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Full text of "Recht und Gericht in Montenegro"

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BECIT DSD GERICHT 



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MONTENEGRO. 



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Von 




A6RAM. 

1877. 




MAY 2^1922 




^ 



Druck von Leop. Hartman & Comp, in Agram. 



Seiner DurcMaucht 



(^ikolaus j|. (ßetroviä 



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/J^rslen' h^ Monleneäro 



ehrfurchtvollst gewidmet 
' vom 



Verfasser. 



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f 



Einleitung. 

I. 

Politische Oesehichte. 

4 
9 

§ 1. • ' • 

Im Westen der illyrischen Halbinsel, dort, wo die in einem 
himmelanstrebenden Knoten verbundenen Gebirge des Kom. Dur- 
mitor und Lovöen in jähem Falle gegen das adriatische Meer zu 
sich senken, besteht seit dem XIV. Jahrhundert ein kleines selb- 
ständiges Staatswesen, das Jahrhunderte lang seine Freiheit und 
Unabhängigkeit gegen die mächtigsten türkischen Herrscher weh- 
rend, erst in neuester Zeit anfängt, im übrigen Europa die gebüh- 
rende Aufmerksamkeit und Beachtung auf sich zu ziehen. Es ist 
dies das kleine Fürstenthum Montenegro (Crnagora), welches die 
schwersten Zeiten der TürkÖnnoth glücklich überstand und mit 
Recht stolz sein kann, dass es seinen freien Nacken nie unter 
das Joch der asiatischen Barbaren beugte, sondern in allen bluti- 
gen Zusammenstössen stets als Sieger hervorging. Die Geschichte 
dieses kleinen Völkleins, das ohne jeden Verbündeten durch 
Jahrhunderte seine Freiheit gegen die seiner Zeit grösste militä- 
rische Macht Europas wehren konnte, ist reich an glorreichen 
Thaten des patriotischen Enthusiasmus und der Liebe zur Freiheit, 
reicher als die Geschichte der Schweiz selbst, weil seine Söhne 
nie um schnöden Sold zu Knechten der Tyrannen sich hergaben. 
Die Geschichte Montenegros hört sich gleichwie ein romantisches 
Epos an und mit Recht könnte man seine tapfere Bewohner die 
letzten Ritter nennen, die den Kampf des Kreuzes gegen den 



— 6 — 

Halbmond gemäss allen Erfordernissen der christlichen Bitterlich- 
keit noch heutigen Tags führen. 

§2. 

In der ersten Hälfte des VH. Jahrhunderts (ums Jahr 636) 
kamen die Seiben aus ihren hinterkarpatischoii Sitzen in dai? 
einstige lUyrieu und siedelten sich zwischen ihren kroatischen und 
bulgarischen Stammesgenossen an. Unter ihren Provinzen sehen 
wir in der andern Hälfte des XI. Jahrhunderts die von Dioclea 
(deren einen Theil das heutige Montenegro bildete) zu grosser 
Macht anwachsen, so dass der Gross^upan von Dioclea, Michael 
Vojislavov (1050—1080), den Titel eines serbischen Königs an- 
nahm, wozu er auch die nöthigen Insignien vom Tapste Gr63gor VII. 
erhielt. Aber dieses Königreich war nicht langer Dauer. Die By- 
zantiner brachten es bald unter sich und erst um die Mitte des 
XII. Jahrhunderts befreite es der Grossiupan Nemanja von der 
griechischen Herrschaft.') Nemanja War der Gründer einer mäch- 
tigen Dynastie, welche länger als zwei Jahrhunderte über die 
serbischen Lande mit solchem Glücke heiTSchte, dass der Neina- 
njide Stefan Duäan der Machtige (Silni), nach Eroberung des 
grössten Theiles dvv byzantinischen Länder in Europa, den Titel 
eines Imperators der Serben und Griechen annahm. Gerade als 
er mit grosser Heeresmacht dem alten Byzanz den Gnadenstoss 
versetzen wollte , ereilte ihn im December 1356 unverhofft 
der Tod. 

*) Vom Kaiser Friedrich Barbarossa, den er mit seinem Kreuzheere bei 
Nissa bewirthete, erhielt Nemanja im Jahre. 1 189 zum Wappen einen weissen 
zweiköpfigen gekrönten Adler im rotlien Felde. (Jos. Dobrovsky, Historia de 
expeditione Friderici Imperatoris, Prag, 1827.) 

§ 3. 

Die Provinz Dioclea^ später genannt Zenta oder Zeta^ war 
unter den Nemanjiden ein integrirender Theil des serbischen Rei- 
ches. Sie begriflF in sich das heutige Montenegro, Bocche di Cattaro, 
das Land an der Bojana; östlich bildete der See Flava und der 
Fluss Drimac (Drinassi) ihre Grenze. Die Hauptorte waren : Duklja 
(das alte Dioclea, im heutigen Montenegro), Kotor (Cattaro), Budva, 
Bar (Antivarij, Ucin (Dulcigno), Skadar (Scutari, Skodra), ^abljak, 
Podgorica, Drivost (Drivasto), LjeS (Alessio , Lissus), Dra6 (Du- 



— 7 — 

razzo, Dyracchium), Spu2. Als nach Du§ans Todfe unter seinem 
schwachen Sohne Uroä die einzelnen Grossen- des serbischen Rei- 
ches Theile desselben an sich zu reissen und sich zu unabhängi- 
gen Herrschern zu proclamiren anfitigien, that dasselbe auch der 
energische Dynaste Balsa, der die s. g. untere Zenta an sich 
riss und selbständig zu herrschen anfing. Seine Söhne eroberten 
die obere Zenta (das heutige Montenegro) und erweiterten die 
Grenzen ihrer Besitzungen südlich über Avlon (Vallona) und im 
Osten bis Kostur (Kastoria). Aber sie sollten sich ihres Besitzes 
nicht lange freuen. Schon im Jahrq 1385 fiel in blutiger Schlacht 
mit den Türken an der Vojuäa (Wojutza) der mächtige BalSa IL 
und sein Nachfolger Georg IL musste ihnen im Frieden Kostur 
und Berat abtreten. Umsonst trachtete Georg IL seine Streit- 
kräfte mit denen des Fürsten von Serbien, Lazar, gegen die 
gefährlichen Türken zu vereinigen. Bevor diese Vereinigung vor 
sich gehen konnte, wurde die folgenreiche Schlacht am Amselfelde 
geschlagen (15. Juni 1389) und um einen Rückhalt an Venedig 
zu haben, musste Georg. 11. an die habgierige Republik Durazzo, 
Alessio und Scutari abtreten. Venedig trachtete mit allen Mitteln 
den Baläiden Abbruch zu thun; als aber Balsa III. im Jahre 1421 
ohne Nachkommen starb, bemächtigte es sich der ganzen untern Zenta. 
In Folge dessen musste es Krieg führen mit dem Herrn von 
Serbien, als dem Oberlehensherrn von Zenta ; als aber dieser wegen 
der grossen Türkennoth den Dingen in Zenta keine genügende 
Aufmerksamkeit widmen konnte, wählte das Volk im Jahre 1427 
zu seinem Herrn einen Verwandten des letzten Bal§a, Stefan 
Cmojeviö, um so eher, als der Despot von Serbien, Georg Bran- 
koviö, ein Vasall bald Ungarns, bald der Türken war, die Zentaner 
aber von Niemanden abhängig sein wollten. 

§4. 

Mit Stefan Crnojevid,^) von dem Einige auch den jetzigen 
Namen Montenegros ableiten wollen, welcher vor ihm nirgends 
vorkommt, beginnt die Geschichte des eigentlichen Montenegro, 
das damals das jetzige Montenegro, die heutige Zeta (Podgorica, 
Spu^ und ^abljak sammt den Bezirken), die Inseln im See von 
Scutari. den Bezirk von Antivari, sowie den von Cattaro südlich 
gelegenen Theil der heutigen Bocche, umfasste. Stefan war ein 
treuer Verbündeter des berühmten Georg Kastriotii Skendörbegi 



— 8 — 

aber desto mehr Ungemach hatte er mit Venedig, das ihm bei 
jeder Gelegenheit ein Stück seines Gebietes abzuzwicken trachtete. 
Als aber Mechmed IL im Jahre 1474 ein 70,000 Mann starkes 
Heer gegen Scutari und die Venezianer in Albanien sandte, ver- 
band sich Venedig mit loan Crnojemc^ der im Jahre 1471 nach 
dem Tode seines Vaters Herr von Montenegro wnrde, und die 
Verbündeten leisteten so erfolgi'eichen Widerstand, dass die Tür- 
ken mit grossem Verlust abziehen mussten. Venedig machte Ivan 
zu seinem Patrizier und dieser leistete der Republik auch später 
die grössten Dienste; aber als Venedig im Jahre 1479 mit den 
Türken Frieden schloss, gedachte es in demselben seines Verbün- 
deten mit keinem Worte. Nun griffen die Türken Ivan an. Er 
selbst zündete das feste ^abljak an, das er gegen die türkische 
Uebermacht nicht halten konnte, und zog sich in die festen Berge 
Montenegros zurück. Von Niemanden eine Hilfe gegen die Türken 
gewärtigend, trachtete Ivan, wie er mit Hilfe seines braven Volkes 
den Rest seines Landes gegen die Türken wehren wird. Seine 
Residenz versetzte er nach Cetinje, erbaute am Flusse Obod (heute 
Rijeka Cmojeviö) ein festes Schloss gegen türkische Einfälle, be- 
festigte anderweitig seine Grenzen und sann dann auf die mate- 
rielle und moralische Hebung des Volkes. Er war nicht nur ein 
tapferer, sondern auch ein sehr aufgeklärter Fürst, der die neue 
Ei'findung der Buchdruckerei genugsam zu würdigen wusste und 
im Schlosse Obod im Jahre 1484 ein Haus für die Buchdruckerei 
errichtete. Es zeugt dieses für den hohen Culturgrad der damali- 
gen Serben, die zu den wenigen Völkern gehören, welche Incu- 
nabeln aus dem XV. Jahrhundert in ihrem nationalen Idiom auf- 
weisen können. Schon zur Zeit Ivans waren alle Montenegriner 
vollkommen freie und gleichberechtigte Bürger. Das Volk hing 
auch mit aufopfernder Liebe an seinem väterlichen Fürsten, der 
noch heutigen Tages in seiner dankbaren Erinnerung lebt und von 
dem zahlreiche Mythen im Lande noch jetzt bestehen. 

Ivan starb im Jahre 1490. Sein älterer Sohn Georg wirkte 
im Geiste des Vaters fort, aber der jüngere, Staniäa, nahm den 
mohamedanischen Glauben an. Mit türkischer Armee wollte er 
seinen Bruder vertreiben, aber Georg schlug ihn am Ljeskopolje 
aufs Haupt. Staniäa, nunmehr Skender Beg, musste mit Schimpf 
abziehen. Von ihm stammen die BuSatlis, welche bis 1831 erbliche 
Paschas von Scutari waren. Die Türkennoth und die Rauhheit des 






— 9 — 

armen Gebirgslandes waren nicht nach dem Geschmacke der Ge- 
rn alin Georgs,^ einer Venezianerin aus dem Patriziergeschlechte 
der Erizza. Sie sprach ihrem Manne so lange zu, bis er seine 
Herrschermacht und sein Wappen dem Metropoliten von Cetinje 
übergab , diesen dem Volke und den Häuptlingen als Herrscher 
empfahl und dann mit der Gemahlin sein Land verliess. Der Me- 
tropolit und die Häuptlinge begleiteten ihn bis Cattaro, wo sie 
unter Thränen Abschied von ihm nahmen (im Jahre 1499). 

1) Mavro Orbini (11 regno degU Slavi, Pesaro, 1601, pag. 294) nennt 
ihn Maramonte. Anch in den venezianischen Staatsschriften heisst er Mara- 
mont oder Maramonte ; aber auch Cernoevich. (Glasnik der serbischen Litera- 
turgesellschaft, XIII. Bd. pag. 277 sqq.) 

§5. 

Das verwaiste Land und Volk hatte nun die traurigsten 
Zeiten. Es hatte sich nicht nur der Türkerf und der Venezianer 
zu erwehren, sondern seine Unabhängigkeit gerieth in die grösste 
Gefahr, als der Mohamedanismus auch unter den Montenegrinern 
immer mehr Anhänger gewann, derer sich der Sand^ak Beg von 
Scutari bediente, um in Montenegro Zwietracht und Uneinigkeit zu 
säen. Durch die immerwährenden Kriege verwilderte das Volk in 
hohem Grade; nur die starke Clanverfassung hielt es noch zusam- 
men in Zeiten der Noth. Die Macht des Metropoliten (vladika) 
war zu schwach, um die Leidenschaften zn zügeln und der ein- 
brechenden Rohheit zu steuern. Volle zwei Jahrhunderte dauerte 
dieser deplorable Zustand des Ländchens. Aber bei allem Elend 
konnten ihnen die mächtigen Türken nichts anhaben; im Gegen- 
theile, die montenegrinischen Öetas streiften oft bis Philippopel 
und thaten grossen Abbruch dem türkischen Handel Auch manche 
ruhmvolle Kriegsthat geschah während dieser Zeit. Wiederholt 
mussten die Türken mit blutigen Köpfen von Montenegro ab- 
ziehen.*) Als Venedig im Jahre 1684 den Krieg an die Pforte 
erklärte, hatte es treue Verbündete an den Montenegrinern, die 
den Türken nahmhaften Schaden zufügten. Als aber im J. 1690 
der Pascha von Scutari, Soliman, mit einem grossen Heere gegen 
Montenegro zog, da floh die verbündete venezianische Heeresmacht 
nach Cattaro, und nach äusserst blutigem Kampfe konnte Öoliman 
bis nach Cetinje dringen, das er einäscherte und zerstörte; aber 
nach wenigen Wochen wurde er aus Montenegro hinausgedrängt. 



— 10 — 

*) Mariano Bolizza, ein Cattareser Patrizier , bereiste Montenegro im 
Jahre 161J und hat unterm 25. Mai 1614 der venezianischen Republik einen 
Bericht unterbreitet, der im venezianischen Archiv aufbewahrt wird. Er erwähnt, 
das» die Montenegriner im Jahre 1604 den Pascha von Scutari, Ali Beg Me- 
mibegovic, und sein 3600 Mann starkes Herr schlugen; im Jahre 1613 schlu- 
gen sie eine türkische Armee von 25,000 Mann. Im Jahre 1613 sendete der 
Sultan den Arslan Pascha gegen Montenegro, der mit sieben anderen Paschas 
und einem Heere von 60,000 Mann aufs Haupt geschlagen wurde. Bolizza setzt 
hinzu, dass damals in Montenegro im Ganzen 11,687 waffenfähige Individuen 
waren, aber viele von ihnen hatten keine Feuerwaffen, sondern kämpften mit 
Schwert, Lanze und Schild. 

§6. 

Das Jahr 1697 bildet einen Wendepunkt in der Geschichte 
Montenegros. Es wurde nämlich zum Metropoliten der kaum zwan- 
zigjährige Nikolaus (später als Mönch Daniel) Petrovic Stjepöevic 
aus dem mächtigen Stamme Njegus vom Volke gewählt. Die 
oberste Staatsgewalt ist bis heute bei diesem Stamme und in 
derselben Familie geblieben, die eine Reihe der ausgezeichnetsten 
Männer dem Volke gegeben hat. Dame4i der mit Recht als zwei- 
ter Gründer Montenegros genannt wird, trachtete vor Allem, den 
gefährlichen Umtrieben der Mohamedaner in Montenegro ein Ende 
zu machen. Die Christnacht 1702 war jene Blutnacht, in der der 
Mohamedanismus in Montenegro ausgerottet wurde. Wer nicht 
Christ sein wollte, wurde unbarmherzig niedergemacht. Wie sehr 
dadurch das Zutrauen und die Kraft des Volkes stieg, zeigte sich 
bald darauf, als im Jahre 1706 die Türken von der Herzegovina 
her einen Einfall machten. Sie wurden schmählich geschlagen und 
36 gefangene türkische Herren wollten die Montenegriner nicht 
ums Geld herausgeben, sondern verlangten für je Einen ein 
Schwein, und die Türken mussten zu ihrem grossen Gram auf 
diesen Schimpf eingehen. 

Im Jahre 1711 rief Peter der Grosse von Russland die Mon- 
tenegriner zum Kampfe gegen die Türken auf. Freudig folgten 
sie diesem Rufe und so konnte die bewaffnete "Mannschaft Herce- 
govinas und Albaniens nicht zum türkischen Hauptheere stossen. 
Es sollte aber die erste Berührung mit Russland für Montenegro 
böse Folgen haben.') Als Peter der Grosse im Juli 1711 den un- 
günstigen Frieden am Pruth schloss, machte er im Tractate Mon- 
tenegros keine Erwähnung. Sultan Achmet wollte die kecken 



— 11 - 

Bergbewohner empfindlich züchtigen Im Jahre 1712 zog der 
Seraskier Achmet Pascha mit 50.000 Mann gegen Montenegro ; 
am Carev Laz wurde er aber am 29. Juli (9. August) so geschla- 
gen, dass er über 20,000 Mann verlor, die Montenegriner aber 
86 Fahnen eroberten und reiche Beute machten. Schäumend vor 
Wuth schickte der Sultan im Jahre 1714 den berühmten Feld- 
herm, Köprili Numan Pascha mit 120,000 Mann gegen Montene- 
gro. Köprili traute nicht einmal dieser grossen Macht, sondern 
lockte durch listige Vorspiegelungen 37 montenegrinische Häupt- 
linge in sein Lager, ermordete sie und griff dann Montenegro an. 
Wohl thaten die Montenegiiner Wunder der Tapferkeit, aber 
einestheils die obige Treulosigkeit Köprilis, andererseits gänzlif.her 
Mangel an Munition entschieden die Schlacht. Köprili drang bis 
Cetinje vor, zerstörte es, machte viele Frauen und Kinder zu 
ßclaven und ging dann nach Morea, das er dem Grossvezier er- 
obern half. Die Montenegriner erholten sich bald, so dass sie 
schon im Jahre 1716 zwei herzegovinische Paschas mit blutigen 
Köpfen heimschicken konnten. In den Jahren 1717 und 1718 
kämpften sie als Verbündete Venedigs gegen die Türken bis zum 
Frieden von Po^arevac (Passarowitz). Nach glücklichen Kriegen 
gegen die Türkei im Jahre 1727 (gegen Bekir Pascha von Hcrce- 
govina) und 1732 (gegen Topal Pascha, Beglerbeg von Rumelien) 
starb Daniel im Jahre 1735, tief betrauert von den Monte- 
negrinern. 

Keine Gelegenheit Hessen die Montenegriner aus, um gegen 
ihren Erbfeind zu kämpfen. Auch im Jahre 1736 und den folgenden 
kämpften sie wacker an der Seite der österreichischen Armee, 
welche bis zum Amselfelde vorgedrungen war. Aber* auch sonst 
ging es nicht ohne manchen harten Strauss. Das Glück war den 
Montenegrinern dabei ziemlich günstig. Unter Anderem haben 
sie am 25. November (6. December) 1756 die 40,000 Mann starke 
Armee des Veziers von Bosnien in die Flucht geschlagen, so dass 
sie mehrere Jahre in Ruhe den inneren Angelegenheiten widmen 
konnten. 

') Die Chronik von Cetinje sagt diesbezüglich in ihrer einfachen Weise : 
„Im Jahre 1711 kam zum Yladika Daniel und zu den Montenegrinern nach 
Montenegro Michael Miloradovic mit Briefen des Kaisers Peter von Moskau, 
zu grossem Schien des Klosters (von Cetinje) und der Montenegriner, welche 
die türkischen Festungen' angrififen.^ 



— 12 — 

§7. 

Im Jahre 1767 tauchte in der Bocche und in Montenegro 
ein kühner Abenteurer auf, Stefan Mali (der Kleine) genannt, 
der sich für den im Jahre 1762 vom Throne gestürzten und mit 
Tod abgegangenen russischen Kaiser Peter III. ausgab. Ein im 
Kloster Majine (in der Bocche) befindliches Portrait Peters III. 
dem Stefan der Kleine ähnlich sah, half dem Abenteurer bedeu- 
tend. Jenen Naturmenschen imponirte der Kaisertitel und Stefan 
konnte schon in demselben Jahre den Metropoliten in Arrest 
setzen. Er hielt Volksversammlungen ab, hatte eine Leibgai'de und 
übte die richterliche Gewalt mit grosser Strenge aus. Aber die 
Anwesenheit des Abenteurers in Montenegro beunruhigte sowohl 
in Constantinopel, als auch in Venedig; namentlich das letztere^ 
fürchtete für die Bocche, wo die Bevölkerung gleichfalls serbischen 
Stammes ist. Eine grosse türkische Armee von 100,000 Mann 
(nach venezianischen Daten waren die Türken 67,000 Mann stark) 
griff das kleine Land von drei Seiten an. Venedig beobachtete 
eine bewaffnete Neutralität. Montenegro war stark bedrängt, mnso- 
mehr, als der Mangel an Munition sich fühlbar machte. Aber ein 
unverhofftes Glück stand ihm bei. An einem und demselben Tage, 
den 2. (13. November 1768, schlug der Blitz in die Pulvervor- 
räthe des venezianischen Observationscorps bei Budva und in das 
Lager des Pascha von Scutari, dessen Armee in panischen Schrecken 
gerieth und auseinanderstob. Zu gleicher Zeit fiel den Montene- 
grinern ein namhafter Munitionstransport in die Hände. Dieses, 
so wie die unablässigen Angriffe der Montenegriner und die vor- 
geschrittene Jahreszeit, bewog den Vezier von Bosnien und den 
Beglerbeg von Rumelien zum Rückzuge, wobei sie namhafte Ver- 
luste erlitten. Als im Jahre 1768 die Pforte au Russland den 
Krieg erklärte, kam Fürst Dolgoruki mit dem freudig erwiederten 
Auffordern Katharinas IL an Montenegro, gegen den Erbfeind ge- 
meinsame Sache zu machen. Dolgoruki machte wohl Schritte gegen 
den falschen Peter III. aber die Anhänglichkeit an diesen war 
beim Volke so gross, dass Dolgoruki ihm das Patent eines russi- 
schen Stabsoffiziers gab und ihn in der Leitung Montenegros be- 
liess. Stefan der Kleine blieb Oberhaupt des Landes bis zum 
Jahre 1774, wo ihn ein griechischer Meuche^piörder, den der Ve- 
zier von Scutari gesendet hatte, Nachts im Schlafe tödtete/ 



— 15 - 

Im Jahre 1782 kam auf den Metropolitenstuhl Montenegros 
Peter I, einer der hehrsten Charactere in der slavischen Geschichte. 
Da er wusste, dass der Vezier von Scutari, Bu§atli Karamachmud, 
der schon im Jahre 1774 einen Einfall in Montenegro machte, 
einen neuen Angriff plane, so begab er sich nach Russland, um 
Geld zum Ankaufe von Munition aufzutreiben. Seine Abwesenheit 
benützte Karamachmud und mit klug angefachter Zwietracht gelang 
es ihm im Jahre 1785 ohne grosse Mühe bis Cetinje zu dringen, 
welches er den Flammen übergab. Die Hälfte Montenegros brachte 
er unter seine Botmässigkeit. Aber als Peter I. zurückkam, verlor 
er das eroberte Land. Als Oesterreich und Russland die Allianz 
gegen die Pforte schlössen, kam im Jahre 1788 ein österreichischer 
Major nach Montenegro mit Geld, Munition und einer kleinen 
Abtheilung Soldaten. Freudig griffen die Montenegriner zu den 
Waffen, aber die Ungeschicklichkeit des Majors war Schuld, dass 
kein Resultat erzielt werden konnte und er nach ein Paar Mona- 
ten das Land verlassen musste. Dafür führte der Vezier von Scu- 
tari im Jahre 179G ein 20,000 Mann starkes Heer gegen Monte- 
negro, aber bei Visocica wurde er von 8000 Montenegrinern am 
11. (22.) Juli so gut empfangen, dass Machmud selbst verwundet 
wurde, mehrere Tausend an Todten (darunter 67 Agas und Begs) 
und Verwundeten verlor und sich nur in schleuniger Flucht retten 
konnte. Kaum heilte seine Wunde, so sammelte Machmud ein 
neues ifeer von 30,000 Mann und zog in demselben Jahre gegen 
Montenegro, um die Scharte auszuwetzen. Bei Kruse schlugen die 
Montenegriner den sechsmal stärkeren Feind aufs Haupt, 2000 
tortte Türken, unter ihnen Machmud selbst, bedeckten das blutige 
Schlachtfeld.. 

Diese Siege erfochten die Montenegriner mit Hilfe der ihnen 
vom Kaiser Leopold 11. zum Geschenke gemachten Munition, da- 
her er in dankbarer Erinnerung bei ihnen noch heute lebt. Als 
die Bocche im Jahre 1797 an Oesterreich kamen, leistete Peter I. 
namhafte Dienste duich seine Hilfe gegen die französische Flotte 
unter Brueys. Aber schon im Pressburger Frieden trat Oesterreich 
die Bocche an Frankreich ab. Dieser Wechsel gefiel den Bocchesen 
nicht. Sie schlössen ein Bündniss mit den Montenegrinern und 

mit Hilfe einer russischen Escadre kriegten die Verbündeten 



-U- 

glücklich gegen die 20,000 Mann starke französische Armee, wdche 
▼on Ragusa her zuerst unter Lauriston, später unter Marmont die 
Bocche besetzen wollte. Erst nach dem Frieden von Tilsit konn- 
ten die Franzosen in die Bocche einziehen, aber die Beziehungen 
zwischen ihnen und Peter I. waren immer gespannt. Nach dem 
Rückzuge Napoleons aus Russland, aufgefordeit vom Commandan- 
ten der englischen Escadre bei Lis^a, griff Peter I. im September 
1813 die Franzosen in der Bocche an und bald war der französische 
General Gauthier nur auf Cattaro beschränkt. Diese glücklichen 
Resultate hatten zur Folge, dass am 29. October (10. November) 
1813 Montenegro und die Bocche einen feierlichen Vertrag schlös- 
sen, wornach sie immer vereinigt bleiben wollen, so dass, wenn 
die eine oder die andere der beiden Provinzen an Russland, 
Oesterreich oder Grossbritannien fiele, beide zusammen das Schick- 
sal theilen sollen.*) Bis die Grossmächte über ihr Schicksal ent- 
scheiden, setzten sie eine provisorische Regierung unter dem Na- 
men einer Centralcommission ein. Am 27. December 1813 (8. Ja- 
nuar 1814) capitulirte Gauthier. Am 2. (14.) Juni 1814 besetzte 
Oesterreich Cattaro, ohne dass der Vertrag zwischen Montenegro 
und der Bocche berücksichtigt wurde, und Peter I. zog zurück 
in sein Bergland, das eine Zeit lang Aussichten hatte, ein integri- 
render Bestandtheil Oesterreichs zu werden. 

Die eben erwähnten Vorkommnisse in der Bocche, da sie 
Montenegro unmittelbar angingen, erklären zur Genüge,, warum 
Montenegro in der gleichzeitigen Erhebung des stammverwandten 
Serbiens unter Karageorg keinen thätigen Antheil nahm. 

Im September 1820 versuchte der Vezier von Bosnien mit 
12,000 Mann die Eroberung Montenegros, aber mit einem Verlu- 
ste von 1500 Todten und 1200 Pferden musste er davon abstehen. 
Peter I. war in Hinkunft unbehelligt von türkischer Seite. Am 
18. (30.) Oktober 1830 starb er im 81. Jahre seines vielbewegten 
Lebens. Seine letzte Sorge war, die Einigkeit unter den Montene- 
grinern, die an der Blutrache hingen, wiederherzustellen. Das 
Volk hält ihn im heiligen Andenken und hat ihn in seiner 
Pietät, auch ohne Synode, selbst kanonisirt und zum Landespatron 
erkoren. 

D. Müak<nri6, Istorija Grne Gore (Geschichte Montenegros), Zara, 
1866, S. 806. 



M — 



§ 9. 



