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Full text of "Reise nach Südarabien : und geographische Forschungen im und über den südwestlichsten Theil Arabiens"

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— 


Reiſe 
nach N 
Südarabien 


Geographiſche Forſchungen 


. im und über den 


füdweftlichfien Sheil AIrnbiens. 


Südaradbien 


Geographifge Forſchungen 


im und über den 


ſüdweſtlichſten Theil Nrabiens 


von 


heinrich Freiherrai) von Maltzan, 836 574 


Mit einer Rarte. 


Draunfhmeig, 
Drud und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. 
| 18738. 


Die Herausgabe einer Ueberfegung in frangöfifcher und englifcher Sprache, 
fowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten. 


— — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — — —— — 


IT OcF.ı3. EN’ 


S 
r 


Y-21- 34 


erl. 


Bormwort. 


Faſt unglaublich fheint es, da in unſerm, den geogra- 
phifchen Entdedungen fo günftigen Zeitalter, dem wir eine fo be- 
deutende Erweiterung unferer Kenntniß von Afrika, von Central- 
afien, von Auftralien und der arftifchen Zonen verdanken, und 
deffen ſtets reger Forſchungstrieb und Unternehmungsgeift und 
täglich neue Errungenschaften in fichere Ausſicht ftellt, gerade ein 
geichichtlih und culturbiftorifeh fo überaus wichtiges Land, wie 
Arabien, die Wiege des Islam, noch zum großen Theil terra in- 
cognita geblieben if. Mit Genauigkeit fennen wir von Arabien 
menig mehr ald die Küften. Den Grund hievon bildet Hauptfächlich 
die Unzugänglichkeit ded Innern für den forfchenden und mit dem 
nöthigen wiffenfchaftlichen Apparat verfehenen Neifenden; denn der 
Forfcher gilt als Spion, der mit Inftrumenten Beobachtende gar 
für einen Zauberer, und ſchwebt befländig in der größten Lebens⸗ 
gefahr. Daneben die großen, faft unüberfteiglichen Hinderniffe, 
welche der religiöfe Fanatismus dem Anderögläubigen in Arabien 
entgegenfeßt. Giebt e8 doch ganze Provinzen, die für »heilig« 
gelten und die folglich kein Nicht -Mohammedaner betreten darf; 
und zwar nicht allein das fogenannte heilige Gebiet (Mekka und 


405610 


vi Normort. 


Medina), fondern auch andere, wie das ftreng orthodore Hadhra- 
maut, der fanatifche Sof (Dfehauf), das unbetretbare Damaffir ıc. 

IH Hege nun zwar die Meberzeugung, daß jene Gefahren 
dur) große Opfer (Gefchenke und immer wieder Geſchenke an die 
Häuptlinge, damit dürfte man vielleicht felbft den Fanatismus 
zu entwaffnen hoffen) zum Theil befeitigt werden könnten. Aber 
feider ift der Krei® der Freunde der Erforfhung Arabiend nur 
flein und »feined Mäcenaten Güte« lächelt diefem Streben. Die 
wenigen kühnen Reiſenden, die in unferm Jahrhundert einen 
Zipfel des Schleierd, der died unbekannte Land bededt, gehoben 
haben, mußten die mit beſchraͤnkten Privatmitteln ausführen und 
hatten nichts zu opfern, ald ihre Gefundheit und ihr Leben. Das 
baben fie denn auch redlich gethan. 

In Folge folcher Beftrebungen ift der nördliche und mittlere 
Theil der großen arabifchen Halbinfel in unferer Zeit, namentlich 
durch Wallin, Sadlier, Balgrave und Guarmani, menigftend 
bruchſtückweiſe, aus dem Reiche des Unbelannten gerettet worden. 
"Oman und Demen gehören ebenfalld zu den halberforſchten Län⸗ 
dern. Bon Demen bat und in allerneuefter Zeit der muthige 
Reifende, Joſeph Halevy, der unter unfäglichen Entbehrungen 
und Leiden, als arabifcher Jude verkleidet, tief ind Innere vor- 
drang, die biöher faft gänzlih unbekannte Ofthälfte enthüllt, wie— 
wohl die erwähnten Uebelftände ihm eine woifjenfchaftlich - geogra- 
pbifche Erforfhung natürlich zur Unmöglichkeit machten. 

Die genannten Xändertheile find alfo, wenn auch leider nod) 
lange nicht genügend, fo doch einigermaßen bekannt. Da bleibt 
aber noch immer eine außerordentliche Maffe des gänzlich Unbe- 
fannten. Namentlich gehört hierzu der füblichfte Theil Arabien, 
Hier taucht, wie eine Dafe in der Wüfte des Unbekannten, das 


Vorwort. VII 


Reiſegebiet unſers Landsmannes, von Wrede, auf. Died Gebiet 
ift Hadhramaut, defien (freilich gleihfalld nicht eract- wiſſenſchaft⸗ 
liche) Erforſchung wir dieſem kühnen Pionier verdanken. Aber 
rechts und links von dieſem Gebiet ſchwebte noch Alles im Nebel. 
In der Abſicht, zur Verſcheuchung dieſes Nebels beizutragen, habe 
ich die Reiſe unternommen, deren Verlauf und Ergebniſſe das 
vorliegende Buch ſchildert. 

Dieſes Buch zerfällt in zwei, weſentlich verſchiedene Thell 
Der eine iſt, wenn man will, vorwiegend touriſtiſch, der andere 
geographiſch. Letzterer, der zweite Theil, enthält die Ergebniſſe 
ſowohl meiner eigenen Reiſen im tiefſten Süden Arabiens, als 
der Erkundigungen, welche ich über dieſes Yändergebiet eingezogen 
habe. Diefe Erkundigungen find nicht ohne ein mohlüberlegtes 
Syſtem und nicht ohne eingehende Kritik gemacht worden, mie der 
Leſer aus dem Erſten Capitel des zmeiten Theile dieſes Buches 
(S. 193 u. ff.) erfehen dürfte. Sind diefe Erkundigungen und 
die nad) ihnen entworfene Karte auch nur annähernd richtig, fo 
wird durch fie über einen beträchtlichen Theil Arabiend (etwa fo 
groß wie dad Königreich Bayern) Licht verbreitet, über ein Land, 
welches früher für und tabula rasa mar. Der erfte Theil des 
Buches dagegen enthält die Reife nach (nicht in) Südarabien, 
die Küftenfahrten längft des rothen Meeres, einen Aufenthalt in 
Dihedda, in Aden, Nachrichten über Handel, Schifffahrt u. ſ. m. 

Während ich hoffe, daß der Freund der Erforfhung Ara- 
bien erkennen wird, daß der geographifche Theil dieſes Werkes 
denfelben einen dauernden Werth fichert, fehmeichele ich mir zu 
gleicher Zeit, daß der Liebhaber touriftifcher Lectüre im erften fo- 
wohl Unterhaltung als auch manches Wiffenswürdige finden 
werde. Bor allen Dingen aber möchte ich Durch Diefed Buch an- 


vınm Vorwort. 


regend wirken, damit die kleine Gemeinde der Freunde Arabiens 
fi vergroͤßere, der Forſchungstrieb gleichfalls für dieſes Land ge- 
weckt werde und unter den Forſchungseifrigen ſich auch Einer oder 
der Andere finden möge, der ſelbſt ſein Theil zur Entſchleierung 
dieſes umhüllten Landes beitragen wird *). 


Den 1. Juni 1873. 


Heinrich von Maltzan. 


*) Für den Arabiften die Bemerkung, daß alle Namen nach Aufzeichnungen von 
Arabern arabiſch gefchrieben und von mir nah dem Syſtem ber Deutichen Morgen= 
ländifchen Geſellſchaft transferibirt wurben, doch ftets mit Berüdfichtigung ver Aus- 
ſprache. So die Diphtongen ai und au meift als langes e und als langes o, bie 
furzen Bocale, wenn ſchwach, als kurzes e. Dſchim ift durchweg „g“ gefchrieben, 
ghain zuweilen „ch“, das Schluß-y im Relativ als einfaches „i“, tha einige Male 
als „3“, Ba faft inner „dh“ (dhad): Alles ver füharabifchen vialeftifchen Ausfprache 
gemäß. Typographifche Schwierigkeiten haben in den letzten zehn Capiteln zuweilen 
zur Weglaflung der Punkte und Striche unter d, t, 3 u. f. w. genöthigt, boc tft 
Sorge getragen, daß in ben Itinerarien ftets bie volle Form genau wiedergegeben 
wurde. 


Inhalt. 





Erſter Theil. 
Neiſe nad Südarabien. 


Megypten. 
Erſtes Capitel. Neue Geſtalt von Alexandrien und Cairo. 


Ueberfahrt. — Europaͤiſche und levantiniſche Elemente. — Wahre und falſche Millio⸗ 
näre. — Das modernſte Aegypten. — Paßplackereien. — Hotels. — Alexandrien. — 
Ein Schauderproceß. — Menſchenhandel. — Theater von Cairo. — Neubauten. — 
Die Hausmaniflrung Eairos. — Eine feltfame Straße. — Erpropriirte Stäbter. — 
Die Ertreme der Bultur. — Das alte Bairo. . - 2 002m. . &1—6. 


Zweites Gapitel. Die Cultur, die alle Welt beledt. 


&eichmadlofigfeit moderner Häufer. — Drei Reformperioden. — Aegypten zu Nie- 
buhr’s Zeit. — GBuropäertfum. — Der Kröfus von Cairo. — Flle M Millios 
näre. — Ein Lieferant. — Seltfame Begriffe von Fachkenntniß. — Suropäile 
ergogene aagonter. — Die goldene Jugend. — Offenbach's Texte arabiſch. — 

erungsichulen. — Unmwiflenheit. — Die Effendi » Elaffe. — Arabiſche Gelehr. 

— — Mangel guter Volksſchulen. — Hospital. — Irrenhaus. — Immo: 

nen S. 7— 14. 
Drittes Capitel. Ein Beſuch beim Khedive. 

Reichthum des Khebive. — Mebertriebene Lobhubeleien. — Yinanzmaßregel. — Ber: 
haͤltniß zum Sullar. — Das Kanzelgebet. — Zugänglichkeit Des Birefönigs. — 
Borzimmer. — Der Zeitungsbeamte. — Schwinden des Zragig um prenttgig — 
Audienz. — Geſpraͤch über Landeultur. — Ein fomifher M Isrif — Nachah⸗ 
mung, von Baris. — Fürſtliche Familie. — Dienerihaft. — Der rbpring. — ers 
nünftige Anflchten. — Andere Mitgliever ver —— — Die Mutter des Khe⸗ 
dive. — Die Wittwe Said Paſchas.. ©. 15 —19, 


| Südaradifhes in Negypten. 
Viertes Capitel. Cine Eolonie von Hadrami in Cairo. 
Handel Gairos mit Arabien. — Die Hadrami. — Vorurtheile gegen fi. — Ein 


arabifcher Kröfus. — Einfuf F Europaͤifirun . — Seltſames Mißverſtaͤndniß. — 
Der tobte und der lebende Schehd. — Gin Moslem als Freimaurer. — Euro⸗ 
päifhe Schurferel. — Der Schech der Hahrami. — Das Wirthshaus der Dös 
“aner. — Phyfiognomien ber Südaraber. — Ihre Lebhaftigfeit. — Sonderbarer 
Empfang. — Man hält mid für Wrede. — Abd el Hub. — Mittheilfamfeit der 
biefigen Dö’aner. — Beflätigung der Wrede'ſchen Berichte. — Seltfame Steuer: 
eintretbung. > 00 2 00 rer ne S. 0 — 25. 


x | Inhalt. 


Reiſe nad Xrabien. 
Yünftes Capitel. Bon Cairo nach Dſchedda. 


Vorbereitungen zur arabifchen Reife. — Utenfilien. — Diener. — Treffligfeit ber 
nubifhen Dienftboten. — Unehrlichfeit der Aegyter. — Verſorgungsweiſe mit 
Geld. — Ein Mißgriff. — Der räuberifhe Diener. — Liſt, un einen Widerwär- 
tigen zu entfernen. — Eifenbahn von Cairo nah Suez. — Hotels in Suez. — 
Bergnügungen in Sue. — Das Kaffeehaus. — Die Spielbank. — Driginelle 
Weile, Kunden herbeizuziehen. — Wirklihe und angeblide Griehen. — Eine 
Spitzbubenbande. — Schwindel mit Steuer, Quarantäne und Telegraph. — 
Die Dampfichiffsgefellfehaft. — Sonverbare Matrofen. — Der Commandär. — 
Zurüdgefegte Officiere. — Unftänplichfeiten beim Billetverfauf. — Paßplade- 
reien. — Ungerechte Behandlung der Eingebornen. . . » .. . - S. 26 — 32. 


Sechſtes Capitel. Ein Pilgerſchiff. 

Pilgerreiſe vor dem Ramadaͤn. — Türkiſche Pilger. — Enge Verpackung ber Pil⸗ 
ger. — Die Metuafin. — Die Lebemänner des Orients. — Der Zemzemi. — 
Bropneid der Pilgerführer. — Schulmeifterei alter Türfen dur Fnabenhafte 
Führer. — Das religiöfe „Seihäft“. — Unwiffenheit ver Pilger. — Borur: 
theilsfreiheit der Metuafin. — Sie wollen deutfche Unterthanen werben. — Be: 
fehrungsverfucdhe. — Der alte Bekehrer. — Langweilige Predigt. — Gründe für 
Befehrung zum Islam. — Die Javanefen. — Ihr Schmutz. — Ihr Reihthum. — 
Metteifer der Metuafin um die Javanefen. — Todesfälle auf dem Pilgerſchiff. — 
Sonderbare Beftattung” — Ankunft in Danıbo. — Unficherheit ver Gegend. — 
Der hohe türkifche Beamte und fein unverfchänter Beſchützer. — Gin entarteter 
Beduine. — Befuh in Vambo. — Der Statthalter. — Der Bafar. — Pilger: 
einfleivung auf der Weiterfahrt. — Die Beichtväter des Islam. — Ihre interef- 
firte Nachficht. — Ankunft in Dſchedda. — Faulheit der Zollbeamten. — Leiden 
der Pilger. 2 00 0 0 00 en ©. 33 — 4. 


Siebentes Gapitel. Dſchedda. 


Bortheilhafte Veränderung der Stadt. — Die Choleracommiſſion. — Das Hütten 
ewirre. — Die Broftitution und ihr Viertel. — Die Hüttendörfer. — Stein: 
äufer. — Schöne Bauart. — Acht arabifhe Hauseintheilung. — Sinmohner- 
zahl. — Ihre Beitandiheile. — Die Dö’aner aus Hadramaut. — Die Handels: 
genice Arabiens. — Fanatismus und Mißtrauen gegen Reiſende. — Gigenthünn: 
ihe Namen. — Die griedifche Colonie. — Ein Hotel in Dſchedda. — Brannt- 
weineinfuhr und Weinverbot. — Die Confulate. — Der Pafıha von Dſchedda. — 
Ein grober alter Türke. — Lächerliche Lobhubelei. — Der „Beichüger der Armen“. — 
Maflermangel in Dſchedda. — Sogenannte Regenzeit. — Wohlthätige Stif- 
tungen. — Speculationen der Waflerverfäufer. — Die zerftörte Waflerleitung. 


In S. 46 — 56. 

\ Achtes Capitel. Der wahre Herr von Hegaz. 

Irethümer’in Bezug auf die türfifche Macht in Hegä;. — Wahre Stellung der tür- 
kiſchen Beamten. — Der Großfherif. — Sein politifcher Einfluß. — Sein Reid: 
thum. — Sein Beamtenftab. — Ohnmacht des Paſchas in einem Erbſchafts⸗ 
eonflict. — Ausflug eines Sranzofen nad Täyef. — Durch den Großfcherif aus 
Gefahr errettet. — Schattenautorität des Sultans. — Der „Diener der heiligen 
Städte”. — Vorurtheilslofigfeit des Großſcherifs. — Sein Verhalten gegen Euro: 
päer. — Sein edles Benehmen. -. - 2 2 20 . ©. 57 — 63. 


Neuntes Gapitel. Der Ramadan in Wrabien. 


wihtigfeit bes Ramadan. — Beſtimmung feines Anfangs. — Der Bote von Mekka. — 
aͤchtliche Geſchaͤftigkeit. — Lebhaftigkeit des Markts. — Der Sklavenmarkt. — 
Negerſklaven. — Abeſſinier. — Wohlfeilheit ver Sklaven. — Die Tagesqualen 


Inhalt. " xI 


der Faftenden. — Ihre Streitfucht. — Gerichtsſtillſtand. — Der Diwan bein 
Paſcha. — Eine EComödie. — Der gefangene Koh. — Ein wibiger Verbrecher. — 
Beilegung eines komiſchen Conflicts. — Ein orientalifher Diplomat. — Ber: 
gnügungen im Ramadän. — Das Hüttendorf. — Banatismus leichtfertiger 
Frauen. — Monotonie des Ramadän in Dſchedda.. » - . . . ©. 64 — 74. 


Zehntes Gapitel. Das Grab der Eva. 


Elftes Capitel. Der Handel von Dichedda. 


Handelsfrage. — Segelihifffahrt von Europa nah Dſchedda. — Dampfſchifffahrt. — 
Art der Binfuhr europäifher Waare. — Ihr Abfap in Dſchedda. — Vortheile 
ber einheimifchen Handelsweiſe. — Guropäilcher Import. — Oſtindiſcher Im⸗ 
port. — Megnnkilher Import. — Import der Griehen. — Ginheimifher See: 

andel. — Mittlere Frequenz des Hafens von Dſchedda. — Handelsſaiſon. — 
abotage. — Provenienz einheimischer Waaren in Dſchedda. — Export. — Dſchedda 


als Bermittlungshafen. — Kaffeehandel von Hodaida. — Vorzüge ber einhei- 
mifchen Kaufleute. — Hadrami. — Inbifhe Kaufleute. — Ihre Beherrſchung 
des Marktes. — Aneignung des einheimifchen Handelsverfahrens durch Curo⸗ 
paͤer. — Vortheilhafte Geſchaͤfte eines Marſeiller Hauſes. — Die Hauptbedingung 


des Handelserfolgs in Arabien. — Ausfichten für Abſatz deutſcher Fabrikate. — 
Waaren, die der Concurrenz erliegen. — Kaffeepreiſe im Jahre 1870. — Abga— 
ben von Waaren. — Preiſe für Waarentransport. — Geldwaͤhrungen & Diner. 


Oſtafrikaniſche Küſte. 
Zwolftes Capitel. Suakin. 


Verfehlte Reiſeplaͤne. — Spradliche Raͤthſel. — Laͤcherliche Ausfunftsgeber. — Ab: 
fahrt von Dſchedda. — Das Schiff Suafin. — Der ECommandär. — Seine 
Nautik. — Feſtſitzen. — Sein Dienftbuh. — Die fauren Nepfel. — Streiche 
eines Italieners. — Der angeführte Au — Nachtheile und Vorzüge einheimticher 
Schiffe. — Einfahrt in Suafin. — Die falfehen Heiligengräber. — Das Land 
der Schwarzen. — Typus und Phyfiognomien. — Die Frauen. — Tabadfauen. — 
Arabiſche Zahnftocdher. — Beſuch bei Montag en Zelen gebildeter Moglem. — 
Laxheit ver Vornehmen im Glauben. — Der falſche Telegraph. — Gnglifhe In- 
genieure. — Der Sanitätsagent. — Guropäifches Elend in Suafin. — Gang 
dur die Stadt. — Gummihandel. — Suafin, das Eldorado der Schwarzen. — 
Die ſchwarzen Mäbchen. — Ihre moraliſchen Vorzüge. — Die Ganztoiteite. — 


NRamadan- Jubel. — Montäz Paſchas Eulturpläne . . . ... 
Dreizehntes Capitel. Maſſauwa. 
Fahrt von Suafin nach Maſſauwa. — Des Commandaͤrs Proben der Nautik. — 


Inſelarchipel. — Einfahrt. — Kriegeriſche Gerüchte. — Angebliche engtiiäe 
Zruppenlanbung, — Die Bali: Bozufs. — Der Sendfhal. — Die Straf: 
arnifon. — Die Infel Maflauwa. — Glende Bauten. — Schwierigfeit des 
nterfommene. — Ein beutfcher Kaufmann. — Fanatiſche Hausbefiger. — Eonful 
Munzinger. — Gin geborener Reifender. — Wranzöftihes Gonfulat. — Munzin- 
ger's Fuͤhrung der englifchen Erpebition. — Undank der Regierung. — Dilfior 
näre. — Die Schweden in Maſſauwa. — Grfolge der Katholifen. — Gin Ge: 
fangener Theodor's. — Merfwürbige Jagdabenteuer eines Deutſchen. — Ginger 
mifche Bevölkerung. — Abneigung gegen Europäer. — Die Hadrami. — Die 
Banianen. — Ihre commercielle Stellung. — Der Gouverneur. — Seine Ber: 
beſſerungen. — Gartensultur, — Waflernangel. — Bautenreform. — Strenge 


xii Inhalt. 
Schlimme geſundheitliche Folgen. — er" A Va der Frauen. — 


Bierzehntes Capitel. Handel von Maſſauwa. 


Maſſauwas Hinterländer. — Commerzielle Bebeutung des Platzes. — Mebertriebene 
Anpreiſung derſelben. — Import in Maſſauwa im erſten Halbjahr 1864. — 
PBrovenieng bee Imports. — Bertbeilung des Iniports. — Erport. — Abnahnıe 
des Exporis von Abdeffinien. — Verſchwinden des abeffinifchen Kaffees. — Sklaven: 
ausfuhr. — Zunahme des Moſchus. — Karamwanenbetrieb. — Hafen von Maj- 
fauwa. — Einnahme des Sollamts. — Breife für Waarentransport, — Gewichte. — 
Maaße. — Münze. ©. 113 — 121. 


Sünfzehntes Capitel. Abeſſiniſches in Maſſauwa. 

Zuſtaͤnde in Er nach Theodor's Fall. — Theodor’s Größe und Bebeutung. — 
Sein Wahnfinn. — Die jegigen Machthaber. — Ihre Ohnmacht und Zerſplit⸗ 
terung. — Aba Kaiſt. — dochenraub. — Bin „Rebell“ in Habeſch. — Me 
fonen von Samaflen. — Gefangene Fürften. — Gin abeffinifcher Geſandter. — 
Mißbrauch der Gaſtfreundſchaft. — Trunffuht der NAbeffinier. — Der Taäd 
(Honigbier) und feine Bereitung. — Mbeffiniihe Frauen. — Ihre Vorzüge. — 
Ehe zwifchen Deutihen und Abeffiniern. — Der intentionelle Mörder Munzin- 

ers. — Seine Mitfchuldigen. — Seine Freilaſſung. — Ein Verbrecher als 
* — Nothwendigkeit der Bewaffnung in —8 — den des Lan: 
des. — Ein Franzoſe am Hofe Kafla’s. — Schimper. — Die Griechen in Adua. 


S. 122 — 132. 
Rothes und Axabiſches Meer. 
Sechszehntes Capitel. Segelfahrt von Maſſauwa nach Aden. 


Engliſches Seat — Kohlenverſchwendung. — Der Eapitän bes „Weſtward 
9“. — Der Dragoman. — Ein Handelsgenie. — Meberfluß an Schiffsjungen. — 
Engliſche Matrofen. — Die Dfficiere. — Gontraft der verfchiedenen Schiffsiheile. — 
Der Pilot. — Seine ſchwindelhafte Nautik. — Der Lehrling bes Lootſen. — 
Paffionen eines arabifhen Seemannes. — Berhältniffe des, Pilotenthums. — Der 
Archipel von Dahlak. — Winpverhältniffe — Die Infel Zugur. — Kreuzfahrten. — 
Das Umſchlagen des Monfuns. — Kurze Kreuzungen. — Shih Said. — Ein 
Monfunhafen. — Infel Berim. — Bab el Mandeb. — Windſtille. — Nas 
"Ara — Gebel Dad. — Die „Efelsohren”. — Einfahrt in den Bufen von 
Aden. — Der oftindifhe Pilot. — Beſuche. — Parfl. — Banianen. — Die 
Heinen Geſchaͤfte des Eapitänd. - 2 22000000. S. 133 — 141. 


Hüdarabien. 
Siebenzehntes Lapitel. Leben in Aden. 
Stabt und Hafen. — Steiler Landweg. — Gafthöfe am Hafen. — Der Parfl. — 
Ein ehrlicher Photograpd. — Unterfommen in der Stadt. — Guropäifche Kauf: 


leute. — Ein fugendliher Schuldenmader. — Häufer in Aden. — Klimatifches. — 
Krankheiten. — Keuchhuſten. — Sonnenftih. — Scorpione. — Heilung des 


Officiere. — Lurus der Vornehmen. — Punkahs. — Englifche —5 — Der 
Padre. — Gefaͤlſchte Inſchriften. — Seltſame Trauung. — Damengeſellſchaft in 
Aden ©. 142 — 152. 


Achtzehntes Capitel. Adens öffentlihe Werke, Gebäude. 
Die Eifternen. — ‚Regenverhälnifle, — Neltefte Eifternen. — Ihre Reftauration. — 


Ihre Aufnahmefähigkeit. — Deffentlicher Garten. — Feſtungswerke. — Aden als 
Seefeftung. — Die Iſthmusfeſtung. — Die Infel Sira. _ Einheimifcse Stadt. — 


Inhalt. J XIII 


Der Hauptmarkt. — Berfchievene Quartiere. — Moſcheen. — Mangel an Alter: 
thämern. — Das Grab des “Aiderüs. — Das Todtenhaus der Barfl. — Leichen: 
vögel. — Barbarifche Sitte. — Tempel der Banianen. — Synagoge. — Katho- 
liche Sapelle.. 2 0 oo 00 en ©. 153 — 158. 


Neunzehntes Capitel. Adens Bewohner. 


Geringe Einwanderung den Englaͤndern rwinget — Unmöglichkeit, die Cinwan⸗ 
derer fern zu halten. — Zunahme der Bevoͤlkerung. — Einwohnerliſte. — Oft: 
indiſche Chriften. — Oſtindiſche Moslems. — Schüten, — Araber. — Schafei 
und Zaidi. — Dobayel und Raye. — Schriftgelehrte. — Der Didi von Aden. — 
Ein Aftrologe. — Der Dragoman der Regierung. — Seine Wichtigkeit. — So: 
mäli. — Seltfamer Haarpuß. — Somalifrauen. — Bagabundenthun. — Perfer. — 
Der Kröfus von Aden. — Ein fanatifher Schiite. — Banianen. — Ihre Liebe 
für Thiere. — Oftindifche Parias. — Neger. — Singi und Sudänt. — Barfl. — 
Handels⸗ und Krämergeil. - - - - 2200er ... S. 159— 172. 


Zwanzigſtes Capitel. Die Juden. 

Balfche Begriffe über Verbreitung der Juden. — Juden in Eentralarabien. — Sübd⸗ 
arabien von Alters her den Juden günftig. — Toleranz der Zäidi. — Intoleranz 
ber Hadrami. — Vermiſchung mit arabiſchem Blut. — Phyſiognomiſches. — Keine 
Sectirer in Südarabien. — Die Synagoge. — Der Oberrabbiner. — Ausſprache 
des Hebräifhen. — Gewerbe der Juden. — Vortheilhafte Ausnahmöſtellung 
der Juden. — Schutz der Geſetze und der Sitten. — ro ungen. — Fana⸗ 
tismus der Araber. — Hoffnung auf befiere Zuftände. — Nu —* der Adener 
Judenſchaft. — Beginnende Culturerneuerung.... ©. 173 — 181. 


Einundzwanzigſtes Capitel. Die ſüdarabiſchen Pariakaſten. 
Eigenthũmlichkeit des ſüdarabiſchen Pariaweſens. — Religion der Parias. — Parias 
in Centralarabien. — Strenge Standesbegriffe ver älteren Südaraber. — Ar: 
naud's Biertheilung der. Parias. — Adam. — Abgefondertes Wohnen. — Stam- 
mesftols der Beduinen. — Die tiefſte Paria- Kafte.e — Schumr. — Ihr Ge: 
werbe. — Mofcheeverbot. — Kupplerinnen. — Cine Paria -Sängerin. — Phy⸗ 
fionomifhes. — Ein fünarabifches Schönkeiteregifter in Berfen. — Dialekt der 
Parias. — Ihr Urſprung. — Falſche Anfihten. — Unmöglichkeit, ihren Ur: 
fprung zu befliimmen. — Gntflehung der Achdaͤm-Kaſte. — Verſchiedene Bes 
eichnungen für dieſe Kaftle. — Die Ahl Häyel. — Freiheit von Steuern. — Die 
arias find keine Stämme. - . - : . .... & 131 —19. 


Zweiter Theil 


Geographiiche Forſchungen im und über den fühweft- 
lichen Theil Arabiens, 


Erftes Capitel. Allgemeines. 

L Iwed und Natur der Forſchungen. — II. Meine Informanten. — III. Buftandes 
fommen der Karte. — IV. Stinerarien. — V. Orographie. — VI. Waͤdis 
VII. Klima und Bopdenerzeugnifie. — VII. Typus der Bevölferung. — IX. Abs 
flanımung ber Bölfer. — X. Sociale al ung der Sübaraber. — XI. Be 
flätigung meiner Erfundigungen durch arabiſche Geographen. — XI. Ueber ven 
Inhalt des beſchreibenden Theiles. - © - 2 200 ne. ©. 193 — 220. 


xiv Inhalt. 


Zweites Capitel. Wähidi - Länder. 


I. Name. — II. Seographifhe Lage. — III. Das Land ver Unteren Wähidi. — 


A. Grenze. — B. Seehäfen. — C. Gebirge. — D. Waͤdis. — E. Klima und 
Bodenerzeugnifle. — F. Bewohner. — G. Städte und Ortfchaften. — H. Alter: 
thümer. — 1. Große zebnzeilige Infchrift von Ghoräb. — Ueberſetzung. — 
2. Zweite Infchrift. — 8. Dritte Inſchrift. — J. Politiſches. — IV. Das Rand 
der oberen Wähidi. — A. Grenzen. — B. Gebirge. — C. Wädis. — D. Klima 
und Bobenerzeugnifie. — E. Bewohner. — F. Städte und Ortihaften. — Hreiſe 
der Lebensmittel in Habban. — G. Alterthümer. — Inſchrift von Raab el Hagr.— 
Veberfeßung. — H. Politifches. — I. Sociale Zuftände der Waͤhidi. S. 221 — 234. 
Drittes Gapitel. Diebiland. 
. Rame. — II. Geographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Seehafen. — V. Ge: 
birge. — VI.Wädis. — VII. Klima und Bodenerzeugniffe. — VIII. Stännte. — 
MWrede’s Angaben über die Stämme. — Die fleben eigentlichen Diebiftänme. — 
IX. Ortſchaften. — X. Politiſches — XI. Sprachliche Sigenthümlichfeiten. — 
xD. Abftanmung. -» - : 20 nr nne ©. 234 — 238. 


Vierte Capitel. "Aulagiländer. 


. Name. — Irrthümer in Bezug auf den Namen. — II. Geographifhe Lage. — 

III. Grenzen. — IV. Eintheilung. — V. Das Land der Unteren "Aumwaltg. — 
A. Berge und Hochebenen. — B. Wadis. — C. Klima und Bovenerzeugniß. — 
D. Stämme. — Irrthum in Bezug auf einen Stamm. — E. Stäbte und Ort: 
Ihaften. — Irrthum in Bezug auf, einen Stäbtenamen. — F. Politiſches. — 
VI. Das Land der Mittleren Auwalig. — A. Beichaffenheit des Landes. — 
B. Stänne. — C. Städte und Ortſchaften. — D. Politiſches. — VI. Das 
Land der Oberen Auwaͤliqg. — A. Gebirge und Hocebenen. — B. Waͤdis. — 
C. Klima und Bodenerzeugniffe. — D. Salinen. — E. Stämme. — F. Städte 
und Ortfchaften. — G. Seßhafte und Nomaden. — H. Dobayel und Raye. — 
J. Auswanderung. — K. Politifches. — L. Juſtiz. — M. Sklaverei. ©. 238 — 252. 


Fünftes Capitel. Das Land der Fodli oder Otmani. 


I. Rame. — I. Geographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Berge und Tiefländer. — 
v. Waͤdis. — VI. Klima und Bodenerzeugniſſe. — VI. Gintfeilung. — 
VIII. Staͤmme. — IX. Städte und Ortſchaflen. — A. Im eigentlichen Fodli⸗ 
land. — B. Stadte in Abian. — Eine angebliche Stadt im Fodliland. — X. Dy⸗ 
naſtie de Otmaͤni. — XI. Politiſches — XI. Juſtiz. — XIL. Gottesgericht. — 
XIV. Geſchichtliches (aus neuerer Zeit). — XV. Gin Otmäniprinz als Geißel. — 
XVI. Sitten, Religion u. f. w. — XV. Waffen... .... ©. 252 — 268. 


Sechstes Capitel. Datina. 


. Name. — II. Geographiſche sage. — IH. Grenzen. — IV. Bopenerhebung. — 
V. Waädis. — VI. Klima und Bobenerzeugniffe. — VII. Betwohner. — VII. Ort: 
haften und Schlöffer. — IX. Bolltifihee.. - - . . 222. . ©. 269 — 274. 


Siebentes Capitel. Audeliland. 


.Name. — I. Geographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wädis. — VI Klima und Bodenerzeugniffe. — VII. Bewohner. — VIIL Städte 
und Ortfchaften. — IX. Schlöfler. — X. Politifdes. — XI. Sitten, Religion ıc. 


. S. 275 — 282 
Achtes Kapitel. Naͤfi a. 
. Rame.. — I. Geograpbilihe Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Waͤdis. — VI. Klima und Vodenerzeugnifle. — VII. Politiſche Eintheilung. — 
VID. Unteryafiia. — A. Stämme. — B. Städte und Ortfchaften. — 1. Im 
Hodlande. — 2. Im fünlichen Tieflande, bei Abian. — 3. Im öſtlichen Tieflande 
— — 4. In den weſtlichen Senkungen von W. Bonna (gleichfalls 
Kaffeediſtriet). — C. Schlöfler. — D. Politiſches. — E. Juſtiz. — F. Gottes: 


Inhalt. xv 


gericht. — IX. Oberyäflia. — A. Stämme. — B. Städte und Ortſchaften. — 
C. Politiſches. — X. Gefhichtlihes. — XI. Sitten, Religion sc. — XII. Sprad: 
lie Eigenthümlichfeiten. — XIII. Phyfiognomifhes. . . . . . S. 283 — 300. 


Neuntes Capitel. Rezaz. 


I. Name. — II. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wädis. — VI. Klima und Bodenerzeugniſſe. — VIL Mineralquelle — 
VII. Stämme. — IX. Stüdte und Ortſchaften. — X. Politifches. — XI. Juſtiz. — 
XU. Blutrade. — XI. Sitten, Religion u. |. w. — XIV. Barias. S. 301 — 309. 


Zehntes Gapitel. Gezab. 


L Name. — HD. Geographifche Lage. — IH. Örengen. — IV. Bodenerhebung. -- 
V. Waͤdis. — VI Flußſyſteme. — VI. Klina und Bodenerzeugniſſe. — 
VIH. Stämme. — IX. Ortſchaften. — X. Politifhes. . . . . ©. 310 — 813. 


Elftes Capitel. Aqaͤreb. 

I. Rome. — II. Öeogeaphifdie Lage. — IH. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Waͤdis. — VI. Klima und Bodenerzeugnifie — VI. Ortichaften. — VIL. Der 
Sultan der Aqaͤreb und fein Hof. — IX. Regierung. — X. Juſtiz. — XI. Sit: 
ten, Religion u. |. w. — X. Gefhictlihes. -. . - .». .... ©. 314 — 323. 


Zwölftes Capitel. "Abdeli- Land oder Laheg. 

LI. Name. — DI. Geographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wädis. — VI. Klina und Dobenerzengnäfle. — VD. Stänme. — VI. Stäpte 
und Ortſchaften. — IX. Sultan, Dynaftie und Hof. — X. Regierung. — 
XI. Finanzen. — XI. Münze. — XIII. Militär. — XIV. Juſtiz. — XV. Aus⸗ 
wärtige Politif. — XVI. Oberhoheit über frenıde Staͤmme. — XVII. Gedicht: 
liches — XVII. Religion. — XIX. Sitten und Gebräude. — XX. Gaſtfreund⸗ 
fchaft. — XXI. Europäer in Laheg. — XXI. PVerrüdte Heilige. — XXIH. Ju⸗ 
den und Parias... 5. ©. 324 — 849. 


Dreizehntes Capitel. Haufchebi = Land. 


LT. Name. — DI. Seographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bobenerhebung. — 
V. Wadis. — VI Klima und Bobenerzeugniffe. — VII. Bewohner. — VIII. Ort: 
fhaften. — IX. Politisches. - - - - 2 2. 2 2 een nn ©. 350 — 352. 


Vierzgehntes Capitel. Amir - Land. 

L Name. — DL. Geographifhe Lage. — III. Grenzen. — IV. Beſchaffenheit des 
Landes. — V. Wadis. — VI. Berge. — VII. Stämme. — VII. Stäbte und 
Ortſchaften. — IX. Politiſches — X. Altertfümer. — XI. Hamdani's Angaben 
über diefes Rand. . 2 2: 0 00 ern en S. 358 — 360. 


Tünfzehntes Capitel. Schaheri - Land. 
I. Name. — U. Rage. — IH. Beſchaffenheit des Landes. — IV. Stänme. — 
V. Ortſchaften. — VI. Religion. — VD. Politiſches. . . . . ©. 361 — 363. 


Sechözehntes Capitel. Kleine Stammesgebiete zwiſchen Dhala‘ und Yerim 
und Dhala und Reda. 


IL Allgemeines. — IL. Haqi. — II. Fegra. — IV. Gehaf. — V. Da’teba. — 
A. Ausbehnung des Landes. — B. Beichaffenheit des Landes. — C. Waͤdis. — 
D. Stänme. — E. Stadt. — F. Regierung. — G. Stellung ber Juden. — 
H. Barias. — J. Sitten und Gebräude. — VI. Merrais. — VII. Ahmedi oder 
Auwas. — VII. Haſcha. — IX. Ahl Abahela oder Mauya. — X. Adareb. — 
XI. Amar. — XI. Sayadi. — XIU. Schaif. — XIV. Hobab. — XV. Da: 
zidi. — XVI. Talab. — XVII Hobefhi. — XVII Rev. — XIX. Gefe. — 
XX. Schlußbemerfung.- - » - 20 2 en 8 S. 364 — 375. 


xvi Inhalt. 


Siebenzehntes Capitel. Sobehi - Land. 


I. Name. — II. Geographifche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bobenerhebung. — 
V. Wädis. — VI. Klima und Bodenerzeugniſſe — VII. Stämme. — VII. Ort- 
ſchaften. — IX. Politiſches. — X. Geſchichtlichs. — XI. Religion. — 
ZU. Kleidung.. . S. 376 — 383. 


Achtzehntes Capitel. Hakmi und Meſchalcha. 
Lage dieſer beiden Küſtengebiete. — Hafen von Schech Said. — Verkauf an eine 


franzoͤſiſche Compagnie. — Schlechte Bel affenheit des Hafens. — Faulheit des 
Rechtstitels. — Anſprüche der Pforte. — Beration des Handels. S. 384 — 885. 


Neunzehntes Capitel. Mogteri- Land. 


I. Name. — TIL Ausdehnung bes Landes — III. enden bes Landes. — 
IV. Wapis. — V. Stämme. — VI. Ortſchaften und Schlöffer. — VO. Boli- 
tifches. — VI. Sitten und Gebräude. . . - 2 2220. . &. 886 — 389. 

Zwanzigſtes Capitel. Hogriya. | 

I. NRane. — II. ®eographifhe Lage. — IT. Grenzen. — IV. Gintheilung. — 
V. Beichaffenheit des Landes. — VI. Wädis. — VIL Mineralquelle. — VIII. Ge: 
birge. — X. Stämme. — X. Stäpte und Ortfchaften. — XI. Märkte — 
xD. Schloöſſer. — XIIL Religion. — XIV. Politiſches — XV. Sitten und 
Sebräude. - © > 00 0 nenne ©. 390 — 897. 


Einundzwanzigſtes Capitel. Kleine ſtädtiſche Gebiete bei Ta ig; 
oder Ta izziya. 

I. Name. — II. Deogranhiiähe Lage. — IH. Grenzen. — IV. Zwed der Mitthei- 
lungen über die Ta — — V. Beſchaffenheit des Landes. — VI. Charakter 
dieſes Gebiets in ſocialer Beziehung. — VIL Bewohner. — VIII. Politiſche 
Gintheilung der Taizziga. — IX. Städte und fläptifhe Gebiete. S. 398 — 403. 

Zweiundzwanzigſtes Capitel. Dhu Mohammed und Dhu Hofain. 
rätpjethaftes über biefe Völfer. — Belanntfhaften mit Dhu Mohammed. — Gin 
chech der Dhu Hofain. — Eroberung der Ungegend von Marib. — Wichtigkeit 
der Dhu Mohammed. — Ihre auegebehnten Groberungen. — Stellung der beiven 
. Stänme. — Ihre Wehrkraft. — Urfprung der Dhu Mohammed. — Die Hafhid 
und Bekil. — Sölpnerflänne der Imame von Sana. — VBorfahren der beiden 
Staͤmmer.... .. ©. 404 — 407 


Eriter Theil, 


Reife nah Hüdarabien. 


Kegypten 





Erſtes Capitel. 
Neue Geſtalt von Alexandrien und Cairo. 





Ueberfahrt. — Europäifhe und levantiniſche Elemente. — Wahre und falſche 

Millionäre. — Das modernſte Aegypten. — Paßplackereien. — Hotels. — Alexan⸗ 

drien. — Ein Schauderproceß. — Menſchenhandel. — Theater von Cairo. — Neu: 

bauten. — Die Hausmanifirung Cairo’s. — Eine ſeltſame Straße. — Expropriirte 
Städter. — Die Ertreme der Eultur. — Das alte Eairo. 


Mer die Veberfahrt von Trieft nad) Alerandrien im Herbit macht, Mird 
ich gewöhnlich Schon auf dem Schiff in ägyptiſchen Kreiſen finden, gebildet 
‚aus Europäern, Griechen, Levantinern, die im Nilland wohnen, der Som- 
merbite entflohen waren und num zum Winter zurückkehren. Das Schiff 
„Apollo“, das mich trug, führte ſogar auch ein Stüd „ägyptiſchen Hoflebeng“ 
beim. Dies gruppirte fih um einen Heinen Prinzen, zweiten Sohn des 
Khedive. Es war ein niedliches gejchniegeltes Büppchen, mit Parifer Ele- 
ganz gekleidet, daS Heine Ted Tofett auf dem Ohr und einen „Zwicker“ im 
Auge. Als ih das letzte Mal Aegypten bejucht hatte, jahen die Prinzen 
anders aus. Damals wär's aud) ohne einen Mamlufentroß nicht abge- 
gangen. Jetzt war von dem feine Rede, fondern zwei franzöfiiche Mentors 
und ein Kammerdiener (au Franzoſe, wie ed denn jeßt für bornehme 
Moslems der höchfte gute Ton ift, Europäer zu Dienern zu haben) beglei- 
teten die jugendliche Hoheit. Dieje ſprach auch faft immer franzöfiich und 
berrieth im Geſpräch jehr den Hummer, von Paris, aus dem fie der Krieg 
vertrieben hatte, getrennt zu jein. 

Den Hauptftod der Geſellſchaft bildeten aber griechiſche und levanti⸗ 
niſche Kröſuſſe. Dieſe Leute reiſen oft mit ſo viel Familiengliedern, daß 


Maltzan, Reiſe nad Südarabien. 1 


2 Ankunft in Alerandrien. 


fie ein Schiff Halb füllen. Ein reicher Grieche hatte mit Kind und Kegel 
20 Berfonen, ein anderer aud) über ein Dutzend, mehrere an die acht Mit: 
glieder. Sie kamen vom Sommeraufenthalt in öſtreichiſchen Bädern, wohin 
viele reiche Alerandriner jährlich gehen. Geld fparen fie nicht. Ich kannte 
einen, der bloß für Zimmer in Trieft 100 Gulden täglich ausgab. Dabei 
find es liebenswürdige Leute, d. h. auf der Reife. Zu Haufe gelten fie 
zu viel, um nicht ein wenig den Kröſusſtolz zu verrathen. Diefe Leute find 
meift ganz franzöfirt, jchleppen auch immer einen franzöfiichen Hauslehrer, 
Gouvernante und Bonne mit fih. Griechiſch fprechen fie nur mit den 
Dienfthoten, fonft ſtets franzöfiich. 

Auch einige in Aegypten jeßhafte Europäer mit wahren Millionär- 
manieren befanden ſich unter und. Ich erfundigte mich nad) dielen Herren 
und Damen und erfuhr allerlei Seltfames. Darin waren alle Befragten 
einig, daß das Vermögen diejer" Berfonen noch zu machen ſei. Uber fie 
Hatten gelernt, daß im Orient derjenige, welcher reich werden will, damit 
anfangen muß, ſich reich zu ftellen. 

‚ An beicheideneren Eriltenzen fehlte e8 auch nicht. Da war der unver- 
meidliche italienifche Doctor, der griechiſche Advocat, der engliſche Telegra= 
phift, die böhmischen Mufitanten und Harfenmädchen. Auch eine ganze 
Miffionsanftalt hatte fich eingefunden, die predigte und Lieder fang. Ne— 
benbei unreinere Elemente, beftehend aus gewiflen Walladhinnen, die, weil 
fie meift deutſch können, leider im Orient für „Deutſche“ gelten. 

Faſt alle diefe Leute farmten Aegypten, d. h. daS modernſte. Ich 
fannte das etwas ältere und fand mich in ihren Beichreibungen gar nicht 
zuredht. Aegypten mußte fich gewaltig verändert haben, wenn es diejen 
Beichreibungen entſprach. In der That fand ich e jo. Die Städte, die 
ich orientalifch verlafien, fand ich europäifirt wieder. Wlerandrien hat fich, 
wie es beißt, jehr verjchönert, d. h. es fieht aus, wie eine europäilche 
Stadt. Das Orientalifche war freilich bier nicht werth, conſervirt zu wer⸗ 
den, denn ed war modern, geichmadlos. Anders mit Cairo; doc) davon 
ſpäter. 

Gar nicht europäiſch iſt aber die Landung in Alexandrien. Dieſe iſt 
noch mit allen Paß⸗ und Mauthplackereien verknüpft, wie fie die finfter- 
ften Zeiten nicht ſchlimmer kannten. Unter einer Stunde konnte man nicht 
durch und ins Hotel, und giebt wenigftens 5 Thlr. aus, für Boot, Dra⸗ 
goman, Wagen, Beſtechungen u. |. w. 


Auch die Hoteld haben ſich mobdernifirt; ebenſo ihre Preife. Letztere | 


Hotels, Kaffeehäufer u. f. mw. 3 


find übrigens in Alerandrien durchſchnittlich noch 25 Proc. billiger, als in 
Cairo und dabei ift Alles befler. Dennoch find auch fie das Doppelte 
bon dem, was fie 1854 waren. Damals zahlte ich Alles einbegriffen täg- 
ih 2 Thlr. 20 Gr., jebt koftet Wohnung und Koft allein 4 Thlr., und 
Mein, Thee, Lichter fchmellen die Rechnung auf 6 Thlr. Dies in den 
billigeren Hotels. Yür ein folches galt das von mir erwählte Hotel Labat. 
Der Wirth, ehemaliger franzöfiicher Koch, wirthichaftete mit Lurus. Alles 
war trefflich. Freilich jollte ich ihn 6 Monate fpäter im ſchönſten Banferott 
finden. Seine Gläubiger ließen ihn übrigens ala Geichäftsführer, und 
das war human, für ihn und die Reifenden, denn man Iebte gut dort. 

Wenn man vom heutigen Alerandrien jagt, daß es etwa außfieht, 
wie eine ſchlechte Copie von Marfeille oder Trieft, mit malerifch zerlump- 
ten ägyptiſchen Bettlern als Staffage, jo bat man es bejchrieben. Auf 
dem Schiff war viel von europäifhen Bergnügungen die Rede. Ich fand 
aber, daß dieje fi zur Zeit auf ein Cafe chantant beichränften, mo ein 
Lied gegen „les Prussiens“ gefungen wurde. Die Kaffeehäufer find alle 
gemein. Sehr bejucht find die öſtreichiſchen Bierftuben und gejucht deren 
Berjonal. Eine Biermamjell hatte vor Kurzem zu einem Schauderproceß 
Anlaß gegeben. Ein reicher, aber perjönlich ſehr abjchredender Türke 
fiellte ihr nach. Da aber die Hebe ihm widerftand, jo miethete er einige 
Bravos, ließ fie rauben und gab ihr erft in einem halbtodten Zuftand die 
Freiheit wieder. Jetzt fißt er auf der Galeere, d. 5. was man hier fo 
nennt, denn für Reiche kann im Orient ſelbſt das Zuchthaus erträglich, 
ja zu einem Schauplat der Wolluft gemacht werden. Mein Diener kannte 
biefen Türken und bejuchte ihn in feiner Einfperrung, mo es nad) ihm 
gar nicht an den Huris des Paradiejes fehlte. 

Der Menichenhandel mit deutjchen, namentlich öſtreichiſchen Mädchen 
wird übrigens auch hier auf empörende Weife getrieben. Alljährlich reifen 
„ehriwürdige” Matronen, Borfteherinnen gemwiller Anftalten, von bier nad) 
Wien oder Peſth und kündigen an, daß fie Dienſtmädchen miethen wollen. 
Sie kehren dann gewöhnlich mit einem ganzen Serail zurüd, und die 
Mädchen haben oft feine Ahnung ihrer Beilimmung. Mehrere junge 
Alerandriner erzählten mir merkwürdige Dinge über die Art und Weile, 
wie diefe armen betrogenen Perfonen zu Fall gebracht werben. Bor zwei 
Jahren fprang eine, die ſich der „Hausregel“ nicht fügen wollte, aus dem 
Fenſter und tödtete fih. ES Hiek natürlich, fie ſei wahnfinnig gemejen. 
Rad fo etwas kräht fein Hahn! Wenn es aber gilt, einen Neger, ber 

1* 


4 Neuefte Geſtalt Cairo's. 


es bei feinem Herrn gut hat, zu befreien, dann rühren ſich die europäi- 
ichen Menjchenfreunde. 

Auf dem Eifenbahnzug zwiſchen Wlerandrien und Cairo Tormte ic 
mid in Italien glauben. Wo ich hinſah, erblidte ich Italiener. Es wa- 
ren die Opern-, Ballet- und Circug-Truppen, die der Khebive für ben 
Winter verfchrieben hatte. Nur die Comödie war durch Franzoſen ver: 
treten. Cairo verdankt diefem Fürſten vier Theater, von denen wenigſtens 
brei jeden Winter ſpielen. Es ift dies der neuefte Verſuch, das Land zu 
civilifiren. Die Europäer in Cairo freuen fich natürlich über diefe Manie, 
die nur ihrem Vergnügen fteuert. Die Sänger und Sängerinrten, mit de 
nen ich zufammen reifte, ſchwammen in Seligfeit, denn bier wurden ihnen 
Preiſe gezahlt, wie fie fih’3 nie geträumt hatten. Man jagte mir, die erſte 
Sängerin befomme 200 Pfund Sterling für jedes Auftreten. Alle andes 
ren im Verhältniß. Sie hatten ein Eldorado gefunden. Alles dies zahlt 
ber Khedive (man jagte einige Millionen jährlih). Durch Billetverfauf 
geht wenig ein und ſelbſt dies wird noch oft verſchenkt. So ift es nidt 
felten, daß der Vicefönig einem feiner europäifchen Günftlinge die Brutto- 
einnahme von drei Theaterabenden ſchenkt, die fie jelbft controliven dürfen. 
Nur der Circus foll, wie mir der Khedive felbft jagte, einen heil ber 
Koften wieder einbringen. Man ſprach viel von einer neuen Oper Verdi's, 
„Aida“ betitelt. Der Khedive hatte von Verdi dag Recht, fie zuerft auffüh- 
ren zu lafjen, theuer erfauft. Die Aufführung fam aber nicht zu Stande, 
da die beftellten Decorationen in dem damals belagerten Parid waren. 
Im Winter 1871—1872 holte man das Verſäumte nad). 

Wie verändert fand ih die alte Chalifenftadt, Cairo! Hier nannte 
man ed „berjchönert”. Mir kamen die Veränderungen ſowohl unfchön 
als unzwedmäßig vor. Letzteres weil die großen europäifchen „Mieth- 
faften“ für Orientalen faum zu bewohnen find, deren Gewohnheiten es 
zutiderläuft, mehrere Yamilien unter einem Dach zu vereinigen. Ganze 
orientalifche Stadttheile waren verſchwunden, und was erhob ſich an ihrer 
Stelle? Große cafernenartige Paläfte, Hotels, Minifterien, fünfſtöckige 
europäiſche Miethshäuſer, jo nüchtern und geſchmacklos, wie möglich. Das 
orientalifcehe Viertel, daS früher beim Pla der Esbekiye begann, ift num 
um die ganze Straßenlänge der Musi zurüdgedrängt.. Diefe Musti, Tonft 
eine drientalifche Bafarftraße, ift jeßt dicht mit europäifchen Läden, Fri⸗ 
jeurbuden, Wein und Branntweinkfneipen beſetzt. Die Esbekiye jelbft, ihrer 
Ihönen Bäume beraubt, umgeben neue folofjale Monftrebauten, bei denen 


Hausmanifirung. 5 


man ſich Alles, was Europa Nüchternftes hat, zum Modell genommen zu 
baben jcheint. Die eine Seite ift mit Theaterbauten ausgefüllt. Auf einer 
andern erhebt ſich ein Monftrehotel, halb Zellengefängniß, halb Waaren- 
magazin. Unter den neuen Baläften des Khedive, feinen Minifterien u. |. m. 
ift fein einziger Bau, der geſchmackvoll wäre. 

In den Seitenftraßen, wo die „Europäifirung” erft im Werk ift, 
fieht es noch fehauriger aus. Dort Hat die „Hausmanifirung“, für welche 
der Khedive fi in Paris enthufiasmirt hat, den gewohnten Bandalis- 
mus bethätigt. Hier ging fie noch rüdfichtslofer zu Werk, als anderswo. 
Man zog auf dem Stadtplan von einem Ende zum andern eine gerade 
Linie, die eine neue Straße werden ſollte. Alles, was auf diefer Linie 
fland, wurde niedergerifien, die Häufer oft in der Mitte durchfchnitten, 
Gärten, Brunnen, Moſcheen, Kunftbauten zerftört. So ift es mit ber 
neueften Straße, die mitten aus der Stadt nad) dem Bahnhofe führt. 
Diefe jehr breite „Straße” gli einftweilen noch einem fandigen Wüften- 
weg, d. h. was ihren Boden. betraf. Umgeben war fie recht3 und links 
bon in der Hälfte, im Drittheil, im Viertheil durchichnittenen Häufern, 
die nun als künſtliche Halbruinen ſich ſeltſam und unſchön ausnahmen. 
Da jah man ein halbes tapeziertes Zimmer, eine halbe Sfüche, einen halben 
Stall. Biele Zimmer hatten ein noch fo bewohntes Anfehen, daß es mar, 
als blicke man in die Geheimniffe diefer gewaltſam aufgededten Häuslich- 
feiten Hinein. Natürlich liegt es in der Abficht, Hier ganze Reihen europät- 
ſcher Häufer zu errichten. Aber mit ſolchen Neubauten geht's, wenn nicht 
ber Sthebive jelbft fie zahlt, fehr langjam. Europäiſche Privatleute und 
vornehme europäifirte Moslems, die bauluftig find, giebt es nicht genug. 
Die früheren Infaflen, meift Moslems aus dem Mittelftand, haben weder 
Luft noch Geld, europäiſch zu bauen, was hier immer ſehr koſtſpielig. Die 
erhaltene Entſchädigung ift ein Spottgeld, faum 30 Proc. vom Werth und 
diefes ſoll oft noch als Steuerquote berechnet werden. Die Leute find durch 
diefe Gewaltmaßregel aus der Stadt verbannt. Ich war neugierig zu er= 
fahren, wa3 aus ihnen wird? Nicht ohne Mühe gelang mir's. ragt man 
ägpptifche Beamte, fo wollen ſie's nicht willen (denn alle Unterthanen find 
ja officiell „glücklich“), und den Hiefigen Europäern ift es zu gleichgültig. 
Ih entdeckte es jo zu jagen ſelbſt. Einft ftieß ich in der Nähe der Abbaj- 
fihe, 1 Stunde von Cairo, auf ein neues Hüttendorf, von Nilſchlamm und 
Reifen erbaut. Einzelne Balmhütten tvaren noch im Bau. Ich ſprach mit 
den Leuten und erfuhr, daß fie ein Theil der erpropriirten Städter feien. 


6 Das alte arabiſche Cairo. 


Die anderen lebten in ähnlichen Schuppen in anderen Dörfern. So fördert 
die Regierung zu gleicher Zeit zwei Extreme der Cultur. Sie europäifirt 
einen Theil der Stadt. Ein großer Theil der Bewohner aber wird gezwun⸗ 
gen, zu einer Art von Naturzuftand zurüdzufehren und aus Städtern be— 
ſitzloſe Landbewohner zu werden, elender als die Fellahs, die wenigftens 
Bauern oder Pächter find. 

Man fragt fi, melde Geſchmacksverirrung ſich ber Regierung be⸗ 
mädhtigt Hat? Doc davon rede man ja in Cairo nicht. Alles gilt für 
„Verſchönerung“, für „civiliſirt“ und jelbit die Hiefigen Europäer loben es. 
Ihnen und den vornehmen Moslems gilt das ältere Cairo für geſchmacklos, 
barbariſch. Und dennoch mie ſchön ift es, wie zmedmäßig für dies Klima 
und die Gewohnheiten ber Moslemd gebaut! Gehen wir in biefen vom 
Bandalismus noch unberüßrten Stabttheil, jehen wir die ſchönen kunft- 
vollen Mofcheen mit ihren luftigen Terraſſen und ſchlanken Minaret3, mit- 
unter vom ehrwürdigften Alter, die Gänge, Bogen, Säulen, und oft in 
beträchtliher Höhe gleihfam ſchwebenden Balkone, die vielen Sebils (öffent- 
fihe Trinkbrunnen) mit ihren vergoldeten Gittern, die kunſtvoll geſchnitzten 
Genfter und Holzerker an den oberen Stodwerfen aller arabiſchen Privat- 
bäufer, die fäulenumgebenen Okaͤle (Fremdenhäufer), fo haben wir einen 
Begriff von dem Berluft, den Cairo durch Zerftörung vieler ähnlichen Bau- 
ten ſchon erlitten hat. Freilich ift im alten Stabdttheil Vieles verfallen. 
Aber mit dem Zehntheil der Koften jener europäifchen Neubauten hätte 
man Cairo als „arabijche” Stadt reftauriren und als eine „Perle des 
Orients“ erhalten können, während, wenn das fo fortgeht, es bald ausſehen 
wird, wie eine Arbeitervorftadt in einem induftriellen Centrum Europas. 
Waren Neubauten nöthig, jo fehlte es wahrhaftig nicht an unbenugtem 
Boden. 


