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Full text of "Regenerations-Erscheinungen bei den Schnecken"

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LIBRARY 


OF THE 


Museum of Comparative Zoology 


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FUS.CONPMZOOLNEN 


SCHNECKEN. 


DISSERTATION 
ZUR 


: ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE 


AN DER 


UNIVERSITÄT MÜNCHEN 
EINGEREICHT 


> VON 


_ JUSTUS CARRIERE 


WÜRZBURG. 
DRUCK DER THEIN’SCHEN DRUCKEREI (STÜRTZ). ı 
1880. 


REGENERATIONS-ERSCHEINUNGEN 


BEI DEN 


‚SCHNEUCKEN. - :“ 


DISSERTATION 
ZUR 
ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE 


AN DER 


UNIVERSITÄT MÜNCHEN 


EINGEREICHT 


JUSTUS CARRIERE. 


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WÜRZBURG. 
DRUCK DER THEIN’SCHEN DRUCKEREI(STÜRTZ). 
1880. 


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Erhalt. 


I. Geschichte der Versuche über die Regeneration bei den Schnecken und allgemeine Beobachtungen. ai 
1. Historische Uebersicht 1 

2. Von den Verhältnissen, welche die Regeneration beeinflussen : e L 5 { E : 22 

3. Allgemeine Angaben über meine Versuche . 5 B 5 < : » . : E : 25 

II. Die Bildung des Epithels und des Auges bei der Regeneration \ 5 : 5 : : + ; © 1 
1. Die Regeneration des Epithels . - . 2 \ ; . & ; ; : ; : © 33 

2. Die Regeneration des Auges . e - e n $ © > ; 2 i : a : 35 

3. Die Bildung und Structur der Linse - - R s x : : e : R : : 43 

III. Die Regeneration des Auges im Vergleich mit der embryonalen Entwicklung ; 2 B i $ b 46 
Resume - = [ e a e = E . : B © : ; . - : B R £ 50 
Nachtrag zu pag. %6 . r ; j : h > . : ? ; : ; : - i : e 51 
Verzeichniss der benützten Literatur : : 6 3 5 . n 5 : ; . - : e 52 


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Geschichte der Versuche über die Regeneration bei den Schnecken im 
Allgemeinen, im Vergleich mit den eigenen Beobachtungen. 


„Es hat sich wohl in unseren Tagen keine ausserordentliche Naturerscheinung gezeigt, 
welche durch ihre Neuheit und anscheinende Eigenheit die Naturforscher in solche Aufregung 
* versetzte, welche Ursache zu so vielen Versuchen mit so verschiedenen, ja sich widersprechenden 
Resultaten war, als die Regeneration des Kopfes bei den Landschnecken.* — Diese stolzen Worte, 
mit welchen Spallanzani seine „Memoria seconda ed ultima sopra la riproduzione della Testa 
nelle lumache terrestri“ beginnt, sind wohl berechtigt. Denn über ein Jahrzehnt erhielt seine 
Entdeckung die Vertreter der Naturwissenschaft in reger Thätigkeit und Naturforscher, Mönche, 
Mediziner, Philosophen und Pastoren stellten Versuche an, und befehdeten einander in mannig- 
fachen Zeitschriften darüber — ob den Schnecken abgeschnittene Köpfe nachwüchsen oder nicht. — 

Diese allgemeine Theilnahme kann nicht Wunder nehmen. War es doch in der Mitte 
des vorigen Jahrhunderts Mode, sich mit Naturwissenschaften zu beschäftigen; Roesel v. Rosenhof’s 
„Insektenbelustigungen“* waren in den Händen fast aller Gebildeten und hieraus, wie aus Trembley's 
Werken, war der Gelehrten- wie der Laienwelt bekannt, dass Tritonen und Eidechsen, Würmer 
und Süsswasserpolypen die Fähigkeit besitzen, verlorene Körpertheile, beziehungsweise Gliedmassen 
wieder zu erzeugen. Wenn nun in diesen Jahren, in welchen so viele Gelehrte sich in ihren 
freien Stunden mit wissenschaftlichen Versuchen aller Art befassten, ein Mann wie Spallanzani!) mit 
der Behauptung auftrat, dass unseren gewöhnlichen Gartenschnecken nicht nur die abgeschnittenen 
Fühler, sondern’ sogar die Köpfe nachwüchsen, so musste wohl für die armen Schnecken eine 
schlimme Zeit anbrechen. Zu vielen Tausenden wurden sie verstümmelt und geköpft, um eine 
so unglaubliche Angabe zu beweisen oder auch zu widerlegen. — ! 

Ehe ich nun auf Spallanzanı’s Resultate eingehe, handelt es sich darum, zu untersuchen, 
ob er auch wirklich der erste ist, welcher solche Versuche angestellt hat, zumal, da eine Notiz 


') Spallanzani. Prodromo di un opera ad impremersi sopra le riproduzioni animali. Modena 1768. 
1 


2 


bei Murray!) glauben lässt, dass Linne schon die Regeneration der Fühler behauptet habe. Da 
findet sich denn, dass die ersten Versuche mit Schnecken nicht auf ihre Regenerationsfähigkeit, 
sondern auf ihre Lebenszähigkeit hin angestellt wurden. So beobachtete Lister?) 1694, dass Thiere, 
welchen er Herz und Niere ausgeschnitten hatte, noch 4 Tage lang lebten und Ziegenbalg°) legte 
im Jahre 1753 der Akademie zu Kopenhagen eine Abhandlung vor, in welcher er beschrieb, dass 
einige Schnecken, denen er die Köpfe abgeschnitten hatte, längere Zeit am Leben blieben und 
fortführen, wie früher sich in das Gehäuse zurückzuziehen und wieder herauszukommen. Dagegen 
findet sich in den von Zinne*) herausgegebenen „Amoenitates Academicae* in einer Abhandlung 
von Godofredus Dubois über die Taenia der Satz: „quod conche sua resumant cornua post resec- 
tionem“@ (welchen Murray Linne selbst zuschreibt) gelegentlich einer Zusammenstellung der Thiere, 
von welchen eine Regeneration bekannt sei. Aus der Art, wie dieser Schüler Linne’s von dem 
Faktum als einem ganz bekannten, spricht, erhellt, dass die Wiedererzeugung der Tentakel bei 
den Schnecken schon vor längerer Zeit beobachtet sein musste. Es war mir aber nicht möglich, 
in der Literatur eine ältere Notiz zu finden, als die oben eitirte und da Lister in seiner eingehen- 
den Untersuchung über die Schnecken dieser Fähigkeit nicht die geringste Erwähnung thut, so 
ist es wohl gestattet, die ersten Beobachtungen darüber ungefähr in das erste Dritttheil des 
18. Jahrhunderts zurückzudaliren. 

Wenn wir also auch vor Spallanzani die Regeneration der Fühler erwähnt finden, so ist 
er doch jedenfalls der erste, welcher genauere Beobachtungen darüber sowohl wie über die 
Wiedererzeugung des Kopfes anstellte und veröffentlichte. — Nun zurück zu Spallanzani’s „Pro- 
dromo“., >) 

In diesem bespricht er zuerst die Regenerationserscheinungen bei Land- und Süsswasser- 
würmern, sowie bei Froschlarven und beginnt dann pag. 60 mit der Wiedererzeugung des Kopfes 
und anderer Theile bei Gehäuseschnecken und der Fühler hei Nacktschnecken. Zunächst beschreibt 
er den Bau der Kopfes mit dem Gehirn, den davon ausgehenden 12 Nerven, den 4 Tentakeln, 
von welchen 2 die Augen tragen, und den Muskeln, welche zur Bewegung der Tentakel wie der 
übrigen Theile des Kopfes dienen, als welche Mund, Lippen, Zunge, Gaumen, Schlundkopf®) und 
Kiefer genannt werden. 

In erster Linie vermögen die Schnecken die Tentakel zu reproduziren, die Art und Weise 
der Reproduktion aber ist ganz anders als bei den zuerst erwähnten Thieren. Während bei diesen 


sich am Stumpf zunächst ein kleiner Kegel bildet, dessen Basis viel kleiner ist als die des Stumpfes, 


') Murray. De redintegratione partium cochleis limaeibusque praeeisarum., Göttingae 1776. 

2) Martini Lister, exereitatio anatomica. Londini 1694 cap. 13 p. 38. 

3) Ziegenbalg. in Mercure Danois 1754 fevrier. 

») Godofredus Dubois. Abhandlung: Taenia in Caroli Linnaei Amoenitates Academicae. 1751 vol. II. pag. 65. 

5) Auf Veranlassung Ch. Bonnet’s erschien noch im gleichen Jahre wie das Original eine französische Ueber- 
setzung desselben unter dem Titel: „Programme ou preeis d’un ouvrage sur les reproductions animales ete. par de la 
Sabionne. Geneve 1768. 

°) ventrieolo: Ich übersetze die veralteten Ausdrücke der verschiedenen Autoren durch die jetzt gebräuch- 
lichen, sage also „Kiefer“ statt „Zahn“ u. s. w. 


3 


eine Verschiedenheit, die sich erst im Laufe der Zeit ausgleicht, rundet sich bei den Schnecken 
der Stumpf des Fühlers zu einem kleinen Knopf ab, welcher sich vergrössert und schliesslich auf 
seiner Spitze — wenn es einer der grösseren Fühler war — das Auge erkennen lässt. Dabei ver- 
längert er sich und wird nach einer gewissen Zeit dem unverstümmelten Tentakel gleich. Doch 
kommt es auch vor, dass der Stumpf, statt sich abzurunden, sich zuspitzt und verlängert, aber 
sonst in der beschriebenen Weise wächst. Der so regenerirte Fühler zeigt bei der genauesten 
anatomischen Untersuchung keinen Unterschied von dem normalen. Aber so wie der hier be- 
schriebene Vorgang sich von der Reproduction bei anderen Thieren unterscheidet, ist der Erfolg 
auch nicht immer in gleicher Weise gesichert. 

Schneidet man einer Schnecke den ganzen Kopf ab, so entsteht ein neuer; jedoch nicht 
sofort als ein vollständiges Organ, sondern die einzelnen Theile desselben treten unabhängig von 
einander auf, das eine früher, das andere später und vereinigen sich erst nach längerer Zeit zu 
einem Gebilde, welches von dem früheren Kopf sich wenig oder gar nicht unterscheidet. Einige 
Zeit nach der Operation tritt in der Mitte des Stumpfes eine kleine Kugel auf, welche nur die An- 
lagen der beiden Lippen, sowie der beiden kleinen Fühler mit Mund und Kiefer enthält. In anderen 
Fällen wird zunächst der eine Augenträger mit dem Auge gebildet und erst später entwickeln sich 
die Lippen. Bei einem dritten Thiere sieht man zuerst eine Gruppe von drei Fühlern, zwei wohl 
ausgebildet und den dritten eben ‘aufkeimend. Bei manchen Schnecken entsteht zunächst ein 
kleiner Knopf mit den Anlagen -der Lippen, bei andern der ganze Kopf auf einmal mit Ausnahme 
eines oder mehrerer Tentakel. Oder es zeigen sich zuerst die beiden grossen Fühler oder die 
beiden kleinen oder ein grosser und ein kleiner. Es kommt vor, dass ein Thier noch den nackten 
Stumpf zeigt, während andere schon in verschiedener Weise regenerirt haben und es gibt Schnecken, 
bei denen der neue Kopf vor dem alten nur durch eine graue Linie ausgezeichnet ist, welche die 
Schnittfläche bezeichnet. Statt dieser Linie tritt auch öfters eine tiefe weissliche Einsenkung auf, 
namentlich wenn der Schnitt schief geführt wurde. Dieses Zeichen des Schnitts ist bei manchen 
Thieren noch nach zwei Jahren wahrzunehmen und ebenso gibt es Exemplare, denen nach dieser 
Frist noch der eine oder andere Fühler mangelt und bei welchen dieselben verkürzt oder miss- 
gestaltet sind. 

Einen untrüglichen Beweis dafür, dass die Köpfe mit allen ihren Bestandtheilen regenerirt 
waren, bot nicht nur der Umstand, dass die Thiere damit frassen, sondern auch die genaue 
anatomische Untersuchung. 

Und die Regeneration findet statt, ob man den Kopf vor oder hinter dem Gehirn ab- 
schneidet, da in tetzterem Fall das Gehirn sich ebenfalls neu bildet. 

Auch andere Theile wie Mantel und Fuss regeneriren sich. 

Diese Gabe der Regeneration ist allen Species von Helix eigen, welche Spallansani unter- 
suchte; auch die Nacktschnecken erneuern die abgeschnittenen Fühler, aber in Bezug auf die 
Regeneration des Kopfes stehen sie hinter den Gehäuseschnecken weit zurück. — Dies sind die 
ersten Erfahrungen Spallanzani’s. In welchem Verhältniss dieselben zu meinen Beobachtungen 


stehen, werde ich darlegen, nachdem ich die vielen Versuche, welche im Anschlusse an den 
1* 


4 


Prodromo sowohl für wie gegen Spallanzani publieirt wurden, einer eingehenden Kritik unterworfen 


habe. 


Der Erste, welcher in grösserem Masse günstige Resultate erzielte, war Schäffer. 


Und so beginne ich mit den Vertheidigern der Regeneration. 


Noch 


im Juli 1768 begann er mit seinen Versuchen, die ich hier in eine Tabelle geordnet folgen lasse.') 


] 


Datum = 


SEpTesenite 's. 


’ 


Zahl. 


Abgeschnittene 
Theile, 


Bemerkungen. 


1768 


Juli 13) 


2 
August 3.) 3 
4 


3 
on 
1 


tale: 
2.9 | 


Oktober 1. 


Novbr. 7.| 11 


Oktober3. | 12 


Nacktschnecken. 


Helix hortensis. 


Helix horlensis. 
Nacktschnecken. 
Helix pouratia. 


\) Jakob Christian Schäffer's 
Regensburg 1770. 


Auflage. 


[er 


A 


[oz) 


1 Kopf. 


erstere und fernere Versuche mit Schnecken nebst einem Nachtrage. 


Hinterleib. 


| 


Kopf. 


Hinterleih. 
Augenträger. 
Kopf. 


Kopt. 


Hinterleib. 
Kopf und Hinterleib. 
Kopf. 


Die vier Tentakel ein-| 
zeln. | 


| 
| 
| 
| 


Kopf. 


Kopf, 2‘ hinter den | 
Augenträgern. | 


‚ Am 3. und 4. Tage waren Bohnenblätter des Ge- 


fässes, in welchem die Schnecken aufbewahrt 
wurden, angefressen und im folgenden Monat 
zeigte die Hälfte der Schnecken neue Köpfe. 

Die Schnecken frassen schon am zweiten Tag. 

Die Augenträger waren bis 4, Sept. nachgewachsen. 

Eine Schnecke starb sofort, die zweite bis zum 9. Aug. ; 
die beiden andern besitzen am 2, September voll- 
ständige neue Köpfe. . 

Eine Schnecke hat bis zum 9. August vollständig 
regenerirt, zwei bis zum 4. September. Eine 
regenerirte nicht. 

Am 15. Aug. war einetodt, am 20. die zweite. Die beiden 
anderen Schnecken wurden in's Freie gebracht und 
am 1. Sept. warander einen der Schnitt verwachsen, 
ander andern noch nicht ; letztere zeigte am 5. Nov. 
zwei Tentakel und Ende März 1769 alle vier Fühler. 

Haben am 4. September regeneriıt. 

Sämmtliche Schnecken starben in kurzer Zeit. 

Am 25. August waren an der einen die beiden vor- 
deren Fühler regenerirt und am 10. September 
an der andern die beiden vorderen Fühler und 
der linke Augenträger; im Mai 1769 hatte die 
erstere Schnecke alle Tentakel regenerirt. 

Die Schnecke wurde gezeichnet und in den Garten ge- 
setzt und zeigte am 13. Okt. 4 Fühler, die unteren 
länger als die oberen; am 29. Okt. besassen die 
Augenträger ihre normale Länge und das Auge. 

Die Schnecke vom 10. Versuch wurde geköpft und 
starb Anfangs Juni 1769, ohne dass der Kopf 
sich erneuert hätte. 

Der Schnitt ging durch Kopf und Fuss. Am 3. März 
1769 besass die Schnecke wieder ihre kleinen 
Fühler und am 28. Mai waren auch die beiden 
Augenträger nachgewachsen, 

Am 6. November halte sich die Wunde geschlossen 
und die Schnecke lebte so noch bis Mitte Juni 1769. 


Zweite 


?) Da die beiden ersten „Versuche“ keine Resultate enthalten, so überging ich dieselben und zählte erst von 
Schäffer's 3. Versuche an, 


5 


Diese von so ausserordentlichen Erfolgen begleiteten Versuche haben Spallanzani viel mehr 
geschadet, als dass sie zur Bestätigung seiner Angaben beitrugen. Und das ist leicht zu begreifen, 
sowie man die Versuche Schäffer’s einer genaueren Kritik unterwirft. Unwillkürlich muss man 
lächeln über die Naivität, mit der er zu Werke ging und die fast auf jeder Seite uns entgegen- 
tritt. So z. B. ist bei dem ersten Versuche auf obiger Tabelle angegeben, dass in dem Glase, in 
welchem die geköpften Schnecken aufbewahrt wurden, am dritten oder vierten Tage die Bohnen- 
blätter angefressen waren. Stalt nun anzunehmen, dass einige Schnecken in der That nicht ge- 
köpft seien (was schon daraus hervorgeht, dass die Hälfte derselben schon im folgenden Monat 
wieder den vollständigen Kopf besassen), durchsucht er die Erde in dem Gefässe nach einem 
Thiere, welches die Blätter durchlöchert haben könnte, findet keines und frägt nun pathetisch: 
»Wer hat also die Blätter angefressen? Können Schnecken ohne Köpfe fressen? Die künftige 
Zeit mag es entscheiden !« 

Anderseits gibt Schäffer nie an, was er eigentlich unter dem abgeschnittenen Kopf begreift; 
in den meisten Fällen scheint er nur die Kopfhaut mit drei oder vier Tentakeln und vielleicht 
noch die Lippen abgetrennt zu haben und offenbar ist er, wie die meisten andern Nachfolger 
Spallanzani’s dadurch getäuscht worden, dass die abgeschnittene Kopfhaut sich sofort nach innen 
zu einrollt und so einen anscheinend massiven Klumpen bildet, aus welchem unter Umständen 
noch die Tentakel hervorragen. 

Schliesslich geht auch aus vielen seiner Abbildungen klar hervor, dass er häufig von den 
Schnecken getäuscht wurde, welche beim Schneiden raseh die Fühler einzogen und so nur einen 
Theil der Haut mit den Augenträgern (und letztere vielleicht nur theilweise) verloren. Kurz, 
Schäffer’s Versuche sind so angestellt und so beschrieben, dass in den meisten Fällen die Selbst- 
täuschung des Autors unzweifelhaft ist und desshalb wurde ihm nicht nur schon im vorigen Jahr- 
hundert wenig Glauben beigemessen, sondern man schloss auch aus seinen Experimenten, dass 
sich Spallanzani wohl in ähnlicher Weise getäuscht haben möchte. 

Um dieselbe Zeit ungefähr hatte ein junger schwedischer Offizier, welcher sich in Paris 
aufhielt, Roos!) oder Rose mit Namen, auch einen derartigen Versuch angestellt, indem er ver- 
schiedenen Schneeken den Kopf am Ursprunge der Fühler abschnitt; eine derselben brachte einen 
neuen Kopf mit vier Fühlern hervor, eine andere die beiden Augenträger und ein Theil starb. 
Später trennte er einigen Schnecken den Kopf an der Wurzel der Fühler ab; eine von diesen 
erneuerte ihren Kopf sammt den Fühlern und legte dann sieben Eier, worüber Roos sehr erstaunt 
ist, da sie bei ihm sich nicht begattet hatte, Er bedenkt nicht, dass sie das ja thun konnte, ehe 
er sie fing. 

Roos ist in seinen Angaben zu ungenau, um näher darauf eingehen zu können; so gibt 
er nicht einmal die Zeit an, innerhalb welcher die Regeneration stattgefunden hat und nöthigt 
uns zu der Annahme, dass er den Schnecken wohl nicht mehr als besten Falles die Fühler mit 


der Haut abgeschnitten habe. 


‘) Mercure de France Dezembre 1763 pag. 200. 


Auch Lavoisier!) beschäftigte sich mit solchen Versuchen und demonstrirte sie im Herbste 
1763 der Akademie zu Paris. Er hatte den Kopf etwas hinter den Augenträgern abgeschnitten 
und erwähnt, dass nicht bei allen Schnecken der ganze Kopf entfernt worden sei, da die Thiere 
sich bei der Berührung mit grosser Schnelligkeit zusammenzogen. — Einige Tage nach der Operation 
bildet sich eine feine durchsichtige Haut über der Wunde und ungefähr nach einem Monat sind 
die ersten Zeichen der Regeneration wahrzunehmen in Gestalt zweier kleiner Höcker, worauf die 
Entwickelung langsam fortschreitet, bis nach drei Monaten und mehr der neue Kopf fertig ist. 
Dieser unterscheidet sich dann noch durch die helle und durchscheinende Färbung und die kürzeren 
und dickeren Fühler (nur 1%, Linien lang) von dem früheren Kopfe. Lavoisier gibt an, dass diese 
kurzen Fühler weniger empfindlich seien, ich konnte aber davon nichts bemerken. Das eben besprochene 
Thier war am 26. Juni operirt, andere zur selben Zeit geköpfte waren noch nicht so weit entwickelt. 

Gegen diese Angaben ist nichts einzuwenden, sowie man annimmt, dass nur ein Theil des 
Schlundkopfes mit den 4 Tentakeln und den Mundtheilen abgeschnitten war. 

Ebenfalls noch im Jahre 1768 stellte Otto Friedrich Müller?) Versuche über die Reproduktion 
bei den Schnecken an, welche in vollem Grade glaubwürdig sind und von günstigem Erfolge 
begleitet waren. Er konstatirte immer durch Untersuchung, dass der abgetrennte Kopf aus den 
Tentakeln, den Augen, den Fühlernerven, den Mundtheilen und dem Kiefer bestand — Theile, 
welche sich auch wirklich regeneriren. Den ganzen Schlundkopf oder gar den Schlundring hat 
er nicht entfernt. Müller's Angaben, die ich hier zusammengestellt habe, beziehen sich auf Helix 
nemoralis; von den operirten Helix pomlatia starben ihm alle binnen 15 Tagen. 


=# Darum. Bapgerchitegs: Operirte Theile. Bre'm e riknu ng en. 
S | 
1 — 1 H. nemoralis. Fühler in der Mitte. | Nach einem Jahre war noch keine Regeneration: zu 
| bemerken; während dieser Zeit erhielt das Thier 
1768 | | keine Nahrung. 

3,9.Juli. | 1 | H. nemoralis. Kopf mit einem Theil! Am 12. Juli war in der Mitte der Wunde ein gelb- 
des Halses und den| lichesKnöpfehen wahrzunehmen. Am 16. September 
vordersten Theilen war der vorderste Theil des Fusses neu gebildet; 
des Fusses. am 19. Mai waren die Anfänge der beiden Augen- 


träger wahrzunehmen noch ohne schwarzen Punkt 
und am 1. Juni erschienen dieselben vollkommen 
vegenerirt ca. 3 Linien lang, mit Auge und Muskel, 
nur der eine etwas kürzer. Am 29. Juni war der 
Kopf, der neue Theil des Halses, der vorderste Theil 
des Fusses vorhanden, aber noch keine Spur von 
dem Munde, den Lippen und den kleinen Tentakeln. 


!) Avant-coureur Nr. 38. September 1768, pag. 598 u. 99 und Nr. 44, Oktober, pag. 695—98. 
Avant-coureur Nr. 30. Juli 1768, pag. 472—73. 
Avant-coureur Nr. 47. November 1768 pag. 746. 
2) Otto Friedrich Müller. Historia vermium terrestrium et fluviatilium suceineta Bd. II. 1774. Vorrede 


pag. NXX—XXXIV. Dieselben Versuche publizirte Müller in den Observations sur la Physique etc. par Rozier 1778, 
pag. 111—118. 


D | 
# |Datum. |7 Species Operirte Theile. | Bemerkungen. 
i 2 lite hen Une | TEN 
1768 / 
3 | 14. Sept.| 1 | H. nemoralis. Kopf. Am 29. Mai 1769 war die Oberlippe gebildet mit der 
Mundspalte. 
4 ja 1 a Kopf. | Am 3%. April 1769 war noch kein Zeichen von 
|| Regeneration vorhanden; am 19. Mai erschien auf 


der rechten Seite eine Erhöhung mit einem schwar- 
zen Punkt. 29. Juni war der mitentfernte Theil 
| des Fusses, der rechte Theil der Lippe und der 
| rechten Augenträger vorhanden, doch der letztere 
noch kürzer und dicker als im normalen Zustande. 
h Die Beobachtung wurde hier abgebrochen. 