Das Volk wählte nun zu seinem kirchlichen und Staatsober- 
haupte den kaum siebzehnjährigen Rade Tomov Petroviö , der 
nach seiner Consecrirung als Peter 11, bis zu seinem Tode (31. Oc- 
tober 1851) herrschte. Peter IL war nicht nur ein guter Herrscher, 
soüdern auch ein europäisch gebildeter Mann und wird von den 
Serben als einer ihrer besten Dichter gefeiert. In Cetinje errich- 
tete er eine Buchdruckerei. Man kann sagen, dass unter seiner 
Regierung die Cultur neuerdings in jenes Land zog, das schon 
im XV. Jahrhunderte Buchdruckereien hatte, aber aus welchem 
die Musen durch den immerwährenden Kriegslärm auf lange Zeit 
verscheucht wurden. Auch die Regierung Peter IL ist mit man- 
cher glorreichen Waffenthat verherrlicht. Gleich im Jahre 1832 
glaubte der Gross vezier Mehemed Reschid Pascha mit 3000 Mann 
das. Bergland erobern zu können, aber von 800 Montenegrinern 
wurde er eines Andern belehrt., nachdem er 500 Mann verloren 
hatte. Nach drei Jahren machte der Pascha von Scutari mit 
10,000 Mann einen gleichen Versuch mit gleichem Erfolge. Im 
Jahre 1840 griffen 7000 Türken den Schwarzen Berg an, wurden 
aber mit Schande zurückgetrieben. In demselben Jahre zog der 
Vezier von Mostar mit mächtigem Heere gegen den Karadagh und 
wurde gleichfalls geschlagen. Anderer kleinerer blutiger Kämpfe 
nicht ZU- gedenken, alle mit glücklichem Ausgang für Montenegro. 
Die persönlichen Vorzüge und Herrschertugenden Peters IL ver- 
liehen ihm in den Nachbarländern das grösste Ansehen. Durch 
persönliche Intervention stillte er im Jahre 1849 einen Aufstand 
der Bocchesen, der für Oesterreich manche Schwierigkeit verur- 
sachen konnte. Im November 1848 offerirte er Oesterreich 10,000 
Mann Hilfstruppen im Kampfe gegen die Magyaren. 



V 



§ 10. 

Mit Peter IL nahm die weltliche Herrschaft der Metropoliten ein 
Ende. Inder allgemeinenVolksversammlung vom 1. (13.) Januar 1852 
wurde beschlossen, die Fürstenwürde wieder herzustellen und der 
vierundzwanzigjährige Daniel Petroviö aus dem Stamme Njeguä 
wurde zum Fürsten gewählt. Daniel war ein sehr thätiger und 
energischer Fürst und verdiente das Vertrauen und die Liebe 



• — 16 — 



f 



seines Volkes. Gleich im ersten Jahre seiner Regierung musste 
er einen harten Kampf gegen die Türkei bestehen, welche ihren 
besten Feldherrn, Omer Pascha (selbst ein serbischer Renegat), 
mit einem zahlreichen und auserlesenen Heere gegen Montenegro 
sandte. Die Lettern der von Peter IL errichteten Druckerei wur- 
den damals in Gewehrkugeln umgegossen. Nach Beendigung dieses 
Krieges ging Daniel an die bessere innere Organisation seiües 
Landes. Aber schon im Jahre 1858 griff ihn Hussein Öerkes Pa- 
scha mit 16.000 Mann Krim'scher Veteranen an. Am 1. (13.) Mai 
wurde dieses Heer von den Montenegrinern bei Grahovac vernich- 
tet; über 8000 türkische Leichen deckten das Feld. Daniel fiel 
am 1. (13.) August 186Ö in Cattaro von gedungener Mörderhand. 

§ 11. 

Nach ihm kam auf den Fürstenthron Montenegros sein Bru- 
derssohn Nikolaus, ein junger, europäisch gebildeter Mann, mit 
ausgezeichneten Eigenschaften begabt. Gleich Peter H. ist auch 
Nikolaus ein hochgeachteter serbischer Dichter. Obwohl er im 
Jahre 1862 einen Krieg gegen 80,000 Mann auserlesener türki- 
scher Truppen ruhmvoll bestand , geizt er mehr nach dem Ruhm 
eines Regenten, als eines Feldherrn. Er hat die neue Organisa- 
tion des Landes ins Leben gerufen, die Justiz eingerichtet, die 
Finanzen des Landes geregelt und gehoben, namentlich aber durch 
Hebung der Cultur hat er sich das Volk zu ewigem Danke ver- 
pflichtet. Auch die Buchdruckerei in Cetinje errichtete er neuer- 
dings. Das Kriegswesen Montenegros ist auf der Höhe der Zeit. 
Fürst Nikolaus zählt jetzt kaum 34 Jahre und ist voll des edel- 
sten Eifers um die Hebung seines Landes. Hoffen wir, dass seine 
Bemühungen mit reichen Erfolge gekrönt werden.*) 

1) Als die obigen Zeilen schon geschrieben waren (im Jahre 1875) hat 
Fürst Nikolaus, im Bündniss mit dem Fürsten von Serbien, Milan Obrenovic, 
im Juni 1876 den Kampf gegen die Türken ritterlich aufgenommen: um die 
Stammes* und Glaubensgenossen vom unwürdigen Barbarenjoche zu befreien. 
Nie erglänzten die kriegerischen Tugenden der Montenegriner im schöneren 
Lichte, als in diesem Kriege , der auf Seite Montenegros nur Siege ver- 
zeichnete. 



— IT — 

n. 

Rechtsgesehichte. 

§ 12. 

Bevor wir an den Gegenstand unserer Abhandlung treten, 
glaubten wir im Vorhergesagten einen gedrängten Ueberblick der 
Geschichte Montenegros geben zu müssen. Es wird das Yerständ- 
niss der heutigen Justizverhältnisse desselben jedenfalls erleich- 
tern, wenn man weiss, welche Schicksale das kleine Ländchen, 
dass selbst heute kaum 100 Quadratmeilen und eine Bevölkerung 
von 200,000 Seelen hat, zu bestehen hat^e, um durch fünf lange 
Jahrhunderte seine Unabhängigkeit und Freiheit einerseits gegen 
die rohe asiatische Macht, andererseits gegen die Intriguen Vene- 
digs zu wahren. Wo kein Augenblick mhigen Daseins war, konnte 
an eine culturelle Entwickelung gar nicht gedacht werden; nicht 
einmal die vorhandene Cultur konnte in jenen blutigen Stürmen 
erhalten werden. Wo räuberische und heimtückische Nachbarn auf 
jede Gelegenheit lauem, um sich auf fremde Kosten zu bereichern, 
konnte von wirthschaftlichem Aufschwünge keine Bede sein. Ar- 
muth und Unwissenheit gesellten sich zu den Plagen eines immer- 
währenden Krieges. Aber es zeugt von einem edlen Kerne und 
bewunderungswürdiger Elasticität des Volksgeistes, dass kaum, 
halbwegs ein modus vivendi mit dem barbarischen Nachbar in 
neuerer Zeut gefunden wurde, und schon sehen wir die Montene- 
griner mit edelstem Eifer sich auf das Culturfeld werfen, um je 
eher das nachzuholen, was ihnen feindselig«^ Jahrhunderte wehr- 
ten. Rührend ist es zu sehen, wie erwachsene Männer das ABC., 
lernen und die leichte Feder , mit der Hand zu führen sich be-, 
mühen, die manchen wuchtigen Hieb gegen türkische Schädel ge- 
führt hat. Volks- und Mittelschulen sind unter der Regierung des 
jetzigen Fürsten errichtet und Nikolaus konnte in der Volksver- 
sammlung vom 6. (18.) Januar 1875 mit berechtigtem Stolz sagen, 
dass binnen wenigen Jahren in Montenegro kaum Jemand sich 
finden werde, der nicht schreiben und lesen kennen wird.*) 

*) Von den ^roisartigan natttrlichen Anlagen der Montenegriner möge 

hier ein Beispiel Platz finden. Im Jahre 1866 schrieb die zaratiner literarische 

GeseUschaft, Matica Dalmatinska, einen Preis aus fttr ein Gedicht, das den 

Sieg der österreichischen Marine (in der die Dalmatiner beinahe ausschliess- 

' Popovi6, Becht n. Gericht in Montenegro. 2 



— 18 — 



w'»' ♦ 



lieh dienen) über die italienische Flotte bei Lissa verherrlichen wird. 1)^ 
Preis gewann ein montenegrinischer Hauptmann, Savo Martinovi6, der weder 
lesen noch schreiben kann. 

§ 13. 

In den Verhältnissen, in denen sich Montenegro durch Jahr- 
hunderte befand, könnt« auch von einer besonderen Eritwickelung 
der Rechtspflege keine Rede sein. Die regelmässige Handhabung 
der Justiz konnte dort nicht Platz greifen, wo Gross und Klein 
Tag und Nacht auf dem qui vive sein musste. Um so lebendiger 
ist aber in Montenegro das Gewohnheitsrecht, was eben kein 
Nachtheil ist ; manche der ältesten slavischen Rechtsinstitutionen 
sind auf diese Weise in Montenegro unversehrt erhalten worden, 
eben weil das Rechtsleben des Volkes immer auf nationaler Grund- 
kige geblieben ist. 

Abgesehen vom Gewohnheitsrechte, auf das wir in dieser 
Abhandlung des öfteren reflectiren werden, hat der montenegrini- 
sche Staat auch seine besondere Rechtgeschichte, die, wenn auch 
nicht sehr manigfaltig und reich, doch an diesem Orte nicht un- 
erwähnt gelassen werden kann. Die ältesten Justizverhältnisse 
dieses Landes mögen denen der übrigen serbischen Lande gleich, oder 
doch sehr ähnlich gewesen sein. Die Zenta (Zeta) war eine Pro- 
vinz des serbischen Reiches, die durch einen eigenen Enezen.oder 
Vojvoden verwaltet wurde ; die für das ganze Reich allgemein 
verbindlichen Gesetze wurden auf der Reichsversammlung gebracht. 
Eine Zeitlang wurde Zenta von DuSan, dem späteren mächtigen 
Serbencaren, verwaltet, als sein königlicher Vater ihn darüber 
zum Gubemator einsetzte. Das Gesetzbuch DuSans (vom J. 1349) 
gibt uns genügende Daten zur Kenntniss der Justizverhältnisse 
im serbischen Reiche. Der oberste Richter war das Staatsober- 
haupt, in dessen Namen die von ihm bestellten Richter in wichtigen 
Sachen Recht sprachen ; namentlich Mord und Todtschlag, Diebstahl 
Raub) Menschenraub und Hochverrath gehörten vor das jus regale. 
Diese kaiserlichen Gerichte hiessen auch die grossen Gerichte, im 
Gegensatze zu den grundherrlichen (Patrimonial-) Gerichten, die 
auch kleine Gerichte hiessen. Der Gnmdherr konnte seinem Unterthan 
hur in Civilsachen Richter sein. Am Hofe des Kaisers war ein judex 
curie. Das Verfahren war| gemischt und der Richter hatte den Parteien 
Auszüge aus dem ProtocoUe zu geben. Die Richter hatten ihre 



- iö - 

Adjuncten (pristav), welche zugleich die Vertreter der Parteieü 
waren. Wenn der Kläger zur Tagsatzung nicht erschien, wurde 
er contumacirt. Zu bestimmter Zeit hatte der Richter seinen 
Sprengel zu bereisen, um den Armen Recht zu sprechen. Für 
kirchliche Angelegenheiten bestand ein geistliches Gericht, dessen 
Mitglieder nur geistlichen Standes waren. Unter den alten serbi- 
schen Rechtsinstitutionen ist die dem germanischen Rechte un- 
bekannte universalis fidejussio zu erwähnen, von der viele Para- 
grafe des Du§anschen Gesetzbuches handeln und welche noch 
heute in manchen Gegenden der Türkei, wo Serben wohnen, in 
Bezug auf das pretium sanguinis gilt. Mejirere Paragrafe bestim- 
men die Zusammensetzung und das Wesen des Geschworenen- 
gerichtes. Die nicht privilegirten Stände waren durch das Gesetz 
genügend geschützt; sie konnten über ihr Eigenthum frei verfü- 
gen. Auch die Heerführer waren in ihrer Macht über die Krieger 
durch die Gerichte beschränkt, die bei dem Heere sich befanden. 
Dem Richter wurde eingeschärft, ja keine Rücksicht auf den Wil- 
len des Kaisers selbst zu haben, wenn dieser entgegen dem Ge~ 
setze ist. Der Rechtsgenuss war auf die Ra^e nicht gebunden. 
Die höchste Strafe war das Verbrennen und wurde über die Va- 
ter-, Mutter-, Bruder- und Kindesmörder, sowie über die Brand- 
leger verhängt. Die Institution des Wergelts, die in dem ältesten 
russischen Gesetzbuche Pravda Ruska (vom Jahre 1016 — 1020) 
vollkommen ausgebileet erscheint, ist dem Duäanlschen Gesetz - 
buche fremd, eben weil der germanische Einfluss auf die Serben 
und ihre Rechtsinstitutionen äusserst g ring war.') Auch im Du- 
San'schen Gesetzbuche sind die Ordalien als Beweismittel ange- 
führt. Sehr interessant ist der Umstand, dass gemäss Duäans Ge- 
setzbuche alle Stände zu den Staatslasten beisteuern mussten. 

^) W. A. Maciejowski (Slavische Rechtsgeschichte, erste Ausg I. ThL, 
§ 147) sagt, dass das Gesetzbuch Du$ans mehr im slavischeo Geiste geschrie- 
ben sei, als das polnische, rassische oder böhmische Recht, weil es fremdem 
Einflasse weniger nachgegeben hat. 

§ 14. 

Manche Bestimmungen des für das ganze serbische Reich 
giltigen Gesetzbuches mögen in mancher Provinz auch modificirt 
gewesen sein, weil diese immer eine sehr weite Autonomie genos- 
sen haben, dann auch die Rechtsgebräuche nicht überall dieselben 

2* 



— 20 — 

im Volke sind. Aber als das serbische Reich zerfiel und seine 
einzelnen Theile ein selbständiges Leben zu führen anfingen, da 
mag in mancher früheren serbischen Provinz eine oder die andere 
Rechtsinstitution sich selbständig weiter entwickelt haben. In Mon- 
tenegro, das von allen serbischen Landen einzig bis heute seine 
Unabhängigkeit von den türkischen Eroberern zu wahren wusste, 
sahen wir eine wichtige Veränderung sehr bald vor sich gehen, 
als eine nothwendige Folge der veränderten Lage. Als die Türken 
die serbische/i Lande nach und nach eroberten, flüchteten sich 
viele Serben in das frei gebliebene Montenegro. Es mögen darun- 
ter wohl viele Adelige gewesen sein, aber die überwiegende An- 
zahl des Volkes wird unstreitig zu den nicht privilegirten Ständen 
gehört haben. Als die Türken auch Montenegro hart bedrängten 
und dessen freies Territorium auf die sterilen Felsen beschränkt 
wurde, da galt es, durch besondere Institutionen die Opferwillig- 
keit ^und den Muth des Volkes zu heben. Der staatskluge und 
tüchtige Ivan Crnojevic machte ums Jahr 1485 alle Montenegriner 
vor dem Hechte gleich; jeder Unterschied zwischen den Ständen 
wurde aufgehoben ; das ganze Land wurde zu einer grossen Fa- 
milie, deren Haupt Ivan war. Das begeisterte Volk, als es bei 
seinem Landesherrn so viel Eifer um sein Wohl sah, schwur ihm 
in einer allgemeinen Versammlung unverbrüchliche Treue und 
dass es bis zum letzten Blutstropfen das Vaterland vertheidigen 

• 

wird, und bei dieser Gelegenheit wurde folgendes Gesetz gebracht, 
das als der Grundstein der montenegrinischen Selbständigkeit be- 
trachtet werden kann : Kein Montenegriner darf während des Krie- 
ges den ihm angewiesenen Posten verlassen und sicli - flüchten ; 
wer sich flüchtet, soll unter ehrlichen Leuten kein Ansehen und 
Ehre geniessen, sondern er hat eine Frauenschürze und Spinn- 
rocken zu bekommen und die Frauen haben ihn mit ihrem Rocken 
zu verfolgen als einen Feigling und Verräther seiner Brüder. 

§ 15. 

Es ist dies die erste gesetzgebende Volksversammlung in 
Montenegro, derer die geschichtlichen Quellen erwähnen. Später 
traten sie öfter zusammen, sobald Gelegenheit und Anlass hiezu 
war. Es war immer die Türkennot h, welche die Abhaltung einer 
Volksversammlung nothwendig machte. Von eigentlicher legislato- 



— 21 — 

rischer Thätigkeit derselben wird in den Quellen nicht Erwähnung 
gemacht; es waren eben die Verhälnisse nicht darnach. Besonders 
das XVI. und XVII. Jahrhundert zeigt uns Montenegro nicht als 
einen einheitlichen Staatskörper, sondern als ein Conglomerat von 
Stämmen (pleme), von denen jeder für sich eigene (gewählte) 
Richter und eigene Gerichtsbarkeit hatte.') In solchen Verhältnis- 
sen musste das Gewohnheitsrecht um so stärker zum Ausdruck 
kommen. In dieser Zeit der Clanherrlichkeit war als allgemeine 
Landesangelegenheit nur der Kampf gegen den Türken betrachtet, 
und in diesem Falle hatten, während der Dauer des Krieges, alle 
inneren Fehden aufzuhören, namentlich aber die Blutrache wurde 
aufgehoben, welche sonst die Stämme in immerwährendem Kriegs- 
zustande erhielt. Aus dieser zweihundertjährigen Periode der mon- 
tenegrii^ischen Geschichte finden wir nur bei dem schon erwähn- 
ten Bolizza (vom Jahre 1612) eine Stelle, die sich auf unseren 
Gegenstand bezieht. Er schreibt nämlich : „Die Montenegriner 
haben keine Körperstrafe^ wie solche die Türken an den Christen, 
welche unter ihrer Botmässigkeit sind, gebrauchen ; sondern für 
ihre Vergehen zahlen sie ihrem Wojwoden die sogenannte Glöba" 
(Poengeld). 

*) Das ganze Montenegro sammt den Berdas (dem Östlichen Theile des 
Gebietes) hat 42 Stämme (pleme); nur die Ljeäauska Nahija (District) hat 
keine Stämme, sondern wird in die obere und untere Nahija getheilt. 

§ 16. 

Als der Vladika Daniel Anfangs des XVIII. Jahrhunderts 
den Mohamedanismus in Montenegro ausrottete (siehe oben § 6) 
trachtete er unter den durch die Blutrache tief aufgewühlten 
Stämmen die Eintracht und bessere Ordnung einzuführen. Die 
immerwährenden Kriege erschwerten ihm ungemein die Arbeit, 
aber der edle Mann erlahmte nicht in seiner Thätigkeit. Als der 
Friede zu Poiarevac im Jahre 1718 geschlossen wurde, dachte 
Daniel, dass er nunmehr längere Zeit Ruhe haben, werde, und 
legte energisch Hand an die, bessere Organisation des Landes. Er 
setzte einen Gubernator und einige Serdaren und Knezen zu 
Richtern ein und obwohl die Stämme dagegen opponirten, wusste 
Daniel seinen Verfügungen Geltung zu verschaffen, die auch bis 
zu seinem im Jahre 1735 erfolgten Tode in Kraft blieben. 



— 22 — 

Aber gleich unter dem nächsten Nachfolger Daniels sollten 
diese Verfügungen zu nichte gemacht werden. Das Volk ist in 
starke Stämme (pleme) getheilt, diese wieder in starke Familien 
(bratstvo) ; jedes solche Pleme und jedes Bratstvo glaubte, dass Nie- 
mand Recht habe, sich zu seinem Richter aufzuwerfen, noch über 
ihn für Vergehen Strafen zu verhängen. Hieraus entstanden sehr 
arge Conflikte und die Blutrache trieb ihr Unwesen ärger denn 
je. Der Metropolit BasiUus wollte dem Uebel steuern und errich- 
tete im Jahre 1751 ein Landesgericht., dessen Mitglieder die Ser- 
daren und Knezen der einzelnen Nahijen und Plemes waren. Der 
Präsident dieses Gerichtes war der Gubernator. Der Metropolit 
glaubte die Ordnung genügend befestigt zu haben und * ging im 
folgenden Jahre nach Petersburg. Kaum verliess er das Land, als 
alles ausser Rand und Band gerieth. Die stolzen Plemes und 
Bratstvas, aber noch mehr die tiefeingewurzelte Blutrache, mach- 
ten dem Landesgerichte bald ein Ende. Die Zwietracht im Lande 
erreichte die höchste Stufe, einige Häuptlinge wollten sogar diese 
Stätte der Freiheit an die Pforte verrathen Zu rechter Zeit kam 
im Jahre 1755 der Metropolit aus Russland heim und mit grossen 
Opfern und nach harter Mühe gelang es ihm , zwischen den 
Häuptlingen und im Lande die Einigkeit wieder herzustellen. Ba- 
silius, der selbst ein aufgeklärter Mann war, wusste, dass nur die Cuitur 
seinem Vaterlande zu besserer Ordnung und leidigerer Justiz ver- 
helfen kann Darum liess er 15 junge Montenegriner in Russland 
Studiren, um hiedurch sein Land der Cuitur und Gesittung aber- 
mals zu öfihen. 

§ 17. 

Der Abenteurer Stefan der Kleine, iler sich für den russi- 
schen Kaiser Peter HL ausgab und im Jahre 1767 die Montene- 
griner für sich gewann, war mit nicht geringen Gaben des Geistes 
ausgestattet, so dass er jenem Naturvolke zu imponiren wusste 
selbst dann, als er als Abenteurer demaskirt wurde. Er trachtete 
mit aller Energie, die Ordnung im Lande herzustellen. Vor Allem 
vermochte er, dass in einer Volksversammlung die ' gegenseitigen 
Unbilden und die Blutrache erlassen wurden. Um dem Gesetze 
und der Ordnung Geltung zu verschaffen, statuirte Stefan der 
Kleine einige eclatante Exempel. Er warf den Metropoliten Sava 



— 23 — 

ins Gefängniss und vemrtheilte ihn zu einer Geldbusse, weil 
er vor vielen Jahren eine Hungersnoth im Lande angeblich zu 
seinem Vortheile ausgebeutet haben soll. Mit den Häuptlingen 
der Stämme berieth er die öffentlichen Angelegenheiten und sass 
zu Gericht, seine Urtheile aber liess er durch seine 18 Leibgardi- 
sten ausführen. Einen Brudermörder liess er füsiliren und dann 
an den Galgen hängen. Er wusste einen heilsamen Schrecken deii 
Leuten einzujagen, so dass er auf der offenen Strasse nach Cat- 
taro 10 Stück Ducaten durch längere Zeit Tag und Nacht ohne 
Hüter liess, ohne dass Jemand sich erkühnte, das Geldsich anzu- 
eignen. Im Jahre 1771 errichtete er ein Landesgericht ^ dessen 
12 Mitglieder Häuptlinge der Stämme waren. Einige von diesen 
waren immer bei ihm und zusammen mit ihm sassen sie zu Ge- 
richt, andere aber bereisten das Land und sprachen Recht, wo es 
Noth that.') Jedenfalls war Stefan der Kleine kein gewöhnlicher 
Mann, denn ohne Geld und ohne sonstige materielle Mittel ein 
naturwüchsiges, freies, eigensinniges und stets bewafihetes Volk 
soweit zu bringen, dass auch die kleinste Gewaltthätigkeit nicht 
geschehen durfte, das konnte nur ein mit besonderen Eigenschaf- 
ten begabter Mann zu Stande bringen. In einem venezianischen 
gleichzeitigen Berichte aus Cattaro an den Dogen heisst es von 
Stefan dem Kleinen: „Seine Worte gelten immer dem Frieden, der 
Eintracht und der Sittlichkeit, sein Betragen ist angenehm, seine 
Antworten schlagfertig und sinnig; er hat einen hellen Kopf und 
ist nicht ohne Begriff der Regierungskunst." Mit solchen Eigen- 
schaften war es kein Wunder, jenes Völklein zu jener Zeit für 
sich zu gewinnen, auch ohne den Titel des russischen Cars. 

1) Durch 5 Commissaire , denen ein schriftkandiger Mönch beigegeben 
war, liess Stefan der Kleine eine allgemeine Yolkszäblung vornehmen, um zu 
wissen, wie viel waffenfähige Mannschaft er nöthigenfalls haben könnte. 

§ 18. 

Peter L hatte während seiner langjährigen Regierung ohne 
Unterlass mit den gewaltthätigen und eingensinnigen Häuptlingen 
zu thun, noch gelang es ihm, der Unsitte der Blutrache den Rie- 
gel vorzuschieben. Gleich im Anfange seiner Regierung, als er 
wegen seiner Consecration und Hilfe suchend für sein armes Land 
ausserhalb Montenegros längere Zeit verweilte, 'schlug die Zwie- 
tracht zwischen den Häuptlingen in helle Flammen und einige 



— 24 — 

derselben halfen dem Machmud Pascha von Scutari bis nach 
Cetinje vorzudringen. Als Peter I. im Herbst 1786 zurückkam, 
fand er alles im grössten Elend. Unermüdlich war er in der Wieder- 
herstellung der Ordnung und Eintracht zwischen, den Häuptlingen 
und den Stämmen, sowie im Heilen der vom Feinde dem Lande 
geschlagenen Wunden. Am* 6. (17.) August 1796 Hess er ein von 
ihm verfesses Gesetz (in 16 Artikeln) von der Volksversammlung 
annehmen. Dieses Gesetz bringt Bestimmungen über Mord und 
Todtschlag, Landesverrath , schwere körperliche Verletzung, Be- 
schimpfung, Nothwehr, Frauenraub, Ehe, Diebstahl, Verfahren 
beim Verkauf unbeweglicher Güter. Die Volksversammlung vom 
18. (29.) October 1798 bestätigte dieses Gesetz neuerdings und 
bestellte die Richter zur Ausübung desselben. Aber alle diese 
Massregeln und die Auctorität des Metropoliten wollten nichts 
frommen. Vergebens wurden zwei Verbrecher füsilirt; der Zwist, 
besonders wegen der Blutrache, stand in schönster Blüthe. Dies 
bewog Peter I. eine Volksversammlung auf den 17. (29.) August 
1003 einzuberufen, in der das Gesetz vom Jahre 1796 erweitert 
.wurde, so dass zu den 16 früheren Artikeln noch weitere 17. hin- 
zukamen. Zugleich wurde ein Gericht unter dem Namen Kuluk 
eingesetzt. Die neuen Gesetze betrafen den Diebstahl, das Ver- 
hältnfes zu den Bocchesen, die Märkte, die öffentliche Steuer, 
den Zweikampf, das Gerichtsverfahren, die Bestechung und Partei- 
lichkeit des Richters, den richterlichen Eid.') 

Obwohl Peter I. energisch auf die Befolgung des erwähnten 
Gesetzbuches drang und gleich im October 1803 mehrere Richter 
wegen Gesetztibertretung bestrafte ; obwohl die Gesetze selbst, 
wenn je, so in diesem Falle den Rechtsanschauungen des Volkes 
entsprachen, so dauerte ihre Kraft nur kurze Zeit, weil die 
Häuptlinge und die stärkeren Familie^ für ihre Macht und ihren 
Einfluss fürchteten. Ja, der Artikel, der von einer jährlichen Um- 
lage von 60 Denarien (30 kr. C. M.) von jedem Hause zum Be- 
hufe der Besoldung der Richter lautete, kam nie zur Geltung. 
Die Folge war, dass das Gericht nicht gehörig wirken konnte, 
noch wurden die Gesetze über die Blutrache gehörig exeCutirt. 
Der Zwist zwischen den einzelnen Stämmen und Familien ent- 
brannte stärker denn je, so dass oft ganz anarchische Zustände 
Platz griffen. Nifr wenn die Kriegsgefahr drohte, wurde die Ein* 
tracht hergestellt, aber auch nur während der Dauer der Gefahr, 



— 25 — 

dann aber ging der alte Tanz von neuem. Vergebens bemühte 
sich der greise Peter I. dem Uebel zu steuern. Bis zu seinem 
Ende musste er zu seinem grössten Leidwesen die Unbotmässig- 
keit seiner Brüder dulden. Auf seinem Todtenlager, 18. (30.) Oc- 
tober 1830, vermachte er den Montenegrinern, dass sie wenigstens 
bis zum nächsten St. Georgstage den Zwist und die Blutrache 
fahren lassen, bis zu welcher Zeit eine definitive Ordnung gemacht 
werden möge. So geschah es, und über seinem todten Körper 
beschworen die Häuptlinge von allen Stämmen und Familien den 
Waffenstillstand. 

') Diese 83 Artikel zusammen werden GeseUbuch (zakonik) genannt, 
und erschienen im Druck zuerst im Jahre 1847 in Petersburg in der Reisebe- 
Schreibung von Montenegro des A. N. Popov. Im Jahre 1850 gab M. Meda- 
koviö das Gesetzbuch |in Semlin heraus, wobei er auch das Gerichtsverfahren 
beschrieb. Der pariser Moniteur vom Jahre 1854 brachte davon eine (unvoll- 
ständige) französische Uebersetzung. Zu unserem grössten Leidwesen konnten 
wir den Artikel über die Gesetzgebung Montenegros, der im Journal des rus- 
gischen Mimsteriums für die Yolksaufklärung im Jahre 1846 erschien, bei die- 
ser Abhandlung nicht zur Hand haben. 

§ 19. 

Unter seinem Nachfolger, Peter IL besserten sich die Ver- 
hältnisse des Landes, das der Cultur immer mehr zugänglich 
wurde. Im Jahre 1831 wurde durch die Volksversammlung ein 
Senat von 12 Mitgliedern ins Leben gerufen. Dieser Senat diri- 
girte nicht nur die ganze innere Verwaltung, sondern er schlug 
dem Staatsöberhaupte auch die neuen Gesetze zur Bestätigung 
vor, zugleich aber war er das oberste Gericht und im Namen des 
Senats wurde im Lande das Recht gesprochen. 

