlworteB  Sät  Micb  Wenli  haben  koon- 
MB.  Er  Tcraicbwle  mir  jetzt«  4tA  er  kein*  Schraene«  Cübfe,  aocb 
niobt  gefühlt  habe,  blofs  lauiiielig  sei  er  gewesen,  and  davon  ba- 
be  ei  aucb  noch  einen  Rest  irn  Kopfe.  Beim  Abgeben  fühle  et 
keia  Ürftngea  und  keinen  Schmerz,  aber  ee  sei  ihm  so  unbehag* 
lieh  dabei  xu  Muthe,  dafs  er  dem  Dinge  keinen  Namen  geben  k&a- 
ne.  Da  ich  selbst  eiomahl  swei  Tage  lang  eine  solche  Ziwcbn3> 
rang  des  Mastdarms  gehabt,  so  weifs  ich  aus  cigeaer  EHabrang, 
dais  das  widrige  GefGhl,  weichet  man  bei  der  EnileeniDg  hat,  sich, 
wenn  loan  es  weder  Slublxwaag  noch  Schmers  nennen  kann,  sehr 
übel,  oder  vielmehr  gar  nicht  beschreibeo  läfst. 

Bei  der  augenscheinlicbea  Besserung  des  ganzen  Befindens  wur- 
de aber  die  canseasuelle  Masldannstriklar  nicht  besser,  nnd  da  di*> 
se  den  Kranken  aöthigte,  fünf-,  seobsmahl  in  ein«r  Nacht,  ja  wol 
noch  öfter  den  Topf  zu  sachen ,  und  dieses  eioea  nacfatbeiligeo 
Einflufs  auf  die  f lanptkrankheit  hätte  haben  können ,  so  hielt  ieb 
es  Tur  unzweckmäfaig,  abzuwarten,  ob  dieselbe  mit  dem  ürgebirn- 
leideo  ungleich  aufhören,  joder  nach  gebobenein  Gehirnleiden  ala 
(Jrtimstdarialeiden  fortbestehen  werde.  Ich  verschrieb  die  Betla- 
donnaMlbe,  mit  dem  Bedeuten,  sie  nach  jedesmahliger  Ansleemng 
an  den  After  au  sireiehen.  Die  Arxenei  wurde  aber  dabei  regel- 
nafsig  eingenommen.  Nach  iwei  Tagen  h&rte  die  Zusammensie- 
hung  des  Mastdarms  auf  und  es  erfolgte  dicke,  koibige  Entleerang 
Biit  grolser  Erleichterung  des  Kranken.  D!e  fernere  ungesiitiie  Bes^ 
serung  geschah  innerhalb  vier  Tage,  eo,  dals  die  ganze  Kur  eioea 
Zeitranm  von  acht  Tagen  erfedert  hatte.  Mir  scheint,  wäre  ich  - 
bei  dem  ersten  Kranken  so  sicher  in  meiner  Diagnose  gewesen 
als  bei  diesem,  ich  hKiie  ihn  anch  wol  in  acht  Tagen  geheilt,  vor- 
ausgesetzt, dafs  mir  seine  verdächtige  Leber  nicht  einen  Querstrich 
durch  die  Rechnung  gemacht. 

Kaum  war  dieser  Bürger  geheilt,'-<o  wurde  ich  zu  einem  Man- 
ne von  36  Jahren  gerufen,  der  von  jeher  gesund  gewesen.  Er 
bulle  tnüfsig  schnellen  Pnis,  viel  Durst,  etwas  Kopfweh,  viel 
Schwindel,  und  eine  solche  SchlSfrigkeit ,  dufa  er  selbst  auf  dem 
Stuhle  sitzend  einschlief.  Sein  Blick  war  wie  der  eines  Menschen, 
welcher  am  voHgen  Tage  tüchtig  beranscfal  gewesen.  Uebrigens 
klagte  «r  über  ziehende  Schmen^n  in  den  Frifsen  und  über  Uebel- 
keit ;  Magen  nnd  Hj'pochondrien  waren  aber  frei  von  allen  fremd« 
artigen  Gefühlen,  der  Harn  sah  trfibe.  Aaf  den  Gebranch  des  Ait- 
fri  acelici  nnd  des  Tabakwassers  besserte  sich  die  Krankheit; 
den  f&nfien  Tag  ging  der  Kranke  wieder  herum  und  kam  anch, 
weil  ihm  die  Zeit  anfing  lang  zu  werden,  auf  den  Hausplatz.  Am 
siebenten  klagte  er  über  etwas  Ktnblzwang,  hatte  kothlose,  blofs 
nehlrimige  Entleerung,  die  röthlich,  zuweilen  wässerig  war,  und 
Uie  ihm,  wenn  er  im  B«U«  MahnuDg  lon  Abgeben  apücie,  weil 


—    818    — 

■clmellM-  eotliaf  als  er  Im  Siaml«  war,  dai  N'acbigucfairr  m  krie- 
gen oder  aaf  den  LrilMtnbl  su  gehen.  Dabei  fing  er  an ,  aclMa- 
derig  und  nnwohl  m  werden.  Ich  lieft  den  vwordneien  Trank, 
deuen  er  nit  awei  Tagen  nicht  mehr  bedürftig  gewesen ,  wieder 
einnehmen  und  Belladoa  nasal  l>e  an  den  Afler  sireieben.  Das  Un- 
wohlsein und  die  Sohaaderigkeit  verging  in  einem  Tuge,  die  Mait- 
darmsiwehaürang  in  sweien,  wo  dann  gleich  eoniislenler  Koih  ^' 
leeret  wurde  und  die  ganxe  Sache  abgelhan  war,  Dafi  in  diesem 
Falle  die  MasldarMconstriklion  erst  fa«i  der  Bessemng  des  Gehin- 
leidens  sich  seigte,  mufs  nifinnnd  befremden ;  ich  erinnere  nur  an 
Zahnschmeraen ,  ja  an  die  nnoh  gemeineren ,  sehr  heftigen  Fnfs- 
sebmerseo,  die  bei  akuten  Gebirnletden  sich  gerade  bei  der  Bes- 
■emng,  bei  dem  gftnzlicben  Verschwinden  des  Kopfleidens  am  er- 
sten Biifieren.  Bei  solchen  Zueilen  ist  es  immer  am  sichersten, 
das  Uehirnheilmittel ,  wenn  man  es  der  sichtbaren  Besserung  we- 
gen sdion  bei  Seile  geseist,  gleich  wieder  anr  Hand  in  nehmen, 
and  sieb  nicht  guigiftubig  überreden  mi  lassen,  die  enlslandenea 
Zufölle  rSfaren  von  Erklillnng,  oder  von  anderen  kleinen  iiifseren 
Einwirkungen  her.  Auch  in  dem  erzählten  Falle  wollte  die  Gat- 
Unn  des  Kranken  mir  begreiflich  lunohen,  ihr  Mann  sei,  tioii  ihrer 
Abmahnung,  auf  den  Hausplais  gelaufen  und  »iilsse  dart  dnrch  Er- 
kiltuog  die  rnhrähnliche  Maudannalfeklion  bekoniiiien  haben.  leb 
kannte  iwar  nicht  geradean  diese  Meinung  verwerfen,  hielt  aber 
doi^  für  sicherer,  das  Gehimheilmiitel  anfs  neue  au  geben,  weil 
mm  wenigsten  eben  so  wahrscbeinlich  war,  das  Urgehimleiden  sei 
noch  nicht  Tollkomninn  getilgt,  nnd  die  rnhrXholiche  Masldaria- 
affektien  hange,  als  eonaensneller  Zufall ,  von  deui  Beste  des  Ge- 
himleidens  ab. 

Doch,  genug  von  diesem  Gegenstände;  ich  mag  vielleicht  schon 
viel  zn  viel  darüber  gesprochen  haben,  bolle  aber,  die  Leser  werden 
es  mir  an  gute  halten. 

Ich  stelle  jetst  die  letale  Frage  auf:  Kann  eine  Kubr  nlacon- 
senauelles  Darmleiden  von  einem  Urieiden  der  Leber  oder  Milz 
abbangen  f 

Was  man  über  diesen  Gegenstand  is  den  Bfichem  findet,  hat 
wenig  Werth,  denn  iheils  mufs  man  dabei  die  vorgefafste  Meinung 
jedes  Zeiulier«  in  Anschlag  bringen,  iheiU,  wie  ich  oben  schon 
bemerkt,  nicht  vergessen ,  dafs  die  Mastdarmmhr  durch  den  anla- 
gonislisehen  Reiz  der  Laxirmittel  kann  gebSndiget  werden,  daft 
also  der,  welcher  von  galligen  Ruhrstofieo  iriumle,  in  der  wohl- 
ihiligen  Wirkung  der  Laxir-  und  Brechmittel  die  iftuschendsle  Be- 
siBiigung  seiner  Meinung  finden  mufste. 

Eigene  Erfahrung  besitse  ich  nicht  ütter  diesen  G^^nsland; 
so  viel   ich   aber  im  allgemeinea  den  belebt»  Meuchenleibkui- 


—    819    - 
neD  ^lernt  habe,  mnfs  ich  glauben,  dnfs  eine  consenBuelle  Leber- 
oder Mifzruhr  eben  nicht  xa  den  Dingen  gehöre,   die  man  leicht- 
sinotg  in  im  Reich  der  Fabeln  verweisen  dürfe. 

Bei  einen  Urleiden  der  Leber,  welches  sich  dnrch  vermehrie 
Thätigkeit  der  GallengSage  und  durch  rermehrle  Gallenalwondfr- 
Tun^  offeDberet»  bei  der  anch  die  Galle  eigenachnfilich  verändert 
und  gewöhnlich  ichBrfer  ist  als  im  gesunden  Zustande,  wird  nicht 
leidit  eine  rahi^hnliche  AfTekilon  des  Mastdarms  entstehen,  son- 
dern die  scharfe  Galle  wird  weit  eher  die  UünndSrme  znr  ver- 
mehrten Bewegung  prickeln  und  galligen  Dnrchfall  erregen,  wie 
wir  dieses  auch  bei  dem  gewöhnlichen  Gallenfieber  oft  genng  se- 
heiK.  Aber  bei  dem  entgegengesetzten  Znstande  des  Galle  abson- 
dernden Organs,  der  sieh  durch  Twminderte  Ahsondernng  offenba- 
ret, kann  weit  eher  eine  solche  consensnelle  dysenterische  Mast- 
darmaffektion  entstehen,  snm  wenigsten  habe  ich  leise  Mahnungen 
davon  bei  einem  solchen  Zustande  der  Leber  mehr  als  einmahl 
bemerkt,  und  mich  des  Gedankens  nicht  erwehren  kSnnen,  dafs 
das,  was  leise  gemahnt,  anch  in  Zukunft  wol,  grell  hervorstechend, 
den  Aerxten  viel  Kopfbrechen  verursachen,  nnd  solche,  welche  gar 
an  grofse  Wichtigkeit  den  nosologischen  Formen  beilegen,  Kbel  ' 
in  die  Irre  fCbren  könne.  Es  ist  mir  anch  wahrscheinlich ,  dafs 
bei  einem  Urleiden  de.i  inneren  Gebildes  der  Leber,  bei  welchem 
die  GallengSnge  nicht  erkennbar  ergriffen  sind,  sieb  gar  leicht  ei- 
ne dysenterische  MasldarmAffeklion  einfinden  könne.  Ich  habe  im 
vorigen  Kapitel  eine  herrschende  Leberkrankheit  beschrieben,  zu 
der  sich  ein  Leiden  des  Mastdarmes  gesellte,  welches  der  LSh- 
mung,  oder  der  GefTibllosigkeit  nahe  verwandt  war,  denn  den  Kran- 
ken entlief  der  kothige,  flüssige  Abgang,  ohne  dafs  sie  davon  ein 
anderes  Gefühl,  als  hintennach  das  der  Nftwe  an  den  Schenkeln 
hatten.  Ich  meine  also,  dafs  sich  zn  einem  solchen  Url eberleiden 
eben  so  gnt  eine  Zuscbnürung  des  Mastdarmes,  StuhTz^vang  nnd 
nihrähnlicbe  Entleerung  gesellen  könne.  Beide  ZuatSnde  des  Mast- 
darmes sind  zum  wenigsten  nahe  verivandt;  bei  der  gewöhnlichen 
Darmruhr  gehet  zuweilen  der  eine  in  den  andern  über.  Gleich 
nach  dem  ersten  Aufhören  der  Constriktion  des  Mastdarmes  nüin- 
lich,  laufen  die  flüssigen,  kothigen  Stoffe  ins  Bett,  nicht  durch  hef- 
tigen Drang  herausgeprefsl,  sondern  weil  der  Mastdarm  von  dem 
Zustande  der  Zuscbnürung  in  einen  der  Lfthmnng  verwandten  über- 
gegangen ist,  welchen  letzten  ich  aber  noch  nie  vierundzwanzig 
Stunden  anhalten  sah. 

Jedenfalls  ist  es  gnt,  dafs  man  sich  die.  Möglichkeit  solcher 
consensuellen  Ruhren  denkt;  man  hat  dadurch  den  Torfheil,  dafs 
man ,   wenn  sie   künftig  einmahl  erscheinen  sollten ,   nicht  so  sehr 

52  • 


—    8M    — 

davon  ütterrucht  wird,  und  w«il  «her  Rpüi  danuf  fiajieii  wird,  aU 
wenn  mui  sich  nie  die  iMögliebkeit  gedadit  hat.') 

San  mm  SchlsHse  noch  ein  Wort  voo  deia  Mastdanue  uod 
voo  der  Belladoana.  Ich  bin  erst  ia  neuer  Zeit  auf  den  Einfall 
gekommen,  die  Belladonna  aU  ftiiberlicbea  Heilmitie)  gegen  die 
krankhafte  Zuaaiumeiuiehung  des  Mastdarmes  xu  gebrauchen.  Ob 
ich  durch  ;BiaeD  neueren  Schriftsteller  dazu  veranlagt  bin,  kann  ieh 
mit  Wahrheit  nicht  sagen,  denn  mao  mufs  beal  xu  Tag«^,  will  sun 
dea  jüngeren  Kollegen  nicht  gar  zu  onwissend  uad  albern  eraofaei- 
nen ,  so  vielerlei  gute  Dinge  dnrebeiBaader  lesen ,  dafs  ein  mehr 
als  menschliches  Gedficbinifa  danu  gehören  würde,  sich  jeder  Ein- 
selhsit  bestimmt  an  erianero;  sumahl  da  das  Bücherlesen  nicht, 
wie  bei  den  tielehrien,  unser  eigenilicbes  Geschäfi,  sosdern  blofs 
untere  Erholung  in  Stundeo  der  Maise  ist.  Der  Gedanke,  die  Bel- 
ladoann  als  Eigenheilmitiel  des  Mastdarms  aninwendeo,  mag  mir 
nun  aber  von  einem  neueren  iäebriftsteller  mitgetheilt,  oder  In  mei- 
nem eigenen  Kopfe  erseugt  sein,  so  wünschte  ich  doch  wol»  da£i 
die  Mitiheihing  mler  die  Erzeugung  desaelben  etwas  früher  ge- 
schehen w^e.  Ich  würde  in  diesem  Falle  meinen  Lesern  den  Ge- 
brauch dea  Mittels  auanihrlich  und  bestimmt  angeben  köaaen,  da 
jetai  meine  geringe  und  unvollkumiune  Erfahrung  mir  nur  erlaubt, 
es  als  ein  solches  anzumerken,  welches  vorzüglich  die  Beachtung 
der  Praktiker  verdient. 

Wer  den  erkrankten  Menschenleib  mit  Aufmerksamkeit  und 
ohne  Vorunheile  beobachtet  hat,  der  wird  nicht  ia  Abrede  stellen, 
dafs  sowol  die  consensuellen  Leiden  der  Organe,  als  auch  die 
Vorwallungen  der  Affekiiouen  des  Gvsarumiorganisinus  in  den  Or- 
ganen zu  Ui'leiden  der  alao  ergriffenen  Organe  werden  k&nnen. 
Die  Organe  unterscheiden  sich  aber,  biasichilich  ihrer  Geneigtheil, 
die  besagten  Leiden  zu  Urleiden  umzuwandeln,  sehr  von  einander, 
und  der  Maatdarm  ist  ohne  Zweifel  dasjenige,  welches  zu  dieser 
dynamischen  Metamorphose  die  gröfste  Geneigtheit  hat.  Um  die 
Geduld  der  Leser  nicht  zu  ermüden,  enibalie  ich  mich  hier  aller  be> 
weisenden  ihatsAchÜchen  Mittheiluag,  und  erinnere  nur  an  die  aus 
jener  Wahrheit  nnserem  Verstände  einleuchtende  Noih wendigkeil 
eines  guten  Eigenheilmittels  auf  den  Mastdarm.  Besäfsen  wir  die- 
ses, so  k&naien  wir  unwidersprechlicb  die  aoiagonigtische  La- 
xirkur,  welche  doch  auch  ihre  Ungemäcblicbkeit  hat,  ganz  ent- 
behren. Ich  bitte  also  di^enigen  meiner  Leser,  welche  früher 
oder  spater  vertraute  Bekannuchaft  mit  der  Mastdarmruhr  machen 


*)  Da  ich  Obige«  ichricb,    batte  ich  nocb  aia  eiia  t 

IcbarleldaD  abbangeDd«  Hahr  baobacbtat.  Brat  iai  Jabra  183S  tat  Mir  der  er» 
ale  FaU  dieaer  Art  rorsaliaDiaea )  ieb  bab«  «•saelbaa  U  erwOat,  wo  ieb 
vsD  4aia  Safraa  ata  t.«b«rbaUBait«l  ni: 


—    »21     — 

ihr  Augenmerk  wrttiglich  auF  dieten  Gegeniland  zu 
liobten. 

HepMtiti:  leb  kann  nietit  mit  vollkommner  [3eb«n«i(guog 
behanpt«n,  den  kabiBchen  Salpeter  je  ff<>gen  echt«  Leberenixiindang 
gobraucbt  so  haben,  denn  diete  Krankheit  ist  selten,  und  bttie  in 
erkennen.  Die  Zeichen  Heraelben,  welche  die  äliesien  8ahrifts(el- 
ler  angeben,  als  Hippöcrale»  ^  (1*^-  de  intern,  effecU  \.  II.)  Are- 
taeu»,  fJiö.  IL  d«  morh.  aent.  eap.  VII.)  Cetnu,  (Hb.  IV.  emp.  VII.) 
Alexander  Trall.,  (l^.  VIII.  eap.  l.J  sind  haefa»  nnsicher;  und 
was  die  neueren  SchriflBfeller  betrifft,  welche  mir  ta  Gesichte  ge- 
kommen, Ro  pafst  auf  selbige,  was  F  Hoffmann  im  Jahre  1721  in 
■einer  Dissertation:  De  hepatia  Jnftammatione  vera  ra- 
riatima,  ipuria  frequentifima  »np:  ^aa  vero  recentio- 
re»  de  hepatU  inftammationt  »cripiemnt,  nofumut  ob  erilandam 
pro/isitalem  kic  interere;  iihid  tameu  memmitie  anffecerit ,  ex 
vetemm  menumenU»,  qnae  haient,  maxime  trantteripia  tue,  neqme 
uHurn  fere,  qnod»ciam,  rede  exponere,  quemodo  vera  inflammati« 
jecori*  cognoici  et  distingui  debeat. 

Nun,  das  liegt  wol  in  der  Natur  der  Sache  selbst;  denn  ab- 
gesehen von  der  Lage  dieses  £ingewei<Ie8  und  von  dem  Consens, 
welcher  «wischen  demselben,  dein  ßrtiBikasten ,. dem  Zwerchfelle 
nnd  den  Lnngen  Stall  hat,  welchea  Doppel bindernifs  der  Erkennt- 
nifs,  dÜB  Unmöglichkeit,  sichere  Zeichen  der  Lefaerenltiindiing  an- 
siigeben ,  augenscheinlich  macht,  konnten  jn  die  Neneren,  weil 
nach  Hoffmann»  ICrfahrnng  die  BepaliÜ»  sehr  selten  ist,  sie 
auch  nur  sehr  selten  zu  sehen  bekoninien,  mithin  sie  nach  eige- 
ner Beobachtung  auch  mir  unvollkommen  bescbreiben.  Da  sel- 
bige nnn  aber  in  den  speziellen  Heillehreu ,  der  Vollständigkeit 
solcher  Biicher  wegen,  nothwendig  ntufsie  beschrieben  werden,  so 
konnten  nenere  Aerzte  die  Beschreibung  nur  von  den  Alten  ent- 
lehnen, und  wenn  diese  unToIlkommen  nnd  den  Praktikern  unge- 
nügend geschrieben,  so  wftre  es  ein  wahres  Wunder,  wenn  jene 
es  besser  gemaehl  hätten.  Eins  folgt  hier  noifawMidig  ans  dem 
andern;  man  mnfn  von  seinem  Zeitalter  keine  physische  UnroSg- 
licbkeiten  heischen.*) 


•)  Zd*iIi  tob  Jabri  1936. 
WdDi  ich  gleich  billif  gCE  ^i'i  *»■  Maiicn  ZeilgeaDMCD  kaiaa  pbywMb« 
UomliiitiebUUaa  la  vgriangas,  *o  gaTilll  ca  vir  iocl  aur  kalb,  dab  ich  t<e 
pucb  pbfiidibaB  UumSglictiliailea  bascbcD  lebe.  Lsider  paMia  die  ZufäÜB, 
di»  SUD  basiigai  Tag«  ala  ZaichcB  der  Ht/iatilii  angibt ,  auf  gar  maoeba 
akut«  LebererkraiikaDgea  ,  die  aiaiig  darcb  eia  iweckDiürtigai ,  ia  kleinao 
Gaben  geniehtea  Leberniltal  bald  und  licbtbar  gcbobea  werdau )  aUo 
deih  namSglich  eine  in  der  Leber  vorwallrDda  ABektioD  da«  Geaamuttorga- 
aiiMsa  acia  küanea.  Seh riftil alter,  die  d«  behanplei ,  die  Hipalitii  kenne 
hüaBgar  vor,  als  man  rrnber  geneint,  biUmcd  entweder  wenig  vil  erailballcn 


ZnfftUe  w«iblUb*r  Karpar.  In  falicIlMi  WehM  4w 
Kreifaenden  habe  ich  d«n  kubischen  Salpeter  mit  grofsem  Nation 
gebraueht,  Jedenfalla  bafindao  sidi  die  Kiadbeiterinnen  besser, 
weoo  Maa  die  fatiehen  Wehen  dufch  kubischea  Salpeter,  als  wenn 
iiMD  sie  durch  Mobasaft  beschwichtiget i  leutea  ist  gut,  hat  aber 
aaeb  sein  Hinderliche!. 

Beim  Milchfieber,  gegen  welches  man  in  kleinen  Sittätea,  wo 
die  Leute  Dicht  gern  ohne  Noih  aneneieo ,  nnr  dann  verordnet, 
wenn  es  durch  seioe  aoCiergewSholiche  Stärke  verdäcblig  wird, 
leistet  der  kubiacbe  Salpeter  altes,  was  man  billigerweise  verlan- 
gen kann.  Ich  erinnere  aber  hier  nochmals  an  das,  was  ich  im 
vorigMi  Kapitel  gesagt,  dab  nämlich  manche  während  der  Schwan- 
gerschaft erworbene  chronische  Krankheiien  der  Bauchorgane  durch 
das  Milchfieber  anfgeregt  werden,  in  welchen  Fällen  man  es  also 
nicht  mit  ainan  Mikbfieber,  sondern  mit  einem  Leber-,  oder  Mila- 
fieber  u.  s.  w.    sn  thun  bat,    ^geo   welche  der  kubische  Salpeter 


■kulea  UrMdcD  der  Leber  la  tbne  yahabt  bibaa,  alao  aicbl  bcHbist  gewNes 
■ein,  darch  Vargleiobnng  vieUr  und  aiehrartiger  Fülle  ihr«  irrige  Heieaac  u 
berichligen ;  oder  aie  hahes  keine  gutt  Hepatica  gekaant,  eder  wean  lie  tel- 
bige  gskaniil,  btbee  lis  aie  Id  za  ttarker  Gabe  angewtedet,  Eie  acbmcnbar- 
IM  Urleberlcideo  kaeo  dtrak ,  ae  aieb  nibis«  ,  aber  Tdr  dea  Kaielfall  aa- 
pafilieba  Gaben ,  telbat  da»  ler  Zrit  belfeadea  Letensitteli ,  soKtaiblich  go- 
aleigert  werdca.  Da  Ut  et  dean  tahr  la  eaUcbatdigeB ,  dtCi  ein  Ant,  der 
auf  die«c  Eipnbeil  de»  «rkraaktaa  Heoiubenleibei  aie  geachtet  hat,  aicfa  eia> 
bildet,  er  habe  e»  nil  einer  befligea  KdliüaduDC  der  Leber  lu  than.  Da» 
Jetzt  laareade  Jahr  tit  raieb  an  akalea  LebererkraDknaBeii  fewvitu  ,  die  gar 
aicbt  aeltea  der  Hepaiilit  «b  Ihalieb  «aheB,  daf*  ea  |aoz  eaatEgllrb  war,  sie 
vaa  denelkea  sa  aatenebaidea.  Die  eiaheh«  Bailaag  bawia»  aber  aawidcr- 
tprachUeht  i^It  der  GeaaBHtorgaaiisiu  ,  bUb  eoatenaaell  aal^r«^,  aieb  ia 
den  Indifereeulaade  belade  ,  denn  ciniig  darcb  nildei  Biawirkea  aar  da* 
arerkrankl«  Organ  beule  ieb  »iehibar  and  bald.  Dia  Tiaktar  dea  Fraaaa- 
diilelianea*  war  vom  ABfaDge  dea  Jabref  bii  ongeräbr  lan  Jnaiai  da«  lieber- 
ite  Hsiliiittel.  Da  naa  to  FIIIbi  ,  vb  aan  von  kleiaea  Gabia  Arzeael  da* 
Hell  erwartet,  d«a  weaigiten  Kraakea  da*  TrSpfela  iiberi*»(ea  darf,  »o  brach- 
le  Ich  die  Tlaktar  ia  rolgendea  Traak  :  R;  Gummi  Tragmemmtkat  ^  i  5a/a«  im 
cgtia»  SViii  määa  TImct.  Sem.  CarAii  JUarlat  Ji  d*.  Stiadlich  «iaea  Uf- 
M.  Die  Beilsag  erfalgta  »it  regabsifkig  rorlMih reitender  Be(»ersnK  laMr- 
halb  drti  bis  icehi  Tage.  Dia  ertia ,  dcM  Anta  liehtbare  aad  den  Rraakaa 
ISbIbare  Wirhaag  der  Anaaei  seigle  tick  gewobatich  (oboB  aaeh  dea  erataa 
Tage  dai  ÄneaeigebraachM  darcb  Venntaderang  der  Aarrrgaag  de*  fienb* 
»fttene»,  de*  Rophotmeraei,  de»  belagitigendra  GefEbl»  im  Brulka*ten,  und 
darcb  (Jablatlgwerdea  de*  Aaiwarfea.  Kars ,  die  gaaie'  Kar  war  alcbl  eia 
logaaaaate*  Behaadela ,  laadern  ein  wakrbaftu  aieblbare*  Heilea  dorek  dea 
Pr*Be*di«lal«ainen.  —  Salebe  aad  Sbnlicbe  Erfabraagea  bestiatnea  Mich, 
F.  Hoffmarnnt  Meiaang  in  leia ,  daf*  die  icbeinbar«  Hepatitit  *ehr  hiaflg, 
die  wabre  *ehr  aeitaa  vorkowe.  Dafa  man  aber  die  fiiUehe  von  der  wahrcB 
darcb  heitimmte  Zeicheg  anterscheiden  kÜaBc,  halle  ich  Vir  anwebr,  ja  für 
pbyiiscb  anaUglicb. 


—    «3    - 

wmig  »der  auch  gar  niefat  natien  wird ,  iodem  mIcIm  Fialer  nur 
durah  Hvilung  det  nrerknwklaii  OrgsDB  k5nn«ii  gehoben  werden. 

Gegea  Bmnefaetlei  ^iUle,  mit  denen  jni^  velftnftiga  MM- 
efaen  »ir  Zeit  der  emiretenden  Mannbarkeit  zu  kRmpfen  hnben, 
fand  ich  häufig  den  kubischen  Salpeter  weit  heilsainer  als  alle  an- 
dere  Mittel,  leb  will  aber  durch  diese  Aeafserung  keineswegea  be- 
haupien,  dafa  solche  2affiUe  unbedingt  inHiier  unter  der  Ueilgewalt 
dieeM  Mittels  alSnden.  Znweilen  heben  sip  sich  besser  ^iwvb  ECisen, 
niweilen  durch  Kupfer,  und  in  naoehen  Pillen  durch  Kigeaheil- 
niltel  auf  die  Gebftrmutter.  Da,  wa  sie  aber  salpelriscber  Natur 
sind,  kann  das  Mi^enoen  dieser  Artung,  das  ftnclMn  sogenann- 
ter stärkender  AixeiMieo,  das  Durchmachen  der  antispasmoduchan 
Schule,  die  Mftdcfaen  ganx  heniDterbringen. 

Kinderpocken.  Ob  es  gleiofa  iinweise  aeheiAcD  möchte,, 
in  unseren  Tagen,  wo  die  Poeken  wahrsehrnnJich  durnh  die  Vse- 
eine  auf  die  Dauer  gaua  werden  rerbaant  werden,  noch  eis  Wort 
ron  ihrer  Behandlung  zn  sagen,  s»  glanba  ieh  doch,  dab  wir,  um 
die  Heilwirkaag  einer  Anenei  auf  den  erkrankten  Mensehenletb 
SU  erfi>rschen,  auch  solche  Beobachiaagen  anmerken  müssen,  wel- 
che una  gerade  nicht  mehr  sum  täglichen  Gebrauch*  dteiren  können. 

Im  Jahre  1817  nachien  die  Pocken  Miene,  ihre  alte  Herr- 
schaft SU  erneuem,  wurden  aber  durch  die  gar  su  geringe  Zahl 
der  empOii^lichen  KSrper  daran  behindeft.  Damahlg  nioehie  iit 
hiesiger  Stadt,  so  viel  ieh  habe  in  i^fahrang  bringen  kSniten,  ein 
halbes  Dutzend  Menschen  daran  erkranken,  ron  denen  xWei  erfolg- 
los und  vrer  gar  nicht  vaecinkt  waren.  Kin  Kind  der  ersten  Art,  , 
ein  Tietjithriges  Msdchen  armer  Letiie,  litt  am  iMUigen  Fieber  dn 
ich  zu  ihm  gerufen  wurde,  und  zwar  seit  dem  vorigen  Tage.  Ich 
konnte  unmöglich  wissen,- dafa  es  die- Pocken  bekommen  würde, 
weil  ieh  aber  das  Fieber  für  eine  salpetrische  Attektioo  des  Ge- 
sani  ml  Organismus  hieti,  gab  ich  den  kubischen  Salpeter.  An  der 
Tempcralnr  des  Zimmers  konnte  ich  nichls  meiaiern;  die  Leute 
waren  blutarm,  mafsten  in  dem  einzigen  Zimmer,  welches  sie  in- 
ne  hatten,  kochen,  und  es  war  alao  darin,  wie  gewöhnlich  in  sol- 
chen Hatten,  verdammt  heile.  Der  kubische  Salpeter  minderte  aber 
das  Fieber  gleich  so  merklich,  dafa  das  Kind  so  munter  wurde, 
als  es  bei  einem  bedeutend  beschwichtigten ,  aber  noch  nicht  ge- 
hobenen Fieber  sein  konnte,  und  dafs  ich,  hinsichtlich  der  Kichtig- 
keit  der  Diagnose,  keinen  Zweifel  mehr  halle.  Wie  wurde  ich 
überrascht,  ia  ich  um  vierlen  Tage  die  Pocken,  meine  alten  Be- 
kannten ausbrechen  sah.  Sie  standen  so  einzeln,  wie  früher  die 
eingeimpften  bei  der  aorgHiliigen  Beobacbiung  eines  kühlen  Ver- 
haltens zu  stehen  pflegten;  der  Verlauf  war  se  mild,  dals  diese 
furchtbare  Krankheit  zur  unbedeaienden  wurde.  Einem  Medizinat- 
beamtea ,    der  dainabls  die  Gegend  grrade  der  Pocken  w^en  be- 


—    814    — 

rcU'te,  leigto  iah  diaiu  Kiad,  uod  maebl«  Ihn  mat  ^  ungäm^ca 
ftiifi«r«n  Eiawirkaiig«D  Mifnarksam,  4Miea  m  w&hrMHt  d*B  Ana- 
brachliflbers4uBg«8etU  gftWMen  war;  er  hatte  aber  keinaa  Sinn  Hir 
iol«fae  Beobachtungen,  ja  die  Sofseren  SchttdÜchk eilen,  Hie  in  der 
ll&tt«  liemlich  igcrkbar  waren ,  aebienen  feindlicher  ayf  ihn  als 
auf  des  jPockenkind  in  wirken,  denn  nnlaatig,  «ich  iiiii  mir  über 
diesen  Gegenstand  an  bespreoben,  Tcrtief»  er  eiligst  die  Hütte. 
bald  sollte ^nir  aber  der  Anblick  eines  falle«  werden,  desgleichen 
ich  in  iwei  bühereo  Pocken epidemien  noch  nie  gesehen.  Oer  Ge> 
hülfe  eines  hiesigen  Sattlers,  ein  dreibigjHfariger ,  Marker,  nicht 
vaecinifter  Matw,  der  aas  der  Fr«»d«  hief hin  gekontmen,  fBhlt  sieh 
krank,  denkt-nichl  nn  Pocken,  Tersebluckt  eine  gute  Ponion  ge- 
siofsenen  Pfeffer  mit  einen  halben  Schoppen  Branntwein,  und  bM- 
tei  sich  hinter  den  Ofen.  Ich  wurde  in  ihm  genifen,  da  der  Aus- 
bruch der  Pocken  am  gauan  Lnbe  ihn  und  seiae  Haiwl«nie  von 
der  Natnr  der  Krankheit  überzeugt  hatte.  Nun  habe  ich  in  mei- 
nem Leben  die  Pocken  schon  so  häußg  hervo^ottimen  sehen,  düfs 
die  Kinder  bei  der  Eilening  die  \figel  von  Hfinden  und  Füfsen 
verloren,  aber  alles,  was  ich  je  in  dieser  Art  gesehen,  blieb  weit, 
weit  hinter  diesem  Fall.  Nicht  bIo£i  das  Gesiebt  und  die  Cxtre- 
lailäten,  sondern  selbst  der  ganze  Humpf  war  so  dicht  mit  Pocken 
besXet,  dafa  man  nirgend  einen  Fleck  gennde,  nabepockie  Ober- 
haut finden  konnte.  Voraasgeseist ,  dafs  Ob«r-  und  Schleimhant 
nicht  gana  überflüssige  Organe  sind,  miifale  man  diesen  Fall  gleich 
als  einen  lödtlichen  ansehen*  Wäre  die  ILiierang  möglich  gewe- 
sen, so  hätte  sich  die  Ifaat  des  gnasan  KSrpcra  in  eine  einzige 
Pocke  verwandeln  müssen.  Da  aber  die  Xaior  eine  solche  güni- 
licbe  Zerstörung  der  Ober-  und  Schleimhaut  wol  nickt  ertragen 
kann,  so  hielt  ich  für  das  Beste,  den  katholischen  Kriaten  mit  den 
Sakrainenien  dar  Sterbenden  versehen  zu  Inasen.  Es  war  auch  Zeit, 
denn  das  Hindemifs  beim  Schlingen  nnd  der  Speichelfiufs ,  wel- 
che sich  schon  einstellten,  nabitieo  von  Stande  zn  Stande  sq;  in 
der  nächsten  \acht  steigerten  sich  die  Leiden  des  Kranken  nnf 
das  h&chste,   und  am  folgenden  Tag«  vormiuags  starb  er. 

Der  Tod  dieses  Menschen,  der  ein  Fremder  war,  brachte  am 
sich  wol  kein  Leid  io  dieser  Familie;  aber  die  Krankheit,  an  wel- 
cher er  gestorben,  verursachle  grolse  Beaorgnifs.  Die  junge,  wirk- 
lich hübache  Fran  dea  Meisters  gehörte  zu  den  wenigen  in  hiesL 
ger  Stadt,  deren  Aeliern  die  Vaccine  verschmähet  hatten,  and  die, 
znr  Mündigkeit  gelangt,  dnrch  daa  vieljährige  Nichterscheinen  der 
epidemischen  Menschenpocken  in  thürichte  Sicherheit  eingewiegt, 
das  Yacciniren  für  überflüssig  gehallen.  Jetzt  war  aber  grofie  N'oih 
im  Hanse.  Die  Frau,  dnrch  den  schenfslicbenAnblick  der  lödtÜobe« 
Krankheit  aufgeschreckt,  fürchtete,  wo  nicht  gerade  dea  Tod,  dodi 
eine  nnliebliche  Verwandlung  ihres  glattm  Cresichles,  nnd  der  Me»- 


Mcr,  tler  wot  bmMr  wimsr  moehte  als  ieh,  Attta  dietes  glttll«  Ge- 
•icbt  ihr  bester  Matilschais  geweaen,  machte  eine  saDeraufee  Mie- 
ne dam,  and  schante  auf  michf  ■!■  mnue  ich  noihwendig  in  die- 
ser Bedrfiagnifd  Aaih  schaffe».  Ich  spielte  jetzt  eiDnialil  die  Rolle 
des  recht  frecbeo  CharlaiaiiM.  Dreist  gagte  ich  der  Fraii,  wenn  sie 
tren  weine  Vorschrift  befolgen  wolle,  werde  sie  weder  sterben  noch 
bUtternarbig  werden.  Ich  kenne  eine  geheime  Arsenei,  welche 
diese  abscheolicbe  Kranltheit  in  eine  so  infaerst  milde  verwandle, 
dafa  es  kaum  der  Mühe  wenh  sei,  ein  Won  darüber  zn  verlieren, 
geschweige  denn,  sieh  au  grftiiien  oder  sich  bange  sii  machen. 

Ob  ieh  nun  Wert  halten  würde ,  konnte  ich  wol  so  gnna  sl. 
eher  nicht  wissen,  denn  ein  paar  Pille,  ia  denen  bei  dem  Gebrau- 
che des  kultischen  Salpeters  ita  ersten  Zeiträume  das  Fieber  st^hr 
gemftfiiget  und  der  Ausbruch  sehr  nnliedeuiend  gewwden  H-ar«  koan- 
l«a  an  sich  leiobie  Fülle  gewesen  sein,  tind  wären  vielleicht  auch 
ohne  den  kubischen  Salpeter  so  gernftchlich  verlnufen.  Ja,  hStts 
ich  ansh  diese  Erfahrung  hei  zwanzig  Kranken  gemacbl,  so  wPir* 
de  mich  das  noch  nicht  zu  solch  dreisleiu  Veraprechen  beiechiiget 
haben.  Wir  müssen  aber  so  manchem  unheilbaren  Limgensüchli- 
gen  BUS  kristlioher  Liebe  etwas  vorliigm,  also  konnte  ich  auch 
wol  einnahl  zur  Gemüihabenihigiing  der  jungen  Frau  mich  etwas 
nibraredig  geberden.  Jeddhralls  hatte  ich  weit  nehr  Aussicht,  laein 
Versprechen  zn  halten ,  als  ich  je  bei  Lungensüohligen  gehabt 
habe. 

Ich  yersdirieh  nun  eine  Aufl&snng  ron  einer  halben  Unze  8nl- 
peler  in  acht  Unzen  Wasser,  mit  der  Weisung,  soLnld  sich  die  er- 
ste Spur  des  Unwuhlseins  xeige,  gleich  das  Rezept  bereiten  zu  las- 
sen und  siiindlich.  Tag  und  Xacht  durch,  einen  Löffel  voll  zu  neh- 
men! Daiä  ieh  das  Rezept  gleich  bei  d«n  Leuten  niederlegte  ge- 
achah  deshalb,  dafs,  wenn  ich  bei  dem  traten  Autbruche  des  Pok- 
keofiebers  vielleicht  anlser  der  Sudt  besohSftigt  sein  möchte,  auch 
nicht  ein  halber  Tag,  ja  keine  Stunde  nnbenuUt  verloren  ginge. 

Ungefähr  vierzehn  Tage  nach  dem  Tode  des  Gehfiiren  wurde 
die  Frnu  von  lebhaflen  Fieber  ergriffen.  Ich  besuchte  sie  auf  die- 
se Xaebricht  gleich  nnd  fwd  sie  schon  am  Arzeneien.  üa  es  ihre 
Weise  war,  zur  Winierzeit  unter  zwei  Decken  zu  schlafen,  so  liefs 
ich  sie  bei  dieser  Weise;  das  Feuer  im  Ofen  dnrfie  aber  nur  so 
laAlsig  unterhalten  werden,  dab  sie  sich  behaglich  dnbei  ftiblie. 
Bei  dieser  Behandlung  hielt  sich  das  Ausbruchsfieber  auf  einem 
solchen  Grade,  dafs  ein  sehr  gelinder  Ausbruch  zu  vermnthen  war; 
nnd  wirklich  kamen  anch  die  Pocken  zur  gehSrigen  Zeit  io  lo  ge- 
ringer Zahl  zum  Vorschein,  dafs  mit  dieser  Kri'ais  die  ganze  Krank- 
heit als  abgelhan  xa  betrachten  war,  denn  die  geringe  Aufregung 
in  Orgnniauns,  welehe  die  fälemng  der  wenigen  Pocken  vemrsach- 
te,  war  wiridiob  kanm  der  Rede  werth. 


—    856    — 

Nun  krieg;!«  ich  aber  gleich  darviif  «inen  Fall  ih  belModlen, 
der  für  miah  weit  belebrcader  war,  wiewul  ich  bei  dmeiii  nicbt, 
wie  bei  jenem ,  viel  versprechen  koRWe.  Der  Bruder  4er  verigeH 
Kranken,  ein  secbi  and  dreiftigjftbriger  Mann,  der  wabrscfaetft- 
lieh  in  dem  Hanse  des  Satilen  angeaieckt  war,  nad  swar  von  sei- 
ner Schwester,  (wire  er  ven  deai  Gehillfen  angesteckt,  hXiie  er 
viel  früher  erkranken  müssen)  war,  da  ich  sn  ihm  gerufen  wnr- 
de,  schon  bis  auf  den  Punkt  gekommen,  daf«  die  Packen  in 
Gesichle  ausbrachen  und  dab  man  sich  von  der  überreichlicben 
Zahl  derselben  nberseugen  konnte.  Auf  den  ExtremiiAten  nnd 
dein  Rumpfe  konnte  ich  aber  den  Ansbruch  noch  nicht  gewahren. 
Das  Fieber  war  angebener  heftig.  Der  Kranke  lag  unter -«10«» 
Federdeckbelte ,  und  der  Ofen  war  gut  geheist,  leb  liels  gleich 
das  Deckbett  mit  einer  eiAfachen  wollenen  Decke  Tertanaobm, 
das  Feuer  aus  dem  Ofen  nehme»  nnd  den  Kranken  sirmdlieb  einen 
Löffel  voll  Ton  einem  aehtnnxigen  Tranke  nehmen,  der  eim  game 
linse  kubisches  Salpeter  enthielt.  Hegreifiich  konnte  ich  durch 
diese  Anordnung  die  im  Ausbrnebe  bogriSenen  Pocken  nicht  *a- 
rfiekdrltngen ;  aber  die  Heftigkeit  des  Fiebers  ward«  so  dadurch 
gemSfsiget,  und  der  Ausbruch  der  Pocken  am  Kampfe  and  den  Ex- 
tremiiftten  so  dadnrch  gemindert,  dafs  ich  noch  nie  ein  solch  Mifs- 
verhslinifs  «wischen  der  Pockenznhl  des  Gesichtes  nnd  der  des  übri- 
gen KSrperi  gesehen  habe.  Dafs  aber,  da  ich  den  Ansbnwh  im 
Gesichte  nicht  halle  mSfsigen  kSnnen ,  starke  Geschwulst  des  Ko- 
pfes und  starkes  Eitern ngsßelier  eintrat,  liegt  wol  in  der  Naiiir  der 
Sache  selbst.  Ich  gab  wioli  >n  dieser  Periode  blob  kubischen  Sal- 
peter, jedoch  in  halber  Gabe,  nnd  hatte  das  Vergi>«gen,  die  ganse 
Krankheit ,  die  bei  meinem  ersten  Besuehe  eine  a^r  bedenkliche  «1 
werden  drohete,  nach  den  UmslKntten  mild  am)  rasch  verlHufen  xn 
sahen.  Dafs  ich  aber  die  bekannten  Vorsichtsmabregelo  snr  Ver- 
hütung der  Blaiiernach wehen  in  diesem  Falle  nickt  anfser  Acht  Heb, 
werden  die  Leser  auch  wol  ohne  Venicherung  glauben. 

Ich  sehe  vorher,  dafs  meinen  jüngeren  Amtsbriidern,  die  nicht, 
wie  wir  älteren,  Poekeiiepidemien  erlebt  haben,  die  erzüblie  Ge- 
schichte wenig  bemerkenswerth  scheiiten  wird;  mir  selbst  ist  sie 
aber,  hinsichtlich  der  Wirkung  <les  kubischen  Salpeters,  weit  merk- 
würdiger gewesen,  als  iwansig  Fslle' sein  würden,  in  denen  ich 
das  Mittel  gleich  beim  ersten  Eiolrin  de*  Aasbrucbfiebers  gegeben 
hätte. 

So  viel  ich  die  Wirkung  des  besprochenen  Mittels  kennen 
galernt,  mufs  ich  des  Glaubens  sein,  dafs,  wHre  nicht  «am  Glücke 
der  Menschheit  die  Vaccine  entdeckt,  es  die  beste  Hülfe  gegen 
die  ah8<Aeulicbe  Pockensenche  sein  würde;  ja  der  Himmel  welfs, 
was  es  leisten  mSchte,  wenn  man  es  itn  Angesteckten  noch  vor 
Eintritt   des   Fiebers  reichte.      Ich    habe   darfiber  keine  Versacbe 


—    8*7    - 

■••eb«ii  kftanm,  vttil  et  nir  an  Gdegenlwit  gefchiM;  lie  wilrdea 
aber  auf  JMlea  Fall  iDtreuanl,  nod  tut  diejenigen,  an  welchen 
sie  guiiacbt  würden,  ganx  gefahrloa  aein.  Dafs  das  Ausbrnchfie- 
ber  die  Verniebriing  des  in  den  Körper  gebrachiea  Pockengifie» 
durch  einen  ans  wenig  bekannten  Natur|irDiefa  befÖrden ,  dafia  wir 
durch  Bedch  wichtig  an  g  des  Fiebers  diesen  Veniiebrungsprosers 
Hiebr  oder  minder  unterbrechen  und  dadurch  die  ganie  Krankheil 
lu  einer  milden  umwandeln  ItönDea«  hat  uns  die  Erfahrung  ge- 
lehret;  allein  von  dem  geheimen  GiftTermehriiRgsprozegse,  def 
von  der  Zeit  der  Ansteckung  bis  tum  Ansbmcbe  des  Fiebers  Statt 
hat,  wissen  wir  gar  nichts.  Möglich  ist  es,'  dafs  wir  durch  den 
Gebrauch  des  kubischen  Salpeters  jenen  stiilea  Prozeft,  wo  nicht 
gam  aafheben ,  doch  ins  Stocken  bringen  können.  Impförsie  der 
Mensche Dpocken  gaben  in  dem  Zeiträume  zwischen  der  Imjifung 
und  dem.  Eintritte  des  Fiebers  von  Zeit  %a  Zeit  Quecksilber,  weil 
sie  sich  einbildeten,  das  Queekailber  sei  eine  Art  von  GegengiTl. 
Abgesehen  von  dieser  Meinung,  welche  auch  nie  unter  den  Aen- 
len  aligemein  geworden ,  mufs  man  wohl  bedenken ,  dafs ,  wenn 
das  Quecksilber,  vor  dem  Fieber  gereicht,  wirklich  die  Poeken- 
krankbeit  milder  gemacht  hat,  welches  aber,  wegen  der  beim 
wirklichen  Eintrttie  des  Fiebers  angewandten  Hülfen,  noch  sehr 
problematisch  sein  möchte,  dieser  Milderwerden  der  Pocken  mit 
w«it  mehr  Wahrscheinlichkeit  der  dem  Salpeter  verwandten  Heil- 
wirkung als  einer  gegengif tischen  Eigenschaft  des  Quecksilben 
Knmackreiben  ist;  dafs  man  also  vom  kubischen  Salpeter  noch 
weit  mehr  flir  jenen  Zweck  erwarten  könne. 

Es  verstehet  sich  aber  von  selbst,  dafs  ich  den  kubischen 
Salpeter  nicht  als  ein  Spezificum  gegen  die  Pocken  anpreise.  Er 
ist  blofsein  Universal  mittel  gegen  eine  Affsktion  des  Gesammt- 
organismus,  welche  sehr  hftufig  durch  das  Poekengift  verorsacbt 
wird.  Niemand  kann  aber  behaupten,  dafs  notbwendig  eine'und 
die  nfiniliche  Affektion  des  Gesammtorgauismus  jederaeit  durch  da* 
Pockengift  müsse  hervorgebracht  werden,  mithin  würde  die  l)e- 
hauptnng,  dafs'  der  kubische  Salpeter  jederseit  in  dieser  Krank- 
heit Heilmittel  sei,  sieb  schon  dem  gesunden  Verstände  (abgese« 
han  von  aller  Erfahrung)  als  gana  unstatihaft  darstellen. 

Die  Vaccine  bat  sich  bis  jetzt  in  meinem  engeren  Wirkungs- 
kreise (denn  von  diesem  kann  ich  nnr  mit  Bestimmtheit  sprechen) 
als  ein  trefliiches  Schntzniiliel  gegen  die  Pockonkrankheit  bewSh- 
rel.  Die  gegent  heil  igen  Beobnchtnngen  anderer  Aersle  haben  mich 
aber  bestimmt,  das  Wiederholen- der  Impfung  den  Leuten  anan- 
ralhen.  Es  bat  hier  so  gut  wie  in  anderen  Orten  Menschen  ge- 
geben, die  von  Zeit  in  Zeit  das  Erschainen  der  Mensohenpocken 
ansgeschrien.  So  oft  ich  aber  die  Sache  unlersncble,  ergab  ea 
sich,    dafs    es    falsche  Pocken    waren,    die  selbst   ein  Einfältiger 


von  den  wnhren  unteraclieHen  IcsniMn ,  wran  ati^  ninht  immpr 
ganz  deutlich  diirrh  das  HtifBere  Anseheo,  doch  um  bo  dentlicher 
nnd  nngezwei feller  durch  den  Verlanf,  Ob  abw  falach«  Pocken 
erscheinen  können ,  welche  ancb  hiniichllich  des  Veriwifes  grofxe 
Aehnlichkeit  mit  den  wahren  haben,  das  ist  eine  Frage,  welche 
ich  weit  eher  mit  Ja  als  mit  nein  /n  beantworten  geneigt  wttie. 
Da  ich  in  nener  Zeit  manches  von  fMUchcn  Men sehen pocken  lese, 
denen  man  verschiedene  Namen  beilegt,  so  wird  es  wol  incht 
Tibet  gelhan  sein,  dafs  ich  einmahl  zwei  dahin  einschlagen 'fe  Pfllle 
entthle,  die  sich  vor  Rrfindiing  der  Vaccine  zutrugen.  Ich  kann 
sie  aber  nicht  genatier  angeben,  aU  mich  die  UmsiHnde,  iinier 
denen  ich  sie  beobachiete,    daza  befähiget  haben. 

Der  Oberniiiimann  L"  zu  C**,  ein  sehr  veraiftndiger  und 
tfnierrtchieler  Mann,  war,  ich  weifa  nicht  durch  welche  Umstände 
veranlafsl,  sehr  gegen  das  Impfen  eingenommen.  Bei  ein^rJ^ok- 
kenepidemie  sind  in  dem  Hanse  seines  nflehsfeD  \nchbars  gutar- 
tige Pocken;  er  schickt  seine  drei  Kinder  absichtlich  hin,  damit 
sie  mächten  angesteckt  werden.  Ungefilhr  vierzeba  Tage  nach 
diesem  Besuche  werden  sie  krank  nnd  bekommen  die  Pocken  in 
nififsigem  Grade.  Sein.Haniarst,  mein  Vorgliager,  der  Dr.  Cur- 
Uta,  ein  Mann,  der  gute  medizinische  Kenninissa  und  viel  Ver- 
stand  besnfs,  von  dem  meine  Leser  noch  eine  gekrönte  Preis- 
scbrifi  über  die  Schwindsucht  in  der  Sammlung  aaterlesABer  Ab- 
handlungen fiir  praktische  Aerzte  finden  können,  war  damahls  an 
eiaein  Fi.ifsgeachwfire  betllfigerig,  konnte  also  die,  eine  Wegsion- 
de  entfernten  Pockenkinder  nicht  selbst  sehen.  Der  Oberamtmaan 
schickt  sie  aber,  sobald  sie  genesen  sind,  zu  ihm,  damit  er  sie 
nber  alles  aasfragen  kSnne.  Nachdem  er  von  den  Kindern  und 
beiden  Aeflern  Alles  hinsichilich  des  Verlaufes  der  Krankheit  ge< 
nan  erforscht,  erklärt  er,  es  sei  nicht  zn  zweifeln,  dafs  die  Kin- 
der die  echten  Pocken  wirklich  gehabt.  Da  die  des  Bauers,  von 
denen  sie  angesteckt  waren,  nie  die  Pocken  weiter  bekommen 
haben ,  anch  nach  Enidecknng  der  Vaccine  nicht  geimpft  sind, 
so  mufs  ich  noch  jetzt  anerkennen,  dafs  mein  Vorgänger  nach 
wahrscheinlichen  Gründen  nicht  anders  habe  artheilen  können. 

Im  Jahre  1800  besachle  den  Oberamtmann  sein  Schwager  und 
brachte  ein  Söhnchen  mit;  dieses  wurde  krank,  nnd  bekam  die 
Pocken ,  welche  damahls  nicht  in  der  Gegend  herrschten.  Ich 
wurde  hingenifen ,  nnd  hörte  jetzt  von  dem  Haasherren  das,  was 
ich  eben  dem  Leser  erzählt  habe-  Weil  sein  jüngates  Kind  noch 
nicht  geboren  gewesen,  da  die  drei  älteren  die  Pocken  gehabt, 
so  konnte  dieses  auch  nur  Jetzt  erkranken.  Aber  was  geschahl 
Aicbl  blofs  das  Jüngste  Kind ,  sondern  alle  vier  bekamen  die  wah- 
ren, echten  Pocken,  und  an  der  Echtheit  derselben  hätte  selbst 
der  grftfste  Zweifler  nicht  zweifeln  können. 


—    8t»    — 

miaeo  noch  weit  wIlaainereD  Fall  beobach(e(e  ich  ein  paar 
Jahre  nachher.  Hier  ia  der  Sia44  berrtehlaa  die  Pocken,  waren 
aber  nicht  bdsHrii^,  niiihin  riefen  ehrbare  Bürger  den  Arzt  nicht 
anders,  als  wenn  Btiraergewobnlicbe  Zufälle  sie  besorgt  niachien. 
(Die  albeine  faeifce  BebRndlung  war  von  irieinem  Vorgänger  schon 
aus  der  Mode  gebracht.)  In  dem  Hause  eines  wohlhabenden  Bür- 
gers bekamen  alle  Kinder  diePocLen;  nach  überstanden  er  Krank- 
heit riwf  toao  mich  xu  dem  jüngslco.  Die  einzeln  Blebenden  ro- 
tbea  Flecken  seugien  von  guten,  nicht  %a  hänfigea  Pocken.  Zwi- 
cchen  zwei  Bippen  bildete  «ich  eine  kleine  Geschwulst,  in  der 
schon  Fluktuaiiun  zu  unterscheiden  war;  das  Kind  hatte  starkes 
Fieber,  war  sehr  krank,  und,  nach  Aussage  der  Aeltern,  seit 
zwei  Tagen  in  diesem  Zustande.  Ich  konnte  dieses  Fieber  für 
kein  anderes  hallen,  ah  für  ein  Folgefieber  der  uberslandenen 
Pockeii}  zninahl,  da  sich  schon  ein  kleiner  Absaefa  bildete;  wel- 
che Crtaw  ieeuMdarüt  bei  versSnniier  zeiliger  Anwendung  der  La- 
xirmittel  nicht  selten  nach  den  Pocken  einlrat.  leb  behandelte  die 
Sache  nach  dieser  Ansicht  und  balle  nicht  den  geringsten  Zweifel 
an  der  Bichiigkeit  meiner  Diagnose.  Am  folgenden  Murgen  be- 
suchie  ich  das  Kind  tum  zweiten  Mahle  und  sah  jetzt  etwas,  das 
mich  ganz  in  Erstaunen  seizie,  ntluilich  —  den  Auitbiuch  der  wirk- 
lichen Pocken.  Die«e  wncen  giiiiiriig  und  hallen  einen  ganz  re- 
gelntäfsigen  Verjauf.  Dafs  aber  die  anderen  Kinder  die  ecbien 
Pocken  gehabt  hatten,  dran  war  kein  Zweifel ;  denii  sie  wnrden 
jetzt  nicht  angesteckt,  und  sind  auch  in  der  Folge  ohne  vacoinirt 
zu  sein  frei  geblieben ,  ja  einer  der  Söhne  irägt  noch  jetzt  als 
Mann  die  unverkennbaren  Spuren  einer  recht  ungeniacblichen  Pok- 
keukrankbeit  in  seinem  Gesichte. 

Wir  Praktiker  müssen  fast  immer  nach  wahrscheinlicben  Grün- 
den anheilen  und  handlea :  das  Allerunwahrscheinlichste  ist  aber 
zuweilen  wahr  und  das  Allerwahrscheinlicbste  unwahr.*) 

Masern.  Diese  sind  für  mich  eine  unbekannte  Krankbeil. 
So  viel  weifs  ich  wol,  sie  sind  nicht  eine  in  der  Haut  vorwal- 
lende  Affektion  des  GeaaMimtorganismns ,  denn  sie  stehen  nicht 
nn/er  der  Ueilgewalt  des  kubischen  Salpeters,  oder  der  zwei  an- 
deren Uni  Versal  mittel.  Durch  den  Salpeter  knno  man  nicht  im 
eraten  Stadio  das  Fieber  beschwichtigen,   und,  wie  bei  den  Pok- 

')  Zniats  VOM  Jahr  183«. 
Ib  Jakr«  183S  bab«  lob  Badlicb  Gelegaabcil  schabt,  dia  rialbMpro^aHS 
Varioliden  za  beobaebteD.  Sit  »ind  m  dm  neulcn  Slidt«a  oad  DSrfars  d«t 
eleviicbcB  Landea  gawsieD ;  in  Deioiim  Wohnorte  mSgen  zwitcben  20  and  30 
•rkranbet  goweaeo  ■«■■>.  leb  baaa  lia  niehl  für  die  ecbien  Pocken  halten. 
Da  *ia  vsecinirle  ond  nicbtraeeloirte  KSrper  erfriffen  ,  ao  bitten  ile  Ja  ,^irii- 
rea  ai«  die  wirkiieban  Poektn  gewaaea ,  aioh  aber  die  «ante  Stadt  Tcrbtaiica 
•MHl  tw  wabrea  Scaaha  ir«4«ft  lOMsa. 


—    830    - 

ken,  den  AuuchlBg  mioder  macbeti.  Diwer  iu  anch  keiae  kri- 
tische Ausleerung;  denn  wfire  er  das»  so  mnfiile  nach  dem  Ans- 
brnche  dss  Fieber  bedeutend  Nacblaascn ,  oder  gans  verschwin- 
den. Das  ist  aber  nicht  so;  im  Gegentheil,  die  Kinder  sind  oft 
genug  kritaker  nach,    »\a  vor  dem  Aasbmobe. 

Möglich  ist  diese  Krankheit,  die,  wenn  sie  nicht  nngewöho- 
lich  böse  erscheint,  der  Kunsthülfe  nicht  bedarf,  und  bei  der, 
wenn  sie  wirklich  bö.sarlig  ist,  die  Kunst  auch  sehr  wenig  ver- 
mag, ein  eigenes  Urleiden  der  Hant,  so,  dafs  das  Fieber  und 
die  begleitenden  bekannten  Ziimie  als  blofse  consensuelle  Leideo 
angesehen  werden  mfissen.  Ich  habe  aber  bis  fetit  keine  Versu- 
che darüber  gemacht,  kann  also  nur  blofs  diesen  Gedanlwn  hin- 
werfen, ohne  für  die  Wahrscheinlichkeit  desselben  GrCnde  ansa- 
ftihren ,  welche  ohnedies  den  gröfsien  Theil  der  Leser  langwei- 
len würden.  Soiiald  aber  einmabl  wieder  gewöhnliche,  gutartige 
Maiern  erscheinen ,  wrrde  ich  versuchen ,  ob  ich  dieselbe  nicht 
milder  machen  und  bedeutend  abkünen  kann.  Kann  ich  letztes 
nicht,  so  habe  ich  auch  kein  Heilmittel  gefunden  Mir  scheint, 
gefftbriiche  nnd  lödtliche  Epidemien  haben  uns  xur  Genüge  gemah- 
net, die  Naiur  dieser  Krankheil  besser  xa  erforschen  als  es  bi« 
jetit  geschehen  ist,  und  wir  wwdea  diese  UnlersachuDg  wol  su- 
ersi  bei  den  gewöhnlichen,   gefahrlosen  heginnen  müssen. 

Sollte  aber  je  ein  Ant  so  gincklich,  oder  so  scharfsioalg 
sein,  ein  wahres  Heilmittel  der  Masern  zn  finden,  so  sage  ich 
ihm  Todier ,  dafs  er  bei  bösen  Epidemien  die  Sterblichkeit  unter 
den  Kindern  nicht  so  sehr  dadurch  verniiadem  wird,  als  er  sich 
vielleicht  einbilden  möchte.  Die  Zahl  der  armen  Leute  ist  in  al- 
len Onen  grob,  und  die  sind  in  Bei  reff  des  Lebens  ihrer  Kinder 
sehr  gleichgültig.  Durch  die  Gefahrlosigkeit  der  meisten  Masern- 
epidemien,  bei  denen  doch  die  Kunst  nichts  thun  kann,  als  höch- 
slens  in  den  wenigeren  Fftllen,  wo  die  Selbslhülfe  der  Natnr  aos- 
faleibt,  die  Chitin  »ecundariam  durch  den  Stuhl  befördern,  wer- 
den  sie  verleitet,  auch  bei  bösen  Epidemien  alles  der  Natur  vn 
überlassen. 

Im  Winter  18f|  herrschten  hier  sehr  bösartige  Masern,  wel- 
che damahls,  früher  oder  spttier,  viele  Gegenden  heimsnchien. 
Ob  ich  nun  gleich  die  Nainr,  weder  der  guten,  noch  der  bösen 
Mnaern  ergründet  habe,  so  beobachlele  ich  doch,  dafs  die  her- 
vorstechende Aftekiion  zweier  Organe,  wo  nicht  in  allen,  doch 
gewifs  in  vielen  Fitileo  die  Krankheit  tödilich  machte.  Diese 
Organe  waren,  der  Larjnx  nnd  der  MHüidarm.  Erster  wurde 
nahe  vor  und  nach  dem  Ausbruche  so  ergriffen ,  dafs  er  nicht  hlofs 
beim  Husten,  sondern  auch  beim  äufseren  Drucke  sdimerxte;  wo- 
von ich  mich  zwar  nicht  bei  ganz  kleinen  Kindern,  ab^r  wol  bei 
alleren  und  bei  Erwachsenen  aawidersprechliefa  übeneugen  konnte. 


—    8S1     — 

Auch  haue  in  «liesen  Fällen  der  HuBlen  il*n  Ton  des  Croii|*hu8lenii. 
Uie  BeSogali^nng,  die  sich  aber  dabei,  sofMlerlich  gegen  Abend 
einatellie,  war  iriobt  mit  der  4tt  Amgina  mewtbranacea  an  ver- 
gleichen. Diesen  ZnfMii  Itonnte  ich  durch  den  innerlichen  tiebrnuob 
des  KnpferH  und  durch  Auflegen  von  Zinkskli»  auf  den  Lur^nx 
beben,  obne  dafa  jedoch  selbige  Behundlnng  einen  heilenden,  den 
Verlauf  verkürzenden  Rinflufs  auf  die  Krankheit  hatte. 

Die  Afl'ekiion  des  Mastdarmes  äufserte  sieh  Im  Verlaufe  der 
Krankheil ,  frülier  oder  apKier  bei  der  Criti  tecundaria  durch  den 
8tuhl,  als  'Tt»e»mua  mit  ZurÜckhalien  des  Darinkotfaes.  Aueh 
biavon  habe  ich  mich  nicht  vermutblich ,  lOBdern  sinnlieh  übei- 
seugt.  Manche  Kinder  werden  wol  an  dieser  wahrhaften  Maserit- 
rohr  gestorben  sein.  Die  LRxifiniliel  wirkten  hier  nicht  blols  als 
Aualeertrngamitiel ,  sondern  sie  hoben  aueh,  durch  den  aatagoni- 
ttischen  Reis  auf  die  Düundürme,  den  sehr  läaiigen ,  die  heilsame 
Bestrebung  der  Naiur  vereitelnden  Siuhlxwang.  Diese  beiden  Hül- 
fen waren  aber  blofs  symiiioniBiische ,  und  wenn  sie  gleich  in  den 
meisten  FHllen  dem  lödilichen  Ausgange  vorbeugten,  so  würde  es 
doeh  thftricht  sein,    de  als  eine  lieilnng  aHzuseben. 

Ueberdies  sind  auch  etliche,  welche  ich  genau  beobwclilef, 
gestorben,  ohne  rfafs  Larynx  oder  Mastduriu  hervorsiecbend  er- 
griffen waren.  Ja  bei  einigen,  »eiche,  wenn  niciit  durch  mei- 
ne, doch  bei  meiner  Behandlung  die  schwere  Krankheit  überwun- 
'  den,  Hiacbien  die  Würmer  argen  S^tak,  bei  andern  war  die  in- 
■ere  Leber  ergriffen,  so,  dufs  man  ihnen  mit  etwas  Schellkraut- 
tinklnr  helfen  mnfsle,  wenn  man  sie  nicht  nach  den  Masern  wollte 
verderben  tassen.  Lieber  die  Todesart  aller  derer,  welche  ich  in 
den  Hiitten  der  Armen  schon  als  Leichen  antraf,  habe  ich  keine 
Auskunft  bekommen,  denn  Aüt  geringe  Mann  ist  wirklich  zu  dumm, 
als  dafs  man  so  etnaa  von  ihm  erfragen  kdnot«. 

Scharliicbfieber.  Dieses  ist  bestimmt  eine  in  der  Haut 
vorwaltende  Affekiion  des  Gesammiorganisiuus ,  welche  in  vielen, 
aber  gewils  nicht  in  nllen  Fällen ,  unter  der  Heilgewalt  des  ku- 
bischen Salpeters  stehet.  Mao  luufa  aber  die  Sache  nicht  so  ver- 
Heben,  als  halle  ich  jedes  ScfaarlacliGeber ,  welches  den  Kranken 
nicht  tödiet  und  bei  welchem  er  kubischen  Salpeter  genommen, 
für  eine  unter  der  Hellgewall  dieses  Mittels  slihLude  AQektion  des 
Gesammiürganismus.  Diese  Meinung  würde  etwas  albern  sein; 
denn  es  gibt  ja  Scharlachfieber,  welche  mit  Durchlauf,  anhalten- 
dem Irrereden  und  anderen  bedenkliehen  Zufällen  verbunden  sind, 
und  die  doch  nicht  iSdiea,  so  lange  man  nur  nicht  durch  feind- 
liches Angreifen  des  Organismus  den  Krankheitaprozefs  siSret.  So 
beobaehieie  ich  im  Jahre  1806  eine  stark  verbreitete  F.pidemie, 
b«i  der  ich  nngeßihr  so  viel  als  nichts  ihal,  hSchstens  durch  milde 
Mitt^  den  starken,    offenbar  M^ittdlieheii  Durchfall  laXfaigileiaad 


-_     SM    — 

an  <l«r  hi«r  im  Orte  kein  eiiuiger  M^uch  starb,  ol^eich  d«r 
Drirchfail  und  das  anliHliende  Jn-^wlen  dar  Kruikhait  ein  aefar 
bnnge«  Ansehen  gaben.  OamnkU  sagiea  die  Lenie ,  ich  sei  aus- 
geieichnet  glücltlich  in  Behaudliing  dieses  gefährlichen  Fiebers. 
Sie  halten  voilkominea  Hecht,  (iafs  sie  sich  des  wahren,  geeig^ 
nelen  Ausdruckes,  iflliebllell^  in  ihrer  Lubrede  bedieoien; 
denn  ich  wufste  daniabls  eben  so  wenig  ein  Uetliuktei  auf  diese 
Krankheil  als  ich  jetxt  eins  auf  die  Pest  weifa.  Dafs  ich  die  bös- 
«nssehwnde,  aber  aa  sich  uniSdiliche ,  nicht  durch  dreistes  Ein- 
greifen kansUiiSfsig  zur  iSdtiicben  machte,  kann  ich  kl ofa  meinen 
ärstlicben  Skeplisiamus  zaschreiban,  ich  wurde  oänlich  bald  ge- 
wahr, dafs  die  sogeaannLen  Aut^hlogüUca  eben  so  wohl  als  die 
siärkettden  uad  reixendaa  Mittel  das  Uing  verseht  iiuiuerlen :  iniüi* 
trauend  den  schulrechten  Ansichten,  hielt  ich  für  das  Beste,  an- 
thKtig  in  bleiben,  und  beschriinkie  mich,  wie  gesagt,  blofs  dar- 
auT,  dan  Durchfall  lu  lu&fiigen.  Uebrigena  bin  ich,  selbst  io 
jüngeien  Jahren,  nie  so  niimsch  gewesen ,  zn  glauben,  ich  half« 
ein»  Krankkeit  geheilt,  wann  ich  die  Heftigkeit  derselbe«  nidtt 
sichtbar  niäfsigen  und  den  Verlauf  derselben  nicht  abk Ursen  konnte. 
Ja,  wfire  ich  hinsichilicb  des  Scharlachfiebers  mit  dieser  Einbil- 
dung behaftet  gewesen,  so  würden  späterbiQ  t5dilich  ablaufende 
Fülle  mich  gründlich  v^on  meiner  Narrbeil  geheilt  babea.  Eins 
bekenne  ich  unverhofalen:  gerade  das  Scbarlachfieber  hat  meine 
Zweifel  an  die  Macht  der  schulrechleo  Heilkunst  aufs  Höchste  ge- 
steigert. 

Eine  Beschreibnng  der  Krankheit  zu  geben,  würde,  da  sie 
bekannt  genug  ist,  übprfltiasig,  ja  es  würde  anch  sehr  schwer 
sein;  denn,  so  viel  ich  beobachtet,  erscheint  sie  bei  weitem 
nicht  Immer  mit  einerlei  ZufHllen,  hat  anch  nicht  immer  einerlei 
Verlnnf.  Das  leichte  kann  in  acht  Tagen  verlaufen  und  die  Heit- 
knnst  kann  nach  ganz  verschifedenen  Theorien  ganz  verschiedene 
Miiiel  anwenden,  ohne  es  merklich  zu  stSren.  Das  bS^ere  nAh- 
ret  reichlich  vierzehn  Tage.  Am"  vierten  Tage  reiniget  sich  die 
wetfsbelegte  Zunge,  das  heifst,  die  Sächarlacheniziindiing  verbrei- 
tet sich  auf  derselben ,  sie  wird  feurigrolh  und  die  Papillen  ragen 
wie  glühende  Köhlchen  auf  der  rothen  FtSche  hervor.  Die  Ent- 
zündung verbrettet  sich  über  die  ganze  Schleimhant  der  Nase ,  Über 
den  Schlund,  nnd  wahrKcheinlich  auch  Über  die  harte  Gehirnhant, 
denn  es  entstehet  anhaltendes  Irrereden  und  mehr  oder  minder 
starker,  consensdeller  Durchfall,  weldie  ZnfSlle  bis  nr  Beendi- 
gung der  Krankheit,   mit  dieser  abnehmend,   anhalten. 

Zu  einer  anderen  Zeil,  besonders  in  den  leisten  Jahren,  habe 
ich  es  anders  gesehen.  Die  Reinigung  der  Zunge  erfolgte  apüier, 
«ie  machte  sieh  nicht >   wie  ebemnUs,  ioaeihalb  Eines  T«([es,  son- 


dem  langssm ;  die  Zange  ward«  nicht  lO  feurig  totb ,  aoch  enl- 
ilead  weder  Irrereden,    noch  Durcbfftll. 

Früher  war  es  mir  bei  meiner  UntbStigkeit  auffallend  nod  ni>- 
erkUrlich,  ( obachon  ich  ea  aucfa  bei  Schriftit.e]lem  angemerkt 
gernnden)  dafg  die  Gefahr  nicht  von  den  >itüriiii>ch«n  Zufällen  ab- 
bing,  indem  »uweilen  eine  anicfaeinend  milde  Krankheit  nnvermn- 
ibet  tSdilich  Wnrde.  Den  ersten  tödilichen  Fall  beobachtete  ich 
bei  eider  jungen,  echSnen,  frfiher  gesunden  ifnd  starken  Fran. 
Ihre  Krankheit  war  htnaichilicb  der  Zufllille  ganz  unverdftchtig. 
Die  gew3bnlicben ,  ah  Haluchmen,  Fieber  nod  R5ihe  der  Hant, 
waren  selbst  sehr  tnafsig.  Am  sechsten  Tage  abends,  fing  sie  air, 
fiber  Beängstigung  au  klagen  und  gab  schon  um  Miliernacht  den 
Geist  auf.  Ich  habe  hernach  von  Shnlii^en  Fallen  gelesen,  dah 
man  eine  salcbe  Befingstigang  einer  Lungenlfihmurig  zntchrelbt; 
glaube  aber,  dafa  sie  das  Sterben  selbil  ist,  und  ob  man  daa  nun 
in  diesem  Falle  LungenlAhmang,  oder  Tod  nennet,-  wird  wol  so 
breit  als  lang  sein. 

Hinsichtlich  der  Form  des  Ansschlages  habe  ich  bei  einer  und 
der  nüinllchen  Epidemie  Verschiedenheit  gefunden.  Bei  den  mei- 
sten Kranken  war  die  Rötbe  glait,  bei  wenigen  fühlte  icb  auf 
der  Köihe  eine  Bauhheit,  bei  noch  wenigem  konnte  ich  daranf 
kleine  BISschen  wie  FrieselblSscben  entdecken,  und  in  seltenen 
Füllen  sab  ich  hier  und  dort  auf  der  Roth«  wirkliebe  Blasen  von 
verschiedener  CrSfse,  welche  wässerige  Stoffe  enthielten.  Aus- 
geseichnet  in  dieser  Art  war  der  Ausschlag  einer  jungen  schwan- 
geren Fran;  diese  hatte  nicht  blof^  mehre  Blasen  von  der  GrSfse 
grauer  Erbsen,  sondern  über  dem  rechten  Knie  safs  eine  ron  der 
GrSfse  eines  Taubeneies;  tibrigens  war  sie  deshalb  nicht  kranker 
als  andere  und  genas  auch  eben  so  gut. 

Obs  VerhHulen  in  ganz  grofsen  Lappen,  von  dem  icb  geh3rt, 
habe  ich  eigentlich  noch  nie  recht  gesehen.  Den  einaigen  Fall, 
der  etwas  fibniiches  hatte,  beobachtete  ich  vor  langer  Zeit  bei 
einem  jungen  Mädchen,  jind  wegen  eines  närrischen  Umstandes, 
der  sich  dabei  antrug,  ist  er  mir  im  Gedfichtnifs  geblieben.  Das 
MSdcben  ziehet  nämlich  .von  einem  ihrer  Finger  die  Oberhaut  in 
einem  einzigen  SfTicke  beninter,  nnd  nachdem  sie  mir  selbige  ge- 
tetgt ,  kommt  sie  auf  den  Einfall ,  den  Hauilappen  als  Andenken 
der  überst  an  denen  Krankheit  zu  bewahren,  und  legt  ihn  vorlfiufig 
in  eine  von  der  Familie  nicht  gebrauchte  Kaffeekanne.  Gleich 
darauf  tritt  die  Zeit  der  Wallfahrten  nach  dem  wundert  hat  igen 
Mnitergottesbilde  zn  Kevelaer  ein.  Die  Herbergen  reichen  dann 
nicht  bin,  die  Zahl  der  Pilger  zu  fassen,  weshalb  anch  ander« 
ehrsame  Bürger,  aus  Eigennutz,  .oder  aus  krisilicher  Liebe,  sol- 
htge  in  ihren  HSusern  verpflegen.  Die  Mutter  des  Madebens ,  bei 
def  ebenfalls  solch  wallende  Beter  einkehreo,   giefst  den  hestelU 

^53       -•— o" 


—    834    - 

les  Kaffee  in  ^ie  K«id«,  worin,  ohoe  ihr  Wiuen,  der  Tocbler 
Hanilappen  liegt,  und  nan  irioLen  di«  andächtigen  Leute  deo 
\mffffS*  dei  ScharUtdifiDgerliBga.  loh  denk«  aber ,  e«  wird  ihnen 
wol  Di<^  geschadet  haben. 

Ein  wahrhaft  ■eluaiuea  Ereignifa  habe  ich  früher  i>et  eine« 
Wundärzte  erlebt.  Die  Ehefrau  dnuelben  lieb  mich  biuen,  ibn 
au  beaueben.  Er  klagte  über  grofae  HeHobwerde  bei»  Schlingen, 
und  da  daa  Sobttrlachfieber  damahla  herrnchtn,  liefa  »ich  der  un- 
g«wähnlieh  icfanetle  Puls  verniuihen ,  dafs  ea  auch  bei  ihm  im 
Äoeuge  sei.  Das  Bett*  worin  er  lag,  stand  an  einer  etwas  duok- 
l«o  Stelle,  ieh  bat  ihn  also,  auf/.ugtehen  und  sich  ans  Fenster 
au  begeben,  danii  ich  sehen  könne,  ob  seine  Haut  schon  ait- 
fange  sich  »a  rdtben  und  wie  es  mit  seinem  llaUe  bestelJt  sei. 
lob  wurde  gewahr,  da(«  das  Exanthem  schon  am  Aasbrechen  war, 
merkte  aber  bei  der  Gelegenheil,  dafs  der  Mann  ein  lolcb  selt- 
same« taumeliges  \^''eaen  und  einen  solch  Irnnkeneo  Blick  hatte, 
dafs  ich,  weil  ich  damahls  kein  Heilmiiiel  der  Kran kt.eit  kannte, 
mit  grofiei  Wabrscheinlichkeit  vermuthen  mufste,  sie  werde  oboe 
Irrereden  nicht  ablaufen.  £•  war  der  Anfang  des  vierten  Tages, 
denn  die  Zunge  war  eben  in  Begrifi  sich  zu  reinigen..  Da  ich 
ihn  am  folgenden  Tage  besucble,  war  sie  ganx  gereiniget,  das 
Exanthem  allenthalben  sichtbar  und  es  fühlte  sich  etwas  rauh  an. 
Der  Puls  war  sebr  schnell  und  ztemlicb  voll.  Irrereden  war  noch 
nicht  da,  aber  wol  eine  eigene  Aufgeregtheit  des  Kopfes  nnd  ein 
gewisser  Grad  von  Nichtgefühl  der  Krankheit.  Er  wuIste  wol, 
dafs  er  krank  war,  aber  er  sah  das  Ding  für  eine  Kleinigkeit 
an.  Dieser  Zustand  des  Kopfes  ist  fast  immer,  wenn  man  keine 
schnelle  Hülfe  weifs,    dar  nächste  Vorbotbe  des  Irreredens. 

Am  nächsten  Morgen  fand  icb  den  Kranken  in  einem  solchen 
Zustande,  dafs  ich  der  Frau  rieih,  ihn  mit  dun  Sacramenten  der 
Sterbenden  versehen  zu  lassen.  Er  wnfste  nicht  mehr  was  er  sagte, 
war  sitierad  und  scblafsücbiig,  der  Puls  ungeheuer  schnell  nnd 
klein,  der  Ausschlag  blafs,  wie  er  bei  denen  zu  sein  pfleget,  die 
die  Krankheit  fast  überstanden  haben;  auf  der  verblafsten  Roth« 
sab  die  Oberhaut  hier  und  da  geschrumpelt  aus,  als  wolle  sie 
sich  schälen.  Der  Tod  erfolgte  noch  am  nämliaben  Tage  abends. 
Das  Merkwürdige  bei  diesem  an  sich  nicht  merkwürdigen 
Falle  ist  Folgendes.  Der  Kranke  wird  am  Vorabeitd  seines  To- 
destages zu  einer  Kretfsenden  gerufen,  macht  sich,  trotz  aller 
Abmahnung  seiner  besorgten  Ehefraa,  aus  dem  Bette,  ISfst  sich 
unvermögend  zu  siehn  oder  zu  gehn,  in  eiuem  Armstuhle  zur 
KreiJäenden-  tragen  und  spielt  bei  dieser  die  Kolle  des  Geburts* 
beifers.  Welche  Hülfe  er  dort  geleistet,  kann  ich  nicht  sagen; 
höchstwahrscheinlich  hatte  er  es  mit  einer  leichten,  selbst  sich 
machenden  Geburt  zu  thun,  denn  bei  einer  schweren  würde  er  doch 


—    »35    — 

wol  aiebl  haben  belfea  k5an«n.  Di«BM  seluame  UnternehMen 
Boheint  aber  eine  üble  Einwirkung  auf  ihn  gehabt  zu  haben ;  denn 
4n  u»n  ihn  nach  ein  paar  Stunden  wieder  annickgetrageo  and  ins 
Beit  gelegt,  ia(  er  gleich  sichtbar  kranker  und  beBinanogsloaer 
geworden,  nod  gar  bald  in  den  hoffnungslosen  Zaaland  verfallen, 
in  welchem  ich  ihn  am  anderen  Morgen  fand. 

Die  Leser  werden  wol  ao  gut  einsehen  als  ich,  dafa  Her  Mann 
das  Gescbiift  des  Geburlsheiren  in  einem  Zustande  des  Irreseins 
verrichtet  hat.  Wenn  er  gleich  von  Natur  keine  sonderliche  Gel- 
stesgahen  besafa ,  würde  er  doch  ^  wäre  er  nicht  irre  gewesen, 
leicht  begriffen  haben,  dnfs  er  sich  dureh  diese«  Unternehmen 
höchst  wahrscheinlich  selbst  schaden  werde  und  dnfi  er  die  Krei- 
dende anstecken  k9nne. 

Dieser  Fall  gibt  einmahl  wieder  den  deiitliehen  Beweis,  dafs 
in  akuten  Krankheiten  swischen  dem  eigentlichen  Irresein,  wel- 
ches «ch  durch  verwirrte  Reden  offenbaret,  und  swischen  der  re- 
gelnilfsigen  Verständigkeit  ein  Mitleixnsiand  des  wachen  Traum- 
lebens Statt  finden  kann ,  in  welchem  die  Menschen  blofs  das  Ge- 
fühl ihrer  Krankheit  mehr  oder  mindar  verloren  haben. 

Nun  zum  kubiMben  Salpeter.  In  allen  den  Fsllen,  wo  daa 
Scharlachfieber ,  nicht  einbildisch,  sondern  wirklich  »nier  dessen 
Heilgewalt  stehet,  leistet  er  sichtbare  Hülfe,  das  heibt,  er  be- 
achwichiigel  die  ZufiiUe,  macht  die  Krankheit  nicht  blofs  nach 
der  Meinung  des  Arztes,  sondern  nach  dem  eigenen  Gefühle  des 
Kranken  milder,  und  kuriet  sie  bedeniend  ab.  Letztes  hängt  aber 
von  dem  Zeitpunkte  ab,  in  welchem  wir  anm  Helfen  aiifgefodert 
werden.  Geschiebet  dieses  erst  den  vierten  Tag,  wo  das  Exan- 
them schon  ausgebrochen  ist,  so  kann  man  noch  viel  leiileo, 
denn  diese  Entzündung,  deren  Aushtuchszeit  überhaupt  sehr  wan- 
delbar ist,  verbreitet  sich  nicht  urplötzlich  über  alle  Gebilde,  son- 
dern erat  nach  und  nach  in  einem  Zeilrannie  von  ein  paar  Tagen, 
in  welchem,  sie  dann  auch  intensiv  stärker  wird,  wodurch  sich 
das  ganv.e  Leiden  mehr  und  mehr  steigert.  Dieser  Steigerung  kana 
man  den  vierten ,  ja  selbst  den  fünften  Tag  noch  sichtbar  Schran> 
ken  setzen,  aber  freilieb  nicht  so,  als  wenn  nun  den  «rsien  ge- 
rufen %vird;  denn  beginnt  man  gleich  beim  ersten  Anfange  des 
Fiebers  die  Behandlung,  so  macht  man  ea  m  einem  milden  und 
unbedeutenden,  lo  dafs  es  dem  mit  Salpeter  nicht  behandelten  ganz 
unähnlicb  siebet. 

Sollten  aber  vielleicht  einige  meiner  I^ser  denken,  das  unter 
der  Heilgewalt  des  kubischen  Salpeters  stehende  Scharlachfieber 
sei  an  sich  eine  leichte  Krankheit  uud  werde  ao  bald  nicht  töd- 
ten,  so  mufsle  ich  gegen  solche  Meinung  Einrede  thnn.  Ich  glau- 
be mich  zum  wenigsten  überzeugt  zu  haben,  dafa  alle  Aßek- 
tiunen  des  GewuHtulorganiswu* ,    sie  mögen  unter  der  Heilgewalt 


—  83«  ,— 
des  kukUGheii  8Bl[>ei«ni,  des  E^iaeni,  oder  des  Kiipfera  ateben, 
gleicb  lödtlich  werden  können.  Es  ist  nicht  blofii  das  Vorwalten 
derselben  in  irgend  einem  Organe  und  die  dadurch  veruraachie 
Niörung  der  Verrichtung  dea  Organs ,  welche  tödiet ,  Bondeni  dia 
Aß'ekllon  de«  Ge«aniinlorganismtis  aU  lolvhe,  nbgetieben  von  aller 
besondereo  Störung  eines  Organs ,  ist  hinreichend ,  einen  Men- 
schen KU  tödlen.  Wie  dieses  gr-Nchiehet,  dan  ist  nicht  versland- 
haft  ansznlegen  so  lange  wir  nicht  wissen,  was  das  Leben  sei. 
Dafs  aber  das ,  was  ich  gesagt ,  Wahrheit  eoihalte ,  beweiaet  «ich 
gerade  am  besten  durch  solche  Fälle  des  Scharlachfiebers ,  dia 
schnell  und  iinvermiilbel  tödilich  werden,  ohne  dars  einielne  Or- 
gane oder  Systeme  aosgeseichnet  heriig  ergriffen  sind; 

Im  Sommer  des  Jahres  1SJ1  trug  sich  in  meiner  N'acbbar- 
Rchafi  folgender  Fall  lu.  In  einer  Bauerscbaft,  in  der  seil  Men- 
scheagedenken  das ' Schartachfieber  nicht  geherrscht,  den  Landleu- 
len  also  eine  ganz  onbakannie  Krankheit  war,  erkrankr  die  acht- 
zehnjährige gesunde  and  alarice  Tochter  eines  wohlhabenden  Land- 
wirtbea,  klagt  über  Halsach  merz,  wird  beUlSgerig  und  ihre  Haut 
röthet  sich.  Man  halt  das  Ding  für  eine  getvdhnliclM  Ilalsenisün- 
dung,  gegen  welche  map  nicht  leicht  die  Hülfe  des  Arxies  in 
Anspruch  niinmi;  am  sechsten  Tage  siiH)t  das  Mädchen.  Der 
Vater,  ein  Landmann  von  seltener  \'ersiandigkeii ,  betheuerie  mir, 
dafs  er  und  seine  tlhefrau  auch  nicht  die  leisenie  Ahnung  einer 
Gefahr  gehabt  hätten;  nnd  das  glaube  ich  ihm  gern,  denn  hallen 
ihn  böse  und  verdficbtige  Zufälle  gewarnt,  er  würde  wol  Hfllf« 
gesucht  haben. 

War  das  nun  ein  unter  der  Heilgewalt  des  Salpeters  stehen* 
des  Scfaarlachßeber  gewesen  f  —  Mit  vollkommner  Gewifsbeit  kano 
ich  dieses  nicht  behaupten,  aber  wol  mit  grofser  Wahrscbeinlieh- 
keil;  denn,  weil  gleicb  dar.iuf  mehre  Hausbewohner  am  oämli- 
eheo  Fieber  erkrankten  und  durch  Salpeter  geheilt  wurden,  so  ist 
.  weit  wahrscheinlicher ,  dafs  das  Fieber  der  Verstorbenen  eben  so, 
als  dafs  es  anders  geartet  gewesen. 

Ich  wurde  gleicb  nach  dem  Tode  der  ältesten  Tocbier  zu  der 
zweiten,  sechzehnjährigen  gerufen,  sie  war  angeblich  drei  Tag* 
krank.  Der  Ausschlag  war  schon  heraus,  aber  noch  nicht  sehr 
feurig.  Aus  der  Zunge,  deren  Spilze  und  Rand  schon  rolh  wa- 
ren ,  erkannte  ich ,  dafs  die  Krankheit  auf  der  Grenz«  zwischen 
dem  ersten  und  zweiten  Zeiträume  siehe.  Ein  übler  Umstand  war 
der,  dafs  das  Mädchen,  welches  die  Schwester  an  der  oftnilicben 
Krankheit  hatte  sterben  sehen ,  von  grofser  Todesfurcht  ergriffen, 
an  lieiiun^  zwetfelle.  Ich  mulste  also  vor  allen  Dingen  ihr  Ge- 
Müih  zn  beruhigen  und  ihr  den  Glauben  einzureden  suchen ,  dafs 
ate  werde  erhalten  werden.  Bsi  einfachen  N'ainrkindern  (^ivmutl 
meinen  jüngeren  Lenern  gesagt)  lafst  sich  aber. dieser ^week .nicht. 


—    837    — 

wie  bei  manchen  verbailerten  Siftdlern,  durch  markiscbieierincli« 
Versprechunj;en  erreichen ,  sondern  mna  inufa  vielinehr  auf  ihr 
religiöaes  Gefühl  eimvirkea,  Gott  als  cinzigeD  IlelTer,  und  iiich 
selbst  als  blofses  Werkzeug  destelben  darstellen.  So  wird  in  sol- 
shafl  achlicbi  frommen  Gemülhern  jeder  Zweifel  sur  Goitealüsie- 
ning,  und  der  kindliche  Glanbe  an  die  göiilicbe  Hülfe  durch  die 
Arzenei  entwindet  itieh  ^ar  leicht  den  Fesseln,  worin  ihn  das  driik- 
kende  GeHihl  der  Krankheit,  oder  der  Aablick  befreondetec  Tod- 
t*o  vertlrickt  halte. 

'  Bei  dem  Müdchen  gelang  mir  meine  vorbereitende  psychische 
Kur  ansBehmend  gut;  während  der  halben  Stunde,  die  ich  im 
Hause  vprueilie,  war  sie  ganz  umgewandelt,  und  ich  konnie  jetzt 
erst  recht  deutlich  sehen,  wie  feindlich  die  Todesfurcht  aaf  sie 
gewirkt  hatte.  Ich  vererhrieb  einen  achlunzigrn ,  eine  hallte  Unze 
kabischen  Salpeter  enthaltenden  Trank,  von  welchem  sie  slünd- 
licfa  einen  Loßel  voll  nehmen  mufste.  Dieser  bewirkte,  dafs  das 
Fieber  gleich  minder  wurde,  dafa  der  vorhandene  Auaachlag  nicht 
mehr  an  Heftigkeit  zunahm  und  dafs  die  ganze  Krankheit  in  fBnf 
Tagea  (vom  Tage  des  Einnehniens  an  gerechnet)  verlief. 

Die  Leser  könnten  aber  denken,  der  erzählte  Fall  niSchte 
atich  vyo]  ohne  kubiaehen  Salpeter  eben  so  mild  und  in  eben  der 
Zeiifriat  rerlanren  sein,  BegreiiRich  kann  ich  das  Gegenibeil  nicht 
beweisen;  dafx  aber  das  in  jener  Baiiersehaft  umgehende  Schar- 
lachSeher  aa  sieb  nicht  ganz  gemüchlicher  Art  war,  davon  bekam 
ich  noch  zur  selben  Stnnde  den  denitichstea  Beleg.  Ich  mnfste 
nünilicb  von  dem  iVlUduhen  zu  dem  Knecht  de»  nücfaülen  Nachbars 
geben,  der  seil  sech.s  Tagen  an  dem  nämlichen  Fieber  krank  lag. 
Bei  dieser  niii  zwei  Tage  älteren  Krankheit  sah  die  Sache  aber 
schon  weit  ernsihafier  aus  als  bei  jenem  Mfidchen.  Die  Zunge 
war  feurig  rorh,  MHudeln  und  Gaumen  so  versdiwollrn,  dafs  Flüs- 
sigkeiten nur  mit  Anstrengung  konnten  hinuntergebracht  werden. 
Das  Exanthem  war  schon  zu  einem  hohen  Grade  der  Iittensiiilt 
gelangt,  hafte  aber  lange  noch  nicht  den  h&cbsien  erreicht.  Darcb- 
lauf  hatte  der  Kranke  schon  seit  zwei  Tagen,  und  seil  dem  Ta- 
ge, wo  ich  ihn  sah,  halle  sich  Irrereden  eingesiellei,  dieses  war 
aber  noch  nicht  so,  wie  es  bei  der  gröfsten  Höhe  dei  Fiebers  /.u 
sein  pflegt,  sondern  mäfsig;  zwischen  seine  versläadigen  Antwor- 
ten auf  meine  Fragen,  mischten  aieh  blofs  einige  Ungereimthei- 
ten, und  er  halte  Mühe,  die  Wörter  zu  finden,  die  er  ansspre- 
chen  wcJIle.  Wegen  des  Durcblaufes  gab  ich  diesem  den  kubi- 
schen Salpeter  in  Oelemulsion,  and  er  leirileie  auch  hier  alles, 
was  ich  verlangen  konnte,  nämlich,  er  bebinderte  die  ifeiieren 
Fortschritte  der  Krankheit.  Am  folgenden  Tage  schon  war  Irre- 
reden und  Durchlauf  gehoben,  die  Hautentzündung,  welche  noch 
lange   nicht   ihre  gewöhnliche  H'ihe  erreicht  hatte,    minderte  zu- 

-i- —  "gl^- 


gleich  mit  der  HalaenUHndiiDf  ron  Tage  *a  Tttgs,  wii  4er  Kran- 
ke genaa  ohne  weiter«  ZofAll«. 

Dafs  aber,  wi«  ich  oben  gesagt,  der  kabische  Saliicier,  gleich 
beiiu  Eintritte  des  Fiebers  gereicht,  die  Kraakheit  von  einer  g*- 
fölirliehen  in  eine  nnbedeoienile  verwandle,  hat  sich  auch  in  den 
Hanse  jenes  Laadmannes,  dessen  filleate  Tochter  gestorben  war, 
bestftliget.  Da  in  demselben  mehre  Kinder  and  Dienstboihen  der 
Ansteckang  ausgesettt  waren,  so  gab  ich  deia  Hausvater  eine  gnie 
Portion  Liquor  nairi  nilrici,  mit  der  Weisung,  jedem,  der  von 
der  Krankheit  ergrißen  würde,  sinndlicb  davon  einzugehen  bis  tt 
genesen  sei.  Er  hat  auch ,  da  er  von  einer  selienen  Yersi&ndig- 
ksit  war,  meinen  Kalb  treu  befolgt,  und  mir  von  Zeit  zu  Zeit, 
wenn  er  neue  Salpetertropfen  ans  der  Apoihelte  holte,  Nachricht 
gebracht.  Mehre  Bewohner,  bei  denen  sich  die  Krankheit  ge- 
zeigt, sind  durch  den  frühzeitigen  Gebrauch  der  Arzenei  bald  und 
leicht  genesen;  das  Fieber  ist  aas  dem  ersten  Zeiträume  in  den 
der  Genesang  übergegangen,  so  dafs  der  Landraann  sich  des  Aus- 
druckes bediente:  man  tollte  schwören,  die  Krankheit  sei  nicht 
mehr  die  nämliche. 

Gans  wird  durch  das  frühzeitige  Geben  des  kobischea  Salpe- 
ters dem  Aasschlage  nicht  vorgebeugt,  er  wird  jedoch,  im  Ver- 
hfiltnifs'zu  den  nicbtarzeneieien  Körpern,  unbedeutend.  Sollte  aber 
in  der  Folge  der  eine  oder  der  andere  Arcl  glauben,  man  kSnoe 
wirklich  dem  Ausbruche  ganz  vorbeugen ,  so  raifae  ich  ihm ,  die 
Thatsachen  ganz  genau  zu  nnlersucben,  bevor  er  diese  Behanp* 
tnng  ausspricht.  Folgender  Fall,  den  ich  im  Jahre  1SI6  beob- 
achtet habe,   mag  vielleicht  in  dieser  Hinsicht  lehrreich  s0in. 

Ich  besuchte  eines  Abends  meinen  allen  Freund,  den  Superin- 
tendenten V",  der  sagte  mir,  sein  Sohn  fühle  sich  den  Abend  an- 
wohl,  klage  über  Halsschmerz  und  scheine  zu  fiebern.  Ich  unter- 
suchte  ihn,  und  fand  seine  Mandeln  etwas  gerSthet  und  geschwol- 
len, den  Puls  aber  ungewöhnlich  schnell.  Den  Aeltern  bemerkt« 
ich  also,  die  NShe  des  ScharlacbGebers  (dies  war  nSinlich  in 
dem  Nachbarhause),  weit  mehr  aber  noch  die  ungewöhnlich« 
Schnelle  des  Pulses  liefse  vermothen,  dafs  des  Söhnchens  Unwohl- 
sein inehr  als  Halsweh,  dafs  «s  der  Anfang  des  Scharlachfiehers 
sei.  Mit  voller  Gewifsheit  lasse  sich  freilich  nichts  darüber  be- 
stimmen; da  aber  Eine  Arzenci  in  beiden  Krankheilen  hülfreicb 
sei,  werde  man  wol  am  klügsten  handlen,  diese  Arzenei  gleich 
zu  reichen.  Das  Abwarten,  was  aus  der  Sache  werden  wolle, 
habe  das  Unbequeme,  dafs,  wenn  das  Abgewartete  eintrete,  man 
es  aufs  beste  slillständig ,  aber  doch  jedenfalls  nicht  rückgängig 
machen  könne.  Das  alte  Sprichwort ,  dafs  den  Gelehrten  gnt  pre- 
digen sei,  beslütigte  sich  auch  hier;  der  Sohn  wurde  «nm  Sal- 
peter verurtheilt. 

„,,,_„,,,, Google 


-     839    — 

Miin  «rgab  aioh  aber,  dnfo  die  rem*imlt«h9  (eichte  Mnudel- 
flütsändung,  diu  Fieber,  und  das  Gefühl  des  ÜDwöhlseins,  drei 
Tage  auf .  dem  n&mlichen  Punkte  blieb.  Dann  wurde  alles  bea- 
aer;  es  wfthrte  aber  auch  (iaan  noch  über  drei  Tage,  ehe  der 
■choelle  PuU  wieder  normal  wnrde.  Das  stimmte  Aodt  alles  nicht 
mit  der  Idee  eine«  gewöhnli«hen  leichrsn  Helswebes.  Wahrend 
des  Verlaufes  dieser  kleineo  zweifeihnfien  Krankheil  uniersncbten 
sowol  die  Aeltern  als  ich  die  Haut  des  Knaben  oft  und  genau, 
ob  wir  eine  Röihe  gewahr  werden  könalen ;  wir  blieben  aber 
■ämmilich  zweifelhaft.  Bald  glaubten  wir  eine  leicbte  Röthe  su 
■eben,   bald  glaubten  wir  uns  getäuscht  sn  haben. 

Nun  war  ich  aber  folgender  Meinung.  Weder  der  kubische 
Salpeter,  noch  irgend  ein  anderes  Heilinillel  sei  m&chtig  genug, 
die  Natur  der  Krankheit  so  xu  verändern,  dafs  gar  keine  Haut- 
enisündung  erscheine.  Diese  könne  aber  dem  Grade  nach  so  ge- 
ringe sein,  dafs  das  blufse  Auge  sie  nicht  xu  erkennen  vermSge. 
In  dem  rorliegenden  Falle,  wo  wir  über  die  Gegenwart  der  Hant- 
«puündung  uugewifs  seien,  tnüsse  spSierhia  die  Abschuppnng  der 
Haut,  die  man,  wo  nicht  mit  blofsen  Augen,  doch  durdi  eine 
Lünpe  würde  erkennen  können ,  unsere  wankende  Meinung  be- 
richtigen. 

E^  erfolgte  auch  wirklich  eine,  mit  den  blofsen  Angen  zwar 
mübsaiUt  niii  der  Loupe  aber  leicht  zn  erkennende  Abschnppung; 
es  war  auch  deutlich  wahrzunehmen,  dafa  die  Eniziindung  sich 
bei  weitem  nicht  über  den  ganzen  Körper  verbreitet,  sondern  nur 
fleckweise  einzelne  Stellen  eingenommen  halte. 

Uebrigens  war  ich  in  dieser  Sache  so  sicher,  als  man  es  nach 
wahrscheinlichen  Gründen  .sein  kann,  denn  der  ausnehmend  schnelle 
Puls  war  zu  jener  Zeit  ein  solch  sicheres  Zeichen  des  Scharlach- 
fieber«,  als  je  ein  Zeichen  sicher  Bein  kann.  Später  habe  ich  aber 
beobacblet,  dafs  bei  manchen  aalpetrtsoben  SeharlachSebern  der 
Puls  nicht  schneller  ist  als  bei  jeder  anderen  ordentlichen,  nicht 
,  XU  leichten  Mandelentzündung,  dafs  also  die  Schnelle  desselben, 
als  Zeieheo  des  nahenden  Scharlachs  wol  einen  zeilwierigen,  aber 
keinen  beständigen  Werth  habe.  Ich  mag  den  Leser  nicht  länger 
bei  diesem  Gegenstande  auflialteo,  bemerke  also  nur  noch  zum 
Schlüsse  Folgendes.    . 

Sollte  je  ein  Arzt  hei  einer  unter  der  Heilgewalt  des  kuhi- 
acben  Salpeters  stehenden  Seharlacbfieberepidemie  Geiegenheir  ha- 
ben, die  herrliche  Wirkung  dieses  Mittels  su  sehen,  so  bitte  ich 
ihn  freundlich,  denselben  in  keiner  Druckschrift  als  ein  Speciß- 
cum  gegen  das  Schariachfieber  anzupreisen,  weder  mit  bestimm- 
ten Worten,  noch  mit  rielsinniger  Andeutnng.  Wer  die  Mftg- 
tichkeil,  dafs  die  Affektioa  des  Gesammtorganismus,  die  das  We- 
sen des  Scharlach&eben  anaraacbt,  anderer,  Bichtaalpelriscber  Art 


—    840    — 

•ein  kSone,  iwar  loM  lagtbt ,  aber  diese  Mdgticbk*it  Id  dm  Hin- 
tergrund stellet,  und  die  Heilwirkang  des  kubischen  Salpeten  gw 
XU  grell  belenchlet ,  der  meinet  es  «nlweder  nicht  gut  mit  unserat 
KuDBt ,  oder  er  täuscht  sich  selbst.  Jene  Möglichkeit  ist,  wie  ich 
in  den  folgenden  Abifaeüungen  dieses  Kapitel«  xeigen  werde ,  nicht 
blofs  eine  theoretische,  sondern  eine  wahrtiaft  praktische  Möglich- 
keit, das  heifsi,  es  finden  sich  wirklich  in  der  Natur  Scharlach- 
fieber, welche  eben  so  sicher  utiler  der  Heilwirkung  des  Eiseas, 
oder  des  Kupfers  stehen,  als  andere  unter  der  des  kubischen  Sal- 
peters. Wenn  also  ein  solches  Fieber  anfängt  an  herrschen,  ist 
die  Wahrscheinlichkeit  eben  so  grofs,  dafs  es  nnier  der  Heilge- 
walt des  einen,  als  dafs  es  unter  der  des  anderen  l]niver:talniil- 
tels  siehe.  Sobald  wir  uns  dieses  deuilicb  denken,  werden  wir 
am  leichtesten  die  Nalur  der  herrschenden  Krankheit  ergründen. 
Vorunheile  hingegen  und  einseitige  Ansichten  befähigen  uns  ge- 
rade am  wenigsten  sur  gründlichen  praktischen  Untersuchung^  von 
der  doch  einzig  die  wirkliche  Heilung  abhängt. 

Rkeumatitmut  aculut.  Dieser  ist,  in  manchen  FSllen, 
eine  in  den  Muskeln,  und  auch  wahrscheinlich  in  den  Gelenkbän- 
dern TOiwaliende,  unter  der  Heilgewali  des  kubischen  Salpeters 
siehende  Affektion  des  Gesamm (Organismus. 

leb  war  früher  der  Meinung,  die  Unterscheidung  des  Rheu- 
matismus von  der  Gicht  schreibe  sich  vom  siebsehnien  Jahrhun- 
dert her.  Später  habe  ich  aber  in  Kurt.  Sprengelt  Geschieht« 
der  Heilkunde  gelesen ,  dafs  schon  Themüon ,  Schüler  des  Ai- 
klepiade»,  beide  Uebel  von  einander  unterschieden.  Die  angezeigte, 
angeblich  beweisende  Stelle  aus  Caeltut  Aurelianui  (ekroH.  Hb.  3 
eap.  2)  scheint  mir  aber  nichts  weniger  als  beweisend.  Es  ist  ja 
in  dem  gansen  Kapitel  ron  weiter  nichts ,  als  von  Hageakrank- 
'  beiten  die  Rede ;  vom  Tkemiton  und  vom  EUieumatismns  finde  ich 
nur  folgende  Worte:  Themüott  quoque  prime  iüro  iardarum pat- 
»ionum  lolationem  circa  »tomachum  appellavit  rkeumatt'imum, 
tectindo  liiro  vemtotitatem. 

Man  hat  schon  in  alter  Zeit  den  itbenmatismus  dnrch  Ader- 
lässen und  xwar  durch  mehrmahls  wiederholtes  geheilt.  Wollte 
man  daraus  folgeren,  dafs  die  Krankheit  aalpetriseber  Art  gewe- 
sen, so  würde  diese  Annahme  sehr  übereilt  sein.  Das  Urln- 
den  jedes  Organs  kann  man  durch  wiederholtes  reichliches  Blot- 
enlziehen  beschwichtigen,  oder  beben.  Solche,  durch  reicbliehas 
Blullassen  geheilte  Rheumatismen  kftnnen  also  eben  so  wol  Urlei- 
den der  Muskeln  und  Bänder,  als  Vorwallnngen  einer  salpetii- 
sehen  Affektion  des  Gesammtorganismus  in  diesen  Organen  gewe- 
sen sein.  Da  ich  über  diesen  wichtigen  Gegenstand  noch  in  ei- 
nem besonderen  Kapitel  handien  werde,  so  mag  es  vorläufig  hin- 
reichen,  ihn  nur  (^m  Fluge  berührt  zu  haben. 

„,. ,  Google 


—    841    — 

Seit  ich  Arst  bb,  habe  ich  oft  genug  io  Zeitschriften ,  wenn 
Ulf  dieien  GagenstaDd  von  deo  Praktikern  zu  aprecheo  kam,  Sy- 
detthoM  als  den  vorxüglkhaten  Anpreiser  des  AderlasBeas  erwShnt 
gefunden,  no  dafs  man  auf  den  Gedanken  kommen  kannte,  er  sei 
der  Erfinder  dieser  Heilan  des  Rheumatismus.  Es  ist  daa  aber 
wol  ein  Irnhutn,  den  ich  mir  nur  bdb  der  Vorliebe,  welche  früher 
die  pnikliacbea  Aente  für  Sydeuham  hatten,  erklären  kann.  La- 
Mnw  Riveriu»,  der  ungefähr  dreifsig  Jahre  »or  ihm  wirkte,  sagt 
ausdrücklieb  in  seiner  Praxi  medica  (Üb.  16.  cap.  3.):  Singuli» 
diebuM  ab  initio  taitguit  delrahendua  e»t,  donec  moriu»  remüerit  et 
dahre»  inminuti fueriat.  iS'ec  r^erl  ti  per  decem ,  duodecim^  aut 
etiam.  plnren  die$  »angui»  delrakatur.  Und  in  seinen  Observatio- 
nen Cent,  3.  ob».  41.  findet  man  den  Fall,  dafs  er  einein  Jüngling 
aehnniahl,  und  Ctnt.  4.  oba.  2.,  dab  er  einem  anderen  «iebenmahl 
Blut  gelassen. 

Einen  Bheumatitmum  acutum,  der  wirklieh  eine  in  den  Mus- 
keln und  Bindern  vorwaltende  Alfektion  Aet  Gesaipmlorganismu* 
ist,  kann  man,  wenn  diese  Affektion  unter  der  Heilgewalt  des  ku- 
bischen Salpeters  stehet ,  einzig  durch  denselben  beseitigen  und 
bedarf  dabei  des  Aderlassens  nicht;  wiewol  ich  sugebe,  dals  ein 
einziger  reichlicher  Aderlafs,  bei  jungen,  voUbliiligfln  Leuten,  zu- 
luahl  wenn  das  Uebel  durch  heifse  Behandlung  schon  gesteigert 
ist}  die  Heilung  beschleuniget.  In  dieser  Krankheit  mufs  man 
aber,  da  ohnedies  der  Dariakanal  nicht  aufgeregt  i^t,  den  Salpeter 
zn  einer  Unze  (ags  geben. 

Uebrigeos  sind  die  Zeicbeo  des  salpeuischen  Rhenmatismus 
sehr  täuschend.  Der  rothe,  sehr  saure  Harn,  lebhaftes  Fieber  mit 
vollem  Pulse ,  starke  £nt':<iindung  und  Geschwulst  der  ergriffenen 
Glieder  sprechen  Tür  einen  solchen  Zustand.  Ich  habe  aber  den 
eonsensnellen  Rbeomaiismus,  der  von  einem  Urleiden  der  Leber  ab- 
hing, von  eben  diesen  Zufällen  begleitet  gesehen,  und  hinwiederum 
Rbeanmtismen ,  bei  denen  das  Fieber  nnd  die  Enisüadung  der  er- 
griffenen Glieder  sehr  mäfsig  war,  und  die  Farbe  des  Harns  von 
der  geaundheitsgeuttfsen  wenig  abwich,  durch  blofsen  kubischen 
Salpeter  geheilet. 

Uebrigens  ibut  man  wohl ,  bei  der  Behandlung  des  hiuigen 
Rheumatismus  auf  den  Geist  der  herrschenden  Krankheit  lu  ach- 
ten. Die  Organkrankbeiten  der  Leber,  des  Gehirns,  oder  der  Nie- 
ren macbea  leicht  consensuelle  Rheumatismen,  und  sind  verräthe- 
risch  genug,  sich  blofs  durch  diese  Gliederleiden  zu  ftufsern.  Ver- 
gebens wird  man  solche  Rbeomatisuien  durch  kubischen  Salpeter 
zn  heilen  versuchen;  sie  heilen  sich  nur  durch  Heilung  des  urtr- 
griffenen  Oi^^ans.  Da  hier  einst  die  Bauchfieber,  die  ich  ßr  Af- 
feklion  des  Flexas  coeliaei  hielt  und  |nit  Bitterniandelwasser  heil- 
te, umgingen,  habe  ich  einen  Fall,  jedoch  auofa  Dar  einen  einzi- 


—    Bit    — 

gea,  TOD  GOM«n«aelIeni  RbenmatiBinas  beobnobtel,  der  von  Jenem 
herrschendpn  Banohleiden  abhing.  Die  Frau ,  die  imoa  ergriffen 
wurde,  tifNte  aber  noch  überdiei  eine»  alten  Leberfehler;  ob  Siei- 
ae,  oder  Verstopfung?  das  war  nicht  gut  lu  lagen.  Sie  hatte  ge- 
gen diesen  Fehler  nie  arieiteiet,  als  nur  dann,  wenn  er,  durch  zu- 
fHilige  Ursachen  aufgeregt,  feindlich  in  das  Leben  eingriff,  und 
nur  so  lange,  bis  dieses  eigenitiche  Kranksein  gehoben  war,  Ucbri- 
gens  war  sie  der  Unbeqneniliobkeiten ,  welehe  lolobe  alte  Organ- 
fehler  machen,  gewohnt  geworden  und  achtete  ihrer  nicht.  Der 
Rheumaiiamus,  an  dem  sie  litt,  war  der  BchmerKfaafteate ,  den  ich 
je  in  meinem  Leben  gesehen  habe.  Die  geschwellenen  und  des 
Schmerses  wegen  nnheweglichen  Glieder  wurden  abwechselnd  durch 
kleineZuckungen,  wie  durch  elektrische ScbUge  lichlbar  erschüttert. 
Nan  denke  man  sich  einmahl  die  Marter  der  armen  Frau!  Bei  dieser 
seltsamen,  mir  wirklich  ganz  neuen  Erscheinung,  richtete  ich  mich 
nach  der  epidemischen  Constitution,  gab  BitlerraandelwaiMer  und 
beseitigte  damit  innerhalb  eines  Tages  das  Zucken.  Die  Frau  wur- 
de blofs  durch  die  Entfernung  dieses  Zufalles  so  erleichtert,  dafs, 
hStte  ich  auch  den  Rheumatismus  in  sechs  Wochen  nicht  heben  k&n- 
nen,  sie  mich  dennoch  für  einen  gewaliigeo  Meister  würde  gehal- 
ten haben.  Uebrigens  schickte  sich  die  ganxe  Sache  so  gut,  als 
'  sie  sich  bei  allen  Leberfehlern  schicken  konnte.  Im  aHgemeinen 
wurde  dam;ibls  die  Leber  leicht  consenauell  ergrifTen ,  und  das  con- 
sensuelle  Leiden  wurde  hintennach  gern  zum  Urleiden,  wie  ich 
dieses  im  vorigen  Kapitel  ersBhlt  habe.  Da  dieses  sich  nun  bei 
manchem  lebergesunden  Menschen  also  machte,  war  wol  lu  erwar- 
ten, dafs  die  früher  kranke  Leber  der  Frau,  nach  dem  gehobenen 
Urleiden  des  Plexut  coeliaci,  eine  Hauptrolle  spielen  würde.  Hftt- 
le  ich  die  aufgeregte  Leber  nicht  hernhigei,  sie  nicht  auf  den  frü- 
heren Punkt  Euruck gebracht ,  HO  würde  ich  die  Frau-  anch  nicht 
Tom  HheumaiisHtus  haben  befreien  können.  Dafs  die  in  deo  Mn.-.- 
keln  vorwaltende  Affekiion  des  Gesammtorganismus  zuweilen  zum 
Urteiden  des  ganzen  Miiskeltystems  werde,  daran  ist  kein  Zwei- 
fel, eben  so  wenig  daran,  dsfs  in  anderen  FAllen  die  Haut  urer- 
krankt,  und  dafs  dann  das  Muskelleiden  coosensuell  tod  dieser 
Erkrankung  abhängt.  Das  Schlimmste  bei  dieser  Sache  ist,  dafs 
das  urergriffene  Organ  sehr  schwer  zu  erkennen  ist.  Ich  will  zwar 
solche  Mittel,  welche  auf  die  Haut,  oder  die  Muskeln  wirken  aol- 
len, nicht  gerade  verwerfen,  ich  habe  früher  vom  Ammvnio  can- 
hoHico,  vom  Sulph.  aural.  antim.,  vom  Gnajakharz  zuweilen  (vom 
ersten  aber  am  öftesten)  gute  Wirkung  gesehen;  sie  haben  aber 
weit  hfiufiger  meine  Erwartung  getüuscht,  und  ich  sehe  auch  eben 
nicht,  dafs  andere  Aerzle  viel  Merkwürdiges  damit  ausrichten.  Sie 
scheinen  mir  nar  da  Dienste  zu  leisten,  wo  nach  gebobeoer  Affek- 
tion  des  Gesammioi^oismna  die  Vorwaltung  dieaer  Affektion  zum 


—    843    — 

«chtBD  Urleidm  der  Maikdo  oder  d6r  Haut  gewordm  ist.  Aber 
Huch  in  eralam  Falle  niöchien  die  EsebeobUuer  ihiraB  leicht  den 
Preis  streitig  machen.  '  Da  in  dieseo  Bläuern  nichli  ist,  was  di« 
Heilwirkung  des  kabisclien  Salpeters  aufhebt,  oder  mindert,  ao 
kann  man  einen  Aufgiifs  derselben  dreist . mit  dem  Salpeter  ge- 
brauchen lassen.  Man  hat  dadurch  den  Vortheil,  dafg  man  dem 
Urwerden  des  ■jmplomatiacheD  Moekclleidens  voibengt.  Als  prak- 
tischer Schriftsteller  ist  es  aber  meine  Pfliofai ,  ancb  auf  das  Hin- 
derliche  aufmerksam  zu  machen,  welches  eine  solche  Verbindung 
zweier  widuamer  Mittel  mit  sieh  führet. 

Gate  Organbeilfliittol  heilen  nicht  biofs  die  Erleiden  der  Or- 
gane, sondern  sie  bescbwichiigen  auch  in  manchen  Fällen  (ab« 
gewib  nicht  in  allen  )4bs  sinnliche  Vorwalten  der  Affeluioo  <tes 
Gesammiorganismns  in  den  Organen,  auf  welche  sie  Einwirkung 
haben.  Das  ist  aber  kein  Heilen  t  sondern  ein  vorSbergebendea 
Beschwichtigen  sjropiomatischer  Leiden,  und  gerade  diese  Be- 
sohwichtigung  kann  uns  ,  fainsichilieh  der  eigenilicbeD  Natur 
der  Krankheit,  in  grofae  Täuschung  führen.  Der  RheumaiiBmus 
1.  B.  kann  Symptom  einer  Salpeter-,  oder  Eisen-,  oder  Kupfer« 
aäeklian  des  Gesumm lorgantsmus  sein.  Wenn  icb'Uun  glaube, 
ich  habe  es  in  einem  Falle  mit  einer  Salpeleraffektion  de^  Ge- 
sammiorganismns XU  thun,  gebe  kubischen  Salpeter  in  einem  Auf- 
güsse von  Eschen bifittern,  und  sehe,  dafs  das  Muskelleiden  minder 
wird,  -so  weifs  ich  Ja  nicht,  ob  das  eine,  oder  das  andere  Mittel 
die  Besserung  bewirkt  hat.  Nur  das  Xicfatfortschreiten  der  Besse- 
rung und  ein  gewisser  quinender  Zustand,  worin  der  Kranke  ge* 
rfilfa,  kann  mich  überzeugen,  da£i  ich,  durch  die  Wirkung  der 
EschenhlHtter  getüuscht,  die  Natur  der  Affekilon  des  Gesaiiirator- 
ganisrana  verkannt  habe.  So  verschwende  ich  die  Zeit  und  mifa- 
brauche  die  Geduld  des  Kranken. 

Folgender  Fall  wird  das  Gesagte  deutlich  machen.  Im  Jahre 
1832  kam  ein  Bürger  aus  einem  oiederiftndischen  Grensstädtchen 
zu  mir,  Heilmiitel  fGr  seinen  am  BAeumatümo  aculo  vago  seit 
acht  Tagen  krank  liegenden  erwachsenen  Sohn  zu  holen.  Aus  der 
Erfrnguag  und  aus  dem  rothen,  sauren  Urin  vermuihete  ich,  der 
Bheunialismns  sei  Symptom  einer  SalpeteraSiektion  des  Gesammt- 
organismus.  Damit  ich  dem  möglichen  Urwerden  des  iS^mptoma- 
lischen  vorbeugen  und  dem  Jungen  bald  helfen  mSchte,  Kerordne- 
te  ich  den  kubischen  Salpeter  in  einem  Aufgusse  von  Eschea- 
blSli'ern. 

Nach  drei  Tagen  J>racbte  mir  der. Vater  die  Nachricht,  alles 
gehe  erwünscht,  der  Sohn  fühle  si^  nicht  halb  so  krank  mehr, 
die  Schmerzen  in  den  Gliedern  seien  ganz  erträglich  geworden. 
Aber  auffallend  war  es  mir,  dafs  ich  die  nämliche  Nachricht  vier- 
zehn T»sp  lang,  je  um  den  dritten  Tag  bekam.     Auf  meine  Fnt- 


—    844    - 

gc,  ob  deoo  der  Jung«  schon  daa  Bell  vstlaM«,  ward«  mir  xitr 
ÄnlwoTi:  ntia,  das  känne  er  nocb  nicht,  duu  lei  er  noch  lu  krank. 
Da  es  Dun  gani  widersprechend  ist,  dafs  ein  Kranker  nach  einem 
vienehntfigigen  Bessernerden  nicht  lollte  das  Bett  verlassen  kön- 
nen, lo  Hchiofs  ich,  dafs  dai  angebliche  Besaerwerden  Tänsehung 
sei,  blofs  in  einer  Beschwichiigung  der  schinerzhafien  syiiiptoina- 
tisefaen  Leiden  besiehe.  Uebaneugi,  dafs  ich  die  Art  der  Alfektion 
des  Gesammiorganisnini  verkannt  halte,  liefs  ich  den  kubischen 
Salpeter  ziisammt  den  Cschenblätrern  fahren,  gnb  biofse  Kupfer- 
tinktur,  und  nun  genas  der  Kranke,  nicht  scheinbar,  aonHern  wirk- 
lich und  bald,  so,  dafs  ich,  da  ich  einige ZcitVaraof  in  dem  Siftdi- 
chen  zu  thun  halte  nnd  bei  der  Gelegenheit  seine  kranke  Malier 
besuchte,  ihn  gesund  und  ohne  die  geringAen  Xachweben  auf  sei- 
nem Webstuhle  arbeiten  fand.  Er  wiederholte  mir  auch  jelzl  selbst 
des  Vaters  Bericht:  die  erste  Araenei  habe  ihm  so  wunderbar  seine 
heftigen  Gliederscbaiersen  gelindert,  dafs  er  fest  geglaubt,  in  et- 
lichen Tagen  vollkoninien  zu  genesen.  Aber  mit  dem  eigenilicfaen 
Gesundwerden  habe  es  doch  im  Verfolge  nicht  recht  ratschen  wol- 
len. Die  zweite  Arxenei  sei  die  wahre  gewesen,  durch  die  sei  er 
gesund  worden;  hStie  ich  ihn  selbige  nicht  geschickt,  würde  er 
noch  wol  im  Bette  liegen. 

Ich  sagte  so  eben,  der  Junge  sei  ohne  \achweken  gesund  ge- 
worden. Solche  achmerstiche  Ueberbleibsel  in  dem  einen  oder  dem 
andren  Gliede  sind  gewöhnlich  örtlich«  Urleidea,  und  haben  mit 
dem  geheilten  RAeum.  acut.  vag.  nichts  mehr  gemein.  Man  kann 
sie  am  besten  durch  äufserliche  Mittel  wegschaBen,  und  hier  pas- 
sen auch  äufserliche  Mittel,  die  bei  der  eigentlichen  Krankheit 
ganz  zwecklos  sind,  unsere  Kunst  besitzt  einen  Reichibum  sol- 
cher Mittel.  Aufaer  denen ,  welche  die  Haut  feindlich  angreifen, 
alaSpanischefliegen-,  Srechwetnsleinsalbe,  oder  Sublimatauflösung, 
haben  wir  auch  aolche ,  die  den  Schmers  wegnehmen ,  ohne  die 
Haut  zn  reizen,  und  letzte  verdienen  in  vielen  Fällen  den  Vorzug 
vor  den  ersten,  nicht  blofs  in  den  Nachwehen  des  B&*mm.  acut. 
vag.,  sondern  anch  im  BieuM.  acHtoßxo,  weil  der  leiste,  zwar 
nicht  in  allen  Fällen,  aber  in  manchen  ein  echtes  Urleiden  des  er- 
griffenen Theiles  ist,  so,  dafs  das  Fieber  als  ein  bloCs  consensucl- 
les  mufs  betrachtet  werden. 

Zum  Schlüsse  werde  ich  dem  Leser  noch  einen  seltenen  Fall 
von  R&eum,  acut.  ßx.  erzählen^  Ith  nenne  ihn  aber  deshalb  sel- 
ten, weil  er  der  einzige  der  Art  ist,  den  ich  je  beobachtet  habe. 

Ein  siebzigjähriger,  früher  allzeit  gesunder,  starker  und  ihSti- 
ger  Mann,  von  groben  Knochen  und  straffer  Faser,  der  eine  Weg- 
stunde von  hier  wohut,  beschickte  mich  eines  Tages,  um  Arzenei 
gegen  starke  Bauchschmerzen  zu  haben.  Aus  der  Bothscbnft  konn- 
te ich  durchaus  nichts  anderes  machen,    als  dafii  er  seif  ein  paar 


—     845     — 

Tilgen  an  DsniiichinrrKen  leide,  und  da  ich  ihn  gat  kanaie  und 
wufalB,  dafs  er  ueder  einen  Brach  noch  andere  alle  Baiichfehler 
bfliie,  so  verschrieb  ivh  ihm  einen  Trank  bua  aiinkendem  Asani 
und  Brechnufslinkiar. 

Am  folgenden  Tage  Uefi  er  mir  aber  sagen,  sein  Banchschmerx 
sei  um  nichts  minder,  er  wunacbe,  dafs  ich  ihn  je  ^er  je  lieber 
selbst  nntersnchen  machte. 

Da  ick  hinkam,  fnnd  ich,  dafs  es  mit  dem  Baaehicfamenie 
folgende  Bewandnifs  halle.  Er  nahm  blofs  die  rechte  Seile  dei 
Bauches  eio  und  erstreckte  sich  gerade  bis  zur  Linea  alba.  Er  war 
von  der  Art,  dafs  er  den  Kranken  zu  aller  Bewegung  des  Rum- 
pfes unfähig  machte,  indem  er  hei  jeder  versuchten  ^  selbst  gerin- 
geD  Bewegung  ganx  unerirüglich  wurde.  Aber  auch  bei  dieser  dnrch 
Bewegung  Tefursachfen  Heftigkeit  desselben  blieb  die  Linea  albu 
die  Grenze,  welche  er  nicht  überschritt.  Das  Betasien  war  etwas 
empfindlich,  aber  nicht  in  dem  Grade,  dafs  ich  dadurch  an  der 
Uiiiersnchung  behindert  wurde.  Ich  konnte  wirklieb  nirgends  ein» 
Stelle  entdecken,  welche  voraiigllch  hart,  oder  gespannt  gewesen 
wftre.  Meine  Vermuthung,  dafs  vieHeicht  eine  in  Eiternng  über- 
gehbare  Enisündung  an  irgend  einer  Stelle  vorhanden  sein  möch- 
te, wnrde  dadurch  sehr  geschwftcbl,  und  ich  niufsie  also  den  Schmers 
als  einen  Rheumatismns  der  reohlsseiiigen  Bauchmuskeln  ansehen. 
Dieser  Rheiiraatismua  konnte  nicht  den  oberen  Tbeil  der  Muskeio 
ergriffen  haben ,  denn  in  diesem  Falle  hätte,  wegen  der  den  Rip- 
pen eingepflaDKfen  Zähung^n  der  Banohninskeln ,  das  Albemholen 
mehr  oder  minder  behindert  sein  müssen,  welches  aber  nicht  so 
war. 

Weil  nun  eine  in  Eiterung  fibergehhare  Enisündung  schwer, 
oder  vielmehr  gar  nicht  von  einem  Rheumatismus  der  Baocbmus- 
kelo  za  unterscheiden  sein  möchte,  so  hielt  ich  für  das  sicherste, 
die  Kur  mit  einem  mSfuigen  Aderfafs  zu  beginnen,  xumabl  da  der 
Mann  zwar  alt,  aber  noch  weit  rfistiger  war  als  mancher  junge, 
uod  da  sein  fieberhaft  schneller  Pols  recht  kräftig  schlug.  Gleich 
nach  dem  Aderiafs  gab  ich  kubischen  Salpeter  -zu  einer  Unze  für 
<n«  Taggabe,  ond  das  ganze  Uebel  hob  sieh  ioDeriialb  eines  Zeit- 
ranmea  von  zwei  Tagen. 


Nachdem  ich  nun  von  den  Besooderheiien  des  Salpetergebran- 
ches  alles  gesagt,  was  mir  erinnerlich  gewesen  und  nützlich  ge- 
schienen, niufs  ich  noch  zum  Schlnsse  mich  mit  meinen  Lesera 
Sber  etliche  beachienäwertbe  AllgeOieinheiien  besprechen. 

Welchen  Begriff  verbindet  die  rationell  -  empirische  Schule 
mit  dem  Ausdrucke :     entzündlicher    Zustand    des 


—    846    - 

Körpersf  —  Ich  glaube  wirklich,  dnh  4iflcer  Begriff  ebftn  mo 
weiig  klar,  als  bniachbiir  bei  Behandlung  Am  Krankhciiea  iat. 

Wia  die  Aenle  sichtbare  EntiünilnDg  bescbreibeB,  iai  iinnötfaig 
hier  aaznriibrea,  da  aich  eine  solcfae  Beschreibung  »der  Beaiim- 
mung  in  jedem  witndinilichen  Lehrbuche  fiodet.  JedeDfalla  ist  es 
eine  sichtbare  und  (as^re  Krankheilsforni :  weno  sie  also  von  ei- 
nem inneren  krankhaften  Zustande  des  Körpers  sprechen,  der  ent- 
tBndlich  aeia  soll,  so  beliehen  sie  die  Form  einer  örtlichen  Krank- 
hril  auf  eioeo  inneren,  nnsiehtbaren  krankhaften  Zustand  des  gan- 
MD  Körpers.  Daran  würde  nan  wol  wenig  gelegen  sein  j  wenn 
das  Sriliche  aieht-  und  lastbare  Uebel-,  welches  Entzündung 
hräfst,  immer  nit  eiBem  und  dem  nftmlicben  Mittel  könnte  geho- 
ben werden.  In  diesem  Falle  würde  nSmlicb  der  Ansdrnck,  enl- 
■  ündlicher  Znstand  des  Körpers,  einen  solchen  Zustand 
beseichnen,  der  mit  dem  nKmltchen  Mittel  xa  heilen  sei,  mit  dem 
die  sichtbare  nnd  lastbire  Form  des  örtlichen  Uebels ,  Entzün- 
dung gehoben  würde.  Nur  ein  Wortfechler  könnte  gegen  den 
Ausdruck,  entzündlicher  Zustand,  etwas  einzuwenden  ha- 
ben; der  acbnlrechten  Kategorie  des  Entznndlit^en  Ifige  ein  wahr- 
haft praktischer  Begriff  zum  Grunde. 

Wie  verhält  aich  aber  die  Sacfae  in  der  Wirklicbkeitf  — 
Sichtbare  Entzündungen  werden  durch  ganz  verschiedene  Mine), 
nicht  einbildiaeh,  sondern'  sinnlich  erkennbar  gehoben:  dnrch  Blnt- 
entziehung,  durch  Wärme,  oder  durch  Kälte,  durch  Salpeter,  Sal- 
miak, Salzsäuren  Kalk,  Borax,  Quecksilber,  Eisen,  Zink,  Blei, 
Kupfer,  dnrch  Säuren,  durch  Alaun,  durch  Laugensalse,  Kauipher, 
aromalische  oder  narkotische  Pflanzensloffe  und  wer  weifs  dnrch 
welch  andere  Mittel  noch,  die  mir  jetzt  gerade  nicht  einrallen. 

Wenn  wir  nun  die  zieht-  nnd  tastbare  Kfankheiuform,  Ent- 
zündung, auf  einen  inneren  unsichtbaren  Zustand  des  Körpers 
belieben,  den  wir  den  entzündlichen  nennen,  so  iat  es  ja  bai 
unmöglich,  irgend  einen  deutlichen  praktischen  Begriff  mit  dieseta 
Ausdrucke  zu  verbinden,  das  heifsi,  einen  solchen,  der  das  Ver- 
hältnifs  bezeichnet ,  in  welchem  dieser  Zustand  sa  der  Heilwirkung 
irgend  eines  Mittels  siebet.  Mithin  ist  die  scbulrecbte  Kategoria 
des  Inflammatorischen  eine  blofs  gedankenbildliche,  die  uns  bei 
Uebung  der  Kunst  auch  nicht  den  mindesten  Nutzen  schafft  und 
der  wir  sehr  gnt  «nibehren  können. 

Sage  ich  hingegen :  e>  gibt  in  der  Nainr  einen  unter  der  Heil- 
gewalt des  kubischen  Salpeters  stehenden  krankh^ien  Zustand  des 
GesammiOfganismus,  so  ist  dieses  nicht,  wie  der  scbulgerecbte  in- 
flammatoriscbe  Zustand,  etwas  Gedaokenbildliches  und  Unbrauch- 
bares ,  sondern  etwas  Wirkliches  nnd  bei  Uebung  der  Heilkunst 
Brauchbares. 

Sollten  oua  aber  deaDOoh  die  Leser  meinen,   die««  Salpeter- 


—    W7    — 

affektioD  des  GeummtorgtiniBmna  sei  mit  dem  sehnigereehiea  in- 
flRinDiatorueben  ZuiOnde  eiae  und  dia  nämliche  Kategorie,  roeioe 
ganze  Dialribe  Innfe  blofa  anf  aicblige  Wonklanberei  hinaus;  lo 
habe  ich  gegen  diese  MeinuDg  nicht  dns  mindeste  einziiwendea. 
Wir  kSonen  um,  denke  ich,  gar  leicht  vertragen ;  ich  behalte  mei- 
nan  prakiiachen  Begriff,  iind  sie  ihr  inflaniniatMisches  Wort,  so 
sind  wir  fertig.  Indeiu  ich  meine  (leherzeugnng  ohne  Rückhalt 
■nsspreche,  tiible  Ich  nicht  die  geringste  Neignng,  meinen  AmiSr 
genossen  etwas  zn  rauben  oder  su  verdächtigen,  dessen  sie,  nach 
ihrer  eigenen  Meinung  und  nach  der  Meinung  hochgeachteter  Sohrift- 
steller,  bei  Uebuug  der  Kiinsl  nicht  enibefaren  können. 

An  die  besprochene  Frage  schliefst  sich  folgende  weit  wich- 
tigere: gibt  es  änliche  EnlsünduDgen  1  Eine  örlliehe  Eniiundung 
ist  ein  Urleiden  des  affizirien  Theiles.  Ist  Fieber  mit  ihr  verbun- 
den, >o  ist  dieses  eine  blofs  oonsensuelle  Aufregung  des, Gesammt- 
organismus  und  hängt  von  dem  önlichen  Leiden  als  von  seiner 
Ursache  ab.  Sie  ist  also  nicht  Symptom  oder  Vorwalten  einer  Ur- 
allektion  dea  Gesammtorganisnas. 

Nach  nwiner  Beobachtung  gibt  es  viele  solcher  Sriliohen  Eot- 
sündungflD  io  derXalar.  Manche  Augeneniziindiingen,  manche  Coi- 
■ündongen  der  Brnsie  bei  säugenden  Weibern,  mancfae  Fntxündungen 
der  Drüsen,  als  der  Ohren-,  Unterkionladen-,  Achsel-,  und  Leir 
atendrüsen  sind  dieser  Art.  Ja  die  Entzündungen  in  früher  krankhaften 
inneren  Organen,  als  in  der  Leber,  der  Milz  und  in  Lungenknoien, 
werden  wol  in  den  meislen  Fällen  echt  öriliche  sein.  Gegen  solche 
örtliche  Entzündungen  führt  man  mit  den  Universalniitleln  direkt 
■ichis  heilendes  aus,  weil  sie  für  sich  bestehende,  nicht  von  einer 
Affekliun  des  Gesamniiorganismus  ahbangende  Leiden  sind.  Da  sie 
aber  bei  reizbaren  Körpern  consensnell  den  Gesammtorganismus  auf- 
rühren und  lebhaftes  Fieber  machen,  so  kann  allerdings  dieses  Fie- 
ber anf  den  enUündelen  Theil  zurückwirken  und  die  Entzündung 
deaselben  vermehren.  Ja,  da  die  Beobachtung  uns  gelehrt  hat,  dafs 
die  eonsensuellen  Affektionen  einzelner  Organe  zu  Uraffektionen 
auf  eine  freilieb  übel  zu  erklärende  Weise  werden  können,  so  ist 
es  wol  eben  nicht  widersinnig,  anzun^men,  dafs  ein  solches  Ur- 
werden  des  Consensuellen  auch  in  dem  Gesammtorganismus  vor- 
geben könne  und  wirklich  nicht  seilen  vorgehe,  wiewol  ich  ange- 
be, dafs  hier  diese  Umwandlung  weit  schwieriger  durch  Beobach- 
tung aiissumittela  ist  als  bei  den  Organen.  Alles  wohl  erwogen, 
möchte  es  doch  wol  der  Klugheit  gemäfs  sein,  dafs  wir  die  Auf- 
geregtheit des  Gesammtorganismus  durch  das  geeignete  Mittet  zu 
beschwichtigen  und  indirekt  dadurch  die  Örtliche  Entzündung  zu 
zertbeilen  versw^en.  Ich  sage,  versuchen;  denn  ob  wir  letz- 
tes wirklich  dadurch  erreichen  können,  ist  eine  Frage,  welche  ich 
nicht  unbedingt  bejahen  utiwhte.     Zum  wenigsten  habe  ich  oft  ge- 


-:-     848    — 
niig  gflMhen,  dab  anisiindefc  Lungenknöien  viiter  der  Behnndlung 
reratflndiger  Aer/.t«,  die  doch  wol  die  Aufgeregibeit  des  GeMmmt- 
orgaDisrnng  zu  betcbwichitgen  veniandeo,  in  Eiicrnog  abergingeo, 
wodurcb  dann  Lnngensucbt  nod  Tod  herbeigefäfart  warde. 

Wollen  wir  ganx  aafrichlig  seia,  to  mSuen  wir  bektwnen,  dab 
die  achu)rech(e  Kunst  bis  jetzt  eben  nicht  beaonderi  künstig  inHeilang 
iSrtlicher  Enfinndnngen  ist.  Vielleicht  kämen  wir  weiter  in  dieacM 
Punkt,  wenn  wir  örtliche  Uebel  auch  durch  örtliche  Millel  zu  faeiiea 
Tersuebten,  und  wenn  wir  uns  Mübe  gilben,  entweder  bessere  Mittel 
XU  finden,  oder  der  bekannten  Mittel  Heilkräfie  grOndlicfaer  zn  er- 
forschen- Da  die  Srtliche  Enizündong  innerer  Organe  nicht  selten 
schwierig  zu  erkennen  ist,  ich  aber,  indem  ich  über  diesen  Gegen- 
stand meine  Ansichten  mitlbeܫ,  keine  Lust  habe,  ins  Blaue  hin- 
ein zn  sprechen,  so  wollen  wir  ans  vorläufig  an  solche  Entzün- 
dungen ballen ,  die-  wir  sehen  and  tasten  k&nnen,  nSmIich  an  die 
Eoczüodung  der  Drüsen,  die  am  gemeinsten  in  der  Praxis  toi^ 
kommt,  und  an  andere  sichtbare  Dinge.  Gegen  solche  Snliche 
Entzündungen  werden  naph  scbulrecblem  Tjant  Blutegel,  erwei- 
chende Umschllge,  Qneeksilbereinreihnng ,  oder  Quecksilberpfla- 
tler  angewendet.  So  war  es,  da  ich  zuerst  in  die  Praxis  kam, 
nnd  so  ist  es  auch  noch  jrtzl.  Die  jüngeren  Chirargi  und  Medice- 
chirurgi,  von  denen  ich  mehr  «rwariet  hatte,  spielen  noch  immer 
die  alle  Leier,  deren  Ton  mir  schon  lange  zuwider  gewesen.  Ich 
habe  bei  dieser  Behandlung  die  entzündeten  Drüsen  weit  hKußgei' 
in  Eiterung  übergehen  als  sich  zertheilen  sehen ;  die  entstandene 
Eiterung  war  nicht  selten  ungeregelt,  es  bildeten  sich  eher  fisin- 
löse  Geschwüre,  als  echte  Eiierbenlen,  weshalb  auch  wol  hier  zn 
Lande  der  g«meiae  Mann  solche  Dinger  Heiligenwerk  nenner; 
er  glaubt  nämlich,  die  Heiligen  können  besser  darin  helfen  als 
die  wandftrztlichfl  Kunst.  Schon  lange  habe  ich  mich  bei  Örtlichen 
Drüsenentzündungen  derGalmei-,  oder  der  Zinksalbe  bedient,  und 
gefunden,  dafs  die  Zertbeilung  weil  häufiger  dadurch  erreicht  wird, 
und  dafs,  wenn  diese  nicht  mehr  möglich  ist,  die  Eiterung  mit  weit 
wenigerem  Schmerze  sich  macht,  auch  eine  einfache  Beule  bildet, 
die  bernacb,  von  selbst  oder  durch  das  Messer  geöffnet,  ohne  wei- 
tere Nachhülfe  heileL  Die  Mutlersalbe  fUnguenttim  fu*cum)  lei- 
stet ähnliche  Dienste,  ich  habe  mich  aber  weit  mehr  jener  als  die- 
ser bedient. 

In  neuer  Zeil,  und  zu'ar  im  Jahre  1832  bin  ich  veranlafst 
worden,  die  Digitalis  äufserlicb  zu  gebrauchen,  nnd  es  scbeioM 
mir  wol  der  Mühe  werih,  meine  bis  jetzt  noch  nnrollkommne  Er- 
fabrungen  den  Legern  milzntheilen.  So  viel  ich  weifs,  ist  dieses 
Mittel  in  unserer  Zeit  äufserlicb  wenig  yon  den  Aerzlen  angewen- 
det worden.  Herr  Prof.  Dieriach,  der,  in  seinem  Bache  über  die 
neuesten  Enidecknngen  in  der  Materiu  mediee,  viel  über  den  in- 


nerlichen  Gebranoh  der  tMgiialis  Baaaniinen^trageo,  hat  Wftnig  von 
dem  finfKerlichen  nnd  das  Ist  selbst  höchst  unbedeutend. 

Ich  bin  durch  einen  Schriftsteller  des  17.  Jahrhunderts  znersl 
bewogen  wordeo,  das  Mittel  lafserlich  tu  gebratichen.  Unter  »i- 
nem  Rtidel  nlier  Bächer  nSnilich,  welches  icb  iio  Jahre  1832  er- 
handelt, fand  sich  eine  mir  bis  dabin  unbekannte  PharinacopS,  die 
Pkarmacopoea  Bateana,  das  ist,  eine  Sammlung  von  Re- 
zepten des  englischen  Arztes  Bafe.  Ich  kannte  diesen  Mann  wei- 
ter nicht,  ata  dafs  ich  wufste,  er  habe  seine  Erfahrungen  zu  GUaioni 
Bach  nber  die  Rachitis  bergegeben  und  sein  Name  stehe  auf  des- 
sen Titel  bemerkt.  Es  kam  mir  ftber  vor,  eine  Rezeptsaminlung, 
welche  schon  vier  Auflagen  erlebt  habe,  müsse  doch  wol  eiwaä 
Gutes  enthalten.  Ich  aliefs  auch  wirklich  auf  manche  MerliwiJr- 
digkeiten,  vorzüglich  nahm  ein  Unguentum  digilaht  meine  Auf- 
nierbsamkeii  in  Anspruch.  G.  Bäte  bereitet  es  aus  Buller  und  den 
gequetschren  Blumen.  Die  Gebrauchsangabe  ist  sehr  aphoristisch 
sie  lautet:  I^o  ioeü  i^ffeciü  »cropAu/osü  inungendü.  Nil mequale. 
Diese  Angabe  bestimmte  mich,  der  Sache  etwas  emstlich  nachicu- 
denken. 

Dafs  die  Digitalis  innerlich  gebraucht,  io  mfifsigen,  unfeind* 
liehen  Gaben  dem  kranken  Herzen  wundervoll  wohlthut,  dafs  sie 
in  grSfseren  das  gesunde  Herz  krank  macht,  die  Zahl  seiner  SchlS> 
ge  verringert  und  den  Rhythmus  derselben  störet,  ist  bekannt,  aber 
daraus  folgt  nicht,  dafs  sie  heilend  auf  die  Pulsadern  einwirkt. 
Wenn  sie  aber  auch  heilend  auf  die  PuUadersiitmme  einwirkte, 
so  würde  doch  daraus  noch  nicht  folgen,  dafs  sie  auch  heilend  anf 
die  feineren  BlutgefSfse,  die  doch  wol  bei  Entziindungen  die  Haupt- 
rolle spielen,  wirken  müsse,  denn  diese  feineren  GefÜfse  scheinen 
Gesetzen  za  gehorchen,  die  bis  jetzt  noch  wenig  bekannt  sind. 
Von  einem  Versache  llefi  sich  also  mit  Besiimmtbeit  nichts  vor- 
hersagen, aufser  dafs  er  gefahrlos  sein  werde. 

Gleich  den  anderen  Tag,  da  ich  diesen  Gedanken  gefafst,  nnd 
dip  Wichtigkeit  und  .\6tzlichkeit  solcher  Versuche  erwogen,  bat 
man  mich  abends,  eine  jnnge  sllugende  Frau  zu  besuchen.  Sie 
hatte  seit  dem  vorigen  Tage  einen  sehr  schmerzhaft  entzündeten 
Milchknoten  nnd  so  starkes  heibes  Fieber,  als  man  es  wenig  bei 
solcher  Gelegenheit  tu  sehen  gewohnt  ist.  Die  Heftigkeit  des  Fie- 
bers h8ngt  in  lolcfaen  Ffilien  von  dem  individuellen  Grade  der  Reiz- 
barkeit de«  Arteriensyitema  ab  und  dl«  Zertfaeilung  der  Entzündung 
wird  dadurch  eben  nicht  schwieriger.  Daft  ich  durch  kubischen 
Satpeter  den  enuQndeten  Milchknoien  nicht  zertheilen  würde,  wnfs- 
te  ich  wol;  Ich  gab  ihii  aber  dennoch,  denkend,  wenn  ich  dadurch 
4u  heftige  coDsensnelle  Fieber  auch  nur  etwas  mKfsigen  kitnne, 
.so  sei  das  doch  immer  eine  nicht  «u  veraehiende  Beihülfe.  Auf 
de«  enuBodeten  Knoieo  tegle  ich  einen  mit  Digital  isaalbe  beatri- 


ebenen  Lappen  l^einwand.  Die  SRibe  beglaod  RUt  einem  Theile 
Extr.  Digila/i*  und  acbi  Theilen  Ungueml.  ccrae.  (Man  mnb 
aber  von  dieser  Salbe,  weil  anrän^Ncb  das  Fett  stark  in  die  Lein- 
wand ziehet,  niehrniahls  lages  etwas  Dacbiragen.) 

Die  \acbt  wurde  sehr  unruhig  zugebracht  unH  der  Schmerz  in 
der  Brnsl  war  grofs,  gegen  Morgen  liefs  alles  bedeutend  nach; 
bei  meinem  Besnebe  fand  ich  die  Spanniing'der  Rrusi  gewifs  schon 
lim  die  Hülfte  gemindert  und  das  heftige  Fieber  zu  eiuein  ganz 
gewöhnlichen  inngewandeli.  Am  zweiien  Morgen  war  Knixiindung 
und  Spannung  der  Brust  verschwunden,  der  Knoien  nur  noch  un- 
bedeutend, das  Fieber  balte  ganz  aufgebort.  Am  driiieo  Morgen 
safs  die  junge  Frau  auf,  der  Knoieo  war  zerlbeilt  und  sie  bedurfte 
meiner  Hülfe  nicht  weiter. 

Ein  paar  Tage  darauf  kam  der  Kutscher  eines  hiesigen  Ein- 
wohners zu  mir,  dafs  ich  ihm  gegen  eine  geschwollene  Parolis 
Katb  geben  mSchie.  Die  Geschwulst  schmerzte  ihn  sehr,  war 
hart,  und  die  VerbSrtnng  erstreckte  sich  bis  zu  den  Halswirbeln. 
Ein  Wundarzt ,  an  den  er  sich  gleich  anzüglich  gewendet ,  halle 
ihm  ein  Merkurialpflaster  darauf  gelegt.  Angeblich  sollte  die  Ge- 
schwulst durch  dieses  Pflaster  so  grofs  und  hart  geworden  sein ; 
ich  denke,  sie  wurde  aber  auch  ohne  dasaelbe  wol  nicht  kleiner 
lind  weicher  geblieben  sein.  Der  Mann  war  von  mittler  Gröfse, 
straff  von  Faser,  grob  von  Knochen  nnd  Muskeln.  Da  bei  diesem 
aibleiiflchen  Körper  das  consensiielte  Fieber  gering  war,  würde  es 
thSricht  gewesen  sein,  ihm  Arzenei  zu  geben.  Ich  liefs  ihn  blofs 
das  Vng.  digHaii»  auf  die  Geschwulst  legen.  Am  dritten  Tage 
kam  er  wieder,  mir  sein  Uebel  zu  zeigen.  Die  Yeriindening  war 
wirklich  merkwürdig.  Die  grofse,  harte  Geschwulst  war  so  ver- 
schwunden ,  dafa  ich  jetzt  blofs  einen  daumdicken  Slrnng  fühlen 
konnte,  der  von  dem  Procenu  mattoideo  anfing  und  sieb  in  der 
Richinng  des  Siernocfeidomattoidei ,  unge^br  drei  Zoll  herunter 
erstreckte.  Der  forigeseizie  Gebrauch  der  Oigiialissnlbe  hob  die- 
ses Ueberbleibsel   auch  in  ein  paar  Tagen. 

Gleich  darauf  wurde  ich  zu  einem  Fräulein  gerufen,  dicurnp- 
ter  beiden  Annen  geschwollene  und  entzündete  Driisan  hatte.  Da 
ich  in  der  des  rechten  Armes  schon  deutlich  Fluktuation  fühlte, 
so  legte  ich  Uug.  cerae  mit  Cupr-  carb.  darauf,  welches  den  Anf- 
brnch  gar  bald  befördert.  Die  Geschwulst  in  der  Haken  Achsel- 
höhle war  neuer,  hart,  die  Haut  derselben  wenig  ger&lhet,  der 
Schmerz  mäfsig.  Ich  legte  das  üag.  digit.  darauf,  und  die  Zer- 
tbeilung  erfolgte  so  rasch,  dafs  «io  zweiter  Besuch,  den  ich  ihr 
nach  eilicheo  Tagen  zugedacht  hatte,  (sie  wohnte  nfimlich  eine 
Wegaiundo  von  hier)  ganz  üherflii&sig  wurde,  indem  sie  mir  schnn 


—    8&1     — 

früher   durch   eine   Freandion    für    meine    aasgez«ldiii«t  icbnelle 
Hülfe  danken  liefa.  *J 

Da  ich  DOD  die  irefHiche  Wirkung  der  Digitalis  nicht  blofs 
in  den  erzuhlien  Fällen,  sondern  auch  in  mehren  anderen  gesehen 
baue,  die  ich,  um  nicht  im  ausführlich  an  werden,  übergehe,  so 
wurde  ich  dreist  und  bescfalofs,  anch  Venncbe  hei  artlichen  Eot- 
lündangen  anderer  Organe  in  machen. 

Es  kam  ein  Mann  von  mittlen  Jahren  zu  mir,  der  den  Abend 
vorher  eine  so  schmerzhafie'  Enizündnng  des  linken  Auges  bekom- 
men, daffl  er  die  ganze  ^aebt  schlaflos  zugebracht.  Das  Ange  war 
^fsig  entzündet  und  ich  koonie  wirklich  keinen  Zusammenhang 
zwischen  der  Heftigkeit  des  Schmerzes  und  dem  sicblbaren  Grade 
der  Entzündung  finden.  Ich  habe  aber  mebrmahls  in  meinem  Le- 
ben dieses  Mibverbältnifs  beobachtet,  ohne  mir  es  genügend  er- 
klSren  xa  können.  Uebrigens  war  das  SehTermägen  bei  dem  Man- 
ne zwar  nicht  gekränkt,  aber  das  Licht  Bleigerte  doch  den  Schmerz. 
Damit  aber  die  Leser  nicht  denken  mSgen,  ich  habe  es  mit  ei- 
nem xSrtlichen,  schmerxscheuen  Herren  zu  thun  gehabt,  so  bemerke 
ich  ihnen,  dafs  es  ein  gesunder  und  ibStiger  Mann  ans  der  arbei- 
tenden Volksklaase  war,  von  grofser  Muskelkraft  und  von  einer 
seltenen  Ausdauer  dieser  Kraft.  Wenn  ein  solcher  über  unerträg- 
liche Schmer/.en  klagt,  so  ist  das  ein  ganz  anderes  Ding,  als  wenn 
ein  Weichling  diese  Klage  führt. 

Ich  liefs  zwei  Drachmen  Digitalis  mit  sechzehn  Unzen  Was- 
ser zur  Hälfte  einkochen,  die  Abkocfanng  lanwarm  mit  Leinwand- 
la[ipen  auf  das  geschlossene  Auge  legen,  und  Sorge  tragen,  dafs 
der  Lappen  immer  feucht  erhalten  wurde.  In  das  Auge  brachte 
ich  nichts  von  dem  Dekokt.  Es  war  Abend,  da  ich  diese  Anord- 
nung machte.  Die  Nacht  wurde  sehr  schmerzhaft  zugebracht,  aber 
auch  nm  so  genauer  meine  Verordnung  befolgt.  Gegen  Morgen 
stillte  sich  nach  und  nach  der  heftige  Schmerz  und  verschwand 
bis  Mitlag  ganz.  Merkwürdig  war  es,  dafs  die  sichtbare  Entzün- 
dung, welche  mit  Verschwinden  des  Schmerzes  merklich  abgenom- 
men hatte,  bei  dem  fortgesetzten  Gebrauche  der  Digitalis  auf  dem  ' 
n&mlichen   Punkte  zwei  Tage  lang  stehen   blieb.     Sie   war  jerzt 

•)  Seit  icb  ObigM  K«iehHsbeD ,  l*be  Ufc  ife«eheo  ,  i'h  dia  Digittlit  duixb  taa- 
f  EiDwirkDis  asr  41b  Daat  eise  rosenutise  Bitiiadeif  nnd  eioes  lUrk 
Jockesden  AsMeblBs  BMbt,  der  ia  kleinea  elbMiden  PSckeheo  betlebet. 
Dteiea  Somner  1836  lerlbeille  ich  cIdcd  karte d  ,  jcbr  verdick li gen ,  tiemlicb 
Sroriaü  Rooleo  io  der  Brott  einer  uUlit  «ÜOBenden  Frsn.  Weil  da«  Ding  nif hl 
nebr  aeo  war,  machte  «ich  die  Zertheileiig  langiam.  Nach  drei  WD«beo  er- 
'  lekien  der  Aniiehlas.  Aebt  Tage  w»ren  DEIhigy  dieiei  Ungemach  darcb  Blei- 
waiier  la  beieiligea.  Da  ich  aber  nach  gebobaaer  EaliSadiiBg  die  Brut  be- 
Kblle  ,  had  ich  dea  Rett  de»  bii  dahin  ellmUllg  vemiaderttp  Haoleni  gaai 
ven«h*BiHUB. 

-■"• o- 


iiicbti  mehr  und  nicht«  wenig;er  als  eine  gant  altifiglicbe,  leichte 
AiigeneotaÜDdung,  gegen  welche  die  Leute  leiten  die  Hülfe  der 
Knnsl  sDehen.  Licht  and  Wind  varen,  ohne  eben  eigentlichen 
Schmers  ko  veraraachen,  dem  Auge  empKndlich,  weshalb  derMann 
es  bedeckte  und  wieder  teitien  Geschäften  neebging.  Mit  Tolgen- 
dem  AMgenwasaer  bob  ich  nun  dea  Rest  der  EnizUndung  in  Kwei 
Tagen>  Bf  Zinei  ace/ici  gr.  Vi  Aquae  äetl.  ^v  Aquae  amggdaf. 
aMor.  s.V  ^>  Md.  Er  mnfste  das  Auge  oft  damit  waschen,  nnd  vier- 
mahl  tags  etwas  hineinlaufen  lassen. 

Dieser  Fall  brachte  mich  auf  den  Gedanken ,  ob  die  Aenite, 
die  Ton  arteriellen  nnd  venSsen  Entzündungen  sprechen,  wol  Reclp 
haben  kftnnten,  und  ob  vielleicht  die  Digitalis  blof^  in  der  ersten 
Art  heilsam,  in  der  xweiten  Dnm3chtig  sei.  Es  ist  immer  m8g- 
licb,  dafs  ein  solcher  Unterschied  zwischen  den  EnisBndungen  Statt 
findet;  allein  WO  sind  die  nnterscbeideoden  Zeichenf  Wollte  man 
die  Lebhaftigkeit  der  EniioDdang  oder  die  Heftigkeit  des  Schmer- 
zes als  Zeichen  der  arteriellen  Enrziindnng  ansehen,  in  der  einsig 
die  Digitalis  bülfreich  sei,  so  würde  diese  Meinung  schon  gleich 
mit  dem  verleizierBühlten  Falle  in  Widerspruch  stehen;  denn  die 
Acfaseldriise  des  FrSuleins,  weiche  durch  die  Dlgitatissalbe  über- 
raschend schnell  zertbeill  wnrde,  war  nur  wenig  ger9thet  nnd  nur 
mSlirig  schmerzhaft.  Es  sind  das  gar  dunkle  Dinge,  sie  können 
gnt  sein,  wir  wollen  uns  aber  nicht  dabei  aufhalten ,  sondern  lie- 
her zu  interessanteren  GegenstSnden  übergehen. 

Den  13.  Mfirz  1833  wnrde  ich  zn  dem  ändert  halbjährigen  Kin- 
de eines  hiesigen  Bürgers  gerufen.  Angeblich  halte  es  seil  drei 
Tagen  einen  Husten  von  seltsamem,  scharfem  Tone  gehabt,  der 
aber,  wie  ich  jetzt  selbst  hören  konnte ,  der  wahre  Ton  des  Croap- 
husiens  war.  In  der  letiien  Nacht  batie  es  sehr  starke  Beängsti- 
gung bekommen ,  welche  die  Aeltern  hesiimuiet,  ärztliche  HBlfe  zn 
suchen.  Aus  den  Reden  der  Aeltern  mufale  ich  schliefaun,  dals  die- 
se BeSngstigung  sich  auch  schon  früher  in  geringerem  Grade  ge- 
zeigt, besonders  am  vorigen  Tage,  dafs  man  aber  nicht  eher  Ver- 
dacht geschöpft,  als  bis  sie  an  Erstickung  gegrensl.  Es  traf  sich 
gerade,  dafs  das  Kind  bei  meinem  Besuche  einen  heftigen  Anfall 
bekam,  ich  mich  also  von  dem  wirklichen  Vorhandensein  der^l«- 
gina  membraHacea  sichtlich  überzeugen  konnte.  Es  fieberte  stark 
und  hatte  eine  solclie  Athemsnoih,  dafs  sein  aufgetriebenes  Gesicht 
eine  roihe  ini)  Bläuliche  spielende  Farbe  bekam.  Da  es  die  Mat- 
ter auf  den  Armen  trug,  denn  in  dem  Belle  halle  es  bei  dieser 
IVoih  keine  Dauer,  sah  ich,  dafs  es  den  Kopf  beständig  hinlen- 
übvr  bog  um  Luft  zu  kriegen.  Dafs  es  aber  die  Krankheit  schon 
in  hohem  Grade  hatte,  schliefse  ich  nicht  sowol  nns  diesem  heftigen 
Anfalle,  sondern  auch  noa  dem  hörbar  scharfen  Tone  des  Alhem- 
faolens ,  den  es,  nie  ich  bei  meinem  zweiten  abendlichen  Besuche 


g«nahr  wurde,  Beltui  ftn  Schlafe  von  aicfa  gab.  Zum  weuigsi«u 
hab«  icb  Kiarivr  geisbeo,  dw,  weno  sia  beim  Niichintue  Mhliefea, 
diesen  aobarfea  Ton  bein  Albemholen  Dicht  haliea,  die  aber  den- 
noch durch  die  Krankheit  geiödlel  wurden. 

Ich  Itefs  jetzt  dem  Kinde  die  ganse  Lnflröhre  bis  zutn  Brust- 
beine mit  Digitnlissalbe  belegen,  und  belastete  die  iVlutier,  den 
mit  der  Salbe  bestrichenen  Lappen  oft  aufiufiischen. 

Da  ich  es  aber  fiir  eine  GewisHenasache  hielt,  blofs  des  Ver:- 
suchs  wegen  keine  innerliche  Araenei  zu  verordneni  so  verordnete 
ich  dergleichen  wirklich;,  war  aber,  da  mir  abends  die  Mutter  er- 
klArle,  es  sei  ganz  nnm&glicbi  aie  dem  Kinde  betzuhringen ,  eben 
nicht  nngebalten  darüber;  dann  nun  konnte  ich  gerade  die  Heil- 
wirkung der  Digitalis  rein  beubachlen,  und  halte  noch  obendrein 
den  Vorthefl,  dab  die  Mutter,  die  ihr  Kind  nicht  gern  missen 
wollte,  jetzt  einzig  in  der  Salbe  das  Heil  suchte,  iniihio  sorgfäl- 
tig darauf  achtele,  dafs  die  ganze  LuftrSbre  bestKndig  damit  be- 
deckt blieb. 

Die  Wirkung  war  folgende.  Die  EnitiobungNanfölle  wurden 
milder  und  kamen  seltener,  nnd  mil  der  Abnahme  des  Luflrobren- 
IAdeus  nahm  auch  das  Fieber  ah,  so  dafs  nach  drei  Tagf-n  das 
Kind  wieder  geannd  war  und  nich»  von  diesem  Straufse  iiberbe- 
bteli,  als  den  scharfen  Ton  heim  Husten,  jedoch  nicht  beim  Aihem- 
holen  im  Schlafe,  üebrigens  war  der  diesen  Ton  höibar  machende 
Husten  nicht  stark  und  störte  die  Gesundheit  dez  Kindes  nicht  wei- 
ter, ist  auch  hernach -ohne  Arzenei  von  selbst  vergangen,  wie  er 
denn  überhaupt  nur  Nebensache  beim  Croup  ist. 

Den  2.  Juoi  1833  bat  mich  der  hier  wirkende  Wundarzt  Herr 
Hamer,  den  neunjährigen  Soho  einer  Wittwe  zu  besuchen,  der  an 
der  Angitta  memirett.  genhrlich  krank  liege.  Er,  der  Wundarzt, 
war  in  der  leisten  N'acbt  ans  dem  Bette  gebolet  worden,  weil  der 
Junge  einen  so  gar  heftigen,  Erstickung  drohenden  Anfall  gehabt;  er 
hatte  ihm  Buch  Pulver  von  Calomel  vertchriehen,  von  denen,  da 
ich  hinkam,  ein  paar  verzehrt  sein  moohlen.  Ich  fand  den  Kran- 
ken mit  schnellem  Pnise,  ohne  grofae  Hitze,  klagend  über  Kopf-, 
vorzöglieb  aber  über  Halaschmerz.  Ich  hicfa  ihn,  mit  seinem  Fin- 
ger den  Ort  am  Halse  zeigen,  wo  es  weh  ihue.  Er  zeigte  die 
Luftröhre.  Sein  Harn  war  nicht  sehr  dunkel  von  Farbe,  aber 
trübe,  der  Dni«t  mäfsig,  der  Ton  heim  Hasten  der  unverkennbare 
der  hantigen  Bräune.  Da  sowol  Söhochen  aU  Mutter  zu  den  halb- 
wilden Menachen  gehörten,  so  konnte  ich  wot  über  die  Entuebung 
der  Krankheit  Fragen  an  sie  richten,  aber  ihre  Antworten  hatten 
für  mich  keinen  Werth  und  können  auch  für  die  Leser  keinen  ha- 
ben. Ich  liefs  nun  die  Luftröhre  mit  Digitalissalbe  belegen,  und 
verordnete,  da  mir  das  Fieber  keine  SalpeteraHektion  des  Gesamnit- 
organimnua  zu  sein  schien,  ein  schleimiges  Träokchen  mit  Kupfer- 


—    854    — 

liakiur.  Der  Babe  aber,  der  sehr  sigenwillig  war,  wollte  die  Ar- 
zCDei,  wegen  des  angeblich  faden  Geschmackes  derselben,  Dicht 
nehmen,  und  was  er  davon  anf  dringendes  Bitten  der  Mutter  ge- 
nommen, kann  gar  niehl  in  Betracht  kommen.  Ich  faftd  eben  kei- 
nen Bamf,  den  Termeinllicb  faden  Geschmack  der  Arzenei  in  ei- 
nen prickelnden  amzuwandeln ,  sondern  erklärte  der  Matter:  da 
ich  TorauBsäbB,  dafs  der  Junge  an  Jeder  Araenei  etwas  aiiszuses- 
sen  haben  wurde,  die  Zeit  zur  Hülfe  aber  in  dieser  Krankheit 
kurz  sei,  so  möge  sie  nur  die  Arzenei  gans  stehen  lassen  nnd  um 
Bo  viel  gewissenhafter  die  Salbe  nach  meiner  Vorschrift  gebrau- 
chen. Das  geschah  denn  auch  ganz  regelmÄfsig,  nicht  blofs  weil 
ich  dazu  ermahnte,  sondern  weil  der  Junge  selbst  nichts  dagegen 
einzuwenden  halte.  Die  Wirkung  der  Salbe  war  wie  bei  dem 
vorigen  Kinde.  Die  Anßlle  der  Beänggtigang  wurden  milder,  ka- 
men seltener,  und  blieben  dann  ans,  der  Schmerz  in  der  Luftröh- 
re minderte  gleichzeitig  nach  und  nach,  bis  er  ganz  verschwand, 
und  das  Fieber  hiSrte  mit  diesem  Brtlichen  Leiden  auf.  \acb  drei 
Tagen  war  das  Uebel  gehoben,  der  scharfe  Ton  des  Hustens  blieb 
aber,  und  es  schien  nicht,  dafs  die  Digilalissi^be  auf  diese  eigene 
Affektion,  welche  wahrscheinlich  in  der  StiiiHnrilse  haftet,  mer£> 
liehen  Kinflufs  gehabt  halte.  Ich  wollte  jelzl  versuchen,  dnrch 
Antimonial-GoldschweFel  diese  letzte  Spur  des  Uebels  zu  tilgen. 
Die  Arzenei  war  nach  Geschmack  und  das  Einnehmen  geschah  et- 
was besser  als  schlecht.  Durch  den  Husten ,  der  an  sich  gering 
war,  wurde  schon  rar  dem  genommenen  Antlmonial mittel  dickli- 
cher Schleim  ausgeworfen;  ob  aber  anch  hSotige  Stoffe  we^in- 
gen,  war  unraöglich  in  dieser  wilden  Wirthscbaft  zu  erfahren.  Da 
ich  den  fBnfien  Tag  hinkam,  war  der  verzweifelte  Junge  entsprun- 
gen und  trieb  sich  auf  der  Strafse  herum.  Ein  paar  Tage  darauf 
begegnete  er  mir;  ich  liefs  ihn  willk&rlich  anfhusten,  uod  horte, 
dafs  er  den  garstigen  Ton  noch  hatte.  [JngelShr  vierzehn  Tage 
nachher  stiefs  ich  noch  einmahl  auf  ihn,  er  utufsle  mir  wieder 
etwas  vorhnsten,  und  onn  war  der  verdfichtige  Ton  ganz  ver- 
■cbwnnden. 

Ich  bemerke  wi  dieser  Geschichte  noch,  dafs,  ob  ich  gleich 
den  Kranken  drei  Tage  zweimahl  täglich  besncht,  ich  ihn  doch 
kein  einziges  Mahl  in  dem  eigentlichen  Anfalle  der  BeSngsügnng 
getroffen  habe.  Dieses  ist  aber  Zufall  und  ibut  der  GtanbwSrdig- 
keit  der  Geschichte  keinen  Abhrnch.  Herr  H.,  der,  ob  er  mir 
gleich  den  Kranken  fibergeben ,  ihn  doch  aus  Nengierde  ligli^ 
besuchte,  damit  er  den  Ausgang  dieser  verrufenen  Krankheit  bei 
der  blofs  äufserlichen  Bebandlnng  beobachten  luSchte,  hat  ihn  mehr- 
mahls  in  den  An^llen  gefunden,  behauptet  aber,  keinen  so  heftigen 
weiter  gesehen  zu  haben,  als  der  nSchlHcbe  gewesen,  wegen  dessen 


—    855     - 

ann  ihn  hhh  dem  Bett»  geholt.     Uamit  siimriite  auch  die  AuiwH^e 
der  Mutler  und  den  Kranken  selUt  iiberein. 

Die  Betrachtung,  welche  ich  über  dieae  zwei  KraitkheiisfSlIe 
inachen  hano,  ist  kurz.  Abgesehen  diivon,  dafa  die  \utiir  der  be- 
■prochenen  Krankheit  verschiedener  Art  sein  kann,  ist  es  mir  doch 
höchst  wahrscheinlich,  dafs  sie  in  vielen  Fällen  eine  blofs  Örtliche 
EnuAndung  der  Luftröhre  ;iei.  Wäre  si«  jederzeit  eine  in  der  Luft- 
rdhre  vorwaltende  Affektion  des  Gesamtuiorganigraus,  so  MÜrde  ea 
mir  nnerklürlich  bleiben,  wie  die  Kinder,  sobald  der  BeSngslignngs- 
anfall  nur  etwas  lange  ansseizl^-gleieh  wieder  erirüglich  wohl  sein 
können.  Dieses  vermein)  liehe  Wohlsein  tSuschl  ja  noch  jetzt  die 
Unkundigen  nnd  wird  früher,  da  der  Gegenstand  aoch  nicht  so 
hSufig  besprochen  war,  auch  wol  die  Aerz4e  geiSuscht  hat>en.  Wenn 
ich  gleich  bis  jetzt  noch  nie  gesehen,  dafs  die  Kinder  in  den  gu- 
ten Zeiträumen  spielten,  so  waren  sie  doch  unverkennbar  wohler, 
als  sie  es  hätten  sein  können ,  wenn  sie  an  einer  Uraffektion  des 
Gesammiorganismus  gelitten.  Diese  Ueobachlung  hat  mich  schon 
längst  auf  den  Gedanken  gebracht,  man  wBrde  wol  die  Heilung 
am  sichersten  erzielen,  wenn  man  das  Lnfiröhrenleiden  als  eine 
rein  örtliche  l^ntzÜndang ,  nnd  das  Fieber  als  ein  blefs  consen- 
«iielles  ansähe.  Was  helfen  aber  guie  Gedanken,  wenn  man  keine 
gute  Mittel  kennet,  durch  w^che  sie  können  zur  Ausführung  ge- 
bracht werden?  Was  nutzen  Quecksilbereinreibungen  und  Blutegel 
bei  einer  so  schnell  verlaufenden  Krankheit?  —  Ich  bin  in  jünge- 
ren Jahren  wol  ein  eben  so  tüchtiger  Quecksilberarzi  gewesen  als 
einer  meiner  jetzigen  Zeilgenossen,  wiewol  ich  bekenne,  dieses 
Allheil  weder  beim  Morbo  haemorrhagico  maculoto,  noch  den  Lun- 
gensilchligen  in  A^aite  m»rtU  gegeben  zu  haben.  Ich  weifs  recht 
gilt,  dafs  bei  örilioher  Entzündung  der  Mandeln  Qu e ok si I berein rei- 
bungen  erst  den  dritten  Tag  ihre  wohlthiliige  Wirkung  auf  die  enl- 
zündetea  Mandeln  äufscrn ,  und  weil  ich  in  meiner  Jugend  selbst, 
wie  manche  junge  Leute,  oft  von  dieser  Plage  heimgesucht  wui> 
de,  weifs  ich  eben  so  gnt,  dafs  ich  mir  meinen  Hals  weit  grund- 
liehet  verquickt  habe,  als  die  Hälfte  der  Müller  oder  Wärterinnen 
es  den  croupkranken  Kindern  thnn  werden;  aber  gerade  die  »n 
meinem  eigenen  Halse  gemachte  Erfahrung  bat  mieh  schon  früh 
mit  grofsem  Mifsirauen  gegen  die  angeblich  schnelle  Heilwirkung 
dieser  Einreibungen  bei  der  Angina  membramacea  erfüllet. 

Was  die  Blutegel  betrifft,  so  kann  ich  eben  so  wenig  den 
fibergrofsen  und  überschnellen  Nutzen  derselben  bei  allen  Örtlichen 
Entzündungen  anerkennen,  wiewol  ich  zulasse,  dafs  sie  bei  Uebung 
der  Kunst  zu  manchen  Zwecken  nicht  blola  gut,  sondern  selbst  uo- 
enibckrlich  und  unersetzlich  sind. 


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—    856    - 

Mit  du»  beapTocbensn  Gvgenstaade  isl  folgeader  guu  niibc 
verwandt.  Wir  sehen,  dnfi  Eiterung  gewöhnlich  eine  Folge  der 
EnlzündoDg  ist,  sind  darum  geneigt  xii  glHnben«  dals  ohne  diese 
keine  Eilerbildung  geschehen  könae.  Diese  Meinung,  die  sieh  gtu» 
unwillkGrlich  bei  uns  Praktikern  einschleicht,  ist  aber  nicht  gKU 
wahr,  und  die  Zweifel,  welche  man  dagegen  erhoben,  mögen  viel- 
leicht einen  guten  Grand  haben.  leb  sehe  nur  nicht  recht  mu, 
wie  man  etwas  Verständiges  über  einen  .Naturprosefs  sagen  kann, 
der  in  dem  HaargefU'ssjsteme,  in  dieser  geheimsten  Werkstatt  des 
Kttrpera  vollbracht  wird,  von  welcher  Werkstatt  wir  nur  ein  we- 
nig mehr  als  gar,  nichts  kennen. 

Hallen  wir  uns  blob  an  die  Beobachtung,  so  lehret  nns  diese 
Tolgendes.  Es  gibt  bei  allen  Entzündungen  einen  übel  zu  besiini- 
menden,  blofs  verraathlichen  Punkt,  wo  sie  nicht  mehr  sn  serihei- 
len  siod,  sondern  in  Eiterung  übergehen.  Merkwürdig  ist  es,  dafs 
gerade  solnhe  Mittel,  welche  sichtbar  und  fühlbar  der  Entzündung  . 
wehren ,  bei  der  unsertheilbaren  auch  ans  besten  die  Eilening  be- 
fördern. Das  Uitgtieittum  Jincmmt  die  Zink-,  oder  Gilineisalbe, 
der  salssanre  Kalk  bescbwiobtigen  mitchtig  und  sichtbar  die  Eol- 
sündong;  ist  sie  aber  nicbt  za  sertbeilen,  so  befördern  gerade  die- 
se die  Eiterung  rascher  nod  besser,  als  erwercbende,  oder  reisen- 
de BreiumschlHge,  oder  dei^leicben  Pflaster.  Wie  das  su  erklä- 
ren ist,  weiCs  ich  wahrhaftig  nicht.  Einer  meiner  jüngeren  Arats- 
genossen,  dem  ich  einst  dieses  Käthsel  zu  lösen  aufgab,  bestätigte 
meine  Beobachtung  dadurch,  dafs  er  sagte,  er  habe  mehrmabU  ge- 
funden, dafs  Bluienutebung  durch  Egel,  bei  entzündeten  Drüsen 
den  Uebergang  in  Eiterung  schnell  und  sichtbar  befördere.  Da 
er  aber  noch  in  den  besten  Jahran  war,  mitbin  noch  die  jugend- 
liche ErklBrangsfertigkeit  besafa,  welche  wir  Alten  leider  mit  der 
Zeit  eingsbüfst  haben,  so  war  er  flugs  der  Meinung,  gerade  Jene 
Reobachtnngen  sprftchen  dafür ,  dafs  ein  gewisser  mKfsiger  Grad 
der  Entziindang  nothwendige  Bedingung  der  Eilerersengnng,  und 
ein  höherer  derselben  hinderlich  sei.  Ich  liefs  das  gut  sein,  den- 
kend, mein  Kollege,  dem  Gott  einen  gesunden  Veratand  verliehen, 
würde  schon  von  selbst  6nden,  dafs  man  aus  seiner  Annahme  Fol- 
gerangen, und  zwar  nicht  sophistisch^  sondern  ganz  ehrlich  ver- 
slandbaft  ableiten  könne,  welche  weder  mit  seiner  eigenen  Er- 
fahrung, noch  mit  der,  anderer  Aente  in  Einklang  zn  bringen  leiti 
möchten. 

Da  Bun  aber  die  genannten  entzüodungswidrigen  Mittel  bei 
nnzertbeilbaren  Eotsündongen  den  Uebergang  in  Eiterang  beföi^ 
dern  und  erleicfalern,  so  schien  es  mir  der  Mühe  werlh  so  versu- 
chen, ob  die  Digitalis  die  nfimliohe  Wirkung  habe,  oder  ob  sie 
vielleicht  in  dieser  Hinsicht  nOch  mfichiiger  sei. 

Zuerst   machte  ich  Verauche  bei  solchen  enizundeten  Drüaen, 

„,,,_„,,,, Google 


AHf  deren  Zsnhellang^,  wogen  der  Daner  der  Eoiiiindiing,  nicht 
mehr  %n  rachnea  wsr.  Ich  sah ,  dafi  «ch  hier  die  Eiiernnf  ichnetl 
uad  vollsiSodig,  ja  noch  schneller,  als  bei  den  vor^enannceo  Mit- 
teln machte.  Non  sprach  mich  einst  eine  NiederlBnderinn  an,  ihr 
Raih  gegen  eine  iKngst  verhärtete ,  seit  einiger  Zeil  schmershafi  ge- 
wordene ,  aber  nicht  sehr  ausgedehnte  Unterkinn) ad endrCise  sn  ge- 
ben. 8ie  halte  manche  Mitiel  angeblich  ohne  Hülfe  gebraucht,  und 
weil  der  sehr  ertrBgliche  Schmen  nicht  sowol  in  der  Orüxe  selbst, 
als  vielmebr  aaf  der  Kinnlade  und  im  Inneren  ie»  Mnndes,  an 
der  linken  Seite,  wo  jene  Drüse  safa,  sich  fiuf^ierte,  so  war  ihr 
die  Sache  sehe  verdichtig,  sie  tiirchtete  nftmlicb,.  die  Druse  sei 
krebwnig.  Weil  ich  aber  dieser  Meinung  nicht  war,  legre  ich 
Digilalissalbe  darauf,  damit  die  Drüse  sich  entweder  dadurch  xer- 
iheilen,  oder  in  rasche  Giienmg  übergehen  inöchle,  Lelxlei  ge- 
schah wirklich  schDell  genug,  aber  nicht  ohne  Schmerz.  Der 
Abssefs  ftffnete  sich  von  anfsen  und  fast  gleichzeicig  in  der  Mund- 
hSble,  heilte  dann  ohne  Schwierigkeil,  und  die  Jungfrau  war 
herzlich  froh ,  so  guten  Kaufes  von  dem  verdüchiigen  Dinge  ge- 
kommen au  sein. 

Bald  hatte  ich  Gelegenheit  eine  VerhUrinng  in  di  r  Bauchfeit- 
haut  KU  behandeln.  Da  ich  dieses  Uebel  Sufoergt  seilen  gesthen, 
es  nie  selbst  geheilet,  aber  wol  gehört,  dafs,  wenn  F^nisiindung 
sieb  darin  erzeuge,  diese  sehr  schwer  au  serlheilen  und  mehr  chro- 
nischer als  akuter  Art  sei,  auch  eine  langweilige  F.iierung  mache; 
so  wurde  meine  Neugierde  durch  den  Fall  hesbndem  aufgeregt. 

Die  ganze  der  Verhärtung  vorhergehende  Krankheit  ausführ- 
lich XU  erzfthlen,  würde  jedoch  dem  Leser  wenig  Unierhalinng 
gewHhren,   darum  will  ich  nur  das  Wichtigste  davon  ausheben. 

Eine  jonge  Biuerinn ,  welche  den  gröfsten  Theii  ihrer  Schwan- 
geriehafi  an  Husten  gelitten,  gebiert  leicht,  das  Kind  stirbt  gleich 
nach  der  Gebnri,  der  alte  Husten  verschwinilet  aber  nicht,  wie 
sie  gehoSt,  nach  der  Niederkunft,  die  Milch  wird  nicht  gewalt- 
sam vertrieben ,  sondern  versieget  nach  und  nach ,  und  die  Wöcli- 
nerinn  befindet  sich  vioh).  In  der  fünften  Woche  wird  sie  kränk- 
lich und  begehrt  meinen  Beisland. 

Ich  fand  sie  in  folgenden  fjmst&nden.  Sie  halle  leichtes  Fie- 
ber, welches  tfiglich  deutliche,  fast  an  Inlermisiiion  grentende 
Hemiision  machie,  dieses  konnie  ich  gleich  bei  meinem  ersten 
Beanche  erkennen,  weil  ich  sie  gerade  cur  Zeit  der  Remission 
sah.  Sie  hustete  viel  und  warf  Schleim  aus,  klagte  über  Schmerz 
im  linken  Schenkel,  der  zwar  erträglich  war,  aber  sie  doch  s um 
Gehen  unfähig  machte,  nebenbeigab  sie  auch  an,  einen  geringen 
Schmers  in  der  Unterbau chgegend  su  haben.  Bei  Unleraucfanng 
des  Schenkels,  konnte  ich  nichts  krankhaftes  durch  das  Gefühl 
entdeckwi,   eben  so  wenig  in  der  Unlerbanchgegendj  das  Betasten 


—     858    — 

veniietirie  auch  i)«n  Schment  nicht.  Ich  hielt  den  Schmers  im 
Schenkel  für  eine  geriage  rheitmaiiBche  AltekrioD  der  Mnskelo; 
den  in  der  ün (erbau chg^egend  konnte  ich  aber  nicht  dafür  erken- 
nen, weil  sich  die  Fran  ohne  Beschwerde  und  Veniiehinng  des 
Schmeraea  im  Beile  anfrichleWund  nmwendete.  Da  ich  ntehrniahU 
gesehen,  dafa  aolche  Schmerzen  des  Unierbatiches  späteren  bluti- 
gen Ansleeriingen  aus  der  Gebärmnlter  einige  Tage  vorhergeben, 
so  vertnuthele  ich,  das  würde  auch  hier  der  Fall  sein,  und  gab 
innerlich  blofs  eine  Boraxanflösnug.  Den  kranken  Schenkel  Itefü 
ich  zweimahl  li^s  mit  dem  A^ido  pyrofigHoio  einreiben.  Der  l^r- 
folg  dieser  Behaodinng  war,  dafs  nach  drei  Tagen  bloiige  Aus- 
leernng  durch  die  UebSrmnller  erfolgte  und  dafs  gleichzeitig  der 
Schmerz  aus  dein  Bauche  verschwand.  Der  Scbmerz  i»i  Schenkel 
wich  der  äufserUch  angewendeten  brenzelichen  Holzsäure  nach 
vier  Tagen.  Nachdem  nun  diese  zwei  Hauptklagpunkte  beseitige! 
waren,  war  das  eigentliche  paroxj'sniirende  Fieber  allerdings  mit 
verschwunden,  die  Frau  behauptete,  sich  wieder  wohl  ku  Tüblen. 
Allein  der  Puls  war  noch  immer  etwas  gereizi,  und  ich  sah  of- 
fenbar, dafs  sie  sich  in  einem  gewissen  quinenden  Zustande  be- 
finde, sich,  hinsichtlich  ihres  Wohlseins,  seihst  lausche.  Ihr 
Hnsten  war  jetzt  das,  was  mich  am  meisten  kümmerte ,  ja  ich 
fürchtete,  dafs  die  beiden  schmerzhaften  Uebel,  weshalb  sie  mei- 
nen Ralh  gesucht,  blofs  Nebensache  gewesen,  und  dafs  ibr  jetzi- 
ger quinender  Zustand  von  der  ergriffenen  Lunge  abhängen  mSeh- 
te,  denn  einem  mehre  Monate  alten  Husten  ist  wenig  zu  trauen. 
Ich  gab  das  ExtractHni  Hicolianae  rutlicae,  und  zwar  mit  au 
gutem  Erfolge,  dafs  der  Husten  bis  auf  eine  Kleinlgkrit  gehoben 
wurde,  nnd  die  Frau  essen,  trinken,  schlafen  und  im  Hause 
herumgehen  konnte.  Bei  alle  dem  nahm  sie  aber  nicht  so  an 
Fleisch  und  Kräften  zu,  als  ich  erwartete,  ihre  früher  rothe  Wan- 
gen blühten  nicht  wieder  auf,  nnd  oh  sie  gleich  im  Ifaiise  her- 
nmging,  auch  wol  in  der  Wirthschaft  etwas  schnminelle,  so  war 
doch  alles  nur  halb  Werk ;  ihrer  Bewegung  fehlte  das  Rasche  jnn- 
gergesunder  Leute.  Da  ihr  Puls  noch  immer  ein  wenig  gereist 
war,  imd  noch  ein  kleines  Restchen  des  Hustens  sich  verbültea 
halle,  so  ermahnte  ich  sie  dringend,  den  Gebrauch  des  Tabak- 
exirakts,  welches  sie  schon  f&r  überflüssig  hielt,  so  lange  fort- 
zusetzen, bis  auch  die  leiseste  Spur  des  alten  Hustens  verschwuii» 
den  sein  würde;  denn  ich  hatte  wirklich  noch  immer  den  Ver- 
dacht, dafs  ein  verborgener  Lungenfehler  im  Hintergrnnde  liege. 
Nun  gingen  ein  paar  Wochen  hin ,  ohne  dafs  ich  weiter  Nach- 
richt von  ihr  bekam,  ich  konnte  also  wol  sicher  sein,  dafs  alles 
gut  stehe,  denn  die  Familie  war  in  Betreff  der  Gesundheit  und 
des  Lebens  der  jungen  Frau  nichts  weniger  als  gleichgültig.  Ei- 
nes Tages  kommt  der  Ehemann  tu  mir  und  sagt :  seine  Frau ,  weU 


—  859  — 
che  rieh  bii  dahin  wohl  befunden  nnd  noofa  wohl  be6iide,  klug« 
seit  ein  paar  Tagen  nber  eiwas  Scbmen  in  der  Unlerbauchgegend; 
und  aei,  wenn  lie  vom  Stuhle  aufstehen  oder  sich  im  Bette  auf- 
richten wolle,  steif,  die  Bewegung  verursache  ihr  etwas,  aber 
geringen  Schmerz,  diesen  fühle  sie  jedoch  weder  beim  Stehen 
□och  beim  Gehen.  Da  ich  ans  diesem  Berichte  durchaus  nichts 
anderes  macbea  konnte,  als  dafs  die  Frau  an  einem  kleinen  Kheu- 
matismns  der  Bauchmuskeln  leide,  so  sagte  ich  dem  Manne,  seine 
Frau  habe  noch  genug  von  dem  Acido  pyro/ignoto ,  mit  welchem 
sie  sich  den  Schmers  aus  dein  Schenkel  geschmieret,  überbehaU 
ten,  sie  möge  solches  nur  auf  den  Bauch  einreiben,  es  werde 
auch  diesen  Schmerz  wol  vertreiben. 

Reichlich  acht  Tage  nachher  kommt  der  Mann  abermabla  lu 
mir  und  bittet  mich,  seine  Frau  zu  besuchen;  sie  habe  zwar  kei- 
nen grof:«en  Schmerz,  aber  sie  behaupte,  der  Bauch  aei  ihr  hart 
und  geschwollen,  die  Müller,  die  es  uotersuchl,  behanpie  das 
nämliche,  beide  wissen  aber  nicht  recht,  was  sie  daraus  machen 
■ollen,  weshalb  es  am  besten  sein  werde,  dafaioh  persöolichjlie 
Sache  nntersoche. 

Da  ich  nun  die  Kranke  selbst  sah ,  fand  ich  gleich ,  dals  die 
Fetthaut  der  ganzen  Unierbaucfagegend  verhärtet  war.  Die  Mus- 
keln konnten  an  dieser  Krankhaftigkeit  keinen  Aniheil  nehmen, 
denn  sonst  hfitteo  ditf  Verrichtungen  derselben  weit  mehr  müssen 
ges(5rt  sein  als  sie  es  durch  diese  Zellgewebeverhftrtuog  waren. 
An  der  linken  Seite  der  Reg,  hypogatt.  fand  ich  eine  Stelle,  in 
der  ich  deuili«;h  Fluktuation  fühlte,  und  die  auch  bei  der  Berüh- 
rung schmerzte. 

Ob  mir  nun  gleich  die  Sache  nur  halb  gefiel,  so  dachte  ich 
doch  an  die  Mäglichkeil,  dafs  die  angabliche  Langweiligkeit  der 
Eiterung  in  verhSrteiem  Zellgewebe  auch  wol-  einzig  der  UnvolU 
kommenheit  der  angewendeten  Mittel  suzuschreiben  sein  möchte, 
nnd  ich  boffie,  die  Digitalis  würde  balder  Hülfe  achalTen.  Die 
ganze  verfafirieie  Reg.hypogiut.  wurde  also  mitDigiialissalbe  belegt. 

Drei  Tage  darauf  brachte  mir  der  Mann  die  Nachricht,  die 
Stelle,  von  der  ich  gesagt,  dafs  schon  Eiter  darin  alecke,  sei 
dnrchgegangen.  Ich  liefs  den  Gebrauch  der  DigitaliasaJbs  fortsez- 
zen,  und  weiter  nichts  daran  thnn;  nach  zwei  Tagen  (absicbilich 
nicht  früher)  ging  ich  selbst  bin,  die  Sache  zu  uniersu<;hen.  Ich 
fand ,  dafs  sich  an  der  bezeicbnelen  Stelle  ein  echter,  reiner,  run- 
der Ahssefs  gedffoet  hatte,  und  zwar  so  geSffnet,  dafs  das  Lo<;h, 
nach  ungershrer  SchKtsiing,  über  zwei  Zoll  im  Querdurchmesser, 
nnd  gewifs  zwei  im  senkrechten  hatte.  F^  war  also  grofs  genug, 
nm  mich  durch  das  Gesicht  überzeugeo  zu  können,  dafs  die  Eite- 
rung hiofs  im  Zellgewehe  zwischen  der  Haut  und  den  Bauchmuskeln 
sitze  und  die  Muskeln  selbst  nicht  ergriffen  habe.    Uebrigens  mochte 


—    860    - 

ich  raiid  «II  die  Oetfbung,  weil  oder  nahe,  driickeo  od«-  alreichen, 
ieh  rafa  nichl,  dafs  irgend  an  einer  Strlle  aucli  nur  das  luindetie  von 
Kiler  lieranaquoll ;  wodiircb  also  gewif«  wurde ,  dafg  der  Absxelg  we- 
der XebenhShlen  noch  GSnge  hatte.  Weil  mir  nnn  noch  iniiaer  die 
ungeheure  Langweiliglteit  aol eher  Eiterung  im  Kopfe  lag,  and  ich 
überhaupt  nicht  gern  den  Wundärxten  Abbnich  (bue ,  so  sagie 
ich  der  Kreoken:  da  die  Sache  etwas  langwierig  werden  köoDe, 
mir  aber  meine  übrigen  Geschäfte  nicht  erlauben,  selbige  lo  nnch- 
znseheB,  wie  es  nSihig  sei,  so  möge  sie  sich  lieber  an  einen 
Wundargt  wenden ,  ich  werde  mich  schon  mit  diesem  besprechen 
und  sie  deshalb  nicht  gaw:  rerlassen.  Dieser  Vorschlag  wirkt« 
«her  sehr  feindlich  auf  das  Gemfilh  der  Kranken;  aie  fing  nn  xti 
weinen,  nnd  hehauplele',  wenn  sie  einem  Wnndanle  in  die  Hunde 
falle ,  werde  sie  geschniiten  und  gest^nnden  werden ,  und  Gott 
möge  wissen,    wie  die  Sache  ablaufe. 

Ich  kann  nicht  gut  einen  Menschen  weinen  sehen,  und  nm 
wenigsten  eine  ariige,  junge,  nnschnldige  Frau,  und  das  war 
witklich  die  kleine  Bäuerinn  in  einem  so  »elienen  Grade,  als  ich 
es'  wenig  gesehen.  Flugs  kam  mir  der  Gedanke  in  den  Kopf,  ich 
k3nne  ja  der  entscblojsenen ,  rährigen ,  ausielligen  Schwiegermul- 
ler  das  Geschäft  der  kleinen  Chirurgie  übertragen.  Diese  ging 
gleich  in  meinen  Vomchlag  ein,  und  ihr  erstes  Probestuck  war, 
dafs  sie  die  heranterhangenden ,  abgestorbenen  Hantresle  mit  drr 
Schere  abschneiden  mufsle,  welches  begreiflich  ohne  Schiuerxm 
geschah.  Da  ich  dem  Manne  schon  ein  altmodisches  PÜasler  mit- 
gegeben ,  damit  ich  es  bei  meinem  Besuche  sur  Hand  haben  inöcfa- 
le,  (ich  werde  von  diesem  unten  mehr  sagen)  so  Uefs  ich  die 
alle  Mutter  Pfiücksel  machen,  etwas  von  dem  Pflaster  darauf  sirei- 
ohen  und  dieses  in  den  Groad  des  Abszesses  bringen,  mit  dem 
Bedeuten,  so  lange  tiglich  das  hepflasierie  Pflücksei  su  erneuern, 
bis  der  Grund  des  Abssesses.  frisch  rotb  sei.  Sobald  sie  dieses 
sehe,  müase  sie  weiter  nichts  mehr  hineinbringen,  aoadem  blob 
das  Loch  mit  dem  auf  Leinwand  geslricbvnen  Pflaster  bedecken, 
dieses  xSglich  erneuern,  und  anfönglich  xweimahl  ISglich  den  Ei- 
ter auslaufen  lassen ,  ohne  weiter  daran  lu  drücken ,  su  streichen, 
oder  sonst  in  meistern.  Ungefähr  sehn  Tage,  nachdem  dieser 
Abssels  sich  geöffnet,  SSnete  sich  auch  ein  zweiter,  etwas  klei- 
nerer an  der  rechten  Seite  des  Uoterhaucbes.  Die  alte  Schwie- 
genuotier  war  jetzt  schon  eine  so  perfekte  WundBrztinn ,  dtifs  sie 
es  für  schülerhaft  hielt,  mich  von  der  Sache  zu  benachritdiiigen^ 
■oodern  alle«  NSihtge  von  selbst  versah.  Auch  dieser  Abszefs  war 
ein  reiner,  runder,  ohne  NebengKnga,  und  da  ich  ihn  sah,  wnr 
er  schon  im  Heilen  begriffen.  Beide  Abszesse  sind  so  gut  und 
so  rasch  geheilt,  als  man  dieses  bei  jeden  anderen,  die  gerade 
nicht  in  verbärietem  Zellgewebe  ersengt  sind,    zu  sehen  genohnt 


—  Ml  — 
ist.  Die  Verblutung  iter  Bauch feitfaiKt ,  welche  ich  iiMiMgeiMst 
mit  Digiialissalb«  behandeln  liefs,  erweichte  lich  nach  und  naehi 
besonder*  war  dipses  licfaibar  nach  dem  Anfbniche  Ae%  iweiten 
Abszeaaes.  Sie  ist  auch  rein  verschwunden,  ohne  Spuren,  als 
die  Narben  der  z^^ei  Abmegge  überautaBsen. 

Ich  mache  lu  diearr  Geschichte  folgende  Bemerkungen. 

Die  Frau,  die  früher,  in  der  Meinung  der  Menschen  geheilt, 
mir  noch  immer  wegen  heimlicher  Fehler  TerdScbiig  geschicaen, 
fiog  nach  diesem  Siiaufse  an,  so  schnell,  so  wundervoll  aofin- 
leben  und  so  kräfiig  lu  werden,  dafs  bei  mir  nicht  blofs  alle  Be- 
«orgnifs  wegen  heimlicher  Lungenfehler  schwand,  sondern  daüi 
ich  inicb  auch  des  Gedankens  nicht  «rwriireo  koonte,  die  Natur 
habe  hier  in  ^er  Bauchfetibaut  eiae  ihrer  geheim tn  kriliscben  Ope- 
rationen vollführet.  Bestimmt  kann  ich  diesas  iwar  nicht  hehanp- 
ten,  denn  ich  gehöre  eigentlich  nicht  an  denAeraten,  die  allent- 
halben kritische  Ausleerungen  au  sehen  wfihnen,  ich  Termaihete 
aber  wirklich  hier  dergleichen. 

Die  zweite  Bemerkung  ist  folgende.  Zu  der  Zeil,  da  der 
r.weiie  Abszefs  fast  geheilt  nar,  bekam  diu  Frau  wieder  Milch, 
und  zwar  so,  dafs  sie  die  BrSsie,  der  lK«ligea  Spannung  wegen, 
um  den  aweiten  oder  dritten  Tag  mniste  ansiehen  lassen.  Wie 
ist  das  nun  au  begreifen*  Das  Kind  war  gleich  nach  der  Geburt 
gestorben,  und  die  Milch,  da  icb  die  Frau  in  der  fiinften  Woche 
nach  der  Niederkunft  zoerit  sah,  ganz  versiegt.  Begreiflich  war 
luil  der  eigeniliehfln  Krankheit,  weshalb  man  mich  gerufeo,  mit 
dem  Mittelanslande  der  vermeintlichen  Genesirag,  mit  der  darauf 
folgenden  Zellgewebeverhfirtnog,  der  Bildung  und  Heiloag  der 
Absiesse  viel  Zeit  verbracht.  Ich  habe  die  Frau  in  allem  sechs- 
Biabl  besucht.  Den  ersten  Beuch  machte  ich  den  17.  April,  den 
letxten  den  1.  Juni.  Bei  diesem  fand  ich  sie  «o,  dafs  ich  er- 
kISrte,  es  sei  weiter  unnBthig,  sie  au  beuneben.  Den  10.  Juni  fBhrta 
mich,  da  ich  %u  einem  anderen  Kranken  ging,  der  Weg  ihrem 
Hanse  vorbei,  ich  sprach  bei  ihr  ein  und  es  war  noch  von  keiner 
Wiederkehr  der  Milchabsonderung  die  Rede.  Also  nach  dem  tt>. 
Juni  ist  erst  die  Milidi  wieder  nrschleaen;  den  Tag,  wann  dieses 
geschehen,  habe  Ich  mir  nicht  bemerkt,  es  ibut  auch  ni(;hu  anr 
SaQhe.  Ich  war  aber  wirklich  etwas  erstaant ,  da  der  Ehemann  mir 
dieses  berichtete  und  meine  Meinung  hören  wollte,  was  bei  die- 
ser seltsamen  Erscheinnng  sn  thun  sei.  Die  ehrlichen  Lente  hatten 
aber  schon  das  beste  gelhao,  was  ich  ihnen  reiben  konnte,  sie  bat- 
len  die  Brüste  von  Zeit  su  Zeit  so  viel  durch  Sangen  entleeren  las- 
sen, dafs  eben  die  iBstige  Spannung  gemindert  wurde. 

In  jener  Zeit, .  da  die  Aerzte  allenihalben  Milchablagernngen 
sehen  wollten,  würden  die  Abszesse  in  der  erxihlten  Geschichte 
a»ch  wol  unter  diese  Kategorie  gebracht  sein ;  so  viel  ich  «her  te- 


h«n  IcoDfite,   «aihielien  sie  nokt  Milcb,    woderD  ^etandea  Eiter, 
echt  von  Farbe  und  Genicb. 


Die  Vonchrift  zu  dem  alimodiscben  Pflnster,  welcfaes  maif 
che  nndera  Pflaster  und  Salben  entbehrlicb  macbl,  welches  xwar 
nicht  in  allen  Uebeln,  bei  denRU  man  Pflasfec  gebrauch),  hilft, 
aber  doch  gewifi  in  gar  vielen,  habe  ieb  in  ((ein  Xacfalaue  ihm- 
ner  Aeliern  gefunden,  i^  war  in  nieinein  Geburisorte ,  Hamm, 
Ilaiiptttadt  der  Grafachaft  Mark,  fruber  sehr  .in  Ruf.  Ein  Feld- 
prediger  der  dortigen  Garaisoii  balle  «a  als  eine  besonders  nfits- 
liche  Heimlicblfeit  niiigebracbt  nnd  die  Vorschrift  ^anchen  Eün- 
wobnem,  woninler  auch  nieine  Aeliern  waren,  mitgetheilt,  wes- 
halb es  den  Nainmi  des  Feldpredigerapflasters  führte.  Vor  40  Jah- 
ren habe  ich  es  in  die  hiesige  Apotheke  gegeben  und  «s  hat  auch 
hier  vielen  Beifall  gefunden;  es  wird  unter  dem  sehr  bebalibare« 
Namen  Wonderpflasier  verkauft. 

Die  Voncbrift  lautet  also: 

Zwei  Pfund  BanmiJl  nnd  ein  Pfnnd  Menaig  werden  unter  be- 
siindigem  Rühren  zur  PflaslerconsisleDS  gekocht,  dann  mischt  man 
iwei  Drachmen  gebrannten  Alaun  gani  geaan  darunter.  Jet» 
nimmt  man  dag  Gefftfs  voni  Feuer,  und  wenn  die  ersie  Hilse  der 
Masse  etwas  verflogen  ist,  setat  man  sechs  Drachmen  gepulverten 
Bernstein  lu  und  mischt  auch  dienen  Borgßltig  dnrch  besifindigcs 
Rübren.  Endlich,  wenn  die  Masse  so  weit  abgekühlt  ist,  dafs 
man,  ohne  sieb  su  brennen,  die  Hand  an  das  GeAfs  (»"iogen 
kann,  setzt  man  eine  halbe  Urne  Campber  zu,  deU  man  vorher 
in  etwas  BauraSi  aufgelöaet  hat,  und  giefst  das  Ganze  in  kleine 
SalblSpfcfaen ,  welche  man  gut  mit  Blase  verschliefst.  Hier,  wo 
das  Pflaslnr  von  dem  Volke  hfiufig  in  kleinen  Ponionan  verlangt 
wird,  gi'efst  der  Apotheker  einen  Tfaeil  der  Masse  in  Tnfeln  und 
schneidet  diese  in  Streifen.  Die  Tafeln  müssen  aber  auch  in  Blase 
gewickelt  bewahret  werden,  denn  der  Campher  verfliegt  sonst, 
und  den  kanti  man  nicht  als  einen  überflüssigen  nnd  unwirksamen 
Bestand  (heil  ansehen. 

Von  dem  Gebranche  des  Pflasters  will  ich  nichts  sagen,  er 
findet  sich  von  selbst;  es  teilet,  .wie  gesagt,  nicht  nlles,  aber 
ea  heilet  vieles.  Blofs  meinen  jüngeren  Amisbrüdern  werde  ich 
einige  kleine  Vorsichtigkeiten  anmerken. 

Will  man  ein  nusanberes  Geschwür  damit  heilen,  so  nrnfs 
man  es  dick  «uf  die  Leinwand  alreicben,  auch  wol,  wenn  das 
Geschwür  tief  iai,  elwaa  in  die  Tiefe  legen,  damit  sich  alles  gut 
reinige  und  gesundes  Fleisch  zn  Tage  komme.  So  legte  ich  auch 
( wie  ers&hlt  ist )  der  jungen  Bäuerin»  etwas  Pflaater  in  die  IluMe 


—  863  — 
das  AbwcsMs,  damit  sich  dieae  ichacll  von  dem  abgeatorl>en«n 
Zell^web«  reinigen  niöchle.  —  Je  naohdem  nun  aber  dieser  Zweck 
erieicht  ist,  mafa  man  das  Pflaster  immer  dünner  und  dfinner 
Rtreichen.  lat  ea  so  weit  gekommen,  dafa  sich  der  Schaden 
schliefst,  mofs  eit  gans  diinn  aurgeirngen  werden,  und  wenn  die 
Wiederersengting  der  Haut  beginnt,  so  dünn,  däfa  die  Leinwand 
nur  eben  gelb  davon  gefÜrbt  iai.  Nun  ist  aber  noch  eine  Klei- 
nigkeit zu  beobacbien.  Das  Päaater  klebt  stark;  reirsi  Hian<es 
ins  tolle  von  der  sich  erzeugenden  jungen  Haut ,  ao  reifst  man 
jedesinahl  die  IIhhi  itiit  weg,  und  man  könoie  auf  die  Weise  wol 
bis  an  den  jüngsten  Tag  einen  Schaden  bepflastern,  ohne  au  t^ii- 
de  zu  kommen.  Um  dieses  zu  vermeiden,  inufs  man  beim  Ver- 
binden ein  zusBinmengelegies  Tuch  gnt  erwärmen  und  es  etwas 
aaf  das  Pflaster  halten ,  dann  erweicht  sich  dieses  gleich-,  and 
man  kann  ea  abnehmen ,   ohne  die  junge  Haut  in  Eerreif:  en. 

Im  Anfange  meiner  Praxis  iheilia  ich  die  Vorschrift  des  Pfla- 
sters einem  sehr  erfahreaen,  mir  befreandeten  Wundärzte  mii. 
Der  bemerkte  mir  späler:  das  Fflaater  bef&rdere  die  Heilung  un- 
reiner Geschwüre  gar  trefflich;  sei  die  Heilung  aber  bis  zur  Haul- 
enengung  vorgerückt,   so  paase  es  nicht  mehr. 

Mir  war  das  Vorgeben  des  versiftndigen  Mannes  ein  Rftihsel, 
und  dieses  Rfiibsel  wurde  mir  ein  paar  Jahre  spfiier  auf  folgende 
Weise  gelöset.  Ein  franidaischer  Keamter  sagte  mir  einst,  ihm 
habe  der  Wundarzt  Y*  ein  Futigeschwür  gnt  und  bald  geheilt, 
alleis  die  neu  eraengle  Haut  sei  noch  an  einigen  Stellen  wund 
uod  nSsse.  Ihm  sei  ea  unbegreiflich,  wamm  ein  Pflaster,  welches 
das  Geschwür  so  gnt  geheilt,  nun  nicht  auch  die  Haut  heile. 
Seit  vierzehn  Tagen  habe  er  sich  vergebens  bepflastert ;  der  kleine 
Hest  seines  Uebels  bleibe  immer  auf  dem  nimlichen  Punkte.  Da 
leb  sah.  dafs  ier  genannte  Wundarzt  das  Wunderpflaater ,  dessen 
Vorschrift  ich  in  die  hiesige  Apoiheke  gegeben,  zum  Heilen  des 
Geschwürs  angewendet,  ao  begriff  ich'  bald,  woran  sich  da<  Ding 
hakte;  der  Franzo^^e  hatte  nftmlicfa,  -bei  dem  iHglichen  Abziehen 
das  Pflasters,  Stücke  der  neu  erzeugten  aarten  Epidennia  abge- 
riasea;  und  dieae  der  Epidermia  entblSfaten  Stellen  nSfsten.  Ich 
erklärte  das  dem  Manne ,  und  weil  keine  Spur  von  Eiterung  mehr 
da  war,  gab  ich  ifain  den  Raih,  mit  dem  möglichst  dünn  geairi- 
cheaen  Pflaster  die  ganze  Flficbe  des  geheilten  Geschwürs  zu  be- 
decken ,  und  es  darauf  liegen  zu  lassen ,  bis  es  von  selbst  ab- 
falle. Da  das  Pflaster  nach  einigen  Tagen  sich  von  selbst  lösele, 
waren  die  nSssenden  Stellen  voltkuiiimen  geschlossen. 

In  der  Krankengeschichte  der  Büuerinn  ist  auch  noch  von  der 
brensltchen  HoIasAure  die  Rede.  Es  sei  mir  erlaubt,  von  dieser 
ein  Wort  zu  sagen. 

Ich  habe  waniir  Heil  von  dem  innerlichen  Gebrauche  deraelr 


—    864    — 

b«o  geavhen » '}  aber  dar  Syb«rliche ,  bei  maneheD  Bchmenbafiea 
Urteiden  der  MuBkeln  und  Nerven ,  iit  doch  wahrlich  nicht  ku 
verachten;  man  kann  aolebe  Liebe)  xuweilen  überraBchend  «chaell 
damit  heilen.  Kiu  paar  Monaie  vor  dem  erziblien  Falle  verlasfie 
eine  Frau  meine  Hülfe,  welche  von  einer  achwerea,  küoetlieli 
bewirkten  Geburt  eine  onvollkommene  Lähmung  der  unteren  Kx- 
Iremil&ten  behahen  batle,  die,  wie  nicht  aelien  solche  Halblib- 
mußgeo  mit  grolsen  Schmer/en  der  Nerven  ver^sellac haftet  war. 
Der  Geburtafaelfer  hatte  aie  verlasaen,  weil  er  entweder  keinen 
Ruh  wufiiie,  oder  weil  die  VermSgenganiBlände  der  Frau  nicht 
•o  waren,  dafa  er  alle  Apoihetterbüchsen  mit  ihr  durchproben 
konnte.  Ich  heilte  tie  in  acht  Tagen,  blofii  durch  den  ftufiierli- 
cben  Gebrauch  der  breaslicben  Uolulare,  welche  ich  dreinwU 
tage  id  die  unteren  Exiremilftten  einreiben  lieb.  In  dieser  Hei- 
lung lag  auch,  wie  ich  apäter  erfahren,  der  Grund,  dafa  die 
kleine  Bliucrinn,  welcher  selbige  bekannt  geworden,  und  welche 
irnhiimlich  glaubte ,  ein  fthnlicbea  Uebel  in  ihreaa  Schenkel  mn 
haben,  durchana  nicht  voo  mir  laaseo  und  aich  keinem  Wuad- 
ame  anveilrauea  wollte. 

Uebrigens  kann  man  durch  die  brenilicbe  Hslia&nre,  wenn 
man  liglieh  zwei  oder  dreimabl  Baueh,  Bücken  und  Schenkel  da- 
mit  einreiben  läfsl,  Wechselfiebar  heilen,  lu  Jahr  1833  bat  sie 
wir  bei  mehren  Kindern,  die  am  ungeregelten  Wechselfieber  litten 
und  denen  Araenei  Bbel  beiEubringen  war,  ausnehmend  gute  und 
überraschend  sebnelle  Hülfe  geleistet.  *')  Auch  etliche  Ej-wacluiene 
habe  ich  damit  geheilt,  aber  sehr  bald  gefunden ,  dafs  sie  im  allge- 
meinen in  der  bürgerlichen  Praxis  nicht  anwendbar  ist.  Bei  den 
meisten  geschiefaet  das  Einreiben  sehr  unregelinlifaig  and  Süchtig, 
andere  beben  einen  Abscheu  vor  dem  btenzeliohen  Gerüche,  noch 
andere  fürchten,  und  swar  nicht  mit  Unrecht,  dafs  sie  sieh  durch 
das  Enlblöfsen  und  durch  das  Benäasen  bei  kühler  Witterung  Hu- 
sten, Schnupfen,  ja  noch  ichlimmere  Hebel  susiefaen,  und  endlich 
bilden,  unter  der  wohlhabenden  Klaase,  die  Weiber,  die  nette 
Hände  haben ,  und  die  ihren  Kindern ,  oder  Müiiem ,  oder  Schwe- 
stern ,    oder  Fraundinnea  den  Liebesdienst  des  Einreiben«  verrich- 


*)  Gole  DlauMa  tetitel  üe  Jedoch  in  chronftebeB  Haltcrbintlltfue ,  wean  üntt 
OBanbiraDg  eis«*  47Bant*eh«n  Urlaldeai  der  GsUrKatter  iit  (dicht' aber 
wesa  or  von  «iaer  leihtiabvn  EnlartoDK  dar  Gokiraiutter ,  va*  Polyp ,  Ver- 
härtnos  oder  Erehi  dcnilbaa  atihSagt).  Di«  Wahrheit  £e«er  RrfahreDs  wird 
•albit  dgrch  die  VallLiiage  hcilüliget,  dafi  hart  garÜDoherlet  RindBeliah  dea 
Hnltirblolflar)  beile.  Haa  icbabl  oder  reibet  nSmiich ,  da*  geriooberle, 
plcbl  sekocbte  Fleiich  la  Palver  oad  sibt  davoD  den  BlntflOMtgea  elliohe  Mahl 
U«*  eine«  TheelSITal  Teil. 

">  Im  Jahr*  1835    hat«    ich   bei   awei  Kiadara   die  Eiar«ibsar  gabi    tarrebea* 


ten,  eine  förmlicks  Oppoiiiion.  8i«  behaupten  nfimlieli ,  ikre  Hfln- 
da  afthen  am,  als  hilitan  «ie  grüne  WaUnuase  ^pelll;  ja  in  Hfin- 
Mni,  wo  die  Kammerinagd  das  Einreiban  Terrichiei,  macht  einem 
dieae  aalbst  ein  aaures  Gesicht.  la  dan  Sieche nhUnsarn  haben  die 
Aerste  mit  allen  diesen  Häkeleien  nichts  au  schaffen  nnd  sie  könn- 
ten am  getaüchlicfasten  den  Wenb  ftiterer  Erfahrangen  in  dieser. 
Pankle  unteratichen.  Bekanntlich  hat  man  früher  dnrch  den  Snfser- 
lichen  Gebranch  Hes  harten  Scbomsteinrufies,  auch  des  Acetiquer- 
ei»i  (welcher  nnser  \Acidum  pyro/igmotum  war)  Wechselfieber 
geheilet«  Wie  leicht  wären  solche  Versuche  in  einem  Hospital 
gemacht.  Man  brancfaie  ja  nur  die  Fieberkranken  rfigUch  in  bren- 
aelicber  Holzaaure  baden  an  lassen,  das  würde  wahrscheinlich 
noch  besser  helfen  als  blpfsea  Einreiben.  Abgegeben  davon,  dnf^ 
das  Mittel  an  sich  nicht  ihaoer  ist,  könnte  Ein  Bad  gar  vielen 
Fieberkranken  dienen,  vorausgesetzt,  dafs  man  diese  erst  in  ei- 
nem gewöhnlichen  Bade  ron  aller  Unsanberkeit  reinigte  und  die- 
jenigen absonderte ,  die  vielleicht  oebat  dem  Fieber  noch  mit 
Hauian^chUgen  behaftet  wären.  Der  Hanptaweck  solcher  Unter- 
suchung wftre  der:  ausznmitteln,  ob  man  das  Wechselfieber  so 
dadurch  heilen  könnle,  dafs  es,  wenn  der  Geheilte  sich  der  ver- 
änderlichen Willenmg  ansseizie,  nicht  wiederkehrte.  Dieses  wür- 
de besonders  wichtig  für  das  Militär  sein,  denn  der  Soldat  kann 
ja  nicht,  wie  der  Bürger,  die  feindliche  Einwirkung  der  Witte- 
rung vermeiden,  und  wer  einmahl  vom  Wechsel6eber  ergriffen 
ist,  der  wird  wol  für  den  Belbjfihrigen  Feldzug  wenig  nnraen. 
Bei  den  hier  eingelagerten  Truppen  habe  ich  Eum  wenigsten  be- 
merkt, dafa  die  ans  dem  Hospital  zurückkehrenden  gar  bald,  wenn 
sie  wieder  Dienst  ihaien,  rückfällig  wurden:  dieses  lag  doch 
nicht  an  der  Unknnde  der  Hospitalärzle ,  sondern  an  der  \ainr 
der  Krankheit  und  an  der  ünvollkommenheit  unserer  Kunst  in  die- 
sem Punkte.  Was  ist  aber  d«r  Exerzirdienst  in  Vergleich  sum 
FelddienMe ! 

Mir  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  man  durch  änfserlicbe  Mittel 
die  Geneigtheit  des  Organismus  %a  Rückfällen  weit  besser  heben 
wird  als  dnrch  innerliche,  jedoch  snche  ich  diese  Heilwirkung 
nicht  in  feindlichen,  sondern  in  nnfeindlichen  Mitteln,  nnd  gerade 
au  letalen  gehört  die  brenaliche  HolasHui^.  Dafs  diese  ganz  nn- 
feindlich  wirkt,  kann  ich  bestimmt  wissen,  weil  ich  sie  bei  Kin- 
dern gebraucht  habe.  ") 

■)  Vom  Jabre  1836. 
S«il  ieb  Obigtt  fMchrleben  ,  baba  icb  eio  pstr  Pill«  beobsdtlct,  1b  denen 
iu  Einrcibgn  de«  Jeiili  pgralignati  ErttscbieDCD  dls  Biit  wund  naeble.  Ob 
dictri  Mittel  vencbiedea  tat ,  je  nacbdem  ea  am  der  einen  oder  aal  der  an- 
itrta  Holzart  bereitet  wird,  kann  icb  niebt  i*(eiii  iwsr  bab«  ieb  über  dieae 
Var*cbie<twibt;t  cIwm  gelHen ,    et  isnügte  nir  dieMf   ab*r  alehl,  weil  ei 


—    886    — 

U«brig«t]a  bemerke  Ich  denen ,  die  Lnit  haben  mftohtep ,  Ver- 
tucbe  anziuiellen,  dafi  da,  wo  das  Fieber  früher  beataadea« 
-Baucbfehler  anfgerührt  oder  nene  erzeugt  hat,  welche  gehoben, 
oder  möglich  besch  wicht  ige  i  werden  muisen,  man  bei  dem  äufaer- 
Uchen  Gehranche  der  brenzlieben  HoIzsSure  den  grofien ,  Zeil 
ersparenden  Vortheil  hat,  dab  man  gleichzeitig  die  auf  solche 
Bauchorgan  leiden  geeigneten  Heilmittel  anwenden  kann.  Diesen 
Vortheil  hat  man  bei  dem  Gebrauche  der  Rinde  auch  wo)  in  man- 
chen Fällen,    aber  gewift  nicht  in  allen. 

•ich  Dicht  inf  •ekeid«kSnillf c  Unteriarfanng ,     loadeni    »r  Vansalbang  grfio- 
d«ls. 

Von  Jahr  184«. 
Vor  Rdtmib  bat  nsu  SBeh  der  kiarmäDiiich«  Gaii  spfaftaseD,  iint§  lt«B~ 
lictiB  nad  wohlfeile  Hiltai  eo  in  vernitcben  ,  difi  ei  jetit  fini  nnwirkMoi, 
tUo  ^BDE  inbraDohhar  (cewordea.  Abgeaeben  davon  ,  daCi  dta  llDechte  oineB 
ichwfebarea  Gerach  hat  alt  daa  Bchle ,  kann  man  die  FalitlinDg  -  ana  foi^a- 
den  iwel  Kerkmahlen  eAanaea.  Die  (eräiiehta  HotuKare  briianet  beiai  Eia- 
reiba*  nicht  die  Hant,  and  wenn  man  aie  bis  aar  vellkMBnaoea  Trockenheil 
eiarcibt,  kovat  nicht,  wie  bei  4er  aogerKUehlea ,  4er  Kreototgerneb  za 
Tsge.  Da  ich  einen  anterer  Apotbeker  auf  die  Fälichnng  anfnerktaB  naelite 
(von  der  ich  keioeswefea  vermalbete,  daf*  aie  ihm  la  SehnlJen  koDBie)  *d 
l^ftand  «r  mir ,  dafj  er  acbon  lelbat ,  wegen  dea  arbwücheren  Gernchee ,  Ver- 
daebl  getcbVpft  ood  tu  Mittel  van  vier  vencbiedeaeo  HaterialiitCD  habe  koM- 
Ben  lauan.  Leider  taa^en  die  vier  Proben,  die  er  mir  teigte,  Mmmtlicb 
niobt ,  eine  äertelban  wnr  aohwari ,  all  aai  ai«  siil  Diäte  gelarbt.  Ea  ist  wol 
an  erbarmen ,  data  die  Aneneian  also  geralichl  werden  ,  aelbit  von  ffmiro 
Kitrie»  itl  jetit  eine  nnreine  Abart  im  Handel,  ein  Natnrenengnir* ,  welche« 
«Bier  desi  Nanen  Cbilitalpeler  Tur  Sj  Greichen  da«  Pfnad  verkanft  wird. 


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Zweiter    Abschnitt. 

K  I  ■  C  M. 

BPiegfl«  allbekannte  und  Ifingst  gebrauchle  Mittel  bat,  wia 
einil  der  SptefBglaOK  und  noch  Jetzt  das  Kupfer,  seine  Zeit  ge- 
habt,  wo  es  die  Aerzie  fnr  Gift  ansahen.  *)  Im  vorigen  Jahrhun- 
dert noch  war  es  aehr  hitzig,  und  man  hielt  es  deshalb  in  hitzi- 
gen Fiebern ,  ja  wo)  io  allen  Fiebern  fiir  schädlich.  Längst ,  be- 
vor ich  die  Lehre  der  GeheimArate  ergründet,  batla  ich  mich 
schon  über  manche  fabelhafte  Meinung  hinweggesetzt  und  es  mit 
grofsem  Nutzen. in  solchen  Kranlcheiten  gebraucht,  worin  es,  nach 
der  Meinung  des  dainahligeo  Zeitalters,  hfitle  schädlich  sein  möa> 
sen.  Ettmülfer,  der  den  Gebrauch  der  Metalle,  ohne  für,  oder 
wider  abzusprechen,  nach  alten  Aerzteo  angibt  and  anch  hier  die 
Paracelsislen  nicht  ausschliefst,  halte  mir  zoerst  manche  gfingig« 
Meinung  rerdächtig  gemacht.  Nichtsdestoweniger  wirkte  die  Mei- 
nung des  Zeilaliers,  in  welcher  Ich  meine  erste  Srzillche  Bildung 
erhielt,  so  lauberiscb  auf  meinen  Kopf,  dafs  ich  es  früher  ni« 
in  akuten  Fiebern  zu  versuchen  wagte.  Hiniennach  ist  es  mir 
unbegreiflich  rorgekommen,  wie  ich  das  mir  so  ganz  nahe  Lie- 
gende nicht  gesehen. 

Wenn  man  von  alten  and  neneti  Sehriftstellera  nor  so  viel 
gelesen,  als  einem  ehrlichen  Praktiker  dieses  Zeit  and  Gelegen- 
heit zu  ifaun  erlaubt,  so  mufs  einem  die  Menge  der  Krankbeits- 
formen,  in  dentfn  das  Eisen  soU  geholfen  haben,  schon  den  Glau- 
ben aufdringen,  dafs  es  ein  aosgcceichnetes  Universal  mittel  sei. 
Wollte  ich  zum  wenigsten  nur  das,  was  ich  selbst  über  diesen 
Gegenstand  gelesen ,    anführen ,   so  könnte  ich  schon  ein  hübsches 

')  Ptt,  ForrtiKt.  Obiarvat.  Hb.  tO  p*g.  28  Mgt;  Er  potu  teariae  fsrri  ae- 
eiätt  dolQr  vi4m«m$  in  vtMra  et  i»  capile  cum  orit  at  ptUtirlt  inflam- 
BtaHont!  fu»ä  «■  ilaUm  no»  evrelur,  guolidit  vtlut  heetieiu- tetaurnttur, 
tt  tanätm  mmratMO  crntuMliit  aiorielmr.  Und  atir  der  nEmlichcD  Seite  Dslea : 
Dt  iguama  ftrri  ft  iibalur ,  accidit  (injuil  BtrtrKliutJ  dolor  et  m 
vthtmtnt  tl  diffleili»  in  »lomotha  tt  in  inttitimil,  et  guaKdojue  flmxi 
ttit  tuftrjliiit*  f  itti  Kt  /»rtmtU*  ad  if%tnttri*m  ftriuemt. 


YeneiehDÜi  von  Krnnkheilsfornien  anfertigen :  da  aber  nllrs,  waa 
ich  zu  sagen  wüfsle,  den  Cl^lehrten  längst  bekannt,  nnri  meinen 
pnikliBtiiien  Amisbrüdern  langweilig  und  niilzlos  sein  würde,  so 
enthalte  ich  mich  lieber  solcher  Hcbriftstellerischen  Faxeniuacherei 
und  gehe  gleich  xur  Hauptsache  »her. 

Die  Eisenprlparaie,  deren  ich  mich  früher  bediente,  waren 
das  Feilicht  und  das  schwefelsaure  Eisen.  Später,  da  ich  -micb 
zu  der  geh  ei  mSrzI  liehen  Lehre  wandte,  waren  folgende  Präparnie 
nHine  Waffen. 

1)RotheB  peroxydirfes  Eisen.  Ich  hahe  dieses  ans 
ulpctersaurem  Eisen  bereiten  Innaen ,  indem  die  Salpelersfinre 
dnrcb  das  Feuer  davon  getrieben  wnrde.  In  der  neuen  Ausgabe 
des  Preofsischen  A po i bekerb uch es  liehet  aber  eine  Bereitung,  die 
mir  besser  getällt. 

Das  rothe  parotydirie  Eisen,  innerlich  su  zwei  Drachmen 
tags  gebraucht,  fürbet  nicht,  wie  andere  Eisenpräparate,  den 
barmkoifa  schwarz,  sondern  braun.  Wird  dieser  bei  dem  (ie- 
branch  nar  ein  vrenlif  schwärzlich,  so  ist  in  der  Bereitung 
«Iwas  versehen.  Wenn  die  Gallenabsonderung  krankhaft  ist,  die 
Galle  xm  sparsam  abgesondert  wird,  so  flirbt  dieses  Präparat  den 
Darmkoih  nicht  braun,  sondern  er  wird  vielmehr  graulich,  and 
das  rothe  Eisen  ist  nur,  und  zwar  sichtbar,  damit  vermischt.  Es 
hat  mir  auf  diese  Weise  uiehrinahls  als  Erkennungsmiilel  verbor- 
gener Fehler  des  gHlleabsondernden  Organs  gedient,  wslcbe  ich 
dann  nacbgebends  durch  dienliche  Lebermitlei  gehoben  habe.  Oho« 
dieses  Eisen  hftlie  ich  sie  nimmer  erkennen  können. 

Es  sprach  einst  ein  büclieriuachender  Arzt  etwas  spöttisch  zu 
mir  Qber  das  rothe  Eisen  nnd  über  dessen  vermeintliche  Wirkung. 
Weil  es  sich,  bei  gewöhnlicher  niederer  Temperalnr,  in  Säuren 
nicht  auSSsen  läfsl,  so  glaubte  er,  es  könne  nnch,  unauflöslich 
in  den  Oarmsäften,  unmöglich  Heilwirkung  haben.  Ich  liefs  ihn 
bei  seiner  Meinung,  denn  ich  konnte  ihn  ans  dem  Stegreife  nicht 
klug  machen;  za  meinen  Lesern  will  ich  aber  ganz  aufrichtig 
sprecben.  Ibrwifst,  werlhe  Aiutsbruder!.  von  dein  Wie  der  Wir- 
kung des  Eisens  auf  den  kranken  Menschenleib  nichts,  gar  nichts. 
Nun,  ich  weifs  eben  so  wenig  davon  als  Ihr;  also  werden  wir 
uns  darfw  halten  müssen ,  was  die  Augen  uns  lehren.  Ich  ver- 
sichere Euch,  dafs  ich  nicht  ein-,  oder  zweimahl,  sondern  of' 
genug,  um  der  Unm&glichk«it  einer  TSnschung  sicher  zu  sein, 
gesehen  habe,  dafs  Kranke,  die  so  matt  waren,  dafs  sie  sich 
nicht  mehr  ohne  Hälfe  im  Bette  anfrichien  konnten,  sieb  den 
folgenden  Tag,  nachdem  sie  zwei  Drachmen  rothes  Eisen  ver- 
zehrt hatten,   ganz  frei  und  ohne  Hülfe  im  Belle  aufsetzten. 

2)  Kohlensaures  Eisen  fCrocui  martia  aperitivuij  ist 
l)insiehiHch    der   Mächtigkeit   seiner   Wirkung  jenem    übeilcgeo. 


Weil  et  aber  in  der  ira  Darmkanal  vorLaii ÜHiieii ,  oilei'  hiueiiigs- 
brachten  Säur«  mehr  oder  minder  auflösbar  isl  und  dadurch  su- 
Bammeaxiebende  Eigenschaft  bekommt,  so  wird  os  zuweilea  von 
sehr  reiibaren  Därmen  nicht  vertragen,  denen  daa  roibe  Eiieo 
ganz  gut  bekommt.  Letztet  verträgt  auch  der  reizbarste  Darm- 
kanalt 

3)  Essigsaure  Eisentinktur.  Diese  ist  ein  mildes  Prä- 
parat, welches,  wenn  der  Darm kaoal  nicht  gerade  ausgezeichnet 
reizbar  ist,  im  Allgemeinen  den  Menschen  recht  gut  bekommt. 
In  akuten  Fiebern  gebe  ich  es  zu  einer  Unze  tags.  Diese  Unze 
mit  sieben  Unzen  Wasser  und  einer  Unze  Arabischen  (Jummi, 
oder  einem  Skrupel  Traganih,  in  einen  Trank  gebracht  und  stQnd- 
lich  lötl'elweise  gereicht,  wird  von  den  meisten  Krenken  nicht 
blofs  einen  Tagj  sondern  auch  auf  die  Dauer  gern  genommen. 
Die  Tinktur,  die  sich,  in  unserem  jetzigen  Preufsischen  Düpen- 
tatorio  findet,  taugt  nicht  zii  meinein  Geschäft.  8ie  hat  einen 
Zusatz  von  Essigäther.  Dieser  Zusatz  beweiset  auf  das  bündig- 
ste, dafg  die  Aerzie,  welche  das  Düpematorium  gemacht  haben, 
den  wahren  Gebrauch  des  Eisens  nicht  kennen;  kenneten  sie  die- 
sen nämlich,  so  würden  sie  gcwufst  haben,  dafs-  unter  hundert 
Fallen,  worin  die  essigsaure  Eisentinktur  das  beste  und  das  ge- 
niächlichsie  Heiliuillel  ist,  sich  kaum  ein  einziger  findet,  bei  dem 
der  Aelher  mit  Voriheil  gebrauclTt  werden  kann.  Dieser  scheint 
auch  wul  ntir  des  Genichex  und  des  Geschmackes  wegen  angesetzt 
zu  sein,  denn  ohne  denselben  ist  die  Tinktur  eine  sehr  herbe 
lind  saure  Brühe. 

Die  beste  Bereitung  geschiehel  auf  dem  Wege  doppelter  Wahl- 
verwandtschaft ,  aiw  schwefelMRiirein  Eisen  und  essigsaurem  BleL 
Die  also  bereitete  findet  man  in  mehren  älteren  Apoihelcerbüehern 
unter  dem  Namen  der  Tinct.  $atmminae,  oder  Aw  antiphlhitiietit. 
Ich  habe  aber  noch  in  keinem  die  richtige  Bereitung  angetroffen. 
Will  man  nach  den  verschiedenen  Vorschriften  sie  zurichten,  so 
bekoniml  man  entweder  ein  bleiballiges  Präparat,  oder  ein  mo- 
rastiges Spülicht. 

Ich  werde  also  deiu  Leser  die  wahre  Bereitung  niiitheilen. 

Man  nimmt  sechs  Pfund  (civil  Gewicht)  reinen,  cryslallisir- 
leu  Bleizucker  und  sieben  und  ein  halbes  reinen  Eisenvitriol.  Bei- 
de werden,  jedes  besonders,  möglichst  fein  zeriheilt.  Dann  in 
einem  eisernen  Gef^fse  mit  Hülfe  eines  PisiiHs  s«  lange  anhal- 
tend ^arbeitet,  bis  das  Ganze  zu  einem  gleichförmigen  Brei  ge- 
worden. Diese  Masse  wird  nun  allmähltg  mit  dreifsig  Pfunden 
Weingeist  von  ^  vermischt  und  ntSglichst  schnell  in  einen  glä- 
sernen Kolben  gegossen.  In  diesem  wird  sie,  von  Zeit  zu  Zeit 
geschüttelt,  einer  gelinden  vierzehntSgigen  Digestion  übetlasaen. 
Hierauf  läfsl  man  die  Tinktur  durch  ruhiges  Stehen  sich  abklären, 


—    870    — 

Qod  filtrirt  rie.  Sollt«  «ie  noch  ein«  Spar  BI«i  enthsllen  (wel- 
ohea  nicht  leicht  möglich  iat),  ao  schafft  man.diMes  am  beaieo 
darch  etwas  Tart.  Jerrugtit.  weg,  von  dem  man  etwa  eine  Drach- 
me in  der  Flüiaigkeit  anfläael  and  sie  dann  Ton  oenem  filtrirt. 

Ist  nao  die  Tinktnr  von  jeder  fremden  Beimischung  frei,  so 
giefflt  man  sie  in  ein  Slandgetäfs,  worin  acht  Unzen,  noch  feuch- 
tes, frisch  niedergeschlageoes ,  und  nach  dem  Waschen  geprefs- 
tes,  roihes,  volIkommDes  Eisenoxyd  befindlich  sind.  (Dieses 
Ox^d  wird  ans  dem  Liq./erri.  muriat.  oxydali  durch  eine  Aiiflo- 
snng  de«  filzenden  Kali  gefallet.)  Auf  diesem  Oxyd  bleibt  sie 
zum  mindesten  drei  Wochao  stehen  und  wird  von  Zeit  zn  Zeit 
nmgeschütlelt.  Dann  täfst  man  sie  ruhen,  sich  ktitren,  und  sie 
ist  fertig.  Die  sinnlichen  Eigenschaften  derselben  sind  folgende.  Sie 
bat,  verhSltlich  zn  allen  andern  Eisenbereiiangen,  einen  sehr  bd- 
genehmen  und  erquicklichen  Geschmack.  Hinsichtlich  des  Geru- 
ches ist  sie  dem  Malagawein  so  ähnlich,  dafs  Leute,  die  diesen 
kennen,  mich  gar  oft  fragen,  ob  die  Arsenei  nicht  mit  Malaga- 
wein bereitet  sei.  Bei  der  frischbereileten  ist  dieser  Geruch  schwach, 
verstärkt  sich  aber,  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  mit  dem  Al- 
ter derselben.  *) 

4)  Liquor  ferri  muriatici  oxydati.  (Liq.  »tj/pticui.j  Frü- 
her liefs  ich  diesen  nach  alter  Weise  bereiten ,  seit  man  ihn  aber 
in  das  Preufsische  DiajpeHtatorium  Bufgenommen,  gebrauche  ich 
diesen  nicht,  weil  er  hinsichtlich  seiner  Wirkung  besser  ist  als 
jener  (die  Wirkung  ist  vielmehr  gleich),  sondern  weil  er  etwas 
besser  schmeckt. 

Dieser  Liquor  ist  ohne  Zweifel  das  machtigste  von  allen  Ei- 
senbereitungen,   aber   er   verlangt   auch   beim  Gebrauche  gewisse 


')  la  dar  tns«gebeDea  Mens«  oder  io  Doeh  (rüfierar  nacbl  sich  di«  Tioktar 
«n  beitcD  ,  mm  wenifsteB  botier  aU  in  aebr  kleiner.  Will  map  lie  rccbt 
Hcblicb  htbeii ,  lo  moni  man  sia  cio  balbu  Jabf  nad  ÜHfcr  (ttbaa  luiea ; 
dtrcb  di«  Zeil  nnlergebet  lie  eine  tortbeitbattB  VerÜnderaBf ,  die  ieb  Hir 
slebl  gBDi  erUSren  kaaa,  Allardia;«  sebeidel  aieb  du  io  denalbaa  alleafalla 
Bocb  vorbtoden«  icbwareliaar«  EUen  dsrcb  die  Zeit  e*bi  bnvai,  slleiii  die- 
iem  Umataade  kaoa  leb  die  vorlbeitbarta  VerBoderang  an  detwillea  oicbt  la- 
■cbreibcB  ,  weil  maa  aaeb  iü  der  tHtcbbereiteleo  Tioklnr  dat  nocb  aKenfalla 
vorhaadene  •ehwefeliaore  Biien  aenelzea  kaaB,  obae  dadareh  die  Bämliehe 
Llebliehkelt  daraalbeD  la  enielea  ,  welche  aia  dareh  daa  Alter  erUlt.  Viel- 
leiebt  Tarhilt  et  ateh  nit  dieier  Tinktur  wie  mit  einem  geten  Weine ,  der 
•neb  dorch  die  Zeil  eine  Vera pdernag  nalarsehet,  welche  wir  dareh  die  Kosat 
nicht  bewirken,  ja  nicht  elanabl  beicbleaniEen  kSanen.  Freilich  lehrt  «a« 
J,  R.  Claaber,  in  seinem  appendic»  generali,  dah  man  dorch  lebwerelianrei 
rCatron  ,  dem  da*  RrfitallisaüoDawaMer  eatugen ,  jnDS*<i  Wein  seiati;  ma- 
cbaa  nad  ia  der  Geichwtadiikalt  veradeln  küaae ;  mieb  selüttat  aber  aiehl, 
•inea  dnrcb  dea  Glanberiachen  WaaanraasnalaB  veredeltes  Weis  in  trisfc««. 


—  871  — 
Vonichiigkcilen.  MsoKhM  mit  «lt«ii  Lekcirlelden  veniagen  iha 
suwei1«n  nicht.  Den  Fraaen  bann  man  ihn  nicht  knn  vor  Ein- 
tritt des  Monallichen  geben,  man  murs  acht,  ja  wol  zehn  oder 
Bwdif  Tnge  vorher  das  Einnehiueo  ausseUen,  will  man  nicht  diesa 
Aussonderang  stören. 

Hinsichllich  der  Gabe  nnifs  man  auch  auf  die  Reizbarlieit  des 
Magens  and  der  Därme  sehen,  sonst  bekommt  er  den  Leuten 
nicht.  Einigen  ibnt  er  gut  in  kleiuen  Gaben,  andern  in  gröfse- 
ren,  darum  ist  es  sweckmafsig,  wo  mau  grofae  Gaben  reichen 
will,  erst  mit  kleinen  anzufangen,  dann  kann  man  beim  Auf B(ei> 
gen  die  Gabe  beibehalten,  die  dem  Kranken  am  wohlihäligslen 
ist.  Auch  darf  man  nicht  vergessen,  dem  Kranken  ausdrücklich 
zu  bemerken ,  data  der  Liquor  in  eine  halbe  Tasse  Wasser  mufs 
getröpfelt  werden.  Will  man  aus  demselben  mit  Wasser  und  Ara- 
bischem Gummi  einen  Trank  bereiten,  so  darf  man  von  diesem 
Gummi  nicht  mehr  als  zwei  Draohmen  auf  acht  Unzen  Wasser 
nehmen.  Der  Liquor  bat  nämlich  die  Eigenschaft,  dafs  er  den 
gj'rupartigen  Schleim  des*  arabischen  Gummi  mm  gallertartigen 
umwandelt  und  ihn  noch  überdies  verdickt;  wollte  man  also  einen 
Trank  von  acht  Unzen  Wasser,  einer  Unze  arabischen  Gummi 
und  40  oder  60  Tropfen  Lt'gmor  ferri  muriat.  oxyd.  verschreiben, 
so  würde  die  Mischung  so  dick  werden,  dafs  sie  nicht  durch  den 
Hals  der  Flasche  konnte.  Das  sind  gewils  Kleiifigkeiten ;  ein 
Arxi,  der  solche  aber  nicht  kennt,  macht  sich  in  den  Angen  der 
Apotheker  lächerlich;  darum  werden  diejenigen  meiner  Leser, 
denen  das,  was  ich  gesagt,  bekannt  ist,  mir  nicht  übel  deuten, 
dafs  ich  es  auch  denen  sage,   welchen  es  nicht  bekannt  ist. 

Ich  habe  den  Liquor  zuweilen  nur  einroahl  tags  »u  sechs 
Tropfen  gegeben,  und  von  dieser  einigen  täglichen  Gabe  auf  die 
Daner  sehr  woMihälige  Wirkiiog  geschn.  Sonst  gebe  ich  auch  vier- 
mahl tags  sechs  Tropfen ,  und  wo  ich  kräftiger  einwirken  will,  stei- 
ge ich  täglich  um  einen  Tropfen  für  die  Gabe  bis  zu  zehn,  bei  wel- 
cher zehntropfigeu  Gabe  ich  bis  «ur  Heilung  sieben  bleibe,  denn 
selten  ist  es  nölbig  höher  zu  steigen-  In  den  Fällen ,  wo  ich  dieses 
aber  nöthig  tinde,  verstärke  ich  die  einzelne  Gabe  nidit,  sondern 
laue  diese  öfterer  tags  nehmen.  Gar  zu  starke  G«beu  verursachen 
ein  seltsames  Genihl  im  Oberbauche,  welches  dem,  worüber  die 
Ilypochondristen  klagen,  nicht  unähnlich  sein  mag.  Bei  andern 
bewirken  sie  flüssigen  Stuhlgang,  und  wieder  bei  andern  eine  Auf- 
^biasenheit  des  Bauches,  die  der  Arzt  zwar  nicht  mit  Händen  ta- 
sten kann,  der  Kranke  aber  fühlt. 

5)  Schwefelsaures  Eisen  (Vitriolum  martit).  Dieses 
habe  ich  früher  viel  gehrancht,  es  aber  seit  zwanzig  Jahren ,  viel- 
leicht mit  Unrecht,  sehr  vernachlässiget.  Hinsichtlich  der  Mäch- 
tigkeit  seiner  Wirkung   kommt  es  dem  vorigen  Prfiparal  ziemlich 


—    871    — 

nahe,  ••  hat  aber  das  Uobeqaane,  imSt  «■  l^eht  Ucbelkeit  vemr- 
«acht,  Dod  daf>  et,  aeioe«  böaen  GBicbmackM  wegen,  aich  aicfat 
wol  andere  all  in  Pilleoform  verordnen  läfsl.  Wer  diete  nun  schluk- 
ken kann,  den  iat  ee  gemlehlicb,  und  sHar  gemaofalicfaer  als  Tro- 
pfen und  TrSnke;  aber  bekanntlich  findet  »an  oichl  leliea  Men- 
■chen,  die  im  Pillenicblncken  «ehr  unbehttlfen  sind,  denen  kaao 
man  dann  das  Mittel  nicht  geben. 

Was  die  Habe  betrißi,  so  habe  ich  gewöhnlich  vier,  bis  fünf- 
rnahl  tags  einen  Gran  gegeben;  man  kann  aber  wol  an  acht  bis 
zehn  Bleigen.  Gibt  man  iwei  Gran  anf  eininahl,  so  macht  diese 
Gabe  manchen  Menschen  schon  Uebelkeit;  darum  in  es  am  be- 
sten, eingrflnige  Pillen  in  Tenehreibea  und,  je  nachdem  sie  der 
Magen  rertr&gt,   eine,   oder  zwei  auf  eininahl  zu  reichen. 

Alle  Eisen prfiparaie >  welche  mir  bekannt  sind,  haben  eine 
und  die  nfimllche  Wirkung  auf  den  GeumiDtorganismus ;  sie  na- 
terscheiden  sich  nur  hinsiebilich  der  Mächtigkeit  und  Schnelle  ih- 
rer Wirkang  von  einander.  Den  Vonheil  und  das  Hinderliche 
von  jedem  einzelnen  kann  ich  jetzt  nicht  auslegen,  es  wird  sich 
in  der  Folge  dam  weit  schicklichere  Gelegenheil  finden. 

Seit  ich  mich  zu  der  geheimärztlichen  Lehre  gehalten,  kommt 
es  mir,  nach  einem  ungeriihren  Ueberschlage ,  so  vor,  als  seien 
Eisenkran  kbfiien  häufiger  gewesen  als  Salpeterkrankheiien.  Sollte 
der  eine  oder  andre  meiner  Leser  aus  dieser  Aeufüerung  achlie- 
fsen,  ich  müsse  es  mit  sehr  verbasterien,  entkrfifielen ,  der  künst- 
lichen 8(yrkuDg  bediirrtigen  Menschenleibern  zu  ihun  gehabt  ha- 
beo ,  so  bitte  ich  ihn ,  vorifiufig  sein  Unheil  ein  wenig  anfzo- 
schieben.  Am  Ende  dieses  Abschnittes  wollen  wir  die  krankheiia- 
lebrige  Kategorie  der  Schwache  und  die  araeneiiniltel  lehrige  des 
Stärkenden  etwas  nflher  beleiichien. 

Die  Meinang,  die  man  in  alteren  Schriften  ansgesproeben 
findet,  dafs  das  Eisen  bei  ahnten  Krankheiten  schädlich  sei,  ist 
weiter  nichts  als  eine  Meinung,  die  sich  auf  die  angeblich  hitzige 
Eigensfifaari  des  Mitteli  stützt.  Niemand  kann  aber  beweisen,  dafs 
es  ein«  daa  Herz  und  das  Ge/üfssyatem  aufregende  Wirkung  bat. 
Nor  da  würde  dieses  der  Fall  sein,  wo  man  es  irrthümlich  in  ei- 
ner SalpelerafTeklion  des  G  es  am  mt  Organismus  gfibe.  Gibt  man 
aber  den  Salpeter  in  einer  Eisenkrankheit,  so  kann  dieser  eben- 
falls das  Geßfssyatem  aufregen. 

Ueberhanpt  iat  der  Unterschied  zwischen  chronischen  und  aku- 
ten Krankheiten  ein  blofs  bncherlicber ,  die  Natur  seihst  hat  hier 
keine  bestimmte  Grenzen  gesogen.  Wer  zuerst  diesen  Unterschied 
in  die  Medizin  eingeführt,  weifs  ich  nicht  einmahlj  er  hatte  aber, 
meines  Erachten),  wol  etwas  Klügeres  thun  können.  K.  Sjiren' 
gei  behauptet  A»klepiadtt  acbeine  zuerst  die  Eintbeiluag  der 
Krankheiten    in  hitzige   und   langwierige   eingeführt,    ja   sie  als 


—    873    — 

WMsniltch  betrachtet  zq  haben.  Et  Ut  möglich;  ich  will  niclH 
dagegen  itreiten.  Die  beweisende  Stelle  jedoch  aus  Caeliui  Att- 
relian*t  (iil.  3  pfig.  169  Chron.)  ist  ein  verworrenes  ATrikanischea 
Gebraii,   «ni  dem  ich  nicht  klug  werden  kann. 

Wer  gegen  die  Wahrhf^it ,  dafi  das.  Eisen  ein  eben  ao  schäti- 
bares  Heilmittel  akuter,  als  chronischer  Krankheiten  sei,  streitet, 
der  beweiset  blofs,  dufs  sein  Wissen  ein  wahrhaft  papierenes 
Wissen  ist.  Das  Eisen  hat  in  den  akuten  Eisenkrankbeiten  gerade 
die  nftmllche  beruhigende  Wirkuhg  auf  das  Hent  und  die  fühlba- 
ren ScblagaderstKniine ,  als  der  Salpeter  io  den  Salpel  erkrank  hei- 
len. Dafs  es  aber  nicht  geradezu  diese  Organe  beruhiget,  son- 
dern wahrscheinlich  auf  indirekte  Weise,  schlief»  ich  daraus, 
dafs  ein  gewisser  Grad  von  Besserbefinden  gar  bald  eintritt,  und 
zwar  dem  Kranken  fühlbar,  vor  dem  Langsamerwerdeo  des  Pul- 
aes.  Die  Leser  werden  sich  doch  wol  erinnern ,  dafs  ich  das 
NSmIiehe  vom  Salpeter  bemerkt  habe,  and  ich  wünschte,  sie  ver- 
güfsen  es  nicht,  denn  ich  werde  mich  am  Ende  dieses  Kapitels 
darauf  beliehen. 

Die  Zeichen,  ans  denen  man  eine  Eisenaffektion  des  Gesammi- 
organismus  erkennen  kann,  sind,  wie  die  der  Salpeiera Sektion, 
höchst  unsicher;  Hitze,  voller,  schneller  Puls  beseichnen  so  gn^ 
die  Eisen-  alt  die  Sulpeterkrankheit.  Der  rolhe  Harn  findet  sich 
aowol  bei  der  einen  als  hei  der  andern  Krankheiisart.  Sichtbare 
Entzündungen  sind  ebenfalls  bei  beiden  ntchis  weniger  als  selten. 
-  Ein  wichtiges  Zeichen  der  Eisenaft'ektion ,  von  dem  ich  nur 
beklage,  dafs  Ich  es  nicht  als  ein  beslAndiges  angeben  kann,  ist 
der  Mangel  ao  Harnsäure ,  und  mehr  noch ,  die  laugensalzige 
Eigenschaft  des  Harns.  Wenn  das  mit  schwacher  EsaigsHure  ge- 
rölhete  Lackmuspapier,  in  den  Harn  geiancht,  gleich  so  blau 
wird,  wie  ea  vor  der  Röihnng  war,  so  kann  man  wol  ziemlich 
sicher  sein,  dafs  man  es  mit  einer  Eisenaffektion  xa  thun  hat. 
Man  findet  aber  oft  genug  Eisenkrankheiten ,  bei  denen  der  Harn 
das  gerSlhei«  Lackmaspapier  nicht,  bläuet,  sondern  das  blaue  viel- 
mehr r&lhei;  milhin  ist  die  laugensalzige  Eigenschaft  zwar  eins 
der  sichersten  Zeichen  der  Eisenaffekiion ,  aber  die  Abwesenheit 
desselben  spricht  noch  nicht  bestimmt  ßr  das  Michtvorhandensein 
der  EisesaSeklion. 

Ich  habe  mich  Jahre  lang  mit  der  Untersuchung  des  Harns 
in  dieser  Hinsicht  beschäfiiget;  es  schien  mir  wichiig,  auszumit- 
teln,  ob  man  auf  diese  AVeise  zu  einer  sicheren  und  frühzeiiigen 
Erkenntnifa  der  Eisenaffekiion  gelangen  könne.  Meine  Untersu- 
chung hat  mir  zwnr  grofsen  Nutzen  geschafft,  aber  bei  weitem 
doch  nicht  den,  welchen  ich  anfänglich  davon  erwarteie. 

Bei  der  Untersuchung  des  Hains  mufs  man  folgende  Vorsicht 
beobachten.      Wird   da*   geröihet«   Lackmuspapter    aageobliqklich 


—    874    — 

bwm  Einlaucheo  lo  hltax ,  all  as  wm  der  K3lhung  gawewn ,  ao 
kann  man,'  wie  gaiagt,  dar  Kiseoaffekiion  ii«mlicb  sicher  Hin; 
man  mufs  sich  aber,  hat  man  einen  Kranken  au  behandeln,  der 
■choD  vorher  andere  Arzenai  gebrauch!,  wohl  erkundignn ,  ob  diese 
ArteDei  in  Kali ,  Nairon ,  BiitersaUerde ,  oder  Ammoninra  beatan- 
deo  habe,    damit  man  nicht  in  eine  arge  Tituschang  falle. 

Wird  das  gerdlhete  Lackranipapier  beim  Eintaneben  nicht 
gleich  basiimmt  und  schnell  blau,  sondern  erat  langsam,  oder 
vielleicht  gar  erat,  wenn  man  es  trocknet,  so  ist  die  ErkennlniCa 
Kweifelhaft  und  man  mufs  die  UnlersuQhung  mehrmahla  anslellea. 
Hier  ist  aber  sa  bemerken,  dafg,  bei  gleicher  tangenaalsigen  Ei- 
genschaft, ein  dicker  Harn,  er  mag  trübe  oder  klar  sein,  nicht 
so  augenblicklich  achnell  das  geröihete  Lackmnapapier  blanet,  als 
ein  dünner  wässeriger.  Das  mufs  also  mit  in  Anschlag  gebracht 
werden. 

Neutraler  Harn ,  der  das  Lackmuspapier  nicht  röthet  nnd  das 
gerdlhete  nicht  blauet,  gibt  keine  sichere  Erkenntnifs;  man  mnfs 
in  diesem  Falle  die  tJntenuchung  mehrmahla  wiederholen.  Man 
kann  beule  den  Harn  neutral  finden  und  morgen  schwach  sauer, 
oder  schwach  langattsalzig ,  ja  die  mehrmahlige  Untersuchung  an 
Einem  Tage  kann  verschiedene  Ergebnisse  zeigen.  Diese  Wan- 
delbarkeit des  Harns  spricht  blofs  Tiir  einen  zweifelhaften  Zusiand. 
Wenn  man  aber  daraus  nicht  bestimmt  auf  Eiaenkrankheit  schlie- 
fstn  kann,  so  ist  doch- die  Wahrscbeinlicbkeii  weit  grdls«r,  dafs 
man  es  mit  einer  Eisen-,  als  mit  einer  Salpeierkrankheit  zu  thita 
habe. 

Zu  der  Untersuchung  mnfs  man  vor  allen  Dingen  kein  ange- 
leimtes Papier  gebrauchen,  soodern  ganz  weifses,  feines  und  gni 
geleimtes,  dieses  mit  Lackmus  nicht  dunkelblau,  sondern  hsllblan 
antitreicheD ,  and  das,  waa  roib  sein  soll,  nur  mit  gans  schwa- 
cher Säure  rSlhen.  Die  Untersuchung,  die  man  mit  ungeleimtem 
Papier  anstellt,  iai  nichts  werlh,  beaonders  bei  dunkel  gefSrbiem 
Harne.  Dieser  durchdringt  gleich  das  Papier  und  gibt  ihm  eine 
Mifgfarbe,  die  nichts  unterscheiden  läfat.  Das  an  duDkelblane 
lälst  einen  sehr  schwachen  Gehalt  von  Harnsäare  nur  undeuilich 
erkennen,  nnd  das  mit  zu  starker  Siure  gerStheie  zeigt  gar  übel 
einen  ganz  geringen  Grad  der  Langensalzigkeir.  *} 

*)  lek  niiri  klar  aaf  «!■«  gnttt  TiajebiBB  aifmarkt^m  machen ,  la  4it  dar 
Arat  gar  lalebt  bei  CntanachanE  de«  Biraae  fiUeD  kann.  Garlago  Laal«  b»- 
diaaen  lieb  der  geneinaD  irdeaan  Haratbpr« ,  diese  TSpfe  Dehnen  beitaaat- 
iich  gar  bald  aiaro  aliokeaden  Gerncb  lo;  lai  dem  verderbendea  Harn  ent- 
wickelt aicb  eümlich  Ammoaiaai  and  darebdrioft  anf  die  Daner  dai  sinie  Ge- 
iobirr.  ieder  friieba  Hara ,  der  ia  einem  aolcbea  aaiaaberen  Topfa  geilaa- 
den ,  bianal  da«  garittbeta  Laekmnapapier ,  kSante  alto  den  Ant  leiehl  la 
einar   ang«bliri|es  AnweadBng  dei  Siiaa*  varleiMn.      Asf  da« ,    waa  lab  Mar 


—    875    — 

W«it«r  ist  eine  aicblbare  Abnahme  der  Mgabelkraft ,  tonderlich 
io  akntea  Krankheiten,  ein  wahrscheinliches  Zeichen,  dafs  man  ed 
mil  einer  Eiaen  krank  heil  zu  ihun  bat ;  Toransgesetsi,  dals  der  Kran- 
ke nicht  an  einer  Urgehirnaßeklion,  oder  an  einer  iinisr  der  Heil- 
kraft d«a  Kupfen  stehenden  Afieklion  desGesammtorganismus  leide. 
Sowol  die  eine  als  die  andere  kann,  eben  so  gnt  als  die  Eisenaffek- 
tioQ,  eio  Unvermdgen  sich  im  Beite  aufiurichien  bewirken,  wes- 
halb man  auf  die  leiste  nicht  hlindlings  aus  einem  aolchen  Zustand 
schliefsen  darf.  Uebrigens  findet  man  an  Eisenltrankheit  Leidende 
genug,  die  in  akuten  Krankheilen  nicht  matter  sind  als  andere, 
welche  an  anderen  Krankheiten  leiden ;  in  chronischen  Krankheiten 
bemerkt  man  das  N&mliehe.  Wenn  also  aus  einer  hervorstechenden 
Mattheit  auf  Eisenaffektion  mit  gehöriger  ümsicbt  zu  schUefsen  ist, 
so  kann  man  doch  ans  der  Abwesenheit  dieses  Zeichens  gar  übel  das 
Michlvorbandenaein  der  EisenafTektion  folgern. 

Femer  ist  es  anch  wichtig,  den  Gaumen  nnd  die  ganze  Mond- 
bähle  des  Kranken  zu  untersuchen.  Hat  der  Ciannien  und  das  Gau- 
mensegel eine  bleiche,  fast  scbmuUig  weifse  Farbe,  so  ist  mehr 
Wahrscheinlichkeit  vorhanden,  dafs  der  Kranke  an  einer  Eisen-, 
als  ao  einer  Salpeierafiiektion  leide.  Sicher  ist  das  Zeichen  aber 
auch  nicht,  denn  theils  findet  man  es  zuweilen  bei  Kupferaffektion, 
tbeils  nach  Bbersiarken  Bluiflüssen ,  und  im  letzten  Falle  bezeichnet 
es  blofa  einen  Blutmangel,  nicht  Eisenaffektion;  voransgesetsl,  dab 
diese  nicht  schon  vor  dem  Rluiflasse  da  war  und  selbst  den  BluiJlufs 
bewirkte,  welches  ani^  zuweilen  sich  so  verbot.  Eisenaffektion 
waltet  ferner  nicht  selten  in  den  Mandeln  und  dem  Gaumen  unter 
der  Form  der  Entzündung  vor ;  and  in  diesen  Fällen  kann  hegteif- 
Hch  der  Gaumen  auch  keine  blasse  Farbe  haben. 

Endlich  sind  schwarze,  oder  dunkel  violette  Flecken  anf  der 
Haat,  zumahl  wenn  sie  scbarfumschri ebene  Grenzen  haben  und  hün- 
fig.  erscheinen ,  so  anch  die  schwarze  Färbung  eines  ganzen  Gliedes, 
welcher  letzte  Zufall  aber  selten  vorkommt ,  ziemlich  sichere  Zei- 
chen der  Eisenaffektion,  und  zwar  eines  höheren  Grades  derselben. 
Blofs  blaue  Flecken  auf  dem  einen  oder  dem  anderen  Gliede  bewei- 
sen aber  nichts;  ich  haha  diese  zuweilen,  jedoch  selten,  entstehen 
und  vergehen  sehen,  ohne  dafs  das  Befinden  dabei  getrübt  wurde 
und  oho«  dafs  Arzenei  dabei  nSthig  war.  ") 

la^e,  mar*  man  «Übt  bloft  bei  sraea  HeMEhen  »ckteo,  fODdern  aacb  bei 
wablbabendeB  LaBdlealcD ;  deoD  wbü  die»  tüglicb  mil  DUasgr  ongebeD ,  ift 
ihre  Nsu  m  lolebe  Geriiche  gewGbot ,  mitbin  knnn  ibnen  nncb  ein  iliokesder 
Harnlopr  oicbt  wideriicb  «ein. 
*)  Id  leilensn  Füllen  gaben  die  na  EiMnaETektion  Leitiendan  gani  angerrngl  an, 
•ie  haben  in  ihrem  Hnnde  aabaltand  ainea  aüfaen  Getehaaek.  LÜTat  man 
dieae  gertilhatea  Laekaiwpapier  ao  Uage  in  Hnnde  halten,  hia  ••  ordentlich 
darcfa   den  Sf eichet  bercuohlet    iit,    «o   wird  ea  lo  blaa,    ala  ea  vor  dtr  Bt>- 


-    876    — 

So  anvollkonimea  nun  aueh  die  aogsgebensn  Zsichen  <l«r  Ei- 
uoaffektion  tiad,  lo  ist  ei  doch  njJihig,  darauf  m  merken.  Ver- 
kennt man  nfimlich  bei  aknten  Fiebern  diesen  Znitand  in  seinem 
ersten  Entstehen,  so  kann  er  in  weoig Tagen  zu  einer  solchen  Höh» 
steigen,  dafs  das  Leben  de«  Kranken  Gefahr  läufL  Manche  der 
Fieber,  die  nan  früher  Faulfieber  oannte,  sind  weiter  nichts  als 
Ureisenaffeklionen  des  Gesainmtorganismus.  Mir  war  es  in  meiner 
Jugend  schon  auffallend  und  etwas  anitöfsig,  data  ich  in  den  Bü- 
chern, die  von  der  speziellen  Therapie  handeln,  keine  Zeichen  an- 
gegeben fand ,  ans  denen  ich  einen  solchen  Znsland  in  der  ersten 
CnlBiehung  erkennen  konnte,  soodero  nur  immer  solche,  welche 
die  Begleiter  und  Offenbarer  eines  spSieren  Zeilraumes  der  Krank-' 
heit  wai-cn.  Die  Zufälle,  mit  denen  solche  Fieber  Bufireten,  sind 
gewöhnlich  die  allgemeineo  aller  Fieber,  ja  sie  k&nnen  selbst  durch 
ein  eigenes  Gefühl  im  Epigaairto,  durch  Uebelkett  und  durch  Uitier- 
keit  des  Mundes  den  Anschein  gastrischer,  oder  durch  pleorilische, 
anginöse  Zufälle,  durch  entzündete  Augen  mit  geschwollenen,  ei- 
leriihDlicheB  Schleim  absondernden  Liederrändern  den  Anschein  sal- 
pelrischer  Affektionen  haben.  Wernun  mit  Brecb- und  Laxirmit- 
teln  läppisch  hineinföhn,  der  kann  den  Kranken  gar  bald  in  Basin- 
nungslosigkeit  und  grofse  Schwachheit  verfallen  «eben.  Durchfall 
oder  Bluifiiisse  sind  die  gewöhnlichen  Folgen  einer  solchen  ungehö- 
rigen gastrischen  Behandlung.  Das  Blutemiiehen,  won  auch  man- 
che ZufSlle  verleiten  k&onten,  ist  nicht  weniger  niifslich.  Das  Ver- 
schwinden schmerzhafter  Leiden ,  welches  durch  Aderlassen  erzielt 
ist,  wird  nur  su  oft  durch  die  darauf  folgende  grofse  Schwflche  des 
Kranken ,  oder  wol  gar  durch  dessen  nnvermotheten  Tod ,  als  ein 
bSser,  nicht  zu  verbessernder  Mifsgriff  des  Antes,  wo  nicht  von 
diesem  selbst,  doch  von  den,  zuweilen  unbefangenem  Freunden 
des  Kranken  erkaani. 

Wie  nttlfaig  wäre  es  also,  dafs  wir  Bichere  Zeichen  der  ersten 
Entsiehung   der   Eisenaffekiion   hätten!     Nur   sie   könnten  uns  be- 

Ihaig  (ewaiea.  Ick  babe  aVer  eise  lo  danllicfa  ■■■füi^racbnne  LtagenMliig- 
keil  du  SpeiebaU  aar  in  islcban  Fillea  baobaahlat,  w*  die  aurke  Laafas- 
«aUigkcii  dsi  Haraea  obaediet  dig  Nainr  der  Kraokbeit  geaöpnd  uOaBbarte. 

Jeder  gtsaade  Speichel  Jit  »chwacb  lauar ,  der  Uaugiil  dieaer  ääar«  b«- 
wirkl  ilan  agUau  Geicbmaek.  Lelztea  kano  vaa  dnrcb  TulgaadeD  Veraach  b«- 
weiaeo.  Haa  veracblacke  eiaa  NaUvnanflGjaaf  and  trinke  in  desi  Augeablicke, 
wa  man  lie  Tcracblackl  hat,  ao  viel  friaehea  Waiaer  nach,  bia  das  >'atroB 
von  der  Zunge  nnd  aaa  dar  (Baaea  Maadhühle  rein  wegseipGIt  lal.  Haa 
wird  dana  Im  Hunds  einea  ao  auften  Geiehmaek  bekomnen ,  ala  fiabe  niaa 
Zscker  gegeaiao.  Begreiflicb  iai  aber,  dafa,  weil  die  S|ieicbelali(oDderuDf 
UMarhKrlicb  ibrea  FoVls*nK  hat ,  drr  aSfae  Geicbaiack  nicht  laa;!  Meiben 
kaan  ,  nad  abaa  ao  be^ilicb  iaI  vt ,  daft  der  abHie  Gaacbnack  aaiafiglich 
ei-acbeiaea  ksaa ,  weas  das  Natma  aicht  rein  wtsgMfi.lt' w'iri ,  ieaa  dieaea 
bal  ja  kniaea  (UiMa  GMahwwk,   Hodero  etaen  tehr  «alutisBa- 


—  «rr  — 

nhigro,  in  jedem  Falle  die  achnell  reriaufeDden  Fieber  aui  dem 
ersten  Zeiträume  gleich  in  den  der  Genesung  sn  führen.  Wir  ha- 
ben aber  solche  Zeicbeo  ninht.  —  Was  ist  dabei  an  thtinl  Kön- 
nen wir  die  ewigen  Geselse  der  Natur  verftnderni  Sollen  wir,  die 
wir  all  sind.  Tön  deren  FTfahning  jüngere  Anitsbrüder  Belehrung 
erwarten,  6ber  die  Unsicherheit  unserer  Exkennlnifs  ein  vieldeuti- 
ges Schweigen  beobachten  nnd  so  zu  Verrftthern  an  unseren  jun- 
gen Kollegen  werden?  Nein!  nein!  da  sei  Gott  vor.  Wer  als 
praktischer  Schriflsieller  die- Lücken  und  Unvoll  kommen  heilen  sei- 
ner KnoMt  mit  deiiiliefaeiu  Bewufsiseini  aus  Eig  nliebe  nnd  Prahl- 
hanserei  absichtlich  verhehlet,  der  ist,  meines  Eracblens, .  ein  gro- 
fiter  Schelm:  wer  aber  selbst  einen  solchen  bOcherl ich  vernagelten 
Kopf  hat,  dnfs  er  sich  einbildet ,  die  aknten  Fieber  müfsien  noib- 
wendig  gewisse  ZeiirKome  der  Verachlimmernng  durchlaufen,  dem 
k»nn  der  strengste  Sillenrichter  weder  die  Gefahr,  in  die  er  durch 
seine  Anschlage  die  Kranken  stürzt,  noch  den  Tod"  derselben  zu- 
rechnen- Wir  schlicht  verständige  Praktiker,  die  wir  an  solche 
Mührchcn  nicht  glauben,  schreiben  die  Verschiimniernng,  die  xii- 
weilen  die  Fieberkranken  bei  unserer  Behandlung  untergehen,  der 
Un Vollkommenheit  der  Knust  zu,  und  zwar  einer  Unvollkommen- 
heit,  die  nicht  in  der  Unweisheit  oder  \achlAssigkeit  der  utit  nnd 
tor  uns  lebenden  schriftstellenden  Aerzie,  sondern  in  der  Natur 
selbst  begründe^  ist. 

Indem  wir  um  diese  Unvollkomraenbeit  der  Kunst  nnd  die 
UnmSgliehkeit,  aelhige  zu  berichtigen  und  zu  ergSnsen,  denilieh 
denken,  mahnet  uns  dieses  denilieh  Gedachte  zur  Vorsicht  bei  der 
Behandlung  akuter  Krankheilen.  Es  wurde  wahrlich  thBricht  sein, 
wenn  wir,  weil  wir  keine  ganz  sichere  Zeichen  der  Eisenkraok- 
heit  haben,  die  minder  sicheren  geringschHleen,  nnd  warten  woll- 
ten, bis  Blutflfisie,  tödiliche  Scbwfiche,  Besinnungslosigkeit,  oder 
gar  schwarze  Flecken  und  Brand  uns  von  einem  solchen  Znalande 
vergewijd Berten.  Sind  wir  auch  noch  Meister  der  Krankheit  wenn 
es  so  weit  gekommen  ist  I  Ich  bin  es  nicht  mehr.  Freilich  habe 
ich  Menschen  aus  diesem  Zustande  wieder  zur  Gesundheit  gebraiHit 
und  mir  als  junger  Mann  darauf  etwas  eingebildet.  Aber  schun 
dainahia  sah  ich  einen  Fall,  in  welchem  die  noterscheidenden  Zei- 
cbeo der  znr  Zeit  herrschenden  Fieber  (schwarze  Flecken^  Blnt- 
ffiisse  nnd  Durchfall)  erst  erschienen,  da  die  Frau  in  den  leisten 
Zügen  lag.  Mein  Hellmuth  wurde  dadurch  ziemlich  abgekühlt  iin^k 
ich  ^ihlie  lebhaft  das  Bedürfnifs  solcher  Zeichen,  durch  welche  ich 
frühzeitig  die  verrSlheriscbe  Krank  hei  laartung  erkennen  könnte, 
Es  ist  mir  aber  bis  jetzt  bei  aller  Muhe  nicht  so  gnt  geworden* 
auf  dem  Wege  der  Beobaehiiing  etwas  Sicheres  zu  entdecken.  Dm 
wenige,  was  mir  mein  Zeitalter  in  dieser  Hinsicht  angeboten,  bat 
sieb  mir  oichi  bewShret ;  es  liegt  aber  oicb'  im  Plane  dieses  Wer- 


—    878    — 

keü,  die  besonderan  MeiBingeo  und  Erfahrungen  meiner  Zeiig»- 
noMen  zn  beunheilen.  In  den  FSlIen,  wo  wir  hinsicbllich  d«r  Zei- 
ehen  von  iller  Wahrscheinlichkeit  rerlasaen  liad,  ist  es  am  klüg- 
sten, sieh  mller  slark  eingreifenden  Mittel  tuenihalien,  das  heifal, 
solcher,  die,  im  Falle  wir  es  mit  einer  Eisenkrankheit  zu  ihun  haben 
möchten,  selbige  verschlimmeren  würden.  Der  Verlast  von  ein  paar 
Tagen  wird  keinen  solchen  Nachtheil  bewirken  als  Brech-,  oder 
AbfShmngsmitiel,  Aderlässen  oder  Mohnsafi.  Freilieh,  durch  die- 
se Mittel  kann  man  recht  schocll  zar  Erkenntnifs  der  Krankheits- 
artung gelangen ,  allein ,  diese  Schnelle  kann  aoch  dem  Kranken 
dal  Leben  kosten. 