Negypten. 


— — — 


Zweites Capitel. 
Die Cultur, die alle Welt beleckt. 





Geſchmacklofigleit moderner Häuſer. — Drei Reformperioden. — Aegypten zu Nie⸗ 
buhr's Zeit. — Europäerthum. — Der Kröſus von Cairo. — Falſche Millionäre. — 
Ein Lieferant. — Seltſame Begriffe von Fachkenniniß. — Guropäiih erzogene 
Aegypter. — Die goldene Jugend. — Offenbach's Texte arabiſch. — Regierungs⸗ 
ſchulen. — Unmifienheit. — Die Effendi-Clafſe. — Arabiſche Gelehrſamkeit. — 
Mangel guter Volksſchulen. — Hospital. — Irrenhaus. — Immoralität. 


Wie mit der Stadt, jo iſt's mit dem Innern der Häuſer. Auch hier 
ift Alles „verfchönert” und „civilifirt”. Die orientaliichen Wandverzierun- 
gen von Studatur und kunſtvoller Schnikerei werden als barbarifch mit 
europäifchen Tapeten überkleiftert. Falſche Blumenfträuße unter Glasgloden 
vertreten die Stelle einheimifcher Kunftgegenftände. Die einfache orien- 
taliſche Zimmerausftattung, die der Lebensweiſe der Leute allein entipricht, 
wird verbannt. An Stelle der türkiſchen und perfiihen Teppiche mit 
ihren harmonisch gedämpften Yarben kommen europäifhe Machwerke mit 
den intenfioften, jchreiendften Yarbentönen, wie Zinnober, fünftliches Ultra— 
marin, Chromgelb u. f. m., die in Europa für „orientalifch” gelten, wäh- 
rend der Orient zur Blüthezeit gar fein einziges, nach unferen Begriffen 
„brillantes“, d. H. intenfiveg und ungebrodhenes Yarbenpigment beſaß. 
Schwerfällige Möbel der ſchlechteſten Sorte fommen an die Stelle der 
Divane, der Heinen Perlmuttertiſchchen und kunſtvoll eingelegten Schreine. 
Alles dies ift den Leuten fehredlich unbequem, aber es ift „civilifirt”, und 
die Barole ift von oben herab gegeben, daß die Aegypter ſich civilifiren 
müflen. 

Schon dreimal wurde diefe Parole von oben herab gegeben, unter 
Mehemed Ali, unter Said und in neuefter Zeit unter Ismail. Eine „Re= 


- 


8 Europäer in Cairo, fonft und jet. 


form“ wurde auf die andere gepfropft und was ift das Reſultat? Nun ja, 
ein Rejultat läßt fi) nicht leugnen. Der Yanatismus if verſtummt, wenn 
auch nicht verſchwunden. Leſen wir frühere Berichte aus Aegypten, 3. 2. 
Niebuhr's: „Die Europäer, ſelbſt die Eonfuln, durften nur auf Eſeln reiten 
und mußten abfleigen, wenn ein vornehmer Moslem ihnen begegnete. 
Diefem lief ein Diener mit einem Knüppel voraus, der die Säumigen 
prügelte. Ein franzöfiider Kaufmann wurde kurz vor umjerer Ankunft 
zum Krüppel gejchlagen, weil er nicht jchnell genug abſtieg. Bei 24 Ge- 
richtshäufern, bei den Caſernen und einzelnen Mojcheen durfte ein Euro- 
päer nicht vorbeireiten. Ind Quartier el Karäfe, in die Rähe von Bäb 
Naçr, in die von Sitt Zainäb durfte er gar nicht lommen.“ 

Tas Hat fich freilich gewaltig verändert. Jetzt iſt eigentlih der Eu- 
topder der Herr der Straßen Cairos. Selbit des Khedive Borläufer 
können nicht wagen, ihn unfanft auf die Site zu ſchieben, während fie 
das Volk prügeln. Lebtere kann aud der Europäer ungeſtraft wagen 
und einzelne rohe Naturen treiben viel Mißbrauch damit. Selbft die Mo- 
jcheen können mit Erlaubniß beſucht werden, was weder in Tunis noch 
Marokko möglid if. 

Cairo ift jebt im Winter wie ein Weltbad geworden und bietet viel- 
fache Bergnügungen, Theater, Spielbanlen, in griechiſchen Kaffeehäuſern ges 
halten, Cafe chantants u. |. w. Wenn der Khedive Bälle giebt, Toftet ein Wa⸗ 
gen oft 100 Franc, und doch finden fi) Europäer, die es zahlen. Denn 
alle dieje Yreuden find faſt nur für fie. Ihr Hauptſpaß find die Eorjo- 
fahrten in der Echubra-Alle. Man ift erflaunt, die Menge eleganter 
Equipagen, gepußter Herren und Damen zu jehen. Unter leßteren find 
aud viele Pariferinnen, die hier mitunter ganz ähnliche Yortunen machen, 
wie im Quartier Breda, und als reihe Tamen Cairo verlafien. 

Die Europäer |pielen in Cairo nicht diefelbe Rolle, wie in Aleran- 
drien. In leßterer Stadt fiehen fie meift auf eignen Füßen, in Cairo 
find fie alle, mit wenigen Ausnahmen, vom Khedive abhängig. Großer 
Reihthum findet fi) nur bei jehr wenigen. Der Kröſus von Cairo ifl, 
mie ich hörte, deutjchen Urfprungs. Dieſes Glüdskind kam in menig Jab- 
ten zu jeinem Vermögen und zwar nicht durch Handel, fondern durch 
eine großartige Pachtung fürftlicher Güter. Der Borgang ift bezeichnend 
für ägyptiſche Berhältniffe. Der Sohn und Erbe Abbas Paſcha's fürchtete 
Confiscation feiner Güter durch Said, den ihm feindlichen Nachfolger jei- 
ned Vaters. Davor konnte er ſich nur jchüßen, wenn er biefe einem Eu⸗ 


U u 


Wahre und falfche Millionäre. 9 


ropäer verpaditete. Er lebte in Conſtantinopel und verbrauchte dort jähr- 
lich weit mehr als feine Einkünfte. Daher zahlreiche Vorfchüffe von Seiten 
des Pächters, die fich, als der Prinz ftarb, auf mehrere Millionen beliefen. 
Das Erbe fiel zum Theil dem Staat anheim. Said Paſcha meigerte fich 
indes anfangs, die Schulden zu bezahlen und beſchuldigte den Gläubiger 
des Betrugs. Diefer aber wuſch ſich glänzend rein. Er befaß nämlich 
eine Menge Blanco-Anweilungen, vom Prinzen fignirt, die er. unausgefüllt 
gelafjien Hatte. Said Paſcha jah darin einen Beweis großer Redlichkeit, 
zahlte alle Schulden und ſchenkte dem Mann fein Vertrauen. 

Die Mehrzahl der für reich geltenden Europäer Cairo's ift es jedoch 
nicht. Sie verdienen viel, aber fie leben ſehr koſtſpielig. Wer nicht ein 
glänzend montirtes Haus, zahlreiche Dienerjchaft, elegante Wagen und Pferde, 
eine Zoge in der Oper hat und überhaupt nicht Luxus macht, der gilt nicht 
für mehr, als ein Heiner Krämer. 

Alles dies koſtet Hier ungefähr das Bierfache, wie in Europa. Nicht 
als ob das Leben jelbft theuer wäre. Es ift im Gegentheil billiger, als 
in Europa. Aber alles Europäifche, jeder Lurusartifel wird mit Gold 
aufgewogen. Ein Beweis: man verlangt für zwei möblirte Zimmer oft 
150 Zhlr. monatlid, und dabei find fie elend möblitt. Im arabifchen 
Duartier dagegen befommt man für 14 Thlr. ein ganzes Haus. Diener 
in luxuriöſen Häufern verlangen 40 Thlr. Monatslohn. Ein arabischer 
Bürger zahlt höchſtens 7 Thlr. Aber Lurus, das ift die Parole, und 
große Ausgaben geben hier eine Stellung. 

„Reich ſcheinen“ ift deshalb eine Bedingung des Erfolges. Dieſer 
beruht hier meift auf Gelbgefchäften mit dem Staat oder der Daira (dem 
Privatbeſitz des Khedive) und auf Lieferungen. Letztere erlangt man nicht 
etwa durch jolide Eigenschaften, fondern durd) Beftändigkeit im Anticham⸗ 
briren, eine gewiſſe liebenswürdige Zudringlichteit, Viele. au) dadurch, daß 
fie fi bei Hofe „hänſeln“ lafien. „Den Hanswurft bei Hof ſpielen, das 
iſt aud) eine Stellung in Cairo,” fagte mir ein langjähriger Bejucher 
dieſes Hofes. Es fchmeichelt dem Moslem, daß ein „civilifirter” Europäer 
fich dazu hergiebt, Zielſcheibe feines Witzes zu fein, der übrigens ſtets gut 
gemeint if. Einem folchen wendet er auch im gegebenen alle große 
Bortheile zu. 

Mitunter kommen allerlei Seltfamleiten bei ſolchen Lieferungen vor. 
Es genügt nicht, daß der Staat fie verliehen hat. Man muß auch gute 
Freunde Haben, die fie anbringen. Dieſe Vorſicht Hatte ein großer Butter⸗ 


10 GSaftfreundfchaft des Vicekoönigs. 


. lieferant vergeffen und fand fi) dadurch in der unangenehmen Lage, daß 
ein „Chemiker“, der die Butter probiren follte, diefe für gefälfcht erklärte. 
In feiner Herzendangft lief er zu einem Freunde, von dem er mußte, DaB 
er mit dem Chemiler gut ftand. Dieſer fchlug ihm ein Compagniegeſchäft 
por und präfentirte nun die Butter unter feinem Namen. Und fiehe da, 
bie vorher für gefälicht erklärte wurde nun trefflich gefunden und die ägyp- 
tiihen Soldaten befamen fie zu eſſen. Manche diejer Lieferanten machen 
jährlich nur ein Baar Gefchäfte, -aber große, die jo viel abmwerfen, daß fie 
mit Luxus leben. Aber zu eigentlihem Reichthum bringen ſie's nicht. 

Merkwürdig einträgliche Gefchäfte machen auch die erften Hotels, be— 
fonders feit der Khedive angefangen hat, Europäer dort frei zu halten. 
Für jeden ſolchen „Saft“ zahlt er 60 Francs (16 Thlr.) täglich. Die Be— 
wirthung ift natürlich luxuriöss. Jeder Gaft hat das Recht, täglich fo und 
fo viel Flaſchen feiner Rothweine, Champagner u. . to. zu trinten, wovon 
freilid die Damen, jungen Mädchen, denn oft find ganze Yamilien zu 
Gaft, wenig Gebraud machen. Die Wirthe fehen diefe Gäfte fehr gern. 
Zur Zeit der Canaleröffnung war in den meiften Hotel don Cairo für 
felbft zahlende Gäfte nicht unterzufommen, da der Khedive fie alle in Be— 
ſchlag genommen hatte. Es war übrigens leicht eine Einladungslarte zu 
befommen. Man erzählte mir von einem deutſchen Handwerksburſchen, 
der ganz „abgebrannt” nad Cairo fam und ih großer Sorge war, wie 
leben. Da gab ihm Jemand den Rath, fich eine folche Karte zu verichaf- 
fen, wa8 er aud that und 14 Tage berrlih und in Yreuden lebte. Er 
galt natürlich für einen „Schriftfteller”. 

Es tft bedauernswerth, manche Europäer der befjern Urt hier oft 
viel tiefer geftellt zu fjehen, al8 andere. Der Orient ift eben ein Land, 
wo glänzende äußere Eigenfchaften mehr gelten, al3 ſolide. Bon Yachlennt- 
niffen namentli Hat man bier die feltfamften Begriffe. Ber Europäer 
muß Alles verftehen, denkt man, und fo ernennt man einen &hemiler 
zum Borfteher einer Montirungscommiffion, einen Architekten zum Schul- 
lehrer u. |. w. „Hier übt Jedermann eine andere Profeffion, als die, welche 
er erlernt hat,” fagte mir ein Kenner. 

Ganz fo geht e8 mit den Wegyptern, welche die verfchiedenen Vice- 
tönige in Europa fludiren ließen. Einer diefer, den ih kannte, fam als 
geſchickter Geometer von Paris zurüd, und welches Amt erhielt er hier? 
Er wurde Vorfteher einer Strumpffabrit fürs Militär. Im Ganzen 
gelten die, welche ſolide Kenntniſſe errungen haben, weniger, als diejenigen, 


Europäifirte Aegypter. 11 


welche mehr im Neußern „von der Cultur beledt” find, fertig franzöfiſch 
parliren, fi elegant Heiden und fleißig im Antichambriren find. Lebtere 
bilden die „goldene Jugend“. Sie finden meift ihre Verwendung bei 
Hofe, bei den europäifirten Großen oder im fogenannten „auswärtigen 
Amt”, welches, da Aegypten als Bajallenftaat firenggenommen keine äußere 
Politik treiben darf, blutwenig zu thun hat. Im Jahr der Canaleröff- 
nung hatte man jedod eine ihrer würdige Beichäftigung gefunden. Damals 
war die Parifer Leichtfertigkeit ganz bejonders hier im Steigen und man 
empfand das Bedürfniß, Offenbach'ſche Operetten aufzuführen. Damit 
aber ja die wenigen Fellahs, die fich ind Theater verloren, etwas davon 
verftänden, jo ließ man die Texte durch die „goldene Nugend” ind Ara= 
bifche überjegen. Es wurde ein gräßliches Kauderwelſch zu Tage geför- 
dert. Dieſe Literatur fand aber wenig Anklang. Die Aegypter empfan- 
den danach fein „tiefgefühlte® Bedürfniß“. 

Es kam mir vor, als flelle man die in England und Deutſchland Er- 
zogenen weit den in Paris Gebildeten nad. Bon erfteren, meift Inge⸗ 
nieuren, fannte ich mehrere, welche, obgleich durchaus tüchtig und im 
Dienft ergraut, e& zu nichts brachten. Die in Deutichland - Gebilbeten 
find größtentheild Aerzte. Auch unter ihnen hatte ich Belannte, die wahre 
Berbannungspoften, wie in Sualin, Dichebda, im Sudan einnahmen. Sie 
haben eben nicht den Schliff und der gilt hier Alles. 

Die in den ägyptiſchen Regierungsichulen Erzogenen haben in der 
Regel faft nichts gelernt, ſich auch nur ſehr oberflächlich „europäifirt”, ob⸗ 
gleich fie natürlich, wie Alles, was nicht Yellah, Mollah oder Krämer if, . 
europäifch gekleidet find. Sie find jehr zahlreich, denn es giebt eine Menge 
Regierungsſchulen, eine „ecole primaire“, eine „ecole des arts et mé- 
tiers“, eine ecole de droit“ u. ſ. mw. Ich lernte viele der Bürſchchen 
fennen, die bier ihre Erziehung genofjen. Die Schulen find nämlid) zu— 
gleich Penſionate. In einigen Zweigen wird der Unterricht engliih, in 
anderen franzöfiich ertheilt. Die letztere Sprache war von einigen Weni- 
gen wirklich erlernt worden. Die jogenannten „Engländer” dagegen ver⸗ 
Randen faum ein Paar Worte der Sprade. Die Jungen nannten ſich 
nämlid) untereinander „Engländer“ oder „Franzoſen“. Ich Tam einmal 
auf einer Eſelsparthie unter eine ganze Geſellſchaft ſolcher Heiner „Englän- 
der”. Um ihre Kenntniß zu prüfen begann ich ein englifches Geſpräch. 
Die Jungen antworteten aber nur mit „Ja“ und „Nein“ und zwar ganz 
verkehrt, ſagten mir aber auf Arabiſch, fie Hätten alle ſchon 5 Jahr engliſch 


12 Die Effendi- Claffe. 


getrieben, als ob das ein Troft fei, wenn man nichts gelernt hat. Ber 
einzige, der mich verftand, mar der Ejelsjunge, der fein Engliſch in den 
Straßen Cairos aufgeſchnappt hatte. 

Es kann faum ander3 fein, wenn man bedenkt, daß die Lehrer von . 
Haufe aus meift ganz andere Profeflionen getrieben haben, als die, welche 
fie ehren follen. Sie find auch der undankbaren Mühe fatt, denn, ob 
etwas gelernt wird oder nicht, für fie hat e& feine Folgen: Der einzige 
wirkliche Gelehrte, der hier war, der Aegyptologe Prof. Brugſch, gab 
fich viel Mühe. Da e3 aber feinen Schülern an aller Vorkenntniß fehlte, 
fo mußte er anfangen, ihnen Elementarunterricht zu ertheilen und Hatte 
wirklich die himmliſche Geduld, dies zu thun. Die Aegypter find übri— 
gend jehr fähig und würden, bei gutem Unterricht, viel lernen. 

Ale in diefen Schulen Erzogenen gehören zur fogenannten Effendi- 
Glafje, die dadurch in Aegypten eine ganz ausnahmsweiſe zahlreiche ge= 
worden if. In der eigentlichen Türkei ift das anders. Dort ift „Effendi“ 
der Titel der Civilbeamten, den ſelbſt höhere noch führen. In Aegypten 
ift aber der Titel in den lebten 15 Jahren jo gemein geworden, daß ein 
höherer Beamter fich deſſen ſchämen würde. Dan verleiht einem foldhen 
deshalb hier den militärischen Titel „Bey“. Dadurch werden die Begriffe 
berändert. In Aegypten iſt „Bey“ ſtets mehr als „Effendi“ ; in ber 
Türkei giebt es bochgeftellte „Effendis“, die ganz ebenfoviel, wenn nicht 
mehr find, als mande „Beys“. So führte der Minifter Fuad Paſcha 
lange noch den Titel Effendi, als er ſchon Gefandter war. Früher (1850) 
war die auch in Cairo fo. Jetzt ift aber die Effendi⸗Claſſe eine jo zahl- 
reihe und wenig achtbare, daß der Volksmund fie „ein Dubend für einen 
Pfennig“ getauft hat. 

Wenn man e3 ernfthaft mit der Civiliſirung Aegyhptens meinte, fo 
follte man damit anfangen, wirkliche „Volksſchulen“ zu errichten, wo die 
Jungen zuerft ihre eigene Sprache nad) rationellen Grundfägen erlernten, 
ehe man ihnen franzöfiihe Broden beibringt. Aber mit den arabiſchen 
Schulen fieht es jhlimm aus. Dort herrſcht noch der alte Yanatismus, 
ber verlangt, daß der Knabe erft den Dorän papageimäßig auswendig 
wille, ehe er etwas anderes lernt. Weiß er dieſen auswendig, mozu 
immer acht Schuljahre gehören, dann erſt kann er die höhere arabifche 
Schule, die in der Azhar-Mofchee ift, beſuchen. Dieje hat einige tüch- 
tige Gelehrte. Aber wie mir ſcheint, wird auch dort die Grammatik jehr 
unrationell betrieben. Ih kannte Schüler der Azhar-Mofchee, welche 


Armenanftalten, Irrenhaus. 13 


die Grammatik zwar auswendig gelernt hatten, fragte man fie aber nad) 
diefer oder jener Form, jo waren fie verblüfft. Sie mußten dann anfan- 
gen, das ganze Regilter abzuleiern. Die arabifchen Werke über Gram- 
matik find auch meift jo bänderreich und vermwidelt, daß es wirklich eine 
Wohlthat wäre, wenn man eined unjerer kurzen rationellen arabifchen 
Lehrbücher überfegen würde. 

Auch bei anderen öffentlichen Anftalten gejchieht mehr Oberflächliches, 
als Zweckmäßiges. Dean Ipra mir viel von der Trefflichkeit des ara⸗ 
biihen Spital. Ich fand aber, daß ſich Alles dort auf einige Parade- 
zimmer bejchränfte, die unter europäifchen Aerzten fliehen, und den Frem⸗ 
den gezeigt werden. Daher jo viele optimiftiiche Begriffe, welche Schrift- 
Heller verbreiteten, die don Aegypten nur die officielle Seite ſahen und 
nicht mit dem Bolt umgingen. Geht man aber unter dieſes, jo kann 
man jenen Optimismus nicht theilen. Betrachten wir 3. B. die Armen- 
anftalt in der Gemä Tulun. Dort liegt in einem halbverfallenen Ge— 
bäude Alles durcheinander auf ſchmutzigen Strohmatten, Arme, Kränkliche, 
Halbverrüdte u. |. wm. Es ift ein Bild des Jammers und des Elends. 
Beluhen wir die Irrenanftalt in Bulag, jo fehen wir Schauderhaftes. - 
Ih fand dort in einem ſchmutzigen Hof, in dem eine übelriechende Pfübe 
fHagnirte, einige zwanzig Verrüdte, alle nadt, von Schmuß und Ungeziefer 
frogend. Die waren noch die weniger Gefährlihen. Die Tobfüchtigen 
wurden wie wilde Thiere behandelt. Ein Arzt fol gar nicht in diefe An- 
Halt fommen. 

In Bezug auf Moralität Hat die „Europäifirung” viel gefchabet. 
Die alten orientalifchen Lafter find keineswegs audgerottet, nur durch allen 
Unflatd Europa vermehrt. Im europäiſchen Viertel wimmelt e& von 
Kneipen, die nur Aushängeſchilder für Stätten des Laſters find. Dort 
treiben die „Wallachinnen“ ihr Weſen. Yür die Vornehmeren fehlt es 
mit an „Hochſtaplerinnen“. Unter den Moslems ift die Zahl der Leicht- 
fertigen Legion geworden. Auch viele freigelaflene Eircafjierinnen haben 
fih jet diefem einträglichen Gewerbe hingegeben. Sie find fehr beliebt, 
denn fie gelten für Pradtftüde, die man früher nur durch Kauf erwarb, 
jest aber „miethen” kann. Bon jenem Vorurtheil gegen Europäer, das 
man noch in Tunis und Dichebda findet, find dieje aufgellärten Damen 
gänzlich frei. Sie kennen nur die Religion des Beuteld. Auch giebt es 
eine Menge alter Weiber, die ſich zu jeder Art von Bermittlungsgejhäft 
hergeben, jelbft zu ſehr heterogenen. Daneben blüht bie Sitte ber 


14 ' Immoralität. Gefängnifle. 


Chaumald nad wie vor. Ihre Zahl ift keineswegs, wie About fagt, auf 
drei reducirt. Diele Wejen haben wirklich) etwas Abſchreckendes. Es find 
oft große, jelbft gar nicht mehr junge Kerle, wie Frauen gekleidet und ge 
ſchminkt, welche die erotiſchen Tänze aufführen, die beim weiblichen Ge- 
fchlecht reizen können, hier aber nur Abſcheu erregen. Man erzählte mir 
bon einem Hohenpriefter des Lafterd, einem Patriarchen der Suppelei, wel- 
her in einem Staffeehaus der am Abbaſſiye-Weg gelegenen Vorſtadt thront. 
Diefer fol für Geld jelbft Kinder guter Yamilien verführen und verfuppeln 
und das Unglaubliche in dieſem Fach leilten. 

Eine Schule des Laſters bilden auch die Gefängniſſe, die übrigens 
ſchauderhaft find, wo aber der, welcher Geld hat, ſich doch Alles verſchaffen 
kann. Viele Leute kommen wegen Erbärmlichkeiten, viele ganz unſchuldig 
hinein, aber nicht wieder unſchuldig heraus. Vor zwei Jahren wurde ein 
Polizeibeamter abgeſetzt, der lange ungeſtraft die Gefängniſſe zu ſchänd⸗ 
lichen Zwecken ausgebeutet hatte. Er ließ nämlich Perſonen, die er zu 
ſeinen Zwecken auserſehen hatte, die ihm aber widerſtanden, unter irgend 
einem Vorwand einſperren, und da das Gefängniß alle Moralität unter⸗ 
gräbt, ſo waren ſie bald mürbe. 





NRegypten. 


Drittes Capitel. 
Ein Beſuch beim Khedive. 


Reichthum des Khedive. — Uebertriebene Lobhudeleien. — Finanzmaßregel. — Ber: 

hältnig zum Sultan. — Das Kanzelgebet. — Zugänglichkeit des Vicekdnigs. — 

Borzimmer. — Der Zeitungsbeamte. — Schwinden des Präftigium Frankreichs. — 

Audienz. — Geſpräch über Landeultur. — Ein komiſcher Mißgriff. — Nachahmung 

von Paris. — Fürfllide Familie. — Dienerfhaft. — Der Erbprinz. — Bernünf- 

tige Anfichten. — Undere Mitglieder der Familie. — Die Mutter des Khebive. — 
Die Wittwe Said Paſcha's. 


Wenn die perjönliden und Hofausgaben eines Yürften den Mapftab 
für feine Wichtigkeit geben, fo ift der Khedive der wichtigfte der Welt. 
Seine Ausgaben überfleigen die des ehemaligen franzöfifchen Kaiſerhofs, 
die doch in Europa für erorbitant galten. Yreilih hat Aegypten in den 
letzten zehn Jahren feinen ohnehin Schon großen Reichthum noch der Art 
vermehrt, daß jelbft jerre Ausgaben möglich wären, ohne das Land zu ver= 
dulden, wenn Ordnung eriftirte.e Bon einer folden ift aber nicht die 
Rede und fo häuft man Schulden auf Schulden. Nur die Daira, der 
Privatbefig des Khedive, der jehr bedeutend ift, foll wenig verſchuldet fein 
und täglich anwachſen. Böſe Zungen wollen behaupten, der Yürft ver- 
ſchulde abfichtlih das Land und vermehrte die Daira, da er troß jenes 
Vertrags mit dem Sultan, welcher die Nachfolge jeinem Sohne fichert, 
nicht an diefe glaube. 

Jedenfalls ift der Khedive, von dem ja zur Zeit der Sanaleröffnung 
jo viel die Rebe war, geeignet, die Neugierde des Reifenden zu erregen, fei 
& auch nur, um die übertriebenen Zobhudeleien der Canalbeſucher durch 
eigne Anihaumg aufs richtige Maß zurüdzuführen. Demn ein folcher 
Ausbund aller Vortrefflichkeiten , wie ihn feine Gäfte ſchildern, ift er denn 
do nicht. Er ift aber auch nicht das Gegentheil davon. Der Khedive ift 


16 Verhältniß des Khedive zum Sultan. 


nicht befler und nicht Schlechter, al3 ein anderer orientalifcher Fürf. Daß 
er mehr für Europäer, unter denen viele Abenteurer, ſhut, als für fein 
Bolt, und daß dieſes Volk ärger wie je ausgeſogen wird, ift Thatjache, aber 
er macht es nur, wie alle modernen orientaliihen Yürften. Natürlich werk 
er jelbft nicht viel vom Elend feines Volles. Wer jollte es ihm jagen? 
Während ich in Cairo war, wurde eine Maßregel ins Werk geſetzt, wo— 
durch viele Hundert Beamtenfamilien theils durch Entlaffung, theil3 durch 
Herabfegung der Gehalte in ſchwere Bedrängniß famen. Ein Belannter von 
mir berechnete die Summe, welche dadurch erfpart wurde, und ein Baar Tage 
jpäter wurde befannt, eine Bariferin habe eben ein Gejchent von ungefähr 
derjelben Werthfumme erhalten. Auf der einen Seite herzzerreißendes 
Elend, auf der andern finnlofe Verſchwendung. Das ift Volk und Fürft 
im Orient. 

Sonderbar ift das Verhältniß zum Oberlehnsherrn, dem Sultan. 
Alle Paar Monate ein Conflict, den der Khedive durch Beſtechung der 
Minifter beilegen muß. ber kaum ift er beigelegt, jo taucht ein neuer 
auf. Es ift freilich faum anders möglich. Denn ftet3 kommen Handlungen 
ber ägyptiſchen Regierung vor, die auf Unabhängigteitsbeftrebung gebeittet 
werden können. Die Zeitungen haben uns über die meiften diefer Hand- 
lungen berichtet. Uber noch nie hat eine von dem geſprochen, was viel- 
leicht in Stambul am meiften böſes Blut macht. Ich erfuhr es ganz zu- 
fällig und eben auch nur durch meinen Umgang mit den Einheimiſchen. 
Der Khedive hat nämlich das Kanzelgebet für den Sultan abgeändert. In 
der ganzen ſunnitiſchen Welt, felbft da, wo der Sultan nur geiftliche Au⸗ 
torität bat, betet man: „Gott erhalte unfern Sultan Abdulaziz.“ So lau- 
tete auch in Cairo noch vor menig Jahren das Gebet. Jetzt Hat man 
den Namen geftrihen und beiet nur: „Gott erhalte unfern Sultan.“ 
Diefer Befehl wurde den Geifllichen durch die Polizei gegeben, fo wenig 
Umftände macht man mit ihnen. Der Wegfall ded Namens wird natürlich 
jo gedeutet, daß man das Volt vorbereiten will, für „Sultan Ismail“ 
zu beten. Hinc illae irae! Dieſer Umſtand murmt immer noch in 
Stambul und läßt fi) durch Leine Beftechung vertufchen. Umfonft betheuert 
der Khedive feine Unſchuld. Man antwortet ifm: Warum wird da? 
Sanzelgebet nicht wieder hergeſtellt? Geiftlihe und Volk ſehen dieje 
Yenderung fehr ungern. Ich hörte fie fogar als gottlos bezeichnen. Alle 
Sumniten hängen eben an der geiftlichen Autorität des Sultans, wenn fie 
auch feine weltliche oft keineswegs lieben. 


Palaft des Khedive bei Bulag. 17 


Den Khedive in der Nähe zu fehen, ift nicht ſchwer. Er ift ſich zu 
jehr bewußt, daß er perjönlich einen guten Eindrud macht, um Audienzen 
zu vermeiden. Auch ich kam zu einer folhen. Der Hof befand fi im 
Nilſchloß bei Bulaq, einem großen und nad) dem, was ich jah, geihmadlofen 
Palaſt. Man fuhr big dicht vor die innere Thür. Dort empfing mic) der 
freundliche Heine Sekki-Paſcha, der Kammerherr, Geremonienmeifter, das 
Hoffactotum des Khedive. Er führte mih in ein Vorzimmer, um nun 
die Freuden des Antihambrirens zu genießen. Sie waren glüdlicher Weiſe 
nicht von langer Dauer, gaben mir aber doch Zeit zu allerlei Beobachtun— 
gen. Dieſer Hof befigt Alles, ſogar einen Verbreiter von Zeitungsnach— 
richten, einem Beamten der „Agence Havas“. Diefer, natürlich ein Fran— 
zoſe, verkündete eben im Borzimmer, mo er fich mit jehr viel Selbftbe- 
wußtſein bewegte, einige fühne Unmwahrheiten über den gerade ſchwebenden 
Krieg. Aber die ägyptiſchen Minifter, die um ihn herum ſaßen, Hatten 
offenbar den frühern tiefen Reſpect vor Frankreich verloren und einige 
ironiſche Bemerkungen verriethen, daß der Glaube fehle. Man fah, e8 war 
aud bier eine Herrihaft im Schwinden. Frankreich hatte in Aegypten 
lange den Ton angegeben. In Beziehung auf Moden, Spradhe, Künſte wird 
es ihn wohl auch behalten. Aber mit dem politischen Preſtigium iſt's vorbei. 

Als ich eingelaffen wurde, fand ich den Khedive ganz allein in einem 
Saal, der & l’Empire mit einer Menge fteifer Seffel und gerader Sophas 
möblirt war. Der Khedive hat mehr den tfcherkeffiichen, als den türkifchen 
Typus, mas durch die Abftammung feiner Mutter erklärt wird. Nur feine 
übergroße Wohlbeleibtheit verräth den Türken. Sonft ift fein Geficht faft 
regelmäßig, nicht häßlich, nicht ausdruckslos, feine Hautfarbe licht. Ein hell- 
brauner, etwas röthlicher, Furzgefchnittener Vollbart umgiebt das Gefiht. So 
lange er fteht, macht er einen guten Eindrud. Diefer wird vermindert, wenn 
er ſich jebt, indem feine Corpulenz ihn dann zwingt, die Beine etivas 
frumm zu halten. 

Er Spricht geläufig franzöſiſch. Sein Lieblingsgefpräh mit Unbe— 
fannten ift über die Bodencultur. Er kennt fehr genau die Beichaffenheit, 
die Producte, den Ertrag feiner Ländereien. Auch mit techniſchen Ver— 
beſſerungen hat er fich beſchäftigt. Manchmal hält er eine wahre Borle- 
jung über die Agricultur Aegyptens, und viele Europäer, die ſich nie mit 
diefem Gegenstand befaßten, haben ſchon von ihm gelernt. Ein Conful 
jagte mir, daß er feine Hauptfenntniß des Landes dem Khedive verdanke. 
Er ift übrigens fein Schwäßer, und vermeidet Weitläufigkeiten. Er bat 


v. Maltzan, Reiſe nah Zitdarabien. 2 


18 Geſpräch mit dem Khedive. 


jogar eine eigene Formel erfunden, um ein Geſpräch, das ihn fortreißen 
fönmte, abzufürzen. Dann unterbricht er fich plötzlich im vollen Redefluß 
mit der Yormel: „ceci etcela et cetera“, „dies und das und das Uebrige“. 
Darin ift in der That der Inbegriff aller Dinge enthalten. Manchem 
Redner wäre diefe Formel anzuempfehlen! 

Unfer Gefpräd drehte fih unter Anderm auch um die „Berfchönerun: 
gen“ Cairo's. Hier beging id aus Unwiſſenheit einen großen Verſtoß. 
Sch bedauerte nämlich ganz naiv, daß die fchönen großen Bäume des Es— 
bekihe⸗Platzes „abgeſtorben“ feien und daß bier nur noch elendes Buſch— 
werk wachſe, das gar keinen Schatten werfe. Ich mußte nicht, daß dieſe 


noch jehr lebenskräftigen Bäume auf Befehl des Khedive ausgeriffen umd | 
durch niedliche Bosquets erjeßt worden waren, um ein Heine „square ä 


Vinstar de Paris“ herzuftellen. Das „square“ ſchien ihm offenbar eine 
große Errungenſchaft. Hatte er doch den Gärtner, der diefes square ohne 
Schatten in einem fchattenbedürftigen Lande mit Aufopferung ſchöner 
Bäume geſchaffen, von feiner geringern Hand befommen, als von der des 
Herrn Hausmann in Perſon, der damals noch in Paris abjolut herrjchte. 
Wie follte etwas nicht für Negypten paſſen, mas ſich in Paris jo ſchön au 
nahm? Merkwürdig dabei it, daß diefe Bäume von den Franzoſen der erften 
Republit gepflanzt worden waren, um nun, da jie emporgewachſen und 
den Stolz Cairos bildeten, durch einen Franzofen des zweiten Kaiſerreichs nie: 
dergerifjen zu werden. 

Die Yamilie des Khedive befteht aus vier Söhnen und fehr vielen 
Töchtern, wovon eine verheirathet if. Der Schwiegerſohn feßt ganz Cairo 
durch feinen übertriebenen Aufwand in Erftaunen. Komiſch ift eg, welche 
Ehren ſchon fürftlichen Widelkindern bezeigt werden. So fährt die Heine 
Enfelin des Khedive alle Tage in einer Staatscaroſſe allein mit einer euro- 
päiſchen Bonne jpazieren, die fteif wie Holz im Wagen fit und die Fleine 
Brinzeffin wie auf dem Präfentirteller vor ſich Hinhält. Einen feltfamen 
Sontraft zu ihren orientaliichen Herren bilden auch die englifchen Kutſcher 
und Jockeys des Hofes und der Großen, deren Livree europäiich hofmäßig 
ft. Es find meift fehr gemeine rohe Burfche, die ihr Quartier in Bulaq 
ſtets durch betruntene Exceſſe in Unruhe verjeßen. Und dieje Kerle jahren 
jebt die Damen des Harem }pazieren, denen fich früher fein Europäer auf 


Sehmeite nähern durfte! Daneben reitet ein junger Enucdhe, gewöhnlich der 


ihönfte, den man finden kann. 
Der ältefte Sohn des Khedive, Taufik Paſcha, ſoll nicht ohne Fähig— 


Die ägpptifchen Prinzen. 19 


teiten jein. Man rühmt ihm nad, er habe die lächerliche Civiliſations— 
fomödie, wie fie jebt in Aegypten in Scene gejeßt wird, durch recht tref- 
fen Ironie gegeißelt. So ſoll er einmal feinem Vater gejagt haben: 
„Man fcheint Hier zu glauben, die Eivilifation beftehe in Glacéehandſchu⸗ 
hen und Barifer Moden, ftatt in Volksbildung.“ Cr ift ein fchöner junger 
Mann mit feingefchnittenen Zügen, fieht aber etwas blaß und angegriffen 
aus. Dieſe Prinzen werden eben, kaum den Kinderſchuhen entwachlen, 
ſchon mit Guar-bid (weißen Sklavinnen) allzureich bedacht. Man fcheint 
erotifche Uebertreibung förmlich zur Bildung eines orientalijchen Jünglings 
für nöthig zu Halten. 

Der zweite Sohn, braun von Haut umd unregelmäßig von Zügen, 
aber im Aeußern jehr geichniegelt, ift feiner geiftigen Natur nad paffiv, 
ſehr zu materiellen Genüffen neigend. Der dritte Sohn joll der befte von 
allen fein. Bielleicht ift die auch ein Vorurtheil, das der Hof deshalb 
theilt, weil feine Mutter eine Prinzeffin war, während die anderen Söhne 
von Stlavinnen find. Er war zur Zeit in England. Der vierte Sohn ift 
noch ein Knabe, ein Kleiner Fleiſchllumpen, den man manchmal, von Eunu- 
chen umgeben, jpazieren fahren jiebt. 

Sonft find von männlichen Gliedern der Yürftenfamilie nur noch zwei 
in Aegypten, nämlich der Sohn Said Paſcha's, der ziemlich ſchlecht behan- 
delt wird, und ein Mulatte, Sohn des Gründerd der Dynaftie und einer 
Negerin. Diefer gilt faum für ebenbürtig und ift ganz auf die Seite ge— 
ſchoben, obwohl er ſtrenggenommen diejelben Rechte bat, wie alle Prinzen. 
Muftapha, der Bruder, und Halim, der Vetter des Khedive, die ihm, als 
fünftige Nebenbuhler feiner Söhne, bejonders verhaßt find (denn nad) dem 
alten Geſetz gebührt einem von ihnen der Thron), zogen fich wohlweislich 
nad) Sonftantinopel zurüd, und der Khedive kaufte ihnen ihre Güter ab, 
damit fie ja nichts mehr hier zu thun hätten. 

Zahlreich find die weiblichen Mitglieder der Familie. Unter dieſen 
if aud die Mutter des Khedive, die noch fehr lebenzluftig fein fol. 
Man erzählt ſich allerlei Intriguen von ihr. Die Wittme Said Paſcha's 
joll von großer Schönheit fein. Man fagt, der Khedive habe ihr oft die 
Ehe angeboten, aber umſonſt. Diefe Dame ift ſehr reih. Sie mirft 
manchmal Geld unter das Volk und zwar werthvolleres, al3 der Khedive 
jelbft, der dies auch zweimal jährlich thut. 


2* 


Sidaradifhes in Negypten. 


Biertes Capitel. 


Eine Eolonie von Hadrami in Cairo. 


Handel Cairo's mit Arabien. — Die Habrami. — Borurtheile gegen fie. — Ein 


arabiſcher Kroͤſus. — Einfluß der Europäifitung. — Seltſames Mißverftänd- 
nik. — Der todte und der lebende Scheh. — Ein Moslem ald Freimaurer. — 
Europäifhe Schurkerei. — Der Scheh der Hadrami. — Das Wirthshaus der 


Difaner. — Bhyfiognomien der Siüdaraber. — Ihre Lebhaftigleit. — Sonderbarer 

Empfang. — Man hält mich für Wrede. — “Abd el Hüd. — Mittheilfamkeit der 

biefigen Doaner. — Beftätigung der Wrede'ſchen Berichte — Seltjame Steuer: 
eintreibung. 


Es ift beachtenswerth, welche Rolle Cairo, obgleih es Durch den 
Suezcanal zu einer dom großen Welthandeläöweg unberührten Sackgaſſe 
geworden ift, dennoch fortfährt, bei Arabern zu fpielen, namentlich bei den 
ächten, d. 5. den Bemohnern der arabifehen Halbinjel. Yür fie gelten 
Alerandrien und der Suezcanal einftweilen noch nichts. Cairo ift nad 
wie vor ihr Emporium und eigentlich auch der nördlichfte Punkt, mo fid 
eine Colonie ächter Araber findet. Namentlich ift es Hadramaut (im wei— 
tern Sinne) welches feine bandeläbeflifjenen Söhne Hierher fendet. Die 
Hadrami find die Phönicier Arabiens, die Handelstalente. Man findet fie 
überall. Sie wiſſen Geld auch ohne Capital zu machen. Großer Fleik, 
Ausdauer, Speculationstalent machen jelbit einen Armen mit der Zeit zum 
Kaufherrn. In ihrem Vaterland ift Geld nicht zu Haufe. Arm formen 
fie nad) Dſchedda, von wo viele nach Cairo gehen. Aber immer haben fie 
in Dichedda einige Jahre gemeilt, che fie fommen. Sie halten ſich ſtets 
zu einander und gruppiren ſich um einen ihrer mwohlhabenderen Yandsleute. 
Die anderen Araber wollen meift nichts von ihnen willen. Es befteht ge 
gen fie ein Vorurtheil, etwa wie es in Europa unter riftliden Kauf: 





Gin lebender und ein verftorbener Schech. 21 


leuten früher gegen Juden beitand, d. h. fie find den Leuten zu Hug. 
Nicht als ob fie unehrlid) wären. Da man aber fieht, daß fie mit nichts 
anfangen und mohlhabend werden, jo denft der Cairiner Kaufmann, daß 
diefe Wohlhabenheit aus feiner Taſche ſtammt, natürlich oft mit Unrecht, 
denn der Handel erzeugt ja neue Werthe und ift nicht wie eine Spielbant, 
wo der Eine nur durch den Berluft des Andern veich wird. 

Selten fommt es vor, daß ein nicht aus ihrem Lande ſtammender 
Kaufmann den Mittelpuntt einer Colonie von Hadrami bildet. Dies mar aber 
dennoch der Fall bei meinem Bekannten, Scheh "Abd el Kerim el Käbeli, 
der, wie der Rame fagt, aus Kabul ftammte, aber mit den Hadrami durch 
Verſchwägerung verbunden war und jetzt als zu ihnen gehörig angejehen 
wurde. Er war fehr reich und hatte jein Vermögen in fürzefter Zeit ge- 
macht durch eine waghalſige Speculation, wie ſie ſonſt Moslems ſelten 
unternehmen. Er hatte nämlich fämmtliche Transportartikel einer großen 
Karawane in Arabien angelauft und wäre ruinirt geweſen, ohne die Baum- 
wollkriſis in Aegypten, die plöglih alle Preife auf eine früher nicht ge- 
ahnte Höhe hinauffchnellte Er brachte feine Waaren nad) Cairo, wo er 
die fabelhafteften Preife dafür erhielt. So ftand er plößlid als Krö— 
ſus da. 

Ich hatte ihn früher in Dſchedda gekannt, als er noch eine beſcheidene 
Exiſtenz führte. Neugierig, zu ſehen, welche Veränderung der Reihthum 
bei ihm erzeugt babe, befahl ich einem der in Cairo unvermeidlichen Ejels- 
jungen, mi zu Sched "Abd el Kerim zu führen. Dies gab zu einem 
komiſchen Mißverſtändniß Anlaß. Statt in das Waarenhaus, brachte man 
mich vor eine Heiligencapelle. Nichts vom Mißverſtändniß ahnend, dachte 
ich, mein Belannter ſei vielleicht dort im Gebet begriffen, und wartete, bis er 
heraustommen würde. Nach langen Warten ungeduldig, bat ich einen 
eben SHeraustommenden, er möge dem innen meilenden "Abd el Kerim fa- 
gen, ich erwarte ihn hier. Uber da kam ich Schön an. Der Araber fah 
mich verblüfft an. Dann, wie vom Heiligen Zorn über meine gottlofe 
Zumuthung ergriffen, rief er: „Schech "Abd el Kerim fteht nicht aus feinem 
Grabe auf, um zu einem Chriftenhund zu kommen.“ Alfo mein Belannter 
war verftorben? So dachte ih anfangs. Bald aber löſte mir ein vor⸗ 
übergehender Hadrami daS Räthjel, der flehen blieb, um dem Skandal, 
der im Nu Volksmaſſen um mich gefammelt hatte, zuzufchauen. Er kannte 
den lebenden Schech "Abd el Kerim und führte mich zu ihm. Das Mip- 
verſtändniß rührte Daher, weil man in Cairo vorzugsweiſe Heilige, lebende 


22 Gin arabifcher Freimaurer. 


oder die Grabcapellen Verftorbener, nicht aber Kaufleute „Schech“ nennt, 
wie in Dſchedda und Habramaut. Ich mar an die Grabcapelle eines 
ſolchen Längftverftorbenen gerathen, der auch Schech "Abd el Kerim hieß. 
Mein Belannter war in feinen Manieren noch immer der alte, freund: 
Yiche, befcheidene Mann. Aber fein Aeußeres war ſehr verändert. Er jah 
jest au8 wie ein Engländer, nahm jogar im Haufe das Fes ab, was der 
Moslem fonft verabjheuungswürdig findet. Dies erklärte er dadurch, 
er ei jegt englijcher Untertban und ſogar Frammaſon (Tyreimaurer) gewor⸗ 
den. Criteres nahm ihm Niemand übel, denn ein Moslem muß Unter- 
than einer europäischen Macht werden, wenn er feinen Befiß vor der Raub: 
ſucht der einheimiſchen Behörden (die Regierung erhebt von reihen Unter: 
thanen Zmangsdarlehen, die oft deren ganze Habe ausmachen) hüten will 
Das Freimaurerthum aber gilt für eine große Ketzerei. Bon einem Frei⸗ 
maurer fann man fi Alles, felbft des gottlofen Hutabnehmens verjehen. 
“Abd el Kerim, der Millionär, hatte übrigens eine wahre Spelunte 
zum Bureau. Dort verbrachte er feine Tage und nur die Nächte in einem 
prachtvollen Haus, wo feine Gattin, eine Circaffierin, wohnte Er war fo 
vorurtheilslos, daß er auf Reifen in Europa diefe Gattin mitnahm und fie 


europäifch kleidete, alfo auch ohne Gefichtöverhüllung. Dennoch verftand - 


er kein Wort einer europäifchen Sprache. Dadurch fam er oft in Gefahr, 
beftohlen zu werden. So hatte er zur Kriegszeit franzöfifche Rente gefauft, 
aber, mit der ächt arabiſchen Vertrauengjeligkeit, fich von feinem europäi- 
chen Agenten feine Quittung geben laſſen. Diefer Schurke läugnete nun 
den Empfang der Summe und der Schedh beſaß fein Rechtsmittel gegen 
ihn. Dadurch verlor er etwa Hunderttaufend Thaler und noch viel mehr, 
wenn man den jeßt höhern Preis der Rente veranſchlug. Im Handel 
der Araber geht eben Alles auf Treu und Wort. Betrug ift fait unbe- 
fannt. Darum muß jeder Moslem ſchweres Lehrgeld zahlen, wenn er mil 
Europäern Geſchäfte zu machen beginnt. 

“Abd el Kerim bildete den Anziehungspuntt für eine Heine Schmaroger- 
ſchaar, Hein aber gewählt, die nur aus den angeſehenſten Hadrami beftand. 
Unter dieſen glänzte ein altes jpindeldürre® Männchen, mit einem fpärlichen 
weißen Ziegenbart, jehr markirten ſemitiſchen Zügen. und von einer |pru= 
delnden Lebhaftigkeit, die alle meine Erfahrungen überſtieg. Er über- 
baspelte fich förmlich im Geſpräch und diejes wollte nie enden, wurde aber 
in Andacht angehört, denn der Alte war eine locale Größe, nämlich der 
Schech aller hier lebenden Südaraber. Er richtete fie, adminiſtrirte fie, 


Das Wirthshaus der Hadrami. 23 


zog ihre Steuern ein, prügelte fie, Alles theils mit, theils ohne Erlaubniß 
der Regierung. Ih fragte ihn nad feiner Heimath und erfuhr die in- 
terefjante Thatſache, daß ſowohl er wie alle feine hier lebenden Landsleute 
aus einer und derjelben, engbegränzten Landſchaft, nämlid aus dem 
Wädi Dan in Bildd Beni Ica feien, dem Reifegebiet Wrede's, das mid). 
fo vielfach intereflirte. 

Man kann ſich denken, daß ich die Belanntichaft mit Schech Cälah 
(io Hieß er) cultivirte, um fo mehr, als fie mir die Ausficht eröffnete, noch 
andere Mitglieder der hiefigen Doaner-Eolonie kennen zu lernen, von 
denen viele ihre Heimath erft vor Kurzem verlaflen Hatten. Ich verabrebete 
deshalb eine fpätere Zujammenkunft, bei der er mich mitten in den Kreis 
feiner Schußbefohlenen einführen follte. Nach üblicher arabiicher Gemohn- 
heit fand der Schẽech fih nun allerdings nicht zur anberaumten Zeit ein, 
Die Zeit hat feinen Werth für den gläubigen Moslem, und genaue Stun- 
den einzuhalten ift ihm etwas ganz Unbekanntes. Aber als ich ſchon dar- 
auf verzichtet hatte, jemals wieder etwas vom Schẽch Cälah zu hören, er- 
ſchien einige Zage ſpäter plöglich jein von ihm abgefandter Neffe, um 
mich abzuholen und in den veriprochenen Kreis einzuführen. Ich fand die 
Leute in einem Okaͤle (Wirthshaus), gleichfalls im Quartier der Gemaliya. 
&3 waren lauter merkwürdig charakteriftiiche und durchaus edle Geftalten, 
da3 ächte Blut Arabiens, fehr verjchieden ebenjowohl vom Xegypter, 
wie von dem mir jo wohlbekannten Maghrebiner. Haben die Aegypter 
einen grobknochigen Körperbau, breite, runde Gefichter, kurze ſtumpfe Na— 
jen, große Augen, dide Lippen, großen Mund, breiten Bruſtkorb, ſtarken 
Bauch, ziemlich große Hände und Füße, röthli-braune Geſichtsfarbe, fo 
zeichneten fich dagegen diefe ächten Araber durch eine ganz auffallende, aber 
keineswegs unmännliche Zierlichkeit aller ihrer Gliedmaßen, durch längliche, 
aber im Ganzen eher Heine Gefichter, durch feingebogene Adlernaſen, mitt- 
lere, aber auperordentlich lebhafte und feurige Augen, feine, dünne Lippen, 
einen Heinen, zierlihen Mund, einen durchaus mußtelkräftigen, ſehr wohl⸗ 
gebilveten, aber nicht im Geringften zur Fettbildung neigenden Körper, Heine, 
oft auffallend niedliche Hände und Füße, endlich dur eine ins Dliven- 
braume fpielende, jehr ſchöne Gefichtsfarbe aus. Der Bart war bei Allen fehr 
ſpärlich, aber ihr ganzes Weſen war fo kräftig, ſehnig und energievoll, daß 
fie trotz dieſes Mangeld einen jehr männlichen Eindrud machten. Den 
größten Contraſt Gegen die Aegypter bildete ihre überfprudelnde Lebhaftig- 
feit. Beim Sprechen funfelten, ja blitten gleichjam ihre Augen. Alle 


24 Verwechslung mit Wrede. 


Worte murden mit feltener Energie herborgeftoßen. Die Unruhe ihres 
ganzen Weſens, diejer ächt beduiniſche Zug, gab ſich beſonders dadurch 
fund, daß fie feine Viertelftunde ruhig dafigen konnten, während fonft die 
Moslems im geduldigen Dafiten das Unglaubliche leiſten. 

Mein Empfang war anfangs ein fonderbarer und berubte auf einem 
komiſchen Mißverſtändniß. Ich hatte nämlich jo viel Belanntichaft mit 
ihrem Vaterland verrathen, welche ic dem Werke Wrede's verdankte, daß 
die Doaner nicht anders glaubten, als ich müſſe ihr Land bereift Haben, 
und, da fein Europäer außer Wrede je dort war, ich müfle felbft dieler 
Wrede fein. Die meiften der Anweſenden waren zu jung, um Wrede, der 
por 27 Jahren reifte, gefannt zu haben, und der Schech felbft mar damala . 
fchon in Aegypten geweſen. Da nun Niemand fie eines Beſſern belehrte 
(denn meine Proteftationen wurden einfach nicht geglaubt), jo blieben fie 
dabei, mich "Abd el Hub (der angenommene Name Wrede's) zu nennen, 
und zwar fo lange, bi3 ein anderer von ihren Landäleuten, ein Mann 
von etwa 50 Jahren, hereintrat, der glei an der Thür ſchon rief: „Wo 
ift diefer ‘Abd el Hüd? Ich Habe ihn in Hadramaut gut gekannt.” Als 
man nun mid) bezeichnete, nahm er mich ſcharf ins Auge, und jagte dann: 
„Das Tann vielleicht ein Sohn von "Abd el Hud fein, aber diefer felbfl, 
wenn er noch) lebte, müßte ja jet im Greifenalter ftehen.“ Dadurch mar 
ich auf einmal in den Augen der Doaner fo zu fagen rehabilitirt, denn 
da Wrede als Moslem reifte, ohne Moslem zu fein, da er ihr jedem An- 
derögläubigen ftreng verſchloſſenes Land in Yolge eines im Grunde heroi- 
fchen, aber bei dieſen Fanatikern als gottesläfterlich verdammten Wagftüdes 
betrat, jo waren fie anfangs keineswegs übertrieben freundlich gegen den 
gejinnt, melchen fie für Wrede hielten. 

Jetzt wurden fie alle ſehr freundlich. Sie freuten fih ſichtlich, daß 
ich Intereffe an ihrem Lande nahm, munderten fi zwar immer wieder 
von Neuem, fo oft ich eine gemwille Kennmiß defjelben verrieth (und die 
war mir eine jehr werthvolle Betätigung der Wahrhaftigkeit Wrede’3), wa—⸗ 
ren aber doch zugleich gern bereit, diefe meine Kenntniß noch zu vermeh— 
ren. Gewöhnlich find die Araber mißtrauifh, wenn man fie über ihr 
Land ausfragt. Dies war jedoch bei diefen Doanern gar nicht der Fall. 
Im Gegentheil, viele derfelben forderten mic) geradezu auf, die Namen ihrer 
heimathlichen Ortichaften aufzufchreiben, ja einigemale nahmen fie mir 
fogar das Notizbuch auß der Hand und jchrieben felbit diefe Namen ein. 
Auf diefe Weile erfuhr ich wirklich Mancherlei, was fich felbft im Wrede- 


Der Sultan von Chorebe. 25 


ſchen Werke nicht findet, 3. B. die Namen und aud) ziemlich genau die 
Lage einiger kleinerer Ortichaften, die unjer Landsmann nicht erwähnt, 
aber im Ganzen wurde mir Alles beinahe haarklein beftätigt, was Wrede 
ausfagt. Seine früher mehrmals beanftandete Glaubwürdigkeit*) fteht jet 
außer allem Zweifel. Selbft einige abenteuerlich Hingende Geſchichten und 
Sittenerzählungen, die fi bei ihm finden, find nur die getreue Wieder- 
gabe der Wahrheit. So berichtet er von der von Zeit zu Zeit ftattfinden- 
den Beſchießung der Stadt Chorebe durch deren eigenen Sultan, der auf 
dieſe Weile die Steuern zu erpreffen pflegt. Die meiften diefer Do aner 
waren aus Chorebe jelbft, der bedeutendften Stadt des Waͤdi Doan, 
und beitätigten, daß ihre Vaterſtadt faft allmonatlic) eine ſolche Beichie- 
kung bon Seiten ihres gütigen Landesherrn zu erdulden habe. Ein an- 
deres Mittel, die Steuern einzutreiben, fei gar niemals im Gebraud) ge- 
wejen. Man fei an diefe Füſilladen, denen immer Menjchen zum Opfer 
fielen, fchon jo gewöhnt, daß man fie gar nicht mehr beachte, und erft, 
wenn einige Zeichen das Refultat bildeten, and Steuerzahlen denke. Diefer 
Sultan ift in allerneuefter Zeit vom Negib von Makalla befiegt, gefangen 
und Chorebe erobert worden. Die Döaner verglichen ihn ſcherzweiſe mit 
Napoleon IH., der damals auch Gefangener war. Sie fangen ein politi- 
ſches Liedchen zu Ehren des Siegers, das fie ihre „Marjeillaife” nannten. 
Merkwürdiger Weije mußten fie viel von europäiicher Politik, 


*) Man bat in neuefter Beit au aus dem Umſtand, daß Wrede behauptet, den 
Ramen Abd el Huͤd' geführt zu haben, einen Grund zum Zweifel an feiner Glaub- 
würdigfeit abgeleitet. Dieſer Name ift nun freilich ſowohl grammatikaliſch (denn es 
müßte “Abd Huͤd, ohme Artikel, heißen) als auch dem Sinne nad unrichtig, denn 
man fett nur den Namen Gottes dem „Abd“ nad. Das bemeift jedoch nur, daß 
Wrede fein geſchulter Arabift war. Heut zu Tage find aber auch die meiften Araber 
jo ungebildet, daß fie fih nicht an diefen Fehler ftoßen, denn Viele hörte ich dieſen 
Ramen ganz unbefangen wiederholen. Sie dadhten aber dabei nicht an den Prophe- 
ten „Huͤd“, fondern hielten „el Huͤd“ für eines jener vielen Prädicate der Gottheit, 
welche die wenigften Araber alle gehört haben, 


Reiſe nah Krabien. 


Fünftes Capitel. 
Bon Cairo nach Dſchedda. 


Vorbereitungen zur arabiſchen Reife. — Utenſilien. — Diener. — Trefflichkeit der 
nubiſchen Dienſtboten. — Unehrlichkeit der Aegypter. — Verſorgungsweiſe mit Geld. 
— Ein Mißgriff. — Der räuberiſche Diener. — Liſt, um einen Widerwärtigen zu 
entfernen. — Eiſenbahn von Cairo nach Suez. — Hotels in Suez. — Vergnügun⸗ 
gen in Suez. — Das Kaffeehaus. — Die Spielbank. — Originelle Weiſe, Kunden 
herbeizuziehen. — Wirkliche und angebliche Griechen. — Eine Spitzbubenbande. — 
Schwindel mit Steuer, Quarantäne und Telegraph. — Die Dampffſchiffsgeſellſchaft. 
— Sonderbare Matrojen. — Der Eommandär. — Zurüchgeſetzte Officiere. — Um: 
fländlichleiten beim Billetverlauf. — Paßpladereien. — Ungeredhte Behandlung der 
Eingebornen. 