§ 20. 

Noch mehr that für die Justizpflege der Nachfolger des 
letzten Herrschers aus dem geistlichen Stande, der erste Fürst 
•Daniel. Gleich nach seinem Regierungsantritte gab er dem Volke 
kund, nach welchen Principien er sich in seiner Regierung leiten 
werde. In Bezug auf das Gerichtswesen sprach er folgende Grund- 
sätze aus : Wer Jemanden klagt, wird sich nicht entfernen kön- 
nen, bevor der Geklagte nicht vor Gericht (erscheint und mit dem 
Kläger confrontirt wird; — der Richter, der sich bestechen lässt, 



— 26 — 

wird unverzüglich vom Amte entfernt und kann nie mehr ange- 
st'iillt werden; gleicherweise wird mit einem Perjaniken (Gerichts- 
Üiener, Trabanten, Gensdarmen) verfahren werden, der in Gerichts- 
sachen eine grössere Taxe erhebt, als sie durch das Gesetz und 
das Gericht bestimmt wurde ; vor dem Gesetze sind alle Montenegriner 
<?hne Untei-schied gleich ; gegen die Behörde steht die Beschwerde 
bei dem Fürsten frei. Vor Allem trachtete er zu verhindern, dass die 
Verbrecher durch Flucht zu den Türken der verdienten Strafe 
sich entziehen. Darum dachte er an die Verfassung eines Gesetz- 
buches^ welches er in der Volksversammlung am 23. April (5. Mai) 
1855 publicirte und welches mit strenger Beobachtung und Rück- 
sichtsnahme des Gewohnheitsrechtes in 95 Artikeln die Grund- 
rechte, die Civil' und Criminaljustiz und die Finanzen bestimmt.') 
Hiedurch wurde ein für alle Mal das Handwerk jenen Häuptlin- 
gen gelegt, welche in den einzelnen Plemes nach Art kleiner Ty- 
rannen herrschten und die Gerichtsbarkeit gegen willkürliche 
Taxen ausübten, an den Landesherrn aber dafür eine gewisse 
Pauschalsumme zahlten. Zum obersten Gerichtshofe bestimmte 
Daniel den Senat zu Cetinje. 

') Dieses Gesetzbuch ist im Druck erschienen im Jahre 1855 in Neu- 
satz unter dem Titel: Zakonik Danila I. knjaza i gospodara slobodne Crne 
Gore i Brdah, ustanovijen 1855. godine na Cetinje (Gesetzbuch Daniels I. 
Fürsten und Herrschers des freien Montenegro und der Berda, promulgirt 
im Jahre 1855 In Cetinje), 4., 32 S. Deutsch tibersetzt erschien es in Wien 
1859. Eine französische Uebersetzung gab H. Delarue, gew. Secretair Daniels, 
in seinem Werkchen: Le Montenegro (Paris, 1862). 

§ 21. 

Der jetzt regierende Fürst arbeitet auf Grundlage seiner Vorgän- 
ger weiter und das Gerichtswesen steht heute in Montenegro auf einer 
bei Weitem höherer Stufe. Auf der Volksversammluug im Jahre 1868 
wurden sehr wichtige Reformen nus der Initiative des Fürsten beschlos- 
sen. Der Senat bleibt auch fürderhin der oberste Gerichtshof. Das 
Land wurde in 7 Gerichtssprengsl (naöelniätvo) eingethcilt mit je 
einem nacelnik an der Spitze, dem zwei Adjuncten (pomoßnik) 
beigegeben sind. Als Bezirksrichter sind die Kapetani (Hauptleute) 
bestellt, deren Competenz bestimmt ist. Früher war die Gerichts- 
barkeit in den Händen des Kapetans, der dafür ein kleines Sa- 
lair und Sportein hatte ; jetzt haben die Richter geziemenden 



— 27 — 

Gehalt, dafür stehen sie unter strenger Verantwortlichkeit. Das 
Prinziz der Rechtsgleichheit gilt im vollen Masse. Mit Oesferreich- 
Ungarn wurde ein Vertrag behufs Auslieferung gemeiner Verbre- 
cher geschlossen. Aber bald sah Fürst Nikolaus ein, dass die 
bisherigen Gesetze und die bisherige Rechtspraxis den heutigen 
Verhältnissen seines Landes nicht mehr entsprechen. Er wandte 
sich an Russland mit der Bitte um einen Rechtsgelehrten, der die 
montenegrinischen Gesetze verbesaem und erweitern werde, da 
die Nothwendigkeit dessen sich immer stärker fühlbar machte. 
Mit grosser Bereitwilligkeit willfahrte die russische Regierung die- 
sem Begehr und sandte nach Montenegro den gelehrten Ragusa- 
ner Dr. Bogiäiö, der eines Rufes als ausgezeichneter Kenner des 
slavischen Rechts geniesst.^) Er arbeitet heute an einem Straf- 
gesetzbuche für Montenegro, das binnen Kurzem publizirt werden 
dürfte. Von Dr. Bogiäic können wir mit Recht erwarten, dass er 
sich durch doctrinäre Theorien nicht beirren lassen, sondern dass 
er die neuen Gesetze mit den Bedürfnissen des Landes und den 
Rechtsanschauungen des Volkes in Einklang bringen wird, ohne 
die Postulate der Wissenschaft aus dem Auge zu lassen. Nur so 
wird er dem Vorwurfe ausweichen, den der gelehrte Maciejowski'') 
dem neuen Gesetzbuche im Fürstenthume Serbien gemacht hat.*) 
Auch dem Gefängnisswesen widmet Fürst Nikolaus seine 
Sorge. Obwohl die Montenegriner in Europa von Seite einer par- 
teiischen Presse als die grössten Barbaren geschildert werden, 
geschehen in Montenegro weit weniger Verbrechen, als in irgend 
einem anderen Lande. Jährlich erreicht die Zahl der wegen Ver- 
brechen zur Freiheitsstrafe Verurtheilter kaum 30, was bei einer 
Bevölkerung von 200,000 Seelen wirklich gering ist. Die häufig- 
sten Verbrechen sind: Mord und körperliche Beschädigungen im 
Streite oder aus Blutrache, die noch lange nicht ausgerottet ist; 
Diebstahl ist sehr selten, weil dieses, nebst Ungehorsam gegen 
Eltern, das einzige Verbrechen ist, auf welches die Körperstrafe 
verhängt ist, der Montenegriner aber lieber den Tod will, als 
durch Stockstreiche entehrt zu werden. Noch ist zu erwähnen, 
dass eigenmächtige Eheauflösungen geschehen, die dann auch ge- 
straft werden. Andere Verbrechen und Vergehen kommen in 
Montenegro nicht vor. Die öffentliche Sicherheit ist so gross, dass 
man im ganzen Lande mit einem goldenen Kopfe herumgehen 
könnte (um sich des Ausdruckes eines Kenners von Montenegro 



— 28 — 

zu bedienen), ohne ein Leid zu befürchten. — Früher waren in 
Montenegro drei Staatsgefängnisse: in Cetinje, Rijeka und Dodo§i. 
Da aber die zwei letzteren der Gesundheit der Gefangenen nicht 
zuträglich waren, so hat man sie in neuerer Zeit gänzlich aufge- 
lassen. In Cetinje gebrauchte man die Kellerräume des alten 
Klosters als Gefängniss, weil Mangel an öffentlichen Gebäuden 
war. Im Jahre 1869 half Fürst Nikolaus auch diesem Bedürfnisse 
ab, indem er an gesunder Stelle ein neues Gefängniss aufführte. 
Bei dem ernsthaften Bestreben des Fürsten, sein Land und 
Volk der Cultur wieder zu eröffnen, werden bald auch in Monte- 
negro geregelte Justizverhältnisse ins Leben treten. Montenegro 
ist eben jetzt an der Scheidegränze zwischen dem ausschliessli- 
chen Gewohnheitsrechte und dem in einem Codex niedergelegten 
Rechtsbewusstsein des Volkes. Wir halten daher diesen Moment 
für den geeignetsten, um das jetzige Justizwesen Montenegros in 
gedrängter Uebersicht zu veranschaulichen ; ohnehin wird es bald 
der Vergangenheit und der Geschichte angehören. Hoffen wir, dass 
die neue Aera, der Montenegro entgegengeht, auch in Hinsicht 
auf das Justizwesen dem Ländchen und seinem braven Volke den 
Segen bringen wird. 

') Im Jahre 1867 hat er in Agram unter dem Titel : Pravni obiöaji 
u Slovena (Rechtsgebräuche bei den Slaven) ein schätzbares Werk heraus- 
gegeben 

') Slavische Bechtsgeschichte, erste Ausgabe, I. TheU, § 20, 

•) Maciejowski hat wohl diesen Vorwurf in die zweite Ausgabe seines 
Werkes nicht aufgenommen; aber was er über die seiner Zeit beabsichtigte 
Einführung des französischen Gesetzbuches in Serbien gesagt hat, das gilt in 
Yollem Masse auch von dem in Serbien heute geltenden Civilcodex, der ein 
Abklatsch des österreichischen Gesetzbuches ist und bei dem Maciejowskis 
Worte vollinhaltlich angewendet werden können : „Kann ein nach dem Muster 
des römischen .Rechtes verfasstes Gesetz der Ueberzeugung des serbischen 
Richters und den Bedürfnissen des Volkes entsprechen, das durch so viele 
Jahrhunderte einer juridischen Cultur entbehrte?" Auch Dr. BogiSiö (Pravni 
obiCaji, S. 10) macht dem Verfasser des Civilgesctzbuches für das Fürsten- 
thum Serbien den Vorwurf, dass er die ßechtsgebräuche des Volkes nicht 
kannte, denn sonst wäre er nicht in solche Widersprüche mit den lebendeu 
Bechtsgebräuchen und mit sich selbst gerathen sein. 



Privatrecht. 

r 

Allgemeine Bestimmangen. 

§ 22. 

Die verbindliche Kraft des Gesetzes (zakon) nimmt ihren 
Anfang vom Tage der in der Volksversammlung geschehenen 
Kundmachung desselben.^) 

Nach der geschehenen Kundmachung kann sich Niemand 
damit entschuldigen, dass ihm das Gesetz nicht bekannt war.'*) 

Das Gesetz bezieht sich nur auf jene rechtlichen Verhältnisse 
und Handlungen, die in der Zukunft geschehen und entstehen; 
das Gesetz wirkt nicht zurück.^) 

*) Gesetzbuch Daniels, die Einleitungsworte: „Daniel L Fftrst und 
Herrscher des freien Montenegro und der Berdas, bestimmt im Einvernehmen 
mit- den Häuptlingen und A ehesten von ganz Montenegro und der Berdas 
das allgemeine Landesgesetzbucb, gemäss welchem von nun an und für immer 
dem Montenegriner und Berdianer Recht gesprochen werden wird.** In der 
6. Alinea der Einleitung heisst es : „Von heute an wird jede eigenmächtige 
Gerichtsbarkeit aufgehoben." Art. 1, 9, 45, 65, 67, 68, 88. 89, 90: „von heute 
an." Art. 78: „nach dem Tage der Kundmachung, dieses Gesetzbuches." 
Art. 80: was gethan werden möchte nach der Kundmachung dieses Gesetz- 
buches." Die Schlussworte des Gesetzbuches : „wer von heute an dieses Ge- 
setzbuch nicht beobachten würde, den übergeben wir dem ewigen Fluche als 
einen Feind und Verbrecher an unserem Yaterlande." — Aehnliches bestimmte 
auch das Gesetzbuch Peters I. So heisst es in der Einleitung des Beschlusses 
der Volksversammhing vom 18. (29.) October 1798: „alle einstimmig und 
nach gepflogener Verhandlung brachten wir dieses Gesetz, gemäss welchem 
wir uns künftighin richten und verhalten können." Art. 2, 14, 15, 17: „von 
heute an." Art. 19 : „nach dieser unserer Zusammenkunft und Uebereinkunft.'* 
Art. 21 : „von nun an." 



— 30 — 

>) 0. B. Daoiels, zu Ende der Emleitang: „Dieses Gesetzbuch möge 
Jedermann lesen und wer es kennt, möge es sagen einem Jeden, derbes nicht 
kennt, damit er wisse, was das Gesetzbuch über einzelne Vergehen ausspricht, 
und damit er sich vor jedem Vergehen hüten könne, um nicht unter die 
Strafe zu kommen.'* — Vergl. G. B. Peters I. Art. 32, wo es ausdrücklich 
heisst : „damit dann keiner sagen könne, er habe nicht gewusst, was das Ge- 
setz über einzelne Verbrechen ausspreche." 

') G. B. Daniels, Art. 45 : „Dies gilt von heute an von Jenen, die was 
kaufen werden, und nicht von Jenen, die bis jetzt gekauft haben.** Art. 80 ; 
9,Welcher Diebstahl vor der Kundmachung dieses Gesetzbuches begangen 
wurde, so ist dieser Diebstahl .... mit Geldstrafen zu belegen, was aber 
nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches geschieht, dort soll jeder Dieb 
für jeden Diebstahl mit Stockschlägen bestraft werden.** — Gleiches bestimmte 
auch das G. B. Peters I. Art. 14 : ,, Welcher Diebstahl begangen wurde vor 
dem zwischen uns in Cetinjc am Verkläruogsfeste den 6. (17.) August 1796 
gemachten Waffenstillstände ^vjera) und Bürgschaft, solche Diebstähle sind 
gemäss alter Gepflogenheit zu richten.** Art. 15 ist gleichlautend mit der be- 
treffenden Stelle des G. B. Dan. Art. 45. 

^ § 23. 

Das Gesetz verbindet Jedermann ohne Unterschied gleich- 
massig.^) Eigenmächtige Hilfe ist ausgeschlossen.*) 

^} G. B. Daniels, Einleitung: „ . . . . allgemeines Gesetzbuch, gemäss 
welchem von nun an und lür immer dem Montenegriner und Berdjaner Recht 
gesprochen werden wird, sei er klein oder gross, reich oder arm, gleichmäs- 
sig nach Billigkeit, dass Jeder zu seinem Rechte kommen kann.** Art. 1 : 
„Alle Montenegriner und Berc^aner sind gleich vor Gericht.*' Art. 6: „nach 
Recht dem Kleinen und dem Grossen.*- — Vergl. G. B. Peters I. Art. 22 
„nach Recht dem Kleinen wie dem Grossen, weil das Gericht Gottes ist ** 

') G. B. Daniels, Einleitung : „Da der Fürst und Herrscher wünscht, 
dasS jedes eigenmächtige Richten aufhöre, damit im Volke eine beständige 
Gerechtigkeit befestigt werde, hebt er von heute an jede eigenmächtige Ge- 
richtsbarkeit auf, und an deren Stelle setzt er die gesetzliche und beständige.** 
Art. 42 : „aber eigenmächtig darf Niemand sich selbst Recht sprechen.*'* — 
Vergl. G. B. Peters I. Art 18: „Jede Eigenmächtigkeit und Rache ist 
verboten.** 

§ 24. 

» 

Wo das Gesetz nichts bestimmt, dort wird der Richter nach 
seinem Gewissen urtheilen, in so weit, als zur Gewohnheit nicht 
gegriffen werden kann.^) 

^) G. B. Daniels, Einleitung: „und wo das Gesetzbuch nicht bestimmt, 
dort werden sie (die Häuptlinge und Aeltesten des Volkes) jedem Bruder Mon- 
tenegrmer und Berdjaner gerecht und nach Gewissen das Recht sprechen.*^ 



— 31 — 

Art. 61 : „Nach der Gewohnheit unseres Landes/* Art 69 : ^nsL^h (den Eanones 
und) der Grewohnheit unserer orthodoxen Kirche.** Art. 88; „nach unserer 
serbischen Gewohnheit.** Art. 91 beruft sich auf das, dass Peter I. die Monte- 
negriner beschworen habe, jedem Flachtling (üskok) aus fremden Lande 
Sicherheit angedeihen zu lassen. Auch das G. B. Peters 1., Art. 17 beruft sich 
auf alte Gepflogenheiten. Ueberhaupt war vor Peters I. Gesetzbuch in Monte- 
negro nur das Gewohnheitsrecht in Kraft, so wie auch das Gesetzbuch Daniels 
(die Bestimmungen über die Blutrache ausgenommen) der stricteste Ausdruck 
der Rechtsanschauungen des Volkes sind, wie sie sich durch althergebrachte 
Gewohnheiten entwickelt haben. 

§ 25. 

„Gemäss der ererbten und b s jetzt bewahrten Freiheit bleibt 
jedem Montenegriner und Berdjaner auch von heute an und künf- 
tighin seine Ehre, sein Eigenthum und seine Freiheit gesichert, 
noch darf welcher immer Montenegriner oder Berdjaner oder das 
Gericht einem unbescholtenen Bruder Montenegriner oder Berdja- 
ner diese Heiligthümer antasten." ') 

*) G. B. Daniels, Art. 2. 

§ 26. 

Die montenegrinische Staatsbürgerschaft wird erworben durch 
den Eintritt in das Land und durch die Ansässigkeit im Lande. 
Die Nationalität nnd die Religion bedingen keine Ausnahme im 
Genuss der Rechte.') 

<) G. B. Daniels, Art. 91 : , Sobald ein Flüchtling (uskok) in unser 
freies Land tritt, ist er gemäss dem Gelübde des h. Peters, gewesenen Herrn 
Yon Montenegro, sicher, und Niemand darf ihm eine Unbill anthun, wenn er 
sich ehrlich und unserem Landesgesetzbuch e conform benimmt und richtet, 
dessen Gerechtsame er in gleicher Weise geniesst, wie jeder unser Bruder 
Montenegriner und Berdjaner ; und für jede üebertretung wird auch dem üsko- 
ken nach der Bestimmung dieses Gesetzbuches Recht gesprochen.*' Art. 92 : 
,,Wenn auch in diesem Lande keine andere Nationalität besteht, als nur die 
serbische, und keine andere Religion, als die orthodox-orientalische: so kann 
trotzdem Jeder anderen Stammes und anderer Religion (darin) frei leben und 
jene Freiheit und jene unsere heimische Gerechtsame geniessen, wie sie auch 
jeder Montenegriner und Berdjaner geniesst.** — Früher, wenn ein Fremder 
eine böse That verübte, nicht aber den einheimischen Gesetzen unterstand, 
wurde ihm nur der Aufenthalt im Lande gekündigt. Medakoviö, Zakonik od 
goda !798 (Gesetzbuch vom Jahre 1798 d. h. Peters L) S. 19. 

Das im G. B. Daniels, Art. 91 bezogene Gelübde Peters I. hatte seinen 
Ursprung im folgenden Ereigniss: Ein österreichischer Soldat (kein Verbre- 
cher) desertirte nach Montenegro. Der Cömmandant von Cattaro verlangte 



— 32 — 

• . 

¥om Vladika die Heraosgabd des Desertears. Peter I. antwortete, dua nach 
der Landesgepflogenheit der Soldat nur so ausgeliefert werden könnte, wennHint die 
Straflosigkeit feierlich zugesagt würde. Der Commandunt macht diese Zusage 
und Peter I. rieth darauf dem Soldaten zurückzugehen. Auf dieses hin ging 
der Soldat nach Cattaro, wo er Ruthen laufen musste. Die Nachricht ^a?on 
empörte Peter L im Innersten und er lieferte jenen Montenegriner dem ewigen 
Fluche, der einen Flüchtling aus dem freien Montenegro ausliefern würde, 
sondern wer in Montenegro eintritt, soll frei sein. Und so wird es gehal- 
ten. Medakoyiö, Povjestnica Cme Gore (Geschichte Montenegros), Semlin, 
1850, S. 282. 



Die Familie. 

§ 27. 

Die Familiengemeinschaft, die Verwandtschaft, die Stammes- 
angehörigkeit ist in den rechtlichen Verhältnissen des Montenegri- 
ners sehr wichtig. Auch die politische Verwaltung steht unter dem 
Einflüsse dieser Arten der Gemeinschaft; in früheren Zeiten aber 
— wie wir oben gesehen haben — war sie entscheidend und 
massgebend. Ganz Montenegro ist in Stämme (pleme) getheilt. 
Jeder Stamm hat einen gemeinschaftlichen Stammvater, so wie 
auch einen gemeinschaftlichen Namen (gewöhnlich nach dem 
Stammvater).*) Der Stamm theilt sich in mehrere Bratstvos {Fb.- 
milie im weiteren Sinne). Das Bratstvo ist die engere Blutsver- 
wandtschaft, es hat denselben Zunamen und feiert denselben 
Hauspatron. Die Mitglieder des Bratstvo dürfen unter einander 
bis zum siebenten Grade nicht heirathen; aber der Gebrauch ist 
in dieser Beziehung so streng, dass Heirathen, wo beide Theile 
zu demselben Bratstvo gehören, zu den grössten Seltenheiten gehö- 
ren.*^) Sie sind einander zu jeglicher Hilfeleistung verpflichtet; je 
mehr wafFenlähige Mitglieder ein Bratstvo hat, desto stolzer ist 
es; unter einander sind sie vollkommen gleich; gegenseitiger 
Zwist wird mit Intervention der anderen Mitglieder geschlichtet.^) 
Die Hauscommunion (jsadruga) ist die Familie im engeren Sinne. 
Sie ist jene Familie, in der mehrere Individuen derselben Abstam- 
mung (aber dieselbe Abstammung ist nicht unumgänglich nothwen- 
dig) und auch mehrere Einzelfamilien (Familien im engsten Sinne) 
zusammen leben und dasselbe Gut, welches ihr gemeinschaftliches 
Eigenthum (hasaba) bildet, gemeinschaftlich bearbeiten und genies- 
sen, unter Leitung eines Hausvaters, den sie gewöhnlich selbst 



- 33 — 

wählen.*) Ausser dem Falle der Adoption wird ein Mann auch 
dadurch Mitglied der Zadruga beziehungsweise des Bratstvo, wenn 
er in das Haus des Mädchens heirathet (domazetstvo) ; dadurch 
wird er zugleich adoptirt.-'"*) Zu bemerken ist aber, dass solche 
Fälle sehr selten sind, weil das Annehmen eines Domazet als eine 
Schmach betrachtet wird, sowohl für das Mädchen, als auch für 
deren Vater.**) Auch das übrige Gesinde wird in mancher Bezie- 
bung gleich den übrigen Mitgtiedem der Familie behandelt. 

^) Medakovic, Zivot i obiösgi Grnogoraca (Leben und Sitten der Monte- 
negriner), Neusatz, 1860. S. 79 sqq. Karadiic, Wörterbuch s. v. pleme. — 
Pleme entspricht dem schottischen Clan, oder dem albanesischen Fis. 

2) Die im ersten Grade Verwandten sind braöa i sestre (Brüder und 
Schwestern), im zweiten Grade heissen sie bratuöedi (Geschwisterkinder), im 
dritten Grade bratini6i, vom vierten Grade an brätst venici. 

8) Medakoviö, Zivot, S. 77 sqq. Earad^iö, Wörterbuch s. v. bratstvo. 
Ein Bratstvo, ohne dass es Mitglied eines Pleme wäre, heisst poselica, und 
ist in mancher Beziehung schlecht daran. 

*) Bogiäic, Pravni obi6aji u Slovena (die Rechtsgebräuche bei den Sla- 
ven). Agram, 1867, S. 21. 

^) Medakoviö, Zivot, S. 76. Aber er benennt sich weder nach seinem 
früheren Bratstvo, noch nach dem, in welches er eingetreten ist, sondern heisst 
Domazetoviö (von dom, das Haus, und zet, der Schwiegersohn). 

^) Dr. Petranovi6 in der Abhandlung: lieber das Erbrecht bei den 
Serben. Rad jugosl. akademge, Bd. XXIII. S. 36 

§ 28. 

Im Eherechte und im Erbrechte, nicht minder im Strafrechte 
werden wir mehr Gelegenheit haben, vom Rechtsverhältnisse des 
weiblichen Geschlechtes Erwähnung zu machen. Was seine Stellung 
im Allgemeinen anbelangt, so ist sie ziemlich precär. Die Frau 
(iena) des Montenegriners muss ihrem Manne in Allem gehorchen ; 
alle männlichen Geschlechts im Hause haben Vorhand vor der 
Frau, auch in der Kirche; nach der Meinung des Montenegriners 
ist ein weibliches Geschöpf mehr vom Schaden als vom Nutzen. 
Darum ist auch im ganzen Bratstvo die Freude gross, wenn ihm 
ein Knabe geboren wird. Sogar] alte Weiber müssen dem Mannsbilde 
die Hand küssen.^) Alle Hausarbeit, auch die schwerste, liegt 
der Frau ob, und kaum dass der Zustand der Schwangerschaft 
Ausnahme macht. ^) Dagegen darf eine Montenegrinerin nur ihr 
Mann oder ihre Eltern züchtigen; wer sonst die Frau schlagen 

würde, der wäre ehrlos; darum darf sie überall frei gehen, auch 
Popoviö, Becht n. Gericht in Montenegro« 3 



— 34 — 

während der Vendetta.*) Für sie ist der Hausvater, beziehungs- 
weise der Mann oder die Eltern verantwortlich.*) 

^) Nach dem Tanze kUsst die Montenegrinerin dem Montenegriner die 
Hand. Medakoviö, 2i?ot, S. 172. 

^) Im Kriege versieht die Fran ihren Mann mit Nahrung und Munition. 
Sehr oft haben auch die Frauen tapfer mitgekämpft. 

') Eine Postroute in der Bocche di Cattaro, wo dieselben Gebräuche 
gelten, war eine Zeitlang sehr unsicher ; dor Postwagen wurde sehr oft beraubt 
und der Postillon getödtet Man rietli der österreichischen Postverwaltung, für 
diese Route einen weiblichen Postillon zu nehmen. So geschah es und gleich 
hörte die Unsicherheit auf. 

*) Medakovi6, Zivot, S. 19—23. Derselbe, Zakonik, S. 17-18. Bogiäiö, 
Pravni obiöi^i, S. 27—29. W. A. Maciejowski. Historja Prawodawstw Stowian- 
skich, 2. Ausg. III. Th. § 6. 

§ 29. 

In Beziehung auf das Älter enthält das Gesetz wenige Bestim- 
mungen. Nach dem G. B. Daniels sind drei Alter zu unterscheiden : 
die Unreife, die Minderjährigkeit und die Grossjährigkeit. Es be- 
stimmt nämlich Art. 80, dass die ,;Unreifen Kinder" (dijete ludo) 
vom Ausmass der Strafe bei Diebstählen auszunehmen seien ; *) 
nach den bestehenden Gewohnheiten ist diese Unreife bis zum 
15 — 16. Jahre zu nehmen, da dann beide Geschlechter heirats- 
fähig und die Knaben waffenpflichtig sind.*) Die Minderjährigkeit 
(nedorastlost) dauert bis zum 20. Jahre. ^) Aber dafür macht das 
G. B. Daniels, Art. 14 keinen Unterschied zwischen „kleinen" und 
grossen Montenegrinern im Ausmasse der Strafe für Beschimpfung 
„guter und ehrlicher" Richter und Vorsteher.^) 

Vergl. G. B. Peters I., Art. 14. 

') Die Mädchen heiraten auch mit 10—12 Jahren, aber vor der erreich-, 
ten Pttbertaet wird das Matrimonium nicht consumirt. Medakovi6, Zivot, S. 40 

^) Das 6. B. Daniels Art. 60 bestimmt nämlich, dass elternlose Kinder 
bis zum 20. Jahre »ehrliche Leute^^ zu Aufsehern ihres Vermögens haben 
soUen. Die frühere Gerichtspraxis bestimmte die Minderjährigkeit „bis zum 
Mannesalter" ((ovjeöye doba). Medakoviö, Zakonik, S. 18. 

*) Verj^l. G. B. Peters I. Art. 26. üeber das Alter, vergl. auch Macie- 
jowski, Eist. Praw. Slow. III. Thl. § 38—42. 

§30. 

Wahminnijfe und Narren werden unreifen Kindern gleich- 
geateUt.') 



— 35 — 

>) G. B. Daniela Art. 80, womach von der Bestimmimg ttber die Strafe 
auf den Diebstahl ausgenommen werden jene, „welche nicht vollkommen bei 
Sinnen und Verstand sind/' 

§ 31. 

Der Hausvater (domacin oder kutnji stÄrje§ina) dirigiit das 
Haus und das ganze Vermögen ; er bestimmt die Arbeit und den 
Arbeiter; er kauft und verkauft (aber im Einvernehmen mit den 
Familienmitgliedern); bei ihm ist die Casse und er sorgt für alle 
Zahlungen. Nicht immer ist der an Jahren Aelteste zugleich der 
Hausvater; er kann abgesetzt werden und ein anderer wird ge- 
wählt. Die Familie ist ihm Gehorsam schuldig, dafür iat er für 
alle Mitglieder als Vater zu sorgen. Ohne ihn .darf nichts im 
Hause geschehen, dafür ist er aber auch für alles verantwortlich. ') 

*) Medakovic, Zivot, S. 12—14. Karadzic, Wörterbuch s. v. starjeäina. 
Bogiäic, Pravni obiöaji, S. 31 — 33. 