Man  spricht  in  der  Medizin  viel  Tun  der  epidemiacben  Con- 
stitution. Allerdings  ist  die  genaue  Erforschung  derselben,  auf 
dem  Wege  der  Beobachtang,  sehr  nflthig.  Haben  wir  einmabl  er^ 
falst,  daia  die  Torkominenden  Krankheiten  durcb  di«  Bank  Eiaen- 
krankheilen  sind,  sO  ist  et  eben  kein  grolses  KinuItlOck ,  in  dem 
Einzelfalle  das  Wahre  zu  treffen.  Ehe  aber  eine  solche  Consti- 
tution durchgedroDgeo  Ist,  wenn  sie  erst  beginnt,  oder  wenn  sie 
noch  schwankt,  dann  mnfi  tnan  genau  aufpassen,  will  man  nicht 
MibgriSe  ma^en.  Was  schon  filtere  Zeicbendenter  sagten ,  man 
nSase  ans  der  Vergleichung  mebrer  Zeichen  die  Krankheit  beur- 
iheilen,  ist  das  Klügste,  was  anch  ich  raihen  kann. 

EisenafTekiiun  des  Geaanim (Organismus  gesellet  lieh  leicht  zu 
herrschenden  Urorganleiden.  Geaeisl,  eine  Krankheit  der  Leber, 
oder  des  Gehirns  sei  als  reines  Uforganleiden  eine  Zeitlang  herr- 
schend gewesen,  ao  kann  die  Zeit  eintreten,  dafs  Eisen afliaklion 
sich  mit  diesem  Organleiden  Terbindet.  Diese  Termischle  Krank- 
heit heilen  wir  nur,  wenn  wir  daa  Uni veraal mittel,  das  Eiaen,  mit 
dem  Organheil  mittel  verbinden.  Anf  die  Vermischung  wird  man 
zuweilen  nur  einzig  durch  das  Nichiheilwirken  des  Orgaomittels, 
welches  vielleicht  seit  mehren  Monaten,  und  wol  Ifinger,  ersprieb- 
lich  gewesen,  aufmerksamge  macht.  Sobald  man  aiefaet,  dafs  es  die 
gewohnte  Hülfe  versagt,  ist  es  Zeit,  genau  aufzumerken,  ob  man 
Zeichen  gewahret,  die  anf  eine  Eiienaffektion  bindeuteo.  Sind 
diese  ganz  zweifelhaft,  so  kann  man  das- Organmittel  noch  etliche 
Tage  allein  fortgebranchen  lassen,  nnd  wenn  man  nnr  die  gering- 
ste Vermnthnog  hat,  dafs  das  heirscbende  Organleiden  in  seiner 
ArWng  verindert  sein  könne,  (z.  B.  dafs  eine  bis  dahin  berrachen- 
pde  Brechnufalebei^crankheit  in  ein«  ScheUkranlleberkrankbeit  nn- 
gefindert  sei)  so  ist  es  klug,  ein  anderes  Eigenmitlel  auf  das  ei^ 
krankte  Organ  zu  versuchen.  In  der  Zeit  bessert  die  Krankheit 
entweder,  oder  die  Zeichen  der  Eisenaff'ektion  werden  deutlicher, 
oder  das  Nicbtheilwirken  der  erprobten  Organmiltel  rechtfertiget 
allein  den  Verauch  des  Ei  senge  brau  cfaes.  Wie  oft  habe  ich  bei 
Abwesenheit  aller  Zeichen,  blofs  durch  die  Nichtwirkung  der  Or- 


—    «7»    — 

ganheil  Hill  te)  gemahnt,  dhs  Eisen  mit  dem  betten  Erfolge  gege- 
ben. —  Gar  tu  grofie  Vorsicht  des  Arslei  kann  dem  Kranken 
üben  so  schttdiich  werden  als  gar  in  grofiie  Knhnheit;  das  wird 
den  Leser  folgender  Fall  lehren,  den  ich  zur  Zeit  einer  sich  rer- 
Andernden  epidemischen  Constitnlion  erlebte.  Es  bauen  bis  dahin 
Gehirnleiden  geherrscht,  die  durch  den  flüchtigen  Stoff  des  Taba- 
kes geheilt  wurden.  Eisenaffektion  war  nicht  damit  verbunden; 
der  Fall,  den  ich  erzfthlen  will,  war  der  erste,  in  dein  sich  diese 
Ver&nderang  und  Verniischuag  ofTenbane.  Ein  FrSulein  wurde 
von  der  herrschenden -Gehirn  krank  heil  ergriffen;  ich  gab  das  Or- 
ganheilmiliel ,  dieses  leistete  nicht  die  gewohnte  Wirkung.  Zei- 
chen der  Eisenaffektion  waren  durchaas  nicht  zu  erlfennen,  ich 
lavirte  also,  and  liefs  das  Organmiitel  fortgehratichen.  Nnn  ent- 
stand Nasenbluten ,  von  dem  ich  auch  anfänglich  nicht  wissen 
konnte,  ob  es  dem  jungen,  vollsaftigen  MHdchen  schädlich,  oder 
aiitslich  sein  würde.  Die  xunehmende  Heftigkeit  desselben,  die 
Umiidglichkeit,  es  durch  gewöhnliche  Miiiel,  als  durch  kalte  Um- 
schläge, oder  durch  Einspritzung  von  Fischleim  zu  stillen,  und  die 
N'oth wendigkeit,  es  durch  Verstopfen  nnd  Verbinden  der  Nase  zu 
hemmen,  lehrte  mich  nun  wol,  mit  welchem  Feinde  ich  zn  kätn- 
pfen  hatte.  Aber  dieser  Zufall,  der  mich  belehrte,  führte  aneh  das 
Fräulein  am  selben  Tage  in  die  Ewigkeit.  Die  ganze  Krankheil 
hatte  nur  sechs  Tage  gewftfart. 

Da  ich  nnn  gesehen,  dafs  die  Vorsicht  auch  nicht  immer  zum 
Zweck  führt,  habe  ich  mir  die  Frage  vorgelegt,  was  man  im  Grun- 
ds mit  einer  Unze  essigsaurer  Eisentinkinr  für  Schaden  anrichten 
kSnue?  Das  Eisen  ist  ja  kein  feindliches  Mittel,  nicht  Ralzeit- 
kraut,  nicht  Quecksilber,  nicht  Brech-,  oder  Laxirmittel,  nicht 
Aderiaisen;  also  kann  der  unndthige  Gebranch  desselben  bei 
weitem  den  Nachlbeil  nicht  haben,  den  das  Unterlassen,  oder  das 
ängstliche  Au  fach  isben  des  nQtbigen  haben  mols.  Wir  handlen 
mithin  am  klügsten,  wenn  wir  in  Fällen,  wo  wir  von  allen  Zei- 
chen verlassen  sind ,  es  nach  Art  der  Scbeidekönstler  alt  Erkm- 
Dungsmiltel  gebrauchen. 

Eine  epideniscbe  Conaliluiion  rein  talpslräichsr  Kmnkheitsn 
■ah  ich  bis  jetzt  noch  nicht  in  eine  Constitnlion  reiner  Eiaenkrank- 
heitea  sich  umwandeln,  also  kann  ich  auch  ans  eigener  Erfohntng 
nlcbta  darüber  sagen.  Es  wird  aber  das,  was  ich  jetxt  gesagt, 
auch  wol  auf  eine  solche  Umwandlung  passen. 

Nachdem  ich  nun  das  Allgemeine  voransgeaohickt ,  will  ich 
ZD  den  einzelnen  Kraokheitsformen  übergehen.  Alle,  die  mir  vor- 
gdcomaien  zind,  kann  ich  aber,  will  ich  nicht  blofa  Ober  das  Ei- 
Ma  ein  ganzes  Buch  schreiben,  unmüglich  berühren. 

Sänferwabosinn.  Ich  habe  nur  ein  einziges  Mahl  ge- 
sshen,    dafi  diese  Affeklion  des  GesamnlorganisMus,    iio  Gebira 


von\'al(«ad ,  onler  der  Heilgcwalt  dei  Eiseni  siand.  D«r  Fall  ist 
wirklich  b«merkeDtwertfa,  dämm  ersähle  ich  ihn  den  LeMra. 

Sie  werden  sich  noch  wol  am  dem  Vorig'en  erinnern,  dafs  ich 
einst  einem  Säufer,  bei  dem  die  Affekiton  des  GeBammlorganta- 
mufl  in  den  Dttrmen  vom-altele,  einen  Salpetcrtrank  gegeben,  dis-, 
ser  ihm  so  wohl  gethan,  dals  er  ihm  den  Namen  seiner  Saufme- 
disin  beigelegt,  und  dafi  er  sich  in  der  Folge  desselben,  so  oft 
es  nÖthig  gewesen,  ohne  weitere  AnfrRge  bedient  habe. 

Die  Schwester  dieses  Gesellen,  eine  achtbare  Bürgerfraa,  io 
deren  Hanse  er  als  Rentner  lebte,  liefs  mich  einst  bitten,  »u  ihrem 
nnglücklicben  Bruder  sn  kommen;  er  befinde  sich  in  einem  so 
traurigem  Zustande,  dafs  er  es  wol  nicht  lange  mehr  machen  wer- 
de. Ich  fand  ihn  in  folgenden  UmsiKnden.  Sein  PnU  war  fieber- 
haft schnell  und  voll,  seine  Glieder  zitterten  bei  jeder  Bewegung. 
Obs  Weifsa  des  Auges  war  geröihet,  die  Rinder  der  Lieder  ro.b, 
gesuhwellea,  und  die  Drüsen  derselben  sonderten  so  reichlich  ei- 
nen garaligea  Schleim  ah ,  dafs  es  aussah ,  ■  als  seien  sie  am  Ei- 
lern. Die  Zunge  war  etwas  scfamulEig  und  Iroekea ,  der  ZnsUnd 
seines  Kopfes  wie  der  eines  Tollkemmen  Wahnsinnigen.  Er  er- 
kannte mich  awar  gleich,  sagte  aber,  er  sei  nicht  krank,  bedürfe 
keiner  Arsenei  und  werde  auch  keine  nehmen.  Uebrigena  war  sein 
Irrsion  nicht  boshafter,  sondern  vielmehr  lustiger  An;  die  Hans- 
lenie  hallen  auch  so  viel  möglich  seinen  Willen  gethan,  damit  sie 
ihn  nicht  enfiraen  inScbten.  Eine  Neigung  dem  BeHe  lu  enlsprin- 
gen  konnte  man  nicht  an  ihm  gewahren;  ich  denke  aber,  die  sehr 
UDStäle  Bewegung  seiner  Glieder  wurde  ihm-  anch  wol  daa  Ent- 
springen nnniSglich  gemacht  haben.  Uebrigens  war  sein  Hara 
feurig  roih,  beim  Erkalten  trübe  und  seigie  schwache  Säure.  Die 
Wärme  seines  Körpers  war  wo]  siHrker,  als  die  eines  Gesunden, 
aber  doch  nicht  so,  als  sie,  verhiltlich  zn  seinen  roihen  Augen, 
seinem  vollen,  schnellen  Pulse  nod  seinem  feurigen  Harne  hiile 
sein  können. 

Aus  dem  Berichte  seiner  Hausleate  h'örie  ich  fiber  die  Eni- 
siehung  dieses  Zuslandes  Folgendes.  Er  war  nach  einem  mehr- 
tägigen Saufanfall  in  den  gewöhnlichen  krankhaften,  mit  Bauch- 
schniersen  vergesellscfaafteien  Zustand  verfallen,  und  hatte  dann 
seine  sogenannte  Sanfmedizin  aus  der  Apotheke  boten  lassen.  Ein 
dreitägiger  Gebranch  dieses  Salpeterlraaks  war  aber  nutzlos  ge- 
wesen ,  deiMi  aufser  dajs  der  Erkrankte  nicht  mehr  ober  Baneh- 
sdimerzen  geklagt,  war  er  doeh  nach  den  drei  Tagen,  bei  dem 
fongeseizten  Gebrauche  seiner  Medizin,  sichtbar  elender  geworden 
und  seine  Augen  hallen  sich  geröthet.  Man  halle  aber  nicht  son- 
derlich darauf  geachtet,  sondern  ihn  ruhig  im  Bette  liegen  lassen. 
Nun  war  Irrereden  eingetreten,  anch  das  hatte  man  gut  sein  las- 
sen; da   man  ihn  aber  am  folgenden  Tage  in  dem  beschriebenen, 


rermeiadieh  hoffnnaploaeD  KuiUnde  geranifon,  hatte  man  es  für 
Pflitbi  gflbalteo,  tlritlicba  Hülfe  xa  sncfaeD. 

Der  Kfaake  war  katholiacher  Kriai ;  für  Bein«  Erhaltatig  moch- 
te ich  mich  gerade  nicht  verbürgen ;  »eine  Schwester  fragie  ange- 
legeDiUch,  ab  es  mir  möglich  sei,  ihn  so  weit  wieder  zu  Verstän- 
de zn  bringen,  dafs  er  beichten  könne.  leb  Terspracb  den  Ver- 
such SU  macliea,  seizle  aber  zngleich  die  Warnang  hinEU,  sobald 
das  Irrereden  aufhöre,  augenblicklich  den  Geistlichen  an  rufen, 
denn  ich  könne  oichl  venprecben,  dafs  die  Verständigkeit  von  lan- 
ger D^ner  sein  werde.  . 

Idi  lieb  jetzt  Umschläge  von  kaltem  Wasser  auf  den  Kopf 
legen,  (I^s  hatte  ich  nicbt,  sonst  würde  ich  dieses  vorgezogen  ha- 
ben )  und  empfahl ,  den  Kopf  unablässig  damit  zu  külten.  Noch 
war  dieses  keine  zwei  Stunden  geachehn,  da  wurde  der  Kranke 
so  verständig,  dafs  der  Priester  ihn  Beichte  hören  konnte.  Wie 
lang  oder  kurz  dieses  gewähret,  kann  ieb  nicht  sagen;  ich  weifi 
aber  wol,  dafs,  gleich  nachdem  der  Geistliche  weggegangen,  er  wie- 
der angefangen  hat  irre  zu  reden,  und  gar  bald  eben  so  toll  ge- 
worden wie  vorbin. 

Jetzt  überlegte  ich,  wie  ich  dem  närrischen  Menschen  Arze- 
nei  beibringen  könnte ,  denn  das  begriff  ich  wol ,  er  würde  gut- 
willig ans  einer  Arzeneiflascbe  nicht  löffeln.  Am  Belle  sab  ich 
Ewei  seiner  Katneraden  zur  Wacht  sitzen,  diese  Saufbrüder  ersah 
ich  mir  gleich  zn  Helfern;  sie  waren  auch,  wahrscheinlich  weil 
ihnen  meine  Anordnung  lustig  vorkam,  ganz  willig,  mir  beizn- 
stehn.  Ich  verschrieb  essigsaure  Eisentinktur ,  Üefs  diese  stünd- 
lich, mit  Wasser  verdünnt,  in  ein  Branntweinglas  giefaen,  nnd  sei- 
ne Spiefsgesellen  mufsten,  als  säfsen  sie  gcmeinscbafilich  in  einer 
Schenke,  ihm  das  Glas  zubringen.  Das  ging  nun  ganz  vortreff- 
lich. Wie  viel  er  jedesmah]  nahm,  konnte  man  wol  so  genaa  nicht 
wissen,  das  that  aber  auch  nichts  zur  Sache,  es  kam  blofs  darauf 
an ,  dafs  er  die  Taggabe  verzehrte.  Ich  bestimmte  diose  auf  an- 
derthalb Unzen,  bin  auch  überzengt,  dafs  kein  Tropfen  verschüt- 
let  ist.  Ja  seine  Kameraden  würden  ibm  wol  noch  reichlicher  xo- 
getninken  haben,  wäre  ich  nicht  so  vorsichtig  gewesen,  jeden  Tag 
nur  die  Taggabe  aus  der  Apotheke  holen  zu  lassen. 

Diese  Arzenei  wirkte  schon  nach  dem  ersten  Tage  sichtbar 
anf  die  Augen;  die  Conjunctlva  verlor  ihre  Höthe,  die  geschwol- 
lenen Angenliederf ander  fielen  bei,  nnd  die  wie  Eiter  aussehende 
Schleimabsonderung  aus  den  Liederdrnson  wurde  auffallend  minder. 
Der  dunkel  reihe  Harn  fing  an,  heller  zu  werden,  die  trockne 
Zunge  wurde  feucht.  Die  Aufregung  des  Gehirns  war  minder,  ohne 
dafs  der  Verstand  eigernJich  wiederkehrte. 

Nach  dem  zweiten  Tage  wurden  die  Augen  ganz  normal,  der 
Ilnrn  verlor  fast  ganz  seine  Rölhe ,   der  Verstand  fing  an  wiade|-r< 


Knkehr«n.  Ei  erfolgts  mitniriBr  mehnt3adig«r  Schlaf,  obne  Ah- 
berang  dea  Tminiu  beim  Erwachen.  Ueberhanpt  offenbuta  lieh 
jetsi  die  Gshirnsiftruag  nicht  mehr  all  eigenllicbea  Irrtreden,  aon- 
dem  ata  Vergafsiichkeit,  all  ein  mähsames  Sachen  der  WSrter. 

Nach  dem  driitea  Tage  w^  der  Vefatand  normal,  der  Pula 
nnr  noch  etvraa  gereist,  aber  nichi  mehr  voll.  Oaa  Marke  ZiUem 
der  Glieder  war  verschwunden ,  ohne  dafa  jedoch  die  Bewegung 
deraelben  so  stSlig  geweaen  wBre  als  bei  gesunden,  mSfiigen  Men- 
schen, sie  war  vielmehr  ao,  wie  man  sie  häufig  auch  im  nüchtern 
nen  Zustande  bei  Gewohnheiissäufern  su  sehen  pflegt.  Er  klagte 
jelxt  blofs  über  Schwäche  und  halte  keine  Erinnerung  des  über- 
stBodenen  Abenteuers. 

Ich  gab  ihm  noch  drei  Tage  eine  Unxe  essigsaure  Eisentink* 
tnr,  and  dann  bedurfte  er  meines  Beialandea  nicht  mehr,  er  war 
wieder  im  eigentlichen  Sinne  gesifiblet  für  künftige  Trinkatränlae. 

Meine  Leser  sehen  leicht  ein,  dafa  dieser  Fall,  hinaichüich 
der  Diagnose,  durchaus  keine  Schwierigkeit  bade.  Da  der  Kran- 
ke schon  bei  fünf  Tage  kubischen  Salpeter  aus  eigenem  Antriebe 
genommen  und  bei  demselben  verschlimmert  war,  ao  konole  die 
Krankheit  keine  salpeiHache,  aio  mufsle  entweder  ein  Urgehirn- 
leiden,  oder  eine  Kupfer-,  oder  ein«  Eiaenaffekiioa  dea  Geaamml- 
organiamiiB  sein.  Ffir  die  eraten  zwei  Krankbeitasuatände  sprachen 
keine  Griinde  der  Wahrheit,  alao  blieb  nichta  über,  als  den  leis- 
ten anzunehmen.  Dieae  Annahme  halte  un  so  mabr  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  da  mich  die  Erfahrung  gelehrt  hatte,  data  in 
chronischen  und  altuteo  Krankheiten  roihe  Augen,  geacbwollene 
Lieder,  und  eiieräboliche  Absonderung  der  Meibom i sehen  Drüsen 
nicht  seilen  OiTenbarer  einer  Eisenaffeklion  sind.  Dafs  ich  durch 
kalte  Umschlüge  das  Irrereden  nur  auf  kurze  Zeit  beschwichtigen 
konnte,  auch  nicht  mehr  von  denselben  erwartete,  hat  seinen 
gnien  Grund,  den  ich  jetzt,  ohne  auf  einen  die  Leser  atSrenden 
Abweg  iB  geratben,  nicht  aaslegen  kann,  an  einem  schicklicheren 
Ort«  aber  mehr  davon  sagen  werde.  Denen,  die  glauben  möch- 
ten, ich  wurde  dem  Kranken  durch  fongeaetilen  Gebranch  der  kal- 
ten Umachläge  weit  schneller  seinen  kranken  Kopf  gesund  gemacht 
haben  als  durch  Eisen ,  dienet  Folgendes  vorlitufig  zur  Xachricht. 

Da  der  Kranke  nach  abgelegter  Beichte  wieder  irre  geworden 
war,  hallen  seine  Freunde  schon,  ohne  mein  Aoraiben,  die  lalteB 
Umschlüge  von  neuem  ihm  auf  dea  Kopf  gelegt,  glaubend,  was 
eioniahl  geholfen,  müsse  mich  weiter  helfen.  Ich  erklärte  ihnen, 
sie  ihSien  mir  durch  dieaen  Versueh  einen  ^«faen  Gefallen,  dann 
wenn  es  gleich  nach  meiner  Erfahrung  nicht  wahrscheinlich  sei, 
dafs  das  kalte  Wasser  jetst  die  nämliche  wobltbätige  Wirkung  ha- 
ben werde  als  anfänglich,  ao  könne  ich  doch  auch  gerade  die  Un- 
mAglichkeit  nicht  behaupten.     Sie  möcbteo  «lao  «inmabl  emsig  ver- 


meb«n,  das  MSgltche  sn  vsrwirklichen.  Sie  bab«D  auch  ntm 
den  Kopf  des  Kranlceo  lo  lange  nnabliacig  gekället,  bU  ite  noh 
diirch  mehraliindig«  fruchtlose  Bemühung  von  der  Richtigkeit  mei- 
ner Ansicht  telbat  übeneugten. 

Dieaei  ist  der  einaige  Fall  der  Art,  den  ich  beobachiet  habe. 
Er  ist  aber  hinreichend,  die  Wahrheit  eo  erhärten ,  dafs  die  durch 
Milsbranch  geistiger  Getränke  reniraat^t«  Affektion  iea  Geaammt- 
Organismus  nicht  immer  gleich  geartet  sei ,  niihio  auch  nicht  immer 
durch  einerlei  Mittel  könne  beseitiget  werden. 

Dem,  der  da  glaobeu  möchte,  ich  würde  durch  Mohnsaft 
schneller  aum  Zweck  gekommen  sein,  raihe  ich,  dieses  in  einem 
Sholichen  Fall«  selbst  m  versuchen.  Ich  versuche  es  nicht,  denn 
ich  weifs  recht  gut,  dafa  der  Mohnsafi  bei  Eisenaffektion  des  Ge- 
sammiorganiamus  weit  eher  schSdlicb  als  nötztich  ist  Wenn  es 
■ns  gelingt,  dnrch  selbigen  das  sinnlich  erkennbare  Vorwallen 
dieser  Affekiion  au  mBfsigen,  oder  gans  anfznheben  (welcher  Er- 
folg aber  in  vielen  FXUen  wo)  sehr  sweifelhaft  sein  möchte),  so 
heben  wir  dadurch  doch  nicht  die  Affektion  des  Gesammtorganis- 
mus  selbst,  ond  die  ist  ja  hinreichend,  einen  Menschen  za  tödten. 

A  ngeneDtzündDUg,  Ea  mag  vielleicht  manchem  Leser 
anfiallend  genesen  sein,  dafs  ich  in  der  vorigen  Geschicbie  RSthe 
der  Augen  und  Geschwulst  der  Lieder  als  ein  vermuihliches  Zei- 
chen der  Eisenatfeklion  angegeben  habe.  Diesen  bemerke  ich, 
dafs  Entzündung  derAogen,  sonderlich  die,  welche  mit  geschwol- 
lenen Liedern  gepaaret  ist,  gar  nicht  selten  Zufall  einer  Eisenaffek- 
lioo  des  Gesamratorganismus  ist.  Achtel  man  hierauf  bei  Uebung  der 
Kunst  nicht,  will  man  zolebe  Entzöndungen  mit  ableitenden  Laxan- 
len ,  mit  Quecksilber  und  mit  allerlei  guten  Salben  und  Wassern 
behandlen,  so  kommt  man  nicht  zum  Zweck,  ja  stiftet  zuweilen 
mehr  Schaden  als  \uizen. 

Wenn  Eisenaffektion  herrschend  ist»  kommen  solche  Angeo- 
entzündungeo  oft  vor.  Da  hier  einst  vermischte  Gehirnkrankhei- 
ten, aus  einer  Eisenaffektion  des  Gesammtorganismns  und  einem 
Urgehirnleiden  zusammengeaetat,  landgKDgtg  waren,  welche  ich  im 
vorigen  Kapitel  beschrieben,  heilte  ich  sehr  scfamerzhafie  Angen- 
ebtzündangen  durch  einen  Trank  aus  essigsaorem  Eisen  und  Siecb- 
apfeliinktur  überraschend  schnell.  Auch  aufser  solcher  Zeit  habe 
ich  oft  genug  chronische,  sehr  bös  aussehende  Entzündung  derLie- 
darrander  blofs  dnrch  den  innerlichen  Gebrancb  des  Liq.ferrimu- 
riat  oxyd.  geheilt.  Ist  aber  eine  solche  Liederentsündung  ein  Erb- 
st&ck  und  obendrein  schon  eingewunelt,  so  mag  sie  ein  anderer 
heilen,  ich  kann  es  nicht. 

Angina,  ..Diese  .Krankheilsform  lehrt  uns  sichtbar,  dafs  daa 
Eisen  die  Entsündung  eben  so  gut  hebt  als  Salpeter,  dafs  also 
Entzündung  blolz  Symptom  eines  Krankheitsznatandes  des  Gesammt- 


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orgRüismaH  iir,  der  gnti*  verschieden  kann  geartet  lein.  Blnteet- 
zi^ung  lau^t  bei  einer  durch  Eisen  heilburen  Angina  nicht;  wer 
sie  und  andre  sogennnnie  entziindiingtwidrige  Milt«!  fmchiloi  an- 
gewendet, den  Kranken  schliiiinier  werden,  ja  wol  gar  Merben  rie- 
bet, und  >ich  damit  tröstet,  er  habe  sein  Bestes  geihan,  die  Bös- 
artigkeit der  Anginn  sei  ein/ig  Ursache  des  Todes,  dem  beneide 
ich  wahrlich  seinen  starken  Glauben;  bekenne  aber  gern,  dafs  ich 
mir  denselben  nie  habe  aneignen  können. 

Ute  chronische  Eniziindiing  der  Mandeln,  des  Gaoroens  nnd 
Schlundes  ist  ein  sehr  lustiges  Uehel.  Httufig  ist  es  aber  Symptom 
einer  Eisenkrankheit,  nnd  man  heilt  es  am  besten  darch  den  Liq, 
ferri  muriat.  oxydati.  Man  miifs  aber  vorher  alles  wohl  nnter- 
suchen,  ehe  man  mit  dem  Eisen  hineinfahrt.  Ich  habe  mebmiahls 
gesehn,  dafs  Banchrollblfitigkeit  dieses  chronische  üebel  bewirkte, 
es  durch  Blolenileerungea  aus  dem  After  und  durch  den  Gebrauch 
des  Schwefels  nnd  Glaubersalzes  gehoben.  Ein  einmahliges  An- 
wenden der  Egel  hilft  aber  seilen,  man   mufs  öfter  dasu  greifen. 

Man  kann  auch  Ffille  iretten,  dafs  bei  einer  Eisenafteklion 
der  liiq.  ferri  mmriat.  oxyd. ,  wegen  krankhafter  Beizturkeit  der 
DSrme,  keine  Anwendbarkeit  findet.  Hier  mufs  man  an  milderen 
Eiaenmiileln  greifen,  die  freilich  etwas  langsamer  wirken. 

Es  fragte  mich  einsj  ein  Mann  nm  Rath ,  der  gegen  sein  Hals- 
übel  schon  die  Kunst  zweier  guten  Aerzie  in  Anspruch  genommen. 
Der  erste  haue  ihm  zwar  viel  Arzenei  vorschrieben,  aber  Uin  doch 
im  Allgemeinen  ganz  unfeindlich  behandelt.  Der  zweite  hatte  ver- 
sucht, durch  den  anhaltenden  Gebranch  der  Laxirmiltel  das  Dabei 
za  beben;  es  war  aber  «her  schlimmer  als  besser  geworden.  Die 
DArmedieses  Mannes  waren  nun  durch  den  anhaltenden  Gebranch  der 
Laxirmiltel  so  krankhaft  reizbar  gemacht,  dafs  ieb  gor  nicht  daran 
denken  durfte,  ihm  den  tjiq.  ferri  mttriat.  oxyd.  zu  geben,  er  ver- 
trug nicht  einmahl  das  essigsaare  Eisen.  Das  kohlensaure,  und 
dieses  nur  zn  15  Gran  tags,  war  für  diese  Därme  das  pafslii^Bte 
PrSparat.  Er  genas  dadurch,  aber  langsamer  als  er  durch  stärke- 
re Prfiparaia  würde  genesen  sein.  Jedoch,  da  er  schon  in  der  Ge- 
dald  durch  meine  Amtsbriider  trefflich  geübt  war,  so  machte  er 
auch  keine  sehr  hohe  Foderung  an  meine  Kunst,  er  verlangte  blofa 
geheilt  zn  werden  nnd  gelTÖBtete  sieb  gern  der  langsamen  Hei- 
lang. 

Nun  werde  ich,  meiaer  jüngeren  Amtsbriider  wegen,  noch  an 
eine  Kleinigkeit  eiinners.  Gesetzt,  wir  faStten  jemand  durch  Eisan 
von  der  chi-oniscben  Halsentzündang  befreit  und  derselbe  Mann 
kSme  mit  dem  nämlichen  üebel  nach  zwei  oder  drei  Jahren  ab«r- 
mshls  zu  uns,  so  müssen  wir  uns  sehr  hüten,  8elt{i^es,  ohne  vor. 
hergebende  Untersuchung,  giilgiftubig  für  Ei'senaffeklion  zu  hallen. 
Die  Kranken  sind  in  solchen  FttUen  selbst  überzeugt,  dafs  Sie  an 


d«iB  nKmlioheD  Uebel  leiden,  ja  sie  würden  h  wol  eidlidi  etliär- 
ten.  Der  Glaube  des  Kranken  kann  aber  nicht  die  Natur  der 
Krankheil  bealimmen;  darum  müssen  wir  selbst  gut  zasehen,  wenn 
wir  uns  nicht  täuschen  wollen.  —  Einst  kam  ein  Gelehrter  und 
kluger  Mann  zu  mir,  damit  ich  ihn  von  einer  chronischen  Ilals- 
entzüadung  befreien  möchte.  Er  halle  von  einem  versiandigen  und 
kenntnifsreichen  Arzte  viel  Arzenei  vergebens  gebraucht,  leb  hielt 
das  (Jebel  für  eine  Eisenaffeklion  des  Gesammiorganismus  und  be- 
freite ihn  durch  Liq.  ferri  'mur.  o^ryd.  in  vierzehn  Tagen  davon. 
Nacb  zwei  Jahren  kam  er  mit  dem  njinilicbeo  Uebel  abermahls  zu 
mir,  nnd  sagte,  da  er  das  Kezept  der  Tropfen ,  die  ihm  vor  zwei 
Jahren  so  gut  geholfen,  aufbewahrt  gehabt,  so  habe  er  bei  dem 
abermahligen  Erscheinen  der  Entzündung  gleich  wieder  seine  Zu- 
flucht zu  jenen  Tropfen  genommen.  Ganz  unerklärbar  sei  es,  dafs 
jetzt  ein  Tierzehntägiger  Gebranch  derselben  sein  Uebel  uiobi  blof^t 
nicht  gehoben,  sondern  es  nicht  einmahl  um  etwas  gemindert  ha- 
be. Mein  Augenmerk  war  nun  auf  seinen  Bauch  gerichtet;  aus 
der  Crfragiing  konnte  ich  nichts  anders  machen,  als  dals  aeiu 
Darrakanal  voll  Süure  stecke.  Da  ich  nun  längst  durch  eigene  Er- 
fahrung wufste,  dafs  SSure  im  Darmkanal  nicht  selten  einzige  Ur- 
sacherinn chronischer  Halsentzündung  ist,  so  verordnete  ich  eine 
sänrewidrigo  Difit;  diese  und  etliche  Unzen  Natron  waren  hinrei- 
chend, das  verrurene  Uebel  zu  beseitigen. 

Scharlachfieber.  Dieses  ist,  wie  ich  es  kennen  gelernt, 
eine  in  der  Haut  und  im  Schlünde  sichtbar  vorwaltende  Afl'ekiion 
des  GuBammtorganismus.  Im  Jahre  1831  zeigte  es  sich  in  meh- 
ren Hänsern  hiesiger  Stadt,  ohne  sich  gerade  zu  verbreiten.  Da 
ich  aber  die  Möglichkeit  einer  starken  Verbreitung  voraussetzte,  so 
gab  ich  mir  gleich  Mühe,  die  Art  desselben  zii  erforschen.  Dreien 
gab  iah  Salpeter,  sah  aber,  dafü  die  Krankheit,  ohne  sich  an  das 
Univenale  zu  kehren,  ihren  Verlauf  hielt.  Schon  dieses  würde 
mir  die  Uekerzeugung  gegeben  halien,  dafs  das  Fieber  nicht  sal- 
petrischer  Art  sei,  wenn  mir  auch  nicht  ein  vierter  f'nll ,  A«a  ich 
gleichzeitig  behandelte,  diese  Ceberzeugung ,  zwar  nicht  durch  ei- 
nen tÖdtlichen  Ausgang,  aber  duch  durch  sehr  frruidariigp,  beun- 
ruhigende ZufaUe  aufgedrungen  halte.  Den  fulgendi-u  Kranken 
gab  ich  nun  das  e«aigHaure  Eiuen ,  und  es  gehorte  wahrlich,  kein 
Verstand,  sondern  nur  ein  gesundes  Auge  dazu,  um  sich  zu  iibei- 
zengen,  dafs  das  Eisen  das  ricbiige  Ileilmitiel  war. 

Die  Wirkung  desselben  kann  ich  kurz  beschreiben,  nenn  ich 
sage:  sie  war  gerade  so,  tvie  die  des  kubischen  Salpeters  bei  dem 
Salpeterscharlach.  Wurde  ich  gleich  im  ersten  Zeiträume  früh- 
seitig  gerufen,  so  konnte  ich  die  Krankheit  in  eine  nnbedeutcnde 
umwandeln,  dem  Ausschlage  zwar  nicht  ganz  zuvorkommen,  aber 
ihn   doch  sehr   mild    und   den  schtm  vorhandenen  stitlsiändig  ma~ 


eben.  Die  HBlaeotsnndung  ^horchte  anch  jatxt  «beo  bo  ateher 
dem  Eiafia  ala  frähn  dem  Salpeter. 

Spliier  gerufen ,  konnte  ieh  die  Krankheit  begreiflich  nicht 
rückgängig,  aber  wol  stillBlfindig  machen.  Ich  würde  also,  wollte 
icb  viel  darfiber  ichreiben ,  nur  das  wiederholen  müssen ,  was  ich 
früher  von  der  Wirlmng  des  kabischen  Salpeters  bei  dem  Salpeier- 
scbarlach  gesagt  habe. 

Eins  aber  muls  ich,  hinsichiticb  der  Untersnchnng  der  Natar 
eine/  Holchen  Krankheit,  bemerken.  Wenn  man,  ron  allen  Zei- 
chen verlassen,  wie  es  mir  damahia  ging,  den  kubischen  Salpeter 
als  Erkennungsmitiel  gibt,  und  man  siehet  nach  der  Anwendung 
desselben  kein  Siillstefaen,  sondern  ein  Fortschreiten  der  Krank- 
heit, so  hat  man  es  bestimmt  mit  keiner  Salpeterkrankheit  lu  thim. 
Es  bleibt  .dann  kein  anderer  Aasweg,  als  das  Eisen  versuchsweise 
zu  gebrauchen.  Gewagt  ist  im  Grunde  nichts  dabei;  denn  wenn 
die  AffektioQ  des  Gesammiorganismus  nicht  unter  der  Fleilgewalt 
des  Salpeters  stehet,  mufs  sie  unter  der  des  Eisens,  oder  unter  der 
des  Kupfers  stehen.  Letzte  beide  Krankheiiszustftnde  sind  nun 
zwar  verschiedene,  aber  doch  nicht  enigegengesetzle.  Hätte  man 
es  also  mit  einer  Kupferkrankheit  zu  thun,  so  wGrde  man  durch 
Eisen  zwar  nicht  heilen,  aber  doch  auch  nicht  direkt  schaden,  mit- 
hin brauclit  man  sich  in  solchen  Fällen  auch  nicht  gar  zu  ängst- 
lich den  Kopf  zu  zerbrechen. 

Es  verstehet  sich  aber  von  selbst,  dafs  in  allen  den  Fällen, 
wo  nur  irgend  ein  Zeichen  das  Vorhandensein  der  einen  oder  der 
anderen  Krankheitsartung  wahrscheinlich  üiacht,  wir  als  Verstan- 
desmenschen uns  zuerst  nach  dieser  Wahrscheinlichkeit  richten. 
Täuscht  uns  diese,  so  bleibt  nns  nichts  anders  über,  als  durch 
Reagentia  medica  xur  Erkennlnifs  zu  gelangen. 

Glofiti».  Diese  Krankheilsform,  die  überbanpt  selten  vor- 
kommt, habe  icb  nur  ein  einziges  Mahl  als  Eisenkrankbeit  be- 
obachtet, und  zwar  zn  einer  Zeit,  wo  Eisenaffeklioo  des  Gesammi- 
organismus epidemisch  war,  bald  in  diesem  bald  in  Jenem  Organe 
vorwaltend,  verschiedenartige  Krankheiisformen  bildete.  Hinsicht- 
lich der  Form  war  diese  Eisen glossitis  der  Salpelerglossitia  ganz 
ähnlich,  sie  heilte  auch  wie  diese. 

Geschwollene  und  entzündete  Unterkinnladen-  nnd  Untemm- 
gendrüsen,  die  als  Symptom  eines  akuten  Fiebers  erscheinen ,  ha- 
be ich  mebrmabls  zu  einer  solchen  Zeit  durch  Eisen  trefflich  sar- 
iheilt.  Ich  denke,  etliche  sehr  lästige  und  ekelhafte  Fälle  dieser 
Krank  hei  ts  form,  die  ich  in  früherer  Zeit  beobachtete,  und  sie  dft- 
mabls,  weil  ich  den  Gebrauch  des  Eisens  noch  nicht  kannte,  durch 
die  Terra  Cateciu  heilte,  werden  auch  wol  eine  in  jenen  DrSten 


vonndtsade  EUsnaffektioa  iem  QeswiunlorgBDuiiuiB  gtwescD  sein ; 
un  wenigsten  spricht  der  im  vorigen  Kapitel  erzählte  Fall ,  der 
bei  loliphlogistiicber  Behandlung- t5dtlich  ablief,    für   diese  Mei- 

■UBg. 

Husten.  Der  daroh  Eisen  heilbare  hat  gewöhnlich  das  An- 
sehen' eines  gemeinen  Katarrhal hnsiens.  Er  weicht  aber  nicht  den 
Langenmittelu,  woninler  ich,  wie  die  Leser  schon  wissen,  das 
Antimonium  mitbegreife.  Durch  Aderlässen  und  antiphlogistische 
Mittel  wird  er  leicht  in  Lungensnchi  amgawandelt ,  und  das  um 
so  viel  leichter  je  KUer  er  schon  ist  und  je  mehr  Anlage  nir 
Schwindsucht  der  davon  ergriffene  Körper  hat. 

Pleuriti:  Diese  Krankheilsform  ist  hSufig  eine  in  den 
Lungen,  Rippenfelle  und  Zwischeorippenrauskelo  vorwaltende  Ei- 
senaffektion  des  Gesammiorgiinismus.  Sie  verträgt  das  Aderlässen 
und  die  antiphlogistische  Behandlung  sehr  übel.  Ein  Aderlafs 
kann  allerdings  den  Schmerz  wegschaffen ,  aber  der  Kranke  wird 
nicht  besser  dadurch,  sondern  stirbt  gar  leicht.  Zuweilen  ver- 
trKgt  er  einen  Aderlafs,  aber  der  swette  tödtel  ihn.  Zuweilen 
stirbt  er  eines  raschen  Todes,  nHchdem  er  sich  kurz  vorher  sehr 
erschöpft  gefiibh,  oder  er  fltngt  an,  irre  zn  reden,  und  das  ver- 
raeintlieh  entzündliche  Fieber  wird  znni  typhösen.  Im  letzten  Fal- 
le kann  der  Arzt  noch  helfen,  wenn  er  es  versiebet,  Mifsgriffe 
wieder  gut  zu  machen.  Im  ersten  Falle  kann  er  sich  blofs  trö- 
Bieo,  dafa  er  es  mit  einer  l^eurilü  maligna  zu  thun  gehabt. 

Sjfden&am  sagt  (-Praj;.  med.  pag.  310,J.-  P^ncula  de  eo  di- 
cam,  quad  om»ium  are  trittitiimum  eal,  plenreiin  »eilicet  qmando- 
que  itu  malignam  reperiri,  ut  per  e»«  UHHOa  phlebotomiam  ferre 
netcüit,  la/tea»  totiei  repetilam,  quotie»  hie  morbm  communiler 
depotcit.  Mir  scheint  aber,  es  ist  eben  nicht  sonderlich  tranrig, 
dafs  die  Natur  solche  Krankheiten  machf,  sondern  das  wahrhaft 
Traurige  bei  der  Sache  ist,  dafs  die  Aerzie  so  dumm  sein  konn- 
ten ,  zu  glauben ,  die  \alur  niiiese  sich  nach  ihren  albernen  pa- 
piemen  Büchern  richten.  Das  hat  sie  zn  SgdeiikamM  Zeh  nicht 
geiban,  und,  so  viel  ich  die  Eigenheit  meiner  allen  Freundinn 
kenne,  ihut  sie  es  auch  noch  nicht.  Darum  habe  ich  immer,  ob- 
gleich Kleinslftdter ,  Rittersittlichkeit  genug  gehabt,  mich  in  ihre, 
freilich  mitunter  etwas  unbequemen  Launen  zu  schicken.  Sie  hat 
nun  die  Mucken,  eine  Kran kheits form,  welche  den  büchermaohen- 
den  Aerzten  Pteuriti»  zn  nennen  beliebt  hat,  zn  gewissen  Zeiten 
als  Offenbarung  einer  Ureisenaffektion  des  Gesammtorganismus  in 
die  Welt  xn  senden.  Siait  also  mit  den  Aerzien  des  siebzehnten 
Jabrhanderis  die  Dunkelheit  dieser  Offenbarung  nls  etwas  höchst 
Tratiriges  zu  beklagen  and  xu  beseufsen,  wird  es  wol  weit  klüger 


sein,  za  ßbarlegen ,  ob  und  wie  wir  die  N'ator  dieier  Plsurit»  er- 
kennen können ') 

Das  Wichiigsie  ist,  dnfg  man  licfa  alle  aoaologiacb«  FornMi 
ganz  aus  dem  Kopfe  schlägt  und  iinnter  die  Natur  der  zur  Zeit 
herrschenden  Krankheiten  genau  ergründet.  Aeufserst  belehrend 
sind  solche,  bei  denen  sich  das  ergriffene  Organ  mit  Angen  er- 
kennen Ififiit,  dann  folgen  solche  Fieber,  die  ohne  ausgezeichnete 
Slftrnng  eines  einzelnen  Organs  auftreten.  Werden  wir  gewahr, 
dafs  einzelne,  oben  angegebene  Zeichen  der  EisenafTekiion  sich 
einstellen,  oder  sehen  wir,  verlassen  von  allen  Zeichen,  dafs  in 
vermeintlichen  und  scheinbaren  Salpeterkrankheiten  der  kubische 
Salpeter  die  gewohnte  Wirkung  nicht  leistet,  so  haben  wir  da- 
durch die  Vermulhung,  dab  eine  Bsenkrankbeit  vorhanden  sei. 
Ileichen  wir  nun  Eisen,  so  hat  dieses  eine  so  schnelle  Wirkung, 
dafs  wir  bei  solchen  Krankheiten,  wo  das  Organ,  in  dem  die  Af- 
fektion des  Gesammtorganismus  als  £nt:£Ünd<ing  vorwallet,  sicht- 
bar ist,  uns  uninSglich  täuschen  können.  Die  Angina  totuillarit 
z.  B.,  diese  gemeine  Krankheitsfonn ,  ist  weit  wichtiger  als  man- 
che Aerale  denken  mSchien.  Hier  sehe  ich  mit  meinen  leiblichen 
Augen  die  Wirkung  der  gegebenen  Mittel,  also  ist  Täuschung  un- 
möglieb.  Die  akuten  Fieber,  die  ohne  besondere  schmenbafte 
Affektion  eines  Organs  auftreten,  eigenen  sich  auch  weit  besser 
dazu,  in  Ermangelung  aller  Zeichen,  durch  unfeindliche  Erken- 
nungsmittel ihre  Artung  ku  ergründen,  als  solche,  bei  denen  die 
Affekiion  des  Gesammtorganismus  in  einem  unsichtbaren  Or;gan, 
schmerzhaft  die  Verrichtung  dieses  Organs  störend,  vornaltel.    In 


*)  Joanrnn  Wierm  ,  Ltilxril  d«i  Benogi  vna  Cleve .  hit  atne  Plearette  be- 
■cbriebes  {Obiere.  Üb,  I.  ie  epidtmiea  piiuritlie,  Peripntumamia  alfa* 
Angina  petlt/eHli) ,  die  1^76  hier  im  LtDde  giibemcht,  niil  die,  lo  viel-ich 
sie  (HS  dir  Beschreibung  b«srtbeileii  ksDD  ,  EiienifTektian  du  GcibbudIoi^- 
nismDi  gewesen  lein  mofs,  welche  bei  eioigen  liraalcen  im  Halse,  bei  indera 
in  der  Brnd  vorgewaltet.  Ich  scblicrse  du  daraai ,  weil  er  lisiiaiiplet ,  *\t 
mit  (Snerlicliea  Miltela  i;lücl(Iii:b  behandett  za  hibea.  Van  den  iwei  gewSbs- 
lieben  Hüirea  bei  der  Angina,  Aderluaen  nnd  Laxlrmittel,  lagl  er  FolgeadM: 
t/ant  altiaat  ad  precedemäi  aiodum  in  euralion»  mttAadica,  ebtertaliemm  tili- 
tial  I  purgaUantt  ei  vtnae  »telionel  p/ui  daatni  qua»  uUlitalit  Btgrit  alüt- 
liur.  —  Von  der  Pleureaie  tagt  er:  Cum  in  erdiaaria  pleuritide  cottiuitnm 
tit,  ante  omnia  rrnam  incidrrt  MallUBifue  tanguiirit  detroAert,  que  tangni% 
iBßitatmatai  veluti  radix  hujut  meli,  una  caia  aliit  praeter  natural*  Inmaribnt 
imminai,  et  nfflaxat  tt  lalere  »umtnoreri  et  derltarl  pottit,  in  hte  («■>«« 
peilileali  merbo  evMIrarimm  futt  obtenatum,  tidtlictt  langmiitii  mittimiam 
ralde  perniciBiam  faiite,  opud  roi  praetertim,  qui  emit  tattt  languiaeia  ex- 
reratbant,  jaod  proeal  dubio  bine  factam  ett,  quia  per  eeaar  ticUomm  ve- 
nenum  va/de  fail  agilalum ,  adeoque  spiritui  sllalet  aiagit  fatrlni  diitipati. 
rl  laitgaii  a  venens  mttgii  concuuut  et  iaftrta*  fuerit.  —  leb  boffe,  neiaBn 
Leiern  wird  Wirrat  ErklÜrang,  warain  du  AJerli)«en  bei  jeD«rFlenr«tie  «e- 
tchadel,  dtnttlcber  «ein  nli  mir. 


,,,,  Google 


leisten  l'^eberti  müuan  wir  immer  besorgen,  dafa  durcb  Mifikpn- 
nen  der  Arliing;  der  Affeklion  des  GeBHiiiniiarganismua  das  vor- 
wallend  ergriffene  Organ  in  Eiterung  übergehen  kunne,  welcher 
Besorgnifa  wir  bei  jenen  einfacheren  Fieberforinen  überhoben 
sind. 

Wenn  wir  auf  die  Weise  alle  vorkommende  Krankheiten  und 
die  Heilwirkung  der  Mittel  auf  selbige  genau  beobachien,  so  wer- 
den  wir,  vorausgeseUt,  dafs  wir  nicht  das  sogenannte  Behandeln 
mit  dem  Heilen  verwechseln,  gar  bald  gewahr  werden,  ob  jene 
unbekannten  atniosphäriacben ,  tellurischen,  siderischen  Einflüsse, 
die  das  bewirken,  was  wir  epidemische  Conatitation  nennen,  die 
Leiber  der  Menschen  zu  Eiaenkrankheiten  geneigt  machen.  Se- 
hen wir  das,  so  werden  wir  auch  bei  vorkommender  Plenresi«  dem 
Kranken  nicht  tSppisch  mit  der  Lansetle  /.u  Leibe  gehn,  sondern 
nns  wohlweislich  erinnern,  dafs  diese  Krankheit  mit  aelteoen  Aus- 
nahmen, sieb  immer  nach  der  epidemischen  Constitution  richtet. 

Damit  ich  es  aber  nicht  mache,  wie  manche  ältere  Heraus- 
geber Römischer  Scbrifisleller  znm  Gebrauche  der  Schulen,  die 
leichtverständliche  Stellen  in  Noten  ausführlich  erklärten,  wirk- 
lich schwierige  Siellen  aber  übergingen  und  den  nnglücklichen 
Schüler  im  Stiche  liefsen;  so  trage  ich  kein  Bedenken,  auch  das 
Schwierigste  zur  Sprache  zu  bringen. 

1)  Gesetzt,  die  epidemische  Constiiuiian  verKndere  so,  dafs 
sie  Ei  Seekrankheiten  erzeuge,  so  mufs  doch  Ein  Mensch  der  erste 
sein ,  bei  dein  sich  dieses  offenbaret.  Es  ist  blofs  Zufall ,  dafs  dem 
Praktiker  zuerst  Halsentzündungen  und  einfache  Fieber  vorkom- 
men, bei  denen  er  die  Natur  der  veränderten  Krankheit  gemäch- 
lich ergründen  kann;  es  ist  möglich,  dafs  die  Eis«naffeklion  des 
Gesammtorganismus  sich  bei  dem  ersten  Kranken  als  Pleuresie 
äufsert.  Ein  solcher  Fall  kann  so  sein,  dafs  es  wegen  Mangel 
aller  Zeichen  bar  unmöglich  ist,  die  N'alur  der  Krankheit  zu  er- 
kennen. Haben  wir  uns  überzeugt,  dafs  die  Pleuresie  nicht,  con- 
sensuellw  Art,  von  Bauch-  oder  Gehirnleiden  abhänge,  so  liegt 
es  wol  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  wir  kubischen  Salpeter  rei- 
chen. Das  Nichtheilwirken  dieses  mächtigen  Mittels  kann  nns  hier 
einzig  die  Wahrscheinlichkeit  gehen,  dafs  wir  es  mit  einer  Eisen- 
afl'ektion  zu  thun  haben ,  nnd  wenn  der  Kranke  nicht  gerade  zum 
Tode  reif  ist,  wird  ihm  ein  dreitägiger  Salpetergebrauch  anch  eben 
das  Leben  nicht  kosten.  Hier  hat  der  Arzt,  bei  dem  Mangel  al- 
ler für  Eisenaffekliou  sprechenden  Zeichen,  gar  keine  Wahl;  er 
mufa  also  als  Verstandesmensch  das  Mittel  reichen,  welches  er 
bei  ähnlicher  Krankbeitsform  hülfreich  befunden. 
■  2)  Wie  siebet  es  nun  aber  aus,  wenn  sich  bei  dem  ersfea 
Kranken  zweifelhafte  Zeichen  einer  Eisenaffeklion  äufsernt  z.  B. 
wenn  bei  einem  hohen  Grade  des  ■cbuiershaftea  Bruslletdeni  der 


-.oylc 


Ham  Dicht  roth,  sondern,  von  der  norniaUn  Farbe  wenig  abwvi- 
chend,  ■au«',  oder  wenn  er  dnnkelroih  nnd  neniral  iait  Hier  kapn 
man  Eisen,  oder  Salpeter,  beide  als  Eritennan^uiiuel  gebntu^eD. 
Die  Vortiieile  und  Naclilheile  des  einen  und  des  andern  sind  fol- 
gende. 

Salpeter.  Von  diesem  werden  wir,  wenn  die  onericennbare 
Eisenaffeklion  nicht  scbon  etoeo  hohen  Grad  erreicht  hat,  keinen 
sichtbaren  Nachlheil  in  ein  |«ar  Tagen  spOren,  anch  wird  das 
Bruslleiden  nicht  minder  dadurch.  Wir  sehen  hier  weit  eher  ein 
scheinbares  Stillstehn,  als  ein  Verscblimmeni  der  Krankheit.  Höch- 
stens kann  der  Kranke  sich  matter  fahlen,  auch  wol  sichtbar  an 
Muskelkrfifien  abnehmen.  Ueberhaiipt  wird  er  nie  das  woblthäii- 
gB  QefÜhl  Ton  dam  Salpetergebrauche  in  seiaeni  Korper  spüren, 
das  er  hei  echten  Salpeterkrankheiien  spürt. 

Das  Bedenklichste  bei  diesem  Erkennnngsmitlel  ist  die  Mög- 
lichkeit, dafs  pISlilich  eintretende  Blutung  den  Kranken  in  Lebens- 
gefahr sliirzt.  Solche  Fftlle  gehören  aber  schon  zu  den  Ausnah- 
men von  der  Regel. 

Der  kubische  Salpeter  hat  vor  dem  Aderlässen  den  groÜien 
Voneng  als  Erkennunga mittel,  dafs  ar  das  symptoraaiiache  Brustlei- 
den  nicht  mindert  nnd.  uns  gerade  dndurch  sagt,'  er  sei  in  dem 
Falle  nicht  Heilmittel.  Das  Aderlassen  hingegen  kann  uns,  als 
Erkennungsmiüel  gebraacht,  in  die  grSfste  Tfiuschnng  siürsea; 
denn  es  beschwichtiget,  oder  hehl,  wo  nicht  in  allen,  doch  in  vie- 
len FAllen  das  schmerzhafte  Bmstleiden  in  Eisenkrankheiien  noch 
schneller  als  in  Salpeterkrankheiien.  Diesem  Scbraerzsiillen  ist 
aber  leider  nicht  viel  au  tränen,  la  der  Folg«  werde  ich  Ober 
diesen  Gegenstand  ansfiihrlicber  sprechen ,  jetzt  wurde  ich  mich 
dadurch  zu  weit  von  der  Hauptsache  enlfernen. 

Eisen.  Ist  die  sweifelbafte  Pleoresie  aalpetrischec  Art,  so 
werden  wir  auf  den  Gebrauch  des  esaigsanren  Eisens  innerhalb 
24  Stunden,  ja  noch  wol  früher,  Verschlimmerung  des  ganzen  Be- 
Bndens  und  des  Bnisileidens  sehen.  Wir  gelangen  durch  diese 
Verschliuimernng  zur  Erkenntnifa,  können  gleich  einen  anderen 
Weg  einschlagen  und  den  kubischen  Salpeter  in  reichlicher  Gabe 
anwenden.  —  Kann  aber  das  Eisen,  auf  die  Weise  als  F.rken- 
nnngsmittel  gebraucht,  nicht  auch  den  lödtlichen  Ausgang  der  Krank- 
heit befördern!  —  Freilich,  wenn  wir  trotz  der  sichtbaren  Ver- 
schlimmerung den  Gelt|;nnGb  desselben  forlsetzen  wollten,  so  wür- 
den wir  die  Salpelerafifektion  so  steigern,  dafs  das  Organ,  in  wel- 
chem sie  vorwaltete,  vereitern  mülsle.  Aber  ein  solch  unsinniger 
und  hartnäckiger  Gebrauch  einer  Arzenei  in  Füllen,  wo  deren 
nachiheilige  Wirkung  gleich  anfftnglich  zu  erkennen  ist,  würde  ja 
mit  der  auf  die  Heilwirkung  der  Mittel  basirten  Lehre  der  alten 
Geheimirzte  in  einem  ganz  grellen  Widerspruche  slebn.     Nur  vor- 


—    891    — 

^fafsl«  Melnnog,  die  idcb  anf  eine  blofa  TenoeiMliebe  und  pban- 
loBtiiche  Kenntnib  des  belebteo  Menichenleibea  und  der  Wirkungs- 
art  der  Mittel  gründet,  ksui  den  Ant  nt  solcbem  widersinnigen 
Araeneigebraucbe  verleiien,  wie  ans  denn  dissee  die  Geschichte 
der  Medizin  leider  znr  Genüge  lehrt. 

Der  Voriheil  des  Eisens  als  Erkenn ungsmiltel  bestehet  also 
darin,  dafs  wir  dnrcb  selbiges,  ohne  das  Leben  des  Kraulten  anßi 
Spiel  sa  setzen,  lar  Erkenninifs  gelangen  könnea.  • 

Sein  möglicher  Nachtfaeil  ist  nnerheblich. 

Oer  Voriheil  des  kubischen  Salpeters  bestehet  darin: 

Dafs  er  ans  nicbt  dnrch  Beschwichtigung  des  Brustleidens 
täuscht. 

Dafs  wir  dnreh  sein  blofses  Xichtbeilwirken  znr  Erkennlnilii 
gelangen  können. 

Sein  möglieher  Nachtheil  bestehet  darin : 

Dals  wir  wol  drei  Tage  nüthig  haben,  um  durch  das  blofse 
Nicblhell  wirken  snr  Erkenntniis  xu  gelangen. 

Dals  die  unerkannte  Eisenaffektion,  ohne  sichtbare  allnifthlige 
Verschlimmerung,  sich  plBizlich  durch  geföhiHche  BlutSüsse  und 
andere  gefShrliche  ZitRille  offenbaren  kann. 

Wenn  ich  also  den  Vonheil  nnd  Naohtbeil,  den  beide  Arzeneien 
als  Erkennungsmiliel  haben,  unparteiisch  gegen  einander  abwflge, 
to  mufa  mein  schlichter  Verstand  dem  Eisen  den  Vorzug  geben. 

3)  Jetzt  stelle  ich  noch  die  allerschwierigste  Frage  auf:  wenn 
wir  zu  einer  solchen  sweifelbaflen  Pieuresie  erst  den  fünften,  oder 
sechsten  Tag  gerufen  werden,  was  ist  dann  zn  thuni  — 

Darauf  antworte  ich  Folgendes.  Bai  einer  so  weit  verlaufenen 
Krankheit  ist  es  höchst  nnwahrscheinlich ,  dafs  sich  nicht  sollten 
Zufölle  eingestellt  haben,  welche  für  die  eine,  oder  die  andere  Art 
der  Affektion  des  Gesammlorganismus  sprSehen.  Entweder  hat 
der  Kranke  Hülfe  gesneht,  oder  er  bat  sie  nicht  gesucht.  Im  er- 
sten Falle  ist  ihm  gewöhnlich  schon  znr  Ader  gelassen,  nnd  wir 
werden  ans  den  Folgen  dieses  Heilversuchet  sehen,  wie  es  mit 
ihn  bestellt  ist.  Ist  die  Krankheit  wirklich  Eisenaffektion,  so 
wird  entweder  die  Beschaffenheit  des  Harns,  oder  die  Verminde- 
rung der  Kritfte ,  oder  ein  eigener,  lanmeliger  Znsiand  des  Kopfes, 
oder  ein  nicht  erleichternder  Blutflnfs  (gewöhnlich  aas  der  Nase), 
«der  ein  damischer  Blick  der  £lan«a  Augen  uns  die  Art  der  Krank- 
heit verraihen. 

In  FAlIen,  wo  weder  Aderlassen,  noch  Laxirmitfel,  noch  andere 
AntiphlogUtica  gebraucht  sind,  ist  es  allerdings  möglich,  dafs  die 
Natur  der  Krankheit  noch  zweifelhaft  bleibt,  flier  mnfs  man,  hin- 
sicbilich  des  Gebrauches  der  Erkennungsmiliel,  gerade  so  verfafa- 
reo,  als  sei  die  Krankheit  noch  neu.  —  Wäre  aber  eiamahl  die 
Krankheit  salpetrischer  Art,  wurde  nicht  das  Eisen,  welche«  anfSng- 


lieh  als  Erkennungutniitpl  gefuhi-loif  baue  geg«ljen  vterAen  käonrii, 
j«ut,  im  späteren  Zeiträume  dia  BrasitDlstintlmig  xar  Vereiieruiij^ 
bringen,  und  würde  jetzt  dar  Probemiliigriff  so  gemScblich  wie- 
der gilt  zu  machen  aein^     Maine  Meinung  ist  darüber  folgende. 

Line  Pleuresie,  die  wirklich  eine  in  den  Lungen  vorwaltemle 
Salpeteraffektion  des  Gesamnitorganismus  iat,  wird,  werden  wir 
erst  den  fünften  oder  gar  den  sechsten  Tag  zu  Hülfe  gerufen,  nicht 
mehr  xpriheilt,  sondern  gehet  in  Kiierung  über,  mithin  haben  wir 
nns  hinsichtlich  dieses  Punktes  den  Kopf  nicht  sonderlich  zu  zer- 
brechen. 

Wäre  aber  die  Pleuresie  eine  Ei aenk rankheit ,  so  würde  der 
kubische  Salpeter  in  diesem  späteren  Zeitraum«  auch  nicht  ein  so 
ganz  unschuldiges  Mittel  sein;  er  kann,  wo  nidit  dem  Brustlei- 
den, doch  der  ganzen  Krankheit  eine  etwas  unheiiulicbe  Wen- 
dung geben.  Ein  Aderlafs  aber  kann  in  diesem  spSten  Zeiträume 
den  Tod  schneller  herbeiführen  als  dem  Arue  lieb  sein  möchte. 

Ich  erinnere  mich,  dafs.  Indem  ich  einst  (vor  vielen  Jahren) 
mit  einer  spaiierenreitenden  Edelfirau  auf  der  Lattdatrafse  sprach, 
ein  aller  MedtcocMrurgu»  des  Weges  sog.  Er  kam  von  einem 
seit  etlichen  Tagen  an  der  Pleuresie  krank  liegenden  Pächier  der 
f^eirrau.  Auf  ihre  Frage,  wie  es  dem  Kranken  gehe,  iniworteie 
er,  ein  Aderlnfs  habe  denselben  gleich  von  seinem  Brustleiden  be- 
freiet und  sein  Zustand  sei  weiter  nicht  bedenklich.  Einige  Tage 
darauf  traf  ich  die  Frau  abermahls  nnd  sie  sagte  unwillig  zu  mir: 
können  i^ie  sich  etwas  so  Tolles  denken!  Sie  haben  selbst  f^ebori, 
dafs  der  Alte  behauptete,  der  Bauer  befinde  «ich  nach  dem  Ader- 
lassen besser,  er  sei  in  keinem  bedenklichen  Zustande,  und  —  da 
ich  nach  Hause  komme,  linde  ich  schon  den  Boihen,  der  mir  den 
Tod  desselben  bekannt  macht. 

Das  ist  eine  verzweifelte  Geschichte,  wenhe  Leser!  nnd  doch, 
wer  kann  den  Arzt  tadeln,  der  nach  seiner  besten  Ueberzeugung 
bandelt!  Ich  nicht,  denn  ich  kenne  zu  gut  die  Klemme,  worin 
man  zuweilen  bei  Uebung  der  Kunst  ger&th,  nnd  liabe  auch  kei- 
nen Belang  dabei,  sie  meinen  jüngeren  Lesern  zu  verhehlen. 

Ich  habe  so  eben  gesagt,  eine  Pleuresie,  welche  wirklich  ei- 
ne in  den  Longen  vorwaltende  Ursalpeteraffeklion  des  Gesamml- 
Organismus  sei,  lasse  sich,  wenn  wir  erat  den  fünften,  oder  gar 
den  sechsten  Tag  zu  helfen  aufgefodert  würden,  nicht  mehr  zer- 
iheilen.  Dieses  könnte  meinen  Lesern  eine  unwahre  Behauptung 
dünken;  ihre  Belesenheit,  oder  ihre  eigene  Praxis  konnte  ihnen 
Fälle  ins  Gedächtnifs  rufen,  welche  meiner  Behauptung  geradezu 
widersprächen.  Diesen  Amtsbrüdern  bemerke  ich  Folgendes  zu 
meiner  Rechtferlignng,  und  Ich  hoffe,  sie  werden  mir  der  Wich- 
tigkeit des  Gegenstände«  wegen ,  eine  kleine  Abschweifung  von  der 
Hauptsache  zu  gute  halten. 

„,,,_„.,,,,  Google 


Dafs  meine  Behanplung  sich  nicht  aof  jene  leichteren  Salpe- 
rerplenreiieo  beliebet,  die  sich  von  selbsl,  ohne  Hülfe  der  Kunst 
ionerbaib  vier  bis  acht  Tagsn  zertheUen,  verstehet  sich  wol  von 
selbst;  denn  da  diese  begreiflich  nicht  bia  zum  fünften  Tage  sieh 
verschlimiHera ,  so  wird  auch  der  a\>M  Hülfe  suchende  geringe 
Landbewohner  uns  nicht  xu  solchen,  schon  im  Bessern  begriffe- 
nen Pleuresien  rufen,  sondern  er  ruft  uns  nur  dann,  wenn  bis  zum 
fünften,  sechsten  Tage  oder  noch  später  die  Krankheil  schlimmer 
geworden  ist.     Üieses  voransgegeizt ,  bemerke  ich  nun  Folgendes. 

Consensnelte  Fleuresien,  die  nicht  selten,  sondern  hftalig  von 
den  Aerzten  für  echt  salpeirische  genommen  werden,  heben  sich 
niebt  blofs  den  fünften,  sechsten  Tag,  sondern  auch  dann  noch, 
wenn  man  weit  später  zum  Helfen  aufgefodert  wird.  Es  ISlst  sich 
hier  kein  Termin  angeben,  über  welchen  hinaus  die  grfindliche 
Heilung  unmSglich  wXre.  Es  ist  mir  wahrscheinlich,  dafs  solche 
coaseasnelle  Entzündungen  nicht  leicht  echte  Abszesse  bilden,  son- 
dern in  chronische  Entzündungen  iibergeho,  aus  welchen  hernach, 
aber  oft  ziemlich  spHt ,  Geschwüre,  seltener  Eiterbeblen  entstehen. 
WSre  das  nicht  so,  würde  mir  es  ganz  iinerklfirlich  sein,  wie  ich 
noch  im  Stadio  ckronico  blofs  durch  Einwirken  auf  die  urergrif- 
fene  Organ  (Leber,  Milx  etc)  gar  viel«  Menschen  von  ihren  ver- 
ineinilicfaen  Brustleidtn  befreiet  nnd  zur  Gesundheit  verhelfen  ha- 
be. Freilich,  ist  schon  ein  Longengeschwur  gebildet,  so  weifsich 
keinen  Rath  mehr.  Die  zweite  Art  der  Pleureiie,  die  ebenfalls  noch 
nach  dem  fünften,  sechsten  Tag  zu  serlheilen  ist,  bestehet  in  einem 
Urlaiden  des  Bronchialiheilea  der  Lunge.  Sie  ist  im  Gründe  dei 
höchste  Grad  des  sogeuannlen  Katarrhalfanslens,  erscheint  entweder 
unter  der  Form  der  einfachen  I^eurilit,  oder  der  Pleuroperipnen- 
moaie.  Sie  siebet,  wenn  sie  heftig  ist,  der  echten  Salpeterpleari- 
tis  so  ähnlich,  dafs  es  schwer  ist,  sie  von  dieser  zu  nnterscbeiden. 
Man  heilt  sie,  aoch  noch  im  späteren  Zeiträume,  dorch  den  Spiefs- 
glanzgold Schwefel.  Sie  gehet,  wahrscheinlich,  weil  sie  in  einer 
roaenariigen  Entzündung  bestehet,  vemachlüfsiget  nicht  in  einen 
Abssefs  über,  sondern  in  die  KalarrbalBchwindsacht,  nnd  anch 
dann  ist  noch  Hülfe,  so  lange  si^  keine  Geschwüre  gebildet 
haben. 

Ganz  anders  verhüll  es  sich  aber  mit  der  Pleuresie,  die  eine 
in  den  Lungen  vorwaltende  Salpeieraffektion  des  Gesammtorganis- 
rans  ist.  Hier  ist  nicht  blofs  der  Gesammtorganisnius ,  nnd  sicht- 
nnd  fSfalbar  das  GefKfssfslem  beftig  aufgeregt,  sondern  das  Vor- 
walten dieser  Affektion  des  Geaammlorganismus  in  den  Lnngen 
mnfs,  wie  jeder  schmerzhafte  Reiz,  zurück  auf  daa  GefSlsaystem 
wirken  nnd  die  Aufregung  desselben  vermehren.  Hier  findet  ein 
solch  heftiges,  gegenseitiges  Ineinanderwirken  des  Oert liehen  und 
Allgeweinen   statt,    dafs   noihwendig  die  Entzündung,    nicht  von 


Tage  ra  Tage,  sondern  von  Stande  n  Sbiode  BchlimMer  werden 
Mufs.  Wie  ISüt  es  lieb  denn  denken ,  dafs  man  sie ,  erst  den 
fünften  oder  sechMen  Tag  so  Hülfe  gerufen,  noch  sertbmlen 
solltet  — 

In  der  Praxis  mÜBsen  wir,  von  dem  Satrn  aasgehend,  4aU 
das  Ganze  des  belebten  Menschenleibes  gewissen  allgemeinen  Ge- 
aelsen  gehorche ,  das ,  was  unseren  Aiigen  verborgen  ist ,  durch 
das  erklären ,  was  sichtbar  ist.  Eine  Entzündung  der  Lunge  k5n- 
-nen  wir  nicht  sehen,  aber  eine  EniiiiDdung  der  Mandeln  kSnnea 
wir  in  allen  den  Fällen,  wo  der  consensnell  ergriffene  Kanemas- 
kel  dem  Kranken  den  Mund  nicht  schliefst,  recht  demlich  sehen. 
Wer  kann  non  behaupten ,  je  eine  echt  salpetrische ,  bis  xom  fünf- 
ten, oder  sechsten  Tage  beständig  gesteigerte  Halsentxnndong 
noch  zerlheilt  xu  .haben  1  Ich  nicht;  obgleich  ich  xugebe,  dab 
ich  mir  so  etwas  in  meiner  Jugend  wol  eingebildet  habe.  Consen- 
snelle  Halsentziindangen ,  namentlich  gastrische,  aertbeilen  sieb 
freilich  noch  in  weit  spfiterem  Zeiträume,  weil  sie  ihrer  Natur 
nach  nicht  leicht  in  Eiterung  übergehn. 

Was  sollte  mich  nnn  bewegen,  die  Möglichkeit  der  splten 
Zertheilnng  der  Lungenentzündung  xu  behaupten,  da  ich  bei  der 
Halsentsündung  die  Unihunlichkeit  einer  Zertheilnng  mehr  als  ein- 
mahl mit  meinen  leiblichen  Augen  gesehra  habet  — 

Was  ich  jetzt  gesagt,  enihtÜt  keinesweges  die  Bebanplung, 
dafs  der  Arxl  im  späteren  Zeilranme  die  Zertheilnng  der  Pleoresie 
nicht  mehr  versuchen  müsse.  Der  Versuch  ist  selbst  Pflicht ,  aber 
es  ist  doch  unangenehm,  wenn  man  von  einem  solchen  pflicbt- 
mäfsigen  Versuche  gar  zu  grofse  Erwartung  hegt  und  aich  hernach 
getäuscht  fliehet ;  darum  raihe  ich  jedem,  seine  Erwartungen  nicht 
zu  hoch  zu  spannen. 

Von  dieser  Abschweifung  kehre  ich  zo  dem  Eisen  und  zu  der 
Eisenpleuresie  znrück.  Ich  bediene  mich  in  derselben,  wie  in 
anderen  akuten  Krankheiten,  der  essigsauren  Eisentinktur  zu  einer 
Unze  für  die  Taggahe  in  sieben  Unzen  Schlei  manfl&sung.  Die 
Wirkung  ist  gerade  wie  die  des  kubischen  Salpeters.  Der  Kranke 
fühlt  zuerst  selbst,  dafs  ihm  die  Arzenei  wohl  thiit.  Dann  wird 
der  blutig^  oder  schokoladenfarbige  Auswurf  unblutig  schleimig 
und  mehr  oder  minder  dicklich.  Gleichzeitig  wird  der  Schmerz 
und  das  widrige,  drückende  Gefühl  in  der  Brust  minder  und  Ter- 
schwindet  dann  ganz.  Zuweilen  verschwindet  der  Schmerz  schon 
den  ersten  Tag,  .zuweilen  den  zweiten ,  oder  dritten.  Beim  Nach- 
lasse des  Schmerses  vermehrt  der  Husten  anHInglich  etwas,  das 
hat  aber  nichts  zu  bedeuten;  denn  in  dem  ersten  Zeiträume  bat 
sich  durch  den  Reiz  der  Krankheit  seihst  ein  Tbeil  Schleim  in 
der  Lunge  erzeugt,  der  wegen  des  Seilenstechens  nicht  ordentlich 
ausgehustet   werden   konnte.     Sobald  die  Bewegung  des  Brustka- 


~    695    — 

itet»  wieder  frei  i>t,  enden«!  tich  die  Lnnge  dieee«  Schleimet 
und  daa  kann  ohne  Hustea  nicht  gesohehen.  Expectarantia  za 
geben,  \%t  gHOi  überflüssig.  Man  mnls  das  Eiien  fortgebraachen, 
und  höchstens  etwas  Altheewarzelanfgafs  nebenbei  trinken  lassen. 
Beim  forigeseliten  Gebrauche  des  Eisens  wird  Husten,  Auswurf 
und  Fieber  sichibar  minder  und  der  Kranke  geneset. 

Hinsichtlich  der  Sufsetlieben  Mittel  bemerke  ich  Folgendes. 
Im  ersten  Zeitranme,  wo  das  Fieber  und  das  Brusileiden  stark 
sind,  passen  jene  Mitlei,  wenn  sie  die  Haut  feindlich  angreifen, 
gar  nicht;  will  man  etwas  Aeufserlicbes  gebraocben,  so  lege  man 
Zink-,  oder  Galmeisalbe  auf  die  achmerzhafie  Stelle.  SpRter, 
wenn  sich  augenseheinliche  Besserung  einftellt,  kann  in  einigen 
Fällen  der  Schmerz  noch  in  den  Zwischenrippenmuskeln  verwei- 
len. Wer  diesen  dann  mit  einem  Blasenpflaster  verjagen  will,  der 
thue  et.  Man  kommt  aber  auch  wol  mit  milderen  Mitteln  zum 
Ziel,  z.  B.  mit  Auflegen  der  Zinksalbe ,  mit  Einreiben  der  Jodin- 
salbe,   oder  der  brenzlichen  Holssäure.  — 

Das  Verweilen  dieses  Schmerzes  in  den  Zwischenrippennins- 
■  kein  hat  folgenden  Grund.  Bei  jedem  Erkranken  eines  Organs, 
es  mag  dieses  Erkranktsein  in  dem  Vorwallen  einer  Urafleldion 
des  Gesammtorganismus,  oder  in  einem  Urleiden  des  Oi^nns  selbst 
bnilehen,  werden  benachbarte  Organe  consensuell  ergriffen,  und 
dieses  consensnelle  Leiden  kann  in  einzelnen  Fttllen  zum  Urlei- 
den  werden,  und  als  solches  noch  fortbestehen,  wenn  das  Lei- 
den des  anßnglioh  ergriffenen  Organs  schon  gehoben  ist.  Dieses 
allgameiae  Gesetz  des  thierischen  Organismus  findet  man  auch  in 
manchen  FAllen  bei  der  Pleuresie  bestSiiget.  Das  Lnngenleiden 
berührt  zuweilen  consensuell  die  Zwischenrippenmuskeln ,  und  die- 
ses Muskelleiden  kann  nach  gehobenem  Lungenleiden  noch  selbtl- 
stBndig  andanern.  Durch  mancherlei  Hantreize  lifit  sich  bekannt- 
lich dieser  Schmerz  wegschaffen;  man  mufs  sieh  aber  nicht  ein- 
bilden ,  durch  diese  Haulreise  die  LungenentzünduKg  heben  tu 
kdnnen.  In  meiner  Jugend,  da  ich  noch  ein  weit  grSfserer  Freund 
des  Blutlassaes  war  als  jetzt,  war  es  mir  schon  auffallend,  dafs 
«n  Btasanpflaster  in  etlichen  Stunden  einen  Rest  des  pleuriiiachen 
Scbnerzes  wegschaffte,  der  dem  Aderlassen  getrotzt  hatte.  Ich 
fing  an,  darüber  so  grübeln,  wie  es  möglich  sei,  dafs  eine  in- 
nere Entzündung  so  schnell  verschwinden  könne,  da  icb  dodi  ein 
solch  znnberisches  Verschwinden  ein«  Entzündung  Gufserer  Theile 
nie  gewahrte. 

Bei  der  Behandlung  der  Pleuresie  ist  die  Hauptsache,  dafs 
auch  nicht  der  geringste  Best  des  Lungenleidans  und  des  Fiebers 
überbleibe.  Ich  stelle  nicht  in  Abrede,  dafs  die  Natur  in  vielen 
Fällen  solche  kleine  Ueberbleibsel,  welche  man  mit  dem  belieb- 
ten  Namen:    übergebliebeDe  Schwäche   bezeichnet,    ohne 


KuDSibiilfe  bAieiligen  kSnne;  e«  kt  aber  doch  nnmeiatarlicb,  einen 
Me.QBcben  mit  diesen  UeberblelbBelo  aia  Iganx  geheilt  zu  enilasaen. 
Bei  der  als  Pleureiiie  sich  offenbarenden  EisenaffekiioB  des  Gb- 
«ammtorganismus  müssen  wir  wohl  bedenken,  dafii  dai  Braaüei- 
den  früher  verschwinden  kann  als  die  Affekiion  des  Gesainmlor- 
ganismua,  dufa  aber  xur  gründlichen  Heilung  nicht  hieb  das  Ent- 
fernen des  syinptomaiischen  Brustleidens ,  sondern  das  Heben  der 
Uraffeklionades  G esain nitorgan Ismus  geh&ri.  Ja  wenn  selbst,  nach 
verschwundenem  Brnsrleiden,  der  Pnls  ruhig  wird,  and  der  ver- 
luelntlicb  Geheilte  bat  noch  nicht  das  volle  GeriihI  der  Gesund- 
heit, so  mnasen  wir  das  Eisen  so  lange  fortgebrauohen  lassen, 
bis  er  jenes  Gefühl  wiedererlangt ;  nur  so  könaen  wir  sagen,  dafs 
er  vollkommen  geheilt  und  vor  allem,  ans  akuten  Krankheiten 
entspringenden  Siechihum  bewahrt  sei. 

Wenn  ich  aber  also  spreche,  so  dürfen  meine  Leser  niefal 
denken,  ich  habe  meine  Kunat  im  Monde  geiibi:  nein!  nein! 
ich  übe  sie  auf  diesem  wunderlichen  Erdballe  und  weifs  so  gut, 
uU  irgend  einer  meiner  Leser,  da(s  es  Menseben  genug  gibt,  die, 
üobald  sie  das  Krankenbett  verlassen ,  alle  Vorsicht  des  ArHea  - 
für  überflüssig  haltend,  einsig  ihrer  guten  Natur  die  Sache  über- 
geben. Gewöhnlich  sind  dieses  geringe  Leute,  denen  die  tägli- 
che Ausgabe  von  ein  paar  Groschen  fjir  Arzeoet  schon  drückend 
ist,  oder  Krafiniänner,  die  auf  die  Unverwustlichkeit  ihres  Lei- 
bes trotzen.  Ich  weifs  ferner  auch  recht  gut,  dafs  Aerzle  kleiner 
und  mittler  Städie  einen  grofsen  Theil  ihrer  Kranken,  weil  diese 
aufserhalb  der  Stadt ,  oft  ziemlich  entfernt  wohnen ,  nicht  täglich, 
und  am  wenigsten  nach  gehobenem  akuten  Fieber  sehen,  dafs  ih- 
nen mithin  die  Gelegenheit  benommen  ist,  denselben  die  Wieb- 
ligkeit  einer  schnellen  und  Tollkouimnen  Genesung  ans  Hers  in 
legen.  Meine  obige  Warnung  enthält  also  nicht  die  thSrichte  Fe- 
derung an  die  Aerzte,  die  Atmen  reich  und  die  Narren  verstfin- 
-dig  zu  machen,  denn  dHS  kann  ich  wahrhaftig  selbst  nicht,  son- 
dern sie  enthält  blofs  die  Mahnung,  bei  allen  akuten  Krankhei- 
ten ,  namentlich  bei  der  Pleuriiis ,  auch  dem  Genesuegsseiiraume, 
so  viel  es  die  äufseren  Umstände  erlauben,  eine  besondere  Anf- 
merksamkeit  zu  schenken. 

Es  ist  aber  nicht  blofs  ein  schwacher  Rest  der  Affekiion  des 
GesammtorganismoB ,  auf  welchen  wir  achten  müssen,  sondern  wir 
mGssen  auch  dafür  sorgen,  dafs  der  pleurilische  Husten  nicht  bei 
etlichen  Menschen-  zum  Urleiden  der  Lunge  werde  und  nach  ge- 
hobener Krankheit  selbstsiündig  foridauere.  Wird  ein  solcher  Hu- 
sten nicht  gleich  vertrieben  ,  sondern  erst  später,  so  bleibet  leicht 
nach  demselben  eine  krankhafte  Reizbarkeit  der  Lungen  zurück, 
welche  sich  durch  eine  Geneigtheit  zu  liarinSckigem  Hnsten  nach 
jeder  geringen  Veranlassung  offenbaret. 

L,, ,_ ,  Google 


Die  Vermnihnng,  dafs  d«r  symptomatisch  plearilische  Hasten 
mro  Urleiden  dar  Lunga  werden  wolle ,  haben  wir  dann ,  wenn 
wir  nach  beseitigtem  Fieber  nnd  pleanliscbem  Grustleiden  and 
nach  Rückkehr  des  GesRndheilgefiihU  die  leiste  Spur  des  Hn- 
slens  nicht  verscbwiDden  sehen.  Es  ist  ihöricht  abEuwanen ,  was 
ans  diesem  Husten  werden  wolle.  Vierraahl  täglich  ein,  oder 
xwei  Gran  Extrakt  des  grünen  Tabakes  heben  ihn  nach  meiner 
Erfahmng  bald ;  wer  wollte  also  abwarten ,  ob  er  von  selbst  ver- 
gehen werde  oder  nicht  1  Uebrigens  rathe  ich  meinen  Lesern,  bei 
der  Eisenplcnresie  das  Universaliuiltel  nicht  gar  zu  bald  fahren  an 
lassen ,  sondern  in  Fällen ,  wo  sie  die  Vermuthong  haben ,  der 
symptomatische  Hosten  wolle  zum  Urleiden  der  Lunge  werden, 
das  Universalmittel  gleichzeitig  mit  dem  Lnngenmitiel  zu  reichen. 
Meine  Warnnng  stützet  sich  auf  die  Ueberzeugung ,  dafs  wir  keine 
ganz  sichere  aotersebeidende  Zeichen  der  Eisenaffektion  des  Ge- 
sammtorganiamus  haben,  also  auch  nicht  im  Stande  sind,  den 
Punkt  genau  anzugeben,  wo  der  leizte  Rest  der  wirklich  rorhan- 
deoen  ganz  beseitiget  ist. 

Zum  Schlosse  bemerke  ich  noch,  dafs  der  symploraatische 
Husten  bei  Eisen  plenreslen  seltener  tum  Urleiden  der  Longe  wird 
als  bei  Salpeterplenresien ,  von  letzten  nicht  ausgeschlossen  sol- 
che,   welche  durch  reichliches  Aderlassen  geheilt  werden. 

Doch  genng  von  diesem  Gegenstande.  Habe  ich  mich  etwas 
lange  dabei  aufgehalten,  so  werde  ich  mich  bei  anderen  Krank- 
heitsfornien  am  so  viel  kürzer  fassen  können ;  denn  das ,  was  ich 
von  der  Unvoll  kommenheit  der  unterscheidenden  Zeichen  der  Ei- 
senaffektion gesagt,  pafst,  mit  der  nothigen  Abänderung ,  nuf  alle 
andere  Krankheitsformen. 

Lungensocbt.  Diese  ist  entweder  ein  Urleiden  der  Lun- 
ge mit  consensueller  Affektion  des  Gesammtorganismus,  oder  sie 
ist  eine  in  den  Lungen  vorwaltende  Uraffektion  des  Gesammtor- 
ganismos ,  oder  Vermischung  eines  Urleidens  der  Lunge  mit  einer 
Uraffektion  des  Gesanuntorganiamus. 

Eilerbeulen,  die  entweder  durch  aorserlicba  GewaltthSligkeit, 
oder  durch  eine  nicht  zeriheilte  pleutiiische  Entzündung,  oder  auf 
eine  geheime,  nicht  zn  erralhende  Weise  entstanden  sind,  heilen, 
wenn  sie  aufbrechen  und  keine  Gänge  und  Höhlen  haben ,  von 
selbst,  vorausgesetzt,  dala  sich  der  Gesammtorganismus  in  dem 
Indifferenzstande  befinde.  Wird  aber  das,  sich  gewöhnlich  als 
Fieber  Sufsernde,  consenaaelle  Leiden  des  Gesummt  Organismus 
zum  Urleiden,  so  kann  es  eben  so  gut  eine  Salpeter-  als  eine 
EisenaSektion  sein.  Die  Schwierigkeit  der  Erkenntnifs  ist  nicht 
immer  grofa.  Bei  der  Salpeteraffektion  sah  ich  gewöhnlich  den 
Harn  mehr  oder  minder  roih  und  den  Husten  stärker  werden.  Der 
Auswurf  wnrda  aber  minder  bei  eisern  vermehrten  Gefühl«  f^s- 

J7 


UawAblaeins.  Kabiscber  Snlpelcr  lohafft  hier  iq  etlichen  Tagen 
H81fe.  Wird  das  coDsenia'elle  lieber  aber  znr  UreiseaaSektion 
des  GesMiimtorgattisinni ,  bo  wird  Her  Harn  anch  wol  roth,  aber 
nicht  immer,  zuweilen  langenaalzig,  oder  neotral;  der  Aaswnif 
verniehrt ,  und  der  Kranke  wird  aichibar  matter.  In  letzte«  Falle 
mnfs  man  zum  Eisen  greifen ,  nnd  es  fortgebraneheD  lauen  so 
lange  es  gals  Wirkung  hat.  Ich  habe  es  hei  heilbaren  Eiterbeu- 
len mehrmafals  bis  zur  Genesnng  gegeben,  ohne  mir  gerade  ein- 
zubilden, eine  besondere  Wunderkur  verrichtet  tu  haben.  In 
sotebcn  Ffillen  kann  ein  Mensch,  wird  ibin  nicht  kÜMtli^  gehol- 
fen, bei  einer  hinsicbilich  ihrer  Form  heilbaren  Eiterbeule  ge- 
m&chlich  in  die  Ewigkeit  gebao;  darum  ist  es  nöthig,  das  Eisen 
zn  geben.  la  manchen  anderen  Fällen,  wo  der  Gesammtorganis- 
mns  sich  in  dem  IndiSerenzstande  belindel ,  schadet  ea  zwar  nidil, 
aber  es  ist  doch  überflüssig,  denn  die  Menschen  geneaen  ohne 
Eilen  und  ohne  alle  Arzenei  vieUeicht  bester  als  übeneichlicb 
arzeneiet. 

Bei  verschlusse nen  Eiterbeulen,  die  aber,  wenn  sie  nicht  ge- 
rade von  fiufserlicher  Gewalubäiigkeit,  oder  von  einer  unsertheil- 
•  ten  pleuriüscben  Entzündung  entstanden  sind ,  zuweilen  ühel  er- 
kannt, ja  kaum  geahnet  werden,  trifft  es  sieh  auch  zuweilen, 
dafs  eine  Eisenaffektios  des  Gesammtorganianius  entstehet,  nnd 
in  der  urerkrankten  Lunge  vorwaltend,  das  Leiden  derselben  sehr 
vermehret.  Ich  habe  einst  eisen  merkwürdigen  Fall  der  Art  be- 
obftchiM,  bei  dem  ich  wol  die  Artung  der  Afiektion  des  Gesanunt- 
«rganismua,   aber  nicht  die  des  (jriungealeidena  erkannte. 

Ein  siebztgjähr^er  Mann ,  der  schon  viele  Jahre  sehr  engbrü- 
stig gewesen,  kam  mich  einst  wegen  eines  befiigen  Buslens  um 
Bath  fragen,  der  ihn  periodisch  belästigte,  zuweilen  mehrmahls, 
snm  wenigsten  einmahl  im  Jahre,  gewöhnlich  in  Winter  erschien, 
und  angeblich  den  Arzeaeien  der  Aerzte  nicht  gefaerchend,  eine 
lange  Zeit  anhielt,  dann  nach  und  nach  abnahm,  nnd  zn  einem 
nnbedeuienden ,  kurzen ,  nicht  angreifenden  wurde ,  an  den  sich 
der  Kranke,  so  gut  als  an  die  Engbrüstigkeit,  schon  iKngif  ge- 
wShnt  hatte.  Weder  gegen  diesen  gewSbnlicben  Husten,  noch 
gegen  die  Engbrüstigkeit  verlangte  er  Raih  von  mir ,  denn  er  war 
verständig  geaug,  einzusehen,  dals  gegen  diese  chronischen  Be- 
■ebwerden,  mit  denen  er  sich  schon  befreundet,  wenig  Hülfe  za 
finden  sein  würde.  Aber  gegen  den  befiigen  periodischen,  ihm 
bei  seiner  Engbriiaii^^it  doppelt  lästigen  Husten,  wünschte  er 
Hülfe,  und  hat  mich  dringend,  den  Versuch  zu  machen,  oh  ich 
sie  linden  könne.  Ich  fand  sie  auf  den  ersten  GritT  im- schwefel- 
sauren Eisen.  Fünfmah!  täglich  ein  Gran  dieses  Mittels  in  Pillen- 
form, hob  den  bösen  Huiten  gar  bald,  und  der  Mann  hat  mehrt 
Jahre  diese  l*illen  bei  jedem  Aullauobeo  seines  periodtebe^.Feia- 


det  mit  <l«m  bestra  wid  fShlbaralen  Erfolg«  gebmuckt.  Stia  Ver- 
irauen  zu  denselben  war  so  grob,  dtifs  et  immer  für  den  Nolh- 
falt  Vorraih  im  Hause  hatte.  Er  gebranchie  sie  nie  länger,  als 
Ae  Heftigkeit  dei  Hnstens  e>  erfoderle;  war  dieser  auf  den  altea 
gewohnten  Pnnkt  zurückgeführt,  so  arzeneiie  er  nicht  tnehr. 

Nach  mehren  Jahren,  da  ich  diese  Kleinigkeit  fiui  vergessen, 
täfst  er  mir  el^st  sagen,  seine  Wunderpillen  wollen  keine  Wun- 
der mehr  ihun.  Er  sei  jetzt  sehr  kratik,  und  nicht  mehr  im  Stan- 
de, das  Zimmef  zu  verlassen,  ich  möge  ihn  also  besuchen  und 
selbst  nachsehen,  ob  noch  an  ihm  zu  flicken  sei. 

Was  fand  ich  sua,  da  icb  hinkami  —  Eine  grofse,  alte  Ei- 
terbeule war  geborsten.  Die  Masse  des  ausgeleerten  Eiters  war 
nogeheuer,  und  dieser  stank  so  abscheulich,  dafs  es  mir,  der 
ich  doch  eben  nicht  sehr  zärtlich  in  diesem  Punkte  bia,  ganz  un- 
möglich war,  länger  als  eine  Viertelstunde  in  dem  etwas  niedri- 
gen Scblafaimmer  ausztihalten.  Der  Alte  safs  noch  auf,  war  aber 
sehr  erschöpft  und  starb  nngeföhr  vierzehn  Tage  nach  dem  Auf- 
bruche der  Eiterbeule.  * 

Dieser  Fall  lehret,  dafs  zn  einer  alten  Eiterheule  sich  eine 
Eisenaffekiion  de«  Gesammtorganistnua  gesellen  kann,  und  dafs 
wir  durch  Beaeiiigung  dieser  Affekiion  die  davoa  abbangeadea 
Leiden  beseitigen  können,  ohne  das  Urlangenleiden  zu  entfernen. 
Wollte  man  aber  daraus  schlieisen,  dafs  jedem  Körper,  der  eine 
verschlossene  Eilerbeule  in  seinen  Lungen  birgt,  das  Eisen  wohl 
ihnD  müsse,  so  würde  solcher  Folgerung  die  Erfahrung  wider- 
sprcehan. 

Ein  Mann,  den  zwei  Eiterbeulen  gsborsten  und  aasgeheilt 
waren,  hütete  zwar  nicht  mehr  das  Zimmer,  kam  aber  nicht  so 
sn  Kräften,  als  ich  nnd  er  selbst  es  wünsohten.  DiesAm  gab  ich 
versuchsweise  das  Eisen,  damit  ich  sehen  möchte,  ob  «in«  Ei- 
senafl'ektion  des  Gesammtorganiimus  vielleicht  einzig  die  ToUstän- 
dige  Heilung  behindere.  Bestimmte  Zei<^eii  der  Eisenaffekiion 
fehlten;  die  fehlen  aber,  wie  gesagt,  oft,  wo  dennoch  das  Ei- 
sen Heilmittel  ist.  Nacbdem  eine  einzige  Unze  essigsaure  Eisen* 
ilnklur  verzehrt  war,  entstand  ein  gewiiser  Grad  van  krankhaftem 
Gefühle  im  ganzen  I^ibe  und  eine  Bpannnng  in  der  Brust.  leb 
■ah,  dafs  ich  nicht  den  wahren  Hailweg  eingescblageo ,  hob  die* 
ses  erkünstelte  Unwohlsein  durch  kubischen  Salpeter  in  zwei  Ta- 
gen und  nherliefs  der  Zeil  und  den  gesunden  Nahrangsmitteln ,  die 
Schwäche  entweder  zu  beseitigen ,  oder  das ,  was  noch  krankhaft 
in  dem  Zustande  des  Mannes  war,  aufzuklären.  Sechs  Wochen 
nachher  barst  eine  dritte  Beule,  die,  nach  dem  entleerten  stin- 
kenden Eiter  in  nrtbeilen ,  weit  gröber  sein  mnfsie  als  die  zwei 
fribeien.    Die  Entkräfinng  war  aber  gleich  nach  dem  Anfbrnd^e. 


—  aoo  — 

■o  groll,   «Uft  der  Kranke  da«  Belt  niefat  nebe  verluien  konnl« 
and  in  wenigen  Tagen  den  Geist  aufgab. 

Wie  liebet  es  nun  aua  mit  der  Pkthiiü  nodota  oder  tubercM- 
lotaf  —  Oafs  man  dtircii  Verhütung,  oder  Bcieitigung  der  Ent- 
zfindong  der  Lungenknoien  der  Scbwiadaucht  vorbeugen  könne, 
ist  bekannt  aod  aucb  iVahr.  Wenn  aber  jemand  bebnupten  wollte, 
dieser  Zweck  könne  aat  durcii  Aderlässen  und  sogenannte  Antt- 
phlogislica  erreicht  werden,  so  ist  das,  als  allgemeiner  Satz  aos- 
gesprocheo,  unwahr.  Die  Entzündung  dieser.  Knoten  kann  eine 
blofs  örtliche,  selbstslfindige ,  von  einer  Affektion  des  Gesamml- 
organismuB  unabhSngige  sein,  und  in  diesem  Falle  werden  wir  daich 
Einwirken  auf  den  Gesamnitorganismus,  sei  es  durch  Aderlässen, 
oder  durch  Salpeter,  oder  Eisen,  oder  Quecksilber,  nichts  Kln- 
ges  ausführeD.  Die  Sache  gehet  ihren  Gang;  ein  Knoten  verei- 
tert nach  dem  andern  und  das  Ende  ist  der  Tod;- 

Warum  sich  das  so  macht,  weifs  ich  nicht  auszulegen,  so 
wenig  als  ich  es  erklSreo  kann,  warum  manche  Menschen  an  ih- 
ren sichtbar  gesunden  Fingern  Schwären  bekommen,  so,  dab 
wenn  ein  Finger  kanm  heil  ist,   der  andere  wieder  krank  wird. 

Ist  aber  die  Entzündung  in  .den  Lungenknoten  nicht  eine 
seIhsistSndige ,  örtliche,  sondern  Vorwalten  einer  Affektion  des 
Gesammlorgnnismus  in  den  Knoten,  so  können  wir,  je  nachdem 
diese  Affektion  geartet  ist,  mit  Salpeter,  oder  mit  Eisen,  oder 
mit  Kupfer  helfen.  Es  ist  eben  so  unwahr,  dafs  wir  in  allen  Fäl- 
len durch  Salpeier  helfen,  als  es  unwahr  ist,  dafs  wir  in  allen 
dnrch  Eisen  helfen  können;  nnd  wenn  EttmtUler  sagt,  dafs  die 
Tinctura  ferri  aeetici  (antiphthüica)  alle  chronische  Entzundna- 
gen  bebe ,  lo  lunfs  er  in  diesem  Punkte  sehr  wenig  ErfabroDg  haben. 

Wenn  bei  der  knotigen  Lungensucht  ein  Knoten  durch  Vorwal- 
ten  «iner  Affektion  des  Gesanimtorganisraus  in  Eiler  übergebet,  so 
kann  die  kleine  Beule. aufberslen,  sich  entleeren  und  heilen.  Wir 
können,  wenn  wir  die  Art  der  Affektion  des  Gesammtorganismas 
für  das  Eisen  geeignet  erkennen,  mit  diesem  Amt  ferneren  Ent- 
iSndong  der  übrigen  Knoten  Einhalt  thun  und  die  Schwindsucht 
einstwoilon  heilen.  Solcher  Heilungen  dürfen  wir  uns  aber  nicht 
überheben,  denn  sie  sind  nur  zum  Theil  das  Werk  der  Kanat, 
BOB  Tbeil  des  Zufalles  Werk.  In  der  Form  Air  kleinen  Eiter- 
beule liegt  die  nothwendige  Bedingung  der  Heilung;  ist  sie  der 
Heilung  ungünstig,   so  kann  ja  die  Kunst  nichts  daran  ändern. 

Es  können  auch  andere,  seltnere  Hindernisse  der  Heilang 
sich  vorfinden,  die  OBsere  küastlerisobcn  Bemühungen  gBnzlich 
vereiilen.  So  behandelte  ich  im  Jahre  1832'  einen  jungen  Mann, 
bei  dem  sieh  in  den  Lungenknoten  kleine  Steine  erzeugt  hatten. 
Ich  bewahre  noch  sieben  von  diesen  Dingern,  di«  er  ausgewor- 
fen.    Sie  sind   wetfa,    hart,    and  haben   so  schaife  Eckeii^^.dals, 


—    »Ol     — 

w«nn  ein  solch««  Steinch*n  auch  nur  onisr  der  Haut  im  Zellge- 
wabe  steckte,  so  tnüfst«  es  hier  schon  Enrzündung  eiregeo.  Ob 
Qod  wieviel  Steine  der  Mann  bei  seinem  Absterben  noth  in  den 
Longen  halle,  kann  ich  nicht  sagen,  denn  ich  habe  ihn  nicht 
geöffnet,  es  ist  anch  im  Grunde  wenig  daran  gelegen.  Ich  be- 
merke aber  noch,  dafs  er  weder  Steinmetz,  noch  BÜdhaner,  Bon- 
nern Kapellan  war;  in  seinem  GeitchSft  also  wol  nicht  der  Grund 
der  Steinerzengung  zu  suchen  sein  möchte.  Wir  Aerzle  müssen 
so  viel  im  Dunkeln  (appen,  dafs  es  uns  auf  die  Dauer  gehet,  wie 
den  langjährig  Blinden,  die  zuletzt  das  Gesicht  kaum  mehr  ver- 
missen and  sich  auf  ihren  gewohnten  Gängen  den  Kopf  nicht  leicht 
zerslofseti.  Treffen  wir  aber  anf  solche  seltene,  unerkennbare, 
ja  unahnbare  Dinge,  so  wird  es  uns  einmahl  wieder  recht  tiifal- 
bar,   dafs  es  dnsler  nm  uns  ist  *) 

Die  Koiarrhalsch windsacht  ist  gerade  die,  bei  welcher  das 
Eisen  die  grOfsten  Wunder  zu  thun  scheint,  und  durch  selbige 
wkd  auch  wol  in  früher  Zeit  die  essigsaure  Eisentinkiur  vorzüg- 
lich ihren  Zunamen  antipKthitiea  verdient  haben. 

Sie  ist  gew&fanlicb  Folge  eines  Katarrhalhustens ,  kann  jedodi 
auch  Folge  einer  solchen  Pleuritis  sein,   von  der  ich  oben  gesagt. 


*)  In  Jihri  1837  Hgle  mir  eiae  arms  Fna,  di  icb  lia  krinlilicitiiTegeD  ba- 
Mchte,  ihr  TbcbterebeB  ,  irslebcs  eins  bli«e  Brnal  bab«  aml  ioIiod  wkr  Ub{* 
ItebHtet,  werfa  von  Zeit  la  Zeit  «iseD  kleiDen  Suis  •».  leb  biefi  «ig,  in 
Falle  diMes  wieder  geicbcbea  lollte,  den  Stein  terbebeD.  In  Feliniir  lS3ft 
bat  lie  nicb ,  ibra  Tocbter  la  beiBcbea ,  niebl,  um  diaae  za  beilan,  londera 
blaf«  nn  dem  Verlangen  denelbca  lo  e^BÖffea  ;  lie  achmeivble  ücb  nümiieb 
mit' der  IhSrichlea  Hnffaneg  ,  icb  iverde  ibr  aucb  wol  taclran  fcSaaen.  —  leb 
Fand  nae  du  zwüirjübri^e  Kind  gtet,  lam  Gerippe  abf enagerl ,  starb  Bebemd, 
•tark  bottead ,  Eirar  aaiwerfead ,  lebwiuend  aad  aa  au  Dorcblaere ,  dafl 
tiglteb  VI  bU  IS  Entleerangea  arFolgleD ;  übrigaoa  war  ea  voll  BalTaaDf  «ad 
Toa  eioer  lo  «alteaea  Verttündigkeit ,  ali  iah  aia  vielleiehl  lue  bei  einem  Rio- 
de  diaaea  Altera  angetroffen.  Ea  arklürte  mir  nao  k*di  deutlicb ,  wie  die 
Steine  aua  der  Longe  kirn  an  ,  nümlicb  ,  vfir  dem  Aoawnrfe  jedes  Steinei  füble 
es  wol  einen  Tag  [ang  itecbendan  Scbmeri  unter  dem  oberes  Tbelle  dei  Brnsl- 
beiBM ,  mfisie  mebr  basteo  ud  S«bleim  auwerfeB ;  lliee  sieb  aber  endlieh 
dar  Stein ,  ■•  komm«  ihr  dieser  bei  eineBi  starken  Anrall  von  Husten  ,  ebna 
Scbleim  ,  gSBE  trockcB  in  den  Hand.  —  Dia  Huller  gob  mir  zwei  toleber 
SleiacbeB ,  die  vor  Kanem  tasgeworCan  waren.  Beide  wiegen  lustnimaB  et- 
was über  aiu  Gran  ,  nad  sebea ,  dareb  eine  Loepe  belracblel ,  wie  Tafitala 
aai.  Run  vor  dem  Tode ,  der  hn  Anrange  des  Hirt  erfolgt«,  kjtl  da*  Riad 
Book  einen  ganz  kleinen  Stein  ausgewarrea. 

Im  Anrange  des  Jabrea  1839  wurde  icb  tob  einer  Jungfrau  wagaa  Huslaa 
mit  SteiaaeawBrf  na  Halb  gefragt ;  diaia  beschrieb  den  Abging  der  Stein* 
(van  denen  lie  mir  eia  paar  bracbte]  gerade  wia  jenes  Rind.  Ucbrigans  war 
sie  niebt  scbwindiüehlig ,  londern  vielnehr  bläband  von  Farbe,  voUfletsehig 
und  im  eigautlicbeB  Sinne  ein  kernhaftea  Hädchan.  —  Ihr  Vater,  den  i«h 
genaa   gekannt ,    ist   in  besten  HtDDMalter  an   der    KttUtU  tmbartalna  §«• 

"•*•"•  .    _       .-JOgIc 


dars  man  sie  ab  den  bÖabit«B  Grad  d«i  KuanfaaUmtteDa  anwbMi 
Müsse.  Sie  mag  nun  aber  entunnden  mib,  wie  sie  will,  so  im 
sie  heilbar,  bo  lange  aich  nicht  auf  der  inneren  Luogepfläcbe  Ütt- 
s^würe  gebildet  hab«n.  Dieser  Uebergang  in  den  uDheilbareo 
Zeitraum  läfst  sieb  sehr  schlecht  aus  der  Art  des  Answurfes  ond 
aua  anderen  Zufällen  beurtheilea.  Jcb  habe  nicb.!  etwa  seksD, 
sondern  oft  SchwLndtücfaiige  gesund  gemacht^  bei  denen  Dicht  blofs 
die  gew&bniichen  Zufälle  vorhanden  waren,  als:  schleiisbendas 
Fieber,  fehlende  Efslasl,  Mattigkeit,  ja  Unvermögen  das  Bell  »i 
verlassen,  Xacblscbweifse  uad  grofse  Abmagerung,  sonderii  dereo 
Auswurf  so  häufig  und  so  siteräbnlieh  vonAaseben  uar,  dafsiMta 
hätte  schwören  sollen,  die  halb«  Luo^e  müsse  bereits  durch  Ei- 
lemng  versebiet  sein;  und  doch  bewies  die  Wirkung  des  Ciseiks 
in  solchen  Fallen ,  dafs  die  vermathlicbe  EiMnu^  nnraSgiicfa  hatu 
Statt  finden  k&nnen.  Wie  wäre  es  attmlich  mitglich,  dafs  der  un- 
mSfsige,  eiterftlMalicha  Answurf  ioDerhaJb  vierMbn,  ja  ianerfaaib 
a«ht  Tage  wideren  köanle,  wenn  wirklich  Gescbwüve  io  <U» 
Longen  vorhaaden  wäre»?  .Sind  sotcbe  Genebwüre  beilbar,  wel- 
ahes  ich  nicht  eMscbaideo  mag,  se  werden  sie  doch  nicht  in  ao 
Ifuner  Zeil  heilen. 

Ich  gebe  gewöhnlich  in  solchen  FSllen  die  essigsaure  Eisen- 
tinklur  zu  einer  Ünse  für  die  Taggabe,  binde  miefa  aber  gerade 
nicht  aa  dieses  PrSperat,  sondern  lasse  auch  wol  den  Liq.  fttri 
mttriat.  oxyd.  nehmen  und  sehe  keinen  Unterschied  zwischen  der 
Heilwirkung  beider.  Es  ist  sehr  erwQnscht  und  versprichi  eia« 
baldige  Heilung,  wenn  der  Harn,  in  Fallen,  wo  er  dunkel  ge- 
färbt  wac,  bei  dem  Gebrauche  des  Eisens  sich  bald  eotfäjbl  and 
strohgelb  wird.  Uebrigens  mufs  man  in  Fällen,  wo  er  laugeo- 
aalzig  ist,  bei  aller  anscheinenden  Besserung  dem  Handel  nicht 
tränen,  bis  er  wieder  sauer  wird.  Hört  man  mit  dem  Gebranchs 
des  Eisens  früher  auf,  so  kann  die  Kache  wol  gut  geben,  wenn 
der  Kranke  noch  in  den  besten  Jahren  ist  und  keine  Anlage  zur 
Schwindsucht  bat,  bei  alten  Leuten  aber  und  bei  solchen,  wel- 
che, ohne  eben  knotige  Lungen  zu  haben ,  schwächlich  sind,  kann 
die  bis  auf  einen  gewissen  Punkt  künstlich  bewirkt»  und  dann  der 
Natur  zur  Vollendung  überlassene  Heilung  wieder  rückgängig  wer- 
den, und  der  Kranke  nach  etlichen  Wochen  sich  auf  dem  näm- 
lichen Punkte  befinden,  von  welchem  man  anfänglich  ausging. 
Damm  ist  die  Vorsicht  jedem  Arzte  zu  empfehlen,  sowol  bei  Al- 
ten als  bei  Jungen. 

Warum  die  essigsaure  Eisenlinktur  früher  TinetWa  anti- 
phthiiica  geheifsen,  das  wird  einem  bei  solchen  Schwindsuchien 
recht  anschaulich;  denn  wirklich,  es  stehet  einem  Wunder  fast 
gleich,  wenn  man  Kranke,  die  von  den  Xichtärzten  schon  für 
verloren   geachtet   werden,    und   von   deren   künftigem  Sohieksale 


—    9*»    — 

Mua  Mlbat  nicht  viel  Bextiimiit««  sagen  kann ,  in  kurzer  Z«ii  wie- 
Amr  ra  auf  di«  Beiae  bringt,  rfafa  lieine  Spur  ihres  vorigen  Lei* 
deD»  mehr  in  erkennen  ist. 

Oamii  aber  meine  jüngeren  Leser,  wenn  sie  einmahl  solche 
Wanderkuren  verrichten ,  nicht  gar  nu  niuthtg  werden ,  so  will 
icb  ihnen  eine  kleine  BeMerkong  machen,  die  ihren  Heilmuih 
swar  nicht  ganz  Biederschlagen ,   doch  ein  wenig  mäfsigen  wird. 

Wie  gesagt,  bestehet  bei  der  Kaiarrhalsehwindsucht  vennnih* 
lieh  in  dein  Bronchi  aliheile  der  Lunge  eine  rosenariige  Cntzün- 
daog,  ana  der  früher  oder  apäier  sich  oberflächliche  Geschwüre 
bilden.  Solche  Gesohwiire,  die  höchst  wahrscheinlich,  wie  rrtan- 
tihe  Hautgesebwnre  durch  PSckcben  sich  bilden,  welche  Euiain- 
menfliebend  eine  teharfe  Feuchtigkeit  absondern  und  allinfthlig  die 
Bekleidung  der  inoerea  LungenflSche  lerstSren,  bilden  sich  doch 
wol  nicht  an  vielen  Orten  der  inneren  Lungenfl^che  ungleich,  son- 
dern es  ist  wahrscheinlich,  dafa  ein  solches  Geschwür  anfönglich  nnr 
aa  einer  einsigen  und  vielleicht  recht  kleinen  Sielle  entstehet.  Wer- 
den wir  nun  in  diesem  Zeiträume,  wo  schon  die  erste  Bildung  eine» 
kleinen  tieschwüree  Statt  findet,  zum  Heilen  anfgefodert,  so  kön- 
nen wir  bei  dem  Gebrauche  des  Eisens  anfänglich  auch  Wunder 
VI  sehen  wähnen  nnd  uns  hintennach   doch  sehr  gelauscht  finden. 

Diese  Tänschnng  geschiehet  auf  folgende  Weise.  Der  reich- 
liehe  eiterjüinliche  Auswurf  rührt  in  solchen  Füllen  nicht  von  dem 
kleinen  Geschwür,  sondern  vou  der  erkrankten,  aber  nicht  ge> 
sohwürigen  Longenfläche  her,  nnd  von  dieser  und  der  Affekiion 
des  Gesammtoi^anlsmus  hntigen  die  Abiiiagerung,  der  Nac  hl  schweif« 
und  andere  Zufiille  der  Schwindsucht  ab.  Reichen  wir  mm  Eisen, 
so  können  wir  wol  die  Zuteile  der  Schwindsucht  wunderbar  ab- 
aebmen  sehen  und  doch  den  Kranken  nicht  am  Leben  erhalten. 
Indem  wir  nämlich  durch  das  Eisen  die  Affekiion  des  Gesammt- 
oi^msmira  und  das  Vorwallen  derselben. in  den  Lungen  heben, 
müssen  die  Zufalle  der  Schwindsucht  oolhwendig  ahnebmeo.  Weil 
wir  aber  ein  kleines,  schon  gebildetes  Geschwür  nicht  heilen  kön- 
nen, so  wird  die  Besserung,  bis  auf  einen  gewissen  Punkt  sicht- 
lieb und  handgreiflich  vorgerückt,  stocken.  Früher  oder  spfiter, 
jß  nachdem  dsii  kleine  Gasohwür  sich  vergröfitert  nnd  die  Substam 
der  Lunge  angreift,  treten  die  Zufalle  der  Schwindsucht  wieder 
deutlicher  nnd  immer  deqtlichet  hervor,  und  das  Ende  der  aus- 
nehmend glücklichen  Kur  ist  der  Tod. 

Oa  es  nun  unmöglich  ist,  dat  Innere  der  Lunge  su  beschauen, 
nnd  das  Stelhoakop  anch  wol  wenig  Aufschlufs  in  solch  hSbliohen 
Fällen  geben  möchte ,  so  rathe  ich  meinen  jBngeren  Lesern ,  bei 
dem  anscheinend  giDcklichstea  Fortgänge  der  Heilung  nicht  zu 
viel  zu  versprechen ,  Boudero  den  Kranken  nicht  eher  aller  Ge- 
tahr  entronnen  »u  erklüren,  bis  die  letzte,  leiseste  Spur  der  Schwind- 


—    904    — 

Bliebt  verflchwundMi  itt.  1b  Fallen ,  wo  die  Lnoga  wirldiob  icboji 
ein  wenig  geichwilrig  angegrifien  ist,  wird  man  imtuer  fiodea 
dafs  die  lelzie  Spur  des  Hiistena  nicht  ganz  venchwisdea  will, 
dafs  die  Nacbischweifae,  sind  eia  gchoo  vorbanden  geweaen,  zwar 
BufhSreD,  aber  docb  von  Zeit  zu  Zeit  Mieoe  maeben,  wiedeclceb- 
ren  zu  wollen*  dafg  der  Puls  zwar  seine  Freqaens  Terloiea,  aber 
doch  noch  ein  wenig  gereizt  bleibt.  Das  änfaere  Aniehen  da« 
Kranken  kann  dabei  beiwer  werden  und  dooh  der  tödtliche  Ana- 
gang unabwendbar  sein. 

Manche  Leser  möchten  mich  vielleicht  tadeln,  dalj  ich  die 
Doheilbarkeit  eines  Lungengescbwiiren  lo  geradezu  behaupte ;  ich 
bin  mir  also  selbst  schuldig,  mich  deshalb  zu  rechtfertigen.  Ich 
kann  nicht  mit  Beaiimmibeit  aus  physiologischen  und  pathologi- 
schen Gründen  die  ünheilbarkeit  behaupten;  als  praktischem  Arite 
stehet  es  mir  aber  nicht  gut  an ,  mich  selbst  zu  täuseheu.  Ich 
gebe  die  Möglichkeit  su,  dafs  ich  vielleicht  oft  genug  Lungeage- 
achwüre  in  ihrem  ersten  Entstehen  geheilt  habe,  aber  eine  toU- 
komnine  Ueberxeugung  habe  ich  mir  darüber  nie  verschaffen  kön- 
nen. Mir  bleibt  also  nicfals  anderes  über,  als  durch  vergleichende 
Beobucbiungen  der  Wahrheit  nahe  zu  kommen.  Ich  habe  nun. die 
Ueberzeugung  erlangt,  dafa  in  denjenigen  Fällen,  wo  ich  über 
das  Vorhandensein  eines  Geschwüres  keinen  Zweifel  haben  konn- 
te, meine  Kumt  unraBchiig  gewesen.  Ferner  habe  ich  Fälle  be- 
haocfelt,  in  denen  zur  Zeit,  da  ich  die  Behandlung  übernahm, 
das  Vorhandensein  des  Geschwürs  noch  sehr  zweifelhaft  wer,  der 
tödtliche,  geachwürige  Anagang  aber  unwidersprechliob  bewies, 
dafa  das  anfänglich  zweifelhafte  Geschwür  ein  wahrhaftes,  in  aei- 
ner  ersten  Entaiehung  begriffenes  müsse  gewesen  aein.  Wenn  ich 
nun  solche  Beobachtungen  mit  einander  vergleiche,  so  gehet  ans 
dieser  Vergleichung  die  hohe  Wahrscheinlichkeit  hervor,  dab  io 
den  acfalimmaten  Fällen  von  Katarrhalschwindsucbt ,  welche  ich  ge- 
heilt, trotz  allem  Anscheine,  keine  wirkliche  Verschwärnng  an  ir- 
gend einer  Stelle  der  inneren  Luagenfläehe  Statt  gehabt  habe. 

Nun  mnfs  ich  noch  einen  Gegenstand  beaprecheo,  wozu  theils 
die  Aenfsernngen  mancher  neueren  Schriftsteller,  iheils  am  Kran- 
kenbette die  Aeufserungen  jüngerer,  verständiger  Kollegen  micb 
veranlassen. 

Man  bat  ea  hent  zu  Tage  viel  mit  Tuberkeln  zu  tbnn ,  gerade 
als  ob  da,  wo  Lnngengeschwüre  sind ,  diese  fast  immer  aua  Tnber^ 
kein  entstehen  mnfoten.  Das  ist  aber  wohl  in  vielen  Flllen  ganz 
irrig.  Eotständeo  z.  B,  bei  der  Katarrbalscbwindsncht  erst  Tuber- 
hein und  ans  diesen  die  Geachwüre,  so  würde  die  rasche  und  gründ- 
liche Heilung  dieser  Schwindsucht  ganz  unmöglich  sein,  denn  Ver. 
bärtungen  sertbeilen  sich  doch  wol  nicht  so  rasch  als  sieb  diese 
Schwindsucht  heilt.    Findet  man  bei  den  an  Kalarrfaalsehwindsacht 


—    905    — 

Vemorbeuea  nehBt  don  GeschwQren  Knoten  in  den  Lnngea,  bo  kön- 
nea-  leiste  die  EnutebuDg  der  ersten  nicht  anOdären.  Bei  jedem 
Geschwüre,  welehea  scharfen  £iter  aussondert,  kann  dieser,  snm 
Theil  eingesogen ,  benachbarte  Lnngendrüaen  feindlich  angreifen 
und  ihre  Anschnellnng  bewirken;  aber  daraus  folgt  nicht,  dafs 
diese  Knoten  schon  vor  der  Bildung  der  Geschwüre  TOrhandeit' 
gewesen.  Ueberhaupt  können  Leichenöffnangen ,  in  so  fern  sie 
nns  blofs  d^n  Zustand  des  Körpers,  wie  er  beim  Tode  war,  se- 
hen lassen,  dem  praktischen  Arzte  nnr  nntzen,  wenn  er  den  Lei- 
chenbefand  mit  seinen  an  Terscfaiedenen  Kranken  und  in  verschie- 
denen Zeiträumen  der  Krankheit  gemachten  Beobachtungen  ver- 
gleicht. Diese  Vergleichnng  kanii  ihn  bef&higen,  einige  nicht 
ganz  grandlose  Vermnlhnngen  fiber  die  Erzeugung  der  Krankheit 
zu  wagen.  An  sich  ist  die  OeShung  der  Leichen  dem  Praktiker 
von  wenigem  \nlEen,  ja  es  frSgt'sich  noch,  ob  sie  nicht  weh  Öfter 
zu  Inihömern  verlaitel  als  den  richtigen  Heilweg  angedeutet  habe. 

Durchfall.  Diesen  habe  ich  mehrmahls  als  in  dem  Darm- 
kanal Torwaltende  Eisenatfekiion  erkannt  und  mit  Eisen  geheilt. 
Bei  Eisenaffektionen ,  die  als  akute  Fieber  auftreten,  ist  der  Darofa- 
lauf  ein  nicht  seltener  ZafaÜ ;  wo  man  noch  zweifelhaft  über  die 
Natur  der  Krankheit  ist,  gibt  das  baldige  AnfhSren  des_ Durch- 
falles hei  dem  Gebranch  des  Eiseng  einen  gnten  Beweis,  dafs  man 
den  richtigen  Weg  eingeschlagen. 

Ruhr.  Diese  habe  ich  bis  jetzt  noch  nicht  als  Eisenaffektion 
beohachiet;  ältere  Erfahrungen  sprechen  aber  dafdr,  dafs  sie  also 
geartet  sein  könne  und  auch  oft  also  gewesen  sein  müsse.  lo  der 
alten  Galenischen  Welt  bediente  man  sich  gemeinlich  der  Aqua 
chalyheata,  ja  da  man  den  Nntzen  derselben  erkannt,  empfahl 
man  sie,  obno  Rücksicht  auf  die  Artung  der  Krankheit,  ziemlich 
blindlings  als  Antidyientericum.  Ich  habe  versSomt,  aas 
den  älteren  Schriftstellern ,  welche  ich  gelesen ,  mir  das  dahin 
Einschlagende  schriftlich  zu  bemerken,  nnd  dieses  jetzt  wieder 
nachzusuchen,  würde  mir  wenig  Unterhaltung  gewahren.  Deut- 
lich erinnere  ich  mich  aber,  da&  in  der  ärztlichen  Briefsammlnng, 
welche  man  io  den  Wwken  des  Oreg.  Hont  findet,  mebrmahls 
von  der  guten  Wirkung  der  Aquu  ekalybeata  in  der  Ruhr  die  Rede 
■St.  CrsprÜDglicb  schreibt  sich  diese  Erfahrung  und  Meinung  der 
alten  Aerzte  wol  von  ihrem  Orakel  dem  Qalen  her,  denn  der 
rühmt  das  lerum  laclit  ehah/beatum  vorzüglich  gegen  die  Ruhr 
(De  timpi.  Med.  facHlt.  Lib.  X  Cap.  lO;. 

Joh.  Cralo  scheint  mir  der  erste  zu  sein,  der  zieh  gegen 
die  blinde  Anwendung  des  Eisens  erklärt  hat.  Er  sagt  ansdrüek' 
lieh  (ContÜ.  22  lib.  i) :  Ne  detur  pottu  chalybeatu»  utßeri  golet, 
»on  ettim  ia  adttringit,  ut  falto  exittinant  medici,  »ed  tvrhat 
ahmm.    Ich  glaube  gern,  dafs  das  Eisen,    bei  einer  Selpetenuhr 


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gebraucht,  den  Darmkanal,  atut  zu  beruhigen,  arg  ia  Aufmbr 
bringen  wird. 

Fabritiua  BUdamui  tag!  (LH.  de  dg»t»l.  Cajr.  7) :  Aqua  cJta- 
Igieata  im  d^iealeriä  ah  tmn^tufere^  qui  im  mtdieüta  clurMtnmt, 
praeter  Joanitem  Craiouem,  laudatmr^  i/le  enim  lange  alioM  prm- 
fert  opiKtontm  u.  s.  w. 

Mau  siehe!  bierani,  dafii  die  Meinung,  als  sei  Eisen  daa 
wahre  Heilmittel  der  Ruhr,  gar  gemein  nmer  den  Aerxien  mub 
gewesen  sein.  Da  man  nun  aber  die  suweilige  böse  Wirknn|p 
desaelben  nicht  abl&ugnen  konnte  oder  wollte,  so  snobia  raan 
( w  ah  reche  inl  ich  uia  das  Ansehen  des  Galen  aufrecht  zu  erbal- 
ten) die  Ursache  des  bald  Helfens,  bald  Schadens,  nitht  sonol 
in  der  Teracbiedeneo  ArtDng  der  Krankheit,  als  Tielmehr  in  der 
Verschiedenheit  der  aagewenHetea  Eisenprftparat«.  So  spricht  sich 
sum  wenigsten  F.^  Flater  ia  dem  Briefe  aus,  den  er  an  Fahritimt 
Hild.  schrieb  nnd  den  man  in  der  angeführten  Ahhaadlaog  des 
leisien  findet;  fihnlich  denkt  darüber  Mickael  DSriag,  dessea 
Worte  dort  ebenfalla  stehao ,  äbnlicb  Adrian  Liiaviut  and  Her- 
aäee  Sauonia. 

Was  die  Erfahmitg  des  Fahritiu»  Hild,  selbst  betrifft,  saaagt 
er  darüber  Folgendes:  £go,  vt  ingentie  Jatear ,  doctrinam  et  pra- 
xin praeceptorum  mevrum  imifima ,  per  multoa  anntt  mquam  ckmlfß. 
heatam  djfenterici»  quoque  praetcripti.  Tandem  ven  otum  em,  qua« 
Crato  kac  de  re  o&teroavit,  mihi  innotuitäent,  ee  preinde  loco 
agnae  ehtüybeatat  aegrit  decactum  aJiquod  convenitM  exAibuiitem^ 
amnia  pr^fecla  lange  felicitu  mihi  imecetterunt ;  iia  qtiidem,  ut 
o&ienationem  Cratonit  veriiiimam  eue  re  ipta  expertu»  »im, 

Mi  1  «leiden.  Es  ist  ein  grober  Irriham  der  früheren  Mrdi- 
lin  gowesen,  dafs  man  des  Glaubens  war,  Eisen  wirke  vonugs- 
weise  heilend  auf  die  Mils,  Der  Arat,  dar  diese  Meinung  %w»l 
snerst  in  die  Medizin  eingeführt  haben  mag,  ist  Aetin»  (Ltbt  X 
Cap,  aj.  Er  sagt:  Hammerscblag  habe  den  Landleuieo  bei  aof- 
getriebener  Milz  gat  geihan,  aarien  Körpern  müss«  man  aber  Wein 
geben,  Jn  dem  glühendea  Eisen  gelSacht  «et 

Gabriel  FaJlopitu  ist  durch  diese  Aeulsemng  des  Aetiui  be- 
wogen worden,  zwar  nicht  Hammerscblag,  aber  doch  Wein,  der 
auf  Eisenfeil  gestanden,  den  Milzkranken  sn  gehen.  Auch  Wein, 
worin  glüheodas  Eisen  geloscht  worden,  behauptet  er,  aei  köst- 
lich bei  Verhärtung  der  Milz.  Er  sagt:  Vinum  kac  raUone  cim- 
lybeatum  moderate  lubricahit  ahum^  et  edueet  exorementa  »igra, 
et  tpatio  quadraginta  dieru»  videbiti»  comminulum  teirrium.  Hoc 
etrte  ionum  ett  medicamentum  etpraetertim  pro  mollioribtn. 

Alles,  was  er  noch  darüber  sagt,  lautet  wirklich  so  nnmn- 
thig,  dafs  man  glauben  sollte,  eine  verhünete  Mila  zu  xertheilen 
aei  nur  Kinderapii,'!.     So  luftig  kann  man  aber  wahrhaftig  die  Saohe 


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nicht  nehnen.  Es  ist  wsbr,  dab  Eiaenaffsktion  d«i  GeiRmmlor- 
gaDisniuH  nicht  nette»,  in  der  Milz  vorwaltend,  ichmerzloBe  oder 
Bcfainenhafie  Auftreibang  dieses  Organa  macht,  und  dafa  in  disBen 
FKlIcn  das  Eisen  aoUhe  leiden  bebt;  aber  es  ist  unwahr  dafs 
das  Eisen  ein  besonderes  Miizheii mittel  aei.  Man  findet  leider  oft 
genug  Milzleiden,  die,  als  Urleiden  dieses  Organs,  nicht  dem  Ei* 
sen,  aber  wol  den  eigeacn  Milzbeil  mittel  n  gehorchen.  Ja  der  ei- 
gcHiIiehe  Sfirrhus  der  Milz,  der  sich  mit  der  Hand  ntcbt  btofs 
als  «ine  Spannung  des  linken  Hypochooitriuins,  Boadero  als  wirk- 
tieh  harter  Körper  ffiblcn  läfst,  dessen  vordere,  oder  onlere  Gren- 
xe  man  rieutlieb  unterscheiden  kann,  ist  .wahrlich  sehr  schwer  aa 
zertheilen;  was  uoB  &U  Heilung  erscheint,  ist  wol  in  den  meisten 
FsUen  blofs  eine  Verminderung  des  Umfanges  des  kranken  Or- 
gans, nicht  ein  wirkliebe«  Zurückbringen  desselben  zum  Normel- 
gtande. 

Leberleiden.  Ich  glaube  nicht,  bis  jetzt  eine  Gelhsocht 
behandelt  zu  haben,  die  von  eioer  in  den  Gallengängen  vorwal- 
tenden Eisenaffekiion  abgehangen,  denn  wenn  ich  mir  von  einem 
solchen  Falle  anch  schriftlich  nichts  bemerkt  bfttte,  so  würde  ich 
mich  desselben  doch  als  eines  seltenen  erinnern.  Bei  älteren  Schrift- 
stellern findet  man  zuweilen,  dals  sie  unter  eine  Menge  L^e^ 
und  Lwxirmittel  Eise«  mischen,  z.  B.  Felix  Plater  (Otterv. 
la.  X  pag.  352.  und  lA.  3.  pag.  612.;.  Solcbe  Beobachtungen  ha- 
ben aber  für  mich  keinen  Werifa;  wer  knnn  wissen,  welcher  B»* 
atandtheil  des  Allerleies  geholfen. 

Jedoch,  da  ich  mehrmabls  beobnchtet,  dafs  alte  Urleberi«den 
(ohne  Gelbsucht)  mit  einer  Ureiaenaffektion  dee  Geaammtorganis- 
mus  gepaaret  waren,  so  wird  anch  wol  Gelbsncht  eine  Vorwaltung 
einer  UreiaenaSektioa  sen,  oder  als  Urleiden  der  Gallengänge 
aioh  mit  einer  eolcbsn  Affektioa  paaren  kftnnen.  Dafs  ich  das  nun 
gerade  nicht  beobachtet  habe,  ikut  nichts  cur  Sache,  denn  ich 
bab«  mnoches  nicht  gesehen ,  was  sich  doch  in  der  Natur  finden 
wird. 

Das  akni«  Leberfieher,  welches  von  einem  Urlmden  der  Oal- 
lengBngfl  abhing,  das  sich  durch  oogeregebe,  zu  häufige,  eigen- 
schaftlich verändetta  Gallenabsonderutig  oSenbarte,  habe  ich  nwbr- 
mahts  mit  einer  Urei«enaffektioo  des  Gesammtorganismiis  gepaart 
gesehen,  jedoch  mit  einer,  dem  Grade  naoh,  gelinden,  an  dafs  icb 
mit  roihem  Eisenoxyd  fertig  werden  konnte.  Da  ich^  wie  im  vo- 
r^en  Kapitel  bemerkt  ist,  solche  Gallenfieber  im  ersten  ZeitEaume 
mit  neutral isirenden  Mitteln  bekämpfe,  so  lielaen  sich  diese  Mitt^ 
ganz  gemächlicb  mit  den  Eiseitoxyd  verbinden.  War  die  im  Darm- 
kanal vorhandene  saure  Galle  neutralisirt,  so  verband  icb  das  £i- 
senoxfd  mit  einem  guten  LeberSailtel.  Hier  durfte  ich  aber  be- 
gceiflicb  zuaa  Neuiralisiren  nicht  BittenaUerda  gebrauchen,    son- 


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imt  \a(Ton  oder  AmtBoaium  waren  xweckinHfMiger.  Uab  ich  je- 
doch  eioi  dieser  Mittel  allein,  so  konnle  ich  noi  damit  das  erste 
sturmiscbe  Stadium  beBchwih'eo,  weil  dieses  vorsäglich  von  dem 
HeiKe  der  scharfen  Galle  auf  die  Dftrme  abhfingi,  allein,  autt  *a 
bessern  fiel  der  Kranke  io  einen  schleichenden  Zustand,  der  sieh 
dann  anch  nicht  dnrch  blofse  Lebermiiielj  aber  wol  durch  eine 
Verbindung  derselben  mit  dem  Eisen  beben  liefs. 

Ich  gebe  gern  zn,  dafs  solche  aus  einer  Urleber-  and  Ureisen- 
affektton  des  Gesammtorgani^mas  gemischte  Krankheiten »  wenn 
sie  als  Undgängige  zuerst  auftreten,  nicht  gemScblicfa  zu  erken- 
nen sind.  Der  erste,  der  davon  ergriffen  wird,  ist  am  übelsten 
daran.  Fehlt  es  dem  Arzte  an  bestimmten  Zeichen  der  Cisenaf- 
fektion,  so  schöpft  er  erat  Vwda^t,  wenn  er  in  den  ersten  paar 
Tagen  die  einfache  antigaitrische  Neutralisirnielbode  swar  er- 
wünschte Besserung  bewirken,  aber  dann  diese  Besserung  stocken 
ziehet.  Begreiflich  denkt  er  jetzt  zunfichst  darauf,  die  Leber  blols 
durch  Hepatica  gesund  zd  machen.  Das  Nicht  heil  wiriien  dieser 
Miiiet  dringt  ihm  endlich  den  Gedanken  anf,  dafs  er  es  mit  einem 
gemischten  Kran k hei tszn stände  zn  ihnn  habe.  NalSrlieh  gehet  im- 
mer Zeit  Terloren,  wenn  blofs  durch  Erkennnngsmitlel  die  gemisch- 
te Natur  der  Krankheit  mufs  ergründet  werden. 

Was  ich  hiervon  den  neu  auftretenden  epidenuKcben,  gemisch- 
ten Leberfiebern  gesagt,  gilt  auch  von  den  nftmlichen  Fiebern, 
wenn  sie  sporadisch  erscheinen,  und  sie  erscheinen  dann  am  leich- 
testen sporadisch,  wenn  einfache  LeberHeher  herrschen.  Bei  deM 
einfachen  Leberfieber  bfingt  die  als  Fieber  sich  offenbarende  Af- 
fektioo  des  Gesammtorganisnoa  blofs  von  den  Urleiden  der  Leber 
ab  und  ist  also  eine  blofs  eonsensuelle;  der  Geaamnitorganisniiis 
befindet  sich,  hinsichtlich  der  Mittel,  in  dem  Indifferenzstande.  Nnn 
trifft  es  sich  mitunter,'  dafs  bei  einzelnen  Menschen  die  Affekiion 
des  Gesammtorganismns  nicht  eine  rein  consensuelle ,  sondern  ei- 
ne UreisenaffektioQ  entweder  gleich  anfangs  ist,  oder  es  doch  in 
ein  paar  Tagen  wird.  Dieses  rührt  von  der  Eigenthümlichkeit  sol- 
cher K&rper  her,  welche  weder  gnt  zn  erkennen ,  noch  gut  zu  erklä- 
ren ist.  Man  mnfs  sich  aber  jederzeit  die  Mäglicbkeit  solcher  Ab- 
weichung von  dem  epidemischen  Regelgange  denken,  damit  man, 
wenn  sie  zur  Wirklichkeit  wird,  sich  darin  in  finden  wisse.  Will 
man,  nachdem  man  den  Charakter  einer  herrschenden  KranUieit 
e^ründet  hat  und  das  Heilen  onn  gar  lustig  von  Stallen  gehet» 
zieh  auf  die  faule  Seite  legen  nnd  denken,  ich  bin  jetzt  Meister 
der  Krankheit,  es  hat  weiter  keine  Noth ;  so  kann  man,  wenn  ein- 
mahl  eine  solche  Abweichung  von  dem  Gewöhnlichen  erscheint, 
am  ersten  in  die  Dinle  kommen. 

Nnn  will  ich  dem  Leser  noch  einen  kleinen  Wink,  hinsicbt- 
lich    der  Erkeoninifs  der  Elizenaffektion   des  GesamatorganisMat 


trai  Leberfiebern  geben;  was  ich  zn  sagen  habe,  gewfibrt  keine 
nnbedingte  Sioberheit,  ich  darf  es  aber  doch  nicht  verschweigen, 
weil  es  manchem  bei  Uebung  der  Kunst  zu  Statten  Icoinmen  könn- 
te. Ja,  mancher  könnte  es  selbst  dnrch  eigene  Beobacbtung  ler- 
nen, und  mich  dann  hintennach  wegen  meines  Schweigens  lar  ei- 
nen ODaufmerksamen  Arst  hallen. 

Wenn  man  bei  Leberfiebern  zhf  Neutralisirnng  der  scharfen 
,  Galle  (in  F&llen,  wo  diese  vorhanden  ist)  im  ersten  Zeilraame 
Nairon  xu  einer  halben  Unze  laga  reicht,  und  man  findet,  dafs  ' 
den  zweiten  Tag,  wo  also  erat  eine  halbe  Unze  verbraucht  ist, 
der  Harn  schon  neuiral ,  oder  gar  laugensalzig  ist,  so  ist  dieses 
eine  Erscheinung,  welche,  beim  Mangel  aller  Zeichen  der  Eisea- 
alTekiion ,  schon  eine  nicht  zu  verachtende  Vermuihnng  für  das 
Vorhandensein  eines  solchen  Zuslandes  gibt.  Es  wird  jedem,  der 
den  Menschenleib  nur  mit  einiger  Aufmerksamkeit  beobachtet  hat, 
wol  begreiflich  sein,  dafs,  Wenn  eine  halbe  Unze  Natron  innerhalb 
«Ines  Tages  gereicht,  den  Harn  eines  KTanken  langensalzig  macht, 
indefa  hundert  andere  anderthalb  Unzen  innerhalb  drei  Tage  ver- 
zehren bKnoen,  ohne  dafs  der  Harn  kaum  neutral  wird,  in  jenem 
ersten  Falle  die  schnell  bewirkte  neutrale  oder  laugenaalzige  Um- 
Snderong  des  Harnes  anf  etwas  Unheimliches,  von  der  Norm  Ab- 
weichendes deuten  müsse.  Dieses  kann  uns  nun  zwar  nicht  im- 
mer znm  dreisten  Gebraache  des  Eisens,  aber  doch  anf  unserer  Hut 
zn  sein  mahnen.  Bei  der  grofsen  Schwierigkeit,  die  Eitenaffektion 
in  ihrem  ersten  Entstehen  zu  erkennen,  mufs  man  solche  kleine  Li- 
sten in  Ehren  halten. 

Nun  könnten  mich  meine  Leser  noch  fragen:  wie  ich  dann 
helfen  wolle,  wenn  die  Eisenafiektion  des  Gesammlorganismns  bei 
solchen  Galienfiebern,  dem  Grade  nach  stärker,  ein  kräftigeres  Ei- 
senprSparal  als  das  rothe  Oxyd  nnd  das  kahlensaate  verlange,  ich 
kSnne  doch  keine  Ver'bindungen  des  Eisens  mit  Säuren  gleich- 
teilig  mit  Laugensalzen  reichen,  ohne  jene  Eisenialze  zu  zer- 
setzen, 

Daranf  antworte  ich :  Solche  Fieber  habe  ich  bis  Jetzt  noch 
nicht  landgangig  beobachtet,  kann  also  nicht  mit  Bestimmtheit  da- 
rin raihen.  Erwartet  man  aber  einen  auf  meine  allgemeinere  Be- 
äbachlungen  baairten  Vorachlag  der  Heilung  solcher  Fieber,  de-  . 
ren  Erscheinen  deon  doch  frDher  oder  später  nicht  ausbleiben  wird, 
so  kann  ich  Folgendes  mit  gutem  Gewissen  rathen. 

Im  ersten  Zeiträume,  wo  es  darauf  ankommt,  die  scharfe  Gal- 
le zn  neutralisiren,  verbinde  man  kohlensaures  Natron  mit  rothe n 
Eisenoxj'd  oder  kohlensaurem  Oxyd,  und  lasse  diese  Mischung, 
wenn  nicht  das  gänzliche  Aufhören  der  gastrischen  Beschwerden 
das  Nairon  frDher  nnnötbig  macht,  drei  bis  vier  Tage  nehmen. 
Offenbart  sich  die  Affektion  der  Galleogfinge  blofs  durch  ein«  ge- 


—  gio  — 

sieigen«  maleerend«  Bewegnng  (welches  gewöhnlich  bei  dcD  ge- 
meinen, in  den  mediiiniflchen  I^hrbnchern  beichriebeaen  derFslI 
ist),  sa  braucht  man  zn  der  Miichnng  von  Eiienoxyd  and  Nuron 
kein  beaoaderes  Lebertnittel  xnmsetieD,  denn  in  diesen  Fällen  i« 
das  Natron  selbst  schon  Heiimiitel  der  Gallengange. 

Es  kann  aber  sein,  dsfs  die  A&ektion  des  galieafasondemdan  ih^ 
garts  ganx  anders  geartet  ist.  Die  awei  entgagengesetzieB  krank- 
haften Zustände  dieses  Organs  sind :  entweder  sehr  verniehrl«, 
oder  ganz  aufhörende  Gallenabsondernng.  Zwischen  diesen  Extre- 
men liegen  aber  so  riele  nnberechenbare  Scfaattungen  des  Krank- 
aeins,  dafg  ich  ein  wahTbafter  Galeniker  sttin  müfste,  wenn  ich  ei- 
nen allgemeinen  Raih  geben  wollte.  Nur  das  kann  ich  sagen :  so- 
bald man  die  VenniithuMg  bat,  dafa  die  (jalicnabsoBdening  sich 
eher  anr  Vermindernng  aU  tor  Vermehrnng  neigt,  ao  thnt  man 
wohl,  gleich  ein  gutes,  aur  Zeit  wirksames  Lehermittel  lu  jener 
Mischung  au  setzen.  Die  Zeichen ,  woraus  man  eine  solche  sur 
Verminderung  sich  neigende  Gallenabsondening  erkennet,  sind 
Kwar  nicht  ganz  sieber,  aber  doch  Ton  der  Art,  dafs  «s  wol  der 
Mäbe  lohnet,  auf  seihige  an  achten.  Die  in  das  Duodennm  «r~ 
gouene  Galle  kann,  wenn  gleich  nicht  ühermftfsig  in  Menge,  doch 
eigenschafilich  so  krankhaft  rerfinden  sein,  dafs  aie  im  Darmka- 
nate  durch  ihre  Schärfe  die  sugenannten  gastrischen  Zafiille  in 
hohem  Grade  hervorbringt.  Wenn  wir  nun  diese  ZafSlIe  dardi 
Natron,  oder  Ammonium  beschwichtigen,  die  Bitterkeit  des  Mun- 
des weicht  aber  nicht  sugleicfa  mit  den  Darmleiden ,  so  ist  das 
ein  ziemlich  sicheres  Zeichen,  dafs  dieser  Zufall  nicht  von  der  au 
reichlich  in  den  Darmkanal  ergossenen,  «oodem  von  der  in  den 
'  Gallengängen  enriickgehaltenen ,  eingesogenen  und  aaf  die  Zung« 
ahgelagenen  Galle  enutebet. 

Durch  das  im  ersten  Zeiträume  nebst  dem  Nalro  gegebene^ 
Eiaenoxjd  werden  wir  so  viel  erlangen,  doTs  die  Urelsenaffektitm 
des  Gesammtorganismus ,  während  wir  die  saure  Galle  neatnilisi- 
ren,  nicht  überraschend  zunimmt  nnd  uns  in  Verlegenheit  setzt. 

Sobald  die  Neutralisation  der  scharfen  Galle  im  Darmkanal  voll- 
bracht ist,  wird  es  wol  am  klügsten  sein,  essigsaure  EUseatinktur 
mit  einem  zur  Zeit  pafsliehen  Lebermittel  verhnnden  za  geben«. 
und  mh  dieaein  die  Heilung  zu  vollenden. 

Breeb-  und  Laxirmittel  im  ersten  Zeitraum«  aolcher  vermisch- 
ten Leberfieher  zu  geben,  halte  ich  für  sehr  unsicher,  weshalb  ich 
auch  den  Gebrauch  der  Bittersalzerde  nicht  anrathen  kann.  Bei 
einfachen  -Gallenfiebern  hat  die  ausleerende  Melhiode  eine  ertrBg- 
licb  gaie  Wirkung,  wiewol  sie,  hinsiebtlich  der  Sicherheit,  der 
neu  trau  sirendea  anth  hier  weit  aachsiebet ;  aber  bei  dem  mit  oi- 
ner  UreiseaaSiektion  des  GesammtorganisBius  verbundenen  Gallea- 
fiebec  {«£tt  aie  sehr  schlecht.     Wü  kSnaM  dfUnit  «!>  13«^  «^ 


—    9tl    — 

küvtt^n,  wel«bea  ia  der  BeknlreehteD  Hpracbe  Omtriea  »ervota 
beifiti. 

Hypochondrie  notl  Hysterie.  Wer  da  gUobt,  dm  Ei- 
MD  tei  eine  ipez.ifische  Hülfe  gfegea  diese,'  blofa  dem  Namen  nach 
verschiadenen  Uebel,  der  belLnodet  wahrlich  eine  grofae  CnerMi- 
renheit  in  dieiem  Punkte.  HSafi^  iH  dae  verrafene  Uebel  in  dem 
Urleiden  irgend  eioeB  Organs  begründet,  und  kann  nur  einzig  da- 
dnrch  geheilt  werden,  dafs  wir  das  nrerliranlcle  Org;Ha  geaand  ma- 
chen: so  sitit  ia  vielen  Fällen  der  Gmnd  in  der  Leber,  in  der 
Mih,  im  Gehirn,  im  Panlireu,  im  Pfortadersyslem.  Zuweilen, 
jedoch  selten,  ist  eine  VerhKrtnng  im  Gekrttae,  snweilen,  aber 
auch  selten,  eine  VerengeraDg-eiaes  Theilsdes  DarrokanaU  Schuld 
■n  dem  ganzen  Elende,  auf  weiche  Fehler  viel  Reib  und  wenig 
Hülfe  ist.  Ja  auch  Nierensteine,  und  ein  Urleiden  de«  Hersens 
/welches  nicht  gerade  erworbener  oder  angeborener  fiildongsfehler 
SU  sein  brancht)  kSnnen  Hypoehondrie  machea.  Endlich  spielt 
beim  weiblichen  Gescblechte  auch  die  Gebirmntier  eine  Hauptrol- 
le, wenn  sie  n&mlich  urerkrankt  ist.  Kannen  wir  nun  das  urlei- 
deode  Organ  erkennen  und  heilen,  so  k5nnen  wir  auch  die  davon 
abhängende  Hypochondrie  heilen,  sonst  bleibt  all  unser  Tlwin  nur 
Flickwerk,  vp»  dem  es  nicht  der  Muhe  werlh  ist,  su  sprechen. 

Diesel  mm  vorausgesetzt,  ist  aber  nicht  tu  Iftognen,  dafi  die 
Hypochondrie  in  gar  manchen  Körpern  sich  ohne  Urleiden  irgend 
eines  Organs  als  reine  EisenalTektioa  des  Gesamrotarganisnins  fin- 
det. Je  nachdem  diese  Afiektion  in  dem  einen  od«:  dem  anderen 
Organe  vorwaltet,  macht  sie  ein  endloses  Heer  voa  Zufällen,  de- 
ren Erklärnag  den  gelehrtesten  Physiologen  wol  greises  Kopfbre- 
chen vernfsachen  m5chie. 

Man  hat  schon  in  alter  Zelt  geglaubt,  das  Eisen  heile  die  Hy- 
sterie nnd  Hypochondrie  durch  seine  stärkende  Wirkung;  Schwäche, 
der  man  in  verschiedenen  Zeitaltern  verschiedene  Namen  gab,  sei 
die  nächste  Ursache  des  verrufenen  Uebels. 

Schon  im  dritten  Jahre  meiner  Praxis  warde  mir  dieser  Ge- 
danke, den  ich,  wie  so  manches  andere,  anf  gnten  Glanben  hinge- 
nommnn ,  höchst  verdächtig.  Ein  Mädchen ,  welches  woeheolaBg 
mit  allerlei  seltsamen,  geraeinlich  alle  Tage  abwechselnden  Zufäl- 
len heimgesucht  wnrde,  genas,  nachdem  alle  Mittel  nutzlos  gewe- 
sen, durch  Eisenfeil,  nnd  zwar  auf  eine  so  schnelle  nad  mi<A  über- 
raschende Weise,  dafs  idi  wahrhaftig  ein  Thor  hätte  sein  müssen, 
wenn  ich  dieses  Heilen  einer  Vertreibang  der  Schwäche  hätte  zu- 
schreiben wollen.  Obgleich  damahls  noch  jnng,  hatte -ich  doch 
schon  manche  Menschen,  die  schwach  waren,  durch  stärkende  Mit* 
tel  wieder  auf  die  Beine  gebracht,  wufsie  also  recht  gut,  dab  das 
Stärken  sieh  so  rasch  nicht  machte  als  hier  die  Heilung.  Ja  der 
etliche  Monate  fongeaetsie  Gebranch  des  EiaenfeiU  behiodfrle.»^ 


—  wa- 
te Jabre  die  RGckkebr  d«r  ZafSUe,  lo,  daft  du  Mfidsben,  so  laag* 
sie  hier  wobnie,  gaoz  frei  blieb.  De  sie  aber  hernach  mit  ihrer 
Familie' Daob  W"*  zog,  nod  dsrt  «in  Jahr  gewohnt,  erhielt  ich 
von  ihret  Sefaweater  die  Nadirichl,  die  allen  ZufRlle  haben  eich 
wieder  eingeaiellt,  und  der  Arxt,  der  alle  bekannie  Mittel  ftvcht- 
los  gebraucht,  wünache  dai  Rezept  der  Wunderpulver  xa  sehen, 
dorch  welche  ich  sie  früher  geheilt. 

Das  Eisen  hat  anch  jetzt  wieder  die  nfimliche  Wirkung  gehabt 
als  früher,  uad  ao  viel  ich  von  der  Familie  in  Erfabnrag  gebracht, 
ist  die  Jungfrau  bis  xu  ihrem  Tode,  der  im  Jahre  1831  erfolgt, 
fr«i  von  ihren  aeltanmen  Zufällen  geblieben. 

Bei  dieser  Kranken  habe  ich  etwas  beobachtet,  welches  ich 
seitdem  nie  wiedergesehen.  Sie  hatte  nSmlich  zuweilen  opisto- 
tholoniicbe  Krämpfe,  welche  mit  minutenlanger  Unterbrechung  ei- 
nen ganzen  Tag  anhielten'  und  dann  anderen  ZolSlIen  Flau  macfa- 
len.  Diese  Krämpfe  waren  so  heftig,  dafa  der  Körper  einen  ho- 
hen Bogen  bildete,  and  ohne  durch  fremde  Hülfe  im  (ileicbgewichte 
gebalteo  zu  werden  nothwendig  aus  dem  Bette  hatte  Stars«  niiis- 
len.  Gewöhnlich  sind  die  an  solch  furchtbaren  Convalsionen  Lei- 
denden w&hrend  des  Anfalles  besinnungslos;  diese  Jungfran  aber 
'  hörte  während  des  Anfalles  alles,  was  um  sie  vorging  und  erin- 
nerte sich  desselben  hernach  gana  genau.  Sprechen  konnte  sie 
aber  nicht,  und  nur  höchst  anvollkommen,  auch  wol  gai  nicht,  in 
den  kurzen  Unterbrechungen. 

Ob  ea  zwar  gana  aufser  meinem  Plane  liegt,  die  Leser  mit  der 
Entählnng  seltsamer  hysterischer  Begebenheiten  zu  langweilen,  so 
kann  ich  doch  nicht  gut  zwei  Beobachtungen  unterdrücken,  die  mir 
merkwürdig  scheinen.  Die  erste  betriffi  ein  M&dcken ,  welches  im 
hysterischen  Anfalle,  bei  gescblosaeRen  Augen,  ohne  jedoch  das 
Bett  au  verlauen,  gleich  den  Schlafwandlern  allerlei  Dinge  trieb 
als  oh  sie  wachte.  Ich  habe  seihst  einmahl  gesehen,  dafs  sie  ei- 
nem Manne  ihrer  Verwandtschaft,  der  bei  seinem  Besuche  sie  ge- 
rade in  dem  Anfalle  traf  und  sich  zu  ihr  ans  Bett  setste,  alle  Ta- 
schen ausleerte,  den  Inhalt  auf  das  Bett  legte,  und  dann  alles  wie- 
der genau  an  den  Ort  steckt«,  woher  sie  es  geholt.  War  der  An- 
fall beendiget,  so  erinnerte  sie  sich  dessen,  was  sie  gelhan,  nii^ 
mehr.  (Die  Hysterie  hing  von  einem  Urleideo  der  Milz  ab,  ich 
heilte  sie  durch  Eicbelnwasser.)  Sie  ist  jetzt  längst  verheirathet, 
Mntler  mefarer  Kinder,  und  hat,  seit  sie  genesen,  nie  mehr  ihn- 
liiAe  Znfölle  gehabt. 

Die  zwMt«  Geschichte  wird  den  Physiologen  besonders  merk, 
würdig  sein,  sie  betrifft  eine  hysterische  \aohisichtigkeit. 

Die  Ehefrau  eines  meiner  Freunde ,  wurde  von  Zeit  zu  Zeit, 
jedoch  selten,  von  hysterischen  Zueilen  heimgesucht,  welche  sich 
nicht  im  Bauche,  sondern  im  Kopfe  «Is  voffibei^iehendaa  Irmeden 


—    913    — 

fttifiierten.  Uebrigvui  gebön«  sie  wahrlich  nicht  *a  dem  Onl«D  d«r 
allieit  J^lagenden,  allMit  aneneifudeo  W'«iber,  tondern  tie  war 
«ine  geaund«,  lebenslustige,  rührige  Hansmatier.  Eiikb  Tages  wg> 
Is  mir  der  Chemano,  da  ich  ihn  gelegentlich  sprach,  seine  Fran 
habe  seit  einiger  Zeil  etwas  SeltBanies  an  sich  bemerkt;  sie  kön- 
ne nämlick  xuweilen,  wenn  sie  nachts  erwache,  in  dem  stockdunk- 
len Scblarziinnier  sehen.  Ob  er  mich  nun  zwar  weder  aus  eige- 
nem Antriebe,  noch  namens  seiner  Fran  zur  näheren  Unieranchnng 
dieser  Sache  aufibderte,  die  er  aU  eine  Mllsame,  eher  unwichiigc 
Kleinigkeit  ansah,  so  trieb  mich  doch  die  ärstliche  Neugierde  gar 
bald  an  der  Seherinn,  am  aus  ihrem  eigenen  Munde  den  Vorganf 
zu  vernehmen. 

Begreiflich  kann  ich  dem  Leset  nur  ers&hlen,  was  ich  von 
ihr  gehört,  denn  uro  mich  durch  eigene  Versuche  von  der  Wahr- 
heit der  Ersiählung  za  überie^gen,  halle  ich  mich  ein  acht  oder 
vierzehn  Tage  in  das  Schlafgemach  der  jungen  Frau  betten  mü^ 
sen,  welches  sich  hier  au  Lande  nicht  gut  ifaun  läfst. 

Ich  beiuerke  aber  dem  Leser,  dals  die  Frau  wahrhaft,  nicht 
abergläubisch,  und  mii  gutem  Verstände  begnbl  ist.  Sie  hat  Schil- 
ler», GSlhe»,  Wielanda  und  anderer  Scbrirtsieller  Werke,  aber  be- 
stimint  nie  etwas  über  Nj'ktalopie  und  Hemeralopie  gelesen.  Es 
ist  also  kein  gater  Graiwi  vorhanden ,  ihrer  Aussage  auch  nur  im 
mindesten  zu  mifitlrauen.  Ja  sollte  einer  meiner  Leser  noch  Zwei- 
fel hegen,  so  wird  vr  in  der  Geschichte  seihst  den  schlagendsten 
Beweis  der  ihaisSchlichen  Wahrheit  finden.     Nun  cur  Sache. 

Die  Fensler  des  Schlafzimmers  der  Frau  sind  mit  gut  schlie- 
fseoden  Laden,  die  keine  Löcher  haben,  versehen,  also  konnte 
von  aiif^en  kein  Licht  ins  Zimmer  dringen,  und  dieses  mufale,  da 
die  Frau  keine  Xachtlampe  brennet,  atockfinsler  sein.  Wenn  sie 
nun  zuweilen  nachts  erwachte,  war  das  Gemach  von  einem  eige- 
nem Lieble  erhellet.  Sie  konnte  dieses  weder  mit  dem  Ti^es-, 
noch  mit  dem  Mond-,  noch  mit  KerzcnHobte  vergleichen,  es  kam 
dem  hellen  Dämmerlichte  am  nächsten,  (ohne  diesem  jedoch  ganz 
zu  gleichen)  welches  im  hohen  Sommer  beim  anbrechenden  Tage 
die  nahen  Gegenstände  schon  so  beleuchtet,  dafs  man  sie  gut  ken- 
nen und  unterscheiden  kann.  So  konnte  sie  z.  B.  auf  einem  et- 
liche Schritte  vom  Belle  stehenden  Tische  alle  Gegenstände  deut- 
licb  unterscheiden,  nicht  blofs  grobe,  als  den  Leuchter,  oder  ein 
Baob,  sondern  auch  kleinere,  als  Lichlschere  und  Uhr.  Scblofs 
sie  die  Augen  etliche  Minuten  und  dffneta  sie  dann  wieder,  so  war 
zuweilen  das  Zimmer  stockfinster,  zuweilen  aber  von  dem  vorigen 
Dämmerlichte  erhellet.  Ihr  Ehemann,  den  sie  mehrmabls  des  Ver- 
zdches  wegen  aufgeweckt,  konnte  von  diesem  Liebte  nie  etwas  ge- 
wahren. Das  Nachlsdien  äolserte  sich  zuweilen-  in  mehren  Wochen 
niclit,  wenn  es  aber  Statt  fand,  meldete  ei  sich  durch  kein«  so 


—  914  — 
• 
genannte  hytleriMhe  ZafSlIe  vorher  an ,  ■onden  enchien  ^mein- 
lich  nach  einem  nihigen  Schlafe,  war  auch  von  keinen  andwen 
krankhaften  ZafHllen  beg^leiiet.  Das  Merkwürdigste  bei  der  Sadie 
igt  die  Bebanptong  der  Pran,  dafs  du  Licht,  welches  daa  Zimmer 
erhelle,  keinen  Schallen  habe.  Aaf  meine  Frage,  wie  sie  auf  deo 
Gedanken  gekommen  sei,  auf  die  Unachaiiigkeit  xu  achten,  aot- 
worlete  sie  Folgendes.  Das  Bett  ihres  Mannes  stehe  in  einer  Ent- 
fernung von  nngenibr  fQnf  Schriuen  dem  ihren  gegenüber.  Einat 
habe  sie  ihren  schlafenden  Mann  betrachtet,  alle  Theile  seines  Ge- 
sichtes deatlicb  nnterschiedenj  und  über  ihre  seltsame  BefBhignog, 
im  Dunkeln  m  sehen,  Betrachtungen  nngesiellet ;  da  habe  sie  ganz 
xuf&llig  ihren  Blick  unter  das  Bell  gerichtet  und  zu  ihrer  grdfsen 
Ueberraschung  gesehen,  dals  es  unter  dem  Bette  eben  so  hell 
gewesen  als  in  dem  Bette.  Bei  Tage  sei  es  aber  dpch  unter  je- 
dem Betle  dunkel,  wenn  nicht  zufällig  die  Sonnenslrahlen  gerade 
darunter  fielen ,  also  wSra  es  wol  ganz  natürlich ,  dafs  diese  Un- 
schattigkeit  sie  bestimmt  bllte,  auch  auf  andere  Gegenstände  ihre 
Anfnerksamkeit  lu  richten.  Sie  sei  jetzt  gleich  gewahr  worden, 
dafs  kein  Uerfiih  des  Zinimen  einen  Schatten  werfe,  denn  an  wel- 
idier  Seile  eines  Gegenstandes  sie  anch  den  Boden  betrachtet,  der 
Grad  der  Beleuchtang  sei  immer  gleich  geblieben  und  sie  habe 
nicbl  die  leiseste  Spnr  eines  Schadens  entdecken  können.  Uebri- 
gens  gestand  mir  noch  die  Frau  ganz  efarlfch:  ob  sie  gleich  Frei 
Ton  Aberglaoben  und  Geistesfnreht  sei,  so  habe  sie  sich  doch  bei 
dieser  magischen  Beleuchlnng  anRtnglich  eines  leisen  Grauens  nicht 
erwehren  können. 

Eio  zweimonatlicher  Uebranch  des  kohlensanren  Eisenoxydes 
befreite  sie  von  ihrer  \achtsichiigkeit. 

Man  könnte  über  diese  Geschichte  manche  physiolDgiache  Be- 
merkung machen,  ich  überlasse  daä  aber  dem  Leser,  weil  ich  selbst 
nichts  Kluges  in  sagen  weifs ;  glaube  jedoch,  er  wird  wol  so  gut 
als  ich  aa  das  Platonische  eigen thümliche  Licht,  welches  angeb- 
lich ans  den  Augen  hervorströmen  soll ,  gedacht  haben.  Nun, 
wahrscheinlich  war  das  innere  Licht  in  den  Augen  der  Frau  so 
mtlchtig,  dafs  es,  auch  ohne  sieh  mit  dem  verwandten  Anfaen- 
liehie  mt  verbinden,  das  Zimmer  zu  erhellen  im  Stande  war.  Ich 
gestehe  aber  gern,  dafs  ich  noch  eines  dritten  Licbles  bedürfte, 
nm  den  Platonischen  Gedanken  zu  fassen.  So  viel  ist  wol  sicher: 
da  kein  äufseres  Licht  das  Zimmer  erleuchten  konnte,  so  mnfste 
das  Licht  aus  den  Augen  der  Sehertan  selbst  hervorkommen.  Aber 
freilich,  mufste  es  auch  ein  sonderbares,  von  anderen  Lichtern  ganz 
verschiedenes  sein,  weil  der  Mann  es  nicht  sehen  konnte,  der  doch 
recht  gute  Angen  hat. 

Ich  sagte  oben ,  in  der  .Geschichte  selbst  liege  der  beste  Be- 
weis der  ihaisachlicbea  Wahtbeit.    Der  i9«i|tlnd$.  J^füsu^kmia 


—    915    — 

darBber  folgenden  Versnch  machen.  Er  enBhle  zebn  Aenten  die 
GMchichle,  mit  Anaschlufs  der  Uaichaitigkeil  der  Belenchinng,  nod 
mache  sie  ronnglicfa  daranf  aufmerksam,  dafs  das  Licht,  weichet 
das  Zimmer  und  die  darin  befindlichen  Gej^enstEinda  erhellte,  blofs 
■n*  den  Aogen  der  Frau  selbst  habe  kommen  können.  Er  wird 
dann  schon  gewahr  werden,  wie  viele  von  den  lehnen  ihn  flags 
die  Bemerkung  machen,  dafs  die  durch  ein  eigenlhümliches  Angen- 
licht  beleuchteten  G^enttände  neihwendig  ganz  nnschattig  sein 
mufsten.  Freilich,  jeder  verständige  Mensch ,  wenn  er  ein  wenig 
darüber  nachdenkt,  wird  dieses  leicht  einsehen;  ob  aber  alle,  ja  ob 
nnr  die  Hälfte  derer,  die  diese  fremdartige  Erscheinung  hören, 
gleich  bei  der  Ertfthlnng  darauf  fallen  *  daran  zweifle  ich  sehr. 
Ich  glaube  auch,  der  Leser  wird  sich  durch  diesen  Versuch  vaa 
der  grofsen  Unwahrscheinlichkeit  übcneugen ,  dafs  eine  schlichte 
Fraa ,  im  Falle  sie  mich  auch  hätte  täuschen  wollen ,  solche  FoU ' 
gerichtigkeit  in  ihre  Erdichtung  habe  legen  können. 

Was  ich  oben  über  den  Gebrauch  des  Eisens  bei  akuten  Fie- 
bern gesagt,  dafs  nämlich  ausleerende  Mittel  nicht  dabei  taugen, 
wiederhole  ich  auch  hier.  Sydeniam  gibt  zwar,  nach  einem  Ader- 
lafs,  drei  bis  vier  Tage  hinter  einander  ein  Laxirmiitel  (Oputcula 
Mntv.  p.  bQ7.)i  sagt  abar  selbst,  die  Leate  befanden  sich  so  übel 
dabei,  dafs  er  sich  genöthiget  sähe,  damit  sie  nicht  gar  den  Muih 
verlören,  iboeo  die  Verschlimmerung  vorher  anzukündigen.  Es 
wäre  wol  klüger  gewesen,  er  hätte  die  vienfigige  Ausleerung  gar 
nicht  gemacht,  dann  hätte  er  anch  nicht  nöthig  gehabt,  den  Pro- 
pheten zu  spielen.  Uebrigens  ist  nicht  zu  Isugnen,  daft  bei  aller 
Hypochondrie ,  welche  als  Eisenaffektion  im  Bauche  vorwaltet, 
durch  die  gesiSrte  Verdauung,  auch  ohne  Urleiden  irgend  eines 
Organs,  entweder  Stohlverhaltung ,  oder  eine  grofse  Masse  von 
Säure  erzeugt  wird.  Bei  der  Sinhlverhaltnng  mub  man  daranf  ach- 
ten, ob  im  Mastdarm,  oder  in  den  Dünndärmen  der  Grund  steckt, 
and  im  ersten  Falle  durch  ein,  täglich  sur  nämlichen  Stunde  ge- 
brauchtes Salz-,  oder  einfaches  Watserklysiir ,  im  zweiten  durch 
Glanbersali -,  oder  SeigneUalzwasaer  helfen;  nicht  um  den  Kran- 
kea  ordentli^  tu  laxiren,  sondern  blofs  um  ihm  tägliche  Oeffoung 
XQ  erhalten  und  die  fehlerhafte  Bewegung  seiner  Därme  zu  regeln. 
Diese  einfachen  Mittel  machen  nicht,  wie  Sydenha»  sagt,  eine 
ipiritUMm  ataxiam,  sondern  die  Laute  befinden  sich  gut  dabei, 
und  ich  aehe  auch  nicht,  dafa  dadurch  der  Wirkung  des  Eisens  Ein- 
trag gethan  wird. 

Wo  man  aber  eine  solche  Beibülfe  nicht  unumgänglich  n&thig 
hat,  machte  man  wol  ein  Narr  sein,  wenn  man  sie  gebrauchen 
wollte.  Das  Eisen  heilet  allein,  nicht  das  Glaubersale,  nicht  KIj- 
Biira;  sie  sind  nnr  anfängliche  Beihülfen,  nm  dem  Kranken  vor- 
liufig  loa»  Erieiobterang  au  rwachaffeD,  deien  er  späterhin  nii^t 

58* 


—    916    — 

mehr  bedarf.,  Ueberhaapt  mufs  man  ein  Caiiareticum  Imütimtm 
der  Schrifiiteller  dea  aechaehtiten  und  aiebzehoien  Jahihnndem 
nicht  mit  einem  Schlack  Glauberaalzwasser,  oder  mit  einem  Waa- 
■er-  oder  Salzkl^stire  verwechseln.  Wer  den  Kranken  zwischen 
der  EiHenknr  von  Zeit  zu  Zeit  ordeoilieh,  auch  nnr  mSfaig  laxireo 
will,  der  kann  durch  ein  Ab führungs mittel  in  Einem  Tage  wieder 
verderben,  was  er  durch  Eisen  in  acht  Tagen  gut  gemacht,  und 
Sydenham  hat  ganz  Recht,  wenn  er  Magt,  nur  ein  alberner,  ver< 
dammier  Faselhans  (vanut  et  irife/ix  ardelioj  könne  ein  solche* 
Ca/harct^ium  lenüaimum  abwechselnd  wSfareod  der  EisAiknr  rei- 
chen. 

Was  nun  die  Ansammlang  ron  Siure  betrifft,  die  sich  zwar 
nicht  in  dem  Darmkanal  aller,  aber  doch  mancher  Hypochon- 
dristen  erzengt,  so  ist  es  dringend  nÖlhig,  diese  za  neutralisiren 
und  dnrch  eine  zweckmäfsige  DiSt  die  Wiedererze ngnng  zu  ver- 
hüten.  Die  Hanpisache  bleiht  immer,  dafs  man  gleich  vom  .An- 
fange an,  zugleich  iiiii  dem  Eisen,  Nairon,  oder  Ammonium  in  sol- 
cher Gabe  reicht,  dafs  die  vorhandene  Siure  nicht  blofa  im  Ma- 
gen, sondern  ancb  im  ganzen  Darmkanale  getilgt  werde;  hat  man 
das  erreicht,  ao  hat  man  achon  viel  gewonnen. 

Bei  manchen  Leidenden  der  Art  entstehet  nachmittags  gegen 
vier,  fünf,  oder  sechs  Uhr,  je  nachdeiii  sie  früh,  oder  apftt  getafelt 
haben,  ein  Anfall  von  allerlei  schiiieiz*,  oder  krampfhafien  Darm- 
leiden. Diesen  g'ehr  lästigen  Zufallen,  die,  wenn  aie  zn  der  be- 
sagten Zeit  sich  einstellen,  von  einer  sauren  Gährung  der  rnktags 
gienossenen  Nuhrungsmiitel  faenühren ,  kann  man  dadurch  zuvor- 
kommen, dafs  man  von  einer  Aufiöaung  dea  \atron  (eine  halbe 
bia  ganze  Unze  in  acht  Unzen  Wasaer)  gleich  nach  dem  Mittaga- 
mahle  stündlich,  bis  fünf,  oder  sechs  Uhr  einen  Löffel  voll  n^- 
men  Isfst.  Dadurch  beugt  man  der  aauren  Gährung  der  genosse- 
nen Speisen  vor  und  die  Bauchleiden  erscheinen  nicht.  Wenn  man 
dann  mehre  Tage  das  Natron  auf  die  Weise  gib(,*0  bleiben  die 
nachmiliBgigen  Banchleiden  auch  ohne  Xatroa  weg  uqd  ntan  kann 
weiter  das  Eisen  allein  reichen.  Ich  habe  in  meinem  Leben  gar 
vielen  Menschen  durch  dieses  ganz  einfache  Kunst aluckcfaen  ge- 
holfen, die  vergebens  die  an lispas modische  und  stärkende  Schule 
mit  anderen  Acrzten  durchgemacht.  Den  Gebrauch  der  Bittersals- 
erde  kann  ich  niemand  sonderlich  anraihen.  Diese  macht  suwei- 
len  Durchlauf  und  auch  wol  stürmischen,  der  i^m  Kranken  kein 
Gut  thut;  überdies  habe  ich  gefunden,  dafa  nach  einem  soldiea 
Durchlaufe  Verstopfung  folgt,  welches  denn  auch  nicht  viel  laugt. 
Noch  einmalil  bemerke  ich  aber  ausdrücklich,  dafs  bei  msa- 
cben  durch  Eisen  heilbaren  Kranken,  bei  denen  die  ElsenafleklioD 
des  Gesaramlorganismus  im  Bauche  vorwallend  sich  dnrch  Darm- 
leiden offenbaret ,   keine  saure  Gahping  in  den  Dfirmen  Start  fin- 


~  917  - 
det.  Will  man  dienn  Natroa,  «der  Ammonium  geben,  »o  liabeo 
sie  des  keinen  Nnt«o.  Die  Sünre  im  Magen  i*t  leicht  zn  erken- 
nen; aber  wie  erkennt  iiiaa  die  in  den  Därmen  1  leb  weifa  et  nicht 
bestimmt  anzugeben,  die  Zeichm  liad  hSchst  unsicher.  Will  man 
der  Sache  gewifs  sein ,  so  latae  man  den  Kranken  vormiiiags  fa- 
sten, und  gebe  ihm  nach  dem  Mitiagaessen  das  Natron  auf  die  ao 
ebeo  beschriebene  Weise ,  dann  wird  man  bald  gewahr  werden, 
ob  eine  saure  G&hrung  der  Speisen  die  Baiichleiden  macht. 

Das  Natron  ist  in  solchen  Fällen  so  sicher  helfend,  dafs  man 
sich  anmöglich  täuschen  kann.  Da,  wo  die  Oarmleideo  nicht  von 
einer  sauren  Gährung  hervorgerufen  werden,  sondern  falofs  von 
der  immateriellen  krankhaften  Reisbarkeit  der  Därme  abbangen, 
hilft  das  Natron  nicht,  ja,  wenn  es  in  gur  zu  reichlicher  Menge 
gegeben  wird,  kann  es  selbil  jene  Zufälle  wol  augenblicklich  ein 
wenig  vermehren;  kurz,  wer  die  Wirkung  des  Nalrun  odec  des 
Ammonium  dorch  den  Gebranch  kennet,  der  mufs  ein  Alberner 
■ein,  wenn  er  aus  der  Wirkung  Dicht  gleich  stehet,  mit  welcher- 
lei Dermleideo  er  zu  thnn  hat. 

Von  der  Diät  der  Hysterischen  und  Hypochondrischen  weifs 
ich  hier  nichts  zu  sagen ,  was  ich  nicht  schon  früher  bei  den 
BaacbmiUelo  gesagt.  Jedenfalls  ist  eine  KweckmKfsige  Diät  de- 
nen sehr  anzuempfehlen,  bei  denen  die  Eisenalfektion  in  den  Där- 
men Torwaltet.  Bei  jenen ,  wo  sie  blofs  im  Gehirn  vorwallel, 
braucht  man  so  gar  wtthliscb  nicht  zu  sein.  So  habe  ich  z.  B.  der 
Xacbtseherioo,  von  der  ich  oben  sprach,  keine  besondere  X^ebens- 
weise  vorgeschriebeI^  denn  ihr  Gehirn  litt,  nicht  ihr  Bauch.  Sie 
afs,  wie  andere  wohlhabende  Leute,  gesunde  Hausmannskost;  war- 
um  sollte  ich  also  daran  meistern? 

Was  den  Wein  und  Branntwein  betrifft,  so  läfst  sich  über  die 
ZnlSssigkeit  dieser  Getränke  im  Allgemeinea  nicht  nbaprecben.  Ei- 
nigen bekommen  sie  gut,  anderen  nicht;  das  gilt  aber  nicht  blofs 
▼an  der  durch  Eisen  heilbaren  Krankheit,  sondern  auch  von  der, 
die  vop  Bauch  voll  blutigkeit,  oder  anderen  Urorganleiden  abhängt. 
Einzig  von  der  durch  kubischen  Salpeter  heilbaren  kann  ich  be- 
faanpten,  dafs  geistige  Getränke,  selbst  mäfsig  gehraucht,  das  (Jebel 
immer  verschlimmern. 

Es  ist  am  besten ,  in  jedem  einzelnen  Falle  durch  Beobach- 
tung das  auszumitteln,  was  der  Eigemhiimlichkeit  des  Körpers  zu- 
sagt. Wollte  man  sprechen:  diesem  Körper  bekommt  das  Eisen 
gut,  alito  mufs  ihm  anch  Wein  oder  Branntwein  zuträglich  sein; 
so  könnte  das  allerdings  eintreffea,  es  könnte  aber  auch  eben  so 
gnt  mifsgehn.  Hinsichtlich  des  Gutbekomniens  geistiger  Getränke 
kann  das  eigene  Gerühl  manchen  Bauchkranken  sehr  täuschen. 
Selbst  in  Fällen,  wo  geistige  Getränke  den  ganzen  krankhaften 
Zustand  auf  die  Daner  verschliii)mern,  ja  ganz  unheilbar  macheo, 


—    918    - 

kaDiMii  lie  denoocb  nnaDgenebme,  Mlbst  sobmersfaifte  Geffiblo  wol 
angenblicklicb  beachwicbtigen,  oder  vielmebr  betäuben.  MenscheR, 
die  dieser  verrät beri sehen  Hülfe  vertrauen,  .lebweben  in  Gefabr, 
sieb  nacb  and  Dach  der  Völlerei  tu  ergeben;  darain  iit  es  Pfliebt 
des  Arztes,  sie  vor  dieser  Klippe  zu  warnen.  Wollen  sie  der  War- 
nung nicht  GebKr  geben,  lo  kommen  die  foösen  Folgen  anf  ihre 
eigene  Recbnang,  und  dafi  diese  nicht  immer  blofs  in  einer  oa- 
aostSudigen  Trunksucbt  besteben,  sondern  weit  emaibafter,  ja  wirk- 
lich scbauderbaft  sein  können,  mag  folgender  Fall  beweisen. 

Im  Anfange  des  Jahres  1840  starb  ein  Mann,  den  ich  aeit-noge- 
ßhr  30  Jahren  gekannt.  In  früher  Zeit  nnierbielt  icb  mich  gern 
mit  ihm,  weil  er  gut  nnterriebiet ,  gut  belesen  war  und  viel  Ver- 
flland  besafs;  sp&ter  aber  trat  ein  ihm  vom  Vater  vererbter  Geist 
des  Widerspmcbes  und  eine  ebenfalls  vererbte  Widerhaarigkeit  des 
Charakters  nacb  and  nach  so  grell  hervor,  .dafs  mich  sein  Umgang 
nicht  mehr  anm'uihete,  obscbon  icb  ihn  als  einen  alten  Bekannten 
und  recfatlicheu  Mann  immer  in  Eibren  gebalten,  Kx  litt  an  erb- 
licher BnDcbvollblütigkeit,  welche  sieb  früher  blofs  durch  ein  be- 
ängstigendes Gefühl  beim  Sitzen  änfserte,  weshalb  er  auch  wenig 
safs,  sondern  Seifsig  im  Freien  spazieren  ging,  ja  selbst  im  Han- 
se sich  beständig  bewegte.  Icb  habe  ihn  schon  früh  ermahnt,  ein 
Auge  anf  seine  erertMe  Bauehvollhlütigkeit  zu  halten,  sie  auf  eine 
Ewecktnäfaige  Weise  zu  regeln;  er  hat  aber  meine  Ermabnang  in 
den  Wind  geschlagen,  Iheils  weil  er  von  Natur  widerbaarig,  theik 
weil  er,  abgesehen  von  dem  vfiterlicben  Baucberbtheile,  ein  kräf- 
tiger Mann   war. 

Mit  der  Zeit  stellten  sich  nun  nach  und  nacb  andere  Bauchha- 
scbwerden  ein,  die  er  durch  geistige  Getränke  augenblicklich  be- 
st^ wichtigen  konnte  und  dieses  war  wol  die  Veranlaunng,  dafs  er  sieb 
allmäblig  mehr  nnd  mehr  dem  Trunk  ergab.  Einen  Trunkenbold 
konnte  man  ihn  darum  aber  nicht  schelten ,  denn  er  berauschte  aich, 
im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes,  nicht,  sondern  trank  nur  vom 
Margen  bis  2um  Abend  allerlei  geistige  Getränke  unter  einander, 
je  nachdem  es  ibm  einfiel,  nämlich,  Pnnschsirop,  starken  franzö- 
sischen Branntwein  mit  Bischof linktur,  ein  Gemisch  von  rothem 
franz&sischen  Wein  mit  Bleicfaert,  Teneriffa,  seltener  Rbeinwein. 
Wie  viel  er  täglich  trank,  war  nicht  auszumitteln ,  denn  er  holte 
diese  verschiedenen  Getränke  selbst  aus  dem  Keller  nnd  stellte  sie 
an  verschiedene  Orte  des  Hauses  hin,  so,  dafs  er  sie,  bei  seinen 
nnablässigen  häuslichen  Wanderangen  beständig  ohne  Mübe  snr 
Hand  hatte.  Gegen  Abend  ist  sein  Kopf  wol  immer  etwas  anfge- 
schraubt  gewesen,  dieses  bat  sich  aber,  wie  seine  Hauslente  ver- 
sichern, immer  blofs  durch  eine  etwas  greller  hervortretende  Wider- 
haarigkeit offenbaret. 

So  ging  nun  die  Sache  nluiches  Jahr,  da  stellien  sich  Blasen- 


—    919    — 
bftmoirbftiden  ein,  blauten  aber  nicbt,  sondern  niachteo  blof«  sebr 
peinliche  Harostrenge,    dieies   and   eine  Steifheit  der  Füfse  war 
wol  di«  Ursache,  dafa  er  seine  tfiglicben  SpaiiergBoge  im  Freien 
nach  and  nach  eioschr&nkte,  und  endlich  gani  darauf  Terzicblete. 

Im  Herbste  des  Jahres  1838  wurde  ich  ta  ihm  gerafen,  er  aoMie 
uigeblich  an  der  Gicht  leiden.  Die  vermeimliche  Gicbt  war  aber 
eine  acbmerzhafie  iVervenaffektion  der  Füfse,  welche  von  der  mib- 
handelten  BaucbTolIhlüiigkeit  abbing,  die  ich  nnm5glich  heilen 
konnte,  weil  die  Widerspenstigkeit  des  Mannes  nicbt  erlanbte,  den 
wahren  Grand  seiner  Leiden  aosugr^ifen.  Ein  einziges  Mahl,  da 
■ich  kleine  Hämorrhoidalknoten  am  Afier  seigien,  gab  er  es  za, 
data  ihm  Blutegel  daran  gesellt  wurden,  Üefs  aber,  verkehrt  wie 
er  war,  die  Bifswunden  nicht  nachbluten,  wodurch  denn  das  Guie» 
was  die  Egel  hätten  leisten  können,  vereitelt  wurde. 

So  vergingen  nun  anter  abwechselnden  Befinden  vier  Manaie; 
die  Schmeraen  der  Glieder  wurden  nach  und  nach  minder,  der 
Kranke  wieder  befähiget,  das  Haus  au  verlas^wn.  Diese  scheinba- 
re Besserung,  die  ein  acht  Tage  Sund  hieb,  mufo  der  Leser  aber 
nicht  meinen  ftrstlichva  Bemühungen  nuchreihen ;  ich  bekenne  viel- 
mehr, dafs  ich  den  Mann  blofs  als  aller  Bekannter  besucht  und 
mit  ihm  geplandert  habe;  du  Wenige,  was  ich  als  Arxt  dabei  ge> 
ihan,  ist  gar  nicbt  in  Anschlag  xu  bringen. 

Nachdem  ich  nun  den  verroeinllich  Genesenen  in  etlichen  Ta- 
gen nicbugesehen,  liefs  .er  mich  eines  Abends  zieinlicb  spSt  bit- 
ten, ihn  an  besuchen.  Der  Grund  dieser  Bitte  laiUeta  sdttavi  er 
hatte  angeblich  seit  einigen  Tagen  ein  Gefühl  von  Schwere  unten 
im  Becken  gespüret,  dieses  Gefühl  einer  zweilSgigen  Verstopfung 
tugescbriehen ,  and  sich  deshalb  ein  KIjsttr  seisen  lassen.  Oeff- 
nnng  war  darauf  erfolgt,  aber  nun  li^  flüssiger  Kotb  unfreiwillig 
ron  ihm.  Da  ich  den  Grund  dieser  selisainoB  Erscheinnag  unmög- 
lich abends  bei  der  Kers«  nnienucben  konrrte,  so  vertröstete  ich 
ihn  auf  den  folgenden  Tag,  wo  es  sich  denn  auch  gleich  auswies, 
dafs  an  der  rechten  Seite  neben  der  Aftermündnng  eine  kleine 
Oeffnung  war,  aus  der  eine  kothartige  Flüssigkeit  sickerte.  Ich 
sweifelte  also  gar  nicht,  dals  der  Mana  eine  vt^Uländige  Mastdarm- 
fislel  habe,  obgleich  es  mir  ein  Räihsel  war,  wie  sich  4>cs«  ohne 
&chmerz  gemacht.  Da  ich  die  Chirurgie  nicbt  übe,  so  rielb  ich 
dem  Manne,  sich  einem  guten  Wnndarata  atiza vertrauen.  Die  Un- 
icrsachung  des  ersten,  den  er  gewählt,  geSel  ihm  aber  nicbt,  er 
wählte  also  einen  anderen.  Ueber  diesem  Mifsgriff  waresi  etliche 
Tage  vergangen.  Bei  der  Unlarsnchung  des  sweiten  Wundarztes 
war  ich  selbst  gegenwärtig,  nod  sab  zu  meiner  UebeFraschnng  die 
vermeintliche  kleine  Fistelöffnung  so  vergröfsert,  dafs  der  Wnnd- 
arat  seinen  Finger  ohne  Müh«  ganz  hineinbringen  konnte  t^oe 
Grand  zu  finden;  es  vergingen  ober  nehro  Tage,  bevor  er  lu  ei- 


—    920    — 

ner  voIlstSndigfn  Erkeuotnifs  dea  Uflbals  g«laBgte.  Dsfa  eine  bran- 
dige Zerstörung  im  Beckea  Statt  hatte,  stellte  sich  gleich  -heraus, 
schon  der  starke  Brandgernch  verrieih  es;  wie  weit  sich  aber  die 
Zerstörung  erstrecke,  ergab  sich  erst  nach  und  nach,  denn  naan- 
ches,  was  anfangt  noch  lebendig  schien,  war  schon  abgestorben. 
(Ini  mich  also  kurs  za  fassen,  will  ich  die  Zerstörung,  wie  sie 
sich  nach  und  nach  herausgestellt,  angeben. 

Die  rechtseiiige  Wandung  dea  Mastdarmes  war,  so  weit  sie 
lu  bereichen,  ganz  Eeraiörl.  Von  dem  inneren  und  äufseren  Schtiefs- 
mtiskel  war  über  die  Hälfte  zerstört,  von  den  Haiitfalien  der  Af- 
teriuündung  blieb  nichts  über,  als  an  der  linken  Seile  ein  Stück- 
chen einer  grauen  Erbse  grofs.  Begreiltich  bildeten  also  jetzt  die 
Aftenuiiodung  und  die  anfangs  scheinbare  Fiaielöffnung  ein  einzi- 
ges grofses  Lach,  durch  welches  man  in  eine  dunkle  Höhle  schau- 
te. —  Was  konnte  nun  die  Kunst  hei  diesem  verzweifelten  Han- 
del ihun!  Wenig,  sehr  wenig.  Der  Wundnrzt  war  auch  ver^iAo- 
dig  genug,  dieaea  m  begreifen;  er  stopfie  anfangs  die  ganze  Hoh- 
le mit  Pflücksel  ans,  welches  mit  starkem  Rindeabsod  getränkt  war; 
nachdem  aber  die  Höhle  sich  gereintget  und  allea  Abgestorbene 
ausgestobeo  war,  uberliefa  er  die  Heiinng  der  \atur,  suchte  blofs 
die  Wandlippen  durch  Abspritzen  und  durch  eine  gute  Salbe  vor 
der  Einwirkung  dea  auslaufenden  Eiters  au  achtiuen,  so  viel  sieb 
dieses  nämlich  thun  Uefa.  I<^  rieth,  abend«  dem  Kranken  15  Tro- 
pfen Mohnsafitinktnr  zu  geben,  dieses,  befördecte  eine^sehr  gute 
Eiietung,  Uebrigens  schien  der  Gesammtorganismua  des  Mannes 
gar  niobi  angegriffen  eu  sein,  nur  abends  faeschieunigte  sich  seia 
Puls  etwas,  aber  gewifs  nicht  mehr,  ata  bei  dem  leiohlesien  Wnnd- 
äeber.  Von  der  Harnatrenge,  die  ihn  vor  diesem  Stranfse',  näm- 
lich, vor  der  vermeintlichen  Gicht  und  vor  der  Maatdarmzerstörang 
viel  gematlerl,  war  er  jetzt  ganz  frei. 

Wie  die  Heilang  sich  nach  und  nach  gemacht,  werde  ich  dem 
Leser  nicht  erzählen,  denn  iheila  begreift  ea  sich  leicht,  daXs  die 
Natur  mehrer  Monate  dazu  bedurfte,  theils  begreift  es  sich  eben 
80  leicht,  dafs  ich  nicht  in  den  Mastdarm  schanen  konnte  und  der 
Wundarzt  eben  so  wenig.  Aber  auf  einen  Punkt  werden  die  ver- 
Btändigen  Leaer  wol  neugierig  sein,  nämlich,  wie  sich  die  Heilung 
der  AfierscfalieJ'smuakeln  gemacht.  Ich  sage  ihnen  also,  sie  hat 
sich  wider  Erwarten  gut  gemacht.  Die  Hautfalten  der  Aftermün- 
dung, von  denen,  wie  gesagt,  nichts  übergeblieben,  als  an  der  lin- 
ken Seite  ein  Stückchen  vnn  der  Gröfse  einer  grauen  Erbse,  ha- 
ben sich  nicht  wieder  erzeugt,  sondern  die  Mündung  ist  ohne  Fal- 
len ganz  glatt  geheilt.  Die  Zusammenziehbarkeit  der  Scbliefsmua- 
kein  ist  in  so  fern  wiedergekehrt,  dafs  der  Mann  steifen  Kolh 
und  breiigen  Kolh  zurückhalten  konnte,  aber  nicht  flüssigen,  dio- 
aer  entlief  ihm. 


-    921    - 

Nachdem  nun  (in  Mai  1S39  die  Heilung  also  vollbracht  war, 
der  Maao  wieder  auf  die  Slrafse  kam ,  ja  aufser  dem  Thore  Bpa- 
xieren  ging,  blieb  er  ungef&hr  sechs  Wochen  auf  seine  Weise 
wofalj  ich  aage,  auf  seine  Weise,  denn  ganz  ohne  krankhafie  Ge- 
fühle wird  er  nicht  gewesen  sein,  er  war  aber  schon  seit  Jahren 
an  dergleichen  gewShot.  Merkwürdig  ist  es,  dafs  der  überstande- 
De  Slraufs  ihm  sehr  wenig  von  seiner  Vollfleiscbigkeit  genommen. 
Nnn  wurde  er  aber  einst  auf  einmahl,  ohne  erkennbare  Vcranlas- 
sang  leidend,  klagte  über  Seitenstechen,  Fufs-  und  Rückenschmer- 
len,  nach  1U  Tagen  wurde  er  etwas  fieberhaft,  sein  Puls  beschleu- 
nigt; nachdem  dieses  ein  paar  Tnge  gewährt,  lös'te  sich  das  Käih- 
sel ,  es  borst  nttinlicb  eine  im  -  Grimmdarme  erzeugte  Eiterbeule. 
Beim  erslen  Aufbruche,  da  der  ablaufende  Eiler  mit  Koth  gemischt 
war,  hätte  man  noch  wol  einigen  Zweifel  über  die  Natur  dieses 
Zufalles  haben  kÖnuep ;  später  aber,  da  der  Koih  entleert  war  und 
non  der  pure  Eiier  aus  dem  Afier  lief,  konnte  ich  unmöglich  mehr 
zweifeln.  Bald  nach  dem  Aufbruche  verschwanden  allmählig  die 
Leiden,  die,  wie  gesagt,  ein  paar  Tage  vor  dem  Aufbruche  ziem- 
lich ernsthaft  gewesen,  der  beschleunigte  Puls  wurde  wieder  ruhig, 
die  Efslust  kehrte  zurück.  Der  Kiteraiisflufs  währte  abnehmend 
einige  Tage,  hdrto  dann  ganz  auf  und  das  Befinden  kehrte  wieder 
in  das  alle  Gleis  zurück. 

Mir  gefiel  diese  Begebenheit  gar  nicht,  denn  ich  begriff,  dafs 
eine  so  beirSchtliche  Eilerbeule  sich  unmöglich  in  der  Wandung 
des  Grimmdarmes  hSlIe  erzeugen  können,  wenn  dieser  nicht  hy- 
pertrophisch entartet  gewesen,  und  wie  weit  konnte  sich  diese  Ent- 
artung erstrecken ! 

leb  will  meine  Leser  nun  nicht  mit  der  weilschichtigen  Auf- 
zählung der  Fortschrilte  des  Uehels  langweilen,  sondern  halle  es 
für  schicklicher,  mich  auf  folgende  kurze  Nacfarichl  zu  beschrän- 
ken. —  In  einem  Zeiträume  von  neun  Monaten  erzeugten  sich 
sechs  solcher  Eiterbeulen,  und  mit  Ausschlufs  der  Letzten  kann 
ich  von  9en  andern  nichts  sagen,  als  was  ich  von  der  ersten  ge- 
sagt. Jedoch  niufs  ich  bemerken,  dafs,  wenn  gleich  nach  dem 
Aufbruche  jeder  Benle  das  Befinden  des  Kranken  wieder  leidlich 
gut  wurde,  dennoch  Im  Allgemeinen  seine  Kräfte  allmählig  ab- 
nahmen und  seine  Vielfleiscbigkeit  sich  nach  nnd  nach  in  Mager- 
keit umwandelte.  Die  letzte  Eilerbeule,  die  ihm  den  Tedesstofs 
gab,  mufsle  gröfser  sein,  als  die  früheren,  denn  sie  verscblofs  den 
Darmkanal  so,  dafs  mehrtägige  Verstopfung  eintrat,  der  Kranke 
grofsB  Beängstigung,  starke  Strengorie  und  so  heftige  Schmerzen 
in  der  Seite,  in  der  Brost,  im  Rücken  und  in  den  unteren  Extre- 
mitäten bekam,  dafa  ich,  so  ungern  ich  ei  auch  that,  ein  Laxtr- 
mitlel  g^en  mulsle.  Da  in  Fällen,  wo  ein  mechanisches  Hinder- 
jiifii  den  Darmkanal  verschliefst,  es  unmöglich  ist,  die  Gabe  eines 


—    ÖM    — 

Laxirmittela  lo  xa  beMimmen ,  dafs  es  nichts  ni«hr  wirkl  als  man 
verlangt,  nämlich,  Oeffonng,  so  geachab  es  ancb  hier,  dafs, 
Dachdem  durch  die  kiinillich  vermehrte  Darrabewegiing  dem  Koih 
ein  Weg  Deben  der  Vereoguiig  gebahnt  war ,  die  Eotleerung  weit 
reichlicher  erfolgte,  als  nöihig  gewesen  wfire,  jedoch,  da  der 
bei^ichtigle  Zweck,  Linderung  der  unifiglichen  Qualen,  nanenl-  ' 
lieh  der  Befingatiguag ,  erreicht  war,  *o  schidElfl  sich  der  Kranke 
gern  in  das  bei  seiner  Sehw&che  lästige  Verbetten,  welches  das 
ODfreiwillige  Cnilanfen  des  Darmkofbes  nöibig  machte.  Drei  Tage 
nachher  borst  die  Eiterbeule,  aber  nach  ihrem  Anfbracbe  wnrda 
der  bescbleunigie  Puls  nicht,  wre  nach  dem  Aufbruche  der  frü- 
heren Beulen  normal,  sondern  er  wurde  noch  geschwinder,  die 
SchmerEen  blieben  unter  etwas  veränderter  Form,  die  Sirangurie 
wurde  aar  vollkommnen  HarnTerhaltnag,  so,  dafa  der  Caiheier 
ranläte  gebraucht  werden ;  ich  war  seibat  dabei ,  als  ihn  der  Wand- 
arat  zuerst  in  die  Blase  brachte,  es  geschah  langsam  und  gani 
ohne  Schmerz,  der  entleerte  Harn  war  brann,  schleimig  und  eir 
was  blutig.  Da  ich  am  folgenden  Tage  den  Kranken  sah ,  klagte 
er  über  listige  Spannung  in  der  Blase,  der  Wundarzt,  anfser  der 
Sladt  beschäftiget,  hatte  lange  auf  sich  warten  lassen.  Da  ich 
die  Blase  fUhlte,  fand  ich  sie  ungefähr  vier  Finger  breit  fiber  dem 
Schambein  bervonageod,  die  rechte  Seite  der  vorderen  fühlbaren 
Wand  war  gank  entartet,  sie  fühlte  sich  hier  gerade  an,  wie  ein 
fleischerner,  mit  FlUstigkeit  gefüllter  Sack,  die  linke  Seite  der 
vorderen  Blasenwand  fühlte  sich  hingegen  an,  wie  gew&hnlich 
eine  ansgedehhte  Blase,  also  war  an  einer  tbeilichtea  hypertrophi- 
schen EnlariuDg  nicht  zu  zweifeln.  Nachdem  der  Mann  nun  noch 
ein  paar  Tage  gelebt ,  ist  es  in  Betinnniigalosigkeit  verfallen  und 
dann  gestorben. 

Beim  Schlnsse  dieses  Artikels  wandelt  mich  nun  noch  die 
Laune  an,  einen  fluchligen  Blick  auf  die  allere  Literatur  zu  werfen. 

Wer  nur  etwas  mit  bypochondriachen  und  hysterischen  Men- 
schen umgegangen,  der  wird  schon  von  selbst,  ohne  fremde  Lehre 
gewahr  worden  sein,  dafs  unter  allen  den  Gemüsen,  die  solchen 
Kranken  eine  saure  Gäbrung  in  den  Därmen  verursachen,  deren 
Folge  eine  Menge  Winde  sind,  Rüben  oben  an  sieben.  Dieses  ist 
■o  sicher,  dafs,  mit  Ausnahme  der  ganz  rohen  Menschen ,  die,  wie 
das  Vieh ,  auch  nicht  im  mindesten  auf  das  achten,  was  ihnen  scha- 
det, mir  fast  alle,  die  ich  auf  den  Nschtheil  dieser  Speise  aufmerk- 
sam gemacht,  gleich  Beifall  gegeben,  sagend,  ihre  eigene  Erfahrung 
habe  sie  dieses  schon  oft  genug  auf  eine  sehr  lästige  Weise  gelehret. 

Ferner;  unter  allen  Gewürzen,  die  solchen  Baucbkranken  übel 
bekommen,  sind  die  Gewürznelken  das  sjehid liebste.  Speisen,  die 
damit  etwas  reichlich  gewürzt  sind ,  bewirken  ja  in  einem  geaundaa 


—    923    — 

Magen  Kcfaott  eia  läBti^  Aabtabea;  du  bnncht  mao  wol  noch  zu 
fragen ,  waniin  sich  die  hypochoDdriMhen  gar  übel  dabei  befinden ! 

Nun  wollen  wir  etnmahl  hören,  was  JoA.  Crato,  bekanntlieh 
einer  der  besten  Aerzte  des  secbxehnlen  Jahrhundert«,  (Cotuil. 
107  Ad.  &)  Ton  der  Diät  bei  der  Melancholia  Aypociondriaca  sagt. 

Vtatur  (der  Kranke  nümlich)  eibi»  boni  ntcci,  ut  ett  vitulina 
rare,  puili,  pipione»,  aoet  nemortUet:  paluttrei  osmeB,  utanatety 
oMfer»,  camea  cervinai,  mum,  tarn  tylveatrium  quam  domettica' 
rumrelinquat:  non  eowumedat  ßtmo  macerata,  tion  »ahaadmodum 
out  eromatibuM  ntperßue  condita;  abttineat  a /egumintbua  y  oleri- 
bu*\  rapai  tarnen,  beut  coctai-et  condita*  carifQpAjfl- 
lity  commedere poterit  u.  b.  w, 

Sollten  die  Leser  ann  noch  daran  iweifeln,  dafs  Hüben  mit 
Nelken  gewünt  den  Hypochondrischen  zulrtlglich  seien,  so  bitte  ieh 
sie,  wohl  an  bedenken,  dafs  JoA>  Cra/o  Leibarzt  dreier  Kaiser  ge- 
wesen. Sollten  ate  feraerin  dieser  diätetischen  Vorschrift  auf  andere, 
ihrer  eigenen  Erfahrong  widersprechende  Bebanptnagen  stoben, 
■ollten  sie  z.  B.  glaabeo ,  die  Pipione»  and  Ave*  nemorale»,  zu  wel. 
dien  letzten  doch  ohne  Zweifel  KrammelsTÖgel  nnd  Holzscbnepfea 
geboren,  verlangen,  nm  verdauet  an  werden,  einen  weit  gesun- 
deren Magen,  als  Hirschbraten  nnd  gerSnchertes  Bindfleisch  (vor- 
ans^esetzt,  dafg  erster  nicht  von  einem  allen  Vielender,  nnd  letz- 
tes nicht  im  Schoratein  za  Holz  aosged&rret  aei);  so  1)itte  ieh 
aie  noch  einmabl,  zu  bedenken,  dafs  Jak.  Crato  Leiharzt  dreiw 
Kaiser  gewesen.  Ein  lolcher  Atzt  ist  wahrlich  ein  seltener 'Vo- 
^1,  und  schon  seiner  Seltenheit  wegen  mufs  man  i^m  glanben, 
wenn  es  einem  gleich  schwer  eingehet. 

Er  war  aber  auch  ein  für  seine  Zeit  recht  rerstfindiger  Mann, 
nnd  wenn  er ,  hinsichtlich  der  Diät  der  Hypochondrisien ,  offen- 
bar gegen  die  gemeine  Erfabrnng  spricht,,  so  thnt  er  etwas,  was 
■nch  wol  noch  in  unseren  Tagen  geschiehet.  Ich  habe  mehr  als 
einmahl  gesehen,  dab  Aerzte  jungen  Kindern,  die  eine  schwa- 
che Verdauung  und  grofse  Geneigtheit  zur  Säureerzeugung  hatten, 
rorztigsweis^ Möbren  zar  Nahrung  verordneten,  obgleich  diese, 
nichat  den  Rüben,  am  Ipichtesien  in  achwacben  Därmen  sänren,* 
und  überdies  den  Kindern,  so  gut  wie  den  jungen  Hunden,  un- 
verdauet  abgehen. 

Jetzt  wollen  wir  eine  andere  Seltsamkeit  beäugen.  Unter  al- 
len Gerüchen,  welche  bei  hysterischen  Weibern  den  Krampfan- 
fall  hervorrufen,  stehet,  nach  allgemeiner  Erfahrung,  der  Mo- 
schos  oben  an.  leb  habe  schon  gesehen ,  däfs  eine  Jungfrau ,  die 
wol  ein  klein  wenig  hysterisch ,  aber  'doch  sonst  eine  gesunde  und 
lastige  Mard  war ,  ohnmächtig  ans  einem  Conzert  getragen  wnrde. 
Indem  ich  mich  bei  ihr,  die  sonst  gar  nicht  zu  Ohnmächten  ge- 
neigt mr,    eriEondigte,    was  ihr  denn  doch  Uo^heorvi  begegnet 


—    9J4    — 

■ei,  BO  hSrle  icb:  eio«  mit  -  allerlei  lieblichen ,  vennoMhnbten 
Geriicheo  gebahamte  Frau  habe  sich  neben  sie  geaeut,  da  sei 
sie  10  einen  leltsameD  Zustand  geratben ,  von  dem  sie  selbst  nicht* 
nacberzfthleo  kdnne. 

Wer  Bollie  nun  bei  dieser  gemeinen  und  allbelcanDien  Erfah- 
rung darauf  fallen,  hysterische  Weiber  durch  Moschus  su  heilen? 
—  Und  doch  siöfst  man  in  der  Slieren  Literatur  auf  solche  Ku- 
ren. Rtinerut  Solenander  Leibarzt  des  Hersogea  von  Cleva 
behandelt  eine  Frau,  die  wird  von  Knpfschmenen,  Aufstofseo, 
Coovulsionen ,  Schmerzen  des  Unterbsuches  nnd  Zabnknirschen 
heimgesucht.  Zuweilen  stQrzt  sie  nieder,  wird  stamm,  ihre  Kino- 
lade  schliefst  sich  krampfhaft,  sie  zerreifst  ihre  Kleider,  wird 
auch  wol  mitunter  ohnmächtig.  — 

Das  waren  gewifs  sehr  böse  Zufölle;  wie  werden  sie  geho- 
ben 1  Ich  will  es  mit  den  eigenen  Worten  des  Beobachters  sagen: 
Bewtedii»  mullU /nutra  facN» ,  superveateni  mttHer  quaedam  vetU' 
la  dedit  iredecim  grana  motcM  et  iotidem  pulvert*  »angttinii  dra- 
conii  valgarit  ex  uncii*  guatuor  aquae  fiarum  aurantionim.  Sona- 
ta e*ty  nee  vnquam  in  poBtemm  ütot  dolore*  perpet»a  e*t.  Idem 
medicamentum,  in  timili  catu  a  me  exhibilum,  Mtmper  prqfvit :  ex- 
hibituM  autem  aliqmotie»  (Conail.  \b  Sect.  4J. 

Horatitu  Augeniu»,  Professor  zu  Turin  nnd  Padua,  ein  Zeit- 
genosse des  vorigen,  sagt  von  der  Heilung  der  Hysterie:  Nbttmm 
experimenttim ,  quod  nunquam /^ellit ,  eat:  nt  devoret  moacki  op- 
Umi  gr,-v  —  Cinnammomi,  caryopkyllorvm ,  »ucia  moachatae ,  aa 
5i  vitM  od»ratiaaimo  ditaoluta.   (£^iat.  7  lib.  \2.) 

N'achdem  wir  nun  gehört,  was  ein  deutscher  und  ein  iialiSni- 
scher  Arzt  sagen,  miisseo  wir  auch  einen  Franzosen,  den  Laxa- 
na  Riveriua  hören.  Er  lebte  bekanntlich  etwas  spSter  als  jene, 
denn  er  ist  50  Jahre  später  als  Solenander  und  ungefähr  42  spä- 
ter als  Horaliut  Augeniua  geatorbeo.  Dieser  hat  einst  eine  hy- 
sterische Frau  zu  behandeln  nnd  verordnet  ihr  allerlei  gute  Dinge, 
als;  Klfslire,  ein  Brechmitlei  ans  Vitriol  und  «wei  Aderlässe; 
sie  wird  aber  bei  dieser  Behandlung  bis  zum  vierte^Tage  immer 
•schlimmer.  Nun  fährt  der  Beobachter  plso  fort  in  seiner  Erzäh- 
lung: Quintb  deanm  die  exkibita  e*t  pofio  aegueni  kyaferiei»  con- 
venientitiima.  ^  moachi  et  aanguini*  draconia  aa  gr.  xiü  Aquae 
napiae  |iv  y.  potio.  Hoc  remedio  meutime  levaia  eat.  At  aexto 
et  aeptimo  redierunt  aymptomata.  Octavo  aumtit  pilul.  foetid.  Jt 
qu&tna  optime  purgata  eat  et  ita  hene  kabuit,  ut  nuilia  a/üu  reme- 
diit  optt»  fuerit  ( Observ.  64,  cent.  \). 

Das  Moschusrezept  des'  gelehrten  Professors  von  Montpellier 
ist  gerade  das  nämliche ,  welches  etoe  alle  Frau  der  Kraaken  des 
Solenander  gab. 

Ssdeni^m  tagt   bekannlliGh,    das  Reiten  sei  das  beste  Heil- 


—  925  — 
miltel  der  Hypochondrie ;  ihm  haben  diese  Meinnog  gar  riete  Aent« 
nachgesprochea  und  das  anfehlbare  MiHel  gar  vielen  Kranken  ver- 
ordnet,  die  sieh  übel  dabei  befunden.  Da,  wo  die  Hypochon- 
drie, ohne  Urorganleiden,  blofs  eine  im  Bauehe  vorwalieode  Ei- 
senaffektioD  des  GesaminiorganiBuius  ist,  kann  man  diese  üebong 
denen  wul  raihen,  die  diircfa  den  Gebrauch  früher  schon  daran 
gewöhnt  sind;  aber  auch  diesen  wird  das  Schiitireiten  besser  be- 
kommen als  das  Traben.  SydenAam  erklärt  sich  den  Xutzen  des 
Beitens  auf  eine  sehr  luecbBoiscbe  Weise;  er  sagt:  {pag.  521^ 
Quae  t^ta  fwHctionvm  pemergio,  aliave  arganarum  naturali»  im- 
poteniia  velßngi  poleit,  cui  tot  »uccuaiationum  miiiia  eodvm  die 
ingeminata  idque  svb  dio,  opem  non  altuleriti  Ct^ju»  calidum  äuta- 
tum  wqme  adeo  d^erbueril,  ut  hoc  motu  non  excitetur,  et  denn» 
ejfferveacatf  —  Was  die  Aufregung  des  Calidi  innati  betrifft,  so 
habe  ich ,  vor  ungefähr  25  Jahren ,  mich  von  der  Wahrheit  der 
Sgdenkamachen  Behauplnng  recht  fühlbar  überzeugt.  Damahls 
kaufte  ich  mir  oämlkh,  xnra  N'oihbehelf,  bis  ich  ein  tndiligeres 
Pferd  fände,  einen  angeblich  Bastardiürken.  Traf  es  sich  nun 
nnglücklicherweise,  dafa  ein  Reiter  sich  auf  der  Slrafse  zn  mir 
gesellte  und  mir  durch  Plaudern  den  Weg  verkürzen  wollle,  so 
wurde  der  Bankert  derniafaen  ungestüm,  nnd  rührte  mir  mein  Ca- 
Udvm  innatum  durch  seine  heftigen  und  widrigen  Anstrengungen 
so  derb  auf,  dafs  in  Zeit  von  einer  Vierlelslunde  mir  der  tSchweifs 
am  ganzen  Leibe  ausbrach.  Acb!  wie  oft  habe  ich  damahls  an 
den  guten  Sydenkam  gedacht.  Ich  glaube  wahrhaftig,  hätte  der 
podagrische  nnd  steinsüchti^e  Mann  jemahls  atif  solch  einer  Be- 
stie gesessen,  er  würde  andere  Gedanken  vom  Reiten  bekommen, 
zum  wenigsten  einen  Unterschied  zwischen  Pferd  und  Pferd  ge- 
macht haben. 

Was  aber  solche  Hypochondristen  belriS),  deren  Uebel  von 
dem  Urleiden  eines  Banchorgana,  der  Leber,  derMili,  des  Pfort- 
adersystems  abhängt,  so  dienet  diesen  in  der  Regel  das  Reiten 
gar  nicht;  ja  selbst  die,  die  ihrer  Geschäfte  wegen  reifen  mns- 
'  sen,  thun  wohl,  sich  eines  Pferdes  zu  bedienen,  welches  einen 
gaps  gemftcljlicben  Gang  hat.  Die  Sydeniamitche»  Millta  tuc- 
cvtiationvm  die  der  Trab  mit  sich  bringt,  können  ihnen,  beson- 
ders auf  einem  Hartlraber,, leicht  die  allen  Urorganfehler  in  Auf- 
rahr  bringen;  und,  was  das  BSseate  ist,  diese  Verschlimmerung 
wird  sieb  sehen  nnjnittelbar  nach  demftitie,  sondern  den  zweiten 
orfer  drillen  Tag  nachher  erst  recht  fiufsern,  wo  man  sie  denn 
gewöhnlich  anderen  Ursachen  zuschreibt. 

Solche  Hypochondristen ,  welche  nie  auf  einem  Pferde  geses- 
sen, nnd  solche,  welche  zwar  in  ihrer  Jugend  auf  der  Reitbahn 
ein  wenig  im  Kreise  heru mgezn ekelt ,  später  aber  all  ihr  Lehen 
Fnfsgfinger  gehlieb«n  sind,   stebea  biasiehtlich   des  Reitaes. offea-^ 


—  «»  — 

bar  in  der  Kntegorie  der  Weiber,   t«d  denen  Sydenkau  tagt,  iah 
ihnen  diese  gynioaMische  Uebong  nicht  diene. 

Dem  Falle  einer  biob  dnrcfa  Retten  gebeilteo  Hypochondrie, 
den  Sydtnham  enfthlt  (pag.  522J,  konnte  tnan  g:eni&ch]ich  andere 
Falle  enIgegenBMzen ,  in  welchen  Kranke ,  denen  ihr  (Jebel  durch 
Tiele  nndienliche  Arzeeei  auf  den  höchsten  Grad  gesteigert  war, 
blofs  nnd  ein»g  durch  g&nzliche  Eothaltnog  ron  aller  Arzoai ,  ohne 
Reiten  geheilt  sind ,  und  der  Gedanke  liegt  einem  sehr  nahe ,  dafa 
nach  bei  dem  Si/deH&aptitcien,  durch  die  Kunst  iibel  mifshandcU 
ten  Kranken,  die  ihm  von  dem  Erzähler  angerathene  E^haltang 
von  aller  Anenei  wol  eben  so  viel  zur  Heilung  mag  beigetragen 
haben  als  das  Reiten. 

Znm  Schlüsse  raihe  ich  noch  meinm  Lesern,  die,  gleich 
mir,  gern  selbst  sehen  und  keinem  Schriftsteller  blinden  Glaaben 
schenken ,  dafs  sie  die  Hy pochondriaten ,  denen  sie  vielleicht  das 
Reiten  sa  verordnen  Lust  haben  möchten,  erst  einen  mBfsigen 
Versuch  mit  dieser  Uebung  machen  lassen.  Sie  werden  dann  schon 
sehen,  ob  selbige  ihnen  dienet  oder  nicht.  Wo  sie  dient,  wen- 
det man  sie  sweckmSfgiger  vormittags  als  nachmittags  an,  denn 
sie  verlangsamt  selbst  in  gesanden  Magen  die  Verdauong  der  mit- 
tags genossenen  Speisen;  also  mnfs  sie  in  kranken  Eingeweiden 
die 'Verdauung  mehr  oder  minder  stören.  Ich  spreche  hier  nicht 
nach  einem  Buche,  sondern  ans  eigener  Erfahrang;  denn  da  ich, 
bei  gesunden  Eingeweiden  und  einer  schnellen  Verdauung,  über 
fünf  nnd  swanzig  Jahre  fast  tSglich  auf  dem  Pferde  gehangen  und 
mich  erst  da  ich  alt  wurde  in  einen  Wagen  gepackt  habe,  so  wer^ 
de  ich  doch  wol  wissen,  welchen  Einfinfs  diese  Bewegung  anf 
die  Verdauung  hat. 

Hämorrhoiden.  Bauchvollbloligkeit  ist  zuweilen  mit  Ei- 
sennffeklion  des  Gesammtorganismus  gepaarM;  in  diesen  FBlIen 
nntBt  dem  Kranken  der  Schwefel  nicht,  nnd  reichliche  Blnteot- 
leemng  durch  Egel  können  ihn  in  grofse  Schwachheit  stürzen. 
Erscheinen  auf  den  Gebrauch  des  Eisens  Knoten  am  After,  wel- 
che früher  nicht  da  waren  ^  so  ist  das  ein  gutes  Zeichen  und  man  * 
kann  wol  die  Egel  versnchen ;  man  mufs  aber  nicht  jnit  der  Thür 
ins  Haus  fallen,  sondern  es  erst  mit  ein  paar  Egeln  versnchen. 
Siefaet  man,  dab  die  Blutentleemng  gut  vertragen  wird  nnd  dafs 
die  Knoten  dnrcfa  die  gefinge  Entleerung  am  zweiten  oder  dritten 
Tage  nachher  eher  hervortreten  als  verschwinden ,  so  kann  man 
reichlichere  Entleerung  machen ;  aber  alles  mit  Vorsicht  nnd  nicht 
übertreiben. 

Mit  alten  Urleiden  dar  Bauchorgane  verbindet  sich  auch  wol 
eine  Eisenaffektion  des  Gesammtorganismus.  Ist  der  Kranke  sehen 
betagt,  früher  nie  Hfimorrboidarius  gewesen,  nnd  haben  wir  kei- 
mn  veratBndigen  Grand,    di«  Heilbarkeit  d«|  IJcor^nil^deM  aa- 


—  »w  — 

sMiehman  ( wie  et  x.  B.  dn  Fall  bei-  bandgraiflidier  Vwliärtaiig 
der  Leber,  oder  der  Mili  wol  lein  möchte),  loiale«,  weoD  eich 
entwedw  vor,  oder  bei  dem  Gebrauche  des  Eisena  Knateo  am 
After  seigea,  höchst  miblicfa,  BtotenilAeruog  ans  dem  After  darcfa 
Egel  IQ  machen ,  denn  in  solchen  Fällen  kaon  die  Eiaenaffelttioa 
blofs  eine  OlTenbarang  der  Abnahme  des  Lebens  sein;  Bluienilee- 
rang  wird  dann  nicht  dazu  beitragen,  das  Leben  ku  verlfingern,  im 
Gegentheil,  sie  wird  es  viel  eher  ablcürsen.  Ueberhanpt  sind  Kno- 
ten am  After  bei  allen  handgreiflichen  Fehlern  der  Baucheingeweide 
weit  wahrscheinlicher  Folge  jener  Fehler,  als  Zeichen  einer  Bauch* 
Tollblütigkeit ;  wer,  sobald  die  Knoten  erscheinen,  gleich  den 
wahren  Heilweg  gefunden  zu  haben  wähnet  und  denselben  keck 
und  nobegonnen  einschlägt ,  der  kann  übel  anlaufen.  —  Doch ,  das 
sind  bekannte  Dinge,  ich  will  mich  nicht  ISnger  dabei  aufllaltel^ 
aondem  dem  Leser  einen  Versuch  erzählen,  den  ich  mit  dem  ^aen 
an  meinem  eigenen  Bauche  gemacht. 

Da  ich  das  Eisen  schon  früh  häufiger  gebraucht  als  manche  an- 
dere Aerzie,  so  war  es  mir  auch. schon  damahls  auffallend,  dafs 
Menschen,  die  etwas  bäuchig  waren,  ohne  gerade  mastbäuchig  zu 
sein,  bei  dfm  Gebrauche  desselben  dünner  von  Bauch  wurden,  oh- 
ne an  Fleisch  zn  verlieren.  ,  * 

Ich  mochte  ungeffihr  40  Jahre  alt  sein,  "da  bekam  ich  auch  ein 
wenig  Bauch ;  es  fiel  mir  ein ,  den  Versuch  sn  machen ,  ob  ich  mir 
das  Zuviel  des  Bauchet  wegnehmen  könne.  Zu  demEnde  gebrauchte 
ich  den  Liq.  ferri  muriat.  oxyd.,  fing  mit  fünf  Tropfen  viermaht 
tags  an,  und  stieg  bis  zu  zehn.  Der  Erfolg,  den  ich  nach  vieneha 
Tagen  apürle»  war  eine  solche  Verminderung  des  Bauchumfanges, 
dafa  ich  den  Rock,  der  mir  früher  ordenilich  pafste,  wol  zwei  Fin- 
ger breit  über  einander  schlagen  konnte. 

Einer  meiner  Freunde,  damahls  über  60  Jahra  alt,  deo  sein 
stark  gewdlbier  Bauch  etwas  hinderlich  war,  wünschte  diesen  Ver- 
aach ,  von  dem  ich  ihm  den  Erfolg  an  meinem  Leibe  zeigte ,  auch 
zn  machen.  Bei  ihm  war  aber  das  Ergebnifs  gans  anders,  sein 
Bauch  Wurde  um  nichts  dünner.  Ich  schlofa  daraus ,  dafs  die  Dicke 
des  Bauches ,  wenn  sie  Uols  von  FeU  herrühre,  durch  Eisen  nicht 
vermindert  werde. 

Da  ich  nun  nach  den  Fnnfsigen  anch  fetter  wurde ,  wahrsebeio- 
lieb  weil  ich  zu  der  Zeit  um  nicht  ganz  zn  versteifen  das  Reiten  auf- 
gab und  mir  «inen  Wagen  zulegte,  so  fiel  es  mir  im  598ten  Jahre 
ein ,  den  vorigen  Versuch  za  wiederholen ;  nicht  weil  mir  der 
Bauch  binderlich  war,  sondern  aus  blofser  \eugierde.  Ich  wurde 
jetzt  gewahr ,  dafs  das  Eisen  nicht  mehr  die  bauch  vermindern  de 
Wirkung  hatte  als  zwanzig  Jahre  früher.  Dafs  ich  jetzt  fetter  war 
als  froher,    davon  äbeneugt*  mich  die  Wage;    also  wurde  aneh 


wol  mehr  Fett  im  Baoolie  itadtea  bU  frGhir,  uad  diu  IrDanie 
doch  dai  EUen  nicht  wegnehinen. 

Aber  was  steckt  Dun  eigentlich  in  einem  Bauche,  der  dareh 
Eisen  dünn  gemacht  wird)  Sein  Umfang  kaon  doch  uniDÖglicfa 
laiader  werden,   oder  er  mufs  etwai  Maierielles  verlieren. 

Weil  ich  über  laeinen  eigenen  Bauch  wol  am  richtigsten  nr- 
theilea  kann,  wc-rde  ich,  mit  Uebergehung  anderer  Bfinche,  bei 
denen  ich  das  Oünnwerden  beobachtet,  blofa  von  dem  uieinca 
reden. 

Da  ich  vor  zwanzig  Jahren  den  ersten  Versuch  roachte,  hatte 
ich  bestimmt  kein  Wasser  in  der  Banchfaöhle,  denn  meine  Harn- 
auBsonderung  ist  von  jeher  regelmäfsig,  selbst  schnell  und  stark 
gewesen.  Unter  di^aen  Umständen  lainmeJt  sich  aber  kein  Was- 
ser in  der  Bauchhöhle  an,  zum  wenigsten  sind  die  Fälle  höchst 
sehen,  wo  dieses  geschiehetj  und  io  diesen  seltenen  Mst  aich 
doch  die  Schwappnng  im  Bauche  mit  der  Hand  fühlen. 

Eine  Auftreibung  des  Darmkanals  durch  Winde  konnte  auch 
nicht  Statt  finden,  denn  ich  habe  weder  daniahls  noch  jemaMs 
zu  dem  Orden  der  windigen  Gesellen  gehört. 

Eben  so  wenig  konnte  eine  Ansammlung  von  Speisebrei  und 
Darmkflh  die  durch  das  Eisen  Temiinderte  Ausdehnung  des  Bau- 
ches machen,  denn  ich  hatte,  damahig  sowohl  als  jetzt,  eine 
schnelle  Verdaunng  und  regelniäfsige  Entleerung;  überdies  wirkte 
bei  mir  das  Eisen  nicht  als  Laxan»,  mithin  läfst  sich  auch  das 
Dünnerwerden  des  Bauches  nicht  auf  eine  Entleerung  des  üarm- 
iohaltes  schreiben. 

Was  bleibt  uns  nun  für  eine  Erklürung  über  j  —  Da  ich  meine 
Meinung  nicht  ohne  Anführen  von  anatomischen  und  physiologi- 
schen Gründen  vortragen  konnte,  diese  aber  nicht  in  dem  mir 
vorgesteckten  Plane  liegt,  die  Leser  überdies  einen  alten  Prakti* 
ker  wol  schwerlich  als  sonderlichen  Anatomen  und  Physiologen 
anerkennen  werden :  so  überlasse  ich  die  Lösung  des  Räihsels  de- 
nen Amtsgenosseo,  welche  jene  Ilülfsschulen  der  Heilkunst  vor- 
zugsweise üben,  und  ich  denke,  sie  werden  sich  den  Kopf  des- 
halb nicht  stark  zu  zermartern  brauchen. 

Fehler  der  Menstruation.  Da  dag  Eisen  häufig  bei 
dem  Ausbleiben  des  Monatlichen  von  den  Aerzten  gebraucht  wird, 
so  würde  es  thilricht  sein ,  viel  Worte  davon  zu  machen.  Eine 
Warnung  habe  ich  aber  meinen  jüngeren  Lesern  zu  geben.  Bei 
siechenden  Weibern,  denen  das  Monatliche  ausbleibt,  wird  nur 
zu  oft  das  Siechlhum  dem  Ausbleiben  der  Menstruation  zugeschrie- 
ben. Es  verhält  sich  aber  die  Sache  nicht  selten  ganz  umgekehrt, 
das  Siechlhum  ist  die  Ursache  des  Ausbleibens  der  Menstruation, 
und  dies  Ausbleiben  und  die  Kränklichkeit  rühren  beide  nicht  von 
einer  Eiseoaffektloa  des   Gesanuntorgnnismns,    sondern  von   dem 


—    »29    — 

llrieid«n  «tnea  Organs  ab.  Ei  ist  rIbo  dringead  nöthig,  dieses 
arerkraok»  Organ  auriusoGhen  and  su  heilen,  dena  nur  aaf  die 
Weise  kann  man  das  Monatliche  regeln  und  die  Weiber  gesund 
macben.  Eine  rohe  Anwendnng  des  Eisens  kann  in  solchen  FSU 
len  wol  schaden ,   aber  nicht  nnizen. 

Das  Nichiarscbeioen  der  Menstraation  bei  jungen  Mädchen 
kann  snweileo  von  einer,  Eiaenaffekiion  des  Gesamralorganismas 
abhangen  und  dnrch  efnen  mebrmonailidien  Gebrauch  des  Eisen- 
feilfl,  oder  des  Cröci  Martü  aperiliti  hervoi^bracfal  werden. 
Man  siebet  in  solchen  Fallen  die  siechlichen  Mädchen  gesund  wer- 
den nnd  dann  die  Menstruation  erscheinen.  Hängt  aber  das  Nicbt- 
erschetnen  des  Monatlichen  von  dem  Urleiden  eines  Organs  ab, 
so  hilft  Eisen  nicht,  sbndern  man  tnufs  das  kranke  Organ  anf- 
suchen  und  gesund  machen. 

Zuweilen  mag  aber  wol  das  Ntcblerscfaetnen  des  Monatlieben 
in  einer  angeborenen  Feblerbaftigkeit  der  Gebärmutter  begründet 
sein,  nnd  darauf  weih  ich  keinen  Rath.  Solche  Mädchen  können 
gesund  und  blühend  aussehen,  ja  auch  wirklich  gpsund  sein.  Ob 
es  gut  sei,  sie  mit  vielen  nnd  heroischen  Arseneien  zu  bestür- 
men,  mag  ich  nicht  entscheiden;   mir  selbst  scheint  es  nicht  so. 

Mut t erblutflufs.  In  meiner  Jugend  sollte  ich  einst  einer 
Holländerinn ,  die  sich  hier  aufhielt)  rom  Mutierblntflnssa  helfen; 
ich  gab  ihr  Alann,  Schwefelsäure  nnd  andere  gar  nützliche  Dinge, 
von  denen  ich  gelernt ,  dafs  sie  gut  gegen  diese  Blutung  seien. 
Das  üebet  war  aber  so  hartnäckig,  dafs  es  diesen  guten  Mitteln 
nicht  weichen  wallte.  Da  fiel  es  der  Frau  ein,  ihren  früheren 
Arzt  nm  Kaih  zu  fragen;  der  verordnete  ihr  einen  Trank,  wel- 
cher aus  30  Tropfen  Liquor  Mtypiicut  (Liq.  ferri  muriat.  oxyd.), 
acht  Unzen  Wasser,  zwei  Drachmen  Arabischem  Gummi  nnd  fünf- 
zehn Tropfen  Mohnsafttinklur  bestand.  Davon  nahm  sie  slnndlieli 
einen  LiSfTel  und  es  half  gleich.  Die  Sache  gefiel  mir,  nnd  ich 
habe  seitdem  gar  manchen  Blutfliissigen  durch  den  Liq.  atypt.  ge- 
holfen; vermuihete  aber  gleich,  dafs  der  Mohnsaft  recht  gut  da- 
bei enihehfei  werden  k5nne,  nnd  das  hat  sich  mir  nach  in  der 
Folge  bestätiget.  Uebrigens  mnb  man  nie  vergessen,  dafs  Mut- 
terblutflüsse  ancb  häufig  von  Urleiden  der  Baucheingeweide  auf 
consensuelle  Art  enisiefaen,  in  welchen  Tällen  das  Eisen  gar  übel 
passen  m5cbie.  Solche,  von  Leber  nnd  Milzleiden  entstehende 
MnUerblutfliisse  heben  sich  am  sichersten  durch  den  Samen  der 
Frauendistel,  die,  welche  von  Umierenleiden  entstehen,  durch 
Nierenheil  mittel,  als  Cochenille,  virga  aurea,  Magnet,  uata, 
KalkwBssec,  die,  welche  von  einer  Menge  saurer  Stoffe  in  den 
Därmen  entstehen ,    durch  langensalzige  Mittel. 

Bei  frühen  ^ifsf^Ilen,  wo  die  halb  gelrennte  Nachgeburt 
furchtbare  Blnlsirirze  erregt,  hat  mir  der  Liq.  ferri mariai.  exyd. 


von  allen  MitlelQ  di«  beslea  Dienste  geleiitet;  b^relflich  kann 
man  hier  auf  gäDElichea  AofhSren  der  Blntnng  erat  dann  redineii, 
weDD  die  Geblrmotter  die  Nachgebnrt  ganz  ausgestofien  bau  Ea 
acheint  aber ,  dala  in  aolchea  FSlIen  das  Eiaea  diese  ADstreibaog 
bfi  fördert. 

N&cbtiiche  SantenergiefHiing.  Gegen  dieses  Uabel. 
Iiabe<  ich  scbon  in  meiner  Jagend  die  Bestnscfaefsche  NerrentiBlt- 
tar  nit  sehr  gutem  Erfolge  gegeben,  spBter  aber  gelerot,  daft 
man  mit  dem  eiafacfaen  Jjiquor  Jerri  muriat,  oxyd,  eben  so  weit 
Itommt.  Begreiflich  igt  es  aber  nicht  immer  eine  in  den  Geachlechu- 
tbeilen  vorwaltende  EiBenaSekiioo  des  Gesammtorgan ismus ,  son- 
dern bangt  anch  znweilen,'  als  consensnelle  Affeklion,  von  dem 
Urlieiden  eines  anderen  Organs  ab.  So  liann  z.  B.  Blntüberful- 
Inng  des  Pfortadersyslemes  g^ofse  Geilheit  nnd  fibermäfsig«  näebt- 
liche  Samenergiefsangen  bewirken,  lo  welchem  Falle  Blutegel  an 
den  After,  Schwefel  mit  Salpeter,  oder  Glaubersalz  besser  hel- 
fen als  Eisen. 

Rbea  niatismus  nnd  Gicht.  Dais  diese  Uebel  in  vielen 
Fftllen  eine  in  den  Muskeln  und  Gelenken  vorwaltende  Eisenaf- 
fekiion  des  Gesamnitorganismns  seien ,  dafür  spriobt  die  wohlthälige 
Wirkung  des  inneren  und  äufseren  Gebrauches  eisenhaltiger  Mi- 
neralwässer, von  der  ich  schon  als  Knabe,  einer  solchen  Qoelle 
ganz  nahe  wohnend,  Wunder  gehört.  Wehe  dem  Kranken,  dem 
der  Arzt  ein  solches  Uebel  durch  AderlnsBen,  Salpeter,  Queck- 
silber, oder  durch  anlirheumaüsche  Miiiel  heilen  will.  Das  gibt 
eine  langweilige  Kur,  deren  Ende  nicht  seilen  BanAlligkeii  d«s 
ganzen  Körpers  ist.  Ich  bediene  mich  zur  Heilung  dieses  Uebelt 
der  Eisensalze,  des  essig-,  Schwefel-,  Salzsäuren  Eisens,  ohne 
jedoch  den  Oxyden  die  Heilwirknng  absprecheo  zu  wollen;  jene 
leisten  schneller ,  was  man  verlangt ,  darum  siebe  ich  sie  in  die- 
sen Fällen  den  Oxjden  vor. 

Beim  Rheumatüntu*  acutu»  ist  das  Eisen  ein  so  schnell  wir- 
kendes Mittel,  deffl  dem  Kranken  die  Heilung  an  Wunder  an 
grenzen  scheint,  und  dafs  sie  auch  wol  einen  Arzt,  der  derglei- 
chen nie  gesehen,  stutzig  machen  könnte.  Dafs  aber  auch  hier, 
wie  beim  Salpeterrheumatismus,  besonders  wenn  der  Kranke  erat 
spät  Hülfe  gesucht,  das  Vorwalten  der  Affektion  des  Gesamml- 
organismua  in  dem  einen  oder  dem  anderen  Theile  zum  Ürleiden 
dieses  Theiles  werden  könne  und  dann  äufsere  Mittel  zu  «einer 
_  Heilung  erfodere,  ist  wol  kaum  nöthig  zu  erinnern.  Jedoch  ist 
dieses  Urwerden  beim  Eiaenrbenmatismus  seltener  als  beim  Sal- 
peterrheumatismus. 

Das  chronische  Gliederreifsen,  welches  man  mit  dem  Namen 
der  Gicht  belegt,  ist.  wie  ich  schon  früher  gesagt,  so  ganz  ver- 
schiedeoer  Art,  dafs  der  ein  wahrer  Narr  sein  mnfs,   derdabehaup- 


—  aji  — 

tet,  er  habe  ein  allgemeine«  Gichtmitlel  eatdeekt.  Id  maDcfaen, 
und  Ewar  nicht  a^lienen  Fallen ,  ist  aher  die  Gicht  eine  in  den  Ge- 
lenken TOf  wallende  Eisenaffeltiion  dei  Gesanuntorganisinni  und  wird 
dann ,  wie  dieses  schon  alte  Erfahrung  gelehret  hat ,  durch  Eisen 
geheilfli.  Die  durch  eisenhaltige  Mineral  quellen  geheilten  Glieder- 
^kranken  sind  ja  durch  die  Bank  gichtische  Menschen ,  deondieam 
akuten  Rbenmatismiw  leidenden  sind  gewöhnlich  der  Scbmersen  we- 
gen so  unbeweglich,  dafa  sie  sich  zu  einer  aolchen  Quelle  nicht 
leicht  werden  schleppen  lassen. 

Non  mufs  ich  noch  von  einem  die  Gicht  betreffenden  Gegen- 
stande sprechen.  Mir  ist  es  höehst  wahrscheinlich,  dafs  dieses  ver- 
rufene Uebel  in  manchen  Fällen  consensueller  Art  sei  und  von  ei- 
nem Urleiden  irgend  eines  Bauchorgana  abhänge.  *)  Manche  Ur- 
baucbleiden  können  durch  eine  lang  fortgesetsie  milde  und  mKlsige 
DiSt  gehoben ,  oder  doeb  um  vieles  gebessert  werden ,  und  da  wird 
denn  auch  wol  der  consensnelle  Gliederschmerz  bessern ,  oder  ganz 
vergeben.  So  erkläre  ich  mir  znm  wenigsten  die  -alte  Erfahrung, 
dab  Gichtkranke  durch  Enthaltung  von  allen  seh  w  erverdau  lieben  ^ 
hitzigen ,  gewürzten  Speisen  und  von  allen  geistigen  Getränken* 
blofs  durch  milde,  einfache  Nahrung  auf  die  Daner  geheilt  sind. 
Es  sagt  Ecfaon  Com.  Celtu»:  ^uidam  cum  anttino  iacte  epoto  «c 
eiuineat,  ■'»  perpeluum  hoc  malvm  evaterunt.  Quidam  cum  toto 
anno  a  vino,  mul$o,  venere  libi  lemperiuient,  aecuritatem  totiuM 
vilae  coH»ecuti  sunt.  (Lib.  4  eap.  2iJ  Paulv»  Aegtneta  sagt  (pag. 
307  '")J :  Sißeriqueaty  vinipoiua  ex  toto  devifandn».  Noh  pau- 
co»  equidem  novi,  gut  ab  hoc  solo  in  totum  abatineHte» ,  OMfiM  mor- 
ba  levati  ntnt.  Alii  namgue  in  morbi  co^fettim  txordio  prortut 
conva/uerunt :  alii  vero  in  potteru»  rariti»  et  atinu»  gravibu»  acce»- 
»ionuM  doloribui  vexati  sunt  etc. 

Im  16,  Jahrhundert  hat  bekanntlich  Joh.  Crato  die  Gicht  durch 
strenge  Diät  und  den  Gebranch  der  Milch  geheilt.    Im  17.  Jabrhun- 

*)  lIoheillMrB  Fehler  der  BaMhein^eweide  kKniea  siebt  Maft  Seknenwa  der 
Nervenilämine  dar  Extremitlllei) ,  odar  der  Hukeli,  oder  der  Gelenke,  Mo- 
dern Hcb  ,  ia  .  leitnerea  Füilan ,  eiae  ful  •chnenloee  Verdrebang  der  Ge- 
leoke  bewirken.  Ich  kcDna  eioe  Fna,  die  scbon  seit  mehrcD  J>hr«n  an  ei- 
nein dnnklsn ,  acbwer  za  beitinimendeD  Bnacbübel  leidet  ( wafancheinlieh  iil 
CS  .eine  Verengang  id  eiprm  Orte  der  Dbiindärma).  Dieser  find  jetzt  di« 
Baliwirkel  i»  nach  vorn  gekrBinnt,  dafi  ibr  Kino  nur  dem  Broatbeiim  rshet, 
dl«  Finger  beider  Hände  ao  verdrehet,  dara  ais,  nmfiiUf ,  Gabel  oder  LEffei 
ZQ  baltea ,  lieb  mori  fSttam  lauen  ,  die  Fälka  in  den  Knüebelgeleiiken  der> 
mafieo  eiowärtg  getogen ,  dafi  lie,  wäre  du  Gehen  mtiglicb,  anf  den  üatfe- 
ren  Rniicliela  gehen  mürste}  lie  bat  nie  Gieblicbinerzen  febabt.  Im  Sanimer 
1837  iah  ich  auf  Belglacbem  Gebiete  eine  Frai,  die  da«  leibbarie  fibaabild 
der  beachriebenen  war. 

"}  Pauli  Atginttat  Mediei  imttgmii  apat  divinum  ilc.  Albano  IMa»  ritoiu- 
retai  iatmrprtte  Bmtl.  XWX.  '.    GoO'jIc 

ii-      -^ 


—    932    — 

dert  Mliri«b  der  Headiehe  Leibant  Dolämt  ein  Icleioet  Bncb ,  du 
hat  den  pomphaflen  Titel :  TVactaftf«  hovui  ,  mmnquoM  amteiae  edf- 
ttu ,  de  fnria  podagrae  laete  victa  et  mitigata ,  propria  experie»- 
tut  com»criptKt.  Hier  führt  er  noch  drei  andere  SchriftMeller  ao, 
die  angeblteh  von  dem  nftmlichen  Gegenatand  handien,  nämlich: 
/.  G.  Gnüelim,  J.  Saeh»  und  J.  G.  WaltUchmidt.  Von  diesen, 
dreien  kenne  ich  nur  den  Waldichmidt;  wenn  aber  das,  was  er 
über  die  Gicht  geechrteben,  nicht  klüger  ist  als  seine  nngesaixenen 
Itutitutione*  wtedicinae  rationalü,  so  begehre  ich  es  nicht  tu  lesen. 
Ancb  kenne  ich  noch  einen  Fransoien,  den  Nicol.  Cke»item,  der  ' 
von  dieser  Heilung  der  Gicht,  ftia  von  einer  im  17.  Jahrfanndert  be- 
kannten Sache  spricht  (06$erv.  pag.  391 J.  Sein  Buch  liat  aber 
einen  ziemlichen  Anstrich  von  Albembeit. 

Doch  nicht  blofa  Enthaltung  von  Wein ,  nicht  blofs  Milch- 
trinken ,  sondern  überbaupt  ganz  magere ,  sparsame  Difit  mnli 
wel  die  Gicht  inweilen  heilen-  können ,  denn  Joh,  Crato  schreibt: 
f' Conti?.  21  iii,4J  Friineüciu  Alexander,  Medicut  de  Frtmcite» 
Peekio  tcnAit,  eumjam  qninquagemaröim  uorbo  articulari  gravüer 
mffectum  totü  annit  viginii  tum'  incliuum  fuine ,  tixüae  uutem 
t»la  aqu»  et  pane.  Ea  diaeta ,  bett^ficia  naturme  materiam  a^ 
nmptam,  et  motu  et  exercitio  artieui»»  ade»  roboratot ,  ut  libera- 
tu»  mttllot  unqutiM  dolore»  podagricOB  »euterU.  Ex  quo  per»piciam 
eit,  immaderationem  in  victu  kuju»  morii  guoMt  matrem  «tte. 

Den  reichlichen  und  anhaltenden  Genufs  des  Weines  sehen 
die  Aerzte  als  eine  Ursache  der  Gicht  an.  Es  ist  aber  doch  selt- 
sam ,  dafs  die  Menschen  ant  Rheine ,  wo  der  Wein  häufig  und 
tlglich  geimnken  wird,  von  der  Gicht,  so  viel  ich  gehört,  nicht 
mehr  heimgesucht  werden  als  die  Bewohner  solcher  Gegenden, 
wo  kein  Wein  wSchst.  Q.üarin  sagt  auch:  (Animadvert. prac*. 
pag.  267 J  Butiici  Moiitri  et  pfeift,  loiie*  vino  addo  aiutentet  pod- 
agra  vix  corripiUMtur.  —  Was  soll  man  nan  sn  diesem  Wtdu^ 
Spruche  sagen!  In  WeinlSndern  Irinken  die  Menschen  durch  dio. 
Bank  junge  nnd  unverraischte  Weine,  in  Ländern,  wo  kein  Wein 
w&chst,  trinken  sie  meist  vermischte. 

Es  ist  möglieb,  Üafs  die  Meinung  der  Aerxte,  hinsichtlich 
der  gi  cht  machen  den  Wirkung  des  Weins,  blofs  auf  die  vermisch- 
ten, gebrauten,  von  Verderbnifs  künstlich  geheilten,  nicht  aber 
auf  die  unvermisditea  pafat.  Jedoch  mufs  ich  gestehen,  dufa  ich 
mehre  Leute  gekannt  habe,  die,  ganz  ohne  Auswahl,  von  der 
gemeinen  Weinjanche  tSglich  eine  grofse  Menge  verschlangen  und 
dieses  nnausgeseizt  bis  zu  einem  ziemlichen  Alter  trieben,  ohne 
'  je  von  der  Gicht  Anmahnung  zu  bekommen.  Der  in  meinem  en- 
geren WickoBgak reise  von  Gicht  und  Nierenstein  am  schlimmaten 
geplagte  Mann  hatte  von  jeher  mfifaig  gelebt,  nnd  trank,  so  lan- 
ge ich  ihn  gekannt,   blofs  Waaaer,  oder  Dünnbier. 


—    933    — 

Hüftweh.  Ich  habe  ■cboa  im  vorigen  Ka|tiie]  gaiiagi,  dafs 
bei  weitem  der  gröfate  Theil  der  Kranken,  welche  ich  gesehen, 
an  einer  Krankheit  dei  Hüftnerven,  ntchi  an  einer  des  Gelenke« 
oder  der  Gelenkkapsel  gelitten.  Dafs  dae  tJebel  häufig  eine  in 
dem  Hüftnerven  Torwalteade  Eisena&ektion  des  Gesaromiorganis- 
mns  >ei,  labt  sich  nicht  bexwetflen.  Ich  bediene  mich,  wenn 
die  Umstände  es  arlaubeD,  gern  des  Liq.  J'erri  »uriat,  oüfryd., 
weifs  aber  recht  got,  dals  auch  andere  Ei senprH parate  helfen, 
wiewol  etwas  langsamer  als  jener  Liquor. 

Als  idi  zuerst  in  einer  Zeitschrift  die  Empfehlung  des  kofa- 
IcDsauren  Eisens  gegen  das  besprochen«  (Jebel  las,  nnser  Zeital- 
ter also  den  alten  verachteten  Gefaeiruilrxten  mühselig  nachhinken 
sah,  da  wandelte  miofa  ein  gewisses  spotllustiges  GeffihI  an.  Die 
Meinnag  aber,  dafs  die  Vermehrung  des  Schmerzes  durch  ftufser- 
lichen  Druck  eine  Entaündung  des  Nerven  bezeichne,  lasse  ich 
auf  ihren  Werth  beruhen ,  bemerke  jedoch  Folgendes  dazi^  Wenn 
die  Vermehrung  des  Schmerzes  durch  änfierlichen  Druck  auf  ein 
krankes  Organ ,  die  tUitsündung  dieses  Organs  bewiese,  so  würde 
es  ganz  unerklärlich  sein,  wie  bei  acbmerzbafien  Darroleiden,  wo 
zuweilen  der  Bauch  für  den  ftufseren  Druck  ausnehmend  empfind- 
lich ist,  man  also,  von  jener  Meinung  ansgehend,  ru  B»leritii, 
oder  Perüanilü  denken  müfsie,  ein  paar  Lößel  eines  sweckmä- 
ftigen  Darmheilmiiiels  diese  Empfindlichkeit  für'  die  Berührung 
hebea  kennen.  Ich  sollte  doch  nicht  denken,  iah  Enteritü,  oder 
PeritomHü  sich  so  schnell  wegzaubern  liefsen.  Wenn  wir  aber 
anoh  die  Meinung ,  dafs  die  Vermehrung  des  Schmerses  durch 
Druck  eine  Enizündung  des  HUfinerren  oder  seiner  Scheide  be- 
zeichne, als  wahr  annehmen  wollten,  so  würde  doch  daraus 
noch  keine  richtige  Anzeige  für  die  Behandlung  zu  entnehmen 
sein;  denn  so  gut  es  «itznndete  Mandeln,  entzündete  Lungen, 
entzündete  Augen  gibt,  die  nicht  durch  BInteniziefaung ,  Queck- 
silber, oder  Salpeter,  sondern  dnrch  Eisen  geheilt  werden,  so 
'gut  wird  es  anch  wol  entzündeie  Huftnerven  geben,  welche  ein- 
zig dnrch  Eisen  sicher  geheilt  werden. 

Da  dieses  Uebel  unter  den  chronischen  ein  sehr  gemeine«  ist, 
ich  nicht  blofs  viele  Menschen  behandelt,  sondern  auch  geheilt 
habe,  so  will  ich  denen  meiner  Leser,  welche  noch  wenig  £r- 
fuhmog  in  diesem  Punkte  haben,  alles,  was  ich  weifs  und  waz 
ihnen  dienen  kfinnle,  ganz  ehrlich  mitiheilen.  Die,  welche  mehr 
davon  wissen  als  ich,  werden  es  mir  wol  zn  gute  hatten,  wenn 
ich  der  Verständlichkeit  wegen  Dinge  berühren  mub,  die  ihnen 
so  gut  bekannt  sind  als  mir. 

Im  vorigen  Kapitel  habe  ich  schon  gesagt,  dafii  das  Hüftweh 
zuweilen  als  blofses  Vrleiden  des  Nerven  auftreie  and  dafa  ich  es 
in   diesem  Falle   mit  Zink  geheilt.     Ferner,    d9&_es  nicht ^sdl«a 


—    934    — 

all  conunsnelles  Lndeo,  von  dem  UrleiJea  eines  anderen  Or- 
gans abhängend,  nur  durch  Heileo  des  urergriffenen  Organs  ge- 
beilt werde.  Dies  setz«  ich  also  als  bekannt  voraus,  und  spre- 
che jelzt  blols  von  der  im  Hiiftnerven  vorwaltenden  Eisenaffekliou 
des  Gesammlorgani Sinus.  ')    . 

Das  Uebel  erscheint  gemeinlich  unvermuihet ,  ohne  Vorläu- 
fer, zum  wenigsten  ohne  solche,  die  der  Arzt,  oder  der  Kranke 
deuten  konnte.  Erkundigt  man  sich  aber  genau  bei  solchen  Men- 
schen, welche  einer  möglichBt  volllcommenen  Gesundheit  genie- 
fsen ,  milbin  am  besten  sich  jeder  kleineren  Abweichung  von  dem 
gewohnten  Nonnalen  erinnern ,  so  wird  man  durch  die  Aussage 
derselben  sich  überzeugen,  dafs  das  Uebel  allerdings  sich  durch 
kleine  Trübungen  des  Gesundheitgefühls  eine  Zeit  lang  vorher 
ankündigeL  In  der  Verdannag,  im  Schlafe,  in  der  Ausdauer 
körperlicher  Anstrengungen  äufsern  sich  solche  kleine  Abweichun- 
gen vom  Gewohnten.  Sie  sind  aber  so  klein,  dafs,  wie  gesagt, 
niemand  sie  als  Vorherverkundiger  des  Hüftwehs  verstehen  kann. 
Rohe  Mensi^en ,  die  gar  auf  ihren  Körper  nicht  achten ,  und  kränk- 
liche, die  nie  das  volle  Gefühl  der  Gesundheit  haben,  braucht 
man  aber  nach  solchen  Dingen  nicht  zu  fragen. 

Der  Anfang  des  Uehels  ist  zweifach.  In  einigen,  jedoch  den 
wenigeren  Fallen,  wird  gleich  der  Hiiftnerv  ergriffen.  Gemein- 
lich  fühlt  der  Kranke  bei  einem  Tritt,  oder  beiih  Auf-  oder  Ab- 
fiteigen  einer  Treppe,  oder  beim  Niedersiizen  auf  einmahl  ein 
eigenes,  widriges,  mäfgig  schmerzhaftes  Gefühl,  von  dem  er  be- 
hauptet, es  habe  sich  gerade  so  geäufsert,  als  sei  ihm  eine  Sehne 
veraprungen.  Dieses  schmerzhafte,  das  Gehen  mehr  oder  minder 
behindernde  Geliihl,  kann  in  der  anfänglichen  Geringigkeit  lange 
fortbestehen;  es  kann  aber  auch  so  schnell  zuoehmen,  dafs  der 
Ergriffene  nach  vier  und  zwanzig  Standen  schon  ganz  nnfShig 
zum  Geben  isL 

In  den  meisten  Fällen  aber  f^ngt  das  Hüftweh  zuerst  als  Len- 
deoweh  an,  und  letztes  entstehet  scheinbar  durch  eine  Bewegung 
beim  Treten,  N'iedersilzen  b.  s.  w. ;  auch  hier  sagen  die  Leute, 
•B  müsse  ihnen  wol  eine  Sehne  verapmngen  sein.     In  den  Fällen, 

*)  Ui  btltf  ei  rdr  maina  Pflicht,  hier  dea  Jüpgcren  AmtigenoHcn  eiae  kleine 
Wiranng  za  gebeii.  Früher  habe  ich  ichoa  aar  die  nble  Lage,  woria 
bei  gastriacb  -  epidemUcfaer  Conilitotion  sieli  «chirtngere  Weiber  befinden,  tnf- 
merksam  peinaobt,  und  vonSflieli  dinnf,  dafi  Kreakbeitea,  walebe  fräber 
oder  ipäler  nach  dar  Kiederknart  aubrecfaen ,  iiüafl;  vbd  eiaem  mibrand  dar 
SehwaDgeracbift  darcb  di«  apidemiaclia  Conttitnüsn  miftiK  DerührtaD  Bancbor- 
g«na  ■bbaa^eo.  Jetzt  bemerka  ich  nach  inabeiondere,  difa  lach  du  Hüftweh, 
welebei  zDweilan,  fröber  oder  apüter,  nieh  der  Niederkaolt  erscbeiot,  gar 
leicht  au  iolchen  Groade  entiprinst,  i*h  Mo  jeder  lich  wol  h&tcD  mag, 
■■  dieaen  Falla  laiehtslnnig;  du  Biieo  n  rdohen.  Hier  icbafft  die  Tiaktar 
d«i  FraaeodlatelMmab*  ticfaüiar  Hälfe. 


-     935    — 
wo  du  [.endeDWeh  wirklicher  Vaiboihe  des  HSfiwehe«  int ,   bnbe 
ich  M  fast  immer  schDell  zunehmen  sehen.     Die  Leute  gehen  sehr 
mShsain,    gebückt,    mit  steifem  Rücken,    oder  sie  Bind   xum  Ge- 
ben, ja  za  all«  Bewegung  des  Rumpfes  unfähig. 

Es  stehet  mir  vor,  bei  einem  alleren  Schriftsteller  gelesen 
IQ  haben ,  man  könne  dem  Hüftweh  in  diesem  ersten  Zeiträume 
durch  ein  Laxirniiitel  den  Pafs  abschneiden.  Die  Erfahrung  ist 
wahr,  (ich  habe  es  selbst  mehrmahls  versucht )  dafs  man  das  neue 
Zjeodenweh  dadurch  zuweilen  rertreiben  kann ;  ob  aber  aus  diesem 
Lendenweh  Hüftweh  würde  geworden  sein,  läfst  sich  doch  nicht 
mit  Gewifsheit  behaupten ,  zumafal ,  da  auch  Menschen ,  die  schon 
mebrmahls  vom  Hüftweh  heimgesucht  waren,  ein  Lendenweh  be- 
kommeo  können,  welches,  ohne  zum  Hüfiweh  zu  werden ,  in  eini- 
gen Tagen  von  selbst  vergehet..  ^ 

Der  jüebergaug  des  Lendenwehes  in  Hüftweh  macht  sich  nicht 
immer  auf  einerlei  Weise.  Zuweilen  geschiehet  dieses  inner- 
halb Eines  Tages,  oder  Einer  Nacht;  der  Rücken  ist  frei  und 
das  Leid  sitzt  im  Hüfinerven.  In  anderen  Fällen  geschiehet  die  Ue- 
bertraguDg  langsamer.  Der  Rücken  wird  in  einem  Zeiträume  von 
vier  oder  fünf  Tagen  nach  und  nach  besser,  und  je  nachdem  die- 
ser bessert,  wird  der  Hüftnerven  nach  nnd  nach  krank.  Znwei* 
len  kann,  wenn  diese  Uebertragung  geschehen  ist,  auch  wol  noch 
später  eine  rückgängige,  jedoch  nnvollkommne  Uebertragung 
Statt  haben,  so,  dafs  der  Schmers  zum  Theile  wieder  ans  dem 
Hüftnerven  in  den  Rücken  wandert.  Diese  Uebertragung  war  aber, 
so  oft  ich  sie  beobachtete,  unvollkommen,  denn  der  Schmerz 
blieb,  obgleich  minder,  im  Hüfinerven,  und  die  Aflektion  des 
Rückens  änfserte  sich  mehr  durch  Steifheit  der  Muskeln,  eis 
durch  eigentlichen  Schmerz.  Ich  sah  auch  diese  Halhübertragnng 
fast  nie  länger  als  einen  Tag  bestehen.  Was  die  AfTektion  des  Hnft- 
nerven  betrifft,  so  kann  der  Schmerz  anfönglich  zuweilen  sehr  hef* 
tig  sein,  sich  durch  die  äufsere  Seite  des  ganzen  Fufses  verbreiten, 
und  nicht  blofs  bei  der  Bewegung,  sondern  auch  beim  rubigen  Lie- 
gen den  Kranken  martern.  Die  Stellen,  wo  er  sich  gewöhnlich  an- 
fsert,  sind:  der  Trochanter,  oder  die  Mitte  des  Schenkelbeines, 
oder  der  äufsere  Theil  des  Knies,  oder  die  Gegend  über  dem  Sufse- 
ren  Knöchel.  Er  ist  meist  ziehend  und  nagend,  selten  blitzend;  je- 
doch habe  ich  auch  Fälle  beobachtet,  dafster  wie  elektrische,  oder 
Blitzschläge  durch  denXerven  icbofs  und  deuKranken  zum  Schreien 
nöthigte.  Seilen  währet  aber  dieser  Zustand  .des  heftigen  Schmer- 
zes lange,  and  in  den  wenigsten  Fällen  ist  er  so  stark.  Gewöhn- 
lich bat  der  Kranke  beim  Liegen  wenig  oder  keinen  Schmerz,  aber 
wol  bei  der  Bewegung  und  beim  Sitzen.  Einige  können  auf  der 
kranken  Seite  liegen ,  anderen  ist  dieses  schmerzhaft.  Bei  einigen 
äufsert  sich  nachts  zu  einer  gewissen  Zeit,  ohne  äufsere  Veranlas- 


■ung,  der  Sehnen  an  irgend  einet  Stelle,  ond  di«  Stelle,  welche 
er  einmahl  gewählt,  beaocfat  er  gern  wieder.  Gern  erscheint  er  an 
der  Ruf§eren  Seite  de>  Unierachenkela  über  dem  Knöchel,  ziehet 
sich  aber  mehr  nach  dem  Schienbeine  als  nach  der  Wade.  Un- 
ertriglich  ist  «r  eben  nicht,  aber  es  kommt  dem  Kranken  doch 
so  vor ,  als  nagten  Mäuse  in  dem  Fnfse ,  nnd  das  Nagen  treibt 
ihn  BUS  dem  Uelie. 

Anränglich  ist  mit  dieser  Krankheit  des  Hüftnerven  eine  grö- 
fsere  oder  geringere  Steifheit  der  Schenkelmaskeln  verbunden,  diese 
ist  aber  nur  Nebensache;  sie  kann  verschwinden  und  sie  verschwin- 
det gewöhnlich  schon  frnfa,  ohne  dafi  die  Affektion  des  HSftaer- 
ven  deshalb  der  Heilung  nSher  gerOckt  wfire.  In  diesem  Zeiirau- 
ine  kann  jeder  den  Unterschied  swischen  Bhenmatismus  der  Mus- 
keln und  dieser  Nervenkrankheit  recht  anschaulich  erkenoeo.  Hier 
liegt  t.  B.  der  Kranke  aof  dem  Polsterbetie;  erstehet  ohne  Mühe 
auf  und  gehet  ein-,  sweimahl,  rasch  wie  ein  Tansmeieter  durch 
dits  Zimmer,  Ihr  sehet  nicht  die  allermindeste  gestörte  Bewegung 
seiner  Muskeln.  Aber,  heifst  ihn  nundrei-,  vier-,  funftnahl  auf- 
und  abgehen ,  so  werdet  Ihr  sehen ,  dafs  sein  luftiger  Tansmei- 
stergang  zum  wahren  Krfippelgange  wird«  und  dafs  sein  anfäng- 
lich gleichgfitiiges  oder  heileres  Gesicht  den  Ausdruck  des  vertial- 
teneo  Schmerzes  und  grofser  Unbehaglichkeit  ausspricht. 

Der  Schmers ,  der  durch  fortgeseute  Bewegung  herrorgebracbt 
wird,  ist  ein  eigener  ziehender  und  lähmender.  Das  letzte  Bei- 
legewort verdienet  er  mit  allem  Bechte,  denn  wenn  der  Kranke, 
ihm  trotzend ,  sich  hartnäckig  am  Gehen  hält,  so  I&oft  er  Gefahr, 
gleich  einem  Gelähmten  niederzustürzen.  Legt  er  sich  nach  einer 
solchen  Anstrengung  nieder,  sn  währt  der  Schmerz  in  der  ruhi- 
gen Lage  widrig  ziehend,  aber  nicht  mehr  lähmend,  noch  eine 
längere  oder  kürzere  Zeit,  und  diese  Zeil  richtet  sich  nach  der 
vorhergehenden  Anstrengung.  Ist  z.  B.  der  Schmerz  durch  ein 
nehcmahliges  Auf-  und  Abgehen  im  Zimmer  veranlafst,  so  kann 
er  im  Buben  nach  zehn  Minuten  wol  verschwinden.  Ist  aber  das 
Hüftweh  so  weit  beseitiget,  dafs  der  Kranke  beim  Probegehen 
das  lähmende  Gefühl  nicht  mehr  bekommt,  oder  doch  nur  in  ei- 
nem solchen  Grade,  dafs  er  demselben  trotzen  kann,  und  er  wan- 
dert dann  ein  oder  anderthalb  Stunden,  bald  sitzend,  bald  ge- 
hend, Geschäfte  beschickend,  oder  Freunde  besacbeod  in  der 
Stadt  herum ,  so  kann ,  wenn  er  sich  hernach  aufs  Bnbebelt  legt, 
der  ziehende  Schmerz  bei  einer  Stunde  anhalten. 

Bei  dem  ersten  Entstehen  des  Hüftwehes  ist  etwas  Fieber  vor- 
handen, welches  sich  nur  bei  reizbaren  Körpern  und  grofsen 
Schmerzen  durch  vermehrten  Pnisschlag,  bei  alten  nber  durch  ei- 
nen gewissen  Grad  von  Unbehaglichkeit  im  gansen  Körper  offen- 
baret- 


—    937    — 

Der  beste  Beweis  jedoch,  dafs  das  Gefühl  des  sllgemeineti 
Krankseins  selten  beim  Hüftweh  Statt  habe,  wird  wol  die  Bemer- 
kong  sein,  dufs  ich  selten  nnter  der  geringen,  ja  unter  der  mitt- 
len Volksklasse  im  Beginne  des  Uebels  zum  Helfen  nafgefodert 
werde,  sondern  nur  dann  erst,  wenn  es  in  ein  acht  oder  vier- 
zehn Tagen  nicht  von  selbst  hat  weichen  wollen.  WSren  die  Leute 
rnm  Anfange  an  ordenillch  fühlbar  krank,  so  würden  sie  wol 
gleich  Hülfe  suchen ,   wie  sie  es  bei  akuten  Krankheiten  thun. 

Es  gibt  von  diettem  Uebel  leichte,  bald  und  ohne  Knnsthülfe 
sich  heilende  Fftlle,  wie  es  deren  bei  allen  Krankheiten,  Pest 
and  Cholera  nicht  ausgenommen,  gibt;  wer  aber  an  diesen  das 
Heilen  lernen  wollte,  der  würde  spSter  finden,  dafs  er  in  einer 
schlechten  Lehre  gewesen. 

Ich  sali  die  Kranken  schon  in  drei  oder  vier  Tagen  von  selbst 
genesen;  ja  ich  kenne  genau  einen  Mann,  der,  eine  Wegstunde 
von  seinem  Wohnorte  entfernt,  pI5tslich  ein  so  schmerzhaftes 
Leiden  des  rechten  Hüftuferven  bekam,  dafs  er,  nni  nicht  bei 
fremden  Leuten  Hegen  zo  bleiben,  mit  grofaer  M8be  sein  Pferd 
erkletterte  und  nnter  grofaem  Schmerz  im  kleinen  Schritte  nach 
Hause  ritt.  Hier  angekommen,  mafs  er  auf  den  Abtritt,  und 
nach  der  Bauchentleerung  erfolgt  ein  Blutergufs  aus  dem  After, 
der,  nach  ungefKhrer  Schäizang,  kaum  einen  Efstoffel  voll  beträgt, 
and  sieh«!  da  er  vom  Abtritte  zurück  ins  Wohnsimmer  hampeln 
will,  wird  er  za  seiner  grofsen  Verwunderung  gewahr,  dals  der 
Schmers  his  anf  die  leiseste  Spat  verschwunden  ist.  Dieser  Mann 
war  damahls  jung  and  gesund,  und  halte  nie  die  geringste  An- 
uiahnung  von  Hämorrhoiden  gehabt. 

Die  Zeit,  in  der  man  das  Hüftweh,  welches  nicht  so  gefäl- 
lig gewesen ,  von  selbst  zu  vergehen ,  heilen  kann ,  ist  sehr  un- 
bestimmt. Ab  sich  ist  es,  wird  es  nicht  durch  die  Kunst  ver- 
trieben, ein  sehr  langdanerndes  Uebel.  Es  kann  ein  Jahr  und 
langer  währen;  ja  ich  habe  Leute  gekannt,  welche  zwar  Hülfe 
gesucht,  aber  nicht  gefunden,  die  von  der  heilenden  Natur'lang- 
sam  wieder  zurecbt  gebracht,  noch  nach  anderthalb  Jahren,  so- 
bald sie  lange  stillstanden ,  ein  lähmende«  Gefühl  im  ganzen  Fufie 
und  ein  solch  widriges  Ziehen  über  dem  Sufseren  Knöchel  spür- 
ten,  dafs  sie  genätbigt  waren,   sich  za  setzen. 

Die  längste  Dauer  eines  heilbaren  Hüftwehes,  die  zn  meiner 
Kenntoifs  gekommen,  war  reichlich  sechzehn  Jahr.  Die  Frau, 
welch«  so  lange  daran  gelitten,  halle  vergebens  die  Kunst  meh- 
rer  Aerzte  in  Anspruch  genommen ,  nnd  eben  so  vergebens  ein  Pa- 
riser, ziemlich  tbeures  Geheimmittel  versuchl.  Endlich  aber  wur- 
de sie  gebeilet  nnd  konnte  ihre  lang  gebraochte  Krücke  weg- 
werfen. 

Durch  welches  .Mittel  wurde  sie  gebeilt,    werdet  Ihr  fragvo. 


—    938    - 

w«r(he  Leaer!  wer  war  4er  kundige  Meiner,  der  diem  veiJEhrte 
Uebel  zu  bändig«*  venuiNdt  —  Acb!  —  es  war  einsig  unsere  Lehr- 
meuierinn  die  Natur.  —  Abennahla  könnlet  Ihr  lu  mir  sagen : 
Du,  der  du  ketserisch  die  tchnlgerechte  Kunst  bekrittelst,  der  du 
die  Natur  als  deine  einsige  Lebrerinn  ansieheat ,  der  du  uoe  ,  die 
wir  lehren  und  achreiben,  nur  in  ao  fern  so  achten  sdieinst,  alx 
wir  treue  Dolmeischer  der  GeheimsprDche  dieser  Cumfilscheo  Sy- 
bille aind,  hast  deoa  Du  deiner  angeblichen  Meisierinn  ihr  Kunai- 
stSck  nicht  abgelauscht  j  —  Wahrhaftig,  liebe  Am'.sgenossen!  ich 
habe  es  ihr  abgelauscht,  aber,  —  ich  kann  es  ihr  leider  nicht 
nachmachen.  Die  Selbsiheilung  dietea  veralleleo  Uehels  erzähle 
ich  jedoch  weit  belehrender  in  einem  anderen  Kapitel;  hier  führe 
ich  nur  den  Fall  als  den  ausgezeichnetsten  hinsichtlich  seiner 
Dauer  an. 

Wenn  du  Hüftweh,  ohne  Vermischung  mit  einem  Urorgan- 
leiden,  alt  reine  Eisenaffektion  des  Gesaramt Organismus  auftritt, 
ao  heilet  eg  sich,  mag  es  sur  Zeit,  wo  man  sum  Heilen  aofgefo- 
dert  wird,  lange,  oder  minder  lange. bestanden  haben,  in  knner 
Zeit,  das  heifst,  in  einer  Zeit,  die  mit  der,  worin  es  die  Natur 
heilet  verglichen,  kurz  au  nennen  ist;  denn  eine,  zwei,  drei  Wo- 
chen sind,  denke  ich,  doch  eine  kürzere  Zeit,  als  zwei,  drei,  oder 
sechs  Monate. 

Ob  nuD  jemand  in  Einer  Woche,  oder  in  zwei,  oder  drei  ge- 
heilt werden  wird,  daa  läfst  sich  ao  genau  nicht  vorhersagen,  leb 
habe  Fälle,  die  mehre  Monate  a't  waren,  in  der  küneaten  Friii, 
und  andere,  die  neu  waren,  in  der  längeren  geheilet. 

Hinsichtlich  der  Behandlung  mnfs  man  ein  neues,  noch  oicbt 
ausgebildetes  Hüftweh,  von  einem  älteren,  oidentlicfa  ausgebilde- 
leo  unterscheiden,  weil  jenes  einige  besondere  Vorsichtigkeilen  er- 
fodert.  Befindet  es  sich  nämli«^  noch  auf  dem  Punkte,  wo  ei 
Lendenweb  ist  und  wo  die  Uebertragung  des  Schmerzes  auf  den 
Hüftnerven  beginnt,  so  kann  eine  consensuelle  Berühriheit  der 
Bauchorgane,  insonderheit  der  Leber  dabei  Stau  haben  ond  der 
Kranke  über  bitteren  Mund,  Blähungen  und  Anfstofsen  klagen.  In 
diesem  Falle  gebe  ich  mit  grofaem  Nutzen,  ja  zuweilen  wahrhaft 
heilend,  einen  Trank  von  einer  halben  Unze  gebrannten  Bilier- 
salzerde,  ein  Scrupel,  oder  eine  halbe  Drachme  fl.  Zinci  und  acht 
Unzen  Wasser,  nod  lasse  den  Kranken  stündlich  einen  Löffel  da- 
von nehmen.  Wirkt  dieser  Trank  gleich  nicht  immer  heilend,  so 
macht  er  doch  den  Bauch  frei,  die  Kranken  fühlen  sich  darauf 
behaglicher  und,  wie  sie  sieh  gewöhnlich  ausdrücken,  von  Herzen 
gesund.  Siebet  man  nun,  dals  die  Steifigkeit  der  Rückenmuakeln 
nachläfst  und  das  Uebeb seine  wahre  Form  angenommen  hat,  ao 
kann  man  den  Gebrauch  des  Eiaens  beginnen. 

Hier   mula   ich   aber  etwas  einscbaltea.     Wenn  gleich,    nach 


meiner  BeobBchliing;  xn  sprechen,  das  Hüftweh' in  den  allerselien- 
slen  Ffillen  salpetrischer  Art  war,  ao  kann  doch  die  epidemische 
Conatitotion  xu  einer  Zeit  so  geartet  sein,  dals  sie  anischlierslich 
Sa) p eierkrank heiten  erzeugt.  Unter  diesen  Umständen  würde  ich 
jedem  rathen,  beim  neuen  Hüftweh,  wenn  bestimmte  Zeichen  der 
Eisenafiektion  fehlen,  znerst  den  kubischen  Salpeter  als  ErkeA- 
nungBDiittel  su  versuchen.  Es  ist  besser,  drei  oder  vier  Tage  der 
Sicherheit  der  Erkenntnifs  anfxuopfern,  als  die  ganze  Krankheit  in 
die  Wirrd  m  bringen.  —  Ferner  ralhe  ich  jedem,  nicht  aus  den 
gastrischen  Zaßllen  gutgl&nbig  auf  ein  Urleiden  der'  Leber  zu 
schlieliien  und  die  Affektion  des  Hnfttierven  als  von  diesem. con- 
sensiiell  abhängig  anausehen.  Die  gastrischen  Zufälle ,  die  man 
zuweilen  gewahret,  sind  meist  consensualler  Art ;  ich  habe  sie,  so 
viel  ich  mich  erinnere,  nie  gesehen,  als  im  ersten  Zeitranme,  wo 
das  Hüftweh  noch  Lendenweh,  oder  wo  letztes  ito  Begriff  war, 
sich  in  erstes  za  verwandeln.  Wird,  man  aber  erst  dann  zum  Kran- 
ken gerufen,  wenn  der  Hüfinerv  schon  ordentlich  ergriflen  ist,  so 
braucht  man  nicht  viel  Vorsichtigkeiten  zu  beobachten.  Glaubt  man 
nämlich  überzeugt  zu  sein,  dafs  man  es  mit  keinem  consensaellen 
und  mit  keinem  Urleiden  des  Hiiftnetven  zu  ihun  hat,  so  kann 
man  das  Eisen  gleich  gebend  Ich  habe  schon  oben  gesagt,  dafs 
ich  mich  des  Liq.  »typtici  bediene  und ,  mit  einigen  Tropfen  an- 
fangend, bis  zu  zehn  für  die  Gabe ,  viermabi  tags,  steige.  Jedoch 
können  Umstände  eintreten,  die  auch  einen  dreisteren  Gebrauch 
rechtfertigen ;  denn  es  gibt  Menschen,  welchen  dieses  Mittel  in  stär- 
keren Gaben  gm  thut,  indefs  solche,  die  reizbare  Därme  haben, 
von  zo  reichlichen  Gaben  Uebelkeit,  Bauchschmerzen,  oder  Durch* 
fall  bekommen.  Folgenden  merkwürdigen  Fall  habe  ich  einst  in 
hiesiger  Stadt  erlebt. 