Nach diesen Beobachtungen nimmt Müller die Regeneration verlorener Theile bei den 
Schnecken als unzweifelhaft an und fügt noch bei, dass er Schnecken mit sich regenerirenden 
Tentakeln im Walde gefunden habe, ebenso wie Eidechsen und Würmer in ähnlichen Verhältnissen, 
so dass die Experimente, welche audax Japeti genus ganz neuerdings anstelle, von den T'hieren 
selbst schon seit dem Anfang der Welt ohne grossen Lärm aneinander gemacht würden. — 

In dem Alles aufregenden Streite begegnet uns auch Voltaire!). „I y a quelque temps 
qu’on ne parlait que des jesuites, et ä present on ne s’entretient que des escargots‘‘ beginnt er 
seinen ersten Brief an den Pater Elie, und erzählt die Versuche des „Pöre l’Escarbotier‘‘, wobei er 
an diese wahrscheinlich fingirten Versuche anknüpfend vorzieht, in geistreicher Weise über Thier- 
Seele etc. sich auszusprechen, statt die Regeneralionserscheinungen bei den Schnecken eingehend zu 
behandeln. Ich glaube desshalb diese Versuche, bei denen sich die ganz, sowie die zum Theil ab- 
geschnittenen Köpfe regenerirten, ruhig übergehen zu können, wie es auch Spallanzani that. 

Aus dem Jahre 1769 liegen noch zwei Versuche von Seiten italienischer Geistlicher vor. 
Ich kann mich begnügen, dieselben kurz anzuführen, da die Angaben darüber ziemlich allgemein 
gehalten und nur durch Spallanzani?) bekannt sind. 

Pater Scarella in Brescia wiederholte die Versuche zusammen mit einem Mediziner Pusini. 
Am 17. April schnitt er in Gegenwart vieler Professoren der Medizin 72 Schnecken die Köpfe ab. 
Am 10. September lebten noch 22, von welchen 8 die Köpfe mit Fühlern regenerirt hatten, die 
eine mehr, die andere weniger, bei 14 aber war nur die Wunde geschlossen, ohne dass Anlagen 
der Fühler sichtbar waren. — 

Ab. Troilo in Modena hat ebenfalls ‚über die Regeneration der Schnecken Versuche an- 
gestellt. 124 Helix nemoralis wurden am 5. Mai geköpft und zwar bei 68 der Kopf mit einem 
Theil des Halses, bei 28 gerade der Kopf und bei 28 der vordere Theil des Kopfes hinweg- 


') Les colimacons du reverend Pere l’Escarbotier ete. 1768 Oeuvres de Voltaire par Beuchot. Paris 1831 
Tome XLIV (Melanges Tome VIII pag. 349—69). 


?) Spallanzani. Memoria seconda ed ultima sopra la riproduzione della Testa nelle Lumache terrestri. Memorie 
die Matematica e Fisica della Societä Italiana. Tom. II. p. IL. pag. 506 ff. 


8 


geschnitten. Am 29. Mai waren von den ersteren 49 gestorben, die übrigen schienen zu regeneriren, 
aber den 14. Juni war von den 68 keine mehr am Leben. 

Von der zweiten Abtheilung lebten am 29. Mai noch alle und waren auf verschiedenen 
Stadien der Neubildung; ebenso scheint es mit den letzteren nur zur Hälfte operirlen gegangen 
zu sein. 

Diese Angaben sprechen eigentlich, obschon Spallanzani sie unter den ihm günstigen an- 
führt, doch nicht gänzlich für ihn, denn von den vollkommen geköpften Thieren der Serie, bei 
denen wahrscheinlich der Schlundring verletzt oder gänzlich entfernt wurde, starben zwei Drittel 
binnen 3 Wochen und der Rest innerhalb 5 Wochen — also für die Regeneration des Kopfes ein 
sehr ungünstiges Resultat. 

Eine gewichtige Stimme aus diesem Jahre vermag Spallansani noch su seinen Gunsten 
anzuführen, nämlich die von ©. Bonnet!). Dieser behandelt die Regeneration bei den Schnecken 
allerdings ziemlich ausführlich, aber er gibt einfach eine Zusammenstellung der Spallanzani'schen 
Versuche und schliesst sich den Ausführungen desselben vollkommen an, da er Schnecken mit 
regenerirten Köpfen gesehen hat, — selbst jedoch hatte er zu der Zeit keine Versuche angestellt. 
Später dagegen stellte er solche an, die ich gleich hier besprechen will?). 

Unter dem 30. Juli 1777 gibt Bonnet in Rozier’s Journal einen längeren Bericht über seine 
Versuche, welche er wahrscheinlich an Helix nemoralis oder hortensis mittelst eines Messers anstellte; 
die Schwierigkeit, welche durch die Contraction des Thieres bei dem Schnitt entsteht, kannte er 
und suchte sie zu vermeiden, doch scheint gerade aus seinen Abbildungen z. B. Fig. 3, & etc. 
hervorzugehen, dass der Schlundkopf nicht oder wenigstens nicht gänzlich entfernt wurde. Ander- 
seits bildet er ganz unzweifelhafte Regenerationsstadien von Tentakeln und Mundtheilen ab. 


en  ,. — 
| Abgeschnittene | 


4 Bemerkungen. 
Theile, 2 


Datum.|,2 Species. = 
N 


1777 | 
8. Mai. | 1 | wahrscheinlich Helix |12| Kopf. 
hortensis. 


| 

| Von der ganzen Zahl der operirten Schnecken wurden 
|  nurdie für die fernere Beobachtung beibehalten, de- 
| nen der Kopf vom Halse vollständig abgetrennt war. 
| 1) Am 23. Juni waren bei zwei Schnecken die Köpfe 
| zum Theile regenerirt, bei einer aber so vollständig, 
| 5 


dass sie von nichtverstümmelten Thieren sich nur 
dadurch unterschied, dass derKopf kleiner und durch- 
| scheinender war. Dieandern Schnecken regenerirten 


verschieden, die eine mehr, die andere weniger und 
| | nur eine ging (am 27. Juli) zu Grunde. 
2 | wahrscheinlich Helix |30 | Kopf. | Von den 30 auf gleiche Weise wie die ersten geköpften 


hortensis, | | Schnecken gingen mehr als zwei Drittel zu Grunde 
© 
und die übrigen erneuerten die abgeschnittenen 


12. Mai. 


Theile mehr oder weniger langsam und unregel- 


mässig. 


1) 0. Bonnet. La palingenesie philosophique Band I. pag. 333—341. Gent 1769. 
2) Observations sur la physique ete. par Rozier. Tome X pag. 165—179. Paris 1777. 


Die Versuche Bonnet's aus den Jahren 1778 und 1780 boten ebenfalls im Allgemeinen 
günstige Resultate. Allerdings hatte er mit Helix pomatia fast so wenig Erfolg wie O0. F. Müller, 
doch blieben von 12 Stück, welche er am 24. Mai 1780 köpfte, vier am Leben und zeigten sich 
im Oktober die einen mehr, die andern weniger: vollkommen regenerirt.!) 

Sehr auffällig sind die Experimente aus dem Jahre 1777. Bei dem ersten Versuch ein 
unglaublich rascher Erfolg — und bei dem zweiten ein so grosses Misslingen! Bonnet hat leider 
die abgeschnittenen Köpfe nicht untersucht und so glaube ich auch hier nicht zu irren mit der 
Annahme, dass bei den überlebenden und regenerirenden Thieren der Schlundring unverletzt war. 

Im Jahre 1769 veröffentlichte auch noch ein Anonymus?) (M...) Beobachtungen gegen Valmont 
de Bomare. Er schnitt im Juni 6 Schnecken den Kopf hinter den Tentakeln ab; 5 starben so- 
gleich, eine lebte noch 4 Monate, ohne zu regeneriren. Dann erwähnt er ein Experiment aus 
einem derzeit noch nicht publizirten Werke „les singuliarites de la nature“. Fünfzehn Nackt- 
schnecken wurde der Kopf abgeschnitten und alle haben in längstens 6 Wochen denselben wieder- 
erlangt, während keine Gehäuse-Schnecke den Kopf regenerirte ausser einer, welche nur den vor- 
deren Theil verloren hatte. — Diese Versuche sind zu ungenau, um als Zeugniss für Spallansani 
gelten zu können; eher würden die ersteren dagegen sprechen. 

Der Genfer Bibliothekar Senebier) veröffentlichte in Rozier’s Journal im August 1777 
folgende Beobachtungen. Am 15. April schnitt er 12 Gartenschnecken die Köpfe ab. Nach drei 
Wochen zeigte eine der Schnecken den Kopf und die Augenträger regenerirt, die Anlage der 
kleinen Fühler konnte wahrgenommen werden und Mitte Juni war der Kopf wie beim normalen 
Thiere und die Schnecke begattete sich mit einer nicht operirten. Die andern 11 geköpften waren 
lange nicht soweit, befanden sich aber alle auf verschiedenen Stufen der Reproduktion und keine 
war zu Grunde gegangen. — 

Hier ist wieder der Versuch ohne alle Kautelen angestellt, so dass eine Kritik eigentlich 
unmöglich und nur in Anbetracht der kurzen Zeit, welcher eine der Schnecken zur Regeneration 
des Kopfes bedurfte, die Annahme gestattet ist, dass in diesem, sowie in so vielen anderen Fällen 
der Kopf nicht abgeschnitten wurde, sondern nur zum Theil die Haut etc. 

Die letzten mir bekannt gewordenen Versuche wurden im Jahre 1779 von Professor Sanders) 
in Karlsruhe angestellt. Er schnitt am 25. Juli jenes Jahres 19 Helix pomatia den Kopf eine Linie 
hinter der Wurzel der oberen Tentakel ab und sah bei einigen „etwas wie einen Darm oder Sack“ 
aus der Wunde herauskommen. Am 16. August waren noch 10 Thiere am Leben, von denen 
am 16. Oktober noch keines Regeneration zeigte, während bei zwei andern am 20. Oktober und 
13. November der Kopf nachgewachsen war und die Tentakeln als Knötchen sich zeigten. Am 9. Januar 


1781 existirten noch vier von dem Schnecken eingedeckelt und dem Anscheine nach noch lebend. — 


!) Die Versuche Bonnet’s sind zusammengestellt in der Collection complete des oeuvres de Charles Bonnet 
Tome V. part. I. Neuchatel 178!. pag. 246—83. 

?) Avant coureur Nr. 13 März 1769, pag. 198--2(0. 

») Observations sur la physique ete. par M. ’Abbe Rozier. Paris 1777. 

’) Herrn Professor H. Sanders in Karlsruhe Nachricht von geköpften Schnecken in: Der } Naturforscher. 
16. Stück. Halle 1781. 


10 


Sanders beobachtete seine Schnecken nicht genügend häufig, sondern wartete ab, bis eine 
von selbst aus dem Gehäuse kam und war auch ungenau in der Anordnung seines Versuchs. Doch 
sprechen seine Angaben für das Zustandekommen ‚einer Regeneration im Allgemeinen wie für die 
Lebenszähigkeit einzelner Schnecken, wie denn seine letzten vier Thiere vom Juli 1779 bis zum 
Januar 1781 ohne Nahrung ausgehalten hatten. 

Hiermit schliessen die Versuche der Freunde Spallanzani's, — hören wir jetzt die Gegner. 


Aus den Reihen derer, welche Spallanzani’s Versuche nachahmten, entstand aber auch eine 
Anzahl nicht zu verachtender Gegner, die sich ziemlich scharf in drei Gruppen sondern lassen. 
Die einen sind prinzipiell von vornherein gegen die Regeneration des Kopfes, — die andern stellen 
Versuche an und leugnen die Regeneration auf Grund der erhaltenen Resultate und die dritten 
gehen als wirkliche Forscher parteilos an’s Werk und der ruhigen Untersuchung entsprechen dann 
auch die Resultate. — Betrachten wir zuerst einen Gegner der ersten Sorte, den Herrn Adanson'). 
Derselbe zweifelte aus philosophischen Gründen an Spallanzani’s Angaben und um zu be- 
weisen, dass seine Zweifel gegründet seien, schlachtete er in einem Jahre 1400 —1500 Schnecken. 
An diesen beobachtete er bei theilweiser Abtragung von Fühlern, Lippen, Köpfen, eine baldige 
Regeneration; wurde aber der Fühler, die Lippe, derKopf ganz abgeschnitten, so war auch nicht 
die Spur einer Neubildung wahrzunehmen. Darum ermahnt er Spallansani, vorsichtiger zu sein 
im Erforschen der Wahrheit; denn wo er geglaubt habe, den Kopf der Schnecke abzutrennen, 
habe er nur die Kuppe der Schwarte hinweggenommen. Diese Versuche scheinen entschieden mit 
Voreingenommenheit angestellt zu sein, denn fast alle anderen Autoren gestehen die Regeneration 
der einzelnen Theile des Kopfes zu, auch wenn z.B. der Fühler an der Basis abgeschnitten wurde. 

G. Wartel?2), Kanonikus der Abtei S. Eloi-les-Arras hat noch schlimmere Erfahrungen ge- 
macht und stützt sich auf die bekannte Thatsache, dass Schnecken sehr lange ohne Körpertheile 
leben könnten, welche zum Leben des Thieres wesentlich zu sein scheinen. 

Ende Oktober 1767 schnitt er mehreren Schnecken die Köpfe ab; die Thiere zogen sich 
in ihre Schalen zurück und zu seinem Erstaunen sah er im Mai 1768 dieselben voll Leben, aber 
ohne Köpfe aus dem Gehäuse hervorkommen und bewahrte sie im gleichen Zustande noch im Juli 
auf; viele andere Schnecken, denen er die Fühler abgeschnitten, verhielten sich ebenso. Mit diesen 
Gegenbeweisen in der Hand schliesst er: Wenn die Fühler und mit desto mehr Grund die Köpfe 
nicht wieder wüchsen, so müsse seiner Ansicht nach die angebliche Reproduktion erst noch durch 


leicht zu wiederholende Experimente bestätigt werden. 


1) Brief von Adanson an C. Bonnet vom 30. Juli 1769. Mitgetheilt in der „Colleetion complete des Oeuvres 
de Ch. Bonnet T. V Part. I. pag. 958. Auch abgedruckt in Bonnet’s Aufsatz in Rozier's Observations sur la Physique 
T. X 1777 pag. 173. Prief Adansons an B. vom 10. Jan. 1778. Coll. compl. T. V. part. I. p. 267. 

?) Mereure de France 1768 Juli. L’avant-coureur 1768 Juli Nr. 25 pag. 421. 


M 


Schroetert) hatte ähnliche Resultate. Sämmtliche geköpfte Schnecken starben ihm und 
nicht einmal abgeschnittene Fühler oder Schwänze wurden erneuert, so dass er sich für berechtigt 
hielt, die Regeneration des Kopfes, sowie die der Fühler ete. überhaupt zu leugnen. 


Es ist unklar, wie diese ganz negativen Resultate zu Stande kamen; denn von allen andern 
Autoren wird die Regeneration der Fühler ruhig zugestanden, und man möchte fast annehmen, 
dass obige Forscher etwas zu sehr voreingenommen gewesen seien, oder sämmtlich zu ganz un- 
günstiger Zeit operirt hätten. 

Gleichfalls ungünstig in Bezug auf die Regeneration des Kopfes waren die Versuche von 
Valmont de Bomare?) und Cotte®). Ersterer hatte zu Chantilly im Herbste 1768 zusammen mit 
dem Apotheker Borie 52 Schnecken den Kopf abgeschnitten und die Thiere, bei welchen der 
Schnitt rasch geführt wurde, starben. 

Nur 9 Stück lebten noch nach 24 Stunden und zwar gerade die, bei welchen der Schnitt 
langsam und mit einem stumpfen Messer geführt wurde; bei diesen sah man aber auch, wie sie 
sich zusammenzogen, so dass nur die Haut und der Oberkiefer (Mundtheile?) ahgetrennt wurden. 
Eine Regeneration der Theile nahm Bomare nicht wahr, doch. beobachtete er diese Schnecken 
auch nur kurze Zeit. 

Die Beobachtungen Valmont de Bomare’s sind richtig, aber die Schlüsse, welche daraus zu 
Ungunsten der Regeneration gezogen wurden, waren falsch. Denn 10 bis 12 Tage oder auch ein 
Monat genügen nicht zur Regeneration grösserer abgeschnittener Theile des Kopfes und Valmont 
de Bomare kann somit nicht als Zeuge gegen die Regeneration überhaupt gelten, als welchen ihn 
die Gegner Spallanzani’s gerne anführen. 

Einer der bedeutendsten Gegner Spallanzanı’s war Cotte, Priester in Montmorenci. Dieser 
schreibt unter dem 22. September 1769 über die Spallanzani’schen Versuche, bespricht zunächst die 
Angaben von Warte! und Roos und eingehender die Experimente von Lavoisier, Darauf erwähnt Ootte 
Valmont de Bomare’s ungünstige Resultate und fährt fort: alle Naturforscher, die sich mit diesen 
Experimenten beschäftigt hätten, gäben zu, dass ein grosser Theil der Enthaupteten stürbe. Und 
zwar seien von vielleicht tausend operirten Schnecken nur 5—6 bekannt geworden, welche 
den Kopf erneuert hätten. Diese kleine Anzahl verdankte wohl ihr Leben einem schlechten In- 
strument, während die sehr gut operirten gestorben wären. 

‚Dass die Fühler von Lavoisier's Schnecke kürzer und dicker gewesen, sucht er aus der 
Langsamkeit zu erklären, mit welcher sich das Thier zusammengezogen habe und welche dem 
OperateursZeit liess, die Fühler in der Mitte zu durchschneiden, und die grössere Dicke rühre da- 
von her, dass die zur Ernährung dieser Theile bestimmten Säfte, dort an der Schnittstelle auf- 


gehalten, diese Organe zwängen, sich auszudehnen. 


') Schroeter. Versuch einer systematischen Abhandlung über Erdeonchylien. Berlin 1771. 

2) L’avant-coureur. Paris 1769 Nr. 9, Februar, pag: 135—136. -- Journal de Berne 1769. 4. Febr. (nach 
Spallanzani). — Dietionnaire d’Histoire 1776, arliele „Limacon“. 

°, Journal des scavans, Juin 1770, pag. 357— 364 


Die allmälige Entwickelung der scheinbar neuen Theile und das späte Erscheinen der 
kurzen Tentakel gibt Cotie der immerhin bedeutenden Verletzung schuld, welche das "Thier ‚durch 
den Verlust der Kopfhaut erfahren habe. „Die Tentakel, wenn auch nur an der Spitze verletzt, 
werden sehr häufig für längere Zeit vollständig eingezogen in Folge des Schmerzes, den das Aus- 
strecken verursacht. Aehnlich ist es bei der Verletzung des Mundes; da sich bei den oben an- 
geführten Autoren nicht einmal die Fühler zu regeneriren scheinen, so.ist die Regeneration des 
Kopfes ganz unglaublich. Und Roos wird bei seiner Schnecke eben nur den Mund und die Kopf- 
haut verletzt haben. Sehr eigenthümlich bleibt immer, dass wirklich geköpfte Schnecken nach 
Wartel noch ganze Jahre lebten.“ Cotte selbst. erhielt eine geköpfte Schnecke ein ganzes Jahr 
lebend und eine zweite, der er nur den untersten Theil des Fusses abschnitt, lebte, ohne zu fressen 
und ohne zu regeneriren, ebenso lange. Eine andere der Fühler beraubte regenerirte ebenfalls 
nicht. Das kürzere oder längere Leben der der wesentlichsten Theile beraubten Schnecken hängt 
von der Zeit ab, zu welcher man die Operation gemacht hat. Operirt man im Frühjahr, d. i. 
zu Anfang des Sommers, so sterben die Thiere rasch, denn zu dieser Zeit ist das Bedürfniss nach 
Nahrung am grössten, da sie 4—5 Monate gehungert haben. Dagegen leben im Herbst operirte 
Schnecken den Winter und oft noch den Frühling hindurch. Diese Angaben stützen sich auf 
folgende Experimente: 


les? . 


| 
| 
z | Datum. Species = Operirte Theile. | Bremse rk ung en. 
ıN | 
| | 
| r | 
| 1768 | || 
1 | Juni Helix. [20 Kopf. || Zwölf starben in weniger als S Tagen, die anderen 
| 
| ! 


lebten noch einige Monate, eine 1 Jahr. 
2 | Juni. Helix. '20 Kopf. \, Bei zweien glaubte er, den Kopf abgeschnitten zu 
| | haben, fand aber bei genauer Untersuchung, dass 
| \ er die Fühler, welche das Thier rasch einzog, so 
zu sagen nur abgebalgt. hatte. Das könnte nun 
| auch den andern Naturforschern passirt sein und 
| \ sie sich so über die Regeneration getäuscht haben. 
| — Alle starben. 


| 

Aus seinen und Bomare’s Versuchen zieht Cotte dann den Schluss, dass man zum wenig- 
sten sein Urtheil über diese Schneckenangelegenheit zurückhalten müsse; viel mehr Experimente 
seien nöthig und der Forscher sei ja für seine Mühe belohnt, wenn er auch beweise, dass die 
Reproduktion, die er constatiren wolle, nicht existire. Cotte lässt also wenigstens noch Discussion 
zu über dieses Thema, während seine Vorgänger einfach die Regeneration negirten. Gegen Cotte’s 
Versuche lässt sich nichts einwenden; dagegen ist die Art und Weise, wie er den Lavoisier’schen 
Versuch erklären will, ungeschickt, indem die viel einfachere Erklärung die ist, dass die mit der 
Haut abgeschnittenen Fühler sich regenerirten. 

Bemerkenswerth ist ausserdem, dass Cotte zuerst sich zu diesen Operationen einer scharfen 
Scheere bedient, was, wie er selbst meint, „une eirconstance facheuse pour ces animaux“ ist, 


denn ganz sicher verdankte ein sehr grosser Prozentsatz der glücklich regenerirenden Schnecken 


sein Leben der Operation mit dem Messer, welches nicht so schnell durchschneidet, wie die von 
zwei Seiten zugleich wirkende Scheere, und dann auch sehr gern abgleitet, wenn es auf den 
Schlundkopf trifft, den die Schnecke bei der Berührung sofort zurückzieht. 


Im Januar 1774 publizirte Cotte!) noch eine Notiz über seine Versuche. Nach kurzer Zu- 
sammenfassung der im Journal des Scavans I. Juin pag. 357 niedergelegten Resultate geht er zu 
seinen 1770, 1771/72 und 1773 gemachten Experimenten über. Während dieser Jahre enthauptete 
er viele Schnecken mit einem scharfen Messer auf einen Hieb — nicht schneidend. Fast alle 
starben einige Zeit nach der Operation, eine im März 1773 operirte lebte noch ein Jahr, jedoch 
ohne Zeichen von Regeneration, nur war die Wunde vernarbt. Eine andere Schnecke, der Cotte 
am 12. April 1772 die Fühler abschnitt, lebte noch einige Monate, ohne zu fressen und ohne zu 
regeneriren. Er nahm dann im März 1773 eine Sehnecke mit Winterdeckel, bedeckte sie mit 
einer Glasglocke und liess sie nach ihrem Erwachen ohne Nahrung darunter. Die Schnecke lebte 
bis zum. März 1774 und starb fast zur selben Zeit wie die oben erwähnte 1773 operirte Schnecke. 


Mit diesem Controlversuch will Cotte wohl die Unmöglichkeit einer Regeneration des 
Kopfes binnen Jahresfrist zeigen, da das Thier inzwischen verhungern würde. 


Die unbefangensten Versuche sind die von Murray?). In der citirten kleinen Schrift gibt 
er zuerst eine Aufzählung von bei verschiedenen Thieren beobachteten Reproduktionen, um dann 
auf die Versuche von Spallansani überzugehen. Zunächst wahrt er in Bezug auf die Neubildung 
der Fühler die Priorität Linne’s, weleher schon zwanzig Jahre früher gelegentlich bemerkt habe: 
„eochleas resumere tentacula post resectionem ), dann erwähnt er kurz die pro et contra veröffent- 
lichten Versuche, versucht, den in diesen Angaben herrschenden Widerspruch zu erklären mit Hin- 
weis auf die verschiedene Art und Weise der Operation, den Gebrauch des Messers und den Ein- 
fluss der Jahreszeit und des Alters und geht zu seinen eigenen Experimenten über, bei denen er 
sich zur Enthauptung des Messers und zur Entfernung der Tentakeln der Scheere bediente. Der 
Uebersicht halber stelle ich diese Versuche hier auf der Tabelle zusammen. 


11 
F | 
Datum. Species. = Operirte Theile. | Bemerkungen. 
N 
15. Sept. | Limax agrestis. 4|]\Kopfam vorderenRande|| Bei einigen war die Schnittfläche gleichmässig, bei 
. . .. . .,| . . . . . . 
Limax einctus. 16. 1|J desRückenschildes mit andern traten Eingeweidetheile, bei einem ein 
der Fusssohle. weisser Kanal mit zwei schwarzen Höckerchen her- 
| aus — Am andern Tage lebten nur noch zwei 
|  Limax agrestis, von denen der eine am 4., der 
andere am 7. Tage seit Beginn des Versuches starb. 