§ 32. 

Gewöhnlich die Frau des Hausvaters i^t zugleich die Haus- 
frau (domaöica), aber das ist nicht immer jder Fall, noch muss 
es unumgänglich sein. Bei ihr sind die Schlüssel von den Vorraths- 
kammem ijnd sie gibt Acht auf die weibliche Arbeit im Hause und 
leitet sie.') 

*) BpgiSi6 Pravni obi6aji, S. 34—35. 

§ 33. 

Alle Mitglieder der Hatiscommunion (zadrugari) haben auf 
das condominium (hasaba) das gleiche Recht, ebenso auf den usus- 
fructus. Zum condominium gehören gewöhnlich immobilia; aber 
auch mobilia können dazu gehören, gleichwie auch ein unbewegli- 
ches Gut das peculium eines Mitgliedes der zadruga sein kann. 
Unter sich sind die Rechte der zadrugari gleich. Bei wichtige- 
ren Anlässen hat der domacin mit den zadrugari sich zu bespre- 
chen; namentlich bei der Vesheirathung eines Mädchens der Fa- 
milie sind alle männlichen Mitglieder sogar des ganzen bratstvo 
zu befragen, weil sie alle im Nothfalle vorpflichtet sind, ihre Ver- 
wandte zu schützen./) Die zadrugari haben das Recht auf gezie- 
menden Unterhalt aus der hasaba. Sie sind verpflichtet, im Inter- 
esse der zadruga zu arbeiten und den betreffenden Anordnungen 

8» 



— 36 — 

des Hausvaters nachzukommen, aber sie können den Hausvater 
auch absetzen und einen anderen an seine Stelle wählen. Mit 
seinem peculium disponirt. der zadrugar unumschränkt^) 

>) Medakoviö, 2ivot, 8. 38. 

') G. B. Daniels, Art. 48. Ueber das peculium des Vaters vergl. 6. B. 
Daniels, Art. 49, 50, 61, 52. 53, 64, 65. 66. BogiSiö, Pravni obiöaji, S. 30-31, 
35—39. Karadiiö, Wörterbuch s. v. hasaba und steter. 

§ 34. 

Jedes Mädchen (djevojka) des Hauses hat das Recht auf den 
geziemenden Unterhalt, so lange es in der zadruga ist; dafür hat 
es gleich den anderen Mitgliedern im Interesse der zadruga ge- 
mäss seinen Fähigkeiten zu arbeiten. Auch die Mädchen können 
ihr peculium haben, man geht ihnen hierin sogar an die Hand 
in mancher Beziehung. Ausser der Ausstattung und dem, was ihm 
die Eltern geben, hat das Mädchen bei seiner Verheirathung gar 
keinen Antheil an dem condominium;^) es hört auf Mitglied der 
früheren zadruga zu sein, dafür wird es zum Mitgliede der zadruga, 
in die es heiratet. Die jüngere Schwester darf in der Regel vor 
der altem nicht heiraten.') 

') G. B. Daniels, Art. 61 beruft sich dabei auf den Landesgebraucfa. 
Vergl. auch Art. 56 des G. B. Dan. Earadiiö, Wörterbuch, s. v. hasaba sagt: 
Hasaba ist das, was ein Frauenzimmer aus dem Yaterhause nicht erben kann, 
als: das Hans, der Tretplatz, die Gebäude etc. 

*) BogiSiö, Pravni obidaji, S. 89—40. 

§ 35. • 

Eine verheiratete Frau wird zum Mitgliede der Hauscommu- 
nion, in die sie geheiratet hat; daher sie Pflichten und Rechte 
hat gleich anderen Mitgliedern. Die weibliche Arbeit im Hause ist 
unter den Frauen getheilt. Der Reihe nach (red) arbeiten sie je 
eine Woche die allgemeine Hausarbeit; ebenso der Reihe nach 
gehen sie je einen Sommer als Sennerinen (planinka) ins Gebirge. 
,Vom red ist gewöhnlich die Schwiegermutter befreit; die Neuver- 
mählte Frau für das erste Jahr. Die Frau hat für die Kleidung 
des Mannes und der Kinder zu sorgen; überhaupt ist die Lage 
der Montenegrinerin S3hr schwierig und viel und schwer muss sie 
arbeiten.*) Die diesbezüglichen Gewohnheitsvorschriften sind sehr 



- 37 - 

mannigfaltig. Auch die verheiratete Frau kann ihr peculium 
haben.*) 

Vergl. das beim § 28 Gesagte. 

') Bogidiö, Pravni obiöaji, 8. 41-42. Medakoviö, 2i?ot, S. 19—24, 93, 162. 

§ 36. 

Die Wütwe (^udovica) genie.^st den Antheil (peculium) ihres 
Mannes, so lange sie lebt; sollte sie heiraten, so bekommt sie 
unter gewissen Bedingungen einen jährlichen Betrag. *) 

O. B. Daniels, Art 50, 52. Darüber später beim Erbrechte. Vergl. 
Bogidiö, PraTni obi5%ji S. 42—43. 

§ 37. 

Die in der zadruga geborenen Kinder (djeca) sind Mitglieder 
derselben und haben die allgemeinen Rechte der zadrugari, na- 
mentlich das Recht auf angemessenen Unterhalt; andere Rechte 
können sie nicht gemessen , bis sie nicht grösser werden. Auch 
zur Arbeit sind sie nach Yerhältniss ihrer Kräfte und Fähig- 
keiten verpflichtet.^) 

') BogiSiö, Prayni obiaigi S. 43. 

§ 38. 

Was das Hamyesinde (celjad) anbelangt, so unterscheidet es 
sich äusserlich wenig von den Mitgliedern der FamiUe. Wer viel 
Grund und Vieh hat, der nimmt einen Gehilfen (pristav), der ihni 
in der Arbeit hilft. ^) 

') BogiSic, rraviii obidaji, S. 44—47. Medakovic, Zivot S. 17. Vergl. 
W. A. Maciejowski, Hi8\ Praw. SJow. 2. Ausg. III. Bd. § 6. 



Das Eherecht. 

§39. 

Das Eheverlöhiiss (vjeridba) involvirt keine gesetzliche Ver- 
bindlichkeit zur Schliessung der Ehe. ') Das Gewohnheitsrecht aber 
ist hierin rigoroser und das hat oft nachtheilige Folgen gehabt 
namentlich dass blutige Zweikämpfe und endlose Blutrachen zwi 
sehen den beiden betreffenden Bratstvas oder Plemes stattfanden.*) 



_ 38 — 

Die Haüptursache davon liegt in der Unsitte, die Kinder sehr 
früh (sehr oft wenn sie noch in der Wiege sind) zu verloben. 
Alle Bemühungen der Herrscher, diese Gewohnheit auszurotten, 
haben nichts gefruchtet. Dadurch sind viele Ehescheidungen ver- 
anlasst worden."*) 

*) 6. B. Daniels, Art. 68: „Der Verlobte (vjerenik) und die Verlobte 
(yjerenica), so lange sie noch verlobt sind, können zu jeder Zeit ansein- 
ander gehen." 

') Sogar in dem Falle geschehen von Seite des Bratstvo des verlobten 
Mädchens Herausforderungen zum Zweikampfe, wenn der Verlobte mit der 
Trauung zögert. Medakoviö, Zivot, S. 40. 

») BogiSiö, Pravni obiiaji, S. 72—76, 79-83. 

§ 40. 

Wir haben schon oben (§ 29) erwähnt, dass die Montene- 
griner früh heiraten. Das ist ihre alte Gewohnheit. Mit 15 — 16 
Jahren heiratet der Montenegriner und die Mädchen heiraten 
auch mit 13 Jahren; manchmal heiraten Mädchen von 10—12 
Jahren, aber vor der erreichten Pubertät wird das matrimonium 
nicht consumlrt.') Obwohl die Eltern auf den Willen der Kinder 
wenig Rücksicht nehmen, so dass sie mit ihnen in Beziehung auf 
die Heimt nach Gutdünken verfahren , was in Folge der precären 
Stellung des weiblichen Geschlechtes in Montenegro (siehe oben 
§§ 28, 34, 35) namentlich von Mädchen gilt, so hat diese Gewalt 
der Eltern einen Moderator in dem Gebrauche, dass die männli- 
chen Mitglieder des ganzen Bratstvo zu befragen sind, ob sie ihre 
Einwilligung zur Heirath des Mädchens geben. Ohne diese Einwilli- 
gung dürfen die Eltern dem Freier das Versprechen nicht geben.*)^ 

*; Medakoviö, Äivot, S. 39—40. Vergl. Maciejowski, Hist. Praw. Slow. 
111. Bd. §. 42. 

«) Medakoviö, 2ivot, S. 37. 

§ 41. 

Obgleich auch das Gesetz') zur giltigen Heirat, „nach dem 
Gesetze und Gepflogenheit unserer orthodoxen Kirche," die Ein- 
willigung der Eltern, oder, wenn keine Eltern da sind, der Ver- 
wandten des Mädchens verlangt,-) so ist das Haupterfordemiss 
zur Schliessung einer giltigen Ehe die gutwillige Einwilligung der 
Brautleute; ohne diese Igutwillige Einwilligung ist dem Seelsorger 
bei schwerer Strafe verboten, die Trauung vorzunehmen.'*) Wenn 
das Mädchen auch ohne Wissen ihrer Eltern, aber aus freiem 



— 39 — 

Willen heiratet, so gilt die Ehe, ;,weil die Liebe selbst sie ver- 
bunden hat," wie die schlichte Begründung des Gesetzes lautet.*) 

G. B. Dan., Art. 69. 

^) Dasselbe bestimmt auch G. B. Peten L, Art. 11. 

^ G. B. Dan., Art. 68. 

*) G. B. Dan., Art 70. 

§ 42. 

In Hinblick auf die impedimenta der Ehe^ ausser dem Man- 
gel der Einwilligung der Brautleute und der Eltern und Verwandten, 
von der wir schon gesprochen haben, erwähnt das Gesetz nur 
zwei : den raptus und den Fall,, wo ein Mann eine Frau heiratet, 
deren erster Mann am Leben ist.') In der Volkssitte aber ist ein 
wichtiges Hinderniss, das in den seltensten Fällen umgangen wird, 
dass die jüngere Schwester vor der älteren nicht heiraten dürfe. 
Die Verwandtschaft und Schwägerschaft ist ein Ehehinderniss bis 
zum siebenten Grade. Ein Hinderniss ist dieTaufpathenschaft (kräteno 
kumstvo), während die Pathenschaft der Trauung (vjentauo kum- 
stvo) beinahe als gar keine cognatio spiritualis betrachtet wird. 
Hingegen die Bundesbruderschaft (pobratimstvo) bedingt ein Ehe- 
hindernigis. Eine Mohamedanerin ist dem Montenegriner unrein, 
daher kann mit ihr keine Ehe geschlossen werden.^) Selbstver- 
ständlich sind die bezüglichen Kirchensatzungen giltig, wie sich 
auch das Gesetz darauf bezieht.^) 

^) Gi B. Dan., Art. 69. Noch ein gesetzliches Ehehinderniss besteht 
nach G. B. Dan., Art. 77 für die Frau, deren Ehe wegen Diebstahls an 
ihrem Manne getrennt wurde. 

2) BogiSiö, Pravni obiöaji, S. 57-68. Medakoviö, Äivot, S. 38-39, 61, 
73—74, 76—78. 

^) G. B. Dan , Art; 67, 69. 

§ 43. 

Der raptus (otmica) geschieht manchmal bei den Montene- 
grinern. Das Gesetz ist gegen den Räuber sehr streng und ver- 
folgt ihn wie einen Ungläubigen und Räuber fremder Kinder; 
er wird des Landes verwiesen, sein Vermögen aber verkauft.*) 
Früher war der Mädchenraub häufiger, aber strenge Gesetze 
steuerten dem Uebel.*) Es geschieht auch, dass sogar verheiratete 
Frauen geraubt werden. Wenn nämlich Jemand eine Frau heiratet) 



— 40 — 

die ihrein Mann entflohen und in eine andere Nahija (District) 
gekommen ist, so will ihr erster Mann mit der Verwandschaft 
sich rächen ; sie gehen daher in die Nahija, in der die geflüchtete 
Frau geheirathet hat, rauben welche Frau immer und verheiraten 
sie an einen der Ihrigen. Das Gesetz kennt nur den raptus 

« 

violentiae.') 

') G. B. Dau., Art 69, welche Bestimmung wörtlich dem G. B. Teters L, 
Art 11 entnommen wurde. 

«) G. B. Peters I , Art. 12 bestrafte den Priester mit Verlust der Prie- 
8'rrschaft und Aasstossnng aus der Gemeinschaft, „wie einen ehrlosen Ungläu- 
bigen und Terflurhten Lästerer des Gottesgesetzes und wie einen Mörder der 
christlichen Seelen,*' wenn er die Ehe mit einer Frau, deren Mann am Leben 
ist, oder mit einem geraubten Mädchen einsegnete. 

i) Karadiiö, Wörterbuch s. t. otmica. Bogidiö, Pravni obi«igi. S. 68—71. 

§44. 

Was die zur Schliessung der Ehe erforderlichen gesetzUchm 
Feierlichkeiten betriflt, so fordert das G. B. Daniels, Art. 68, dass 
der Pfarrer des Bräutigams drei Tage vor der Trauung befragen 
soll, „ob das Mädchen, das der Bräutigam heiraten will, mit dem 
Bräutigam zufrieden sei oder nicht, und wenn beide Theile zufrieden 
sind, kann er sie trauen, wenn nicht, darf er nicht trauen." bei Strafe 
der Ausschliessung aus der Kirche. Sonst gelten die betreffenden 
Vorschriften der orthodoxen Kirche,') besonders aber werden die 
in den Volksgebräuchcn und Sitten ruhenden feierlichen und sym- 
bolischen Riten bei der Freiung, Verlobung und Trauung streng 
eingehalten.*) 

G. B. Dan., Art. 67, 69. 

*) Bogifiiö, Pranu obiöigi, S. 72-76, 79—83, 90-100. Medaltoyid 
2;mt, S. 37—51. 

§ 45. 

In Bezug auf das Verhältniss zwischen Mann und Frau^ 
ausser dem schon Gesagten, ist noch Folgendes nachzutragen: 
der Mann ist das Haupt des Hauses und der Familie; die Frau 
hat ihn zu ehren und ihm in Allem unbedingt zu gehorchen;*) 
ohne sein Wissen wird sie sich nirgends entfernen und sein 
Wille ist in Allem massgebend.*) Der Mann kann seine Frau 
körperlich bestrafen.^) Sie macht alle Feldarbeiten gemeinschaftlich 



— 41 - 

mit dem Manne und die meisten Hausarbeiten liegen ihr ob. Das 
Vermögen ist zwischen Mann und Frau gemeinschaftich, ebenso 
das Erworbene.^) Mit ihrer Ausstattung und ihrem peculium kann 
die Frau frei disponiren.*) Die Witwe geniesst das ganze Vermö- 
gen des Mannes; auch wenn sie eine neue Ehe eingeht, erhält 
sie daraus einen jährlichen Antheil.^) Die gegenseitige Haupipflicht 
ist die eheliche Treue ; namentlich die ehebrecherische Frau kann 
vom Manne getödtet werden; sonst wird sie des Landes verwiesen.') 

Med>;kovic, 2ivot, S. 18. 

^) Derselbe, S. tO. Selbst eine geschiedene Frau darf ihrem Manne 
nicht trotzen, sonst verliert sie die Alimentatioa von seiner Seite. 6. B. Dan. 
Artikel 76. 

s) Medakovic, ^ivot, S. 23. 

*) G. B. Dan., Art. 47. * 

^) G. B. Dan. Art. 49, 51, 56. Medakoviö, Äivot, S. 39, 51. 

») G. B. Dan., Art. 50. 52. 

^) BogiäiC, Pravni obißaji, S. 128—129. 

§ 46. 

Das Gesetz unterscheidet zweierlei Arten der Aufhebung der 
ehelichen Gemeinschaft^ die Scheidung (rastavljenje) und die Tren- 
nung (raspust, razvod). Unter den Scheidungsgründen ist blos die 
unüberwindliche Abneigung (mrzost) und Uneinigkeit (zao ^ivot) 
zwischen Mann und Frau angeführt, und zwar bestimmt das G. B. 
Daniels, Art. 75, dass, wenn der Mann nicht mit der Frau leben 
will, sie geschieden werden können, aber er ist verpflichtet, der 
Frau den Unterhalt zu geben. Sollte die geschiedene Frau unan- 
ständigen Lebenswandel führen und ihrem Manne trotzen, so kann 
ihr der Mann den Unterhalt und jede Hilfe entziehen.') 

G. B. Dan., Art. 76. 

§ 47. 

Die Ehe ist untrennbar; nur durch den Tod des einen oder 
des anderen Gatten kann sie gelöst werden, oder aber auf Grund 
der diesbezüglichen Satzungen der orthodox - orientalischen Kir- 
che.*) Als besonderer Grund der Lösung der Ehe führt das 
Gesetz*) den Fall an, wo die Frau den Mann wiederholt bestiehlt ; 
in diesem Falle wird die Ehe gelöst, so dass nur der Gatte eine 
neue Ehe schliessen kann, aber die Frau nicht, 



— 42 — 

^) 6. B. Dan., Art. 67, 68. Siehe unter anderem: Dissertatio canonica 
de matrimonio juxta discipliuam graecae orientalis ecclesiae, ab S. Klein de 
Saad, Wien, 1781, S. 117. — Euth. Joannovics, Principia Juris Ecclesiastici 
veteriB orthod. or. Ecclesiae, Neusatz, 1844, II. Bd. §§ 203—206. — Th. Han- 
dies, Dissertatio Inauguralis de causis connubium discindentibus secundum 
canones Ecclesiae orientalis et leges imperiales Byzantinas, Leipzig, 1849. 

^) G B. Dan., Art. 77. 

§ 48. 

Die Lösung der Ehe ist bei den Montenegrinern häufig. Die 
Ursachen davon sind: 1. das zu frühe Verloben der Kinder, bevor 
man weiss, ob sie zu einander Neigung haben werden ; 2. des 
Mannes Uebennuth ; 3. Kopfstützigkeit des Bräutigams, der das ge- 
freite Mädchen als Frau heimführen will, wenn er auch weiss, dass sie 
ihn nicht mag. In früherer Zeit kehrten sich die Montenegriner 
wenig auf das Recht und Gesetz, sondern thaten nach ihrem Wil- 
len, daher kamen endlose Blutrachen zwischen den Bratstvas und 
den Stämmen und manchmal bezahlten viele mit dem Leben, dass 
eine Frau Verstössen wurde, oder dass die Entflohene dem Manne 

4 

nicht zurückgegeben wurde. Die Vladiken steuerten nach Möglich- 
keit namentlich dem allzufrühen Verloben der Kinder, als der 
Hauptquelle des Uebels; aber viel konnten sie nicht ausrichten. 
Zuletzt erliess Peter L ein Gesetz über die Lösung der Ehe, 
um doch einigermassen dem Uebel den Riegel vorzuschieben. 
Diese Sache gehörte zur Competenz des Landesherm. Das divor- 
tium können beide Theile auf Grund genügender Ursachen ansu- 
chen. Wer den ersten Antrag gemacht hat, der zahlt dem anderen 
Theile 50 Thaler (ä 2 fl. 10 kr. ö. W.) „Schande" (sramota); 
für die Frau zahlt ihr Vater, der auch die bei der Heirath verur- 
sachten Kosten dem Gatten vergütet, wenn die Frau aus dem 
Hause ihres Mannes entsprungen ist. Die Trennung ist schwieriger, 
wenn die Gatten mit einander Kinder gehabt haben. Wenn aber 
der Mann die Frau im Ehebruche attrapirt, so geschieht die 
Trennung ohne Verzug, die Schande aber wird nicht bezahlt.') 
Nach geschehenem divortium können beide Theile eine neue Ehe 
eingehen. Obwohl das G. B. Dan. Art. 67 den früheren Usus 
beim divortium ausdrücklich für aufgehoben erklärt, so besteht 
doch die alte Gepflogenheit.^) 

*) In solchem Falle geschieht es manchmal, dass der Mann der Frau 
4ie Nase itbreisst, damit man sie an diesem Merkmale kenne, 



— 43 — 

«) Medakoviö, 2ivot S. 138—136. BogiSiö, Pravni obiöaji, S. 136—186. 
Vergl. Maciejowski, Hist. Praw. Slow. III. Bd §§. 25-27. 

§ 49. 

Ausser dem über das Verhältfiiss zwischen EUem und Kindern 
schon Gesagte ist darüber noch Folgendes zu bemerken : Die Eltern 
(roditelji) sind verpflichtet, ihre Kinder zum Guten zu erziehen, in 
der Furcht des Herrn zu erhalten, sie von böser That abzurathen, 
damit sie fremdes Gut nicht stehlen, nicht rauben und Schlechtes 
thun.^) Für die Vergehen der Minderjährigen sind die Eltern ver- 
antwortlich, weil sie die Kinder nicht zum Guten und zur Ehr- 
lichkeit verhalten haben. 3) So lange die Eltern leben, können die 
Söhne keinen Theil aus dem Vermögen beanspruchen.*) Die Kin- 
der sind verpflichtet ihre Eltern zu ehren, ihre Anordnungen zu 
befolgen, ihnen keinen Verdruss zumachen; im entgegengesetzten 
Falle, wenn auch Strafen sich als erfolglos erwiesen haben, kann 
der Vater den uugeratheuen Sohn aus dem Hause jagen.*) Die 
Volkssitte räumt auch der Mutter grosse Rechte über die Kinder 
ein, selbst über Erwachsene männlichen Geschlechtes.*) 

G. B. Peters L, Art. 17, 32. 
'') Medakovic, Zakouik, S. 18. 
3) G. B. Dan., Art. 47, 50. 
^) G. B. Dan., Art. 58, • 

^) Bogiäiö, Pravni obiöaji, S. 137-139. Vergl. Maciejowskl, Hist. Praw. 
SJow. III. Bd. §§. 81, 32. 

§ 50. 

Der Vater des unehelichen Kindes zahlt dem Kinde 130 Tha- 
ler (ä 2 fl. 10 kr. ö. W.), womit das Kind ernährt werden soll ; 
wenn aber das Kind grösser wird, so ist es in Hinsicht auf den 
väterlichen Antheil den ehelichen Kindern gleich Nimmt aber der 
Vater das uneheliche Kind zu sich, so zahlt er nichts. Die unehe- 
liche Mutter, Mädchen oder Wittwe, hat gar keinen Anspruch.*) 

») G. B. Dan., Art. 71. 

§ 51. 

Ueber die Adoption in Montenegro erwähnen die Gesetzbü- 
cher nichts. Die Volkssitte stellt die Adoptiveltern und Kinder den 
wahren gleich. Gewöhnlich wird eine Waise adoptirt.') 

6ogiSi6, Prayni obiöaji, S. 140—141. Medal^oviö. 2ivot, S. Il, 



— 44 — 

§ 52. 

Bei dem Verhältnisse der Zadriiga (Hausconm)imion) und des 
Bratst\o hat sich das Institut der Vormundschaft und Kuratel 
nicht entwickeln können. Die Waise, als Mitglied der Zadruga, 
hat auch das Recht auf Unterhalt und Erziehung. Der Hausvater 
ist ihr natürlicher Vonuund. Nach G. B. Dan. Art. 69. haben die 
näheren eventuell weiteren Verwandten das Recht, die Einwilligung 
zur Heirath eines Mädchens zu geben, das keine Eltern hat. Der 
Art. 50 des G. B. Daniels bestinnnt, dass über das Vermögen 
minorenner Kinder (bis zum 20. Jahre) die Aufsicht durch „ehr- 
liche Leute geführt werde. ^) Wo der älteste Bruder beim Ableben 
des Vaters schon grossjährig ist, dort ist er der natürliche Vor- 
mund seiner minorenner Geschwister.^) 

*) Bogiäic, Pravm obiöaji, S. 43—44, 141—142. Vergl. Maciejowski, Hiat. 
Praw. Stow. III. Bd. § ö. 

') Dr. Petranovid, 1. c. 



Zasatz zu den Familienverhältnissen. 

§ 53. 

Die Pathenschaft (kumstvo) ist in Montenegro fünferlei : 

a) Der Trauungspathe ist nur ein Zeuge und wird nicht als 
ein Verwandter angesehen. 

b) Der Taufpathe wird wie der nächste Verwandte geehrt. 

c) Die Pathenschaft des Haarschneidens begründet keine Ver- 
wandtschaft, sondern ist nur das Zeichen der Freundschaft und 
Liebe; sie findet statt, wenn dem Kinde zum ersten Male das 
Haar geschnitten wird ; gewöhnlich wird der Pathe des Haarschnei- 
dens als Taufpathe gebeten, wenn sich in der Folge ein Geburts- 
fall in der Familie ereignet.*) 

d) Die Pathenschaft der Noth findet statt, wenn Jemand in 
grosser Noth Jemanden im Namen Gottes und des h. Johannes 
als Pathen zur Hilfe anruft. Es trifft sich auch der Fall, dass der 
Mächtige den Armen hart bedrängt und dieser ihn Namens Gou 
tes und des heiligen Johannes als Pathen bittet, ihn in Ruhe zt 
lassen ; sollte der Mächtige nach dreimaliger Bitte von der Be- 



— 45 - 

drängang nicht lassen, so kann der Bedrängte ihn tödten, ohne 
geahndet zu werden. 

e) Die Pathenschaft der Pdcifirung der Blutrache-^ hiemit 
wird die Blutrache beigelegt doch davon weiter unten.*) 

') Vergl. Maciejowski, Bist. Praw. Slow. II. Bd. § 273, III. Bd. § 257. 
') Medakoviö, 2ivot, S. 61—63. Bogiäic, Pravni obiöaji, S. 148—149. 

§ 54. 

Die Wahlbruderschaft oder Bundesbruderschaft Cpobratimstvo) 
ist eine Volkssitte bei den Serben, wodurch zwei Männer sich 
gegenseitig in Gottes Namen zu Brüdern nehmen. Die Montene- 
griner haben dreierlei Wahlbruderschaft : 

a) Die Meine Wahlbruderschqft geschieht durch dreimaliges 
Küssen an die Wange; wenn die Wahlbrüder darnach immer als 
gute Freunde leben, so schreiten sie zur Wahlbruderschaft der 
Eucharistie. 

ft)Die Wahlbruder Schaft derNoth wird geschlossen, wenn Jemand 
in grosser Noth im Namen Gottes und des h. Johannes Jemanden um 
Hilfe anruft und zum Bruder annimmt. Diese Wahlbruderschaft wird 
durch dreifachen Kuss geschlossen. 

c) Die Wahlbruderschaft der Eucharistie wird in der Kirche 
vor dem Altar geschlossen, wobei der Priester das Gebet spricht 
und die Wahlbrüder aus dem Kelche zu drei Malen Wein trinken 
und drei Mal Brod gemessen ; darauf geben sie sich den dreifa- 
chen Kuss an die Wange. Diese letzte Wahlbruderschaft ist die 
höchste und die Wahlbrüder leben mit einander bis zum Tod wie 
zwei leibliche Brüder. 

Die Wahlbruderschaft wird auch mit den Mohamedanern 
(aber nicht die der Eucharistie) geschlossen und beiderseits ge- 
halten. 

Gleich den Männern schliessen auch die Frauen unter ein- 
ander die Wahlschwesterschaß (posestrimstvo) und achten sich dann 
gleich leiblichen Schwestern. Auch zwischen Individuen verschie- 
denen Geschlechtes wird die Wahlbruderschaft beziehungsweise 
Wahlschwesterschaft geschlossen und die Beiden schätzen und ach- 
ten einander nachher gleichwie Bruder und Schwester.^) 

^) Medakoviö, 2iyot, S. 73—76. Karadiiö, Wörterbuch s. y. pobratim. 
Bogidii, Pravni obicaji S. 150—153. 



— 46 — 

§ 55. 

Das Gastrecht ist in Montenegro heilig und auch der Aerm- 
ste trachtet dem Gaste zu Gefallen zu sein und ihn je besser zu 
bewirthen. So lange der Gast im Hause des Montenegriners ist, 
ist er vollkommen sicher. Ebenso jeder Unglückliche und Verfolgte 
hat das sicherste Asyl unter dem Dache des Montenegriners. 
Hierbei wird auf die Nationalität und Religion nicht gesehen. Das 
Haus eines jeden Montenegiiners ist ein heiliges Asyl, wenn der 
Flüchtling auch ein Verbrecher ist; eher würde der Montenegri- 
ner sein Leben lassen, als den Flüchtling herausgeben. M Der 
Flüchtling kann im Hause bleiben, so lange er will ; der Haus- 
vater wird ihn nie zum Aufbruche auflfordern, noch einen Ersatz 
der Unkosten verlangen. Dieses Asylrecht respectirt jeder Monte- 
negriner und wird es nie verletzen. 2) 

^) DuSans Gesetzbiich Art. 98 und 99 bestimmt , dass der Verbrecher, 
der sich in den kaiserlichen Palast, oder in die Residenz des Patriarchen 
flüchtet, frei werde. 