Ein  kleiner,  Ackerscbaft  treibender  Bürger,  der  das  Hüflweb 
angeßhr  zehn  Tage  gehabt  haben  mochte,  sprach  meine  Hülfe  an. 
Er  hatte  den  Schmerz  zwar  nicht  im  höchsten  Grade,  aber  doch  so, 
dafs  er  unfähig  zu  seinen  Geschäften  war  and  das  Bett  hüien 
roufste.  Ich  verschrieb  den  Liq.  »typt.^  viermabi  tags  mit  sechs 
Tropfen  anzufangen  ^nd  bis  zu  zehn  zu  steigen.  Am  folgenden  Ta- 
ge besuchte  ich  ihn,  und  er  kam  mir,  von  seinem  Schmerze  ganz 
befreiet,  in  der  Thür  entgegen.  Ich  war  erstaunt,  liefs  mir  aber 
mein  Erstaunen  nicht  merken,  sondern  ging  gleich  zum  Tische, 
wo  das  Gläschen  mit  dein  hiq,  »iypt.  stand.  Dieses  fand  ich 
leer.  Auf  meine  Frage:  ob  vielleicht  jemand  die  Tropfen  verschüt- 
tet habe,  sagte  er,  nein,  er  habe  sie  ehrlich  genommen,  es  seien 
verzweifelt  rafichtige  Dinger;  er  liebe  aber  solche  Arzenei,  von  der 
man  fühlen  könne,  wohin  sie  komme.  Ich  bemerkte  ihm,  er  habe 
denn  doch  die  TrOpfen  etwas  reichlicher  genommen  als  ich  es  ihm 
mändlich  gesagt  und  alt  auf  dem  Zettel  der  Flasche  geschriebfiit 


stehe.  Weil  er  aie  aber  ^t  veriragen  und  sie  ibiu  tod  dem 
Schmerz  geholfen,  sei  aa  dem  Mifsvemändnifs  nichts  gelsgea. 

Er  veneizte  darnnf:  am  vorigen  Tage  habe  er  sich  gerade 
eines  Dnaufschiebbnreo  Bedürfnisses  wegen  in  die.  Scheune  ge- 
schleppt and  sich  den  Augenblick  vor  meiner  Ankunft  wieder  ins 
Bett  gelegt.  Der  Schmers  sei  dnrch  diese  Bewegung  so  heftig  anf- 
geregt  gewesen,  dafs  er  nnmöglich  anf  meine  Ansiegong  habe  ach- 
ten können.  In  der  Zuversicht)  die  Tropfen  wurden  ibm  helfen, 
habe  er  auch,  von  Schmers  gepeiniget,  nicht  lange  den  Apoiheker- 
Eeitel  gelesen,  sondern  nach  Gutdünken  d^von  in  eine  Tasse  Was- 
ser geschüttet,  nnd  weil  er  gemerkt,  dafs  ihm  diese  Art  des  Ge- 
brauchs keinen  Schaden  gethan,  sei  er  dabei  geblieben. 

Er  halte  wirklich  eine  ganze  Unsa  Liq.  »typt,  innerhalb  rier- 
nndzwanzig  Stunden  verzehrt. 

Unter  der  arbeitendea  Klasse,  der  es  begreiflich  sehr  hinder- 
lich ist,  durch  scbmershafie  Leiden  von  ihren  GeschKften  abgehal- 
ten zu  werden,  trifft  man  nicht  selten  Menschen,  die  die  Arzenei 
in  ungemessener  Menge  verschlucken.  In  dem  crsSblien  Falle  war 
nun  freilieb  wenig  daran  gelegei^^  aber  in  solchen  Füllen,  wo  ge- 
rade von  einer  geringen  Gabe  der  verordneieu  Arcenei  das  Heil 
zu  erwarten  ist,  mnfs  man  der  Art  Ledien  nie  Tropfen  verschrei- 
ben, sondern  die  Taggabe  mit  Wasser  z»  einem  Tranke  machen, 
dann  können  sie  doch  nicht  gar  zu  toll  Über  die  Schnur  hauen. 

Ich  fragte  noch  den  Liebhaber  kräftiger  Arzenet,  ob  er  ancb 
ein  widriges  Gefühl  im  Banche  von  den  Tropfen  verspüre.  Er  ant- 
wortete r  das  gerade  nicht;  aber  er  sei  so  pustig,  aU  habe  er  sich  an 
starker  Kost  überfressen.  —  Das  glaube  ich  gern,  denn  ob  ich 
gleich  selbst  einen  guten,  gefälligen  Magen  hnbe,  so  sind  doch 
fünfzehn  Tropfen  Liq.  »typt,  das  IlScbste,  was  ich,  ohne  mir  wi- 
drige GefBhIe  zn  erwecken,  anf  ein  Mahl  vertragen  kann. 

Uebrtgens  haben  mir  mehrmahls  Menschen  ans  der  arbeilen- 
den Klasse,  von  denen  ich  verraotbeie,  dafs  sie  die  Tropfen  etwas 
reichlich  nShmen,  von  dieser  Pusiigkeit  gesprochen,  jedoch  bat  es 
bestimmt  keiner  zu  einer  solchen  Meisterschaft  im  Einnehmen  ge- 
bracht, als  der  besagte  Mann. 

\acb  einem  ungeHlhren  Ueberschlage  kommt  es  mir  vor,  alz 
habe  Ich  weit  mehr  Männer  als  Pranen  am  Hüftweh  bebandelt, 
und  ebenfalls  nach  allgemeinem  Ueberschlage  kommt  es  mir  so 
vor,  als  habe  ich  weit  öfter  den  linken,  als  den  rechten  Hflftner- 
ven  ergriffen  gesehen.  Buch  habe  ich  freilich  nicht  darüber  ge- 
hallen, denn  wenn  man  sich  in  der  Praxis  alles  Bchilftlich  bemer- 
ken wollte,  würde  man  wol,  bevor  man  zu  den  Funfzigen  gekom- 
men, eine  ganze  Pferdefracht  Schreiberei  haben.  —  Wer  einniahl 
das  Hüftweh  gehabt ,  der  wird  Leicht  mehrmahls  davon  ergriffen ; 
nicht  deshalb,  weil  das  Uebel  seiner  Natur  nach  ein  perioillicbea 


—  9ii   — 

I  weil  die  Affisktion  aller  Organ«  (diaie  mag  grarlst 
■ein,  wie  »ie  wolle)  eine  Geneigtheit  der  Organe  %a  derselben 
Krankheitaform  ziirünklar«.  Wer  einmahl  ein  solchea  Leid  ge- 
habt, der  kann  es  dnrch  eine  Veranlaaanng  wiederbekommen,  durch 
welche  es  eia  anderer  nichl  bekommt,  üo  kann  z.  B.  der,  der 
einmabl  das  Ilüriweb  gehabt,  ea  durch- ein  einfaches  Fieber  wie- 
derbekommen, bei  welchem  jeder  andere  nur  etwas  schmerzhaftes 
Ziehen  in  den  Füfsen  klagt,  leicht,  gar  leicht  durch  ein  Wecbsel- 
fieber,  aach  wol  durch  ein  gastrisches,  öder  Gebirnfieb«r.  Man 
mnfs  lieh  aber  hei  l.eibe  nit^t  in  den  Kopf  seilen,  als  sei  das 
nach  Jahren  wiederkehrende  Hüftweh  mit  dem  früher  erkannten 
imd  geheilten  imnter  gleiohartig.  Das  kann  es  allerdingt  sein,  aber 
es  kann  anch  eben  so  gut  gans  ander«  geartet  sein.  So  kann  es  s.  B. 
jetst  eine  im  Hüfinerren  vorwallende  Eisenaffektioa  des  Gesammt- 
orgaaisinns,  über  vier  oder  fünf  Jahre  bei  seiner  Kfiekkefar  ein  Ur- 
leiden des  Hüfinerven,  nnd  Gemahls  bei  eiaer  knnftigen  Rfiek- 
kehr  ein  consensnelles  Leiden  des  HüFtnerven  sein.  Man  niub 
also  jedesmafal  die  Sache  genau  untersuchen,  wenn  man  helfen 
will. 

Ich  habe  Ttermahl  in  meinem  Leben  selbst  dieses  verdammte 
Leid  gehabt,  bin  aber  jedesmahl  mit  einer  acht,  oder  sebniägigen 
Haft  davon  gekommen,  ohne  Jedoch  nach  aufgehobener  Haft  zum 
Tanzen,  Springen,  oder  anderen  Turnübungen  sonderlich  geschickt 
gewesen  2u  sein,  vielmehr  mufs  ich  gestehen,  meine  Geschäfte  mit 
Unlust  beschickt  zu  haben. 

Bis  jetzt  habe  Ich  blofs  von  dem  Hüftweh  gesprochen,  welches 
eine  reine  EisenaSektion  des  Gesammtorganisnins  ist.  Nicht  im- 
mer ist  es  aber  so  rein  geartet,  bisweilen  ist  es  vermischt,  tbeils 
mit  chronischen  Organleiden,  theils  mit  o«nen  epidemischen.  Will 
man  den  Leuten  helfen ,  mnfs  man  nothwendig  auf  diese  Vermi- 
schung Acht  haben,  sie  erforschen  and  sie  beseitigen. 

Hinsichtlich  der  chronischen  Organleiden,  mache  ich  vorzüg- 
lich aufmerksam  aof  Leber  und  Milz.  Wollte  man  aus  der  Seile, 
deren  Hüftnerr  ergriffea  ist,  auf  eine  Krankheit  eines  dieser  Baucb- 
o^ane  schliefsen,  so  würde  man  die  Wahrheit  bei  weitem  nicht 
in  jedem  Falle  treffen.  Zuweilen  verhSlt  sieh  die  Sache  ganz  um- 
gekehrt, leb  habe  gar-  oft  den  linken  Hoftnerven  durch  ein  Ur- 
leiden der  Leber  affizirt  gefunden,  und  io  seltneren  FSllen  den 
rechten  durch  ein  Urletden  der  Milz.  Bei  grofser'  Schwierigkeit 
der  Erkenotnib,  wo  man,  von  allen  Zeichen  verlassen,  die  Artung 
der  Krankheit  blofs  durch  Probemiitel  erkennen  mnfs,  also  am 
ersten  und  liebsten  auf  das  probet,  was  am  wahraebeinlichsteo  nnd 
schnellsten  zur  Heilung  führt,  ihut  man  immer  am  besten,  sieb 
zuerst  nach  der  erkrankten  Seite  zu  richten. 

Man  mnfs  si£h  aber  ganz  den  rohea  Gedanken  aas  den  i(<Me 


—    9«    — 

pfe  iicfalagen,  bIi  ob  blofs  handgraiflidie  Leiden  dieier  Orguie 
solche  consentneila  Hüftnervenberührtheit  Teruriachten.  Nein ! 
Dein!  diese  handgreifliohen  Leiden  bewirkea  sie  gerade  am  »el- 
tensten.  Jene  geheime,  von  den  meisleB  Aeraten  nnbeacbtete  Be- 
rilbnheit  der  Organe,  die  sieb  oicbt  darch  «chtbare  und  füblbare 
Stdfung  der  Verricblang  der  berührten  Organe  selbst,  gondern  in 
gar  manchen  Fällen  einsig  durch  conflensnelle  Leiden  anderer  Or- 
gane offenbaret,  «ie  ist  es,  aaf  welche  wir  Tonüglicb  unser  Aa- 
gedmerk  richten  müssen.'  So  habe  ich  mehrnabls  eine  Leberbe- 
rühriheit  mit  dem  Hüftweh  verbünden  gesehen,  die  sich  einzig 
durch  goldfarbenen  Harn,  and  in  anderen  Fällen  Milxberührtheit, 
die  sich  einsig  durch  blassen,  ungleichen,  bald  klaren,  bald  weifs 
absetzenden  Harn ,  sder  durch  leise ,  nur  blickliohe  bacuslrengige 
Mahnnngen  dem  Beobachter  verdächtigte.  Beachtet  man  solche  mit 
der  Eisena Sektion  des  Gesammtorganismu«  vermischte  Organbe- 
rühnheiten  nicht,  oder  kann  man  sie  bei  der  gänzlichen  Abwesen- 
heit aller,  auch  der  leisesten  Zeichen  nicht  beachten,  so  wird  man 
während  der  Behandlung  der  Krankheit  auf  folgende  Weise  den 
Mifsgriff  gewahr.  i{ei  dem  Gebrauche  des.  Eisens  wird  das  Hüft- 
weh minder,  aber  es  verschwindet  nicht  gans,  oder  es  verschwin- 
det bis  auf  einen  kleinen  Best  und  dieser  will  nicht  weichen ; 
nebst  dem  durch  anhaltende  Bewegung  aufgeregten  Schmerz  bleibt 
noch  ein  gewisses  Mifsbehagen  im  Körper  zurück;  oder  das  Hüft- 
weh verschwindet  ganz,  erscheint  aber  nach  einem  ein-  oder  zwei- 
stündigen Gange  wieder  eben  so,  als  es  vor  der  Eisenkur  war. 
Hat  man  neu  anfangs  nicht  an  eine  entferntere  Organberühnheit 
gedacht,  oder  bat  man,  wegen  Abwesenheit  aller  Zeichen,  als  Ver- 
standesmensch das  blofs  Mi>gtiche  nicht  beachten  dürfen,  so  ist 
es  jetzt  Zeil,  entweder  das  durch  Zeichen  erkennbare  kranke  Or- 
gan zn  heilen,  oder  das  durch  keine  Zeichen  sich  verralhende 
durch  Probemittel  aufzusuchen.  Sobald  man 'dieses  findet  nnd  es 
heilet,  heilet  man  auch  dadurch  gleichseitig  den  kranken  Hiift- 
nerven. 

Jetzt  wollen  wir  noch  kürzlich  von  der  epidemischen  Organ- 
berübrlheit  sprechen,  welche  sich  taii  einer  im  Hüftnerveo  vor- 
wattesden  Eisenaffektion  paaren  kann.  Zu  einer  Zeit,  wo  solche 
Krankheiten  der  Oigane  als  Urleiden  derselben  landgSngig  sind, 
liegt  wol  jedem  Arzte  der  Gedanke  nahe,  dafs  die  epidemische 
Urorganberfihrtheit  sich  mit  d^r  als  HUCtweh  offenbarten  Eisenaf- 
fektion deff  Gesanimtorganismus  paaren  kjünne.  Allzeit  verhält 
sich  dieses  freilich  in  der  Wirklichkeit  nicht  so,  denn  ich  habe 
zu  den  verschiedenen  Zeiten,  da  Leber-,  oder  Pankreas-,  oder 
Gehimleiden  landgängig  waren,  Hüftwehkranke,  behapdelt,  welche 
einzig  durch  Eisen  geheilt  wurden,  ohne  dafs  auch  nur  die  ge- 
ringste Stockung  in  dem  FoiUchceilen  der  Bessentag,  bei  mir  den 


-    943    — 

Verdacht  einM  TenniMbieD  Krankheiiuastandcfl  hfitte  aafkoinmea 
laasen.  In  anderen  Fällen  aber  habe  ich  eine  solche  VermisehnD^ 
da ,  wo  ich  iie  nicht  geabnet,  wahrgenommen ,  das  heifit ,  prak- 
tisch wahrgenommen;  ich  habe.n&tnKcb  da,  wo  in  der  durch  Ei- 
sen bewirkten  Besserung  eine  Stockung  eintrat,  das  Eigenheilmit- 
tel auf  dns  landgängig  erkrankte  Organ,  entweder  gleichzeitig  mit 
dem  Eisen,  oder,  wenn  des  letzten  schon  genag  gebrancht  war, 
allein  gegeben,  und  niclK  selten  überraschende  Heilung  gesehen. 
An  mir  selbst  machte  ich  «inst  einen  dahin  eimchlageaden 
VersDch,  dessen  Erzählung  wohl  nicht  ganz  unbelehrend  sein  mag. 
Im  Jahre  1828  litt  ich  am  Hüftweb.  Durch  Eisen  stellte  ich  mich 
so  weit  wieder  her,  dafs  mir  niemand  mehr  etwas  anmerken  konn- 
te. Ich  selbst  konnte  aber  nur  su  gut  gewahr  werden,  dalii  nicht 
alles  war,  wie  es  sein  mufste;  tbeils  fühlte  ich  noch  Schmera, 
wenn  ich  ein  paar  Stunden,  methe  Geschäft«  beschickend,  in  der 
Stadt  herumgegangen  war,  und  mnfste  mich  aufs  Sofa  legen,  nm 
den  Schmerz  verschreinen  zu  lassen,  tbeils  fühlie  ich  auch  eine 
leise  Trübung  meines  Befindens,  welche  sieh  nicht  durch  Mangel 
an  Efslust,  durch  schlechte  Verdauung,  durch  nnruhigen  Schlaf, 
oder  durch  andere  sichtbare  StSmng  der  gewohnten  GesnntUieil, 
sondern  durch  eioe  gewisse  Sehnsucht  nach  Rohe  olfenbarie.  Die 
deutlichste  Veränderung  in  meinem  Befinden  war,  dafs  ich  nachts 
ungewöhnlich  lange  schlief.  Bin  ich  bei  vollkonunner  Gesnndbeit 
um  zehn,  halb  eilf  eingeschlafen,  so  wache  ich  nm  halb  vier,  oder 
vier  auf  und  mein  Haupischlaf  ist  abgeiban.  Jetzt  schlief  ich  ganz 
mhig,  ohne  aufzuwachen,  bis  sieben  Uhr,  und  würde  gern  noch 
länger  geschlafen  haben,  wenn  meine  Geschäfte  es  erlaubt  hätten. 
Es  kam  mir  wahrhaftig  so  vor,  als  sei  ich  zurück,  in  meine  Kind- 
heit versetzt,  wo  es  mir  hart  ankam,  um  sieben  Uhr  aufznstehn. 
Solch  eine  Veränderung  in  der  gewohnten  Weise  eines  Menschen, 
wenn  sie  gleich  ohne  krankhafte  Gefühle  sich  zeiget,  bedeutet  ge- 
wöhnlich nicht  viel  Gutes. 

*Da  ich  nun^  oft  genng  bemerkt,  dala  epidemisch«  Orgaobe- 
ruhrtheit  einen  guten  Theil  der  davon  Ergriffenen  nicht  eigentlich 
krank  macht,  sondern  nur  ihre  Gesundheit  ein  wenig  trübt,  so  kam 
ich  auf  den  Gedanken,  ob  aoch  mein  widerspenstiges  Hüftweh  wol 
znra  Theil  von  einem  solchen  epidemischen  Einfiusse  abbangen 
mächte.  Damahls  herrschten  Krankheiten,  die  ich  für  ein  Urlei- 
den des  Plexu»  coefiaci  ansah  und  mit  Biitermaodelwasser  heilte. 
Es  war  also  eben  kein  grofses  Wagnifs,  dieses  Mittel  zu  versu- 
chen. Da  ich  schon  bei  drei  Wochen  Eisen  genug  gebraucht,  die 
Besserang,  die  es  bewirkt,  offenbar  stillstand,  so  war  es  unver- 
kennbar, dafs  mein  Üehel  keine  reine  Eisenaffektion  sein  konnte. 
Ich  liefs  also  das  Eisen  ganz  fahren,  nahm  täglich  eine  Unze  Bit- 
ter man  delwasaer  in  getheilten  Gaben,  und  —  wie  ich  diMM  drei 


—    944    — 

Tag«  gaibnt,  war  der  Rest  melQM  Hfiftwahn  ganz  Tenichwanden. 
Nur  var  noch  nSthig,  di«  Prob«  auf  die  Kur  su  luaehen,*  dasn 
bot  tich  gleich  eine  treffliche  6e)egenhei(. 

Ich  wurde  gebeten,  ein«  kranke  Frau  in  einem  swei  Weg- 
aiunden  entlegenen  SUtdicfien  zu  besuchen,  und  sagte  meioen  Be- 
such beatimnit  auf  den  26.  Januar  zu ,  denkend ,  ich  würde  den 
Weg  gar  gemichlich  in  meinem  Wagen  machen.  Das  ging  aber 
ganz  andere  aie  ich  dachte.  Da  ich  beitimmt  hatte,  mit  dem  Ta- 
ge ansEDfahren,  kam  mein  Kutscher  eine  Stunde  vor  Tage  mir 
ankündigen,  es  eei  die  Nacht  ein  solch  höllisches  Wetter  mit  Sturm 
und  SchneegestSber  eingetreten,  dafs  er  nicht  wisse,  wie  er  durch 
den  an  sieh  garstigen ,  mit  liefen  Gleisen  durcbeohaiilencn ,  jetst 
verschneiten  Weg  ohne  Unglück  kommen  solle.  Ich  stand  auf,  und 
nachdem  ich  mith  von  der  Wahrheil  seines  Vorgebens  übersengt, 
verging  mir  selbst  die  Lust  zum  P&hren.  Ich  ver'abachpne  es  nfim- 
lich ,  einen  Weg  zn  Wagen  zu  machen ,  auf  welchem  Ich  jeden 
Augenblick  fürchten  mufs,  entweder  umgeworfen  zn  werden,  od«f 
den  Wagen  zu  hreeheo,  oder  die  Pferde  lahm  zn  fahren.  Ich  eat- 
schlofs  mich  also  kurz  und  gut  eine  Probe  auf  meinen  Hnfinerven 
zu  machen  und  zu  Fnbe  su  gehen. 

Nachdem  ich  meine,  wegen  dieses  Unternehmens  sehr  besorg- 
te Gattion  beschwitihtiget  und  zu  ihrer  Beruhigung  ei nge williget, 
den  Kutscher  mitzunehmen,  wiewol  ich  nicht  recht  begriff,  woza 
er  mir  dienen  sollte,  machte  ich  mich  mit  dem  Tage  auf  den  Pfad, 
vermied  auf  einem  Umwege  durch  Holzung  einigermarsen  den 
Starm  and  die  SchDeewell<fli ,  und  machte  schon  die  Bemerkung,  die 
ich  mehrmahls  gemacht,  dafs  solch  wüstes  Wetter  sich  im  Hause 
hinter  dem  Ofen  viel  unfreundlicher  ansiehet,  als  es  wirklich  ist, 
wenn  man  sich  darin  befindet.  Ich  legte  selbst  mit  Vergnügoo  den 
Weg  bis  zum  letzten  Viertel  zurück.  Da  lag  nun  aber  ein  unbe- 
Rchütztes,  unvermeidliches  Blachfeld  vor  mir.  Den  lief  zugeschnei- 
ten Weg  EU  halten,  War  nnmägUch,  also  mufste  ich  zur  Seite  Über 
die  gefrorenen  Ackerfurchen,  die  hohen  Schneewellen  vermeidend, 
in  einer  Schlangenlinie  wandern.  Der  Sturm,  mir  entgegen,  war 
so  stark,  dafs- er  mich  n^thigte,  mit  vorgelegtem  Leibe  gegen  ihn 
anzakümpfen.  Es  bedünkte  mich,  als  kSme  ich  fast  nicht  vom 
Flecke,  als  würde  ich  wol  eine  Stunde  Zeit  gebrauchen,  um  diese 
halbe  Wegstunde  zurückzulegen.  -Das  Gefühl  des  Menschen  nufa 
aber  sehr  tfiuscfaend  sein,  denn  da  ich  nnter  dem  Thore  des  Städt- 
chens auf  meine  Uhr  sah,  Wurde  ich  zn  meiner  Ueberraschung  ge- 
wahr, dafs  ich  nur  fönf  Minuten  lünger  als  gewöhnlich  auf  dem 
Wege  zugebracht,  und  diese  fünf  Minuten  konnte  man  reichlich 
auf  das  Vermeiden  der  Schneewellen  rechnen.  Die  Leute,  zn  de- 
nen ich  kam  und  die  gehört  hatten,  ich  sei  etwas  unwohl  gewe- 
sen, wunderten  steh  hafs,  da  sie  den  beschneiten  Wandersmann  ein- 


—    945    — 

trMeo  sahen;  ti»  behanplelen ,  nach  eio«r  aliea  Sprechweise,  es 
lei  ein  Wetler,  dafs  ein  ehrlicher  Mann  keinen  Hund  hinaus- 
jagen würde.  Ua  die  Haasfrau  aber  wirklich  meine  Gegenwact 
nötfaig  halle,  so  liela  ich  die  guten  Menschen  dabei,  dafa  ich,  blofi 
als  Mann  von  Wort  mein  Versprechen  aifiillend,  mich  diesem  Un- 
gemache  uusgeseizt,  und  sagie  ihaen  nicht,  dafs  ich  sugleich  die 
Absieht  habe,  ein  Experiment  auf  meinen  Nervun  itchiadicum 
zu  machen.  Hinsichtlich  des  Hundes  hatten  sie  aber  wirklich 
Recht,  es  war  mir  auf.  dem  gansen^  Wege  weder  Hund  noch  Katxe 
za  Gesicht  gekomniea ;  heim  Heimgänge  begegneten  mir  die  er- 
sten lebendigen  Geschöpfe,  ein  paar  Holzsäger  mit  verhülllen 
Mäulern. 

Wie  ging  es  mir  nun  nach  diesem  Strauisel  —  Gut,  recht 
gut,  ich  ßhlie  nicht  das  mindeste  Ziehen  im  Hüfinerveo  und  war 
jetzt  von  seiner  voUkommnen  Genesung  überzeugt. 

Ein  Gang  von  ein  paar  Stunden  über  Land  ist  die  beste  Pro- 
be auf  die  Heilung;  ist  diese  nicht  gründli«^,  so  fühlt  man  hinten- 
nach  ein  widriges  Ziehen  im  Nerven,  ist  sie  aber  gründlich,  so 
kann  man  wel  müde  werden,  wie  jeder  andere*  aber  man  Hihlt 
nicht,  dafs  man  einen  Nervum  itchiadicum  hat.  Notbwendig  ist 
es  eben  nicht,  einen  solchen  Probegang  in  Starm  und  Schnee  zu 
machen;  ich  hätte  ihn  auch  lieber  bei  gutem  Weiter  gemacht, 
aber  es  fugte  sich  so,  dafs  es  gerade  sturuiie  und  schneiete  und 
dafs  ich  der  KranLen  meinen  Besuch  bestimmt  zugesagt. 

Ich  habe  im  dritten  Kapitel,  von  dem  Hüftweh  handelnd,  ge- 
sagt, dafs  ich  von  der  Erkrankung  des  Hüftnerven  nie  Folgever^ 
krüppelung  gesehen,  mir  also  einst  eine  durch  das  lange  Verhar- 
ren in  der  nämlichen  Stellung  krumm  gewordene  Frau  eine  auf- 
fallende Erscheinung  gewesen.  Was  ich  dort  gesagt,  gilt  begreif- 
lich nur  von  Eiwachsenen ;  von  Kindern  würde  die  Behauptung 
gegen  die  allgemeine  Erfahrung  streiten.  Verharren  diese  lange 
in  Einer  Steliong,  so  wird  ihr  Knochengerfisl  gar  leicht  versdio- 
hen;  manche  im  Wachsen  i>egritfene  M&dcheo  verkrüppeln  ja  ani 
Stickrahmen,  manche  Knaben  am  Schreibtische.  Je  jünger  die 
Körper,  je  leichter  wei'den  sie  verkriippell.  Auch  junge  Kinder 
kann  ein  körpeilieher  Schmerz  an  eine  gewisse  Siellung  banncii 
und  dadurch  ihr  Knochengerüst  theilicht  verschoben  werden;  die 
Erkrankung  des  Hüfinerveo  ist  eine  Veranlassung  Kur  Verkruppe- 
lung,  die  man  nicht  übersehen  darf.  Ob  die  chronische  Entieun- 
dung  und  Eiterung  im  Hüfigelenk,  deren  Folge  theiltchte  ZersiB- 
rung  des  Gelenkkopfas  und  Exartikulaiion  ist,  in  manchen  Fällen 
nicht  ursprünglich  von  einer  Erkrankung  des  Ilüftnerven  abhänge, 
will  ich  nich  (uoteraachen.  Auf  Etwas,  welches  ich  nber  nur  in 
einem  einzigen  Falle  beobachtet  habe,  mub  ich  jedoch  meine  Le- 
ser anfmerksaiu  iiiachea.  , 


Wenn  bei  einer  am^seichnet  schmenhafieD  Erkr«Dkniig  des 
Hüfinerven   der  HchmerE   durch  dienliche  Mitlei   gehoben  isl ,     so 
kann  ein  Zusland  in  den  Muskeln  überbleiben,    der  einer  onvoll- 
Icommnen  Lähmung  sehr  ähnlich  ■cheinr,  im  Gninde  aber  wol  nicbta 
anderg  sein  wird,  als  eine  blofs  verändene  Form  der  Hüftnerveo- 
erkrankung.     Ich    Bchliefse    diesei   daraus,    weil    diese  scheinbare 
Lähmung  dem  fortgetieizten  Gebrauche  des  aäralicheo  Mittels  weicht, 
welches  den  Schmerz  gehoben  hat.     Wena  nun  ein  Kind  nach  be- 
■eiligiem  Schmelz    lange  in  der  nämlichen  Körperslellnog  verhar- 
ret, so  kann,  je  nachdem  die  Stellung  sich  dasn  eignet,  nicht  blofs 
eine  Verschiebung  der  Lendenwirbel,    sondern  auch  eine  alliuSh- 
Irge  mechanische  Exartikalaiion  des  Schenkelgelenkkopfes  die  Folge 
davon  sein.     Darnm  ist  es  nSihig,   nach  beseitigtem  Schmers  die 
Aeltera    za  ermahnen,    dafs  sie  das  Kind  nicht  in  der  nämlichen 
Stellung  sitzen  lassen,  uiMi  am  wenigsten  in  einer  solchen,  wodurch 
die  Exartiknlaiion  könoie   veranlafst  werden.     Folgen  sie  der  Er- 
mahnung nicht,  so  können   sie  sich   die  Verkrüppelnng  des  Kindes 
selbst  zuschreiben.     Uebrigens  habe  ich  mich  durch  den  Einen  Fall 
öberzengl,  dafs  eine  solche  allmShüg  bewirkte  mechanische  Exar- 
tiknlaiion ein  weit  anderes  Oitig  ist  als  die  durch  Gelenkeitemng 
bewirkte.     Leiste  ist  sehr  genihrtieh,  niemand  kann  sich  für  den 
Ausgang   Terbiirgen ;    erste    ist    ohne  Gefahr.     Bei   dieser   ist   das 
Kind  weil,  weit  früher  befähiget,  schmerzlos,  obgleich  hinkend  m 
gehen,  eis  bei  jener.     Bei  dem  durch  Gelenkeiierung  theilicht  zer- 
BtSrtcn  Gelenkkopfe  ist  das  schmerzlos«  Gehen  nnniöglich«    bevor 
nicht  die  Xatur  Hie  Rauhigkeit  des  exnrlikulirien  Gelenkkopf lestea 
abgeglättet  hat,  wozu  jedenfalls  Zeit  gebort.      Bei  der  allmähligeit 
mechanischei)  Exanikulaiion  ist  der  Gelenkkopf  glatt,  mithin  kann 
er  sich  weit  gemächlicher  Platz  auf  dem  Hüftbeine  machen,    ond 
gerade  wegen  seiner  Glätte  mufs  die  ßeföbigung,    zwar  hinkend, 
aber  doch  schmerzlos  zu  gehen,  weil  früher  eintrete»-. 

Scoibnt.  Es  mufs  wol  xwei  verschiedene  Arten  dieses  Ue< 
bals  geben,  den  See-  and  den  Landscoibut.  Ich  schliefe  das 
darans,  weil,  nach  den  Reiseberichten  der  Seefahrer,  das  scorbn- 
tische  SchifTsvolk  am  Lande  blofs  durch  den  Gebrauch  frischer 
Nahrungsmittel  geneset.  Nun  kann  aber  jemand,  der  immer  auf 
dem  festen  Lande  gewohnt  und  frische,  gesunde  Kost  gegessen 
hat,  vom  Scorbut  ergriffen  werden;  ich  meine  also,  dafs  dieser 
Scorbut  anders  geartet  sein  müsse  als  jener. 

Vom  Seescorbnt  weifs  ich  nichts  zu  sagen,  denn  ich  habe  nie 
die  See  Iwfahren ,  aber  vom  Laadscotbut  bebanpte  ich  mit  Be- 
atimmiheit,  dafs  er  in  der  Gegend,  wo  ich  die  Kunst  übe,  »Dter 
den  chronischen  IJebeln  eines  der  seltneren  ist.  Wollte  man  alle 
die  Leute  für  scorbuiisch  halten,  die  wegen  des  geschwollenen  und 
blutenden  Zahnfleisches  sich  selbst  dafür  ansgebao,  so  würde  man 


—    947    — 

eine  grobe  Uoerfahrenheit  v^rrathen.  Dieser  Zufall  ist  in  weit 
den  nieisien  Fsllen  ein  Snlichea  Leiden  des  Zahnfleisches,  oder 
hangt  von  der  Krankhaftigkeit  einer  oder  mehrer  Zahnwurzeln  ab. 
Der  ecbie  Laodscorbnt ,  der  sich  durch  Mattigkeit,  Schmers  der 
Beine,  grofse,  blaue,  nicht  scharf  amschriebene  Flecken,  stinken- 
den Athem,  geichwoUenes,  bläuliches,  blutendes  Zahnfleisch  und 
durch  mehr  oder  minder  dunkel  geßrbten,  laugensalsigen  Harn 
offenbaret,  ist  ein  ganz  anderes  Ding.  Wird  hier  dem  Kranken 
nicht  durch  zweckmftfsige  Mittel  geholfen,  so  mufs  er  verderben. 
Jn  den  einzelnen  FSllen,  die  ich  beobachtet,  schaffte  das  Eisen 
CTinct.  ferri  acet.^  oder  /i^.  »tgpt.)  nicht  einbildischen ,  sondern 
augenscheinlichen  Noizen,  nnd  beförderte  die  Heilung  weit  rascher, 
als  ich  dieses  früher  je  durch  SHuren  und  sogenannte  Antücoriu- 
iica  gesehen. 

Mit  dem  Scorbut  scheint  die  SchwSrzung  einzelner  Glieder 
ein  wenig  verwandt  zu  sein.  Sie  ist  mir  aber  sehr  selten  vorge- 
kommen; den  leizfen  Fall  habe  ich  vor  neun  Jahren  behandelt. 
Hier  war  die  äiifsere  Seite  des  rechten  Ober-  und  Unterschenkels 
so  glänzend  schwarz,  als  sei  sie  mit  Pottloifa  gefärbt.  Uebrigens 
war  der  Mann  mit  keinem  anderen  Zeichen  des  Scorbnts  behaftet, 
sein  Harn  jedoch  laugensalzig.  Anf  den  Gebranch  des  Liq.  »typt. 
veränderte  die  schwitze  Farbe  in  die  violette,  diese  in  die  natür- 
liche Hantfai'be.  Uebrigens  war  der  Kranke  einer  von  den  iBg- 
lichen  Branntweinsäufern,  der  auch  seinem  schwarzen  Beine  zti 
Liebe  das  Saufen  nicht  wird  nnferlassen  haben. 

Näher  mit  dem  Scorbnt  verwandt  scheint  die  Fleckenkrenk- 
heit  zn  sein,  die  ich  Sfier  in  meinem  Leben  gesehen  habealsden 
wirklichen  Soorbut.  Die  Flecken,  die  ich  gesehen,  waren  bei  ver- 
schiedenen Kranken  verschieden.  Bei  einigen  klein,  wie  alte  Floh- 
eticbe  ohne  Hof,  dunkel  violett,  oder  ganz  schwarz,  entweder  mit 
acharf  nmschriebenen  Rändern^  ot|er  gezackt.  Bei  andern  von  ver. 
schiedener  Gröfse,  die  kleinsten  wie  Linsen,  die  gröfsten  wie  der 
Nagel  eines  Fingers,  ihre  Gestalt  nnregelmSlsig  mnd,  ihre  B4fnder 
scharf  abgescbnilien,  ihre  Farbe  schwarz.  Bei  dem  gröfsten  Thei- 
le  schien,  nach  dem  Ansehen  zn  schliefsen,  die  Verbindung  swi- 
schen  Oberbant  nnd  Schleinihant  nicht  verändert  zu  sein.  Bei 
zweien  war  aber  eine  krankhafte  Veränderung  dieser  Verbindung 
sichtbar,  denn  wenn  sie  sich  nur  ein  wenig  an  die  Flecken  siie- 
fsen  oder  rieben,  so  schälte  sich  die  Oberhaut  ab  und  es  erfolgte 
Blutnng.  Eine  einaige  Fran  habe  ich  gesehen,  die  mehre  Flecken  . 
anf  der  Zunge  halle;  weil  hier  durch  das  Käuen  die  Oberhant  von 
den  Flecken  abgerieben  wnrde,  blnlele  ihr  beständig  der  Mund. 
Uebrigens  sind  Blatnngen  nicht  immer  mit  dieser  Krankbeitaform 
verbunden;  ob  sie  entsieheii,  oder  ausbleiben,  hängt  vom  Zufalle 
ab.    Am  iMtigslen  ist  die  ans  der  Nase,  sie  kann  wirklich  den  Arst 


—    948    — 

in  Verlegenheii  sefcen,  und  man  mag  wol  jedem  raihen,  glaicb 
aafSnglich  eraathafle  Mafsregela  *a  ergreifen. 

Die  Fälle  von  Fleckenkrankbeiti  die  mir  vorgekommen,  aeit 
icb  mich  zu  der  gelieimärztlichen  Heillehre  gehalten,  habe  ich 
mit  /jtff.  itypt.,  oder  essigsanrem  Eisen  geheilt.  Frfiher  bedieuM 
ieb  mich  einzig  der  Sohivefeliäore;  die  erste  Behandlung  ist  aber 
der  letalen  weit  vorzuziehen,  nicht  hlofs  weil  sie  die  Heilung  g«- 
achwinder  bewirkt,  aondern  deshalb,  weil  manche  Menschen  anr 
nngero  eine  solche  Menge  Sfiure  verschlucken,  als  zur  baldigen 
Heilung  nöthig  ist. 

Die  Heilung  geschiehst  folgenderniafien.  Zuerst  verschwin- 
den alle  krankhafte  GefGble,  wozu  man  besonder*  das  der  Mattig- 
keit rechnen  mufs,  bei  manchen  auch  die  vermeintlichen  Rheuma- 
liimen.  Der  Harn,  war  er  lauge nsalz ig ,  welches  er  bei  einem 
tiemliflh  hohen  Grade  d«i  Uebels  wol  immer  sein  wird,  wird  erst 
nenlral  und  dann  sauer.  Hinsichtlich  des  Veracbwindens  der  Flek- 
keo  findet  aber  ein  grofset  Unterschied  Statt.  Bei  einem  geringe- 
ren  Grade  der  Krankheit  acheiitt  das  BInt  blofs  in  solche  Gefafse 
gedrungen  zu  sein,  welche  im  gesunden  Zustande  VtAa  roihes  Blut 
fShrvn.  Dadurch  werden  kleine  Flecken  gebildet,  die,  violett,  oder 
■chwarv,  wie  die  gewShnlicben  Petechien  beim  I'eiecbialßeber  ao» 
aeben.  Diese  Petechien  vei^ehwinden  gleichseitig  mit  dem  Besser- 
werden  des  ganzen  Befindens.  Fs  scheint  also,  dafs  das  Blut  nnr 
in  solche  kleine  Gefftfse  gedrungen  ist,  die  bei  der  Besserung  des 
ganzen  krankhaften  Zusiandes  ffthig  sind,  es  zur  Gesammiblnl- 
masae  nuf  eine  mir  freilich  unbekannte  Weise  zurückzubefordern. 

In-anderen  Füllen  scheinet  das  BInt  in  noch  feinere  Gefifse, 
.  und  zwar  in  solche  gedrungen  zu  sein ,  welche  bei  der  Besserung 
des  ganten  Krankheitzustandes,  Tenuüge  ihrer  Organisation  nicht 
beiUhigei  sein  können,  es  geradezu  zur  GesammtUalmaase  znrück- 
znbefördern.  Ich  achliefse  dieses  aua  der  Beobachtung,  dals  solche 
Flecken  nicht  verhalilicb  mit  der  Ruckkehr  der  Gesandbeil  ver- 
lebwinden,  aendern  später  wie  BlutuoterlanfuDgea  durch  die  Ein- 
sangnng. 

Uebrigens  habe  ich  bis  jetzt  noch  nia  eine  Fleckenkmnkbeit 
mit  rotbes  Flecken  gesehen,  mnfs  aber  wol  glauben,  dafs  die  von 
einigen  anderen  Aerzien  behandelte  mit  Att  von  mir  eben  be«cbrie- 
benea  nicht  gleichartig  gewesen  sei ;  denn  icb  habe  ja  in  neuer  Zeil 
gelesen,  dafs  einer  sie  mit  Glaubersalz,  ein  anderer  mit  Calonel 
will  geheilt  haben.  Wahrlich!  ich  hätte  meinen  Kranken  weder 
das  eine,  noch  das  andere  geben  mögen. 

Man  tagt,  der  Warb-  kaemorr,  mac,  sei  ohne  Fieber.  —  Nun* 
solche  Behauptung  kann  wahr  und  auch  unwahr  sein,  je  nachdem 
der  Begrifi*  ist,  den  man  sich  vom  Fieber  macht,  and  einen  be- 
sünunten    kaan   wol   keiner  haben.     Dafs  eine  AÖektioa   des  Ge- 


—    9i9    — 

■ainmtorgHDismaB,  die  sich  durch  die  beschrtebenen  Keioben  oSeii-' 
baret,  ohne  roancherlei  krankhafte  Gefühle  Stalt  babea  könne, 
Iftfttt  sich  nicht  wol  denken;  ob  sie  aber  gerade  aof  das  Schlag- 
adergyatem  den  irstlichea  Fingern  fühlbar  wirkt,  das  hfingt  von 
dem  eigenthäntlichen  Grad«  der  Reizbarkeit  dieses  Sjatems  in  dea 
rerschiedenen  Körpern  ab,  und  der  ist  bekanntlich  in  veracbiede- 
nea  Körpern  sehr  rerschieden. 

Ein  einziges  Mahl  und  zwar  in  früheren  Jahren  hatte  ich  dia 
seltene  Gelegenheil,  die  Enisiehung  der  viuletten  Flecken  mit  mei- 
nen Augen  zu  sehen.  Ein  fast  noch  kindisches  EdelfrSulein  war 
auf  einer  Reise,  ein  wenig  unwohl,  von  so  starkem  Nasenbluten 
befallen,  dafs  die  Malter  einen  Arsi  zti  Hfilfe  rufen  muffte.  Gleich 
nach  ihrer  Rückkehr,  da  ich  mich  gerade  anderer  Geschsfte  we- 
gen im  Schlosse  befand  ,  mufste  sie  sich  ohne  erkennbare  Veran- 
laasnng  erbrechen;  die  Anstrengung  des  Erbrechens  bewirkte  au* 
genblicklich  den  Ansbnich  unsihliger  violetter  Flecken  am  Halse, 
die  sich  hinsichilich  ihrer  Form  und  Farbe  in  gar  nichts  von  den 
gemeinen,  kleinen,  violetten  Petechien  des  Faul-  oder  Petechial- 
fiebers unterschieden.  Absichtlich  verweilte  ich  noch  etliche  Stun- 
den ,  um  zu  sehen ,  ob  sie  vielleicht  eben  so  von  selbst  vergehen 
würden  als  sie  gekommen.  Sie  blieben  aber  und  verschwanden 
erst  nach  etlichen  Tagen  nebst  dem  geringen  Unwohlsein,  welche« 
schon  vor  dem  \asenbluien  sich  gezeigt,  bei  dem  Gebrauche  der 
Schwefelsäure,  die  ich  daroahls  noch  in  solchen  Fällen  to  geben 
pflegte. 

Diese  Beobachtung  ist  in  pathogenetischer  Hinsicht  sehr  merk- 
würdig; sie  zwingt  uns  gleichsam,  über  den  Unterschied  der  vio- 
letten, schwarzen  und  der  rothen  Flecken  nachzudenken.  Ich  über- 
lasse das  aber  dem  Leser,  da  es  aufser  meinem  Plane  liegt,  mich 
in  Bloche  Erörterungen  einzulassen. 

Die  Leser  werden  jetzt,  auch  wol  erwarten,  dafs  Ich  vom  Pe- 
techialfieber ein  Wort  sage.  Ich  habe  dieses  aber  seit  vierzig  Jah- 
ren epidemisch  nicht  beobachtet,  und  es  seildeui  nur  ein  einzige« 
Mahl ,  lange  bevor  ich  die  geheiniSrztlicbe  Lehre  kannte ,  in  der 
Hütte  eines  armen  Mannes  gesehen,  kann  also  aus  Erfahrung  nicht 
von  der  Wirkung  des  Eisens  bei  demselben  sprechen.  Was  mich 
früher  die  Erfahrung  von  diesem  bSsen,  ansteckenden  Fieber  ge- 
lehret,  will  ich  weiter  unten,  wo  ich  von  den  dem  Eisen  verwand- 
ten Mitteln  sprechen  werde,  vortragen. 

Wassersucht.  Diese  ist  in  manchen  Fftllen  eine  reineEi- 
senaffektion  des  Gesammtorganismus,  welche  in  den  Nieren,  die 
aussondernde  Verrichtung  derselben  störend,  vorwaltet;  in  ande- 
ren Fällen  ist  sie  nicht  rein,  sondern  niil  dem  Urleiden  eines  Or- 
gans gepaarel. 

Zuerst    werde  ich  von  der  reinen  Eisenaft'ekiion  iprecben.  — 

„,,,_„,,,, Google 


—    950    — 

Em  itt  mir  häohit  wabnobeiolich ,  dab  dins  Wauwsncht  blofx 
TOD  einem  Vorwalten  jener  Affektion  des  GesamnitorgBoisinaB  ia 
den  Nieren  abhängt,  nicht  von  einem  Vorwalten  in  den  einsan- 
genden, oder  auahaucbenden  Gefftfsen;  xam  wenigsten  ist  Letxtee 
nicht  das  Gewöhnliche,  sondern  man  mafa  es  blofs  als  Ausnabnae 
Ton  der  Regel  betrachten. 

Die  Erkenntnifs  der  durch  Elsen  beilbaren  Wassersucht  ist 
mweilen  kinderleicht,  suweilen  schwieriger.  Leicht  ist  sie  da, 
wo  die  Langensalaigkeit  des  Ilarnes  die  Art  der  Krankheit  offen- 
barel,  schwieriger  da,  wo  der  Harn  nicht  diese  gesundheitswidrige 
Beschaffenheit  liat. 

In  Fällen,  wo  die  Harnabsonderong  sehr  gering  und  der  we- 
nige Harn  sehr  trübe  und  braun  ist,  Ittfst  sieb  zuweilen  aus  dem- 
selben der  Zustand  dea  Getammtorgaaisnua  übel  beurtheilen ;  hier 
kann  nämlich  das  Lackmufxpapier  Sfturc  anzeigen,  und  d.ese  Pro- 
be dennoch  falsch  sein.  Um  aur  richiigea  Benrtheiluag  an  gelan- 
gen, gibt  es  ein  kleines  Kunsutück,  Avelches  zvioi  nicht  allzeit, 
aber  doch  oft  glückt.  Man  mufs  xuerst  ein  gutes  Nierenmiitel  rei- 
chen (die  Goldruibe,  oder  die  Cochenille);  dieses  vermehrt  nicht 
selten  die  Harnabsonderung ,  und  wenn  man  dann  den  Harn  un- 
tersucht, kann  man  ihn  laugensalzig  finden,  da  man  ihn,  während 
er  in  unbedenlender  Menge  ausgesondert  wurde,  sauer  gefonden. 
Ich  kenne  den  Menichenleib  nicht  so'  genau,  um  diese  Sonderbar- 
keit erklären  in  können;  genug,  dafs  ich  weifs,  man  kann  znwü- 
len  auf  diese  Weise  gemächlich  zur  Erkenninifs  gelangen.  Man 
hat  bei  der  Probe  zugleich  den  Vorlheil,  dafs  man  sich  überzeugt, 
ein  Urleiden  der  Nieren  sei  nicht  vorhanden.  Bei  einem  Urleiden 
dieser  Organe  helfen  nämlich  die  Nierenmiitel  allein;  vermehren 
sie  aber  bei  einer  in  den  Nieren  vorwaltenden  Eisenafiektion  die 
Harnabsonderung  auch  etwas,  so  hat  diese  gute  Wirkung  keinen 
Bestand.  Wer  das  nicht  kennt,  der  glaubt,  sobald  er  die  Harn- 
absonderung vermehren  siebet,  er  habe  gewonnen  S^iiel,  hemacb 
wird  et  gewahr,  dafs  die  vermeintliche  Besserung  stillsleht,  er 
uehei  dann  wol,  dafs  er  sich  geläoscbt,  weil*  aber  nicht,  woran 
das  Ding  hakt. 

Ferner  erinnere  ich  auch  noch  an  den  Probegebrauch  des  Na- 
trons, oder  des  Ammoniums,  wovon  ich  früher,  bei  Besprechung 
der  mit  einer  Ureisenaffektion  gepaarten  Leberkren  kheit  schon  al- 
les gesagt,  was  nach  bei  der  Wassersucht  anwendbar  sein  möchte. 

Ich  bediene  mich  zur  Heilung  der  Wassersucht  entweder  der 
esaigsaaren  Eisentinktur,  oder  dea  Liq.  »typt.  Der  Harn  'wird, 
war  er  anfönglich  trübe  und  dunkel  brenn,  zuerst  klar  und  braun, 
dann  gehet  die  hranoe  Färbung  durch  die  Schaltungen  von  Hell- 
braun, Dunkelgelh,  Hellgelb,  Goldfarbe  in  das  Strohgelbe  über. 
Die  Meagevermehrung  hSit  gewöhnlich  gleichen  Schritt  mit  dieser 


—    951    — 

FarkenveränderuDg.  Wo  aber  vor  dem  Utsbraucbe  de«  Kinens  die 
Farbe  des  Harns  voQ  der  gesund beilsgeiuäfsen  wenig  abwich,  (voll- 
koininen  gesundheitag^mäfs  trifft  man  sie  seilen  bei  reinen  Lisen- 
affektionen)  kann,  man  sieh  allein  durch  diu  Vermehrung  von  der 
HeUuirknng  des  Eisens  überzengea. 

Da,  wo  der  Harn  stark  laugensalzig  ist,  wShrei  es  jedoch  su~ 
weileo  Kleinlich  lange,  ebe  er  seine  Säure  wieder  annimmt.  So 
laege  diese  Umänderung  suni  Normalen  noch  oicht  ge^behen  ist, 
kano  man,  war»  auch  alles  Wasser  entleeret,  nicht  sicher  der 
gründlichen  Heünng  seiu ,  sondern  man  iiiuf:!  das  Ei:i«n ,  bis  sich 
diese  Umfindemng  gemacht,  fortgebrauchen  lassen. 

In  manchen  Fällen  geschiehet  die  Suurung  des  Harns  in  we- 
nigen Tagea;  ich  erinnere  aber  absichdicb  an  das  Schwierigere, 
damit  sich  niemand  täusche,  und  glaube,  er  könne  den  laugensal- 
sigeo  Harn  jederzeit  in  drei  oder  vier  Tagen  sauer  machen. 

Wenn  vor  dem  Gebrauche  des  Eiüens  der  laugensalzige  Harn 
nicht  trübe  und  dunkelgefärbl,  sondern  nur  ein  wenig  trübe,  oder 
selbst  klar  und  weiCi  ist,  so  mufs  man  daraus  nicht  schliefsen,  die 
Eisenaffektion  sei  dem  Grade  nach  geringer,  als  da,  wo  der  Harn 
dunkelbraun  und  loorasiig  ist;  ich  habe  zum  wenigsten  eine  sol- 
che Uebereioslimmuag  der  Harnfarbe  mit  dem  Grade  der  EiseO- 
affekiioo  im  Allgemeinen  eicht  beobachtet.  Schwarten  Harn  sie- 
he! man  ftufaerst  selten,  und  wo  man  ihn  zu  sehen  glaubt,  wird 
man  sich  wol  in  den  meiüien  Fällen  ditrcb  Zugiefücn  von  Was- 
ser überzeugen  können,  diifs  er  nicht  wirklich  schwarz,  sondm-n 
ganz  dunkelbraun  ist.  Wirklich,  schwärzlich  geßirblen  habe  ich 
nur  ein  einziges  Mahl  gesehen.  Er  war  vollkommen  klar,  stroh- 
gelb, mit  einer  schwarsen  Schauung,  als  sei  ei»  wenig  Diote 
darunter  gemischt.  Dafs  diese  sobwärzUcbe  Färbung  nicht  tou 
der  Unreinigkeit  des  Hamiojjfes  herrührte,  davon  überzeugte  ich 
mich  hinlänglich.  Er  blieb,  mehre  Tage  so,  verlor  dann  bei  der 
fortschreite  öden  Besserung  des  Kranken  die  schwärzliche  Färbung 
und  wurde  sauer,  da  er  früher  scbwachluugensalzig  gewesen  war. 
Einen  seltenen  Fall  von  Bauchwassersucht  habe  ich  einst  hei 
einer  armen,  aliea  Frau  beobachtet.  Sie  halte,  nebst  der  Bauch- 
wassersucht und  gesehwoUeaen  Füfsen,  schwarse  Flecken  auf  der 
Haut,  gerade  so,  wie  die  gröfseren  beim  Morb.  katmorrhag.  mac. 
zu  sein  pflegen.  Ich  wollte  ihren  Harn  untersuchen,  hatte  aber 
das  Lackwiifspupier  vergessen,  warf  also  ein  Slückchea  Kupfer- 
vitriol, welches  ich  zufällig  bei  mir  führte,  in  das  Glas,  worin 
man  den  Harn  geihan.  Dieser  brauste  so  heftig  dadurch  auf,  dab 
ein  gutes  Theil  über  den  Hand  des  Glaces  lief;  es  erzeugte  sich 
hernach  ein  grüner  Niederschlag. 

Durch  den  Liq.  »typticu»  genas  diese  Frau;  die  schwar- 
zen Flecken  standen  aber  noch  auf  der  Haut,    da  durch  die  ver- 

-- --^# 


—    952    — 

mehrfe  HBrnabsondentng  Bancb  ond  Ffilse  achan  entleeret  waren. 
Der  Harn  nafam  gani  angewohnlioh  ipit  aeiae  S8nre  wieder  an.     ■ 

Jetzt  wollen  wir  von  der  aus  einer  Ureiaenattekiion  des  G*- 
aainmtorganiainuB  und  ans  eioem  UrorganleideO'  gemischten  Waa- 
sersuclit  sprechen.  Diese  ist  im  Allgemeinen  weil  schwieriger  zn 
erkennen  und  zu  heilen  als  die  einfache,  von  der  wir  bis  jeiat 
gehandelt.  Ein  Arsl,  der  gern  prophezeiet,  kann,  durch  die 
anfangliche  gtile  Wirkung  der  Mittel  geiSnscht,  Versprechnngen 
machen,  die  er  zu  halten  nicht  im  Stunde  ist;  darum  rathe  ich' 
wohlmeinend  jedem,  nicht  zu  viel  zn  versprechen.  Ea  ist  aber 
ein  grofser  Unterschied  zwischen  den  Organleiden;  einige  sind 
neu,  andere  all.  Zu  den  neuen  gehören  vorzüglich  solche,  wel- 
che von  epidemischen  Einflüssen  erzengt  sind.  Machen  diese  nicht 
bettligertg,  so  wird  auch  keine  Hülfe  geaiiobt.  Der  davon  Er- 
griffene,  heilt  ihn  nicht  die  Natur,  pflegt  gewithnKcb  eine  Zeit 
lang  XU  siechen,  bekommt  knieen  Aihem,  fShh  JiernBch  Span- 
nung des  Banches,  endlich  schwellen  ihm  die  Ffifse.  Nun  erst 
kommt  ihm  das  Ding  unheimlich  vor  und  er  gehet  zum  Arste, 
Findet  man  in  solchen  Fällen  keine  besiimmte  Zeichen  der  Eisen- 
affektion, so  handelt  man  immer  am  klügsten,  wenn  man  das 
Organ  heil  mittel  gnnz  unvermiacht  auf  das  urerkrankie  Organ  gibt, 
denn  durch  die  Rank  wird  man,  je  oachdem  man  dieses  Organ 
heilt,  zugleich  die  davon  eonsensuell  abhängige  NierenaSekiion, 
mithin  auch  die  Wassersucht  heilan.  In  manchen  Fällen  kann 
freilich  di«  consensuelle  Nierenaffekiion  schon  zur  Uraffektion  die- 
ser Organ«  geworden  sein,  wo  man  dann  allein  Nierenmiltel  an- 
wenden roufs. 

Es  trifft  aber  zu  Zeiten,  dafs  epidemische  Crorganleiden,  die 
einige  Zeit  im  Körper  genesiet,  die  ich  aber  deshalb  noch  nicht 
IQ  den  chronischen  rechnen  m&chte ,  mit  einer  Ureiseuaffeklion 
des  Gesammtorgan  iswns  aich  mischen.  Hier  hangt  die  Eisenaffek- 
tlon  entweder  von  der  Eigenihünilichkeii  des  Körpers,  oder  von 
epidemischen  Fjnflüssen  ab.  Letztes  ist  also  zu  verslehn:  vor  zwei, 
orfer  drei  Monat,  da  z.B.  Urleberlei  den  herrschten,  wurde  die 
Leber  eines  Menseben  leise  von  dieser  epidemischen  Einwlrltung 
berührt.  Jetzt  da  er ,  um  steh  heilen  zu  lassen ,  wassersücbiig 
zum  Arzte  kommt,  kann  die  epidemische  Coastiluiion  so  verAn- 
den  sein,  dafs  sie  Eisenaffeklion  des  Gesamrnlorgaoismus  erzeugt. 
Diese  epidemische  Constitution  kann  den  früher  leberkranken 
Mann  berührt  und  ihn  in  einen  gemischten  Krankheilstastand  ver- 
setzt haben.  Die  Ureiseoaffektion  mag  nun  aber  von  einer  sol- 
chen epidemischen  Beriihrtheit,  oder  von  einer  unerklärlichen  Ei- 
genihünilicbkeit  des  ergriffenen  Körpers  abhängen,  so  thut  man 
am  besten,  das  Eisen  mit  dem  pafalicben  Orgaobeilmillel  entwe- 
der glaicbzeilig,    a<(er  verbunden  za  geben.     Obgleich  ich  «in  gro- 


—    953    — 

fser  Freund  Ton  einfacher  Medizin  bin;  bo  mnfa  ich  doch  benier- 
km,  dafs  mai^  in  besagten  g^emiichten  F&llen  weder  allein  mit 
dem  Eisen,  noch  allein  mit  dem  Organheilmtitel  ausreicht;  von 
beiden  vereint  siehe!  mRnÜberraschende  Heilwirkung.  Aber  auch 
bei  solchen  vermischien  FAllen  mufs  man  immer  an  die  MSglich- 
keit-denken,  dars  durch  die  Zeil  ein  Leber-,  Milz-,  oder  ande- 
res Organleiden  znm  Urnierinleiden  werden  k5nne,  und  wo  man 
diele  Verranihnng  hat,  sfait  eines  Leber-,  oder  .Mllzmillels,  ein 
gutes  Nierenmitlel  gleichxeiiig  mit  dem  Fisen  gebrauchen  lassen. 
Da  ich  aber  von  diesem  Meiaschemniisrnns  im  Vorigen  zur  Genüge 
geredet,  wird  es  jetzt  hinreichen,  den  sehr  wichiigen  Gegenstand 
nur  beilüufig  in  Erinnernng  gebracht  -/.u  haben. 

Jetzt  müssen  wir  noch  von  der  Wassersucht  sprechen,  diie 
ans  einer  Eisenaffekiion  des  Gesammtorgan  Ismus  und  hos  einem 
alten  Organfebler  zusamniengeselzt  ist.  8ie  ist  zuweilen  sehr  böse 
KM  heilen,  zuweilen  ganz  unheilbar,  das  heifsl,  meiner'Kunst 
unheilbar.  Es  kann  niilnnier  ein  wunderliches  Yerhällnifs  zwi- 
schen dem  alten  OrganTehler  und  der  EisenafTekiion  Siaii  haben. 
Letzte  kann,  in  den  Nieren  vorwaltend,  allein  die  gestörte  Iluni- 
nbsonderong  und  die  davon  abhängende  Wassersucht  gemacht  ha- 
ben,  und  der  alte  Organfebler  kann  ganz  unschuldig  sein,  tie- 
greiflieh  heilt  m:in  in  solchen  Fsllen  die  Wassersucht  gar  gemüch- 
lich  durch  Eisen,  und  es  ISfst  sich  auch  nicht  geradezu  behnup- 
len,  sie  werde  früher  oder  spater  wiederkehren;  denn  obgleich 
der  alte  Organfehler  nicht  geheilt  ist,  sn  sterben  doch  gar  viele 
Menschen  an  solchen  Fehlern,  die  durch  selbige  nicht  wasser- 
süchtig geworden. 

Ganz  anders  gestaltet  steh  aber  die  Sache,  wenn  der  chro- 
nische Organfebler,  consensuell  auf  die  Nieren  wirkend,  die  Was- 
sersucht gemacht  nnd  sich' mit  diesem  Zustande  eine  UreisenafTeU- 
tion  des  Gesamml Organismus  verbindet;  daist  wahrlich  guter  Kath 
theuer.  Im  Allgemeinen  kann  man  nichts  anderes  dabei  beobach- 
ten, als  das,  was  ich  so  eben  von  der  Behandlung  der  vermisch- 
ten, von  neueren  Organleiden  abhängenden  Wassersucht  gesagt. 
Zuweilen  glQckt  «s,  die  alten  Organfehler  ein  wenig  zu  beschwich- 
tigen nnd  die  Harn abson der ung  zu  befördern ,  z(l^^'eilen  glückt  es 
aaeh  nicht;  die  Prognose  ist  jedenfalls  zweifelhaft.  Ja  da,  wo 
wir  so  glücklich  sind,  das  Wasser  durch  die  Nieren  zu  entlee- 
ren, kehret  es  doch  frfiher  oder  spfiter  wieder,  und  im  Grunde 
ist  unser  Bemühen  weiter  nichts ,  als  ein  zweckloses  Scharmritzeln 
mit  dem  Tode.  Freilich  ist  es  unsere  l'flicht,  da  zu  flicken,  wo 
wir  nicht  erneuen  können,  und  selbst  da  das  Flicken  zn  versu- 
chen, wo  keine  Aussicht  ist,  dafs  es  glücken  werde;  wenn  ich 
aber  behaupten  wollte ,  dafs  die  Erfüllung  dieser  Pflicht  mir  je- 
mshls  grofses  Verzügen  gewähret,  so  möfste  ich  lügen. 


—    954    — 

Weil  ieb  doch  dud  «intiiahl  am  Sprechen  über  die  Wiimer^ 
Bucht  bin,  will  ich,  meinen  jünger^o  Aiutsf^enosnen  cn  Liebe, 
noch  einiger  Punkte  erwühoen,  die  ihnen  bei  Beheadlung  dieser 
Krankheit  kftnoien  zn  Stalten  kommen. 

Der  Durchfall  ist  hei  Wnieemnchlen ,  die  von  Orgttnerkrati- 
kungen  herrühren ,  zwar  kein  ganz  tiiobereg  Zeichen  ihrer  Unheil- 
barkeit,  denn  wir  finden  ihn  ja  bSufig  als  coosensuellen  Zufall 
bei  neuen,  leicht  heilbaren  Organleiden;  bei  Wasaerauebten  aber, 
die  Fon  allen  Organleiden  abhangen,  int  er  immer  sehr  bedenk- 
lich,  es  läfst  eich  in  solchen  Fällen  nicht  viel  versprechen. 

Wer  einen  WasBcrsücfaiigen  mit  alten  Organleiden  aus  den 
Händen  eines  Purgiernieisters  übernitnml,  der  den  Versuch  ge- 
macht, durch  heftige  Purganien  das  Wasser  /.u  entleeren,  und 
es  ist  nach  dieser  Gewallkur  chronischer  Durchlauf  übergeblieben, 
so  ist  es  böcbst  nnweise,   viel  Gutes  zu  versprechen. 

Wenn  bei  Wassersüchten  mit  alten  Organleiden  der  Harn  klar, 
blafs,  und  hinsichtlich  der  ausgesonderien  Menge  fast  normal  ist, 
ohne  dafs  das  Wasser  im  Bauche  mindert,  so  ist  das  ein  sehr 
bdsea  Zeichen. 

Ich  habe  einst  den  Fall  beohachlei,  dab  ein  mit  sehr  alten 
Mtlzleiden  behafteter  Mann,  da  er  endlich  wassersüchtig  wurde, 
wcifsen,  klaren,  stark  langen  salzigen  Harn  anhaltend  in  noch 
grofserer  Menge  entleerte,  als  ein  Gesunder,  während  sein  Bauch 
und  seine  Füfse  immer  mehr  anschwollen.  Diese  Wassersucht 
schien  mir  mit  der  Ilarnrahc  ein  wenig  verwandt;  dab  sie  den 
Mann  geiodiet,   brauche  ich  wol  nicht  zu  versichern. 

In  meiner  Jugend  sab  ich ,  dafs  ein  verständiger  und  gelehr- 
ter Professor  Wassersüchtigen  den  Bauch  täglich,  oder  um  den 
anderen  Tag  messen  liefs,  um  zu  sehen,  wie  viel  die  Waaser- 
«ntleerung  gefördert  sei.  Damabis  kam  mir  der  Anschlag  des  ver- 
ständigen Mannes  recht  verständig  vor;  nachdem  ich  aber  selb» 
die  Kunst  ein  wenig  geübt,  darbte  ich  aikders  darüber.  Die  Fälle, 
wo  hei  narnialer  Harnentjeernng  das  Wasxer  in  der  Bauchhöhle 
eher  vermehret  als  vermindert,  sind  selten.  Im  Allgemeinen 
kann  man  annehmen,  dafs  die  Verminderung  der  Wasseransamm- 
lung mit  der  Vermehrung  der  Harn  aussen  der  nng  in  geradem  Ver- 
hältnisse stehet.  Sfalt  also  den  Bauch  mit  einem  Bande  au  mes- 
sen, ist  es  doch  wol  weit  einfacher  und  siclierer,  die  Menge  de« 
täglich  entleerten  Harnes  au  messen ,  denn  wenn  der  Kranke  auch 
nur  einen  halben  Schoppen  täglich  mehr  harnt  als  er  trinkt,  so 
mufs  er  früher  oder  später  das  Wasser  verlieren,  und  h&ite  er 
auch  eine  ganze  Ahm  int  Bauche. 

Den  Baucbstich  habe  ich  in  meiner  Jugend  öfter  versucht  als 
später,  im  Allgemeinen  aber  nicht  viel  \nlzen  davon  gesehen. 
Seit  ich  mich  zur  aligeheimänilicheD  Lehre  gehallen,    ist  er  mir 


—    955    — 

als  Bvihülfe  zur  Heilnog  gant  eotbehrlich  geworden,  ich  weade 
ihn  b)afs  zur  Erleicblerung  der  Kranlteo  nar  in  solchen  Fällen 
an ,   die  meiner  Kunst  unheilbar  siad. 

Die  Meinung,  die  ich  in  meiner  Jugend  ansaprechen  hörte, 
dafa  der  Baachslich  die  Wirkung  der  bar n treibenden  Millel  unler- 
stülze,  so,  dafs  man  nach,  der  Entleerung  die  nämlichen  Mittel 
harQireibend  auf  die  Nieren  wirken  sehe,  welche  vor  der  Enilee- 
rung  nichts  geleistet,  kann  ich  nach  eigener  Erfahrung  nicht  be- 
stätigen. Vielleicht  habe  ich  aber  auch  den  Bauchstich  zu  wenig 
bei  heilbaren  Fällen  Tersuchl,  als  dafs  ich  in  dieser  Hinsicht  rich- 
tig über  seinen  Werth  urthei'en  kannte.  Die  Möglichkeit,  dafs 
eiwaa  Wahres  an  dieser  Meinung  sei,  gebe  ich  zu,  aberwlseine 
unbedingt  wahre  kann  ich  sie  nicht  gellen  lassen,  und  zwar  des- 
halb,  weil  ich  folgenden  Fall  noch  in  neuer  Zeit  beubachtei  habe. 

Eine  vierzigjährige  Jungfrau  war  seit  mehren  Jahren  mit  Le- 
berleiden behafiet  und  bekam  endlich  die  Bauchwassersucht.  In 
der  Magengegead  fühlte  man  den  vorderen  Leberlappen  als  eine 
harle,  hJSckerige,  hervorragende  Kugel,  und  so  weit  man  an  der 
rechten  Seile  mit  den  Fingern  etwas  unterscheiden  konnte,  war 
die  Leber  nicht  blofs  aufgeirieben,  sondern  wirklich  verhärtet. 
Bei  diesem  verz  weif  eilen  Falle  veriuchle  ich  allerdings  einige  Mit- 
tel, wie  dieses  meine  Pflicht  war,  dafs  sie  aber  nicht  geholfen, 
werden  die  Leser  wol  denken. 

Da  die  Jungfrau  zwar  nicht  zu  den  Armen  gehörte,  aber  doch 
aii<^  kein  überflüssiges  Geld  halle,  so  rieth  ich  ihr  ein  Hausmit- 
tel, nämlich  den  Aufgufs  von  stark  gebrannten,  aber  nicht  ver- 
brannten Ka&'eehohnen.  Dieser  Trank  that  sehr  gniH  Dienste,  sie 
hatnte  täglich  einen  grofsen  Xachtlopf  voll  i  gewöhnlich  mehr  als 
sie  trank),  aber  das  Wasser  im  Bauche  vermehrte  bei  dieser  Aus- 
teemng  täglich,  und  ich  sah  mich  gen&thiget,  zu  ihrer  Erlcich- 
teruBg  den  Bauchstich,  in  längeren  oder  kürseren  Zwischenräu- 
men ,  zebnroahl  zu  machen.  Merkwürdig  war  es ,  dafs  nach  jeder 
künstlichen  Eoileerung  die  Harnabsonderong  gewifs  nm  zwei  Drit- 
tel verminderte  und  erat  nach  und  nach  wieder  zunahm,  je  nach- 
dem die  Wasseransammlung  im  Bauche  diesen  ausdehnte.  Solche 
Erscheinungen  sind  übel  zu  erklären  und  unsere  Erklärungen  sind 
meistens  nur  Vermuihungen. 

Den  Bauchstich  kann  man  nicht  einniahl  hei  jeder  Bauchwas- 
sersucht als  erleichterndes  Mittel  mit  Voriheil  anwenden,  denn 
wenn  das  Wasser  in  einem  vielzelligen  Sacke  eingeschlossen  ist, 
möchte  es  schwierig  sein,  den  Hauplbehälter  zu  Iretfen.  Vor 
etlichen  Jahren  wurde  ich  zu  einem  verwachsenen ,  aasgezehrien 
jungen  Mann  gerufen,  der  den  Bauch  voll  Wasser  hatte.  Der 
Bauchstich  war  schon  vergebens  von  einem  meiner  Kollegen  ver- 
sucht.    Da   ich    den  Fall   für   unheilbar  hielt  und  den  Bauchstich 


-.ügic 


—    956    — 

■U  das  «ioxige  Erleicbteningstiitliel  ansah,  liefs  ich  den  Trocar 
an  einem  ganz  anderen  Orte  in  den  Bauch  atofsen,  als  wo  mein 
Kollege  den  Stich  gemacht.  Der  Sack  niufsle  aber  wol  aus  Tie- 
)en  kleinen  Zellen  bestehen,  denn  es  ging  mir  nicht  besser  als 
meinem  Vorglinger;  es  lief  hSchsiens  nur  ein  halbes  Mafs  Was- 
ser heraas,  welclifs  gelblich  und  gar  nicht  leimig  war.  ')  Ein« 
lange  Sonde  in  die  R5hre  gebracht,  um  xn  sehen,  ob  etwa  die 
MAndong  derselben  versioprt  sein  möchte,  beförderte  den  Aasflufs 
des  Wassera  gar  nicht.  Da  ich  den  Verwandten  des  Kranken 
anf  ihre  Anfrage  besiiinmi  erklärte,  das  Uebel  sei  meiner  Kunst 
anheilbar,  so  werden  sie  wol  anderwärts  Hülfe  gesucht  haben, 
ohne  diese  jedoch  zu  finden,  denn  der  Kranke  ist  bald  darauf 
gestorben. 

Bei  unheilbaren ,  von  chronischen  Organleiden  abhängenden 
Wassersüchten  habe  ich  dem  Kranken  zuweilen  dadurch  grofse 
Erleichterung  verBchafft,  dafs  ich  ihm  vweimahl  tigHch  eine  Mi- 
schung von  zwei  Theilen  Schmalz  und  einem  Theile  Terpenthinöl 
in  die  unteren  Extremitäten  einreiben  liefs.  Die  Harnabsondernng 
wurde  dadurch  befördert  und  das  schaffte  Luft.  Man  verlängert 
das  Leben  wol  gerade  nicht,  aber  man  macht  da^  kurze  ertcftg- 
lieh.     Leider  glückt  dieses  Kfinsichen  nicht  immer. 

Beiläufig  erinnere  ich  noch  meinen  jüngeren  Lesern,  dafs  man 
die  Terpenikineinreibungen  auch  bei  heilbaren  Wassersüchten  mit 
Nutzen  gebrauchen  kann.  Hangen  diese  nämlich  als  conseosoelle 
Nierenaffektion  von  dem  heilbaren  Kranksein  eines  anderen  Or- 
gana ab,  und  man  hat  durch  heilendes  Einwirken  auf  das  urer- 
krankte  Organ  das  consensuelle  Nierenleiden  gehoben,  die  Harn- 
absonderung  normal  gemacht,  so  kann  nian  durch  Terpenthinein- 
reibungen  die  gesundgem achten  Nieren  xur  sehr  veratörkira  Harn- 
absonderung  anspornen  and  die  vorhandene  Waaaeransammlang 
schnell  entleeren.  Im  Grunde  ist  dieses  aber  ein  nichtsoutiiger 
KunstgrifT;  denn  sobald  die  Verrichiiing  der  Nieren  wieder  nor- 
mal ist,  mufs  ja  der  Kranke  das  Wasser  von  selbst  eoileeren,  nnd 
ich  sehe  eben  keinen  ausgezeichneten  Vorihell  in  der  gar  tu  gro- 
faea  Eile.  Ja,  sollte  es  wol  der  Klugheit  geinSfa  sein,  die  eben 
zum  Normalslande  zurückgebrachten  Nieren  so  ungemessen  zu  rei- 
zen? —  Ich  bin  der  Meinung,  man  mufs  da»,  was  gut  ist,  pit 
lassen ;  will  man  es  besser  machten ,  verdirbt  man  zuweilen  den 
ganzen  Kram. 

Hinsichtlich  des  Terpenihinöls  bemerke  ich  noch,  dafs  ich 
es  blofs  deshalb  mit  zwei  Theilen  Schmatz  mische,    weil  ich  be- 


*)  Die  Falle,    wo    eine    leiniga    oder  gallErtartige  BeichaBenbeil  dei  Bauchwu- 
Mr«  iie  EDllgerDng  dntelben    durch   den  Trocar  ouiuäElicb  siaehl ,    lind  selir 


—    957    — 

merkt ,  daft  m  ,  ohne  din«  Vermiiehnng  eingeriebcs ,  «inigen 
Menschen  eine  rosenartige  Enixündnng  der  Hftat  veruraachf.  Ich 
wGrde  aber  doch  jedem  raihenj  dafs  er  ei,  anch  mii  SchmaU 
vermischl,  nicht  in  die  Fiiise  einreiben  liefse,  wenn  diese  scboD 
eniiündet  Bind,  wie  sich  lolches  nicht  selten  bei  allen  Wnuer- 
•nchien  findet.  In  diesem  Falle  kann  man  Haulatellen  wiblen« 
die  nicht  eoteundet  lind. 

Ich  habe  gesehen,  dafs  Aerzte  bei'Baach-  und  Zellgewebe- 
wasseraiicht  dem  Kranken  Einschnitte  in  die  Hant  der  Füfse  mach- 
ten, andere,  die  auhi  oder  zehn  SchrSpfkSpfe  auf  jeden  Fiifs  setz- 
ten und  die  Oberhaut  ein  wenig  riizlen.  Wo  man  solche  Entlee- 
rung :niachen  will,  (ich  mache  sie  blofs  bei  unheilbarer  Krank- 
heit '))  kann  man' ja  den  nämlichenZweck  eben  so  gut,  ja  noch 
wo)  besser,  einzig  durch  zwei  Schläge  des  ScbrÖpfitchnäpperg  er- 
reichen, und  man  hat  den  Vonheil,  dafs  man  bei  beiilägerigca 
Kranken  die  lästige  und  ekelhafte  Durchnässung  des  Beiles  ver- 
meidet. An  dem  unteren  Theite  jeder  Wade  mufs  der  Schräpf- 
schnfipper  mit  alliuählig  verslhrkier  Kraft  in  die  Wasserge schwulst 
eingetli'ückt  und  wenn  das  Wasser  dein  Drucke  nicht  mehr  weicht, 
erat  dann  mufs  loügeschn eilet  werden.  So  dringen  <lte  Messerchen 
ordentlich  in  die  Haut  ein  und  es  erfolgt  durch  die  Wunden  eine 
reichliche  Wasserentleening.  Dag  Bett  innfs  dann  so  bereitet  wer- 
den, dafs  es  unter  den  SchrSpfwunden  hohl  ist.  In  die  Hdhiung 
setzt  man  Suppenteller,  die  das  Wasser  aufnebmeo  and  die  man 
so  oft  entleeren  kann  als  es  nSthig  ist. 

Im  Jahr  1830  erleichterte  ich  auf  diese  Weise  einem  ehrsamea 
Borger  hiesiger  Stadt  leine  letzten  Tage.  Der  Sohn  machte  sich 
ana  Neugierde  ein  Geschäft  daraus,  das  ausgelaufene  Wasser  täg- 
lich zu  messen  nnd  das  Mafs  anzuschreiben.  Ich  habe  zwar  die 
Zahl  der  Kannen  des  ausgeleerten  Wassers  rergesaen,  allein  ich 
weifs  wol,  dafs  ich  die  angezeichnete  Menge  nicht  in  dem  Bauche 
und  Zellgewebe  des  Kranken  Termnihel  hätte. 

Diese  künstliche  Entleerang  kann  man  bei  tuibeilbaren  Was- 
cenuchien  auch  zum  Vorbeugen  des  AufbredieRs  der  Fiilae  anwen- 
den.   Das  Anfbrechan  ist  Dämlich  snwetlen  mitgvofser  Uobe^nem- 


*]  Bsf  ülllicbiD  WeiberD ,  Ig  deren  Btncb  lieh ,  Iwi  r»Riiitig«ii  AniblcibeB  des 
MoaatlieheB , '  Wuier  enanft,  kana  aun  luwgifn  tforeb,  aaf  die  geiehwri- 
leo«  FSTii  yenlite  ScbrÜpfköpfa  bewirken,  diCi  Arww««*,  welak«  (IrBlMr 
nor  halbs  Wirknag  geäursert,  picb  der  fsrinpn  Blaliitlaarang  m  pit  wir- 
kcD,  dsTi  die  Kranken  io  Kareem  dt*  Wtiier  wBgbaraeD.  Die  nnbedealeude 
EuiireroDg  de«  W«*iera  darcb  die  ScbräpTwandeo  komiDt  bier  uicbt  In  Be- 
Incbt ,  «andarn  die  prtnge  BlDlentleernDg-.  In  den  Fallen ,  wo  icb  dieiei 
RnniUlnek  Bit  iberraiebeo*  gnteii  Erfal^e  geübt,  war  die  Vuügettikwmltt 
•tu  HiUaidiaf  iwitdiea  Ocdm  u4  BaliiadaasiBaiobwalal. 


_    958    — 

lichkeit,  mit  EntxiliKtnn^  nnd  Abschlllang  der  Oberhant  verbno- 
den.  Da  imd  vorher  nnmöglich  nisaen  kann,  welchen  tirad  die- 
■ea  Ungemach  errvichen  wird ,  so  thiit  man  am  besten ,  demselben 
zuvorzukommen.  Einer  nieiiier  Sllesien  Freunde  litt  an  Maratmta 
lemiltt;  dieses  und  iiigleich  ein  vieljähriges  LeberRbel  machten 
ihn  wassersüchtig.  Ich  verslliimte,  ihm  die  geschwollenen  Füfse 
kiinailich  zu  offnen,  sie  fifTneten  sich  also  von  selbst  und  zwar 
anf  eine  so  nngemachliche  Weise,  dafs  ven  den  Knien  bis  zo  den 
Knöcheln  die  ganze  Epidermis  sich  abichfilte.  Die  grofse,  wnnde, 
entzündete  FIftche  schmerzte  sehr,  und  dieses  Leid  Terbitlerle  dem 
allen  Manne  noch  seine  letzten  Lebenslage.  -Cngeistiges  Biiierman- 
delwasser  äufseilich  gebraucht,  war  das  einzige  Mittel,  durch  wel- 
ches ich  Erleichtening  verschafTen  kannte;  es  war  aber  Zeit,  dafa 
er  starb,  denn  die  wunden  Füfse  fingen  an,  so  abscheulich  zu  stin- 
ken, dafs  selbst  denen,  welche  ihm  aufwarteten,  beim  Verbinden 
unheimlich  zu  Mutbe  wurde. 

Da  ich  in  meiner  Jugend  den  ersten,  meiner  erlernten  Kunst 
unheilbaren  Wassersüchtigen,  nachdem  ihm  die  Ffifse  aufgebrochen, 
dünn  werden  sah,  so  halle  ich  die  kindische  Vermuthung,  die  Na- 
tur wolle  mir  hier  einmahl  eins  ihrer  Hanptmeisterstiicke  der  Hei- 
Inng  zeigen.  Das  Wasser  wurde  im  Bauche  und  Zellgewebe  tSglich 
minder,  die  Harnabsondemng  blieb  aber  gesiBrt.  Endlich,  da  das 
Wasser  so  weit  entleert  war,  dals  ich  kaum  mehr  Fluktuation  im 
Bauche  des  Kranken  fTihlen  konnte ,  starb  er  eines  nihigen  Todes. 

Nun,  ein  sonderliches  Kunslstfick  hatte  ich  d^r  Natur  eben 
nicht  abgelauscht,  aber  ich  lernte  doch  bei  der  Gelegenheit,  daTs 
das  Wasserenileeren  und  das  Heilen  der  Wassersucht  zwei  himmel- 
weit rerscbiedene  Dinge  sind,  und  derBath  mancher  Schriftsteller, 
hinsichtlich  des  Wasserenileerens ,  wurde  mir  schon  damahls  höchst 
veidScbtig. 


Jetzt  raiifs  ich  noch  von  den  Milletn  sprechen,  die  mit  dem 
Eisen  verwandt  sind. 

'  Alle  sogenannte  Bobarantia  ßxa  sind  mit  ihm  hinsichtlich 
der  Wirknag  verwandt,  ohne  eher  ihm  gleich  zn  kommen.  Dafa 
jedoch  manche  ans  dieser  Klasse  auch  als  Organbeilniiitel  wirken, 
dafs  also  hinsichtlich  des  Heilens  der  Organ  erkrank  angen  noch 
viel  Nützliches  anf  diesem  blofa  gebrachten,  aber  nicht  gebauten 
Felde  zu  entdecken  sei,  glaube  ich  bestimmt.  Meine  Lebenszeit 
ist  jedoch  zn  weil  abgelaufen,  als  dafs  ich  mir  schmeicheln  dürf- 
te, selbst  viel  nützliche  Entdeckungen  zu  niaehen.  In  aller  nnd 
neuer  Zeit  sind  wahrscheinlich  manche  Heilungen  gnIgISubig  auf 
die  sogenannte  stärkende  Kraft  der  gegebenen  Mittel  geschrieben, 
da  sie  doch  vielleicht  einzig  ron  einer  ougeafaneteo  Organheilkraft 


-     989    — . 

d«rtelben  abhingen.  'Das  Cinpr«roh«D  der  Heilmitlel  in  gewi»» 
GedunkeDf&cfaer  konn  wol  sehr  philosophisch  sein,  dufs  es  aber 
nicht  iBirosophiBch  ist,  wurde  mir  im  Einzelnen  nnr  xu  oQenbar, 
als  dafs  ich  weiter  detn  ganzen  Hendel  viel  tränen  kSnnie.  Da 
es  aber  ohne  Zweifel  viel  gemächlicher  ist,  arzeneimiiiellehrige 
Kategorien  zn  ersinnen,  und  jedem  Mittel  seinen  bücherlichen 
Plati  anzuweisen ,  als  die  Heilwirkung  der  Mitlei  auf  dem  Wege 
der  Beobachinng  genau  sn  erforschen,  so  werden  sieb,  denke 
ieb,   immer  mehr  Aerale  kq  jenem  als  zu  diesem  Geschäfte  finden. 

Was  die  Adatringenlia  betrifft,  so  haben  diese  ebenfalls  eine 
nahe  Verwandtschaft  zum  Eisen;  von  ihnen  gilt  aber  auch,  was 
ich  eben  gesagt,  manche  k5nnen  neben  der  sinnlieh  erkeonl)aren 
zusammenziehenden  noch  eine  unbekannte,  nicht  schmeekbare  Or- 
ganheilkraft haben.  Da  ich  aber  nicht  genugsam«  Crfahrnng  über 
diesen  Gegenstand  besitze  und  die  Erzählung  einzelner  Fälle,  wel- 
ehe  mir  die  Vermnlhong  aufgedrungen,  etwas  zu  weiilaiifiig  sein 
wurde,  so  mag  es  genug  sein,  diesen  Gedanken  blofs  hingewor- 
fen zn  haben. 

Endlich  komme  ich  auf  die  Säuren.  Diese  hdien  eine  sehr 
■ahe  Verwandtschaft  mit  dem  Eisen,  sonderlich  die  MineralsSu- 
r«n,  ja  ick  bin  selbst  ungewifs,  oh  sie  nicht  in  manchen  Pfillen 
4*9  Heilwirkang  jenes  iatroe  he  mischen  Universal  mittels  übertreRen. 

Am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderte  (wenn  ich  nicht  irre,  war 
es  im  Jahre  1799)  gab  der  Prof.  6.  Chr.  Reich  vor,  ein  Mittel 
entdeckt  zu  haben,  mit  dem  er  alle  Fieber  heilen  k5nne.  Seine 
Versuche,  die  er  mit -demselben  im  Krankenhause  zu  Berlin  mach- 
te, fielen  freilich  nicht  ganz  günstig  aas,  jedoch  bekam  er  Für 
seine  Entdeckung  von  dem  Könige  (wo  mir  recht  ist)  eine  geld- 
liche Belohnung.  Da  der  Gegenstand  damahls  viel  Aufsehen  er- 
regle und  viel  besprochen  wurde,  so  war  ich  ungeheuer  neugie- 
rig, das  geheime  Mittel  kennen  eu  lernen.  Ich  wurde  aber  sehr 
in  meiner  Erwartung  getäuscht,  als  ich  im  Jahre  1800  aus  einem 
von  Herrn  it.  verfafsten  Schrifichen  ersah,  es  bestehe  in  grofaen 
Gaben  Salzsäare  und  Schwefelsäure.  So  viel  ich  mich  noch  jetzt 
der  Sache  erinnere,  denn  das  Büchelcheo  ist  mir  abhanden  ge- 
kommen, gab  er  verzugsweise  SalisBute  und  znr  Abwechselung 
SehwefelsAure. 

Nnn  halle  ich  aber  schon  selbst  am  Ende  des  Jahre«  1795 
durch  blofse  SchwefelsSur«  in  grofsen  Gaben  Petechialfieber  ge- 
heilt, dieses  im  Jahre  1796  dem  jetzt  verstorbenea  Staatsraih, 
damnhligem  Bathe  und  Professor  HtifelaHd  in  Jena,  gelegentlich 
geschrieben,  und . versprochen ,  ihm  meine  Beobachtungen  in  der 
Folge  HiisfTihrlicher  milzulheilen.  (Man  findet  diese  knrr.e  brief- 
liche Nachricht  in  seinem  Joum&le  B.  IV  S.  825.) 

Da  litrr  Reich  sein  Fiebermittel   bekannt  nacht«,    hatte  idt . 


■eboD  binlAnglicb  (iel^eyhait  gehabt*  dnrcb  vei^leiohend«  I 
achtungeit  mivh  cu  ubcrseogeD,  dafa  die  SAiubd  wol  im  Pelecbial- 
oder  Faulßcber,  aber  nicht  in  dem  ffpfaSaea,  welches  maQ  Aar 
mahlg,  wie  auch  noch  wol  jetzt,  Nerveafieber  Bannte,  Heilmit- 
tel leien.  Ich  hüte  aUo  des  Hro.  R.  Entdeckung,  die  sich  itu 
Berliner  Krankenhause  nur  sehr  navollkomuen  bewfthret,  theila 
trefflich  bestätigen,  ibeHs  berichtigen  können.  Da  dieses  aber 
nicht  zu  thun  war,  ohne  dem  Publico  durch  ErzSliInng  beweisen- 
der Thatsacben  zu  sagen,  ich  habe  schon  mn  (»aar  Jahre  früher 
die  angebliche  Entdeckung  gekannt  and  mit  fiberraschendent  Er^ 
folge  angewendet,  so  hielt  mich  ein  Gefühl  des  SchickÜchen  van 
aller  literäriacheo  Einmischung  xurück.  Ich  habe  es  nämlich  von 
jeher  etwas  klein  und  armselig  gefunden,  jemand  eine  vermHint- 
liehe  Entdeckung  direkt  oder  indirekt  streitig  zu  machen.  Ist  das 
Entdeckt*  gut  und  niiislich,  so  kann  e«  ja  der  inenschlichen  Ge- 
sellschaft ganz  gleichgiiliig  «ein  ,  wer  es  enideekle.  Jeder  spätere 
Anspruch  auf  das  Eratreeht  der  Entdeckung,  und  wäre  dieser  An- 
spruch auch  in  die  höflichste  und  schonendste  Rede  gehüllet,  raufa 
de«  Ansprecher  das  Ansehen  eines  armaeligtm  iVeidbarts  geben, 
und  das  um  so  viel  mehr,  wenn  der  angebliche  Entdecker  darcfa 
■eine  Entdeckung  Ehre  oder  Geld  erworben.  Von  rechtlichen, 
freisinnigen  Aeltern  erzogen,  hatte  ich  aber  schon  in  meiner  Ja- 
gend einen  solch  uoiiberwindlichea  Abschen  vor  dergleichen  nie- 
deren Leidensehnften ,  dafg  ich  nm  aljes  in  der  Welt  nicht  ein- 
mahl  den  leisesten  Verdacht  derselben  auf  mich  hätte  laden  mö- 
gen. Ich  schwieg  also;  aber,  aufrichiig  gesprochen,  es  sebas erste 
Mich*  dafs  man  die  Reieitche  Entdeckung  so  gar  junkerbaCt  be- 


Seitdem  sind  onn  vierzig  Jahre  verflossen,  die  hentige  jung« 
Welt  weifa  nichts  vom  Aeic^cAoi -Fiebermittel,  die  Geschichte 
der  Medizin  erwähnt  dieser  Sache  nur  als  einer  vorübergehenden 
Erscheinung,  dergleichen  es  unzählige  gab:  es  wird  wir  also  jetat 
wol  nieraand  mehr  als  Eigenliebe  oder  \eid  auslegen,  wena  ich 
das  Wahre,  was  an  der  Sache  ist,  in  das  gehörig«  Licht  au 
stellen  versuche. 

Zuerst  bemerke  ich  dem.  Leser,  dafs  ich  ni<^t  durch  Scharf- 
sinn odur  Belesenheit  auf  jene  Entdeckung  gekommen,  denn  ich 
war  damahls  noch  jung  und  dumm,  'sondern  dafs  mir  blob  der 
Zufall  gedient.  Ich  hatte  einen  Schneidermeister  am  Faulfieber 
zn  behandeln  und  b^andelte  ihn  wie  ich  es  gelernt,  das  heiCsi, 
anfänglich,  weil  er  biiteren  Geschmack,  bellte  Zunge  und  Druck 
in  den  Präkordien  halte,  ein  wenig  aruigasiriscfa ,-  und  weil  icb 
sah,  dafs  er,  statt  besser,  schlimmer  wurde,  gab  ich  eine  Ab- 
kochung der  Kinde,  Serpeotaria  u.  s.  w.,  liefe  auch  Schwefel- 
säure mit  Sirop   und  Wasser  nach   Beliebeo   zum  Dnnrt   trioken. 


-    961    - 

Di«  Saeh«  ^ag  Ihren  Gang  wie  sie  gnrSboÜch  bei  dieser  Be- 
handlnng  m  gehen  pflegt,  der  Kranke  starb  zvar  aicbt,  aber  et 
•und  doch  viel  Elend  ans  und  lag  lange. 

Indem  nnn  dieser  in  den  nbehien  Umttübden  war,  bat  man 
mich,  den  Gehnifen,  einen  sechzehnjährigen  Jnngen,  der  oben 
im  Hanse  kranic  lag,  su  besichtigen  und  seine  Heiinng  za  ver- 
suchen. Ich  fand  ihn  zwar  bei  guter  Besinnung,  aber  in  hefti- 
gem Fieber  und  mit  grofgen  schwarzen  PeieehteD  beiiSei ,  das  BInt 
sickerte  ihm  beständig  ans  der  Nase. 

Cr  war  arm,  sein  kranlier  Meiner  bade  auch  nichts  mehr  als 
die  Nothdnrft,  und  den  Armenvorsland  durfte  man  nicht  anspra- 
chen, weil  der  Junge  nicht  in  die  Kategorie  der  eigentlicheo  Ar- 
men gehörte;  an  eine  scbnlrechie  ftmliche  ßehandlong  war  also 
gar  nicht  zn  denken.  Da  Ich  aber  glaubte,  es  sei  doch  besser 
etwas  als  gar  nichts  za  thun,  so  verschrieb  ich  blofs  Schwefel- 
sfinre  nnd  liefs  ihn  davon  nach  Durst  trinken.  Nachmitiaga  kam 
sein  Nachbar  der  Apotheker  L'  zn  mir  und  sagte:  wenn  ich  kei- 
nen Rath  aof  das  Nasenblnten  wbse,  masse  der  Junge  nothwen- 
dig  sterben;  diese«  sei  nSmlich,  seit  ich  ihn  gesehen,  so  stark 
geworilen,    dafa  er  es  so  unmöglich  lange  anshallen  k8hne. 

Die  Anwendung  Rufserlicher  Mittel,  die  ich  gegen  das  Nasen- 
blnien  gelernt,  hair  nicht,  Hnlfe  mufsle  aber  vor  Abend  geschafft 
werden ;  ich  kam  anf  folgenden  Einfall.  Ich  mischte  eine  ganze 
Unze  Acid.  tufph.  dilutum  (damahls  nannte  man  es  noch  Spiritu» 
vUrioli)  mit  nur  so  viel  Wasser,  dafs,  nach  raeiaem  Geschmacke 
zu  nriheilen,  die  Speiseröhre  des  Schluckenden  nicht  dadurch  ver- 
Bchrnmpfen  konnte,  nnd  liefs  den  Kranken  alles  anf  Ein  Mahl  neh- 
men. In  dem  Augenblicke,  da  er  den  Trank  verschluckie ,  schrie 
er  laut  auf,  ein  Theil  desselben  kam  wieder  zurück,  aber  die  Blu- 
tung stand  und  der  Zweck  war  also  erreicht.  Nun  versah  ich  den 
Jungen  noch  mit  einer  guten  Menge  ScbwefelsXnre ,  und  bedenlele 
ihn ,  seihige  nidit  blofs  zum  Durst  an  Irinken ,  sondern  so  viel  da- 
von in  sich  zu  giefsen,  als  es  ihm  mSglicb  Set.  Da  er,  wie  gesagt, 
hei  guter  Besinnung  war,  sehr  fürchtete ,  die  BIntung  niSchle  wie- 
derkehren, und  überhaupt  keine  besondere  Liebhalierei  am  Sterben 
zu  haben  schien,  so  trank  er  täglich  eine  grofse  Menge  der  sauren 
Brfih.  Nach  ungefährem  Ueberschlage  rechae  ich,  defs  er  iBglich 
eine  halbe  Unze  conzentrirter  Schwefelsäure  verbrauchte,  nnd  das 
ist  auch  die  gröfsle  Menge  gewesen,  die  ich  in  der  Folge  anderen 
Kranken  beizubringen  im  Stande  war.  *) 


*)  Ib  dar  an^nihrlea  Stelle  KelDii«  Brier««  (Hv/UaaA  Jnamal  B.  IV  S.  S3S) 
Gadel  msD  zwar  eine  pmo  Uoia  logsgebcn ;  iu  iit  aber  sin  Irrlbam  ,  nid 
der  koBiiDt  Diebt  auf  neiae  RechaaDE,  aandern  auf  Hecbanag  dae  betraf eri- 
achen  Anaenapetheker«.     Ef.warsiir  is  der  Folge  ssbUea 


«1 


-O'' 


Der  Erfolg  ilieMr  Bshaadlong  war  «o ,  dafs  !«b  wahrlich  «ia 
Albemer  baue  sein  tnüuen ,  wenn  ich  nicht  auf  denselbea  geachtet, 
ihn  nicbl  mit  dem  der  acbulrechten  Behandlung  vei^lichen  hSlte. 
Der  Junge  genai  gewifs  in  einem  Drittel  der  Zeil,  welebe  die  tchul- 
recbt  Behandelten  zu  ihrem  Anfltomnien  bedurften.  Ja,  obgleich 
t^ier  erkrankt  als  ■ein  Meister,  nah  er  schon  wieder  anf  dem 
Schaeidertisebe ,  da  jener  noch  elendiglich  im  Bette  lag. 

Seit  dieser  Zeit  liefs  ich  die  Bcbulrechte  Behandlung  ganx 
fahren  und  hielt  mich  blofs  an  die  Säure.  Da  ich  Hufeland  jene 
rorläußge  Nachricht  gab,  hatte  ich  erst  sieben  und  dreifsig  Kranke 
auf  diene  Weise  gebeilt,  .später  hat  sich  mir  aber  der  ausgeseicb- 
nefe  Vorxng  dieser  Behandlung  bei  einer  weit  grofneren  AnxabI 
bestätiget.  Gelegenheit  halte  ich  reichliob  zu  solcher  Untersachung, 
denn  ich  war,  wegen  körperlicher  Unbehülflicbkeil  eines  älteren 
Kollegen,  xwar  nicht  betablier,  aber  doch  wirklicher  und  eioxi- 
ger  Armenarzt  in  Cleve.  Wer  ntin  die  Verbreitung  dieses  anstek- 
kenden  Fiebers  in  den  Hütleo  der  Arnien  je  selbst  beobachtet  hat, 
der  wird  wol  begreifen,    dafs  das,    was  ich  darüber  sagen  kann, 


welche  die  Säare  in  eioer  Boderen  Apotheke  sefaolet,  and  die  icb  efieu  niebt 
tSr  lehr  lirtlieh  iomIi  ,  kinm  die  Bilfte  venehrei  kanoteD.  Der  duoihli 
ia  C*  wirkende  Apotbekcr  L*,  ts  den  i«h  aiatt  Voa  dieter  iDKallcadaa  Ver- 
■chiedeabeit  ipraebj  litbelte  and  Hfte  nir  ■ai'eriiaUea:  da«  Acidmm  talfli, 
äUnt.  «eiDea  ABtti(eaot*ea  enlhalta  onr  die  Bilfta  der  Siare ,  dl*  tt  aach 
den  DitptHtttluriB  eathalleD  müiie.  —  Nua  freilich ,  wir  lebten  danabls  in 
einer  Zeit,  wo  j«d«r  Ihoa  konnia,  wii  ihm  beJiebte.  Der  nümtiche  Apothe- 
ker e«b  einst  einer  irmen  Frau ,  italt  der  verichriebenen  WeiniteinsÜitre, 
■chwerelsaDre*  Kali.  Sie ,  üt  aa  PeUcbiilSeber  krapk  lag ,  bekan  Matises 
Dsrckliar,  HatteiifotB^  onA  Naaeab[qlca  incleich.  lek  koctat«  Ün  Ariea« 
nnd  Tind  die  St-heluierei.  Ein  anderer  Apotheker  ilirb,  B«chdem  ieli  ein  paar 
Jsbre  mit  ihm  Geuhün«  genichl.  Irh  hatte  ihn  inuner  Tür  einen  »br  galen 
Apotheker  gehalten,  weit  teine  ArzearJcn  immer  nnlailelbert  waren.  Bever 
die  Wittwe  de*  Ventorbeneo  einen  löcbtigea  IVoviior  bekommen  konnte  ,  be- 
torgte  der  Lehrling ,  eine  ehrliche  Seele ,  dar  lebsa  vier  Jihre  dort  geataa- 
de«,  die  BnepUu.  Da«  at^te  Reiapt,  welebea  iek  ihm  äber^b,  ealhjalt 
ein  Extrakt.  Ich  blieb  •»  Rezeptirtiaebe  ateben,  am  ta  lehen  ,  wie  i ich  der 
joDge  Henich  dabei  beaehue  ,  denn  ich  hatte  Trüber  wol  gemerkt ,  d«Ei  er 
■elb*l  ia  Kleinigkeiten  kindi*ch  »bbüngig  von  »einem  Heister  nad  mehr  Knecht 
all  Lehrling  geweieu.  Nachdem  er  dai  Rezept  geleteo ,  achauete  er  mich 
etwa*  verlegen  an  nnd  fragte ,  ob  er  die  vorgesebriebeoe  Qaantitit  de«  Bk- 
tnkti  g*ni ,  oder  halb  nehme*  aalle,  leh  liera  mein  Bratannen  sieht  var- . 
keo  ,  aondern  Mgte  gau  ruhig  :  wie  haben  Sie  das  bei  Lebieit  ibrei  Pria< 
■ipili  gehalten?  Wir  haben,  veraeUte  er,  inmer  die  Uiirta  der  rorgeachris- 
benen  (Juntitüt  geaaBmeo.  —  Anch  von  narkotieebea  Eitrskten  T  —  Anch  von 

Die  Leier  dürfen  nicht  vergeMeo ,  dafi  wir  damabli  Repnblikaner ,  tUo 
freie  Leate  waren.  Henl  la  Tage  kano  lolrbe  Schelmerei  sieht  nebr  Statt 
haben,    dena    die  Apolbekeo    werden  alle    drei  Jabra  genaa  ■■- 


,,,,  Google 


—    963     — 

Dicht  von  Einem,  odw  zwei  Dntiset»}  FaUen  abgezogen  ist.  Ja 
niefat  bl*fs  in  Cleve  bernchien  dteafl.  Fieber,  aondern  anch  in 
dein  Kwisclmn  hier  and  Cleve  belegenen  Pfalzdorf.  In  letzter  Darf- 
■cbafl  habe  ich  damahU  mehre  Kranken  behandelt,  und  ich  erin- 
nere micb  noch  lebhaft ,  daVt  einst  in  einem  Hanse  gewesen  zu 
»ein,   wo  secha  Kranke  in  Einem  Zimmer  lagen. 

Das  Fieber  will  ich  dem  Leier  nicht  beschreibeif ,  denn  wer 
et  selbst  nicht  gegeben,  kann  in  allen  apeziellen  Heillehren  eine 
BeachreibiiBg  davon  findeei.  Petechien,  nie  rolhe,  allzeit  vio- 
lette, oder  schwarze,  war  der  einzige  Zufall,  dnrcb  welchen  es 
sich  von  anderen  lyphössn  Fiebern,  die  ich  später  gesehen,  un- 
terschied. Ich  will  auch  nicht  in- Abrede  stellen,  dals  die  Ge- 
neigtheit zu  Bluifläsaen  bei  demselben  etwas  grofser  sein  mochte 
als  bei  andern  Fiebern ,  jedoch  ist  diese  Geneigtheit  nichts  be- 
Biimiiii  UntOTScbeideades.  (Jebrigeos  war,  wie  bei  anderen  ty- 
phüsen  oder  nervösen  Fiebern,  der  Zustand  des  Gehirns,  des 
Magens,  der  Dürme,  des  Schlagadersy steins ,  der  Zunge,  des 
Harns,  der  Mnskelkrftfte  bei  verschiedenen  Kranken  ganz  ver- 
schieden; wer  der  Wahrbeil  treu  bleiben  wollte,  konnte  unmSg* 
lieb  ein.treÖ'endes  Bild  desselben  entwerfen. 

Sehr  anstöfsig  kam  es  mir  dauaUs  vor,  dafs  die  von  den 
Schriftstellern  aogegebeaen  uulerscbeidendea  Zeichen ,  erst  im  Ver- 
laufe des  Fiebers  hervortretend,  anch  nicht  den  mindesten  Werth 
fiir  die  Erkenninifs  der  ersten  Entstehung  hatten.  Da  ich  aber  die 
iNoth wendigkeit  einer  zeitigen  Erkenninifs  deutlich  einsah,  indem 
diese  in  manchen  Fällen  allein  die  Heiinng  mdglich  macht,  so 
begritf  ich  leider  nur  zu  gut,  dafs  den  Praktiker  die.  Bücher  ge- 
rade da  raihlos  lassen,    wo  er  des  Rathes  am  meisten  bedarf. 

Ob  man  vielleicht  aus  der  laugensalzigen,  oder  neutralen  Mi- 
schung des  Harnes  jenes  Fieber  in  seinem  ersten  Entstehen  hSite 
erkennen  können,  weifs  ich  nicht,  denn  ich  war  noch' jnng,  ach- 
tele nicht  auf  die  Mischung  des  Harns,  aondern  nur  auf  seine 
Klarheit,  oder  Trübheit,  auf  die  JVubecula  und  Hf/po»ta»is ;  wor- 
ans  denn  anch  nichts  weiter  erwuchs,  als  ein  grofser  Zweifel, 
ob  ich  mich  auf  der  Hochschule  mit  der  Zeiehenlehre  vielleicht 
ganz  nutzlos  geplagt  hätte. 

Was  den  Gebranch  der  ScbwefelsSure  betrifft,  so  gab  ich 
diese,  wenn  ich  mich  von  deia  Vorhandensein  des  bösen  Fiebers 
überzeugt  hatte ,  ( in  den  Häusern ,  wo  es  einroahl  eingezogen 
war,  wartete  ich  bei  den  folgenden  Erkrankungen  nicht  auf  diese 
Ueberzeuguog)  so  stark,  dafs,  wie  gesagt,  eine  halb«  Unze  der  con- 
zentrirleo  auf  die  Taggabe  kam.  Manche  mögen  sie  vielleicht 
reichlicher,  andere  mäfsiger  genommen  haben,  darüber  läfst  sich 
bei  einer  solchen  ansteckenden  Krankheit,  wo  gemeinlich  mehre 
Menschen   in   einer  Familie   krank  liegen,    keine  genaue  Rechen- 

„   Ol-  .      .   .., 


—    94U    — 

■Gbitrt  geben;  man  Tenchreibt  eine  gehlrig»  Portion  Slore  ISr 
die  ganze  Haothalinng,  viri  FederiM»iiB  kann  man  ni  oiner  sol- 
chen Zeit  nicht  machen. 

Wurde  die  Slnre  nach  Vonchrift  raicfalicb  gebrancht,  bo  eiH- 
iland  den  TJenen  T»g,  aehener  den  driiten,  flüssiger  Siahfgang 
lind,  was  wohl  xu  beraerhen  ist,  der  Koib  batle  eine  dnnkelgrö- 
n«  Farbe.  Rochen  die  ersten  Knileerangen  anch  etwas  anbaft, 
wie  gewöhnlich  bei  diesen  Fieber,  so  worden  sie  doch  gleich 
darauf  Tasl  ganz  geruchlos.  Sobald  man  dieses  sab,  war  es  Zeit, 
die  Gabe  der  SchwefelsSore  aof  die  Hftifto,  ja  wol ,  war  der 
Durchlaur  stark,  auf  ein  Viertel  so  Termindern.  Die  Kranken 
halten  dann  auch  schon  gew&holicb  einen  Widerwillen  an  der 
SSnre  bekommen  und  waren  Froh,  sie  in- geringerer  Menge  ge> 
brauchen  zn  dürfen.  Inzwischen  war  wBhrend  dieserKur  das  Fie- 
ber iSglich  minder  geworden.  Die  kleinen  violetten  Flecken  rer. 
schwanden  allmilblig,  indem  die  vielelte  Farbe  in  die  der  gewSbn- 
liehen  Hatiifarbe  überging.  Die  kleinen  schwarxen  worden  erat 
violelt  und  gingen  dann  in  die  Haulfarbe  Ober,  das  NStnlicbe  gilt 
von  einem  Theile  der  grSfseren  schwarsen.  Ein  anderer  Theil 
dieser  leisten  verging  apfiler  wie  Quetschungen  dorch  die  Einan- 
gnng,  ein  Beweis,  dafs  in  diesen  Fftllen  das  Blut  entweder  gans 
aufserhalb  des  Kreislanfes  sich  befand,  oder  doch  in  so  engen 
GefBIscn  stockte,  dafs  diese  unftthig  waren,  es  m  der  Gesammt- 
blntmaase  KnrückznbefSrdero. 

Idi  traf  bei  dieser  Epidemie  Kranke',  denen  die  Scbwefel- 
sSure  so  zuwider  war,  dafs  sie  dieselbe  nicht  mehr  nehnteD  konn- 
ten, sondern  sich  daron  erbrachen.  Diesen  gab  ich  Weinstoin- 
•Knre  in  so  grofsen  Gaben  als  sie  es  vertrugen. 

Wo  aber  das  Erbrechen  nicht  durch  einen  wirklichen  Absehen 
vor  dem  Geschmacke  der  Schwefelafiurc  enlsiand,  sondern  in  ei- 
nem eigenen  krankhaften  Zustande  des  Magens  selbst  begründet 
war,  liefs  ich  stündlich,  oder  sweisiündlicb ,  einen  LftQ«]  voll 
gemeinen  Kornbranotwein  neben  der  SSure  nehmen ,  wobei  sich 
die  armen  Leute  gnt  befanden  nnd  nicht  mehr  erbrachen.  Aach 
denen,  welche  auf  den  Gebrauch  der  Säure  Druck  oder  Aufge- 
triehenbeit  des  Magens  bekamen,  half  ich  einfKllig  durch  mSfsige 
Gaben  Branntwein.  Bei  einigen  trat  den  vierten,  oder  den  drit- 
ten Tag  nach  dem  Sänregebrauch  der  Durchlauf  nicht  ein,  aber 
auch  bei  diesen,  welche  wahrscheinlich  minder  reizbare  DSrme 
hatten  als  andere,  war  der  spSler  auageteerle  Darmkoth  grSn  ge- 
fBrbt.  Es  wird  also  wol  die  SchwefelsSure ,  In  grofser  Mengo 
mit  der  Galle  gemischt,  aus  dieser  die  grüne  Farbe  niedergeschla- 
gen haben. 

Wurde  ich  zu  einem  Kranken  im  B|i8ieTen  Zeiträume  gerufen, 
der  schon   Petechien   hatte  und   schon   so   schwach  war,   dafs  er 


—    9»    — 

»eh  nicht  mehr  im  Bett«  aafri«hl«R  konnte,  ■«  gab  ich  diesem 
gisieh.  Beben  der  reichliebMi  Sehwefeliäure  >  BtfiDdlieb  einen  Lftf- 
fel  voll  Btenniwein.  Du  Geiiiigej  mit  der  grofseo  Menge  sau- 
rer Brüh  im  Magen  TarnHicfat,  konnte  wol  nicht  aU  heftiges  Aof- 
ragnngimiiiel  wirken,  «ondern  blofi  den  MageH  intt  der  Sfture 
befreunden. 

Warde  ich  im  spRieren  Zeiträume  in  einem  Kranken  gerufen, 
der  schon  den  itinkenden,  bei  diesen  Fiebern  gemeinen  Durch- 
fall halte,  so  suchte  ich  diesen,  welcher  bekanntlich  Fieber  und 
Schwäche  augenscheinlich  vermehrt,  mQglichsL  bald  su  beuinien, 
nnd  erreichte  selbigen  Zweck  durch  das  liLxtrakt  der  Mimota  Ca- 
tecku  SU  eiaer  Unxe  für  die  Taggabe.  Die  Säore  mofste  aber 
immer  die  Haaptsache  bleiben,  und  nach  Umatftnden  auch  etwas 
Branntwein  nebenbei  gereicht,  oder  der  Sture  sugemisebt  werden. 
Der  Durchlftuf  hftne  1>ei  dieser  Behandlung  gemeinlich  innerhalb 
vier  und  zwansig  Stunden  auf.  Drei  oder  vier  Tage  nachher  er- 
schien aber  ein  anderer  Durchlauf,  nämlich,  der  durch  die  Schwe- 
felsäure bewirkte.  Dieser  unierschied  sich  von  jenem  ersten  ajm- 
ptomaiischen  durch  die  grüne  Farbe  des  Koihea  und  durch  die  iln- 
stinkende  Miscfaiiag. 

Wurde  ich  sen  Lenten  gerufen,  welnhe  scbun  stark  irrerede- 
ten ,  oder  sehr  schlafsüchtrg  waren ,  so  gab  ich  hier  ebenfalls, 
nebst  der  reichlichen  Schnerelsäure,  etwas  Branntwein,  auch  wol 
etwas  Kampfer,  weil  ich  mir  irrig  vorstellte,  letaler  wirke  wobl- 
thätig  auf  das  Gehirn.  Er  war  mir  aber  nur  Nebenniitlel,  welches 
ich  blols  in  solchen  einseloen  fallen  reichte,  weil  ich  mich  auf 
einmahl  nicht  gsns  von  dem  schulrechien  Tränt  lusmacben  konnte. 

Ich  sehe  aus  meinen  alten  Schreibereien,  welche  sich  sufäl- 
lig  in  einem  Plunderkasten  wiedergefunden  haben,  und  die  jetst 
neben  wir  liegen,  dafs  ich  schon  damabts  gelernt  haben  mufste, 
heftiges  Irrereden  mit  glKnxenden,  roihen  Augen,  ruthem  Gesich- 
te, vollem  und  starkem  Pulsej  deute  nicht  immer,  und  am  we- 
nigsten in  diesem  Fieber,  auf  einen'  sogenannten  enixündlichen 
Znstand  des  Gehirns.  Ich  finde  nämtieh  den  Fall  kürslich  be- 
merkt, dafs  Ich  einen  Jüngling,  der  an  den  besagten  Zuftllen 
gelitten,  der>al||^m  vorigen  Tage  Blut  gespien  und  so  wiithend 
gewesen,  dufs.Vnc^Rrei  Menschen  ihn  kaum  im  Bette  hatten  halten 
können ,  durch  reichliche  Schwefelsäure  und  eine  Pbtio  tpirituota 
campAorata  schnell  geheilet.  Ich  mufste  auch,  obj^leich  noch  . 
jung,  -  die  herrschende  Krankheit  genau  beobachtet  haben  und, 
auf  diese  Beobachtung  gesiiflzt,  fest  in  meinen  Schuhen  stehen, 
denn  ich  finde  aiisdrüeklich  verzeichnet,  dafs  ich  den  Freundt-n 
des  Kranken  die  Wirkung  der  Arzenei  voransgesagt  und  dafs  sich 
diese  VorauBsagnng  selbst  fiberrascbend  schnell  bewähret;  nach- 
dem   ich    nämlich    am  Morgen   die  Verordnung  gemacht ,    sei  der 


Kranke  lehAD  AboDdi  ■•  weit  wl«d«r  bei  B«»ianaB^^eu-*seii,  iatm 
er  die  Umstehendea  erkannt  und  nur  ii«cfa  gleiob  einem  rerg«M«nea 
Menschen  etwat  albernes  Keug  vorgebrnchl.  Am  anderen  Morgen 
lei  er  bei  vollkomiiinem  Veniiande  geweNen ,  ferner  varsifiodig  ge~ 
blieben  und  dann  blofs  darcfa  viel  SchwefelgKure  nnd  etwas  Hfaein- 
wein  bald  genesen. 

UebrigenB  begreife  ich  jetzt;  da  ich  ülier  und,  wie  ich  hoffe, 
auch  versründiger  geworden  bin  ,  dufs  jenes  Fieber  einzig  in  einer 
reinen  AfTekiton  des  Gesaminlorganismus  bestand,  welche  bei  ver- 
schiedenen Kranken  in  verschiedenen  Organen  vorwalteie.  Es  kann 
kein  Urleiden  irgend  eines  Organs  dabei  Statt  gehabt  haben,  denn 
M9re  das  der  Fall  gewesen,  so  würdeich,  hei  meiner  damah'igen 
Unkenntnifs  der  Organheiintittel,  die  Kranken  durch  blofs«  Schwe- 
felsfiare  wahrhaftig  so  bald  nicht  geheilt  haben. 

In  jener  oben  angeführten,  C.  ^.  ffi(/e/an(j  miigetheilien  \acb- 
richi,  liudet  man  auch  einen  merkwürdigen  Fall  kürzlich  erwähnet, 
den  ich,  da  ich  ihn  jetzt  in  meinen  allen  Schreibereien  wiedertinde, 
den  Lesern,  wo  nicht  langweilig  ausführlich,  doch  demlicber  er- 
zfiblen  werde,  als  es  heiläufig  in  einem  Briefe  geschehen  konn- 
te. —  Ich  wnrde  in  einem  Tagelöhner  von  mittlem  Aller  geru- 
fen, der  zwei  Tage  an  Plenritis  kjank  gelegen.  Er  halte  star- 
kes Stechen  der  linken  Seite,  blulfaibigen  Auswurf,  kursen  Hr. 
sten,  grofse  Hiize,  roihen  Harn,  aufgetriebenes  Gesicht,  vollen, 
starken,  schnellen  Puls. 

Ich  verordnete  einen  Aderlab  nnd  AulipMogMica.  Die  ver- 
meintliche Plearesie  war  am  folgenden  Tage  so  mächtig  gebes- 
sert, dafs  ich  eines  zweiten  Aderlasses  nicht  bedurfte.  Der  Sehmera 
war  verschwunden,  die  Expektoration  ging  gut  von  Statten,  der 
Pols  schlug  iwar  noch  schnell ,  aber  weder  voll  noch  st^  meW'. 
Als  ich  am  dritten  Tage  meiner  Behandlung,  in  die  Hütte  trat, 
glaubte  ioh  auf  den  ersten  Blick,  dem  Kranken  sei  von  den  Kin- 
dern aus  Passen  das  Gesicht  geschwärzt.  Die  Ntue  war  ganz 
schwarz,  geschwollen  und  glüasend ,  die  beide  Wangen  sahen 
aus,  als  habe  sie  jemand  mtt  Rufs  angestrichen,  defan  hier  halte 
die  schwarze  Färbung  keine  scharf  um  schrie  be^^Sffnzen,  sondern 
flofs  auf  dorn  Jochbeine  nach  den  Schläfen  41^^  anf  der  unteren 
Kinnlade  nach  dem  Halse  bin,  mit  der  gesunden  Haut  durch 
matte ,  ins  Violette  spielende  Schaltung-  zusammen.  Der  linke 
Arm ,  an  dem  man  vor  zwei  Tagen  den  Aderlafs  gemacht ,  war 
stark  geschwollen,  kohlschwarz  uad  so  glänzend,  als  sei  er  mit 
Pottluth  gerieben.  Beide  Waden  schwarz,  geschwollen  und  glän- 
zend. Am  übrigen  Leibe  sah  man  hin  nnd  wieder  gro&e,  blaue, 
nicht  scharf  nmschriebene  Stellen,  wie  'sie  sich  beim  Scorbnt  zei- 
gen.    Uebrigens  befand  sieb  der  Kranke   in   einem  Mitlelzosunde 


—    967    - 

swUvliMi  Irreredca  nnd  SahlahDchi ,  du  Wut  sickerte  ibni  aus  der 
Nase,   der  Puli  war  ichndU  nod  Idein. 

Ich  aah  jeut  leider  wot ,  dafs  der  Maoa  das  Paalfieber  in 
bvbeia  Grade  liaue,  verordnete  reicbllcbe  ISchwefelsSure  und  Btnnd- 
lieh  ein«n  Löffel  Branntwein.  Neugierig  war  ieb  aber  4nch,  ob 
nein  alter  wund äratl icher  Kolleg«  H",  den  ich  scbon  von  früber 
Zeit  all  einen  erfahrenen  und  recbtlicben  Mann  Icannt«,  je  einen 
Ibniicben  Fall  geaehe^.  Auf  meine  Bitte  begab  er  sieb  mit  mir 
xuin  Kranken;  nachdem  er  ihn  aber  bescbanet  und  ihm  den  PuU 
gefühlt,  ging  er  auf  Hütte  hinaus  und  sagte:  icb  habe  nie  eioea 
solchen  Fall  gesehen;  —  der  Mann  wird  sterben.  Ich  suchte  ihm 
die  wundervolle  Wirkung  meiner  einfachen  Heilart  begreiflich  au 
machen,  aber  er  schmnnzelie  iuhI  blieb  dabei:  der  Mann  wird 
sterben. 

Der  Mann  starb  aber  ni<^l,  sondern  genas  bald.  Die  Fran, 
deren  Bestehen  von  seinem  Leben  abbiog,  machte  nicht  viel  Uhi' 
stflnde  mit  ihm,  gob  die  SchwefelsAur«  in  so  reichlicher  Menge 
in  ihn  hinein,  als  er  sie  schlucken  wollte;  das  gute  GIfick  fügte 
es  auch,  dafs  der  Beaionnngslose  nicht  blob-gnt  scfalncken  konn- 
te, sondern  auch  onwetgerlicb  alles  verschlackte,  was  sie  ihm 
reichte.  Am  folgenden  Tage  war  der  geschwollene  Arm  schon 
nm  die  Hälfte  beigefallen,  die  schwarze  Farbe  in  eine  violette 
verwandelt,  und  auf  der  rothvioleiten  Fläche  lag,  nicht  allent- 
halben, über  siellenweise,  ein  dünner,  schwaner  Flor.  Auf  der 
jetzt  beignfallenen  roibvioletten  Nase  lag  ebenfalU  ein  solch  dün- 
ner schwatxer  Flor.  Die  Waogen  waren  aber  roibviolett  ohne 
Flor,  beide  Waden  rundum  rothvioletii  in  der  Mitte  no^  kohl- 
schwarz. Das  Blut  sickarie  nicbt  mehr  aus  der  Xase. 
;,  Nach  46  Stunden  war  die  toihvioLeite  Farbe  in  eine  bellroibe 
Mmandvlt,  der  Arm  ganz  beigefalten,  der  schwarze  Flor  safs 
aber  noch  auf  den  Stellen,  wo  icb  ihn  am  vorigen  Tage  ges«- 
hen.  Uebrigens  war  das  Befinden  de«  Mannes  besser,  die  Besin- 
nung kehrte  wieder  und  mit  ihr  die  Muskelkraft.  Alles  ging  jetxi 
rasch  zur  Genesung,  su,  dafs  ich  den  Luser  mit  riner  weiteren 
ausführlichen  Erzählung  nur  Langweile  erregen  könnte.  Ich  be- 
durfte keines  anderen  Mittels  als  der  Scbwefelsliure  und  des  Brannt- 
weins. Blofa  die  Waden,  wo  der  Brand  die  Lederhaut  schon  an- 
gegriSen  hatte,   niufate  ich  lail  einem  Pflaster  heilen. 

Ich  halle  dafür,  dafs  der  schwarze  Flor,  weither  bei  der 
Besserung  auf  der  Nase  and  auf  mehren  Stellen  des  Armes  log, 
die  obere,  schon  wirklich  abgealorbene  Fl&che  der  Epidermis  war. 
G.an^  konnte  die  E^iideiniis  noch  nicht  abgestorben  sein,  denn  dns 
würde  sich  wol  offenbaret  haben  Auch  in  der  Mitte  beider  Wa- 
den war  die  Lederhaut  noch  nicht  ganz  abgestorben ,  aondern  nur 
die  der  Epidermis  zugewandte  Flüche.     Hier  wurde   bei  dem  Ge- 


braoche  dn  Pflaslwt,  JMwn  ZaHMunnMinBg  ich  seboa  firfib«r 
dem  Leaer  raii^thvilt,  du  Sehwuse  darch  Eitanw^  abges)o&*ii, 
nnd  da  koonle  man  deatliefa  criieiinMi,  dafr  die  Ham  nicht  gmux 
Mnldrt  war. 

Nan  jioch  eiaa  klein«  Nachrede  an  dieser  Geachichie. 

Mir  steckten  damahli,  als  fDaraadiwaniigjfihii^m  Aofftn^r, 
noch  .  die  no«ologi>ch«n  Formen  im  Kopfe ,  nad  iofa  rerrngthMe 
blofs,  dafa  ich  vielleicht  kluger  laftdite  gehandelt  haban,  dem 
Manne  nicht  aor  Ader  an  faasen. 

Um  niicb  selbst  an  rechifertigen  nad  die  noielogtsche  Form 
an  retten  stellte  ich  mir  vor,  das  Petechialfieber  sei  «i  der  fast 
geheilieD  enizündliehen  Plenresie  hinsugekomuieo.  Diese  Recht- 
fertigung schien  dadorch  einigertnahen  begröndat,  dafi  in  dem 
Bette  des  Pleoritisebeo  ein  kleiner  Junge  lag,  der,  wie  es  sich 
hernach  aoswies,  am  Petechialfieber  litt.  Ich  halte  den  Knaben 
w<ri  hinten  in  dem  dunklen  Bettkasten  liegen  seilen,  wubte  aber 
nicht ,  dafs  er  krank  war.  Jedenfalls  war  es  ein  dummer  Gedan- 
ke, daJs  der  Vater  tod  dem  SÖhachcn  sollie  angesteckt  sein, 
denn  wSre  das  wirklich  gewesen,  so  würde  bei  jenem  das  Pete- 
chialfieber doch  so  bald  nicht  ausgebrochen  sein. 

Jetst  bin  ich  überseugt  und  bin  es  Gott  Dank  schon  lange 
gewesen ,  dafs,  hatte  ich  den  Maan  nicht  snr  Ader  gelassen,  san- 
dern  hatte  ihm  gleich  HchwefelsHure  gegeben,  er  weder  einen 
schwarsen  Ann  noch  eine  schwane  Nase  würde  bekommen  halten. 
Die  Affektion  des  Gesammtoiganisssas ,  die  das  landgingige  Pe^ 
lechialfieber  machte,  halte  in  diesem  Falle  durch  ihr  Vorwallen 
in  der  Lunge  nnd  der  Pleura  dem  Fieber  das  Ansehen  eines  ent- 
afindlichen  Lungenleidens  gegeben.  Abgesehen  jedoch  von  diesen 
jugendlichen  Mifigriffe,  ist  der  Fall  merkwürdig,  er  beweiuA 
was  man,  selbst  in  einem  anseheinend  versweifelten  Zuya^fl^ 
mit  grofser  Gabe  SchwefelsSure  aasrichten  kann.  Ich  glaube  aber, 
bStte  ich  es,  statt  mit  einem  krtftigea  Körper,  mit  einem  schwa- 
dien  und  abgelehlen  au  thun  gehabt,  meines  allen  Freundes  R* 
Ringelreim:  flerMann  wird  sterben,  wiirde  wol  trotz  der 
Schwefelsiura  und  dem  Branntwein  in  Erfallong  gegangen  sein. 

Ich  erinnere  mich  nicht,  dnfs  Herr  Reich  die  Wirknng  der 
Säure  anf  Dinne  und  Galle  bemerkt  hat.  Es  ist  aber  n&lhtg, 
dafs  man  diese  kenne,  wenn  man  das  Mittel  bei  den  Fiebern,  in 
denen  sie  Heilmittel  ist,    gebraueben  will. 

Nun  werde  ich  dem  Leser  noch  eine  fremde  Erfahrung  fiber 
diesen  Gegenstand  mittheilen.  Vor  nngeffthr  zwanzig  Jahren  mniste 
ich  mich  mit  einem  niederiftodtscben  AmUgenossen  in  einem  jen- 
seits der  Maas  gelegenem  One  über  einenSchwindgiichtigen  be- 
ratheo,  der  weit  klüger  würde  gehandelt  haben,  sich  in  ein  un- 
vermeidliches Schicksal  in  fügen ,  als  natilos  sieb  gegen  dasselbe 


sa  iperren.  Da  wir,  ¥reil  in  <li«Mm  Frila  niohla  mähr  zu  raihea 
war,  Diil  uaflcrer  BwaUiaag  bald  gatban  faalteD,  »o  plauderten  mir 
aber  andere  Gegentlända  naseres  Geiehaftes.  Mein  Kollege,  ein 
aller  niederlSudisoher,  Ton  England  pensionirter  MililSrarst,  macb- 
le  nnter  andern  einig*  spottende  Bemnknagen  über  die  Micfalig- 
keil  der  schnlreehien  Behandlung  typböier  Fieber,  und  da  er  wol 
merken  Mocbte,  dafs  ich  ancb  eben  nioht  in  den  domingläubigea 
Doktoren  gehörte,  enählte  er  mir  Folgendea. 

Zn  der  Zeit,  da  England  ein  analiadiscbes  TnippencorpR  auf  der 
Insel  IVighth  bildete  (das  Jahr  habe  ich  vergessen)  nnd  die  von 
ihm  pensioninen  Offiziere  dab«  in  Thfiiigkeit  setzte,  wurde  auch 
mein  Kollege  angestellt.  Es  herrschte  dort  ein  aosteckoades  Fie- 
ber mit  Flecken  und  Biutilüssen  unter  den  Truppen  und  das  Hoapi- 
4al  wurde  mit  solchen  Kranken  überfüllet.  Man  behandefle  diese 
nach  schnlrechiem  Trantj  es  ging,  wie  e«  genÖhnlich  gehet,  sie 
starben  entweder,  oder  das  Fieber  durchlief  alle  Stufen  von  Jammer 
und  Elend ,  und  es  «&brte  lange ,  ehe  die  Genesenen  wieder  zum 
Dientte  fUhig  waren.  Der  Er/.fthler,  ubel  zufrieden  nüt  diesem  Er- 
folge, iHfst  in  seiner  Abibeiinng  gar  keine  Arzeoei  mehr  reichen, 
sondern  die  Soldaten  blofs  Bchwefelsaares  Wasser  Irinken  nnd  gibt 
iKnen  zur  Erqnickung  von  Zeit  au  Zeit  ein  Glas  Portwein,  Er  wird 
bald  gewähr,  dafs  diese  einfache  Behandlung  ihnen  gut  ihm,  ver- 
mehrt Jeiit  die  Gabe  der  Scbwrfelsäure  und  —  er  hat  das  wahre 
Heiimiilel  gefunden.  Die  Kranken  stefben  nicht  mehr,  sondern 
sie  genesen  in  kurser  Zeit  ohne  Nachwehea  und  die  Behandlung 
findet  bei  den  übrigen  Aerzlen  Xachahmung. ' 

leb  stellte  ihm  die  verfBnglicbe  Frage:  ob  er  nicht  glaobe, 
dafs  dem  Portweine  der  gate  Erfolg  vonnglich  zuzuschreiben  sei. 
Er  antwortete  darauf:  das  sei  anmöglich,  denn  man  habe  diesen 
schon  ftfiher,  wenn  die  Sehwftche  hei  den  Kranken  überhand  ge- 
nommen, gereicht,  ohne  je  den  anffallenden  Nutzen  davon  zu  se- 
hen ,  als  von  der  ScbwefelsSure.  Er  habe  aber  spllter  bemerkt, 
dafs  die  Soldaten,  wenn  sie  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Glas  Portwein 
bekommen,  das  sehwefelsanre  Wasser  besser  vertragen  oder  ver- 
dauet hftiten,  als  wenn  man  sie  ganz  ohne  Wein  gelassen. 

Auf  meine  Frage,  ob  er  nie  etwas  vom  RetektcAe»  Fieber- 
mittel gehört,  aniwonele  er :  in  jener  seltsam  bewegten  Zeit  hebe 
er  kaum  Mufse  gehabt,  mit  der  Literatur  seines  Landes  Schritt  zti 
haken ;  an  die  ausländische  habe  er  gar  nicht  denken  dürfen  und 
vom  Reiduchen  Fiebermittel  nie  etwas  gehört.  Auf  meine  Aus- 
)*S*iHS  dieser  Entdeckung  machte  er  die  richtige  Bemerkung,  dafs, 
.ohne  den  glciehzettlgen  Gebraocb  des  Weines,  manche  Kranke 
das  schwefelsaure  Wasser  kanm  in  niilsigcr  Menge  vertragen 
würden.  Da  ich  ihm  meine  eigenen  Erfahrungen  mttiheilte,  war 
er  der  ftfainang,  wenn  ich,  statt  In  den  Uütteu  der  Annen  tu  C, 


-     »70    - 

in  eiaem  englicbon  Hospitale  diese  Fieber  behuiileii  bäitr,  würde 
ich  den  Kranken  neiwn  def  Schwefelsäure  nicht  Fniol,  sondern 
Forlweio  gegeben  haben;  uod  wenn  er  aelbsi,  in  dem  One,  worin 
er  jetzt  lebe,  je  diese  Fieber  wieder  solle  hebuidlen  inüssen,  wer- 
de er  deq.  Amen  siait  Portweio  Fnsel  reichen^  denn  ein  Praktiker 
luusse  in  Zeit  und  Umstände  sich  zu  atiiicken  wissen. 

Auf  meiner  Heimreise  hatte  ich  nun  in  dem  sandigen  Heide* 
wege  Zeil  genug,  über  diese  UnterhaltuBg  Betrachtungen  anzasLeU 
len.  Es  6el  mir  ein,  waa  SeAiller  in  den  Worten  des  Glau- 
bens von  der  Tugend  sagt:  und  was  kein  Verstand  der 
VerstSodigen  sieht,  das  übet  in  Einfalt  ein  kindlich 
Gemii.tb.  Diese  Worte  wendete  ich,  mutaiit  mutamdit,  auf  die 
Medizin  ao>  Sollte  nicht},  dachte  ich,  manches  Heilmittel,  oder 
di«  eigene  Anwendung  desselben,  zuweilen  von  dem  scbtichlen 
Verstände  anspruchloser  Praktiker  entdeckt  und  zam  grofsen  Hei- 
le der  Kranken  gebraucht  sein,  welches  sptter  uns  ein  Gelehrter 
mit  grofsem  Pompe  und  nicht  selten  mit  Uebertreibung  bekannt 
gemacht  hntl  —  Ich  kann  mich  auch  noch  jetzt  nicht  von  diesem 
Gedanken  loi  machen,  und  es  kommt  mir  vor,  als  sei  es  sehr  ir- 
rig, das  Ganze  der  mediziDischen  Welt  und  die  sohreibende  me- 
dizinische Welt  tn  einer  Kategorie  in  werfen.  In  jener  katfn 
manches  geübt  werden,  .von  der  diese  keine  Ahnung  haben  mag. 

Lacht  Ihr  vielleicht,  Ihr  gelehrten  Ämtsbriiderl  —  Glaubt  Ihr, 
es  dränge  mich,  als  schlichten,  ungelehrten  Prak«iker,  den  Zauber- 
kreis eines  Gebeimwissens  um  mich  und  meine  Genossenschaft  zu 
ziehen,  auf  die  Ihr  denn  doch  wol  ein  wenig  selb« (genügsam  herab- 
schaueil  —  Haltet  Ihr  mir  eine  kleine  Abschweifung  au  Gute,  so 
werde  ich  Euch  ein  paar  Stückchen  erzählen ,  die  es  Euch  deut- 
lich machen  sulleu,  dafs  Heiiulicbk eilen  der  Natur  maochen  Men-, 
sehen  bekannt  sein,  und  durch  mündliche  Ueberliefemng  lange  er- 
halten werden  können,  bevor  sie,  aar  Kunde  ein^s  Gelehrien  ge- 
langt ,  von  diesem  unler  die  Druokerprease  gebracht  werden.  — 
Ich  sprach  einst  einen  Mann,  der  gegen  ein  Uebel ,  dessen  Be- 
schreibung nicht  zur  Sache  gehört,  auf  Anraiben  eines  Ginfacben 
Praktikers  die  Hungerkur  versucht.  Das  war  aber  sehr  lange,  be- 
vor 0*hecK  diese  fast  abgestorbene,  nur  in  der  Geschichte  .noch 
lebende  Heilart  wieder  in. das  medizinische  Leben  eurückrief. 

Da  ich  zuerst  las,  man  habe  die  Entdeckung  gemacht,  dafs 
der  Arsenik  ibierische  Körper  vor  der  Fäulnifs  schütte,  erzählte 
ich  diese  merkwürdige  Entdeckung  einem  allen  Freunde,  der  zwar 
nicht  Arzi,  aber  doch  wissenscbartlich  gebildeter  Mann  war.  Ivb 
ersiaanie  nicht  wenig,  da  er  mir  erklärte,  was  ich  ihiu  gesagt,, 
könne  unmöglich  eine  neue  Entdeckung,  soodern  müsse  vielmehr 
eine  längst  bekannte  Sache  sein;  denn  da  er  noch  Knabe  gewe- 
sen, habe  ihn  einst  ein  aller  MSncb  die  Kuwt  V^el  auszusiopfen 


—    971     — 

gelehrt.  Er  «ei  iwa  aber  nicht  ein  Ansstopfen  dftrfiHlge,  londern 
der  Leiber,  also  ein  eigentliches  Mnniiairen  gewcMn.  Die  Stopf* 
iiiease  hebe  bestanden  in  einer  Mischung  mehrer  Krftuter  und  «!• 
ner  guten  Portion  weifsein  Arsenik, 

Von  dieser  Abschweifung  kehre  ich  wieder  zar  SchwefelsSnre 
zurück.  Oben  sagte  ich ,  dafs  man  die  Reichsche  Enldeckting, 
weil  sie  nicht  ganx  der  hochgespannten  Erwartung  genüget,  etwas 
gar  XU  junberbaft  behandelt  habe.  Der  Grund  dieser  Nichlwürdi- 
gung  lag  aber  nicht  an  den  Aerzten,  sondera  an  der  eigensinni- 
gen N'aiiir  selbst,  die  solche  durch  Srxiren  heilbare  Fieber,  verb^li- 
lich  zu  anderen  Krankheiten,  selten  erseugi. 

Es  siod  jetsi  Tierundrierzig  Jahre,  dafa  dieses  Fiebet  io  dem 
diesseitigen  Clevischen  Lande  nicht  geherrscht,  und  ni;n  bin  ich 
dar  einzige  Arzt  dieses  Landes,  der  es  bis  jerzt  epidemisch  gese- 
hen hat.  Sporadisch  sah  ich  es  vor  ungeräbr  30  Jahren  in  der 
Uüiie  eines  armen  Mannes;  es  verläugneie  anch  hier  seine  anslek- 
kende  .\atur  nicht ,  denn  alle  Bewohner  der  Hiilfe  (beide  Ehegal- 
len  und  vier  jnnge  Lenle,  ihre  Kinder)  wurden  davon  ergritt'en. 
Der  Geistliche,  der  sie  besucht  nnd  der,  60  Jahre  alt,  noch  nie 
von  irgend  einer  Krankheit  war  angesteckt  worden,  wurde  auch 
hier  gewahr,  dafs  ihm  die.  Natur  keinen  Freibrief  gegeben;  er  er- 
kraokle  schwer,  steckte  aber  niemand  an  und  es  blieb  also  bei  diesea 
sieben  Menschen. 

Ich  hatte  jetzt  Gelegenheil ,  nicht  blofs  aufs  neue  die  trelT- 
liche  Heilwirkung  der  Schwefelsäure  bestätiget  lu  sehen,  sondern 
lOufsle  auch  gezwungen  eine  vergleichende  Beobachtung  machen. 
Die  sechs  Kranken  in  der  Hütte  heilte  ich  blofs  durch  Schwefel- 
saure in  kurzer  Zeit.  Der  Geistliche,  bei  dem  das  Fieber  die  tSu- 
Bcheode  Form  der  Angina  tontiUari»  angenommen  (welches  nichts 
Seltenes  ist)  und  der  geglaubt,  dieses  leichte,  gemeine  Uebel  wer- 
de wol  einem  Haosrajitel  weichen,  der  überdies  gar  nicht  daran 
dachte,  daJa  er  k9nne  in  jener  Hütte  angesteckt  sein,  schöpfte,  erst 
Verdacht,  da  es  schlimmer  mit  ihm  wurde  und  die  schweren  Pe- 
techien aasbracben.  Ich  fand  auf  der  äufseren  Seite  des  recbieo 
Schenkels  eine  wirkliche  Blninnterlaufung,  die  Seite  sah  aus,  als 
sei  sie  durch  SlockschlHge  furchtbar  mifshandelt.  Er  hatte  einen 
natürlichen  Widerwillen  gegen  alle  Säure;  der  Versuch,  den  ich 
durch  Weinsleinsäure  machte,  war  von  keinem  besseren  Erfolg« 
als  der  mit  der  Schwefelsäure.  Auf  meine  Vorstellung,  dals  er 
durch  jede  andre  Behandlung  bei  weitem  ao  schnell  nicht  würde  . 
gebeilt  werden ,  antwortete  er :  an  der  beilsaineo  nnd  scIiDeUen  ' 
Wirkung  der  Säure  könne  er  unm&glich  zweiflen,  denn  er  habe 
sie  ja  an  den  sechs  Kranken  in  der  Huite  aelbal  beobachtet;  al- 
lein er  hibe  nun  einmahl  einen  Abscheu  vor  aller  Sfiure,  nnd  wol- 


le'Iicbof  dreinuhl  Ittoger  krank  liegen,  als  etwas  aebneD,  wel- 
ehn  seiaer  Natar  lo  tehr  wideralreite. 

Was  war  da  zu  ihunf  —  Ich  gab  eine  itarke  Abkochung  der 
Rinde  und  andere  guie  Dinge,  wie  iie  gewobnIicK  gegeben  wer- 
den. Er  starb  nicht,  er  genas  selbst  ungewöhnlich  bald,  weil  er 
ein  starker  Mann  war,  der  noch,  indem  ich  dieses  schreibe,  als 
neuaiigjfthriger  Greis  lebt;  aber  er  lag  doch  reichlich  doppelt  se 
lange  krank,  als  die  sechs,  welube  blofa  SchwefelsSure  gebraucht 
kalten. 

Wenn  ich  nun  bedenke,  dafs  ich  dieses  Fieber  in  so  langer 
Zeifr  nicht  epidemisch  und  nur  ein  einziges  Mahl  sporadisch  ge- 
sehen, so  wird  es  mir  sehr  glaublich,  dais  ea  auch  anderen  Aerz- 
ten  nicht  oft  vorgekommen,  und  dafs  in  dieser  Seltenheit  der  Haupt- 
grund der  Mifsschätzong  du  Beic/ueie»  Fiebermittels  zu  suchen 
sei.  Die  Betliaar  Aerste  halte  ich  für  sehr  kluge  Lenle,  aber  so 
künstig  waren  sie  doch  nicht  >  data  sie  Fieber  machen  konnten, 
auf  die  des  Prof.  ReicA  Mittel  pabte.  Ucbrigens  Bebe  ich  recht 
gut  ein,  auf  welche  Weise  Herr  R.  sich  selbst  getSuscht  und,  aof 
diese  Tüuachung  gestützt,  mehr  versprochen  hat  als  er  zu  halten 
im  Stande  war.  Jede  Affektion  des  <Jie8ammlorgHnisaiiis  kann  in 
jedan  Organe  vorwallen  und  ganz  verschiedenartige  Fieberformen 
machen;  Herr  K.  konnte  also  als  ehrlicher  Mann  darauf  schwö- 
ren, er  habe  einsig  durch  Salz-  und  Schwefelsäure  alle  mSgliche 
Fieber  bald  geheilt.  Wollte  man  mir  einwenden:  wenn  die  man- 
nigformigen  Fieber,  bei  denen  er  seine  F.otdeckung  gemacht,  sich, 
wie  die  von  mir  beobachteten,  durch  Petechien  ausgezeichnet  hat- 
ten, müsse  er  nothwendig  auf  den  Gedanken  gekoiunien  sein,  dab 
et  es  blofs  mit  einer  einzigen  Fieberart  zu  thnn  habe,  die  sieb 
aber  unter  verschiedenen  Formen  offenbare;  so  antworte  ick  darauf 
Folgendes. 

Bei  den  Fiebern,  wriehe  ich  beobachtet,  waren  allerrfinge  Pe- 
techien der  einzige  Zufall,  von  dem  man  sagan  konnte,  da£i  er 
unterscheidend  war.  Ich  habe  diese  Flecken  zum  wenigsten  bei 
anderen  lyphösen  oder  nervösen  Fiebern  nicht  bemerkt.  Daraus 
folgt  aber  nicht,  dafs  alle  von  diesem  Fieber  Ergriffene  Paieokien 
gehabt  hfilten.  Das  hatten  sie  wahrlich  nicht.  Eine  Geneigtheit 
mochte  wo!  hei  allen  Körpern  zu  dieser  Fleokenerzengung  vor- 
handen sein,  allein  sie  offenbarte  sieh  nicht  sichtlich.  Ja  in  den 
Fällen ,  wo,  wenn  ich  die  Heilung  darch  Schwefelsäure  begann, 
•  die  Petechien  noch  nicht  zu  Tage  gekommen  waren,  erschienen 
sie  auch  nicht  wShrend  der  Knr,  so  wenig  als  andere  Zunile  der 
Verschlimmerung. 

Möglich  ist  es  also  und  mir  selbst  wahrscheinlich,  dafs  das 
Fieber ,    bei  dem  Herr  it.  seine  Entdeckung  gemacht  |  ^au  obna 


—    »TS    — 

PMMtbiMi  «nohienen  iM,  WB4ar«h  iam  dl*  Tliiafamig  um  M  Meb* 

Unler  mefneii  L«i«ni  kSnaten  Ruch  louige  Lew»  uin,  dia 
einmahl  g«rn  wisaen  machten,  ob  m  mir,  da  ich  die  witDdervolI« 
Heilwirkang  der  Schwefelsäure  g«sehen,  nicht  eben  so  gegnngeD 
sei  aU  Herrn  Reich,  ob  ich  aieht  auch  geglaubt  habe,  im  Bsuise 
eine*  nnfehlbaren  allgemeinen  Firberniiticli  an  aeitit  —  Ganx  lo 
iit  ei  mir  nun  wol  gerade  nicht  gegangen,  das  war  auch  nnmSg- 
lieh.  Das  Erste  nHiulich,  was  ich  bei  meinem  Eintritt  in  das  prak- 
tische Leben  zu  seh«n  und  tu  behandlaQ  krieg'e,  waren  gasl^rlseb« 
Fieber,  die  nic^l  einbildisch,  sondern  wirklich  darch  die  bancb- 
«nileerende  M«lbode  geheilt  wurden.  Da  ich  nun  bei  mehren  Kran- 
ken Schwerelsfinre  gefunden,  welche  ihnen  der  abgelebte,  sie  nicht 
besnchend«  Armenarzt  nach  Bericht  verordnet,  sie  sieh  sehr  iibel 
dabei  fDblten,  ja  da  in  der  ersten  fi&tte,  worin  ichgernfen  wurde, 
«ineFrao,  die  die  SSnre  gebraucht,  am  Sterben  war,  indefs  lieh 
der  Mann  in  sehr  elenden  UmstüDden  befand ;  so  war  e«  doch  wol 
ganz  nnmSglich,  dals  ich  die  SchwefelsRore  für  ein  allgenet- 
nes  FieberiHiilel  halten  konnte. 

Aufrichtig  gestehe  ich  aber,  ich  hatte  die  grSfsle  Vermuthnng, 
sie  würde  wol  in  bIIpil:  den  Fiebern,  bei  denen,  wie  ich  damahls 
schon  mit  meinen  Augen  oft  genug  gesehen,  die  Kunst  wenig  ver- 
mag und  die  man  heut  su  Tage  unler  dem  rieUinnigen  Mumen 
Typ  Au  I  begreift,  hfilfreich  sein.  Dals  meine  oben  angeführte 
voriHnfige  Nachricht  an  Herrn  Hufeland  blofs  vom  Faulfieber 
spridit,  beweiset  wahrlich  nicht,  dafs  ich  in  meinem  fünfundswan- 
zigsten  Jahre  klüger  war  als  ein  Professor  der  Medizin,  sondern 
sie  beweiset  blofs,  dafs  ich,  schon  auf  der  Uocbschiile  zum  Zweif- 
ler gebildet,  wenig  Neigung  haben  konnte,  etwas  auf  das  Papier 
zu  setzen,  was  ich  nicht  mit  leiblichen  Augen  gesehen.  Mit  Au- 
gen hatte  ich  gesehen ,  dafs  SchwefelsSure  die  Fanifieber  heilte, 
also  schrieb  ich  auch  nur  das  an  Herrn  H.  nnd  nichts  mehr.  Wie 
wenig  ich  aber  frei  von  dem  nachherigea  Reichtchen  Irrsale  war, 
mag  dem  Leser  folgendes  Geschichtchen  durtbun. 

Ea  herrachte  daniahls  in  yerschiedenen  Gegenden  die  Vieb- 
senche.  Aus  den  Zufftllen  derselben  schlaf«  ich,  sie  müsse  ancb 
wol  ein  ähnliches  bSses  Fieb«r  sein,  als  das,  welches  die  Men- 
schen heimsuchte,  und  die  ScbwefelsBure  werde  bei  dem  Vieh 
eben  so  beilsam  wirken  als  bei  den  Menseben.  Dem  damahligeo 
Krieges  •  und  Domänenraihe  Sack,  der  sich  viel  um  die  Seuche  be- 
kümmerte, tfaeille  ich  bei  Gelegenheit  mündKch  oad  später  auf 
•ein  Verlangen  schriftlich  meine  Gedanken  über  diesen  Gegen- 
stand mii.  Begreiflich  spielte  in  diesem  Aufnaise,  nach  datnahli- 
ger  fimlicber  Ansicht,  die  Fäulnifs  eine  Hauptrolle.  Da  aber  die 
erst«  Erzeugung  aller  Säfte  im  Darmkanal  geschiebet,  ao  brauchte 


—    974    — 

nätD  diesen  ja  anr  gan*  «mit  Sftsr«  am  erCiillao;  die  Fftalaife  im 
Bliile  nnd  id  allen  übrigea  Sfiften  war  dadurch  Domöglitb  gemaeht 
und  die  achoo  vorhandene  atafate  gehoben  werden. 

Diese  Gedunken  waren  schon  ibrer  Einfachbeit  wegen  deni 
Nichlarale,  der  sieb  wo)  als  kUiger  Mann  too  dem  glecklicfaen 
Erfolge  dieser  hei  Meoschen  geüblea  Heilart  ao  der  besten  Quelle 
wurde  erkundiget  haben,  sehr  einleucbiend.  Er  machte  mir  den 
Vorschlag,  selbst  einen  Versuch  anzustellen,  besorgte  mir  aeha 
Kinder  von  den  ÜoiHäneabauerD ,  einen  Stall  sabe  hei  der  Stadt, 
einen  Bauernthierarsi ,  um  das  Vieh  su  pflegen  und  ihm  einzuge- 
ben. Die  Domänenbauern  jedoch,  die  sich  schon  für  Franattsiscbe 
Republikaner  bielien,  hallen  keine  sonderliche  Neigung,  dem  Preu- 
tili«chen  DomKnenraifae  »a  willfahren.  Die  Hinder  schickten  sie 
wol  (diese  halten  begreiflich  zu  einer  solchen  Zeit  wenig  Werih), 
aber  das  Futter  blieb  aus.  Die  armen  Geschöpfe  mnfsien  blofs  von 
nacktem  Roggenstroh  leben.  —  Ich  impfte  sie,  erfüllte  ihren  Darm- 
kanal mit  SübwefelNSure ,  und  von  den  Zehen  starben  nebt.  Die 
xwei  noch  lebenden  sahen  aber  wirklich  so  elend  an^  dafs  sie  en 
nach  wol  nicht  lange  mehr  werden  gemacht  haben.  Ob  nun  die 
acht  angiGcklichen  Thiere  von  Hunger,  oder  dnrob  die  Schwefel- 
säure, oder  an  der  Seuche  gestorben,  mag  der  Himmel  wissen;  ich 
wufste  es  dninahls  nicht  und  weifa  es  auch  jelxi  noch  nicht. 

Als  ich  im  Jahre  17S7  hierhin  kani ,  waren  in  hiesiger  Sudt 
und  Umgegend  tj-pböse  Fieber  zwar  nicht  hftufig,  aber  sie  erschie- 
nen doch  einzeln,  batlen,  luit  Ausichlnfs  der  Petechien,  hinsicfai- 
licb  der  ZufAlIe  die  gröfsle  Gleichheit  mit  jenen  durch  Schwefel- 
RJiure  beilbaren,  ich  zweifelte  also  gar  nicht,  sie  würden  sich 
durch  Schwefelsäure  eben  so  gemäcbltob  bannen  lassen  als  jene. 
Das  ging  aber  so  nicht  als  ich  glaubte;  sie  waren  vielmehr  so  ei- 
gensinnig, der  Säure  gar  nicht  zu  gehorchen,  und  ich-mufatejetst 
ihun  wie  andere  Aerzlc,  behandeln  sie  ärzilicb,  weil  ich  sie  nichl 
heilen  konnie. 

Der  beste  Nutzen,  den  ich  von  der  mir  dureh  Zufall  aiifge- 
dmngenen  Entdeckung  gezogen,  bestehet  wol  darin,  dafs  ich  schon 
in  meiner  Jugend  den  grofsen  Uoierschied  zwischen  wirklichem 
Heilen  und  firzilichem  Befaandlen  mit  leiblichen  Angen  gesiehen. 
Das  hat  ohna  Zweifel  einen  grotsen  Eiafluis  auf  meine  spätere 
praktische  Ausbildung  gehabt;  ob  einen  guten,  oder  einen  bSseni 
das  mögen  vielleicht  meine  Leser  richtiger  benrtheilen  als  ich 
selbst. 

Nun  mufs  ich  noch,  weil  ich  doch  einmabl  vom  Faulfieher 
spreche,  noch  kürzlich  erwähnen,  wie  n  mir  mit  den  Petechien 
ergangen.  Auf  der  Hochschule  hatte  ich  gehört,  die  Petechien 
seien  den  Flohsiichen  ähnlich,  man  ki>nne  sie  von  diesen  dadurch 
unterscheiden,  dafs  die  Rftihe  auf  einen  Druck  des  Fingers  angen- 


_    975    — 

blicldieh  Tendiwä»4e  ««4  gm*  varacbw&nde,-  da  b»i  dan  Flobflek- 
km  in  der  Mine  immer  dieBifa-  and  Stiehmarke  sichibar  bliebe. 
Dm  Nftffiliche  fand  ich  auch  in  ■•leben  praküacbea  Bücbern,  die 
■ur  Relshning  der  Unkundigen  verfällst  zu  min  scbienen.  leb.  be- 
griff leicht,  dafs  bei  dieser  Belehrung  nur  von  neuen  Fiohsiichen 
die  Rede  aein  konnte,  denn  nor  dieae  haben  einen  roihan  Hof. 
Bei  keinem  Kranken  in  der  oben  beaohriebenen  Epidemie  aah  ich 
aber  •olthe  Petechien,  die  aaeh  onr  die  geriogate  Aebniichkeit  mit 
roibanhofteo  Fl<^bi«ien  hatten;  dunkel  «ioleit,  oder  schwarz,  sa- 
hen sie  binsiciulich  ihrer  Form,  aber  nicbi  hinsichilicb  der  Farbe, 
oft  genug  «US  wie  ahe,  nicht  uaihofte  Flobbisae,  und  verschwan- 
den eben  ao  wenig  -  ala  dieae  auf  den  Druck  des  Fingers.  Blofa 
unier  den  sieben,  am  aporadischen  Petechialfieber  Leidenden,  wel> 
che  ich  apSLer  bebaodelte,  hatte  der  alte  Geiailicbe  ungefähr  ein 
DoUeod  roiber,  wunder  Flecken  ^uf  dem  Hucken  des  rechten  Plalt- 
fuis««,  die  uaboften  Flohbissen,  Masern  -  oder  RöthleQÜecken  ähn- 
lich, dem  Drucke  des  Fingers  schwanden.  Diese  Flecken  wurden 
bei  der  abendlichen  Fiebererhebuog  offenbar  feuriger,  vergingen 
aber  in  drei  Tagen,  ohne  violett,  oder  schwarz  zu  werden,  ob- 
gleich, wie  ich  eben  eczlihll,  der  Mann  schwarze  Petechien  an  dem 
übrigen  Körper,  und  an  der  äu&eren  Seile. des  rechten  Schenkels 
eine  Schwärtang  hatte,  die  wie  eine  wirkliche  Blutunterlaufnng 
aussah, 

Ueberbaupt  müssen  manche  Aerste  solche  Epidemien  beobach- 
tet  haben,  hei  denen  roihe  Petechien  die  gewähnlichen ,  violette, 
oder  schwarze  nur  Auanahmen  von  der  Regel  gewesen.  Vor  et-  | 
.  liehen  Jahren  kaufie  ich  einen  Rudel  alter  Schriftsteller  und  unter 
diesen  das  Werk  eines  rheinisch  Cölniachen- Arsies,  des  Laurenz 
Doaker»,  der  mir  ganz  unbekannt  war.  Sein  Buch  bat  den  Titel : 
Idea  febril  petechiale  ■,  live  tractatu»  de  uorbo  pmncticulari. 
Xuu,  das  Wort  Idea  beKeichnet  am  besten  den  Geist  des  Buches. 
Das  Praktische,  welches  mitunter  w  dumm  nicht  ist,  mufs  man 
aus  einer  fünfhundert  Seiten  langen,  ekelhaften,  Cariesiacb  -  theore- 
tischen Brüh  heraoafiiclien.  Aber  auch  dieser  Mann,  der  das  Pe- 
tecbialfiebeT  selbst,  und  offenbar  häufig  behandelt  bat,  siebet  «Jie 
schwarzen  Petechien  zwar  nicht  gerade  als  Zeichen  eines  unbe- 
dingt lödtlichen,  aber  doch  als  eines  sehr  gefährlichen  Zuaian- 
des  an. 

In  Fallen ,  wo  sich  Angina  oder  Pleurilii  bei  diesem  Fieber 
gezeigt,  hat  er  sor  Ader  gelassen.  Ich  glaube  aber,  hfiiie  er,  wie 
ich.,  einen -starken  Mann  nach  dem  Aderlassen  achwarzarmig  nnd 
Bchwarsuaaig  werden  sehen,  er  würde  schon  eine  andere  Ideam 
febrit  pelechiali»  bekommen  haben,  als  die  1686  zu  Leiden 
gedru  elfte. 

Ich  habe  die  Säuren  als  Millel  angegeben,     welche    bin«cbt- 


—    «7«    — 

lieb  ihm  H«ilwirkiiag  nil  itum  EU»a  varwaadt  Miao,  Mit  Beohl 
kann  also  der  Lncr  erwanaB,  meiDa  Meiaang  ma  hSrea,  ob  auch 
im  Petechialfieber  dai  Eisen  di«  Sfinren  nicht  blofi  eraeUeo,  aoa- 
dern  sie  in  ihrer  Heilwirkung  noch  nbenreffen  werde. 

Ich  bitte  aber  den  Leger,  wohl  zA  bedenken,  iah  ich  nicht 
eine  Lobpreisang  der  altgeheimBrttliehen  Lehre,  aondern  eine  prak- 
tische Unlersocbung  derselben  schreibe.  Da  ich  aaa  seit  den  zwan- 
zig Jahren,  dafs  ich  dieser  Heillehre  gefolgt  bin,  keina  Petechial- 
fieber gesehen,  so  habe  ich  nach  die  Heilwirkung  des  Eisens  bei 
dieser  Krankheit  nicht  nnienncheo  können.  Allerdings  gab  ich 
wHbrend  dieser  Zeit  das  Eisen  mit  grofseni ,  selbst  mit  überra- 
sehendem  Nutzen  in  solche*  Krankheiten ,  bei  denen  mir  frfiher 
die  Schwefelsflure  sehr  gnie  Dienste  geleistet ,  z.  B.  im  Rbenna- 
tismus,  im  Scorbat,  in  der  Fleokenkrankheit;  aber  der  Schlnfs  ron 
diesen  auf  das  Petechialfieber  mSchie  doch  wol  etwas  gewagt  sein. 
Ich  glaube  allerdings,  dafi  man  durch  Eiaen  das  Peiechialfiebi r 
noch  besser,  und  besiiromt  gen^ächlicher  heilen  wird,  alt  dnrcb 
Sftnren;  allein  etwas  nach  wahrscheinlichen  Gründen  glauben  und 
etwas  mit  leiblichen  Augen  gesehen  haben,  sind  zwei  ganz  ver- 
schiedene Uinge.  Der  Arzt,  der  nicht  gdemt  hat,  dafs  in  der 
Praxis  das  Wahrscheinlichste  aowahr  sein  kann,  ist  noch  ein  Un- 
erfahrener, wenn  er  gleich  graue  Haare  hat.  Wolll«  ich,  nach 
Art  mancher  einbtidischen ,  unkundigen  Schriflsleller ,  das  Eisen 
anbedingt  als  Heilmittel  des  Petechialfiebers  anpreisen,  so  kSnnte 
es  manchem  jungen,  das  Neue  oder  das  Altncne  gern  ergreifendem  . 
Arzte  mit  dem  Eisen  bei  Menschen  vielleieht  einmahl  gehen,  wie 
mir  mit  der  Schwefetsnure  beim  Kindvieh. 

leb  will  nicht  der  Verantasser  eines  solchen  Mifsgriffes  sein, 
darum  sage  icb  als  rechtlicher  Mann  gerade  heraus:  ich  habe 
keine  Erfahrung  in  diesem  Punkte.  Sollte  sieh  mir  je 
die  Gelegenheit  darbieten,  so  werde  ich  gewjfs  durch  vorsichtige 
Versuche  die  Wahrheit  zu  erforschen  suchen,  und  ich  sehe  mich 
dazu  selbst  verpflichtet,  weil  ich  das  Hindpriiche  des  Gebrauches 
der  SBure,  sonderlich  bei  Kindern  und  zKrtlicben  Menschen  erfah- 
rea  habe;  da  ich  aber  schon  sn  den  Alten  gehöre,  ist  es  möglich, 
dafa  die  besprochenen  Fieber  bei  meiner  Lebseit  nicht  mehr  er- 
scheinen, und  so  mufs  ich  denn  den  jfingerea  Aratsbrüdern  diege- 
Untersachung  überlassen. 


Nun  wollen  wir  noch  zum  Schlüsse  über  die  krankheitslehri- 
g«  Kategorie  der  Schwfiche  und  über  die  nrzeneimillellehrige  des 
Sl&rkenden  ein  wenig  nachdenken,  denn  das  Eisen  gehöret  ja  nach 
Schulfechter  Ansicht  zu  den  stärkenden  Mitteln  und  könole  also 
nur  in  einem  Zustande  der  SebwOoh«  heilsani  aein.  - 


—    »77    — 

Walobra  Begriff  v«rbtnd«n  wir  mit  dam  W»rl«  SehwUebef 
—  Im  geweiacQ  Leb*»  nacni  mmn  <ten  Mann  gtsrk,  der,  ohn«  un- 
■agcnahiiM  GsTuhla,  ohn»  atcbibara  SiSnin;  des  Rcfrelgangci  tei- 
ner  Körpeniiaschine,  nll«  fiofacrlichB  SchSdliehkeiion  kann  auf  aich 
•tnwirken  lanen.  Wer  z.  B.  ifst«  was  und  ao  viel  er  will,  ohne 
Uabeqiiemliohkaii  za  8|niren,  wer  viel  Wein  Irink't,  ohne  berauscht 
H  werden,  wer  grofsa  Tagereisen  eh  Fufae  oder  in  Pferde  machr,  ^ 
ohne  sichtbar  su  ermfideii,  wer  schwera  Lasten  bewegt,  im  Ringen 
andore  gewSlliget ,  den  Schlaf  lange  entbehret ,  Hitie  und  Kftlt« 
erträgt,  obne  richtbar  davon  angegriffen  sa  werden,  den  nennet 
man  aiark.  Schweigend  liegt  diesem  Begriffe  ein  ongi-fährea  Mafs 
Hm  Grande,  das  mao  von  der  Mehrzahl  der  Mensehen  sich  abge- 
logen.  Den,  der  über  diesem  Mittelmafae  iai,  nennet  man  starii, 
den,  dw  darunter  ist,  schwach. 

Der  Brstliehe  Begriff  der  Schwäche  mafs  aber  noihwendig  ein 
von  jenem,  im  gemeinen  Laben  angenommenen,  gans  verschiedener 
sein ;  denn  wir  müfsten  Ja ,  hitlen  wir  den  gemeinen  Begriff  der 
Schwäche,  jeden  Kranken  für  einen  in  Schwäche  versunkenen  hal- 
ten, so  wol  den  am  iaflammaiori sehen,  als  den  am  tjphSsen  Fie- 
ber leidenden,  denn  der  eine  kann  eben  so  wenig ,  einem  Gesun- 
den gleich  eilen,  trinken,  laufen,  tanseo  und  springen,  als  der 
andere. 

Wann  wir  aber  diesen  gemeinen  Begriff  mit  nnserer  Icrank- 
beitslehrigen  Kategorie  der  Schwäche  nicht  vefbinden  kSnnen,  so 
verstehen  wir  vielleicht  damnier  eine  (joantitalive  Vermindemag 
des  Lehensf  —  Dieses  kann  aber  auch  nicht  wol  sein;  denn  da 
wir  das  Leben  nur  in  seinen  Aeiiberungen,  nicht  von  diesen 
geschieden  kennen,  so  liegt  das  Venaefareo,  oder  das  Vermindern 
desselben  ganz  aufserhalb  der  Grensen  unseres  Wissens.  Ueber- 
dies,  wenn  die  krankheilslehrige  Schwäche  eine  quantitative  Ver- 
mindernng  des  Lebens  wäre,  so  würde  die  Selbstheilnng  solcher 
Fieber,  die  wir  lyphSs,  oder  nervSs,  oder  fanlieht  nennen,  gans 
nnerklärbar  sein.  Ich  habe  mir  schon  in  meiner  Jagend  über  die- 
sen Widerspruch  den  Kopf  lerbroehen.  Wenn  ich  nämli*^  sah, 
dafs  solche  Kranke  nioht  blofs  ohae  Arzenei  von  selbst  genasen, 
sondern  dafs  jnnge,  in  der  Ansbildnng  begriffene  Leute,  während 
ibf  Körper  alle  Stufen  des  Elendes  dieser  Fieber  durchlief,  nicht 
blofs  einbildisch,  sondern  lichthar  und  raefsbar  an  Gröfae  zuge- 
nommen hatten,  so  dachte  ich;  wie  ist  es  mSglich,  dafs  hier,  wo 
die  Na(ur  nicht  blofs  gegen  die  verderbliche  Krankheit  ankämpft, 
soadern  gleichseitig  den  K5i;per  ausbildet,  wie  ist  es  möglich,  dafs 
hier  eine  Verminderung  der  so  genannten  Lebenskraft,  oder,  was 
wol  gleiehgeltend  kt,  eine  quantitative  Verminderung  des  Lebens 
Statt  haben  kanni  —  Wäre  es  thnnlieh,  die  hier  zum  Grunde  lie- 
gende Wiikorsaobe  gräfsUeh  zu  sobätien,  so  würde  doch  wol  je- 

-■■-62  ---o" 


—    »7»    — 

drä  nnrarbrSppell«  Ventanil  nrth«il«n,  e«  lei,  um  <Iim«r  Doppel- 
TerricbtuDg  tm  genSgen,  weit  ein  Mehr  j«nei  unbekannten  Wir- 
keoi  ndthig,  ala  oölbig  ist,  den  Refelgang  deg  geinnden,  auage- 
bildeiea  KSrpers  in  Ordnung  zu  halten. 

Da  man  aber  gewÖbDÜcb  in  der  Jagend  Wörter,  benonders 
griecbiacbe,  oder'IateiniKche,  Tiir  BegriQe  auf  gnteo  Glauben  bio- 
Dimml,  «o  konnte  ich  mich  auch  vnn  der  kran kh ei ta lehrigen  Sobwl- 
cbe  nicbt  gemfichlich  lesmacben.  Dafi  bei  allen  Widmprfichen, 
in  die  mich  die  Beobachtung  der  Naiiir  veratricklej  dennoch  etwai 
Wahres  an  dieser  Kateg'orie  aei,  fSblt»  ich  wol,  das  heifst,  mein 
Verstand  dachte  eii  sieb  dunkel;  es  ging  aber  eine  lange  Zeit  hin, 
bevor  ich  dieses  dunkel  gedachte,  dieses  gefäblte  Wahre  zur  mit- 
ibeilbaren  Klarheit  bringen  konnte.  Endlich ,  -  als  ich  den  Geist 
der  geheimSnttlichen  Lehre  erfafst,  als  ich  begrifien,  dafs  wir  von 
dem  Wesen  der  Krankheit,  das  heifsl,  von  der  Krankheit,  io~ so- 
fern wir  sie  von  der  aichibaren  .und  fühlbaren  SiSrung  des  Regel- 
ganges  dfr  Kftrpermaschine  scheiden,  nichts  erkennen  k&Bnen ,  als 
ihr  Verbftlinifs  xu  der  Heilwirkung  der  Arsenei,  da  sah  ich  erst  ein, 
dafs  die  Kategorie  der  Schwficbe  blofs  einen  Zustand  des  kranken 
Körpers  bexeicfane,  der  durch  gewisse  Mittel  könne  gehaben  und 
dnrch  gewisse  andere  könne  verschlimmert  werden.  Dem  Kranken 
wird  es  allerdings  ganz  gleichgültig  sein,  ob  wir  diesen  Zustand 
SchwHche,  Asthenie,  Verflanung  der  Lebensgeister ,  Abnahme  der 
Lebenskraft,  typhösen,  nervösen  Zustand,  und  Gott  weifs  wie  sonst 
noch  nennen,  wenn  wir  nnr  das  wahre  Heilmittel  auf  denselben 
wissen.  Da  man  aber  heul  zu  Tage  überviel  auf  Philosophie  und 
wissensehaftliehe  Bildung  pocht,  so  scheinet  es  mir  doch  sehr  wi- 
dersinnig, dafe  man  eine  Kategorie  aufaiellet,  mit  welcher  der  Ver- 
stand keinen  denilicben  BegiifT  verbinden  kann,  sondern  von  der 
er  nur  durch  die  Uebnng  der  Kunst  nach  und  nach  das  Wahre 
ahnen  lernt.  Von  der  arzeneiniiti  eil  ehrigen  Kategorie  des  Slfirken- 
den  will  ich  weiter  nicht  spreobe«,  da  von  dieser  das  Nämliche 
gilt,  was  ich  von  jener  gesagt. 

Das  Gänse  der  schulrechlen  Lehre^  welches  ans,  in  diesem 
Punkte,  seit  der  ältesten  Zeil  in  sehr  veränderlichem,  vielfarbigen, 
von  griechischen  und  lateinischen  Kunstwörtern  bauschendem  Ge- 
wände vorgeführt  ist«  dienet  dem  praktischen  Arzte  bei  Uehnng 
der  Kunst  zu  nichts,  zu  gar  nichts.  Wie  einfach,  wie  verstlnd- 
llcb,  wie  brauchbar  in  der  Praxis  ist  dagegen  die  Lehre  der  allen 
Geheim&rzte:  es  findet  steh  in  der  Nator  ein  krankhafter  Zustand 
des  Gesaramtorganismns,  der  durch  das  Eisen  tum  Normaistand« 
zarTickgerabrl  wird.  Das  Eisen  ist  zwar  oichl  das  einzige  Hail- 
miitel  dieses  krankhaften  Zusiandes,  aber  es  ist  das  vollkommen  sie. 
Unser  Verstand  kann  von  dem  Wesen  dieses  Zustandes  nichts  erken- 
nen, als  nur  seine  Heilbarkeit  flurcb  Eisen ,  and  da  keinesweges  zu 


—    979    — 

behaupten  ist,  er  bestehe  in  SchwSche,  in  einer  Verminderung  des 
Lebens«  so  würde  es  auch  sehr  widersinnig  sein,  dem  Eisen  eine 
stSrbende  Wirkung  saxnschreiben. 

Ich  überlasse  es  nun  ganz  meinen  Lesern,  selbst  za  bearlhei- 
len,  welche  Ansicht  die  verständigste  sei.  Sollte  ihr  Verstand  bei 
Bennheilung  einer  Krankheil  der  besprochenen  Kategorie  nicht  ent- 
behren k&nnen,  soralhe  ich  ihnen,  selbige  beizubehalten,  denn  ich 
weifs  ja  aus  eigener  Erfahrung,  dafs. solche,  unserem  jugendlichen 
Gehirne  bei  der  ersten  Lehre  eingepflanite  Unkräoier  sehr  schwer 
eussnrenlen  sind.  Uebrigens  versichere  ich  ihnen  als  ehrlicher 
Mann,  dafi  ich  seibat  wenigstens  nicht,  gleich  den  Geislerbeschwd- 
rern,  dunkler  W5rfer  and  Formeln  bei  dem  HeilgeschSfte  bedarf. 


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Dritter    Abschnitt. 

M  D  p  r  e  r. 

BPieaeg  Metall  iai  «las  Hlleste  Univeraal  mittel  der  Geheim- 
firzte.  Das  Allheil  des  R.  LmIUu»  ist  weiter  nichts  als  Kapfer. 
Freilich,  das  gar  weitlfiiiTtige  Rezept,  welches  er  in  seinem  Buche 
De  Medicini»  tecretittimit  deiiAerzten  mitznlheilen  die  Bos- 
heit hat,  enih&It  kein  Gran  Kupfer.  Man  braucht  aber  nur  in  dem 
Buche  selbst  die  Wirkuitg  des  Mittels  nachzusehen  und  diese  mit 
dem  zu  vergleichen,  was  sich  von  seiner  das  Leben  verifingemden 
Anenei  in  dem  Gespräche  De  ligno  vitae  findet;  so  begreift  man 
bald,  dafs  das  ganze-  Geheimnifs  in  Kupfer  bestehet,  und  dafs  der 
alberne  Wirrkopf  dieses  Metall  in  Salpetersäure  aufgeldset  eine 
lange  Zeit  mit  Alkohul  hat  digeriren  lassen.  Einige  Stellen  ans 
den  Schriften  der  Slieüten  Gebeimftrzte,  die  ich  aber  blofs  bei  spä- 
teren Scbriftsiellera  gefunden,  (die  Werke  jener  ältesten  Geheim- 
ärzte habe  ich  nie  auftreiben  kSnoen)  sprechen  auch  dafür,  dafs 
das  Kupfer  das  vorzüglichste  und  älteste  Universalmiiiel  jener  Sek- 
te gewesen. 

Da  ei  aber  die  Weise  dieser  Leute  war,  die  Ungeweibten  nnd 
die  Galeniker  zu  täuschen,  so  spiegelten  sie  diesen  vor,  ihr  Uni- 
versalmitle)  sei  ans  Gold  bereitet.  Die  Dauerhafügkeit  des  Me- 
talles,  welche  sie  hervorheben,  um  die  Gedanken  des  Lesers  auf 
Gold  XU  lenken,  führt  sich  darauf  zurück,  dais  das  Kupfer  über 
tausend  Jahre  in  der  Erde  liegen  kann,  ohne  zu  verderben,  und  dafs 
Luft  und  Wasser  nur  Einwirkung  anf  seine  Oberfläche  haben,  aber 
nicht  sein  inneres  Gefüge  angreifen. 

Die  Meinung,  welch«  man  nicht  blofs  in  uralten,  sondern  selbst 
in  ziemlich  neuen  chemisch  -  pbarmaceu tischen  Schririea  findet: 
das  Kupfer  werde  von  allen  fetten  Oelen  aufgelSset, 
ist  eine  Fabel.  Die  Oele  lösen  es  nicht  auf,  sondern  die  mit  den- 
selben verbundene  Säare.  Trennet  man  diese  darch  Biliersalzerde 
von  denselben ,    so  kann  man  die  entsäuerten  Oele  so  lange  man 


—    981     — 

will  auf  Kapferfeilig  «tebea  Immd,  man  wird  nicht  leiten,  dafa 
■ie  M  angraifaD  und  sieh  grän  fISrben.  NiektaotaaaeriM  Oel  färbt 
aieh,  JAbt  inan  ea  auf  Knpfarfeilig  Htehaa,  grün.  Abar  auch  die- 
•aa.Knpferaala  bült  sieb  aieht  ainmahl  im  Oeie  anfgaldBet,  lon- 
deto  ■chlägt  eich  durcb  die  Zeit  aieder,  und  man  liehet  da*  klare 
entfärbte  Gel  über  dein  grünen  Niedenchlage  iteben.  Die  Luft, 
Wasser  und  Luft  vereint  greifen  dua  Kupfer  an  aeiaer  Oberflftebe 
BO,  Sfiuren  und  Ammonium  Ütaen  ea  auf,  aber  nicht  Oele,  nicht 
Hitielaalie.  Wenn  eine  Aufipiaag  von  Salmiak,  auf  Kupfer  ge- 
gossen, eine  gana  hellblaue  Farbe  annimmt,  ao  Ist  daa  nicht  der 
Salmiak  all  Mitteisalz,  der  diese  Aufläauag  bewirkt,  landern  da« 
Ammonium,  welehea  im  Salmiak  ein  klein  wenig  unneuiralisirt 
Tsrnalien  kann,  Dafa  noch  ia  umarm  Jahrhundart,  himicfadich 
daa  Kupfers,  (JnriefaligtEeilen  lam  G«bnioDhe  der  Aenla  und  Apo- 
theker gedruckt,  ja  wiederged ruckt  sind,  ohne  dafa  die  Bennheilcr 
einer  aoLcbao  Schrift  diaaelben  geragt  beben ,  beweiset ,  dafa  alte 
Fabeln,  haben  sie  eiomahl  nnter  den  A  ersten  Fufs  gefafat,  schwer 
auainroitea  aind. 

Zu  diesen  Fabeln  gehört  auch  nnwidarsprechlich  die  Giftig- 
.  keil  des  Kupfeii.  Dafa  jede  Arienei,  ungehörig  angewendet,  dem 
Kranken  schaden  könne,  daran  zweifelt  wol  kein  veniandiger 
Menach,  alao  wicd  man  dieses  auch  vom  Kupfer  nicht  bezweiflen. 
Dalä  ein  Gesunder  durch  grofae  Gaben  Kupferaalao  oder  Osyd» 
könne  getödiet  werden,  mag  ich  eben  »o  wenig  in  Abrede  stellen, 
als  dafs  der  nämliche  Zweck  durch  groise  Gaben  Branntwein  kann 
erreicht  werden.  Wann  aber  behauptet  wird,  das  Kupfer  kAnne 
in  mäfsiger  Gabe,  in  solcbec,  die  allenfalls  in  Speise  und  Trank 
einem  Menschen  unmerklich  heimbringen  sei,  tödtlicha  Wirkung 
haben,  so  erkläre  ich.  daa  geradezu  für  die  gröfxte  Unwahrheit. 
Es  macht  den  sobulrecbien  Aerztenwahrlich  aebr  wenig  Ebre,  dafs 
si»  diese  Lüg«  ■(>  lange  für  Wahrheit  gehalten  babeo,  da  ihnen 
doch  die  eigene  Untersnobung  sehr  nahe  lag  und  aebr  wenig  Mäbe 
wOrda  gemacht  haben. 

Die  Kapferschläger  vencblucken  täglich  eine  gute  Menge  Ku- 
pfaroxfd;  werden  sie  denn  dadurch  krankt  Ich  habe  daa  nicht 
bemerkt.  Hier  wohnen  drei  KapferacblSger,  die,  der  Hranniwein- 
brennereiea  wegen,  viel  in  Koibknpfer  arbeitea;  aber  gerade  die- 
se und  ihre  Gehiilfan  sah  ich.  fast  nie  krank.  Betrachte  ich  die 
Haare  dieser  Leute ,  so  eahe  leb ,  dafs  ai«  vom  Kapferoxyd  ganz 
grfin  gefärbt  sind.  Bin  icb  nor  fünf  Miauten  in  ihrer  Werkslatt, 
so  lileiht  mir  dar  Geschmack  des  Kupferox7dei  noch  Ungar  als 
eine  Stunde  im  Munde.  Diese  Leute  verschlucken  30,  40,  50  Jah- 
re lang  täglich  Kiipferoxyd  und  bleiben  gesund ;  wie  kann  dann 
das  Kupfer  ein  der  menachlichea  Natur  nacbiheiligea  Metall  seinf  — 
£inMu  unserer  KupferscblSger  sagte  icb  einet :  sein  Geschäft  mäfse 


wol  ein  tehr  geniadei  Geschäft  ino,  denn  weder  er,  noch  leioe 
GebälfttD  bedürfen  je  neiner  ämlichen  Hülfe.  SchmansehMl  erwie- 
derte  er:  anter  ihrem  Gewerbe  sei  das,  was  ich  sage,  längst  be- 
kannt, er  selbst  habe  auch  viel  alle  und  rostige  Meister  gesehen» 
wisse  aber  wobt)  dafi  die  Aente  anderer  Meinnng  seien.  Kr  hal- 
te jedoch  die  Aerxie  in  diesem  Punltte  für  Stocknarren,  die  Erfab- 
rang  spreche  ja  gegen  sie. 

Um  zu  untersaeben,  ob  der  innerliche  Gebrauch  de»  Kupfern 
den  gesunden  Mentcbeo  krank  mache  oder  nicht,  hielt  ich  es  für 
das  einfachste  und  üherseugendsie ,  Versucha  an  meinem  eigenen 
gemiDden  Leibe  su  machen. 

Zuerst  nahm  ieh  acht  Tage  lang  ffübraorgens  funfisebn  Gran 
Bcbwarxes  Kupferoxyd.  loh  liels  aber  das  Oxyd  mit  dera  Eztraiit 
der  Eichenmistel  in  Pillenfarm  bringen,  darait  es  mir  keine  CJebel- 
kelt  Ternraacben  möchte.  In  Polrecform  würde  es  mir  ohne  Zwei- 
fel tiebelkeit,  oder  wol  gar  Erbrediea  ^rancht  haben;  beides 
muftte  ich  zn  vermeiden  suchen,  lonst  würde  unmöglich  gewesen 
•ein,  ^ie  Wirkung,  die  es  auf  mein  Befinden  haue,  zu  beurifaei- 
leo.  —  Ich  habe  bei  diesem  Versuche  nicht  die  geringste  Trübnog 
Heiner  Gesundheit  bemerkt. 

Bei  dem  zweiten  Versuche,  den  ich  eine  Zeit  lang  spfiter  an- 
Btellie,  nahm  ich  drei  Wochen  lägUch  vier  Graa  des  nämlichen 
Oxides  in  Pillenform,  ebenfalls  oho«  nacblheilige  Folgen  für  mei- 
ne Gesundheit. 

Später  fiel  es  mir  ein,  zu  untersuchen,  ob  das  Kupfer  in  mä- 
fsiger  Gabe,  aber  lange  Zeit  gebraucht,  feindlich  auf  den  Körper 
wirke.  Zn  dem  Ende  nahm  ich  acht  Monate  lang  täglich  vier 
Gran  Oxyd.  Ich  erkläre  aber,  dafa  ich  von  der  angeblich  nach- 
iheiligen  Wirkung  desselben  nicht  das  Mindeste  gespiiret;  denn 
Bufser  dafs  meine  übrigens  gut«  Efslast  mittags  dadurch  verstärkt 
wurde,  war  es  mir  nnmöglicb,  irgend  eine  unheimliche  Verände- 
rung  meines  Befinden«  wahrzunehmen.  Das  einzige,  was  ich  be- 
merkte, war  Folgendes.  Während  der  Versnche  entstand  früher 
oder  später  ein  gana  raälÄiger,  sohmersloser,  bächstens  einen  hal- 
ben Tag  anhaltender,  und  dann  von  selbst  aufhörender  Durchfall. 
Ob  dieser  von  dem  Kupfer  bewirkt  wurde,  kann  ich  zwar  nicht 
mit  Beatimmtheit  behauplea,  es  ist  mjr  aber  wahrscheinlich,  und 
zwar  deshalb,  weil  einige,  denen  ich  das  Oxyd  als  Arsenei  gege- 
ben, -den  nämlichen  Zufall  beobachtet  haben.  Ander«  hingegen 
hatten  angeblich  nichts  dergleichen  bemerkt.  Ob  diese  weniger 
reizbare  Därme  hatten  eh  jene,  oder  oh  sie,  weniger  aufmerksaa 
auf  ihren  Körper,  den  scfamerslosen,  unbedeutenden  Durchfell  nicht 
beachtet,  kann  ich  nicht  sagen. 

Femer  bemerkte  ich  währwid  meiner  Versuche  von  Zeil  zu 
Zeit ,   aber  lange  nicht  (flglicb ,  vormittags  im  Magen  das  Gefühl 


-     983    — 

•IBM  WKhten  UeifshuBgen ,  weichet  nilcb  zn  euen  xwang,  ob- 
gleich ich  seit  länger  äla  30  Jahreo  gewohnt  bin ,  eufser  Kaffee, 
TMinittaga  nichtt  zu  genielBeii.  £s  stehet  mir  vor,  in  neuer  Zeit 
gelesen  zu  haben,  dafa  ein  aimlRndischer  Arzt  einen  ähnlichen  Ver- 
zncb  an  seinem  Leihe  gemacht,  ja  das  Kupfer  in  noch  grofserer 
Menge  verschlucki  hat  als  ich.  Ich  habe  aber  versäumt,  den  Ka- 
UMD  dieses  Arzies  wir  schriftlich  su  bemerkea  und  wiifuie  jetzt 
auch  nicht,  wo  ich  ihn  suchen  sollte. 

Dafs  man  in  DSMer  Zeit  zuweilen  Kupfervergifiungen  beobach- 
tet, darüber  wundeve  ich  mich  eben  nicht;  denn  weil  in  den  Gift- 
bnchesD  das  Kupfer  etnniahl  als  Gift  verzeichnet  Uehet,  der  Ver- 
stand gar  niancher  Aerxie  durch  die  Bücfaerle.hre  theilicbt  verkrüp- 
pelt ist,  ein  ibeilicht  verlcrüppelier  Versiand  aber  seinen  Besitzer 
wol  eben  nicht  zum  richtigen  ßeohachier  betäfaiget :  so  niüsseo 
wir  noibwendig  ho  lange  Beobachtungea  über  Kupfer  Vergiftung 
l«aen,  bis  die  Wahrbeil,  dafs  Kupfer  kein  Gift  sei,  so  oft  ge- 
druckt ist,  als  die  Lüge,  dafs  es  Gift  sei,  so  lange,  bis  dl« 
Bücher,  in  denen  Letztes  behauptet  wird,  durch  die  Länge  der  Zeit 
der  Vergessenbeil  beiingefullen.  Da  nun  weder  ich,  noch  ein  ein- 
ziger meiner  Zeiigenossea  dieses  erleben  wird ,  so  werden  aoch 
hinfort  noch  immer  von  Zeit  zo  Zeit  Menschen  angeblich  durch 
Kupfer  vergiftet  werden.  Nun,  iiumerhin!  Als  Menschen  sind 
wir  doch  alle  dem  Irrlbuiue  unterworfen,  und  wenn  denn  einmahl 
iiinls  geijrel  werden,  so  ist  es  der  Menschheit  weit  weniger  scbfid- 
lieh,  dafs  man  ein  wohlihfitiges  Mittel  für  Gifl,  als  dafs  man  nn 
feiodlichaz  für  ein  unacbuM^es,  ja  für  ein  unenihehrlicbes  Allbeil 
hält. 

lo  meiner  Jugend  sollie  iob  eimrt  einen  »bgentugerten,  braun- 
farbigen,  an  allerlei  Bau  ebb  esch  werden  leidenden  Nadler  heilen; 
das  konnte  ich  nicht,  denn  mein  universiiälisch  Slolliicbet  Wis- 
sen pafitle  unglficklicherweirie  nicht  «uf  den  kranken  Bauch  dieses 
Mannes.  Er  xehrie  immer  mehr  ab  und  starb  endlich  an  der  Bancb- 
schwindsucbl.  Da  ich  nun  Hiehrmahls  in  seiner  Werkstatt  gewe- 
sen, and  gemerkt,  daCi  beim  Schleifen  der  Stecknadeln  der  ganxs 
Lnfiraum  des  Zimmers  so  mit  Kupferstaub  erfüllet  war,  dafs  man 
den  Augenblick,  wo  man  bineinirat,  schon  den  Geschmack  des 
.  Metatles  im  Munde  halte,  so  glaubt«  ich  scbulgerecbler  Arzt,  der 
Mann  sei  durch  das  Kupfer,  welches  er  täglich  vencbluckl,  lang- 
sam wie  durch  das  Tofanische  Wasser  vergiftet.  Freilich  wollte 
der  gesunde  Theil  meines  Verstandes  sich  gegen  den  verkrüppel- 
ten auflehnen;  es  fiel  mir  ein,  wenn  das  Kupfer  jene  Bauchleidea 
hervorgebracht,  so  habe  es  dieses  doch  wol  etwas  früher  thon  müs- 
sen, der  Mann  sei  ja  immer  gesund  geblieben,  nnd  erst  krKnkli^ 
geworden,  da  man  ihn  zu  den  Alten  gezählt.  Diese  Opposition 
war  aber  zu  ohomSchiig;    es  mufste  dabei  bleiben,    dais  das  an- 


,—    9ä4     - 

hallende  VenchluckMi  des  gift^eo  Ka|>l«rttBalte«  d«n  branneo  Sm4- 
1er  lur  Bauchschwindiacht  verholfen. 

Viele  Jahre  nachher,  da  ich  scban  lingat  maocbe  Ificfaerlielie 
Vomrlheil«  eua  neinem  Kopfe  verbannt,  kam  sein  Sohn,  ein  Laad- 
pfarrer,  um  Hülfe  zu  mir.  Er  hatte  eine  brann«  Geeiehtsfarbe  wie 
sein  Vater,  Banebleiden,  Heiserkeit,  HSmorrhoiden,  kun,  er  war, 
mit  Aasacblufe  der  Abmagerung,  dai  leibhafte  Bild  seiaai  vertiM- 
beneo  Vaters.  Nun  mubt«  ieh  über  meine  jugendliche  Esalei  la- 
chen, dafi  ich  die  Krankheil  dei  Vaters  dem  Kupfer  zogeschrie- 
ben,  Dieier  Sohn,  der  an  dem  niiiilicben  Uebel  litt  (weil  aolofae 
Banchfehler  leicht  forterben  und  tnanobe  derselben  Bioh  «rat  apil 
■o  weit  ausbilden,  dafs  sie  feindlieh  in  das  Leben  eiagreifen),  die- 
an_  Sohn  haue  als  Landpfarrer  wol  die  Gewissen  seiner  bänri- 
«eben  PfarrgeBOssen ,  aber  nie  Stecknadeln  geschftrfl ;  höchstens 
konnte  man,  wollte  man  von  Scfafidlichkeiien  spreobeo,  ihm  nach- 
sagen, dafs  er  hiosichtlich  des  Trankes  sich  den  Erzvater  Noah 
zum  Vorbilde  genommen. 

Mathiolu»  legt  dem  Kupfer  eine  Vimmlcefativamhn;  dar- 
an ist  etwas  Wahres.  Legt  man  es  als  Salbe  auf  ancen  heil  bar* 
€i«schwfilBle,  so  gebeb  diese  bald  in  Eiterung  über,  auch  der  in- 
nerliche Gebrauch  desselben  b«fSrdert  die  Eiiemilg  des  dnienfaeil- 
baren. 

Reibt  man  kohlensaures  Kupfer  mit  Wachssalbe  msammen 
nod  legt  diese  Klischung  auf  die  gesunde  Haut,  so  stirbt  die  Epi- 
dermis ab,  allein  die  nene  ist  schon  wieder  erseugt,  ehe  die  alle 
abftllt.  Ich  habe  den  Versnefa  aa  meiner  eigenen  HB.ut  gemacht 
und  mich  überzeugt,  dafs  diese  Wirkung  des  Kupfers  von  der 
fluenden  und  blasenniachenden  anderer  Mittel  sehr  verschieden  ist- 
Seine  Wirkung  auf  Afterorganisalionen  der  Haut  (auf  Warzen 
und  andere  Auswüchse)  ist  bekannt;  wer  aber  damit  umgegangen^ 
der  wird  auch  bemerkt  heben ,  dafs  es  solofae  Dinger  nicht  nach 
Art  der  Aetsmittel,  sondern  auf  eine  eigene,  öbel  aussalegenda 
Weite  verleibt. 

Was  die  medizinische  Bereitung  desselben  betrifft,  so  dienet 
diese  blofs  dazu,  es  dem  Magen  zu  befreunden.  Kupfer  Ueibl  hin- 
sichtlich seiner  Wirkung  auf  den  Gesammtorganisnius  hnmer  Ku- 
pfer, man  mag  es  geben  in  welcher  Form  man  wolle;  da  es  aber 
leicht  Uebelkeit  und  Erbrechen  verursacht,  so  ist  diejenige  Berei- 
Inag  die  beste,  welche  jener  ünbeqnemlidikeit  am  besten  vorbengt. 
Warum  es  leicht  Erbrechen  macht,  wetfs  ich  eben  so  wenig 
«It  ich  weifs,  warnm  Brechwuml,  Spiefsgianz,  Zink,  nnd  in  man- 
chen Magen  Wein  oder  Branntwein  dieses  bewirken,  warum  Senf, 
Pfeffer  und  Meerrettig,  die  doch  die  Haut  schnell  und  sichtbar 
•oisfinden,  es  nicht  bewirken.  Das  Wie  der  Wirkung  der  Arze- 
neimitt«!  scheint    aufserhalb    der  Onnien    anserer  Erkanntaib    zu 


—    985-   — 

Keg«n.  Unterwirft  maii  SDm  weaigBten  eine  solche  Tcrmeintlicb 
griladliche  Erkllmiig  einer  schlicht  Terstand haften  Analyse,  s« 
bleibt,   anfiier  dem  Wortklange,   nichts  Gescheites  davon  über. 

leb  habe  gefunden,  dufs  inen  die  übelniachende  Wirkung  des 
Kupfer«  durch  einen  Znsats  von  Zimmet  sehr  mäfsigen ,  ja  ganz 
naffaeben  kann.  Das  Warum,  kann  ich  aber  auch  nicht  auslegen, 
sondern  bloJa  sagen,  dafs  unter  manchen  gewarzhafien  Substan- 
zen, welche  ich  venncht,  mir  der  Zimniet  in  dieser  Hinsicht  an 
besten  gedient.  Jedoch  ist  dieser  Zusatz  in  vielen  Körpern  ganz 
entbehrlich,  und  wo  er  nSihig  ist,  ein  sehr  unschuldiger  Zusatz, 
der  der  Wirkung  des  Kupfers  auf  den  Gesammtorganisnus  keinen 
Eiaimg  tbno  wird. 

Man  kann  das  Knpfer  geben  als  Oxyd,  oder  in  Ammonium, 
nder  in  SBuren  anfgetSsel. 

Die  Verbindung  mit  dem  Ammonio  macht  am  leicbtesten  Ue- 
belkeit,  darum  ist  aueh  das  Cuprum  amwwniacale  das  Ewecklose- 
me  von  allen  mir  bekanolen  Kupferbereitungen. 

Von  den  Oxiden  kann  man  kohlensaures  innerlich  gebrau- 
chen; es  macht  aber  leicht  Uebelkeit,  weshalb  es  gut  als  Brech- 
mittel dielten  könnte,  nnd  swar  in  solchen  Fällen,  wo  man  Bre- 
chen erregen  wollte,  ohne  den  Krenken  hart  anzugreifen,  denn 
offenbar  macht  ein  Kupferbrech mittel  fainiennach  nicht  halb  »b 
flau  als  ein  Spiefsglanxbrech mittel.  Das  ist  aber  blofs  ein  Wink^ 
den  ich  im  Vorbeigehen  den  Brechfinteo  g«be;  ich  selbst  gebBr« 
nicht  KB  dieser  Zunft. 

Treibt  man  durch  das  Feuer  von  dem  Salpetersäuren  Knpfer 
die  Saure,  so  bekommt  man  ein  schwarzes  Oxyd,  welches  etli- 
che Scheidekünsiler  für  ein  Peroxyd  gehallen  haben,  andere  nicht. 
An  dieser  Verschiedenheit  chemischer  Meinungen  ist  mir  wenig 
gelegen;  es  ist  ein  gnles  Mittel,  weil  es  weniger  Uebelkeit  er- 
regt als  das  kohlensaare,  und  weil  es  am  brauchbarsten  in  «ol- 
oben  Fällen  ist,  wo  es  darauf  ankommt,  eine  gute  Portion  Ku- 
pfer in  den  Darniknnal  zu  bringen.  Will  man  es  blofs  als  Uni- 
versalmittel  geben,  so  braucht  man  es  nicht  in  starken  Gaben 
lu  reichen;  1,  2,  bis  4  Gran  täglich  nnd  zwar  \  bis  1  Gran  ;wo 
dmi  leistet  alles,  was  man  verlangen  kann.  Andere  Oxyds  habe 
ich  nie  versucht,  weil  ich  niofat  vermuihe,  dafs  in  ihnen  ausge- 
zeichnete Heilkräfte  verborgen  sein  könnten.'  Die  latrochemiker 
des  17.  Jahrhunderts,  welche  viel  in  dieser  Sache  gearbeitet,  ha- 
ben auch  viel  darüber  gemeinet,  das  sich  nie  besiäiigen  wird. 
So  schreibt  Mart.  Walter  an  6.  Hont:  der  Leibarzt  Heinrich  IV. 
~i.  du  Ckeine  habe  kurz  vor  seinem  Tode  noch  ein  Kupferoxyd 
von  röihlicber  Farbe  bereitet,  welches  er  Sulphnr  vitrioU  nareo- 
tieum  genannt.  (G.  Hortt.  ap.  Tm.  II.  Lib.  X  pag.  508.;  Ich 
denke  aber,    weil  er  bald  darauf  gestorben  ist^    kann  er  unmög- 


lieh  Zeit  g«habl  haheo,   4te  aarkoiiaeli«  Wlriiang:  Mio«  Sm^iti' 
ri»  viMoli  zu  erfarschflo. 

Estigsanr«  Kupf artinktur.  Oiwo  w)rd  am  beslaii  auf 
folgende  Weise  bereite). 

Man  nimmt  zwei  Pfuod  reinee  easigaaurea  Blei  nnd  iwM  und 
ein  lialbes  Pfund  reinei  schwefelsaures  Kupfer.  Beide  fein  gepul- 
verte Stoße  .werden  vemiiacht  in  einem  eiaerneo  Geisse  dun^ 
■nhaltendei  Heiben  in  eine  gleichförmige  breiige  Masae  verwan- 
delt, dann  siarker  franzöiischer  Branrnweio  allmSblig  in  der  Quan- 
tität von  12  Pfunden  ngeiatn.  Dan  Game  wird  in  einem  gläser- 
nen Kotben  bei  gufem  Verschlufi  drei  Wochen  lang  gelinde  di- 
gerirt  und  wSiirend  dieser  Zeit  öfters  des  Tages  bis  aUr  Gleich- 
artigkeit  der  Masse  nrngescbiittelt.  Nach  Verlauf-  der  Digusiions- 
frisl  wird  die  Flüssigkeit  durch  Ablagern  und  Filtriren  gdil&rt  und 
auf  BleiTflrunreioiguDg  (welche  aber  nicht  leicht  möglich)  sorg- 
Tdliig  geprüft.  Sollte  indessen  Blei  entdedit  werden,  so  digcrirt 
man  von  neuem  das  Ganae  über  ein  Loih  fein  ge|t«lvef(es  acbwe- 
felsanres  Kupfer  und  kUrt  es  dann  von  n«H«M. 

Von  dieser  Tinktur  kann  man,  je  nachdem  der  Magen  des 
Kranken  gestellt  ist,  iHglich  anderthalb  bis  drei  Drachmen  in  ga- 
theilten  Gaben  reiefaen.  Jedoch  ist  die  mittle  Ta^abe  andenbalb, 
bis  zwei  Drachmen.  Da  man,  dei  mißlichen  Mifsbraucfaes  we- 
gen, jede  Arzenei  nicht  jedem  Menschen  in  Tropfenform  ver- 
Bcbreiben  kann ,  sondern  sie  weit  klüger  in  einen .  Trank  bringt, 
so  ihut  man,  will  man  die  Kupfertinkiur  in  cio«n  Tranke  geben, 
am  besien,  sie  in  Gummiaafiösnng  mit  einem  Zuaatze  von  ungei- 
stigem Zimmetwasser  zu  geben.  Meine  gewöhnliche  Verordnung 
in  akuten  Fiebern  ist  Folgende :  Si  Ttnct.  cupri  5iP  Crjnit.  tragm- 
canlhae  ^i  Aquae  cinuammomi  s.  v^i  V  detti/i.  |vii  ^D.  Siiiodlicb 
einen  LSffel  voll.  Man  kann  aucfa,  statt  des  Skrupels  Tragantfa, 
eine  Unze  Arabisches  Gummi  nahmen.'  Von  diesem  Tränke  aeh« 
ich  niemahls  Uebelkait,   oder  Erbrechen  eataiefaen. 

Sollten  vielleicht  die  Leser  denken  ,  es  sei  ein  ihörtchtes  Be- 
ginnen, diese  Tinktur  durch  doppelte  Wahlverwandtschaft  zu  lua- 
cben,  da  man  sie  viel  gemSchlicher  direkt  aus  den  essigsaurea 
Kupferkr^stallen  bereiten  könne;  so  antworte  ich  darauf  Folgen- 
des. Bei  der  Bereitung  raelallischer  Arxeneien  hSngl  viel  von  dem' 
Oxydationsgrade  ab',  unter  welohem  sich  die  Süuren  mit  den  Afe- 
tallen  verbinden,  und  dieser  läfst  sich  nach  der  Theorie  wsl  ao 
ganz  spitz  nicht  keaiimnien.  Siebet  man  also,  dafs  man  dprch 
die  doppelte  Wahlverwanduohaft  ein  angenehmeres,  dem  Magea 
befreundeteres  Mittel  erhält,  als  dnrcb  die  direkte  AuAösung  den 
Metallsalzes ,  so  mflfsle  man  wol  ein  Thor  sein,  wenn  man,  einer 
bis  jetzt  nnvollkonimnen  Lehre  zu  Liebe,  das  scblnchtere  Mitini 
dem  besseren  vorziehen  wollte.     Die  von   essigsauren  Kupferkiy- 


—    987    — 

M«ll«n  bereitete  Tioktat  liehet  bUtaliehgräD  aus  and  bat  eiaes 
widrigen  Geschmack.  Die  durch  doppelte  WahlverwandiBcfaaft 
^machte  hat  eioe  graigtüae  Farbe,  ond  ohne  ganz  den  Kupfer- 
gesehmack  sa  TerlängoeD,  schmeckt  sie  offenbar  weit  besser  und 
nachf  weil  weniger  Uebelkeit  als  jene;  das  ist  schon  ein  grofser 
Vors  Dg. 

Sollte  aber  jemand  durch  die  Scheideknnst  ein  besseres,  dem 
Magen  noch  veriräglicheres  Mittel  bereiten  können,  der  thue  es. 
Uie  beschriebene  Tioktnr  ist  das  beste  Präparat,  was  ich  bis  jetit 
kenne;  ich  behaupte  aber  nicht,  dafs  ein  besseres  zu  entdecken  un. 
TuSglich  sei.  Jedoch  bemerke  ich  denen,  welche  Lust  haben  niöcb-^ 
len,  sich  in  dieser  Sache  sn  versuchen,  dafs  das  salzsaure  Kupfer 
schlechter  %n  gübraacben  ist,  und  data  das  salpetersaure  ebenfalls 
keine  Vorzüge  tut.  leh  bin  eiomafal  auf  den  Einfall  gekommen, 
das  Knpfer  in  säuerlicbem  Spirilv  n*tri  dvleit  aufzulösen ,  das  gab 
denn  des  ü,  Lulliin  Geheimniiilel,  es  war  aber  dem  Magen  noch 
weniger  befreundet  als  die  essigsaure  Tinktur.  Ueberdies  hielt  ich 
es  für  unverständig,  das  Kupfer,  in  Verbindung  mit  einem  anderen 
wirksamen  Mittel  xa  geben;  ich  glaubte,  auf  die  Weise  unmög- 
lich  richtige  Erfahrung   über   seine  Heilkraft  machen  au  können. 

Van  Sicieten  in  seinen  Coinuenlarien  (Cap.  de  MpiieptiaX 
sagt:  Longo  labore  ex  eupro  praeparatvM  remedinm  vidi,  quod 
attttmtum  nuüam  facitbat  nauteam ,  *ed  miram  quandaM  farmiea- 
iioneat  quatiper  toium  corput  ad  extremoM  dtgilomm  apieei  utque: 
et  illad  quibmdam  prß/küie  novi.  Und  weiter  heifst  es:  If/ud 
autem  reMedium,  non  4urbando  primaM  corpori»  via»,  ad  intima 
penetrare  videbalur,  et  in  totum  nervomm  iyttema  agere,  mirit 
quideut,  ted  hlandi*  tuccutt^ui.  Abgesehen  von  der  mira  for- 
mieatione  uud  von  den  blandia  tuccmtibaa,  welche  wol 
von  der  Individualität  des  Kranken,  oder  blufs  von  dessen  Ein- 
bildung werden  abgehangen  haben,  hat  der  Verfasser  vollkom- 
men Becht.  Das  Kupfer,  -gibt  man  es  niobt  in  so  ungehörigen 
tiabea,  dafs  es  den  Darmkanal  aufrühri,  wirkt  auf  eine  eigene, 
sehr  milde,  mit  der  Wirkung  keiner  anderen  Arzenei  zu  verglei- 
chenden Weise.  Es  ist  eine  der  menachlicben  Naiur  sehr  befreun- 
dete Substans,  ja  «s  wirkt  so  wundervoll,  dafs,  wenn  mein  Ver- 
stand über  das  Hehr  oder  Minder'  des  Lebeos  su  urtheilen  befä- 
higet wäre  ( welches  er  aber  nicht  ist ) ,  ich  aus  der  Wirkung 
desselben  m  scbliefsen  geneigt  sein  würde,  es  vermehre  wirklich 
quantitativ  das  Leben;  weshalb  ich  auch  den  Geheimärztea  eben 
nicht  verdenken  kann,  dab  sie  in  ihm  die  Verifiugerung  des  Le- 
bens zu  finden  geglaubt  haben. 

Es  ist  in  chronischen  und  ahnten  Krankheilen  gleich  braueh-. 
bar;  tfaeils  in  solchen,  welche  einsig  in  einer  Afi'ektioD  des  Ge- 
sBrnmlorganismu*,    iheils   in   solchen,    welche  in  einer  Mischung 


■ua  «Iner  Uraffektion  des  GeutnintorgaDiiiuiis  and  «inem  Urorgan- 
leiden  beatefaea.  So  lange  ich  micb  zii  der  geheiiuflnilicheD  Lahr« 
gehalten,  §ind  mir  reine  Knpferkrankheilfln  zwar  nicht  lelteOi 
aber  doch  weit  weniger  vorgekommeD ,  all  Eisen-  und  Salpeter* 
kninkheiien.  Sie  erscheinen  xu  einer  Seit  httuBger  als  ni  einer 
anderen,  aber  doch  n!e  so,  dafs  ich  mit  Wahrheit  hätte  sagen 
können,  die  Mehrzahl  der  Kranken  habe  daran  gelitten.  Damit 
behaupte  ich  aber  wahrlit^  nicbi-,  dals  das  in  Zukunft  iinuer  so 
■ein  werde,  ich  sehe  vielmehr  recht  gut  ein,  dafs  auch  eintnahl 
eine  Zeil  erscheinen  kann,  wo  die  vorkommenden  Krankheiten 
dorch  die  Bank  Kuprerkrankheiien  sind.  Sollte- je  ein  Arat  die- 
ses beobachten,  so  warne  ich  ihn  schon  jetzt  vorläufig,  seinen 
Erfahrunge»,  wenn  ersie  bekannt  macht,  keine  altgemeine  Gül- 
tigkeit beizalegen ,  oder  das  Kupfer  gegen  Krankbeitaformeo  su 
empfehlen;  ja  nicht  zu  sag^n,  es  sei  das  beste  Hirilniittel  der 
Pleiiresie,  des  Scbarlaefa-,  des  Nerven-,  des  typbösen  Fiebwa. 
Durch  solche  knbne  Behaapiangeo ,  zu  denen  nicht  blels  die  Ju- 
gend, sondern  auch  nicht  selten  das  männliche  Alter  geneigt  ist« 
hat  man  von  jeher  der  HeilkunU  un berechenbare n  Schaden  gethan. 
Welches  sind  nun  die  Zeichen,  aus  denen  man  eine  Kupfer- 
alf'ektioD  erkennen  kann?  —  Das  ist  eine  häkliche  Frage.  Sal- 
peter- und  Ei sennffek (innen  des  Gesamin (Organismus  sind  schon 
schwer  xu  erkennen,  aber  weit,  weit  schwerer  noch  Kupferaffek- 
(ion.  Bei  akuten  Krankheiten  kann  grofae  Hi(se  in  allen  drei 
Aß'ektionen  statifioden,  Kopfichmerz,  Ourst  ebMifalls.  Der  Harn 
kann  in  allen  dreien  gleich  roih,  trabe,  oder  klar  sein.  Irresein 
aiehet  man  nicht  selten  bei  allen  dreien ,  und  grofse  MnBkelsebw&- 
che  häufig  gowol  bei  Eisen-,  als  Kupferaffektionen.  Dazukommt 
noch,  dafs  sowol  Irresein  als  grofse  Mu sk eise b wache  oft  Beglei- 
ter der  Urgehirnleiden  und  zuweilen  der  (Jrbaucbleiden  sind.  Der 
Puls  kann  schnell,  voll,  kräftig,  schwach,  langsam,  dem  ge- 
snudheilsgeniäfsen  fast  gleich  bei  allen  drei  Affektionen  sein. 

Die  Laugensalzigkeil  des  Hnros  habe  ich  noch  nie  hei  Ku- 
pferaSekdon  gefunden,  er  hat  hei  dieser,  wie  bei  der  Salpeter- 
affektion, seine  Säure;  mitbin  kann  die  Langensalsigkeit  wol  ein 
verneinendes  Zeichen  der  Knpferaffektion ,  aber  die  Säure  den 
Harns  kein  bejahendes  derselben  sein ,  weil  es  ein  gemeiaschaft- 
llches  der  Kapf«r-  und  Salpeteraffeklioo  ist  und  weil,  wie  ich 
schon  früher  gesagt,  dieses  Zeichen  auch  bei  der  Eisenatfektien 
noch  lange  nicht  immer  fehlet. 

]<fh  kenne  keine  Krankbeiiiforni ,  von  der  ich  behaupten  kann, 
sie  deute  vorzugsweise  auf  Kupferalfektion ;  hingegen  kdnoan  all« 
-  Krankheilsformen  Offenharungen  derselben  sein. 

Alles  wohl  erwogen,  kann  man  KnpferaOektion ,  wi«  dar 
Sttbeidekünstler,    nur  durch  Proheuillel  etkeDBea. 

„,,,_„,,,,  Google 


Sollt«  da«,  wn«  ich  hier  gesagt,  meinea  Letem  nicht  genu- 
gen,  lo  werdsn  si«  wol  ao  billig  sein,  sich  zu  erinnern,  dal^  ich 
ihnen  nichts  m^r  geben  kann,  all  ich  selbst  empfangen  habe. 
Sie  nüfsien  mich  für  einen  erbSrmlichen  Beobachter  halten,  wenn 
sie  glaaben  wollten ,  ich  habe  aus  Leichtsinn  oder  Trilgbeii  ver- 
sftnmet,  mich  nach  unterscheidenden  Zeichen  der  Kupferaffektion 
nmsnsehen.  Wahrlich!  die  Sache  ist  zu  wichtig,  als  dafs  der 
leichtsinnigste  Arst  eine  solche  UnlersuchungTernachiSssigeo  könn- 
te; ja  der  (rigste  warde  in  dem  Anffiaden  nnterscfaeidender  Zei- 
chen eine  solche  Bequemlichkeit  erkennen ,  dafa  ihn  schon  selbst 
seine  TrSgfaeit  anspornen  müfste,  ein  Ziel  cn  erstreben,  wo  er 
fnr  immer  von  seinen  Anstrengnngen  auaroben  könnte.  Leider 
bat  die  geh  ei  mnifs  volle  Naiar  einen  gar  n  dichten  Vorhang  vor 
dtls  innere  Hpiligtbum  des  belebten  Menacbenleibes  gezogen;  die- 
sen Vorhang  mit  tftuschcBdea  Pbantasiebildem  in  bemahlen ,  schei- 
net mir  eines  rechtlichen  Arztes  unwürdig. 

Da  die  Kopferaffektion  die  gröfste  Aehnlichk'eit  mit  der  Sal- 
peterafleklion  bat,  so  kann  uns  ( voranigesetzt ,  man  habe  es  nicht 
mit  einem  Urorganleiden  zn  thnn  )  tnweilen  nur  das  \ichifaeilwir- 
ken  des  kubischen  Salpeters  znr  Erkenninifs  der  Kapfcraffekiion 
bringen,  samahl  wenn  wir  bei  diesem  Nichtbeil wirken  den  Harn 
ordentlich  sauer  bleiben  sehen. 

Bei  ohronisohen  liebeln  kann  di«  Zeit,  die  das  Uebel  ge- 
wBhrt,  uas  schon  einige  Vermnthnng  geben,  dafs  es  ober  ein« 
Kupfer-,  als  eine  Salpelernffeklion  sei.  Man  mafs  aber  hier  mit 
grefser  Umsieht  zu  Werke  gehen,  detin  Salpeteroffektion  kann 
zDWeilen  lange,  sehr  lange  im  Körper  bestehen,  ohne  sich  in 
Kupfer-,  oder  Eisenaffekiion  amsuwaadeln. 

Bei  akoien  Fiebern  kann  bedeutende  MaskelschwHche,  wenn 
sie  nicht  von  einem  Urletden  des  Gehirns  abhangt  und  wenn  aie 
nisbl  Zainhen  einer  E^senalFektion  ist,  leicht  OBenkarung  der  Kii- 
pferaffektion  sein.  Auch  Irrereden,  wenn  es  nicht  Zufall  einer 
Salp«teraffektion,  eines  Urieiden  des  Gehirns,  oder  eonsensneller 
eines  Urbauobleideas  ist ,  deutet  aiemlich  wahrscheinlich  auf  Ku- 
pferaffektio».  Das  nftmliche  gilt  von  der  plötzlich  eintretenden 
BcSngsiignng  bei  akuten  Fiebeni,  die  nicht  selten  Mahnboihinn 
grofser  Gefahr,  ja  wol  des  nahenden,  aber  noch  lAwendbarea 
Todes  ist. 

Altes ,  was  ich  hier  aber  gesagt ,  kann  man  nicht  als  Zeichen 
4)er  Kapferaffdciionansehen,  sondern  als  blofse  Andeuinngen ,  leise 
Mahnungen  der  Natur,  das  Kupfer  zn  versuchen. 

Die  Wirkung  dieses  Dniversafmittela  ist  so  bestimmt,  so  wohl- 
ibätig,  so  rasch,  dafs  es,  als  Probemiltel  gebraucht,  sehr  bald  den 
Zustand  des  Gosammtorganismus  offenbaret.  Die  MaskelschwHche 
siebet  man  ianerlMlb  eines  Tages  sich  bosaern,   die  BeKngstigvng 


—    990    — 

vergehen;  dcrÜHii,  war  erbrann  und  trübe,  wird  klar  nnd  heller 
«efärbl.  Auf  lelxtes  Zeichen  mufs  man  beim  Probegebraneh  des 
Kapfen  vorzüglich  acblen.  War  der  Harn  vor  dem  KupfergHbran- 
che  hellfarbig  und  klar,  wird  aber  bei  dem  Gebrancb«  nar  um  et- 
was dunkler,  ho  ist  man  nicht  auf  dein  rechten  Wege.  Auch  muft 
man  bei  dem  Pro  hege  bran  che  nicht  venäumen,  tliglich  die  Mischung 
des  Harnes  zn  nntersnchen.  Ich  habe  in  dem  vorigen  Ahschoitto 
dieses  Kapiiels  gesagt ,  dafa  bei  Eisenaffektion  der  Harn  nicht  im- 
mer 1  äugen salxi g ,  sondern  auch  oft  sauer  sei.  Nimmt  man  nun, 
ans  Mangel  unterscheidender  Zeichen ,  eine  solche  Eisenkrankheit 
für  Kupferkrankheit,  so  wird  man  sehen,  dafs  in  swei  oder  drei 
Tagen  der  Harn  bei  dem  Gebrauche  des  Kupfers  langeosaUig  wird. 
Man  mnfs,  sobald  man  das  gewahret,  gleich  das  Kupfer  fahren 
lassen  und  eu  dem  wahren  Heilmittel ,  dem  Eisen  greifen. 

Bei  dem  Gebrauche  des  Knpfers  kommt  anch,  wie  heim  Sal- 
peter und  Eisen ,  die  Zeh  In  Betracht.  Ea  gibt  Zeiten ,  wo  Knpfer- 
krankheiten  (einfache  oder  gemischte)  häufiger  vorkommen  als  sn 
anderen  Zeilen.  Siehet  man  das,  so  gehet  man  weit  leichler  in 
dem  Einzelfalle  zam  Probegebrauch  über,  als  wenn  man  es  nicht 
siehst.  Aber,  wie  gesagt,  kq  keiner  Zeit  beobachtete  ich  bis 
jetzt,  dafs  die  Mehrzahl  der  vorkommenden  Kranken  an  Kupfer- 
affektion litten ,  wiewol  die  Zahl  derselben  zuweilen  so  grofs  war, 
dafs  idb  sia  wahrer  Narr  hätte  sein  müssen,  wenn  ich  diese  Er- 
scheioong  einzig  auf  die  Individualität  der  also  ergriffenen  Körper 
biUe  schieben  wollen. 

Die  mit  dem  Kupfer  hinsichtlich  seiner  Heilwirkung  verwand- 
te)) Mittel  sind:  die  verschiedenen  Aether,  Wein,  Branntwels, 
gewürshafte  Mittel  und  destillirle  balsamische  Oele.  Am  Ende 
dieses  Abschnittes  werde  ich  mehr  von  diesen  Verwandten  sagen ; 
jeici  würde  es  mich  za  weit  von  der  Hauptsache  ahfiibren.  Es 
gilt  von  diesen  Verwandten ,  was  ich  von  den  Eisen  -  nnd  Salpe- 
terverwandten gesagt;  manche  derselben  mögen  neben  ihrer  Uni- 
versal heil  kraft  noch  eine  eigene  Orga'nheilkraft  besitzen,  nnd  in 
vielen  Füllen  mag  ihre  wohlihHtige  Wirkung  von  den  Aerzten  gut 
nod  vorglfinbig  der  ersten  zugeschrieben  sein,  da  sie  doch  viel- 
leicht einzig  von  der  anderen  abgehangen.  Hier  ist  no^  ein  wei- 
tes Feld,  nSlzliehe  Entdeckungen  zu  machen;  aber  freilich  nicht 
hinter  dem  Schreibtische  ^nd  sie  zu  machen  ,  sondern  mit  greisem 
Fleifse  und  mit  grofser  Müb«  am  Krankenbeife.  Ich  raihe  anch 
wohlmeinend  dem,  der  aus  Wifsbegierde  diese  Untersuchung  8ber- 
nehmen  wollte ,  sieb ,  wie  Paracehtt»  sagt ,  am  Danke  der  Knust 
genügen  zu  lassen ,  denn  der  Dank  seiner  Zeitgenossen  wird  ihm 
s^werlich  lohnen. 

Ich  werde  jetzt,  wie  ich  es  auch  bei  den  zwei  andern  Uni- 
varsalmitleln  geihaa «  einige  Krankheitafotman  dnicfagehen ,  mich 


—    991    — 

jedoeh  BuWrücklicb  gegen  alle  unebene  Aotlegnng  raeioer  Rade 
verwahrend.  Ich  empfehle  dat  Kupfer,  lo  wenig  aU  das  Eiieo, 
oder  den  knbiacfaen  Salpeter  gegen  gewisse  Krankheiiaformen. 
Alle  Kranicbeittformen  weichen  aber  dein  Kupfer,  wenn  sie  Of> 
fenbaningpn  der  eigenen  Affektion  des  GeBanimtorganistnns  tiad, 
die  ich,  weil  sie  durch  Kupfer  am  bellen  nnd  sichersten  geheilt 
wird,  Knpferaffektien  nenne.  Sind  die  nämlichen  Krankheilsfor- 
men Offenbarungen  einer  Eisen-,  oder  Salpeieraffektion,  ao  wei- 
chen sie,  je  nachdem  ihre  Anung  ist,  dem  Eisen,  oder  dem  Sal- 
peter, und  nicht  dem  Knpfer.     Nun  mr  Sache! 

Kopfschmerz.  Sehr  heftigen,  anhaltenden,  periodiwb an- 
regelmKfsig  sich  verstSrkeoden  habe  ich  mehrmahls  durch  Kupfer 
geheilt,  nnd  bald  geheilt.  Ob  ich  natih  schulrechler  Weise  den- 
selhcD  hätte  rheamalisch ,  oder  nervds  nennen  müssen,  das  weife 
ich  nicht;  solche  Kategorien,  unter  welche  die  Aerzte  Krank- 
beitaiDsifiode  reihen,  haben  für  das  Auffinden  der  wahren  Heil art 
gar  keinen  Nutzen.  Wenn  ein  Schmers  in-  den  Mnskeln  sitzt  and 
macht  ein  Glied  nnbeweglich,  und  ich  sage,  das  ist  ein  Rfaen- 
malismus,  so  weifs  ich  ja  durch  dieses  Sagen  nicht,  wie  ich  ihn 
heilen  soll.  Er  kann  gar  verschiedener  Artung  sein,  und  nur 
wenn  ich  die  Artung  kenne,  heile  ich  ihn.  Was  nutzt  es  mir 
also,  wenn  ich  ron  einem  Kopfschmerz  sage,  er  sei  rheumatisch, 
oder  nervös t  Es  möchte  wol  eben  so  klug  sein,  ich  nennete  ihn 
höllisch,  oder  satanisch;  znra  wenigsten  wurden  diese  nngewöhn- 
lichen  Bezeichnungen  mir  um  kein  Haar  schlechter  bei  AnfGndong 
des  Heilmittels  dienen,    als  die  gewöhnlichen  Brzllichcn. 

Den  GesichiSBchmerz  f  Ptvtopaigiaj  habe  ich  in  den  leisten 
zwanzig  Jahren  als  chronisches  eingewurzeltes  (Jehel  gar  nicht  ge- 
sehen; ganz  im  Anfange  dieses  Zeitraumes  aber  einen  Laadnano 
durch  Kupfer  davon  befreiet.  Dieser  halte  lange  daran  gelitten, 
manche  Aerzte,  selbst  entfernte  um  Raih  gefragt,  viel  Arzenei 
verschluckt,  die  Zähne  waren  ihm  ausgebrochen  und  ein  Nerven- 
zweig dnrebachaitten ;  aber  alle  diese  Kuren  halten  zu  nichts  ge- 
fShrt.  Da  ich  in  dieser  früheren  Zeit  noch  kein  gutes  Kupferprfi- 
parat  kannte,  gab  ich  ihm  viermahl  täglich  zwei  Gran  Cuprum 
ammoHiacale  in  Pulverform.  Der  Bauer  wurde  von  der  zweigrS- 
nigen  Gabe  jedesmahl  Qbel,  fühlte  aber  gleich  Linderung,  und 
nach  acht  Tagen  war  der  Schmerz  verschwunden.  Da  dieser  Zweck 
, erreicht  war,  hörte  er  auf,  zu  arzeneien ,  denn  die  Pulver  wi- 
derten ihn,  wie  er  sagte,  zu  sehr  an,  als  dafs  er  sich  überwin- 
den könne,  sie,  vom  Schmerze  befreiet,  noch  forizngebrauchen. 
So  kam  es  denn,  dafs  der  Schmer«  nach  einem,  oder  zwei  Jah- 
ren auf  irgend  eine  Veranlassung  wiederkehrte,  jedoch  auch  Je- 
deimahl  wieder  den  Pulvern  wich.  Da  ich  bessere  Kupferpräpa- 
rate kennen  lernte,    schlug  ich  einst  dem  Manne,  den  loh  gelo- 


—  sa»  — 

geoUich  am  driU«D  Orte  traf,  vor,  ich  woll«  itun  ^  nanKcb« 
Araenei  mit  einiger  Abänderang  in  Pillen  geben;  diese  würdeo 
ihm  keine  Uebelkeit  machen,  und  er  aolle  ale  dann  etnnahl  ein 
paar  Monate  hintereinander  gebranchei).  Er  halle  aber  eiaen  boI- 
chen  anbHndigen  Glauben  zu  den  blauen  Pulvern,  dafs  er  mir  er- 
klärte, er  verlange  keine  heuere  Arzenei  als  diese  Pulver;  er 
habe  noch  von  keineta  Arxte  ein  solch  wohllbAliges  Mittel  erlwl- 
ten,  warum  er  denn  >etzt,   da  er  es  endlich  gefunden,   vef&ndera 

(ol)^}   Was  war  da   einzuredend   —    Ich   konnie   ihm   leioen 

Glanhen  durch  medizinisohe  Gründe  nicht  erschüttern,  denn  «r 
wurde  sie  nicht  begriffen  haben ,  aUo  liefs  ich  ihn  dabei.  .  Seit 
der  Zeit  hat  ihn  noch  pinmahl  die  Noth  zu  mir  getrieben.  Eine 
lüDdgtingige  LeberatleklioB  halle  ihn  ergriSen,  und  ohne  ihn  ge- 
rade bettlägerig  zu  machen,  den  allen,  fast  vergessenen  Gesichts- 
flcbmerz  wieder  aufgeriUirt.  Begreiflich  halte  er,  da  er  za  mir  kam, 
seine  unfehlbaren  Pulver  schon  versucht,  aber  dieses  Mahl  ganz 
ohne  Nutzen.  loh  befreite  ihn  durch  Brechnufs  von  der  Leberaf- 
fekiion ,  und  nun  ihaten  die  allen  Pulver  wieder  ihre  gewohnle  Wir- 
kung, ielxt  habe  ich  sfit  gar  lai^er  Zeit  niohia  mehr  von  ibn  ge- 
hfirt. 

Meinen  jüngeren  Leiern  gebe  ich  aber  die  Warnung,  bei  jedem 
Gesicbtsschnierze,  welche  Form  er  auch  haben  möge,  wohl  aufzu- 
merken ,  ob  er  auch  conseQsueller  Art  sei,  Ist  das  der  Fall ,  so 
wird  ihn  weder  Kupfer,  noch  Eisen,  noch  Salpeter  beben ,  sondern 
er  wird  nur  gehoben  durch  Heilen  des  urergriffenen  Organs.  Im 
Jahr  1S33  und  34  habe  ich  viel  mit  solchen  Gesichtssch merzen  zn 
kämpfen  gehabt;  in  den  meisten  Fällen  hingen  sie  von  Urleheraf- 
feklion,  in  seltneren  von  Miliaffeklton  ab.  Jene  heilte  ich  durch 
das  Brechnnfswasser ,  zu  30  Tropfen  fünfmahl  Tages  gereicht,  zwar 
nicht  gan*  schnell,  aber  mit  regelmifsig  fortschreitender  Besserang; 
diese,  die  ans  der  Milz  kamen,  durch  Eichelwasser.  Der  Gesichu- 
schmerz  war  unregelmäfsig  periodisch,  exazerbirle  täglich,  oder 
um  den  andern  Tag  zu  unbeBiimmter  Zeit,  Hefa  aber  nie  vollkom- 
men nach,  sondern  gab  auch  in  der  Bemissionszeii  seine  Gegen- 
wart durch  ein  zwar  erträgliches,  aber  doch  hinderliches  Mahlen 
knnd.  Er  nahm  die  Schläfe,  oder  das  Jochbein,  oder  die  Uni er- 
kinnlade  ein,  ohne  sich  jedoch  an  den  Ort,  den  er  sich  einmahl 
gewählt,  zu  binden.  Er  war  ungeheuer  heftig,  so,  dafs  selbst 
harte -Leute  ihn  kaum,  ohne  laut  zu  werden,  ertragen  konnten. 
Ein  davon  ergriffenes  starkes  Bauermädcben ,  die  hei  mir  als  Werk- 
magd dient,  hat  uns  zwei  Nächte  im  eigentlichen  Sinne  aus  dem 
Schlafe  gebrüllt.  Uen  übelsten  Stand  hatte  ich  bei  einer  zarten 
Frau  von  mittlen  Jahren,  nicht  blols  wegen  der  Heftigkeit  des 
Schmerzes,  sondern  weit  mehr  wegen  der  Schwierigkeil,  das  ur- 
erkraokte  Organ   zu  finden.      Bei  ihr  sleigeile  sich   der  Sehroetz 


«nwriten  bia  sar  Obnmachl;  anfier  <}«t  rechteD  Schl&fe,  dem  Joch- 
bein« und  der  unteren  KiniÜBde,  ergriff  er  auch  wol  die  Zunge.  Die 
Fran  behaupieti!,  der  ZungeDuchmerz  sei  der  nneriräglichite.  Bei 
der  anfänglicben  Unmöglicbkeit,  irgend  ein  erliranktea  Bauchor- 
gan  so  erkennen,  wollte  ich  daa  Leid  uie  eine  Febr.  intermit. 
larvata  durcb  Chinin  verlreibeo;  der  Schmera  kehrte  sich  aber 
eben  ao  wenig  daran ,  alt  bitte  ich  Brunnenwasser  gegeben.  Nacb- 
deiu  ich,  wegen  meiner  (Jnkunde  der  Natur  dieses  üebels,  noch 
mehre  vergebene  Heilversuche  gemacht ,  brachten  mich  leise,  bald 
Tersch windende  Stiche  im  linken  HypQcbondrio  auf  den  Gedan- 
ken, ob  avch  wol  das  ganxe  Elend  von  Milikrankheit  entstehen 
k&nne.  Daa  Zeichen  der  Milzaffekiinn  war  aber  so  nnbedeutend, 
ao  vorübergehend,  blofs  heiin  Paroxitmns  des  Gesichtsscbmerxes 
■ich  angenhiicklich  offenbarend,  dab  ich  wenig  Glauben  halte, 
durch  ein  Milimltlel  den  grfiuticbeD  Gesicb  tisch  merz  su  bändigen. 
Jedoch  hielt  ich  es  für  meine  Pflicht,  in  diesem  schwer  zu  er- 
kennenden Falle  Blich  dem  Schalten  der  Wahrscheinlichkeit  zu 
folgen.  leb  gab  Eichelnwasser,  vierroahl  lags  einen  halben  Löffel 
mit  einer  halben  Tasse  Wasier  verdünnet,'  und  —  das  wahre 
Heilmittel  war  gefunden.  Nach  zweitSgigem  Gebrauche  fing  der 
Gesicbtsscbmerz  schon  an,  minder  su  werden,  und  dieses  Ver- 
mindern schritt  regelmäfsig,  ohne  (Jnterbrechnng  voran,  bis  znr 
Tollkommnen  Heiinng.  Ich  bemerke  dabei,  dafa  die  Anßll«,  die 
hinsichtlich  ihrer  Dauer  aber  immer  unregelmäfaig  gewesen  und 
meist  über  12  Standen  gewährt,  sich  erst  merkbar  verkürzten, 
nachdem  der  Schmerz  an  StSrke  bedeutend  abgenommen.  Dafs 
die  Frau,  nach  beseitigtem  Gesichtsschmerxe,  den  Gebrauch  des 
Eicheln  Wassers  noch  eine  ganze  Zeit  fortgesetzt,  brauche  ich  dem 
Leser  wol  kaum  zu  tagen. 

Chronische  Zungenentzüodung.  leb  verstehe,  natw 
dieser  Benennung  nicht  «ine  Entzündung  der  Haal,  sondern  der 
Substanz  der  Znnge.  Diese  Krankheilsfarm  rauls  als  chronisches 
Uebel  wol  sehr  selten  sein,  denn  ich  sah  sie  nur  ein  einziges 
Mahl  in  meinem  Leben.  Sie  unterschied  sich  von  der  akuten 
GloKsitis  dadurch,  dafs  kein  dentlich  an  sgesp  rochen  es  Fieber  da- 
mit verbunden  war.  Der  Puls  war  wol  etwas  gereizt  und  der 
Mann  fühlte  sich  etwas  unwohl,  dieses  konnte  man  aber  der 
Schlaflosigkeit,  der  Dauer  des  Uebels,  und  dem  von  dem  behin- 
derieo  Schlucken  abhängenden  Mangel  der  Ernährung  zuschreiben. 
Ferner  nniersebied  sie  sich  dadurch  von  der  GloatUü  acuta^  dafs 
sie  Bchon  hei  drei  Wochen  bestanden  halte,  ohne  in  Eiterung 
übensHgehn.  Uebrigens  glich  sie,  dem  finfiiereo  Aobehen  nach, 
ganz  der  akuten.  Dia  Zunge  war  geschwollen,  roth,  und  in  der 
Milie  der  rechten  Seite  fühlte  ich  eine  runde,  harte  Geschwulst 
von  d«r  Gr&lse  einer  Wallnofa.     Da«  Sdilingsn  war  sehr  erschwe- 

83"    ■ --O" 


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rei  und  der  alte  Mann  zIemHcb  abgenagen.  Cr  halte  Im  ber^ 
«eben  Lande,  wo  er  leinen  Soho  b«saobt,  du  Hebel  bekoniBeo, 
lind  da  er  mich  am  Ende  der  dritten  Woche  nm  Hfllfe  ansprach, 
noch  kein»  Arsenet  genomineo.  Aas  der  Daner  dea  (JebeU  nn<t 
aus  dem  nicht  roihen,  aber  klaren  und  sauren  Harne  Termotkeie 
ich,  dasUebel  werde  wo)  nicht  eine  Salpeter-,  oder  Eisen-,  son- 
dern Kupfergloasilfs  sein.  Ich  gab  ihm  die  Kupfenioktar  in  «wei 
Drachmen  für  die  Taggabe  in  einem  schleimigen  Tranke  «nd  sah 
sehr  bald,  dafa  ich  mich  in  der  Artung  dieser  Enlsflndung  nicht 
getfiuscht.  Schon  am  folgenden  Tage  glaabte  der  Mann  si<^  bea- 
Ker  zu  befinden;  denn  ob  ich  gleich  mit  meinen  Augen  und  Fin- 
gern noch  keine  Veränderung  an  der  Zunge  entdecken  konnte,  lo 
behanpiete  er  doch ,  ale  sei  ihm  weniger  aieif.  Nan  freilich ,  dM 
war  auch  unmöglich  zu  sehen  und  zn  fühlen.  Nach  dem  sweilea 
Tage  konnie  ich  aber  schon  unverkennbar  ein«  Abnahme  der 
Hürte  und  Ausdehnong  der  Gescbwnlst  gewahren,  ancb  halte  die 
Rölbe  sichtbar  abgenommen.  Damit  ich  non  den  L«ser  nicht  lan- 
ge aufballe,  sage  ich  ihm  kurz,  dafs  dnrch  den  fortgeseizien  Go- 
braach  des  Kupfers  das  Uebel  nach  und  nach  abnahm,  and  naah 
acht  Tagen  die  Zange  wieder  so  gesund  war  als  sie  je  gewesen. 
'  Sollte  aber  jemand  vermuihen,  ich  habe  mich  geiBusoht,  der 
Ball  in  der  Zunge  werde  wol  schon  eine  Eiierbcnle  gewesen  aad 
diese  ohne  Wissen  des  Kranken ,  während  er  im'  Schlummer  ge- 
legen, geborsten  sein;  so  bemerke  ich  gegen  eine  solche  \tt- 
mnihung  Folgendes.  Ich  habe  den  Kranken  nicht  ein ,  oder  zwei- 
mabl,  sondern  lüglicb  gesehen  und  untersucht,  und  mich  von 
der  nllmtibtigen  ,  aber  regelniäfsig  fortschreitenden  Besserung  über- 
zeugt, also  hätte  mir  das  Bers'.en  eines  Zangenabsxesses  nicht 
entgehen  kSnnen.  Wo  eine  Eilerheule  berstet,  daist  die  Besse- 
rung gleich  auffallend;  so  ging  es  aber 'hier  nicht,  es  nriheille 
sich  die  Hüne  vielmehr  gerade  wie  bei  der  akuten  Glogaitis,  nnr 
mit  dem  Unterschiede,  dafs  es  etwas  langsamer  ging. 

Meinen  jüngeren  Amtsbrüdem  bemerke  ich  noch  zum  Schlüs- 
se, dafs  die  beachriebeAe  chronische  Glossiiis  sich  ganz  gemäch- 
lich von  der  Verhäriang  und  Enizundnng  der  Zunge  unterscfaeidet, 
welche  durch  den  mechanischen  Reiz  schadhafter,  scharfer  Zähne 
bewirkt  wird.  Letzte  fängi,  so  viel  ich  bemerkt,  immer  im  Ran- 
de der  Zunge  an ,  und  verbreitet  sich  erst  später,  wenn  der  schad- 
hafte Zahn,  oder  die  Zähne  nicht  zeitig  entfernt  werden,  ia  der 
Substanz  der  Zunge;  überhaupt  fühlt  sie  sich  ganz  andera  na, 
als  jene  glossitische  Geschwnist. 

Apnplexie.  Diese  Krankheit  gehört  zu  denen,  deren  Ent- 
stehung dea  Aersten  gar  Ghel  zn  erklären  ist;  ihr«  Form  ist  sehr 
schlimm  zn  bestimmen,  denn  sie  gleicht  ja  in  manchen  Fällen 
dem  tiefen,    krankhaften  Schlafe,    auch  nidcbte  wol   der  höchste 


Gnid  in  Truokeoheit  gar  Dicht  voa  ihr  la  unteracbeiden  sein. 
Auf  der  Hocbschul«  oanoie  man  mir  zwei  Hauptanen  der  Apople- 
xie; in  einer  sollte  Bluteotziehang  nützlich  nnd  noihwendig,  in 
der  anderen  DaaStbig,  Ja  ichädlich  sein;  wunderlich  ist  es  je- 
dooh,  dafa  ich,  roin  Anfange  meiner  Praxis  bis  jetzt,  immer  ge- 
sehen nnd  gehört  f  dafs  die  Aerste  den  apoplektischen  Menscheo 
mit  der  LauEeUe  su  Leibe  gegangen  sind,  und  noch  wunderlicher, 
dafs  ich  selbit  noch  nie  Nutzen  vom  Aderlässen  gewahret  habe, 
auch  da  nicht  einmahl,  wo  ein  raller,  starker  Puls  diese  Hülfe 
amamtheD  schien.  Durch  den  Erfolg  belehn,  habe  ich  mich 
eito  schon  früh  der  Blolentleerong  enthalten. 

Wäre  Aderlassen  ein  Heilmittel  der  Apoplexie ,  so  laüfste  es, 
meines  Erachtens,  noch  weit  sicherer  ein  Yorbauungsmitlel  dersel- 
ben sein.  Ist  es  das  denn  auch  immer?  —  Ihr  konntet  mir,  wenhe 
Laser!  dreiläig  F&Ue  enäblen,  in  denen  Ihr  durch  Aderlassen 
Termeintlicl^  der  Apoplexie  Toigeb^ugt ;  wenn  ich  Euch  aber  nur 
einen  einzigen,  in  dem  das  Aderlässen  ihr  nicht  vorgebeugt,  ent- 
gegensetze, so  beweiset  dieser  einzige  weit  besser  die  Nichtig- 
keit der  blutigen  Prophylaxis,  als  Eure  dreifsig  die  Nützlichkeit 
und  Sicherheit  dravelben.  Iii  diesen  dreilsigen  beruhet  der  Be- 
weis aof  einem  blofsen  Wfthnen  and  Meinen;  Ihr  könnt  nicht  mit 
Sicherheit  behaupten,  dafs,  wenn  AlJ,en  dreifsig  Menschen  nicht 
zur  Ader  gelassen  wSre,  auch  nur  ein  einziger  den  Schlag  würde 
bekommen  haben,  bt  aber  jemand,  nach  dem  Vorbauungsaderlafit, 
selbst  bald  nach  demselben,  apoplekiiscb  geworden,  so  ist  das 
eine  sichtbare  Thatsacbe ,  über  deren  Wirklichkeit  niemand  etwas 
w&hnen  nnd  meinen  kann. 

Den  2fi.  Juli  180»  wurde  ich  von  einem  älteren  Kollegen, 
dem  jetzt  verstorbenen  Kreisphysikos  PJtffer  zu  Geldorn  gebeten, 
mich  mit  ihm  übet  einen ,  auf  niederlfindischem  Gebiete  liegen- 
den Apoplektiscben  zn  ber&ifaen.  Dieser  #ecbzigjährige ,  früher 
immer  gesimde  nnd  starke  Mann,  halte  sieb,  wegen  Anwandlung 
von  Schwindel,  zu  meinem  Kollegen  nach  Geldern  begeben  und 
eich  auf  dessen  Bath  eine  tüchtige  Menge  Blut  abziehen  lassen. 
Weit  entfernt  aber,  dafs  ihn  diese  Entleerung  vor  der  Apoplexie 
haue  bewahren  sollen,  wurde  er  vielmehr  Zwei  Tage  nachher 
davon  ergriSen.  Sein  voller,  starker  Puls  und  sein  athletischer 
Körperbau  hatten  meinen  Amtsgenossen  auch  jetzt  bestimmt,  ihm 
«in  reichliches  Aderlafs,  nebst  antiphlogistischen  Mitteln  zu  ver- 
ordnen; die  Krankheit  war  aber  nach  diesem  Heilveriuche  sicht- 
bar schlimmer  geworden.  F.,  ein  ehemahliger  Schüler  Stollt, 
der  grftiste  fintlicbe  Skeptiker,  den  ich  je  gesehen,  fragte  mich 
ohne  Umscbweif,'  ob  ich  schon  in  meinem  Leben  einen  Puls  ge- 
fühlt, der  das  Aderlassen  mehr  anzeige,  als  der  des  vorliegenden 
Kranken?   Ich  konnte  nicht  in  Abrede  Hellen,    dais  nacb  sohul- 


—    996    — 

rechter  Ansicht  d«r  Put«  des  Krankes  aaf  eine  eolcbe  Hülfe-  hiDwei' 
■a ;  setzte  .aber  hinnn ,  ich  habe  lobon  ein  paarmahl ,  aufser  der 
Apoplexie,  einen  gleich  »larken,  vollen  nnd  harten  Pult  beim  jlfa- 
raimo  »enili  gefunden,  wo  es  denn  doch  wol  schwerlich  einem  An- 
te einfallen  würde,  die  verschlissenen  Körper  durch  Bluitassen  in 
verjüngen.  Das  war  Wasser  auf  des  Skeptikers  Mühle;  satirisch 
erinnerte  er  mich  an  die  iretliche  Erklärung  jener  auffallenden  Er- 
scheinung btiiia  Marasmut ,  and  war  der  Meinung,  es  würde  denii 
doch  unweise  seiU)  in  dem  vorliegenden  Falle,  irgend  einer  Theo- 
rie »Liebe,  eigensinnig  auf  einem  Wege  forlxnscbreiten ,  der  bis 
dahin  sichtbar  und  unwidersprechlich  xii  nichts  Gutem  geführt.  Ich 
nu&te ihm  Beifall  geben,  wiewol  ich  begriff,  dafs  das  Einschlagen 
«nes  anderen  Heilweges  den  Kranken  auch  nicht  mehr  retten  wür- 
de; erstarb  (ten  dritten  Tag  nachher. 

Im  Anfange  des  xweiten  Befreiungskrieges  mnfste  ich  einen 
ach I zigjährigen  apoplekirschen  Mann  übernehmen,  dessen  Ant  xum 
KriegesboBpiial  abgegangen  war.  Dieser  hatte  dem  Allen,  bei  den 
ersten  Zeichen  des  eintretenden  Schlages,  eine  reichliche  Blntenl- 
leening  gemavhL;  nach  Aussage  der  Hausgenossen,  war  der  Kran- 
ke gleich  nach  dem  Aderlässen  schlimmer  nnd  die  Lähmung  sidit- 
hta  geworden.  Auch  dieser  haue  einen  vollen,  starken  Pnis  nnd 
wird  ihn  auch  wol  bis  zum  Tode,  der  aro  zweiten  Tage  erfolgt«) 
behalten  haben. 

Im  Jahre  1S06  wurde  ich  zu  dem  damahls  sechzigjährigen,  jetzt 
tangzt  verstorbenen  Pfarrer  J.  zu  Pf  gernfen.  Angeblich  war  M 
früh  morgens  zur  nngewohnliehen  Zeit  aus  dem  Beite  gestiegen  und 
halle  sich  gat  freindariig  geberdet;  erschrocken  eilt  man  zu  ihm, 
spricht  ihn  an,  er  antwortet  nicht,  taumelt,  nnd  man  bringt  ihn 
Niit  Mühe  ins  Bett.  Bei  meiner  Ankunft,  die  ich  inSglichst  be- 
schleuniget hatte,  fand  ich  ihn  in  folgendem  Zustande. 

Er  war  ganz  besinnungs-  und  gefühllos,  konnte  nichts  schluk- 
ken, nicht  einen  Tropfen  Flüssigkeit.  Sein  Gesicht  war  weder 
roib  noch  blab,  aber  fremdartig  entstellt,  sein  Aihemholen  lang- 
sam und  so  rasselnd,  wie  man  es  zuweilen  bei  Sterbenden  faSrt,  sein 
Pnisvoll,  stark,  abnorm  langsam,  aber  rhyifamisch  regelmäfsig,  die 
Wärme  seiner  Haut  von  der  normalen  nicht  merkbar  verschieden. 
Lähmung  konnte  ich  nicht  erkennen ,  zum  wenigsten  war  der  Hnnil 
nicht  schief. 

Da  er  nicht  sohlncken  konnte,  war  es  anch  unmöglich,  ihm 
Anenei  einzugeben.  Weil  ich  aber  meines  alten  Freundes  leiblicbe 
Eigenibnmiicbkeiien  genau  kannte,  erinnejrle  ich  mich  gleich  d«r 
aosgezt'ichneien  Beizharkeil  seiner  Haut;  auf  diese  baute  ich  die 
schwache  Hoffnung,  ihn  durch  äufsere  Heize  so  weit  zu  erweckeDj 
dafs  er  wieder  zum  Schlucken  befähiget  würde.  Schwach  war  di«n« 
Hoffnung  aber  gewifa,  da  weder  tüehtires  Kneipen  dm  Haut ,  nodi 


—    997    — 

Kilnln  dar  Fulinobl«  du  gsriogal«  Zuvksn,  oim  Bout  ein  Zeichen 
dee  Gefühli  hervorbraehte.  Ich  legte  .ihn  grofse  Zuj^pfluler  auf 
beide  Waden,  beide  Oberarme  nnd  den  Nacken.  Nachdem  diese 
Blasen  gesogen  und  der  Zustand  noch  unrerUndert  blieb,  liefs  ich 
die  Oberhaut  von  den  wunden  Sielleo  ganx  wegnehmen,  die  Pflif 
ster  mit  einem  Mestei  anfltraizen  und  wieder  anf  die  Siellen  le- 
gen ,  verordnete  auch ,  d'afa  man  dieses  von  Zeit  zu  Zeil  wieder- 
holen müijie.  Das  ersfe  Zeichen  von  Geluhl,  das  er  auf  diese 
Kasteiung  vun  sieb  gegeben,  isl ,  wie  man  mir  sagte,  sp&ier  ein 
leises  Winseln  gewesen,  welches  man  beim  Ablieben  der  Pflaster 
gewahrte.  Es  währte  aber  bis  sam  Morgen  des  drillen  Tage«, 
ehe  er  wieder  so  weil  kam ,  etwas  schlucken  tn  kftnnen.  Der 
besinnungslose  ZusUnd  hatte  also  4S  Stunden  angehalten.  Jeist 
gab  ich  ihm,  well  ich  damahU  die  Wirkung  des  Kupfers  noch 
nicht  kannte,  ScbwefelSiher  in  so  reichlicher  Menge,  als  ich  in 
ihn  hioeinbringeo  konnte.  Dieser  machte  bald  dem  bedenklichen 
Zustande  ein  Ende.  Das  rasselnde  AthemhoIeD  wnrde  xum  ton- 
losen, naiQrlichen,  und  dann  kehrte  die  Besinnung  wieder.  Es 
war  gerade  Sonnlag,  da  er  erwachte  und  etwas  verblüfft  um  sich 
schaute;  ohne  tu  sprechen,  gab  er,  gefragt,  durch  Winken  zu 
versiehn ,  dafs  er  seine  Umgebungen  kenne.  Sein  Sohn ,  der 
kürzlich  Kandidat  der  Theologie  geworden,  halle  an  seiner  Statt 
die  Kanzel  bestiegen.  Man  glaubte,  dem  Erwachenden  durch 
diese  Nachricht  eine  Freude  zu  machen;  die  Freude  äufserte  sich 
aber  auf  eine  eiwas  ungewöhnliche  Weise,  er  fing  nftmlich  an 
zn  weinen ,  blieb  am  feinen  nnd  konnte  nicht  wieder  davon 
kommen.  Ich  gab  ihm  reichlicher  Aeiher  und  Wein,  und  alillie 
dadurch  besser  seine  TbrHoen  als  durch  die  versifindigsie  Rede. 
Auf  die  geschundenen  Hautalellen  legte  ich,  um  sie  bald  zu  hei- 
len, Multersnlbe,  denn  der  Zweck,  der  durch  die  Zugpflaster 
sollte  erreidii  werden,  war  erreiohi,  mitbin  würde  es  nnweise 
gewesen  sein,  die  wunden  Stellen  durch  reizende  Mittel  offen  zu 
erhallen.  Im  Verlaufe  dieses  dritten  Tages  schickte  sich  beim 
Gebrancba  des  Aethers  und  des  Weines  alles  außallend  schnell  zui 
Besserung.  Der  Kranke  fing  wieder  an,  ungefragt  zu  sprechen, 
der  damische  Blick  seines  Auges  verlor  sich,  der  volle,  stark« 
und  langsame  Puls  wnrde  zum  normalen,  auch  an  dem  willkür- 
lichen Gebrauche  seiner  Glieder  konnte  man  im  Bett«  nichts  Krank- 
haftes erkennen.  Den  nftefasien  Tag  war  er  wirklich  im  Bette  ein 
ganzer  Held;  das  war  aber  auch  allea,  was  man  von  ihm  rüh- 
men konnte.  Das  Beiie  konnte  er  nicht  verlassen,  denn  er  war 
so  kraftlos ,  wie  ein  Mensch ,  der  eben  von  einer  schweren ,  lan- 
gen Krankheil  genesen  ist,  und  es  hat  reichlieb  14  Tage  gewflb* 
TOI,   ehe  er  sich  wieder  einigermafsen  erholt. 

Da  er  den  wsien  Versuch  machte,  im  Zimmern  gehen, .be^L. 


kam  er  heftige  Kt^mpr«  in  den  Wadenmavkelii;  er  Rchrieb  dns 
auf  die  Zugpflaster,  womit  ich  ihn  kasteiet.  Da  aber  zu  jener 
Zeit  die  wunden  Stellen  tHngaf  heil  waren ,  konnte  ich  seiner 
Meinung  nicht  sein.  Mit  der  Zunahme  der  KriOe  Tprior  aii^ 
diese  Neignng  zu  den  WadenkrSmpfen ,  die  ihm  wirklich  hinder- 
lich waren,  weil  aie,  sehr  sehmershaft,  ihn  von  seinen  Gangrer- 
suchen  abschreckten. 

Eigentliche  Lähmung  hatte  er  bei  dieser  Apoplexie  nicht  ge- 
habt; aber  doch  war'eioe  hesoodere  Krankhaftigkeit  der  Finger, 
die  sich  später  entdeckte,  eine  Folge  derselben.  Er  war  Präsi- 
dent des  Clevischen  Consislariums ;  während  seines  Krankseins 
hatten  sich  begreiflich  die  Geschäfte  gehäuft,  und  als  Genesender 
fing  er  zuerst  an  ,  das  Rückständige  nachzusehen'  und  das  Nöibige 
zu  fertigen.  Hier  gewahrten  er  und  die  Seinigen  nun  folgende 
Sellsamkeil.  Er  konnte  wol  schreiben,  aber  seine  Handschrifi,- 
die  früher,  wie  die  Handschrift  jedes  Geschäftsmannes,  eine  un- 
lerscheidbare  Eigen (hiiinlicbkeit  gehabt,  war  jetzt,  ohne  unleser- 
lich zu  sein,  nicht  mehr  für  die- seine  zu  erkennen.  —  Rührte 
diese  Seltsamkeit  nun  von  einer  Lähmung  der  Finget  her?  (Be- 
greiflich kann  hier  die  Rede  nicht  von  einer  vollkommaen  LSli- 
mung,  sondern  mir  von  einem  geringen  Grade  derselben  sein.) 
Ich  wage  dieses  nicht  zu  behaupten.  Versuchsweise  liefs  ich  ihn 
einst  ein  bis  zum  Rande  mit  Wasser  gefülltes  Glas  mit  seinen 
Fingerspitzen,  bei  ganz,  ausgestrecktem  Arme,  eine  Minute  lang 
ballen,  konnte  aber  mit  meinen  Angen  nicht  die  mindeste  Bewe- 
gung an  der  Oberfläche  des  Wassers  bemerken ;  daraus  sollte  man 
fast  Bchliefsen,  dafs  nicht  der  mindeste  Grad  von  Lfihmnng  in 
dem  Arme  und  in  den  Fingern  vorhanden  gewesen  sein  könne.  — 
Warum  jeder  Mensch,  der  viel  geschrieben,  nnwillkürlich  eigen- 
ihümlich«  Schrifizüge  macht,  das  weifs  ich  nicht  auszulegen,  also 
wBrde  es  auch  iböricht  sein ,  die  durch  Krankheit  bewirkte  Ver- 
ttaderung  dieser  E  ige  nthüml  ich  keil  erklären  za  wollen. 

In  einem  Zeiträume  von  sechs  Monaten,  hat  nnset  geistliebe 
Herr  nach  nnd  nach  die  Befähigung,  seine  alten,  gewobotea 
Schtiftznge  %a  machen,  wieder  erhallen;  ob  bei,  oder  durch  den 
Gebrauch  des  Weines  und  der  Bestnschefschen  Nerventinktnr,  m5- 
gen  meine  Leser  ratbeo «  denn  ich  weifs  es  ihnen  nicht  mit  Be- 
stimmtheit m  sagen.  Uebrigens. dient  znr  Nachricht»  dafs  der  Mann 
noch  17  Jahre  nachher  gelebt  bat,  ohne  je  Anmahnungen  vom  Schla- 
ge zu  bekommen;  er  ist,  den  Achteigen  ganz  nahe,  am  Marasmus 
allmählig  verlSscht. 

Wie  die  Schulen  die  Artungen  der  Apoplexie  eintheilen,  waib 
jeder,  ich  will  mich  nicht  dabei  aufhalten.  Sa  viel  ich  aber  selbst 
diese  Krank  he  ilsform  beobaehteti   Ist  sie  ihrer  Natur  nacb  sweiar- 


tigf  die  eiDfl  ist  d»  Slerbea  nlbat,  die  »adftre  eine  heilbare  Krank- 
heit. 

Woi  die  erste  .4riuog  beiriffi,  ao  meldet  sie  sieb  gern  TOrber 
an,  zuweilen  ein  Jafar,  jh  woI  zwei  Jahre  vorher.  Alte  Leute 
■ind  ihr  am  lueisten  auageseizi,  da«  heifut,  sechiigjährit^e  nnd 
noch  ältere,  oder  solche  jüngere,  die  ho  ichnell  und  ungestüm 
gelebt  haben,  daTs  man  sie  vor  der  natürlichen  Zeit  zu  den  Al- 
ien rechnen  mufs.  Schwinilfll,  Fehler  des  (jedüchinisses  ^  ein  Ge- 
fühl von  Abnahme  der  Krüfle,  auch  wol  schnell  vorübergehende 
Lähniungen  des  einen  oder  de«  anderen  Uliede«  sind  die  Vorbo- 
then  derselben- 

Es  ist  freilich  unsere  Pflicht,  eine  solche  Apopleyie  zu  be- 
kitnpfen,  denn  da  wir  nicht  wissen,  was  das  Leben  sei,  so  kän- 
nen  wir  auch  nicht  wissen,  ob  es  in  dein  Einzelfalle  am  Abneh- 
men, atn  Ablaufen,  ain  Verlöschen  sei;  mitbin  müssen  wir  jeden 
Menschen  so  behandeln,  als  sei  seine  Krankheit  heilbar,  unser 
blolaes  Veniiulhen  darf  keinen  Einflufs  auf  unser  ärzilicbes  Han- 
deln haben.  Im  AUgetiieiaen  niufs  man  sich  aber  nicht  aofamei- 
cbeln,  daEs  man  den.  Kampf  mit  dem  Tode  rrihtaiicfa  bestehen 
werde.  Ich  habe  mehrmafals,  seit  ich  mich  zur  gehe iiujirst liehen 
Lehre  gehalten,  bei  den  Vorbothen  der  Apoplexie  diesen  Kampf 
unternoiumen ,  aber  nie  das  Feld  behalten  könnrn,  sondern  der 
Tod  ist  zuletzt,  früher  oder  spfiter,  immer  Meisiec  geblieben, 
Zuweilen  freilich  schien  es  anderen  Leuten  wol,  als  sei  ich  ein 
wahrhafter  Todesbändiger;  allein  zwischen  dem  Schein  nnd  dem 
Sein  ist  eine  grofse  Kluft.  Ich  erinnere  mich  noch  lebhaft  einet 
achtbaren  Mannes,  den  ein  Gerühl  von  Kraftabnahme  und  ein 
Wanken  des  Gedachinisses  an  einen  apoiileklischen  Tod  mahnten. 
Das  Wanken  des  Gedächtnisses  fiufsene  sich  nicht  durch  Vergels- 
licbkeit,  sondern  durch  Aussprechen  von  WSriern,  die  er  nicht 
lagea  wollte.  Die  dadurch  bewirkte  Verwirrung  seiner  Rede  machte 
•eine  Freunde,  deren  er  viele  hatte,  sehr  besorgt  um  ihn,  nnd 
ich  raufste  versuchen,  das  geahneie  Schicksal  von  ihm  abzuwen- 
den. Outch  Kupfer  brachte  ich  ihn  in  Kurzem  so  weit,  dafg  man 
keine  Spur  der  gefürchleien  Todesboiben  mt-hr  ao  ihm  gewahren 
konnte;  er  sprach,  und  baachickle  seine  GeNchätie  wie  früher. 
Zu  einer  Zeit,  da  man  schon  lüagst  alle  Besargnifs  fahren  gelas- 
sen, vermissen  ihn  einst  seine  Hausgenosaea;  dringend*  Geschäfte 
wartao  auf  ihn,  man  sacht  ihn  veigabens  in  allen  Zimmern  und  • 
findet  iba  endlich  besinnungslos  nnd  halbseitig  gelähmt  auf  dein 
Abuitie.  Schlacken  konnte  er  noch,  aber  er  erbrach  alles,  waa 
in  seiDoa  Magen  kam.  Das  ist  ein  übler  Zufall ,  der  böseste  un- 
ter den  bösen.  So  viel  ich  mich  erinnere,  habe  icb  noch  kei- 
nen gesehen,  der  bei  diesem  Zufalle  dem  Tanse  entsprungen  Ut, 
und  so  ging  es  auch  hier,   der  Mann  starb  nach  ein  paar  Tagen. 


—     1000    — 

Ein  aoderar  70JShriger  Mann,  der  MhiHi  lio^r  über  allniBb- 
lige  Aboabme  seines  Ireuen  Gedächtniasea  geklagt,  sliirsl  einat  auf 
dem  Wege  nach  seiner  Iftndlichen  Wohnung  zusanimBii,  stehet  aber 
ohne  Hülfe  wieder  auf,  flihlt  sich  nairfi  diesem  Falle  etwas  matt, 
und  fragt  mich  um  Raih.  Nach  dem  Gebrauche  den  Kupfers  be- 
kam er  den  SchwiuilBl ,  '  der  ihn  aog^lich  loiu  Fallen  gebracht, 
in  einem  ganzen  Jahre  nicht  wieder;  der  Maogel  des  GedSchinisses 
blieb  aber.  Ein  Jahr  darauf  M-urde  er  von  einer  Besinnungstorigknt 
ergriffen,  die  aber  nur  anderthalb  Stunden  anhielt,  leb  fand  ihn, 
da  ich  bittkam,  bei  vollem  Bewufslsein.  Die  vorübergehende  apo- 
plekiiiche  Gehirnaffeklion  halle  ein«  unvollkommne  Lghmung  des 
linken  Armes  surfickgelassen ;  bald  erschien  eine  sweite  kleine 
Gehirnaffeklion  und  bewirkte  eine  Htiibläbmnng  des  linken  Fn- 
fses;  nun  machten  mehre  kleine  Anßlle  die  Lahinnng  beider  Glie- 
der ToItstSndig,  ohne  jedoch  in  den  Verrichtungen  der  Sprachor- 
gane  einige  SlSrang  xu  Terursacben.  Anbaileod'  besinnungslos, 
■wii  bei  der  gewäbniichen  Apoplexie,  ist  der  Mann  nie  gewesen. 
Sein  Schicksal  sagte  er  mir,  da  ich  zuerst  ihn  besuchte,  vorher. 
Er  war  der  Meinung,  meine  Pflicht  sei,  seine  Heilung  eu  ver- 
suchen, und  di«  seine  sei,,  meinen  Anordnungen  Folge  zn  lei- 
sten; aber  weder  meine  Bemfihnngen,  noch  seine  Folgsamkeit 
werden  das  endliche  Schicksal  der  Menschheit  von  ihm  abwenden ,  , 
seine  Zeit  sei  abgelaufen  und  er  sum  Scheiden  bereit. 

Uehrigens  hatten  die  mehrmahls  wiederkehrenden  kleinen  Ge- 
fairnaffekiionen  keinen  slSrenden  Einflufs  auf  seinen  Verstand  ge- 
habt. Er  halle  mir  früher  einmahl  in  einem  GeldgeschSfie  frennd- 
Bchaftlichen  Ratb  gegeben.  Um  zu  sehe^,  ob  auch  sein  Verstand 
gelitten,  erz&hlte  ich  ihm  jeizt  wie  ich  seinen  Raih  befolgt  und 
welches  das  Ergebnifs-  gewesen;  er  sprach  aber  wirklich  noch  eben 
so  versiBndig  und  mit  eben  der  Tbeilnahme  darüber  als  früher. 
Das  Ende  seines  Lebens  wurde  auch  ntcbt  durch  einen  erneuen 
ten  apopleklitcben  Anfall  herbeigeführt;  er  ward  vielmehr  immer 
inaiter,  sein  Puls  kleiner  nnd  schneller,  sein  Seblaf  unierbrocfae- 
ner,  sein  Gedfichlnifs  ichwScher,  und  so  verlSscbte  er  am  Ende  der 
.drillen  Woche  seines  Krankenlagers. 

Solch  ein  kurzes  Gefedit  mit  dem  Tode  lasse  ich  mir  allenfalls 
noch  gefallen;  wenn  ich  aber  Mönala  lang  mich  abmühe,  deo 
scheinlicb  Geheilten  mehrmahls  nlckfUllig  werden  sehe',  und  dann 
*  doch  endlich  der  Tod  mit  seiner  koScbernen  Taise  mir  einen  groben 
Strich  durch  meine  Reofanang  macht,  so  ergreift  lAioh  zuweilen  noch 
jeist,  obgleich  ich  der  Sache  ISngsl  gewohnt  sein  sollte ,  ein  widri- 
ges, mein  Geaehäft  anf  Augenblicke  mir  verleidendes  Gefühl.  Ich 
sehe  dann  die  Uebnng  unserer  Knnst  als  ein  Farospiel  an ,  bei  dem 
der  Tod  Baukhalter,  also  auf  die  Dauer  immer  im  Voribeile  ist, 
und  der  Gedanke  steigt  in  mir  anf,  ob  es  nicht  weit  gescheiter  sein 


-    1001    - 
n5cbta,    d«   Bankbattsn   Spte)b«lfer,    als  leia   QegenspieW  in 

•MD. 

Mache  ich  von  allen  apoplekiiieben  FAHen,  die  icb  je  behan- 
delt, einen  UDgeRihren  Ueberichla^ ,  (Bach  habe  ich  nicht  darüber 
geballen)  so  waren  die  meiaten  Ofi'enbamn;  eines  abgfingigen  Or- 
ganinsuB,  sie  Irafen  entweder. abgelebte  MenicheD,  oder  jBngere, 
die  mit  chroniichen  Gehirn-,  oder  Bauch-,  oder  Herxieiden  bs- 
hAflM  wart>n.  Apoplexie  als  krankhafte  Störung  dei  wirklieb  geson- 
den,  krftfiigen  Organismns  iah  ich  sehr  wenig.  Daher  mag  n  auch 
wol  kommen,  dab  icb  dem  Aderlassen  keine  Sonderliche  Lobrede 
ballen  kann.  Wo  ich  geholfen,  habe  ich  früher  durch  Aelber, 
Wein  und  andere  belebende  Dinge  geholfen,  spflier,  der  gebefm- 
irallichen  Lebre  folgend,  durch  Kupfer.  Bei  weitem  der  gröfsie 
Tbeil  wurde  dadurch  wieder  aufgeflickt,  wenige,  sehr  wenige  star- 
ben in  oder  gleich  nach  dem  apoplektischen  Anfalle.  Dafi  aber 
das  vermeintliche  Heilen  nur  Flickwerk  war,  darüber  kann  ich 
keinen  Zweifel  haben,  weil  entweder,  früher  orfer  später,  die  Apo- 
plexie wiederkehrte,  oder  weil,  ohne  Wiederkehr  derselben,  ein 
altmtlhliger  Verfall  des  Organismus  dem  Leben  ein  Ende  machte. 
IJebrigens  spreche  ich  hiofs  von  dem,  was  ich  selbst  erfahren. 
Ohne  es  jedoch  selbst  beobachtet  xu  haben ,  sehe  ich  leicht  ein, 
dafs  Apoplexie  eben  so  gnt  eine  im  Gebirn  vorwaltende  Eisen-, 
oder  SalpeleraffekiLon  sein  kann,  und  dafs  man  dann  weder  di« 
eine,  noch  die  andere  durch  Kupfer  wird  faeilan  können.  So  viel 
ich  Eisen  krankheilen  im  Allgemeinen  kennen  gelernt,  nrafsich  ur- 
theilen,  dafi  bei  einer  Eittenapoplexie  am  ersten  Blniesiravasate 
Ond  andere  von  dem  Eindringen  des  Blutes  in  die  feineren  Ge- 
hirngefKfse  abhängende  SlÖrnngen  tu  erwarten  sind.  Begreiflich 
wird  wnn  diese  Störungen  durch  Blotentxiehnng  nicht  vermindern, 
MHdarn  vermehren  nnd  in  den  meisten  Füllen  tödtlich  machen. 