Es ift möglich), daß diefes Buch auch einmal in die Hände eines 
Mannes geräth, der eine ähnliche Reife vorhat. Darum will ich poraus- 
ihiden, mas Alles zu einer ſolchen nöthig if. Ein vollftändiger Koch— 
apparat, Tiſchzeug, ein Reifebett, ein Moskitonetz, zwei Reifeftühle, vor 
Allem aber ein Reiſetiſch, denn ohne Tiſch wird ſich der fchreibjelige Euro- 
päer bald unglüdlih fühlen, und in Arabien ift ein Tiſch etwas lUnbe- 
fanntes. Will man Wein trinken, jo nehme man feinen ſämmtlichen Be- 
darf mit, denn am ganzen Rothen Meer (außer Suez) befommt man 
nicht3 als fpiritusartigen Branntwein oder ein ſchändliches Präparat, 
dad „griechiſcher Wein“ betitelt, aber von den Branntweinhändlern in 
Dſchedda oder Maflauma fabricirt und dann mit dem Namen irgend einer 
griechiſchen Inſel, wie Samos oder Cypern, getauft wird. Meiftens heißt 
er „Sommandäri”, ift es aber nicht, denn der wirkliche Commandari iſt 
ein guter, malaga=artiger Wein. Das gefälichte Getränk iſt widerlich 
füß, ſehr ftarf uud erregt oft ſchon nach dem erſten Glaſe Uebelkeiten. 


Aegyptiſche und nubiſche Diener. 27 


Außerdem ſehe man ſich nah einem guten Diener „für Alles” um. 
Er muß kochen, Zelt aufichlagen, Bett machen, paden, Zimmer reinigen u. |. w. 
innen. Man nehme nur nicht mehrere, denn unfehlbar wird der eine 
„Hammer“, der andere „Amboß“ fein und lebterer dann doch ‚allen Dienft 
für den andern thun müfjen, der ſchließlich bloß noch „zur Zierde” da fein 
wird. Ich meine das natürlich für foldhe, die nicht mit „Staat“ reifen 
wollen. Denn wer letzteres will, der fchleppe fo viele Yaullenzer mit ſich, 
ala er Zuft bat, erwarte aber auch von ihnen nichts, als daß fie ihm durch 

ihre glänzende Erſcheinung „Ehre“ machen. Die Regel ift im Orient, daß 
wenn man viele Diener hat, diefe alle zufammen nicht fo viel thun, als 
ein einziger, der tüchtig if. Einen tüchtigen Diener findet man in 
Aegypten faft nur unter den Nubiern (vulgo Berberiner). Sie find in- 
telligent, rührig, geichidt im Kochen und in allen Hantierungen und da⸗ 
bei refpertvoll. Alles dies ift der Achte Aegypter in viel geringerm Grabe. 
Letzterer hat fogar eine große Neigung, unverfhämt zu werden, und man 
muß ihn beftändig an feine Stelle verweilen. Ber Nubier dagegen zwingt 
feinen Herrn faft nie zum Tadel. Meine Erfahrung im Orient ift nicht 
gering. Ich babe es mit Leuten von verjchiedenften Confeſſionen, Stäm- 
men und Hautfarben verjucht, aber exit eine „Berle” von einem Diener 
gefunden, als ich einen Nubier in meinen Dienft nahm. Der Lohn, den 
die Gairiner Diener vom Europäer beanspruchen, ift nicht gering. Aber 
man feiljche Hierbei nicht. Ein gejchidter Diener wird felten für wenig 
mitgehen und, wenn er e& thut, fich durch Betrug entſchädigen. Zahlt 
man aber den Rubier gut, fo wird er nicht betrügen (der Aegypter wird 
es ſtets), und der hohe Lohn wird jchließlich noch als eine Huge Yinanz- 
maßregel erfcheinen. In allen Hafenorten des Rothen Meeres findet man 
freilich für viel geringern Lohn Diener, ala in Aegypten, oft für ein 
wahres Spottigeld. Aber fie find nur für den braudbar, der fi auf's 
„Abrichten” verlegen mil. Wem die Gebuld fehlt, den Pagenmeifter zu 
ipielen, der hüte fi) vor ihnen. 

Endlich, Wichtigftes von Allem, nehme man recht viel baares Geld 
mit, und zwar in Maria-Therefia-Thalern. Creditbriefe helfen gar nichts, 
denn in den meiften Fällen find die Handelähäufer, an die fie gerichtet 
find, fo unbedeutend, daß fie nicht zahlen können. Sehr oft wird man 
finden, daß fie dem Bankerott nahe find, denn alle diefe Häufer find 
ephemere Erjheinungen. Reiche Europäer giebt e& am Rothen Deere nicht. 
Ein Bankbillet Hilft auch nichts. Will man es gewechjelt haben, jo muß 


28 Unzuverläßlichkeit. der Aegypter. 


es eben nach Aegypten zurüdgefchidt werden, und dann fommt das Geld 
oft erft nach einem Jahre. 

Alle diefe Vorbereitungen Hatte ich als „erfahrener” Reiſender in 
Cairo getroffen. Nur paffirte mir in Suez ein Verſehen, welches zeigt, 
wie wenig felbft oft die ſchwererrungene „Erfahrung“ nüßt und mie mir 
wieder und immer wieder Tehrgeld zahlen müſſen. Ich ließ mid) nämlich 
dort bereden, zu meinem trefflichen nubilchen Diener, der den majeftätifchen 
Namen ‘Abdulmedihid führte, noch einen zweiten zu nehmen, was id) ſchon 
am folgenden Tage bereute, aber leider waren wir an dieſem bereit un— 
termeg3 nad Dſchedda. Der Kerl mußte alfo einftweilen behalten werben. 
Dieſes Cremplar von einem „mohlempfohlenen” Diener mar ein Araber 
aus Sue, Hamed mit Namen, der zwar alle guten Eigenſchaften zeigte, 
fo lange wir noch am Land waren, er alſo noch entlaflen werden Tonnte, 
aber fih als ein Ausbund aller Niederträchtigfeit entpuppte, ſowie das 
Schiff unter Dampf fam. Mein armer Nubier wurde bald von ihm als 
Helote behandelt, mußte Alles allein thun und Monſieur Hamed benußte 
feine Muße dazu, Belanntfchaften mit den frommen Pilgern anzufnüpfen, 
die mit ung reiften, und fie mit meinen Vorräthen zu tractiren. Unter 
meinen Hühnern brach plöglich die Cholera aus, denn täglich berichtete mir 
Hamed vom natürliden Tode des einen oder des andern, das er zu fei- 
nem Leidweſen „ind Meer werfen mußte”, und ich erfuhr erft fpäter durch 
Zufall, daß er fie den Pilgern geſchenkt und mit ihnen verfpeift Hatte. 
Einer von dieſen Pilgern war nämlich naiv genug, fich bei mir für das 
Geſchenk der „ichönen fetten Hühner“ zu bedanfen. Das Unglaublichfte 
leiftete er bei Anläufen. In Suez hatte ich mich ſchon gewundert, daß 
man für vier Thaler nur ein wenig Gemüfe bekäme. Aber in Yambo 
jollte ich noch eimas Schöneres erleben. Ein mitreifender Europäer bat 
ihn nämlid, ihm doch von der Stadt ein Paar Kerzen mitzubringen 
und gab ihm einen Thaler mit. Diefer Thaler ging ganz auf. Die 
Kerzen waren in Yambo theuer und man befam für einen Thaler 
nur zwei Stüd. Ebenſoviel Ffoftete ein Pfund Hammelfleiſch. Ich 
jelbft kaufte freilich am folgenden Tage in eben diefem Yambo zehn 
Pfund für einen Thaler. Aber das von Hamed gelaufte war von 
feinerer Qualität! Monſieur Hamed trug doch ein wenig zu did auf, 
um lange behalten zu werden. Um mit ihm abzufchließen, mill ich 
ſchnell noch berichten, wie ich mich feiner entledigte. Durch bloße Weg- 
ſchicken wäre die in Dſchedda gar nicht auszuführen geweſen. Er hätte 


Eiſenbahn von Cairo nad) Suez. 29 


fih dann einfach verftedt, bis das Schiff nah Suez abgegangen wäre. 
Ich Hätte confularische Hülfe, Cawaſſen und Gott weiß welche Gewaltmittel 
noch anwenden müllen, um ihn fiher auf's Schiff zu bringen. Außerdem 
ift in dem fanatiſchen Dſchedda jeder Conflict eines Europäer mit einem 
Moslem (auf den Stand des letztern kommt es dabei gar nicht an) miß⸗ 
lich und muß vermieden werden. Wurde doch einer meiner Belannten bei- 
nabe todtgejchlagen, weil er einen Streit mit feinem Thürbüter hatte. Leg- 
terer war freilihd ein Said. Aber auch Hamed war ſchrecklich Fromm, 
faſtete ſtreng und verachtete, ja ſchimpfte bejtändig den Nubier, weil diejer 
vom BPrivilegium, auf Reiſen nicht zu faften, Gebrauch machte. Die 
„frommen“ Leute find ſtets die gefährlichften. Nur dur Lift konnte ich 
mich feiner entledigen. Eine trefflihe gab mir mein Hausherr an die 
Dan. | 

„Haben Sie nicht einen Koffer in Suez ftehen lafjen ?“ 

„Gewiß, fogar zwei,” antwortete id). 

„Run, fo ſchicken Sie Hamed dorthin, um ihn zu holen.“ 

Hamed biß wirklich auf diefen Zopf an. Es verfteht ſich von felbft, 
Daß ich ihm einen Brief an den norddeutichen Conful mitgab, in dem ich 
diefen bat, dem Kerl feine Entlaffung aus meinem Dienft anzuzeigen. 
Dieſe Lift gelang vollkommen und Hamed nahm fie mir nicht eimmal übel, 
denn ala ich ihn fpäter in Suez wiederſah, meinte er, es fei nicht gut, 
einem „liſtigen“ Herrn zu dienen, lachte aber dabei. 

Jedoch zurüd zur Reife. Bon Cairo nah) Suez fährt man recht 
ſchlecht und recht langſam auf der vicelöniglichen Eifenbahn, deren Wagen 
jämmtlih ſchadhaft, oft halb zerbrochen, ftaubig und ſehr ſchmutzig find, 
denn auch) hier macht fich der orientaliiche Schlendrian geltend. Der Orien- 
tale giebt viel Geld für Neues, gar feines aber für Reparaturen aus, und 
jo ruinirt er bald Alles. Halbwegs befommt man für 2 Thaler ein joge- 
nanntes Yrühftüd, allen denen zu empfehlen, die fich gern Zähne außbei- 
Ben. Seit der Sanaleröffnung bat man die directe Bahn zwiſchen Cairo 
und Suez aufgegeben, auf der man in 4 Stunden den Weg zurüdlegte. 
Jet muß man eigentlid) halbwegs bis Alerandrien zurüd fahren, und 
Schnellzüge giebt e8 nur von Alerandrien, nit von Cairo nad) Sue, und 
zwar auch nur einen mwöcentlid. So währt die Yahrt jebt über das 
Doppelte ihrer frühern Dauer. Das ift auch eine Errungenjchaft der 
Civiliſation und des Suezcanals ! 

In Suez empfehle ich allen denen, die gern recht ſchlecht und recht 


30 Spielbanken in Aegypten. 


theuer wohnen und denen zum Diner Kohlſuppe, ausgekochtes Fleiſch und 
Käfe genügt, das franzöſiſche Hotel, in dem ich die erſte Nacht abftieg, weil 
das englische überfüllt war. Wer aber, ehe er überhaupt von Gafthöfen 
Abſchied nimmt, wie ich e& bald thun follte, no ein wenig Comfort ge 
nießen will, der gebe in letzteres, das freilich auch nicht billig (51/, Thlr. 
täglich ohne Wein), aber doch nach hiefigem, für Europäer im Orient gül- 
tigen Mapftab verhältnigmäßig preiswürdig iſt. 

Für Vergnügungen ift vielfach in Suez gejorgt. Sie find allerdings 
nicht ſehr unfchuldiger Natur, aber ganz dem europäijchen, etwas vaga⸗ 
bundenartigen und nicht fehr gewiſſenhaften Bublicum entſprechend, das 
fi in diefem vermworfenen Nefte herumtreibt. Den Hauptanziehungspunft 
bildet daS „Cafe chantant“ eine Griechen, defjen Heldinnen Franzöfin- 
nen find, meift etwas abgelebte aber ſehr herausgepußte Damen, die ſchon 
anderswo viel Glück gehabt oder verfcherzt Haben mögen. Jedoch dieſes 
bildet eigentlih nur da Aushängeſchild. Der wahre Anziehungspunft be 
findet fi Hinter einem rothen Vorhang, den wir lüften, um in ein Ne— 
bengemab zu gelangen, wo wir mit — der Spielbant Belanntichaft 
machen. Diefe wird von einem Griechen gehalten, der dadurch gute Ge- 
ſchäfle macht, und, wie man mir fagte, „jehr ehrlih” fein ſoll. Alle 
Spieler fchienen mir freilich zu verlieren. Aber mo wäre die Spielbant, 
two das nicht gefchähe? Früher, ald noch am Canal gebaut wurde und 
mehr Europäer hier waren, machte ihm eine zweite Bank Concurrenz. Ein 
edler Wettkampf entſpann fich zwiſchen beiden, fich gegenfeitig die Kunden 
abzuloden. Das beliebtefte Mittel war ſehr draftiih. Der eine Bant- 
inhaber jchidt einfach Jemand mit einer Flinte nach der andern „Hölle“ 
und ließ mitten unter die Spieler feuern, hoffentlich nur mit Pulver. Der 
Erfolg war gewiß. Die Spieler famen dann zu ihm und blieben, bis 
der andere auch wieder unter fie jchießen ließ. In Cairo fand früher ganz 
daffelbe ftatt, als die Spielbanten noch in den Kiosken bei der Esbekiye 
beftanden. Verwundet ſcheint dabei Niemand zu werden. Doch die Spiel- 
inhaber find „anftändige” Leute in Vergleich mit jenen anderen Griechen, 
deren e8 auch in Aegypten giebt und deren Dol für 50 Thlr. Jedem zu 
Gebote fteht. 

Es ift jedoch ein eigenes Ding mit dem, was man im Orient „Örie- 
hen“ nennt. Nicht alle jo Genannten find wirklich aus dem claflifchen Ba- 
terland. Ich habe manche andere Europäer, die gar nicht „fo weit ber“ 
find, im Verdacht, gelegentlich die „Griechen“ zu pielen, denn man nennt 


Dampfichiffegefellfehaft Aziziye. 31 


einmal vorzugsweiſe alle Spigbuben im Orient fo und thut der Nation 
ſehr Unrecht, unter deren Angehörigen ich viele ſehr anftändige und ehrliche 
Leute gefannt habe. In Suez fcheinen diefe Kosmopoliten beſonders große 
Virtuofität zu entmwideln. So hatte vor einigen Jahren eine Bande der- 
jelben während längerer Zeit mit Erfolg fi) dem viceföniglichen Steueramt 
jubftituirt. Einige von ihnen befuchten nämlich alle neuanfommenden Waaren- 
Ihiffe, gaben fi für Steuerbeamte aus, ſprachen von ſchwerer Befteuerung 
der oder jener Waaren, die nun dad Schiff gerade führte, oder auch gar 
bon einem abjoluten Einfuhrverbot, gaben aber auch gleich dem erjchredten 
Sapitän das Mittel an, Alles dies zu umgehen, und zogen mit einer 
Ihönen Beftechungsjumme ab. Die Quarantäne lieferte der Bande Anlaß 
zu einem ähnlichen Schwindel. Oft, wenn eine ſolche gar nicht beftand, 
fam ein angeblicher Sanitätöbeamter an Bord, drohte der Sciffsmann- 
ihaft mit Quarantäne und ließ ſich endlich für ein Trinkgeld herbei, fie 
derfelben zu entheben. Auch von Übleitung von Telegraphendrähten durch 
diefelbe Schöne Gefellihaft hörte ih. Erſt nachdem fie ſchon lange ihr ein- 
trägliches Gejchäft betrieben, wurde ihr das Handwerk gelegt. 

Menn man von Enez nad) Dfchedda reifen will, fo muß man fid 
der ägyptiſchen Dampfichiffe, der fogenannten Compagnie „Aziziye“, bedie- 
nen, eine Gejellichaft, die eigentlich nur aus dem Vicekönig befteht. Ihre 
Schiffe waren theils urfprünglic ſehr ſchön und gut, einige freilich auch 
abgediente europäiſche, die irgend ein Verkaufskünſtler dem Khedive für 
ſchweres Geld anzuhängen mußte. Alle find jedoch über die Maßen ver- 
nadläffigt, die Kabinen fehen ruinenhaft aus, die Inftrumente, Spiegel, 
Möbel meift zerbrochen, die Betten jo zerfeßt, beſchmutzt und „bevölkert“, 
daß es gerathen ift, fich feines eigenen mitgebrachten zu bedienen. Eſſen 
it jelbft für theures Geld nicht zu befommen. Man muß feinen eigenen 
Koh und Proviant mitnehmen. Da die Mafchiniften Europäer find, fo 
werden die Majchinen leidlih gehalten. Die Mafchiniften führen euro» 
päilche Küche, und jolche Reifende, die jelbft nicht darauf eingerichtet find, 
fönnen fich manchmal bei ihnen in Soft geben. Doch rechne man hierauf 
nicht beftimmt, denn oft reicht ihr Proviant nicht aus. Dieſe Leute find 
nur durch hohen Lohn bier feitzuhalten. Der erfte Mafchinift befommt 
etwa 25, der zweite 20 Pfund Sterling monatlid), während z. B. der 
Öftreichifche Lloyd oft nur 8 zahlt. Alles Übrige Perſonal ift ägyptiſch und 
bon einer rührenden Ignoranz im Bezug auf Nautik. Wäre nicht der 
Pilot, jo würden die Schiffe noch viel öfter auf den Sorallenriffen bes 


32 Hegyptifche Schiffsmannſchaft. 


rothen Meeres feſtſitzen. Auch jo geſchieht e3 oft genug. Die Dlatrofen 
diefer „Compagnie“ find eigentlich gar feine Seeleute, fondern Landjolde- 
ten, viele von ihnen auch Sträflinge, denn diejer Dienft (ich meine natür- 
lich nicht den auf den Sriegsjhiffen) wird als Berbannung und Strafe 
angejehen. Obgleich keine Kriegsſchiffe, jo merden doc diefe Dampfer 
militäriſch befehligt. Es find gewöhnlich 4 Officiere vorhanden. Der erfte 
wird vulgo „Commandär” (ein europäifches Wort mit arabiſcher Endung) 
genannt, der zweite heißt der „Unter-Commandär”, der dritte Cabtan (Ca- 
pitän), der vierte Molajem (Lieutenant). Bon Anciennität ift beim Avan- 
cement nur in fo fern die Rede, als der Commandaͤr gewöhnlich der un- 
wiſſendſte, altmodischfte Stodtürke ift, der je zur See fuhr. Die anderen Sfficiere 
find entweder Jünglinge, die noch Carriere machen wollen, oder alte degra- 
dirte Officiere derjelben Compagnie oder der Landarmee, die man zur 
Strafe hierher verjeßt. So mar auf dem Sualin, mit dem ich nad) Maj- 
ſauwa fuhr, der vierte Officier ein uralter Greis, der früher Commandar 
gewejen, aber degradirt worden war, mweil er niemals anzugeben wußte, 
wieviel Mannfchaft er Habe, wieviel auf der Reife geftorben waren, und 
die Sanitätdagenten in Suez Stlage über ihn geführt Hatten. Auch ein 
fogenannter „Arzt“ ift auf jedem diefer Schiffe vorhanden, nicht jedoch ein 
folder, der Medicin ftudirt hätte, wie man deren mandmal unter den 
Moslems in Cairo findet. Gewöhnlich hat ein ſolcher Arzt eine große 
Flaſche mit Eifig, womit er alle Krankheiten heilt. Dr. Sangrado war 
ein großer Gelehrter im Vergleich mit ihm. Die meiften Officiere und der 
„Arzt“ verbringen ihre Zeit im Bett, wenn fie nicht zum Gebet aufftehen, 
worin fie jehr pünktlich find. Für die Schifffahrt ſorgt der Pilot. 

Das Billetnehmen, in Europa jo einfach, ift hier ſchrecklich complicirt. 
Erſt muß man dem „Bey“, einer Oberbehörde, feine Auftwartung machen 
Diefer prüft den Paß, den Sanitätsjchein u. |. w., fragt einen aus und 
jpricht eine halbe Stunde vom Wetter, vom Krieg, Napoleon oder fonftigen 
Dingen. Dann giebt er Ordre, daß man in das „Billetbureau“ geführt 
werde. Dort fiten einige 12 Schreiber, die endlich mit Ach und Krach das 
Billet zu Stande bringen. Dies wird einem jedoch erft verabfolgt, nad: 
dem man auf dem „Zahlbureau” war. Dort fißt der Caſſirer und diejer 
findet gewöhnlich die Münzjorte nicht pafjend. Er meift einem dann in 
das „Wechjelbureau”, woraus man gräßlich geſchunden hervorgeht, um erft 
wieder in da3 „Zahlbureau” und dann nochmals in das „Billetbureau“ zu 
gehen. Dann eine jchliegliche Aufwartung beim „Bey“, der fi) die Miene 


Pappladereien in Aegypten. 33 


giebt, Alles noch einmal zu prüfen, und man ift zu Ende, d. h. wenn man 
feine Diener bat. In lebtern Falle aber wird man vor Abend nicht fertig, 
denn deren Paß läßt gewöhnlich zu wünfchen übrig; man wird zum Gou⸗ 
verneur und bon biefem zu einem Dußend Unterbehörden geſchickt, die alle 
behaupten, heute feine Zeit zu haben, man folle morgen wieder kom⸗ 
men u. |. w., bis man endlich) die Geduld verfiert, zum Conſul geht und 
ihn bittet, dieſen gordiſchen Knoten durchzuhauen. Dieſe Paßpladereien 
find für die Unterthanen des Vicekönigs unendbar und ein wahrer Ruin. 
Ein armer arabifcher Diener muß oft den Gehalt eines Monat3 Hingeben, 
um nur abreijen zu können. Auch Hilft es ihm gar nichts, bereit3 allen 
Anforderimgen in Cairo genügt und bort die Verficherung erhalten zu ha= 
ben, damit fei num für die Staaten des Vicekönigs Alles abgemadt. Uns 
barmherzig wird er in Suez wieder denfelben Bladereien unterworfen, fieht 
fich einer doppelten Ausgabe und Zeitverluft gegenüber und muß froh fein, 
wenn er nicht jhließli unter irgend einem Formfehler⸗Vorwand nad 
Cairo zurüdgeihidt wird, wie ed meinem armen nubiſchen Diener Ab- 
duldmedſchid ging, der einen zweimonatlihen Gehalt zwiſchen Cairo und 
Suez auögeben mußte, ehe es ihm gelang, polizeigemäß dazuftehen. 

Alle diefe Freuden blühen dem Reifenden nur in Suez, weil diejes 
eben auf der Höhe der „Eivilifation” fleht. Hat er aber einmal dieſen 
Drt Hinter fich, jo ift Alles wie abgeſchnitten. In keinem einzigen andern 
Hafen des Rothen Meeres wird er mehr beläftigt, außer allenfalls des Ge- 
päds wegen, aber ein gutangebracdhter Bakſchiſch verfehlt hier jeine Wir- 
fung nie. 


v. Malgan, Welfe nah Güdarabien. g 


Reife nah Hradien. 





Sechſtes Capitel. 
Ein Pilgerſchiff. 





Pilgerreiſe vor dem Ramadaͤn. — Tuürkiſche Pilger. — Enge Verpackung der Bil: 


ger. — Die Metuafin. — Die Lebemänner des Orients. — Der. Zemzemi. — 
Brodneid der Pilgerfübrer. — Schulmeifterei alter Türken durch fnabenhafte Führer. — 
Das religidie „Geſchäft“. — Unmifienheit der Pilger. — Vorurtheilsfreiheit der Me 
tuafin. — Sie wollen deutſche Untertanen werden. — Belehrungsverjude. — Der 
alte Belehrer. — Langmeilige Predigt. — Gründe für Belehrung zum Islam. — 
Die Javanejen. — hr Schmutz. — Ihr Reichthum. — Wetteifer der Metuafin um 
die Javaneſen. — Todesfälle auf dem Pilgerſchiff. — Sonderbare Beſtattung. — 
Ankunft in Jambo. — Unficherheit der Gegend. — Der Hohe türkiſche Beamte und 
ſein unverſchämter Beſchützer. — Ein entarteter Beduine. — Beſuch in Yambo. — 
Der Statthalter. — Der Baſar. — Pilgereinkleidung auf der Weiterfahrt. — Die 
Beichtväter des Islam. — Yhre intereffirte Nachſicht. — Ankunft in Dſchedda. — 
Faulheit der Zollbeamten. — Leiden der Pilger. 


Wir ftanden am Vorabend des heiligen Monats Ramadan. Die Pil- 
gerfahrt war jomit noch über zwei Monate fern. Uber bei vielen Mos— 
lems befteht die Sitte, die Reife jehr früh anzutreten, um dies nicht im 
Faſtenmonat thun zu müflen und legtern in Mekka oder in Medina zubrin- 
gen zu können. Namentlich die entfernter Wohnenden pflegen am Aller: 
früheften einzutreffen.. So mar denn der Hegäz, das Schiff, das mid 
nad) Dſchedda tragen follte, auch dicht mit Pilgern bepadt, die meiftentheils 
„weit her“ waren. Die Türken berrfchten vor, namentlich) die aus Rumili 
und Bosnien. Dann war Java durch eine Heine, aber ausgeſucht ſchmutzige 
Golonie vertreten. Dieſe Leute mußten, da die directen Yahrten von Oft: 
indien nad) Dſchedda erft nad) dem Ramadan beginnen, alle den Ummeg 
über Suez nehmen, jomit diefelbe Strede, d. b. die Hälfte des Rothen 
Meeres zweimal befahren. Endlich fehlte e8 nicht an Söhnen der heiligen 


Die Pilgerführer und ihr Gefchäft. 35 


Stabt ſelbſt, religiöjen Fremdenführern, Metuafin genannt, die die „todte 
Saiſon“ in Conftantinopel zubringen und dort auf recht „fette“ Pilger Jagd 
machen, welche fie dann als. menſchliche Bädeder nach) Mekka begleiten. 

Diefes Publicum war an 700 Köpfe ftarf und nur dur) Härings- 
verpadung unterzubringen gemwejen. Sein Yled des Decks oder des Zwi— 
ſchendecks war frei. Ueberall fromme Pilger, die fih mit ihren Matragen 
oder Zeppichen da imftallirt Hatten und nieht vom Plate wichen. Da 
aßen, ſchliefen, beteten fie, raſirten, wuſchen fie ſich, die meiften glüdlicher- 
weile im Freien. Zmeihundert befanden fich freilich im Gepädraum, und 
dort mar die Atmo|phäre natürlich entſprechend verpeftet. Die große erfte 
Sajüte dagegen war, außer mir, ganz leer. Alle 36 Kojen ftanden zu 
meiner Berfügung. Türken und Araber reifen nämlich ſtets nur in dritter 
Elafje. Bon diefer giebt es übrigens hier verfchiedene Kategorien, je nad) 
der Stelle im Schiff, wo man einen Dedplat befommt. 

Schon am erften Tage wurde ich mit vielen Pilgern befannt. Na- 
mentlich die Metuafin zeigten fich leicht zugänglich, was mich fehr in Er- 
ſtaunen ſetzte, denn als ich meine Pilgerfahrt machte, hatte ich fie als fehr 
fanatifch fennen gelernt. Freilich jpielte ich damals jelbft den Moslem und 
dem Pilger gegenüber mußten fie die religiöfe Seite heraushängen. Heute 
lernte ich fie don ihrer weltlichen. Seite kennen und diefe war, meiner 
Treu, gar miht unangenehm. Dieſe hochgeachteten religiöfen Perfonen, 
denen die unwiſſenden Pilger immer mit dem tiefſten Reſpect, wie Heiligen, 
entgegenlommen und deren „Geſchäft“ die Religion ift, find eigentlich Die 
wahren Lebemänner und Weltleute des Orients. Sie fommen mit fo 
vielen und fo vielerlei Menjchen in nähere Berührung, fie reifen felbft fo 
viel, um ihre guten Kunden aufzujpüren, daß ſich, wie bei den meilten 
PVielgereiften, -Borurtheile und infeitigkeiten bei ihnen abjchleifen. Der 
Fanatismus bleibt nur noch ein Amtskleid, dag gelegentlich angezogen 
werden muß, um den Hunden zu imponiren. Iſt das nicht nöthig, fo find 
fie die Tiebenswürdigften Menfchen, namentlich die älteren und routinir= 
teren, denn unter den jungen findet man noch „ungejchliffene Diamanten“. 

So war aud unter diejer Heinen Schaar ein brauner Jüngling von 
den Zemzemiya, d. h. den MWächtern des heiligen Brunnen Zemzem. Ihr 
Beruf ift erblich und fie gehören fomit zu einer Art von religiöjen Adel, 
jedoch von untergeordneter Claſſe. Demgemäß bilden auch fie einen 
Gegenftand der Berehrung. Dieſem Umftand verdankte unſer brauner 
Zemzemi, dab ihn die Metuafin duldeten, obgleich fie, ſowie er den 

g* 


36 Religiöfe Schwindeleien. 


Rüden wandte, fich bitter über ihn beilagten, daß er ihnen ins Handwerk 
pfuſche, wozu er gar feine Berechtigung habe. Der junge Zemzemi war 
nämlich vorigen Sommer auf eigene Fauſt nad) Stambul gereiſt, Hatte: 
dort den Metuafin zwei reiche alte Türken mweggefilcht, die er nun aß 
Slaubenslehrer und Führer begleitete. Es war fehr komiſch anzufehen, 
mit welchem Nefpect die zwei weißbärtigen Greife und ihr zahlreicher Troß 
bon weißen und ſchwarzen Sklaven dem halben Knaben zuhörten, wenn a 
ihnen die Pflichten der Pilgerfahrt außeinanderjeßte, ihnen vorbetete, da3 
Softüm erllärte u. |. wm. Er war ihr Oelgötze, wurde gehätſchelt und ge 
füttert und dabei wie ein Heiliger „verehrt“. Sein geiftliher Hochmuth 
war denn auch nicht gering. Mich würdigte er feiner Anrede und nahm 
es jehr übel, wen ich zuſah, wie er einen alten Türken fchulmeifterte, ihn 
fih aus- und anziehen, wafchen oder den Kopf rafiren ließ, gerade wie 
wenn er ein Find geweſen wäre. Deinem ungläubigen Auge gönnte et 
nicht den Anblid diefer heiligen Berrichtungen. 

Meine Belannten, die Metuafin, waren das gerade Gegentheil von 
diefem jugendlichen Fanatiker. Oft, wenn wir in der köſtlichen Abendluft 
auf dem Ded beiſammen jaßen, rauchten, Kaffee tranken und plauderten, 
kam es vor, daß irgend ein frommer Pilger fie unterbrach, um fich „geil: 
lichen Rath” zu holen. Das „Geſchäft“ verlangte, daß fie fich ihm mid 
meten. Dies gejchah auch ſehr geſchäftsmäßig und wurde rajch abgemadtt, 
dem Pilger eine Ermahnung gehalten und ihm fchnell etwas vorgebeiet, 
was diefer oft ganz faljch wiederholte. Ich bemerkte dies, aber die Metuafin 
lachten nur dazu, und verficherten mir, es fei zu viel verlangt, wenn fie 
den Pilgern das richtige Nachſprechen beibringen follten. Die gute Abficht 
müfje das Mangelhafte der Worte entfehuldigen. Einer geftand mir fogar 
ganz offen, e& ſei gar nicht gut für fie, wenn die Pilger das ganz richtig 
lernten. Sie könnten fonft leicht ihren Verwandten die Metuafin entbehrlid 
machen. Die Pilgergebete find nämlich andere, als die gewöhnlichen, umd 
nur den Mekkanern oder jehr erfahrenen und gelehrten Pilgern, die ſchon 
einmal in Mekka waren, befannt. Die Ungelehrten lernen fie nie richtig 
und ‚bedürfen immer und immer wieder eines geiftlichen Fuhrers. Die 
macht das Amt der Metuafin unentbehrlich und einträglich. 

Diefe guten Leute waren anfangs fehr erftaunt über meine Kennmiß 
der Gebräuche der Pilgerfahrt. Ich Hütete mich natürlich ihnen zu fagen, 
daß ich fie mir an Ort und Stelle geholt hatte. Jedoch waren fie weit 
entfernt, Verdacht zu ſchöpfen, und fanden e8 ganz erflärlich, als ich ſagie, 


Mohammedanifhe Belehrungsverfuche. 37 


ih verdante meine Kenntniß ganz ähnlichen Gefpräcdhen, wie dem, das ich 
eben mit ihnen führte Sie ſprachen nämlich ganz ungenirt mit mir von 
allen Heiligthümern und nahmen fein Blatt vor den Mund. 

Wie weit ihre Vorurtheilsloſigkeit ging, zeigt der Umſtand, daß zwei 
Metuafin mich einmal bei Seite nahmen und mich hoch und theuer baten, 
ih möchte ihnen doch das Protectorat unſers Conſulats verfchaffen. Ste 
wollten nicht mehr türkische Unterthanen fein, lieber die eines europäiſchen 
herrſchers. Bei dieſen allein ſei Gerechtigkeit zu finden. O Schatten des 
Propheten! drehe did im Grabe um, wenn deine Heiligen eine foldhe 
Sprade führen! Leider mußte ich ihnen gejtehen, mir Deutichen feien 
war nicht mehr ganz dieſelben politiichen Ajchenbrödel, wie früher, aber 
ziis nah Mekla reiche doch unfer Arm noch nicht. Sie follten es Tieber 
nit England verfuchen, der einzigen Macht, die in Arabien rejpectirt ift. 

In der furzen Zeit unfers Beiſammenſeins entipann ſich wirklich ein 
anz freundfchaftfiches Verhältniß. Der befte Beweis Davon war, daß fie einige 
mſchuldige Bekehrungsverſuche anftellten. Der Moslem ift heut zu Rage 
ein Profelgtenmader. Da er aber feinen Glauben für eine Wohlthat 
mfieht, fo fucht er diefe feinen Freunden zu verichaffen. Darum ift ein 
zekehrungsverſuch vor Allem ein Beweis von Freundſchaft. Nebenmotive, 
vie das, mir als Metuaf zu dienen und dadurch viel zu verdienen, mochten 
atürlih meine Belannten auch mitbeftimmen. 

3u dem Zweck wurde ein uralter Metuaf, der jonft ſchweigſam abjeits 
r&, mit ins Geſpräch gezogen. Diejer hatte nämlich ſchon einmal, wie es 
ieß, einen Chriſten und zwar einen polnifchen General nebft Frau befehrt 
nd wurde vulgo „der Bekehrer“ genannt. Aber damit hatte man das 
nrichtige Mittel gemählt. Denn diefer alte Stodmoslem begann nun eine 
langweilige Predigt, daß ſämmtliche Metuafin bald laut ſchnarchten und 
h mir die Miene gab, gleichfalls zu ſchlummern, bis dies zur Wirklichkeit 
ade. Lange tönte der Singfang des Prediger in die Nacht Hinein. 
ein Menſch hörte ihm zu. Aber fein eigenes gläubiges Gemüth mochte 
eje Gelegenheit, fi) auszusprechen, nach Herzenäluft genießen. 

Die Gründe, melde mir diefe Metuafin für meine Belehrung em- 
ablen, waren übrigens keineswegs afcetifche, nicht einmal religidje, fon- 
zn, wie fie jelbft, durchaus weltmänniſch. „Du Tannft dann Mekka und 
Bedina fehen, was gewiß intereflant ift, auch ganz Arabien bereifen, wo 
noch viel Unbelanntes giebt; kannſt alle Genüffe der Mohammedaner 
it denen der Chriften vereinigen, nebenbei auch europäifchen Schuß nad) 


38 Javaneſiſche Pilger. 


wie vor genießen, demn viele indische Moslems kommen ja auch nad) Meta 
und felbft dort fchüßt fie England. Du verlierft alfo gar nichts, denn als 
Moslem kannſt Du in Europa, nicht aber als Ehrift in Arabien reiten.“ 
Man Sieht, ihre Propaganda war gar nicht ungefchidt. Sie ſprachen ten 
Wort von den Huris des Paradieſes, die man erft in der zufünftigen, jon- 
dern nur von Dingen, die man in diefer Welt genießt. 

Die Javaneſen bildeten einen bejondern Anziehungspunkt für die 
Metuafin. „Diefe Leute,” To jagte man mir, „jehen zwar wie Bettler au, 
find aber aus Gold gemacht.“ In der That fahen fie jchredlich aus, 
Halbnackt und von Schmug und Ungeziefer bededt, lagen Männer und 
Frauen durcheinander. Ihr ewiges Klauen von Bethel oder von Tabad, 
womit viele abmwechfelten, und das daraus erfolgende Herumjpuden macht 
ihre Nähe ganz befonders miderlihd. Ihre rauen waren unverſchleiert 
und gingen mit den Männern vor Allee Augen ungenirt um, ganz der 
moslemiſchen Sitte zuwider. Ws ich die Metuafin darauf aufmerkfam 
machte, hieß es: „fie find unwiſſend.“ Damit mar Alles entſchuldigt. 
Auch Tegten fie gar nicht das Pilgergemwand an. Zur Entfehuldigung hieß 
es „fie ſeien Schäfei und die hätten das nicht nöthig“, obgleich ich fehr 
viele Schäfe i kannte, die ſich regelmäßig einfleiveten. An den Javaneſen 
entichuldigte man Alles. Ihre einzige Speife ſchien roher Kohl zu jem, 
den fie in Suez gefauft Hatten und den fie auf jehr unreinlicde Art vers 
zehrten. Uber „fie waren reich“, jo hieß e8 und das machte fie jehr in- 
terefjant. „Sie fchleppen ganze Säde voll Gold mit fi, die fie unter 
ihrem Gefäß halten,“ fagte mir ein Metuaf. Wllerdings müſſen dieſe 
Leute viel Reifegeld mitführen, denn die Hin- und Rückreiſe Toftet jedem 
Einzelnen oft an 1000 Thaler, felbft auf dem letzten Pla, und dabei 
ſchleppt mander eine Familie von act, zehn oder zwölf Perſonen 
mit fi. 

„Das Beſte an ihnen ift,“ ſagte mir ein Metuaf, „daß keiner ein Sie 
benswörtchen Arabiſch Tann.“ 

„Wie werdet Ihr denn mit ihnen fertig?“ fragte ich. 

„O, das geht durch Zeichen,“ meinte er lachend und machte ba 
die Bantomime des Geldzählens. 

In der That ift es ſprichwörtlich, mie diefe Leute in Mekka au 
geplündert werden. Zum Glüd haben fie meift ihre Billette zur Rückreiſ 
ſchon im Voraus gelöft, jonft würde die Mehrzahl in Mekka ſitzen bleiben 
Manche richten fih übrigen? jo ein, daß fie über ein Jahr ausbleiben 


Todesfälle unter den Pilgern. 39 


und jo zwei Pilgerfahrten mitmachen, und ehren dann mit boppeltem Hei⸗ 
ligenſchein nad Java zurüd, 

Da diefe Javaneſen noch nicht in „feiten Händen“ maren, fo hatten 
die Metuafin gemonnenes Spiel. Aber au Hier fpielte ihnen der braune 
Zemzemi, der feiner Hautfarbe wegen (er mußte Negerblut in ſich haben) 
den Javanefen gefiel, den Streich, ihnen einen beſonders widerlichen, aber 
„auf Gold ſchlafenden“ Kröſus wegzufiſchen. Der Junge hatte entfchie- 
dene: Glück. Er brachte es fogar dahin, daß der Javaneſe ſich wuſch, 
was allgemein für ein Wunder galt. 

Trotz der im Ganzen günftigen hygienifchen Bedingungen der Reife, 
denn die Meiften lebten in freier Luft und die Temperatur mar gemäßigt 
warm (Nachts etiva 18° R.), kamen doch einzelne Todesfälle vor. Sein 
Wunder, denn mande Pilger verlaflen Fran, oft todtkrank, ihre Heimath. 
Geligfeit für fie, wenn fie auf der Wallfahrt fterben! Der erfte Fall betraf 
einen reichen alten Kaufmann aus Yemen, reich, wie man nach feinem 
Zode entdedte, denn gekleidet mar er wie ein Bettler, lebte auch fo. Uber 
er trug in einem um den Leib gejchnallten Ledergürtel 500 Pfund Ster- 
Img in Gold, und in einer alten Bretterlade, feinem Reifetoffer, befand fich 
ein großer Sad voll Thaler. Dies jämmtliche Geld murde „aufgehoben“, 
d. h. in Dſchedda dem Pascha überliefert, der die Verwandten des Ber- 
ftorbenen zu ermitteln verſprach. Diefe erfahren natärlich in dieſem und 
ähnlichen Fällen fpäter etwas von der Sache, aber alle ihre Reclamationen 
bleiben umjonft. Was in die Hände eines Paſchas geräth, ift untmieder- 
bringlich verloren. So flarb auch während meines Aufenthalts in Dichedda 
eine alte Ticherkejlin, die man für eine ganz arme Yrau gehalten hatte. 
Über fie mar einft die Sklavin eines reihen Mannes geweſen und hatte viel 
Schmud verfiedt. Nach ihrem Tode fand man bei ihr in alten Zumpen 
eitva 100 Gewichtpfund Goldſachen, die natürlich auch wieder die Beute 
des Paſcha wurden. Bon einem Fiscus ift nur: auf dem Papier die 
Rede. Der wirkliche Fiscus ift der Paſcha, wenn's aufs Einnehmen an« 
fommt. 

Am zweiten Morgen ftarb ein Heiner Knabe, der zu viel unreifes 
Obſt gegeilen hatte. Unreifes Obft, das ift die Paſſion aller Türken und 
Araber. Beide Leichen wurden fogleich eingefenkt, die Körper in Leintücher 
geridelt, das Faͤtiha von allen Pilgern gebetet; eine regelmäßige 
Beerdigungdproceffion fand ftatt bis an den Schiffäfiel, wo einige Matrofen 
die Leihen auf einer Stridleiter hinab bis an die Meereöfläche trugen, 


40 Stellung der türfifchen Beamten. 


nicht warfen. Dort ließ man fie weiter ſchwimmen, um bald die Beute 
der vielen Haififche zu werden. Eine Beichwerung durch Steine, Kugeln ıc. 
fand nicht ftatt. 

Am dritten Nachmittag landeten wir in Yambo, der Hafenftabt Me- 
binad. Hier fliegen etwa 200 Pilger aus, die den Ramadaͤn in leterer 
Stadt zubringen wollten. Bei Weiten die Meiften blieben jedoch, da bie 
eigentliche Medinafahrt ſpäter ifl. Unter den Ausfteigenden befand ſich 
auch ein Hochgeftellter türfifcher Effendi, der eine wichtige Regierungsftelle 
in Medina bekleidete. Uber meld’ eine erbärmliche Rolle fpielen viefe 
Beamten in der zweitheiligen Stadt des Islam, die noch viel weniger dem 
Sultan unterworfen ift, ala Mekka. Ueberall ſonſt find die Beamten die 
Tyrannen, in Medina find fie die Diener. Sonft treiben fie Steuern ein 
und erpreffen Geld für ihren eigenen Beutel, hier aber find fie die Zahl— 
meifter der Summen, die der Sultan den Beduinen geben muß, damit fie 
die Karawanen ungeftört und ihm ſelbſt den Schein feiner Oberhoheit 
laſſen. 

Ein ſolcher höherer Beamter, der viel Geld mit ſich führt, kann ſogar 
nicht einmal von Yambo nach Medina reiſen, ohne vorher mit den Be— 
duinen pactirt zu haben. So war & aud bier. Man hatte eigens 
einen Häuptlingsfohn nad Stambul fommen laſſen, um das Paflagegeld 
des Effendi zu ftipuliten und diefem auf der Reife als Schub zu dienen. 
Der Häuptlingsfohn war ein jogenannter halbeivilifirter Araber, der ge= 
wöhnlich in ‘Medina lebte, wo fein Vater als Delegirter ſeines Stammes 
die Baflagegelder der Reifenden einzutreiben hatte. Er Eleidete fich ſtädtiſch, 
feine Phyfiognomie hatte auch nicht vom Beduiniſchen. Er war fett, was 
bei den eigentliden Nomaden Niemand if. Diejer übrigens ſehr rohe. 
junge Bebuine, der wie mir ſchien nur zu viel in Städten gelebt hatte und 
ftädtifche Lafterhaftigfeit mit beduiniſchem Trotz vereinigte, war das höchft 
unwillkommene Anbängjel an den Effendi. Lebterer, ein jehr feiner alter 
Herr, durchaus der Typus eines höhern Givilbeamten, der mit großem 
Staat reifte, drei Tſcherkeſſinnen, viel Sklaven und Diener mit fi führte 
und von allen Pilgern ſehr refpectirt wurde, mußte fi) von dem Beduinen 
eine höchſt burfchikofe Behandlung gefallen laſſen. Gewöhnlich efien vor- 
nehme Leute auf der Reife allein. Aber der Effendi mußte den Bebuinen 
mit fich efjen laffen, wobei diefer die unanftändigften Manieren entmidelte, 
Dabei gab der Kerl noch zu verftehen, daß er eigentlich dem Effendi eine 
Ehre erweiſe, einem bloßen „Schreiber“, wie er den Givilbeamten nannte. 


Der Statthalter von Yambo. 41 


Civilbeamten werden von den kriegeriſchen Bebuinen natürlich jehr tief ge- 
ſtell. War es ſchon jo auf dem Dampfſchiff, wie mochte es erft in der 
Wüfte werden, wo der Beduine auf feinem Grund und Boden war. Auch 
ſah ih jpäter den Effendi mit ſehr ſaurem Geficht feine Kameelreiſe an- 
treten, während fein „Beſchützer“ die ganze Geſellſchaft commandirte und 
als „Berpadung” behandelte. Uebrigeng mar diefer Menſch in feinem ein⸗ 
jigen Stüd mehr ein unverfälſchter Bebuine. Einem foldhen klebt immer 
rimas Ritterliches ar, hier aber war da3 „Ritterliche” in Unverfchämtheit 
und unerträgliche Selbftüberhebung ausgeartet, die, je jünger ber fie zur 
Schau Tragende ift, defto mehr verlegen muß. 

Yambo ift jehr im Verruf; wie mir jcheint, übertriebener Weife. 
Man rieth mir allgemein davon ab, ans Land zu fleigen. Ein Europäer 
Önne dort gar nicht mit Sicherheit herumgehen, hieß es. Ich ſchicke jedoch 
um Mohafiz (Statthalter) und ließ anfragen. Die Antwort war eine 
Einladung. Der Mohaͤfiz ift ein türkifcher Beamter, deſſen Macht ich Übrigens 
sicht über die Stadtmauern hinaus erftredt und aud innerhalb diefer oft 
rwoblematifeh if. Da er aber eine albanefifche Leibwache bat, jo kann er 
inen Fremden menigftens in den Bafarftraßen der Stadt ſchützen. 

Ih wurde im Regierungshaus ſehr gut empfangen. Neben dem 
Rohafiz ſaßen einige Häuptlinge der Gehaina-Bebuinen, die zwiſchen 
Nambo und Medina (au in Yambo en Nachl) wohnen. Sie waren 
leichfalls des Effendi wegen da und follen ihn ſpäter fchredlich aus— 
eplündert haben. Es waren jehr ftattlihe Geftalten in reihen Coſtümen. 
Bei ein Unterſchied, dieſes reiche Eoftüm gegen die ſprichwörtliche Ein» 
ohheit der meiften Nomaden! Uber dergleichen findet man nur in ber 
degend von Mekla ımd Medina, denn in feinen anderen Städten wird 
in folder Coſtümluxus getrieben, wie in den heiligen. In Mella gilt e& 
ir höchſt unanfländig, mit denjelben Kleidern herumzugehen, die man auf 
er Reiſe trug, und ſeien letztere noch fo werthvoll. Diefer Lurus hat auch 
ie Beduinen angeftedt, natürlich nur die Häuptlinge und ihre Sippfehaft, 
ie allein Geld haben. 

Der Mohafiz ließ mich darauf von feinen Albanefen in Yambo her⸗ 
mführen. Die Stabt iſt wie ein einziger großer Zaden, wo man Alles 
aben Tann, was zur Landreife nad Medina nöthig if. Ich ſah eine 
anze lange Straße, wo ein Laden fi an den andern drängte, in denen 
ur Kameelftride, Sättel, Tragkörbe, Stöde, Trinkgefähe, verlauft wurden. 
inige Läden boten eine feltfame Waare. Es waren dies Mufcheln von 


42 Lebhafter Verkehr in Yambo. 


recht hübſcher Form, durchlöchert und an einem Lederriemchen hängend. 
Sie ſind die unfehlbaren Talismane gegen den böſen Blick für Kameele. 
Kein Kameel in Hegäz, das nicht feine Muſchel hätte. Un Brod, ben 
befannten dünnen runden Zeigen, Hammelfleiſch, gepreßten Bacra-Datteln, 
und berborrten fleinharten Higäzi-Datteln, die nur jehr Starke Zähne 
aufbeißen fönnen, ſowie an vortrefflichen Fiſchen war Ueberfluß. Hühner 
und Eier waren ſelten und theuer. Kaffeehäuſer gab es im Menge. 
Wechslertiſche befanden ſich in jeder Straße. Das ſchändliche ägyptiſche 
Bronzegeld hat hier keinen Curs. Da das türkiſche Kupfer noch geſuchter 
iſt, als Silber, jo ſieht man faft nur letzteres, die hübſchen ſilbernen Piafter 
von Stambul, als fleine, und die Maria-Therefia-Thaler (hier 26 tür: 
kiſche Piafter werth) als große Münze. 

Trotz diejer Lebhaftigfeit hat der Bafar jedoch ein Tehr unſcheinbares 
Anſehen, da durchaus feine Luxusſachen, ſondern eben nur die allernoth⸗ 
wendigſten Reiſeutenſilien verkauft werden. 

In einem Kaffeehaus wurde ich auf ſehr gefällige Weiſe angebettelt | 
Ein Knabe und ein Mädchen ftellten fi vor mid, ſprachen einen Gruß | 
und reichten mir dann die Hand, verlangten aber gar nicht. Erſt die: 
Albaneſen mußten mir jagen, daß, da ich ihren Handſchlag angenommen, 
ih nun verpflichtet fei, fie zu befchenten. Sie waren übrigens Fremde, 
junge Pilger, die fich in moslemiſchen Ländern immer leichter durchbetteln, 
al3 alte. Die Leute von Yambo find zu ſtolz, um zu betteln. 

Bon jener Rohheit der Bewohner von Yambo, meldhe frühere Reifende 
(wie Rüppel, Burfhardt) fehildern und die ich zum Theil jelbft im Jahre 
1860, zur Seit meiner Pilgerfahrt, noch ſah, fiel mir diesmal nichts auf. 
3 ſah nicht einmal die berüchtigten Krüttel, ohne deren einen fein Yam- 
baumi früher herumging. Es ſchien mir vielmehr, al3 habe mit der Zeit 
der Handelsgeiſt auch hier, wie überall, verföhnend und die Raubheiten ab-. 
glättend gewirkt. Die Leute. leben ja von den Fremden. Warum jollten. 
fie nicht endlich jene gejelligeren Manieren gelernt haben, welche jeder ge: 
fittete Handelöverfehr mit fi bringt? Mir ſchien es wenigftens, als Habe 
man in diefer Richtung Yortichritte gemacht. 

Sonft ift die „Stadt“ Yambo durchaus nicht verändert, jondern im 
Mefentlichen paßt auf fie noch die Befchreibung, die ich in meiner „Wall: 
fahrt nach Mekka“ entworfen habe. 

Die Naht war kühl auf der Rhede von Yambo, jehr verſchieden von 
der auf dem offenen Meer. Wir flanden eben hier ſchon unter dem Em 


Die Cinfleidung mit dem Pilgergemand. 43 


fluß der nordarabiihen Landtemperatur und ihren gemaltig wechſelnden 
Extremen. Mander arme Pilger fror entſetzlich in feinem dünnen Anzug 
und freute fih, den füdlicheren Regionen zu nahen. | 

Zwiſchen Yambo und Dſchedda war das wichtigfte Geichäft die Ein- 
Heidung der Pilger. Dieſe fmdet auf der Höhe von Rabegh flat. Das 
Wachen der vielen keineswegs fehr reinen Haggag machte freilich das Ded 
für einen halben Tag unbewohnbar, fo daß ich mich in die ſchwüle Gajüte 
zurüdziehen mußte. Als ich wieder herausfam, war eine gewaltige Meta⸗ 
morphofe vor fi) gegangen. Sämmiliche Haggäg (Pilger) hatten fi) in 
ſchneeweiße Tücher gehüllt, eines als Lendentuch, eines als Ueberwurf, 
(der bekannte Ihram), Kopf und Füße waren nackt, alle waren gewaſchen, 
raſirt und ſahen ganz reinlich aus. Dies am erſten Tage. Schon am 
zweiten hatten manche Ihrams die Farbe der Kohlen des Dampfſchiffes 
entlehnt. Sept nahm das Beten fein Ende mehr, jo daß es fogar den 
Metuafin langweilig wurde. 

Den Türken war die Pilgertracht mitunter ſehr Täftig, ja gejunbheits- 
gefährlich, da fie meift an da8 Fragen vieler und dicker Kleider gewöhnt 
iind. Mande waren jo gemwifjenhaft, auch des Nachts ſich mit keinem 
Mantel zu bededen, was vielfadhe Erfältungen zur Folge hatte Auch 
Sonnenftihe famen vor. Doch was find foldhe Leiden für den gläubigen 
Moslem, dem das Paradies winkt, wenn er auf der Wallfahrt ftirbt? 

Ich ſah übrigens, wie manche weniger bigotte Pilger fi allerlei 
Verſtöße erlaubten. Yreifih confultirten fie immer vorher die Metuafin, 
die fo zu fagen jebt Beichtväter geworden waren. Aber es waren jehr 
nachfichtige Beichtväter, die immer eine Entihuldigung für den Verſtoß 
fanden, den fich ihr Beichtkind erlauben wollte. Namentlich in einem Punkt 
wich die Mehrzahl der Türken von der firengen Regel ab. Sie trugen 
nämlich faft alle fehr breite lederne Geldgürtel, die zugleich) den Dienft von 
Schatzbeuteln und Leibbinden verfahen und faft den ganzen Bauch dedten, 
ſowohl hygieniſch wie finanziell empfehlenswertb, aber eigentlih durchaus 
regelwidrig. Jedoch die Metuafin erlaubten e8, empfahlen nur, den Ihram 
über das Leder zu ziehen, jo daß man biefes nicht fähe. 

„Die Leute,“ ſagte mir ein Metuaf, „müflen freilich für dieſen Verſtoß 
ein jeder ein Schaf opfern,” und machte dabei eine ledere Miene, denn 
dadurch bot fich ihm die Ausficht auf eine unendliche Reihe unentgelblicher 
Schmäufe. 

Wahrhaft komiſch war ein junger Wlerandriner, der alle Augenblid “ 


44 Schlechte Behandlung der Pilger. 


zu meinem beften Belannten unter den Metuafin Tam, ganz offen mit 
der Anrede: | 

„sh möchte mir gern einen Berftoß erlauben. Darf id das“ 

Gewöhnlich handelte e8 ſich dann um ein Paar Strümpfe, Schube, 
einen Sonnenfehirm oder fonflige dem frommen Hädg verbotene Gegen- 
ftände, die der verweichlichte Städter ungern entbehrt. Aber der Metuaf 
war milde, wie Honig, und gab faft immer die Erlaubnig zu dem „Ber- 
ſtoß“. In Folge diefer vielen „Berftöße” ſah der Merandriner zulebt gar 
nicht mehr aus, wie ein eingefleideter Pilger. 

In Dſchedda erwarten den frommen Pilger allerlei officielle Plagen, 
worunter die des Zollamts ſich bejonder8 unangenehm fühlbar machen. 
Was ich felbft einfl, auf meiner Wallfahrt, dadurch gelitten, habe ich ander- 
wärts befchrieben. Aber jebt ward ich Zeuge davon, daß für die Dampf- 
Ihiffpaffagiere diefe Torturen noch complicirter find. Die Dampfichiffe 
müfjen nämlich des feichten Uferwaſſers wegen fo meit von der Stadt 
halten, daß man oft anderthalb, jelbft zwei Stunden braucht, um von 
ihnen nad) Dichedda zu kommen. Yährt ein Pilger des Nachmittags ans 
Land, fo rißfirt er in den meiften Fällen, das Zollhaus überfüllt oder 
Schon geſchloſſen zu finden, und doch kann er nicht wieder an Bord, wie 
bei einem Segelfchiff, da die Dampfichiffgejellichaft dies nicht geftattet. In 
die Stadt kann er aber auch nicht, fondern muß draußen im Freien, zwi⸗ 
ihen Meeresſtrand und Stadtthor, übernachten. So ging es unferer 
ſämmtlichen Geſellſchaft, die obgleich ſchon um 3 Uhr Nachmittags beim 
Zollamt angelommen, dennoch von den faulen Beamten auf morgen ver- 
wiefen wurde. Dieſe moslemiſchen Stoiker fügten fich freilich ohne Murten 
in ihr Schickſal und ließen ſich auf dem Korallenfirande für die nächften 
16 Stunden wohnlih nieder. Mir war indeß diefer Stoicismus nicht 
eigen. Zum Glüd Hatte ih auf dem Schiff einen Triefliner, einen ber 
wenigen in Dſchedda lebenden Europäer, Tennen gelernt, der die Beamten 
kannte, und mir vorſchlug, mich) fogleih dur das Zollamt und in fein 
gaftlihes Haus zu befördern. Ich nahm diefen Vorſchlag mit Dank an, 
und mwährend Herr Rolph, mein neuer Belannter, mit den Beamten, die 
in vollem Diwan, einige zwanzig Köpfe ſtark, ſehr pomphaft daſaßen und 
trog der vielen Geſchäfte, denen fie ſich eigentlih hätten widmen follen, 
„dolce far niente“ trieben, Kaffee trank und unfere Zollangelegenheit be= 
ſprach, führte ih auf jeinen Wunſch feine Frau duch die Straßen von 
Dſchedda nad) ihrer am andern Ende der Stadt gelegenen Wohnung. 


Europaͤiſche Damen in Dſchedda. 45 


Eine europäifhe Dame ift in Dſchedda immer noch eine großes Auf- 
ſehen erregende Erſcheinung. Madame Rolph, obgleich feit einigen Jahren 
bier wohnhaft, geht doch faft nie aus, und außer ihr gab es zur Zeit nur 
noch eine andere Dame, die Frau des franzöfiichen Conſuls. Deshalb 
wurden wir ganz gehörig angeftarrt, al3 wir mitten am Nachmittag durch 
den bielbelebten Bajar fchritten. Aber der Fanatismus hat doch aud bier 
Thon etwas nachgelaffen, und es blieb bei gemurmelten Verwünſchungen 
und kam nit zu offener Beihimpfung, worauf man fi auch gefaßt 
Halten mußte. So gelangten wir ohne Unfall in das jchöne Haus meines 
freundliden Wirthes, mo fich orientaliiche Zimmereinrichtung mit euro- 
päiſchem Comfort in höchſt harmoniſcher Weiſe gepaart fand. 