») Medakoviö, Äivot, S. 67—73. Bogiäiö, Pravni obißaji S. 154—159. 
Unter den zahllosen Beispielen, wie heilig das Asylrecht dem Montenegriner 
ist, möge eines hier Platz finden. Im Jahre 1787 zog ein grosses Heer des 
Sultans gegen den rebellischen Pascha von Scutari, Macbmud Buäatli. Dieser 
wandte sich au den Metropoliten Peter I. mit der« Bitte, ihm im Falle der 
Noth in Montenegro ein Asyl zu gewähren. Obgleich im Jahre 1785 derselbe 
Macbmud treulos in Abwesenheit Peters I. Cetinje eingeäschert und das Land 
verwüstet hatte, so gab ihm doch der Yladika zur Antwort, dass er getrost 
nach Montenegro kommen könne, weil dort jedem Nothleidenden Hilfe ange- 
diehen wird. Machmud übergab darauf Peter I. seine Schätze als Depositum, 
siegte über das Heer des Sultans und bekam vom Vladiken seine Schätze un- 
versehrt zurück. 



Das Erbrecht. 

§ 56. • 

Entsprechend dem Institute der Zadruga kann in derselben 
von einem Erbrechte nur in Bezug auf das peculium die Rede 
sein, oder wenn die Zadruga im Aussterben (istra^bina) ist. Daher 
auch das Erbe ex testamento gewissermassen als eine Ausnahme 
zu betrachten ist. Nach dem Wortlaute des Gesetzes i) hat der 
Eigenthümer das unumschränkte Verfügungsrecht über sein Eigen- 



-47 - 

thum, und hierin entspricht die gesetzliche Verfügung voUkom- 
inen der Rechtsanschauung des Volkes, welches den letzten Wil- 
len des Erblassers als heilig betrachtet, und möge das Testament 
wie immer beschaffen sein, nie wird es umgestossen werden. 2) 

1) 6. B. Dan. Art. 48: „Jeder kann mit seinem Erworbenen nach seinem 
Willen verfügen;^ Art 49: „Jeder Mensch ist Herr seines Eigenthums und es 
steht ihm frei, dass er sein Eigenthum auch ausserhalb seiner Familie ver- 
theile, und mag er dieses bei Lebenszeit getban, oder im Testamente verfügt 
haben, seine Verfügung darf nicht angetastet werden." 

2) Medakoviö, 2ivot, S. 53. 

§ 57. 

Die Testamente sind schriftlich oder mündlich. Das schrift- 
liche Testament ist giltig, wenn es der Erblasser eigenhändig ge- 
schrieben und unterschrieben hat.^) Da aber in Montenegro die 
Schreibkunst nicht häufig ist, so sind die mündlichen Testamente 
die Regel. Zur Giltigkeit eines mündlichen Testamentes sind zwei 
Zeugen erforderlich. 2) 

') Medakoviö, Äivot S. 52. 
*) Item, S. 63, 

§ 58. 

Sturbt der Vater ohne Testament, so haben auf seinen Nach- 
lass einen Anspruch nur die Witwe und die Kinder. Die Witwe 
geniesst den Nachlass, so lange sie am Leben ist, gleichmässig 
mit ihren Kindern.^) Nach dem Ableben der Witwe, oder wenn 
der Erblasser keine Witwe gelassen hat, theilen die Söhne den 
Nachlass unter sich zu gleichen Theilen. Die Theilung geschieht 
unverzüglich, wenn die Söhne grossjährig sind; ist dieses nicht 
der Fall, so bleibt das Vermögen unter Aufsicht „ehrlicher Leute" 
bis zur Grossjährigkeit der Kinder. 2) Die jüngeren Geschwister 
beschenken gewöhnlich den ältesten Bruder mit einem WaflFen- 
stück des verstorbenen Vaters, hiedurch ihm ihre Dankbarkeit und 
Ehrerbietung bezeugend, dass er für sie, als sie noch minorenn 
waren, wie ein Vater gesorgt, oder ihnen manche Erleichterung 
angedeihen Hess.') 

1) G. B. Dan., Art. 50, 52. Siehe weiter unten § 60. 

2) G. B. Dan., Art. 50. Siehe oben § 52. 
') Dr. Petranoviö, 1. c. 



— 48 — 

§ 59. 

Sind nach dem Tode des Vaters keine Söhne geblieben, son- 
dern eine Tochter^ so erbt diese sowohl den ganzen väterlichen 
Nachlass,^) als auch den grossväterlichen Antheil, der ihrem Vater 
zukommt; sind mehrere Töchter da, so theilen sie sich in das 
Ganze. '^) Aber die Töchter, falls sie Willens sind, das väterliche Erbe 
zu verkaufen, können das nicht in einem fremden Pleme thun, 
sondern das Vorkaufsrecht haben die nächsten Verwandten des 
Pleme, in dem sie geboren sind. Verheiratete Töchter erben nicht 
das väterliche Haus und Hof, noch den Tretplatz, sondern es 
erben die nächsten Verwandten, und die Tochter kann nur das 
Hausgeräthe mitnehmen. 3) Nur die Waffen sind dem nächsten 
männlichen Verwandten zu belassen, d. h. wenn der Vater in 
seinem Testamente darüber zu Gunsten der Tochter oder eines 
Anderen nicht verfügt hat*) Hat aber der Vater, der keine Söhne 
hat, Schwestern, mögen sie verheiratet sein oder ledig, so bekom- 
men die Schwestern ein Dritttheil des Nachlasses, die Tochter aber 
zwei Drittheile. ^) 

0. B. Dan., Art. 68, 55. Vergl. Gesetzbuch DuSans, Art. 136. 

») G. B. Dan., Art. 53. . 

*) Dr. Petranoviö 1. c. 

*) G. B. Dan., Art. 53. Dass die Waflfen des Verstorbenen den näch- 
sten männlichen Verwandten zu belassen sind, dem gibt die Volkssitte den 
Grund an, dass den Verwandten nicht sein Schwiegersohn im Nothfalle schü- 
tzen würde, sondern die Mitglieder des Pleme. (Dr. Petrauoviö 1. c.) 

*) G. B. Dan., Art. 54. 

§ 60, 

Die Wüwe^ so länge sie nicht heiratet, und wenn sie keine 
Kinder hat, geniesst den ganzen Nachlass ihres Mannes; wenn 
sie heiratet, so bekommt sie aus diesem Nachlass jährlich 10 Thlr.; 
hat sie aber Kinder, so bekonmit sie für jeden Knaben 1 Dukaten 
und für jedes Mädchen 2 Dukaten jährlich. Diese jährlichen Bei- 
träge gebühren ihr für so viele Jahre, als sie Jahre mit ihrem 
Manne, oder als Wittwe im Hause ihres Mannes gelebt hat.*) 

*) G. B. Dan. Art. 52. Vergl. Maciejowski, Hist. Praw. Slow. III. Bd. 

35—39. 



— 40 — 
§ 61. 

Bei ihrer Verheiratung haben die Mädchen^ gemäss der Lan- 
dessitte, keinen Antheil am Familiengute, ausser der Ausstattung, 
die ihr ihre Eltern geben.*) Sollte ein Mädchen bei seiner Ver- 
heiratung eine Mitgift von seinen Eltern, bekommen haben, .und 
geht es mit Tod ab, ohne Kinder nachzulassen, so ist seine ganze 
Mitgift sammt Zuwachs unter seine Brüder zu vertheilen; hat es 
keine Brüder, dann geschieht die Vertheilung unter seinen Schwe- 
stern; hat es auch keine Schwestern, so erben die Verwandten.^) 

G. B. Dan., Art. 51. 
») G. B. Dan., Art. 66. 

§ 62. 

Wo gar keine Verwandten sind, dort erbt alles die National- 
casse (der Fiscus).^) 

>) G. B. Dan., Art. 57. 

§ 63. 

Hier möge Einiges über die Theilung der zadrtiga (Haus- 
commünion) angeführt werden. Das Gesetz verfügt darüber nichts, 
jedenfalls weil solche Theilungen am besten vor sich gehen, wenn 
sie ohne gerichtliche Inanspruchnahme ' geschehen ; es sind mithin 
dabei die Volkssitten und Gebräuche massgebend. Eine zadruga 
hört auf durch Aussterben oder durch die Theilung. Die Ursachen 
der Theilung sind: Uneinigkeit oder allzugrosse Vermehrung der 
Mitglieder; meistentheils geben die Frauen den Impuls zur Thei- 
lung. Der Vater und die Mutter bekommen von Allem ihren eige- 
nen Antheil, der nach ihrem Tode entweder abermals unter allen 
gewesenen Mitgliedern der Zadruga getheilt wird, oder er ver- 
bleibt jenem Sohn, der die Eltern bis zu ihrem Tode gepflegt 
hat. Die übrigen Mitglieder kommen unter einander überein, ob 
sie nach der Theilung jeder für sich, oder mehrere zusammen 
leben werden ; ebenso wird vereinbart, bei wem die Eltern, Gross- 
eltem und die minorennen Waisen leben werden. Dann führen 
alle gemeinschaftlich die Wohngebäude für Diejenigen auf, welche 
aus dem Hause austreten. Darauf wird zur Theilung des unbe- 
weglichen und beweglichen Vermögens geschritten. Gewöhnlich ge- 
schieht die Theilung unter Zuhilfenahme einiger Arbiter. Auch 

Popoviö, Becht u. Gericht in Montenegro. 4 



— so- 
nach der Theilung bleibt allen Mitgliedern der gemeinsame Fa- 
milienname und Familienpatron. ^) 

Bogiii^, PraTDi obiiaji, S. 142—146, 162--16S 



Das Sachenrecht. 

§ 64. 

Sowohl das Gesetz, als auch der Rechtsgebrauch, ist in Be- 
zug auf die rechtliche Einthcilung der Sachen weder reich, noch 
klar, noch bestimmt. Das Gesetz^) erwähnt nur bewegliche und 
unbewegliche Sachen. Practischen Werth hat die Eintheilung in 
Haupt- und Nebensachen. 2) 

1) G. B. Dan. 45, 55. Vergl. G. B. l^eters I. Art. 15. 

*) BogiSi^, Pravni obidaji, S. 166—167. Die Eintheilung des G. B. Fe- 
ten I. ilrt. 16 in kleine nnd grosse Sachen ist nicht im Sinne von res princt- 
pales et accessoriae. 

§ 65. 

Der Eigenthümer hat das Recht, mit seinem Eigenthume nach 
Willkür zu schalten. 1) 

') G. 6. Dan., Art. 48, 49. Siehe oben § 56. 

§ 66. 

Unter den Arten der Eigenthumserwerhung ist vorzüglich die 
Occupation zu erwähnen. Hier gilt die allgemeine Regel: res nul- 
lius cedit occupanti. Speziell wilde Bienenschwärme werden occu- 
pirt, wenn der Entdecker an der Rinde des Baumes, in welchem 
der Schwärm ist, ein Kreuz macht. ^) Freistehendes Feld (pusto- 
lovina) wird durch Bebauung occupirt.^) Hiebei gilt die Regel, 
dass das freistehende Feld zwischen den Anrainern zu theilen ist; 
sonst gehört es dem Staate. Beim Fund gelten wohl die allgemei- 
nen Regeln j^) ebenso beim Schatze. 

Was das Recht der Kriegsbeute (plijen) betrifft, so gilt bei 
den kriegerischen .Montenegrinern folgendes: Was der Montene- 
^ner im Kampfei i erbeutet, das ist sein Eigenthum; wenn zwei 
oder mehrere denselben Gegenstand erbeuten, wird dieser getheilt;*) 
Di^ vom Feinde, zurttckerbeuteten Sachen werden dem Eigenthü- 



I 



— 61 — 

mer zurückgestdlt, der dafür dem Betreffenden durch Geschenke 
seine Dankbarkeit bezeigt.^) 

EaradÜd, Wörterboch s. v. zakntiti. 

') Item, 8. y. zakopina. 

>) VergL das GtosetEbnch Dnians, Art 102, womach der verheimlichlft 
Fand gleich Diebstahl und Raub geahndet wurde. 

^) Medakoviö, 2iTot, S. 94. Werden vom feindlichen Anführer schöne 
Sachen erbeutet, als: Jatagan, Pistolen, Säbel etc., so werden diese gewöhn« 
lieh dem Landesherrn verehrt, der dafür die Betreffenden beschenkt. Die 
erbeuteten türkischen Fahnen werden oft in christliche umgewandelt, indem 
an die Stelle des Halbmondes und der Hand das Kreuz gegeben wird; aber 
oft zerreisst man sie zu Fussfetzen. 

') Medakoviö, 2ivot, S. 106. 

§ 67. 

Der Eigenthumserwerbung durch Zuwachs wird im Gesetze 
Erwähnung gethan.^) 

6. B. Dun., Art. 66. Vergl. Medakoviö, 2ivot, S. 145. Desselben Ver- 
fassers Zakonik, S. 12. 

§ 68. 

Als Pfand (zaloga) werden dem Gläubiger gewöhnlich die 
Waffen gegeben. Der Schuldner hat das Recht, das Pfand bis zur 
bestimmten Frist auszulösen; tilgt er seine Schuld bi3 zur be- 
stimmten Frist nicht , so werden nicht zuerst die verpfändeten 
Waffen verkauft, sondern vor Allem kommt das Vieh des Schuld- 
ners zum Verkauf (wenn er welches hat), dann erst kommen die 
verp&ndeten Waffen an die Reihe. Bei der Versteigening der 
Waffen haben „nach dem allgemeinen Landesrechte und Gebrau- 
che" die Verwandten des Schuldners das Verkaufsrecht auch um 
einen geringeren Preis, als es das Angebot eines Dritten ist. Was 
aus dem Pfände über den Schuldbetrag gelöst wird, fällt dem 

Schuldner zu.^ 

') 6. B. Dan., Art. 90. Medakoviö, Zakonik, S. 12-18. Desselben Ver- 
fassers, 2iT0t, S. 129, 145. 

§ 69. 

Die Gesetze Montenegros erwähnen nichts von Servituten. 
Von den in den Landesgebräuchen gegründeten ist zu erwähnen: 
das Servitut der Weide, der Viehtränke,*) des Wasserschöpfens, 
des 'Viehtriebes, etc.') 



■-: 52 — 

i. 

. ' ^) Im Karstgebirge Montenegros sind die Leute sehr übel daran mit 

deip Wasser. Im Sommer müssen sie oft drei Standen weit ums Wasser gehen; 

manchmal müssen sie das Vieh aufs türkische Gebiet zur Tränke treiben, wo- 
bei es zu blutigen Scharmützeln kommt. 

') Karadiiö, Wörterbuch s. ▼. Kapa, supojnik. Bogiäi^, Pravni obiöaji, 

S. 172—176. Medakoviö, J^ivot, S. 151. 

§•70. 

Ueber Verjährung und EraiUuny schweigt das Gesetz gänz- 
lich. Ebenso finden wir darüber keine Bestimmungen des Gewohn- 
heitsrechtes in den uns zu Gebote stehenden Quellen, i) 

^) Im Jahre 1839 wurde ein Process des Klosters in der Moraöa zU 
Gunsten desselben entschieden, trotzdem die Betreffenden die streitigen Grund- 
stücke durch mehrere Generationen bebaut haben. Die alten Donations Urkun- 
den waren dabei massgebend. 



Die Verträge. 

§ 71. 

Verträge können mündlich oder schriftlich, mit oder ohne 
Zeugen geschlossen werden, i) Der Verkauf eines Grundstückes an 
einen Käufer, der kein Vorkaufsrecht hat, muss immer schriftlich 
und vor Zeugen vor sich gehen.^) Bei Vertragschliessung sind ge- 
wisse Ceremonien gebräuchlich. Wenn der Montenegriner sein 
Versprechen gibt, so hält er es, weil er glaubt, dass dabei Gott 
selbst gegenwärtig ist und dass es die grösste Sünde ist, die nie 
gesühnt werden kann, wenn er dem Treu und Glauben entgegen 
handelt. Ein entgegen dem Vertrage verursachter Schaden wird 
ersetzt, oder andenveitig gut' gemacht. Zur Bekräftigung des Ver- 
trages dient auch der Schwur. Vor Schwören hat der Montenegri- 
ner grosse Scheu, weil er beim Meineide fürchtet, dass ihm alle 
jene üebel widerfahren werden, bei denen er geschwören hat,'*) 

G. B. Dan., Art. 46, 90. Vergl. G. B. Peters I. Art. 16. 

^) G. B. Dan., Art. 46. 

») Medakoviö, Äivot, S. 107—110; 136—140. 

:m^,: ■ ' . § 72. 

Iin freien Dispositionsrechte des Eigenthümers mit seinem 
Eigentl^itfn liegt auch das Becht der Schenkung, Das Gesetz ver- 



-^53 — 

fügt darüber nichts insbesonders. Es werden da wohl die überall 
giltigen allgemeinen Grundsätze gleichfalls gelten.^) 

1) Vergl. G. B. Dan., Art. 49. BogiSic, Pravni obißaji, S. 196. 

§ 73. 

Ueber das Deposittun erwähnen die Gesetze nichts. Hier- 
über gelten im Allgemeinen die Grundsätze, welche auch im römi- 
schen Rechte ausgesprochen sind.^) 

1) Karadzic, Wörterbuch s. v. amanet, ostava. BogiSic, Pravni obiöaji, 
S. 195 Medakovic, Äivot, S. 72. 

§ 74. . 

üeber den Leihvertrag sind wenige gesetzliche Bestinmum- 
gen. Meistens werden Waffen, Gefässe, Hausgeräthe ausgeliehen. 
Wenn der Entlehner unabsichtlich die geliehene Waffe (Schiess- 
gewehr, Messer) zerbricht, so vergütet er zwei Dritttheile des 
Werthes, ein Dritttheil verliert der Verleiher.^) 

• ^) G B. Dan., Art. 44. Medakovic, 2ivot, S. 145, 157. Bogiäid, Pravai 
obiöaji, S. 195. Earadziö, Wörterbuch s. v. naruö, posuditi, 

§ 75. ' 

Ein Gelddarlehen (rukoda(^e) kann geschehen ohne oder gegen 
Zinsen (dobit). Der Vertrag auf das Zinsendarlehen ist schriftlich 
zu verfassen, und zwar vor zwei Zeugen ; wird keine Schrift «ver- 
fasst, so hat der Schuldner ein verhältnissmässiges Pfand zu geben. 
Ueber 20 Denarien vom Thaler (entsprechend SVs Procent) kön- 
nen an Zinsen nicht bedungen werden.^) Die Höhe der Zinsen 
bestimmen die Richter, wenn Jemand für den Verurtheilten die 
gerichtliche Geldstrafe erlegt hat. 2) Wer den Schuldner kennte 
der gibt ihm ein Gelddarlehen ohne alle Schrift oder Pfand, denn 
der Montenegriner wird alles mögliche thun,^ um nur seine Schuld 
abzutragen. Im Falle die Sache vor das Gericht kommt, so wird 
ein neuer aber kurzer Termin gegeben, oder es wird zur Execu- 
tion geschritten; zuerst wird das Vieh des Schuldners (wenn er 
welches hat) verkauft, dann kommt an die Reihe das Pfand (ge- 
wöhnlich Waffen, siehe oben § 68), zuletzt Grundstücke.') Der 
Schuldner kann seine Schuld auch abarbeiten,*) oder er kann die 
Schuld tilgen durch eine Leistung oder Abtretung einer Saehe; 



— 54 — 

ist diese letztere werthvoller als die Schuld beträgt, dann hat 
der Gläubiger dem Schuldner den Merhrwerth zu vergüten, ß) 

1) G. B. DftD., Art 90. 

') MedakoTi^, Zakonik, S. 12. 

') Derselbe, ZWot, S. 145. BogiÖiö, Pravni obiöaji, S. 194. Karadzic, 
Wörterbuch b. ▼. duinik, rukodaöe, rukoidavalac. 

*) Karadiii, Wörterbuch s. y. odorati, odraditi. Bogifii^, Pra^ui 
obieiUi, S. 196. 

') Karadliö, Wdrterb. s. v. doplata. BogiSK, Pravni obiiaji, S. 196. 

§ 76. 

Beim Tauschverfrage gelten die allgemeinen Grundsätze. Wenn 
^ine minder werthe Sache für eine mehr werthe umgetauscht wird, 
so wird auf die erstere die Differenz des Werthes vergütet.^) 

Karadii^ Wörterb. 8. v. doplata. Bogiftiö, Pravni obiöaji, S. 196. 

§ 77. 

Der Kauf und Ferkauf geschieht im Allgemeinen nach den 
überall geltenden Rechtsgrundsätzeu. Beim Verkaufe von unbeweg- 
lichem Gut hat der Verwandte und der Anrainer das Vorkaufsrecht. 
In dieser Beziehung bestimmt G. B. Dan., Artikel 45 Folgendes: 
Wer ein unbewegliches Gut verkaufen will, hat es zuerst vor 
Zeugen seinen Verwandten zum Kaufe anzutragen;^) wollen diese 
nicht kaufen, so tragt er es dem Anrainer an, und wenn auch 
dieser nicht kaufen will, dann kann er sein Gut wem immer in 
seinem Dorfe oder in seinem Stamme verkaufen; nur hat er vor 
drei Zeugen eine Schrift (knjiga) zu verfassen, wie er den Ver- 
wandten und dem Anrainer vergeblich angetragen habe. Der 
Schreiber dieser Schrift hat ihr seinen Namen und Zunamen bei- 
zusetzen, sammt dem Datum; in der Schrift sind die Zeugen mit 
vollem Namen und Zunamen anzuführen, mit der Angabe, zu wel- 
chem Stamme sie gehörten; die Zeugen haben sich zu unterfertigen, 
oder ihre Kreuze bei ihrem Namen zu machen. Ein Kauf, der 
ohne diese Erfordernisse vor sich geht, gilt nicht. ^) 

Der Verwandte und Anrainer hat das Gut zu dem Preise 
zu kaufen, um den es auch einem anderen verkauft werden 
kann.*) 

Ueber andere Rechtsgebräuche beim Kaufe und Verkaufe 
entlrimen wir den wenigen zu Gebote stehenden Quellen Folgen- 



— 55 — 

des : Beim Kaufe des Viehes hat der Käufer das^Recht, einige 
Stücke zu scartiren, die ihm nicht den übrigen gleich gut zu sein 
scheinen.*) Beim Pferdekaufe hat der Verkäufer für die Gesund- 
heit des Pferdes Gewähr zu leisten.^) Angeld ist beim Kauf und 
Verkauf sehr gebräuchlich, ebenso Zeugen. Auch Gommissionäre 
und Sensale kommen vor, ebenso Vermittler. Gegen spätere Zah- 
lung (vadjevina, pricek, uduga) werden gleichfalls Verkäufe ge- 
macht. Beim Kleinvieh wird vor dessen Schlachtung (im Grossen) 
das Unschlitt und die Haut verkauft. Auch Gesellschafter im 
Handel mit Vieh treten zusammen, wobei gewöhnlich der Eine 
das Geld gibt, der Andere die Arbeit leistet; diese Gesellschaften 
arbeiten auf Treu und Glauben, weil der Montenegriner seinen Ge- 
sellschafter nie übervortheilen wird.*) 

^) Vergl. über die Abstufung der Verwandtschaft G. B Daniels, Ar- 
tikel 56, 57. 

^) Dieser Artikel des G. ß. Daniels ist beinahe wörtlich dem Artikel 
16 des G. B. Pet«rs I. entlehnt. Ueber dieses Vorkaufsrecht spricht sich Bo- 
giöiö in seinem vielfach angeführten Werke. S. 183 folgendermassen aus; 
„Die Organisation der slavischen Familie ruht auf der vollkommenen Gleich- 
berechtigung aller Mitglieder. Darnacli ist leicht zu begreifen, selbst wenn 
wir dafür keine positiven Quellen hätten, dass k'lln Familicnglied uqd auch 
ihr Haupt nichts verkaufen darf ohne Einwilligung der Familie, besonders 
aber keine unbeweglichen Güter. Dieses Recht der Familienglieder, wenigstens 
in Hinsicht auf die Immobilien, erlasch auch nach der Trennung der Familien 
nicht gänzlich und als die früheren Glieder zu Nachbarn wurden; denn aller 
"Wahrscheinlichkeit nach entwickelte sich daraus auch das jus protimiseos, 
das die Verwandten und Nachbarn gegenseitig auf eine Sache haben, die einer 
Ton ihnen verkaufen will.'' 

») G. B. Dan., Art. 46. 

♦) Earadiiö, Wörterbuch s. v. izbaciti. 

*) Item, a. v. pod. 

«) Bogidiö, Pravni obiöaji, S. 184-185. Medakoviö, S. 2iTQt, U2. 

§ 78. 

Ueber Bestand- und Pachtverträge verfügen die Gesetze nichts ; 
hier sind wohl die allgemeinen Grundsätze giltig. In Bestand be- 
ziehungsweise Pacht werden Häuser, Mühlen, Grund und Boden, 
Fischfang, Zugvieh, Schafe, Branntweinbrennereien etc. genommen ; 
es mögen auch Fälle des contractus socidae vorkommen.*) 

*) Earadi^iö, Wörterbuch s. v. ispek, izor, kesim, kirlja, najam, zakup. 
Bogißid, Pravni obiö^i, 8. 186-186. ' 



— 66 — 

• § 79. 

Auch über Ijohncerlräge bestiDuneu die Laodesgesetze nichts. 
Ueberhaupt hat sich diese Art der Verträge bei den starken Fa- 
tnilienbanden und dem giltigen Grundsätze der gegenseitigen Hilfe- 
leistung auch nicht entwickeln können. Medakoviö (in seinem oft 
citirten Werke über das Leben und die Sitten der Montenegriner, 
S. 17 und 147) erwähnt nur zwei Fälle des Lohnvertrages: wo 
der Montenegriner einen Gehilfen (pristav) in der Feldarbeit und 
bei der Heerde nimmt, und den anderen, dass der Montenegriner 
mit dem Schmiede (beinahe immer ein Zigeuner) einen Vertrag 
macht, wornach ihm der Schmied durch das ganze Jahr das 
Schneidezeug (Messser, Sensen, Beile etc.) schärft und reparirt, 
gegen eine Vergütung von 10 Liter (ä 12 Unzen) Mais und die 
nöthigen Kohlen. Dieser* Vertrag heisst uljetica. Derselbe Gewährs- 
mann (S. 17) erwähnt auch der weiblichen Dienstboten. Unter den 
Arten der gegenseitigen Hilfeleistung ist die moba zu erwähnen, 
wobei der Arbeiter nur ums Essen und Trinkon arbeitet. Wer 
keine Ochsen hat, dem helfen die übrigen unentgeltlich in der 
Ackerarbeit. ^) 

Karad2i6, Wörterbuch s. v. moba, bezvonik, sprega. Bogidiö, Fravai 
obie^ji, S. 186—189. 

§80, 

Oben (§ 77) erwähnten wir einer Art des OeseUschaftsver- 
träges. Bei der Armuth des Landes und seinen sonstigen ungün- 
stigen Verhältnissen konnte sich auch diese Art der Verträge 
nicht entwickeln. Es mögen wohl societates quaestus et lucri auch 
in Montenegro geschlossen werden, aber in den Gesetzen und den 
anderen uns zugänglichen Quellen finden wir darüber keine Be- 
stimmungen.^) 

Vergl. BogiSiö, PraYni obiöaji, S. 190—193. 

§ 81. 

Hier mögen einige allgemeinen Grundsätze über den Scha- 
denersatz angeführt werden; im Strafrechte wird darüber mehr 
gesprochen werden, insoferne als die Fälle vor das Crimi- 
nalgericht gehören. Der Beschädigte hat das Recht zu fordern, 
dass ihm der Beschädiger den zugefügten Schaden ersetze. Auch 
bei unwillkürlichem Schaden ist auf eine billige Entschädigung zu 



— 57 — 

sehen. Bei Verletzungen am Körper «bestreitet der Verletzer die 
Heilungskosten und zahlt je nach Umständen ein Schmerzensgeld.^) 
Ueber den Schadenersatz im Falle der Ehehscheidung siehe oben § 48. 

G. B. Dan., Art 31—34, 37, 41—44, 80, 83. 

§ 82. 

Die üblichsten Arten der Befestigung der Verträge sind: 

# 

die Bürgschaft, das Pfand und der Schwur. Ueber das Pfand siehe 
oben § 68; über den Schwur siehe § 71. Was die Bürgschaft be- 
trifft, so gelten im Gewohnheitsrechte die allgemeinen Grundsätze 
darüber.^) 

') Bogiäiö, Pravni obi6aji, S. 196. 

§ 83. 

■ 

Ueber die Arten der Aufhebung der Verträge sprechen die 
Gesetze nichts. Es versteht sich von selbst, dass die Zahlung 
die gewöhnlichste Art ist. Ueber die Compensation gilt der Grund- 
satz, dass nur gleichartige Sachen unter einander compensirt wer- 
den können.*) 

') BogiSiö, Pravni obidaji, S. 196. 