Wenn  xn  chronischen,  meiner  Kunst  nnheilbaren  Uanehleiden, 
dleae  mögen  von  VerhSriungen,  oder  Steinen  abhängen,  steh  Apo- 
plexie mit  Liihiiinng  gesellet,  so  gebe  ich  den  Kranken  verloren, 
Aach  wenn  sie  sich  id  chronischen  Gehirnleiden  gesellet,  siehet 
•s  mi&lich  aus,  denn  diese  Leiden  hangen  entweder  von  allen  er- 
worbeoen  Bildungsfehlem  des  Gehirns  ah,  und  darauf  weifs  icb 
keinen  Rath,  oder  sie  rühren  von  epidemischen  Einflüssen  ber,  und 
dann  sind  sie,  sobald  sie  eingewurzelt,  anch  nbel  zn  heben;  je- 
doch so  lange  das  höchst  verdftchiige,  anhaltende  Erbrechen  nicht 
dabei  ist,  darf  man  den  Muth  nicht  sinken  lassen.  Begreiflieb 
können  solche  Apoplexien  nur  durch  Gehtmmiitei  gebeilt  werden, 
denn  sie  bestehen  in  einer  Urgehimkrankheit.  Ich  ralbe  aber  je- 
dem Arzte,  anch  in  den  Ftlllen,  wo  das  anhaltende  Erbrechen  noch 
nicht  erschienen,  vorsichtig  in  seinen  Versprechungen  lu  sein, 
denn  dem  von  epidemischen  Einflftssm  h«nr6hm(den  veralteten  lad 


—    1002    — 

Mhon  eingewnnielteD.  GehiroIflirfeD  itt  gut  nlobt  zatriwMi.  Eioea 
bemerkenswsrihen,  ab«r  tödtlicb«n  Fall  beobachi«!«  ich  eiiut.  Eine 
junge  Frau,  welch»  xar  Zeit,  da  hier  Gehimleiden  landgttngig, 
während  ihrer  Schwoagenchaft  viel  Kopfschmerz  und  Sdiwiadel 
gehabt,  auch  einen  gewisieo  Grad  von  UnwobUein  geapüret,  alles 
aber  der  Schwangenchaft  lugeschrieben,  warde  leicht  entbnndaB; 
ihr  Kopf  blieb  aber  Dach  der  Entbindung  noch  eben  so  krank  alt 
vorher.  Man  TertrSstete  sich,  es  werde  nach  den  sechs  .Wocbeo 
anders  werden,  die  Wochen  vergingen  und  es  wurde  nicht  anders. 
Bald  nachdem  sie  ihren  ersten  Kirchgang  gehalten,  wird  «ie  obn- 
mftchtigi  da  man  sie  wieder  an  sich  bringt,  gewahn  mau,  dab 
ihr  der  linke  Arm  gani  labm  geworden.  Man  bittet  iaid>,  die 
Sache  an  ontersochen,  und  ich  erfahre  jetal  das,  was  ich  dem  Le- 
ser beridttet.  Da  ich  die  Frau  gm  kannie,  aber  lange  nicht  ge- 
sehen, so  war  mir  ihr  Verlust  an  Fleisch  und  die  Frentdartigkeit 
ihres  Gesichtes  am  so  auffallender.  Ich  faielt  daför,  die  angebli- 
che Ohnmacht  sei  ein  kleiner,  vorübergehender  Anfall  von  Apo- 
plexie gewesen,  und  in  Erwitgung,  dafs  bei  dem  noch  jogendlicheo 
Aller  der  Frau  au  einen  Verfall  des  Organismus  ni<^t  an  denken 
sei,  dab  man  keinen  Grund  habe,  Bildangsfehler  des  Gehirns,  oder 
des  Heraens,  oder  eines  fiaacborgans  ensunehmen,  und  in  ErwX- 
gung,  dafs  das  Kopfleiden  sich  von  einer  Zeit  herschreibe,  wu  Ga- 
bi rnaffektionen  gemein  ^wesen,  blieb  nichts  anders  über,  als  den 
apopiek tischen  Anfall  fiir  eine  Folge  jener  epidemischen  Gehir»- 
berühnheit  anzusehen.  Diese  mnlhmafalicba  Erkenntnifs  war  nun 
eben  nicht  tröstlich;  jedoch,  da  der  ühelüie  ZufHÜ,  das  Erbrechen 
sich  noch  nicht  gest^igt,  griff  ich  die  Sache  mit  guiam  Mathe  ao 
und  verordnete  den  eisigaaureo  Zink,  welcher  mir  uiehrmahls  hei 
ei Hge wurzelten  leiden  gnte  Dienste  geleiatei.  Die  Wirkui^  war 
auch  hier  anSallend  wohlthälig.  Der  erste,  anderthalb  Drachmen 
enthaltende  Trank  verminderte,  nach  Aussage  der  Kranken,  das 
Kopfleiden  um.  ein  Merkliches,  der  zweite  macht«  den  Kopfsoch 
freier;  der  Ann  blieb  aber  lahm,  und  die  Kraoke  beitlSgerrg.  Sie 
war  nämlich  nach  dem  kleinen  apopleklischen,  fiir  Ohnmacht  ge- 
haltenen Anfall  so  unwohl  geworden  >  dafs  sie  sich  im  Bette  bes- 
ser fühlte  als  aufier  demselben. 

Den  dritten  Tag  konnte  ich,  weil  ich,  entfernter  Kranken  we- 
gen, schon  am  frühen  Morgen  die  Siadt  verlassen  mufiile,  sie  erat 
abends  sehen.  Fröhlich  kommt  mir  der  Ehemann  auf  der  Hans- 
flur  entgegen  nnd  sagt  mir,  ich  werde  jetzt  Freude  an  seiner  Fraa 
haben.  Auf  meine  Frage,  warum*  antwortet  er  nicht,  sondern 
bringt  mich  ins  Zimmer,  und  heilst  seine  auf  dem  Stuhle  sitaende 
Frau,  mir  ihre  schlimme  Hand  reichen.  Sie  Ihul  dieses  ohne 
Mühe  und  ich  sehe  ku  meiner  IJeherraschung,  dafs  der  lahm  ge- 
wesene Arm  wieder  gaoi  g«t  ist;    sie   kann   ihn  aiit  Leichtigkeit 


—    1003    — 

In  tiUn  Bichtongeii  bewegen.  leb  bitte  sie,  mir  •iiinmh]  derb  die 
Hand  »1  drucken,  nnd  aneh  hier  aagl  mir  mein  GefBhl,  dah  ibre 
Fin^r  weder  an  Ltthmung,  noch  Schvtficbe  leiden.  Ich  hatte 
wirklich  Freude  an  dieser  wnndergleicben  Beaserong  nnd  machte 
schon  in  meinem  Sinne  die  Anmerkang,  dafi  jeder  Arat  sich  doch 
wohl  hüten  möge,  seine,  wenn  gleich  anf  lan^'Sbrige  Beobachtung 
baairie  Prognose  wörtlich  anBSii  apre  eben.  Bis  auf  den  Augenblick 
hatten  meine  Beobachlnngen  mich  gezwungen,  eingewurzelte  epi- 
demische Gehimaffektionen  für  schwer  heilbar  ansUaeben,  undjelst 
mnfste  ich  doch  glanben,  dafs  es  ancb  Adsnahmen  von  dieser  Re- 
gel geben  könne.  Weil  ich  am  folgenden  Tage  wieder  aufser- 
slildiisohe  Geicbifie  xii  beschicken  halte,  beancbie  ich,  von  Neu- 
gierde getrieben,  die  Kranke  früh  morgens,  bevor  ich  die  Stadt 
verliefs.  Ich  wnrde  jetst  abermahls  überrascht,  aber  nicht  aaf  ei- 
ne 80  frenodliche  Weise  als  am  vorigen  Abend,  ich  fand  nHmlich 
die  Fran  im  Todeskampfe  liegen,  mit  kleinem,  kanm  fGhU  und 
xfihlbarern  Pulsscblage,  mit  blassem,  gans  entstelltem  Gesiebte, 
halb  gedfioeieD,  gebrochenen  Angen,  rSchlendem ,  sehr  schnellem 
Athen,  knra  so,  dafa  ein  Kind  sebeii  konnte,  sie  sei  am  Sterben. 
Wie  Dsd  wann  sich  dieser  Zustand  eingesielit,  war  iiichi  mit  Be- 
stimmtheit anssumitteln ;  denn  da  die  Kranke  am  vorigen  Abend 
ganz  ruhig  eingeschlafen,  hatten  die  Hansleaie  sieb  wabrscbein- 
lich  auch  dem  Schlafe  sorglos  hingegeben.  Um  Miiternacbt  hat- 
ten sie  Untatb  gemerict,  und  die  Kranke,  da  sie  nachgesehen, 
schon  in  dem  beschriebenen  Zustande  gefunden.  Weil  diese  das 
Vermögen  bü  sehIncken  ganz  verloren  and  man  überhaupt  den  Zn- 
stand für  das  S)eri>en  selbst  angeeeb^n,  hatte  man  es  für  thSricht 
gebalten,  micb  ans  dem  Bette  sn  einer  Sterbenden  xu  b»Ien. 

V.  Swieten,  der  ibeils  reisende,  theils  ansleerende  Mittel  nnd 
Btnteotriiehungen  in  der  Apoplexie  aorSth ,  sidi  MOfae  -gibt ,  die 
Fille  «ti  bestimmeQ,  in  denen  die  eine,  oder  die  andere  Heilart 
AnwendoDg  finde,  (welche  Anlegung  aber  wol  keinem  Leser  deal- 
lichen Unterricht  geben,  wird)  üufsert  sich  auf  folgende  bemerkena- 
wertbe  Art  über  diese  beiden  enigegengeaetsten  Heilarten :  Si  acria 
txätmUia  aähAita  no%  fuerint,  vel  pareina,  prvdenti  comüio, 
mort  aegri  adacr^tur  körum  itegleetui  ab  ignari»  vei  mm/evoli». 
Et  pariter-,  »i  pott  mbitat  evacuationet ,  viri6u$  if/ieo  coiiaptitf 
aegtr  pereat,  tmlpabttur  SfediaUt  imprimi»  apud  Magnat«»,  qui 
munqwtm  creduntur  perire  morÜß;  »td  taxtum  medicarum  erroratu. 
Das  ist  wahrlich  eine  wanderliehe  Rede;  sie  baweiset,  dafa  der 
gelehne  Schreiber  es  sich,  wo  nicht  gans  dentlicb,  doch  dunkel 
gedacht  hat,  dafs  die  schulrechten  Anseichtn  zu  der  einen,  odmr 
zu  der  anderen  Heilart  b&cbM  unsicher  sind. 

Sollten  manche  Lesaf  denken,  die  LeicheDÖSaungeD  haben  ja  oft 
genug  Blntüberfüllnng  des  Gehinw  nacbgewtMen,  wi«  ich  also  «bie 


-     i«p4    — 

■olche  Urmcb«  der  Apoplsxi»  rerdtehiigeo  hAam ;  m  b«m«rt»  leb 
dieaeo  Folgeodea.  Di«  Anatomen  bfibea  io  früher  Zeit  dieAffenaiia- 
tonie  dea  Gale»  in  den  menssiiliGheB  Leicfaeo  wjedersnfinden  ge^aubl« 
und  da  Veaaliu*  ihnen  Stück  vor  ^fiek  et  autlegie,  wie  thSricfat« 
wie  blind  sie  seien,  eo  wurden  lie  onwinch  und  schrien  ihn  als 
einen  unbefugten  Kritiker,  als  einen  VerScbter  der  nlten  gaten 
Schule  aus.  Nun,  ich  denke,  die  Meiuchen  bleiben  sich  in  allen 
Jahrhundeiien  so  xiemliob  gleich.  Wer  sich  einmabl  in  dfen  Kopf 
gesetzt,  Blutüberfüllong  des  Gehirns  habe  bei  einem  Menschen  den 
Üchlag  geronchi,  der  wird  in  der  Leiche  auch  diese  Blutfiberfül- 
lung  finden.  Zwischen  dem  Mehr  nnd  dem  Minder  ist  ja  keine 
bestimmte  Grense*  nlso  ist  es  blols  die  Einbildung  dei  vorgl&ubi- 
gen  Besichtigen,  welche  hier  die  Greme  ziehet.  Mir  scheint 
überhaupt  der  finu  des  Gehirns  mit  leinen  grofsen  Blotbehältem 
to  weise  von  der  Natur  eingerichtet  zu  sein,  dafs  Blutüheffüliuog 
nicht  leicht  das  Lebm  geftibrden  wird,  vorausgesetzt >  dafs  der 
Huckflafs  des  Blutes  durch  die  Drosselndem  nicht  mechaniach  ge- 
hemmet  sei. 

In  dar  alten  Welt  kannte  man  zwei  Arten  des  Schlnges,  di« 
Apoplexia  tangminea  und  terna.  Da  ich  die  Medizin  sindirte, 
war  die  serot«  lur  nervo««  geworden ;  in  neuer  Zeit  ist  aber  dieaa 
Krankheil  in  zo  viele  Abiheilungen  und  Unterabtheilungen  zer- 
spalten, dafs  mich  der  Scharfsinn  der  Aerate  wahrhaft  mit  Erstau- 
nen erfüllet.  Lenke  ich  nuB  von  dieser  acharfsinni^n  Bücher- 
weit  meine  Blicke  aof  die  wirkliche  Ärztlich -praktische  Well,  s« 
werde  ich  ganz  verwirrt,  denn  hier  soheiot  Aderlässen  und  abet^ 
mabls  Aderlässen  die  QßiiHta  euentia  aller  flrsilich-prakiischea 
Weisheit  zu  sein.  Vor  Kurzem  erzfthlte  mir  ein  sehr  kluges  Frfin- 
lein,  ihr  achtzigjihrigsr  Oheim  sei  am  Schlage  gestorbco.  Der  Arzt 
habe  ein  Aderlafa  verordnet,  aber  der  kalte  Brand  sei  an  die  Adar- 
lafswunde  gekommen.  Dals  Gott  erbarm  I  Ich  «ah  den  Oheim  zwei 
iahre  früher,  worde  wegen  Vorboiben  der  Apoplexie  zu  ihm  geru- 
fen und  beseiiigie  sie  durch  Kupfer.  Er  sprach  Wörter  ans*  die 
pr  nicht  aussprechen  wollte  und  konnte  gar  übel  die  rechten  fin- 
den. Ein  ganz  Unkundiger  konnte  schon  damahls  an  seinem  Gei> 
ate  nnd  Leibe  die  Sparen  des  lUaratwau  taiilii  anmdglich  ve^ 
kennen:  hat  er  sich  also  in  den  zwei  folgenden  Jahren  nicht  wie 
der  Soonenvogel  verjüngt,  so  mnfs  die  Apoplexie  das  Absteriwa 
seihst  gewesen  sein ;  für  welche  Meinung  denn  auch  wol  der  BrantI 
an  der  Aderlafswunde  spricht.  Er  würde  auch,  hSite  man  ihm 
nicht  zur  Ader  gelassen,  gestorben  sein;  keine  menschliche  Knast 
war  mfiehtig  genag,  ihn  im  Lande  der  Lebendigen  zu  halten.  leb 
denke  aber,  der  alle  Mann  wird  wol,  da  er  vom  Sehlage  gerührt 
wurde,  einen  vollen  und  starken  Puls  gehabt  und  einzig  dieses  den 
Arzt  zur  Blvienileening  bestinint  haben. 


—    1005    —     ■ 

D«r  Pals  ist  wirklich  «in  wnaderlicbei  Dlag,  er  kann  au 
B«hr  in  di«  Irr«  führen;  Ich  glaabe  alao,  etwu  rächt  Verdienit- 
liches  KU  than,  wenn  ich  dem  Ventande  meiner  Leser  einen  Mo- 
rien Widerspruch,  der  mir  in  der  ichulrechlen  Lehre  Ifingst  sehr 
•nalöfai^  gewesen,  wo  nicht  inr  LSanng,  dech  luin  Bedenken 
▼erlege. 

Man  liehet  Hippocralea  als  einen  au ageiei ebneten  praktisches 
Arzt  an,  als  einen  treuen  Beobachter  der  Natnr,  ans  dessen  Schrif- 
ten wir  noch  bis  diese  Stunde  viel  Gates  iSrnen  kÖnni/n.  Qalen 
hfilt  man  für  einen  ausgezeichneten  Gelelirten,'  dessen  SchriÜian 
ODS  aber  in  geachichilicher  Hinsicht  veit  wichtiger  als  in  prakti- 
scher sind.  Biese  Meinung  nehme  ich  einroabl,  ohne  ihren  Wenk 
m  bennbeilen,  als  wahr  an,  und  mache  auf  den  gri^en'Wider- 
apnich  aufmerksam,  in  den  die  Aerste  xeit  dem  Veralten  der  Ga- 
lenischen  Schule  gefallen  sind.  Hippocratti ,  der  sorgfAltige  Be- 
obachter der  Natur,  bekümmert  sich  nicht  um  den  Puls,  er  grün- 
det auf  selbigen  weder  die  Erkenninila  der  Krankheit,  noch  die 
Prognose.  Der  gelehrte  Gaie»  hingegen  gibt  sich  selbst  für  den 
feinsten  Palsfuhler  aus,  er  sollte  einem  wol  weis  machen,  der 
Arzt  müsse  es  am  Pulse  fühlen  können,  ob  ein  Mensch  Erbsen 
oder  Bohnen  gegessen.  Ist  nun  Hippocrate»  ein  solch  trefflicher 
Arzt,  der  uns  noch  jetzt  als  schwer  erreichbares  Musterbild  prak- 
tischer Weisheit  vorgestellt  wird ,  wie  \ommt  es  denn ,  dafs  wir 
nicht  ihm  hinsichtlich  der  Werthung  des  Pulses  folgen,  aoo- 
dem  vielmehr  dem  minder  praktischen  und  etwas ,  prahlfaansigen 
GiUeHf  — 

Jetzt  stelle  ieb  eine  andere  Frage  auf:  wie  sollen  wir  nns 
verhaliea,  wenn  eiaBauchrollblüiiger  vom  Schlage  ergriffen  wird! 
Ich  weib  recht  gut,  dafs  ein  junger  Arzt  leicht  diese  Frage  be- 
antworten kann;  al>er  dtiroh  die  bücherlich  richtige  Beantwortung 
ist  für  die  eigentliche  Kunst,  kranke  Menschen  gesund  zu  raaeheti, 
wenig  gewonnen.  Ich  selbst  halte  eine  bestimmte  Beantwortung 
der  Frage  nicht  blofs  für  schwierig,  sondern  für  unmSglicfa.  Fol- 
gende Bemerkungen  werden  dem  sinnigen  Leser  wol  Stoff  zum 
Nachdenken  geben. 

Wäre  Bauchvollblüiigkeit  die  nächste  Ursache  des  Schlages, 
10  müfste  der  Schlag  bnndertmahl  hftafiger  vorkommen  als  er  wirk- 
lich sich  seigt,  denn  der  Bauch  voll  blutigen  gibt  es  gar  viele  in 
der  Welt,  der  Apoplektischen  verhältlicb  wenige.  Aus  dieser  Be- 
obachtung, deren  Wahrheit  kein  beschäftigter  Praktiker  ablSngnen 
wird,  seheint  doch  wol  zu  folgen,  dafs,  wenn  BauehvollblOtigkeit 
den  Schlag  machen  sollte,  in  diesem  Falle  andere  Ursachen  und 
zwar  sehr   ernsthafte  mitwirken  müfsten. 

Ferner,  da  oft  genug  Menschen  vom  Schlage  ergriffen  wer- 
den, die  nlflht  an  BaaehvollblStigkeit  leidcB,  auch  ai«  ftSher  dar- 


—    IQM    - 

an  gelitten^  so -folgt,  4afs,  wcdb  «in  wirUleher  BauofaTollbliiiger 
■poplektisch  wird,  wir  nicht  genidazn  behuiplen  kSanen,  BaBcb^ 
Tollblnligkeit  nnd  Schlag  verhalten  lich  wi«  Unache  nnd  Wirlcaog 
SU  einander.  Es  kSoaen  ja  gleichuitig  betiebande,  von  allen  ur- 
wchlicfaen  Verbände  freie  SiArangen  dw  OrganiMiinB  lein.  Dal* 
der  Aberwilz  filterer  Aerzte  gutgläubig  und  ohne  den  geringales 
Beweia  einen  ursaeblichra  Zusammenhang  angenommen,  kommt 
hier  gar  nicht  in  Betracht;  dean  io  solchen  Dingen  kann  nur  der 
gesnade  Verstand  eioe  Stiaune  haben,  nicht  der  verkrüppelte,  Dicht 
der  Aberwitx. 

Cs  beilal,  wir  Aerste  sollaa  Diener  der  Natur  sein. 
Das  !■!  eine  sehr  verslBndige  Heda;  mir  scheint  aber,  widlea  wir 
gute  Diener  der  Naior  Mio,  so  müssen  wir  doch  allererst  dafür 
sorgen,  die  Weise  aoserar  Heisierinn  oder  Gebieterina  kennen  la 
lernen;  kennen  wir  die  nicht,  werden  wir,  wie  anstetlig  wir  uns 
anch  geberden,  immer  renwsifalt  faölierne  Diener  bleiben. 

Was  lehrt  nnn  die  Beobachtung  von  den  durch  die  Natnr  be- 
wirkten  BIntflüssen  bei  akuten  Fiebern,  namantlieh  von  den  ge- 
ueinsteo,  von  der  Nasen-  nnd  Mastdanniilatnng t  —  So  viel  ich 
die  Natur  beobat^tet  habe,  enefaeinen  diese  Bletflüne,  erster  b^ 
jnngen ,  letster  bei  ftUeren  Menschen ,  selten  oder  nie  als  wobl> 
thätige  Entleerung  bei  dem  eigentlichen  Kranksein,  sondern  früher 
oder  spfiter  bei  der  beginnenden  Bessemng.  So  ist  gew5bnlieh 
das  Naseabloien  im  Anfange  und  auf  der  Habe  der  Krankheit  eni- 
weder  nicht  erleichternd,  in  vielen  Ffillen  reracblimraernd  und  ia 
manchen  tSdtlicb.  ErBcheini  es  hingegen  beim  Nachlasse  des  Fie-' . 
bera,  beim  Wiederkehren  des  Gesnodfaeitsgefilbls ,  so  ist  ein  mfi- 
fsigas  gewSbnlich  woblthätig,  es  hebt  eia  Ueherbleibsal  von  Schwe- 
re und  Dumpfheit  des  Kopfes. 

Blutung  aus  den  HXmorrboidalgeMsen  sab  ich  dU  eiiie  wobl- 
ihStig«  fast  nie  auf  der  HShe  odec  im  Anfange  akuter  Fieber, 
aber  wol  bei  eintretender  Besserung.  In  meiner  Jugend  habe  ick 
mekrmabls  im  Anfange  oder  auf  der  HShe  solcher  Fieber  erklär- 
ten Bau<^ vollblütigen  künntliche  Entleerung  durch  Egel  machen 
lassen,  wurde  aber  nicht  wenig  verblüfft,  da  das,  was  nach  mei- 
ner Ansicht  nothwendig  helfen  mufste,  nicht  half,  sondern  wol  gar 
den  Kranken  in  grofse  Schwachheit  stürzte.  Wer  sich  einbildet, 
die  akaten  Krankheiten  müfsten  sich  anfAnglich  unter  der  Behand- 
lung des  Arztes  verschlininern,  das  sei  so  lo  der  Ordnung,  der 
empfehle  immerhin  die  ffiutegel;  ich  selbst  kann  mir  uamöglidi 
einbilden,  eine  Arzenei,.  oder  eine  Eatleerang  aei  heilsam,  auf 
welche  ich  sichtbare  Verschlimmerung  des  Krankheitssnstandes 
folgen  sehe,  gesetzt,  der  Kranke  kfime  auch  endlich  mit  dem  Le- 
ben davon. 

MedcwOrdig  ist  es  mir  imonr  geffesen^dais  sellMt  die  zur 


—    10Ö7    — 

ordcntlichsD  Zeit  «intralMtdB  MsaMraation  im  Asfan^  und  Ve^ 
laufe  ekater  Fieber  dieee  Teneblinimert ,  ja  gewöhalich  die  Hei- 
lung am  etliche  Tage  venSgeft ,  nnd  -  Kwar  nicht  biore  bei  Wei- 
bern, die  TO0  Naiar  eine  beschwerliche  Menuniaiion  heben,  son- 
dern auch  bei  solchen,  welche  im  geiunden  Zustande  nicht  daf 
mindeste  Unwohlsein  davon  fühlen.  Im  Vorigen  habe  ich  ichoo 
erzählt,  dafs  icti  einst  ein  herrschendes  Fieber  bebandelt,  wel' 
obes  durch  die  eintretende  Menstraation  nicht  blofs  rorüberge- 
hend,  sundem  anhaltend  Tersehliuueert ,  ja  böchat  bedenklich  ge- 
worden. 

Welchen  guten  Grund  haben  wir  nun,  bei  bancbroUblütigan 
Apo  piek  tischen  gleich  zu  Blutendeerungen  zu  schreiten?  Wisaeo 
wir  ea  denn,  und  kSnnen  wir  es  beweisen,  dafe' beide  Uebal  in 
ursächlichem  Verhältnisse  zu  einander  stehen?  Ich  glaube,  in  des 
meisten  Ffillen  wird  dieser  Beweis  wol  schwer  zu  fuhren  eeiii. 
Wollen  wir  also,  als  eiageöbte  Diener,  nach  der  Weise  unserer 
Meisterinn  Natur  handeln,  so  müssen  wir  wahrlich  gro&es  Be- 
denlcMi  tragen,  die  baacbToIlblfiiigen  Apofdektischen  flugs  den  Bhl- 
egeln  Preis  zn  geben. 

Es  wQrde  wahrhaft  thSricbt  sein,  wenn  ich  jetzt  xat  BewU»- 
nag  meiner  Ansicht  -fWle  anführen  wbllle,  iu  denen  auf  Blutent- 
leerungcn  aus  dem  Mastdarm  Verschlimmerung  oder  Tod  gefolgt; 
denn  da  ich  den  ^öfsten  Tlieil  der  Apolexien  als  Offenbarung 
des^ab  nehm  enden  Lebens,  also  als  das  im  Gehira  beginnende  Ab- 
sterben selbst  ansehe,  so  muffte  ich  l>ei  jedem  Falle  zuerst  den 
Beweis  beibringen,  dafs  er  an  sieh  heilbar  gewesen ;  das  kann  ich 
aber  nicht..  Es  scheint  mir  weit  nSlslicber,  sum  ernsiUoben  Nach- 
denken einladender,  dafs  ich  lieber  einen  heilberen  Fall  erzähle» 
dea  ich  genan  beobachtet  und  genau  beobachten  konnte,  weil  ich 
den  Kranken  seit  vielen  Jahren  genan  kannte. 

Er  war  eia  Sechziger,  hatte  immer  regelmfiblg  gelebt,  tfig» 
lieh  sein  gutes  Glas  Wein  getrunken,  aber  nie  in  dicum  Punkte 
aosgeschweift.  Aulser  dafs  er  eininahl,  so  lange  ich  ihn  kannte, 
an  einem  einfachen ,  t^^deutenden  \^'echselfieber  gelitten ,  war 
leine  (xesundheit  immer  ungetrübt  gewesen.  Seine  Leibesgrölsa 
war  unter  der  mittlen,  sein  Hals  kurz,  sein  Ctesicht  mth,  ohua 
aufgedunsen  zu  sein.  Die  Nator  hatte  ihn  mit  einer  seltenen 
Gleicbmütbigkeit  begabt;  er  spielte  nicht  zum  Scheine  die  Rolle 
des-  Demokrit,  er  war  vielmehr  Demohrit  selbst.  Schon  seit  meh- 
ren Jahren  hatte  er  sich  von  Geschäften  zurückgezogen ,  die  ihn, 
wie  alle  bürgerliehe  Geschfifle,  mit  den  Leidenschaften  der  Men- 
schen in  Zosammenstofs  bringen  konnten,  und  lebie  foflan  zwar 
nicht  ganz  geschäfilos,  #ber  doch  leicht  nod  angenehm  beschäfti- 
get. In  seinen  späteren  Lebensjahren  bekam  er  Anmahnnng  von 
Hänorr{.(ddeB;  ich  rietfa  ihm,  selbige  darch  Blitfeg«!  n«d.Sebw«- 


—    100»    — 

M  zu  Mgeln;  er  befolgt«  Keinen  RbÜi  und  die  BaDchvollbtülig> 
keit  hftlie  weiter  keinen  neehtheiligMi  Einfluft  auf  aein  Befinden. 

Am  Abend  des  12.  Januar  1833  schrieb  mir  seine  Verwandle, 
die  ibm  die  Hansbeliung  fübrte:  er  befinde  eich  etwas  unwohl,  sei 
tnumelig,  wanke  beim  Geben  und  habe  sich  ins  Bell  legen  mDsseD. 
Sie  bat  mich ,  etwas  zu  verschreiben  und  ihn  am  folgenden  Mar- 
gen an  besnoben.  Ich  schlofs  aas  diesem  Schreiben,  das  Ganxe 
sei  weiter  nichts  als  Orgatmmt  kaemorrkoidali* ,  und  verordnele 
eiaen  Trank  aoa  Salpeter  nnd  Schwefel.  Früh  Morgens  am  13. 
Jan.  besucht«  ich  ihn.  Die  Haushftlterinn  kam  mir  mit  weinen- 
den Augen  auf  der  Hausflur  entgegen  nnd  kündigte  »ir  an ,  er 
liege  gans  ohne  Bestaonng.  Ich  fand  das  leider,  da  ich  ans  Bett 
trat,  besiSiiget,  er  war  wirklich  ganzbesinnODgalox,  aber  doch 
nicht  ganz  gefuhllo«,  denn  wenn  ich  ihm  die  Hant  etwas  derb 
kneiple,  zackte  er  ein  wenig,  das  war  ein  gutes  Zeicshen. 

Uebrigens  konnte  ich  noch  keine  LShmnng  gewähr  werden; 
'  mir  zum  wenigsten  schien  sein  Mund  nicht  achief  gesogen,  wie- 
wol  einige  seiner  Freunde  dieses  im  geringen  Grade  sn  bemerken 
glaubten.  Sein  Athem  war  wie  der  eines  tief  Schlafenden,  wol 
mitunter  ■chuarehead,  abrr  doch  nicht  rasselnd.  Der  Puls  Toller 
and  stJtrkar.  als  im  gesanden  ISaatande,  dabei  nnregelniSfsig  und 
stark  anssetzend.  Das  Gesicht  roih,  wie  ich  es  an  ihm  gewohnt 
war,  aber  voller,  ohne  dafs  man  es  eben  aufgetrieben  oder  aaf- 
gedunsen  hätte  nennen  k5nnen.  Die  Wärme  seines  KSrperaawar 
gleiohmäfaig  an  allen  Theilen  rermehrt,  jedoeb  nicbt  in  dem  Gra- 
de wie  bei  einem  biiaigeu  Fieber.  Das  Schlacken  ging  nach  gnt, 
man  mnfsl«  sieh  aber  einige  Muhe  damit  geben.  Den  Harn  konn- 
te ich  nicht  sehen ,  weil  man  ihn  unter  diesen  Umständen  nicht 
faati«  aaffangen  kftonea. 

Ueber  die  Ausbildung  dieses  Zusiandes  ergab  die  Ausfragnng 
der  \idite  Folgendes.  Am  vorigen  Abend,  da  er  sich  des  Scbwin- 
dels  und  des  Unwohlseins  wegen  ins  Bett  gelegt,  war  er  bald  in 
einen  Schlaf  gefallen,  den  man  für  einen  natürlieheo  nnd  wohl- 
thäligen  gehalten.  Zwei  Stunden  naohhdk  da  die  ran  mir  verord- 
nete  Arzenei  angekommen,  hatte  man  beim  Eingeben  derselben 
zuerst  Verdacht  gesch5pft.  Nach  nnd  nach  war  der  vermeintlich 
wohlihätige  Schlaf  immer  widernatürlicher,  tiefer,  und  der  Kranke 
schwerer  ecweckbar  geworden,  weiter  seine  Sprache  lallend,  dann 
ganz  unverständlich;  nngeftbr  am  Mitternacht  war  der  gegenwär- 
lige  Zustand  gans  ausgebildet  gewesen. 

Wegen  seines  Alten  nnd  des  vermeintlichen  HiAihu  ap^ee- 
tiei  wurde  der  Mann  von  seinen  Freunden  für  verloren  geachtet 
und  sie  begehrten  meine  Meinnng  darüber  ma  hSren.  Ich  sagte 
ihnen  Folgendes.  In  dem  Falle,  dafs  diese  Apoplexie  das  Sterben 
nlhiit  sei,  kSDM  ich  Meinem  allen  Freund«  nidlit  belfui;   ob  aio 


_    1009    — 

dfes  ab«  sei ,  IcBniM  ich  aimöglieh  iviuen.  -  Weil  ich  diMes  ava 
nickt  wiue,  halte  icb  für  meilie  Pflicht,  den  Leider  so  %a  behan- 
deln, als  sei  er  dein  Tode  noch  nicht  TerfalleQ,  sondern  blofs  von 
einer  hoÜbarcn  Krankheit  ergrißen.  Weil  sie,  seine  Freunde,  es 
aber  eben  so  wenig  wissen-,  sei  es  ihre  Pflicht,  sich  alle  Gedan- 
ken des  Sterbens  aus,  dem  Kopfe  zu  schlagen,  andjneiner,  airf 
eine  heilbare  Krankheit  bereefaoeien  Anordnung  gewissenhaft  Fol* 
ge  zn  leisten. 

Diese  Rede  ist,  denke  ich,  jedem  Nichlarst«  sehr  versttlBd- 
Itch.  Sobald  der  Gedanj^e,  der  Kranke  sei  anreitbar,  in  den  KS- 
pfen  seiner  Freunde  and  Hansgenoasen  ainmabi  vorherrscht,  ge- 
schehen die  HülSeistnngea,  die. der  Arzt  verordnet,  sehr  fiau,  nur 
halbj  oft  nur  znm  Scheine,  blofs  tiin  qich  das  Ansehen  zu  geben, 
als  erfülle  man  bis  zum  letzten  seine  Pflicht;  will  also  der  Ant 
itm  Kranken  helfen,  so  piufs  er  zuerst  4en  Gedanken  der  Freun* 
de  und  Hausganosseä- die  gahSrige  Ricbiiing  geben.  Auf  scblicht 
verständige  Menschen  wirkt  ab«r  weder  Lüge,  noch  Prahlerei,  son- 
dern die  nackte  Wahrheit,  darum  mufa  man  bei  der  Wahrheit 
bleiben. 

Ich  verschrieb  jelEt  folgenden  Trank,  f^  Gummi  TVagacmt- 
thae  ^ii  So/ee  in  aqiae  deitiUatae  f  Xvi  md4e  Tincturae  Cupri  oce- 
tici^^  M —  Von  diesem  Tranke  mofste  man  dem  Kranken  stünd- 
lich, Tag  und  Nacht  durch,  einen  Löffel  voll  reichen. 

Am  folgenden  Tage  war  der  Zustand  schon  vorlbeilbaft  vw- 
ändert,  nicht  blofs  in  meiner  arzilicben  Einbildung,  sondern  allen 
Menschen  sichtbar,  selbst  denen  sichtbar,  welche  am  vorigen  Tage 
die  übelste  Ahnnng  gehabt.  Besinnung  und  Sprech«  waren  zwar 
noch  nicht  wiedergekehrt,  aber  der  Kranke  bewegte  doch  wieder 
etwas  seine  Glieder,  und  rief  man  ihn  laut  slo,,  so  SSoete  er  .die 
Angen  und  schaute  etwas  damisch  um  sich.  Auch  das  Gefühl  war 
besser,  denn  wenn  ieh  ihn  jetzt  nur  ein  wenig  luiei(tte,  bew^te  , 
er  das  gereizte  Glied;  ich . ü herze ngle  mich  also,  dafs  seine  Glie- 
der nicht  gelähmt  waren.  Wie  es  um  die  Zunge  aussah,  das  konn- 
te ich  freilich  noch  nicht  wissen,  sondern  mufste  es  abwarten. 

Bei  meinem  dritten  Besuche ,  also  nach  zweitägigem  Kupfer- 
gebrauche,  war  die  Besserung  merklich  vorangeschritten.  Der  Puls 
war  jetxi  nicht  mehr  unregelmfifaig  und  auasetzead,  die  Sprache 
wiedergekehrt,  der  Gebranch  der  Glieder  freier,  der  Harn,  den 
ich  jetzt  sehen  kennte,  etwas  dunkler  als  im  nonnalen  Zustande, 
er  trübte  sich  beim  Erkalten.  Uebrigens  war  der  Kopf  noch  et- 
was eingenommen  nad  das  scblafsuchtige  Wesen  noch  nicht  ganz 
gewichen. 

Bei  meinem  vierten  Besuche,  also  nach  dreitägigem  Kupfer- 
gebranche,  war  die  eigeaiÜche  A|JOplexie  gehoben.  Der  Kranke 
sprach  oideaüich,  ohne  jedoch  gesprächig  zu  sein,  das  schlafsüch- 

_    --■64     ---^-^^,,.^ 


—     1010    — 

rig«  Wenn  war  gans  venohwaadeo,  er  verlangte  aus  den  BeKe, 
und  konnte  lieh,  da  man  ihm  aufhalf,  bewegen,  leine  Bewegnn- 
gea  waren  aber  noch  langiam  und  unsicher.  Von  den  rerfloaa»- 
n«n  KrankheUsiagen  batie  er  auch  keinen  Schatten  der  Erinneruog, 
dat  konaleo  die  Hanagenonen  ans  teioen  erslan  Anordnungen  ab- 
nehmen. Uebrigens  wÜhnc  ea  noch  zehn  Tage ,  ehe  dci  nftcht- 
liche  Schlaf  ruhig  and  erquicklieb,  die  Efiluat  regelmSfaig ,  und 
■  die  Mnakelkraft  ao  weit  wiedergekehrt  war,  dafa  er  den  gaoaen 
Tag,  obn»  zu  ermüden,  aufaer  dem  Bette  bleiben  konnte,  kurz, 
eb«  er  nieder  to  war,  wie  er  vor  der  Jtpo|>lexie  geweaen.  Ich 
liefa  ihn  in  dieser  Zeit  das  Kupfer  fori  gebrauchen,  jedoch  den  nScbt- 
lieben  Gebranch  einsrellen,  bemerkte  aber,  Auh  der  Harn  bo  blieb, 
wie  ich  ihn  zuerst  gesehen,  ninilich  etwas  dunkler  als  im  norraa- 
Un  ZuBiande  und  beim  Crkalieo  trüb  werdend.  Wenn  man  in  Fäl- 
len, wo  die  wohlihStige,' heilende  Wirkung  de«  Kupfers  nicht  za 
verkennen  ist,  eine  solche  Regelwidrigkeit-des  Hamea  gewahret, 
mnfs  man  mit  Recht  besorgen,  dafs  dieses  Vorwalten  der  Affek- 
lion  des  Gesammtorganismus  zum  Urleideo  der  Nitren  werden  wol- 
le, und  man  handelt  klug,  diesem  vorzubeugen.  Ich  gab  also  dem 
Kranken  einen  Anfgnfa  der  Goldruihe  und  machte  dadurch  in  drei 
Tagen  die  Harnabsonderung  gans  normal. 

Ich  habe  den  Kranken  zebnmabl ,  also  fast  tftglicb  gesehen, 
und  erat  dann,  da  er  wieder  sb  seiner  gewohnten  Lebensordaang 
überging,  verlassen.  Jedoch  ihm  auch  daoQ  noch  das  Kupfer  äta 
Woche  lang  fonzubrauehen  geraihen.   . 

Nachdem  er  nun  ungefttfar  seit  14  Tagen  in  die  Reihe  der  Ge- 
•nnden  getreten  war,  seine  gemächlichen  (Jieschxfie  beschickt  und 
sein  gewohntes  Glas  Wein  getrunken  (letztes  haMe  ich  anfänglich 
beim  Kupfergebraucbe  untersagt),  liefa  er  mir  durch  den  dortigea 
Wundarzt  wissen,  er  habe  schmerzhafte  Hünterrhoidalknoten  am 
,  After  bekommen^  wie  er  sich  dabei  verhalten  sollet  ob  er  Egel 
ansetzen  dürfe,  oder  ob  ich  fürchte,  dafs  ihm  die  Bluten tleeraag 
zu  seht  schwächen  werdel  —  leb  hiels  ihm  gleich,  ohne  Verzug 
die  Blutegel  aalegen,  ond  da  i<^  ihn  hernach  sprach,  sagte  er  mb, 
er  habe  sich  nach  der  reichlichen  Blutentleerung  nicht  im  gering- 
sten schwach,  sondern  vielmehr,  wie  früher  nach  dieser  Entlee- 
rung, heiter  und  wohl  gefühlt. 

Ich  sehe  voraas,  dals  manche  Leser  meine  Behandlung  dieser 
Apoplexie  sehr  tadeln  werden,  denkend,  es  würde  doch  weit  klü- 
ger gewesen  sein,  die  Blutegel  gleich  bei  meinem  ersten  Besuche 
zu  verordnen,  ziimahl  da  spfiier  diese  Entleerung  dem  Manne,  nach 
seinem  eigenen  Geständnisse,  sehr  wohl  gethan.  Diesen  Lesern 
bemerke  ich  aber,,  dafs  zwischen  dem  gesunden  und  dem  krankeD 
Menschen  ein  grofser  Unterschied  stattfindet.  Blnieotleerung ,  di« 
jenem  gut  thui,    kann  diesen  lödien,   oder  ihn  doch  in  einen  aol- 


—  1011  - 
eben  Zustand  veraetsen,  ans  dem  wir  ihn,  iIdiI  wir  auch  lehr  kKn- 
stig,  nur  mit  grofser  Mühe  wieder  herauareifaen.  Eine  Krankheil, 
die  uian  nicht  «inbildiach,  sondern  augenscheinlich  durch  Kupfer 
heilet,  heilt  sich  nicht  durch  Blutemieerung ,  man  wird  sie  viel- 
mehr schliiumer  dadurch  niHchen,  und  wenn  bei  der  Apoplexia 
noch  keine  Lähmung  vorhanden  ist,  diese  am  ersten  dadurch  her- 
TOrruren. 

Es  k&nnten  jeist  andere  Leier,  mich  beim  Worte  fassend,  al* 
so  sprechen :  Wenn  es  wahr  ist,  data  Bluieniiiehung  aus  dem  Af- 
ter deinem  durch  Knpfer  geheilten  npopiek tischen  Manne  wfihrend 
■einea  eigentlichen  Krankseins  schädlich,  ja  tddllich  gewesen  «ein 
würde,  so  bist  du  offenbar  in  eine  grobe  Fofge Widrigkeit  TCrfal- 
ten,  dafs  du  demselben,  nachdem  er  seit  vierzehn  Tagen  wieder 
in. die  Reihe  der  Gesunden  getreten,  ohne  Zagen  eine  Blntentle*- 
raog  hast  machen  lassen;  du  hättest  ihn  ja  gar  leicht  dadurch  in 
deti  Zustand  inrüoksiüriea  kSonen,  nus  dem  du  ihn  durch  das  Kn- 
pfer gezogen.  —  Ganz  recht,  werihe  Leser!  hfitte  ich  die  beschrie- 
bene Apoplexie,  nach  sebulrechter  Ansicht,  für  Apoplexia  nervota 
gehalten,  sie  mit  dem  sifirkenden  Kupfer  geheilt,  und  nun  vierzehn 
Tage  nachher,  den  voo  der  Schwftchekrankheii  Hergestellten  durch 
Blulentziehung  wieder  geschwächt,  so  würde  ich,  wfire  diese  schnl- 
rechie  Ansicht  wahr,  wol  fürs  Irrenhaus  reif  sein.  Allein,  wer 
kann  denn  behaupten,  dafs  die  Apoplexie,  wie  sie  dieser  Mann 
halle,  eine  Schwftcbekrankbeit  nnd  dafs  das  Kupfer  ein  slSrken- 
des  Mittel  sei?  Ich  wahrhaftig  nicht;  solche  scbnlrechle  Katego- 
rien balie  ich  vielmehr  für  einen  blofien  Worlklang  ohne  Bedea- 
tnng.  In  dem  erztthlien  Falle  war  die  Apoplexie  eine  indemGe- 
birn  vorwaltende  Kupfernlfektion  des  Gesamnitorganismas;  nicht 
Schwäche,  nicht  Asthenie  u,  s.  w.  Niemand  kann  auch  bewei- 
sen, dafs  die  Baucfavollblruigkeit  des  Mannes  in  einem  ursachlicben 
Zusammenhange  mit  seinem  Gehiraleiden  gestanden:  nachdem  ich 
also  die  im  Gebirn>  vorwaltende  Kupferafieklion  des  Gesammtor- 
ganismus  heseiiiget  und  gründlich  beseitiget  halte,  war  es  doch 
wol  nicht  besonders  waglich ,  dem  übrigens  gesunden  Manne  ein 
chronisch  gestörtes  Organ  auf  die  einfachste  Weise  in  Ordnung  zu 
bringen. 

Jetzt  stelle  ich  eine  andere  verföngliche  Frage  auf: 
Wenn  ein  Mensch  besinnungslos  am  Fufse  einer  Treppe  ge- 
funden wird,  wie  kann  man  wissen,  ob  er,  aus  Unvorsichtigkeit 
berunlergeslürzl ,  eine  Gehirnerschrniening  oder  Scbädelrisse  be- 
kommen, oder  ob  ihn  der  Schlag  gerührt  und  er  besinnungsloM  die 
Treppe  bernntergerntscht  seit  Zweimahl  in  meinem  Leben  ist  mir 
ein  solch  häklicber  Fall  vorgekommen.  Da  aber  das  Alter  der. 
Gefallenen,  die  icb  genau  kannte  (es  waren  siebzigjährige  Wei- 
ber), die  längst  sichtbar«  Abnahme  ihrei  Organismus,    die  Abne- 


—     Mit     — 

tenheil  erkennbarer  VerlMxungeo  der  Safaeren  Theile  des  Kopfea, 
weit  mehr  dftfQr  spraohen,  dafa  sie  vom  Schlage  gerührt  die  Trep- 
pe herunlerge rutscht,  aU  durch  (InachlsamkeEt  heniniergeBlürst  Dod 
sich  den  Kopf  verletzt,  so  behandelte  ich  aie  naeh  dieier  Ansicht, 
aber  leider  ohne  Erfolg.  Ehe  drei  Tage  am  waren  alarben  sie. 
Bei  der  einen  konnte  man  aus  dem  seMef  stehenden  Munde  auf 
Li&bmnng  sehliefsen;  der  anderen  stand  der  Mund  zwar  nicht  schief, 
aber  sie  erbrach  alles,  was  sie  in  den  Mftgen  kriegte,  und  das  war 
noch  bSser. 

WHren  das  nnn,  statt  siebzigjShrige  Leute,  TiersigjShrige  ge* 
wesen,  deren  Organismus  ich  früher  nicht  gekannt,  so  würde  ich 
micb  doch  in  nicht  geringer  Verlegenheit  Iwsfunden  haben. 

leb  erinnere  mich  nocb  aus  meiner  Scbulseit,  dafs  man  dort 
einen  alten' Arxl,  der  mweilen  ein  Glas  über  den  Durst  trank  und 
den  ich  sehr  gut  gekannt  habe,  am  Fnfse  einer  nur  vier  oder  fünf 
Stufen  hoben  steinernen  Treppe  besinnungslos  fand.  Wahrschein- 
lich bestimmte  eine  Betile  am  Kopfe  seinen  Kellegen,  ihn  la  tn- 
paniren;  troix  dem,  dafs  man  ihm  den  Schädel  aufbohne,  starb  er 
aber  gar  bald. 

Aeholiohe  Fälle  habe  ich  bei  tlteren  Aervten  gefnnden.  So 
ercBhlt  6r.  Hwit  (ob».  13.  /i2.  2.  de  morb.  capit.):  ein  sechzig- 
jlhriger  Geistlicher  sei  von  der  Treppe  gesiürst  und  fGr  apoplek- 
tisch  erkannt.  Der  Erzähler  Isfst  dem  Gefallenen  zur  Ader  nnd 
wendet  alle  damahls  übliche  Hötfen  an,  aber  er  stirbt.  Ein  b&- 
aes  Zeichen  fand  sich  gleich  bei  dem  Manne,  nämlich  das  Erbre- 
chen. 

Bei  dem  Lüiticher,  Hemr.  ab  Ueen,  (obM.  21.  lA.  1.)  habe  ich 
anefa  einen  selchen  Fall  gelesen.  Der  Organist  eines  Frauenklo- 
Bters  betrinkt  sieb  in  einem  \ye!nbBnse  nnd  sifirRt  kopfunter  in 
den  Keller,  bekommt  «war  tüchtige  Beulen  am  Hinterkopfe,  aber 
keine  Schidelrtsse,  wird  von  hinsngernfeBeti  Aerzlen  fSr  apoplek- 
liscb  erkannt  nnd  als  unheilbar  verloren  gegeben.  «.  Heen  heil- 
te ihn  jedoch  durch  Blasenpflaster,  scharfe  Klystire,  Porganzen 
und  SchröpfkSpfe.  Der  Fall  ist  aber  sehr  unTollkammeo  erzihlt. 
Die  Trunkenheit  ist  ja  in  ihrem  b&beren  Grade  der  Apoplexie  so 
ähnlich  als  ein  Ei  dem  andern,  und  gehet  auch  zuweilen  wirklich  in 
diese  über;  darauf  hiiie  doch  der  ErzählerRücksicht  nehmen  müssen. 
Jetzt  bleibt  es  ein  Rälhsel,  ob  und  wie  viel  die  Besserung  dem 
verflogenen  Weinrausche,  oder  der  firtfrlichen  Hülfe  suzuscfareiben 
sei.  Ueberhaupt  scheint  dieser  Lüiiicher  dem  Schinge  etwas  weite 
Grenzen  zu  setzen,  welches  man  aus  folgendem  Gescbichtcben  nb- 
nehinen  kann  (es  findet  sich  am  Ende  der  vorigen):  ÄfiHm  Angfum 
apopleeticum,  (der  vorige  war  nämlich  auch  ein  Engländer)  in  cu- 
JH»  capvi  magna  porta  cum  trabe,  eui  adhaerebat,  deciderat,  ita  eu- 
ravi.     N'iin  folgt  die  Behandlung,,  die  nichts  HerkwQrdiges  enihSll. 


—    1Ü13    — 

Am  merkwärdigalao  ist  himr  d»  Sicherheit  der  Diagnose  des  Schla- 
ges; denn  wem  ein  Scheonentbor  mit  einem  Balken  auf  den  Kopf 
gefallen,  der  hat  nn  widersprecht  ich  einea  wahrhaften  and  tüchtigen 
Sehlag  bekommen. 

Uebrigcns  ist  der  Schlag  eine  von  denen  Krankheiten,  deren 
Ariong  ioweilen  der  gescheiteste  Arzt  nicht  erkennen  kann.  Wer 
kann  z.  B.  die  Bildungsfehler  des  Gehirns  erraihen,  wenn  man  zn 
einem  Apoplekiischen  gerufen  wird,  den  man  vorher  nicht  kannte ! 
Hat  man  es  mit  verständigen  Umgebungen  zu  thnn,  die  einem  über 
das  Vorhergegangene  bestimmte  Nachricht  geben,  so  kann  man 
luweiten  Verninthungen  wagen;  aber  eine  ungeschlachte  Umge- 
boDg  macht  auch  dieses  nnmöglich.  Als  zweiter  Arzt  einst  zu  ei- 
nem Apoplekiischen  gerufen,  schlofs  ich  aus  einem  fixen  Schmer- 
ze, der  wie  der  Clavui  hyttericut  an  einer  besiimmten  Stelle  des 
Kopfes  den  Kranken  schon  mehre  Jahre  vorher  gemartert  hatte, 
dafs  die  Apoplexie  and  die  sie  begleitende  LBhmung  wahrschein- 
lich von  einem  älteren  Bildangsfehler  des  tiehirns  abhänge  nnd 
Hülfe  also  schwerlich  za  finden  sein  werde.  Bei  der  LeichenSS'- 
nong  sollen  zwei  bei  dem  Falle  nnbetheiligte  Aerzte  an  der  fnl- 
her  schmerzhaften  Stelle  ein«  von  eiteriger  Flüssigkeit  umgebene 
schwammichffl  After  Organisation  in  der  Gehirnsubslanz  gefunden 
haben.  Ich  selbst  war  nicht  bei  der  LelchendfTnung,  habe  aber 
den  Befund  aus  dem  Munde  eines  der  Uniersncher.  Die  Diagnose 
war  in  diesem  Falle  so  sicher,  als  eine  blofs  vermuibliche  es  sein 
kann;  allein  ich  hätte  mich  dennoch  täuschen  können.  Die  Art 
solcher  Gehirnbildungsfehler  aber  beim  Leben  des  Leiden  za  er- 
kennen, scheint  mir  ganz  nnmöglich.  Wer  würde  z.  B.,  wenn  er  auch 
im  Allgemeir>en  einen  Bildungsfehler  des  Gehirns  vermuthete,  auf 
einen  solchen  zu  schliefsen  wagen,  wie  ihn  Felix  Ptaler  einst  bei 
der  Leicbenölfnung  einer  Apoplekiischen  fand?  (Obtervat.  Hb.  \. 
pag-  i&)  Nach  weggenommenem  Schädel  fuhhe  er  das  Gehirn  io 
seinen  Häuten  schwappen,  nnd  wie  er  diese  öffnete,  Oofs  es  wie 
ein  dicklich  weifser  Brei  über  das  Gesicht  des  Leichnams.*) 

Lähmung.  —  Diese,  unter  welcherlei  Form  sie  auch  er- 
scheinen mag,  ist  oft  consensueller  Art,  hängt  von  einem  Urlei- 
den des  Gehirns,  Rückenmarkes,  des  Herzens,  oder  eines  Bauch- 
eingeweides ab  und  kann  nur  durch  Heilung  des  urerkrankten  Or- 
gans gründlich  geheilt  werden.  Da  aber  blofs  chronische  und  un- 
heilbare  Fehler  des   Herzens   oder  der   Bancheingeweide  consen- 


')  Unber  die  Gehlrierweidiiin^  bat  IB3i  D.  F.  W.  UppieA  in  XVI.  Biod« 
3;  StBclie  der  »«dii.  JabrbHeber  de»  k.  k.  Ssterr,  St««tM  grichrlebcD.  — 
W»r  ■eogierig  iil,  m  errikrea,  tat  mtcbvB  Zttittf  bei»  Leben  de«  Rraa- 
kea  eiag  GebiraerweirbDaK  la  arkeao«a  tti,  dir  kau*  d«i  dort  sarbeB:! 


-Jügic 


—    lOU    — 

ludle  Llhmangen  macheo,  so  sidwt  m  gewShalieb  an  du  gröod- 
lich«  Heilung  toicher  LäfamuDgen  mifalich  aaa. 

Ferner  Hiod  Lähmungen  auch  saweileo  eis  blofiet  Vorwalien 
•inet  Atfekiion  des  GeiiniiiintorgBDiiiiius  in  dem  gelähniien  Tbcile 
und  werden  dann  durch  das  geeignete  Universalittittel  gehoben. 
Gar  leicht  käonte  jemand,  dei  mit  dem  Kupfer  anfangt  umsuge- 
hen,  bevor  er  mit  deuea  Wirkung  vertraut  geworden,  durch  et- 
liche glücklich  geheilte  Fälle  verleitet  werden,  ea  ala  das  höchste 
Mittel  in  LShmungen  auszurufen.  Ich  warne  ihn  jetxi  vor  lolchet 
gar  zu  dreisten  Lobpreisung  und  sage  ihm  vorher,  dafs,  bat  er 
nnr  ein  wenig  Geduld,  er  auch  auf  Falle  Stoffen  wird,. die  er  wol 
mit  Eisen,  aber  nicht  mit  Kupfer  heilt.  Ja,  wer  das  Glück  bat, 
alt  genug  zu  werden ,  der  kann  auch  vielleicht  auf  Lähmungen 
stofsen ,  die  weder  durch  Eisen,  noch  durch  Kupfer^  eondern  durch 
Salpeter  geheilt  werden;  ich  selbst  habe  aber  diese  letzte  Art  noch 
nicht  beobachtet. 

Weiter  gibt  es  Lähmungen,  die  ein  echtes  Urleiden  des  ge- 
IShmlen  Theiles  seihst  sind;  von  diesen  habe  ich  bemerkt,  dafs 
sie  sich  weit  beider  durch  ttuCierlicfae  als  durch  innerliche  Mittel 
heilen. 

Endlich  darf  man  nicht  vergessen,  dafs  sowol  alles  Consen- 
suelle,  als  auch  das  Vorwalten  der  Aifektion  des  Gesammiorganis- 
mus  zum  Urleiden  des  ergrifienen  Theiig  werden  kann;  man  wird 
dieses  allgemeine  Gesetz  des  Organismus  auch  bei  den  Lähmun* 
gen  bestätiget  finden. 

Ich  nmfs  aber  zur  Steuer  der  Wahrheit  bekennen,  dafs  nii 
Lähmungen  vorgekommen  sind ,  deren  Artung  ich  nicht  habe  «- 
gr^inden  können.  So  lebt  hier  noch  ein  geringer  Mann,  dessen 
untere  ExiremilSien  ganz  langsam  nach  und  nach  gelähmt  sind- 
Ich  habe  alle  äulaerliche  and  innerliche  Mittel  angewendet,  von 
denen  ich  mir  nur  einigermafsen  Hülfe  versprechen  konnte,  bin 
nber  mit  meinen  Künsteleien  nie  weiter  gekommen ,  als  znr  un- 
willkürlichen schmerzhaften  Bewegung  der  Füfse,  und  habe  ihn, 
nachdem  ich  mich  anderthalb  Jahr  vergebens  abgemühet,  unge- 
heilt  aufgeben  müssen.  Gründe  der  Wahrscheinlichkeit  sprechen 
für  gröfaere  Nierensteine.  Sein  Harn  emhsit  froschlaichanigen 
Schleim,  von  Zeit  zu  Zeit  Sand  nnd  ist  ungeheuer  stinkend. 

Die  vunderlichste  Art  Lähmung  habe  ich  im  ersten  Jahre  meiner 
hiesigen  Praxis  gesehen,  den  Kranken  aber  nicht  behandelt,  sondern 
er  ist  mir  von  einem  Freunde  blofs  d^r  Seltsamkeit  wegen  gezeigt 
worden.  Das  Hebel  bestand  in  einer  nnvollkommnen  Lähmung  der 
unteren  Extremitäten,  und  die  Seltsamkeit  darin,  daCi  an  den  halb- 
gelähmten Gliedern  bald  hier  bald  dort  die  Haut  wellenförmig 
zuckend  sich  erhob.  Eine  solche  zuckende  Welle  war  ungentbr 
eine  halbe  Spanne  lang,  woraus  idi  zcfalofs,  dals  das  Zucken  nicht 


—    1015    — 

in  dem  gADieo  Körper  einet  MuskeU,  sOBdeni  io  eioMlaeo  FRser- 
bündeln  «einen  Vorgang  haben  mriise.  Es  eah  aber  wirklich  aas, 
als  ob  Frösche  unier  der  Haut  sprängen.  Der  Mann  hat  es  nicht 
gar  lange  mehr  gemachf,  und  ist,  nachdem  die  Lähmang  Tollsläo- 
dig  geworden,  ausgezehrt  gesiorben.  *) 

Lähmung  mit  vollkooimner  Gefühllosigkeit  des  gelähmten  Glie- 
des bei  ungestörtem  Bewiifslsein,  ist  mir  äaraerat  selten  vorgekom- 
men. Einst  weckt  \achts  ein  siebzigjähriger  Mann  seine  jüngere 
Fran,  und  knurret  mit  ihr,  dafs  sie  ihren  Arm  ihm  auf  den  Bauch 
lege,  es  sei  ihm  dieses  Ifislig.  Wie  sie  die  Sache  uniersiicbt» 
liegt  ihm  sein  eigener  Arm  auf  dem  Bauche,  der  aber  in  dersel- 
ben Nacht  so  lahm  und  gefühllos  geworden,  dafs  er  ihn  für  eineit 
fremden  gvhalien.  Diese  Lfihmnng .  war  der  Anfang  des  Absler- 
bens; kurz  darauf  erschien  über  Tag,  nach  einer  kleinen  augen- 
blicltlichen  Betäubung,  eine  Lähmung  des  Fufnes  derselben  Seite 
und  der  Tod  erfolgte  bald. 

Folgender  Fall  von  Lähmung  mit  Gefühllosigkeit  gehört  zu 
den  ganz  seltenen;  ich  habe  auch  nur  einen  einzigen  der  Art.  in 
meinem  Leben  gesehen. 

Ein  Mädchen,  welches  in  einer  Stadt  als  Kammeijnngfer  ge- 
dient, wurde,  angeblich  vom  Nervenfieber  geheilt,  ihrer  Muller 
nach  Hause  gebracht.  Die  Heilung  mufs  aber  wol  sehr  unvoll- 
kommen gewesen  sein,  denn  die  Geheilte  war  noch  beitlSgerig. 
Ungefähr  drei  Tage  nach  ihrer  Ankuofi  bekommt  sie,  nach  einer 
bald  vorübergehenden  Betäubung,  die  man  für  Ohnmacht  hält,  ei- 
ne'Lähmung  des  rechten  Ober-  und  Unterschenkels.  Ein  paar 
Tag«  darauf  werde  Ich,  da  ich  gerade  eines  anderen  Kranken  we- 
gen im  Dorfe  bin,  gelielen,  sie  zu  untersuchen  und  ihre  Heilung 
an  übernehmen.  Indem  ich  nun  den  Fufs  nnlersuche,  werde  ich 
zu  meiner  Verwunderung  gewahr,  dafs  er  nicht  blofs  lahm,  son- 
dern des  Gefühls  gtinzlich  beraubt  ist.  Der  Plattfufs  war  schon 
vom  trocknen  Brande  ergriffen,  die  Zehen  schwarz  und  ausgedorrt, 
die  Sohle  schwarz  und  hart  wie  Pferdehuf;  auf  dem  Rücken  des 
Fulses  sab  ich  noch  in  der  Mitte  eine  Insel  von  weifser  Haut, 
aber  anch  diese  war  schon  ganz  blafs,  verschrumpft,  und  leicheo- 
utigen  Ansehens. 

Es  würde  wol  das  Klügste  gewesen  sein,  die  ganze  Sache 
der  Natur  zu  übergeben  und  das  Mädchen  ihren  eigenen  Tod  sier- 
bon  zu  lassen.  Sterben  mufste  sie  doch,  das  sah  ich  wol  ein; 
denn  wenn  ich  gleich  meinte ,  Fälle  gelesen  zu  haben ,  in  denen 
die  \alur  verdorrte  Glieder  abgesondert,  an  konnte  man  auf  eine 
solche  Nainrhülfe  doch  hier  nicht  rechnen,   weil  der  ganze  Ober- 

*)  In  itm  Grsd«  htt«  lefa  di«  Zocksifea  dar  FateABi^cl  itit^iH   li«  wl(i4w> 
SH«b«o,  ■bcr  wol  io  elisnt  vi«)  g«riafir«a. 


—    1016    — 

Schenkel  bis  xum  HOftbeloe  labm  und  |;^hl)M  war.  Die  Nainr 
würde  dock  aiobi  das  ab^oitorbene  Glied  im  Hürigelenlie  losen; 
ja  bSlIe  sie  dieses  aach.  ibon  wollen,  so  würde  das  dnrcb  lange 
Krankheit  erschSpfte  Mttdchen  die  dabei  statibabende  Eiterung  nicht 
nuBgehalien  haben.  Das  KliigHte  wfirde-aiso,  \^ie  gesagt,  gewesen 
sein,  sie  ihren  eigenen  Tod  sterben  in  lassen. 

Man  tbot  aber  leider  nicht  immer  das  Klügste.  Ich  rersneh- 
te  Leben  in  das  absterbende  Glied  *a  bringen  and  dem  Brand« 
Stillstand  zu  gebieten.  Den  letzten  Zweclc  erreichte  iob  daroh  in- 
nerliche und  äufserlicbe  Mittel  ganz;  der  Brand  krocb  nicht  wei- 
ter, aber  den  ersten  Zweck  konnte  ich  nicht  inr  Hälfte  erreichen. 
Der  gröfste  Theit  des  .Gliedes  war  zwar  noch  nicht  schwarz  nnd 
Buegedörret,  doch,  wie  es  sich  hintennacb  auswies,  abgestorben; 
was  aber  einmabl  gestorben  ist,  das  kann  man  nicht  wieder  be- 
leben. Die  künstlich  aufgeregte  Nator  bestrebte  sich,  das  Abge- 
storbene von  dem  Lebendigen  zu  ISsen  nnd  zu  scheiden;  da  aber 
des  Abgestorbenen  sehr  viel  war,  entstand  in  dem  Unter-  und 
Oberschenkel  die  furchtbarste  Eiterung.  Ganze  Maskeln  worden 
ansgestofsen ;  ehe  sie  aber  nusgestoraen  wurden,  verfaulten  -sie  als 
todte  Theile,  und  die  Kranke  verbreitete  einen  solch  schanderhaf- 
len  Gestank,  dafs  ich  nicht  begreife,  wie  die  arme  Mutter  es  in 
dieser  verpesteten  Luft  ansgebalien.  Acht  Tage  vor  dem  Tftde  fiel 
die  Kniescheibe  ab,  und  das  Mädchen,  schon  vor  der  LBbmung 
durch  das  Nervenfieber  enchSpft,  zehrte  zum  Gerippe  ans  und 
gab  endlich  znm  grolseti  Tröste  aller,  die  nm  sie  sein  laufiHen,  den 
Geist  auf. 

Hütte  ich  nun  keine  Srzlliche  Künsteleien  versucht,  »o  würde 
wahrscheinlich  der  trockne  Brand  sich  nach  nnd  nach  über  dasgan- 
getähmtfl  Glied  verbreitet  haben,  nnd  das  M&dcben,  obtie  ihren 
ze  Umgebungen  zom  Scheusale  zu  werden,  abgestorben  sein ;  doch, 
—  mit  Bestimmtheit  Iftfst  sich  das  auch  ntdit  einmahl  behaupten. 

Eine  seltene  Lähmung  beobachtete  ich  einst  an  dem  sechzig- 
jährigen Prior  eines  AngDMinerklosten.  Zuerst  wurde  ihm  nach 
einer  leichten,  bald  vorübergehenden  Betäubnng  der  linke  Arm 
lahm.  Xach  vergebener  Anwendung  innerlicher  und  äufserÜeber 
Arzeneien,  versuchte  ich  die  Elektrizität.  Durch  Funkenziefaen 
auf  dem  Isolatorio  wurde  der  labme  Arm  etwas  besser,  jedocb 
nicht  so,  dafs  man  ihn  geheilt  hätte  ansehen  kSnnen.  Weiterhin 
wurde  es  mir  ganz  deutlich ,  dafs  ich  nicht  gegen  eine  Krankheit, 
sondern  gegen  den  Tod  selbst  den  elektrischen  Kampf  begonnen. 
Einst  bekommt  der  Mann  einen  leichten,  nur  etliche  Minuten  an- 
haltenden Taumel;  der  Zufall  wollte  es,  dafs  ich  gerade  den  An- 
genblick  nachher  bei  ihm  einsprach.  Die  Folgen  des  Taumels 
waren  so  se)|sam,  dafs  ich  dargleichen  weder  früher,  noch  später 
gesehen;  sie  bestanden  nämlich  in  einer  Lähmung  der  Zotige  nnd 


—    1017    — 

dm  SdblDadei,  ohne  LshiBiiDg  der  GeiiehUmaakeln.  Er  hat  ia 
diewm  wahrhaft  erbärmlichen  Zuataikde  noch  ein  paar  Mooale  g^ 
lebt  nnd  dann  den  Geiet  auf^gebea.  Die  Mönche  ernährten  ihn 
Mit  dicklichem  Brei  auf  folgeode  Weise.  Ein  kleiner  Löffel,  nicht 
viel  gröfter  als  ein  Theelöffel,  der  einen  langen  Stiel  h^lle,  wur- 
de Toll  Brei  möglichst  lief  in  den  Schlund  gebracht  und  hier  eot- 
leerei;  dann  sank  der  Brei  durch  sein  Gewicht  in  die  Speiseröh- 
re, und  war  er  einniahl  in  dieser,  so  kam  er  ohne  Hindernils  in 
den  Magen.  Ich  schlofa  aus  diesem  Vorgänge,  -dafs  blofs  der 
Schlund,  nicht  die  Speiseröhre  gelähmt  sei. 

Es  ist  mir  immer  merkwördig  gewesen,  dafs  LHhmuag  sowei- 
len  Folge  einer  unbedeutenden,  bald  voriibergehenSen  Gehirnaffek- 
lion  ist,  die  nun  höchstens  Schwindel,  oder  Taumel  nennen  köoa- 
le,  und  dafa  in  anderen  Fällen  eine  fast  iSdilich  scheinende  G^ 
hiroaSeklion  keine  LShmung  luriicktSfst;  ich  scfaliefse  daraus,  dafs 
wir  das  Wesen  der  Apoplexie  und  ihren  Zusammenhang  mit  der 
gleichzeitig  enisiehenden ,  oder  bald  nachfolgenden  Lähmung  we- 
nig oder  gar  nicht  kennen.  Apoplexie  ohne  gleichseitige  oder 
DBcbrolgenda  Lähmung  ist  selten;  in  den  seltenen  Fällen,  die  ich 
beobachtete,  folgte  aber  der  gehobenen  Besinnungslosigkeit  ein 
längeres  oder  kiineres  Unwohlsein.  Bestimmt  darf  ich  auch  nicht 
eininahl  behaupten,  dafs  in  solchen  Fällen  gar  keine  Lähtnung  vor- 
handen gewesen ;  sie  konnte  ja  gleichzeitig  mit  der  Apoplexie  ent- 
standen und  mit  ihr  vergangen  sein.  Ob  ein  Arm,  oder  Bein  ein 
wenig  lahm  sei,  läfst  sieh  in  einem  solchen  besinnungslosen  Zn- 
stnnde  des  Kranken,  bei  dem  anch  das  Gefühl,  wo  nicht  ganz  er- 
löscht, doch  bedeutend  vermindert  ist,  so  genau  nicht  erkennen. 
Eine  halbseitige  Lähmnng  des  Gesichtes  o0eobaret  sich,  selbst 
im  geringen  Grade,  durch  den  schief  geiogeaen  Mund.  Da  ich 
aber  mehr  als  einmahl  den  sdiiefsiehenden  Mund  in  ein  paar  Stun- 
den wiede^  habe  gerade  werden  sehen,  so. bin  ich  der  Meinung, 
dals  ein  solcher  Vorgang  auch  eben  so  gat  in  einem  Arme  oder 
Beine  Statt  haben  und  man  also  nicht  im  strengsten  Sinne  behonp- 
len  könne,  eine  Apoplexie  ohne  alle  Lähmung  bcobachiet  zu 
haben.  '■ 

Im  Jahre  1797  schrieb  der  Prof.  iV^.  Friedreick  za  Würibnrg 
ein  Programm,  von  der  rheumatischen  hatbseiiigen  Lähmnng  des 
Gesiebtes.*) 

In  den  dort  ersäblten  Fällen  wird  die  Lähmung  wol  von  ei- 
ner in  der  Scheide  der  harten  Portion  des  Nervi  acuttici  stattha- 
benden rheumatischen  Enisündung  entstanden  sein ;  indessen  ist 
kein  guter  Grund  vorhanden,  la  allen  den  Fällen,  welche  man  nicht 
unter  die    Kategorie   der   apopleki  lachen  Lähmnng   bringen  kann. 


■)  Joiraal  d«r  ErBsdaSKCD,  Thcoiiaa  sad  Wilctspüshe.   8U  XXV.  S.  83. 

„,. ,  Google 


-    1018     - 

eine  inlcb»  rhennaiiieh-mMlianisah«  Ursachs  anxaoahniKn.  Wird 
durch  Anschwellen  der  Xertenicheide  in  dem  Forawtim«  ttil»- 
matloideo  der  Nerv  xasninmengedräckt ,  so  niufi  lich  dieaee  durch 
mehr  oder  minder  schmerxhafi«  Getchwalst  in  .der  Gegend  der 
Apopkitit  mailoidea  ftufaern.  Im  Jahre  1799  habe  ich  einen  sol- 
chen Fall  von  halbseiriger,  liicht  a  pople  kl!  scher  Geaichlilähanung 
erzfifaU,  *)  wo  dia  rhenmatitche  Ursache  sehr  tweifeihaft  war. 
Zwei  Jahre  darauf  mufate  ich  einer  schönen  Jungfrau  das  schief 
gewordene  Grmcht  gerade  machen;  die  liatte  aber  anch  keine  Ge- 
schwuUt,  oder  Schmers  in  der  Gegend  der  Apopkitii  mdtloiilea. 
In  neuer  Zeit  habe  ich  endlich  den  dritten  Fall  bei  eine«  jungen 
Madchen  beobachtet  und  auch  hier  hatte  ich  sehr  cinbildisch  acin 
miiisen,  wenn  ich  von  Rheomatistous  hfitle  trfiamen  wollen.  Das 
Wahre  an  der  Sache  ist  wol ,  dafs  die  halbseitige  Gesiehisllih* 
niiing,  so  gnt  als  die  Lshntung  anderer  Theile,  als  Srtliches  Ur- 
leiden  aiiftreien  kann,  und  dann,  wie  alle  Ertliche  Urlübman- 
gen,  hesser  durch  Sulierliehe ,  als  durch  innerliehe  Mittel  geheilt 
wird. 

In  dein  ersten  von  mir  erzfihlien  Falle ,  der  eiaen  allen  Mann 
betraf,  heilte  ich  dia  Lähmung  durch  ein  Blasenpflaster  hiaier 
das  Ohr,  und  durch  das  Emplailrnm  de  Galtano  crocatum  mit  Pt- 
troleum  und  ^Msroai^tui  carbonicum  gemischt ,  welches  ich  auf  die 
gelähmte  Seite  legte. 

In  dem  zweiten  Falle,  weil  die  Jungfrau  den  Geruch  des 
Pflasters  nicht  leiden  konnte,  heilte  ich  einfach  dnrch  Eioreilwa 
der  grauen  Quecksilbersalbe,  und  in  dem  dritten  Falle  half  diese 
Salbe  auch  allein.  —  Die  Heilung  geichiehet  bei  allen  Muskeln 
der  gelahmten  Seite  nicht  gleicbmSfsig,  sondern  der  eine  Muskel 
geneset  früher,  der  andere  später.  Ja  in  dem  zweiten  von  mir 
beobachieten  Falle  ist  selbst  ein  kleiner  Rest  der  Lahmung  zurüelc- 
geblieben,  den  aber  niemand  bemerken  kann,  wenn  er  das  Ge- 
sicht früher  nicht  genau  gekannt.  Begreiflich  ist  die  ehemahls 
schöne  Jungfrau  jetst  eine  alte  Hausmuiter  geworden;  aber  ooch 
jetzt  kann  ich ,  wenn  sie  ISchelt ,  den  Rest  der  früheren  Liihmung 
erkennen;  nicht  dafs  das  Gesiebt  beim  Lficheln  schief  gezogen 
würde,  so  schlimm  isla  freilich  nicht,  aber  ein  paar  Muskeln 
wollen  doch  nicht  recht  iniilficfaeln.  Sowol  dieses,  als  auch  die 
ungleiche  Heilung  der  gelähmten  Gesichismuakeln ,  scheint  mir 
mit  der  Idee  einer  Zusarnmendnlckung  des  Nerven  in  dem  Fora- 
mine Uih-mttUaideo  übel  vereinbar.  Jedenfalls  haben  die  Pro- 
fessoren Friedreich  nnd  Brünninghimien  durch  die  Öffeniliche  Be- 
sprechong  dieses  Gegenstandes  etwas  sehr  Nützliches  gelhan.  Gott 
weifs,    wie   frSher  solche  gesichulahme  Menschen,    in  der  guten 

')  Jnniil  der  prskliiehaB  Hsilhasd«  vm  C.   W.  BitfUmmä  8    WDI  5.  130. 

„,,,_„,,,, Google 


AlMlcfat,  Bi«  Toc  dem  nahenden  ScUtige  tu  bewahren,  ron  deo 
Aerelen  mS^en  kasteiet-  sein. 

Bekanntlich  gil>t  es  Lähmungen  einselner  Theile,  Hemiplegie 
und  Paraplegi« ;  diese  Formen  scheidet  aber  die  Natur  nicht  immer 
genni),  bei  mancher  Lähmung  würde  es  schwer,  ja  unmiSglich  sein, 
sie  unter  eine  dieser  drei  Kniegorien  su  reihen.  So  sah  ich  einst 
einen  Fall,  den  idi  nicht  Hemiplegie  nennen  konoie,  denn  die  lang- 
•am  sich  ausbildende  Lähmung  sprang  von  einer  Seile  auf  diu  an- 
dere über.  Paraplegie  war  es  auch  nicht,  denn  iheils  wurde,  so 
lange  ich  den  kranken  Jüngling  sah,  der  ganze  Rumpf  nicht  lahm, 
sondern  blof«  die  Extreiniiälen;  theils  blieb  auch  der  Kopf  nicht 
frei,  sondern  die  Muskeln  Eines  Auges  wurden  iheilicht  gelähmt, 
lo,  dafs  der  Aogapfet  guns  schief  stand.  Ich  glaubte  diese  selisania 
Krankheit,  zu  der  ich  als  aweiler  Ant  gerufen  wurde,  in  einem 
Bildungsfehler  des  Gehirns  begründet,  und  da  ich  so  wenig  als  mein 
Vorgänger  sie  heilen  IcoAnie,  Sberliefs  ich  es  den  Aeliern,  entwe- 
der andere  Hülfe  so  suchen,  oder  den  Jüngling  als  nnheühar  anzu- 
sehen. Was  «te  gewählt,  weifs  ich  nicht,  auch  nicht,  welchen 
Grad  diese  Lähmnng  erreicht  hat,  die,  aus  ihren  allmähligeo  Fort- 
nhrittea  zu  acbliefsen,  sich  über  den  ganzen  Körper  verbreiien 
wollte;  bestimmt  weifs  ich  aberj  dafs  man  keine  Hülfe  gefunden, 
denn  der  Jüngling  ist  kurze  Zeit  nachher  gestorben. 

Die  Paraplegie  mufs  wol  eine  sehr  seliene  Krankheit  sein,  denn 
iti  ihrer  möglichst  anagebildeten  Form  sah  ich  sie  nur  ein  einziges 
Mahl. 

Eine  arme  TagelShnerioo  kam  einst  bei  mir  Ratb  suchen  gegen 
die  Krankheit  ihres  ISjäbrigen  Sohnes.  Sie  konnte  niir  aber  nichts 
noders  angeben,  als:  der  Junge  sei  ein  paar  Tage  unwohl  gewesen, 
darauf  nach  und  nach  steif  geworden,  und  sei  Jetzt  so  gans  steif, 
dafs  er  kein  Glied  rühren  könne. 

Am  folgenden  Tage  sah  ich  den  Kranken  und  fand,  Aah  die 
vermeintliche  Stei&gkeit  Paraplegie  war,  und  zwar  eine  so  voll- 
konimne,  dafs,  wenn  jemand  sie  noch  Tollkominner  sehen  wullie, 
Paraplegie  und  Tod  gleichbedeutend  sein  müfsten.  Felgende  Theile 
'  waren  gelähmt. 

Die  Riiokenmnskeln  bis  zum  Halse;  Hals  und  Kopf  konnte  der 
Junge  bewegen.  Die  oberen  und  unteren  Extremitäten  waren  voll- 
kommen  lahm ,  letzte  auch  ganz  gefühllos ,  und  ödematös  geschwol- 
len. Die  Blase  war  gelähmt  znsammt  der  Harnröhre;  die  von  Uarn 
■ehr  ausgedehnte  Blase  konnte  ich  durch  einen  btofsen  Druck  auf 
den  Bauch  entleeren.  Ich  zeigte  dieses  der  Mutter  und  hiefs  sie  die 
Entleerung  ein  paannahl  täglich  vornehmen.  Endlich  war  anch  der 
Mastdarm  lahm,  welches  ein  sehr  lästiges  Ding. für  deo  Kranken 
und  für  die  Matter  wurde,  denn  die  harten  Exkremente  kamen  bis 
in  die  Mündung  des  Afters,    konnten  aber  von  dem  Kranken  nicht 


—    1020    — 

beraiugcdriingt  netden ,  wadera  die  Muller  «uf 'le  aie  mm(  m'Attmi- 
Bche  Weise  uiühBam  berauahol«».  Wenn  man  diesen  Msnschcn  ini 
Bette  aufrichten  wollt«,  so  war  ei  gerade,  aU  ob  man  cJoeo  Dicbt 
entarrien  Leichnam  handhabte. 

Die  Heilung  geachah  vollkommen  durch  Kupfer.  Geschwind 
iet  es  eben  nicht  gvgangen;  ich  bin  aber  schoo  utfrieden,  weon 
ich  bei  einer  so  schweren  Kranltheit  auf  den  Gebranch  des  Heil- 
mittel* siaolicb  erliennbare,  regelniifsig,  wenn  gleich  langsaai 
fortschreitende  Besierung  sehe,  denn  was  regelmfifsig  und  lang- 
sam bessert,  das  raufs  xuletst  ganz  gnt  werden.  Jedoch  sind  drei 
Mottaie  hinreichend  gewesen,  den  Kranken  vollkomrorn  hermst«!- 
leu  nad  ihm  eine  gute  Gesundheit  und  blilhende  Farbe  su  verschaf- 
fen. Die  ganz  gefühllosen  und  ödemaiitsen  Fafse  waren,  am  sdiwie- 
rigsien  lu  heilen ,  auf  diese  kommt  wdI  allein  der  drille  Thcil 
der  angegebenen  Heilzeit.  Ein  lustiger  Umsiattd  ergab  sieh  nncb 
noch  während  der  Heilung,,  die  LHhuinng  der  Harnrohre  heilte 
■ich  nSnilicb  viel  früher  als  die  derlllasa.  Begreiflieb  wurde  jeist 
die  Entleerung  der  Blase  durch  einen  blofseo  Druck  auf  den  Bauch 
unmöglich,  mnfsie  also  durch  den  Catiteier  geaehebeo.  Jedoch, 
da  der  mildthüiige  Edelmann,  auf  desaeo  Grunde  die  anoB  Frau 
hansete,  dem  nachstwohnenden  Wundarsie  auftrug,  iSglich  die 
Knileerung  sii  machen,  so  war  auch  dieaem  Hinderitiase  der  Hei- 
lung abgeholfen. 

Crltthmungen,  oder  solche,  von  denen  ich  zum  wenigstea 
nicht  erkennen  konnte,  dafs  sie  consensiiell  von  dem  Fehler  ic^ 
gend  eines  anderen  Organs  abhingen,  wurden,  wie  ich  erfahren 
XU  haben  meine,  beeser  durch  äufserliche,  als  durch  innerliebe 
Miitel  gehoben.  Die  Mittel,  von  denen  ich  vermnthe,  dafa  sie 
mir  in  manchen  Fällen  gnle  Dienste  geleistet ,  sind :  die  Klekiri- 
ziiät,  Quecksilber-,  Brecbweinaiein-,  Kupfer-Jodiosalbe,  bren- 
selicbe  Holzsäure  und  desiilline  aromatische  Oele. 

Die  meisten  Aersie  werden  wol  der  ElektriziilU  den  Vorrang 
zugestehen ,  ober  auch .  die  Hindernisse  kennen ,  die  eine  allge- 
meine Anwendung  derselben  unmöglich  machen.  Ilitlen  wir  Elek- 
trisirmeisier,  welche  die  Kranken  für  Geld  elektrisirien ,  wie  wir 
Schröpf-  und  Klj'stirmeister  haben ,  so  würden  wir  uns  ebne  Zwei- 
fei  jener  Hülfe  öfterer  bedienen.  Weil  wir  die  aber  nicht  haben, 
und  die  Wohnungen  der  gelähmten  Menschen  in  Tieleo  Fällen  so 
beschaffen  sind,  dafs  die  Elektrisirraaschine  nicht  einmahl  vor 
Staub  und  Feuchtigkeit,  oder  vor  dem  Zerbrechen  kann  geborgen 
werden,  so  fühlen  wir  praktischen  Aerste  wenig  Neigung  zu  den 
elektrischen  Heilversncben.  Uehtigens  mufs  man  das  auch  nur 
halb  glauben,  was  früher  in  dieser  Hinsicht  von  der  Elektrizität 
gerühmt  ist.  Wenn  ich  sie  gleich  für  sehr  wirksam  halte,  so 
habe  ich  doch  gesehen,  dafs  sie  nicht  immer  hilft,  und  uuch  wol 


—    lOSl    — 

(I«,  wo  aie  nach  menschlicher  Ansicht  ganx  nnd  grilndlich  helfen 
rnfffsle ,  nnr  halb  hilfl.  Folgend«!!  Fall  einer  elektrischen  Halb- 
heilun^  werde  ich  dem  Leser  deshalb  erzählen,  weil  die  Läh- 
mang  Folge  einer,  scheinbar  durch  übergrofge  Freude  verursach- 
ten Apoplexie  War  and  weil  ein  solcher  Fall  selten  ist;  denn  in 
dieser  onglücklichen  Welt  werden  die  Leute  hSufig  von  Schrek- 
ken,  Verdrafs,  Sorgen,  Kümmernifs  und  anderen  widrigen  Ge- 
niiiihsbewegiingen,  ah°r  so  selten  von  Frende  krank,  dafs  man 
dreifsig  Jahre  Arzt  sein  kann,  ohne  ein  einziges  Mahl  so  etwas 
tn  erleben. 

Eine  wohlhabende,  fünfzigjShrige  Fran  lebte  io  grofser  Knm- 
meroirs  ihres  Sohnes  wegen ,  der  sollte  dem  Kaiser  Napoleon  als 
Soldat  dienen,  welches  damahls  dem  Sterben  oder  Verkrüppelt- 
werden gleichbedeutend  war;  denn  da  Napoleon  wol  schwerliiuh 
je  aufgehSrl  haben  würde  Krieg  zn  fähren,  so  war  keine  Wahr- 
scheinlichkeit vorhanden,  dafg  die  A eitern  ihre  zum  Mililärdiea- 
sie  bezeichneten  Kinder  je  wiedersehen  würden,  als  atirs  Beste 
Hiech,  oder  verkrüppelt.  Der  Sohn  dieser  Fraa  zog  nun  bei  der 
Losung  glücklicherweise  eine,  so  hohe  Nummer,  dafs  man  ihn  mit 
der  grfifsien  Wahrscheinlichkeit  als  frei  für  immer  ansehen  konn- 
te. Diese  Nachricht,  der  beüngsiigten  Matter  mitgeiheilt,  wirkte 
so  feindlich  auf  thr  Gehirn,  dafs  sie  augenblicklich  apopleklisch 
und  halbseitig  gelahmt  wurde.  Mit  der  geheilten  Apoplexie  wich 
gleichzeitig  die  Lähmung  Her  Zunge,  des  Gesichts  und  des  Rum- 
pfes, denn  ihr  schiefes  Gesicht  war  wieder  gerade,  sie  konnte 
wieder  gnt  plaudern  und  aufrecht  im  Armstuhle  sitzen;  aber  die 
LShmnng  ihres  Ar.mes  und  Fiifoes  verging  nicht  mit  der  Apople- 
xie.  Ich  mufste  sie  also  als  Urleiden  der  Glieder  ansehen  und 
es  handelte  sieh  jetzt  da'rnm,  dieses  Urleiden  zu  heben.  Nach 
fruchtloser  Anwendung  etlicher  Salben,  übernahm,  anf  meine 
Rille,  ihr  nfichster  Nachbar  die  Mühe,  sie  zu  eleklrisiren.  Die 
Elektrisirniaschine  war  gut  (nicht  eine  alberne  Puppenmascbtne ), 
es  wurden  der  Kranken  aus  den  gelfthmleo  Gliedern  Fnnken  ge- 
zogen, bald  den  NervenslSmmen  entlang,  bald  witlkiirlich  anf  der 
ganzen  Flüche  der  Glieder,  bald  worden  die  mit  Flanell  beklei- 
deten Glieder  mit  einer  Metallkugel  gerieben.  Nachdem  nun  alle 
Abend  diese  Operation  mehre  Wochen  ohns  Unterbrechung  fort- 
gesetzt war,  blieb  der  Arm  gerade  so' lahm,  wie  er  von  Anfang 
an  gewesen  ;  der  Fufg  war  nach  und  nach  halbbrauchbar  geworden, 
die  Kranke  konnte  ohne  Unterst  üizung  im  Hause  herumgehen ,  hob 
aber  bei  jedem  Schritte  den  kranken  Fufs  so  hoch  auf,  dafs  es  ans- 
sah,  als  wolle  sie  soldatisch  marschiren.  (Bekanntlich  findet  man 
bei  halbgelühmten  Füfsen  diese  Gangart  nicht  selten.)  Wollte  sie 
zn  der  etwas  entfernten  Kirche  geben,  liefa  sie  sich  ans  Vorsicht 
von  der  Magd  führen.      Da  nun  die  fortgesetzte  Anwendung  der 


—    lOSZ    — 

£l«klririlSt  du  Uebcl  aaf  dem  DamlichtD  Paakte  lieft ,  der  elektrl-' 
sirende  Nachbar  des  EleklriBireiu  überdrüssig  worde,  üi«  Kranke, 
selbst  der  Sache  satt,  mit  der  Halbbeiinng  KOiViedea  war,  ich 
aacb  keine  Hoffnung  mehr  halte,  auf  diesem  Wege  eine  rM- 
kommne  Heilung  ku  bewirken;  so  glauhre  ich,  es  sei  das  Klfig- 
s(a,  von  weiteren  Heiiversuchen  abausieheo.  Die  Frau  hat,  ohne 
je  wieder  einen  Anfall  vom  Schlage  xn  bekommen,  ihr  Leben 
bis  KU  einem  siemlich  hoben  Alter  gebracht. 

Was  die  anderen  Mittel  betrifft,  welche  ich  eben  angeführt, 
so  ist  es  für  einen  ungelehrien,  schlicht  verständigen  Arxt  eine 
bedenkliche  Sache,  viel  Rühmens  davon  xa  machen;  denn  die 
Erfahrung,  die  man  sich  über  die  Heilwirkung  derselben  erwer- 
ben kann,  bleibt  jcdeafalls»  wenn  man  auch  xa  einem  ordent- 
lichen Alter  gelangt,  sehr  unvollkommen.  Ich  niache  meine  j3n- 
geren  Leser  in  sehr  guter  Abaicht  auf  folgende  Punkte  aufmerk- 
sam. 

]  )  Lihmnngen ,  obgleich  sie  nicht  zu  den  seltenen  Krankhei- 
ten geboren,  sind  doch  verbältlich  zu  vielen  anderen  Krankheiten 
selten  zu  nennen.  Wir  kAonea  ja,  besitzen  wir  das  Zniranen  der 
Menschen  in  unserem  Wirkungskreise,  über  Wechsellieher ,  Ruhr, 
Banoh-,  Gebimfieber  und  manche  andere  Krankheiten  weit  zahl- 
reichere, richtigere  und  belehrendere  Beobachtungen  io  einem  ein- 
zigea  Jahre  machen ,  als  über  Lfthmungen  fast  in  einem  ganzen 
Menschenleben. 

2)  Die  Artung  mancher  Lähmung  iat  so  dunkel,  so  ganz  un- 
erkennbar, dafs  durch  die  Behandlung  solcher  Fälle  uDiter«  Er- 
fahrung nm  kein  Haar  bereichert  wird. 

3)  Viele  Lähmungen,  weil  sie  Folgen  solcher  Apoplexien 
rind,  die  man  nur  als  Aeufsemng  eines  allniflhligen  Absterbens 
des  Organismus  ansehen  kann,  liefern  uns  über  die  Heilwirknng 
der  Arzeneien  nur  negative  Ergebnisse.  Da^  NKniliche  gilt  von 
consensuelleo,  aus  allen,  unheilbaren  Bauch-,  Gehira-,  oder 
Herzfehlern  entspringenden  Lähmungen. 

4)  Manche  Lfthmungen  verschwinden  in  kürzerer  oder  länge- 
rer Zeit  von  selbst  So  siebet  man  die  consensneilea ,  von  apo- 
plekliscber  Gehirnaffektion  abhängenden ,  entweder  gleichzeitig 
mit  der  Apoplexie,  oder  gleichzeitig  mit  dem  der  Apoplexie  fol- 
genden Unwohlsein  vergehen.  Ja,  auch  Urlähmung  der  Glieder 
kann,  wie  ich,  jedoch  seltener,  beobachtet,  nach  und  nach  von 
selbst  hcBBcrn. 

&)  Endlich  kann  in  seltenen  Fallen  eine  von  nnh'eilbaren  Hers-, 
oder  BBuchfeblem  herrührende  Lfthmung  auch  ohne  Arzenei  von 
selbst  verschwinden.  So  sah  ich  schon  Lfthmnng  Eines  Armet 
von  Herzfehlern  plötzlich  entstehen  nnd  in  24  Stunden  von  sellist 
wieder  vergehen.     In  einem  anderen  Falle   geschah  dieses  mit  ei- 


—     lOlS    — 

u«r  halbMlligeii  Gwrichttlshimng '  in  atlitibeo  Slütadco.  Ein«  roa 
Gallensteinen  abhangearfn  LAhmung  dea  linken  FuImi  uh  ich  in 
drei  Tagen  tod  selbst  vernhwinden,  obgleich  das  Urfibal,  tod 
dem  flia  enlitand,    die  Frau  ein  Jahr  darauf  durch  Bauchschwind- 

■Qcht  (öd(eie. 

Wenn  man  nun  alles,  was  ich  hier  ges^t,  nur  in  Bausch 
nnd  Bogen  gegen  einander  abufigt,  so  niufa  einem  wahrlich  schon 
der  Math  sinken,  eins,  oder  mebre  Mitlei  als  wirksam  anzuprei- 
sen ,  oder  dem  einen  vor  dem  anderen  den  Vorrang  r.n  geben. 
Wer  kann  es  wissen,  oh  hei,  oder  durch  den  Gebrauch  solcher 
Mittel  die  Lshiuung  geheilt  ist?  Wie  leicht  kann  man  sieb  selbst 
tSuscben,  wie  leicht  mit  dem  besftin  Willen  als  Scbrifisteller  die 
Leser  iSuschen!  Siebet  man  sieb  nun  aber  vollends  in  den  Schrif- 
ten airer  Aentle  um,  erwitgl,  mit  welcheo  Mitteln  diese  Läh- 
mungen geheilt  XU  haben  versichern,  wie  ihre  Miuet  von  unse- 
ren Jetzigen  abweichen,  so  wird  man  ganz  nnd  gar  wirre;  nnd 
rtoch  sind  diese  Leui«  praktische  Aerzie  gewesen  so  wol  als  wir, 
ja  manche  derselben  erfahrener  und  gelehrter  als  ein  grofser  Thell 
derer,  die  hent  zu  Tage  selbsigenfigiiam  die  Schriften  jener  Mai- 
sier  beschnuppern.  Sollte  man  nicht  auf  den  Gedanken  kommen, 
Lshmung  müsse  ein  kinderleichtes,  mit  dem  ersten  dem  besten, 
einem  in  den  Wurf  kommenden  Mittel  zu  heilendes  Hebel  sein; 
oder,  entweder  wir,  oder  die  Alten  niüfvten  uns  grofsea  Tfiu- 
scbuDgen  hingegeben  haben? 

Man  stSfsi  wirklich  bei  filteren  Schrifistellern  auf  so  gar  wun- 
derliche Mittel,  dafs  man  mehr  als  ernsthaft,  dafs  man  selbst 
griefsgrS misch  sein  möchte,  wenn  einem  die  seltsamen  Anschläge 
unserer  alten  Kollegen  nicht  /.uweileo  ein  Lächeln  entlocken  soll- 
ten. So  läfst  z.  B.  Pelru»  Foretlui  (oiterv.  S'i  Hb.  tO  de  cereb. 
morb.J  eine  Katze  mästen,  sie  schlachten,  ausweiden,  abziehen, 
stopft  den  Rauch  derselben  mit  Lorheerblüitern ,  Salbei,  Rante 
und  andern  Kräutern  aus,  spickt  sie,  besteckt  sie  mit  Gewürz- 
nelken und  läfst  sie  am  Spiefse  bei  gelindem  Feuer  braten:  das 
b er abtrSu feinde  Fett  ist  dann  das  berühmte  Kaizenöl,  welches  bei 
Lühniungeo  so  herrliche  Dienste  leisten  soll.  Abgesehen  von  dem 
Mancherlei  gewürzhafter  Kräuter,  m!t  denen  die  Katze  gebraten 
ist,  gibt  aber  der  Verfasser  den  Gelähmten  noch  so  viel  anders 
gute  Dinge,  dafs  man  am  Ende  ganz  zweifelhaft  wird,  ob  das 
Fett  der  unglücklichen  Kai^c  wol  etwas  zur  Heilung  beigetragen. 

Der  nüinliche  Arzt  (Sekol.  obterv.  86  lib.  \Q)  kodit  jonga 
fnehaige  Hunde  so  lange,  bis  itinen  das  Fleisch  von  den  Knochea 
fallt,  sammelt  dann  das  Fett  und  schmieret  damit  die  gelilhmtea 
Glieder,   das  toll  audi  gut  sein. 

JnliHt  Ca€»ar  Cltmdt»i,  Profeuor  in  Bologna,  (Coiuuit.  13S>J 


-     16S4    — 

rftlh ,  die  geltthiAMn  Glieder  Mit  deei  Feit  einee  ahee  Gäaieriebe 
SU  Balbee.  Man  nub  eher  den  Bauch  dei  GfinserichB  uiit  Bdei- 
lium,  Galbamiat,  Oj^iapmtax,  AMmomiacum  und  Fuchifleiach  aug- 
fnllen ,  und  dann  das  apoihekerisch  ausgesiopfie  Tiiier  uu  S{ii*JM 
braten. 

Nach  meiner  Ansicht,  nribeiU  am  verslftndigsten  über  eine 
solche  Heilung  J'ranz.  Valeriola,  Proresaor  in  Turin.  fObierv,  4 
lib.  *•)  Nachdem  er  einem  BiebzigjShrigen,  durch  Apoplexie  halb- 
■eiiig  gelähmlen  Manne  ein«  UDxähiige  Menge  Arieneieo  in  den 
Magen  geHchickl,  von  denen  mir  dai  Gehirn  einei  gebratenen  Ha- 
sen noch  am  beaien  gefüllt  j  nachdem  ej  ihn  mit  einer  sehr  zusam- 
mengesetzten Salbe  geschmiejcet,  in  der  Gänse-,  Katsen-  nnd 
Schlangenfeit  ihre  Rolle  spielen  ,  so  geneset  der  Kranke;  quod  ego 
(schliefst  der  Verfasiier)  pro  miraculo  &a6eo,  ckjr  »it  aegri/udo 
ipia  napte  natura  ferme  imcurabili»  et  fyerit  aeger  leptuagena' 
riu».  Huod  ergo  in  tamta  aetate  convaluerit  a  tanto  morio  aeger 
kic,  id  Dei  iatmentae  polentiae  ad»cri&endnm  ^  fui  »it  benedictnt 
in  »ecula.  Mir  scheint,  werthe  Leser!  von  manchen  unseren  heu- 
tigen, erstaunlich  glücklichen  Heitungen  (nicht  ausgeschlossen  mei- 
ne eigenen)  wird  mau  auch  wol  mit  Fa/«rte/a  sagen  können :  id 
Deiimmetuae potentiae adtcribendttm^  qai lit  btnedictut  in  »ecula. 

Angina  und  ächarlachfieber.  In  der  ersten  Krankheit 
kann  man  das  Kupfer  zuweilen  mit  grarsem  Xulseo  geben ,  und  es 
ist  mir  wahrscheinlich,  dafs  manche  gefährliche  und  tödlliche  Hals- 
entsündungen,  die  ich  zwar  nicht  selbst  erlebt,  aber  beschrieben, 
gefunden ,  im  Halse  vorwaltende  Kupferaffeklion  des  Gesanimtor- 
ganiamus  gewesen.  Auch  das  Scharlacbfieber  ist  weder  immer 
Salpeter-,  oder  Eisen-,  sondern  auch  zuweilen  Kupferaffektion. 
Im  Jahre  1832  traf  ich  einige  Fille  der  Art  an;  was  ich  von  der 
Erkenntnifs  der  Kupferaffeklion  Oberhaupt  gesagt,  fand  ich  auch 
bei  diesen  einxelnen  Ffillen  bestätiget.  Ich  stiefs  hier  unter  an- 
dern auf  Einen,  der,  hälfe  ich  noch  gezweifelt,  mir  es  hand- 
greiflich würde  gemacht  haben,  dafs  nicht  das  hesle  männliche 
Aller,  nicht  ein  krAfiig^r  Körperbau,  nicht  eine  bis  dahin  onge- 
Irüble  Gesundheit  und  mBfsige  Lebensart  bei  eintretender  akuter 
Krankheit  auf  die  Natur  dieser  Krankheit  schliefsen  lafsi.  Der 
Mann,  dessen  Krankheit  ich  erzählen  will,  war  in  dem  besten 
Alter,  kräftig  gebaut,  stark  von  Knochen  und  Muskeln,  unver- 
letzt in  allen  Organen,  blühend  von  Farbe,  und  halle  bis  dahin 
einer  ungesl5rlett  Gesundheit  genossen.  llBite  man  nnn  nicht  den- 
ken sollen,  das  Scharlacbfieber,  von  dem  er  ergiffen  wurde, 
mnssa  salpeiHacber  Artung  seini  — und  doch  war  ea  nicht  so. 
Am  ersten  Fiebertage  wurde  ich  tu  ihm  gerufen;  sein  Puls  war 
kräftig,  voll  und  schnell,  die  Halseniiiindung  BsOfaig,  er  hatle 
die   erste   Mahnung   derselben  aolion    an   v«rigen   Tage  bemerkt. 


—    1025    — 

Der  K«pf  war  miiimm  ihaft ,  daa  Gesicht  rotli,  dl«  Aagen  gllOEend, 
d«r  Haro  elwai  dankler  als  im  normalcD  Znslaade,  klar  and  saner. 
Ich  gab  ihm  «hicn  Trank  ven  Natrum  nifrietim. 

Am  zweiten  Tage  erschien  schon  eine  schwache  Rothe  an  ver- 
schiedenen Siellen  des  Körpers  und  alle  Zufalle  waren  eher  yer- 
tnehrt,  als  vermindert.  Ich  liefs  den  Salpeter  fongebrauchen, 
merkie  aber  ans  der  Zunahme  der  Krankheit,  dafa  etwas  Unheim- 
liches im  Spiele  sein  müsse. 

Am  dritten  Tage  waren  die  Zufälle  noch  um  etwas  geitei- 
gert,-  die  Rothe  hatte  sicliibar  zngenommen,  auch  waren  die  Aa- 
gen  jetzt  geröthelf  der  Harn  etwas  dunkler  als  am  vorigen  Tage, 
aber  noch  stark  saner  und  beim  Erkalten  sich  trübend.  Nun  wur- 
de es  mir,  sonderlich  da  iqh  den  Kranken  abends  sab,  ganz  dant- 
lieh,  dalis  das  Scharlachfieber  entweder  Eisen-,  oder  Kupferaf- 
feklion  des  GesammtorganismuB  sein  müsse;  weil  es  .offenbar, 
trotz  den  darauf  deutenden  Symptomen,  nicht  Satpeieraffektion 
war.  Ob  es  aber  Eisen-,  odet  ob  es  Kupferaffektion  sei,  das 
war  aus  den  Zufällen  nnmöglieh  za  erkennen.  Nun  lagen  zwei 
Wege,  zur  Erkenntnifs  zn  gelangen,  vor  mir:  ich  konnte  durch 
eins  der  beiden  Universalarzeneien ,  als  Probemittel  gebraucht,  die 
Natur  der  Krankheit  ergründen ,  oder  ich  konnte  unthäiig  abwar- 
ten, ob  sich  vielleicht  noch  Zufälle  offenbaren  möchten,  die  mir 
die  Erkenntnifs  erleichtern  würden.  Ich  wählte  den  letzten  Weg, 
und  zwar  deshalb,  weil  der  vierte  Tag  vor  der  Thur  war,  der 
in  dieser  Krankheit  zwar  kein  entscheidender,  aber  doqh  nicht 
selten  ein  wichtiger  Tag  ist.  Dafs  in  diesem  kurien  Zaudern  ein 
Wagnifs  für  den  Kranken  stecke,  fürchtete  ich  bei  dessen  kräf- 
tigem Körper  gar  nicht. 

Am  folgenden  Morgen,  warde  mir  nun  wirklieh  die  Erkennt- 
nis; allein  sie  war  jetzt  leider  so  deutlieh,  dafs  ich,  in  Betracht 
der  verrStherischen  und  zuweilen  schnell  lödtliohen  Art  der  Krank- 
heit, um  das  Leben  des  Familienvaters  besorgt  sein  mufste.  Sei- 
ne MuskelkrGfte  waren  in  dar  Nacht  so  gesunken ,  dafs  er  sich 
nur  mit  grofsar  Mühe  im  Bette  aufrichieo  konnte,  sein  Kopf  auf 
jene  eigene  Art  angegriffen ,  die  gewShnlioh  dem  Irrereden  vor- 
hergehet ,  oder  vielmehr  schon  der  erste  Grad  desselben  Ist.  Sein 
Ged&chtnifs  war  nämlich  so  schwach  geworden ,  dafs  er  die  Wör- 
ter, die  er  sagen  wollte,  nicht  finden  konnte,  dafs  er  mitunter 
andere  aussprach  als  er  aussprechen  wollt«,  sich  aber  doch  die- 
ses MlfugriffeB  bewufst  n-ar.  Der  Puls ,  schneller  als  am  vorigen 
Tage,  hatte  ganz  sein«  Vollheit  verloren.  Der  Ansschtsg  war 
noch  wie  am  vorigen  Tage,  hatte  sich  in  der  Nacht  nicht  ver- 
mehrt, war  aber  auch  nicht  blasser  geworden,  welches  Letzte  ich 
für   ein   erfreuliches   Zeichen  nnter  den   verdfichiigen,  hielt.     Der 


Harn  war  wie  frOh«r,  «twai  Anke},  ateh  trätwsd  bmni  EritdicB 
und  siark  Muer. 

Hier  iprachen  aiia  dia  ZanilcmumineagcnomnieD,  als:  dar 
eigene  Znttland  des  Kopfea,  die  Mnakalschwüche,  der  saure  Har«, 
die  schon  früher  erworbeae  Uebersengnag  d«a  NichlvorhaDdenseias 
einer  Salpeieraftektion,  weit,  weiinieh'r  fiir  Kupfer-  als  für  Ei- 
unkrankheil.  Ich  zauderte  also  auch  nicht  mehr,  toodern  tct- 
schrieb  gleich  folgenden  Trank.  Rr  Oummi  Trggacantiae  3i  Soi- 
ve  iH  aquae  ^vii  adde  aq»ae  einnammomi  •.  v.  ^i  Tincturae  eupri 
acetiei  5ii  Jff-  Von  diesem  Tranke  runfsie  der  Krank«  stündlich, 
Tag  lind  Nacht  dairch,  einen  LSfTei  t<iII  nehmen.  Mfindlicb  schirfte 
ich  nucfa  der  besorgten  Gattin  ein',  sich  durch  einen  anscheinend 
ruhigen  Schlummer  des  Kranken  nicht  mm  Aastfetten  oder  Auf- 
schieben des  Araeneieingebens  verführen  zulassen,  sondern  stünd- 
lich regelmfifsig  einzugeben,  auch  am  Abend  noch  für  eine  fri- 
Hche  Flasche  Anenei  xn  sollen,  damit  gegen  Morgen  nicht  Man- 
gel daran  sei. 

Merkwürdig  war  jetzt  die  Wirknng  de«  Kopfers;  schon  am 
selben  Tage,  nach  ungefthr  xwölfstnndigem  Gebrauche,  brachte 
es  die  fortschreitende  Krankheit  zum  Stillslehen,  gegen  Abend 
konnte  man,  nicht  einbildisch,  sondero  deutlich,  unwideraprech- 
lich  den  Zustand  des  Kopfes  verbessert  erkennen.  Am  folgenden 
Morgen  gegen  10  Uhr  fand  ich  den  Kranken  von  den  verdflchti- 
gen  ZufXllen  ganz  befreiet,  er  konnte  sich  wieder  ohne  Mühe  im 
Bette  anfrichien  und  sein  Kopf  war  wieder  ganz  gut;  knrz,  er 
war  ao  aiohlbar  auf  der  Besaemng,  dafs  auch  der  zaghafteste  Aritt 
an  keine  Gefahr  mehr  würde  gedacht  haben.  Da  es  nun  albera 
sein  würde,  diese  Krankengeschichte  weiter  anaznsplnnen ,  so  be- 
schrSnke  ich  mich  darauf,  den  wichtigsten  Punkt  der  Wirkung 
des  Kupfers  herrorzuheben ,  nSnilich  den,  dafs  es  der  im  Zuneh- 
men begriffenen  Krankheit  Einhalt  gelban,  gerade  wie  bei  den 
zwei  anderen  Arten  dea  Scharlachs  das  Eisen  oder  der  kubiaehe 
Salpeter,    wovoa  ich  oben  zur  Genüge  geaprochen. 

Wichtiger  und  acblagender  iat  kein  Beweia  für  die  Heilwir- 
kung des  Kupfers  als  gerade  dieser.  Wenn  maa  zwanzig  und 
dreifsig  FSlIe  anführt,  in  denen  das  Kupfer,  vom  ersten  Tage 
an  gegeben ,  die  Krankheit  zu  einer  sehr  milden ,  ja  zu  einer 
ganz  nnhedeulenden  gemacht,  so  kann  immer  ein  Zweifler  spra- 
chen :  wie  weifal  du  Kupferarzt ,  dafs  ohne  deine  Panazee  diese 
Fftlle  nicht  eben  ao  mild  würden  verlaufen  sein  ?  —  \un ,  das 
lifst  sich  höcbnlens  dem ,  der  die  Natur  der  -gerade  herrschenden 
Krankheit  kennet,  wahrscheinlich  machen,  jedoch  auch  nicht  ein- 
mahl  diasein  atreng  beweiaen. 

Wer  iat  aber,  der  im  Allgemeinen  die  hüae  und  TerrStheri- 
ache  Natur  der  besprochenen  Krankheil   kennen  geUm(,    der  bei 


—    1«B7    — 

den  BisShlten  Falle  na  dar  Beilwirknng  d«s  Köpfen  sweiflen 
könnte?  Es  gilt  jedoch  auch  von  dieiem  \nitel,  was  ich  vom 
Etaen  and  Salpeter  getagt:  die  bis  anf  einen  gewiBaen  Pnnkt  ge- 
Meigerte  Kranitheit  kaDD  wol  dadurch  atillaiSndig,  aber  nickt  rück- 
gKogig  gemacht  werden,  nnd  der  achon  zu  Thkc  gekommene  Aua- 
achlag  niufa  seinen  Verlauf  haben,  er  läfst  sich  nicht  xurücklrei- 
ben.  Es  ist  aber  doch  ein  grofser,  aebr  grofser  Unterschied,  ob 
diese  Hanientzündung,  von  Tage  xu  Tage  gesteigert,  sich  etat 
die  Gebirnbftui«  nnd  wer  weifs  wohin  verbreitet,  oder  ob  sie  so, 
wie  sie  alletifalls  am  Anfange  des  vierten  Tages  ist,  ttillslehet, 
UDd  dann  allmfihiig  abnimmt. 

Ich  babe  früher  nnd  spSler  mehre  Fälle  behandelt ,  in  denen 
itb,  ana  dMn  dreitägigen  nicht  heilwirkenden  Salpetergebranch 
auf  Knpferkrankheit  schliefsend ,  das  ScharlachGeber  durch  Kupfer 
stillstftndig  machte;  da  aber  bei  diesen  Füllen  nicht  die  heunra- 
higendeit  Zufälle  erschienen  aU  bei  dem  ersfiblten>  so  würde  ea 
ancb  iweckloB  aeio ,  sie  ananführen. ') 

■)  Vom  Jabre   1837. 

)■  Hai  dio*«!  Jahrs»  ktUe  ich  eine  Kiadbetleriaa  (■  bebaidola  ,  M  im 
dit  an  sweile»  Tife  naeb  dar  rtiederkanll  auiscbrocbeae  Sebsrliebleber  eiDe 
wahrend  der  Sebwaoferichafl  erworbene  chmaiacha  Lehererkrankaag  lor  wirk' 
licbsn  Gelb.ioeht  geitelgert  hatte.  Ich  wurde  im  rdiift«ii  Tage  dei  Fiebiri 
prarea.  Da  das  voa  dm  Gsburlibeirer  gereichte  NairuiH  «iiricun  die  Rrank- 
beit  Dteht  itilbllndig  genaebt ,  po  konnte  lie  nicht  Salpeter',  lie  morste  Bl- 
•en-  oder  Kufrenebarlaeh  aain.  Flir  BUen  apraehen  keine  wahncheinliebe  ' 
Gründe,  alao  verordnete  ich  eiaeo  aehtaHlgen  aebleimlran  Trank,  der  an- 
dertbalh  Drachmen  Rapferlinktir  enthielt,  nod  lier*  van  diesen,  Tag  nDd 
Nacht  dnreh ,  itäpdiich  «ineD  Lätfsl  Dehnen.  Es  wir  Miuag,  da  die  KraoLe 
dai  Etnnehnen  begann.  Die  folgende  Ifacbt  war,  uaeb  Aossage  der  Haa*- 
leate,  sehr  nnrabif,  in  Irrereden  and  grofser  Hitze  durchbracht ,  gegen  Mor- 
(■B  aber  Slillatind  erfolgt.  Ala  inh  die  Kranke  bbi  10  Uhr  besachte,  fand 
ieh  die  Haalaiitiäodnag ,  die  aai  vorigen  Tage  anf  den  Hiodsa ,  an  Bali« 
nnd  im  Geaieble  achoa  in  einer  bsdealeodeD ' lotmibilül  geileigert  war,  i» 
auffallend  vcrblaTgt,  d.-iTs  ieb  anf  den  erstell  Blick  fast  bedeokticfa  wurde. 
Da  Jedoch  der  gestern  dlmisebe  ,  irre  Blick  Her  Ad^o  jrlil  ganz  naiürlicfa, 
der  Pul*  Doverdicblig  war,  nnd  dai  eigenfi  Gelähl  der  Frao  ein  Slitlstehcn 
tw  Krankheit  nowidartpteehlich  beknndele,  so  verschwand  bei  mir  alle  fle- 
denklUhfceil.  ,lch  Uefi  den  Rnpfertraak  BnaBtgaaelil  noch  vier  Tage  fortge- 
brapehea,  daaa  aber  den  Gebrharh  einatelleo,  weil  leb  ana  aicbar  war,  daTt 
nie  das  verr'ätberiicbe  Fieber  keioe  Poiaen  mehr  spielen  koDOlc ,  und  weil  ea 
ancb  Zeit  war ,  die  kranke  Leber  gesond  in  machen.  Lrlilea  Zweck  er' 
reichte  ich  darcb  das  btofie  Rr'ihenatigenwaMer,  nämlTcb,  diireb  einen  arbl- 
aniigea  acbleinlgen  Trank  der  einen  Skrnpel  dieses  Wasters  ealbialt,  von 
dem  die  Kranke  stündlich  eioen  Ldffal  oshn  nnd  ihn  regelnüffif  liglich  vrr- 
sebrte.     Bevor  aocb  die  Natur  den  HÜnlnngaproiers  de*  Seh arlaeh Seher*  beea- 

diget  hatte ,   welcher  ProEcf» ,  weil  naa  mich  erat  am  rdqflen  Tage  lum  Hcl' 
fen  aof);erordert ,    sichtbar  genng  wnrde,    war  nicht  blofs  der  freie  Ergufs  der 

Galle  in  den  Dsrntkanal  wieder  hcrfj^atellt,    sonderD    die  in  der  Hast  abgela- 
gerte Galle  acbon  darcb  die  Nierea  weggeicbaft  —  Da*  Kindbett ,  dl«  Gelb- 
"■"""'«5»   ■"'^'^" 


—  uns  — 

Eimm  benMrke  tob  aoeli  mn  Schl«iM:  wann  beim  Kopfer- 
tcb«rlai^fieb«r  Durdifall  rorhanrien  {«,  bo  ibui  man  wu  besMii, 
4w  Kapfertinklur  in  Oel«makioa  n  reicfaen. 

Wahneheiniich  ist  m  mir,  dafs  mancbe  gafSbriieh«  Sdhr 
hicfafiabwapidemien  KiipferaOekliaiMn  fj^^wnen.  Soltle  ich  ja  ••- 
han,  daffl  di«  MehrEahl  der  vorkommenden  Filia  hei  eiser  Epi- 
demie also  geariet  wfiren,  ao  wSrde  ich  nicht,  wie  ich  jeMt  hei 
den  einaelncn  Kupfermien  geihan,  er«  Salpeter  reichen  und  aua 
daaien  Nichifaeilwirken  die  Arioag  der  Krankheit  erkennen,  son- 
dern ich  würde,  bei  der  UnmSglichkeit  die  Artung  dnrch  Zeichen 
Sil  erkennen,    gleich  Kupfer  reichen.    ~ 

Die  Leaer  kAnnten  mir  nnn  folgmidea  Badenken  vorlegen. 
Geaetn  bei  einer  Epidemie  waren  die  Mebnab)  der  Pftlie  Kupfer- 
krankheil,  so  kSnnie  doch  Saipelerkrankfaait  als  Ananahnie  von 
der  Regel  vorkommen ;  w8rde  denn  da  «ieht  daa  Knpfer  die  luifs- 
kannie  Salpeierkrankfaeit  steigern ,  oder  wol  gar  aar  iSdtlidicn 
machen  f  —  Meine  Meinung  ist  darOtter  folgend«. 

Das  Salpeterscharlachfieber  wird  durch  Kupfer  freilich  nicht 
■tillsltlodig  gemacht  werden ,  aber  daraus  wurde  ich  ionerbalb  drei 
Tage ,  ja  auch  noch  wol  viel  früher  den  Mifsgriff  erkennen  und 
Efim  kubischen  Salpeter  greifen.  Gesetzt ,  das  Fieber  sei  in  zwei 
oder  dreiTagen  durch  dasKupfer  auch  stärker  geworden,  alsesohae 
Kupfer,  sich  selbst  überlassen,  würde  gewordan  sein,  ao  ist  der 
kabiache  Salpeter  doch  ein  solch  mfichiigra  Mittet,  dnla  man  die 
Vertchlimmening  weit  aber  darch  denselben  wGrde  aufheben  kön- 
nen, als  jemand,  der  blofs  dessen  chemischen  Namen  und  Zu- 
sammenselznng,  aber  nicht  dessen  Wirkung  kennet,  ea  glauben 
mScble.  Ueberdies,  wenn  man  wirkliche  handgreifliche  VerHcblim- 
merung  des  Krankheilsxusiandes  bei  dem  Gebrauche  des  Köpfen 
Bäbe,  würde  man  doch  wol  nicht  so  albern  sein,  es  fortgebran- 
eben  zii  lassen.  Ja,  in  einer  Epidemie,  wo  die  Mehrzahl  der 
FSlle  Kupferk rankheilen  wären,  raüfste  der  Arzt  die  Art  der  Heil- 
wirkung des  Kupfers  so  genau  kennen  lernen,  dafs  er  bei  den 
einzelnen  vorkommenden  Salpeierßllen  gleich  den  Unlerachied  der 
Arzcnet Wirkung  sehen  wurde.  \ur  ein  Krypiogaleaiker ,  dar  in 
dem  Knpfer  ein  Gegengift  des  Sefaarlacfas  entdeckt  an  haben  w8bn- 
te,  nur  der  kSnnle  bannSckig  den  Gebrauch  des  nicht  heilenden, 
sondern  verschlimmernden  Mitteln  forlselzen,  nicht  aber  der,  wel- 
cher das,  was  ich  über  die  Universal  mittel  gesagt,  soonvollkom- 
men  es  auch  sein  mag,    gelesen  nnd  darüber  nachgedacht  hat. 

(acht  aai  da«  Scfairtacb^bar  »lad  drei  Dia^,  die  im  Grunda  Bcbleelkl  la 
riaandcr  paMea  j  hällg  die  Fraa  bei  der  iNiederkuun  gelitlBD  ,  ao  ■iicble 
vieMcichi  der  ErPolf  maiaer  Hailart  nicht  la  (üutig  gewciea  acii;  lie  halle 
.  aber  ohne  Mühe  irhr  «iniiee  Zwiilinse  geboren,  nnd  hefiDd  sieb  io  den 
bett»  Lehanaaller. 

"■■■  - ^-—-^^■~ 


—  litt»  ~ 

Croup.  Ich  habe  tchon  obtin  gMagt,  dafa  icb diäte  Krank- 
heit wenig  gesehen.  In  dem  einzigen  Falle,  wo  mir,  wie  ich 
erxählt,  von  der  Möller  eine  wiriclicfae,  dnrch  HoMeo  aiisgewor- 
fane  Membran  geieigt  wnrije ,  hatte  ich  Knpfer  gegeben.  Die  be- 
ate  Ueilzeit  war,  da  ich  hinican),  wol  schon  verlaufen,  denn  das 
achtjährige  Mädchen  war  schon  seil  drei  Tagen  betiUgerig.  Wollte 
ich  den  Fall  blofa  deshalb  erattfalen,  am  dem  Leser  weitschich- 
tig zn  sagen,  bei  dem  Gebrauche  des  Kupfers  sei  ein  Kind  am 
Croup  gestorben,  lo  würde  das  eiwas  kleinlieh  und  albern  sein. 
Ich  glaube  aber,  dafs  gerade  dieser  tödiliche  Fall  einiges  Licht 
auf  die  noch  dunkle  Natur  der  bespracheaen  Krankheit  wirft,  dar- 
um darf  ich  ihn  nicht  verschweigen. 

Am  9.  Oclober  1832  wurde  ich  zn  dem  achtjährigen  Mädchen 
wohlhabender  Landleiite,  angeblich  wegen  einer  Halsenizündung, 
gerufen.  Da  ich  den  Hals  des  Kindes  im  Betre  nicht  untersuchen 
konnte,  lie^  ich  es  ans  Fensler  tragen,  und  fand  beide  Mandeln 
geschwollen  und  entzündet.  Die  Zunge  war  wenig  belegt,  sie 
halle  nur  einen  weifslichen  Anflug.  Das  Fieber  mäfsig,  zum  we- 
nigsten nicht  so  stark,  als  man  es  bei  einer  Angina  tonsillaris 
wenn  sie  Kinder  und  überhaupt  reizbare  KSrper  ergreift,  zu  fin- 
den pflegt.  Nachdem  das  Kind  wieder  ins  Bett  gebracht  war, 
fing  ich  an,  die  Mutler  zu  befragen,  was  sie  weiter  Unheimli- 
ches bei  diesem  hösen  Halse  bemerkt  habe.  Dafs  das  Kind  über 
Schmerz  klage  und  mit  Mühe  schlucke,  halle  ich  schon  gehSrt; 
das 'waren  aber  gemeine  Zufälle  der  Mandelentzündung,  und  es 
fiel  mir  auf,  dafs  ein  Landmano,  einer  einfachen,  leichten  Hals- 
entzündung wegen,  meinen  Besuch  verlangt  hatte;  solche  Dinge, 
und  wol  weil  schwierigere,  werden  hier  zu  Lande,  nach  Berichl, 
mit  einem  Rezepte  abgethaa. 

Die  Mutier  gab  mir  auf  meine  Frage  eine  undeniliche  Ant- 
wort; sie  sagte,  das  Kind  sei  *o  gnf,  als  ich  es  den  Angenblick 
sehe,  nicht  immer,  sondern  von  Zeit  zu  Zeit  sehr  krank,  und 
so  benaauivd,  dafs  sie  mehr  als  eiamahl  gefiirchtei  habe,  es 
werde  verstAetden.  Das  niederhindiBcfae  Wort  benaauwd,  iwt 
aber  in  der  hiesigen  platten  Sprache  (ein  Halbscblag  der  nieder- 
ländischen} vielsinntg;  denn  wenn  ein  Mensch  AibemsBeib- hat, 
ist  er  benaauwd;  hat  er  grofs«  Hilze,  ist  er  ebenfalls  he-' 
naaawd;  Ich  war  also  durch  diese  AenfHerung  der  Mutter  um 
kein  Haar  klüger  geworden,  iadeai  ich  mir  nun  Mühe  gab,  den 
Begrftf,  den  sie  mk  dem  doppdsinnlg«!  Ansdracke  verband,  zu 
erforschen,  hnslete  das  Kind,  nud  ich  hürle  leider  den  unver- 
kennbaren Ton  des  Crouphastens.  Nun  war  mir  die  dunkle  Bede 
der  Bäurinn  deoiltch,  und  ihre  weitere  Auslegung  setzte  es  gana 
anliier  allen  Zweifel ,   dafs  das  Kind  heftige ,  an  Erstickung  gr*n- 


-    1030    — 

mtain  AnflÜle  v«n  Aihsminoth  bab«,  also  wot  an  dem  wahrbaf- 
ten  Croup  laide. 

1d  ErwSgnng,  dafi  u  achon  Mit  drei  Tag«n  beltllf«rig  krank 
war,  hatte  ich  wenig  Hoffnung  .ei  «u  erhalten,  aber  belehren 
konoie  inicb  der  Fall  doch,  oh  die  mit  dem  Creap  verbundene 
Gefahr  von  einer  Eoizündong  abhänge,  oder  nicht.  Hier  war  jIm- 
gima  tontillari*  und  Croup  ausammen.  Die  Eniafindang  dar  Luft- 
röhre und  ifarei  Kopfei  kann  freilich'  niemand  aehen ,  aber  die 
Entzündung  der  Mandeln,  die  kann  man  doch  deutlich  sehen,  ao 
lange  die  Kinnlade  nicht  durch  Krampf  oder  (üeacbwuUt  gescbloe- 
aeo  ist.  Wenn  ich  alao  nicht  die  allergrSfste  Unwahracheinlicb- 
keit  bIb  wahr  annehmen  wollte,  dafi  nfimlkh  die  Entaundang 
zweier  sich  genz'  nahe  liegenden,  aich  fast  beruhreuden  Organe 
verscliieden  geartet  aei,  ao  mufale  ich  die  Einwirkung,  die  daa 
Kupfer  auf  die  Entzündung  der  Lufirfthre  haben  würde,  an  den 
Mandeln  mit  meinen  leiblichen  Augeu  sehen  können.  Die  Eniiün- 
düng  der  Mandeln  aehien  mir,  nach  dem  Anaehän  su  uriheÜen,  nicht 
aalpcirischer  Art  zu  aein;  das  Fieber  war  theila  nicht  stark,  iheils 
%var  auch  die  Zunge  nicht  ao  weifa  belegt,  wie  sie  es  gewöhnlich 
bei  echten,  durch  Salpeter  heilbaren  flalaentzGndungen  au  aein 
pflegt.  Wenn  ich  also  Knjifer  gab,  so  (bat  ich  ea  nicht  blofa  dea- 
balb,  weil  diesea  in  neuer  Zeit  gegen  den  Croup  empfohlen  ist, 
aondern  auch  weil  die  EnlzOndnng,  die  ich  mit  meinen  Augen  tab, 
mir  weil  wahrscheinlit^er  durch  Kupfer  als  durch  Salpeter  heilbar 
schien. 

Ich  rerschrieb  die  Kupfertinkinr  in  einer  AuflSaung  von  Tra- 
ganib,  etwaa  reichlicher,  als  aonat  meine  Weiae  ist ,  mit  der  Ver- 
warnung, im  Falle  dem  Kinde  übel  werde,  oder  ea  Erbrechen  be- 
komme, gleich  wetaiger  zq  geben;  denn  wenn  man  durch  Kupfer 
heilen  will,  ist  ea  zweckwidrig,  den  Körper  feindlich  damit  ansu- 
greifen. 

Am  folgenden  Tage,  den  10.  October,  bekam  ich  dieNacb- 
riebt,  dafi  das  Kind  die  Arzenei  ohne  übel  zu  werden  gut  vertrage, 
nicht  achlimtner  sei,  aber  auch  nicht  beaaer. 

Den  3ten  Tag,  den  11.  Octb.,  sah  ichea  aelbat.  Nacb  dar 
Meinung  der  Mutter  war  ea  etwaa  besser,  ea  kli^e  nicht  mehr  über 
Halsschmerzen  nnd  konnte  wieder  freier  schlucken.  Die  AafSUa 
'  von  BeAngaligang  sollten  etwaa  geringer  sein  nnd  sieh  etwas  ad- 
tener  einalellen.  Ich  lieb  es  ans  Fenster  tragen,  schanle  ihm  in 
den  Hals,  und  fand,  was  ich^vermuiheta,  nfimlich  die  EnUandang 
aebr  abgenomBaen,  nnd  die  abgenommene  dorch  umschriebene  Gren- 
zen aickibar  bezeichnet,  die  Mandeln  zwar  noch  nicht  ganz  beige- 
fallea,  aber  doch  nicht  sehr  gespannt,  aoodern  erschlafft,  kurz 
allea  so,  wie  man  ea  bei  der  Beuerung  solcher  Entzündungen  zu 
aeben  gewohnt  ist.     I>aa  Fieber  war  noch  nicht  gau  verachwonden, 


—    1031    — 

abw  offenbar  minder  aU  bei  meinem  ersten  Beiuehe,  und  die 
Tageiuii  konnte  bier  den  Unterschied  nicht  machen,  denn  beide 
Mable  sab  ich  doa  Kind  nur  namlicben  Stunde,  angeffthr  am  1U 
Ubr  Tor mittags. 

Die  Mutter  zeigte  mir  nun.  die  durch  Hnsten  ausgeworfene 
Membran,  die  ich  früher  beschrieben;  und  wenn  die  Tadilichkeit 
dieser  verrufenen  Krankheit  von  einer  als  Enlzündung  in  d»  Luft- 
iBhre  vorwaltenden  Affektion  des  GesammierganiBmus  abhinge,  so 
hätte  ich  doch  wahrhafiig,  von  dem  Sichtliaren  auf  das  unsicht- 
bare schliefsend,  die  gegriiodetMe  Ursache  gehabt,  einen  glück- 
lichen Ausgang  lu  vermnthen.  Da  ich  aljer  iclion  lAngst  driJAei- 
Dang  gewesen,  dab  wir  Aente  die  Natur  dieser  Krankheit  noch 
gar  nicht  kennen,  und  dafs  die  Gefährlichkeit  und  Tödlliehkeit 
vielleicht  gar  nicht  einmahl  von  einer  solchen  Entiiindung  abhän- 
ge, so  bätet«  ich  mich,  der  Mutler  grofte  (loffonng  zu  machen, 
sondern  sagte  ihr  aneh  noch  jetzt,  was  ich  ihr  bei  meinem  enian 
Besuche  gesagt,  dafs  nfimlich  das  Uebel,  sehr  verriihertsch ,  bei 
einer  scheinbaren  Bessemng  unvermuihet  t5dten  kAnne.  Am  fol- 
genden Tage  ist  das  Kind  in  eioem  Anfalle  von  Btlngsiigung  ver- 
schieden. 

Seitdem  habe  ich  den  Gedanken  an  eine,  als  Entsündung  in 
der  Luftröhre  vorwaltende  Affekiion  des  Gesammiorganiamus  fah- 
ren lassen;  zum  wenigsten  kann  eine  Uraffektion  des  Gesamtnt- 
oiganismus  nicht  die  Hauptsache  »ein,  auf  welche  wir  bei  unse- 
ren Heilversnchen  zu  sehen  haben ,  sondern  ein  Urleiden  der  Luft- 
röhre muCi  die  Hatiptsache  sein.  Dieses  Urleiden  der  Luftröhre 
kann ,  wie  jedes  Urorganleidea ,  blofs  «in  rein  consentuelles  Fi*> 
ber  bewirken,  bei  dem  der  Gesanimtorganiimus  sieb  in  dem  In- 
differrnsstand«  befindet,  oder  das  coosensuelle  Fieber  kann  zum 
Urfiiher  werden,  und  dann  «ioe  Salpeter-,  Kupfer-,  oder  Eiaeo- 
affeklieo  sein.  Bei  einer  solchen  krankhaften  Umstimmung  des 
tiesammtorganisiitus  können  wir  dorcb  eins  der  drei  Universalmii- 
tti  den  Zustand  des  Gesa miai Organismus  zum  aormalen  zurückfuh- 
ren, und  werden  in  manchen  Fällen  gleicbzeiiig  das  Luftröhren- 
leiden  beben;  in  anderen  Fällen  werden  wir  dieses  aber  oieb* 
heben,  sondern  es  wird  die  Kinder  tödten.  Warum  das  so  ist, 
weifs  ich  nicht  zu  erklären;  keiner  aber,  der  den  Organismus 
in  verschiedenen  Krankheiten  mit  Aufmerksamkeit  und  ohne  Vor- 
wibeil  beobacbiet  hat,  wird  in  Abrede  stellen,  dnft  jedes  Uror- 
gai(leiden  durch  eine  hiBzukomiuende  UraÜekiioa  des  Geinmmtor- 
ganismus  (durch  ein  Urfieber)  könne  gehoben  werden,  vorausge- 
SMzt,  dafs  wir  Meister  dieses  Fiebers  sind;  denn  sind  wir  es 
nicht,  so  könnte  das  Urwerdeo  des  cou sensuellen  Fiebers  weit 
eher  zum  Verderben  als  zum  Heile  des  Kranken  gereicbeD.  Aber 
gerade   der,    der  dieses   beobachtet  hat,    dem  wird  so  wenig  als 


—  iMi  — 

mir  enlgangui  bmji  ,  dab  utlck«  Uvllangu  <t«r  UrorgMileidMi  mIw 
nnaichar  sind,  bald  glücken,  baU  nicht  giüoksn.  Man  mag  ab* 
gegen  den  Cronp  d«a  Salpeter  «npfebleo,  oder  dae  dcu  Salpeter 
verwandle  Quecksilber,  oder  Kupfer,  oder  Eisen  {mU  leisten 
babe  ich  «elbst  einmahl  ein  Kind  gebellt  *)),  wm  glaabe  ich  «war 
die  Wahrheit  solcher  Beobachtongen ,  aber  nicht  die  vermeiatliohe 
Wahrheit  der  aus  denselben  hergeleiieien  praktiecben  Folgerun- 
gen; sie-sind,  so  viel  ich  den  OrgaoiKnias  durch  Beobacfaluog 
kennen  gelernt,  lu  einseilig,  als  dafs  sie  sieb  auf  die  Daner  be- 
wSbren  könnten. 

Nur  wenn  wir  ein  Eigenbeilmitld  auf  die  Luftröhre  kenneiea* 
würoen  wir  wirklich  Meisler  des  Croaps  sein. .  Aber  auch  pl^dwu 
würden  wir  noch  scblecbte  Meisicr  sein ,  wenn  wir  nicht  an  das 
mögliche  Urwerden  des  conseosnellen  Fiebers  de^en ,  und  da ,  wo 
nur  der  geringste  Verdau  einer  solchen  Unistiraninog  des  Cesamuit- 
organiawus  verhandeD  wäre,  das  geeigaete  Univarsalmiital  vernnob* 
lässigen  wollten. 

Es  würde  wahrhaft  ihöricht  sein,  wennich  xweier,  früher  er- 
zählten Cronpffillc  wegen,  bei  denen  die  äutterlicb  gebraachie  Di- 
gitalis überraschende  Wirkung  geieigt,  dieses  müchiige  Mittel  fa- 
berlich  als  unfehlbar  im  Croup  anralhen  wollte.  \eio,  nein,  wer- 
ibe  Leset]  wae  ich  wirklich  als  gut  anraihe,  deesen  Heilwirkung 
mufs  ich  gar  oft  gesehen  haben.  loh  denke  aber,  es  ist  eio  grofset 
Unterschied  zwischen  der  Miltbeilong  eines  laogjlhrig  erprobten 
Heilmittels  und  zwischen  der  vertraolicfaen  Besprechung  über  ein 
Boeh  SU  entdeckendes.  Leiste  reohtfenigen  die  zwei  früher  erzähl- 
ten Fälle  vollkommen,  und  das  am  so  viel  Mehr,  da  ich,  wenn 
ich  auch  zu  einem  Alter  von  70  Jahren  gelangte,  nnd  siihe  die 
besprochene  Kränkelt  nicht  htünfiger,  als  ich  sie  hit  jetzt  gese- 
hen, BOch  wol  im  siebzigsten  wol -wenig  Genügendes  üh«-  die 
Digitalis  würde  sagen  können.  Höret  idso  jetzt  eianMfal  geduldig 
meine  Gedanken.  Die  Widtnng  der  äefserlich  gehram^ten  Digi- 
lelis  kennet  mau  noch  zn  wenig,  als  dafs  man. für  oder  wider 
darüber  absprechen  könnte,  leb  kann  nicht  sagen,  ob  sie  direkt 
aqf  die  feinen  BluigefKlse,  die  doch  dcblhar  bei  allen  Entzn»- 
dnngen  hetbailiget  sind,  oder  ob  sie  direkt  anf  die  Nerven  und 
durch  selbige  indirekt  aaf  die  Geffifae  wirkt.  Durch  Vergleicfaang 
mehrarliger  Fülle  ist  mir  letztes  aber  wahrscheinlich  gewoidea. 
Ich  habe  nümlich  die  Digitalissalbe  (ünguent.  cerae  ^i  Eoitr.  di- 
gUali»  5ü)  beim  itbennatisasiiz  anf  sehr   eehmershaft  ergriffene 


*)  Id  rieen,  jetzt  niederlladlfebeD  Greszorta.  EIdi  (sioer  Getcbwlsltr  war 
(US  knrt  varter  ■■  dar  olittUchea  Rrsakbeil  B«itorbea.  Da  d«r  datÜEe  Anl 
«ia  utrerattlÜMh  «bfcriohteter  nsd  doktorlrter  Utes  war ,  war  dai  «estM^ 
bgp«  okD«  ZweiM  uek  du  Scknlregel  bakeudelL 


—    1633    - 

GlUdM  gebgl  >  and  roD  ihr  eim  so  schDella  nad  übernuehende 
WirkoBg  geiebes ,  da&  ich  aicht  weUs ,  ob  Ich ,  oder  der  Kranke 
salbtl,  inehr  über  da«  fait  »tuberuche  VerachwiDden  des  Scbmer- 
EW  enlaiuiie.  Auch  babo  ich  eia«  bai  elnar  Afiekiioo  des  Uufl- 
ncrveo,  tob  dusoo  EnUündung  ich  mich  auf  keine  Weise  über- 
aaugeo  konnte,  von  dem  ttufserÜcheo  Gebrancbe  der  Digitalis 
eine,  swar  nicht  heilende,  aber  dodi'wunderbar  beschwicbligende 
Wirkung  gesehen.  Der  Schiuerx  war  so  heftig,  daf^er  wie  elek- 
trische Schläge  durch  den  Nerven  scbofs  und  man  jedegmahl  den 
Fufs  konnte  aucken  aeben.  Ich  belegte  den  ganzen  Fufs  mit  Di- 
gitalisaalbe,  nod  in  weniger  als  einer  Viertelstunde  war  die  Wuih 
des  Sehiaerxes  gestillet,  die  Zuckungen  und  elekiriscfaen  Schlage 
verschwunden.  Heilen  konnte  ich  uiit  der  Digitalis  dieses  Hüft- 
web Qicfat,  das  wnfste  ich  recht  gut,  denn  es  war  consensiiellec 
Art;  aber  was  ich  von  ihr  erwartete,  Beschwichtigung  der  Wuib 
das  Schraersas,  das  leistete  sie  vollkommen ,  und  schwerlich  würde 
ihr  ein  anderes  Mittel  hierin  gleich  gekommen  sein. 

i\un  sagt  mir  eiomahl,  wenbe  Amtsgenogsen !  wifst  Ihr  auch, 
in  wiefern  eine  krankhafte  Affeklion  der  Nerven  der  Trachea  bei 
der  Tödtlicbkeit  des  Croups  in  Anschlag  za  bringen  ist?  —•  Ich 
w^ifa  es  nicht.  DaJb  die  auagaworfeoe  Membran,  in  dem  einzigen 
Falle,  wo  ich  sie  nnlersucht,  mit  der  von  plastischer  Lymphe  ge- 
bildeten keine  Aabnlichkelt  halte,  habe  ich  gesehen ;  dafs  Kinder 
vom  wahren  Croup  genesen  sind,  ohne  ein  Stück  Membran  ausauwer- 
fen,  habe  ich  ebenfalls  gesehen;  dafs  man  bei  manchen ,  die  daran 
gestof  ben ,  keine  Membran  bei  der  LeichenöSnung  gefanden,  habe 
ich  gelesen;  mitbin  mitls  die  Membran  wol  nur  Nebensache  sein. 
Dafs  ferner  der  eigene  Ton  des  Hustaai  auch  nur  Nebensache  sei, 
habe  ich  schon  vor  gar  langer  Zeit  gewufst,  bin  auch  weder  der 
snie,  noch  einsige,  der  dieses  bebaupteL  Dia  durch  Druck  ver- 
mehrbare  äobmerahafügkeit  der  Tracht»  ist  ancb  etwas  Aufser- 
weaentliohes ,  dann  nun  findet  diese  oft  genug  bei  solchen  Aflek- 
tionen  der  Trachea^  die  man  nicht  Croup,  sondern  Katarrh  nen- 
net, und  bei  denen  nicht  die  mindeste  (Jefnhr  ist.  Die  Beschwer- 
den beim  Atbemholea  siebet  man  beim  Asthma  eben  so  stark  als 
beim  Croup,  zuweilen  auch,  wie  bei  diesem,  knrsa,  oft  wie- 
derkehrende Anfälle,  ohne  dafs  man  dabei  an  Gefahr  denkt,  ja 
auch  bei  manchen  Arten  des  Astbma  fehlt  die  Aufregung  des  Ge- 
f^ssyMemes  eben  so  wenig  als  beim  Croup.  Alles  wohl  erwogen, 
anifg  also  .die  Gefahr  und  die  scbnelle  Tödtlicbkeit  des  Croups 
von  Bedingungen  abhängen,  die  wir  eben  so  wenig  kennen,  ala 
das  Wie  der  Tödtlicbkeit  der  Cholera,  der  Ruhr,  dar  A^ieplexie, 
des  bSsartigen  Wecliselfi«bers  und  anderer  solcher  Krankheiten, 
welche  die  Menacben  entweder  urpUtzlicb,  oder  in  einem  Zeit- 
raame  von  etlichen  Tagen  wegraffen.    Ea  ist  mit  weh  mehr  Wabe- 


—    1034    — 

•clMinliehkMl  beim  Croup  dia  Ertliche  AScktlan  dw  Nerveo,  als 
dar  GeHlfse  in  Anschlag  zu  bringen,  und  weoii  ich  gleich  gern 
gestehe,  dafs  ich  bei  dein  iuberlichen  Gebrauche  der  Digilalii 
beabsicbiiget  habe,  die  örtliche  Enisüodung  der  Traeiea  mu  be- 
ben ,  ao  sehe  ich  doch  recht  gut  ein ,  dah  dieser  Gedantie  auch 
weiter  nichts  als  ein  blofser  <JiedanLe  ist ,  dessen  Wahrheit  auf 
keine  Weise  praktisch  kann  bewiesen  werden.  Die  Digitalis  mag 
eben  so  gnt  direkt  und  vonugsweise  auf  die  Nerven  der  Trachea 
wirken,  als  auf  deren  GefÜfse,  nnd  so  wahres  und  ■chnellra 
Heilmittel  werden.  Von  den  Brechiiiiiteln ,  denen  die  Aeriie 
grofsei  Lob  im  Croup  beilegen,  will  ich  jetzt  niebu  tagen,  deno 
solche  Heilungen  gehören  offenbar  su  den  gegnerischen  (anta- 
gonistischen), TOD  denen  ich  noch  in  einem  besonderen  Ka- 
pitel XU  sprechen  habe.  VorUufig  bemerke  ich  nar,  dnfa  alle 
gegnerische  Heilversuche  unsicher  sind ;  sie  hat>en  sich  beim  Croup 
auch  onsieber  gezeigt,  denn  wenn  manche  Kinder  durch  Brech- 
niitlel  geheilt  sind,  so  sind  andere  trotz  dem  Speien  geslorbea. 
Sollte  aber  der  eine  oder  der  andere  meiner  Leser  erfahmogswi- 
drig  die  Sicherheit  der  gegnerischen  Brechkur  behaupten  wollen, 
dem  rathe  ich,  nur  Versuche  mit  dieser  Kar  bei  der  gemelnsieo 
Krenkheti,  bei  der  Angiira  tontill^i,  zn  machen.  Er  wihle  sich 
möglichst  gleiche  Falle ,  ao  wird  ^dennoch  bald  gewahr  werden, 
dafs  etliche  sich  durch  Brechmiil«},  zuweilen  durch  ein  einziges 
schnell  heilen  lassen ,  andere  aber  nicht.  Nun ,  wird  es  denn 
anders  bei  dem  gefährlichen  Croup,  nls  bei  der  gefahrlosen  An- 
gina tOMÜlari  sein!  — 

So  lange-  man  auf  eine  Krankbeil  keine  dirdite,  sichere  Heil- 
art kennet,  mufa  man  begreiflicb  die  indirekte,  gegnerisch«,  nn- 
sichere  anwenden.  Ea  ist  aber  nnmeiaterlich  und  unsittlich,  die 
unvollkommne  als  TollkomnieD  auazusehreien.  Dnrdi  eofeh  drat- 
siea  Auftreten  wird  der  Forsehgeist  nmnoher  bescheidenen  Prak- 
tiker gefesselt,  von  denen  ich  (aufrichtig  zu  sprechen)  weit  eher 
das  erwarte,  was  uns  noth  ist,  als  vorf  manchen  schriftstelleri- 
schen Pochcrn. 

Wir  kennen  bis  jetzt  noch  keine  direkte,  sichere  Heilart  dea 
Croup,  also  ist  es  unsere  Pflicht,  sie  zu  suchen.  Ob  wir  sie  in 
der  iufserlicheo  Anwendung  der  Digitalis  finden  werden,  niuti 
die  Zeit  lehren;  jedenfalls  ist  es  mir  weit  wahrscheinlicher,  dab 
wir  sie  in  dieser,  als  in  jeder  anderen  Arzeneisubsianz  finden. 
Aber,  eine  roh  empirische  Anwendung  des  Miiisls  wird  uns  nicht 
immer  zum  Zweck  föhren.  In  manchen  FälUn  ist  der  Croup  ohne 
Zweifel  ein  echtes  Önlicbes  tJebel,  das  damit  verbundene  Fieber 
ein  rein  consensuelles ,  und  der  Geflammt  Organismus  befindet  sich 
in  dem  Indiflerenzslande.  '  Wenn  wir  nunsolche  FRlle  einzig  durch 
den  äufaerlichea  Gebraach   der   Digitalis  geheilt  haben,    so  folgt 


-    1085    - 

nNdil,  dtli  wir  anoli  in  anderen  eben  lo  ^l  blofs  mii  dieeer 
Salbe  ansreichen  vefden;  denn  in  dieaen  anderen  Ffillen  kann  ja 
der  GeMRttntargaNiamM  eine  lirankbafie  UaastimniDDg  erlitten  ha- 
ben ,  nod  Bo  die  Krankheit  au  einer  gemischten  geworden  Bein, 
bestehend  aus  einem  Urleiden  der  Trachea  nnd  ans  einem  Urlei- 
den dea  GesaranitorganismnB.  leb  raihealao  jedem,  der  solch« 
HeilverBDche  machen  vill,  den  Zustand  des  Gesain mlorganiBinas 
nebenbei  sn  beräcktichtigen,  and  da«  wo  nnr  die  geriogsie  Ver- 
nnihung  einer'  kraakbafien  [Imsliininang  desselben  Torhaodea  ist, 
diese  dnrch  das  geeignete  Univ^rsalniiltel  zu  heben. 

Merkurialspeicheif lufs.  Wollte  ich  im  .4Mgenieinea 
sagen,  das  Kupfer  liebe  diesen,  so  würde  ich  zum  Theil  Unwahr- 
heit behaupten.  Wenn  bei  einer  Salpeieraftekiion,  oder  bei  dem 
IndifferenzBlande  des  GeBainniiorganismus  durch  den  inoerlieben 
Gebrauch  des  Quecksilber«  Speicfaelflurs  eniBtanden  ist,  so  hebt 
man  diesen  bald  durch  den  innerlichen  Gebrauch  des  Kupfers.  Ist 
aber  das  Quecksilber  bei  einer  EiBena&ekiion  des  Gesaiuiiitorga- 
nismus  bis  mm  Speichelflufs  gereicht ,  so  heilt  man  diesen  Dicht 
durch  Kapfer;  dean  das  Quecksilber  batden  itureh  Eisen  heilba- 
ren krankliBflen  Znsland  gesteigert,  und  man  kann  keine  Eisea- 
affektion  durch  Kupfer  heilen.  Wie  sich  aber  die  Suche  rarhfili, 
wenn  hei  einer  Kupferaffektion  das  Quecksilber  bis  snm  Speichel- 
fiufs  gegeben  wird ,  kann  ich  nicht  sagen ,  deun  ich  habe  keioe 
Gelegenheit  gehabt^  darüber  Erfahrungen  m  machen. 

Merkwürdig  ist  es,  dafs,  wenn  bei  dem  Indifferenaatande  del 
Gesammtorgaoiimus  das  Quecksilber,  -durch  Einreibung  ia  den  Leib 
gehrncbt,  Speichelflnla  macht,  die  heilende  Wirknng  des  Kupfers 
■ich  nicht  so  augenscheinlich  herausstellet  als  bei  dem  durch  dea 
innerilcfaen  Qneeksilbergebrauch  Terorsachten  SpeicbelSufs.  Wahr- 
seheinlich  wird  das  in  die  Haut  eingeriebene  Quecksilber  erst 
langsam  nach  nnd  nacheingeiogen,  ao  daC^  wenn  heim  beginnen- 
den Speiclieliluase  daa  Einreiben  auch  eingeBtellet  wird,  noch  eiae 
gute  Menge  Quecksilber  unth&tig  in  der  Haut  lieget,  welche,  nach 
nnd  nach  eingesogen ,  die  Quecksilberkrankheil  anierhült.  Verhfill 
■ich  die  Sache  so,  dann  wird  kein  Mittel  in  der  Welt  sein,  wel- 
ches die  dnrch  Sehmieren  gemachte  Quecksilberkrankbeil  so  schnell 
hehl  als  die  durch  Einnehmen  verursachte.  Ich  kenne  das  Hant- 
organ viel  an  wenig,  als  dafs  ich  wagen  möchte,  in  dieser  Sache 
■u  entscheiden;  was  ich  sage,  ist  blofs  Vermuibung.  Ich  ge- 
stehe gern,  dafs,  nachdem  ich  hei  dem  durch  den  innerlichen  Ge- 
brauch des  Queckailbera  Ternrsachleo  Speicbelflnfs  das  Kupfer  Mehr- 
mahls mit  aichlhar  gutem  Erfolge  gegeben ,  ich  aicht  weaig  ver- 
Uüm  wurde,  da  ich  xuerst  bei  zweien  durch  Q iiecksil herein rei- 
bang  erkrankteo  £hfllealea  die  gute  und  schnulle  Heilwirkung  des 
Kupfer«  lücht  sah.    Später  habe  ich  mabmabls  des  Verasch  mit 


-    1€M    - 

•ben  80  ()og;Mi&geD(lem  Erfolge  gsmKckt;  dana  weil  anl«r  den  ge- 
ringen Leuten  die  Qaeckiilbereinreibung  gegen  die  Krüm  üblich 
in,  nnd  aie  lich  gemeialioh  einer  aolohen  eelbethereiteten  Schmie- 
re bedienen,  die  leicht  Sfeichelfliifs  mncfat,  lo  hktle  lob  w  eolcben 
Versndieo  nicht  iiciten  Gelegenheit. 

Husleo.  Nach  meiner  Beohacbteag  ist  dieser  nnr  in  selte- 
nen F&üen  Knpferaffektion  des  GesamintorgaDisMas.  Aedere  Aen- 
te  können  aber  xu  andereji  Zeiten  und  in  anderen  LSttdem  gann 
andere  Erfahrungen  machen,  ja  ich  kann  seihet,  sierhe  iofa  nicht 
bald,  noch  andere  Erfahrungen  machen;  über  solohe  Dinge  läfat 
sich  im  voraus  nicfala  heatimmen. 

Luogensnchl.  Inder  Katarrhalschwindkncht,  bei  der  wirk- 
liche Geschwüre  noch  nicht  gebildet  sind,  habe  ich  keine  Gele- 
genbeil gehabt,  das  Kupfer  zu  versuchen,  indem  diese  entweder 
Salpeter  - ,  oder  öfter  Eiaenkrankheit  xa  sein  pflegt.  Theil«  halle 
ich  es  Air  Unrecht,  aus  hlofser  Neugierde  Versuche  xu  nnchan, 
theils  weifs  ich  auch  aus  allgemeiner  Erfabrnng,  dafs  Salpeter- 
und  Ei||enkrankheileo  nicht  durch  Kupfer  gebeilt  werden. 

In  Fällen,  wo  bei  der  KatarrbalBchwiodsuehl  schon-  wirkliche 
Geschwüre  gebildet  waren,  ich  sie  also  fGr  unheilber  ansafa,  habe 
ich  mebrmahls  Knpfer  versucht,  aber  von  ihm  keinen  besseren  Er- 
folg gesehen  als  von  anderen  Miiieln ;  die  Krankheit  ging  ihres 
Gang  und  das  Ende  war  der  Tod. 

In  der  J^ihiti  n»dom  ist  das  Kupfer  eis  etwas  sweideuti- 
ges  Mittel;  ich  kann  niemand  reihen,  es  ntxowenden.  LSugnen 
mag  ich  nicht,  dafs  es  im  Sinnde  ist,  verhftrtete  Dränen  xn  ser- 
theilen,  rann  kann  sich  ja  davon  bei  liufserlichen,  föblharen  Dnl- 
sen  handgreiffich  äberxeogen;  gewöhnlich -sind  aber  die  Knoten  in 
den  Langen  alt,  ihr  Alter  und  ihre  Art  ist  übel  xn  bestimmen,, 
mwi  kiwa  auf  Zertbeüang  nicht  nehr  rechnen,  aber  wnl  darauf, 
dafs  das.  Kupfer  sie  rasch  in  Eitening  aetcen  wird.  Möglich  ist 
alsdann  die  Heilung  immer  noch,  denn  das  Kupfer  bewirkt  ei«n 
gute  Eiterung;  da  aber,  wie  ich  schon  fräher  gesagt,  die  Form 
der  Eiterbeule  ihre  Heilbarkeit  beaiimmt,  se  bleibt  eine  solche 
Kupferkur  immer  ein  gewagtes  Uniernehraen.  Ich  ratbe  dem,  der 
es  in  selchen  Fällen  gebrauchen  wdlte,  sich  xnerst  gans  mit  des- 
sen Wirkung ,  auf  eine  nnscbttdliobe  Weise  bekannt  tu  mache«. 
Hat  er  sich  bei  äulsereo  Verhämngen  überzeugt,  dafa  das  \a1u9- 
lich  and  äulserlich  angewendete  Knpfer  das,  was  es  nicht  senhei-' 
4en  kann,  leicht  in  Eitening  xetxt,  so  wird  er,  denke  ich,  meine 
Vorsicht  hei  der  P&tAiti  nodota  nicht  tadeln. 

Uebrigens  ist  meine  Meinung  nicht,  dals  man  das  Kopfer  ge- 
rade ängstlich  bei  allen  denen  meiden  müsse,  welche  Knoten  ia 
den  Lungen  haben.  Soldi'e  Leute  köotiea  ja,  so  gut  als  Lnngen- 
gesuade,   unter  der  Fem  von  chronischer  oder  akuter  Krankheit, 


—    1W7    — 

V««  KnpivraflFvktios  er^riffBn  werdfln:  wsllle  irmi  dann,  am  Furcht, 
ihnen  di«  Lunganknoton  in  EUening  xn  aelKn,  dM  Kupfer  fingtl- 
lieh  M«id«n,  lo  würde  man  sie  ja  einem  fegenwHnigen  gewinen 
Verderben  Preia  gtben,  blofi  um  ein  entferniea,  mögiicheg  xu  ver- 
meiden.  Meine  Warnung  gehet  voraüglich  dahin,  da«  KupT^  nicht 
leichlsinnig  als  Anliphtkiiiemm  xu  gebrauchen.  (Jebrigena  begrei- 
fe iob  recht  gut,  dar«  die  der  Vereirernng  vorbergehende  Entznn- 
dung  der  Longenknolen,  vorausgesetxi,  sie  sei  nicht  ein  reinea  Ur- 
leiden  dieser  Kooien  (welches  sie  aber  wol  hSafig  sein  möchie) 
eben  so  gtit  Vorwalinng  einer  Kupfer-,  als  einer  Eisen-  oder  SaU 
peleraffekiion  de«  Uesammtorganismus  in  diesen  Knoten  sein  kann. 
Ich  raihe  jedem,  in  solchen  Fttllen,  wo,  bei  der  Unmöglichkeit  die 
Artnng  dieaer  Knixündnng  durch  Zeicnen  xu  erkennen,  die  Er- 
kenntnifs  dorcfa  Probemiiiel  mufs  erlangt  werden,  das  Kupfer  nicht 
xnarat,  sondern  luletel  au   versut^en. 

In  der  Schwindsucht,  die  in  übrigens  gesunden  Lungen  von 
einer  Eilerbeale  entstehet  ( bekanniHch  ist  die  Erxwigung  einer 
solchen  Beule  nnd  ihr  Aller  zuweilen  gnr  nicht  nachzuweisen,  ja 
ihr  Vorhandensein  schwer  iii  besiinuien),  kaan  man  durch  Kupfer 
den  Anfbrueh  der  Beale  beschleunigen,  den  Eiler,  wenn  er  gar- 
stig ist,  Terbetsern,  und  su  dem  Menschen  xu  seiner  Gesnndbnt 
verhelfen;  aber  auch  hier  bedingt  die  Fonnder  Beule  vorzüglich 
die  Heilung.  Jedenfalls  wird  die  Besclileuaignng  des  Anfhrnebet 
dem  Kranken  nicht  sum  Verderben  gereichen,  eben  so  wenig  als 
die  Verbesserung  des  Eiters.  Hier  lebt  noch  eine  Fraii,  der  \A 
als  t2jahrigein  Mftilchen  eine  Terbergene  Eiterbeule  der  Lunge, 
deren  tlntstehuag  auf  keine  Weise  n acb so w eisen .  war,  deren  Voiv 
handenaein  ich  aber  ans  wahrscheinlichen  Gründen  vennntbeie, 
durch  Kupfer  schnell  xum  Aufbruch  gebracht.  AnfSnglich  roeh 
der  Eiter  xiemlich  übel,  vetbeaserte  sich  aber- beim  Gebrauehe 
des  Kupfers  gar  bald;  der  Abszefst  weil  er  keine  KebenhSUen 
und  Gilnge  hatte,  heilte  in  kurzer  Zeit,  and  das  Mideben,  welches 
sieh- lange  ia  einem  quioenden  Zustande  befunden,  gelangte  xu  ei- 
ner vollkoinmnen  Gesundfaeh.  Aber,  wie  ich  sehen  früher  gesagt, 
solche  Heilungen  maus  man  nicht  hlofs  dem  gegebenea  Mittel  sn- 
schreiben ,  sondern  auch  xum  Tbeile  dem  Glücke,  das  heibt ,  ei- 
nem aufser  unserer  Gewall  liegenden,  die  Mi^lichkeit  der  Heilang 
bedingeodea  Zusammenstoß  von  Umsländea. 

Was  ich  in  neuer  Zeit  über  den  (üebrRach  des  KnpfMi  in 
der  Lungenincht  gelesen,  halte  ich  für  wahr,  aber,  wie  matiebe 
liiere  Beobachtungen,  für  praktisch  autxloi.  Bei  den  Erxühlangea 
gläeklicber  Heilung  der  Lungansucht  kommt  es  daranf  an,  dam 
Leser  hinsichtJich  der  Artung  der  Krankheit  deniÜch  zn  werden; 
diese  Deeiliehkeit  vermisse  ich  aber  'gewöhnlich.  Ist  bei  dem  Ge- 
brauche dea  Knpfen  eine  Eitwheula  gebeilt,    so  liugae  iob  zwar 


—    10S8    — 

nicht ,  dab  bei  einer  geborttenen ,  hiDiiehilidi  ihrer  Form  faett* 
baren  ein  Znatand  dea  GeBanmiorganianui  eintreten  kann,  der  die 
Heilang  erschweret,  ja  selbst  anrndglich  macht,  und  dafs  dies^ 
Znsland  durch  Kupfer  heilbar  sein  iiann.  ich  habe  diese«  selbst, 
mehr  als  einmahl  erfahren,  aber  es  ist  mir  noch  nie  eingefallen, 
das  Knpfer  deshalb  als  ein  Amt^itiiMieum  aazatebtn.  Befindet  sich 
hingegen  hei  einer  geborstenen,  binsichilich  Ihrer  Form  heilbaren 
Eilerbenle  der  Gesa mmiorganis mos  in  dem  Indifferenistande,  so 
beweiset  die  beim  Gebrancfae  des  Kupfers  erfolgte  Heilung  gar 
nicht  dessen  aatiphihiinachen  Werth,  dann  das  nftnlivhe  glückliche 
Ergebnifs  beobachtfeie  schon  bei  dem.  blofaen  Gebrnnche  der  A»- 
Btern  Nicolaiu  Tulpiu:  (Ohtervtit,  med.  Cap.  8.  LA.  '2.) 

Anfangende  LShmnng  der  Lnoge.  Bei  allen  Leuten 
und  noch  wol  bei  solchen  jüngeren ,  die  so  schnell  und  ungestüm 
gelebt  haben,  dafs  ihrem  Leibe  schon  das  Gn^rfige  der  Verscblia- 
•enheit  aufgedrückt  ist,  stellt  sieh  «iiweilen  im  Verlaufe  ^nier 
Fieber  ein  höchst  gefHhrlicher  Zufall ,  eine  plötzlich  entstehende, 
■ehr  beSngsligcBde  AihemsDoth  ein.  leh  habe  dieses  Faseln  i>«i 
solchen  Fiebern  bemerkt ,  wdche  nicht  ron  einem  Urleiden  der 
Lange  abhingen,  ja  bei  denen  die  Longe  nicht  einmahl  bonscn- 
suell  ergriffen  war,  i.  B.  bei  Leber-  nnd  Gebimfiebem.  Wenn 
man  hei  einer  herrschenden  Krankheit  anch  in  hundert  Leibern  das 
Fieber  so  geartet  gefunden,  dafs  man  nur  auf  das  urerkrankie  Or- 
gan heilend  einsowirken  brancbie,  weil  sieh  der  Gesammtorganis- 
mus  in  dem  Indifferenzslande  befa'Dii,  so  gibt  doch  der  besagte 
Zufall  uns  die-grölsie  WabrMheinlicbkeit,  dafs  der  Gesammlorga- 
nismus  des  also  ergriffenen  Leibes  urerkrankt,  nfld  dnfs  die  Alhems. 
noth  eine  in  den  Lungen  Torwaliehde  Knpferaffekiion  dessel- 
ben sei. 

Man  kann  sich  leicht  hei  diesem  Zufalle  iftnschen ;  bei  sei- 
nem ersten  Erst^inen  hftit  er  vidleicht  nur  eine  Viertelstunde  an 
und  verschwindet  dann  wieder  von  selbst.  Früher  oder  später  kehrt 
er  aber  wieder ,  und  er  kann  wiederkehren ,  ohne  je  aufzuhöre«, 
welches  dann  der  Tod  ist. 

Ich  habe  mich  in  solchen  Fällen  am  besten  beim  Knpfer  be- 
funden. Da  man  aber  die  BeSngstignng  nicht  als  ein  Urleiden, 
oder  als  ein  consenaaelle*  der  Lange  ansehen  kann ,  sondern  da 
es  wirklich  eine  in  den  Lungen  vorwaltende  Affeklion  des  ۥ- 
sammt Organismus  ist,  so  würde  es  ihöricbl  sein,  das  Knpfer  mir 
bis  snr  gehobenen  BeÜngsiigung,  oder  nur  ein  paar  Tage  lang 
nach  derselben  zu  reichen.  Nein,  nein,  man  mufs  es  mehre  Ta- 
ge, wol  sechs  oder  acht  fortgebrauchen  lassen,  wenn  man  den  Kran- 
ken sieher  stellen  will.  Diese  Beftngsiignng  ist  in  den  Longen 
gerade  das,  was  im  Gehirn  vorübergehende  Beiftobong,  Irrung  Ar^ 
GedSctuoissea   und  oiidere  Vonaiohan  der  Apoplaxi«  sind.      Wird 


—     1039    — 

4i*  BflXngMigang  «nhaluBd,  so  iit  der  Kraoke  iwar  oocK  nicht 
HBbediDgt  für  VM-Ioren  xu  Rchlsn  aber  «■  bleibt  dann  das  Heilen 
doob  immer  ein  GlüelcMpiel ;  dämm  innfg  man  auf  die  erste  War- 
nung der  iNalnr  merken.  Da  der  betagte  Zafall,  bei  aulchen  Fiebern 
encheinea  kann,  die  nicbli  mit  der  Lunge  gemein  beben,  lo  mufs 
nuia,  dea  Kupfergebraacbes  wegen,  das  iirerkrapkle  Organ,  von  dem 
dat -Fieber  abhftngt,  niebi  aas  dem  Ange  lasaen.  Der  Krankbeiiesii- 
■tand  i«t  ein  gemi'icbier,  und  mujis  als  solcher  behHodeh  werden, 
wenn  man  xnm  Zwecke  kommen  will.  Jetxt,  indem  ich  dieses  schrei- 
be, wird  es  xwei  Jabre  sein,  deja  ich  den  leiilen  Fall  der  Art  ge- 
•eben  (denn  man  siebei  so  etwas  nicht  tSglieh);  er  betraf  einen 
frübalien  Mann,  der  etwas  uagestüm  gelebt,  und  regelniflfsig  flie- 
bende  HSmorrboiden  halle,  i^r  war  von  einem  damahls  herrschen- 
den Leberfieber  ergriffen,  bei  dem,  im  Allgemeinen,  der  Gesaramt* 
Organismus  sieb  in  demlndiffcrenxsiande  befand.  Das  Fieber  brauch- 
!•  man  also  gar  nicht  xu  beriicksicbiigen,  sondern  es  veraohwnnd 
durch  heileodes  Einwirken  auf  das  urerkrankin  Organ,  und  das 
BreehBufewaseer  war  damahls  das  Miuel,  welches  schnell  and  sicht- 
bar heilend  anf  die  X>eber  wirkte. 

Am  4ieB  Tage,  da  sich  bei  dem  Manne,  dessen  Krankenge- 
scbicbie  ich  eraähle,  das  Fieber  auf  dem  Wege  der  regelraHfsig 
fori  ach  reit  enden  Bessemng  befand,  stellet  sich  die  Beftngsiigung 
alwnda  iinvermuthet  ein,  wShrei  aber  nur  reichlich  eine  Vtertel- 
slimde';  weil  sie  gant  verschwindet,  abnet  man  nicht«  Böses,  und 
gibt  den  Voraaia,  mich  von  diesem  Zufalle  gleich  au  bsoach- 
ricbiigen,  wieder  auf.  Am  folgenden  Morgen  besuche  ich  dea 
Kranken ,  finde  ihn  etwas  matier  als  er  meiner  Erwartung  navh 
bille  sein  messen;  e»  enühli  mir  sein  Schicksal,  das  ihn  am  vo- 
rigen Abend  beirofieo.  Ich  werde  gleich  aiifinerkaam,  frage,  wann 
und  wie  sieh  alles  angeiragen;  der  Kranke  antwortet,  aeine  Gat- 
linn  erg&nxt  das,  was  er  vergifai,  und  siehe!  während  wir  so  mit 
einander  sprechen,  erscheint  aufs  neue  der  böse  Znfall  iind  macht 
alles  Fragen  und  Beschreiben  überfluaaig.  Er  wHhrie  jelxl  ISnger 
als  das  erste  Mahl,  und  ich  sab  jelxt  mit  meinen  Awgen,  welchen 
Feind  ich  zu  beUmpfen  hatte ;  versehrieh  gleich  einen  Trank 
von  Kupfertinktnr  und  Krechnufawasaer;  der  böse  Zufall  Ist  nicht 
wiedergekehrt  und  der  Kranke  vollkommen  geheilt,  jedoch  viel 
spüler,  als  es  ohne  Erscheinen  jenes  Zufalles  würde  geschehen 
sein.  Dieser  Fall  hesiStigte  nrir  aufs  neue  meine  frühere  Beoh- 
achluBg,  dafs  nSmIieh  die  besprochene  Athemanoih  einen  gawiasea 
Grad  von  Ermatlui^  znrüeklUfst,  welche  oicbl  wie  die  Ennauung, 
die  der  Kranke  hei  krampfhaften  Zufttllen  fühlet,  bald  nach  die- 
sen Zußllen  versehwindet,  sondern  sie  ist  etwas  Bleibendes,  «o 
dafs  der  Kranke,  war  auch  das  Fieber,  tu  dem  sidi  die  BeHngstl- 
gung  gesellet,  ata  sich  leicht  md  bald  u  heben,  nur  laagaam  wie- 


der  zu  KrHf)«n  g;etan^.  Die  Art  der  BcHngstlgunjf  kh  b«aobreib«n 
Im  etwas  ichwieri^,  ieh  kaaa  weiter  niebia  davsn  wf«»)  'aU  dafa 
fch  bei  ihr  die  pfeifende  Inspiration,  wie  beim  gewöbniiohea  Aatb- 
tna,  nirht  benierift  habe,  dafs  sie  der  BeSogsiifaag  in  eiwaa  äbnelrt 
welche  im  leisten  Zeiträume  der  LangenBUGfat  ersoheini,  dab  ai« 
aber  der  am  älierähnlichsien  ist,  welche  anwellen  dem  Tode  vor- 
hergehet  und  das  in  den  Lungen  bagianeode  Starben  adbst  tat. 

Meinen  jüngeren  Amtsgenossan  gebe  ieh  folgenden  frennd- 
BchaMichen  Kath.  Wenn  sie  Toa  einem  halbTervckliasenen  Men- 
schen das  Verderben,  Welches  die  besprocheoe  Be&ogstigung  dro- 
het, durch  zweckniitfsige  Mittel  abgewendet  haben,  und  der  niia- 
liehe  Mensch  erkrankt  ein  paar  Jahre  nachher' abernablB  an  eineia 
akuten  Fieber,  so  erinnern  sie  sich,  sollte  das  jeUigc  Fieber  auch 
leicht,  auch  ganx  unbedeutend  scheinen,  des  früher  ütterststodeneK 
Straufaes,  sein  sie  auf  ihrer  Hut,  meiden  si«  Brech-,  Laxirnittel, 
Kuieniaiehuag  nad  QaecksUber,  und  Iwdenkcn  sie  wohli  da£i  der 
im  Verfall  begEiffeoe  Organismus  sich  schwerlich  wird  erheuert 
und  verjünget  haben.  Qaeekailber,  Brech-,  Laxirmiliel  aad  BIu^ 
entliehung,  geschehe  letzte  durch  AderlasBen,  oder  durch  £g«l  aa 
den  Mastdarm,  können  den  Kranken  unversehens  in  einen  solchen 
Zustand  starzen,  dafa,  wenn  Hippekratet  dem  Grabe  eatsitegen  so 
ihm  eilte,  Golen  diesem  folgte  und  Faraeeitm»  den  Beibsa  «cblü<> 
se,  ihn  weder  Hippokrate»  durch  sein  Beobachlen,  Oulea  durch 
*sein  Demonsiriren,  noch  Paraeeltmt  dufi^  sein  DesliUina  im  Lan- 
de der    Lebeadigeo  halten  würde. 

Plemritit,  Nioht  selten  ist  diese  Krankhaiiaform  Offenliar 
rung  einer  Kupferaffekiioa  des  Gesaaimlerganiflmns;  allein,  diese 
Otfeobamng  ist,  wie  die  aller  Kupferaß'ektiOn ,  etwas  andeutiicfa. 
Warnet  die  Natur  den  Arzt  durch  einige  verdttchtige  Zuftüle,  i.  B. 
durch  leises  Irrereden,  oder  sichibarea  Verlust  der  MuskelkrSfte,  so 
kann  er  dieses  als  eine  besondere  Begünstigung  ansehen,  und  des 
Wink,  verstehet  er  ihn  zn  deuten,  zum  Heile  des  Kranken  beoas- 
zen.  Thiit  er  dieses  nicht,  znpft  er  wol  gar  dem  Kranken  daz 
Blut  ab,  so  kann  man  zehen  gegen  eins  weiten,  dafs  er  dem  Tod- 
lengräber  in  die  Haitd  arbeitet.  Aber  leider  gibt  die  Natur  nickt 
immer  selche  Winke,  sondern  der  Tod  macht  an«h  zuweilen  ohne 
Warnung  der  Kran1<bett  eio  uavermutheies  Ende.  F.s  ist  auch 
nicht  blols  Blnientziefaung,  welche  den  uoglüdttiehen  Ausgang 
befdrderi,  sondern  allein  das  Nichianweadeh  des  Kamera,  oder 
anderer  mit  diesem  verwandten  Mittel  ist  hinreichend,  den  Tod 
herbeiznlnhren,  weil  die  Krankheit  ihrer  Natur  nach  gern  in  den 
Tod  abergehet.  Das  Warnm  Iftfst  sich  wol  nicbt  ^nügend  aoa- 
legeni 

Bei  Kupferpleoresien  habe  ich  selten  sehr  rothe»  Har«  beob- 
achtet,   weit  bftufiger  gold-,  oder. ttrabgelb«B>    bald  (nbwerdMi- 


—    104L     — 

dun,  bmI  «aren.  D«r  PoUi  w«r  mifug  voll  und  ^spaeat«  di« 
Hiue  liewJicb  Mark ,  ohne  labe«  QbsnaSfiig:  »i  sein ,  der  Dunt 
wandeUMU',  den  einea  dünl«t«  viel,  den  andern  wenig.  Die  Sei- 
leoalicliB  aad  «Ka  Atkambewliwerde,  welche  letale  bei  einigen 
nicht  blof«  darcb  it»  Schnwrz  veruriaebl,  aondern  noch  durch 
eia  dcüokeadea,  beengende!  Gefühl  in  der  Mitle  de«  BraalkaMeni 
gealaigert  wurde,  waren  in  vcnchiedenen  Körpern  bald  atlrkar 
bald  echwttcber;  HuMea,  gewöhnlich  mit,  Beltee  ohne  blatigea 
Auswurf,  fehlte  auch  niemahU.  Kurx,  es  Übt  rieh  im  Allga- 
neinen  kein  untencbeidendes  Bild  der  Krankheit  entwerfen ,  wenn 
man  Mahr  bleiben  will.  Vergleich«  ich  die  Kupferpleareaie  (lit 
andern  Pleiiresien,  u'liat  sie  die  neiale  Aehnlichkeit  mit  der 
durch  Spiefsglana  heilbaren ,  wiewet  «ch  leUie  auch  nicht  immer 
hinaichilich  der  Symptome  gleieh  bleibt. 

Hat  man  in  der  Siadt  mit  eiaer  dareh  Zeichen  naarkennbaren 
Kupferpleareiie  an  ihan,  so  kann  man  den  Kranken  ilglioh.  Ja, 
wenn  man  ee  nöthig.  findet,  wolxweimahl  täglich  «eben,  and, 
durch  «intretende  Tcrdäeluige  ZuAIle  gflwnmt,  so  leitig  aur  Ei^ 
kenMatls  gelangen ,  dafi  doreh  -daa  eigentliche  Heilmittel  ein  an- 
f&oglicber  MifsgriGT  wieder  gnt  *u  mache«  ist;  TOranageaelst ,  da& 
dieser  MHsgrfff  nicht  in  nngalittriger  BlatenileeruBg  befanden, 
denn  dieser  ist  beeohweriicb  nad  nor  bei  stnriEeo  Nalurea  wieder 
gilt  lo  machen.  Wie  übel  ist  aber  lo  BoIclMn  kiialichea  Oii^«n 
Raih  geben,  wen«  einem  der  Kranke  eine,  xwei,  drei  Wt^stuo- 
deo  van  der  Hand  liegt,  die  Gegenwart  des  Aratea  entweder  gar 
niebt,  oder  nur  Eiomahl  verlangt  wird,  nnd  man  übrigens  nach 
»nTollkommnemmSndlicheDBeriehte  verordnen  mofs.  Im  Anfange 
^«a  Jahres  1V26  hatte  ich  in  einem,  «ine  Wegslande  entlegenen 
Dorfe  mehre  Kupferplea  realen  kura  nach  einaiwler  an  behandeln, 
und  sah  übrigena  diese  Krankheit  damahls  weder  in  meinem  Wohti-  - 
orte,  noch  in  anderen  Gegenden  meines  WiiJtnngakreises.  Der 
erste  Kranke  war  ein  Mann  in  dem  beslen  asfinnlioben  Alter.  Ich 
sah  ihn  am  aweiien  Ti^e  nnd  nahm  die  i^rftnkheit,  des  nicht  dun- 
-kel  genirbten ,  trüben ,  sauren  Harnes  und  anderer  Symptome  we- 
gen,  für  ein  Urieiden  d«r  Lunge,  fBr  Antimoniaiplaoraaie.  Sie 
sehiekte  sich  aber  bei  dieser  AbtimooialbebaRdlnng  so  übe),  d^ 
der  Tod  den  aecfasten  erfolgte.  So  viel  war  aassnmitteln ,  dafii 
der  Kranke  nicht  gesiorbea  war,  wie  einer,  der  an  einer  achten 
Salpeterplenresie  stirbt,  denn  das  Brnsileiden  hatte  sieh  nicht  vet^ 
-mehrt,  soodero  war  ungefBhr  auf  dem  nlmlichen  Punkt«  geblie- 
-ben,  und  den  Tag  vor  dem  Tode  war  leises  Irrereden  and  grofie 
Sehwache  eingetiaten.  Wire  der  Mann  mir  nun  nahe  gewesen, 
dafs  ich  die  verdächiigen  ZuHille  hätte  erkennen  können,  so  w3r- 
d«  er  wol  aehwetflieb  gestorben  seio ,  denn  ieh  wärde  ihm  gleich 
Knpfer  gegeben  haben;  ao  hörte  ioh  die  Warming  der  Natur  erst, 

68  ^     ^^v- 


_     1042    — 

da  «r  (Im  Zeilliehe  gesegaet,  pkJ  dMun  baue  er  keinen  Nutten. 
Qleich  daraaf  wurde  ich  so  einem  jungen  Mniitie  gerufen ,  der 
mehrmabls  bei  dem  vorigen  Kranken  gewesen  war.  Er  hatte  alte 
Knoten  in  den  Lungen,  und  einen  von  denselben  abhängenden 
kurzen  Hunlen,  dessen  Anraag  er  nicht  nachxoweise»  w-ufsie.  Da 
ich  diesen  Zustand  seiner  Liunge  schon  früher  kannte,  so  wUrde 
die  Behandlung  der  jetzigen  Pleuresie  um  so  hSklicfaer,  denn  ich 
träne  dem  Kupfer  bei  Lungenknoien  nicht  riel,  gebe  es  zum  we- 
nigsten nicht  gern  als  Frobemittel. 

Die  Pleuresie,  von  der  er  jet/.t  ergriffen  war,  batie  weit  drin- 
gOidere  Ziiffllle,  als  die  des  voi  igen  Kranken.  Das  belogst  igen  de, 
drückende  Gefühl  in  der  Mitte  der  Brost,  welches  last  gleichseitig 
mit  dein  Seitenstechen  sich  eingesielii,  faUte  der  Knmkbett  wol  den 
Bchulrechten  Namen  Pfeuroperip»euMonie  geben  mSssen;  da  aber 
niemand  von  mir  veriangie,  ihr  einen  Naitieo  in  gelten,  sondern 
bluls,  sie  so  heilen,  so  dachte  icb  auch  nar  an  Letztes. 

Das  Fieber  war  siBrker  als  bei  dem  vorigen  Kranken ,  der 
Puls  Bchnell,  aber  hinsichtlich  der  Vollfaeit  wenig  von  dem  nor- 
malen abweichend.  Der  Harn  etwas  dankler  als  ein  normaler, 
aber  nicht  so  roih  wie  er  gewShnlicfa  bei  echter  Salpeterplenrevie 
so  sein  pflegt,  übrigem  sauer  und  trübe,  ohne  Niederschlag.  Der 
Husten  war  kurs  änd  beängstigend,  der  Auswurf  schaumig  und 
achokotadefarbig. 

Dafs  dieses  keine  Salpeterplenresie  sei,  sah  ich  wol;  es  war 
also  an  bestimmen,  ob  es  Eisen-,  oder  Kupferplenresi«  sei.  Dw 
uure  Harn  sprach  mehr  ftir  Kupfer  als  für  Eisen;  da  ich  aber, 
der  Longenknoien  wegen,  das  Kupfer  nicbt  geben  mocbife,  als  nur 
mit  Tollkommner  Sicherheit,  so  gab  ich  suerst,  um  zu  dieser  si- 
cheren Erkenninifs  zu  gelangen ,  das  Eisra  als  Probemiuel ,  und 
-  zwar  um  so  viel  unbedenklicher,  weil  dieses,  wenn  es  auch  nickt 
Heilmittel  sein  sollte,  doch  dem  luäglicfa  schnellen  Absterben 
vorbeugen,  mir  also  Zeit  lassen  wü'rde,  die  sichere  Erkenntuifs 
nur  sicheren  Heilung  zu  benuuen.  Da  die  Leser  schon  wissen, 
dafs  ich  in  solchen  akuten  Krankheiten  die  essigsaure  Eisentink- 
tur  anwende,  sq  bniacbe  ich  darüber  nichts  weiter  tu  sagen.  Es 
war  den  22.  Januar  1823  da  ich  bei  meinem  ersten  Besuche  die- 
se verordnete.  Der  Mann  war  am  vorigen  Tage  so  plSttlich  und 
so  heftig  von  der  Krankheit  in  dem  Hause  befreundeter  Meoachea 
ergriffen  worden,  dafs  diese  es  für  nnkristlich  gehalten,  ihn  bei 
der  slrrngen  Kälte  nach  seiner  Wohnung  au  bringen.  Sie'  pfieg- 
sten  ihn,  als  sei  er  ihr  leiblicber  Sohn,  und  ich  konaH  bio- 
sichilich  der  Befolgung  meiaer  Vorschriften  vollkommen  sicher 
sein. 

Der  Kranke  bat  mich ,  ihn  so  «ft  in  bemebeo »  als  ich  m 
selbst  tut  aSibig  erachte,  deoua  er  sei  «n  knidi^  mir  su  sefaraibwi. 


—  1043  — 
and  iDiiadliclie  Berichte,  von  nskandigen  L«nt«n  MbgeMaMet,  leien, 
wie  ich  selbst  wissen  werde,  nniicher.  Ich  besuchte  ihn  den 
dritten  Tag  darauf  wieder,  weil  ich  alsdann,  nachdem  er  iwai  Un- 
nn  EiBcntinlciur  veriekrt,  ans  der  Wirkung  dieses  Probemittela 
die  Natnr  der  Krankheit  beuriboilen  Iconnte.  Ich  fand  ihn  zwar 
nicht  schliminer,  aber  das  Befinden  war  duch  nicht  sn,  wie  ob 
fafilte  sein  miiswo,  wenn  die  Krankheil  Eisenaffektion  gewesen 
wttre.  Das  Briisileiden  schien  dem  Kranken  etwas  mäfsiger,  be- 
sonders das  drüclcende  Gefühl  in  der  Mitte  des  Brustkastens.  Das 
^«Hienstechen  war  aber  noch  onrerändert,  und  der  Aaswarf  zwar 
nicht  scbokoladefarbig  mehr,  aber  doch  noch  dünaer  helirothar 
Schleim.  .Der  Harn  trübe  wie  früher,  Puls  nnd  Temperatur  eben- 
fnlls  unverBndert.  Die  ehrliehen  Hantleule  phantasirten  zwar  etwas 
too  Besserung,  ich  konnte  aber  diese  nicht  erkennen,  im  Gegen- 
theil,  ich  gewann  die  Ueberaengang ,  dafs  diese  Pleurcaie  nicht 
Etsenaffeklion  sei,  also  Käpfa raffe kt loa  sein  ntüne,  nnd  verschrieb 
gleich  einen  schleimigen,  andenhalb  Drachmen  Kupfertinkiar  ent- 
haltenden achliinzigen  Trank,  von  dem  der  Kranke  stündlich,  Tag 
and  Nacht  durch,  einen  LStfel  voll  nehtaen  mufste. . 

^Am  folgenden  Tage,  den  25.  Januar,  besuchte  ich  ihn  aber- 
mahls,  um  xu  sehen,  ob  ich  richtig  ^urtheilt.  Die  sicfaibare  Bes- 
serung setzte  jetzt  die  Erkenninifs  aufser  allem  Zweifel.  Ein  Ge- 
fSbl  von  zunehmender  Kraft,  der  um  die  Hälfte  verminderte  Sei- 
tenstich ,  das  ganz  verschwundene  drückende  Gefühl  in  der  Mitte 
.  der  Brust,  die  freie,  aber  ganz  mülsige  nnd  anblutige  Expekto- 
ration, der  klar  gewordene  Harn,  waren  mir  Bürge,  dafs  ich  den 
wahren  Heilweg  eingeschlagen.  Bei  jedem  anderen  Kranken,  des- 
sen Lunge  früher  nnverdfichtig  gewesen ,  würde  ich  meine  ferne- 
ren Besuche  fiir  überflüssig  gehallea  haben;  denn  er  würde,  auch 
ohne  mein  Sehen  nnd  Sprechen,  durch  den  fortgesetzten  Ge- 
brauch des  Kupfers  genesen  sein;  in  dem  gegenwBrtigan  Falle 
hielt  ich  es  aber,  der  früher  verdftcbtigen  Lunge  wegen ,  für  vor- 
sichtig, ihn  noch  zweimahl,  nümlich  dpn  26.  und  27.  Jan.  sti  be- 
suchen. Da  ich  nun  am  27i  das  Bnisileiden  gehoben  und  das  Fie- 
ber beendiget  fand,  erkiHrte  ich,  meine  Besncbe  seien  ferner  nn- 
nSlhig,  hiefs  ihn,  das  Kupfer  noch  so  lange  forlgebraiichen,  bis 
ein  Gefühl  von  Schwäche,  welches  nach  akuten  Kupferkrankhei- 
ten gew&hnlich  merklicher  tst  als  nach  akuten  Salpeterkrankbei- 
ten ,  würde  verschwunden  sein ,  nnd  gab  ihm  diStetische  Regeln, 
wie  man  sie  Genesenden  gibt.  Es  hat  sieh  auch  weiter  nichts  Un. 
heimliches  zugetragen,  sondern  beim  Gebraute  des  Kupfers  nrid 
mSfsiger  gesunder  Nahrung  ist  das  Gefühl  von  Schwäche  bald  vei^ 
schwunden.  Den  alten  Lungenknoten  hat  in  diesem  Falle  das 
Kupfer  keinen  Schaden  geihan;  oaeh  sehen  Jahren  werdeich  die- 
ses jetzt  wol  benimmt  behaupten  kdonen. 

66*  ö  - 


—    1044    — 

ich  mag  de»  L«ser  nicht  mit  der  £rzfthlnDg  ghtchBeitig,  frft- 
h«r  nnd  ipBter  befaBadeliAr  Fall«  aufhalten,  d«Bn  JMter,  der  Vei^ 
Bland  voD  der  Sache  hat,  weifs  recht  gut,  dafs  die  Pleaieiii«,  wel- 
oberl«  Artung  sie  auch  sein  mag,  ia  fehlerhaften  Loogen  weit,  weit 
übler  cn  zwingen  iit,  aU  in  früher  vollkomnien  geManden;  daniH 
habe  Ich  auch  einen  schwierigen  Fall  erzählt,  und  deakb ,  das  im 
BO  belehrend  aU  die  Erzählung  zwanaig  gemeiaer. 

Gelbsaeht.  —  Diese  aab  ich  bor  ein  eiaaigei  MabI  vcr- 
Miichter  Art,  hesfebend  aua  einem  Urleideil  der  Leber  nsd  aas 
einer  Kupferatfekilon  Aot  Gesammiorganismut ,  and  zwar  bei  ei- 
sern Manne,  der,  leiner  Angabe  naeh,  schon  lange  vorher  banch- 
Icrank  gewesen.  Ihm  war  wol  eine  Anlage  m  Leberkrankheit  ah 
Erbtheil  von  seinen  Aeltera  gewerden ;  diese  Anlage  hatte  sich 
aber  durch  anhaltendes  Stuhensitaen  und  durch  die  von  einem  ua> 
günstig  ablaiireoden,  verwickdten  BecblBhandel  unaeTtrennlicfaen 
niederdrücken  den  GeiaOihsbewegangen  aam  wirklieben  chronischen 
Leberäbel  geiialtet.  fjo  klager  und  gelehrter  Arzt,  dessen  Rath 
et  fraher  eingeholt  und  befolgt,  wiar  angebliofa  nveifelhafl  gewe- 
sea,  in  welchem  Organe  sein  BaaohieideB  stecke,  wotana  ich 
«ehiofs,  dafs  sein  Lcherubel  sidb  früher  undeutliofa  müsse  heraua- 
gestdlt  haben.  Sa  ich  «eine  Bekanaiacbaft  machte,  war  es  schon 
•o  deutlich,  dafs  ich  unmöglich  die  friiheren  Zweifel  meines 
Amtagenossen  ifaeilen  konnte,  und  weiter  wurde  die  Erkeiui- 
■tiifs  durch  die  Zeit  immer  deatliober  and  deutlicbar.  Nichts  war 
«■  der  Leber  zu  fühlen;  es  war  -also  schon  daraus  zu  scbliefaen, 
dafs  der  hintere  dicke,  von  anlsen  nicht  iHiblhare  Theil  krank  sein  / 
mSsse,  wofür  dem  aneh  die  sich  von  Zeil  zu  Zeit  ftufsemden  Zu- 
fiÜI«  Bpracben,  deren  Aufzfihlung  aber  oioht  hierhin  gehört.  Nach- 
dem er  eine  Zeit  lang  hier  im  Lande  gewohnt,  wurde  er  ohne 
erkennbare  Veranlassang  gelhaüchiig,  Nun  niufs  man  wohl  erwä- 
gen, dafs,  während  der  Dauer  meines  praktischen  Wirkens,  die 
Torkomroenden  Gelbsüchten ,  waren  sie  nicht  consensueller  Art, 
-einzig  Urleiden  der  Leber  gewesen.  Ich  hatte  his  dahin,  weder 
■in  der  Leber  vorwaltende,  als  Gelbsucht  sieh  effenbaiende  Affek- 
tionen des  Gesammiorganisraua ,  noch  .als  Gelbsucht  sich  offenba- 
rendes, mit  eiaer  Uraffektion  des  Geaamiut Organismus  verbundenes 
Urleiden  der  Leber  behandelt  Da  ich  nun  aber  gar  viele  Gulb- 
ani^ten  in  meinem  Leben  geheilt  haue,  so  folgte  daraus  schon, 
dals  ich,  in  Ermaogelnng  solcher  Zeichen,  die  Tür  eine  Ausnahme 
von  dar  bis  dahin  beobachteten  Regel  sprac'ben,  den  vorliegenden 
Fall  als  ein  reines  Urleiden  der  Leber  ansehen  und  mit  Hepaticia 
bekämpfen  mufste.  Zeichen  einer  Salpeter-,  Eisen-",  oder  Kupfer- 
affekiion  des  Geaammtorganiamus  waren  gar  nicht  zu  entdecken; 
ich  würde  also,  bitte  ich  eines  der  Universalmiltel,  oder  oaehein- 


—     1043    — 

•oder  alle  dni  als  Pf«b««Ulel  i«««i4««  w«[|bb,  gaoa  geg«B  die 
~  Gmeui«  der  Wahrecheiolkhkeit  ventofaen  haben. 

Auf  gattD  6laaben  griff  ich  die  Sache  aU  UrleberUiden  an ; 
Wflicba  Mübe  ich  mir  abec  gaben  aiochie,  icb  kam  nicbl  weiter. 
Da  bei  der  Behandlung  dieser  Kranltheit  d«r  glückliebe  Erfolg 
niebt  blofs  von  der  richtigen  Wahl  der  Artenei,  sondern  auch 
von  dar  genanen  Ananiitielung  der  pafiilichen  Gabe  der  Anenei 
abhfiogtf  bO  TArat(nmle  ich  gawifs  in  beider  Hinsicht  nichts;  abu 
alle  meine  Bemühung  war  fnichilas.  Ueberveugt  endlieb,  dafs 
diese  Gelbsncht  kein  reinee  Urleidea  der  Leber  sein  könne,  war 
die  Frage  zu  entscheiden,  ob  sie  vielleicht  ein  mit  einem  Urlei- 
.den  des  Gesammiorganiarans  gepaartes  Urleiden  jenes  Organs  sei, 

Dafs  ich  zuerst -das  Kupfer  als  Prohemiitel  wählte,  dasu  war 
ein  guter  Grund  vorhanden.  Ich  hatte  nämlich  beobachtet,  dafs 
nur  selben  Zeit  mehre  mit  Abdominal  leiden  behaftete  Kranke  sich 
in  einem  gemischten  Zustande  befanden,  so,  dafs  ihr  urerkrank-. 
ler  G es ammf Organismus  durch  Kupfer  heilbar  war.  Eisen-  und 
Salpelerkrank heilen  hatte  ich  gar  nicht  beobachtet,  weder  rein 
noch  Termiacbt.  Urleberleiden  war  der  Gmodion  der  epidemischen 
Constitution;  mit  Knpferaffekiioo  desGesammlorganismus  vermisch- 
tes, Abweichung  von  diesem  Grondlone.  Jedoch  war  diese  Ab- 
weichung mir  zu  der  Zeit  schon  tu  oft  vorgekommen,  als  dafs 
icb  selbige  oer  Individualität  der  also  ergriffenen  Körper  halte  sii- 
Bcbreihen  können.  Es  war  mir  vielmehr  wahrscheinlich  ,  dafs  all- 
gemeinere, freilich  mir  gans  unbekannte  Einflüsse  diese  Anoma- 
lie bewirken  müsse.  Jedoch  miifs  ich  ausdrücklich  bemerken, 
dafs  icb  aufser  dem  Kranken,  dessen  Gesobichie  ich  Jetzt  entähle, 
keinen  Gel  bsrieht igen  behandelt  halte ,  dessen  Gesaiuwlorganismns, 
nrerkrankt,  Kupfer  «u  seiner  Heilung  erfodert  hiitie.  Alles  wohl 
erwogen,  war  abo  ein  schwacher,  an  Wahrscheinlichkeit  strei- 
fender Gmnd  der  Möglichkeit  vorhanden ,  dafs  auch  der  bespro- 
«hene  Kranke  von  soleben  altgemeioeren ,  unbekannten  Schädlich- 
keiten könne  berührt  sein.  Die  nosologische  Forin  verminderte 
diese  schwache  Wahraebeiolichkeit  auf  der  Wage  des  Verstandes 
am  kein  Gran.  Wenn  ich  gleich  blü  dahin  noch  keine  mit  Ku- 
pferaffekiion  des  Gesammiorganismus  verbundene  Gelbsucht  gese- 
hen,  so  konnte  ja  der  vorliegende  Fall  der  erste  sein. 

Oa  aber  alte  Fehler  der  Organe  die  rcgelmäfsige  Wirkung 
der  Heilmittel  wunderbar  verwirren  und  den  untersuchenden  Arst 
gauE  veriollen  können,  so  gab  ich  das  Kupfer  xuerst  ganz  allein, 
um  SD  sehen ,  ob  es  diesem  von  der  Norm  abweichenden  Körper 
Mich  msage.  Ein  sweilßgiger  Gebrauch  belehne  mich,  dafs  «r 
es  gut  vertragen  werde;  denn  wenn  es  gleich  keine  wohlihftiiga 
Wirkung  auf  die  erkrankten  Gallengiinge  ftuftene,  so  verursachte 
es  doch  krinc  vermehrte  Spannung  iui  tliporhoadrio,  und  niii  dem 


—    1046    — 

alten ,  waluneheinlich  nobeillMreii  Fehler  in  den  Doraahbeile  der 
Leber  vertrug  ei  sieh  gat,  es  lieft  ihn  in  Ruh*.  Non  ging  ii^ 
mit  mir  zu  Rathe,  welches  Leberb  eil  mittel  icb  dem  Univfl^s«lrait-- 
lel  Euseixeo  müufl.  Aus  meinen  vergebeoen,  einiig  auf  ein  rei- 
nes Urleiden  der  Leber  gerichteten  Heilversuehen  -halle  ieh  Fol- 
gendes gelernt. 

1 )  Dafs  die  Tinktur  des  Schellkrautea ,  selbst  in  gani  iilei- 
nen  Gaben  die  Spannung  "im  Hypocbondrio  vermehre,  in  etwas 
grofser  zum  Schmers  steigere. 

2)  Uafs  eine  gleichiheilige  Mischang  ron  Brechnufa-  und 
Asanltinktur,  sowol  in  grüfsereo,  als  kleiaeren  Gaben  die  nSm- 
liche  ungünstige  Wirkung  habe. 

3)  Dafs  die  einfache  Brechnufstinktur  um  nichts  woblthäii- 
ger  sei. 

4)  Dafs  eine  Abkpchung  des  Frauendislelsaamens  nichts  Bö- 
ses und  nichts  Gutes  bewirke. 

5)  Dafs  das  Wasser  der  Brechnuß  am  besten  vertragen  werde, 
dafs  es  die  Spaoaaog,  swar  nicht  In  dem  Hypocbondrio,  aber 
doch  in  dar  Magengegend  mindere,  uhne  jedoch  den  Kranken  iq 
der  Hauptsache  weiter  zu  bringen. 

Ich  hielt  also  rorlänfig  für  das  Beste,  dasjenige  Lebermit- 
tel mit  dem  Kupfer  tu  verbinden,  von  dem  ichH'iüher  keine 
oachtbeilige  Wirkung,  sondern  vielmehr  einen  Schatten  von  gu- 
ter gfliehen,  mischte  zwei  Drat^men  Brecbnufawaster  mit  andert- 
halb Drachmen  Köpfen i nktn r ,  acht  Unzen  Wasser,  einer  Unxe 
arabischem  Gummi,  und  liejs  davon  stündlich  einen  L5ffel  voll 
nehmen.  Nach  xwei  Tagen  sab  ich  schon  die  erste  Spur  der  Bes- 
serung im  Harnes  dieser,  der  nicht  blofs  schwarsbraun ,  sondern 
gaflX  morastig  gewesen ,  war  jetzt  klar  und  seine  braune  Fftrhung 
ein  wenig  heller.  Bei  Gelbsuchten,  die  in  früher  nngefftlschlea 
Lebern  sich  machen ,  ist  dieses  Zeichen  das  erste  sichere  der  Bes- 
sm-nng,  es  trügt  nicht,  vorausgesetzt,  dafs  Diätfebler  die  Bessa- 
mng  nicht  rückgängig  machen.  In  dem  gegenwärtigen  Falle  aber, 
wo  ein  alter,  wahrscheinlich  anbeilbarer  Fehler  jn  dem  hinteren 
Leberlappen  genestet  hatte,  konnte  ich  dieses  Zeichen  aieht  für 
so  gar  sicher  hallen.  Es  hat  zwar  wirklich  nicht  getrogen,  es 
hätte  aber  trügen  kSonen.  Zwei  Tage  spiter  gab  der  ausge- 
leerte gelb  gefärbte  Darmkoih  den  sichersten  Beweis,  da£i  die 
Krankheit  der  Gallenginge  in  derHauplsache  gehoben  sei,  and  Dan 
ging  alles  ganz  regelmafsig,  wie  bei  anderen  Gelbsüchten,  zur  Bes- 
serung, so  dafs  eine  weitere  ausführliche  Erzählung  nur  gam 
zwacklos  die  Geduld  des  Lesers  ermüden  würde. 

Durchfall.  Ruhr.  Mancher  Durchfall  ist  eine  in  den  Dftr- 
men  vorwaltende  Affektion  des  Gesammiorganismiu,  die  uoter  der 


—    1047    — 

HcilgewMk  <!••  Kuphn  nsbet.  1d  Mlckra  Fillsn  üt  das  Kii)»rer 
dvreh  seine  Verwandten  fibei  xo  enelseo.  Man  ihat  am  besten, 
sich  der  Tinktur  lu  bedienen  und  sie  in  einem  Tranke  von  Gurami- 
anflösiing,  odef|  bei  sehr  reizbaren  Därmen,  in  Oelemuhion  za 
rieben.  Da  ich  schon  früher  dem  Leser  bemerkt,  dafs  mancher 
Durchlauf,  als  consensuellea  Darnilelden,  von  einem  Urleiden  der 
Nieren  abhanf^e,  so  könnte  jetzt  ein  gefälliges  Gedächinifs,  sich 
des  früher  Gesagten  erinnerend,  mir  den  Zweifei  erregen,  ob  ancb 
wol  das  Knpf«r  als  Diurelicum  den  Durchfall  hebe,  nicht  aber 
als  Univertalt,  —  Ich  gestehe  dem  Leser,  daf«  dieser  Zweifel 
sich  sehon  früh  in  meinem  eigenen  Kopfe  erzeugt  hat;  und  die  Elr- 
ionerung,  dafs  schon  SUere  Aeme  das  Kupfer  nu  den  harnireiben- 
den  Milieln  gerechnet,  mufste  ihn  noihwendig  erzengen.  Um  Go- 
wifsheit  in  dieser  Sache  zu  erTangen,  machte  ich  einen  kleinen, 
aber  belehrenden  Versuch  an  meinem  eigenen  Leibe.  In  einem 
Herbste  (des  Jahres  erinnere  ich  mich  nicht  genau  mehr)  wurde 
ich ,  wie  mehr  andere  Menschen ,  vom  Beberhaflen  Durchfalle  er- 
griffen, ohne  jedoch,  wie  manche  andere,  gerade  bettiMgerig  zu 
werden.  Dafs  der  Durchfall  bei  mir,  wie  damahls  bei  anderen, 
snlpetarischar  Art  sei,  daran  zweifehe  ich  gar  nicht..  Ich  be- 
■chlofs  aber  zu  nMeraochen,  »b  da«  Knpfer  als  vermeintliches 
Divreticnm  den  Durehfal)  heben  fcSnne,  ich  mich  also,  hin- 
siehtlteh  seiner  Uni  versalheil  krafi  in'  dieser  Krankheit,  mit  den 
alten  Geheimänten  getSuscht.  Eine  Mischung,  von  aaderlhalb 
Draohmen  Kupfertinkiur,  einer  Unze  arabischem  Gummi  nnd  aobt 
Unzen  Wauer  stündlich  in  eiaem  L&ff»l  genommen ,  bernhigta 
aber  nicht,  wie  bei  einem  Kupferdiirchfall ,  meine  anmhigeB 
Dftrme,  vemraachte  mir  nicht  ein  Wohibelmgen,  sondern  ver- 
mehrte mir  vielmehr  das  unangenehme,  quinen de  Gefühl  im  Bau- 
che, das  solchen  DurehfUllen  eigen  ist,  und  ich  wurde,  ohne  dab 
■ioh  eben  die  Zahl  der  Stühle  mehrfe,  unwohler,  so  dafs'icfa  nach 
24  Stunden  den  Versuch  aufgab.  Ein  Trank  van  Nairum  mitri- 
csai,  den  ich  jetst  gebrauchte,  wirkte  gleich  fühlbar  wohlthfiiig, 
Dod  befreite  mich  in  zwei  Tagea  von  dem  kleinen  Ungemacbe. 

Man  hat  in  neuer  Zeit  das  sehwefelsaure  Kupfer  gegen  den 
chronischen  Dnrchlanf  gerühmt;  abermahla  ein  Beweifs,  dafs  uti- 
ser  Zeitalter  unbewufsi  defi  alten  scheidekünsileriscben  Geheinv- 
firzlen  nachhinkt.  Leider  ist  aber  der  chronische  Durchlauf  so 
vielartig,  dals  derjenige,  der  das  Kupfer  als  roher  Empiriker, 
als  Formeobehandler  dagegen  anwenden  will,  es  weit  ftfiet  ohne 
als  mit  Nutzen  gebrauahen  wird.  Ich  raihe  jedem,  zuerst  sorg- 
fältig die  Art  des  Durohlaufes  auszanaitteln.  Milufig  ist  er  otM- 
sansuetler  Art ,  und  einen  solchen  heih  man  nicht  durch  Kupfer, 
sondern  dadorch,  dafs  man  das  nrerkrankte  Organ  heik.  Auch 
ein  als  Darchlanf  sich  offenbarendes  Uilciden  der  Därme  heilt  man 


—    104«    — 

■ioht   duroh  Kupf*r,    ebM   m  wenig  ^  dateh  Kswi  oi»t  Salpe- 
ter,  tondem  derofa  DBrimnitiel. 

Waa  die  Ruhr  befriffi,  lo  habe  idi  weder  eiüe  epidemische, 
noch  sporadische  beobachtet,  die  ifu  AFIgemeinen  durch  Kupfer 
heilbar  gewesen  wBre.  Blofa  einen  einxigen  Fall  sporadischer 
Herbstrahr  erlebte  ich,  und  zwar  einer  Masidarninihr,  in  dem 
daa  Kupfer  schnell  heilsam  war.  Die  Erkenninifs  wurde  mir  aber 
nar  dadurch,  dafs  ich  den  knbiacben  Salpeter  vergebens  reichte. 
Der  Slahlzwang  H'ftr  so  heftig,  dafa  di«  davon  ergritfene  Frau,  die 
wahrlich  nicht  lu  den  weichlichen  gehörte,  zuweilen  der  Ohn> 
macht  nahe  kam.  Daa  Kupfer  schaffte  so  schnell  Hülfe,  dafs  ich 
keiner  anderen  Arzenei  bedurfte. 

Da  nnn  kein  guter  Grund  vorhanden  ist,  zu  iBugDen,  dafs 
alles,  waa  einzeln  erschienen  ist,  kiiafiig  einraahl  allgemein  wer- 
den kdnne;  so  rathe  ich  jedem  Arzie,  bei  einer  anfangenden 
Epidemie  alle  Vorurtheile  fahren  m  lassen  und  an  alle  Möglich- 
keiien  zu  denken.  Nur  dadurch  wird  er  befähigt,  mSgUchst  schnell 
die  Artung  einer  aolchen  Epidemie  zu  erkennen. 

Kindbett.  Bekanntlich  hat  achon  Hippokrate»  das  Kupfer 
zur  BefÖidemng  der  zögernden  Geburt  gereicbl.  Es  ist  aber  ba- 
atimmt  nicht  Organheilmiuel  der  Gebftrnialter.  .  Wenn  die  Geburt 
sieb  durch  mangelnde,  oder  durch  falsche  Wehen  TeizSgeri,  ao 
ist  dieses  vielfältig,  nicht  ia  der  Gebärmutter  aeibat,  sondern  in 
einein  eigenen  abnormen  Zostand«  des  Gesammtorganisnus  be> 
gründet.-  Ich  begreife  recht  gut,  dafs  dieser  Zustand  so  geartet 
sein  kann,  dafs  er  nnr  durch  Eisen  »der  durch  dem  Eisen  ver- 
wandle  Mittel  zu  heben  ist.  Jedoch  habe  ich  selbigen  mehr  hei 
MifslÜllen  als  bei  wirklichen  Gebarten  beobatfatet;  er  aeheint 
selbst  MifafUle  au  veranlassen,  und, bei  diesen  uogebwier  heftige 
BlotUDgeo.  Bei  der  wirklich  zeitigen  Geburt  befindet  sich  der 
Gesammtorganisnans  nicht  seilen  in  einem  krankhaften  Zustande, 
der  durch  kabischen  Salpeter  zu  heben  ist ;  dieser  Zustand  Sufscrt 
sich  aber  wehr  durch  falaclte  Weben  ala  durch  mangelnde.  In 
anderen  Fällen,  jedoch  seltener,  tat  dei  die  Gebart  venÜgerndo 
krankhafte  Zustand  des  Gesanmtorganismus  so  geartet,  dals  man 
ihn  nicht  durch  kubischen  Salpeter,  aber  wo!  durch  Kupfer  hebt. 
Ich  beobachtete  bei  diesem  mehr  einen  Mangel  ,an  Wehen,  ala 
falsche,  die  Geburt  nicht  fördernde.  Es  aeheint  mir  aber,  dab 
jüngere  Geburtshelfer,  auf  den  verschiedenen  Zastand  des  Ge- 
sammtorganiamus  wenig  achtend,  sich  einzig  auf  das  Mnlterkwo 
verlassen.  Dieses  beliebte  Mittel  wirkt  schneit  auf  die  Gebärnat- 
ter, und  wenn  einzig  in  dieser  die  Ursacfa«  der  zSgerndea  Gebart 
Hegt ,  so  möchte  es  wol  durch  kein  anderes  zu  ersetzen  sein.  In 
den  fallen  aber,    wo  ein  krankhafter  Zustand   des  Gaatumiorgfa- 


—    1049    -^ 

niiniDa    Ae  CJabart   T*n%g*rt,    pafit  m  Dieht,    m  wirf  siebt  1I0O 
WüoHcbeD  des  Gebnrtaliclfen  enUpraefaea.  ' 

Vor  Karirm  wnrde  ich  tob  «insn  wnndäfMlieben  G«b«rt>- 
helfvr  zu  einer  Kreibendea  gerufen ,  dereo  mifabeote«  fieckfin  die 
Gebnrt  lebr  schwierig  iiacbie.  Die  Hervorragneg  des  HetUgen- 
beines  verengerte  die  obere  Becken Slfanng  so,  dRfa  nur  ein  Mfar 
winziger  Kindsliopf  bOtie  dorcbdringen  itSanen.  Dn  die  Frnn  aber 
sehr  Marke  Kiader  trug,  so  war  sie  auch  schon  drei  aiahl  von 
lodleo  Kiadera  tnll  grofur  Mühe  der  waadärallichen  Kuast  eat- 
banden.  Das  gegenwDnt|^  Kind  v/ta  auch  ■oben  lodt,  uad  es 
handelte  sich  nur  darum,  sie  von  diesem  todten  Kinde  su  Brim- 
sen. Der  Geburtshelfer,  der  meioea  Batb  verlangte,  war  der 
zweite,  seine  Kunst  hatte  man  deo  vierlea  Tag  des  KreiCieas  in 
Anspruch  genommen.  Der  erste  Geburtshelfer  halle,  nach  Au»- 
sage  der  Kreifseaden  and  des  EhemaDnea,  sechamahl  vergebeas 
die  Zange  aagelegt,  sie  war  jedesauhl  abgerutscht.  Der  xweite 
hatte  die  Zange  abermahls  angelegt,  da  er  aber  die  vollkemmae 
(Jnbeweglichkeit  des  Kopfes  gemerkt,  weiter  keine  Gewalt  ange- 
wendet, sondern  die  Zange  wieder  herausgenommen,  bt  ErwS- 
gnng  der  greisen  Leiden,  welche  die  Frau  seit  drei  Tagen  aus. 
gestaaden,  der  Ohnmächten  und  kleinen  Zucknagen,  wehih«  sich 
jelsl  einstelliea,  vermnihete  er  einen  tödtlichen  Ausgang  und  he- 
gehrte deshalb  meinen  ßalb.  Hinsichtlich  des  wahrscheinlich  tra- 
giicbea  Endes  koonte  ich  ihm  freilich  nicht  widersprechen,  war 
aber  der  Meinung,  die  Beförderang  der  Geburt  sei  doch  di*  Be- 
dingung, der  Mtfgiichkeit  der  Erhaliang  der  Frau,  mithin  sei  «s 
ansere  Pflicht ,   diese  Högllohkeit  su  bewirken. 

Die  Wehen  fehlten  jetat  gSnilicb,  waren»  nach  Aassage  der 
Fraa  uad  der  Hebamtae,  welche  leiste  aber  keine  thitige  Rolle 
gespielt,  von  Anfang  an  sehr  schwach  gewesen.  Das  reiehlieh 
gegebene  Mutterkorn  hatte  keinen  v  er  mehrenden 
Einflufs  auf  dieselben  gehabt. 

In  Erwftgung,  dals  ein  Gefühl  von  grofaer  Flauheil,  Ohn- 
mächten und  klein«  Zuckungen  auf  einen  krankhaft  ergriffei^en 
Gesammlorganisnns  mit  gvofser  Wahrscheinlichkeit  sehliefsen  lie- 
fsen,  verordnete  ich  der  Krausenden  folgenden  Trank:  ^  Timct. 
empri  acetici  5ip  a^tu  ciMHammmii  :  «.  ^i  Gmm.  arabici  |i  Aqume 
dett.  ^vii  MU.  Von  diesem  Tranke  mafsle  sie  bis  siir  Beseiti- 
gsng  der  Ohnmächten  und  kleinen  Zuekungen  halbstündlich,  und 
weiter  stündlich  einen  Löffel  voll  nehmen.  Ich  rieih  dabei  dem 
G^raruhelfer,  vorläufig  keine  Enibindungsversuche  au  machen, 
aoodem  die  Frau  ruhen  su  lassen;  es  sei  nlmlich  möglich,  und 
eelbsi  wahrsebeinlich ,  dafs  die  \atnr,  nach  einiger  Rnbe«  durch 
Weben  den  Kopf  etwas  beruntertreiben  vnd  der  Kunst  ihr  Werk 
trleiohleran  weide.     Auf  meine  Frege,    ob  auch  die  Gesohlecbls- 


—    lOBO    — 

Organe  durch  die  gebartafaülflicheD  Haiidgiiffe  caiMiiidei  Mien ,  ke- 
kani  ich  unbestimmle  Antwort.  Jedoch  liefs  alles  Vorhcrgegao- 
geae  and  die  grofie  Empfindlichkeit  der  GeBchlechtithetle  auf  go 
etwas  mit  Gewifabett  acliltefBen.  Ich  rieth,  während  der  sd  er- 
wartenden Rufaexeit  BoraxaufiöiDDg  in  die  Scheide  an  «priizen  and 
LKppchen  mit  derselben  befeuchtet  awisohen  die  Lippen  zu  legao. 
Alles  dieses  geschah  um  vier  Uhr  nachmiitags;  am  folgenden  Mor- 
fren  nm  sechs  Uhr  wurde  die  Fran  durch  die  Zange  von  dem  tod- 
len  Kinde  entbunden.  Der  Bericht  des  Geburtshelfers  und  der 
Umgebung  lautete  also:  bei  den  Gebrauche  der  verschriebenen 
Antenei  h5ren  die  Ohnmächten  und  kleinen  Zuckungen  bald  auf, 
es  tritt  Rahe  ein,  und  nachts  schlummert  die  Kreifsende  unter- 
brochen ein  wenig.  Gegen  Morgen  erscheinen  niäfsige  Wehen, 
nnd  da  nach  diesen  der  Geburtshelfer  bei  der  Untersuchung  ßn- 
det,  dab  der  Kopf  etwas  weiter  heran leigedrKngt  ist,  legt  er  die 
Zange  an,  wird  jelxl  gewahr^  dais  der  früher  gans  unbewegliche 
Kopf  nachgibt,  nnd  fSrdert  ihn  an  Tage.  Ohne  Gewalt  wird  es 
wol  nicht  hergegangen  sein,  denn  das  Kind  war  so  nngehener 
grofs,  dafs  eine  Frau  von  sehr  gut  gebildetem  Becken  mit  dem 
Gebären  ihr  Werk  gehabt  .haben  würde.  Um  nnn  das  Mab  der 
Leiden  voll  zu  machen,  ist  die  Nachgeburt  verwachsen,  mob 
also  mit  den  Fingern  von  der  Gebärmutter  getrennet  werden. 

Die  Geburt  war  gegen  6  Uhr  erfolgt,  um  10  Uhr  sah  ich 
die  Fran.  Sie  klagte  über  keine  Schmenen,  ihr  Pols  war  «ehr 
aebnell,  welches  nach  einer  solchen  viertägigen  Marter  wol  nicht 
anders  sein  konnte ,  übrigens  fühlte  sie  sich  erträglich  wohl.  Am 
«weiten  Tage  klagte  sie  noch  über  keinen  Schmerz ,  aber  über 
Magenainre}  weiche  ihr  durch  Sodbrennen  nnd  sanres  Anbtoben 
sehr  lästig  fiel.  Sie  erinnerte  siohj  dafa  ich  bei  meinem  ersten 
Besuche  den  Gebranch  der  Weinsuppe,  welche  ich  gerade  anf 
dem  Tische  gefunden,  getadelt,  und  gesagt,  sie  werde  ihren 
Magen  gans  dadnrch  versäuren  und  hintenaach  die  Beschwerdeo- 
davon  spüren;  sie  bst  mich,  ihr  von  diesen  Beschwerden  in  hei-' 
fen.  Ich  gab  ihr  blofs  eine  Auflösung  von  Natron,  um  davon 
Bach  Nothdnrfl  zu  gebrauchen,  und  war  Sbrigens  auf  die  näch- 
sten Tage  neugierig,  in  diesen  mufsie  es  sich  ausweisen,  ob  ihr 
Körper  so  unverwüstlich  sei,  einen  solch  schweren  Straub  ohne 
üble  Folgen  zn  überstehen.  Am  folgenden  Morgen  gegen  zefann 
Uhr  fand  ich  sie  bei  meinem  Besuche  im  Armsinhle  sitzen,  mit 
anfgelriebenem  Bauche,  kaltem  Gesichte,  kalten  Extremitäten, 
entstellten  Zügen ,  beängstiget  und  deshalb  im  Bette  nicht  dauernd. 
Ich  sagte  ihr  zwar  nicht  wSnlich,  aber  in  meinem  Herzen  gute 
Nacht,   sie  starb  noch  am  selben  Tage. 

Da  ich  jetzt  blob   über   die  Wirkung  des  Kupfer*  schreibe, 


—    1061    ^ 

ao  «rianbe  \A  mir  keine  besondere  Bemerkung  über  dieeen  Fall; 
aber  »iae  ellgeraelne  wird,   denke  ich,    wol  leiigemSfi  sein. 

Schon  Qaltn  laft,  die  Bdmisehen  Hebammen  eeien  der 
Moinnng,  man  därfe  die  KreifaeodeB  nicht  n  früh  lur  Gebnrlt- 
arbeit  anatrengen,  sondern  müsse  der  \alar  Zeit  lassen.  Diese 
Lehr«  ist  seitdem  oft,  sehr  oft  denen  g^eben  worden,  die  sich 
mit  der  Gebulabfilfe  befassen  wollten.  Aber,  wenn  nun  das 
Beeken  so  verengt  ist,  dafs  der  Durchgang  des  Kopfes,  wo  nicht 
ganx  nnraäglicb,  doch  sehr  Schwierig  wird,  sollte  denn  da  nicht 
die  Natur  der  Kunst  auch  ooefa  in  die  Hand  arbeilen  können  und 
man  ihr  daao  Zeit  lassen  müssen  f  —  Am  b'ade  des  siebzehnlen 
JahrhunderU  schrieb  Henrich  v.  Dtventer  ein  Buch  über  die  Ge- 
bnrtshülfe,  in  welchem  er,  wie  hundert  Jahie  spAler  J.  F.  Sa- 
combe,  die  Entbehrlichkeit  aller  logtrumenie  behauptet,  jedoch 
in  einem  Anhange  einige  Auanabmen  sugibl,  welclies  freilich  ver- 
slftndiger  war,  als  des  Sac»mbe  bekannte  Herausfoderuag  an  Bau- 
deioeque,  ihm  eine  Subwanger^  mit  gans  mifsbaotem  Becken  an 
liefern,  damit' «r  an  dieser  seine  fiebauplong  bewfihrea  kSnn«. 
Wir  Slteren  Aerzte  erinnern  uns  -noeb  recht  gut,  wie  übel  er  bei 
dieser  Probe  bestand,  und  wie  er  darch  selbige  seiner  £c«/«  an/i- 
einriemte  den  Todessiofs  gab.  e.  Devexier,  ein  kluger  Mann, 
bat  wirklieb  sehr  TeralUndige  Gedanken  über  die ,  durch  Verengung 
des  Beckens  behinderte  Geburt.  Er  glaubt,  kleine,  wäfsige  We- 
ben seien  gerade  aweckmfifsig^  die  allmählige  Verifingerang  des 
Kopfes  SD  bewirken,  durch  welche  dieser  einsig  beßbiget  werde, 
durch  die  Enge  des  Beckens  xu  dringen.  Starke  Wehen  laugen, 
glaubt  er,  gar  nicht  zu  selbigem  Zwecke,  diese  drücken  den  Kopf 
oberhalb  der  Enge  breit,  und  machen  dadurch  den  allmBhligen 
Durchgang  nnmftglich;  darum  sei  es  auch  gaozunweise,  durch  die 
Kunst  starke  Wehen  herTorsurnfen.  ')  —  Das  sind  gai  versllndige 


')  Kurt.  Sfrtmgrl,  der  Utur,  wa  DtvanUr  aiBaa  dar  (CicbicktMtea  Wond- 
iriM  Miaer  Zeit  Besnat,  aad  imr  Mit  T*Ua«  Raiihle,  hat  klora  daiiaa 
Dmgtrmmd  dtr  yr»ad9r»uw»  ( 11  off aartfthe  dMHabavnea)  aoa  einer 
trauüeliekea  UeberMUsPS  def  Buitr  fÄblaiiteitrt  Ptri»  17Si  K^li'Bat. 
Du  Uiaftwerk  aber  dei  Verfatiera,  welcbai  er  Jpitar  rar  arhulrecble  KäntI* 
ler  gesebriebea,  bat  den  Tilel .-  Henritl  m  Dnnttr,  Midie.  Dett.  Oitir- 
paliem4i  cAiriirgieat  notum  luman  txhibtMttt  »HUtrieantiiii*  ele,  Lmgduni 
Bmttmunim  1701.  Die  llarB>arSlhe,  vaa  dar  Sprtmgtl  ipricbt,  iat  eia  fräbe- 
re*  iBTa11fce»M«ae*  Werk  dei  VerlMiara,  deaa  er  »st  tu  der  Varrede  is 
•alaeB  flaaplwarke:  Jmm  dadum  hat  Navmm  Immen  pramüeram  in  Am- 
rtrm  ■(*«>  in  fn«  ifteimt»  fuaMmm  et  ejiilameu  Aif}Ki  librt  edidi ,  quem 
fTmfr»p«r€  tmittera  nttiä,  manitM*  a  mtammUit ,  gmotdam  Auraram  me- 
am  r4fklat»m,  f""»'  •"•"  '"  ß"'"  t*mpm  et  tpaUam  dare  velui.  Daa 
Bach  lil  wirklieb  nit  einer  «elleBca  Detttlicbkeit  KeecbriebRo ,  and  nit  vielen 
Kaprera  varaebeo ,  die  die  HeUea;  des  Verraiiar*  aBtchiitUeb  aaebea. 
Eise  Beilage  sa  dieiea  Werke  Ut  nir  abei  noeb  weil  Mertwärdiger  ala 


-.ügic 


—     105«    — 

GedantcBB,  aber  das  Dipf  hi*t  doeb  ooefc  wia«!  Haken;  (tena  weks 
der  DM-cbmctser  in  Kopfei  sich  gar  lu  uagleieb  m<(tMn  d«r  Bek- 
keneage  verbält,  lo  k&nni»  die  Kreifaenda  aaeb  wol  wibrend  der 
allmäbligen  Verlfingarang  dea  Kopras  ,  die  in  deo  iDbltminsleo  Fäl- 
len docbviel  Zeil  erfodern  würde,  in  die  Rwigkeit  gehen. 

Wer  gibt  uns  in  aaldien  Fftllen  den  Punkt  an,  wo  der  Geburts- 
helfer als  blofser  Helfer  der  Geburt  zandern ,  nad  den ,  wo  er  als 
eigendiehcr  Gebarlsiwloger  eingreifen  mufsj  So  etwan  wa  beatin- 
nen,  ist  sehr  hiklich,  ja  mir  scheint  es  selbst  nniaöglicb.  I3ebpr 
einen  einzelaen  Fall,  dessen  Ausgang  scben  vor  unserea  Augen 
liegt,  iSfst  sich  leicht  verstlndig,  oder  gelehrt  schwatzen.  Ich 
begreife  nnr  nit^t,  welchen  Notsen  ein  solches  Gaacbwils  babea 
kannte;  darum  mag  >ob  et  nach  gar  nicht  hären,  obgleich  ich  da- 
sii ,  bei  der  heutigen  übm-grofsen  Zahl  der  Gebunshelfer ,  nicht  sel- 
ten Gelegenheit  hülte. 

Wassersucht.  Man  bat  das  Kupfer  schon  vor  gar  langer 
Zeit  als  Heilmittel  dieser  Krankheit  angesehen ,  aber  gerade  in  die- 
ser Meinung  stelle  der  GrQnd,  dafa  sich  sein  antlbydropitfcher  Rnf 
unmBglicb  hallen  konnte.  Ich  sehe,  dafs  man  es  in  neuer  Zeit  we- 
nig in  der  Wassersucht  gebraucht.  Vor  15  oder  16  Jahren  habe 
ich  die  letzte,  damahls  neueste  Monographie  Qljer  diese  Krankheit 
gelesen,  und  war  nicht  wenig  verwundert,  dafs  des  Kupfers  darin 
gar  nicht  einmabi  gedacht  wurde.     Bei  den  Golenikeni  idas  16.  und 


da«  Warit  Mtbit,  weil  lia  ainsa,  tu  nuerea  Tifsn  t 
5CBiUad,  dis  Onhepidie,  belriR.  Der  Verruier,  der  diejen  Theil  der 
Cbirorgia  Bit  beiondarer  Liebe -Bn  Fi  fit  tn  babas  icbeint,  aagl:  er  baba  dri 
VerkrüpfeltCD  «eJoa  BälTe  ii  den  Glfeiitltebea  Zattangaa  ote  aDbielaa  nGges, 
weil  er  («rSrchtet,  ilcb  dadarcb  du  Asaeba  aiioa  Harkttahraian  asd  B«a- 
tebdiaaidwa  la  g«b«a.  Da  er  aa  aber  doeb  för  Dnraobt  balta ,  «nae  Kaait 
daa  Häirabedärftigaa  and  Höire  Socbeadaa  la  rerbaqtea ,  «s  naeb*  er  aia 
jelat  mit  des  ,  wai  er  leiilea  kSioa  ,  bakaont.  Er  aennel  eis  and  «waaii^ 
lfaa|ilTerkrlinmoaBeB  de<  Knoebeogertiilca  ( aebweigtod  vaa  dea  alidar  be- 
danlcalea ) ,  walebe  er  dnrefe  aieebaelaeba ,  nebaDbal  lacb  derab  araeariiiabB 
Mitlei  ta  . heilen  reripricht.  Für  anaere  orlbapldiacben  Aante  »aU  dleie 
Aimanilio  ad  hetarmn  aebr  narkwördig  (ein ;  ri«  kSiaea  oaeb  deraelbep  ih- 
re ei^anea  Leiitnnfei  mit  deoea  de«  van  Dnt»ier  verglaieben  aad  arfaaa, 
ob  die  Raaft  ia  diaien  Pnakta  leit  bnndert  dreirilt  bii  viaral;  Jibrea  grorea 
Forlstbrille  genicbt. 

Dia  (eldlicbea  BedlofaDgea  dea  ton  Dtttaltr  macben  ei  ilaaUleb,  dara 
er  daa  lelitea  kaoate,  wit  er  verapraeb.  Er  uft;  K«Ka  «ai  ftrfntt  tan. 
Bmiendi  hate  «(.'  Primguam  labaraiM  tmratitntm  mtmm  ftlemtt  »mmum 
aMibao,  toHw»  earatianft  preUum  paettei  taUo,  ntfne  egattnd*  dt  nnmt. 
randa  peeunla,  anuguam  vtlil  tarrttUentm  aut  euratiandm  ahtttulam, 
quam  promiil ,  praeililtHm,  nihil  pmttmlant  prt  lahart ,  initramtnUt ,  i'm- 
peniittt,    aiti  condilionibn*  prvmtttil  malta  trpltlii  tte. 

Siad    dia    BedlngODgaa    BDaerer   oHbopidiaehea  laalllala  SSlfe  ••  MIlif  t  — 
'    Ich   bin  Ifl  dieiaa  Pooiita  gani  Bawiuaed 

„,,,_.di»  Google 


—    lOU    — 

17.  Ja)ir(i«ii(lerU  fiodct  awui  m  IiIb  wmi  wtadar  kU  WHMrtndesreti* 
lim  Mittel  Mifgeftihil,  niid  iMni  kwiD  dann  nuhen,  ob  m  iwm  Wa»> 
■er  dareh  den  Mund,  oder  darab  dan  Afier,  oder  dereh  die  Hncn- 
röhre  entleert  hat. 

Petrm»  Fanttmt  (SeA^i.  adobterv.  37  LA.  i9j  eagt:  Adaqno- 
*0M  kumore»  edneendt  imprimü  em^fert  $ftuiMa  aerit  vet  aeiftwm, 
quo  Jaekinut  te  priwtmm,  qutd  »cüU,  nomtrm  oHtUe  utum  r^erti 
cam  tarnen  Bae»4orpiut  autea  eo  «t»  »itt»  Lmperafre  Carth 
^uitiiö  Ajfdrtpico ,  qui  cum  alii  medici  deiptrareMt ,  je  %nmm  remte- 
dimm  iatere  prq/tie&atmr  Carola  Ii^terattri;  M</ee  »e  potütt  maät 
Mti  i»  rtutico  guum  i»  Jmperat»re:  ctti  Imperator  retpimdit  (mt 
not  aßde  dignü  aixepimu*):  eogita  te  rutticum  prae  mtuukiu  ka- 
here,  uod»  Imperatorem  itm  curaverit;  afque  eavteiu,  illumaa- 
tutvit.  Jaakimt»  hat  fibrigeoe  daa  Kwpferoxjrd  zu  einer,  bii  an- 
derthalb Draehnen  gegeben;  da  wird  ea  wol  da«  Waanr -durch 
Mond  und  After  eatleert  und  lu^eich  die  HaraabeoDdemng  nor~ 
mal  geraacht  haben.  Letates  war  doch  die  Bedingung  der  Mög>- 
liehbeit  einer  wiifcUcken  Heilung. 

Im  Al^emeinen  gilt  von  der  Wasaerancbt,  wai  ick  ven  an- 
decea  Krankheiten  geengt;  Kupfer wanemcht  iat  verhälilich  an 
anderen  Wanersnchtcn  aelien;  beg«eifiicb  nolä  aber  der,  wel- 
cher Aas  Kopfer  aeit  xwanng  Jahren  ala  UqiverBaliaiite]  g<4>raacbt, 
■ieh  doeh  einer  hnbaohen  Zahl  Filfe  arianem,  w^ehe  er  dorcfa 
Kapfer  gebeilt. 

Maa  niufa ,  wiH  «an  da«  Kapfer  in  dieser  Krankheit  mit  Er- 
folg anwenden,  aioh  auerst  öberaeogen,  dafi  man  es  nieht  mit 
einem  Urerganleidea  an  tbua  habe,  von  dem  die  gettörte  Harn- 
absonderang  abhingt.  la  sotoben  Fällen  hilft  Aom  Kupfer  nicht« 
ja,  ea  wird  weit  eher  die  gestSrte  Horaabaonderung  gana  unter- 
drücken aU  aelbige  normal  machen.  In  Waaaersncht  tob  (Jrle- 
beraffektioB  hilft  QuaaaiawaBser  uad  andera  S^paliea,  nicht  Kn- 
pfer;  in  der  von  Urwilsaffektion  EichelowaSsar,  Meerzwiehel,  oder 
ein  anderes  Mtlamittel,  aber  nicht  Kapfer;  in  Waaeeraacht  von 
Krankhaftigkeit  dei  Pfortaderayateme  hilft  Schwefel  in  Yerbindong 
mit  Salpeter,  oder  Glaaberaala ,  nicht  Kupfer;  in  WaiierHucht, 
die  von  einem  Urnierenleiden  abhängt,  hilft  Goldraihe,  Coche- 
nille,    Magnesia,    Ammonium  u.  a.  w. ,   aber  nicht  Kupfer. 

Ist  die  Wasierauchi  eine  in  den  Nieren  nk  hehiadette  Hamal^ 
•ondenrng  sich  offenbarende  Affektioo  des  Geanmmtorgaaismnif  ao 
wird  aie,  ja  nachdem  die  Artung  dieser  Affektion  ist,  aatweder 
dnrcb  Snlpeter,  oder  durch  Eiaen,  oder  durch  Kupfer  gebeilt.  Sal- 
peter wasiiersucht  habe  ieh  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet,*)  wor- 


*)  W*s«g  gMtSriar  HtmbMidersac  mai  aahagnder  GMafawabI  4m  ZtUgawe- 
k«,  F*%a  dM  ScharlaekBebar» ,  bfa  Ich  fffliliah  «ia  fwauHhl  *a  fiäUto  nra* 


—    1054    — 

atit  ich  ■chliafae,  dafi  lia  salteB  TorkonBen  mnfa;  dafa  si*  abw 
k«in  blofs  «ingsbildeter  Kmokfavituti Bland  sein  kSnoe,  dafür  apre- 
chen  dia  Beobachtungen  anderer  Aerate.  Eisen-  und  Kupferwas- 
serauchl  habe    ich    oft   gengg  geheilt- 

Hat  man  sich  nnn  ,  entweder  durch  Zeichen  oder  durch  Pro- 
bemiltel  überzeugt,  dafi  in  einem  Falle  die  Wauerancbt  nicht 
von  dem  Urleiden  einea  Organs  abhängt,  so  mufa  man  weiter 
wohl  unterauchon,  ob  sie  auch  Offenbarung  einer  Eisenaffektion 
dea  Gesammtorganiamna  aei,  und  xu  dem  Ende  .voraüglicb  den 
Harn  prüfen.  Findet  man  denselben  laogensalsig ,  ao  braucht  man 
kein  Kupfer  zu  geben,  ea  hilft  nicht;  ist  er  aiwr  sauer,  ond  bleibt 
bei  weiterer  Unteraiichung ,  die  man  mehre  Tnge  wiederholen 
mofa,  sauer,  so  wird  man  das  Kupfer  mit  wahrscheinlich  gutem 
Erfolge  reichen.  Ich  gebe  ea  am  liebaien  in  Tinktnr,  in  kleinen, 
oft  wiederholten  Gaben,  zu  15  Tropfen  atündlieh,  auch  wol,  zur 
Bequemlichkeit  dea  Krankes,  zweiatQndlich  30  Tropfen,  ia  einer 
hnlben  TasM  Wasser. 

Die  Wirknog  Snfsert  sich  innerhalb  zwei,  häufiger  innerhalb 
drei  Tage  durch  die  Veränderung  dea  Hatnes;  ist  er  luoraslig, 
nad  dunkel  geförbt,  so  wird  er  zuerst  klar,  dann  verliert  er  die 
dunkle  Farbe,  gebet  von  der  dunkelbraunen  stufenweise  in  die 
strohgelbe  Ether.  Wahrend  dieser  Verfindernng  nimmt  die  Menge 
dea  auagesonderten  Harnes  TerhSltnifsmHfsig  immerzu,  jedoch  nur 
bia  auf  einen  gewissen  Punkt.  Bei  Waaserauchlen ,  welche,  con- 
sensneller  Art,  von  einem  Urorganleiden  abhingen,  habe- ich  in 
einzelnen ,  jedoch  sehr  seltenen  Fällen ,  auf  den  gebrauch  des 
pafslichen  Organbeilmitiels  eine  ungeheure  Hamenileemng  erfol- 
gen s^en;  das  sab  ich  aber  noch  nie  vom  Kupfer.  Wenn  die 
Haraentleerung  bia  auf  ein  gewisses  Mafs  gekommen  ist,  ao  dafs 
aie  die  Menge  dea  ISglich  genossenen  Getränkes  um  ein  Merkli- 
ches Qbersieigt,  dann  bleibt  aie  auf  dieser  Höhe  atehen,  und  be< 
greiflich  mafs  die  im  Bauche  und  im  Zellgewebe  angeaammeiie 
Wasaermasse  tfiglicb  minder  werden  und  endlich  ganz  verschwin- 
den. Während  dieser  Heilung  kehret  das  Geaundheiiagefühl ,  wel- 
ches Jn  aolchen  Fällen  mehr  oder  minder  getrübt  ist,  zugleich  mit 
der  verlorenen  Farbe  der  Gesundheit  wieder,  und  der  Mensch 
wird  nicht  hlofa  das  Wasser  los,  sondera  pr  wird,  was  doch  die 
Hauptsache  Ist,    geaund. 

Ich  hatte  bis  vor  Kurzem  noch  nie  die  Menge  des  tiglicfa 
genossenen  Getränkes  mit  der  des  ansgosonderten  Harnes  hei  ei- 
nem auf  der  Besserung   befindlichen'  Wassersüchtigen  genau  ver- 


r«B,  Süd  bab'e  innh  knbliebts  Salpstar  («ko"'*  i  wibraebeialleb  w«i[  <U 
8«hH-UahB0b«r  and  •sIpetriiehBr  Art  BSweiai.  Salcb«  Rlsial|ktil«s  »»$  ich 
■b«r  stobt  WawenaeU  naDDea. 


—    1055    — 

glichen,  lonileni  leirien  nur  nach  dem  AageoinafBe  gefchütsr,  weU 
chea  auch  für  die  Praxis  hinreicht,  nnd  mich  hinsichtlich  der  fort- 
sehreilenden  Beaaerang  nie  tSuichi,  voran igeaetzt,  Atta  mit  der 
Wassersucht  nicht  ein  gewisser  Grad  von  Hernrtihr  verbunden  ist, 
welche  Verbindnng  aber  so  Safserst  seilen  ist,  dafs  mancher  Ant, 
der  dreifsig  Jahre  die  Kunst  geSbi,  sie  nicht  ein  einziges  Mahl 
wird  gesehen  haben.  Da  es  aber  unter  den  Aertten  auch  solche 
gibt,-  die  da  glauben,  die  Beobachinngsgabe  des  praktischen  Schrift- 
«lellera  offenbare  sich  durch  AufiShlung  alter,  selbst  solcher  klei- 
nen (JinsiSnde,  welche  die  Hanpisache  um  kein  Haar  verdeoili- 
ehen;  so  habe  ich,  um  auch  diesen  AmtsbrSdern  sn  genügen,  wSb- 
rend  ich  gegenwünigen  Abschnitt  geschrieben ,  eine  an  Kupfer- 
wassersuchi  (Bauch-  und  Zellgewebewasaeriuchl }  leidende,  sech- 
ztgjBhrige  Frau,  die  gerade  gelegen  meine  Hülfe  in  Anspruch 
nahm,  gebeten,  einige  Tage  ihr  iBgÜch  genossenes  GeirBnk  und 
ihren  ausgesonderten  Harn  zu  messen.  Sie  hat  dieses  vier  Tage 
geihan,  nnd  das  Ergebnifa  war,  dafs  sie  durchschnittlich  jeden  Tag 
vierzig  Unzen  Getränk  zu  sich  genommen  und  zwei  und  achtzig 
geharnt.  *) 

In  solchen  Ffillen,  wo  der  Harn  zwar  sehr  vermindert,  aber 
weder  braun,  noch  morastig  ist,  mufs  er  beim  Gebrauche  des  Ku- 
pfers in  drei  Tagen  ganz  klar  und  strohfarbig  werden;  wird  er 
es  nicht,  sondern  verdunkelt  sich  seine  Farbe,  so  kann  man  dar- 
auf rechnen,  dafs  diese  Wassersucht  nicht  von  einer  Kupferatfek- 
lion  des  Gesammiorganisnius  abhSngt,  und  man  mnfs  dann  die  Ar- 
tung derselben  genauer  ausinilteln,   wenn  man  sie  heilen  will. 

Was  ich  frBber  von  Eisen wasaersncht  gesagt ,  ange  ich  jetzt 
auch  von  der  Kupferwassersucht;  diese  kann  zuweilen  mit  einem 
Lirleiden  eines  Organs  verbunden  sein,  und  ist  alsdann,  wie  alle 
vermischte  Krankheiten,  schwieriger  zu  erkennen  und  zu  heilen. 
Ist  aber  das  mit  der  Kupferwassersucht  verbundene  Urorganleiden 
ein  wirklicher,  aller,  vielleicht  dae  Gebilde  des  Organs  schon  ab- 
oonn  verAndernder,  unheilbarer  Fehler,  so  stehet  es  um  die  Hei- 
lang der  Wassersucht  mifslieh  aus.  Was  sich  über  dieten  Ge- 
genstand sagen  Ififst,  habe  ich  schon  im  vorigen  Abschnitte,  von 
der  Eisenwassersucht  sprechend ,  bemerkt  nnd  mag  es  Jetzt  nicht 
zum  Ekel  der  Leser  wiederholen. 


*)   Diewr  Pill  bitte  dai,  lar  da  glaoM,   du  Rapfcr  Mle  «Ha  Wutcnaebt  ala 

btoftu  DinraCioaii,  treAich  «lBe«B«MerBn  belekraB  LSnBaa.  DU  waitanüeb- 
lige  Fr*D  hatte  alna  EfaroDlieb«,  iwar  waaig  icbaienharta,  absr  aie  *ebr  eat- 
ilillcDde  EatiäodDDg  d«a  rcchlea  Aagri,  aad  aalbige  asgebtieh  aehoa  Hcba 
Hoaate  vor  Bncbeiaoug  itr  Waiienaehl  fibabt.  Diaac  FrsebetauBf  *er> 
ackwasd  b«l  den  Oabraadie  da«  Rapfon  slatahsaiiig  mH  der  WaMaraacht, 
•baa  Aawaaiasc  tabarliaber  NIIbI. 


—    tOM    — 

Da,  wo  dai  Kupfer  uiQbiglt«li  dem  Krasken  gnt  ih«  ubJ  4S« 
HamabionderuD^  verniehrt,  demet  wim  ätUsMod  in  dieisc  Bbmb 
luDg  gewöhalich  auf  oinea  geraUobten  KraokheiUxMtaBd.  Ei  iat 
dann  di«  Sache  dei  Ante»,  eu  uaienucbea,  nit  welchem  Organ- 
leiden  die  KnpferaffebtiOD  det  GeeauiiiHorga»iBnufl  yerbundea  eei; 
«otdeekl  er  diesei  uod  ul  ea  leiiier  Kuuit  heilbar,  lo  heilt  er 
auidi  die  Waaiertucht.  So  habe  ich  luehrmahlB  Tsrborgene  Le- 
berCehler  bei  dem  Gehrancbe  des  Kupfers  nicht  blofa  durch  den 
Stillataad  der  fieaaerung,  loadern  autii  durch  gleichzeitig  enlue- 
Jieode  Spannung  im  rechten  Hypochondrio  erkBoni;  fUinlicbe  Er- 
fahrnng  habe  ich  bei  der  Mili  gemacht,  und  bin  in  dieaem  Fall 
durch  einen  Zoaaii  von  Eidielnwauer  aum  Kupfer,  in  jenem  durch 
Quaasiawaaser  iura  Zwecke  gekoinmen. 

Uebrigena  ratbe  ich  jedem ,  nur  in  den  Füllen,  wo  Stillatand 
4ler  BcHeruflg  eioirUl,  auf  erachei&ende  rermuihlicbe  Zeichen  ur- 
erkrankter  Organe  an  achieo.  Ist  kein  Siiliatand  der  Besumng 
sicfatbari  so  raufi  man  auf  solche  Termaikliche  Zeichen  voriftufig 
gar  nicht  achten,  sondern  einfach  auf  dem  Wege  fortecbreiten, 
den  man  eingeschlagen;  er  fährt  am  siebenten  lum  Ziele.  Hat 
liian  dieses  erreicht,  so  kann  man  binictiDach  versuchen,  die  Krank- 
haftigkeit eines  Organs,  deren  Erkenntnifs  eiaeia -während  der  Kur 
geworden,  zu  heilen.  Es  kann  madche  KrankhafiigLeit  des  einen 
oder  des  anderen  Organs  im  Körper  vorhanden  sein ,  welofae  mit 
der  Kupferwasserincbt  nichu  geiMeio  bat ;  www  sollte  ea  also  die- 
nen, sie  während  der  Kor  zu  berücksicbiigenf  Wer  ohne  \oih, 
blofs  nach  . phantaatiuch  iheoreiischen  Aoatchten,  von  der  einfa- 
chen, sichtbar  zur  Heilung  fiihrpnden  Behandlung  abspringt,  der 
mufs  sich  nicht  wundern,  wenn  er  später  xum  Ziele  kommt,  oder 
dasselbe  auch  wol  gar  nicht  erreicht.  Ea  würde  ihSricht  sein, 
wenn  Ich  jetxt  Kranke ng esc hicblen  eiofucber  Kupferwaslersuchien 
erxfihlen  wollte;  sie  würden  den  Leser  wenig  unterhalten,  denn 
ich  kSante  ja  nsr  das  darin  wiederholen ,  was  ich  eben  gesagt. 
Wollte  ich  aber  Ffille  Tenniacfater  Kiipferwasaersiuht  erx&hleo, 
und  Ewar  solch  schwierige,  in  denen  die  Krankhaftigkeit  der  Or- 
gane nicht  durch  Zeichen,  sondern  nur  durch  Probemittel  zu  er- 
gründen war,  so  müfste  ich  über  manchen  einxelnen  Fall  wol 
mehr  als  einen  Bogen  voll. schreiben ,  indem  ich  hier  die  Haupt- 
sache ,  die  verstandbafie  Weise ,  zur  Erkennlaifs  xu  gelangen ,  in 
ein  helles  Licht  zu  stellen  gen5ihiget  sein  würde.  So  etwas  pafst 
aber  besser  für  einra  Sohriftsleller,  der  die  Jugend  belehrt,  wia 
aie  sich  selbst  reratandhafte  Rechensebafi  von  ihrem  prakliachoD 
Handien  geben  mufii,  als  für  mich,  der  ich  blofs  hexwecke,  mei- 
nen achtbaren  Amtagenossen  eine  müfsige  Stunde  xu  verplaadem. 
Jedoch  will  ich  meinen  jüngeren  Kollegen  au  Liebe  einen  Fall 
erzählen,  der  das  in  ein  helles  Liotu  «telUt,  .was  ieh  eben  gesagt. 


—     1017    — 

«hfi  '■■■  oftmlieh  die«  wlfaraad  der  fmiMlirriMnilea  BeMerung  aicli 
•bsbarande  wabndMiBÜdM  l->krankiing  «in««  OrgniM  nieht  %m 
Iwräckaicbiigen  braucht,  wenn  dien  die  Beaaeriing  nicht  tlilktän- 
«Kg  macht. 

D«n  22.  Oktabar  1824  wnrde  icb  aa  «tnem  an  der  Banch- 
waaaaraachi  leidenden  Manne  gerufen,  um  mich  mit  aeinem  Ante 
■n  beratfaen.  Metn  AmtagenAue  hatte,  so  viel  tch  die  Sache  ke»- 
ne,  allei  gcthan,  waa  er  naohacbHlrechler  Anaicht  ihiin  konnte; 
Mtoe  Beiu&fanngen  waren  ab«  froehilaa  geblieben,  und  der  Kran- 
ke, iMmer  gew^wollener  nnd  elender  atait  .beaser  geworden,  hatte 
gani  den  Mmh  Terhtrea.  Vor  Ankunft  meinei  Aintsgenouen,  die 
aieb  durch  anderweitige  GcaeiUfte  veraBgerte,  nnteraochte  ich  mit 
MiAe  den  Kranken,  and  da  er  «in  sehr  verstandiger  Mnnn  wac, 
taiae  Galiian  anch  4n),  was  er  allenfalls  aus  Scbw«cbbeJt  in  sei- 
■er  Ersfthlang  vergalä,  ans  ihrmn  tiedicbinifg  ergSnsie,  lo  brech- 
t»  mich  diese  Uoiartacbnng  au  der  Erkenninifit,  dafa  er  an  einer 
in  den  Nieren  vorwaltenden,  als  behinderte  Harne  baonderung  sich 
ofibnbaaenden  Kspferaffekriofr  des  Geanihmterganisnina  leide.  (Vur- 
bebaiien  jedoch  die  MSglicbkeit  geheimer,  dnreb  die  Ausfragong 
■ieht  erkennbaren  Org«nfehler.)  Mein  erfahrener  und  sehr  recht- 
licher Amtegeaoiae  halte  gegen  die  AnwendiH^  der  Knpfertinklnr 
aicbta  einzuwenden,'  nnd  ackien  diesem  neuen  Heilversuobe  eine 
besondere  Aufmerksamkeit  an  aehenken.  Ich  iheilie  ihm  dia  B^ 
rettang  der  Tinktur  mit,  liefs  sie  aber  ans  der  hiesigen  Apotheke 
holen,  weil  der  dortige  Apotheker  aie.  etlicher  Unxen  wegen  doch 
nicht  machen  konnte.  Die  Wirkung  war  so,  wie  ich  sie  bei  rei~ 
ner  Knpferafiekiion  n  aeben  gewohnt  (mb.  Der  dunkle,  iriib* 
Harn  wiude  klar,  halt  von  Farbe  and  vemiabrie  in  etlichen  Ta- 
gen Bo,  .dafs  seine  Menge  die  dea  tSgllch  genoisenen  GetrKnkes, 
nach  BBgeföbfer  Scbfilxung,  nm  ein  Merkliches  überstieg;  begraif- 
lidi  iwifsta  nnn  das  vorhandene  Bauchwaaaer  täglich  mtsder  wer> 
itm.  Mit  dieser  Vernrindernng  der  Wnssarmasse  kehrte  aber  aa«h 
die  Gesandfaeit  wieder,  und  ea  tftfst  aiob  van  der  reg«Imft£aigen, 
ohiw  Anstofs  foruchreitenden  Besserung  «ickt  viti  Wort«  maoben. 

Während  der  Kranke  min  st^n  atemlicb  -weit  in  der  Be*- 
samng  vorgerückt  war,  ttafsenen  aiob  bei  ihm  Hlmorrboidal- 
knitfeo.  Mein  AmtsgeBOsse  wollte  jetat  auf  die  Bau ch voll blüiig- 
kflit  besondere  Mittel  anwenden,  ich  war  aber  nicht  seiner  Mei- 
oaog.  Daa  regclm&fsig  fortschreitende  Gesunden  war  ao,  dafs  kein 
Mensch  etwas  daran  verbessern  konnte;  die  Wassersucht  konnte 
■nnSglioh  von  der  Krankhaftigkeit  dea  Pfortaderayateins  abhangen, 
denn  hätte  sie  wirklich  davon  abgehangen,  so  wSrde  das  Kupfer 
gewifs  nicht  eine  so  regelmäfsig  fonschreitesde  Betsarnag  bewirkt 
haben;  waram  aollie  man  also,  etliofaer  wenig  ■cbmershafier  Hft- 
norrboidalkneten  wegen,  dia  einfache  B^andlnng  verwickeln,  and 

67         -      -o" 


—    lOM    — 

IIBlfen  anwenden,  ii»  wo  ibeoreliaeb  iWMkni'ftfaig  lie  Mta  mooli- 
ten,  doch  di«  fortschreitende  Benernn;  bilten  in  StoelMB  tHWgen 
können t  — 

Einige  %eit  darauf,    da  icb  einet  anderen  Kranken  we^n  ia 


jene 


Stadt  kam ,    besucbte   ich  den  Mann  und  fand  ihn  aof  seiner 


Sohreibstube  beschftftiget.  leb  rieih  ibiu  jetsi,  die  Kupfarlnktor 
noch  luehre  V^'echen  farisugeb  rauch  An ,  denn  wenn  er  ^«icfa  kein 
Wasser  mehr  im  Bauche  habe,  so  könne  tnan  doch  nicht  mit  Si- 
cherheit behauplen,  dafs  in  seinem  KSrper  die  Geneigtheit  ittr 
Wasserersengweg  vollkamiuea  geiilgl  sei;  daran»  sei  es,  bei  die- 
Ker  Unsieherheit ,  der  Klngheit  geiiiftfs,  lieber  et wbb  xu  viel,  als 
«twaa  E«  wenig  Vorsivbi  anauwendfui.  Hiniicbtlieb  d«r  Ban^ 
vollblütigkeil ,  ron  der  sich  aber  früher  nie  Sparen  geseigt,-  rietb 
ich  ihm,  kilnfiig  bei  erscheinenden  HAanorrboidal knoten  Blutegel 
ansetzen  zu  lassen ,  und  durch  die  Zeit  Sdiwefel  mi  gebrauchen. 
Da  er  ein  recht  verstlndiger  Mann  war,  wird  .er,  dfnbe  ich,  mei- 
nen Halb  wol  befolgt  haben.  Das  ist  nun  die  gans  einfache  Kran- 
kenge^chicbie;  jetat  will  ich  noefa  «ine  eben  so  einfache,  aber 
etwas  seltsame  Nachschrift  dazu  machen.  Begreifiicb  hatte  ich 
von  diesem  Manne,  der  mir  übrigens  gans  fiemd  war,  seiideM 
icb  ihn  gebeilt,  weiter  nichts  gebort.  Acht  Jahre  darauf  be- 
komme >eb  von  ihm  einen  aus  einer  entfernteren  Haupt-  und  Re- 
sidenzstadt dalirtcn  Brief.  Er  schreibt  mir:  seit  ich  ihn  ror  acht 
Jahren  von  der  Wassersoehl  befreiet,  habe  er  forfwalireDd  einer 
ungetrübten  Gesnndheif  genossen.  In  der  letzten  Zeit  aber,  da 
er  seiner  Amtsgeschftfte  wegen  genöthiget  gewesen,  sich  anhal- 
lend  der.  kalten  und  regnerischen  Witterung  ansauselsen ,  sei  er 
von  Katarrh» Izußllen  heimgesucbl,  und  aus  diesen  habe  sich,  ob- 
Bcbon  er  gleich  ärztlichen  Etafh  gesucht,  wieder  die  Wauersaebl 
entsponnen.  Der  Arzt  gebe  sich  freilich  mit  ihm  viele  Mäbe,  aber 
bei  dessen  Beniüfaungea  gehe  doch  seine  Gesundheit  so  stebdiBr 
den  Krebsgang,  dab  er  jerxt  wegen  grober  SobwScbe  kaum  die- 
sen Brief  vollenden  kitnne.  Er  bat  mich  dringend,  ihm  die  Tro- 
pfen KU  schicken,  durch  welche  ich  ihn  vor  aeht  Jahren  geheilt; 
auf  diese  setze  er  noch  seine  einzige  Hoßunng. 

Abschlagen  konnte  ich  ihm  seine,  wirklieh  sehr  rührend  TOr- 
getragene  Bitte  nicht ;  allein  wie  war  es  mir  mftglich,  an  erraiben, 
ob  seine  jetzige  Wassersneht  wieder  der  nfimljchen  Artung  sei  als 
die  frühere  1  —  Acht  Jahre  ist  sobon  eine  für  ein  Mensebenlebea 
lange  Zeit,  nnd  wie  kann  in  dieser  der  Körper  verändern! 

Ich  schrieb  ihm  dieses  ausführlich,  nnd  so  deutlich,  dals  nein 
■tichiärztlicber  Verstand  eb  begreifen  mufste.  Ich  machte  es  ihm 
znr  Pflicht,  seinem  Arzte  die  Anten eiflasche,  auf  deren  Gebrancba- 
zettel  der  Inhalt  bemerkt  war,  zu  seigen,  ihm,  wenn  er  es  noeb 
nicht  geihan,  seine  früher«,  durch  diese  Arsenei  bewirkte  Hrilun^ 


-     1050    — 

m  «rtflhl«ii,  und  sie  jelzt  nitr  mit  dessen  Genehmiping  xu  ge- 
branehen.'  Ich  hätte  mir  aber  die  MShe  eines  augfAhrlichen  Brie- 
fes erH^areii  kSnnen,  denn  knrz  rfarRiif  erhielt  ich  von  seiner  Gat- 
lin  dte  Xachrichi,  er  sei  schon  vor  Eintreffen  meines  Sehreibens 
gestorben. 

Ich  kann  nnmSglich  wissen,  ja  nicht  einmahl  mmhmBfsen,  ob 
dieser  Mann  an  einer  Knpferwassersiicht,  oder  an  einer  anderen 
Art  dieser  Krankheit  gestorben  ist;  was  ich  also  noch  zn  sagen 
habe,  tnnh  keiner  meiner  Leser  auf  den  erz&hlien  Fall  bezieben. 

Knpfer Wassersucht  ist  nur  dnrch  da^  Kupfer  selbst,  nicht  durch 
die  dem  Kupfer  verwandten- Mittel  eu  heilen;  som  wenigsten  wer- 
den die  Fälle,  in  denen  letzte  den  Foderungen  des  .4rzies  genS- 
gen,  selten  sein.  Mittel,  welche  die  \ieren  zur  vermehrten  Harn- 
absonderung reizen  (DiareticaJ,  heilen  nicht  die  Kupferwasser- 
snchi,  wenn  sie  gleich  zuweilen  ein  paar  Tage  lang  den  Arzt  und 
den  Krankert  durch  etwas  veränderte  und  vermehrte  Darnabsonrfe* 
rang  täuschen.  Die  Paracentese  bePirdert  nicht  die  Heilung.  M'er 
den  Kranken  darch  Purgirmitlel  heilen  will,  der  Jiann  darauf  rech- 
nen, dafs  er  ihn  auf  dem  kürzesten  Wege  zum  Kirchhofe  fGhrt. 

Uebrigens  habe  ich  blofs  Bauch-  und  Zellgewebewassersuchl 
durch  Knpfer  geheilt,  nicht  Brust  Wassersucht.  Letzte  scheint  meist 
von  einer  Krankhaftigkeit  des  Herzens  herzurShren,  und  die  wird 
das  Knpfer  nicht  heilen. 

Meinen  jängeren  Anilsgenossen  gebe  ich  folgende  Warnung. 
Haben  sie  Je  einen  Wassersüchtigen  geheilt,  das  heifst,  ihm  nicht 
blofs  das  Wasser  entleeret ,  sondern  ihn  auch  wahrhaft  gesnnd  ge- 
macht, und  der  nämliche  Mann  wird  5,  8,  10  Jahre,  oder  noch 
später  nachher  wieder  wassersüchtig,  so  müssen  sie  sich  vor  Blleo 
Dingen  nicht  einbilden,  dafk  diese  letzte  Wassersucht'wieder  eben 
Bo  geartet  sei  als  die  frühere.  De^s  kann  allerdings  wol  so  sein; 
die  Wahrscheinlichkeit  aber,  dafs  es  nicht  so  sei,  ist  eb^n  so  grofs 
als  die,  dafs  es  so  sei.  Ich  habe  schon  frühA  in  diesem  Buche 
hei  einer  anderen  Gelegenheil  gesagt,  dafs  jede  Erkrankung  eines 
Organs,  sei  sie  auch  noch  so  gründlich  gehoben,  eine  Geneigtheit 
EU  ähnlicher  Erkrankung  in  dem  Organe  zurücklasse.  Unwider-  ■ 
sprechlich  sind  bei  aller  Wassersucht  die'  Nieren  krank ;  denn  es' 
mag  in  denselben  eine  AlTektion  des  Gesammiorgani.smus  vorwal- 
ten, oder  sie.  mSgen  consensiiell,  oder  urer^rifTen  sein,  so  sind  sie 
doch  jedenfalls  krank.  Von  dieser  Erkrankung  kann  denselben, 
wie  jedem  anderen  Organe,  eine  Geneigtheil  zu  ähnlicher  Erkran-  ■ 
kung  überbleiben,  und  sie  kSnnen  spftter  durch  solche  Veranlas- 
sung erkranken,  durch  welche  Nieren,  die  früher  immer  gesund 
geblieben,  nicht  erkranken  würden. 

Wenn  man  dieses  allgemeine,  zwar  nicht  erklärbare,  aber 
durch   Beobachtung   erkennbare  Gesetz    des  Organismus   im  Aq^ 

97  '  '^ 


-  -     1060    — 

hall,  bleibt  luan  am  b«Bl«B  vor  all«f  Ein*eiitgtc«h  in  4er  Befaaad- 
luDg  bewahret.  Mftn  wird  dann  nicht  Bogen:  weil  ich  den  jMst 
watsersüchiigen  X.  vor  fßnf  oder  Becha  Jahren,  da  er  an  der  nint- 
liehen  Krankheit  litt,  durch  dae  Mittel  A.  geheilt  habe,  so  mmh 
er  jetzt  wieder  durch  das  Mittel  A.  geheilt  werden;  Boadern  awi 
wird  die  Artung  der  WaMersucht  de«  kranken  X.  to  genau  And 
Bo  Tonirlheiirrei  unierBucheD,  als  habe  er  früher  nie  an  der  otm- 
lichen  Krankheit  gelitten. 

Um  daa,  waa  ich  jeizi  gesagt,  durch  «in  Beispiel  deutlich  m 
ntaoben,  brauche  ich  keinen  beBonderen  Fall  «i  eriBhIen,  Bondern 
mich  nur  auf  einen  8chon  erwähnten  an  besieben.  Die  l'ran  nftut- 
lich,  von  der  ich  oben  gesagt,  dafa  ich  sie  die  Menge  des  genos- 
senen Geiritnkes  und  des  aoHgelrwlen  Harnes  habe  wessen  las- 
sen, war  fünf  Jahre  früher  auch  wassersüt^iiig;  ich  heilte  b>«  da- 
nabls,  weil  die  Leber  urerkrankt  war,  durch  QüaaBiawasser ;  jeut 
aber,  weil  nicht  ihre  Leber,  sondern  ihr  QeummlorganisaMs  ur- 
erkrankt  war,  heüie  ich  sie  durch  Kupfer. 

Da  ich  wohrscheialich  jetxi  mm  letzten  Mahle  in  diesem  Ba- 
che Von  der  Wasnersucht  spreche,  bo  mufa  ioh  noch  einer  seltsa- 
men Volksnieinung  gedeolten,  von  der  ich  nicht  weif«,  ob  sie  iich 
orBprünglicb  in  dem  anärulichen  Verstände  des  Volkes  enteegt 
hat,  oder  ob  sie  von  den  alten  Aerxien  den  Laoten  in  den  Kopf 
gesetzt,  und  von  Geschlecht- zu  Geschlecht  vererbt  iki.  Der  ge- 
meine Mnnn  ist  tMiralicb  der  Meinung,  hei  der  Wassersucbl  mfisse 
der  Kranke  das  Trinken  mSglicbst  meiden.  Trinken  vermehre 
das  Wasser  und  bindere  die  Heilung. 

Im  sechzehnten  Jahrhundert,  und  früher,  war  wol  die  Mehi^ 
sahl  der  Aerzte  der  Meinung,  dafs  die  WaBsersüchiigeo ,  «ich  wo 
nicht  alles  Getränkes  enthalten ,  doch  nur  znr  höcbmen  Noifadarft 
trinken  dürften.-  lo  meiner  Jugend  habe  ich  mir  aus  manchen  al- 
ten Schriftstellern,  die  ich  nicht^kaufen  konnte,  solche  Steiles 
aasgeschr leben,  die  mir  damahls  beraerkenswerth  schienen.  Ob- 
gleich die  meisten  dieser  Schriftsielleo  mir  jetst  weit  weniger  wich- 
tig scheinen  als  damahls,  so  bin  ich  doch  jeiEt  noch  auf  eine  ge- 
aiofsen,  die,  in  Betreff  des  Durstens  bei  der  Wasaersueht,  sehr 
-nerkwurdig  ist.  Ich  bedaure  nur,  dafa  ich  den  Namen  des  Schrei- 
ben derselben  nicht  angeben  kann,  er  tat  in  meinen  Papieren 
durch  die  Zelt  und'  durch  andere  Schicksale  ganx  »Bteserlieb  ge- 
worden. Ich  vermuthe  blob,  ans  vor-  und  nachslehenden  Stel- 
len, dafs  die  ansu  führen  de  von  Victor  Trincavelfi  sein  mnfs, 
kann  mich  aber  nicht  davon  nbrrsengen ,  weil  ich  diesen  Schrift- 
steller nicht  selbst  besitze  und  jetzt  auch  keinen  Kollegen  kenne, 
der  ihn  mir  borgen  kSnnle.  Die  Stelle  lautet  bIbo:  Novi  ego 
non  pattremi  nominü  metiicum,  Hüpanum  puUtce  B»m»Miae  prüfen- 
tem ,  gut  9oio  e*u  alimentarum  anorum  et  aMineMüi  p«ttta  »mmit 


—    1081    — 

ptr  40  äif  eomttMmaa  curmtm»  ett  ah^me  »Ih  prorwt  meäicamenie. 
Du  w8r«  also  ein«  wahre  Daniknr.  leb  seltMt  habe  diese  Kur 
absiehtlieh  nie  angewendet,  jedoch  mancfae  Leute  ans  der  gerin- 
i;»ten  VolkaklasM  gefunden,  die  xwar  nicht,  wie  jener  Spanier, 
meh  alles  Getränk  rvraagien,  aher  doch  nnr  iiir  böcbaren  Noih- 
durft  (ranken.  Sobald  idi  dieses  gewahr  ward«,  rieih  ich  ihnen, 
so  viel  an  trinken  als  sie  Dn^t  bitten ,  denn  ich  sah  eben  nicht, 
dafs    dnrcb    ihre   Enthallsamkait  die    Heilung    besser   von   Stalten 

In  des  AmI.  Benivtmitu  Bnab  lU  abditü  wtorbomm  et  tanatith- 
MW»  «UMM  (Cap.  13.J  findet  »an  eine  aeltaame,  dahin  einschla- 
gende Gesehicbie.  Ein  Baner,  der  an  einer  allen  Zellgeifebewas- 
aorsucht  leidet,  verlangt  von  Benivie»*,  er  solle  ihn  heilen;  die- 
ser erkUn,  er  könne  ihn  nicht  heilen,  sein  L'ebel  sei  schon  zo  alt. 
Oei  Bauer  llfst  sieh  aber  so  leicht  nicht  abweisen,  sondern  ver- 
langt dringend  einen  Rattr.'  BenMeni  mufs  über  dessen  Zudring- 
lichkeit lächeln,  und  nm  seiner  loa  m  werden,  sagt  er  ihm :  mein 
Freund!  willst  du  genesen,  so  motit  du  niohts  mehr  trinken,  als 
auc  eben  hinreicht,  dein  Leben  au  fristen. 

Ein  Jabr  nariiher  kommt  derselbe  Bauer  wieder  su  Benivieni 
nnd  sagt:  er  sei  deijenige,  den  er  durch  seinen  guten  Raih  von 
d«r  Wassersucht  befreiet;  nun  komme  er  aufregen,  ob  er  Jetzt, 
da  er  geheilt  sei,  wieder  trinken  dürfe.  Der  Bauer  »lufs  wol  das 
ganie  Jabr  durch  gar  nichts  getrunken  haben,  dann  es  siebet  aut- 
drücklich  dort :  ad  te  reverlor,  tcire  cupietu,  an  adkvfi  mihi  liceat 
aliqitid  biberey  ckk  haclenut  nihil  biberim.  Benivieni  räih  ihm, 
sieh  allmfthlig  an  den  Wein  au  gewöhnen ,  und  swar  an  onge- 
wttsserten.  (Die  Geschiohte  spielt  nttmlich  in  lulien,  wo  man 
die  starken  Weine  gern  mit  Wasser  gemischt  irinlit.) 

Da  die  alte  Hungerkor  in  unseren  Tagen  wieder  hervorge- 
suebt  ist,  so  kann  ieh,  sterbe  ich  nicht  bald,  noch  erleben,  dafs 
auch  die  Durstknr  wieder  zu  Ehren  kommt.  In  dieser  Voraus- 
seixung  mache  ich  vorläafig  folgende  Bemerkung,  ohne  jedoch  da- 
durch im  Allgemeinen  aber  den  Wenh  der  Kur  absprechen  tu  wollen. 

In  derjenigen  Wassersucht,  die  von  einer  Urerkrankong  der 
Nieren  abhängt,  und  in  der  der  sparsam  ausgesonderle  Harn  nicht 
■eilen  so  sauer  tat ,  d»fs  das  eingetauchte  LakmaspHpier  sich  so 
«cboeli  und  stark  röthet,  als  habe  man  es  in  scharfen  Essig  ge- 
taucht; in  dieser  Wassersucht,  weldie  man  gar  irefflicb  durch 
Magnesia,  Ainmoniaro,  oder  andere  Langensalze  heilt,  wird  die 
Dursikar  nicht  gut  ihtiui  denn  ich  habe  bemerkt,  dafs.  Dächst  den 
l>esBgten  Mitteln,  reichliches  Trinken  sehr  woklihätig  ist. 

Auch  die  alten  Aerzte  mögen  wol  Fälle  erlebt  haben,  in  de- 
nen reichlicbes  Trinken  sieh  zweckmäfsiger  erwiesen  als  Dnrsien ; 
wahrscheialiob  h^ea   sie   aber  den   guten  Erfolg   des  reichlichen 


—    IM»    — 

Trinkern,  .w*il  er  ihrsr  vorgefa£Hcii  MeinnDf  widertpnefa,  dsm  blin- 
den Zufalle  sugeschrieben ,  ja  manche  mSgeo  wol  solche  Fftlle,  al« 
ganz  iinerklärlicbe  Dinge,  der  Aufseicbniiag  nicht  werth  gebd- 
len  haben.  Ich  wünschte,  dafa  eiBiiiahl  eio  gelehrter  Am  (der 
■her  Meister  einer  grofaen  Bücherei  sein  und  Geduld  und  Zeit  haben 
müfste,  viele  alte  Bücher  eu  durGhatöbern)  uns  tait  einerattsführlichsa 
Abhandlung  über  die  Durstkur  beacbeokie.  leb  selbst  weifs,  aafaer 
dem  Angeführlen,  nichts  von  diesem  Gegenstände,  als  noch  ein 
recht  artiges  Stückchen  von  Dominien*  Panarotui  (Ob:  '14.  Pemtt- 
co»te  2.) ,  welches  ich  zum  Schlüsse,  weil  es  kurz  ist,  den  Leaeni 
wSrtlich  zum  Beaten  geben  will.  FueUa  quaedaai  hgdrope  letkali 
torqueiatur ;  jttöeMtidut  no&i»  potu»  cpimneunqHe  Jitgam ,  »t  ßeri 
deief,  taatam  aqua«  quantitatem  aüqnmnd«  bibitt  ut  mmpi  »id€- 
retur.  Sed  qiioMia»,  ut  tyu»t,  /ortuna  putria  et  atvltü  amxi- 
lialur,  a/vi  ÜUQre  oborto,  priitiume  aanitati  rettilula  convalwit. 
Da  sie  nun  geaiind  geworden  iat,  so  begreirt  jeder  leicht,  ohne 
dafs  der  Ramische  Profesaor  es  sagt,  dafs  durch  das  übenuHfaige 
Wataertrinken  die  gcsiSrie  Harnabsoaderang  normnl  geworden  aein 
niufs,  denn  der  BauchSufs  allein  konnte  die  Heilung  doch  nicht 
bewirken. 