Hegaz 


Siebentes Capitel. 
Dſchedda. 


Vortheilhafte Veränderung der Stadt. — Die Choleracommiſſion. — Das Hütten: 
gewirre. — Die Proftitution und ihre Viertel. — Die Hüttendörfer. — Steinhäufer. — 
Schöne Bauart. — Acht arabiſche Hauseintheilung. — Einwohnerzahl. — Ihre 
Beitandtheile. — Die Doaner aus Hadramaut. — Die Handelögenies Arabiens. — 
Yanatismus und Mißtrauen gegen Reifende — Eigenthümlide Namen. — Die grie: 
chiſche Colonie. — Ein Hotel in Dſchedda. — Branntweineinfuhr und Weinverbot. — 
Die Eonfulate. — Der Paſcha von Dſchedda. — Ein grober alter Türke. — Lächer⸗ 
lie Lobhudelei. — Der „VBeihüger der Armen‘. — Waflermangel in Dſchedda. — 
Sogenannte Regenzeit. — Wohlthätige Stiftungen. — Speculationen der Wafler- 
verfäufer. — Die zerftörte Waſſerleitung. 


Dſchedda ift nicht mehr, mas es vor zehn Jahren war, ein ſchmutziges, 
efelbaftes PBandämonium, durch deſſen von Hüttenwerf, mit elender und 
laſterhafter Bewohnerſchaft, unzugänglihd gemachte Straßen man fich mie 
durch ein Labyrinth mühſam durchwinden mußte. ine gewaltige Berän- 
derung ift vorgegangen und bat der Stadt eine im Orient fonft jelten zu 
findende ordentliche und reinliche Phyfiognomie verliehen. Das ift eine 
MWohlthat, die es jener fürchterlichen Geißel, der berüchtigten Pilgercholera 
bon 1864 bis 1865, verdankt. Dieje hatte zum erften Mal dem erftaunten 
Europa enthüllt, welch eine Giftquelle fih in dem Schmuß von Meta, 
Mena und Dſchedda zur Pilgerzeit entwidelt, und die internationalen Sa- 
nitätscommiffionen ins Leben gerufen. Ob im „heiligen Gebiet”, dem 
Weichbild von Mekka, das nur Moslems bejuchen, die immer, wenn fein 
Europäer ihnen auf die Yinger fieht, Allee nur halb thun, wirklich etwas 
Weſentliches für Reinlichkeit gejchehen, ift zweifelhaft. Da fein Europäer 








Hygienifche Reinigung der Stadt Dſchedda. 47 


dorthin kann, fo wird dieſe Giftquelle wohl jo bald nit mit Stumpf 
und Stiel auszurotten fein. Aber Dſchedda ift Jedem zugänglid. Hier 
waren fogar eine Zeit lang europäifche Agenten anmejend. Der Ehrgeiz 
ber einheimiſchen Behörden wurde dadurch angeſpornt. Um den Europäern 
zu zeigen, daß man fie eigentlich) gar nicht nöthig habe, thaten fie nun 
faſt Alles allein. 

Das ganze efelhafte Hüttengewirre wurde Hinweggefegt, die Bewohner 
in verſchiedenen Hüttendörfern in ziemlicher Entfernung von der Stadt an- 
geſiedelt. Die bier überaus ſtark vertretene Proftitution, jener Heerd phy⸗ 
ſiſcher und moralifcher Seuche, erhielt ihr Hauptquartier in einem derjelben, 
etwa 20 Minuten von der Stadt entfernten, angewiefen. Dicht bor den 
Thoren ließ man nur den unentbehrlihen großen Pilgerbafar auf der 
Mekkaſtraße beitehen, aber man baute ihn neu, und zwar recht gefällig; 
er jieht jegt reinlich und Iuftig aus. _ 

Der hygieniſche Vortheil, den die Entfernung der Hüttendörfer mit 
fih bringt, macht fich in jeder Beziehung fühlbar. Nicht der geringfte ift 
der, dag nun die meilten Pilger kürzere Zeit in Dſchedda bleiben, wäh 
rend fie früher in den Straßenhütten mohlfeile Herberge und lüfterne Ver- 
lodungen fanden, die fie oft fefthielten. Aber nach den entfernten Hütten- 
dörfern geht fein Menſch. Nur das Proftitutionsviertel (da3 einen unnenn- 
baren Namen führt) wird befucht, aber doch jehr viel ſchwächer als damals, 
da es noch in der Stadt war. In diefer Beziehung günftig ift der Um- 
fand, daß wegen des Thorſchluſſes der nächtliche Beſuch ſehr erſchwert ift, 
und die Erfahrung bat gezeigt, daß diefe Pandämonia hauptſächlich auf 
das Nachtleben angewieſen find. Dieſes Biertel friftet denn auch jebt nur 
dürftig fein Dafein. Die glänzenden Tage jener Infaflen find vorbei. 

So befteht derm Dſchedda jebt faft nur aus Steinhäufern von dem 
bier überall häufigen Korallenfels. Dieſe Häufer find hoch, meift dreis oder 
vierftödig und von gefälliger Bauart. Ihre Glanzjeite bilden die kunſtvoll 
geihnigten großen Holzfenfter, die alle erferartig hervorſpringen und in 
deren Nifchen die Dimane angebracht find. So viel Tyenfter, jo viel Di- 
wane. Alle diefe Yenfter find, der Sonne wegen, fehließbar und ziwar durch 
gitterartig geſchnitzte Holzläden. Luxuriöſe Leute haben doppelte Läden, 
von innen und von außen. Glasfenfter find gänzlich unbelannt und jelbft 
die Gonfuln enibehren fie, obgleich der nächtliche jähe Zemperaturmechjel 
fie doch manchmal wünſchenswerth erfcheinen läßt. 

Am Innern find die Häufer gleichfalls ſehr gejehmadvuoll. Alle haben 


48 Die Bewohner von Dfchedda. 


im Erdgeſchoß eine geräumige, gegen den Hof zu offene Empfangshalle, 
oft reich mit Stud und Schnigwerk verziert. Die oberen Stodwerfe find 
in fogenannte Megles (Medfchles) eingetheilt, jedes ays einem Saal und 
drei oder vier Zimmern beftehend und bejonders verſchließbar, auch meift 
mit einer eignen, ausjchlieglich zu ihm führenden Seitentreppe. 

Seit Entfernung der Hüttenbewohner dürfte Dicheddas Einwohner- 
zahl fiebzehn- bis achtzehntaufend kaum erreihen. Bielleiht ift auch Dies 
noch zu hoch gegriffen. Eine Zählung findet natürlich nicht flat. Die 
flottirende Bevölkerung ift aber defto größer, am größten natürlich) in den 
Monaten vor und nach der Wallfahrt, doch auch zu anderen Zeiten bringt 
der Handel hier ftet3 ein lebbaftes Treiben mit fich. 

Eingeborene angeftammte Dſcheddauwi giebt es jehr wenig. Ein Drittel 
ber Bevölkerung ſtammt aus Yemen, ein anderes Drittel aus Hehäz, d. h. 
den wenigen Städten, die diefe Provinz hat (denn Bebuinen giebt es nicht 
in Dſchedda), aus Aegypten, Syrien, der Türkei und der Reit befteht aus 
indiſchen Moslems und Arabern aus Hadramaut. Letztere beiden Claſſen 
repräfentiren den Großhandelsſtand, den wiätigiten der Stadt. Namentlid) 
bie Hadrami jpielen eine bedeutende Rolle. Sie find übrigens nicht aus 
der eigentlich im engern Sinne diefen Namen führenden Landichaft, jon- 
dern, ſoviel ich erfuhr (und ich lernte ſehr viele Tennen) ausnahmslos aus 
dem Waͤdi Do an im Bilaͤd beni Iſaͤ, ebenjo wie die flbarabifche Colonie 
in Cairo. In ihrem Lande nennen fie fi gar nit Habrami, jondern 
behalten diefen Namen den Bewohnern der Wädi Kesr, Amd und Ra- 
chiya vor. Aber in Centralarabien verfteht man unter Habramaut ftet3 
einen fehr weiten Begriff, und die hier lebenden Dö aner find fo gewohnt, 
nd Hadrami nennen zu hören, daß fie.oft felbft dieſen Ausbrud non fi 
gebrauchen, jedoch niemals unter einander, fondern nur Fremden gegenüber. 

Sie find die Handelsgenies Arabiend, und das ift um fo merkwür⸗ 
diger, als e8 in ihrem Vaterland gar feinen Großhandel giebt. Der 
Waͤdi Dö an if ein an Naturproducten, die jedoch im Lande bleiben, zwar 
reiches, aber an baarem Geld jehr armes Gebiet. Hundert Thaler bilden 
dort Schon ein Vermögen. Darum kommen auch alle Döaner, die für 
eine Zeit lang auswandern, fo zu fagen als Bettler nad) Dſchedda, werden 
aber dort reich. Es ift ſprichwörtlich, daß ein Dö aner bei feiner Antımft 
‚nichts fein nennt, als das Futta (Lendentuch), womit er einen Theil feines 
zu drei Viertheilen nadten Körpers dedt, und daß er nad) 10 oder 20 
Jahren als Hausbeliger, SchiffseigentHümer und nad biefigen Begriffen 


Kaufleute aus Hadramaut. 49 


als ſehr reicher Dann dafteht. Sie find eben ein durchaus genügfames 
Bolt, das jede Entbehrung erträgt und feinen, ſelbſt nicht den niedrigften 
Dienft verihmäht. So findet man zum Beifpiel im Haufe der reichen 
Dõ aner in Dichedda, daß ſämmtliche Diener, ja oft Laftträger die nächften 
Verwandten des reihen Kaufmanns find, die ihm aus der Heimath nach⸗ 
geſchickt wurden, damit er für fie forge. Dies thut er, aber er läßt fie 
nicht müßig gehen, ſondern tüchtig arbeiten. Dafür wendet er ihnen aber 
Bortheile zu und erleichtert ihr ſpäteres Etabliſſement. Doch ift beim 
Reichwerden der Dödaner nur fehr Selten gewagte Speculation, die mand;- 
mal fchneller zum Ziele führt, im Spiel. Nein, dieſer Reichthum ift ein 
langſam und mühevoll, aber auf fiherm Grund errichtetes Gebäude, 


HM ein Doaner reich geworden, fo iſt fein einziger Ehrgeiz ein 
fchönes Haus. Aber er zieht fich felten vom Handel zurüd. Diejenigen, 
die in ihr Vaterland zurüdkehren, find faft nie reich, ſondern haben fich 
gewöhnlich nur ein mäßige® Sümmchen erfpart, auch meift nur kurze Zeit 
im Ausland geweilt. Ein Doaner Kröſus weiß, daß die Zuflände in 
feiner Heimath zu unficher für ihn und feine Habe find. Cr behält feine 
Heimath im Herzen, aber er fucht fie nicht auf. Uebrigens lebt er ja auch 
in Dſchedda ganz in heimifchen Streifen und gebt faft nur mit feinen Lands⸗ 
leuten um. Bon Allem, was in feiner Heimath vorgeht, ift er ftet3 genau 
unterrichtet und verliert nie ein reges Intereſſe an ihr. 


Die Dianer in Dſchedda Haben noch ungefchmälert den heimifchen 
Fanatisınus bewahrt. Während ich mit ihren Land3leuten in Cairo ganz 
unbefangen von ihrer Heimath reden konnte, gab Hier ſchon die einfachfte 
Nachfrage danach Anſtoß. Herr Rolph, der, wie die meiften Europäer, 
nichts von jener geheiligten Unzugänglichleit des Bildd beni Iſa wußte, 
beging einmal den Berftoß, geradezu zu erzählen, ich hätte ein Bud) dar- 
über herausgegeben und beabjichtige jelbft, dorthin zu gehen. Das gab 
lange Geſichter! Yür mic) war dies freilich gleichgiltig, denn ich hatte bald 
gemerkt, daß aus den Doanern von Dſchedda auch nicht ein Sterbeng- 
mörtchen herau&zubringen war. Aber ich bedauerte e3 meines Gaftfreundes 
wegen. Denn feine ganz unſchuldige Bemerfung wurde wie eine ſchwere 
Beleidigung, ja Läfterung des Heiligen aufgefagt, und ihm war ein gutes 
Einvernehmen mit den Leuten erwünſcht, da er Gefchäfte mit ihnen hatte. 
Sch ſuchte nun zu beſchwichtigen und gab vor, mein Freund habe mic 
falich verftanden. Aber man glaubte mir nicht. Die Gefichter wurden 

4 


v. Malkan, Reiſe nah Südarabien. 


50 Induftrie der Bürgerfrauen von Dſchedda. 


immer länger! Eifige Kälte brachte das Gefpräd zum Stoden und wir 
fanden es gerathen, aufzubrechen. 

Ich bat nun Herrn Rolph, bei allen den „Ba“, die wir noch zu be- 
juchen hätten, lieber nur vom Kaffee, jenem unerſchöpflichen Handels- 
geiprächägegenftand, zu reden, aber ja nicht mehr von der Heimath diefer 
„Ba“, fo nannten wir fcherzhaft die.Doaner, weil alle ihre Yamilien- 
namen (Ronia) mit Ba (für ebna) anfangen. Unſere meiteren Bejuche 
bei den verfehiedenen Bäharum, Bäyageba, Bäjuban u. ſ. w. gingen denn 
auch ganz gut ab, waren aber etwas langweilig, da inzwijchen der Ra- 
madaͤn angefangen hatte und dieſe firengen Moslems jelbft am Abend 
nur ernfte Geſpräche führten oder, was fie und gegenüber am liebften 
thaten, bewiefen, daß „Schweigen Gold ift“. 

Durch Frau Rolph, welche viel in arabiſche Yamilien fam, erfuhr ich 
bon einer Induſtrie, von der ich bisher feine Ahnung Hatte, da ihre Pro» 
ducte eben nicht auf den Markt gelangen. Es find dies munderjchöne 
Stidereien in Gold, Silber und Seide, auf Betten- und Möbelftoffen, 
welche die Bürgerfrauen, jelbft die reihen, arbeiten. Diefe Frauen find 
außerordentlich fleißig, nähen und fliden den ganzen Tag. Steine, jelbft 
die reichfte, verihmäht übrigens den Lohn ihrer Arbeit, jede nimmt auch 
Beftellungen an. rau Rolph erfundigte ſich einmal bei einer reichen Ara⸗ 
berin, two fie arbeiten laſſen Tönne, und dieſe wieß fie ohne Weiteres an 
ihre eigenen Töchter, die fich auch dafür zahlen ließen. Die ArbeitSpreije 
find freilich mäßig. Sonft beftellen nur Moslems diefe Arbeiten, wofür 
fie oft Gelegenheit Haben. Es ift nämlih Sitte, die Hochzeitsgemächer 
(oft ein ganzes Megles) mit in Silber und Gold geftidten Kiffen, Betten 
und Diwanen zu zieren. Dieſe bleiben nur drei Monate im Gebrauch des 
jungen Paares, dann Tommen Möbel mit Seidenftideri. _ 

Die Bürgerfrauen find jehr gefellig und halten oft „Frauenkränzchen“ 
ab. Sie nennen ſich unter einander „Schecha“, d. h. Aelteſte, was na- 
türfih nur eine Rangesbezeihnung ift, denn eine Anfpielung aufs Alter 
nehmen fie fehr übel. Bei diefen „Kränzchen“ firebt Eine die Andere an 
Koftbarkeit der Kleider und des Schmudes zu übertreffen. Das Nivali- 
firen nimmt übrigens ſchon auf der Straße feinen Anfang. Jede fucht 
durch ihr flattliches Gefolge und die Zahl der Laternenträger fi auszu- 
zeichnen. Eine Dane, die für vornehm gelten will, muß wenigſtens zwei 
Saternenträger haben und mit was für Laternen! Großen Käfigen, in 
denen ein Adler Pla hätte, Nur Glaslaternen und Wachslichter gelten 


Damengejellihaft. Griechen in Dichedda. 51 


für ſtandesgemäß. ft die Dame recht vornehm, jo müſſen in jeder Laterne 
drei Kerzen bremen. Papier- oder ägyptiſche durchſichtige Zeuglaternen, ſowie 
Dellampen gelten für ſehr gemein. Dadurch würde eine Dame bei den 
Beluherinnen des „Kränzchens“ ihre jociale „Stellung“ einbüßen. Yrau 
Rolph erzählte mir, als fie das erfte Mal ein Kränzchen befuchte, habe fie 
noch gar nichts Don diefen Standesregeln gewußt und fei mit einem ein- 
sigen Zaternenträger gelommen. Ihr Unglück wollte noch dazu, daß in 
der Laterne auch nur ein Delliht brannte. Beim Hingang hatte fie Nie- 
mand gejehen. Als fie aber nachher mit einigen Damen zugleich fortging, 
machte da3 geringe Gefolge und der ſchwache Laternenglanz einen fo jchlim- 
men-Eindrud, daß Alle die Naſe rümpften und fie über die Achjel an- 
jaben. Ihre „Stellung“ - war ernftli bedroht, aber ihr Mann meinte: 

„Run wart, wir wollen die „Stellung“ im Sturm wieder erobern 
und fie fol jogar höher werden, als die irgend einer Yrau in Dfchedda.“ 

So gab er ihr denn das nächſte Mal vier Laternenträger, in jeder 
Laterne drei Wachslichter, mit. Dies erregte in Dſchedda ein foldhes Auf- 
jeden, daß man ſich zuraunte, die Frau des Großicherif3 ſei angelommen. 
Den Damen des Kränzchens imponirte es dergeftalt, daß die fo reichlich 
Beleuhtete von nun an für die erfte „Schecha“ galt. Eine Europderin, 
die ſolche Geſellſchaften in Dſchedda befucht, Heidet fi dann auch meift 
orientaliſch ober verſchleiert ſich wenigſtens auf der Straße ganz wie eine 
Araberin. Nöthig ift es nicht, man fieht aber das Gegentheil ſehr ungern. 

Bon twirklihen und angebliden Europäern leben in Dſchedda, die 
zwei Conſuln, einen franzöfiiden Kaufmann und Herrn Rolph abge- 
tehnet, nur Levantiner und Griechen und zwar Menfchen der unterften 
Stände und von etwas zweifelhafter Moralität. Diefe find: 

Zwei griehifche Bäder mit einem Badofen. 

Neun griechiſche Händler, die zuſammen drei Läden mit Spirituofen 
und Lebensmitteln befihen. 

Zwei griechiſche Viehhändler und Branntmweinverfäufer. 

Zwei levantinifche Tabackshändler en gros und en detail. 

Ein levantiniſcher Apotheter. 

Außerdem lebt noch ein Maltefer hier, der Gerant des „Hotel Ga3- 
paroli“, eine vom berftorbenen Gasparoli, einem Italiener, gegründeten 
Gafihofes, der mühſam fein Dafein friftet und hauptſächlich von den 
Zürfen der geifligen Getränke wegen befucht wird. Natürlich ift das Eta- 
bliſſement beſcheiden. Ich hörte jedoch nichts Schlechtes von ihm und halte 

4* 


52 Europäifhe Confuln und ihre Schußbefohlenen. 


es jedenfalls für einen großen Fortfchritt, daß überhaupt ein Gafthaus in 
Dſchedda eriftirt. 

Wie man fieht, handeln die meilten diefer Leute mit Spirituofen und 
Branntwein. Dies ift überhaupt die Specalität der Griechen am Rothen 
Meer. Das Seltfamfte bei der Sache ift, daß die Einfuhr aller geiftigen 
Getränke in Dichebda, weil e8 im weitern Sinne zum „heiligen Gebiet“ 
gehört, fireng verboten ift. Da aber die türkifchen Beamten und die Gar- 
nifon den Schnaps nicht enthehren können, fo fieht man durch die Finger 
und läßt fo viel einſchmuggeln, als e8 den Griechen beliebt. Gegen Wein 
dagegen hält man das Gefek in feiner vollen Strenge aufrecht, denn dieſer 
iſt den Türken, die nur des Raufches wegen trinken, zu ſchwach. Es if 
übrigens ein fürchterlich hitziges Getränk, welches dieſe Griechen feilbieten. 
Ich Eonnte die eine Sorte von dem bon den Türken getrunkenen Brannt- 
wein ganz gut als Spiritus für die Theemajchine verwenden: 

Es gab zur Zeit meiner diesmaligen Anmejenheit in Dichedda (Ende 
1870) dort nur zwei Vertretungen europäifcher Mächte, nämlich bon Eng- 
land und Frankreich. Lebtere hat nur einen Viceconſul (mit 10,000 
Francs Gehalt), der zugleich Arzt und Sanitätsagent der internationafen 
Commiffion if. Sein Kanzler und erfter Dragoman war früher ein Le= 
bantiner, ein gewifler Nicola, der feines Wohlftandes wegen hier eine grö- 
Bere Rolle fpielte, alS der Conſul ſelbſt. In neuefter Zeit hat man jedoch 
diejes Amt einem Franzoſen, einem jehr gebildeten Manne, der aber nur 
algierifches Arabiſch fpricht, Übertragen. Nicola ſpielt aber nach wie vor 
die erfte Rolle unter den franzöfiihen Schußbefohlenen, zu denen hier auch 
fänmtliche Griechen gehören. Die franzöfiichen Confuln im Orient haben 
nämlih von jeher ihre Protection mit großer Leichtigkeit anderen Euro- 
päern gewährt, während die englischen dies faft nie thun. Außerdem Hat 
der franzöſiſche Conſul ſämmtliche Algierer, deren zur Pilgerzeit ſtets viele 
fommen, unter feinem Schuß. Der englifche Conful (mit 600 Pfr. St. 
Gehalt und etwa 200 Pfd. St. Cafualien) befibt jedoch eine noch viel 
ausgedehntere Clientel, indem alle die zahlreichen Indier und auch viele 
andere Dftafiaten feinem Schuß empfohlen find. Er war zur Zeit fehon 
über ein Jahr abweſend und das Confulat in Händen eine armenifchen 
Dragomans, eines jehr zuverläffigen und Hugen Mannes. Außerdem lebt 
bier noch ein perfifcher Conſul, der den Titel „Bey“ führt und ein regel- 
mäßiges confularifches Bureau mit Dragoman, Secretär u. |. m. hat. 

Die Verwaltung ift in Händen des Pafhas.non Dſchedda, der wieder 


Der Paſcha von Dſchedda und feine Lobhudler. 53 


unter dem von Hegäz ſteht. Erflerer war zur Zeit Nuri (für Nür ed 
Din) Paſcha. Er ift ein alter Arnaute und Stodmoslem, der nur türkiſch 
und ſchlecht arabifch |pricht, obgleich er ſchon feit 20 Jahren hier lebt. Die 
Sitte befteht, daß faft alle Europäer ſowie die Honoratioren unter den 
Moslems ihn oft bejuchen und fogar den Abend bei ihm zubringen, eine 
etwas negative Unterhaltung, Man fibt in einem großen don Diwans 
umgebenen Kiosk, auf allen Seiten dem Winde offen, in deflen Mitte eine 
Laterne fteht, trinkt Kaffee, führt Iangweilige Gefpräche und Hört, wenn 
der Paſcha guter Laune ift, den Slängen einer Spieluhr zu, die einige 
italienifche Gafjenhauer ableiert. Der Paſcha Hat übrigens die bei mo- 
dernen Türken fonft felten gewordene Eigenfchaft, grob zu fein. Iſt ein 
Europäer nicht jehr. gut an ihn empfohlen, jo Tann er fich gefaßt machen, 
daß der Paſcha bei feinem Beſuch kaum Notiz von ihm nimmt. Macht 
man ihm gar incognito Bifite, wie es zwei hochgeftellte Italiener (der eine 
ift jetzt Marineminifter) vor zwei Jahren thaten, fo thut er, als eriftire 
man gar nicht, erwidert feinen Gruß und läßt jogar nicht einmal den 
üblichen Kaffee, dieſes Minimum vfficieller Höflichkeit, reichen. 


Ich wurde etwas befler empfangen, da ich ein officielles Empfehlungs- 
Schreiben brachte. Aber von eigentlicher Höflichkeit war nicht die Rebe. 
Eines Abends fand ich jedoch den Paſcha in jehr rofiger Laune. Ich ent- 
bete bald deren Grund. Bor ihm lag ein Stoß von Zeitungen, alle 
Eremplare einer und derfelben Nummer eines in Merandrien erjcheinenden 
Journals, worin ein Grieche fein, des Paſchas, Lob gejungen hatte. Und 
weswegen wurde er belobt? Wegen einer Sache, von ber Jedermann in 
Dichedda wußte, daß fie ſich ganz anders verhielt, als es das Blatt ſchilderte, 
nämlich die Entdeckung mehrerer alter Eifternen, deren Waſſer Nuri Pafcha, 
wie das Blatt ſagte, den Spitälern und den Armen unentgeldlih zuwende. 
Obgleich nun jeder der Anweſenden wußte, daß Alles, was der Artikel 
iagte, nichts als lügneriſche Lobhudelei war, fo hörte man doch mit Ge- 
duld die Vorlefung und Heberfegung ins Arabiſche an, gab ſich die Miene, 
es zu glauben, und machte dem Paſcha Complimente. 


Auf der Straße brach man nachher freilich in ein homeriſches Ge- 
lächter über eine folche, ſelbſt im Orient faft beifpiellofe Comödie aus. 
Beim Nachhaufegehen nahm mich ein alter Araber, deſſen Lippen foeben 
noh vom Lobe de Paſchas übergefloffen waren, bei Seite und 


jagte mir: 


54 Ausgrabüung von Eifternen. Waſſermangel. 


„Willſt Du die Armen ſehen, für die der Paſcha forgt, fo fomme 
morgen mit mir.” 

Da ſah ich allerdings ein ganz andere Bild, als es der Nrtifel 
Ichilderte. Eine Menge Unglüdlicher, in Eifen gefchloffen, mußte die Auf- 
grabung einer der neuentdedten Gifternen bewerfftelligen. Ich dachte na= 
türlich, es ſeien ſchwere Verbrecher, aber mein Begleiter belehrte mich eines 
Andern: 

„Alle diefe Menfchen,” fagte er, „haben nur Kleinigkeiten verbrochen 
oder find mit den Steuern im Rüdftande. ber der Paſcha benutzt ihre 
Haft, um fie zum Frohnden zu zwingen und fo unentgeldlih Arbeiter zu 
haben, die er nicht einmal ernährt. So hat er allerdings fchon einige 
Cifternen aufgraben laſſen. Was wir aber geftern gehört haben, ift Züge, 
denn von allen diejen Gifternen hat noch Feine einen Tropfen Waller ge- 
liefert, da es feit ihrer Aufgrabung noch gar nicht regnete. Webrigens 
find dieſe Gifternen für die nächfte Regenfailon ſchon verpadhtet und wer⸗ 
den den Beutel des Paſcha, nicht aber den lechzenden Mund der Armen 
füllen. Das ift die Weile, wie er für die Armen forgt. Er ſchließt fie 
in Eiſen und läßt fie frohnden und diefen Gefangenen giebt er nicht ein- 
mal Wafler, denn fie müflen ſich Eſſen und Zrinten von den Ihrigen 
kommen laflen.” . 

Man mundere fi) nicht, daß auf das Wafler bier ein fo großer 
Werth gelegt wird, denn in Dichedda iſt's damit jchlechter beftellt, als 
vielleicht in irgend einer andern Stadt. Es ift lediglich auf die Eifternen 
angetiefen, deren es allerding3 viele hat, Faſt unter jedem Haufe find 
deren und bor der Stadt in der Nähe des Evagrabes findet fich ein ganzes 
Syſtem derfelben. Aber was helfen nod jo viele Eifternen in einem faſt 
regenlojen Klima ? 

Man kann in Dihedda kaum von einer eigentlichen Regengei 
iprechen. Das, was man bier die Regenfaifon nennt, dag heißt die Mo- 
nate November und December, verdient nicht jenen Namen. Es ift zivar 
die Zeit, in der allein es regnet, aber dieſer Regen lehrt in ihr keineswegs 
regelmäßig wieder. Oft bleibt er Jahre lang aus. Im Durchſchnitt kann 
man annehmen, daß auf drei Jahre eine wirkliche Regenzeit fommt. Im 
November 1870, ala ih in Dſchedda meilte, hatten wir zwar täglich Ge- 
witter, der Himmel war fehr oft umwölkt, der Straßenboden durch den 
gefallenen Regen fogar in Koth verwandelt, aber troß alledem mar bie 
Menge de3 gefallenen Regen eine fo außerordentlich geringe, daß mir die 


Regenmangel. Speculation mit Trinkwaſſer. 55 


Araber jagten, „wir bekommen höchftens den Straßenkoth, nicht aber 
Waſſer in unfere Cifternen.” Der December fteht gewöhnlich, mas bie 
Menge des in ihm fallenden Regens betrifft, weit Hinter dem November 
zurüd. ME ih Anfangs December Dichedda verließ, waren die meiften 
Leute Schon refignirt, dies Jahr als ein Mißjahr für die Cifternen anzu— 
jeden. Im November war faft nichts in dieſe gelommen, und im De— 
cember erwartete man jetzt auch nichtS mehr. 

Uebrigens Tann man felbft in günftigen Jahren faum mehr als eine 
mittlere Füllung der Ciſternen erwarten. Ein Ueberfteigen dieſes Maßes 
pflegt nur bei Woltenbrüchen einzutreten. Solche kommen allerdings vor, 
jedoch im Durchfchnitt nur etwa alle 10 oder 15 Sabre einmal. Die 
mittlere Yüllung verfieht aber die Stadt genügend nur für 7 bi8 8 Mo- 
nate. Im Sommer ift ihr Inhalt zum größten Theil erihöpfl. Das 
Wenige, was dann übrig bleibt, wird außerordentlich theuer verkauft. Der 
Vertreter des englifchen Conſuls, der Schon viele Jahre in Dichebda Iebt, 
verficherte mir, daß man im Sommer für den täglichen Wafferbedarf des 
Conſuls oft 5 Franken ausgebe. So viel koſtet nämlich dann die Kameel⸗ 
faft, und die Armen würden bei ſolchen unerſchwinglichen Wafferpreifen 
verſchmachten, beftänden nicht hier, wie in jeder mohammedanifchen Stadt, 
ftomme Stiftungen, damit die Lente umfonft trinken können. Hier geht 
die Wohlthätigkeit ſogar noch meiter, als in anderen Städten, wo man fich 
begnügt, öffentliche Sebils (Trinkbrunnen) zu errichten; die hiefigen Stif- 
tungen ſchicken vielmehr ihre Waflerträger in den Straßen herum, welche 
die Durftigen umfonft trinken laſſen. Man nennt diefe dann auch „Se— 
bil”, gleihfam „wanbelnde Trinkbrunnen“. Indeß haben dieje Stiftungen 
nicht immer einen großen Vorrath, können auch nicht für den Hausbedarf 
\orgen, und deshalb wäre es gut gemwefen, wenn man die neuentbedten Ci- 
fernen nicht bloß auf dem Papier jenes Journal? den Armen zugewandt 
hätte, 

Leider ift das Waſſer hier ein Gegenftand unerlaubter Speculation 
md fat monopolifirt von den Gifternenbefitern, die mit der Behörde im 
Bunde ftehen und diefe oft zu ben gemeinſchädlichſten Maßregeln beftim- 
men. So verweigerte man bor Kurzem einem Hadrami die Erlaubniß, 
beflillirtes Meerwaſſer, das er mit vielen often herfiellte, zu verkaufen, 
weil man ein Sinken der Preife fürchtete. Auch fieht man es fehr ungern, 
wenn Jemand neue Cifternen errichtet. 

Berfiegen alle Eifternen, was auch oft genug vorkommt, fo ift die 


56 Berunglüdte Waſſerleitung. 


Stadt auf die Beduinen angemwiefen, welche aus dem Gebirge Wafler in 
Schläuchen bringen. Es wäre freilich ein Leichtes, eine Waflerleitung vom 
Gebirge herzuführen, und in der That hatte man vor einigen Jahren eine 
ſolche hergeſtellt. Diefe war natürlich den Bebuinen ein Dorn im Auge, 
weil fie ihnen einen Verdienſt entzog, und fo zerftörten fie diefelbe. Nie 
mand konnte fie hindern, denn die Macht des Paſchas reicht nicht über 
die Stadtmauern hinaus. 


Hegäz 





Achtes Capitel. 


Der wahre Herr von Bega;. 





Irrthümer in Bezug auf die türkiſche Macht in Hegaʒ. — Wahre Stellung der tür⸗ 

fiüichen Beamten. — Der Großſcherif. — Sein politiſcher Einfluß. — Sein Reich⸗ 

ihum. — Sein Beamtenſtab. — Ohnmacht des Paſchasin einem Erbſchaftsconſlict. — 

Ausflug eines Franzoſen nad) Täyef. — Durch den Großſchertf aus Gefahr erretiet. — 

Schattenautorität des Sultans. — Der „Diener der heiligen Städte”. — Vorur⸗ 

tHeilälofigleit des Großſcherifs. — Sein Berhalten gegen Europäer. — Sein edles 
- Benehmen. 


Glaubt man unferen geographifchen Handbüchern oder den officiellen 
Berichten europäifcher Gejandten in Conftantinopel, fo ift der Herr von 
Hegäz feine Majeftät Abdulaziz Chan, der Herrliche, der Siegreiche (wie's 
auf den Münzen fteht). Der Fremde, der nad) Hegäz reift, verſchafft ſich 
deshalb Empfehlungsbriefe an die Vertreter und Beamten des Sultans. 
Diefe exiſtiren nun allerdings. Ihre Perſon ift feine Yabel, wohl aber 
ihre Macht. Auch ich beſaß ſolche Briefe. Sie hätten aber eben jo gut 
an die hier ruhende Mutter Eva gerichtet fein können. Die Würbdenträger 
nahmen zwar die Briefe, verehrten das Siegel des Sultans, verſprachen, 
Alles Für mich zu thun — und thaten gar nichts, um mein Verlangen, 
ins Innere nach den Städten zu reifen, welche nicht im Heduͤd el Haraͤm 
(dem heiligen Gebiet) liegen und die der Europäer beſuchen darf, zu unter» 
fügen. Ein Anderer würde ſich geärgert haben. Ich erlannte jedoch bald, 
daß diefe Herren hier ebenjo wenig zu Haufe und ebenjo ohnmächtig feien, 
wie ich ſelbſt. 


58 Ohnmacht der Türken in Arabien. 


Dſchedda allein ift unterworfen und hat einen Paſcha, der es de— 
fpotifch beherrſcht. Dieſer ift der Untergebene eines andern, der den pomp- 
haften Titel „General-Gouverneur von Hegäz“ führt und abwechſelnd in 
Mekka und Täyef reſidirt. Aber dieſer Paſcha ift lediglich eine officielle 
Größe, was in Hegäz eine „Null“ bebeutet, Er hat einen vollſtändigen 
Beamtenftab, aber alle diefe Beamten find mo möglich noch viel mehr 
„Null“, als er. Der wahre Gouverneur ift Niemand anderd, als der 
Großfcherif von Mekka. Diefer ift officiell mit gar keiner politifchen Macht 
betraut. Um ihm zu fchmeicheln, hat ihm zwar die Pforte allerlei hohe 
Titel, wie Paſcha erften Ranges, hohe Orden zc., gegeben, aber nad) juri- 
ftiichen Begriffen ift er eigentlih ein Privatmann. Er befißt freilich eine 
geiftliche Autorität, al3 Oberhaupt des theofratischen Adels der Meffaner 
Scherife, der ächten und unzweifelhaften Nachkommen des Propheten. In 
Mekka glaubt man nämlich wenig an die Aechtheit der anderen nicht Hier 
lebenden Scherife. Jedoch auch diefer religiöfe Nang eriftirt mehr wider, 
als mit Willen der Pforte. Sie erkennt ihn nur an, weil fie muß. 


Diefer mit einem religiöjen Rang bekleidete PBrivatmann ift aber in 
Wirklichkeit Alles in Allem, höchfte Juſtize, Finanz und Aominiftrativ- 
behörde in Hegäz, nebenbei der Schiedsrichter in den Rechtshändeln eines 
großen Theils von Arabien, ja ſelbſt von Oſtafrika, außerdem der reichfte, 
ja faft der allbefitende Grundherr von Mekka, Täyeſ, Dſchedda 2c. Seine 
ſchiedsrichterliche Autorität reicht viel weiter, ald die des Sultans. So 
hätte zum Beiſpiel Italien nie die Bai von Ahjab in Oftafrifa erworben, 
menn nicht der Großſcherif den Verkäufer brieflich günftig geftimmt hätte. 
Zu feinem andern Zweck, als um diefe Vermittlung zu erlangen, hatten 
ih Profeffor Sapeto und Admiral Acton (jet Marineminifter) eine Zeit 
lang incognito in Dſchedda aufgehalten. 


Sogar die Pforte mußte fi, als fie vor einigen Jahren mit meh— 
reren ſüdarabiſchen Fürften, wie dem Sultan von Bir "Ali und dem Ne- 
gib von Makalla, diplomatische Verhandlungen anknüpfte, Einführungs- 
und Empfehlungäbriefe vom Großſcherif für ihre Agenten verſchaffen — 
demüthigend genug für den „Beherrſcher aller Gläubigen!“ 


Mekka ift eben ein -heiliges Land und die Bewohner von Hedäz, meift 
ſehr unbändige, freiheitäliebende Menfchen, beugen ſich nur vor einem hoch⸗ 
verehrten religiöfen Erbrang, durch directe Abſtammung vom heiligſten 
aller Moslems begründet, weil ſie eben gläubige Moslems ſind. Eine 


Wichtigkeit der Autorität des Großſcherifs. 59 


bloß weltliche Autorität verfpotten fie, beſonders die türkifche, Die fich hier 
im legten Jahrhundert ſtets ohnmächtig gezeigt hat. 

Der Großfcherif hat nebenbei die zahlreichſte directe und indirecte 
Sliente. Die directe befteht aus den Beamten und Bermaltern ſowohl 
feines ausgedehnten Befißftandes, mie der vielen frommen Stiftungen, 
deren Erbvorſtand er ift; die indirecte au fämmtlihen mohammebanifchen 
Geiftlichen, deren Zahl Legion ift, und deren feiner ſich trauen würde, 
einem Wink des Großfcherifs nicht wie einem Befehle zu gehordhen. So 
find in jeder Stabt von Hegäz mehr Beamte des Großſcherifs als bes 
Sultans. Officiell haben dieſe gar keine Autorität, aber wie fi) die Sa- 
en in der Praxis geftalten, fo vermögen fie in Juflize und Verwaltungs- 
angelegenheiten viel mehr, als die officiellen Beamten. Man fieht, e8 be- 
ſtehen aljo in Hegäz zwei Regierungen, jede mit einem vollitänbigen 
Beamtenftab, die eine, die officielle, welche aber ein Kinderſpott ifl, die an- 
dere, welche juriſtiſch Teinerlei Autorität bat, aber in Wirklichkeit alle recht- 
lihen Befugnifie ausübt. 

Die Conſuln werden durch diefen Dualismus oft in Verlegenheit ge= 
ſetzt. Sie find nur bei den türkiſchen Behörden beglaubigt, aber. von 
diefen können fie nichts erlangen, nichts hoffen. Zum Großſcherif dagegen 
haben fie durchaus Teine amtliche Beziehung. Aber fie merken bald, daß 
fie ohne ihn gar nichts erreichen können. Sie müflen alfo zu dem Aus- 
weg greifen, alle wichtigeren Angelegenheiten fo zu jagen auf dem Privat- 
wege abzumachen, da ja der Großfcherif, der ihnen allein zum Recht ver- 
hilft, amtlich für fie nichts ift, ald ein Privatmann. 

Diefe feltfamen Widerfprüche, die Ohnmacht der officiellen Behörde, 
die factifche Autorität des Großfcherif3, wurden u. a. recht deutlich durch 
einen Fall an den Tag gelegt, welcher fi) vor Kurzem ereignete. Beim 
Zod eines reichen indiihen SKaufmannes, der in Dſchedda gelebt hatte, 
war e8 dem Dädi (dem religiöjen Richter) eingefallen, deſſen Erbſchaft 
ganz fo zu behandeln, als ob der Verftorbene ein Dſcheddaner, d. 5. tür 
hider Unterthan, geweſen wäre, und folglich die Siegel auf deſſen Nachlaß 
zu legen. Dies konnte der engliſche Conful, unter deſſen Schuß alle Oft- 
indier ftehen, nicht dulden. In einer weniger fanatifchen Provinz der 
Türkei hätte e8 gar feine Schwierigkeit gemacht, diefe Stegel, die den Ver- 
trägen zumider aufgelegt waren, ablöfen zu laſſen. ber in dem fana- 
tiſchen Hegäz konnte Niemand jo etwas wagen; denn ein Dadt ift eine 
teligiöfe e Reipectsperfon, deſſen Würde von allen Orthodoxen beilig gehalten 


60 Conflict zwiſchen Paſcha und Großicherif. 


wird, und das gewaltfame Erbrechen jeines Siegels hätte vielleicht ernft- 
liche Unruhen hervorrufen können. Wenigſtens ſchienen die beiden Paſchas 
dies zu glauben. Sie geriethen in Zodesangft, als der engliſche Conſul 
ihnen zumutbete, durch ihre Polizeifoldaten die Siegel löfen zu laſſen. 
Nah vielem Hin= und Hergejchreibe erflärten endlich die Paſchas: die 
Sache jei ganz unmöglich, dad Siegel eines Dädi Heilig und das Verlan- 
gen des engliſchen Conſuls gegen die Religion des Islam gerichtet. Um 
ihre Schwäche zu masfiren, hatten fie fich jelbft auf die Seite des Fana⸗ 
tismus gejchlagen, vielleiht auch nebenbei in der Hoffnung, fih dadurch 
Freunde in dem fanatifchen Hedäz zu machen. Der Eonjul konnte ſich 
dabei natürlih nicht beruhigen. Seine Pflicht gebot ihm, die Sade an 
den Gefandten in Eonftantinopel zu berichten, und er fand im Begriff, 
dies zu thun. Da gab ihm jedoch ein Kenner des Landes den Rath, 
vorher die Angelegenheit dem Großfcherif mitzutheilen und um beifen 
Rath zu bitten. Diefe Mittheilung wirkte Wunder. Der Großfcherif 
ſchickte ganz einfach feinen Gutsverwalter Hin, und biefer Löfte die Siegel. 
Er, als Höchfte religiöfe Reſpectsperſon, konnte fich das erlauben; der Paſcha 
hätte es nicht vermodht. Ihm allein konnte ein folder Bruch der Sabungen 
hingehen, da felbft der Qädi gewifjermaßen fein Untergebener ift; denn 
auch die Qaͤdi's, wie faft alle geiftlichen Beamten, fehen im Großfcherif ihr, 
wenn auch nicht officielles, jo doch factifcheg Oberhaupt. Jeden andern 
hätte diefer Schritt unpopulär gemacht. Nicht fo den Scherf. Im Ge 
gentheil, man rechnete es ihm noch hoch an, daß er dadurch den Conflict, 
welchen die Klage beim Gefandten herborrufen mußte, vermieden habe. 
Beim Paſcha aber würde man, hätte er daflelbe gewagt, die ganz anders 
beurtheilt, und fein Benehmen einer Zauheit im Glauben und frafbarer 
Nachgiebigkeit gegen die Europäer zugejchrieben haben. Die Türken, welche 
befanntlich eine fogenannte Reform, die europätfch fein foll, und bier zu 
Lande wirklich für europäiſch gilt, angenommen haben, ftehen bei den fana-= 
tiſchen Bewohnern des Hegaͤz ohnehin nur zu fehr im Verdacht, fchlechte 
Moslems und Freunde der Europäer — was fie, nebenbei gejagt, durd- 
aus nicht find — zu fein, und müſſen deshalb fireng alles vermeiden, 
was auf Larheit in der Orthodorie oder Benorzugung der Ungläubigen 
ſchließen laſſen könnte. 

Einen noch größern Triumph feierte der Einfluß des Großſcherifs 
vor einigen Jahren bei Gelegenheit der Reiſe eines franzöſiſchen höhern 
Seeofficiers nach Taͤyef. Hier hatte ber Scherif die Genugthuung, daß 


Der Paſcha muß die Hülfe des Scherif8 anrufen. 61 


der Paſcha, die eigene Ohnmacht befennend, flehentlich feine Hülfe anrufen 
mußte, um ihn aus einer Berlegenbeit zu befreien, aus welcher er fich ohne 
ihn nicht Hätte retten können. Jener Yranzoje war mit türkiſchem Yerman 
und EScorte nad) Tädef, der Sommerrefidenz von Paſcha und Scherif, 
gereift, um dieſe beiden Mürdenträger zu beſuchen. Da er Hedäz nicht 
kannte, jo beging er einen erſten Verftoß, indem er dem Paſcha viel mehr 
Aufmerkſamkeit ſchenkte, als dem Scherif. Hatte er dadurch ſchon alle 
Araber gegen ſich eingenommen, fo erregte ein zweiter, gröberer Ver— 
ſtoß, der aber ächt franzöfiih mar, noch viel ernſtlichere Mißſtimmung, 
und führte zu den bedrohlichften Vorfällen. Der Seeofficier befand ſich 
nämlich zufällig am 15. Auguſt, dem fogenannten Napoleonstag, in Täyef 
und beging die Ungeſchicklichkeit, in diefer fanatiſchen Stadt, in welcher nie 
ein europäiſches Banner erblidt worden war, zur eier jenes Tages die 
franzöfifche Flagge aufzupflanzen. Nun muß man die faft abergläubifche 
Zucht, welche alle Araber ſchon feit Jahren vor europätfcher, namentlich 
franzöfifcher Befibergreifung haben, und das Mißtrauen kennen, mit dem 
fe jedes europäifche Kriegsſchiff in ihre Häfen einlaufen fehen, um zu be= 
greifen, daß alle obtwaltenden Umftände, die Landung des Franzoſen auf 
einem Kriegsſchiff in Dſchedda, feine Reife nach dem faft nie von Euro- 
häern bejuchten Taͤhef umd nun vollends das Aufpflanzen der franzöfiichen 
Flagge im Herzen von Hegäz allgemeine Ueberrafhung, Mißtrauen und 
Entrüftung hervorrufen mußten, die bald ein bedrohliche Zuſammenrotten 
bewaffneter Volkshaufen (alle ächten Araber find bewaffnet) zur Folge 
hatten. Im Nu war eine der zwar ziemlich ftarfen, aber in diefem Yall 
ohnmächtigen Escorte weit tiberlegene bewaffnete Schaar um das Haus 
des Franzoſen verſammelt, drohte dieſes zu ſtürmen und dem verhaßten 
Fremden den Garaug zu machen. Der Paſcha verlor fein ABE in diefer 
gefährlichen Angelegenheit. Einestheils wußte er, daB, wenn dem Franzoſen 
ein Leid geſchähe, feine Stelle, ja vielleicht fein Kopf auf dem Spiele 
Rände. Anderntheil® war er überzeugt, daß der geringfte Widerfland 
bon Seiten feiner Truppen, welche die Escorte des Franzoſen bildeten, 
ihm und ihnen das Leben koften würde. In diefer feiner Noth blieb ihm 
nichts übrig als feinen deus ex machina, den Großſcherif, anzurufen, 
der zwar, um feine Macht recht deutlich an den Tag zu legen, fi) lange 
bitten, aber fchließlich doch erweichen ließ. Dem Scherif gelang es mit 
Leihtigkeit, die mwüthenden Gläubigen zu beruhigen, und er genoß aljo 
den doppelten Triumph: den Paſcha offen feine Ohnmacht eingeftehen, - 


62 Der Sultan ald »Diener der heiligen Städte«. 


und den Yranzofen, der ihn anfangs nicht mit dem gehörigen Refpect be- 
handelt hatte, feinen Irrthum erkennen zu jehen. Niemandem außer dem 
Scherif hätte aber fo etwas gelingen können. 

Er ift in der That der wirkliche Herr des Landes. Der Sultan fieht 
zwar feine nominelle Oberhoheit in Mekka anerlannt, aber er erreiht auch 
dies nur durch die Gejchente und hohen Gehalte, die er dem Scherif, feiner 
Yamilie und allen religiöfen Beamten in Mekka und Medina giebt. In 
Mirklichkeit ift feine Autorität in dem heiligen Gebiete mehr geduldet ala 
anerlannt. Wollte er es verjuchen, auch nur einen Piafter Steuer hier 
zu erheben, jo wäre e8 um feine Oberherrlichkeit geſchehen. Selbft dieſe 
Oberhoheit muß ſich officiell in das Gewand der religiöfen Demuth Eleiden. 
Der Sultan führt nämlich nicht etwa den Titel „Herr des heiligen Ge- 
bietes“, fondern einen folden, wie er dem „Knecht der Knechte Gottes“, 
der Päpfte, entſpricht, nämlich denjenigen: „Diener der heiligen Städte“. 
Ein Mekkaner, den ich fragte, ob der Sultan Steuergelder aus Mekka be= 
ziehe, antwortete mir entrüftet: „Wie foll er Steuern aus einer Stadt be- 
ziehen, deren Diener er fih nennt?" Aus einem ähnlichen Grund unter- 
läßt es auch wohl der Großherr, zahlreihe Truppen hierher zu fchiden 
und das Land definitiv zu erobern, was ihm freilich die Bebuinen fehr 
ſchwer, wenn nicht unmoglich machen dürften. Er würde durch einen fol- 
hen Schritt allen religiöfen Nimbus einbüßen, der ihn als Oberhaupt des 
Islam umgiebt, und als Entſchädigung felbft im glüdlichften Falle jehr 
wenig weltlichen Vortheil erzielen; denn Hegäz ift eine arme Provinz, und , 
die Bevölkerung vielleicht eine ber unlenfjamften des ganzen türkiichen 
Reiche, zu dem fie nominell gehört. Der Sultan findet e8 daher ziwed- 
mäßiger, die Saden in dem alten Schlendrian fortgehen zu laffen, und 
begnügt fich, den Schein feiner Oberhoheit durch eine Anzahl bier fonft 
ganz unnüßer Beamten und Militär aufrecht zu erhalten. 

Der Großfcherif ift durchaus fein fanatifcher alter Moslem, fondern 
foll jehr vorurtheilglos fein. Auch fieht er Europäer nicht ungern. Als 
er in Eonftantinopel war, foll er fogar fehr frei und vergnügt gelebt 
haben, In Hegäz kann er das nit. Sein religiöfer Rang nöthigt ihn 
zu einer gewiſſen Außerlichen Aufterität. Als er das legte Mal in Dſchedda 
war, wurde diefe auf eine komische Probe geftellt. Er befam nämlich eine 
Bilite von einer europäifchen Conſulsgattin. Dergleichen geht jebt nun 
freilich überall, nur nicht in Hegäz, wo man noch die alten firengen Be— 
griffe hat, monad) ein Mann nur feine eigenen Frauen fehen darf. Die 


Der Großfcherif in Berlegenbeit. 63 


Dame jebte ihn aljo in nicht geringe Berlegenheit. „Er darf fie ja gar 
nicht anſehen,“ fagte mir ein Metuaf. Der Scherif blidte deshalb auf den 
Boden, obgleich die Dame lange blieb und jehr lebhaft war. In Stam- 
bul Hätte ihn eine ſolche Viſite wahrſcheinlich amüſirt. Hier aber mußte 
er höchſt vorfichtig fein und durchaus jeden Ausdrud des Wohlgefallens 
an diefem Beſuch vermeiden, denn das hätte feinem Anjehen ſehr geſchadet. 
Sein Gefolge war übrigens außer fich über die Dame und ihre Zudring- 
fichfeit, wie man's nannte. Man beſchuldigte fie geradezu, das Herz des 
Scherifs erobern zu wollen. Sie kam dadurch förmlich in Verruf in 
Dſchedda. 

Der Großſcherif iſt ſehr freigiebig mit Geſchenken und Einladungen. 
So ſchenkt er den Conſuln, die doch gar nicht bei ihm beglaubigt find, oft 
werthvolle Pferde, während die wirklichen officiellen Größen, an die ſie von 
ihrer Regierung gewieſen ſind, ihnen kein Glas Waſſer geben. Wenn er 
in Dſchedda iſt, giebt er Diners, wozu auch Europäer kommen, eine große 
Seltenheit bei vornehmen Arabern. Da man bier mit Europäern nicht 
wäblerifch ift und, wie überhaupt im Orient, einen für jo gut oder fo 
Ichlecht wie den andern hält, ſo kommen auch oft ſehr zweifelhafte Indi⸗ 
biduen zur Ehre der Einladung. Einer derjelben, ein Grieche, vergalt fo- 
gar die Gaftfreundichaft durch Aneignung verfchiedener vergoldeter Cou- 
verte. Als der Großſcherif es erfuhr, benahm er fich fehr nobel. Er fagte: 
„Wenn der Mamn vergoldete Couperte aus meinem Haufe davontrug, fo 
nehme man daraus den Beweis, daß ich fie ihm gefchentt Habe. In mein 
Haus kommt fein Dieb, am Wenigjten an meinen Tiſch.“ Kein Wunder, 
daß die Araber die Europäer verachten, denn ähnliche Dinge find leider 
teine Seltenheit! 


Heddz 


Neuntes Capitel. 


Der Namadan in Arabien. 





Wichtigkeit de Ramadan. — Beitimmung feines Anfangs. — Der Bote non Meta. — 
Nächtliche Geſchäftigkeit. — Lebhaftigleit des Markts. — Der Sklavenmarkt. — Re 
gerſtlaven. — Xbelfinier. — Wohlfeilheit der Sklaven. — Die Tagesqualen der Fa⸗ 
ftenden. — Ihre Streitſucht. — Gerichtsſtillftand. — Der Diwan beim Paſcha. — 
Eine Eomödie. — Der gefangene Koch. — Ein mwigiger Verbrecher. — Beilegung 
eines komiſchen Eonflicts. — Ein orientaliider Diplomat. — Bergnügungen im Ra—⸗ 
madan. — Das Hüttendorf. — Fanatismus leicätfertiger Frauen. — Monotonie 
des Ramadan in Dſchedda. 


Wer am Leben der Morgenländer Intereſſe nimmt, der wird es bor- 
züglich im Namadän beobachten. Zu keiner andern Zeit offenbart fidh die- 
je8 Leben charakteriftifcher. Der oberflächlihe Reiſende wird freilich be 
baupten, daß, wer den Ramadan in einer moslemiſchen Stadt gejehen, ihn 
in allen gejehen hat. Wer aber eingehend beobachtet, wird finden, daß, 
wie in anderen Sittenzügen, jo auch in diefem, intereffante Iocale Unterfchiede 
walten; und dieſe geben der Sittenf&hilderung ihre Würze. Jedes Land ded 
Orients bat feine eigene Phyfiognomie auch hierin. In jedem meiner 
früheren Reiſewerke babe ich darum dem Ramadan (bald in Tunis, bald 
in Algerien ꝛc.) ein Gapitel gewidmet. So will ich es auch hier thun. 
Es wird aber kürzer werden, als feine Vettern, denn im heiligen Hegäy 
. ift der Ramadan auch zu heilig, um viel Unterhaltungsftoff zu bieten. 

Dieſer Monat, in welchem dem Moslem da8 beichwerliche Faſten bes 
borfteht, wird dennoch von ihm herbeigefehnt; je heiliger man ift, deito 


Frühmarkt im Ramadän. 65 


ſehnlicher, in dem fanatifchen Hegüz alje mit verdoppelter Inbrunft. Da 
die aftronomiiche Beitimmung nicht genügt, fondern der Neumond von 
glaubwürdigen Schohud (Zeugen) gejehen worden jein muß, und er im 
Jahre 1870 in Dſchedda in die Regenzeit fiel, jo war man dort im Un⸗ 
toren, wann die Faſten beginnen. Am Abend des 23. November ftand 
Reumond im Kalender. Man vernahm aber nicht den Kanonenſchuß des 
Sonnenuntergang3, welcher den Ramadan ankündigt. Alles bereitete fich 
vor, den nächſten Tag noch zum Scha ban-Monat zu rechnen. 

Da plötzlich wedte in ſpäter Nachtſtunde ein Kanonenſchuß die Diched- 
daner. Der Mond war in Mekka gejehen worden und ein Reiter hatte 
in 5 Stunden den Weg hierher, zu dem Pilger anderthalb Tage brauchen, 
zurüdgelegt, um die Nachricht zu bringen. Da Mekka Autorität bildet, fo 
war die Frage entſchieden. Es hält freilich fehwer, den Moslem zu einer 
jo jchnellen That zu bewegen. Aber der Anfang des Ramadäan iſt eine 
jo wichtige Sache, Wohl und Wehe ſcheint fo ganz von ihm abzuhängen, 
daß jelbft ein mohammedaniſcher Bote fähig wird, in 5 Stunden von 
Mekka zu kommen. Dieſer Bote wird ſtets reich belohnt, und ift für den 
ganzen Monat der Gaft des Gouverneurs. 

Nun war aber ganz Dſchedda in Verlegenheit gefeßt. Diele hatten 
ihre Einkäufe auf morgen verſchoben. Das Schlimmfle war, daß ed den 
Meiften am Frühmahl fehlte, was im Ramadan vor der Morgendämme- 
rung genofjen wird. Daher entftand mitten in der Nacht ein gejchäftiges 
Treiben und Hin- und Herlaufen. Jeder juchte von feinem Nachbar zu 
borgen, da die Läden geſchloſſen waren. Biel fam nicht dabei heraus, 
denn die Moslems find fchlechte Vorrathsſammler, und jo begannen die 
meiften den Tag wirklich nüchtern. Das war ein hartes Yaften, die vollen 
12 Stunden ohne Morgenpropifion. 

Dadurch kam es, daß am erſten Ramadan-Morgen dies Jahr der 
‚Markt noch befonders lebhaft war, während er jonft in diefem Monat ſich 
eh um Mittag belebt. Die Läden öffneten fi früh; Karavanen durdh- 
zogen lärmend die Straßen; überall liefen gravitätiiche Moslems mit Kör- 

en umher; der Fiſchmarkt war im vollen Glanz und Leben. Selbft die 
albwilden Beduinen, mit dem krummen Dolch im Gürtel, dem vergoldeten 
opfwulft und dem blauen Hemd machten einen leßten Ueberfall über 
tadt und Markt: friedlich nad ihrer Auffaffung, aber von jehr räube- 
iſchem Ausſehen. 