') Observations sur la physique ete. par M. ”Abbe Rozier. Paris II. 1775 pag. 368—69 (Janvier 1774). 
?) Jo. Andreas Murray. De redintegratione partium cochleis limacihusque praeeisarum disserens. Göttingae 1776. 
®») Wie ich oben gezeigt habe, findet sich dieser Ausspruch nicht bei Linne, sondern bei Dubois. 


Datum. Species 3 Operirte Theile. Bemerkungen. 
90. Sept. | Helix pomatia. 2| Kopf hinter den Anger] Beide ziehen sich in das Gehäuse zurück; die eine 
trägern mit der Fuss- | lässt zuerst den verwundeten Theil heraushängen, 
7 sohle. | nach acht Tagen zeigt sich bei dieser die Wunde ge- 
‘  sehlossen und fast in der Mitte eine kleine tentakel- 
förmige Erhebung, und am 27. XI. waren darüber 
zwei kleine schwärzliche Hervorragungen sieltbar. 
| Bald nachher starb das Thier. Die andere war 

schon am 7. Tage todt. 

14. Okt. | Helix nemoralis. 10) Einigen der Kopf mit | Die Tentakel (fer abgeschnittenen Köpfe bleiben 6 


den 4 Tentakeln, 


des Kopfes mit den bei- 
den Fühlern, der halbe 
Kopf mit sämmtlichen 


und 15 Minuten lang reizbar. — Nach 6 Wochen 
zeigten sich bei einer Schnecke welcher die beiden 
Augenträger zusammen abgeschnitten waren, die- 
selben gewachsen, aber ohne den Knopf und das Auge. 
Bei den geköpften ist in der Mitte ein hervorragen- 


= || 
deren der vordere een | 
| 
I 


der Kanal zu sehen; bei einer von diesen fanden 


sich nach 6 Wochen zwei längliche Körper wie 


Fühlern, | 


einzelne Fühler. 


Rudimente von Tentakeln, aber unempfindlich. Zu 
dieser Zeit lebten zweifellos noch 8, gingen aber 


| verloren. 

Aus obigen Resultaten zieht Murray nun den Schluss, dass bei diesen Thieren zwar ver- 
lorene Körpertheile sich wieder erneuern, aber nicht so vollständig, als sie vorher waren, es müsste 
denn noch längere Zeit dazu nöthig sein, worüber er selbst nicht urtheilen könne, und es scheint 
ihm schwer glaublich, dass alle Organe in ihrer früheren Beschaffenheit, Vollkommenheit und 
Funktion nachwüchsen. Weniger wunderbar wäre das, wenn bei der Beweglichkeit des Schlund- 
rings dieser ganz oder zum Theil unverletzt blieb. 

Murray’s Versuche sprechen durchaus nicht gegen das Zustandekommen einer vollständigen 
ist klar 


und von den übrigen Schnecken zeigten fast alle geköpften nach 6 Wochen noch Leben und be- 


Regeneration. Dass die 5 Limax einen so kolossalen Verlust nicht überleben konnten, 


ginnende Regeneration — als sie zufällig weggeworfen wurden. Die Erneuerung der Tentakel 
bestätigt Murray direkt. Nehmen wir noch hinzu, dass nach Spallanzani bis zur völligen Regene- 
ration im besten Falle bei günstiger warmer Witterung ca. 6 Wochen, beziehungsweise 3 
Monate nöthig sind, und Murray’s wenige Versuche Mitte Oktober in Göttingen gemacht wurden, 
wo während Oktober und November die Temperatur gewiss nicht andauernd mindestens + 13°R. 
beträgt, so müssen wir bekennen, dass seine Resultate weit mehr für Spallanzani sprechen, als 
gegen denselben, wie letzterer es auffasste. 

Nach Murray soll Argenville!) in Versuchen über die Regeneration bei Schnecken sehr 
ungünstige Resultate gehabt haben. „Maxime vero ab affırmantium parte recedit Argenville ex 


centenis 25 modo in diem posterum vixisse referens“. (Murray.) 


1) 1’Histoire naturelle &elairecie dans une des ses parties prineipales, la conchiliologie etc. augmente de !a 
zoomorphose Paris 1777. Zoomorphose pag. 79—80. 


Argenville’s „L’histoire naturelle‘“‘ erschien schon im Jahre 1757, als noch Niemand sich 
mit solchen Versuchen beschäftigte und an der citirten Stelle ist von Regeneration auch nicht die 
Rede. Murray weder noch Spallanzani bekamen das Buch zu Gesicht und ich vermuthe, dass 
D’Argenville nur durch ein Versehen der Autoren in diesen Streit gezogen wurde. Denn am an- 
geführten Orte erzählt er, dass er ungefähr hundert Stück Clausilia und Pupa gesammelt und 
zu einigen Früchten auf einen Bogen Papier gelegt habe und fährt fort: „J’en trouvai les troits 
quarts morts le lendemain matin, apres s’ötre vuides d’un peu de terre tortillee“. Diese Stelle 
scheint den Irrthum veranlasst zu haben, als ob es sich um verstümmelte Schnecken handle. Ob 
sich D’Argenville später mit Regenerations-Versuchen beschäftigte, ist nicht bekannt und auf jeden 
Fall tritt er in seiner Zoomorphose nicht als Gegner Spallanzan's auf, wie die obengenannten 
Autoren annehmen. 

Ungefähr in diesen Jahren hatte auch Abildgaard!) einige Versuche mit Gartenschnecken 
mit verschiedenem Erfolge angestellt, und kam zu dem Schluss, dass die Erneuerung des sog. 
„Kopfes“ um nichts merkwürdiger sei, als die Reproduktion von Krebsbeinen und Eidechsen- 
schwänzen. Denn was Donnet, Spallanzani und Andere für den Kopf ansahen, verdiene diesen 
Namen nicht, da das Centralnervensystem nicht in ihm, sondern hinter ihm auf der Speise- 
röhre liege, so dass es bei dem Schnitte unverletzt bliebe. 

Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangte Doctor Presciani?) aus Arezzo. Dieser hat im 
Jahre 1777 nach der Art Murray’s Versuche angestellt und kommt zu dem Schlusse, dass die 
Schnecken, deren Schlundring verletzt wurde, früher oder später starben, je nach der Grösse der 
Verletzung; dass dagegen diejenigen, welchen Fühler, Lippen, Kiefer, Gaumen (Schlundkopf?)- und 
die Zunge ohne Berührung des Schlundrings abgeschnitten wurden, leben blieben, so lange sie 
das Fasten aushalten konnten und dass diejenigen, welche nur die Tentakel mit. der Kopfhaut 


und den Lippen verloren, vollkommen regenerirten. — 


Wie auf diese Weise Spallanzani's Nachahmer nicht nur günstige, sondern auch ungünstige 
Resultate erhielten und sich darüber ein ziemlich lebhafter Streit entspann, hielt es dieser an der 
Zeit, den kurzen Mittheilungen in dem „Prodromo‘“ eine ausführliche Schilderung seiner Versuche 
folgen zu lassen und publizirte im Jahre 1782 seine Resultate aus den Versuchen über die Re- 
produktion des Kopfes bei den Schnecken °). 

Er erzählt, wie er durch die Beobachtung, dass die Würmer am besten reproduzirten, 


wenn sie gegen die freie Luft geschützt in der Erde oder dem Miste verborgen wären und dass 


') P. ©. Abildgaard. Bemerkungen über den Bonnet’schen Versuch, dass die abgeschnittenen Köpfe der 
Schnecken wieder hervorwachsen. Nordisches Archiv für Natur- und Arzneiwissenschaft. Bd. I. Stück 3. Kopenhagen 
1799, pag. 566. 

*) Giornale di Pisa Bd. XXXII. 1778, 

*) Spallanzani. Risultati di esperienze sopra la Riproduzione della Testa nelle Lumache terrestri. Memorie 
di Matematica e Fisica della societa Italiana. Tomo I. 1782. 


16 


die eingedeckelte Schnecke ebenfalls dem Einfluss der Luft entzogen wäre, darauf kam, zu unter- 
suchen, ob nicht die Schnecken in ähnlicher Weise regenerirten. Er begann mit den Tentakeln, 
welche er einen nach dem andern abschnitt, wobei ihm auffiel, dass im Gegensatz zu vielen 
andern Thieren hier die abgeschnittenen Theile fast augenblicklich bewegungslos sind!). Untersucht 
man die so verstümmelten Schnecken nach 20 oder 25 Tagen, so kann man nicht selten den An- 
fang der Erneuerung der Fühler wahrnehmen. Doch ist diese Reproduktion sehr verschieden von 
den bei anderen Thieren beobachteten, einer der vielen Fälle, welche uns Misstrauen gegen die 
aus der Analogie gezogenen Schlüsse einflössen. Während bei Krebsen ?), Land- und Süsswasser- 
Würmern ?), Froschlarven, Tritonen und auch ähnlich bei Seesternen in der Mitte des Stumpfes 
ein kleiner Kegel entstehl, dessen Basis entschieden viel kleiner ist als die des Stumpfes, bildet 
sich bei den Schnecken der Stumpf selbst in ein rundes bläuliches Knöpfehen um: dieses wächst 
und auf seiner Spitze zeigt -sich, falls es ein Augenträger war, ein schwarzer Punkt, das Auge, 
dann verlängert sich der regenerirte Theil und nach einer gewissen Zeit wird er dem unversehrten 
Fühler gleich. 

Bisweilen aber kommt es vor, dass der Stumpf, statt sich abzurunden, sich zuspitzt und 
verlängert, das übrige geht dann in derselben Weise vor sich. 

Um diese Reproduktion zu erlangen, ist eine Wärme von mindestens 13 Grad R. nöthig 
und im Sommer erneuern sich desshalb die Fühler viel rascher. 

Zur vollständigen Reproduktion fand Spallanzani ungefähr 2 Monate nöthig, einigemal 
konnte er, obwohl er die Schnecken Jahre hindurch aufbewahrte, keine Reproduktion erlangen. 

Wenn mit dem Kopf noch andere Theile des Körpers abgetrennt wurden, ging das Thier 
sicher zu Grunde und die Grenze für das Abtrennen zeigte sich dicht hinter den Augenträgern; 
diese Operation glückte bei Helix pomatia, nemoralis, lucorum. 

Zunächst nahm er den vordern Theil des Kopfes, enthaltend die Lippen, den Kiefer, die 
Zunge und die beiden kleinen Fühler hinweg. Da es aber sehr schwierig ist, den Schnitt so zu 
führen, dass man immer die gewünschten Theile erhält, untersuchte Spallanzani sofort nach der 
Operation den abgetrennten Theil, separirte die Schnecken in kleinen Gefässen und gab ihnen 
Nummern übereinstimmend mit denen, unter welchen in seinem Journal die Beschreibung der ab- 
getrennten Theile aufgeführt war. 

Sofort nach der Amputation zieht sich die Schnecke unter starker Schaum - Absonderung in 
die Schale zurück, kommt aber nach einiger Zeit wieder hervor, sehr häufig jedoch thut sie das 
Gegentheil. Die Schnecken deckeln sich dann ein und bleiben so mehrere Wochen oder Monate lang. 

Zwingt man sie, nach 30 oder 40 Tagen ’herauszukommen, so zeigen manche einen nackten 


Stumpf ohne eine Spur von Neubildung, andere dagegen lassen, falls die Jahreszeit wärmer war, 


') Sehr auffällig ist die Erscheinung, dass, wie Flemming angibt und ich sehr oft gesehen habe, der an der 
Basis abgeschnittene und in verdünnte Chromsäure-Lösung geworfene Tentakel sich bewegt, krümmt und in sehr vielen 
Fällen in einigen Minuten bis zu seiner gewöhnlichen Länge vollständig ausstülpt und seine natürliche Prallheit erlangt. 

?) Nach Reaumur. 

») Nach Bonnet,. 


17 


in der Mitte des Stumpfes ein zartes Kügelchen sehen, ohne Gliederung. Nach weiteren S—10 
Tagen ist die Erhebung sehr gewachsen und man erblickt Spuren der Lippen, der kleinen Fühler, 
des Mundes und der Zunge, sowie ein häutiges Körperchen von dunkler Farbe am Oberkiefer an- 
haftend und ausgezackt — der sich regenerirende Kiefer. Die Theile wachsen und längstens nach 
3 Monaten unterscheiden sich die neuen Theile nur noch durch die zarte Farbe von dem früheren Kopf. 

Nicht immer ist der Vorgang ein so regelmässiger. 

Manchmal sprossen aus dem Stumpf zwei ganz kleine rundliche Erhebungen, welche in 
einem Falle die Anlagen der beiden kleinen Fühler sind, in einem andern Fall umfasst die eine 
mehr die Anlagen der Lippen, des Mundes, des Kiefers, der Zunge, die beiden Erhebungen ver- 
schmelzen im Laufe der Zeit und nehmen allmälig die Gestalt des abgeschnittenen Theiles an. 
Nicht selten kommt es vor, dass der eine Fühler nicht die natürliche Länge erreicht oder ge- 
krümmt ist; es kann die eine Lippe etwas kleiner sein, als die andere, oder auch der ganze neue 
Kopftheil nach einer Seite gebogen; zwischen dem alten und dem regenerirten Theile bleibt eine 
Furche, oder man kann selbst noch nach 6 Monaten, ja nach einem Jahre den nackten Stump 
sehen, obgleich die Schnecke ihr Haus verlässt. 

So oft Spallanzani den Schnitt senkrecht zur Längsachse machte, erfolgte die Regeneration 
vortrefflich und die Missbildungen traten auf, wenn er schief geschnitten oder den Kopf nicht auf 
einen Schlag abgetrennt hatte. 

Die Zahl der halbgeköpften Schnecken betrug 322, davon regenerirten vollkommen 126, 
mehr oder weniger monströs erschienen 31, gar nicht reproduzirten 14, die übrigen 151 gingen 
zu Grunde. 

Bei den Versuchen über die Wiedererzeugung des ganzen Kopfes wurden 423 Schnecken 
enthauptet. Alle, welchen ausser dem Kopfe noch Theile des Halses abgeschnitten waren, gingen 
zu Grunde. Auch von denen, welchen der Kopf allein oder noch etwas weniger genommen war, 
starben sehr viele, die Mehrzahl überlebte aber die ‘Operation und ziemlich viele erneuerten 
den Kopf. 

Auch hier unterscheidet sich die Art der Regeneration von der anderer Thiere. Das dem 
Triton nachwachsende Bein ist von Anfang an ein Bein ähnlich dem abgeschnittenen, dem nur 
noch die weitere Entwicklung zur natürlichen Grösse fehlt. Ebenso verhält es sich mit dem Kopf 
oder Schwanz eines Wurmes.!) Anders bei den Schnecken. Hier entsteht nicht zunächst ein voll- 
ständiges Ganzes, welches alle Theile enthält, die den Kopf der Schnecke zusammensetzen, sondern 
diese Organe sprossen getrennt von einander, das eine früher, das andere später hervor, vereinigen 
sich erst nach einer gewissen Zeit und bilden dann ein Gesammtorgan, welches dem früheren 
Kopfe mehr oder weniger ähnlich ist. Anfangs können noch ein oder mehrere Fühler fehlen, in 
glücklichen Fällen aber geht die Reproduktion bis zu der Ausbildung sämmtlicher Theile in natür- 
licher Grösse und Farbe und der neue Theil ist vom alten nur durch eine aschfarbige Grenzlinie 
zu unterscheiden, der Schnittfläche entsprechend. Anderseits kann selbst nach zwei Jahren die 


') Dass diese Ansicht Spallanzani’s nicht vollkommen richtig ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung. 


2 
> 


18 


Regeneration noch keine vollständige sein, ein oder der andere Fühler fehlt oder ist auf mannig- 
fache Weise verunstaltet. f 

Von den 423 enthaupteten Schnecken zeigten 32 nach einem Jahr noch nicht die kleinste 
Spur von Regeneration, 93 hatten vollkommen regenerirt, 145 zeigten Monstrositäten, die übrigen 
153 starben. Die Erneuerung des ganzen Kopfes bedurfte ungefähr ebenso viele Zeit wie die des 
halben. In Bezug auf den Umstand, dass die einen Schnecken regeneriren, die andern aber nicht, 
meint Spallanzani, es sei nur anzunehmen, dass manche die Fähigkeit der Reproduktion 
besässen, andere aber nicht. — Wie er in seiner späteren Publikation bemerkt, nahm er zuerst im 
Frühjahr 1766 die Regeneration des Kopfes wahr. Auch Theile des Mantels und des Fusses 
regenerirten sich nach seiner Angabe. 

Diese Versuche Spullansani’s übertreffen an Klarheit und Objektivität die der meisten An- 
hänger oder Gegner, aber so schlagend, wie er und seine Anhänger annahmen, scheinen sie mir 
nicht zu sein. Denn von den Schnecken, welchen nur ein Theil des Kopfes abgeschnitten war, 
ging fast die Hälfte zu Grunde und ein kleiner Bruchtheil blieb leben, ohne ‚zu regeneriren, 
während die übrigen die abgeschnittenen Theile mehr oder weniger vollständig erneuerten. Von 
den ganz geköpften Thieren starb allerdings nur ein Dritttheil, aber kaum ein Fünftel regenerirte 
vollständig, so dass nach diesen Versuchen das Regeneriren der seltenere Fall ist und gewöhnlich 
das Thier zu Grunde geht. Dadurch gewinnt aber die gegnerische Ansicht, dass eine Reproduktion 
nur erfolge, wenn nicht der ganze Kopf binweggeschnitten sei, sehr an Wahrscheinlichkeit. 

Bald darauf, im Jahre 1784 veröffentlichte Spallanzani!) eine umfassende Zusammenstellung 
der ihm bekannt gewordenen Versuche gegen und für ihn und publizirte bei dieser Gelegenheit 
noch drei neue -Versuche von Pratolongo?), Girardi?) und. Caldani*). 

Der erstere schnitt am 10. Juli 1780 zwölf Helix pomatia die Köpfe ab. Er untersuchte 
die Abschnitte und fand, dass sie aus den 4 Fühlern, dem Mund und den Kiefern bestanden. 
Am 28. August kamen sämmtliche Thiere ‘aus ihren Häusern, aber auf sehr verschiedenen Stadien 
der Regeneration, einige zeigten kaum den Anfang derselben, bei anderen waren die Köpfe voll- 
kommen neu gebildet, so dass sie das Papier, mit welchem das Glas verschlossen war, durchnagt 
hatten. Im Februar 1782 schnitt er wieder 12 Helix pomatia die Köpfe ab, etwas weiter hinter 
den Augenträgern, als bei dem ersten Dutzend, und zwar bei der einen Hälfte senkrecht, bei der 
andern schief, so dass manchen der eine Augenträger verblieb. Nach einem Monat waren 5 todt, 
die übrigen eingedeckelt. Anfangs Juli warfen 6 den Deckel ab und zeigten wieder verschiedene 
Stadien der Regeneration. Von den vertikal geköpften lebten nur nöch 2, die eine kaum, die 
andere vollständig regenerirt. Diejenigen, bei welchen der Schnitt schief gelegt war, hatten zwar 


regenerirt, aber es waren noch keine Theile des Kopfes zu unterscheiden. 


ı) Spallanzani. Memoria seconda ed ultima sopra la riproduzione della Testa nelle Lumache terrestri. — 
Memorie die Matematica e Fisiea della Societa Italiana. Tomo II p. II 1784 pag. 506—602. 

2) Memoria seconda ete. pag, 534—39. 

°) Memoria seconda ete. pag. 539—57. 

*) Memoria seconda ete. pag. 530 - 34. 


19 
Dann schnitt er im Winter einer grossen Anzahl Schnecken die Köpfe in beliebiger Richt- 
“ung, aber vor den Augenträgern ab — von diesen starben wenige, aber die lebenden regenerirten 
so gut wie gar nicht, so dass in dieser Jahreszeit die Reproduktionskraft kaum thätig erscheint. 

Bei Protolongo sieht man deutlich, was zu dem Begriff des „Kopfes“ der Schnecke genügte: 
die Haut mit den Tentakeln, dem Mund und dem Kiefer. Bei seinen ersten Operationen blieb 
also der bei weitem grössere Theil des Schlundkopfes und die ihm anliegenden Organe unversehrt, 
die Schnecken konnten am Leben bleiben und regenerirten. 

Bei den zweiten Operationen starben fast alle Thiere, bei welchen er den Schnitt hinter 
den Tentakeln geführt hatte — denn in diesem Falle hatte er den Schlundkopf und wahrschein- 
lich auch die Ganglien mit hinweggenommen. 

Girardi, Professor der Naturgeschichte in Pavia, gibt zuerst eine eingehende Anatomie des 
Kopfes der Schnecken und zählt dann seine Versuche auf, die er an Helix pomatia, Lusitanica, 
Itala, zonaria, arbustorum, nemoralis, Jucorum machte, Am 1. Mai 1782 schnitt er A. 24 Schnecken 
aus Reggio die Augenträger ab; B. 24 die Tentakel; C. 24 die Schwanzspitze; D. 24 den Kopf 
und E. 24 aus dem Seitenrande des Fusses ein Stück von ca. 2 Linien Breite und ca. 10 Linien 
Länge und am nämlichen Tage machte er dieselben Operationen an ebensoviel Schnecken aus 
Parma. Der Schnitt bei den Enthauptungen wurde ca. 1,5 Linien hinter den Augenträgern geführt. 

Nach ungefähr einem Monat zeigten die unter A und B rubrizirten Schnecken kleine Knöpfe 
auf den Tentakeln, welche wuchsen und in denen dann das Auge auftrat: 

Früher noch als die Tentakel regenerirten sich die Schwanzspitze und der Fuss (C und E). 
Bei den geköpften Schnecken zeigte sich meist nach einem Monat auf der Schnittfläche eine kleine 
kugelige Hervorragung; die Regeneration schreitet voran und nach 2, 3, auch 4 Monaten ist der 
Kopf erneut. — Nicht alle Species verhielten sich darin gleich und günstige Resultate erhielt 
Girardi nur von Helix pomatia, Itala, zonaria, nemoralis, lucorum. Von über 300 enthaupteten 
Schnecken aus diesen Species reproduzirte ein Theil gar nicht, ein anderer unregelmässig, ein Theil 
vollkommen. Es starben meist nur solche Schnecken, welche zu weit hinter den Augenträgern 
operirt waren. 

Am 11. Mai 1783 schnitt er einigen Schnecken die Köpfe 4 Linien hinter den Augen- 
trägern ab und fand in dem abgeschnittenen Theil die Speicheldrüsengänge, die Nerven alle zu- 
sammen auf dem Schlundkopf, das Gehirn und einen Theil der Geschlechtsorgane. Anfang Januar 
1784 nöthigte er eine von diesen „Unglücklichen“, wie er sie nennt, sich aus der Schale hervor- 
zustrecken, und fand zu seinem grossen Erstaunen Anlagen der beiden Augenträger, sowie Lippen 
und Mund neu gebildet. — 

Girardi's Angaben sind etwas sehr summarisch und namentlich gibt er nicht näher an, 
wie viele von den 300 geköpften Schnecken reproduzirten. Die zweite Notiz von den am 11. Mai 
1784 enthaupteten Thieren ist so wunderbar, dass ich hier entschieden an einen Irrthum oder 
eine Verwechslung glauben ınuss. 

Caldani schnitt im Juli 1783 siebzehn Schnecken den Kopf hinter den Augenträgern mit 


einem Rasirmesser ab; von diesen blieben nur 4 Stück bis zum Dezember desselben Jahres leben, 
3% 


20 


mehrere der gestorbenen hatten aber schon mit der Regeneration begonnen und man konnte die 
Augen auf den Fühlern, sowie den pigmentirten Muskel in denselben wahrnehmen. 

Hier sind die Angaben wieder so allgemein, dass eine Kritik des Versuches kaum mög- 
lich ist. i 

Im zweiten Theile der „memoria seconda“ vertheidigt sich Spallanzani gegen die Einwürfe 
seiner Gegner, hält ihnen die verschiedenen Versuche vor, bei denen die Regeneration des Kopfes 
erfolgte und sucht die Einwände zu widerlegen. 

In der Schlussbetrachtung führt er aus, wie an dem Unglauben, welchen seine Angaben 
über die Regeneration des Kopfes bei den Schnecken stellenweise fänden, hauptsächlich die 
unrichtige Beziehung auf andere Thiere, z. B. Wirbelthiere und Insekten schuld sei. Weil letztere 
stürben, nachdem man ihnen den Kopf abgeschnitten habe, müsste es nach Ansicht seiner Gegner 
bei den Schnecken gerade so sein — ein solcher Schluss aber sei nicht wissenschaftlich. Der 
wahre Naturforscher müsse wissen, wie trügerisch solche Analogieschlüsse häufig seien. Und wie 
geradezu unphilosophisch handelten Leute, wie Bomare und Adanson, welche der neuen Erscheinung 
aus philosophischen Gründen von vorneherein Unglauben entgegenbrächten, ohne sie- unbefangen 


zu prüfen. Gerade in dieser Voreingenommenheit liege der Grund des Misslingens so vieler Ex- 
perimente, in dem Mangel an Eifer, an Interesse für einen günstigen Ausgang sind die Fehler- 


quellen zu suchen. — 

Ich selbst bin in dem Urtheil über viele Fälle zu einem gleichen oder ähnlichen Schlusse 
gekommen und kann diesem Punkte der Spallanzani’schen Kritik nichts beifügen, als das Bedauern, 
dass er mir sie derart vorweggenommen hat. 