Das  Hinweisen  auf  die  all«  Sage,  dafa  Khidern  und  Narren 
das  Gluck  diene,  ist  zwar  eine  recht  Ireuhersige,  aber  wahrhaftig 
keine  professoral lache  Aeufsernng '  dieses  Schriftatellera;  er  schei- 
net ganz  übersehen  an  haben,  dafa  ea  dem  Leser  sehr  nahe  liegt, 
die  Kranke  für  das  Kind  und  den  Professor  für  den  \arren  va 
nehmen. 

BlNiharnen.  —  Wenn  die  Blutung  aus  den  Nieren  komsii, 
ist  das  Uebel  zuweilen  in  Kupferafi'ekiion  des  Crsaniiniorganiamus 
begründet.  Dieses  mufa  nicht  blofs  bei  Menschen  so  seiif,  son- 
dern auch  beim  Rindvieh;*)  denn  einst  hat  mir  ein  rheinlftndi- 
scher  Bauer  gesagt,  gegen  das  Blulhamen  des  Rindviehes  sei  kein 
besseres  Mittel,  als  demselben  etliche  Kupferpfennige  einzugeben, 
das  helfe  bestimmt.  Er  sprach  auch  nicht  davon,  als  von  einer 
besonderen  Heimlichkeit,  sondern  als  von  einer  unter  den  dortigen 
Landleuten  bekannten  Sache. 

Beim  Bluthamen,  welches  von  HSmorrhoiden  der  Blase  kommt, 
habe  ich  das  Kupfer  noch  nie  gegeben;  hier  thut  man  wol  am 
besten,  durch  Blutegel  an  den  After  nicht  blofs  die  heftigen  Schmer- 
len SU  lindem,  sondern  auch  der  Natur  den  wahren  Weg  der  £ni- 
leerang  zu  «eigen.  Jedoch  ist  die  Natur  zuweilen  sehr  eigensin- 
nig und  nngelebrig  in  diesem  Punkte.  Uebrigens  begreift  jeder 
leicht,    dab   ich   das  Kupfer   nicht    als  ein  Specificum  gegen  alle 

*>  Bein  Riadvieb   nah  dia»  Blatoaf  hKitllger  mIs  ali  b«l  dsn  lltat«h«a ,    bii 
diMsa  Loguat  «i«,  verkSlllich  m  aadaraD  Uebab,  loltM  vor. 


—  ie»3  — 

Ni«rMblatoageD  empffible.  So  mttohte  «■  t.  B.  schlecht  b«i  dar 
paasen,  wdcbe,-.vri0  die  Schrifriitcller  Mgen,  von  dem  meehafii- 
•cban  R«U0  nharfer  Steine  in  diesen  Organen  enUlehet.  Ich  eelbat 
sah  aber  folch»  Blutung  noch  nie,  obgleich  ich  somit  alle  mdglt- 
che  gräuliche  Zufälle  von  diesen  siainernen  Reizen  xam  Ueber- 
drufs  beobachtet  habe.  Au^  Niereabluiung,  welche  durch  einen 
hohen  Grad  von  Eisenaffekiion  An  Gesaiunilurgani^nius  bewirkt 
wird  (beim  Petechialfieber,  oder  hei  den>  Morbo  haemarrkagico 
macmiotoj,  möcfaie  wot  weit  eher  diireh  Kupfer  veracblinitiiert  ^la 
varbessen  werden.  Ich  rathe  xuin  ^venigsieo  aieiuand,  es  bei  sol- 
chen und  ähnlichen  Krankheiten  anauweoden. 

Bheumatisuius.  Gicht.  -~  Meine  Leser  mache  ich  be- 
Boiwlera  darauf  aufmerksam,  dals  der  Kheamatismus  nicht  selien> 
beaonder«  in  gewissen  Jahren,  Kuprerafiekiion.  ist-  So  habe  ich 
vorsüglich  io  den  Jahren  32  und  33  mehr  Kranke,  nicht  einbil- 
disch,  sondern  sichtbar  und  bald  durch  Kupfer  gefaeilet.  Ich  ge-  , 
stehe  aber,  dafs  ich  die  Erkenntnifs  der  Art  der  Krankheit  nur 
durch  den  als  Probeiuiiiel  gegebenen  kubischen  Salpeter,  nicht 
durch  Zeichen  erlangen  konnte.  Im  Allgemeinen  habe  ich  zwar 
beim  Kupferrbeumatismus  die  Welcbtheile  der  sehr  schmerzhaft 
e^^iffenen  Glieder  nicht  so  lebhaft  entzündet  und  so  stark  ge- 
schwollen gesehen  als  man  dieses  wol  beim  Satpcterrheuniatiamus 
■iehet,  kann  aber  dieses  nicht  als  ein  unterscheiJendes  Zeichen 
des  KupferrheuinaiiamuK  angeben,  denn  wer  viel  mit  dieser  Krank- 
heitsform umgegangen  i^t,  der  wird  so  gut  als  ich  beobachtet  ha- 
ben, dafs  zuweilen  auch  beim  echten  Salpeterrheumaiiamtis  die 
Weichlheile  der  ergriffenen  Glieder  nur  sehr  ntafsig  «niaiindet  sind. 

Das  chronische  Gliederreifsen ,  welches  im  gemeinen  Leben 
Gieht  heifst^  kann  eben  so  wohl,  wie  der  Ilkeumati»mu*  acutu; 
Kupferaffeklion  des  Gesammlorganismus  sein,  nnd  jn  diesem  Falle 
wird  es  schwerlich  dnrch  andere  Miitel  geheilt.  Vor  ziemlich  lan- 
ger Zeit  (das  Jahr  habe  ich  vergessen)  bat  mich  ein  resJdenzstäd- 
tiscber  TonkÜnsller,  ihn  von  der  Gicht  zu  befreien.  Durch  den 
Kuf  war  er  mir  als  ausgezeichneter  Violinsi>ieler  bekannt;  jetzt 
konnte  er  aber,  der  Unbrauchbarkeit  seiner  Arme  wegen,  nicht 
mehr  geigen,  und  mit  seinen  Fufsen  war  es  auch  übel  gestellel, 
denn  sein  Gang  war  langsam,  vorsichtig  nnd  humpelnd.  Er  sagte 
mir:  sein  residenastld  tisch  er  Arzt  habe,  nach  vielen  vergebenen 
Heilversnehen,  ihm  das  Aachener  UnA,  als  das  einzige  noch  übri- 
ge Heilniitiel  angerathen.  Eine  schwache,  wenig  berühmte  Eisen* 
quelle  sei  ihm  spSier  von  einem  andm-en  Arzte,  der  sich  vermes- 
sen, die  Sache  besser  zn  kennen,  sehr  gepriesen  und  er  dadurch 
bestimmt  worden,  sie  zu  versuchen;  sein  (Jebel  sei  aber  dnrch  die 
Risenbftder  eher  schlimmer  als  besser  geworden.  Darauf  haben 
ihm   bierliodiscbe  Freunde   den  Vorschlair   irethan,    sich  mir  eiitr 


—    10*4    — 

mahl  anravertrauen,  hiu  in  sehen,  ah  icb  ihn  rieUeicht  der  Aache- 
ner Beive  üb«rbebeD  kSone.  Du  Aachener  Bad  sei  doch  m  nn- 
bedingt  heilsam  in  der  Gicht  auch  niehl;  «an  »ehe  Kwar  eisige 
geheilt,  aber  andere  eben  so  gichtiscb  davon  zuräckkehren  ala  sie 
hingeg;Bngea. 

Nachdem  ich  den  Mannansgefragt)  erIrfSrte  icb  ihm;  es  sei 
mir  nninöglich,  in  dem  gegen w&n igen  Falle  die  Natur  der  Krank- 
heit durch  Fragen,  Sehen  und  Fühlen  au  ergründen;  also  müsse 
ich  es  durch  unfeindliche  Probemitiel  thnn.  Üa  dieses  aber,  je 
nachdem  die  ErkeDfiinifs  leicht,  oder  schwer  sei,  eine  lingere, 
-  oder  kürzere  Zeil  erfordere,  so  ratbe  Ich  Ihm,  sich  hier  ein  Zim- 
mer Xtt  miethen,  damit  ich  ihn  sehen  könne  ,  so  oft  icb  es  fSr  nö- 
thig  halte.  Er  war  das  zufrieden  und  miethete  sich  in  einem  mir 
gelegenen  Hause  ein. 

Ich  wendete  jetzt  nach  Gründen  der  Wahrscheinlichkeit  (welche 
auszulegen,  den  Leser  wenig  unierbalien  würde)  eilicbe  Probemiiiel 
an,  und  nachdem  ich  gefunden,  dafs  seine  Gicht  eine  unvermisch- 
te,  in  den  Gliedern  vorwaltende  Kupferalt'ekiioR  des  Gesammiorga- 
nismas  sei,  sagte  ich  ihm:  er  könne  jelict  mit  dem  Heilmittel  nach 
Hause  geben,  dieses  werde  ihm  doit  so  gut  helfen  als  hier,  wo 
er  sich  noihwendig  ohne  Beschäftigung  und  Unterhaliung  sehr  lang- 
weilen  müsse.  Er  bezeigte  aber  wenig  Lust,  sich  so  weit  zu  ent- 
fernen, sondern  zog  es  vor,  an  einem  nur  zwei  Meilen  entfernten 
Orte,  wo  er  Verwandle  oder  Bekannte  baue,  xeine  Genesung  ab- 
zuwarieu.  Ich  nahm  die  Absprache  mit  ihm,  dafs  er,  wenn  die 
Terachriehene  Foriion  Kupfoninkiur  verzehrt  sei,'  wieder  neue  von 
der  Apotheke  holen  lasse,  und  mir  nur  dann  schreibe,  wenn  eine 
Stockung  in  der  Besserung  eintreten  sollte,  welches  jedoch  un- 
wahrscheinlich sei.  Auch  bemerkte  icb  ihm  zum  Ueberflufs  die 
Möglichkeit,  dafs  nach  hergestellter  Gesundheit  noch  wol  ein  klei- 
ner schmerzhafter  Rest  des  Uebels  in  dem  einen  oder  dem  ande- 
ren Gliede  überbleiben  kÖntie.  Wenn  er  das  gewahr  werde,  müs- 
se er  mir  es  schreiben,  oder  selbst  zn  mir  kommen,  denn  ein  sol- 
ches Ueberbleibsel  sei  gewohnlich  ein  öriliches  Uebel  und  ich  kön- 
ne es  mir  durch  äufserliche  Mittel  beben. 

Yon  Zeit  zu  Zeit  lief»  er  mit  nun  mündlich  durch  den  Apo- 
theker sagen,  wenn  et  von  diesem  neuen  Vorraih  der  Tropfen  fo- 
derte,  «s  gehe  mit  seiner  Gesnndbeil  immer  besser.  Nach  drei 
Wochen  erschien  er  selbst,  von  seinem  Gliederschmerze  vollkom- 
men gebeilt,  als  lebensfroher,  ruhriger  Mann.  Er  dankte  mir  herz- 
lich für  meine  Sorgfalt,  bemerkte  mir,  dafs  ich  ihn  nicht  blofs 
befähiget,  seine  Kunst  wieder  wie  früher  xu  üben,  sondern  dafs 
ich  ihm  auch  durdi  meine  einfache  Behandlung  eine  bedeutende 
Geldansgabe  (für  die  Badefahrt)   ersparet  habe;  er  begehrte  jeut 


—    1065    —    ■ 

m  b5r«i,  wi«  rlel  Geld  er  mir  für  diese  Heilang  scbnldig  sei.*) 
Er  iat  mir  bei  dieser  Gelegenbeit  aufierordeallicb  merkwürdig  ge- 
worden; ntcbi  wegen  seiner  geheilten  Gicbi,  sondern  wegen  eines 
ausnebraenden  Scharfsinnes,  den  er  jetzt  offenbarte,  and  ich  glan- 
be,  die  ErsHblung  dieaes  Auftrittes  wird  dem  sinnigen  Les«r  mehr 
Unterhaltang  gewibren,  als  die  gelehrlesie  and  uncerstftadlichste 
\acbsGhrifi  mancher  gedrneklen  Krankengesehichie.  Damit  aber 
■lemand  nach  der  Sianspiiae  meiner  EraShlang  su  raihen  branchl, 
beierke  ich  vorlRnfig,  dafs  mir,  der  ir.h  mich  aie  mit  irgend  ei- 
nem Zweige  der  Simtsarseneikunde  befafst,  die  gesetsliche  Medi- 
ziMliate  hnmer  ein  gans  unanftftslidiet  Uaiheel  gewesen  war.  Et 
kam  mir  ■Smliefa  so  vor,  als  habe  der  Scaat  durch  diese  Tax» 
den  Aret  in  di«  wahrhaft  seltsame  nnd  anheimlicbe  Slellung  g»* 
bracht,  da£i  seine  geldliche  Einnahme  mit  seiner  künstlerischen 
and  sillltcbeB  Verroll kommnang  (rerhBltücb  an  der  Zahl  seiner 
Kranken)  nethwendig  im  nmgekehnen  VerbfilinisHe  slehen  mii«se. 
(]nser  Tonkdnstler  war  endlich  der  Mann,  der  mir  dieses  Rsthtel 
Ida'ie;  dämm  werde  ich  ihn  aneb  nie  vergessen.  - 

Wie  gesagf,  er  foderte  Rechnung  ton  mir.  Mein  werther  Herr! 
erwied^le  ich,  ich  bin  jetit,  nachdem  ich  snm  üeberdrufs  Franzoi« 
gewesen,  endlich  wieder  geworden,  was  ich  bei  meiner  Gebor)  wnr, 
praufsischer  Bürger.  Die  preufsiscbe  Medixinnlordnung  ist  vor  Knr- 
sem  hier  eingeführt  nod  vor  drei  Tagen  ist  mir  das  Amtsblatt  mit 
der  Medisinaltaxe  sngesehiekt.  Ich  habe  den  Gnindsalr,,  die  Ge- 
setze des  Landes,  dessen  Bfirger  ich  bin,  gewissenbefl  zu  beob- 
achten; also  darf  ich  auch  keine  höhere  Federung  an  Sie  mnchen, 
ala  die  Taxe  bestimmt.  Da  sie  mir  aber  iielbst  gesngl,  dnfs  Sie 
in  ihrer  Residenxstadt  jShrlicb  5000  Gulden  verdienen,  nnd  weder 
Fran  noch  Kinder  haben ,  so  werden  Sie  mir  nnch ,  ohne  dafs  es 
Ihnen  wehe  (bot,  nach  nnserer  kleinstSdiiscben  Taxe  besablen 
können.  —  Er  ISchelte  bejahend.  —  Hier,  sagte  ich,  iat  das  nen- 
it«  Amtsblatt,  wortn  die  Taxe  stehet,  und  hier  ist  mein  Bnch ; 
Sie  kennen  meine  Faderong  selbst  ausrechnen.  Um  Ihre  Krank- 
heit kennen  zn  lernen ,  besnchte  ich  Sie  hier  im  Orte  zehnmafal, 
das  macht  gerade,  nach  dem  kleiiistädtiscbeo  Salze  unserer  Taxe, 
vier  Thaler.  —  Der  Tonkünsiler  wurde  jetzt  auf  einmabl  sinmm; 
seine  heitere  Miene  verwandelte  sieb  in  die  des  liefen  Nachden- 
kens ;  nacb  ein  paar  Minuten  holte  er,  immer  noch  in  Xacbdenken 


*J  DieJeDigcn  meiner  Leter,  wtleh«.  lieh  HamcbenkBontair«  enTorfaeii,  werdaa 
*H*  der  ErzEhliiaf  «ehDD  ibDehneD  ,  dafi  der  Tanküaitler  eia  lelir  recbllicker 
Hana  w«r.  Gimaine  RDiaser,  wenn  lie,  voUkammeD  gebellt,  Becbaang  fo-, 
dcrs,  stellen  lich  ^wöbalicb  ,  lU  leien  lie  nur  halb  gekeilt ,  oder  tli  feliU 
dKb  Docb  elWM  «B  der  Heilang.  Didarch  toll  der  Arxl  etwa*  kleinnütliig 
gcBMbt,  Bod  beitimmt  werdea,  leiae  Dieast«  ftring  ■DSBfcblsgen. 


—    1066    — 

'veiüanken ,  vi«*  harte  Thaler  aas  der  Tasche ,  legte  eie  avT  den 
TiMch,  ichaiite  wich  siarr  an  und  sagie:  Herr  Doktor!  das  iu 
wenig,  wabrhnfiig,  sehr  wenig;  —  aber,  —  freifieh,  —  die 
Kunst  kann  nicht  bezahlt  werden.  *) 

Chronische  Hau taasschlSge.  Manche  derselben »  sie 
mögen  Namen  haben  welche  sie  wollen,  sind  Offenbarung  einer 
Kupfera&ekiion  des  Gesammtorganisrnua.  ich  habe  Menschen ,  die 
Maf  der  Haut  ein  unenrAglicbes  Jucken  hniien,  ohne  duia  ich  mit 
meinen  Augeo  einen  Aiiaschl»g  entdecken  konnte ,  blor»  durch  des 
innerlichen  Gebraoch  des  Kupfers  tub  diesem  lästigen  Uebel  be- 
freiei.  Anderen  habe  ich  durch  dieses .  .Vliltel  von  solchen  n&ssen- 
den  Flechten  geholfen,  die  nicht  blofa  eine  einielne  Hanisielle, 
sondern  einen  betrSchlliehen  Tbeil  der  Oberfläche  des  Körpers 
einnahmen.  Meinen  jüngeren  Amisgenoasen  mufs  ich  aber  bemer- 
ken, dafs  solche  Flechten ausscblSge  io  den  wenigsten  Fällen  Offen- 
barung einer  Kapferaffekiion  sind ,  sondern  äfterer  vob  einem  Ur- 
leiden des  Hautorgans  herstammen ,  snweilen  auch  von  einem  Ur- 
leiden der  Nieren;  ich  rathe  ihnen  also,  nicht  xu  viel  und  oicbte 
Unbilliges  vom  Kupfer  su  verlangen.  In  soleben  Fällen,  wo  der 
Ausschlag  wirklich  Kupforaffekiion  des  GesammtorganismiH  idi,  hel- 
fen keine  Schwefel-,  noch  Queciisilbei'sBlbeo,  sondern  der  inner- 
liche Gebraiich  den  Kupfers  hilft  allein.  —  Ich  wurde  einst  su  armea 
Lernen  eines  kranken  Kindes  wegen  gerufen,  und  fand  dort  den 
Bruder  der  Hausfrau,  einen  jungen  Mann,  Hiussig  anf  dem  Stuhle 
silsen.  Ua  ich  ihn  früher  mehrmals  in  einer  Itrannlweinbrennerei 
als  Arbeiter  gesehen,  so  fragte  ich  ihn,  warum  er  denn  miiasig 
dasiliel  ob  er  sich  vielleicht  mit  dem  Meister,  oder  mit  dem 
Herrn  der  Brennerei  versürot  habe?  -r  ülr  suckte  die  Achseln  und 
erwiderie:  gern  wolle  er  arbeilen,  allein  «r  sei  unfähig  dasu, 
er  sei  krank. 

Seine  Krankheit  bestand  in  .eioeni  nlissendeo ,  stark  jucken- 
den Fl  echten  ausscb  läge ,    der  am  meisten  seine  Arme,    dann  aber 

')  Wir«  er  ciser  von  des  xirar  diokbarei  ,  aber  anartBo  UeDiehcn  mwoien, 
s«  «fiidg  aciao  Dankbarkeit  ibo  ofaoa  Znratrct  beitioimt  babca,  nir  sia  paar 
Tbaler  nebr,  als  meiae  Fodemog  war,  luznbielen,  sr  balle  aber  ein  ■■  aar- 
tea  fierübl  de«  Schicklicbco  ,  all  d*r«  er  aicb  einer  lolcbea  Gemeiabcit  (auf 
welche  ieb  u^bnaabli  io  meiDem  Leben  s^slarseu)  batle  acbnldif;  machea  bön- 
DSn.  Jeder,  dar  van  dem  Arzte  Rechnung  verlangt,  ilebel  vbd  deai  Aagea- 
blicke  aa  ,  wo  er  deuen  FoderoDg  weifi ,  in  dein  namliclieR  VerhällniHe  an 
■bm  als  IQ  jelem  anderen  Ranfmanne.  Wer  einem  Raurnanne  mebi  fir  a^ 
ne  Waara  labten  wotUe  ,  aU  dieser  geroderl,  der  würde  ja  in  Verdacbt  f~ 
ratbea ,  als  aehe  er  ibn  für  einen  venrmleo  ,  der  milden  BoUlaser  bedfirfti- 
geo  Mann  an,   aad  er  würde  lieb  icbleeliieD  Dank  bei  ihm  verdieneo. 

Im  tiraada  habe  leh  dadarcb  ,  difa  ich  dei  Taakiinttlera  Geld  aDgenomneB, 
etwas  nnbillig  gebändelt ,  denn  aeine  geniale  Liisong  dei  UediiinaltaxrSihael* 
war  sBenbar  eben  so  viel  warlh  alt  melae  Gicb (bei long. 


—  loer  - 

a»^  Banpf  nnd  Beine  Übel  flchftndel«.  Zur  Arbftit,  daa  üb  Ech 
wsl,  wsr  er  nnföbig,  denn  beide  Handgelenke  waren  dorch  den 
sie  nberaiebendan  Herpea  fast  nnbewegltch.  Da  ich  wal  begrifl', 
dafi  der  Auuchlag  nicht  neu  mehr  sein  k5nne,  «o  fragie  ich, 
wann  und  wie  er  enutanden  und  wamm  niao  deoselben  also  habe 
eiawDTseln  lassen. 

iN'iiii  nahm  die  Schwester  dag  Wort  und  tagte :  Vor  langer 
als  einem  Jahre  haben  sie  und  ihr  Bruder  die  KrAtse  belcommen. 
ÜVie  «ei  vor  ihrer  Ehe  Haushälterinn  des  MediBinalrathes  A'*  gewe- 
sen, habe  sieh  also,  da  sie  krütaig  geworden,  gleich  sii  ihrem 
allen,  liebreichen  Herren  begehen,  um  bei  diesem  Hüire  su  Su- 
eben. Durch  Anenei  und  8albe  sei  sie  selbst  von  der  Krüize 
befreiet  worden,  ihr  Hrudrr  aber  nicht.  Kun  sei  sie  mebriiiahls 
xa  detn  Medizinalrafhe  gegangen,  für  ihren  Brader  andere  Hülfe 
zusucfaon,  habe  auch  niehie  Sialben  und  Arzeneien  eihalien,  al- 
lein daa  Uebel  sei  nach  und  nowh  rerschlimmert,  nnd  zuleir.t  so 
geworden,  wie  ich.ej  jeist  sehe.  Vor  xwei  Menaien  habe  der 
Bruder  auf  alle  Arbeit  verKichfen  müssen,  denn  seine  Glieder  seien 
niehi  blofs  unbeweglich,  sokdera  er  sei  auch  kraftlos  und  abge- 
magert. Der  Bruder,  der  diese  H^rsAhlung  in  allvn  Punkten  be- 
siSligte,  setzte  noch  binzo:  sein  nllchilioher  Schlaf  sei  unterbro> 
chea  und  unerquicklich,  und  abgesehen  von  dem  Schmerze,  wel- 
chen ihm  die  Bewegung  seiner  Glieder  verursache,  fühle  er  auch 
eine  Schwere  und  Trägheit  in  seinem  ganzen  Leibe,  und  die  trau- 
rige Aoasicht,  dafa  er,  nnfitlifg  xnr  Arbeit,  nächstens  znr  Klasse 
der  wirklichen  Bettler  benmtersinken  werde,  mache  ihn  noch 
obendrcia  ganz  raifsmuihig.  - 

Da  der  Gedanke  der  Unheilbarkeit  des  Uehels  in  dem  Kopfe 
dea  Mannes  schon  unverkennbar  Wurzel  gefafsl,  so  suchte  ich 
ihm  denselben  ansxureden,  und  ermuihigte  ihn  durch  das  dreiste 
Versprechen,  dafs  ich  ihn  heilen  wolle,  wenn  er  zusage,  genau 
nein«  Vorschriften  an  befolgen. 

Mir  war  ea  höchst  wahrscheinlich,  dafs  sein  Aosschlng  kein 
Urhantleiden  aeij  in  diesem  Falle,  schien  mir,  bfilte  er  doch  wol 
den  Salben  meines  achtbaren  ond  erfahrentD  Amtsgenossen  wei- 
chen mnssen.  Ehe  ich  ihn  jedoch  als  Vorwallen  einer  üraffek- 
lion  des  Gesammlorganismus  behandelte,  machie  ich  vorher  noch 
eine  kleine  Probe.  Er  sollte  angeblich  von  der  KrHtze  entstan- 
den sein;  nun  halte  ich  schon  in  meinem  Leben  durch  den  äo- 
Jäerlichen  Gebrauch  des  trocknen  Schwefels  KfSl/.e  geheilt,  die 
vergebens  mit  sehr  krSfiigen  Qaecksiihersalben  bekäiupft  war;  al- 
so wolhe  ich  auch  jetzt  einmahl  versuchen,  oh  der  Aasschlag, 
der  freilich  mit  der  Krätze  keine  Aehnlichkeit  mehr  hatte,  viel- 
leicht durch  dieses  milde  äufserlicbe  Mittel  xa  heilen  .sei.  Ein 
achttägiger }  gaox  Tergebener  Gebiauch  belehrte  mich  aber,  dafs 


—  wa  — 

ieb  M  mit  k«iaer  UrhauikraBkheh  *a  ihua  habe,  BOndera  iaSm 
der  Ausschlag  ÜOenbarung  einer  Uraffeklioa  des  GeBaniiiit(»gaiii«- 
miM  Min  müsse.  Für  Salpeter-,  oder  EueDatfekiioo  spracfawi  gar 
keine  Grande  der  WahrHeheialichkeit.,  also  tnufsie  ich  v»n  den 
Kupfer  die  Heilung  erwarien. 

Ich  liefs  jetsi  den  Kranken  secbsmabl  tags  dreifgig  Tropfen 
Kupferlioktur  Dshmen.  Nach  dr«iiagigem  Gebrauche  wurde  ich 
die  erste  nohhhUiige  Wirkung  des  Miiieli  gewahr;  der  Krank« 
sagte  mir  nfimlich,  «r  bemerke,  dafs  das  Gefühl  von  Maiiigkeit 
in  seinem  Körper  uiioder  werde.  Uiese  Besserung  nahm  nun  lig- 
lieh  tu ,  so ,  dafs  er  bald  ein  Gefühl  von  Kraft  und  Wohlaeia 
bekam>  Mit  meinen  Augen  konnte  ich  aber  xu  der  Zeit  noch  nicht 
die  mindeste  Veränderung  des  Ausschlage;«  bemerken,  wiewol  der 
Kranke  bebaupieie,  es  komme  ihm  lo  vor,  aU  mindere  daaJuk- 
ken.  Dafs  er  sich  dies*«  niebt  hiefs  eingebildet ,  e^ab  sich  wei- 
icrhin ,  wo  es  merklich  abaahni  and  dann  gani  verging.  Nun 
fing  die  Besserung  des  Ausschlages  aö>  reckt  «ichibar  xu  werden. 
Die  R5the  desselben  wurde  blasser.,  dtis  Kassen  hörte  nach  and 
nach  auf,  die  verdorbene  Oberhaut  starb  ab,  löi'ia  sich  alsblalBs 
Lappen  und  Kleien,  oad  die  neuerseogle  blieb  frei  von  der  Krank- 
haftigkeit der  alten.  Kun,  von  dem  gansen  ,  wirklich  renkt  gar- 
stigen Uebel  blieb  keine  Spur  über,,  als  eine  von  der  übrigen 
Haut  sich  unierscheiHende  ßSthe  deijeaigen  Stellen ,  die  am  übel- 
sten von  dem  Herpes  ergriffen  gewesen.  Das  ist  aber  nichts  Krank- 
haftes und  verschwindet  nur  mit  der  ^eiu  Uebrigens  bemerke 
ich  noch,  dafit  der  Mann,  den  ich  vor  ungeAhr  13  Jahren  ge. 
heilt,  seitdem  nie  wieder  eine  Spur  diesea  Ansschlage«  bekom- 
men, und  dafs  drei  ganse  Wochen  zur  Heilung  nAthig  gewesen, 
angerechnet  die  achttägige  Schwefelprobe. 

Wollte  ich  nun  eine  schulreehte  Naahachrift  su  dieser  Ge- 
schichte machen,  so  mufste  ich  xuerst  erörterp,  ob  der  Herpes 
Meiamorphoae  der  Krätze  gewesen  sei.  Leider  bin  ich  aber  in 
diesem  Puakle  nicht  eiomahl  des  Geaohiehilichen  sicher.  Die 
Schwester  des  Kranken  behauptete  xwar,  er  habe  mit  ihr  gUich- 
seitig  die  Krälse  gehabt.  Diese  Schwester  war  aber,  da  sie  frü- 
her als  Kindermädchen  im  Hanse  eines  meiner  Bekannten  diente, 
dort  ala  die  grdfsle  LOgnerinn  bekannt.  Vorausgesetst  also,  daCi 
das  Sakrament  der  Ehe  sie  nicht  von  diesem  bösen  Laster  gerei- 
niget  (welches  mir  nicht  wahrscheinlich  ist),  kann  ich  unmög- 
lich von  allem,  was  sie  mir  gesagt,  nach  nur  ein  Wort  glauben. 
Des  Bruders  Beattitigung  ihrer  Aussaga  ist  mir  auch  nichts  wenh; 
denn  höchstens  kann  ich  als  wahr  annehmen ,  er  habe  anfönglich 
selbst  geglaubt,  krKiaig  xn  sein:  weil  er  es  aber  geglaubt  bat, 
darum  ist  er  es  noch  nicht  gewesen.  Also  ist  die  Krälxmetamoi- 
phose  nichts  weniger  als  erweislich. 


—  ice»  — 

Wi»  Tiel  mag  mm  ^r  ■bhrittende  Qdvtwb  twi  msbrerlel 
8slben,  4ie  wol  meist  Qaeckiilber  «erdea  «iiWtea  bal*«ii  (dM 
IMgnenti  citrini tnuA  ich  dort  nocli  eine  Portion),  xur  Sieig^erang 
-dea  UebeU  beigetragen  haben  t  —  Ich  weifs  e«  nicht.  —  Wie  viel 
nag  ED  dieser  Steigerong  der  gleichseitige,  t&gliehe  und  »icb- 
lidia  Genafa  des  Branatwaias  beigvirage«  babant ')  —  leb  weiüi 
es  eben  so  wenig. 


■  Nachdem  ich  nnn  mehre  Krankheilsfonnan  dnn;bg«gaiig«it, 
bei  denen  ich  das  Knpfer  mit  g^ofsem  Vonbeil  heilend  gebraneht, 
io  bemerke  ich  noch  anidrücklich ,  dafa  sich  seine  woMihBiige 
Wirkung  nicht  blofs  auf  diese  Krankheilcformen  beschrankt,  aoit- 
derD  dafs  man  die  angeführten  nnr  als  solche  ahsehen  müsse,  wel- 
che mir  beim  Schreiben  znerst  in  den  Warf  gekommen.  Wer  da 
glauben  wollte,  in  denen,  von  welchen  ich,  um  nickt  lo  w«i(- 
Ifinftig  itt  werden,  geschwiegen,  sei  das  Kopfer  weniger,  oder 
gnr  nicht  dimlich,  der  würde  sich  sehr  tlosehe«.  Ich  habe  von 
dem  Asihma  niebia  in  diesem  Ahsehniit«  gesagt,  aber  wahrend 
ich  denselhcD  geschrieben,  einem  frfitilein,  das  so  heftig  und 
mgleich  so  «eluam  von  diewr  Krankheit  ergriffen  war,  dafs  ich 
kaum  wfifste,  anter  welche  schulrechie  Kaiegorie  dieses  Asthma 
xa  hHageii  sei,  «o  auflaliend  schnell  durch  Knpfer geholfen,  dafs 
ich  mich  kaum  «rinaere,  je  in  dringlichen  Umstflndea  schnellere 
Hälfe  von  einer  Anenel  gesehen  zu  haben.  Ich  habe  in  diesem 
Abschnitte  nichts  von  der  Hysterie  gesagt,  aber  wahrend  ich  Ihn 
geschrieben  noch  ein  FrBulein  dnrch  Kupfer  geheilt,  deren  Hei- 
lung weder  dnrch  Bauehmitlel,  noch  durch  den  swei monatlichen 
Gebrauch  des  kohlensauren  Eisens  um  das  geringste  gefördert  war. 
Wer  dea  richtigen  Begriff  des  Universal  mittels  Festhalt,  der  wird 
das  Knpfer  bald  in  vorkomni enden  Fallen  braneben  lernen,  und 
durch  die  nosologischen  l^ormen  weder  in  dessen  Gebranch  be- 
atinnnt,  noth  von  dessen  Gebranche  abgeschreckt  werden.  Wer 
aber  jenen  Regriff  nicht  fesihalt,  oder  ihn  wol  gar  nicht  xn  er- 
fassen vermag,  den  würde  es  wahrlich  wenig  nutzen,  wenn  ich 
fiuch  ein  Lehrbuch  der  speziellen  Therapie  xnr  Hand  nehmen  und 
nach  diesem  alle  Hrankheilsfurmen  durchgehen  wollte.  Mir  acheint 
es  jetzt  nülzlicher,  von  den  Verwandten  des  Kupfers  ein  Wort 
KU  sagen.  Diese  Verwandten  sind  (wie  oben  gesagt):  Wrfn, 
Branntwein,  Aetber,  deslillirte  belebende,  gewfinhafte  Oele,  kare, 


')  ÜBgcnbr  30  Vom»  BrasBlwrin  bt  das  tSglieh«  Hari,  weletea  der  Hsrr  dar 
Bremncrai  jodaiii  Arbeitar  iilcft.  Da  die  Arbailar  abar  der  aliakeadeU  ^'V" 
pokrene  •>  aalir  »he  elebea ,  bleibt  ei  bei  dlatea  Harae  aicli ,  loader*  *^ 
Iriekaa  obaa  Hah. 


—    1070    — 
iolche  Miltel,     welche   in  deP  ■ehnlraohleo  Kategorie  der  flüchlig 
reizenden  unfei  od  liehen  gehören. 

Sollte  jemand  es  vielleicht  seltnm  finden,  dafa  ich  den  Wein 
bU  ein  Amalagon  des  Kupfers  angebe,  ja  sollle  gar  ein  geisirei- 
eher  Le«er  aus  meiner  Behaoplung  folgern  wollen,  ein  Verehrer 
«dier  Weine  könne  dieser  etwas  iheureo  LicMiaberei  hinfort  durch 
tägliches  Verschhicken  einiger  kleinen  Kuiiferkryatalle  genügen; 
so  bemerke  ich  die.sem,  dafs  nicht  vom  Weine  als  Nähr-  und 
Schleckt  ran  k ,  sondern  vom  Weine  als  eigentlichem  Heilmittel  die 
Rede  iat.  Gwade  duri^  die  das  Gehirn  und  das  Genfssysiem  aaf- 
regende  Wirkung,  wodurch  er  den  Trinkern  unentbehrlich  wird, 
uehel  er  als  Universalarzenei  weil  uotei:  dem  Kupfer.  Leizteii  regt 
beide  genannte  Organ«  nicht  auf,  und  ist  mithin  in  vieleiLPSlIen 
anwendbar,  wo  jener  ea  nicht  ist 

Allerdings  gibt  ea  Kupferaffeklionen  des  Gcsammtorganiamas, 
in  denen  die  das  Gehirn  und  das  Geßifssfsieni  aafifgeode  Wirkung 
des  Weins  der  Heilwirkung  desselben  keinen  Abbruch  ihm,  er  also 
i%m  Kupfer  gleich  stehen  mag ;  daraus  folgt  aber  nicht ,  dafs  er,  i« 
Allgemtiinea  dem  Kupfer  glmcbaiehead,  eine  eben  so  Tollkommae 
Uaiveraalarzenei  «ei  ala  dieses. 

Im  Jahre  1802  herrscbieu  hier  and  in  der  Umgegend  Plenre- 
sien,  die  ihrer  Natur  nach  sehr  geßhrlicb  waren  und  durch  Ader- 
lässen in  den  meisten  FKllen  iSdilich  wurden.  Durch  Wein,  Brannt- 
wein, oder  Aeiher  heilte  man  sie  sicher  und  bald.  Auch  sah  ich 
dainabla  in  unserer  NHchbamchaft  einzelne  Scharlachfieherkranke, 
die  ohne  Aderlassen,  bei  anliphlogistiscber  Behandlung  starben, 
iodefa  andere  durch  geistige  Mittel  geheilt  wurden.  In  den  folgen- 
den Jahren  waren  unter  mancherlei  Formen  erscheinende  Fieber, 
die  durch  geistige  Miiiel  gebeilt  wurden,  gac  sieht  selten ;  jedoch 
brauchte  man  ein  schnelles  Sterben  des  Kranken  so  sehr  nicht  mehr 
zu  besorgen,  ala  im  Jahre  1S02.  Das  Irrereden ^  ein  gemeiner  Zu- 
fall dieser  Fieber,  warde  nicht  durch  Wein,'  oder  andere  geistige 
Mittel  verschlimmert,  sondern  der  Kranke  kam  durch  diese  Mittel 
wieder  »i  Verstand.  So  viel  ich  jetzt'  die  Sache  begreife,  waren 
diese  Fieber  Kupferaffektionen  des  Gesammtorganismus,  und  hBtie 
ich  damabla  dag  Kupfer  gekannt,  ich  würde  wahrscheinlich  des 
Weines  ,  des  Branntweines ,  oder  des  Aelhers  nicht  bedurft  haben. 

Schon  damahls  legte  ich  mir  die  Frage  vor:  ob  aus  den  ZnfBI- 
leD  der  Krankheit  dieser  eigene  Zustand  des  Körpers  zu  erkennen 
sei.  Alles  wohl  erwogen,  fiel  die  Antwort  dabin  ans,  dafs  die  Er- 
kenninifs  durch  Zeichen  nnmSglich  sei,  man  also  den  Arzt  nicht 
tadeln  dürfe ,  der  bei  solchen  heu  erscheinenden  Krankheiten  durch 
Aderlässen  und  den  übrigen  kühlenden  Heilapparat  Schaden  stifte, 
oder  gar  den  Tod  berördere.  Das  NSmIiche  mtifs  ich  auch  noch 
jetzt  von   den  KupferkranUieilen   behaupten,     biu  also  in  diesem 


—    1071    — 

Punkt«  darch  die  g«helinllnlKche  Lahr»  nin  kein  Hftar  weiter  g«- 
kontnifin. 

Wer  da  gflaubt,  dnrcfa  solche  ElrfabrangeD,  und  keien  es  auch 
die  glHckliclHien,  Heilmittel  auf  Kratikheitaformen  gefunden  an 
haben,  der  ist  wahrlich  seine«  Glaobens  wegen  zu  beklagen,  früher 
oder  apäter  wird  er  enuftasoht  werden;  iperret  er  sich  aber  gegen 
diese  EnltBoacbnng,  te  wird  er  sich,  selbst  in  den  Angen  tchlicbt 
veratindiger  Laien,  )Xc1ier)ich  machen.  Meinen  jüngeren  Lesern 
HKifa  ich  eine  kleine  dahin  einschlagende,  elwaa  lästige  Anekdote 
ersäbleo.  hn  Jahre  tSOS  war  der  Wendepunkt,  wo  die  darch 
geistige  Mittel  mit  VoribBll  zu  behandelnden  Fieber  ihre  Endscbaft 
errcLcbten,  nnd  anderen  Plan  maehien,  die,  obgleich  man  sie 
aaeh  achnlreohiem  Brauche  wol  eigentlich  nicht  inflaaiinatoriseha 
hatte  nennen  können,  doch  so  geartet  waren,  dafa  sie  keine  gel' 
stige  Mittel  vertrugen.  Die  verstAndigeren  Praktiker  meiner  Be- 
kanntschaft haben  diese  VerHndening  damahls  so  wol  beobaebtM 
eU  ich ,  es  gehörte  auch  eben  kein  grofser  Scharfsinn  zu  dieser 
Dfobachlnng.  In  meinen  alten  Papieren  finde  ich  den  17.  Janoar 
1808  als  den  Tag  angegeben,  an  wdchem  ich  den  ersten  Kran- 
ken der  neuen  Art  übernommen.  Kun,  ein  Jahr  darauf  hesuchie 
mich  eines  Tages  mein  Freund  itA",  jetziger  K5nigl.  Badearzt 
zn  S".  Im  Lanfe  des  Gesprfichei  sagte  er  auf  einmahl  zu  mir: 
w'a»  haben  Sie  doch  meinen  Kollegen  X.  tat  ein  verzweifeltes  Fie- 
bermitttel  gelehrt*  er  macht  ja  die  Fieberkranken  durch  Wein 
und  Aeiher  ganz  toll,  und  wenn  sich  die  Freunde  des  Kranke« 
gegen  diese  Behandlung  sirüaben,  beruft  er  sich  kühn  auf  Sie, 
mein  Frenndi  behauptet,  Sie  haben  ihm  den  Nutzen  des  Weines 
nnd  Aeihers  nicht  theoretisch  vordemonatrirt  ( darauf  würde  er  we- 
flig  Werth  legen),  sondern  ihm  denselben  wahrhaft  pfaktfaeh. 
Dämlich,   sichtbar  am  Krankenlfette  gezeigt. 

Da  ich  mich  mit  meinem  niederländischen  Amtsgenossen  X  sehr 
selten  am  Krankenbette  ausammengefunden ,  so  erinnerte  icb  mich 
augenblicklich  dieser  praktischen  nnd  sichtbaren  Belehrung,  und 
«rxKhlie  sie  meinem  Freunde  ^A"'^  wie  ich  sie  jetai  den  Leser 
erafthlea  werde.  ' 

Den  7.  Jan.  1S07  wurde  icb  zn  dem  Freiherren  t.  L.  zn  W. 
gerufen,  um  mit  seinem  gewöhnlichen  Arzte  über  den  Zaatand 
seines  kranken  Rentmeisters  zu  rathschlagen.  Dieser,  früher  ge« 
annde  und  starke  Mann,  befand  sich  in  sorglichen  UmstSnden. 
Obgleich  er,  nach  dem  schnellen,  vollen  Pulse  za  urlheilen,  stac- 
kea  Fieber  halte,  war  er  doch  nicht  im  Bette  zu  hallen,  sondern 
safs  auf  einem  Stahle,  sprach  wirre  Dinge  durch  einander,  seine 
Zunge  war  schmutzig,  die  Bewegungen  seiner  Glieder  zitternd, 
sein  Blick  flan  und  irre.  Da  mein  Kollege  ihn  von  Anfang  an 
antiphlogisliseh   nnd   abfiibrend   bebaadelt,    ohne   ihn  jedo^  snr 


—  i»ra  — 

Ader  *a  lam*,  aadh  beim  apfter  ewtratflotlan  ffreredsD  die  Zog- 
pflaster  nicht  vergesMeo  hall«,  der  Krank»  aber  iSglich  Bchliniin«» 
bei  dieaer  BebandluDg  geworden  war,  to  niu/ata  schon  drr  ge- 
«uude  MenscheoverUttod  in  einer  ganz  eeigegengMeutea  Behand- 
lung daa  Heil  suchen.  Meinem  AmtsgenOHen  Mellie  ich  diese«, 
ohne  mich  weiter  auf  theoretische  DAinonriraiionen  eiDsniassen, 
gana  einfiillig  vor;  und  da  er  den  faliiiache«  Vorderaa»,  daii  der 
Kranke  bei  der  Koii|ib logistischen  udd  aMleerendao  Behandlnog 
sichtbar  schlinimef  geworden,  nicht  Ifiugnea  konnte,  so  konme 
er  auch  die  prakliiche  Folgerang,  die  ich  aoa  dieaem  Satxe  log, 
nicht  verwerfen.  Ob  er  aber  in  seinem  Uerien  von  der  Richtig- 
keit dieser  Folgening  wirklich  überzeugt  war,  wag«  ich  nicht  ca 
bestimmen,  ja  fast  mufs  ich  daran  zweifeln,  denn  er  erklirle, 
er  wolle  mir  die  Anordnung'  des  neuen  Heilplanes  ganz  äberlaa- 
•an.  Diese  Anordnung  war  mit  Zuziehung  des  Eddinannes  bald 
geauwht.  Da  derselbe  auf  meine  Frage,  -  <^  er  guten  ^len  Wein 
im  Keller  habe,  aniworiete,  dafs  er'dieaen  nicht  blofs  faahe,  son- 
dern ihn  auch  gern  zur  Heilnng  seines  Reatmeisters  hergeben  wol- 
le,  so  war  mein  Ratb,  den  Kranken  innerhalb  24  Stunden  an- 
dertbalh  Flasi^en  in  getheilten  Gaben  trinken  zu  lassen.  Damit 
wir  aber  auch,  der  Apotheke  zu  Ehre,  etwas  Apolhekeriscbes 
verordnen  möchten,  rieih  ich,  Schwefelfiihet  holen  zu  lassen  nad 
davon  stündlich  15  bis  20  Tropfen  zu  reichen. 

Der  Erfolg  dieier  Behandlung  war,  dab  der  Kranke,  «^a 
am  folgenden  Tage  zu  Versland  gekemmen,  in  überrascbend  schnei- 
ler  Zeit  genas.  Solche  Fieber  nftmlich,  wean  sie  blofa  in  einer 
reinen  Afl^kiion  des  Gesammtoiganismus  bestehen,  also  kein  Or- 
gan urerkraakt  ist,  heilen  sich  schnell;  vorausgeaetat,  dalz  dem 
Kranken  das  Blut  nicht  abgezapft  ist ;  iat  daa  aber  geschehen ,  so 
gebet  die  Heilung  viel  langsamer,  Entfernt  »an  auch  die  Gefahr 
bald,  s«  bleibt  doch  der  Puls  gewöhnlich  eine  lange  Zeit. schnell 
und  die  Krfifie  wollen  übel  wiederkommen. 

Das  ist  nun  kürzlich  die  sichibare  praktische  Belehning,  die 
mein  acbcbarer  Amisgenosse  X.  von  mir  erhallen.  Mehr  als  wabi^ 
acheinlicb  ist  es,  dafs'er  die  geistige  Fieberheilung  zu  jeser  Zeil 
hei  den  meisten  vorkommenden  Kranken  mit  mehr  oder  minder 
gtücklicbem  Erfolge,  jedenfalls  mit  weit  besserem  als  die  anti- 
phlogistische und  ausleerende  wird  versucht  haben.  Ohne  Zwei- 
fel bat  er  nun  geglaubt,  im  Besitze  einer  ateheren  Heilart  des 
Nervenfiebers  zn  sein  ,  *)  und  da  er  uf  die  schon  Im  folgenden 
Jahre  eintretende  Veränderung  der  epidemischen  Conalitniian  nicht 

*J  Wer  neioes,  jclil  icbon  in  Reich«  dar  Scbaltaa  wailenden  Kolleges  tsdeU 
wallte,  wärle  nteht  blori  Iba  ,  leDdera  mit  ibn  viala  aadar«  Aerite  tadcla. 
Er  war  ea  dock  licbt  alleia,  dar  alcb  ainbildBle,  eina  aleber«  Beilul  des 
Hamslabsn,  dlaaa«  trslIiataN  WshaUldai  u  keDsea. 

"■■■  -    ■'  ---— ^^_v- 


-     1073    — 

geachtet,  mofate  er  §ich  selbsi,  durch  seine  geistigen  Fieberku- 
ren, als  eioen  etwas  nngeistigen  Mann  beknnden.  Mein  Freund 
dÄ"y  eia  änfserst  TerstSndiger  nnd  umKiobliget'  Praktiker,  der 
weiter  nichts  wafsie,  als  dafs  sich  X.  auf  mein  handgreifliches 
Experiment  berufe,  mufale  herslicb  lachen,  da  ich  ihm  nicht  blofs 
die  Thaisache,  sondern  anch  den  Hauptpunkt,  die  Zeit,  wo  sie 
■ich  xugetragen,   auslegte. 

Ich  habe  zu  jener  Zeit,  da  geistige  Miiiel  den  Fieberkranken 
offenbar  gnle  Dienste  ihaien,  mich  ans  .\eugier<fe,  so  weit  meine 
and  guter  Freunde  Bücher  reichten,  in  der  älteren  Literatur  um- 
gesehen, ob  sieb  in  dieser  auch  Erfahrangen  über  den  fraglichen 
Gegenstand  finden.  Es  kam  niir  nftmlicb  so  vor,  dafs,  wenn 
anch  die  Galenische  Lehre  die  Aerzte  nicht  leicht  auf  den  Ge- 
danken einer  geistigen  Fieberheilung  habe  führen  können,  *)  doch 
der  Zufall  in  so  vielen  Jahrhunderten  ihnen  diese  Erfahrung  habe 
aufdringen  müssen.  Ich  fand  aber  damahls  nichts,,  was  meine 
Neugierde  hfitte  befriedigen  können;  wahrscheinlich,  weil  ich  als 
Ungelehrier  es  da  suchte,  wo  es  nicht  zu  finden  war.  Die  Mei- 
nung, der  Galenismus  müsse  die  Augen  und  den  Verstand  der 
Aerzte  so  verblendet  haben,  dafä  sie  die  vom  Zufalle  ihnen  an- 
gebotene Erfahrung  hartnackig  von  sich  gestofsen,  war  also  sehr 
verzeihlicb.  Später  ist  mir  manches  dahin  Einschlagende  ganz 
ongesnchl  in  die  H&nde  gefallen  und  hat  mich  überzeugt,  dals  ich 
in  jugendlicher  Voreiligkeil  den  Siteren  Aerzien  Unrecht  gethan. 
Obgleich  ich,  weil  der  Gegenstand  im  Laufe  der  Zeit  den  ersten 
lebhaften  Reiz  für  mich  verlor,  dasjenige,  worauf  ich  zwischen 
den  Jahren  180H  und  34  zufällig  gestofsen,  mir  schrifilich  zu  be- 
merken versSumt  habe,  so  erinnere  ich  mich  doch  noch  deutlich 
des  Laz.  Biveriua,  der  (Lib.  XVII  Cap.  i.  Praxi*  med.)  sagt: 
sn  Montpellier  habe  1623  ein  Fieber  geherrscbt ,  welches*  den  drit- 
ten Tbeil  der  Erkrankten  get5diet.  Hinsichtlich  des  Weingebrau- 
cbes,  laniet  seine  Rede  also:  li»  aegroianlibtu ,  qtiibut  puhu» 
eratparum  fre^utn*  et  puhui  tanorvm  ftre  nmili» ,  Ungtta  iunida, 
et  Hulla  lifit,  vintim  exhibnimu»  felici  sttcceMU;  illiuiqne  eontinua- 
tionem  indicabat  levtmen  inde  emergen* ,  «t  qüod  es  ifiiua  »■»  Jie- 
hrii  nvffalenui  iatetuior  evadebat,  neque  »i(i»  out  iinguae  ticcitfu 
excitabatur. 

In  Fällen,  wo  das  Fieber  stark,  die  Zunge -trocken,  scbwnn, 
rauh,  und  der  Durst  grofs  war,  enthielt  er  sich  des  Weines  nnd 
gab  kühlende,  sfioerlicb«  Mittel.  Er  scheint  hier  aber  mehr  durch 
vorgefafute  Meinung  verblendet,  als  dnrch  Erfahrung  belehrt ,  den 
Wein  gefürchtet  zn  haben;    denn   gleich  darauf  fahrt  er  den  von 

')  Wm  an  kei  Galt»  äb«r  d«B  Gebraoeb  du  Weiiei  is  Fi«b«ni  lädst,    lit 

tihr  siib«ishr«Bd.  "  "  -  '      — ■"O'" 

68 


—     1074    — 

ZmeutuM  TM»itttHut  (Ohnerv.  93  Lih,  1  Praxi*  mdmir.J  erzahlien 
Fall  an,  dar«  ein  am  bö«ar(is«ii  Fieber  kraaker,  bei  «ukem 
Durale,  truckner,  schwarzer  Zunge  scheinbar  dem  Tode  naher 
Mensch ,  aaf  Zacmtu»  Lmaantu  Raih  mit  ans^eceichnet  ^ücklicheai 
.Erftflge  Wein  getrunken  und  blof«  durch  Wein  geheilt  tei,  und 
macht  zu  dieser  Beohacbinng  folgende  Bemerkung:  Verum  Ait 
Ctlai  lententiam  adducere  non  alienum.'  tatpe  qttot  ratio  »m 
rettitüit  lemerita»  adjuvat.  Da<  ist  eine  Bemerkung,  die  mir  aas 
der  Feder  eioeji  übrigens  recht  yeiBiäadigen  Mannet  nicht  Hooderlicfa 
geftllt. 

Tiom.  BaHh«hnm  (Hüi.  7  Cent.  6)  en&bU :  der  Kneohl  eines 
Efsbischofes  habe  airi  Petechialfieber  heffnungsloR  gelegen,  und  da 
er  selbst  gemertit,  dafs  man  ihn  verloren  gebe,  den  Erzbiadiaf  an 
einen  Schlack  Wein  biilen  lassen,  damit  er  sich  vor  seinem  Hra- 
'  scheiden  noch  einmahl  laben  könne.  Von  dem  geistlichen  Heriea 
bekommt  er  Rheinnein,  qnd  swareiwas  mehr,  als  einen  Schinde. 
Nachdem  er  davon  getrunken,  fkllt  er  ia  einen  ruhigen  Schlaf, 
schwitzt  liichiig,  und  ist  aufsor  Gefahr. 

Similia  exempla  plura  apad  »oi  atemoriae  9cairr»Mt,  sagt  Bar- 
thotinw-  Es  konnte  ja  nicht  fehlen ,  «s  mufsieo  üth  solche  Fslle 
oft  zutragen;  denn  da  manche,  denen  der  Wein  wahres  HeilmilteJ 
ist»  eiben  besonderen  Trieb  dazu  fühlen,  so  werden  gewib  ancb 
nicht  alle,  die  diesen  Trieb  gefühlt,  ihn  dem  Arzte  und  dCsSM 
Theorie  zu  Liebe  unterdrückt,  sondern  vielmehr  tüchtig  Wein  ge- 
trunken haben.  Das  Wenigste  von  solchen  Begebenheiten  ist  wol 
sa  nnsM-er  Kunde  gekommen,  denn  die  wenigsten  Aerzte  haben 
grofse  Neigung,  Beobachtungen  bekannt  zu  machen,  welche  mit 
ihren  theoretischen  Ansichten  im  Widerspruch  stehen. 

Was  V.  Helmvnt  vom  Gebrauche  des  Weines  bei  Fiebern  sagt, 
kommt  mir  etwas  prahlerisch  und  etwas  albern  vor.  Seite  432 
heifsi  es:  jam  a  qninquaginla  Mne  annii  mecum  experioTy  me 
flare*  luinare ,  eliam  non  vi»o»,^»pretiaqKe  diaettu regufii ,  quam 
plurt*  tiMul  medicix  qui  in  nottra  urbe  »berraiU;  experior,  Äa- 
füofn ,  m«  omhei  /ebret  continvai  et  ialermitieittet  curare  paueia 
dithtu ,  im9  et  plerumque  pauci$  ioria ,  mq»  admitto  phlehotnmoy 
»edpermitto  vino. 

Der  Mann  war,  da  er  dieses  schrieb,  schon  sehr  alt,  snd 
alten  Leuten  muls  man,  wie  ganz  jungen,  etwas  zu  gute  halten, 
bei  beiden  spielt  die  Fantasie  nicht  sehen  den  Meister,  Abgese- 
hen von  der  Allgemeinheit  seiner  Behauptung,  niufs  er  jedoch  in 
«einem  Leben  viel  mit  solchen  Fieberkranken  zu  ihao  gehabt  ha- 
ben ,  denen  der  Wein  gut  bekommen  ist,  sonst  würde  er  sich 
schwerlich  im  hohen  Alter  diese  Behauptung  erlaubt  haben. 

AnuUdtu  de  Viffamova,  der  bekanntlich  am  Ende  des  ISten 
und  im  Anfange  des  14iea  Jahrhunderts  lebte,   als»  so  einisZeit, 


—    1076    - 

wo  ^r  GalMisniDs  nosh  Ktn«  ganze  Herrtohart  Qbie,  *)  «agt 
(Aphoriimi  de  ingemii»  Aocitii«,  euratiti*  et  prae- 
»ervmtivi»  aiBrioriiM,  apecialei  corp9ri»  parte»  re- 
»picient«*)  von  d»m  Gebrauch«  doi  Waiae«  in  Fiebern  Fol- 
gende« :  Qfttbuieunqme  fehricitaittätu»  arteriae  aunt  angtutat ,  mto- 
dieum  äpiriiHm  csHtinentet ,  neceme  ett  vino  mbHli  et  dehili  »piri- 
Itu  Jovere  vitale:  —  FebriciloMtet  ^  qui  penuriam  tpiritmtm  pa- 
timtttmr,  niai  vino  ctutte  r^aeil/eiilur ,  cito  d^eiunt.  -~  Quiiiu- 
cunque/ebricitantAnt  atomachua  fuerit  frigidu»,  caput  autem  forte 
et  vix  pa»»iii/e,  vinam  congruenliu»  adminiiiratur.  Ich  hoffe, 
meinen  Leiern  wird  diew  Unlerrichmng,  wie  der  Wein  bei  Fie- 
bern tu  gebranchen,    deutlicher  aein  als  niir. 

Meine  Aeafurnng,  als  sehe  ich  Jeist  jene  Krankheiten,  wel- 
che ich  frCher  durch  Wein,  Brannlweia  und  Aether  geheilt,  für 
Knpferkrankheilen  an,  spricht  eine  Meinung  aus,  welche  zwar 
viel  Wafaracheinlichkeit  für  sich  bat,  gegen  welche  man  aber 
aoch  manche  Zweifel  erbeben  kann.  Bei  mir  ist  die  Untersuchung 
noeh  nicht  beendiget,  mithin  kann  ich  auch  nicht  unbedingt  dar- 
über absprechen.  Ich  gestehe  ehrlich,  dnfs  in  solchen  Fällen, 
wo  von  schleuniger,  augenblicklicher  HOlfe  die  Erhaltung  des 
Lebens  abhflngt,  (z.  B.  in  der  aofangeodeo  LSbmung  Ao%  Plexu» 
eoeliaci  oder  in  der  achon  etwü  weit  gediehenen  Lübmung  dec 
Lunge)  ich  mich  auch  jetzt  noch  nicht  gut  des  Aeihers  enthalteo 
kSnnte.  Das  kann,  i«h  gebe  es  zu,  blofse,  blinde  Vorliehe  für 
eine  Waffe  sein,'  niit  der  i«h  Trüher  glücklich  gek&mpff;  es  kacQ 
aber  auch  eine  Mahnung  meines  prakiischen  Gefühls  sein,  an  der 
etwas  Wahres  taL  Wer  kann  es  wissen?  nnd  wie  soll  man  sieb, 
ohne  Menschenleben  aufs  iSpiel  zu  seinen,    überzeugen! 

Was  ist  von  einer  Verbindung  des  fCnpfers  mit  dem  Aether 
za  erwarten!  —  Ich  kann  es  nicht  mit  Beslimmtheil  sagen;  ieh 
habe  eine  solche  Verbindung  wol  einmahl  versucht,  aber  doch 
so  sfthr  selten,  dafa  ich  nicht  einmahl  vermulhend,  geschweige 
denn  belehrend  darüber  sprechen  darf.  Dm  Kupfer  ist  ein  so 
sdnell  wirkendes,  zwar  nicht  sinnlich,  aber  dynamisch  flachli-; 
ges  Mittel«  dafi  man,  durch  einen  Zusatz  von  Aether,  ihm  (wie 
C  W.  Hnfela»d  von  einer  geistigen  Verbindung  des  Quecksilbers 
einst  sagte)  wahrhafte  Flügel  geben  würde.     Leider  würden  aber 


*)  Hit  (Jnncht  wird  dleitr  Sebftnftellsr  tm  eisif«!  ta  d«a  AlcbTHililaB  ge- 
raebnet.  ^mpAerian  Champitr ,  icio  LabepiboHbrajlMr,  h(I,  er  bak«  •üh 
bL)Gi  in  dar  Jaicad  nit  der  Goldnichenl  ■iseK^boa  oad  sei  ipliter  voi  die- 
■er  Thorbeit  tDraoksckonnea.  War  laiaa  mediiiDiioban  Scbriflen  lieact, 
Kab  dieaei  aueb  aebr  wabncbeiolkb  flndea.  la  dar  Baaelar  Anigabe  leiDar 
aKmiDtllcbaa  Werke,  tob  1S8S,  fiodet  man  jene  jngaadHtbaD  Goldnaehertcirif- 
tan  mit  einer,  D*  jmUrtia  attrtmtmima  Bsi  elMT  udares  Da  ligil- 
li»  tia  Aabsai.  ;.. .  -  ■■,  -.-.j-J^lc 


—    1076    — 

dies*  Fliigel  sehr  Gbel  lu  beobachlen  leih,  und  msn  IcQnot«  gar 
leicht  der  ZiiBaminensetznag  eine  Wirkung  grascbreiben',  die  dem 
blofsen  Kupfer  allein  sukäine.  leb  überlaBse  diesen  Gegenaiand 
dem  Versuch  -  und  BeabachtnogsgeiBte  meiner  Leser ,  bemerke  aber 
xngleich  den  jiing;eren,  dafs  sie  sieh  nichi  herausnehmen  dürfen, 
über  den  Werih  einer  solchen  geistigen  Kapferverbindung  abzu- 
sprechen, wenn  ihnen  nicht  vorher  das  einfache  Kapfer  durch 
einen  zehenjtihrigen  Gebrauch  zn  einer  Waffe  geworden ,  die  sie 
mit  Gemächlichkeit  »nd  möglichster  Sicherheit  zu  handhaben  ver- 
stehen. 

Wils  die  destilHrten  aromatischen  Oele  betrifft,  ho  hab«  ich 
mich  früher  derselben  gern  da  bedieat,  wo  die  eigentlich  geisti- 
gen Miliei  das  GefiffaBy^teni  auf  eine,  wie  es  mir  schien,  wenig 
voriheilbafie  Art  aufregten.  Jene  Oele  ihun  dieses  minder,  nnd 
der  Hoffmannische  Lebensbalsani  hat  mir  wirklich  recht  gole  Dien- 
ste geleistet;  jedoch  war  mit  dem  Jahre  H  die  beste  Zeit  für  den 
Gebrauch  dieses  Mittels  auch  abgelaufen.  Hinsichtlich  der  schnel- 
len, wohlihüiigen  Wirkung,  stehen  aber  die  desiillinen  balsami- 
schen 0«le  dein  Kupfer,  obgleich  si«  mit  ihm  venrandt  sind, 
weit  nach. 

Von  dem  Moschus  mufs  ich,  nach  dem  Gebrauche,  den  an- 
dere AerKle  davon  machet) ,  zu  schliefsen,  glauben,  dafs  er  aucfa  ein 
Verwandter  des  Kupfers  sei.  Ich  selbst  habe  mich'  seiner  sosehr 
wenig  in  meinem  Leben  bedient,  dafs  ich  aus  eigener  Erfabmng 
nichts,  gar  nichts  von  ihm  zn  sagen  weifs.  Ich  hebt  es  nicht, 
sehr  (heure  Ar/.eneien  zu  verordnen,  kann  auch  unmöglich  glau- 
ben, dafs  die  Natur  so  sliefmiitierlich  ffir  das  Menschengeschlet^t 
sollte  gesorgt  haben,  ausschliefsliche  Heilkräfte  an  eine  so  ibeate 
Substanz  zu  binden. 

T*st   d«m  Ksspfcr    •!■    Wisrnsinlttel. 

Eig^ndicb  ist  hier  wol  nicht  der  rechte  Ort,  Ton  dem  Kupfer 
als  Wnrmmiliel  zu  reden ,  d^nn  seine  wurmiödtende  Kraft  hat  mit 
aeinec  Unirersalheilkraft  nichts  gemein.  Da  aber  das,  was  ich 
über  erste  zu  sägen  habe,  sich  hier  kürzer  und  versftindlicher  sa- 
gen läfst  als  an  jedem  anderen  Orte  dieses  Buches,  so  werden 
die  Leser,  statt  mich  eines  Verstofges  gegen  die  logische  Ord- 
nung zu  seihen,  wol  so  gefällig  sein,  meine- Etede  als  eine  bloCae 
Einschaltung  zu  betrachten. 

Das  Kupfer  lödiet  die  Würmer,  es  treibt  sie  nicht,  wie  an- 
dere Wurmrniiiel,  lebendig  aus  dem  Darmkanal.  In  dieser  Wahr- 
heit liegt  das  ganze  Geheimnifs  seiner  richtigen  Anwendung;  denn 
wer  nur  ganz  gemeioeu  Verstand  besiizl,  der,  mufs  schon  begrei- 
fen,  dafs  es  sich  nicht  darum  bandelt,    dieses  Metall  in  so  star* 


—  1077  — 
ken  Gaben  xa  nicbta,  ial»  es  den  Uarmkanal  zd  verniehr- 
lu  Bewegung  aufregt,  sonderD,  dafs  man  mit  geringeren  Ga- 
ben, durcb  den  fortgesetzten  Gebrauch  die  Würmer  am  si«ber- 
iten  todtet.  Die  im  Maat  -  und  Griniindnrme  bausenden  Ma- 
den lieben  das  Knpfer  zwar  nicht ,  auf  den  anhaltenden  Gebranch ' 
desselben  gehen  sie  von  den  Menschen;  es  mufa  diesen  Thieieo 
aber  so  tödilicb  nicht  sein  als  den  anderea  Würmern,  denn  die 
Leute,  denen  ich  es  gegeben,  haben  mir  gesagt,  dafs  ihnen  viel 
lebendige  abgegangen.  All«  werden  wol  nicht  mehr  lebendig  ge- 
wesen sein;  die  mit  dem  Käthe  Tennischten  («dien  mägen  aber 
wol ,  Qbel  zn  erkennen ,  von  den  Leuten  fibersebea  weiden.  Die 
TbatsBche,  dafs  lebendige  Maden  von  den  Menschen  gehen,  lälst 
mich,  hinsichtlich  dieser  Tlnare,  an  der  lödtenden  Kraft  des  Ku- 
pfers etwas  zweifeln,  und  ich  pflege  also,  wenn  ich  sie  vertilgen 
will,  Aloe  in  solcher  Gabe  dem  Kupferoxyd  zuzusatien,  dafs  mit- 
iaiges  Laxirpn  erfolgt.  Den  Spnhiwiirmern  ist  das  Kupfer  ganz 
bestimmt  lödtltch.  Man  kaim  es  zu  diesem  Zweck  in  verschiede- 
ner Form  geben.  Die  Verbindung  der  Tinktur,  oder  des  schwar- 
zen Oxydes  mit  MohnSl  ist  vorx,üglich  wirksam,  aber  auch  man- 
clien  Menschen ,  des,  Oeles  wegen ,  sehr  zuwider.  In  diesem  Falle 
mofs  man  die  ,blofse  Tinktur,  in  solcher  Gabe,  dafs  sie  kein 
Brechen  erregt,  stündlich  reichen,  oder  in  Pillen-  oder  Pulver- 
farm das  schwarze  Oxjd.  *) .  ■  ■    ^ 

leb  habe  mich  bei  akuten  Fiebern,  jedoch  in  seltenen  Fftl- 
len,  genSihigt  gesehen,  die  Wurmer  durch  Knpfer  zu  lödlen, 
es  waren  aber  consensuelle  Fieber,  bei  denen  der  Grsammlorga- 
nismns  sich  in  dem  Indilferenzsiande  befand;  wo  also  das  Knpfer 
als  Universalmifiel  nicht  in  etlichen  Tagen  schaden  konnte.  (Bei 
einer  UrsalpelerafTeklion  des  Gesanimlorganismus  würde  ich  Be- 
denken tragen,  es  als  Wurmmittel  zu  reichen.)  Sobald  die  Wür- 
mer getödiet  waren,  verschwanden  alle  bSse,  die  Heilung  stö- 
rende Zufälle.  ' 

Vor  etlichen  Jahren  hatte  ich  ein  achlKehnjfthriges  MSdchen 
SU  bebandlen,  welches  an  einem  Leberfieber  mit  coDSGnsuellem 
Durchlaufe  litt.  Ein  aussetzender,  ganz  angeregelier  Puls,  nn- 
anfhörliche  Sut*uUm  lendinum  gleich  im  Anfsoga  der  Krankheit, 
Irrereden,  and  die  faestinunte  Aussage  der  Mutter,  dafs  die  Krank« 
von  jeher  viel  von  Würmern  geplagt  gewesen,   liefs  mich  i 


*)  WcDD  du  fcELvarze  Oxyd ,  In  dar  Gabt  Ton  «in  «der  iwei  Gr«e,  Debelkeil 
oder  Brbrecben  ntcht,  lo  ist  ei  rotwader  Dicht  got  hereitel,  oder  der  Rria- 
ke  tiat  Sinre  in  Higea.  Im  lalzlen  Fitla  kaan  man  daritb  «inea  TheetGITel 
roll  RrebaaUinpalver,  welcbet  ntaa  zaglaiab  siit  dem  Qvji  verietlueliai  UM, 
dar  UabaqatBUaULaK  vorbasgao. 

"■■■  - ^-'-~-^'~ 


—    1076    - 

theo,  int»  die  d«r  hernchendeD  LvbBrknnkheit  nieht  eigenlhHio- 
lichen  ZufSll«  von  Würmern  enisieben  müfaien.  Des  vorhandenen 
Durchfalles  wegen  gab  ich  hier  die  Kui»feriihkiiit-  in  Oelemulalen. 
Ohne  dafs  der  Durchfall  Bufhdrie,  verschwanden  nach  stveilSgi- 
gBtu  Kupfergebrauche  die  freiridartigen  Zufalle;  warum  sie  ttw- 
Bchwanden ,  das  wies  sich  in  der  darattf  folgenden  Nacht  «aa. 
Da  näpilich  der  consensneile,  von  dem  Urleherleidea  abbangenda 
Darchlanf  noch  bestand,  so  schafhe  dieser  die  ledten  WDrmer 
weg.  Zweiniahl  schon  halle  die  Mutier  das  Nachtgeschirr  nnbe- 
eeben  in  den  Abtritt  entleeret;  aum  drillenmahle  wird  siaerat 
anfmerksam  anf  den  Wuriniobalt  detselben,  und  f&ngt  an,  die  ab* 
gebenden  todten  Thiere  cii  suhlen.  Wfibrend  dieser  N'aebt  und 
des  folgenden  Tages  ist  die  Kranke  54  grofae  Spulwürmer  lus  ge- 
worden nnd  eine  üniahl  von  Maden.  Von  letzten  sagte  die  Mut- 
ter, sie  seien  nicht,  wie  die  SpuhlwBraier,  todt,  sondern  viel- 
mehr lebendig  nnd  sehr  rilbrig  gewesen.  Nach  Entfernung  dieser 
GSale  heilte  sich  das  Fieber,   wie  bei  Jedem  anderen  Menscben. 

Ein  Jahr  darauf  sollte  ich  die  EwetundswaniigjBhrige  Tochter 
eines  Landmannes  heilen.  Sie  hatte  ebenfalls  ein  Leberfieber  mit 
(»nsensufllem  Durchlaufe.  Angeblich  früher  viel  von  Würmern 
geplagt ,  war  ihr  Puls  jetzt  gans  nnregelmfifaig ;  Znokunge« ,  nnd 
abwechselnd  so  liefe  und  lange  Ohnmächten',  dafs  (Jnkundige  um 
ihr  l^en  besorgt  wareq,  raachien  mir  es  wahrscheinlich,  dafii 
hie^WilaiAer  im  Spiele  seien.  Ich  gab  ihr  die  Knpferiinklur  in 
Oeleniulsioo ,  und  ein  sweltftgige'r  Gebrauch  derselben  beseitigte 
jen^fiemdariigen  Zufälle.  Nun  gingen  ihr,  nach  Aussage  des  Va- 
ters, drei  Tage  lang  eine  Unzahl  lodter  Spulwürmer  ab.  Wie 
vielf  das  kann  ich  nicht  sagen;  denn  dem  Landmanne,  der  Witt- 
wer  war,  schien  zwar  sehr  viel  an  dein  Leben  seiner  Tochter, 
aber  gar  nichts  an  der  Zahl  ihrer  Würmer  gelegen  zn  sein.  Bloft 
am  dritten  Tage  hatte  ein  ihr  abgegangenes  Wurmknäuel  aeiae 
bäuerische  Neugierde  aufgeregt;  er  hatte,  dasselbe  entwirret,  und 
sich  überzeugt ,  dafs  es  ans  32  grofsen  Würmern  gebildet  sei. 

Eigentliche  akute  WurtnGeher,  das  heifst,  solche,  die  ein- 
zig Ton  dem  Reize  der  Würmer  auf  die  DArme  abhangen,  habe 
leb,  so  viel  ich  mich  jetzt  erinnere,  noch  nie  beobachiet,  aber 
wol«  dafs  andere  akute  Fieber,  wie  in  den  erzfthlten  Fällen, 
durch  Würmer  ver^chUmmttt '  und  ihre  Erkeontoih  sehe  erschwe- 
ret wurde.  Jedoch  ist  mir  auch  dieses  bei  weitem  so  hftafig  niebt 
vorgekommen ,   als  angeblich  anderen  Aerzten. 

Was  den  Bandwurm  betrifft,  so  glaube  ich,  dafs  kein  besse- 
res Mittel  gegen  denselben  ist ,  als  Kupfer.  Man  mufs  das  schwar- 
ze Oxyd  in  mäfsigen  Gaben ,  zn  1 ,  2,3,4  Gran  pro  doti  vier- 
mahl  tags  reichen,  so  wird  der  \Vunn  anf  die  Dauer  flan  und 
stirbt  ab.     Will  man  dann  dorcb  ein  Laxirmittel  dno  todten  Wurm 


—    IflTi»    — 

huBDuchRffeB,  so  luBB  maa  «■  tboa;  n&big  i«t  M  aber  nicbi, 
denn  ein  lodter  Bandwnrio  wird  in  den  Dtümen  ja  nicht  fer*. 
fMÜen,  sondern  wie  jede  andere  tbieriache  Subums  avfgelSaet 
werden,  und  nicht  als  Wuru,  sMadpin  als  Koth  abgehen.  Ich 
habe  mebrmabls  aaf  den  Gebrauch  des  Knprers  alle  ven  dem  Wur- 
me abhaogeade  Leiden  Teracfawtnden  sehen ,  ohne  dafa  der  Wurm 
sichtbar  abging.  Ein  paar  Mahl  sagten  mir  die  Kranken ,  sie  ha- 
ben ia  de«  Darmkotbe  ein  ungeßbr  spannenlanges  Stück  entdeckt, 
dieses  habe  aber  nicfat,  wie  die  früher  abgegangeDeo  Stöcke  oder 
Glieder,  weifi,  sonder^  gelblich  and  verBchrumpft  ansgesefaeB. 
BebannUich  geben  den  Lcaien,  die  einen  ordentlichen  grofsen 
Bandwurm  im  Bauche  haben,  von  Zeit  zu  Zeit  einzelne  Glieder 
des  Wurmes,  anch  wol  längere  oder  kürzere  Stücke  von  selbst 
ab.  Bei  und  nach  dem  Gebrauche  des  Kupfers  werden  sie  selcba 
Glieder  nicht  mehr  in  den  Excreneaten  gewahr.  *) 

*)  BlsMlie  eitedsr  odar  Sticke ,  «it  lirh  von  dem  lebeodifca  V/am  miBM, 
««rdan,  weil  lie  gauK  weib  nod  vall  aisd,  liicht  aof  dsM  Darakotko  erkanBl ; 
aber  Glieder  eiRca  todtea  Warna«  liad ,  w>il  lie  Eaia»»aaBcrft]lea  «ad 
-  ichnnliinclb  aoMebeB,  ub«[  vom  Darmkotbe-  zd  oBlericheidcD ;  and  wer, 
weaa  er  nicbt  gerada  tnptlicber  Hjpeebnodriit  iai,  bat  Heigoac,  »ciaem  Kulb 
■o  urgTätrig  in  darckainjterB ?  —  Her  in  dem  Falle,  wo  eia  erientliehca 
SlDck  de»  abceitortieBn  Wemai  aar  der  iDr«er«B  Saite  de»  gcbuodencD 
Darmkotbaa  klebt  (niobt  wena  ea  ia  Ibm  atrckt) ,  wird  ea  vos  den  RrankeD 
beHerkl,  Sie  aolcbe*  Stock,  daa  ■ofcKbr  eine  Spuae  liog  aeia  aocbte, 
babe  ich  tatbit  Bcaeben,  md  Hieb  an*  der  *i;bmaliifgelbeD ,  vencbrompHeB 
BeeebaSenbail  deaielbeB  von  dem  bbenengt,  was  icb  eben  (ea«f I ,  dal)  oSm- 
licb  etotelBe  Glieder,  oder  klciaera  Stücke  (iDllta  aucb  maiae  HeiuDog,  data 
dar  getUdtete  Worai  Id  dea  DÜntiiirtea  aiirgeiaiet  werde,  aowibr  lelu)  lellea 
vaa  dea  Rnukea  erkaant  werdaa.  Freilich  ,  letzt  man  eia  mirsigsa  Laiir- 
BÜtlel  ia  dem  Kepreroifd,    »•  kaaa  maa  den  Warm  eder  Tbeile  dfi  Wurst 

'  ia  ibrer  Kaaxeo  WeiTda  nad  Fälle  aa  lebaa  bakoiumfa,  denn  bei  der  käaat' 
Ucb  rermebrlea  Sawei^ag  dea  Dannkaiialn  baben  aie  keiae  Zeit,  aaiebeialieb 
la  wardao  :  ea  iit  diriei  aber  ein  ganz  nDnatze«  Betonen ,  aad  waa  naBÜts 
iit  maCi  maa  aicbt  tbaa  ala  nur  aaiaabmsweiaB.  Vur  ellicbaa  Jabren  Mille 
i«b  eiaer  JaB^far  beiren ,  die  aiüeo  Warm  im  Baaebe  nad  einca  Sparrea  im 
Kapfa  hetle.  Die  NärriaD  wollte  aiebt  bisra  geiaad  werdea  ,  aoadn-a  aaeb 
dea  Wem  aehaaea  ,  der  aia  kraak  fenaebt.  Um  ibr  an  saaüsea  ,  aelita  ich 
a»  Tial  Aloe  la  dem  KapfErexyd,  daft  aie  faaf-  bia  Mcbioiabl  laga  dfiaae« 
AbfBBS  bekam.  Nachdan  )ie  mebre  Tage  da*  Hittel  gebrasEtat,  saifte  aie 
mir  eiaaa  Horgant  dea  ihr  abgagaageaea  Warm ,  aia  batle  iba  gemeaaen  and 
ia  «laem  6U*a  Wasaer  an  aiaem  Vadaa  BafgebM^a«.  Dia  Uaga  babe  iah 
rargecaea,  waiCt  aneh  oiebt,  ob  er  aaiaea  Kepl  »lEgabraebl,  deaa  ieh  baUe 
damabtt  ao  viel  eraithafta  Diage  aa  be«i;biclian,  dafa  icb  mich  bei  dem  Warm 
aicbt  beaaadera  aarhallaa  koaat«.  So  tiel  aah  ieh,  er  war  s«eh  ia  (eiaer 
gaasen'Fälla ,  vh  bteadead  weifaar  Farbe  ,  aad  gegea  daa  Liebt  gehallea 
«ebiea  er  Taat  balbdarabaiebtig.  leb  biell  iba  Kr  dia  Tntaiti  Imta,  welche 
ia  DeatKblaad  aebr  eeltea  vorkeansea  aoU.  Taaaebea  kaaa  icb  muh  daria 
aUerdiBfi,  deaa  »ail  mir  ia,  meiaar  «Mverallbtiacben  Lebraail  dar  ProToaior 
die  Tunia  lata  gcieigt,  babe  kb  tie  aie  mebr  («aebea.    Aber  daria  knaa  ich 


—    1080    — 

Die  Kdehinn  «inca  EdelmBoaei  in  nriiwr  Nachbancfaaft  litt 
viel  vom  Bandwarme ,  u  gin^«o  ihr  von  Zeit  lu  Zeit  Glieder, 
saweileo  spaanenlange  Stücke  ab.  Sie  klagte  mir  dieaea  zo  der 
Zeit,  da  das  TerpeDthiDäl  sehr  empfuhlen  war.  Ich  gab  ifar  die- 
ses, konnte  aber  keine  andere  Wirkung  davon  bemerken ,  als  einee 
reicblicberen  Abgang  der  Glieder;  diese  Glieder  sahen  Auch  nicht 
al»gestorbeD  und  verschrumpft,  sondern  gerade  so  w«ifa  und  voll 
aus ,  als  jene ,  weiche  ihr  von  selbst  abzugehen  pflegten.  Uebrt- 
gens  blieb  das  Bauchleiden ,  -und  die  Terpenlbiakur  war  dem  Mäd- 
chen sehr  zuwider.  Einige  Zeit  darauf  gab  ich  ihr  das  Kupfer- 
oxyd,  und  durch  den  14iägigeD  Gebrauch  desselben,  wurde  sie 
von  ihrem  Bauchleiden  gänzlich  befreiet.  Aach  dieser  gingen  bei 
dem  .Kupfergebrauche  weder  Glieder  noch  Stücke  ab,  aber  sie  iat 
gesaod  geworden,  und  das  bleibt  die  Hauptsache.  Vor  Kurzem 
hatte  ich  Gelegenheit,  sie  in  einem  benachbarten  Dorfe,  wo  sie 
Ifingsl  verheiraihet  lebt,  zu  sprechen.  Auf  meine  Frage,  sagte 
sie  mir,  sie  habe  seit  jener  Kur  nie  wieder  Wurmleideo  gespürt, 
auch  seien  ihr  nie  mehr  Glieder  abgegangen. 

Mir  scheint,  werihe  LeserJ  das  ist  eine  weit  gemSchlicbere 
.Bandwurmknr,  als  die  durch  heftige  Parganzen.  Letzte  habe  ich 
nie  selbst  versucht ,  aber  Leote  gesprochen,  die  sie  Untergängen; 
das  Schlimmste  bleibt  immer,   dafs  sie  nicht  einmahl  sicher  ist. 

Das  Terpeoihtnöl  will  ich  nicht  verachten ;  «s  bat  aber  das 
Unbequeme,  dafs  es  die  Leute  ungemein  schwindli«^  macht.  Ich 
trieb  einst  einem  Manne  den  Bandwurm  damit  weg,  der  sagte  mir, 
er  habe  sich  des  Schwindels  wegen  ins  Bett  legen  müssen.  Das 
Kammermädchen  einer  Edelfran,  das  ich  auch  damit  heilen,  wollte, 
wurde  so  schwindlich,  dafs  sie  sich  besliiAmt  weigerte,  es  wei- 
ler  zu  nehmen.  Seitdem  habe  ich  es  nicht  mehr  gebrancbt  und 
werde  es  auch  nicht  mehr  gebrauchen. 

Ob  die  Kupferbandwurmkur  ganz  nnfebibar  sei,  darüber  will 
ich  mich  nicht  äufsern,  sondern  blofs  dem  Verstände  meiner  Le- 
ser ein  vertrauliches  Wort  zuraunen.  Das  Kupfer  ist  ein  der 
menschlichen  Natur  befreundetes  Mittet.  —  Das  Kupfer  ist  dem 
Bandwarme  ein  tddtÜches  Gift.  —  Die  praktische  Folgerung,  wel> 
che  BUS  diesen  zwei  SStzen  sich,  nicht  sophistisch,   sondern  ganz 


mich  unm^lieb  UkMohra,  daüi  er  vod  des  BasdirfinBerB  ,  valcha  Icfa  hier  n 
Lande  gHehaii,  «alir  varaehieden  trar.  Die  Glieder  waran  Uirzer  nad  breiter, 
nicht  lo  glatt,  aondarn  ishea  tut  gerieti  saa,  nod  die  Seitaarinder  warea 
fein  geuekt.  tlebrig«ni  hemerke  ioh  oaiih  ,  dar«  der  Warm,  d«  ich  ihn  iah, 
erat  ein  paar  Stnndan  vorher  ran  der  Kranken  fegangen,  nad  Hiebt  ia  Brannt- 
wein, aonlern  ia  Waaier  anfgahliBBt  war,  «Uo  noch  *ela  vollkooiDHiea  nalUr- 
llehea  Aniehea  hatte.  —  Der  Jangfer  gab  icli ,  naehdeai  ihre  Neagierde  be- 
friediget war,  noch  eine  Zeitlang  Knirfcroxyd  nhae  Alne,  an  die  uEgliekes 
Ueb«rii|«ihael  des  Wansei  gau  h  vertilgen. 


—    1081    — 

ehrlich  reritandbaft  tEeben  Isist,  dem  Leser  weidSafii;  anslegea, 
hiebe  aa  der  Gesundheit  eeioea  Verslaiidea  iweifela. 

Vom  Kopfe  des  Bandwurmes  habe  ich  auch  hin  und  wieder 
geleken :  bleibe  er  bei  dem  Menschea ,  so  wachse  der  Warm  wie- 
der An  i  all»  müsse  man  sich  überseti^en ,  dafa  der  Kopf  abge- 
Uieben  sei.  Ich  will  es  gern  glauben,  wiewol  der  Sache  aach 
schon  widersprochen  is(;  eins  bemerk«  ich  nur  meinen  Lesern: 
tödten  sie  den  AVurm  durch  Kupfer,  so  brauchen  sie  sich  weder 
um  Kopf  noch  Schwanz  ta  beliümmerp ,  denn  der  ganse  Wurm 
stirbt  ab. 


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vierter    Absehnltt. 

ScfelaflibeHiciit.aaseii  Aber  41*  VBlTeraalaüttcl. 

r.   Ka»H  von  de»  drei  Äff ektionen   de$    Geiammttr- 

goHitmui  die  eine  in  die  andere  ühergekent    Ist  ein 

tolcher  Uebergang  xu  erkennen? 

■Hl ach  einem  blofsen  WBhnen  und  Meinen  Islsi  lich  über  die- 
sen GegcDBtand  nicht  sprechen,  also  werde  ich  dem  Leser  nur 
einfach  das  miitheilen,  was  ich  am  Krankenbette  in  dieser  Hinsicbi 
beobachtet  habe. 

1  )  Salpeierkrankheil  kann  io  Knpferkrankheit  üiwrgehen. 
q.  Bei  jungen  Lstiteh,   die  eine  nngpregelte  und  wQsie  Lebeot- 

art  gerührt  haben,    naneDlIicb   bei  solchen,    die  im  Genasw 

geistiger  Gelrftnke  viel  und  anhaltend  ausgeschweift. 
h.  Bei  Allen,   deren  Organisntas  im  Abnehmen  begriffen  ist. 
c.  Bei  langen  und  Alten,    Schwachen  und  Stark«n,    wenn  die 

Salpeterkrank  heil  gar  sa  lange  anhält,   oder  durch  icbonai^;f 

lose  Blutentleeinng  ntid  Qoecksilber  bekfimpft  wird. 
Es  wird  aber  jedem  versländigen  Leser  eiolenchiend  sein,  riafs 
die  -  angerührten  Bedingungen  den  Arzt  blofs  die  Möglichkeit  eines 
solchen  Ueberganges'vermuihen  lassen  und  ihn  auf  seiner  Hut  su 
sein  mahnen;  Gewifsheit  geben  sie  gar  nicht.  Man  siebet  b«i 
allen  achwachen  Leuten,  und  bei  frühalten  jungen,  Salpeterkrank- 
heiten,  werden  siti  xweckmalaig  und  nafeindlich  behandelt,  auch 
geradexu  in  den  Normalstand  übergehen,  ja  dieser  Uebergang  ist 
weit  häufiger  als  der  in  Knpferkrankheit.  Das  Nämliche  gilt  von 
lange  bestandenen  Salpeterkrankheiteo ;  darum  mag  sieh  wol  jeder 
hüten,  aus  der  blofsen  Daner  einer  solchen  Krankheit  auf  ihre 
Natur  Bu  schliefsen.    ■ 

Da,  wo  ein 'Uebergang  der  Salpetfer-  in  Knpferkrankheit  statt- 
findet ,  gewahret  man  anfBnglich  auf  den  Gehranch  des  'Salpeters 
«in  unverkennbares  Besserwerdeo ;    den  diiiien,    vierten  Tag  tritt 


—    1063    - 

aber  ein  SiillflaBd  dieiet  BesRerwerdens  ein.  Hat  »hd  soldier  Siill- 
xiand-  leiaen  GraDd  Dicht  in  eiDeni  augletcb  mit  dtr  8alpMeraf- 
fektion  beBteheodeo  Urorgaaleiden ,  ao  kann  man  daraaf  rachnen, 
dab  der  Uabergang  Ton  Salpaier*,  in  Kupfer-,  oder  in  Eisenaf- 
fektioo  sieb  gewacht  hat.  Der  kubiacbe  Salpeter  befördert  diesea 
üebergaag  nicht,  aber  leicht  thun  dieses  siarke  Blutentleerungen 
und  das  Queckailber;  in  schwächeren  Körpern  auch  wo)  Laxir- 
und  Brechmittel. 

2)  Die  Salpelerkrankheit  kann  in  Eisaokrankheil  fibergehen: 
nnter  den  nSmlichen  UmstSnden,  welche  den  Uebergang  in  Kupfer- 
krankheit  baßrdern.  Jedoch  bemerke  ich  hier  nach,  dafs  es  Kör- 
per gibt,  dt«  ein«  eigene' Geneigtheit  za  Eisenkrankbeit  haben; 
wenn  dieaa  vod  «pidemiechen  JSalpelerkrankheilen  ergriffen  wer- 
den, ist  ein  solcher  Uebergang,  ohne  erkennbare  Veranlassung, 
leichter  mSglich  als  bei  andereo  Körpern.  Worin  die  Geneigt- 
heit zu  EisanaffekiiOD  besiehe ,  weifs  ich  nicht  auszulegen ;  dals 
sie  gewissen  KSrpero  eigen  ist,  habe  ich  blob  beobacbiei  onil 
zu  solcher  Beobachtung  gute  Gelegenhieit  gehabt,  weil  ich  eine 
lange  Zeit  ao  dem  nttmlicben  Orte  wohne  nod  wirke, 

3)  0er  Uebergang  von  Eiseo-  in  Salpelerkraakfaeit  ist  zwar 
nicht  unmöglich,  mir  aber  bis  jetzt  noch  nicht  vorgekommea.  Man 
kann  wol  wihnen,  einen  solchen  Uebergang  gesehen  zu  haben, 
eich  aber  auch  gröblich  täuschen.  Eine  dem  Grade  nach  schwa- 
che Salpeteraffeklian  vertiügt  nämlich  anfangs  das  Eisen,  der  Or- 
ganismaa  wird  nicht  sichtbar  und  dem  Kranken  rübibar  feindlich 
davon  aufgeregt.-  Ela  drei-  oder  viertägiger  Gebrauch  des  Eisens 
wird  aber  die  schwache  Sulpeteraffektion  nach  und  nach  steigern, 
und  dann  ein  Zustand  ainireten,  in  welchem  der  ktibiscbe  Salpe- 
ter Wunder  thnt.  Der  Arzt  kann  sich  hier  leicht  einbilden,  di« 
Eiecnaffekiion  lai  in  Salpeteraffektibo  omgewandellt  es  ist  das  aber 
blofse  TBuBchnng,  welch«  bei.  einer  apfangs  «cbwacben,  aber  bei 
keiner  ilnrkeD  Salpeieraffekiion  möglieh  ist. 

4)  Der  Uebergang  dar  Kapfer-  In  Si^peleraffekiion  ist  mir 
abeafalli  noch  siebt  vorgekommeo ;'  die  Mdgliokkeit  deaselbMi  mag 
ich  aber  nicht  abüreiten.  Jedoch  kann  bei  aolchett  Beobachtan- 
g«D  auch  leicht  aia  Irrtbnm  mit  Dotcrlanfan ;  weshalb  sieb  jeder 
wohl  vurseben  mag,  der  kline  Lost  bat,  sich  selbst  und  andere 
xn  täuschen. 


itv  Google 


tl.     Von  d€M   Verieitnitte  der  Univertalmittel  ^e- 
gen  einander  und  von  der  MSglichkeit  eine»  gleich- 
zeitigen   Vorhandenteitti     zweier     Univertaltrank- 
heiten  i»  Organitmo, 

So  Tial  ich  beobachtet  habe,  sind  Eisen  nod  KnpFerj  hiniichi- 
lich  ihrer  Heilwirkung,  dem  kubischen  Salpeier  gerade  entgegen- 
gesetzte Mittel.  Eilen  and  Kupfer  sind  nicht  einander  eutgegen- 
gesetzte,  sondern  neben  einander  gesetzte.  Daraus  folgt  schon, 
dafs  Salpeter-  nnd  EisenafTeklion  nicht  gleichzeitig  im  Kdrper  vor- 
banden sein  kSnne,  und  eben  so  wenig  Salpeter-  und  Kupferafl'ek- 
tion.  Aus  dein  Gesagten  folgt  aber  nicht  die  Unmöglicbkeit  eines 
gleichzeitigen  Vorhandenseins  der  Eisen  -  und  Kupreraäektion,  and 
ich  habe  fast  den  Glauben ,  dafs  ich  sie  zuweilen  gleichzeitig  in 
Einem  und  demselben  Körper  gefunden  habe.  Da  ich  aber  deut- 
lich einsehe,  wie  leicht  ich  hier  in  Irrthum  habe  rerfalleo  k&n- 
neo,  so  TDBg  ich  auch  keine  bestimmte  Erfahrungen  anfuhren, 
sondern  übergebe  den  Gegenstand  zur  weiteren  Uniersuefaong  de- 
nen meiner  Leser,  die  Lust  und.  hinreichende  Geduld  (u  einer 
solchen  Untersuchnog  haben. 


///.     Von   den   Univenalmilteln   alt  Hülfenj  verbor- 
gene  Uror ganleiden   xu  entdecken. 

Bekanntlich  sind  manche  Uro rgan leiden  sehr  schwer  zu  erkm- 
nen,  ja  es  starben- Menschen,  ohne  dafa  ihr  Arzt  je  eine  Ahnung  des 
Orgaoleidens  gehabt,  welches  den  Tod  herbeigeführt.  ;Man  -würde 
also  Sehr  nnweise  handeln,  wenn  man  in  dieser  Dunkelfaeit  irgend 
ein  Hütfsmitlel,  zur  Erkeanlnifs  zu  gelangen,  verscbmSheo  wollte, 
gesetzt  dieses  Hülfsmiiiel  wäre  auch  an  sich,  unvallkoiniuen.  Un- 
Toilkommen  sind  die  Univermlmiitel  in  dieser  Uiniioht  allerdings; 
ich  werde  sie  aber  so  lange  in  Ehren  hallen ,  biä  ich  das  VoU- 
Icommnere  gefunden,  und  das,  was  ich  bis  jetzt  gHernt,  denen 
mitlheilen,  welche  Lnst  haben  möchlsn,  den  Weg,  <d«a  ich  «elbu 
etwas  zu  spät  eingeschlagen,  weiter  zu  Terfolgen. 

'  Kubischer  Salpeter.' —  Durch  dies«n  kann  tnan  zuwai- 
len  verborgene  Leber-  und  Milileiden  bei  akoten  Fiebern  erken- 
neo ,  wenn  mit  diesen  Durchlauf  verbunden  ist.  Gibt  man  nSm- 
lieb  gegen  sofchen  Durchlauf  den  Salpeter  in  Oelemulsion,  und  der 
Durchlauf  läfst  nicht  nach,  so  kann  man,  voransgesetzl,  man  habe 
es  nicht  mit  einer  Eisen-,  oder  Kupferaßektion  des  Gesammtor- 
ganismns  und  auch  nicht  mit  einem  Urleidon  der  DSrme  zu  tbuu. 


—    I0S9    — 

siemlicb  sich»  ■«!»>  dab  das  Darmleideii  congenBoall  ron  d*» 
Urleiden  irgend  •inei  Organs  abhang«.  Hier  nafi  man  aun  be- 
greiflieh auch  andere  Zeicben  nicht  gering  schBisen.  Ist  z.  B.  bei 
ainem  solchen  Durchlaufe  der  Harn -goldgelb,  oder  noch  dunkler 
gefärbf ,  lo  gibt  das  Vermutfaung,  dafs  Durchlauf  nnd  Fieber  voa 
-einer  verborgenen  LeberaffeklioD  abbange, -und  man  ihnt  dann  am 
besten,  ein  Leberinitiel  in  kleinen  Gaben  zu  reichen,  %.  B.  fünfmahl 
tags  sieben  bis  acht  Tropfen  Breehnufswasser,  oder  tags  eine  (Jnxe 
Qiiassiawasaer  in  getbeilten  Gaben.  Ist  aber  der  Harn  bei  eioe.m 
■eichen  Pieber  strohgelb,  der  dünne  Darmkoth  weifs,  oder  gran 
nnd  die  Gesichtsfarbe  nicht  gelblich,  so  kann  man  darauf  rechnen, 
dafs  die  Leber  in  ihrer  innersten  Subsiant  erkrankt  sei.  Hier 
hilft  dann  am  besten  die  Schellkrantaafttinktur,  in  kleinen  Gaben 
sn  1,  2,  3  Trapfen  fÜnfmahl  tags. 

Siebet  man,  dafs  bei  klarem  strohgelben  Harne,  oder  bei  etwaa 
■nklarem  weifsen,  bei  weifser  Gesichtsfarbe  und  braqnsm  Darm- 
kothe,  der  Durchlauf,  trotz  dem  iii  Oelemolsion  gegebenen  knbi- 
aehan  Salpeter,  anhftlt;  so  kann  man  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit 
darauf  rechnen,  dafs  die  Mili  ergriffen  sei.   ' 

Uebrigens  wird  man  bei  solchen  Urorganleiden,  wenn  gleich 
das  ron  denselben  abhängende  Fieber  der  heftigsten,  als  Fieber 
sieb  oHenbarenden  Ursalpeieraffektion  des  Gesammtorganisinng  ähn- 
lich sein  sollte,  kaum  eine  erkennbare  kleine  Beschwichtigung  des  - 
Fiebers,  aber  nie  ein  wirkliches  Abnehmen  oder  Versehwinden  des- 
selben bei  dem  Gehrauche  des  kubischen  Salpeters  gewahr  werden. 

Eisen!  —  Bei  abnien  Fiebern  mit  Dnrchiaiif,  welche  man 
für  Eisenaffektiön  zu  hnlten  einigen  Grund  haben  in5chfe,  gibt 
das  baldige  Aufboren  des  Durchlaufes,  hei  dem  Gebrauche  des  Ei- 
sens, den  sichersten  Beweis  der  richtigen  Erkenoinifs. 

Wichrig  ist,  bei  den  Organtiebern  auf  die  Farbe  der  Excre- 
mente  zu  achten.  Wenn  diese  das  Eisen,  sonderlich  das  aatzsanre, 
nicht  ganz  schwarz  fSrbt,  so  si^het  es  um  die  cheiuiHche  Mischung 
der  abgesonderlen  Galle  sehr  verdächtig  aus,  gesetzt,  der  Darm- 
koth sei  auch  vor  dem  Gebrauche  des  Eisens  gelb  gewesen.  Auch 
das  rothe  peroxydirte  Eisen,  wenn  es  nicht  den  Darmkoth  gleich- 
intirsig  braiin  t^rhi,  deutet  auf  eine  abnorme  Gallenmischung.  Zu- 
weilen üufsert  sich  bei  dein  Prpbege brauche  des  Eisens  in  dem 
rechten, 'oder  linken  Hypochondiio  Spannung,  oder  Schmerz.  Das 
raufs  lins  auf  die  Möglichkeil  einer  verborgenen  Urerkrankung  der 
Leber,  oder  der  Milz  aufmerksam  machen,  and  durch  Verglei- 
ebong  dieser  Erscheinung  mit  manchen  anderen,  an  sich  nichts 
sagenden  Umständen,  gelangen  wir  nicht  selten  zur  Erkenntnifs  de* 
Verborgenen. 

Kupfer.  —  Dieses  ist  als  Hülfsmillel  tor  Erkenntnifs  zn  ge- 
langen noch  weit  wichiiger  als  das  Eisen.     Ich  habe  dvdb  .siJhi- 


ges  golclie  Leber-  and  MiliHbd  e^aiit  und  berHcbinnhli  aneb 
gebeilet,  welche  mir  ohne  dieeei  HülfaailM  wol  für  immer  wür- 
«les  Terhorgen  geblieben  tein.  Ich  eah  mehraahls,  auf  den  Pro- 
begebrauch  4^%  Kupfers,  Urleberleiden  ueh  dureh  granen  Darm- 
koib  offenbaren,  und  hei  Milnleiden  im  linken  Hjpoehoodrio  Spui- 
nnng  und  Scbmerxen  entstehen,  wo  früher  nie  dergleichen  bemerkt 
waren,  auch  aah  ich  den  Harn  si<^  donkel  fOrbea,  der  früher,  itroh- 
gelb,  noch  wol  noch  blauer  gewOiea. 

Die  ElrkenntnilJi  verborgener  Oiganfehler  kann  aber  nur  in  den 
Falle  durch  die  üniverial mittel  erlangt  «erden,  wenn  der  Gefamnt' 
organinnn*  aiob  in  dem  iDdiffarenattande  befiodei.  In  einem  ge^ 
miachien  K raskb ei tuu stände  kann  nna  blofi  das  SlillMehen  der  an- 
filBglieben  Bottemng  auf  aln  gleiehzeiiig  tirerkraakle«  Orgaa  hin- 
Jedoch  werden  uns  auch  hier  nicht  aalten  manche  Erschei- 
1  daa  Auffinden  des  nrerkrankten  Organa  erleichtern,  beeoa- 
der«  wenn  wir  das  UniverBalmittel  etwas  länger  reicban,  als  der 
Zuaiand  des  Geaanmtorganisinna  ea  verlangt.  leb  falbe  Jedem, 
anf  alle  Encbeinnngen , .  die  eich  bei  dem  6ebraucbe  der  Ünirer- 
aalmitiel,  auch  da,  wo  er  sie  nicht  blofi  als  Probe-,  loadern  al« 
Heilmittel  reicht,  areigenen,  genan  an  achten;  den  Vonheil,  den 
dieses  Anfmerken,  zwar  nicht  in  alle»,  aber  doch  in  manchen  Fal- 
len gewähret,  will  ich  nicht  weiiläuftig  sualegee,  er  findet  lich 
von  aelbat. 

Uebrigens  haben  mir  die  Univeraat mittel  vonnglich  bei  ver- 
boigewan  Laber-,  Milz-,  und  Pankreasleidea  als  Erkennangsmiital 
gedient,  weniger  nnd  nnr  onvoUkomnian  bei  Gehirn-,  Nferan-  und 
anderen  Organlaidea.  Znm  Sehhisae  bemerke  ich  noch ,  dafa  ich 
■ta  nur  in  aolchen  Fftllen  ala  Erkeqnungsmitlel  gebraucht,  wo  die 
Erkennlnifs  auf  jede  andere  Weiae  unmSglicb  war.  Da ,  wo  sie 
durch  Elrforachung  nod  Vergleichnng  der  Zafille  kann  erlangt  wer- 
den, wSrde  ea  von  grofnem  Uarertunde  aengen,  sich  deraelbea 
auf  einem  Uiuwegtf  an  nahen. 


IV.   ron  den  Uni\}^rtalmittelm  alt  Hülfen,  in  akutem 

Fiebern   bei  nnverienubaren  Organaf/ektionen  dat 

Leben  sm  fritten, 

.  £a  möchte  die  Leier  aelisan)  bedünken,  dafii  ich  von  nner- 
kennbarea  Orgaoaffektionea  bei  akuten  Fiebern  spreche.  Ich  hü- 
te sie  aber,  wohl  za  bedenken,  dafa  ich  weder  Galenikar  noch 
-  Kryptogaleniker  bin,  also  auch  nicht  zu  der  Klaue  derer  gefaOre, 
welche  sich  einbilden,  die  Natar  eraeuge  eine  gewiue  Anzahl 
Krankheilea,    and  wer  dies«  KrankhcilMi  nod  dis.HeilM«  derad- 


—    1087    — 

bon  am  4em  neatleB  Lehi4tacfa«  der  ipcsiellen  Tbefapis*  oder 
au  der  neailen  EncjclopSdie  keBne,  der  «ei  «in  Tollcndeter  Ant> 
Bim  ich  gleieh,  all  hartlerniger- Schüler  der  \siar,  erst  im  vier- 
tigttta  Jafare  etwaa  gescheit  geworden,  -ao  begreife  ich  doch  jetst, 
daiä  eioe  nnbesiimmbare  Menge  Kraakheiten  mSglich  ist,  dafa 
\Jele  Krankheiten  dagewesen,  welchen  die  Aerxte  awar  einen  schal-, 
rechten  Namen  gegeben,  deren  Natnr  sie  aber  sieht  erkannt,  aad 
dafs  kiinrtig  solche  erscheinen  werden,  deren  Nalor  zn  ergriindea, 
wo  nicht  ganx  unmaglioh,  doch  infserst  schwierig  sein  wird;  dafs 
w!r  also,  so  lange  wir  die' Kunst  Tiben,  uns  aaf  nnbekaante  Krank- 
lieitea  gefafat  halten  niiissen.  Haben  wir  qhh  auch  den  ScharbiDD, 
oder  das  Gluck ,  die  \aiur  einer  solchen  Krankheil  so  erk«ineii 
{loweilea  fflhrt  uns  ja  der  Zufall  halder  zur  richtigen  Erkenntnib 
als  das  raüheTOillste  Gröbein),  so  gnschiehel  dieses  doch  selten  so 
hurtig,  dafs  durch  nnsereaofUngliche  Unwissenheit  das  Lehen  mehrer 
Menschen  nicht  sollte  anfs  Spiel  gesetzt  werden ;  es  ist  also  un- 
sere Pflicht,  anch  für  diesen  Fall  lebensfristende  Mittel  zu  haben. 
Eisen  nnd  Kupfer  halte  ich  gerade  für  solche,  und  zwar  für  die 
besten  Aoshelfer.  Vollkommen  sind  sie  freilich  oiebl,  denn  es 
können  ja  epidetsiicfae  O rganb «rührt bei ten  Erscheinen,  die  die  Men- 
schen plülslich  dahinraffen;  da  wird  uns  auch  wol,  kennen  wir 
nicht  das  wahre  Organheilmiltel,  oder  nicht  einmahl  das  nrergrif- 
feoe  Organ,  Eisen  nnd  Kupfer  wenig  helfen. 

Abgeiefaen  aber- von  solchen  tödttichea  Krankheiten,  sind' die 
Uni  Versalmittel  nicht  so  Terachlen.  Bei  manchen  vnn  einem  Orot' 
ganleiden  abhängenden  akuten  Fiebern  gehet  offenbar  der  oonsen- 
fiuell  aufgeregte  Gegamnit Organismus  von  dem  IndifferenMlande  fro- 
her oder  BpBter  in  Eisen-,  oder  Kupferkrankheit  über.  Dadurch 
wird  die  Gefahr  solcher  Fieber  gar  sehr  vermehrt.  Heben,  oder  m&- 
Csigen  wir  nun  durch  Eisen  oder  Kupfer  diessAffektion  desGesammi- 
organismns.  so  mindern  wir  dadurch  die  Gefahr  und  gewinden  Zeit, 
das  urerkrankle  Organ  und  desben  Heilmittel  aufzusuchen.  Ich  war- 
ne aber  jeden ,  sich  in  solchen  Fällen  nicht  durch  überraschend 
wohltbülige  Wirkung  der  Universal  mittel  tauschen  zn  lassen,  sich 
ja  nicht  dem  Glauben  hinzugeben ,  als  habe  er  schon  die  wahre 
Hfilfe  gefunden.  Die  wahre  Hülfe  isf  nnr  in  dem  Organheilroit- 
lel;  kennen  wir  dieses  nicht,  so  wird  die  dnreh  die  Universalmil- 
lel  bewirkte  scheinbare  Besserung  gar  bald  stocken  nnd  alles  wie- 
der den  Krebsgang  gehen.  ' 

Sind  wir  nun  aber  anch  so  unglncklich,  das  wahre  Organ- 
heilmiltel nicht  zn  finden,  so  werden  wir  doch  jedenfalls  durch 
den  Torsicbtigen  Gebrauch  der  genannten  Uoiversalmiitel  der  Na- 
tur nicht  entgegen,  sondern  in  die  Hemd  arbeiten,  derselben  Frist 
■n  ihrer  geheimen ,  aber  leider  etwas  langweiligen  Heiloperaiion 
verschaffen.  ^-,  ,.   ..^ 


—    1088    — 

Die  •ehnlrechien  Aerxte  hBb«n  den  Gebrauch,  in  ihren  tj'phS- 
sen,  nerröaen ,  bSsartigeo  Fiebern,  frSher  oder  spRter  BtSrkende 
und  belebende  Mittel  za  reichen.'  Jeder,  der,  unverblendet  von 
■olchen  bücherlichen  Meinungen,  die  Natur  selbil  beobachtet  und 
seine  Beobachtungen  mit  denen  Jener  Acrzte  vergleicht,  der  wird 
leicht  gewahr  werden,,  dafa  die  togenannien  ty phöien  oder  nervö- 
sen Fieber  in  vielen  Fftllen  conaensnelle,  von  dem  nicht  beachte- 
ten Urleiden  irgend  eines  Organs  abhängende  Fieber  gewesen. 
Heilen  konnten  sie  dieselben  durch  ihre  stärkenden  and  belebea- 
den  Mittel  zwar^  nicht,  aber  sie  kennten  doch,  durch  den  mäfsigen 
and  vorsichtigen  Gebrauch  dieser  Mittel,  der  Natur  Frist  zur  Selbst- 
heilung bereiten. 

Wenn  einige  derselben,  in  ihrer  bütiberltchen  Verblendung, 
uns  eine  solche  Behandlung  als  wirkliche  Heilung  aufbindea  wol- 
len, so  lafst  nns  sie  nicht  so  scharf  tadeln,  werihe  Leser!  sie 
sprechen  ja  ihre  Ueberzeugung  aus,  and  schreiben  so  weise  als  sie 
können.  Wir  aber,  die  diesen  papiernen  Glauben  nicht  haben, 
wollen,  bei  aller  schuldigen  Achtung  für  unsere  Amtsgenosaen,  in 
den  FKllen,  wo  wir  hei  unverkennbaren  Urorganleidea  durch  den 
vorsichtigen  Gebrauch  der  Universalmitiel '  der  Naiar  blofs  Frist 
zur  Selbsiheilung  bereiten,  uns  nicht  vermessen,  wirklich  geheilt 
zu  haben,  sondern  demfiihig  bekennen,  dafa  wir,  statt  Heilmeiaier, 
nur  ungeschickte  FÜoker.geweaen.  Diese  Deinaih  wird  nns  zum 
wenigsten  vor  den  Witzpfeilen  der  ärztlichen  und  nichiflrztlichen 
Patquillenmacher  schfiizen,  in  so  fern  diese  Pfeile  nicht  sowol  ant 
die  Kunst  gerichtet  sind,  als  vielmehr  auf  die  ruhmredigen,  ver- 
i  KunstmSnner. 


K     Vermuthung    Ober    da»,    wat   eigentiieh  4er    Ge- 
»ammtorganiimu»  leiblich  •«*»   mag. 

Ich  habe  früher  eine  reinerfahrungarechle  Besiimmung  des  Gv 
sammtorgan Ismus  gegeben,  nlLmlich:  dafs  er  das  sei,  was,  erkrankt, 
nicht  unter  der  Heifgewalt  der  Orgaa-,  soudern  der  Universalmit- 
lel  siehe.  Das  Vermnihliehe,  was  er  eigentlich  lejblicb,  sicht- 
und  tastbar  sei,  konnte  ich,  wollte  ich  nicht  gSnxlich  in  Wider- 
spruch gerathen,  nnmSglich  einer  reinerfahru'ngarechlen  Bestim- 
mung einverleiben.  Jetzt  werde  ich  aber  von  deoi  Vermnihllchen 
auch  ein  Wort  sagen,  in  der  Voraussetzung,  dafa  die  Leser  so 
gütig  sein  werden,  meine  Vemiuthung  als  eine  zur  Erfahmngs- 
heillehre  nicht  gehörige  Einschaltung  zu  betrachten. 

Ich  bin  der  Meinung,  dala  das,  was  im  menschlichen  Leibe, 
erkrankt,  nicht  unter  der  Heilgewalt  der  Org^n-,  soQileni  d^r.IJni- 


-     108»    — 

venalbeflmiitel  stehet,  du  (Jrgewebe  dea  Letbei  lei,  and  meine 
C^nd«'  für  diese  Meinung  sind  folgende.  Das  Urgewebe  iai  bis 
jetM  fBr  uns  ein  anbeksaDto«  Land,  welches  unsere  Phanteaie 
swar  bereisen  kann,  in  welchem  ihr  aber  untere  leiblichen  Augen 
nicht  SU  folgen  vermögen.  Ich  hege  die  gräfsle  Hochacfatung  für 
jene  ihAiigen  Untenticher,  welche  sich  bestreben,  diesen  Theil  der 
Physiologie  durch  neue  und  sinnreiche  Versuche  aufzubellen,  und 
■cfa  hoffe,  das  endliche  Ergebnifa  ihrer  Benirihungeo  wird  von  ei- 
nigem Naixen  für  die  elgenilichs  Heilkunst  sein. 

Man  spricht  vaa  dem  Haargerafasj'aieise;  daa  ist  wahrhaftig 
ein  unbezeichaender  Ausdruck.  In  dein-Urgewebe  des  Leib«s  wird 
doqh  dos  lebendige  UngefSfaige  auch  wol  in  Anmerkung  iioninien, 
ja  die  feinen,  luisichtbaren  Nervenföden,  die  ohne  Zweifel  einen 
Theil  dieses  Gewebes  ausmachen,  sind,  so  viel  wir  bis  jetzt  wis- 
sen, nicht  Gefafsa, 

Der  ganze  Leib  mit  allen  seinen  Organen  ist  aua  diesem  C[r- 
gewebe  gebildet;  wie  aber  die  reracbiedenariigen  Substanzen  der 
Organe  sich  daraus  machen,  ist  gänzlich  in  l>ankelheit  gehül- 
let. Sichtbar  anderf  ist  doch  die  Substanz  der  Leber,  anders  die 
der  Lunge,  der  Nieren,  des  Fleisches  u.  s.  w. ;  nehmen  wir  an, 
daa  Urgewebe  besiehe  ans  nichtgefäfüigem  Stoffe,  aus  Blut-  und 
Lymphgefbiäen  und  Nerven,  so  müfaten  doch,  um  dt,e  verscbEeden- 
BTtigen  Snbaianzen  der  Organe  zu  hilden,  jene  Einzelheiten  in  ganz 
eigenen  und  ganx  verschiedenen  Verbälloiasen  gemischt  sein.  Wer 
bat  bis  jetzt  diese  Sache  ergründet,  und  wer  wird  sie  je  ergrün- 
den f  —  Was  ich  hinr  im  Vorbeigehen  berühre,  ist  nur  ein  ganz  gro- 
ber Pnnkt  des  Unerkannten  und  Unerkennbaren;  wie  viele  weit, 
web  spitttgere  Fragen  künnte  man  aiifwerfen,  und  wer  würde  sie 
beantworten?  —  Das  Urgewebe  ist  ja  die  Werkstatt,  in  der  jene 
geheimen  Verrichtungen  vorgehen,  welche  dem  KSrper  daa  Siegel 
dea  Organischen  aufdrücken.  Alles  Uebrige,  Was  daa  Auge  siebet, 
daa  anatomische  Messer  ans^chSlel,  dienet  nur  als  grobes,  vorberei- 
tendes Werkzeug  zn  den  geheimen  Verrichtungen,  welche  die  Na- 
tnr  in  dem  innersten  Heiiiglhume  dea  Lebena  vollführt.  Wie  weit 
auch  die  Hohenpriester  Hygeens  in  diesem  Allerheiligslen  vordrin- 
gen mögen,  kein  Utim  und  Tbammim  wird  ihnen  je  die  Nacht 
erhellen. 

In  dieser  Dunkelheit  können  wir  weiter  nichts  thnn,  als  eini- 
ge hervorstechende  Verrieb tnngea  des  Ui^gewebes,  in  ihren  Ergeb- 
nissen beim  gesanden  und  kranken  Zustand«  beobachten,  verzich- 
tend auf  jede  Erklärung. 

Mit  Gewifsbeii  kann  man  wol  annehmen,  dafs  das  Wachatbum 
in  dem  Urgewebe  seinen  Vorgang  habe,  ferner,  der  Ersatz  des 
Verlorenen,  die  Ernährung,  die  verachiedenariigen  Entzündungen, 
die   Eiterung,    die    VerbSrinog,    die   einfache   nod   die   fressende 

^9         -^      -^v- 


—     IU0O    — 

SehwKrnng,  die  Absonderang  den  Brandigsn.  Mit  WiAndMio- 
lichkeil  kaun  man  noch  Rnoehinenf  dafii  jener  Zuilwid,  d«r  ncK 
daueh  ein  Gefühl  dai  allgenieiDea  Kraakiain«  offenbaret,  den  nas, 
ohne  keine  Grense  beatinimes  *a  kSnaea,  Fieber  jMmnet,  aoeh  in 
dem  Ui^webe  seineo  Sita  habe. 

BelracfaleQ  wir  Duo  die  Wirkoog  der  UDiverealniiltel,  M  werden 
wir  Folgendet  gewabr. 

Bei  der  krankhaften  Stdrong,  die  xaweilen  in  der  Assbilduog 
des  Körpers  Sialt  hat,  bei  der  die  Kinder,  ohne  dafs  die  Verrich- 
tung irgend  eines  Organs  erkennbar  getrübt  wäre,  in  einen  qai- 
nenden  Zustand  geraiben,  thut  bald  Eiaen,.bald  Kupfer  ao  herr- 
liche Dienste,  dafa  man  mehr  als  Zweifler  sein  loGisle,  wenn  man 
die  heilende  Einwirknng  dieser  Metalle  auf  das  Urgewobe  Iftognen 
wollte. 

Bei  der  Abmagerung,  der  zuweilen  auagebildele  Körper,  ohne 
sichtbare  Störung  der  Verrichtung  eines  Organa,  unterworfen  sind, 
liehet  man  auf  den  Gebrauch  des  Eisens  oder  Kupfers  die  £mib- 
rung  wieder  normal  werden^  Die  mageren  Menschen  werden  flet- 
schig, ihr  flaues,  mifsfarbigea  Gesteht  bekommt  die  blühende  Far- 
be der  Gesundheit  und  den  Ausdruck  der  Kraft. 

Auf  Eolsündungen ,  je  nuchdem  sie  geartet  sind,  wirken  alle 
drei  Universal  mittel  so  sichtbar  heilend,  dafs  einem  aacb  hier  der 
Gedanke  aufgedrungen  wird,  sie  müssen  notliwendig  Heilmittd  des 
erkrankten  Urgewebes  sein. 

Bei  unzerlheilbarer  Enlzüadung  bewirkt  das  Kupfer  eine 
■chnelle  und  gute  Eiterung.  Worin  die  Uazenfaeilbarkeit  bestehe, 
weifs  ich  iwar  nicht, .  vermnthe  aber,  dafs,  wenu  ein  gewisser 
Theil  der  feinen  Gefäfse  durch  plastische  Lymphe  verstopft  oder 
verwachsen  ist ,  die  Natur  nur  durch  Al>szediren  der  «ntaündeten 
Stelle  lielfen  kaan;  diese  Naiurbülfe,  welche  doch  in  dem  Urge- 
webe  vorgehet,  befördert  das  Kupfer  mScbiig  und  sicfaibar. 

Elsen  und  Kupfer  befördern  das  SiilUtehen  des  Brandes  and 
das  Abatofaen  des  Brandigen ;  ein  Beweis^  dafs  aie  auf  das  Urge- 
webe  wirken,  denn  in  diesem  wird  doch  jene  Operation  der  Natur 
Tolirüfarl. 

Bei  nianohen  üblen  Geschwüren,  die  schwer  cur  Heilung  zu 
Wingen  sind  und  die  sich  doch  auch  im  Urgewebe  m.achen,  lei- 
sten Kupfer  und  Eisen  aüfiallende  Hülfe. 

Endlich  ist  die  Beobachtung,  die  ich  geiuacbt,  dafs  bei  allen 
durch  die  Universal  mittel  bekXmpften  Urfiebern  (das  heifst,  bei 
solchen,  welche  nicht  consensuell  von  der  Urerkrankung  eines  Or- 
gans abhängen)  ein  Gefühl  von  Besserwerden  viel  früher  von  dem 
Kranken  bemerkt  wird,  als  der  Arst  mit  aeineo  Fii^era  ein  Ver* 
langsauen  des  Blutkreislaufes  gewahren  kamt;  ein  Beweis,  dali 
die  Universal  mittel   nicht   direkt  auf  das  Hen  und  den  Kreislauf, 


—    1001     — 

direkt  Tielmebr  anf  das  Urgewebe-  heilend  and  dadnreh 
weileriiin  bernhigend  auf  das  Genfuysiem  wirken.  Auch  liegt  in 
diewr  Beebachtang  die  Wahrscheinlicfalceit,  dafi  solche,  dnreh  di« 
Uaivenalmiltel  heilbaren  Fieber,  eine  idiopalhiiche  Erkrankung 
dea  Urgewebea  lind. 

Das  und  nun  kürzlich  die  wabrachefnlicheii  Gründe  für  mein« 
Meinung.  Jeut  mala  ich  aber  auch  ron  Beobachlnngen  sprechen, 
welche  gegen  dieselbe  sind. 

Ich  habe  im  Yorigeo  von  önlicber  Cnlznnduiig  geredet,  und 
von  derselben  gesagt,  sie  sei  nicht  Vorwalmng  einer  Affekiion  des 
tiesasinitorgaBisinns  in  dem  kranken  Theile,  sondern  Urleiden  des 
kranken  Theiles  selbst.  Mir  tcheint  aber,  da  diese  driliche  Ent- 
snndung  doch  ohne  Zweifel  aoch  in  dem  tJrgewebe  des  entBiin- 
deien  Theiles  steckt,  so  mufsten  die  Uaiveraalniillel,  wirkten  sie 
auf  da«  U^ewebe  des  ganzen  Leibes  heilend,  doch  auch  heilend 
anf  das  eines  einzelnen  Theiles  wirken.  Das  ihiin  sie  nnn  aber 
nicht ,'  denn  th&len  sie  es,  so  müfste  man  jede  Enizüodung  zerthei- 
len  können,  nnd  keiner  der  s.  B.  Knoten  in  den  Lungen  hätte, 
Inuucbte  mehr  zu  fBrchten,  schwindsüchtig  zv  werden. 

Wer  diesen  Widersprach  aasgleichen  kann,  der  tbae  es;  ich 
selbst  werde  mir  den  Kopf  darüber  oiobt  zerbrechen, 

Voransgesetzt  die  Wahrheit  der  Meinung,  dafs  dasjenige  im 
inenscfallcbeo  Leibe,  waa  arkraakl  unler  der  Heilgewalt  der  Uai- 
rersalmiltel  stehet,  das  Urgewebe  sei,  konnte  man  die  Frage  auf- 
werfen,  ob  ea  darch  wahrscheinliche  Gründe  zu  erweisen,  dafs  das 
Urgewebe  nnr  einer  dreiartigen  Erkrankung  unterworfen  sein  kön- 
ne. —  Wertfae  Leser  I  das  iKfst  sich  gar  nieht  erweisen ;  ich  wei- 
de es  aber  der  Erfahrung  so  lange  glauben,  bis  ich  durch  die  Er» 
'  Adimng  anders  belehret  werde.  Das  einzige  Wahrscheinliche,  was 
gaein  Verstand   in  dieser  Sache  vorbringen  kann ,   mag  Folgendes 

Dn  alle  Organe  aus  dem  Urgewebe  gebildet  sind,  zugleich 
aber  auch  EigenlhBmliehkellpn  haben ,  durch  welche  sin  zn  be- 
sonderen Organen  werden,  lo  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dafs 
sie  mehrartigen  Ksankheiten  unterworfen  sein  jnQssen,  als  das  Ur- 
gewebe. Daher  röhrt  es  wol,  dafs  wir  utancherlei  Leber-,  Milz-, 
Gehirn-,  Lungeakrankheilen  u.  s.  w.  haben,  aber  nur  drei  Krank- 
heiten des  Urgewebea. 

Ob  da,  wo  die  Erkrankung  der  Eigenthünilichkeil  eines  Or- 
gans durch  die  Universal  mittel  znm  Xormalstande  siuiickgefShrt 
wird,  durch  das  Erkranken  des  Urgewebes  die  Eigenihumlichkeit 
des  Organa  hiofs  tionsensnell  erkrankt  sei,  iKfat  sich  nicht  mit  Ge- 
wUsheit  bestimmen,  es  ist  aber  als  wahrscheinlich  anzunehmen. 
Ud>erhanpt  sind  aolche  päd  ähnliche  Gegenstände  gar  feine  Din- 
ge,  über  welche  sieh  für  oder  wider,   stumpf-  oder  scharfsianig 

69«  O" 


—   low  — 

■preefa«a  Ufsl;  es  ist  »acU  gar  harmlos,  lich  mit  veratlndig«« 
Freunden  darüber  zu  unlerhalien;  nnr  darf  das  Vermnibliche  niebt 
mit  der  reinen  Erfahrungs lehre  Tcnniaeht  werde».  Wer  das  ihan 
wollte,  der  würde  dadurch  beweisen,  dafa  er  niebt  einnahl  dea 
ersten  Begriff  der  reinen  Erfabrungslehre  der  alten  GebeimSme 
arfafsi;  es  würde  ihm  gerade  geben  wie  Sydemhmm  und  einigen 
spateren  Aerzien,  die  3ber  (tbaHiaatisoke  Theoria  klagen ,  sie,  ab 
den  For(scbriiien  der  wahren  Heilkunsl  hinderlloh,  verwerfen, 
deneo  aber  ihr  iheilicht  verkrüppelter  Verstand  den  Possen  spielt, 
dafs  er  sie  «'X^  etwas  anders  gemodelte,  aber  eben  so  phaiitasli- 
sehe  Theorie  an  die  Stelle  der  aU  pbaniaaliieh  verdaiiHnl««  Bes- 
ten Ufst. 


VI.     V«n   der    Verlängerung   de*  Lebeut   durch  die 
Univertalmittel. 

Dieser  Gegenstand  ist  mit  dem  vwigen  nahe  verwandt,  wes- 
halb ich  auch  keine  schicklichere  Stelle  dieaea  Buche«  wüfsie, 
von  ihm  za  sprechen. 

Da  der  grfifsie  Theil  der  Menaeben  ein  la^es  Laben  für  et- 
was aehr  Wrinscheaswerthes  bfili,  aa  kann  man  leicht  denken, 
dafs  die  Aersie  »chon  in  de;  fihesien,  vorgeschiehiiicben  Zeit  über 
die  Mdglichkeit  es  künstlich  an  verlSngern  werden  gegrübelt  ha- 
ben. Diese  Grübeleien  aiaid  nicht  auf  uns  gekomraen,  würde» 
anch  wol  wenig  Ansiehendes  für  uns  haben.  Dia  Klteaie  heaiinui- 
te  Nachricht  von  einer  knnsilichea  Lebensver llingening ,  welche 
an  meiner  Kunde  gelangt,  ist,  verhälilich  an  dem  mnitunafalidiea 
Alter  unseres  Erdballes,  sehr,  sehr  jung,  sie  fiailct  sich  nämlich 
in  den  Werken  des  Galen.  Dieser  sagt  in  dem  Buche  vom  Ma- 
rasmus: zu  seiner  Zeit  sei  ein  Philosoph  gewesen,  der  habe  eine 
Schrift  verfafst,  in  welcher  er  gelehrt,  wie  man  sich  vor  den 
Schwachheiten  des  Alters  bewahren  k5nne.  Da  er  aber  selbst 
zum  achiaigsten  Jahre  gelangt,  sei  er  ao  mager  uni  dürr  gewor- 
den, dafs  sein  Gesicht  die  grftfate  Aebolicbkeit  mit  dem  gehabt, 
welches  Hippokrate»  in  seinen  Prfinoiionen  als  das  des  Sierbeoden 
beschrieben. 

Im  Miiielalter ,  wo  steh,  nach,  der  Meinung  der  Gescbicht- 
scbreiber,  die  iatro  che  mische  Sekle  gebildet  (welche  sich  aber 
selbst  ein  viel  höheres  Alter  zuschreibt),  soll  angeblich  zuerst  der 
Gedanke,  durch  gewisse  geheime  Arzeneien  das  Lebea  eu  ver- 
längern, erseugt  sein.  Das  Wie  und  Wann  läftt  sieb  aber  wot 
nicht  mit  Bestimmtheit  angeben,  denn  in  jene»  dunklen  Zeiten 
machte  man  nicht  so  viel  Büehn*  als  jetzt,  die  Miitbeilunggcachah 
meist  mündlich,  ja  manches,   was  einiehie  Künstler  aa%e«eicbnei. 


-     IIM»    — 

wird  sie  la  anaenr  Kitide  gekommra  sein.  Im  Anfang;«  des  14l«n 
oder  am  Ende  des  ISien'  Jabr^onderli  soll  JtmfMundu»  Lutlitu  eio 
Gasprich  über  di«  VerUBgemng  des  Lebens  geacbrieben  hab«D.  *) 

Das  lebeoB verlängernde  Mittel  wird  jeder,  der  dieses  GesprAeb 
nnr  mit  halber  AnfmsrkMmkeit  lieaet,  für  Kupfer  ertcennen,  wie^ 
wol  der  Verfasser  es  wnsdergnl  xa  venieckcn  glaubt.*")  Uebri> 
geoB  ist  das  Geaprftcb  oSiinhar  ein  Hiichwerk  späterer  Zeit  und 
dem  R.  LuHiua  antergeachoben, 

Seiie  474  spricht  Damogorgo»^  der  atcb  von  R.  Lullüa  Be- 
lebrnng  tiber  die  Lebensverlängemog  ausbillet,  gaoi  (reuhersig  ron 
Maraiiiu»  Fici»u».  Dieser  hat  nnn  zwar  über  das  Leben  geschrien 
Ben,  aber  angiäcklicher  Weise  über  ein  Jahrhundert  später  gelebt 
ala  R,  Lmüitit.  Abgesehen  von  diesem  iVlifigriffe,  ist  das  Gespräch 
ganz  im  LuitUcken  Geiste  geschrieben,  es  stimmt  genan  mit  des 
R.  Lmlliu*  Buche  De  medicimü  aecretütimia  nberetn.  **') 

Des  Amaldui  de  ViUa  mma  Buch  TOn  der  Lebeatverlänge- 
rong   ist  ein  gemeines  Machwerk,    in  dem  keine  Einheit  ist.****) 


*)  Dl»  Bnfb,  io  wElchm  ich  si  Bcleifd,  bat  den  Titel;  Ragmititdl  LhHU  Ma- 
joHcanl,  miotephi  tut  temporii  dael/MtiaH,  Hbtlli  aliguol  ckemiei.  Nmac 
prirnnm  {txeeptt  Vad»  nreiiiH)  in  lueem,  äpera  Doctorii  Taxita»  editl.  — 
BatOlas  apuä  Pttrum  Pernnm  ISja.  Dal  GtiprSeh  Mal  H*  UthtrtuhHft i 
(^gMam  wilaa.     DlaltgoM    Raymuitit   Lallli  Maforitmml  myteria  in   /«crM 

")  Seit«  *66  beirsl  u  I,  B.  Haee  medicima  ia  praeparatione  aiutUpliciltr  Varia- 
tun  nam  niridem  uitumit  cBlorem  nt  lierha,  prapterta  nppellavemut  ipiam 
Fetem  rrgelabilem  ieriam.  Mebre  Siellen  ttag  icb  Bicfat  lanihraa,  dst 
Diog  Ut  mir  gar  ta  albern. 

"*)  la  diBfen  Becbe  belfit  e*  von  der  gebriMes  Anes«i;  Hon  mtdieina  at 
t«mt*maUta  et  rtiuttgralifa  juvtmtatii.  A»«  «t  5»*»  Jurtmii  eeptrit  da 
diela  medieina  «i»  «ut  ter  in  $€plimaila,  tu  pautl*  vieibiu  foeiet  tumm  »pt- 
ratiaatm,  et  comefBabit  tibi  javmtHltm  im  ma  proprio  ttata ;  ttiamti  futrit 
mitte  annorMM  ipatio,  ttHKguant  apparebil  teiiex,  negua  habebit  tanot ,  nt- 
gH€  alfjaaai  pstredlatm  aal  eorruptiomem,  et  iptum  umabil  tanum  ab  am- 
»t  üffinHilalt  ialertori  et  eileritri,  et  ab  amut  febre ,  n«?»«  md  täHmam 
ttrmimam  tibi  a  De»  prof/hram  .-  et  lemper  angel  iptam  ta  firTtHndiii* ,  ru- 
bere, magaaminiilat»  et  aadecia:  el  coatereabit  ipiitm  alaerem ,  laelam  et 
jaeaadam,  es  «ff,  gnia  Aaet  mediciaa  eit  lamtae  nrlalii,  praprielalt*  et  pa- 
leaUae,  gaad  man  tiait  palr^eri  laagniatm,  mee  dowiiMori  phlegiOm,  mee 
magare  mrlaachaliam,  ate  iaeendi  thetaram,  nfe  kamoret    rnüat  eit. 

Da«  Boate  utd  dai  Veraliodlgtte  ■■  diätem  tallea  Zaoffe  ist  dsr  Termina» 
mD*o  praefix»».  Wean  eia  UeaMb  bti  dea  eehnaeb«  der  Wunderirceaei 
aacb  in  den  beiten  Jabraa  ilarb ,  Itoania  man  taner  lafiea ,  ei  aei  ad  termi- 
■«M  a  Oio  pratflxam  gelang,  and  die  WaBderarsaial  blieb  in  Gbrea.  Crol- 
liai  bat  anob  viel  ■■!  dem  Tfruilao  praefiro  ta  tbun,  min  laehL  aber  bei 
■bm  rergabsni  einen    deBtliebeo  BefriS  dieiei  Aaidniekei. 

"*-)  Der  Tilel  iit :  Oe  ee/atreanda  jaeeälwle  el  rtimrdaada  ttaeeMe.  In  iler 
Vorrad«  naeat  er  lieb  lalbal :  Homimem  »Üteelrem ,  lArortN^am  igatfam 
el  praclitam  raitieaaum.  1 


—  low  - 

Diraw  Msogel  an  Einheit  U&t  nioli  fait  vwiantbeD,  dafs  et  tob 
■pSlerea  Absfhraibem  Zailixtf  erhskeQ  hab«.  Amaldiu  liBt ,  wie 
die  Geschichtidir eiber  tagea,  l>lofa  in  der  Ja^od  sich  nit  der 
GeheimoneaeilcanBt  and  der  Goldmactierei  abgegeben ,  and  sicli 
apftler  an  den  GalenisiniH  gehalten.  Da  nnn  ein  paar  Stellen  in 
jenem  lebenireH  an  geraden  Buche  gans  paeh  der  Geheiniliaatt 
■chmecken,  lO  ist  ei  eben  so  ^t  nftglich ,  dafe  diese  von  einem 
späteren  abschreibenden' Adepten  «iBgeachaUei ,  als  dafs  sie  Aaf- 
tanchen  der  jugaudlith  -  Amaldüeie»  GeheimnilskrSRietei  sind. 
Jedoch,  weil  sie  mit  dem  gamen  Bncbe  in  Widerspnicb  stehen, 
grenzt  die  erste  Möglicblceit  näher  an  Wahrscbe  in  liebkeit  als  die 
lEweiie.  •) 

ParmeeUtu  bat  bekanntlich  auch  Ober  die  Veriingerung.  des 
Lebens  geschrieben.  Eisen  und  Kupfer  siod ,  nach  Ihm,  die  Mit- 
tel, worin  das  Geheininil«  steckt,  nicht  aber  Gold,  wie  man  den 
Ungeweihten  vorgiaspiegelt,  und  wie  es  nnknndige  Gefaeimfirsie 
sotbat  geglaobt. 

Um  aber  die  Stelle,  worin  er  dieses  sagt,  an  versieben,  innfs 
man  vorher  wissen,  dafs  er,  nach  seiner  dunklen  Schreibart,  an 
vielen  Orten  seiner  Schriften  Eisen  und  Kupfer,  oder  vielmehr 
seine  aus  diesen  Metallen  bereiteten  Arseneien  unter  den  Namen 
Ckeiri  und  Antht  versteekt.  'Die  Stelle  laulBi  also:  Qßtinpiam 
a/iOM  de  Auro  potttbiii,  »imiliter  de  qminta  tttentia  mtntiaßat! 
tarnen  hie  tingiUa  ad  Ckeiri  et  ad  laphirinum  Anthoa  rtferem»», 
id  quod  noH  paneoi  fyfellit  f  inier  guoi  eit  Amaldiu  ckm  aemnli» 
tut».")         ■  , 

Uehrtgens  ist  von  diesem  Werke  die  deuuche  Unchrifl  ver- 
<  loren;  anlser  etlichen  dentschen  RruchstSoken,  hal>eD  wir  nur  die 
lateinische  Uebertetning  desselben  von  Oporinm,  deren  Echtheit 
etwas  zweifelhaft  ist.  **')  Zum  wenigsten  ist  die  Aeufserung,  dals 
der  Mehacb  durch  die  Kunst  sein  Leben  auf  mehre  hundert  Jahre 
bringen  bönoe,  gerade  in  Widersprach  mit  einer  in  den  deni- 
sehen  Brucbslücken,  wo  dasJiScbfil»  Aller  des  Menschen  auf  140 
Jahre  beaiimml  wird,  nnd  mit  einer  nnderen  in  der  Anslegnog  der 


•)  Di«  Ilaaftttalle  lädst  B«a  in  nrailsB  Kapitel;  aia  »t  absr  sa  laof  na  lie 
obinacbreilMB.  Im  Bapplnseit  sd  Bechar«  Phiiiem  »mbterranea  iil  lis  im 
Hchil^D  Ripital  dgr  Llnga  Mob  ibgadnelct.  Wer  all«  die  Wark«  dea  Ar- 
naldm  aiehl  bat  (aie  «erdea  tob  deo  fiachtr6dl«ra  la  des  MitBBen  Biehani 
feiähll),  dar  kass  dte  Stelle  bai  Backtr  lodea. 

"J  Dt  Bi'M  longa.     Am  Bade  der  Voirede  du  iweilee  Baobef. 

"*)  Am  Gada  dar  Uebenetiaag  der  rUaf  Bacber  De  fi'la  longa  aagt  der  Ber- 
auigeber  H.  Battmt :  Deraa  Biicber  deutieba  Baenplaria,  weltbs  Joh.  Opo- 
rinut  bei  Leben  Theophratti  Tartirt,  siad  aiobt  mehr  vorbeadea  ,  aar  allicba 
FragMtmUi,  aa*  «relebea  eraebciaet,  dafa  Oforiiuu  ,  aa  allietaeD  Orien  der 
Veraioft,  da*  AmlATit  Maiaaag  aicht  DachiakoBBes. 


—     1095    — 

Aphorismen  det  Bippükrate»,  wo  das  •rruekkaie  Ziel  aaf  M  bis 
90  featgeatellf  ül.*} 

Dis  laiainiscb«  UabenMiang  mag  Dnn  aber  Tial  oder  wenig 
verfilUcbt  Min,  aoerltetiet  doefa  aas  einer  Vergleicbang  derselben 
mit  den  deutscfaeo  Brnehitücken  Folgendes:  Paraeehm  hat  nie 
eine  nnbedingte  VerUngernng  des  Lebens  durch  eine  Wnnrferar- 
aenei  fär  mSglich  geliaiten,  sondern  seine  erste  Bedingung  einer 
kiBUliohen  Lebens rerlAngerung  dorch  Eisen  und  Kupfer  war:  die 
vorläufige  Beseitigung  der  Krankhaftigkeiten  einselner  Organe  und 
der  von  diesen  abhängenden  Krankheitsforiaen,  von  denen  er  ein« 
gute  Menge  namhaft  macht. 

Abgesehen  von  den  ßbrigeii  Bedingungen,**)  nnier  denen  er 
eine  LebensverlSngerang  dnr«h  die  zwei  genannten  Universal  mit- 
tel fSr  möglich  halt,  wollen  wir  einmahl  die  angeführte  etwas  dK- 
her  betrachten.  Was  lehret  ans  die  'Beobachtung  Ton  der  Urer- 
krankaog  Avt  Organe?  —  Ich  glaube,  Folgendes  werden  wol  die 
meisten  Leser  mit  ihren  eigenen  Beobachinngen  öbereioMiminend 
liaden. 

Die  Erkrankung  einzelner  Organe  nberftllt  inweilen  den  Men- 
soben  plStilich,  zuweilen  ubersobleicbt  sie  aber  so  gana  unmerk- 
lich, dafs  selbst  der,  welcher  am  sorgfSirfgsien  seinen  Leib  hütet, 
nichts  dergleichen  ahnpt.  So  kann  sie  in  jedem  Organe  entsieben 
und  wachsen,  ohne  bemerkbar  feindtich  das  Gesundheit sgefiihl  zu 
bBeinlrfickiigen.  Wenn  sie  dieses  endlich  ihut,  ist  die  Kunst  zu- 
weilen nicht  mDchiig  genug,  selbige  im  eigentlichen  Sinne  zu  hei- 
len. Das  angebliche  Heilen  ist  nur  blofs  ein  Besch Wichligen  des 
rielleicht  znf&Mig  gesleigerlen  Orgnnleidens  und  des  durch  diese 
Steigerung  consensnell  ergriffenen  Gesammlorganiamns.  Die  Ver- 
nnlsssangen,  durch  welche  eine  alle,  nnerkaunte  Orgaoerkrankung, 
in  einem  gewissen,  oft  knnen  Zeiträume  so  gesteigert  wird,  dafs 
sie  consensnell  die  ganie  -Körperm aschine  aufregt  nnd  das  eigent- 
liche Gefühl  des  Krankseins  bewirkt,  k&nnen  mancherlei  sein; 
die  gemeinsten  sind  wol  folgende. 

Durch  Fehler  der  DiHt,  sonderlich  dnrch  grobe  Unrnftbigkeit 
im  Essen  nnd  im  Gebrauche  geistiger  GetrXnke  kSnnen  rerboi^e- 
ne  Leber-  nnd  Milsleiden,  plötzlich  gesteigert,  den  Menschen  krank 
machen. 

'  Dafs  durch  mechanische  GrscbGllerung  robende,  nnerkannkie 
Gallen-  nnd  Nierensteine  anfgeriihri,  de»  Menschen  in  Lebensge- 
Mtw  stürzen  höhnen,  ist  bekannt.  Weniger  wird  von  den  Aerzlen 
beachtet,  dafs  anch  andere,  ruhende,  nnerkaunie  Erkrankungen  der 


•)    AuilegaOK  primae  teelionit  ApAoritm.   /lltipolralft,   Apfiar.   l. 
*')   Zu    ilieieb  rechnet   er  beinodEra  eiacH  geiundeD   HimiBc  tut  rieh  aed  «rtlicbs 
Astiyc  zwB  Itogm  l^brn.  1 


—  low  — 

Organe  darch  ll«i(«B,  Fahren,  and-  dordi  die  EnsbütlernDg  det 
Erbrechens  so  können  gesteigerl  werden,  dafa  eia  allgeinetnei 
Kranksein  darani  enUlebat,  ja  dals  die  Anftreibang  des  kranken 
Organs,  wenn  es  gerade  Ijsber,  oder  Müa  iat,  mit  Hindca  liann 
gefühlt  werden.  , 

Ferner  habe  ioh  bemerkt,  dafs  diireb  Zorn^  durch  Sehreek, 
durch  anbaltelides  Schwaben  xwiichen  Furcht  und  Hoflnting  tbro- 
ntflcbe  lieber-,  Mila-,  oder  Pankrt^ulaideo  tuweilcn  nioht  bJob 
erkeanbar,  sondern  eo  widerspenstig  werden,  daia  man  Mühe  bat, 
«ie  si)  faesanfiigen. 

Eodlicfa  mufs  man  wohl  bedenken,  dafs,  abgesehen  von  der 
Einwirkong  aller  Bufserlicben  erkennbaren  Schfidlichkeiieo ,  die 
geheimen  UrorgRnerkrankungan  auch  eiaxig  durch  die  Zeit  anneh- 
men. Ihr  Znaebmen  ges<^iehet  aihnäblig;  bevor  sie  dem  Men- 
schen dns  eigeniliehe  Gefühl  des  Krankseins  machen,  nnd  eine 
Sjniploniengruppe  unaohen,  der  man  einen  nesolDgiscben  Namen 
beilegt,  können  10,  20,  30  Jahre  verfliefaen. 

Woran  sterben  nm  die  meUlen  Menschenl  sterben  sie  ao  ei- 
ner gMcbmäfsigen  AbDahme  dar  gansea  K&rperuiaschine,  oder  an 
Fehlern  einselner  Oi^nDa  1 . — >  Ich  sollte  denken ,  an  letzten  ater- 
hen  die  meisten.  Lungensucht,  Banchsobwindsucht ,  Waasersnelil 
nnd  andere  chronische  SiechtfaSmer  bewirken  bauptsficbliefa  die 
Sterblichkeit  dea  MaB^chcngeschleofalea.  Uieae  nosologischen  For- 
men werden  aber  weit. in  den  meisten  F&llea  durch  Urerkranknng 
einzelner  Organe  hervorgebracht.  Ja  obgleich  (mit  Auanahme) 
die  wenigaien  Menichea  durch  akute  Fieber  getödtet  werden,  to 
kann  man  doch  annehmen,  dafs  ein  grofüer  Tbeil  der  akuten  Fie- 
ber (vielleicht  der  grölste)  von  Urorganaffektioa  abhängt.  "Mao- 
cbe  dieaec  Urorganaffektiooen .  sind  uDglaoblicb  schwer  lu  erken- 
nen ,  auf  manche  wird  von  den  Aeraien  in  ihrer  bücherlichen  Be- 
fangenheit gar  nicht  geachtet,  und  andere  sind  erschienen  nnd 
können  noch  erscheinen,  auf  welche  die  Kunst  bis  jetat  noch  kei- 
ne Heilmittel  weifs.  Man  kann  also  dreist  annehmen,  dafs  ancb 
von  denen,  welche  na  akuten  Fiebern  sierbea,  ein  grolaer,  viel- 
leicht der  gr&fsle  Theil  an  Urorganleiden  stirbt. 

Alles  wobl  erwogen,  iat  die  Uraffekiion  der  Organe  gerade 
dasjenige,  was  man  in  seinem  ersten  Entstehen  erkennen  und  auf 
welches  man  Heilmittel  wissen  mufste,  wenn  man  sich  vermessen 
'  wollte,  das  Leben  verlSngern  m  können.  Da  nun  kein  Mensch 
im  Stande  ist,  die  erste  Spur  dieser  Organerkrankungeo  zu  er- 
kennen, Kb  ist  es  ancb  unmöglich,  dem  Haaptfeiode  des  Lebens 
entgegen  zu  gehen.  Eisen  und  Kupfer,  in  ao  fern  sie  blob  auf 
das  Urgewebe,  nicht  aber  auf  die  Eigenthümlichkeit  der  Organe 
wirken,  können  uns  in  dieser  Hinsicht  nu  nichts  dienen. 

Was  lafst   sich    nun   von  der  Erkrankung  des  Urgewebea  sa- 


—    1097    — 

g«nt  —  Allerdingi  ■terben  aoeh  Mewcfaen  «n  diwer  Crkmakiiag; 
manche  cbroaiscbe  Siecbthümer  haben  in  dem  L'cgewebe  ibcen 
tiruod,  und  in  lo  fern  wir  diese  drltrankung  dereh  die  Univeraat- 
iniuel  heilen,  verlängern  wir  gewifs  das  Leben  dee  G«hülien. 

Die  wuodergleicbe  Heilung  durch  KUen  oder  Knpfer  hat  wabr- 
acheiolich  auecgt  den  Gedanken  an  «ine  durch  diese  Mitlei  be- 
wirkbare [^ebensverlängerung  erzeugt.  Nun ,  ea  ist  xa  enischul- 
digen ,  dafa  Aerrle,  die  da  geaeben,  dafs  Einen  und  Kupfer  da« 
scheinbar  verlöacbende  Leben  auf  eine  wahrhaft  überraschende  Weise 
wieder  Bafachen,  auf  den  Gedanken  gefallen  sind,  diese  a&mlicbea 
Millel  ntüfaten,  rop  Zeit  tu  Zeit  bei  vollkommaer  Gesundheit  ge- 
braucht,  da*  Leben  in  seiner  vollen  Kraft  erbalten,  und  ein  Ver- 
fall des  Organismus  sei  bei  dein  Gebrauche  derselben  gani  un- 
inSglich.  Dazu  kommt  noch,  dafs  manche  Schwächen,  die  das 
Alter  rait  sich  bringt,  als  sinnliche  Erscheinungen,  grofse  Aehn- 
lichkeil  mit  den  Erscheinungen  heben,  die  wir  bei  Eisen-  oder 
Kupferkrank heilen  bemerken.  So  sehen  wir  z.  B.  bei  zunebnten- 
dem  Alter  die  Muskelkraft  sich  mindern;  in  Krankheiten  sehen 
wir  die  geschwundene,  ja  fast  erloschene  Muskelkraft  beim  Ge- 
brauche des  Eisens  oder  Kupfers  sich  so  schnell  wieder  ersetzen, 
dafa  der  Kranke,  der  heute  nicht  mehr  im  Stande  ist,  sich  im 
Bette  nufaurichien,  sich  morgen  wieder  ohne  Analrengung  aufrich- 
tet. Bei  Allen  wankt  das  Gedäcb,tnirs  und  die  übrigen  Geistes- 
kräfte stumpfen  merklich  ab.  In  Krankheiten,  wo  die  Geisteskräf- 
te sichtbar  abnehmen,  sehen  wir  diese  bei  dem  Gebrauche  desEi- 
aeua  oder  Kupfers  überraschend  schnell  wiederkehren. 

Im  Aller  verändert  daa  Geaicht,  der  Ausdruck  desselben  wird 
flau;  die  Muskeln  eriicblaffen.  Bei  Krankheiien  sehen  wir  nicht 
selten  die  Gesichter  der  Menschen  so  veiSndert,  daU  wir  schwS- 
ren  sollten,  sie  seien  durch  einen  Zauber  veraltet;  dem  Gebrau- 
che des  Eisens,  oder  Kupfers  weichet  diese  scheinbare  Veraltung 
nttd  wandelt  srch  in  den  Ausdruck  des  kräftigen  Lebeos  um. 

Der^lten  Gesicht  ist  gewöhnlich  blafs,  zuweilen  mit  einer 
amscfariebenen  Röthe  auf  den  blassen  Wangen.  Daa  Nämliche 
sehen  wir  nicht  salteQ  bei  Krankheilen,  hier  aber  nach  dem  Ge- 
brauche des  Eisens  oder  Kupfers  die  blühende  Farbe  der  Gesund- 
heit  wiederkehren. 

Wahrlieb!  wenn  ich  alle«  dieses  bedenke^  so  entschnldige  »ob 
deti  Recheafebler  der  Geheimärtte,  znmahl  da  es  wahracheialidl 
ist,  dals  derselbe  von  einem  kleinen  Reste  des  Galenismus  her- 
rührte, welcher,  ihnen  selbst  anbewufst,  neoh  in  ihren  Köpfen 
bitflete.  Sie  haben  nämlich,  von  einer  Gruppe  äbnlicber  Eraehet- 
nnngen  gutgläubig  auf  einen  gleichartigen  Krank  hei  laauatand  ge- 
schlossen; das  war  gewifs  ein  arger  Mifagriff.  Von  dem  Wesen 
der  Krankheit,  d«a  beifst,  von  der  Krankheit,  in  ao  fern  wir  lie 


—    1098    — 

von  der  •ichtbären  StSrang  d«s  Hegelganges  der  K&rperninacbine 
scheiden ,  kann  noaer  Verttand  nichts  erkennen ,  ah  ihr  V«rhRll- 
niCi  SU  der  Heilwirkung  der  Arsenei.  Dafi  ea  einen  Krankheita- 
zustand  in  der  Natur  gibt,  der  durch  Eisen,  und  einen  andereo, 
der  durch  Kupfer  heilbar  ist,  das  wissen  wir  biofs  durch  die  Er- 
fahrung. Wer  hat  aber  je  durch  die  Erfahrung  gelernt,  dafs  die 
Abnahme,  welche  die  Zelt  in  unserem  Organismus  bewirkt,  eine 
durch  Kupfer,  oder  Eisen  beilbare  Krankheit  seit  Ich  seilte  den- 
ken, bis  Jetst  hat  dieses  die  Erfahrung  noch  keinen  Ani  gelehret. 
Also  ISuft  Ja  die  ganze  Lebensverlingerung  auf  ein  blofeea,  von 
der  Aehnlichkeit  der  Erscheinangen  hergenommetiM  Vermmhen 
hiaans. 

'  Von  der  Veranderuog ,  die  das  Urgewebe  mit  dem  Aller  er- 
leidet, wissen  wir  durch  die  Beobachtung  der  lebenden,  durch  die 
Untersuchung  der  lodiea  und  durch  Vergleichung  anderer  Thier- 
kürper  mit  dea  menschlichen  bis  jetzt  sehr  wenig.  Wir  wissen 
dafs  das  Fleisch  solcher  Thiere,  welche  wir  zu  unserer  Nahrung 
verwenden,  mit  dem  zunehmenden  Aller  hart,  zah,  fast  ungeniels- 
bar  wird.  Daraus  schliefsen  wir  und  wol  nicht  .mit  Unrecht ;  das, 
was  früher  röhrig  gewesen,  tnÜsse  mit  dem  Aller  unröhng  gewor- 
den sein;  und  weil  doch  in  den  Köhren  FlüsHigkeiien  umlaufen, 
schliefsen  wir  weiter:  mit  der  Verminderung  des  Röhiigen  müsse 
das  Verbülinifs  zwischen  dem  Starren  und  Flüssigen  so  verSndert 
sein,  dafs  erstes  die  Oberhand  gewonnen.  Nach  der  Aebolich- 
keil,  welche  alle  vier-  und  zweifüfsige  Thiere  hinsichilich  ihrer 
Organisalioi)  mit  einander  haben,  schliefsen  wir  ferner:  iui  inensch- 
lichen  Leibe  müsse  durch  die  Zeil  eine  ähnliche  Vera oderuag -Statt 
haben;  die  steifen,  vorsichtigen  Bewegungen  aller  Leute,  und  die 
Verknöcherung,  welche  man  aichi  selten  in  den  Weichihetlen  ih- 
i«T  Leichen  gefunden,  rechtfertiget  zur  Genüge  diesen  Aehnlich- 
keitsscblufs. 

Welche  Veränderung  die  feinste  Verzweigung  der  -  Nerven, 
die  weder  das  anatomische  Messer,  noch  das  Vergröfserungsglas 
in  der  Substanz  der  Organe  verfolgen  kann,  bei  Alien  erleidet,, 
mag  der  Himmel  wiaeen.  Dafs  die  Nerven  einer  sehr  grofsen 
Verzweigbark  ei  t  föhig  sind,  lehret  uns  der  Anblick  der  Netzhaut 
des  Atiges,  und  dafs  eine,  wo  nicht  gleiche,  doch  ihnliche,  der  ana- 
tomischen Kunst  aber  unenideckbare  Nerven  Verzweigung  in  allen 
Organen  vorhanden  sein  müsse,  ist  eine  Vermathung ,  die  anch  der 
grSfsle  Zweifler  schwerlich  in  das  Reich  der  Phaotasie  verweisen 
mSchte.  Voraasgeseut ,  die  feinen,  in  den  Organen  'verbreiteten 
NervenfHden  sind  die  Leiter,  durch  welche  fiufsere  Reize  zu  un- 
serem Bewnfsisein  gelangen,  ao  saüssen  diese  N'ervenfSden  im 
hohen  Alter  eine  wDodeTüche  VerBnderung  nnleigcheo  kSnnen,  wo- 


—    1099    — 

v«o  ich  dem  Lesw  «ia«n  eben  so  mu-kwfirdigen,  als  belehrenden 
Fall  eraShIe»  werde. 

Ein  neunzigjähriger  Mann,  der,  seiner  Profession  nach,  Gol- 
tesgelehrter  war,  aber  äufser  den  himmliacben  Kenntnissen,  noch 
eine  Menge  irdischer,  besonders  bisloriscber ,  geographischer  und 
philologischer  in  seinem  Kopfe  barg,  der  sein  Geschfift  einen 
Verwandten  Obertragen ,  und  als  Freiherr  lebte ,  hatte ,  aufser  ei- 
nem gewissen  Grade  von  Steifheit  der  Glieder,  wodoreh  sein  Gang 
etwas  langsam  und  vorsichtig  wurde,  und  anfser  einer  Harthörig- 
keit, die  aber  so  gering  war,  dnfs  sie  die  Zweisprache  kaum  er- 
schwert«, gar  keine  bemerkbare  Gebrechen  des  Allers.  Er  halte 
noch  ein  recht  gutes  Gedäcbinifs,  ein  richtiges  Urlheil ,  nod  weit 
entfernt,  langweilig  wie  manche  Greise  in  sein,  war  sein  Ge- 
spräch für  mich  sehr  unterhaltend  und  belebreod. 

Um  sieb  im  Winter  bei  schlechtem  Wetter  k&rperlicbe  Be- 
wegung SU  machen,  pflegte  er  etwas  Holz  tut  den  Ofen  zu  xer- 
sägen.  Einst  föllt  er  bei  dieser  gymnastischen  Uebqng  nnd  bricht 
den  Hals  des  Schenkelbeines.  Ein  binzugerufener  benachbar|,er 
Wundarzt  erkennet  den  Bruch,  und  legt  mancherlei -Binden  ao, 
welche  dem  alten  Manne  sehr  hinderlich  sind.  Seine  Tochter  und 
sein  Enkel,  die,  ohne  etwas  von  der  Heilkunst  zu  verstehen, 
diesen  Knochenbruch  bei  dem  hohen  Alter  des  Kranken  für  tildt- 
lich  hallen,  und  nicht  begreifen,  warum  man  ihm  seine  knrze 
Lebensfrisl  noch  durch  allerlei  chirurgische  Künsteleien  verküm- 
mern solle,  begehren  mein«  Ueberkunft,  nm  sich  mit  mir  dar- 
Ober  zu  besprechen. 

leb  fand  den  Unter-  und  Oberschenkel  5demai3*  geschwollen, 
übrigens  den  Mann  frei  von  Schmerz  und  heiter.  Es  war  gerade 
zu  der  Zeit,  da  wir  die  erste  Natshiieht  von  der  ^rolsen  Nieder- 
lage der  Franzosen  erbalten  hatten;  seine  Abneigung  gegen  alles 
Fraozosenihnm  liefs  ihn  den  gebrochetten  Knochen  so  ganz  ver- 
gessen, dafs  seine  ersten  Worte,  die  er  an  mich  richieie,  nicht 
den  Knochenbruch,    sondern  Napoleons  Mifsgeschick  betrafen. 

Wer  nun  je  Menschen  raft  gebrochenem  Halse  des  Schenkei- 
beines gesehen,  der  wird  bemerkt  haben,  wie  scbmerzhafi  die- 
sen jede  Bewegung  ist.  Ja  ohne  es  gesehen  zu  haben,  mufs  schon 
jeder  begreifen,  dafs  der  gebrochene  Knochen ,  durch  die  atarkcD 
Seheokelmuskeln  anfwftrls  gezogen,  mit  seinen  scharfen  Bruch- 
kanteo  heftige  Schmerzen  bei  jeder  BewegiMg  im  Fleische  vernr- 
sachet.  *) 


*)  la  den  uviueB  Fiilles  wird  bei  eiae*  laieleB  Breche  wel  die  Mamhramm  tmf- 
iMfmrtt  f»mTi»  lerrifSM  Mis ,    deu  die  fekel  Ja  5b«r  des  Hals  des  Schea- 


—     IIÜO    - 

Bei  anicrem  Krabken  war  das  aber  gar  Diobt  der  Fall,  er 
fühlte  keinen  Schmers  bei  der  Bewegung;  ja  seio«  Hauagaootaen 
■eUien  ihn,  wenn  das  Bett  gemacht  wurde,  auf  einen  Stuhl,  wie 
jeden  anderen  Menschen,  er  fühlte  nicht  den  mindesten  Schmerx 
dabei.  Dieiies  war  doch  wol  ein  Bewuis,  dafs  die  Nerven,  die 
das  Fleisch  versehea,  die,  wie  wir  glauben,  die  leiieaden  Werk- 
zeuge sind,  durch  welche  aolche  Heise,  als  Schmers  zum  Be- 
wufsisein  gebracht  werden,  dieser  Leitung  durch  das  Aller  muf«- 
len  nafäbig  geworden  lein. 

Ich  war  neagierig,  ob  auch  die  Haut  gefühllos  sei,  über- 
zeugte mich  aber  bald  vom  Gegeoiheil.  \ach  Erwfigung  aller 
Umstünde,  stimmte  ich  der  Meinung  seincp  Hausgenossen  bei, 
dafs  man  ihn  nicht  mit  xweckloaen  Bioden  plagen,  sondern  ihn 
seinen  eigenen  Tod  sterben  lassen  müsse,  welcher  dcnii  i^ncb  bald 
darauf  gaox  »cbmefziM  erfolgte. 

Dieser  Fall  scheint  mir  sehr  bemerkenswerth ;  zum  wenigRien 
habe  ich  noch  keinen  Greis  getroffen,  der,  über  90  Jahre  alt, 
bO  nnverietzte  Geisieskräfle  gehabt  hätie  als  dieser  Mann.  Dafs 
aber  gerade  ein  solcher  durch  ttuTserliche.  Gewalt  eine  Verletzung 
bekam  ,  durch  welche  ich  mich  von  der  UnHifaigkeit  der  Muskel- 
nervsn,  feindliche  Beixe  als  Schmerz  zum  Bewufsisein  zu  brin- 
gen, überzeugen  konnte,  ist  wahrlich  ein  Solches  Zusammentref- 
fen zweier  Seltenheiten,  dafs  gar  viele  Aerzte  lange  die  Kunst 
üben  nnd  absterben  können  ,  ohne  so  etwas  erlebt  zu  haben.  WSre 
der  Mann  von  Alter  schwachsinnig  gewesen,  so  würde  ich  diese 
Beobachtung  nicht  haben  machen  können,  denn  ein  schwachsin- 
niger Greis  ist  wie  ein  Irrer  zu  betrachten,  der  von  solchen  Kri- 
sen, welche  anderen  Menschen  Schmerz  Ternraacben,  keine  be- 
merkbar aoangenebm*  Gefühle  hat. 

Eine  von  Aller  schwachsinnige  Frau  brach  einst  den  Arm  über 
dem  Handgelenke;   so  oft  sie  der  Wundarzt  kunstrecht  verbinden 


Lalbalsea  bcrssterg  in  lelLaiareB  Fillas  loll  sieh  dar  Bni«h  ■bar  iDDerfaait 
der  Gelankkaptal  niachiD,  Eiiea  Fall  der  letilea  Art  sah  icb  vnr  ellicb» 
Jabrea  la  kiMiB«in  Orta.  Hitr  war,  wenn  du  Glied  bewe|;t  ward«,  der 
Sebnen  vial  ntader  ,  aoeb  dia  VerkürraDg  atiiagtr ,  «)■  icb  ea  TiHber  bei 
■•deren  gaaebei.  Sebon  der  UrnjUad  ,  dir«  der  Kraahe ,  der  ia  RGLd  dnreb 
eiMB  Fall  aa(  iesi  SteinflaatBr  des  Brticb  bdcanaiaa,  aieb,  vorai^tig  !■ 
«isea  Wagni  verpaekf,  biaihia  bitte  (bbres  lai«en,  bewiea  ea,  iatw  die 
Mtmbr.  eaptitt.  fem.  niebt  koDDls  zerriaaeii  sein  ,  dean  wbra  lie  u  Keweaea, 
ao  wSrdfl  er,  aach  aaf  dat  rorsicbrlftte  verpaekt,  das  Fabreo  aiebt  babea 
i'ubalteD  koDPeo.  Der  Wnndant  bat  den  Brneb  recht  <gai  sebeiltj  ubne  «b 
weal|r  Hiakaa  itt  der  HSan  zwar  alabl  davon  gekoflaea ,  jeaMk  tat  4ie  Ver- 
kariBBi  de*  Fnfaea  aur  aabedeatead. 


—    1101     — 

Mochic,  li«  ichlankerte  dte  Knochen  Jedcsmahl  wieder  anseinan- 
der.  Einem  aehwaehsitinigcn  Gr«ise  wollten  leine  HBOBgeDOHen 
einst  ein  relneg  Hemd  anziehen,  nod  gewahrten  bei  dieser  Gele- 
genheil, dlifs  ihm  dai  linke.  Schlnuelbein  gebrochen  war.  0er 
hinxugernfene  Wundant  erkannie  aber,  ana  den  Rchon  ganz  ab- 
gegläiteien  Bruchenden,  ein  solches  Alter  des  Bruches,  dafs  an 
ein  Zusammenheilen  des  Knochens  nicht  mehr  zu  deuken  war. 
DIeae  zwei  Fälle,  die  ich  viel  früher  erlebte,  hatten  für  mich 
nichts  Belehrendes,  denn  bei  jedem  Irren  hStte  ich  etwas  Aeha- 
liebes  beobachten  kSnnen;  der  enlen:9hlte  Fall  wird  blofs  dadurch 
merkwürdig,  dafs  des  Mnnnes  Geisteskräfte  unverleist  waren,  und 
dufs  man  also  lieiiilich  sicher,  von  der  Schnierzlosigkeit,  auf  eine 
Unfähigkeit  der  Muskelnerven ,  einen  feindlichen  Reixalt  Schmers 
KutB  Bewufstsein  xa  bringen ,   schtiefaen  konnte. 

Wenn  ich  das  Wenige,  was  ich  von  der  VerSndemng  kenne, 
die  das  Aller  im  Urgewebe  bewirkt,  aach  noch  ao  genaa  erwäge 
und  e>  lail  der  in  Krankbeitea  beobacbleten  HmlwirknDg  dea  Ei- 
sens und  Knpfers  vergleiche,  so  sehe  ich  doch  nicht  ein,  wie 
selbige  Metalle  jener  Verftnderung  vorbeugen  kSnnlen;  glaube  al- 
so ,  dafs  sich  unser  achtbarer  Landsmann  v.  Bohenhtim  in  diesem 
Punkte  geirret  habe.  Solch  einea  Imhnmes  wegen,  möchte  ieb 
ihn  aber  gerade  nieht  für  einen  Narren  hallen;  denn  wenn  niaa 
jeden,  der  sich  einmahl  In  der  Medisin  verrechnet,  für  einen 
i\arren  halten  wollte,  so  würden  wol  wenige  nnier  nna  sein,  wer- 
ihe  Freunde!  die  sich  nicht  zu  allererst  selbst  diesen  etwas  ver- 
dicbligen  Titel  beilegen  müfalen. 

Ob  eine  m&fsige  Lebensweise  ein  langes  Leben  hefSrden, 
weifs  ich  nicht.  Ich  sah  Dnmttfsige  alt  werden  und  Mftfsige  früh 
sterben.  Verbürgte  eine  eigene  Lebenaordnnng  ein  hohes  Alter, 
ao  müfaie  man  doch  wol  eine  ungefähre  Ueberetnstinimiing  io  der 
Lebeosordnung  solcher  Leute  finden,  die  wirklich  zu  einem  Alter 
von  60  bis  100  Jahren  gelangt  sind.  Vor  langer  Zeit  (ea  mafa 
wol,  aas  anderen  Umständen  zu  scbliefsen,  zwischen  den  Jahren 
1810  und  14  gewesen  sein)  habe  ich  etwas  dahin  Einschlagendes 
IQ  einer  damahls  neueii  französischen  Zeitschrift,  die  den  Titel 
Bibliolhique  britlaniqtte  halte,  gelesen.  Ich  erinnere  mich  aus 
derselben  Folgendes.  In  Englitnd  bildeie  sich  eine  Gesellachaft, 
die  (ich  weifs  nicht  mehr,  ob  blofs  in  Allengland,  oder  in  allen 
drei  Königreichen)  Nnchriefat  über  die  Lebensweise  aller  alten 
Menschen  sammelte.  Da  gab  es  verschiedene  Fragen  zu  beant- 
worten, die,  wie  die  Leser  leicht  denken  können,  solche  Ge- 
nüsse betrafen,  welche  früher  oder  später  von  heilkundigen  Män- 
nern t&t  schädlich  gehalten  sind.  —  Was  war  nno  das  Ergebnifs 
dieser  Untersuchung  I 


£in  entaHDlich  «infsches:    die  Wilkbegierigfln  waren  am  Ende 
der  UolersDchung  gerade  ao  klag  ■)»  For  dtntelben.  *) 


*)  AniKbrlieh  ist  tetoidan  Hamlimt  Fiefmut  in  ■•üea  Bn;ha  tfe  Iripliet  viUi 
{Llb.  II  Cap.  X/)  aber  die  Dül ,  die  «ogehlich  u  «inem  Uagai  L^n 
rdhreo  lall ;  leine  Vortebrinen  sind  abar  atwti  »altMB.  So  sagt  er  >.  B. 
den  GeUbrtsD  ,  lia  ■ollen  Jeden  Morgea  ,  bevor  die  Sonne  anfgebe,  das  Bell 
verlsHBa ,  ilcli  aber  vorber  im  Bette  mit  der  Bacben  Haod  den  ganieu  Leib 
reiben  ,  dann  ein  paar  Standan  mediliren  ,  darauf  von  ibr«D  gelefarteo  Hedi- 
tationea  clwa*  abiteban,  and  wU  «Ibmb  eirenbeineraen  Hanaifl  aieb  TierzigH«bl 
über  dea  Kopf  vea  dar  Stirn  bia  lon  Naekea  «Ireichea.  Daa  Siabü^ihrigM 
gibt  er  folgenden  VtrjÖDgnogtrtlb  .■-  Saepe  pett  dtcimum  itatIm  et  iiaiuiaa- 
fuam  potl  namum  ttpleaarium  arbur  liuinaiia ,  arefaclo  paulali»  humure, 
tabeteit.  Tuae  primttm  hnwutn«  juvtniUgiit  iiqutr»  irrigania  ett  haee  arbtr 
hamana,  q*o  revlretcat.  EligB$  trgo  pHellam  tanam,  f»Tm*tamt,  MIartm, 
Itmptralam  tt  faieiieam ,  lae  ejni  »Hgilo  errKent*  luiui  ttatimque  etmr- 
dil»  marairi  dmicit  aiadieam  pulttrem  taethare  rite  cmifecttim.  Waram  dai 
junge  Weib  gerade  «Ehiia  und  loilig  eein  aiafi ,  lat  mir  iiiebt  recht  kUr. 
Hirt  wnnderr  ei  nnr,  dafb  er  den  loch  Aelteren,  den  eigeatliebea  Greiiea 
nicbl  den  Halb  gibt,  eine  Puellam  fiirm»*am  nnd  Aiianm  iai  Bett  la  aeh- 
mea  and  «ieh  von  ibr,  wie  der  künigliche  Prophet  Davfä  voa  der  Abitag, 
erwämeB  za  liieen  ;  docb ,  vidleicbt  int  ibm  dieiee  Brwiramngiaiitel  etwai 
>a  propbeüieb  gewesen ,  dsrnn  ritb  er  lieber  dea  Greisen ,  Kntbeoblal  u 
trinken  and  einea  Mit  Scbweineblat  getränklen  Scbwamn  anf  den  Uagea  rat 
legen  a.  «.  w. 

Wabrhadlg!  waai  ieb  ,  nn  sn  einen  bnnderlj ihrigen  Alter  xn  gtlaegaa, 
Mir  jedea  Hergaa  nit  der  Baad  den  gaasea  Leib  rmbe* ,  mir  tiglieb  vienig- 
aiabl  nil  elaen  elfenbaiaeroeD  Kanu  über  den  Kopf  itreiebei ,  wie  ein  Sing* 
lieg  an  der  Brut  einer  jnsgCB  Frao  nntichen ,  gemckertea  Feaehel  e*i«a, 
KnabeoblDt  triaken  and  mir  Schweineblnt  aaf  des  Hagea  legen  lallU ,  ich 
wollte  weit  lieber  dreifiig  Jahre  Trüber  iterban. 


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VAnftes    Kapitel. 

V«M  der  BlaftMlihel«,   van  4er  Feindlichkeit  nnd  Ten 
der  Vnfblndllckkelt  der  Armenelmlttel. 

Ueber  diue  Gegeoslinde  Iftlitt  uch  sehr  viel  Mgan;  ich 
werde  aber  aehr  wenig  darüber  aages ,  und  nur  daa ,  was  unaift- 
gfinglich  nSthig  ist,  am  in  den  folgendea  Kapitela  dem  Leier 
TenHÜndlich  lu  bleiben.  Wfire  ich  ein  gelettrler  Arzt,  so  müfMe 
ich  hier  xuerat  vod  dem  kSrperlich  Einfacben  sprechen,  den  Be- 
griff desselben  feststellen,  Ader  die  Unmöglichkeit  einer  solchen 
BegriSsbesliramang  darihun.  Ich  denke  aber,  woitbe  Leser!  wir 
würden  wol  am  Ende  einer  solchen  Besprechung  so  klug  sein  als 
am  Anfange,-  rmifae  also,  dafs  wir  uns  einfältig  an  den  gemeinen 
praktischen  Begriff  des  Einfachen  halten,  eine  einfache  Arseoei 
eine  solche  nennen ,  welche  aas  einem  einxigen  NatürkSrper  be- 
stehet, ond  eine  zusammeogeselxte  die,  welche  aus  mehren  be- 
•tebet.  Dafs  man  bei  dieser  gemeinen  Bestimmung  hier  oder  dort 
eiamabl  anf  Widerhaken  stdfat,  weifs  ich  recht  gut;  wo  stSfst 
nao  aber,  wenn  mau  über  irgend  einen  Gegeadstand  unswer  Kunst 
nachdenket,   nicht  auf  solchel  —  Nun  zur  Sache! 

Es  gibt  eine  Aneneizasammknaettong,  welche  ich  nicht  nifs- 
billigen  kann,  das  ist  die  Verbindung  einer  wirksamen  Arxenei- 
aubstanz  mit  einem  schleimigen  Stoffe.  Der  Darmkanal  ist  zuwei- 
len in  Kraakherten ,  besonder«  in  akuten  Fiebern ,  so  sehr  reiz- 
bar, dufs  das  Einhüllen  des  wirksamen  Heilmillela  in  einen  sehlek- 
nigea  Stoff  dringend  nöthig  wird,  wenn  wir  nfimlich  den  Kran- 
ken bald  heilen  wollen.  In  anderen  Fällen,  wo  diese  Noib- 
weedigkeit  auch  nicht  gerade  streng  nachzuweisen  sein  raöohlej 
i#t  die  Zu sawmen Setzung  so  unschuldig,  dati  nur  ein  wahrer 
MSckeoseiger  den  Arzt  deshalb  ladein  k&nntia.  Ich  habe  schon 
im  dritten  Kapitel  gesagt,  dafs  ich  mich  seit  undenklicher  Zeit 
des  Traganths,  oder  des  Arabischen  Gummi  bediene,  des  er- 
sten aber  weit  öfiatef  als  das  letzten.    Abgesehen   daroa,    dafs 


—    UM    — 

diese  Schleime  dec  zu  pISulichea  Einwirkany  dei  Heilniiitele  anf 
den  reixbaren  Darmbanal  vorbeugen,  and  eine  mBhlige,  eanfie 
desselben  bef<lrdern,  haben  sie  auch  noch  das  Gute  an  sich,  dafs 
sie,  besser  als  irgend  eine  andere  Substana,  den  untusligea  Ge- 
acbinnck  mancher  Arxeneien  verstecken. 

Von  dem  Gebrauche  vieler  Aerite,  alle  fliisMige  Arxeneien 
milSyrup  zu  vermischen,  habe  ich  schon  früher  gesprochen,  und 
will  das,  .was  ich  einmahl  gesagt,  hier  nicht 'wiederholen.  Da- 
mahb  ist  mir  aber  der  Hauptscbriftsteller  nicht  beigefallen ,  der 
■ich  gegen  die  unweise  Versyropung  der  Arxeneien  ausspricht. 
Jetzt,  da  «ein  Name  in  meinem  Gedächmiaae  wieder  aufiancfai, 
nenne  idi  den  Lesern  einen  sehr  achtbaren,  nSmIich  den  Ge&rg 
Baglivi.  Dieser  sagt  (Präs.  med.  Lib.  I  pag.  i4ij  Duleia  male 
alent  in  febribut  y  cave  igUur  quanlum  patet  a  taccharilü  in  i/ia- 
rum  curatioHt,  nam  per  ea  exacerbanlur ;  praetertim  li  iypociom- 
driacity  ky*terici$  et  ptierit  praetcribantur.  Da  nun  Baglivi  die- 
ses vur  Jünger  als  handert  Jabren  geschrieben,  ich  aber  noch  bis 
diesen  Aogenblick  sehe,  dafs  idbBl.  dar  jüngeren  Aerzte  Anenei- 
irSnke  meist  mir  Syrnp  veraübt  siad,  so  ist  effenbar,  dafa  Bag~ 
livi  seine  Warnung  in  den  Wind  gesprocbea.  Er  hSita  eben  so 
klug  gethan,  gar  nichifl  über  diesen  Gegenstand  an  aagrn;  die 
praktischen  Aerzte  laxsen  sieh  ihren  Syrupum  nicht  nehmen. 

Die  zusammen  gesetzten  Laxirntittel  kann  ich  eben  nicht  ta- 
deln, denn  offenbar  wirkt  eine  Mischung  von  SenneablBiiern,  oder 
Jalappe,  oder  Hhabarhei  mit  eineM  Laxirsalze  gescbivinder  und 
gemflcbliober ,  als  ein  einziges  jener  Pflimzealaxinnittel  ohne  Salz. 
Jedoch  rMchl  man  in  vielen  Fallen  anch  mit  einem  einzigen  Mit 
tel  aoa,  und  jene  beltebte  Verbindung,  noch  mit  anderen  Miiiela 
versetit  und  versüfii,  wird  hRufiger  ans  blofser  flTZtlii^en  Gewt^n* 
heit  als  ans  N'otb wendigkeit  verschrieben,  woran  denn  ancfa  we- 
nig gelegen  ist.  Anders  oriheile  ich  über  die  Verbiodnng  einee 
Pßanzanlaxiriniiiels  mit  dem  Salmiak.  Bei  Lenten,  die  ohne 
krank  zu  sein  Mangel  an  LcibeaSffnnng  faabeB,  bewirke  ick  dnrcb 
eine  Mischung  von  gleiehen  Theilen  Senaesbläiier  md  Salmiak 
aakhe  breiige,  wohlifaStigs  OcSnwig,  welebe  tob  dareh  ein  »•- 
deres  Laxirmittei  Bbel  bewiricen  kann.  Es  ist  nur  Schade,  dafa 
diese  Mischang  einigen  Mensehen  etwas  Banebkneipen  macht,  soaat 
wUaie  iah  wirlclicfa  an  dem  erw&hnten  Zwecke  keine  pafslicbei« 
Arzenei. 

Die  Verbindaag  eines  tlniversalrnktela  mit  einem  Organheil- 
Miitiel  in  in  aolchea  Fällen  noibwendtg,  wo  sieh  «in  gemiaehler 
Krankheitszuetand  vorfindet.  So  habe  ich  durch  eine  Miacbnng 
des  Stramomtum  mit  der  essigsauren  Eisenlinktur  eptderoische  Ge- 
bimfieber,  nicht  behandell,  soodern  geheilt.,  die  ieh  doreh  keine 
einzelne  der  beiden  Aizeneieabstanien  heilen  komia.     Ueber  aol- 


—  lies  — 

ehe  ZuuminetiaelKungea  nnd  nber  die  lVoihweniiigk«it  denelben 
lüfsl  sich  im  AIIge>n«taen  nidiis  angen,  was  einem  Ante  nuuea 
köante.  Es  können  Jahre  hingetien,  dafi  man  solche  epidemiicha 
vermucbie  Krankheiten  nicht  su  bebandelo  bekummt,  ali«  u\eb 
der  vermiachten  Arzenei  nicht  bedarf.  Wer  aber  zeha  Jahr«  sie 
nicht  nSthig  hatte,  der  kann  dieses  Beditrfnifs  im  eilften  sehr  leb- 
haft fübleo.  Darnm  ratbe  ich  jedem ,  sich  anf  dergleichen  Krank* 
heiten  gefafet  cn  hallen,  and  nicht,  aus  blinder  Vorliebe  für  die 
Eiafacbheit,  die  Zntammeasetmng  eines  Universal-  und  Organbeil- 
mittels  zu  verwerfen. 

Di«  Verbindong'Xweier  OrganhcUmillel,  «der  das  gleichzeitig« 
Geben  derselben ,  von  denen  wir  das  eine  als  wirkliches  Heilmittel 
des  nrerkrankteD  Organs  reichen  ,  und  durch  das  zweite  vorbauen, 
dafs  nicht  ein  anderes,  consensuel)  ergriffenes  Organ  auf  die  Dauer 
arerkranke,  ist  aueh  nicbt  so  verweifen.  Im  Allgeiueinen  läfst 
aiob  über  die  Noihwendigkeit  dieser  Verbindung  nichts  sagen. 
Ich  habe  epidemische  Organkrankbeiten  erlebt,  bei  denen  kein 
consensuell  ergriffenes  Organ  je  urerkrankie,  wo  man  also,  kannte 
man  das  Haupiheilniiitel  auf  das  urerkrankie  Organ,  von  dem  die 
ganze  Symptomengrappe  oder  nosologische  Form  abhing,  ohne 
viel  Aufpassen  heilen  konnte.  Bei  anderen  herrschenden  Organ- 
krankheiten hingegen,  war  das  Urwerden  consensueller  Leiden 
gar  nichts  Seltenes,  und  merkte  man  darauf  nicht,  ao  konnte  man 
eine  Krankheit  zur  laiigen  werden  lassen,  die  man  durch  Aufmer- 
ken in  der  Kürze  hatte  beseitigen  kennen.  Ich  rathe  jedem,  die 
herrschenden  Krankheiten  genau  zu  beobachten ,  das  heifst  in  mei- 
nem Sinne,  alle  Organe  im  Auge  zu  behalten.  AVer  das  thnt, 
der  wird  schqo  von  selbst  gewahr  werden,  wo  eine  NebenhGlfe 
nftthig  ist.  Da,  wo  sie  nicht  nöihig  ist,  mufs  man  sie  auch  nicbt 
anwenden;  an  das  blofs  Consensnelle  mufs  man  sich  nicht  kehrtn, 
sondern  das  nrerkrankie  Organ  mit  dem  wahren,  einfachen  Or- 
ganheilmiitel  heilen,  so  weicht  das  Fieber  mit  allen  übrigen  coo- 
sensuellen  Zufällen. 

Endlich  mufs  ich  noch  der  Verbindung  eines  Lebermitfels  mit 
Natron,  oder  .Magnesia ,  oder  Ammonium  erwähnen.  Bei  manchen 
Erkrankungen  des  Galle  absondernden  Orgnns  kann  man  durch 
diese  Mischung  nicht  blofs  das  erste  Sfadiitm  acutum  des  gemei- 
nen gastrischen  Fiebers  in  drei  oder  vier  Tagen  heben,  sondern  zu- 
gleich das  zweite  Stadium  abschneiden.  Aber  auch  unter  diesen 
gemeinen  gasirisehen  Fiebern  findet  sich  der  Unterschied,  dafs  man 
bei  einiges  blofs  und  einzig  du^cbneutrulisirende  Mittel  den  besagten 
Zweck  vollständig  erreichen  kann,  bei  andern  hingegen  da zn  jener 
Mischung  bedarf.  Ich  denke  jedoch,  in  solchen  Ffillen,  wo  der 
Zusatz  eines  Lebermtiiels  zn  dem  neutralisirenden  auch  gerade  nicht 
Dftthig,    also  riberflüssig  ist,   wird  er  doch  nicht  schaden.      |,n|c 

7Ö  ^     <S 


—     1106    — 

Allfts,  was  ich  bier  gesagt,  und  TMIeidil  inanchM  andere 
hierhin  Gehörige,  welches  mir  den  Augftsblick  nicht  einföllr, 
sind  Dinge,  die  sich  dem  Arste,  der  den  Organericran kungln, 
diesem  wichiigen,  aber  leider  von  vielen  aehr  vernachlfifiigien 
^iegengtande  eine  vorzügliche  Aufmerkiamkeit  achenkl,  von  selbst 
bei  Uebung  der  Kunst  aufdringen  werden.  In  solchen  Znsammen- 
seiiungen,  welche  blufi  einige  kleine  Vortbeil*  bei  dem  Heiige- 
ichttfie  gewähren,    steckt  keine  besondere  Heimlichkeit. 

Ks  fragt  sich  aber  jeixt:  gibt  es  xuaanmengesetste  Organ* 
heilmiltel,  von  denen  mau  behaupten  kann,  kein  einzelner  Be- 
slandiheil  der  Ziisaiumenselznng  leisie  als  Heilmiitel  das,  was 
die  Zusammenseixung  leistet?  Bis  jetKt  bin  ich  überseugt,  dab 
es  Zusnmmenseizungen  gibi ,  in  denen  wirklich  eine  solche  wahr- 
hafte lleilheiiulichkeit  steckt,  bescbeide  mich  jedoch  gern,  dafs 
meine  Ueberseogung  auch  einzig  von  meiner  Unkenntnifs  der  \»- 
uir  abhangen  kann. 

Ich  habe  von  den  Zusammenaetznngen ,  auf  deren  Heimlich- 
keiten mich  mehr  der  Zufall  tils  mein  Nachdenken  gebracht,  schon 
in  den  vorigen  Kapiteln  geredet;  es  sind  nur  vier,  n&iulich:  Die 
Verbindung  der  Brechnufs  mil  dem  stinkenden  Asant.  —  Die  des 
Salmiak  mit  der  Catechn.  —  Die  des  Schell  krau  Isaf  les  mit  de» 
salzsauren  Kalke.  —  Die  des  destillirieti  Talwkwassers  mit  dem 
essigsauren  Natron. 

Von  allen  vieren  habe  ich  schon  früher  gesprochen  und  wer- 
de das,  was  i<A  davon  gesagt,  hier  nicht  wiederholen.  Nur  von 
der  letzten  Zusammenseizang,  der  des  Tabakwassers  mit  dem  es- 
sigsauren Natron,  inufs  ich  noch  etwas  nachtragen,  und  zwar  dee- 
halb,  weil  ich,  von  dem  gewfihnlichen  Ziele  des  Menschenlebens 
nicht  mehr  fem,  vielleicht  selbst  keine  Gelegenheit,  oder  keine 
Zeit  mehr  haben  werde,  den  gansen  Werih  dieser  Zusnromen- 
setciing  zu  erproben,  es  also  für  meine  Pflicht  als  Arzt  und  Menseh 
halte ,  sie  meinen  Amtsgenossen  zur  gründlicheren  Prüfung  ange- 
legentlich zu  empfehlen.  Meine  Leser  wissen  schon,  dufii  ich 
sie  in  etlichen  Fällen  censensneller  von  einem  Urgehiinleiden  at»- 
hangender  Darmleiden  mit  ausgezeichnet  glücklichem  Erfolge  an- 
gewendet, und  da  ich  im  Jahre  1834  abermahls  drei  Falle  der 
Art  beobachtet,    so  werde  ich  diese  kürzlich  erzählen. 

Lnier  dem  Mancherlei,  was  ich  in  der  letzten  Zeit  fiber  dl« 
ChoUra  gelesen,  war  auch  das:  eine  kalie  Zunge  sei  das  Tor- 
ziiglichste  Zeichen,  die  Asiatische  von  der  Em-opäisehen  Cholera 
za  unterscheiden.  Aufrichtig  gesprochen,  ich  achtete  wenig,  auf 
dieses  Vorgeben,  wie  mir  überhaupt  alle  kleinlkhe  FormenlM»- 
Btinmierei  fast  Ificherlicfa  hedünkt. 

Im  Jahr  1S33  besuchte  mich  einst  eine  Böhmische  Baroninn, 
deren  Arzt  ich  früher,    da  sie  noch  FrAulein  war,    gewesen.     Sie 


—    1107    — 

war  j«tn  begeisterte  HomÖopiithtiui  und  die  ong13ckIi<^e  Cholera 
ibr  Sl«clc*Dpferd.  Auf  ihrer  B&huiUchen  Herrschaft  halle  sie  einen 
homöopaihischeii  Arzt,  der  verstand  di«  Cholera  ao  gnt  xu  heilen, 
dnifl  von  25  Kranken  kein  einziger  gealorben  war.  Sie  hatte  ge- 
hört, ich  habe  hier  einen  ihrer  früheren  Bekannten  auch  an  dieser 
Krankbeit  behandelt  und  bald  geheilt;  sie  fragte  mich  also  gleich,  ob 
4er  aach  eioe  kalte  Zunge  gehabt  Ich  gestand  ihr  ehrKchg  dab 
ich  ihm  die  Zunge  so  wenig  als  manchen  anderen  Tbeil' seines 
Leibes  befühlt,  k&nne  auch  unmöglich  glauben,  dnfs  dieses  Zei- 
chen eine  besondere  Natur  der  Krankheit  anilenie.  Uebrigens 
werde  Sie,  die  mein  Leben  und  Treiben  von  früher  Zeit  kenne, 
mir  wol  zairauea,  dafs  ich,  der  ich  die,  der  Cholera,  binsicbt- 
licb  der  Form,  nHchstveriraDdie  Krankheit,  die  Ruhr,  häufiger 
behandelt  als  vielleicfal  irgend  ein  Arüt  in  Deutschland,  die  Cho- 
lera richtiger  von  einer  Brechruhr  unterscheiden  werde,  als  man- 
cher andere  Arxt,  der  die  formverwandte  Krankheit  wenig,  oder 
vielteicht  gar  nicht  gesehen.  Sie  gab  das  mit  voller  üeberzeugung 
zu,  allein  sie  blieb  auf  ihrem  Text:  sei  die  Zunge  des  Herren 
nicht  kalt  gewesen,  bO  habe  er  wol  an  der  Europäischen,  aber 
nicht  an  der  Asiatischen  Cholera  gelitten.  Ich  liefs  das  gnt  sein, 
denn  ich  spiele  nicht  gern  den  Rechthaber,  am  wenigsten  gern 
bei  Damen;  ich  dachte  auch  weiter  nicht  an  diese  Sache,  da  ich 
damahls  schon  einen  solchen  Abscheu  vor  allen  ChoteragesprEeheo 
und  vor  aller  Choleraliteralur  batie,  dafs  fch  diesen  Kuknckt- 
einsaog  gar  nicht  mehr  hören  mochte. 

Im  SpätHOinnier  dos  Jahres  1834  wurde  ich  aber  zd  einem  hie-  ^ 
sigen  sechiigjKhrigen  Handwerker  gemfen ,  der  an  dar  Cholera  liil. 
Am  Morgen  haue  die  Krankheit  begonnen ,  gieicb  nach  Mitlag  sab 
ich  ihn.  Er  klagte  Ober  Eingenommenheit  des  Kopfes,  die  er  mit 
dem  \amtn  Dnsseligkeit  bezei^neie,  über  ein  unangenehmes  Ge- 
fühl im  Bauche,  vorBÜgUch  im  Epigastri«,  erbrach  wtisaerige,  un- 
gullige  Stoffe  ohne  Anüirengnng,  hatte  wSsaerige,  gnos  unkothige, 
unschleimigo  und  UDbluiige  reichliche  Slublenileerung,  und  gab, 
von  allen  Zueilen,  sehnierzhafie  Krämpfe  der  Waden  als  das 
Symptom  an ,  welches  ihm  am  hinderlichsten  sei.  Sein  Pnls  war 
klein  und  etwas  hescblenniget ,  Jedoch  nicht  unregeliwfifsig,  die 
Haut,  wo  ich  sie  befühlen  mochte,  kalt,  zwar  nicht  eiskalt,  aber 
doch  auch  nicht  in  so  geringem  Grade,  dafi  ich  sie  bütte  kühl 
nennen  können.  Uebrigens  halte  sie  noch  ihre  Federkraft ,  denn 
wenn  ich  mit  den  Fingern  eine  I^lie  darin  kniff,  blieb  diese  nicht 
sieben.  Der  Zustand  seines.  Geistes  schien  mir  mit  dem  grofse 
Aebniicbkeit  zu  haben,  den  laan  nicht  selten  im  Anfange  der  Ge- 
hirnfieber beobachtet,  weno  diese  nümlicb  nicht  grade  mit  hefti- 
gem Kopfschiiierz  beginnen.  Man  kann  ihn  wol  nicht  eigentlich 
Gleichgültigkeit,    oder  Ergebflng,    oder  Traumleben    nennen,    es 


—    1106    - 

IM  aber  doch  so  ein  Miiieldiag  roo  allen  diesen.  Nncfadein  ich 
nun  allea  genau  untersucht,  fiel  mir  auf  eininahl  meine  Bshiui- 
Bcfae  tiaroninn,  ihr  hoiiiöopaihiacher  Am  und  die  kalte  Zunge 
ein.  Ich  hiefs  den  Krankeo  flugd  die  Zunge  auastecken ,  und  wahr- 
haftig! sie  war  eben  so  kalt  als  seine  übrige  Haut.  Da  ich  aber, 
wie  geiagt,  wenig  VVerth  afif  eio  solches  Zeichen  lege,  go  ver- 
schrieb ich  ihm  gleich  die  bewuAite  Mischung:  ^  Nairi  aceliei 
5ii  Qummi  ambici  ^j)  Sähe  in  aqiiae  |vii  adde  aquae  Nicotianae 
3i  DS.     Stündlich  einen  LdQel. 

Gegen  Abend  bcaiicbie  ich  ihn  nuch  eininahl.  Da«  Brechen 
hatte  aurgehört,  der  erste  LSlTet  Arsenei  war  schon  im  Magen 
geblieben.  Die  Krämpfe  der  unteren  ExireiaiiSien  haijea  bedeu- 
leod  nachgelassen,  es  war  noch  ein  paamiahl  wfisserige,  koihlose 
Sltthleotleerung  erfolgt,  übrigens  die  EingeooinnMnheil  des  Ko- 
pfes noch  unverändert.  Den  Harn  konnte  ich  nicht  sehen,  denn 
angeblich  war  nur  ein  wenig,  gleichseitig-  mit  der  Stuhlentjee- 
ruug  abgegangen.  Die  K&lle  der  Haut  und  der  Zunge  war  ver- 
Bchwunden  und  halte  einer  mäCnigen  VVäriue  PldiZ  gemacht,  di« 
mir  von  der  normalen  nicht  verschieden  xu  sein  schien. 

AiH  folgenden  Morgen  fand  ich  den  Zustand  sehr  suiu  Guten 
verändert.  Die  \acht  hatte  sich  reichliche,  koihige  Siuhlenilee> 
ruag  etngeatellei ,  und  das  widrige  Gefühl  im  EpigaiiHo  war  da- 
nach versfshwuuden.  Die  KrSiitpfe  der  Füfse  seigten  sich  nicht 
mehr.  Der  Harn,  den  ich  jeist  sab,  wa>  goldfarbig  und  klar, 
also  eine  Schaltung  dunkler  als  der  normale.  Die  Eingenommen- 
heit des  Kopfes  war  swar  sehr  vermiudert,  aber  noch  nicht  gani 
gehoben.  Da  der  Kranke  stündlich  eingenommen,  konnte  ich 
nicht  wiasea  ,  ab  er,  hätte  man  ihn  nicht  stündlich  gestSrt ,  würde 
geschlafen  haben.  Er  selbst  behauptete,  in  den  stündlicheo  Zwi- 
scbenzeiien  sich  in  einem  seh  weimel  igen  Zustande  befunden  xu 
haben,  der  ihm  die  Zeit  verkürzt.  Das  heifst  wol,  er  hatte  sich 
in  einem  träumerischen  Hatbschlafe  befunden.  Mit  der  Arsenei 
liefs  ich  slüsdlich  fortfahren,  und  erlaubte  Mittags  aiwas  dünne 
Rindssupp«  lait  Weifsbrot. 

Abends,  da  ich  den  ganzen  Krankheitssusiand ,  bis  auf  einen 
Keat  von  Taumel,  gehoben  fand,  bestimmie  ich,  deiu  Kranken 
die  folgende  Nacht  nur  dann  Arzenet  einzugehen,  wenn  er  vun 
aelhsi  erwache,   und  ihn  i'ibrigens  schlafen  zu  lassen. 

Am  folgenden  Morgen,  also  am  dritten  Kranbheitstage,  fand 
ich  den  Mann  wieder  hergestellt;  er  halte  die  Nacht  ruhig  und 
erquicklich  geschlafen,  und  der  Rest  der  Eingenommenheit  des 
Kopfes  war  durch  den  Schlaf  nicht  vermehrt,  sondern  gefaehen. 
Dieses  war  eio  Zeichen,  und  zwar  das  sicherste  der  vollkommnen 
Heilung.  Da,  wo  die  Eingenommenheit  des  Kopfes  sich  nach 
einem  ruhigen  Schlafe  Termehrl,    ist  der  scheinbaren   Genesung 


—    1109    - 

oidit  recht  zu  Iniven;  das  habe  ich  znm  weoigstsn  b«i 'allen  akii- 
t«ii  Gehirnkrankheiien,  welcherlei  Nninen  man  ihnen  auch  gebmi 
mag,  bestSligel  gefunden.  Uebrigens  war  der  Mann ,  wahrschei»- 
lich  weit  er  schon  ah,  von  dem  kuraen  Siranfse  lienitich  ange- 
griffen,  so,  dafa  er  noch  drei  Tage  das  Zimmer  hüiele. 

Kurse  Zeil  nach  diesem  Falle,  kam  eines  Tages  itm  Miliag, 
da  ich  gerade  mit  mehren  auswärtigen  Kranken  beachilfliget  war, 
ein  Bolbe  zu  mir,  und.  ersuchte  mich,  nnincns  unbekannier,  bitt- 
fahrender \iederlunder,  einer  Frau,  welche  sie  krank  in  dem, 
anderibalb  Wegstundeo  von  hier  enifernlen  Grvntwafd  zaritck* 
gelassen,  su  besuchen,  und  im  Falle  ich  den  Zustand  derselben 
bedenklich  finde,  ihnen  durch  einen  Boihen  darüber  Nachricht 
nach  dem  Wallfahrtsort  Kevelaer  zukommen  «u  lassen.  Da  der 
Boibe  von  der  Frauen  Krankheil  gar  nichts  wufste,  ich  aus  dem 
Umstände,  dafs  ihre  Freunde  die  Bhifahrl  nach  Kevelaer  fortge- 
setzt, und  sie  in  der  Herberge  allein  zurückgelassen ,  neihwendig 
Bcbliefsen  mufste ,  ihr  sei  UoJJi  eine  leichte  OnpRfslichkeit  znge- 
stofsen ,  wie  dieses  wol  mehrmahls  hei  den  Biufahrten  zu  gesche- 
hen pflegt ,  so  SRgte  ich  dem  Boiben :  er  sehe  wol ,  dafs  ich  jetzt 
mit  anderen  Kranken  beschäfiiget  sei;  ich  kSnne  erst  gleich  nach 
Mitlag  herüber  kommen.  Da  ich  nun  aber  binkam,  sagte  mir 
gleich  am  Zellbause  der  Enipfiiager:  die  NiederUnderinn,  zu  der 
man  mich  gerufen,  sei  schon  vor  der  Rückkunft  des  Boihen  ge- 
storben; wenn  ich'  keine  besondere  Lust  habe,  die  ledte  Frau  su 
sehen,  n»5ge  ich  nur  einen  Augenblick  hei  ihm  eintreten,  ich 
kSnne  von  ihm  alles  diesen  Todesfall  Betreffende  eben  so  gut 
hören  als  in  jener  Kneipe,  wo  ich  weder  Freunde  noch  Ver- 
wandte der  Veralorbencn  finden  werde.  Er  erzfthlie  mir  nnn :  die 
Verstorbene  sei  aus  der  Umgegend  von  Rotterdam,  wo  die  Cho- 
lera herrschen  solle.  Sie  sei  vor  Mittag  sehr  krank  in  einem 
Wagen  angekommen,  habe  sich  beständig  erbrechen  müssen  und 
gleich  nach  Mittag  den  Geist  aufgegeben;  alle  diese  Angaben 
sprechen  dafür,  dafs  sie  wol  wirklich  an  der  Cholera  gestorben  sei. 
'  Am  folgenden  Vemiiliage  kamen  die  Freunde  der  Verstorbe- 
nen von  ihrer  Bittfahrt  durch  unser  Städtchen  und  besuchten  nricb. 
Auf  meine  Aeufserur^,  dafs  ihre  Freundin»  wo)  an  der  Cholera 
werde  gestorben  sei«,  antworteten  sie  ganz  treuherzig:  gewifs, 
es  kann  kein  Zweifel  darüber  sein,  sie  ist  an  der  Krankheit 
gestorben.  Mir  gefiel  es  attsnebniend,  dafs  die  ehrlichen  i\iAler- 
lünder  die  verrufene  Cholera,  dieses  Ungeibüiu,  schon  als  eine 
alte,  traute  Bekannte,  vorzugsweise  die  Krankheit  (de  Zietie} 
benannten,  üeber  den  Verlauf  hörte  ich  Folgendes  von  ihnen. 
Aia  Abend  hatte  die  Frau  in  dem  ersten  PreufaiHchen  GrenasiSdl- 
cbeo  CraneHhurg  angefangen,  sich  unwohl  zu  fühlen.  Dieses 
Unwohlsein,    welches   sich   durch   in.lfaiges  F.rbrechen   offenbaret, 


—    1110    — 

wai  wlibreiiil  der  Nacht  Tennshret.  Morgens  hatte  die  Frau  sieb 
noch  atBi-k  genug  gegUabt,  dl«  Wallfahrt  nach  dem  faot  Weg- 
aluaden enlferoten  Kevelaer  in  vollenden.  Auf  dem  xwciat^ndi- 
gen  Wege  nach  Grunewald  war  sie  aber  qo  eleod  gewordeo ,  dnfs 
man  sie  in  lelsiem  Orte  den  \^'lrihsleiiteii  zur  Pflege  übei^vhen, 
wo  sie  dann  gleich  nach  Mitiag  das  Zeitliche  gesegnet. 

lob  iah  es  wirklich  al«  ein  grpfsea  Glück  an,  dafs  der  er- 
sähhe  Fall  sich  nicht  etliche  Jahre  früher  augetr^eo.  DamahU 
würde  ich  einen  ausfiibrlichen  Bericht  darüber  an  die  Behörd«  ha- 
ben inacbeo  müsaen,  daa  Sterbebaus  würde  man  gewaschen,  ge- 
weifst,  aaagcräuchert ,  und  die  Bevohner  eine  Zeit  lang  darin 
riingesperret  haben.  Jetzt  geschah  von  aUeo  dem  gar  nichts ;  kein 
Mensch  sprach'  von  der  Sache ,  die  Frau  wurde  begraben ,  und 
damit  war  es  getban.  So  können  die  Ansichten  der  Menschen  in 
kuner  Zeit  sieh  verttodern.  *) 

Einige  Zeit  nach  diesem  lödilichen  ChoWafall ,  der  wol  Asia- 
tisch wird  gewesen'sein,  weil  die  Frau  gestorben  ist,  wurde  ioh  xu 
einem  60jährigeo  Geachäfismanne  gernfen.  Die  Nachricht ,  d^fs  «r 
beständig  erbreche,  wunderlich  angegriffen,  kalt  am  gansen  Leibe 
sei,  und  schmersbafle  Krämpfe  in  Armen  ond  Beinen,  mehr  aber 
in  letzten  als  in  ersten  habe,  liefs  mich  bald  errathen,  welcher 
Feind  hier  zu  bekftmpfen  sei.  Ich  verschrieb  die  bewufste  j^rseoei 
and  liefs  dem  Manne  wissen:  ich  werde  ihn  nach  Kwei  Sluodeo 
Beb«o,  dann  könne  ich  über  die  Wirkung  der  ArEenei  uriheUeni 
jetzt  sei  mein  Besuch  swecklos  und  verspäte  nur  die  Hülfe.  Kasn 
waren  die  twei  Stunden  verflossen,  so  kam  der  zweite  Boihe  und 
brachte  mir  die  Nachricht,  die  Arzenei  ibue  dem  Kraaken  siobtbu 
gut,  der  erste  Löffel  sei  schon  im  Magen  gehliebwi  und  seitdem  du 
Ülrbrechen  nicht  wiedergekehrt;  er  wünsche  aber  doch,  mich  haU 
zu  sprechen ,  weil  er  mir  noch  etwas  Besonderes  zu  eröffnen  habe. 

Wie  ich  zu  ihm  kam,  fragte  er  mich:  ob  ich  ans  dem  Berichts 
seine  Krankheit  erkannt  habe  *  ob  ich  auch  wisse ,  dafs  er  voD  der 
Cholera  ergriffen  sei*  E^  habe  Über  diese  Krankheit  so  viel  in  deut- 
schen und  niederlündiachen  Zeiiachrifien  gelesen,  defs  er  sich  in 
dem  Punkte  nicht  täuschen  könne;  alle  Zueile  derselben  werde  ich 
an  ihm  Anden,  Er  halte  Recht,  alle  Zußlle  der  Cholera  waren  d«. 
Erbrechen  ( welches  jetzt  aber  schon  aufgehört ) ,  reicblicbe ,  wäs- 
serige,  unkotbige,    mischleimige  Stahlenileerung-  (  das  Aiisgebro- 

'i  Ein  Jihr  frähar  »l«rb  *ach  sino  tiiltTilircBde  Ntcderlünderini  in  «inar  mei' 
ueM  HtOH  yeiaBÖbir  liegeodan  Berherge.  Nactuniltasa  aaf  eiaem  Wag«! 
Iii«r  Mecl^nEt ,  >>*t  sie  sich  ,  nacb  AuMage  dir  Wirtbaletil« ,  «ehr  mall  ge- 
rüblt,  liob  oft  erbrockiD.  H*D  hat  ibr  gereicht,  was  üe  vertanst,  Bod  aie 
int  Bett  gebracht,  sie  aber  am  folgeoden  Horgen  ladt  gcranden.  Aach  diese 
■oll   aiifeblich   «d«.  eiaer  vod    der   Cbolora   heimgeaiichtBs   GegBod    gakoBiMB 


—    Uli    — 

cbeoe  WBi,  nadi  Anatage,'  auch  n-ätscrig,  fade,  ungallig  gewe- 
sen). Kühe  dec  Haut,  aber  nicht  der  Zuoge  (ob  letsle  friiber 
ancb  kalt  gewesen,  konnte  ich  jelsi  nicht  wiuea),  Mhmeribafie 
Krämpfe  in  den  Exlreniitäten,  besonders  in  den  Füfaen,  ein  mU- 
Bames  beängstigend  es  Gefühl  in  der  Magengegend,  eine  sehment- 
lose  Eingeoomueobeit  des  Kopfes  und  ein  kteioei  b*<chleoaigteE 
Pul:!.  Das  Unwohlsein  hatte  Vorniiltaga  leise  angefangen ,  war 
aber  gleich  nach  Mittag  schon  ao  gesteigert,  dafs  er  sich  genS- 
thigi  gesehen.  Hülfe  ta  suchen.  Da  ich  der  Meinung  des  Man- 
nes, dafi  ei  die  Cholera  habe,  nicht  geradezu  widersprechen 
konnte,  so  aagie  ich  ihm  einfach:  ich  bekünimere  micb  nicht  um 
den  Namen  der  Krankheit,  sondern  um  ihre  Natur  und  wie  sie 
zu  beben  sei.  Die  gute  Wirkung,  die  er  sehoo  von  den  zwei 
LSffeln  Arxenei  spüre,  rerbürge  ihm  wol,  dafa  er  gada  dadurch 
genesen  werde.  Er  sei  jetxt  su  angegriS'im,  als  dafs  ich  viel  mit 
ihm  reden  därfe;  in  den  nächsten  Tagen  sei  ich  aber  so  aller 
Erklärung  bereit.  Er  solle  nur  stünillich  die  ganze  Nacht  durch 
einnehmen,  sich,  w'enn  er  Enileeruog  bekomme,  im  Bette  des 
Beckens  bedienen  ,  gegen  den  Durst  Wasser  mit  Milch  lauwarm 
trinken,  übrigens  darauf  achten,  ab  und  wann  er  wieder  koibl- 
gen  Abgang  bekomme,  und  wenn  es  maglich  sei,  mir  seinen 
Harn  aufbewahren. 

Am  folgenden  Morgen  war  diu  Befinden  mächtig  verändert. 
Das  Brechen  war  nicht  wiedergekehrt,  die  HauiLä)te  langsam 
vergangen,  so  dafa  er,  nach  Aussage  der  Hausleute,  ungeföhr 
anderthalb  Stunden  nach  meinem  geairigen  Besuche  wieder  warm 
gewesen.  Nach  Mitternacht  war  koihige  Baudienileerung  erfolgt, 
mit  grofser  Erleicbierung  und  mit  fast  gänslichem  Verschwinden 
des  beängstigenden  Gefühls  in  den  Prftkordieo.  Von  den  Fnfs- 
krämpfen  zeigte  sich  nur  noch  selten  eine  kleine,  leiae  Spur. 
Dia  Eingenommenheit  des  Kopfes  war  aber  noch  merklich.  Aus' 
der  gelben  Faibe  dea  Harnes  koimie  ich  eckeoaen,  dafa  das  Gal- 
lenorgaa  consensuell  angegriffen  gewesen,  oder  noch  sei.  Ich 
Uefa  mit  dam  Einnehmen  fortfahren  und  erlauhie  zu  Mittag  etwas 
dnone  Rinds-,  oder  Hübnenuppe. 

Abends  war  die  Krankhoit,  bis  auf  ein  wenig  Eingenommen- 
heit  des  Kopfes,  ganz  gehoben.  Ich  bestimmte  also ,  ihm  bis 
lU  Uhr  Btündlich  einsugeben,  dann  ihn  aber  schlafen  zu  lassen, 
und  nur  einzugehen,    wenn  er  von  selbst  erwache. 

Am  folgenden  Morgen  war  der  Rest  von. Taumel,  tmcfa  einer 
guten  Nacht,  ganz  verachwunden ,  der  Harn  aber  noch  ein  wenig 
gelber  als  er  sein  mufste;  ich  hiefs  ihn  sur  Vorsicht  heute  noch 
das  Bett  bewahren  and  Arzenel  gebranchen. 

Am  nächsten  Morgen  siand  er  auf  und  krnmie  wieder  in  sei- 
nen Papieren.     Nun  hatte  ich  einiuahl  Lust,  mit  ihm  zu  sprechen, 

— — '"8'^ 


—    tliS    — 

und  er  noch'  gröfsere,  mir  alle«  aaizalflgen.  Ith  gesteh«  aber, 
dafd  seine  Aualegung  sehr  hölzern  war,  denn  ■eine  Rede  lief  zu- 
lelst  auf  seltsame  Gefühle  hinaus,  die  «ich  doch  nur  durch  un- 
voilkomma«  Vergleichangen  andeuten  lassen.  HSilen  ihn  nicht 
die  KrSnipfe  von  Zeit  za  Zeil  geplagf,  behauptete  er,  so  ntlr- 
de  er  sieb  in  einem  ziemlich  ertrSglichen  und  gleichgüliigea  Zo- 
Stande  befunden  haben.  Das  Erbrechen  habe  ihm  Iceine  An- 
strengung gekostet.  Furcht  vor  dem  Tode  habe  ihn  nicht  geäng- 
stiget, er  habe  vielmehr  gar  nicht  an  das  Sterben  gedacht.*) 
Nun,  ich  denke,  dieser  Zustand  von  Gleichgültigkeit,  Sorglosi^ 
keit,  oder  wie  man  ihn  nennen  will,  findet  sich  nicht  seilen  auch 
im  Anfange  akuter  Fieber,  senderlich  solcher,  die  von  einer 
fjrerkrankang  des  Gehirns  abhängen. 

Der  dritte  Fall  des  Jahres  ltrJ4,  den  ich  in  die  Kategorie 
der  Cholera,   oder  der  Hirnruhr  setien  möchte,    ist  folgender. 

Ein  zwischen  30  und  40  Jahreif  alter  Mann ,  der  vor  langer 
Zeit  die  Ruhr  gehabt,  also  mit  den  Zufällen  und  GefSblen,  wel- 
che diese  Krankheitsform  verursacht,  belcannt  war,  litfs  mich 
eines  Nachmiltaga  bitten,  ihn  zu  besuchen;  er  war  in  den  Vor- 
mitttigastunden  krank  geworden  und  faüteie  das  Belt.  Sein  Puls 
war  beschleunigt  und  mSfsig  voll,  seine  Haut  warm,  ohne  heifs 
KU  sein.  Er  klagte  über  ein  eigenes,  unangenehmes  Gefühl  im 
Epigasirio,  dem  er  keinen  bezeichnenden  Namen  geben  konnte; 
auf  meine  Frage,  mochte  er  es  weder  beHugsiigend,  noch  breit- 
nend  nennen.  Er  hatte  hesiSndige  Uebelkett^  zum  wirklichen 
Erbrechen  war  es  aber  noch  nicht  gekummeu,  Durchfall  mit  reich- 
licher Entleerung  blofa  weifser,  wässeriger,  ganz  kothloser  Stoffe, 
ohne  Stnblzwang.  In  seinem  Kopfe  föhlie  er  einen  schmerzIoseB 
Taumel ,  nnd  in  den  Füfgen ,  besonders  in  den  Waden ,  schmerz- 
hafte  Krämpfe.  Ungefragt  sagte  er  mir:  er  habe,  da  die  Krank- 
heit mit  Durchlauf  angefangen,  wegen  des  gleichzeitig  sich  einstel- 
lenden Gefühls  von  Unwohlsein  vermuthel,  die  Ruhr  sei  bei  ihm  in 
Anzüge.  Weiter  sei  er  aber,  der  reichlicheD,  ganz  unkotbigen, 
unechleimigen,  unblutigen  und  uns  tu  hlz  wangige  o  Entleerungen  we- 
gen ,  in  seiner  Meinung  irre  geworden ,  nnd  spftiet  haben  ihm  die 
Krämpfe  der  Füise  und  die  seltsame  Eingenommenheit  des  Kopfes 
den  Glauben  aufgedrungen,  er  leide  wol  nicht  an  der  Ruhr,  son- 
dern an  einer  anderen  Krankheit.  Von  der  Cholera  sagte  fer  kein 
Wort,  nnd  ich  begreiflich  auch  nicht.  Ich  sah  die  Krankheit,  ohne 
ihr  einen  Namen  zu  geben,  für  ein,  von  einem  Urgehirnleiden  con- 


')  Daria  «pruh  ar  wal  wahr  -,  fcna  da  er  bei  neioeaL  «ntta  Bctaelia  mir  an- 
fcüüdigte,  er  habe  üb  Cholera,  verrleth  er  nicht  die  mindaite  Furcht,  im 
Ges«Btheil,  hülle  er,  lUU  von  leiaer  eiccaen  Kraekbell,  roD  der  leiBCa 
Naebban  geiprocheo,   er  hille  aieht  nnbetkagrDer  leio  kifaaen. 


-     Itl3    — 

santuell  «bhangendea  Darm-  and  N«rvenleiileD  an,   und  verschrieb 
die  in  Rede  stehende  Miicfaung. 

Am  andern  Morgen  war  das  sellsame  Gefühl  im  Epigastrio  und 
die  Uebelkeit  verschwunden.  Stuhlen ileerung  halle  er  gar  nicht 
mehr  gehabt.  Das  Gefühl  des  allgemeinen  Unwohlseins  war  viel 
minder,  und  der  Puls  weniger  beschleuniget.  Die  Krämpfe  in  den 
Füfsen  hauen  ganz  nachgelassen,  die  Eingenommenheit  des  Kopfes 
war  2war  weniger,  aber  doch  noch  so,  dafs  sie  den  Kranken  be- 
stimmte, im  Bett  zu  bleiben.  Der  Harn,  den  man  mir  jeizt  seigie, 
war  kaum  vom  normalen  uniecschieden,  woraus  ich  schlofs,  das 
gallenabsondernde  Oi>gan  sei  nicht  cunsensuell  ergriffen.  Ich  hie& 
ihn  mit  der  Arzenei  fortfahren. 

,  Am  nächsten  Morgen  hörte  ich,  er  habe  am  vorigen  Tage  wie* 
der  koihige ,  breiige  Oeffnung  gehabt ,  die  letzte  \achi  gnl  geschla- 
fen, die  Eingenommeaheit  des  Köpfet  sei  Tersohwnndca,  und  er 
f&hle  oichls  Krankhaftes  mehr. 

Das  sind  nun  die  einzigen  Falle,  welche  ich  im  Herbst  1834 
beobachtet..  Ob  man  die  Krankheit  graue  Ruhr,  Gebirnruhr,  oder 
Cholera  nennet,  ist  ganz  gleichbedeuiend.  Mit  der  gewöhnlichen 
Ruhr  hat' sie,  hinsichtlich  der  Zufälle,  das  gemein,  dafs,  bei 
flüssigen,  mehr  oder  minder  häufigen  Stühlen,  eine  allen  Darm- 
koth  zurückhaltende  Zusammenicbniirung  im  Darmkanal  Statt  fin- 
det; sie  unterscheidet  sich  aber  wieder  von  der  gemeinen  Ruhr 
dadurch,  dafs  bei  ihr  der  Ort  der'Zusainmenscbnürung  weil,  weit 
böher  im  Darmkanale  ist,  ala  bei  jener.  Das  ist  aber  doch  nur 
blufse  Formensache,  und  im  Grunde  nichlsbedeuiend  für  die  Er- 
kennttiifa  und  Heilung.  Die  Haupixache  ist  und  bleibt,  dafs  mau, 
vorausgeseizl ,  die  Krankheit  sei  nicht  eine  in  dein  Darmkanal 
vorwallende  Affekiion  des  Geaammtorganisrous ,  (was  die,  welche 
ich  behandelt,  bestimmt  nicht  war)  das  urergriBene  Organ  auf- 
sucht und  dieses  heilet.  Bei  der  besprochenen  Krankheit  ist  das 
urergriffene  Organ  aber  nicht  im  Bauche,  sondern  iui  Gehirn. 
In  welchem  Gehirnorgane f  —  Das  mag  Gott  wissen,  ich  weifs  . 
es  nicht. 

Den  Lesern  könnte  es  aber  auß'allend  sein,  dafs  ich  der  ge- 
nannten Zusammensetzung  eine  so  schnelle,  fast  ans  Fabelhafte 
grenzende  Wirkung  beilege,  sie  könnten  io  Versuchung  gerat hen, 
mich  für  einen  Mährcfaenerzfihler  zu  halten ;  ich  bin  also ,  nicht 
Bowol  mir  selbst,  als  vielmehr  der  Menschheit  folgende  Erklfirnng 
schuldig. 

So  lange  ich  die  Kunst  übe ,  habe  ich  noch  kein  Mittel  ken- 
nen gelernt,  welches  eine  solch  schnelle,  wohlihfiiige,  fast  tau- 
herische  Wirkung  hatte ,   als  die  besagte  Mischung.     Ursprünglich 


gHb  ich,  bei  <leii)  erat«D  Cholerafall ,  *)  ilca  tiiioiiii{{eu  Stoll'  de^ 
Tabaki  als  tiebirnheiliiiiiiet,  weil  icb  die  heftige  Aurregvng  den 
Uarmkanals ,  mehr  aber  noch  die  ungeheuer  evhmerzhnflen  Kräm- 
pfe dfr  Filfse,  die  den  atfirken,  harten  Mann  /.uni  iinaiifhörlichen 
jaiiien  Hiilfeniren  nöibiglen,  aniiiSgÜch  für  ein  Urleiden  der  DSr- 
nie  ansehen  konnie,  sondern  notbvvendig  für  consenaitelle  Ziinille 
des  iirerkrankien  Gehirns  halten  mufste.  Das  essigRaure  \airon 
selzle  ich  blofi  zu,  nin  den  heftig  aufgeregten  Magen  vorläufig  »n 
beruhigen;  denn  wie  sollte  der  flüchiige  Siolt'  des  Tabaks,  wenn 
er  augenblicklich  wieder  ausgebrochen  würde,  seine  Ileilnirkung 
auf  tiehirn,  oder  Kückennrark  ftufsern  knnnen'f  Ich  gesiehe  aber, 
dafs  ich,  ubgleich  eine  erwünschte  Wirkung  von  dieser  Mischung 
vermuihend,  weil  entfernt  war,  eine  solch  wahrhaft  zanberische 
davon  zu  etwarian. 

Ich  kenne  kein  allgemein  liebere«  Mittel  anf  irgend  eine  Krank- 
heitsform ,  also  auch  nicht  auf  die  Cholera,  Wir  wollen  die  Mei- 
nung aber  einmabi  als  wahr  annehmen,  da&  die  Bauch-,  Ner- 
ven- und  Muskelleiden,  welche  die  Form  der  Cholera  bilden, 
cunsensueli  von  einer  ürgebirnerkranknng  abhängen;  folgt  denn 
aus  dieser  Annahme ,  dafs  die  Urgehirnerk rankung  für ,  und  für, 
jetzt  sowol,  als  über  drei,  oder  vier,  oder  zehn  Jahre,  durch 
den  flüchtigen  Stoff  des  Tabaks  "heilbar  sein  wird?  —  Da»  folgt 
gar  nicht  aus  jener  Annahme.  Habe  ich  doch  Gehirnfieber  be- 
handelt, die  ich  durch  Siechapfeliinktur,  und  andere,  die  icb 
durch  Silber  heilen  miifsle;  wer  verbürgt  es  mir  denn,  dafa  frü- 
her oder  S|>Ster  die  GehimafTektion,  von  der  die  Chol eraform  ab- 
hängt, nicht  aiiclt  einmahl  so  geartet  sein  wirdi  Ja,  wer  ver- 
bürgt es  mir,  dafs  sie  nicht  solcher  Art  sein  wird,  auf  welche 
ich  gar  kein  [feilmillel  Weifsl  —  Man  kimn,  ohne  Prahler  zu 
iteln,  sagen:  so  habe  ich  gebeilt;  man  kann  auch  sagen:  so 
will  icb  künftig  heilen,  denn  der  Wille,  so,  oder,  anders  an 
heilen,  ist  frei;  wenn  man  aber  sagt :  so  werde  ich  heilen, 
dann  spricht  man  wie  ein  Crrplogaleniker ,  der  in  seiner  irren 
Verinessenheit  sich  einbildet,  die  Natur  künftiger  Krankheiten 
ergründet  xn  haben.  Vor  solchem  prahlertschen  Irrsinne  wolle  ans 
Goit  sSmmtlich  in  Gnaden,  bewahren! 

Das  sind  nun  die  vier  einzigen  nritzlichen  ZusammenseUun- 
gen,  welche  ich  in  einer  vierzigjährigen  Pfaxis  gefunden.  Dar- 
aus können  meine  jüngeren  Leser  abnehmen,  dafs  Zusammensex- 
zungen,  in  denen  eine  wirkliche  Heilheimlicbkeit  steckt,  etwas 
seilen  sein  müssen.  Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dafs,  wenn 
gleich  mehr  der  Zufall  als  mein  Nachdenken  mich  auf  diese  Zu- 
Bauimenaeizungen  geleitel,   ich  doch  früher  jeden  Bestandlbeil  der 

*)  leli  hsb<  üieies  aatKlirlieb  In  Harclsiuliiohea   ioanti  bwcbricIeD. 


ZittamnieDseUung  and  seine  Heilwirknog  grnaa  durch  eigene  Er- 
fahrung kannie,  aUo  bestimiDt  wissen  konnte,  jeder  einzelne  Be< 
siandlheil  jeiale  das  niehi,    was  die  ZutunmenseisuDg. 

Wer  l^itlel  insamnienietKt ,  deren  Wirknng  er  durch  den  E  t  n- 
xelgebrauch  früher  nie  erprobt,  wie  kann  der  über  den  Werth 
der  Ziisaniinenaeiinng  richtig  urlbeilen  I 

Scboo  altere  Aertte  beban|ttelen ,  man  könne  durch  Schauen, 
oder  Helfen  der  Araeneiea  aur  Erkenninifs  der  Katnr  einer  Krank- 
heit gelangen.  Der  Gedanke  ist  an  sich  gut,  ««hr  gut,  wir  wi-r- 
den  seinen  W^rili  in  dem  folgenden  Kapitel  richtigpr  su  scfafitsen 
versuchen  als  es  bis  jeUt  geschehen;  wie  it>t  es  aber  inöglicb. 
Tun  der  Wirkung  eines  Arsenei  misch  inaEcbes  die  Erkenninifs  der 
^Btur  einer  Krankheit  su  erkunden}  Kann  man  denn  Hisaen, 
welche  Einzelheit  in  dem  bunlsebeckigen  Allerlei  geholfen  oder 
geschadet*  So  viel  ieli  die  Saahe  begreife,  lä&t  «ich  bei  dem 
Gebrauche  rielfach  vermischter  Arseneien  die  ganxe  Erkenntnifi 
durch  die  A'»ee»lia  und  Juvaulüt  darauf  zurückführen,  dafs  man 
siebet,  ob  durch  Brechen ,  Laxiren,  Aderlässen,  Botorimtim Jf^a^ 
oder  volatilia  die  Krankheit  schlimmer,  oder  besser,  wiid.  U3cb- 
stens  kann  man  also  durch  diese  wirren  Erkennungsmittel  eine 
Ahnung  von  dem  Zustande  des  Geaammtorganismus  haben. 

Im  Allgemeinen  aber  die  Sache  betrachtet,  stehet  die  Mei- 
nung, dafs  man  die  Natnr  der  Krankheit  durch  dre  Wirkung  der 
gegebenen  Arseneien  erkennen  könne,  mit  der  verwickelten  Re- 
xeptschreiberei  in  so  grellem  Widerspruche,  dafs  «s  sehr  schwer 
zu  erklären  sein  machte,  wie  dieser  Gebrauch  und  jene  Meinung 
10  lange  neben  einander  haben  besiehan  können. 

Kluge  Männer,  diesen  Widerspruch  fühlend,  haben  freilieh 
von  Zeil  zu  Zeit  auf  Einfachheit  der  Verordnungen  gedrungen; 
was  hat  es  aber  im  Allgemeinen  geholfen!  Lese  ich  noch  jeiit 
manche  Krantkengeschichte  in  unseren  heutigen  Zeitschriften,  so 
finde  ich  zwar  nicht  so  ungeheuer  lange  Rezepte  als  in  der  ganx 
alten  Welt,  zahle  ich  aber  die  guten  Ding«  »usammen ,  die  dem 
Kranken  gleichzeitig,  wenn  gleich  nicht  immer  zu  Einem  Rezepte 
verbunden,  in  den  Magen  geschickt  werden,  so  wird  ihre  Zahl, 
der  Zahl  der  Bestandthetle  eines  alteribüuilichen  Rezeptes  wot  we- 
nig na^älehen. 

Was  ist  das  nnn  für  eine  wunderliche  Zucht,  meine  werthen 
coinponirenden  Amtsbtüder!  dafs  Ihr  das  Gute  und  Wahre,  was 
kluge  und  erfahrene  Männer  gesagt  und  mehrmahls  gesagt  haben, 
als  einen  Possen  in  den  Wind  schlaget,  und  unbekümmert  Euer 
medizinisches  Würfelspiel  fortsetzt?  —  Ihr  sagt:  wir  hdben  meh- 
ren Indikationen  zn  genügen ,  darum  verbinden  wir  mehre  Mittel 
mit  einander.  Das  labt  sich  hären,  ich  mag  es  nicht  ganz  ver- 
werfen i  aber  Ihr  acheint  mir  doch  über  Euren  vielfuchea  und  fast 


—    1116    — 

täglich  ahgeündeneii  Indikaiionen  die  Hnitpiindikaiion  faui  zu  ver- 
gedien,  nämlich  die,  den  Kranken  gesund  >u  machen.  Dieser  leli- 
len  und  wahren  Indikaiion  genügt  Ihr,  giaubl  eii  luir,  weit  besser 
durch  eine  einzige  A  rzeneisubsians  als  durch  ein  QehrSu  ¥9n  ei- 
nem HalbdntT.end.  Die  nieisien  Eurer  Indikationen  sind  ja  blofs 
Erzeugnisse  Eurer  achulrecht  zngetiutxien  Phantasie,  nicht  wirk- 
liche ErfoderniMe  des  Krankheitszuniandes;  ohne  E^ich  Unrecht 
zn  ifaun,  wilrde  man  Euch  sagen  können,  was  einst  Puracehu* 
den  Galenikel-n  sagte!  Ihr  seid  Poeten  und  po^iiMch  ar- 
seneiet  Ihr. 

Ihr  kSnntel  aber  in  Eurem  Herzen  denken,'  es  auch  wol  münd- 
lich lagen:  ich  sei  ein  alter  Narr;  dafs  ich  t.  lt.  behaupte,  durch 
den  nlchiünutzigen,  van  den  Aeralen  lilngst  verworfenen  Fraiien- 
disleliMmen  das  Hüftweh,  durch  einige  Trnpfen  des  gescbnincklo- 
sen  orecfanufswBSBers  gastrische  Fieber,  durch  etwas  gescbinack' 
loses  Qu assia Wasser  Leberwassersucht,  durah  etwas  Eichelwasser 
Milz  Wassersucht,  durch  etwas  Schell  krautKB  fr  Oatlricam  nervotaM 
geheilt  zu  haben  u.  s.  w. ,  sei  blofi  eine  Einbildung.  Solche  Kiru- 
ken  würden  wol  durch  die  bloise  Hülfe  der  Natur  von  ifareo  Lei- 
den genesen  sein,  und  ich  diese  Heilungen  gnigUubig  meinen  al- 
bernen Mitteln  zugeschrieben  hnben. 

Gegen  lalche  Gedanken,  werihe  Aintsbrüdir  !  weif-i  ich  oicbis 
einzuwenden;  erlaubt  mir  aber  einmahl,  dafs  ich  nach  Art  der 
Morgenländer  Euren  Verstand  durch  ein  Rftihsef  auf  die  Probe 
stelle.  So  gut  als  Ihr,  bin  ich- doch  ein  schulrecht  gebildeter  Arzt, 
und  habe,  wie  Ihr  wol  glauben  werdet,  die  Schulzucfat  nicht  b'io- 
bald  da  ich  in  die  Praxis  kam,  wie  ein  wildes  Pferd  den  Reiipr 
abgeworfen,  sondern  ich  bin  ihr  gefolgt,  und  wenn  irb  gleich  be- 
kenne, selbst  in  der  Jugend  keine  sonderliche  Neigung  zur  ver- 
wickeltes Rezeptschrei beirei  gehabt  su  haben,  so  haha  ich  doch 
meine  scfaulrechien  ladikationen  gemacht  so  gut  als  Ihr,  Non  sagt 
mir  einmahl,  wenn  icb'denn  Jetzt  so  sehr  einbildisch  bin,  n-arom 
habe  ich  mir  nicht  auch  früher  die  direkte  unfeindliche  Heilwir- 
kung der  Arzenei  eingebildet?  Hütte  ich  sie  mir  früher  eingebil- 
det,, so  würde  ich  doch  wol  nicht  die  breite,  gemächliche  mediii- 
nische  HeerstrAfse  verlassen  und  anf  einem  blinden,  seit  zweihun- 
dert Jahren  unl>etre(enea ,  ja  durch  den  Bannfluch  aller  Schulen 
für  unheimlich  erklärten  Steige  mir  Bahn  gehrochen  haben.  LÖsec 
mir  nun  dieses  Rälhsel,  oder  wenn  Ihr  ^s  auf  eine  ehrliche  Wei- 
se ntcht  lösen  könnt,  so  glaabt  es  mir  nur  iiaiuer  auf  gute  Treu, 
dafs  die  höchste  Einfachheit  der  Arzenei  am  ersten  zum  sichtba- 
ren direkten  Heilen  fuhrt,  sonderlich  bei  den  Organ erkrankungen 
nnd  bei  den  von  diesen  abhängenden  akuten  Fiebern,  die  doch  am 
hlinfigsien  in  der  Praxis  vorkommen.  Einzig  durch  die  Einfach- 
heit kdnnen  wir  diese  Ueberzeu'gnng  von  der  Heilwirkung  der  Aize- 


—     UI7    — 

Dsleti  erhallen  und  uns  wahrhafte  ErfahroDg  erwerben,  ja  durch 
diese  Einfachheil  wird  ei  uns  erat  deutlich,  wie  man  durch  Hel- 
fen uder  NlchlbelfeD  der  Arxeneimiilel  die  Torborgene,  auf  keine 
andere  Weise  erkennbare  Natur  maneber  Krankheilen  ergründen 
kann. 

Jetzt  luufa  ich  noch  von  einer  «ehr  wichtigen,  aber  sehr  hfi- 
keligen  Sache  reden.  Lieber  wollte  ich  sie  übergeben;  das  Iftfil 
«ich  aber  nicht  gut  thun,  weil  ich  in  dem  folgenden  und  nächst- 
folgenden Kapiiel  mich  darauf  beziehen  werde.  Man  spricht  in 
der  Medi)iin  von  Mitteln,  welche  feindlich  auf  den  Menschenleib 
wirken,  und  vun  solchen,  welche  ganz  unfeindlicb  den  kranken 
gesund  machen.  In  jedem  ärztlichen  Verstände  erzeugt  sich  un- 
freiwillig, durch  die  (Jehung  der  Kunst  selbst,  ein  dunkler  Begriff 
des  feindlich  und  unfetndlich  Einwirkenden.  Sollte  es  m8glich  sein« 
diesen  dunklen  Begriff  zur  Klarheit  zu  bringen  1  — 

Wer  nie  fiber  diesen  Gegenstand  nachgedacht,  der  wird,  wenn 
er  meine  Frage  liesel,  glauben,  es  sei  nichts  leichter  in  der  Welt ; 
wer  aber  je  darüber  nachgedachr,  der  wird  so  gut  eingesehen  ha- 
ben als  ich,  dafa  es  sehr  schwierig,  wo  nicht,  gar  unmüglicb  ist. 
Ob  auf  ernea  gesunden  Menschen  ein  Arzenei mittel  feindlich  ein- 
wirkt, das  kann  man,  wenn  man  es  selbst  bei  guter  Gesundheit 
nimmt,  leicht  gewahr  werden.  Entweder  spüret  man  nach  dem 
Einnehmen,  früher  oder  spSter,  ein  Gefühl  des  allgemeinen  Un- 
wohlseins, oder  man  gewahrt,  nebst  diesem,  noch  eine  Störung 
der  Verrichtung  des  einen  oder  des  anderen  Organs ,  oder  man 
gewahrt,  ohne  Gefühl  des  allgemeinen  Krankseins,  kleine  UnregeU 
luäfsigkeiiea  in  den  Verrichtungen  des  einen  oder  des  anderen 
Organs.  Begreiflich  macht  man  solche  Versuche  mit  der  Mit- 
telgnbe  der  Arzeneien,  wie  sie  die  Aerxte  den  Kränken  zum  Heil- 
zweck reichen;  denn  da  ein  üeberroafs  gesunder  Nahrungsniiiiel  uns 
ein  Gefühl  des  Unwohlseins  bewirkt,  so  wird  auch  ein  IJebermnfs 
sehr  nnschuldiger  Arzenei  uns  ein  solches  Gefühl  bewirken  kSnnen. 

Wenn  wir  unn  nun  überzeugt  haben,  dafs  ein  Mittel  keine 
der  angeführten  Wirkungen  in  unserem  Leibe  hervorgebracht,  kön- 
nen wir  denn  daraus  falgera ,  dafs  es  auch  den  Kranken  nirbt 
feindlich  angreifen  werdet  —  Das  ISf«!  sich  nicht  daraus  fol- 
gern. 

Wenn  ein  Mitlel  fetndlicb  auf  unsem  gesunden  KSrper  ge- 
wirkt, läfst  sich  damuB  folgern,  dafs  es  auch  feindlich  auf  den 
kranken  wirken  werdet  —  Nein,  das  läfsi  sieb  nicht  daraus  fol- 
gern. 

Wenn  ein  Mittel,  in  der  Taggabe  von  z.  B.  einer  Unze,  in 
unserm  gesunden  Leibe  gar  keine  bemerkbare  Verltnderung  her- 
vorbringt, können  wir  daraus  folgern,  dafs  es  in  Krankheit  als 
HeJImiiiel,  entweder  in  der  aSalioben,  oder  auch  fa  der.halbea, 


—  ms  — 

«dar  Yicrielgnl»  gebraachi,  unnerinam  Min  MDuef   ■~  Neio,  da« 
kana  man  auch  nicht  daraus  folgern. 

WAs  bezweck«  ich  nun  mit  Her  Zaaammeasicttnng  dieier  nack- 
ten GrCahrangasäize  \  Nichig  mehr  und  nichta  weniger,  alt  diejenigen 
unter  Euch,  die  noch  nicht  darauf  gemerkt,  aufmerkaam  su  ma- 
chen, dafä  inan  von  den  Versuchen,  die  man  fainBichilich  der  feind- 
lichen, oder  unfeindlichen  Wirkung  der  Arzenaieu  bei  Geauoden 
macht,  wenig  lernen  kann,  was  einem  bei  Kranken  za  i^Ken 
kSramt.  Darob  Krankheit  tritt  ja  der  Mcnaoh  in  ein  gana  neue« 
Verhillnifs  stir  Aubanwelt,  weicfaea  man  nicht  durch  künailiche 
Experimente  an  erkennen  braucht ,_  welches  vielmehr  deiu  naauf- 
merksamaten  Beobachter  von  seibat  in  die  Augen  füllt.  (So  wirkt 
I.  B.  sichtbar  anders  die  Temperatur  der  Luft  aaf  den  Krauken 
als  auf  den  Gesunden;  bei  einem  Grade,  wo  diesen  friert,  wird 
jener  schwitzen,  oder  auch  wol  niugekehrt.  Speisen,  die  dem  Ge- 
annden  gut  acbmeckeo,  ekeln  den  Kranken  an.  Getränke,  die  d«-m 
Gesunden  ein  wafarea  Labsal  waren,  siad  deiu  Kranken  ein  GrAael, 
-  und  awingt  er  sie  aicb  ein,  so  bekommen  aie  ihm  schlecht.  Ja  nicht 
blofa  die  Temperatur  der  Luft,  nicht  blofaSpeiae  und  Traak,  soodem 
auch  paych lache  Kindrücke  wirken  andera  aufdan  Kranken  als  auf  den 
Geauoden;  solche  z.  B.,  welche  den  Gesanden  kaum  berührten,  kSn- 
nen  den  Kranken  in  Zorn  versetzen,  and  umgekehrt,  ktinn  der  Kran- 
ke bei  aolchen  ganz  gleichgültig  bleibeo,  dia  ihn,  weil  er  gesund 
war,  zur  Freude,  zum  Zorn,  zur  Trauer  wurden  gestimmt  haben. 
Bemerkenswerib  ist  dieses  i-erBnderte  Verhaltnifa  besonders  bei 
solchen,  die  dem  Tode  nahe  sind,  das  heifst,  hei  solchen  Scbei* 
denden ,  welche  ihres  Verstandes  noch  luftchtig  sind ,  denn  von 
Irren  and  Bewnfailosen  kann  nicht  die  Elede  aein.  Kinder,  Gatte 
oder  Galtinn,  Freunde  nnd  Hauagenosaen  aind  von  tiefer  Trauer 
•rgriBen  und- können  ihre  Thr&nen  nicht  zuruckhallen ;  der  Sle■^ 
bende  selbst  hingegen  ist  gleicbgiiltig  und  vergiefit  keine  ThrSne, 
zum  wenigsten  habe  ich  diese«  noch  nicht  gesehen  auch  nicht  da- 
von gehört.  Dieses  iat  gewifs  ein  achlagcndar  Beweis  für  das 
veränderte  Verbältnifa  zwischen  Körper  und  Aufaenwelt;  denn  fän- 
de dieaes  varändeite  Verhälinifs  nicht  Statt ,  so  würde  der  Schei- 
dende, wftre  er  auch  vollkommeo  zum  Sterben  bereit,  ja  aftBe  er 
selbst  wie  StepAan«»  den  Himmel  offen,  immer  Men>ch  bleiben, 
und  die  Klagen  und  Thrfinen  geliebter  Weaen  müfsten  ihn  rühren. 
Wir  Aerzte  bezeichnen  das  Verhüllnifa,  das  zwischen  KSrper 
nnd  Aufaenwelt  Statt  hat ,  vorzugsweise  an  den  KSrper  denkend, 
mit  dem  Ausdrucke:  Reixbarkeit,  oder  Erregbarkeit.  Der  Aus- 
druck, vermehrte,  oder  verniinderie  Erregbarkeit,  be- 
zeichnet also  verschiedene  Verhältnisse  dea  Körpers  xnr  Anlävn* 
well. 

Einen  N'ornialpunkt,    von  den  wir  bei  Beztinmnn^  4er  Ver- 


—     1119    — 

mehran;  oder  Vennindenn^  der  Erregbarkeit  ansgehen  kSnnteo, 
haben  wir  nicht,  dena  nicht  eintnahl  bei  allen  Gesunden  ist  das 
Verhällnifs  xwiichen  Körper  und  Aüfsenwett  gleich^  in  einem  und 
demselben  Gesunden  bleibt  es  sich  nicht  jeder  Zeit  gleich,  und 
eben  so  wenig  in  einem  nnd  demselben  Kranken. 

Wenn  wir  nnn  ia»  Gesagte  alle  bedenken,  so  ergibt  sich  dar- 
aus leicht  die  Unmöglichkeit,  einen  bestimmten,  klaren  BegriflT 
des  feindlich  und  unfeindltch  Einwirkenden  fesixustellen. 

Die  Lrser  konnten  mich  nun  aber  fragen,  ob  denn  aus  den 
vergleichenden  Beobachlunged  des  Verhältnisses  des  KSrpers  zur 
Aiifsenwclt  swischen  Gesunden  und  Kranken  sich  mir  gar  kein 
Ergebaifs  herausgestellt,  welches  von  einigem  Xutcen  für  die  Pra- 
xis sein  kÖnitel  Dieses  Ergebnifs  will  icb  nicht  in  Abrede  stel- 
len, es  ist  nur  kein  solchen,  welches,  auf  klaren  Begriffen  bera- 
hend,  echt  versiandhaft  kann  mitgeiheilt  werden;  blofs  folgendes 
Unklare  und  Ungefähre  kann  ich  dem  Leser  initfheilen. 

1}  Es  gibt  Miliel,  die  zwar  nicht,  in  der  iMitlelgabe  gereicht, 
den  Gesunden  flugs,  oder  in  etlichen  Tagen  krank  machen,  die 
dieses  aber,  auf  die  Dauer  gebraucht,  früher  oder  spSier  bestirninl 
thun.  Diese  Mittel  wirken  eben  so  wol  auf  den  Kranken  als.  auf 
den  Gesunden  feindlich,  weshalb  ich  sie  auch  als  bestimmt  feind- 
liche ansehe.  Von  den  gebrauch  liehen  setze  ich  unter  diese  Ka- 
tegorie: das  OvecksilbeT,  das  Blei,  die  Digitalis,  das  Opium.  Dafs 
man  durch  diese  Mittel  feindlich  den  kranken  Körper  angreifen 
nnd  durch  dieses  feindliche  Angreifen  ihn  heilen  könne,  hl  mir 
sehr  bekannt ;  dieses  g^bet  uns  aber  hier  nicht  an,  sondern  gehört 
in  das  folgende  Kapitel. 

2)  Breehmiuel,  sonderlich  Antimonialbrecbmiiiel  machen  den 
gesunden  Menschen  unwohl,  zwar  nicht  auf  lange  Zeil,  aber  doch 
auf  kurze.  Wer  dus  nie  selbst  versucht  hat,  dem  ^'aihe  ich,  ein 
solchem  Itrechuiiitel  zu  nehmen,  und  ich  denke,  er  wird  sich  wol 
einen  halben,  und  hat  er  keine  starke  Natur,  auch  einen  ganzen 
Tag  flau  darauf  fühlen.  Aehnliche  Wirkung,  und  oft  weit  anhal- 
tendere, haben  diese  Mittel  auch  in  kranken  Körpern. 

3)  Drastische  Purgirniltiel  wirken  feindlich  auf  den  Gesunden 
nnd  Kranken,  Die  Araber,  welclTe  sie  häu6ger  gebrauchten  als 
wir,  kannten  auch  ihre  feindliche  Wirkung  recht  gut.  J/env« 
(HamecAt  Sohn)  lehrt  uns,  wie  wir  die  üblen  iVachwirkungen  der- 
selben  beseitigen  können.*)     Ja  selbst  die  milderen,  heut  zu  Tage 


*)  Mtiat  eam  trpatiUMU  AfmiiHa^  waper  eamour»  umHertahl  etc.  iMgdmil 
ISI9.  Hier  fiidet  ■sd  fil,  37.  «ad  weder  *encbieili;aa  Kapitel  nit  felfes- 
dea  Aurichririel :  Cmp  I.  D»  febribm  qua*  atciäumt  pott  pHrgeUomri. 
Cap.  II.  Dt  dalora  eepiUi,  qui  aetiält  pnt  purgalionet.  Vap  III.  I>t  rer- 
ligiHt  fKme  anriim  pn$  pnrgmUomM.     Cap.  11'.  Dt  drUHl»!»  ritM  pMt  pjir- 


-     IISO    — 

gebrUucUicfasB  PflanieDlaxinaitlBl ,  Rhabarber  ani  S»4inB,  kann 
ich  von  dem  Geiagien  nicht  autscfaliefsen.  Erste  macht,  wfihreod 
und  karz  .nach  ihrer  laxirenden  Wirkung,  ein  eigenes  Gefühl  des 
allgemeineo  Unwohlseini  (denen  zum  wenigsten,  die  nicht  an  die- 
sen-Reiz  gewohiu  sind),*)  und  die  Nachwirkung  der  leieten  ist 
auch  wol  so  unschuldig  nicht,  als  manche  Aer/ie  sich  einbil- 
den. ") 

4)  Bluleniziehung.  —  Diese  bewirkt,  je  nachdem  sie  reich- 
lich und  je  nachdem  der  Körper  geartet  ist,  ein  Gefühl  von  Mat- 
tigkeit, auch  wol  wirkliche  Ohnmacht  bei  Gesunden.  In  Krank- 
heiten wird  man  ihre  feindliche  Einwirkung  ebenfalls  nur  zu  oft 
gewahr.  . 

Das  nun  festgestellt,  fahre  ich  fort,  das  Ergebnifs  meiner  Be- 
obachtungen mitzutheÜMt. 

Im  Allgemeinen  ist  das  Verhiltnifs  der  kranken  K3rper  zur  Au- 
fsenwek  also  geartet,  dafs  das  äufsere  Einwirkende  si&rker  auf  sie 
wirkt  als  auf  die  gesunden,  dafs  also  Arzeneigaben ,  die  ein  Gesun- 
der ohne  UebelheGnden  davon  zu  spüren  auf  seinen  Körper  kann 
einwirken  lassen,  den  Kranken  mehr  oder  minder  feindlich  angreifen. 

Dieser  äatz  ist  nur  unter  grof^er  BeschrSnkung  wahr,  denn 
wer  nur  etwas  Erfahrung  sich  erworben,  der  wird  wissen,  dafs 
anch  ein  dem  angeHihrten  ganz  eolgegengeseizies  Verhällnifs  zwi- 
schen den  kranken  Korpern  und  der  Aufsenwelt  Siyt  haben  kann, 
nicht  blofs  in  einzelnen  chronischen  Fällen,  nicht  hlofs  in  spora- 
dischen akuien,   sondern  auch,    zu  Zeiten,    in  der  Mehrzahl   der 


geliantk.  Cap.  V.  De  debilHalt  ttomachi  palt  p»rgaUonei.  Nnn,  mbrlaf- 
tig-I  weoa  die  Parftaieii  Fieber,  KuprietamBn,  Sohwindel ,  Augea-  aai  Hl- 
geatelia^iile  bcwirklea ,  lo  wira  ei  doch  wo)  •m  klägitsD  gswaiM ,  lie  dia 
LeDtea  gir  oicbt  in  dis  Darm«  zo  ichicken. 
*)  Die  aiseDtlirbeo  RbabirbrrrrcMcr ,  dsreo  ei  beat  in  Toge  weni;;«  mebrfibl, 
(ilie  meist«B  lallen  nocb  in  deu  Niederlanden  lein)  die.iicb  einbilden,  inrA 
den  tiglieben  fiebrtacb  dieser  Wanet  licb  ,  wo  i^cbl  ror  allen ,  dach  ver 
den  Beiaten  Kraskbeilen  acbntzCn  zu  künoen,  werden  wol  dorch  die  Z«K 
Ihren  KKrper  an  dm  Reiz  der*etben  gewühnt  baben ,  and  diaaen  wird  nie, 
aveb  all  elfenllicbea  Laxana  gebroscht,  wahraetaeiolicfa  keine  nnuK*nekae 
Gefühle  velir  vernnaehen. 
**)  Spdeaham  iprichl  roa  einer  Anfregang  des  Kärperi ,  die  al>  Nacbwirknag 
der  Laxirniillel  torüek bleiben  toll,  und  die  nan  dnreb  Laadtaam  wieder  be- 
täanigea  siliaae.  Dt  nir'dieae*  la  ineiaer  Jagend  anveralkadllch  war,  ao 
nacble  leb,  un  san  Ventiodaif«  zn  gelaegan,  vor  angerilir  30  Jabres  blfan- 
dea  Veranch.  «b  oabu  cinei  Nacbmillag*  (weil  leb  vormitlafa  keine Harae  daia 
bat(e)  die  Abkochong  einer  balben  Unie  SenneablÜtler  nad  eine  Uoie  Glan- 
bertalz  In  gelbellten  Gab«B  ,  *a  ,  daf*  die  laiirendo  Wirknng  «Hiebe  Sinadea 
vor  dem  Schlafengeben  beendiget  war.  Slati  dara  nun  mein  ScbUr  die  Naebt 
rahig  ,  wie  gewübolich  «ein  tollte,  war  er  aarnbig,  (rünnteritob  ,  wie  er  i* 
■ein  pflegt ,  wean  mto  einnatal  ein  leicblaa  fieberbaiXea  Unimbliein  la  dea 
GUadara  bat.    Nan  war  mir  Sfi^mhamt  Hada  erat  vcratSudÜch. 


—    4121,   — 

hsrcMbenden  aknten.    Jeder  Xwmt  aber,  der  einen  nngefähr^  U^ 
liencblag    über   die  Geiuuiimlzahl    der  Kranken  ^acht,    welche  er  " 
in    ein^m  Zeitranme-  ron    20  oder   30  Jahren    bahandell   hat,    der 
wird  wol,   denke  icb,  zugeben,    dafs  mein  aiifg  est  eliter  Satz  sieb 
bei  der  Mehrcahl  bestiftigei  habe. 

In  diesem  Satie  liegt  denn  eucb  der  Anfang  aller  lalroaopbie. 
Die  praktiacben  Folgerungen,  die  ich  ans  deoiaelben  siebe,  lan- 
teo  also. 

1)  Da  jeder  kranke  Körper,  durch  die  Krankheil  .selbst,  ifl 
ein  eigenes,  neues  VerhSllnifs  zu  der  Araenei  gesteltei  ist,  wel- 
ches ich  richtig  ta  scfaStzen  augenblicklich  nicht  befähiget  bin, 
so  handle  ich  hftchst  anwaise,  wenn  ich  den  kranken  Kfirper 
durch  solche  Arzeneien  gesund  xn  machen  versucbe,  welche  einen 
gesunden  krank  machen.  Wer  yashäigbeB  mir  denn,  dafa  die  im 
gesunden  KSrper  sich  Bafiernde  feindliche  Wirkung  der  Arsenei 
zieh  nicht  zebn-,  ja  swanzigraabl  feindlicher  in  dem  kranken  Su- 
iseren  kSnne,  und  ich  statt  Heilmeister  zu  sein  Giftspender 
Werdet  — 

2)  Da  ich,  zum  Heilea  eines  Kranken  anfgefodert,  unmSg- 
lich  wulnnds  wissen  kann ,  wie  das  Verhftitnifs  seines  K&rpers 
zur  Aufienwelt  (zu  den  Arzeneien)  verfindert  sei,  so  band!«  ich 
anvorsichlig,  wenn  ich  ihm  die  Arzenei  in  solchen  Gaben  reiche, 
wie  sie  ein  Gesunder,  ohne  feindlich  davon  berührt  zu  werden, 
allenfalls  vertragen  mSchte.  Macht  sie  auch  in  diesen  Gaben  den 
Leichikcsuken  nicht  gerade  zum  Tudtkranken,  so  wird  sie  doch 
die  Heilung,  die  sie  in  geringeren  Gaben  hfitte  bewirlieo  kSnnen, 
weit  eher  hindern  als  befSrdern. 

3)  Da  das  verftoderte  Verhftitnifs  des  kranken  Körpers  zur 
Anfsenwelt  blofs  als  Erscheinung  bcobaobibar,  nicht  aber  in  sei- 
nem Wesen  verstandhaft  erkennbar  ist,  z«  offenbaret  die  Meinung 
mancher  Aerzte,  als  ob'  Arzeneien,  welche  in  dem  ge- 
sunden Körper  keine  bemerkbare  Ver^ndernng  her- 
vorbringen (selbst  nicht  in  grofsen  Gaben),  als 
Heilmittel  unwirksam. seien,  einen  grofsen  Unverstand  und 
grobe  Unkennlnifs  des  erkrankten  Menschenleibes.  Dieser  Mei- 
nung haben  wir  zum  Theil  das  sogenannte  Obsolelwerden  edler, 
ja  nnerselzlicher  Heilmittel  zuzuschreiben,  und  wenn  die  unver- 
kennbare Neigung  unserer  heutigen  Praktiker,  solche  Mittel  wie- 
der ans  der  hlten  Rüstkammer  hervorzuziehen  und  ihren  Werlh 
richtiger  zu  schätzen,  eine  lobensweribe  Anniherung  zur  Wahr- 
heit beweiset,  so  beweiset  sie  doch  anch  gleichzeitig  den  Irrgang 
der  alleren  tbeoretisirenden ,  vermpiniticb  gelehrten  Aerzte,  und 
verdftchiiget  für  und  für  jedem  schlicht  verständigen  Manne  alles 
theoretische  Geschwätz  über  die  Wirkung  der  Arzeneien. 

Jetzt  «eile  ich  zum  Scblosze  noch  folgende  Frage  auf:  ist  es 


—  1!2«  — 
• 
für  di«  Knnit  ersprierslich  dem  Zwech«  denelben,  dem  Ileilen 
fSrderlicb,  dafs,  weil  ein  besiinimter,  klarer  Begriff  des  feindlich 
und  Dtifeindlich  Einwirkenden  nnmSglich,  man  den  aui  der  Beob> 
achtung  licb  ergebenden  unklHren,  blofa  annBhernden  Begriff  nn- 
beachtet  ISfsl,  feindlicbe  nnd  unfeindlicbe  Mittel,  wo  nicht  w3n- 
lich,  doch  tbfillich  in  Eine  Kategorie  wirft  I  —  Ich  kann  dies« 
Frag«  nit  gutem  Gewissen  nicht  bejahen;  mir  scheint  vielmehr, 
da,  wo  nao  die  Wahrheil  nicht  gerade  beim  Schopf  greifen  kann, 
bleibt  eadoch  immer  besser,  sieh  derselben  mehr  oder  minder  «i 
nShem ,  als  sie  ganz  aus  dem  Auge  lu  verlieren. 


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—     1123    — 


Seehstes    KapIteL 

Tma  «er  KnHBtihellH««  «■«  vm  ««r  Br«««vliellMH«. 

-■^s  isl  Mhr  gnt,  dafs  jeder  praktUctie  Ant  sieb  denilich  den- 
ke, auf  wie  maocherlei  Weise  durch  die  Kunst  geheilt  werden 
kann.  Abgesehen  ron  anderen  wicbligen  Vortheilen,  die  diese 
Erkenntnirs  gewähret,  schülil  sie  ans  am  besten  vor  allem  lieb- 
losen Srsllicheo  Splitierrichten.  Ich  habe,  ehrlich  sei  es  gestan- 
den, nie  eine  Anwandlung  von  Spott  unterdruclcen  können,  so  oft 
ich  las,  dab  Männer,  die  uns  einen  angeblich  besseren  Weg  znr 
Heilaog  zeigen  wollten,  diesen  nenen  oder  altnenen  Weg  nicht 
blofa  als  den  vorzüglicheren,  das  heifst,  als  den  kümeslen  nnd  ai- 
cherstan,  sondern  als  den  einzig  wahren  anpriesen,  nnd  allen  Aers- 
len  weis  machen  wollten ,  jeder  andere  Weg  führe  nicht  zum 
Heilen,  sondern  aum  Verderben  des  Kranken;  ja,  wo  Heilung 
anf  jede  andere  Weise  erfolgt,  sei  sie  entweder  blofs  durch 
die  nnkünstige  Natnr,  oder  auch  wol  dadurch  bewirkt,  dafs  der 
Arzt  zonillig  nnd  bewiifstlos  den  nen  angezeigten  Heilweg  einge- 
schlagen. Ich  dachte  mir  früher  nicht  gans  deutlich,  warum  mich 
bei  aolchen  Aeofserongen  ein  Spoflkitzel  anwandelte;  seit  ich  aber 
grofsj&hrig  geworden,  denke  ich  es  mir  recht  denilich.  Jener  Kiz- 
sel  wurde  nSmIich  durch  den  grellen  Widerspruch  aufgeregt,  wel- 
eher  zwischen  dem  kühnen  Willen  der  Reformatnren  nnd  ihrer 
geistigen  Benhigung  zum  Reformiren  Statt  fand. 

Wenn  ein  Kunslgürtner  Irgend  eine  kanstgtlrtnenscha  Anlage 
Machen  will,  so  besohanet  er  doch  zuerst  den  Grund,  den  er  ver- 
achSoern  soll ;  er  stellet  sich  zu  dem  Ende  nicht  in  eine  Grube, 
sondern  anf  ein«  H5he,  von  der  er  den  ganzen  Plan  genau  nber- 
sehen  kann..  Eben  so  machen  es  auch  die  Mefskundigen ,  wenn 
ne  eine  neue  Kuntlatrafse  anlegen  wollen.  Sie  nehmen  eine  genaue 
K«rte  tnr  Hand,  sie  steigen  auf  Tbürme,  sie  stecken  Stangen  anf 
hohe  Bftnme,  und  machen  sich  so  einen  anschaulichen  Begriff  von 
der  Gegend,  dnreh  welche  sie  die  Slrafse  führen  wollen. 


—    1124    — 

Nun,  sollt«  denn  der  Arzt,  der  einen  neuen  Weg  snra  Hei- 
)en  bahnen  will,  sich  nicht  auch  suent  mit  dem  Roden  genau  be- 
kannt machen  müueo,  auf  welchem  er  ihn  anzulegen  gedenkt! 
Der  erkrankte  Menschenleib  iat  dieser  Boden,  nicht  wie  die  Phan- 
tasie sich  ihn  vorstellet,  sondern  wie  er  durch  mehrjährige,  sorg- 
fähige,  voruriheilfreie,  vergleichende  Beobachtungen  sich  uns  zeigt. 
Wer  ihn  auf  die  Weise  kennen  gelernt  bat,  dem  ist  es  auch  deut- 
lich geworden,  dafs  das  Heilen  auf  verschiedene  Weise  geschehen 
könne,  und  dafs  jeder,  der  dieses  Igugne,  als  ein  des  Budena  ganz 
Unkundiger,  suin  Wegweisen  oder  Wegmachen  gana  nobeAhi- 
get  sei. 

Wenn  ich  behaupte,  die  Lehre  der  alten  Gebeim&rsle  sage 
meinem  Verstände  besser  zo  all  die  Lehitai  aller  andarea  Schu- 
len ,  aie  habe  sich  mir  bei  Uebung  der  Kunst  besser  bewähret, 
nicht  als  redselige  Erklftrerinn  des  Gebeilten, .  sondern  als  treoe 
Leiierinn  bei  dem,  was  noch  geheilt  werden  soll;  so  behaupte 
ich  dadurch  nicht,  jede  auf  eine  andere  Lehre  basirie  Heilart  sei 
yerderblicb,  lödilich,  verdammlich.  Wollte  ich  eine  solch  ibSricb- 
le  Hede  iubren,  so  würde  ich  dadurch  beweisen,  dafs  ich  den  er- 
krankten Menschenleib  nie  durch  vergleichende  Beobachtung  ken- 
nen gelernt;  ich  würde  die  Lehre,  die  ich  für  die  bessere  halle, 
selbst  verdftchtigen ,  sie  als  eine  solch«  darstellen ,  die ,  um  sie 
annehmlich  zu  machen,  einer  lügenhaften  Aufmntxung  bedürfe. 
Sie  bedarf  derselben  wahrlich  nicht,  darum  will  ich  auch  ge- 
trost meinen  jüngeren  Lesern  die  verschiedenen  Heilnrien  dar- 
stellen, die  Voriheile  und  Nachiheile  Jeder  einzelnen,  so  weit 
meine  tlrfabrung  reicht,  zeigen,  und  so  nnparieiisch  dabei  verfuh- 
ren, als  es  einem  ehrlichen  Manne  bei  dem  besten '  Willen  nur 
möglich  ist.  LVbrigens  können  die  Leser  nur  Uofse  AndeMtnngen 
erwarten,  denn  wollte  ich  den  Gegenstand  ausführlich  abhandeln, 
so  mnfsle  ich  wol  ein  ganzes  Buch  daiüber  schreiben:  Nun  snr 
Sache ! 

A*    H.  «.M  ■Clsellnac. 

I.  Indirekte, 
1)   Sj'mptomiitische 
a)  Heilendes  Einwirken  auf  ein  Organ  ,  in  welchem  eine  ASek- 
tion des  GesammtorganismuB  vorwallet. 

Xacb  theoretischer  Ansicht  sollte  man  denken,  solch  eine 
sjni|iioaiatiHche  Behnndliing  könne  nie  zum  Heilen  führen;  in 
der  Wirklichkeit  überzeugt  man  sich  aber  davon.  Die  Ruhr, 
welche  eine  in  den  Därmen  vorwaltende  Affektion  desGesammi- 
orgHuisnius  isi ,  heilt  luan  fieilich  am  sichersten  nnd  geschwin- 
desten  durch    Einwirken    auf   den   Gesauimlorganisnius;     wer 


—    UM    - 

wollte  abv  IttfignsD,  daj^  sie.^nch  dtu^b  Eit^wirftiini;  auf  tkn 
DarmkaDul  könse  gebeiU  wentfl^f  Freilich  h«ilt  man  durch 
letzte  Behandlung  langsafner  als  durch  erite;  mitfiin  müssen 
alle  und  schwackc  KSrper»  die  die  Krankheit  nicht  lange  er- 
tragen kSnneo,  ihr  unterliegen,  Angina  totuiHarü  wird,  wenn 
sie  nicht  sehr  heftig  ist,  durch  xeriheileade  Umschlüge  oder 
Salben  geheili.  Sicher  ist  diese  Heitart  freilich  nicht,  denn 
die  Entiündiiog  kaan  eben  sowol  in  Eiterung  übergeheo  als 
sich  zeriheilen.  Auch  leichtere  Bruatenizrindungen  werden  oft 
von  den  Landleulen  blofs  durch  einen  erweichenden  Breiunt- 
schlag auf  die  Bchmershafte  Stelle  geheilt.  Meine  Gedanken 
über  solche  Heilung  sind  folgende.  Bei  jeder  in  einem  Or- 
gane vorwaltenden  Affektion  des  Gesammtorganismiis  ist  doch 
die  Verrichtung  dieses  Organa  mehr  oder  minder  gestSrt,  nnd 
diese  Si5mng  mufa,  wie  jeder  Reiz,  consensuell  auf  die  gan- 
ze Körpermaschine  znrnekWirkead,  die  Aufregung,  welche  die 
Uraffaktioa  des  GeiiammiorganisMsus  bewirkt,  TerstSrken.  Darcfa 
Bescfa wicht  ignng  dieser  Organaidrung  greifen  wir  jedenfalls 
WohlihBttg  in  den  Krank  beilsprozefs  ein  nnd  vermindern  die 
Gefebr  «oes  t&dilioben  Aasganges,  in  so  fern  nämlich  die 
StSrm^,  die  das  Vorwalten  der  Affektion  des  Gesammlorga- 
Disraua  in  einem  Organe  bewirkt,  nicht  wenig  znr  GefShrlicb- 
keit  der  Krankheil  beitrügt.  Unvullkommen  sind  solche  Hei- 
lungen darin,  dafs  die  ABeklion  des  GesnmnUorganismBS  sich 
■elbst  überlasse»  bleibt,  mithin  schwache  Menschen  leicht  ster- 
ben, die  maa  durch  eine  gründlichere  Heilung  bftlle  erbaliea 
kdanea. 

b)  iBei  Organkrankheilen.)  Das,  Einwirken  anf  ein  conseBsuell- 
•rgrifienea  Oi^^n,  ohne  das  urergriffeaa  zu  be  rück  xi  cht  igen. 
Auch  diese  Heilang  sollte  man,  pb^rBachlieb  die  Sache  be- 
Irncbiet,  Enraomöglicb  halten,;  sie  ist  ^bw  nicht  blob  mSglicb, 
sondern  sie  wird  fafiufig,  wissend  und  nt)wiH«nd,  von  den  Aerz- 
len  geäbt.  .So  habe  ich  z.  B,  mehrmaUs  in  meinem  Leben  Cq- 
licam.  ie/Mticam,  oder  nephritieam  durch  bivises  befiihigendes 
Einwirken  auf  die  DSrme  gebeilt,  und  später  wurde  mir  es 
ent  deutlich,  mit  welchem  Feinde  ich  eigentlich  m  ibun  ge- 
habt. Solche  Heilungen  sind  nnsicber.  Wer  seine  OrgHnmit- 
tel  genau  kennet,  dar  wird  auch  gewöhnlich  gennhr  werden, 
da£i  sie  in  solchen  Fällen  nicht  die  volle  Wirkung,  son- 
dern kaum  die  halbe  Bufsern.  Die  Heilung  der  Cholera, 
wie  sie  in  unseren  Tage»  von  den  meisten  Aerzien  versucht 
ist,  gefa&rt  auch  in  die  Kategorie  der  symptomatischen;  wie 
nnsicber  sie  ist ,  beweiset  die  grofse  Sterblichkeit  «iir  Ge- 
nüge. 


.—    1126    — 

3)   Nachbarliehei,    anf«ind[ieb«t  Heilen. 

Bei  Organ erkranknngeo  liann  mao  auf  ein  benaehbanee, 
nicht  conBensuellerkraaktes  Organ,  iinreinillich  einwirken  und 
das  iirerkrankte  dadurch  heilen.  So  habe  ich  daa  Urleiden 
Mei  DarnikanaU,  weichet  sich  durch  befiigea  Erbrechen  und 
Kolik  ftufserte,  durch  Bedecken  dei  ganxeD  Batichei  mit  ei- 
nem Kitsen  von  Krauseinünte,  nicht  einbildiach,  sondern  sicht- 
bar geheilt.  Bei  epidemischer  Ciehirnaffektion  habe  ich  Kin- 
dern durch  Bedecken  des  gansen  kahl  geschorenen  Kopfes  mit 
Zink-  oder  Galmeisalbe  das  kranke  Gehirn  gesund  gemacht. 
Diese  Heilart  ist  auch  unsicher,  aber  doch  unschfidlicb  und 
in  manchen  FSllen  ganx  unentbehrlich. 

3)  Gegnerisches  Heilen. 
NB.  So  viel  ich  den  Mensebenleib  beohaiJitet ,  findet  ein  Ant- 
agonismus Statt,  sowol  awiscben  dem  Gesanmtorganismus  und 
den  eloxelnen  O^aaen ,  als  auch  nwischen  den  Organen  ge- 
genseitig. Anf  diesen  Doppelanlagonismus  griioden  sich  iwei 
gegnerische  Heilarleu,  die  aber  in  manchen  FSiien  lO  ineinan- 
der flieisen ,  dafs  es  suweilen  schwierig  su  beatiMncB  sein 
raöchl* ,  wie  in  dem  Einseifalle  sich  die  Heilung  gemaekt. 

A,  Feindlicket  Angreife»  de*  GetaMmtarganitmu: 
».  Qneeksilherknr. 