Mich litt es nicht zu Haufe. Ich mußte das bunte Leben mit an- 


o. Maltzan, Reife nah Südarubien. 5 


m 


66 Sklavenmarkt in Dichedda. 


jehen. Die Belebtheit des Marktes war eine außerordentlide. Richt nur 
ganz Dſchedda fchien bier zuſammengeſtrömt, fondern auch drei Pilgerfchiffe 
waren angelommen und die ganze Stadt mit weißen Ihramträgern in 
der gewohnten, malerifchen Halbnadtheit angefüllt. Ich kannte zwar viele 
Budenbeſitzer. Uber heute ſah mich keiner. Sie hatten alle vollauf zu thun. 

Nachdem ich die befannten Läden aufgejucht hatte, gerieth ih an ein 
mir noch neues Kaufhaus, wo zwar keine Waare, wohl aber eine Menge 
Schwarzer zu jehen war. ch erkundigte mich nach der Beſtimmung diefes 
Haufes. Aber Niemand wollte heraus mit der Sprache. Ich hatte den 
Sklavenmarkt entdedt, der hier troß Verträgen und Reformen noch ganz 
offen gehalten wird. Nur gegen mich, wie überhaupt gegen Europäer war 
man mißtrauiſch. Früher haben nämlich die Conſuln diefem Verkehr oft 
mit Erfolg gefteuert. Aber diefer Eifer ift erfaltet. Auch die Confuln ent 


- gehen dem Einfluß des Orients nit. Die Apathie der Orientalen ftedt 


fie an und lähmt ihre Schwingen. Zudem fehen fie auch bald ein, daB 
Alles, was fie erreichen, nur elendes Stüdwerf if. Faſt jeder neue Conſul 
kommt zwar mit eifrigen VBorjägen her, bald aber erlahmt er, tröftet fid 
mit dem „Inſchallah“ (Wie es Gott gefällt) der Orientalen und läßt die 
Dinge gehen, wie fie gehen wollen. So ging's auch in Bezug auf das 
Sklavenweſen in Dſchedda; da lange fein Conſul mehr Einſprache 
dagegen erhob, jo hat es fi) nun wieder aus feinem Berfted herausge⸗ 
wagt und ſieht jet von Neuem in verhältnigmäßiger Blüthe. | 
Es war ein ſeltſames Gefühl, das mich erfaßte, als ich diefen Sklaven⸗ 
markt betrat. Wirkte einestheils die fürchterliche Häßlichleit, die diden 
Lippen, Blattnafen, der flupide Ausdrud und dabei das blödfinnige Lachen 
der echten Neger abjchredend auf mich, jo konnte ich mich andererfeits doch 
nicht des Mitleids erwehren, wenn ich ſah, wie um diefe menschliche Waare 
bon einigen rohen Bebuinen, die fie in barjchefter Weile anjchrien, b 
tafteten, auszogen, kurz wie ein zu kaufendes Thier behandelten, gefeilf 
wurde. Beſonders erregt murde jedoch mein Mitleid durch den Anbli 
der abejliniihen Sklaven, die fich von den Negern im Aeußern auf Bo 
theilhaftefte unterfcheiden, ebenfo regelmäßige Züge, wie die meiften Eur 
päer, und dabei faft immer einen höchft gewinnenden, fanften, halb ſchw 
merifchen, halb melancholiſchen Geſichtsausdruck befiten. Dieſe Leute a 
menschliche Waare zu behandeln, fommt uns faft ebenfo vor, als we 
man unjere Landsleute verlaufen würde. Bei den echten Negern beri 
und die Sache weniger fühlbar, bejonder3 ba dieſe, wie ihr beftändig 















Abeffinifche Sklaven und Neger. 67 


Laden andeuten dürfte, ihr Loos gar nicht fo ſchwer zu empfinden ſchei⸗ 
nen. Unter den Abeffiniern dagegen ſah ich feinen einzigen lächeln. Stumme 
Refignation, ſtille Schwermuth lag auf allen Gefihtern. Sole Menfchen 
jo roh behandelt zu fehen, kam mir empörend vor. Die Araber dagegen 
ſcheinen gar feinen Unterjchied zwiſchen den Abefliniern und den echten 
Negern, die doch jo tief unter jenen ftehen, zu machen. Im Gegentheil, 
fie ſcheinen ſogar mehr Sympathie mit Lebteren zu begen. Der echte 
Neger, der fo gut wie Teine Religion bejaß, ehe er Sklave wurde, ift dem 
gewöhnlichen Moslem auch deshalb willtommen, weil bei ihm alle Cultus— 
begriffe tabula rasa find, auf der mit Leichtigkeit das dürftige Gebäude 
von Aberglauben, die jpärlihe Doſis religiöfer Erkennmiß, die der Araber 
bem gewöhnlichen Sklaven zu Theil werden läßt, eingegraben werden kann. Der 
Abeffinier dagegen war in den meiften Fällen Chrift, ehe er in Sklaverei fort- 
gejhleppt wurde; ſchon aus diefem Grunde ift er oft dem Moslem ver- 
haßt; Dann genügt ihm felten eine fo niedere Stufe von Eultusbegriffen, 
wie die, mit®der die Neger abgefunden werden Auch diefer Gegenjak der 
Sonfeffionen des Sklaven und des Lünftigen Herrn ift geeignet, tiefes Mit- 
gefühl mit den Abejfiniern zu erregen. Wie ſchwach auch immer ihre 
eigene Erfenntniß fein mag, fo muß ihnen doch der Fanatismus der Mos⸗ 
lems im höchfien Grade drückend erfcheinen, der Alles, was man fie in 
ihrer Jugend gelehrt, verdammt. Dieſes Mitgefühl zu fteigern, trägt 
gleichfalls die örtliche Nähe ihres VBaterlandes bei. Wenn man bedenkt, daß 
dieſes Baterland nur wenige Tagereifen von Hier entfernt ift, fo wird der 
Sontraft zwiſchen der Freiheit, die fie dort genofien und dem jämmerlichen 
Stande, welcher bier ihr Loos ift, ung befonders nahe gelegt. 

Man bat viel von der guten Behandlung der Sflaven von Seiten 
der Moslems gefprocdhen. Im Ganzen hat e8 damit auch feine Richtigfeit. 
Do giebt es Ausnahmen. Die Bebuinen zum Beifpiel behandeln ihre 
SHaven nicht viel befier, als daS liebe Vieh. Außerdem können die Herren 
oft mit dem beiten Willen dem Sklaven fein erträgliches Loos bereiten, 
da fie felbft faum das tägliche Brod haben. Hier hat nämlich Jedermann 
Sklaven, Reiche wie Arme. Der Ankauf koftet zwiſchen 30 und 80 Thaler, 
und dafür hat man aljo umfonft einen Diener, deflen Bekleidung und 
Unterhalt auch teine großen Auslagen erfordert. Man giebt ihm ein 
Lendentuc und täglich ein Stüd teodenes Brod; mehr befommen die aller- 
wenigften Sklaven. Die Arbeit, die man von ihnen fordert, ift freilich 
auch nicht groß, aber immer noch groß für die mangelhafte Ernährung. 

. 5* 


68 Brachliegen der Gefchäfte im Ramadän. 


In den Schiffen gar gehören die SHaven fo zu jagen zum Inventar. 
Oft jah ih in Dſchedda Neger, die Tag und Nacht in einem Jahn zu= 
brachten. Ihr Herr war ein armer Bootsmann, der aber irotzdem Sklaven 
gelauft hatte, weil fie ihm fehr müglich maren. 

Diefer erfte Tag mar übrigens auch der lebte im diefem Monat, an 
dem Sklaven verlauft wurden. Wie alle Gejchäfte, jo ruht auch dieſes 
im heiligen Monat. Der ganze Handel beſchränkt fi auf den täglichen 
Gonfum. Die Kaufleute und mwohlhabenderen Männer bleiben über Tags 
zu Haufe und die Straßen find hauptſächlich dem zahlreichen bettelarmen 
Bolt überlaffen, an dem jede moslemiſche Stadt Ueberfluß beſitzt. Die 
Kaffeehäuſer, die zwar fo zu jagen geichloflen find, bieten diefem Bolt 
dennoch injofern ein Alyl, als vor jedem zahlreihe Bänfe auf der Straße 
ftehen und natürlich nicht Hineingenommen merden; da8 wäre eine hier 
zu Zande ganz unerhörte Borfiht. Da fiten fie gelangweilt und im 
Halbichlaf die Zeit vergähnend. Die gewohnte Cigarette oder Waller: 
pfeife, die hier jelbft der Aermfte raucht, entbehren fie ſchwer.“ Ihre Laune 
ift gewöhnlich über Tags eine ſehr ſchlechte. Auch iſt es ſprichwörtlich 
geworden, daß der Ramadan ein Monat des Zanks und Streits iſt. Faſt 
täglich fieht man Scenen von Raufereien und Prügeleien in diefem heiligen 
Monat. Ya, man behauptet jogar von manden Leuten, die der derbern 
Clafje des Volks angehören, daß fie feinen Abend die Yaften brechen, ohne 
vorher ihr Kleines Streitchen, das oft ein großes wird, „genofien“ zu haben. 
Ein ſolches gemüthliches „Streitchen” ift für diefe Leute ein nothwendiges 
Ramadän-Bergnügen, etwa wie rohen Nordeuropäern der „Sonntagsrauſch“. 

Die vornehmere Elafje der hieſigen Bevölkerung läßt fi im Ramadan 
nicht viel bliden. Bei Zage Ichlafen diefe Herren, ftehen höchſtens gegen 
2 Uhr Nachmittags auf; dann find noch drei Stunden bis zum Bruch der 
Faften und dieſe werden gemüthlich verdämmert. An Gefchäfte denkt Nie- 
mand; die ganze Regierung jcheint zu ſchlummern. Es ift förmlich ein 
Sprihmwort: „Im Ramadan giebt’ feine Regierung und fein Gericht.“ 
Sicher ift, daß fein Richter in diefem Monat Recht ſpricht. Kein Schuldner 
fann zum Bezahlen angehalten werden; kurz e3 ift ein wahrer Schlaraffen- 
Monat. Nur die Präventivgefangenen, welche oft ganz unſchuldig in Un- 
terfuhungshaft kamen, verwünjchen diefen Monat; denn da es in ihm 
feine Gerichtsfißungen giebt, jo bleiben fie ruhig im Gefängniß, gleichviel, 
ob jchuldig oder unschuldig. 

Selbft die Europäer fünnen in diefem Monat nicht zu ihrem Recht 


Abendbefuche im heiligen Monat. 69 


Iommen. ch fannte einen, melchem zwei Zage vor dem Rämadän eine 
Summe Geldes geftohlen worden war und deſſen, vom Conſul unterftüßte 
Klage man nicht einmal anhören wollte, weil „es Ramadan ſei“. Nach dem 
heiligen Monat wird natürlich der Dieb das Geld verzehrt und der Euro- 
päer das Nachjehen Haben. Dies Alles gilt freilich in bevorzugtem Grade 
nur bon hier, vom heiligen Gebiet von Mekka und Medina, mo der alte 
Slam mit al? feinen guten und ſchlechten Seiten noch in feiner unge- 
ſchwächten Kraft fortbefteft. Died mag im Ganzen recht viel Nachtheile 
mit ſich bringen; aber, ich weiß nicht, ob ich diefem Wejen nicht am Ende 
noch den Verzug vor dem elenden Zwitterzuftand von Civiliſationscomödie 
md halber Eultur, die von Europa nur die Lafter entlehnt, wie Aegypten 
uns ein Beiſpiel liefert, geben joll. 

Diefer Monat if mehr al3 ein anderer die Zeit der großen Staats— 
vifiten bei Paſcha und Vornehmen. Jeden Abend fiben dieſe Perſönlich— 
feiten, rauchend und Kaffee trintend, in ihrem „Megles“ oder „Divan“ 
und erwarten die Beſuche. Nur in den erſten Tagen ift eg nicht Sitte, 
jolhe zu machen. Dayn bleibt gewöhnlich jede Yamilie für fih. Hier im 
dem Heiligen Gebiet ift man jo fromm, diefe erften Abende mit Abfingen 
des Doran zuzubringen. Selbft die Kaufleute thun dies. Eines Abends 
wollte ich einen bejuchen, vernahm aber auf feiner Thürſchwelle ſchon den 
näjelnden Singjang, mit dem der Oorän abgeleiert wird, und hütete mic) 
aljo wohl, die Fromme Webung zu unterbrehen. Sind aber die erſten 
Abende vorbei, dann gehen die Bejuche an. Der erfte gilt gewöhnlich) dem 
Paſcha. Dort findet man die erften Beamten, die reicheren Kaufleute, die 
den Abend in ziemlich Iangmweiligen Gefprächen, oder mit Schweigen, das 
nad dem arabiſchen Sprichwort bekanntlich „Gold“ ift, zubringen. 

Dort war’ auch, wo fi in einer Ramadaͤn⸗Nacht eine Comödie ab- 
jpielte, in der ich feldft Halb Statift, Halb Mitipieler wurde. Herr Rolph, 
bei dem ich mohnte, hatte nämlich plöglic den Verluſt feines Kochs zu 
beflagen. Wir blieben ohne Effen, aber wo blieb der Koh? Es hieß er 
jei auf Befehl der franzöfifchen Confulin arretirt worden. Sicher war, daß 
er faß, aber auch, daß fein Vergehen fein ſchweres. Worin es beftand, 
erfuhr ich nicht mit Beſtimmtheit. Es wird in Dſchedda fo viel geflaticht, 
dar man nicht? glauben kann. Er follte aber die Conſulin „beleidigt“ 
haben, wenn es eine Beleidigung war, daß er ihren Dienft verließ, um 
den von Herrn Rolph anzunehmen. 


70 Eine Gerichtscomodie. 


Wir Könnten dies natürlich nicht dulden. Da es in Dfchedda nur 
zwei Conſuln giebt, jo mandten wir und an den engliſchen, an welchen ich 
empfohlen war, zur Zeit durch einen Bertreter, einen Armenier, reprä- 
fentirt, und zogen mit diefem zum Paſcha; denn nur er konnte helfen. Er 
wollte aber gar nicht dran. „Man muß der Yranzöfin das Kleine Ber- 
gnügen gönnen. Was liegt denn an einem Koch?" meinte er. Uns lag 
natürlich daran, denn in Dfchedda findet man leinen, jondern muß ſolche 
Diener aus Suez tommen laſſen. Sehr generös offerirte zwar der Pafcha 
feine eigene Küche. Aber Gott weiß mas mir dann zu eflen befommen 
haben würden! Ich kenne türkifche Küche! Nur der Bilaff ift geniekbar. 
Diefer fehlt aber bei den Vornehmen oft, da er ein plebejiiches Gericht 
if. Die Großen ergößen ſich flatt defien an fchredlich fetten Ragouts mit 
Knoblauch, Zwiebeln und ranziger Butter, ſowie öligen Süßfpeifen. 

In einer einzigen Ramadaͤnnacht folgten ſich die drei Acte dieſes 
Luſtſpiels. Im erften zogen wir erfolglos ab, ließen aber die Drohung 
zurüd, die Sache nad) Stambul zu melden. Der Armenier fagte „Beli“ 
(jehr wohl), als der Paſcha fich meigerte, der Paſcha „Peki“, als der Ar- 
menier drohte. Der Türke jagt immer „Peli”, auch wenn die Sache ihm 
nicht gefällt. Aber troßdem bedachte er fi doch. Schnell wurde aus 
den Ramadän-Gäften ein Megles (Gerichtshof) improvifirt, in welchen auch 
zwei griehifche Branntweinhändler ihre Stimmen abgaben. Türken haben 
eben über Europäer eine jo niederträchtige Meinung, daß fie gar feine 
Bildungs- oder Moralitätsftufen unter ihnen anerlermen. Als fie noch 
nad Willkür fchalteten, waren alle Europäer gleicherweife „telb ibn kelb⸗ 
(Hund, Sohn des Hunde). Jetzt, da fie Europäer refpectiren müffen, rächen 
fie ſich dadurch, daß fie auch die anrüchigſten den anftändigften gleich hoch 
ftellen. Wäre ein Conſul beim Megles anweſend geweſen, man hätte ihm 
feine höhere Ehre erweiſen können, ala die, welche jegt den Branntwein- 
händlern (meiftens notoriſchen Schurken, Bravo u. f. w.) widerfuhr. 
Man befchloß den Koch zu citiren. Als diefer kam, ſchnaubte ihn der 
Paſcha an: 

„Alſo megen einem Hund, wie Du bift, muß ich foldhe Unannehm- 
lichkeiten Haben? Was machteſt Du bei der Confulin?“ 

„sh war ihr Koch;“ hieß es. 

„Warum haft Du fie verlaffen?“ 

„Weil fie mich ſchlug.“ 

„Das wollen wir nicht hören. Sag’ einen andern Grund,” brummte 


Gin ſchalkhafter Koch vor dem Pascha. 71 


der Paſcha, der natürlich nichts Beleidigendes über die Conſulin geſagt 
wiſſen wollte. 

„Weil ſie einen andern Koch hat und mein alter Herr zurückkam.“ 

„So? Wieviel Diener hat die Conſulin?“ 

„Sie hat einen Koch, einen Küchenjungen, einen Kammerdiener, einen 
Kawaß, einen Laufburfchen, einen Bortier u. |. wm.“ 

Jetzt glaubte der Paſcha einen Anknüpfungspunkt gefunden zu haben, 
um von der Conſulin gütlichen Vergleich zu erbitten. Er Tieß ihr höflich 
fagen, da fie doch jo viele Diener habe, könne es ihr ja auf einen mehr 
nit ankommen. Sie wifje vielleicht nicht, daß im Haufe, mo der Koch 
jebt diene, nur wenige Diener jeien, er alſo dort viel unentbehrlicher fei, 
als in ihrem bienerreichen Haushalt. Der Verbrecher bitte fie übrigens 
um Berzeihung, und fie möge ihn daher gütigft freigeben. Zugleich ließ er 
und melden, wir möchten kommen, um den Koch abzuholen. 

Wir fanden und aljo im ziveiten Act der Comödie ein. Hier ging's 
jogar pofiendaft zu. Die Confulin ließ nämlich berichten, fie verfiche gar 
nicht, was der Paſcha mit den „vielen Dienern“ jagen wolle. Sie Habe 
ja nur Einen für Alles und eigentlich gar feinen Koch. Der Paſcha 
ſchnaubte von Neuem den Koh an: 

„Haft Du nicht gejagt, die Conſulin habe ſechs Diener?“ 

Der Koch machte ein ſchlaues Geficht: 

„Rein, Herrlichkeit, das ſagte ich nicht, fondern fie habe einen Koch, 
einen Küchenjungen u. |. w.“ 

„Run, und find das nicht ſechs Diener?“ 

„Rein! wenn Ew. Herrlichkeit mich hätten ausreden laſſen, jo würde 
ich binzugefeßt haben, daß der Koch „Smail” heißt... . .“ 

„So? und wie heißt der Bortier?“ 

„Auch Small“ 

„Und der Küchenjunge?“ 

„&benfo.” 

Der Paſcha fluchte Fat, als er dies vernahm. 

„Wie viel Smails giebt e8 denn?” fragte er. 

„Herrlichkeit! Es giebt nur einen.“ 

„Und diefer eine iſt?“ 

„Zugleih Koch, Küchenjunge, Portier u. |. m.” 

Am Ramadän-Abend, nad) guter Mahlzeit, kann felbft ein jonft grim- 
miger Paſcha Spaß verftehen, und fo verftand auch diefer, daß der Koch, 


% 


72 Kleinliche Diplomatie vor Gericht. 


troß all’ feiner Untermwürfigleit ein Witzbold war, und nahm ed nicht übel. 
Da er lachte, fo nahm die ganze Megles dies für eine Erlaubnik, nım in 
homerifches Gelächter auszubrechen. Der Abend bekam eine fehr fuftige 
Wendung. 

Uns mar freilich nicht geholfen. Denn der Paſcha wollte jet wieder 
den Koch zurüdbehalten, da die Sonfulin ihn nicht freigab. Er fah einer: 
feitS die Drohung Englands, andererfeit3 das beleidigte Frankreich; und das 
Alles um einen Koh! Eine Genugthuung wollte er ums jedoch geben. 
Diefe beftand zuerft darin, daß er über die Conſulin ſchimpfte. Er nannte 
fie eine ..... Doch das verfchweige ich beiler. Das Schimpfen über 
&uropäer fommt dem Türken fo natürlid, daß wir e& dem Paſcha nicht 
als Berdienft anrechnen konnten, wenn es aud heute uns zu Gefallen ge- 
ſchah. Morgen mußten wir, werde er der Confulin ganz ähnliche Süßig- 
feiten über uns jagen. 

Wir beftanden alfo auf einer mehr reellen Genugthuung. Nach ftun- 
denlangem Discutiren murde er jo weit mürbe, daß er veripradh, den Koch 
nur eine Nacht zurüdzubehalten. Eine Satisfaction müfle Frankreich doch 
haben. Wir konnten auch das nicht zugeben und zogen abermals mit 
Drohung und gegenfeitigem „Peki“ ab. 

Der dritte Act der Comödie war der längfte und wäre nicht zu einem 
befriedigenden Schluß gefommen, ohne Intervention einer dritten Groß⸗ 
macht. Dieje Macht war Perſien, vertreten durch feinen Conjul, den man 
ſchlechtweg den Bey nannte, einen fehr ſchlauen Diplomaten, der mit tödt- 
lichem Türkenhaß die liebenswürdigften Manieren gegen Türken, ja gegen 
die ganze Welt verband. Dieſer allabendliche Ramadan-Gaft des Paſcha 
erfand einen Ausweg zur Verföhnung der Barteien und fo wurde wirklich 
der Koch frei. Aber er wurde es nur durch einen Compromiß, der fchein- 
bar jeder Partei, in Wirklichkeit aber keiner Recht gab. Der Perſer ſchlug 
nämlich vor, die Verhandlungen bi8 zum grauenden Morgen auszudehnen, 
was für vornehme ZTagsfchläfer eben fein Opfer if. Dann folle man 
den Koch frei geben. Der Conſulin könne man fagen, man babe den 
Mann ihr zu Gefallen eine ganze Nacht lang feitgehalten, uns aber, man 
babe die ganze Nacht hindurch uns zu Liebe Megles gehalten und ge- 
funden, daß wir Recht hätten. So konnte fich jede Partei den Triumph 
zufchteiben. In Wirklichkeit aber hatte feine volltommene Genugthuung be= 
fommen. Das tt orientaliihe Diplomatie, die ſich heutzutage oft mit 
folden Erbärmlichkeiten herumfchlagen muß. Komiſcherweiſe war in diejer 


PVergnügungen im Ramadin. 73 


Sade nie vom Mann der Confulin die Rede. Er galt für einen PBan- 
toffelhelden und wurde als „Null“ betrachtet. 

Sonft ift der Ramadan Hier nicht kurzweilig. Bon Vergnügungen, 
wie fie in Cairo und Tunis vorlommen, ift feine Rede. Höchftend regt 
fi eine einfame Darbula (Ihönerne Trommel) oder ein Himpriger Kanun 
(eine Art Guitarre) in einem Kaffeehaus, wozu manchmal die Stimme 
eined näfelnden Sängers fi hören läßt. Ein Karagus (Polichinell) foll 
zuweilen zu Stande kommen. Heuer war dies nicht der Fall. Die Tänze— 
rinnen und Tänzerknaben werden bier durch alte Araber aus Yemen mit 
langen, weißen Bärten erjeßt, deren vor Alter fteife Glieder eben feine 
graziöfen Bewegungen zur Schau tragen. Aber alle diefe Vergnügungen 
find nur im allermäßigften Grade vorhanden. Selbft in Mekka fteht es 
damit nicht viel beſſer. 

Nur in dem von gewiſſen Perfonen bewohnten Biertel oder Hütten- 
dorf ſoll e8 in diefen Nächten Iufliger hergeben. Wer aber die dortigen 
Freuden genießen will, muß fich für die ganze Nacht aus der Stadt 
verbannen, da das Hüttendorf außerhalb der bei Nacht geſchloſſenen 
Thore liegt. 

Diefes bei Tag zu befuchen, ift für einen Europäer ſchon gefährlich, 
bei Nacht geradezu unmöglich, denn jenes Gewerbe in Brod zu fegen, wird 
von den Moslems fo zu fagen als ein „Glaubensmonopol” angejehen. 
Wehe dem Chriften, der es wagen mollte, einer diefer vom Fanatismus 
aller Dieheddaner gleichfam gehüteten Perfonen eine Erklärung zu madıen. 
Den Moslems allein ift es geftattet, hier die Ramadan-Vergnügungen, die 
immer bei Nacht flattfinden, mitzumachen. Da ich diesmal nicht verkleidet 
reifte, jo Tann ich alfo nicht als Augenzeuge von jenen Quftbarfeiten be- 
richten. Nach der Ausſage meiner arabiſchen Diener follen fie aber groß 
jein und es dort ſehr hoch hergeben. Nach dem freilich, was ich bei einem 
Gang, den ich bei Tage durch jenes Viertel machte, von feinen Bewoh— 
nerinnen Jah, boten jie des Verführeriichen jehr wenig und aljo mögen 
ihre Tänze und Gefänge eines Hauptreizes entbehren. Es find meift jehr 
häßliche Negerinnen; hier und da nur fieht man eine Weiße, die aber mit 
jenen an abfchredenden Eigenfchaften metteifert. Eine einzige jah ich aus 
ber Entfernung, die erträglih ausfah. Aber diefe Dame war eine fo 
fanatiihe Yüngerin Mohammed’3, daß fie bei meinem Anblid laut auf: 
Khrie und in Verwünſchungen gegen alle Europäer im Allgemeinen und 
mih im Befondern ausbrach, dabei ſehr energifch mit der Hand fortwintte. 


74 Das Proftitutiond-Viertel. 


Es ift mander ſeltſame Widerfprud im mohammedaniſchen Volksleben. 
So follen diejelben Frauen, die doch ein ſelbſt nach arabifchen Begriffen 
verbotenes und vom Dorän verbammtes Gewerbe ausüben, die firengften 
Beobadhterinnen der Yaften im Ramadaͤn fein. Man fchließe übrigen: 
hieraus nicht auf eine allgemeine Gorruption der Bewohner Arabiens. 
Dſchedda, Mekka, Medina find Fremdenſtädte. Nur in foldden kommt die 
Proftitution vor. Sonft ift fie faft unbelannt. 

Natürlich befuchen die verftändigeren Moslems jenes Viertel niemals, 
genießen alfo feine feiner lärmenden Ramadän-PVergnügungen. Für fe 
müßte diefer Monat gewiß entſchieden langweilig fein, wenn dieſes ſtoiſche 
Bolt überhaupt die Langeweile Tennte. Aber jo ift einmal der Moslem. 
Selbft der Städter aus Stambul oder Cairo, den fein Unftern hierher 
führt, Hagt nicht Über die Monotonie von Dſchedda, obgleich er zu Haule 
doch der nach arabijchen Begriffen köftlichften Vergnügungen die Hülle und 
Hülle beſaß. 


Heddz 


— — —— —— 


Zehntes Capitel. 
Das Grab der Eva. 


— — — 


Reue Geſtalt des Grabes. — Grabcapelle. — Kuppel über dem heiligen Nabel. — 

Gewaltſame Bettelei. — Die geheimnißvolle Niſche. — Flucht vor den Bettlern. — 

Berfolgung durch Beitlerfhaaren. — Der geftrafte Diener. — Größenverhältnifie des 

Grobe. — Willlürlide Beränderung derjelben. — Trofllofigleit der Lmgegend 
von Dſchedda. 


Dies Heine Capitel Tönnte füglih „Unterricht im Betteln“ über- 
Ihrieben werden, dem nirgends ward dieſe edle Kunſt wirkſamer ausge- 
bildet, al3 am Grabe der Ur- und Stammmutter des Menſchengeſchlechts. 
Dafielbe befindet fih vor dem Medina-Thore nur ein Paar Schritte vor 
der Stadt. Da ich es von früher kannte, fo war ich nicht wenig erflaunt, 
es in feiner neuen Geftalt wieder zu ſehen. Auch hier hat die Sanitäts- 
commilfion wirffam gehauft und das Grab der Stammmutter von jenem 
Hüttengewirre befreit, in dem es früher wie ein Schmetterling in feiner 
Puppe verhüllt dalag. Aber auch das Grab felbft Hat ſich verwandelt. 
Die Mauer, welche den Umkreis um die heiligen Gebeine beichreibt, ficht 
niegelnagelneu aus, und die Capelle über dem heiligen Nabel ift neuerbaut. 
Früher befand fich Hier nur eine ganz Heine Kuppel; jetzt ſteht dieſe 
unter Dad). 

Zu meinem Erftaunen machte man gar keine Schwierigkeit, mich in 
die Capelle bineinzulafien, obgleih ich ganz offen als Europäer auftrat. 
Aber das hatte feine Gründe. 








76 Unverfchämte Bettelei. 


Man lieg mic, zuerfi niedernien, um dur ein Loch in der Kleinen 
Kuppel auf den über dem Nabel errichteten Stein hinabzufchauen, den id 
übrigens, des Dunkels wegen, kaum ſehen tonnte. Als ich nun aber wieder 
aufftehen wollte, fühlte ih mich durch einen Drud auf meine Schultern 
feftgehalten, und als ich mich umblidte, ſah ich die ganze Gapelle mit 
Figuren in langen Talaren gefüllt, die ſammtlich zur Sippfchaft der Grabes- 
wächter gehörten und deren Geldanſprüche erft befriedigt werden follten, 
ehe man mir erlauben wollte, aufzuftehen. Trotzdem gelang es mir, mid) 
auch ohne vorher gezahlt zu haben, was mir denn doch zu demüthigend 
ſchien, durch einen Fräftigen Rud auf die Füße zu heben. 

Um mit den Leuten abzufchließen, gab ich nun ſogleich freiwillig ein 
Trinkgeld, wollte eben der Bettlerjchaar entrinnen und das Grab verlaflen. 
Diefe aber hatte dafür geforgt, meiner Neugier einen neuen Köder Hinzu- 
werfen und zu ihren Zweden auszubeuten. An einer Wand der Capelle 
befand fi) nämlich eine Nifche, die auffallender Weile durch einen rothen 
Vorhang verdedt war. Darauf wurde bedeutungsvoll, als auf eine große 
Rarität, bingewiejen. Ich vermuthete natürlich die Niſche (die mir, wie 
die ganze Sapelle überhaupt, gänzlich neu war) berge irgend eine neuent- 
dedte oder neuerfundene Reliquie unferer Neltermutter, und wurde jehr ge 
ſpannt, das Geheimnig des Vorhangs zu enthüllen. Man machte auch 
gar feine Schwierigkeit, mich hinter den Vorhang zu laffen. Dort merkte 
id nun bald, daß das Ganze lediglich eine Attrape war. Die Niſche war 
ganz einfach die der Dible, der Mekkarichtung, wie fich eine ſolche in jeder 
Mojchee- befindet und folgli völlig leer und ohne irgend welche Merl: 
würdigleit. Aber der fonft vor diefen Niſchen nicht übliche Vorhang follte 
als Köder für unerfahrene und neugierige Pilger dienen und erfüllte auch 
dieſen Zweck volllommen, derin wie ich ſpäter hörte, pflegen alle Bejucher 
des Grabes auf diefen Zopf anzubeißen. 

Als ich mich von der halbrunden Nifchenjeite nun ummwandte, um bin- 
auszugehen, fand ich jedoch den Ausgang verftellt und zwar durch fünf 
jehr ehrwürdige Geftalten. Diefe Männer fegten mir jet jehr energiſch 
zu, ftellten mir vor, mein erſtes Trinkgeld fei nur eine Mifere geweſen, 
außerdem gehöre dies am heiligen Nabel gejpendete Geld den Grabes 
ſchatz. Sie, die Wächter des Grabes, müßten aber auch etwas haben. Sie 
jeien fünf an der Zahl, hätten zahlreiche Yamilie und nichts zu leben, als 
die Trinkgelder. 


Die Wächter und Diener des Evagrabes. 17 


„Ihr jeid fünf,“ meinte ich, „ed ſcheint mir eher, ihr jeid fünfund- 
zwanzig, denn Draußen ſchreien ja noch viel mehr nach Trinkgeld.“ 

„D das find nur die Diener des Heiligthums,“ hieß es, „Diele werden 
ih mit ein Paar Thalern zufriedengeben, wir aber können nicht weniger 
als einen Bentu (51/, Xhaler) annehmen.” | 

Das war denn doch zu did aufgetragen. Als nun die Männer von 
den Bitten gar zu Drohungen ſchritten und Miene machten, mid) mit Ge- 
walt in der Riſche feftzuhalten, brach) meine Geduld, und ich fiel wie ein 
Keil unter fie und bahnte mir meinen Weg durch Rippenftöße aus der 
Niſche in die Capelle, wo dieſer plöbliche Gewalteinbruch einen nicht ge- 
ringen Standal erregte. Dort war es indeilen nicht gut, lange zu weilen, 
denn die „Diener des Grabes“ jchidten fi) eben an, das Mandver ber 
„Wächter“ in potenzirter Weile in Scene zu ſetzen. Eilig verließ ich 
deshalb das Heiligthum, nicht ohne manchen frommen Bettler unjanft auf 
die Seite geſchoben zu haben. So fam ich allerdings faft ungerupft, aber 
unter den lauten Verwünſchungen der „Wächter und Diener des Evagrabes“ 
wieder ins Freie. Dorihin wagten jie nicht mir beitelnd zu folgen, da 
ihr PBräftigium, als religiöje Reſpectsperſonen, die in der Außenwelt ftets 
würdevoll erfeheinen jollen, zu fehr darunter gelitten hätte. Aber fie hatten 
dafür geforgt, daß das Bettelgeſchäft auch Hier wirkſam fortgefegt werden 
jollte, und zwar durch ihre zahlreiche Nachkommenſchaft, ein wahres Heer 

von feinen Mädchen (die Knaben waren gerade in der Schule). Diefe 
Heinen Bettelgenies verfolgten mich, mit ihren hellen Silberſtimmchen laut- 
ſchreiend, bis in die Stadt. Bon Zeit zu Zeit warf ih ein Kupferftüd 
teht weit bon mir, um fie zu entfernen. Aber daß half wenig. Der 
Beitlerfnäuel verdichtete und vermehrte ſich noch von Zeit zu Zeit durch 
einige Straßenkinder, und ehe ich das Haus erreichte, Hatte ich die halbe 
Jugend von Dſchedda hinter mir. 

Das Komiſchſte bei der Sache war, daß mein nichtänußiger Diener 
Hamed, den ich damals noch nicht fortgeſchickt und der mich zum Evagrabe 
begleitet Hatte, dort zurüdgeblieben war und zwar jehr wider feinen Willen. 
As Fromm fein wollender Moslem wagte er nicht, die „heiligen“ Grabes⸗ 
wächter und Diener unfanft von jich zu flogen und mußte ganz ſchredlich 
biuten. Ein guter Theil des mir geftohlenen Geldes mochte jo dem Eva- 
grabe zu Gute gefommen fein. Hamed fam erft nad) einer Stunde mit 
troftlofer Miene zurüd und Hagte laut Aber die Habjucht jener „heiligen“ 
Perſonen. 


18 Die Wächter und Diener des Eagrabes. 


Als ich - Abends Herrn Rolph mein Kleines Abenteuer erzählte und 
zugleich auch, daß es mich doch eigentlich im Ganzen nur einen Thaler ge- 
toftet habe, flaunte diefer. Er verficherte mir, daß felbft ein Dſcheddaner, 
der nur für einigermaßen wohlhabend gelte, dort nicht unter drei Thalern 
davon käme. Ein Europäer gar müßte in den meiften Fällen das Doppelte 
zahlen. 

Alte Europäer in Dſchedda fagten mir übrigens, daß die Größenver- 
bältniffe des Evagrabes ſehr mandelbarer Natur feien. Auch mir war 
das fo vorgeflommen. Es fcheint, daß man bei jeder Reflauration je nad 
Willkür oder vielleicht je nach dem Ueberfluß oder der Spärlichleit des 
Baumaterials ein Paar Schub zugiebt oder wegnimmt, und, da diefe Mauer 
genau den Körperummiß der Weltermutier beichreiben ſoll, fo verändert 
Mutter Eva jekt noch, jo viel Taufend Jahre nad ihrem Zode, von Zeit 
zu Zeit ihre Geftalt. Bald wächſt fie, bald wird fie Heiner. Ihre gegen- 
wärtige Länge beträgt nad) der Meſſung, die ein englifcher Majchinift an- 
ftellte, 360 engliſche Fuß, ihre Breite aber kaum 18 Fuß. Man fieht, 
an Körperebenmaß bat Mutter Eva nicht gewonnen. Es ift noch immer 
dieſelbe obelistähnliche Geſtalt. Auch die Verhältnifie der Gliedmaßen 
untereinander find nicht beffer geworden. Der heilige Nabel befindet fi 
no immer nur um ein Drittel der Körperlänge von den Yüßen entfernt, 
jo daß der Oberkörper ganz unverhältnigmäßig lang bleibt. Die Palme 
über dem Haupt ſcheint nicht gedeihen zu wollen. Im „Sabre 1860 hatte 
ih ein Bäumchen bier gejehen. Jetzt fand ein bloß zweijähriges Pflänz- 
lein da. 

Die Gegend, in welcher das Evagrab liegt, ift, wie überhaupt bie 
ganze Landfchaft, zwei Stunden in der Runde um Dſchedda, faft eine 
MWüfte, ohne Brunnen, ohne Schatten, beinahe ohne alle Pflanzendede des 
jandigen Bodens. Die Europäer in Dſchedda find ganz der Spaziergänge 
beraubt, denn bei Tag verhindert die glühende Sonne, bei Abend der Thor: 
ſchluß das Ausgehen. Da, wo die Gegend ein wenig mehr landfchaftlice 
Reize gewinnt, beginnt fie unficher zu werden. Unter foldden Umftänden 
bleibt noch das Evagrab faft das einzige Ziel der Excurfionen, fo lächerlich 
die auch Tlingen mag, da es fehr nahe ift und die meiften es kennen, ein 
zweimaliges Sehen ſich aber durchaus nicht Iohnt. Ich mußte immer lachen, 
wenn ic) von diefem Sonntagsvergnügen hörte. 


Seht; 


Elftes Eapitel. 
Der Handel von Dſchedda. 


— —— — 


Handelsfrage. — Segelſchifffahrt von Europa nad Dſchedda. — Dampfſchifffahrt. — 
Art der Einfuhr europäiſcher Waare. — Ahr Abſatz in Dſchedda. — Vortheile der 
einheimiſchen Handelsweiſe. — Europäiſcher Import. — Oſtindiſcher Import. — 
Aegyptiſcher Import. — Import der Griechen. — Einheimiſcher Seehandel. — — 
Mittlere Frequenz des Hafens von Dſchedda. — Handelsſaiſon. — Cabotage. — 
Provenienz einheimiſcher Waaren in Dſchedda. — Export. — Dſchedda als Ber- 
mittlungsbhafen. — Kaffeehandel von Hodaida. — Borzlige der einheimiſchen Rauf- 
leute. — Hadrami. — Indiſche Kaufleute. — Ihre Beberrihung des Marktes. — 
Aneignung des einheimiſchen Handelsverfahrens durch Europäer. — Bortheilhafte 
Geſchäfte eines Marjeiller Hauſes. — Die Hauptbebingung des Handelserfolgs in 
Hrabien. — Ausfihten für Abſatz deuticher Fabrikate. — Waaren, die der Eon- 
eurrenz erliegen. — Kaffeepreife im Jahre 1870. — Abgaben von Waaren. — Preife 
für Wanrentransport. — Geldwährungen in Dichebba. 


Seit Eröffnung des Suezcanals if öfters die Frage aufgetaucht, ob 
nicht jeßt eine Vermehrung des directen Handels zwiſchen Europa und den 
Hafenorten des rothen Meeres zu erwarten feit Bis jebt hat eine folche 
nicht flattgefunden, aus Gründen, die im Yolgenden befprodhen werben 
jollen. , 

Es unterliegt übrigens keinem Zmeifel, daß der Hafen von Dſchedda 
zur Zeit der wichtigfte im rothen Meere ift (Suez natürlich ausgenommen). 
Dadurch nämlich, daß Hodaida nur wenig direct, fondern meift über 
Dſchedda erportirt, wird diefes zum Kaffee-Emporium und Tann fogar mit 
Aden wetteifern. Der Kaffeehandel ift Hier ja Alles. 

Die Segelihifffahrt von Europa nach Dſchedda kann auf dem Hinmweg 


80 Handelsweiſe der Eingeborenen. 


faft zu jeder Jahreszeit auf günftige Winde rechnen, da im rothen Meere 
von Suez bis zu diefem Breitegrad Nordwinde vorherrichen. Die Rüdreife 
wird dagegen äußerft langſam von Statten gehen. Dampfſchiffe find frei- 
lich immer vorzuziehen, vorausgeſetzt natürlich, daß fie ihre Rechnung dabei 
finden. Indeß dürfte dies einftweilen noch nicht der Yall fein, denn bei 
den Ummegen, welche hier noch die Einfuhr nimmt, wird. mar mit Aus— 
nahme folcher Frachten, die von der Regierung beftellt find (mie im vorigen 
Sahre Korn aus Odeſſa), faft nichts hier zu verladen haben. Auf eine 
Rückfracht kann man freilich faft immer rechnen; aber auch hier hat man 
gegen die jehr lebhafte Concurrenz der Orientalen anzulämpfen, welche Die 
einheimische Segelichifffahrt nah Suez vorziehen und ihre Waaren in 
Aegypten verkaufen, von mo fie erft indirect nad Europa kommen. 

Was die Einfuhr europäischer Waaren betrifft, jo ift diefelbe durchaus 
nicht unbedeutend; fie ift aber bis jet nur zum geringften Theil direct, 
fondern wird durch einheimifche Häufer in Ronftantinopel und Cairo ver- 
mittelt. Trotz diejer Verkaufsweiſe aus dritter Hand bleiben die Preije 
fehr mäßig. Die Europäer in Dfchedda verficherten mir, fie vermödhten, jelbft 
wenn fie die Waaren direct bezögen, kaum die Preife jo mäßig zu fielen, 
wenn fie von ihrem Handel leben und etwas zurüdlegen wollten, denn 
ohne die Hoffnung dies thun zu können, wird fein Europäer ſich hierher 
verbannen. Die Einheimischen dagegen find bei ihrer einfachen Lebens⸗ 
weile im Stande, ſich mit geringerm Profit zu begnügen. SHiergegen 
fönnte der Europäer nur durd) großes Capital ankämpfen, das ihm die 
Möglichkeit verliehe, durch langes Creditgeben die Käufer zu verpflichten. 
Nicht anders erzielen die Einheimischen ihre Handelserfolge. Auf dem 
Greditgeben beruht bier mehr als anderswo jede gute Handelsfpeculation. 
Baares Geld ift außerordentlich jelten und wer nur gegen ſolches, augen- 
blidlich gezahlt, verlaufen kann, wird ſtets die allererbärmlichften Geſchäfte 
machen. inheimifhe Schuldner find im Ganzen jehr zuverläflig, viel 
mehr al3 Europäer, und mer warten kann, erhält immer fein Geld mit 
Zinfen zurüd. Nicht mit Zinjen in baarer Münze (denn im heiligen Hegäz 
find folhe verboten), jondern in anderer Weife, indem 3. ®. ſehr oft ber 
Schuldner irgend eine Waare liefern Tann, die fein Gläubiger dann unter 
ausnahmsweiſe günftigen Bedingungen erhält. 

Herr Rolph, der die hiefigen commerciellen Berhältniffe genau fennt, 
hatte die Güte, mir eine von ihm für das öſterreichiſche Handelaminifterium 
verfaßte Arbeit mitzutheilen, aus der ich folgende Ziffern entnehme: 


“ 


An Dſchedda eingeführte Handelsartikel. 81 


Europätfcher Import in Dſchedda. 
Ih Durchſchnittsjahren: 

Etwa 2300 bis 2800 Ballen ordinäre Baummwollftoffe, Greycloths, 
Muſſelin, Schaf, Wollenzeuge, Barjati (blauer Baummollitoff für Beduinen- 
bemden) aus England und der Schweiz, zufammen etwa im Werthe von 
2,200,000 Franken. 

1500 bi3 2000 Ballen Tuch, meift aus England und Frankreich. 

Quincaglierieen mittlerer und ordinärer Qualität, etma 1000 Caſſen 
(eine Hifte von beftimmten Verhältniß, im Handel wohlbefannt), meift aus 
Böhmen. 

Porcellan (ordinäres), etwa 1800 italienische Pachi. Ueber Trieft. 

Mehl aus Rußland und Oefterreih, etwa 500 Säde. 

Papier für Bureaur und zum Einwideln, etwa 150,000 Rieß. (Trieft.) 

Böhmiſche Glaswaaren, etwa 450 bis 700 Caſſen. (Trieft.) 

Venetianiſche Glaswaaren im Werthe von circa 30,000 Franten. (Trieft.) 

Nägel, 500 Yäfler. 

Altes Kupfer, für circa 50,000 Franken. 

Blei, 2000 bis 3000 Bade. 

Eifen in Stangen, 150 bis 200 Tonnen. 

Waffen, etwa 200 Caſſen. | | 

Bictualien, teodene Yrüchte für circa 20,000 Franken. 

Gearbeitete Korallen, für circa 25,000 Franken. 

Gearbeiteter Bernftein, für circa 15,000 Franken. 

Zuündhölzchen aus Oefterreih, 500 Eaflen. 

Im Ganzen beträgt der Werth des Imports über Zrieft etwa 
2,350,000 Franken. 


Dftindifher Import in Dfehebbe. 
In Durchſchnittsjahren: 
Reis, 500,000 bis 600,000 Säcke. 
Pfeffer von Singapore, 10,000 Ballen. 
Zimmet, 350 bis 500 Caſſen. 
Gewürznägel, 1500 Caſſen. 
Thee, 1000 Caſſen. 
Manufacturen (meiſt Seide), 800 bis 1000 Ballen. 
Holz aus Singapore, 400,000 Bretter. 


Indaco (?) 200 Caſſen. 
v. Maltzan, Reiſe nach Südarabien. 6 


82 Artikel des Küftenhandels in Dfchedda. 


Aegyptiſcher Import in Dſchedda. 


Gerealien, Gemüse, Tabad, im Werthe von durchfchnittlich 3,122,000 
Franken jährlich. 

Der Import der Griechen (meift Branntwein, Victualien) entzieht fih 
jeder Eontrole, da er zum großen heil eingeſchmuggelt wird. Er if 
übrigens nicht unbedeutend. 

Der einheimische Seehandel, jowohl der entferntere wie die Cabotage, 
wird faſt ausſchließlich durch Sayas (Schiffe mit lateiniſchen Segeln von 
circa 20 bis 100 Tonnen Gehalt) betrieben. Bon dieſen rechnet man 
jährlich etwa 900 im Hafen von Dſchedda. In den Pilgerfaifons von 
1867 bis 1870 befanden fich auf der Rhede von Dſchedda im Mittel 75 
größere Segelichiffe (jährlih), meiſt aus Oftindien, Singapore zc. Alle 
8 Tage langte ein Dampfſchiff der Compagnie Aziziye (von circa 1200 
Tonnen) an. In denfelben Jahren fanden fich Hier jährlih 4 bis 5 eng: 
liſche Handelsdampfer (von 400 bis 1000 Tonnen). 

Der Handel in Dichedda ift am lebhafteiten von October bis Mai. 
Während diefer Saifon könnte (nah Herrn Rolph) jede europäifche 
Dampfergefellihaft hier auf 2000 Tonnen Waaren vierzehntäglich rechnen, 
welche die einheimifchen Häufer zu liefern im Stande wären. Die meiften 
dieſer Waaren find jedoch nicht aus der Provinz Hehäz, fondern werden 
durch die Sabotage von. den anderen arabifchen Häfen oder aus Oſtafrika 
hierher übergeführt. 

Folgende Lifte giebt einen ungefähren Begriff der Provenienz ein- 
heimischer Waaren in Dſchedda. 

1. Bon Malalla (Südarabien) kommt Zombeli, Perlmutter, Weih⸗ 
rauch (letzterer aus dem Somaͤli⸗Lande*), als Product der Boswellia 
Carterii I. und B. Bhau Dajana). 

2. Bon Maſſauwa (Oftafrita) kommt Sejamöl, Kaffee (in leßterer 
Zeit ſehr wenig), Butter, Moſchus, Häute, Wacht. 

3. Bon Hodaida (Yemen): Kaffee (davon fieben verſchiedene Arten), 
Mais, Hirje, Berlmutter, Sejamöl, Häute von Ochſen, Ziegen und Schafen. 


*) Der arabiſche Weihraud aus Mahra (gleichfalls von Boswellia Carterii (I), 
aber eine Seitenfpecieß der gleichgenannten afrikaniſchen) geht ausnahmslos direct nad 
Oftindien. Er kommt faft nie nad Europa. 


Kaffeehandel mit Hodaida. 83 


4. Bon Suakin (Oftafrifa): Sefamöl, Butter, Häute, Wachs, Gummi, 
letzterer vorherrſchend. 

5. Bon Docer (Aegypten): Weizen, Mais, Hirſe, Seſamöl, Linſen, 
Bohnen. . 

6. Bon Bagra (Mejopotamien): gepreßte Datteln, Weizen, Tombeki, 
Gewebe und Stoffe für arabijche Kleider. 

7. Bon Gomfüde (Yemen): Butter, Honig, Cerealien, Baumwolle, 
Gummi von den Arten genannt fachmi und sits. 

8. Bon Abu Schehr (Perfifcher Golf): Teppiche und perſiſche Stoffe. 

9. Bon Maskat (Omän): Stoffe, Datteln. 

Viele diefer Waaren bleiben im Lande. Für Kaffee und Gummi ift 
Dſchedda der Bermittlungshafen, da Europäer fat nie nad) dem großen 
Kaffeeemporium, Hodaida, ſelbſt gehen. Dies zu thun, hat ſich bis jet 
immer als eine jehr fchlechte Speculation erwieſen. So wie nämlich ein 
europäiſcher Kaufmam in Hodaida landete, fliegen yleich die Kaffeepreiſe 
dergeftalt, daß an ein Kaufen nicht mehr zu denen war. in Yranzofe, 
der in Dſchedda etablirt war, verfuchte es vor zwei Jahren, hielt fich ſechs 
Monate in Hodaida auf in der Hoffnung, die anfängliche, durch fein 
Kommen verurſachte Hauffe weichen zu ſehen, aber die Araber wollten 
niemal® von ihren hohen Preifen hinabgehen und er ruinirte ganz unnüß 
feine Geſundheit; denn Hobaida ift feiner Fieber wegen berüchtigt. Natürlich 
waren ebenſowohl die Hadrami als die Indier, die alle untereinander 
ſolidariſch find und große Sapitalien vertreten, gegen den Eindringling im 
Bunde und verhinderten die Saffeeverfäufer, ihm beſſere Bedingumgen zu 
ſtellen. 

Was ſollen auch die zwei europäiſchen Kaufleute (die griechiſchen 
Sranntweinhändler wird man doch nicht Kaufleute nennen) in Dſchedda, 
weile noch dazu auf fich felbft angewieſen find und feine Großhandels- 
häufer in Europa als Rückhalt haben, gegen die wohlorganifirte, einheit- 
lihe Handelsmacht der Einheimifchen unternehmen? Die arabifchen Groß- 
bändler in Dſchedda, etwa 200 an der Zahl, wovon 150 Hadrami, find 
immer bereit, ich gegen den Europäer zu verbünden. Die dortigen indifchen 
Kaufleute gar (etwa 250 an der Zahl) ſtehen einer für den andern ein, 
unterftügen ſich mit Credit, und diefer ihr Credit flieht auf ſehr feiten Füßen; 
auch Haben fie meift Rüdhalt an großen Handelshäufern in Oftindien; ja 
viele, die Hier als jelbftändige Kaufleute erfcheinen, find in der That nur 
die Mandatäre großer indifcher Häufer, was ihnen natürlich noch mehr 

6* 


84 Beherrihung des Markts durch die Eingeborenen. 


Solidität giebt. Da in Dſchedda nämlih die Banianen (indiſche Kauf: 
mannsfafte) ihres Heidenthums megen nicht wohnen dürfen, fo vertrauen 
viele ihr hiefige8 Comptoir den Händen eines indiſchen Moslem an, für 
deſſen Moralität fie genügende Bürgſchaft haben. 

Die großen Gapitalien, über welche diefe Kaufleute verfügen, geben 
ihnen bei geſchickter Benugung einen folchen Vorrang, daß fie den Markt 
vollkommen beherrſchen. Wie beim Verlauf das lange Ereditgeben, jo 
find beim Kauf in diefem Lande die Darleihen die einzige Bedingung des 
Erfolgs. Die einheimischen Kaufleute wiſſen es deshalb jo einzurichten, 
daß faſt alle Producenten oder Verkäufer erfter Hand ihnen verfchuldet find. 
Dadurch haben fie alle diefe Leute in der Hand. Kommt nım ein Euro- 
päer und will, mit Umgehung de3 üblichen Handelswegs, direct in Hodaida 
einfaufen, jo genügt ein Wink von ihnen und er findet nun die unan- 
nehmbarften Bedingungen. 

Man braucht Übrigens durchaus fein Einheimifcher zu fein, um die- 
ſelben Vortheile zu genießen, denn von religiöjen oder nationalen Bor: 
urtheilen ift bier im Handel nicht die Rede. Das Einzige, was dazu ge- 
hört, ift, ein großes Sapital auf den Markt werfen zu fönnen. Ich Habe 
bis jet in Arabien nur einen einzigen Europäer gefannt, der, weil er 
über großes Capital verfügte, den Einheimischen wirffame Concurrenz 
machte, einen Spanier, der in Aden lebte und Mandatär eines ſehr reichen 
Haufes in Marfeille war. Diefer betrieb das Geſchäft ganz auf einhei- 
miſche Weile. Er Hatte oft eine Million Franken an Darleiben außen 
ftehen und war durchaus nicht Schwierig im PVerlängern der Zahlungs- 
friften. Denn in diefem Lande ift ein Darleihen nie verloren, obgleich 
nicht3 Schriftliches darüber eriftirt. Es trägt ſteis im Handel feine guten 
Zinſen. Der Spanier erzielte ganz ausnahmsweiſe Erfolge und hat fi 
jest ala höchft wohlhabender Dann zurüdgezogen, obgleih er nur eine 
Commiffion von feinen Gefchäften bezog und der Hauptgewinn natürlich 
dem Marfeillee Haus zufiel. Dieſes Haus hat feitdem aufgehört zu 
eriftiren, da der Chef farb und die Erben jebt von Renten leben. Darin 
au, in diefem vom Europäer ſtets erfehnten Sichzurüdziehen vom Handel, 
ift er im entjchiedenen Nachtheil gegen den einheimischen Kaufmann. Ber 
Hadrami oder Indier betrachtet nicht den Handel als ein Mittel, jchnell 
reich zu werden, um fi dann dem Müßiggang und Wohlleben ergeben zu 
fönnen, jondern als einen dauernden Beruf für fein und feiner Nachkommen⸗ 
haft Leben ad infinitum. Nur eine Sataftrophe, die ihn rumirt, kann 


Abſatz für Waaren aus Deutichland. 85 


ihn vom Handel abbringen. Dadurch gewinnt eben jein Eredit eine ganz 
andere Feſtigkeit, al® der eine? Mannes, der den Handel nur zehn oder 
zwanzig Jahre betreibt. 

Aus Obigem wird man nun zur Genüge erlannt haben, warum ber 
europäifche Handel in Dſchedda bis jebt nicht blühte und nicht blühen 
faın, wenn man fich nicht entjchließt, die Wege der Einheimischen zu 
gehen. Es ift hier nicht wie in den Südſeeinſeln, Auftralien oder ein- 
zelnen Gegenden Amerikas, wo im Handel ſelbſt das Heine Capital Erfolge 
ezielt. Der kleine Gapitalift wird fich bier ruiniren, der große allein Er- 
folge erringen. | 

Was befonderd den Handel mit Deutichland betrifft, jo zweifle ich 
nicht, daß bier die geblümten oder geftreiften Baummwoll- und Halbfeide- 
Hoffe der thüringiſchen und ſächſiſchen Fabriken, welche orientaliihe Mufter 
feht täufchend nachahmen und die auch meift arabiſche Namen, wie Gar- 
mafut, Aladſcha, Homfi, Miknas, führen, den Markt jehr zugänglich fänden. 
Diefe Stoffe werben, indirect (über Konftantinopel) eingeführt, zum Theil 
ſchon Hier getragen. In anderen Gegenden des Orients, 5. B. an ber 
ganzen Küſte Nordafrilas, Hat ihre Einfuhr in den lebten Jahren ums 
Zehnfache zugenommen, feit fie direct ftattfindet. Hier würde die directe 
Einfuhr gewiß gleichen Aufſchwung nad) fi) ziehen. Indefjen müßte man 
ch Bier auf ein längeres Creditgeben gefaßt Halten, als in Nordafrika, 
wo die Unterhändler Juden find, die meiftentheils fich fchneller baares Geld 
zu verichaffen willen, als die Bewohner des daran jo armen Dſchedda. 
Sch glaube jedoch, daß derjenigen Fabrik, welche ein langes Ausftehen 
ihrer Gelder nicht ſcheut, Hier große Erfolge bevorftänden. 

Mit den englifchen ordinären Baummwollftoffen (vulgo American do- 
mestics) fann dagegen Niemand concurriren, jelbit die Schweizer Häufer 
nicht, die fie vielleicht billiger, aber viel weniger ſchön herftellen, und ber 
Araber läßt fich durch die Glanzjeite des „appröt“ gern blenden. 

Europäiſche Seidenzeuge werden wohl jobald nicht in Dſchedda Ein- 
gang finden, da hier der Gefhmad ausſchließlich den indischen Fabrikaten 
zugewandt ift, die der orientalifchen Auffafjung mehr ent|prechen. Ueber— 
haupt muß ſich der europäiſche Yabrilant, der etwa Waaren auf den 
Markt von Dſchedda werfen mollte, ſtets vergegenwärtigen, daß er es bier 
mit der meift fiegreichen Concurrenz Oftindiens zu thun bat, und diejenigen 
Waaren vermeiden, welche man fich gewöhnt bat, von dort zu beziehen, 
werm er fie nit in einer dem Orient homogenen Weile herftellen Tann. 


86 Abgaben. Waarentranport. Geldwährung. 


Der Haupterportartifel, der Kaffee, wird in Dſchedda im Maßſtab 
von 100 arabifchen oder 113 ägyptifchen Pfunden (40 Offen, circa 50 Kilogr.) 
oder noch häufiger in Säden zu 215 ägyptiihen Pfunden verkauft. 
100 Pfund Kaffee erfter Dualität Tofteten Ende 1870 circa 17 Maria- 
. Sherefia- Thaler (etwa 25 Thaler), was für ſehr theuer galt. Diejelbe Quan- 
tität Fave, d.h. noch nicht geichälter Bohnen, galt 9 Maria-Therefia-Thaler 
(etwa 12 Thaler). 


Abgaben von Waaren in Dſchedda. 