So gut aber auch Spallanzani sich zu vertheidigen suchte, seine Gegner. behielten die Ober- 
hand und der Glaube an die Regeneration des Kopfes fand keine Vertheidiger mehr; man hielt 
die Sache für erledigt und nach dem Jahre 1784 scheinen keine Experimente mehr angestellt 
worden zu sein. Die letzte ausführlichere Notiz finde ich bei Schweigger') und nach ihr hat sich 
Spallanzani in Bezug auf die Regeneration des Kopfes doch getäuscht. Denn Schweigger sagt: 
„Leicht ersetzen sich verloren gegangene Stücke der Schaale; Fühlfäden und Mund bilden sich 
wieder. Spallanzani behauptete sogar, dass der ganze Kopf sich regenerire. Die Beobachtung 
wurde aber vor einiger Zeit dadurch widerlegt, dass man, Exemplare solcher Schnecken, die 
Spallanzani in Weingeist aufbewahrt hatte, anatomirte und fand, dass durch den Schnitt, den er 
führte, das Gehirn nicht abgetrennt war, also auch nicht der Kopf, sondern das Gesicht der 
Schnecke. Präparate solcher Schnecken sah ich im Museum zu Pavia und das unverletzte Gehirn 


war deutlich zu erkennen.“ 


!) Aug. Friedrich Schweigger. Handbuch der Naturgeschichte”der skelettlosen ungegliederten Thiere. Leipzig 
1320. pag. 685. 


2 

Ich will nun kurz die oben besprochenen Angaben mit nıeinen eigenen Befunden zusammen- 
halten. Nur wenige, wie Adanson, Bomare, Wartel und Schroeter, leugnen überhaupt die Möglich- 
keit des Wiederersatzes verlorener Körpertheile bei den Schnecken. Die beiden ersteren konnten 
aus philosophischen Gründen von vornherein nicht an die Sache glauben und bewiesen dann auch 
deren Nichtigkeit — ich vermuthe, indem sie.den Thieren den Kopf so weit nach hinten zu ab- 
schnitten, dass sie immer noch wenigstens den Schlundring mit abtrennten. Wartel scheint nur 
mit einigen wenigen Schnecken experimentirt zu haben und noch dazu mit ungeeigneten Thieren. 
Denn da dieselben noch 10 Monate nach der Operation lebten, hat er sicher den Schlundring 
nicht mitentfernt. Wie es aber kommt, dass Wartel und Schroeter keine Regeneration bei den 
Fühlern erzielten, ist bei den knappen Angaben derselben nicht zu discutiren. Ich erinnere hier 
in Bezug auf alle die misslungenen Versuche daran, dass nach Spallanzani die vollständige Rege- 
neration des Kopfes nur bei einer Temperatur von mindestens + 13° R. vor sich geht und an 
die Ungunst verschiedener Jahreszeiten, wie unten des Näheren gezeigt wird. 

Alle anderen Gegner gaben die Reproduktion der Tentakel zu und auch anderer Theile 
des Kopfes, falls der Schlundring unverletzt geblieben ist. Und das kann ich nach meinen Unter- 
suchungen bestätigen. — 

Spallanzani gibt zwar den Schlundring als zu dem Kopf gehörend an und stellt im „Pro- 
dromo“ mit kurzen Worten die Behauptung auf, die Regeneration finde statt, einerlei, ob der 
Schnitt vor oder hinter dem Schlundring geführt würde, da letzterer ebenfalls sich wiedererzeuge, 
aber weder er noch ein anderer von seinen Freunden (Girardi ausgenommen) erwähnen, dass in 
dem abgeschnittenen Theile auch wirklich immer der Schlundring mit enthalten gewesen wäre, 
und die meisten bezeichnen als „Kopf“ einfach die 4 Tentakel im Zusammenhang mit der Haut 
und einen Theil des Schlundkopfes. So ist zu erklären, dass der eine eine Schnecke köpft, und 
das Thier sofort todt ist, während ein anderer einer Schnecke den Kopf abschneidet und nach 
4 bis 6 Wochen das Thier einen „neuen“ besitzt. 

Die Verschiedenheiten und Widersprüche in den Resultaten der Versuche sind gross und 
zahlreich — fast so zahlreich, wie die Untersucher. Aber das überrascht uns weniger, wenn wir 
bedenken, dass mit ganz wenigen Ausnahmen die Experimentatoren — wie wir es heute bezeich- 
nen würden — „Dilettanten“ waren im schlimmen Sinne des Wortes, Leute, welche zum Zeit- 
vertreib oder der Mode halber sich mit einer Frage beschäftigten, welche ihrem Berufe möglichst 
fern lag und zu deren Bearbeitung sie durchaus nicht die genügenden Vorkenntnisse besassen. 
So kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn der Herr Pfarrer?in Deutschland und der Herr Abbe 
in Frankreich vollkommen entgegengesetzte Resultate erzielen — denn jeder arbeitet nach seiner 
Methode und unexakt beide. Nehmen wir dies als den Hauptgrund der Differenzen an, so be- 
stehen doch ausserdem noch eine ganze Anzahl von Ursachen, welche das Experiment beeinflussen, 
wie die Zeit, zu welcher die Versuche angestellt werden, die Verpflegung, welche die Thiere 


erhalten, die Instrumente, mit welchen der Schnitt geführt wird. 


Von den Verhältnissen, welche die Regeneration beeinflussen. 


Von Wichtigkeit vor Allem ist die Jahreszeit, zu welcher die Operation gemacht wird. 
Nimmt man im Anfange des Frühjahres Schnecken, welche noch eingedeckelt sind, oder ihren 
Deckel erst seit ganz kurzer Zeit abgeworfen haben, und schneidet denselben den Kopf ganz oder 
zum Theil ab, oder entfernt auch nur die Tentakel, so kann man mit Sicherheit auf ein un- 
günstiges Resultat rechnen. Denn die Thiere sind durch das fast halbjährige Fasten so herunter- 
gebracht, dass sie vor allem bei einem Schnitt, welcher sie des Mundes beraubt, nicht mehr die 
Kraft und das Material besitzen, denselben zu regeneriren, sondern an Inanition zu Grunde gehen. 
Dasselbe erfolgt natürlich auch, wenn man nur die Fühler abschneidet und die Thiere dann ohne 
Futter in Gefässen aufbewahrt. Sie leiden unter den ganz anormalen Verhältnissen, in welche 
sie versetzt wurden, und verhungern schliesslich, wobei eine Regeneration natürlich unmöglich ist, 
da auch in diesem Falle die Thiere alles verfügbare Material verbrauchen, um das Leben zu fristen. 

Ganz oder theilweise negative Resultate muss man aber auch erhalten, wenn man die 
Schnecken eines Theiles des Kopfes beraubt gegen die Zeit der Begattung oder der Fortpflanzung 
hin. Hier, wo das rapide Wachsthum der Geschlechtsorgane und die Entwicklung des Sperma 
beziehungsweise der Eier alle Kräfte des Thieres in Anspruch nehmen, müssen für die Heilung 
einer grösseren Wunde und die Regeneration eines verlorenen Körpertheiles die ungünstigsten Be- 
dingungen vorhanden sein. Und sicher geht auch ein grosser Theil der operirten Thiere zu Grunde 
in Folge der Unmöglichkeit, ihren Geschlechtstrieb zu befriedigen '), oder die Eier rechtzeitig zur 
Ablage zu bringen. 

Ein anderes ist es, wenn die Operation im Anfange des Sommers gemacht wird. Da sind 
die Thiere kräftig und gut genährt, so dass sie selbst. ein längeres Fasten ohne Schaden aushalten 
und dabei auch grössere abgeschnittene Theile des Kopfes erneuern können. Und wenn die Ver- 
letzung eine derartige ist, dass sie die Schnecke nicht längere Zeit am Fressen hindert, erfolgt die 
Regeneration oft erstaunlich schnell. 

Auch an Thieren, welche im Herbste verstümmelt werden, kurz ehe sie sich eindeckeln, 
wird man in vielen Fällen eine Regeneration erzielen. Denn der für den Winterschlaf aufgespeicherte 
Vorrath reicht meistens auch noch aus, um Verluste von nicht zu grossen Theilen des Kopfes zu 
ersetzen, wenn diese Erneuerung auch langsam und eventuell weniger vollständig vor sich geht. 
Operirt man zu früh, so ist das Experiment wieder gestört, da die Thiere sich dann nicht ge- 
nügend für den Winter gekräftigt haben. 

Von Bedeutung ist ferner die Art und Weise der Verpflegung und Aufbewahrung der 
operirten Schnecken. Thiere, welche im Freien oder wenigstens unter möglichst naturgemässen 
Bedingungen gehalten werden, regeneriren sicher frühzeitiger und vollständiger, als wenn sie nach 


der Operation einfach in ein Gefäss geworfen werden und darin aushalten müssen ohne die ge- 


') Dies ist kein unbedeutendes Moment. Denn wie aus meinen, darauf bezüglichen Beobachtungen hervor- 


geht, ist der Geschlechtstrieb bei den Schnecken ein sehr grosser. 


23 


ringste- Nahrung oder Feuchtigkeit zu erhalten. Und da bekanntlich bei längerem Mangel der 
letzteren die Lebensthätigkeit der Schnecken in hohem Masse abnimmt, wie sollten sie unter diesen 
Umständen grössere Verluste ersetzen? 

Ein nicht zu unterschätzender Einfluss auf das Resultat der Operation kommt dem In- 
strumente zu, mit welchem dieselbe ausgeführt wird. Bedient man sich zur Abtrennung des Kopfes 
eines Messers, so wird sich zunächst ein Unterschied zeigen, je nachdem man mit demselben einen 
Schnitt oder einen Hieb geführt hat. Im ersteren Falle hat das Thier meist noch Zeit, sich etwas 
zu eontrahiren, das Messer wird in vielen Fällen, wenn es auf den nach rückwärts sich bewegen- 
den harten und glatten Schlundkopf trifft, abgleiten und statt des ganzen Kopfes nur einen mehr 
oder weniger grossen Theil desselben (oft nur einen Theil der Hautbedeckung) abtragen. 

Im zweiten Falle ist die Möglichkeit des Abgleitens allerdings noch vorhanden, aber eine 
geringere und die Verwundung wird meist eine schwerere sein. Natürlich ist in beiden Fällen 
auch noch in Betracht zu ziehen, ob das Messer sehr scharf war oder nicht. 

.  Bedient. man sich dagegen einer Scheere, so geschieht erstlich die Abtrennung in kürzerer 
Zeit und dann wird gleichzeitig das betreffende Organ zwischen den Blättern der Scheere ein- 
geklemmt und fesgtehalten,, so dass bei raschem Schneiden ein Ausweichen des Schlundkopfes 
weniger möglich ist. | 
“ In den seltensten Fällen nimmt man beim Abschneiden des „Kopfes“ den ganzen Schlund- 
kopf mit; um ihn zu entfernen, muss man nicht dicht hinter den Augenträgern, sondern mehrere 
Millimeter weit nach hinten den Schnitt führen und in diesem Falle ist die Verletzung eine der- 
artige, dass das Thier zu Grunde gehen muss. Denn nicht nur der Schlundkopf ist abgetragen, 
sondern auch der Schlundring ist zugleich. stark verletzt oder selbst mit dem ersteren entfernt, die 
Genitalorgane sind stark angeschnitten, der wenig kontraktile Darm hängt meist: aus der Wunde 
vor und die Schnecke stirbt rasch. 

Ein anderer Umstand, welcher die Kritik erschwert, besteht darin, dass die Autoren selten 
die Species genau angeben, an welcher. sie ihre Versuche angestellt haben. Jeder, welcher Nackt- 
schnecken beobachtet hat, weiss, wie schwierig und geradezu unmöglich es ist, dieselben längere 
Zeit in Terrarien, sowie in kleineren Gefässen gesund und lebend zu erhalten und letztere sind 
nöthig, um die Versuchsthiere zu isoliren, da man sie nicht auf andere Weise zeichnen kann — 
und doch wurden diese Thiere zu Regenerationsbeobachtungen benützt. Auch die Gehäuseschnecken 
verhalten sich der Operation gegenüber sehr verschieden, wie das auch schon einzelne der früheren 
Beobachter bemerkten und ich im nächsten Abschnitte des genaueren ausführen werde. Am 
wenigsten ausdauernd ist nach meinen Versuchen Helix arbustorum (auch Girardi erlangte keine 
günstigen Resultate bei dieser Species); zunächst. an Empfindlichkeit steht Helix fruticum, welche 
der Verletzung gegenüber sich sehr wehleidig benimmt. Besser ist es schon mit Helix pomatia, 
aber am vorzüglichsten eigneten sie sich bei mir Helix nemoralis und namentlich hortensis. 
Wurde diesen die Kuppe des Augenträgers abgeschnitten, so zogen sie sich kaum in das Haus 
zurück und krochen kurz nachher mit ganz oder theilweise ausgestreckten Tentakeln ‚umher, als 


ob ihnen nichts passirt wäre und sie regenerirten auch viel rascher als Helix pomatia. Diese 


24 
Thiere scheinen überhaupt sehr unempfindlich gegen Verletzungen zu sein, wie aus folgendem 
Versuche hervorgeht. Um die Regeneration am Fusse zu beobachten, schnitt ich einer Anzahl 
die Fuss- oder sogenannte Schwanzspitze ein, zwei bis drei Millimeter weit ab, wenn die Thiere 
gerade vollkommen ausgestreckt am Rande eines Glasgefässes krochen. Und keines markirte auch 
nur im mindesten weder durch Kontrahiren des Fusses, noch durch Bewegung der Tentakel, dass 
es berührt worden war. 

Aber nicht nur die verschiedenen Species verhalten sich verschieden, sondern auch die 
Thiere derselben Art binden sich’ in Beziehung auf das Regeneriren an keine Regel; das eine 
z.B. erneuert in 56 Tagen die im Zusammenhang abgeschnittenen Tentakel sammt den Augen voll- 
ständig, ein anderes hat nach 83 Tagen noch nicht einmal das Epithel des allein abgetragenen 
Tentakelknopfes vollkommen neu gebildet und bei einem Dritten ist die Wunde in dem durch- 
schnittenen Fühler nach 65 Tagen noch nicht gänzlich zugeheilt. Diese Unregelmässigkeiten 
müssen bei einer Untersuchung über die Regenerationserscheinungen natürlich in Betracht gezogen 
werden — aber die wenigsten der alten Beobachter haben es gethan und gerade die Gegner 
Spallanzanis liessen sie ganz ausser Acht, während dieser, wie oben gesagt, erwähnt, dass nicht 
alle Schnecken in gleicher Weise oder zu derselben Zeit die abgeschnittenen Theile reproduzirten, 
da nicht alle die Fähigkeit zu regeneriren besässen. 

Auf diese Weise scheinen mir die Abweichungen in den Resultaten bei den früheren Be- 
obachtern ihre Erklärung zu finden. 

Was meine Resultate betrifft, so lassen sich selbstverständlich aus ihnen keine allgemein 
gültigen Regeln in Bezug auf die Zeit, innerhalb welcher eine Regeneration stattfinden müsste, 
ableiten; wenn ich die Versuche in ganz gleicher Weise in einem andern Frühjahr oder in einem 
andern Klima wiederholte, würden sich eben zeitliche Differenzen mit den vorliegenden Angaben 
ergeben. — 

_ Bei meinen Versuchen spielten natürlich Jahreszeit und Witterung eine ebenso grosse 
Rolle, wie bei denen meiner Vorgänger, und ihr Einfluss ist aus dem Journal, welches ich über 
die Thiere geführt habe, deutlich zu erkennen, ebenso wie das Verhalten der verschiedenen In- 
dividuen und Species gegenüber der Regeneration. Ich glaube aber desshalb noch nicht, gleich 
Spallanzani, dass ‚das Regeneriren sozusagen eine berechtigte Eigenthümlichkeit sei, welche das 
eine Individuum besitzt, das andere aber nicht, sondern dass diese Fähigkeit bei den Landmollusken 
eine ebenso allgemeine ist, wie z. B. bei den geschwänzten Amphibien. Nur muss man nicht ver- 
gessen, dass bei den ersteren Thieren alle Lebensthätigkeiten sich sehr langsam und — zum Theil — 
auch unregelmässig abspielen und demgemäss die Reaktion des Körpers gegen Verletzungen, be- 
ziehungsweise die Erneuerung verlorener Körpertheile auch langsamer und unregelmässiger vor sich 
geht, als bei Thieren mit regerem Stoffwechsel. — 

Die Ursachen, welche in den hier besprochenen Fällen zu der Regeneration Veranlassung 
waren, bestanden immer in direkten Eingriffen von Menschen oder auch Thieren, welche mit 
schneidenden Werkzeugen, beziehungsweise Zähnen oder Schnäbeln die Schnecke verletzten und 


sie einzelner Theile ihres Körpers beraubten. Um so auffälliger ist ein Akt der Selbstverstümmel- 


- 


ung, welchen nach Semper') eine philippinische Schnecke an sich selbst begeht, sowie sie gestört 
wird. Diese Thiere, welche der Gattung Helicarion Fer. angehören, besitzen die Eigenthümlichkeit, 
ihren Fuss spontan ablösen zu können, indem sie bei unsanfter Berührung mit dem .Schwanze 
sich hin- und herschnellen, bis der letztere sich ganz vom Thiere abgelöst hat, worauf sie so 
munter wie vorher herumkriechen. Dieser Verlust scheint sich ziemlich rasch wieder zu ersetzen, 
denn Semper fand nie, oder nur äusserst selten verstümmelte Exemplare. 

Das Schlagen mit dem Fussende bei Berührung hat mit diesem Helicarion auch unsere 
Physa gemein; doch seheint es hier nicht bis zum Abwerfen desselben zu kommen. 


Allgemeine Angaben über meine Versuche. 


Die Helix-Arten, mit denen ich experimentirte, wurden alle unter Bedingungen gehalten, 
welche den natürlichen möglichst angepasst wurden. Anfangs versuchte ich zwar die etwaigen 
Einflüsse anormaler Verhältnisse zu beobachten, indem ich die Thiere nicht nur in dem gleich 
zu besprechenden „Zwinger“ hielt, sondern zum Theil ohne Futter in kleineren Glasgefässen, 
theils in einem grösseren Behälter auf trockenem Moos aufbewahrte und ihnen von Zeit zu Zeit 
Futter und Feuchtigkeit zukommen liess, ferner sie zum Theil in kalten, zum Theil in warmen 
Räumen pflegte. Doch gab ich diese Versuche wieder auf, nachdem die Verschiedenheit, mit 
welcher die unter gleichen, natürlichen Bedingungen lebenden Thiere sich verhielten, mich über- 
zeugt hatte, dass auf diese Weise klare, brauchbare Resultate sich kaum erzielen liessen. 

So hielt ich denn von Ende Februar ab sämmtliche operirten Thiere in dem „Zwinger“ ; 
dieser bestand aus einem starken Kasten von Zinkblech, ungefähr 1 m. lang, 50 cm. breit und 
30 cm. hoch. Derselbe wurde ungefähr bis zu °”/s seiner Höhe mit Erde und darüber gelegten 
grossen Rasenstücken angefüllt. Auf den Wänden des Kastens ruhte als Deckel ein nach oben zu 
sich etwas verjüngender, gleichfalls vierseitiger Aufsatz von 30 em. Höhe, dessen eine lange Wand 
aus feinem Drahtgeflecht bestand, während die übrigen von Glasscheiben gebildet wurden. Der 
Apparat stand an einem meist geöffneten Fenster der zoologischen Sammlung so, dass er gegen 
ein Uebermass von Licht und Sonne geschützt werden konnte, mit der Drahtwand gegen das 
Fenster zu. Auf diese Weise hatten die Thiere immer genügend frische Luft und die nöthige 
Feuchtigkeit liess ich ihnen mittelst einer Blumenbrause zu Theil werden, immer mit Berücksich- 
tigung und im Anschluss an das jeweilig herrschende Wetter. Ich fütterte die Thiere mit in 
Scheiben geschnittenen gelben Rüben (Möhren), welches ihr Lieblingsfutter zu sein schien, sowie 
mit Salat- und Krautblättern. Die Fütterung geschah meist bei Regenwetter; bei länger anhalten- 
der Dürre liess ich ein solches den Thieren von Zeit zu Zeit mit der Brause zu Theil werden, 


') Reisen im Archipel der Philippinen von Dr. C. Semper. II. Theil, Bd. III. Heft I. 


um sie zum Fressen zu bewegen. Ebenso imitirte ich im Hochsommer den Abendthau. Auf 
diese Weise hatte ich es den Thieren ziemlich behaglich eingerichtet und sorgte durch regel- 
mässiges Entfernen des alten Futters, sowie der gestorbenen Thiere dafür, dass die Luft in dem 
Zwinger rein blieb und der üble Geruch möglichst vermieden wurde. Zu diesem Behuf hob ich 
auch täglich mehrmals den Deckel ab und liess von dem geöffneten Fenster her die frische Luft 
über den Kasten hinstreichen, Wie nothwendig eine derartige Pflege der Thiere ist, erfuhr ich, 
so oft ich ein paar Tage hintereinander, von dem Institute fortzubleiben genöthigt war — der 
Procentsatz der Todten hatte sich sofort in erschreckender Weise vermehrt. — ’ 

Nun noch einige Worte über die Methode, welche ich bei den Operationen der Thiere 
anwandte. ‚Ich legte eine Anzahl Schnecken, welche ich zu derselben Zeit operiren wollte, in ein 
Glassgefäss, dessen Boden ca. 2 mm. hoch mit Wasser bedeckt war. Um der Flüssigkeit zu ent- 
rinnen, krochen die Thiere an der Wand des Gefässes in die Höhe, bis sie an den Rand des 
Glases kamen; hier angelangt, war ihrem- Vordringen plötzlich Halt geboten und sie tasteten nun 
mit ungemein weit ausgestreckten Augenträgern in der Luft nach einem ferneren Stützpunkte um- 
her. Diesen Moment benutzte ich, um mil relativ grössler Genauigkeit bestimmte Theile abzu- 
trennen. Bei allen Operationen bediente ich mich ausgezeichneter Scheeren mit gekrümmten 
Blättern von Katsch in München. Auf solche Art war es mir möglich, nicht nur mit ziemlicher 
Gewissheit wirklich auch: die beabsichtigten Theile abzutrennen, sondern es gelang mir auch sehr 
häufig, allein das Auge mit dem umliegenden Epithel von der Kuppe des Augenträgers zu ent- 
fernen, ohne diesen selbst oder das Ganglion weiter zu verletzen. Es war das von Wichtigkeit, 
da nur die Entwickelungsstadien von auf solche Weise operirten Augen jederzeit zu der Unter- 
suchung zur Verfügung standen. Denn die Schnecken streckten die auf solche Weise der Augen 
beraubten Fühler gerade so aus und tasteten ebenso mit ihnen nach allen Richtungen umher, 
kurz sie gebrauchten dieselben, als wenn sie noch das unversehrte Auge an der Spitze trügen — 
beiläufig gesagt, ein Beweis mehr für die Annahme, dass das Gesichtsorgan für diese Schnecken 
nur von einem sehr zweifelhaften Werthe zu sein scheint und dass das Hauptorgan im Tentakel 
nicht das Auge, mit welchem sie nur in sehr unbedeutender Weise sehen, sondern das Fühler- 
ganglion mit seinen uns allerdings noch ziemlich unbekannten Tast- oder Riech -Endorganen ist. 
Schnitt ich dagegen die Tentakel so ab, dass das Fühlerganglion mit weggenommen wurde, so 
waren jüngere Regenerationsstadien kaum zu erlangen, da die Thiere sofort ihre Tentakel einzogen 
und nur selten vor fast vollständiger Heilung wieder ausstreckten. 

Wollte ich grössere Theile des Kopfes abtrennen, so nahm ich das Gehäuse der Schnecke 
zwischen zwei Finger der einen Hand — das Thier streckte sich, soweit es nur konnte, aus der 


Schale hervor und ich führte dann den gewünschten Schnitt. 


Ich will nun in einer kurzen Zusammenfassung meiner Versuche zeigen, in welcher Weise 
sich meine Thiere den Verletzungen gegenüber verhielten und in wie weit sie Regenerations- 


Erscheinungen wahrnehmen liessen. Zu dem Behuf beginne ich mit den Schnecken, welchen 


‘97 


grössere Theile des Kopfes abgetrennt wurden und gehe dann zu denjenigen über, welche mit 
möglichster Schonung operirt wurden, um die Regeneration des Epithels und des Auges genau 
verfolgen zu können. 