Dieses  Metall  macht  eine  Erkrankung  des  Gesamulorganis- 
mns,  welche ,  wie  ich  schon  früher  gesagt,  unter  der  Heilge- 
wall des  Kupfers  stehet.  Dafs  man  dadurch  ein  nrerkranktes 
Organ  xom  Normalstande  snruckfiihren  könne,  stelle  ich  gar 
nicht  in  Abrede,  denn  ich  habe  früher  anch  mit  diesem  Beile 
gehauen  und  weifa  recht  gut  .dafs  es  scharf  ist.  Vom  Kopfe 
bis  in  den  FQfaen  ist  vielleicht  kein  Organ,  welches  man  da- 
mit nidit  heilen  kSnnte.  Das  Bedenkliche  bei  seiner  Anwen- 
dung ist  Folgendes. 

Es  ist  unsicher  als  Heilmittel.  Es  kann  all«  nrerkmokte 
Organe  heilen,  aber  es  heilt  sie  darum  nicht  immer. 

Bei  Anschoppung  der  Bancheiageweide ,  bei  Lungenknoien, 
kann  es  eben  so  gut  den  Uebergang  in  Eiterung  als  die  Zer- 
tbeilnag  bewirken,  also  eben  so  gut  todten  als  heilen.  Kein 
Arst  in  der  Welt  Ist  im  Stande,  den  sinnlich  eritaonbaren 
Punkt  anzugeben  ,  jenseits  welches  der  Quecinilbergebniueh 
gefahrroll  ist.  Das,  was  wir  Yerstopfong,  Aneohoppnng  neu* 
nen,  ist  snweileo  gar  nicht  mit  H&nden  tastbar,  wird  aber  su- 
weilen,  durch  den  Qaecksilbergebraucb  gesteigert,  tastbar,  wo 
denn  die  spHte  Entdeckung  dem  Kranken  auch  eben  nicht  xum 
Heile   gereichen   möchte.     Ei   ist   also  das  Quecksilber,    wir- 


—     1147    — 

«»gen  M  Dua  i»  der  Abwcbl  gebeo^  vcnHopfte  Organ«,  ver- 
hürtflte  Driiaeo  aufzulösen,  oder  et  in  nndsnr  Abiicht  lol. 
cbwi  Kranken  reichen,  w«lcb«  geheime,  unerkannte  Ahnormi- 
iSieo  in  ibraoi  Körper  bergen,  ein  lehr  gefUbrlicbei  Miltel. 
Wer  da  glaubt,  m»a  könne  dergleichen  verborgene  Disg«,  sn 
dem  Kranken  gernfeo,  aoalund«  durch  Anafragen  und  Befüh- 
len erkennen,  der  mufg  seine  Kunst  mehr  in  den  Bachern  ak 
in  der  Natur  etudirt  haben,  und  mit  solchen  papierischen  Gei- 
stern ist  freilich  üb^l  sn  sprechen. 

Das  Quecksilber  ist  nur  mit  Sicherheit  ia  Organkrankbei- 
ttQ  bei  dem  Indifferensslaode  des  Gesammtorganismus  anxn- 
wendeo,  mit  Vorbehalt  jedoch  dessen,  was  ich  eban  gesagt. 

Ca  ist  mit  Sicherheil  anwendbar  bei  der  Salpeteraffektion 
des  Geaanvutorganismns ;  jedoch ,  wenn  diese  als  Entxündung 
stark  in  einem  O^ane  rorwaltel,  nur  nach  einem  rekhlMhen 
Aderlaft. 

Bei  Eisen  -  und  Knpferaffektien  du  Gesamutorganismas 
schadet  es,  und  schadet  unberechenbar,  weil  seine  Wirknitg, 
nicht  wie  die,  mancher  anderer  Mittel,  bald  vorübergehend, 
sondern  lang  anhaltend  ist.  Eisen-  und  Kupferaffektion  sind 
aber,  wie  ich  früher  geeagt,  in  manchen  Fttllen  durch  Zeichen 
nicht  EU  erkennen,  sondern,  können  nur  durch  Probe  mittel  er- 
kannt werden.  Das  Quecksilber  ist  nun  freilich  auch  ein  Pro- 
bemiltel,  allein  es  dringt  dem  Arsle  die  Erkennioils  so  auf, 
dafs  der  Kranke  grofson  Nachtheil  davon  bat,  ja  dafs  nii^l 
selten  sein  Laben  dadurch  gefährdet  wird.  Bei  akulen  Krank- 
baiien  Subert  sich  suweilen  in  solchen  Füllen  auf  den  Ge- 
brauch dieser  PanaKee  ein  pldizlicher  Verfall  der  Kraft«,  Ja 
das  Sterben  selbe*  tritt  ein.  Sind  wir  denn  auch  im  Stande» 
diese  feindliche  Wirkung  so  schnell  wieder  aufzuheben  als  es 
die  Erhaltung  des  Kranken  erfodert?  Es  könnte  möglich  seia, 
dafs  der  Tod  schneller  seine  Gewalt  äufaerte  rTi  des  Qneek- 
silberarzles  Antidolum,  gesetzt,  er  kennet«  auch  ein  raseher 
wirkendes  als  ich,  was  jedoch  noch  problematisch  sein  möchte, 
b.  Aderlässen. 

Ohne  anf  das  Wie  der  Wirkung  des  Aderlassens  einzuge- 
hen, steile  ich  folgende,  blofs  durch  Beobachtung  ansgemittel- 
le  Sätze  auf.  Bei  einem  Gesunden  wirkt  das  Aderlassen  zwar 
fühlbar  feindlich;  ist  es  aber  nicht  reichlich  and  wird  es  nicht 
mehrmnhls  wiederholt,  so  verschwindet  das  dadarcb  bervorge- 
bra^te  Gefühl  von  Angegriffsnseio  früher  oder  spXler  von 
seihst  wieder.  Die  durch  gar  zu  reichlichen  Blutverlust  ver- 
ursachte Hinfölligkeil,  die  nicht  bald  von  selbst  verschwindet, 
ist  eine  Eisen  -,  oder  Kupferaffekiion  des  Gesammtorganismus, 
häufiger  aber  erste  als  letzte.     Sie  kann ,  je  nachdem  sie  ge- 


—    113S    —       . 

arlAt  Ut,  ianM  dhf  elitd*  o4er  Art  miAmw  MiH«l  bM«4i{g«t 
Werden.  Ein  ^ns  oHgemMMBti'  BluinriMt  kann'  ab«r  nur 
ddnA  die  Zi*It  Mit  wlnan  Pcitg«n  gtnw  bnaiiigat  werdea; 
«cliQeller  vielleicht  durtb  die  IVtm^/iitio»,  ioh  habe  aber  dar- 
über keine  ErtArtog. 

Bei  allen  UrorganeriErankangtn  und  in  dm' daTwi  abbaog en- 
den Fiebern ,  b«i  d«neo  der  C^ammlorgMiMinn'  aieh  in  den 
IhdifTerenMlande  be6iidet,  bat  daf  Aderlanen,  wenn  •■  nicht 
gar  an  reichlieh  and  wiwlerl»It  angewendet  wird ,  lo  wenig 
all  bei  Gemnden  eine  bleibende  hindliohe  Wirkong.  Da  nnn 
Organe rltranknngcn  aebr  hSnfig  Tortiemmen,  mo  folgt  daraHi, 
dnffl  das  Aderlaeien  in  gar  vielea  Krapikbekifonnen  aha«  aaf- 
falleaden  Nachtheil  kann  angewendet  werden..  Aber  deshalb, 
well  ei  ohne  ■{chibareD  Nacbihell  kann  angeweRdet  werden, 
ifll  ei  nicht  in  allen  diaien  Fallen  Heilaiiltcl.  Caai  aaver> 
kennbar  wird  der  Begriff  dei  Heilenden  nnd  der  dee  {JnwhSd- 
lichen  TM  manch«»  Anvten  Terweebaek.  Varhirite  sich  daa 
nicht  m,  wie  wGrde  m  deno'  möglidi  eeinr  data  Bagtüii  (Prm- 
xü  JUed.  LA.  I.  pKg.  i4t,J  aagen  kdantt:  Ommea  mcuttu 
fehrt*  per  aamguinit  miniomem  tmrMre  iitaipio,  ita  wnii  dictim- 
t9  experivmHa;  et  Hiqtitime  aiatnavit  ptitt  Momgvimi»  rnttii»- 
nem  nqtervtni—e  ndortm  cum  levmmime  ^timttia.  (Ueber 
daa  Levame»  juttiemti»  werde  ich  weiter  nnten  mehr  mgen.) 
Nun  wHI  ich  anseigen,  waa  man  mit  de»  AderiaaMa  in 
Krankbeilen  aaarii^ien  kann. 

SalpeteraffektiOD,  welche  ala  akafea  Fieber  tich  «ffenbaret, 
ond  ala  Encfindiing  in  einem  Organ  vorwaltet,  kämm  darch 
wiederholtea  Aderiaateo  geheilt  werden.*) 

'.  *)  Mir  war  e*  icbon  ia  ■«iaer  Jnsand  fiaflallend ,  dah ,  ireaB  M  der  Raireii« 
wShraDd  oder  glilcb  aiebdcn  Aderluien  iti  Bradliidin  bedasteod  BiBdar- 
te,  Dach  e\ntm  kalben  T*f',  inweilen  noek  balder,  altei  wiedar  bgln-Altea 
war.  leb  ichlnfi  darana,  die  BlDlentleernng  tEnD«  «1i  EalleerBBn  nnwlc- 
Heb  die  grorie  Brleicblenm;  bewirkt  bnben,  dena  da  da*  beraaigelaHeie  Bist 
doeb  oiflbl  ae  bärtig  enelit  aal,  *<■  nlfaU  die  fote  Wirfaaitf,  weaa  ria  Matk 
raa  der  EntleeroeK  abbiage ,  decb  bleibender  ftia.  lek  kiB  daahak  aaf  4ea 
Gedankaa,  nicbt  die  EatlaeniDg  aelbct,  (andern  die  durch  die  EBtlearasi  be- 
wirkte feindllcbe  Eiewirkaog  auf  die  ganui  KSrpermuchipe  KBiaa  bier  dai 
Agem  aeia  ,  ond  to  lag  mir  itr  Gedanke  ganz  nahe,  die  dnrcb  wiederkalte 
nnd  reicbllcbe  Bleien Itiebang  bewirkte  nad  aaterbatleae  Tefadlicbe  Biawtrkaaf 
aaf  dea  ganiea  RIrper,  darch  Qaeekattber  an  enetien.  DaHaUi  (an  Bade 
det  Torigea  Jabiteadarte)  warde  die««  Hrilarl  ia  Dealiohlaad  aoeb  maig  g«- 
Sbt;  ile  geSsl  mir  aber  beiaer  ala  die  alle,  beaooder*  bei  Laadlettea,  wo  daa 
bDere  Wiederboten  dea  AderlasaeDi  ancb  aeiaen  Haken  bat.  Jelil ,  da  icb 
den  If eoiekenleib  elwai  genaaer  kennea  gelernt ,  kann  icb  mich  lach  aickt 
von  dem  Gedanken  loa  maehen,  dal^  die  wtederbolte  Blnteolleenng  bloh  doreb 
feiadliehei  Angreifen  dei  ganaea  RVrpera  aatagsaiitiaeb  da«  aBhaanbafta  Var- 
walien  der  Salr«laraffekliaa  bab«. 


—  wt»  — 

SehmanbsftM  Vonnilt«i  «Id«*  Kapf«r-,  odar  Biaemiffebtioii 
d*s  finamimorgsniaiiiuB  kann  <lnrch  AderlasKn  noch  schnel- 
lar  gebobfln  wardea  «]g  dai  ■cbmenhafia  Vorwaliaa  maer  S*l- 
petemlfelilioD. 

Ol«  Urerknnknng  jedai  Orgau  und  daa  T«n  denelbau'  ab- 
hängend« eonsentuelle  Fieber  kann  durch  AdarlaMen  (wo  nicht 
gerade  dnrch  ein  einaigaa,  duch  darofa  mehre]  beeeiiiget 
werden. 

Da  Dan,  wenbe  Leterl  unter  dioae  drei  Kategorien  lich  der 
gröfate  Tfaeil  der  Krankhettan  reihen  labt,  so  werdet  Ihr  mich 
«■hriurftig  niebt  besduildigaa,.  dafa  ieh  in  den  Augen  Unofah- 
raker  die  Macht  der  Blulendeerang  zu  rerkleineren  auobe. 

Jelat  mnfe  ich  aber  «aoh,  am  unpaNeilsch  lu  sein,  den 
Nacbifaell  nad  die  IJosieherhelt  der  Biuienileerii.ng  bemerken. 

Wenn  in  einem  Organa  die  lohinerxbafte  Vorwaliimg  einer 
Eilen-,  oder  KopfetaStikiion  de>  GeiannMbrgaoiamua  durch 
.  Aderiauea  weit  eaaoher  gefaetwn  wird  ala  das  Vorwalten  einer 
SolpeteraSektioa,  so  ist  dach  dndurcfa  dieElsea-,  otlerKnprer- 
affektien  des  GennHMorgwiiaiBiia  selbst  mdu  gehoben,  son- 
dern vielmebr  veraofatinuieft.  Damni'  siehei  man  i.  B.  bei 
Eieen-,  oder  Kupferplentesien  das  Seitenstechen  nicht  aeltea 
naeh  einem  eioaigen  mft&igeo  Aderlab  verschwinden,  den 
Kranken  aber  sehr  schwaeb  werden,  Ja  wol  in  Irrsinn  fallen. 
Cr  bat  dann  vam  Gliick«  aoi^  xn  iBgen,  wenn  er  mit  dem  Le- 
ben davon  komwi.  Ua  ee  nnn  sehr  achwiefTg,  ja  in  manchen ' 
Pfllteo  »mBglich  ist,  im  Anfange  akuter  Krankheiten  den 
Znsland  des  Gesammtorgsniamae  ans  den  ZuAllen  richtig  zn 
beonhailen,  besoodera  wenn  aalebe  Fieber  als  Undgftngige  an- 
erat  aolweten;  so  ist  du  Aderlaaaao  in  dteaen  Fällen  ein  Mah- 
re« Wörfelapiel. 

Hinaiebtlich  der  Urerkranknng  .dar  Organa  ist  m  bemerken, 
dalä  daa  Aderlässen  zwar  solche  Erkrankungen  heilen  kann, 
aie  aber  bei  weitem  nicht  immer  heiEt.  In  manchen  Fälipn 
iat  aneb  die  Wirkung  dea  wiederholten  Aderlasaena  tödilich, 
welchea  freilieb  nicht  iunMr  geBiftchlich  au  erklären  sein  möch- 
te. Eine  solch  tödtliebe  Wirknag  des  wiederholten  Aderlas- 
aens  siebet  man  am  ersten  bei*  der  als  Pleuritis  behandeltenL 
schmerzhafien  Urlebererkrankung.  In  vielen  Füllen  ist  auch 
die  durch  Aderlässen  bewirkte  Heilung  der  Organe  nicht  eine 
wirkliche  Heilong,  «ondern  blofs  eine  Beschwichtigung  eines 
gewissen  Qradea  rott  Steigerung  des  Orgaaleidenfl.  Die  Er- 
krankung dea  Organs  bleibt,  und  ist  nur  zum  chronischen 
Uebel  umgewandelt,  welchea  hinlennacb  durch  das  geeignete 
Organmittel  weit  achwieriger  zu  beben  iat,  als  wenn  man  ea 
gleich  anfänglich  damit  aitgegriffen  h&tle.    Solche  dorcb  Ader- 


—    1130    — 

InMn  vermvioilieh  gvtieilt«  Orgaii*rkrankitBt{«u  kaiumen  mir 
slljährlich  so  oft  vor,  dafs  ich  laicb  to  iltessiM  Punkte  unmüg- 
lich  tftuacbcn  kann. 

Wenn  ich  nun  bmlenk«,  wi»  sehr  tänachesd  in  vielen  f'i(- 
len  di«  gut«  Wiiküng  dea  AdcrlaiHUa  iat,  wi«  die  A«r»p, 
Wati  an  die  enlsfi  n da ngs widrige  Kraft  deuelben  denkend,  seht 
geneigt  lind ,  ans  der  heilenden  und  aui  der  l>eac k wichtigen- 
den  Wirlcung  deiielben  auf  eine  enizündliche  Natur  der  ge- 
heilten oder  beach  wicht  igten  Krankheiten  in  schlieCieo,  wenn 
ich  femer  bedenke,  in  wie  vielen  Fttllen  ee,  oboe  zu  heilen, 
blofi  nicht  licfaibar  schadet,  wo  dann  die  Einbildung  des  An- 
te» Tolleads  freien  Spielraum  hat,  von  allerlei  heinlieheB  und 
herrlichen  Wirkungen  daseelben  su  fabeln:  so  kann  ich  mich 
nicht  melw  wandern,  dafa,  bei  der  Menge  von  Abbandluagen 
über  das  Aderlasaen,  welche  die  Literatur  uns  darbietet,*) 
man  in  prakliseber  Hinsicbt  am  Ende  ao  klug  ist  als  im  An- 
fange. Entweder  gründen  sich  in  denaelhen  die  Anseichen  zum 
Aderlasaen  auf  einen  gedankenhildliohen  Krankbeitsaostand, 
VOM  dem  zehn  und  zwaniig  Leser  sieh  nach  zehn  nnd  zwait- 
lig  verschiedene  Vorstellungen  machen  kennen,  oder  ea  sind 
darin  solche  das  Aderlassen  anrathende  Zeichen  aufgcaiellet, 
welche  in  der  Wiriciichkeit  sich  so  wenig  sicher  bewähren, 
als  die  Aderlafatafel  des  hinkenden  Bothen.  Die  praktische 
Quinieasena  alles  dessen ,  was  ieh  über  das  Aderlassen  gele- 
sen, lautet,  entkleidet  von  aller  gelehrten  gedankenbildlichen 
Verpoppiing,  ungeftihr  wie  der  Haih  dea  Victtr  Ftne»tütm* 
beim  Pestfieher :  In  febre  ptitÜentiali  st  ittns  apparnerint  tigtui 
■«Ngviaif  ttimdatitii ,  cave  a  pAiebotomia  ticut  m  diaiolo.-  n 
vere  apparuerint  cmm  robvre  virium  et  aetat«  commeda ,  »i  tu 
man  phlebotomabi* ,  saxgw»  jiutui  *uptr  t«  et  ßtiot.  '*)  Das 
Schlimmste  iat  nur,  dafs  die  »igna  lunguiiti»  ahvndantU  sehr 
nosicher  sind;  ein  voller  starker  Pala  bat  wahrlich  »chon  man- 


*)  Dia  baswiiligite  t*d  •lim,  die  ick  j«  (alMai,  fit  dt«  dei  BetHnt.  Mtioem 
jäo)«r«u  Lei«rii,  weicke  diatea  Setiriftitallar ,  ttr  bektanilich  litrasiatbeM- 
liker  lain  loll ,  riellelcht  ssr  dasi  Nimcr  Mch  kennen ,  will  ieh  ainBahl  tar 
Erfstinng  lin«  kltiaa  Probe  Minar  grindlichea  Scbreibiii  mittbeilen.  In  der 
AbbtndlaDg  Dt  tanguinit  mi$titiit  (pag.  109.)  beifit  ei :  Per  mit§i»item  na- 
faiitit  KijHi  faamlitaUm  ^v$ ,  ntmo  etl  qnt  dubittt ,  ml  d»bUore  ptnil; 
mqHe  aiiAa  mftiio  langatiiii  <if  aliud,  ftam  dtrtvglia  ejnt  extr*  cTjml, 
qmi  fitri  Jt«M  pattll  ahtjua  to,  qnad  umitenm  fuamUlaM  («sfiilaft  .fimi 
tmul»  mlHar,  fuamia  «t  frtta  tjua,  fHa«  teritmtmr  *rtrm  c»rpH*. 

Soll!«  B«n  nicht  danken  ,  dar  gelahrte  Mus  haha  fir  Esel  sad  Sehvaiaa, 
■lebt  für  verstandige  Ueaichen  getchriabenl  —  Wenn  tu  atoe  nalh««ntl- 
Bche  Schreibart  iai ,  dann  bewahre  oni   Gott  vor  aller  Hathenalik. 

**}  Ich  habe  di«  Dirriicbe  Stelle  in  th-.  Hertt  Warken  gefondea,  LH.  Vit.  hia- 
ler  der  S3.  Baehaehling  in  efnaa  Briefe  dm  /.   W*t^m»i  Rar««. 


—    IUI     - 

ohein  Kranken  d«n  Hali  g«koil«l,  and  daa  Boimr  virUim  lio- 
b«t  man,  sclbit  aetate  commoda,  ni«bl  gar  Bellen  nach  £!• 
Dem  Aderlals  ao  wnnJeriMr  venebwindan,  dafa  einen  der 
Glaabe  aufgadmngen  wird,  man  habe  iwar  dem  Krenken 
aetate  cemmwi» ,  aber  tempore  perimcomModo  dai  Blul  abge- 
upft. 

Solcbe  Aente,  die  bleh  ant  dai  scbanen,  was  da«  Ader- 
laaaen  heilt,  aber  nimmer  auf  dat,  waa  es  verdirbt,  die  es 
nicht  blofs  da  anwenden,  wo  ei  nöibig  hl,  eoatlern  attcb 
da,  wo  c>  unnSibig,  ja  Rcbadlicfa  itt,  knra,  aolche  Aerzle> 
denen  daa  Biutentziebon  gleich  den  Egeln  inr  anderen  Nainr 
geworden,  geben  den  fiblea,  ja  (Bdilichen  Folgen  deaselbeo, 
die  aie  doch ,  wenn  lie  nicht  blind  liad ,  so  gut  aehen  nüa- 
sen  ak  wir,  luweilen  eioe  aolch  nSrriaohe  Uentang,  dala 
man  darüber  lachen  niufa ,  aie  aebreiben  aclbige  lieber  den 
allernnwabracbeinlichsten  Ursachen  ala  ihrem  Allbeil  so.  Das 
Tollste  in  dieser  Hinsicht  findet  man  bei  GkH.  Ba/lomüu 
(Epid.  et  epAem.  Lib.  I  p«g.  20J,  Obaervatvm^  alifuand»  im- 
dulta  $9m*o  pott  Phiebotomia»  atidam  ültutri  Domino  uon 
multa  pott  mortem  abrepiüte;  in  lomnum  repentinae  tantme 
calamitatü  ceuta  relatu  nt.  Auf  die  alberne  Aualegniig  des 
Verfassers,  dafs  bloft  der  Schlaf  nach  dem  Aderlässen,  nicht 
aber  das  Aderlauen  selbst,  den  Herren  geiSdtet  habe,  wer- 
den meine  Leaer  wo!  nicht  neugierig  sein. 
B.  Enisiehung  der  Luft  bis  xum  Ersticken. 

Dieae  Heilart  wirkt  ohne  Zweifel  feindllcb  auf  den  gansea 
Organisnins.  Dafa  man  durch  selbige  die  Urerkrankung  aller 
Organe  wird  heilen  kSnnen,  -daran  sweifle  ich  nicht,  habe 
es  aber  noch  nie  selbst  veraocfat.  V.  Helmont  (Opera  pag, 
271  $.  49)  encahlt  ans  folgenden  Fall.  Ein  Wahnsinniger, 
den  man  ein  Jabr  lang  durch  Exorriamns  Tergebens  in  hei- 
len versucht,  wird,  als  unheilbar,  von  der  geislliehen  Bo- 
sch wörungsan  st  alt  nach  seiner  Heimalb,  Antwerpen,  ge- 
feeadt  auf  einem  Wagen  surückgebracht.  Auf  dem  Wege 
entledigt  er  sieh  baimlicb  seiner  Feaaeln,  springt  vom  Wa- 
gen und  atüm  aich  in  ein  benachbartea  tiefea  Waaaer.  Ehe 
man  ibn  heraoaxiehen  kann  ist  er  ertrunken,  man  wirft  also 
den  Leichnam,  ohne  sieh  weiter  am  denselben  za  beküm- 
mern ,  aaf  den  Wagen  und  ßihrt  weiter.  SpSter  belebt  sich 
der  Terraeintlich  Ertrunkene  von  selbst  wieder,  nnd  siehe! 
er  ist  von  dem  Wahnsinne  so  gründlieh  gehellt,  dafa  er  noch 
zehn  Jahre  nachher  als  ein  verst&odiger  Mensch  gelebt  hat. 
Helmont  sagt :  Id  aliquotie»  deincep*  teiitavi,  nee  me  fyfel- 
lit  eventnty  ni$i  quotiea  formidine  praecociter  demente»  ex 
aqun  extraherem.     Bei    dem   niaalieben  Sefariftslellet    findet 


—    Il3f   — 

loaa  MHh  d«n  Fall,  diil«  si«  fin  der.  UuBdawutb  Kranker 
dorch  UntftrtaucheD  in  Waeaar,  bU.  mm  Eraiicksn,  gaheilt 
ML  Einan  fihnÜobcn.  Falt  habe,  ivk  m  n«iier  Z«it  in  dem  Re- 
perlorio  das  Herrn  C.  F.  Khinert  geleMO,  an  welebea  ich 
nur,  weil  er  den  nimicn.  meiner  Leser,  belunnt  Bein  wird, 
beiläufig  erinnere.  Der  Hjdrophobische  aoll  nach  aller  Mode 
•raiiokt  werden ,  und  hmd  klemml  ihn  ii)  dem  Ende  ao  lange 
xwiochen  cwei  Mairaizen ,  bit  er  knin  ^ichna  de«  Lebens 
nehr  von  aieh  gibL  Himennaoh,  da  diit  Ehf^rao  des  Un- 
gI6cklichea  noch  einmabl  naob  der  Leiche  eeheo  wi)!«.  findet 
■ie  Aaa  vermeinilioh  Eralickien  wieder  belebli  gani  in  Schweife 
gebadet  and  von  der  Hundawulb  geheilet..  Nua  kenoe  i^ 
xwar  die  Naior  der  Hiin4>wiiih.  aichi;  wenn  leh  aber  die 
Eraobeinnngen ,  die  ich  vor  langet'  Zeit  an  swei.iödtlichen 
Füllen  beobachiel,  mit  daoen  vergleiobe,  die  iob  spftier  ala 
Begleiter  mancher  gaalriacben  Kraakbeitw  aah,  ao  luub  ich 
faat  TerMntheo,  ^mU  daa  Wuifagirt  niehl  nrafrtinglicb  daa 
Gehirn,  aondern  eins,  der  Organe  des  Epigasirioau  krank 
mache, 
d.  Enlajebnng  der  Speiae. 

Diea«.  wirkt  wunderbar  feindlich  auf  den  gMXV»  KAcper, 
und  ich  xweifle,  nicht «  dafi*,  wollte  man  sie  weit  trei- 
ben) man  jedes  nrerkrankte  Organ  damit  heilen  könnte.  Be- 
kanniltch  hat  Nicotaut  Ma»*a  auerai  dadurch  die,  venerische 
Krankheit  geheilt.  Er  gab  tüglich  4  Uasen  Brat  und  drei 
(Jnsen  Kalb-',  oder  Lammfleisch.  Diese  im  17ten  Jahrhnn- 
dert  unter  dem  Namen  Diaeta  gtiajaci»a  bakaiwiie  Ent- 
siehungsmethode  erlitt  auch  wol  einige  Abliodening;  so 
gaben  andere,  wie  Petr$ti  Vorattma  berichiet  (L^  33  de 
r«giM,  Imi*  ve».)^  blo£i  vier  Unien  Zwieback  und  eine 
Unae  Roain«ik  Ob  At»  venerische  K^aqkheii  eiiie  Krankheil 
dea  Gesammlorgaatsmns  sei,  daran  ist  mit  Recht  au  awei- 
feln;  sie  ist  wahrscheiitlicher  eine  Organkrankheit.  Lcoat- 
cenm  and  einiger  anderen  Meinung,  data  sie  eine  Krankheit 
dea  Haatorgans  sei,  ist,  meines  Eracbieas.,  nicht  an  verwer- 
fen, vorauaffeaetit ,  dafs  m»n  mit  dem  Ausdrucke,  Haut- 
krankheit, nicht  einen  gar  au  groben,  beschränkten  Be- 
gtiff  verbinde.  Von  der  Entiiehungsmeibode  gilt  das  JVSm- 
li«he,  was  von  allen  feindlichen  Heijartea  gilt,  sie  ist  unsicber. 
So  habe  icb  he!  Gr.  f erat  gelesen,  dafs  «reinen  vaneriacben 
Menschen  durch  den  m&fsigen  uad  vorsichtigen  Gebrauch  des 
Qaecksilbers  geheilt  habe,  der  früher  auf  den  Rath  des  Carl 
Pi»o  die  Gu^ak-  und  Hungerkur  50  Tage  lang  ganx  vergebens 
gebsaacfat,  also  noch  aehn  Tage  länger  ala  Matta  es  vor- 
schreibt.    Ich  xtveifle  auch  nicht ,  dnfs  gelebf««  und  bücberrei- 


—    11Ä3    — 

cbe  MBnnor,  bei  deo  Seh rifiPBl «Harn  des  f^tMi  MfarhuDdcrla 
mehre  lolche  mifBluiigeDe  Heilrenache  findea  werden.  Doch, 
da  man  in  unseren  Tugeo  die  Entlieh  nngsmetbede  wieder  an- 
gewendet ,  hat  man  nicht  einmahl  sKihig;,  ehe  BBoher  %a  durcb- 
stöbern,  man  wird  icbon  durch  eigene  Erfohrang  aiefa  iiber- 
leiigl  haben,  dafs  sie  nicht  in  allen  Füllen  heilend  iat.  Wie 
aollte  X.  B.  der  verständige  und  erfahrene  Herr  Bm$t  Hunger- 
nnd  Quecksilbencfamierkur  Miaaniraen  verbinden,  wenu'er  die 
ertfe  achon  allein  aU  aicher  erkannit  Data  aber  durch  die  Ent- 
■iebungameibode  nicht  blofs  die  veneriiehe  Kraokfaeiti  aondeni 
■obon  Unge  vor  dem  Erieheinen  dieaer  Krankheit,  die  eiternde 
KrAixe  geheilt  aei ,  daa  kann  man  bei  Anuildu»  de  «itia  novm 
leteO)  der  hekaanilioh  im  t3tan  Jahrhunderte  wirkte.  Er  aagt 
{pag.  i»OSJ  Dixitmihi  Damintu  Theodorümi  dt  Beüi»^  ^ed 
om»ü  leabie»  immida  curatnrhac  mode  :  mom  eommedat  fatiem» 
niti  $tmti  tm  die  modieum  panii,  ac.  ad  i  vei  6  Urne,  et  umhm 
Mcjfaikum  vimi  mlbi  lympiaii  biimt,  W  ioejiaeiat  mtque  ud  die» 
9eto^  et  cmrabitiu: 

•.  -Daratbnr. 

Dafa  man  «Heae  gegaa  die  Wauenucht  angewMidet,  davon 
habe  ich  achon  im  vorletxien  Kapitel  gespmeheo.  Uebrigena 
werden  jene  Kuren  decb  »ol  nioht  eigenilicbe  Duraikwen  im 
^atrengen  Siane  dea  Wortea  gewesen  sein,,  di«  Kranken  wer- 
den blofa  des  Trinkens  sich  enibalten,  aber  übrigcna  nicht 
gerade  aich  vun  trocknen  Speisen  genllbrel  haben.  Eine  Durat- 
kur  itu  atrengeo  Sinne  das  Woriet,  bei  der  der  Kranke  blola 
von  Zwieback,  allhackenein  Brote,  oder  von  anderen  wirk- 
lieb trockenen  Nahrnngamiiteln  lebte,  wSrde  er  wol  nicht 
lange  aushalten;  sum  wenigaien  aind,  wie  ich  in  Reisebe- 
' Schreibungen  geleaen,  Menschen,  denen  in  nnwirthliohan  Wn- 
aten  dos  Wasaer  anagegangen,  durch. ginaKchen  Mutgel  des- 
selben in  einen  sehr  elenden  Zuainnd  gemihen.  Man  kann 
wol  nicht  daran  sweifeln,  dafs  diese  Entziehung  noch  feind- 
licher auf  den  ganzen  Körper  einwirkt  als  die  Eniaiebung  der 
'Speise,  und  däfa  dnreh  dieselbe,  wird  sie  «df  einen  gewia- 
sen  Omd  getrieben,  kranke  Organe  cum  NormalsiaBde  kön- 
nen lu  rückgebracht  werden. 

f.  Paycbisehe  Einwirkung. 

Von  dieaen  Einwirkungen  meine  ich,  dnis  sie  aammtlich, 
nan  mag  ihnen  \amen  geben,  welche  man  wolle,  fwndlich 
anf  das  ganze  Körpergelriebe,  seinen  Regelgang  stOrend,  ein- 
wirken. Es  iat  wirklich  seltsam,  dnTi  man  dieses  nicht  blo& 
bei  unangenehmen  geiaiigen  Berührungen,  ala  bei  Fnrcht, 
Schreck,  Zorn,  nicht  blofs  bei  grellen  UebergXngen  von  an- 
genebnen  «n  anangenehmen,    »Midem  auch  bei  mtUea»  an- 


—    1134    — 

geaabrnMi  BarühroBgeii  beuiei^t^  Eimot  meiosr  Bakaontea, 
<l«r  viel  von  Kraakbeiten  in  Beinem  HauM  heimgeMcht  ge- 
wesen ub4  deahnlb  oft  Mtnea  Troit  bei  mir  geaucht,  kam 
eines  Tagea  aa  mir  uai  aagle,  er  habe  mir  «o  oft  unange- 
»ehuie  Naehrichi  aua  seinem  Hanae  gebracht,  jetxt  wolle  er 
mir  eher  auch  einmahl  eine  gute  bringen.  Diese  Nachricht 
boMand  nun  darin,  dafs  er  10000  Tbaler  in  der  Berliner  Lot- 
terie gewonnen.  Ich  bemerkte  ihm  darauf;  ob  ich  gleich 
herzlichen  Anibeil  an  diesem  Eteignib  nehme,  ao  müsse  ich 
ibm  doeb  vorhersagea ,  die  erste  Fracht  desselben  werde  eine 
tebr  unruhige,  woL  gar  eine  schlaflose  \aeht  sein.  Er  machte 
grofse  Augen,  und  behauptete,  die  gute  \aehricht  werde  ihn 
gar  trefflich  achlafen  lassen.  Am  anderen  Tage  sagte  er  mir 
aber  gans  ungefragt:  ich  müsse  wol  die  Gabe  der  Weisst* 
guag  betitten,  er  habe  wirklich  eine  sehr  anruhige,  fast 
aehinflese  Nacht  gehabt.  Jetxt  verlangte  ar  von  mir  eine  Er- 
klfirnng  darüber.  Mit  der  konnte  ich  ihm  nber  aicbl  dienen. 
WBre  er  ein  armer  Mann  gewesen,  so  ksile  icb  sagen  k5n- 
aen ,  der  schnelle  Uebergang  von  einem  sorgenvollen  in  einen 
■orgeafreien  Zustand  habe  seinan  Geist  heftig  aufgeregt,  und 
dndurch  sei  der  Regelgang  seines  Körpergel  ri^>ca  bis  snr 
Seblaflosigkeit  gestöret.  Er  lebte  aber  als  Rentner  sehr  g«- 
Düglicb,  und  die  Bedürfnisse,  die  er  hatte,  konnte  er  be- 
friedigen. Ware  er  ein  junger  Hasenfufs  gewesen,  so  hBite 
ich  denken  kdnnen,  die  lebhafte  Vorstellung  der  kösttichea 
Genüsse,  welche  er  sich  von  den  Zinsen  der  sehniauieud 
Thaler  verschaffen  wolle,  habe  seine  Phantasie  entflammt, 
nnd  dadurch  sei  die  schlaflose  \acht  verursacht.  Er  war  aber 
•in  gesetzter  Mann,  4len  die  Verniehrnng  seiner  jtthrlichca 
Einnahme  wahrlich  nicht  bestimmen  konnte,  seine  geregelte 
Lebensweise  auch  nur  im  mindesten  absuAndern.  Also  ist 
es  dodi  wol  unaweifelhafl ,  dafs  die  \achricht  des  zehnlau- 
aeadthalerigen  Gnwinusles  seinen  Geist  awar  angeoehm,  aber 
doch  nar  mild  berühren  konnte;  und  doch  bewirkte  diese 
freundliche,  milde  Betübrnng  schon  eine  solche  Störung  in 
dem  Regelgange  aeines  Körpergetriebes,  dafs  der  Schlaf  da- 
durch versebeucht  wurde. 

Man  mnfs  also,  wenn  von  psychischer  Einwirknng 
die  Bed«  ist,  nicht  gerade  an  hefiiga  denken,  als  könnte 
diese  blofs  Organerkrankungen  heilen ;  nein ,  nuob  eine 
milde,  utibedentend  scheinende  kann  die  nämlichen  wohl- 
ihKtigen  Folgen  haben.  So  kann  der  blofse  Glaube  an  ein 
wun Jenbftliges  Bild ,  an  den  Segen  eines  Priesters ,  an  die 
Künstigkeit  einer  Araies,  an  eine  besondere  Knrart  Organ- 
Brkrankangen  bellen,  oder  sie  lindern,   pderuaaiuefbfeobea. 


Data  heftige  Anfregnng  der  Pejtihe  lehr  feindUeh  auf  den 
gBOKen  Körper  einwirke  nod  dadardi  nicbl  lelien  Organer- 
krankangen  geheilt  werden »  ist  tu  bekaoat ,  als  dafi  e«  nd- 
thig  wBre,  dieeei  mit  eigenen,  oder  fremden  Beobadrinngea 
in  belegen..  Blola  der  Seltsamkeit  wegen ,  will  ich  meinen 
Jüngeren  Leiiem  an*  Pkilipp  Salmti/k  Beobachtungen  (Oiierv. 
48  Cent.  I)  eine  pe^chiaeke  Heilong  der  Gicht  ersHblen.  Obvoi- 
vvHtiir  euidam  artAriticv  mm»tu  et pedtt  emtmpimmtite  exrapi»^ 
ttmiia  et  lade  parato ;  repemihtr  in  lella  ät  eoneiavi  inferio- 
re ;  aietmt  domealid  digreui  im  kortum  ttedAut  eontiguwm. 
Smt  autem  quoedam ,  forÜnu  im»  eiamaia ,  medf  imgreditur, 
hinc  Aypoeatutum ,  et  olfkeieiu  pm/tem  Ülam ,  aegnrai  aggre- 
ditwr ,  eonatmr  pultem  vorare ,  et  eum  pnttemit  tum  telim  itt 
pavimentum.  BiCy  eum  ■«  a  tue  d^eudere  ueqmitf  diumui- 
tumque  domettieo»  inciamat,  qui  tamdem  reeurrumt  et  nem  ofr- 
igunt:  eo  vero  die  dolore»  imminwtntur,  deineepi  pamiatim, 
domee  prarmt  eenarent  negue  ungmam  redü-ent. 

Seilleo  meine  Lenr  aoch  wol  glauben,  dafi  naa  den  Vor- 
fall der  Gebäriaotler,  oder  der  Seheide,  piyehiiek  heile« 
könne  f  —  Hören  aie  einmahl ,  was  darBker  Boderieua  a  Ca- 
(fr^ngt  (De  mori.  mutier.  Lii,  2  Cup.  16^.*  Cau/erfUm  aetu- 
ale  ignitum  atamr  oitendetur,  ge  timmtet  medieut  vel  oMetrix, 
velle  partem  längere  j  ita  euiM  nuturu  relraki/ur,  et  eum  em 
uteru»  ip»ey  autpart  aliqua  alia  quae  extra prominest.  Vel, 
li  mulier  timidiunula  tit,  vivi  muree  ßlo  ligati  crmriiu»  re- 
pente  luhmittanlur.  (Das  wir«  alio  eine  psyokische  MSuse- 
kur.)  Retulit  mihi  Ckirurgu»  juidam  exereilalittimu» ,  vul- 
nut  quendam  in  venire  aectpitte ,  per  quod  intestina  egredie- 
hantur.  Quae  ut  reducerenlur  in  mam  aedem,  nullum  aliud 
medicamenlum  prufuirte,  quam  candem  ferramentum  magnum, 
quod  coram  patiente  manu  geitant ,  «K/fi«ri  appHcaturum  ßn- 
xtt,  cujuM  rei  tubito  terrore  e  veitigia  intettina  in  locum  »uum 
redueta  fuere,  Dafi  Boerkave ,  durch  die  nHmliche  Scbreck- 
kur,  in  einem  Findelhauae  viele  epileptische  Kinder  auf  ein 
Mahl  geheilt,  ist  jedem  bekannt. 

Hinsichtlich  aHer  psychischen  Heilversuche  bemerke  ich  Fol- 
gendes. Sie  sind,  wie  alle  aniagonistische  Kuren,  unsicher. 
Zuweilen  heilen  sie  wirklich  gröodlicb  Jfe  Urorgaaerkrankun- 
gen,  XU  weilen  lindern  sie  dieselben  blofs,  und  zuweilen  Ut  das 
vermeintliche  Heilen  der  Krankheit  blofs  ein  Unlerbrecben  der- 
selben. So  werden  i.  B.  in  unserer  Zeit  die  religiösen  Heilver- 
suche  des  Fürsten  von  Hohenhhe  in  manchen  FHllen  wot  wirk- 
lich Orgaoerkrankungen  gehoben  bähen ,  aber  in  vielen  sind 
sie  unwirksam  geblieben ,  und  in  anderen  haben  sie  hlob  die 
Erkrankung    auf  knixe  Zeit  gemindert,    oder  nnierbrocheiL 


-    IIU    - 

Dar  kMM  TImMhIm  lalweiba  ich  «k  MnjB^idi  n,  ^fi 
Leute,  di«  MifüBglkfa  '«la  'iol«bM  Tnani|»hgMeli»i'«riiobeD 
all  ut  unser  Heiiand  wieder  auf  Krden  enctienea,  bald  dar* 
auf  liemlieh  kUiDliul  «ad  aodJüb  gau  Btunini  wurden.  Dafa 
•iae  leiae.  Einwirkung  auf  den  Geiat  die  berroraiaehenden  Zu- 
ffille  der  Erkraaknag  eiDei  Organa,  telbit  bei  einer  iSdili- 
ehen  Krankheit,  ja  aabe  ver  dem  Tade,  auf  karae  Zeit  be- 
■seitigao  kteae,  .heobacfaiete,i«h  eiaatvor  dreifaig  Jabreo,  nad 
die  Ejaiblung  dea  FalUa  wird  de«  Leser  wol  eiaige  Ualer- 
haliaag  gewfikren.  Fritnleia  IX.  v.  M,,  die  näehaie  Verwandte 
aMiaer  Frau,  war  eiaiga  Woclien  bei  mir  aaai-Betuch.  la 
der  Zeit  bat  ne  mioh  eftf  aie  docb  aianahl  sa  beaucben. 
Da  ibra  Aaltem  Haatiser  aiaaa  ühanbaiaiuhan  Biiiergutet 
'Wareo,  welabea  eiae  traffliebe,  baaondan  an  grelaea  Hacbien 
raicbp  .FiubaMi  baue,  ao  aagia  ich  ibr  acbariweiae,,  iob 
werde  aar  unter  der  Badingnng  komiaMi,  ,daft  jie  Mieb  dort 
mit  einem  reebt  ^retten  Heohteaae.  .Diasar  Fiacbsehetx  wie- 
derbaka  sieb  nun  mehrmals,  dann  so:oft  afe  \oa  dam  Besu- 
cbe  aptacb,  ipracd)  icb  ran  den  Hechle* 

Mehre  Moaale  aaebbar  OUt  es  siir  aiamabl  eiii,  mein  Ver- 
.s|Hteebeii  su  erfTiUeii,  iob  saiae  mich  also  ^eich  au  Pferde 
and  sieh«  den  Rbeiae  sa.  Jenseiu  Er^ge  ich. auf  der  Land- 
Blrafse  einen  mir  iMgc^fiteiulen  Maau,  welchen  Weg  ich  nach 
dem  Gute  B"  eioscblagen  müsse.  Der  zeigt  mir  swar  den 
Weg  an,  setat  aber  bedenklich  binsu;  wenn  keia.sehr  drin- 
gendes Geschäft  meine  .Gegenwan  dort  nOtt^ig' mache,  raibe 
er  mir,  nicht  hinatiigeben,  dann  -alle  Bewoboar  des  Scbloi- 
.ses  seien  an  einem. aniieckenden  Fieber  krank  und  die  llte- 
.ste  Tochter ,U^ge  am  Tode.  Das  war  gewifa  fiir.mieb,  dw 
icb  einmabi  wir  Eiheiterung  diesen  kleinen  Ausflug  machte, 
eine  sehr  widrige  Nachricbt.  Da  ich  aber  dem  Gute  sefaon 
nahe  war,  ging  ich  doch  bin,  und  fand,  awar  nicht  alle, 
aber  doch  einen  Tbeil  dar  Bewohner  am  8charlaebfieber  krank, 
'Oder  in  der  Genesung  begriffen,  und  die  liliesle  Tochter,  die 
nSmliche,  welche  mich  früher  besacbt,  dem  Tode  imhe.  Sie 
war.sebon  «eit  zwet  Tagen  irre,  und  so  bewufBtloi,  dala  sie 
kaiaen  MeBscban  mehr  erkannte,  nnd,  was  das  Schlimmste, 
die  Menstruation,  war  eingetreten;  dieses  bielien  wir  dasaabis, 
durch  Erfahrung  belehret ,  bei  dem  Scharlachfieber  für  ein 
bäses,  ja  fSr  «in  fast  unbedingt  tddlllcbas  Ereignifs. 

Icb  ging  nun  au  ihr,  und  des  Standes  der  Bettal,ella  wegen 
anniete  icb  mich  so  stellen ,  -dajs  das  Licht .  mir  gerade  auf 
daa  Gesicht  fiel.  Indem.. icb  sie  oun,  ohneiiie  ansaipraefaen, 
betrachte,  ftngt  ibr  trunkener,  irrer  Blick  an,  auf  meinem 
Gastehte  aa  haften.    £r  w)rd.;uicb  und  «ach  natürlicher,  be- 


—    1137    — 

lebier,  er  driickt  Entmiien  hds.  Plötelich  raicht  sie  mir  ihre 
Hand,  liehet  mich  xa  nck  and  tagt  mir  mit  schwacher  Stim- 
me: Gott!  Vetter,  Sie  kommen  au  einer  iioglüoklichen  Zeit. 
Sie  fragt  mich  ns«h  dem  Befioden  meiner  Fraa,  Dach  dem 
Befinden  anderer  Menachen,  deren  Bekaantichaft  sie  bei  mir 
gemacht,  »ad  nachdem  ich  ihre  Fragen  kurz  beauwortei, 
aiehet  aie  mich  noch  einmahl  la  sich ,  und  dei  früheren  Fiacb- 
»cherzea  lich  erinnernd ,  sagt  aie :  einen  Fisch  werden  Sie 
aber  beute  nicht  hekVimmen ,  ich  kann  mein  Wort  nicht  hal- 
tea,    aber  einen  leckeren  Hasen  m&gen  Sie  vielleicbl  finden. 

Die  AnwMeaden  waren  von  tlrsiaunen  'ergrifien,  dafs  das 
Mädchen ,  welcfaea  seit  awei  Tagen  in  seinem  Irrsinne  keinen 
Menschen  mehr  erkannt,  blofs  durch  meinen  Anblick  znr  ße- 
ainnnng  gekommen  war ;  aie  glaubten  fast  darin  einen  schwa- 
chen Schein  von  Hoffnung  zu- sehen.  —  Idi  wurde  Jetzt  zu 
Tisch  gerafen ,  and  da-  ich  gleich  nach  Tische  Ansialt  mach- 
te, das  Haus  des  Unglücks  za  verlasaen,  in  welchem  ich, 
weil  darin  ein  veralSodiger  and  treuer  Arzt  waltaie,  gans 
überflÜBsig  war,  nnd  nun  seheidend  noch  meine  arme  Nichte 
segnen  wollte,  war  die  psychische  Einwirkung,  die  anßing- 
lich  meine  noerwarteie  Ersoheinnng  auf  sie  gemacht ,  so  ganz 
verwisehl,  dafs  weder  mein  Anblick  noch  meine  Rede  sie 
xitr  Besinoang  bringen  konnte.  —  Um  Mitlernacht  ist  sie 
gesiorben. 

Zum  Scblune  erinnere  ich  noch  meine  jüngeren  Leser  an 
die  bekannte  Wahrbeil,  dafs  heftige  Gemiiihsbewegungen, 
alfl  Zorn,  Furcht,  Sehreck,  eben  so  wol  eine  nachlheiiige ,  ja 
Ittdilich«,  als  eine  heilende  Einwirkung  haben  können.  Nie- 
maad  ist  ini  Stande,  den  Erfolg  solcher  Heilversnche  vorher 
an  bestimmen,  darum  bleiben  selbige  immer  ein  Glücksspiel, 
und  ich  habe  nie  eine  ^'eignng  bei  mir  geapüret»  aie  anzu- 
wenden. 

ß.    Feindliche»   Angrtifen   einet   geaunden    OrgaHt, 
um  ei»  AraaAea  xu  keilen. 

a.  Brechkur. 

Diese  ist  so  mächtig,  dafs  man  durch  ste  alle  kranke  Or- 
gane zum  Normalslande  zurückführen  kann,  nicht  bloCi  die 
inneren,  sondern  auch  die  Sufseren;  denn  man  kann  ja  durch 
ein  mehrmahls  gereichtes  Brechmittel  chronische  Gliederschmer- 
zen und  selbst  den  Wasserbruch  heilen.  Alles,  was  die  Lob- 
preiser der  Brechmittel  Gutes  von  ihnen  sagen,  gebe  ich  nicht 
blofs  zu,  sondern  ich  bin  so  freisinnig,  meinen  Amtsbrüdern 
noch  mehr  zuzugestehen  als  sie  verlangen.  Jetzt  wollen  wir 
aber  anch  einmahl  ernsthaft,  ohne  jedoch  die  gemeinen  Con- 
72 


—    1138    — 

irainrfikaiioiien  d«r  Bracbkar  in  berlhrvn,  den  nSfllelicR 
Nachiheil  und  die  Unaieheriiek  denelbm  -erwXgen. 

Zaenl  bemerke  ieh  von  dieser  anlegwiitiiBoben  Heilart.  Sie 
kann  iwar  alle  erkrankte  Organe  keilen,  es  wBrdc  aber  un- 
wahr sein,  wenn  man  behaupten  wnllie,  dafa  aie  auch  jeder- 
xeil  wirklich  heile.  Oft  genug'  wird  sie  angewendet  ohna  den 
Wünschen  des  Arsrea  so  entipreehen ;  also  ist  sie,  wie  alle 
anlagonisiiacbe  Hcllaneo,   nnsicber. 

Bei  Eisen-,  oder  Kupferaffektienen  des  Ciesamintorganis- 
mns,  die  ala  akuie  Fieber  anftreteo,  ist  ein  Brechmittel  oft 
so  nnwidersprechlieh  aehBdIich,  dafs  der  Punkt  seiner  Breeb- 
wirknng  auch  der  Punkt  ist,  wo  die  sidMbare  Verscblimme- 
nlng  der  Krankheit  beginnt.  Die  Sehwackkeil,  die  jeder  Ge- 
sunde iracb  dem  Brechen  fühlt,  bei  diesem  aber  von  selbst 
wieder  verschwinde!,  bill  in  solchen  Fiebern  an,  and  ver- 
mehrtairh,  auch  ohne  Wlederholna'g  des  Biechminds;  achoel- 
ler  und  sichtbarer  freilich  durch  Wiedmkolnng. 

Da  nun,  wie  geengt,  der  Znaland  des  Gesammtorgaaismas 
im  Anfange  akuter  Fieber  dorck  Zeichen  nicht  iniiuer  erkenn- 
bar ist,  so  bleibt  die  Breebknr  eine  sehr  mi/sliehe  Kur.  Frei- 
'  (ich  wird  das  Brecbmitiel  in  eotchea  Fällen  Erkennungaiaittel 
werden,  ntleiit  die  ErkenDlaifs  wird  saweilen  aneh  viel  deal- 
lidier,   als  es  dein  Ansie  und  dem  Kranken  lieb  ist. 

Hin:iichilicb  der  Organerkranknngen  nod  der  von  ^esen 
abhängenden  akuten  Fieber,    bemerke  ich  Folgendes. 

Da  ich  schon  geangt  habe ,  d&fa  man  dnrch  Brechmiite)  alle 
Orgnnerkrankangen  heilen  kSnne,  so  verstehet  es  sich  wol 
von  selbst,  dafs  man  in  Fftllen,  wo  man  sie  beih,  aneh  sn- 
gleich  dadurch  die  ven  denselben  abhängenden  aknten  flehw 
heilt.  Wenn  dso  die  Lobpreiaer  der  Brechtnittel  sich  lüh- 
men,  die  akuten  Fieber  gleich  im  Anfange  durch  ein  eiasi- 
ges  Brechmiiiel  zuweilen  geheilt  zu  haben,  so  sprechen  aie 
wahr;  ich  habe  das  Nfimlicbe  achon  in  meiner  Jugend  geae- 
hen.  Wollten  aber  meine  werthen  Anitsbrüder  gans  ohne 
Vomrtheil  die  Zahl  der  akuten  ilebernille ,  in  denen  sie  so 
ausnehmend  glücklich  gewesen,  mit  der  Zahl  derer  ve^lei- 
ehen,  in  denen  sie  keine  Beasening,  viel  weniger  Beilang, 
nnd  die  Zahl  derer,  in  denen  sie  früher  oder  spSler  nach  dem 
Brechmittel  Verschlimmerung  des  Krankheitszu Standes  sahen, 
so  würde  sie,  so  gut  als  mich,  hinaichtiicb  der  panazeiscben 
Kraft  der  Brechmittel  eine  grofge  Zweifelung  anwandeln, 
tind  sie  würilen  sieh  bei  verschlinimeriein  Zustande  nach  dem 
Itrecbniittel  wol  die  Frage  vorlegen,  ob  auch  diese  Verschiim' 
merung  gar  dem  Brechmittel  selbst  zniuschreiben  seif  Ieh 
habe    mir  langst   diese   Frage   mit  Ja    beantwortet,    und  mit 


•-     1139    — 

4iMBr  nwiacr  Aniteht  nimmea  viele  Krankeagesebicbten ,  die 
ich  lieut  n  Tage  leM,  gar  Irettliob  nberein;  wiewol  ich  in- 
laue,  dafa  meine  enflhienden  Koli«geD  diese  Lieberei naiiin- 
nuog  weder  beabatchiiget ,  qocti  viel  weniger  bcrvorgeboben 
haben.  Ich  baba  dea  kein  Hehl,  dafa  mir  manche  Kiankea- 
geachicbie  ein  LSchel«  enllockl;  da  wird  dem  Fieberkranken 
gleich  ein  Breehmiuel  gereieht,  uod  dann  heifat  ea  gewöha- 
licb:  daa  ihat  ihm  «ehr  gnt.  Aber,  Amubrfider!  wenn 
«a  ihm  daDB  so  sehr  gat  that,  wie  kommt  es  denn,  data  ich 
lese,  Ebct  Kranker  sei  hernach  von  Tage  sa  Tage  achlinmar 
geworden,  und  nach  vielem  Elende,  nach  viel  veracbluckter 
Araanei,  erat  apät  and  kümmerlich  aar  Geauodheit  gelangt! 
Zoleut  wird,  denke  ich,  die  vermainilicb  wobttbSlige  Wir- 
knog  de«  Breohmiitels  uol  darauf  binaDsIanfen ,  iah  der  Kran- 
ke, dem  Ihr  dnrcb  Ener  Bcechmitiel  ein  beHngsiigeodea  Ge- 
f^l  verursacht,  sich,  nachdem  er  daa  ßrechmitlel  durch  Ue- 
bergeben  -loa  geworden,  wieder  lurtiger  fflhlt.  Nun,  den 
Spafs  kSnnt  Ihr  Euch  bei  jedem  Gesunden  muchea. 

Ich  baba  schon  früher  in  diesem  Bache  gesagt,  dafa  An- 
Bchoppungen  dar  Bau eheinge weide  durch  die  KrMhfltterung  dea 
Fabrens  und  Bcirens  gereiit  und  gesteigert,  seltener  gleich, 
9fter  dan  xweiien,  oder  dritten  Tag  naabhfer  erst  recht  bosa 
werden.  Durch  die  ärachiitiening  des  freiwillige»  Erbrechens 
sab  ich  Hu  verborgene,  unföblbara  Anschoppung  der  Leber 
offenbar  mit  als  VerhBrtnng  laatbnr  werden.  Wie  kBnnet 
Ihr  nua,  wertbe  Amtsgenosaen  1  wenn  Ihr  xu  einem  Fieber- 
kranken gerufen  werdet,  aieher  sein,  dafa  derselbe  oicbt  sol- 
ch* Bitere  Fehler  in  seinem  Bauche  berget  und  wenn  Ihr  dea 
nicht  lieber  leia  kttflnl,  wie  kSnnt  Ihr  es  denn  wissen,  ob 
Ihr  mit  Enorm  Brcehmiitel  nicht  grofsen  Schaden  thao ,  ob 
Ihr  dl«  ruhenden  Fehler  durch  die  Anstrengung  des  Erbra- 
cheaa  nicht  In  Aufruhr  bringen  werdet,  so,  dafs  Eure  Kunst 
XU  ohnmächtig  ist,  daa  USse,  was  Ihr  aflgesiifiei,  wieder 
gut  an  machen  t  Ja ,  köanl  Ihr  nicht  auch  solche  Fieberkrank« 
Kn  heilen  bekommen,  dt«  Gallensteitie  bei  sieh  haben,  und 
könnt  Ihr  nicht  die  Steine  durch  Eure  Brecfaknr  aufrübriach 
macheD,  wol  gar  einen  derselben  in  den  Galtengang  einkei- 
len, und  ao  den  Kranken,  der  sich  Euch  um  geheilt  an  wer- 
den golgläiibig  anvertrauet  hat ,  verrfitheriach  In  Lebensgefahr 
stünenf  —  Ich  sehe  Euch,  werthe  Amtsbrüder!  fGr  gar  an 
vemiändig  an,  als  dafs  ich  die  Einwendung  von  Euch  erwarten 
dürfte,  rubesde  Steine  und  verborgene  Anschoppungen  seien 
durch  die  Auafragnng  anatunds  sa  erkennen;  denn  wenn  Ihr 
nicht  gar  an  Jung  und  nnetfahren  seid,  so  werdet  Ibr  so  gut 
wiiaeo  ala  ich ,   dafs  solche  varborgen«  Abnormiifitea ,   Mlbst 


—    1140    — • 

in  d«n  Fallen ,  wo  sie  nar  ebroniiiohe  'LaMen  Tsrnnachcn, 
suweiIeD  durch  die  Erfrn^ing  icbwieri|f,  zuweilen  gar  nichi, 
sondern  nnr  einsig  durch  ProbemiUel  xa  erkennen  sind. 

Nun  wollen  wir  weiter  geben  und  insbesondere  vom  Brecb- 
Mttiel  beim  giisiriachen  Fieber  sprechen.  Ea  gibt  ein  Lieber- 
fieber, welches  eensensuell  von  einer  Urerkmnknng  des  Gxl- 
teBorgnni  akbäogt.  Hier  hat  eine  rermehrte  Gallen« bsonde-- 
rung  SiBll,  und  die  in  tjebeminfs  nbgesonderle  Galle  ist  so 
scharf  aauer,  dafa  dureh  den  Kais  derselben  auf  den  Darm- 
kanal  der  ganze  Organhinns  heftig  aufgeregt  nad  das  ernte, 
oicht  aalten  atiilrtuiiche  Stadium  solcher  Fieber  erxengt  wird. 
Vorauageselzt  das,  was  ich  so  eben  von  den  BreebmitlelD  ge- 
sagt, ist  nicht  lu  läugncn,  daft  flie  gnte  Heilmittel  dieser  Fie- 
ber sind,  denn  sie  enifernea  nicht  blofs  den  materiellen  chemi- 
schen Reii  und  heben  dadurch  das  erste  Sladiiim  solcher  Fieber, 
sondern,  antageniüisch  auf  die  GalleDgünge  wirkend  niindero 
sie,  oder  heilen  gans  die  vermehrte  absondernde  Bewegung  der 
GnlleDgänge.  Sulcfae  Fieber  hat  früher  Slo/i  xu  behandeln 
gehabt  und  sie  vorsdglreh   durch  Brechen  nnd  Laxiren  geheilt. 

Abgesehen  davon,  dafs  man  die  Entfernung  der  scharfen 
Galle  eben  so  gut  durch  Neulralisiren  darielben  als  durch 
Entleeren  bewirken  kann ,  ist  es  aber  doch  aebr  soaderbar 
und  mir  gana  unerklärlich,  dafs  man. gerade  dieaei,  an  leich- 
testen au  heilende  Fieber  als  das  Mu'Sierbild  alter  gastrischen 
Fieber  ntifatellt.  Ich  habe  dasselbe,  so  lange  ich  ^rat  bin, 
nur  zweimahl  epidemisch  gesehen;  alle  übrige  Leberfieber, 
die  mir  vorgekommeo,  (und  ich  habe  gar  vielartige  behan- 
delt) waren  ganz  anderer  Art.  Bei  ihnen  war  eiaa  abnorme 
Galleaabsoaderung  nur  etwas  Zußlliges,  selten  Eracheinen- 
dea  nnd  leicht  au  Hebendes.  Heilen,  die  Krankboit  von  dem 
ersten  Siadio  sur  Genesung  bringen,  konnte  man  nur,  wenn 
man  die  Leber  dnrch  das  geeignete  Organmittel  gesund  nach- 
te. Ich  stelle  nicht  in  Abrede,  dafs  man  auch  bei  diesen 
Fiebern  die  Leber  durch  ein  Brechmittel  in  eiozelnen,  selte- 
nen Fällen  getund  machen  konnte ,  aber  in  den  allerraeiaten 
wurde  dadurch  geschadet;  entweder  wnrde  das  akute  Stadium 
schlimmer,  oder  die  Kranken  fielen  in  einen  quinendea  Zu- 
stand ,  der  denn  auch  ohne  das  geeignete  Organmiltel  sehr 
übel  zu  beseitigen  war.  Im  Jahre  1834,  da  im  hiesigen  Lande 
Lebettiebar  herrschten,  welche  man  durch  eine  Mischung  des 
salisanren  Kalkes  mit  Scbellkrauiiinklur  nicht  blofs  behan- 
deln, sondern  heilen  konnte,  halte  ich  daa  Vergnügen,  in 
einem  niederländischen  Städtchen  mich  mit  einem  jungen  Amia- 
genossen  an  unterhalten,  der  nicht  blofs  gute  Uuivergiifits- 
kenotnifs,    sondern  aacfa,   was  die  Banpitsacbe  ist,  guten  Ver- 


—     1141     _ 

•laad  besals.  Der  g«gtand  wir  nun  ganz  «hrlieb:  «r  habe 
xwar  etlicti« ,  jadooh  wenige  Fieberkranke  darch  Ein  Brech- 
millel  Knall  und  Fall  gekeilet,  die  bei  weitem  meislen  aeien 
aber  nach  deiti  Brcchiuitiei  in  einen  achleicbenden  Krank- 
heiluuBiand  verfallen,  und  mehren  seien  «elbai  die  FOfse  öde- 
uiaiöa  geachwullen.  Er  fragte  mich  jetzt:  wie  es  doch  käm- 
me, dafs  das,  was  man  ihm  auf  der  Uochschul«  von  den 
Biechmilleln  gesagt,  sich  Jeiai  «o  übel  bewtllngel  warum  doch 
seine  nniversitäUHchen  Meister  den  Brechmitteln  Heilwirkung 
mchrieben,  die  dieselben  offenbar  nicht  hätten!  —  Wbü 
banale  ich  nun  dem  versiündigen  jungen  Manne  aniworteoi 
— .  Ich  bemerkte  ihu  blofs:  d»fs  die  Breohheil versnebe  bei 
deiu  herrschenden  gaatrisehttn  Fieber  nichts  inehr  und  nichts 
weaiger,  als  ein  blindes  Wagspie)  aeien.  Warum  seine  nni- 
varsititiecbcn  Heialer  ikin  die  Brechmittel  erfahrungswidrig 
SB  onbedingt  aaeiöpfohlen,  könne  ich  ihm  nicht  erklären, 
sondern  nnr  blofs  in  Allgemeinen  darüber  Folgendes  sagen. 
Wie  man  id  onäerer  wunderliche«  Welt  Spieler  finde,  die  ihr 
Hab  und  Gnt  verspielen ,  ohne  je  lur  Erkenntnifs  ihrer  Thor- 
beil an  gelangen,  indem  der  Gedanke  an  die  Mögliehkeit  eines 
gfoüien  Gewinnaies  eiaaig  nnd  ansschliefslich  ihren  Kopf  be- 
schliflige;  gerade  so  finde  nen  auch  nniar  den  Aerzien  Brech- 
wagspielcr,  die,  einzig  und  ausKcfaliefslich  an  die  Mißliche 
Heilwirkung  des  Brechmitlels  denkend,  ro  ganz  blind  für  die 
naehibetllgen  Fdgen  desselben  seien,  dafs  sie  seihige  lieber 
den  allerunwahrsobeinlichsle»  Ursachen  als  ihrer  feindlichen 
Brecbbehaodinng  anschrieben.  -. — 

HinHicbilicb  der  ZufUlle,  die  uns  angeblich  lehren  sollen, 
wo  Brechmiliel  mit  Vor(heiI  zu  gebraiiciien  seien,  siebet  es 
auch,  sehr  luftig  aus.  Von  dem  bitleren  Gpschmncke,  als  Zei- 
chen der  im  Magen  vorhandenen  krankhaften  Galle,  habeich 
■eben  in  Her  ersten  Abtheilung  des  Sien  Kapitels  ein  Wort 
gesprochen-  Dafs  es  ein  ein  aehr  trngl  ich  es  Zeichen  sei,  be- 
weiset man  am  besten  durch  die  Thaisaehe,  dafs  bei  Gelb- 
süchten, wo  denn  doch  kein  Gran  Galle  in  Magen  und  Darm- 
kanal kommt,  die  Menschen  hfiufig  über  ganz  unerirüglich 
billeien  Geschmack  klagen. 

&n  Gefühl  von  Gespanntheit,  Vollheit  des  Magern*,  Wel- 
ches in  verschiedenen  Graden,  bis  lur  Beängstigung,  sieb 
bei  Leberfiebern  zeigt,  Ist  in  weit  mehr  Füllen  Zeichen  einer 
sehr  gesteigerten  Lebererkrnnkung  als  einer  Gallenansamm- 
lung im  Magen.  Nur  wenn  es  von  letzter  Ursache  herrührt, 
kann  es  durch  ein  Brechmittel  gehoben  werden.  Sobald  es 
aber  von  einer  höheren  Steigerung  des  Leberleidens  abhängt, 
schaden  Brechuillel  unbedingt.     Man  uiufs  ja  in  solchen  Ftil- 


-  11«  — 

Im,  wtll  Man  nicht  b>hnnd«ln,  noadwii  «itUMi  heilen,  imm 
geei^ele  unfeiodlicbe  OrgaamiHel  nur  ia  der  halben,  in  der 
wierifllt  Ja  in  der  achtel  Gabe  reichen,  je  nachdem  nHnilich 
der  Grad  der  Sleifening  der  Lebererkraakung  ist;  in  der 
vollen  Gabe  darf  man  ea  aber  hei  dem  beipronhenen  Znfalle 
nie  reichen. 

Waa  die  belegte,  gelbachmnlaige  Zimge  bciriBt  als  angeb- 
lichea  Zeichen  der  Magen-  nnd  DarniunreinigkeHen,  to  iif 
mir  die  Sache  wafarbafiig  n  einfllliig,  als  dab  ich,  ohne 
mich  aelbet  zn  langweilen,  viel  Wone  darfibcr  venehweoden 
könnte.  Ich  denke  auch,  diejenigen  meiner  Leser,  die  •»- 
gflßhr  TOn  meinem  Alter  sind,  nnd  die  rieh  noch  ans  ihrer 
Jiigend  erinneren,  welehen  Werth  man  damahls  anf  dieses 
Zeichen  legte,  werden,  so  gut  als  ich,  durch  elgeae,  vor- 
■rtbeilfreie  lleohachiuDgen ,  rieh  von  der  Nichtigkeit  desad- 
ben  hinlftnglich  vbeneugt  habe«.  Gerada  in  den  FKlIen,  wo, 
nicht  eine  eingebildete,  sondern  eine  wirkliche,  bedeutende 
Ansammlung  scharfer  Galle  im  Magen  and  Darmkanal  steckt, 
finde  ich  die  Zunge  nie  gelb,  schniuliig,  diekpelsig  belegt, 
sondern  vielmehr  roienartig  antxünilet,  ja  der  gnnse  S^lnnd 
ist  in  solchen  Fällen,  wol  lutammt  der  SpeiserShre,  rosen- 
anig  ealsündei.  Wo  ich  eine  sehr  schnintsige  Zunge  sehe, 
da  kann  ich  auch  wissen ,  dafs  die  Krankheit  acbon  Fort- 
schritte gemacht  bat,  entweder  wegen  Hnngel  an  Hülfe,  oder 
wegen  angehöriger  Hülfe.  *)  Wenn  wShreod  meiner  Heilrer- 
snche  die  Zunge  des  Kranken,  die,  wie  gew&hnlich  im  An- 
fange akuter  Krankheiten,  einen  weifsen  Anflog  balle,  gmo, 
braun ,  gelb ,  uad  pelsig  wird ,  so  begreife  ich ,  dafs  ich  auf 
einem  Irrwege  bin;  dean  wenn  ich  das  richtige  Heilmittel 
anwende,  so  wird  die  Zunge  nicht  schmntsig,  sondern  rie 
wird ,  je  nachdem  das  nrerkrankte  Organ ,  oder  der  nre^ 
kränkle  Gesammtorganismus  aum  Normalatande  autlick  kehret, 
je  lünger  Je  reiner  und  gesnodheitRgefliBfser.  [Hess  altgemeine 
Beobachtung  läfst  mich  vermnifaen ,  diifs  die  Aerste  der  Stol- 
liseheo  Schule,  durch  die  unsinnige  Anwendung  ihrer  Brech- 
nnd  Lsxirmittel  die  scbmutaige  Zunge  selbst  gemacht  haben, 
und  das  Schweigen  des  Fritd.  Baffmann,  dieses  umsichtigen 
Arales,  dieses  genauen  Krankenbeubachten ,  hiosicfatlicfa  je- 
nes,    von    den   Stollianem    stark    hervorgehobenen   Zeichens 

■)  Vis  dem  (iCMgtcD  machiD  difjeaiKeii  fiB)iarba(leD  KrankheitfB  <i(i*  Auaab- 
m* ,  welch«  die  Orgtae  dar  HandhGhls  («Ibit  ■ngnifcD.  Bai  dicHia  Laaa 
na« ,  an  sweltea  Taga  ta  den  Rrtiik«D  sertiran  ,  lehnn  dia  Zeafs  labr  ackme- 
tclp  Sadaa.  Auch  glU  ii  ciaielae ,  J«docb  went^a  Heatehea ,  die  bei  jedes 
ffariiBoD  Uawoblaala  el«iel>  Biaa  Baratige  Zasge  habea.  Dai  klagt  ras  eiaer 
aaerUarlichei  ElgaatkÜMÜcbkeit  lalebar  KSrper  ab. 


—    1143    — 

im  GMtriiiamraj  gibt  tuiur  VitiAuihakg  dU  gritiU  Wahr- 
■cbeialidikeit. 

Ca  war«  bisr  noch  die  Frage  iii  beantworten,  waram  der 
HlfsWauoh  iter  Breohmitiel,  obgleich  voa  Zeil  xu  Zeit  Ter* 
Mhidig«  Männer  ihn  »li&billiget  heben,  immer  von  oeoem 
luilig  wieder  aufiaNcht.  Meines  Erachlena  kenn  man  4avon 
einen  dreifaahen  Gmnd  angeben.  Ereleod  den ,  daft  die  Hocb- 
Bchuilehrer  des,  was  die  Brechmiitel  Gnies  wirken  k3nnen, 
Bu  grell  nnd  eineeilig  hervorheben  and  so  die  Köpfe  ihrer 
8cfaAl«r  flchon  in  der  ersten  Mecite  verschmähen.  Zweitens 
den,  dsfs  manche  Aenie  sich  nie  die  Mühe  geben,  die  Vor- 
theile  imd  mSglicken  iXacblheile  der  Brechkaren  selbst  gegen 
einander  absuulgen.  Drittens  den,  dab  es  weit  leichter, 
weit  gemächlicher  ist,  dem  Fieberkranken  erst  sn  speien  ge- 
ben, dann  xm  laxiren,  nad  wenn  er  .darauf  schlimmer  gewoiv 
den,  an  ibin  fliehen  (sieb  'einbildend,  das  müsse  so  sein, 
das  sei  sehulrechi),  als  die  Krankheil  durcb  das  geeignete 
Heilmittel  vom.  ersten  Sladio  gleich  in  das  der  Besserung  su 
bringen.  Das  Wilde,  das  Uageschlacfaie  wird  jederzeit  mehr 
Anhänger  find«i  als  das  Sinnige,  das  Umsichtige;  denn  jenes 
wird  mübeloa  genbt,   dieses  nur  mühevoll. 

Bei  allen  Fortschritten,  deren  sieb  unser  Zeitalter  rühmt, 
kommt  es  mir  so  vor,  als  stehen  wir  noch  hinsichtlich  der 
richtigen  Anwendung  der  Brechmittel  ungefähr  auf  dem  uSm- 
licben  Punkte  der  Erkesniaifs,  woraef  die  Aerzie  vor  awei- 
bnndert  Jahren  sianden.  JoA.  ßioloM  sagt  (Enckir.  mnaU 
pag.  i2ij:  Imperile  fttdunt ,  »e dicam  impie ,  qui pott mulla 
Ttmedia  adminülraia,  i»  wutrititn^üj  ae  pene  Jam  ex^utit 
viribmt  vemitorii*  uttmtur,  tanquam  exiremit  remedii»,  guae 
qtiod  ixperMt  tilat  tuffocoMtet  mortem  oeyut  acceferant.  Das 
•chrieb  RMa»  7m  I7lea  Jahrhundert;  nun,  ioh  denke,  das 
Kunslatiick,  welches  dem  Menne  so  übel  geftillt,  wird  auch 
noch  wol  im  19teo  Jahrhundert  geübt.  Aber  freilich,  wir 
machen  darCber  jeist  eine  andere  Anslegnng.  Das  furchibar- 
ale  Brechiuiltel ,  von  dem  ieh  je  gehört  oder  gelesen,  gab 
im  17len  Jahrbandert  der  englische  Arat  Georg  Bäte  (Leib- 
arst  Carl  de»  2teit)  in  der  Fallsucht,  und  es  ist  mir  wahr- 
acheinlich,  dafs  er  in  manchen  Fflllen  einsig  dadurch  die 
Krankheil  wird  geheben  haben.  Man  findet  die  Vorschrift  in 
der  Reseprsammlung,  welche  snier  dem  Namen  Parmacopoeu 
Baieana  bekannt  und  mehrmals  aufgelegt  ist.  Mein  Exen- 
plar  ist  von  der  4ien  Auflage  (Amsterdam  1709),  hier  stehet 
es  Seile  33  nnd  laatet  atiio  i  ^^  Folior.  recent.  Digitali*  i\\ 
Vvar.  eorütlk.  mund.  ^ü  Cantutit  adde  Cereviiiae  non  btpula- 
tae  ßü  Cofae  ad  dimid^f.  expreatio  forli»$ima,     D.  pro  vomi- 


—    1144    ~ 

/«r^  t»  epilepaim.  leb  dmike,  w«r  dM  Trank  ganaMimen« 
der  wird  wol  bis  zani  4(en ,  oder  5ten  Tag*  rib  Breehen  ge- 
blieben aeio;  mam  weRigsIeD  habe  ich  «a  ao  eimnahl  bei  einer 
jnngän  Frau  beobachtet,  der  durch  ein  Digitalisbreohmiiiel 
das  Weehselfieber  vertrieben  wurde,  nnd  «war  von  einer  \on- 
ne,  die  angeblich  daa  Kunttstück  von  einem  alten  Mönch  ge- 
lernt hatte.  Die  Kranke  halte  einen  halben  EfalöfTel  voll  ler- 
riebener  trockaer  Digiialisbiftlier  auf  ein  Mahl  genommen  und 
war  innerhalb  einer  halben  Stunde  ani  Brechen  gekommen; 
dieses  Brechen  war  aber  mit  Scblucfazen ,  mit-  ganz  ungere- 
geltem  Heraichlage  und  mit  einem  Gefühle  des  Todikrank- 
aeins  begleitet.  Das  Fieber  ist  anigebliebsn  und  bat  keinen 
•  Bückfall  g^acht. 
b.  Purgir-  oder  Laxirkur> 

Durch  diese,  ja  nachdeM  »an  feindlich  den  Darmkanal 
nnpeift,  kann  man  viele,  initglicfa  alle  UrorganerkrankMigen 
heilen.  Man  heilt  damit  Manie,  Ophthalmie,  Angina,  Hu- 
sten, Asibma,  Seitenstechen,  Leber-  and  iMilHuschoppung, 
Kolik,  Ruhr,  Rbeuiusiiamen ,  Giebi,  Gelbsucht,  Wassersucht, 
nnd  Goit  weifs,  welche  Suchten  noch  oiehi.  Dieses  nun  sd- 
gegeben,  luÜHsen  wir  aueh  die  ■itglichen  Nacfatheile  der  Per- 
girknr  erwfigen. 

Zuerst  ist  xu  bemerken,  dab  sie  unsicher  ist;  sie  kann 
helfen,  aber  sie  hilft  nicht  immer.  Wann  sie  eia  Urorgan- 
leiden,  hei  dem  der  Gesanuntorganisinus  sich  noch  in  den 
Indiffcrenzsiand  befand,  nicht  heilet,  so  bewirkt  sie  leicht, 
dafs  der  Gesamm (Organismus  urerkrankt,  und  diese  IJrerkran- 
kung  ist  uro  häufigsten  Eisen-,  seltener  Kupfererkranknng. 

Bei  Kupfer-  und  Eisenerkrankung  des  Gesamniiorgauismas 
schadet  sie  bestimmt,  und  wer  das  Vorwallen  dieser  ErknU' 
knogen  in  einem  Organe ,  auf  guten  Glauben  für  ein  Urlei- 
den dieses  Ofgans  nshmoBd ,  durch  Purgirmittel  heilen  will, 
der  fiberlege  erst  wohl,  oh  seine  .Kunst  auch  mKcfalig  genug 
ist,  den  Schaden^  den  er  anstiften  kann,  wieder  gut  zn  ma- 
machen.  (Jrleiden  der  Bauchorgane  werden,  wenn  die  Pur- 
girkur  nicht  heilend  wirkt,  sehr  leicht  durch  selbige  gestei- 
gert, und  es  bleibt  dann  ohroniaeher  Darcbfall  zurück,  der 
übel  za  heben  ist.  Oft  twbe  ich  dieses  bei  der  von  Urleber-, 
«der  tlrmilserkrankung  abhängenden  Wassersucht  beohach- 
tet.  *)     Nicht  die  durch  den  chronischen  Durchfall  verursachte 


*)  leb  halle  daia  Triiber  oft  Gelc^abeit ,  weil  der  (eria^  Menn  ,  wena  er  wai- 
»•oMichjtg  wsrde  ,  laent,  bevor  er  die  Biitre  Bei  ArU«i  aBcht«,  du  Speei- 
fieum  eiaei  (ewiMea  KlMterg  (ebranebla,  welckea  ■•■  Jalurp^pB'*»'  ■»' 
BruQlweia  b«itaad. 


—    1143    - 

Eolleerang  gab  dem  Kranken  i)«n  Rest,  sondern  die  imch 
die  Purganz  bewirkte  Sietgerung  des  Urorganteidena,  von  der 
aneb  der  ebroniscbe  Onrcbfall  seibat  abbing. 

Was  ich  von  den  Brecbmillela  gesagt,  sage  ich  anch  jetzt 
von  den  Pargirmilleln.  Man  hat  blofa  an  das  gedacht,  was 
sie  heilen  können,  aber  wenig  an  das,  was  sie  nichi  heilen 
nnd  was  sie  verderbea.  So  ist  es  denn  gekommen,,  dafs  in 
früherer  Zeit  die  Ausdrücke  ärztlich  bebandien  undpnr- 
giren  gleichbedeatend  waren.  Aus  dieser  ftrztlichen  Begriffa- 
vermischung, oder  Vertäu  sc  b  tin  g ,  haben  ja  die  Lasupieldicb- 
(er  und  Satiriker  um  die  Aerzte  sd  plagen  einen  Possen  ge- 
macht. Motiere,  der  in  dem  Intermezzo  eines  seiner  Last- 
spiele ein  Doklorexainen  vorslellel,  lälst  den  Kandidaien  auf 
alle  Fragen  seiner  Examinatoren,  in  Betreff  der  Heilung  ver- 
schiedener Krankheiten,  frischweg  antworten:  langutnärey 
clg$lerare,  purgare.  Und  der  nnbekannle  Verfasse^  der  sehr 
bekannten  saliriscben  Briefe  unberühmier  Männer  (dun  einige 
fiir  Ulrich  vou  Hittttn  halten)  isbt  die  Aerzie,  selbst  dem 
kranke«  Elephanten  des  Papstes  eine  ungeheuer  thenre  Pur- 
ganz  verordnen. ") 

c.  Antagonistische  Heilung  durch  die  Einwirkung 
anderer  scharfen  Mittel  anf  den  Dnrmkanal. 

Dafs  man  durch  solche  Mittel  die  Erkrankung  mancher  Or- 
gane heilen  könne,  ist  nicht  zu  läugnen;  jedoch  wird  man 
sie  nie  so  allgemein  anwenden  als  Brach-  und  Laxirmittel. 
Ob  viel  oder  wenig  an  der  Auswahl  dieser  Mittel  gelegen  sei, 
kann  ich  nicht  sagen,  weil  ich  wenig  eigene  Erfahrung  dar- 
über habe.  Nicot.  Chemeau  sagt  (oiterv.  30.  pag.  141.^.* 
Chirurgtu,  quidam  atthmate  lahorani,  quotie*  Symptoma  urge- 
hat,  piperü  nigrt  puiverali^ß  vel  3i  pane  euchariUico  invotti- 
tarn  cum  vino  lumebat,  a  quo  maicimum  levamen  accepUte  mihi 
ajflrmavit.  Dafs  man  durch  Einspritzung  scharfer  Mittel  in 
den  Mastdarm  ehemahls  das  Hüftweh  geheilt  habe,  ist  be- 
kannt; es  mufs  anch  diese  Heilart  sehr  gemein  gewesen  sein, 
denn  Barlolom.  Monlagnana,  der  als  ein  berühiuler  Professor 
des  15ten  Jahrhunderts  die  Sache  wol  gekannt  wird  haben, 
sagt:  fCoasil.  251.^  Dolore*  Uli  tapientum  omnium  concordia 
clytteribii»  acuti»  tanaiitttr. 

•)  Et  guanda  fuit  it{firm»in  Eltfhet,  tuHC  Ptpa^it  in  mvg*H  trittiti»,  «I 
esrnDif  mtdicBt  plnret  tl  dixil  eit ;  ti  pottibile  ett,  tanate  miAi  ElepAat. 
TuHc  feetrHnt  magnam  dUigenliam ,  et  viderunt  ei  urinam ,  et  dtdtrmnl  ei 
mnmm  furgaliomem ,  gaae  eemtat  guiiiqu^  eeitlum  anrege!  eed  lamen  »«a 
^M^erullt  Etepkat  fmeere  meriare,  et  tia  atartuum  eil.  —  Bpitt,  otteur. 
vir.  ad  Dm.  M.   Orluimuut  Gratiam. 

"■■■  - ^-'-~-^- 


—    1140    — 

i,   IIantreii«nda  Mittel. 

Da  haben  wir  siiartt  die  Schwitimtllel,  weldie  h«at  m  Ta- 
ge weniger  in  Gcbraneli  sind  aU  früher.  I)af>  man  aneh  mit 
itieaen  manche  Ureriiranknng  der  Organe  heilen  k&ane,  daraa 
IM  nicht  xn  iweifeln,  jedoch  aind  aie  iai  Ailgenieinea  weni- 
ger mächtig  als  Bredi-  and  Laxirniiilel.  Dea  CmJet  Je  VnMX 
Wauerkar  ist  eine  wahre  Sehuiia-^.nnd  llaniknr,  nnd  wer 
M  rerauchen  will,  der  wird  lich  wol  fiberieugen,  dafa  durch 
Jieselli«  nicht  bloft  die  Gicht,  eondem  noch  wancke  tlrkran- 
knngen  anderer  Organe  in  heilen  sind. 

Weiler  bnben  wir  die  liifarrllchen  Miliel,  als  Spanische 
Fliegen,  Senf,  Meerreltig,  Brechweiasieinaalbe,  fiiacades  Am- 
moaiaM,  Croionftl,  das  Glüheisea,  das  Brennen  mit  Nesseln, 
die  Geifgelnng,  Fontanellen,  Ilaaraeile  u.  s.  w.  Man  kann 
darch  dies*  Bufserlicheo  Hantreiye  viele  kranke  Organe  aum 
Normaluande  lurflekfDbren.  Bei  den  Erkrankungen  der  Mos- 
kein,  GclenkbHnder,  \erveasilMuie ,  wenn  es  wirklich  Urlri- 
den  dieser  Organe  sind,  kommt  man  durch  diese  llauireiae 
nicht  tehen  am  sehaellsien  snm  Zweck.  Sind  es  aber  con- 
sensuelle  Leiden,  abhängend  ven  der  Urerkrankung  eines  in- 
neren Organs,  oder  sind  ei  Vorwalmagen  einer  Erkrankung 
des  Guaniwiorgantsniufi,  so  enisprechen  liexiiweilen  nur  halb, 
Sfier  gar  nicht  der  Erwartung,  nnd  ich  sehe  sie  in  solchen 
Füllen  als  eine  blofs  swecklose  Schinderei  an. 

Bei  Urerkrankung  innerer  Organe  kann  man  die  flufseren 
Hautreise  auch  snweilen  nicht  enibehren.  Bei  dem  IJrleiden 
der  Dftrme,  das  sich  als  Kolik  offenbaret,  ist  man,  wenn  we- 
gen der  Znaaninienziebiing  des  Mastdarmes  die  Anneodung 
der  Klystire,  und  wegen  des  unaufhörlichen  Erbrechens  die 
Anwendung  innerlicher  Mittel  unmöglich  iel,  ja  eioxig  auf 
liirMrlicbe  beachrttnkt ;  und  was  leisiel  nicht  in  solchen  Fäl- 
len ein  halb^lündiges  Einreiben  des  mit  Seifenauflösimg  rer- 
bundenen  knnsilschen  Aninioniums  iiuf  die  Bnnchhaui! 

In  der  Erkrankung  anderer  innerer  Organe  habe  ich  aber 
selten  so  auffallende  ichnelle  Wirkung  gesehen;  vielmahls 
liefaen  mich  die  Bnfaerlicfaen  Mittel  gans  in  Stich,  und,  was 
noch  weit  icbliinnier  ist,  in  manchi^n  Fallen  täuschten  sie 
mich,  sie  schafften  durch  ihren  antagonistischen  Reis  den 
Schmerz  weg,  liefsen  «her  die  Krankheit  dea  Organs  wie  sie 
gewesen.  Ich  habe  mich  früher  der  feindlichen,  bantreiaen- 
den  Mittel  weil  häufiger  bedient  als  später;  je  nachdem  ich 
nämlich  durch  vergleichende  Beobachlnng  den  erkrankten  Men* 
achenleib  nach  und  nach  besser  kennen  lerue,  sdiränkla  ich 
auch  den  Gebrauch  derselben  nach  und  nach  »in,  und  ich  sah, 
dals  ich  so  den  Zweck  meines  intlichen  Mfibans,  das  Heilen, 


—    1147    — 

bMnr  and  lieberer  erreichte  aU  früher.  Gniix  kaira  ich  frei- 
lich auch  Jelst  nicht  dte  feindlichen  Hauireixe  meiden,  tdi 
wende  sie  aber  nar  da  eni  wo  ich  nichi  nndert  fcmiD,  oder 
wo  ich  «iemlich  gewifs  bin,  die  Krankheit  am  liilrsesiea  nnd 
sicfaerBien  dadurch  ko  heilen. 

Endlich  maBüen  wir  hier  nach  noch  von  den  kall«n  Um- 
■eblHgen,  oder  Begiefinn^n  ein  Wert  sprechen.  Bekaantlicb 
'  kann  man  damit  l>ei  cbroniichen  GliederseliHienen  viel  aui- 
riehien,  betondera  wenn  man  die  Hwit  erat  durch  warme  lliu- 
achlSge  oder  Bflder  niSglichat  empfindlich  für  den  plöialichen 
Eindruelc  der  Kfilie  macht.  Sicher  i«l  diese  Heilari  nicht,  dai 
werden  die  am  besten  wiiaen,  die  nn  Orten  wohnen,  wo 
Ruuisebe  Dampfbiider  sind.  Ein  hiesiger  WundanH  hat  mir 
enShh,  er  habe  einen  chronisoben  Mnskelsehmers  Eines  Fii- 
fses  ^babt,  der  ihn  swar  nicht  uafSbig  su  seinen  Ciesohifien 
gemacht,  al»er  ihn  doch  sehr  hinderlich  gewesen.  Dn  er  nnn 
genöibiget  geworden,  sich  in  Berlin  als  Geborlsbelfer  von  der 
MedizinalbehSrde  prüfen  zn  iassen,  habe  man  ihm  dort  die 
Itnssischen  Dampfbfidcr  angerailien.  Durch  diese,  oder  vi  I- 
mehr  darch  die  kalte  Begiefsung  nach  denBidem,  sei  er  gar 
bald  ron  dem  Leide  befreiet  worden.  Kaum  aber  sei  er  von 
Beriin  anrückgekommen,  da  habe  sein  alter  Sebmerssich  wie- 
der eingeileHei.  Nnn  habe  er  die  Brecbkur  angewendet,  nm 
den  anderen  Tag  ein  Ifichiiges  Rreehmillel  von  Brech Weinstein 
genommen  and  sei  dadurch  bald  und  swar  gründlich. geheilet 
worden.  Gründlich  ist  er  gewifs  gehsilei,  denn  es  sind  jetzt 
schon  mehre  Jahre  verflossen,  ohne  dnfs  er  die  mindeste  An- 
mahnung  tou  dem  alten  Uebel  gespilrel  liat. 

Bei  einem  (Jrleiden  des  Gehirns,  es  mag  unter  ohronischer, 
•der  aknterForm  als  Irrsinn  nnftreten,  leisten  kalte  ÜmachU- 
ge  Bof  den  Kopf  in  seltenen  Flllen  recht  gute  Dienste;  weit 
Sfier  helfen  sie  aber  gar  nicht.  Bei  dem  als  Irrsinn  sich  of- 
fenbarenden Vorwalten  einer  EleenatTektion  habe  ith  knlie 
.Umschläge  fr&her  oft  versucht  and  zwar  in  akuten  Fiebern. 
Ich  erinnere  mich,  eine  vorübergehende  Wirkung,  eine  Unter- 
brechung des  Irreredeoä  oft,  eine  anhallende  aber  noch  nie 
davon  beobachtet  zu  haben.  Was  sie  Gutes  leisten  können, 
leisten  sie  bald;  was  sie  aieht  bald  leisten,  leisten  sie  auch 
nicht  beim  fortgesetzten  Gebraache.  Der  Gmod  von  dieser 
Erscheinung  liegt  darin,  dalk  die  Kopfhant  sich  bald  an  den, 
anfSnglioh  angewöhnten  Reiz  der  Kllie  gewöhnt.  Sobald  das 
einmahl  geschehen  ist ,  kann  der  kalie  Umschlag  nicht  mehr 
als  aniaganistiscber  Reiz  wirken,  und  die  Eiseoaffektion  des 
Gesammiorganismns,  die  im  Gehirn  vorwaltet«  kann  er  be> 
gteifliefa  nuch  nieht  heben,    la  dem  »weilen  Abschnitte  des 


—  11«  - 

vorI«lB(«n  Kapii«)>  hake  ich  eraKhIt:  ein  daroh  nitluilicnden 
MibbraiMh  des  Braomwcint  erkrankter,  an  «in«!  aU  Irrsinn 
im  Gekim  vorwaliendea  Etsenaffeklion  des  Getaiuiuiorganig- 
mus  leidender  Mann  ui  Atiroh  eiskalte  Umschläge  auf  den 
Kopf  so  weit  wieder  luf  Besinnung  gebracht,  tUfs  er  dam 
Priester  habe  beiahien  LönoeD.  Bald  darauf  sei  d«r  Irrsion 
wiedergekehrt,  und  ich  habe  den  in  guient  Venntuen  wieder 
zu  den  kalten  Umachlftgeo  greifenden  Hansleiiien  zwBf.den 
Varsiieb  nicht  abgeralken«  aber  doch  vorhergpsagt ,  dafs  sie 
jetxi  keine  beruhigende  Wirkung  mehr  davon  sehen  würden, 
.welches  sieh  auch  gar  bald  beaittiigci.  Meine  Vorhersagung 
gründete  sich  eioaig  aiif  meine  friheren  Beobachiungea,  dafa 
die  kalien  Umschläge  blofs  durch  die  Ungewohoheit  der  Kal- 
te als  feindlicher  Reis  wirken,  dafs  aber  die  Haut,  bald  an 
diesen  Bela  gewöhnt,  nicht  mehr  feindlich  davon  berührt 
wird.  •) 

//.  Direkte  Kunt tkeiiuHg. 
Htraclitm  der  Epbesier  soU  den  Krieg  den  Vater  aller 
Dinge  genannt  haben;  der  Mann  hat  Kechi,  denn  ans  entcheint 
das  liehen  der  Natur  als  ein  wirres  In-  und  Gegenainander- 
wirken ,  und  dieses  ist  für  uns  die  eintige  Offenbamng  des 
Leben».  Was  wir  von  dem  Riesenkanipfe  erkennen  können, 
sind  nur  unrollkommne ,  armselige  Einselbeiien ;  das  Ganze 
desselben  vernug  der  irdische  Mensch  ninawer  xii  erkennen, 
oimmsr  su  erschauen,  dann  er  ist  selbst  in  diesem  Kam|(fe 
begriffen,  ja  seine  Wesenheit  ist  ein  E^eagnife  dieses  Kam- 
pfes.   , 

Dab  gewisse  Einflüsse,  die  wir  aber  grüfsteotbeils  nicht  ein- 
maht  kennen,  sondern  nur  ihr  Dasein  vertuatben,  den  gan- 
zen Leib,  oder  einzelne 'Organa  krank  machen,  glauben  wir; 
dafs  andere  Einflülse,  welche  wir  aber  auch  wenig  kejinen, 
die  durch  jene  krankmachenden  bewirkte  VerHnderung  wie- 
der anfheben,  glauben  wir  auch,  und  wir  müssen  es  wol  glau- 
ben ,  denn  wir  sehen  kranke  Menschen  von  selbst  genesen, 
und  wir  denken,  dafs  diese  Heilungen  Ergebnisse  den  grofaen, 
uoerkenn huren  Naturkampfea  sind.  Durch  untere  nnvollkom- 
menen  Beobaehtungen  dieses  Natnrkainpfes,  and  dnrch  ein 
Zusainmenireffsn  aufserer,  nnseren  Verstand  zu  jenen  Beobach- 
tungen nölhigenden  Umstftnde  (welches  wir  Zufall  zu  nennen 
pflegen)    sind    uns  gewisse   Elnflüsaa   oßenbkr    worden,    die, 

')  leb  bille  die  LsMr,  dsi,  w«i  icb  voa  den  ksllen  limichliieeD  and  BigieriDn- 
%»ti  fet»%x,  aiehl  auf  die  kaltsn  Biidar  sb  belieben.  Leute  habeo,  anhalteBd 
gebnacht,  eine  den  EUeii  nabe  verwandte  Wirinas.  Heiae  ErfabrnaB  in 
aber  ao  seriog  in  diwem  Paskle,  al«  dab  ick  <sr«ber  etwas  asfan  dorH«. 


—    1141»    — 

wenn  wir  tie  abaicbilich  asf  dea  Men«h«n1eib  elDwirkMi  las- 
srn ,  dai  Erkrankte  wieder  normal  nwchen.  Dm  W  I  e  der 
Wirkling  dieser,  dem  Herakliiiachen  Vaier  aller  Dinge  abge- 
lKDicbleB>EinseIke)ten,  liegt  meist  anfaer  dea  Grencen  unse- 
rer Erkennlair«;  böchitena  kSnnen  wir  fiber  die  aniagoniinsch 
wirkenden  Mittel  und  über  Ans  W  i  e  ihrer  Wirknng  eine  iiiebr 
•der  minder  Mcharfif innige  Erklärung  wagen.  Aber  das  Wie 
der  Wirkung  der  direkt  heilendem  ist  ganx  in  Dunkelheit  ge- 
hilflet.  Unser  Verstand  kaifn  hier  Tiber  die  naekte  Tbatsacbe 
nicht  biaaiisdringen ;  wir  bringen  die  Arzeneimkiel  Hiit  dem 
kranken  Menschenleib  in  BeriMirung  und  sehen,  dafs  der  er- 
krankte gesund  wird ;  das  ist  alles ,  was  wir  davon  ugen 
bftnnen. 

Der  Gedanke ,  der  su  unserer  Zeit  in  der  gelehrten  Welt 
ausgesprochen  ist,  alle  Arsenei  bewirke  eine  klinsiliehe  Krank- 
heit nnd  heile  dadurch,  scheint  mir  itbel  auf  die  dirukten  Hei- 
lungen KU  passAi;  bei  denselben  kann  ich  snm  wenigsten  mit 
meinen  Sinnen  nnd  der  Kranke  durch  sein  Gefühl  kein«  neue 
kfiniiKclie  Krankheit  erkennen. 


B.    HistHrliellmBif. 

Wie  die  .\alur  beriet,  kann  der  kicinatftdtische  Arst  besser 
beobnehieB  als  der  ^rofsslüdiische,  flberhnupi  besser  der  Land- 
als  der  Starftarst.  Aerzle,  welche  in  grofaen  Sllidtan  blofs 
vornehmen  und  reichen  Lenlen  dienen,  wissen  wenig  von  den 
Naiurheilungen ,  denn  sie  haben  es  mit  einer  Men schenklasse 
zu  tbnn,  die  sich  jeder  kleinen  Unpttfslicbkeit  wegen  an  den 
Arzt  wendet  nnd  einzig  von  der  Kansi  Heil  erwanel.  Selbst 
in  kleinen  SfKdit'n,  wo  gute  Armeumiitel  sind,  wo  also  (wie 
in  meinem  Wohnorte)  nicht  hiofs  der  eigentliche  Bettler,  son- 
dern aticb  der  unverm3gende,  sich,  so  lange  er  gesund  ist,  - 
selbst  eroSbrende  Handwerker  und  Taglöhner  Arzt  und  Arse- 
nei  umsonst  hat,  läfst  sich  die  Nalnrbeiiung  Qbet  beobachten. 
Das  platte  Land  hingegen  ist  der  wahr«  Boden,  worauf  mau 
solche  Beobachtungen' machen  kann.  In  den  Landgemeinden 
wird  nur  den  eigenilicb  Armen  unentgeltlich  Arzenel  zuge- 
standen. Alle  übrige  Unvermögende,  als  Oiensibolhen,  Tiig- 
Idhner,  der  grSfsie  Theil  der  Handwerker,  Hftusler  und  an- 
dere, die  nur  sehr  geringen,  oder  gar  keinen  Gnindbesitz  oder 
Pachtung  haben,  müsüen ,  werden  sie  krank,  Arzt  und  Apo- 
theker selbst  bezahlen.  Den  Arst  fürchten  sie  nun  wol  aiu 
wenigsten;  denn  wenn  gleich  der  Staat  uns  eine  gesetzliche 
Anweisung  auf  die  mageren  Beutel  dieser  Mühseligen  gibt, 
•o   worden    doch   hoffentlich  die  meisten  nnler  nns  ti.fSr  ei- 


—    UM    - 

ntn  Prevd  balUB,  Gebnoeh  tob  rfiMOr  Aswatmag  n  m- 
chen :  4er  Ap«(hck«r  wird  absr  «dir  tob  ihnen  gsMifavuel,  oirht 
weil  «r  ue  fibenfaeuert,  londoni  weil  iKglicb  ein  paar  Gro- 
s<4ient  ftir  ihre  der  Noihdurfl  keum  yenfigeada«  FioanioB 
whon  eine  fnet  unenwlogliehe  Aufgab«  «iod.  So  aberlenec 
■ie  eich  denn  faüu&g  der  Natur,  und  nur  w«na  diese  navoll- 
kommeo  geheili  hRt,  oder  wran  sie  nicht  lu  hellen  vermag, 
wird  Ton  ihnen  die  KiinU  aageiprocben.  Man  hat  auf  di«M 
Weise  bftu6g  Gelegenheit,  die  Nmurbeilangen  so  beobaobien. 

Die  aweiie  An,  die  Naiarheiloagea  kanBeo  au  lernea,  ist 
folgende.  Jeder  Mensch  hat  eine  Neigung,  aetne  oder  der 
Seinigen  übersiaadenen  Krankhaiten^  heaoaders  wean  sie  •rnil- 
haft  waren,  anderen  zo  erxGblen,  Menschen  ans  der  geringe- 
ren Klasse  besilscn  diese  Neigung  ia  TOnüglidiem  Grade, 
nad  der  Arst,  slSfit  er  sie  aiebt  durch  ein  onfreuodliches, 
bodirabreades  Wesen  inriek,  ist  gerade  deiJMtige,  den  sie 
am  liebaian  mit  der  ErsBblung  solcher  Begebeahaitan  uater> 
haltea.*) 

Aus  diesen  nngeschtainkten  EraHbliingea   kann  nwa   mehr 

von  den  Naiurbeilungen  erfahren  als  ans  den  gedruckten  Bü- 

ehem.     Ich  habe,  so  tauge  ich  Arzt  hin,  gern  mit  dieser  Men« 

-  aehenklasse  ein  GesprSch  angeknüpft ,  und  ich  versichere  dem 


*)  Aach  Tflrsahae  lai  nHeh«  Las!«  bab«!  i\ma  Tfaifasit ;  wir  kfci—  Aer  an 
ihres  EnUlavfcs  aictli  lenea,  wall  diew  fclob  tm  RoMlMlBiwea  haiMi. 
ÜDUrl,  «hr  Bsuri  iit  ei ,  wesa  lie  dm  tSdtllche  Fälle  anUles  ■■4  wm»ar» 
HeiBDBg  d*räber  vereehnaa  wollea.  Bio  lobbei  Aaiiaaea  kaaa  aar  Jeaaa 
natar  dia  Aentea  willkonaea  lela ,  wslche  ick  Todleakeiler  aaaae.  Bit 
Todteaant  IrribI  mid  Ceachifl  ttt  Mgeuit  Art.  ErxEhH  ikH  der  Toraehaa 
Haan  dal  Abileitea  Mlaaa  acBMlKiiMgaB  finAvatan  sad  wie  dar  Artf 
deaHlbaa  kebaadalt,  ••  Udalt  «r  diät*  Behaarflaai  «ahr,  sad  aoiKt,  irie  dar 
(Ble  GrabTBlar  bSite  aauea  bebaadell  werdca,  an  la  MclbaMlaaa  Akar  ta 
^ela^ea.  Iit  dct  ntraebaea  HisaM  Riail  tob  SUtler  aar  di>  Strabe  ga- 
ftirxl  sad  bat  Ära  Bsla  ^brochea  ,  lo  Jegt  er  der  Län^  aach  bdi  ,  wia  ai 
bitte  aBMoa  (ebeill  werden  ,  aad  wie  du  berrtiche  Itlad  nit  den  pbeillea 
Gaaicka  bSlte  kSaaaa  lebea  aad  gedeibei  aar  gnhea  ITread*  leiaer  v^rebrllchea 
AHtera.  *.  SmiUm,  der  ab  lUiierlleber  Leibsnt  dh  Weiaa  dar  VaraabMea 
doEb  wal  wird  (ekasafbibea,  aagl :  Maguatti  »M»fvmm  ert^mmtitr  ftrtn  mf- 
hU,  atd  Imalmm  mnlicTum  trroriiat.  Da*  CrtduHtmr  febet  siebt  aar 
die  Haue  de«  Volkei,  deaa  du  well*  mtn  recbt  got,  dah  die  VDraebaaB  e« 
wal  den  Toda  anlerworrea  find  alt  die  CarlsKcn ,  aoBdera  ei  gebet  ear  dia 
VMMbaea  wlbit,  dia  glaabea  m  etwa«  aalar  »ick;  nad  dab  lie  es  |)a^u, 
rtbrt  aiailf  voa  daa  Tadtaabcilers  her,  deres  KaaU  as  adal  tat,  dalb  sie 
dieaaiba  aiBnar  sd  ganeiaa  Biirgar  vergeadas,  taadars,  glrieb  dea  sltaa 
Goldnaebera,  lie  bloff  daa  Reiebea  nad  VornahaieB  aafiparea.  Naa,  werlha 
Leter  I  icb  denke,  ea  nSMea  docb  eiimhi  la  dietar  waaderilobea  Walt  al- 
lerlei Gelder  tela ,  aUo  dBrrea  aaeb  die  Tedlcnheiler  sieht  Teblea  ;  aaa  wa- 
aigalea  wirde,  abaa  dieselbas,  dai  asaalbige  intUeba  OaedUfcat  ■STallatik- 
dif  blalbss. 


—    1151    - 
Lewr,  wXre  Ich  ein  itelfer  K«BBlgIftnbtg;er  gvweMDi  die  ehr> 
liehen  Leute  wArdes  mich  mara  Zweifler  gemacfat  haben.    Aim 
meiaeo  Beobacblnngeo  habe  ieb  mir  nti«  folgenden  Abing  gt* 


/.    Die   Naiur  ieHet   indirekt. 
AntKgoniatisch. 

a.  Dwefa  Kranlcmaehen  eine*  Organ«,  heilt  de  ein  anderM  frB- 
her  erLranlctea. 

Dieae  Heilung  geichiehet  in  den  nieislen  FXlIea  m,  dab 
ein  eoniensiiell  ergrilfenes  Organ  nach  und  nach  nrcrkrankt, 
wo  denn  daa  anRnglicb  urerkrankte  gennd  wkd.     OimeHei- 

'  lung  iit  in  maachen  FuHen  aorollkonimen ;  das  nenerkrankte 
Organ  will  nicht  von  selbst  besser  werden,  milhta  iM  die  aehein- 
bnre  Heilung  mehr  eine  Verlanscbnng  der  Krankbeitsfom  al« 
eine  wirkliche,  gründliche  Heilui^.  la  aadere«  FXlIeD  wird 
aber  das  neaeriirankie  Orgaa  nach  and  nach  von  adbat  ge> 
annd,  nnd  die  Heilung  ist  dann  YoUslfindig,  Jedoeb,  wie  ich 
bemerkt,  nicht  sehen  sehr  laagweilig. 

Ferner  geachiebet  diese  aniagoDislEseba  Heilang  na^  so,  dafs 
ein  ni^l  consensnel)  ergriftenes,  ein  gana  gesandet  Organ  ei^ 
krankt,  und  dadurch  das  anfiinglieh  erkrankte  geneaet  In 
diese  Kategorie  gebaren  wahrscheinlich  die  kriiische«  Aba- 
sesse,  auch  vielleicht  dl»  ungeheuer  heftigen  Fnfssehnienen 
bei  dein  Besserwerden  der  Gehirnfieher.  Ueberhaupt  habe  ich 
aber  diese  Art  der  auiagonisiichen  Heilung,  verh&hlich  an  der 
vorigen,  sehr  selten  beobachtet.  In  der  zweiten  Abtbeilung 
des  vorleisien  Kapitels  spraeb  ich  von  einem  16  Jahr  altem 
Hüftweh,  welches  die  Natur  geheilet.  Wie  geschah  nun  diese 
Heilungt  Durch  eia  WechselGeber ,  wenhe  Amisbrilder!  und 
xwar  durch  ein  so  heftiges,  dafs  ich,  am  das  Leben  der 
alten  Frau  besorgt,  schon  den  dritten  Anfall  aalerdrilGkea 
mofdie.  Der  aweiie  faane  die  sechaelMJKhrige  Erkrankung  des 
Iläfinerven  so  schnell,  so  sauberiich  vertrieben,  dafs  die  Prao, 
gleich  nach  beseitigtem  Fieber,  ihre  Krücke  wegwarf  and  so 
gut  nnd  sehmerafrei  ging  als  jeder  andere  Gesunde.  Man 
mag  sich  nun  von  dem  Wesen  des  Wechaalfieben  jede  be- 
liebige Vontellnng  machen,  so  mnfs  man  doch  bei  einem 
«olcb  befligen,  will  man  seinen  eigenen  Sinnen  traaen,  wol 
glauben,  dafs  das  Hautorgan  auf  eigene,  heftige  nnd  feind- 
liebe  .Weise  angegriffen  ist.  Durch  dieses  feiadtche  E^grif- 
fniaeio  des  Haatorgans  wurde  nun  die  alle,  allen  Arzeneien 
troiaeade  Krankheit  des  Hüfin«-ven  gehoben.  Solobe  tiewalt- 
beilungen  können  wir  dar  Natur  nicht  g«t  nacbaadt««. 


—    il51    — 

b.  Die  Natur  bstit  »ia  kranket  Orgao  itorch  Ersch5pfnng  dei 
•  ganssn  Körpen.  Wer  je  auf  diese  antagODiniaehe  Naiurhei- 
Inng  geactiiet,  der  wird  bemerkt  haben,  daTs  die  ErschSprong 
einen  Etemlich  hohen  Grad  erreicht  haben  mufi ,  bevor  ein 
urerkranklei  Oi^an,  wenn  eri  hart  erkrankt  int,  mm  \ornial- 
■tande  xurnckkebret.  Ich  bin  fiberzengt,  und  achoo  Inngst  dea 
Glaubens  gewesen ,  dafa  das  achulrechie  Beliandeln  dea  soge- 
nannien  Typhus  (unier  welcher  vieldeutigen  Kategorie  häufig 
manoherlei  Gehirn-  and  Bauehfieber  begriffen  »ad)  niebls, 
gar  nichts  zur  Heilung  beiträgt.  Ist  der  sogenannle  Typbns 
ein  cameosnellea ,  ron  einem  nrerkranklen  Gehirn-,  oder 
Banchorgana  abhangendea  Fieber,  so  bringt  die  Natnr  durch 
ErsohSpfung  des  ganzen  Leibe«  das  erkrankte  Organ  zun 
Normatstande  zarüek.  Wir  sehen  hier  etae,  zwar  von  dem 
Arne  nicht  beabaiehtigte ,  aber  doch  wahrhafte  Hungerkur. 
Die  Bcbulreclll  rerardneten  Miliel,  weil  sie  auf  das  urerkraokte 
Organ  niebt  geriehlet  aind,  können  böchatena  durch  Bescblen- 
pigong  der  Erat^Apfnag  «a  wenig  znr  Heilung  beitragen; 
was  dana  freilieh  ein  geringer  Vortfaeil  ibt. 

Die  Natur  heilt  znweilea  dnreh  Erschöpfang  dea  ganzen 
Leibea  eina  solche  Erkrankung  eines  Organa,  welclie  der 
Kunat  zu  heilen  unnöglich  ist,  wenn  gleich  der  Arxi  das  er- 
kränkle  Oigan  kennet  nnd  ea  ihm  auch  nicht  an  biSfugea 
Organheil raiit ein  fehlet.  So  habe  Ich  mehrtnahls,  jedodt  nnr 
in  einitelnen  seltneren  Fällen  beobechiet,  dafa  eine  akute  epi- 
demische Leberkrankheit  eine  schon  lange  chronisch  erkrankte 
Leber  ergriff;  das  gab  einen  bösen  Kampf,  bei  dem  meine 
Kunst  wenig  vermochte.  Wenn  die  N'atar  hier  faeilte,  so  heilte 
sie  nicht  blofs  das  neue  nknte,  sondern  auch  gleichzeitig,  xum 
gröfaten  Theil ,  das  chronische  Hebel  durch  E^chöpfung  des 
ganzen  Laibes.  Wie  viel,  oder  wie  wenig  ein  gleichzeitig 
gagebenes  gutes  Lebermiltel  zur  Hellung  beigetragen ,  mag 
der  Himmel  wissen;  ich  selbst  bin  nie  geneigt  geweseo,  aei- 
oen  Aniheil  hoch  aasasehlagen. 

Den  merkwürdigatan  Fall  einea  blofa  durch  gfinzliehe  Er- 
sehdpfang  geheilten  nrerkranklen  Organs  habe  ich  vor  unge- 
tS.ht  36  Jahren  beabachtei.  Ein  Mann  von  mittlem  Alter  war- 
'  de  wahnsinnig.  Arsenei  weigerte  er  zn  nehmeti.  Da  er  Spei- 
ae  nnd  Trank  an  sich  nahm,  so  liefs  ich  einst  Jalappenpal- 
ver  uater  die  Speise  mischen,  in  der  guten  Meinung,  durch 
einen  tüchtigen  antagonistischen  Reit  auf  den  Dannkanal  ihm 
aein  krankes  Gehirn  su  heilen.  Er  war  aber  anderer  Mei- 
nung, merkte  bei.  dem  ersten  Happ  ichon  Uarath,  spie  ihn 
aus,  und  weigerte  sich  von  dem  Augenblioke  an,  Speiie  und 
Trank  m  sahiaaD.     Sein  iuigaMüiMi>    gaOybrlioha«  Wesen 


—     1153     - 

nStbigie  seine  Söhn«,  ibn  in  eine  Kammer  zu  sperren,  wel- 
che man  dick  mit  Stroh  belegt  halle.  Er  tobte  und  scbrie 
Diin  iinuiifhörlioh  Tag  und  \acht  durch.  So  oft  man  ihm 
Speise  und  Trank  anbot,  weigerte  er  nicht  blurs,  sie  zn 
nehmen,  iondern  wurde  noch  viel  wiilhender  durch  dieses 
Anbieten.  Anrangtich  glaitbien  seine  Freunde  und  ich,  er 
werde  wdl  in  ein  paar  Tflgen ,  durch  Hunger  und  Durst  ge- 
mahnet, essen  und  trinken.  Uaa  ging  aber  ganz  anders  als 
wir  glaubten;  bis  lum  eilfit-n  Tage  setzte  er  barlnäckig  die 
Hunger  -  und  Durstkur  fort.  Die  Leser  können  leicht  den- 
ken, dafs  er  dadurch  und  durch  das  gleiehzeiiige  unaufhör- 
liche Toben  und  durch  den  Mangel  des  Schlafes  nach  und 
nach  flau  weiden  mufsle.  Zuerst  wurde  er,  wahrscheinlich 
des  beslAndigen  Schreiens  wegen,  heiser,  darauf  nach  und 
nach  so  matt,  dais  er  beim  Geben  wankte,  weiter  wechselte 
er  mit  Gehen  und  Liegen  ab,  endlich  mufste  er  best&ndig  lie- 
gen, weil  er  nicht  mehr  gehen  konnte.  Da  ich  nun  ohne  Ge- 
fahr mich  ihm  saheo  dturfte,  welches  früher  bedenklich  ge- 
wesen sein  würde,  (der  wirklich  wiiibend  Wahnsinnige  besafs 
nfiinlich,  wie  mir  seine  Söhne  versicherten,  von  \aiur  eine  aus- 
nehmende Muskelkraft)  so  f&blte  icb  ihm  jetzt  tien  Puls,  und 
fand  diesen  /war  schwacher  als  ganz  im  Anfnnge ,  wo  ich 
ihn  gefaiblt  halte,  aber  doch  müfsig  voll  und  schnell.  Ob  die 
Schnelle  desselben  blofs  vom  Hungerlieber,  oder  von  der  be- 
ständigen Anstrengung  herrührte,  war  nicht  Ku  bestimmen, 
wehrscbeinlioh  hatte  beides  dazu  beigeiragen.  (Jebrigens  war 
er,  wie  ich  aus  seinen  Reden  abnehmen  konnte,  noch  eben  so 
irrsinnig  als  Trüber;  es  fehlte  ihm  blofs  die  Kraft,  seinen  Irr- 
sinn so  laut  zu  Sufsern  Die  ihtu  angebotenen  Nahrungsmit- 
tel weigerte  er  auch  jetzt  noch  zu  nehtnen.  Endlich  am  eilf* 
ten  Tage,  da  die  Erschöfifung  so  hoch  gestiegen  war,  dafs 
er  den  Kopf  kaum  mehr  aufbeben  konnte,  kehrte  sein  Ver- 
atand wieder.  Diese  Wiederkehr  hal  sich,  wie  seiiie  Söhne 
beobachtet,  innerhalb  eines  halben  Tages  gemacht,  ich  hiefs 
sie  jeut  den  Genesenen  ins  Bett  tragen ,  ihn,  wie  ein  junges 
'  Kind,  mit  mäfsigen  Gaben  Milch  erquicken,  und  spfiler,  nach- 
dem er  anfing,  sich  von  dtrm  iiheraiandenen  Straufse  sichtbar 
zn  erholen,  ihm  andere  leichte  Kost  reichen.  Er  ist  viele 
Jidire  nachher,  ohne  je  wieder  eine  Spur  voa  Wahnsinn  tu 
zeigen,  in  einem  ziemlich  hoben  Alter  gestorben. 

//.   Direkte   Naturheilung. 

(feber  dieee  Ittfsl  sich,  so  wenig  als  über  die  direkte  Kunst- 
heilung, eine  Auslegung  machen,  wir  müssen  uns  an  die 
Thatsacfae  hdten,  und  diese  lehrt  uns 

73  "~"'^"' 


—     1154    — 

1;  Die  Naiur  heilt  die  Affektionen  des  Gesnnimlorganismni ;  je- 
doch ist  sie  in  Heilung  der  Snlpeteraffekiion  glücklicher  ali 
in  der,  der  Eisen  •  und  Kupferaffeklion.  Wallet  aber  die  Sal- 
peieraffekiion  in  einem  Theile  als  starke  Entzündung  vor,  lo 
entstehet  hei  den  Naturheilungen  leicht  Eiterung  in  dem  eni- 
zündeten  Theile.  Wo  die  Salpeieraffekiion  in  einem  Organe, 
ohne  EntKfindung,  die  Verrichtang  dieies  Organs  stark  ti5- 
read,  vorwaltet,  kann  man  auch  eben  nicht  behaupten,  dafi 
die  Natur  ausnehmend  glücklich  in  ihren  Heilungen  wire ;  an 
der  Ruhr  a.  B.  können  ohne  Kuntihülfe  viel  Menschen  sterben. 
2)  Die  Natur  heilet  urerkrnnkte  Organe  und  die  von  diesen  ab- 
.  hangenden  consensuelten  Fieber  direkt.  Der  sogenannle  K&- 
larrhalhnsten  ist  in  den  meisten  Fallen  ein  Urleiden  des  Broo- 
ebialtheiles  der  Lnnge,  suneilaa  blofa  des  Lufiröhrenkopfei; 
der  Schnupfen  ist  in  den  meisten  Fallen  ein  Urleiden  der 
Schleimbaut  der  Nase.  Nun  weifs  aber  auch  der  Einföliigsie, 
dafs  diese  Organerkrankungen  weit,  weit  öfter  direkt  dnrcb 
die  Natur,  als  durch  die  Knnst  geheilt  werden,  ja  dafs  die 
wenigalen  Menschen  die  HOlfe  des  Arttes  deshalb  in  Anspruch 
nehmen.  Wie  diese  Erkrankungen  der  genaonlFO  Organe  von 
der  Natur  direkt  geheilt  werden,  werden  auch  von  ihr  die 
Erkrankungen  aller  anderen  Organe  direkt  geheilt,  so  dafs  man 
hei  diesen  Heilungen  kein  feindliches  Beginnen  genahren  kann. 
Ilinsichilicfa  der  Zeil,  welche  sie  su  solchen  Heilungen  bedarf, 
lafsl  Kich  im  Allgemeinen  nitshts  beaiimmen;  zuweilen  heilt 
sie  langsam,  luweÜen  geschwind.  Aerxte  jedoch,  die  die  von 
den  Ürganei'k rankungen  abhängenden  akuten  Fieber,  nachdem 
sie  ihnen  einen  eigeneneo  lateinischen  oder  griechischen  Na- 
men gegeben,  nach  phaniaslisch  tlieoreli sehen  Ansichten  hei- 
len wollen,  ohne  das  urerkrankte  Organ  lu  heilen,  ja  ohne 
sich  um  dasselbe  zu  bekntnmern,  kommen  nicht  seilen  noch 
^Iter  ZUM  Zweck  als  die  Naiur.  Einst  führte  mich  mein 
Weg  über  das  Gehöfte  eines  Bauers,  deii  man  hier  an  den 
Ueberklugen  zahlt.  Man  bat  mieh,  eiaxutreten  und  mich  des 
Hauswirlhes  anzunehmen,  der  seit  zwei  Tagen  am  hitzigen 
Fieber  krank  im  Bette  liege.  Ich  sah  gleich,  dafs  er  an  einem 
damahla  herrschandea  Leberfieher  litt,  welches  durch  Franen- 
distelsamea  bald  konnte  geheilt  werden,  weil  nfimlich  dieser 
Same  damahls  die  kranke  Leber  heilte,  also  auch  das  von 
dieser  Orgaaerkrankung  abhängende  Fieber  heben  mufsie.  Da 
mir  nun  der  Bauer  sagte,  zwei  seiner  Knechte  seien  früher 
an  dem  nämlichen  Fieber  erkrankt,  aber  ohne  Arsenei  von 
xelbüt  besser  geworden,  so  fragte  ich  ihn>  warum  er  sich  denn 
nicht  auch  der  Natnr  überlassen  wulle,  warum  er  ^rsenei  von 
mir  begehre!     Darauf  versetzie  er;  seine  Knechte  haben  lao- 


—    1155     — 

gt  bei  den  Ihrigen  krank  gelegen ,  Her  eine  sei  nvar  gene- 
MB,  eher  noch  xa  achwacb,  nin  leioen  Dienst  wieder  aazu- 
iNlen,  der  andere  sei  zwar  snrückgekebrt,  aber  so  ilan ,  dafa 
er  TCoI  vorlänfig  wenig  ausrichten  werde.  Glaubte  er  nichr, 
durch  meine  Arxenei  viel  balder  geholfen  sii  werden,  so  wür- 
de er  allerdings  «in  grofser  Narr  sein,  wenn  er  ganz  zweck- 
los  Arzeoei  Tanchlucken  wollte.  Er  hoffe  und  glaube  aber, 
ich  werde  ihn  geschwinder  auf  die  Beine  bringen;  und  des- 
halb spreche  er  meine  Hülfe  an.  —  Sein  Glanbe  täuschte  ihn 
auch  wirklich  nicht,  denn,  wie  gesagt,  ich  kannte  die  Krank- 
heit, und  konnte  sie  bald  heilen.  Was  glauben  nnn  meine 
Leser,  war  der  Gedanke  des  Bauen  ein  verständiger,  oder 
eia  nnTersiiindiger f  Wozu  nnixt  eigentlich  der  Arzi,  wenn 
er  solche  Krankheilen  nicht  balder  heilt  als  die  Natur,  oder 
wenn  er  sie  gar  so  phantastisch  behandelt,  dafs  (wie  einst 
C  W.  Hiifeland  und  lange  vor  ihm  Petru»  Poteriu**)  sagte) 
die  Natur  geoöthiget  ist,  gleichzeitig  Arst  und  Krankheit  zu 
bekfimpfeo!  — 

Nachdem  ich  jetzt  von  den  indirekten  und  von  den  direkten 
Naturh  eil  engen  gesprochen,  so  mnfs  ich  noch  die  wicbiigaie  Frage 
beantworten,  nämlich  die:  wie  ist  das  Zahl  verhüll  nifa  zwischen 
den  indirekten  und  direkten  Naturheitungen  1  Wollte  ich  sagen, 
die  Natur  heilt  in  30  Fällen  29  mahl  direkt,  nnfeindlich,  und  nur' 
Einmahl  indirekt,  aniagonislisch ,  eo  würde  ich  wol  nicht  lügen. 
Da  ich  aber  über  das,  was  ich  in  dieser  Hinsicht  beobachtet  und 
was  zu  meiner  Kunde  gekommen  nie  Buch  geführt  habe,  so  mag 
ich  auch  jenes  Verhälinifs  in  bestimmten  Zahlen  nicht  ausdrük- 
kan.  Kühn  darf  ich  aber  im  Allgemeinen  behaupten,  dafs  die  Na- 
tur weit)  weil  in  den  meisten  Fällen  direkt,  unfeidlich  heilet,  nnd 
Bor  in  den  wenigsten  antagonistisch,  so  dafs  also  Letztes  nur  Aus- 
nahme von  dein  Gewöhnlichen  ist. 

Kluge  Meister  haben  gesagt,  der  Arzt  müsse  Schüler  der  Na- 
tur sein,  sonst  kSnne  er  nie  ein  guter  Diener  derselben  werden. 
Will  ich  aber  Schüler  der  Natur  sein,  so  mufs  ich  ihr  auch  fol- 
gen nnd,  wie  sie,  in  den  meisten  Fällen  direkt,  unfeindlich  heilen. 
Auf  dieses  anfeindliche  direkte  Heilen  mufs  ich  alle  meine  Gedan- 
ken richten,  ämsig  streben,  mich  je  länger  je  mehr  in  demselben 
zu  vervollkommnen,  damit  ich  je  iKnger  je  weniger  des  feindlichen 
Heilens  bedarf.  Wollte  ich  das  Gegeniheil  thun,  alles  antagoni- 
stisch zu  heilen  versuchen,  dem  Kranken  das  Blut  abzapfen,  ihn 


'}  Pttri  Palirii  Optra  •Msia  fag.  001.  Wer  da*  Bach  b»t,  der  vertünit«  siebt 
die  Stella  n  Iimb;  «la  iit  natt  Dttd  lanBif  ,  aber  u  linr,  an  «te  absn- 
«ebrsib«D. 

-73'     0-- 


—     1136    — 

brccheo  lautn,  ihn  pargiran,  ihn  brenaen,  älzen,  schnslilen,  durch 
Quecksilber  und  andere  feindliche  Mlliel  die  Zlthlgkeii  seine«  Le- 
bens loUkühn  anf  die  Probe  Bleuen,  so  würde  ich  aia  ein  fauler, 
unaufmerksaiuer  Schiller  der  Natur  handien,  als  ein  der  Lehr«  >a 
früh  entlaufener  mir  in  eiaseiiiger  Selbatgenngsamkett  ein«  Mei- 
sterschaft anlügen,  die  nur  die  Einfall,  oder  die  dareh  freches 
Auftreten  verdutzte  BeBcheidenhelt,  oder  ein  seltsamer,  wandelba- 
rer Zeitgeist  erkennen  kflnnte. 

,Bis  jetzt  iai  noch  kein  Arzt  so  weit  gekommen,  dafs  «r  das 
anlagontslische  Heilen  gani  entbehren  kann;  auch  ich  will  mich 
einer  solchen  Künsiigkeii  nicht  rühmen;  «ollen  wir  aber  dieser 
Unvollkommenbeii  wegen,  die  Tielleicht  durch  die  vereinte  Be- 
miihung  vieler  gnlerAerzIe  mit  der  Zeit  su  Terbeasern  sein  m Seh- 
te, die  ganze  Kunst  zu  einem  wahrfaafien  Glücksapiele  herabwür- 
digen? Nein,  da  sei  Goit  vor!  wir  wollen  lieber  demülhig  der 
Natur  folgen,  ihre  Spur  wird  doch  die  Kunst  mit  der  Zeil  wol  am 
sichersten  zu  dem  Ziele  mSglicber  Volleudung  fuhren. 

Nun  wollen  wir  noch  am  Schlüsse  dieses  Kapitels  folgende  Fra- 
ge erörtern.  Da  es  unwidersprecblich  ist,  dafa  wir  durch  unsere  ani- 
agonisiiscben  Heüversüche,  von  denen  doch  niemand  behaupten 
kann,  dafs  sie  unfehlbar  sind,  in  allen  den  Fällen,  wo  das  Heilen 
nicht  dadurch  bewirkt  wird,  dem  Kranken  neue  und  nutzlose  Leiden 
bereiten;  da  es  eben  so  unwidersprecblich  ist,  daf^  durch  dieselben 
sein  Leben  nicht  seilen  auf  die  Schanze  gesetzt  wird,  so  mufs  man 
mit  Itecht  frngpn:  ist  es  mit  der  SiliÜchkeit  verirSglich,  dafs  wir 
Menschen,  Hie  auf  guien  Glauben  ihr  Wolil,  ihr  Leben  uns  anrerirauen, 
so  bchandelen,  als  seien  wir  befähiget,  dieses  Leben  (das  doch  au- 
faerhalb  der  Grenzen  unserer  Erkenninifs  Hegt,  dessen  Aeufserung 
wir  nur  sinnlich  wahrnehmen  können)  nach  Mafs,  nach  Gewicht, 
nach  Zahlen  zu  berechnen  ?  —  Wenn  wir  die  gegnerischen  Heii- 
versuche,  ganz  abgesehen  von  der  intellektuellen  nnd  sittlichen 
Bildung  derer,  welche  sie  anwenden,  btofs  in  abalracto  betrachten, 
so  können  wir  dreist  behaupten,  dafs  sie  mit  der  Sittlichkeit  gans 
nnveriraglicb  sind,  ja  dafs  sie  mit  der  ärztlichen,  in  unseren  Tagen 
ihKilich  offenbarten  zarten  Sittlichkeit  in  dem  allergrellsten  Wider- 
spruche stehen.  Man  legt  Ja  LeichenhUiiser  an,  utn  den  mSglicben 
Funken  des  Lebens,  der  noch  in  einer  Leiche  sein  könnte,  vor  dem 
gewaltsamen  Ersticken  zu  sichern,  und  wer  ist  unter  uns,  der  dieses 
nicht  löblich  finden  sollfef  Aber,  Freunde!  verdient  denn  in  dem 
Kranken  das  feindlich  ergriffene  Leben  weniger  zarte  Schonung, 
als  der  blofse  mögliche  Funke  des  sichtbar  erloschenen  im  Leich- 
name? — 

Betrachten  wir  aber  die  feindlichen  Heilversoch«  in  concreto, 
als  von  verstendigen,  siiilichen  Menschen  angewendete  Heilversn- 
cbe,  so  müssen  wir  ganz  anders  darüber  urlfaeilen.     Keiner,    der 


r  _    1157   - 

dai  direkis  unfsindliche  Heil«n  ktoDst  und  «s  durch  eig«B*  Er- 
fahrung lu  würdigen  gelsrnt  bat,  ksin^r,  der  das  Unliebere,  ja 
in  vielen  Fällen  das  Ueräbriicbe  des  feindlichen  indirekten  Hei- 
len» sich  miJglicbat  demlich  denkt,  wird,  dem  unfeindlicben  das 
feladliche  vorziehend,  leutes  als  eine  gewSboliche  Waffe  laglich 
nothlos  gebrauchen.  Thäte  ein  solcher  es  dennoch,  so  köoDte 
man  sagen,  er  mache  sich  einer  Unsiiilichkeit  schuldig.  Wo  sind 
aber  solche  Menschen,  die  mit  deutlichem  Bewiifatsein  absichtlich 
unsililich  bandeln  f  — '  Vielleicht  nirgends.  Wer  nnaitllich  ban- 
delt, der  thut  es  ans  Unwissenheit,  oder  um  seine  Leidenscbafian 
so  berriedigen^  nicht  um  nosiiilich  zu  handeln.  Man  kano  also 
kühn  behaupten,  dafs  Aerzie,  die  die  feindlichen  HeiUrten  iflglicb 
ganz  unbesorgt  anwenden,  blofs  deshalb  so  bandeln,  weil  sie  das 
direkte  unfeindliche  Heilen  nicht  durch  eigene  Erfitbrnng  kennen, 
also  auch  keinen  Glauben  daran  haben  (denn  nur  die  Crkcnotnifs 
gibt  dea  Glauben)  weil  sie  sich  nie  das  Gewagte  und  Unsichere 
der  feindlichen  Heitarten  mdglichst  deutlich  gedacht  haben.  Sol- 
che Aerzte  bandeln  also  keineswegea  uasiitlich,  denn  sie  handeln 
nach  ihrer  besten  Ueberseugnng ,  ja  sie  sind  gezwungen,  also  zu 
handeln,  in  so  fern  das  direkte  anfeindlicke  Heilen  für  ihren  Ver- 
.stand  nicht  vorbanden  ist,  sie  also  wahHos  m  dem  feindlichen 
greifen  müssen.  Ueberdiea,  apricbl  oicfat  nncb  das  fUr  sie,  dafa 
viele  Schrifisieller,  die  sich  vermessen,  die  Unkundigen  belehreD 
zu  wollen,  das  feindliche  und  unfeindliche  Heilen  xn  einem  wut»- 
derlichen,  fast  unsoDderbaren  Mengehnufs  zuBammengebraut  ha- 
ben! ferner  spricht  nicht  das  für  sie,  dafs  ein  bestimmter  klarer 
Begriff  des  feindlich  Einwirkenden  unmöglich  istf  und  endlich 
nichl  das,  dafs  die  Unmöglichkeit  dieser  Begriffsbestimmung  in  der 
Unmöglichkeit,  den  groraen  Lebenskampf  des  Weltalls  au  fibei> 
schauen,  biigriindel  ittf 


itv  Google 


siebente«    Kapitel. 

VW  eon  wir  von  der  Erlcennlnifs  der  •  Krankheit  sprechen, 
•o  mfisun  wir  ans  xnerat  mSglichst  deatlich  denken,  was  wir  ei- 
gentlich erkennen  wollen,  denn  daa  Wort  Krankheit  hat  eine 
mehrfache  Bedeutung.  Häu6g  wird  darunier  blofi  Krankheiisfora 
Terclanden,  dai  heifst  im  ichnlrechlen  Sinne,  eine  Gruppe  tob  Zd- 
iällen,  der,  während  eiaeg  gewissen  Zeitabschnittes,  die  MehraabI 
der  Aerzte  einen  beiondereo  griechischen  oder  lateinischen  JVa- 
inea  gegeben.  Die  Erkenninifs  dieser  nosologist^en  Form,  rfie, 
weil  sie  keinen  Nutzen  für  die  Praxis  hat,  von  mir  in  diesesi 
praktischen  Buche  nicht  kann  beachtet  werden,  ist,  wean  nan 
falofa  einen  einzigen  Originalscfarifisieller  darüber  gelesen  und  -  die- 
sen als  den  wahren  Formen  best!  mm  er  anaiefaei,  Kioderleicbt.  Hat 
man  aber  mehre  Originalschriftsteller  gelesen,  das  heifst,  eolche, 
welche  die  Krankheiten  nicht  nach  Büchern  beschreiben,  sondern 
so,  wie  sie  ihnen  selbst  in  der  Naiur  vorgekommen,  dann  wird 
einem  die  Erkenninifs  der  Form  nicht  seilen  sehr  schwer,  ja  wol 
gar  unmdglich,  weil  nimlidi  die  Schrifisieller  in  ihren  Beichrei> 
bungen  nicht  übereinstimmen. 

Da  ich  auf  der  Hochschille  zu  Jena  die  Medizin  erlernt  hal- 
te, Too  der  Fakallit  esaminirt  war,  nun  nach  alter  Mode  Doktor 
werden  soliie,  mithin  eine  Inaaguraldisgeriaiion  schreiben  raoCtle, 
kam  es  mir  doch  gar  zu  närrisch  vor,  dafs  ich,  der  jung  and 
dumm,  nicht  die  geringste  ärztliche  Erfahrung  hatte,  Bber  einen 
Gegenstand  des  Erfahrnngswissens  auch  nur  ein  paar  Bogen  schrei- 
ben sollte;  ich  halle  ja  alles  ans  anderen  Schrifistellern  har  ab- 
schreiben-müssen.  Ich  verfafste  also  eine  semiologisch- kritische 
Dissertation  über  den  vermeintlichen  Unienchied  des  Rheumatii- 
mns  und  der  Gicht.  Die  Angaben  der  Zufälle  beider  Krankheits- 
forraeo,  die  ich  in  verschiedenen  Schriftstellern  gefunden,  halten 
mich  nSmIich   auf  den  Gedanken  gebracht,   dafs  bei  der  Verglei- 


—    1159    — 

cfaang  msbrar  guten  SchriftUclUr  viell«icbt  k»ia  «inxiger  Znfvil 
übarblciben  tuöchte,  ita  man  all  u aie »che iH enden  naaehen  koDD«. 
Da  nun  C  fV.  Httfcland  (dainahls  Profeuor  in  Jena  und  mein 
praktischer  Meigier)  mir  mehre  gute  Bücher  zu  diesem  Zwecke 
borgte,  ao  aah  ich  buld,  dafs  ich  mich  in  meiner  Veriimlhang  nicht 
gctAuscht  halte;  es  blieb  wirklich  kein  einziger  Zarall  fiber,  den 
man  all  einen  unlerscheidendea  halle  aufsiellen  können.  Spüier 
habe  ich  nun  in  Zeilichrifteo  ähnliche  semiologisch- kritische  Ab- 
bandlangen tiber  andere  Krankfaeitaformen  gefunden,  und  sie  dien- 
ten mir  jedesiuahl  kii  einer  wahrhafieo  Ergeiziing;.  Die  Sage  ge- 
het nSmIich,  jeder  Mensch  milase  Einmahl  in  seinem  Leben,  der 
eine  früher,  der  andere  später,  in  \arrheit  nad  Aberwiis  Terslrickt 
■ein:  so  oh  ich'also-eine  solche  Abkandlung  las,  freute  »cb  mich 
hertlich,  dafs  ich  schon  in  meiner  Jugend  aU  Doktomndua  diese 
Verstandeskrankheit.  überetanden  halte.  Verstandeakrank,  oder 
zum  mindesten  veritaadesschwacfa  niufa  man  wahrhaftig  sein,  wenn 
man  sich  mit  einer  solchen  Kritik  hefafnt,  nicht  begreifend,  dafs 
man  Mob  eio  nichtiges  Scbalienbild  mustert,  welches,  in  unbe- 
tiimmten,  rerflosaeoen  Umrissen  aus  dem  Gehirn  des  rielköpfigen 
UngethSma  Literatur  geboren,  doch  uonidglich,  gleich  der  aus 
dem  Gehirn  des  einkSpfigen  Zev*  geborenen  Puila*,  der  Wahr- 
heit und  Weisheit  Offenbarung  sein  kann. 

Auf  die  Frage,  die  mir  meine  Leier  rorlegen  könnten,  ob 
ich  denn  wirklich  alle  Formenerkenntnifs  rU  nutsloa  für  die  Pra- 
xis verwerfet  nntworte  ich  bestimmt:  nein,  ao  anweise  bin  icfa 
eben  nicht.  Ich  verwerfe  blofs  die  aogenannlen  nosologischen 
Formen  als  solche,  welche,  aus  der  nr-,  ja  vorgeschichtlichen  Zeil 
der  Medizin  hemlammend ,  von  ruher  Empirie  zeugen,  in  der  sti 
jener  dunklen  Zeit  einzig  die  Heilkunst  beaiand  und  nnr  lieslehen 
konnte.  Dadurch,  dafs  man  spfiter,  Sngstlicb  an  dem  Alten  lian- 
gend,  sich  grofse  Mühe  gegeben,  die  nosologischen  Formen  ge- 
naoer  zu  bestimmen,  hat  man  die  rohe  Empirie  verewiget,  die 
Fortschritte  der  wahren  Heilkunst  weil  eher  verzögert  als  be- 
sehleuoiget. 

Ganz  anders  verhxli  ea  sieb  aber  mit  den  Krankheitsformen, 
die  ich  reioenip irische,  zom  Unterschied  von  den  eben  be- 
■  prochenen  rohempirischen,  nenne.  Die  Erkenninifa,  ob  ein 
Organ  und  welches  Organ  uterkrankt  aei,  ob  der  GeGaniniiorga- 
niamna  urerkrankt  aei,  ob  dieser  allein,  odrt  gfbichzeijig  niii  ei- 
nem urerkranklen  Organe  urerkranki  sei,  ist  zwar  auch  eine  blo- 
fse  Fornenerkenomirs,  aber  aie  ist  dem  Praktiker  ganz  uneiHbehr- 
lieh.  Ohne  dieselbe  ist  die  Heilkunst,  welche  ich  den  alten  Ge- 
heimlrsten  abgelernt  und  meinen  Lesern  in  diesem  Werke  aus- 
lege, nicht  SU  üben.  Dafs  es  aber  eine  blofse  Formenerkenntnifs 
aei,  erhellet  daraus,  dab,  wenn  wir  auch  wissen,  der  Geaaiiiniior-i 


—     1160    — 

ganisiuiu,  oder  diuea  oder  Jona«  Organ  lei  nreriu-ulcl,  wir  dadnnfa 
noch' nicht  die  Erkennioilii  dtm  Weaens,  oder,  wie  andere  M^a, 
der  Naliir  der  Krankheit  erlangt  haben.  Wir  müssen  also  novfa 
eine  zweite  KrLenntniCi ,  nümlicb  die  ien  Wesens  der  Krankheit 
suchen,  weil  wir  ohne  dieselbe  nicht  heilen  können.  Jeist  ist  es 
nöihig,  uns  detiilicb  zu  denken,  was  wir  denn  eigentlich  von  dem 
Wesen  der  Krankheit,  von  der  Krankheit,  in  so  fern' sie  von  der 
Form  unterscbiedeo  ist,  erkennen  kSnnen.  Dieses  deutliche  Den- 
ken wird  uns  vor  der  Unweisheit  bewahren,  etwa*  so  suchen,  was 
nicht  KU  finden  ist;  es  hält  uns  tnnerhn'b  drr  Grenzen  der  mensch- 
lichen Crkenninifs,  und  das  ist  wahrlich  schon  viel  werib;  denn 
iiberschretien  wir  eininaM  diese  Marken,  so  flattern  wir  in  der 
Pbanlasie  uDgeraessenen   Häiunen. 

Das,  was  man  Krankheit  nennet,  wird  es  nicht  blofs  durch  die 
Natur,  oder  durch  Beibiilfe  der  Kunst  beseitiget,  löscht  früher  oder 
■piilar  das  eigenthiimHohe  Leben  des  erkrankten  Kftrpers  aus.  Wir 
werden  gewahr,  dafs~  der  Menscbenleib,  den  wir  für  todt  bellen, 
scheinbar  unter  der  {Gewali  anderer  Nalurkrttfie  stehet,  al4  früher, 
da  er  noch  lehie.  Wollten  wir  sagen,  er  sei  den  KrKften  der  lodten 
Natur  verfallen  (wie  dieses  schon  inehrmahls  vnnAerzien  gesagt  ist), 
so  würden  wir  eine  höchst  nnweise,  eine  Contmdictio  tn  adjeclo 
enthaltende  Rede  führen.  Wenn  wir  mit  Augen  sehen,  dafs  in  daui 
lodien  Körper  sieb  eine  neue  lustige  Thierwell  erieugt,  so  dringt 
sich  uns  doch  wol  der  Uiaube  auf,  blofs  das  eigenthümlicbe  Le- 
ben, duixh  welches  der  jeist  todte  Mensch  A,  früher  der  lebendi- 
ge IVIenach  A  gewesen,  sei  erloschen.  Dafs  es  vernichtet  sei,  kön- 
nen wir  nicht  hehanpien,  denn  wir  wissen  ja  nicht,  was  es  ist, 
bedienen  uns  also  klüglich,  um  die  Veränderung,  die  mit  ihm  vor- 
gegangen, SU  beseicfanen,  eines  bildlichen,  von  der  Flamme  her- 
genommenen Ausdruckes ,  und  sagen ,  es  ist  erloschen.  Da  nun 
Krankheit,  wenn  sie  nicht  beseitiget  wird,  das  eigenlbümliche  lie- 
ben des  ergriffenen  Leibes  auslöscht,  ihn  lödtet,  wir  aber  das 
Tödten,  nach  nnserer  irdischen  Ansicht,  als  etwas  Feindliches  be- 
trachten, so  kSnnen  wir  auch,  ohne  uns  in  das  Reich  des  Gedan- 
kenbildlichea  zu  verlieren,  dreist  behaupten,  Krankheit  sei  ein 
feittdiiehea  Ergriffenaeio  des  Lebens.  Das  Wie  dieses  feindlichen 
Ergriffenseins  können  wir  deshalb  unmöglich  erkennen,  weil  wir 
das  Leben  selbst  nicht  kennen. 

Da  oun  aber^ie'Aorzle  von  dem  Wesen  der  Krankheit  spre- 
chen, und  behaupten,  die  Erkennlnils  desselben  führe  allein  zum 
sicheren  Heilen,  so  müssen  sie  doch  etwas  von  demselben  erkeo- 
,Qen  kennen;  weichet  ist  denn  dieses  Etwasf  Um  diese  Frage  nu 
beantworten,  müssen  wir  vorher  eine  andere  beantworten,  nBni- 
lich  die:  was  kann  man  von  dem  Wesen  der  einfachen  Natnrkör- 
per  erkennen,  dos  beifst,  derer,   welche  den  Seheidekfinailent  als 


—     1161    — 

■olcbe  gelten ,  weit  lie  bis  jetzt  «ine  Zusanimenaetiung  derselben 
nicht  nHchwei«en  können!  So  viel  ich  «He  Sache  begreife,  Lön- 
nen  lie  von  dein  Weien  derselben  nichlt,  gar  nichu  eiienoen, 
nla  ihr  Verhältnifi  su  anderen  Naiurkarpem.  Da  wir  nno  aber 
von  dem  Wesen  jener  sieht-  und  tastbaren  Körper  nicbts  anderes 
erkennen,  so  würde  es  doch  einen  wahrhaft  lücberlichen  Hochinath 
verrathen,  wenn  wir  von  dem  Wesen  der  Krankheit,  von  diesem 
nnaiehlbaren  feindlichen  Ergriffensein  des  nnsichibaren  unerkenn- 
baren Lebens  mehr  erkennen  wollten.  Wir  können  nichts,  gar 
nichts  von  dem  Wesen  der  Krnnkheit  erkennen,  als,  auf  dem  We- 
ge der  Beobachlnng,  sein  Verhftlinifs  snr  Anfaenwell.  Wir  kön- 
nen nfimlich  beobachlen,  in  wiefarn  zitfitllig,  oder  absicbilicb  mtl 
dem  Organisnias  in  Berührung  gebrachte  Kufsere  EinSüsse  bessernd, 
oder  Bchlironiemd  aof  die  Krankheit  wirken.  Das  Bessern  orfer 
ISch  lim  Maren  erkennen  wir  mit  Wahrscheinlichkeit,  aus  der  sich 
sinnlich  uns  offenbarenden  abnehmenden,  oder  zunehmenden  Regel- 
widrigkeit der  mannichfachen  Verrichtungen  des  Organismus  und 
ans  der  eigenen  GefühURtifsening  des  Kranken.  Zuweilen  sind 
aber  die  Kranken  gar  nicht,  snweilen  nur  unrollkomnien  b'efiihi- 
get,  uns  ihre  GeRihle  tn  beschreiben. 

Da  es  die  Natur  unseres  Geschäftes  so  mit  sich  bringt,  dafg 
wir  Heiler,  nicht  aber  Verschlinimerer  der  Krankheiten  sein  sol- 
len} so  gehen  uns  auch,  wo  nicht  auschliefülich ,  doch  vorzüglich 
die  heilenden  Einfliisae  an.  Die  Erkenntnifs,  mit  welcher  Arzenei 
die  Krankheil  in  einem  direkten  sicheren  Heilverhältnifs  stehet, 
ist  ako  die  einzige  Erkenninifs,  welche  wir  von  ihrem  Wesen  ha- 
ben können.  Von  Krankbeilen,  welche  unserer  Kunst  nnbetlbar 
sind,  haben  wir  keine  Wesen-,  höchstens  eine  Formenerkenntnifs ; 
abei  lelile  mangelt  nns  auch  zuweilen. 

Wollte  mnn  mir  einwenden  :  kranke  Menschen  werden  auch 
dadurch  geheilt,  dafs  man  den  erkrankten  Theil  nbschneide,  oder 
ausrotte;  so  bemerke  ich  darauf,  dafs  zwischen  Heilen  und  Erhal- 
ten dea  Lebens  ein  merklicher  Unierscbied  ist.  Wenn  Ihr  einen 
fast  Enrunkmen  aus  dem  AVasser  ziehet,  so  sagt  man  wol,  Ihr 
hnbet  ihm  das  Leben  geieiiel,  aber  nicht,  Ihr  habet  ihn  geheilt. 
Eben  so  wenig  kann  man  sagen,  dafs  Ihr  einen  Kranken  geheilt 
habt,  dem  Ihr  durch  Ausrollen  einer  krebsichien  Drüse,  durch  Ab- 
schneiden eines  zerschmBlierien  Gliedes  das  Leben  erhallen.  Ihr 
habt  ja  nicht  geheilt  das  Organ,  was  urerkrankt  war,  sondern  Ihr 
habt  es  abgeschnitten,  und  gerade  deshalb,  weil  Ihr  es  nicht  hei- 
len konntet,  habt  Ihr  es  ebgeachniiien. 

Nachdem  wir  jetzt  bestimmt,  was  wir  eigentlich  erkennen  wol- 
len uad  erkennen  in&ssen,   wenn   wit  direkt  zu  heilen  bcabsichti- 


—    1162    - 

gen,*)  M  wende  ich.mieb  xa  4co  vier  Wegen,  dvrcb  welche  nao, 
nach  der  Meinung  der  Schule,  zur  Erkeantnifii  der  KranLbeii  ge- 
langen kano.  Diese  sind  bekannilich ;  die  Erfontchung  der  Krank- 
heiisunache,  die  Beobachtung  der  KrankbeitatnfBlIe,  die  Beobach- 
tung der  epideiuischen  KonmiLuiioni  und  die  Beobuchinog  des  Uel- 
fen«  und  Schadens  der  Arteneien.  Ich  wilf^te  wirklich  keinen  fünf- 
ten Weg  cu  ersinneo,  glaube  also,  dafs  die  Schule,  hei  aller  Waa- 
delbarkeit  ihrer  iheoreiischen  Ansichten,  in  diesem  Punkte- seit 
dein  17iea  Jahrhundert  alles  geleistet  hat,  was  man  billigerweise 
von  ihr  verlangen  kann.  Da  ich  also  nichts  Neues  upd  Bessere» 
vorzubringen  weifs,  habe  ich  Raum,  das  Alle  unparteiisch  zu  scbSz- 
seo.  Alles  ist  uns  Praktikern  an  der  richtigen  Erkenninifa  der 
Krankheit  gelegen,  die  Leter  kSnneo  also  Leicht  denken,  dafs  icb, 
als  schlichter,  ungplehner  Praktiker,  Jen  Werih  der  angegebenen 
Erkenn nngswege  weder  gehässig  verkleinern,  noch  prahlhaiuig  ver- 
gröfsern,  sondern  iireog  hei  der  Wahrheit  bleiben  werde.  Da* 
geheimnifsvolle  Dunkel,  worin  sich  manche  praktische  Schrißstel- 
ler  hüllen,  wenn  sie  auf  diesen  Punkt  tta  sprechen  kommen,  schrei- 
be ich  weder  einer  Eitelkeit,  oocb  einer  Böswilligkeit,  sondern 
blofs  einer  GeistestrSgheil  sn;  sie  lagen  nftmlich,  in  das  düstere 
Irrgewinde  der  Diagnostik  zu  dringen.  Ohne  es  sich  deutlich  zu 
denken,  denken  sie  es  sich  doch  undcuilich,  sie  fühlen  es,  wenn 
sie  Jenes  Lnbyrinih  mit  der  Fackel  des  gesunden  Verstandes  be- 
leuchten wolltep,  würden  scharfe  Klippen,  verdSchiige  Abgriinde 
und  so  viel  andere  unheijnlicbe  Hindernisse  erscheinen,  dnfs  je- 
den jungen  Mann,  der  sich  der  Heilktinst  gewidiqet,  ein  wahrhaf- 
tes Grauen  anwandeln  mSfste.  Wirklich  dringt  sich  einem  hei 
dem  Lesen  manches  Schriftstellers  die  Vermuthang  auf,  es  müsse 
ihm  wol  bei  der  Krankheitserkenninifs  ein  Spirihu  J^amiliari» 
an  die  Hand  gegangen  sein,  da  das,  was  er  von  der  Krankheits- 
erkeantnifs  zu  lehren  sich  vermifst,  keinem  sierhlicben  Menschen 
Uaterrichlung  geben  kann. 

tch  tadle  es  gar  nicht,  dafs  der  Verstand  vor  solchen  dunke- 
len,  wenig  Trövlliches  versprechenden  Uniersuchungeo  zurück- 
schreckt, denn  er  hat  Ja,  gerade,  wie  onser  Kftrper,  eine  Neigung 
zur  Ruhe.  Wie  wir  bei  aiürmiscbem,  wüstem  Wetter  und  dunkler 
Nacht,  ohne  dazu  gezwungen  zu  sein,  nicht  leicht  einen  garstigen, 
grundlosen,  unbekannten  Weg  wandeln,  sondern  lieber  ruhig  in 
unserer  genüglicben  Wohnung  bleiben,  ao  hat  auch  unser  Ver- 
stand wenig  Neigung,  in  dunkle  Irrgänge  der  Sophistik  zu  dringen, 


*)  Wer  da)  Indirekt«,  feindliehe  Helian  «li  du  kSobtte  Helitenliek  der  KnsM 
■niiehat,  der  bedarf  eiaer  so  genSBan  Erkeantairi  der  Krankball  nicht.  Br 
kann  heilen,  ohoe  hintenoach  an  wigiea  ,  wa«  tr  (oheilt  hat.  luh  beiieha 
Mloh   hier  auf  dl«  swel  vori|;ea  Enpitsl. 


—    1163    — 

sondern  er  bleibt  licbar  in  leinern  gemttchlichen ,  warmen  Neste, 
in  dem  Ideenkreiie  dei  Bekanaten  oder  des  vermeintlich  Be- 
kannten. 

Ein  gelehrter,  blofa  lehrender  nnd  bfiebermachender  Arxt  kann 
sich  immerhin  dieser  Vertiandearahe  überlassen ,  er  kann  das  Her- 
kSmmliche,  das  Alterthümliche  ohne  weitere  Unlersuchung  als  an- 
gezweifelte, ehrwürdige  Wahrheit  aasrafen;  dadurch  schadet  er 
weder  sich  selbst,  noch  direkt  den  Kranken,  von  denen  er  sieb 
fern  hält.  Der  Praktiker  hingegen  mufs  sich  mntbig  dieser  natür- 
lichen G eistest rftgheit  eaireifaen,  er  mufs  dem  AlterthUmlicheo, 
Dunklen,  Unheimlichen  keck  entgegentreten,  damit  es  ihm  deut- 
lich werde,  Was  wahr  nnd  was  unwahr,  was  sicher  nnd  was  un- 
sicher bei  Uebung  der  Kunst  ist;  denn  der  deutliche  Gedanke  lei- 
tet ihn  bei  seinem  Heilgesebarie  weit  xnvertSssiger  als  der  dnnkl«, 
die  Ahnung,  das  prakliacbe  Gefühl:  Ich  bin  Dberhanpt  aweifcl- 
hafi  über  die  Natnr  des  praktiscbeo  Geflihls  der  Aerate.  Da  man 
jedoch  die  Geister  nur  ans  ihrem  Wirken  erkennen  kann ,  ich  oft 
genug  beobachtet  habe,  dafsdieser  Spiritut /amitiarü  seineSckBtz- 
linge  Terzweifelt  aufs  Glatteis  und  nicht  selten  zn  groben  Mifs- 
griffen  führte,  so  bin  ich  weit  mehr  geneigt,  ihn  Tür  einen  lenf- 
lischen,  als  für  einen  göttlichen  Geist  zu  hallen.  Nun  zur  Sache! 
Zuerst  treffen  wir  auf  ein  sehr  hSkliche»  Ding ,  nämlich  auf 
die  Ursache  der  Krankheit;  aus  dieser,  beif«t  es,  kSnne  man 
die  Form,  vorzüglich  aber  das  Wesen  der  Krankheit  erkennen. 
Wir  werden  uns  zuTSrderst  wol  nach  dem  klaren  Begriffe  umse- 
hen mSssen,  den  wir  mit  dem  Worte  Ursache  zu  verbinden  ha- 
ben. Die  Philosophen  haben  viele  Unterabtheil ongen  der  Ursache, 
and  die  Pathologen  sind  in  diesem  Punkte  auch  nicht  zurückge- 
blieben. Ich  gestehe  aber  ehrlich,  dafs  mir  schon  auf  der  Hoch- 
achnle  die  Begriffsbeslimmongeo  dieser  Uoterahiheilungen  undeut- 
lich waren.  Warum  sie  mir  undeutlich  waren,  wnfste  ich  jedoch 
nicht;  ich  achrieb  es  demülhig  auf  meine  Dummheit,  hoffte,  mit 
der  Zeit  würde  ich  wol  klüger  werden  und  dann  das  Unbegriffene 
besser  begreifen.  Ach!  dieser  Zeitpunkt  hat  leider  nicht  erschei- 
nen wollen,  und  erat  da  ich  ärztlich  grofsjährig  wurde,  fing  ich 
an  einzusehen,  dafs  er  nimmer  erscheinen  kSnue.  Müfste  man 
nicht  zuerst  einen  klaren  allgemeinen  Begriff  der  Ursache  haben, 
bevor  man  zu  einer  Begriffa.ipaltnng  schritte  f  und  wo  findet  man 
diese  allgemeine  Begriffsbestimmung  1  —  Ich  kenne  ein«  solche 
nicht  blofs  nicht,  sondern  sie  scheint  mir  selbst  nnmüglich.  WoIllB 
man  sagen:  Ursache  sei  das,  Worin  das  Sein  eines  anderen  Din- 
ges begründet  sei,  so  würde  das  ja  blofs  eine  Wortnmacfareibang, 
aber  keine  Begriffsbestimmung  sein;  denn  bat  mir  jemand  diese, 
oder  eine  ähnliche  Redensart  auch  mit  der  überklugsten  Miene 
vorgebetet,    so   bin  ich  ja   eben  so  wenig  dadurch  belebtat,    als 


—    1164    — 

hftU«  er  mif  das  nackte  Wort  Ursache  ia  die  Ohren  geruf«D. 
Im  Vorigen  haben  wir  achoo  davon  gesprochen ,  daf«  das  Lebeo 
der  Natur  sich  un«  onr  durch  einea  Kampf,  das  heiCii,  durch 
«in  gegenaeiliget  Anf-,  In*  uod  Gegeoeinander wirken  offenbar«. 
Wie  könnt  Ihr  nun,  wertbe  Leaer!  von  einem  einxeloen,  in  die- 
sem grofsen  Naiurkaiiipfe  begriffenen  und  durch  denaelben  eneng- 
ten  Dinge ,  oder  von  einer  Veränderang  io  diesem  Dinge  behaup- 
ten, dieaes  Ding  A,  oder  die  Verttoderuag  Z  in  dem  Dinge  A 
aei  durch  die  Einwirkung  des  Dinges  X  bedingil  —  Man  sollte 
Euch  ja,  wolltet  Ihr  dieaes  bebauplen,  weil  eher  für  arme  Er- 
blindeta als  für  Toratändige  Menschen  bähen,  denn  in  Eurem  Vor- 
geben läge  ja  offenbar  die  Behauptung,  dafa  Ihr  den  grofaen  Le- 
benskampf der  Natur  io  seinen  Einaclheiien  übersehen  köoniet; 
uod  wlirde  diese  Aumafsung  wol  eine  geringere  sein  alt  die  jenes 
Tollfaauslera ,  der  sich  für  Gott  den  Vater  ausgab  1  —  Ihr  könn- 
tet mich  aber  fragen:  da  ich,  als  gemeiner,  itnpbiloaophiHcher 
Praktiker,  ionerhalb  der  Grenzen  der  Beobachtung  des  leiblichen 
und  geistigen  Menschen  mich  haltend,  zum  wenigsten  diese  Alar- 
ken  nicht  gern  überachreitend ,  nothwendig  mich  seibat  zuerst  müsse 
beobachtet  haben  >  so  werde  bei  dieser  Selbstbeobachtung  mir  doch 
wol  klar  geworden  sein ,  dafs  keine  Verstandeaverriohtnng  in  mei- 
nem Kopfe  vorgeben  könne,  bei  der  mein  Veratand  nicht  unwill- 
kürlich nach  drr  Uraache  der  Erscbeionngen  der  Dinge,  der  Ver- 
änderung in  den  Dingen  forsche.  —  Ihr  habt  vollkommen  Bechl, 
Kollegen!  daau  ist  mein  Verstand  geawuogeo,  und  der  Eure  ist 
dasu  geswungen  und  der  Versland  alier  Menseben  ist  daau  gezwun- 
gen. Darana  folgt  aber  wahrlich  nicht ,  dafs  wir  zu  einem  klaren 
allgemeinen  Begriffe  der  Ursache  gelangen  können;  vielmehr  folgt 
gerade  das  Gegentheil  daraus.  Kant  aagt,  ao  viel  ich  mich 
noch  jaist  aua  meiner  Jugend  der  Sache  erinnere,  Raum  und  l)!«it 
seien  Formen  der  sinnlichen  Vorstellung.  Das  heifst  doch  wol, 
wenn  wir  diese  philosophische  Sprechweise  in  gemeines,  verständ- 
liches Deutsch  übersetzen:  wir  sind  genothigei,  nnaftllaaim  Bau- 
me und  in  der  Zeit  vorzustellen,  wir  können  nicht  anders,  wir 
müssen  so  ihun.  Wollten  wir  nun  über  die  endlichen  Marken  der 
Zeit  und  des  Raumes  grübeln,  so  wüideo  wir  ja  über  eimn  ganz 
Unmögliches  nachdenken. 

Nun ,  eben  so ,  wie  unser  ainnliobes  Voratellungaverraögeo 
sich  alias  im  Baum  und  in  der  Zeil  vorstellen  mafs,  ao  ist  auch 
nuer  Verstand  bei  seinen  Verrichtungen  gezwungen,  an  etwas 
Ursächliches  au  denken;  ^er  gerade  weil  er  an  dieses  Üraach- 
denken  gebunden  ist,  weil  er  sieb  nnr  innerhalb  de*  Ursaefalicb- 
keitaacfarankenB  bewegen  und  diesen  nimmer  übersehreiten  kann, 
mufs  er  bei  dem  Foracben  nach  Ursachen  ins  Unendliche  fortlan- 
laufen  and  kann  nie  einen  Riihepunktfiailen.     Alle  Begrittsbcatin)- 


—    iir>5   — 

mangen  haben  doch  den  Zweck,  dafi  der  Ventand  dm  in  Be- 
flrimmend«  von  ähnlichen  oder  verwandten  Dingen,  mit  denen  er 
9t  mSglich  Tcrweehteln  könnte,  nnieracheide.  Nehmen  wir  ein- 
roahl  an,  ea  sei  möglich,  einen  nllgemeiftea  Begriff  der  Ursache 
reatEuatellen ,  no  milfiie  doch  diese  BegrifFsbesiiminnng  das  ent- 
bähen,  was  die  Ursache  von  der  Nichtorsache  anierscheidet.  Ute- 
MS  würde  aber  schon  unmöglich  -sein;  denn  da  unser  Veratand 
nur  innerhalb  des  Ursachlicbkeitsschrankens  ihäiig  ist,  so  kann  er 
■ich  nichts  denken,  ohne  zugleich  an  etwas  Ursächliches  m  den- 
ken. Wir  kSnnen  wol  von  dem  Nichilichte,  van  der  Nicht- 
wftrnie  einen  verneinenden  Begriff  haben,  aber  mit  den  Ans- 
drücken  Nichlranm,  Nichtzeii  und  Nichtursache  kBnnSn 
wir  nicht  einmal  einen  verneinenden  Begriff  verbiodeD;  sie  sind 
für  uns  blofs  bedentnngsloae  Klfinge. 

Kin  berühmter  Philosoph  ( ich  weifs  nicht  genau ,  welcher, 
verniDthe  ab»,  dafs  es  Hmme  ist)  nennet  die  Begriffsbestimmung 
der  Ursache  das  Krens  der  Meiaphysiker.  Er  hat  wahrlich  Kecbl; 
CS  ist-gewifs  ein  grofses  Kreui,  etwas  xu  sncben,  was  nicht  %a 
finden  ist,  bei  dessen  Aufsuchen  man- in  das  Unendliche  forilaufcn 
iriufs  nnd  wie  der  ewige  Jude  niiumer  zur  Kühe  geinngi.  Wosu, 
werden  einige  Le«er  fragen,  diese  Subiiliitttenf  werden  sie  auch 
bei  Uebnng  der  Kunst  su  etwas  dienen?  -—  Ich  glaube,  sie  sind 
gerade  uns  Praktikern  sehr  naisllcb:  denn  wenn  wir  nns  einmahl 
vnn  der  Unmöglichkeil,  einen  allgemeinen,  deutlichen  Begriff  der 
Ursache  fesizusiellen,  uherseugt  haben,  so  begreifen  wir  auch 
ohne  Mühe,  daft  olle  subtile  Spaltungen  des  Nichibegriffea  (man 
entschuldige  diesen  Ausdruck)  auf  einen  blofsen  Worikram  hin- 
auslaufen ,  der  uns  bei  Uebnng  der  Kunst  zu  nichts,  zu  gar  niebls 
dienet. 

Man  kBunte  aber  einwenden :  lehret  es  nicht  die  Baobnchlung, 
dafs  gewisse  Einwirkungen  den  Menschen  krank  machen,  dafs  wir 
diese  Einwirkungen  in  vielen  Fällen  sinnlich  erkennen,  und  dafs 
ans  dieser  Erkenntnifs  die  Erkenntnifi  der  Form  und  des  Wesens 
der  Krankheit  unmittelbar  hervorgehet?  —  Meines  Erachteng  ist 
dieses  nicht  t»  Ifiugnen ;  denn  legt  man  jemand  einen  Strick  um  den 
Hals  nnd  hftngt  ihn  daran  auf,  taucht  man  ihn  so  lange  unter  Waa- 
ser,  bis  er  kein  Zeichen  des  Lehens  mehr  von  sich  gibt,  läfst  man 
ihn  eine  gute  Portion  Arsenik,  Wasserschierling,  Blausäure  ver- 
schlucken ,  schlägt  man  ihm  mit  einer  Keule  den  Kopf  ein,  oder  übt 
andere  Gewaliihalen  an  ihm ,  so  bewirkt  man  dadurch  gr«fs*  and 
lebensgefährliche  Slürung  des  Kegelganges  der  Körpermaschine, 
oder  ein  gänzliches  Stillslehen  derselben,  den  Tod.  Pas  sind  aber 
grobe,  handgreifliche  Einselheiten.  des  grofsen  unerforschlichen  Le- 
benskampfes der  Natur,  und  ich  möchte  nielBugnen,  dafs  wir  sol- 
che Einzelheiten  beobachtea,  und  von  einer  groCun  Anzahl  dieser 


—  1166  - 
Beobftchlasgni  ErfahrnngufllB«  abEishen  IcSnnM.  Die  aliea  Patfao- 
Ivgen  haben,  eich  dieses  dunkel  deakend,  eolche  aichibare,  Iwuid- 
greifliche,  unzweifelhafte  KinflSsie  nach  deshalb  von  anderen  ge- 
schieden und  sie  Catua»  C9mtinenle»  genannt;  wabncfaeinlich  weil 
sie  keiner  anderweitigen  Uriacben  cur  Erklärung  der  Krankheit  oder 
des  Todes  so  bedürfen  glaubten ,  sondern  an  diesen  genug  hatten. 
Aber,  obgleich  solche  handgreifliche  feindliche  Einflüsse  in  den 
meisten  Fällen  Krankheit  oder  Tod  bewirken ,  ao  ibnn  sie  os  doch 
nicht  in  allen.  Einzelne  Erhängte,  einzelne  Ertrunkene  sind  wieder 
belebt  worden ,  einzelne,  diasufällig,  oder  absichtlich  Gift  genotn- 
■nea,  sind  nicht  dadurch  gestorben,  sondern  haben  es  ansgebro- 
chen.  Da  nun  aber  die  meisten,  auf  welche  solche  Schädlich- 
keiten wirken ,  durch  selbige  umkommen ,  so  müssen  bei  denen, 
die  nicht  dadurch  umkommen,  andere  Ursachen  jenen  Scbidlicb- 
keileo  ganz,  oder  «um  Tbeil  ihre  feindliche  Einwirkung  auf  den 
Körper  henthmen.  Wer  lehrt  uns  nuo  diese  Ursachen  kennen !  — 
Wollte  man  sagen:  bei  denen,  die  t.  Bt  nidit  durch  ein  genom- 
nenes  Gift  amgekommeo ,  sondern  es  ansgebroohen ,  sei  der  Ma- 
gen reisbarer  geweeen,  als  hei  ande^el^)  welche  dadurch  gelödlet 
worden,  so  würde  dieses  ein  blofser,  leerer  Wortklang  sein; 
dann  wenn  wir  einmabi  Ursachen  erforschen  wollea ,  so  mStsen 
wir  doch  fragen,  welche  Ursache,  oder  Ursachen  bewirkten  in 
dem  Menschen  A  die  von  den  Menschen  B,  C,  D,  E  u.  s.  w. 
verschiedene  Reizbarkeit  Avn  Magens,,  durch  welche  dem  Körper 
A  das  Gift  untSdilicb,  den  Kfirpern  B,  C,  D,  £  aber  tSdilich 
wurde.  Hier  gerathen  wir  schon  in  eine  Untersuchung,  bei  der 
einem  eia  Grauen  anwandeln  sollie,  weil  sie  sich  in  das  dunkle 
Labyrinth  des  ungeheuren,  unüberaebbatea  Lebenskampfes  der 
Natur  verliert. 

Was  ist  aber  Erhängeo^,  Enrlikken ,  Vergiften  gegen  den  Sinn 
von  einer  bedeutenden  H5bef  Grofae  Verlelsongen ,  oder  angen- 
hlioklicher  Tod  sind  die  gewöhnlichen  Folgen  desselben.  Aber 
auch  hier  findet  man  seltene  Ausnahmen  von  der  Kegel.  Selten 
sind  sie  allerdings,  verbiltlich  zu  den  unglücklichen,  lödtlicben 
Fällen,  aber  übrigens  sind  sie  !m  Allgemeinen  so  wenig  selten, 
dafs  sich  während  meiner  Lebseit  eine  solche  glücklich  ahgelaa- 
fene  Luftfahrt  selbst  in  dem  Bereiche  meiner  Bekanntschaft  luga- 
tragen  bat.  Wo  sind  nun  die  Ursachen ,  die  des  Sturxes  verderb- 
liche oder  tSdllicbe  Wirkung  aufhobent  In  einigen  Fällen  mag 
des  Menschen  Wilz  wol  dergleicbwi  scheiabare ,  die  verderbliche 
Wirknng  des  Sinms  neniralisirebde  Ursachen  entdecken,  aber  in 
allen  doch  nicht.  So  erinnere  ich  mich,  dsfs'vor  ongenihr  36 
Jahren  zwei  Arbeiter  von  dem  Dache  des  sogenannten  Hwrenhaa- 
ses  einer  adlichen  Fisuenabtei  siürstsn,  und  nicht  allein  nicht 
durch  diesen  Stori  getödtet  wardea,    sondern  mit  eis  paar  nah»- 


—    1167    — 

^euleDden  Quelsehnsgen  dsvon  kamen.  Da  ue  ab^r  beim  Hiniin- 
lerstüfMD  anf  die  Zweige  eines  vor  dem  Haoae  sieheaden  Räumet 
gefallen  waren,  go  machte  toan  fliigi  die  ErklSrung,  die  Gewalt 
de«  Sturaea  lei  durch  dieses  aagenblickliche  Hindernifs  gebrochen. 
Im  Grunde  war  es  aber  eine  alberne  Erklärung  des  Unerklürli- 
chen,  denn  der  Banm  lelbst  war  so  hoch,  dafs  ein  Siurz  von 
deniaelben  auf  den  gepflasterten  Grund  mehr  aU  binreicble,  einen 
Menschen  an  zerschellen.  Aber  vor  allen  HAnsern,  ans  deren  Fen- 
stern, oder  von  deren  Dächern  solch  gluckliche  Luftfahrten  ge- 
macht lind,  hüben  nicht  immer  Bftume  gestanden.  Ich  halte  ea 
jedüch.  für  uDscbicklich,  dergleichen  Erzfthlnngen,  welche  jeder 
meiner  Leser,  der  die  Bekanntschaft  vieler  Menschen  ans  ver- 
B^iedenen  Gegenden  gemacht  hat,  so  gnl  als  ich,  aus  glaubwür- 
digem Mnnde  wird  gehört  haben,  nachzuerifihleq ;  znmahl,  da 
unsere  I^iteratur  ja  ancfa  ähnliche  aufauweiaen  hat. 

Weni  solche  Thatsachen  die  Hrst liehe  Ursacbsocherei  nicht 
als  einen  wahren  Aberwitz  anschaulich  machen,  der  ranfs  wahr* 
lieh  ganz  vernagelt  im  Kopfe  Min.  *) 

*)  Sdltha  TbalMcben  (ia4  aber  lach  ia  einer  iBdersn  Hindeht  hetehrand.  Be- 
kionLlieli  ilod  frSfapr  die  PbilotoptieD  aicbt  eioie  gsweien ,  ob  d»  Uriacb- 
licbLaitiurlheil  ein  das  Henichea  augeboraaet ,  odar  dnreb  Erfaüraog  er- 
worbene» iri.  Wie  ei  jalit  nm  dleaea  fhilotDpbiaebea  Zwiespalt  aniMhen 
nag,  wair«  ich  atckl,  deaa  ich  hab«  leit  Hager  a[a  iiraaitB  Jabraa  kein  phi- 
loMpbiaehei  Bach  ■■  dea,  BÜsdaa  fababl.  leb  fiaab«,  dafi  dbb  bei  eiaar 
■olcbcB  HeiaDDfivcriebiedaabeit  am  klUgrieo  handelt,  den  Wrg  der  Beobacb- 
■■Dg  «ioiuBcbligeD,  ai^r  dielen  fcomat  man  dar  Wabrheit  gewäbalieh  aa 
nacbilen.  Ob  andere  Henicbeo  dieie  Wahrbeil  ■nerkeuBen,  daran  id  mir 
wenig  gelEgen,  denn  ich  Labe  all  mata  Leben  weit  jaehr  daa  BedErfaifj  ge- 
Khll,  Bicb  «elbit,  ala  andera  eb  belehraa.  Wenn  icb-  bqb  daa  anibtaee 
Fall,  «der  ainen  hbBlicbea  erwift,  and  dabei  nnf  den  Vorgaas  ia  veiMM 
Kaph  achte ,  «•  werde  icb  gewahr ,  dar*  icb  gana  nnwillkürlicb  an  ein  El- 
wai,  die  Caräbrticbkeil  ond  TSdtliebkeit  dei  Slnraea  anfbebenilei  deakea  mufi, 
obgleich  icb  vir  gleicbzeltig  beilioiMt  aago ,  difi  in  dem  TlintilJL-blicheo  eis 
lolehea  Etwa«  gar  nicht  la  entdecken  aei.  Daraas  acbiiar««  iob  :  meia  Ver- 
Blaad  ndata  nalbweadig  la  den  Zaaberkrene  der  Uraaebliebkeit  to  gebBpBet 
aaia  ,  dafa  er  ihn  niBimar  äberichrritaB  kÜBBe.  Datnr  aprieht  aneh  di«  Mal- 
aasf  fravtaer  fcenla  (di«  ich  jedoob  hfter  ia  n  ei  aar  Jagend  all  apätar  ge- 
bürt),  dafa  nümlieb  ein  Scbatze^al  die  Henicheo  bei  einem  aolcbea  gelibr- 
lichcB  Sturze  var  deoi  Verderben  bewahral  hiba.  Die  rranunen  La  ata  ,  da  *ie 
ia  den  Thaliicbiicben  nicbla  fanden  ,  was  die  Verderb  liebkeil  de*  Stanaa 
bitla  «urhcbcB  kbuneo ,  und  doch ,  in  dem  Zanberkreiia  der  UraaehlichkeEl 
gabannet ,  an  ein«  die  Verde rbl ich ke'it  anfhebande  UnaelM  aa  daakea  geawaa- 
gen  warea  ,  aprangen  in  da«  GaUtarreieb  hinSber,  uad  glanbtca,  bi«r  daa 
■Bbekaaala  aanlraliiireode  Etwaa  au  Badea.  Ja,  dar  liraacblicbkei labin n  war 
ao  nichtig,  dafa  er  aie  da»  Etar«BrührigB ,  wna  Tiir  das  Heer  der  Scbntzengel 
in  ihrer  Anoahaie  ileckte ,  ganz  überaeben  Uefa ;  dann  da  dach  wot  dia  mei- 
ataa  Henachaa  darcb  den  Stnrz  von  einer  bcdcnlenden  Hübe  schwer  verielzt 
«der  getBdtel  wafdea  ,  an  nafttea  ja  aneb  die  nniaten  SebnlHagel  sehr  aa- 
aofwarkaaae  Biiar  ihrar  nBfanffohlaaaa  aala. 


-  Ufiß  — 
Aiit  den  Cau*i$  conli»emtÜKt  köimen  wir  in  nllcn  FaÜMi 
nicht  einmabl  auf  die  Form  der  Krankhftic  ichlwfs«!!.  Freilich, 
wenn  juHiBndea  der  Ilirnichädel  ein^achla^en ,  öden,  ein  Knochen 
gebrochen  ill,  da  können  wir  die  Form  mit  Händen  lasten  oder 
mit  Augen  when.  Allein,  wenn  nun  ein  von  einer  Höhe  Ge- 
Btjirsier  ohne  fühlbare  Knochehbrüch«  besinniingslas  daliegl,  kön- 
nen wir  denn  da  ancb  aus  dem  Sturze  nnf  das  verlelite  Organ 
■chliefsen.  leb  Kollfe  denken,  dalii  in  den  meisten  Fällen  ein 
■olcber  Beainnungsloser  für  ans  alle  ein  grofaes  Rnthsel  sein  wird, 
Aut  der  Art  einea  Terschluckten  Giftes  können  wir  auch  nicht  je- 
deraeit  auf  die  Form  der  Krankheit  scblief«en.  Ich  wurde  einat 
cn  vier  Kindern  gerufen,  die  von.  der  Wureel  dea  Wasserschier' 
lings  gegeaaen.  Alle  hallen  starke' ConTuleionen.  Bei  dreien  war 
aber  schon  von  aelbsl  Erbrechen  eingelreien,  nnd  durch  ein  klei- 
nes Hrstliches  Nachhelfen  der  Enilcerung  dea  Giftes  durch  Mund 
and  After  genaaen  die  drei  Kinder,  die  da« Gift  gleich  nach  Mit- 
tag gegeaaen,  noch  vor  Abend.  Das  vierte  halle  aber,  aufser  den 
allgemeinen  unnufbSrlJcbeA  Zuckungen,  eine  solche,  keinen  An- 
genblick  nachlassende  Ziisammenscbniirung  des  Schlundes,  dafa  das 
Eingehen  eines  Rrechmiitels  ganz  unmöglich  war.  Gegen  Abend 
erfolgte  endlich  freiwilliges  Erbrechen;  ich  half  nun  der  Natur  et- 
was nach,  so,  d»fa  ich  der  Entleerung  der  giftigen  Wurzel  wol 
sicher  sein  konnte.  Die  Nacht  schlief  das  Kind  ruhig;  am  anderen 
Tage  konnte  ich ,  aafser  einem  mftfsigen  Grad  Ton  SchwSche,  nichts 
Krankhafies  mehr  an  ihm  erkennen.  Die  Aellern  ahneien  nichis 
Böses  mehr,  und«  ehrlich  sei  es  gestanden,  auch  ich  glaubte,  alle 
Gefahr  sei  beseitiget.  Aber  siehe!  am  zweiten  Tage  früh  Morgens 
ruft  man  mich  sam  Kinde,  ich  finde  es  in  einem  so  heftigen  Fieber, 
dafa  ich  bestimmt  nie  ein  heftigeres  in  meinem  Leben  gesehen ;  die 
Mittel,  die  ich  anwendete,  waren  ganz  fruchtlos,  gegen  Abend 
schon  starb' es.  —  Hier  wufste  ich  nun- best iiunii,  dafa  das  Kind 
die  Würzet  des  Wasserschierlings  gegessen,  aber  dieses  Wisaen 
verhalf  mir  nicht  einiuahl  zur  Erkenainifa  der  Form  der  Krankheit, 
welche  das  Kind  tödtete,  geschweige  denn,  dafa  es  lOich  auf  das 
Wesen  derselben  sollte  geleitet  haben,  Blofa  nach  allgememer  Er- 
fahrung konnte  ich  aus  dem  spSlen  Erscheinen  des  heftigen  Fiebers 
vermuthen,  dafs  durch  die  sehr  starken  Convulsionen ,  welche  sich 
nicht  nur  in  den  Gliedern,  nicht  nur  im  Schlünde  und  der  Kinn- 
lade, sondern  auch  sieht-  nnd  fühlbar  in  der  Obcrbaacbgegend  ge- 
ftufaerl,  ent  wichtiges  Organ  schwer  verletzt  sei;  denn  bekannt- 
lich erscheint  das  Fieber  bei  Organ  verletx  an  gen  aelten  oder  nie 
unmittelbar  nach  der  Verletzung,  sondern  ea  bricht  gewöhnlich 
erst  den  aweiteo,  auch  wol  erat  den  dritten  Tag  mit  voller  Hef- 
tigkeit aas.  Diese  allgemeine  Vermalhuog  konnte  mich  jedoch 
unmöglieh  heiebren ,     welches  Oi^an  •igenilich  verlalat  sei ,    mit- 


—    1160    - 

biD  dicDie  mir  die  besiimmte,  uDiweifolhafte  ErkenntniCi  der 
Kranlibeiigumcfae  nicht  «inniahl  sur  Erkenatnifi  der  Krankbeiii- 
form. 

Allel  wohl  erwogen,  beMehel  das  praktisch  \ilixlicbe,  waa 
aoa  der  Erkenninifs  sotcher  Craacheo  bervorgehet ,  die  ibeils  aicbt- 
und  laatbar,  iheila>  unzwwifetbaft  und  der  An  sind,  dafa  aie  fQr 
■ich  und  ohne  Znaammensiofi  anderer  Ursachen  den  Menicben 
krank  machen,  haupuächlich  darin,  dar«  wir  in  Fällen,  wo  sie 
aichi  hiofs  auf  den  Kürper  gewirkt  haben,  sondern  fon^thren, 
auf  denaelbeo  za  wirken,  aie  entfernen,  und  durch  dieses  Ent- 
fernen eniweder  geradezu  die  Krankheit  beben,  oder  derselben 
zuvorkommen,  oder  die  Möglichkeit  der  Heilung  bewirken.  So 
ziehen  wir  einen  Grlniokenen  aus  dem  Wasser,  um  ihn  zu  bele- 
ben.  wir  nehmen  den  Erhängten  vom  Stricke,  wir  bewirken  bei 
dem  Vergifteten  Erbrechen,  oder  ist  die  Vergiftung  durch  Einim- 
pfey  geschehen,  so  zerstören  wir,  wenn  es  ihunlich  ist,  die  ganze 
Stelle  der  Impfwunde  und  kommen  so  der  Einwirkung  des  Giftes 
auf  den  ganzen  Organismus  zuvor.  Lafst  uns  aber  einmahl,  wer- 
the  Leser!  ganz  aufrichtig  roo  dieser  Sache  sprechen.  Glaubt 
Ihr  nicht  so  gut  als  ich,  dafs  vor  mehren  tausend  Jahren  die  Leute 
in  diesem  Punkte  schon  eben  so  gescheit  gewesen  sind  als  wirl 
Höchstens  m5gen  sie  in  den  Ffillen  etwas  dümmer  gewesen  sein, 
wo  es  darauf  ankam ,  mineralische  Gifie  im  Darmkanal  za  nen- 
tralisiren.'  Aber  die  Entfernung  der  «nf  den  Kdrper  einwirkenden 
Schädlichkeiten  haben  sie  gewifs  geilbi,  weil  dazn  kein  scbul- 
rechtes  Studium  der  Heilkunsl  gehSrt,  sondern  weil  der  schlichte, 
gesunde  Verstand  jeden  Menschen  dazu  treibt.  Vor  etlichen  Jah- 
ren las  ich  in  der  Zeiinng:  zu  Paris  sei  der  Eigenthümer  einer 
Fremd ihierbnde  von  einer  Klapperscblang«  in  den  Einger  gebis- 
sen, und  er  sei  gestorben,  bevor  die  angenblicklieh  gesuchte 
ärztliche  Hülfe  eingetroffen.  Einige  Zeit  darauf  habe  der  durch 
das  Unglück  des  Meisters  nicht  gewitzigte  Knecht  der  Witwe  eben- 
falls unbehutsnni  eine  Klapperschlange  angepackt,  nnd  sei  von 
derselben  auch  am  Finger  verwundet  worden.  Die  Witwe  habe 
jetzt  nicht  nach  8  rst  lieb  er  Hülfe  geschickt,  sondern  ohne  viel  Um- 
ilSnde  den  v erwnnd et en  Finger  mit  einem  Tiachniesser  abgeschnit- 
ten nnd  dadurch  dem  Knechte  das  Leben  erhalten«-  Wenn  Ihrj 
meine  werlhen  Amtsbräderl  das  Abwenden  nnil  Heilen  der  Krank- 
heiten durch  Entfernen  erkennbarer  natepielter  Ursachen  dnrchans 
als  einen  Theil  unserer  edlen  Kunst  ansehen  wollt,  so  mnfs  ich 
auch  diese  entschlossene  Parisisehe  Sohlangeomutter  folgerecht  f&r 
meine  rationell -empirische  Amtssehwester  hallen. 

Jetzt  müssen  wir  weiter  gehen  und  von  den  secha  nlchton- 
tfirlichen  Dingen  reden,  untersnehend,  in  wiefem  wiT)  «nt  der 
Einwirkung  denelben,   auf  Form  und  Wesen  der  Krankheit  sehUe- 

■74-  -o" 


—    1170    — 

tmn  kSaasB.  Wafoncbsialicb  wirä  moiiM  Bolub»fen  I^racr  jfin 
•in  Schauder  ergreife*,  «e  werden  denken,  ich  wolle  ■■sfibr- 
licb  alle  senha  Dinge  abbandeln,  und  das,  wne  ich  aber  dit 
CmuM»  c9»ti»enteM  geiagi,  am  blob  die  langweilige  £«aleiiuiig 
u  einer  grundlicben  Langweilnng,  —  Nein,  nein,  so  böse  meiui 
Iflh  M  dioht  mit  dea  Leeern;  iia  (jegenihe*!,  ich  werde  iui«b  gaai 
bora  fassen,  ibnen  eiafällig  die  Scblnüifttrinet  angeben,  BaF  wd- 
«be  «icb  alle  irxiliche  Meinungen  und  Erönerungm-,  b«1rc&Bd 
jene  aechi  Dinge,    xürückfübren  laaaeD.      Die  Formel  laMct  alae: 

Die  ScbadliebkeU  A  Mncht  die  Krankbeit  M. 

Der  kranke  Menaeb  X  bat  aicb  4er  Einwirkang  dar  Sebid- 
iichkeii  A  — agcaei* 

Ako  leidet  dw  Kraake  X  an  dcc  Kiankbeii  M. 

Beweil  dea  Ob e.raatEea:  ■ 

Der  Kranke  X  leidet  an  der  Krankheit  M. 

Der  Kranke  X    hat  sich  der  Einwirkung   der  Schädlichkeit 
A  auageaein. 

Alao  macht  die  ScbXdIichkeit  A  die  Krankheit  M. 
Beweis  des  Obersatzes: 

Die  Sohädliehkeit  A  tuaefat  4ie  Kraakbeit  H. 

D«r  Kranke  X   hat  aiob  der  Einwirbu^  der  ScbAdlicbLeii 
A  «n^eeMst. 

Alan  leidet  der  Kraake  X  an  der  Krankheit  M. 
Jeder  siebet  ohne  Mühe  ein,  daf«  das  ein  Circuhu  sa  rfeaMa- 
ttttmäo  ist.  Um  den  Oberaata  sa  beweisen,  macht  man  des 
Schlufasafs  am»  Oherinia,  and  dann  luaiä  der  frühere  Obersati 
ScblufHsals  werden,  loh  überlasse  es  den  Leser,  aUe  firvilicb« 
Veralandeaverrichtaagea,  in  Betreff  der  »ex  rorum  lao»  nmtmruliim, 
anf  diese  Schlufarorme]  surücksnfiihren,  dadurch  werden  ihm  ht 
nngebeorea  Widersprüche  erklärlich  werden,  deren  sich  die  Scbfik- 
ateller  acbaldig  machen.  Es  wäre  au  wünschen ,  ein  aller  mt- 
riiirter,  bücberreicber  Gelehrter  machte  einniabl  auf  seinen  l.ovW- 
ren  ruhend  ein  Buch,  ia  welchem  er  die  -aus  vielen  aodereo  Bä- 
ofaem  tusamiaengeaucbtMi  Angaben  der  Aerate,  in  Betreff  der 
Krankheiisorsacben ,  zuRammenaieUie.  Das  mü^e  eia  beirlichsi 
Werk,  ein. nützliches  Werk  werden.  Aber  freilieb,  weder  eis 
-Pedant,  necb  ein  wiisiger 'Posseareifser  laugt  zu  dieser  Arbeit; 
«or  der  etgenilidie  Humorist  kdnAIe  etwas  au  Tage  fordern,  wai 
vielen  Aersten  zu  einer  weblihfiiigeo  Arzenei,  und  den  der  Ai- 
senei  Unbedürftigen  zur  gemüiblichen  (Jnlerhaltung  dienen  würde. 
Ich  Kelle  jeiai  folgende  Frage  auf:  Welches  ist  der  Haupi- 
grund  der  gröbsten  praktischen  Verirrungen,  deren  sich  die  Heil- 
kaast  seit  dem  Ver&lle  der  Galeniacben  Schule  schuldig  gemacbi! 
Meines  Erachiens  ist  es  die  Meinaog  dar  Ae»*«:   oboe  Erforscbsai 


-     1171     — 

<ter  Uruch«  der  Krankheit  wi  ksine  wahrhaft  grüo4iiahe  Heiiaag 
mSglich.  Ad*  der  veriiieintlicli«n  Ursache  wollieo  lie  das  Weseo 
der  Krankheit  erkennen ;  si«  erklärien  darani ,  oft  seltaam  gemig, 
die  Erzeugung  der  Krankheit,  und  aiiT  dieses  LufigebÜd  gründeten 
sie  die  rationelte  Heilari.  Es  liegt  aufier  nieinein  Plane,  diese  Be- 
hMHptuag  mit  bücherlichen  Angaben  sii  belegen,  denn  jeder  Arxt, 
der  fli«h  niil  den  Hauptiiieistem  der  Kundt  heknnnl  genecht,  und  in 
dessen  Kopfe  sieh  durch  dieae  Bekannlaebaft  eine  Geschichte  der 
Mediiin  gebildet  bat,  miifsie  ein  sehr  unglückliches GedSchinifs  ha- 
ben, wenn  ihm,  anch  ohne  Naohschlagen  seiner  Büolier,  nicht  sol- 
che Thalsachen  erinnerlidi  sein  sollten,  auf  w^che  ich  ziele.  Ein- 
xig  meinen  jüngeren  Lasern  au  geniigen,  -will  ich  aat  an  swei  Merk- 
»firdigkeiteo  erinnern. 

Die  ersfe  ist  die  verkehrle  Behandlung  der  Pocken,  welche 
zwar  nicht  meh^  während  meiner  Lebzeit,  aber  doch  so  kurz  vor 
derselben  von  den  Aerzten  angewendet  wurde ,  dafs  ich  noch  fil- 
tere Leuie  gekannt  habe,  welche  sie  selbst  fn  ihrer  Jugend  er- 
fahren. Diese  heifüe  Behandlung  gründeie  sich'  doch  einzig  auf 
eine  ursächliche  Erkennlnifs  der  Krankheit.  Das  Pockengift  war 
hier  die  Ursache;  sichtbar  wollte  dieses  die  Natur  durch  die  Haut 
ans  dem  KSrper  treiben,  und  da  der  Arzt  Diener  der  Xniur  ist, 
inuliiie  er  ihr  in  diexem  Bestreben  zu  Hülfe  kommen.  Nichts  war 
also  folgerechter,  als  den  Kranken  vor  aller  frischen  Luft  bewah- 
ren, ihn  in  Federbellen  begraben,  ihn  hinter  den  Ofen  legen, 
durch  warme  Geirfinke  die  Hauikriisis  befordern;  denn  nur  so  konnlf 
die  Giftursache  entfernt  und  die  Krankheit  glücklich  gehohen  wer- 
den. Das  Schlimntste  bei  der  Sache  war,  dafs  die  von  den  Aerz- 
ten ausgeheckte  ursächliche  Behandlung  von  dem  Volke  nachgeahmt 
wnrde,  und  dafs  das  Volk,  mich  nachdem  die  Aerzte  endlich 
eines  Besseren  belehret  wurden,  noch  eine  geraume  Zeit  bei  dem 
allen  Tränt  blieb.  iMen  konme  es  ihm  auch  nicht  übel  nehmen, 
denn  es  war  otTenbar  xweifelhafl  geworden,  oh  die  allen,  oder 
die  jungen  Aerzte  das  Wahre  geiroifen;  beide  hallen  sich  selbst 
für  kluge,  unterrichtete  Münner  ausgegeben,  und  beide  waren 
als  solche  vom  Stnaie  anerkannt. 

Einer  meiiker  Alleren  Freunde ,  der  als  junger  Mann  die  Pok- 
ken  gehabt,  und  ron  meinem  hiesigen  itczilichen  Vorvorg&nger  naoh 
der  alten  warmen  Methode  behtindelt  war,  hat  mir  eine  sehr  an- 
nethige  Btfvchreibang  von  dem  raiionell-empiriaehen  Fegefeuer 
gemacht,  worin  er  gesteckt.  Wahrhaftig!  hätten  die  Aerxta  gar 
an  keine  Krankheitsursache  gedacht,  sondern,  ihrer  Nase  nach- 
gehend ,  dem  naoh  frisoher  Ltifi  nnd  Kühle  «ich  sebsenden  Kran- 
ken BDf  den  Willen  ^han,  aie  würden  sieh  der  Wahrheit  weh 
früher   g«alkbert  ^beii.     Wie  viel  Menacheo  aibd  nun  durch  die 


—     1172    — 

uraaehliche  griindlicha  Behandlung  gMchftnd«!,  erblindet,   vcfkrif- 
pell,   guhiariert,    gctädietl 

Die  Bwetie  Merkwürdigkeit,  wonn  icb  erinnere,  ist  die  Er- 
regung iiheorie ;  diese,  die  wirklich  viele  AnbSager  fand,  griit- 
dete  die  Erkenntnifa  de«  VVeKens  der  Krankheil  elnxt^  auf  die  £r 
kenninif*  der  Ursachen;  dafi  lie  dieiielben  in  Inziianient  vermeb- 
rende  und  vennindernde  Potensan  iheilie,  ihnt  nichts  mur  Sachf, 
es  blieben  doch  immer  Krankbeilaimachen.  Wie  viel  Heil  o4m 
Unheil  diese  Theorie  gestiftet,  werden  die  wol  aiu  besten  wii- 
aen,  die  als  ihre  ehemahligen  Bekeuner  noch  im  Lande  der  Le- 
bendigen weilen.  Viel  Giiiea  kann  durch  sie  aber  uoniöjglicb  gr- 
wirkt  sein,  sonst  würden  ja  ihre  Anhänger  sie  nicht  verlasw* 
haben:  gerade  die  prakliache  Ueberzeugiing  derselben,  dafs  air 
als  Leiierinn  hei  Uebung  der  Kunst  nichts  lange,  hat  ihr  da 
Todesslofs  gegeben,  nicht  daa  Scharniüiieln  der  Gegner.  Cehri- 
gens  basirle  die  Etregungsiheoria  sich  ja  gerade  wie  die  rationeilt 
Empirie  auf  eine  vermeintliche  Kenninifs  des  belebten  Mensirhen- 
leibes,  miifain  war  sie  jedenfalls  nichts  mehr,  als  eine  scbledi- 
(ere,  unbi-aitchharere  Abart  der  scbulrechten  Lehre. 

ich  würde  jetzt  schliefaen,  wenn  mir  nicht  gerade  benir, 
beim  Kramen  in  allen  Papieren  ein  merkwürdiges,  den  besfro- 
ebenen  Gegenstand  betreffendes  Akiensiück  in  die  HKnde  ^fallen 
wSre;  es  ist  dieses  eine  Anweisung  des  Preufsischt^n  Ohtr~Co//e 
gii  meitici,  wie  sich  der  Landrnann  nicht  blofs  vor  der  Ruhr  pTÜ- 
•erviren,  sondern  auch  gliicklich  und  mit  wenig  Kosten  selbst 
Icuriren  könne.  Berlin  1769.  Hier  wird  als  Ursache  der  Ruht 
die  Sommeihiize  nngegeben  und  die  darauf  folgende  Ilerbatkünlf- 
Die  durch   die  Iliize   scharf  gewordenen  Süfte   können    durch  die 

TOn  der  üerbslkälte  zusai engezogenen  Schweifs) Scher  der   Haar 

ihre  scharfen  Sioffe  nicht  ausscheiden.  Die  scharfen  Stoffe  müs- 
sen also  npthwendig  zn  den  Drüsen  des  DarmkanaU  sich  bege- 
ben, und  machen  dann  hier  den  Spuk,  den  man  Ruhr  nennet. 
Wena  ich  die  ganze  Anweisung  nicht  abschreiben  will,  so  ist  r* 
mir  unmöglich,  die  von  der  Lufiursacbe  hergeleitete  Krankheili- 
erzeugung  so  enrauthig  zn  erzählen,  als  sie  sich  don  findet. 
Wahrhaftig!  sähe  ich,  wie  der  verrückte  Junker  Doh  Quij-vte 
oo»  der  Mancka,  allenihalben  verzauberte  Wesen,  so  würde  ich 
mir  fest  einbilden,  der  Verfasser  jenes  Schrificheos  habe,  in  eis 
lofusionslhierchen  verzaubert,  mit  mikroskopischen  Augen  begabt, 
die  unsichibaren,  verborgensien  Gänge  des  mcnschlHihen  Lieibei 
durchkrochen,  und  erzähle  uns  quo  treuherzig  seine  Reiseabee- 
leuer. 

Zwei  Stellen  sind  aber  ganz  besonders  merkwürdig.  Aaf  der 
fänfien  Seite  heibi  es:  Wenn  das  Blot  bei  verniehner  Sonner- 
wärme  verdicket,  und  durch  die  SonnenbilM  «cblrfef,    bezon- 


-  1173  — 
der*  aber  die  Gälte  beifienil  und  sur  Fftalnils  disponirt  wird  u.  i. 
w.  Auf  der  siebenien  Seite  aber  beif^t  es:  „Weil  das  Geblüt 
durcb  aahaltende  Somraerhiixe  mehr  unil  mehr  aufgeldset  isl, 
und  die  sonst  mildea  Thetle  desMlben-  schärfer  und  beifsender  ge- 
worden u.  s.  w." 

Uafs  Aerzte,  die  viele  Bücher  geschrieben,  lich  hinsichilicb 
der  krankmachenden  Wirkung  der  sechs  nicht  natürlichen  Dinge 
widersprechen,  Ufst  sich  noch  allenralls  entschuldigen;  denn  man 
kana  ja  sagen,  sie  seien  zu  der  Zeit,  da  sie  ihre  spätere  Schrift 
verfafsten,  zu  einer  besseren  Erkenninifs  gelangt.  Dafs  aber  auf 
dem  Räume  dreier,  weiiläufiig  gedruckten  KleinachteUeiten  be- 
hauptet wird:  die  äommerwArme  verdicke  das  Blut,  nnd  die 
SointnerwSrnte  löse  das  Blut  auf,  das  ist  denn  doch  gar  zu 
arg>  Es  beweise!  ganz  baiMigretflich ,  dafs  die  Aersie  die  Wir- 
.  kungen  der  Schädlichkeiten  ganz  willkürlich  so  hesiimmten,  wie 
All  in  dem  Augenblicke,  wo  sie  eine  Behanpiung  aurstellien,  ih- 
nen gerade  in  ihrem  Kram  diente.  Mir  koitinit  dieses  nichts  we- 
niger als  licherlich  TOr;  dann  da  ich  mir  deutlich  denke,  dafe, 
binsictstlieb  der  Wirkungsbesiiniinung  der  Schädlichkeiten,  alle 
ftrilliclie  Verstandesoperationen  auf  einen  CircHlttm  t'a  demoTutrmm~ 
da  hinauslaufen,  mein  Kopf  aber  unmdglich  anders  gesehafl'en 
sein. kann  als  die  Kttpfe  meiner  todten  nnd  lebendigen  Kollegen, 
ao  bin  ich  der  Meinung:  alle  Aer/le,  welche  sieb  diesen  Circu^ 
ium  in  demoiutranda  nicht  deutlich  denken,  müssen  doch  als  Ver- 
■landesmenscben  sich  ihn  dunkel  denken,  sie  iHussen  {wie  man 
EU  sagen  pflegt)  ein  Gefühl,  eine  Ahnung  davon  habMi;  und  ge- 
rade dieses  Gefühl,  diese  Ahming  des  Sophistischen  macht  es, 
dafs  sie  ao  junkerhaft  mit  den  »ex  rebu»  mm  naturalibu»  untsprin- 
gen,  sich  wenig  darum  bekümmern,  ob  das,  was  sie  jetzt  davon 
behaupten,   ihren  früheren  Behauptungen  widerspricht. 

Nun  will  ich  beim  Schlüsse  dieses  Anikas,  sur  Ergelrang 
ergeizbarer  Leser,  noch  eioei»  flüehiigen  Blick  auf  die  ftitere  Li- 
teratur werfen,  und  swei  Männer  vorführen,  deren  Kamen  nicht, 
wie  NebeUterne,  blofs  von  der  papiernen  Gescbichte  der  Medisin 
vor  dem  Erlöschen  bewahrt  werden,  seiKlern  swei  Männer,  deren 
Namen  jedem ,  auch  dem  jüngsten  und  nnbeleseiuten  Arzte  bekannl 
sind,    nämlich  Fernelitu  und  Lameiti. 

Erster  sagt  (Tkerap.  univtr»,  Lib.  1  Ciip,  \)  Felgendes:  fJiwM 
igitur  amnivat  quae  mundut  habet  mediciaa  pertpeetat  vire»  teneat, 
intemotcatque  talutaria  a  pettiferU;  haec  quidem  fange  praevidet 
et  decfinat,  illa  coH*ectatvr  et  inguirit,  et  ila  tempettive  adhibet, 
%t  tut*  virätw  exitiale»  ttliaqni  morbot  leitiat  faciatque  aafmlaret, 
quo*  »etu  natura  nunquam  evtcerit.  —  leb  sehe  voraus ,  dals  die 
jungen  Hitzköpfe  unter  meinen  Lesern  hier  ohne  viele  Umslända 
sagen  werden:   der  Franzose  isttmts  seiner  BerShulbeit  ein  Narr, 


i\Brr, 


-    1174    — 

•in  Tollhttrtiler,  iteim  na^  •■■  TolIhSttalw  lunm  bchaiipiin,  ü 
der  Arzt  dte  wohlihthi^  nnd  feinrflicba  Wirlrang:  «IIm  dmen,  ■> 
in  der  Well  ist,  kenn«,  «id  dafs  die»  KeBninilii  ihn  l>rrälH^ 
Krankheiten  abinwenden  und  lödiliche  in  heilsame  umxnwandFln. - 
Ich  bilte  Euch  aber,  werlhe  Freunde!  iirtlieiU  nicfal  so  liebloi  ü^ 
naiern  lodten  frantöeMebeo  Kollegen.  Ich  gebe  es  in ,  dafi  »if 
ungeinessene  Prahlerei  etWM  lft|>pi«:h  iit;  aber  deshalb  ialcr,  glaui« 
e>  mir,  noch  kein  Tt»)lbfius1er ,  er  iit  UMa  ein  Maulwnrr,  der,  il' 
frofaer  Pbiloioph,  ao  lange  und  «u  fimsig  in  dtm  JUikr*koimt  p- 
wühlt  hat ,  dafs  er  darüber  den  JHaAroiotmum  ganx  rergesMn. 

i\an  IQ  Lanciii.  Bei  ihm  findet  man  ^Ton.  t  pog-  V  ^'' 
■chingendiien  Beweia  dec  Wahrheit  dessen ,  was  ich  eben  ftap. 
der  iVlann  niaetit  die  Srsdicha  Uraaehaucherei ,  ohne  ea  iia  pi^f 
aten  xn  beabtitthligen,  durch  ein  briaflichea  Guiachten  lo  Ucb»' 
lieh,  dafa  selbat  der  airengaia  Widersa^er  der  achulrechiei KuM 
ihr  nicht  gehisaiger  xa  Leibe  gehen  kAonie. 

Antoniiu  Dmimreilui  erxfthlt  folgenden  Fall.  Ein  kräoliKf^ 
23jtthriger  Bauer  in  beaohSfiiget,  eine  ad«  h^le  Kiche  aDini"' 
ten.  Während  der  Arbeit  siebet  er  eine  grofse  Schlange  aof  i« 
Höhle  dea  Bauntea  achlüpfen,  höret  sie  dreimnU  aiubeai^^ 
bewufMioa  mr  Erde.  .  O«  er  wieder  «u  sieb  kommt  on^  *>'" 
hülfreicben  Freunde  ihn  nach  Heuae  gebracht,  bekomBt  «  ^t' 
sehnierx,  SchlMfrigheit,  Erbrechen,  Kali»  der  fiufaefa»  "^^ 
fllllt  nberniahia  in  Ohnmnoht  und  stirbt  ungefiibr  nüch  aici  ^■' 
den.  Donartll  «u  der  Leiche  gerufen,  bemerkt,  dafadi««^ 
lieh  oder  bleirarbig  ist  (fividum  eadavar  tbaervavi).  A*' "'' 
langt  er  von  Laitcüi  tu  wissen :  ob  der  Bauer  blefa  <!"'''' "' 
Sehrecken  gestorben  sei,  welchen  ihm  der  Anblick  der  Sclil««C 
Ternraaoht,  oder  durdi  die  gifiige  Ausdönsiung  deraelbe»,  »''* 
durch  Augen  und  Ohren  in  seinen  Körper  gcdrangeo,  o^' 
Tielletchi  der,  der  Schlange  beim  Zischen  enlfahrene  löAl'<'" 
Hauch  Ihn  durah  Nase  und  Mund  vergiriet  habe. 

Der  Papstliche  Leibar«  behandelt  den  Gegenaiaud,  "'* 
leicht   denken    kann,    aehr   gelehrt  und  aehr  emalhaft;   '^  f" 
(ich  ganx  unumwunden   ftir  die  Vetgifiung   aus.     Beg"'*'*'' "T 
er  nun,    ala  gelehrter  Mann,    sei«  Galacblen  durch  AdIüIk«" "' 
rer  ScbrirtaielJcr  be'vrafiigen,   die  Giftigkeit  der  Schlangen»»*'^ 
ainng  beKtäirgeo.      Cnler    den   angeführten  besifilig«^*"  ^^ ' 
lungen    i«   die    dea    Getner    am    merkwürdigsten;     der  »""  ' 
lieh   in   aeineni   Schlangenbuche    (welches  ich  nicht  gel«*"'    ^ 
genden  Fall    erxHhlt    haben.      Ein  Mtnsch  badet  ein«  '"  "."'*^ 
Wasser  und  stirbt  unmittelbar  darauf.     Was  war  nun  di»    ^^ 
dea  Todes!  —  Nicht*  als  pures  Schlangengift,  und  ■"•'■*'"  j,,^ 
wundervoll  durchdringendes,  tlafa  das  Gift  der  Kinpf'""  "",  .  ^ 
benschlange  und  anderer  gerürchleten  Beatien  nur  Kit^"*f'* 


—  ii7i  — 

gvgCB  »t.  Om  H«Is,  akailMb,  weldMa  heim.  BrwImiM  Am  fti- 
dewauara  *U(  Fcufliung  gcdiaiM,  wa>  m  »hiMft  Waldv«ri»«rgnifii 
gebauvi),  worin  »nh  SchlwigflD  s«riri«It«ti,  hatt«  bIio  dem  Bad«- 
wmser  du  lödilictw  Snblangengift  mitgcibeilt.  —  Dtes*  Erxfth- 
luDg,  die  Ulla  allen  wol  «iwaa  nAr»Kh  vprk««>nen  wird,  mufu* 
Laacüi  doch  für  glaubwürdig  halt«o,  santt  wQrde  er  sie  aicfat 
sur.  Bultliigung  MÜmr  Aniioht  angeführt  habe»  iedenfalla  iit 
■ie  merkwürdig  genug;  denn  weaa  atan  in  manche*  anderen  Kraa- 
kengegchi^hicn  Mübfl  bat,  den  ZiMarMinenbaog  zwisoben  der  Kraak- 
heil  und  der  angegebenen  Krankbeiüiiraacbe  s«  kegieifen,  so  liegt 
in  dieser  jedea  einselne  Glied  dar  Keile,  durch  weloba  der  Ted 
mit  der  Todesuraacbe  Busanaanbäogi ,  «o  kJsr  «or  unseren  Au- 
gen, dafs  wi(  es  mit  üanden  greifen  konuen.  Hi«B  vergiftet  die 
IScblangeaaasdünfltiiiig  das  HeU*  das  Hola  vesgiftel  das  Feaert 
das  Feuer  den  WaMerkewei,  der  Kessel  das  BaJewatser,  und 
das  Wouer  endlich  den  luiglückieligca  Menseben.  Dafs  Goit  er- 
barm! es  gehört  ein  starker  Glaube  dssn,  den  niemand  haben 
kann  ,    als  nur  ein  Leibarzt  des   Vaters  aller  Gläubigen. 

Nun  nia»en  wir  un»  su  den  Zufällen  der  Krankheit  wenden 
und  uMersuckoi,  ob  wir  aua-diesen  Forn»  and  Wesen  der  Kraak- 
bttit  erkennen  können,  leb  werde  inoh  biet  kurx  fasten,  weil  ich 
inft  iiilten  und  vierten  Kapkel  auf  die  Nichtigkeit  und  Unauläng- 
liobkeit  der  Zufälle  al«  Ci kennungawitlel  der  Fosm  nnd  des  We- 
sens iat  Krankheit  besonders  aufnieirkiwa»  gemacht.  Ueber  diesen 
Gagciuiand  läfst  sich  bas»er  im  Cinaelnen  aUii«  Allgemeinen  spre- 
ebeo,  und  will  laan  iai  Ailgeiucinen  darüber  sprechen  und  deui>iflb 
bleiben,  so  mufs  man  von  den  Orga^kkrankbeiien  mkI  von  denUni- 
versalkrankbeilen  besonders  bandeln.  Zuerst  wolUo  wir  also  von 
daa  Orgaokraokh«iun  radui. 

Scbna  die  Anatomie,  di«  uns  aoackaulleb  de«  isnigen  Zubmi- 
ineokang  de*  Gehirn-  «i»d  QawglisDaj'Msmw  lahr«,  lüht  um  nei- 
mulhoa,  dafs  wir  wir  Erkenjuaifs  des  ureFgriffane«  Organs  sehr 
ulvel  durch  die  Krankbeks^rdlU  geUngan  werdan  [  eme  sofgföi- 
Uge  nnd  langjährig«  Beobachtung  des  gegeoaeiligsn  Mitgefühls 
aller  Organe  unter  «tvander  erhebt  diese  VermothuDg  s«r  Wabr- 
wboinliehkeit.  und  die  am  KfanJUtthelie  Mwwbeoa  Erfahrung 
briagl  die  WahrscbeiDÜcbkeit  dam  aubnerksaiaea  Aryle  leidet  früh 
gfiiMif  zur  Gewilitbeit. 

Nicht  sahen  iu  dag  nrerkrankte  Organ  gerade  am  weaigalca 
i«  «einen  Verrichiungen  gestört ;  seine  Ursrkraakung  bawirkl  aber 
niiiUidücbe  Erkrankuogeo  anderer  Organe,  und  diese  fallen  ge- 
wöhnlich am  m«swn  ins  Auge.  Dah«  können  wir,  leget)  wir 
den  Zufällen  ala  Erkenniingswiilieln  gar  au  bobeo  Werth  bei,  «B- 
glauhlieh  in  die  Irre  geraiben.  Iliwcb  die  L'rcrkiankung  eine«  und 
des    nämlichen   Organs    kann    in    «eracbiedeoen  Kör(iern    eine  mit- 


-.üj^lc 


I«idtich«  GrkrahltUBg  ufar  TinehiBdeiiM  OrgMe  bewirkt  wcrdcs. 
In  diBsem  fi>fEÜiruagwain  atnkt  in  fast  an  UnniSgl  ich  keil  gren- 
zende Scbwierigkeii ,  richtige  Beicbreibnngen  der  Urorganerkran- 
knngen  lu  machen.  Will  man  alle  iniileidlicbe  Zufälle  deraelben 
wigebea,  ao  muh  uhm  ron  jeder  ein  ganxes  Heer  ZufSlle  anfxfiblen, 
deren  viele  in  einaelnen  Körpern  bald  vorbanden ,  bald  Dicht  TOr- 
bandeo  sein  kdnnea.  Ein  solebea  Heer  Zueile  flieht  aber  mit  den 
Znfalliheeren  anderer  Urorganerkran klingen  so  zusammen,  aiebet 
ibucn  lo  Sbalicb,  daf«,  wollie  man  auf  die  Weise  eine  genane  Be- 
»cb reib» ng  aller  UrorganerkrankuDgen  m  Papier  bringen  ^  man  sieb 
beraach  beim  Dnrcblesen  dieeei  Machwerkes  überxeDgeD  wiirde ,  ca 
aei  gani  aufslos  für  die  Praxis ,  weit  mehr  verwirrend  ah  belehrend. 
Wir  können  die  kleinliehen  und  angatlicben  Beacbreibungen  epora- 
diecber  und  epidemiscfaer  Urorganerkrankongen  bis  in  das  Unend- 
Itcbe  aufbäufen ,  ohne  uniero  ärailicben  Nachkommen  einen  anderen 
Vortheil  dadurch  aa  verschaffen,  als  den,  der  in  der  händgreif- 
liebeo  Ueberseugung  liegen  wird,  wir  haben  teerei  Stroh  gedro- 
■cbeo. 

Ein  Organ  kann  siebt-  und  tastbar  erkrankt,  nnd  doch  kaaa 
dieae  sieht-  und  lastbara  Erkrankung  blofs  mitleidlicber  An  aeia. 
ich  beobachiele  sieht-  nnd  tastbare  Lebererkmnknng  (die  Aafirei- 
bung  der  Leber  konnte  ich  fühlen,  die  Gelbsucht  sehen),  ond  docb 
war  eine  Urerkraakung  der  reeblen  Niere  die  Veranlassung  dieses 
Leberleidens,  und  die  Verrichtung  des  bam  ab«  andern  den  Otgan* 
war  SU  wenig  gestSret ,  dafs  man  diese  gertoge  StBmng  mit  wmt 
mehr  Wabracheinlicbkeit  von  der  erkrankten  Leber  als  von  4*r  er- 
krankten Niere  herleiten  konnte. 

Von  der  Urerkrankong  der  linken  Niere,  ohne  die  mindeaieB 
Harn besch werden  beobachtete  ich  eine  sieht- ond  tasiimre  Anftrei- 
bnitg  des  linken  H^pochondrium ,  so  dafs  man  hSiie  schwSren  sei* 
len ,  man  habe  es  mit  einer  bedeotenden  Milaanscboppong  na  tban. 
Irrsinn  sah  ich  von  der  nrerkrankten  Leber  entstehen ,  nnd  dock 
waren  keine  Zeichen  einer  StbroDg  des  Galtenorgans ,  noch  Zeichen 
einer  Anschoppung  ed  gewahren.  Von  des  nämlichen  Organs  I3rer- 
krankung,  ohne  erkennbare  Störung  seiner  Verrichtungen  (soweit 
ans  diese  bekannt  sind),  beobachtete  ich  heftiges,  als  Kolik  sich 
offenbarendes  Darmleiden.  Was  soll  ich  viel  Worte  von  der  Sache 
machen?  Jedes  Organ  kann  «eine  ürerkrankung  ei  na  ig  darcb 
conaeDsnelle  Leiden  anderer  Organe  offenbaren.  Das  WSnchen 
eiotig  entschlüpft  auch  nicht  unbedacht  meiner  Feder,  aendera 
ich  wähle  es  mit  gutem  Vorbedacht.  -Wer  solche  Offienbarang 
denen  der  CuiuHischen  Sibylle  gleich  steifen  will ,  dem  mag  ich 
gerade  nicht  widersprechen. 

Denkt  man  aber  vollends  "an  die  angeborenen  ond  an  die  weit 
hlußgern  erworbenen  Bildungsfehler  der  Organe,    so  verliert  mas 


—    1177    — 

gans  iw  Mnlfa.  Mbq  fSlilt  ja  «twailen  Verbirtiingm  in  totcben 
Gegenden  des  Bancfane,  wohin  das  nrerkrankte  Oraaa  in  seiner 
normRien  Lage  nimmer  reicht. 

Ich.  habe  jaUt  aber  blofs  von  der  Erkenninifs  des  nrerkrank- 
len  Organs,  also  blofs  von  der  Formenerlcennlnifs  gesprochen; 
wollen  wir  von  der  Wesenerkeantnirs  baadeln,  so  liehet  es  wahr- 
lich noch  viel  mifsliober  au*.  Wann  wir  x.  B.  wissen»  die  Le- 
ber, oder  die  Mili,  oder  das  Gehirn  u.  s.  w.  sei  urerkrankt,  •• 
wissen  wir  ja  dadurch  noch  nicht,  mit  weichem  Araeneimiiiel  das 
kranke  Oi^an  in  sicherem  HeilverhSlinisie  siebet,  und  dieses  Ist 
doch  das  Einiige,  was  wir  von  dem  Wesen  der  Krankheit  er- 
kennen kSnoen.  Wie  sollten  iini  die  KrankheilssufSlie  an  dieser 
Erkenotnifs  leiien  können,  sie,  dia  ans  bei  der  Formen  erkenni- 
nifs schon  im   Stiche  lassen! 

Hinsichtlich  der  Krankheitszußlle ,  die  die  Unirersalkrank- 
heilen  hexBichnen,  stehet  es  an«h  sehr  niederschlagend  ans;  sie 
können  uns  nur  bischst  unvollkommen  auf  'die  erste  Spar  der  Er- 
kenninifs leiien.  Da  die  Urerkrankung  des  Gesammtorganismiw 
in  jedem  Organ,  jain  mehren  Organen  vorwalten  kann,  so  lehrt 
schon  der  gasende  Versland ,  dafs  die  von  den  gestörten  Verrieb- 
Inngen  der  Orgaae  hergenommenen  Zeichen  unmöglich  su  einer 
wirkliehen  Erkenninifs  des  Wesens  der  Universal  krankheilen  fTth- 
ren  können.  Das  Vermuihliche ,  das  nns  aiif  die  Spur  der  Er- 
kenninifs Leitende,  welches  dürftig  genug  ist,  habe  ich  im  vier- 
ten Kapitel  so  genan  angegeben ,  als  meine  Erfahrung  mich  dam 
beftthigie. 

Der  karte  Inhalt  alles  dessen,  was  ieb  Bber  die  Krankheila- 
xnfSlle  als  Zeichen  gesagt  und  noch  weiter  sagen  kSnole,  weiia 
ich  die  Geduld  dee  Lesers  mifsbrauchen  wollte,  ist  Folgendes. 
Die  KrankhehamAlle  dienen  uns  nicht  direkt  aar  Erkenninifs,  aber 
nie  leiten  uns  saweilcn  aaf  eine  dnokle  Spar,  die,  wenn  wir  sie 
mit  Umsicht  verfolgen,  zitr  Erkenninifs  führt.  Davon  werde  ich 
weiter  unien  mehr  sagen.  Zuweilen  leiten  sie  nns.  nber  auch  auf 
eine  äpar,  die,  wollten  wir  sie  gntglttubtg  verfolgen,  uns  weit 
eher  von  dem  Ziele  entfernen  als  uns  ihm  nSfaern  würde. 

Was  ist  Dan  von  dem  angeblichen  Notxen  der  Anamnese  an 
halten  t 

Nach  meiner  Erfahrung  mafs  ich  glauben,  dafa  viel  Wahres 
liaran  ist.  Abgesehen  von  manchen  Begebenheilen ,  die  früher 
anf  den  Kranken  feindljob  eingewirkt,  und  sur  Erxeugnng  der 
gegenwärtigen  Krankheit  können  beigetragen  haben,  sind  awei 
Punkte  vonüglicb  bei  ebronisohea  Krankheiten  an  erfonehea 
wichtig. 

Erstens  der  Zeitpunkt,  wo  die  Krankbeil  begonnen.  Manche 
chronische  Organcrkranknngen  (gewifs  mehre}  als  die  heatige  Mei- 


.     -     1178    - 

niHig  der  Aenie  sageaiaban  Möchte )  scbiaibM  sich  v«a  cfidMW- 
■cben  OrganbcrilhrilwitBB  her,  <ti«  lu  ihrer  Zeit  kaia  Fieber,  keine 
nelilägerigkeii  bewirkt  haben,  üieee  sind  saeb  ued  eneh  ueier 
der  Larve  mann  ich  fncher  coniensnelUr  iHuscbender  ZtiKlle  «ii  whk- 
liohen  Organ  k ran kheiiee  auigebildei ,  nnd  die  «wnaeauMlIea  Zu> 
fülle  wallen  noch  der;gMiali  ver,  dafa  kein  Menech  Mie  den  ror- 
handenen  Zeichen  auch  nur  eine  Ahnung  dea  nrerkraakien  Organa 
haben   kann. 

Die  Erinnerung  der  Anfangsieit  nnd  der  damahligen  epideuii- 
■ehen  Organ krankh«ien  gibt  nna  niclii  selten  einen  Wink,  dar 
aicherer  lar  Eürkenainifs  dee  uferkrankieD  Organa  führt  aU  die 
(Ansehenden   KrankbeitaKuftlle. 

'  Ferner  iai  sunt  Erkennen  verborgener  Organ erkr anklingen  dien- 
lich, dafa  man  sich  genan  erkundiget,  eb  to  der  faniilie  des 
Kranken  irgend  eine  Organerkrankung  erblicfa  aei,  denn  nicht 
btofa  (iäinorrboiden  nnd  Lungenauehi,  nndern  alle  Organccl&ran- 
koDgen  erben  gern  fori;  daa  heifat,  nioht  die  fcLrkrankung  erbt 
fort,  Boodera  die  Anlage  dea  Organa  anr  Eikrankang.  Worin 
dieae  Anlage  beaiebe,  lat  aair  ein  grefaes  Geheiinniis,  «eil  iob 
Bichi  gnt  etliche  zuanmaaengewürfette  Wänee  fiii  Begriff«  hinMehi 
nien  kaan.  Wenn  man  noch  jung  iat,  hat  man  wol  tob  Erblichkeit 
gewiaaer  Krankheiten  gehört -Hnd  gelesen,  aber  man  glaebi  ee  nu 
halb ;  iat  man  aber  ao  alt  geworden ,  dafa  man  acbon  ein-  tieachlecbt 
anflsierfaen  und  dae  sweiie  alt  werden  cab,  hat  man  heohachtet,  nie 
büufig  dieaea  sweiie  an  den  nttiiilicban  OrgaiMrkranknngen  leidet, 
woran  die  Aetiern  gelitten  und  gestorben,  dann  glaubt  nan  «fU 
recht  an  die  Erblichkeit  aeleh»  Krnakheilen  nnd  aiehei  in  diesem 
Punkte  die  Wichtigkeit  dee  AnnTnaese  ein. 

Dia  Zeit,  in  der  ein  erblidh  snr  Erkmokuag  geneigtes  Orgiw 
wirklich  erkrankt ,  bt  nnbeatiiHBbnr,  j«  det  erste  leis«  Anfang  dar 
Erkrankung  dem  Erkrankte»  aelhat  «nmerkbar.  £ins  iai  aber  nleai- 
lieh  sicher  ansunehmen,  dafa  bei  ererbter  Anl^e  die  Organerkriin- 
k<ing  in  weil  jüngeren  Jahren  eracbeini  ala  bei  erworbener.  Es  iat 
wiehltg  daranf  au  achten.  Ich  habe  bemerkt,  dafa,  wetut  die  Erb- 
achaft  blob  von  Einer  Seile  der  Aeltern  konuM,  mehre  Kinder,  reas 
auageseiEt,  dafri  mehre  da  aind,  verschont  bleihen  können.  Kommt 
aber  die  Erbschnft  von  beider  Aeltern  Seite,  so  siebet  es'übel  uaa 
die  Kinilpr  aus.  Ich  kenne  eine  Familie,  in  der  von  fünf  erwachse- 
iien  Kindern  nur  eins  gesund  iati   beide  Aeltern  waren  bauchkranki 

Damit  ich  mir  aber  nicht  das  Anae^n  gehe,  ak  habe  ioh  im 
Monde  meine  Kunst  geübt,  so  gestehe  ich  Mufricfajig,  dafs  B«f  die- 
aem  wunderlichen  Erdbälle  daa  Forschen  nach  Erinnerangaaetchen 
«eil  öfter  gana  nutzlos,  als  nützlich  iat.  Die  meiaten  MeBrnheit 
erinnern  sieb  dessen,  was  frdher  geschehen,  entweder  gar  nichi, 
oder  mir  hiVchet  unvollkemnien.     Von  den  Krankheiten  der  Aeliern 


-     1170    — 

■nd  Grolaäl(«rn  wiasea  die  «Milien  eiwu  su  enSlilcn,  and  was 
nie  daroo  ausaagen,  iat  nnlzloa,  und  id  onvolIkomMien ,  dafa  «a» 
weil  et  meist  auf  blofge  KrankhettsMunen  hinauatSnft,  des  Ant 
leicht  in  die  Irre  fuhren  kann. 

Zuweilen  bat  auch  in  friihei  Zeit  eine  m  settaaine  Begeben- 
heit den  ernten  Keim  sur  Krankbeitgelegi,  dafa,  woll.le  inan  bei 
allen  vorkommenden  Kranken  nach  solchen  möglicheb  )ielt«amk«U 
(«n  forschen,  man  letebt  in  den  Verdacht  der  Schwach-  oder  Irr- 
ainnigkeit  geraihen  k&nme  Weon  Ihr,  mein»  Leser!  2.  B.  einen 
an  Liingeneilerung  nnd  Schwindsucht  Leidenden  fragen  wolliei, 
ob  ihm  früher  auch  wol  ein  Stückchen  von  einet»  llindiiknochea 
durch  die  Lnfträhre  in  die  Lnnge  geraihen  sei;  so  bin  ich  sicbef, 
der  Kranke  und  seine  Freunde  würden  denken,  Ihr  habal  einen 
Sparren  im  Kopfe.  Und  doch  erlebte  i«h  sohon  eiaen  solchen  fall, 
den  icb  Jem  Leser,  blofs  seiner  Settsaiakeit  wegen,  laittheilen 
will. 

Im  Winter  des  Jahres  1  $33  wurde  iebsu  einet»  schwindsiichl  Igen, 
jungen,  mannbaren  Mädchen  gerufen.  Ich  fand  sie  bedtfigerig,  ab- 
gemagert, Mark  fiebernil,  und  mit  einer  ofl'enen  LungeneiteFbeula 
behaftet.  LMXtes  scblofs  ich  daraus.,  weil  sie  bald  dicklichen, 
gerncb-  uod  gesobmaok losen  Schleim  auswarf,  bald  aiiakenden  El* 
ter,  der,  nach  ihrer  Aussage,  aüfalich  suhiiteokle.  Uie  letsie  Art 
des  Auswurfes  halte  sich  erst  vor  Kutaem  gezeigt,  and  seit  ae^ 
nem  Ersoheisen  war  4ie  Kranke  sichtbar  schw8eher  oad  elend«r 
geworden.  Si«  halte  eine  ins  Gelbe  spielends  Gesichisfarbe  uod 
der  Harn  eine  Goldfarbe.  Die  Etfocscbung  des  Vorhergegangenen 
ergab  Folgeodas.  Ein  Jahr  früher  hatte  sie,  zugleich  uiit  der  Mut- 
ter, an  einem  akuen. Fieber  krank  gelegen;  die  Mutier  w«r  g^ 
Btorben,  sie  selbat  geneaen,  aber  seiide»  in  einem  quiAendeo  Zu- 
stand geblieben,  und  hatt«  immer  gehustet.  Der  Ant  sollte  hei 
dein  B^haitdeln  des  akuten  Fiebers  geüuiitert  habea,  ihre  Lebet 
aei  angegriäen ;  auch  hatte  sie  angeblich  Schmerzen  der  recbien 
Seile,  gehabt.  Ich  erinnerte  «ich  deutlich,  dafa  zu  jener  Zeit  Ur- 
leberkrankheiten, häufig  luil  akutem  ooaseasuellen  Fieber  gepaa- 
ret, landgängig  gewesen,  niiibia  war  es  mir  sehr  wahrscheinlich, 
dnf«  des  Mädchens  Hunten  uraprüngHch  ein  eonseosueller,  von 
dem  (Jrlebctieiden  abbai^nder  gewesen  sei.  Den  quinende«  Zu- 
stand, nerin  sie  sich  seit  de  1»  Fieber  befunden,  schrieb  ich  auf 
die  llalbheliuDg  der  Urleberkrankhelt,  und  war  der  Meinung, 
das  conseaauelle  Lungenleiden  sei  durch  die  Länge  der  Zeit  zun 
Urleiden  diesee  Organs  geworden-,  woraus  dünn  chronische  Ent- 
zfioduag  und  Einrang  herstamme.  Uergluicben  Ffllle  sind  mir  in 
meinem  Leben  so  viel«  vorgekommen ,  dafa  ich  das  Bedenkliche 
derselben  niir  zu  gut  keniw.  Man  hat  es  mit  zwei  urerkranklen 
Organrn  zu  ihun,  nnd  das  ist  böse,  sehr  hose;  es  läfsl  sich  nicht 


—     U80    - 

viel  Tröitltehn  v«nprech«D.  Wm  war  nuo  bei  d«r  Sache  ra 
(hiin  *  Die  gelbe  GesiehtsfMrbe  und  der  getbe  Hnrn  machien  *m 
Kwar  nicht  gewib,  aber  wabrscheJnlicb  ,  dafs  das  Urieberleiden 
noch  besiehe  und  noch  coDsemuell  auf  die  iRngst  iirerkrankie  Lim- 
g9  wirke.  Die  Vomica  konnte  ich  nicht  heilen,  die  konnte  blofe 
die  Natur  heilen ,  und  wenn  blinde  Gftnge  und  NebeDhbhIen  dis 
Heiinng  unmöglich  machten,  koonle  ich  auch  nicht  nachhelfen. 
Das  Einzige,  was  ich  aUo  als  Verstandeinienich  thun  konnte, 
war,  die  Beaeiiigung  des  wahrscheinlich  noch  bntehenden  Leber- 
leidens SU  versuchen,  denn  dadurch  beseiiigie  ich  4as  wichiigite 
Hiodernifs  der  NaturhoiluDg.  Ein  acfaitSgiger  Gebrauch  kleiner 
Guben  Schellkrau ttinkinr  brachte  meine  Vermiiihung,  hinsichtlich 
des  noch  faestebendoo  (Jrleberleidens ,  wir  Gewifiibeii;  denn  die 
GoMfarb«  des  Harns  wurde  xur  normalen,  xur  blassen,  strohgel- 
ben, und  die  gelbliche  Gesichtsfarli«  Terftndene  sich  in  eine  blas- 
■e.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  aber  auch  das  Geluhl  des  Kranksein« 
minder.  Bei  dem  forlgesetsten  Gebrauche  der  Schellkrauiiinktur 
liefs  der  Eiter-  und  Schleimauswurf  alliuXhlig  nnoh,  die  Vnmiea 
heilte  von  selbst,  und  das  MSdchen,  das  angeblich  von  swei  Aera- 
len  sum  Tode  vernnheilt  war,  gewann  wieder  Fleisch  und  die 
Farbe  der  Gesundheit.  Aber — ,  ein  Husten,  der  sich  von  Zeit 
zu  Zeil  bald  verstärkte,  bald  minderte,  blieb  nach  diesem  Straufse 
surück.  Bis  zum  Ende  des  Jahres  1834  kam  sie  suweilen,  jedodi 
sehr  selten,  zu  mir,  dAinit  ich  den  Versuch  OMchen  müchte,  aiicb 
diesen  Husieu  wegzuschaffen.  '  Ich  mufste  denselben  w»l  einigen 
Tuberkeln  zuschreiben,  weil  er  den  mir  bekannten  und  oft  erprob- 
ten Lungenmitteln  nicht  ^veichen  wollte.  Ob  er  durch  feindliches 
Angreifet)  des  Gesamm (Organismus  zu  heilen  sein  würde,  mochte 
ich  nicht  versuchen;  denn  im  Falle  meine  VennUihnng  hinsicht- 
lich der  Tuberkeln  gegi-flndet  gewesen  wSre,  hfttte  Ich  diese,  mit 
denen  sie  zu  einem  hohen  Alter  gelangen  konnte,  durch  einen  ilH 
direkten,  antagonistischen  Heilversnch  in  Eiterung  setzen  können. 
Ich  sagte  ihr,  da  sie  ein  verstitndiges  MSdchan  war,  unverhohlen, 
dafs  ich  es  für  eine  Gewissenasache  halle,  ihre  jetsi  gute  G»- 
sundheit  blofs  des  Huslens  wegen,  durch  einen  feindlichen  Heilve^ 
such  muihwillig  auf  die  Schanze  zu  stellen. 

Den  lü.  November  1834  kam  sie,  nachdem  ich  sie  lange  nicht 
gesehen,  zu  mir,  um  noch  einmahl  über  den  Husten  zu  spre- 
chen. Sie  war  jeist  wtiklich  eine  nette,  appeiiiliehe  Maid  gewor- 
den, die  keine  Spur  von  Kränklichkeit  mehr  an  sich  hatte.  Krftf- 
tig  mufsle  sie  auch  wol  sein,  denn  sie  war,  von  einer  Freundinn 
begleitet,  zu  Fufs^  hierhin  gekommen,  ging  auch  wieder  zurück, 
machio  also  den  Tag  reichlich  sieben  Wegstunden.  Nachdem  ick 
ihr  iJber  ihren  Husten  alles  gesagt,  was  ich  als  ehrlicher  Ma5a 
sagen  konnte,  ihr  ein  Rezept  veracbrieben,  und  sie  nun  im  Begriff 


—    JI8I    — 

HlHnd,  aursubrechen,  hob  gis  anf  cinmabi  an:  (l«r  Tausend!  da 
hSiie  ich  beinah  rergcuan ,  Ihnen  etwas  Selisiiin«t  xa  ersShleo, 
HDlches  mir  beule  auf  dem  Wpge  begegnet  ist.  Ich  hiefs  sie 
gleich,  sich  iHsen  und  ihre  ErcShJiiDg  beginnen ;  die  als»  lautete. 
Fast  ein  Jahr  vor  dem  Fieber,  an  welchem  sie  und  die  Mutier 
kraflk  gelegen,  habe  sie  eines  SonniE\ges  Riiidssiippe  gegessen; 
da  die  4äuppe  nicht  sehr  hcifs  gewesen ,  sie  also  schnell  gegessen 
und  wShreiHl  des  Essens  geplaaderf,  sei  ihr  etwas  ScharTes  in  die 
Lufirtthre  gekommen,  welches  beim  Durchgehen  sie  brav  ge- 
scbmeni  und  ihr  einen  erstickenden  Hiisien  venirsachet  hebe. 
Aersilicher  Katb  sei  gegen  diesen  Hnsien,  der  sie  seitdem  immer 
geplagt,  nicht  gesucht,  er  sei  auch  durch  die  Zeit  minder,,  und  sie 
daran  gewöhnt  worden.  Da  ich  sie  imerst  besucht,  habe  weder 
sie  selbst,  noch  ihr  Vater'  daran  gedacht,  mir  diese  Kleinigkeit  se 
erzählen;  überhaupt  sei  dieselbe  durch  das  spttter  erfolgte  Fieber 
und  dui^h  die  nachherige  Krankheit  ganx  in  Vergessenheit  gen^ 
then,  beute  sei  sie  ihr  aber  auf' eine  nberraschende  Weise  wieder 
ins  Gedticbinifa  gebracht.  Ungefähr  eine  Wegstunde  von  hiar^,  ha- 
be sie  nSmIich  starken  Reiz  zum  Hiisien  gespuret,  und  es  sei  ihr 
beim  Auswerfen  etwas  Scharfea  aus  der  Luftröhre  gekommen,  weU 
ehes  sie  alsobald  im  Munde  als  einen  harten  Körper  gefühlt,  es 
also  nicht  ausgespien,  sonderh  mit  den  Fingern  aus  dem  Munde 
genommen  und  untersucht  habe.  Nuti  sei  ihr  das,  was  früher  blofa 
Vermulhnng  geblieben ,  dafs  ihr  beim  iSuppenessen  ein  Knecbeo- 
spliiier  in  die  IjuftrShre  gekommen,  zur  Gewifsheit  geworden.  Sie 
gab  mir  den  Knochensplitter,  nnd  ich  habe  ihn  der  Seltsamkeit 
wegen  aufgehoben.  Er  ist  plall,  seine  Gestalt  ist  die  des  langen 
geschobenen  Viereckes.  Eine  der  langen  Winkel  bat  eine  go 
scharfe  Spitze  wie  eine  Nadel ,  der  enigegengesetsts  Winkel  ist 
minder  scharf,  di«  beiden  Seilenwinkel  sind  ganz  stampf.  Die 
.  LSnge  deir  Ganzeo  betrflgt  reichlich  einen  halben,  und  die  Breite 
(über  den  zwei  stumpfen  Seitenwinkeln  gemessen)  einen  Viertel- 
zoll. Ob  die  Jungfrau,  nach  Aussonderung  iet  Knochens,  den 
Rest  des  Hustens  ganz  verloren,  geh 5rteigen( lieh  nicht  hierhin,  leb 
weifs  es  auch  nicht  einmahl  zu  sagen;  wol  weifs  ich  aber,  Ath 
wenn  sie  ihn  wirklioh  verliert,  sie  nicht  sieben  Wegstunde»  weit 
laofen  wird,  nm  es  mir  bekannt  sn  machen.*) 

Iq  dem  erzMblten  Falle    handelte   es   sich  von  einer  Begeben- 
heit,   über    welche   die  Kranke    früher  keine  bestimmte  Anskonft 


*)  Im  Jshre  1830  ward«  *i«  von  fisMa  bamebaadas  alDiao  Fiebar  si^riErB: 
ieh  aisbia  web  B«rjebt  »rords^ii  and  ■ie  {anai  bald,  eanciei  bainoble 
an  mich  ,  an  so  fragen  ,  ob  ieb  aie  Hir  rollkanmeD  (ebeill  balta ,  odar  «b 
ala  aacb  inr  Vonicbt  alwaa  aacbscbrnnchaD  loUe,  —  Bei  der  Caiegeabcil 
Urt«  Ich  naa,  dab  in  Jabra  lB3i  aaeh  den  aaaEeworreeea  RaMbcaipMlter 
I. 


—    IW«    - 

bitte  fvbsn  köonen,  wraa  siu  aneb  gmvolll;  aber  jeiii  nerde  icb 
#ine  Gnchichie  «rxKUen,  die  «tt«  Leser,  sweifeln  sie  nn  iiieipeM 
Wnhrheiiasinae,  noili nentiig  Tür  eine  Fabel  hallen.  Sie  ist  hin- 
■ichllich  der  ziiweiligen  Nictitigkeir  der  ABaiiinese  merkwürdig. 
Im  Anfange  des  Jahres  1835  wurde  ioh  xn  einer  70j5hrigen 
Frau  ans  der  mittlen  VolksklnMe  geniTen.  Sie  wir  unwohl,  ohne 
betilageriff  an  sein,  und  f^ab  «n  ,  sie  erbreche  -steh  tfiglieb,  habe 
einen  alinkenden  Geachmank  im  Munde,  und  fShle  »ich  matt.  Auf 
ntthera  Befragung  erg»b  es  sich,  A»U  sie  nur  Riniiiahl  laga  sieb 
brnefc  und  dieses  sehon  ein  paar  Tage  geihan.  Uebrigens  war  sie, 
von  Nainr  hartleibig,  in  ein  paar  Tagen  oiobt  zu  Siuhle  gewesen, 
über  frei  v«Q  Fieber  und  ßniMbsohiueraen.  Meine  Ileihersuche 
waren  mehre  Tage  fruehilos;  das  Erbrechen  blieb,  und  erschien 
ikgltcb  ein,  böt^stena  «wehnnhl ;  nngebricb  wurde  über  die  ausge- 
'bmchene  Manric  stinkender,  und  sie  behai»[>iele,  immer  einen. Ge- 
-siank  im  Munde  *n  haben.  Obgleich  ich  die  Frau  36  Jabie  ge- 
hnnat,  ai«  oft  behasdeli.  Ja  ihr  nocb  «in  paar  Wocben  voilier  ein 
FufsgceebwUr  geheiiet,  und  nie  von  einem  Bruche  gehört;  ol^leieb 
auch  jetit  keine  Zeichen  des  eingeklemnilcn  .Itruabes  verbanden 
waren,  so  fragte  ich  doch  lum  Ucberflaf»:  aie  faabe  doch  nol  kei- 
nen Bnicbf  Sie  warf  das  weit  weg,  mgend,  sie  habe  nie  derglei- 
oben  gehabt.  Am  andern  -Uorgen ''jedoch,  da  icb  sie  noch  im  Bet- 
te traf,  sagte  sie  mir:,  ieh  habe  gestern  Vom  Brache  gesprochen, 
-sie  glaube  jelst,  nachdem  sie  sich  befühlt,  se  etwaa  in  der  Schen- 
helbiegnng  %a  entdecken.  Ich  unlersuchlfr  die  Sache,  und  fand 
«Mer  dem  Faloppiachea  Bande  eine  GescbwnUt  von -4er  Gt^ 
■fsa  eines  Hübnereies,  die,  beim  Betasten  nicht  «cbmersend,  sich 
weder  wie.  eine  Bufgeirieb«ae  Drüse,  noch  wie  «in  Darm-,  noeh 
wie  ein  Neisbruch  anfühlt«.  Ich  liefs  den  Wandarzt  das  rfiifasel-  - 
hafte  Ding  untersuchen,  der  wu^a  aber  autdi  nicht,  was  er  doraiu 
machen  sollte  und  war  meiner  Meinung,  es  müsse  ein  alter  Scha- 
den sein.  Was  sie  jetzt  ausbrach,  hatte  die  gelbe  Farbe  des  Darm- 
kotbes.  Ich  will  dem  Leser  nicbt  mit  Aufsäliliing  unserer  verge- 
J>enen  [leilversucba  lAslig  fallen,  denn  icb  erzähle  ja  den  Fall 
U«fs  als  Beleg  der  Unsicherheit  der  Anamnese.  Sie  starb  an- 
gflüabr  den  12ten  Tag  ihres  Ünwoblaeias;  ieh  aage,  ongefabr, 
denn  da  sie^  auch  bei  guter  Gesundheit  nicht  selten  xwei,  drei 
Tage  verstopft  war,  sn  war,  bei  der  Abwesenheit  der  Zufälle  ei- 
ner BancbeinkleramuBg,  der  Aafang  des  Unwofalseiiw  nitibt'geiMU 
bexeichnet,  mithin  auch  die  ganze  Dauer  desselben  nicht  genau 
zu  bestimmen.  Bis  am  Ende  ihres  Lebens  hnt  die  alle  Frau  be- 
hauptet, die  Geschwulst  in  der  linken  tfchenkelbiegung  sei  eine 
neue  Erscheinung,  welche  sie  erst  während  ihres  letzten  Unwohl- 
seins enidecki.  Ich  war  neug&erig,  durch  die  Leichenöffnung  die- 
ses RAibsel  gelöset  «n  sehen,    denn  4aa  Koihbiedinn ,   hei  Abwe- 


—     1183     — 

■eoheit  «Her  ■nderen  Zekhen  der  BauchuinklenmaBg,  bawi««  nichli 
luebr,  ala  ein  Hia^eraifi  im  Dsnukaoale,  darcb  welches  iliii  Her- 
iintprsieigen  des  Koihet  iinmögiich  geworden.  Selbst  unwohl  und 
das  Haus  bütbend ,  bat  ich  den  ebea  so  neugierigen  Wtmdarzi, 
den  Witwer  znr  LviebenÜffnung  w  überreden.  Er  konnle  aber 
nichis  mehr  von  diesem  erlangen,  als  die  ErUubnifs  zur  Unier- 
suchung  der  ^ufseren  raihBelhaften  Geschwulst.  Nach  weggenom- 
mener Haut,'  trennet  er  dieselbe  vom  (iebenkd,  «obneidet  si«  hart 
vor  dem  Faloppischea  Bande  ab^  und  btingi  sie  mir.  Was  fanden 
wir  nnnf  —  Etwas,  das  mit  der  Auasage  der  Frau,  sie  habe  nia 
früber  di«se  Geschwulst  gehabt,  in  dem  allergrellslen  Widerspru- 
che Bland.  Die  ganse  bübnereigrolse  Mass«  bestand  in  einem  so 
festen  Zellgewebe,  dafs'ein  Liebhaber  von  Uebenreibungcn  es  fast 
«ehnicbt  bScie  nennen  können.  Oben,  wo  die  Masse  an  dem  Fa- 
loppkchen  Bande  geseiwen,  fanden  wir  eine  kleine,  von  -der  Wan- 
dung eines  Darmes  gebildete  Tasche,  die  gerade  ao  grofs  war, 
-dafs  das  erste  Glied  meines  Mitlellingers  darin  Pla(z  haue.  Von 
einem  Bmcbsacke  war  nicbis  xn  erkennen,  da«  Bauchfell,  w^Lcbea 
ihn  früher  gebildet,  niufsie  also  wot  mit  der  Darmlasche  zusam- 
nengewachaen  sein;  die  Wandung  derselben  war  dick  und  fühlte 
sich  so  fleisobicbt  an,  wie  wal  ia  Leichnamen  die  erkrankte  Harn- 
blase. Uebrigens  war  die  kleine  Tasche  fest  mit  dem  Zellgew«- 
beklamp  verwachsen.  Alles  wohl  erwogen,  werden  die  Leser  mil 
mir  einversimiden  aein,  dafs  dieser  kleine  Bruch  ein  alter,  viet- 
leiebt  awanzigjAbriger  Schaden  sein  mtifsie;  uod  doch  behauptete 
die  Fraii,  ihn  nie  frBher  gehabt  zn  haben,  ja  hfiiie  ich  nicht  vom 
Brncbe  ge^oeben,  lo  nfirde  aie  auch  nie  auf  den  Einfall  gekom- 
men sein,  sieh  in  befühlen.  Uebrigens  war  sie  nicht  irrsinnig, 
sie  war  vielmehr  gerade  so,  wie  ich  sie  immer  gekannt,  etwas 
verslandesBchwach,  wie  es  hundert  andere  Frauen  sind. 

Uie  erzühlten  zwei  FAlle  sind  wirklich  die  seltsamsten,  wel- 
che mir  je  vorgekommen  sind;  ich  habe  sie  deshalb  angeführt,  um 
die  Kdpfe  meiner  jüngeren  Leser  von  aller  Poesie  zu  säubern. 
Sie  können  auf  der  Uocbschnle  das  Exaininiren  der  Kranken  ler- 
-oen;  wo  ist  aber  die  Hochecbule ,  auf  der  diä  I£r«oken  das  Ant- 
worten lernenl  —  Zum  Antworten  gehört  eine  bestimmte  Erinne- 
rung des  Vergangenen,  und  die  fvhlt  gar  vialen  Meoschen.  Fer- 
ner gehört  dazu,  dafa  der  Kranke  auf  seinen  Körper  geachtet  bat; 
dieae  Aufmerksamkeit  fehlt  aber  auch  vielen  Menschen,  nicht  blofs 
denen  aus  der  niederen  Volksklasse ,  sondern  auch  uol  anderen, 
die,  mit  vielen  Geschäften  überhäuft,  eh  eintrug! icher  finden,  an 
diese,  als  an  ihren  KSrper  zu  denken.  Endlich  gehört  aneh  zum 
Antworten  ein  guter,  Ecblichter,  nicht  durch  Einbildung  gefcsBelier 
Verstand;  was  kann  auf  unsere  Fragen  der  Dumme  antworten, 
und  wozu  nutzen  uns  die  Antworten  des  Eiabildlioge«?     Wer  sieb 


—    11«4    —  . 

die  Menscben  ud««  Tontallt,  ali  sie  im  kürgerlichen  Lftbeo  wirk- 
lich sind,  der  ist  ein  Dichlcr,  der  Isbi  ja  in  einar  erdicbmeo 
Menschenwelt:  das  laugt  aber  nicht  für  den  praktisches  Anl,  es 
fahrt  SU  groben  Tttnsehiingen,  nod  diese  gewöhnlich  zu  einem  nil»- 
muihigen  Verwerfen  aller  Ananmese,  welches  ancb  nicht  taug). 

Nun  wollen  wir  yoit  der  epidemiscben  Coasiimiian  reden.  Die 
gemeine,  auf  die  papierne  Geachicble  der  Medisin  «ich  itützeade 
^einong  Ist,  dafs  Sgäenham  im  17ien  Jahrhunden  dieaa  auf  blofie 
Beobachtung  gegrRndeie  Lehre  zuerst  auf  die  Bahn  gebracht.  Die 
Leser  wissen  aber  schon  aus  dem  ersten  Kapitel  dieses  Buches, 
dafs  sie,  eine  Heiiiilicbkeii  und  zwar  nicht  die  scblechieate  der 
alten  lalrochemiker-,  schon  von  BoAenitiM  unter  dem  Namen  Astro- 
nomie vorgetragen  ist.  Nur  der  durch  die  Galeniache  Heillehre 
bewirkien  ibeilichten  VeniandeaTerkrüppeJung  ist  es  snzuschrei- 
ben,  dafs  die  Aerxie  nicht  schon  viele  JahifaunderM  früher  das  ge- 
sehen, was  spilter  SgdeHhoM  sab. 

Die  lehrenden  Aerzle  raihen  uns,  von  dem  Charakter  der  epi- 
demischen Consiitiition,  in  dem  tinzelfalle,  amf  die  Natur  der  zu 
bellenden  Krankheit  zu  achliefseo.  Das  ist  sehr  wahr  nnd  sehr 
gut;  allein  zu  diesem  Scbliefseii-  gehört  doch,  dafs  wir  sehen  «ne 
Anzahl  Krankheiisflille  zu  der  Zeit 'behandelt  und  als  gleicbnaturct 
erkannt  haben.  Die  Zahl  der  also  erkannten.  FltUe  srehel  mit  der 
Wahrscheinlichkeit,  dafs  der  kranke  Mensch  A.  an  der  nSmlichen 
Krankheit  leide,  i in  geraden  Verhfilinik;  diese  Wahrscheinlichkeit 
ist  um  so  gröfser,  je  gröfier  die  Zahl  d^r  schon  beObachteien  und  alt 
gleichnaturig  erkannten  Fftlle  war.  Ist  die  Zahl  dieser  Fslle  sehr 
grofs,  so  grenzt  die  Wahrscheintichkeir,  dafs  der  zu  heilende  Kran- 
ke A  an  der  nämlichen  Krankheit  leide,  fast  an  Gewifsheil:  ich 
sage  fast;  die  gröfsle  Wahrscheinlichkeit  ist  immer  noch  nicht 
Gewifsheit.*) 

Ans  dem  Gesagten  gehet  hervor,  dafs  die  gelehrten  und  leh- 
renden Aerzle,  wenn  sie  sagen,  wir  sollen  von  dem  Charakter  der 
epidemischen  Consiiintion  auf  die  Nator  des  zu  erkennenden,  aue 
den  Zuflinen  nicht  selten  -unerkenbaren  einzelnen  Krankheilsfalles 
schliefsen,  sich  einer  Peiitio  principü  schuldig  machen.  Sie  sez- 
zen  etwas  Allgemeineres,  als  ein  Bekanqies  schweigend  vorana, 
welches  aber  noch  nnbekannt  ist,    dessen  Bekaontschafi -zu  errin- 


*)  Dl  leb  nieh  mebr  inf  die  Iilroiopliia  iti  inr  dia  PhiFoiofbie  felcgt ,  •■  bsba 
Ich  iDCb  iD  meiaeiB  Leb'n  oiehti  Fbilotophitcbc*  ibsr  die  WahncheiDlichkeit 
(«Ines  sU  Dir  Utawei  MerndthoAm»  Abbsüdlaog,  die  nan  im  erdas  nella 
uiaer  pbilow>pbitcb«B  Scbrilaa  Badrl.  Haa  bat  «ir  K«Mit,  ia  aeMr  Zait 
■li  viel  Hirkwürdigei  Sber  dieiaa  6ef ea«tapd  {teiobriebea ;  leb  k'*o^  es 
gcra,  werde  ei  aber  nicht  laieo.  Die  alierg:rli(^le  Wabnebaialicbkelt ,  dalk 
tob  bald  ilarbea  innfi ,  maebt  vicb  alms  vardroiwo ,  iber  asdera  Wahr- 
BcbeiolieblicitaB  in  ErUela. 


_     1185    — 

gm,  gerade  die  Bobwierigate  Aufgab*  für  den  Pralfiliker  iM.  Wenn 
ich  jedoch  behaupte,  dal«  «ch  gar  manche  Aerzte  dieser  Petitio 
prineipü  aehuMig  gemaefat,  eo  weifa  ich  doch  auch  recht  gut, 
dafs  andere  am  lehren,  daa  IViacipium  Busxnniiueln  and  feitKn- 
Hellen,  das  heifat,  den  allgemeinen  Charakter  der  herrschenden 
Kr4nkhelt  xu  efforschen.  Da  diese  Aersie  aber  nur  drei  £iken- 
Bungsweg«  haben,  den  der  Ursachen,  den  der  Krankheitszu^Ue 
und  den  des  Helfena  oder  Schadens  der  Arzeuei ,  so  mufs  es  am 
die  Belehrung  aach  sehr  mangelhaft  aussehen.  Boer&ave  (Aphor. 
d«cogmoac.  et  curand,  morö.  f.  1412.)  gibt  sechs  Wege  an,  durch  ' 
welche  wir  zur  Erkenntnifs  der  verborgenen  Natur  einer  epi- 
demischen Krankheit  gelangen  kSnaen.  Es  ist  mir  zu  langweilig, 
diesen  im  Grunde  nichisaagendea  Paragraphen  abzuschreiben.  Der 
«echste  darin  angegebene  Erkennungsweg  ist  noch  der  verständig- 
■te:  Abttinentia  ai  omniauxilio^  quod  dubium,  valde  movem,  «ih 
tatu,  tectum  morbi  geniH»  obicurana.  Es  ist  dieses  aber  offenbar 
mehr  eine  Warnung,  sich  nicht  selbst  durch  feindliches  Eingrei- 
fen die  Erkenntnifs  unmSglicb  zu  machen,  als  ein  wirklicher  Weg 
cur  Erkenntnifs  zu  gelangen.*) 

Hier  könnten  die  Leser  mir  vorwerfen,  ich  geraihe  mit  mit 
selbst  in  Widerspruch,  Der  ganze  speziell  praktische  Theil  mei- 
nes finches  beweise,  dafs  ich  die  Lehre  von  der  epidemischen 
Constitution  sehr  hochhalte,  dafs  ich  ihr  eine  weitere  Aasdehnung  ~ 
gebe,  als  je  ein  Arzt  seit  Sydeaham  Zeit  ea  gethan.  Jetzt  aber, 
wo  ich  im  Allgemeinen  von  der  Erkenntnifs  der  Krankheit  spre- 
che, gewinne  es  das  Ansehen,  als  wolle  ich  jene  E^hre  verdäch- 
tigen, ja  sie  als  Mittel,  in  dem  Einzelfalle  zur  Erkenntnifs  zu  ge- 
langen, verwerfen.  Ich  bitte  aber  meine  Leser  freundlich,  ihrUr- 
tfaeil  forläu&g  «in  wenig  aufzuschieben;    der  scheinbare  Widsr- 


*]  Wir  lieh  die  Hüha  ^ebeo  will,  dtn  ■ngerübrten  Aphariimn»  B«cbziueheD, 
der  wird  ohos  lieFe*  Naehdenkea  Folgende!  Jlnden.  Nr.  1  tiebel  mit  g.  (404 
fo  (artdBB  Widenprnche.  Nr.  t  anthilt  eine  Verdeckte  Putilia  prineifU. 
Hp.  3  lit  biafj  dcM  Aril«  branshbar,  der  die  Hrtnkheit  behandeln,  aber  eicbt 
dem,  der  lie  faeilsD  will.  Nr.  4  aatzl  blub  den  Ante  ,  der  keiae  todare 
Mittet  kanni  als  entleerende.  Wean  aber  ein  solcber  Anl  aiebat,  dari  von 
aelbft  eajtandeae  Enlleerangen  die  Krankheit  ichlinmer,  ja  tödtlich  macbea, 
M  wird  er  aaeb  ohoe  Betrhavemt  Ralb  icbon  die  künitlichen  Bulle erongea  mel- 
des.  Nr.  S  Cempmraii»  ptiirlam  eoitm  tmnfort  detuMbaniiiim  limwl,  iit 
•ia  gnlar,  da  vorlrellieber  Ratb ;  aar  Schade  ,  dar«  man  ihp  niobt  jedenrit 
•Dweadas  klaa.  Weoo  et  wahr  iil,  daf*  nea  nertrateade  epidemUclie  Rrank- 
beitea  lawetlen  Oogi  viele  HeoictaeD  tngtcicb  ersreiFen  ,  »o  Jit  ei  eben  •» 
wahr,  data  sie  oft  genng  to  lanpam  and  zandernd  hemnaFfaleichen  ,  dafa  ein 
beachifti^er  Arat  (nicht  ein  heachinigter  FilrBlensrzt,  londcm  ein  beicbifti^ 
ter  VoOuaiTt)  gleich  ADbsgB  ei  nnr  mit  Einem,  oder  mit  ein  paar  Kranken 
in  senas  Art  zu  thao  hat.     Wie   liehet  e«  denn  da  n»  die  Comparali»  p^». 

75--       ~--'<i 


—    1186    — 

sprach  wird  sieh  in  J«r  Folg«  schon  ansgleicheti.  Ich  wU)  inont 
du,  was  ich  selbst  über  die  epidemische  Constitution  beobachtet 
habe,  ohne  anf  St/denkam  oder  einen  andereo  Schriftsteller  Rück- 
sicht sa  nehmen,  kürslich  kii s am men fassen,  damit  wir  ans  hinten- 
nach  um  so  besser  einander  rersieheo. 

Der  wichtigste,  aber  auch  der  am  wenigsten  durch  Beobacfa- 
tang  ans}!ebi)deie  Punkt  dieser  Lehre  ist  der  Metbu»  itaiionariu», 
dafs  nämlich  eine  herrschende  Krankheit  sich  mehre  Jahre  gleich 
bleiben  kSnne.  Von  dem  Marbo  atationario  lautet  meine  Beob- 
acbtnng,  die  aber  (wohl  su  merken)  nur  eine  zwansigjährige  ist, 
also.-) 

Seilen  mag  wol  in  unserem  Himmelsstriche  die  siationBre  Krank- 
heit in  einer  reinen  Affektion  des  Gesammiorganiamus  bestehen, 
und  wenn  sie  so  geartet  ist,  wird  sie  nicin  leicht  Jahre  lang,  son- 
dern nur  Monate  lang  so  hleihen.  GewJthnlich  sind  die  stationS- 
ren  Krankheiten  Urorganaffektiönen.  Herrscht  eine  solche  Krank- 
heit zwei,  drei,  vier  Jahre,  so  kann  sie  in  diesem  Zeiträume  meh- 
re Monate  lang  sich  mit  einer  Uraffeklion  des  Gesammiorganisnius 
verbinden,  und  also  eine  gemischte  Krankheil  sein,  bernach  aber 
wieder  zur  einfachen  Organkrankbeil  werden.  Sie  kann  aach  meh- 
re Jahre  ganz  ohne  Vermischung  ala  einfache  Organk rankheit  be- 
stehen, so  dafa,  mit  seltenen  Ausnahmen,  der  Gesammlorganitrans 
sich  in  dem  Indifferenzstande  befindet.  Die  seltenen  Ausnahmen 
sind  dann  wahrscheinlich  blofs  in  der  Eigenthuiul  ich  keil  der  an- 
dersartig ergriffenen  K9rper  hegründet. 

Wenn  wir  nun  aber  erkannt  haben,  die  siationSre  Krankheil 
sei  Urleber-,  oder  Lirgehirn-,  oder  (Jrlungenkrankheit,  so  haben 
wir  doch  nur  eine  Formenerkennini  fs.  Ein  und  dasselbe  Organ 
kano  in  seiner  Kigenthümlichkeit  auf  mancherlei  Weise  erkranken, 
and  während  der  mehrjährigen  Dauer  der  aiationSren  Krankheit, 
kann  die  Krankheit,  hinsichtlich  der  Form  gleich  bleibend,  in  ihrem 
Wesen  mehrmabis  verändern.  Diese  Veränderung  geschiebet  ge- 
wöhnlich im  Frühjahre,  oder  Herhat;  sie  bindet  sich  aber  nicht 
immer  an  diese  Zeit.  Ein  Beispiel  mag  das  Gesagte  deutlich  ma- 
chen. Wir  wollen  annehmen,  es  habe  ein  ganzes  Jahr  eine  durch 
Schellkraut  heilbare  Leberkrankheit  geherrscht,  so  kann  nach  ei- 
nem Jahre  diese  Schellkrautleberkrankheii  in  eine  Brechnufsleber- 
krankheit  sich  umwandeln ,  und  diese  nach  einem  halben ,  oder 
ganzen  Jahre  in  eine  Quassia-,  oder  Frauendislelleberkrankheit 
n.  B.  w.  Ich  weifs  nicht  zu  sagen,  oh  diese  verschieden  artigen 
Erkrankungen  eines  nnd  desselben  Organa  von  dein  Ergriffensein 
anlerachiedeaer  Tbeile  dieses  Organs  abhangen,  oder  ob  sie  blofs 

*}  leb  ipracbe  h]«r  blolk  ran  des  Istttan  SO  Jabranj  was  feil  Mbr  bcohcblet 
k»be,  Usint  nickt  io  ADBsrfcsiS.  GoüqIc 


—    1187    — 

eiae  Vcrfindcrnng  des  Wesens  d«r  Krankheit  beknndea.  Letzt« 
mafs  ich  blofi  deshalb  annehpiien,  weil  erstes  eu  bestimmen,  au- 
fsefbalb  der  Grenien  der  Sratlichen  Beobacklung  liegt,  ich  zum 
wenigsten  lilofs  dunkle  Vermuihiingen  darOber  anfstelten  kann,  wel- 
che für  das  Heilgesohäft  nicht  den  tnindesieo  Naizen  bähen. 

Oie  BeobachtuKg  des  Morhi  ttatiouarU,  ans  dem  angegeb»- 
Den  Gesicblspunkie  betrnchiel,  bat  grofsen  Nntsen  für  die  Praxis. 
Sobald  wir  nftaiHch  Form  und  Wesen  der  Krankheit  erkannt  ha- 
ben, so  kennen  wir  auch  das  eigentliche  Heilmittel,  durch  welches 
wir  sie  aus  dtm  ersten  Zeiträume  in  den  der  Genesung  bringea 
können.  Wir  haben  dann  ein  halbes  oder  ganzes  Jahr  lang  eio* 
geraüchliche,  eine  angenehme  Praxis,  wir  branchen  uns  nicht  mehr 
den  Kopf  an  lerbrcchen.  Einiig  müssen  wir  nur  auf  die  Eigen- 
tbumiichkeit  der  Körper,  und  auf  seltene,  wabrseheinlicb  in  die- 
ser Eigentfaümlichkeit  begründete  Ausnahmen  von  der  Regel  achten. 
Die  Veränderung  des  Wesens  einer  solchen  herrschenden 
Krankheil  ist  zuweilen  durch  keine  aulfallende  Veränderung  der 
Zufälle,  sendern  nur  blofs  durch  das  Nichibeilwirken  des  Mittels, 
welches  bis  dabin  geholfen,  su  erkennen,  Z.  B.  wenn  eine  Le- 
bererkrankung  als  Morbu*  ttalionarin»  ein  Jahr  lang  durch  Brech- 
nufswasser  in  allen  vorkommenden  FAlIen  sicher  zu  heiles  war, 
«o  siebet  man,  verfinderl  das  Wesen  dieser  Krankheit,  auch  bei 
nnverSnderten  ZuHlllen  derselben  keine  Heilwirkung  mehr  von  d^n 
Brecbnufswasser.  (Sollte  vielleicht  ein  einfaildischer  Arst  die  Heil- 
wirkung dennoch  zu  sehen  wBbnen ,  so  würde  schon  der  Kranke 
oder  dessen  Freunde  ihn  bald  von  seiner  Einbildung  befreien.) 
Nun  mufs  man  aufmerken  und  untersuchen,  ob  die  Üreehnufsleber- 
krankhett  vielleicht  in  eine  Schellkranl-,  Qnassia-,  oder  FraueiH 
disielleberkrankheit  verHnderl  sei.  Findet  man  das  wahre  Heil- 
mittel, so  ist  man  abermahls  ein  halbes,  oder  ganzes  Jahr  Herr 
der  Krankheit  und  wahrhafter  Heilmeisier.  So  lange  man  es  aber 
noch  suchen  nmfs,  ist  man  eine  arme,  unglückliche  Creaiur.  Be- 
greiflich wendet  man  dann  Mühe  nnd  Fleifs  an,  sich  sobald  wie 
möglich  der  unheimlichen  Stellung  zu  entziehen. 

Da  ich  in  einem  praktischen  Buche  der  Wahrheit  Tollkommen 
Iren  bleiben  ninfs,  so  darf  ich  den  Lesern,  besonders  den  jünge- 
ren, nichts  verhehlen,  was  sie  in  der  Folge  einmabi  auf  eine  et- 
was unangenehme  Weise  überraschen  könnte.  Hat  man  das  We- 
sen einer  herrschenden  Krankheit  richtig  erkannt,  heilt  man  sie 
also  im  eigentlichen  Sinne,  so  ist  es,  wenn  die  Natur  dieser  Krank- 
heit verändert,  man  also  anfänglich  das  wahre 'Heilmittel  nicht 
kennet,  sondern  es  erst  suchen  mufs,  dem  Volke  gleich  sichtbar, 
dafs  man  die  gewohnte  Sicherheit  verloren.  Der  Laie,  der  den 
Arzt  in  dem  Zeiträume  seiner  Sicherheit  handien  sah,  und  siebet 
ihn  hernacb  ia  dem  Zeitraum«  seiner  Unsicherheit  handeln,    der 

75' 


—    1188    — 

aöfii«  wirklieb  gst»  ventandlot  mio,  ffvnn  ihm  der  üntenchM 
aiobt  iD  die  Aagen  falleo  ■ollie. 

Wai  mich  betrifft,  ao  mnch«  ich  mir  gac  nichti  daraas,  daft 
die  Lanu  w  etwai  merkan,  vielmehr  iiabe  ich  des  nie  Hehl  ge- 
habt, dafi  ich  bei  veränderter  \atur  einer  herrschendea  Kraoktieit 
leiM  auftreten  nnd  sie  erst  lieDnea  lerneii  mufa,  bevor  ich  mit  Si- 
cherheit nnd  Beatimmiheit  bandeln  kann;  ich  habe  des  nie  Hehl 
gehabt,  dafs  Krankheiten,  deren  Natur  ick  erat  erforschen  miib, 
während  meiner  Unterauchnng  Fortschritte  Eur  VerachliiumeruDg 
'  machen  können ,  ja  ich  habe  jedeneit  in  solchea  Füllen ,  nach 
«ndlioh  besititigiet  Krankheit ,  das  gemeine  Iiob ,  das  die  Leaie 
dem  Arile  als  Lebensretter  spenden,  unter  der  Bemerknng  abge- 
lehnt, dais  ich  Leb  nur  dann  verdient  haben  würde,  wenn  ich  be- 
föbiget  gewesen,  der  Krankheit  von  Anfang  an  Stillsland  an  ge- 
bieten, und  die  vermeintlich«  Lebeosreitang  gaoi  unnSthig  ca 
macbea. 

Ein  Arst,  der  sich  nimmer  als  nasicher  in  der  Erkennlnifi  den 
Augen  der  Menschen  bblsateUen  will,  der  tbul  am  beaien ,  kein« 
«inxige  Krankheil  za  heilen ,  sondam  sie  alle  nur  so-  bebandlen. 
'  Er  mufa  täglich  neue  Arzeaei  verordnen,  auch  mitunter,  wenn  er 
sich  recht  emsig  aeigen  will,  zweiraahl  täglich,  dabei  mit  held- 
seligen Reden  dem  Kranken,  oder  ist  dieser  achwerfaörig,  den 
Freunden  die  Zeit  vertreiben;  so  iunn  er  Jahr  aus  Jahr  ein  sieb 
gleich  bleiben,  nnd  kein  Mensch  wird  je  sagen,  dafs  er  jetzt  min- 
der mit  dar  Natur  dar  tu  heilenden  Krankheit  bekannt  sei  als  er 
ea  früher  gewesen. 