Das Zolamt in Dſchedda erhebt 8 Proc. des Waarenwerthes vom 
Import aus Europa und Oflindien, 4 Proc. vom Erport nach dieſen 
Richtungen. Import ſowie Export aus Perſien wird mit 1 Proc. be- 
ſteuert. Die Einnahmen der Duane werden auf eine Million Franken 
(jährlich) angejchlagen. 


Preiſe für Waarentransport. 


Die Dampfergefellihaft Azizige nimmt für den Transport einer 
Tonne Eiſen oder anderer fehwerer Waaren von Sue nad) Dſchedda 
20 öfterr. Gulden (50 Franken), von leichten Waaren 28 öftere. Gulden 
(70 Franken). 


Geldwährung in Dſchedda. 


Es giebt zwei Währungen in türkiſchen Piaftern: Tarif und Current 
(nicht zu vermechjeln mit den ebenfo benannten ägyptifchen Währungen). 
Die Tarifmährung kommt nur in Zollangelegenheiten vor. Bon Biaftern 
Tarif gingen im Jahre 1860 auf 5 Franken 22, auf den Maria-Therefia- 
Thaler 221/,, auf den Napoleon 90, auf ein Pfund Sterling 110, auf 
ein ägyptifches Pfund 120, auf ein türkiſches Pfund 100. Bon Biaftern 
Current gingen auf 5 Franken 26, auf den Maria-Therefia-Thaler 28, 
auf den Napoleon 105, auf ein Pfund Sterling 135, auf ein ägyptifches 
Pfund 140, auf ein türkifches Pfund 120, 

Bei Poſt und Dampfſchiffen, die ägyptifche Anftalten find, muß in 
ägyptiſchen Piaftern Tarif gezahlt werden. Bon diefen gehen auf 5 Franken 
19!/,, auf den Maria-Therefia-Thaler 20 (in Aegypten ſelbſt 201/,), auf 


Zahlungsmittel in Dſchedda. 87 


den Rapoleon .77, auf ein Pfund Sterling 971/,, auf, ein ägyptiſches 
Pfund 100, auf ein türfiihes Pfund 87%. Die beiden ägyptiſchen 
Current⸗Waãhrungen (Bronze und ſchlechtes Silber) kommen bier nicht vor. 

Das ägyptiſche Bronzegeld wird felbft nicht mit Verluſt genommen. 
Das Verhältniß von Kupfer zu Silber ift hier umgelehrt als in Aegypten 
dad von Bronze zu Silber (denn äcdhtes Kupfer giebt es in Aegypten 
nicht). Das türkiſche Kupfer iſt verhältnikmäßig theurer als Silber. 

Beim Geldwechfeln wird man übrigens in Dſchedda die obengenannten 
Wechſelwerthe nicht erhalten, ha Heines Geld immer fehr gefucht if. Will 
man kleines Silber Haben, jo muß man auf den Thaler faft immer 
1 Piafter, bei dem ſehr gefuchten Kupfer gar oft 2 Piafter oder noch mehr 
zugeben. Gold ift felten und geht nur in Dſchedda felbft. Im Innern 
nimmt man bloß Silber oder das treffliche türkische Kupfer. Am häu- 
figften fieht man den Rial Abuter (Marin-Therefia-Thaler), den Rial 
Cinco (5 Yrantenthaler) und als Eleine Münze einzelne türkiſche Piaſter, 
5-Biafterftüde oder Baſchliks fehr felten. 


Oſtafrikaniſche Küſte. 


Zwölftes Capitel. 


Suakin. 


Verfehlte Reiſepläne. — Sprachliche Räthſel. — Lächerliche Auskunftsgeber. — Ab: 
fahrt von Dſchedda. — Das Schiff Sualin. — Der Commandaͤr. — Seine Nautik. — 
Beltfigen. — Sein Dienſtbuch. — Die fauren Aepfel. — Streiche eines Ytalienerd. — 
Der angeführte Arzt. — Nachtheile und Borzüge einheimiicher Schiffe. — Einfahrt 
in Sualin. — Die faljhen Heiligengräber. — Das Land der Schwarzen. — Typus 
und Phyfiognomien. — Die Frauen. — Tabadlauen — Arabiſche Zahnftocher. — 
Beſuch bei Montes Paſcha. — Ein gebildeter Moslem. — Laxheit der Bornehmen 
im Glauben. — Der falſche Telegraph. — Englifhe Ingenieure. — Der Sanitäts: 
agent. — Europäifches Elend in Suafin. — Gang durd die Stabt. — Gummi 
handel. — Sualin, das Eldorado der Schwarzen. — Die ſchwarzen Mädchen. — 
Ihre moraliihen Vorzüge. — Die Haartoilette. — Ramadan-Yubel. — Montü; 
Paſcha's Eulturpläne. 


Mein Kommen nad) Dihedda war infofern ein verfehltes, als zwei 
mir wichtige Reifezwede, deren Erreihung ich dort gehofft, nicht erfüllt 
werden konnten. Wegen der Pilgerſaiſon und der Indolenz der Autoritäten 
war an ein Vorbringen in die dem Europäer zugänglichen Theile des 
Innern nicht zu denken. Die Erfüllung meines andern Reiſezwecks, eines 
Iinguiftiiden, nämlid über die Mahra-Sprade, deren Kenntniß einft 
Fresnel lediglich den nach Dichedda verfchlagenen Mahri verdantte, bier 
Genaueres zu erfahren, mußte gleichfalls aufgegeben und für Aden vorbe 
halten werden. Herr Rolph gab fih zwar große Mühe, mit Hülfe der 
einheimischen Schiffg- und Handeldagenten Leute aufzutreiben, welche dieſe 


Das Dampfſchiff „Suafin“. 89 
Sprache redeten, aber dies gewährte uns höchſtens einige unterhaltende 
Stunden, keine Belehrung, indem wir mit einer Menge jeltfamer Käuze 
befannt wurden, von denen die meilten anfangd viel von Mahra zu 
willen behaupteten, aber nach genauer Prüfung nur etwas davon batten 
„läuten hören“. Einer hatte einen Mahri in Bombay gejehen; ein 
anderer mar am Lande vorbeigejegelt; die meiften verwechſelten den Ort 
mit emem ganz andern. Ein großer Sprachlenner dictirte mir eine Reihe 
bon bermeintliden DMahras- Wörtern, die, wie fi jpäter herausſtellte, 
abeffinifch waren. Großes Vergnügen gewährte uns ein jchmarzer Schiffs- 
capitän, den der Agent für einen tiefen Kenner Siüdarabiend ausgab. 
Tiefen Ruf Hatte er fi) durch fein ſtandhaft beliebtes Stillſchweigen er- 
worben und verlor ihn auch bei und nicht, denn wir erfuhren menigftens 
nichts Faljches von ihm. Er beſuchte ung alle Tage, aber er öffnete den 
Mund nur zum Kaffeetrinken und Rauden. 

So entſchloß ich mich denn bald nach Aden aufzubredhen und zwar, 
jo weit e8 mit Dampfichiff ging, d. h. bis Maſſauwa, diefes zu benuben, 
und mi dann auf gute Glück fürs Weiterfommen zu verlaffen. Denn 
der einzige Weg, auf dem ich der Dampffahrt bis Aden ficher mar, hätte 
mich zur Rüdfehr nach Suez genöthigt. Die Azizige-Dampfer gehen alle 
bierzehn Tage von Dſchedda über Sualin nah Maſſauwa. Mein Loos 
war e&, gerade das ſchlechteſte Schiff der Compagnie benußen zu müflen. 
Dies war der Sualin, ein Ungethüm, das in Folge feiner ungeſchickten 
Bauart felbft in ruhiger See rollt. Es mar uriprünglich eines jener 
engliſchen Kohlentransportichiffe, die gewöhnlich mit Segel gehen, und die 
Dampftraft nur zur Aushülfe benutzen. Jetzt hatte irgend ein europäiſches 
Handelögenie es dem Vicekönig für viel Geld als „Dampfſchiff“ verkauft 
und es figurirte als jolches in der Compagnie. Flügel hatte es freilich 
dadurch nicht bekommen, aber mit großer Kohlenverſchwendung war e& 
möglich, mit ihm 3 bis 4 Seemeilen ftündlich zurüdzulegen, d. 5. die 
Hälfte oder ein Drittel vom Lauf anderer Dampfer. 

Das Perſonal auf dem Suakin beitand erſtens aus einem alten 
Stodtürfen, dem Commandär, der, wenn er nicht fchlief, was meiſtens der 
all, alle feine Untergebenen im polternden Bramarbaston auszufchimpfen 
pflegte. Er bildete fih ein, nautiſche Kenntniffe zu befigen und das war 
kin Unglüd. Gr glaubte nämlich dem Piloten zuweilen widersprechen zu 
müſſen. So erklärte er einmal eine von dieſem fignalifirte Sandbant 
für offenes Meer, fuhr darauf zu und blieb fiten. Das follte einen 


90 Offiziere und Mafchiniften des »Sualin«. 


Monat Später geſchehen. Wahrſcheinlich murde er degradirt, wie es bei 
diefer Compagnie Sitte if. Bon ſolchen alten degradirten Seehelden hatten 
wir auch zwei an Bord, den Gabtän und den Molajem (dritten und 
vierten Officier). Vielleicht rettete ihn aber aud ein ſeltſames Schrift: 
ftüd, das er fich angelegt hatte, eine Art von Dienſtbuch, man Tann es 
nicht anders nermen, in welchem er ſich von allen Europäern, die mit ihm 


fuhren, ein Conduitenzeugnig außftellen ließ. Um ein ſolches aud von 


mir zu erhalten, war er fehr freundlich gegen mich. Bet der den Euro: 
päern ſchmeichelnden ägpptifchen Regierung konnte ihm fein „Dienftbuch” mehr 
nüßen, als irgend welche Kenntniſſe. Hoffentlich war die der Fall. Ein 


beflerer hätte ihn doch nicht erfeßt. Der zweite Commandäar war nämlid em 
Jüngling, der fi in der Uniform, die nur er trug (die anderen waren fies 
im Schlafrod), recht hübſch ausnahm, aber vom Schiffscommando natürlidh 
. nicht den entfernteften Begriff beſaß. Diefer ſchien mir beſonders wohl 


geneigt, wenigftens ſchloß ich dag daraus, daß er mir alle Tage etwas 
ſchenkte und zwar — einen fauren Apfel, den ich ohne ſchwere Beleidigung 
nicht zurückweiſen, noch einem Andern geben durfte. Es blieb nichts übrig, 
als ihn in einem unbewachten Dioment in ‘Meer zu werfen. 

Unter den Majchiniften war ein Zrieftiner, der fein Berhältnik zu 
den Moslems von ber ſcherzhaften Seite auffakt. Seine Erzählungen von 
dem, was an Bord vorging, waren zum Todtlachen. Seine Haupt 
vergnügen ſchien, den alten Officieren, namentlih dem Commankar, 


Streihe zu [pielen. So hatte er ihn einmal im Bade, ein anderes Mal 


in einem noch geheimern Gemach eingeſchloſſen, und den Schlüffel ins 
Meer geworfen, ohne daß feine Thäterſchaft entdedt wurde. Seine Be 


jreibung der Scenen, welche dann jedesmal erfolgten, war unbezahlbar. 


Auch der Arzt Hatte von ihm zu leiden. Einmal hatte er im Geheim die 
Eſſigflaſche, aus welcher alle Krankheiten geheilt wurden, ausgegoffen und 
mit Theerwaſſer gefüllt. 

„Glauben Sie,” meinte er, „daß der Arzt e8 gemerkt hätte? Er curirte 
mit dem Theerwaſſer gerade jo drauf los, wie früher mit dem Eifig und 
die Leute blieben gefunder, als vorher.” 

Es war Ramadan (Anfang December 1870). Obgleih auf der 
Reife nicht dazu verpflichtet, jo fafteten doch diefe bigotten Moslems, Offie 


ciere wie Matrofen. Sie waren jo zu nichts zu gebrauchen, fchliefen den 
ganzen Tag und überließen das Schiff dem Piloten: das Befte übrigens, 
was fie thun konnten. Der Suakin gli jomit einem Schiff der Todten. 


Ankunft in Sualin. 91 


Ich Hatte das Ded jo zu jagen für mid), konnte mein Lager aufſchlagen, 
‚wo ich wollte, efjen, wo es mir beliebte. Die Küche ftand bei Tage zu 
meiner ausſchließlichen Verfügung. Da in diefem einftigen Kohlenſchiff 
feine erfte Cajüte war und ich Doch (in Folge einer Schwindelei der Diched- 
daner Billetausgeber) erfte Claſſe bezahlte (was fo lange der Suakin eriftirt 
nur einmal einer mir vorgemacht hatte), fo ließ mir der Commandar die 
Wahl, welchen Officier ich aus feiner Cabine hinauswerfen wollte ch 
war jedoch nicht jo graufam, fondern begnügte mich mit einem leeren 
Bett, das dem zweiten Commandaͤr fonft als Vorrathskammer feiner fauren 
Aepfel diente. Ueberhaupt läßt es ſich nicht läugnen, daß ſich der Euro- 
päer, wenn er fi einmal mit Kochheerd (einen tragbaren Kanun muß 
man immer mit fi) führen), Bett, Diener, Proviant eingerichtet Hat, auf 
den moslemiſchen Schiffen beſſer und viel ungenirter befindet, als auf 
europäifchen. Alle haben die größten Rüdfichten für ihn und laſſen ihn, 
bi3 aufs Sciffanfteden, jo ziemlich Alles thun, was ihm beliebt. Manch⸗ 
mal wird man ſogar noch gefragt, wann man abzureifen, ob man irgendivo 
einen Zag länger zu bleiben wünjche; denn auf die Zeit kommt's den 
Leuten ja nicht an. 

So glitten wir bei völlig ruhiger See, herrlichem Wetter, fehr ange» 
nehmer Zemperatur (bei Tag felten über 20 Grad R.) fanft dahin und 
nad) drei Tagen (der Sualin war fein Schnellfahrer) Tamen wir glüdlich 
in dad Labyrinth von Klippen und Untiefen, welches der Stadt Suafin 
vorliegt. Die Einfahrt ift eine überaus mühfame, d. h. große Vorſicht 
erheiichende, aber für ein Dampfſchiff nicht gefährlih. Die ſchlimmſten 
Untiefen find durch Heine kuppelartig gededte Steinhaufen verbeutlicht, To 
dag man fie bei Tage erkennt. An eine Einfahrt bei Nacht denkt natürlich 
Riemand. Da diefe Kuppeln an moslemiſche Heiligengräber erinnerten, fo 
war es ein Hauptipaß der Mannſchaft, einige Fromme Paflagiere damit 
anzuführen. Einzelne biffen wirklich auf diefen Zopf an und fingen an, 
ihre Gebete abzuleiern, bis ein allgemeines Gelächter fie aus ihrem Irrthum 
riß. Die Einfahrt dauerte bei der Langſamkeit des Suakin über vier 
Stumden, jo daß wir erft um Sonnenuntergang anlangten. 

Suakin ift eine ächte Stadt de8 Sudan, d.h. des Lands der Schwarzen. 
Die hiefigen Schwarzen find übrigens keineswegs Neger, ſondern Sub- 
äthiopier von den angenehmften Formen und mitunter ſehr Schönen Phyfiog- 
nomien. Gleich nach umferer Ankunft war das Bord mit den dunklen 
Kindern des Sudan bedeckt. Sie kamen in eigenthümlichen Kähnen, Huri 


92 Gingeborene des Sudan. 


genannt, welche aus der Hälfte eines ausgehöhlten Baumftanımes befteben, 
faft immer unter Waller gehen und durch feltfame Ruder mit runden 
Schlagflähen (einer altitalieniihen Mandoline nicht unähnlich) gelenkt 
werden. Einige diefer Schwarzen boten wahrhaft plaftiiche Erfcheinungen 
und waren maleriſch in blendend weiße Gewänder gehüllt, die fie jehr ge- 
Ihmadvoll zu drapiren mußten. Was ihrem Weußern bejonder3 etwas 
Bortheilbaftes verlieh, war das ſchöne reihe und volle Haar, ſehr ver- 
ichieden von der Kurzwolle, die daS Negerhaupt dedt, halb lodig, halb 
wollig, bei einzelnen auch in ſchlankeren Windungen auf den dunklen 
Naden fallend. Wir hatten es nun freilich Hier mit einigen Parade- 
Individuen zu thun, die fürd Dampfſchiff gejhmüdt waren. Die Rein 
lichleit der Getwande fand ich jpäter am, Feſtlande nicht allgemein. Aber 
die Schönheit des Menſchenſchlags ift unläugbar. Die jungen Männer 
zeichnen ſich durch die Schlankheit ihres Wuchſes, durch die edle aufredite 
Haltung und elaftiihe Schnellfraft ihres Körpers aus. Hier ift nichts 
von der fervilen Haltung und weibilchen Verweichlichung des Aegyptiers. 
Es ift gleihlam der arabifhe Bebuine mit feiner ganzen halbwilden 
Grazie, ind Schwarze überſetzt. Die Frauen Tennzeichnet die harmoniſche 
Rundung ihrer Formen, die oft fehr üppige, aber doch nicht unſchöne Ent- 
widlung gemwifler Körpertheile. Ihre Phyſiognomien find runder, als die 
der Männer, fehen ſtramm, friſch und gefund aus, ihr ganzes Weſen 
fündet blühende, natürliche, ja faft herausfordernde Sinnlichkeit. Nur, 
was da3 Haar betrifft, Haben fie einen Gejchmadsirrtfum begangen, daß 
fie e8 in dünnen fabenartigen Pfropfenzieherformen, übermäßig mit Fett 
getränkt, tragen. Wie ganz anders nimmt ſich der wilde Urwald aus, der 
da3 Haupt der Männer bededt? Allerdings muß man aud die Männer 
nicht in dem Anfangsftadium ihrer Haartoilette fehen, in dem fie doch oft 
Tage lang herumlaufen. Dann ift das Haar von dem aufgeftrichenen 
Hammelfett weiß und alle die verjchiedenen mineraliichen (grünen, gelben, 
rothen) Pulver, die fie darauf ftreuen, vermögen nicht, dieſe allzufette Haar» 
ſpeiſung ſchön erfcheinen zu laſſen. 

Alle dieſe Schwarzen führten gepulverten Kautaback in Heinen Doſen 
bei ſich, aus denen fie von Zeit zu Zeit eine Prife in den Mund nehmen, 
ein DBerfahren, welches viel reinlicher ift, al3 das Blätterfauen der Ameri: 
faner und engliiden Seeleute, da es einen viel weniger efelhaften Aus- 
murf zur Folge Hat. Dan fieht, die Europäer können noch bon den 
Schwarzen lernen. " 


Ein Europäer-freundlicher Paſcha. 93 


Alle hatten einen Heinen Kamm oder ein langes Holz im vollen Haar 
feden, mit dem fie dieſes von Zeit zu Zeit aufpufften, um ja nicht allzu 
geglättet zu erfcheinen. Auch führt ein Jeder das bekannte arabische Zahn- 
holz, Meſuak genannt (Zmeig der Pavetta longifolia), welches mit jeinen 
feinen, aber doch feften, taufendfachen Yafern zugleich Zahnſtocher und eine 
viel beffere, weniger die Zahnglaſur angreifende Zahnbürfte bildet, als unfer 
Borftenproduct. Somohl Araber wie Schwarze haben dies faft beftändig 
im Munde und machen aus dem Zahnpugen eine Unterhaltung. Die blen- 
dende Weiße ihrer Zähne ift alfo mit auch eine Folge der großen Reinlichkeit. 

Am nächſten Morgen meldete mir der Commandär, daß Montäz 
Paſcha, Gouverneur des ägyptiſchen Oftafrifa, mich zu kennen münjche. 
Diefer Paſcha, der damals abmechjelnd*) hier und in Maſſauwa refidirte, ift ein 
großer Europäerfreund. Obgleich er nie in Europa war, aud fein Wort 
von deifen Sprachen fennt, jo zeigt er doch viel Intereſſe an europäticher 
Wiſſenſchaft, namentlich Geographie. Er befikt alle von Petermann und 
Stiepert herausgegebenen Karten afrikanischer Ländertheile und meiß die 
Orte, deren Namen er doch nicht leſen kann, richtig darauf anzudeuten. 
Da dies ihm viel Mühe gekoftet haben muß, jo zeigt e8 von wahrer Wiß- 
begierde und zeichnet ihn vortheilhaft vor den anderen Reformtürfen aus 
(er iſt nämlich Türke), deren Europäifirung doch meiftentheils nur Barade ift. 

Montäz Paſcha wohnt auf der Anfel von Sualin, welches aus zwei 
Orten, dem infulariihen und dem feftländifchen, befteht. Sein Palaſt, 
ein großes, faravanferatähnliches Gebäude, liegt dicht am Hafen und hat 
im erften Stod eine ſchöne, große, nad) dem Meer offene Veranda: den 
gewöhnlichen Empfangsjaal, von wo man eine entzüdende Ausficht genießt. 
Hier empfing er auch mid), lud mid) ein, den ganzen Tag bei ihm zuju- 
bringen, erzählte mir von Baker, Schweinfurth und anderen Reifenden, Die 
er alle kannte. Er lud mi auch zum Effen ein und hätte mahrjcheinlich 
mit mir bei Tiſch Pla genommen, hätte ich felbft nicht durch eine ganz 
unſchuldig gemeinte Aeußerung dies verhindert. Bis jet mar mir nämlich 
no fein anftändiger Moslem’ vorgefommen, der den Ramadan nicht hielt. 
Deshalb glaubte ich, als die Rede aufs Effen kam, bemerken zu müffen, 
man fönne einem Moslem im Ramadan nicht zumuthen, bei Tage Jemand 
eine Mahlzeit vorzufeßen. Da ich ihm fo das Verbienft des Faftens zu— 
ſchrieb, ſo jchämte er fi, in meinen Augen als ein ſchlechter Moslem zu 


*) Yegt (1872) ift ev Gouverneur Chartums und Munzinger an feine Stelle in 
Suafin und Mafjauma getreten. 


94 Illuſoriſche öffentliche Werke. 


eriheinen. In der That erfuhr ich |päter, daß ſowohl diejer, wie viele 
höhere ägyptifche Beamte im Ramadaͤn nicht faften; und der junge Leib- 
mamlud des Paſcha, ein Circaffier, der mich nachher in der Stadt herum⸗ 
führte, tauchte fogar auf offener Straße eine Cigarre. Hätte er das in 
Dihedda gewagt, Stodprügel und Gefängnig wären fein Loos gewejen. 
Selbſt in dem franzöfiten Algier kann ein Moslem fo etwas nicht thun, 
ohne in den focialen Bann erklärt zu werden. Welch' ein Abftand zwijchen 
den beiden Uferländern des rothen Meeres! Uebrigens aud in Oftafrila 
wird fi nur der Bornehme und fein Hausfland den Faſtenbruch erlauben. 
Das Volk ift ebenfo fanatiſch, wie in Meta. 

Bei Montäz Paſcha bekam ich wieder einen Einblid in die Lächerliche 
Weile, mit der man in Aegypten civilifirte Anftalten ind Leben ruft. Er 
bekam den Beſuch von zwei engliichen Ingenieuren, die im Auftrag des 
Vicekönigs den Telegraph von Sualin nad) Berber errichten follten: Ich 
war ganz erſtaunt, dies zu hören, denn nad) den Starten eriftirt auf diejer 
Straße der Telegraph ſchon feit zwölf Jahren. Als ich danach fragte, 
ſagte man mir: 

„Allerdings, man hat ſchon vor vielen Jahren bier den Telegraph 
errichtet, aber er Hat nie etwas getaugt. In der That ift nie eine einzige 
Depeſche darauf befördert worden, obgleih man ſich in Cairo eine Zeit 
lang über den wahren Sachverhalt Täuſchungen hingab.“ 

Bom alten Zelegraph ſoll, wie mir die Engländer ſagten, feine 
Stange mehr erifliren. Uebrigens waren fie durchaus nicht überzeugt, daß 
er jet zu Stande käme Einer fagte mir, die Regierung habe ihnen 
größtentheil3 unbraudhbares Material, das ihr irgend ein europätjcher Ber- 
kaufskünſtler für enorme Preiſe angehängt hatte, geliefert und fie würden 
nicht eher die Arbeit übernehmen, als bis dies vertauscht fei. 

Außer den temporär hier wohnenden Engländern lebt in Suafin nur 
ein einziger Europäer, der Sanitätßagent; oder vielmehr der arme Mann 
begetirt nur; denn die hiefige Stelle ift eine der ſchlechteſten (50 Thaler 
monatlih) und davon muß er noch eine zahlreiche Familie daheim ernähren. 
Hierher nämlich wird wohl Teiner feine Kinder mitnehmen. Suakin ift 
zwar nicht entfchieden ungefund, aber die große Hitze (jelbft im Winter jelten 
unter 24 Grad R.) für die europäische Jugend zu angreifend. Diejer gute Mann, 
der noch dazu ein italienischer Graf fein ſoll (er ſelbſt wollte es nicht Wort 
haben), mohnte in einer wahren Ruine mit einem einzigen gedeckten 
Zimmer, ohne Küche, ohne Diener. Wie zum Spott hatte er eine Garde 


Guropäer in Sualin. 95 


von ſechs Mann, die Sanitätswächter. Als ich ihm Briefe aus Dſchedda 
überbrachte, Hagte er mir fein Loos. Daß das Fleiſch ſehr zäh, das Brod 
kaum eßbar, daß Gemüfe fehlten, das Alles hatte ich ſchon durch die Ein- 
läufe meines Dieners erfahren. Wie ed mit den Unterhaltungen ausſah, 
wollte er mich durch Augenschein kennen lernen lafien. Wir gingen aljo 
zufammen nad einer Bude, die er in feinem Galgenhumor fein „Cafe de 
Paris“ nannte. 

Ich muß geftehen, ich habe nie die europäiſche Mifere im Orient ab- 
Ihredender gejehen. Dieſes jogenannte Kaffeehaus war die Bude eines 
Armenier3 und zweier Griechen, die dort in Sompagnie aßen, handelten, 
Ihliefen, Alles in einem fehr engen Raum, einer Rohrhütte. Der Haupt- 
artifel war natürlich Branntwein und dies auch die „Erfriſchung“, die 
man und anbot. Da dies mit jener wenigſtens anjcheinenden Herzlichkeit 
geſchah, welche Faft immer in fernentlegenen Orten das Zuſammenkommen 
von Suropäern kennzeichnet, fo fonnte ih nicht abjchlagen und gab mir 
Mühe, etwas von dem Tehlverbrennenden griehifchen Spiritus hinunterzu⸗ 
würgen. Der „Graf“ Hatte ſich fchon an dies Getränk gewöhnt, und ich 
war erftaunt, ihn ſowohl an mehreren Taſſen defielben, mie an dem gelind 
ausgedrüdt ſehr ungebildeten Geſpräch der Händler Geſchmack finden zu 
leben. Zu welcher traurigen Aushülfe kann ein Ort wie Sualin felbft 
gebildete Menſchen (und das war der „Graf“ und taufendmal befler, als 
manche Kröſuſſe, die in Cairo einherfahren) zu greifen zwingen, wenn fie nicht 
ganz als Einfiedler leben wollen, und da3 wird dem lebhaften Italiener ſchwer. 

Wir gingen darauf in den beiden Ortichaften, ſowohl auf der Inſel 
wie am Feſtland, welche ein breiter Canal trennt, herum. Die meiften 
Wohnungen find nur Hütten von Rohr oder Zweigen der Dompalme. 
Auf dem Feſtland waren ziemlich viele Steinhäufer, doch mehr Waaren- 
magazine ald Wohnungen. Es muß bier übrigens ein bedeutender Handel 
mit Gummi getrieben werden (Ziffern konnte ich darüber nicht ſammeln), 
dem ich ſah wohl Hundert zeltartige Kegel, duch Palmftrohmatten jehr 
\orgfältig verdedt, welche mir als Aufbewahrungsorte dieſes Artikels be- 
zeichnet wurden. Die Händler find Habrami: zwei bis drei jelbitfländige 
Kaufleute, die anderen Vertreter Dſcheddaner Häufer. 

Suakin hat, als Haupthafen des ägyptiſchen Sudan, immerhin eine 
gewiſſe Wichtigkeit und möglicherweife eine glänzendere Zukunft. Mun- 
jinger ftellt feine Handelsbedeutung ſogar höher, als die von Maſſauwa, 
mit dem e3 den Export des obern, amhariſchen Abeſſiniens theilt. Die 


96 Sudänefifche Frauen. 


Stadt hat ſchon in den lebten zehn Jahren bedeitend zugenommen. 
Schöner ift fie freilich nicht geworden. Gegen Dſchedda macht fie einen 
ganz erbärmlichen Eindrud. Yür den Europäer läßt ſich diefer Eindrad 
nur in dem Wort „Mifere” zufammenfaffen. Für den arabiihen Kauf— 
mann ift Sualin eine vortheilbafte Verbannung, die er nach errungenem 
Handelserfolg mit Dſchedda vertaufcht. Yür die einfachen Kinder des 
Sudan mit ihren geringen Bebürfniffen ift dagegen Suakin ein Eldorado, 
wo fie Alles finden, was ihr Herz begehrt: volle Fleiſchbuden, ihre beliebten 
dem Europäer freilich ungenießbaren Durrabrode, ſaure Mil, recht viel 
hier für ausgezeichnet geltende, nach unferen Begriffen aber ranzige Butter, 
und vor Allem ganze Budenreihen mit dem beliebten Hammeläfett, das fie 
fih in die Haare fchmieren; daneben Luftbarfeiten aller Art, dralle ſchwarze 
Dirnen, die nicht ſchwer zu erobern find, Negermuſik, Tamburingetrommel 
und Flötengezwiticher, wozu fie ſelbſt den Gefang liefern. Herz was ber- 
langit Du mehr? . 

Man folgere übrigens nicht aus dem über die Mädchen Gejagten, 
daß bier eine eigentliche Proftitution blühe. Dieſes häßliche Wort papt 
durchaus nicht auf die Zuftände unter den fogenannten Naturvölkern 
Die geſchlechtlichen Verhältniffe find bei den Schwarzen andere, als bei 
Kaufafiern und Semiten. Nur die verheirathete Frau hat relative Keuſch⸗ 
beitöpflichten. Das Mädchen ift, außer bei einzelnen Stämmen, frei. Die 
Aungfräulichkeit wird gefchäßt, aber mehr weil fie den Genuß erhöht, al 
weil fie für eine Ehre gilt. Ihr Verluft verhindert nicht die Ausficht auf 
Verheirathung. Alles dies liegt im Blut, in der Race. Die Religion if 
dabei faft ohne Einfluß geblieben. Der firenge Mohammedanismus hat 
nicht vermocht, den erotifch freien Schwarzen des Subän feine Ketten anzu: 
legen, ebenfowenig mie in Abeſſinien das Chriftentfum. Die Subäneferin 
finkt aber deshalb keineswegs (einzelne feltene Fälle abgerechnet) Leicht zur 
Proftitution hinab. Die Mädchen, die auf dem Lande bei ihren Eltern 
wohnen, behalten fogar in den meiften Fällen ihre Yungfräulichkeit bis 
zur Hochzeit. Anders ift es in der Stadt. Hier find der Verlodungen 
zu viele. Schmeichelmorte, Geſchenke, eine imponirende oder gefallende 
Männlichkeit verfehlen bei diefen leicht empfänglichen Weſen jelten ihre 
Wirkung. Aber faft nie wird eine Schwarze fi) des bloßen Mammons 
wegen bingeben. Es ift beinahe immer eine Art von Liebesverhältnik 
im Spiele. Einem folden pflegen fie auch die Treue jo lange zu be 
mahren, als der Mann dies thut. So hatte 3.8. der Trieftiner Maſchiniſt 


Haartoilette der Sudänefer. 97 


in jedem oftafrifanifchen Hafen eine Geliebte, die er nur alle ſechs Wochen 
jah, über deren Betragen während feiner Abmwefenheit jedoch nur Gutes 
verlautete. Diefe Mädchen find außerordentlich anhänglih und fähig für 
den Geliebten ins Feuer zu gehen. 

Die Haartoilette fpielt bei den Schwarzen von Suafın eine jo wich— 
tige Rolle, daß eine ganze Budenſtraße ihren Hilfsmitteln gewidmet ift. 
Hier Jah ich einige zwölf Läden, in welchen nur die eiförmigen Kugeln 
bon Hammelfett, der beliebteften Haarjpeifung, verfauft wurden. Daneben 
vielleicht ebenjoniel Buden mit den verfchiedenen mineraliihen Haarpulvern 
von allen Yarben des Regenbogens, welche der Yettunterlage aufgeftreut 
werden und für jehr reizend gelten. Bier befand fi auch ein halbes 
Dubend Zelte, einheimifche Friſeurläden, in denen die Geheimnifje der 
Hoartoilette vollendet werden. Sehr appetitlih ift es nicht, dieſem Ver— 
ſchönerungsvorgang beizumohnen. Es ift übrigens nur das männliche Ge— 
ſchlecht, das von diefen Zelten Gebrauch madt. Die Frauen bejorgen 
ihre noch reichlichere Yettbegießung (denn bei ihnen trieft Alles, während 
bei den Männern das Fett ftarrt) zu Haufe. 

Nach dem Gang durch die Stadt kehrte ich zu Montaz Paſcha zurüd, 
wo inzwijchen der abendlihe Ramadan -Jubel begonnen Hatte. Schwarze 
Mufifanten und Tänzerinnen zeigten ihre Künſte. Der Paſcha ſelbſt mar 
zu gebildet, um daran Geſchmack zu finden. Dies Schaufpiel follte nur 
feine Bejucher, die vielen höheren und niederen ägyptiſchen Beamten, zer- 
freuen, damit er felbft weniger von ihrer ungebildeten Converfation- leide. 
Als ich fam, nahm er mich bei Seite und fagte: „Laſſen Sie uns ein 
wenig plaudern, damit ich einen Augenblid daS Volk vergefje, unter dem 
ich Iebe.” Nun begann er mir von feinen „Plänen“ zu ſprechen. Jeder 
gebildetere Moslem hat nämlich „Pläne“, wie er das Land verbeſſere, die 
Menjchen humanifire zc.: Alles recht wohl gemeint, aber felten fruchtbar, 
da ein Mann feine Eultur Schafft. Ein Plan des Paſchas ſchien übrigens 
der Erfüllung nahe Cr hatte nämlich einen Theil des Innern mit 
Baummolle*) bepflanzen laffen und hoffte dort einen mit dem Nilthal 
tivalifirenden Erfolg. Auch an Ausdehnung und Befeftigung des äghp- 





*) Im November 1871 ſchrieb man mir, daß Munzinger, jet Gouverneur von 
Maoffauma, dieſen Plan Montäz Paſcha's weiter verfolge und bereit8 eine Streds . 


mit Baumwolle bepflanzt babe. Cotton is the great civilisator of our age, ſchrieb RE 


mir ein Engländer aus Aden in Bezug auf Obiges. 
Mals an, Reiſe nah Südarabien. 7 


98 Aegyptiſches Neih in Oſtafrika. 


tiihen Reihe in Oſtafrika dachte er viel. Die Erwerbung Ahſabs dur 
Italien machte ihm Kummer. Jetzt dachte er daran, die ägyptiſche Herr⸗ 
ichaft biß über Bäb el Mandeb auszudehnen. In der That madt er alle 
Sabre Reifen nad Berbera im Somäli-Lande; aber meiter, als bis zu 
einem Auffteden der ägyptiſchen Yahne ift es noch nicht gelommen. Auch 
zu Lande, gegen Bogos*), Keren zu hoffte er Gebiet3ermeiterung. Solde 
Leute, wie er, könnten ohne Zweifel der ägyptifchen Regierung viel nüßen. 
Aber fie werden jelten verjtanden und noch weniger unterftüßt. 


*) Der Plan, Bogos durch ägyptiſche Truppen zu bejegen, if bekanntlich jegt 
(1872) verwirklicht worden. 


Ofafrikanifhe Küſte. 


Dreizehntes Gapitel. 
Maſſauwa. 


Fahrt von Suakin nah Maſſauwa. — Des Commandäaͤrs Proben der Nautik. — 
Inſelarchipel. — Einfahrt. — Kriegeriſche Gerüchte. — Angebliche engliſche Truppen: 
landung. — Die Baſchi-Bozuks. — Der Sendſchak. — Die Strafgarniſon. — Die 
Inſel Maſſauwa. — Elende Bauten. — Schwierigkeit des Unterkommens. — Ein 
deutiher Kaufmann. — Fanatiſche Hausbeſitzer. — Conſul Munzinger. — Ein ge: 
borener Reifender. — Franzöfiſches Eonfulat. — Munzinger's Führung der englifchen 
Erpebition. — Undant der Regierung. — Miffionäre. — Die Schweden in Maſſauwa. — 
Erfolge der Katholiten. — Ein Gefangener Theodor's. — Merkwürdige Yagdaben- 
teuer eines Deutſchen. — Einheimijche Bevölkerung. — Abneigung gegen Europäer. — 
Die Hadrami. — Die Banianen. — Ihre commercielle Stellung. — Der Gouver⸗ 
neue. — Seine Berbefferungen. — GBartencultur. — Waflermangel. — Bauten: 
teform. — Strenge Orthodorie der Einheimischen. — Das Sir. — Mufil. — Pro: 
fitution. — Schlimme gefundheitlide Folgen. — Uebermäßige Haarfalbung der 
Frauen. — Garnifon. — Die Beteranen aus Mexico. — Schöne Landſchaft. — 
Türkiſches Fort. — Klima. — Fieber. — Meteorologiiches. 


Unfere Fahrt von Sualin nah Maſſauwa dauerte fünf Tage und 
dies wurde als ein Herenftüd von Schnelligkeit für den Suakin ange- 
ſehen, obgleich ein gutes Schiff bloß zwei nöthig hat. Diefe ganze Küſte 
it überfäet mit Klippen und Untiefen, große VBorficht deshalb von Nöthen. 
Da man fi auf den Piloten allein verlaffen fonnte und diefem Ruhe 
nöthig war, jo ging der Commandar darauf ein, jede Naht zu ankern, 
wofür ich ihm meinen Dank ausdrüdte Dies koftete ihn wohl Ueber- 
windung, denn er gab gar zu gern Proben feiner Nauti. Im offenen : 

7° 1 


98 Aegyptiſches Neih in Oſtafrika. 


tiſchen Reichs in Oftafrifa dachte er viel. Die Erwerbung Ahſabs durch 
Italien machte ihm Kummer. Seht dachte er daran, die ägyptiſche Herr- 
Ihaft bi8 über Bäb el Mandeb auszudehnen. In der That macht er alle 
Jahre Reifen nad) Berbera im Somäli-Tande; aber weiter, als bis zu 
einem Auffteden der ägyptifchen Fahne ift es noch nicht gelommen. Auch 
zu Lande, gegen Bogos*), Keren zu hoffte er Gebietermweiterung. Solche 
Leute, wie er, könnten ohne Zweifel der ägyptifchen Regierung viel nüßen. 
Aber fie werden felten verftanden und noch weniger unterftüßt. 


*) Der Plan, Bogos durch ägyptiſche Truppen zu bejegen, ift bekanntlich jegt 
(1872) verwirklicht worden. 


Ofafrikanifhe Küſte. 


Dreizehntes Gapitel. 


Maſſauwa. 


Fahrt von Suakin nach Maſſauwa. — Des Commandäaͤrs Proben der Nautik. — 
Inſelarchipel. — Einfahrt. — Kriegeriſche Gerüchte. — Angebliche engliſche Truppen: 
landung. — Die Baſchi-Bozuks. — Der Sendſchak. — Die Strafgarniſon. — Die 
Inſel Maſſauwa. — Elende Bauten. — Schwierigkeit des Unterkommens. — Ein 
deutjcher Kaufmann. — Fanatiſche Hausbefitzer. — Conſul Munzinger. — Ein ge: 
borener Reiſender. — Franzöfiſches Conſulat. — Munzinger's Führung der engliſchen 
Erpedition. — Undank der Regierung. — Miſſionäre. — Die Schweden in Maſſauwa. — 
Erfolge der Katholiten. — Ein Gefangener Theodor’ 3. — Mertwürdige Jagdaben⸗ 
teuer eines Deutichen. — Einheimiſche Bevölkerung. — Abneigung gegen Europäer. — 
Die Hadrami. — Die Banianen. — Ihre commercielle Stellung. — Der Gouver: 
nem. — Seine Berbefferungen. — Gartencultur. — Waflermangel. — Bauten- 
teform. — Strenge Orthodorie der Einheimiſchen. — Das Sik. — Mufil. — Pro: 
Ritution. — Schlimme gejundheitlihe Folgen. — Uebermäßige Haarjalbung der 
grauen. — Garniion. — Die Veteranen aus Mexico. — Schöne Landſchaft. — 
Türkiſches Fort. — Klima. — Fieber. — Meteorologifches. 


Unfere Fahrt von Sualin nah Maſſauwa dauerte fünf Tage und 
dies wurde als ein Hexenſtück von Schnelligkeit für den Sualin ange- 
ſehen, obgleich ein gutes Schiff bloß zwei nöthig hat. Diefe ganze Küfte 
if überjäet mit Klippen und Untiefen, große Vorficht deshalb von Nöthen. 
Da man fi) auf den Piloten allein verlaffen fonnte und diefem Rube 
nöthig war, fo ging der Commandär darauf ein, jede Nacht zu ankern, 
wofür ich ihm meinen Dank außdrüdte Dies koſtete ihn wohl Ueber- 


windung, denn er gab gar zu gern Proben feiner Nautif. Im offenen 
7* 


100 Gefahrvolle Schifffahrt im Inſelarchipel. 


Meer war folches gefahrlos. Aber Hier, in dem Slippenlabyrinth, mußte 
man ihn ftet3 ftreng hüten, ſonſt rannte er das Schiff im Handumdrehen 
auf eine Korallenbant. Gleich am erften Tage, während der Pilot zu 
Mittag aß, gab er ein Pröbchen feiner Kunſt. Ich ſah plöglich) zu meinem 
Schreck ein Korallenungethüm vor uns, welches freilich einige Seegräfer 
bedten, und deshalb vom Commandar für „blühendes Meer“ erklärt 
wurde. Schnell jchidte id meinen Nubier zum Piloten, der auch gleich 


herbeikam und nad einem Streit mit dem Commandär, welcher es natürlid 
beſſer willen mollte, die Ablenkung des Schiffs durchſetzte. Aehnliche Scenen 
ereigneten ſich faſt täglih und es hielt oft jehr jchwer, den Commandit 
zur Nachgiebigkeit zu bringen. Die Officiere ftanden natürlich auf feine 


Seite. Die Mannſchaft lachte fih ins Fäuſtchen über die Irrungen ihre 

Chefs. Nur den Pallagieren, etwa 20 Moslems, einigen Griechen und 

mir, fowie dem Piloten ſchien daran zu liegen, daß wir nicht aufſaßen. 
Die Einfahrt in den Injel-Archipel vor Dahlak, der Maſſauwa vor: 


liegt, nahm die ganze Kunſt des Biloten in Anſpruch. Da der Com: 
mandär fchlief, jo ging fie glüdlich von Statten. Seltfame Gerüchte Tiefen 
auf dem Schiff über das, was mir in Maffauwa finden würden. In 


Suakin, in Dſchedda, überall war eine unfinnige Fabel verbreitet. Es 
hieß nämlich, engliihe Truppen jeien in Mafjauma gelandet, und wollten 
Theodor’3 Sohn mit Waffengewalt wieder in Habeſch einfegen. Der Um- 
ftand, daß diefer Knabe von den Engländern mitgenommen wurde, be 
ichäftigt immer noch die Gemüther und giebt zu allerlei Märchen Anlaß 
Sp wenig ih auch an dieſes neuefte glaubte, fo ſchien doch der Anblid, 
den Hüfte und Hafen uns bei der Einfahrt boten, es beftätigen zu mollen. 
Ein großer engliſcher Dreimafter ruhte majeftätiich im Hafen und auf dem 


. Zand tauchten auf allen Seiten die weißen Spitzen reinlicher Militär 


zelte auf. 

Un Bord war jest nur eine Stimme. Das waren die Zelte englifcer 
Truppen; dort lag das Kriegsichiff, das fie gebracht hatte. Aber bei der 
Ankunft entpuppte fich letzteres als ein friedlicher Kauffahrer, und mas die 
Truppen betraf, jo überfehmenmten fie bald unjer Bord. ES waren 
türkiſche Baſchi-Bozuks, im ägpptifchen Dienfte, die der Suafin abholen 
jollte, um fie nad) einem nur dem Paſcha befannten Beitimmungsort zu 
bringen. Dieſe Baſchi-Bozuks find in neuefter Zeit eine Verlegenheit für 
die ägyptifche Regierung geworden. Sie find ein ganz unbändiges Völkchen, 


meilt aus zwar recht jchönen und männlichen, aber auch ſehr rohen Ar 


Die Baſchi⸗Bozuks im ägpptifchen Dienft. 101 


nauten beftehend. Seine Difciplin, kein Geſetz reipectiren fi. Durch ein 
Rıhts zum Zorn gereizt, find fie gleih mit dem Dolch bei der Hand. 
Ihr eigner Oberſt fürchtet fi vor ihnen. Diefer erzählte mir unter An— 
derm: Neulich Habe ein Arnaut einen Kaffeehaustnaben erftochen, bloß weil 
der von ihm gereichte Kaffee nicht mehr ganz warm gemejen fei. Aber 
an ein Strafen könne er wicht denken. Ihn und alle Officiere todtzu- 
ſchlagen und vielleicht no Maffauma zu plündern und dann anzuzünden, 
dellen wören fie fähig und brauchten nur die geringfte Herausforderung 
dazu. Sie ftänden alle einer für den andern ein und die dem Einen auf- 
erlegte Strafe würde als Schimpf für Alle aufgefaßt und von Allen gerädht. 

Diefer alte Sendſchak (Oberft) war ein treffliher Mann, in Maſſauwa 
allgemein beliebt und rejpectirt, nur nicht von feinen unbändigen Unter- 
gebenen. Er Hagte mir fein Loos. Namentlich die vielen Verſetzungen 
waren ihm fchredlich. Noch vor zwei Jahren lag fein Regiment in Aleran- 
drien, wo es den Polizei- und Gensdarmeriedienft verjah. Aber da war 
der Wolf zum Schäfer beftellt worden. Da die Bafchi-Bozuls Europäer 
laum mehr refpectiren, als Fellahs oder die einheimifch ägyptiſchen Sol- 
daten (Iebtere werden bon ihnen wie Heloten behandelt), jo kamen jo 
viele lagen der Conſuln vor, daß man fie verfegte und zwar nad) 
Rafjauma, das für eine fehr unangenehme Garnifon gilt. Da aber diefe 
Strafgernifon fie nicht gebeffert hatte, fo mar jebt ihre Verſetzung nad) 
einem zwar noch nicht bekannten, aber jedenfall® noch unangenehmern 
Ort im Werk. 

„Wohin wird man ung bringen?” feufzste der alte Cherft. „Wahr- 
Ihemlih in eine Gegend am meißen Nil oder nad) Kaſſala, wo die Meiften 
nad) drei Monaten am Fieber fterben.“ 

Der Commandär, die Officiere, die Mafchiniften des Suakin zitterten 
in ihren Schuhen, als fie ihre neuen Paſſagiere kommen ſahen. Und mit 
denfelben oder vielmehr unter deren Joch follten fie nun fünf Tage bis 
zur Rüdkunft in Sualin bleiben! Es mar eine feinedmeg3 tröftliche 
Ausſicht. | 

Die Injel, auf der Maſſauwa liegt, ift jebt zum großen Xheil mit 
Bauten oder Hütten bededt. Sie wird im Norden durch den Hafen, im 
Velten durch jeichtere Canäle vom Yeitland getrennt. Es wäre fehr leicht, 
auf der jeichteften Stelle einen Stadt und Feſtland verbindenden Damm 
zu errichten. Diefer Vorſchlag, den Munzinger dem biefigen Gouverneur 
gemacht, welchen leßterer aber zurüdgemwiejen hatte, dürfte möglichermeife 


102 Bauten in Maffauma. 


jet zur Ausführung fommen*), feit der berühmte Neifende felbft die Gou- 
verneurftelle bekleidet. Der Hafen gleicht einer Ylugmündung. Bon ihm 
nimmt fi die Stadt nicht häßlich aus, da man von hier nur die Stein- 
häufer, worunter ber weißangeftrichene Palaſt des Gouverneurs, gut unter- 
icheidet und das Gewirre ſchmutziger Hütten, das die Mehrzahl der Ein- 
wohner beherbergt, faum gewahrt. Iſt man aber in der Stabt, fo ſchwindet 
jede Täuſchung, und man muß fich jagen, daß auch bier der Eindrud nur 
durch das Wort „Elend“ wiederzugeben if. Ein bischen befler ifl’s als 
in Suafin, aber wenig genug. 

Eigentlich Hat Maſſauwa nur zwei nach arabiſchen Begriffen ſtädtiſche 
Häufer, die Kaufleuten aus Hadramaut gehören und genau wie die Häufer 
von Dſchedda gebaut find. Das Regierung3haus ift eine unförmige Gaferne. 
Das katholiſche Milfionshaus, auf einem einfamen öftlihen Theil der 
Inſel, ift nicht häßlich und berühmt durch feine trefflihen Eifternen. Die 
anderen Häuſer, einige achtzig oder hundert an der Zahl, find Hein, niedrig, 
unſchön, meift fehr unzweckmäßig gebaut. 

Das Schwierigſte ift in Maſſauwa ein Unterfommen zu finden. Zum 
Glück war ih an den einzigen europäifhen Kaufmann, der bier lebt, 
Herrn Haſſen, einen Deutſch-Ungarn, empfohlen. Diejer außerordentlich 
gefällige Dann führte mich gleich in jein Haus und bot mir daffelbe an. 
Aber die Wohnungsnoth ift Hier fo groß, daß mein freundlicher Wirth 
faum für ſich jelbjt genügenden Plag bejaß und ich Bedenken empfand, 
feine beſchränkte Räumlichkeit durch) meine Gegenwart noch unzureichender 
zu maden. Seine Wohnung beitand nämlich aus einem einzigen don 
Stein erbauten Zimmer, allerdingd groß und luftig. Yür feine Yamilie 
hatte er ein mit Palmmatten verhängtes Rohrhaus, eine Art Gartenlaube, 
angebaut, da3 erfte Bauwerk diefer Art, das mir wirklich hübſch erſchien 
und mir bewies, was guter Gefchmad, Ordnung und Reinlichkeit ſelbſt 
aus dieſem unjcheinbaren ardhiteftonifchen Element machen können. Luftig 
vom Winde durchftrichen (bei der Hiefigen fteten Hite die größte Wohlthat), 
vor der Sonne duch dide Matten geſchützt, war diejes Kleine Rohrgebilde 
wirklich allerliebft und angenehm zu bewohnen. Außerdem lag Herrn Haſſen's 
Wohnung an einem der fühlften Orte der Inſel, auf einem Landvorſprung, 
von drei Seiten vom Meer befpült. Wir filchten aus den Yenftern, ja wir 
erlegten mit Schrotſchüſſen eine Menge großer und ſchmackhafter Fiſche. 


*) Dieer Plan ift jegt (1872) außgeführt worden. 


Conful Munzinger. 103 


In der Stadt flanden einige Häufer leer, deren Herren auf dem Lande 
waren. Man ließ bei ihnen anfragen, da befannt war, daß fie diefelben 
gelegentlich vermietheten. Aber ihr moslemijcher Yanatismus firäubte ſich 
dagegen, einen Europäer, wenn auch für theures Geld, aufzunehmen. Gleichfam 
als Entihuligung führte man mir an, ein hiefiger Moslem habe neulich 
an einen Europäer ein Haus vermiethet und diefer (ein Miffionär) den 
Mißbrauch ſoweit getrieben, Gottesbienft darin zu halten. Ungläubiger 
Sottesdienft in einem moslemiſchen Haufe! Und die Wände waren nicht 
eingeftürzt! ines folchen Verbrechens ſchien man auch mid fähig zu 
balten, und jo ſchwand die Hoffnung auf Miethung. 

Herr Hafien verfah in Abweſenheit Munzinger’8 deſſen Confulatöge- 
ihäfte. Der berühmte Reifende wohnte zur Zeit in Mokullo, zwei Stun- 
den von hier, fam jedoch an Pofttagen in die Stadt. Bei einer ſolchen 
Gelegenheit wurde ich mitdiefem merkwürdigen und liebenswürdigen Manne 
befannt, deilen Freundlichkeit gleich) beim erſten Zufammentreffen mit einem 
ihm bisher Unbelannten ſoweit ging, mich) durch Anerbieten ſeines Stadt- 
haufes aller Wohnungsnoth zu entheben. 

Munzinger ift eine außerordentlih glüdlih organifirte, gleichſam zum 
Reilenden gejchaffene Natur. Bon einer duch klimatiſche Einflüſſe faft 
unberübrten, ausnahmsweiſe kräftigen Gefundheit, der man anmerft, daß 
lie aus dem Alpenlande, Schweiz, ftammt, von einem unvermwüftlichen 
Humor, weiß er Hunger, Durft, Hibe, Kälte, das härtefte Lager gleichgut 
zu ertragen. Oft muß er erft von Anderen an feine leiblichen Bedürfniſſe 
erinnert werden. Sa zwei feiner Freunde, deren einer in Habeſch, der 
andere in Südarabien mit ihm reiften, verfiherten mir, er bringe feine 
Gefährten mandmal förmlich in Berlegenheit, ihre Bedürfniffe einzuge- 
ftehen, weil man ſich ſchäme, ſoweit Hinter feiner Bebürfniplofigkeit zurüd- 
zubleiben. Was er feiner Natur bieten kann, beweilt, daß er einft bei 
8000 Fuß Höhe ohne Dede und im dünnen Sommeranzug, den er bei 
30 Grad R. nicht leichter tragen konnte, unter freiem Himmel übernadhtete 
und ſich nicht erfältete, Ebenſowenig greift ihn die glühende Tropenjonne 
an, der er fi ſchadlos in einem Lande ausjebt, mo wenig Europäer dem 
Sonnenſtich entgehen. Fieber hat er, glaube ich, nur ein einziges Mal ge- 
habt, nämlich im ungejundeften Theil von Kordofan. Aus jener Zeit 
fammt fein Widerwillen gegen das Schwigen. „Nur nicht ſchwitzen,“ 
beißt es bei ihm, und inder That, in einem Schwiglande, wie Maſſauwa, 
(hät man ſich glücklich, wenn man diefe Vorfchrift befolgen kann. Er 


104 Confularifche Vertretung in Maffauma. 


ſchläft, wie alle Eingeborenen, ftet3 bei offenen Fenftern und Thüren, und 
zwar bat man hier faft immer auf allen vier Seiten des Zimmers Yenfter. 
Eine ftarfe Natur kann dies jedod allein aushalten. Schwächere werden 
das Fenſterſchließen und ſelbſt das gelegentlihe Schwiten als Wohlthat 
empfinden. 

Munzinger's Hauptfach ift das Iinguiftiiche, obwohl er auch anderen 
Difciplinen jein Studium gewidmet hat. Aber in erfterm leiſtet er Vor⸗ 
zügliches und fann als Autorität für die modernen Sprachen von Nord- 
und SüdeTigre*), Amhar und Agau gelten. Bon lebterm giebt e& drei 
Zweige, deren "einer, bisher jo gut wie unbelannt, eben den Forſcher be= 
ihäftigte. Sein Wörterbud) des Maſſauwa⸗Dialekts (Nord-Tigre), feine 
„oſtafrikaniſchen Studien“, fein „Recht der Bogos“ Haben ihm unter den 
Orientaliften einen hervorragenden Rang gefichert. Leider halten ihn feine 
conſulariſchen Geſchäfte vielfah von wiſſenſchaftlichen Arbeiten ab. 

Officiell war er zur Zeit zwar nur franzöfiicher Conſul; da ſich aber 
außer ihn gar fein Conful bier befand, jo mendeten fich alle hieher ver- 
ſchlagenen europäiſchen Schußbefohlenen an ihn. Unter diefen ift oft viel 
Gefindel (Griechen, Levantiner), die ihm nicht wenig zu ſchaffen machen. 
Es ift befannt, daß er früher auch das engliſche Gonfulat befleidete und 
als Yührer der abeffiniihen Expedition beimohnte, mofür ihm nur mit 
Undant gelohnt wurde. Seiner Thätigfeit bei jener Expedition verdanken 
die Engländer einen Theil ihres Erfolge. Es ift nur eine Stimme darüber 
und ſelbſt viele engliihe Officiere haben mir gejagt, daß ohne Munzinger's 
Localkenntniſſe der Feldzug fi in die Regenfaifon verfchleppt hätte Wer 
legtere in Abejfinien kennt, wird die oft gehörte Behauptung nicht für über- 
trieben halten, daß, einmal von dem Regen überfallen, der größte Theil 
ber Armee zu Grunde gegangen wäre. Dafür Iohnte man ihm mit einem 
Orden,. in Maflauma ein ganz merthlojer Artikel, während Andere Tau: 
jende von Pfunden als Entiehädigung erhielten. Biel Schuld an dieſen 
Borgängen trägt der Dualismus der Regierung, des englichen home- 
government und ber colonialen oſtindiſchen Verwaltung. Munzinger's 
Verdienſte waren ber oftindifchen Verwaltung vorzugsweiſe befannt. Bis 


*) Die moderne Wiſſenſchaſt hat für Süb-Tigre den Ausdrudf Tigrinnia ange: 
nonmıen, der jedoch nichts ift, als das amharifhe Wort dafür. In Tigro ſelbſt 
nennt man die Sprache einfach Tigrs, das Nord:Tigrs dagegen Bedawi (Beduinen⸗ 
dialeft). 


Miffionäre in Oſtafrika. 105 


jum home - government jcheint wenig davon gedrungen zu fein. Erftere 
hätte letzteres freilich um eine paflendere Belohnung für ihn angehen 
müſſen. Bei ihrem ſchwerfälligen Gefchäftsgang wurde dies wahrſcheinlich 
auf die lange Bank verſchoben; man vergaß e3, und, fpäter daran erinnert, 
ſchämte man fich durch nachträgliches Gutmachen feine Verſäumniß einzu- 
geflehen, zumal da inzwijchen die für die Anderen vorgeichlagenen Ent- 
ſchädigungen ſchon zuerkannt waren. Nur fo erklärt fich dieſer Verſtoß, 
denn die Engländer find fonft nicht undankbar. Beſtände noch die oft- 
indiihe Compagnie, die in ſolchen Dingen nicht das home-government 
zu fragen brauchte, Munzinger hätte gewiß Alles erhalten, wozu ihn feine 
Verdienfte berechtigten. 

Sonft leben von Europäern in Maſſauwa noch einige ſchwediſche 
Miſſionäre, ein alter franzöſiſcher Soldat und eine ganze Colonie von 
griechiſchen Spiritushändlern und Weinfabrikanten. vente haben fpelunfen- 
artige Buden, der in Sualin fehr ähnlich. 