Am 19. October 1878 wurde fünf Schnecken die Kopfhaut mit Tentakeln und Theilen 
des Schlundkopfes abgeschnitten. Von diesen Thieren starben zwei am 1. Februar 1879, die drei 
überlebenden zeigten bei der Untersuchung am 21. Februar folgende Verschiedenheiten: die eine 
hatte vollständig regenerirt; sämmtliche Tentakel waren neu gebildet, hatten aber nur die Hälfte 
der gewöhnlichen Länge erreicht. 

Bei der zweiten waren die Lippen regenerirt, von den Tentakeln war nur der linke Augen- 
träger gebildet. Bei. diesem, wie bei dem ersteren Thiere, war das Auge vollkommen regenerirt. 

Bei der dritten Schnecke war die Wunde glatt zugewachsen und weder Lippen noch 
Tentakel neu gebildet. 

Am 922. Januar 1879 trennte ich einer Schnecke den Kopf mit dem Schlundkopf, dem 
Penis, Pfeilsack und den fingerförmigen Anhangsdrüsen ab; das Thier zog sich in sein Gehäuse 
zurück, aus welchem die Fussspitze gelähmt hervorhing und war den folgenden Tag todt. 

Ebenso starb eine Helix nemoralis, welcher ich den Kopf mit dem Schlundkopf am 
3. Februar abgetrennt hatte, schon am 14. desselben Monats. 

Eine Helix hortensis, welcher ich am 14. Februar den Öbertheil des Kopfes mit einem 
Theil des Schlundkopfes, den Augenträgern und den kleinen Tentakeln abgeschnitten hatte, kroch 
zwar zunächst herum, fast als ob sie noch unverletzt wäre, starb aber auch nach kurzer Zeit. 

Zwei Helix fruticum, denen ich den Kopf mit dem Schlundring abgetrennt hatte, ohne 
die Geschlechtstheile zu verletzen, starben kurze Zeit nach der Operation. 

Bei einer Anzahl von Helix pomatia, hortensis, nemoralis, denen ich den Kopf in ver- 
schiedener Weise abgetrennt hatte, theils sämmtliche Tentakel mit Mund und Schlundkopf, theils 
sämmtliehe Tentakel mit Mund und ohne Schlundkopf, und zwar immer ohne Verletzung des 
Schlundringes, hatte ich regelmässig schlechten Erfolg, die Thiere starben alle kürzere oder längere 
Zeit nach der Operation. 

Bei einer Helix hortensis dagegen, welcher ich am 20. Mai die beiden Augenträger mit 
einer sie verbindenden Hautbrücke abgeschnitten hatte, zeigte sich nach 41 Tagen am 1. Juli der 
linke Augenträger in einer Länge von I mm., der rechte in der Länge von 0,5 mm. regenerirt, In 
beiden war das Auge bereits entwickelt, die Pigmentirung hatte besonnen, die Gestalt des Auges 
war eine sehr unregelmässige. 

Die Regenerationserscheinungen, wie sie sich an einer Helix nemoralis nach 45 Tagen 
fanden, gibt Figur 12 wieder. 

Dem Thiere waren am 20. Mai beide Augenträger, verbunden durch eine grosse Haut- 
brücke, abgetragen worden. Nach 25 Tagen zeigte sich die Wunde vernarbt und nach weiteren 
20 Tagen hatten die Fühler bereits die aus der Abbildung ersichtliche Gestalt und Grösse, Aus 


einer gemeinsamen kegelförmigen Basis erheben sich die beiden Augenträger, von denen der rechte 
AR 


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nur ungefähr die halbe Länge des linken besitzt, in jedem ist das Auge bereits als dunkles Pünkt- 
chen sichtbar. 

Bei zwei anderen Thieren derselben Species, welchen ich am 28. Juni den Kopf mit. 
den Kiefern und den vier Tentakeln abgetrennt hatte, bei der einen mit dem ganzen Schlund- 
kopf, bei der anderen mit einem kleinen Theil desselben, zeigte sich am 28. Juli die Wunde zugeheilt. 
In beiden Fällen war der Rumpf vorne glatt ohne Mundöffnung abgeschlossen, nur bei der einen 
ragte ein kleines Knöpfchen hervor. Von einer sonstigen Anlage der Organe war nichts wahr- 


zunehmen. 


Eine Anzahl anderer Schnecken, welche in ähnlicher Weise unter demselben Datum operirt 
worden waren, gingen bis Mitte Juli alle zu Grunde. Eine, bei welcher der Schlundring mit ab- 
getrennt worden war, deckelte sich ein, starb aber ein paar Tage nach der Verstümmelung. 

Am 1. Juli schnitt ich einer Helix fruticum beide Augenträger, durch eine Hautbrücke 
verbunden, ab. 

Am 22. August war die Wunde zugeheilt und an Stelle der beiden Augenträger hatte 
sich eine für beide gemeinsame Erhebung gebildet (Fig. 11). 

Diese, sowie eine Anzahl anderer zu derselben Zeit in ähnlicher Weise operirten Thiere 
konnte ich leider nicht lange genug in Bezug auf ihre Regenerationsfähigkeit beobachten. Denn 
als ich nach einer kaum vierwöchentlichen Abwesenheit zurückkam, waren sämmtliche Versuchs- 
thiere, die ich zurückgelassen hatte, als todt fortgeworfen worden. J 

Fast sämmtliche Thiere, denen der Kopf mit dem ganzen Schlundkopf oder einem grösseren 
Theil desselben abgetrennt worden war, starben in den nächsten Tagen nach der Operation, und 
zwar konnte ich in diesen Fällen einen Einfluss der Jahreszeit kaum wahrnehmen. 

Von denen, welchen die Kopfhaut mit den Tentakeln abgetrennt worden war, starb nur 
eine schon 4 Tage nach der Verstümmelung; sie war im März operirt worden. 

Von den im Februar und Mai operirten Thieren starben einige in den ersten 14 Tagen, 
die Mehrzahl lebte über 50—125 Tage und zeigte deutliche Regenerations-Erscheinungen. Ebenso 
verhielten sich auch die Thiere, an welchen im October die gleiche Operation vollzogen war. 

Das Verhältniss der Todesfälle überhaupt zu den Monaten, in welchen die Operationen 
stattfanden, stellt sich für die Zeit vom 1. Februar bis zum 1. August in folgender Weise dar. 

Von den Thieren aus dem Februar starben bis zu dem angegebenen Termin etwas über 
!/s, und schon im Februar "/s. Von den im März, April und Mai operirten Thieren starben bis 
zum 1. August”über die Hälfte; im März ging '/s zu Grunde, von den im April und Mai ver- 
stümmelten Thieren starb in eben diesen Monaten kein einziges Thier, im Juni !,s und im Juli 
die Hälfte. 

Diesen Sterblichkeits-Verhältnissen entspricht durchaus nicht die Intensität der Regenerations- 
Erscheinungen. Die Thiere aus dem Februar regenerirten am langsamsten; eine vollständige Er- 
neuerung des Epithels fand sich nicht vor dem 64. Tage, und bei einem Exemplar war es noch 
nach 93 Tagen unfertig. Die günstigsten Zahlen finden sich im Juni, wo die vollständige Regene- 


ration des Epithels nach 29 Tagen eingetreten war. 


Von den Thieren des April fand allerdings in einem Falle eine vollständige Erneuerung 
des Epithels schon nach 27 Tagen statt, aber es fanden sich auch Exemplare, bei welchen die- 
selbe nach 69 Tagen noch nicht vollendet war. 

Was die Regeneration des Auges betrifft, so erwiesen sich die Monate April und Mai als 
zur Operation am geeignetsten. Gerade hier zeigt sich in besonders auffallender Weise, wie sehr 
verschieden sich die einzelnen Individuen der Regeneration gegenüber verhielten. 

Ich hatte am 22. April eine Anzahl von Helix hortensis in der Weise operirt, dass ich bei 
ganz ausgestrekten Tentakeln durch einen raschen Scheerenschlag die Epithelkuppe des Augen- 
trägers mit dem Auge abtrennte, ohne das Fühlerganglion zu verletzen, ein Kunststück, welches 
man mit einer gekrümmten Scheere nach längerer Uebung ohne Schwierigkeit ausführen kann. 
Die Verletzung wird dann von den Thieren sehr leicht ertragen und sie kriechen fast unmittelbar 
nach der Operation mit weit ausgestreckten Tentakeln umher, als ob sie unverletzt wären. Nach 
55 Tagen trennte ich bei 4 von diesen Thieren die Augenträger zur Untersuchung ab und fand 
bei ihnen zu meinem Erstaunen das Auge auf ganz verschiedenen Stadien der Entwickelung. Die 
Thiere waren alle vollkommen ausgewachsen, sie waren zu derselben Stunde gesammelt worden, 
in derselben Stunde operirt worden und lebten in der Gefangenschaft in demselben Behälter unter 
den gleichen Bedingungen. Es zeigte sich nun bei der einen die Einstülpung der Augenblase noch 
offen und ohne Pigment (Fig. 15); bei der anderen war das Auge noch im Zusammenhang mit 
dem Epithel und die Pigmentirung begann eben; bei dem dritten Thiere war die Augenblase eben 
in der Abschnürung begriffen und nur noch an einer sehr kleinen Stelle mit dem Epithel in Zu- 
sammenhang, bei der vierten war das Auge regenerirt und nahezu so stark pigmentirt, wie das 
normale. — Bei den oben erwähnten ganz gleichen äusseren Bedingungen kann ich diese Unter- 
schiede in der Entwickelung nur auf individuelle Verschiedenheiten der einzelnen Thiere zurückführen. 

Die eben angeführten Beispiele sind durchaus nicht vereinzelte Fälle, sondern diese Un- 
gleichmässigkeit der Entwickelung ist die Regel. — 

Ich habe jetzt noch einige Worte anzufügen über die Art und Weise, wie die verschiedenen 
Species, mit welchen ich experimentirte, sich zu der Regeneration im Allgemeinen verhielten. 

Die Gehäuseschnecken, welche ich zu meinen Versuchen verwandte, gehörten den Species 
Helix hortensis, nemoralis, pomatia, fruticum, incarnata, arbustorum, ericetorum, und Bulimus 
obscurus an. Davon regenerirten am schnellsten und gleichzeitig bei der geringsten Sterblichkeits- 
ziffer Helix hortensis und nemoralis, weniger rasch und mit höherem Procentsatz an Todten Helix 
pomatia, fruticum und arbustorum. An Helix incarnata und ericetorum, sowie an Bulimus obseurus 
beobachtete ich keine Regenerations-Erscheinungen, sondern ein baldiges Zugrundegehen der Thiere. 
Diesen Misserfolg gebe ich aber weniger einem etwaigen Unvermögen der Thiere, zu regeneriren, 
schuld, als der viel grösseren Schwierigkeit, diese Thiere in der Gefangenschaft unter einigermassen 
normalen Bedingungen zu halten, vielleicht auch einer grösseren Empfindlichkeit gegen Verletzungen. 
Aehnliche Umstände mochten verursachen, dass ich bei Nacktschnecken keinen Erfolg erzielte. 
Um Verwechselungen unter den operirten Thieren zu vermeiden, ınussten dieselben entweder ge- 


zeichnet oder separirt werden. Ersteres war bei den Gehäuseschnecken sehr leicht und einfach 


30 


anzuwenden, indem ich jedem Thiere seine Journalnummer mit Tinte auf die Schale schrieb und, 
nachdem sie getrocknet war, mit Damarlack überstrich. Das ging natürlich bei den Nacktschnecken 
nicht, ich musste diese Thiere also separiren. In den kleineren Glasgefässen, welche ich dazu 
verwandte, konnte ich ihnen freilich die natürlichen Lebensbedingungen nicht in ausreichendem 
Masse gewähren und die Thiere erlagen rasch der Ungunst der Verhältnisse, ohne deutliche 
Regenerations-Erscheinungen wahrnehmen zu lassen. 

Von den Süsswasserschnecken hatte ich zu meinen Versuchen Limnaeus aurieularis und 
Planorbis carinatus verwandt. Hier schien es mir nun, als ob diese Thiere die Fähigkeit der 
Regeneration entweder gar nicht oder nur in sehr unbedeutender Weise besässen, sie gingen 
immer bald nach der Operation zu Grunde. Ihre Organisation mag schuld daran sein. Limnaeus 
z. B., welcher seine wenig contractilen Tentakel nicht gleich Helix durch Einziehen dem Einflusse 
des umgebenden Mediums entziehen kann, ist genöthigt, falls er nicht für längere Zeit sich ganz 
in das Gehäuse zurückziehen und dem Erstickungstod preisgeben will, die offene Wunde dem Zu- 
tritt des Wassers und der darin enthaltenen Pilze auszusetzen. Ich beobachtete wenigstens an 
meinen Exemplaren, dass sie, auch nach Abtrennung nur eines Tentakels, sich in das Gehäuse 
zurückzogen, auf den Grund des Wassers fielen und dort lange Zeit liegen blieben; schliesslich 
sahen sie sich genöthigt, an die Oberfläche zu kommen, krochen vielleicht noch ein paar Tage 
herum und starben dann mit gänzlich unverheilter Wunde. 


Ir 
Die Bildung des Epithels und des Auges bei der Regeneration. 


Zur kurzen Uebersicht der Art und Weise, in welcher sich die Regenerations-Erscheinungen 
an diesen Organen vollzog, gebe ich hier zunächst einen Auszug aus meinem Journal, die” Beob- 
achtungen über die Thiere enthaltend, welche für die folgende Untersuchung über die Bildung 
des Auges sich als brauchbar erwiesen. 

Ich berücksichtige hier nur letztere, da die Verhältnisse bei der Bildung des Epithels diesen 
ganz analog sind. 


Se:l 
E | | e Zeitder |S58| 4 . 4 
Nr. | BD Ple eriheis: 3 | Stadium des regenerirten Auges. 
| Operation. | 255 | 
fa 9 % ie 4 wi) en. I ltd wmang: tel re on: nina 
| 
A: Helix hortensis, IEIGERE 275 1925 | Gleich dem normalen Auge. 
A. I. = a EIWRED 78 195 | 
B:/.L r 4 9ER E18 124 n i # h 
BU. n E 192877182 67194 5, 2 5 B 
71 = # 14.1. 79 70 Das Auge ist vollkommen ausgebildet. 
s0 „  pomatia. 19110079 64 || Erster Beginn der Einstülpung. 
105 „ hortensis 245 11,379 132 Das Auge ist regenerirt, aber noch schwach pigmentirt. 
136 „  pomatia. AI 79 47 Einstülpung des Epithels noch im Zusammenhang mit 
’ | demselben. 
159 | 2 e | 22. IV. 79 | 101 | Das Auge ist noch kaum pigmentirt, die Zellen noch 
| | nicht gänzlich umgebildet. 
160 » hortensis. 29. IV. 79 | 48 | Das Auge ist schwach pigmentirt. 
161 | n ” |: 22. IV. 79 55 Das Auge ist regenerirt und fast so stark pigmentirt, 
| | wie das normale. 
162 1 > 2 ı 22 IV. 79 55 Das Auge ist noch sehr unfertig und pigmentlos. 
163 | . | 92. IV. 79 55 Die Einstülpung ist kaum vom Epithel abgeschnürt 
| und sehr schwach pigmentirt. 
164 Ia | + e IV B5) Die Einstülpung ist noch nicht geschlossen. 
164 Ib S 99. IV. 79 55 | Das Auge ist noch in Zusammenhang mit dem Epithel, 


| 
|| F * R ‘ 
| | die Pigmentirung beginnt. 
| 
| 


[&5) 


N en 
; Nr. | Species. | ei | Eee Stadium des regenerirten Auges. 
164 IIb Helix hortensis. | 22,172 79 5 Das Auge ist an einer Stelle noch in Verbindung mit 
| | dem Epithel; die Pigmentirung beginnt. 
165 5 2 | 92: IV. 79 | 7 || Das Auge ist noch schwach pigmentirt. 
190 „  pomatia. 30. IV. 79 59 | Die Einstülpung hat sich vom Epithel getrennt. 
193 „  hortensis. | 30. IV. 79 542 | Das Auge ist vollkommen regenerirt. 
19% = 5 So lv 94 | Das Auge ist vollständig regenenirt. 
197 „  pomatia. | 20.vV. 79 | 37 | Die Einstülpung hängt noch mit dem Epithel zu- 
| | \ sammen. 
202 „  hortensis. | a0 Ve 19 41 Das Auge is! entwickelt, die Pigmentirung beginnt. 
203 „  nemoralis. | 20V. 19 56 ) Beide Augen sind vollkommen regenerirt sammt den 
| | ca. 3 mm langen Tentakeln. 
209 B = ‚20.V. 79. | 37 | Die Einstülpung schliesst sich eben. 
2310 © hr 5 90 VI 71 | Das Auge ist noch schwach pigmentirt (165). 
212 „  fruticum. As Na ke) 47 | Die Einstülpung beginnt eben. 
239 „  hortensis. 28. VL; 79 .| 2 | Die Einstülpung beginnt. 
23. | 5 B | 28. VI. 79 | 29 | Die Einstülpung ist gebildet. 
345 4 . | 98. v1. 9 | 35 | Die Einstülpung schliesst sich. 
9 | “ A | 98. VL. 79. | 35 | Die Einstülpung schliesst sich. 


Aus diesen Daten ergibt sich, dass z. B. bei Helix hortensis im günstigen Falle nach 50 
bis 60 Tagen das Auge vollkommen regenerirt werden kann, während es im ungünstigen Falle 
noch nach der dreifachen Zeit unvollendet ist und bei anderen Thieren nach gleichen: Zeitverlauf oft 
noch nicht einmal eine Einstülpung vorhanden ist. Ebenso in die Augen fallend ist der Umstand, 
dass die nach dem März operirten T'hiere viel günstigere Resultate aufweisen, als die vorher ver- 
stümmelten, sowie die langsamere Entwicklung bei Helix pomatia im Vergleich zu hortensis. 

Durch diese Ungleichheiten wird nicht nur die Angabe einer bestimmten Frist für die 
Regenerationserscheinungen unmöglich gemacht, sondern es wurde dadurch auch die Bearbeitung, 
der Frage sehr erschwert. Ich hatte im Verlaufe von zwei Monaten eine Anzahl von 150 Schnecken 
operirt und beabsichtigte, jeden zweiten Tag ein bis zwei Thiere zu tödten, um so in kurzer Zeit 
ein reiches, alle Stadien umfassendes Material in Händen zu haben. Und so musste es auch 
kommen, wenn die Regeneration in derselben schematischen Weise vor sich ging, wie z. B. bei 
den Amphibien. Aber weit entfernt davon zeigte sich der Verlauf bei meinen Versuchsthieren 
so ungemein unregelmässig, dass das Erlangen der nöthigen Stadien vollkommen dem Zufall unter- 
worfen war, um so mehr, als der Regenerationsprozess sich nicht vor den Augen des Beobachters 
abspielt und dieser nie wissen kann, auf welcher Etappe der Reproduction sich die Thiere be- 
finden. Um die Chancen einigermassen zu verbessern, musste also das Material vermehrt werden 
und als ich die Arbeit abschloss, betrug die Zahl der verstümmelten Thiere 442, und da ich bei 
der Mehrzahl derselben beide Augen entfernt hatte, standen mir ca. 600 regenerirende Augen- 
träger zur Verfügung. 

Ein anderes Hinderniss steht den Beobachtungen der Regenerations-Erscheinungen in den 


Geweben selbst im Wege, — das ist die Uebereinstimmung der verschiedenen z. B. in einem 


33 

Tentakel enthaltenen Gewebsformen und ich konnte noch kein Reagens finden, welches hier in 
allen Fällen ein sicherer Führer sein könnte. Bekanntlich ist das Fühlerganglion, sowie die davon 
ausgehenden Nervenstämme mit einem Belag von kleinen Ganglienzellen besetzt, deren Kerne sich 
stark färben, während das Protoplasma der Zelle die Farbe nicht annimmt. Figur 2. — Nun 
findet sich in einem Präparat an einer beliebigen Stelle eine Anhäufung von Zellen, welche genau 
so aussieht, wie die Rinde des Ganglion. Die Untersuchung zeigt, dass es Blutkörperchen 
sind, welche, in dem nicht gefärbten Serum liegend, von den kleinen Ganglienzellen nicht zu 
unterscheiden sind. Figur 1. — Sieht man jetzt bei einem verletzten und regenerirten Ganglion 
an der Grenze des normalen Theiles derartige Zellen liegen — wie soll man entscheiden, ob es 
aus dem Ganglion sprossende Ganglienzellen oder ob es Blutkörperchen oder freie Kerne sind ?!) 
— Ein anderes. Zwischen den kleinen Ganglienzellen kommen in spärlicher Zahl auch grössere 
vor, welche den grossen Schleimdrüsenzellen, die den Fühler innen auskleiden, äusserst ähnlich 
sehen; eine Grenze ist auch hier nicht zu ziehen. Figur 4°). 

Ferner ist störend die Anwesenheit zweier Formen von Bindegewebe — eines grossblasigen, 
meist in rundlichen Zellen auftretenden — Figur 5 — welches aber in die obenerwähnten Schleim- 
zellen überzugehen scheint, und eines langgestreckten, mit länglichen Kernen, welch letzteres, sowie 
die Zellen in einer Richtung nebeneinanderliegen, von dem regenerirenden Muskelgewebe kaum 
unterschieden werden kann. 

Es handelte sich nun darum, die Untersuchung so zu führen, dass diese lästigen Fehler- 
quellen möglichst vermieden wurden, und desshalb wählte ich besonders scharf charakterisirte 
Gewebe und Organe — das Epithel des Tentakelknopfes und das Auge für die genauere Bearbeit- 
ung aus. Bei dem Auge ergab sich noch eine interessante Complication der Untersuchung durch 
Berücksichtigung der embryonalen Entwicklung dieses Organes und den Vergleich derselben mit 


der Bildung auf dem Wege der Regeneration. — 


Die Regeneration des Epithels. 
Fig. 6 und 7. 


Die Erneuerung des Epithels schien mir zuerst in der Weise vor sich zu gehen, dass über 


der Wunde von den unverletzten Zellen her eine Plasmaschicht abgesondert wurde, in welche 


') Manchem möchte die Antwort nahe liegen: Durch Mazeriren und Zerzupfen! Aber erstens hat man dann 
die Gewebe nicht im nöthigen Zusammenhange und zweitens waren die brauchbaren Regenerationsstadien zu selten, 
als dass ich während der Untersuehung mich der Gefahr hätte aussetzen dürfen, bei dem Zerzupfen eventuell ein 
Unieum zu vernichten. 

®) In Betreff dieser grossen Schleiinzellen im Innern des Tentakels möchte ich folgende Ansicht aufstellen. 
Der Fühler ist mit diesen Zellen vollkommen innen ausgekleidet wie mit einem Endothel und ich sehe in denselben 
ein ganz glattes Widerlager, welches das äusserst schnelle Einziehen des Fühlers erleichtert und die Reibung auf ein 
Minimum reduzirt, da bei dem Ein- und Ausstülpen des Tentakels nur diese schleimigen Gewebe sich berühren und 


aneinander hingleiten. 


Ü 34 
dann aus den unterliegenden Geweben Kerne einwanderten. Doch das erwies sich rasch als 
Täuschung und ich kann an der Hand gelungener Präparate den wahren Verlauf der Epithel- 
bildung von Anfang bis zu Ende verfolgen. 


Die Zellen des Wundrandes beginnen sich abzuflachen und von allen Seiten her schieben 
sich diese platten Zellen gegen die Mitte der Wunde zu, bis dieselbe vollkommen überdeckt ist. 
Figur 6. Zu dieser Zeit sind die mittelsten Zellen fast unmessbar dünn, nach dem Rande hin 
nehmen sie allmählig an Dicke zu und gehen in die normalen Cylinderepithelzellen über; dabei 
verschwindet zugleich der ziemlich starke Cutieularsaum. Der Reiz der Wunde bewirkt einen Zu- 
sammenfluss der Säfte nach der regenerirenden Stelle hin, das Protoplasma der Zellen nimmt an 
Mächtigkeit zu und die Kerne erlangen, dem Dickenwachsthum der Zellen entsprechend, eine 
Kugelgestalt, so dass aus dem Plattenepithel ein mehr kubisches Epithel entsteht. Figur 6a und 6b. 
Eine Vermehrung der Zellen durch Theilung hat noch nicht stattgefunden, sondern die Kerne 
sind die der ursprünglich normalen, verflachten Epithelzellen. Sowie aber das Epithel’ bei weiterem 
Wachsthum anfängt, aus den kubischen Zellen in Cylinderzellen überzugehen, beginnt die Ent- 
stehung neuer Zellen mittelst Theilung und zwar wird auch hier der Vermehrungsprozess ein- 
geleitet durch die Theilungsvorgänge im Kerne. Aus der grossen Anzahl von Präparaten bilde 
ich nur die wichtigsten Stadien ‘ab. Fig. 7a— e. Wie aus den Abbildungen ersichtlich ist, finden 
sich hier die gleichen Erscheinungen, wie sie schon von Wirbelthieren bekannt sind und man 
wird unschwer die Kernfiguren der Schnecken auf die der Vertebraten beziehen können.!) Mit der 
Vermehrung der Kerne geht die Bildung der Cylinderzellen Hand in Hand, bis schliesslich das 
regenerirte Epithel sich vom früheren normalen in nichts mehr‘ unterscheidet. Ueber die von 
Flemming’) und Simroth beschriebenen Nervenendigungen kann ich keine Angaben machen, 
da ich bei meiner Präparationsmethode, die sich für die Erhaltung der Zellen als vortrefflich 
erwies, dieselben weder an normalen, noch an regenerirenden Tentakeln genau’ der dort gegebenen 
Beschreibung entsprechend nachweisen konnte. Doch glaube ich einige Bilder von normalem 
Epithel darauf beziehen zu können, während ich in Bezug auf regenerirtes Epithel nach keiner 


Seite hin sichere Angaben zu machen im. Stande bin. 