Bis  hierbin  habe  ich  nnr  von  dor  Verändernag  des  Wesens 
der  Krankheit  eines  und  desselben  Organs  gesprochen.  Kommt 
aber  die  Zeit,  dafs  der  Morbu»  Hationariu»  in  der  Form  verän- 
dert, dafs  er  auf  ein  andere«  Organ  übergehet,  dann  gilt  es  wahr- 
lich noch  mehr  aufpassen.  Eine  solche  Veränderung  der  Form 
offenbart  sich  oft  durch  keinen  einzigen  ausgezeichneten ,  in  die 
Augen  fallenden  Zufall,  sondern  leider  einzig  durch  da«  Nichtheil- 
wirken des  bis  dabin  heilenden  Organmiitels.  Nun  aiebet  man  da 
und  schauet  das  Diog  ganz  verblüfft  an.  Man  merkt  wol,  dab 
man  mit  etwas  Nettem  zu  ihun  hat;  ob  aber  das  Neue  in  einer 
WesenreräDderang  der  bis  dabin  herrschenden  Organk rankheit  be- 
stehe, oder  in  der  Erkrankung  eines  ganz  anderen  Organs,  da« 
ist  das  grofse  Räihsel,  welches  einem  zu  lösen  aufgegebea  ist. 
Sollten  vielleicht  manche  Leser  denken,  man  müsse  doch  wot  ana 
den  Zufällen  erkennen  können,  ob  Leber,  oder  Milz,  oder  Pan- 
kreas, oder  Gehirn  u.  a.  w.  erkrankt  sei,  so  bitte  ich  sie,  sich  an 
das  zi]  erinneren,  was  ich  oben  von  der  üasicberheit  der  Erkennt- 
Qifs  der  Krankheitsfoiu  durch  die  Zufälle  gesagt  habe.  Auf  ein« 
Kleinigkeit  mnfs  ich  jedoch  anbnerksam  maeben,   (ü«.a!ir  niwet- 


—    1189    — 

Isn  beiiD  Erralhen  du  neu  erkraDklen  Oi^ans  gute  Dientte  ^- 
leiuet.  Dm  kleinliche  xxad  Sngitlicbe  AafzHhUn  aller  Zaßlllc  ai- 
Der  berracfaenden  Organkrankheit  iit  gans  nutzlos;  denn  die  Zo- 
Alle  siod  gewöhnlich  lo  wandelbar,  ao  vielarlig  in  verschiedenen 
Körpern;  dafa,  wallie  mao  auch,  wie  Sylviiu,  aie  bei  der  Krank- 
heit sbeacbreibung  in  gewisse  Klassen  ordnen,  um  das  Ueberseben 
vnd  Behalten  derselben  zu  erleiehiem,  man  dadurch  do<^  in  der 
Folge,  wenn  wieder  einmahl  dieselbe  Krankheit  erscheinen  soll- 
ta,  den  Aeratea  die  Erkenntnifs  nicht  erleichtern,  sendern  weit 
«her  erschweren  würde;  denn  diese  Krankheit  könnte  alsdanb  an- 
dere Zufälle  zeigen  als  frülnr,  nnd  doch  von  dem  n&mlichen  nr- 
erkrankten  Organ  abhängen  als  d»e  frühere,  nnd  eben  so  nainret 
sein  als  die  frühere,  das  beifst,  dureh  das  nimliche  Mittel  beilbar. 
Man  beohachiet  aber,  iwar  nicht  bei  allen,  nber  doch  bei  man- 
ches epidemiacben  Organ  berührt  heilen,  eineir  hervorstechenden  Zu- 
fall, der  sich  hei  vielen  Ergriffenen  zeigt.  Diesen  mulä  man  im 
Gedächtnifa  behalten ,  er  kann  einem ,  wenn  einmal  knofiig  die 
nSmlicbe  Krankheit  unter  der  Larve  ganx  anderer  ZufUlle  erscheint, 
die  Erkenntniis  der  Form  and  des  Wesens  der  Krankheit  sehr  er- 
leichtern. Ich  möchre,  als  ehrlicher  praktischer  Schriftsteller,  den 
Vonheil,  den  ans  die  ErinitMung  eines  solchen  Zufalles  gewBbret, 
nicht  gern  zu  hoch  anschlagen,  glaube  also  der  Wahrheit  am  näch- 
Bien  zu  bleiben,  wenn  ich  na^e:  jene  Erinnensog  leigt  nns  ein» 
an  Wahrscheinlichkeit  sireifeade  Möglichkeil,  dafs  die  neue  Krank- 
heit, hei  der  wir  einen  so^ehea  Zufall  entdecken,  ein«  Krankheit 
des  nämlichen  Organs  nnd  eben  so  naiuret  sei  als  die  ffübere, 
bei  der  wir  denselben  beobachtet  hatten.  Ein  Beispiri  wird  die- 
ses ganz  deutlich  macben. 

Im  dritten  Kapitel  habe  ich  ein  berrachendea  Fieber  beschrie- 
ben, welches  von  einem  Urerkranken  der  Baucbspeicheldrüsa  ab- 
faiag  nnd  dttrch  das  Jod  geheilt  wnrde.  Bei  diesem  Fieber  war 
nntw  allen  wandelbaren  Zufällen  ein  morastiger  Harn  dergemeln- 
Ble,  BO,  dafs  das  Nichtvorhandensein  desselben  ah  Aosnahme  von 
der  Regel  angesehen  werden  kannte.  Im  Jahre  1834  herrschte 
ein  Lebflrfieber,  welches  dnr«h  eine  Mischnng  des  sabstnran  Kal- 
kes nnd  der  Scfadlkraattinktnr  geheilt  wurde.  Im  Dezember  war 
so  gesnnde  Zeit,  dafs  ich  mich  nicht  erinnerte,  seil  vielen  Jahren 
«ine  solche  erlebt  zn  haben.  Am  Ende  des  Jahrs  erkrankten  aber 
etliche  Menschen  an  akuten  Fiebarn,  die  von  einer  nnbeimlichen, 
neuen  Art  waren,  obgleich  sie  sich,  hinsichtlich  der  ZufKlIe,  von 
dem  bis  dahin  bestandenen  Morbo  ataliimmrio  nicht  unterschieden. 
Bei  der  neuen  sowal  als  bei  der  alten  Krankheit  klagten  di« 
meisten  Menschen  über  ein  eigenes  Gefühl  in  der  Gegend  des  Ma- 
gens, welches  einige  bestimmt  Schmers,  andere  Druck,  andere  ei- 
ne Leere  nannten.     Die   alte  Knuikbeit  war   bis  dahin   bestimmt 


—    UM    — 

der  Miscbong  du  talmiren  KalkM  mit  dw  8clwlIkraaiiinktDr  ge- 
wichen; die  oeue  kehrte  lich  aber  nicht  an  dies«  Medizin,  vor- 
aus ich  denn  erkannte,  dafs  es  wirklich  eine  nene  sein  müsse. 
Das  Neue  konnte  aber  eben  so  wol  in  einer  Wesen  peränderung 
der  allen  Leberkrankheit  bestehen  als  von  der  Erkrankung  einns 
auderea  Organs  abhängen.  Um  snr  ErkeHntnifs  zu  kommen,  ver- 
suchte ich  andere  Leberfnittel ,  aber  gans  ohne  Erfolg.  Im  J»- 
naar  1835  kauen  mehre  Kranke,  iheils  fiebernde,  theiis  fieber- 
lose.  Das  eigene  Geftihl  in  der  Magengegend  war  ganz  gemein, 
aber  auch  sehr  iweidentig.  Merkwürdiger  war  mir  der  eben  so 
allgemeuie  morasiige  Harn.  Sollte  das  auch  wol,  dachte  ich,  wie 
früher  ein  Zeichen  des  urerkraaklen  Pankreas  sein  f  —  Die  M9g» 
Ucbkeit  war  nicht  zu  liugnen,  allein  es  war  an  sich  auch  nur  ei- 
De  nackte  MöglicbkeiL  Das  beobachtete  Nichiheilwiriten  der  Le- 
bennitteL  erhob  dies«  MAglichkeil  zwar  noch  nicht  sur  Wahr- 
scheinlichkeit, sie  gab  ihr  aber  doch  eine  Schaltung  der  Wahr- 
scheinlichkeit, die  mich  zwar  nie  bestimmt  haben  würde,  feiitd- 
liche  Mittel  zu  versuchen,  die  mich  aber  wol  bestimmte,  das  no- 
feindliche  Jod  zu  versuchen.  Ich  gab  die  Tinktur,  wie  ich  si« 
früher  bei  chronischen  and  akuten  Pankreaserkraaknngen  gegeben, 
zu  30  Troftfen  tags  in  getheitien  Gal>en,  und  siehe!  das  Heilmit- 
tel war  gefunden.  Freilich  unterschied  sich  die  Jetzige  Pankrcas- 
krankheit  von  der  früher  beobachteten  in  einigen  Nebenamstin- 
den ;  jetst  wurde  z.  B.  Leber,  oder  Meren,  weit  leichter  consensuell 
ergriffen,  besonders  inr  Zeit  der  Besserung  des  urerkrankien  Or- 
gana, auch  war  bei  einigen  das  akute  Fieber  eine  Salpeteruraffek- 
tion  des  GesaramtorganismuB,  mitbin  die  Krankheit  eins  vermisch- 
te: das  sind  aber  doch  nur  Kleinigkeiten,  in  welche  man  sieh 
bald  findet,  wenn  man  nur  das  urerkraokte  Organ  nnd  die  Natur 
seiner  Erkrankung  kennet. 

Zuweilen  trifft  es  sich  auch,  dals  bei  einem  Morbo  itati*tua^ 
dessen  Form  nnd  Wesen  wir  gut  kennen,  in  einem  einzelnen  Kör- 
per das  Wesen  dieser  Krankheit  itoders  geartet  ist;  bei  solchen 
Ausnahmen  von  der  Regel  ist  wahrlich  guter  Rath  theuer,  die 
Boerimücie  Cow^aratiQ  plurium  eodem  ttwiport  deambenHnm  »*■ 
mul  f&llt  dann  ganz  weg.  Hier  bat  mir  auch  zuweilen  die  Erin- 
nerung eines  ansgezaicbneien ,  bei  einer  früheren  epidemiechen 
Krankheit  beobachteten  Zufalles  einen  Wink  gegeben,  der  dem 
Kranken  snni  Heile  diente.  Einst  herrschte  als  MarAitt  lialioma- 
riuM  eine  Leberkrankhait,  die  in  dem  Jahre,  wo  der  zu  erzählen- 
de Fall  sich  SDtrag,  durch  Brechnufiwasset  zu  hellen  und  bald  zu 
heilen  war.  Bei  einem  jungen  Manne  wollte  sie  aber  dieser  Pa- 
nazee  nicht  gehorchen,  sondern  machte  Fortschritte  zur  Verachlini- 
merung.  Es  entstand  consensueller  Durchfall,  und  weder  die  Ver- 
minderung der  Gabe  des  Brechnnfswassers ,    nooh  «Ua  Varbindong 


—    U91    — 

daweUwB  nit  OeI«>Dldon  konals  rfiesmi  Zufall  bMobwiohligwi, 
dia  Kraolcheil  in  ihfea  ForUcfarilleD  zur  VerteUimnieniiig  ben- 
lueo.  Eines  Morgvu  kam  mir  die  Chafrau  weiaeod  io  dec  Haaa- 
ihtir  eolgegea  und  sagte,  ihr  Mana  ward«  slerbao,  der  Darmkoib 
laufe  von  ihiu  ias  Bett,  ohoa  dafs  er- Gefühl  davon  habe.  Ich 
faad  ihn  bei  guleia  VeraUnde,  und  er  lagtt  jelat  selbst,  dals  er 
von  dem  Abgebelt  des  Süssigea  Kothei  nicht  das  geringste  Ge- 
fühl im  After  habe,  loodern  nur  biatennach  die  Nfisse  an  den 
Schenkeln  flihle.  Ich  eriaaerte  mich  gleich,  vor  mehren  Jahren 
bei  einer  beFrgchaaden  Leber  krank  h  ei  t  den  näwlicheji  seltaainen 
Zufall  beobaeblel  zu  hnben.  Da  jene  Krankheit  damahls  durch 
Scbellkranl  beilbar  war,  so  veraachte  ich  jetzt,  durch  den  Dämli- 
chen Zufall  gemahnet,  auch  das  nänliche  Mittel.  Ich  gab  kleine 
Gaben  der  iScbellkrauttinktur,  and  schon  am  folgenden  Tage  stand 
der  Durchfall,  und  die  Besserung  machte  nua  iKglich  so  skbtbare 
Fortschritte,  dafs  die  Genesung  weit  balder  erfolgte  als  ich  et  ver- 
inulben  konnte;  ja  dem  fortgesetzten  Gebrauche  des  nlimlichen 
Mittels  wich  nun  auch  allmählig  eine  langa  vor  dem  Fieber  ba- 
■landene  ebroniacbe  Lebererkrankung,  die  sich  durch  Mifsfarbe 
des  Gesichts  und  kurzen  Hustaq  offanbarei  halte. 

Es  ist  Schade,  dals  nicht  alle  herrschende  Organkrankb eilen 
einen 'allgemeinen,  oder  einen  anffallenden  Zufall  haben,  der  oi»* 
bei  ihrem  kinfitgea  epidemischen  oder  aporadischen  Erscheinen, 
wo  nicht  gerade  als  Erkenn nogaaatchen,  doch  als  mabneoder  Wink 
dienao  könnte.  Alle  haben  aber  beziimnt  nicht  ein  solches  Zei- 
chen. Ich  würde  jatzt  die  Geduld  der  Leser  mil'sbraacbea,  wenn  ich 
mehr  von  diesem  geringfügigen  Gegenstaade  sagen  wollte.  Frei- 
lich, wir  Praktiker  mSasen  listig  sein  wie  die  Schlangen,  wir  dOr- 
fea  das  Unbedeutendste,  das  uns  dep  Weg  zur  Erkenoinirs  auch 
nur  dunkel  andeutet,  nicht  Teracbten;  aber  von  solchen  Kleinig- 
keiten viel  zu  Bchwauen  mid  viti  darauf  zu  pocbeo,  halte  ich  für 
■aanaiindig. 

Nua  will  ich  das  Ergebnifs  neiner  Beobachtnng  Über  dia 
Morbat  MlerenfTente»  dem  Leser  miitbeilen. 

Dafs  bei  den  Bestehen  einea  Morhi  ttmtiomta-ii  andere  Krank- 
heiten bald  häufig,  bald  minder  biufig  erscheiaen,  eine  längere 
oder  kürzere  Zeil  herrschen  und  dann  wieder  verschwinden,  wel- 
che mit  dem  Moria  itulionari»  keine  Geiaeinachafi  haben,  abga- 
sehen  von  ihrer  .Form,  ganz  anderer  Natur  sind  als  jener,  dies« 
Wahrheit  wird  gewifs  kein  Arzt,  der  nur  zehn  Jahre  die  Knast' 
geübt,  in  Abrede  stellen.  Oie  Morbi  inttrcurrent«»  können,  an- 
1er  verschiedener  Form  auftretend,  bald  Universal-,  bald  Orgao-, 
bald  Misch  krankheilen  sein.  Die  gewühnliohMen,  die  in  meinem 
WirkuDgskreise  vorkommen,  sind  (mit  nosulogischen  Namen  be- 
seiebnet)  falgende:  Ruhr,  fieborisober  Durchfall,  Soharlacfafiebar, 


—  ii9i  — 

lUieanatiflnai ,  fi«b«Uche  nnd  anfisberitoh«  Hniteo,  Angina,  ge- 
■ehwollene  Haltdrüsan  (be«ond«ra  b«i  Kindwn),  Maseni,  Varisel- 
lan,  Wechselfieber  n.  a.  la  der  Folge  wird  man,  decke  ich,  auch 
wol  die  Cholera  dasa  rechaea  müsBen. 

Der  Mwbua  italiouariua  verbreilet  sich  Wahncheinlich  fibei 
eioea  groheu  Strich  Landes;  wie  weitt  das  kann  ich  nicht  eia- 
mahl  muthmafgen ,  weil  ei  gans  aufser  den  Bereiche  meiner  Be- 
obachtong  liegt.  Der  Morbut  intercurretu  faeschrSnkt  eich  g»> 
wohnlich  auf  einzelne  Gegenden,  auf  einKelne  Städte,  Ddrfer,  ja, 
was  wahrhaft  seltsam  ist,  zuweilen  ^uf  eine  einzige  Bauerscfaaft. 
Er  kann  mehre  Orte  gleichzeitig,  oder  auch  aachzeitig  besuchen, 
und  im  latztea  Falle,  die  nKcfattgelegeaea  verschonead,  sich  in 
enifernieran  zeigen.  In  jüngeren  Jahren  habe  ich  mir  wol  iiher 
solche  Wunderlich  keilen  den  Kopf  zerbrochen ,  ich  thue  es  aber 
schon  längst  nicht  ssefar ,  denn  ich  habe  schon  Ifingst  begriffen, 
dab  des  Menschen  Witz  nicht  ansreicbt,  diese  Heimlichkeiten  der 
Natur  zu  ergrändea,  man  also  am  klägsiea  tbut,  sich  einfältig  an 
die  Beobacblnng  zu  halten. 

Die  Schwierigkeil,  die  Natnr  der  zwischealanfeaden  Kraak- 
heitea  zu  erkennen,  ist  fär  den  kleiast&dtiscban  Ant  grofs,  aeht 
grofs,  (über  das  Geaohäft  grofsstfidiiscber  Aerxte  kann  ich  in  die- 
ser Hinsicht  nicht  artbeilen,  ich  kenne  es  nicht).  Erscheinen  die- 
le Krankheiten  zuerst  in  meinem  Wohnorte,  ao  wird  mir  die  Et- 
kenntnifs  zum  wenigsten  dadurch  erleichtert,  dafs  ich  die  ergriffe- 
nen Menschen  so  oft  sehen  kann  als  ei  mir  gefüllt,  mich  also  bh( 
keine  anvollkommne  Berichte  zu  t erlassen  brauche.  Habe  ich 
dann  hier  die  Natnr  einer  solchen  Krankheit  erkaaet,  so  kann  idi 
apäier,  wenn  sie  an  anderen  Orten  meines  Wirknngakretses  er- 
icheint, all  Heilmeister  aaftreten,  Toraosgesotzt,  dafs  sie  dort  eben 
•o  geartet  sei  als  hier.  Wenn  sie  aber  nicht  zuerst  ia  meineai 
Wohnorte  sich  äafsert,  sondeni  zwei,  drei  Wegataoden  tod  hier, 
nnd  ich  soll  Etath  gebea ,  wie  siebet  es  da  ans  *.  Es  mnfs  gehen 
wie  es  kann ;  unser  Geschftft  ist  ein  seltsames  Geschäft,  man  macht 
Fodernngen  an  uns,  za  deren  Befriedigung  ein  wahrhaft  göiilidier, 
prophetischer  Geist  nns  leiten  mniile,  dessen  Begangen  ich  pro- 
saischer yeratandesmenseh  aber  leider  in  mir  Termisse.  Eins  ^kommt 
mir  besonders  la  gute,  welches  vielleicbt  manohem  anderen  kleia- 
si&dtischen  Arzte  abgeben  wird.  Mein  Wohnort  ist  der  ungeann- 
deste,  der  vielleicht  in  einem  Umkreise  von  50:  Meilen  zu  finden 
sein  mag,  daher  möien  auch  wol  die  zwiachenlaufenden  Krank- 
heiten sich  durch  die  Bank  hier  früher  äufsern  als  \m  anderen  Or- 
ten meines  Wirkungskreises;  mit  Ansschlnfs  jedoch  der  anstecken- 
den, denn  die  machen  ihr»  besonderen  Reisen. 

Zn  bemerken  ist  auch,  dafs  eine  an  mehren  Orten  sich  Sn- 
fsemde  xwischenlaafeude  Krankheit  zwar  gewöhnlioh  an  dien  die> 


—    1193    — 
MD  OrlBD  TOn   glaicbw  Natar   ist,    man  iinw  aber  IniacBWegn 
für  atne   fett«  Re^I   halt«!!   darf.     Ea  gibt  wirklich  Ananbhmen, 
und  die  aiad,  wie  man  leicht  denken  kann,  sefar  angemttchlich  föi 
den  kleinaifidtisdien  Praktiker. 

Verbindet  sich  die  feststehende  Krankheil  mit  den  awischen- 
laufendent  —  Nach  meiner  Beobaeblung  ihnt  sie  et  gewöhnlich 
Dicht;  es  gibt  aber  Ausnahmen  von  der  Regel  nnd  man  mag  wol 
auf  diese  achten.  Wenn  Leberkrankheit  feststefaende  Krankheit 
ist,  so  vermischen  sieb  t.  B.  die  Weebtelfieber  gerä  mit  dersel- 
ben; swar  beobachtet  man  das  nicht  in  allen  Kürpern,  aber  doch 
in  manchen,  auch  in  dein  einen  Jahre  mahr  als  in  dem  andern. 
Endlich  ist  noch  Folgenöea  sa  bemerken :  wenn  eine  twischenlan- 
fende  Krankheit  «o  viele  Menschen  an  einem  Orte  in  einem  ge- 
wissen Seitraane  ergreift ,  daft  die  nichtfirxtlichen  Menseben  die- 
se hfiufige  Erkrankung  eine  Epidemie  nennen,  so  sdieint  ge»5hn- 
licb  für  die  Zeit  der  Morhtu  ttalionaritu  verschwunden  zn  sein. 
Er  ist  et  aber  nicht,  wovon  man  sich  leicht  überzeagen  kann,  wenn 
man  in  nahgelegenen  Orten,  die  von  der  sogenannten  Epidemta 
nicht  berührt  sind,  GescfaAfia  hat.  Dafs  er  aber  verschwunden  nt 
aein  scheint,  Mdchte  nbel  in  erklären  »ein,  man  mnfa  sich  nnr 
an  die  Bcebaobtnng  harllen;  die  ist  oft  genug  gemacht,  t.  B.  in 
Dauer  Zeit  bei  der  Cholera  nnd  in  frälier  Zeit  bei  der  Peel. 

Endliob  mafi  ich  auch  noch  der  VoUaiftndigkeit  wegen  an  et- 
was erinnern,  wovon  ich  schon  früher,  vielleicht  mehr  als  Einmahl, 
in  diesem  Buche  gesprochen,  dafs  aämlieb  die  unbekannten  EinflOt- 
ao,  wellte  die  epidamiscbeo  Organberahnbeiten  machen,  bei  wei- 
tem nicht  alle  berBhrte  Menschen  ins  Bett  werfen.  In  einem  gre^ 
ften  Theile  ist  das  Organ  nur  so  mäfsig,  so  leise  ergriffen,  daft 
die  Vorn  ch  Ion  gen  desaelben  wenig  dadurch  gesiSrt  sind,  das  Ge- 
rn ndheitsgefohl  kaum  merkbar  getrübt  ist.  In  manchen  Fffllen 
gleicht  die  beilands  Nntur  diene  kleinen  Abweichungen  mit  der 
Zeit  wieder  aus;  jn  manchen  anderen  tbnt  sie  es  abernirht,  son- 
dern die  kleinen  Abweichungen  von  dem  .Normalen  verschlimme- 
ren allmSblig  und  werden  endlich  nach  langer  Zeit  su  chronischen, 
tchwerheilbaren,  »der  nnheilbaren  Organkrankheilen.  In  solchen 
früher  leiten,  nnbeachteten  epidemiaohen  Organberüfanbeiten  liegt 
der  Keim  des  Todes  vieler  Menschen,  ja  ich  glaube  selbst,  dafs 
TOrxOglicb  in  ihnen  der  Grund  der  voneitigen  Sterblichkeit  des 
Mensoheogeichlechtes  an  soeben  ist. 

Das  isi  nun  alles ,  was  ich  als  das  Ergebnifs  meiner  Beob- 
achtung über  die  epidemische  Cnnatilatio«  aufstellen  kann;  weiter 
unten  mnfs  ich  diesen  Geg^stand  noch  einmabi  wieder  aufneh- 
men, nm  den  Werth  janer  Beobachtungen  als  Erkenniingt mittel 
richtig  zu  schätzen;  jetzt  l^t  sich  dieses  noch  nicht  ihan,  weil 
ich  mich  dabei  auf  Vorantaatzangen  beziehen  mnftte,  über  welche 


—    119«    — 

ich  mich  mit  dem  Lamf  noob  nicht  besprochen.  Vorlän&g  sei  ei 
mir  erlaubt,  meine  Gedenken  über  Sydemiam  und  die  necfaajden^ 
bamiacbe  Zeit,  einsuschaiiea. 

SifdeKham  ist,  so  viel  ich  weife,  derjenij^  gewesen,  der  »• 
ent  darauf  Bufmerkiem  gemacht*  dafs  nicht  l^lofe  in  eigenilichen 
Ort-,  oder  Lsndseuchen  dte  Natnr  der  Krankheit  fast  bei  all«n  sn 
der  Zeit  ergriffenen  Menschen  gleich  sei,  sondern  dafi  diese  Gleich- 
heit der  Kratikheitsaatur  auch  in.  gemeinen  Zeiil^fen  Statt  findet, 
wo  die  Zahl  der  Erkrankten  gar  nicht  das  gewöhnliche  Mab  über- 
steigt, also  in  der  Laieuwelt  keine  Rede  voo  der  Epidemie  ist. 
Er  nannte  dieses  C»tutituti»  epidemica ,  uod  unteraehied  gans  rieh- 
tig  die  Marb»*  ttatiomarioi  von  den  intereurreulAm».  Die  Rich- 
tigkeit seiner  Beobachtung  wird  dadurch  wahrseh einl ich,  dafs,  ab- 
gesehen  von  den  Widersprüchen  einiger  früheren  Gegner,  der  gröfa- 
te  Theil  nachfolgander  Aerste  eeine  Ueobacbtungen  bestKiiget  ha- 
ben; deoB  dals  spiiere  S^steroatiker  sie  einav  so  genannten  Sj- 
Btem  za  Liebe  verwarfen,  kaiia  wol  nicht  in  Betracht  koinnien, 
4a  das  Sjttem  dieser  Verwerfer  I&ngst  «■  Grande  gegangen  ist. 

Ich  gehöre  wahrlich  nidit  m  den  Aersien,  die  bei  allen  Be< 
«bachtungen,  bei  allen  anatomischen  und  phyiiologisehen  Unter- 
iocbnngen  fragen;  woxa  toll  nns  das  dienen;  di»  alles  als  eine 
Tborheit  verwerfm,  von  dem  man  nicht  angeo blicklieh  den  piak- 
tischen  Nuuen  nachweisen  kann;  wAt  aehe  vielawfar  ein  solches 
Verwerfen  als  Zeicheo  einer  groben  GeistesbrcchrSnktheit  an, 
oder  doch  zum  mindesten  als  einen  Beweis,  dafs  die  Verwerfet 
auf  einer  etwas  niedrigco  Stufe  Teraiandhafter  nnd  praktischer 
Bildung  stehen.  Wenn  aber  schon'  nreibundart  Jahre  verfloasen 
eiod,  seitdem  eine  Beobachtung,  genacfal  ist,  die,  vnt^MSydenkmmi- 
tchct  der  Praxis  ausscblielslicfa  aningebören  soheiot  nnd  die  scboa 
von  so  vielen  Aersten  beslitiget  ist,  so  darf  man  doch  wol,  ohne 
den  Vorwurf  dar  Geistesrohheit  auf  sich  na  laden ,  die  fVage  anf- 
werfen:  welchen  \ulsen  bat  denn  eigeDiIicfa  die  %tfetU(nMcA«  Beeb- 
achlnng  für  das  Heilgea^häft  gehabt!  Uafs  sie  wenig  Nntses  für  die 
Praxis  des  Sgdaiiam  selbst  gehabt ,  ist  von  TerstAadigeo  Mftnnern 
längst  anerkannt;  der  ganze  Vortheil  bestand  darin,  dafs  er  sich 
bewogen  fand,  bei  der  einen  Krankheit  etwas  weniger  Blut  zu  las- 
sen, etwas  weniger  «n  laziren,  als  bei  der  anderen.  In  der  Folge 
bat  man  ihm  »ia  Heilmeisler  einen  gar  zu  grofseo  Wertfa  beige- 
legt, welcher  Mifsgriff  beut  zo  Tage  schon  Ungst  erkannt  ist. 
Aber  selbst  in  späteren  Zeilen,  da  man  seine  Heilarten  als.ann- 
iKnglich  Tcrworfen,  haben  die  pmkiisdien  Aerzte  noch  immer  eio« 
besondere  Vorliebe  für  ihn  behalten,  die  freilich  in  dergegenwir- 
tigen  Zeit  bei  den  jüngeren  rein  verflogen  zu  sein  scheint.  Sy^m- 
ham  hatte  in  meiner  Jugend  fSr  mich  viel  Anziehendes,  aod  *a- 
gleich  hatte  ich  dod>  einen  Absohev,  «eiae  Heilartea  sn  versnoheo : 


—    1195    — 

anderen  Aereten  ist  ei  eben  so  ergangen;  wai  iM  doch  der  Grand 

dieter  gleichzeitigen  Zo-  und  Abneignngl  Meines  Eraobtens  fol- 
gender. St/demiam  hat  einen  icfalichten,  geraden  VerMand,  das 
ist  schon  eiwas,  was  die  meieren  Praktiker  aasprichu  Er  ver- 
wirft die  hemchendfl  Theorie  als  onsulinglich  xnr  Erkenntnifs  des 
Wesens  der  Krankheiten,  er  spricht  darüber  gani  uanntwunden 
seine  Meinung  aas;  er  ist  kein  Heuchler,  kein  Larvenmann,  son- 
dern er  ist  ein  wahrhaftiger  Mann.  Alle  Aerzte,  die  die  Uosu- 
lünglichkeit  ihrer  eigenen  Schullheorie  sich  anoh  nnr  dunkel  dach- 
ten, sie  fühlten,  mnfsien  also  zu  ihm,  als  xu  einem  nahen  Qei> 
Btesverwatidleo  bingesogen  werden ,  wenn  gleich  seine  wunderlt- 
eben  HeilarteB  sie  eisig  lu  rückst!  efsea.  Höchst  wahrsohe  in  lieh  hat 
auch  eine  dunkle  Verstandes veirichtang  in  den  Kftpfen  der  Aerxi«, 
eine  Ahnung  des  grofsen  Vonfaeils,  der  aus  St/detiAamt  Natur- 
beobacbtiing  künftig  einmahl  der  Heilkunst  erwachsen  köaoe,  dem- 
selben eine  ausgezeichnete  Hochaehiung  erhalten,  von  der  die 
Hochachtenden  sich  selbst,  gerade  weil  sie  die  Frucht  «Der  dunk- 
len Versiandeaverrichiung  war,  keine  Rechenschaft  au  gehen  itt' 
mochten. 

Wie  kam  es  denn  aber,  dab  Sj/äenhami  Naturbeobachlnng 
auf  seine  eigene  Praxis  so  wenig  Einfluf»  hattet  Meine  Meinung 
darüber  ist  folgende.  Sydenka»  trug  die  Fesseln,  die  ihm  in 
seiner  Jugend  die  Sehule  angenietet,  bis  an  sein  Ende;  er  hat 
freilich  tüchtig  daran  geschüttelt,  sich  bafs  bemühet,  ihrer  Im 
SU  werden,  nimmer  hat  er  aber  die  Nietnfigel  enideekt,  dureh 
welche  sie  unlöslich  an  ihm  hafteten.  —  Das  ist  eine  Bilderspra- 
che, werden  die  Leser  sagen.  —  Ganz  recht,  das  ist  auch  eine 
Bilderspfache;  sie  heieichnet  aber  treSTend  den  Zustand  des  Sj~ 
denbamischea  Geistes.  Er  suchte  das  Irrige,  das  Unsulängliohe 
der  damahU  gängigen  Theorie  in  dieser  Theoria  selbst,  und  sah 
nicht  ein ,  dals  er  es  einaig  in  der  Gmadfeste  derselben  hS«e  su- 
chen müssen,  in  dem  Endpunkte,  von  dem  sie  ausging.  Sie, 
wie  alle  frühere  und  spätere  Theorien,  ging  von  einer  vermeint- 
lichen Kenntnifs  des  belebten  Menscbenleibes  aus.  Da  die  Aerzte 
aber  von  dem  belebten  Menschenleibe  sehr  wenig  kenaeo  und  sehr 
viel  davon  phamasiren,  so  war  es  Ja  gani  zwecklos,  dafs  er, 
die  Basis  der  gängigen  Theorie  nicht  beachtend ,  gegen  die  The^ 
rie  selbst  eiferte,  denn  er  kämpfte  ja  dadurch  nur  gegen  ein  ba- 
res Sehaltenbild. 

Durch  das  Verwerfen  der  Theorie  verlor  er  alle  Haltung:  za 
goseheit  und  zn  «rfabrea,  auf  die  blofsen  Krankheitsznfölle  eine 
Ueillehre  an  gründen  und  so  den  rohen  Empirismus  zu  predigen, 
versuchte  er  es,  deh  eine  eigene  Heillefare  aus  etwas  Ehmiliti» 
ifuneran,  etwas  Ataxia  itervorum  und  anderem  Klingklang  zo- 
sannen  zu  di^en ,    und  damit  seinen  g^easelteo,    aber  in  den 


—    1196    — 

Fmiela  T«nw«iMt  sperrigen  Ventand  xn  bevchwidiligeB.  Von 
dieser  Si/de»iamücien  Heillehre  kaon  maa  wol  sagen  wie  Ton 
■Iten  Cbads:  iintakiHt  telltu^  ttmaÜlit  unda;  vat  Wundert  dafs 
bei  diesen  wirren  Ansichten  seine  Naiurbeobachiui^eB  so  geringen 
Einflufs  auf  sein  Heilgeschäft  hatten.  Ich  bin  6Werzengt,  häne 
er  nicht  so  eingeklemmt  in  den  Fesseln  seiner  Zeil  gesessen,  bStia 
er  Dicht  die  schulrcchte  Lehre  selbst,  sondern  die  Grundfesie  der- 
selben angegriffen,  hStte  er  sich  mit  dem  todten  Paracehnt  be- 
freundet, nnd  dieser  ihm  den  Gedanken  in  die  Seele  geworfen, 
dafseine  versiandhafle  Heiüehre  sich  weil  besser  und  folgerechter 
auf  ein«  wirkliche,  erkeDabare  Basis,  aof  die  Heilwirkang  der  Ar- 
aeneien ,  alt  anf  eine  grBfsienlheils  nur  in  der  EinbiMung  rorfaan- 
dene  Kenniaifs  des  belebten  Leibes  gründen  lasse,  er  norde  den 
Gedanken  festgehalten,  ihn  verfolgt,  ihn  weiter  ansgebildet  haben, 
nnd  dann  das  praktische  Ergebnifs  leinet  Nalurheobachtnogen 
ganz  anders  ausgefallen  sein  als  jetzt. 

Die  nSmIiche  Fessel,  die  Sifdeniam*  Verstand  gebundeit,  bat 
aneh  in  der  Folge  den  Verstand  seiner  Verehrer  gebunden;  dar- 
nin  darf  es  nns  nicht  auffallen ,  dafs  diese  eben  so  schlechte, 
werthlose  Frfichle  von  ihren  Natnrbeobachiangen  geerntet  als  ihr 
Heister,  Wie  oft  habe  i^  bei  Schrifisiellern  der  oachfiydenha- 
nisehen  Zeit  den  Ausdruck  gefunden:  die  Cotutiluti»  epidemica 
»ei  nerv5s,  oder  gastrisch,  oder  entsütidJich ,  oder  rheumaiisch 
gewesen.  Um  des  Himmels  willen!  welchen  bedeutenden  Einflufs 
kann  .dieses  armselige  Wissen  auf  die  Erkenninifs  nnd  Heilung 
der  Krankheiten  habeal  Freilieh,  wenn  ich  *.  B.  weifa,  eine 
herrschende  Krankheit  sei  gastrisch,  de  stecke  im  Banehe,  ao  ist 
das  allerdings  besser,  als  wenn  ioh  nicht  eiamnbl  weifs,  ob  sie  im 
Kopfe,  oder  in  der  Brust,  oder  im  Bauche  sleekt.  Im  Grunde  ist 
es  aber  doch  nur  ein  armseliges  Wissen ,  denn  das  Reich  des  Ban- 
cbes  ist  grob,  der  Organa  sind  viele,  nnd  die  Erkranknngen  dersel- 
ben so  mannicbfacb ,  dafs  dasWissen,  die  Krankheit  stecke 
i  ni.  Ba  u  c  h  e ,  vor  dem  was  wir  nicht  wissen ,  ond  wes  doch  notb- 
wendige  Bedingung  des  eigenflicfaen  Erkenaens  und  Heilens  ist,  xa 
•inar  wahrhaften  Winzigkeit  einschrumpft 

Nur  wenn  man  begreift ,  dafs  die  Behauptung  der  schulrechten 
AarMe,  ihre  Lehre  gründe  sich  auf  eine  genaneKennt- 
nifs  des  menschlichen  Organismas,  eine  Coniradictio im 
a^ecto  enibBlt,  also  um  kein  Haar  klüger  ist,  als  die  Behauptung: 
ich  wetse  mein  Messer  auf  einem  hSlaernen  Schleif- 
stein, oder  faaae  meine  Fensterseheiben  in  hSisar» 
nes  Blei;  nur  wenn  man  begreift,  dafs  eine  anf  diese  Nicbibasis 
gegründete  Heillehre  blofs  ein  anbaltbares  Phaoiasiegebilde  sein 
müsse;  nur  wenn  man  begreift,  dals  die  Heilwirkang  der  Araeneien 
die  einaige  erkennbare  Basis  sei,  aufweiche  nan  e 


—    1IS7    — 

bareHeilUbragrfiDdankÖBn«:  nnr  dann  ist  mn  beRhig:«t,  denpraktt» 
«chenWsrth  d«r  Sjrdaubuuf  cAc»  Beobachtangfen  richtig  zu  wardigra. 

Nun  mätaen  wir  endlich  den  viertes  Weg  xur  ErkenniDtfe 
der  KrankhMt  *u  gelangen ,  dai  Helfen  und  Schadea  der  gegebe* 
Den  Mille) ,    betrachten. 

Im  fünrien  Kapitel  habe  ich  >Gh«n  anf  den  grellen  Widet- 
•praoh  Bufmerkiam  gemacht,  der  zwischen  einer  xnsainniengeMtx- 
ten,  bniitic heckigen  Reiieptscfareiberei  und  der  Behauptung  SmH 
hat,  niaa  kSnrie  durch  Helfe»  und  Schaden  der  Aneneien  die  Na- 
tur einer  Krankheit  «rkennen;  ick  branche  also  jet:El  dieseH  G.e> 
genatand  triebt  weiter  nn  beräfarea,  sondern  kann  ohne  Um-  uimI 
Abicbweif  auf  das  Pimclum  »alient  lotaiauern. 

Wir  kfinnen  von  dem  Weten  oder  von  der  Natar  einer  Krank* 
heit,  das  keifst,  voa  der  Krankheit,  in  so  fern  sie  von  der  Form 
verschieden  ist,  nichts  erkentieo,  als  onr  ihr  VerhKltnifs  su  der 
Heilwirkung  der  Anenei.  Daraus  folgt ,  dafs  wir  das  Wesen  der 
Krankheit  nnr  dnrch  Auffinden  ihres  Heilmittels  erkennen  können, 
nnd  dafs  all*  Krankheiten  für  unseren  Verstand  so  lange  nnei^ 
kannte  Krankheiten  sind,  bis  wir  das  wahre  Heilmittel  gefunden. 
Eine  Kmnklieit,  dereo  Natar  mir  unerkennbar -ist,  woil  ich  kein 
Heilmittel  «of  dieselbe  wnfs,  kann  einem  anderen  Arzte  erkenn» 
bnr  sein,  weil  er  ihr  Heilmittel  weifs.  Darum  mufs  man  mit  der 
Erkiftmng  der  Unbeilbarkeit  etwas  sparsam  nmgcbea;  ja,  wer 
■ich  auch  einbildet,  ein  gelehrter  and  sehr  belesener  Mann  an 
■ein,  dar  mag  doch  wohl  bedenken,  dafs  in  der  medizinisch- 
praktischen  Welt  manches  mit  Voriheil  geQbt  wird,  von  dem  die 
Bächer  schweigen.  Dafs  man  über  die  Natur  einer  Krankheit 
Verraatbnngen' haben  könne,  l9ngne  ich  nicht;  allein  stützen  sich 
diese  Vermnfhnngen  auch  auf  die  wahrscbeinlicbsien  GrGnde,  so 
ySnnen  sie  dennoch  ifioschen:  darum  l&nft  das  Erkennen  der  N*> 
tnr  einer  Krankheit  xuleizt  immer  auf  das  Anwenden  der  Probe- 
mittel hinaus.  Der  Scheideküastler  kann  aas  den  sinnlichan  Ei- 
genschaften eines  NaturkSrpers  wol  mit  mehr  oder  minder  Wahr- 
scheinlichkeit dessen  Zusammensetzung  verranihen,  aber  nur  da- 
durch, dafs  er  die  Probemittel  (Beageniia)  mit  ihm  in  Berührung 
bringt,  erlangt  er  eine  sichere  Erkennlnifs  der  Natur  desselben. 
Nun,  haben  wir  Aerxte  denn  einen  anderen  Wog  zur  wahren  Er- 
kenntnifs  der  Natur  einer  Krankheit  m  gelungen  I  — 

Wenn  der  SeheidekSustler  dnreb  die  siaaliehen  EigensebnAen 
des  zn  nniersn  eben  den  KSrpers  Vermulhung  über  dessen  Natur  bat, 
•o  setzt  er,  durch  diese  Vermuthnng  bestimmt,  lieber  gleich  an- 
fftnglich  ein  solches  Reageiu  zu  dem  Körper,  weichet  ihm  beja- 
hende, als  ein  solches,  welches  ihm  verneinende  Ergebnisse  liefert. 

Gerade  so  müssen  wir  Aerxte  es  auch  mft  den  Krankheiten 
nacheD.    Haben  wie  nlae  anf  Wabtieheinliobkoit.  gegrBnlenTn; 


—    1198    — 

Muthang  über  die  Nalnr  einw  Krankheit,  bo  bringen  nir  lieber, 
derch  diese  Vermnlheng  geleitet,  doajenige  Arxeneinittel  mit  dem 
Organiamiia  in  Beriihrungj  welehea  nnserB  Vermuihung  besiftligel, 
rIb  dai,  welche!  sie  nicht  beatftiiget,  oder,  mit  anderen  Woriea, 
lieber  das,  was  heilt,  als  das,  was  nicht  heilt.  Alle  Seballebre, 
über  die  Wege  lur  Erkenrnnifa  tu  gelangen,  kann  ans  nie  znr 
wahren  Erkenotnifs  der  Nnior  «iner  Krankheit  führen ;  höchsteot 
kann  sie  ona  in  dem  Einzelfalle  bestimmen,  das  Probemittel  A 
früber,  mit  dem  Organiamas  in  Bernbrang  su  bringen,  als  die 
Probemiitel  X  Y  Z,  indem  wir  eine  an  Wabrseheinliclikeit  strei- 
fende Vermatbiing  gewonnen,  A  werde  sich  viellGichi  eher  als 
Heilmittel  ausweisen,  als  X  Y  Z:  der  ganze  alierihnmliche  Un- 
terricht betrifft  also  nicht  einmahl  die  eigeniliehe  Erkeeninifs  der 
Krankheit,  sondern  nur  die  Abkiirznn^  ries  Probeprozesses ,  durch 
welchen  einzig  die  ErkenDtnifs  des  Wesens  der  Krankheit  mög- 
lich ist. 

Nun  sehe  ich  vorans«  die  echt  SchulglSobigen  unter  meinen 
Lesern  werden  mir  ob  dieser  Aeuf^enmg  sümen,  mich  rielleicht 
gar  als  einen  rohen  Empiriker  verachten.  Ich  bitte  Euch  aber 
freundlich,  werlhe  AmtsbrUder!  schSph  nnr  einmahl  etwas  Ge- 
mengsei ans  dem  raiionell-empirisohen  Danaidenfässe  ftrailicber 
Beobachtungen,  breitet  es  vor  Euch  ans  und  bescbanet  Eu^  das 
Ding  mit  Anfinerksamkeit;  was  findet  Ihr  nunt  —  Ihr  werdet  wiil 
■o  gilt  als  ich  finden ,  dafn  die  Observationenscbreiber  bei  eiaer  und 
derselben  Krankheit  heule  diese,  morgen  jene  Indikation  machem 
heute  dieses,  morgen  jenes  Mittel  reichen,  und  dafs  es  so  im  nn- 
aufhaltsameQ  Wechsel  fartgebet ,  bis  d^r  Kranke  entweder  geneset, 
oder  stirbt.  Wollt  Ihr  mich  vielleicht  glauben  machen,  dieses  täg- 
liche Abändern  der  Indikationen,  dieses  Wechseln  der  Areeneien 
beruhe  auf  einem  cnsammenhängenden,  tief  durchdachten  *  aqf 
eine  grSndlicbe  Kenntnifs  des  Organismus  sich  stützenden  HMlpta- 
ne,  so  sage  ich  Euch  ganz  ehrlich:  Ihr  könnt  das  wol  den  durch 
euch  selbst  rerscbrobencn  Köpfen  vornehmer,  allzeit  araeneiender 
GrofssiBdier  welsmachen',  aber  gewifs  nicht  dem  schlichten  Ver- 
■lande  kl  einslädt  is  eher  Bürger,  und  am  wenigsten  mir,  der  lange 
genug  auf  dem  Fechtboden  gewesen,  um  alle  Trugstöfse  zu  kennen. 
Der  kleine  Unterschied,  der  zwischen  Euch  und  mir  bestehet,  ist 
folgender.  Ihr  bringt  die  Krankheit  nnter  eine  krankheitsl ehrige 
Kategorie,  macht  nach  dieser  Eure  Indikationen,  nnd  sucht  dann 
in  der  Materia  meiiica  ein  Mittel  aus  einer  solchen  heilmiliellebri- 
gen  Kategorie ,  welche  auf  die  krankheilslehrige  Kalegori«  pafsl, 
unter  welche  Ihr  die  Krankbeil  gereihet.  —  Ist  Eure  Rechnung  ridi- 
tig,  so  mufs  Eure  Arzenei  nothwendig  helfen:  aber  siehe!  die  Ar- 
Renei  versagt  die  fest  erwartete  Hülfe ,  ja  die  Krankheit  wird  wol 
gar  scfatiramer  darauf.  —  Irren  ist  menschlich;  Ihr  babtet^ot»  ver- 


—    l!99    — 

nchnel ;  —  I>fgt  nar  ^daltfig;  di»  Recbnnn^  nocb  einniahl  roa 
VorD  an.  Neue  Indtkaironen  werden  gemacht,  aadcre  Mittel  aai 
dem  Arzeneischatsa  gewfihlt.  Aber,  o  Jammer!  das  Ding  will 
noch  nicht  nilichen;  —  ihr  müfsi  wol  wieder  die  Rechnaitg  ohne 
dbn  Wirtb  gemacht  haben.  —  Nur  friechen  Math  t  und  noch  etnmahl 
die  Rechnnug  gemusieitl  vielleicht  wird  es  dann  besser  gehen. 
So  bleibt  Ihr  am  Grübeln  und  am  SpShen,  am  Wshien  und  am 
Verwarfen,  bia  Ihr  entweder  das  wahre  Heilmittel  trefft,  oder  bia 
der  Krank«  ron  seibat  gcneiet,  oder  bia  er  atirbt.  —  Könnt  Ihr 
es  nun  längnen,  dafs  Ihr  in  beständigen  TSuachongen  lebt,  nnd 
nnanfhöriieh  gescheiterte  PlHne  lu  beklagen  habt?  —  Mir  scheint 
aber ,  werifae  Herren  und  Freunde !  ein  Leben ,  das  nnier  bestfin- 
digen  Tiuachangea  hingehet,  ist  ein  schlecbtea,  ein  wahrhaft  er. 
bärmliehea  Leben. 

Waa  nna  mich  selbst  beirifii ,  so  erfahre  ich  nie  eine  Tftn- 
■ohang,  nie  scheitern  meine  Heilplane.  Ueberzeugt,  dafs  die 
Natur  det  Krankheiten  auf  keine  andere  Weise  als  nur  durch 
Probemittei  sa  erkennen  ist,  mache  ich  keine  gelehrte  Heilplane; 
ich  denke  nie,  das  gegebene  Arzeneiinitiel  wird  od^r  mnfa  hel- 
fen, sondern  ich  denke,  es  kann  helfen,  es  kann  auch  vielleicht 
nicht  helfen.  Mein  Verstand  befindet  sich  also  su  den  Krankhei» 
len  gerade  in  der  nümlicben  Stellang,  als  der  Verstand  des  Schü- 
dekünsilers  «i  den  Natarkörpern ,  welche  er  untersuchen- will. 
Da  wir  nun,  wenbe  Freunde!  allesammt  Prober  sind,  so  frSgt 
es  sieh  Jetst:  wer  wird  (alles  Ucbrige  gleich)  am  ersten  and  mit 
den  wenigeieo  Proben  rar  Erkenninifs  der  Krankbeil  gelangen, 
der  rationelle  Empiriker,  der  Krankheiten  nnd  Arzenei mittel  unter 
j^dankeobitdliehe  Kategorien  reihet,  oder  der  reine  Empiriker, 
der  nut  Wirklicbkeilskaiegorien  anerkennt!  ■'—  ich  sollte  denken, 
der  geiunde  Mensehenversiand  gibt  et  schon,  dafs  der  Letzte  den 
Ersten  äberflfigcln  müsse. 

Bis  bterbin  habe  ich  blofa  von  der  Erkenntnifs  der  Natur  oder 
des  Wesens  der  Krankheit  durch  Probearzeneien  geiprochen ;  jetzt 
mufs  ich  aber  auch  noch  ein  Wort  von  der  Erkenninifs  der  Form 
sagen.  In  manchen  Fällen  kann  man  allerdings  aus  den  Krank- 
heitszufallen  mit  mehr  oder  minder  Wahrscheinlichkeit  auf  die 
Form  aehliefaen;  man  kann  errathen,  ob  der  Geea mm torgan Ismus, 
oder  ein  Organ,  nnd  welches  Organ  nrerkrankt  iei.  Dafa  dieses 
Errathen  durch  die  Zeichen  aber  in  vielen  Füllen  hdchst  unsicher 
und  in  vielen  anderen  bar  nomdglich  sei,  habe  ich  tm  Vorigen 
hoffentlich  schon  zur  Genüge  gezeigt.  Wir  zind  also  auch  hier 
in  vielen  Fillen  einzig  auf  die  Probemittei  beschränkt.  (Jeher  dio 
Reihenfolge,  in  welcher  wir  die  Probemittei  geben  müssen,  iäfst 
■ich  oichta  Allgemeines  aagea ,  welches  belehren  kSnnte.  Folgen- 
der Krankfaeilslall  wird  es,   donke  ich,  den  Jüngeren  Lesen  ganz 


—    1100    - 

aBscbanlieh  maeben,  wi«  durch  iafiere  UmtBade  (3b«c  welch« 
•ich  doch  offenbar  Diobu  Allgeneinee  sagen  Iftfat)  der  Ant  la 
de«  Vor-,  oder  Nachgeben  de«  einen  and  du  anderen  Probenk- 
teli  beslimmt  wird. 

Im  Jahre  1833  verlangte  man  meine  Hülfa  bei  einem  irnio- 
aigen  Landmsnne.  Bei  diesem  war  nidit  eiemahi  ein  Schalten 
TOD  Wabncheiniichkeit  zu  erspfiben,  der  mich  hHtte  errathen  lassen, 
ob  sein  Gehirn  mitleidlich,  oder  urerhrankt  sei.  Für  die  letate  An- 
sicht sprach  die  Aassage  seiner  Frennde,  die  lautete  nämlich;  er 
habe  das  Gut,  weichet  er  bante,  Ton  seinen  Geschwiateni  xu  thener 
fibernommen,  diesen  Miüigriff  später  enit  recht  eingesehen,  darüber 
gebrütet ,  und  darch  dieses  Brüten  sei  er  schwngsam  nnd  dann  irr- 
sinnig geworden. 

Zeichen  eines  Banchleideas  waren  von  den  Hansleaten  nicht  mi 
Mfrtgen,  und  von  dem  Irren  begreifliefa  am  wenigsten.  Sein  Harn 
war  rine  kleine  Scbaitnng  donlcler  als  ein  ToUlcomaien  geaander,  er 
bMte  eine  Goldfarbe,  Diese  gelbe  Färbung  war  aber  ein  au  viel- 
deatiger  Zofall ,  om  von  demsellien  aaf  ein  Urleberleiden  an  scfalie- 
Ilen;  er  hätte  eben  so  gut,  als  Zeichen  conseasaeller  Nieren-,  oder 
Leberherühnheit ,  von.  einer  Urgebimerkranlcung  abbangen  kön- 
nen. Bei  der  Unm&glichkeit,  ober  die  Furm  und  über  die  Nainr 
dieser  Krankheit ,  eine ,  auch  nur  auf  die  dunkelste  Vermnlho^ 
gegründete  Meinung  au  haben,  blieb  mir  also  nichts  anders  über, 
•)s  die  Erbeantnifs  einsig  durch  Probemittel  m  suchen.  Nun  la- 
gen iwei  Wege  vor  mir,  nnter  welchen  ich  sn  wählen  hatte; 
ich  konnte  nämlich  znerat  Baochprabemittel ,  oder  aoerst  Gehim- 
proberaittel  geben.  Für  die  Urgehirnerkranhuag  sprach  die  Ana- 
mnese; die  Aussage  der  Freunde;  dafs  der  Mann  da«  Gut  xa 
thener  übernommen  und  sich  dieses  aa  Herzen  gezogen ,  tvar  wiik- 
lich  wahr.  —  Für  eine  Urlebererkrankuag  sprach  die  Form  des 
Marhi  ttationarii  (damahls  bestand  dieser  in  einer  Lebererkrati- 
knng)  und  ein  klein  weeig  der  goldfarbene  Harn.  Die  Gründe, 
die  mich  hätten  bestimmen  können,  bei  meinem  Proben,  Bauch*, 
oder  Gebirnmitiel  zuerst  mit  dem  Organismus  in  Berührong  aa 
bringen,  hielten  sich  also  die  Wage;  ja  genau  betrachtet,  gab 
die  auf  Urgehirnleiden  deutende  Anamnese  noch  wol  scheinbar 
einen  kleinen  Anaschlag.  —  Ich  hielt  aber  doch  für  das  Klügste, 
mit  einem  Bauchraittel  meine  Proben  zu  beginnen,  nnd  zwar  aus 
folgendem  Grunde.  Angeblich  war,  nach  Aussaga  der  Freund«, 
der  Irrsinn  durch  psychische  Einwirkung  entstanden.  Das  Tba^ 
sächliche  in  dieser  Angabe  raufste  ich  als  wahr  annehmen,  aber 
den  feindlichen,  krankmachenden  Cioflufa  der  Thatsaehe  auf  di* 
Psyche,  durfte  ich  doch  nicht  mit  der  Thatsaehe  selbst  gleich- 
stellen. Die  Thatsaehe,  dafs  der  Banar.das  Gut  zn  tbeaer  über- 
nommen  nnd  darüber  gegrübelt,  war  etwas  GeaehiobllielMS ^  dpreh 


*    1SM    — 

glaubwürdige  Z«ag«D  BestSUgtci;  aber  dafi  er  durch  dieses  6t8- 
bela  irre  geworden,  war  blofs  etwas  Vermathetes.  Geacfaichilich 
konnte  ja  nichts  nachgewieiefi  werden,  als  dafs  das  GrQbeln  über 
den  unYortbeilhafien  Ankauf  des  Gates  dem  Iminaa  vorbergegan- 
gen.  Alles,  was  aber  einer  Kraakbeit  Torhergehat,  siebet  mit 
dieser  bei  weitem  nicht  immer  io  ursaeblichem  Zusainmenbange. 
~  Geseui  aber ,  der  Bauer  wSre  wirklich  dnrcb  diese  psychische 
Einwirkung  irre  geworden,  so  bestand  doch  das  faiiwilich  Einwir- 
kende immer  noch,  ioh  konnte  es  nicht  entferneo,  denn  ich  konnte 
ja  den  an vorlhcil haften  Vertrag,  den  er  mit  seinen  Geschwistern 
geschlossen,  nicht  aufheben.  Ich  würde  also,  hätte  ich  dem 
Kranken  luerst  Gehirnmittel  reichen  wollen,  wahrschetoliob  auf 
etwas  Llnm^Iicbes  hingearbeitet  haben.  Da  das  aber  ein  sehr 
undankbares  Geschäft  ist,  so  hielt  ich  es  fär  weit  kluger,  vor- 
läufig auf  eine ,  freilich  auch  nur  blofs  mögliebe  Lebererkrankung 
Probemittel  zu  reichen.  loh  wShlte  m  ätm  Ende  die  Schellkiaul- 
safitinktur,  täglich  zu  30  Tropfen  io  getheÜten  Gaben,  so,  dals 
6  Tropfen  auf  jede  Gabe  kamen.  —  Der  Morbui  itationaritu  war 
freilich  durch  BrechnufswassOT  damahls  am  sicberslea  zu  heilen; 
aber  in  dem  vorli^enden  Falle  bestimmte  mich  doch  eine  allge- 
meinere Erfahrung  snr  Wahl  des  Schellkranles.  Ich  habe  näm- 
lich darch  die  Zeit  gemerkt,  dafs  awar  die  Urerkrankong  aller 
Bauchorgane,  conaensnel!  das  Gebim  ergreifend,  Irrsinn  vemr- 
■achen  kann;  dafs  aber  von  den  verschied enanigeo  Lebeterkran- 
kungen,  welche  ich  beobachtet,  keine  leichter  dieses  thut  als  die 
Schellkrauileberkreukheii,   sie  meg  cbroniicb  oder  akut  auftreten. 

Auf  den  Gebrauch  der  Schell  kr  au  iiinklnr  sah  ich  innerhalb 
acht  Tage  den  goldgelben  Harn  strohfarbig,  also  normal  werden. 
Das  gab  mir  schon  Wahrscheinlichkeit,  dafs  ioh  vielleicht  den 
richtigen  Hetlweg  eingeschlagen,  nimahl  da  der  Kranke,  fast 
gleichseitig  mit  dieser  Veränderung  des  Harnes,  das  eigene,  bb- 
släte  Wesen  verlor,  das  solchen  Menschen  gewQbniich  anhingt. 
Bei  dem  forigesetsten  Gebraacbe  der  Tinktur  wurde  der  Irrsinn 
immer  minder  und  minder,  und  venchwand  dann  ganz,  so,  dals 
der  Bauer  nach  drei  Wochen  wieder  eben  so  verständig  war  als 
er  vorher  gewesen.  . 

Die  Leser  werden  hier  sagen:  in  dem  erzählten  Fidle  sei  ja 
durch  das  Prohemiitel  nicht  blofs  die  Form  der  Krankheit,  sob- 
dern  auch  das  Wesen  erkannt  und  Heilung  bewirkt.  Ganz  rächt! 
In  den  Fällen,  wo  man  als  untersuchender  Arzt  bei  dem  ersten 
Griffe  den  \agel  auf  den  Kopf  trifft,  ist  Form-,  Wesenerkennt- 
nifs  nnd  Heilung  Eins.  Ganz  anders  verhält  es  sich  aber,  wen« 
man  TOD  den  Probemilieln ,  statt  positive,  negativa  Wirkung  gft> 
wahret ;  da  kann  man  durch  dii  negative  Wirkung  wol  die  Form 
der  Krankheit  «rkcnnM  qnd  dbcb  voa  der  WeseoerkenDtnÜa  no^^ 

76 


—   »aw  - 

hm  Min.  Wir  wvNeii  «iiinuihl  «Baehmen ,  in  Jan  ersBliIfek  Falle 
wfire  dai  <>^irn)etd»a  nichl  «ia  oodk«iu«11«i  ,  Madem  mb  wirk- 
liohea  UrleidMi  ■(••■««  Orgvaa  gewesea,  aad  ich  hau«  meiaa  IJa- 
terwcboBg  dureli  Prabamkid  bei  ima  Ümutikorgnava  anfangea  wo)- 
len ,  lo  wiirdeD  ja  all«  £aacJMuili«l  keine  Hflilwirkoag  gezeigt 
haben.  Durch  diasei  Nlcfaifaeil wirken  «ler  Bauchmiitel  würde  nir 
die  Erkeanlnifa  gewardeo  beia ,  daf«  dal  Gehirn  lich  in  eiacai 
Zntlande  der  UreHcraakung  ^«finil«.  Da«  würde  dann  ab«r  eiu 
blofie  Formenerkanntnifs  geweiea  sein,  und  ich  hatte  wieder  aafi 
nene  dardi  Probemiltel  die  Katur  dieMr  Urgehirjikraiikheit  erftw- 
•eben  müneit. 

Mir  tcheinl  es  jetat,    iob   babe  genug  über  die  ErlwoautÜi 
der  Krnnkheit  gesprochen.     HStte  ich  es  blofa  mit  Leaern  xb  tbua, 
tlie,  all  B>eina  nahea  Geiatasv«r wandt en  *  den  von  mir  belreieaea 
'     Weg   weiter  verfelgen    wollten,    ao    würde    iob    dieaeo    xn  Liebt 
nodi  niebr  von    4ar  Edienniufa,    beaonden  von  der  aebwierigf« 
vermisohier  Kraakbekea  ugea:    daioh  aber  Toraaasehe,    dab  eii 
grofser  TiuH  der  Aente,    die   dieaea  Badt   laaea,    ea   aar,    na 
Vomribeilea    eiagcooHnea ,    ala  eiua  blofsa  Poue  aus  N'eagierd« 
durehlawfen    werdea;     ea    aber   h5cbit  onaorMändig   tod  -mir  aeii 
würde,   dieie  achtbairea  Aaitabrüdar  darcb  eine  gar  sa  genaaeBe- 
lennhuMg  dei  Labyrinths  dier  Diagnoatik  aain  4^bnea  bd  brimg^m, 
so  Sberiaue  ich  es  nieiaeD  eigeatlichen  GeiMeaverwaadiM,  ae/itf 
Aber  diesen  Gegenaland  weitier  nachzudenken ,   auniahl  da  ja  aeia 
ganae«  Bach  nicht  eowol  >ebuluieiiteriacbe  Belehrungen ,   ala  vieV- 
taebr  blof*  reichen  Stoff  au«  emüen  Nacbden^en  enthält. 

Nun  müaaaa  wir  nocb  zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  eiaigr 
Folgernngen  aas  dem  (üesagten  liehen ,  and  vorlftufig  unaen  Bli^ 
carück,  auf  die  epidemisohe  Conatitation  werEea.  F.s  würde  wahi^ 
faaft  ISppiscfa  sein,  wenn  ich  das,  was  ich  aber  Krankheitser- 
kanniMfi  durch  Probaarzcneiea  vorgetragen,  besoodera  aaf  tt 
Erkeantnifa  neu  auftretender  epideinischer  Krankheiten  anwendn 
walke.  Die  Anwendung  föllt  von  a^bst  in  die  Augen^  denn  wa 
siebet  aicfat,  dafs  auch  solcher  neuen  Krankheiten  Nainr  osr  aia- 
aig  durch  Probemittel  aa  erkennen  aeil  Wer  aber  daran  swet- 
feit,  dafa  in  vielen  Fillen  auch  die  FormeaericaBninifs  anlcber 
Krankhaitea  anr  aaf  die  aimlicbe  Weite  su  erlwtgen  aei,  der 
habe  oar  Geduld ,  beabadite  fleifug  and  geaaa  dw  Krankbaitea, 
«o  wird  er  je  Iftager  je  weniger  Last  spüre« ,  arir  an  widerapra- 
chen.  Diesen  Punkt  alao  als  erlediget  betraohtend,  wollen  wir  über 
folgende  wiebtige  Gegeniiftnde  iwcbdeakea. 

Woaa  wir,  hei  ein«',  neu  auftretenden  epidetaiaebeD  Krank- 
heit, ia  eiaer  gewjaien  Aaaahl  Körper  die  Krankheit  faiaaicbilich 
ihrer  Form  aad  ibiei  W»«eBs  als  gleicluriig  darcb  Probearxcneiot 
«rkannt  babea,  ••  mafs  «naar  nur  inuriuUt  dsa  üwfiUiohkeit»- 


-     1203    — 

ichranLeDB  sich  bewegender  Veniatid  anf  eiae  g^leiche  Ursaofae 
gleicher  Krankheil  aehliefsen ,  obgleich  er  dieie  Ursache  nicht  leib- 
lieb nachzuweisen  vermag.  Dieser  Ursächlichkeit aschliifs  bestimmt 
nna,  in  den  Tolgenda  ergriffenen  Körpern  auch  eine  den  früheren 
gleiche  Erkrankung  ansitnehineo,  und  der  WahrscheinÜchkeitsgrad 
der  Richtigkeit  der  Erkenntnifs  stehet  mit  der  Zahl  der  früheren 
all  gleichartig  sich  anigewiesenea  Fälle  in  geradem  Verh&ltniiSfl. 

Dieser  Wahrach  ei  ntichkeitaichlufa  kann  uns  aber  doch  nim- 
mer zu  einer  eigentlichen  Erkenninifa  der  Form  und  des  Wesens 
der  Krankheit  rühren,  sondern  er  ist  nichts  mehr  als  eine  Hülfe, 
den  diago ostischen  Probe prozefa  abziikiirsen.  Nehmet  einmahl 
an,  ich  hätte  hei  eitter  herrschenden  Krankheit  schon  hundert 
davon  ergriffene  Körper  behandelt,  utid  in  allen  Jiuodert  sie 
gleichartig  erkannt,  erkannt,  daf>  sie  k.  B.  Brechnufsleberkrank- 
heit  sei;  so  w8re  es  allerdings  sehr  wahrscheinlich,  dafa  nun  der 
erste  Kranke  des  eweften  Hunderts  anch  an  derselben  Krankheit 
leide.  Diese  Wahrscheinlichkeit  ivürde  mich  bestimmen,  die  ' 
Brechnufs  inerst  als  Probemiitel  zu  reichen,  xtai  sie  wfirde  sich 
auch  wol  als  Heilmittel  ausweisen.  Sicherheit  der  Erkenninifa 
gew&hrttt  dieser  Wahrseheinlichkeittischlufs  aber  doch  nicht,  dena 
die  Leberkrankheit  dieses  ersten  Kranken  des  zweiten  Hnnderls 
konnte  ja  eine  Scbellkranl-,  Quassia-,  oder  Frauendislelleher- 
krankheit  sein;  in  den  Fftllen  würde  die  als  Probemittel  gegebene 
Brechnufs  sich  nicht  als  Heilmittel  ausweisen,  und  ich  genSthi- 
get  sein,  nitdere  Proben  anzustellen,  nm  zur  Erkenninifa  zn  ge- 
langen. Da  es  aber  nur  immer  Ausnahmen  von  der  Regel  sind, 
wenn  hei  einer  herrschenden  Krankbeil  die  Natur  derselben  in 
einzelnen  ergriffenen  Kitrptrn  von  der  erkannten  Norm  abweicht, 
so  liegt  gerade  in  der  Kfd enhami sehen  Lehre  von  der  epidemi- 
schen Conslituiion,  oder  vielmehr  in  der  praktischen  Anwendung 
derselben,  wie  ich  diese  vortrage,  (nicht  wie  sie  S^denham  vor- 
trügl )  die  gröfsie ,  dem  raiioRitilen  Empiriker  kaum  glaubliche  Ab- 
kürzung des  diagnostischen  Probeprozesses. 

Es  ist  doch  wahrlich  ein  grofser  Cnterschied ,  oh  ich  in  50 
ergriffenen  Körpern  die  Krankheit  bei  jedem  einzelnen  durch  mehre 
Bach  einaodAT  gereiohta  Proheniuel  erkennen  mufs,  oder  ob  bei 
49] das  erste  Probemiltel  sich  «cbon  nls  Heilmittel  ausweiset,  ich 
also  nur  bei  einem  einzigen  genöthiget  bin,  mehre  Probemiltel 
zu  reichen. 

Nun  wende  ich  mich  zn  der  zweiten  praktischen  Fol- 
gerung. Da  die  wahre  Erkenntnifs  der  Krankheit  nur  durch 
Prohearzeneien  kann  erlangt  werden,  so  ist  es  ganz  offenbar, 
dals  wir  höchst  anJdug  handeln,  iinsern  besten  heilmeisterischcn 
Vortheil  schwaobköpfig  ans  den  Händen  geben,  ^wenn  i^ir. s9l<;i]Q 

70'  ^ 


—    1204    — 

Arzeneien  »owenden,  wdche,  feindlich  den  Organismns  angrei- 
fend, eine  neue  küDKtliche  Krankheit  erregen.  Die  nicht  seilen 
lang  anhaltende  feindliche  Wirkung  solcher  Arzeneien  nmfs  ja  weit 
eher  die  Erkenntnifs  d«r  Krankheit  erschweren,  ja  nnrnftglich  ma- 
chen, als  befördern.  Die  Sache  scheint  mir  wirklich  so  sehr  ein- 
fach ,  eo  in  die  Angen  fallend ,  dafa  ich  einen  rechten  Schtiimeisier- 
sinn  verratben  würde,  wenn  ich  sie  weitlSufig  auslegen  wollte. 
Freilich  befinde  ich  mich  mit  dem  Geiste  anserer  Zeit  in  Ohsiand ; 
das  hat  aber  nichts  zu  bedeuten.  Der  Zeitgeist  ist  ein  wandelbarer, 
sperriger  Geist,  der,  wie  wir  alle  aus  der  Geschichte  wissen,  oft 
genug  dem  gesunden  Verstände  und  der  unzweifelhafien  Erfahrung 
widersprochen  hat. 

Dritte  praktische  Folgerung.  —  Da  wir  nur  durch 
einen  Probeprozefs  die  Natur  der  Krankheit,  zuweilen  auch  die 
Form  nur  durch  ihn  erkennen  können ;  die  von  dem  äufseren  Ein- 
wirkenden  and  von  den  Krankbeiiszuf^len  entnommenen  Gründe 
der  Wahrscheinlichkeit,  die  dazu  dienen  sollten,  den  Probepro- 
Kefs  abzukürzen,  zuweilen  gerade  zum  Gegenlheile,  sur  Verlän- 
gerung desselben  führen,  denn  das  Wahrschoinlicbste  ist  ja  mit- 
unter unwahr  und  das  Unwahrscheinlichste  wahr:  so  i&t  es  ganz 
offenbar,  dafs,  in  einzelnen  Fällen,  Krankheilen,  deren  Natur 
wir  probend  erforschen,  deren  Heilmittel  wir  also  noch  nicht 
kennen,  sich  selbst  überlassen  verschlimmeren  müssen,  und  da 
eine  Krankheit,  welche  verschlimmert,  auch  in  das  Allerschlimm- 
Stfl,  in  den  Tod  übergeben  kann,  so  ist  eben  so  unläugbar,  dafs 
zuweilen  in  dem  mit  eintfm  langweiligen  Probeprozesse  verbunde- 
nen Zeitverluste  der  Grund  des  Todes  Hegt,  so  dafs  wir  uns  hin- 
tenoacb  gestehen  müssen,  hKlIe  di»  erste,  oder  zweite  als  Pro- 
bemittel gereichte  Arzenei  sich  als  Heilmittel  ausgewiesen,  der 
Kranke  würde  bSchstwahrscheinlich  nicht  gestorben  sein.  Be- 
kanntlich hat  SydatAam  sich  diese  Wahrheit,  zwar  nicht  deut- 
lidi,  aber  doch  dunkel  gedacht  (sie  als  Praktiker  gefühlt)  and 
ist  ehrlich  genug  gewesen,  sie  in  seinen  Schriften  nnamwonden 
auszusprechen.  ")     Wenn  man  sich  nun  die  Schwierigkeit,    ja  in 


')  Hae  »allem  pr»  Mi^rrlv  Aateo  ex  antUpHei  ■  acCKrmtütfMwrmm  «AMTraM*- 
Kum  yUe,  prmetKelal  mtrterum  tpteitw,  pratlerlim  febret  caMiMim*  tta 
(Bio,  fiorf  a}«nt,  eotia  iifftTTe,  »I  qua  met/isdo  tKrreale  nana  megralot 
libiraverii,  eadem  ipta  aniia  jam  vtrtente  fortilan  e  .media  tollet:  gttod- 
gae ,  tiil  temel  in  genaiitmiB  ntdenii  ratinHem,  quam  ha*e ,  vtl  illa  fi- 
brit  tfeeiei  Mihi  vindicat,  aaipicml»  ineideriM,  ai  tuniewt  teapnm  colti-- 
ir  'III  (JkvMuU,  ut  fit,  opUtne  KumiHtJ  metam  quati  temper  atlingmm, 
■.litela  ad  temperamemltun ,  aetatem  et  reliqma  ejmmedi  aiqu»  quaqua  km- 
j;  donec  extineta  illa  Ipeeii  aocaque  gliicente  male,  aucept  rurtum 
liBereo ,  qua  mihi  Ha  intielendnnt  ■(  afgrii  tubreHiam,  ae  preinde  nitt  in- 
femtm  adAiÜta   eaatela  lKteitli$qtie   emmibia  aufm' 0en4li^P(Jr^in.9a    rix 


—  la»  — 

wmchen  FSlIsn  die  bare  Unmöglichkeit  einer  zeitigen  ErkennlnÜii 
deutlich  denkt,  so  denkt  man  rieh  anch  zugleich  dadurch  dent- 
lich,  daJs  die  Unmöglichkeit  einer  zeitigen  Erkenntnib  mit  der 
Unmöglichkeit  den  Tod  abzuhalten  Eins  i«;  mithin  kann  anch 
daa  zarteste  Gewiaien  in  solchen  Fällen  noi  Iteinen  Vorwurf 
machen. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  ^>er  mit  dmn  Arzte,  der,  die 
Schwierigkeit  und  die  Unmöglichkeit  der  ErkenDlnifs  nicht  deut- 
lich denkend,  gut  schaigläubig  mit  feindlichen  Mitteln  tollkühn 
hineiDfährt.  Wenn  der  auf  den  Gebranch  solcher  MiUel  offen- 
bare Verschlimmerung  eintreten  und  diese  in  den  Tod  übergeben 
siebet,  so  mufs  er  doch  wol,  wenn  sein  durch  Buch-  und  Schul- 
fessel  gestrammier  Verstand  auch  nur  von  Zeit  zu  Zeil  in  dunkler 
Ahnung  der  Wahrheit  aufzuckt,  an  die  Möglichkeit  denken,  dafs 
der  Kranke ,  wäre  er  nicht  so  feindlich  angegriffen ,  vielleicht 
dem  Tode  entgangen  sein  würde.  Wo  findet  nun  der  Beruhigung 
bei  solchem  ZweifeM 

Ich  bin  der  Meinung,  ein  praktischer  Arzt  mufa  die  mögli- 
chen Grenzen  des  ärztlichen  Wissens  sich  entweder  deutlich  den- 
ken, oder  blind-  und  dummgläubig  bis  an  das  Ende  seiner  Tage 
fortdusseln.  In  beiden  Stellungen  kann  er  glücklieb  leben;  aber 
nur  unglücklieb  in  der  Mitte  beider.  Hier  ist  das  \ebelreich  der 
Zweifelung,  wo  eine  dunkle  Ahnung  des  Wahren  den  in  den  nn- 
gpTiiessenen  Räumen  des  Ideellen  schweifenden ,  in  den  RundsprSa- 
gen  der  Sophisiik  kreiselnden  Versland  leise  mahnend,  aber  ver- 
gebeus  zu  den  Marken  des  Erkennbaren  zurückruft. 

I^iich,  meinen  jungen  Amtsbrüdern,  die  Ihr  bereits  in  Zwei- 
felung gefallen  seid,  oder  die  Ihr,  gleich  mir,  schon  als  Zweif- 
ler die  Hörsäle  Eurer  Meister  verliefst,  die  Ihr  das  Störende,  ja 
das  auf  Euer  sittliches  Gefühl  feindlich  Einwirkende  dieses  schwan- 
kenden Zostandes  durcfa  eigene  Erfahrung  kennet,  also  meine 
Rede  leider  nur  zu  gut  werdet  verstanden  haben.  Euch  gebe  ich 
folgenden  Rath.  Entreifst  Ench  muihig  der  Geislesträgheit,  in 
welche  der  menschliche  Versland  durch  unaufhörliches  Aufnehmen 
und  Bebrüten  fremder  Gedanken  versinken  mufs.  Tretet  allem 
Versiandhafien  der  Schullehrtf,  in  dem  Ihr  etwas  Unheimliches, 
Trngsch lässiges  ahnet,  dreist  entgegen;  entkleidet  es  von  aller 
dentschen,  lateinischen,  griechisohen  V^rpuppnng,  fuhrt  es  auf 
die  nackten  Scblufsformen  zurück,  so  werdet  Ihr  bald  gewahr 
werden,  dafs  Eures  natürlichen  Verstandes  dunkle  Verrichtungen, 
die  man  Ahnung,  Gefühl  zu  nennen  pflegt.  Euch  nicht  getäuscht 
haben;    denn  so   bald  Ihr  das   dunkel  Gedachte,    das  Geahnete, 


gniäe»   pomui    ^eere ,     n«  wm  aM  aller  torum,    fal  H  fi-imi  mame  e«. 
rat  tOHimitrriitt  vtta  ftrielittlur  ete.     Opme.  unittrta  inff.,  *  J ,  *j*Ci  O  Ü  0  I C 


—  i«w  — 

du  GefBKhe  inr  miubeilbarro  Klarheit  gebracht,  werdet  Ihr  w<A 
anf  adobe  Herrlichkeiten  itolseil,  die  bei  des  Dialektikern  Cir- 
cmltt»  in  dtMonttranJo ,  petiti»  prineipii,  contradielia  in  adject» 
faeifaen.  Vcraweifdte  Oioger!  die  nackt  keinen  Bierblichen  Mbd- 
■chen  tauchen,  aber  in  den  altertbiimliclien,  ebrwSrdigen  Ge- 
lahrlenmaniel  gebüllet,  auch  wol  einen  verständigen  Maan  ver- 
lollen  können.  Bmcon  von  Vtrttlam  eagi :  Oporttt  di»eentem  cre- 
dere,  verum  jum  edoctwm  Judicio  «ve  w/t,  quia  diicipuli  dehettt 
magitirii  mi*  temp»rariam  to/nmmod»  ßdtm  judiciigue  »tuptnaio- 
Mem,  donec  penilu*  tM&neriRf  arte»,  no»  tiutem  pteiutm  liAtrtu- 
tif  ^mrmtienem  perpetummqug  ^en^i  tervitutam. 


itv  Google 


—    «07    - 


Achtes    Mapitel. 

TermlMht«  CieAtttMeii  «di«  hrtaic«  WWK  an-  «tew 
LeMr.  •) 

Begegnung  einiger  Einwendungen,    die  mmn  gegen 

meine  Kritik   der  tckufreckten  Lehre  und  gegen 

die  geheimärttliehe  Lehre  machen  hSnnte. 

-l^«Gkd«ni  ich  j«tEl  di«  paktiich«  Uaienacbang  d^r  geheim- 
ärzllicboD  Lehre  iM«b  meiDaBi.  besun  Wisseji  miigeiheilt,  so  mnfi 
ich  nach,  den  ■pwrigen  Ventaiul  «lieber  Leier  in  bembigen, 
zweien  EinwcDdungen ,  die  man  mir  machen  könnte,  begegnen. 
Man  könni4  erMens  der  Behauptung^  dala  alle  schaliechte  Lehr« 
von  einer  aamafalicben  Kenntnilii  dea  belebtes  Mbnacbenleibei  an»- 
gehe,  in  wideraprecben  vcnuchen.  leb  will  denen,  die  diesen 
Venach  au  machen  gesonnen  sein  mächten ,  nicht  die  verfBng- 
liohe  Bitie  vorlegen,  mir  mit  wenigen,  einfachen  und  denilichen 
Worlea  den  Punkt  >u  bestimmen.,  von  dem  denn  eigeoilich  die 
Gedanken  folge,  die  sie  raiionellenipirische  Heillehre  nennen,  aus- 
gebe. Da  ich  nicht  als  scbriftslelleriacher  Klopffechter  gegen  die 
Bchulrechten  Aerzte  zu  Felde  siehe,  soadeni  als  Fraund  mit  ih- 
nen plaudere ,  lo  wird  es  meiner  SieünDg  wol  weit  angemesseoer 
•ein,  dafs  ich,  statt  den  Zweiter«  rerAagliehe  Bitten  oder  Fra- 
gen vorsulegeit,  sie  freandschaftUefa  auf  Folgende«  aufmerksam 
mache. 

Wena  icfa  behaupte,  alle  achnlrecfate  Lehr«  gründe  sich  auf 


*)  In  diiHiai  Kapital  worda  icli  ibar  aageha  GefSMÜti'a ,  tbd  denan  In  Vori- 
§ea  4ie  Heda  faweieB ,  MLanUtrikbar  ■«!■«  Aniichlea  Btltbaitsi ,  all  ditiea 
rrnhar,  ohoa  dao  6>ng  der  pr*kt!«cb«B  UaterMcbmK  (ir  u  «abr  la  itlhvD, 
Mitta  fBMb«keD  kJjDDen.  Dh  iwiscbgo  dieiM  Gadankaa  keia  nathwendiger 
ZMuntasbasg  Statt  Godal ,  m  nag  ieh  mir  «icb  keia«  Müba  gEb«a ,  %it  ia 
aias  Mkaiahara  Ordkooi  ■■  swingaa ,  aoadara  werde  vielnakr  dnrek  Ab^ 
wachMluq  dm  Leaar  h  lelcrhelleB  Meb«e.  Dülc 


—    1808    — 

eine  angemafste  Keantnifs  dei  beleblen  MenBehenletbes ,  ao  be- 
haupte ich  doch  dadarch  nicht,  dab  alle  Erfinder  nad  Verbreiter 
scbalrechler  Theorien  dieiea  AaBganppnnkl  ibrer  heiilebrigeD 
Gedankenfolge  mit  deutlicheo  Worteo  bestimmt  aa^zeigt  bBiten. 
leb  weifa  recht  gut,  dafi  «ie  das  nicbigelhan;  aber,  darin  steckt 
gerade  das  Tnigiehlüsiige ,  dafs  lie  schweigend  von  dem 
Punkte  ansgehen.  Ich  raibe  jedem,  die  verschiedenen  Theorien, 
von  der  Galeniscben  bis  auf  die  nenste,  aus  diesem  Gesicbta- 
pnnkte  eu  betrachten ,  so  wird  er  sich  von  dem  Gesagten  so  gut 
fiberzeugen  aU  icb  mich  davon  überxeagt  habe. ') 

Dafs  anaere  VeratandesverrjkhtiingeD  tob  einem  Pankte  ans- 
gehen können,  den  wir  verschweigen,  ja  den  wir  ans  selbst 
nicht  eiomahl  deutlich  denken,  beweisen  am  besten  die  mancher- 
lei Vers  landes  verrieb  tun  g  en ,  denen  der  Ursacblichkeitssaix  mm 
Grunde  liegt,  ohne  dafs  dieser  bestimmt  als  Basis  der  Verricb- 
tnng  angegeben  wird.  Ja  oben  habe  ich  gezeigt,  dafs  das  das 
vielhevprockene  Problem  über  die  ZurecbnHngsf%higkcit  der  Ein- 
irren einem  höheren  Problem  untergeordnet  nnd  in  ihm  enthalten 
sei ,  welches  zn  lösen ,  dem  reeascblichen  Verstände  unrnSglicfa 
sein  wird.  Man  ist  bei  diesen  Besprechungen  also  schweigend 
von  dem  Satze  ausgegangen ,  dafs  das  höhere  Problem  lösbar  sei. 
Wäre  man  nicht  schwelgend  von  diesem  Salze  ansgegangen,  so 
hatte  man  sich  tinmoglich  3ber  die  Lösbarkeit  des  untergeordne- 
ten Problems  ernsthaft  besprechen  können. 

Wenn  Ich  aber  sage,  dafs  in  solchen  Besprechungen,  oder 
Theorien,  oder  Heiitehren,  etwas  TnigschMssiges  liege,  so  bin 
icb  weit  entfernt,  dadurch  zu  behanplen ,  dafs  diejenigen,  die 
dergleichen  Gegenstände  der  Beiiprechang  auf  die  Babn  bringen, 
es  mit  deuilicfaem  Bewufstsein  des  darin  liegenden  Sophistischen 
nnd  in  der  Absicht  thnn,  die  Köpfe  der  Aerzte  zn  verwirren,  ich 
bin  vielmehr  überzeugt,  dafs  sie  sich  selbst  tauschen.  Gerade 
solche  Behauptongen,  in  denen  etwas  verdeckt  Trogschlüssiget 
steckt,  sind  die  Gegenstfinde,  worüber  man  sich  am  neisten  ia 
der  Medizin  besprochen  hat.  Begreiflieh  kennte  man,  wurde 
nicht  das  Sophistische  klar  aufgedeckt,  bis  In  all«  Ewigkeit  fSr 
nnd  wider  zanken ,  ohne  je  anfs  Rein«  zn  kommen.  Danim  sind 
auch  die  Gefechte  der  Aerzte  nicht  durch  die  Niederlage  des  einen 
oder  des  anderen  Theites   beendiget,    sondern   die  Parteien  sind 


*)  in  neiBvr  hgtti  h*t  ktioer  ■«iscr  SDinrtiiMMk«*  Hriilsr  nir  den  klares 
Begriff  der  icbalreeht  rationaUBiDpiriichen  Hcill«bre  bntinmt;  ich  nahm  den 
Hkr  nnklnrea  mit  naah  HasM :  tia  isi  aina  Lebi-a ,  ii  dar  viel  kraai  nnd 
qier  riUonairt  werde.  Wu  diejenige  Bapirir ,  der  ■■■  dai  Beihgawnt 
raltenell  akkt  gab,  nnd  Welobe  man  ili  Gagantati  dar  ratlenellaa  be- 
tracbtita,  eigeillicb  sei,  da«**  but«  kh  aaeh  keinen  klares  degriff. 


—    IWB    — 

4m  FechteH  mnia  fewoH«ii ,  oder  die  Leser  Bipd  det  LeMSs 
OMid»  gewMdMi,  und  so  ist  der  GegtaMand  reraltet  und  abge- 
«orben. 

Ein«  aad«re  Einwcadiwg,  die  mae  mir  nSgliob  nucben  könn. 
te,  itt  folgende. 

Maa  könnte  sagen:  aach  ich  mafse  mir  eine  Kenotnifs  des 
belebten  Menschenleibes  an.  leb  acble  genau  auf  das  Miigefiihl 
der  Organe  nnier  einander,  ich  unterscheide  selbstsländige  Organ- 
krankheiten von  mitleidücben. ,  Ich  achte  auf  den  Antagonismus, 
der  iwitchen  den  einzelaen  Organen,  und  auf  den,  der  zwischen 
dem  tfanaen  des  Leibes  und  jedem  EinseWgane  Statt  habe.  Das 
«ei  nicht  blofs  eins  Kenntnifs  des  Organismus,  die  kb  als  Prnnk- 
atjick  sur  Schau  aushänge,  sondern  ohne  diese  Kenntnifs  sei  die 
Labre,  die  ich  bekenne,  swar  oiclu  ga»  unanHeodhar ,  werde 
aber  doch  nur  hAcbat  nuTollkommDe  praktische  Ergebnime  liefer». 

Auf  diese  Einwendung  erwiedere  ich  Folgendes.  Dafs  die 
allen  Gebelmärat«  diejenige  Kenntnifs  des  beiebleo  Meaechentei- 
bes,  welche  wir  durch  Tergleicheode  Beobachtungen .  su  erwerben 
befSbiget  sind,  nicht  vwtraifen,  hnbe  ich  schon  im  ersten  Ka- 
pitel durch  eiae  Stelle  aus  Hoiemitim»  J^ohriflen  bewiesen;  ja 
iob  bin  srilut  iil»ecseugt,  dais  gerade  die  gebeiuiRr  st  liebe  Lehre 
den  Arst  weit,  weit  besser,  als  die  schiilrechie,  sum  eigentl^ 
eben  Naturbeobqchier  bildet.  Man  mi^  aber  hier  die  reine  Be- 
obachtung von  der  unreineiL  nnlersoheiden.  Sobald  die  Beobac^ 
tvag  mit  etwas  vermischt  ist,  was  elcb  nicht  sinnlich  wahrne^ 
raen  lifst,  so  kann  dieser  fremdartige  Zosais  anr  etwas  Wage- 
saiurtigee,  auf  einer  angemafsien  Kennlnifs  des  inneren  Vorgaa- 
ges  in  dem  Organismas  Beruhcadea  sein ,  -und  diesen  fremdartigen 
Zasalx  verwirft  die  gebeim&ratliche  Lehre.  Ein  Beispiel  wird  die- 
Ms  deutlich  machen. 

Durch  die  hlofs  vargleieheade  Beobaohloag  kfinnen  wir  den  Anla- 
gonisnuis,  der  iwiscben  den  Gänsen  des  Organismus  und  jede« 
einselnen  Organ  Statt  bat,  wabmebmen ;  denn  wir  sehen,  nicht  sel- 
lao,  sondern  in  vielen  Füllen,  dafs  ein  feindliches  Aagreireo  des 
ganxea  Organiamo«,  geschehe  es  durch  Quecksilber,  oder  dnreh 
wiederholte  Aderlässe,  »der  durch  Hunger,  oder  durch  manohei^ 
lei  giftige  Substanaen,  ein  erkranktes  Organ  sum  Nornaaktande 
inrückführt.  Was  wir  hier  beobachten,  sind  «innlicfa  wahrnehm- 
bare Thatsachen,  denn  sowohl  das  feindliche  A ngegtiffensein  des 
puuen  Organismus  ist  sinnlich  wahrnehmbar,  als  auch  das  Ge- 
inndwerden  des  kranken  Organs.  Wollten  wir  nun  aber  eine£r- 
kUrung  darüber  wagen,  wie  das  feindliche  Angreifen  des  gansen 
Körpers  ein  erkranktes  Organ  gesund  mache,  und  diese  ErhlA- 
niug  mit  der  Beobachtung  mischen,  so  wurde  die  Beobachtung 
dadurch  anrein   werden;    denit  noaere  £rklfirnii|r  fiber  das  Wie 


—    ftlO    - 

Am  GeanndmaBheiM  linfi  doch  lulMit  >nf  «iMm  -hlofii  HjpotbetW 
•cbe«  hillaas.  Diu«  V«raitchatig  dm  Hjj^ihetiBehcB  mit  4cr 
BeobachiuDg,  daren  sich  vod  jeher  die  «cbulreehten  AersM  aebnl- 
$ig  gemneht,  hat  im  F«ttMhnil«a  d«r  KoaM  suf  mtglivlMQ  Ans- 
bildung  mächtig  gehviunil. 


Der   Arzt  alt    Beobachter. 

Mmi  faM  Ton  jeher  behaupiet,  der  Am  müMe  Beabaohnr 
«ein;  je,  wmid  iubd  »hieo  ArsI  preieaa  woHte,  naiinte  man  ibo 
eitieD  HipfolsMiiohen  Beobachter.  Ich  habe  isir  ia  rneiner  Ja- 
gend schon  den  K«f  f  lefbrvchen ,  welohvii  B^iff  men  dooli  wit 
den  Intliofaea  Be»bm>hMo  verbiade.  Meines  EiachuBB  köaBea 
wir  nur  folg«ade  drei  Dinge  beobachteii : 

1)  Die  Zoftllfl  und  den  Verlaof  derKfMkhdt,  ihren  g^öck- 
Heben,   oder  Dnglnf4cliehMi  Aoegang. 

S)  Die  Heilwirknng  der  Organnittel  mf  Aw  Oi^ane,  vmA 
die  der  Uni  versa! mittel  auf  des  gmzea  Orgenisiaus. 

3  )  Den  Orga»iimos  selbst  io  aeioeni  Kampf«  gegea  die  Knwk- 
helt. 

Die  erste.  Art  4er  Beohaebtiing  ist  die  HippokraÜBcfae^  Sn 
het,  so  viel  ich  die  Sache  durch  Krfabmng  erkaadcS,  UtA  eiaea 
NDtergeerdBeien  WerUi,  den  man  jedoch  nicht  gar  an  gtneg  aa- 
ecMagen  darf.  Qen  hMiptaftchlicfaelen  Nutsen  gewährt  sie  «olWi 
harrachenden  Krankfaeitea.  Jede  dieser  Krankheiieo  hat,  hiastcb»- 
Ircb  ihrer  ZiiAlle,  grMere,  oder  feiaervEigfeaihäiiUichkeilen;  wet 
au  faal  ist,  sich  durch  genaue  BesbackiaDg  isit  diesen  bekaant 
zu  machen ,  wer  durch  allerlei  Künste  sich  die  Masse  dea  Vallns 
vom  Leibe  hält  und  aas  Geis  blofe  dem  aride  derRetchea  imch* 
liuft,  der  urtbeilt  suweilcn  über  eiae  sol«ln'KrBtikheit  wie  4er 
Blinde  von  den  Farben.  Was  aber  auch'  der  fleifoig«ie  Beohaab 
ler  iD  dieser  Hinsicht  erforscht,  and  weichen  Nutzen  es  fnr  Ika, 
so  lange  die  Krankheit  herrscht,  haben  mag,  der  Vonheil  ist 
doch  iamier  nur  ein  zeitlicher,  der  ihn»  vielleicht  nie  wieder  aa 
Suiten  kommt;  denn  die  Kranktieiteo  rerftndera  darcb  die  Zeit, 
darum  findet  der  Praktiker  aVch  Die  der  Beobachtung  Ende. 

Die  aneita  Art  der  Beobaebtong  hat  den  Zweck,  die  HmI- 
wirkni^  der  Arseneimiitel  ia  erforschen,  and  diese  gewiiwt  dsH 
Praktiker  bleibenden  Nntaen.  Hiosichtlidi  der  Orgaakeiinmiel 
kann  die  Kunst  kranke  Menschen  gesund  an  machen  noch  sehr 
vetvollkonininet  werden.  Das  mögliche  Ziel  dieser  Vervollkomta- 
nung  wage  ich  aber  nicht  zu  beitimRieo.  Wer  das,  was  ich  ia 
den   leuten  zwanzig  Jahren    in  diesem  Pnakle  geleiatet,    als  das 


—    Uli    — 

HSchale  nmeb««  woUte,  «m  auf  d*a  W»g«  der  Bmbachlaag  n 
•vrin^D  tm,  der  w6rda  wahilieh  uhr  anbillig  nrtbeileD.  loh 
habe  ja  ia  dicaer  Zeit  die  ^bahulinilicbe  Lehre  lernen,  sie  iibca^ 
■ad  nioh  uabeobei  van  meiner  Venia  DJeiverkiäp  pal  nag  faeilea 
nriistan:  aUo  nafa  daa  von  mir  Erwaibeae,  tnii  deai,  waa  aoofa 
erworben  werden  kaan  Tergiickeo,    gering  seia. 

Die  drille  Art  der  Beobachtung  hat  den  Zweck,  gewiaae  att- 
gemeine ,  für  die  Praiia  brauchbare  Sftize ,  in  Betreff  der  gefaeini- 
DiBsvollea  Verrichtungen  dea  kranken  Organitmos,  entweder  be- 
aiätiget  XU  leben  wean  sie  bekannt  sind ,  oder  aonoch  unbekannte 
ansantnittelo »  oder  halfabekaanta  ndglichst  zu  verTolUtändigen. 
Wollten  wir  nni  aber  beigehen  lassen,  solche  allgemeine  Abzüge 
onserer  Beobwhtmge»  fit  wirkliobe  Naturgaeaise  anzuariiaa,  die 
unsere  Weishalt  «rgviiodet,  ae  würdaa  wir  dadumb  «oe  gro&e 
ScfawacfakSpfigkeit  Tavrathett.  AKerdiaga  mfiaaaa  sieh  solche  all- 
gemeine Abzüge  unserer  BeobacbtuageB  auf  aowandelbare  Naluib 
gesetze  gründen;  die  Geaetze  seibat  liegen  aber  doeb  jeaseits  der 
Grenzen  unserer  Erkenntnifs.  Die  Abzüge  unserer  BeobacfatungeD 
betreffen  bloTs  die  Möglichkeit  gewiawr  Verinderangea  Im  kran- 
ken KKrper;  aprScben  ats  wirkliche  Natavgeselze  «aa,  so  würden 
wir  durch  dieselben  befkhiget  sein,  die  Noihweadigkeit  jener  Vet- 
Sndernngen  einaosehea  and  sie  Terhar  u  bestimmen;  in  walchem 
Ponkre  es  aber  niA  aiHer  aller  Meiaieraohaft  wol  etwas  windig 
ansseben  m9ebte. 

Ein  Beispiel  mag  dieaea  dentlich  machen.  Wir  wiism  dateh 
Tei^Ieichende  Beobachtangea,  weleh«  Oi^n«  nritleidUch  durch 
die  UrerkrankuDg  eines  Organs  hSiwan  ergriffen  werden.  Wir 
wissen ,  dafs  jbde  milleidliehe  Erkrankung  eines  Organa  aa«  Ur- 
leiden desselben  sich  umgeaiahan  kaan.  Wir  wisaen,  dafs  die 
Urerkraidtnng  eines  Organs  sidi  mit  eiaer  Urerkradkong  des  Ga- 
aammtorganismus  mischen  kann.  Wir  wissen ,  dafs  die  Urerkraii- 
kmg  eines  Organa  siob  eioaig  4nrcb  raitleidliBh»  &kraiikung  an- 
derer Organe  offenbaren  kann.  Salclie  und  Shnliofas  Abzüge  un- 
aerer  Beobacbtuagen  enthatten  aber  niehta  als  ein  blofsas  Kön- 
nen, nicht  ein  MSssaih  Sprächen  sie  Natorgeselno  ans,  ao 
wfirden  wir  befKbigat  sei»,  m  bastimlneD:  In  den  Kikpern  A.  B. 
C>,  deren  Leber  nrerkrankt'  ist,  mufs  in  A  die  Lunge,  in  B  dar 
Darrokanal,  in  C  das  Gehirn  mitleidlich  erkranken.  In  dem  Zeit- 
punkte X  wird  bei  A  nnd  B  das  Coneensuelle  noch  conseasaell 
sein ,  bei  C  aber  wird-  in  diesem  Zeitponkt  daa  Consenaaetl«  sich 
«am  Urleiden  «mwandaln. 

Obgleich  aber  die  Abzüge  unserer  Beobachtungen  nicht  Na- 
turgesetze aussprechen,  so  sind  sie  doch  für  den  praktischen  Arzt 
von  anberechenbarem  Nutzen.  Denkt  sich  ein  Schachspieler  bei 
dem  Vataebieben  einer  Fignr  nicht  jettesnaU  aUe  mögliche  Züc^ 


—    Ult    - 

die  der  Gegner  gegen  ihn  machen  kann ,  ao  iM  er  ein  s«Uecfa(ef 
Spieler.  Wir  Aertte  Rpielen  aaeb  Sohneh  mit  der  Naiar;  wolle« 
wir  erlriglich  giit  spielen,  so  rnüiten  wir  bei  all«in,  wa*  wir 
thnn,  vas  denllicb  die  mdgltchen  Zöge  denken,  die  unaere  Ge- 
genapielerinn  machea  kann.  Nur  die  Abauaktioaea  aoser^  Be- 
obachtnagen  dea  erkrankten  Orga>itmm  befilbigeo  naa  xu  dieoen 
deutKdien  Deakea. 


Welche     Vortkeilt   für  die    Anthitdung    der    X^rntt 
liegen  in  der  geheimSratlicheH  Lehret 

1)  Sie  bildet  dea  Antt  anm  Beobaobter;  üe  mahot  iha  nicht 
Mail,   di«  Natur  au  beobacbten,  aendem  sie  awiogt  ibn  dKan. 

2)  Sie  bewahret  seinen  Kopf  vor  allen  A  hieb  weif ungea  in 
da*  nnermeuliefae  Reich  im  IdeellsD. 

3)  Sie  Im  die  vollkommeaate  GegeaffifaleriDO  der  rohea  Eia- 
pirifl. 

4)  Olme  gerade  daa  gegneriagbe  Heileo  ganx  sa  verwerfea, 
mahaet  sie  des  Arat,  der  Katar  in  ihren  direkten,  nafeindlicheo 
Ueilungeo  nacbmahinen.    . 

5)  Weil  sie  keine  PhnntaaiekaiegoiiPB ,  aoodem  Dar  Wirk- 
lichkeitikategorieo  aaerkenni,  befähiget  aie  den  Arst  weit  bester, 
die  Natur  chronischer  Hebel  xu  erkennen,  all  irgend  eioe  JKiiaJ- 
lehre. 

6).  Oa  der  grSfate  Tbeil  der  akniea  Fieber,  oicbt  tod  Icm 
Urergritfenaein  dea  tieawamtOfganieiauB ,  aonderB  tod  dem  Ürer- 
griÜeneein  eines  einsolnen  Organa  mitleidtieh  abhängt,  die  ge- 
beiuiärziliche  Lehre  den  Arat  awisgt,  daa  urerkrnakie  Organ  auf- 
aosuefaen:  a»  liegt  in  dieser  Lehre  die  wirkliebe  Ueilaog  der  aku- 
ten Fieber. 

7)  Da  sie  von  den  Einzfelbdien  der  Erfahning  nicht  (wis.alle 
Sehnllehren)  ganz,  oder  halbideelle,  sondern  nnr  reale  Ahctrak* 
liooen  nacfal,  ao  muJa  die  erworbene  Erfahrung  ihrer  Bekenner 
voUkemmen  mittheilbar,  und  nach  tausend  Jahren  noch  eben  so 
verstSodlicb  und  belehrend  sein,  als  au  der  Zeit,  da  sie  milge- 
geiheilt  wurde«  "i 


•)  Kant  m»  i»*  aach  ron  dar  Seh  ■Hehr«  bchaiplaD*  Ich  Mge,  Naia.  Haiaa 
Bakaeptaa«  atötzt  iich  aloht  aaf  eia  Wühaea  aad  Heiaea ,  laadara  asf  fal- 
lendau  IhaUäcblichSD  Wacliaeltclilafi.  Bi  haban,  *anuglicb  leil  dan  Var- 
falle  der  GaliDiicbia  Labre ,  («r  viala  raratlbdiBB  praktiicba  Aenta  ver- 
aaeht,  ddi  durch  Mitlheilao;  ihrer  Errahrani;  ca  beJebrea.  Wäre  ibre  Br- 
rafarong  mitlrlit  der  Lebre,  die  lie  bebannt ,  wirklieb  niltbeilbar  geweica, 
■0  mar«te  entweder  die  Medizin'  icben  vor  inier  aller  Gebart,  die  wir  jelit 
lebea  aad  ina  Aerit«  BMaas,  an  Uebtea  PaakM  bCiII«*«-  Vallnrfaaf  «c- 


—    IÄ13    — 

Wird    die    gektiuärztliche  Lehrt    in   einem   kSnftif 

gen  Punkte   der  Zeit    van   der  Mehrzahl   der  Aerxte 

all   ver»tnnde»rechl  und /Sr   die   U.eiung   der  Kun»t 

al»  vorzüglich  irauchbar  anerkannt  teerdenf 

DarÜb«r  Urat  sieb  für  nnd  wider  sprechen.  Hat  man  blori 
den  menschlichen  Verstand  im  Ange,  so  mufs  man  die  Frage 
unbedenklich  bejahen;,  denn  was  dunkül  in  dem  Verstände  der 
Menseben  liegt,  das  wird  beslimmf ,  frOher  oder  spHter,  von  dem 
einen  oder  dfm  andern  znf  miitheitbaren  Klarheit  gebrx^i,  An- 
klang in  maochen  Köpfen  finden.  Ob  aber- nach  hnodert  oder 
anderibalbhundert  Jahren  die  geheimüratliGhe  Lehre  tod  der  Mehr- 
zahl der  Aerxte  als  eine  verstandesrechte  nnd  für  die  Uebnng 
der  Kunst  Torzdglich  brauchbare  wird  anerkannt  werden,  das 
Ififst  sich  nicht  vorhersagen.  Um  zu  diesem  Vorhersagen  beflihi- 
get  zu  sein,  miifste  mao  wissen,  wie  in  dieser  künftigen  Zeit 
die  Sietlting  der  Aerzte  zu  der  Masse  der  SiantsbSrger  und  zn 
der  Staatsgewalt  sich  wßrde  verändert  haben.  Sie  ist  früher  an- 
ders gewesen  als  jetzt,  und  wird  auch  künftig  anders  sein  als 
jetzt,  denn  alle  menschliche  Einrichtungen  sind  veränderlich!  nur 
wenn  sie  hesser  sein  wird  als  jetzt,  werden  dia  Aerzte  im  All- 
gemeinen mehr  Belang  dabei  finden  als  jetzt,  die  Medizin  zu  ei- 
nem echten,  auf  Erfabmng  basirten  Veraundeageschfifte  za  er- 
heben. ') 

Uagt  MÜ ;  ader  wir  ails  amUien  fiole  Büacbe  und  raehlMB  GiBiell«a  leia, 
di«  ei  varuhmiiksl,  4ie  Erfefarua|  suerer  Vor|iLB|er  nni  iiunBi^aami  odar 
et  mafi  «o  sich  naBSsIich  «cU ,  TarniUtlit  der  SchalJsbre  intUchB  Brfeb- 
riBf  lim  BiUatheilea ,  data  die  BetWilteo  befShisal  warden ,  dai  Hilselhellte 
■an  Htile  ihrer  Hranken  richliir  eb  letratacn  :  da  ich  non  DiuBÖ(lich  insebea 
kaaa,  dafi  diB  Aenta  natcrar  Zeit  ti^e  Getellen  aied,  and  ehe«  lo  wtüf 
ni(abea  kaaa ,  dalit  die  Kaait  kraalLe  ÜBuclieB  fetaui  ts  maehca  lieh  ge- 
geair8rti|  auf  den  hGciitaa  Paakli  mSglicher  Vollkomaeaheit  befiada  ( d!« 
MaBge  WD  Büchern  and  JoaraalaarBÜlKa  ,  welche  aoB,  van  Id-  bdiI  Aat- 
Usde ,  die  Cegeawart  ligKeh  bietel ,  and  die  doch  iSomllicb  daza  dicnea 
aoUta,  die  Hediiia  in  vervallilHiniien ,  8f riebt  ja  whtigaad  daftgea):  an 
■ur*  ich  dea  latctea  Stti  far  wahr  hailea ,  BÜnlich ,  dal*  da«  MiUbcileii  der 
■riUieben  ErfalirBng  durch  die  Scballabre,  dai  lieirtt,  durch  ciae  auf  «nge- 
Bafita  Kanatiiifi  dei  balablea  UeDichealaibEi  bajirle  Lehra  BDuSglich  ist, 
■an  weaicitea  aar  bBchit  anvollkeninao  geicbaben  iaan. 
■)  fir.  CAr.  B.  FiieÄer  In  der  SehlatkaamarkanK  «eiaer  Aaimge  einei  prakli. 
aehea  Werkea  *ea  B.  Travfrt  {HmfHumdi  Blhliatbek  lUQ  ,  HalbeR  Seile 
943)  Hgt:  „De(  Haaptgroad  der  loaet  to  aaavhürtaa  Aafklüraag  (Ver- 
,,da  akalaa  e),  Bcreicberang  {Vararmaag)  oad  VeraahGaerDBg  (Bat- 
,,*lel  iuBf )  der  beilkaadigeB  WineaacbaTt  bleibt  aber  iaioier  die  jeliiga  bb- 
„■äbige  VemehranB  der  Aerate ,  wuher  die  jangea  iBsabl,  Bit  aBfallendaB 
„uad  aDBTbSrtcD  Batdackasgen  ,  Hathedea  Bad  VciaBaullBagea  annretaa  aad 
„Ani'MkBB  naabea ,  die  Aliea  aber  lan  Ttatil   sieht  ■BräekhMhaii  n  dHrTea 


—    «14    — 

Aerzte  und  Publikum  bilden  tick  g^genieifig. 

ParacefttH  sagt  von  <)co  Aerzten  »tner  Zeil:  Alio  haben 
■  ie  die  Leute  genarrel,  ialu  diese  ganz  in  dem  Glau- 
ben lind,  freundlich  liebkos  leben,  Federklaoben, 
Zntnieln,  viel  grammansen  sei  die  Kanat  und  die 
Arzenei.  Diese  Stelle  wird  gewiA  mancher  gelesen  haben,  oho* 
ibren  tiefes  Sinn  zn  erfassen.  Die  Aerzte  bilden  sich  ihr  Pnbli- 
kam;  das  bei&t,  sie  lehren  es  gewisse  medizinische  Worte  nach- 
aprechea,  mit  deaen  es  keine  deulliche  Begriffe  verbindet,  sin 
gewöhnen  es  ao  gewisse  Kuraneo,  an  gewiss»  diätetische  Regeln 
u.  d.  g.  Tritt  nun  cinmnhl  unter  diesen  ärztlich  abgerichieien 
Leuiw)  ein  Mann  auf,  der  mehr  Verstand  bat  als  seine  Kellegen, 
«ad  der  Anders  spricht  und  kurirt  als  sie,  so  siehet  man  ihn  ent- 
weder für  eioea  Unwissenden,  oder  für  einen  Pbaniasien  an, 
«nd  will  er  nicht  verhungern,  so  mufs  er  sich  schon  bald  beque- 
men, wi«  das  Sprichwart  sagt,  mit  den  Wolfen  zu  healen.  In 
dieser  gegenseitigen  Bildung  liegt  der  Grand,  dafs  manche  Aerzte, 
denen  die  Natur  ansgezeichnete  Geisteagaben  rerliehep,  wenn  sie 
lange  noibgedrungen  mit  den  WSlfen  geheult,  sieb  gar  bald  tto 
an  das  Wolfshenlen  gewöhnen,  dafa  sie  das  verständige  Denken, 
Sprechen  und  Schreiben  gans  verlernea. 

,,|l»b«a  bIm««,    wesB  ile  sieht  von  idbtt   H  4i«i«B  Gtlianel  SM  ■■■- 
„■igfaehea  iDtrawe,    «ach  itr  ElUlknltf  Lut  htbea." 

Dal  Herren  Fi$thtr  ahap  eicht  cckvelchalhene  Einecbeltansei  bei  des 
Würtere  AnHiiSriiDK ,  Bereicberne^ ,  VenebSnerDes  Kbeleen  air  soiadaaleB, 
Mt  er  mit  nnaerer  Jetii{en  Literitsr  nicht  sonderiieb  lafriedea  iit.  Ich 
(liDbe  ■ber ,  AtU  du  Getbmniel  ( wie  Herr  F.  du  titcrlirisete  Weirreaaea 
■aeh  Wehrbeit  ncDiiet)  nie  lu  ilart  Werden  keae  ,  deno  Je  illrber  ee  wird, 
an  lo  beider  raor>  ei  eich  benibigei.  Unverkeanbsr  beledet  ilch  Jelil  die 
Heditlp  In  eineai  Ueberfinpinilende,  est  welcbea  der  (nlllebe  Ventanj 
frSber  oder  ipiter  gelMutert  bervorgeheB ,  «Bd  begreireB  wird ,  dib  kelBB 
TOB  einen  anerkannbareii  PoBkle  austbesde '  b«ll«bri|te  GedaakeBfal^  prak- 
tltches  WerLh  heben  kann.  Uebrigen«  ilelle  iob  alebt  ia  Abrede,  dafi  die 
jelEign  BBSiliniKo  VernebrnBg  der  Aerate  Bach  dai  Ihrige  ist  Varnehraaf  des 
6elimmBl(  bettrigt;  mir  lit  dai  aber,  wall  ieh  ia  dar  tomaligeB  Zeit  die 
BBrgiebart  elaer  betfereo,  TeralladigereB  tehe,  daraitDt  Bioht  aaetGfiig, 
■ondera  vielmebr  erfrealieh.  —  Da*  AIlBrlbatn  (agte,  die  Naefal  vor  der 
Criait  lei  narahig;  wir  befladeo  "dbi  Jetil  «aeb  in  aiaer  aolcb  anrvbigea 
Haulit:  aber  leider  werdea  die  AageB  BHer  derer,  die  aalwader  lelbit  ia 
den  GelUDBel  beiehlAtget  lind  ,  oder  derer,  die,  sieht  darin  beicbifti^t. 
Mit  italieai,  «dbdg sralligem ,  oder  nil  TerAeUaadwi ,  oder  nlt  hGhaiMbeB, 
■atiriKbaa  Blicke  Ia  dBe  GetÜBBel  lefcsaBB ,  laage  be**r  der  noea  Ti(  graDet 
Ten  Todeeoktafe  geiaUoM«!  eeia.  Wir,  die  wir  saaer Zeitaltar  wader  nb«r- 
•ebittea  noch  geriagtohÜtieB ,  wbIIbb  bdi  mit  Moses  trauen  ,  der  Tierxig 
Jabra ,  dorch  nnwirlbbare  Wägt««  wanderad ,  das  f ehible  Lasd  enehte  and 
doob    sieht   bineiakaai,    lOBdera  ee  aar  vob  einem  bobea  Berge  io  der  Ferne 

sah  eod  dasi  bagrabea  ward«.  _ ,  ,  .  _ 

O 


Veher   dit   Binderniite,     die   die    VervollhommnuHg 
der  Kuutt  verzSgern, 

E«  üt  eia  uDgebetver  Gedankfl,  all«  dies«  Üindernisw ,  ja 
■Dr  4i«  vornchmaieD  grändlich  aufsudecken.  Wer  Ut  ilnsu  befä- 
hig«! I  —  Ich  baitimmt  nicht,  and  diejeaigen  «ben  so  wenig,  ja 
wot  noch  weniger,  die  mit  der  Livree  der  Zeit  pmoken.  Ich 
habe  mancha«  über  dies«*  Gegentiaad  an«  aller  und  neuer  Zeit 
gelesen,  oho»  leaderliebe  £rbaanag  daran  in  finden.  Einst  fiel 
nur  aber  e'we  Abhandlnng  der  Art  in  die  HSnde,  die  mir,  weil 
sie  ifl  eiaigoB  PiinkteD  mit  Lanae  geschrieben  war,  (.Interbahnng 
gewährte,  «bschoa  icb  in  Allgeaieinea  die  fießlhigang  dec  Ver- 
fuiers,  aber  dieaes  Gegvnstsnd  gründlich  au  schreibea,  ntoÜt 
anerkeanen  konnte.  Er  aaefat  «aier  andern  (wabrBchein)ich  well 
er  Grofastftdker  ist)  eine  der  Ursachen,  die  die  Foriscbritie  der 
Kunst  vers&ffflia,  darin,  dafa  die  Unsahl  kleinsiidiischer  Aerzle 
in  ihrem  Wirknagskreiae  aecfa  niofal  die  mindeste  Aurmnaterung 
uir  Sei bsiner voll koniBinung  finden.  Da  nSmlich,  tneioel  er,  nie- 
mand die  Vervollkomunung  der  Kiinat  fördern  kfinne,  der  nicht 
luerzt  das  Vervollkommnen  bei  sich  selbst  anfange,  so  maasa 
die  Uuahl  der  kleinstSdtiscbon  AerMe,  weil  ihnen  alle  Anfmun- 
teraog  sur  SeUistvervoIlkommnnog  fehle,  Nallen  für  dio  Kunst 
bleiben. 

Uh  will  jetst  riamahl  dieaes  Vorgeben  näher  beleachten. 
Dem  Verfasaer  nnd  allen  denen,  die  mit  ihm  gleich  gesinnat 
sind,  inu£i  ich  beipfiiehten,  dafs  kleinstädtische  Aerzte  diirofaaoa 
Itetoe  Aussiobt  haben ,    Titel  oad  reiche  Gehfilier  za  erhallen. 

loh  gehe  zu,  dafs  mancher  reichbegabte  junge  Arzt,  des  bÜr- 
gerlichen  Lebeaa  and  d«s>«n  Verhälinisae  unkundig,  sich  in  einer 
kleinen  Stadt  niedergelasaen  haben  mag,  deren  Bewohner,  aller 
geistigen-  Bildung  bar,  unßhig  sind,  sekien  intellektuellen  und 
sittlichen  Werlh  zu  beuriheileo,  ihn  also  nothwendig  in  Eise 
Heihe  mit  den  Krztlicheo  Krämern  und  tJausirern  setzen  müsKen, 
wodurch  er  denn  in  geistiger  Hinnicht  zam  wahrhaften  Einmed- 
ier  wird. 

Ja  icb  will  noch  n»f  einen  wichtigen  Punkt  aufmerksam  ma- 
«ben,  dessen  bis  jetzt  kein  Dichter  einer  Krfihwinkeliade  gedadit 
hat.  Der  Geist,  der  in  kleioea  SiHdien  vorwaltet,  gehet  doch  nnr 
immer  vea  wenigen  Brirgera  aus.  Durch  den  Tod  und  durch  die 
OrtsverSnderung  dieser  wenigen  kann  also,  in  dem  Zciiraam«  «■- 
•es  einzigen  Menachceleheag ,  ein  recht  anmnthiges  Städtchen  so 
zum  Bösen  verändera,  dafs  alle  Lasier  und  Untugenden,  die  sich 
in  groiaen  Sifidten  zwar  finde*,  aber  hier  durch  die  höhere  Gei- 
ateibildung  nnd  durch  die  edlen  Gesinnungen  vieler  anderen  Be- 
wohner öbuwogw  Hod  Ttidaakelt  weiAoa,    als^^ft  «niL:.  Nf»di 


—    1216    — 

Lüge,  hentlgreifiicher  Betrog,  empörende  Undankbarkeit«  an  EMeb- 
HiAhl  grenzende  HHbauchi,  ■chmuuiger  Geiz,  hoch verrfith erbebe 
Gesinnungen,  Fanalisinui  und  tiefe  Geist esrohheit,  —  la  dem  klei- 
nen Ort«  BO  nnvermiicht,  so  nackt,  lo  gaos  schamlos  hervortr»- 
tsn,  dti£g  ein  recfaiUcher  Mann,  den  das  SchioksHi  in  ein  tolchei 
Nest  verschlagen,  sich,  hat  er  eine  etwas  dichierlsobeNatnr,  leichc 
•iobildea  Itanois,  durch  einen  bötien  Znnber  in  das  Reich  der  Teu- 
fel verselst  an  sein,  lat  einmabl  ein  StSdtchen  sa  aiaer  gewisses 
HSfae  der  Entartung  gelangt,  so  aiehea  sich  alle  rechtlichea  Leute 
(deren  gibt  es  doch  an  allen  Orten)  gleich  den  Schneckea  iȟire 
Gehfiose  xurfick-.  Fremde,  sind  sie  nieht  selbst  entartate  Wesea, 
lassen  sich  dort  nicht  nieder,  und  halten  sie  es  ans  IJnkunde  ge- 
ibao,  so  enifiiehen  sie  doch  gar  bald  der  nnhtiligen  SUitte.  Der 
lechtliche  und  gebildete  Ant,  der  eiae  solche  Verachlecbternng 
■einer  Mitbürger  erlebt,  mufB  entweder  mit  ihnen  ein  Teufel  wer- 
den, oder,  hat  er  Anlage  xam  Heiligen,  so  mnfs  gerade  das  Scheufs- 
liche,  das  Zurückstofiende,  das  Ekelhafte  der  geschändeten  Meo- 
Bchennaiur,  ihn,  wo  nicht  »um  rollendeien,  doch  iura  halben  Hai- 
ligen machen;  aber  freilich-,  nicht  sum  trinmphirenden,  sondern 
xum  bürdenden. 

Endlich  gebe  ich  sn,  dafa  die  angebliche  Wohlhabenheit  oder 
gar  Heichheii  kietaer  Siädte  meist  nur  Schein  ist,  sich  tuweitea 
blofs  von  der  Windbeulelei  eilicher  wohlhabenden  Einwohner  ber- 
■ohreibt,  indefs  wirklich  die  Mehrsahl  der  Bürger  in  an  beschrSnk- 
Hn  Vermögensumstttndan  lebt,  dnis  kanm  ein  Uiittri,  oder  Vier- 
tel die  BeMiühimgen  des  Arsies  nur  gans.mfifsig  zn  besahlen  ver- 
mag. Ist  nun  die  Umgegend  eine«  solchen  Städtchens  auch  nicht 
wohlhabend,  so  mufa  der  Arzt,  hat  er  nicht  eigenes  Vermdgen, 
sich  sehr  einschiänken,  wenn  er  als  ehrlicher  Msnn  bestehen  will; 
ja  hat  ihn  das  Schicksal  mit  einer  aabiretehen  Familie  ge«egnel, 
so  werden  ihn  die  Nabrungssorgen ,  wie  böse- Geistsr,  auf  seiner 
nOhseligen  Pilgerfahrt  verfolgen. 

Die  Leser  sehen,  da£i  ich  die  anheimliche  Stellung  klein- 
städtischer Aersta  keiaesweges  verheble;  allein  jetu  stelle  ich 
auch  die  Frage  auf;  wie  können  solche  nnheimliche  Sufsere  lim- 
stände  die  Ausbildung  des  Arstes  behindern!  wie  können  sie  ibm 
die  Befähigung  rauben,  der  Kanst  in  ihren  Fortschritten  eben  at» 
gut  zu  dienen  als  die  grotistfidtischea  Aerzte!  leb  sehe  das  wahr- 
lich nicht  ein.  In  allen  Fächern  des  menschliebea  Wisiens  (niefat 
blofs  in  der  Mediiin)  sind  doch  nnr  immer  wenige,  sehr  wenige 
Gebier  erkoren^  die  Fortschritte  d6s  Wissens  im  eigentlichen  Sia- 
ne  zu  Tördern,  und  diese  können  es  nicht  thun,  oder  sie  müssen 
ihrem  Zeitalter  vorgeeilt  sein.  Ehre,  Rohm  und  Geld  kOnaen  uo>- 
Diaglich  die  mächtigen  Hebel  sein,  die  sie  ihre«  Zeitalter  ent- 
ificken,  denn  soast  müfsia  ja  die  Mediiin,  in  4«  di«ta  H«^!  oft 


—    1217    — 

gewirkt  oad  nooh  immer  wirb«n,  aich  iMgit  apf  dem  bSduie« 
Pdnkt«  möglioher  VolleBduog  beflndeo:  ea  üt  vielinetvr  eine  ge- 
faei m Ol fi volle  Gewalt  ( maa  neuie  dieae  KuovUiefae,  Forschbegief- 
de,  oder  wie  uaD  w«lU),  die  aie  treibt,  rubeloa  einem  veracbleier- 
ten  Moaterbilde  nachsurenaeii ,  nnd  keine  Hiaderniue  aind  anäch- 
ti^  genug,  ihren  Lauf  au  bentaea.  Wie  der  harte  Siabl  aas  dem 
Kieaiiag  daa  Feaer  acblägt,  mo  aoblagen  gerade  un  freund  liebe,  har- 
te, raube  Umgebungaa  ana  aolobea  Geialern  den  Funkea  der  Wahr- 
heit. UKite  das  Schtdcaal  sie  frGh  durch  ffeundlicHa  Gaben  ver- 
■ftrtdt,  ao  würden  ue  Tielleiobt  für  immer  Sohtnarataenpflaosen 
geblieben  aain.  Wer  vermag  nun  die  Geister  ap  schauen,  wer 
die  SohicksalseniiehMig  an  bestinimen,  die  ihrer  Kigeotbiimlich* 
keüt  frOBsnett  —  JVienaad.  Danun  iU  es  auch  uuweise,  au  be;- 
banpien,  dafa  kleine Uldliaebe  Aenta,  ans  Mangel  an  Aufmunterung 
sat  Selbitbildimg,  Nallea  fBr  die  Fördaruag  der  Jfupat  bleiben 
müfsien. 


Veh*r  die  NcihzUekUgumg  dti  ärztlichen  Ver- 
■   tlaudt: 

Das  Wahre  iri  gewSbnlieh  etnfaob;  wer  aa  aich  deutlich  denkt, 
kann  es  auch  einfach  aad  denllieh  mitiheilent  Jeder  gesuiide  Ver* 
stand,  der  das  deutlieh  Vorgetri^ene  begreift,  ist  gezwungen,  es 
ala  Wahrheit  uxnerkeane».  Dieser  Veraiandeaawang  ist  «(was 
Nothwendigea ,  in  dem  Verstand«  jedes  Meaaohea  Gegründetes, 
ihm  Angeboreaea.  Wer  alae  nieht  scheinbare  i  sondern  wirkliche 
Wafailieitea  vortrSgt,  der  iwiagt  nicht  Leser  «der  Zuhwer,  «einer 
Meinung  zu  aein,  sendem  et  selbst,  losamnit  seinen  Lesern  oder 
Hörern,  stehen  unter  einen  nnd  densetbea  Zwanget  nämlich,  un- 
ter dem  der  Wahrhab.  Gani  anders  verhilt  ea  sieh  mit  Unwabr- 
huten,  oder  nrit  Halbwabrbetten,  die  «in  Sobrifislellef  »der  Leb-. 
rer  seinen  Leeern  eder  ScMlern  anfaebwataen  will.  ,liier  bet  ei», 
ne  wirkliche  Verslandesnotlizücbiigang  Stall;  denn  der  gesuMdc 
Verstand,  wenn  er  gleich  nicht  be^iget  ist,  daa  brige  in  dem 
Vorgetragenen  sich  xar  Stunde  deutlioh  ale  solohea  *a  denken, 
sperret  sich  doch,  daa  Hathwabra  für  eiwai  Ganawahraa,  und  bare 
Unwahrheit  fir  Wahrheit  hinsonehmen. 

Die  Verstandesnoibxüchiigung  geaebiebet  aaf  xweierlei  Weiae, 
dnnA  Künste  der  Sophistik  und  darch  Verblüffen;  beide  Arten  fin- 
det man  aber  bfinfig  miteinander  vermal,  nnd  diesem  doppelten' 
Noibawange  erliegen  gar  manche  Geister. 

lieber  die  flntlicbe  Kophiatä  darf  ich  nicht  aprecben ;  theils 
ist  aa  eine  Aufgab^  dereii  LSwng  neiiie  KrlA»  übpraieigH  dieits 

77 


—  iai8  — 

nt  dta  Lftamtg'Moh  n  weitlKufiiy;  4eiui  ww  ibar  dicasa  Cegai 
Muid  ifrüBdlich  flcbrciban  will,  mmSk  all«  anfgeataUie  Babanptu- 
gtm  mit  aauirecbi  baren  Baispiataa  moM  dea  Schrifiea  bekaaaHi 
Aerxle  Megen.  Em  wBr«  ^er  wol  za  waascbaa,  dafs  Hifft» hl  cü 
wahrhaft  phildiophiMber  Arxt  eia«  Kritik  der  nedialDtattbett  L«- 
gik  achrieba.  Er  braoefaie  ja  nicht  gerade  Bdoye  aas  dea  Schrif- 
ten Ubeodar  Aenre  anmfüfaraa  (da*  würde  ansiMMg-  nad  gdiän^ 
■eia);  die  Scbrifteo  der  Tcratorbaaen  wfirdaa  iha  acho«  allet, 
denen  er  bedfirfiig  aein  aftchie,  ■■  reiehaM,  ja  in  äberreicbeH 
Mafia  liefern.  Ich  meim,  ein  aalcbea  Buofa  mSiae  die  Fortadwidc 
der  wahren  Medikin  aebr  fftrdem;  dran  ea  wfirde,  darch  gräad- 
liehe  Belebrang  der  leaenden  Aeraie,  die  achreibaadmi  xant  am- 
fliebtigeren  Schreiben awingea  :  aahald eanhalieh  keinelaaea^Acn- 
te  mehr  gfibe,  die  verwarrenaa,  aalagiaebaa  Zeng  fSr  tiala  Foi^ 
achnng  and  Offenbaiqng  einer  gr&ndllchea  Gelebnankeit 
würden  BoJcbe  Schreibereien  bald  anfb&ren  nüaaen. 

Was  die  Venila ndesnotbaüchiigung  durch  Verblüffen 
■•  lat  dieae  leit  der  älieaten  Zeil  in  Gebraocb  gewesen.  Scboe 
in  der  eraten  Mache  wird  der  Veraland  der  Schfiier  dorch  manche 
Hochichullehrer  verblifft;  denn  weil  der  Schüler  in  Sachen,  die 
er  erat  lernen  loll,  noch  kein  eigenea  Unheil  haben  kann,  so 
nimmt  er  in  demötbiger  Ergebung  Worte  fGr  Begriffe  bin.  frei- 
lieb  iperfet  lieh  Bein  geaander  Verstand  mitaaier  gegea  tolduM 
Hinnehmen  begrlfRuaer  Worte ;  da  aber  aaiae  Lehrer  aahr  heröhat- 
le  Mftnner  sind,  ao  achreibt  er  die  Sperrigkeli  aainaa  Vcratani«« 
aaf  Bechnang  seiner' Unwissenheit  und'  trftaiet  sieh  mit  dw  Haff- 
anng,  ea  werde  ihm  in  der  Folge  alles  klar  werden.  Nun  stopft 
er  dnrcfa  die  %eit  immer  mehr  begrifflose  deulaehe,  griechia^ 
und  IsKinische  Wftrter  in  aeinen  Kopf;  '  von  -  seibat  wollea  sid 
die  klaren  Begriffe  za  denaelben  nicht  einfinden,  bat  «r  nie  ab« 
lange  genug  nachgesprochen ,  so  bildet  er  sich  zntetst  ein,  «r  ver- 
binde Begriffe  damit,  and  nnr  wenn  er,  xar  ftrstliehen  Grofsjllirig- 
keit  gelangt,  sieb  adbal  präfel,  macht  er  die  nnangenehme  Eai- 
deelmng,  dafs  sein  ganxea  Wissen  mm  gröfaten  Theil  ein  wahi^ 
hafles  Wortwineo  aai. 

Ferner  fiufsMt  aach  die  hdie  bürgerliche  Slrilong  manches 
seh rlf f stell erndan  Anttas  einen  notbswttngeadea  Einflsfa  auf  vidi 
Geister,  btfaonders  auf  solche,  welche  von  Nainr  keine  Aalage 
zur  SelbstsiBndigkeit  haben.  Dann  kommt  noch,  dafs  einem  sohrsi- 
benden,  hGrgerliiA  -hocfagesleltten  Araia  viel  Sokmeicheleiea  ge> 
sagt  werden,  nnd  zwkr  miiantar  von  Leuten,  die  ihn  blofs  feiara, 
um  von  ihm,  oder  durch  ihn,  den  einen-  oder  den  anderen  büi^ 
gerlichrn  Vorlhcii  au  erhaachea,  oder  viellaichi  blofs,  damit  ifares 
nnbrrUhiutan  Namens  der  bcaBhmi«  Mann  galogeotlieh  in  einer 
Dracksebrifk    gedenke.      DioMr.  Scbwara    von    Sfihniacn    macht 


—    12«    — 

■Ol  maDobem  iiocb^eitellteo  Ante,  der  an  aich  ein  rechtlicher  and 
TerailliKliger  Mann  »t,  and  nach  nlchta  irenij^r',  als  nach  einer 
Diklalar  in  der  Mediiin  liirebt,  ein  wahres  Orake).  Sie  erheben 
alles,  was  er  sagt,  and  wtre  es  auch  lange  vor  ibm  eben  so  ^t 
und  deatlich  gesagt,  als  eine  nlegeh^te  Weisheit.  Das  '¥ersiaiid- 
liafte,  was  ans  seiner  Feder  komnil,  ist  bei  ibflen  so  verständig, 
dafs  bis  znni  Ende  der  Welt  kein  Mensehenkopf  je  etwas  so  Ver- 
ständiges wird  vorbringen  kSanen.  Das  Eifahrengsknndiga,  wenn 
eaanch  an  sich  gnt,  uad  einer  praktischen  Untenncbnng  wol 
warth  ist,  wild  von  ihnen  za  einem  anbedingien  praktischen  Ca- 
non erhoben.  Ilel  aber  der  berühmte  Mann  ein  neues,  oder  alt- 
neues  Mitlei  empfohlen,  dann  weh«  der  Antwell!  Sie  erheben 
es  durch  ihre  Lügen  snin  Allbeil. 

Darch  solcher  Narren  nnd  Schelme  GepiHrr  wird  viel  Unfag 
in  der  Medizin  angerichlet  uad  der  gute  Verstand  manober  be- 
scheidenen Aer/.ie  jämmerlich  verUnfin.  Andere<,  die  si^  nicht 
so  leicht  Tcrblfißen  lassen,  hassen  es  doch,  des  bochgesiellien  und 
gefeierten  Mannes  Meinung  einer  rersiandhafien  und  erfahranga- 
kundigen  Kritik  zu  .nnierwerfen; -denn  sie  würden,  wo  nicht  von 
ihm  selbst,  doch  besiimmt  von  dem  Schwärme  seiner  wahren  und 
falschen  Anhftnger  übel  auf  der  schrifistelleriscben  Turnbahn  em- 
pfangen werden,  zum  raittdeslen  würde  man  sie  als  Neider  des  be- 
rühmten Mannes  auiscbreien.  Wer  aber  frei  von  solcher  niederen 
Leidenschaft  ihI,  der  wird  nie  gern  den  Schein  derselben  auf  sich 
laden  ;  darum  schweigt  er,  und  Ififst  die  Lufter jcheinnng  ruhig  vor- 
überziehen. 

Was  ich  hier  gesagt,  dessen  Bestätigung  jeder  in  der  Geschich- 
te der  Medizin,  ja  die  Aelteren  unter  ans  in  der  tieiicbicbie  ihrer 
Zeit  finden  werden,  hemmet  nnglaublicb  die  Fortschritte  der  Kunst. 
Es  ist  aber  eine  Unbill,  der  nie  kann  vorgebeugt  werden;  sie  wird 
sich  immer  erneuern  bis  lum  Ende  aller  Dinge.  Die  Geschichte 
der  Medizin,  die  uns  allesaramt  belehren  sollte,  wird  fiir  einen 
grofien  Theil  Aeraie  ein  hlofses  Prunkstück  ihres  Gedächtnisses 
bleiben,  nie  Ihre  Lehrerinn  werden, 

K.  Sprengel,  der  von  dem  Kaiser!.  Leibärzte  v.  Sitieten  nnd 
seiner  SubliniatauflSsung  handelt,  sagt  im  fünften  Bande  seiner 
Geschichte  Seite  583  Folgendes:  „Es  ist  wol  ans  der  demahligen 
„Stellung  StBietetu  zu  erklären ,  warum  knechtische  Seelen ,  de- 
„nen  für  die  Gunst  des  Beförderers  die  Wahiheit  feil  war,  viele 
„Tansende  Kranken  mit  dem  Sublimat  gründlich  geheilt  zu  haben 
„versicherten." 

Ich  glaube  aber,  dafs  sich  unter  der  Unzahl  knechtischer  Se^ 
len  auch  gar  viel  dumme  Seelen  müssen  befunden  haben.  Aerzfe 
in  h(Aer  bürgerlicher  Stellung  hSren  so  viel  Schmeicheleien,  dafs 
sie  derselben  bald  gewohnt  werden  mQueti,  und  nnr  das  beionde- 

77* 


—    1580    — 

re  VvtbBlinU«,  ia  wvUhcm  si«  reit  dui  «iaea  oder  dem  undsreo 
ihrar  Scbweicbler  Btebui,  l»an  ue  bexiiumsn,  ihnu  bofSidsnidu 
Kiafloii  m  offenbaren.  Da  diewi  bewadere  Verbftitnifs  nao  aieht 
offenkuMllf  ni  Tage  It^,  *o  tchrciben  eia^lüge  KSpfe,  die  den 
Laef  der  Welt  ai^  keaDea,  die  Befitrderung  eiaiig  der  reiclifich 
(e^MDdelea  SebHeichelei  aa,  und  atrea^D  alle  ihre  KrSGie  an, 
auch  eine  Gliekegabe  tob  den  gefeiertea  Manne  bo  enebraeichela- 
Weit  in  den  meiaten  FSlien  verfeUeo  sie  aber  ihr  Ziel,  and  wer- 
den dem  £m1  in  der  Fabel  glekh,  d«,  um  Lieblingsesel  ecinea 
Herren  in  werden,  die  Schmeicheleien  dee  Liebliogafaunde«  nach- 
ahmie,  dem  Herrn  leine  achronlai^en  Fäfae  auf  die  Schultern  lef^- 
t9y  und  mit  gro&em  Geiobrei  ihm  sirtlicb  das  Geticiit  beleckte. 
Freilich,  den  llrztlichen  Schmeichlern  gebet  ei  nicht  bo  aobliram 
wie  dem  armen  £ael;  dieser  werde  mit  KnOtteln  aus  dem  Hauie 
getrieben,  jene  werden  blnfs  spiter  von  einem  Geachichtachreiber 
luwobliaoh«  Seelen  geacbolten. 


Uehtr   da*    Selba /ditpentiren  der   Aerzte  und  über 
die  Apotheker.') 

Diesen  Gegenitand  haben  die  Anhänger  HaAnematuu  in  un- 
tern Tagen  zur  Sprache  gebracht.  Weil  ich  nun  glaube,  ei  sei 
Zeit,  dafs  er  besprochen  werde,  bo  will  ich  auch  einmahl  meine 
Meinung  darüber  sagen ,  die  jedoch  nicht  belehTend ,  sondern  nur 
SDtn  Nachdenken  einladend  sein  soll. 

Zuerst  mufs  ich  mich  vor  allem  Vorwurfe  des  Eigennaties 
achützen}  damit  ich.  niemand  als  Betheiliglen  ansehe.  Folgende 
zwei  Gründe  werden  au  diesem  Zwecke  bei  verständigen  Lesern 
wol  hinreichen. 

1)  Ich  bin  69  Jahre  alt,  habe  also  nach  dem  gewöhnlichen 
Laufe  der  Natur  nor  noch  kurze  Zeit  zu  leben,  und  da  ich  bis  zum 
Ende  meiner  Tage,  nach  menschlicher  Voranssicht,  wol  keinen 
Mangel  leiden  werde,  ao  glauben  mir  die  Leser  gewifs  ohne  Be- 
theuerung,  dafs,  wenn  der  Staat,  dessen  Bürger  ich  bin,  das  Selbsl- 
dispensiren  den  Aerzien  erlaubte,  ich  keinen  Gebrauch  von  dieser 
Erlaubnifs   mehr  machen  würde;    zum  wenigsten  k5nnle  nar  eine 


')  Ich  holfe,  nelae  Letor  «^rd  du,  wii  iob  aber  diMsa  GegoMtiad  c«  Hrea 
hak«,  nicht  lor  den  Gedtateo  bringen,  alt  tti  ich  ni  nee  jener  Ph«etut«a, 
dte  in  ihrer  nerriscken  VensMieohbit  dei  (jltnbena  lind,  der  Himnel  hahe 
■Iteia  lie  herabiget,  menachlicbe  Einrichtengen  xn  einer  gtittliehan  VollkoB- 
meeheit  cn  bringen.  leb  leb«  vahtlieb  recht  ftat  efa  ,  dtlh  la^  bmtBndrae 
Geietu,  londerlicb  Micha,  -  durch  weldba  dia  natHrfiehea  Aecbt«  4tr  Hoe- 
■ehM  henlairSabüfet  (cweHi,  «M,  thr  Sbel  uCuaba^i  find.    -      ..^ 


—    1221    — 

gflnlidi«  ÜMmertBttigfceit  d«r  ApMhkkeb  mich  zwiogan,  nlr  m- 
n«  «olcbe  Last  Mifzubflrtlen. 

2)  Da  leb  der  Grsoza  naha  wohne  (der  nflcbste  Pnnfcl  hl  hü^h* 
«teni  eiab  hnlbe  Mnil«),  so  werden  die  Leter  wol  begreifen,  daf* 
ich  «tnen  Theil  meiner  Kranken  jenaelra  der  Grenke  hnke,  und 
ifBmer  gehabt  habe.  Wer  köniiie  mir  es  nun  webren,  diesen  die 
Arxenei  selbst  ta  verabreichen  1  Niemnnd.  Die  Preufaiscben  H«- 
diainalgesetxe  sind  doch  für  da>  Prenfsiscbe  Land  |[eg;ehen;  nitiht 
fQr  Belgien,  nicht  für  die  NiedeHande.  Wer  im  Auilande  Ge- 
scfalfte  macht,  der  intifs  eich  nach  den  dort  faeat^henden  Geeetsm 
richten;  dieie  sprechen  afber  weder  in  Betgi^,  noch  in  den  Nie- 
derlanden gegen  das  Selhatdispensireti  der  AerMe :  wollte  ich  abio 
meinen  ansiändisehen  Kranken  die  Arzeneien  aelbst  verabreichen, 
so  wßrde  ich  dadnrch'  weder  gegen  die  Pretifaischeo ,  noch  gegen 
die  Belgischen,  noch  gegen  di»  NiederlSndlachen  €teBelze  tSndigen. 
Ich  habe  aber  nie  Gebrauch  tod  dieser  Freiheit  gemticht,  wie  wol  ich 
recht  gut  einaehe,  dafs  ich  mir  dadnrch  tneifie  jNhrKehe  Einnahm» 
weit  gemichlicher  rermehren  kftnnte,  als  dorch  LaaTen  and  Re- 
zeplsehreiben.  Wenn  alto  irgend  ein  Arzt,  «tine  den  Vorwarf  ei- 
gennütziger Parteilichkeit  zn  Vei^ienen,  6ber  diesen  GegMstaitd 
sprechen  kann,  so  bin  ich  6s,  nnd  jeder,  welcher  mit  mir  io  glei- 
chem VerhRiiniase  stehet.  —  Nun  xor  Sache. 

Der  Zweck  der  Apotheken  ISfat  steh  geschichtlich  nicht  gern» 
nachweisen.  Noch  im  fünfzehnten  5abrhandert  beMsen  die  Apo- 
theker <4rffflia/anV,  auf  Deutsch,  Gewrirtkrftmer.  Ursprünglich  wer- 
den sie  wol  mit  einfacheii  Arzeneien  Handel  getrieben ,  später  abor 
auch  gebräiicbliche  Qaieniteht  Zusiiiiiensetznngen  feilgeboten  ha- 
ben. Da  aber  jeder  Apotheker  diese  Zusammensetanngen  auf  Bei- 
ne Weise  veründerte,  verbesaerte,  oder  verfälschte,  so  traten  im 
ISten  Jahrhundert  zwei  Männer  auf,  die  einige  Ordnung  in  diese 
WirreA  zu  bringeti  snehten,  Nicalaut  Ton  Alexandrien  nnd  Sal»- 
din  von  Aaenlo.  Beider  Aerzte  ApotbekerbiTcker  haben  aber  we- 
nig Aebnilchicelt  mit  nnseren  henttgtm,  nnd  die  Apotheker  werden 
sieb  wol  Wenig  an  diese  Sehreibereien  gekehrt  haben.*) 

Im  leten  Jahrhundert  Schrieben  6.  Rondelet  nnd  Valero* 
Cordui  ordentliche  Dispensatorien,  die  ansern  heutigen  gleichen; 
aie  emhallen  sowol  die  einfachen,  als  die  tosammengesetzten  Mit- 
lei, nnd  Ton  letzten  die  Angabe  ihrer  richtigen  Berehnng. 

*)  Weit  rrfiker  batl«  siin  ichoa  dai  AinUatmriaKt  Aat  Steine,  ireUtM  hrrb 
mehr«  seiehrte  HJaiirr  erklirt  ud  srglnit  iit.  Auch  dai  Antidatmrtmm  Kf- 
tQlai  bei  Bebra  Brkliror  ivrasdiB,  ■•■«ntlieb  den  Hsgixtfr  FlaUmriut,  Hd 
Johmtutt»  d»  lameu  amamia.  Dm  Diir«eMlari«v  dei  Salaiim  librt  4*a 
Titel :  Damint  SaUdi^  äe  JabmU  StrtniiaU  frimeifii  Tmremtt  pAftiei  ftin- 
«ifoUi  Cimpendium  arowtataritnm.      Ze   das  altes  Apalbakerbüehan  febift 

(   ti9*   I 


—    IS»    — 

Au  dar  GMcbkht«  U&t  sieb  iodeft  d*r  «igandüU  Zweck  d« 
Apoihekeo  nichi  gerade  aDsmiiteln,  er  Iftfst  «ich  B«s  deraelbeo  blob 
mit  bober  Wahracbtialichkeit  vermiuhen>  Wenn  man  nftnilicfa  d« 
Zustand  dar  M«di«n  umcr  der  Galeni*chen  Scbnle  erwftgt,  dit 
McDge  der  Mittel,  deren  die  Aeriie  bedurften,  die  langea  lU- 
xepte,  mit  denen  sie  die  Krankbeiian  bekfiwpfien ,  so  mnfi  uu 
»uh  begreifen,  dafs  grolitstAdiiacbe  Aenie,  die  reicfaea  QDd  vor- 
Behraeo  Leoieo  dienten  und  von  diearo  freigebig  bezahlt  ward», 
weder  Lnat  haben  konnten,  die  Arxeneien  eigenhSnitig  so  htm- 
un,  noeh  in  ihren  HSuaero  durch  Gebülfen  bereiten  n  Iwm- 
Ueberdjes,  wM  konnten  die  Galeniker  bei  ihrer  verwickeltes  Ife- 
lepiiehreiberei  tod  der  IJeilwirkuag  einfacher  nnfeindlicber  Mii- 
te)  durch  Beobachtung  keitnen  lernend  Michts,  gar  nichu.  tVu 
ein  Arzt  80  Jahre  alt  geworden,  so  mufste  er  in  jliesei  Hiniickl 
noch  eben  so  unwissend  sein  ai<  im  ersten  Jabre  seiaer  Piuii- 
Biofs  über  die  Wirkung  feindlicher  Mittel  konnte  er  sieb  eliip 
ungeseUnchle  Erfabrang  erwerben.  Er  hatte  aUo  sehr  %a\t^*i 
Belang  dabei,  dafs  die  .^rseneien,  die  er  seinen  Kraakea  w- 
aebrieb,  rein  und  gut  waren;  um  so  grSfferen  Belang  sbeTi  du 
Reicbeo  viele  Besuche  sn  machen  und  sich  dafür  beiden  n  b^ 
aen.  Damm  sagt  »nt!U  Eahenkeim  von  den  Aersten,  sie  butm'- 
len  eich  mehr,  den  Leuten  mit  Schmeichelei en  die  hagta  n  f"" 
blenden,   als  die  Heilwirkung  der  Arzeneiuiuel  kennen  nJ^to^- 

Durch  der  grofMiäd tischen  PruokKisle  Faulbeil  osJCbvli- 
tanerie  ist  also  ursprüngliob  die  Bereitung .  der  Arzenein  il'^^ 
lig  in  die  Ilaade  der  Apotheker  gekuiumen,  und  derZ«'«'*'' 
Apotheken  war  also  kein  anderer  «U  der,  .der  Faulheil  deiAtnU 
SU  dienen. 

Seil  dem  Ende  des.l6ten  Jabrhuoderia  ist  das  Apc>lhekerw^ 
Ben  nach  und  nach  mehr  ausgebildet;  Die  achukecbtea  AeiWi 
ob  sie  gleich  die  iatrocbeniiscben  Ketzer  achinipflen  hikI  vcnolr 
len,  Tericbroäbien  es  doob  beknnnüich  nicht)  mehre  cheauiw 
Bereitungen  derselben  in  ihren  Arseneischatz  aufsunehmeo.  ^ 
sie  diese  aber  nicht  selbst  su  bereiten  verstanden,  wsrea  »^  ( 
notbigl,  sich  an  die  Apotheker  xu  wenden,  obachou  es  in  > 
nnd  ISten  /ahrhundert  nm  die  chamiache  Kenntnifa  der  AfoÜ>>' 
sehr  windig  aussah. 

Wann  sich  eigentlich  die  MaleriaÜsien  (Arzeaeihfindlcr)  "' 
xengt,  läfsl  sich  wo)  nicht  genau  nachweisen.  Dafisie  aber 
sehr  früh  müssen  bestanden  haben,  ist  unwidersprechlicb; 
die  Apotheker  konnten  doch  unmögliub  die  Unsabl  von  G<«'^^ 
stünden,  die  sie  in  ihrem  Laden  nÖihig  halten  uad  die  ■■»i' 
dem  Anstände  angehörten,  ans  der  ersten  Quelle  beiieheS) 
hin  niufsten  sich  fast  gleichzeitig  mit  den  Apoihelte'»  eocb 
neih&ndler  als  Miitelsrafinner  finden;    denn  wo  Geld  lo  i'^ 


—    M2J    — 

üt,    hat-«  bIb  BS  E<Nteft  gtiMtt    Ü»  LMt  bktlM,   m  wi  vck- 

Di«  gwpfam  (Jokooda  der  Apatheker  ifi  BweLtung  cheioHcher 
Anenuen  nwaaf  li*  noi,  aicb  auok  id  4ieMi  HwHicht  m  die 
Malerialisun  aa  wendso.  Di«  MaMriaÜatV)  biedea  sich  also  cbe- 
miaobe  AnaiAibereitCf ,  die  aie  Laiiaraoien  aamiMOi  und  dieaa 
bertiteien  dkW  blob  cbtgiiaoke  Arihneien,  .  aondefa  aach  £x- 
Indcte ,  TkikluKB ,  Pulver ,  PfiUater ,  knie ,  alles,  deasen  ein 
Apotheker  ia  aeia^  Bude  bedurfte  ,i  ■«  iaU  die  A  poihekcrkunu 
ia  Weiler  «icbta  bestand,  ait  ioi  der.Ferljgkett,  die  reo  den  Aerx- 
ten  vorgesehriebaoeo  buniecbMdrigeii  MfascbnBgen  DRteir  einander 
■0  rähna,  PitUn,  TrSnke,  Latwat^n  u.  d.  g.  zu  aiRcben>  Der 
'ganze  Zweek  der  Apotbeken  fübri  sieb  also  wieder  awf  die  Faul- 
heit,   Lied  erlieb  keil  and  SaiihMt  der  Acrtie  zurilck> 

Seil  den  Verfalle  der  Galeniscbao  Sebiile,  welcher  Zeilfuakt 
CO  ganz  spiu  Biofat  su  bestiniincii  ist,  bis  zum  ISien  Jahrhnndert, 
haben  .klug«  Aerai»  das  ünsinoige,  was  dariq  liegt,  dalii  aie  ib- 
ren  praktischen  Ruf,  die  Mdgliefakeil,  richtige  Erfahrung  zu  er- 
werben end  das  Heil  ihrer  Kranken  guigliubig  in  die  Hand  sol- 
cher M&aaer  lege«  sollten,  die  nicht  den  iuindesien  Belang  dabei 
habet!,  daTs  der  Rtif  dea  Ante«  geaiebert  bleibe,  da£i  er  rich- 
tige £ifabraagen  Mache  aad  dafs  die  Krankes  bald  genesen ,  sehr 
gut  cingesebeB;  uad  w<fil  sie  keine  hmt  bnilea^  ihren  Ruf  und 
das  Heil  ihrer  Kranken  auf  sslche  Schanze  ku  seiaen,  haben  sie 
sieb  eigene  Apotheken  gehaltea  md  dea  Kranken  selbst  die  Arze- 
n*MD  verabreicht.  Uucr  den  ia  der  Lileraiur  bekannten  Aenten 
nenne  ich  nu>  ^.  HoffetamM;  ja  aus  lOBDCben  Aeuberungen  E. 
Stakh  matt  ich  scbliefseBf  daisaucb  diecer,  w»  nicht  alle,  doch 
manche  ihm  eigrntbiitaitofae  Mittel  den  Kranken  selbst  verabreicht 
habe.  In  dea  Deuazig«r-Jahren,''da  ich  in  Jena  siudirte,  sab  ich 
ia  dem  Zinaier  des  Hofraib  £.  Nicolai  (Senior  der  medisi aiseben 
Fakuhttt)  eine  Apetbake.  tn  seinea  Univeraitatsjafareti  war  et 
F.  Hoffmantm  Amanaessia  geweeea  und  halte  wahrscheinlich  von 
diesem  das  SelbsidispAitsiren  angenoinuien ;  da  ifaa  aber  die  Kran- 
ken wol  nie  stark  überiaufen  batien,  so  war  seine  Apotheke  sehr 
best&abt:  *)  lo  maacben  Ländern  niQsaen  die  McdizInalbehSrdeD 
des  l&eo  Jahrbaoderta  das  Wideraionige ,  was  in  dem  Verbote 
des   SelbstdispeiiiireiM  liegt,    gut  eingesehen  haben;    denn  ohne 


')  Aas  itm  Frifucsi  vei  C,  W.  Hafltaitit  biiierUnencr  SelbilMa|tnp4)ia 
(PIcaei  JoorDal  der  fnkt.  ArzeDcikands  van  B.  Otann  t.  SÜcb ,  SeÜa  IA.) 
■raebs  ieb  ,  difi  Hafilandt  Valcr ,  der  Leibarzt  dea  ReiroK*  foD  Wainar 
war,  dia  AneneicD  lelbtt  *erabrcicbt  bat,  Bod  dari  dicm  damatila  fut  alt- 
icneio  bcmcbspder  Gebriaeb  geweico.  HB.  Hufeianä  tyricbt  van  itm  Uts- 
tM  Vlarial  daa  tS.  Mtrimsdarto. 


nrifeh  fera<«  m  41a  MaJiriMlgtwm  mitkmt  Limbr  iMkAainert 
lu  haben,  waifs  icb  dodi  rcelit  gat,  dafa  ia  ibnan  lelbaidiapsa* 
airend*  Aerale  wohtiteB,  Ob  ■)•  noeh  darin  wobaen,  aelt  die 
LSndef  ander«  Htnnraa  bekvnnwn,  iat  arir  nabakamt.  In  d«i 
NIederianden  ab«r  tat  m  bis  4i«ien  Aagesblittk  aUen  IcUlnuKdti* 
aohen  aad  Dorfllmeo  arinubl ,  den  KranktM  die  Amnei  aelbat 
so  varabreichen.  Ja,  obgleicfa  d«N  gporaaddtiacheii  daa  SalbM- 
dispeiuiren  unteraagt  iM,  so  iweifle  ieb  dach  aebf,  «b  ^die  Ma- 
diainalhebSrde  einen  denetbeo  beatmfan  wfirde,  der  aolehe  Ana- 
nelen,  die  nicht  in  Diapanaatorio  itabcn,  deren  beaandar«  Heii- 
krRfte  er  aber  kanaete,  den  Kranken  aelbrt  geben  weUia.  Meiaa 
Vermnihang  grfindal  lich  dannf,  dtfi  bei  den  Niederläadera  der 
gesunde  VerMand  immer  Torwallc«. 

In  unseren  Land«  ist  mit  dnr  Bildnag  dar  HadiiioalbehArde 
das  Verbot  dea  SelbitdifpwntretM  euktaBden.  Seine  Entatehnng 
bat  es  wabracbelnlich  aweien  Ursachen  an  verdaBkaa.  Einmabl 
der  Meinung  aller  OrofaiHldtcr :  daa ,  was  sie  treiben,  tban,  Kna- 
ben, meinen,  inBaae  noihwendig  daa  Beste,  das  VeratSadigsi», 
daa  Weisesie  sein;  nnd  awntena  den  Kr^plogalenianns,  in  deaaen 
Banden  die  früheren  Aente  acAHinebteien ,  nnd  deren  st«  aicb  leider 
nicht  sehfimten ,  sondern  mit  dirnen  aie  bafs  siolxlen.  J«doeh ,  da 
die  alten  kr]>|i(ogBlent sehen  BehArdan  ca  sieh  als  Ventaadesmen- 
Bchen ,  wenn  gleich  nidit  deadich ,  doch  aun  mindeste«  dunkel 
denken  miifsten,  dafs  aie  dnrcb  daa  Verbot  dea  SelbaidttpenrnreaB 
die  Aerzte  der  Wohlihat  des  Gnsadg«aetaeB  allea  bürgerliohen  Ver- 
eines ,  dea  Eigenthumareehtas,  b«raah*«a,  mitbin  so  Bfiakllngen  dea 
Staates  erklSriea,  and  ai«  das  Empöread«,  was  darin  lag,  ehrliche 
nnd  anbeschollene  Bärg^  in  eine  offenbar  faindlicbe  Stellang  mi 
Staatigewolt  zu  bringen  wol  fohlen  nochten;  to  gaben  si«  anOiag' 
lieh  noch  an,  dafs  Aeraie,  dia  dureh  «Igeae  Erfahroi^  die  «ha- 
kannte  Heilwirkung  des  eioan  adar  des  anderen  Mittels  erforscht, 
dieses  den  Kranken  selbst  T«mbreicbea  kA^rten.  Dareh  die  Zeit 
ist  diese  Einscbfinkang  in  Veiyaaenheit  garaihen,  «der  aufgeho- 
ben, nnd  die  Aente,  nicht  Uofs  nnaaseaJUandea,  aondorn  wahr> 
acheinlich  aller  denisoben  Liader,  sind,  w»  nicht  wdrtlich ,  doch 
ihfitlich  xn  Aoswflrilingen  das  Siaal««  «miadrigt.  So  iat  nna  jaiat 
die  Stellung  der  Aerste,  nnd  man  mafa  lait  Recht  die  Frage  aufwer- 
fen :  welchen  versländigan  Zwack  kann  in  unserer  Zeit  daa  Apotbe- 
kerwesen  haben  1 

Man  kann  nicht  wie  früher  sagen,  d!e  Apotheker  seien  die  Be- 
reiter der  chemischen  Mittel ,  und  sie ,  einsig  mit  diesem  Fache  be- 
schsfiiget ,  können  sie  dem  Arzte  reiner  liefern ,  als  er  aie  selbst  an 
bereiten  Zeit  und  Kenntnifs  haben  werde,  denn  ep  bestehn  ja  jetst 
chemische  Fabriken ,  die  gute  Mittel  bereiten  and  deren  Ruf  eioiig 
von  der  Reinheit  ihrer  Waat«  abhängt.    Vor  EnlitaluiBg  ^iasor  Fa- 


—    1245    ^ 

brik«B  gab  M  nnfar«  A^Aeker,  üb  aUe  ebsmlBcbe  Mllt«!  selbtt 
bereitMflD,  «■•  aneh  wol  RH  ungesckiebtsra  Amtsgenonca,  deren 
firib«  eine  UaMihi  war,  abaeuten.  '  leb  babe  Gber  zwanzig  Jahre 
»it  eiDem  colcben  laborlrendea  Apotheker  gebausei  und  mich ,  weil 
er  Dicht  blofa  ein  g«Khiekier,  aoadern  auch  eio  ehrlicher  Mano  war, 
gut  bei  ihm  befanden.  Seit  aber  die  Fabriken  entatanden ,  beaieheo 
TOR  diesen  die  Apotheker  ihre  chemiacben  Präparate.  Man  kann 
■ie  ancii  deabalb  nicht  tadeln.  Manche  wollen  zwar  noch  jetzt  dem 
Arzte  weiamacfaen,  als  ob  aie  alles  selbst  bereiten;  man  nuiii  aber 
loletaem  Vorgeben  keinen  Glauben  beirHeaseo.  Der  Apotheker 
lafifM«  allen  kaafmXnnlschen  Veraimd  rerloren  haben,  der  Mittel 
mit  Mühe  aelbat  bereiten  wollte,  die  in  den  Fabriken  nicht  bli^ 
rein,  sondern  aaeh  wohlfeiler  zu  beben  sind. 

Waa  die  einfachen  Pflansemtofle  betrifft,  so  kann  der  Apo- 
theker'diejenigen  selbst  elnaammlen  lassen,  welche  in  aeinem  Be- 
reiebe  wachsen;  aber  die,  Welche  nicht  darin  wachsen,  and  die 
aaslSn (fischen  mafs  er  doch  von  den  MaleriaHsten  beziehen.  Ist 
•r  nicht  ein  recht  gnter  HrSiTterkenner ,  so  kann  «r  sich  in  den 
trocknen  Kräutern  leicht  ffiaschen;  die  Materialiaten  sind  eben 
Dicht  sehr  bedenklich,  Kräuter,  die  Geataliahnlichkeit  haben,  mit 
einander  zu  Terwecbseln.  Ja  selbst  KrRuler,  die  in  dem  Berei- 
che des  Apothekers  wachsen,  kann  er  nlcbi  einmabl  immer  in 
hinreichender  Menge  selbst  einsammlen  lassen,  denn  weder  er, 
noch  der  Arzt  kSnnan  varher  wissen,  welche  Krankheiten  in  dem 
Jahre  Torkomnien  nnd  welcher  Mittel  sie  bedürftig  sein  werden. 
In  dem  einen  Jahre  kann  der  Apotheker  von  einem  Miliel  fünf, 
sechs  Pfund  verbrauchen,  in  einem  nAderen  zWei-,  dreihundert 
Pfand.  Beiebt  -sein  Vorrath  nicht  aus,  so  mufs  er  sich  an  den 
Materialisten  wenden.  Da  nun  ein  Arzt  eben  so  wol  reine  und 
gnte  Arzeneien  ans  den  nSmIichen  Quellen  bbziehen  kann  als  der 
Apotheker,  so  fSllt  bent  zn  Tage  der  frühere  Zweck  einer  Mit- 
telspersoTi,  des  Apothekers,  ganz  weg.  Welchen  Terstindigen 
Zweck  kann  also  jetzt  das  Apothekerwesen  haben!  —  Ich  weifs 
e«  wahrhaftig  nicht. 

So  oft  ich  die  Bekanntschaft  junger  Aerzie  mache ,  die  doch 
txt  unserer  Zeit  !n  allen  wisaenswiirdigen  Dingen  unterrichtet  sind, 
brioge  ieh  das  Gespräch  auf  diesen  Punkt;  sie  sind  aber  so  un- 
wissend als  Ich  selbst  bin.  Sie  brOmmelo  blofs  etwas  in  den 
Bart  von  einer  Conlrolle ,  die  der  Staat  Sber  das  Treiben;  des 
Arztes  haben  müsse.  Frage  ich  nach  dem  bestimmten  Begriff,  den 
sie  mit  dem  Worte  Conlrolle  verbinden,  so  atocken  aie,  und  will 
Ich  nicht  unhSflich  sein,  so  mufa  ich  den  Gegenstand  fallen 
lassen. 

Der  Staat  soll  vermiltelst  der  Apotheken  befihtget  sein ,  das 
praktisdie  Handeln  dea  Arstes  zu  beaufsicbiigeD ,  in  streitigen»  4^et- 


—    1M6    -. 

verdttchligen  FallaD  darfibei  n  fentvcbcUtn.;  4m  ist  w«!  dar  UmgiiS, 
dea  mao  mit  dan  franio<ücUeB  Wofte  CvulrUe  verbUdea  niu(i4 

Dura  die  die  Staaugewalt  verg«gMwarUgfl»dc  MadkiMibehdrd« 
das  prakliache  Treiben  dea  Arsiea  vcrmiUBUt  der  Apoikflken  io  Im- 
släodiger  Aufnicbt  bshi^ie,  wird  kein  kluger  Mann  bebanptek:  also 
kann  in  dem  ApotbekerwcKD  blofs  eine  MSglicbk«il,  Aa  uageaetx- 
licban  Uandlungen  dea  ArMca  n  nnteraucbffD,  and  den  atricher 
UandluDgen  Verdäcbtigca  «der  Bescfaaldigten  aar  V«nuHw«rWKg  s» 
lieben,  begründet  aein. 

Ueber  welche  geMtawidrige ,  dnreb  die  ApotbekM  m  enötr 
lelnde  Handlungen  könnte  hm  der  Arat  in  Anapnich  gnomntm 
wecdeal 

.1)  Cr  könnte  die  Rolle  dea  eigentlicbeOt  alMiciiilinbao  Vergib 
lari  spielen;  verinögc  aeiner  Kenninib  der  feindlichen  WiHnng 
ninacher  vegetabilischen  nod  mineralisebea  Substanien  wire  er 
allerdings  weit  beasef  dam  befiibiget  alt  die  gemeinen  Giftwiacber, 
die  nichu  anderes  kennen  als  Araenik. 

Die  Fllle  aber,  WO  der  Ant  direkten,  eiganthünilicfaeo  Belang 
dabei  haben  könnte ,  einen  Hemcben  an  vergiften ,  sind  so  selten, 
dafs  es  sich  niobl  der  M3be  lohnt,  darüber  ein  Wort  an  sagen.  Je- 
doch hu  sieb  vor  etliohen  Jahren  ein  solcher  in  Paris  »igetnigen. 
Leiobter  könnte  ein  gewissenlosor,  habsüchtiger  Ar«t  ah  Mittels- 
peiaon  von  mörderischen  Leuten  gebraucht  werden ,  einen  kranke« 
Verwandten  am  Tesiameounacben  oder  Tesumeni verändern  durch 
den  Tod  zu  behindern.  In  solchen  und  Kfanlicben  F&Ilen  würde 
aber  dooh  der  giftspendende  Arxt  so  dumm  nicht  sein ,  das  Gift  in 
der  Apotheke  zu  verschreiben.  Giftige  Pflansan  niub  der  Apothe- 
ker iwar  sorgfältig  in  beionderem  Veracbluls  bewahren ;  die  Nwor 
laist  sie  aber ,  frei  wachaen ,  sie  sind  in  jedes  Meoscben  Bereich. 
0er  gewissenloie  Arat  brauebte  also  nur  den  mörderischen  Uansge- 
nossen  ein  solches  Pfianaengift  xninHteckeD ,  die  würden  sehen  in 
Speise  und  Trank  dem  Kranken  das  Todesraahl  innehlen.  Ja  auf 
die  Art  könnten  sie  eben  so  gut  einen  Gesunden  als  einen  Kranken 
vergiften ,  und  noch  obendrein ,  wenn  das  Gift  anfinge  aeine  feind- 
liche Wirkung  zu  fiufsem,  den  giftspendenden  Arzl  zu  Hülfe  rqfea. 
In  jedem  Falle  würde  die  Medixinalbehörde ,  kftme  die  Sache  zw 
Untersuchung ,  sehr  unschuldige  Resepte  in  der  Apotheke  finden. 

2)  Der  Arxt  könnte  in  Verdacht  gerathen,  feindliche  Arzanct- 
uiittfl  in  zu  starker  Gabe  verordnet  und  dem  Kranken  geschadet, 
oder  ihn  wol  gar  getödtet  zu  haben. 

In  diesen F&Iien  möchte  aber  der  Beweis  schwer  n  f&bren  sein; 
d  enn  wenn  die  uniersuchenden  Aledizinalheamien  auch  wirklich  ein 
verdtlchiiges  Rezept  in  der  Apotheke  Anden,  so  würden  sie,  als  io 
der  Literatur  gut  bewanderte  Mttnner,  sieb,  der  sehr  grofsen  Ver- 
schiedenheit der  Gaben  beroiaaber  Mittel,  die  man  bei  venehiedenea 


—  m?  — 

prakiisoAsn  SohriftMalUn  6*dat,  «Usbald  ■rimwo  mud.nitlUflbi 
Bedeoken  trage«,   ja  eioer  so  bäkliobeo  Sache  gu  eouebeideu. 

3)  Cid  Arat  köiut«  beicbtüdigt  wudflB,  die  Anwendung  dien- 
licher Mittel  bei  einem  Kranken  unterUuen  und  Um  dadurch  gf 
schadet  zu  haben,  —  Mir  scheint]  In  »inem  solchen  Falle  wü^. 
den  die  untersuchenden  Mediiiinalbeamten  aus  den  in  dar  Apotheke 
gefundenen  Kezeptea  auch  wenig  Aufklärung  schöpfen.  Ihre  Be- 
lesenheit würde  ihnen  ja  gleich  die  yersohicdeiwrligen  Ansicbtaa 
gater  praktischer  ScbcifliteUer  über  die  Bebandtuag  «inar  ^t^A  der 
näiolichen  Krankheit  ins  Gedächiaifs  rafen,  und  wftren  aie,  wie 
wo)  KD  vennuthen»  reobtliohe  und  unsiobii^a  M&oner,.  so  könnte 
der  Zeitgeist  gar  keinen  Einflufs  auf  ihre  Begutachiiing  haben; 
denn  gerade  ihre  Belesenbeil-  wBrda. ihnen  die  LafligUeit  und  Wao- 
delbarkeit  dieses  Geistes  zur  Genüge  offenbaren. 

Nun  könnte  man  sagen:  die  Möglichkeit,  ducofa  die  in  der 
Apotheke  vorliegenden  Bezeple  die  Behandbing  des  Arztes  zu  be- 
ariheilen,  sei  niebt  blofs  gegen,  sondern  atiefa  für  dett  Arat.  Man 
sehe  ja  stiwsilan  Menseben,  die  sieh  nur  ein  wenig  unwohl  ge- 
fühlt, eines  pl&tzlieben  Todes  aierbeo.  Httiien  diese  nun  yoiher 
auch  nur  die  unschuldigste  Arzenei  genemmen,  so  könnten  böse  Men- 
sches dieser  Arzenei  den  Tod  zuschreiben  und.  den  Arzt  als  Mör- 
der aussehrtian..  Hier  würde  nun  die,,  durch  das  in  dar  Apoiheka 
vorliegende  Rezept  zum  Unheilen  bef&bigie  Me.dixinalhehÖrd«  dei» 
Arst  von  aller  böswilligen  Beicfauidigung  seiser  .Vcrleomder  rei- 
nigen. — 

Ich  .gebe  zu,  dafs  das  sehr  annehmlich  lautet.  Hat  man  aber 
Menschenkennlnib ,  watfs  man,  wie  hartnäckig  die  meüiten  Leute 
an  ihren  bftsen  Meinungen  und  Vorurtheilen  bongen,  wie  nicht 
der  deutlichste  Beweis  vom  GegentheU  sie  überzeugen  kann,  so 
ziehet  laan  leicht  ein,  dafs  auch  der  bestiniiuleste  Aasspruch  der 
Behörde  zn  Gunsten  des  beiofanldigten ,  od«r.  verleumdeten  Arz- 
tes, diesen  in  den  Asgea  böswilliger  Menschen,  nicht  reinigeD 
Word«.  Aerat«  könnten  do«h  nur  diese  Untentichnng  macben  und 
ihr  Gutachten  abslai(en;  da  würde  dann  das  .Volk  das  alte  Sprich- 
wort in  Anwendung  briogen:  eine  Krfihe  backe  der  andern 
die  Augen  nicht  nus,  und  ein  solches  Stadt-,  oder  Oorfge- 
sprach,  welches  vielleicht  ohne  amUiohe  Untersuchung  in  acht 
oder  vierzehn  Tagen  abgestorben  wSie,  würde  durch  die  amtliche 
Untersuchung  zn  einem  wahren  Laadgespräcbe  werden. 

üa  nun  das  Apotbekerwesen .  unmöglich  den  Zweck  haben 
kann,  die  die  Staatsgewalt  vergegenwärtigende  Medizinal L eh öide 
zur  Beanfnicbtigiing  des  praktischen  Handelns  der  Aerzie  zu  be- 
fühigen,  so  mfissen  wir  weiter  über  seinen  möglichen  Zweck  nach- 
denken. 

Cr  köiutle   vUlleiebl  darin  bestehen,    dafii  dia  Aant«  dnrcfa 


—    13»    — 

du  Verbot  4m  SdbMäitpmnfraiH  bvhiadert  werdm  wHIcbd,  ao- 
billige  Fodeniiig«!!  fit  ■elbttdlspensirtB  Amnflieo  an  die  Kranken 
«u  machea.  Dies»  Venorge  Mlehte  ich  genide  nicht  udeln;  al- 
lein wSre  «ie  wirklich  der  Zwesk  dee  Verliotes  des  Kmlichen 
Selbatdispeniirens,  so  wfirde  ja  die  MedixinalbehSnle,  die  von 
einer  anderen  Seite  dem  Ante  eile  Freiheit  gibt,  Beinen  Kran* 
ken  den  Seckel  »a-  leeren ,  mit  sich  selbit  in  Widenprncb  fallen. 
Wir  wellen;  nm  dteies  recht  zu  begreifen,  einmahl  erwKgen, 
wie  weil  eteb  in  onieren  Tagen  die  SrziUehe  Freiheit  erstreckt. 

1)  Der  Artt  bnt  velle  Freiheit,  dem  Kranken  viele  und  thenre 
Arxeneien  nnnöihiger weise  xn  verschreiben,  Ob  er  nna  aaf  di« 
Art  den  Kranken  nrns  Geld  bringt,  oder  selbsidispeosirend  sich 
wohlfeile  Mittel  iheuer  betahlen  IlTat,  liatl  doch  auf  eine  hin- 
ans;  im  leisten  Falle  wandert  des  Kranken  Geld  In  die  Tasche 
des  Arztes,  im  anderen  Falle  in  die  Taecbe  des  Apotkekers,  der 
Kranke  ist  dessen  aber  ^oitt. 

2)  So  viel  ich  weifs,  haben  'die  Mediiinälbebftrden  mehrer 
Deutschen  LSnder  schon  la^e'die  Aertie^  Terpfliebiet ,  Daoh  etaer 
gesetilichen  Taxe  ihre  Besnche,  Beseple  und  andere  BeiuühaD- 
gen  r,n  berechnen.  In  dieeer  VurpfHctitiing  liegt  jn  fär  die  Hab- 
sQchtigen  eine  weit  grSbere  Fraiheit,  unsEiilieh,  je  grausam  tu 
baDdelo,  ata  sie  je  vor  ElnfDbmng  aller  Medisinaltrrdnnog  bandehi 
konnten.  Medixinaltaxen  hat  man  von  jeher  lo  allen  LSodern 
gehabt;  allein  es  waren  berkSmmliebe,  nicht  gesetaliche ,  wie 
sie  noch  jetzt  in  den  Niederlanden,  in  Frankreich  und  wabradieia- 
lieh  in  manchen  anderen  Lindem  blofs  herkdmmMeh  sind.  Zwi- 
schen einer  gesetslichen  nnd  einer  herkSmmlicben  Taxe  ist  aber 
ein  grofser  Unterschied.  Lettie  kann  in  sireirigin  FSIImi,  wo 
dfe  Habsucht  des  Arsies  den  Unbemittelten  aebinden  will,  die 
Gerichte  nicht  zwingen,  den  Verklagten  tnr  rollen  ZaMflng  der 
Arzlreefattui^  sn  verdammen,  oder  wolgar  auf  Verkauf  seiner 
geringen  Habe  an  erkennen;  soudern  al»  kftniibn  dnrch  kristlicke 
Schiedsminner  die  Federung  des  Arstes  nach  der  Bllli^eit  ermfi- 
fsigen  lassen.  Wean  aber  efne  gesetalicbe  Taxe  bestehet,  kön- 
nen sie  nur  auf  den  niedrigsten  Satz  dieser  Taxe  erkennen,  nnd 
der  mftchte  in  manchen  Fällen  noch  Tiel  lu  hoch  sein.  Wie  viel 
Freiheit  haben  nnn  die  Aerzte,  }n  den  Stftdien  dnrch  nnnStfaige 
Besnche  die  Leate  ums  Geld  «n  bringen,  nnd  wie  will  die  Me- 
disinalbehörde  diese  Freiheit  beschrünkea f  '  Ja,  wie  kSnnen  hab- 
sfichiige  Aercte  «nrserBtBdiische  entfernt  wohnend«,  oder  in  an- 
dern Stadien  wohnende  Kranke,  durch  wiederholte  unverlangte 
Besuche  auf  Kosten  treiben ! 

Alles  wohl  erwogen,  bleibt  mir  also  das  Apothekerwesen  ein 
unlösliches  KSthsel. 

Die  Sache  liegt  nun  ehtt  «imaabi  ao^^den  A^Mteo  JM  im 


S*lbitdiipeaiirsn  Terbotan,  DiM«ft  V«fcot  n»s  «mb  T«ntitii4i7 
gen  Zw«ok  haben,  od«r  Dicht,  ao  manes  wir  doob  wol  i|»  b^* 
des  {Ullen  die  Frags  MifwwfMi:  walob«  GawBhr  teilt«« 
der  Staat  den  AersteD  für  die  riobtige  Bereitung  ib^ 
rer  Varordnnngen  in  den  Apothekenl 

In  neaer  Zeit  habe  ich  über  diesen  Geganatand  die  Gedan- 
ken einea  gegen  die  Homftopalbea  fecbtenden  Arzte»  gelesen.  Sein 
Name  thnt  nichta  >ur  Secbe ;  denn  ich  will  ja  nicht  gegen  Per- 
Renen aireilen,  überbanpt  nicht  itreiten,  sondern  nnr  als  Uab«- 
theiligier  meine  Meinung  sagen.  In  der  besagten  Ahhwndlur^  lief, 
Mush  AbwPgnng  aller  Gründe  für  snd  wider,  aoletst  di«  Gewflhr, 
die  der  Staat  dem  Arste  bietet,  anf  den  Eid  hinaus,  welchen  die 
Apotheker  dem  Staate  geleistet.  Wir  müssen  oho  uns  wierst  naall 
dem  klaren  Begriffe  uraaeben,  den  wir  mit  dem  Worte  Apotk«- 
kereid  in  Terbinden  haben. 

Dieser  Eid  ist  doch  wol  nichts  anders,  als  das,  tob  dei« 
Apotheker  bei  gutem  VersUnde  und  nach  vorhergegangeaer  £r- 
wftgnng,  einem  die  Stauagewalt  Tergcgeowtniganden  Beamten, 
oder  Kotlfgio  von  Beamten ,  geUislele  Versprechen ,  sich  in  der 
Uebung  des  GeecbSfies,  so  der  er  vom  Staate  ecmiebtiget  wird« 
nach  ieu  Geselsea  sn  richten. 

Welcher  Zwang  liegt  nun  aber  in  diesem  Venprefben,  «t 
in  haltenl  —  £■  könnte  ein  ■welfnohnr  sein:  ein  büigerlieher 
nnd  ein  sitiMcher. 

Der  bürgerlich«  Zwang  ist  blofs  ein  indirekter.  Der  durch 
den  Eid  VerftSiebtet«  weifs,  dals,  wenn  er  seiner 'VerpAiobtnag 
nicht  naebkommt,  er  dem  Strafgesette  verfallea  wird.  £s  kann 
also  nur  Forebt  vor  der  Sirafe  sein,  die  ihn  zwingt,  sein  Vu- 
aprech<kB  zu  halten.  Der  bürgerlidie  Zwang  ist  deshalb  ein  blofs 
indirekter,  weil  er  durch  die  Möglichkeit,  dem  eidljct)  Verpflich- 
teten die  Uebertminng  der  Geteise  xu  beweisen ,  bedingt  ist.  Iq 
einen)  civilisirten  Staate  werden  wir  Gesetzübertretungen  besinnt, 
die  reehugültlg  erwieeen  sind.  Wir  müssea  also  jetzt  entersn- 
cben,  ob  es  leicht,  oder  schwer,  mBglicb,  oder  unmöglich  M«it 
dem  Apotheker  die  UebeMretuAg  der  Gesetze   leobtsgültig  za  he- 


Die  Gesetze,  dio  der  Apotheker  m  befolgen  bat,  lauen  sich 
in  zirei  Arten  theilen ;  einige  beziehen  sich  «nf  seine  bn^rtichs 
Bielking  anm  Arzte  nnd  «n  den  Kranken,  andere  auf  sein  eigent- 
liches Geschäft,  n&mlich,  ih>is  er  gute,  richtig  bereitete  Arzo> 
■eien  in  der  Quantität  verabraicben  zsnfs,  -wio  das  Rezept  an« 
gibt. 

Was  die  ersten  Gesetze  betriffi,  s.  B.  dafa  der  Apothe- 
ker sieh  nicht  in  die  Getchflifte  des  Arztes  mischen,  nicht  die 
Krattken  darah  aUeriei  -Umtriebe  den  tinu  «bweadig  machen  i^t^i. 


dem  Eiad«i«n  nwelMn  toll.  Bt«  TorM^irlfi,  dafi  er,  «eder  die 
Bna  den  Reiepicn  T^rmuthst«  Krankheit  der  Leute,  noch  iib«r- 
baapt  die  Rnepie  An  Arites  aaspItndAni  darf,  liad  im  Gnrad« 
nur  Nebeoitaehefl.  Jedoch  in  diesen  Nebensaeben  ni8chle  achon 
der  Beweis  der  GsMiaabertreinn^  achwer  an  führen  «ein.  Nur 
dnrch  Zmigen  iri  so  etwai  xa  beweisen;  der  kfageode  Arzt  würde 
nber  denen,  die  er  anr  gerichtlichen  AuMage  auffodern  wollte, 
dadurch  einen  schlechten  Dienst  erweisen ,  und  sich  überhaupt, 
durch  sin  ^ricbilichw  Gefecht  mit  der  NiedertrHchtlgiieil,  in  den 
Augen  veratHndiger  Menschen  hernnierset/.en.  Der  ApotheLer  kann 
aich  alao  solchen  Ungaseixlicbkeiien  mit  allerGeisiesruhe  überlassen. 

D!«  Uebertretong  der  Gesetae  durch  Verabreichung  schlech- 
tar,  vsrAlsohter  Mitlei,  oder  durch  Betmg  in  dem  Gewichte,  kann 
BOT  in  höchst  seltenen  Pillen  d*rch  unverwerftiehe  Zeugen  bewie- 
sen werden,  also  ist  der  Beweis  blefs  durch  die  Arsenei  seihst 
an  Hrhren;  in  derselben  nffenbart  sich  ja  auch  einzig  die  Gesela- 
öberrrecong. 

Um  den  Beweis  durch  die  Antnei  n  führen,  ist  aber  nSthlg, 
dafs  das  Corpmt  delicti,  die  Arsenei,  nicht  blofs  von  allem  Ver- 
dachte, sondern-  von  aller  Möglicbkeit  einer  Verftnderung ,  oder 
Verfälschung  durch  fremde  HSnde  frei  sei.  Diese  VetKnderunf, 
oder  VeffAtschung  könnie  AanM  den  Kranken,  oder  durch  dessen 
Hausgenossen,    oder  durohden  Arzt  geschehen. 

Der  Kranke  und  seine  Hausgenossen  (selbst  Knecht  oder 
Magd)  brauofalen,  wollten  siie  dem  Apotheker  einen  boshaften 
Streich  spielen,  nnr  die  Hsifie  einer  flüssigen  Arzenei  wegsugie- 
faen  und  die  Flasche  mit  Wasser  anzufüllen,  ao  würde,  wenn 
der  klagende  Arsi  auf  amtliche  (Jnierstiehung  der  Arzenei  an- 
trüge ,  die  MediiinalbehSrde  nur  die  Hfilfte  der  verordneten  Mit- 
tel in  der  Flasche -finden.  Ja,  wollte  ein  boshafter  Arxi  den  Apo- 
theker in  die  Diote  bringen ,  so  brauchte  er  nnr  in  den  Kranken- 
«immem,  fn  welchen  oft  genng  die  Fenster  verhiingi  sind,  die 
Arseoetflasehe  zu  Mhen,  sie  angeblich  durch  Geschmnck  und  Go- 
mob  untersutAen ,  nnd  ohne  Taschenspieler  zu  sein  kSnnte  er  ja 
leicht  etwas  kohlensaures  Biet,  oder  Quecksilberoxjd,  oder  Breeh- 
weinstein  hineinwerfen,  die  Arzenei  für  unrichtig  bereitet  erklä- 
ren, sie  der  Medizinalb'ehSrde  insenden,  nnd  diese  wfirde  ohne 
Mflhe  die  faiseben  mineralischen  Beslandtheile  darin  entdecken. 

Leser,  die  also  von  dem  Gange  der  Rechtspflege  auch  aicht 
daa  Mindeste  kennen,  müssen  aus  dem  Gesagten  begreifen,  dafs 
auf  die  obrigkeirtiche  Uniersuchang  einer  Arzenei ,  welche  sieh 
schon  in  den  Hfinden  des  Kranken,  oder  des  klagenden  Arztes 
befunden,   kein    Apotheker  rechtsgültig  kann  Terunheilt  werden. 

Dem  Arzte  bliebe  also  nichts  anders  Ober,  als  die  Arzenei  eines 
Apothekers,   der  sieb  ihm  verdkcbtig  gemaoht,  nif  den  Bcseptir- 


—    1«31     - 

thcb«  von  der  Obri^rait  id  BeMMag  Behnieii ,  lie  Tw>i*g»hi  nail 
<ter  MeiliiiBKlbekSrd«  Eniebiekm  xa  Immd.  Wie  MÜte  tAmr  «in 
Antt  so  uBgeheaer  dämm  ■«in,  eiaeAnanvi,  die  er  nicht  voi^er 
•elbst  «ntersneht  ond  al»  feltoli  beftisdeir,  ven  der  Obrigkeit  in 
Betohlag  nehmen  xn  Ueient  —  0er  A}MMheLer,  der  ihn  hnndert- 
mahl  betrogen,  ktnate  ja  die  in  BeiehUg  genommene  Anenei 
richtig  bereitet  lieben ,  vnd  der  Kläger  als  Efareniehlnder  erioheinea. 

Sollte  aber  ein  Artt  so  gemein  aein,  sieh  mit  dem  Gehülfen 
dei  Apotheiceri  in  ein  Bundnifa  gegen  dessen  Meister  einiulassen, 
und  auf  einen  Wiak  des  untreuen  Geholfen  eine  bereitete  ArteneL 
auf  dem  Reseptirtisehe  von  der  Obrigkml  in  Beschlag  nehmen  )a»> 
aen,  so  würde  er  auch  etwas  nniernehmMi,  welches  fBr  ihn  selbst 
eehr  onangen^me  Folgen  haben  kjtnnte.  Wer  versiebeit  ihn  der 
Treue  eines  Gebülfe«,  der  seinem  Meister  untrea  istt  —  Nie- 
inan<d.  Er  köaMe  ihm  ja-  bei  einer  gaOx  richtig  heretteien  Ars»- 
Bti  den  Terabredeten  Wiirk  geben,  um  ihn  in  Verlegenheit  xu 
Hfinea.  Wiese  aich  aber  euch  die  Arsenei  bei  der  Uniersnchnng 
als  unrichtig  bereitet  aus,  und  der  Gebülfe  selbst  hätte  sie  auf 
Befehl  des  A|«othekera  falsch  bereitet,  so  bliebe  dem  tetcten  im- 
mer die  Ausrede,  der  Gefafilfe  habe  sie  aus  Bosheit  falsirh  berei- 
tet. Ja  er  kSnnte  die  Wahrteheinlicfakeit  in  die  Wage  der  Ge- 
ireebiigkeit  legen,  dais  der  Arzt  mit  (fem  Gehülfen  sich  Terbnh-. 
den  bähe,  ibn,  den  Meister,  ta  vecderben;'  diese  Wahrschein- 
lioblieit  würde  durch  die  Unwabrschelnlicbkeit,  dafs  ein  Arct  die 
ron  ihm  nicht  ontersuchte,  noch  auf  dem  Rezeptirtische  stehende 
Araenei  für  falsch  bereitet  ausgeben  kSnne,  wenn  er  nicht  dieses 
vorher  mit  ^m  Gehülfen  verabredet,  sehr  grofses  Gewieht  be- 
kommen. 

Also  Diir  in  dem  Ftille,  dafs  der  Apotheker  die  Anenei  eigen- 
hlndig  bereitet  bStle,  könnte  der  Verraih  eines  Gehülfen  ihn  in  Un- 
gelegenheit  bringen.  Apotheker  aber,  welche  Einen,  oder  welche 
mehre  Gehülfen  ballen,  befassen  sich  nur  dann  mit  der  Resepiur, 
wenn  ein  ungewühnlich  grofser  Znflafs  von  Rezepten  dieses  nSlbig 
macht.  Zu  einer  solchen  Zeit  hat  der  Gehfilfe  keine  Mufse,  deta 
Mehter  auf  die  Fiager  au  sehen;  Ja  wollle  er  sich  durch  gar  zu 
grofse  Aufmerksamkeit  auf  deesen  Than  Terdlchtig  machen,  se  wür- 
de er  b^d  den  Abschied  bekeftimsn. 

Alles  reiflich  erwogen,  haben  also  die  Apotheker  die  unbe- 
dingteste Freiheit,   Aerzie  «ad  Kranke  zu  betrügen. 

Die  Apotheker  wissen  das  aech  recht  gnt;  denn  wer  je  sich 
mit  verslHadigen  uad  rechtlichen  iber  dieeen  Gegenstand  bespro. 
obenfaat,  der  wird,  so  wenig  ale  ich,  gegründeten  Widerspruch 
bei  ihnen  gafuadea  haben.  Höebriiens  wenden  sie  ein,  defn  ein 
Apotheker  obae  Mitwissen  seiner  GehMfen  nicht  beirügen  künne, 
und  d^s  diese  aar  lo  lange  aehwelgea  würden  j    ab  aie  f o  sein^ 


-    U3t    — 

Dianil«  «ObJcd;  bStfw  üa  dtMMi  w>1w»bj  «o  kanne  nicht»  ^» 
hiadvro*  die  ongMeulitlMi  £Undbiig;ea  das  {rüharsn  SAtkatatm 
■mmpUadcrii. 

Dieaer  Einwarf  sagt  aWr  nichu.  BIgfs  Yerstflodige  sod  ebr- 
licke  Gehülfen  köonteB  so  etwa«  aiufdanderB ;  diese  sind  aber  m» 
kiag,  dafs  sie  m  nur  einem  veriraaua  Ante  oder  jVpufaeker  un- 
ter Tier  Augan  sBf[an.  Wollteo  sie  es  zer  öffttotlicbea  Kunde  bcia- 
gtn ,  BO  kdnnle  der  baseboldigie  Apotheker  sie  als  Verleumdet 
verklagao,  und  da  dieser  ihnen  doch  wol  nie  einen  lehrifilichen 
BafeU  xn«  Betrügen  wird  eingehüodiget  JbabeD,  so  müfiian  sia 
ans  Mangel  eines  spteben  schriftlicben  Beweises  noibwendig  den 
Prosefs  Teriieren.  GehäUen  aber ,  die  selbst  eine  aebelmiscbe  und 
betrügerische  Natnr  haben,  werden  die  Gesetzwidrigkeiten  ihrer 
fiQhereo  Meistsr  nie  aoaplaudem.  $ie  sehen  oämlieb  den  Betrug 
als  einen  Tbeil  der  Apothekerkaoat  aa,  den  sie  mit  groftem  Flei- 
be  arlenieo  m3ssen,  damit,  weiui  sie  künftig  seibat  Besitzer  einer 
Apotheke  sein  werden,  sie  ihn  mit  Umsicht  und  VortbeU  üben 
k&onen. 

Nun  mufa  ich  noch  von  den  ApotbekergehüIfeD  ein  Wort  sa- 
gen<  Es  heifst,  der  Apotheker  aolle  venuitwonlicb  für  die  JtUfs- 
grlffe  seiner  Gebijlfen  sein,  leb  sehe  aber  die  MedizinalbehSrden 
deutscher  Lande  für  gar  in  verslftndig  an,  .als  dafs  ich  gleobea 
könnte,  sie  würden  je  den  Apetheker  alle  Milsgriffe  seiner  Ge- 
hülfen  entgelten  lassen.  Nur  da  ist  der  Apvibeker  straffillig,  wo 
er  eigener  Fahrlässigkeit  kann  bezücbtiget  werden.  Z.  B.  wenn 
ein  Gehilfe  im  Laboratorio  etwas  bearheiiet,  so  ist  es  die  Pflicht 
des  Apothekers,  anfsupassen,  dafs  es  gut  geschehe,  und  das 
Präparat,  sei  es,  welches  es  wolle,  vorher  genau  zu  unteraucben, 
bevor  er  es  ziui  Gebraaeb  in  Am  Apotheke  stellt.  Uaterläfst  er 
dieses,  so  ist  es  sehr  billig,  dafs  er  für  den  Mifigtiff  aeioea  Ge- 
hülfen gestraft  werde,  denn  er  ist  befähiget  zu  solcher  Aufsicht. 
—  Wie  ist  er  aber  im  Stande,  seine  Gehülfea  bei  der  Bezeptnr 
lu  beaufsicbtigea ^  Das  ist  Ja  unmöglich.  Wer  es  bebanplet,  der 
kennt  du  Geschäft  nioht.  Wenn  in  einer  Apoibeke,  die  ordent- 
liche, mftbige  Geschäfte  macht,  der-  Herr  inueer  hinter  dem  G»- 
bülfen  stehen  sollte,  nm  zu  heebaebten«  ob  dieser  ven  jeden  *er> 
geschriebenen  Mittel  das  gehörige  Gewicht,  oder  die  gehSngn 
ZaU  Tropfen  nähme,  so  köante  er  ja  weit  gemächlicher  im  Be- 
zept  selbst  bereiten.  Ist  es  aber  einmahl  von  dem  Geholfen  be- 
reitet, so  wird  et  aach  in  den  wewgsten  Fällen  tagen  kannen, 
ob  es  genan  nach  der  Vorschrift  bereitet  sei,  oder  sieht*  Die 
eigentliche  Heilwirkung  der  Arzeneien  hängt  in  vielen  FftUea  ge- 
rade von  der  Geringigkeit  der  Gabe  ab.  Wie  kenn  nun  der  Apo- 
theker durch  Gesehmack  aad  Geruch  erkennen,  ob  z.  B.  mit  acht 
Unzen  Flfiaugkut  «eefaa,  oder  lechmkn  Tropfen  SebeUksnnltiBktnr, 


-  w»  — 

tum  Knpal,  oder  «in  DmdiDW  BrMhtmlliffanw  gemniefat  «eit  — 
Mb*  Im  Euweilen  gsnötfaip,  die  ^ling»  Taggsbe  maneber  Mit- 
tal ia  Mnen  Tiaok  la  btingsaj  weil  man  den  angesohlBchtea 
UmgvlHiDgeD  dn  Kranken  das  Trftpfehi  ni<^  anverfrauen  darf. 
Im  mm  der  Apmhekergebiilfe  «in  flberklnger  Haaenfnfs,  so  denkt 
•r,  der  Arit  ni  ein  Alberner,  ein  Narr,  dafs  er  ko  geringe  Ga- 
ben Terscbreibe,  giefit,  weil  daaDing  an  eich  keinen  Wenh  bal^ 
naob  Belieben  in  den  Trank,  nnd  der  unglQckliohe  Arzt  kann 
rieb  hernach  den  Kopf  xerbreeben ,  waram  er  von  seiner  Verord- 
BODg  die  gewobnte  Wirkung  niebl  eiabet. 

Das  GeachBft  dea  Apothekers  ist  ein  gatet,  eioträglicbet  Ga- 
■ehftfl;  das  einxige  L&stige  dessalbea  sind  die  Geholfen.  Dias« 
Mentchenklasse  hat  sich  aait  ich  die  Knnst  iibe  so  rersoblechtert, 
dafs  es  kaum  sn  sagen  ist.  Abgesehen  davon,  da£i  ein  grofaea, 
garstiges  Laster  unter  ihnen  «ingariaaen  ist,  welches  ans  Aersle 
nidits  angehet,  haben  Leiehtaian,  Kleidarpracbt ,  Varsobwendung 
•ad  AuascbweifungeD  aller  Art  so  ftberhand  geaosumen,  dafs  ich 
•cbon  auf  den  Gedanken  gekossmen  bin,  sie  m&chtea  wol  di« 
."n-tuuMiiatiattüitio  mttaä^Tum  «nldedit  baban,  nad  salbig«  als 
ein  eigentbumlicbes  Geheinnrifs  ihres  Standes  bewahren. 

früher  hielt  mein  alter  Freund ,  der  gewesene  Apotheker, 
Jets^e  Rentnet  Harr  B.  hiesaihst,  nie  Gefaülfen,  sonders  iwei 
Leluliage.  Einer  derselben  war  immer  so  weit,  dais  er  als  Ge- 
hälfe  dienen  konnte.  Da  Herr  B.  nun  dafür  sorgte,  raohtlicber 
Lente  Kinder  in  die  Lehre  xa  nehmen,  so  befand  er  sieb  gut  bei 
dieser  Einrichtung,  nnd  krin  Anttoder  Wundarzt  bat  je  über  seine 
Apotheke  ib  klagen  gehabt.  Seit  aber  die  Praufsiache  Mediainal- 
bahSrde  verordnete,  dals  kein  Apotheker  einen  Lehrling  halten 
dürfe,  der  nicht  einen  Gehülfen  habe,  so  war  Herr  B.  gezwun- 
gen, TOD  seiner  Ordnnng  abzugebn  nnd  einen  Gehülfen  nebst  Eli- 
nem  Labrlioge  au  halten.  SejU  dieser  Gabülfeaaeit  sind  Uoord- 
nötigen  in  der  Beaeptnr  vorgefollen,  die  ich  früher  in  dieser  Apo- 
tbake  nie  erlabL  Ja  durch  die  Gehülfen.  ist  diesem  Manne  das 
Geschäft  so  verleidet,  dala  er  die  Apotheke  verkauft  hat.  Ich  . 
erinnre  midi  imter  andent,  dafs  ainit  ein  Gehälfe,  der  übrigens 
wol  geschickt  war,  auf  Ein  Mahl  so  toll  verliebt  wurde,  dais 
man  sieb  gar  nicht  mehr  auf  ihn  verlassen  konnte.  Oh  ich  nun 
gleich  mit  einem  Verliebten  grofsea  Mitleiden  habe  und  dem  Kopf- 
kronken gern  Mifsgriffe  in  seinen  Geachäflen  veraeihe,  so  war 
ich  doch  im  Gründe  benlich  froh,  als  der  Mann  abzog.  Der 
Apotheker  kam  aber  vom  Regen  in  die  Traufe,  denn  dem  Ver- 
liebten folgte  leider  ein  grofsstHdtisober  Trunkenbold,  "^ifagriffe 
in  der  Rezeptur  hat  dieser  in  der  kurzen  Zeit  seines  Hierseins 
nicht  gemacht,  dean  der  Apotheker,  der  seine  Schwachheit  bald 
merken  muht«,  wird  ihm  wol  gnt  auf  die  Finger  gepafirt  baben.^ 
1  78 


—    ISM    - 

Abcf  dietn  Aufpaum  ntiis  ihn  wahnefaeinlicfa  gewurmt  haben, 
desD  einea  Nachuiitiagea  wiid  er ,  de  der  Menter  aidu  ein  wenig 
vor  dem  Tbore  erg^beti  auf  einwehl,  oboe  die  geringete  Veran- 
losaung,  so  wüthend  wie  ein  retbaades  Thiei ,  tobt  ae4  raset  so 
im  Hauie  hemm,  dali  die  üatiioD  dei  Apoibekere  und  eine  bei 
ihm  eiawobnende  FreuDdion  fürcbien,  er  wolle. ihoBa  n  Leibe 
gehen,  aus  dem  Ilause  entfliehen  und  bei  einem  Nnehbar  Scbntz 
Sachen.  —  Der  Nachfolger  des  Uerm  B,  bat  in  dea  wenifen 
Jaliren,  die  er  biet  wohnt,  aaeh  schon  allerlei  tuerkwfirdige 
Sifäufie  mit  den  Gebiilfen  erlebt.  leb  eriaaere  mich  eines  f3r 
die  Reseplur  fast  unbrauchbaren,  einea  anderen  ffir  den  Handrer- 
liBuf  unbrauchbaren  (weil  er  achwerbftrig  war},  eines  au sgezeicb- 
neiea  Tmokenboldes  and  eioes  KacfatsehwKrmera.  Das  seltsrnnate 
Abenteuer  hat  aber  wol  in  aeeer  Zeit.  Herr  JH.  bestanden.  Ein 
ihm  von  Materifdisleo  empfohlener  Bitlicher  GehüJfe  ww  iwar 
nicht  nogeschickt,  hatte  aber  ein  xurüokMoiaendea  Gesicht,  und 
in  der  fteihe  seiner  Zeugniase  fanden  sich  Lacken,  über  welche 
er,  geaügeude  Auskvaft  u  gehen,  wenäg  geneigt  acbiea.  Dieses 
und  andere  kleine  Umatinde  machten  es ,  dafs  etwas  (Jnheimliehes 
auf  dem  Mann«  haftete.  UngefShr  einen  Monat  aach  seiner  An- 
kunft findet  einst  die  Magd  ein  beschriebenes  Papier  auf  dem 
Hauaplatze.  Neagierig,  wie  alle  Mfidchen,  lieset  sie  es,  kann 
nicht  klug  daraus  werden,  es  kommt  ihr  verdächtig  vor  etfd  aia 
hsingt  es  also  ihrem  Herrn.  Dieser  gerBih  in  keine  geringe  Ver- 
legenheit. Das  Blatt  war  ein  von  dem  Bruder,  oder  angebUehen 
Bruder  des  Gebülfen,  geachriebener  Brief.  Er  besUnd  aus  blofa 
geheiinnifavollen ,  sehr  verdächtigen  Säisen.  Nur  swei  SSts«  w«^ 
ren  deutlich,  in  dem  einen  verlangte  der  Schreiber  Geld,  und  in 
dem  aadern  erkundigte  er  sich,  wie  weit  dieses  St&dtchen  tob 
der  Grenze  entfernt  sei.  Diese  deutlichen  Sätae  machten  aber 
gerade  die  danklen  und  verdächtigen  noch  verdiehiiger.  Herr  M. 
vermoihete  aus  diesem  seltsamen  Schreiben ,  dafs  er  in  der  Per- 
son seines  Gebülfen  das  Glied  einer  Bäoberbande  herberge;  und, 
aoTricbiig  sei  es  gesagt,  ich  konnte  aeiner  Vermaihuag  nicht  wi- 
dersprscben.  Er  bftlta  freilich ,  am  sich  aus  dieser  peiniiefaen 
Lage  xn  reifsen,  den  verdächtigen  Gehülfen  mit  halbjährigem 
Lohne  und  balbjähf  igen  Verpflegongskosien  gleich  wegschicken  kön- 
nen; ^8  gewissenhafter  Mann  hielt  er  es  aber  für  Unrecht,  auf  blo- 
fae  Verniuihoog  einen  Menachen  an  beleidigen ,  der  vielleicht  nn- 
schuldig,  vieileicht  noch  obendrein  arm  nnd' ungi  Sek  lieh  sein  kdnae. 
Er  beschränkte  sich  also  dnrauf,  die  Thür  seines  Schlafaimmers  all- 
nächtlich zu  verschliefsen  und  tüchijg  zu  verriegeln,  damit  er  zum 
wenigsten  vor  dem  ersten  Anlaufe  gesichert  sein  möchte.  Ich  rieth 
ihm,  durch  Handelsfreunda  nach  der  Familie  and  den  friUieren  Ver- 
hältnissen des  Gehulfen  forschen  zu  lassen;    ^eErk^iidigQMfKhrle 


—    12S5    — 

aber  sa  alcbu,     Esdlich   nach   Dog«f&ht   xwei  HoDstea  warde'er 
aaf  cinmtihl  aller  Besorgoirs  entbunden. 

Die  Magd  faad  abermahU  einen  Brief  anf  denr  HanaplRtu. 
Dieier  war  iwar  auch  io  dunklen  Salzen  geachrieben,  jedocb 
bei  neiiem  nichr  bo  geltet nmifsvoll  als  der  erue.  Man  konnte 
Eum  weoigBlen  aus  demeelben  erkennen ,  dafe  der  BraHer  ein  ar- 
mer chemischer  GIScksntier  sein  müsse  (also  nicht  ein  8piubube), 
denn  er  baue  bald  chenischen  Fabriken,  bald  Malerialisten ,  bald 
Apoihekera  seine  Dienste  angeboten,  bald  chemi^be  Präparate 
feil  gehabt,  bald  die  Kunstfreunde  nni  aiilde  Gaben  aAgeaprocheii. 
Ib  welchem  Veibältniss«  er,  aufaer  dem  brüderlichen,  mit  dem 
Gehtilfen  stand,  blieb  freilich  noch  dunkel-,  iodefs  der  Apothe- 
ker war  doch  so  weit  beruhiget ,  dafs  er  ohne  Sorge  den  Gehdl- 
fen  bU  lar  gewÖfaDliehan  Abaugsieit  behalten  konnte.   — 

Du  Scblilumste'  f3r  jedeo  Apotheker,  Att  nioht  hlofs  ans 
BMjoemlicbkeit,  soadern  wirklich  seiner  Geschäfte  wegen  Gehiil- 
fbn' bSlt,  ist,  dafs,  wenn  er  das  Unglück  bat,  einen  ichlechten 
an  treffen ,  er  diesen  nicht  gleich  wegschicken  kann,  denn  gute, 
'  oder  aageblicfa  gute  Gehfilfeti  sind  aufser  der  Zeit  übel  xa  bekom- 
nieu.  Er  mnfs  alse  bis  aar  gew5knltchen  Absugsseit  mit  einem 
solchen  Nichtsnnts  hausen  und  noch  obendrein  sein  Leid  schwei- 
gend trageil ;  denn  liefsb  er  dia  Laster  des  Gebfilfen  gar  zu  rncht- 
bar  werden,  so  würde  er  dadnrch  bei  besorgten  und  vorsicbtigea 
Leuten  .seine  Apotheke  in  Verruf  bringen. 

Von  dieser  kleinen  Abschweifung,  in  das  Unangenehme  nnd 
wirklich  Lästige  das  Apotbekergeachfifies,  kehre  ioh  wieder  %» 
der  Hauptsache  zurück.  Alles  wohl  erwogen,  ist  die  Gewähr, 
'die  der  Staat  dea  Aerilen  für  die  richtige  Ausführung  ihrer  Vor- 
■ohrifton  bietet,  sehr  gering,  nnd  der  bürgerliche  Zwang,  der 
für'  den  Apotheker  in  dem  eialichea  Versprechen  es  zu  halten 
liegt,  ist  gar  nicht  in  Anschlag  sa  bringen.  ' 

Da  aber  die  Apotheker,  selbst  in  schriftstelleriscbeo  Gefech- 
ten, keck  auf  ihren  Eid  pochen,  so  müssen  sie  notbwendig  bei 
diesem  Pochen  eioiig.an  den  moralischen  Zwang  denken,  der  in 
dem  Eide  li^t.  Es  ist  Zeit,  dafs  dieser  Gegenstand  etwas  hel- 
ler beleacbtet  werde  als  es  bis  jetst  geschehen ;  dazu  wird  es  am 
dienlichsten  sein,  dala  ich  mich,  nach  Art  des  Plato,  der  Ge> 
sprächsform  bediene ,  ohne  jedoch  gerade  des  Griechen  etwas  lang- 
weilige Gülllichkeit  nachzuahmen. 

Zwei  Aersie,  Doktor  Gutglaule  und  Doktor  Kleinglanbe, 
sollen  sich  einmabl  über  den  Apotheker  Z.  besprechen. 

Dr.  K.  Mir  kommt,  lieber  Kollege!  der  Apotheker  Z.  seit 
einiger  Zeit  sehr  verdächtig  vor.  Ich  habe  nicht  blofs  die  stärk- 
ste Vermuthung,  sondern  selbst  handgreifliche  Beweise,  d als  mich 
der  Schelm  an  betrügen  sucht.     Du  weifst,  wie  schwierig,  ja  ^a~ 

7%' 


—    1238    — 

■omSgllch  M  in  den  rasiaten  FftUcn  ist,  einna  Apotkek«  mIm 
Schelmerei  recfaisgiiltig  %a  beweisen;  donini  thnt  mui  wo)  u 
besien,  bat  nen  ihn  mehrmabls  vergebeas  ermAfant  and  gewinn 
SU  icbwelgen,  and  Sorge  lu  tragen,  dafa  man  so  wenig  wie  b^ 
lieb  mit  ihm  in  GeflcbäfiHkerfihrnog  komme.  Ei  iit  aber  iai 
•mpörend ,  dafa  der  Arxt  geaetilich  an  eiaen  Mann  gekellet  in 
toll,    dem  er  mifairaaen  mafa. 

Dr.  Cr.  Du  biat,  mein  Heater!  n  hart  in  deinem  DrtlieLl'' 
Ein  Apotheker  kann  Mifsgriffe  machen ,  wie  wir  sie  aacb  matia 
kftnaen ;  aber  darana  folgt  noch  nicht ,  dafa  er  ein  Schein  »i 
Bnen  Schelm  w3rde  ich  blora  den  nennen,  der  Rbncfailidi  n' 
mit  überlegter  Liat  Ant  nnd  Kranke  I>etr5ge.  So  etwas  iber  m 
einem  Manne,  bftite  er  anch  einmahl  aaa  Fabrlinigfc^  ei"" 
Fehler  begangen,  ni  behanpten,  iat  bScfaat  ankriitlicb.  Dtrif»- 
theker  Z.  hat  doHi  dem  Staate  das  eidlii^e  Veraprecben  pl«i>'< 
die  auf  aein  Gea^aft  bezGglichea  MediataiRlgeeelse  Iren  n  hw- 
gen.  Du  erklSreit  ihn  alao  für  einen  Meineidigen,  Do  itia«- 
digcst  ihn  dea  grSbiten  Verhreehena,  das  ein  Meoidi  ^"''  , 
kann.  Ein  Meineidiger  iat  tn  jeder  Unibat  fähig,  eadwitkual 
Da   einen    vom  Staate   beatatfgten  Mann  solcher  GrSalicUal  *** 

*""'  .     I 

Dr.  K.     Wenn  solche  gemeine  Tiraden  ans  dem  Uf^"^ 
einea  Schurken  gehen,   der  sie  in  der  Absiebt  anaapeidi  ^m'*''' 
deoe  Lenle,   die  an  seiner  Rechtlidikeil  zweifeln  wi^i  i*^ 
bluffen ,    so  laaie  ich  das  allenfalls  gelten ;    kommea  w  "** 
dem    Wahrmnnde   eines  ehrlichen   nnd  verslindigea  Hu»*' 
verursachen    sie   mir  einea   unbeachreiblichen  Ekel.    D*"""  ~^. 
ich  Dich,   Aller!   verschone  mich  mit  diesen  GemeinW""' 
haben  achon    früher  darüber   gesprochen ,    dafa  in  dem  "'^ 
Versprechen  dea  Apothekers  kein   bürgerlicher  Zwang  «  "  _ 
len  liege ,   und  Du  haat  als  Verstandeamensch  meine  Gfü»*'* 
wn    gellen   lassen.      Jetst  kannst  Dn   alao  nnr  von  ^"^  '" 
Eide  liegenden  moraliacben  Zwange,   ihn  su  halten,  iprK''^''\ 

Dr.  G.     Ganz  recht!   nnd  ich  meine,    dieaer  ^"'"^  "'^    ' 
starker  als  der  b^gerliche.     Wenn  den  Apotheker  Z-  a"^  "^    ' 
Furcht  vor    Strafe   znr  Beobachtung    seiner  Pflichien  «*"*'> 
nnfs  ihn  doch  dasu  die  Sittlichkeit  zwingen.  .^, 

Dr.  K,     Dn  bist  ein  Sophist,    Do  machst  einen  SjWogi^    | 
verschweigst  aber  den  Oberaats  desselben   und  'P"**''."^z; 
Unter-  nnd  Sohlufsiau  ana,   denn  deine  Rede:    der  ^P"' T^« 
hat  dem  Staate   das  eidliche  Versprechen  geleistet,   •'■<> 
ea  auch  halten,    ist  offenbar  blofa  der  Unter-  und  Schlaf»"* 
Sjrllagiamus;   sei  also  ao  freundlich ,  mir  den  verschwiej^"^"  | 

saM  ansugeben.  .    j^ 

Dr.  G.     Gott  weif«,    au  welcher  alten  Schww*«  Di_" 


—    107    — 

Bsri-ngsid  iit  L«gik  gelanrt  bait.  Soviel  hab«  idi  aber  aneb 
Boch  To*  den  Dioge  beMMo ,  dab  man  beim  Diipotiren  sehr 
Toriichiig  ia  Beaatwortang  dar  Fragen  dat  Gagaen  sein  mnfB, 
dana  diese  babeo  gawSbnlich  des  Zweck ,  ainen  featzmetaen.  Ich 
bebe  keine  Lust,  mich  von  Dir  aufs  Glatleie  rübrea  la  laaieii, 
bitte  Dich  vielmehr  frenadlicb,  neane  mir  den  Oberaati  meinee 
Sjrllogiamiis ;  ist  es  der  rechte  *  te  werde  ich  ihn  als  solchen  gel- 
ten lauen.  ÜBbrigene  weifst  Do ,  dtfa  »an ,  lowol  im  taglieben 
Umgänge ,  als  beim  Büchermacben ,  oft  genug  den  Obersais  eines 
Syllogismus  verschweigt,  ohne  da(a  ia  dieaem  VerM^weigea  ge- 
rade eia  Bophistiaoher  Kniff  liegt. 

Dr.  K.  leb  weifs  das  recht  gnt,  Ja  ich  gestehe  selbst,  dafs 
es  sehr  langweilig  üiid  pedaniiscb  sein  würde,  wenn  man  von 
jedem  Sy llogiimun ,  den  man  beim  Sprechen  und  Schreiben  macht, 
den  Oberaatz  bestimmt  ansdrüdcen  wt^lle.  Solches  Verscb'neigea 
des  Ofoersatzea  kann  aber  billigerweise  nur  da  gedaldet  werden,, 
W0  Sber  die  Art  desselben  kein  Zweifel  obwaltet.  Sage  ich  x.B.: 
der  Doktor  Gutglaube  ist  als  Menseb  dem  Tode  anterworfen,  sa 
kann  niemand  über  den  Obersatz  des  ScblDSses  in  Zweifel  sieben; 
ja  ich  könnte  seibat  die  Worte,  als  Menseb,  die  den  Untersatz 
bezeichnen ,  anslaaaen ,  ohne  dafs  mich  Jemand  eines  sopbialiscben 
Kniffes  zeibeo  wnrde.  Ganz  anders  verhält  ^ch  aber  die  Sache, 
wenn  über  di»  Art  des  Obersatzea  Zweifel  obwalten  können,  ob  er 
z.  B.  ein  allgemeiner,  oder  besonderer,  bejahender,  oder  vernei- 
nender sei.  Wer  ihn  in  solchen  Fftllen  nicht  bestimmt  Biisdrfickt,  der 
beweiset  dadurch ,  dafs  er  entweder  ein  Wirrkopf,  oder  ein  Sophist 
sei,  oder  dafs  er  einen  etwas  irSgen  Verstand  habe.  Ich  rechne 
Dich  wahrlich  nicht  zn  den  WirrkSpfen ,  noch  xa  den  Sophisten, 
nur  etwas  trSg  bist  Da.  Die  Natnr  bat  EKr  einen  guten  Verstand 
verliehen ,  aber  Dn  gebrauchst  ihn  nicht.  Der  Obersats  deines 
Syllogiemuz  kann  nur  folgender  sein:  FBr  alle,  zn  der  Uebnng 
eines  GescbSfies  von  dem  Staate  BestSligle,  liegt  in  dem  eidlichen 
Versprechen,  das  Geschäft  aach  Vorschrift  des  Staates  zn  üben, 
der  moralische  Zwang,  dieses  Versprechen  zn  halten.  —  Der  Apo- 
theker Z.  hat  dieses  eidliche  Versprechen  dem  Staate  geleistet: 
Also  ist  er  moralisch  geawongen,  es  zn  halten. 

Glanbat  Du  nnn,  dals  ich  den  verachwi^enen  Obersatz  itä- 
nes  Schlusses  richtig  ansgedruckt  habet 

Dr.  G.  leb  wüfate  wirklich  nicht,  wie  er  anders  lauten  k3an- 
le;  allein  iA  sehe  auch  ein,  dafs  er  ein  Gemisch  von  Wahrheit 
und  Unwahrheit  enihäll.  Unter  denen,  welche  dem  Staate  ein 
«idiicbes  Versprechen  geleistet,  gibt  es,  wie  die  Erfalunng  lehrt, 
immer  solche,  die  das  Versprechen  nicht  lialten;  für  diese  liegt 
all«  in   dem   eidlichen  Versprei^en  keinesweges  ein  moraliscber 


—    1238    - 

Z*Rng  M  zu  bahm.  D«r  Sunt  lelbtt  eAeamt  lieu  BrMiraagfl- 
wabrheit  an,  denn  er  iäiit  ja  den  TcroMoten  Einaehmcro  aft  di« 
Kuu  aachiShlsD  nad  wird  trotz  dieser  Voriiefat  no^  aoweifcn 
betrogen.  Ja  dea  Apothekern  läfit  er  auch  tob  Zeil  zu  Zeit  ihre 
Aneneibade,  ihren  Krftuterboden ,  ibr  Laboratorium,  ihre  Maie- 
cialkammer  durcbmnBtera ,  vertrauet  alt«  aelbst  nicht  ihrem  Eide. 
Dr.  K,  Das  Sophisiiiche  deines  verschwiegeBen  ObersatKea 
steckt  darin  >  dafs  Du  einen  besonderen  bejaheoden  an  einem  alt- 
gemein bejahenden  machst.  Wenn  wir  deinen  allgemeinen  Sats 
zum  besODderen  umwandeln ,  so  inufi  ich  den  faeaondervn  bejahen- 
den  als  wahr  anorkennen ,  denn  er  lautet  also:  Von  deoen  m 
einem  Geschäfte  von  dem  Staate  eidlich  verpflicbteien  Bürgern, 
liegt  für  die  siltticb  guten  io  den  eidlichen  Versprechen  der 
noraliscbe  Zwang  es  in  halten. 

Wollten  wie  nuo  an  diesen  wahren  Obersatz  deinen  ansge- 
aprocbeoen  Unter-  und  Scfalofssaiz  reihen,  und  sagen:  Der  Apo- 
theker Z.  hat  dem  Staate  das  eidliche  Versprechen  geleistet,  alto 
liegt  für  ihn  Ja  dem  Versprechen  der  moralische  Zwang  es  zu  hal- 
ten, so  siebest  Du  leicht  ein,  dafs  das  ein  in  forma  falscher 
Sj'üogisrans  sein  würde,  denn  ihm  fehlt  ja  der  Mittelbegriff  ^er- 
sitstfi  mediiu).  Soll  der  Syllogismus  acht  sein ,  so  müssen  Unter- 
und  Schlnfssatx  also  lauten:  Da  nun  der  vom  Staate  eidlich  rer- 
pfiichtete  Apotheker  Z,  ein  sittlich  guter  Mensch  ist«.  Io  liegt  für 
ihn  in  dem  eidhcben  Versprechen  der  moralische  Zwang  es  zu 
halten.  —  Hier  ist  nun  aber  der  Untersalz  ein  unbewiesener,  mit- 
hin ist  der  ganze  Syllogismus  auch  nichts  werih. 

Du  siehegt  also,  meii)  Bester I  dals  das  ganze  Gelritsch  über 
den  Eid,  und  das  Berafen  auf  den  Eid,  albernes,  auf  uorichiige 
Schlüsse  sich  gründendes  Geschwäla  ist.  Ist  der  Apotheker  ein 
sittlich  gnier  Mann,  so  wird  er,  hätte  er  dem  Staate  auch  kei- 
nen Eid  geschworen,  die  Pflichten  seines  Berufs  gewissenhaft  er- 
füllen. Ist  er  aber  ein  Sobelin,  so  liegt  für  ihn  kein  moralischer 
Zwang  in  dem  Eide;  da  nun,  wie  gesagt,  der  bürgerliche  Zwang 
gar,  ein  nichtiges  ScbaUenbild  ist,  so  folgt,  dafs  der  Staat  dem 
nnslttlichen  Apotheker  die  vollkommenste  Freiheit  sagestandeo 
bat,   Aerzte  und  Kranke  zu  betragen.. 

Dr.  G.  Nach  deiner  Ansicht  würde  ja  der  Eidscbwur  eine 
ganz  überflüssige  Zeremonie  in  der  bürgerlichen  Gesellschaft  sein; 
warum  läfst  denn  aber  der  Staat  Beamte ,  Soldaten ,  Apotheker 
den  Eid  schwören* 

Dr.  K.  Ich  kann  mir  keinen  andern  Zweck  dabei  denken, 
als  den:  dafs,  im  Falle  tob  überwiesener  Gesetsübertreiung,  dem 
Uebertreler  alle  nichtige  Entschnldignngen  abgesehaitten  sein  sol- 
len tind  er  uniyidemiflich  der  Strafe  verfalle.  —  So  weit  das  Ge- 
spräch. 


—    1239    —       - 

Jatil  mnfa  iob  Doch  di«.  IVaga  »irglellen  ;  welche  GewSbr  hst 
der  Ant,  fBr  die  rictuige  Beraitaag  uioer  Verordonngen ,  in  d^r 
T«a  Zeit  zu  Zeil  geübren  aiatliofaen  Durch niDsiening  der  Apoihe- 
kenf  Ich  werde  diese  Frage  durch  eine  kleine  Enähtungam 
dcDiliflhsien  beButwariun.  Am  Abend  des  Tagea,  da  zum  ersten 
Mahle  von  der  Preufsiscben  Medizinaibehttrile  die  hiesigen  Apothe- 
ken durch  einen  Hegieningsniedixinalraih  untersucht  wurden,  er- 
gehe ich  mich  eis  wenig  vor  dem  Thore,  und  treffe  hier  auf 
sineo  Kanfmaau,  der  einen  Laden  von  Kafi'e,  Thee,  Zucker  u. 
d.  g.  hat.  Ein  Bedürfnifs  halte  iha  gerade  ia  die  Apotheke  ge- 
fObrt,  in  der  mau  mit  der  amilichen  Uarcbmiisteruiig  beschäftiget 
war,  und  auf  eeiae  Weite  darüber  Betrachinngen  anstellend  ,  sagt 
er  zu  wir :  Wis^ten  Sie  denn  nicht  eben  sowohl  als  der  Uegierungs- 
ruh,  ob  die  Arzeneien,  die  der  Apotheker  auf  Ihre  Verordnung  uns 
gibt,  von  guter,  oder  von  scblaehter  Beichaä'enheit  sind !  mtifs  denn 
ein  Hegierungsrarh  Sie  in  diesem  Punkte  bevormundend  —  Da  ich 
wol  merkte,  dals  diese  Siachelrede  auf  die . Regierang ,  nicbi  anf 
mich  gerichtet  war,  so  gab  ich  ihm  eine  gleichgültige,  aasweicbeo- 
de  Antwort  Er  liefs  sich  aber  so  leicht  nicht  abfertigen,  sondern 
fahr  foigendermafsen  fort:  Wenn  nun  der  Begierungaraih  alle  Waa- 
rea  der  Apotheker  nniadelhaft  findet,  so  felgt  daraus  nicht,  dafs 
nas  die  Apotheker  auch  gute  Waaren  verkaufen  niüesen.  Unter- 
suchte die  Regierung  alljährlich  meinen  Laden,  fbnde  meine  Wan* 
ren  von  ausnehmend  guter  Beschaffenheit  uad  stellte  mir  darüber  •in 
sehr  belobendes  Zeugnift  aus,  so  könnie  ich  doch  meinen  Kunden, 
Irots  dieser  Untersuchung,  schlechte  Waaren  verkaufen  so  viel  mir 
beliebte,  oder  so  viel  sie  für  gut  annehmen  wollten,  ich  könnte  gnle 
mit  schlechten  mischen,  ja  ich  künnte  int  (üewicht  belriigen,  denn 
wer  wird,  wenn  er  die  Waure  im  Laden  vor  seinen  Augen  hat  wSgeo 
■eben,  sie  zu  Hause  noch  naehtvAgen  \  —  Der  Apotheker  hat  aber 
hundert-,  ja  lansendmahl  bessere  Gelegenheit,  in  seinem  Kleinhan- 
del alteriei  Finten  au  äben ,  als  ich  und  Jeder  andere  Kaufmann ; 
sagen  Sie  mir  also,  wozu  dient  die  amtliche  fjnierauchung  der  Apo- 
theken? —  Ich  weifa  et  nicht,  erwiedene  ich,  um  das  Gespräch 
abzubrechen ,  anf  diese  verfängliche  Frage.  —  Meinen  Lesern  kann 
ich  auch  nichts  Klügeres  sagen;  denn  mir  ist  es  tmtner  so  vorge- 
kommen, als  sei  unsere  beutige  Apotheken  Visitation  nichts  mehr 
nod  nichts  minder,   als  eine  Uf^nkclinn  der  alten  Theriakschan. 

Ich  habe  schon  in  meiner  Jngend  die  Sage  gehört:  ein  guter 
Arzt  mache  einen  guten  Apotheker,  Da«  ist  in  der  Art  wahr, 
dafs  ein  guter,  anfnierksamer  Arzt,  dem  es  doch  unmöglich  gleich- 
gültig sein  kann,  was  seinen  Kranken  in  den  Magen  geschickt 
wird,  den  Werth  des  kundigen  und  gewisieohaften  Apotheken 
gebnhread  anerkeonet,  nnd  ihn  als  ein  wahrhaft  unentbehrliches 
Kleinod   faoobhftit.     Begreiflich   wird   der   Apotheker    dorch   diese 


—  1«40  — 
AiM(fc«inang  ■»!■•■  WwAm  ermMBrt,  ein  racfatlidMr  MatiD  n 
blaibea.  Gani  uid«n  TCrhilt  es  mA  abvr,  wenn  tim  recfaUiclMi' 
Apotheker  mit  aiaem  faoohin3thigen ,  albernea  md  tMmmSmmadmm 
Axxte  lu  thiio  ku,  der  ibn  Über  leiae  antadelidMD  AEseneien 
allerlei  uagegründele ,  drillende  BenerkuD^es  madtt.  Ein  ■olcbei 
Arzt    kann    auf    die  Dauer    daa   bwion   ApaÜMker    anaa    ScJm!« 


Ea  heifat,  der  Arst  thue  wohl,  aicb  tmi  dar  Guts  rfoc  Ars»- 
naien,  die  ar  rerordaM,  aelbat  an  öberzet^o.  Timm  iat  wakr. 
Der  rechlticbe  Apotbeker  bat  Gefallen  an  diasar  Aofmerkaamkrä 
das  Antes,  nod  der  unrcdliobe  wisd  darcfa  dieaelbe  «■  weaig 
kopfscheu.  leb  wiiaacbte  aber,  dafs  ein  ISabeideküDatler  nicfa  eia 
sicheres  uad  eiafachas  Verfabreo  lehrte,  den  flüobligeD  Arzsasi- 
^hall  der  nngeiiiigea,  oder  schwacbgeistigaa  desiillirtea  Waaser 
lu  arkanneD.  Ich  weib  diese  Konst  niobt;  mir  bleiben  xiir  ScbSi- 
sung  blois  meine  Sinne,  Gerach  und  Gesehmack.  Dies«  sind  aber 
aeblecble  Arseaaigebalimesaar ,  anm  weni jjMen  oieht  aolehe ,  dwib 
welebe  ich  eioem  Tiuaaber  aeiaa  Tftuscberei  beweiieo  bmaM. 

Wolke  mir  jemand  sageta,  wie  man  daa  den  HoidOflban 
getagt  bat :  sei  persönlich  dabei ,  wenn  dar  Apotbeker  daina  al- 
bernen Wässer  deslillirt,  dann  kannst  da  ja  aaban,  ob  daa  Vcs^ 
bälmifi  swisoben  der  Quantität  der  Aneaeiaubslans  and  des  De- 
■lillats  das  richlfge  ist:  so  würde  dieser  antihonteopatbiscfce  Aub 
auf  den  vorliegenden  Fall  sehr  achlecbt  pasaea.  Iat  der  Apetba- 
ker  ein  ebrliober,  ja  nur  ein  kluger  Mann,  so  brancha  idk  daa 
Deslillirea  nicht  au  beaufsichtigaa ,  denn  er  wird  ei  ichoa  gal 
machen.  Ist  er  aber  ein  Unredlicher,  und  noch  daan  ein  DamM- 
ban  niti  einem  Sparren ,  so  wird  mir  das  Bewachen  seiner  Werk- 
atalt  an  gar  nichts  dienen;  denn  wie  die  stUdtisoban  MilcfaT«rida- 
fer  die  Milch  mit  Wasser  anlangen,  so  kaoa  ja  der  Apotbak« 
daa  Dttsüllat  hiniennach  nach  mit  Waager  TerdGnaea. 

Hinsichtlich  der  Dekokie  sind  wir  ancb  ziemlich  der  Willltir 
der  Apotbeker  hingegeben,  wiewol  ich  xalasae,  dafs  aaa  hier, 
aufser  dem  Geachmacka  und  Genche ,  auch  noch  das  Gesicht  z« 
Schfitanng  dienen  kann.  Vor  mehr  dann  30  Jahren  ericbte  ich, 
in  Balreff  dieaes  Gegenstandes ,  einen  merkwürdigen  Auftritt,  b 
einer  andern  iskadt  ärztlich  heaebäftiget ,  haue  ich  bei  einem  Apa- 
theker  in  tban,  der  wirklich  ein  seht  unterrichteter  Hamm  war. 
Indem  wir  nun  mit  einander  plauderten,  trat  ein  aller,  sehr  ge- 
■uchier  Arzt  ins  Zimmer,  setzte  etwas  barsch  «ina  fast  toIIo  Ar- 
zeneiBaache  auf  den  Tisch,  und  sagte,  das  Dekokt  sei  acblacbt, 
nicht  nach  Vorschrift  bereitet.  Der  Apotbeker,  der  sich  dnrc^ 
den  Ruf  seiner  Kenntnisse,  selbst  bei  gebildeten  Leuten,  in  Acb- 
(■"'S  gesetzt,  also  den  Kopf  etwas  hoch  trug,  behauptete  kühn, 
daa  Dakokt  sei  ttotadelhaft.    Da  es  nna  alier  onmSglicli  iat,  dab 


~    1241    — 

xwei  Mesiehen  durch  eina  lolefae  BMpncbniq;  iie  Wahriiöt  mas- 
niltflln  kttansD,  lo  tagte  ich  in  maiDein  alten  KoUegea:  es  ui 
wol  daa  Beuay  dafs  ei  aicb  von  dar  Güte  dei  PAaBianstsff«« ,  von 
dam  daa  Dakokt  gemacht  aei ,  in  der  Apotheke  selbit  überaenge, 
ootar  aetDea  Ai^:en  die  vorgeacbriebeoa  Menge  abwSgen ,  vor- 
sohrifisMHfiiig  abkocliao,  dorcbwifaea  nnd  abkühlen  laue;  daaa 
werde  man  doch  wol,  durah  Vergleicfaaag  dea  anter  leinan  Au- 
gen berelietea  Oekokta  mit  dem  vermeiotlich  veidftchiigen ,  darch 
Geticbi,  Geachmaek  und  Geruch  den  Streitpunkt  einigermafaen  rich- 
tig heartheilea  kdanea.  Mich  ging  die  Sache  gar  nichta  an,  ich 
machte  blof«  dieaen  Vorachlag,  um  den  Apotheker,  gegen  deaaen 
Redlichkeit  i<^,  ohne  dafa  er  aa  selbst  abnete,  mehr  ala  Verdacht 
batie,  anf  die  Probe  za  atellea.  Dieser,  statt  den  Vorschlag  mit 
Freuden  an  ergreifen  and  dam  Arzte  die  Scfaanae  an  bieten,  pUn- 
deria  darüber  weg,  wurde  aber  unverkennbar  kleinlant.  Der  alte 
lictige  Arst,  der  daa  so  gnt  merken  mufsle  ala  ich,  und  der  wol 
die  Abaicht  hatte,  ihn  blofs  ein  wenig  an  witaigen,  nicht  ihn  mi 
Stranden  an  machen,  giag  achwaigend  aus  dem  Zimmer.  Kaum 
war  er  weg,  ao  wollt«  dar  Apotheker  aicb  bei  mir  dadurch  rei- 
nigen, dafa  er  den  Arat  herunteraeuie}  ich  liefa  aber  das  Qe- 
apittch  fallen,  denn  ich  begriff,  dafa,  wenn  er  aicb  wirklich  rein 
fUUn,  er  des  von  mir  vorgaschlagenan  Versnob,  dar  seinem 
Veraiande  doch  eben  so  nahe  leg  alt  dem  meinen,  nicht  blola 
aelbat  bStIa  TOrsoblagen,  sondern  erasilich  darauf  beateheo  müa- 
soB,  daft  er  gemacht  wurde. 

Ich  habe  in  dieaen  Kapitel  und  noch  an  einem  anderen  Ott« 
diaaea  Bochea  goaagt,  dafs  die  Aersta,  durch  den  Zwang  ihr« 
Beseple  ia  die  Apotheke  an  tchicken,  der  Wohlthat  dea  Eligen- 
thomsrecfates  berauht ,  mithin  an  Btiaklingan  des  Staates  erklArt 
sind.  Manche  Lacer  kSanten  denken ,  Verschwiegenheit  sei  Pflidit 
daa  Apotheken;  ich  wolle  also  auch  ia  diesem  Punkte  einea 
Theil  der  Apotheker  n  pfliobtret^etsenen  Menschen  nachea,  — 
leb  erwiedere  darauf  Folgendea:  Um  meine  Behauptung,  dafa  der 
Arat  der  Wohlthat  det  Grundgesetaas  allea  bürgerlichen  Vereinea 
beraubt  aei,  m  erhfirtcn,  habe  ich  gar  nicht  ndlhig,  anf  die  hohe 
Unwahrtchein liebkeit  aa  rerweisea ,  dalä  alle  Apotheker  verachtvie- 
gen  aein  sollten,  nnd  anf  die  hohe  Wahrscbainliehkoit ,  dafa  sie 
Dor  ao  lange  vertcbwiegan  sein  werden ,  als  daa  allgemeine  Apo- 
theken ntereaae  ea  ihnen  räih ,  nnd  onverschwiegen ,  aohald  eia 
niiberea,  keaanderea  Iniretse  jenes  allgemeioe  überwiegt,  ich 
laaa«  vielmehr  jetzt  den  Satz  als  anbedingt  wahr  gelten ,  dafa  alle 
Apotheker,  zusammt  ihren  Gebülfan  nnd  Lehrlingen  streng  ver- 
achwiegene  Leute  sind,  und  behaupte  dennoch,  dafa,  wo  nicht 
in  allen,  doch  in  vielen  FKlIeni  AerzM,  ja  Nichtärzte  sich  wi- 
■erer  Rezepte   bemeiatera  and    dorch  dieselben  jm9  l<IIU?t9  Jl>8^~ 


—    «4t    — 

thQinliebfln  Erfabrnnffln  über  £c  HeilwlrkiiDg  naa«faer  Arsenrien 
dinkloi  rmubm  kennen. 

Ich  war  achoa  über  60  Jahre  dt,  d«  ein  janger,  «ben  erat 
approbirrer  ArzI  micb  dteiei  Kuaitatüek  lehrte,  gettaod,  es  »cbo« 
■a  mir  >«lbit  geübt  an  haben,  aai  iwer  in  einer  Zeil,  da  er 
Kocb  nieht  approbirt  geweaea,  also  geiweifett  habe,  ob  ich  ifaai, 
dem  (Siiehtapprobirten,  meioe  ergenthömliche  Erfahnag'  über  ein 
damahli  hemchendes  Fieber  gniwilHg  niilbeileD  würrfeu  leb  will 
dieeea  Kunalatflck  lum  allgemetDen  Bealen  laitiheilaD. 

Ihr  werdet  mir  zngeben,  achtbare  und  erfahrene  Leaer!  da& 
die  Natur  herrscbendei  akater  Krankheiten  oft  aehr  aebwer  xu  er- 
grQaden  ist,  nnd  dafa  dat,  was  wir  darüber  In  den  BSchem  fin* 
den,  laweileo  Dicbis  ist,  als  (mit  Paraeaitm  an  reden)  ein  blo- 
fsei  (Spiegelbild,  ein  Schatten  an  der  Waad,  der  niemaad  voll- 
kommene Unterriobtung  geben  kann.  Ihr  werdet  mir  feraer  mge- 
Blehen,  dati  deijenige  Arsi,  der  sich  keine  Mibe  verdriefoen  lAiiii, 
die  Nainr  einer  goiehen  Krankkeil  an  ergründen,  unter  gleichen 
IJmailtnden  weit  wahrscheinlicher  ein  gntas  Heilmittel  daraaf  fia- 
dan   wird,    ala   ein   anderer,    der   aich    oiehi    die  geringate  Mähe 

gib.. 

Geseui,  es  herrschte  nan  in  einer  Gegend  eine  böse  Krank- 
heit (nennet  sie  mpineiwegen  wie  Ihr  wollt);  einer  von  £kA 
haue  durch  Mühe  und  Fleifi  einHeiimitiel  daraufgefunden,-  Kimak» 
aus  meinem  Wirkangskraise  wendeten  sieb  an  ihn,  undieh  hörte, 
dafa  diese  durch  des  Mannes  Mitlel  bald  and  gut  geheilt  «ürdeD. 
Ich  selbst  wttre  ein  welikingar  Gankelartt,  hSite  mir  nicht  di« 
mindeste  Mühe  gegeben,  die  Natur  der  Krankheit  an  ergründen, 
aondern  sie  blofs  behandelt,  nnd  den  Kranken  viel  gate  Dingv 
rorgeschwaiat ;  bei  meiner  Behandlung  aber  nnd  bei  meinem  hoU- 
aeligen  Geschwäls  wären  die  Kranken  icblimmer  geworden  nnd 
mehre  sdion  in  das  hissmiische  Reich  gi^ngen.  Die  Leate  fin- 
gen an,  etwas  schwierig  an  werden,  und  ich  finge  an  einanse- 
hen,  es  sei  fQr  meinen  prakiiscben  Ruf  doch  wol  dienlich,  ein 
gntea  Heilmittel  an  kennen.  Wo  könnte  ich  dieses  nun  besser 
ftoden,  ala  bei  meinem  AmMgenoasen ,  der  es  bereits  gefundea* 
Glaubt  Ihr  aber,  ich  würde  ib«  mfindlicb  oder  schriftlich  bitten, 
mir  seine  Erfahrungen  milantbeilen  ?  —  G«tl  behfite !  dadurch  wüi- 
de  ich  mieh  ja  hernnierselzen.  Nein,  nein!  ich  lehre  onr  einen 
treuen  und  gascbeiien  Menschen  aus  der  geringeren  VolkaklasM 
die  Znfillle  der  herrschenden  Krankheit  benagen,  nnd  beifse  iba, 
angeblich  für  seine  Frau,  oder  seinen  Bruder,  oder  seinen  Sohn 
En  jenem  Arxte  geben  \  er  wird  mir  schon  das  Resept  bringen. 
Ja  wenn  eine  einzige  Schickang  mich  nieht  genog  belehn,  ver- 
anstalte ich  eine  xweite  nnd  drifte;  jedeafalla  nula  ich  doch 
die  Erfahrung     meines    Amtsgenosaan    erbeuten,     ohne  ihm    drn 


—    1143    — 

gwiogilsn  Dank  tu  v«nclrald«D.  Fnrflieb,  swbab  Kopf  lebieht 
er  mir  nicht  tnil  dem  Rezept;  er  selbst  weif«  viellelchi  mit  der 
Waffe,  die  ich  ihm  raube,  kd  einer  anderen  Zeit  etwas  rqszu- 
licbtea,  was  icb  nicht  damit  ausriohieD  warde;  aber  eK  ist  genng, 
dafs  sie  mir  znr  jeiri^en  Zeil  dient  und  micli  aas  der  jetzigen 
Verlegenheit  reifat.  loh  habe  den  Leuten  so  lange,  so  oft  ond 
so  deutlich  gesagt,  ich  sei  der  gelehrteste,  verständigste  und  er- 
fabreoBie  Arzt,  dafs  sie  dieses,  weil  sie  es  so  lange  und  lo  oft 
gehört,  festiglioh  glauben;  und  jetzt  sollie  ein  Narr,  der  die 
alberne  Grille  bat,  dnreh  Heilen  der  Kranken  und  durch  fabel- 
hafte Menschenliebe  seinen  praktischen  Ruf  zu  sichern ,  mich  über- 
flügeln f  —  Wabrli^  ich  habe  die  goldene  and  silberne  lairoso- 
pbie  viel  sa  gründlich  sindiri  nnd  viel  zu  lange  geübt,  als  dal's  ich 
nicht  jetzt  in  dem  Zauberkreise  meines  Wirkens  den  aufgehenden 
Stern  seines  Rufes  in  Mn  verdunkeln  sollie. 

Wer  ist  nun  unter  meinen  Lesern,  der  da  behaupten  möchte, 
die  Verscb wieg enh eil  der  Apotheker,  ihrer  Gehiilfen  und  Lehr- 
linge aichere  das  Eigenihnm  de«  Arziesl  —  Kein  verständiger 
Mensch  kann*  das  betraupten:  also  wird  anch  jeder  angeben  mBs- 
sen,  dafs  wir  durch  das  Verbot  des  Selbaidispenairena,  in  wel- 
chem das  Abgeben  der  Rezepte  an  die  Kranken  liegt,  der  Wohl- 
tfaat  des  Eigen  [hu  msrechles  beraubt,  mithin  zu  B&nkliagen  des  Staa- 
tes erklärt  sind. 

Moralisohe  Tiniden  über  die  Pflicht  des  Arztes,  nützliche  Er* 
fahmngeo  möglichst  gemrin  so  machen,  kftnnen  bei  dem  bespro- 
chenen Gegenstände  nicht  in  Anmerkung  kommen;  denn  wenn  man 
als  Verstand aameoBcb  über  bürgerliche  Einrichtungen  spricht,  spricht 
man  nicht  als  Moralist.  Ja,  wfire  man  wirrköpfig  genug,  bürger- 
liche Einricfatnngea  mit  der  Moral  za  vermischen,  so  würde  doch 
sulelzt  das  moralische  GeschwäU  auf  die  Frage  binaoalanfen  :  ob  ea 
der  Staatsgewalt  zustehe,  die  Bö^r  dordi  Gesetze  za  siiüichea 
Handlungen  zu  zwingen;  diese  Frage  möchten  aber  Staatsrecht skun- 
dtge  Männer  zu  bejahen  woV  grofsea  Bedenken  tragen. 

Nun  mafs  ich  noch  einen  groläen  und  durch  keine  Verordnung 
einer  Medizinalbehörde  abza ander nden ,  in  dem  Apotheker wese« 
begründeten  Unfug  erwähnen,  der  mit  den  Rezepten  der  Aerzte  kann 
getrieben  werden  und  nur  zu  oft  gelriehen  wird. 

Mit  einer  ganzen  Rezeptenreihe,  wie  sie  uns  ralbfragende 
Kranke,  welche  vergebens  die  Kunst  mehrer  Aerzte  in  Anspruch 
genoininen,  nicht  seilen  zum  Durcbleseo  überreichen,  wird  be- 
stimmt nie  Unfug  getrieben.  Gan»  andern  verhält  es  sich  aber  mit 
einzelnen  Resepten,  die  Kranken  in  hervorstechenden,  oder  sehr 
schmersbafien  Krankheila formen  gut  und  bald  geholfen.  Zu  die- 
sen KrankheiisfornieD  gehören;  chronischer  Husten,  Gelbsucht, 
Waasersacbt,    Kolik«    chroniacber  Durchfall,    Fallsucht  d.  i.  g. 


Ob  der  Apolbekw,  iwch  naMren  GeiMM«,  die  OriginalrMepte 
i»M  AntM  inrückgabco  darf,  waifi  icli  nickt;  icb  habe  ron  den 
MedisimlbeainteD  darüber  gau  eni^gengeMUte  Meimmgea  ge- 
hört. JedeafalU  kano  der  Apotheker  dem  Kraakeo  die  AiMchrift 
dea  Rezeptee  Dicht  weigere,  deen  d«  fremde  kann  ja  vorgebea, 
•r  walle  es  isiium  heimathlichan  Ante  zeigea,  damit  dieser,  wmn 
die  Krankheit  wiedereracheine ,  ea  naeh  aeiaer  Eiaaicht  gebraa- 
cben  kStme.  Oder  er  kann  Torwendeo,  er  aei  oft  den  ZuRÜ- 
lea,  die  da«  Resept  beaeitigel,  anlerworfea,  und  er  wolle  es 
deshelb  für  ein  künftiges  Bedürfaifa  aafhebea.  Welche  Quacksal- 
berei kaaa  ana  mit  Bolchea  Rezepten  getrieben,  wie  nngebörig 
kSDneo  sie  angewendet  werden!  ich  könnte  davon  belehrende 
Dinge  enfthlen ,  wenn  ich  Lust  hfttte,  den  Leier  nnd  mich  seibat 
!■  langweileD,  Die  Abenteuer,  die  ich  erlebt,  von  dcven  ein 
paar  wirklich  ins  Grofse  gingen  und  den  Leser  kaum  glaublich 
aoheinen  würden,  haben  mir  nie  Verdmfs,  aber  wol  Spafa  ge- 
macht, und  mir  Veranlassung  gegeben,  über  den  grölen  Wider- 
spruch nachzudenken,  in  welchem  die  die  Aftermedizio  verbie- 
tenden Medixinalfssetse  mit  dem  Apothekerweseo  stbfaen. 

Nun  zum  Sohluue  noch  Eins.  Ich  sehe,  dafs  in  der  Liteca- 
Inr  die  Apotheker  mit  des  Aerzten  über  den  beaproebenMi  G^en- 
genitand  etwas  gehftsaig  zanken;  und  die  Aerste,  die  sieh  ihrer 
GrofsjShrigkeil  zu  nähern  acheiDen,  werden  den  G^ensiand  wol 
nicht  so  leicht  fallen  lassen.  Da  ich  nnn  bemerkt  habe,  dafs  die 
Besprechungen  den  alten,  leider  in  der  Medizin  gebrlhidiiidwn 
WirrgBBg  nehmen ,  der  nie  zu  eivem  endlichen ,  ventBndigen  Et- 
gebnifs  fuhren  kann;  ao  glaube  ich  etwas  recht  Verdienstliehes 
zu  tfann ,  wean  ich  die  Pnnkte  beoiimmt  angebe ,  auf  welche  ea 
bei  dieser  Besprechung  ankommt.     Es  sind  folgende : 

1)  Man  kann  «icb  über  den  Zwedc  dea  das  Irzilicbe  Sellmt- 
dispensiren  vetbieteadsn  Gesetzes  besprechen;  ob  er  ein  T«st&B> 
diger  und  etreicfafaarer  Zweck  sei,   oder  nicht. 

2)  Ueber  den  Stand  der  Apotheker  kann  mun  sich  nicht  be- 
sprechen. Wer  ihn  im  Allgemeinen  verunglimpft,  handelt  ebrn 
■o  th9ri<^t,  als  der,  welcher  ihn  für  das  verwirklichte  Mimter* 
bild  menschlicher  Sittlichkeit  ausgibt.  Daa  Wort  Stand  ist  ein 
Sammelwort,  es  bezeichnet  die  Gesammtzabl  der  Apotheker,  durvh 
welche  der  Stand  vergegenwärtiget  wird.  Hier  mula  man  den  all- 
gemeiaea  Erfahrungssalz  gelten  lassen,  dals,  wie  in  allen  Stfin- 
den  sich  gnle  und  schlechte  Glieder  finden,  anch  der  Apothekni- 
stand  aus  einem  Gemisch  von  redlichen  URnnera  and  Schelmen 
bestehe.  Ueber  diesen  allgemMnea  Erfahningssatz  zn  alreiten, 
würde  mehr  als  kindische  Albernheit  bekandeo. 

3)  Da  man  nun  ganöthiget  ist,  diesen  aligemeineo  Erfahrnnga- 
aau  gellen  zu  lassen ,   ao  bann  nuur  aich  nur  über  fönende  Punkte 


—    1345    — 

hetprecben:  !■(  der  Arzt  bef&hE^t,  di«  Fabriaiaigkeit  und  Cn- 
redlicbkeit  des  Apotheken  in  der  Araenei  telbst  lu  erkennenl 
I«  diese  Erkennlnifs ,  die  doch  nicht  aaf  «in  Glauben  nnd  Mei- 
nen, sondern  auf  eine  Untersucbnng  sieh  gründen  ranft,  leicht, 
oder  schwer?  Ist  die  Uaterauctinng  fßr  einen  mit  praktischen  Ge- 
schürten nbefhäaften  Arsi  thanlich,  und  ist  sie,  die  docb  in  vie- 
len Fallen  Zeit  erfodert,  bei  dem  dringendea  Verlangen  der  Kran- 
ken nach  Arienei  mSgli^l  Ja  bat  nnn  der  Arzt,  dnrcb  die  Ar- 
zenei,  die  Erfcenntflifs  der  FabrlBisigkeit ,  oder  des  Betruges  er- 
langt, beffihigt  ihn  dann  diese  Erkenntnis,  dem  Apotheker  die 
Pahrlttiaigkeit ,  oiw  den  Betrug  rechtsgültig  zn  beweisen!  — 
Aerzfen,  die  Lnst  haben  mScbien ,  sich  in  den  Apoiheker- 
krieg  zn  mischen,  ratbe  ich,  sich  streng  an  Nr.  3  zu  halten,  denn 
diese  Nummer  enihsh  das  PunctKnt  lalien».  Wird  die  Frage  Ter- 
neiorad  erlediget,  so  tangt  das  Apotbekerweten  nicht,  und  dann 
braucht  man  sich  auch  nicht  fiber  den  Zweck  deiaelben  zu  bespre- 
chen ,  denn  das  F.ine  fSllt  ja  mit  dem  Andern.  Uebrfgens  müssen 
sie  vor  allen  Dingen  niebt  den  Winkelsilgen  der  Gegner  folgen, 
sondern  einfach,  mit  rabigem  Geiste  das  Unlogische  in  den  Er- 
widerungen der  Gegner  klar  aufdecken.  So  viel  ich  begreife, 
verfechten  diese  eine  faule  Sache;  mithin  sind  sie  genStbigt,  zn 
Kfintien  der  Sophistik  zu  greifen  und  dürfen  selbst  die  Waffen 
des  Hohnes,   des  Spottes  nnd  der  Suchelrede   nicht  verschmBbeB. 


Ärxeneitaxe. 

Es  liegt  TOT  Angen,  dafs,  abgesehen  tob  den  den  Apothe> 
kern  zugebilliglen  Prozenten,  diese  Prozente  auf  den  Einkanfs* 
preis  der  Waaren  gleichmfirsig  kSnneo  geschlagen  werden,  oder 
ungleiehmäfaig,  so,  dafs  die  wohlfeilsten  Waaren  die  böchstea 
Procenie,  die  thenersten  die  geringsten  tragen.  Erste  Art  der 
Betaxung  ist  eine  billige,  von  jedem  erkennbare,  letzte  eine  blin- 
de, die'  blofa  den  Apothekern  zum  anberechenbiven  Vortheil  ge- 
reicht; denn  da  die  meiaten  Rezepte  verstHndiger  Aerzte  tnlSndi» 
sehe  nnd  wohlfeile  Miliel  enthalten ,  so  ist  kein  Mensch  im  Stan- 
de, auch  nur  annKherend  den  Vortheil  der  Apotheker  su  scbfiz- 
zen.  Wie  übel  sich  dabei  die  Dürftigen  befinden,  denen  nicht 
BUS  SfTentlichen  Mitteln  die  Arzenei  bezahlt  wird,  mufs  jeder  Arzt, 
der  diese  Menacbenklasse  niebt  dnrcb  aUetlei  bekannte  Knnstgrifie 
TOn  sich  znrOdcac brockt  (  Ungzt  in  nnserem  Preufsischen  Lande, 
wo  seit  neoer  Zeit  eine  solche  Taxe  besiehet,  erkannt  babea. 
Uebrigens  ist  der  Gedanke,  der  anserer  Prenfstschen  Taxe  i«m 
Grande  liegt,  nicht  nett;  ich  hidw  ibo  sdioa  in  der  Augsbnrger 
Taxe  TOD  1846  gefunden;    hier  aber  die  Verwirklichung  dessel'* 


—    1846    — 

Imb  ( vergliohen  nit  iw  PrrafaiicbsD )  ner  In  Mhr  Terjiugtei 
Malutab«.  Oie  Au^bargcr  rechffertigen  auch  die  aDgleicbt  Fn- 
zeatT«rtl|eilang  anf  die  Dämliche  WeiM  wie  die  BsHincr.  Ds 
aeogierigeo  Leger  wegen,  denen  die  Augsburgei  Taxe  vom  Jik 
1646  aicbt  aar  IJend  aein  inöcbte,  will  ieli  einmalil  dai  Beinf- 
feade  bier  hintelxen.  £s  findet  aicb  auf  einen  AnbaDgiblaii«  Uh 
tcr  der  Taxe ; 

MirabitHr  autem  fortaue  quiipiam,  pretiotiora  »auuük, 
mtpQte  Specie»  Diamirae ,  Dituitotchi,  Cordialet  temperatai,  Ui' 
tißcante*  G«/«j»',  et  Am  itmilia  coaipoiita  medicameKlM  AuiriM 
et  Motekum  reeipieHÜa^'  minori  hie  pretio  aettimala  tat,  fM 
ml  ea  P&armacoptev»  line  prapriee  »ariit  düpendio  purart  fW. 
Id  autem  ttudio  pvudenterqMe  factum  eate  imtelliget,  ntään 
mlia  puulo  auijori  preti«  oendi  permitta  eiae  cogMoverä;  — 
alium  »ane  ot  cau*auj  quam  ut  minua  divüidui,  piiin  ra» 
gutta  dornt  pretioiorum  aiioguin  medicameatorvm  nui  a^  i*!^ 
dicity  aut  omniBO  Hegat,  kae  in  parte  catuuleretur ,  nrtfo- 
periore»  a  jam  dictorum  Fkarmacorum  fruitiaiu  extMtrf^^ 
aed  et  ipaU  guogue  eerumdem  eopt'a  ßeret  etc. 

Nun  will  ich  nocii  einige  die  Preufaiiiche  Aneoeiliu  li^ 
fende  BemerliungeD  eilicber  Scjirifuieller  auf  die  Wege  dNiiUi«^ 
len  Verstandes  legen,  ohne  jedoch  die  Schriftsteller  tof^ 
aoBuführen,  dean  ntit  ibren  Personen  habe  ich  ja  Dickn"*'' 
sondern  nur  mit  ihren  Aeufaerungen. 

Ich  las  eiaal  eine  acbriftstellerische  AbhandluDg  tm  *'*** 
Mediiinalbeamten ,  worin  dieser  darznihnn  ancbt,  dsridKÜ"'^ 
cenl,  dieder  Siaat  angeblich  den  Apothekern  znbilliget  («■'^ 
ieb  aber  mtcb  nie  eine  ordentliche  Berecfannng  gewbffi  "" 
keiDe  sn  maehen  ist),  «in  viel  n  geriDger  Vonbeil  Hi>  l"*" 
deutlich ,  dals  der  ehrliche  Mann  ait  Jahrproaenla  dad)i«i  '" 
wahrlich  ein  arger  Mifagriff.  Freilich  ist  ein  gelehrter  ubrillXH' 
lender  Arzt  nfeht  KieinhüDdler,  und  in  dieser  Hinticbl  niili''' 
ihm  «inen  sotcheo  Miragriff  zu  gute  betten.  Wenn  aber  «> "'' 
dizinalheantter  iD  einer  aolcben  krKmeriachen  Sache  aiiScnnh' 
■leller  auftritt,  MüDUfl  er  sich  doch  zuvor  bei  mehren  glaubvüi' 
digen  Kleiobfinrflern ,  die  regelrnKfaig  ihre  Jährliche  Bi lau  "' 
eben,  nach  dem  Verhälinifs  erkundigen,  welches  zwiicben  ih''* 
wirklichen,  in  den  Waaren  steckenden  Kapitale,  nodde'^'"'' 
Statt  hat,  die  sie  jährlich  umschlagen.  Durch  diese  E>knnili{iiC 
würde  er  zum  wenigsten  von  dem  aehr  grofsen  Uetericfaie«'*) 
zwischen  Jahrprezenien  und  Uiusehlagprozanten  ist,  ei»»'' 
liehen   Begriff  bekommen. 

lo  der  nämlichen  Abhandlung  wird  als  Grund  derBebsDpI^ 
dafs  die  Prenfaiscbe   Taxe   necli   zu    niedrig  sei,    der  *''"' 
Ankaufapreia    der  Apothekea    als    der  wiohtigat«  berro^*'^ 


—    «47    — 

Dft  idi   fielen  Grand  nan   »uch  io   aadwen   Scbrift«n    ({efundwi, 
bald  demlich,   bald  undeitllieh  «iwgsdriiokt,   so  halte  ich  für  düie-  s 
liofa,    iba  eininahl  etwas  ball  lu  belciiohtan. 
Der  Ankäufer  einer  ApDiheke  kauft: 

1)  Den  in  der  Apotheke  vorhandenen  Waarenvorraih. 

2)  üie  in  der  Apatheke  nnd  dem  Luboraloiio  vorbandensB 
Gefäbe  und  Gerätfae. 

3)  Das  Haus  worin  er  sein  Geschäft  treiben  nill.  Eotwedor 
das,  worin  es  der  Verkäufer  getrieben,  oder  ein  anderes;  der 
Uniersehied  ihut  nichu  «ur  Sache. 

Was  uuD  den  Waarcnvorrath  betrifft,  so  würde  es  ja  barer 
(Jnsino  leio,  den  Werth  dotielben  sum  Ankaufskapiial  zu  schla- 
gen,  da  er  durch  die  Taxe  «elbsl  schon  verproscntet  igt. 

Was  die  Gefäfse  und  die  Geräiho  beiriSl,  so  gebe  iefa  alleiir 
falls  za,  dals  der  Wertb  derselben  als  Ankaufskapiial  kann  ber 
trachtet  nnd  hillige  Zinsen  davon  auf  die  Waareo  können  vertheilt 
werden..  Jedoch  nach  dieses  nur  nach  einer  rechtlichen,  blols  da* 
NJSthige  und  Brauchbare  barücksichtigeaden  VefaDschlaguag..  Al- 
les Glänzende,  Luxusartige,  oder  blofs  zani  Gemach  und  sunt 
Vortheil  des  Apothekers  Dienettde ,  dürfte  bei  einer  solchen  Ver- 
anschlagung nicht  beröcksiehtiget  werdet^,  denn  das  bezweckt  doch 
blofs,  Käufer  anznxieheo,  oder  (int  Laboratorio)  Eraparung  der 
Feuerung  and  Müh«. 

Hinsicbtli^  des  Haaaes  kommt  ea-mir  gar  närrisch  vor,  dafa 
man  dea  VVerih  desselben  sollte  in  Anschlag  bringen.  Jeder 
Manich,  der  ein  börgerlichea  Geschäft  treiben  will,  mufs  doch 
wohnen,  mnfa  einen  Ort  im  llaaae  haben,  wo  er  das  Geacbäft 
treibr.  Welcher  Kaufmann  wird,  ja  kann  die  Zinaen  des  Hau»- 
wertbes  auf  die  Waaren  schlagen!  —  Keiner.  Ich  seb«  also  gar 
nicht  ein,  warum  der  Staat  dem  Apotheker  freie  Wohnung  Ter-i 
■chatten  aollle. 

Was  bleibt  nun  von  dem  Ankaufakapiiale  einer  Apotheke 
aber,  dessen  Zinsen  der. Staat  bei  Abfasaung  der  Taxe  berück- 
sichtigen mtifatef  —  Doch  weiter  uichis,  als  der  Wertb  der  Ge- 
ffifa«  und  Geräthe.  Der  ist  aber,  berücksichtiget  man  hloüs  das 
Nöihige,  so  gering,  dafa  die  Zinsen  desselben,  auf  die  Waaren 
vertheilt,   diese  wahrlich  nicht  veitbeuern  werden. 

\uu  könnten  aber  etliche  Leser  denken,  ich  sei  des  Gegen- 
■tandea,  über  welchen  ich  schreibe,  ganz  unkundig.  In  allen 
Ländern,  wo  die  Staatsgewalt  die  Apotheken  aof  eine  gewisse 
Zahl  beschränke,  bezahle  ja  der  Ankäufer  einer  ApotheLe  nicht 
blors  den  wirklichen,  sBcbficfaen  Werrh,  sondern  auch  die  durch 
den  Ankauf  einer  bestehenden  Apotheke  erworbene  Freiheit,  das 
Apoihekergeschäft  zu  treiben,  und  diese  Freiheit  sei  gerade  das 
Tbeuerst*.  —  Ganz  recht  t  ich  kenne  das,  und  Jbabe  sdbsl^^B- 


—    ttiS    — 

ben,  wie  hoch  Arne  Fnibeit  besAlt  wird.  Vor  «didieii  Jahres 
ist  Iq  dsm  SrtdtefaMit  worin  ick  wohos,  du  3S00  EiswobiMr 
iShtt,  und  nichts  weniger  all  wohlhabend  i>t,*)  deneo  Vmg»- 
buogen  auch  nicht  g-ISoteod  sind,  das  von  drei  Seiten  in  einer 
Enlfernung  von  1  bis  1j  Meilen  nit  anderen  Apotheken  onisiellt 
ist,  und  von  der  vierten  Seite  in  einer  EUufernnag  von  einer  hal- 
ben bis  gaosen  Mdile  die  Grenze,  jenseits  der  Grense  aber  bis 
nf  Maas  eine  nnwinhbare  unbewohnte  Heide  bat,  in  dem  öber- 
diei  Doeb  «ne  aweite  Apotheke  arbeitet,  —  eine  Apotheke  (wohl 
an  merken,  ohne  Haus)  für  nenn  Tausend  Thal  er  Prenlsiach 
Geld  verkauft  worden.  Die  Geftfae  waren  »m  Gebranch  swar 
gut,  aber  doch  ntchti  weniger  als  prankead,  denn  der  Vorgfiagei 
des  Verkänfers  hatte  aii  tchoa  alt  gekaofL  Dia  Ger&the  im  La- 
horatorto  waren  anoh  anm  Gebrauch  gut,  deoa  der  Verkäufer 
hatte  ja  bis  anm  EaiUehea  der  chemischen  Fabriken  die  C&emi- 
talitt  seihet  berettet;  nbrigeos  waren  sie  doch  weder  oeamodiich, 
noch  kostbar.  Der  WaarenTorraih  kann  auch  nicht  grofs  gewesen 
sein,  denn  da  der  VerkSnfer  schon  seit  ethcben  Jahren  mit  dem 
Gedanken  umging,  die  Apotheke  an  verkanfsn,  nnd  klug  genug 
war,  n  hegreifen,  dafs  bei  einem  solchen  Handd  der  grdfaere 
oder  geringere  Waarenvprrath  kanm  berficksiohliget  wird,  so  ist 
leicht  einsnaehen ,  dafs  er  wibrend  dieser  Zeit  onr  die  siun  lau- 
fenden Gebrauche  anireichenden  Waaren  angescliBfift  hatte.  Der 
Aokftufer  sebttste  selbst  den  wirklichen  Werth  des  Gänsen .  nur 
auf  1500  Thaler;  erkaufte  also  die  Freiheit,  A-potheker  inG*  an 
sein,  für  die  Summe  von  7ä00  llialer.  Wollten  die  Medisiaallio- 
börden,  bei  Abfassung  einer  Arseneitaxe,  solche  Aukanfspreise 
auch  nur  im  mindesten  berücksichtigeD ,  ao  würden  sie  höchst  un- 
billig gegen  das  Publikum  handeln;  denn  eriit  jahsndgreifiich,  dafs 
die  Ankaufspreise  d«r  Apotheken  mit  der  Aneneitaxe  im  geraden 
Verhälioisse  stehn ;  Je  b5her  di«  Taxe  je  hober  der  Werth  dn-  Apo- 
theken. Man  mufs  nie  denken,  dab  der,  welcher  eine  Apotheke 
so  Sbermifiig  hoch  erziehet,  als  ein  Narr  sein  Geld  wegwirft,  es 
ist  vielmehr  ein  xiemlich  verständiger  Handel,  Das  EinkauEsbuch 
des  Verkäufers  weiset  ja  die  Quanthät  Waaren  nach,  welche  die 


*}  Di«  WDfaltibuh«it  einet  Ortei  lÜfat  «ich  blofs  ids  dem  VerhElUiCk  itr  Bei- 
ehsm  and  fenSglicb  Lebcndin,  la  dcD  Hübieligaa  vod  Armea  beorttnle«. 
DiUM  VerbRIiail^  kiao  mia  im  einficbatea  and  «icbentea  b«i  deo  Sebal- 
labrvra  ari^aadeD.  War  oiebt  ^db  DovanntlfeDd  tat,  wird  gawib  die  Frei- 
beit  der  8«lia)B  sieht  aaohiDcbeD.  Ana  dar  Zafal  danr,  dia  oieble  bsb«a, 
kana  man  die  Zahl  derer  erkaaaea,  die  etwai  tabes,  laixta  aber  itech  niebt 
tlle  rdr  wohthabeade  Lenle  balten.  In  dem  Sttdcbea,  worin  icb  wobne,  be- 
■ablen  kanm  xwei  Fönriei  der  Kinder  dia  Svbnlirld.  Irb  mrine  alin,  eis  Ort 
kenne  annGgtieb  wokUiabeiid  aeia ,  von  deiten  Bnwohiern  drei  FSnRBl  arme 
Ideale  alnri. 


—    19«    — 

Apotheke  jtbrli^  abgoeetst,  md  dEeae ,  naeb  der  Tnce  beiWinM, 
ntnb  die  jHbrIiobe  Einnablne,  awnr  itieht  bei  Heller  und  Pfennig, 
aber  doeti  in  BaoHeb  und  Bogen  riobtig  auiweiien.  Det  AnkXufer 
kasii  also  aoereohnen ,  in  wie  viel  Jabren  er  die  über  den  wirk- 
liobea  Werth  bezahlte  Summe  wird  erworben  haben. 

VoD  allen  Narrheiten,  die  ich  je  über  die  Arzeneitaxe  gele- 
sen, ilt  die  wot  die  gTSfete,  dafe  die  Unkosten,  die  den  Apo. 
ihakern  die  Gebdlfen  Terersflcben,  bei  Bestimmung  einer  Taxe 
anoh  an  Uerflckcicbtigen  aeien.  loh  wfir«  wirklich  nengierig  zq 
wieien,  ob  Je  efo  Meneeh  eine  gröfsere  gedt-uckte  Narrheit  gele- 
sen. Wenn  die  Me4ialnalbehdrde  zu  den  Apoibekern  lagen  woll- 
te: damit  wir  Cuoh,  ihr  Herren!  die  Kosten,  die  Euch  die  Ge- 
hHfen  vemraaehen,  eraparen,  wollen  wir  du'ch  Vermehriing  der 
Zahl  der  Apotheken' Enoh  Euer  GeaofaSft  so  verringern,  dafs  Ihr 
es  hinfort  mit  Eoero  eigenen  leibKchen  HKndeA  vemchten  könnt; 
—  was  würden  wol  die  Apotheker  darmf  «rwiedernf  —  Sie  wür- 
den ohne  Zweifel  ei  vorziehen,  ihr  Geschäft  nnverringert  so  %u 
behalten  wie  ea  ist,  und  die  Unkosten  der  GebülfWo  ver- 
triinierzen. 

Spriebt  man  mit  reehtticben  nnd  ventftndigen  Apoibekern  über 
die  hohe  Taxe,  Eber  das  Drückende,  was  in  ihr  tat  die  unbe- 
mittelte Volksklasse  liegt,  so  sncben  sie  dieselbe  dadurch  tu  recht- 
fertigen, dafs  sie  einem  bemerken:  sie  können  selchen  Kranken, 
deren  ZahlangsfBhi^eh  zweifelhaft  sei,  die  Arzenei  nicht  wol 
weigern,  dieses  würde  gegen  die  Mensefaealiebe  streiten;  es  sei 
also  sehr  begreiflich,  dafs  sie  mitunter  Yerlnsia  erleiden.  Nur 
die  hohen  Procente,  die  ihnen  der  Staat  bewillige,  beMtige  sie, 
antdi  sweifelbafien  Zahlern  xn  borgen. 

Das  ist  noch  scheinbar  der  beste,  die  koke  Taxe  rechtferti- 
gende Grand,  Abgesehen  aber  davon,  dafs  manche  brave  Apo- 
theker wirklieh  ans  Mitleiden  solchen  Dürftigen  die  Aneaei  bor- 
gen, bei  denen  es  am  die  künfiige  Bezahlung  sweifelbaft  ausse- 
ben mag,  geschiehst  doch  im  Allgemeinen  das  Borgen  bei  den 
Apothekefo,  wie  bei  allen  Kleinbändlern,  ans  kaufmännischer 
WeltklugheiL  Die  meisten  zweifelhaften  Zahler  zahlen  endlich  doch, 
wenn  gleich  spfit,  die  wenigsten  bleiben  ganz  aus;  so  bekoimmt 
der  leicht  creditirende  Apotheker  einen  guten  Ruf,  den  Ruf  eines 
Menschenfreundes,  aoA  dieser  vericbafTt  ihm  Kunden ,  über  deren 
Zahliinggfähigkeit  er  nicht>in  Zweifel  stehen  kann.  Der  geizige 
Apotheker  hingegen,  der  jeden  möglichen  kleinen  Verlust  vermei- 
•  den  will,  thut  sich  grofsen  Schaden,  Zweifelhafte  Zahler  stehen 
nicht  selten  mit  vielen  und  guten  Zahlern  in  Freundschafis -  oder 
VerwandtscbaftsverhSlinissen;  weigert  er  jenen  den  Credit,  so 
werden  ihm  diese  leicht  abwendig  gemachL  leb  habe  immer  be^ 
merkt,    dab  gern   crediticende  Apotheker    die    besten    Gesohift« 

79 


^    I9M    - 

mMb«]  »M  maigUNi  ■tahsi  4«r  VerioM,  Am  tA»  4«r«h  du 
Cr«diti»D  in  «Inen  ZiitiAano  r««  20  J«kr«B  evIflUen,  inkfliBen 
Verhilt&ili  Ku  dem  grafe«ii  VonheiU,  4mi  •»  dadurch  baban. 
Frcilitiii,  io  grofwa,  bMondem  ab»  in  RwidBmttftdun,  gaatd- 
tet  lieh  di«  Sachs  aadsn;  da  kaaa  ein  Apoibeker,  der  apana- 
gtrten  Ffiniea  viel  bOrgt,  durch  des  Tod  eiines  eiaaigaa  ealchen 
K«nden  eioflB  bedaataudeii  Verlatt  erleiden. 