Die Miffionäre Hatten hier fein Glück. Fruher im Innern, hinter 
Bog08, bei einem noch heidniſchen Volke thätig, wurden fie von dort ver— 
trieben, zwei der Ihrigen fogar zugleih mit dem Engländer Powell ge- 
tödtet. In Maſſauwa hatten fie nur proviforiich Aufenthalt genommen. 
An ein Belehren der Hiefigen ift gar nicht zu denten. Um aber auf die 
vielfach hierher kommenden Abeffinier zu wirken, muß man e8 anders 
machen, als fi. Ein Miffionär, der wirken will, muß den Europäer ſoviel 
wie möglich ausziehen. Er muß viel, ja ausschließlich mit Eingeborenen 
berlehren, ihre Sprachen kennen, auf ihre Ideen eingehen. Alles daS ver- 
ſtanden die guten Schweden nit. Es waren brave Leute, die es ehrlich 
meinten, aber hölzerne Naturen. 

Ganz anders gehen die katholiſchen Miffionäre zu Werk, die in 
Maſſauwa aud eine Station haben, welche ihnen aber nur als Rückhalt 
dient und gegenwärtig bloß von jungen Dienern, jogenannten Miffions- 
zöglingen, berohnt war. Allerdings finden fie auch das Terrain günftiger. 
Das monophyſitiſche Dogma, welches die abeſſiniſch-koptiſche Confeflion von 
der Tatholifchen trennt, ift dem Volke, ja vielen Prieftern unbefannt. Der 
Ritus iftlein Hinderniß, denn die katholische Kirche duldet jeden orientalifch- 
Hriftlihen Ritus. Es Handelt ſich alſo faft nur um Anerkennung des 
Papftes. Dazu finden fich die Laien, ja felbft einzelne Priefter gern bereit, 
und jo Haben die fatholifchen Miffionäre Schon ganze Dörfer, namentlich 
in der Provinz Kolukuſſai bekehrt. Was ihnen aber ſchadet und oft ihre 


4 


106 Ein europäifcher Jäger. Bevölkerung. 


Erfolge vernichtet, ift ihre Einmiſchung in Politik. Das können fie nie 
laffen. Daher auch ihre neueften Kämpfe mit Kafla, dem Fürften von 
Zigre, der fie jogar ſchließlich alle auswies. 

Einen nur zeitweife hier lebenden Europäer, Herrn Rösler, lernte ic 
‚bei Herrn Haſſen kennen, deſſen Landsmann er if. Diefer noch ſehr jung 
ausjehende Mann hatte ſchon viel durchgemacht. Als zoologiſcher Sammler 
war er vor einigen zehn Jahren nach Abeſſinien gekommen, hatte es in 
allen Richtungen jagend, ſammelnd und ausſtopfend durchſtreift, bis Theo⸗ 
dor's Laune ſeinem Reiſen ein Ende machte. Er blieb zwei bis drei Jahre 
deſſen Gefangener und wurde erſt durch die engliſche Expedition befreit. Wie 
alle ächten Reiſenden verſchmähte er es, viel von feinen Erlebniſſen zu er: 
zählen. Nur dur Herrn Haſſen, ber vertraut mit ihm mar, erfuhr id 
Einiges von den höchſt merkwürdigen Jagbabenteuern dieſes Mannes. 
Manche derjelben reizten zum Lachen, wie die von ihm erfundene jehr 


originelle Art des Affenfangs, andere waren tragifch, wie die fürchterlihen | 


von ihm oft mitangefehenen Berheerungen, welche ber Leopard bei 
Menſchen und Thieren anrichtet. Die Sitten der Rhinoceroſſe und Ele— 
phanten ſchien er beſonders ſcharf beobachtet zu haben. Ach ſchlug ihm 


vor, feine Abenteuer zu veröffentlihen. „Wozu? ınan würde mir nidt | 


glauben!” jagte er, „die Welt glaubt oft den größten Lügnern, aber gerade 
die wahren Abenteuer hält fie meift für Schwindel, wenn fie ungewöhnlid 
»ſind.“ Er Hatte nicht Unrecht. 

Die einheimische Bevölkerung ift von abeſſiniſch-ſemitiſchem Stamm 
und im Typus ganz der von Tigre ähnlich. Es ift ein jchöner Menſchen— 
ihlag, von edlen regelmäßigen Zügen und ebenmäßigem Sörperbau. Die 
Hautfarbe ift faſt ſchwarz, doch nicht ganz fo dunkel, wie die der Sudaͤ— 
nefen. Das Haar wächſt lang, ift aber wollig, nicht lodig gefräufelt, nie- 


mals auch nur annähernd ſchlicht. Bon den Küftenflämmen, vulgo Be 
duinen genannt, die alle Mohammedaner find, wird es nad moslemifcher 


Sitte entweder ganz oder theilmeije abraſirt, das Haupt bei der Jugend 


meift entblöft getragen. Im chriftlichen Tigre tragen die jungen Männer 
vielfadh ihr Haar verfehievenfältig abgetheilt und über fünf bis acht läng- 


liche Wülfte (Kleine Chignons) gewickelt, was jeltfam, aber nicht gerade 
häßlich aussieht. 

Die biefigen „Beduinen“ find den Europäern ehr abgeneigt. Ihr 
moslemiſcher Fanatismus Tönnte dies erflären. Aber bei den chriftlichen 


Tigrö-Völkern ift e8 nicht beffer. Dagegen finden fi die amhariſchen 


Kaufleute in Maflauma. 107 


Abeſſinier des Innern mit großer Leichtigkeit in den Umgang mit Euro- 
päern und haben entſchieden Geſchmack daran. Ich halte deshalb Mun- 
zinger’3 Bemerkung für jehr richtig, daß jene Abneigung im femitifchen 
Blut liege. Sehen wir nicht Aehnliches auch bei nordſemitiſchen Ehriften, 
3. B. den ſyriſchen? Natürlich weicht diefe Abneigung der Bildung. Unſere 
Juden find ja auch Semiten, aber von Abneigung gegen Kaukaſier ift gewiß 
bei den gebildeten nicht die Rede. Ebenſo fand ich einzelne gebildete Se— 
miten aus Zigre, die jene Abneigung nicht kannten. Die Ambharen, ob- 
gleich ihre Sprache viel vom Wethiopifchen annahm, alfo femitifirt wurde, 
find nicht Semiten, jondern urfprünglich wohl Agau -Völfer, mit den Sudä- 
nefen, Nubiern, Somäli verwandt, die alle keine angeftammte Abneigung 
gegen &uropäer haben. Der Umgang mit ihnen geftaltet ſich fo natürlich) 
homogen, daß mir’ oft vorkam, als ſei ich unter Landsleuten. Daffelbe 
gilt von den Nubiern, die, obgleih Moslems, fi) doch viel leichter zum 
Europäer finden, al3 Semiten, jelbft wenn fie Chriſten find. 

Araber leben nur wenige hier, fommen aber oft in gewiſſer Anzahl 
bon Yemen, namentlih Hodaida. Ein Paar reihe Kaufleute aus Habra- 
maut vertreten unter den Moslems den Großhandel. Aber das eigentliche 
Handelsreich der Habrami hat hier ſchon aufgehört, da die indiſche Kauf- 
mannskaſte, die Banianen, durch mehrere bedeutende Häufer vertreten ift, 
gegen welche bie Hadrami zurüdtreten müfjen. Mit diefer können fie nicht 
eoncurriren. Die Hadrami blühen nur da, wo (wie in Mekka und Dſchedda) 
die Banianen, ihres Heidenthums wegen, nicht dauernd wohnen dürfen. Wo 
es indeſſen viele Banianen giebt, dafommen bie Hadrami auf feinen grünen 
3weig, fo 3.3. in Aden, das doch ihrer Heimath viel näher liegt, mo 
aber der einzige gejhäftätreibende Hadrami ein armer Makler iſt, mein 
Belannter, ein gewiffer Auwad bel Eher, der den Banianen Rache ſchwört. 

Die Banianen repräfentiren in Südarabien und Oſtafrika das Capital. 
Sie allein haben Geld und erzielen ihre Handelserfolge durch diefelben 
Mittel, wie in Dſchedda die Hadrami und oftindifhen Moslems, d. h. fie 
wiſſen e3 jo einzurichten, daß alle Verkäufer und Producenten ihnen ver- 
Tchuldet find. Ihr Ruf im Handel iſt ein unantaftbarer. Ihre Ehrlichkeit 
und Zuverläffigleit find ſprichwörtlich. Will ein Bewohner von Maſſauwa 
verreilen, jo vertraut er alle feine Werthe den Banianen an. Nichts 
Schriftliche wird darüber ausgeftellt, aber eine Veruntreuung ift abjolut 
beifpiellog, ja nach hiefigen Begriffen undenkbar. 

Die Geldmacht der Banianen liegt eben darin, daß hier das Indi— 


108 Banianen. Mbeffinie. Der Gouverneur. 


viduum zurüdtritt, daß Alles Affociation if. Dan hat e& nicht mit ein- 
zelnen Kaufleuten, man hat es gleihjam mit dem fleiſchgewordenen Han— 
delsgeift zu thun. Die Vorftände der banianiſchen Gefchäfte in Dſchedda 
find nämlich keineswegs die Kaufherren, fondern nur die Beamten großer 
oftindifcher Häufer, die vielleiht an 50 Orten ihre Comptoire haben und 
über viele Millionen verfügen. Deshalb können fie auch jeder localen 
Handelskriſis trogen. Die Zahl diefer in Maſſauwa lebenden Banianen 
dürfte zwanzig nicht überfteigen und dennoch beherrſchen fie den Markt 
faft ausſchließlich. Alle diefe Leute, Durch deren Hände die anjehnlichiten 
Summen gehen und die gewiß auch perfönlich ſehr guten Verdienft haben, 
leben außerordentlich einfach, find oft faſt ärmlich gekleidet, treten beſcheiden 
auf und ſcheinen faſt die Diener derjenigen, welche fie durch Handelöver- 
pflidtungen doch ganz in Händen haben. Jeder Eoftfpielige Genuß fcheint 
ihnen unbelannt. 

Eine größere Anzahl abeifinifcher Chriften Iebt gleichfalls Hier. Doch 
jpielen fie feine Rolle, Ihr Handel beſchränkt ſich auf Fleine, unbedeu- 
tende Geſchäfte. Die flottirende abeffinifche Bevölkerung ift jedoch deſto 
bedeutender, da eben Maſſauwa der einzige Hafen von Tigre ift. Faſt alle 
ihre Producte gelangen in die Hände der Banianen. in Gottesdienft 
ihrer Confeſſion befteht nicht. Aber viele bejuchen den katholiſchen, zu— 
mweilen nach koptiſchem Ritus gehaltenen, d. h. wenn ſich ein einheimijcher 
befehrter Prieſter findet. 

Die Verwaltung mar in Abweſenheit von Montäz Paſcha, des 
General-Gouberneurs der Küftenländer, in Händen eines Oberften, der den 
Titel „Bey“ führt. Es mar ein noch ziemlich junger Türke, zwar nicht 
bon derjelben Bildung, mie Montäz Paſcha, aber doch auch vom Streben 
nach Verbeſſerungen befeelt. Er ſchien namentlich die Gartencultur ins 
Auge gefaßt zu haben, ein etwas undankbares Beftreben in einem Ort, 
wo Waller jo felten und koſtbar ifl. 

Faſt alles Trinkwaſſer in Mafjauma wird vom Lande in Schläudhen 
gebracht und ift natürlich theuer, wenn auch nicht jo, wie in Djchebda. 
Nur wenige Gifternen giebt es. 

As ich den „Bey“ bejuchte, fand ich ihn im Hofe des Regierungs— 
haufes, deflen einen Theil er fi zum „Garten“ geichaffen hatte. Dieſer 
„Garten“ mar fein Stolz und feine Freude. Da faß er in feiner noch 
kahlen Laube und überfchaute fein grünes Reich, daS aus einigen Gurken, 
Kürbiffen, Melonen und anderen am Boden baftenden Gewächſen beftand, 


Berbefferungspläne deö Gouverneurs, 109 


die mit umendlicher Mühe und ewigem Begiegen jo weit gebracht worden 
waren, daß fie einen kleinen grünen Teppich darboten. Es mar freilich 
bie einzige grüne Dafe in ganz Maſſauwa. Er fprah mir von einem 
größeren Garten, den er halbwegs Mokullo auf dem Feſtland angelegt 
hatte und den ich natürlich gleichfalls anjehen mußte. 

Diefe Merkmwürdigfeit war eine vergrößerte Auflage des Heinen Gar- 
tens. Hier wuchſen aud noch einige Gemüfe, ſogar Saubohnen, worauf 
er befonders ſtolz war, 

Ein anderer Herzenswunſch des Bey waren befjere Häufer und Hüt- 
ten, worin id) vollflommen mit ihm übereinftimmte. Die Rohrhütten wa— 
ren ihm ein Dorn im Auge In der That erhalten diefe bei der Nadj- 
fäffigfeit der Einheimijchen bald ein fo zerfegtes und ruinenhaftes Aus- 
jehen, daß fie Ekel erregen. Könnte man die Leute dahin bringen, ihre 
Rohrhäuſer fo niedlich zu Halten, wie Herr Haſſen das feinige, fo würden 
fe Maſſauwa verfhönern. Wie fie aber find, bilden fie einen Schandfled 
für den Ort. Auch die Dompalmmatten, womit diefe Hütten gededt und 


behangen, aus denen oft die Thüren gemacht find, jehen meift dergeftalt - 


zerrifjen und abgenubt aus, daß man fie für uralt hält. Dennoch ift dies 
nicht der Yal. Aber die Einheimifchen befigen ein folches Talent, Dinge 
jhnell abzunugen, daß dauerhafteres Materialdazu gehört, umihrem Hang 
zum Ruiniren zu troßen. Alles dies empfand der Oberft und jpradh es 
aud. Er ging ernitlih mit dem Plan um, Häufer von Luftziegeln, oder 
wenigfiend von Lehm mit gehadtem Stroh und Kleinen Steinen ver- 
miſcht (einer Art pise), wie in Oberägppten, zu errichten. Das dazu gute 
Material findet fich jedoch nicht nahe, jondern muß ſehr weithergeholt werden, 
und fo fürchte ih, wird diefe Baureform ein frommer Wunſch bleiben. 
Der „Bey“ fchien zwar fein ftrenger Modlem, aber er machte es doch 
noch nicht wie der Paſcha, daß er den Ramadan brach. Dazu mar er noch 
nit vornehm genug. Er wäre auch hierin in Maſſauwa zu vereinzelt 
geweſen. Denn die biefigen Moslems find mie alle Spätbefehrten (der 
biefige Islam ift kaum ſechs Jahrhunderte alt) ganz fchredlich ortho- 
dor. Da fie ſich bei Nacht dur Lärm entichädigen, fo ift Maſſauwa in 
dieſem Monat eben nicht angenehm zu bewohnen. In der erften Nacht 
glaubte ich ein millionenfaches Fröfchegequafe zu vernehmen. Es war das 
„Site“, die heilige Verzüdung, hier zwar nicht durch derwifchartiges Ge- 
heule (was nebenbei gejagt gar nicht firengorthobor ift) vertreten, ſondern 
nur durch das von vielen hundert Stimmen im Tact ausgeftopene Glaubens⸗ 





110 Bergnügungen im Ramadän. 


befenntniß oder noch häufiger nur das ewig unabänderlihe Wort „Allah“, 
das je öfter mwiederholt, deſto verdientlicher wirkt. 

Aber nicht nur heilige Zaute drangen an mein Ohr. Auch weltliche 
Muſik „verfüßte” diefe Nächte. Da jedoch Maſſauwa Mangel an Inftru- 
menten leidet (die fonft bei Schwarzen jo beliebten Trommelconcerte tennt 
man bier Taum), jo mußte Händegeklatſche dies erjegen. Kine Melodie 
wurde zwar dazu gejungen, aber das vielhunderthändige Geklatſche über- 
tönte fie fiegreih. Es war übrigens jo wohl geregelt, daß ein Fanatiker 
des Tacts bier feine Yreude gehabt hätte. 

An weniger unſchuldigen Bergnügungen leidet gleichfalls Maſſauwa 
feinen- Mangel. Hier findet fih zwar auch noch die naive, nicht aus— 
ſchließlich intereffirte Liebelei der Subäneferinnen. So kannte ich einen 
arabiſchen Piloten, der ganz Entzüden über feine ſchwarze Geliebte war, 
die ihm „treu“ blieb, obgleich er fie nur alle drei oder vier Monate jah 
und ihr fein Geld gab. Aber nebenbei erxiftirt doch auch Die eigentliche 
Proftitution, welche, da fie der ärztlichen Controle entbehrt, defto gejund- 
heitsichädlichere Yolgen hat. So Hagte mir ein engliiher Schiffscapitän, 
er habe feine Matrojen Hier zwar nur einmal and Land gelaffen, aber 
da3 habe genügt, um fie ſämmtlich frank zu machen. Einer derjelben jei 
fogar bettlägerig und leide Schweres. Die Sorge der griechifchen Kneip— 
wirthe ift e8, daß ſolche Seeleute die „Schönen“ nur im Branntweinrauſch 
(und von welchem Branntwein!) beſuchen. Sonft würden wohl ihre 
Riechwerkzeuge vor folchen Berührungen zurüdichreden. Die Verjonen 
find zwar nicht häßlich, oft ſogar wirklich Schön, aber ihre Yettbegießung 
ift eine fo reichliche, daß ich ziweifle, ein nüchterner Europäer könne feinen 
Widerwillen davor überwinden. 

Sogar meinem Nubier, deſſen Landamänninnen fi doch auch „ein- 
buttern”, war dies zu bie, Wenn ich ihn jcherzhaft fragte: „Nun, wie 
ſteht's mit Frauenbekanntſchaft?“, fehüttelte er wie von Efel erfaßt den 
Kopf und rief: „Ich will keine, die „Kullu dehen“ (ganz Wett) ift.“ 

Die Garnifon von Maflauma beftaud zur Zeit (da die Bajchi-Bozufs 
eben abgereift waren) nur aus einem ftarfen Bataillon Sudänefer, ſchwarze 
Veteranen, die Refte der einit von Said Paſcha an Frankreich „gelie- 
benen“. Sie waren alle in Mexico gemwefen, jprachen meilt etwas Fran- 
zöſiſch, Schüttelten aber bedvenflih das Haupt, wenn befragt, ob ſie dort- 
hin zurüdzufehren wünſchten? Sie hatten zu viele der Ihrigen, wenn 
auch nicht gerade am gelben Fieber, binfterben fehen. Sie waren fid 


Lage und Klima von Maffauma. 111 


Abrigend gar nicht des Menfchenhandels bewußt, den man mit ihnen ge- 
trieben. Sie geftanden fogar, daß fie es in einiger Beziehung dort beffer 
gehabt, als hier, wo fie in der letzten Zeit die Heloten der Baſchi-Bozuks, 
die Alles, was nicht Türke ift, tief verachten, gemwefen waren. Sie wurden 
jegt nicht befier bezahlt, al3 die zu Soldaten ausgehobenen ägyptiſchen 
Fellahs, d. h. jo gut wie gar nicht, erhielten nur am Feſttag Reis, fonft 
bloß Durra, denn die Tage Said Paſcha's find vorbei, der die Truppen 
Hehts fehr gut hielt. Die Baſchi-Bozuks fo zu behandeln, wie fie oder 
die Fellahs, darf Aegypten nicht wagen. Diefe erhalten ftet3 guten Sold 
und Lebensmittel. Der Unverfchämte kommt immer am beften in der 
Belt fort. 

Merkwürdigkeiten befitt Maſſauwa nicht. Die Mofcheen find unbe- 
beutend. Die katholiſche Capelle iſt hübſch, aber jo, wie man Zaufende in 
Europa ſieht. Wer eine ſchöne Ausficht genießen will und auf einen 
Flaggenmaſt nicht zu klettern fcheut, der kann dies im fogenannten türfi- 
hen Fort. Es ift ein großer, vierediger, von Mauern umgebener Raum 
mit einer Heinen Batterie auf der Oftfeite, am Meere, und angebauent 
Dahthäufern im Weften. Bon einem mitten aus dieſer kleinen Wüſte 
aufragenden Maftbaum ift der Blid auf das Feſtland ein überrafchend 
\höner. Die mächtigen Berge (einige 8000 Fuß Hoch), auf denen da3 
abeſſiniſche Plateau liegt, das flache Tiefland mis feiner durchſichtig dun- 
figen Atmofphäre, die in der Mittagägluth zu zittern ſcheint, das Meer 
mit feinen vielen Infeln, die einheimiſchen Schiffe mit ihren malerijchen 
lateiniſchen Segeln: es ift ein Bild, würdig von einem Malerpinfel gefej- 
felt zu werben. 

Das Klima von Maſſauwa ift zwar faft zu allen Zeiten ſehr heiß, 
aber doch nicht entichieden ungefund, Es regnet bier mehr als in Suafin ' 
und Dſchedda, meift in den Monaten December, Januar und folgenden. 
IM der Regen reichlich, was jedoch nicht alljährlich vorkommt, fo bilden 
fh wohl Fiebermiasmen und dann find die Anfangsmonate des Jahres 
ungefund. Jedoch find diefe Fieber felten gefährlid. Die heißen Monate 
find gleichfalls Hier, wie am ganzen rothen Meere, und wie aud) in Aden, 
die geſundeſten. Wer die Hitze ſcheut, für den ift Mafjauma gegen Ende 
des Jahres am bewohnbarſten. Ich war 3 Wochen im December da und 
fand die Wärme im Schatten felten höher als 260 R. Die Abende waren 
mild und angenehm, faft immer bei 200° R. Nur nad Regengüflen be- 
merkte ih) am frühen Morgen eine Abkühlung bis zu 16%. Nach Anderen 


.— — e — ⸗¶— —— * 


112 Meteorologiſches. 


ſoll zuweilen eine noch größere ſtattfinden. In Munzinger's Hauſe, das 
ich bewohnte, ſank die Zimmertemperatur, ſelbſt bei ſtetem Durchzug, nie 
unter 250 R. Bei 180 R. frieren die Leute hier ſchon und nad einem 
ſtarken Regenguß hörte ich die Einheimiſchen über bittere Kälte klagen. 
Die Sonne iſt zu allen Zeiten ſehr ſtechend und ohne die bekannten eng— 
liſch-oſtindiſchen Hüte wird ein Nordländer fehwerlih dem Sonnenftid 
entgehen. 

Sonnenſchirme find ſehr rathſam. Selbft die Einheimischen tragen 
fie, freilich oft mehr zum „Staat“. Die Abeſſinier gar haben folche von 
fteifem Leber, bie fie jelbft im Schatten, gleichjam als Standeszeichen, über 
ih balten. 

Jedenfalls ift Maſſauwa einer der heißeften Orte der Welt. Id 
glaube jedoch nicht, daß jener große Unterjchied der mittlern Temperatur 
zwifchen hier und Aden (Maſſauwa 31,0%, Aden 26,80 Celſius), den Hum⸗ 
boldt’3 Tabellen geben, von praktiicher Bedeutung ift, obgleich er wahr⸗ 
icheinlich beobachtet wurde. Uber in den ift das Oblervatorium auf 
einem erhöhten Punkt allen fühlen Winden ausgejebt. In Maſſauwa wäre 
es jchwer, einen jo ausgeſetzten Punkt zu finden. Die Hike in der Stadt 
Aden ift nicht viel geringer, als in Maflauma. Deshalb lafjen fich beide 
Beobachtungen kaum mit einander vergleichen. 


Ofhafrikanifde Küfe 


Vierzehntes Kapitel 
Dandel von Maſſauwa. 





Maffauma’s Hinterländer. — Commerzielle Bedeutung des Plage. — Uebertriebene 

Anpreifung derjelben. — Import in Maſſauwa im erften Halbjahr 1864. — Bro: 

venienz des Imports. — Bertheilung des Imports. — Erport. — Abnahme des 

Erports von Abeffinien. — Verſchwinden des abeffiniichen Kaffees. — Sklaven: 

ausfuhr. — Zunahme des Moſchus. — Karamanenbetrieb. — Hafen von Maſſauwa. 

— Einnahmen des Zollamts. — Preiſe für Waarentransport. — Gewichte. — 
Maße. — Münze. 


Maſſauwa hat durd) feine Hinterländer eine gewiſſe, freilich oft über- 
ſchatzte Wichtigkeit für den Handel. Es ift das einzige Emporium von 
Tigre. Mit Sualin heilt es den Handel des Ambarifchen Abel- 
fmiens, welcher über Metamma*) geht. Es ift der nächfte Bermittlungs- 
bafen zwiſchen Oftindien und dem innern (äghyptifchen und unabhängigen) 
Sudan (Metamma, Kaſſala u. ſ. w.). Die Route über Suakin wäre für 
oſtindiſche Waaren ein Ummeg. 8 vermittelt den Austaufch der Pro- 
ducte der Hirtenvölker, die nörblih von MAbeffinien wohnen. Yemen 
ft auf Maſſauwa für feinen Butterbedarf angewieſen. Es bildet den 
Markt für die Seeprobucte des Archipels von Dahlat (mie Perlen, Berl- 
mutter, Schildpatt u. |. m.) 

Dennod darf man fich nicht der Täuſchung hingeben, als könne Maſ— 
ſauwa mit Häfen wie Dſchedda, Hodaida, mwetteifern. Munzinger, der die 





*) Gegenwärtig bietet die Route von Metamma nad Sualin mehr Sicherheit, 
als die nah Maſſauwa. 
v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 8 


114 Einfuhr von Waaren in Maffauma. 


Berhältnifle gut kennt, behauptet ſogar, daß Suakin als Handelshafen 
mehr Wichtigkeit habe und daß ſelbſt Lohaiya ihm nicht viel nachſtehe. Wie 
falſch iſt alſo Lejean's Behauptung, Maſſauwa ſei der erſte Handelshafen 
des rothen Meeres. Dies könnte es vielleicht einmal werden, wenn in 
Abeſſinien geregelte Zuſtände herrſchten. Aber einſtweilen iſt dies Land 
faſt todt für den Handel. 


Import. 


Herr Munzinger war ſo freundlich, mir folgende Ziffern über Import 
und Erport in Maflauma mitzutheilen, die einem von ihm für das franzd- 
ſiſche Minifterium beftimmten Bericht entlehnt find. 


Import in Maflauwa im erften Halbjahr von 1864. 


1) Ueber Dſchedda wurde importirt: 
Reis 1159 Säde . -. . .» . . Werth 39,406 Fr. 
Datteln 11 Bade. . . . . . „ 374 „ 
Rofinen 1 Ballen . .. 100 „ 
Zucker 3 Balen . . 2... v 510 „ 
Taback 3 Ballen . . „ 504 „ 
ſchwarzer ‘Pfeffer *) 39 Ballen . . ’ 3,900 „ 
Tib (ein Barfım) 3... ., 4,816 „ 
Antimon 8 Ballen .. 1,680 „ 


Sandelholz 2 Bullen . „ 300 „ 
Neltenöl 2 Fäfler. . » .. . „ 112 „ 
Glasperlen 107 Gafien . „ 71,904 „ 
Glas 40 Cafien . . 2 2 2 67720, 


blaue Seide **) 1 Ballen „ 3,360 „ 
Leinwand 23 Ballen . „45,080 „ 
Muffelin 1 Ballen . . . „ 350 „ 
Rothes Baummwollgarn 10 Ballen „15400 „ 
Papier 2 Cafien . „ 1,120 „ 


*) Der rothe Pfeffer kommt aus dem Innern. 


**) Diefe, in Schnurform, wird von allen abeſſiniſchen Chriften um den Hal’ 
getragen. 


Einfuhr von Waaren in Maffauma. 115 


Zaflen 2 Eafien -. . » » . . Werth 1,600 Fr. 
Kupfer 54 Pale . . . 2... „ 21,168 „ 
Zink 17 Bad. . 2. 2 2... ’ 1,700 „ 
Beh 1 Pad . . .» 2 202. „ 180 „ 


2) Bon Hodaida wurde importirt: 


Reis 456 Säde . . .» » . . Werth 15,504 Fr. 
Datteln 186 Bade . . .. . n 6,224 „ 
Zuderr 5 Bade . . 2... „ 530 „ 


3) Ueber Aden wurde importirt: 


Reis 1440 Säde . . . . . Werth 48,960 Fr. 
Datteln 150 Bade -. . » » 2 u ..5,100 „ 
Zabad 347 Ballen . . . . . „145,740 „ 
Zucker 10 Ballen . ». ... w 1,100 „” 
Sandelholz 25 Ballen . . . . ’ 3,750 „ 
Neltenöl 10 Fäßden . . . . „ 560 „ 


Indiſche Manufacturen 84 Ballen „ 394,800 „ 


Der Geſammtwerih dieſer Importirten Artikel würde alfo ettva 
922,500 Franken betragen haben. Darunter ift der Import über Aden 
durch faft 2/,; (etwa 600,000 Fr.), der über Dichedda durch nicht ganz !/; 
(300,000 Ir.) der über Hodaida nur durch 22,500 Fr. repräfentirt. Die 
berborragende Wichtigkeit des oſtindiſchen Import3 (denn Aden vermittelt 
nur) |pringt alſo in die Augen. 


Da übrigens auf obiger Lifte einige Importartifel, wie 3. B. Kaffee, 
Branntwein, fehlen, weil fie wahrſcheinlich in dem genannten Halbjahre 
weniger vorkamen, andere ausnahmsweiſe ſchwach vertreten find, jo Tann 
una dies nur als Weberficht der Provenienz, nicht als Werthmaaßſtab dienen. 
Munzinger berecinet den Import indischer Manufacturen allein auf durdh- 
ſchnitilich 10, Million Fr. im Jahr, den von öftreich. Glasmanren auf 
300,000, von Kupfer auf 100,000, von engliſcher Leinwand und anderen 
Stoffen auf 240,000. Zufammen kann man den Import wohl nicht 
niedriger al3 auf drei bis vier Millionen Franken ſchätzen. 


Die Maffe diefes Import vertheilt fih in Maſſauwa etwa folgender- 


maßen: 
8* 


116 Abſatz der importirten Waaren. Export. 


1) In Maflauwa bleibt Kaffee, .Zuder (in Hüten), Nägel, Zinn, 
Bleh, Del, Stride, zufammen für etwa 390,000 Fr. Außerdem eiton 
folgende Bruchtheile der Gefammteinfuhr: Y/ı, Tabad; !/; Teppiche, Mehl, 
Zucker; Y, Pfeffer, Barfums, Papier; ?/, Branntwein; Y, Manufacuren, 
1/3, Glaswaaren; 1, Leinwand, Stoffe; ?/, Zint. 

2) Die Beduinen und Anjeba beziehen vom Import in Maflauwa 
17, Taback; Ys Pfeffer; 1, Barfums, Gewürze; ®/, Stoffe; Y/, Glas 
mwaaren. Zufammen für etiva 200,000 Yranfen. 


3) Nach Abeffinien geht ausfchlieklih von den obengenannten Waa— | 


‚ren: blaues Seidengarn; Baumwolle; rothes Fadengarn; Kupfer; Maro- 
quin=Leder; Schießgewehre. Außerdem folgende Bruchtheile des Gefamnt: 
import3: 2’; Zuder; Y/, Pfeffer; 3/, Parfums; 5/, Glaswaaren; %/,, Lein⸗ 
wand, Stoffe, "Io Manufacturen. 

4) Nah dem innern Sudan (Kaſſala, Gadaref, Metamma) get: 
1/: Pfeffer; 2/, Parfums; 2/5. Glaswaaren; 1/,o Leinwand, Stoffe; n, 
Manufacturen. 

Im Allgemeinen fann man annehmen, daß vom Import 25 Proc. in 
Maſſauwa bleiben, 50 Proc. nad Abelfinien, 10 Proc. zu den Bebuinen 
und 15 Proc. nad dem Sudan gehen, 


Erport. 
Munzinger ſchlägt den jährlichen Erport etiwa folgendermaßen an: 
1) Nach Dſchedda werben erportirt: 


Häute für . . 2 2 2 2.202020. 400,000 Fr. 
Wachs für . -. » 2 2 100,000, 
Butter für . © 2 2 200 00 2020.140,000 „ 
Moſchus fa . >» 2 2 ee ee. 0,000, 
Berlmutter für. . . . 30,000 „ 


Alle diefe Artikel, die Butter ausgenommen, gehen nad Europa. 


2) Nach Aden werden erportirt: 


Elfenbein fr . . 2 2 2 2 2 2. 2350,000 Fr. 
Berlen füt . ». » © 2 2.2.2020. 100,000 „ 
Goldftaub für . . . . >... 100,000 „ 


Alle dieje Artitel sehen nad Dftindien. 





Provenienz der erportirten Artikel. 117 


3) Nach Yemen wird erportirt: 
Butter für . . © 2 2 300, 000 Br. 


Provenienz der erportirten Artikel. 

1) Die Dahlat-Infeln liefern alle Meer-Erzeugnifie, mie Perlmutter, 
Berlen zc. 

2) Samhar (Küftenland) liefert Federn, Senne, Gummi, Ziegenhäute, 
Odfen, /, der Butter, ebenfoviel der Ochjenhäute des Gejammterporte. 
Zufammen für cieca 140,000 Yranten. | 

3) Barka und Anſeba liefern Tamarinden, geflodhtene Matten, 1/; 
Honig, 1’; Häute, %/; Butter. Zufammen für circa 400,000 Franken. 

4) Der Sudan liefert: 

1/, Elfenbein für . . ! 2... 125,000 Fr. 


1, Wachs aus Metamma für. ... 30,000, 

Yo Goldſtaub fir... 10,000, 
5) Abeſſinien liefert: 

1/, Elfenbein ffü....... 126,000 Fr. 


Yo Goldftaub ER 90,000 „ 
37, Hm - » 2 2 22200020. 15,000 „ 
17, Kubhäute - © 2 2 2 2 202 ..175,000 „ 
2/, Wachs...... 60,000 „ 
Moſchus......... 60,000 „ 
Berfchiedene Pflanzen. -. - » 2 2. 40,000 „ 

Die fleten Wirren, welde in Abeffinien herrfchen, haben deifen Export 
auf die obigen unbedeutenden Ziffern reducht. Die meiften Artikel find 
jebt jehr viel fchmächer vertreten, als in früheren Jahren. Einige find 
jogar beinahe gänzlich) auß dem Handel verſchwunden, fo 3. B. der abef- 
ſiniſche Kaffee, welcher nach Anfiht mancher Kenner jeden Kaffee ber 
Welt, ſogar den arabiſchen an Güte übertrifft (Mbeffinien gilt vielfach für 
die Heimath des Kaffeeſtrauches). Noch vor 20 Jahren, als ich nad) 
Aegypten kam, trank man dort abeffinifchen Kaffee. Jetzt wird fogar in 
Maſſauwa arabifcher importirt! in anderer Erportzweig entzieht fich 
jeder Controle, nämlich der von Sklaven, welcher verheimlicht wird. Mun— 
jinger hat es durchgefebt, daß jebt in Maffauma feine SHaven mehr 
verfauft werden. Dennoch beweiſen die Sklavenmärkte in Dſchedda, 
Melka ꝛc., die alle mit Abeſſiniern und Gallas angefüllt find, daß dieſer 


118 Export. Hafen. Zollamt. 


Export ftattfindet. Der Hauptmarkt ift jegt Mbereni, ein Ort 3 Stunden 
im Innern von Maſſauwa. Bon dort werden die armen Schwarzen ge= 
bunden und aneinandergelettet an einfame Küftenorte gebracht, wo fie in 
Heinen arabiſchen Booten bei ruhiger See eingefchifft werden können. Auch 
Eunuchen kommen unter diefen Sklaven vor. 

Ein einziger Exportzweig bat in den lebten Jahren zugenommen, 
nämlich Moſchus. 

Der Handel von Kaſſala iſt in Händen der Bewohner von Arkiko, 
derjenige des übrigen Sudaͤns wird von den Banianen vermittelt. Der 
Handel von Barka geht über Keren (5 bis 6 Tage von Maſſauwa), von 
two die Beni Amr die Weiterbeförderung übernehmen. Don Barka fommt: 
Honig, Elfenbein, Häute, Butter. Die Karamanen aus dem Amhariſchen 
Habeſch kommen nur in einer Jahreszeit, nämlid im September und 
October, an. Die Schoho beziehen Getreide von Maſſauwa. Die Habab, 
Anjeba, Bogos, Mena verkaufen dort Tamarind und Honig, die Beni 
Amr Balmmatten. Die Küftenftämme verhandeln Gummi, Senne, Straußen- 
federn, Elfenbein. 


Hafen von Maſſauwa. 


Alla 14 Tage kommt ein Dampfſchiff der Compagnie Aziziye aus 
Suakin (Dſchedda, Suez), welches nach zwei Tagen zurückkehrt. Größere 
Segelſchiffe äußerſt ſelten, nur wenn vom Vizekönig beſtellt, um Sohlen 
zu liefern. Gewöhnliche Verbindung mit Aden und Dſchedda durch Saya’s 
(Schiffe mit lateiniſchen Segeln von 20 bis 100 Tonnen). Davon kamen 
im Jahre 1864: aus Dſchedda 68, aus Lohaiha 16, aus Hodaida 19, 
aus Aden 21, aus Suakin 5. 


Einnahmen des Zollamts. 


1) Für Import von Aden, 8 Proc, Steuer . . etwa 160,000 Fr. 
2) Import vom Innern, 8 Proc. Stuerr . . . „ 40,000 „ 
3) Erport nah Men, 5 Proc. Steuer . . -» © „20,000 „ 
4) Erport na türkifchen Häfen, 8 Proc. Stuer. „ 42,000 „ 


Summe der Einnahmen etwa 262,000 Fr. 


Der Import von Dſchedda, Sualin, Yemen kommt bereit3 verjteuert an. 


Die Steuer auf den Import vom Innern trifft nur einzelne Artikel, 
wie Butter, Honig, Kaffee, von denen man (jehr willkürlich) annimmt, 


Preife für Maarentransport. Gewichte Maße. 119 


daß fie alle in Maſſauwa verzehrt werden. Alle anderen Waaren können 
frei nad) Maſſauwa importirt werden, zahlen aber, wenn von dort auäge- 
führt, die Erport-Steuer. Wegypten behandelt nämlich Abeffinien nicht als 
Ausland. 


Breife für Waarentransport. 


1) Nah Dſchedda koftet ein Sad Reis 1/,, Thaler*), ein Pad Strob- 
matten 1/; Thaler, ein Pad Häute, Wachs, Butter, Perlmutter, Kaffee 
1 Thaler. Andere Waaren von 1618 11/, Thlr. das Gepädftüd, gleichviel 
ob groß oder Hein. 

2) Nah Hodaida koſtet ein Sad Reis !/,, Thlr., ein großer Krug 
Butter 1/, Thlr., ein Sorb Durra '/, Thle., andere Waaren 1/,bis 1, Thlr. 

3) nah Wen: wie nad) Dichedda. 

4) Nah Sualin: ein Pad Tuh, Zeuge, Stoffe 1 Thlr. andere 
Waaren °/, bis 7/,; Thlr. 


Gewichte, 
Gemöhnliches Gewicht: Rotl (Pfund) miegt 17 Maria - Therefien- 
Thaler. Der Maria-Therefien-Thaler wird fo zur Pfundeintheilung, gleich- 


jem zum Doppelloth, der Unze, nur daß 17 flatt 16 auf gin Pfund 
geben. 


Die Okka beträgt -. - . 2 2 20. 28/. Rotl. 
Der Santar beträgt - - -» » 2... 100 ’ 
Der Cantar-Cadafbetrgt . . . . . 125 „ 
Die Faradla berät . -» > 2 .2....20 ’ 
Die Mine beträgt . -» : 2: 2... 3 n 


Der Bahan beträgt . - » » 2... 360 „ 


Maße. 


I. Zängenmaße ; von dieſen giebt e& drei: 
1) das gewöhnliche Dra oder 50 Gentimeter, 
2) daS fogenannte Eifen-Dra oder 55 Centimeter, 
3) die Middet gleih 11 Draͤ. 


I 





*) Hier find immer Dlaria » Therefien- Thaler, urjprünglih à 2 Fl. 24 &r., jetzt 
aber à 2 Fl. 34 Xr. rheiniſch oder 1 Thlr. 8%, Sgr. gerechnet. Der Curs diefer 
Thaler iſt nämlich Hier etwa 10 Xr. rheiniſch, 2%, Sgr., höher, als ihr Münzwerth. 


120 Mape. Münzforten. 


u. Wlüffigleitsmaße : 
Die Koba gleih 2 Flaſchen von etwa 3/, Liter. 
Acht Koba find eine Methanna. 
Eine Koba Butter muß 23/, Rotl wiegen. 


IH. Getreidvemaße: 
Die Rubit gleich 1/, türkiſche Kele. 
110 Rubit glei ein ägypt. Ardeb. 
120 Rubit find eine Quffa oder Zambil. 
4 Zambil bilden ein Hamal. 
Der Hamal ift die einheimifche Zonne. 


Münze. 


Diefe ift die ägpptifche, welche befanntlich drei Währungen von Piafter 
bat, nämlih Tarif, Current -Silber und Current = Bronze, arabiſch Sad, 
Scherüf und Chorda. Als ich Aegypten (1871) verließ, ftanden diefe Drei 
Währungen in folgendem Verhältniß zu einander : 


Current⸗ 

e Tarif. Silber. Bronze. 
Fünf Franken galten . . . . 19/4 (Piaſter) 381); 44. 
Ein Maria-Therefien-Thaler galt  201/, n 42 50 
Ein Napoleon galt . . . » 77% ’ 15412/,, 175 
Ein Pfund Sterling in Gb . 97% „ 195 220 
Ein ägyptiiches Pfund. . . . 100 „ 200 230 


Ein türkifches Pfund . . . . 87%, 1751, 195% 


In Maſſauwa kommt Tarif bei Poſt, Telegraph, Mauth und Dampf- 
Schiffen vor. Current-Silber ift faft unbelannt. 


Bronze ift die allgemeine Heine Münze. In diefer Währung, tie 
überhaupt, haben Hier jedoch nur Silberthaler Curs. Gold kommt nicht 
vor und nur bei öffentlichen Saffen nimmt man von Amtöwegen Die 
ägpptiiden Pfunde. Der DMaria-Therefien- Thaler, der zur Zeit eimas 
niedriger als in Aegypten, nämlih nur 471/, Piafter Bronze, ftatt 50, 
wie in Cairo, ftand, ift die allgemeine Silbermünze. In diefen Thalern 
laffen fi) die Kaufleute ihr Geld, Beamte, wenn fie können, ihren Gehalt 
fommen. Im Innern geht nichts andere. Das äghptilche Bronze= Geld 


Maria-Therefien-Thaler. 121 


wird ſchon zwei Stunden von Maflauwa nicht mehr genommen. Mit 
den Maria - Therefien-Thalern muß man fi in Acht nehmen. Es giebt 
jeit dem abeſſiniſchen Feldzug viele nicht vollwichtige darunter. Die Ein- 
heimifchen nehmen als Striterium die Perlen der Krone. Wenn dieſe 
nicht die volle Zahl, wie auf den alten, haben, werden die Thaler für 
falſch erklärt. 


Ofafrikanifde Küſte. 


Fünfzehntes Gapitel. 
Abeffinifhes in Maſſauwa. 


— — — 


Zuſtände in Habeſch nad Theodors Fall. — Theodors Größe und Bedeutung. — 
Sein Wahnfinn. — Die jetzigen Machthaber. — Ihre Ohnmacht und Zeriplitterung. 
— Aba Kaifi. — Mädchenraub. — Ein „Rebell" in Habeih. — Melonen von 
Hamafien. — Gefangene Fürften. — Ein abeſſiniſcher Geſandter. — Mißbrauch der 
Gaſtfreundſchaſt. — Trunkſucht der Abeſſinier. — Der Tädſch (Honigbier) und feine 
Bereitung. — Abeſſiniſche Frauen. — Ihre Vorzüge. — Ehe zwiſchen Deutichen und 
Abejjiniern. — Der intentionelle Mörder Munzinger. — Seine Mitfcyuldigen. — 
Seine Treilafjung. — Ein Verbredher ala Philofoph. — Nothwendigfeit der Bewaf: 
nung in Habeſch. — Unficherheit des Landes. — Ein Franzoſe am Hofe Kaſſa's. — 
Schimper. — Die Griehen in Adua. — 


Ein Baar Ausflüge in der Umgegend von Maflauma nad Orten, 
die Andere bejchrieben haben, Halte ih faum für werth, bier gejchildert zu 
werden. Lieber will ich des „Interefjanteften erwähnen, was Maſſauwa, 
meiner Anficht nach, jedem Freund der Völkerbefchreibung bietet, nämlich 
die vielen Berührungen mit abeſſiniſchem Leben und Treiben, die, da jie 
meift mit den neuelten Zeitverhältnilfen zufammenhängen, nicht „abgedro: 
chen” fein können. 

Ich fee die Kennmiß der abeſſiniſchen Volker voraus. Weniger Tann 
ich died von ihrer Gruppirung feit Theodors Fall. Diefer für Abeffinien 
„große“ Mann hatte die alte Reichgeinheit wiederhergeftellt, eine neue Aera 
eröffnet und verfucht, Habeſch in die Reihen der Culturftaaten einzuführen. 


Kaiſer Theodor's Höhe und Sturz. — 123 


Es war anders beſtimmt. Theodors Kampf und Ende erinnert mich an 
ein ſpaniſches Stiergefecht. Wie dort der Stier erſt durch die Chulos 
geneckt, die Piccadores geſtochen, die Banderilleros gereizt und durch Alle 
wüthend gemacht wird, ehe der Espada ihm den Todesſtoß verſetzt, ſo 
ſchickte auch Europa ſeine Conſuln, Miſſionäre, Kaufleute, Abenteurer aus, 
um den Töniglichen Stier zu necken, zu quälen, zu beſchimpfen, zu ärgern, 
bis er endlich in Wahnfinn gerieth. Dann kam der Hauptverfolger, Eng- 
land, und machte ihm den Garaud. Mancher andere wäre bei folcher 
Behandlung auch verrüdt geworden. Eines Tages kommt ein Europäer, 
in voller Uniform, aber zugleih auch im Rauſch, zu ihm, nennt ihn einen 
dirty nigger (ſchmutzigen Neger) und verlangt jhlieplich) noch zehntaufend 
Thaler von ihm. Ein andermal hört er, man habe ein Buch über ihn 
gefchrieben, läßt fi) daraus überſetzen und findet, daß ein von ihm ftet3 
gut behandelter Europäer die Geheimniffe feines Stammbaums veröffent- 
fit hat, die größte Beleidigung für ihn, denn diejer ift eben nicht jehr 
vornehm und er kennt nicht den Demokratenftols, „Sohn feiner eigenen 
Werke“ zu fein, jondern feine Politik will, daß man ihn für den Entel 
Salomons halte. Das find nur zwei Beifpiele unter Hunderten. Daneben 
die religiöfen Nergeleien, da8 Verdammen der Yaften und anderer von ihm 
hochgeachteter Glaubensartikel durch die Miffionäre. Diefe ewigen dogma— 
tiſchen Streitigkeiten haben vielleicht neben der rüdfichtslofen Behandlung 
bon Seiten europäifcher Regierungen am meiften dazu beigetragen, Theodor, 
der ein tiefreligiöfes Gemüth Hatte, verrüdt zu machen. Er mar feiner 
von jenen fervilen Fürften, die vor Europa’ Macht Friechen, fondern et 
wollte als Gleicher mit Gleichen unterhandeln. Er Hatte übrigens hohe 
Meinung von Europäern, glaubte an fie, und diefe enttäufchten und belei- 
digten ihn, indem fie ihn ganz mie einen menfchenfrefienden Negerfürften 
behandelten. Bon ihm fonnte man jagen: 
What a noble mind is here o’erthrown. 

Wie groß. die Kraft feines Geiftes, wurde erft nach jenem Sturz reiht 
deutlich. Abeſſinien fiel der Anarchie anheim, aus der nur er vermodht 
Hatte, es herauszureißen. In diefem Lande findet fich jetzt feiner, der auch 
nur einen Funken von Theodors Geift hätte Was ift Gobafye von 
Amhar, der ſich durch den viel ſchwächeren Kafla von Zigr& fangen läßt, 
und was ift Lebterer, der kurz vorher noch vor Gobaſye zitterte? Was 
it Menelek von Schoa, der ala Theodors Gefangener den unterthänigen 
Sklaven fpielte, und was die alte Meftiate, die Gallafürftin? Dieſe vier 


124 Rebellen in Abeffinien. 


find die Haupttheiler der Spolien Theodors. Aber neben ihnen tauchen 
noch viele andere Kleinere Yührer auf, wie Melonen von Hamafien und 
wie jener verwegene Hauptrebell, Aba Kaifi. 

Aba Kaifi ift der Typus eines tollfühnen Räuberhauptmanns. Ich 
hatte das Vergnügen, im Haufe des Herrn Hafen in Maſſauwa feinen 
Schwager kennen zu lernen. Aba Kaifi ift nämlich mit einer Deutichen 
vermählt, d. b. Deutſche nur von Batersfeite. Ihr Vater ift der berühmte 
Naturforſcher Schimper aus Mannheim, der unter Theodor zugleich mit 
dem Deflauer Zander die wichtigften Poſten befleivete und jebt in Adua 
lebt. Die Liebe Aba Kaiſis wäre würdig, in einem Räuberroman zu 
figuriren. Wenn ich recht hörte, jo hatte fie weder die Einwilligung de 
Vaters, noch auch anfangd die der Braut. Aber der „Räuber Jaromir“ 
ift immer reizend für Mädchen. Eine „kühne That“ ſcheint ihn in DBefik 
feiner Liebe gejeßt zu haben. 

Aba Kaifi verlor zwar (December 1870) eine Schladht gegen Melo- 
nen, aber trotzdem mar er als Rebell ungleich größer, als dieſer, dem 
Metonen war Rebell gegen Kafla und erkannte Gobafye an;- Aba Kaifi 
jedoch) war Rebell gegen Kaſſa und Gobafye zu gleicher Zeit, obgleich dieſe 
beide Yeinde waren. Er mar da8 Ideal eines Rebellen. 

Das Wort „Rebell“ fteht überhaupt in Habeih in Ehren. Wenn 
man bon einem Mann jagen will, daß er großen Anhang und Einfluß 
babe, To heißt es, er könne einen guten „NRebellen” abgeben. So hörte id 
Abeffinier von Munzinger, der viel Berbindungen in Habeſch hat, behaupten, 
wenn er fih als „Rebell“ aufthun wolle, würde er Erfolg haben. In 
diefem Lande der Anarchie ift ja der Yürft (wie Kaſſa, Gobafye) aud) 
nichts, ala ein zur Herrfchaft gelangter Rebel. Nur, feit er Yürft if, 
weiß man meift ſchon, daß er nicht viel taugt. Vom neuen Rebellen ba- 
gegen erwartet man ſich etwas. An ihn knüpfen ſich inftinctive idealiſche 
Hoffnungen und nicht immer mit Unrecht, mie Theodor bewieß, derja urjprüng- 
lich auch „Rebell” war. Darum ftrömen die friegsluftigen, unabhängigen 
Männer zu ihm. Er bildet ein Lager, fett fich meift durch einen fühnen 
Handftreih in den Beſitz einer Provinz und tritt als Fürſt auf. 

In vielen Fällen ift der Rebell ein Dädſchadſch (General) und Statt- 
Halter einer Unterprovinz, der das Joch feines Lehnsherrn abjchüttelt oder 
der Sohn eines folden. So war es mit Melonen. Sein Vater war 
Statthalter von Hamafien, wurde von Kaſſa abgejekt und eingeſperrt. 
Der neue Gouverneur konnie ſich jedoch nicht halten, da Melonen zu viel 


Abeſſiniſche Große als Gefangene. Ein Gefandter.: 125 


Anhang Hatte und die Provinz feines Vaters mit Gewalt behielt. Ob- 
glich Hamafien in Tigre liegt, jo mählte er doch den jehr entfernten 
Gobafye zu feinem Lehnsherrn. Als ih in Maſſauwa war, trafen grade 
feine Geſchenke an die dortigen Autoritäten, meift Kühe, ein. Es ift 
nämlich üblich, beim Regierungsantritt die Oberhäupter der Nachbarländer 
zu beichenten. 

Bei alledem blieb Melonen? Vater Gefangener Kaſſa's. Gelegentlich 
Gefangener zu fein, gehört fo zu jagen zum Lebenslauf eines Dädſchadſch. 
Es haben fich fogar beftimmte Gebräuche in Berbindnng mit diefem Zu- 
ftand gebildet. Wird ein Bornehmer aus dem Gefängniß befreit, ſo muß er 
pomphaft auftreten. Nurdann gelangt er wieder zu Anjehen und Anhang; 
fonft geht er unter. Zu ſolchem Auftreten gehört eine prächtige Kleidung. 
Herr Haflen befam, während ich ihn bejuchte, einen Brief von einem noch 
gefangenen Dädſchadſch, der um einen goldgeftidten Burnus (in Habeſch 
Mantel der Bornehmen) bat, um ihn bei feiner Entlaffung aus dem 
Kerler zu tragen. Ohne diejen hätte er „Schlechte Figur“ gemacht. 

Auch ein abeffinifcher Gefandter fand fich öfter bei uns ein, natürlich 
ein „Allaka“. Dies Wort kann Minifter, Staatöfecretär u. |. mw. bedeuten, 
aber auch ein leerer Titel, wie etwa unfer „Geheimerath” fein. Er war 
nebenbei „Papas“ (Priefter), auch wie ein Toptifcher Geiftlicher gekleidet, 
aber nicht von fehr geiftlihen Manieren. Ohne Rauſch verging felten ein 
Zag bei ihm. Seine Gefandtfchaft Hatte zwar ein Ende, aber andie Heim- 
kehr zu Gobafye, feinem Yürften, mar einfimeilen nicht zu denken, da Kaſſa 
ihn nicht durch Tigre gelaffen hätte. Auf dem Wege von Suakin nad) 
Metamma hätte ex freilich ungehindert reifen können. Jedoch diefer jchlaue 
Diplomat hatte grade ben einzigen Heimweg gewählt, ver eben verftellt 
war, den über Maſſauwa, und zwar wahrſcheinlich, weil ihm der Auf- 
enthalt gefiel und nichts Toftete, denn er und fein Troß don 10 Mann 
lebten auf ägyptifche Staatsloften. Der Gouverneur von Maſſauwa 
flagte mir zwar über die Unbefcheivenheit des Geſandten, fich fo lange 
füttern zu laffen, aber er meinte zugleich, das könne noch ein Jahr jo 
fortdauern, ohne offiziell beanftandet zu werben. 

Für den Allaka war das Leben in Maffauwa alſo eitel Gewinn. 
Ein abefjinifcher Gefandter bekommt weder Gehalt, noch Diäten, fondern 
iR auf Gaftfreundichaft angewiejen. Findet er nun eine ſolche, wie die bes 
Khedive, fo ift das gegen die Aernllchteit der er zu Hauſe entgegengeht, 
üppiges Wohlleben. 


126 | Das abeffinifche Honigbier. 


Der Allaka mußte, jo oft er zuung kam, mit Cognac tractirt werden. 
Deshalb machte er jo viele Beſuche. Weberhaupt ift das Trinken em 
Fehler der Abeſſinier. Wie gut kannte Mohammed die Bewohner dieſer 
Zonen, daß er ihnen den Wein ganz unterfagte. Denn ein mäßige Trin- 
fen ift in diefen Ländern gradezu unbelannt. Für orientaliche Chriften 
wäre ein Weinverbot ebenfo heilfam, wie bei den Moslems. 


Sm Haufe des Herrn Haſſen bereitete man das abeſſiniſche landes- 
übliche Getränk, Tädſch genannt, eine Art Honigbier. Die Bereitung ift 
jehr einfach. Man miſcht eine Quantität Honig mit der zehnfachen Menge 
Waller und läßt dies drei Tage beim euer oder im Sonnenbrand flehen, 
ehe man die würzenden Sräuter beigiebt. Hat man letztere Hineingethan, 
jo jest man die Miſchung abermals drei Tage der Hibe aus. Der Tädſch 
ift dann ſchon genießbar und fchmedt wie leicht ſchäumender Moſt. Se 
älter er wird, defto beraufchender, aber auch bitterr. Als Moft fand ich 
dies Getränt, wenn richtig gewürzt, ſehr angenehm und ziehe e8 jedem 
ordinären Weine und Biere vor. Es ift wirklich wie ein leichter Cham— 
Pagner, jprengt aud) ganz wie diefer die Flaſchen. Die Abeffinier aber 
trinfen den Tädſch lieber alt, weil er nur dann beraufdt. Es kommt 
übrigen? ehr auf die beigegebenen Kräuter an. Deren find vier die 
üblicheren und jedes giebt dem Tädſch einen andern Geihmad. Man 
mengt nämlich nur felten zwei Sräuterarten zugleid) dem Tädſch bei. Das 
ordinärfte Kraut heißt Zotto*) und giebt den gewöhnlichen Tädſch, der auch 
in Maſſauwa öffentlich verkauft wird und ziemlich fade jchmedt, etwa wie 
ſchlechter Apfelwein. Giſcho ift etwas beſſer als Zotto, aber auch nichts 
Beſonderes. Die zweitbeſte Würze bietet die Amira, ein Kraut, das auch 
merkwürdige antiſyphilitiſche Eigenſchaften hat. Es ſoll (ich verbürge das 
nicht) verjährte Syphilis in Form eines Ausſchlags heraustreiben und 
dann gelind heilen. Der beſte Tädſch, den ich trank, war mit Amira 
gewürzt. Für die erſte Qualität, die ich aber nie verſuchen konnte, gilt 
Mintſcherer, welche den Tädſch roth färbt. Nur von Giſcho nimmt man 
Blätter, von den drei anderen Arten die Wurzeln.**) 


*) Die botanischen Namen diefer Pflanzen konnte ich nicht entdeden, da ih nur 
die Wurzeln derjelben jah. 


**) Ich habe aud in Deutſchland Tädſch bereitet und er fiel jehr trinkbar aus. 
Die Kräuter hatte ih mitgebradt. 


Abeſſiniſche Frauen. 127 


Herr Haflen war ganz auf abeſſiniſche Weiſe eingerichtet. Die Küche 
iſt jehr gepfeffert. Er hatte ſich aber daran gewöhnt; mir war fie anfangs 
ungenießbar. Fleiſchſpeiſen bilden faſt die einzige Hof. Er ſowohl wie 
Munzinger und nod) ein anderer hiefiger Europäer, waren mit Abeffinierinnen 
berheirathet. Dieſe Frauen find dem Europäer ſtets ſympathiſch, von janften 
angenehmen Sitten, vielem natürlichem und beicheidenem Anftand. Der 
» Ruf ihrer großen Schönheit ſcheint mir nicht gerechtfertigt, ebenjomenig 
wie ich entichieden Häßliche ſah. Der Reiz liegt mehr in ihrem ganzen 
Weſen, das fi) jo gut zum europäifchen findet. Dies gilt Übrigens mehr 
von den amhariſchen, als den Tigre-fsrauen. Heren Hafens Yrau war 
(jo wechſelvoll find hier die Schidjale) die Tochter Ubie’s, der einft den 
Fürften-, ja den Königstitel geführt hatte. Seit ihres Vaters Yall war 
fie verfolgt, verjagt, mit ihrer Mutter nah Mafjauma gefommen. Sie 
war nicht mehr ſehr jung, hatte aber etwas fehr Geminnendes in ihrem 
ſtillen befcheidenen Wejen. 