Die Behandlung der Objecte war folgende: Der ganze Fühler oder Theile desselben wurden 
unmittelbar nach dem Abschneiden in verdünnte Chromsäure-Lösung geworfen, worin sie einige 
Stunden verblieben; die an der Basis abgetrennten Tentakel streckten sich dann meistens, stülpten 
sich aus und wurden so prall wie im Leben?®). Aus der Chromsäure kamen die Präparate in 


circa SOprozentigen Alkohol (Brennspiritus), welcher ein oder zweimal gewechselt und dann mit 


') Flemming, Ueber das Verhalten des Kerns bei der Zelltheilung und über die Bedeutung mehrkerniger 
Zellen. WVirchow’s Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie Bd. XXVII 1879 Taf. 1. 

2) Flemming, Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken. Archiv für mikroskopische Anatomie 1870. 
V1. Bd. pag. 447. ff. Tab. XXI und XXIV. 

Simroth. Ueber die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Mollusken. Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie. Bd. XXVI. 1876. Taf. XV—XXI. pag. 231 ff. 

°») Flemming hat dieselbe Erscheinung bereits erwähnt Archiv f. mikr. Anat. VI pag. 441. 


35 

absolutem Alkohol vertauscht wurde. Hierauf wurde in der gewöhnlichen Weise weiter verfahren, 
die Objecte in Terpentin-Oel gebracht, dann in einer Mischung von Paraffin und Talg ein- 
geschmolzen und. auf einem Leyser’schen Mikrotom mit Long’schen Messern geschnitten. Dabei 
erzielte ich bei Fühlern von Helix pomatia Serien von ca. !/so—!/so mm. Dicke, bei den kleineren 
Arten, wie Helix hortensis und nemoralis Serien von !/o— !/ıoo mm. Dieke; bei letzteren gelang 
es allerdings, einige Serien noch dünner zu schneiden, doch waren die angegebenen Zahlen die 
Regel und für die betreffenden Species auch vollkommen ausreichend. — Bei der obigen Be- 
schreibung der Epithelbildung nahm ich keine Rücksicht auf die hie und da vorkommenden Un- 
regelmässigkeiten in dem regenerirenden Epithel, da diese sich später immer wieder ausgleichen. 
Dagegen muss ich einige Angaben in Bezug auf die Zeit, innerhalb welcher die Reproduktion vor 
sich ging, hier anfügen. 

Weit entfernt von der Schnelligkeit, mit welcher die Regeneration des Epithels z. B. bei 
Amphibien vor sich geht'!), fand sie bei meinen Schnecken nur sehr langsam statt. Bei jenen 
Thieren genügen einige Stunden zur vollkommenen Regeneration und hier ist nach ein bis zwei 
Tagen kaum der Anfang der Epithelbildung wahrzunehmen. Das früheste Stadium, an welchem 
ich ein vollständig erneuertes Epithel wahrnahm, war 29 Tage alt, und die Regeneration schwankt 
zwischen weiten Grenzen. Bei einer Helix pomatia ist die Wunde nach 13 Tagen fast ganz ge- 
schlossen und bereits kubisches Epithel aufgetreten, eine andere befindet sich nach 65 Tagen auf 
demselben Stadium, eine dritte hat mit 27 Tagen fast vollständig regenerirt, während bei einer 
vierten nach 60 Tagen das Epithel noch plattenförmig ist. — 


Die Regeneration des Auges. 


Der interessanteste Punkt bei den Regenerations-Erscheinungen ist zweifellos die Wieder- 
erzeugung des Auges, eines Organs, dessen histologische Elemente sich so scharf von allen andern 
Geweben unterscheiden und dessen Bau, wenn auch nicht so complieirt, wie die älteren Natur- 
forscher annahmen, immerhin ziemlich zusammengesetzt ist. Ich will nun zunächst die Neubildung 
des Auges vom ersten Anfang bis zu seiner Vollendung darlegen und dann den Vergleich mit der 
embryonalen Entwicklung ziehen. Dabei werde ich in kurzen Zügen ein Gesammtbild der Rege- 
nerationserscheinungen in fortlaufender Reihe entwerfen, wobei ich zunächst von einzelnen Un- 
regelmässigkeiten absehe und hierauf die einzelnen Fälle selbst genauer beschreibe. — 

Wenn dasEpithel des Augenträgerknopfes fast gänzlich regenerirt ist, aber noch nicht die 
gewöhnliche Compactheit erlangt hat, und häufig noch, während die Zelltheilungen im Gange sind, 
entsteht in der Furche des Knopfes an der Stelle, wo das Auge normaler Weise liegt, eine kleine 
birn- oder apfelförmige Einsenkung der Epithelzellen. Mit dem weiteren Wachsthum nimmt sie 
an Umfang zu und ihr Lumen vergrössert sich, während gleichzeitig der Eingang sich verengt 


') Frraisse. Ueber die Regeneration von Organen und Geweben bei Amphibien und Reptilien. Tageblatt der 
52. Naturforscherversammlung zu Baden-Baden 1879. pag. 223. 


D* 


und schliesslich obliterirt. Während nun das Epithel sich über der Stelle der Einstülpung schliesst, 
löst sich dieselbe von dem Epithel ab und entfernt sich von ihm um ein wenig nach Innen zu. 
Die so gebildete Blase zeigt noch keine histologische Differenzirung ihrer Zellen, sondern ist all- 
seitig aus den gewöhnlichen Epithelzellen zusammengesetzt. Nun beginnt die Umgestaltung. Zu- 
nächst verlängern sich die der Abschnürungsstelle diametral gegenüber liegenden Zellen in der 
Weise, dass der Zellkörper sich nach dem Centrum zu streckt, während die Kerne mehr an der 
Peripherie liegen bleiben. Diese Aenderung schreitet nach beiden Seiten hin fort bis über zwei 
Dritttheile der Blase in solcher Art umgestaltet sind. Gleichzeitig beginnt auch das Pigment auf- 
zutreten und zwar sind es auch in diesem Falle zuerst die der Oeffnung der Blase beziehungs- 
weise dem Epithel diametral gegenüberliegenden Zellen, welche diese Veränderung wahrnehmen 
lassen. Die Zellen, welche an der Vorderseite der Blase nach dem Epithel zu liegen, bilden sich 
ebenfalls um, jedoch in anderer Art. Ihre Kerne reihen sich an der Peripherie regelmässig neben 
einander und ihre Zellkörper verlängern sich gegen das Centrum hin, aber sie erreichen durch- 
schnittlich nur die halbe Länge der erstbeschriebenen Zellen und unterscheiden sich von ihnen 
durch grössere Freiheit des Protoplasmas. Während solchergestalt die ursprünglichen Cylinder- 
epithelzellen theils in die Corneazellen, theils in die Gebilde übergehen, welche man bisher als 
Stäbehen- und als Körner- oder Kernschicht zu unterscheiden pflegte, bildet sich durch fortgesetzte 
Cutieularausscheidung die Linse. Am spätesten vollendet sich die Pigmentumhüllung der einzelnen 
Stäbehenzellen. Aber nach ca. 50 Tagen ist auch diese vollständig gebildet, und wir haben nun 


ein Organ vor uns, welches sich in Nichts von dem normalen Auge unterscheidet. 


So stellt sich die Regeneration des Auges dar, wenn der Vorgang rasch und regelmässig 
sich abspielt. Dass dies nicht immer der Fall, werden die jetzt zu beschreibenden Fälle lehren. 
Aber wie unregelmässig auch die Anlage und die Entwicklung sein mag — das Resultat ist 


immer ein dem normalen in allen 'Theilen gleiches Auge. 


Ich schiebe hier noch ein, was ich über das Auftreten des Pigmentes in den Stäbchenzellen 
beobachtet habe. — Oefter sah ich — wie unten genauer beschrieben wird — die Umwandlung 
der langen Bindegewebszellen zu Pigmentzellen und wie dieselben nach den regenerirenden Theilen 
des Fühlermuskels zu einwanderten. So konnte das Pigment ja auch zu den Stäbcehenzellen ge- 
langen. Bei diesen aber verhält es sich anders. Das Pigment tritt in dem Plasma der Zelle selbst 
auf und zwar zunächst in Gestalt weniger rundlicher Körnchen, welche an der dem Centrum zu- 
nächst zugewandten schmalen Seite der Zelle gebildet werden. Fig. 17 und 18. Mit dem Wachs- 
thum der Augenblase mehrt sich auch das Pigment, indem es von dem centralen Ende der Stäbchen- 
zellen nach dem peripherischen Ende derselben hin in den einzelnen Zellen fortschreitet. Dabei wird 
es aber nur in der Peripherie jeder einzelnen Zelle abgelagert, und der grössten Menge nach um 
das centrale Ende der Stäbchenzellen, während es sich nach aussen zu in den verschiedenen Zellen 
verschieden weit erstreckt und an Intensität abnimmt —.d. h. die Pigmentkörnchen liegen dort weiter 
von einander entfernt und schliesslich ganz vereinzelt. Dies zeigt schon ein Blick auf den Längsschnitt 
eines normalen Auges. Von aussen nach innen kann man dann an der Stäbchenzelle unterscheiden: 


die Zellmembran, oder, wie man wohl besser sagen wird: die äusserste, etwas verdichtete Schicht 


37 


des Protoplasmas, das derselben dicht anliegende Pigment und den von demselben wie von einem 
eylinderförmigen Mantel umischlossenen durchsichtigen centralen Theil der Zelle, das sogenannte 
"Stäbchen. 

Ich muss hier bemerken, dass schon Leydig!) hervorgehoben hat, dass die histologischen 
Elemente der äusseren Retina und der Chorioidea ein und dieselben Zellen seien und Hensen ?) 
die Bildung des Pigments in den eingestülpten Eetodermzellen beobachtete. 


Eigentlich sollte ich mit Abbildungen und Beschreibung der allerfrühesten Stadien der 
Einstülpung beginnen, doch scheint mir dies aus zwei Gründen unthunlich. Der erste ist der, 
dass die Einstülpung im ersten Anfange aussieht, wie eine kleine Falte des Epithels und sich von 
den sonstigen Epithelfalten weder histologisch noch der Gestalt nach unterscheidet. Nun ist aller- 
dings die Stelle des Auges durch verschiedene Kennzeichen, wie Ansatz der Muskeln. Lage des 
Ganglions, bestimmt, so dass man immer im Stande ist, anzugeben: hier müsste sich das Auge 
vorfinden und wenn sich hier eine Falte findet, so scheint man berechtigt, sie als eine Augen- 
einstülpung anzusehen. Es stülpten sich aber bei diesen frühen Stadien die Fühler nie ganz aus 
und meistens zeigten sich in der Gegend der betreffenden Stelle dann nicht nur eine, sondern 
auch zwei sich ganz ähnliche Falten, deren jede man als Einstülpung ansehen würde, falls sie 
allein da wäre. Welche ist es nun? oder sind es beide? Leider ist mir bei etwas älteren 
Stadien der letztere Fall nie vorgekommen, so interessant es auch wäre, wenn sich einmal zwei 
Augenblasen bildeten. — Oder ist es keine von beiden? Um aus diesem Dilemma zu kommen, 
ohne mich der Gefahr auszusetzen, eine Falte als Einstülpung zu beschreiben oder zu zeichnen, 
die vielleicht doch keine wäre, begnüge ich mich lieber mit der einfachen Angabe, dass ich nach 
verschiedenen Präparaten der Ueberzeugung bin, dass der erste Anfang der Einstülpung in der 
Bildung einer kleinen Epithelfalte an der Stelle besteht, wo früher das Auge lag. — So wende 
ich mich denn zur Beschreibung der ersten sicheren Einstülpung, wie sie in Figur 13a, b, c dar- 
gestellt ist. Das Stadium, von Helix hortensis Nr. 243 IV, ist 29 Tage alt und zwar vom 28. Juni 
bis zum 27. Juli. Die Einstülpung ist sehr klein, der Dickendurchmesser beträgt kaum 0,03 mm., 
der Längsdurchmesser 0,075 mm. Von dem Epithel aus hat sich ein kleiner Pfropf 
von wenigen Zellen nach innen gesenkt, von welchem der erste Schnitt die 
obere Decke zeigt; bei dem folgenden Schnitt, welcher die Mitte trifft, findet 
sich in der Einstülpung ein kleiner Hohlraum, der nach aussen zu offen ist. 
Auf dem nächsten Schnitte schon ist er verschwunden und wir haben hier die 
untere Decke ähnlich der obern. Unter den sich anschliessenden Zellen des Epithels be- 
findet sich eine mit einer Kernfigur. 


!) Leydig. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Archiv f. mikroskopische Anatomie. Bd.I. p. 50. 
2) Hensen. Ueber den Bau des Schneckenauges ete. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd.II. pag. 421. 
Doch könnte sich vielleicht — dem Zusammenhange naclı — die eitirte Stelle nur auf Wirbelthier-Embryone beziehen, 


Auf einem sehr frühen Stadium befindet sich auch die Anlage des Auges von Helix pomatia 
Nr, 136, 47 Tage nach der Operation. Es hat eine Einstülpung von 'Epithelzellen stattgefunden, 
welche mit dem Epithel in vollkommenem Zusammenhang steht und noch nicht abgeschlossen ist. 
Die Zellen sind vollständig unverändert und umschliessen einen äusserst kleinen Hohlraum. Auch 
hier ist das Epithel noch unfertig und zeigt viele Zelltheilungsfiguren. Das Stadium entspricht 
ungefähr dem von 243 IV Figur 13, die Form der Einstülpung aber, sowie die der Zellen Nr. 209 
Figur 15. 

DieserEpithelpropf wächst nun; sein Umfang und gleichzeitig die Höhl- 
ung nehmen zu, so dass eine rundlicheBlase entsteht, welche noch durch einen 
äusserst kurzen hohlen Stiel mit dem Epithel zusammenhängt. Dieses Stadium zeigt 
eine Helix hortensis 55 Tage nach der Operation, welche am 22. April geschehen war. Fig. 14, 
Nr. 1641. Das Epithel ist hier zwar schon cylindrisch, aber noch mitten in der Bildung begriffen, 
seine Zellen haben noch wenig Zusammenhang und die vielen Kernfiguren lassen auf rege Theilungs- 
Vorgänge schliessen. Ich gebe hier einen Längsschnitt mitten durch die Einstülpung. Die Epithel- 
zellen stehen noch in unmittelbarem Zusammenhang mit den eingestülpten Zellen; die letzteren 
sind noch in nichts von den ersteren verschieden und zeigen gleich diesen noch vereinzelte Kern- 
figuren. "Der grösste Durchmesser der Blase beträgt 0.1 mm. Dieses Stadium erinnert auffallend 
an die offenen Augen, wie sie bei Patella!) vorkommen. 

Hierauf wird zunächst die Einstülpung geschlossen, indem das Epithel 
über derselben zusammenwächst. Dies zeigt z. B. eine Helix nemoralis. Figur 15 Nr. 209. 
Hier erscheinen die Zellen insofern von denen des noch ziemlich unfertigen Epithels abweichend, 
als sie heller sind, das heisst ihr Protoplasma etwas homogener ist und weniger Karmin angenommen 
hat. In dem sonstigen Habitus derselben ist noch kein nennenswerther Unterschied vorhanden. 

Eine Einstülpung ähnlich wie Nr. 209 Figur 15 zeigt nach 35 Tagen Helix hortensis Nr. 249. 
Der Hohlraum ist hier nur den dritten Theil so gross wie der bei Nr. 209 und unter den Zellen 
der Blase befinden sich mehrere mit Kernfiguren, wie sie auch in dem zunächst liegenden noch 
unfertigen Epithel vorhanden sind. 

Ein sehr schönes Bild einer eben geschlossenen Einstülpung liefert der Augenträger einer 
Helix pomatia Figur 16a bis d Nr. 197, dessen Auge am 20. Mai abgetragen wurde, nach 34 
Tagen. Eine Falte im Epithel bezeichnet die Stelle der Einstülpung;; letztere selbs tliegt schon hinter 
demselben, befindet sich aber stellenweise noch im Zusammenhang damit. Die Höhlung erscheint 
hier sehr klein im Verhältniss zu der dieken Wandung der Blase, deren Zellen sich ohne die 
geringste Abänderung als echte und normale Epithelzellen erweisen. Am innigsten ist die Ver- 
bindung der Einstülpung mit dem Epithel noch auf den ersten Schnitten, von der Mitte an gegen 


das Ende hin hebt sie sich mehr von demselben ab und die Grenzlinie tritt deutlicher hervor. 


') Nach den interessanten Untersuchungen meines verehrten Freundes Zraisse, die ich an eigenen Präparaten 
bestätigen kann. Auffallend und vielleicht für dieses offene Auge charakteristisch ist das Fehlen eines deutlichen 
Sehnerven, der an keinem Präparat nachzuweisen war; auch bei dem regenerirenden Auge ist ein solcher in diesem 
Stadium noch nicht vorhanden. 


39 


Wie die Abbildungen zeigen, haben die Zellen der Augenblase ihren Cuticularsaum be- 
wahrt, mit welchem die Höhlung also zunächst ausgekleidet ist, während er sich auf dem Epithel 
über der Einstülpung noch nicht vollständig wieder gebildet hat. 

Der Längsdurchmesser dieser Blase beträgt 0,096 mm., der Querdurchmesser 0,039 mm. 


Mit dem fortschreitenden Wachsthum gehen wichtige Umbildungen in 
der Augenblase vor. Sie selbst löst sich.von dem Epithel vollständig ab und 
gleichzeitig lässt sich eine Differenzirung ihrer bisher ziemlich gleichartigen 
Zellen in zwei Gruppen erkennen, Handin Hand gehend mit dem ersten Auf- 
treten des Pigmentes, Figur 17 Nr. 1621. In den äusseren, nach dem Epithel zu stehenden 
Zellen beginnen die Kerne sich regelmässig neben einander zu legen und rücken möglichst nahe 
an die äussere Grenze .der Augenblase, während das Protoplasma selbst homogen und klar wird. 
Dies sind die späterhin als „Gorneazellen* zu bezeichnenden Elemente. — Die Zellen der anderen 
Gruppe strecken sich etwas mehr in die Länge, ihr Protoplasma ist noch nicht so durchscheinend, 
wie das der erstgenannten Zellen und als Hauptunterschied beginnt in ihnen die Pigmentirung. 
Dem centralen, freien Rande der Stäbchenzellen sich anlagernd, treten in dem Protoplasma der- 
selben zunächst eine Reihe von kleinen Pigmentkörnchen auf; allmählig vermehren sie sich und 
wandern in centrifugaler Richtung vom innern Ende der Zellen mehr und mehr gegen den Kern hin. 

In dem hier beschriebenen Stadium von Helix hortensis, 55 Tage nach der Operation, 
ist das Pigment noch auf wenige Zellen beschränkt; auch der Gestalt nach ist die Trennung der 
beiden Zellformen noch keine scharfe und eine Grenze zwischen beiden lässt sich nicht angeben. 

Die Augenblase misst im Längsdurchmesser 0,1 mm., im Querdurchmesser 0,075 mm. 


Ein wichtiger Bestandtheil des Auges, welcher in den früheren Stadien 
"noch fehlte, tritt jetzt auf, indem von hier an sich in den Augenblasen auch 
eine Linse vorfindet. Siehe den betreffenden Abschnitt. 

Bei Helix hortensis Nr. 1641 befindet sich die Augeneinstülpung nach 55 Tagen noch auf 
einem ziemlich frühen Stadium. Der allgemeinen Entwicklung nach würde es ungefähr dem eben 
beschriebenen entsprechen. Aber während die Zellen der Augenblase sich schon in etwas von 
den Epithelzellen unterscheiden, wenn auch eine genauere Differenzirung zwischen den beiden Zell- 
formen kaum angedeutet ist, so hängt sie doch noch grossentheils mit dem Epithel zusammen 
und anderseits ist die Pigmentirung weiter vorgeschritten und gleicht mehr derjenigen des sogleich 
zu beschreibenden Stadiums. 

Das nächste Stadium befindet sich bei einer Helix hortensis 55 Tage nach der Operation. 
Figur 18a und b Nr. 164 II. Hier hat sich die Augenblase nicht soweit von dem Epithel ent- 
fernt, wie bei 162 I Figur 17, sondern steht sogar noch theilweise in Verbindung mit demselben, 
wie ein tangirender Schnitt zeigt. Figur 18a. Dieser Zusammenhang ist jedoch ein sehr kurzer 
und nur auf den ersten zweien von zehn durch das Auge gelegten Schnitten vorhanden. Der 
übrige Theil des Auges liegt dem Epithel nicht sehr dicht an und zeigt in der Differenzirung der 
Zellen schon einen ziemlichen Fortschritt. Die Corneazellen mit ihren Kernen stehen bereits 


40 


„scharf gerichtet“ da, während die Pigmentirung der Stäbchenzellen etwas weiter vorgeschritten 
ist und letztere schon länger gestreckt erscheinen, als erstere. Eine bestimmte Grenze beider For- 
men ist noch nicht vorhanden. 

Der Querdurchmesser des Auges beträgt 0,09 mm., der Längsdurchmesser dagegen 0,167 mın., 
so dass das Auge eine sehr in die Länge gestreckte Form aufweist. Doch kann ich nicht angeben, 
in wie weit diese Verzerrung in der ursprünglichen Gestalt der Augenblase begründet ist oder 
von Contraction der umliegenden Gewebe abhängt, da der Fühler zur Hälfte eingestülpt war. 

Kaum auf derselben Stufe steht das Auge einer Helix pomatia nach 101 Tagen, Nr. 159. 
Es ist zwar von dem Epithel vollkommen abgetrennt, aber der Unterschied zwischen den Cornea- 
zellen und den Stäbchenzellen fast etwas weniger ausgeprägt, während die Pigmentirung um etwas 
stärker ist. — 

Das Auge einer Helix hortensis Nr. 105 ist 132 Tage nach dem Verluste des ganzen 
Augenträgers etwas stärker pigmentirt als 164 II, ohne irgend merklich weiter entwickelt zu sein. 
Dagegen ist seine Gestalt fast kugelförmig. Seiner Färbung nach würde es zwischen 164 II und 
das später zu beschreibende 165 I sich einreihen. — 

Ebenso hält auch die Augenblase einer Helix hortensis Nr. 163 am 55. Tage nach der 
Operation in Bezug auf Entwickelung und Pigmentirung ungefähr die Mitte zwischen 164 II und 
165 I und liegt dem Epithel dicht an, ohne mit ihm zusammenzuhängen. 

Bei Helix hortensis 202 I, welcher beide Tentakel im Zusammenhange abgetrennt worden 
waren, findet sich nach 41 Tagen in dem 1 mm. langen regenerirten Augenträger ein Auge bereits 
von dem Epithel abgetrennt und in der Ausbildung ungefähr 164 II entsprechend, nur etwas stärker 
pigmentirt. Dieses ist, trotzdem es mit dem Fühler sich erneuerte, das unregelmässigste an Gestalt, 
welches ich unter meinen vielen Präparaten besitze. Während die ersten Querschnitte es in der 
Contour ziemlich rund zeigen, erscheinen die nächsten schon ähnlich sphärischen Dreiecken und 
auch die innere Höhlung ist durch Einbuchtungen sehr unregelmässig gestaltet. Gegen das Ende 
hin wird das Innere des Auges durch die auftretenden starken Falten sogar in drei kleine Höhl- 
ungen getheilt, in deren jede ein Theil der Linse hineinragt, während die Contour der Augenblase 
ungefähr die einer langgestreckten Ellipse ist. Figur 22. Es gehört zu den vielerlei Ueberrasch- 
ungen, mit welchen die Schnecken mich überhäuften, dass gerade in einem Fall, in welchem das 
Auge ungestört durch äussere Einflüsse sich regeneriren konnte und desshalb eine regelmässige 


Gestalt zu erwarten war, unter allen die verzerrteste Form sich bildete. — 


. In dem Verhältnisse, wie die Augenblase wächst und sich vergrössert, 
tritt auch die Umbildung der ursprünglichen Epithelzellen zu den charakte- 
ristischen Bestandtheilen des Helix-Auges schärfer hervor und beide Zell- 
formen nähern sich mehr und mehr ihrer normalen Gestalt. Ein 77 Tage altes 


Stadium von Helix hortensis Nr. 165 I weist schon bedeutende Veränderungen gegenüber dem 


zuletzt abgebildeten auf. Figur 19. Das Auge, — jetzt verdient die frühere Einstülpung schon 
diesen Namen — ist ziemlich gross. Sein Längsdurchmesser beträgt 0,19 mm., der Querdurch- 


messer 0,14 mm,, die Masse nähern sich also schon sehr denen des normalen Auges. Während 


. 