Das Strafrecht 

Im Allgemeinen. 

■ 

§ 84. 

Zum Verbrechen^) wird böser Vorsatz erfordert; daher wird 
es nicht imputirt, wenn der Thäter des Gebrauches der Vernunft 
beraubt ist;^) wenn er in einem solchen Gemüthszustande war, 
dass er seiner Handlung nicht bewusst war;^) wenn der Thäter 
ein Kind ist;*) wenn die That in Ausübung gerechter Nothwehr 
erfolgte.^) Unabsichtlich zugefügtes Uebel ist ein Milderungsum- 
stand, kein Entlastungsgrund. ^) Mitschuld und Theilnahme am 
Verbrechen, so wie die Hilfeleistung nach verübtem Verbrechen,* 
werden streng gestraft.') Versuch des Verbrechens ist gleich dem 
wirklich ausgeführten Verbrechen strafbar.®) 

^) Sowohl im G. B. Danilos, als aach im G. B. Peters I. ist der Sprach- 
gebrauch sehr wUlkttrlich und unbestimmt. Die verschiedensten Ausdrücke 
werden zur Bezeichnung der strafwürdigen That im Allgemeinen und im spe- 
ziellen gebraucht; so hat z. B. das G. B. Daniels für die Bezeichnung der 
strafwürdigen That nicht weniger als sechs Ausdrücke, und des Verbrechers 
gar zehn Benennungen. Das G. B. Peters I. ist noch reicher und mannigfal- 
tiger in dieser Beziehung. Wir gebrauchen daher den Ausdruck Verbrechen 
für jede strafwürdige That im Allgemeinen, ohne nähere Qualificirung. 

») G. B. Dan, Art. 80. Vergl. G. B. Peters I. Art. 14. 

•^) G. B. Dan. Art. 34, 41, 72, 79. Vergl. G. B. Peters I. Art., 8, 13. 
Berauschung ist unter Umständen ein Milderungsumstand, aber kein Entla- 
stungsgrnnd. (G. B. Dan., Art. 93.) 

*) Siehe oben § 29. 

») G. B. Dan., Art. 28, 27, S6, 88. Vergl. G. B. Peters I. Art. 10. 
G. B. DuSans Art. 74. 

•) G. B. Dan., Art 88, 37, 43, 44, 83. Vergl. G. B. Peters I. Ar. 9, 80. 



— 59 — 

») G. B. Dan., Art. 17, 20, 22, 29, 94. Vergl. G. B. Peters des I. Art. 4 
•) G. B. Dao., Art. 8, 9, 16, 73. Vergl. G. B. Petef s I , Art. 24, 26. 

§ 85. 

Die Strafe der Verbrechen ist: der Tod, Kerker, Ehrlos- 
erklärung , Landesverweisung , Wafifenabnahme , Güterconfiscation, 
Geldstrafen, Stockstreiche. 

Die Todesstrafe geschieht mittelst Pulver und Blei; „nur 
kann eine Frau nicht durch Pulver und Blei exequirt werden, 
weil das Gewehr und das Füsiliren nur Demjenigen ziemt, der 
ein Gewehr trägt und mit Gewehr s'ch wehrt," sagt das G. B. 
Dan., Art. 73. Die Art der Todesstrafe für die Frau ist das Stei- 
nigen; aber seit Menschengedenken ist sie nicht vollzogen worden.^) 

Nur in einem- FalPj bestimmt das Gesetz die Dauer der 
Eerkerstrafe auf sechs Monate ; sonst ist das Ausmass derselben 
dem Richter anheimgestellt. Sie wird verschärft durch Fasten bei 
Wasser und Brod.^) 

Die Ehrloserkläruug ist die Strafe für gewissenslose Richter 
und für Feigheit vor dem Feinde. Pflichtvergessene Richter und 
Priester werden vom Amte enthoben. 

Der Landesverwiesene darf nie zurückkehren. 

Die Wafifenabnahme ist die Strafe der Feigheit vor dem 
Feinde 

Geldstrafe (globa) ist die häufigste Strafart. Sie wird in 
Thalem (ä 2 fl. 10 kr. ö. W.) oder in österreichischen Ducaten 
ausgeworfen. Die höchste ist 130 Thaler, die kleinste 2 Thaler; 
beziehungsweise 50 Ducaten die höchste, 2 Ducaten die kleinste. 
Ist der Inculpat nicht im Stande zu zahlen, so wird er eingeker- 
kert, wobei für einen Thaler sechs Tage eingerechnet werden. 
(Vergl. § 109). Die Geldstrafen kommen in die Landescassa. 

Stockstreiche sind nur auf Diebstahl und Ungehorsam gegen 
Eltern verhängt; sie werden als grösster Schimpf betrachtet. 

Früher gab es nur drei Strafarten : Geldstrafe, Kerker und Tod. 
Der zum Tode verurtheilte Verbrecher wurde gehängt, gesteinigt oder 
füsilirt.*) Die Geldstrafe war doppelt: osudbina, war im fÜnflFachen 
Betrage des verursachten Schadens ausgemessen und zur Schad- 
loshaltung des. Beschädigten bestimmt; globa wurde im zehnfachen 
Betrage des verursachten Schadens bemessen^) und war als Lohn 
für die Mühewaltung der betreffenden Richter bestimmt, da sie 



— 60 — 

(bis zum Jahre 1831) keinen bestimmten Gehalt hatten. Bei 
grösseren Delicten, welche zur Competenz des obersten Gerichtes 
zu Cetinje gehörten, bekam die eine Hälfte der globe der Landes- 
herr, die andere bekam der Richter. Mancher schwere Verbrecher 
wurde nicht nur zur globa verurtheilt, sondern es wurde auch sein 
Haus angezündet und zerstört.*) Was die Stockstreiche anbelangt, 
so waren sie bis zum Jahre 1855 in Montenegro unbekannt, weil 
nach der Volkssitte der freie Montenegriner körperlich nicht ge- 
straft werden durfte , sondern das Recht hatte , denjenigen 
zu tödten, der ihn durch einen Schlag beschimpft.') Im Jahre 1845 
versuchte man die Stockstreiche einzuflihren; aber schon der 
erste Fall verursachte einen Aufstand, der bedenkliche Folgen an- 
zunehmen anfing,«) 

Die Todesexecution geschieht folgeudermassen : nachdem der 
Delinquent die letzte Tröstung der Kirche erhalten hat, wird er 
mit auf den Rücken gebundenen Händen aufs Feld geführt und 
dann lässt mann ihn laufen, die Executionsmannschaft aber gibt 
Feuer. Wird der Delinquent auf die Salve nicht todt, so übergibt 
man ihn dem Arzte zur Heilung und weiter wird er nicht gestraft, 
weil man darin Gottes Willen sieht, dass er am Leben bleibe.^) 

Die zur Kerkerstrafe Verurtheilten werden zum Strassenbau, 
oder zu einer anderen Arbeit verhalten, welche die Ortsbehörde 
verfligt.1«) 

') Medakoviö, 2ivot, S. 128. 

«) G. B. Dan., Art. 71. 

») G. B. Dan., Art. 71. 

*) G. B. Peters I. Art. 2. 

*) Dasselbe, Art. 14. 

^) Medakoviö, Zakonik, S. 46. 

') Medakoviö, ^^ivot, S. 125-126. 

«) Item, S. 128—132. Siehe oben § 15. 

*) Item, S. 127. Früher wurde der Verbrecher durch Männer seines 
eigenen Bratstvo ftisilirt, weil man die Perjaniken (Gensdarmen) nicht der 
Blutrache aussetzen wollte; jetzt vollziehen die Peijaniken die Execution. 

1«) G. B. Dan., Art. 96. 

§86. 

Um mit den angrenzenden Staaten den Frieden zu erhalten, 
ist in denselben jedes Verbrechen verboten, ebenso dürfen keine 
Streifereien (ßetovanje) dort zur Friedenszeit geschehen.^) Für 



— 61 — 

jedes vom Montenegriner im Auslande verübte Verbrechen wird 
er so bestraft, als wenn er es in Montenegro begangen hätte.^) 
Auch in das türkische Land zur Friedenszeit (s. g. vjera) mit 
öeta zu gehen; ist verpönt; der Verbrecher wird bestraft werden, 
der Raub aber dem Betreffenden zurückgestellt,^) Der Ausländer 
wird für ein im Lande begangenes Verbrechen nach den Landes- 
gesetzen gerichtet; hat er im Auslande ein Verbrechen begangen, 
so wird gegen ihn gerichtlich nicht vorgegangen.*) Wenn der aus- 
ländische Unterthan, der das Verbrechen in Montenegro begangen 
hat, nicht in Montenegro sich befindet, so wird die ausländische 
Behörde ersucht, gegen ihn gerichtlich vorzugehen.^) 

G. B. Dan., Art. 24. 
s) Dasselbe, Art. 25. 
3) Dasselbe, Art 26. 

*) Dasselbe, Art. 91. Vergl. oben § 26. — Am 23. September 1872 
wurde mit Oesterreich-Ungarn ein ^'ertrag über Auslieferung gemeiner Ver- 
brecher geschlossen ; darnach unterliegen der Auslieferung folgende Verbre- 
chen: Mord, schwere körperliche Beschädigung, gewaltthätige Beschränkung 
der individuellen Freiheit^ Blutschande, Bigamie, Entführung, Schändung, Un- 
zucht, Abtreibung der Leibesfrucht, Menschenraub, Weglegung des Kindes* 
Brandlegung, Raub, Erpressung, gefährliche Drohung ,* boshafte Beschädigung 
fremden Eigenthums, wenn der Schaden 25 fl. übersteigt ; boshafte Beschädi- 
gung an Eisenbahnen und Telegrafen, Diebstahl über 25 fl.. Betrug über 25 fl., 
Veruntreuung über 50 fl. ; Fälschuna; der Münzen, des Papiergeldes und öffent- 
licher Papiere,' Fälschung öffentlicher Urkunden, Siegel, Stempel, Marken, 
Privaturkunden; falscher Eid oder Zeugenschaft, falsche Expertise, Verleitung 
dazu ; Bestechung öffentlicher Beamten, Aufruhr auf einem Seeschiffe, Asso- 
ciation von Verbrechern. 

Das Gesetzbuch Peters I., Art. 17 und 18 verurtheilte das in den 
Bocche (Primoije) verübte Verbrechen gleich dem im Inlande verübten. Mit- 
hin war eine öeta (Streifpartie) im türkischen Gebiete nicht gesetzlich verpönt, 
trotzdem geschahen solche nur in Eriegszeiten. Der Ausdruck (eta (tscheta) 
war im XVI.— XVIII. Jahrhunderte auch bei dem k. österreichischen Heere 
im Kriege gegen die Türken in Ungarn, Serbien und Bosnien gebräuchlich. 
Vergl. Ortelius redivivus et continuatus, oder Ungarische und Siebenbürgische 
Kriegs-Händel, so vom Jahre 1395 bis auf 1665 mit dem Türken vorgelaufen. 
Nürnberg. Bey Paulus Fürsten, Kunst- und Buchhändler. 2 Thle. Siehe über 
diese öetas und Raubzüge bei den alten Slaven und Germanen, Maciejowski 
Hist. Praw. Slow. III. Bd. § 117. 

*) Medakoviö, 2ivot, S. 124. 

§ 87. 
Der Verbrecher hat dem Beschädigten vollen Ersatz zu leisten.^) 



— 62 — 

G. B. Dan., Art. 41-*44, 88. Vergl. Q. B. Peters I. Artikel 14, 
16, 17, 30. 

§ 88. 

Erschwerende Umstände sind wohl die im Allgemeinen als 
solche anerkannte ; im Gesetze werden folgende besonders eimhnt ; 
Uebermuth,^) Wiederholung desselben Verbrechens, 2) wenn der 
Verbrecher wegen eines gleichen Verbrechens schon gestraft wor- 
den/) Grösse des Schadens.*) 

Auch bei den Mildprungsumständen werden die allgemeinen 
Grundsätze gelten; speciell erwähnt das Gesetz folgende : Mangel 
an böser Absicht^) und Berauschung ; wer nämlich ein Verbrechen 
im Bausche begeht, wird mit der Hälfte des Strafausmasses be- 
straft; wenn er aber das Verbrechen an seinem Feinde begangen 
hat, so ist der Bausch kein Milderungsumstand. ^) 

Bei Beiücksichtigung der erschwerenden und der Milderungs- 
umstände werden jedenfalls die Bechtsanschauungen des Volkes 

massgebend sein müssen.^) 

*) G. B. Dan., Art 32. Vergl. G. ß. Peters L, Art. 7. 

«) G. B. Daa, Art. 77, 89. 

») G. B. Dan., Art. 77, 78. Vergl. G. B. Peters L, Art. 17. 

*) G. B Dan., Art. 88. 

«) G. B. Dan., Art. 33, 37, 43, 44, 83. Vergl, G. B. Peters I. Art. 9. 30. 

^) G. B. Dan., Art. 93. Das G. B. Du&ans im Art. 168 bestrafte die 
im Rausche begangenen Verbrechen streng. Maciejowski, Hist. Praw. Slow. 
Bd. VI. S. 361 sieht in dieser Bestimmung des Art. 168 des Dadanschen Ge- 
setzbuches den £influ88 der türkischen Herrschaft, daher schreibt er den Ar- 
tikel einer späteren Zeit zu. 

^ Wenn z. B. Jemand Gott, die Heiligen und die Fasten flucht, so 
glaubt der Montenegriner, dass es gar keine Sttnde noch Verbrechen ist, einen 
solchen Menschen wie einen Hund zu tödten. Oder aber Vrenn Jemand dem 
Montenegriner mit unziemenden Worten die Ehre antastet, oder seinem Vater 
oder Mutter flucht, da kann es leicht zum Todtschlage kommen. Medakovli^» 
2ivot, S. 26, 184. Vergl. Maciejowski, Hist. Praw. Stow. III. ß. § 134. 

§ 89. 

Ueber Verjährung der Verbrechen sind im Gesetze keine 
speciellen Bestimmungen. Mehrere Gesetze verfügen für manche 
Verbrechen ausdrücklich keine Verjährung, i) 

^) So G. B. Dan., Art. 7 (Missbrauch richterlicher Gewalt) Art. 18. 
(Feigheit vor dem Feinde) Art 29 (Mord) Art. 69 (Frauenraub und Ent- 
führung) Art. 72 (Ehebruch). 



— 63 — 

§ 90. 
Als besondere Gattungen van Verbrechen werden erklärt: 

Hoch- und Landesverrath und Majestätsbeleidigung; 

Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung; 

Beleidigung des Gerichtes und der öffentlichen Behörde ; 

Gewalt thätigkeit gegen obrigkeitliche Personen in Amtssachen; 

Beschädigung fremden Eigenthums; 

Frauenraub, Entführung und Kindesraub; 

Missbrauch der Amtsgewalt und Nachlässigkeit im Amte ; 

Mord ; 

Todtschlag ; 

Kindesmord ; 

Körperliche Beschädigung; 

Seeundiren beim Zweikampfe; 

Brandlegung; 

Diebstahl und Baub; 

Veruntreuung ; 

Verläumdung ; 

den Verbrechern geleisteter Vorschub; 

Feigheit vor dem Feinde; 

Bestechung ; 

Ehebruch ; 

Unehrerbietigkeit gegen Eltern; 

Steuerverweigerung ; 

Wucher ; 

Unsitten.^) 

^) Das Gesetzbuch Peters I. erklärte folgende Verbrechen : Landesver- 
rath (Art. 1); Störung der öffentlichen Ruhe (Art 19): Beleidigung des Ge- 
richtes und der Behörde (Art. 26) ; Beschädigung fremden Eigenthums (Art. 30) ; 
Fraaenraub und Entführung (Art. 11); Missbrauch der Amtsgewslt (Art. 12, 
23, 24, 28) { Mord (Art. 2—5); Todtschlag (Art. 9); körperliche Beschädigung 
(Art. 6—9): Zweikampf (Art. 21); Diebstahl und Raub (Art. 13, 14, 17); 
den Verbrechern geleisteter Vorschub (Art. 4); Bestechung (Art. 24, 25). 



— 64 — 

Im Besonderen. 

§ 91. 

Hoch- und Landesveirath und Majestätsbeleidigung. 

Der Fürst ist unantastbar und seine Person ist geheiligt, 
darum hat ihn jeder Montenegriner zu ehren, ihm nichts Uebles 
nachzureden, noch wen gegen ihn zu hetzen, i) Wer die Per- 
son und die Würde des Fürsten beleidigt, wird wie ein Mör- 
der gestraft.^) Wer mit den Feinden unterhandelt, um dem 
Lande Uebles anzuthun, oder wer das Volk zum Aufstande 
reizen will oder zu reizen anfängt, ist ein Verräther des 
Vaterlandes und wird durch Erschiessen gestraft. *) Einen sol- 
chen Verräther und Feind des Vaterlandes kann Jedermann todt- 
schlagen, sobald er davon Kunde erhält und dass er von der 
Landesbehörde verfolgt wird.*) Jener Anführer (vojvoda) oder 
Stammälteste, der im Falle feindlicher Gefahr nicht selbst gegen 
den Feind zöge, oder das Volk dazu nicht aufböte, wird gleich 
dem Verräther zum Tode verurtheilt.'^) 

1) G. B. Dan., Art. 3. 

>) 6. B. Dan. Art 4. Siehe unten § 96. Die Beleidigungen der Mitglie- 
der des fürstlichen Hauses sind nach der allgemeinen Norm zu bestrafen. 
Die früheren Gesetze kennen die M^jestätsbeleidigung nicht. Vergl. Maciejow- 
ski, Hist. Praw. Stow. III. Bd. § 116. 

') G; B. Dan«, Art. 16. Es ist ein grosser Schimpf, wenn man Jeman- 
dem sagt: du Verrätherl 

*) G. B. Dan., Art 17. 

^) Dasselbe, Art 19. Der Anführer ist verpflichtet, im Kampfe immer 

der Erste zu sein. Das G. B Peters I., Art 1 bestimmte auf den Landes- 

verrath den Tod und das ewige Yerdammniss und dass die ganze Familie des 

Yerräthers ausgerottet werde. 

§ 92. 

Störung der öffentlichen Buhe und Ordnung. 

Wer auf dem Markte Unruhen verursacht, ist mit 20 Tha- 
lem Geldstrafe zu belegen oder mit Kerker zu bestrafen.*) Wer 
vor der Kirche Unruhen oder Zank oder anderweitige Ungebühr- 
lichkeiten verursacht und macht, ist mit 25 Thalem oder mit 
Kerker zu bestrafen.^) Wer im Lande einen Aufruhr (pokliö) her- 
vorruft und wenn daraus Blutvergiessen resultiren würde, so ist 



— 65 — 

der Urheber mit Tode zu bestrafen, seine Gefährten aber mit 
10 Thaler Strafe zu belegen; sollte der Aufruhr kein weiteres 
Uebel verursachen, so ist der Urheber mit 20 Thaler zu be- 
strafen.^ 

G. B. Dan., Art. 85. Vergl. G. B. Dufians, Art 103—106. 

») G. B. Dan., Art. 86. Vergleiche G. B. Peters I. Art. 19, wornach 
der Urheber der Unordnung auf Märkten und vor Kirchen vor das Landes- 
gericht zu belangen ist. „weil ohne Märkte^das Volk nicht leben kann, die 
Kirche aber nicht beschimpft und entehrt werden soll." 

>) G. B. Daniels, Art. 94. Solche pokli6 geschahen gewöhnlich beim 
Zweikampfe und ans Anlass der Blutrache, wo oftmals ganse Bratstvas ja 
Plemes aufgeboten worden. 

§ 93. 

Beleidigung des Gerichtes und der öffentlichen 

Behörde. 

Jeder kleine und grosse Montenegriner ist verpflichtet, den 
„guten und ehrlichen" Richtern und anderen Vorständen und 
Aeltesten zu folgen, sie zu ehren und zu lieben und ihnen alle 
Ehrerbietung zu bezeugen; wer die Richter und Vorsteher entehrt 
und beschimpft, ist mit 10 Thalem zu bestrafen; ist er nicht im 
Stande zu zahlen, so ist er mit Kerker zu bestrafen.^) 

^) G. B. Dan., Art. 14. Vergl. G. B. Peters I., Ait. 26 und G. B. 
Dndans, Art 97. 

§ 94. 

Gewaltthäthigkeit gegen obrigkeitliche Personen in 

Amtssachen. 

Sollte die Landesbehörde Vorsteher, Richter, Aelteste oder 

Perjaniken (Amtsdiener und Gendarmen) in einen Stamm oder in 

ein Dorf behufs Einfangens des Verbrechers aussenden und Jemand 

schützt den Verbrecher, so haben die Ausgesendeten die Macht, 

auch diesen Vertheidiger zu fangen und vor das Gericht zu ziehen.^) 

Sollte Jemand gegen diese Ausgesendeten die Waffen heben, so 

haben sie die Macht, ihn als Störer der Landesruhe und Ordnung 

auf der Stelle zu tödten, wenn er nicht unverzüglich die Waffen 

niederlegt und der Behörde sich unterwirft. 2) Nur werden auch 

diese Gesandten der Behörde ermahnt, nicht ohne Noth Jemanden 
PopoTiö, Recht u. Gericht in Montenegro. 5 



— 66 — 

zu tödten, weil sie sonst dem Gesetze gemäss vor dem Gerichte 
dafür sich zu verantworten haben. ^) 

>) G. B. Dan., Art. 20. 

') Dasselbe, Art. 21. Vergl. G. B. Diidans, Art. 94. 

•) G. B. Dan., Art 23. 

§ 95. 

Beschädigung fremden Eigenthums. 

Wer ein fremdes Hausthier, wenn es bei ihm Schaden ver- 
ursacht, tödtet; hat als Strafe 10 Thaler zu entrichten und dem 
Eigenthllmer des Hausthieres den Schaden zu ersetzen; weil Nie- 
mand eigenmächtig sich selbst Recht sprechen darf. Nur der Hund 
darf getödtet werden, wenn er beim Schadenmachen angetroffen 
wird.^) Wer Jemandem das Messer oder das Schiessgewehr unab- 
sichtlich bricht, ersetzt dem Eigenthümer nur ein Drittheil des 
Werthes.2) Wer aber fremde Waffen ausgeborgt hat und unab- 
sichtlich das Messer oder das Schiessgewehr bricht, ersetzt dem 
Eigenthümer zwei Dritttheile des Werthes.^) Wer einen Schaden 
an Frucht, Heu, im Weingarten, Garten, am Zaune, im Krautgar- 
ten oder an welcher Sache immer unabsichtlich verursacht, so hat 
der Vorstand und die Aeltesten des Dorfes oder des Stammes, in 
dem der Schaden zugefügt wurde, die Schätzung vorzunehmen und 
der Beschädiger hat den Schaden ohne Verzug zu ersetzen ; hat er den 
Schaden böswillig zugefügt, so ist er dem Gerichte anzuzeigen, wel- 
ches die Schätzung vornimmt und den Schadenersatz verfügt.*) 

») G. B. Dan. Art. 42. 

. *) Dasselbe, Art. 43. 

") Dasselbe, Art. 44. 

^) Dasselbe, Art. 88, welcher beinahe wörtlich dem G. B. Peters I., 
Art 80 entnommep ist. Vergleiche G. B. Du§ans, Art. 65, 191, 203. 

§ 96. 
Frauenraub, Entführung und Kindesraub. 

Wer eines fremden Mannes Frau raubt, oder ein Mädchen 
^ntltthrt, oder ein Kind raubt, ist des Landes zu verweisen, mit 
seinem Vermögen aber ist wie mit dem des Mörders zu verfügen.^) 



— 67»^ 

*) G. B. Dan., Art. 69, der beinahe wörtlich dem G. B. Peters I. 
Art. 11 entnommen ist. Siehe unten § 98 üaer den Mord, sowie das oben bei 
§ 43 Gesagte. Vergl. Maciejowski, Hist. Praw. Slow. III. Bd. §§ 124—128. 

§ 97. 

Missbrauch der Amtsgewalt und Nachlässigkeit im 

Amte. 

Welcher Richter im Gerichte ohne rechtlichen Grund den 
Inculpaten vertheidigt, wird wie ein parteiischer und bestechlicher 
Richter und wie Einer, der Unruhe sogar im Gerichte stiftet, be- 
trachtet; daher wird er aus dem Gerichte gewiesen, verliert für 
alle Zeiten das Amt eines Vorstandes und die Ehre und hat noch 
120 Thaler Strafe zu erlegen. Gleichermassen wird auch jener 
Vorsteher bestraft, der für Bestechung, oder Jemandem zu Liebe, 
oder aus Unverstand Amtsgeheimnisse aussagt.^) Wenn ein Rich- 
ter von Jemanden Bestechung verlangt oder annimmt, um den 
Schuldigen freizusprechen und den Gerechten zu verurtheilen, ist er 
aus dem Gerichte zu weisen und mit einer Strafe von 120 Thaler 
zu belegen.2) Wer den bestechlichen Richter angibt, bekommt zur 
Belohnung 50 Thaler, die dem Pflichtvergessenen zu entnehmen 
sind. 3) Welcher Richter oder Vorsteher unter den Richtern Un- 
ruhe und Uneinigkeit stiftet, ist zu entlassen und an seiner Statt 
ein guter, ehrlicher und verträglicher Mann zu bestellen. Dasselbe 
geschieht mit einem ungehorsamen, faulen oder nachlässigen Rich- 
ter, Vorsteher und Aeltesten.*) Wenn ein Richter oder Vorsteher 
oder Aelteste Jemanden beschimpft, hat er 20 Thaler als Strafe 
zu erlegen.«^) Welcher Richter entgegen dem Gesetze das Urtheil 
fällt, wird aus dem Gerichte gewesen, zahlt zur Strafe 120 Tha- 
ler und verliert für alle Zeiten das Amt eines Vorstehers und die 
Ehre.«) Jeder Priester ist verpflichtet, an Sonntagen in die Kirche 
zu gehen, die Kirche rein zu halten, die Vorschriften der Kirche 
pünktlich zu befolgen und das Volk nach Möglichkeit zum Guten 
zu lehren und die Religion in ihm zu befestigen; welcher dieses 
nicht thut, verliert das Priesteramt.') Der Priester, der die Trau- 
ung vornimmt entgegen dem Willen des einen oder des anderen 
Theiles, wird aus der Gemeinschaft der Kirche gewiesen.®) 

*) G, B. Dan., Art. 7, der beinahe wörtlich (ausser der Bestimmimg 
über die Geldstrafe) dem G. B. Peters I., Art. 28 entnommen ist 

6* 



— 68 — 

I) G. B, Dan«, Art 8, welcher gleichfalls beinahe wörtlich (aasgenom- 
men die Bestimmung ttber die Geldstrafe) dem Art. 24 des G. B. Peters I. 
entnommen ist. 

•) G. B. Dan., Art. 10. Vergl. G. B. Peters I. Art. 25. 

*) G. B. Dan., Art 12. 

^) Dasselbe, Art 15. Aehnliches verfügt G. B. Peters I., Art, 28. 
. •) G. B. Daniels, Art. 64. 

') Dasselbe, Art. 66. 

•) Dasselbe, Art 68. Das G. B. Peters L, Art 12 verfügte diese 
Strafe gegen den Priester, welcher die Trauung mit einer geraubten Frau, 
oder mit einer Entführten, oder überhaupt gegen das Gesetz vornimmt. 

§ 98. 

Mord. 

Wer böswillig einen Mord begeht, kann sich mit Geld nicht 
loskaufen, sondern wird mittelst Pulver und Blei hingerichtet.*) 
Sollte der Mörder aus dem Lande geflohen sein, so ist sein An- 
theil am Hause und am Felde und an Allem Namens der Landes- 
strafen zu nehmen und alles Geld davon ist in die Landescasse 
zu hinterlegen.*) Ein solcher aus dem Lande entflohener Mörder 
„und Landesfeind" kann nie in das Land zurückkommen.^) Den 
Mörder kann Jedermann tödten, ohne dafür zur Verantwortung 
gezogen zu werden.*) Wer Denjenigen, der ihn schimpflich schlägt 
oder verwundet, unmittelbar im Zorne tödtet, wird nicht zur Ver- 
antwortung gezogen;^) aber wenn er ihn eine Stunde, nachdem 
er geschlagen wurde, oder den Tag darauf tödtet, wird wie ein 
absichtlicher Mörder gestraft.«) Die Blutrache wird streng verboten 
und wer einen Schuldlosen tödtet, wird zum Tode verurtheilt 
werden; nur der vom Gerichte verurtheilte Mörder darf getödtet 
werden.^ Sollte die Frau ihrem Manne nach dem Leben trachten, 
oder ihn tödten, so ist sie zum Tode zu verurtheilen wie ein an- 
derer Mörder.®) 

'] G. B. Dan., Art. 27. Vergl. G. B. Feters I., welches beinah^ mit 
denselben Worten dasselbe verfügt. 