Mela  Gcofantar  miiuwticber  Sek«  H.  Chr.  Btandtj  wirk-p 
lieber  ApMheker  d«s  Köaig*  v«n  Eaglaad,  varior  in  Jahre  1751 
dureh  den  Tod  de*  Pnazea  von  Wallis  14»]  PEund  Sierl.  18  S«b. 
6  P>.  I  den  Betrag  «iner  fünficbaUtjäbrigaft  Apoihekeireefanang.  *) 
Ich  habe  die  Rechnnng  nooh;  daa  Geld  wBre  lair  abaf  lieber, 
wiewol  es  mich  aoah  nickt  sam  veichanMaDne'  aiaeben  würde. 

ITebrigeni  müstien  in  dar  «Hien  HaLfi*  dea  18(«b  Jahrhooderti 
die  Apothelier  in  England  bei  weitem  nioht  ao  rial  Gald  vardieot 
haben  all  jetzt  dt«  daiilacheh  vardlaiien.  *  Mais  Grafaraiar  kana 
mir  freiKch  niokt  abi  Mafaatab  dienen,  denn  der  iat  jung  geiMr- 
ben;  aber  leio  Groftobeim,  daiK  er  all  Apotheker  das  KSnfgi 
adjungirt  war,  der  ihm  dai  ganze  Geschäft  übergeben  and  ihn 
flberlebt  hat,  iit  über  SO  Jahre  alt  gawordab.  £r  war  nie  Tei^ 
heirMbet,  und  seine  iheuerste  Liebhaberei  wird  wol  die  gewesen 
«ein ,  daft  er  meiitca  Groiavaler,  der-  bei  ihm  die  Apoihekerkonit 
erlernt,  aaf  tnahrenaosliBdiaGhen  Universiiiie«  die  HailliBMt  hat 
atndiren  laswn.  Da  nun  seine  Apoth^e'is  London  mit  5  GahöW 
fen  ood  Kw«l  Lebrlingwi  arbeitet«,  nnd  er  das  Gascl^t  ^er 
40  Jahre  geirielMn,  so  hfillie  er,  naoh  dem  JetKigoa  Mabstab, 
ein  MillionSr  leto  inSsien.  Mnner  Grofimatlw,  seiner  Hanpter- 
binn,  ist  allerdings,  nach  Aoasafalang  mancher  Legate  an  fromme 
Stiftungen,  «ia  »etleB  VerraSgen  geblieben;  aber  ei  war  doch 
nicht  IO,  dafs  man  ea  beaiigea  Tages  in  «ner  mK&dg  reichen 
Stadt  Haloblbnm    nemea  würda.     Vialleiqfat  bakan    die  Apothakef 

*}  Der  Apotheker  de«  KSoigs  war  tod  den  Hofapotheker  Ter*ehied«o.  Bnlar 
tieferle  fSr  eb  JShriigltH,  relcbllebM  Jatcgald  die  Araenii  Llof*  fHr  dea  KI- 
nig,  dia  KSniridB  and  M«  kSalfHchai  Rhide«.  Warea  die  kSaigUakaa  Kia- 
der  grol^iüiiiff,  to  «liBd.ar  %%  ikaaa  ia  d«ja  aÜHfieheii  Vcrfailtaib  ,  wie  aa 
alles  anderea  BürKere^  woUteo  lie  ArMiiai  raa  ihm  habea,  lo  mDrtlea  li« 
dieielbc  bazahEen.  Dah«r  der  Verlnit ,  dea  Baia  Grorsvfler  dorch  den  Tod 
dM  Priaiei  gehabt.  Uerkwürdig  iil  die  f rorie  Henge  BrUlolwBMer ,  dia 
diete  Prinzlicbe  BorbaltBag  jEkrlich  gttrDBkea,    Aaf  tw  ftaebDanf  ift  ale  al- 

Ff.St.  Sohl.  Fib 

In  Jakr  I74T  fdr  —     ISI  19  — 

.      .     ITM    .   —     301  II  B 

■      .     1749    -  —    S13  10  6 

.      -     1750 2U  I  « 

-      .     17JI     .   _      31  «  _ 


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ia  L/oDdnn  JaniHhli   keins  geietEliohe  Tbx«  gthabt,    nadATD  die 
Arsmaiad  Dar  nanh  der  kriatlichtn  Lieb*  nxiit. 


Aer^tliche  Praxi*  unter  den  Ünhtaitlelien. 

leh  xprechs  hier  nicht  tob  den  eigenilieheD  Armen,  die  aue  den 
GemeindekBssen  uaienlutzt  werdend  Für  dieie  lind  hentin  Tage 
Id  allen  fiiSdien  und  Dörfern  Aertle  angeatelit  und  werden  bei^lt, 
wlewel  meist  kttrglicb,  imd  wenn  die  VerMeber  der  GemeindeD  ea 
omsdnit  haben  k8nn«n,  tsi  ea  ibnen  noch  lieber. 

Ganl  ändert  verhält  steh  die  Sneha  mit  der  Klaau  von  Bürgern, 
die  nicht  eo  der  Keiegoric  der  eigeniliohen  Armen  geltBren ,  die  von 
den  Gemeinden  keine  Uniersitiixung  baicommeD,  auch  nicht  verlan^ 
gen,  die,  so  lange  ale  geiund  lind,  kaum  ihr  Aaikeaimen  haben, 
aber  nicbia  anrOcklegea  kKnnen  für  die  Zeit  der  Noih.  Diese  Men- 
atifaeniildSM  ist  ungeheuer  zahlreich.  Zu  ihr  geboren;  die  Tageldh» 
ner,  der  gröfale  Theil  der  Handwerker  in  kleinen  Stidten,  denn  dia 
kdnnen  auch  nicht  viel  mehr  ah  Taglohn  verdienen,  die  Kölher  oder 
Häualer  auf  dem  Lande,  die  Unzahl  von  Dienaibothen ,  die  Greas- 
aufeeher  Wenn  sie  aiark«  Familie  haben,  die  in  kleinen  ^tiädien  sla- 
tlonirteR  Gendarmen,  knrg  besoldete  iSckullehrer,  alie  gering  be< 
■oldele  Unterbeami«  wann  sie  Frau  und  Kinder  haben,  viele  Acker- 
bau treibende  Bdrger  kleiner  Städte ,  die,  obae  Grundbetils,  dea 
Stadt  nah  gelegene  Lflndereien  zu  ungeheuren  Preisen  gepachtet 
haben,  kinderreiche  karg  Penaienine,  kinderreiche  Witwen,  dis 
durch  den  Tod  ttirea  Mannes  ihr  Einkommen  verloren ,  and  endlich 
Leute  aus  höheren  Stünden,  deren  Verfnögea  bis  auf  dal  (Jneni- 
bebrMche  geachmoUen.  So  lange  diele  Leute  gesand  bleiben,  ge- 
het alles aeinen  Gang;  sie  enen  waa  aia  haben  aad  kleiden  lieh  wie 
aie  können.  Werden  lie  aber  ernithaft  krank,  oder  koranen  vol-. 
lemti  BuMeokende  SeocheH  in  ihre  Familien,  soist  die  Noth  giof«, 
a)e  gerathen  für  viele  Jahre,  dder  fiif  iminer  in  Schulden.  Dieae 
anglanblich  grofse  Menichenklaaae,  die  im  Allgemeinen  die  geaüg- 
lieh  lebende  weit  übersteigt,  liegt  allein  dem  Arzt  s«ir  Last.  Der 
Rechlsgelehrie  hat  nichts  mit  solchen  Leuten  zn  ihun ,  denn  aie  kön- 
■en  nicht  über  Eigentbom  alreiien ,  dessen  sie  bar  sind.  Dar  Geist- 
liche hat  aneh  keine  Verrichtung  bei  ibnen ,  alt  dafa  er  ihnen  aia« 
allgemeine  Anweisung  auf  die  himmlisehen  Franden  gibt  und  sie  zur 
Gednid  und  Eiwaagui^  ermahnt,  wozu  ai«  leMer  die  \oihwendig- 
keit  auch  ohne  prleaterliche  i>niahnnng  zwingt.  Uns  Aerxien  gibt 
der  Staat,  liehevoll  für  uns  sorgend,  eine  gesetzliche  Anweiauog 
auf  die  mageren  oder  leeren  Seckel  dieser  Mühseligen;  da  sie  aber, 
anch  bei  unseren  iparsannten  Verordnni^en>  kaum  den  Preis  der 
bocbhetaxten  Atzeueien   herfa»itchaffe«  k&noeo,    so   würden    wir, 

79* 


—    1252    — 

vollten  wir  Gebraacb  vom  dimer  gmeulicbMi  AnmiMDg  Bncbn^ 
gerade  wi«  Küste nbe wo hB*r  bandeln ,  die ,  unter  dem  VornuJ) 
de>  Strandrechles,  artnea  Schiffbräcbigen  ihre  leiile,  kaarngH«- 
tele  Habe  rauben.  Die  Last  iat  für  den  Amt  naa  noch  tnrif 
lieb,  80  lange  er  nur  einen  «fidtisi^en  Ruf  bat,  odar  to  Ii^i 
sein  guter  Ruf  auf  die  \achbargch»ft  Heines  Wohaorieg  beiebräib 
bleibt.  Bekamint  er  aber  einen  Proviiuialraf ,  so  wird  die  Lm 
ao  driicLend,  dafa  grofse  Festigkeit  des  Geistes  daxu  gehäit,ia 
GriiadsHtaen  der  Menschlicfakett,  die  uns  das  Plüadeia  de>  DitC' 
tigen  verbieten,  trea  lu  bleiben.  IJebd,  sehr  übel  iu  Mt  ^ 
gerade  von  diesen  Unbemitteliea  viele ,  aanieiitlich  die  dti  11» 
rea  8lSnde,  verzweiMt  fix  auf  den  Beinen  siqd.  Sie  lucki 
■ich  wenig  daraus,  drei,  rier,  fünf  Wegsluadea  weit  u  tiHs 
Arsle  la  laufen,  der  von  ihnen  nichts  begehrt,  rie  Bufksiuf*' 
Ise  Kosten  in  der  Apatheke  ueibt,  nicht  auf  sich  wsiien  ^ 
baulieb  mit  ihnen  sprioht,  und-  von  dem  sie  glaubea,  er  Herdi 
■ie  besser  heilen  als  nähere  Aerxte,  die  Geld  von  ihies  IkP*" 
ren  und  theure  Arzeneiea  verschreiben.  Was  gilt  ihneo  die  Heiu 
des  Wegesf  Nichts.  Sie  eraparea  ja  durch  den  Matich  u«l>r  >li 
EioBH  Tagelohn. 

Wenn  es  aber  wahr  ist,  dafs  die  Praxis  untar  des  Mt^ 
teltea  dem  Ante  sehr  lästig  werden  kann,  so  ist  wiK^'"' 
so  wahr,  dafs  er  durch  dieselbe  einen  doppelten  VoriW «'■"J^ 
einen  ttrstlich  künstlerischen  und  einen  bürgerlichen. 

Der  künstlerisch   praktische  ist    lu   offenbar,  ■liili'**'^ 
ihig  wSre,   ihn  weitläuftlg  ausznlegen,    denn  wer  Tielürtu" 
handelt,    der   erfährt  auch   viel  Merkwürdiges,    welcbH  ei  H^ 
nicht  erfahren  wurde,    nad  mit  der  Natur  herrsehendu  KtuU"' 
ten  wiH   er ,    befthiget   viele  Falle  mit  einander  so  wfglti»* 
weit  früher  im  Reinen  sein,    als   andere  Meister,    die  b»» 
Gelde   nachlaufen.     Wie    er  aber  durch   dl*  Praxis  vom  L«""'' 
die  ihn ,    ohne  dafs  es  sie  drücken  würde,   nicht  su  besable» 
mögen,    einen  bürgerlichen  Vortbeil  erlangen  könne,  i"^"    . 
eben  jungen  Lesern  anhagreifiicb  aeio ;  .darum  ist  nöthig,  <"" 
«asgelegt  werde.  . 

Da,    wie  gesagt,    die  Klasse  der  Unbetnlltelien  sehr  Krol< 
ein  Arzt,    der  sich   ihrer  freundlich   und  uneigenoütsig  >■"" 
also  stark   kann   überlaafeB  werden ;   die  meisten  M'necn'" 
sonderlich    die  gewarbtretbendeii  in  kleinen  und  ninl^B  ^ 
eine  solch  krämerische  Natur  haben ,    dafs  es   in  ihrti»  ^"^ 
Unmöglichkeit  grenzt,    ein  Arzt  tollte  UnbeniiileliM >    *'" 
or  auch  nur  ein  paar  Groschen  erpressen  könnte,  umsoaH 
so  folgt  darani,    dafs  sie  den,    der  von  Kranken  rJel  "'*'' 
wird,  als  einen  Mann  ansehen,    der  viel  Geld  verdieot,  >">  < 
er  kein  Verschwender,   als  eiaea  Maa«,    dar  vi^ '^^ ^'"^ 


-   liw  — 

babad  mumm.  ü«bl  ir  aber  in'  im  Slidt,  anicf  Ihrsn  Angan  die 
Uneigennützigkeit,  und  sie  kSnnen  seibige  gar  nicht  beiweifeln, 
M>  wird  «r  zum  wabrhab  nichan  Manne,  abar  auch  gleichzeitig 
tum  Narren  getiempeli;  denn  in  ihren  KSpfen  mufs  der  ein 
Sberreiebar,  dea  Celdas  ganx  nnliadnrfiigflr  Narr  sein,  der  ea 
Tcraobmihet ,  die  UnvermögMtden  zu  rupfen  nnd  mit  ihren  letzten 
Heilam  aaiiM  Habe  za  ladirea.  —  Ihr  begwlft  aUo,  meine 
Freunde I  dah  der  Arzt  biob  dadurch,  dab  er  die  Memchcn- 
lieba  übt,  zun  reichen  Hanm  wer4ea  kann,  und  ht  daa  niefat 
rin  grofaer  bargerliohar  Vonheil  1 

Sehet  Euch  um  in  grofsen,  mirtlen  and  kleiaea  Stadien;  wie 
viel  Menicben  gewahret  Ihr,  die  mit  grof«en,  fast  nnerswingli- 
ehan  Aufopferungen  naoh  diesem  Votzage  streben.  Da  sehet  ihr 
Leute  in  gtteKendeB  Wagen  fchren,  die  weil  klüger  tbKten,  an 
Fafae  zu  geha,  Jhr  zehet  Lenie  an  öffentlichen  Orten  Cbampag- 
■er  nnd  andere  edle  Weine  schlürfen,  für  deren  Farailiaa  es  weil 
Tonbeilfaafier  sein  würde,  wenn  sie  D9Mibier  tranken.  Aber- 
asahl«  sehet  Ihr  gescbinnekia  Frauen,  die  ihrer  mfihaeligea  Ehe- 
Banner  halbes  Jahreinkommen  in  seidenen  Kleidern,  in  feinen 
Spitzen,  in  goldenen  Kelten  nnd  Spangen  am  Leibe  Irageo.  — 
Waram  tboo  alte  diese  Lerne  daai    Blols  um  reieh  zu  aohsinen. 

Schaaet,  ineine  Freunde!  diesen  Zweek'  nrreieht  der  Am 
blofs  darch  Uebnng  der  Menschenliebe.  Er  braucht  kein  üppiges 
Leben  dabat  zu  führen;  er  lebe  ganz  einfach,  befolge  aar  die 
Varichrift  der  heiligen  Sehpf):  seid  niemand  etwas  schul- 
dig  als  dafs  ihr  euch  nnler  einander  liehet,  so  wird 
ihm  die  Würde  des  reichen  Maanes  gerade  am  siebcrstea  zo 
Thei]. 

Ihr  kSnniet  mir  aber  einwenden:  es  sei  ein  zehr  schlechter 
Vortbeil,  dafz  der,  welcher  blets  sein  geni'tglickes  Auskomme« 
habe,  von  seinen  Mitbürgern  fnr  reieh  angesehen  werde.  Leute, 
die  diesen  Ruf  ängsllicfa  socbien,  hatten  gewohnlich  eins  beson- 
dere, aber  selten  eine  lobenawenhe  Absicht  dabei;  den  Arzt  kön- 
•e  aber  der  Reichheitsruf  zu  nichts  führen,'  als  nur  dazu,  data 
ar,  bei  Verlheilang  Sffentlicher  Lasten,  von  seinen  Milbürgera 
)i8bar  varanschlagi  werde,  alz  es  ohne  diesen  Ruf  wurde  geache- 
beii  sein ;  ja  im  Kriege  bei  einem  feindlichen  Einfalle ,  wo  der 
Ruf  der  Retchheit  dem  wirklich  Reichen  schon  bescbwerlicb  falle, 
mdase  er  dem  nicht  wirklich  reichen,  sondern  nur  genüglich  leben- 
den Manne  nach  weit  herbere  Früchte  tragen. 

Es  ist  wahr,  werihe  Leser!  sehr  wahr,  dieses  Bedenken; 
ich  weifs  ihm  nichts  Gegründetes  entgegenzusetzen,  als  nur  den 
alldeutachen ,  gereimten  Spmeh:  Würden  haben  Bürden. 
Erwirbt  sich  alzo  ein  Arzt  durch  Uebnng  der  Menschenliebe  des 
Haiefalhaasarafca  Wfird«,    ao   trage   er   auch   nur  geduldig  dieses 


—  IJ«  — 

RnfM  Bfif^c;  ircmt  wiMi  dagegM,  *•  latht  mm  Um  in  di« 
Zahn». 

Nan  will  icii  eis  Wort  von  der  Dukbail^it  dar  Unbaniuritea 
M|;eii. 

C.  W.  Bufkiand  TerglMidil  an  •iacm  Ort«  «rioer  Schri&ea  die 
Dankbarkeit  dar  UnbemiitelttQ  mit  der  Dankbarkeit  der  VMudiinaB 
nnd  Reicbea.  Dar  lokak  aeiDer  Red«  >U:  die  dankbare  GeuMROff 
d«f  ÜDbenilleltea  lokm  nicht  lelien  den  lacktliefaen  Arctgenügco- 
der,  all  daa  Geld  der  VorBahmea  nadHeii^n,  die,  aach  Aaanb* 
lang  des  edlen  Metalls,  jeder  edlen  Ovainnang  gegen  ibran  Helfar 
.äberbobea  h  aaia  glaube«. 

Die  Sache  an  sieb  ist  wahr,  ich  kann  irad  mag  es  oiebi  lä«g- 
BCo;  allein  als  billiger  Mam  bälie  er  «»tweder  ganx  da'ron  sehwei* 
gen ,  oder  di«  Vornehmen  zugleich  entschuldigen  müsM*. 

Bestimmt  haben  die  Vonwhmen  keine  gemein«  kramerische 
Getinnuagen;  das,  wm  man  für  die  4euJaerang  einer  aolc^ea  Natar 
halten  könnt«,  ist  vielmefar  etaiigdi«  Folge  einer  theiliobiea,  ikann 
eiageleifaten«  und  angcboMneo  Vertiaodesimiug ,  nnd  awar  eiaar 
solchen ,  welch«  die  gelehrten  Aerate  BmtlMcinatia  neaaeD.  Es  ist 
aber  nicht  so  lu  reretahen,  als  sähen  und  b&rlao  sie  nicbtTorhaitdcae 
Dinge,,  als  hielten  sie  den  Hund  für  «ine  KaUe  und  den  Eeal  fBr 
ein  Pferd;  neis,  ihraSinneaiäuschung  beiiehet  sieb  blofs  avf  ibr 
eigeaes  Geld,  und  äufsert  sich  dadurch,  d«lB  sie  deraselbe* «'oea 
weit  böherea  Werih  beilegeD  als  je  ein  Münawardein  darin  entdek« 
ken  wird.  Wer  an  dar  Wahrheit  ueiaer  Rede  x«  sweifeln  Inst 
haben  raöcble ,  der  achte  deeh  nar  auf  den  UnterstAied  dar  Fod»- 
mngen,  welche  die  Vornehnien,  nnd  auf  die,  welche  schlicht  ehe- 
liche Bürger  und  Bauern  fGr  ein  und  das  nSmliche  Geld  an  den  Ant 
machen.  Er  wird  uch  bald  übenengen,  dala  meine  Behaaptnng 
■icht  ant  der  Luft  gegriffen  s«i,  sondero  sich  auf  T«rgleiflhende 
Baobachiungan  gründe.  Wenn  also  vornehme' und  reiofaa  Lmhb 
den  Arzt,  den  sie  mit  ihrem  untchfitabaren  .Gelde,  weoa  gkiob 
kl^lieh  bezahlt  haben,  fiir  fürulich,  selbst  für  überTirBllich  be- 
lohnt halten ,  ja  wenn  sie  fesiigtich  glauben ,  er  vnrschuld«  Ihnen 
■och  grofsen  Dank  dafür,  dab  ihr«  Milde  ihm  vor  jener  Z«aber> 
münxe  ein  wenig  habe  anfliafsen  lasaen ,  s«  kann  idt  sie  gar  nicht 
tadeln,  sondera  mafs  vielmehr  anerkennen)  dafs  sie  streng  folge- 
rest in  ihrer  Halluzinnlion  siad. 

Von  der  Dankbarkeit  der  Unbetniltelien ,  welche  C,  W.  Bmfif- 
land  auf  Kosten  der  Vontehmen  erhehett  will,  lafst  sich  in  Al(g«- 
tneinen  nicht  gut  sprecheji,  denn  Su  dieser  Klasse  gehären  Hesachen 
TOR  gar  zu  verschiedenen  Ständen.  Mit  denen  ans  dem  aaterea 
Stande,  als  mit  Dienstb«(hei ,  Tagelöhnern ^  geringen  Handwer- 
kern, und  mitsolcbsot  Volke,  v*a  dem  nian.  nicht  recht  weib,  ob 
es  zu  den  Schelmen  oder  zu  den  ehrlichen  Lsnien  gehört,  triffi  m«R, 


—  law  — 

aaÜMt  4mi  KnoInMbeitB,  In  bai^rllofaea  L«b«o  fMt  gkt  alcht  «n- 
■■■Wiea ;  also  kitnit  iMm  iiHch  nicht  über  dt«  Sesinncn^wB  derselben 
«rihMlen.  Jadoch  bateioM  «in  luftiger  Gaseil ,  dai  als  Maurei^e- 
bälfe  mehnaahla  in  meineni  Haoaa  gearbeitet,  dem  ich  oft  als  Arat 
m  laiaar  Faanilia  mit  eben  der  Treue  aneDtgältlioli  gedient,  wie  ich 
fir  gute  Bezahltlag  den  Reiehea  nur  haue  dieoea  können ,  mir  seine 
0aBkbark«it  dadureh  bewieaen ,  dafa  er  Räubern,  die  sieb  bei  ibm 
anfhialten,  iiieia  Hans  ala  den  Ort  beaeieknet  hat,  wo  aia  gtiie  Ge- 
aabifie  aiaehea  warJes.  Da  er  aber  nicht  oft  genug  in  dem  Hauae 
^waaa»  war,  nm  deHen  Gafegenheit  genau  zn  kennen,  ft«  hatte  er 
die  Schelme  gläeklieberweise  ins  Wobnaimtner  geiohicbt,  wo  nicht 
viel  XU  erhaschen  war^  Ich  kam  ala d  mit  dem  serbrochenao  Fenster 
uad  nlit  einem  kleinen  Vetlnste  von  uagi^br  50  Tbalem  weg, 

Naa  f»lgaa  die  M^naelMn«  die  entweder  van  dem  Ertrage  einea 
kleinen  Geachäfiee>  oder,,  al»  AngeMellte,  tob  einem  kleinen  Ge- 
batle,  an  lange  sie  geauod  und  unverbeiratbet  sind,  erträglich  gut 
lebe«  kSonan,  die  man  aber,  mit  einer  aiarken  Familie  gesegnet 
■nd  Toa  eroMbaften  Krankheiten  baimgeaucbt,  fftr  Srmer  als  wirk- 
liche Bettler  haitea  inufs.  Was  vAn  der  Dankbarkeit  dieser  Leute 
la  hallen  sei ,  weifs  tob  nicht,  ihre  Worte  aabte  leb  Kr  gar  niebfs, 
dann  ihr  eigeiter  Xmxan  eifadert  es,  dafi  sie  deO  Ant,  der  keine 
BezaUuag  von  ibneo  verlangt  und  dessen  wohlfeile  Hülfe  sie  künf- 
tig einmabl  wieder  nälhig  haben  käanien  ,  nicht  vor  den  Kopf  ato- 
fsen.  Ob  sie  aber  durch  ihre  llandliiageo  ein  dankbares,  oder  un- 
dankbares Gemiiih  gelegeallich  olfenbaren  tviirden,  läfsl  sich  lUl- 
mSglich  besiimmen,  weil  man  auch  mit  ihnen  ,  aufaer  der  Kranken- 
kammer, nie,  oder  änfserst  selten  in  Berührung  kommt.  Eine  die- 
ser seltenen  biirgerlicheu  Berührungen  hat  mir  aber  eininahl  das  sehr 
dankbare  Gemüih  eines  Mannes  auf  eine  wirklieh  überraschende 
Weise  offenban. 

Ein  alter  Französischer  Brigadier  der  Gendarmerie,  der,  ob- 
gleioh  T»m  iStaate  gni  bezahlt,  Mühe  hatte,  seine  zahlreiche  Familie 
zu  emfthren,  der,  weil  er  lange  hier  gewohnt,  fast  als  eingebiir- 
gert  betracbiei  wurde,  Wfir  oft  von  Krankheiten  heimgesudit  wor- 
den ,  ja  er  selbst  und  mehre  der  Seinigen  waren  einst  von  dem  an- 
Bteekenden  Genngnift^eber  ergriffen  gewesen.  Ich  hatte  ihm  jeder- 
zeit, nicht  blofs  nnenigeltifeh ,  sondern  wiik:lich  mit  Trene  nnd 
Liebe  gedient.  Er  aeigie  sieh  bnigageit  immer  sehr  hSflicb  nod 
zuvorkommend  gegen  mich.  Seine  Dankbarkeit  tbällicb  au  be- 
weisen, dazu  fehlte  es  ibm  ganz  an  Gelegenheil,  bis  zu  dens 
Zeitpunkte,  da  das  Kriegesglöok  der  Franzosen  zn  wanken  be- 
gann. Damahls  besaehe  ich  eines  Morgens  unseren  krSnkelnden 
Friedensrichter  i**. ,  trete,  weil  er  noch  im  Bette  liegt,  in  seine 
Schreibstube,  und  finde  hier  einen  Herrn  meiner  Bekanntschaft, 
nie  dem  loh  mich  untaib^lta.    Glnch  darauf  bringt  der  Briefuftger 


—    1236    — 
J.«  Mo.il,.,,  ^A,,^  ,^  „f  a«  jr^  i,  j„^, 
J'".    D.  ,ch  ...  di.  «.i,„„g  .„  Hmd  nd».,  biiw»id,», 
B.ka.n»,,    im   FJI.  ich  ,(„,„   ,i^dg.n,    .uf  d..  a»i«ta 
Rn.g   b«ügIich.D  Anili.l   dsriii    £.d«.   midiu,    din.»  Ji.i  . 
le».»,    den.   „  .Jb..  «erd.  d«  lil.t>  ütkt   ,o,  Ab™d  b.1» 
Ben.    leb   la.  j,„,  d.«  ,..(iibrli,J,„  .milich.»  B,rtd»  üb«  i, 
unglucldiche  FJuchi  d.r  Ft«.««»   ...  Hu£iUiid  .k.   .b«^ 
•l.b.1  di.  g.riDgii.  A«.rk..j  ..  „i»,b...    Oi.i  Tnj.  i^ 
«Wl«  mit  der  Hicbl.r:  dar  .Im  Brigadier  h.b«  midi  niier  uü 
um   BebSrd.,    dem    OiB».,,     d.   ein..    ..rd«ciuij..  Htwl. 
•ngeuigt.    D.  .1  .b.r  du  La.,  «u  Aniliel.  ..■  . iiea  öf» 
Iicb.n  Blwie,    w,leb„   b.k.«.iUeh    d..   OrgMi    de.  Kuien  .., 
nicht  ra,  ein  Verhr.ehen  b.b.  ...g.h.n  Icänn«,  ..b.b.«»i« 
poliluche   V«rd»cbliglieil  d.i..f  g.griind«,    d.&  bei»  V.te 
dien.,    fir  jeden  r.cbllich.n  Borge,  hö.hu  Imirigei  BcHdai« 
»it  die  Freude  ..f  d.m  G.eicht.  g.leKliIM.    D.r  Oüri«,  4. 
lie  Phj.ionomilt  d«  B,ig.di.m  etwM  ™rifdhrfi  g..«i,  U> 
den  d.h.i<l<benden  M.ir.  gebegt:   ob  ieli  mich  .«b  ir  ••'«• 
Dingen   ..rdachljg   m.cba;    und  a.f  d.mn    V«.ich.m|,  'il« 
mich  .iniig  m.ine  Ku.«  beschaAige,    d.f.  ich  ncbl  «.»U* 
fenllicbe  Ort.  bwuch.  u«l  mich  gnr  niobl  um  die  P.hlik  U«r 
mere,   bah.  er  die  An.eige  del.Brigmlier.  .nbaubl«  I<hii" 
Gani  richtig  kimerlile  mir  dar  wohlmeinende  Eni««:  ■'» 
der  OHliier  ein  unv.relSndig.r,    üherep.nnl  .mi.eiMg«.«"!^ 
weeen ,   k>  sMi.  ich  ,cboo  i„  Gefüngnifs.     Er  ermabc»  "A  • 
der  unheimlichen  Zeit  meine  Yorsicht  lu  verdoppeln,  und  "»" 
den  Brig.di.r,    nnf  d.n  er  lonn  viel  gehalten,   eine  mdmib" 
Bestie. 

Nun  wollen  wir  .nfsteigen,  und  die  Menschen  brtrMliW 
deren  Einkommen  n  dem  St.nde,  den  aie  in  der  bÄprW" 
Geaell.ch.ft  behaupten  rouueo ,  oder  beh.upteo  «  BÜwa  |ho- 
bau,  in  itorkem  Mif.rerhalloü  atehet,  obgleich  ei  «i  »■*  "I 
hinreichen  mSchle,  eine  Familie,  die  beicheidcnere  F«ie»i|ai 
•n  da.  Leben  machte,  g.uüglich  au  .rnihren.  B<«teiW  f* 
ren  an  diuer  Kategorie  Menacben  von  gaos  rei«b'ied<D>a  S* 
den,  und  da  .ie  binaichtlich  ihrer  intellektuellen,  liclUil»"  "' 
■athetiscben  Bildung  himaulweit  von  einander  ebilibea,  aaeb*" 
Stände  ulbst,  denen  sie  angeboren,  ihnen  achon  gewilM  ^'*" 
unbcile  und  Untugenden  eingeleibt  haben,  lo  mufc  derAiB.  *" 
mit  ihnen  öfter  in  bürgerliche  Berührung  komme,  kaaa,  •«* 
ganz  verschiedene  Beobachtungen  machen,  deren  JIgeaaio"  ^ 
gebnila  nicht  gut  mit  Worten  auszudrüclien  sein  möolila.  D«*^ 
g«us  nuenigeltliche  Dienstleistung  würde  er  cinea  Tbail  ''"* 
Art  Leute   krfinken;    er  kuin   Umm  also   nur  dadurch  to  Ü* 


—    IMT    — 

beweiaen,    itih  et  ihm  Krim,    In  dar  mit  Sfur  Ebbe  als  Plnt 
Ut,   «ine  zart«  Scbonang  Bngvdeiben  IHfst. 

Mbü  Btöfat  wirklich  nntcr  diaaen  L«iileD  ant  sehr  rvehtliehe, 
ÜB  aieh  betlrebm,  Meh  dsn  Foderangen  der  Sitilicblceit  xu  han- 
Md,  and*  niedaren  Leädemcluiftaii  >  dia  den  Meaicbea  Tcruaeh- 
ren ,  keine  Gewalt  fiber  aich  laaaen.  Ihr  xariar  ttifibciiacher  Sinn 
•rlaobt  ihnan  nicfat,  dam,  ihre  batehrRnkta  Kane  sofaenenden 
Anta  «it  gaaieiaan  Sobmeichelaien ,  oder  ekelhaften  Danfctiradea 
m  Leib»  in  geben,  denn  in  sieb  lelbsi  ßltlen  üe  deo  Iriltlichen 
Zwang,  dam,  der  ihnen  uneigennfiuig  and  treu  in  ibreo  Nöifaea 
geholfen,  ioIIm  «r  je  ihrer  bedQrfan,  nach  VermSgen  eben  as 
tren  sa  «ein;  nnd  sie  wiaaen  ea,  data  verwiadte  Geioter  aieh  ei&- 
uider  «neb  obo«  Wort«  Teratehi). 

Leider  aind  aolcba  Menacben  aber  aaliene  Eraebeinnngen ;  die 
■eiatan  iafiern  am  blofaem  Eigennuise  dankbare  Gesinnungen  ge- 
gen deti'Arat,  nnd  awar  ao  langet  bit  ciDniabl  ein  andere«,  nfr-- 
berei  iDiareaae  dieaem  EigMimiiie  die  Wage  bllt,  oder  ihn  gaf 
überwiagt.  Im  letalen  Falle  werden  sie  «ich  kein  Gewissen  dar« 
Mis  machen,  dem  Anta,  der  Ihnen  lang«  und  trea  gedient,  hin- 
lerliatige  Streiche  xu  spielen;  ja  sie  aoHteo  ihm  w«l  sein  ganzes 
fieachaft  verderben ,  wenn  sie  die  Macht  dasn  hSiien ;  weil  sie 
diese  aber  oiobi  haben ,  nnd  keiner  sie  bat ,  ao  bleibt  «s  freilich 
hei  der  »hiiiBXchtigen  Aeiifäereag  dea  bösen  Willens. 

Hinsichtlicb  der  Leute  aus  bsheren  SiKnden,  die  awar  aiehi 
•igeniliiih  in  Armuth,  aber  doch  verbslilich  zn  ihrem  Stande,  io 
Unverniftgeobeit  geraibeo  sind ,  bemerke  ich  noch ,  dafs  dies* 
aelteo  mit  dem  Vermögen  auch  den  Stola  verlierea.  Hat  der  Ant 
Geduld  mit  ihrer  Sehwachtteit,  aetat  er  ihren  ungemessenen,  nn- 
urten  Fodemngen,  nicht  ebea  so  onzarte,  kräfi^e  Foderungeo 
an.  ihre  magere«  Seckel  entgegen ,  a«  werden  sie  dieses  nicht  ala 
eine  uMDsehenfreondliehe  Sebonang,  aondarn  Tielmehr  als  ein» 
tSlfielhafte  MUsBchiianng  seiner  eigenen  Dienste  ansehen.  Frei- 
lich gibt  es  auch  seltene,  erfreuliche  Aosnahnien,  ja  ich  bin 
•elbst  eiamahl  anf  Eine  gesiofsen,  die  ich  fast  eine  rührende  neo- 
B«o  möchte:  im  AtlgemeineD  bleibt  aber  Don  Runmdo  de  Coli' 
bradai  immer  der  Alte;  wie  er  vor  dreihnndert  Jahren  geweseD, 
ist  er  noch,  ond  wird  ober  dreihundert  Jahren  aach  noch  so  sein; 
blofa  Form  nnd  Farben  seiner  GewBndar  waohaelt  er  naofa  dem 
Gebrauche  der  Zeit. 

Ueberfaaupt  haben  mir  die  Klagen  der  Aerzte  über  Undank- 
iMTkeit,  auf  die  man  hier  nnd  dort  in  filteren  nnd  neueren  Bü- 
obern  stöfst,  nie  aonderlich  gefallen;  aie  beweisen,  dafa  die  KU- 
ger  nicht  wahrhafte  Aerste,  das  heifst,  nicht  sorglttliige  Beob- 
Hcbter  dea  geistigen  wie  des  leiblichen  Menschen  gewesen.  Hfit- 
teo   de  nKnlidi  des  geistigen  Meosehen  anch  nnr  oberfiScUich 


—    ISftS    — 

beakacblM,  lo  wikdea  mm  sitk  ImU  Cbcnra^  baUn,  iikin 
Termeinilicb«  üntuKend,  Dbnr  welsbe  ns  kJagso,  ■«  der  ubh- 
M«n  WoMokcit  anmm  Geistea  b«iTorg*faet,  aad  dofi  n  oIim  Jie- 
■alb»  daa  usglGcklicJiste  ticsetiöpf  nniar  i»  Saam  mid  wir4t, 
Folgflods  Bairacbiang  wird  nwinar  BeiMiiptniig  «Um  Sabfia  i» 
PHradokie  banehmea. 

Jcdu  leibliche,  odar  geniig»  Leides  gretfl  LeiV,  oder  &«ia 
«if  •■■»  «igenlhGuliche ,  nicht  u  baflobnibcnde  Wai^e  mi  i« 
«■  verewigen,  lo  venebwindet  Ae  l^esdigc  VorateUang  duEii- 
druokM ,  d«a  •«  aaf  muerD  Leib  oder  Geist  genechii  Ancb  '<< 
leiibafiesU  Pha»u>i*  kenn  s.  B.  dai  Gefübl  cinei  fiberaUMtM« 
b«rügea  ZabmchnieraM  nicht  wi»d«r  mrückrttfea.  Ww  ««f  ^ 
See  einen  tficbiigen  SSinfm  erlebte,  der  Iwao  aoe  «ol  di«  i^ 
wenden  Wellm,  du  Ki-achea  dea  Schiffe»,  die  Verderim  ^o- 
beade  Branduag;  recbt  natürlich  beaehreitwa,  aber  eeia«  «g**» 
baageo  GeRible,  die  er  bei  dteMu  fiirchtbarea  Kam^  d«  Ele- 
mente gehabt,  Teriuag  er  nisht  wieder  hervorsurufM;  tm»^ 
ianeriMg  ist  blos  ein«  gewbicbtliebe. 

Solltet  Ihr  bd  dieser  Wahrheit  iweifela,  awim  Lwrl  •• 
beobaohiet  n«r  den  Sabinen,  dea  in  einem  Uaaae  ift'^oii'*'* 
geliebten  Glied«  berrorbrtngu  Anninglidi  ict  diesH  St^M" 
g|reUi  faat  aa  VenweiSong  gceasend;  bald  hüllet  er  lidi  "^ 
Schaliea  einer  milden  Wehmuib;  nach  und  nacb  uhk^«''^ 
Duakel;  and  eebet  Ifar  die  venweifelndeo  MenaclMa  mA  «M 
Jahre  wieder,  eo  iat  die  gmchiehiliohe  Erianemag  allHi  v**^** 
dem  ecbmerxliehen  iiirBufiB  in  ifaned  balieL  Hier  kaadtk  ti  ■<(' 
um  einen  bleibeoden  Verluat,  und  daeb  weiiet  ea  aich  ■»,  '■»*' 
herbeate  Schueri,  der  ewig  wibieii  in  wollen  scbiea,  licfa  ■»■**' 
aiumpft,  uad  wie  allea  Irdische  vargAaglioh  iat.  Wie«>ll<**** 
daa  lebhafte  Gefühl  einer  Kraakheit  ia  dam  Geneecnea,  aad^^ 
fubl  des  sorgenden  Bangeoa,  des  peiolichen  Sehwebeoi  fwi«**' 
Furcht  und  Holfen  in  der  Familie  dea  Geneaeaea  ewig  wShru-  f* 
verschwindet,  aad  blols  die  gesehicbiliche  ErinneruDg  bleibt- 
es  nun  wol  su  vermulheo,  dafa,  da  dem  Menschen  oerdieW^ 
geschiehiliche  Erinnerung  seiner  Leidea  bleibt,  dal  weUib*"** 
Gefühl ,  welches  die  heriliche  Thetlnahne  eines  Fresadas,  •!>" 
Helfers,  bei  dein  Drange  des  Uoglückes  in  ihaa  snisfindaiet  ff*^ 
den  Feuer  der  Veala  ewig  fortledera  sollte!  Ach!  je nacbden •* 
LeidenMgerühl  dnrch  die  Zeit  achwicber  und  acbwBchsr  virdi  f** 
rinnet  auch  das  lebendige,  waime,  danlibare  Gießhl  für  s^b 
denstrdater;  über  beide  breitet  die  Zeil  daa  wohlibMige  DDnk" 
Vergesaens,  und  durch  dieses  Dunkel  glühet  nur  in  ishr  "'"^ 
Gemüthern  mit  wildem  Lichte  der  Dankbarkeit  LenchiiKi»'  ' 
selten  bebrütet  der  eisige,  bereidinende  Verstand  ^'*  ?"*'*!'■„ 
Leideoserinneruog,  und  wi«  aus  der  Lede  UngUeksci  die  Min*" 


-  un  - 

KljUBBMtra  berrorgiii;,  w  gebM  uat  jvnv  Bnit  «ia  Uagetbiu 
berror,  dnt,  bttlu  es  dei  Builiskui  tö^taitdei  Auga,  gar  nwuiclMm 
UeuffD  Arzte  verderblicb  «ein  wörde.  Weia.  dient  M  abw,  über 
■olcbs  gemeine  EraohaiDmgen  m  klagen!  —  Wir  klagen  j«  nicbt 
darüber^  dafi  dje  Meoicbdii  iweiftugig  iind,  nad  verlangen,  dafe 
■ie  wie  di«  Spinnen  acbtiagig  sein  sulieD;  wenn  wir  dann  mit  dem 
leibllcbea  Meniehao  xaftiedea  aind,  wanua  aiad  wir  e»  niiiht  auch 
mit  dem  gmtiigen  ^  warum. aallaicb  dieser  naob  umccer  finbildang 
gestalte«  f  W«r  kaa»  die  Doppelbek  in  dem  Meaacben  rerkennen, 
das  sittlich  Geistige  «ad  das  eianlicfa  Leibliehef  Beide  A'awren 
sind  io  einem  beslllDdigen  Kampfe  begriffen,  ja  das  sittÜefa  geistige 
Leben  äulsert  sieb  nur  durch  diesen  Kempf.  J«  laUtetcluvr  dia 
Mensohen  sisb  «lebtan ,  Je  stdriiM  kreuxen  sieb  die  InteresBen  der 
Einaelnun,  trefien  auf  einaader,  slofsen  sich  ab,  oderaielien  sieh 
an,  und  bildoi  so  das  wirre  Treiben  das  bürgeriiehea  Lebens,  deat 
MO  Hanpisweck  sevSrderat  ErbiJlang  das  phjrslfldiea  Seins,  nad 
weller  die  AnnebiBÜcbkeit  dSs  pbysiaehen  Keins  ist.  Da  nun  das 
Treibea  des  bürgetlicbea  Lebens  aich. einsig  um  etwas  LeibliobeS 
drehet,  wie  kann  man. sich  waadem^  dafc  das  Sinalicbe  allenthal- 
bep  rortriSt  und  das  Sittliche  aitriicktriitl  .  Mir  scheint  vielmehr  da« 
Giegenibeil  eine  Unmöglichkeit.  Oaram  nasaet  auch  Sciiii^r,  \m 
seiaeoi  G I ecken  1  ied e ,  das  bürgerliche  Leben  qost  Hecht  «a  feiad* 
Ucbei.  Der  Arat,  der  als  Praktiker,  als  Gswerbtreibetider,  in-die« 
aem  feindlichen  Lal>en  einen  Platz  behaupten  will,  mofa  alaa  mil 
dem  Gedanken  sich  vertragt  amch««,  -defs  er  eben  so,  wie  jedac 
aadere  Gswerbtreibende^  in  der  Mitte  seiner  Feinde  stehet. 

Cs  kKnnien  mir  aber  einig«  jüngere  Leser ,  in  deren  Gemaihern 
aocfa  der  Dichtung  Fsaer  glioint,  den  Vorwurf  machen ,  ich  wolle 
die  AenUa  mit  Menschenhafs  erfüllen,  aus  welchem  d««b  auUHH 
nisbts  anderes  als  Lieblosigkeit,  krSneriscber  Sinn  and  Vargaake- 
lung  der  edlea  HeiUuiust  entap rielsen  mfime. 

Ich  bin  aber  wirklich  der  gaas  entgsgengeseizlen  Meinung. 
Gerade  die  poetische,  ideelle  Auffassung  der  Menscfaenwelt  fuhrt 
den  Ant ,  der  in  dieser  Weh  seinen  Plan  behaupten  «oll ,  zs  dea 
gtöjfaten  und  bliiiersieB  Tfisscbungen ,  und  gerade  diese  Tänsehim- 
gett'  erzeagen  leicht  kalten  Hoho  und  Menscbeabafs ,  woraus  denn 
krfimeriKher  Sint  und  Vernnedlung  der  Kunst  hervorgehen.  Maobi 
sieb  hingegen  der  Arzt  mit  dem  prosaischen  Gedanken  vertraut,  dsfs 
er  in  der  Mille  seiner  Feinde  lebe,  so  schulst  ihn  dieser  Gedanke 
kräftig  vor  allen  silllicben  Verirrungen ,  und  heßlfaigt  ihn,  der  Heil- 
kunai  bei  den  Menschen  die  Achtung  wiederzuverschaS'en ,  die  sie, 
nach  der  Meinung  einiger  beutigen  Schrifititener,   fast  verloren  haL 

DerAr/.t,  der  auf  keinen  Oauli  rechnet,  nird  gewifi  den  Mea- 
schea  treuer  und  uaeigenniiiziger  in  ihren  Aöthen  dienen,  als  der, 
u'ficher  darauf  reduui.    Weanlbr,  meiae  Fr^nDde  t  üuiiger- oiler 


DaiM  ßüätf  MO  «Met  mai  trinlcM  Dir  doch  blais,  weil  dieiM  Gv 
fiiU  Eatk  ina  treibt,  sieht,  om  oIb  iBcbtige  Euer  oder  Triaker 
g^bt  KU  v/ttdtm;  hob,  ebea  lo  übet  Ibr  «Is  Aerzt«  Trena  and 
Memobeoliebe ,  blofi  weil  Euer  sittÜcbM  Gefubl  dieiee  von  Euek 
heiscbt,  nicht,  damit  mmn  Euck  lobe  ood  finok  danke.  Ist  Lob  ond 
Dank  der  Zweck  Eurer  Handltingen,  eo  rovfs  eiseig  der  Hoch- 
Mulb,  aißhi  die  SUtlickkeU,  diu  Tnebfeder  dertelbe«  Min,  and 
diese  Triabfedw  wird  wahrlinb  in  annren  Tagen  gar  bald  ihre 
Spannkraft  verlWen.  ParmtxUiu  ugi:  Sehet  an  einen  bof- 
ffthrttgen  Arzt!  Dankeet  da  Gott  n«  HSIfe,  nod  nicht 
ihni')  «rifirnet  er,  denn  er  Üfat  aioh  am  Dank«  der 
Kanat  nicht  begnügen. 

Ich  ateUe  aber  aiobt  in  Abrede,  dafa  der  ^daake ,  in  der 
Mitte  aeiaer  Feinde  xa  itehea,  anfiiityKcb  atwaa  Unheimliches, 
ja  GraaenvoDea  aa  sich  hat,  noaere  jngeadliebe  P«esie  aperret 
sich  gegen  die  halte  Prosa  des  Lebens;  aie  nufs  aber  das  Feld 
rlkomen,  sobald  wir  nns  einmahl  recht  innig  mit  dem  anheimlidien 
Gednnken  vcrfrant  gemacht.  Ana  dieser  innigen  Vertraatbeit  eni- 
aprlefat  dann  der  wahre  Goueiftiede ,  der  ans  das  feindselige  Trei- 
ben der  Wcrit  ohne  Bitterkeit,  mit  mhtgem,  immer  boiMrem  Sinne 
beschauen  läfst.  Wenn  Menseben,  denen  wir  lange  mit  Treae 
and  Liebe  gedient,  nns  apXier  B&sea  thua,  ja  wenn  sie,  wie 
Judas  den  Heiland,  nns  nnter  der  Freundschaft  Larve  dem  Ver- 
derben weihen  wellen,  ao  stSret  das  nitht  im  mäideatea  die  Ifaiha 
nnserea  Gemutba,  veranlaiat  ans  nicht  an  Klagen  9ber  Undank- 
barkeit, .macht  nns  nicht  aa  Menscheofelndon ;  denn  wir  haben 
ja  nitdita  Besseres  erwartet ,  und  begreifen ,  dafs  Elrziebnng  ond 
biargerliebe  Verhältnisse  in  diesen  lauten  das  Heilige  Terdnnkeli 
haben,  twd  daft  sie,  mit  der  Sinnlicbkeit  Fesseln  gebunden,  nicht 
wiaaaa,  was  aie  thna.  Die  Befolgung  der  «TangeliatJhen  Vor- 
Schrift:  Tbnt  Gutca  ohne  müde  an  werden,  wird  dbs 
dadurch  eher  erleichtert  itls.Terleidel;  Haketiheimt  Rede,  dafa 
Helfen  daa  Amt  des  Herzana  sei,  dafs  im  Herzen  der 
Arat  wachse  and  dafs  er  ans  Gott  gebe,  wird-  nns  ver- 
slindllob;  ja  in  nnsbelefat  sich  der  erbebende  Gladbe,  dafs  wir 
Kinder  sind  des  Vaters  im  Himmel,  der  seine  Sorine 
aafgehea  lifal  6ber  Böse  und  Gate  und  IXfat  regnen 
iih.er  Gerechte  nnd  Uagerechte. 


Vaa  der  in  unterer  Zeit  angeblich  vertchlechierten 
Stellung  der  Aerxte  zu  ihre»  Kunden. 

Ueber  diesen  Gegenstand  habe  i<^  manches  gelesen;  das  Lotste, 
WU  mit  tm  hosten,  im  GedtchlnUa  lüftet»    ww  «in  ansjShriiofaer 


—    1261    — 

AofsaU  im  WeatpfaBliicfaen  Anieiger:  in  nngeiuniTte  Verfiuer 
mufs  «BiWMler  ulbst  ArM ,  oder  lum  wealgilsn  geaan  mit  einem 
»Itea  Arzte  bekannt  sein.  Angeblich  Boil  fVüfier  der  Arst  wirk- 
licher freund  dar  Familien  gewesen  sein,  denen  ^r  diente,  ein 
gewisser  frommer  Sinn,  den  der  Verfasser  PietSt  nennet,  sali  sie 
innig  aneinander  gebunden  haben ;  jetzt  aber  dieses  freundaebaf^ 
liehe  Verhfilinifs  nicht  mehr  besieben,  sondern  in  ein  kaltes,  krfi- 
meriaches  umgewandelt  sein. 

Im  Allgemeinen  glanbe  ich,  dafs  die  Sage  von  einem  inst* 
gen  ffeundschafiiidien  VerhSitnifs  iwischen  den  Aertten  der  frü- 
heren Zeit  und  ihren  Kunden,  bei  Lichte  besehen,  anf  die  Sa^e 
von  der  goldenen  Salurniüehen  Zeil  hinanstSnfl.  Innige Freondaebaft 
kann,  wie  heidnische  und  kristliehe  Pb!loBO|ihen  behnupien,  aar 
das  Erzengnifs  strenger  Sitilichkeil  sein;  und  wenn  wir  beokacfa- 
len,  wie  die  scheinbare  Freundschaft  uniiiilleber  Menschen  von 
kuner  Daaer  ist,  nicht  selten  sich  in  Hafs  und  Fsindschnft  ve»- 
wandelt,  so  wird  uns  der  Glaube  aufgedningen,  dafs  die  Phil»* 
■ophen  wo]  recht  haben  missen.  Dieses  nun  voraDtgeseizt,  würde 
BUS  der  Annahme,  dals  der  Arzt  in  fräherer  Zeit  mit  dein  gri^fsten 
Theile  seiner  Knndea  io  einem  wirklivh- freundschaftlieheo  Ver- 
h&Itnifs  gestanden,  folgen,  dafs  frfiher  die  Aertle  und  der  gröfsie 
Tbeil  ihrer  Kunden,  viel  rechtlichere  Menscheo  gewesen  als  jetsi. 
Das  Ist  aber  eine  sehr  ehrenrührige  Folgerung  für  die  heutigen 
Aerzte  und  ihre  Kranken;  ich  kann  sie  uomöglioh  gellen  lassen. 
Die  Gesehichte  lehrt  ans  ja  zur  Genüge,  dafs  alle  Lasier  und 
Untugenden  in  allen  Jahrhunderten  unter  dem  Menicbenges  cht  echt 
geherrscht,  und  daft  Jedes  Jahrhundert  eine  frühere  Zeit  als  eine 
solche  betrachtet,  wo  Freundschaft,  Treue  ond  srenge  Reehilicb- 
keit  die  Menschen  beglückt  nnd  veredelt.  Um  dss  freundschaft- 
liche VerhShnifs  der  Aerzte  stt  ihren  Kunden  wird  es  als«  wol 
TOD  jeher  etwas  verdächtig  ausgesehen  haben. 

Uebrigeus  mag  ich  es  nicht  läugnen,  dafs  frOtnr  die  Aersie 
in  einem  angenehmeren  VerbHltoih  gelebt  als  jelst;  der  Griind 
davon  ist  leicht  einsusehen. 

Ihrer  waren  nicht  mehr  als  von  der  Praxis  leben  konnten, 
sie  konnten  bestehen,  ohne  den  Wohlhabenden  so  tief  in  die 
B5rse  SU  greifen  und  ohne  den  Unbemittelten  ihren  letzten  Hdler 
ahzndringen;  dadurch  liekamBo  sie  das  Ansehen  meeachen freund- 
licher Helfer.  la  unserer  Zeit  bat  sieh  mit  der  sunehmendeo  Be- 
völkerung die  Zahl  alter  Gewerbtreibenden ,  also  auch  der  Aerzte 
vermehrt,  und  da  man  kühn  annehmen  kann,  dafs  w«it  mehr 
Aeaie  vorbanden  sind  als  van  der  Praxis  bestehen  können,  so 
ist  leicht  zu  begreifen,  dafs  sie,  ven  der  Woblihat  des  Figen- 
ihumsrechies  gesetzlich  ausgeschlossen,  noch  dringender  als  alla 
andere  Geweibireibende  geoöihiget  und,'  nene  Künste  aofznnichen, 


—    130t    — 

■M  am  6*M  SB  ItMUMK,  welch«  nea«  KOoiu,  wi«  man  Uicfal 
imlcea  ha»»}»  mehr  in  in  GewRtfdtheil  bnteben,  den  Kraekea 
auf  «n*  ehrbare  Weite  da«  Geld  ans  dam  Beutel  sd  holen ,  all 
'  in  der  Betähigang*  ihnen  bald  uad  aicfaer  xa  helfen.  Dadarch 
lind  eie  aaa  4ar  Klaue  dar  gelebrien  Kuneüer  ia  die  der  Krämer 
mdJ  Hmtirer  geaunkea.  • 

Weil  Obenlies  mit  der  lehr  ramebrleo  Zahl  der  GeweHxrei- 
bendeo  der  Wohlstand  des  Lande«  nioht  gleichen  Schritt  gehaU 
ta«)  b«i  allen  also  dl«  Naih wendigkeit  eingeirelen  ist,  auf  nenn 
LtWen  sa  aiDaaDi  Ihr*  Waara  an  den  Mann  au  bringen;  ao  ist 
im  Allgemainen  die  Klane  der  Gewerbtreiben  den  weil,  wvitlitti* 
ger  geworden,  all  ■)«  es  vor  4tt  oder  fiO  Jabrao  war.  Sobald 
«bar  die  Menitdien  eiauahl  liaiig  aiad,  fangea  sie  an,  ober  G«- 
gcnaAnde  nacbxudenkea ,  die  nicht  gerade  xu  ihrem  GeBchfift  ge- 
hören ;  aa  iit  mithin  gar  nicfat  au  verwundern ,  daf«  sie  auch  über 
die  Heilkunsi  nachdenken  and  dafa  diaies  Nachdenken  denellten 
alwn  nicht  sum  Vorthell  erechiefat.  Sie  sehen  Dämlich,  dalj 
Schalter,  Schneider,  Tiichler  und  andere  Handwerker,  (mehr  anch 
di«  Kttoitler)  nachdem  lue  ihr  Handwerk,  oder  ihreKanit  bei  einam 
Meister  erlernt,  ent  mehr«  iahr«  bei  andern  goiMi  Matstem  als  Ge- 
holfen dienen  m&s««*,  um  ««Uiit  gute  Meister  tu  werden.  Acrxt- 
liche  Meister  hingegen  «eben  eie  in  einer  Zeit  von  vier  Jahrea  wie 
diePilae  aiifschiefdea,  jaanweilen  solche  vom  Stante  bestiiigel,  die 
ihnen  in  ihren  ungelebrten,  aber  littigen  KSpfen  etwas  dümmlich 
au  sein  scheinen.  Üie  acUiefsen  also,  wol  nicht  ganx  annehtig, 
dieMediaia  müsse  ein  viel  leichler  su  erlernendesHandweik  sein  als 
jades  andere,  nnd  diese  an  «ich  irrige  Meinung  wird  ifaneo  noch 
darah  die  stereoiypiscfae  Krankenbebaodlung  dar  Mefarsahl  nnserer 
heaiigea  Aetzt«  scheinbar  gar  trefflieb  baatMlig«t.  Alles  reifticfa  er- 
wogen, bereift  inaa  ohne  Scharfsinn,  dafi  die  Lenteoascrer  Zeit 
die  Medlain  als  ein  Handwerk  ansahen  müssen,  dessen  Haaptzweck 
ist,  den  Handwerker  so  «rnSbrea,  und  dafs  der  Gedanke  ganz 
nat&rlich  daraus  hervorgehet,  d«*  brotHaGb4>i)de  Handwerker  «tch« 
writ  niedriger,  als  alle  die,  welche  die  GflßtUigkait  haben,  ihn 
da«  Brot  verdienen  zn  lassen. 

Heut  au  Tage  sagt  man:  der  Stand  der  Aerzle  Jiabe  «eine 
Achtung  beim  Volke  verloren.  —  Ohne  es  gerade  selbst  wfahren 
xa  haben,  mafa  ich  doch  dem  Vorgeben  Glauben  acbenken,  weil 
iefa  es  .mehNbafaU  in  gedruckien  Büchern  gelesen. 

WeIckeA  Grund  dieser  seliiaraen  Ersohtuiung'  man  aiicb  an»- 
klügeln  i»ag,  so  «pricht  dorfi  die  nackte  TbaHacb«  dafSr,  dab 
daa  Mediainalwesen  durch  all*  Gesetzkünaieleien,  welche  man 
■eil  ein  paar  hundert  Jabraa  an  dasselbe  verachweitdet ,  ««br  we- 
nig gewonnen   hai. 

E«  würde  dbei  nnw«hr  sein^    weaa  uum  behauptea  wollte. 


—    1263    — 

in  unHrea  Tagen  iai  Au  früher«  freundliche  VerbMtnifa  »wiftcfafo 
dem  Ania  nnd  leineD  Kunden  geaa  auffehoben,  lA  aelbst  nin 
wenigareo  finde  auch  noeb  jetzt  eine  Spur  ^ton,  und  zwar  eine 
&H  eben  so  deatlicb«,  als  sti  der  Zeit,  da  iob  in  die  Praxis 
tfU.  iob  denke,  einige  Fnmiliea,  deren  Ani  icbveeit  dreifaig 
Jahren  geweMO,  müssen  noch  wol  aus  der  ülien,  gilMi,  Sninr« 
niscbea  Seil  heratasiiuen  ond  sich  unvemiischl  erhallen  haben. 
Stände  ein  Ant,  anob  niobt  ntit  alUa,  nur  nii  dar  Hchrsafal 
seiner  Kunden  in  eineni  so  frenndlichco  VerbfillMÜi,  so  wbde 
^in.  besehwerlichee  Gesch&ft  dadarch  eine  gewiue  Annebmlieb* 
k«it  erballen,  die  «ieb  nicht  gut- mit  Worten  auslegen  lifat.  Im 
Grunde  sind  dait  aber  nur  Leuchtkäfer  in  einer  dunluiUn  Nacbl) 
und  die  werden  sieb  mit  dier  Zeit  anoh  wol  verfliegen. 


Dat    Veriältni/t  zititcAen    den    geneaenett    and   ge- 
storbenen  Kranken    einet  Ar:stef  itt  ein  ganz  fal- 
»ehet  Maft  de»   Werthet  seiner  Knnit. 

Leser,  welche  nie  über  diesen  Gegenstand  nachgesland,  wer- 
den mich  ohne  UmsiSnde  der  Paradoxi»  beschuldigen.  Ich  bitte 
sie  aber  um  ein  wenig  Geduld  und  um  das  Zutrauen,  dafs  ich 
meine  paradox  scfaeinende  Behauptung  nicht  ^ufeioe  Meioong, 
SDudern  auf  eine  Thatsache  gründen  werde. 

Da  ich  längst  geglaubt,  in  einem  sehr  ungesunden  Orte  zu 
wobnen,  so  wurde  ich  eiust  neugierig,  XD  wissen,  wieviel  bett- 
lägerige Kranke  ich  wol  in  Einem  Jahre  innerhalb  der  Mauern 
dieses  StBdtcheaB  m  behandeln  haben  möchte,  schrieb  aluo  die 
Namen  derselben ,  so  wie  sie  sich  tneldeien ,  auf;  und  weil  ich 
DUO  begriff,  dafs  ich»  mit  der  nämlichen  Mühe  sehen  könne,  wie- 
viel von  deoselben  gestorben,  so  machte  ich  hinter  dem  Namen 
jedes  Gestorbenen  ein  Kreuz,  ohne  Rücksiebt,  ob  bei  meiner 
Ankunft  der  Tod  schon  nahe,  oder  die  Anwendung  der  Hülfe 
unmöglich  gewesen.  Am  Ende  des  Jahres  fand  ieh,  dafs  die  Zahl 
der  Kroakea  sieh  auf  fünfhundert  und  in  die  «wnszig  betief,  4od 
die-  der  Geeterbenen  anf  zwei  und  zwanvig.  Da  nttn  die  Zahl  der 
Einwohner  3800  ist,  so  wies  die  runde  Zahl  520  schon  aas,  dafs 
der  siebente  Theil  der  Bevölkerung  krank  gewesen.  Das  Jahr 
war  kein  aasgezeichnet  ungesundes,  sondern  ein  Mittelschlag; 
mithin  war  meine  VeriBotbopg  hinsichtlich  der  Uageaundheit  die- 
■•s  Stldicbens  gegründet  und  durch  Zahlen  erwiesen. 

Nun  fiel  mein  Blick  aber  auch  auf  die  Todienkreuze,  und 
mir  schien  das  Verhältoifs  der  Behandelten  zu  den  Gesiorbenea 
ein  günstiges.  Die  Leser  denken  vielleicht,  ich  habe  jetzt  die- 
ses Yerhslioifi  mit  dem ,  welches  die  Hospitalinte  in  Jhiui  ^e- 


righien  RngebeD,  oder  mit  d«nt,  welchm  Ti«IIeicht  ^iIllllahl  ein 
grofaMAdtiBclMr  Ant  t«b  ■einer  Praxis  in  einem  Joamnl,  mr 
Langweilung  der  Leaer,  bekannt  gemsobl,  verglichen.  Nein! 
nein!  M  narriRch  bin  ich  nun  eben  nicht;  ich  (hat  etwas  weit 
Nülzlieherei,  ich  Hefa  mir  die  Sterberegiater  der  BargemeiMerei 
seigen,  und  verglich  rfle  Znhl  der  darin  Eingeachriebenen  mit  mel- 
aen  Todienlcreuzea.  Di«  Zahl  halte  ich  leider  vergeasen ,  dai 
thm  aber  niohis  cur  Sache;  die  Leier  werden  auch  ohne  Angabe 
•Iner  beailmmteo  Zahl  wol  glanben,  dafa  in  einem  Orte  von  3800 
Einwohnern  mehr  als  22  jShrlich  sterben,  wir  wollen  also  di* 
Durch  sehn  iitsEahl  ,Sß  festaiellen.  Dirne  Zahl,  mit  den  xwei  and 
iwansig  Gestorbenen  meines  Krankenregiatert  verglichen,  veran- 
lafate  folgendes  Bedenken  in  meinem  Kopfe. 

Es  stehen  S8  Todie  mehr  in  dem  slädiischen  Sterbe-,  als  in 
meinem  Krank  an  register.  Von  diesen  5S  wird  doch  höchatwabr- 
scbeinTIch  der  gröfate  Tbeil  vorher  krank  gewesen  aein.  Dal« 
sie  meine  Kunat  nicht  io  Anspruch  genommen,  ist  doch  blofs Zu- 
fall; sie  hätten  es  eben  ao  gut  thnn  können  als  sie  es  nicht  ge- 
than.  *)  Hätten  sie  es  gethan ,  so  wBrde  doch  das  Verhfilinifa 
zwischen  meinen  genesenen  nnd  gestorbenen  Kranken  sehr  no- 
gKnalig  nnsgefatlen  sein.  Wollte  ich  dieses  nicht  zugt;atehen,  so 
wflrde  ich  mich  ja  als  einen  Irrsinnigen  bekonden ,  der  in  tfeni 
Wahne  lebt,  durch  seine  Kunst  die  Ordnung  der  Sterblichkeit  in 
einem  Orte  bedeutend  abändern  zu  können. 

Es  wäre  meines  Erachteni  sehr  nützlich,  dafs  die  Aersie 
fleifsig  dieser  Stäche  nachdächten;  dadurch  würden  sie  vor  allem 
heil  künstlerischen  Hochmuthe  bewahret  bleiben  und  dieses  für  ihre 
künstlerische  Ausbildung  sehr  voriheilhaft  sein.  Hohenheim  sagt 
sehr  wahr:  Hoffafart  hat  keinen  Gelehrten,  keine  Kunst 


*)  Gerinj;«  Bärger,  die  zd  «hrgeiiiE  *ind,  die  frnheil  der  Arieaal  ■tehion- 
eken ,  aad'ie  «nn  ,  die  Aneaet  lelfait  id  beuhlen  ,  ineheo  Mlleo  die  BGlfe 
der  Rnnit ,    ireen  lie  g1ele%  Icb  Ant  amaonst  beben  bünneB, 

Bei  eigeainUigen  Kisdern,  deien  Bbel  Areaeel  belzabrlsKSB  Ist,  bd  k^ 
ligteo  LeuteB,  die  ihree  grBÜijihrigea  Rindern  Ilitif  eind,  bei  FaHilieagti*. 
dem,  deren  Uetafeiden  etareid  aar  d»  BeMweiea  wirbea,  i.  B.  bei  filu- 
Tern,    ZSekern  n.  d.  f.  wird  lelteo  die  Hetlbonit  Io  Anaprneb  geoaiiiBen, 

Büdlich  inobea  neüche,  wenm  lie  gleieb  Anl  nnd  Arieoei  nnKoert  ba- 
bee  kSenen,  blef*  deibelb  io  ifarer  lelilea  Rrtnkbelt  lielBe  Wa\lt ,  weil  ele 
ein«  VwabsBBE  ibre*  Ted»  beben.  Die*«  Bebataptoeg  kan«  ich  twir  Bicbt 
beweiwa,  balte  lie  aber  Tdr  wehr,  weil  leb  Wi«i%  erldt,  dafi  Leale,  de- 
nen Ich  olt  In  Rraokbeiten  geboiren  ,  »icb  i*  ibrer  letilca  licbl  nn  Bilfa 
•neprachen.  Wardea  diese  dorcb  Ihre  Frcande  oder  HRnifeeoaien  lam  Ar- 
zeneien  überredet,  ao  Bede  icb  aie  gewiibnlicb  In  einer  CeistetiUnBanK ,  die 
wir  direb  das  dentacbe  Wart,  ErKebnof,  and  dtrcb  daa  aosHodlaebe, 
Heilgaation,  beieiebiiea.  „, ,  ,_         _.,_ 


—  11»  — 

u.    d.  g.    ni*  gegeben,    allemahl  dieselben   rerstickt, 
dafa  sie  erloscbeo  sind. 


Inda»  GeJ'ühl  für  die  Spraehmuaik  uns  angeboren,  in 
dem  ailgemeinmentch/iche»  Gehörorgan  begründet, 
oder   tat  et,    un»   blofs  durch  G ewohnheit  von  Kind- 
heit an  eingeleibt,   nur  etwas   Volkttkilmlichet?  ') 

Die  Physiologen,  denen  das  Erforschen  der  Verrichiung  der 
Sinoeswerkzeuge  obliegt ,  neiden  ohne  Zweifel  über  dielen  Ge- 
gensiand  nacbgedacht  haben;  ich  bekenne  jedoch,  dafa  das  Er- 
gebnifg  ihres  Nachdenkens  noch  nicht  zu  meiner  Knnde  gekom- 
men ist,  denn  ea  fehtt  mir  die  Zeit,  alles,  wus  über  die  Hülfs^ 
Wissenschaften  der  Heilkanst  geschrieben  wird,  zn  lesen.  Da  aber 
der  Gegenstand  ein  solcher  ist,  der  nicht  durch  küusttiche  Ver- 
suche, nicht  durch  Vergröfsernngsgläser ,  nicht  dtircb  Thierquäle- 
rei ,  gondern  btofs  dnrcb  Beobachtung  kann  berichtiget  werden, 
so  habe  ich  das  Zulranen  zu  der  Verständigkeit  der  gelehrten 
Physiologen,  sie  werden  meine  kleine  l^iniuisehung  in  ihr  Ge- 
schäft nicht  übel  vermerken.  Bei  meinet)  echipraktiacheo  Amts- 
genossen mich  deshalb  zn  entschuldigen,  würde  ich  für  unanstSn- 
dig,  ja  selbst  für  beleidigend  halten;  denn  wir,  vorzagaweise  anf 
die  Beobachtung  des  belebten  Menschenleibea  angewiesen,  mufs- 
len  ja  eine  wahrhaft  viehische  Natur  haben,  wenn  wir  das  RSlh- 
selhafle  in  dem  belebten  Leibe,  was  auch  gerade  nicht  zum  Re- 
zeptschreiben nnd  Geldverdienen  Tührt,  als  der  Beobachtung  nn- 
werth  übersehen  wollten.   —  Nun  zur  Sache. 

Es  gibt  eine  zweifache  Sprachmtisilr,  nümlich,  die  Poesie- 
und  die  Prosamusjk,  von  jener  wollen  wir  zuerst  handeln.  Wäre 
das  Geliihl  für  dieselbe  in  dem  allgemeinmenschlichen  Ohre  be- 
gründet, so  müfsten  wir  Deutsche  firr  die  Poesiemusik  erlernter, 
unverwandter  Sprachen,  z.  B.  der  lateinischen,  oder  der  franzd- 
aischen,  ein  eben  so  richtiges  Gefühl  haben,  als  fiir  die  unserer 
Muttersprache;   das  haben  wir  aber  bestimmt  nicht. 

Hinsichtlich  der  lateinischen  Sprnche  forschte  ich  hei  vielen 
Männern,   die  derselben  sehr  gut  kandig,    üb  ihr  Ohr  ein  richti- 

*)  In  drltlBD  Abtelinilte  dn  driltM  Kapildi ,  an  dfr  Stella  ,  wo  ich  voo  dem 
GabGrorgaa  haadl»,  habe  kb  venpracben ,  in  dem  Mmcd  Knpitel  JitMt  Ba- 
tbn  iDf  tipcD  Irrtbam  aarmerkMai  za  aucbea  ,  in  irelchCD  die  Dichtor  aoic- 
r«a  Voltes ,  elDii;  darcb  vernBchlSasigle  Be«biclilang  iet  GcbBrorgaai ,  ft- 
falten.  Inden  ieb  jetzt  mein  Verfpreehea  erfUlla  ,  bitte  icb  diejenigen  Leier, 
denen  der  Touaioo  oder  du  Gerübl  für  die  Harmonie  febll ,  attef,  wu  ieh 
über  dieaen  tjcgeutud  ugea  ward«,  ginK  ta  Sbenehlesan.  "  O" 


—    IM»    — 

ges  Gefühl  fiir  <t>e  rttmische  Metrik  habe;  ea  gfn^ -ihncD  aber 
gerade  wie  mir,  ihr  Ohr  hatte  dafür  kein  GefBbl.  Was  sie  Too 
,der  Metrik  wiifsien,  waren  erlernte  Regdn,  an  welchen  ihr  Ohr 
keinen  Theil  nahm.  Früher  tiiüssen  andere  Völker  eben  ao  nn- 
ftefühlig  für  die  rdiniache  Metrik  geweaen  sein ,  sonst  hauen  sie 
aicher  nicht  die  Leonischen  Ver^e  geinacbl.  Für  die  Musik  die- 
ser Lieder  hat  unser  Ohr  das  richtigaie  Gefühl,  denn  da  sii  nidit 
blofs  den  Reim  haben,  sondern  auch  die  nach  unserer  Anaspra- 
che betonten  Silben  die  langen  sind,  so  hSrt  jeder,  ohne  die  Vers- 
glieder an  den  Fingern  absuzählen,  alsobald,  ob  ein  Glied  zn 
viel  oder  zu  wenig  in  einem  Verae ,  oder  ob  eine  andere  Uorich- 
tigkeil  darin  ist.  Die  echiroinischen  Verse  hingegen  passen  so 
wenig  für  unser  Ohr,  dafs  mancher  Hexameter,  nach  onsereio 
deutschen  Gehür  scandirt,  nicht  mehr  Sechsrüfsler  bleibt,')  ja 
manciief  gaf  nidit  zu  scandiren  ist.  '*)  Wahrscheinlich  haben  die 
Leonischen  Verse  ein  weit  höheres  Alter,  als  man  ihnen  gewöhn- 
lich zuschreibt,  denn  fremde,  unter  römischer  Botroä&igkeit  leben- 
de Völkw,  werden,  wenn  sie  lateinische.  Verse  gemacht,  diese 
wol  so  gemacht  haben,  dafs  sie  ihren  ansländischen  Ohren  als 
Musik  geklungen. 

Solche  Geistesersengnisse  sind  aber  wahrscheinlich,  wie  viel 
andere  gute  Dinge,  durch  die  SterstÖrungssacht  der  Barbaren- 
schwärme  vernichtet,  und  sollte  auch  jetzt  noch  etwas  davon  in 
den  Stnubwinkeln  alter  Italischer  Büchereien  stecken,  se  ist  es 
doch  nicht  in  dem  Bereiche  geeigneter  ForscAilust. 

Die  fransösische  Sprache  ist  anok  eine  der  dentschen  nover- 
wandie.  Bekanntlich  nehmen  die  Franzosen  beim  Versmacfaen 
keine  Rüoksicht  auf  die  Geltang  der  Silben,  sondern  z&hlen  sie 
blafs  ab.  Ihren  Ohren  wird  das  ohne  Zweifel  lieblich  klingen; 
unseren  deutschen  Obren  klingt  es  aber,  trots  dem  Reime,  nicht 
so  gar  lieblich.  Freilich  ist  es  unverkennbar,  dafs  die  besseren 
Dichter  dieses  Volkes  bei  dem  Silbenzählen  ihr  Ohr  ein  wenig 
zu  Ralke  gezogen;  aber  auch  in  ihres  besten  Erzeugnissen  glaube 
ich  deutscher  Mensch  bald  jambische,  bald  (rachäische,  bald  dak- 
t^liselw  Musik  zu  hören,  bald  lauft  auf  einmahl  ein  Hops  dazwi- 
schen, dafs  es  mir  ist,  aU  bekäme  ich  einen  Klapp  auf  die 
Obren. 

*]  Z.  B.  der  bckinnta  Hexameter  in  Vlrgila  Aeoeii,  der,  rGmiich  teaadirt, 
weil  er ,  nil  AnHcblafs  des  letileo  FsTsei ,  am  bitttsto  Diktylss  beatebet, 
den  Tod  des  Prerdegalops  nacbbildet,  iat,  nenn  naa  ibn  nacb  nnMPtm 
deolaeban  Obm  icandirl ,  eia  tiebeafiifiiger  Vera,  *fuadntj.t\  daitte  [^■irani  | 
Minitu  \  qttatit  \  ungula  \  eamfinm  \.  Bier  verachnindet  die  berübnle  Oooma* 
tnpöie  ginilicb,  denn  dieaea  Geloo  übneU  oicht  einmabl  dem  Lsafe  eines 
Scbweinea,  geachuelge  dein  eiaes  Pferdea. 
"J  Z.  B.  der  er.W  Vera  von  Virgili  «raler  Eclo;;«.  -_-..,.-. 


-    1267    — 

Aas  dein  Gflsagten  werden  die  Leier  schon  abnehmen^  dafa 
ich  des  Glaubens  bin ,  das  Gefühl  für  die  PoesiemuHik  sei  kei- 
nesweges  dem  Menschen  angeboren,  sondern  ihm  von  Kiodfaüt 
an  dmch  Uebang  und  Gewohnheit  eingeleibt,  mithin  etwas  blofs 
VolksthSmliches. 

Dieses  nnn  als  wahr  rorausgesetzt ,  stelle  icK  die  Frage  anf: 
wie  vielerlei  Poeaiemasik  gibt  es  fSr  das  deutsche  Ohrt  —  Ich 
denke,  es  gibt  nur  eine  dreifache,  nämlich,  die  irachSische,  jam- 
bische nod  daktylische,  and  olle  drei  müssen  den  Reim  haben, 
denn  ohne  Reim  gibt  es  keine  Poesiemusik  für  das  dentscbe  Ohr. 
—  Nun  kannten  mich  meine  Leser  fragen ,  ob  ich  denn  in  dem 
deutschen  Hexameter  und  anderen  verwandten  Versarten,  denen 
doch  säramtlich  der  Reim  fehle,  keine  Masik  h6ren  könne«  — 
Die  höre  ich  allerdings  recht  gat  darin,  behaupte  aber  dennoch, 
dafs  es  ohne  Reim  keine  deatsche  Poesiemusik  gibt.  Um  diese 
paradox,  scheinende  Bebanptnng  za  rechtfertigen,  mnfs  ich  von 
der  Prosamnsik  reden. 

Niemand  wird  in  Abrede  stellen,  dafs  man  in  einigen  deut- 
schen Schriften  eine  harmonische  Prosa  6ndel,  das  faeifsi,  eine 
solche  Prosa ,  die  als  liebliche  Musik  das  Ohr  bernbrt ;  in  andern 
hingegen  eine  sehr  nnharraonische,  die  ab  holperiges  und  rappe- 
liges GetSn  dem  Obre  weh  thut.  Wenn  ich  aber  hier  von  har- 
monischer Prosa  spreche ,  nicht  vom  freien  Rbythmns  oder  von  der 
rbythmisehen  Prosa,  sa  thue  ich  <tas  absichtlich,  weil  mttn  unter 
den  beiden  letzten  Benennungen  (die  ich  fibrigens  nicht  verwer- 
fen mag)  gewöhnlich  eine  Prosa  verstehet,  in  der  die  Harmonie 
durch  ungelenke  Worti^gungen ,  deren  sich  mitunter  die  Dichter 
bedienen,  dorch  müfsige  FlickwSrter,  oder  durch  andere  Künste- 
leien erzielt  ist;  ich  hingegen  unter  dem  Ausdrucke«  harmoni- 
sche Prosa,  eine  solche  Prosa  vflnMbe,  die,  dergleichen 
Dichterfreiheiten  verschmSheod ,  blols  dareh  dia  einfachsten  Wort- 
fügungen and  durch  die  Wahl  der  Wörter  unser  deutsches  Ohr 
als  wunderliebliche  Masik  anspricht,  hlofs  gedehnte  RedesStze, 
Einschaltungen  and  anderes  der  Harmonie  ungiinsiiget  Schlepp- 
werk vermeidet. 

Man  Eühlte  mich  schon  zn  den  Alten,  da  ich  anf  den  Ein- 
fall kam,  das  mir  Unbekannte,  was  Harmonie  in  die  Prosa 
bringt,  an&uBuchen.  Zu  dem  E^d«  zergliederte  ich  die  schön' 
ste»  Schriftalellen  der  Art,  welche  ich  den  Werken  verschiede- 
ner Verfasser  entnommen;  das  Ergebnifs  meiner  Zergliederung 
war  folgendet. 

Die  Basis,  worauf  alle  Harmonie  dentscher  Prosa  bernhet, 
ist  ein  Gemisch  von  TrochBen  nad  Daktylen.  Ereilich  laufen 
anch  hin  und  wieder  andere  VersgHeder  mit  unter ,  diese  bezwek- 
ken  aber  nur»   wie  es  mir  scbeifil,    Abwechselung  in  die  Hatmo- 

80' 


-     1268    - 

nie  zu  bringen,  die  Hauptaacfae  bleibt  iriinier  jeve»  trochäisch- 
daktylische  Gemisch.  Die  Art  der  Mischung  scbeint  aber  nicht 
gleichgültig  zu  sein,  denn  obgleich  meine  Zergliedertiog  mich 
nicht  befähiget  hat,  beitimmie  Beteln  der  Harmonie  festzustellen, 
■o  sind  mir  doch  ohne  besonderes  Aufmerken  etliche  Vonfaeile 
und  Nachtheile  der  Harmonie  in  die  Augen  gefiilleD;  z.  B.  eine 
Reihenfolge  ron  fünf  oder  sechs  Trochäen,  von  fünf  oder  lecbs 
Daktylen  geben  beide  eine  geblechte  Mudk,  erüie  eine  schlep- 
pende, letzte  eine  hüpfende  oder  schnappende.  Fftngi  ein  Rede- 
■aiB  mit  einem  Ainphibracb^s,  oder  mit  dem  aus  einem  Jambus 
und  Pjrrhichiua  gebildeten  Päon  an,  su  lautet  das  recht  gut.  En- 
diget ein  Satz  mit  dem  hexametrischen  Schlufsfall,  so  gefällt  das 
dem  deutschen  Ohre,  auch  der  peniame irische  Schlufsfall  ist  nicht 
zu  verwerfen.  Den  grdfaten  Theil  meiner  damshligen  .Bemerkun- 
gen habe  ich  aber  vergessen,  und  das  Papier,  worauf  ich  sie 
niedergeschrieben,  längst  zerrissen,  denn  ich  machte  die  Unter- 
suchung nicht,  nu  selbst  harmonisch  schreiben  zu  lernen  (das 
würde  mir  eben  so  nuizioa  sein  als  das  Seiltanzen ) ,  sondern  blofs 
nni  meine  Neugierde  xo  befriedigen,  um  die  Räihüet  des  Gehör- 
organs, auf  deren  Losung  ich  freilich  verzicbleie,  etwas  genauer 
XU  beobachten,  als  ich  es  bis  dahin  gethan.  Wie  unvollkommen 
das  mir  Erinnerliche  und  eben  Gesagte  aber  auch  sein  mag,  so 
ist  es  doch  hinreichend,  das  verständlich  zu  machen,  was  ich 
nun  sagen  werde. 

'  Die  gute  Aufnahme ,  welche  seit  der  Mitte,  des  vorigen  Jahr- 
hunderis  die  Hexameter,  Peniameier  und  verwandte  Versarten 
gefunden,  hat  wahrscheinlich  die  Dichter  überredet,  als  haben  sie 
unseren  deutschen  Köpfen  griechische  oder  römische  Ohren  angebil- 
del.  Geben  sie  sich  wirklich  dieser  Einbildung  guigläubig  hin, 
was  ich  fast  denken  muls,  so  kann  ich  nur  ihren  Irrtbum  beklagen. 

Die  besagten  Versarien  (die  doch  nur  immer  unvollkommae 
Xachbildungen  dec  griechischen  und  römischen  bleiben  werden 
denn  in  unserer  an  echten  ISpondeen  armen  Sprache  müssen  wir 
ja  die  Trochäen  für  Spondeen  gelten  lassen)  wirken  keioesweges 
alt  Poesiemusik  auf  das  deutsche  Gehörorgan,  das  keifst,  sie  wir- 
ken auf  dasselbe,  nicht  in  so  fern  sie  aus  einer  bestimmten  Rei- 
henfolge von  Versgliedern  bestehen,  sondern  sie  wirken  auf  das- 
selbe, in  so  fern  sie  die  Basis  der  deuischen  bannonischen  Pro* 
sa,  ein  Gemisch  von  Trochäen  und  Daktylen  enlbalien,  als  blo- 
Jse  Prosamusik. 

Wer  an  der  Wahrheit  meiner  Ansicht  zweifelt,  der  kann  sich 
durch  folgenden  Versuch  üeberzeugung  versebaffen.  Er  lese  ge- 
biiUcien  Deuischen,  die  von  der  alten  iMetrik  nichts  kennen,  de- 
nen aber  der  ToRüinn  nicht  fehlen  darf,  iinriuhiige  Hci^ameicr 
vor,    solche  z.  B.  wo   in  dem  einen  oder  deuii,  Biederen   Verse  ein 


—    1269    — 

Glied  zu  viel  oder  zu  wenig,  das  ersle  Glied  nidii  ein  S|>ondoiiK 
oder  Daktylus,  sondern  ein  Amphibrachvs  oder  Päon,  der  Schlufs- 
fall  nicht  der  hexametrische,  sondern  der  pentametrische  ist,  so 
werden  die  guten  Leute,  wenn  anders  die  Basis  dentscher  ProsH- 
iniisik,  das  Gemisch  von  Trochäen  und  Daktylen  in  den  Vecsen 
vorwaliel,  keinen  ünralh  mertcen :  nnn  lese  er  aber  einmahl  den 
nümlichen  Leuten  gereimte  jamhische,  oder  trochäische,  oder 
daklvÜsdie  Verse  vor,  in  denen  bin  und  wieder  «in  Fufs  zu  viel 
oder  zu  wenig,  eine  betonte  Silbe  zur  kurzen,  eine  nnhetonia 
znr  langen  gemacht  ist,  so  tverden  sie  au'genblicklivli  die  Unrich- 
tigkeit hijren  und  sie  anzeigen.  Doch,  was  brauche  ich  jemand 
auf  diesen  Versuch  hinzuweisen?  Es  h;iben  ja  im  vorigen  Jahr^- 
hundert  Dichter  gelebt  und  zwar  gute,  die,  wahrscheinlich  der 
ulten  Metrik  unkundig,  rxlsche  Hexameter  gemacht.  Diese  Verse 
gefielen  den  deutschen  Ohren  rocht  gut,  eben  so  gut  als  die  rich- 
tig abgemessenen;  das  ist  doch  wol  der  bündigste  Beweis,  dafs 
die  lyiusik  in  denselben  nicht  von  dem  Versbau  abgehangen. 
Kleists  Frühling  hat  vielleicht  keinen  einzigen  richtigen  He\anie- 
(er,  z.  B.  der  erste  Fufs  des  ersten  Hexameters  ist  ein  Aniphi- 
brachys,  der  ersie  des  zweiten  ein  ans  einem  Jambus  nnd  Pyr- 
rhichius  gebildeter  Paon,  der  erste  des  drillen  eben  ein  solcher 
u.  8.  w. ;  wer  aber  dieser  Unrichtigkeil  wegen  behaupten  wollte, 
das  Gedicht  wirke  nicht  als  Musik  anf  das  deutsche  Ohr,  der 
mfifsle  wirklich  sehr  schwerhiSrig  sein. 

Es  wffre  zu  wünschen ,  jeder  deutsche  Dichter  oder  Schön- 
ichreiber,  der  doch  auf  d!«  Phaniiisie,  auf  das  geistige  Gefühl 
lind  zugleich  anf  das  Ohr  seiner  Landsleute  wirken  will,  beob- 
achtete mit  gröfserem  Fletfs,  als  bisher,  das  volksihümlicb  ge- 
bildete deiilsche  Geböroignn;  diese  Beobachtung  würde  ihm  die 
IJeberzengtinfr  nnfdrini^en,  er  bedürfe,  um  dns  deutsche  Ohr  freund- 
lich zu  berühren,  keinesweges  der  Versmafse  fremder  Völker,  son- 
dern in  FSlIen,  wo  er  nicht  in  gereimten  Versen  schreiben  wolle, 
könne  er  in  die  einfache  Prosa  einen  dem  dentschen  Ohre  sehr 
anmuthigen  Wohllaut,  selbst  einen  den  hexametrischen  weit  über- 
treffenden bringen. 

Ferner  würde  ihn  die  Beobachtung  lehren,  dafs  das  deutsch- 
(bünilich  gebildete  Gehörorgan  ein  sehr  larles  Organ  ist,  dessen 
Gefühl  für  die  Sprachtnusik  gar  leicht  geirret  wird.  Schwerfälli- 
ge, ungelenke  WortHignngen ,  sie  m5gen  in  gereimten  Versen 
oder  in  der  harmonischen  Prosa  Torkommen ,  zwingen  den  Ver- 
sfand des  Lesers  oder  Hörers,  anf  den  Sinn  der  Rede  zu  achten; 
durch  dieses  Ktäten  der  Aufmerksamkoil  auf  den  Sinn  der  Rede 
wird  der  Eindruck  der  Sprachmnsik  auf  das  Ohr  inScbiig  ge- 
schwüchi,  just  wie  der  Eindruck,  den  eine  Vokal-  oder  Inxtru- 
nienlalmmik   auf   uns   machen   muffte,    nur   unvollkumnien   unser 


—    1270    — 

Obr  berühren  wfirde ,  wenn  wir  beim  Zuhören  zugleich  die  Zei- 
tung lesen  wollten.  Gerade  die  einfachsien  WonfügaBgen,  die 
den  kaum  anigeaprocbeDsn  Gedanken  schon  ganz  erfassen  lasseDi 
befähigen  aiu  beslen  das  Ohr,  die  Uarruonie  der  Rede  gans  un- 
getrübt zu  vernehmen. 

Vor  Kurzem  wurde  ich  mit  einem  Doktor  der  Philosophie 
bekannt,  der  oichl  blofs  Daktor,  sondern  auch  ein  Tersiindiger 
Mann  war;  dieser  erzählte  Folgeiules.  Beim  evangelisch«!  Got- 
tesdienste Bu  Y*  habe  ein  jnnger  fremder  Prediger  zwar  viel  gale 
and  erbauliche  Gedanken,  diese  aber  iii  einer  so  sritsamen  Spra- 
che vorgetragen,  dafs  die  Gebildelen  unter  den  Hörern  sich  ein- 
ander befremdet  und  verwundernd  angeschaut.  Er,  der  £r«&hler, 
widrig  von  dieser  Sprache  berührt,  sei  anfangs  auch  stnizig  ge- 
worden, später  aber  durch  genaueres  Aufmerken  sn  der  Ueber- 
zeugung  gelangt,  dafs  der  Mann  in  ungereimlen  Jamben  predige. 
In  den  nächsten  Tagen  habe  er  uich  mit  mehren  gebildeten  fl5- 
rem  über  diese  ungewöhnliche  Erscheinung  besprochen,  nnd  noa 
bei  dieser  Besprechung  gefunden,  dafs  die  Jambenpredigt  auf  das 
Ohr  derselben  nicht  als  liebliche  Musik ,  sondern  vielmehr  als  ein 
fremdartiges,   widriges  Getön  gewirkt. 

Diese  Erzählung,  die  blofs  als  lustige  TageBneuiglceil  in  einer 
Gesellflchaft  zom  Besten  gegeben  wurde,  war  die  Veranlassung, 
dafa  ich  mich  mit  dem  Doktor  der  Philosophie  über  die  in  der 
deutschen  Sprache  liegenden  Schwierigkeiten,  unsere  Gedanken 
in  harmonischer,  onverküustelter  Prosa  auszudrücken,  ein  wenig 
besprach.  Wir  waien  bald  darüber  einverstanden,  dafs  man  weit 
gemächlicher  zwei  Bogen  voll  angereimier  Jamben  schreiben  kön- 
ne, als  einen  Viertelbogen,  harnioniscber  noverkünstelter  Prosa. 
Ferner  waren  wir  einverslandeo ,  dafs  da,  wo  gereimte  Versaiten 
nicht  sonderlich  paaaen  möchten,  z.  B.  beim  WechselgesprScb  in 
dramatischen  Dichtungen,  die  harmonische  Prosa  dem  deutschen 
Ohre  weit  lieblicher  klingen  würde,  als  die  ungereimten  Jamben, 
in  denen  doch  der  Deutsche  keine  Musik  boren  könne,  die  man 
also  in  doppelter  Hinsicht  für  ungereimte  müsse  gelten  lassen. 

Der  Vermnthung  des  Doktors  aber,  als  haben  unsere  drama- 
tischen Dichter  ihre  Meisterwerke  blofs  ans  Gemächlichkeit  in 
ungereimte  Jamben  gefafst,  kann  ich  unmöglich  beistimmen;  glau< 
be  vielmehr,  dafs  einzig  die  uns  Deutseben  zwar  nicht  angebe* 
rene,  aber  doch  von  Jugend  auf  eingeleibte  Nachabmungsaacht 
und  Miisschilzung  der  Deutschheit  sie  zu  der  Wahl  des  jambi- 
schen Gewandes  bestimmt  haben. 

Seit  ich  grofsjabrig  geworden,  kann  ich  mich  nimmer  des 
Gedankens  erwehren,  unsere  ausgezeichneten  Dichter  würden  durch 
genaue  Beobachtung  des  deutschen  Gehörorgans,  durch  sorgsames 
Pflegen  und  Veredeln  seiner  Volkstbümlichkeit  uns  in  ästhetischer 


Hinsicht    einen    weit  besseren  Dienst  geleistet   haben,    ala  duruli 
das  Aufdringen  fremdländischer,   allerlbüuilicher  Veratnafse. 


ffaruM   ge/ulleu   den  der   Ma&lerAuntt    Unkundigen 

die     »ogenannten     Nachtatäcke    vorzug»wei»ef     Int 

dieiea  in  dem  menicklicAen  Sehorgan  begrHndetf 

An  der  Wahrheit  der  Thatsache  kann  keiner  zweifeln,  denn 
die  Meisterwerke  dieser  Art  erhallen  onier  den  Nichikennern  einen 
wahrhaften  Landruf.  So  waren  früher,  da  die  Bildergatlerie  sich 
DOcb  in  Dusseldorf  befand ,  die  kingen  und  ihörichten  Jungfrauen 
mit  ihren  Lampen,  und  das  Mädchen,  das  mit  vorgehaltener  Hand 
die  brennende  Kerze  schützt,  damit  der  näckiscbe  Junge  sie  nicht 
ausblase,  im  ganzen  Lande  bekannt.  In  meinem  fünfzehnten  Jahre 
machten  diese  Stücke,  nnd  einige  ähnliche,  auch  anf  meine  Ein- 
falt einen  so  überraschend  angenehmen  Eindruck,  dafa  mir  dagt- 
^n  das  jüngste  Gericht  und  andere  gepriesene  Herrlich  keilen  kaum 
der  Beachtung  werth  schienen. 

Ich  glaube,  dafs  das  Anziehende  solcher  Mahlereien  einzig 
in  unserem  natürlichen,  das  heifm,  unverkünstelien  Sehorgane 
bt^riindet  ist.  Das  Ange  siehet  ein  Ganzes;  nicht  blofs  die  ihei- 
lichte  Beleuchtung  der  Geaiatien  und  die  von  dieser  iheilichten 
Beleuchtung  abhängenden  Schalten,  sondern  es  siebet  gleichzeitig 
das  Licht  selbst,  von  dem  Beleuchtung  und  Schatten  herkommen. 
Also  ist  das  Aug«>,  und  «Hein  das  Ange,  Itichier  iiber  das  Na- 
torgemäfae  der  Mahlerei;  der  Verstand  und  die  Einbildung  haben 
keine  Stimme  dabei.  Das  Nämliche  gilt  von  Rolchen  Stücken, 
wo  ein  Strom  Tageslicht,  durch  eine  enge  OelFnung  in  einen 
dunklen  Ort  fallend,   eine  Geslaliengrnppe  ihejiicht  beleuchtet. 

Alles  von  der  Tageshelle  Beleuchtete  macht  für  das  Auge 
kein  Ganzes.  Das  natürliche,  unkünstlerische  Ange  siehet  Schat- 
ten, es  siehet  Beleuchtung,  aber  nicht  das  Licht,  von  dem  beide 
abhängen.  Die  Schatten  können  ihm  nur  als  schwarze  Flecken 
erscheinen.  Der  Verstand  urtbeilt  ans  den  Schalten ,  von  welchem 
One  her  das  Licht  auf  den  Gegenstand  gefallen,  und  wie  stark 
es  auf  denselben  gewirkt;  die  Phantasie  versetzt  dann  den  Ge- 
genstand in  das  von  dem  Verstände  angegebene  VerhäliDifs  zum 
Lichte.  Das  blofse  Auge  kann  also  über  das  Naiurgemäfse  sol- 
cher Mahlereien  nicht  Richter  sein,  sondern  Verstand  und  Einbil- 
dung haben  mitzusprechen ,  ja  ihre  Stimme  ist  in  manchen  Fällen 
wichtiger  als  die  des  Auges. 

Einst  gebe  ich  in  das  Hans  eines  Bekannten,  um  das  Bild- 
nifs  seiner  Galiinn  zu  sehen,  welches  ein  ivleinlich  jleif^iger  Mabler 


—     1272    — 

vor  Ktirxem  gemach),  finde  aber  weder  den  Hauiherra,  noch  die 
Frau,  sondern  blofa  eine  fililiche,  bei  ihnen  einwohnende  Freno- 
dioQ.  Diese  führt  mich  in  daa  Zimmer,  wo  das  Bild  an  der 
Wand  hängt. 

Nachdem  ich  ea  anrmerksam  betrachtet ,  schauet  das  Fräulein 
mich  ntit  einer  etwas  spottenden  Miene  an,  und  fragt,  wie  es 
mir  gefalle.  —  Ich  sage:  die  Aehnlichkeit ,  die  ich  darin  gewahre, 
sei  eben  nicht  grofs,  auch  sei  Fran  £.  nicht  geschmeichelt,  öbti- 
gena  das  ßUd  sehr  sorgfältig  ausgemahlet.  —  Wie?  versetzt  sie, 
das  Bild  sollte  sorgf^tttg  geiuahll  seinf  Sehen  Sie  denn  nicht 
den  gararigen  schwarzen  Flecken  auf  der  linken  Wange!  Hat 
denn  Frau  B.  einen  solchen  Fleckeof  —  Ich  merkte  aus  dieser 
Rede,  .dafs  das  Fräulein  noch  etwas  weniger  Versland  von  der 
Mablerkonst  habe  als  ich ,  nahm  also  gleich  eine  belehrende  Mie- 
ne an,  und  bemerkte  ihr,  der  schwarze  Flecken  sei  ein  Schlag- 
schauen.  —  Kaum  war  dieses  Won  aus  meinem  Munde  gegan- 
gen, so  fuhr  sie  auf,  und  sagte:  der  Mahler  ist  ein  Narr;  das 
wissen  Sie  so  gut  als  ich ,  Sie  wollen  aber  dem  Narren  die  Hand 
halten:  wer  hat  Frau  B.  je  geschlagen?  —  Mein  Fröulein,  er- 
widerte ich  beschwichtigend,  wir  haben  ja  beide  Frau  B.  noch 
als  Kind  gekannt,  nicht  einmahl  als  Kind  hat  sie  je  einen  Schlag 
auf  den  Hinlern  bekommen;  wer  sollte  sich  denn  jetzt  erkühnen, 
sie  ins  Angesiebt  zu  schlagen!  —  Sie  haben  Recht,  der  .Vlabler 
ist  ein  Narr. 

Später  dachte  Ich  unserm ,  ehen  nicht  kunstgerechten  Gesprfi- 
che  nach ,  und  je  länger  ich  darüber  nachdachte  je  weniger  un- 
billig schien  mir  der  Tadel  des  Fräuleins.  Dafs  der  Flecken  auf 
der  linken  Wange  der  Schalten  der  Nase  sei,  war  offenbar;  al- 
lein ich  mufsie  doch  zugeben,  dafa  mein  Verstand  dieses  erkenne, 
nicht  mein  Aoge.  Letztes  sah  blufs  einen  schwarzen  Flecken, 
der  eben  so  gnt  daa  Mahl  eines  Schlages  oder  Stofses,  als  der 
Schatten  der  Nase  sein  konnte.  Hätte  der  Mahler,  da  er  die 
Fraa  mit  der  rechten  Seite  gegen  das  Fenster  setzte,  unten  das 
Fenster  verhängt,  so,  dafs  daa  Licht  von  oben  auf  die  rechte 
Seile  dea  Gesichtes  gefallen  wäre,  so  würde  der  Schalten  der 
Nase  als  ein  schmaler  Streifen  über  den  linken  Mundwinkel  ge- 
fallen sein.  Hätte  er  die  Frau  zwischen  zwei  entgegengesetzte 
Fensler  geatellei,  ao  würde  er  den  Scliaiten  der  Nase  gar  nicht 
gesehen  und  ihn  nicht  nachgebildet  haben. 

Solche  Schatten  sind  also  etwas  Zußlliges,  blofs  von  der 
Stellung  Abhängiges,  in  der  der  Mahler  den  abzubildenden  Ge- 
genstand sah.  Befindet  sich  die  Nachbildung  des  Gegenstandes 
epSter  in  einer  anderen  Stellung  znni  Lichte,  so  kennen  doch 
die  geinahliea  Schalten  '  dem  Auge  nur  als  Flecken  erseheioen. 
Die  Einbildungskraft,   die  uns  das  Gemfihlde  in  eine  eigene «  den 


—    1273    — 

Schatten  eDlsprccbende  Stellung  zum  Ltchle  versetzt,  flberredet 
uns  blofs,  rfift  Fleckeo  seien  Schalten  und  notbwendige  Erfoder- 
nisse  eines  goien  Bildes.  Wir  verwechseln  also  unseren  Verstand 
und  unsere  PhanisBie  mit  unserem  Sehorgan;  ja  wer  das  lange 
und  oft  thut,  der  kann  sein  Auge  so  verktinsteln,  ditfs  dieses 
Schönheiten  in  einem  Üemählde  entdeckt,  »eiche  jedem  gesun- 
den, unverkünsielten  Auge  Wideraaiiirlichkeiten ,  also  H^fslich- 
keiten  2u  sein  tcheinen. 


Nachtr&glicht    Bemerkungen    über    Paracelsut    und 
äesten  Heillehre. 

Es  kSnnt«  jemand  behaupten ,  die  geheim  ärztliche  Lehre  wie 
ich  sie  in  diesem  Werke  vorgetragen,  sei  keinesweges  in  Ho&en- 
keim*  Schriften,  oder  in  den  Schriften  eines  anderen  latrochemi- 
kers  nachzuweisen,  aUo  weiter  nichts,  als  die  Ausgeburt  meines 
eigenen  Gehirns.  Dieser  möglichen  Behauptung  enigegene  ich 
Folgendes,  Hohenkeim  hat  mir  die  reine,  direkte  Heilwirkung 
der  Arzeneimitiel  (rein.  In  sa  fern  die  schulrechlen,  das  Wie 
des  Ileiltns  andeutenden  Kategorien  nicht  dabei  in  Anmerkung 
kommen)  als  den  Punkt  angegeben,  von  dem  sein  einfaches  Wis- 
sen, kranke  Menschen  gesund  zu  machen,  ausgehe.  Die  reine 
direkte  Heilwirkung  der  Arzeneien  liegt  in  der  Natur  selbst,  üt 
also,  wie  die  ganze  grofse  .\atur,  etwas  Göttliches  und  Unwan- 
delbares, nicht  wie  die  beilmittellehrigen  Kategorien  der  Schule, 
MeoBchendichtang;  sie  ist  aber  auch  auf  dem  Wege  der  Beobach- 
tung erkennbar,  denn  wäre  sie  unerkennbar,  so  würde  die  Me- 
dizin (wie  ich  das  schon  im  zweiten  Kapitel  gesagt)  ein  wahres 
Unding  sein,  ja  man  würde  in  Versuchung  geraihen,  sie,  wie 
Paraceltui,  bevor  er  zu  einer  besseren  Erkenninifs  gekommen, 
für  eine  Spiegelfechterei  des  Teufels  zu  halten.  Jeden  verständi- 
gen Arzt,  der  mit  mir  dieses  Göttliche,  Unwandelbare  und  Er- 
kennbare als  brauchbare  Basis  einer  Heillehre,  als  das,  die  Mög- 
lichkeit einer  heiilehrigen  Gedankenfolge  Bedingende,  oder  als 
den  Punkt,  von  dem  eine  heillehrige  Gcdankenfnlge  ausgehen 
könne  ansiehet,  den  federe  ich  kühn  auf,  an  diesen  Pnnkt  eine 
andere  heillehrige  Gedankenfolge  zu  reihen ,  als  ich  daran  gereihet. 
Ich  denke,  er  wird  sich  bald  von  der  UnmSgliubkeit,  dieses  aiiszu- 
ßhren  überzeugen;  in  dieser Ueherzeugung  wird  dann  auch  zugleich 
die  Ueberzeugung  liegen ,  dafs  die  Lehre  der  Geheimärzte ,  wie  ich 
sie  vorgetragen,  nicht  eine  Ausgeburt  meines  eigenen  Gehirnes  sei, 
•ofidern  aus  dem  mir  von  Hohenheim  gegebenen,  und  von  mir  im 
enlCD  Kapitel  diews  Werke«  geschi^tlich   nachgewiesenen  basi- 


—    1274    — 


sehen   Punkt«   ■<>  logisch   DOlbweD<tig  folge,    al>   ans   dem  Salze 
zweimahl  Zwei  macht  Vier  da«  ganxe  Einm^bleio«  folgt. 


Ick  habe  in  einigen  Stellen  diese*  Werke«  beiläufig  auf  die 
IJnwahrscheinlichkeit  aufmerksam  gemacht,  dafs  HoAenkeim»  an 
den  Tag  gelegtes  Crfahruogs wissen  ein  durchgehemds  selbst  erwor- 
benes sei ,  nnd  «af  die  Wahracheinlicbkeit ,  dafs  die  nicbuchrei- 
benden  Geheimlirzte,  bei  denen  er  auf  seinem  ersten  Ausfluge 
Belehrung  gesucht,  ibrn  manches  Praklischnuizliche  mQsien  offen- 
baret haben,  besondert  solche  Wahrheiten,  die  nur  rielj&hrige 
aufmerksame  Natnrbeobachiang  den  Atzt  lehren  kann.  Dafs  er 
diese  Mittheilungon  in  seinen  Schriften  nicht  anieigf,  keinea  sei- 
ner Belehrer  nennet,  warf  in  meinen  Aagen  anfangs  einen  Schat- 
ten auf  seinen  Charakter,  ich  hatte  grofse  Neigung,  ihn  für  einen 
Grofssprecher ,  ja  für  einen  undankbaren  Gesellen  an  hatten.  Da 
es  nun  manchen  Aerzten,  die  selbst  keine  freibeoierische  \atnr 
haben,  sondern  vielmehr  das>  was  sie  von  andern  erhalte«,  frei- 
sinnig als  ein  Gegebenes  anerkennen ,  leicht  eben  so  geben  könotc 
wie  mir;  so  will  ich  versuchen ,  sie  durch  folgendes  Bedenken 
mit  Hohenieim»  Chuakler  auszosShnen. 

Wenn  wir  erw8gen,  daü  in  und  vor  dem  sechtehnren  Jahr- 
hundert die  geheimfirziliche  Lehre  als  etwas  allgemein  Verstand- 
baftes  in  den  Köpfen  mancher  guten  Aerzte  Anklang  gefunden 
haben  mufs,  und  wir  denken  dann  an  die  Unduldsamkeit,  an  die 
Verfolgungssucbt  der  Galemker  nnd  an  die  damahlige  Aatorität 
der  Universitäten ,  so  wird  es ,  schwiege  auch  die  Geachicbte  ganz 
vMi  dahin  einschlagenden  Unbilden,  mehr  als  wahrscheinlich,  dafs 
achtbare  Aerzte,  die  der  gehetmärttlichen  Lehre  angehangen,  ihr 
bei  Behandlung  der  Kranken  gefolgt  sind,  blofs  um  nicht  in  die 
Dngeschlachteo  Hände  der  galenischen  Verkelserer  zu  fallen,  die 
achulrecht«  Maske  werden  zur  Schau  getragen  haben.  HoieMietm, 
der  als  unabhängiger  Diogen  dreist  in  das  galenische  Wespennest 
störte,  würde  seinen  heimlichen  Belphrern  durch  dankbare  Nen- 
nung ihrer  Namen  wahrlich  einen  schlechten  Dienst  erzeigt  ha- 
ben: die  alten  Lateioschreiber  nannten  das  zwar  eine  Mentio  ko- 
norabili*;  in  Hohenkeim»  Schriften  würde  aber  die  ehrenhafte 
Erwähnung  znr  eigentlichen  Aechluog  geworden  sein;  darum  bat 
er  als  rechtlicher  Mann  geschwiegen  und  sich  gans  allein  den 
Giftpfeilen  der  Gegner  blofsgestellt. 


Meine  jüngeren    Leser,    die   aus    dem    «rsten  Kapitel    dieses 
Werkes  Hohenkei»  als   einen   Terstäodigen    Mann  haben   kernten 


—    1275    — 

gelernt ,  könntea  dadurch  verleitet  werden ,  in  leinen  Sdiriftea 
eine  treue  Angabe  des  richtigen  Gebrauches  der  Arzeneimiitel  zu 
Bachen.  Ich  baite  es  für  meine  Pflicht,  sie  in  diesem  Punkte  zu 
enttäuschen,  indem  ich  ihnen  erkläre,  die  bestimmte,  deniliche, 
ehrliche  Angabe  der  Gebrauchesart  keines  einzigen  Mittels  bei  ihm 
gefanden  zu  haben.  Selbst  die  drei  Uni  versa!  mittel  mufs  man  durch 
den  eigenen  Gebranch  erst  kennen  lernen,  wenn  man  seine  ge-  - 
heimnil'a vollen  Andentungen  verstehen  will. . 


Im  Jahre  1840  las  ich  des  Herrn  Leniag  Buch  über  Parif 
celtut,  dessen  Leben  and  Denken  (Berlin  bei  Cr.  Reimer  1839) 
und  traf  in  diesem  Buche  auf  folgende  Stelle  (Seite  läl  ):  „NBcbst- 
„dem  sind  Paracehu»  Hauptmiiiel  Eisen,  Kupfer  and  kubischer 
„Salpeter.  Da«  Kupfer  gehörte  schon  in  früher  Zeit  zu  den  Uni- 
„versalmiiteln.  (Raym.  tAtUiu»  de  mettic.  secretüiimi*  und  Dia- 
„hgm  de  ligno  vitae.J  Den  kubischen  Salpeter  hat  Paracehus  zu- 
„erst  selbst  angegeben"  (Archidosoa).  Da  ich  nun  in  gegenwiir- 
tigem  Werke,  welches  wol  ein  paar  Jahre  nach  des  Herrn  £«■- 
tingi  Buch  erscheinen  wird,  das,  was  Herr  L.  sagt,  als  das 
Ergebnifa  meiner  eigenen  Forschung  behandelt  habe,  so  könnten 
Aerxte,  die  Herrn  tjettiagt  Buch  gelesen,  mich  für  einen  Pla- 
giator halten,  ja  die,  tvelche  mich  für  eiqen  Plagiqfor  kielten, 
tnülslen  mich  auch  folgerecht  für  einen  Lügner  halten,  weil  ich 
nSmlieh  in  dem  ersten  Abschnitt  des  4.  Kapitels  behauptet  btibe, 
ich  sei  im  Jahre  1815  zufällig  auf  die  wundervolle  Heilwirkung 
des  kubischen  Salpeters  gestofsen,  dieser  Zufall  habe  in  mir  die 
VermuthoDg  geweckt,  der  kubische  Salpeter  könne  vielleicht  eins 
der  berüchtigten  und  für  fabelhaft  gehaltenen  UDiversalmillel  der 
geheimnifsvollen  iatrocbemischen  Sekte  sein,  und  diese  Vermuthung 
habe  sich  mir  bei  weiterer  Forschung  als  wahr  bestätiget. 

Mir  würde  es  aber  nicht  sonderlich  genehm  sein ,  von  recht- 
lichen MlRDern  für  einen  Plünderer  und  unwahren  Menschen  ge- 
halten zu  werden,  darum  ist  noih,  dafs  ich  mich  rechtfertige. 
Zu  dem  Ende  verweise  ich  einfach  jeden  Zweifler  auf  das  zweite 
Stück  des  IV.  Bandes  der  von  Herrn  Harleft  herausgegebenen 
rheinischen  Jahrbücher,  hier  wird  er  vom  Jahre  1821  einen  Auf- 
salz von  mir  finden  unter  der  Ueberschrifi :  Ceber  die  Heil- 
kräfte des  Kupfers.  Sodann  über  und  für  das  Vor- 
handensein von  Universalmiileln  und  über  ihre  Be- 
ziehung zu  Uni versalhrankhei ten.  Ans  diesem  Aufsalze 
kann  sich  jeder  überzeugen ,  dafs  die  Angabe  der  drei  iatroche- 
ralsohen  Univeraalmittel  und  die  literarische  Hinweisung  auf  Par«- 
eelnu  hinsichtlich  des  kubischen  Salpeters,  and  auf  Raymundut 
Luliiu*    hinsichtlich   das   Kupfers    das  Ergebnifs    meinet   eigenen 


—  mc  — 

Forschung;  »Dd.  Uebrigens  bescherde  ich  mich  gern,  daf«  nicht 
blofs  Herr  Lening  und  ich,  sondern  viel  andere  Aerzle  mit  uns, 
durch  eigene  Forschung  zu  eia  und  dem  nämlichen  Ergebntfs  gelaa- 
gen  k5nnen  ,  denn  der  Weg  zur  Wahrheit  ibI  ja  keinem  Teraperrt. 


Lehrbücher  der  Pathologie  und  TAerapeulik. 

Wenn  die  Terfastter  bei  der  Herausgabe  dieser  Bücher  die 
Absiuht  haben,  ihre  Erfahrungen  über  solche  Krunkheilsfonnen, 
welche  sie  selbst  beohachret,  den  Aerzien  miiziiiheÜen ,  und  sie 
sprechen  diesen  Zweck  unumwunden  aus,  so  lobe  ich  sie.  Ist  aber 
ihre  Absiebt  (deutlich  ansgesprochen,  oder  durch  das  Buvh  selbst 
erkennbar),  theiU  die  Natur  als  die  Erzeugerinn  gewisser  siereol}'- 
pischen  Krankheii^roniien  darzustellen,  theila  die  einzig  wahre 
Hehandlung  die-ier  Krankheiisrormen  zu  lehren,  so  bedatire  ich  sie 
als  Erblindete.  Sie  kommen  mir  gerade  vor,  wie  ein  Mahler,  der 
mehre  hundert,  ja  tausend  Menschengesicbler  abbildete,  hinge  diese 
Ahbildun^en  in  eine  Rüde,  und  machte  dann  bekannt,  jeder  könne 
in  dieser  Bude  sein  Ebenbild  kaufen.  MSglich  wSre  es  allerdings, 
dafs  der  Eine  oder  decAndere  ein  Bild  darin  fände,  das  einige  Aehn. 
lichkeil  mit  seinem  Gesichte  hatte;  im  Allgemeinen  würde  aber  der 
Mahler  sehr  wenig  Absatz  haben,  and  die  verständigeren  Leute  wür- 
den ihn  weit  eher  für  einen  grofisen  Narren  als  für  einen  grofsen 
Künstler  ballen.  Wer  im  Rinfteh  oder  sechsten  Jahre  der  Praxis 
nicht  schon  anfängt  zu  hegreifen,  dafs  alle  pathologische  und  thera- 
peutische Lehrbücher  nur  ungeschlachte  Schattenrisse  der  unergründ- 
lichen, nnbeachreibbaren ,  proteischen  Krankheitsbildnerei  der  \h- 
lur  enthalten,  der  kann  ein  sehr  gelehrter  Doktor  oder  Protessor 
der  Medizin  werden,  aber  zum  Heilmeister  taugt  er  nicht,  denn 
ihm  fehlen  gesunde  Augen  und  schlichter  Verstand. 

Vor  vielen  Jahren  hatte  ich  einen  alten  Freund,  der  ein  guter 
Rechenmeister  war.  Einst  befindet  er  sich  auf  einer  kleinen  Kir- 
chenorgel, und  ihm  kommt  der  Gedanke,  auszurechnen,  wieviel 
Veränderungen  des  Tones  durch  das  verschiedenartige  Aasziehen 
der  Register  y»  bewirken  seien.  Es  ergab  sich ,  dafs  die  möglichen 
Veränderungen  sieb  auf  mehre  lausend  beliefen.  Da  er  mir  nun 
das  Ergfbnifs  seiner  Rechnung  zeigte^  und  ich,  als  ein  gemeiner 
Praktiker,  alles  auf  mein  Geschäft  beziehe,  so  sagte  ich  zu  ihm  : 
Alter  Freund!  Ihre  Orgel  ist  nur  klein,  der  Register  sind  nnr  we- 
nige, und  doch  kann  man  auf  diesem  hölzernen  und  bleiernen  In- 
strumente eine  so  grofse  Menge Tonverändernngen  machen  ;  wie  viel 
Register  sind  aber  im  menschlichen  Leibe  (wir  kennen  sie  kaum 
alle)  und  wieviel  tausend  Veründernngen  kann  die  Natnr  auf  diesem 
irdischen   und  geistigen  Instrumente   hervorbringen!     Wo   Ist   der 


—    1277    — 

Rechenmeister,   der  uns  ilieZabl  demelbeii  berechutt  — 
er  nicfal  gekar«ii  und  wird  auch  niinmei  geboren  werden. 


Wer  iit  ein  guter  Arzlf 

Wir  Bind  sehr  freigebig  mit  dem  Beilegeworte  gut,  ich  halle 
das  aber  für  grofsen  Lulohtaino.  Ein  wirklich  guter  ArzI  miifste 
doch  alles  Heilbare  heilen  können,  und  das  könnte  er  nur,  wenn  et 
aller  natürlichen  Dinge  Heilkräfte  kenoele ,  wenn  ihn  jedes  Men- 
schen leibliche  und  geistige  Besonderheit,  dessen  Krankheilaanlage, 
dessen  verborgene  Fehler ,  dessen  Leben,  and  das  Verhältnlfs  die- 
ses Lebens  zu  dem  grofsen  .Xalurleben  im  Wissen  wäre. 

Wer  sich  aber  eines  solchen  Wissens  rühmen  wollte ,  der  müfste 
■ich  für  die  Gottheit  selbst  ansehen.  Freilich,  Hippgiratea  sagt  in 
dem  Buche  vom  Anstand  e:  ein  philosophischer  Arit  sei  der  Gott- 
heit ähnlich,  ja  es  sei  zwischen  beiden  kein  grofsei  Unterschied. 
Nehmen  wir  nun  an  ,  das  Bach  sei  echt,  so  ist  doch  höchst  wahr- 
scheinlich, dafs  er  bei  dieser  köhnmüthigen  Rede  an  den  Gott 
Apoll,  den  VorsteherderAerzte,  gedacht.  .Nun,  das  läfst  sich  allen- 
falls noch  hören,  dafs  ein  philosophischer  Arzt  diesem  Goiie  ähnlich 
oder  gleich  sein  könne.  Ich  finde  das  nicht  einmabl  sehr  ehrenvoll, 
denn  wir  wissen  allesammt,  dafs  Apoll  ein  Musikant,  ein  Neidhart 
und  «in  Schinder  war  ( er  hat  ^  dem  Marsias  das  Fell  abgezogfln ) ; 
ich  begehre  ihm  nicht  einuiahl  ähnlich,  viel  weniger  gleich  zu  sein. 
Wer  aber,  nach  unserer  jeixigen  Ansicht,  sich  der  Gottheit  ähnlich 
oder  gleich  zu  sein  wähnen  wollte,  der  würde  wol  tut  das  Irren- 
haus reif  sein.  Darum  müssen  wir  mit  dem  Beilegeworle  gu  l  sehr 
sparsam  umgehen.  Ich  kann  wol  behaupten,  mit  grofsem  Fleifao 
und  grofser  Mühe  mich  unablässig  bestrebt  zu  haben ,  mir  die  zum 
Ileilgescbäfte  nöibigen  Kenninisse  zu  erwerben,  und  habe  ich  mei- 
nen Fleifs  und  meine  Mühe  nicht  in  ideellen  Spekulationen  vergeu- 
det, die  (wie  Sydenhan  sagt)  mit  der  Heitkunsl  so  wenig  zu  thun 
haben  als  die  Musik  mit  der  Baukunst,  so  werde  ich  das  Heilge- 
Bchäft  wahrscheinlich  besser  üben,  als  andere,  die  sich  weit  mehr 
bestrebt  (wie  Paracelius  sagt)  ihrem  Seckel  als  den  Kranken  zu  hel- 
fen. Aber  darum  bin  ich  doch  noch  lange  kein  guter  Arzt;  viel- 
mehr wird  all  mein  Fleifs,  alle  meine  Mühe  mir  es  gerade  deutlich 
gemacht  haben,  dafs  mein  Wissen  nur  Stückwerk  sei,  und  dafs 
Desjenigen,  was  ich  nicht  weiis  und  nicht  wissen  kann,  was  mir 
aber,  um  ein  guter  Arzt  zu  sein,  noth  wäre,  weit  mehr  ist  als  Des- 
sen, was  ich  weifs,  oder  was  ich  in  meiner  menschlirhen  Be- 
scbrunklheit  allenralls  zu  vissen  lerübi^n  sein  kunnle.- 

Allen  Arrzien,  welche  von  dem  Geiste  des  Hoi^hninihes  beses- 
sen sind,  will  ich  einen  tieSlich  heilenden  Bannspruch  empfehlen- 


—     t»8    — 

KriBtiis,  von  jemand  mit  den  Warten,  Guter  Meister  angespro- 
chen, fätlt  ibm  gleieb  ia  die  Bede  and  sagt:  Was  aennat  da 
mich  gut!     Niemand  iat  gut,   denn  der  einige  Gott. 


D  a  I    Leben. 

Wir  wissen  nicht,  was  das  Leben  sei,  das  heilsi,  unser 
Verstand  kann  «ich  von  dessen  Wesenheit  keinen  Begriff  machen. 
Waa  wir  durch  Beobachtang  von  demselben  erkanden,  ist  nur 
Stockwerk,  and  dienet  mehr  daiu,  ans  an  verwirren  als  ans  za 
belehren.  Aus  manchen  Beobachtnngen  sollte  man  scblierseo,  je* 
dem  Körper  sei  ein  gröfserer  oder  geringerer  Antheil  des  grofsen 
Naturlebens  geworden,  und  tobald  dieser  Antheil  venehrt  sei, 
müsse  der  Mensch  sterben,  wie  eine  Lampe  verldaehl,  aobald 
ihr  Oel  verzehrt  ist.  Für  diese  Ansicht  spricht  mm  wenigsten 
eine  gewiss«  Ordnung  in  dem  Sterben  des  Menschengeschlechtes, 
auf  Welche  man  Witwenkassen,  Lebensversicherungen  und  der- 
gleichen Unternehmen  gründet.  Man  siebet ,  dafa  einige  Menschen 
die  schwersten  Krankheiten ,  nicht  blofs  akute  bei  unverleiiten 
Organen,  sondern  auch  chronische,  bei  denen  ein  grofser  Theil 
der  Leber,  oder  der  Milz,  oder  der  Lunge  durch  Eiterung  zer- 
stört wird,  glücklich  überstehen,  indefs  andere,  von  scheinbar 
leichten  Krankheiten  ergriffen,  eines  navermaiheten  Todea  ster- 
bea.  Dasselbe  gewahrt  man  bei  Verwundungen;  die  grSfslichsten 
Verwnndnagen  t&dten  zuweilen  nicht,  indefs  leicht«,  gefahrlos 
scheinende  tödten. 

Achtet  man  nun  auf  den  Verfall  des  Organl«mna,  der  sich 
ohne  sichtbare  Krankheit  macht,  so  siebet  man  hier  nicht  minder 
eine  grofse  Verschiedenheit.  Einige  Körper  zeigen  dia  Spar  des 
Verfalles  schon  zwischen  dem  sechzigsten  und  siebzigsten  iabre. 
Ihr  GedSchtnifs  wird  ihnen  untreu,  ihr  Verstand  verliert  seine 
Itebendigkeit ,  ihr  Leib  scbnnnpft  zusammen.  Andere  hingegen 
behalten  die  Fülle  ihres  Leibes  und  die  Kraft  ibrea  Geistes ,  ohne 
dftfa  jedoch  diese  scheinbare  Unver&nderlichkeit  ihnen  «in  iKngeres 
Leben  verbürgt  als  jenen.  Bei  einigen ,  jedoch  wenigen ,  ver- 
schleifsen  Körper  und  Geist  sichtbar,  bandgrriflich;  und  doch 
will  das  Leben  nicht  aas  der  gani  abgenntztea  Maschine  weichen. 
Aas  den  angeführten  Beobachtungen  könnte  man  nun  Folgen- 
des schliefse«.  Da,  bei  dem  sichtbaren  Verfalle  des  Leibes  und 
Geistes,  das  Leben  noch  in  dem  abgenutzten  Körpergeiriebe  haf- 
ten ,  nnd  wieder  in  anderen  Fällen  bei  einer  unwandelbaren  Rü- 
stigkeit des  Leibes  und  Geistes  entweichen  könne,  so  müsse  es 
etwas  von  dem  sinnlich  Erkennbaren  des  Organismus  Verschiede- 
nes sein.  ^.   .-        — —   ..^ 


—    1279    - 

lUebiea  wir  nua  aber  unsere  AafmerkBamkeii  auf  die  Wirkung 
der  Arz«nei,  so  icbeint  diese  Wirknng  uns  auf  ein  Ergebnifs  xa 
fähren,   welches  dem  eben  genannten  geradesu  widerspnchl. 

Wir  sehen,  dafs,  wenn  in  Krankheiten  der  Organismus  sicht- 
bar XU  nnlefUegen  und  das  Leben  fast  eilöschen  zu  wollen  schei- 
net, die  Arxenei  nicht  selten  wundervoll  und  überraschend  die  StS- 
ruDgen  des  Körpergetriebes  beseitiget  and  das  scheinbar  erlöschende 
Leben  wieder  zur  bellen  Flamme  anfacht.  Da  wir  onn  nicht  anneh- 
men könoeo,  dafs  die  Arsenei  das  Leben  quantitativ  vermehre,  ao 
•ind  wir  unwillkfirlicb  geneigt,  das  Leben  nicht  blofs  als  das  nnbe- 
kannte  Bedingende  des  körperlichen  Seins,  sondern  auch  ta^eioh 
als  das  Crzeugnifs  des  kör|ierlichen  Seins  anznaeben.  Deutlich  den< 
ken  wir  uns  dieses  freilich  nicht  und  können  es  uns  nicht  deutlich 
denken,*)  aber  wir  denken  es  uns  dankel;  und  anf  dieses  dnnkel 
Gedachte  gründet  sich  einsig  der  vermessene  Gianbe,  als  seien  wir 
befBhiget,  darch  die  Arzenei  den  Menschen  das  Leben  zu  erhallen. 
Je  jünger  wir  sind,  um  so  stärker  ist  dieser  Glaube ;  werden  wir 
alter,  haben  viele  und  verschiedenartige  Fälle  mit  einander  vergli- 
eben,  so  wird  er  allmählig  schwächer;  endlich  erlöscht  er  ganz, 
und  unser  Hochmutb  geht  in  Demoth  über. 

Manche  Aerzte  werden  aber  Greise,  ohne  dais  dieser  kühns 
Glaube  wankt.  Wober  ihnen  die  Zibglüobigkeit  komme,  ist 
schwer  zu  erklären ;  folgende  Betrachtung  mag  abei  wol  das  Dankle 
in  etwas  belenchieo. 

Dafo  die  Abnidime  des  Lebens  Störungen  in  dem  Körperge- 
triebe hervorbringt,  zum  wenigsten  mit  solchen  Störnngen  beglei- 
tet ist,  sehen  wir  bei  Lenten,  deren  hohes  Alter,  nach  allgemeiner 
Erfahrung,  aof  eine  Abnahme  des  Lebens  mit  dergröfsteo  Wahr- 
scheinlichkeit schliefseu  lifsl.  Solche  Störnngen  in  dem  KÖrperge- 
Iriebe  stellen  eine  Zofallsgruppe  dar,  der  die  Aerzte  einen  nosolo- 
gischen Mainen  geben.  Diese  Zufallsgruppe  findet  sich  aber  auch 
bei  Leuten,  deren  Leben  nicht  im  Abnehmen  begriffen  isi,  und  weil 
wir  beßhiget  sind,  bei  diesen  die  Störungen  der  Körpermaschine 
durch  Arzenei  zur  Norm  zurückzuführen  ,  so  fallen  wir  leicht  in  den 
Irrtfaum,  die  Zufölle  des  abnehmenden  Lebens  mit  Krankheil  zu 
verwechseln.  Der  Klügste  ist  nicht  klag  genug,  diesen  Irrihum  in 
dem  Einzelfalle  zu  vermeiden.  Da ,  wo  die  sehr  hohen  Jafare  des 
Kranken  uns  eine  Vermuthnng  über  die  Natur  derat^eiobaren  Krank- 
heit erlanben,  sind  wir  zuweilen  wol  befähiget,  ein  der  Wahrheit 
nahe  kemnendes  Unheil  zn  fällen.     Betrachten  wir  aber  die  Ord- 


*)  Sobald  wir  ei  nna  rimltr.b  dentÜFti  dScblao,  würden  wir  gleich  den  Irrtham 
sioiehen ,  der  darin  steckt,  Beabiehtan^i^n ,  di*  wir  bei  den  Sicht'  ndd 
Tajibaren  dat  Orfaaitaas  EFiuacbt,  tat  da*  UDiicbtbare  nnerLaiiDt«  Leben 
lu  beiiebea.  ^,,  , .  ,.,  ..^ 


-    1280    — 

nting  in  der  Sierblicbkeit  des  Mea«:h«ngetchlecbi«s ,  so  niüwen 
wir  doch  annehmen ,  dafs  viele  gchoa  io  jüngeren  Jabren  am  Ziele 
ihres  Lebens  lieh  befinden;  und  wie  in  den  Allen,  bringt  aach 
in  diesen  Jungen  das  ablaufende  Leben  Slörungen  in  der  Körper- 
maachine,  eine  Zufallggruppe  hervor,  der  man  einen  noioio^i- 
■cben  Namen  gibt.  Wer  vermag  nun  zu  beittmmen,  ob  in  die- 
sen K&rpern  die  Irrungen  des  Getriebes  Offenbarung  der  Lebens- 
abnahnie,  oder  Offenbarung  eines  blofs  feindlichen,  durch  Arze- 
nei  beilbaren  Ergriffenüeins  des  Lebens  islj  —  Ja,'  können  nicht 
ftufsere,  Krankheit  beHirkende  Schädlichkeiten  auf  solche,  dem 
unsichtbaren  Ziel«  des  Lebens  nahe  Menschen  eben  sowol  einwir- 
ken und  sie  krank  machen,  als  auf  andere,  die  noch  weit  von 
dienern  Ziele  entfernt  sind?  —  Da  heifsl  es  dann:  sie  sind  an 
dieser ,  oder  jener  Krankheit  gestorben.  Dafs  Gott  erbarm.!  Sie 
Bind  gestorben,  weil  sie  ihr  Lebensziel  erreicht  hatten;  die  Krank- 
heit bat  sie  nor  ein  klein  wenig  rascher  zu  demselben  gefördert. 

Echt  gläubige  Aerzte,  wenn  sie  sehen,  dafs  bei  einer  herr- 
schenden Krankheit,  auf  welche  sie  ein  gutes  Heilmittel  kennen, 
die  Mehrzahl  der  Kranken  bald  und  sicher  geheilt  wird,  einige 
wenige  aber  sterben,  und  sie  dann  nicht  einmahl  gewahren,  dafs 
diese  Wenigen  heftiger  von  der  Krankheit  anfänglich  ergriffen 
gewesen  als  die  grofse  Zahl  der  Geheilten;  so  sind  sie  weit  ent- 
fernt, die  Lösung  dieses  Rälhsels  in  einem  ewigen,  unwandelba- 
ren Naturgesetze,  dem  alles  Leben  unterthan,  zu  suchen,  son- 
dern sie  machen  sich  selbst  einen  blauen  Ountt  vor,  suchen 
Schädllchkeilen  auf,  denen  sich  die  der  Krankheit  Unterliegen- 
den sollen  ausgesetzt  hitben,  und  überreden  sieh,  hätten  sich  die- 
selben diesen  Schädlichkeiten  nicht  ausgeselzt,  würden  sie  auch 
nicht  gestorben,  sondern  durch  die  Macht  der  Arzenei  genesen 
sein.  So  können  sie  freilich  bis  in^  hohe  Alter  den  Glauben  be- 
halten, sie  seien  die  wahrhaften  Lebenserhall  er. 

Es  fragt  sich:  gibt  es  gewisse  Zufälle,  aus  welchen  man  den 
bevorstehenden  Abzug  des  Lebens  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit 
erkennen  kann!  Auf  diese  Frage  läfst  sich  im  Allgemeinen  gar 
nicht  antworten ;  man  mufs  voa  den  allen  abgängigen ,  und  von  den 
jüngeren,  scheinbar  rüstigem  Körpern  besonders  handeln.  Zuerst 
also  von  den  allen. 

Die  Zahl  der  durchlebten  Jahre  gibt  wol  eine  allgemeine  Ver- 
muthung  über  den  baldigen  Abzug  des  Lebens ,  aber  in  dem  Ein- 
zelfalle kanm  eine  wahrscbeinliGhe;  denn  wer  ist  befähiget  zu 
behaupten,  dafs  ein  siebzigjähriger  Mensch  sein  Leben  nicht  bis 
auf  hundert  bringen  könne!  Es  werden  also  vorziiglich  die  Stö- 
rungen in  dem  Körpergetriebe  uns  wahrscheinliche  Gründe  über 
den  baldigen  Abzug  des  Lebens  an  die  ffand  geben.  Ich  rathe 
aber  jedem  jungen  Amtsbruder,    vorsichtig  in  seinem  Urtheile  zu 


—    128t    — 

Mio;  dcDD  die  Irtimg  in  den  VerrichtuageD  einielner  Organ*  Ist 
Kwnr  eia  Zeichen  des  verfiauenden ,  aber  nicht  dei  bald  edöschea- 
den  Lebens. 

SchwerhQrigkeit  iet  ein  gemeinee  Gebreeben  det  Alten;  aie 
kann  eobon  früh  nach  den  Siebxigen  eintreten,  und  ipricht  höch- 
itent  für  den  beginnenden  Verfali  dee  Organisrana. 

Abaahine  des  SebTermögens ,  welche  nicht  von  Fehlern  der 
Homimut,  der  Linae  oder  des  Glaskörpers  abbängt^  ist  schoo 
Tsrdäcbtiger. 

Gestörte  Verricblung  des  Herzens  kann  mebre  Jahre  vor  dem 
Erlöschen  des  Lebens  sich  zeigen,  ond  wenn  wir  die  direkte« 
gewöbnlicbe  Folge  dieser  Störung,  die  fifustwasser^ncht ,  duroh 
nnfeindliebe  Mittel  beiieitigen ,  können  die  Allen  noch  mehre  Jahre 
erträglich  gnt  dabei  leben. 

Abnahme  des  Gedächtnisses  spuren  manche  schon  vor  den 
Siebzigen  und  können  doch  über  80  Jahre  alt  werden.  Auch  die 
Schwachsinn  igkeit  spricht  nicht  für  ein  sehr  nahes  Absterben. 

Slömngen  der  Uarnorgane  (bangen  aie  nicht  von  Nieren-, 
oder  Blaseasteinen ,  oder  von  Hämorrhoiden  ab)  sind  sehr  ver- 
dächtig. Bei  der  nächtUeheo  Unaufbaltbarkeit  des  Harns  sah  ich 
vor  Kursem  einen  nennsigjährigen  Mann  noch  drei  Jahre  leben. 
Wenn  aber  den  Alten  über  Tag  der  Uain  unwillkürlich  wegläuft, 
so  ist  es  bald  mit  ihnen  gethan.  *) 

Störung  der  Verriobteog  des  Schlundes  ist  bei  ali^i  Leuten 
ein  sehr  böser  Zufall,    sie  maoben  es  dabei  nicht  lange. 

WMin  ein  Speicfaelflub  alte  Leute  ergreift,  ist  er  immer  be- 
denklich, denn  er  wird  gewöhnlich  von  eiagewürzeltes  Beuchlei- 
den genraacht,  die  an  sich,  auch  ohne  jenen  consensneUen  Zu- 
fall, t5dten  würden.  Begreiflich  ist  es  aber,  dafs  eine  solche 
Ausleerung  den  Verfall  des  Organismus  beschleunigen  mufs.  In 
nener  Zeit  sah  ich ,  hei  einem  .an  einer  verhärteten  und  vereng- 
ten Cardia  leidenden  Sietaigjähcigen »  starken  und  anhaltenden 
Spei^elflnfs  eintreten. 

Sohleimfiufs  der  Lange  als  Begleiter  des  Altert  bedeutet  nicht 
eio  nahes  Ende.  Wenn  aberAlie,  die  nicht  an  chronischem  Hu- 
sten und  Scbleimsucht  der  Lunge  leiden,  ohne  vorwaltende  schmerx- 
bafte  Bmatleiden  aoCangeB,  fro  sc  hl  eich  artigen  j  hellrotb  gefärbten 
Schleim  in  grober  Menge  ansEUwerfen,  ao  bedeutet  das  etwas 
sebr  Böses.  Ich  habe  mehrmahls  den  Tod  kald  folgen  sehen ,  ob- 
gleich   in   diesen   Fällen  andere  Zeichen  nicht   eben  deutlich   für 


*)  Die)«  UDaanikltbBrkcil  ht,  als  Vtoht  Fotgs  «Iner  bartoIckigeD  HirnTerbal- 
taaf,  nlDder  bedaBklieb  ;  ia  Hicku  KIIm  kui  4i«  Varrlcbtaat  dM  B1uu> 
■«bl'MlimatkBU  ■••h  kiinwrar  «4«  Virnfs*'**  Ztit  «»«der  ■««  FiNmalMteit  sa> 
rikkkikrM.  -  -.-.  -^^.^ 

81 


einen  schoo  weil  gediehenea  Verfall  dei  Organi 
■cbienei. 

Uebrigeni  kann  die  StSning  der  Verrichtang  »vcb  aller  ande- 
ren Organe  Offenbarung  de«  im  Verfalle  begrifienan  Oiganismaa 
■ein;  ich  habe  nur  die  gemeinsiea  berührt.  Das  Ergebnib  aller 
meiner  Beobachtangen  spricht  daCir,  dafs  wir  wol  mit  einiger 
WahricheinJichkeit,  aber  nar  in  den  weoig«en  Fftllen  mit  Sicher- 
heit das  Lebensende  der  Allen  bestimmen  können^  Selbst  der  von 
selbst  entstandene  kalte  Brand ,  der  bei  Siebzigjfibrigen ,  und  Ael- 
teren,  gewifs  im  Allgemeinen  ein  bdser,  das  im  Verlöschen  be- 
griffene Lebeo  beteichnender  Zufall  ist,  kann  Bicfat  unbedingt  als 
ein  dea  nahen  Tod  verkündendes  Zeichen  gelten.  Ich  habe  Ei- 
nen, aber  auch  nur  Einen  Fall  beobachtet,  da£i  ein  den  Acbtsi- 
gen  naber  Mann,  durch  eioen  solchen  Brand  eine  bedeuieode  Zer- 
aiSrung  der  Weichtheile  des  Unterschenkels  erlitt,  daroo  glück- 
lich genas,  and  noch  ellicfae  Jahre  auf  seine  Weise  recht  ver- 
gnügt lebte. 

Bei  ^enschen ,  die  dem  Ziele  des  Lebens  wirklich  sehr  nahe 
sind,  habe  ich  beobachiet,  dafs,  wenn  man  auf  die  TermeimUehe 
Krankheit  Heilmitlei  gibt,  diese  Mittel  eben  so  wohltfaiiige  Wir- 
kung Kaisern  können  als  bei  einer  wirklichen,  heilbaren  Krank- 
heit; die  wohlibätige  Wirkung  hat  bei  Jener  nur  keinen  Bestand. 
Zuweilen  glückt  es  selbst,  die  nosologische  Form  gans  zu  besei- 
tigen; allein  wir  können  aus  diesem  erwünschten  Erfolge  amerei 
Bemühungen  noch  nicht  einmabl  schlicfsen ,  dafs  wir  es  mit  Nuer 
wirklichen ,  heilbaren  Krankheit  tu  thun  haben.  Die  nialiche 
nosologische  Form  kehrt  entweder  bald  wieder,  oder  eine  andere 
nimmt  ihren  Platz  ein,  nnd  das  Ende  der  scheinbar  glücklichen 
Kur  ist  der  Tod. 

Jedenfalls  ist  es  unsere  Pflicht,  bei  Bebantnung  der  Allen 
immer  daran  au  denken,  dafs  wir  nicht  wissen,  was  das  Lebaa 
sei,  und  dafs  unsere  Vermuthung,  als  sei  es  iss  Erlöschen  be- 
griffen ,  keinen  andern  Einflufs  auf  unsere  Behandlnag  haben  dürfe, 
als  «Dzig  dea,  dafs  wir  uns  bei  derselben  aller  feindlichen  Mit- 
tel enthalten.  Dieser  Gedanke  wird  uns  bestimmen,  die  Allen 
eben  so  sorgfältig  xn  behandeln,  als  seien  sie  noch  nicht  dea 
Tode  verfallen;  und  wir  werden  miionter  auch  auf  erfreuliche 
Ffitl«  stofsen,  in  denen  unsere  Bemühung  nicht  blols  scheinbare, 
aondern  wirkliche  Heilung  bewirkt- 

Vor  drei  Jahren  beobaehtela  ich  einen  solchen  Fall ,  von  dem 
freilich  nicfau  Merkwürdiges  lu  berichten  iM,  als  nur,  dab  die 
kranke  Frau  fünf  und  neunsig  Jahre  alt  war.  Von  einer  epide- 
mischen Leberark/ankuDg  ergriffen,  befand  sie  sich,  ohne  ^rade 
beitlSgerig  an  sein ,  schon  eine  uobestimmie  Zeit  ia  einem  schlep- 
penden Zuilands;    Efslnst  und  Schlaf  fehlten,  die  Keifte  rerliefsen 


—    1183    — 

■i«  BichtlHir,  aai  ihr  beidilBUiii^et  Palm  denteta  auf  KhleichsndM 
Fieber.  Tochter  and  Enkel  glaubten  bestimnil,  sie  sei  am  Abge- 
hen, nad  geitanden  mir,  dafi  mehr  ein  Gefühl  der  Pflicht,  aie  die 
Hoffnung,  oder  Erwarlang,  ich  werde  der  abgängigen  Frau  helfen, 
■ie  betiimmt  habe,  meine  Kaust  in  Anspruch  ku  nehmen.  Ich  sagte 
diesen  guten  Leuten ,  was  ich  nach  dem  Leser  gesagt ,  dafs  ich  eben 
sowenig  wisse  als  sie,  ob  der  allen  G  rofsmnit  er  Lebensuhr  abge- 
'  lanfen  sei,  Sie  haben  es  als  Kinder  fiir  ihre  Pflicht  gehalten ,  mich 
zum  Heilversucb  anfzufodern,  and  ich  balle  es  fSr  meine  Pflicht,  die 
alte  Frau  .so  aufmerksam  zu  behandlen,  als  wisse  ich  gewifs,  dafs 
sie  Doeh  eines  zwanzig  r  oder  dreifsigjBbrigen  Lebens  fSfaig  sei.  Oa 
ich  nun  ans  dem  braun  geförbten  Harn  der  Alten  vermuthete ,  ihr« 
Leber  sei,  wie  damahts  bei  vielen  Hensoben,  erkrankt,  so  gab  ich 
ihr,  wie  damabls  andern,  die  Schellkranttinktur >  aodzwarin  m&- 
fsigen  Gaben ,  6  mahl  tags  4  Tropfen.  Schon  am  zweiten  Tage  sah 
ich  in  der  verminderten  Brünne  des  Harns  die  erste  Spar  der  Besse- 
rung, und  diese  schritt,  ohne  die  mindeste  Unterbrechung,  sora- 
gelmäfsig  voran,  dafs  man  sie  in  einem  jungen  Körper  nicht  dent- 
licher  und  regelmälsiger  Terlangen  könnt«.  fiAcb  zefao  Tagen  war 
das  Uebel ,  welches  man  für  Mariumut  taiilü  gehalten ,  gehoben ; 
und  da  die  Frau  nach  diesem  Straufse  nun  schon  drei  Jahre  unver- 
ändert in  ihrem  Wesen  geblieben ,  so  kann  doch  die  erzählte  Irrung 
in  dem  Kegelgang«  tfares  Korpergetriebes  unmöglich  Offenbarung 
des  abgehenden  Lebens ,  sondern  mufs  wirkliche,  heil  bare  Kranit 
beit  gewesen  sein.  Nach  menschlicher  Voraussicht  wird  die  Frau 
aber  hundert  Jahre  alt  werden. 

Da  es  sich  nun  bei  alten  Leuten  in  den  wenigsten  Fallen  ridt- 
tig  benrtheilen  lafst,  ob  ihr  Leben  dem  Ende  nahe  s«i ,  so  mnfs  «s 
am  die  Beantwoitong  der  Frage,  ob  man  dieses  bei  jangen  richti- 
ger beuriheilen  könne,  sehr  mifslich  aussehen;  zum  wenigsten  wird 
der  sehlicbte  Verstand  dieselbe  unbedingt  verneiaeod  beantworten. 

Des  Lebens  Rüstigkeit  änfsert  sich  nicht  sowol  durch  Bewahren 
des  sichtbaren  Leiblichen  und  des  erkennbaren  Geistigen  in  eeinem 
gewohnten  Wesen,  sondern  weit  besser  durch  das  Bestehen  in  dem 
Kampfe  mit  feindlichen  Einwirkungen.  Der  gemeine  Mann  hat  den 
Gtaoben ,  wer.  im  viertigsien ,  fünfzigsten ,  sechzigsisn  Jahre  er- 
kranke, ohne  je  früher  eine  enislhafte  Krankheit  Bberslanden  ed 
haben ,  der  laufe  weit  grSfsere  Gefahr  zu  sterben ,  als  jeder  andere, 
der  früher  schon  einmahl  krank  gewesen.  Dafs  aber  Kränklichkeit 
keinesweges  eine  Flauheit  des  Lebens  bezeichne  und  auf  ein  früh- 
zeitiges Absterben  schliefsen  lasse,  drückt  er  durch  das  Sprichwort: 
krachende  Wagen  laufen  am  längsten,  sehr  treffendaus. 
Dieser  Glaube  ist  unter  dem  Volke  nicht  durch  eine  Theorie  gebil- 
det, sondern  ans  der  Beobachtung  hervorgegangen  und  von  Aller 
xn  Alter  vererbt.     £r  gründet  sich    auf  die  unUngbare  Wahrheit» 


—    1284    — 

d^  di«  Rfitiigkeit  od«r  Flaaheit  den  Lebeat  deh  an  betun  aoa  dem 
Kampfe  mit  der  Kraakbeit  erkeiiB«D  lafte.  —  Bei  jungen,  oderia 
den  besten  Jahren  sich  befindenden  Kdrpern,  welebe  nie  im  Kampfe 
mit  Krankheiten  erprobt  aind,  kSnnen  wir  im  Anfange  einer  Krankheit 
gar  niebt  über  den  glücklichen,  oder  unglücklicfaen  Auigang  der 
Krankheil  aribeilea,  wenn  wir  gleich  die  Krankheit  genau  keenen, 
ein  gnlee  Heilmiirel  darauf  wiisen,  nnd  dieselbe  aicfa  nna  •chonia 
vielen  andern  Körpern  als  gefahrlos  geaeigt  hat.  let  das  Leben 
eines  scheinbar  noch  rüstigen  Menschen  fast  abgelaufen,  so  bedarf 
es,  nm  ihn  zu  lödien,  weder  der  Pest,  der  Cholera,  noch  des  gel- 
ben Fiebers;  eine  geringe  Krankheit  kann  sn  der  allerernsthaftestea 
werden,  DÜmlich,  sn  einer  solchen,  die  dem  Leben  ein  Ende  macht. 

Merkwürdig  ist  es,  dafs  Aerzte,  dia  sich  vermessen,  den  Kran- 
ken das  Leben  erhalten  xu  können,  in  Fällen,  wo  ihre  Kanst  schei- 
tert ,  es  den  Leuten  iibel  nehnieo ,  dafs  sie  das  Sterben  der  Kranken 
der  äfulieh  unmeistertiohen  Behandlung  zaeebreiben.  Voraosge- 
aetat  die  Beßihigaog  dea  Antcs  das  Leben  an  erhalten,  finde  ich 
jenes  Unheil  gar  nicht  .unbillig,  sondern  halte  es  vielmehr  für  ein 
streng  folgerechtes.  Wenn  Da,  mein  guter,  kühnmnihiger  Amts- 
bnider!  vorgibst,  den  Kranken  das  Leben  erbalten  zu  können, 
und  es  sterben  dennoch  einzelne  bei  deiner  Behandlang,  denen 
man  nicht  nachsagen  kann,  deinen  gelehrten  Vorschrifien  unfolg- 
sam gewesen  su  sein;  so  mnsit  Du  diese  entweder  aas  Leicht- 
sinn, oder  absichtlich  nnrecht  behandelt  baben,  oder  deto  Vor- 
geben  mnfa  ein  unwahres,  prahlerbafies  .sein ,  welches  von  dei- 
nem Unverstände  nnd  von  deiner  grossen  Unkunde  der  Natur 
sengt. 

Merkwürdig  ist  es,  dafs  Laadleote  nnd  schlicht  veraifiBdige 
Böiger,  die  gar  keinen  Anspruch  auf  besondere  Geistesbildung 
machen,  in  diesem  Punkte  ein  weit  richtigeres  Urlheil  haben  lia 
die  Vornehmen,  nnd  überhaupt,  als  Herren-  nnd  Damennrtige 
Lette.  Jene  verlangen  blofs  von  dem  Arzte ,  er  solle  ein  galer 
Kraakbeiuheiler ,  aber  nicht,  er  solle  ein  Lebenserhalter,  ein 
wahrhafter  Todesbaoner  sein :  letztae  verlangen  nur  die  Voraeb- 
men  nnd  Reichen;  worauf  vom  Stoiteutt  früher  sriioa  von  mir 
angeführte  Worte  zielen:  Magnaten  nan^iraai  credtMtiir  ptrvv 
«wrifti,  led  ta»titm  medicom»  aroribua,  —  Sollte  wol  in  der 
tolJslea  Fieherphantaue  jemand  ein  Geschäft  anssinaen  können, 
an  dessen  Beireiber  man  solch  naweise,  den  ewigen  Naioigeaan- 
snD  widerstreitende  Federungen  zu  machen  wagtet  — 
'  Wenn  man  von  einen  guten  Mahler  .verlangen  vrollle,  er 
aalle  MensehenbUder  mahlen ,  welche  plauderten ,  hasteten ,  nies'- 
len,  und  von  dem  Bildhaner,  er  solle  Menschenbilder  anfertigen, 
welche  von  ihren  Fofsgestellen  berabatic^en ,  nnd  sich  von  Zeit 
an   Zeil   ein   wenig  ergingen,     so    würde   wol    kein   veMtlndiger 


—    1285    — 

Mensch  mehr  Mahler  oder  BUdhancr  sein  wollen.  An  die  Aerzt» 
werden  aber  von  einer  gewissen  Men  sehen  kl  asse  Federungen  ge- 
loacht,  welche  jene  unsinnigen  noch  weit  hinter  sich  xurücklai- 
sen;  und  doch  drüngea  sich  alljShrliefa  immer  mehr  junge  Mftn> 
ner  zu  dem  Heilgaachäft ,  als  sei  es  eine  unerschöpfliche  Fond* 
grübe  der  edelsten  Lebensgenüsse. 

Der  Arzt  kann  woi  Krankheiten  heilen  und  sie  gnt  ^heilen, 
aber  er  kann  nicht  den  Tod  abwenden;  dafa  das  mein  Glaube 
sei,  des  habe  ich  kein  Hehl.  ErwHge  idi  aber  die  beaiimmie 
Ordnung}  nach  der  die  Natur  das  Sterben  des  Menschengettchlech- 
tes  regelt,  und  vergleiche  damit  die  wundervolle  Heilwirkung  der 
Arsenei,  die  ich  doch  mit  Augen  sehe,  und  glauben  mufs;  s« 
habe  ich  eben  so  wenig  Hehl,  dafs  ich  hier  in  ein  grofses  Ge- 
beimnifs,    wie  in  ein  tiefes  Dnnkel  schaue. 

Dals  mau  eia  flaaes  Lebaa  durch  feindlirfaei  nneneiisches 
Angreifen  etwas  Toneiiig  auslöscben  könne,  mnfs  ich  eben  so 
gut  Booebmen  nls  dnfs  man  das  rüstigste  Lehen  durdi  einen  tfich- 
tigen  Kenlensehlag  plötzlich  auslöschen  kann.  Ob  aber  ein  flaoen, 
dem  Tode  verfSlliges  Leben,  in  Allen  oder  in  Jungen,  durch  eine 
nilde,  nnfeindliche  Heilart  kdoae  erhalten  nud  verlängert  wer- 
den, wage  ich  nicht  zu  eatseheiden:  meine  Beobachinng  dringt 
mir  fast  den  Glauben  auf,  dafs  eine  solche  LebensverlSngeruag 
in  den  meisten  Fällen  wol  nur  eine  kurzzeitige  sein  ndchte. 


P  r  o  g  n  o  t 


Die  Prognose  drehet  sich  sowol  um  gewisse  Verindcmngen, 
die  in  dem  Verlaufe  der  Krankheit  »inirei««  werden,  als  auch 
um  das  Ende  der  Krankheit,  um  Tod  und  Leben.  Was  den  er- 
■(CB  Punkt  betrifft,  so  dienet  das  VtMhenagen  in  vielen  FäUea 
aur  Beruhigung  des  Kranken  und  seiBet  Freunde;  ich  übe  esfiel- 
fsig,  und  bin  noi  gezwungen  es  za  üben,  weil  der  gröfsle  Theil 
tneioet  Kranken  entfernt  von  mir  wohttl,  mioh  alaa  nicht  bei  eio- 
tretenden  Veränderungen,  wie  die  Städter,  zu  jeder  Stunde  b*- 
reichen  und  befragen  kann. 

Es  hilft  wenig  zur  Prognose  ^  dafs  wir  mb  Lehrbuch  dar 
.Zeichenlefare  uns  zu  eigen  machen;  Iköcbsiens  könnte  uns  diesaa 
hinsicfaliich  ehroniscfaer  Krankheiten  einige  Unierrichtung  geb«n. 
Ich  sage,  einige;  denn  wer  im  zehnten  Jahra  der  Praxis  aicbt 
begreift,  dafs  diese  Uoterricbtnng  bftchst  mangelhaft  sei  und  auch 
nicht  vollkommner  setfi  könne,  der  niufii  mit  Blindheit  geschla- 
gen sein.  Hinsichtlich  herrschender  Krankheiten  (seien  es  aknto 
oder  schleppende)  int  aber  dieser  ganne  Sohulkram  gar  nichts 
werih.     Nur  dadurch,  dafs  wir  jede  henrscbende  Krankheit,   ihre 


—    1286    — 

Zaßlle  Dod  ihren  Verianf,  ganaa  baobacfaten,  kSnoeD  wir  mm 
ricbligea  VorherMgeo  befHhigat  werden.  Aber  leider  hat  nosere 
mähsam  erworbene  Gabe  der  Vorhenegnng  keinen  beatündigcn. 
Modern  aar  einen  seitliehaa  Wenb.  In  der  wandelnden  Zeil  ver- 
fiDdem  die  Krankheilen  j  und  die  i*rogno>e,  welche  in  diesem 
Jahre  sich  ah  richtig  bewBhrt ,  kann  sich  in  den  folgenden ,  oder 
nKchitf olgenden ,  als  falsch  auswcisra :  dämm  findet  der  nnglück- 
lich«  Kopf  des  Arates  nimmer  Rnhe,  als  nur  im  Grabe,  oder  in 
einer  baneidanawerthen  Schwachsinn  igke it. 

Uebrigena  sehe  ich  diese  Art  der  Prognose  keineaweges  als 
eine  marktschreierische  Gankeiei  an.  Wir  können  den  doppeltea 
Zweck  derselben,  onaer  «igeaei  Geinaob  nnd  die  Beruhigung  des 
Kranken,  recht  gut  erreichen,  ohne  im  mindesten  die  Ralle  des 
prophetischen  Gauklers  lu  spielen;  denn  wir  sagen  ja  nur  vor- 
her, was  möglich,  höchstens  was  wahrseheinlicb  eintreten  könne, 
nicht  das,  was  gewifs  und  nothwendig  eintreten  müsse.  Letxtes 
sind  wir  nur  in  den  wenigsten  Füllen  vorheriusagen  benhiget; 
denn  alle«,  was  ans  auch  die  reiefasie  Erfahrung  gelehrt,  hat  int- 
ner  seine  Ausnahmen. 

Wal  aber  die  Vorfaerbestinmnng  des  Todes  betrifft,  lo  ist 
dies«  noch  miMicber,  insbesondere  die  Bestimmung  der  Todes- 
Hit.  Ueher  den  unglöekliohen  Ausgang  chronischer  Krankbeilen 
in  urtbaileo,  sind  wir  bei  soloben  Krankheiten  noch  am  besten 
beflUget,  die  von  der  erkennbaren  ZerBlömng  eines  Oigaas  ab- 
bangen; aber  auch  hier  mfissen  wir  mit  grofaer  Umsicht  xu  Werke 
gehen ,  nnd  mehr  den  gansen  Verlauf  der  Krankheit  als  einxelne 
Zeichen  beachten;  leiste  sind  unsicher  und  nnier  denselben  der 
Puls  am  nnsi obersten. 

Wir  atofien  xuweileu  auf  Falle,  dafs  der  Familie  des  Kran- 
ken viel,  sehr  Tiel  daran  gdegan  ist,  unter«  wahre  Meinung  Sber 
den  Ausgang  der  Krankheit  sa  hören,  weil  sie  nSmlich  Anord- 
nungen xn  machen  hat,  von  deren  Beaebickung  ihr  künftiges  bSr- 
gerHches  Sein  ahhingt.  Es  iat  nnaitllich,  solche  Leute  zo  tSa- 
■ebon ;  ohne  gemd«  die  undankbare  Rolle  des  Todeaverkündigers 
m  spielen ,  können  wir  ihnen  ja  ehrlich  unsere  Ansicht  der  Suche 
nidlieilen,  ja  ich  mfcine,  dieaes  sei  unsere  Pflicht.  Wsbrend 
meines  praktischen  Wirkens  habe  ich  Aerste  getroffen,  und  zwar 
nicht  unrerstSndige  nnd  unerfahrene,  die  in  Fällen,  wo  ein  Kind 
gewahren  konnte,  dafa  dag  Leben  dea  Kranken  auf  die  Neige 
gehe,  sich  frech  vermafsen,  ihn  erhalten  zu  wollen.  —  Warum 
thnten  sie  daa*  —  Wer  es  nicht  weifa,  der  achSme  ai^  nur  nicht 
seiner  Dummheit ;  in  manchen  Dingen  iM  das  Nichtwiasen  weit 
rühmlicher  alt  daa  Wissen. 

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Befördert  viele*   Leien   die  praktitche  Autbildung 
det  Arztetf 

BagHvi  iat  der  Meinaog,  die  wahr«  praktische  BUdnng  da« 
Arnes  werd«  w«it  besur  dorcb  da«  Lesen  dec  Werke  weniger 
bewabrteo  praktischen  Scbriftsieller  als  durch  das  heifsbangeriga 
Vericblingen  alles  «rreicbbaren  Gedruckten  enielt.  Wer  das, 
was  er  darüber  im  siebenten  Kapitel  seiner  ^axit  medica  ngl, 
nicht  gelesen  hat,  der  lese  m  nur;  es  ist  nett  und  mit  I^une 
geschrieben ,  besonders  da ,  wo  er  Beispiele  von  gelehrten ,  das 
heilst,  von  unblnitig  belesenen  Aersten  anführt,  die,  wenn  sie 
Kranke  heilen  wollten,  diese  so  nnweiM  behandelten,  dafs  «i» 
entweder  starb«! ,  oder  in  ohrooisches  Siechihnm  ver&eleo.  Er 
glaabt,  vieles  Lesen  befördere  durch  das  beständige  Aufnehaien 
fremder  Ideea  eine  solche  Geislesträgbeit,  dafi  tfer  Belesene  ni* 
laut  die  Benhigvttg  Terliere,  eigene  Gedanken  %a  erzeugen;  ja 
si«  verblende  seine  Angen  so,  dafs  er  selbst  zum  Beobachten  nn- 
taaglich  werde.  —  Es  ist  wirklich  wahr,  was  der  Tersländig« 
Mann  sagt,  man  braucht  best Kt ige nds  Betspiele  in  unserer  Li lara- 
tnr  wahiiich  nicht  weit  au  Sachen. 

Der  Arzt  mnfs  Beebacbter  der  Natur  sein ;  die  \atur  ist  aber 
nnerschSpflich  in  ihren  KrankbeiiBerzeirgnissen.  Was  di«  Schrift- 
steller beobachtet  liaben,  kämen  wir  bei  weitem  nicht  iumer 
nacbbeobachien ,  weil  ans  4iA  Natar  unablftssig  neue  Erseiifpiis« 
vorlegt,  die  wir  entrHthsela  müssen,  wenn  wir  anders  wahrhaft» 
Heilineister  sein  wollen:  darnm  sind  uns  angetrabte  Sinne  nod 
ein  gesunder  Vnsland  hschn'dthig,  n»d  wir  dflrfen  beide  niobi 
durch  eine  ungehörige  Leserei  verderben. 

Wer  da  glaubt,  er  «ei  ein  ganver  Meister,  wenn  er,  tinK- 
big,  die  Natur  der  vorkommenden  Krankheiten  selbst  so  unter-, 
sncben  nnd  za  ergrSnden,  sieh  einzig  darauf  beschränkt,  die  Be- 
obachtungen der  Schriftsteller  und  die  Heilarten  derselben  doa 
KrankheilMi  anzuzwilngen ,  der  ist  eia  Schwachkopf,  wiewol  i^ 
angebe,  dafs  er  ein  grofaer  Gelehrter  sein  könne.  Paraeelem» 
sagt:  „In  der  Arzenei  ein  jeglieber  ibnt,  soviel  er  erkennet  in 
,,der  Natur.  Der  nichts  erkennet,  thut '  auch  niebls.  Wu  er 
,.lhat,  das  mablel  er  ab,  wie  eiir  Mahler  ein  Bild  abkonterfeiet; 
„in  dem  ist  nun  kein  Leben,  also  in  demselben  Arsie  auch 
„nicht."  ■) 

Niemand  kann  Krankheiten  beobariiten,  oder  er  denket  fiber 
das  Beobachtete  nach,  er  versucht  die  beobachteten  Erscheinun- 
gen und  ihre  Verhältnisse  gegen  einander  za  erklirea,  er  ver- 
gleicht   seine    Beobachtungen '  mit    denen    bewihncr    praktischer 


*)  Uiigrtnthni  m*Me»ram  Cmp.  0. 


,,,,  Google 


—    1Z86    - 

Scbrif lataller ,  kan,  to  uinetn  Kopfe  gehen  mancfaerlei  Venun- 
desverrichtaugeD  vor,  aicht  noth,  alle  hier  antznlegen.  Die  Be- 
•bachtuag  ui  sich,  ist  dai  Geicbäft  des  SinnenmeDscbBa ,  lie 
betrifft  TerinHltB  Einielkutwi ,  die  «Is  lolche  keinen  «rfahreneD 
Arit  laBcbvD ;  mir  iler  über  di«  beobachleteo  Einzelfaeiieo  waltende 
Venund  imeht  ihn. 

El  iet  aber  mr  Bildnog  eines  wahren  Praktikers  bocbnötbi^, 
iatt  er  die  VervUndesverrichtaagen  >  nach  denen  er  am  Kranken- 
bette handelt,  in  seinem  Kopfe  sur  KlaTbeit  bringe.  Ich  läi^gn« 
«war  nieht ,  dafs  viele  Aerste  von  gutem  Rufe  noch  dunkeln  Ver- 
■undesverricblnngen  bandeln;  die  meiaten  meiner  Leser  werden 
aber  wol  mit  nit  einverstanden  sein,  daS»  der  Arxt,  der,  nach 
dunkeln  Verstandesverriehtnogea  bändelnd,  ein  gewölinllcber  g:uier 
Praktiker  ist ,  nach  klaren  handelnd ,  «in  noch  weit  besaeier  sein 
würde. 

D»  Ann  unwidenprecblieh  der  Verstand  der  Haofttbildner  dee 
praktischen  Arstes  ist,  so  ist  dringend  nötbig,  dab  dieser  Ver- 
atand inerst  selbst  gebildet  werde ,  damit  er  seine  eigenthümlicheo 
VerricbuDgan  von  denen  seiner  etwas  luftigen  Schwester,  Phan- 
tasie, uoterscbeiden  lerne.  Wie  gelangen  wir  su  dieser  doppel- 
tSB  Bildung f     Lasaea  sich  beide  gleichseitig  bewirken! 

Meiuen  jüngeren  Lesern  wüfste  ich  für  dieses  doppelte,  gleich- 
seitige Bilden  keinen  geschickteren  Lehrmeister  su  empfehlen,  aJs 
das  schriftliche  Selbsterieugea.  Wann  Ihr,  werthe  Freaode!  über 
das,  was  Ihr  am  Krankenbette  beobachiett  nachdenkt,  und  gtanbt, 
recbt  verständige  and  kluge  Gedankea  erxengt  au  haben,  ao  lafst 
Eacb  die  Mühe  nicht  verdriefaen ,  bringt  Eure  Verständigkeit  zu 
Papier.  Schon  während  des  Schreibsna  könnt  Ihr  gewahr  werden, 
«b  Eure  Verstandesverrichtungen  klar ,  oder  dunkel  sind :  die  kla- 
ren werdet  Ihr  ohne  Mühe  und  in  der  Kürze  aebriftUch  anadrük- 
ken ,  die  dunkeln  wollen  gar  übel  aus  dem  Kopfe  auf  das  Papier 
kämmen;  es  gehet  ihnen  wie  den  sweiköpfigenMifsgeburlen,  die 
Bnr  mit  grofaer  Mühe  der  geburuhälflichea  Kunst  zu  Tage  gefor- 
dert werden. 

Habt  Dir  aan  «ndliob  dunkle  Verstandesoperationen  scbrifilicb 
«asgedrückt,  so  sind  si«  doch  dadurch  um  kein  Haar  denilicber 
geworden;  also  ist  «■  nöthig,  dafa  Ihr  sie  jetzt  einer  scharfen 
Kritik  nnterwerft. 

Gewöhnlich  ist  eine  solche  sehriftlicbe  Darlegung  des  dunkel 
Gedachten  weiilänftig,  denn  wir  haben  ■llesamnit  eine  Keignog, 
durch  grofsen  Aufwand  von  Worten  die  fehlend«  Klarheit  der  Be- 
griffe KU  ersetzen  oder  zu  verstecken;  aocb  tat  die  Ordnung  in 
der  Schreiberei  gewöhnÜcb  nicht  die  beste.  Sncht  also  zuerst 
eine  verstandesrechte  Ordnung  bineinsubringen ,  das  heifst,  eine 
Bolehe,   bei  der  sich  immer  das  Folgandt  anf  das  Voihe^alieBda 


—    «89    — 

beiiahet ,  *)  and  atniobt  allao  -SbwflSsdgw  Woitaofi^aiMl  ■  weg. 
Nun  <ergli«derl  jeden  HauptgudankeD ,  ood  fragt  bei  jedem«  den 
Oedatken  bildeadeo  Worte,  w*lcheB  klare«  Begriff  Ihr  daüit 
verbindet;  besoBdara  gilt  dieaes  von  den  sogeDannten  KnastwSr-, 
tero,  die  mir  zuweilen  wie  SobaumünzeD  Torkanrnien ,  um  deren 
wahren  Werth  aich  oiemand  recht  bekümnert.  Wen«  Ihr  ao  ver- 
fahrt, werdet  Ihr  bald  gewahr  werden,  ob  Eure  VerMandesver- 
ricbtungen  von  blofa  ideellen  phantaaliachen  Annahmen,  odei  Ton 
unrerweräiohen  Erfahningaaäiien  aaigegaogen  aind.  Sind  sie  von 
idealien  Aoaahmen  aaag^gangan,  a«  ist  Cure  vermetDtlioh  aehr 
TeratSndige  Gedaakanfolg«  für  die  Praxis  keinen  Heller  werth. 
Ihr  werdetidaa  anch  selbat  gar  bald  einsehen.  Euch  nach  and 
nach  alles  änilichea  My atMisniai  enittuiaern ,  und  begreifen ,  dafa 
nur  der,  welcher  das  Heilgeachäft  zu  eiaem  echten,  auf  Beob- 
achtung gegründelen  VerstaodesgeicfaKft  macfat,  baffthiget  sei,  Er- 
fahrung zu  erweisen  uad  fortzuschreiten   in  der  Erfahrenheit. 

Nun  könnten  aber  etliche  alte  darchtriobeua  Fiicbse  unter  mei- 
Den  achtbaren  Leaem  über  den  Rath ,  den  ich  meinen  jüngecui 
Aintshrüdero  hiiiaiehllich  ihrer  praktischen  Aaahlldong  gegaben, 
Ucbelo,  und  in  ihrem  Herzen  denken ,  ich  habe  durch  diese 
UathspenduDg  mir  salbst  dia  Marke  der  vollkumnensten  Unnröa- 
digkeil  auf  die  Stirn  gedrückt.  —  Ea  ist  alao  iMHh,  dafs  ich, 
Dacbdem  ich  bis  jetzt  als  Veratandesroenacfa  itier  meinen  Gegea- 
ztaod  gesprochen,  nun  auch  als  WelitHenach  ein  Wort  darüber 
sage.  Am  acfaickliohaien  fange  ich  taeina  Rede  w^  mit  einer 
kleinen  Erzählang  an. 


*)  El  kBüBlB  mir  JnMad  rorwarrBB,  loh  laiht  «ri  der  ScbreibonlaaBe,  die  Ich 
■adam  aopraiia  , .  in  ngiDem  ägemaa  Bncha  nlabt  a^n  gobliobei ;  d«m  witra 
iob  da« ,  $a  biilta  ieb  ja  dM  enta  Kapital  ia  da«  iweite  eiateluclitela  uöi- 
lan.  Daraat  antwoita  iob  Folgeads« :  Ware  UohenAeimt  Heillebre,  in  lo  fsra 
lie  lieb  aoa  gDiweideutigeD  Stellca  «eiaer  Sehrirtea  aoakgeo  laPil,  gescbicbt- 
Ucb  bekaant,  lo  hKtts  ich  sie  dem  iweitea  Kipilsl  «inverUibeu  mDiseD  :  sie 
tat  abar  aicbt  geiebiebtltcb  bekanat,  also  war  icb  gcnotbicet,  dia  vemieiot- 
Itch  Geaebielitlicha  aicLer  Eritik  za  unterwerfiR,  ja  den  rerruhaea  Maap  raa 
•olebiD  BaaebaidliaagaD  >■  riiaigas,  welcb«  vorstiadigaa  Aeralea  bi*  jelit 
alle  Luat  bcDOOiinea  btben  möaaen  ,  laiae  eigantlicEie  BciUcbre  in  ergriiaden. 
Das  Geieliicbtlichkriiiictaa  aad  dai  HeillnbrigveritiDdharie  sind  iwei  DiDfe, 
daran  jedes  eine  besoodere  Aarmerkiamkeil  errudert,  dorum  hake  icb  taub 
jedes  {d  einen  besonderea  Kapitel  ibgebiiDdelt.  Sollten  anch  HoAenhrfmt 
Aenberaagaa ,  aui  denaa  leb  im  «ralea  Kapitel  daaaea  He'illebre  dargeitelll, 
■MDcbao  Lesera  aahag*  «twat  daakal  sebliebaa  aeia,  m  aiad  sie  ihnaa  docb 
ehaa  Zweirel ,  aachden  da  das  iweita  Kapitel  saleaea ,  rallkummeD  daDlIiih 
fiewordeD.  Das  Vamiicben  dei  Geschieb tlichkritiiehea  de«  eritea  Kapilela 
mit  dem  Hei II  eh rigvarstand haften  dfs  Ewiiiten  würde  nicht  blof*  dea  Ge- 
lehmaekulnn  gar  vieler  Leser  sehr  naangaoehm  berührt,  loadera  aarh  dl« 
AalWapkaamkait  dereelbea  larabwat,  also  dea  Baapttwaek  aller  achriRatalleri- 
«ataa  Ordaeog,  dIa  DtaUiaUwit,  kcla«aw«f«e  caflrdait  habea. 


—  ittw  — 

Vor  nflhna  JalwKi  nnterbiek  ich  mieh  einm  Tagei  Sber 
GegMitläade  der  Erfahrungis««lMilniDde  mit  eiacm  lehr  Terstän- 
digan ,  Tielteitig  gMldtua  Rachtagolftbrtfta.  Dieser  «rxfiklle  mir : 
er  bnbe  bei  Gelegenheit  eioei  Recbubandele  du  Gatacblen  eines 
alten  Aratet  geleien.  Dieee«  Gataebten  habe  einen  sienilicb  star- 
ken Aaatricb  von  Albernheit  gehabt  and  sei  dem  ekelhafieB  Ge- 
plauder einer  alten  Metroae  iahr  ibniieb  gewesen.  Er  verlangle 
oan  von  mir  zn  boren,  wie  ea  mSglicb  aei,  dafs  ein  Mann,  dem 
man  doch  den  Veretand  nicbt  abipreoben  kSnne,  der  einen  sehr 
gnien  prakiiseben  Raf  habe,  nnd  unwidenprechlicb  mit  dem  Mond« 
fix  genng  aei,  scfariftlieb  eeinea  Verstand  so  wenig  bekunde,  dafe 
man,  allein  anf  sei«  Gaucfaten  gebend,  ifan  weit  eker  für  einea 
albernen  als  fBr  einen  veraiKadigen  Mann  hallen  müfite!  —  Mein« 
Antwort  auf  diau  Frage  war  folgende: 

Die  iteebtsgelehrlea  sind  geoöihiget,  ihr«  Gedanken  tmb 
Papier  in  bringen;  dadurch  laben  sie,  tmo  Anfange  ihres  prak- 
tiieben  Wirkens  an,  beeiSndig  nnter  den  Zwange,  sieb  das  Für 
asd  Wider  in  den  Recbishändelo  dentlicb  sn  denken.  Die  Theo- 
logen, wenn  sie  nicht,  rom  heiligen  Geiete  getcieben,  ihre  Vor- 
träge ans  dem  Stegereife  hallen,  sind  ebenfalls  gendtlügct,  ihre 
Gedanken  sn  Papier  so  bringen;  leben  also  ancb  nnler  dem  Zwan- 
ge, sich  aMes  deutlich  ra  denken,  iq  so  fem  nSnlich  die  Ge- 
geDSlKnds ,  worüber  sie  sprechen ,  deallieh  denkbar  sind.  —  Aar 
einsig  wir  Aerate  geniefaen  einer  vellkommnen  GaiMe^reihett. 
Wir  examiniien  die  Kranken,  schreiben.  Rezepte,  Isafen  tob 
einem  Hanse  in  das  andere;  bekattchen  oder  bereiten  die  Land- 
Blrafse  bei  Regen  nnd  Sonnenschein,  bei  Frost  und  Hitze.  Das 
Pablikum  fragt  wenig  danach,  ob  es  Mittemsofat,  oder  Mittag  in 
ansem  K&pfen  ist;  wenn  wir  oor  fix  su  Beinen  und  nicbt  aufs 
Maul  gefallen  sind,  erwerben  wir  uAa  schon  den  Namen  guter 
Heilmeister.  Ja  da  es,  hinsichtlich  der  Heilkunst,  begreiflich  in 
den  KSpfen  der  Nicbi&rzie  sehr  dunkel  ist,  das  alte  Sprichwort, 
dals  Gleiches  sich  am  liebsien  au  Gleisbeni  geselle,  aber  ewig 
wahr  bleiben  wird,  so  ist  leicht  eiasosehen,  dafs  äralliche  Nacht- 
kftpfe  weit  besser  zn  dorn  Publike  passen  als  LichlkSpfe.  Wenn 
wir  nun  bedenken,  dafs  das  bürgerliche  Geschäft  des  praktischen 
Arztes  ihn  nicht  allein  nicht  zwinget,  sondern  ihn  nicht  einmahl 
mahnet,  an  seiner  Verstandesbildung  zu  arbeiten,  so  kSnnen  wir 
uns  ancb  nicbt  wundern,  dafs  es  Aersle  genug  gibt,  die  sich 
in  geistiger  Hineicht  ganz  vernachlSaalgen.  Enra  nandern  ist  gar 
nicht  nSihtg,  dafa  der  Verstand  das,  was  der  Mund  spricht,  snr 
Klarheit  gebracht  habe;  im  Gegeniheil,  wer  über  das,  was  dun- 
kel, unentwirrbar  in  seinem  Kopfe  liegt,  mit  selbsigenugsamer 
Miene  faselt,  dessen  unrersiändlicbe  Rede  wird  Ten  einem  gro- 
fsen  Tbeile  Menschen  guigfttnbig  f&r  tiefe  Weisbeil  bingeiMnumen. 


—    K91    — 

M«io  reehMgelehrter  Freand  wm-  mit  meiner  Beintwortang 
seiner  Frage  xafrieden,  machte  mir  aber  noch  folgend«  nachträg- 
liche Bemerknng.  Wenn  der  Arit  durch  leio  Geschäft  auch  ge- 
rade nicht  geswdngeD  sei,  seioe  VerMandeiverrichtongen  xnr  Klar- 
heit in  efheben,  and  darch  Schteibübnngen  seinen  Ventand  nach 
and  nach  an  das  klar«  Denken  zo  gewohnen,  so  sollte  man  doch 
Termnihen,  er  werde  das  schon  seiner  selbst  wegen  tbnn;  denn 
der  Gedanke,  ein  so  ernstes  Geschäft,  als  die  Heilkuost,  nach 
dunkeln  Verslandesrerricbtangeo  zu  üben,  müsse  doch  für  jeden, 
ancb  nur  halb  Gebildeten,  etwas  Unheimliches  und  Niederschla- 
gendes haben. 

Ich  kann  aber  wirklich  in  diesem  Paukte  meines  Frenndea 
Meianng  nicht  theilan.  Freilich,  wenn  der  Rnf,  einen  gebilde- 
ten Verstand  zn  haben,  dem  Rafe,  ein  guter  praktischer  Ant  xa 
sein,  keinen  Abbruch  thSte,  dann  könnte  ich  gegen  dieselba 
nichts  Gegründetes  einwenden;  aber  es  ist  unlängbar,  dafs  beide 
Rufe  sich  nicht  zusammen  Terlragen.  Die  Mehrzahl  der  Menschen 
ist  offenbar  der  Meinung,  die  Bildung  des  Verstandes  habe  mit 
dem  Heilgeschftfte  nichts  zu  thun ,  sie  schade  ihm  vielmehr.  Wenn 
also  ein  Arzt ,  auoh  ans  besonderer  Liebhaberei ,  an  ^r  Ansbil- 
duag  seines  Ventandes  fleifsig  gearbeitet  und  es  dahin  gebracht 
hatte,  dafs  er  sich  alle,  ihn  am  Krankenbette  leitende  VeiMan- 
desoperationen  klar  dächte,  so  wirde  er  doch,  wollte  er  nicht 
•einen  praktischen  Ruf  aaf  die  Schanze  setzen,  genSlhiget  sein» 
seine  Geistesbildung  sorgfsltig  zn  verbergen.  Er  dürfte  nicht ,  wie 
das  Evangeliam  rätb,  sein  Licht  lenchten  lassen  vor  den  Leuten, 
sondern  er  müfste  ans  seinem  Kopfe  eine  Diebeslaterne  machen, 
und  die  Rolle  spielen,  als  scheine  nur  etwas  faules  Holz  in  sei- 
nem Sehidel. 

Nun  ist  es  aber  eine  eigene  Sache  um  das  Rnllenspielen ; 
wäre  es  nicht  schwer,  uimI  gefaürte  nicht  dazu  eine  besondere 
Natnrgabe,  so  würden  gewifs  die  Sdianspieler  nicht  so  reichlich 
für  ihre  Vorstellung  beaahlt  werden.  Es  ist  also  offenbar  weit 
einfacher,  dafs  dsr  Arat,  statt  zuerst  seinen  Geist  mähsani  zu 
bilden  und  hernach  die  schwere  Rolle  des  Faselh'anses  zn  spielen, 
lieber  ganz  seine  Geisteahildnng  vernachlässiget  nud  ein  wahrer 
Faselhans  wird;  dann  ttrauobt  er  sich  nicht  zn  versiellen,  son- 
dern kann  als  ehrlicher  Mann   sich  den  Leuten  geben  wie  er  ist. 

Meine  Leser  könnten  aber  denken ,  ich  gefalle  mir  in  (Jeher- 
Ireibungen.  Die  Behauptung,  als  sei  der  gröfste  Theil  des  Pu- 
blikums der  Meinung,  der  Verstand  habe  mit  dem  HeitgescbäGt 
nichts  zu  tbun ,  schade  demselben  vielmehr,  sei  unwahr.  Es  wird 
also  nöihig  sein,  meine  Behauptung  zu  beweisen.  WoUie  ich  nun, 
als  beweisende  Tbatsache,  solche  Aerste  aufstellen,  von  denen 
es  Bchww  zn  sagen  sein  niöcbie,  ob  dsr  Staat  ihre  Verständigkeit 


—  vm  - 

ofer  nireCnveraläiicIigkeit  approbutf  nnd  die  democh  aich  einen 
■ebr  guten  prakiischen  Ruf  erworben;  so  konnte  man  mir  man- 
cherlei Einwendungen  dagegen  machen,  van  denen  die  obeoan 
■leben  würde:  icb  werfe  mich  unm  Richtet  über  meine  Anilage- 
nosseo  auf  und  hnlie  mich  für  klüger  als  die  Medisinaibehörde. 
Wahrlich!  ao  unTorsichiig  bin  ich  nichl,  mich  aolcben  gemeinea 
AuBstelluogen  blofezugeben.  Der  Beweia  meiBer  Behaaptung  ist 
■o  zu  fahren,  dafs  selbst  der  unertrtfgliebate  Zänker  nichts  dage- 
gen einwenden  kann. 

Ich  erinnere  nur  einfacb  meine  Leier  an  die  anUagbare  Thnt- 
■acbe,  dafs  von  Zeit  zu  Zeit  Menschen  aufstehen,  welche  ni^t 
blofi  nicht  Ton  Siaate  als  Aerzie  bestätiget  sind ,  sondern  in  deren 
KSpfen  auch  nicht  einmahl  der  Leichtgläubigste  einen  Schatten 
medizinischer  Kenntnisse  verrauihen  kann,  und  die  dennoch  eiseii 
solchen  ausgebreitelcQ  heilmeiateri sehen  Ruf  erlangen,  dafs  der 
Huf  des  berühmtesten  Arztes  dagegen  znr  Null  wird.  Es  ist  zwar 
wahr,  solche  Begebenheilen  tragen  sieh  nicht  iSglich  zu;  die  Sel- 
tenheit derselben  kauQ  aber  doeb  keinesweges  ihre  Beweiskraft 
acbwfichen. 

Ich  selbst  erlebte,  während  ich  Arzt  war,  zwei  ansgezeicb- 
net  merkwürdige  Eracbeinungeo  der  Art;  die  eine,  die  sich  ganz 
beim  Anfange  roeioes  praktischen  Wirkens,  im  Gelderischen  zu- 
trug, habe  ich  vor  32  Jahren  in  einem  Büchelcbcn  über  die  Af- 
lermediiin  der  Wahrheit  gemflfs  ersSblt;  die  zweite,  noch  weit 
merkwürdigere,  hat  sieb,  w&brttsd  ich  gegenwärtiges  Werk  ge- 
schrieben ,  auf  NiedarUndiscfaem  Gebiete ,  nahe  unserer  Grenze, 
ereignet. 

Ich  hSrte  danahls  wol,  dafs  ein  Schäfer,  den  seiner  Faul- 
heit wegen  niemand  in  Dienst  haben  wollte,  sich  mit  d«m  magi- 
echen  Heilen  beschäftige,  achtete  i^er  auf  dieses  Gerücht  nichl 
und  vergafs  es  bald  ganz.  Einige  Zeit  darauf  wurde  mir  das 
wahrhaft  Merkwürdige  dieser  Encbeinung  auf  eine  übernucheade 
Weise  unler  die  Augen  gerückt.  Ich  wohne  an  einer  der  Sira- 
fsen,  d!s  das  Preufsi&che  Gebiet  init  den  Niederlanden  verbinden. 
Anderthalb  Meilen  von  hier  ist  der,  durch  sein  wundenhäiiges 
Muitergoiiesbild  berühmte  Wallfahrtsort  Kevelaer.  Der  gröfate 
Theil  der  Niederländischen  Prozessionen  koiuml  also  meinem 
Hause  vorüber;  acht  Tage  nach  jedem  Marienlage  wird  der  Weg, 
auch  airfser  den  förmlichen  Prusessionen,  von  bin-  nnd  wieder- 
gebenden kleinen  oder  grösseren  Gesellsebaften  WallfehMr  belebt« 
von  welcher  Belebtheit  sich  der,  weicher  nie  etwas  Aehnlicbea 
gesehen,  kaum  eine  Vorstellung  machen  kann.  Nun  ward  ich 
einst  SU  einer  ungewöhnlichen  Zeit  durch  ein  solches  Hin-  and 
Wiedergehen  fremder  Menschen,  wie  in  den  aogenatMten  Okt«:- 
v«n  Statt  bat,    aufmerksam  geinacbt,   dachte  aber  nichts  anderes 


'   —     1203    — 

dabei,  all,  «i  raÜHe  wol  zu  Kevelaer  ein  Bufuiordendichm 
Motiergotteafeat  gefeiert  werdsa.  £ia  paar  Tag«  darauf  iah  ich 
raeineS  kristkalholiacheD  Nachbar  vor  seiner  Thür  ileiieii  und  fragie 
ihn,  welch  nngewohaliches  Fest  denn  doch  zu  Kevelaer  gefeiert 
werdet  Er  aalworieM:  ihtn  iel  nichts  von  einem  aolchen  Fett« 
bewufsL  —  Warum,  erwiederte  reh,  lauft  denn  *o  viel  fremdet 
Volk  nach  Kevelaer  hin  und  zurück?  Wie  in  den  Oktaven 
stehet  ja  der  Weg  nicht  stille.  —  Mein  Nachbar  versetzte  lächelnd : 
diese  Leute  gehen  nicht  zur  Matter  Gottes,  um  za  beten,  son- 
dern zum  Schäfer,  um  sich  heilen  zu  lasten.  —  Jeisi  erinnerte 
ich  mich  des  früher  vernommenen,  aber  fast  vergoltenen  .Gerüch- 
tes, und  da  ich  ihm  mein  Erstaunen  bezeigte,  sagte~  er  mir:  Sie 
werden  noch  weil  mehr  erstaunen,  wenn  ich  Ihoen  die  Art,  wie 
der  Schäfer  heilt,  beschreibe.  Er  bekümmert  sich  gar  nicht  nm 
die  Krankheit,  et  fragt  den  KraokeD  nicht  aus,  iMscbanet  ihm 
nicht  das  Wasser,  verordnet  ihm  keine  Arzenei  (bei  dem  grofaen 
Zulaufe  würde  das  auch  unmSglich  sein).  Uer  Kranke  selbst, 
oder  ein  Bothe  desselben ,  bringt  nur  einen  Lappen  Leinwand, 
der  Schäfer  bückt  sich  über  den  Lappen,  bewegt  gleichsam  be- 
tend die  Lippen,  gibt  den  Lappen  aurück»  empfängt  sein  Geld, 
und  der  Kranke  legt  die  besprochene  Leinwand  dahin,  wo  er 
glaubt,  dafs  die  Krankheit  sitze.  Wenn  Sie  nun,  fuhr  roeia 
Nachbar  fort,  bedenken,  daüi  bei  dieser  gemKchllcheo  Heilart 
der  Kranke  nicht  selbst  bei  dem  Schäfer  zu  erscbeioen,  sondern 
ihm  nur  einen  Lappen  Leinwand  zn  schicken  braucht,  viele  die- 
ser Wanderer >  deren  Zahl  schon  Ihr  Erstaunen  erregt,  von  meh- 
ren Kranken  Lappen  hei  sich  führen,  einer  vicdleichi  von  fünf, 
von  zehn,  von  zwanzig,  der  Schäfer  auch  nicht  jeden  einzelnen 
Lappen  betonderB,  sondern  viele  sngleich  bespricht,  und  wenn 
Sie  endlich  bedenken,  dafs  das  Volk,  welches  schon  durch  seine 
Menge  Ihre  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen,  nur  einen  Theil 
der  HülfeBuchcoden  ausmacht;  denn  weder  die,  die  aus  dem  Bel- 
gischen-, noch  die,  die  aus  den  Niederlanden  zu  ihm  strümen 
sehen  wir  hier,  nnd  eben  so  wenig  alle  die,  die  von  dem  jen- 
zeitigen Rheinufer  kommen:  so  weiden  Sie  bekennen  müssen, 
dala  seit  MenBchengedenken  kein  Arzt  einen  xolob  ausgehrsiteieo 
Ruf  gehabL 

Später  habe  ich  nun  einige  gesprochen,  welche  selbst  hinge- 
wesen; der  Bericht  derselben  stimmte  vollkommen  mit  der  Er  üh- 
lung  meines  Nachbars  überein. 

Mit  machte  diese  Erscheinung  in  zweierlei  Hinsicht  groftes 
Vergnügen.  -Eiumabl  beütäligie  sie  schlagend  meine  Meinung 
dafs  ein  grofser  Theil  Menseben  den  Glauben  habe,  Vetstnndes- 
bildung  und  ScballuBUniHe   seien  bei  dem  Heilgeechfifte^^tW 


—    12M    — 

nberflnufgfl ,  ja  unnätze  Ding«.  *)  Zdiii  andern  bewanderte  ich 
die  List  des  SchSfen;  sie  war  wirklich  ergetsend.  Wer  koani« 
ihm  etwas  aahabeo  i  —  Niemand ;  weder  Polisei  noch  Medixinal- 
behörde.  Man  konnte  ihn  nioht  beschuldigen,  dals  er  den  Be- 
schwörer spiele,  dafs  et  abergläabiscbe ,  goiteslästeriscfae  Possen 
treibe,  denn  niemand  wufsle,  ob  er  die  Lappen  segnete,  oder 
verfluchte;  er  bewegte  blofa,  über  dieselben  gebückt,  die  Lip~ 
pen,  and  das  verbietet  keines  Landes  Gesetz  den  Bürgern.  Man 
konnte  ihai  nicht  nachsagen,  dafs  er  den  Kranken  Anenei  ver- 
abreiche,  ja  nicht  einmahl  dafs  er  sich  nm  die  Art  ihrer  Krank- 
heit bekümmere,  aoeh  viel  weniger,  dafs  er  gedruckte  pomphafte 
Bflkanntmachuagen  verbreite:  als«  war  es  auch  anssSgltcfa,  ihm, 
als  einem  Afterarste,  die  Uebung  seines  eintrftglichea  Geschäftea 
n  antersagen. 

Wahrhaftigl  rine  solche  Erscheinung  ist  ein  trefifliches  nie- 
derschlagendes Mittel  für  den  praktischen  Sioli  mandier  Aerzte. 
Sie  dringt  uns  die  Ueberseugung  auf,  dafs  die  grobe  Zahl  der 
bei  ans  Hülfe  Suchenden  unmSglicb  ein  Beweis  ansefer  hoben 
Verstandesbildung  und  unserer  ausgezeichneten  heilmeisieriscbea 
Künsligkeit  sein  könne,  sondern  nur  xn  oft  von  äufserlichen,  er- 
kennbaren and  nnerkennharen,  nicht  in  unserer  Gewalt  siebenden 
Verbältnissen  abhänge. 

Nachdem  ich  bbu  als  Verstandes-  nnd  als  WebmeDsch  von 
der  Bildung  des  praktischen  Arztes  gesprochen,  komme  ich  noch 
einmahl  wieder  anf  BagHvi  snrück.  Er  sagt,  wie  ich  schon  oben 
angefiihrt,  der  Artt  müsse  wenige,  aber  biwfihrte  Schriftsteller 
lesen.  Das  ist  nun  wol  recht  gnt  gesagt,  allein  man  findet  doch 
auch  bei  minder  bewahrten  oder  berfihmtea,  ja  wol  bei  ganz  an- 
berühmten,  manches  Wahre  nnd  für  die  Praxis  Bmnchbar«,  wel- 
ches man  vergebens  bei  berühmten  sucht,  nnd  das  verhalt  sich  nidit 
blofs  jetst  so,  sondern  mufii  schon  so  im  17len  Jahrhundert  ge- 
wesen sein«  denn  F.  Syhiv»,  der  selbst  ein  berühmter  tAaaa 
war,  spricht  diese  Ueberzengung  an*.  Ich  meine  also,  es  lasss 
sich  den  praktischen  Aerzlen  keine  allgemeine  Vorschrift  hinsicht- 
lich dea  Lesens  geben ;  jeder  mufs  thnn ,  was  ihm  der  Geist  ein- 
gibt. Einige  treibt  die  Wifsbegierde ,  sich  mit  den  Hanptmeislera 
aller  Zeitalter  bekannt  zn  machen.  Tbun  sie  das  nicht,  aach 
Art  der  Gelehrten,  blofs  in  der  Absicht,  mit  ihrer  Belesenheit 
gelegentlich  zu  prunken,  sondern  sich  als  Praktiker  zu  belehren, 
so  kann  ich  diese  Wifsbegierd«  nicht  tadeln.     Sie  gibt    unwider- 


*)  Die  L«»cr  kSanea  iBicht  daakco ,  dafi  die  HeDga  der  HSlTe  Suchudee  atckt 
blofj  gemeinei  Volk  geweien.  Wer  lich  einbildet,  Dniniiiheit  nid  Leiebt- 
gtSiibigkeit  «ei  blofi  der  nnteren  Stisde  Gigenlhain ,  dgiten  BeksDDUcb*It  uit 
der  HeBicheowelt  bbCi  mkrUch  eine  lekr  eberflliaUieh«  leis.  <,— 


—    1195    - 

tprccblidi  eine  Tielaeltige  praktiMhe  Bildong,  «lleia  sie  führt 
auch  Bar  Zweifelung;  und  da  wenige  die  Kraft  und  An>dan«r 
haben,  durch  die  Nacht  der  Zweifel  lam  Lichte  xn  dringen,  so  ist 
leicht  EU  begreifen,  dab  die  meiaien  Aerzte  dieaer  Bildung  nn- 
stät  in  der  Uebung  ihrer  Kunst  sein  müssen,  ^ndere  lachen  eii»- 
zig  die  Belehrung  bei  den  berühmien  Meixtern  ihrer  Zeit>  Weil 
-  nun  jedeg  Zeiialier  gewisse  eigen ibumlicb«  AnNchiea  nod  Mei- 
Dungea  hat,  eo  gibt  diese  Leserei  eine  einseitige  Bildung.  Sol- 
che Aerzte  kommen  mir  vor,  wie  hofmeislerlich  gebildete  jnng« 
Herren,  sie  wissen  viel,  aber  ihr  Wissen  ist  ein  nngelenke«, 
eigensinniges  Wissen.  Sie  hoben  jedoch  den  Vorzug  vor  jeaea 
Universalisten ,  dafs  sie  nicht  mstät  in  der  Bebandinng  der  Kran- 
ken sind.  Sie  lassen  brechen ,  laxiren ,  sapfen  das  Blut  ab ,  rei- 
chen Wein ,  Branntwein ,  Aether ,  oder  erquicken  den  Kranken 
mit  Quecksilber,  Digitalis  und  andern  herssiärkenden  Dingen, 
alles,  wie  es  der  Gebrauch  der  Zeit  mit  sich  bringt;  ja  sie  sind 
so  unerschütterlich  fest  in  ihrer  Kunst,  dafs  seihst  die  ungünstig- 
ste Wirkung  der  Arzenei  nicht  einmahl  den  leisesten  Zweifel  übet 
die  Zweck mäfsigkeit  derselben  in  ihren  Köpfen  auftanchen  läfst. 

Boglivii  Worte,  dafs  der  praktische  Arzt  zu  seiner  Ausbil- 
dung sich  mit  wenigen,  aber  den  bewShriesten  Schriftstellern  ver- 
traut machen  niQsse,  bringt  mich  auf  den  Einfall,  von  der  Be- 
rühmtheit der  Schriftsteller,  zum  Schlüsse  disses  Artikels,  noch 
•in  Wort  zu  sagen.  Ich  glaube  wahrhaftig,  dafs  diese  von  Zu- 
ffiUigkeilen  abhSngt;  welche  nie  ein  sterUi eher  Mensch  gründlich 
nachweisen  wird. 

Das  wirklieh  Verslandesrechts  mnfs  doch  immer  verttandes- 
recht  bleiben,  das  Erfabrungskundige  mnfs  doch  auch  seinen 
Werlh  behaiien;  wie  kommt  es  denn,  dafs  Schriften ,  ^ia  in  mei- 
ner Jugend  für  unbändig  lehrreich  gehalten  wurden,  jetzt  ganz 
vergessen  sind ,  so  dafs  das  heulige  jüngere  Geschlecht  kaum  den 
Namen  ihrer  berühmten  Verfasser  kennet  J  —  Will  man  das  auf 
die  Menge  der  seitdem  berühmt  gewordenen  Scfariflsieller  schrei- 
ben, vorgebend,  diese  haben  ihre  Vorgänger  ferdunkelt;  so  ma- 
che ich  folgende  Einwendung.  Wir  haben  seit  dem  letzten  Viw- 
tel  des  ISien  Jahrhunderts  bis  jetzt,  ausgezeichnet  guie  Dichter 
berüfaiut  werden  sehen ;  man  findet  abar  doch  in  jetziger  Zeit  sehr 
wenig  gebildete  Menschen ,  die  nicht  auch  die  Dichtungen  6el- 
lerhy  Gleimt,  Utx,  Qeßnera,  Kleitti  und  anderer  Meisler  mit 
Vergnügen  gelesen  hätten.  Ja  salbst  weit  älter«  sind  nicht  ver- 
gessen; so  äufserte  mir  «tnat  ein  hochgebildeter  Mann  die  Mei- 
nung: keiner  unserer  heutigen  hochgefeierten  lyrischen  Dichter 
habe  je  den  inaigen  frommen  Glauben  an  die  väterliche  Vorse- 
hung Gottes  so  herzlich,  to  tröadieb,  so  erhebend  ausgesprochen, 
als    der  ehrli4;he   Am/  Gerhard  in   seinem  Lied«:    Befiehl  da 


—    1396    — 

dein«  W«ge:  mi,  aufriobtig  ad  Hgmaaden,  ich  mnfste  don 
Manne  Bei&ll  geh*«.  Paml  Qeriard  hat  ab«r  in  dem  ersten  Vier- 
tel des  f7ien  Jahrhandcrts  gelebt.  Dneh  nicht  blofe  dichterische 
Croengniue,  sondern  auch  andeie  geistreiche  Schriften  bleiben 
in  Andenken  der  ^eneoben.  Wer  iat,  der  nicht  MmehiaveU  Für- 
Men,  Voltaire»  Candide,  seine  PrinEefs  von  Babilon ,  sein  phi- 
losophisches WArterbncfa  oad  andere  seiner  Schriften  gelesen! 
Ja  es  giebt  geisireiebe  Bfidier,  deren  Verfasser  sich  nicht  ein- 
mabl  genannt,  und.  die  doch  so  ia  Andenken  geblieben  sind,  dala 
jeder,  der  nur  etwas  neugierig  ist,  die  Oeistesgebunen  früherer 
Zeit  kennen  sn  lernen,  sie.  gelesen  bat.  Von  diesen  BSehem 
neaae  ich  nur  dia  EpitMtu  obtcmromm  virorum  ')  und  den  Coss- 
pire  Mttttkitu. 

Wena  ieh  nua  sehe,  dafs  dichterische  und  andere  geistreiche 
Eneagnisse  lange  im  Aodenlien  der  Menschen  bleiben  nnd  mit 
Vergnügen  gelesen  werden;  alle  zu  ihrvr  Zeil  berühmte  medisi- 
niache  Werke  aber  in  dem  Zeitraoiae  Ejnes  Mensch enl ebene  so 
in  Vergessenheit  gerathen ,  dafs  sie  nor  höchstens  von  einem  Pro- 
fessor der  Medisin,  oder  von  einsni  Geachichtscfareiber  flüchtig 
durchsldbert  werden:  so  mufs  das  doch  entweder  an  den  prakii- 
sdien  Aersten  li^en,  sn  deren  Belehmng  jene  Bücher  geschrie- 
ben sind,  oder  an  den  Büchern  selbst. 

Dafs  es  an  dea  praiuischen  Aenten  Hegen  sollt«,  ist  mir 
ntt^t  glanblicfa;  denn  die  meisten  suchen  gern  Belehrnng,  ja  man- 
che aiiid  im  MfameD  Jahre  der  Praxis,  dvrch  Vergleicbnng  ihrer 
eigenen  Beobachtungen  mit  ihTer  Legerei ,  so  wirre  im  Kopfe 
geworden,  dafi  sie  einen. Sehriftsleller,  der  ihnen  reinen  Wein 
einschenken  und  TefstaadeBreobt  in  ihren  Kftpfen  aufrfiamen  kSnnte, 
sehr  hocbbalten  nnd  sieh  gewifs  auf  "das  innigste  laii  ihm  vertraat 
machen  würden,  er  möchte  nnn  handert,  oder  iw  ei  hundert  Jahre 
ror  ihnen  gesdirieben  haben. 

'  leb  glaube  also ,  dafs  das  Vergeesenwerden  der  medixinischea 
Schriften  in  diesen  Sehriften  selbst  zu  soeben  ist.  Ist  das  wahr, 
so  ninfs  man  dea  Gmnd  daTon,  entweder  in  dem  Verstandhaften, 
oder  in  dem  Exfabrnngakundigen  derselben  naohweisen  kSnnen. 

Das  Verslandhafte  kaan  allgemein  verstand  es  recht,  «der  zei- 
tig ▼erstandesivoht  seia.  Das  allgemein  Verstandesrecfaie ,  das  jeut 
gesehrieben    wird,    mnfs  nach  tausend  Jahren   noch  eben  so  Teiv 


')  ManelieiD ,  d«r  dieies  Biet  ^eleics ,  wird  e«  wol  (cg*B|ea  teia ,  wie  Silr 
in  raaiDem  18I>b  Jabre,  Dimablt  k*B  ea  mir  vur,  •!•  babg  der  VerfsMer 
die  Ferbeo  vivl  in  grell  BDrgclregeiii  tett  icb  aber  liogs  in  anderea  Unga- 
bangen  fewoüat,  iit  rair  diE  Uebineugaag  geworden,  dah  er  keioeimKei 
äbeririebea ,  ■ODdam  nat  du  Iraart*  GeaeMde  dar  eeiMaaHMaaf  laiiwr  Zeit 


—    1297    — 

•UndeirMht  sein  alt  sweimahl  Zwei  meh  tauend  Jahreo  noeh 
Vier  lein  mnesen.  Das  zeitig  VentBndeirechto|ist  aber  kein  wirk- 
lich Verstaadesrechles ,  sondern  wird  nur,  in  einem  gewissen 
Zeiträume,  von  einer  gröfseren  oder  kleineren  Zahl  Menschen  lur 
Terstan desrecht  gehalten.  Entweder  ist  es  etwas  TrugBchlSssiges, 
oder  ein  Mischmasch  von  Verslandhafiem  und  Eingebildetem. 

In  anserer  Medisio  ist  seit  der  Siteslen  Zeit  das  Verstandhafie 
mit  dem  Eingebildeten  wnnderbar  verauogt  worden.  Man  will  den 
inneren  Vorgang  in  dem  belebten  Leibe  erkennen ,  da  dieser  aber 
Euni  grSfsten  Tfaeil  nnerkennbar  ist,  so  kann  das  Versiandfaafia 
doch  nnr  ein  Mischmasch  von  Eingebildetem  nnd  Verstandhaftem 
sein.  Das  Trngsehtiissige  steckt  darin ,  dafs  man  eine  aogemafste 
Kenntnifs  des  belebten  Leibes  nicht  besjimmt  als  den  Pankt  an- 
gibt, von  welchem  die  den  laedisini sehen  Büchern  in  Grunde  lie- 
gend« heil  lehrige  Gedankenfolge  amsgehet. 

Die  verschiedenartigen  sogenannten  Theorien  sind  also  blojs 
Variationen  auf  ein  and  daiseibe  nnlogisebe  Thema.  Jede  dieser 
Variatiooeh  hat  ihre  Zeit»  in  der  man  sich  einbildet,  sie  m  ve^ 
stehen,  in  der  sie  also  ibro  Qaltnng  hat.  Ist  diese  Zeit  verlau* 
fen ,  und  jemeAd  spielet  dann  anf  das  alte  unlogische  Thema  ein 
neues  Stückchen,  das  seines  neuen  Klanges  wegen  Beifall  findet,  ■ 
•o  wird  das  vorige  gar  bald  vergessen;  in  Kurzem  hält  man  es 
fQr  eine  abgasohmaekte  Dudelei,  nnd  kaum  ist  ein  Menschenleben 
vergangen,  so  verstehet  es  niemand  mehr.  Es  ist  also  gar  nicht 
zu  wandern,  dafs  Büoher,  die  fast  als  nneireiobbare  Musterwerke 
an  ihrer  Zeit  erhoben  worden,  jetzt  so  in  Vergessenheit  gesno- 
ken  sind,  dafs,  bitte  dl«  pApierne  Gesdiichte  der  Medizin  nicht 
die  Namen  der  Verfasser  aufgeseichnel,  kein  Praktiker  mehr  wie- 
sen  würde ,  dafs  dieselben  Je  in  der  Medizin  gelebt  und  ihre  glän- 
zende Ruhmzeit  gehabt. 

Es  könnten  mir  aber  die  Leser  einwenden:  ich  spreche  Mef» 
von  der  Theorie,  diese  sei  allerdings  sehr  vrandelhar;  man  finde 
aber  in  praktischen  Büchern  mehr  als  Theorie,  man  finde  ancb 
Erfahrungen  darin  verzeichnet,  und  diese  seien  doeh  nicht  so  wan- 
delbar als  die  Theorie.  Bechl!  Aber  habt  Ihr,  meine  Franndel 
wol  je  darauf  geacbiet,  welchen  Einflufs  die  Theorie  auf  die  Pra- 
xis hati  Dieser  ist  weit  bedeetender,  als  mancher  unter  Euch 
denken  machte.  Der  Verstand  hilft  nns  doch  zur  Erfahmng,  er 
ist  es,  der  über  unsere  Beobachtungen  waltet,  sie  ordnet,  sie 
vergleicht,  nnd  aus  ihnen  Regeln  für  das  HeilgescbSft  abziehet, 
welche  ans  befähigen,  den  Kranken  gut  in  ihren  NSlhen  zu  hel- 
fen. Ist  nun  der  Verstand  iheilicbi  verkrüppelt ,  vermiscbt  er  das 
Versiandbafte  mit  dem  Eingebildelen  nnd  siehet  diese  seltsame 
Vermischung  als  etwas  echt  Verstau desrechtes  an,  wie  kann  er 
uns  da  xnr  wahren  Erfahrung  fDhrenl    Mir  ist  das  unbegreiflich. 

«2 


—    «98    — 

Nicht  eioRiBbl  zum  richii^a  Beobschten  sind  wir  bei  eioeni  thoi- 
licht  verkrüppeliSD  Vusiande  b«ßihiget;  denn  wir  b«obachiea  nicht 
■elteo  blofi  diejeDigen  Eracheiaang^aD ,  die  Dach  unsersr  nnlogi- 
lebeu  Lehre  wichti|^  lein  itmfsien,  und  übergehen  diejenigeD,  wel- 
che wirklich  wichtig  gind.  Wäre  das  nicht  ao,  dann  würde  ja 
dai  Obsolet  werden  der  wichtigMen  Ileilmitlet  ganz  unerklfiriicb 
leia.  Von  diesen  erwartete  mao,  nach  einer  anweisen  Theorie, 
gewisse  Wirkangen-,  und  da  sie  dieaelben  ihrer  Natur  nach  nicht 
kufsem  konnten,'  war  nan  so  erblindet,  ihre  wahr«,  uneraeixbare 
Beilwirkang  zu  übersehen. 

Zu  unserer  Zeit  sind  ißhon  manche  solcher  fast  vei^essenen 
Mittel  ans  der  alten  'Rüsikaminer  wieder  berTorgcsogen.  Gelan- 
gen die  Aentfl  aber  nicht  au  der  Einsieht,  auf  weiche  Weise  die- 
selben in  Veraeht  gekoniiaen,  so  werden  sie  durch  die  Bekaoot- 
niachung  ihrer  Beobacbtungea  die  Fortaohrilte  der  Kunst  auch 
nicht  sonderlich  fördern.  Andere  werden  anfsteheo  und  aetzen 
den  beslAiigenden  Beobachinngcn  verneinende  entgegen.  Ist  noa 
die  bürgerliche  Stellung  und  besonders  der  Sch;irisieliernif  der 
verneinendM  Beobachter  grADier  ata  der  der  bejahenden,  so  sin- 
ken die  guten  Mittel  gar  bald  wieder  in  das  Dunkel  der  Vergea- 
.  seoheit  surüek. 

Alles  wofal  artrogen,  ist  es  ako  ganz  unmöglich,  daü  die 
medizinisebea  Werke  ihren  nit  Baoht  oder  Unrecht  erworbenen 
Ruf  lange  behMipten  können;  nur  dann  würden  sie  es  können, 
wenn  in  ihnen  (wie  Paracebu»  sagt)  Tbeorika  aus  der  Praktika 
hervorginge.  Wenn  nan  also ,  wie  Bagliviy  einen  jungen  Arzt 
emahnen  wollte,  er  solle  sich  nnr  mit  den  bewährtesten  Sebrift- 
slellern  vertraut  machen ,  und  dieser  fragte  dann ,  welche  die  he- 
wfibrtesten  uien,  so  würde  man  dureb  diese  Frage  übel  in  die 
Klemme  kommen.  Sie  sind  alle  zu  ihrer  Ztdt  berühmt  und  be~ 
währt  geweseA,  ihre  Schriften  sind  häufig  und  gierig  gelesaa 
wordent  später  hat  man  sie  Tergessen  nnd  ihre  Bücher  nicht  mehr 
beachtet  Welches  Geschlecht  ist  nua  spnichfähiger  Richter  in 
dieser  Saohe,  das,  welches  die  Sefariften  hochgehalten  und  sie 
fleifsig  gelesen,  oder  das,  weichet  sie  gering  geschätzt  und  aia 
nicht  gelesen t  —  Man  mag  das  Eine,  oder  das  Andere  anodt- 
man»  so  lassen  sich  aus  beiden  Annahmen  gehässige  Folgeroa- 
gen  ziehen,  w^ehe  ich,  mit  Worten  auszudrucken,  mich  gerade 
nicht  berufen  fühle. 


itvGüogie 


-    «99    — 

/•*   meine  Behauptung,    da/*   d-urch    die    Schullehre 

(welcherlei  Farbe  lie  habe)  der  Verttand  der  Aerxte 

theilichi  verkrüppelt  »ei,   eine  Beleidigung 

für  die  Aerztef 

Dies«  Frag«  werde  ich  blofs  für  die  Schwacbe.B  bcaatworlen, 
denn  die  Starken  bediirren  der  Beantwortung  picht.  —  Dafs  keine 
bcisliche ,  hämische  Absicht  meiner  Behanpiung  zum  Grunde  liege, 
gehet  daraus  hervor,  daf*  ich  gestebe,  zwanzig  Jahre  an  der 
Dämlicben  Verslandesverkrüppeliiiij^,  worauf  ich  die  Leser  aiif- 
inerksBm  mache,  gelitten  za  haben.  Wahrscheinlich  würde  ich 
bii  xnm  Ende  meines  Lebens  nicht  zur  Heilung  gelangt  lein,  wenn 
luich  nicht  ein  Zusammenstofs  von  UmslSnden  bestimmt  bälte,  die 
Werke  des  Ptiraeeltui  mit  Aufmerksamkeit  zu  lesen,  und  wenn 
dieser  mir  nicht  ein  Licht  angesteckt,  welches  icb  vergebens  bei 
andern  Aerzleo  gesncht.  Dafs  ich  dein  Lichte  gefolgt  bin,  ist 
«ben  kein  grofses  Verdienst.  Viele  meiner  Amtsgenassen,  in  de- 
ren Köpfen,  so  gut  als  in  dem  meinen,  eine  dunkle  Verslandes- 
mabnnng  gedSmmert,  dafs  zwischen  der  rohempiriscben  und  der 
rationell -empifischen  noch  eine  dritte  verstandhafie  Erfahrungsheil- 
lehre  liegen  müsse,  würden,  halle  sie,  wie  mich,  ein  Zusam- 
menstofs von  Sufseren  Umstünden  zum  ernsten  Studium  der  Para- 
celsischen  Sehrifien  getrieben ,  den  nHmlichen  Weg  betreten  ha- 
ben, de«  nämlichen  Li«b)e  gefolgt  sein.  Ich  denke  also,  dafs 
meine  Befaanptuog  von  einem  ehrlichen  Gemüihe,  and  wnt  eher 
von  einem  demöihigea  als  von  einem  hochmüthigen  Sinne  zengt. 
Wäre  ich  ein  Schelm  und  «in  hoehmüthiger  Karr,  der  Each,  mein« 
Freund«!  plagen  wollte,  so  würde  icb  ja  ganz  von  ParaceUm» 
geschwiegen  und  raicb  geslnllat  bi^eo,  als  aü  alles,  was  ich  Ench 
gesagl,   mein  Eigentham. 

leb  begreife  übrigens  so  gut  als  einer  von  Euch ,  dafs  nicht« 
mifslicber  ist,  als  «bor  theilicbte  V  erstand  es  verkrGppelnng  zu  spre- 
chen. Wi«  ich  zn  Euch  sag«:  Euer  Verstand  ist  durch  die  Schul« 
theilicht  verkrüppelt;  eben  so  gnt  k5not  Ifar  mir  sagen,  ich  sei 
ia  den  ersten  zwaosig  Jahren,  der  Sbhnllehre  folgoad,  ein  T«r* 
ständiger  Mann  gewesen,  in  den  letzten  zwandg  Jahre«  in«in«r 
Praxis  aber,  durch  Paraceltu»  toU  gemacht,  ein  Nan  geworden. 
—  Wer  soll  nun  entscheiden!  —  Bekanntlich  haltBO  die  Beranscb^ 
ten  sich  bSufig  für  sehr  Dücbtern,  die  Verrückten  für  sehr  ver- 
ständig. Möglich  bin  ich  verrückt  oder  berauscht,  ohne  es  selbst 
ZI)  wissen;  aber  eben  so  möglich  kSnnt  Ihr,  meine  Freunde!  es 
sein.  Da  wir  nun  über  diesen  kitxlicben  Gegenstaad  bis  in  alle  • 
Ewigkeit  zanken  könnten,  ohne  aufs  Heine  za  kommen,  so  halte 
ich  es  für  das  Beste,  Euch  daran  su  erinnern,  dafs  die  anderen 
drei  FakullilaD,  die  Philotopbiscbe,  Theologische  nndJatbtische,^^ 

82"  ^^ 


—    1300    — 

Zeiten  gehabt  haben,  in  deoeo  sie  an  theilicfaler  Verilandesver- 
krüppeluDg  gelitten. 

Von  den  Philosophen  lafat  Encb  das  selbst  anslegen;  sie  wer- 
den keinen  Anstand  nehmen,  Euch  m  willfahren.  Ich  kaan  and 
mag  nicht  darüber  reden,  denn  ich  bitbe  nicht  einmahl  eioeD 
klaren  Begriff  von  dem,  was  man  heut  zn  Tage  Philosophie 
nennet. 

Die  VerstandesverkrGppelang  der  Theologen  ist  i*eit  ernst- 
hafter für  das  Wohl  der  Menschheit  gewesen.  Sie  haben  geglaubt, 
der  kristlicben  Lehre  sn  folgen,  dos  Reich  Gottes  au  förderoj 
wenn  ne  Lenie,  die  in  einigen  Dogmen  von  ihnen  abwichen,  ver- 
folgten, marterieo,  tSdieteo.  Da  nnn  dieser  Glanbe  nicht  aas  der 
Lehre  Krisii  hervorgehet,  so  konnte  er  doch  nur  die  Frucht  einer 
Veistandesverkrüppelung  sein.  Und  wie  lange  hat  diese  Verstao- 
deSTorkrüppeluag  mit  Ketten  der  Finsternifs  die  Theologen  gebnn- 
den !  Ist  nicht  erst  in  unserer  Zeit  das  Glanhen^ericht  in  Spa- 
nien anfgehoben?  Ja  wir  haben  nicht  einmahl  ein  richeres  Wahr- 
zeichen, ob  in  jetziger  Zeit  die  KSpfe  der  Theologen  gründlich 
von  dieser  Yerkrüppelung  geheilt  sind ;  wir  wissen  blofi ,  dafs  die 
weltliche  Macht  die  handgreifliche  Offenbarung  jener  Verstandes- 
verkrüppelong  nicht  mehr  duldet. 

Der  schlagendste  Beweis  der  Kopfkrankheit  der  Theologe« 
ist  jedooh  ihre  Behauptung:  der  Stifter  ooswer  Religion  set  Gott; 
seine  Lehre  aber  (die  w  doch  iaPalftstioa  dem  eiofSlligen  Juden* 
volke  vorgetragen)  ssi  so  nnbegreiflich ,  dafs  man  h  versdiied^ 
nen  Zeilen  alle  Theologen  ans  der  gansen  kristlicben  Welt  habe 
snsamni anrufen  müssen,  um  sie  su  erklären.  Sie  sehen  uns  alao, 
die  wir  doch  auch  elaige  Aosprüdi«  auf  geistige  Bildsng  machen, 
für  viehisch  dumme,  tief  unter  dem  alten  Jadenvolke  stebende 
Meoscbeh  an;  ja  sie  begreifen  nicht  einmahl,  dafs  ihre  Bebanp- 
tnng:  ein  Gott  habe  den  Willen  gehabt,  das  Volk  bu  belabrea, 
die  Gabe  der  deutlichen  Mitihailung  aber  in  so  geringem  Grade 
besessen,  dafs  man  seit  achtzehn  hundert  Jabren  ans  seiner  Lehr« 
nicht  klug  werden  könne,  eine  ongchenre,  ganz  offenksodige 
Contradictio  in  adjecto  enthalt. 

Nun  wollen  wir  uns  zn  den  Rechtagelefarten  wenden.  Hier 
«rionere  ich  snerst  an  die  Folter.  Bekanntlich  worden  nicht  hlofs 
die  gemartert,  die  eines  Verbrechens  bnichaldigt  waren,  sondern 
in  manchen  Fällen  selbst  die  Zengen ,  wenn  sie  den  unteren  Volks- 
klaasen  angehirten.  Der  Verstand  der  Rechtsgelehrten  mufste 
doch  nothwendig  durch  die  Schullehre  theilicht  verhriifpelt  sein, 
dafs  sie  aolchen  Unsinn  für  etwas  sehr  Verttfindi^es ,  bei  ihrem 
Geschäft  Unentbehrliches  ansehen  konnten.  Bekanndieh  fast  Frie- 
drich  der  Bweite ,    König  von  Prenfsen ,    znerst  diese  empSrende 


~    19»!    — 

Jnrittitclie  Graaganikeit  abgeschafft:  aber  wi«  längs  ist  sie  noch 
in  anderen  LfiBdern  geäbl  worden! 

Ferner  erinnere  ich  au  die  Hexenprox«tra.  Freilich  haben 
die  Theologen  auch  ihre  Hand  mit  darin  gehabt,  and  dem  ar- 
men Volke,  das  sie  belehren  sollten,  ihre  eigene  Veratandei- 
verkrüppelung  ganisseuhaft  mitgetbeili.  Aber  die  Re oh tigel ehrten 
hätten  sich  doch  als  sindine  Lenle  von  dieser  Geisteskrankheit 
hellen  müssen.  Sie  haben  es  nicht  getban,  sondern  sich  viel- 
mehr gegen  die  Heilung  gFstrftnbt.  Seit  unser  achtbarer  Amtgge- 
Dosse  Wieru»  sich  als  Schriftsteller  der  armen  Hexen  angenom- 
men! sind  noch  Bücher  über  die  Hexenprosesie  geschrieben,  ans 
denen  in  nnseren  Tagen  verständige  MSnner  der  lesenden  Welt 
merkwürdige  Falle  znr  Unlerbaltung  mitgeiheilt  haben.  Die  Vet- 
standesverkrüppelung  der  Rechtsgel  ebnen  ging  selbst  so  weit,  dafs 
■ie,  wenn  die  armen  gemarterten  Menseben  durch  die  unsririig- 
liebslcn  Qnalen  ohnmächtig  und  ganz  besinnungslos  wurden,  der 
festen  Meinung  waren,  der  Teufel  mache  dieselben  durch  seine 
faöllinchen  Künste  unempfindlich  für  den  Schmerz, 

Nun,  Ihr  Herren  Amtsbrüder!  die  ihr  Lnst  haben  mBchtet, 
mich,  weil  ich  Euch  einer  ibeilichlen  Veratandesverkruppelnng 
bezncktige,  für  einen  ungeschliffenen  Gesellen  za  ballen,  sagt 
mir  einmahl:  woher  habt  Ihr  doch  das  Privilegium,  von  solcher 
Verkrüppelung  frei  zu  bleiben  f  Warum  sollte  das  Menschliche, 
was  den  Philosophen ,  Theologen  und  Jurisien  widerfahren ,  nicht 
noch  den  Aersisn  widerfahren  sein?  Wäre  es  diesen  nicht  wi- 
derfahren, so  mSfste»  sie  nicht  Menschen,  sondern  wahrhafte 
Engel  «ein.  Betrachte  ich  aber  die  Geschichte  der  Medizin,  so 
kann  ich  nichts  Engelhaftes  an  ihnen  entdecken,  aber  wol  viel 
grob  Menschliches,  Sia- haben  ja  nicht  blofs  die  ihnen  von  der 
Urzeit  eingeleible  irztlidie  Verstandes  verkrüppelung  treu  bewahrt 
and  gepflegt,  sondern  sich  auch  die  der  Theologen  und  Philoso> 
pfaen  sorgfältig  angeeigenet,  selbst  mit  letzter  so  geprunkt,  dab 
man  manches,  was  in  gewissen  Zeiträumen  von  ihnen  geschrie- 
ben ist,  kaum  »bne  Hitleiden  und  Ekel  lesen  kann. 

Von  Zeit  zu  Zeit  haben  kluge  schulrechte  Aente  fiber  die 
langsamen  Forischriiie  der  Heilknnst  geklagt,  und  sich  bemühet, 
den  Grund  dieser  Zögerung  auszulegen.  Unter  diesen  Aerzian 
ist,  meines  Erachiens,  .B^&irif  dfenrf  der  aufrichtigste,  oder  der 
dreisteste,  oder  der  gröbste;  denn  er  äufsert  dieVermuthung,  as 
sei  physisch  unmöglich,  dafs  die  Aerzie  auf  dem  von  ihnen  ein- 
geschlagenen Wege  je  das  Ziel  möglieber  Konstvollendung  errei- 
chen können.  Seine  Worte,  welche  in  der  Vorrede  zn  der  Schrift 
De  imperio  to/i's  et  lunae  iM  eorporm  kttmana  ele.  stehen ,  lauten 
also:  Coi^'tchin»  aäiuc  tcatet  meditsÜMy  et  via;  dum  identiae  na-. 
Uten  mereiitr.     Id  mM   artit  iptin  indvli  deieatmr,    quae  i^erta 


—    I3W    — 

primaria  rttpual;  an  p^tüu  medid»  vHi»  verieMibim  m7,  qmi  obli- 
quHM  tramilem  üuialenfet,  labon»  taedio  in  reciam  vmhh  redire 
uolueriut;  alia*  /'oitatna  dabUur  ditpitandi  occtuie.  *)  Manche 
mS^en  wol  dieie  Stelle  gelesen  haben,  ohftr  auf  den  gvtficbtigeti 
Sian  denclIieD  zu  achten.  Er  vermuihei,  die  Aerzre  haben  eioen 
schrägen  Pfad  zu  dem  Ziele  der  niög'lichea  Konsivolleoduoir 
eingeschl^en ,  imd  au«  Faulheit  wollea  sie  nicht  in  den  gera- 
d«B  Weg  kehren.  Der  Begriff  des  SchrBgen  ist  «ber  ein  rela- 
tiver, er  wird  uns  nnr  durch  Vergleichnng  mit  dem  Geraden. 
Wenn  wir  zwei  Punkte  ans  denken ,  einen  der  mediziniBchen  Rub- 
bei^,  den  wir  A,  und  einen  zweiten,  der  möglichaiea  VoUcn- 
dang,  den  wir  X  nennen  wollen,  und  ziehen  eine  gerade  Linie 
von  \  nach  X ,  so  kann  ja  eine  andere'  aus  A  laufende  scbrSiie 
Linie,  nnd  machte  sie  mit  der  geraden  Linie  auch  den  spitzesten 
Winkel,  nie  zu  X  gelangen^  im  Gegeniheil ,  je  mehr  wir  aie 
verläagern,  nm  so  mehr  mnfs  sie  sich  von  dem  Punkte  X  ent- 
fernen. Mead»  Verinutbnng  iBnft  also  darauf  hiaaDs:  der  Gedanke 
der  Aerzie,  als  scbritien  sie  auf  dem  Wege,  den  sie  wandeln, 
rüstig  dem  Ziele  möglicher  Kunstvollendnng  nii,  enthalte  in  sich 
selbst  einen  Widerspruch,   mithin  eine  UnmSglicbkeit. 

Da  nun,  so  viel  ich  die  Literatur  kenne,  den  Aersiea  Mead* 
Yermutbung  aie  anstöfBig  gewesen,  so  kSnnen  anoh  die  min- 
dar  Freisinnigen  nnier  iiMinea  Lesern  an  meinen  einfachen 
und  Tersiändlichen  Beweisen,  dafs  des  Engl&nders  VeTmiiihang 
wirkliche  Wahrheit  anihalie,  unniSglich  einao  Anstofo  nehmen; 
sie  werden  vielmehr  als  hillige  Mfioner  sicli  des  alten  dautachen 
%iricbwortM  erinnern:  Was  dem  Einen  Recht  ist,  kann 
dem  Andern  nicht  Unrecht  sein.  Eine,  darch  deniliche, 
allgemein  rerstBadliche  Beweise  gestützte  Bebauptnag,  kann  nia 
den  wahren  Verstandesmenschen  beleidigen;  deitn  er  bagrrifi  ja, 
dals  der  SchriftsteUer  seine  Behauptung  den  Ltssern  nnr  unter  dex 
BedingoDg  als  Wahrheit  bietet,  dafs  ihr  Versland  die  Vollgültig- 
keit  seiner  Beweise  anerkenn«.  Aber  in  verstandhnfien  Dingen, 
wie  Mead,  den  Lesern  hlofse  Vermnihungen  in  den  Bart  werfen, 
das  balle  ich  nicht  blofs  für  unschicklich,  sondern  auch  für  be- 
Isidigend. 


Hippokratt: 
Die  Kritik   hat  in   uaner  Zeit  die  Schriften  des  Manna  sehr 
bescboilten.     Während  ich  g^geuw&rtigea  Werk  geschrieben ,  habe 

*)  Ob  er  in  tlner  ■öderen  Sebrill  anträbrlicher  Sber  d!eien  GerMiUod  getpr*- 
cten,  weift  Job  siebt;  ieb  hibs  iBfier  ^rm  benitlkn  BSchelobeD  ntebts  ree 
Uli»  geleeea ,  «If  *elna  Momlim  tt  frateeptM  mtJiea  »d  leiae  Mtttkamtat 
»xfMiUt  vtmtmnm  ttcj  !■  beidea  Sebrinon  enribst  «r  der  Sashe  aicbU 


—     1303    - 

ich  noch  die  AnkQnJiping  «in«r  neuen  Kritik  eioei  Üippokraii- 
scbeD  B«cbe»  (ich  weifs  nicht  mehr,  welches)  geleaen.  Wenn 
es  so  fortgehe!,  wird  man  vielleicht  nach  hnndert  Jahren  keine 
echte  Hippokraliiche  Schriften  mehr  heben.  Dieser  Schrifiitelier 
hat  wirklich  merkwürdige  Schicksale  gehabt;  bald  hat  man  ihn 
hinter  die  Bank  geworfen ,  bald  ihn  sn  einem  fast  göitlicben  Wei- 
sen erhohen ,  in  deaaen  Schriften  man  alles ,  was  einem  noih  sei, 
finden  kilnne.  Von  der  Scheidekunst  z.  B.  bat  er  gewifs  niebla 
mehr  verstanden,  ah  heat  zu  Tage  ein  SlÖfser  in  einer  A polheke, 
und  doch  machte  1668  Otto  Tacheniti$,  in  seinem  Sippoerate 
chymico,  ihn  zum  trefflichen  Chemiker.  Selbil  <lai  Wort  Alqfiy- 
mie  leitet  er  aus  dem  Griechischen  her,  nämlich  von  aA;  und  x*") 
dafs  es  also  eine  Salsschmelzerei  hedeitten  mäfsle.  *)  Solche  alle 
Schriften,  die  durch  die  Hände  vieler  Abschreiber  gegangen  und 
so  manchen  vermeinlÜchen  Verhesserer  und  Ergänzet  gefunden» 
können,  nach  meiner  Ansicht,  nnmöglich  einen  grofsen  prakti- 
schen Werlh  haben.  Die  Merkmahle,  vermittelst  welcher  man 
die  echten  Hippokralischen  Schriften  von  den  unechten  onterschei- 
den  soll,  aind  bekanntlich  ziemlich  nnaicher.  Eins  der  Haupl- 
kennseichen  der  Echtheit  soll  die  gedrSngte,  oft  an  Dnnkelheit 
grenzende  Kürze  des  Ansdruckes  sein;  mir  will  das  aher  auch 
nicht  recht  einleuchten.  Man  stöfst  ja  aufstellen,  die  nicht  blofs 
an  Dunkelheit  grenzen,  sondern  ganz  nnvemändlich  aind;  so 
«direiht  aber  kein  kluger  Mann. 

Die  Aphorismen  werden  von  den  Kritikern  für  echt  gehalten ; 
znm  wenigsten  hat  Gate/t,  der  dem  Hippokraiei  nm  17  Jahrhun- 
derle nfiher  stand  als  wir,  an  der  Echtheit  derselben  nicht  ge- 
zweifelt, denn  er  hat  ja  eine  Auslegung  derselben  geschrieben. 
Abgesehen  von  dem  Gezwungenen,  worauf  man  hin  ond  wieder 
io  seinen  Commentarien  siSfut,  bleiben,  trotz  seiner  Auslegung« 
manche  Aphorismen  noch  unverständlich,  oder  der  angeblichen 
Erfahrenheit  des  grofsen  Meisters  widersprechend.  In  des  gelehr- 
ten Ouiliel,  Planta  Uebersetzung  der  Galenischen  Commenlare 
findet  sich  ein  Anhang  unter  der  Aufschrift:  Guilielmi  Plantü 
annotationet  in  obicuriore»  aliquot  Hippokraiit  aphoritmoi.  Dar< 
IQ  sucht  der  Verfasser,  als  ein  echler  Anhünger  des  Hippokra- 
te»t  19  dunkle,  und  trotz  Gttlem  Auslegung  dunkel  gebliebene 
Aphorismen,  mit  der  Verständigkeit  und  Erfahrenheit  des  an- 
geblichen Verfassers  in  Einklang  zu  bringen-  Er  ist  aber  offen- 
bar ein   sehr  linkischer  Anwalt,    denn  durch  seine  Vertfaeidigung 


*)BekuaiUGh  war  On*  TMAniAn  euw  tm  dcnes ,  welcba  die  CwlMi«!b-Sfl- 
viMke  a«aiauie  aüt  dsa  BlppokrMisMs  su  üom  vemdiee.   .:,CiOOqIc 


—    1304    — 

■mIIm  «r  in  Erfohraagavidrig«  der  b«spro«beiMD  Sit»  «ist  nAt 
lu  ein  grellM  Lichl.  'J  ^ 

KStm  Dnd  GedrSnglheit  d«  AnadruckM  atebst  dach  mit  nn- 
nauea  Wiederhol  iingen  in  geradem  Widenpruche ;  wef  hat  aber 
•in  to  schwaches  GedächiDifs ,  dBfs  er  nicht  beim  Darchltseo  der 
ApborUaeD  auf  Wiederbolaogen  siofseo  solltet  V«rgleicfat  man 
die  AphorwBseo  mit  dem  PragKott, ,  den  C«ao»i  praeitot.  ond  den 
PtorrheticUy  -ao  hrancbt  niaa  eben  keine  mnckeaseigarUche  Nalnr 
an  haben,  um  Witfderholuagea  m  gewahren.  **)  Die  angeblich 
gedrängte  Kiirae  scheint  mir  also  ein  sehr  swcifelhaftas  Herkawfa' 
der  Ecblhek  der  Hippokratischen  Sclkriften. 

Ich  hatie  eint  lange  oicbts  ttber  Hippokrate*  giin»ay  da 
Idm  mir  in  neuer  Zeit  ein  Joonwiaufsali  anter  die  AugA,  dee- 
aen  Verfasser  behaaptet,  er  lese  iSglich  in  Mippohmtt»  Sebriften, 
nnd  kdnne  siob  nicht  satt  dario  leeeq ,  and  finde  je  ISnger  er  lese 
je  mehr  Weisbeil  darin.  Maa  kann  freilich  nicht  iber  daaeigen- 
ihümlicbe  Bedürfoifs  eines  Geistes  nrtbeilea;  mit  scheint  aber, 
wer  so  rie)  praktische  Weisheit  bai  Hipp9kraUt  fände,  der  miilsie 
ans  krisilicher  Liehe  sie  ans  miitheilen,  dann  könnten  wir  über 
dieselbe  nnd  augleich  über  die  Weisheit  des  Mittheilers  ortheileD. 
Wäre  wirklich  so  viel  prakiiseh  Nüuliches  in  Hippkrmte*  Schrif- 
ten, so  würden  die  aufrichtigen  Verehrer  des  MaoOes,  deren  doch 
viele  gewesen,  sich  dieses  Nutzliche  aogeeigeaet  nnd  die  Medizin 
unglaublich  vervollkommnet  haben.  Ich  kann  aber  diese  Vecroll- 
kommnung  nicht  in  ihren  Schrifiea  entdecken;  ins  Gegentbeil, 
inanche  derselben  scheinen  mir  lienilich  bescfarSnkte  Köpfe  za 
sein,  deren  praktische!  Wissen  ich,  wftre  es  käuflich,  nicht  an 
zehn  Groschen  erstehen  mächte.  Unsere  besseren  praktischen 
Schriftsteller  sind  keipesweges,  Hippokratiker;  sie  haben  dem  fli/r- 
fithratet,  dem  tÜtestea  Schriüsieller ,  dem  für  seine  Zeit  Terstäa- 
digeo  Manne  blofs  dadurch  ihre  Achtung  bezeigt»  d«&  sie  g:ele- 
gentlich  einige  Stellen  aus  seinen  Schriften  angeführt.  Xun,  mit 
aolcbeo  Stellen  künnte  ich  auch  mein  Buch,  obgleich  es  fast  Toll- 
endet,  noch  sehr  gemjäcblicb  verhrSmen;  da  ich  aber  dem  t^len 
Hippokratet  keinen  Gefallen  damit  tbun  würde,  und  eben  so  we- 
nig meinen  lebenden  Lesern,  so  werde  ich  es  bleiben  lassen. 

^  amiHt  G^tmt  Im  AfAuitmat  tÜfpoeraH*   ecmmtnlaTim  tx  imttrfrttmUtmt 

MrUn»  T«a  iMgdmmt  1613. 
'*)  Bj  fibt  tmtk  Aaigsbeo ,  in  dtats  nnler  j«d«H  Apkorinuu  di«  Psrtllslrtel- 
len  aa*  allen  Werkan  daa  Hippolralet  benerkt  liod.  Ich  lab«  twai  loleber 
Autabee:  die  eine  i«t  ran  Tieoi.  Janasia  Lugdatti  Bat.  lflS5;  la  diwar 
iadet  nas  Diebt  bl«b  FarallelatBllaa  soi  daa  Fippokraliaebea ,  aaadara  aaeb 
•BS-  i»m  Sehrtnen  aadaMT  alt«*  Amte.  IM«  wrfere  Aaagaha  iat  vm  tmemt 
r«rAaM(  £««<.  «a<w.  «TB.  -.-..... 


—    1305    — 

Der  Hippokratiiche  Eid  muis  wol  ein  falicher  Eid  ■ein ,  dem'. 
bei  K,  Sprtngtl  finde  ich  ilin  nicht  in  den  Canon  der  Hippokra- 
tinehea  Schriften.  Meine  Meisler  in  Jena,  die  doch  grondgelehrte 
Leute  waren,  bieken  ihn'  ohne  Zweifel  für  echt,  denn  in  dem 
Doktoreide,  deaich  ichwören  luufsle,  und  in  dem  von  viel  gqtea 
Dingen  die  Rede  war,  Iura  auch  am  Ende  die  Formel  vor,  dafa 
ich  allem  naebkommen  wolle,  waa  in  dem  Hippokratiachen  Eide 
atahe.  Leider  hatte  ich  aber  damahia  dieien  Eid  noch  nicht  ge^ 
leaen ,  kannte  also  nicht  den  ganaen  Umfang  aaeiaea  Gelöbniates, 
Spttter,  wie  ich  mi«h  nach  imd  nach'  mit  den  alleren  Schriftstel- 
lern, je  'Bachdem  ich  aie  kanfen  oder  leiben  kennte,  bebannt 
machte,  bam  nun  aach  Bifftkrat«»  an  die  Reihe.  Da  ich  einst  • 
den  Eid  laa,  überlief  mich  ein  Sebauder,  denn  ich  fand,  dafa 
darin  der  Ans»  verspricht,  seinen  Meisi«-  su  ernfthren,  und  ifam 
alles  lu  reichen,  deaaen  er  bedürftig  sein  könne,  aach  die  Kin- 
der des  Meisfen  wie  seine  eigene»  in  hallen  und  sie  nnanigelt- 
lidi  die  Kumt  an  lehren. 

O  Himmel!  ich  hatte  nicfil  Einen,  ich  halte  mehre  Meister 
gehabt.  Waren  sie  nicht  an  meinem  groTsen  Glücke  wohlhabende 
Leute  gewesen ,   ich  btttie  verdammt  in  die  Dinie  kommen  können. 


i''ranx     S  y  l  p  i  u  ». 

Dieser  berShmte  Arat  iit  nächst  Paraeetia»  der,  mit  dem  die 
Geschieht  seh  reib  er  am  übelsten  nmspringen.  Es  ist  freilich  eine 
schwierige  Aitf^abe  für  den  Gesch ichtich reiber ,  die  Lettre  he- 
rnhmter  Aenste  deutlich  und  wahr  in  der  Kiirse  darzustellen ,  denn 
er  ist  genöihiget,  diese  Lehre  ans  den  Aeufsernngen,  die  in  ihren, 
nicht  selten  an  gans  verschiedenen  Zeilen  verfafiien  Schriften  vor- 
kommen, Busammenxuflickea;  ja  manche  haben  ihre  eigene  Lehre 
sich  selbst  nicht  einmahl  klar  gedacht.  'In  Erwitgang  dieser 
Schwierigkeiten,  mnfs  man  also  dem  mit  so  vielen  Gegenständen 
beschäftigten  Geschichtacbreiber  einen  kleinen  Mifsgriff  in  der 
Darstellung  xo  gute  halten.  Wenn  Atx  ein  so  berühmter  Mann, 
wie  SyhiUB,  als  ein  halber  Narr  dai^estellt  wird  (das  würde  er 
sein,  wenn  er  seine  Heillehre  anf  blofs  chemische  Grundsätze 
hasirt  hütie ) ,  so  mufs  es  doch  dem  sinnigen  Leser  sehr  unglaoh- 
lii^  vorkommen ,  dafs  die  grofte  Menge  Aersie,  die  dem  berühm- 
ten Manne  angehangen,  auch  allesamml  halbe  \arren  gewesen 
sein  sollten,  and  die  Vermuthnng  mnfs  sieh  ihm  aufdringen,  der 
Geist  der  Lehre  des  Meisters  sei  von  den  Geicbichtschreibern  un- 
richtig Bufgefarai. 

So  verhfill  es  sich  denn  auch  wirklich  mit  Sylviut  Haillehra. 
£■  ist  wahr,    sie  gründet  sieb  scheinbar  auf  chemische  Sötze,  nnd 

83 


—    1306    — 

M  Ut  eb«a  ao  wahr,  daf^  die  Kategori«  das  Saaren  die  wich- 
ligste  Rolle  darin  apiall.  AUaia,  iat  diese  verspotuie  Kaiegorie 
eioe  wirklich  rein  ehemiadial  —  Wer  dai  behaaptei,  der  mnfa 
S]//vitu  Schriften  nur  sehr  fliicblif  iarohtanÜMi  haheo.  Diese  Ka- 
tegorie iBt  offenbar  etile  Miachkaleg«rie ,  xiiiii  Theil  eine  virklieh 
chemiNch*,   aum  Theil  blofs  eine  gedaokcnbildlich  clientaoke. 

Dafi  er  durch  (ha  Ammonium  und  andre  tüarewidrige  Htltiel 
Krankheiten  geheilt  habe,  darui  wird  wol  keiaer  xweifeln,  d«c 
auf  die  cbemiaehe  VerttnderuDg  der  kUifie  in  Kranichaiian  geach- 
tet hat.  Da  aber  Sglviu»  Erkrankungen,  die  er  von  SSure  ber- 
leiiel,  niobi  aalten  mit  Rolchen  Mitteln  behandcli,  welche  keine 
Näiire  neatralisirea  nnd  eben  ao  wenig  fiie  ausleeren  könaen,  ao 
im  ja  aeina  Kategorie  dea  Sauren  unwideraprecUich  auch  eine 
blofs  gedankeobildlicb  «hemiache,  mithin  eine  Mischkategorie. 
Er  aeljbst  hat  lieh  nie  die  Soheid«liaie  awischen  dem  wirklich 
Chemitchea  und  dem  gedankenbildliGh  Chemischen  in  seiner  Lehre 
deutlich  gedacht:  also  kenn  auch  jetii  kein  anderer  aidi  dieselbe 
klar  denken  und  rersiXndlich  ausixen ;  man  kanti  bl<^  deutlich 
denken,   dafa  er  sie  aicb  Dicht  denilich  gedacht. 

Ich  sehe  darin  ober  gar  nichts  AnfserordentJichea,  oder  XSr- 
rischei,  dafs  ein  Arxt  Krankheilen  unter  gedenken  bildliche  Kate- 
gorien reihet;  das  ist  ja  etwas  gans  AlltBgliches  in  der  scbul- 
rechten  Medizin.  Jedem,  der  dieses  thut,  bleibt  ja  die  Frei  heil, 
auch  die  Araenei  unter  jede  beliebige  heilmittellebrige  Kategorie 
zu  bringen;  mithin  kann,  ao  seltsam  seine  Lehre  auf  den  ersten 
Blick  scheinen  mag,  zwischen  seinen  pathologischen  und  (hera- 
peutifichen  Gedanken  eine  überraschende  Folgerichiigkeit  Statt 
haben.  Man  mufs  es  also  nicht  als  Prahlerei  ansehen,  Kenn 
Sfflvim  dreinl  behauptet ,  die  Praitis  bestätige  seine  Theorie.  Je- 
der, der  eine  neue  auf  eine  aogemafste  KenntDifs  dea  belebten 
Menscheoleibes  basitte  Theorie  aufbringt,  und  w&re  sie  auch  die 
unsinnigste,  kann,  ohne  im  mindesten  ruhmredig  au  sein,  das 
NSmliche  behaupten.  Meinen  jüngeren  Le&ern  will  ich  diene« 
durch  ein  kleines  handgreifliches  Beispiel  deutlich  machen. 

Gesetzt,  ich  wollte  eine  Theorie  der  Gelbsucht  aufstellen, 
und  sagte:  Eine  abnorm  saun  Galle  reise  die  GallengSnge  aum 
Zusammenkrämpfen ,  dadurch  werde  der  Etgufs  der  Galle  in  das 
Duodenum  behindert,  di«  Galle  eingesogen,  nnd  weiter  auf  dl« 
Haut  und  andere  Organe  abgelagert:  so  stände  es  mir  ja  frei, 
dem  Schpllkraule,  mit  welchem  man  bekanntlich  manche  Gelb- 
sucht heilen  kann,  eine  säurewidrige  Kraft  beizulegen ,  ond  hätte 
ich  einen  Kranken  dadurch  geheilt,  so  kBAnW  ich  auf  die  Rich- 
tigkeit meiner  Theorie  pochen  nnd  jeden  auffodern,  sich  ron  der 
Bestätigung  derselben  sinnlich  zu  Oberaengen. 

Abermahls  k&nnle  es  mir   elnfalleo,    eine  andere  Pathologie 


—    1307    — 

der  GellMacht  zn  ichniieden.  Ich  kSnoie  tagen,  wie  eheuahl« 
ßegnm-  in  seioeR  Buche  vod  der  Rabr,  die  Gall*  babe  eine  ar- 
«•nikaliscfaa  ScfaSrfe  aagenommen  uad  dieie  Schärfe  die  Ziisaiu- 
neokrämpfusg:  der  GallengSnge  bewirkt  u.  s.  w.  Legte  ich  nan 
dem  Scheflkraule  antiarBenikaliache  KrKfie  bei  und  heilte  mit  dem- 
selben die  Gelbaocht,  m  würde  meine  Rat7.eokrauilbeorie  auch 
hMtdgraifltch  dnrcb  die  Praxis  twalliiigat  lein. 

AbermafaU  kdnote  ich  auf  den  Gedanken  geraihan,  der  alte* 
reu  Venutpfnagglehre  folgend,  sn  sagen:  dfe  GalleDgänge  seien 
verslopff,  daram  könne  die  Galle  sich  oicfat  in  den  Darmkenal 
ei^ieÜMn  n.  i.  w.  Heik«  teb  nqa  die  Gelhsucfat  darofa  Seh  eil  kraut, 
HO  breuchle  ich  diesem  nar  eine  aofl&sende  Kraft  beiiolegen,  nnd 
meine  Theorie  wurde  in  der  Heilong  die  aug«nffiflige  Beiiäiignng 
6aden. 

In  di««em  kleinen,  einfäliigsn  Beispiele,  mein«Leaer!  sietdil 
dt«  stereoiypiicbe  Formel  aller  schillrechten  Theorien.  Daniro  ist 
es  höcbsl  unweiie  von  den  Geschichtschreibern,  dats  sie  noa  £1«/- 
vi^*,  seiner  vermeintlich  chemischen  Theorie  wegen,  als  einen 
kalben  Narren  darsteileo.  Auf  solche  Kritiker  pafsl  gar  tnffflicfa 
das  alte  franadsische  Sprichwort:   La  pelle  te  moqtte  du /aurgvn. 


lu    die  Heillehre  der  alten  tcheidekUnitigen   Sekte, 

deren   einziger    Vergegenwärtiger    Paraceltut   itt, 

unserm  Zeitalter  verttandetnea? 

Das  Ganxe  dieser  Lehre  ist,  meines  Eraehtens,  nnserm  Zeit- 
alier  ventandeaneu ;  das  beifst,  bis  jetzt  itt  diese  Lehre  als  folge- 
rechtes Ganze  noiJi  nicht  vorgetmgeo.  Wäre  das  je  geschehen  ,  so 
milfste  es  ja  die  Geschieht«  der  Medisin  ausweisen;  diese  verwirret 
ais  aber  in  dem  Punkte  mehr,  als  dair  sie  uns  belehren  soltie. 
Uebrigens  bin  ich  überzeugt,  dafs  die  Lehre  von  jeher  dunkel  io 
dem  Verstände  aller  gutan  Praktiker  gelegen  hat,  dafs  diese  meh^ 
oder  ntiader  nach  derselben  am  Krankenbette  gehandeil.  Weil  ihr 
Verstand  dirse  Lehre  aber  mit  der  Schullehre  nicht  einen  konnte, 
die  Scbullehre  als  ein  Heiligtham  betrachtet  wurde,  welches  keio 
auf  den  iVamen  eines  gelehrten  oder  nur  varstSndigen  Arztes  An- 
sprach Machender  dürfe  fahren  lassen,  so  war  es  auch  unmöglich, 
daCi  sie  das  dunkel  in  ihnen  Liegende,  sie  am  Krankenbette  Lei- 
tende, mit  der  Scbullehre  Unvereinbare,  zur  mitiheilbaren  Klarheit 
biinj^en  konnten;  sie  nannten  es  also  das  praktische  Gefühl.  Nach 
meiner  Ansicht  ist  mithin  die  Lehre  der  allen  GebeiinSrzte  nichts 
anders,  als  das  znr  verstandhaften  Deutlichkeit  gebrachte  ärzilieb- 
praktische  Getühl. 

Wal  aber  die  eiuelnen  Punkte  der  Lehre  bolrißt,  so  kann  laah 


—    1308    — 

gvwifii  nicht  behanpien,  dafs;sie  im  itreng«n  Sinn«  du  Wortes 
neu  aaien.  Jeden  ist  bakaiint,  dcfs  di«  Aenn«  Mit  der  Sireitsn 
Z«it  auf  den  erkrankten  GeaBiiiratorfaniimat  heilend  ainiDwirken 
venucht  haben;  wBhrcnd  in«iner  Lebisil  hat  ja  noch  die  Erre- 
gungstbeorie   einzig   darin  das  Heil  nnd  die  ArElweisheit  gerocfat. 

Dafa  man-  aber  leit  der  Sliesten  Zeit  Organ  er  krankongen  an- 
erkannt nnd  Organ  heilmittet  gehabt,  daran  ist  an^  nichlm  iwei- 
felo;  man  braucht  nur  Qale»  darüber  naebxuiehen,  oder  den 
Dioikoridet ,  oder ,  wer  et  lich  ganx  gefflHchlieh  machen  wilJ, 
nur  den  Juttm  Molltnu. ') 

Wollte  man  mir  einwenden,  der  Begriff  der  Organarkran* 
kung  «et  bei  den  meisten  Aeraten  noch  bis  dieaea  Aageobliek  roh, 
fast  ungeschlacht  Galeninefa  geblieben,  so  mBfsie  ich  das  im  AU- 
gemeinen  xwar  angeben:  allein,  nach  dem  Geiamniteindnick ,  der 
mir  Ton  meiner  geringen  Leserai  geblJehea,  snaprecben,  kommt 
et  mir  doch  vor,  dafs  auch  manche  gute  schnireehte  Aeme  «in» 
Ahnung  von  der  Wichligkeil  der  Urorganerkrankangen  gehabt,  und 
begriffen  bähen,  dafs  Organe  urerkrankeo  kSnnea»  ohne  daft 
diese  Erkrankung  gerade  mit  Händen  an  greifen  sei,  und  dafs 
von  diesen  geheimen,  blofi  durch  consensuelle  Leiden  eich  offen- 
barenden Erkrankungen  die  seltsamsten  Krankfaeitsformen,  ja  die 
geföhrlicfaslen  akuten  Fieber  nicht  selten  abhangen.  Ich  gestehe 
aber,  dafs  ich  mir  dergleichen  einzelne  beiläufige  Aenfserungen, 
die  wie  Lichifunken  dem  praktischen  Geiste  mancher  Schriftstel- 
ler enispriihen,  nie  schriftlich  bemerkt  habe,  nnd  sie  jetzt  wie- 
der aufzusuchen,  würde  nicht  blofs  ein  beschwerliches,  sondern 
nach  ein  langweiliges  Gesehüft  sein.  Eine  Ermahnung  jedoch  des 
Laxarut  Rivenui  ist  mir  im  Gedlithtnifs  geblieben,  and  swar 
dethalb,  weil  ich  sie,  selisara  genug,  am  Ende  des  zweiten  Ka- 
pitels Dafebrätui  putridi»  contimiit  unter  der  Aufschrift  Appen- 
dix gefunden.  Sie  lautet  also:  Jn  fybrium  aeutUaimaru»  et 
pemicioiarum  euratiome,  hoc  düigenter  adcertendum,  rarinime 
ea»  ßeri  »ine  interna  et  pecuUari  vi»cerit  a(funiam  affectione^ 
et  plerumqne  inflammattone,  Quare  nwnquam  omtttenda  cura  Inf- 
poekondrioriim ,  eapiti»,  tkoracis,  nieri,  renum  et  vetkiae:  ut 
owmi  ratione  invettigemut ,  qua»  iamm  partium  imigniler  laha- 
ret,  et  eiy  quoad  ßeri  patett,  tubveniatur.  *')  Diese  Crmab- 
Dung  des  la  Biviere  int  offenbar  ein  blofses  Wetierlenchten  sei- 
nes praktischen'  Geffihls,  das  sein  schnirecht  Tersintzter  Verstand 
nicht  mit  der  Schullehre  zu  einen  wofirte,  darum  macht  er  eine* 
Appendix  daraus. 

*}  Fateleula»  rtttdiarum  *r  Dinevridt  et  MatAioh  a»mibnt  Aumami  tt^p»Ht 
^ff'eetlbul  mtlhotliet  aeeomadmUrum.     Ptr  Jultiin  Mellemm.     Batiliaa  ISIS. 
")  Praxi»  w*dtoa  Tm.  II.  pay.  399.  -.-.— ^^.^ 


—    1309    — 

Uebcrhaupt  glaub«  ich,  wären  itie  einzelnen  Punkte  der  ge- 
heiinSntlicheo  Lehre  vollkommen  neu ,  lo  wurde  die  ganze  Lehre 
wqI  aus  lauier  Unwahrheiten  xosammengeflickt  sein;  denn  wie 
lifit  es  sich  denken,  dafs  das  durch  Beobachtung  Erkennbare, 
nicht  TOD  dem  einen  oder  dein  andern  achiilrecbien  Arzte  sollte 
erkannt  sein,  und  wie  ISfst  es  sich  denken,  dafi  das,  was  in 
dem  Verslande  aller  Menschen  liegt,  nicht  von  Zeit  zu  Zeil  in 
dem  einen  oder  dem  anderen  scfanlrechien  Arztkopfe  sollte  aufge- 
lanchl  seinl  Warum  sie  aber  dem  Lieble,  da«  ihr  praktischer 
Sinn  ihnen  angez&ndei,  nicht  gefolgt  sind,  warum  es  hei  ihnen, 
wie  hei  ia  RivierCf  bloia  ein  Appendix  gebliehen,  das  mag  ich 
nicht  untersnchen. 


Letxtei   W»rt  an  de»  Leier. 

Mein  alter  Meislar  Hitfeland  sagte  mir,  da  ich  noch  fast 
jung  nod  er  noch  nicht  alt  war:  ich  solle  alles  prüfen  und  das 
Beste  wählen.  Das  ist  wol  eine  sehr  TertiSndige  Rede;  allein 
man  kann  doch  unmöglich  alles  prüfen,  wenn  man  sich  nicht 
vorher  deutlich  denkt,  worin  das  zu  prüfende  All  bestehe.  Da 
nun  mein  Verstand  nur  drei  Grundresien  einer  Heillehre  denken 
kann ,  nnd  ich  in  diesem  Werke  die  Aerzte  auf  die  verkannte  oder 
übersehene  dritte  Grundfeste  aufmerkaam  gemacht,  so  glaube  ich, 
dadurch  das  zu  prüfende  All  vervollständiget,  nnd  wo  nicht  etwas 
Dankenswerthes,   doch  etwas  NCttsliches  geihan  zu  haben. 

Welche  Wahl  Ihr,  meine'Amtsgenossen,  nun  nach  reiflicher 
Prüfung  des  vervollstlndigten  Alles  treffen  werdet,  ist  Eure, 
nicht  meine  Sache.  Eins  weifs  ich  wohl:  meine  Stellung  in  der 
bürgerlichen  Gesellsehaft  ist  nicht  der  Art,  dafs  sie  bei  dieser 
Prüfung  Euern  Verstand  bestechen  oder  verdutzen  kannte.  Frei- 
lich bin  ich  ein  so  freier  Mann,  als  irgend  einer  in  ganz  OeniBch- 
land  sein  mag.  denn  not  der  Sittlichkeit  nnd  den  Landesgeselzen 
nnlenhan,  nÖtbigeo  mich  keine  bürgerlichen  VerhäliDisse,  de« 
Gaukler  als  Arzt  oder  als  Schriftsteller  zu  spielen;  aber  übrigens 
bin  ich  doch  weder  Gelehrter  noeh  Philosoph,  weder  Leibarzt 
noch  Hochschnllehrer,  weder  Fürstlicher  Raih  noch  Ordensritier, 
s«ndem  blofs  schlichter  kleinsttidliecher  Heiloseister ,  der  Bürgern 
und  Bauern  in  ihren  NSthen  hilft;  da  mir  nun  überdies  alle  An- 
lage zum  Sophisten  fehlt,  und  ieb  mich  Euch  in  diesem  Bnche 
ganz  ungeschminkt  gegeben  habe ,  wie  mich  die  Natur  gemacht ; 
so  behält  Euer  Venttand  ( voransgetetst ,  dafs  ihn  nicht  die  Fes- 
seln der  Zeit  zu  sehr  drücken]  die  vollkomraeDsie  Freiheit,  alles 
sa  prüfen  nnd  das  Beste  zu  wfthlen. 

^^^^  UNIV.  OF  MICHIOANf 

JUL  241912 


TerselchiÜM  der  zu  berlehtlgendea  CeUer 
Im  Text. 


Sdte    t  Zeil«     8  vgi  ak«i  Leich     Ret     Seieb 

„         e  „  10       „  desgl.     1.     desgl. 

„         B  ■■         3  TOI  utea  *«niiglicker    1.     Toraügliebcr 

„         S  „         S  voB  obea  veraiucuetit     I.     VorauKMatU 

8  „  Ift         „  ibrer     I.     ibre 

21  „        4  VMBOtea  dem    I.    4«b 

„      XI  „  15        „  detfl.    I.    de>|4. 

31  „  10  voD  oben  keung     l.     kennt 

34  „  U        „  «nidekan    I.    ealleekea 


1. 

IT  ToBobei  mittifier     1.     m^tlffitr 
31         „         eiBgeleibl     I.     üeht  aiBgoleibt 
13         „         VeriUndiuBi     I.     VenüiDdniMe* 
3  TOD  DDleo  bitr    1.     bar 

3  TOB  oben  VertlKodiiiei     l.    Venliodaiiiu 

5  „         hUber     I.     litUabor 

7  Tonnntea  Smang     1.     SaliaDg 
f        ,,        den    I.    daa 

M  T«i  obeo  da^L  I.  dM|t. 
39  ,,  Diagap  1.  Dio^e 
li         „         welche     1.     welcbCD 

4  TeaanteD  jede  Graadfeite     I.    jede  aadar«  GTWidIMa 
10         „         Art    1.    Arat 

12  von  eben  der    1.     dei 

3  Tanaatea  PTta^vrlaobe     I.     PftbasoriMke 
10         „         de«     t.     den 
IS         ,,         Beweifi     I.     Beweii 

9  von  oben  beitimmte     1.     bestianten 
31         „         Uiiarganleideai.  1.     Urorsial"'«!»* 

13  von  nar«B  oäer  ebe  yirlleicbl     I.     oder  vielUicbt 
10  von  oben  Ende  in  Zia[     I.     Bad*  nad  Ziel 

IV         „         «aeb  2i  Stunden     1.     n*ob  den  34  Standen 

18  von  aalen  Beiebriebeaen     1.     beicbriebenen 

18  von  oboB  Dnvollbomnan     I-     aDvallkeiiinen 

25        „         gworrea     1.     geworfen 

31         „         Adiod     1.     Abiod 

IT  voaantH  Eeigten     1.     aalgts 

13  voD  oben  Suu     1.     itaU 

13  vüB  nnten  beeinträcbtiget    l.     heeinlraehtlfet  babe« 

0  von  oben  veicbieden     I.     vencbieden 

33         „         nieht  bei  lolchea     1.     nicht  anr  W  lolcle« 
17  voDaDlea  Eicbelaiitlal     l.     Bicbeaniatet 
10  TOB  oben  ihi    t.    ibm 

14  veaaolen  ■ehrere    1.  Behr« 

24  von  oben  einwirken     1.     eiswirkt 
10  von  nnteD  aiejgM»4en    !•    aiMDaad 

1  „         (ondemliek    I.     iooderUeh 
I  von  ob«n  Bieh  m  iO     I.     Biab  te 

1        „        atat  pttdiiM»    1.    i><>*  fitttiM 
30        „        jtnaadeB    I.    jeaiand 
10  von  anun  auipeichl    I.     aoMpriebt 

6  eDlgesoBCMCtalan     1.     eBts«g*acBtelita 
widentroitaBdea  «iderttreileade 

8  „        BlobiMoDK    i.    EiabUdlinK 
17        „        diaaer    1.    dietas 

dir    I.     die  ,^  , 

"     "  "'  »LiüügIC 


Il«280  Zsilt    5  vonoatCB  mtht  war,  aber    lias    mehr,  war  aber 

"0  „  1        „        M-ar    r.    war 

2  ,,  3  vna  obe«  »eia     l.     leien 

2  „  I»  MD  Daten  deo    I.    dem 

fi  „  5         „         KraDkenaranche     I.     Krankbeitanrtaob« 

I  „  S  roa  obeD  Brajlbcinmasketa     1.     firMtbeiomiiikBl 

)  „  13         „         lelzler  Feder     1.     Jetier  Feder 

i  ,,  13  voo  oPten  an  dea  Mann     I.     an  drio  Mann 

)  „  10  vou  obeu  mafae  mieb  ■■     1.     marie  mir  an 

)  „  9        „        einem    1.    eiaea 

1  „  ä         „         Ihr  NB.  wegiulaisBB. 

J  „  IT         „         babea     I.     habe 

J  „  16        „        Verwandte,    NB.  Ut  als  eralea  Wort  In  4ie  vorige 

Zeile  in  rückee. 

i  „  16         ,,         ödes     I.     oder 

)  1,  1U         ,,         Dogleublich     t.     apglaublicb 

t  „  28         „         Pbilalogea     1.     Pbilgsopbea 

S  ,,  4  von  outen  indem    I.    ia  dem 

i  „  9         „         die    I.     der 

5  ,,  10  voD  oben  elwn  (kapficbea    1.     etwu   kopfaabeu 

J  „  35        „        Salper    1.    Salpeter 

i  II  19        .,,         ohne  die     I.     ohDC  in  die 

^  ti  23         ,,         berüchligeu     I,     berbchtigtea 


T73    „ 

13 

nnlen  SKihlgans     1.     Slnhliwanc 

717    , 

24 

870    , 

5 

nuten  dieien  Dicbt,  weil    1.     dieien,  nickt  W^l 

882    , 

23 

oben  Wahrheit    1.     W«bra«b«ialiobk<it 

B6S     , 

4 

„         Gelehrter     1.    gelehrter 

949    , 

10 

„         war    1.     ward 

975    , 

16 

„        wnnder    1.    runder 

975    , 

15 

nntea  Nnn     1.  Nnn 

978    , 

2 

.1 

v.  oben  Wirken»     1.     Wirken 

981    , 

3 

von 

naten  dann    1.    denn 

983     , 

14 

von 

986    , 

17 

von 

■nten  ^Mmmi  traiMtlia,  5j     1,    Gumwti  tragma<m  :^ 

9SS    , 

IT 

»88    , 

5 

1016    , 

16 

von 

onten  die  Silbe  „le"  wAnfanB  in  dlevorigeZeile  inräcken 

1036    , 

9 

von 

1084    , 

IT 

„         itarbea    1.     iterhen 

1088    , 

S 

,,         nnverkennbaren     1.     unerkennbaren 

1088    , 

19 

„         dtifi.     1.     deagl. 

IUI     , 

13 

unten  ein  NB.    in   viel 

1U7    , 

18 

oben  ihn    1.    ihn 

1198    , 

12 

von 

1208    , 

16 

ran 

oben  da*  NB.  lu  viel 

1220    , 

10 

nnten  ich    1.    mich 

1221    , 

13 

1267    , 

9 

„        Jabren    1.    Jabre 

1263    , 

17 

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«  37  Ztii»    1   Mn  •bM.&BU«erons    !■    AeniienngM 
«     ,,        i  von  liiilen  labyrimMu    1.     IntynoMiii 
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3         „         artilieb     L.     IrtzUeb 
13         „        ftii^en     1.     lUritea 
10         „         mtditiifhit    1.     wttdieofhi/t 
3  von  ab»  pratteiivmt    I.    frmetcribmnt 
5  vaa  natea  co«iicn«6HiiAM     L     eoMMMtfaM^M 
1  TOD  obes  ich  dl«    1.     ioh  lia  _      -    . 

ulea  dieie  Hr»oh*iaais    U    dtcM  EotiiadBDK 
„        eB(tand«B    I.     enUtiaden 
Anmtrknag    1.     AiHCrkuf 
~ TodsMcUaf. 


11 


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Seite  280  Zeile    S  y 


5         ,,         KriDkannratcbe     1.     Krankheitinniche 
S  von  obea  BrastbcinmDtkelD    1.     Braatbeinaiuk«! 
i         ,,         Ulzler  Feder     1.     Ulier  Feder 
1  voDDDtea  •■  dM  Maio     I.     in  drn  HeiM 

0  von  oben  mirna  mich  «n    1.    mafM  mir  la 
9         „         einem     1.     einen 

S         „         Ihr  NB.  we^alawea. 

7         „         b«ben     I.     habe 

5        „    '    VerwiBdM ,    HB.   iit  *li  erriei  Wort   in  die  Toris« 

Zeile  CD  räcksn. 
i         „         edea     I.     oder 
}         „         nngtenbllcb     I.     nngbibliek 
B         „         PhiEologeo     I.     Philoiofben 

1  von  nnten  indem  '  1.     in  den 
t         „         die     I.     der 

[I  Tom  oben  etwa  ekapricben    I.    etwH  kopfickes 

i         „         Selper     1.     Selpeter 

)         ,,         ohne  die     1.     obne  in  die 

i         „         beriichligea     1.     berdcbtisteo 

l  „  Qutaivi     1.      t?nin«'H( 

t  voDaetea  S(iiblg*n;    1.     StnhliwaDK 

l  von  oben  wideraipoisea     I.     widereinnigeF 

i  voaauteo  disten  nicht,  weil     i,     dieien,  nicbt  weU 

]  von  oben  Wahrbeit     1.     Wabraebeinliekkeit 

i         „         Gelehrter     1.     gelebrler 

)    ,    „         war     1.     ward 

i   '     ,,         wunder     i.     rnnder  .  - 

S  von  nnten  IVun     1.  Nna 

in.Sv.  oben  Wirkens     I.     Wtfker« 

(  von  unten  dann     1.     dena    ■  •  • 

i  von  oben  Beebachter     1.     BethjcUi^  4.      ar      • 

r  vonaateo  Gammi  traganthae  Jj     I.     GttwuKi  traganthoM'^ 


ichslat 


1.  . 


1016     „ 

le  von  unten  die  Silbe  „le"  xat 

1036     „ 

1084    „ 

17         „         itarben     1.     alerbea 

t08S     „ 

8         ,,         n  n  VC  riiaon  baren     1. 

108S    „ 

19         „         dMEl-     1.     deagl. 

1141     „ 

13  von  nnten  ein  NB.    in   viel 

1147    „ 

IS  von  oben  Ihn     i.     ihm 

1198    „ 

12  von  naten  weiaimaeben    1. 

1208    „ 

16  von  oben  dai  NB.  tu   viel 

1220    „ 

10  Toa  nnten  ich    i.    mich 

1221     „ 

1257    „ 

9        „        Jahren    1.    Jahra 

1263     „ 

Anran;  in  die  vorige  Zeile  [sarneken 


In  den  SToten. 


teile  S  Zeile  6  van  naien  hideadaU    llei    hidtmlati 

„  4  ff  1  von  obea  praeriipni     I.    praecipui 

„  S  f,  1         „         typogravi    1.     tipegrafit 

„  8  ,,  4         „         AtM     I.     Aue 

„  7  „  1        „        WMtertiikiis    I.  .«tN«nflckllg 

„  9  „  S         „         Saamen    1.     Samen 

n  14  ff  G  Ton  -nntan  den    1.    den 


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