41 


bisher eine deutliche Grenze zwischen den Corneazellen und den Stäbchenzellen noch nicht zu 
erkennen war, sondern die beiden Formen fast unmerklich in einander übergingen , sind sie jetzt 
schon scharf unterschieden. Zunächst ist dieser Unterschied in der Grösse der Zellen ausgesprochen. 
Die Corneazellen blieben kleiner und änderten sich nur noch wenig, die Stäbchenzellen dagegen 
nahmen bedeutend an Länge zu. Dies geschah in.der Art, dass der von den Kernen nach innen 
zu liegende Theil des Zellkörpers wuchs und sich in die Länge dehnte, die Kerne selbst aber 
ihren ursprünglichen Platz behaupteten und so mehr in die Peripherie zu liegen kamen. 

| Dadurch, dass diese Kerne meist etwas unregelmäsig liegen, entsteht namentlich bei nicht 
sehr dünnen Schnitten ein Bild, welches die früheren Beobachter veranlasste, ausser der (inneren) 
„Stäbchenschicht* eine (äussere) „Kern- oder Körnerschicht“ anzunehmen, während, wie aus der 
Entwicklung des Organs hervorgeht, bei Helix wenigstens die Kerne der Stäbchenzellen durchaus 
nicht berechtigt sind, eine selbstständige Stellung zu beanspruchen als eine — einer „Stäbchen- 
schicht“ gegenüberstehende oder gleichberechtigte — „Körnerschicht“. Es ist dies ebensowenig 
der Fall, als man die Kerne der den Stäbchenzellen gleichartigen Corneazellen als eine selbst- 
ständige Schicht ihren Zellkörpern gegenüber auffassen kann. 

Mit der äusseren Gestalt der Stäbchenzellen ändert sich auch ihr inneres Gefüge, indem 
der vollkommen farblose Zellkörper ein noch mehr homogenes glasiges Gepräge erhält. 

Die Pigmentirung ist ebenfalls schon bedeutend vorgeschritten. Die inneren Enden der 
Zellen sind tiefschwarz, und die Pigmentkörnehen erstrecken sich mit zunehmender Verdünnung 
weit gegen die Kerne hin. Der freie Saum, welcher in dem normalen Auge sich meist zwischen 
den Enden der Stäbchenzellen in der Linse findet, ist auch in diesem Stadium schon vorhanden ; 
und gerade wie bei dem normalen Auge sieht man Pigmentkörnchen von dem Rande des Pig- 
ments aus in denselben hineinragen. 

In diesem Stadium steht auch der Sehnerv bereits in Verbindung mit dem Auge. 

Noch nicht so stark pigmentirt wie 165 I ist das Auge einer Helix hortensis 48 Tage 
nach der Operation, Nr. 160. Im Uebrigen ist es dem abgebildeten Stadium sehr ähnlich, zeigt 
aber eine etwas mehr ausgesprochene Kugelgestalt. Auffällig ist die hier als Unicum vorkommende 
hohle Linse, auf welche ich weiter unten zurückkommen werde. 

Das regenerirte Auge von Helix hortensis, Nr. 161, zeigt 55 Tage nach der Operation sich 
stärker entwickelt, als 165 I, aber doch noch nicht soweit, wie das jetzt zu beschreibende 193 II, 
obwohl es in Bezug auf die Pigmentirung dem letzteren schon ziemlich gleich steht. 

Damit das regenerirte Auge demnormalen gleich werde, ist eigentlich nur 
noch etwas stärkere Pigmentirung und allgemeines Wa’chsthum nöthig. Ein Auge auf 
diesem Stadium findet sich bei einer Helix hortensis 51 Tage nach der Operation, Fig. 20 Nr. 193 ILa. 

Der Gegensatz zwischen den Corneazellen und den Stäbchenzellen, sowie die Grenze 
zwischen beiden ist scharf ausgeprägt und die Pigmentirung nahezu so stark, wie in dem nor- 
malen Auge von Helix nemoralis, schon stärker, als bei Helix arbustorum. Auch die Grösse hat 
die normale so ziemlich erreicht. — Der Längsdurchmesser beträgt 0,2 mm., der Querdurch- 


messer 0,17 mm. 


42 


Augen von älteren Stadien, welche noch um eine Spur weiter vorgeschritten sind, als das 
vorliegende, sind von dem: normalen in nichts mehr verschieden. Desshalb habe ich von diesen 
keine Abbildung mehr gegeben, da eine solche nur die Copie des normalen Auges (Fig.21) sein würde. 

. Während das Auge einer Helix hortensis im Alter von 94 Tagen (Nr. 194) genau auf dem 
Punkte der Ausbildung steht, wie das oben beschriebene, sind die jetzt aufzuführenden etwas 
älteren Stadien dem normalen Auge vollständig gleich, so die 125 Tage alten von Al und All 
und die von BI und BII, 124 Tage nach der Operation — sämmtlich Helix hortensis angehörig. 
Unter den vier letztgenannten besitzt AII eine fast vollkommen runde Form, die übrigen drei 
zeigen kleine Abweichungen in Bezug auf die Gestalt. EN; 

Ferner sind vollkommen ausgebildet die Augen von Helix hortensis Nr. 71, 70 Tage nach 
der Operation und von Helix nemoralis, Nr. 203, 56 Tage nach der Operation. In dem ersteren 
Falle war der ganze Tentakel, im zweiten aber beide Tentakel mit einer kleinen Hautbrücke ab- 
getragen worden. Weit entfernt also, dass eine solche Verletzung die Regeneration des Auges 
verzögert hätte, bieten gerade diese Objecte einige von den frühesten Fällen einer vollständigen 
Regeneration. In der gleichen Zeit erreichten allerdings die Augenträger selbst. nur eine Höhe 
von 1—2 mm. 

Ich habe hier noch die Beschreibung eines sehr frühen Stadiums der Augenbildung nach- 
zutragen, welche ich an der ihr eigentlich gebührenden Stelle nicht besprochen habe, da sie mir 
als eine Abweichung von der Bildung der übrigen Augenblasen, welche ich beobachtete, ein be- 
sonderes Interesse zu beanspruchen schien. — 

Oben sagte ich, die Einstülpung des Auges beginne zu einer Zeit, wo das Epithel aus fast 
vollständig cylinderförmigen Zellen bestünde. Eine Ausnahme von dieser Regel bietet das jetzt 
zu beschreibende Stadium einer Helix pomatia, Nr. 190a — 59 Tage nach der Operation. Hier 
findet sich, mit dem Epithel schon nicht mehr im Zusammenhange, als Augenanlage eine kleine 
Blase von 0,075 mm. Durchmesser, deren Wandung nicht aus cylindrischen, sondern aus cubi- 
schen Zellen gebildet wird, aus welchen in diesem Falle auch das regenerirte Epithel noch be- 
steht (Fig. 23). 

Eine Differenzirung der Zellen hat noch nicht stattgefunden, und dieselben sind unter sich 
noch vollkommen gleich. — Hiemit hätte ich eigentlich nur eine kleine Abweichung beschrieben 
von nicht besonderer Bedeutung; Interesse dagegen erlangt dieselbe durch Vergleichung mit der 
in Figur 24 abgebildeten Gehörblase eines sehr jungen Embryo’s von Helix pomatia. Dieselbe hat 
die Gestalt einer hohlen Kugel, deren Wandung aus grossen, ziemlich cubischen Zellen mit grossen 
Kernen gebildet wird; ihr Querdurchmesser beträgt 0,075 mm.. Die Aehnlichkeit der beiden Ge- 
bilde ist äusserst auffallend. Bedenken wir aber nun, dass bei den Embryonen der Schnecken 
die ‚erste Entstehung des Auges, sowie des Gehörorgans sich ganz auf die gleiche Weise vollzieht 
und dass die ersten Einstülpungsstadien beider bei gleichem Alter auch das gleiche Aussehen 
haben, so begehen wir keinen Fehler mit der Annahme, dass diese Gehörblase in ihrer Bildung 
ein etwas jüngeres Stadium einer Augenblase repräsentirt. Dies vorausgesetzt, zeigt das eben be- 


schriebene Regenerationsstadium — wenn der Ausdruck gestattet ist — die embryonalste Bildung 


unter allen von mir beobachteten Augeneinstülpungen; denn ganz entsprechend dem Vorgange 
der embryonalen Entwickelung hat sich die Blase eingesenkt und abgeschnürt, so lange das Epithel 


noch aus eubischen Zellen bestand. 


Da ich die Neubildung des Fühlermuskels und seiner Pigmentzellen nicht eingehend be- 
obachtete, so wollte ich sie in dieser Arbeit gar nicht berücksichtigen. Weil es mir aber gelegent- 
lich der Untersuchungen von Fraisse von Interesse war, zu bemerken, dass die Regeneration 
dieser Theile genau in derselben Weise vor sich geht, wie bei den Wirbelthieren 
(Salamandrinen), so will ich mit kurzen Worten an dieser Stelle ihrer Erwähnung thun, 

Was die Entstehung der Pigmentzellen betrifft, so beobachtete ich darüber Folgendes: 
(Fig. 10a—d). -- } 

In den langgestreckten Bindegewebszellen (Zlemming’s spongiösem Bindegewebe) treten 
zuerst vereinzelt, dann immer zahlreicher Pigmentkörnchen auf ‚ bis sie schliesslich das ganze 
Protoplasma durchsetzen und der Kern kaum noch durchschimmert. Kurz. nach dem Auftreten 
des Pigments beginnen sie zu wandern und streben in langen Zügen der Regenerationsstelle des 
Muskels zu. Ihre Gestalt ist natürlich eine sehr wandelbare, meist aber sind sie bedeutend in die 
Länge gestreckt. Fig. 10d zeigt eine der mehr extremen Formen. 

In Bezug auf die Erneuerung des Muskels selbst nahm ich wahr, dass diese von dem 
Stumpfe desselben aus vor sich ging, indem lange spindelförmige Zellen mit länglichen Kernen 
daraus hervorsprossten und sich schliesslich zu den normalen Muskelröhren umbildeten. 

Schliesslich möchte ich hier noch einer Erscheinung Erwähnung thun, welche, wie ich 
glaube, noch nieht beschrieben ist. Der Augennerv steckt bekanntlich in einer contractilen Hülle, 
die sich mit dem Nerv, sowie er von dem Auge getrennt ist, mehr oder weniger stark spiralig 
zusammenzieht. Während nun die Fasern des Nerven selbst im Zickzack geknickt erschienen, 
waren die zwischen den Nervenfasern liegenden Kerne spiralig gewunden, wie es Fig. S zeigt. 


Es scheint also den Fasern und Kernen ein verschiedener Elastieitätsgrad zuzukommen. 


Die Bildung und Structur der Linse. 


Eines Bestandtheiles des Auges habe ich bis jetzt noch nicht Erwähnung gethan, der 
Linse; ich. will desshalb mit kurzen Worten nachholen, was sich nach meinen Beobachtungen 
über ihre Entstehung sagen lässt. — 

Die Bildung der Linse beginnt ungefähr gleichzeitig mit der Pigmentirung des Auges oder 
geht derselben unmittelbar voran. Bei den regenerirenden Augen fand ich die erste Anlage einer 
Linse bei dem 55 Tage alten Stadium Nr. 162 Fig. 17; unter den Embryonen von Helix pomatia 


zeigte sich in dem in Fig. 25 abgebildeten Auge eine sehr kleine nicht ganz regelmässig gestaltete 


44 


Linse, welche die Hölllung des Auges vollkommen ausfüllte. In einem etwas jüngeren Auge, 
dessen Querschnitt ein den Fig. 16c und d ziemlich entsprechendes Bild zeigte, war dagegen noch 
keine Linse vorhanden. 

Sowohl bei der Entstehung des Helix-Auges durch Regeneration, als auch bei der em- 
bryonalen Entwickelung stellt sich die Linse deutlich als eine meist massive structurlose Cuticular- 
Bildung dar !), ausgeschieden von den Zellen der Augenblase. Sie zeigt ein gleichmässiges, Ge- 
füge ohne einen sich durch Färbung oder Verdichtung von der übrigen Masse unterscheidenden 
Kern. Von ihrem ersten Auftreten an füllt sie stets die — Anfangs ja ungemein kleine Höhlung 
der Augenblase vollständig aus und wächst gleichmässig mit der Vergrösserung derselben durch 
die Ausscheidung der die Wand bildenden Zellen. 

Nach der Einwirkung von Reagentien sind zuweilen, namentlich in jüngeren Linsen, Bläs- 
chen oder kleine Hohlräume wahrzunehmen. Nie konnte ich bemerken, dass die Linse durch 
einen von ihr ausgeübten Druck die Gestalt der Zellen des Auges oder dessen Gesammtform be- 
einflusst habe, wie dies Simroth?) anzunehmen scheint. Auch mit seinen sonstigen Ausführungen 
über die Bildung der Linse und des Auges kann ich mich auf Grund meiner sämmtlichen Beob- 
achtungen über die Entstehung dieser Organe nicht einverstanden erklären, während die histolo- 


gischen Details, welche er bringt, durch meine Untersuchungen im Allgemeinen bestätigt werden. — 


Ich habe unterlassen, Abbildungen von den mannigfachen Linsenformen zu geben, welche 
ich in den verschiedenen Augen fand, weil ja bekanntlich die Linse durch die Reagentien sehr 
angegriffen wird und man nie sicher sein könnte, ob das Bild auch wirklich ein normales oder 
ein Kunstprodukt sei. Nur eine zu auffallende Linse, -bei welcher mir ‚letztere Annahme aus- 
geschlossen zu sein scheint, habe ich in Fig. 9 wiedergegeben. Sie gehört zu dem schon ziem- 
lich vorgeschrittenen Auge einer Helix hortensis, Nr. 160 — 48 Tage alt. Entgegen der sonst 
im Allgemeinen massiven Bildung der Linsen besteht diese hier aus einer hohlen Kugel mit ziem- 


lich dünner Wandung; durch den Schnitt wurde ein Theil der Wand abgetragen, so dass der 
Blick in den Hohlraum frei wurde. — 


Ich weiss, dass ich mit der obigen Darstellung ziemlich allen Autoren, welche bis jetzt 
über die Schneckenaugen gearbeitet haben, widerspreche, da dieselben, gestützt auf die Autorität 
Leydig’s und dessen Angaben über Paludina verallgemeinernd, auch die Helix-Linse aus Zellen 
entstehen liessen. Nun sind aber die Augen bei verschiedenen Ordnungen nicht nur sehr ver- 
schieden gebildet, sondern zeigen auch in der Entwickelung derartige Abweichungen, dass wir bei 


Prosobranchiern®) gefundene Erscheinungen nicht ohne Weiteres auf Pulmonaten übertragen 


') Dass die Linse des Helix- Auges eine solche sei, trägt Semper schon seit Jahren in seinem Colleg vor; 
durch meine Untersuchung zeigt sich diese Ansicht vollkommen bestätigt. 

?) Simroth. Ueber die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Mollusken. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 
Bd. XXVI. 1876. pag. 238 ff. 

°) Ich hatte beabsichtigt, im Sommer 1879 die Entwickelung des Auges auch bei Paludina vivipara zu unter- 
suchen. Da dieselbe bei Würzburg nicht vorkommt, war Herr Dr. M. Braun so freundlich, mir Anfangs August eine 
Anzahl aus Schlesien zu senden, aber leider waren die Embryone gerade um acht Tage zu alt. Die drei jüngsten 


45, 


dürfen. Nur in der ersten Bildung als Follikel des Epithels zeigt sich allgemeine Uebereinstimm- 
ung, dann aber geht die Entwicklung nach weiten Grenzen auseinander. Ich erinnere nur an 
das weit offene, linsenlose Auge von Patella!), an das nicht vollkommen geschlossene Auge von 
Haliotis2), dessen Linse aus einem gallertigen Secret besteht, an die ziemlich harte Gutieular- 
bildung, wie wir sie bei Helix finden, und an das hoch organisirte Rückenauge von Onchidium °), 
dessen Linse von grossen deutlichen Zellen gebildet wird ®). 


Stadien, welche ich auffand, sind ungefähr so weit entwickelt, wie das älteste von den abgebildeten Augen der Helix- 
Embryone. Soweit ich übrigens nach den untersuchten Exemplaren urtheilen kann, zeigt das Auge von Paludina 
ebenso Abweichungen in der Entwicklung, wie bei dem erwachsenen Thiere. Ich hoffe im nächsten Sommer Ge- 
legenheit zu haben, eine eingehendere Untersuchung hierüber anstellen zu können, 

') Nach den bereits eitirten Untersuchungen von Frraisse. 

2) Nach Semper, welcher das Haliotis-Auge schon vor längerer Zeit untersuchte und in seinem Colleg jähr- 
lich demonstrirt, aber leider darüber immer noch nichts veröffentlicht hat. 

°) Semper. Ueber Sehorgane vom Typus der Wirbelthieraugen auf dem Rücken von Schnecken. Wiesbaden 1877. 

*) Die Betrachtung, dass bei vielen’Augenblasen, wie z.B. bei den von Haliotis, Helix ete. die Linse ein Secret 
des Auges ist und die Art der Entwicklung derselben zwingt uns förmlich, die Aehnlichkeit solcher Augen mit ein- 
fachen Hautdrüsen nicht ausser Acht zu lassen. Bei vielen Arten schwindet der Drüsen-Charakter nach vollendeter 
Entwickelung, bei anderen, wie z. B. bei Haliotis, deren Entwicklung auf halbem Wege stehen bleibt, beharrt er 
auch während des ganzen Lebens. Eine solche Vergleichung könnte sich mit Recht wohl auch auf die Drüsenaugen 


und Augendrüsen der Onchidien sowie der Scopeliden (Dr. M. Ussow, Ueber den Bau der sogenannten augenähnlichen 
Flecken einiger Knochenfische) berufen. 


III 
Die Regeneration des Auges im Vergleich mit der embryonalen Entwicklung. 


Ich wende mich nun zu der Frage, in wie .weit die Entwicklung des Auges auf dem Wege 
der Regeneration in Verbindung gebracht werden kann mit der embryonalen Bildung dieses 
Organes. Re 
Ich suchte dieselbe dadurch zu beantworten, dass ich die Entwicklungsgeschichte der bei 
Würzburg sehr häufig vorkommenden Helix pomatia bearbeitete. Dabei halte ich es nicht für 
überflüssig, an dieser Stelle einige Notizen über die Zeit der Begattung, sowie der Eiablage dieser 
Thiere vorauszusenden. 

Das erste Paar, welches ich bei der Begattung überraschte, fand ich am 9. Mai. Diese 
schienen mir zu den frühesten Vorläufern zu gehören, denn bei weitem die grösste Anzahl erhielt 
ich zwischen dem 24. und 31. Mai. Doch begatteten sich die gefangenen Schnecken, welche ich 
in einem grossen vergitterten Kasten hielt, der mit Rasen ausgelegt war, noch bis in die Mitte 
Juni. Hiebei will ich gleich bemerken, dass bei Helix pomatia nicht eine einmalige Begattung 
stattfindet, sondern, dass dieser Act öfters wiederholt wird. Und zwar konnte ich Fälle beob- 
achten, wo dasselbe Paar in der Zeit von 14 Tagen dreimal das Beilager vollzog. Doch sind es 
bei weitem nicht immer die nämlichen Thiere, welche sich wieder zusammenfinden, sondern im 
Allgemeinen sucht jedes Thier eines Pärchens für die späteren Begattungen sich neue Gefährten. 

Es ist desshalb kaum möglich, eine ganz genaue Zeitangabe zu machen, wie lange nach 
der Befruchtung die Eiablage stattfindet, da man selten genau angeben kann, wann der erste und 
wann der letzte. Coitus stattgefunden habe. - Von einem Pärchen, welches ich am 24. Mai im 
Walde bei der Begattung gefunden hatte, legte das eine Thier am 13. Juni die Eier ab. Da ich 
bei diesem Paar eine nochmalige Begattung in der Gefangenschaft nicht beobachtete, so wären 
in diesem Falle 20 Tage zwischen dem ersteren und letzteren Acte verflossen. Gegen Mitte Juni 
traf ich auch die meisten Schnecken im Freien mit der Eiablage beschäftigt, und in den ersten 
Tagen des Juli zeigten sich die frisch ausgeschlüpften jungen Schnecken. Man kann also sagen, 
dass von der ersten Begattung bis zum Eierlegen ca. 30 Tage, und von da bis zum Ausschlüpfen 


der Jungen ca. 20 Tage vergehen. 


47 


So hatte ich im Laufe des Juni ein Material von mehreren Hundert Helix pomatia- Eiern 
gesammelt, als ich durch verschiedene unangenehme Abhaltungen verhindert wurde, diesen Vor- 
rath in der entsprechenden Weise auszunützen und gerade die frühesten Stadien verlor. Doch 
sind, wie wir sehen werden, meine Beobachtungen vollkommen ausreichend, um in Verbindung 
mit den vorhandenen Angaben über die.erste Entstehung des embryonalen Auges bei den Schnecken 
darzuthun, dass das Auge bei der Regeneration ganz auf dieselbe Weise gebildet 
wird, wie bei der embryonalen Entwicklung. 

Verfolgt man nun die Entwicklung des Auges an der Hand der von den hier angeführten 
Autoren!) beobachteten Erscheinungen, so ergibt sich, dass wir folgende Thatsachen bei den 
Land-Pulmonaten kennen. 

In dem Eetoderm tritt eine grubenförmige Einsenkung auf, welche sich vertieft, an Grösse 
zunimmt und schliesslich zu einer vollständigen hohlen Einstülpung wird, die sich von dem Epithel 
abschnürt. Zunächst liegt sie in Gestalt einer diekwandigen Blase unmittelbar unter der Epidermis 
und allmälig entwickeln sich aus ihr die Bestandtheile des normalen Auges. — Die Pigmentirung 
beginnt an dem von dem Epithel entfernten Pole und schreitet immer weiter nach vorne zu vor, 
bis die Corneazellen erreicht sind, an welchen die Pigmentschicht scharf abgesetzt endigt. 

Die Linse tritt als ein heller, stark lichtbrechender Körper innerhalb der Augenblase auf. — 

Eine neue Abhandlung von Rabl?), welche mir erst. nach Abschluss meines Manuscriptes 
in die Hände kam, ist für mich von grosser Wichtigkeit, indem darin der eben aus verschiedenen 

_ Arbeiten zusammengestellte Entwicklungsvorgang an einem Thiere beobachtet und an Schnitten 
untersucht wurde. Ich führe die diesbezüglichen Stellen wörtlich an: 

„Die Augen machen sich zuerst als kleine, rundliche, helle Flecken am hinteren, unteren 
„Rande der Scheitellappen bemerkbar und bestehen Anfangs aus einer Gruppe heller, cylindrischer 
„Eetodermzellen. Bald darauf stülpen sich diese Flecke in der Mitte ein, so dass es auf jeder 
„seite zur Bildung eines kleinen Säckchens kommt (Taf. XXXVII, Fig. 19), das sich alsbald von 
„der Oberfläche abschnürt, und sodann ein kleines, aus wenigen Zellen bestehendes, kugeliges 


„Bläschen bildet, das unmittelbar unter der Haut an der Basis der Fühler gelegen ist...... 


!) Die Entwieklungsgeschichte des Limnäus stagnalis ovatus und palustris, nach eigenen Beobachtungen dar- 
gestellt von F. F. Karsch. Archiv für Naturgeschichte XII. Bd. 1. 

Leydig. Ueber Paludina vivipara. Ein Beitrag zur näheren Kenntniss dieses Thieres in embryologischer, 
anatomischer und histologischer Beziehung. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. II. 1850. pag. 125 ff. 

Gegenbaur. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Landgastropoden. Zeitschrift für wissensch. Zoologie 
Bd. III, 1851. pag. 385 ff. 

Semper. Private Mittheilungen über die Augeneinstülpung bei philippinischen Paludina - Embryonen, nicht 
wie bei Grenacher und Hensen angegeben ist, bei einer Landpulmonate. 

Salensky. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Prosobranchier. Zeitschr. f. wiss. Zool. Pd. XXII. 1872, 

Hensen. Archiv für mikroskopische Anatomie .TI Bd. 1866. pag. 416. 

Grenacher. Zur Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV. 1874, p. 480. 