>) G. B. Dan. Art. 28. Hier hat sich offenbar die uralte slavische In- 
stitution der universalis fidejussio, auf die engere Familie beschränkt, (Vergl. 
G. B. Dugans, Art. 48) erhalten, da sonst das Vermögen der Hauscommunion 
(zadmga) untheiloar ist. Eine solche universalis fidejussio kann in den Fällen 
des G. B. Dan., Art. 4, 22, 28, 29, 35, 39, 69. (Mord und dem Morde gleich- 
gestellte Verbrechen) Platz greifen. Das G. B. Peters I., Art. 3. verfügte 
wohl die Confiscation des ganzen Vermögen des Mörders, aber nur die 



— 69 — 

Hälfte desselben wurde als globa zemaljska genommen, die andere Hälfte ge- 
bührte der beschädigten Partei. 

^) G. B. Dan. Art. 29. Dasselbe verfügt G. B. Peters I., Art. 4. 

*) G. B. Dan., Art. 30, welcher beinahe wörtlich dem G. B. Peters I., 
Art. 5 entnommen ist. 

*) G. B. Dan., Art. 34. 

*) Dasselbe, Art. 35. 

') G B. Dan., Art. 39. 

«) Dasselbe, Art. 73. lieber die Art der Todesstrafe für die Frauen. 
Siehe oben § 85. 

Die strengen Massregeln gegen den Mord sind wohl aus der Unsitte 
der Blutrache zu erklären, welche seit Jahrhunderten unzähliges Leid über 
das Land gebracht hat. Die Bemühungen aller Herrscher dagegen hatten gar 
keinen Erfolg; das üebel konnte nicht ausgerottet werden. Seit dem Jahre 
1855 wird an der Ausrottung der Blutrache energisch gewirkt, aber schwer 
geht es, etwas Althergebrachtes und mit dem Blute Verwachsenes zu entfer- 
nen. Wenn auch das Gesetz die Blutrache verpönt, die Volksmeinung rühmt 
sie. Der Rächer lauert seinem '^pfer überall auf, er arbeitet nicht, hat weder 
Schlaf noch Ruhe ; sein Bratstvo geht oft mit ihm im Trupp. Selbst der Prie- 
ster in der Kirche war nicht sicher vor der Rache, denn wenn der Rächer 
den eigentlichen Mörder nicht tödtcn kann, so tödtet er dessen nächsten Ver- 
wandten. „Kopf um Kopf." Nach der Volksmeinung ist Derjenige ehrlos, der 
seinen Verwandten nicht rächt; besonders die Frauen sind unermüdlich im 
Aufstacheln zur Rache. Hat sich der Montenegriner gerächt, so ist er stolz, 
als wenn er den glorreichi«ten Sieg erfochten hätte, üebrigens hat die Volks-, 
sitte selbst getrachtet, das Uebel zu mildern und es nach Möglichkeit za 
heilen. So z. B. wenn die Kriegsgefahr imminent ist, werden alle Unbilden 
verziehen und die ärgsten Feinde geben einander den Bruderkuss. Ebenso war 
der Mörder gefeit, wenn er zu Jemanden ins Dorf, wo er den Mord begangen 
hat, sich begeben will und diese seine Absicht kund gibt. Gleichermassen ruht 
die Blutrache, wenn die vjera (Waffenstillstand) geschlossen wurde. Bis zum 
Jahre 1855 betrug das Blutgeld (krvarina oder krvnina) für einen Todten 
133V2 Ducaten, IVa f'iaster und 17a Para. Manche glauben, die Blutrache sei 
durch die Umtriebe der Türken in Montenegro entstanden: aber sie ist wohl 
so alt als das Menschengeschlecht. (Siehe Medakoviö, 2ivot, S. 6, 35, 93. 
112—115. Desselben Zakonik, S. 46. Karad4i6, Wörterbuch s. v. krvnina. 
(Jeher die Rache bei den Slaven und Sveven s. Maciejowski, Hist. Praw. Slow* 
III. Bd. §§ 103—107; über die Blutrache §§ 117—123. Der Vorgang bei der 
Pacification der Blutrache. Siehe unten § 137.) 

§ 99. 
Todtschlag. 

Sollte Jemand zufällig oder unabsichtlich Jemanden tödten, 
so ist dieser unabsichtUche Todtschlag durch das Gericht je billi- 
ger zu begleichen.^) 



— 70 — 

G. B. Dan., Art. 37. Vergl. G. B. Peters L, Art. 9, wo dasselbe bei- 
nahe mit denselben Ausdrücken verfügt wird. 

§ 100. 
Killdesmord. 

Wenn eine Witlwe, Mädchen oder sonst eine Frau, um ihre 
Schande zu verbergen, das Kind erwürgt, so ist sie zum Tode zu 
verurtheilen.^) 

1) G. B. Dan , Art. 74. 

§ 101. 

Körperliche Beschädigung. 

Wenn Jemand im Streite Jemanden mit Schiessgewehr oder 
Messer verwundet, so sind sie vor das Gericht zu belangen, wel- 
ches nach Erwägung aller Umstände das Schmerzgeld bestim- 
men und die Strafe auf Kerker oder auf globa nach Recht und 
Billigkeit erkennen Vird.^) Wer mit Waffen oder mit einem Prü- 
gel einen Anderen verwundet, aus Uebermuth und Bosheit, um 
sich als Helden zu zeigen , hat das doppelte Schmerzgeld und 
Geldstrafe zu entrichten. 2) Wer einen Anderen böswillig verwundet, 
so dass dessen Arm oder Fuss lahm bleibt, zahlt an Schmerz- 
geld 100 Thaler; die Hälfte des Schmerzgeldes ist zu entrich- 
ten bei unabsichtlicher Verwundung des Armes, Fusses, Kopfes 
oder Auges. Die Heilungskosten trägt unter allen Umständen der 
Verwunder.^) Wer einen Andern mit Fusstritt oder Pfeifenrohr 
ohne Ursache schlägt naA verwundet, hat für den Schlag dem 
Beschimpften 50 Ducaten zu zahlen; wenn der Beschimpfte ihn in 
demselben Augenblicke im Zorn todtschlägt, so wird er nicht zur 
Verantwortung gezogen.*) Wer einen Anderen schlagen will und» 
dieser ihm mit dem Schlage zuvorkommt, so sind sie unter einan- 
der quitt. ^) 

G. B. Dan., Art. 31. Entnommen dem G. B. Peters I. Art. 6. 

2) G. B. Dan., Art. 32. Das G. B. Peters I., Art. 7 bestimmte dasselbe 
nur ist unter den Werkzeugen auch der Stein erwähnt und auch der Schlag 
jst strafbar. 

») G. B. Dan., Art. 33, 37. 

*) Dasselbe, Art. 34. Das G. B. Peters I., Art. 8. spricht nur vom 
Schlage, sonst ist es bemahe wörtlich wie G. B. Dan., Art. 34. 
G. B. Dan., Art. 36. 



— 71 — 



§ 102. 

Secundiren beim Zweikampfe. 

Zweikampf ist nur den Duellanten erlaubt, aber ohne Secun- 
danten oder Beistand; wer als Secundat oder Beistand am Zwei- 
kampfe Theil nimmt, zahlt zur Strafe 100 Thaler.*) 

^) G. B. Daniels, Art. 40. Vergl. Duäans Gesetzbuch, Art. 112, wor- 
nach gleichfalls die Secundanten gestraft wurden. Das G. B. Peters I., Art 21. 
verbot den ZweiKampf überhaupt, weil sehr oft ganze Schlachten bei dieser 
Gelegenheit geschlagen wurden. 

Zweikämpfe waren in Montenegro besonders in früherer Zeit sehr häufig 
Fühlt sich Jemand in seiner Ehre beleidigt, so fordert er den Beleidiger zum 
Zweikampfe heraus, indem er ihm einen durchlöcherten Apfel schickt, in dem 
eine Franse einer Frauenschürze steckt; zugleich bestimmt er den Tag und 
Ort des Zweikampfes. Der Geforderte isst den Apfel und sendet dem Heraus- 
forderer ebenfalls einen solchen Apfel mit der Antwort, dass er zur bestimm- 
ten Zeit am bestimmten Orte erscheinen werde Jeder Duellant sucht sich 
einen Secundanten und als Beistände werden alle männlichen waffenfähigen 
Mitglieder des Bratstvo und Pleme aufgeboten, manchmal gehen zum Zwei- 
kampfe ganze Nahijen (Districte). Jeder der Secundanten trägt ein langes 
Schwert und einen Stock. Nachdem sie jeder seinem Kämpfer das Schwert 
übergeben, stellen sich sowohl die Duellanten, als die Zeugen auf; die Letzte- 
ren halten die Stöcke, um die Kämpfer auseinanderzuhalten, wenn es noth- 
wendig ist. Man kommt überein, zu kämpfen bis zum Aeussersten, auf mehrere 
Gänge, oder bis das erste Blut fliesst. Im letzteren Falle siegt jene Partei, 
welche das erste Blut verursacht hat, und zur Freude werden von ihr die 
Gewehre losgedrückt. Sollte einer der Kämpfer nicht erscheinen, so befestigt 
der Erschienene am Kampfplatze einen Spinnrocken und er wiid als Sieger 
betrachtet. (Medakovid, Zivot, S. 83—83.) 



§ 103. 

Brandlegung. 

Wer einem Anderen böswillig das Haus anzündet, so ist aus 
seinem Vermögen der ganze verursachte Schaden zu ersetzen, 
der Brandleger aber wird zum Tode verurtheilt und der Beschä- 
digte darf ihn tödten.^) 

G. B. Dan., Art. 41. Vergl. G. B. DuSans, Art. 87, wornach der 
Brandleger zum Verbrennen, der höchsten Strafe, verurtheilt wurdQ, 



L 



— 72 — 

§ 104. 
Diebstahl und Raub. 

Die Frau, die ihren Mann bestiehlt, ist zum ersten nnd zum 
zweiten Male mit Kerker zu bestrafen, zum dritten Male wird sie 
körperlich bestraft und vom Manne geschieden, so dass es ihm 
erlaubt ist, abermals zu heiraten, ihr aber nicht. ^) Wer zum drit- 
ten Male im Diebstahle attrapirt wird, ist mit Tod zu bestrafen. 2) 
Wer den Dieb in flagranti tödtet, bekommt als Belohnung 20 Tha- 
ler; nur soll er sich hüten, dass er nicht einen Unschuldigen tödte, 
da er dafür als Mörder sich zu verantworten haben wird.^) Wer 
WaflFen stiehlt, wird mit 100 Stockstreichen bestraft; wer ein 
Pferd oder ein Stück Rind oder einen Bienenkorb stiehlt, wird 
mit 50 Stockstreichen bestraft; andere kleinere Diebereien werden 
mit 20 Stockstreichen geahndet.*) Wer die Kirche beraubt, wird 
zum Tode verurtheilt.*^) Wer die Staatsmunition stiehlt oder raubt, 
wird zum Tode verurtheilt/) Wenn der Dieb in flagranti getödtet oder 
verwundet wird, so ist dafür Niemand verantwortlich, „da ein- 
stimmig beschlossen wurde, dass Jedermann ihn tödten könne wie 
einen Mörder."'') 

G. B. Dan., Art. 77. 

») Dasselbe, Art. 78. 

') Dasselbe, Art. 79. 

*) Dasselbe, Art. 80. Vergleicbe G. B Peters L, Art. 14. üeber die 
Strafe mit Stockstreichen. Siehe § 85. 

•) G. B. Dan., Art. 81. 

*) Dasselbe, Art. 82. 

^) Dasselbe, Art. 84, welcher beinahe wörtlich dem G. 6. Peters I. 
Art. 13 entnommen ist Vergleiche G. B. Peters L, Art. 17. Das 6. B. Daäans, 
Art. 123—127 verfügte sehr strenge Strafen auf Raub und Diebstahl. Vergl. 
über Diebstahl, Maciejowski, Eist. Praw. Stow. Bd. IIL, § 129, sqq. über 
den „grossen Diebstahl,'^ der gleich dem Raube behandelt wurde, § 132, über 
den „kleinen Diebstahl" § 149. sqq. 

§ 105. 

Veruntreuung* 

Der Aelteste, Vorstand oder Richter, der Strafgelder oder 
Steuergelder veruntreut, hat den fünffachen Betrag der verun- 
treuten Summe zu erlegen und ist seines Amtes verlustig zu. 

erklären. *) 

G. B. Dan.» Art. 68. 



~ 73 — 

§ 106. 
Verleumdung. 

Wer einen unschuldigen Menschen verläumdet, der wird: 
strengstens bestraft werden; die Strafe des Verläumders ist jene 
Strafe, welche den von ihm Verläumdeten betroffen hätte, wenn 
die Verläumdung wahr gewesen wäre.^) 

^) G. B. Dan., Art. 87. Das G. B. Duäans, Art. 167 behandelte den 
Verläumder gleich einem Diebe oder Räuber. Vergl. über Verläumdung der 
Frauenzimmer Maciejowski, Hist., Praw. Slow. III. Bd. § 155. 

§ 107. 

Den Verbrechern geleisteter Vorschub. 

Wer den Landesveiräther verheimlicht, oder nicht anzeigt, 
oder nicht tödtet, nachdem er Kunde erhält vom Verbrechen, der 
wird gleich dem Verbrecher behandelt und bestraft.*) Wer dem 
Verbrecher zur Flucht verhilft, wtun ihn die Behörde einfangen 
will, den triflft die Strafe, zu der der entflohene Verbrecher ver- 
urtheilt sein würde.^) Wer den Mörder zu sich nimmt, verthei- 
digt, verheimlicht oder nicht einfängt, nachdem er von seinem 
Verbrechen Kunde erhält, der wird gleich dem Mörder behandelt 
und bestraft, „weil er sich als sein Freund und Vertheidiger ge- 
zeigt hat.****) Diesen Vertheidiger des Mörders kann Jedermann 
tödten, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden.*) 

«) G. B. Dan , Art. 17. 

*) Dasselbe, Art. 22. 

') Dasselbe, Art. 29, weicher beinahe wörtlich dem G. B. Peters I., 
Art 4. entnommen ist. 

*) G. B. Dan., Art. 30. 

§ 108. 

Feigheit vor dem Feinde. 

„Während des Krieges, wenn der Feind von welcher Seite 
immer unser Land angreifen sollte, ist jeder Montenegriner und 
Berdjaner, sobald er Kunde erhält, dass das Vaterland der Ver- 



— 74 — 

theidigung bedarf, unverzüglich zu den Waffen zu greifen und 
gegen den Feind und Mörder unseres Vaterlandes und unserer 
Freiheit zu gehen verpflichtet; sollte es sich treffen, dass ein 
Montenegriner oder Berdjaner, ein Stamm, Dorf oder Bratstvo 
gegen unseren gemeinsamen Feind nicht geht, so sind jedem sol- 
chen gegen sein Vaterland Gleichgiltigen und Feiglinge die Waf- 
fen wegzunehmen, und dass er sie nie in seinem Leben mehr 
tragen dürfe, und- dass er unter den anderen Montenegrinern 
und Berdjanem nie Ehre gemessen könne, und überdiess soll ihm 
eine Frauenschtirze vorgebunden werden, damit man wisse, dass 
er kein männliches Herz habe." 

9 G. B. Daniels Art. 18. Vergleiche über diese Bestimmung oben 
den § 14. 

. § 109. 

Bestechung. 

Wer einem Richter Geschenke verspricht oder gibt, der 
wird dadurch selbst erklären, dass er gegenüber seinem Gegner 
im Unrechte sei, daher wird keine weitere Untersuchung geführt 
und er ist zum Kerker zu verurtheilen, wobei für je einen Duca- 
ten der Bestechungssumme eine Woche Kerker einzurechnen ist; 
das Geld selbst ist an die Landescassa abzuführen.^) 

*) G. B. Daniels, Art. 9, welcher beinahe wörtlich dem G. B. Peters I. 
Art. 25 entnommen ist. 

§ 110. 

Ehebruch. 

Wenn ein Verheirateter mit einem Mädchen oder einer 
Witwe sich vergeht, so hat er dem Frauenzimmer 130 Thaler 
zu zahlen und kommt auf sechs Monate in den Kerker bei Was- 
ser und Brod.i) Wer seine Frau im Ehebruch in flagranti antriflft, 
dem ist es erlaubt, sie und ihren Verführer jzu tödten; sollte sie 
sich flüchten, so ist sie des Landes zu verweisen.*) 

G. B. Dan., Art. 71. 

3) Dasselbei Art. 72. Siehe oben § 50. 



- t5 — 

§ 111. 
Unehrerbiethigkeit gegen Eltern. 

Wenn der Sohn seine Eltern nicht ehrt und ihnen Verdruss 
macht, so ist er zum ersten Male mit Geld zu bestrafen ; zum zwei- 
ten Male wird Kerker oder Körperstrafe über ihn verhängt; 
zum dritten Male kann ihn der Vater aus dem Hause jagen.*) 

*) G. B. Daniels, Artikel 58. Natürlich ist hier der Sohn sui juris zu 
verstehen, da die minorennen Kinder unter väterlicher Gewalt stehen. Siehe 
oben § 49. 

§ 112. 

Steuer Verweigerung. 

Wer die Landessteuer*) zu entrichten sich weigert, wird 
gleich dem Landesverräther behandelt.*) Wer ein Feld oder sonst 
ein Steuerobject verheimlicht, von dem wird der Ortsälteste oder 
Vorsteher alles das Namens der globa wegnehmen , was er ver- 
heimlicht hat, und diese globa vertheilt der Vorsteher unter seinen 
Mitvorständen, wenn die globa nicht mehr als 20 Thaler beträgt; 3) 
im entgegengesetzten Falle ist das Delict dem obersten Gerichte 
anzugeben, und die globa kommt in die Landescasse.*) 

G. B. Dan., Art. 59. 
2) Dasselbe, Art. 60. 
8) Dasselbe, Art. 61. 
*) Dasselbe, Art. 62. 

§ 113. 

Wucher. 

Wer mehr als 20 Denarien (10 kr. C. M.) vom Thaler Na- 
mens der Zinsen nimmt, von dem wird das ganze verzinste Capi- 
tal genommen, welches gleichwie die anderen Geldstrafen in die 
Landescasse abzuführen ist.^) 

*) G B. Dan , Art. 90 üeber den Zinsfuss Siehe oben § 75 

§ 114. 

Unsitten. 

Wer vor Gericht mit einem Steine am Halse erscheint, sei 
er unschuldig oder schuldig , ist körperlich zu bestrafen. ^) Wer 



— 76 — 

Beinen Hauspatron länger als einen Tag feiert, wird mit 2 Thaler 
oder Kerker .bestraft, weil die Leute hiedurch ihr Vermögen ver- 
prassen und arm werden.*) Die Sitte, dass Männer und Frauen zum 
Zeichen der Trauer nach einem Todten ihr Haar schneiden und 
das Gesicht verkratzen, ist verboten, und wer gegen dieses Ver- 
bot handelt, der wird zum ersten Male mit zwei Ducaten bestraft 
werden.') 

») G. B. Dan., Art. 65. 
>) Dasselbe, Art. 88. 
*) Dasselbe, Art 89. 



Das Gerichtsverfahren. 

In Civilsachen. 

§ 115. 

Das Gerichtsverfahren in Montenegro ist immer mündlich 
und summarisch. Die Vorschriften darüber sind sehr spärlich, da- 
her das meiste der discretionären Gewalt des Richters anheim- 
gestellt ist. Der Process hat sich aus uraltem Rechtsgebrauche 
entwickelt; dieser ist auch der Hauptfactor, aus dem eine Dar 
Stellung des Verfahrens entnommen werden kann. Leider sind die 
Quellen darüber sehr karg. Das Volk, aus Landbauem bestehend, 
ist kein Freund langwieriger Processe, wo es Zeit verlieren und 
die Feld- und Hausarbeiten vernachlässigen sollte; darum ist es 
Regel, dass auch bei dem obersten Landesgerichte der Process 
nicht länger als einen Tag dauere.*) Das Gericht tagt immer 
öffentlich, nie bei verschlossenen Thüren, „damit Jedermann wisse^ 
wie gerichtet und geurtheilt werde. "2) Die Art des Verfahrens ist 
milde und human, auch gegen einen Verbrecher; man betrachtet 
sich eben als Mitglieder derselben Familie und achtet einander, 
wie es freien Männern geziemt.^) Das Ortsgericht kommt am „ge- 
wohnten Orte" (obiöno mjesto) zusammen, wo die Aeltesten des 
Dorfes oder des Pleme gewöhnlich zusammen kommen in öffent- 
lichen Angelegenheiten. Dieser Ort kann auch unter freiem Him- 
mel sein, wo dann die Richter auf dem Rasen oder auf Steinen 
Platz nehmen. Die Parteien stellen sich (stehend) vor die Richter.*) 

Medakoviö, Zakonik, S. 7. — Mit a. h. Entschliessung vom 7. De- 
cember 1835 wurde in Dalmatien, wo derselbe Yolkstamm mit denselben 



— 78 — 

Rechtaauschauangen wie in Montenegro wohnt, den damals bestandenen k. k. 
Serdaren (eine Art Sicherheitspolizei) auf dem flachen Lande in einigen Thei^ 
len der Provinz eine Gerichtsbarkeit zu Klagen wegen Beschädigungen oder 
persönlicher Forderungen, deren Betrag 10 fl. nicht tiberstieg, übertragen. 
(Solche Streitigkeiten konnten, nach der Wahl der Partei, auch vor das ordent- 
liche Gericht gebracht werden.) Als sich später die Frage erhob, ob diese 
Serdare mit diesem Wirkungskreise bleiben oder abgeschafft werden sollen, 
erklärte sich der oberste Gerichtshof (in Wien) für das Bleiben, da hiedurch 
an 8000 geringfügige Händel gütlich beigelegt und an 500 Entscheidungen ge- 
schöpft werden, mit welchen sich die Parteien begnügen und wobei ihnen alle 
Kosten und Gänge zu Gericht erspart sind. Hofrath Schroll insbesondere nahm 
sich der Serdare warm an und hielt das Institut für eines der wohlthätigsten ; 
auch der Präsident des obersten (Gerichtshofes sprach sich zu Gunsten dersel- 
ben aus. Die Gerichfsbarkeit der Serdare erlosch, als das Institut der Gendar- 
merie ins Leben trat (Dr. Job. Schenk, der österreichische summarische Pro- 
cess, Wien. 1864, S. 73 und 74.) 

') Medakovii^, Zakonik, S. IS. 

») Item, S. 7. 

*) Item. S. 9. 

§ 116. 

Die Richter sind zugleich auch die politischen Vorstände. 
Jeder Stamm (pleme) wählt seine Richter (Vorstände) frei aus 
seiner Mitte. Gewöhnlich wird der Sohn des verstorbenen Vor- 
standes (glavar) gewählt. Mehrere Brüder dürfen nicht zu gleicher 
Zeit im Gerichte sitzen. Ein Verbrecher und schlechter Mensch 
kann nicht Richter sein; ebenso wird er abgesetzt, wenn er feig 
im Kampfe, oder nicht verständig und geschickt in der Leitung 
der öffentlichen Angelegenheiten ist. Den gewählten Richter be- 
stätigt der Landesherr.^) Früher wurde das Gericht zur Friedens- 
zeit oder während des Waffenstillstandes (vjera) abgehalten, da es 
dann mehr Müsse hatte. 2) Die Richter bezogen keinen fixen Ge- 
halt, sondern erhielten für ihre Mühewaltung einen Entgelt durch 
die globa, die der verlierende Theil Namens der Gerichtskosten 
oder als Gerichtsstrafe zu entrichten hatte; kam zufälliger Weise 
zum Gerichte ein Richter aus einem anderen Orte, so nahm er 
Theil an der Verhandlung und auch an der globa. Später beka- 
men die Mitglieder des obersten Gerichtes (Senatoren) einen fixen 
Gehalt von jährlichen 200 fl. C. M. aber sie waren nicht ver- 
pflichtet, immer in Cetinje zu wohnen.*) Jetzt aber beziehen sie 
einen den Verhältnissen angemessenen Gehalt, daher wird von 
ihnen verlangt, dass sie sich von ihrem Amtssitze nicht entfer- 



— To- 
nen.*) Die Ortsgerichte sind CoUegialgerichte, ebenso der oberste 
Gerichtshof. Der Richter wird beeidet.*^) 

Medakoviö, Zakonik, S. 5—7. Desselben, 2ivot, S. 81—83. — Die 
Wahl geht folgendermassen vor sich: Die Aeltesten des pleme geben dem 
ganzen Stamme kund, dass jeder Wehrfähige am bestimmten Tage am obi6no 
nvjesto za erscheinen habe. Wenn alle zusammengekommen sind, stellen sich 
die Aeltesten in einen Kreis, in dessen Mitte der unter ihnen an Jahren älteste 
mit dem Candidaten steht. Der älteste Vorstand nimmt dann den Gandidaten 
am den Leib, dreht ihn dreimal um sich, indem er zugleich spricht: er möge 
glücklich und angesehen sein, wie seine Vorderen es waren. Hinter dem 
Kreise der Aeltesten sitzen die übrigen Männer des Stammes and gemessen 
Wein und Branntwein, Brod and Braten. Nachdem die obige Zeremonie ge- 
macht wird, rufen die Aeltesten den bewaffneten Männem zu : Gebet Feuer | 
er möge glücklich sein, wie es seine Vordem waren! Die Männer des Stam- 
mes springen auf, geben drei GewehrsaWen nnd hiemit ist der Wahlact 
beendigt. 

•) G. B. Peters I. Art. 6. 

>) Medakoviö, Zakonik, S. 7—11, 47. 

*) G. B. Dan., Art. 13. Vergl. G. B. Peters I., Art 29. 

*) Vergl G. B. Peters I., Art. 33. 

§ 117. 

Die Orts- und die Bezirksgerichte bilden die erste Instanz; 
die zweite Instanz bildet der oberste Gerichtshof. Die Campetenz 
der Ortsgerichte reicht bis zu 20 Thaler globa oder Werth des 
Streitobjectes. *) 

^) G. ß. Dan., Art. 62. 

§ 118. 
Advocaten gibt es in Montenegro nicht. 

§ 119. 

Wenn das Verfahren eröffnet ist, ermahnt der Richter die 
Parteien, dass sie ihr Anliegen und ihre Gründe der Reihe nach, 
bündig und klar vorbringen. So lange die eine Partei spricht, darf 
sie weder der Richter, noch die andere Partei unterbrechen, und 
mag die Exposition noch so lang sein. Nachdem der Kläger die 
Klage vorgebracht hat, wird er befragt, ob er noch was zu sagen 
habe; sagt er, nein, so wird dem Beklagten das Wort gegeben. 
Wenn er mit der Einrede fertig ist, werden die Zeugen (wenn 
welche da sind) befragt. Darauf wird der Kläger und der Beklagte 



— 80 — 

abermals aufgefordert, nachzutragen, wenn sie was vorzubringen 
vergessen haben, und wenn die Parteien nichts anzuführen haben« 
werden sie und die Zeugen aufgefordert, sich ein wenig auf die 
Seite zu begeben, damit das Gericht das Urtheil schöpfen könne. 
Das Urtheil wird jeuer Partei ausgefolgt, „der es gebührt," zu- 
gleich wird das Urtheil auch in das Gerichts-ProtocoU aufgenom- 
men, „damit man wisse, wie und wann geurtheilt wurde."*) Wenn 
die Richter (in CoUegialgerichten) nicht einmüthig sind, so ent- 
scheidet die Stimmenmehrheit.^) 

*) G. B. Dan., Art. 6, welcher beinahe wörtlich dem G. B. Peters I., 
Art. 22 entnommen ist Das G. B. DnSans Art. 166 bestimmte, dass das ur- 
theil jener Partei ausgefolgt werde, deren Streitgegenstand erledigt wurde. 

») G. B, Dan., Art. 11, welcher Yon Wort zu Wort dem G. B. Peters I., 
Art. 27 entnommen ist. 

§ 120. 

Wenn der Geklagte zur bestimmten Zeit vor Gericht nickt 

erscheint^ so wird nach ihm der Perjanik geschickt, unterdessen 

wartet der Kläger auf ihn bei Gerichte. Der Säumige hat dem 

Gerichtsboten, der nach ihm ging, das gerichtlich bestimmte Weg- 

geld (putvina) zu zahlen.^) 

^) Medakoviö, Zakonik, S. 15. Ueber Contumacirung sind keine Bestim- 
mungen. 

§ 121. 

Die anderweitig giltigen Beweismittel, als: Geständniss, Ur- 
kunden, Zeugenaussagen, Augenschein und der Eid, gelten wohl 
auch in Montenegro ; aber das Gesetz enthält darüber sehr wenige 
Bestimmungen und auch die anderen uns zugänglichen Quellen 
sind sehr arm in dieser Beziehung. 

§ 122. 

Bezüglich des Oeständnisses haben wir nur bei Medakoviö 
(Äivot, S. 145) eine Stelle hinsichtlich des Gelddarleihens. Der 
Richter fragt den Schuldner : Bist du schuldig ? Ja. Ist der Zah- 
lungstermin vorüber ? Ja. Also zahle ! lautet das Urtheil, oder das 
Gericht sendet die Perjaniken aus, um die Schuld vom anderwei- 
tigen Yermögen des Schuldners einzubringen. Uebrigens mögen 



— 8t — 

hiebei die allgemeia giKigeä Grundsätze auch in Montenegro 
gelten. 