Carl Rabl. Die. Ontogenie der Süsswasserpulmonaten, Jena’sche Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. IX. 
(neue Folge II.) 1875. pag. 195. 

2) ©. Rabl. Ueber die Entwicklung der Tellerschnecke. (Mit Tafel XXXIT— XXXVII), Morpholog. Jahrbuch 
Bd. V, Heft IV, pag. 621. 


48 


„Einige Zeit, nachdem die Bildung der beiden Augenbläschen vollendet ist, bemerkt man in ihrem 
„Inneren an der Stelle der hellen Flüssigkeit, welche Anfangs die Höhle erfüllte, ein gelbliches, 
„stark lichtbrechendes Körperchen, in dem wir die erste Anlage der Linse erkennen.“ 

Wirklich auffallend gross ist die Uebereinstimmung eines Schnittes durch eine eben ge- 
schlossene, aber von dem Epithel noch nicht abgeschnürte Augenblase, welchen Rabl in Figur 19 
auf Tafel XXXVII wiedergibt, mit dem von mir Figur 16d abgebildeten Schnitte durch ein ent- 
sprechendes Regenerations- Stadium. — 

Zum Vergleich mit diesen Beobachtungen über die embryonale Entwicklung will ich hier 
die Worte eitiren, mit welchen ich das erste Auftreten des Auges bei der Regeneration oben ge- 
schildert habe. 

„Es entsteht in dem Tentakelknopfe an der Stelle, wo das Auge normaler Weise liegt, 
„eine kleine birn- oder apfelförmige Einsenkung der Epithelzellen. Mit dem weiteren Wachsthum 
„nimmt sie an Umfang zu und ihr Lumen vergrössert sich, während gleichzeitig der Eingang sich 
„verengt und schliesslich obliterirt. Während das Epithel sich über der Stelle der Einstülpung 
„schliesst, löst sich dieselbe von dem Epithel ab und entfernt sich von demselben um ein wenig 
„nach Innen zu. Die so gebildete Blase zeigt noch keine histologische Differenzirung ihrer Zellen, 
„sondern ist allseitig aus den gewöhnlichen Epithelzellen zusammengesetzt. Nun beginnt die Um- 
„gestaltung. Zunächst verlängern sich die der Abschnürungsstelle diametral gegenüberliegenden 
„Zellen in der Weise, dass der Zellkörper sich nach dem Centrum zu streckt..... Gleichzeitig 
„beginnt auch das Pigment aufzutreten und zwar sind es auch in diesem Falle zuerst die der 
„Oeffnung der Blase, beziehungsweise dem Epithel diametral gegenüber liegenden Zellen, welche 
„diese Veränderung wahrnehmen lassen.“ 

Die Uebereinstimmung in beiden Fällen der Entwicklung ist vollkommen klar, und nicht 
nur in diesem frühen Stadium, sondern auch bei dem weiteren Wachsthum des Auges vorhanden !). — 

Nach den Angaben der Autoren habe ich oben die Bildung des Auges bis zur Zeit der 
Pigmentirung verfolgt. Mit der jetzt zu besprechenden Augenanlage eines Embryo von Helix 
pomatia greife ich auf ein etwas früheres Stadium zurück. Fig. 25. Die Einstülpung scheint sich 
erst vor kurzer Zeit abgeschnürt zu haben und das Pigment ist noch nicht aufgetreten. Die 
Differenzirung der Zellen in Stäbchen- und Corneazellen hat begonnen, ist aber noch sehr wenig 
vorgeschritten — kurz, wir haben ein Bild ganz ähnlich demjenigen, welches uns ein frühes 
Stadium des regenerirenden Auges einer Helix hortensis in Fig. 14 zeigt. Auch die Grösse ist 
ungefähr die gleiche, denn der Durchmesser des regenerirenden Auges ist gleich 0,1 mm., während 


die embryonale Augenblase 0,12 mm. im Querdurchmesser und 0,09 mm. im Längsdurchmesser 


') Ich glaube vollkommen berechtigt zu sein, an dieser Stelle mich auch auf Semper’s Angaben über die 
Bildung der Rückenaugen bei den Onchidien zu stützen. Denn auch hier bildet sich das Auge aus einem Follikel der 
Epidermis; dass derselbe ein „geschlossener“ ist, während die Helix-Augen sich aus offenen Follikeln bilden, ist kein 
nennenswerther Unterschied, ebenso wenig wie der Umstand, dass das Onchidien-Auge sich nach einem anderen Schema 
entwickelt. Die Hauptsache ist, dass in beiden Fällen das Auge als eine Einstülpung von Epithelzellen entsteht, aus 


welchen seine sämmtlichen späteren Bestandtheile hervorgehen. 
I 8 


49 


beträgt. Nur muss ich bemerken, dass in dem embryonalen Auge eine Linse vorhanden war, während 
sich in der noch nicht ganz geschlossenen regenerirenden Augenblase eiue solche noch nicht gebildet hatte. 

Kurze Zeit, bevor die junge Helix pomatia das Ei verlässt, beginnt die Pigmentirung des 
Auges, also später, wie z. B. bei Limnaeen und Paludinen. 

Das Auge eines Embryo auf diesem Stadium zeigt uns Fig. 26. Die Stäbchenzellen sind 
länger gestreckt und deutlicher ausgebildet, so dass sie sich ziemlich scharf von den Corneazellen 
unterscheiden, welche sich ebenfalls schon der normalen Form nähern. Die Pigmentirung der 
Stäbchenzellen hat begonnen und zwar ganz entsprechend sowohl den Angaben der oben eitirten 
Autoren, als auch meinen Beobachtungen an den Regenerationsstadien, Vergleichen wir das Auge 
mit meinen Abbildungen der letzteren, so können wir ihm unschwer seinen Platz zwischen den in 
Fig. 17 und 18 wiedergegebenen Stadien anweisen. Es ist wohl etwas stärker pigmentirt, als das 
erstere, aber die einzelnen Elemente des Auges sind noch nicht so deutlich ausgebildet, wie bei 
dem letzteren. — Nach meinen Beobachtungen bei Helix pomatia ist das Pigment des Auges das 
erste, welches in dem Körper des Thieres auftritt. Es ist also hier das gleiche Verhältniss, wie 
bei Limax agrestis und den Süsswasser-Pulmonaten, bei welchen nach Gegenbaur!) und Rabl?) die 
Ablagerung des Pigmentes im Auge früher beginnt, als an irgend einer anderen Stelle. — 

Ich halte es nicht für nöthig, weitere Abbildungen ‘von älteren Embryonen zu geben; 
schon die beiden eben beschriebenen sind genügend, um im Zusammenhange mit den bereits be- 
kannten Vorgängen bei der Entwicklung deutlich genug zu zeigen, dass nicht nur in der 
ersten Bildung, sondern auch in dem weiteren Wachsthum des Auges die voll- 
kommenste Uebereinstimmung zwischen der embryonalen Entwicklung und 
der Regeneration stattfindet. 

Nur in Bezug auf die Zeit, binnen welcher in beiden Fällen das Auge sich bildet, zeigt 
sich ein Unterschied — nämlich das regenerirende Auge braucht nahezu die doppelte Zeit bis zu 
seiner Vollendung, wie das embryonale. Aber dieser Verschiedenheit kann man auch nicht die 
geringste Bedeutung beimessen — im Gegentheil, es wäre auffallend, wenn sie nicht vorhanden 
wäre. In dem einen Falle entwickelt sich ja das Organ im Embryo, durch die Eihülle gegen 
äussere Einflüsse geschützt und in vollkommener Uebereinstimmung mit den übrigen Organen. 
Ganz anders liegen die Verhältnisse in dem zweiten Falle; hier wird einem erwachsenen Thiere 
das Auge abgetrennt und die Neubildung desselben geht vor sich unter dem Einflusse des Alters, 
der Individualität, der Witterung u. s. w.; ebenso wirken die umliegenden Organe in mannig- 
facher Weise störend und hemmend ein. Dadurch wird natürlich nicht nur Anfangs oft eine 
Verzerrung des Auges bedingt, sondern dasselbe wird auch in seiner Entwicklung verzögert, bis es 
schliesslich doch all’ diese Widerstände überwindet und als vollkommen normal gebildetes Organ 


an Stelle des früher abgetrennten fungirt. 


!) Gegenbaur, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Landgastropoden. Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie. Pd. III. pag. 386. 
?) Carl Rabl. Die Ontogenie der Süsswasser-Pulmonaten. Jena’sche Zeitschrift. Bd. IX. 1875. pag. 209. 


Resume 


Fassen wir zum Schlusse die im Laufe der vorliegenden Untersuchung gewonnenen 


Resultate zusammen, so ergibt sich: 


1. Dass Spallanzani’s Angaben über die Regeneration bei den Schnecken 


bestätigt werden mit Ausnahme der Behauptung, dass mit dem Schlund- 
ring abgetrennte Köpfe nachwüchsen; diesen Punkt muss ich entschieden in 
Abrede stellen. Dagegen sind die Verschiedenheiten und Widersprüche in den Versuchen 
von. Spallanzani’s Gegnern und Freunden leicht zurückzuführen einestheils auf die Art der 
Operation und die dazu gebrauchten Instrumente, sowie auf die Behandlung und Pflege 
der Thiere nach der Verstümmelung und den Einfluss der Jahreszeit; 

ferner darauf, dass verschiedene Species sieh auch in sehr verschiedener Weise der 
V erstümmelung und der Regeneration gegenüber verhalten. Dies wurde von der Mehr- 
zahl der Experimentatoren nicht berücksichtigt; die Resultate, welche Dieser bei der 
einen Species erlangt hatte : wünschte Jener bei einer anderen zu erhalten. Missrieth 
ihm nun das Experiment, so hielt er sich sofort für berechtigt, daraufhin die Angaben 
des Collegen über eine ganz andere Species als unwahr zu bezeichnen ; 

schliesslich darauf, dass die Unregelmässigkeiten, welche die Schnecken auch unter gleichen 
Verhältnissen bei dem Regeneriren wahrnehmen lassen — und welche schon Spallanzani 
ausdrücklich hervorhob — von den übrigen Autoren vollkommen vernachlässigt wurden, 
Dass die Regeneration des Epithels bei den Schnecken in derselben 
Weise vor sich geht, wie bei den Wirbelthieren. 
Dass abgetrennte Organe, wie z.B. das Auge, bei ihrer Neubildung genau 
denselben Grad der Vollkommenheit wieder erhalten, den sie im nor- 
malen Zustande vor der Operation besassen. Wir konnten die Entwicklung 
des Auges verfolgen von. dem ersten Auftreten einer Einstülpung des Epithels bis zu 
seiner vollständigen Ausbildung, und sahen unter unseren Augen aus den einfachen 
Epithelzellen sämmtliche Bestandtheile des normalen Auges hervorgehen. 
Dass die Bildung des Auges bei der Regeneration genau in der.gleichen 


Weise stattfand, wie bei der embryonalen Entwicklung. 


Nachtrag zu pag. ‚26. 


Von befreundeter Seite aufmerksam gemacht, dass ich der Mehrzahl meiner Vorgänger 
Selbsttäuschung in Betreff der den Schnecken abgeschnittenen Theile zum Vorwurf mache, ohne 
anzugeben, wie ich selbst diese Klippe vermieden habe, will ich eine kurze Beschreibung meines 
Verfahrens in diesem Purikte nachtragen. Unmittelbar nachdem ich einer Schnecke Theile der 
Tentakel oder des Kopfes nach der Seite 26 angegebenen Methode abgetragen hatte, wurden die 
Abschnitte genau untersucht und der Befund in das "Journal eingetragen. Meine Angaben über 
die Behufs der Regeneration abgeschnittenen Theile sind also immer als die Ergebnisse der in 
jedem einzelnen Falle vorgenommenen Untersuchung zu betrachten, und jede Täuschung erscheint 


auf diese Weise ausgeschlossen. 


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19) 
20) 
21) 
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23) 
94) 
25) 
96) 
27) 
28) 
29) 


30) 


Verzeichniss der benützten Literatur. 


Martini Lister exereitatio anatomica. Londini 1694. 
Godefredus Dubois in Caroli Linnaei Amoenitates Academicae 1751. 
Ziegenbalg in Mercure Danois 1754. 
Spallanzani. Prodromo di un opera ad impremersi sopra le riproduzioni animali. Modena 1768. 
Programme ou preeis d'un ouvrage sur les reproductions animales etc. ete. par de la Sabionne. Geneve 1768. 
Jakob Christian Schäffer’s erstere und fernere Versuche mit Schnecken, nebst einem Nachtrage. Zweite Auflage. 
Regensburg. 1770. 
Roos in Mercure de France. Dezembre 1768. 
Roos. Avant-coureur Nr. 30, 1768. 
n n 5 „ #7. 1768. 
Lavoisier in Avant-coureur Nr. 38. 1768. 
A u n „ 44. 1768. 
Otto Friedrich Müller. Historia vermium terrestrium et fluviatilium suceineta. Bd, II. 1774. 
do. Observations sur la Physique ete. par Rozier 1778. 
Voltaire. Les colimacons du reverend Pere l’Escarbotier ete. 1768. Oeuvres de Voltaire par Bouchot. Paris 1831. 
Tome XLIV. Melanges Tome VII. 


” 


C. Bonnet. La palingenesie philosophique. Bd. I. Geneve 1769. 
do. Traite d'insectologie. 
do. Observations sur la physique ete. par Rozier. Tome X. Paris 1777. 
do. Colleetion complete des oeuvres de Ch. B. Neuchatel 1781. Tome V. 1. 


Anonymus (M....) in Avant-coureur Nr. 13. 1769. 

Senebier in Observations sur la Physique ete. par M. l’Abb& Rozier. Paris 1777. Tome X. 

H. Sanders. Nachricht von geköpften Schnecken in: „Der Naturforscher“. 16 Stück. Halle 1781. 

Adanson in Bonnet, Observations sur la Physique par Rozier Tome X. 1777. 

Wartel (Watel) in Mercure de France 1768. L’avant-coureur 1768. 

Schröter, Versuch einer systematischen Abhandlung über Erdeonchylien. Berlin 1771. 

Valmont de Bomare in L’avant-coureur. Paris 1769. 

Cötte in Journal des scavans. Juin 1770, 

do. in Observations sur la physique par M. l’Abbe Rozier. Paris. III. 1775. 

Murray, Jo. Andreas. De redintegratione partium eochleis limacibusque praeeisarum disserens ete. Goettingae 1776. 

Argenville. L’histoire naturelle 6claireie dans une des ses parties prineipales la conchiliologie ete, augmente de la 
zoomorphose. Paris 1757. 

Abildgaard, P. 0. Bemerkungen über den Bonnet’schen Versuch, ‚dass die abgeschnittenen Köpfe der Schnecken 
wieder hervorwachsen. Nordisches Archiv für Natur- und Arznei-Wissenschaft. Bd. I. Kopenhagen 1799. 


93 


31) Giornale di Pisa. Bd. XXxXII. 1778, 

32) Spallanzani. Risultati di esperienze sopra la Riproduzione della Testa nelle Lumache terrestri. — Memorie di 
Matemalica e Fisica della societa Italiana. Tomo I. 1782. 

33) Spallanzani. Memoria seconda ed ultima sopra la riproduzione della Testa nelle Lumache terrestri. Memorie di 
Matematica e Fisica della societa Italiana. Tomo II. 1784. 

34) Aug. Friedr. Schweigger. Handbuch der Naturgeschichte der skelettlosen ungegliederten Thiere. Leipzig 1820. 

35) ©. Semper, Reisen im Archipel der Philippinen. Zweiter Theil. Bd. II. Heft 1. Wiesbaden 1870. 

36) Flemming. Ueber das Verhalten des Kerns bei der Zelltheilung und über die Bedeutung mehrkerniger Zellen. 
Virchow’s Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie. Bd. XXVIIL. 1879. Taf. I. 

37) Flemming. Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1870. Bd. VI. 

38) Simroth. Ueber die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Mollusken. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 
Bd. XXVI. 1876. 

39) Hensen. Ueber das Auge einiger Gephalopoden. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. XV. 

40) do. Ueber den Bau des Schneckenauges und die Entwicklung der Augentheile in der Thierreihe. Archiv für 
mikroskopische Anatomie. Bd. II. 1866, 

41) Leydig. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. I. 

42) Die Entwicklungsgeschiehte des Limnaeus stagnalis, ovatus und palustris, nach eigenen Beobachtungen dargestellt 
von F. F. Karsch. Archiv für Naturgeschichte. XII. Jahrgang, Bd. I. ' 

43) Leydig. Ueber Paludina vivipara. Ein Beitrag zur näheren Kenntniss dieses Thieres in embryologischer, anatomi- 
scher und histologischer Beziehung. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. II. 1850, 

44) Gegenbaur. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Landgastropoden. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 
Bd. III. 1851. 

45) Salensky. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte ‘der Prosobranchier. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 
Bd. XXII. 1872. 

46) Grenacher. Zur Entwicklungsgeschichte der Gephalopoden. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXIV. 

47) Bronn. Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. III. Abth. II. pag. 1967. 

48) F'rraisse. Ueber die Regeneration von Organen und Geweben bei Amphibien ünd Reptilien. Tageblatt der 52. 
Naturforsceher-Versammlung zu Baden-Baden 1879. 

49) Carl Rabl. Die Ontogenie der Süsswasser-Pulmonaten. Jena’sche Zeitschrift für Naturwissenschaft Bd. IX. 1875. 

50) do. Ueber die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphologisches Jahrbuch Bd. V. 


Tafel - Erklärung. | 


Alle Figuren sind mit dem Zeiehenapparate entworfen und in möglichster Naturtreue als Abbilder des be- 
treffenden einzelnen Schnittes gezeichnet. Wenn keine andere Angabe gemacht wird, so sind die Zeichnungen mit 
Seibert 0/V entworfen und nach O/VII ausgeführt. 

Für alle Figuren gemeinsame Rezeichnung: e = Epithel des Tentakelknopfes, 


Figur 1. 


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Tafel I. Blutkörperchen von Helix pomatia aus der Hauptarterie des Augenträgers. Entworfen nach 1/V, 
ausgeführt nach 1/VII. . 
Tangirender Schnitt durch den Ganglienzellenbelag der Anschwellung des Fühlernerven. 


. Tolirte Ganglienzellen ebendaher nach Mazeration in verdünntem Alkohol. 1/V. 1/VIL. 


Grosse Ganglienzellen aus. dem Fühlerganglion. 1/V. 1/VII. 
Schleimzellen, welehe den Augenträger innen auskleiden. 1/V. 1/VII. 
Runde Bindegewebszellen, welche sowohl als selbständiges Gewebe auftreten, als auch in den Maschen 
des spongiösen Bindegewebs eingebettet sind. 
Regenerirendes Epithel auf verschiedenen Stadien (6 Nr. 16la, 6a Nr. 216b, 6b Nr. 167a.) Entworfen 
nach O/VII, ausgeführt nach 1/VII. 
— e. Verschiedene Kerntheilungs-Stadien aus dem regenerirenden Epithel des Fühlerknopfes. Entworfen 
und ausgeführt nach 1/VI. 
Spiralig gewundene Kerne aus den contrahirten Sehnerven O/VIL, O/VIL. 
Anormale hohle Linse von Nr. 160b. 0/\, 1/V. 
Entstehung von Pigmentzellen aus den langgestreckten Bindegewebszellen des Augenträgers O/VII, 1/VII. 
Tafel II. Helix fruticum mit regenerirenden Augenträgern, 40 Tage nach der Operation (Nr. 277). 
Helix nemoralis mit regenerirenden Augenträgern, 45 Tage nach der Operation (Nr. 203). Die beiden 
Augenträger entspringen einem gemeinsamen Stamme, der rechte ist um etwas kürzer als der linke, und 
die Augenpunkte sind in beiden schon sichtbar. 

In beiden Fällen ist der frisch regenerirte Theil sehr deutlich von dem normalen durch hellere 
Farbe und Glätte der Epidermis unterschieden. 

Figur 11 und 12 sind von Herrn Rabus gezeichnet. 
Tafel I. Frühes Stadium der Einstülpung des Auges. Das Epithel ist noch ziemlich unfertig und zeigt Kern- 
figuren (13 c). Längsdurchmesser 0,075 mm., Querdurchmesser 0,03 mm. Helix hortensis Nr, 243 IV. 29 
Tage nach der Operation, 
Längsschnitt durch die Mitte einer weiter vorgeschrittenen Einstülpung, welche noch nicht geschlossen 
ist. In dem Epithel sind zahlreiche Kernfiguren vorhanden, von denen auch zwei unter den Zellen der 
Einstülpung sich befinden; Durchmesser 0,1 mm. Helix hortensis Nr. 164, 55 Tage nach der Operation. 
Längsschnitt durch eine sich eben schliessende Einstülpung. Helix nemoralis Nr, 209. 37 Tage nach der 
Operation, 


Figur 16. 
So: 
= 48: 
BEN} 
» ». 
2: 37, 
2.98: 
E33, 

C 
n„ 4. 
„8. 
SE. 


155) 


4 Längsschnitte aus einer geschlossenen, aber noch nicht gänzlich abgeschnürten Einstülpung. a erster, 
b zweiter, ce dritter, d fünfter Schnitt. Der Cuticularsaum hat sich an den eingestülpten Zellen erhalten, 
Längsdurchmesser 0,096 mm., Querdurchmesser 0,039 mm. Helix pomatia Nr. 197. 37 Tage nach der 


. Operation. ; 


Tafel IL. Mittelster Längsschnitt aus einer schon abgeschnürten Augenblase. Die Pigmentirung beginnt eben. 
Corneazellen und Stäbchenzellen sind noch nicht differenzirt. Längsdurehmesser 0,1 mm., Querdurch- 
messer (0,075 mm. Helix hortensis Nr. 162. I. 55 Tage nach der Operation. 

Zwei Längsschnitie durch ein etwas älteres Stadium, welches aber, wie der tangirende Schnitt 18a zeigt, 
noch an einer Stelle mit dem Epithel in Verbindung steht. Der Schnitt 18b geht durch die Mitte. Hier 
sind die Comneazellen schon differenzirt, weniger die Stäbchenzellen. Längsdurchmesser 0,167 mm , Quer- 
durchmesser 0,09 mm. Helix hortensis Nr. 164 II, 55 Tage nach der Operation. 

Längssehnitt durch die Mitte eines regenerirenden Auges, in welchem die Stäbchenzellen schon ebenso 
scharf differenzirt sind, als die Corneazellen und auch die Pigmentirung eine stärkere ist. Längsdurch- 
messer 0,19 mm., Querdurchmesser 0,14 mm. Helix hortensis Nr. 165 I. 77 Tage nach der Operation, 
o=N. optieus. 

Längsdurchschnitt durch die Mitte eines fast vollkommen regenerirten Auges. Längsdurchmesser 0,2 mm., 
Querdurchmesser 0,17 mm. Helix hortensis Nr. 193 I. 57 Tage nach der Operation, 

Längsschnitt durch die Mitte eines norma]Jen Auges von Helix nemoralis, dem die ganz regenerirten Augen 
vollkommen entsprechen. 

Längsschnitt durch die Ausenblase von Helix hortensis Nr. 202. 41 Tage nach der Regeneration. 
Längsschnitt durch die Milte einer von dem Epithel schon getrennten Augenblase mit noch kubischen 
Zellen. Durchmesser 0,075 mm. Helix pomatia Nr. 109. 59 Tage nach der Operation, 

Längsschnitt durch die Ohrenblase eines Embryo von Helix pomatia. Längsdurchmesser 0,08 mm., Quer- 
durchmesser 0,075 mm. 

Längsschnitt durch die Mitte einer von dem Epithel schon abgeschnürten. Augenblase eines Embryo von 
Helix pomatia. Längsdurchmesser 0,12 mm., Querdurchmesser 0,09 mm. Die Corneazellen sind noch 
gar nicht differenzirt, die Umbildung der Ectodermzellen zu den Stäbehenzellen beginnt eben. Pigment 
ist noch nicht gebildet ? ; 

Längschnitt durch die Mitte eines etwas älteren Embryo von Helix pomatia. Die Corneazellen beginnen 
sich zu differenziren, die Stähchenzellen sind weiter ausgebildet, die Pigmentirung hat angefangen. 


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Verbesserungen. 


Seite 2 Zeile 7 von unten lies des statt der. 
Seite 3 Zeile 17 von unten lies von dem alten nur durch eine graue Linie sich unterscheidet statt vor 
dem alten... . ausgezeichnet ist. 

Seite 4 Zeile 18 von unten lies pomatia statt pouratia. 

Seite 7 Anm. 2 lies di statt die. 

Seite 8 Zeile 11 von oben lies zu statt su. 

Seite 14 Anm. lies 1757 statt 1777. 

Seite 18 Anm. 1 lies di statt die. 


Seite 23 Zeile 4 von unten lies eigneten sich statt eigneten sie sich. 


‚Regeneration bei den Pulmonaten. 


Fis.15. 
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7 A R S Fig 165 Fig 16. e 


Carriere del E z Lüh.IA Hofmanıı Würsburg 


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