§ 123. 

Hinsichtlich der Urkunden bestimmt das G. B. Dan., Art. 43. 
die Erfordernisse der Giltigkeit einer Urkunde über den Kauf und 
Verkauf unbeweglichen Gutes; der Art. 90 aber die Erfordernisse 
der Urkunde über Zinsendarleihen. Sonst gelten wohl die allge- 
meinen Grundsätze. 

§ 124. 

Ueber die Glaubwürdigkeit der Zeugen hat nur der Art. 87 
des G. B. Daniels eine Bestimmung, wonach ein glaubwürdiger 
Zeuge (dostavjeran svjedok) derjenige ist, welcher nicht gerichtlich 
bestraft wurde; wer aber gerichtlich geahndet wurde, der hat vor 
Gericht keine Glaubwürdigkeit. Was andere Einwendungen gegen 
verwerfliche oder bedenkliche Zeugen betriflft, darüber hat das 
Gesetz keine Verfügung; es werden da wohl die allgemeinen 
Grundsätze gelten. Was die Anzahl der Zeugen betrifft, so ver- 
langt das G. B. Dan., Art. 87 „zur Noth" Einen glaubwürdigen 
Zeugen; aber derselbe Artikel in derselben Sache (Verleumdungs- 
process) verlangt vier und mehr Zeugen. Art. 90 des G. B. Da- 
niels bestimmt zwei Zeugen (zum Gelddarleihensvertrag)); ebenso- 
viel bestimmt Art. 16; zur Giltigkeit eines Kaufvertrages über 
unbewegliches Gut sind nach G. B. Dan., Art. 43 drei Zeugen 
nothwendig. ^) 

*) Vergl. G. B. Peters I., Art. 16. 

§ 125. 

Ueber den Beweis durch gerichtlichen Augenschein liegen 
keine Bestimmungen vor. 

§ 126. 

Des Eides erwähnt das G. B. Daniels nur im Art. 87 (im 
Verleumdungsprocesse) wo vier „ehrliche Männer" zur Ablegung 
des Eides gefordert werden. Aber in Medakoviö's Zakonik, S. 15—17 
und Ävot, S. 136—140 sind einige Angaben über dieses Beweis- 

Popovid, Recht u. Gericht in Montenegro. 6 



— 82 ^. 

nuittdbdtiRiMnii^efJBArteien nicht anderweitige genügende Beweis- 
mittel haben und keine nachgeben will, so trägt eine der anderen 
den Eid auf, oder das Gericht bestimmt, wer den Eid abzulegen 
habe, wobei auf die grössere Glaubwürdigkeit der übrigen Beweise 
xifL^ j^^sf ühnmgen » ^Rücksicht genommen wird. Wenn die Partei 
ijg^^l^^l' ^i^rde^ .die den Eid ablegen soll, so begeben sich mit 

%«ifffi¥fti<fi^Sf*^^^fPS?^^^^^ ^^ ^^® Kirche, wo dann der Eid abge- 

') Der Vorgang dabei ist der folgende: £s wird vor die Eidesableger 
das Evangelium, das Kreuz und ein HeUigenbild gebracht und nachdem diese 
Heiligthümer von allen geküsst worden sind, wird dem zu Beeidenden das 
Grueifix in beide Hände gegeben und eine der Gerichtspersonen spricht ihm 
dje Eidesformel vor, die ungefähr also lautet: ^Bei diesem lebenspendenden 
Hreuz^Arele6es'^VIhcl)^liat über Himmel und Erde, wenn du was immer von 
ä6r^J&[dkw(kdift, FEgen(f^r dieser Mensch von dir den Eid verlangt, sage es 

i(fi9illMi^H^ fff!§M ^Mfp)Y-9 ^^° ^^^^^ ^^^ Gerichtes wirst du nicht beheUi^t 
^^^qi^^Qc^c^ein^r^Loba 211 entrichten haben; und auch dieser, dem du das 
angethan hast, iforubetrd^ beeidet wirst, wird nichts mehr nehmen, als was das 
Aä Mmmmi'^<>aen wird; sc 



schwöre ja nicht falsch, wenn du was 
immer Wn dSäf^^mh wWklt: So möge dir dein Geschlecht aussterben, so möge 
dKSnDMOD^jiykietf^iliaiilfasvvur Erde fallen, so möge der. menschliche Aussatz 
igf4fiq[)Sa!ffll^tfgtfnfffj)t»ft ffföge die PVucht deines Ackers verderben, so möge 
^^l4ffth]^fffß^^^^4fi'?^^ ^^ mögest du am Wolfbiss (eine Art Geschwür) 
erkranken, cuimn. die. gimze Welt dich meide, so möge dir deine Frucht im 
AMif'W(!(ävä^ili§^Ät in der Erde, die Frucht vom Mensch und Vieh!« 
I)mnrh24iü^me^eiiäA Amenl und küssen abermals das Grueifix, das 
Eoui^äii]^ (i^lgililMvlpiäÜ^bild. 

iddü ^j§^7ft9fll^^^¥^fi^^^ selbst unter einander über den Eid.übereinge- 
kcammg^ siM. r so» lyrird dem Eidesableger das Grueifix in die Hände gegeben 
anorer ^selost spricht': jSei 'diesem lebenspendenden Kreuze und so möge ich 
ihm abtrünnig werden, und so möge ich wahnsinnig auf das Kreuz spucken, 
und so möge ich wahnsinnig werden, so möge mich Gott vernichten und der 
hl. Johann und der hl. Basilius, der hl. Peter und alle Heiligen, so möge ich 
wie ein. Ungläubiger das Kreuz machen, so möge mein Stamm aussterben, so 
möge ich aussätzig werden, so möge mein Haus und Same verderben, so möge 

4fS^%fP^^\9i^ft^1f!k ^^fkfh ^^ ^^S® ^^^ ^^^ Donner aus klarem Himmel 
tödten, so möge mich der Blitz streifen, so möge unter mir die Erde durch- 
fallen wie Sodom, so möge Gott mich tödten, wenn ich was immer von der 
Sache, wegen der ich den Eid ablege, wisse und wie wahr ich geschworen, 
also möge mir helfen der starke Gott, mir und meinem Hause I Die übrigen 




ÄÄ la^h%^fiii''SÄr^'ä4^<)ltd dem Meineidigen nichts mehr geglaubt, weder 

iaPVK^IeWdpttbclß<ifi^ Olrflbt, und er ist allgemein verachtet. 



— 83 — 
5 127. -*" ^^idlSLlJ3 lob 

Ueber die Fällung des Urtheiles, so wie übflniföie^ ^KoniH^^B- 
selbeD, gibt uns das Gesetz keine Anhaltspunkteji'II^JA^qYiiJ) (|g{t- 
konik, S. 11) sagt diesbezüglich: Wenn die Ri^JJrtftrijiJiieDjSft^e 
besprochen und nach Gewissen untersucht habe», off ^fali fßiftßl#e 
Streitenden vor sich und einer der Richter (g)?i?^iJitaiJU«te:;;|eßyRn 
Jahren älteste unter ihnen) sagt: „Wir haben j^^s im^hat^^ 
Ordnung untersucht, wie es sich verhält, und hal^öW Reßhteftft J^- 
fiinden, dass der Schuldige diesem so viel Nameiis>^diev > .JEntlöll^- 
digung zahle und so viel Namens der zemaljska ^obWj-A Qd»fui(a 
Falle, wo untersucht wird, wer von Beiden schuldÄHjMi, flUgt JWlwr 
der Richter: „Wir haben befunden, dass dieser[gfbaj|((ttg>ri8trnil|d 
dass er so viel zahle." ^) oqa^jyiiio j^.olil^n 

1) Hier ist zu bemerken, dass das angeführte We^E .l^^a^e 1860 
erschienen ist. rsG .H .0 (« 

§ 128. )lfHO}lBS (^ 

Hinsichtlich der Rechtsmittel gegen richterlicne Uriheile be- 
stimmt das G. B. Dan., Art, 64: Jedermann kann gegen ein ür- 
theil, das ihm ungerecht und gegen das Gesetzbuch geschöpft zu 
sein scheint, frei an das oberste Gericht appelKfeöÖ ifiJlS dieses 
wird untersuchen, ob gemäss dem Gesetzbuche i^btfä&^^HWötife. 

Näheres besagen die anderen wenigen Quellen darttÖ^'llttStPnletlt. 

laoilatdoiieO 9ib 

§ 129. ;/o>l^b'.)R (» 

Ueber Schiedsrichter bestimmen die Gesetze nichts* Sind ja 
namentlich die Ortsgerichte mehr als Schiedsgerichte zu betrach- 
ten und auch das Gesetz bestimmt wiederholt, dass die Richter 
zu trachten haben, das Uebel gütlich beizulegen.^) 

«) G. B. Dan., Art. 31, 37, 42, 83 u. a. 

§ ^^^' jnof) uX 

Hinsichtlich des Executionsv erfahr ens bestimnlM^(8e"ÄW?^42 
69, 83, des G. B. Daniels,^ dass die Schätzung dÄ^düä *'t^^Ä 
vorgenommen wird, welches auch für die Entschädigung A^s 
gers sorgt^) und den diesbezüglichen Auftrag dem^ Scäufafi|n^"zü^ 

ibt m w WJ 



ungesäumten Zahlung gibt.^ Medakoviö*) gibt \pre nö^ciL emiee 
spärliche Angaben darüber. Wenn der Schuldner, ÖM^ffitg^Ke 

6* 



— 84 — 

der Schuldige kein Geld hat, um nugesäumt zu zahlen, so sendet 
das Gericht die perjaniken, um sein Vieh zu pfänden; hat er kein 
Vieh, Oller nicht genügend, so kommt die Frucht an die Reihe ; 
ist da keine Frucht, so werden die Waffen gepfändet (das gewöhn- 
lichste Pfandobject, weil es am ehesten ausgelöst wird) ; sind keine 
Waffen da, so kommt an die Reihe der Acker. Zahlt Jemand für 
den Schuldner, so hat er das Pfandrecht an der gepfändeten Sache ; 
wenn der Vorschiessende ein Verwandter des Schuldners ist, so 
werden die WaflFen nicht gepfändet, und in diesem Falle wird die 
globa geringer bemessen. Der Schuldner bekommt noch einen 
kurzen Zahlungstermin und wenn auch dieser fruchtlos verstreicht, 
wird zur Licitation des Pfandobjectes geschritten. Im Falle der 
Zahlungsunfähigkeit wird der Schuldner nach Ermessen des Ge- 
richtes eingesperrt. Im Arrest wird er auf Staatskosten verpflegt.*) 

1) Vergl. G. B. Peters I , Art. 3, U, 33. 

») G. B. Dan., Art. 42, 83. 

>) Dasselbe, Art. 83. 

«) Zakonik, S. 11—13; 2ivot, S 125, 145. 

Siehe oben über das Pfand §§ 68, 75 

§ 131. 

Zur Deckung der Gerichtskosten dient die globa. Sie wird 
gleichzeitig mit dem Urtheile bemessen und gleich der Forderung 
des Gläubigers eingetrieben. Wer den Process verliert, hat auch 
die Gerichtskosten zu tragen, i) 

*) Medakoviö, Zakonik, S. 5, 8, 11—13, 43—47; Zivot, 125. 



In Strafsachen. 



§ 132. 



Zu dem, was oben §§ 115—120 vom Verfahren im Allge- 
meinen gesagt wurde, ist noch Folgendes in Bezug auf das Straf- 
verfahren nachzutragen : Da jede eigenmächtige Genugthuung ver- 
pönt ist, so hat der Beschädigte den Schaden bei Gericht anzuzeigen. 
Rücksichtlich der Pflicht und des Rechtes zur Anzeige strafbarer 
Handlungen sind wohl die allgemeinen Grundsätze giltig. Das Un- 
tersuchungsverfahren ist im Gesetze sehr spSarlicb bedaiCht. Ueber 



-"TT' 



— 85 — 

die Erhebung des Schadens, den gerichtlichen Augenschein, Bei- 
ziehung der Sachverständigen, Beweismittel u. s. w. liegt sehr 
wenig vor.') Die Erhebung des Schadens und dessen Schätzung 
durch das Gericht bestimmt das G. B. Dan., Art. 42, 83.'*) ohne 
über den Vorgang sich des Näheren auszulassen. Auch die Schätzung 
des sequestrirten Vermögens eines Verbrechers nimmt das Gericht 
vor, aber im Gesetze sind keine näheren Bestimmungen über das 
diesbezügliche Verfahren. Die Vorladung des Beschuldigten geschieht 
durch den Perjanik. Was die Competenz des Gerichtes betrifft, so 
ist G. B. Dan. Art. 62 massgebend;^) die Competenz der Orts- 
gerichte reicht nur für zufallige oder unabsichtliche Schäden ; bös- 
williger Schaden gehört vor den regelmässigen Richte.*) 

^) Das G. B. Art. 31 bestimmt (wemi eine Verwundaog im Streite ge- 
Bchah), dass das Gericht za Untersachen habe: wer der Urheber des Streites 
war? weswegen der Streit anfing? wer zaerst und warum zu den Waffen griff? 
und nachdem alles klar gelegt wurde, ist das Urtheil zu fällen mit Rücksicht 
auf die beiderseitigen Uebertretungen. Vergl. G. B. Peters I., Art. 6. 

*) Vergl. Art. 30 des G. B Peters L 

•) Siehe oben § 117. 
*) G. B. Dan., Art. 83. 

§ 133. 

Zu den Beweisarten gehören wohl auch in Montenegro die 
allgemein giltigen : der richterliche Augenschein, Sachverständige, 
das Geständniss, Zeugen, Urkunden, Indicienbeweis. Das Gesetz 
hat nur hinsichtlich des Zeugenbeweises einige Bestimmungen. So 
bestimmt das G. B. Dan., Art. 16 zum Beweise des Verbrechens 
des Landesverrathes zwei glaubwürdige Zeugen. Für den Verläuift- 
dungsprocess bestimmt das G. B. Dan., Art. 87, dass wenigstens 
ein glaubwürdiger Zeuge nothwendig sei.*) Die Zeugen sind zu 
beeiden.2) Sonst mögen über die Beweisarten die allgemeinen 
Grundsätze gelten. 2) 

Eigenthümlich klingt die Schlussbestimmung dieses Artikels : Schliess- 
lich bleibt es, dass der Eine und dor Andere (der Verläumder und Yerläum- 
dete) für sich vier ehrliche Leute finde, die den Eid ablegen werden; wer für 
sich mehr ehrliche Leute hat, die zu seinen Gunsten den Eid ablegen werden, 
gewinnt den Process. 

') G. B. Dan., Art. 87. 

') Als Beweismittel in aussergewöhnlichen Fällen war bis vor Kurzem 
die maz\ja, das Herausnehmen glühenden Eisens aus dem Feuer. (Medakovic, 
Zakonik, S. 17. Karad2iö, Würterbuch s. y. mazüJA.) 



— 86 — 

§ 134. 

Was das ürtheil und die ApppUation betrifft, siehe oben 
§§ 127 und 128. Alle Todesurtheile sind dem Fürsten zu unter- 
breiten, der „das Recht und die Gewalt hat, Begnadigungen aiis- 
zutheilen."*) 

») G. B. Dan., Art. 5. 

§ 135. 

lieber die Kosten des Strafverfahrens gilt das oben im § 131 
Gesagte. 

§ 136. 

Sok und So&bina. 

Ein eigenthümlicher Rechtsgebrauch besteht in Montenegro 
hinsichtlich des Angebers. Wenn Jemandem eine Sache abhanden 
kommt, oder sonst ein Schade zugefügt wird, so gibt er im ganzen 
Pleme kund, dass er so und so viel Belohnung Demjenigen geben 
werde, der ihm den Thäter angibt. Wer den Thäter kennt und an?®l>öii 
will, der geht zum Beschädigten, gibt ihm alles an und erhält 
allsogleich etwas von der Belohnung als Angeld. Dieser Angeber 
heisst Sok, seine Belohnung So6bina. Der Angeber und der Be- 
schädigte kommen überein, dass der Angeber nicht genannt werde, 
als bis man vor Gericht erscheint. Nun ruft der Beschädigte den 
Thäter zu sich und eröfl&iet ihm, es habe sich ein Sok gefunden, 
daher möge er sich gütlich vergleichen. Oft triflFt es sich, dass der 
Thäter gleich bekennt, und da vergleicht er sich mit dem Be- 
schädigten, indem er das Entwendete zurückgibt, oder die Ent- 
schädigung leistet. Der Thäter bittet dann den Beschädigten, er 
möge ihm etwas von der Soßbina erlassen (da der Thäter diese 
zu ersetzen hat). Der Beschädigte bespricht sich darauf mit dem 
Sok und schliesslich wird alles gütlich beigelegt, ohne dass das 
Gericht zu thun hatte, noch dass der Thäter und der Sok bekannt 
wurden. Es sind auch solche Fälle, dass den Sok nicht einmal 
der Beschädigte kennt, sondern der Sok um sich nicht mit dem 
Thäter zu verfeinden und damit alles geheim bleibe, schickt einen 
Vertrauten (sokodri^ica) zu ihm mit der Aufforderung, sich mit dem 
Beschädigten in Güte zu vergleichen. Wenn der Thäter nachgibt, 



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so bekömmt der Sok die Soöbina durch den Sokodriica. Wenn 
aber der Thäter leugnet, was gewöhnlich dort zu sein pflegt, wo 
das Bratstvo stark an Zahl ist, so gehen alle zu Gericht. Der 
Beschädigte führt dann ausser dem Sok noch andere Zeugen, um 
hiedurch den Sok zu maskiren. Vor Gericht bringt der Beschä- 
digte die Sache mit allen Umständen vor. Wenn der Thäter läug- 
net, fragt der Richter den Beschädigten, ob er einen Sok habe? 
Dieser antwortet bejahend. Das Gericht wünscht selbst nicht, dass 
der Sok erscheine, und redet dem Thäter zu, er möge gestehen. 
Hilft das nicht, so sagt der Richter : ist der Sock da ? er möge 
vortreten. Jetzt erst tritt der bis dorthin unbekannte Sok vor und 
sich schämend bringt er umständlich den Thatbestand vor. Wenn 
das Gericht sich genügend überzeugt hat, so verurtheilt es den 
Thäter zur Zahlung der Soßbina, der Osudbina (Entschädigung für 
den Beschädigten) und der Globa (Strafgeld). 

Der Sok ist in Montenegro keine ehrbare Person, weil er 
ums Geld zum Angeber wird. Darum gibt sich der Montenegriner 
nicht gerne zum Sok her und oft leugnet er vor Leuten und vor 
Gericht, dass er der Sok sei. (Filologisch wollen Manche das 
Wort sok vom svjedok, Zeuge, ableiten, wie es auch in manchen 
serbischen Gegenden in diesem Sinne gebraucht wird. Aber jeden- 
falls wird hier dieses Wort mehr dem ßechischen und polnischen 
„sok" verwandt sein, welches einen Verleumder bedeutet.) Kara- 
dii6, Wörterbuch s. v. sok. Medakoviö, 2ivot, S. 122-124; Zako- 
nik S. 13—15. 

§ 137. 
Die Pacification der Blutrache. 

Ganz eigenthümlich ist das Verfahren bei der Pacification der 
Blutrache (umir osvete). Der Rächer (osvetnik), gewöhnlich der Vater, 
Sohn, Bruder oder sonst ein Verwandter des Getödteten , stellt dem 
Leben des Mörders (krvnik) nach. Um der Gefahr zu entrinnen, bittet 
der krvnik seine Freunde, ihn mit dem Beleidigten zu versöhnen. 
Diese verlegen sich nun auf das Bitten und wenn sie sehen, dass 
der Beleidigte sich zum Nachgeben neigt, müssen sie ihm das 
Geschenk (dar) tragen. Es kommen an einem Morgen vor das 
Haus des zu versöhnenden Beleidigten (umirnik) 12 Frauen mit 

12 Wiegen und in den Wiegen 12 Knäblein; vor den Wiegen 



oft _. 

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g^hön 12 Aefteste von der Fftmiltd dcb krvnik. Der utatmik (ritt 
au)3 deitt Hause und die Aeltesten rufen ihm zu: Nimm an die 
12 Pathtnen, gedenke Gottes und des h. Johannes und nimm Gü- 
ter, welche du willst! Mancher ist unbeugsam und so müssen sie 
zu ihm durch drei Morgen kommen und erst am dritten Morgen 
sägt er, dass er sich versöhnen werde : „Gut, ich willige ein in 
den Verkauf meines Bruders, ich werde mich versöhnen, aber ihr 
müsst mir gebbn 10 Zechinen zur Bürgschaft (vjera) des Friedens 
und mein Blut sollen 24 Aelteste richten, die ich wählen werde. 
Für mein Blut werde ich verlangen das Gewehr des N. N. und 
verlange im Baaren ISSVa Zechinen, IV2 Piaster und lV2Para." 
Jetzt tritt der umimik hinzu und küsst entblössten Hauptes ein 
Knäblein in der Wiege. Seine übrigen männnlichen Verwandten küssen 
die übrigen 1 1 Knäblein. Der umimik bezeichnet darauf die 24 Aelte- 
sten, welche sein Blut richten sollen. Die 12 Aeltesten mit den 
12 Wiegen kehren in das Haus des krvnik zurück. Dieser ruft 
nun sein ganzes Bratstvo und die Schwägerschaft zur Zusammen- 
kunft, damit sie ihn schützen und ihm behilflich seien. Am ver- 
abredeten Tage, an dem der umimik das Geschenk nehmen wird, 
kommen alle ins Haus des krvnik und bringen nach Möglichkeit : 
der Eine einen Hammel, der Andere ein Fass Wein, der Dritte 
einen oder mehrere Stück Ducaten, Branntwein oder ein Tuch. 
Es kommen auch die 24 Aeltesten, welche richten sollen. Diese 
begeben sich abseits und bestimmen das Blutgeld. 

Unterdessen bricht von seinem Hause auf der umimik mit 
150 seiner Bratstveniks und Freunde zum Hause des krvnik. 
Ihnen entgegen gehen die 24 Aeltesten, ohne lange Gewehre und 
entblössten Hauptes, während die Partei des umimik unter Waffen 
und bedeckten Hauptes ist. Nach der gegenseitigen Begrüssung 
sagen die 24 Aeltesten: „Brüder! wir haben alles der Sitte ge- 
mäss angeordnet, was euch gebührt.^' Alles dieses geschieht vor 
dem Hause bei der Tafel der Pacification (trpeza od umira).^) 

Jetzt rufen die Aeltesten: wo ist der krvnik! Dieser war 
bis dorthin verborgen, jetzt erscheint er mit dem Gewehre, mit 
dem er gemordet hat, am Halse und nähert sich entblössten Haup- 
tes und auf den Knien. Die Aeltesten rufen dem umimik dreimal 
bittend zu: Gedenke, oPathe, Gottes und des h. Johannes! Auch 
der krvnik mft ihm dasselbe mit niedergeschlagenen Augen zu. 
So auf den Knien nähert er sich dem umimik. Dieser tritt auf 



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ihn zu. Der krvnik küsst ihm die Hand und das Knie, worauf ihn 
der umimik aufhebt, umarmt, auf die Waage küsst und ihm vom 
Halse das Mördergewehr nimmt und es behält oder es ihm zu- 
rückgibt Gebeugten Hauptes kehrt der krvnik zurück. Jetzt sagen 
die Aeltesten denen vom Hause des krvnik : Gebet die vier Pathi- 
nen! Es sind dies 4 Wiegen mit 4 Knäblein. Auf diesen Ruf wird 
die erste vor den umimik gebracht; auf ihr sind die bedungenen 
10 Ducaten (für die Bürgschaft des Friedens.) Der umimik 
empfängt die Wiege und küsst den Knaben und gibt ihm in den 
Busen einen Ducaten oder einen Silberthaler, nimmt die 10 Du- 
caten und gibt sie in seinen Busen. Er bezeichnet nun jene seiner 
Bratstveniken, welche die übrigen Pathinen empfangen werden. 
Diese treten der Beihe nach hinzu, küssen die Knäblein und Jeder 
beschenkt sie.^) Darauf folgen die 24 Pobratimstvas und Küsse- 
jeder Theil wählt nämlich 24 Männer und diese treten einer nach 
dem anderen auf und je Einer von der einen Partei küsst sich 
mit Einem der anderen Partei. Darauf setzen sich alle zur Tafel. 
Zwei älteste Glavaren, je einer von jeder Partei, nehmen den 
Ehrenplatz ein. Nachdem sie etwas Branntwein getrunken und 
Speise genossen haben, ruft der Aelteste von der Partei des umir- 
nik: Ihr Aeltesten^ die ihr gerichtet habt, sühnt dieses Blut voll- 
kommen! Die 24 Aeltesten nehmen aus ihren Gürteln je eine 
Waft'e und geben alle 24 Stücke vor den Aeltesten der umimik- 
schen Partei, fragend : ob er gesühnt sei ? Er antwortet : Es ist 
alles vollkommen gesühnt. Darauf erscheint der Geistliche und 
liest das Urtheil: 

„In Christi Namen (datum), Amen. Solchergestalt kamen wir 
zusammen und riefen den Namen Gottes an, wir 24 Aeltesten und 
Söhne der Aeltesten, welche auf dem obitno mjesto zu Gericht 
Sassen und nach Landesgebrauch dieses Urtheil brachten, vor 
Allem urtheilten wir für den weiland N. N. 133V2 Ducaten und 
IVa Piaster und IV2 Para usw. usw." 

Nach der Urtheilspublication bringt man Wein vor denje- 
nigen, der das Sühngeld empfängt ; alle entblössten das Haupt, 
der Aelteste der 24 Geschworenen aber bittet den Aeltesten 
der umimik'schen Partei, etwas vom Sühngelde dem krvnik 
zu schenken. Mancher gibt das Ganze zurück. Für das Geschenk 
wird von der krvnik'schen Seite gedankt. Nachdem auch Diejeni- 
gen, welche bei der Tafel bedient haben, beschenkt werden, wird 

Popoyiö, Recht n. Gericht in Montenegro. 7 



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der Hausvater aufgefordert, die verpfändeten Waffen (der 24 Ael- 
testen) auszulösen. Wenn dieses durch baares Geld oder ein werth- 
voUes Hand gethan ist, fragen die Aeltesten: Seid ilir gesühnt 
für das ganze Blut ? Der Aelteste der umimik'schen Partei antwor- 
tet : Ja ! Darauf tritt vor der krvnik mit dem Urtheile und einer 
Schere in der Hand. Am Urtheile hängt am rothen Seidehfaden' 
eine türkische Silberpara. Die Para wird zwischen dem krvnik und 
uminiik getheilt, jeder hält die Hälfte der Para (der krvnik dazu 
noch das Urtheil)uud der krvnik schneidet mit der Scheere diePära ent- 
zwei. Die eine Hälfte mit dem Urtheile bleibt bei ihm. Ausserdein hat 
die krvnik'sche Partei noch die 150 Mann der umimik'schen Partei 
zu beschenken, jeden mit einem Tuch, oder einem Silberzwaniziger. 
Hiemit ist die Pacification beendet. Alle stehen auf, ergreifen ihre 
Gewehre, bedanken sich, sagen : Lebewohl ! und alle brennen ihre 
Gewehre los; die andere Partei antwortet mit einer Salve. Nach- 
dem der umimik nach Hause kömmt, gibt er seinem Bratstv6 
die 10 Ducaten, die er als Gewähr des Friedens genommen hat. 
Der kiTuik aber bleibt für immer dem umimik gehörsam und ladöt 
ihn zu jeder Pathenschaft, die sich in seinem Hause treffen sollte.^' 

^) Diese wird am frühen Morgen von Brettern gemacht; statt der Sessel 
werden Steine zar Tafel beigesetzt. Die Tafel ist manchmal an 50 Elftr. lang 
Zum Behufe der Bewirthung worden 3—4 Stück Hornvieh und 20—30 Hammel 
geschlachtet. 

*) Diese Pathenschaft wird hochgeachtet gleich der Taiifpathenschaft 

•) MedakoYiö, Savot, S. 115—122. 



IMto 

Einleitung 5 

I. Politische Geschichte §§ 1—11. 
IL Rechtsgeschichte S§ 12—21. 

Priyatrecht 29 

Allgemeine Bestimronngwi §| 22— Mw 

FamiUe §§ 27— 8a 

Eherecht f| 89—62. 
Zmate zu den EamiUenTerhiLtDisaen §§ 63— M. 

Erbrecht §§ 56—68. 

Sachenrecht §§ 64—70. 

Verträge §§ 79—88. 
Strafrecht 68 

Im Allgemeinen §§ 84—90. 

Im Besonderen §§ 91—114. 

Oerichtsverfahren • • 77 

In CiTilsachen §§ 115—181. 
In Strafsachen §§ 182—187. 






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