Wie groß die Anziehungskraft abeifinifcher rauen, beweift unter Anderm 
der Umftand, daß ein junger Engländer, einft Theodor's Gefangener, jet 
freiwillig zu feiner ſchwarzen Yrau nah Amhar zurüdgefehrt it. Man 
bat viel von ihrem Ioderen Leben geſprochen. Daß ſolches oft geführt 
wird, ift unzweifelhaft, aber lediglich Schuld derjenigen Männer, welche 
die Yrauen nur als Unterhaltung anſehen. Behandelt der Dann fie 
nicht als Spielball der Luft, ſondern als Ehefrau, fo wird die Abeffinterin 
ih diefer Stellung ftet3 würdig zeigen. Sie befibt durchaus natürlichen 
Zact und Ehrgefühl. 

Die Ehen zwiſchen Deutſchen und Nbeffinierinnen find oft glüdlich 
und kinderreich. Schimper in Adua Hat eine blühende Yamilie von großen 
und feinen Kindern, bis zu dem jüngften Zwillingspaar, das ihm in 
feinem (glaube ih) 75. Lebensjahre geboren wurde. Auch der verftorbene 
Zander hinterließ eine Nachkommenſchaft, die jebt in Maſſauwa lebt. Frau 
Zander war eine noch jehr jung ausfehende Schwarze, obgleich fie fchon 
eine verheirathete Tochter hatte Letztere ſah merkwürdig aus. Ihre 
Haut war zwar immer noch dunkel genug, ihr Haar aber fchlicht, ein 
unfehlbares Zeichen europäifchen Bluts. Dabei mar fie jo außerordentlich 
tobuft, ſtramm und für ihre Jugend mwohlbeleibt, wie ich es nie bei einer 
echten Abeffinierin ſah. Ihr ſchwarzer Mann warein Schatten neben ihr. Sie 
galt für eine Schönheit, wohl mehr nach türkiſchem Geſchmack. Der Heine 
Zander, der grade Maflauma verließ, um mit der ihm vom Herzog von 


128 Ein abeffinifcher Verbrecher. 


Anhalt (feines Vaters Landesheren) verliehenen Unterflübung europäiſch 
‘erzogen zu werden, trug noch mehr, als fie, die Spuren deutjcher Abſtam⸗ 
mung. Uber auch feine Erſcheinung bot mehr Seltſames, ala Gefälliges. 
Diefe Miſchlinge mögen Hüger fein, als Abeffinier; ſchöner find fie nicht. 

Fran Munzinger befam ich nie in der Nähe und unverſchleiert zu 

ſehen. Sie war nicht von Amhar, wie Yrau Hafjen und Zander, ſondern 
aus Bogos, fünf Tage von Maſſauwa. Dort ſcheint die Berührung mit 
moslemifchen Elementen den rauen größere Zurüdgezogenheit aufzuerlegen. 
Auch fie ift nicht jehr jung, aber wohlerhalten, und, wie man mir fagte, von 
großer Schönheit. Sie hatte einen Sohn erfter Ehe, der ein faft grie 
hifches Profil, in's Schwarze überſetzt, zeigte. „Ihre zweite Ehe war noch 
finderlos. Sie foll große Fähigkeiten und ſprachliche Kenntniſſe befigen. 
Of in unſeren linguiſtiſchen Unterſuchungen wurde an fie, ungefehen, ap- 
pellitt und ihr Wort gab ftet3 den richtigen Beſcheid. 
Ich bin überzeugt, daß die Verheirathung mit einer Schwarzen in 
diefem Lande das Richtige if. Was eine Weike leidet, bewies mir eine 
unglüdlihe Miffionärsgattin, Tochter eines ſchwediſchen Generals, die zwar 
mit vieler Aufopferung ihre Verbannung trug, aber ein Bild der Ber- 
beerungen des Klimas darbot. 

In Munzinger Haufe machte ich eine andere merkwürdige Bekanni⸗ 
haft, weniger erbauliher Natur, nämlich diejenige feines Mörders, oder 
vielmehr, da der beabfichtigte Mord ja nicht gelang, die feines Verwun— 
ders. Died war ein gewifler Johannes Teklar, Schwager des ſeitdem 
verftorbenen Pater Stella, eines italieniſchen Miffionärs, den die Abeffinier 
„Abuna Johannes” nannten. Zur Ehre der katholiſchen Miffion muß id 
übrigen? jagen, daß diefer Pater ein Abtrünmiger war. Er und ein 
gewiſſer Emmnetu, ebenfall3 ein abtrünniger Geiftlicher (geborner Abeffinier), 
der, je nach Bedürfniß, bald katholiſch, bald wieder ſchismatiſch wurde, follen 
die That gebraut haben, deren Arm Johannes war. Der Grund war die 
Eiferfußt auf Munzinger Stellung in Bogos, deſſen Statthakterjchaft 
ihm Kaſſa verliehen hatte, während früher bier Stella und Emmnetu un- 
umſchränkt herrſchten. Religiöje Beweggründe waren ganz außer Spiel, da 
Munzinger, als Katholik und franzöfiiher Conful, ftetS die katholiſchen 
Intereſſen verfocht. 

Die Sache wurde übrigens vom Conſulat unterſucht, und die Schuld 
der drei ermittelt. Stella's Tod befreite die Europäer vom Scandal, 
Einen der Ihren verurtheilt zu jehen. An feiner Schuld war wohl nicht 


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Das Attentat auf Munzinger und feine Folgen. 129 


zu zweifeln. Er hatte gerade vorher in Maflauwa Pulver und Blei kaufen 
laſſen, mit Johannes conferirt und war dann nad Barka ind Innere ge- 
tet, um für feine Berfon ein Alibi zu haben. Al er vom Mißlingen 
erfuhr, wagte er nicht nach Seren zurüdzulehren, fondern hielt ſich in 
Schotell. Bon dort fehrieb er an Munzinger, er möge nicht an feine 
Schul glauben. Und er war no gar nicht angeklagt. Emmnetu und 
Johannes wurden von Kaſſa auägeliefert, blieben erſt im ägyptiſchen, dann 
im confularifchen Gewahrfam. Emmnetu ftarb im Gefängniß. Johannes 
lebte noch, war aber krank und befand fich, als ih nad) Maſſauwa kam, 
in Munzinger’8 Erdgefchoß ganz unbeläftigt, ohne Ketten, von dem gefüt- 
tert, deflen Tod er beabjichtigt hatte. Munzinger war geneigt, ihn frei- 
zulafien. Rachegefühle waren ihm fern, und Johannes ſchien mehr Werk— 
zeug al3 Urheber. Da traf zum Ueberfluß noch ein jeltiamer Beſcheid der 
franzöfifchen Regierung ein. Man legte an abeſſiniſche Berhältniffe den 
europdiſchen Maßſtab an und verwies Johannes an da8 Tribunal feines 
eigenen Landesherrn, d. h. Kaſſa's. Nah Tigre follte er aljo ausgeliefert 
werden, wo er natürlich taufend Gelegenheiten zu entichlüpfen hatte. Diejer 
Spruch Hang wie Ironie Munzinger entließ ihn übrigens ſogleich, auf 
die Auslieferung verzichtend, die doch nur illuſoriſch geweſen wäre. Ber 
elende Menſch mollte aber gar nicht fort. Er konnte, vom Scorbut zer- 
frefien, nicht gehen, und hatte es im Gefängniß beſſer, als in der Tyreiheit, 
beionder8 da er mittello8 war, denn die 30 Thaler, die man ihm für bie 
Blutthat verfprodden, hatte er nie befommen. 

Diefer Böſewicht mar ein ganz umgänglicher und gar nicht ungebil- 
deter Menſch. Er kannte die amhariſche Schriftipradde und vermochte über 
die beiden Tigre - Dialekte gute Auskunft zu geben. Er philofophirte 
manchmal über fein Verbrechen. Er unterjchied fein zwiſchen den Motiven 
de Mords. Ein Mord aus Rache oder Haß ſchien ihm ein großes Ber- 
brechen. Seine That dagegen behandelte er al3 ein Geſchäft. Er Hatte 
für den Schuß contractirt und mußte ihn leiften. Ein guter Gejchäfts- 
mann erfüllt feine Verbindlichkeiten. Hätte er's nicht übernommen, jo 
hätte man ben Berdienft einem Andern zugemwendet, und er, als Schwager, 
Hatte doch die nächften Ansprüche. Sich ſelbſt hielt er nur für ein „Opfer 
der Verhältniffe”. 

Es ift intereffant, von einem Manne, der dem Tod fo nah ins An- 


geficht fah, die Eindrüde zu Hören, die er dabei hatte. Munzinger fagte 


mir, er habe anfangs gar nichts gefühlt, und doch hatte er drei Wunden 
v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 9 


130 Reifeart im Innern von Abeffinien. 


befommen. Erſt die Blutung beivog ihn zur Umkehr. Die ſchlimmſte 
Verwundung, durch eine in den Darın eingedrungene Kugel verurjadht, 
merkte er erſt nad einer Stunde. Sie mar ſchwer heilbar und, obgleid 
eine Operation in Aden ihn ſehr erleichtert, jo leidet er doch noch von 
ihren Yolgen. 

Das Schießen ift überhaupt in Habeſch das täglihe Brod. Nur 
Waffen vermögen Reſpect einzuflößen. Herr Haſſen fragte mich einmal, 
ob ich ins Innere gehen wolle und wie viel Gewehre ich Habe? Ich befak 
nur zwei und Revolver. Dies war durchaus ungenügend. Er felbfl, wenn 
er reife, nehme 17 bis 18 gute Büchfen mit und lade jede einem hand— 
feften Abeffinier auf. Wer Berbindungen hat, findet in Maſſauwa immer leicht 
einige zivanzig Serle, die ohne Lohn, bloß ihrer eigenen Sicherheit wegen, 
ich ihm auf der Reife anfchließen, denen er Waffen leiht und auf die er 
zählen kann, denn ihr eigenes Intereſſe beftimmt fie, treu zu fein. Se 
größer die Geſellſchaft, defto fiherer die Reife. 

Es ift in diefer Beziehung hier ganz anders, als in Arabien. Dort 
muß man fi) auf die Freundſchaft der Stämme verlafen. Man bewaffnet 
fich zwar auch, aber wehe dem, der von feinen Waffen gegen Menſchen 
Gebrauch machen muß! Er wird unfehlbar der Blutradhe unterliegen. In 
Habeſch, defien Bewohner nicht in Stämmen zufammenleben und auf bie 
Traditionen der Blutrache geringeren Nachdrud legen, zieht eine Tödtung 
nicht folcde furchtbaren Folgen nad ſich. Da die Bevölkerung nicht einig 
ift, fo ift ein Zrupp bon zwanzig Bewafneten bier ſchon eine Macht. In 
Arabien dagegen ift e8 gar nicht gerathen, To zahlreich aufzutreten. Wan 
erregt nur Mißtrauen und man vermag doc) nicht? gegen einen Stamm, 
denn der geringfte kann immer 200 Krieger ftellen und diefe handeln wie 
ein Mann dem Fremden gegenüber. In Arabien herrſcht das Stammes | 
recht, das Recht der flärferen Gruppen, in Habeſch das ber flärkeren In 
dividuen. Fauſtrecht in beiden Fällen, aber bier ein individuelles, dor 
ein collectiveg Fauſtrecht. 

Man kann ſich heut zu Tage nicht mehr auf den Schuß eines abeffi- 
niſchen Fürften verlafen, wie zu Theodor's Zeit, denn die meiften find 
ohnmädtig. Sogar in Kaſſa's Hauptſtadt muß man ſich ſelbſt feiner 
Haut wehren, namentlich feit die vielen Griechen da find. Diefe Leute 
find meift das ſchlimmſte Gefindel, Spitzbuben und Bravos, die früher in 
Cairo und Alerandrien ihr Unweſen trieben und bei denen ein Mord feinen 
Tarif bat. 


Guropäer in Abeffinien. Griechen. 131 


Ich Iernte in Mafjauma einen Franzoſen kennen, der in Adua ſeßhaft 
wat. Er war ein jehr gejhidter Büchfenmacher und als ſolchen hatte ihn 
Kafja kommen laflen, ihm goldne Berge verfprochen, zahlte ihn aber nicht. 
Auper ihm leben von Europäern dort noch Schimper, zwei deutjche Miffio- 
naͤre (file Leute, die fich mehr auf das Verbreiten von Schriften befchrän- 
fen) und ein englifher „Oberft”, den Kaffa in feinen Dienft genommen 
bat. Diefer war in England nur Unteroffizier geweſen, hatte aber ſpäter 
im hinefiihen Dienfte höhere Chargen erlangt und führte jebt in Adua 
ein jehr langweilige Leben. Auch er wurde nicht bezahlt, ſondern nur 
mit Tädſch und Victualien abgefunden. Kaſſa gewann aber dur das 
bloße Gerücht, daß ein englifcher „Oberft” bei ihm ſei, an Präſtigium. 


Er ift übrigen? durchaus nicht im Auftrag der engliihen Regierung 
dort; diefe warnt vielmehr alle ihre Unterthanen, nach Abeſſinien zu gehen 
und erflärt ihnen, fie müßten dort ganz auf ihren Schuß verzichten. Sie 
will Tein zweites Magdala mehr. 


Bon Schimper’s Leben machte der Franzoſe eine intereffante Befchrei- 
bung. Obgleih er aus Europa faft nichts bezieht, jo ift er dennoch ganz 
europuiſch eingerichtet, da er es verfiebt, ſich die meilten Utenfilien und 
Möbel felbft zu machen. Trotz jeine® hohen Alter arbeitet er den 
ganzen Tag und verweift alle Bejuche auf den Abend. Dann foll er aber 
defto unterhaltender jein. Zu Kaſſa bat er fait keine Beziehungen. Er 
bat ſchon vor vielen Jahren die Kartoffeleultur im Lande eingeführt, und 
die dankbaren Bauern bringen ihm alljährlich viele Säde davon, in dem 
gemüfelofen Lande feine geringe Annehmlichkeit. Bor Kurzem hatte ihm 
Jemand einen ſchlimmen Streich gejpielt, nämlich eine Glode, die Schimper 
für fein Geld in Europa beftellt hatte, in Empfang 'genommen und an 
Kafia geichentt. Das mar allerdings auch Schimper's Abfiht gemejen. 
Aber nun machte ſich ein Anderer mit feinem Gefchent Freunde. 


Die große Klage war über die Griechen. Dieſe haben Adua ſchon 
ganz unficher gemacht. rüber hörte man dort jelten von Diebftählen, jebt 
find fie das tägliche Brod. Diefe Leute ſchaden auch dem Handel jehr. 
Kaſſa geftattet nämlich Europäern zollfreie Einfuhr. Nun laſſen ſich die 
Griechen für Geld herbei, Waaren der Einheimifhen am Zollhaus für 
die ihren auszugeben. Kafſa verliert dadurch viel und das Ende wird 
ein, daß er jene Steuerfreiheit aufhebt und alle Europäer darunter leiden. 
est hat Allaka Buru, Kaſſa'szGeſandter, aus Aegypten noch eine neue 

9* 


132 Gin Eunuche. Theodor und der Ablına. 


Ladung Griehen (man ſpricht von Hundert) mitgebracht. Gott weiß, 
welche Zuftände diefe herbeiführen werden! Dieſe Leute fommen alle in der 
Meinung her, Abeffinien fei ein reiches Land. Baar Geld ift indeß entfeß- 
lih rar. Sie haben freilich keine Scrupel es ſich auch widerrechtlich zu 
verſchaffen. Aber trotzdem iſt noch feiner dort reich geworden. Es ifi 
eben nichts zu holen. 

Eine andere abeſſiniſche Bekanntſchaft war die eines Eunuchen, der 
früher Sklave des Abüna Saläma, des abeffiniihen Biſchofs, geweſen 
war. Er bot eine eigenthümliche Erſcheinung. Die Natur Hatte ihn 
offenbar zu einem der größten und Träftigften Männer beftimmt. Sein 
Knochenbau war Toloflal. Aber auf diefem riefigen Körper ſaß ein Sinder- 
gefiht. Das Eunuchenthum giebt nämlich, jo lange der Menſch no jung 
ift, ein faft Inabenhaftes Ausfehen. Weibiſch war er gar nicht, wie fonft 
viele Eunuchen. Bon feinem verflorbenen Herrn ſprach er mit großer 
Verehrung. Dann fagte er nie Abuna (unfer Bater), fondern Abuni 
(mein Bater), was einen ganz andern Sinn giebt. Das erfte iſt Titel, 
das zweite Eindlicher Gefühlsausdrud. Er Hatte Theodor's letzte Wahnfinnz- 
periode an deflen Hofe erlebt und erzählte mir Schauderhaftes von den 
Berftümmelungen, Hinrichtungen, weldhe dieſer unglüdliche Yürft in feiner 
Tobſucht (man kann e8 kaum anders nennen) befahl Am tiefften aber 
hatte fich jeinem Gemüth eine andere Scene eingeprägt. Cr war nämlid 
Zeuge, wie Theodor den Abuͤna zu Boden warf und auf ihm herumtrat. 
Died nahm er ihm am meiften übel. Uebrigens ſprach er ſonſt nidt 
ſchlecht von Theodor. Ueberhaupt habe ich feinen Abeffinier gefunden, der 
dies that. Seine Graufamleiten waren Thatfahen, die Niemand leugnete, 
jedod man ſchrieb fie dem Wahnfinn zu. Sonft aber waren Alle ohne 


Ausnahme feines Lobes voll. Auch Engländer, einft feine Gefangenen, hörte 


ich jagen, es fei nicht zu leugnen, daß Theodor für fein Land „ein großer 
Mann“ gemefen ei. 


Rolhes und Axabiſches Meer. 


Sechszehntes Capitel. 
Segelfahrt von Maſſauwa nach Aden. 


Engliſches Segelſchiff. — Kohlenverſchwendung. — Der Capitän des „Weſtward Ho“. — 
Der Dragoman. — Ein Handelsgenie. — Ueberfluß an Schiffsjungen. — Engliſche 
Natroſen. — Die Officiere. — Contraſt der verſchiedenen Schiffstheile — Der 
Pilot. — Seine ſchwindelhafte Nautit. — Der Lehrling des Lootſen. — Baifionen 
eines arabijchen Seemannes. — Verhältniffe des Pilotenthums. — Der Archipel von 
Dahlat. — Windverhältniffe. — Die Inſel Zugur. — Kreuzfahrten. — Das Um- 
lagen de Monjuns. — Kurze Kreuzungen. — Sheh Said. — Ein Monfun: 
hafen. — Inſel Berim. — Bäb el Mandeb. — Windftille. — Ras “Ara. — Gebel 
Dad. — Die „Ejelsohren“. — Einfahrt in den Bufen von Aden. — Der oftindifche 
Bilot. — Beſuche. — Parfi. — Banianen. — Die Kleinen Geſchäfte des Eapitäns. 


Der „Weſtward Ho” war ein fchönes großes englifches Segelſchiff 
von 600 NRegiftertonnen, konnte aber über 1000 tragen. Er war in 
Folge einer ungejchidten Verwaltungsmaßregel der „Compagnie Azizige”, 
die befanntlich nur aus dem Khedive befteht, nah Maffauma gelommen. 
Man hatte nämlich Kohlen für das hiefige Depöt beftellt, ohne zu fragen, 
ob es nicht ſchon zu viele Habe. Der „Weſtward Ho“ führte ihm nun fo 
viele zu, daß bei der jchlechten Beichaffenheit des Verwahrungdorts min- 
deſtens einem Drittel ficherer Schaden prophezeit werden konnte. Doch 
das fümmerte weder die ägyptifche Regierung, die gewohnt ift, ihr Geld 
zum Yenfter hinauszumwerfen, noch natürli den „Weltward Ho”, der nur 
einen Auftrag erledigte. 

Da an Rüdfradt in Maſſauwa nicht zu denken, jo ging dad Schiff 


134 - Unterfommen auf einem englifchen Segelfchiffe. 


im Ballafl nad) Oftindien, fie dort zu holen. Ich fand alſo eine Gele 
genheit nach Aden zu kommen, ficher, wenn auch langjam, denn der Wind 
dahin ift im Winter ſtets conträr. Aber bald wäre fie mir entjchlüpft. 
Der Capitän mollte nämlich gar nicht reiht daran. Es mar eine ädhte 
Theerjade, die Paſſagiere befanntlih nicht liebt. Schließlich meinte er, 
wenn er doch einmal fo ein Landgewächs mitnehmen folle, jo müfle aud 
etwas dabei herausſchauen. Er verlangte alfo etiva das Dreifache eines Dampf: 
ſchifftarifs. Munzinger war jo gütig, mit ihm zu handeln, und fo ging 
er endlich von feinen 20 Pfund auf 16 mit, und 10 ohne Foft herab. 
Sch zog lesteres vor, da Abdulmedſchid Tochte, der Proviant, hauptiſächlich 
aus lebenden Thieren, d.h. Lämmern und Geflügel beftehend, in Maſſauwa 
billig war und ih nicht auf Salzfleifch angewiejen fein wollte. — Die 
Koft auf ſolchen Segelſchiffen ift uneßbar. Lieber arabijche® Brod und 
Datteln, als diefes ewige „Gſellige“. Dazu der Schiffszwiebad mit dem 
ominöſen Beigeſchmack und dem „muffigen” Gerud). 

Sch bewohnte während der 20 Tage diejer langfamen Yahrt eine 
ſchöne große Sajüte, zufammen mit einem Malteſer Jüngling, der irgend 
etwas, aber nichts Nügliches auf dem Schiffe war. Man nannte ihn 
Dragoman. Died Amt konnte er natürlih nur in Hafenorten verwalten, 
denn auf dem Schiffe ſprach Alles eine und diefelbe Sprade. Er war ein 
Handeldgenie, hatte in Maſſauwa eine Unzahl unbequemer Waffen gekauft, die 
ftet3 umher rollten, mein Leben gefährdend; außerdem auch noch eine Brut- 
benne, die er einmal fpäter in Aegypten theuer zu verlaufen hoffte, da 
dort nur das künſtliche Brutſyſtem bekannt ift. Ihre 20 Küchlein wurden 
natürlich Schon in der erfien Naht von den Ratten gefrefien. Denn Rat: 
ten bat jedes Segelihiff. Das Umberrollen war überhaupt unfere einzige 
Unterhaltung. In unſerer Gajüte war nämlich nichts nagelfeſt. Alles 
tollte, Betten, Tiſche, Stühle, Koffer, jogar ein fürchterlich großes Rum- 
ja. Dies drohte mir oft den Garaus zu maden. Je ſtürmiſcher bie 
Nacht, deito öfter rollte e8 auf mich, oder ich fammt meinem Bett rollte 
zu ihm und e3 fiel dann über mid). 

Ih bekam bier einen ganz eigenen Blid in die Perjonalverhältnifie 
auf modernen englifhen Seglern. Ich mar anfangs ehr erftaunt, daß 
das Perfonal vorwiegend aus „Boys“ (Schiffsjungen) beftand. Der Co- 
pitän erklärte mir dies. 

„Unfere Yirma,“ fagte er, „ist jehr für die „Boys“, ich aber gar 
nit. Sie willen nichts, Tennen nicht die Namen der Taue, man muß 


Die Bemannung eined englifhen Kauffahrers. 135 


fie jedesmal inſtruiren, fo oft das Schiff „umgebreht” wird. Aber für 
die Yirma iſt es ein gutes Geſchäft. Die Matrofen verlangen Gehalt, 
die „Boys“ aber zahlen noch. Ih babe neun Stüd hier, die jeder 60 
Pfund Sterling Lehrgeld zahlen; ein zehnter fogar, der als erfter Elah- 
pafiagier behandelt wird und am Gapitänstifh ikt, hat 140 Pfund 
gezahlt.” 

Ich erinnerte den Capitän an die Barlamentsacte, wonach jeder See= 
mann, felbft der Cajütenjunge Gehalt befommen muß. 

„O was da3 betrifft,” fagte der Bapitän, „jo find wir volllommen 
in der Regel. Jeder von unferen zehn Boys befommt feinen Schilling 
(10 Sgr.) monatlich.“ 

Diefen „Boys“ ſah man allerdings nicht an, daß fie mohlhabender 
Leute Kinder waren. Nichts ift Schauderhafter, als die Alltagderfcheinung 
eined Sauffahrermatrojen und die der „Boys“ war nicht beiler. ber 
jeder beſaß für Tyeftanläffe eine Uniform, worin er wie ein Seecabett in 
Gala erſchien, die indeß nur in den feltenen Fällen hervorkam, wenn ber 
Kapitän einen Ausgang geftattete, was er fehr ungern that. Meift kam 
dann die ganze Gefellfchaft, felbft die zwmölfjährigen Jungen, elend krank 
von Branntwein und anderen Genüflen aufs Schiff zurüd und mar einige 
Zage nicht zu brauchen. 

Noch ärger waren freilich die erwachſenen Matrofen, deren wir jedoch 
außer dem Zimmermann nur fünf hatten. Bon der ſprichwörtlichen eng= 
liſchen Nettigkeit, Reinlichkeit, Yeinheit, ja oft felbft von der Moralität 
(mande Matroſen „annectiren” gern) muß man bei gemeinen Seeleuten 
ganz abjehen. 

Ein intereffantes Exemplar war der „Doctor“, jo nennt man den 
Koh auf engliihen Schiffen. Er verftand fi gut auf Rumpubdinge, 
noch befjer auf den Rum felbf. Am Rumfaß, das „meine Träume be- 
ſchützte“, hatte er ganz unten ein geheimes Ertra-Spundlod angebracht, 
an dem ich ihn oft in näcdhtlicher Stille, wenn ih aus dem Schlaf er- 
machte, ſaugend fand. Ich verrieth ihn natürlich nicht, freute mich ſogar, 
daß daS Ungeheuer von Rumfaß leichter wurde. 

Die Officiere hatten diefelben Stufen durchgemacht, ſich aber in jeder 
Beziehung emporgearbeitet, und fogar eine gewiffe Bildung errungen. 
Der Capitän, der, wie er mir felbft fagte, feine Garriere als Küchen- und 
Cajütenjunge begonnen, ſetzte mi manchmal durch feine Belefenheit in 
Erftaunen, die fi nicht auf die Senfationsromane des Tags befchräntte. 


136 Der arabifche Pilot. 


Es waren Leute, mit denen ſich's gut verkehrte, immer zum Spaß aufge- 
legt. Namentli der Maltefer mußte oft als Zieljcheibe ihres Scherzes 
dienen. 

Wie das Perſonal, jo boten auch die Schiffstheile ihren Contraft 
dar. Des Capitäns und unjere Seite war reinlic und nett gehalten, der 
Reft ein Schweinftall im buchftäblichen Sinne, denn der Capitän erzog hier 
eine Tleine Heerde, die er als Spanferkel von England mitgenommen hatte 
und die bei den Küchenabfällen ſehr gedieh, aber natürlich den Schiffsvor⸗ 
bertheil unbewohnbar machte. 

Eine wichtige Perſon mar der Bilot, ein Araber aus Dſchedda, der 
aber, wie es ſich auf der Fahrt herausſtellte, die Küſten weniger Tannte, 
al3 den Mittelweg von Aden nad) Suez. Seinen Mangel an Kenntniß 
erjeßte er durch Angſt. Gefahr litt man nicht mit ihm, denn er ſah überall 
Klippen, auch wo feine waren, und warnte vor ihnen. Um fich eine Ken⸗ 
nermiene zu geben, ftieg er oft auf den Maftbaum und berfündete eine 
Untiefe oder Klippe, die er zu fehen vorgab. Anfangs biß der Capitän 
auf diefen Zopf an. Uber der Pilot verrieth fi), indem er doch ein Bis— 
hen zu did auftrug. Einmal behauptete er nämlich, vier Meilen vor uns 
eine Inſel zu jehen, fagte auch ihren Namen. Als man die Karte befragte, 
fand fih, daß diefer Name einer Sandbant, die allerdings hier vorhanden 
war, gehörte, die aber fünf Yaden unter Waller lag! Und dieſe hatte 
der Bilot „von fern gefehen!” Seitdem war's mit feiner Autorität vorbei. 

Der Capitän unterließ deshalb Hinfort das nächtliche Ankern, wozu 
ihn anfangs die Angſt de3 Piloten bewogen hatte und das uns viel Zeit 
raubte. Bon nun an wurde der Bilot zur Caſſandra. Jede Nacht pro= 
phezeite er Schiffbrud und fein drittes Wort war „wir find verloren“. 
Als wir heil nach Aden kamen, ſchien er’3 ordentlich zu bedauern. Er war 
ein „Wunder Gottes”, der Capitän aber hätte verdient, Schiffbrud) zu 
leiden. 

Eine noch peffimiftiichere Seele mar fein Lehrling, übrigens gerade 
fo alt, wie er, d. h. einige fünfzig, der die Geheimniffe des Pilotenthums 
ftubirte, aber ein fchlechter Schüler, denn er durchfuͤrchte ſchon feit feiner 
Jugend das Rothe Meer, ohne es zum Piloten gebracht zu haben. Viele 
arabiſche Piloten fchleppen ein ſolches Anhängſel mit ſich, um nicht unter 
„Chriftenhunden“ allein zu fein. Diejer rief bei jeder Windveränderung 
den großen „Widerus”, den Heiligen von Aden, an und gelobte fo oft 
ein Schaf zu ſchlachten, daß er einen Markt hätte auflaufen müfjen. 


Pilotenthum im Rothen Meer. 137 


Eigenthümlich waren die Yamilienverhältnifie des Piloten, die er oft 
mit Stolz außeinanderjegte. Er hatte an drei verfchiedenen Orten Harems, 
die nichts von einander wußten. Die Zahl feiner Frauen übertraf weit 
bie vier. Doch da3 war nur für die Hauptftationen. In Nebenhäfen, 
wie Sualin, Maſſauwa, befaß er nur „Geliebte“, von denen er mit Ent- 
züden ſprach. Seine Einnahmen, obgleich ſehr Hoch Für einen Araber, 
genügten nicht bei diefem Weiberreichthum. In jedem Hafen erwartete 
ihn ein Heer von Gläubigern, jo daß er zwar froh war, anzulommen, um 
feine rauen zu ſehen, aber mit Freuden fich bald wieder verdang, um 
den Gläubigern zu entfliehen. Diefe ließen ihn nie fort, ohne fein Zootfen- 
geld, das im Voraus gezahlt wird, empfangen zu haben. So war er ſtets 
ohne Geld, aber doch ſtets guter Laune. 

Das Pilotenthum ift bier einträglid. Die Poftdampfer haben meift 
Lootfen im Monatlohn zu acht bis zwölf Pfund Sterling. Beſſere Ge- 
ihäfte machen jedoch die Lootjen, die fih nur für eine Reife verdingen. 
Unfer Bilot befam 25 Pfund Sterling für die Yahıt von Suez nad) 
Men. Bi jebt fand man faft nur Araber für diefen Dienft. In neuefter 
Zeit aber haben auch Engländer fi damit befaßt. Ich kannte einen, der 
zwiſchen Suez und Aden fuhr, aber ftet3 nur „für die Tour”, nicht auf 
Zeitlohn, und auf feine 20 Pfund Sterling per Monat bei guter Verpfle— 
gung reinen konnte. Er kannte dad Rothe Dleer ungleich beffer, als die 
meiften Araber. Daß ein geſchickter Capitän mit guten Karten allenfalls 
einen Lootſen entbehren kann, beweiſt unjer Fall, denn der unferige richtete 
nur Berwirrung an. Der Capitän wußte das Richtige ſtets ohne ihn und 
jehr oft gab der Pilot das Falſche an. 

Mir famen ſehr langſam vom Yled. Im Archipel von Dahlak war 
es faft windſtill. Nachts mußte hier fet3 geankert werden, oft auch bei 
Tage, wenn Windftille bei ungünftiger Strömung eintrat. Kam dann ein 
günftiger Wind, fo hatte er fich gewöhnlich ſchon wieder gelegt, wenn man 
mit Anterlichten fertig war, denn dies dauerte oft anderthalb Stunden. 
Selbft der Heinfte Anker nahm bei der Geringzähligfeit des Perſonals eine 
Stunde in Anſpruch. | 

Nah vier Tagen waren wir noch nicht Über die Inſel Dahlak hin— 
ausgefommen. Sie ift jo flach, daß man fie faum gewahrt und erinnerte 
mid an Dſcherbe in der Heinen Syrie. Die anderen Infeln, wie Afäler, 
Hawäfil, Omm Saharig find meift felfig und bieten in Folge einer opti- 
ſchen Täuſchung von fern das Bild riefiger Pilze oder Schirme. Die 


138 Windverhältniffe im Rothen Meer. 


„Boys“ erklärten fie für „Bäume“ und viele der Slippen ſahen aud) 
wirklich oft täufchend fo aus. 

Kaum aus dem Arcdhipel heraus, fanden wir den in diefer Jahreszeit 
beftändigen Gegenwind, denn der aus dem Indiſchen Ocean kommende 
Nordofl-Monfun bricht fi) bei Bab el Mandeb und dringt als Süd bis 
über die Breite von Maffauwa. Er trat fo heftig auf, daß wir die bi- 
beten Segel nicht auffpannen konnten. Gegen diefen Wind, der gemwöhn- 
lich nad) Mitternacht am ftärkiten, oft al3 wahrer Sturm müthete, und 
nur um Sonnenuntergang etwas ſchwächer wurde, mußten wir nun zehn 
Tage lang ankreuzen, bis Bäb el Mandeb erreicht wurde. Stet3 ging's 
von der afrikaniſchen Seite auf die arabifche und wieder zurüd. Anfangs 
dauerte eine Schwenkung zehn Stunden; morgens jahen wir die weißen 
Häufer von Hodaida ganz deutlich vor uns, Abends wieder die Berge Oft: 
afrikas. Wir fegelten jehr geſchwind, oft 7 Meilen in der Stunde, aber 
wir famen höchſtens 1 Meile wirklich” vorwärts. 

In der Gegend von Zugur hatten wir eine Weberrafhung. Der 
Südwind legte fih und ein bisher von und noch nicht erfahrener Land» 
wind trieb uns günftig weiter. ber diefe Freude dauerte kaum eine 
Stunde. Dann wieder Windftille und darauf von Neuem die Windsbraut 
aus Sid. Dieje Inſel und den Gebel Harniſch konnten wir vier Tage 
nicht aus dem Geficht verlieren. Wir kamen ihnen ſehr nahe und konnten 
genau die Pflanzen unterſcheiden. Die Inſeln find unbewohnt, aber nicht 
unbejucht, wie einige arabijche Boote, die dort hielten, zeigten. 

Alles rieth dem Kapitän in Moda einzulaufen, um den temporären 
Umfchlag des Monfun abzuwarten, der bevorftehen follte Der Südwind 
wird nämlich oft um die Zeit des Mondwechſels dom Nordwind abgelöft, 
der dann einige Tage anhält. Aber die alte Theerjade wollte nicht. Alle 
Gapitäne vermeiden, ſoviel fie können, die Häfen. Diesmal gab ihm 
übrigens der Wind Recht, der troß des Mondwechſels nicht umſchlug, ſon⸗ 
dern noch gerade fo heftig gegen uns fegte, wie vorher. Ich erfuhr Tpäter 
in Aden, daß beim folgenden Wechfel der Umſchlag deito Heftiger erfolgt 
fei, und im fogenannten Hafen von Scheh Said große Verwüflung an 
gerichtet habe. 

Je näher wir Bab el Mandeb kamen, defto heftiger wurde zwar ber 
Mind, aber die Bewegung des Meeres mar nicht mehr die frühere, ſon⸗ 
bern auf diefem beichräntten Raume nur die eines aufgeregten Landſees. 
"Wir athmeten auf und genoſſen diefe legten Kreuzfahrten jehr. Nun wurde 


Eheh Said. Inſel Perim. 139 


das Schiff jede Stunde, zuleßt jede halbe Stunde „umgedreht“. Wohl 
zwanzig Mal trieb uns unfer Kreuzweg in die nächſte Nähe von Schech 
Said, jener franzöfifchen Niederlaffung am Heinen Canal von Bäb el 
Mandeb, der Inſel Perim gegenüber. Einige abgetafelte Kauffahrer Tagen 
davor, die als Magazine dienten. Andere Schiffe fehlten. Erſtere follten 
einen Monat fpäter im fogenannten Hafen*) Schiffbruch leiden und deſſen 
Präftigium gänzlich zerftören. Es ift eben nur ein Monfunbafen; d. h. 
die Schiffe können bald rechts, bald links vor der fchügenden Landſpitze dem 
jedes Mal herrſchenden Winde troßen. Tritt aber der Umſchlag plößlich 
ein, jo find fie verloren. 

Bei Scheh Said fieht der Heine Canal (zwiſchen Arabien und Perim) 
recht ftattlih aus. Er ift aber nur 5 bis 6 Seemeilen breit, für Kreuz 
fahrten zu wenig, Die Infel Perim bietet ein teoftlofes Bild. Sie hat 
einen Leuchtturm und einige Baraden, in denen ein Officier mit 40 Se— 
poys lebt. Kein Baum, kein genießbares Kraut wächſt bier. Die Meer: 
enge ift viel breiter, als ihr Hippenfreier Raum. Die fogenannten „Brü- 
der”, eine Menge Felſen und Inſeln, unter denen acht größere, verengen 
jeht denfelben. Es war nicht leicht hinauszulapiren. Wohl ſechs Mal 
jeßten wir von der afrikanischen Seite aus an, aber kamen ftets nur bis 
zur Nordfpibe von Perim. Dann nochmals zurüd bis an die tafelför- 
migen Berge Oſtafrikas. Erſt als um 41/, Uhr Nachmittags die bier 
periodiſch mechjelnde Strömung uns günftig wurde, fuhren wir von Nord- 
weit nah Südoft, in einem Zug (ohne weitere Sreuzung) durch Die 
Meerenge. | 

In dem nun erreichten Golf von Aden waren die Windverhältniffe 
ganz andere. Der Südwind ſchlug in Südoft um, mit dem wir anfangs 
gut voranlamen. Bald aber trat Windftille ein und der „Weſtward Ho“ 
rubte nun 24 Stunden wie ein „gemaltes Schiff auf gemaltem Meer”. 
Dann ſchwacher conträrer Wind, unter dem aufgekreuzt wurde, wieder von 
Aien nah Afrika und zurüd. 

Am dritten Tag nad Baͤb el Mandeb erreichten wir Raͤs "Ara, den 
jüdlichiten Punkt Arabien. Dies Cap ift ganz flach, alfo fein Vorgebirge, 
im Innern eine zackige Felſenmaſſe. Dann das große Gebirge Gebel 
Charaz und der fattelförmige Gebel Da. Hier ſchienen wir abermals 


* Bon She Said ift bei Erwähnung des hier wohnenden Stammes, der 
Hakmi, ausführlicher die Rede. 


140 Ginfahrt in den Hafen von Aden. 


wie feſtgebannt, denn wohl drei Tage lang ſahen wir dieſen ſeltſamen 
Baſaltberg, deſſen Rüden ſchwarz, deſſen Abhänge aber ganz mit vom 
Winde aufgepeitſchten Meeresſand bedeckt find. Die lange flache Küſten— 
ſtrece, welche ihm folgte, behielten wir nicht lange in Sicht. Der Wind 
wurde gunſtig "und wir waren bald zwiſchen Gebel Haſan und Gebel 
Schamſcham, den zwei Thorpfeilern des Buſens von Aden. Ein Theil 
vom Gebel Haſan Heißt „Eſelsohren“, nämlich zwei von den zahlloſen 
Felsſpitzen, deren Form an ſolche erinnert. Aber die „Eſelsohren“ ſind 
kein Gebirge, nicht einmal einzelne Berge, wie ich das ſchon geleſen habe, 
ſondern eben nur Felsſpitzen des Gebel Haſan. 

Vor der Einfahrt in die Rhede kam uns ein alter Indier entgegen, 
der Pilot des Hafens, der nun die Leitung des Schiffes übernahm. Er 
war ein vollkommener Seemann, engliſch geſchult, und commandirte das 
Schiff gerade wie ſein eigenes, zur Ueberraſchung des Capitäns, der ſich 
auf einmal ſehr Hein fühlte und das einem „Native“*) (Eingeborenen) 
gegenüber. Um feine Autorität zu behaupten, blieb ihm nichts übrig, als 
alle Commandoworte de Indiers noch lauter zu wiederholen. So murde 
der Schein gerettet, daß die Matrofen ihm gehorchten. Unfer Pilot war 
plöglih zu einer „Null“ gemorden. 

Wir befamen gleich jehr viel Beſuch und zwar charakteriftiichen, der 
ung recht nahe legte, daß Aden politiich zum englifchen Oftindien gehört. 
Bor Mlen ein Raubvogelgeficht, der nie fehlende Parſi. Sein charal- 
teriftifches Gefchlecht ift unten näher zu fchildern. Diefer war Schiffe: 
makler, ſprach geläufig engliſch und fing gleich mit dem Capitän ein Ge- 
prä über Talg an. Unfer Capitän biß aber nicht an. Die Preife des 
Parfi waren denn doch zu raubvogelartig. Dann kamen die Banianen 
(indifche - Kauſmannskaſte), die Kohlen kaufen wollten. Zu meinem &r- 
ftaunen erfuhr ih nun, daß der Kapitän in Maſſauwa nur die Hälfte 
feiner Fracht gelafjen Hatte. Die dortigen Autoritäten hatten nämlid) 
einen Theil der zu liefernden Kohlen wieder an den Gapitän (verjteht fich 
billiger) verkauft. Alle Theile gewannen hierbei, der Capitän, wie bie 
Autoritäten, die natürlich das Geld einftedten, und felbft die Regierung, 
bie fchließlich Alles zahlte, verlor nicht, denn die Kohlen wären in Maſ— 


*) Die Engländer nennen oft jehr unlogiſch alle Drientalen ſchlechtweg „Ra: 
tives“, gleichviel wo fie getroffen werden, 3. ®. einen Andier in Wrabien, einen 
Araber in Zanzibar u. j. w. 


Der englifche Sapitän. 141 


ſauwa doch zu Grunde gegangen, da das Depöt zu fchleht war. Golche 
Privatgejhäfte machen die Sapitäne oft. Nur dadurch Haben fie Erſatz 
für ihre Plage mit der Inftruction der allzuvielen „Voys“, welche die hab- 
füchtige Firma ihnen aufbürdet, denn ihr Gehalt ift ſehr gering. Der 
unferige befam nur 10 Pfund Sterling monatlid. 


Südaradien. 





Siebzehntes Capitel. 
Leben in Aden. 





Stadt und Hafen. — Steiler Landweg. — Gaftböfe am Hafen. — Der Parſi. — 
Ein ehrlicher Photograph. — Unterlommen in der Stadt. — Europäiſche Kaufleute. — 
Ein jugendlider Schuldenmader. — Häufer in den. — Klimatiſches. — Krank 
heiten. — Keuchhuſten. — Sonnenftid. — Scorpione. — Heilung des Stichs. — 
Ausftattung der Häufer. — Wohnung im arabiſchen Bierte. — Wohlfeilheit dei 
Lebens. — Lebensmittel. — Engländer in Aden. — Lebensweiſe der Officiere. — 
Luxus der Bornehmen. — Punkahs. — Engliſche Kirche. — Der Padre. — Ge 
fälſchte Inſchriften. — Seltjame Trauung. — Damengeſellſchaft in Aden. 


Die Engländer begreifen unter dem Namen „Aden” nicht die Stadt, 
fondern die ganze Beſitzung. Die Stadt heißt „Camp“ (Lager), weil zur 
Zeit der Befigergreifung hier ein Lager aufgejhlagen werden mußte, denn 
die damalige arabiſche Stadt war jo zufammengejchrumpft, daß fie die 
Truppen nicht beherbergen konnte Der Hafen heißt „Steamer Boint“ 

(Dampfichiffsfpige), gewöhnlich fchlehtweg „Point“ (Spike) genanıt. 
- Man wird gefragt: „Wohnen Sie im Lager oder bei der Spitze?“ Nein 
Menſch jagt: „Ich wohne in Aden.” Der Ausdrud wäre zu unbeftimmt. 
Die Araber dagegen nennen die Stadt „Aden“, wie fie von Alters ber 
hieß und wie es auch richtig if. Ahr Hafen ift nicht in „Point“, fon 
dern bei einem Orte, „Mehalla” genannt, wo die Saya’8 (einheimilche 
Boote) anlegen. 

Die Spite und Mehalla liegen beide auf der Dft-, die Stadt auf 
der Weltjeite der Halbinfe. Der Weg von „Point“ nad „Camp“ iſt 
fteil und etwa 6 engl. Meilen lang. Großer Mißbrauch herricht bezüglich 


Stadt und Hafen von Aden. Hötele. 143 


des Fahrgeldes der Landungsbarken und Drofchlen. Tarife eriftiren wohl, 
die Leute fordern aber eigentlich, was fie wollen. Der Tarif ift übrigens 
an und für ſich ſchon ſehr hoch. Die Drofchlenfahrt vom Hafen nad) der 
Stadt iſt zu 3 Rupien (2 Thlr.) feſtgeſetzt. Sie dauert etwa eine Stunde. 
Halbwegd Tommt man durch ein Yeljenthor, das Nachts gefchloffen wird. 
Ohne fpecielle Erlaubniß vom Gouverneur kann man nad) Sonnenunter- 
gang nicht mehr in die Stadt. Kaufleute, die oft fpät noch am Hafen 
zu thun haben, find fo gezwungen, auch dort ein Quartier zu befiken. 

Mer gar nichts zu thun hat, der thut befler in „Point“ zu bleiben, 
wo die Luft Fühler ift und ein Hötel eriftirt. Dies wird von einem 
Parfi, der zugleid Kaufmann und Photograph ift, gehalten und ift gar 
nicht ſchlecht. Aber die Preife find jo phantaftiih, daß man für's Halbe 
Geld Haus Halten Tann. Nebenan liegt ein Heiner franzöſiſcher Gafthof, 
gleichfalls von einem Photographen gehalten. Er ift auch nicht fchlecht, 
aber beſchränkt. Wer jedoch, wie ich, mit den Eingeborenen zu thun hat, 
der kann nur in der Stadt wohnen. In „Boint“ fieht er Teine Araber, 
ſondern könnte fih dort in England wähnen, wäre die Hike nicht. Aehn⸗ 
lich iſts mit dem Kaufmann. Wer nur mit Seehandel zu thun hat, kann 
die Wohnung in der Stadt ſparen. Wer von Eingeborenen kauft und an 
fie verlauft, der muß fein Hauptquartier im „Camp“, ein Abfteigequartier 
aber in „Boint” haben. Ohne zwei Wohnungen wird er's Taum machen 
fönnen, denn beim Parfi einzufehren ift feine angenehme Ausficht. 

Ich nannte feine Preiſe „phantaſtiſch“, d. h. jeder Regel ſpottend. 
Man kann zwar auch mit ihm accordiren und dann ſcheint er billig. Aber 
er jcheint nur fo. Der Parſi hat feine Augen für den, der wenig zahlt. 
Er ſieht ihn nicht, er ift ein „Nichts” Für ihn, wird nicht bedient und 
muß jedes Mal eine Stunde lang fluchen, von der Küche zum Wirth und 
vom Wirth zur Küche laufen, wenn er das accordirte Mittageflen bekom— 
men will. Zahlung findet im Voraus ftatt und der Parfi ift gededt. 
Wer aber nicht accordirt, bekommt Iuculliide Mahlzeiten. Die Diener 
wachen dann wie Pilze aus der Erbe. Er wird bedient wie ein König. 
Der Barfi mat auch Converfation mit ihm, was er ftet3 nur für Geld 
thut. Aber die Rechnung kennt dann auch feine Grenzen. 

Ich lernte den Parfi mehr in feiner Eigenfchaft ala Photograph Ten- 
nen. Der Singular begreift übrigens Hier einige zwölf Parfi, die in 
diefen beiden Geſchäften gemeinfam arbeiten, einer wie der andere, phyſiſch 
wie moraliſch, wie ein Thaler dem andern gleicht. Ich accordirte mit ihm 


144 Leben in der Stadt Aden. Gaftfreundfchaft. 


für mehrere Aufnahmen von Gegenden, Arabern, Coftümen ꝛc. Da id 
aber nicht mußte, daß mit einem Parfi Alles ſchriftlich und gerichtlich ab- 
gemacht werden muß, jo verlangte er doch das Vierfache. Ich mußte es 
auf einen Proceß ankommen laflen, den ich freilich gewann. Aber von 
nun an war der Parſi mein Yeind und das war jehr unangenehm, da 
er nebenbei einen Allerweltsladen befaß, wo man Alles (Kleider, Wein, 
Bictualien, Hausgeräth, Bücher, Inftrumente) Taufen konnte. 

Er rächte fi, indem er mir immer nur Artikel von der Tchlechteften 
Qualität verfaufte, die ich gleihtwohl nehmen mußte, da nur er fie hatte. 

Ein Hötel giebt e8 in der Stadt Aden nit. Wer übrigens nur 
einigermaßen empfohlen ift, der braucht ſich gar Leine Sorge für fein Unter: 
fommen zu maden. Die Gaftfreundfchaft wird dort fehr liberal ausge: 
übt. Auch mir wurden Einladungen zu Theil. Ich Hatte gleich die erſte 
angenommen. Mein freundlicher Wirth war ein Yranzoje aus Marfeille, 
bei dem ich glei) am erften Abend ſämmtliche hier lebende Europäer, die 
nicht Engländer waren, tennen lernte. Die hiefige engliſche Geſellſchaft if 
militärifch und nad den in Oftindien geltenden Clafjenunterjchieden ge 
regelt, welche eine Scheidewand zwiſchen officiellen Perjonen und Kauf 
leuten aufrecht halten. Die Yolge ift, daß lebtere ſich deſto enger anein- 
ander anſchließen. Sie find nicht zahlreich, etwa ein halbes Dußend, dar- 
unter Franzofen, Defterreiher auß Zrieft, Staliener, Schweizer. Ein 
Deutſcher war nicht dabei. Trotz der Berjchiedenheit der Nationalitäten 
und troß des damals ſchwebenden Krieges harmonirte man jehr gut. Alle 
waren Junggeſellen, meift erft ein Baar Jahre hier und Hofften Aden bald 
zu verlaſſen. Sich eine bleibende Heimath Hier zu gründen, daran denft 
fein Europäer. 

Yür einen unferer Tiſchgenoſſen war fogar Aden ein Strafaufenthalt. 
Es war dies ein mohlhabender blutjunger Yranzofe, der noch nirgends 
hatte „gut thun“ wollen und den fein Bormund, welcher bier ein Comp» 
toir beſaß, nach Aden verbannt hatte, in der Hoffnung, daß er weniger 
Gelegenheit zum Verſchwenden finden werde. Trotzdem hatte es der Jüng: 
ling verftanden, auch Hier anfehnliche Schulden zu machen. Dabei waren 
ihm natürlich die Parſi von großer Hülfe. Diefe Menfchenfreunde lie- 
ferten ihm ſchrecklich theuren Champagner und liefen ihm felbft haar Geld, 
etwa zu 500 Procent. Einmal hatte ihn der Vormund fogar nach Laheg, 
einer ganz arabiihen Stadt, verbannt. Aber auch dorthin reichte der 
Arm der menjchenfreundliden Parſi. Sie mußten, daß der junge Mam 


Häufer von Aden. Rohrgeflechte. Klima. 145 


bald mündig wurde. Ich erfuhr wirklich fpäter, daß fie ſämmtlich ihr 
Geld befommen hätten und doch war wohl nie welches fo fchlecht verdient. 

Er amüfirte und jehr, beſonders wenn er und aus feinem „Reiſewerk 
über Laheg“ vorlas. Ein ſolches hatte er nämlich verfaßt, aber geglaubt, 
bier Alles von Sagdgräueln und anderen Abenteuern anhäufen zu müfjen, 
welche die geſammte reifende Menschheit je beftanden hat. Er hoffte es 
zum Drud zu bringen. Es wird jedenfalls Senfation machen. Er bejaß 
übrigens ein ſchönes Zeichentalent und da3 Tann dem Buche Werth 
geben. 

Herr Tian, mein Gaftfreund, hatte ein ſehr großes Haus mit meiten 
fuftigen Räumen, in beiden Stockwerken von den bier nie fehlenden Ve— 
randad umgeben. Die Wände diejer Veranda find von hübfchem, jehr 
dichtem Flechtwerk von Rohr und Binjen, welche die Zugluft, nicht aber 
die Sonne einlaffen. Ohne dieje Iuftigen Balfone wäre bier nicht zu 
leben, ſowohl der Hite, al3 der Stechmüden wegen, die einem im Zimmer 
feine Ruhe laſſen. Nur Zug Tann fie verjcheuchen. Wer nicht im Freien 
ſchläft, muß ein Muskitonetz haben. Alle anderen vorgejchlagenen Mittel 
gegen Mustitos helfen nicht3, weder die Räucherung mit perfifchen In— 
fectenpulver, die auf den Umſchlägen dieſes Artifel3 empfohlen wird, noch 
auch die mit ächtem Weihrauch, welche der englische Botaniker Birdwood 
anräth. Wiederholten Broben mit beiden Rauchwerken verdanfe ich dieje 
Erfahrung. 

Viele Häufer Adend, namentlich die der Engländer, haben gar feine 
gemauerten Wände, fondern nur jolde von Flechtwerk, jo daß man auch 
im Zimmer flet3 im Zug ifl. Dies können indeß nur ftarle Naturen 
aushalten. Das viele Schwigen macht ein Zurückziehen in weniger Iuft- 
bewegte Räume doc zumeilen wünſchenswerth, beſonders da Erkältungen 
keineswegs felten vorfommen. _ 

Das Klima Adens ift im Winter jehr angenehm, felten über 200 R. 
im Freien, und 220 R. im Zimmer. Der Nordoft, der von November 
bis Ende April weht, wird oft fehr fühl, und da die Sonne heiß, jo ift 
* dies die Periode der Erkältungen. Sanitätiſch fand ich ganz Houlton's 
Bemerkungen beftätigt. Das plögliche Zurüdtreten des Schweißes hat oft 
Rheumatismus, heftige Katarrhe, Dysenterie und Wechfelfieber im Gefolge. 

Während meines Aufenthalt herrſchten Keuchhuſten vor, die jehr an— 
ftedend waren und leicht in chronischen convulfiven Huften außarteten, der 
noch lange, oft viele Monate andielt, nachdem der fieberhafte acute Zuſtand 


v. Maltzan, Reiſe nah Eidarabien. 10 


146 Krankheiten. Gefunde Jahreszeit. Sonnenftich. 


längſt überwunden war. Hauptfähhlih kamen fie unter den ſchwächlichen 
Dftindiern vor. Ich zog Später ins Haus einer Familie, die damit behaftet 
war, was ich leider erſt merkte, al3 auch ich einen wahrhaft Inochenerjchüt- 
ternden Huften befommen hatte, um ihn ſechs Monate zu behalten und 
noch mit nad) Deutfchland zu nehmen. Ganz ebenfo ging’3 meinem Nu= 
bier. Wir führten fräftige Huftduette auf, befanden uns aber fonft wohl 

Indeß find alle hiefigen Krankheiten mehr läftig, als gefährlih. Eine 
ftarte Natur, die nicht zu Erkältungen neigt, wird ihnen wohl ganz ent- 
gehen. Das befte ift immer: Fräftige Nahrung, viel Bewegung, Talte 
Bäder im Haufe (im Freien gelten fie für gefährlih) und vor Allem ein 
Vermeiden der Eingeborenen, bei denen oft anftedende Krankheiten curfiren. 
Mir war legteres natürlich nicht möglich). 

Die Europäer in Men find meift gejund. Ihre Kinder gedeihen 
bier viel beffer ala in Oftindien und brauchen nicht nach Europa gejchidt 
zu werden. Nur für ganz Heine Kinder foll hier die Zahnperiode ſchwer 
zu überftehen jein. | 

Die gejundefte Jahreszeit ift der Sommer troß feiner jehr großen 
Hige. Diefe wird jedoch von Ende Mari Kia Anfana October durch den 
oft heftig auftretenden Südweſtwi z. Sm Sommer 
ſchläft Alles im Freien und ohne ! «en berrichen. 
Unerträglic heiß find nur die bei . - ... nd October, 
welche die Monfunperioden trenr 

Die Gefahr des Sonnenftihs ift im Som. | o, daß man bie 
Soldaten von 9 Uhr Morgens bis 5 Uhr Nachmittags in den Caſernen 
halten muß. Die Fälle find nicht felten, daß ein Mann beim bloßen 
Verſuch, durch einen Hof zu gehen, todt nieberfällt. Vorige Jahr ver: 
ſuchten drei englifhe Seeleute in „Point“ um Mittag vom Boot in das 
einige Schritt entfernte Hötel zu gehen und jeden erreichte der Tod, noch 
ehe er halbwegs war. Bei diefem Sonnenbrand helfen auch weder Schirme 
noch Filzhelme; man muß ebenzu Haufe bleiben. Natürlich widerſteht der 
Eine der Gefahr befjer als der Andere, und ich kannte Engländer, welche 
ih rühmten, au in der Sommermittagshige unbebedten Hauptes im 
Freien herumgegangen zu fein. Alles fommt auf Dispofition an. Aber 
mer kennt die Bedingungen berjelben? Man jagt Vollblütige litten mehr 
von der Sonne. Weine Erfahrung lehrt mich, daß dies richtig if, denn 
gerade die fräftigften Menjchen jah ich diefer Gefahr am ſchnellſten umter- 
liegen. Aber nicht alle Schwachblütige find ficher dagegen. Sch Tenne 


Scorpione. Einrichtung der Häufer. 147 


deutliche Beifpiele des Gegentheils. Auch das Aecclimatifirtfein ſchützt nicht. 
Ich Tante alte Oftindier, die dem Sonnenſtich erlagen, und junge friſch 
hergeſchneite Engländer, die ihm troßten. 

Eine andere Gefahr, die man jedoch durch Wachſamkeit vermeiden 
kann, bilden die Scorpione. Dieſe find hier beſonders groß. Ich hörte 
jedoch von keinem tödtlichen Stich, wohl aber von ſchmerzhafter Krankheit. 
Die Erdgeſchoſſe aller Adener Häuſer wimmeln davon. Selbſt auf die 
Terrafſſen im erſten Stock kommen fie. Ich tödtete auf der meinigen all⸗ 
abendlich einen oder mehrere. Man heilt die Stiche hier durch kochenden 
Theer, in die Wunde gleich nach dem Biß gegoſſen. Dieſer ſoll das Gift 
zerſtören und man hat dann nur die Brandwunde zu curiren. Ich glaube 
jedoch, daß bloß heißer Theer genügen würde. 

Die Einrichtung der wohlhabenden Häuſer in Aden iſt ſehr praktiſch 
und wenn man will luxuriös. Aber es iſt ein ſehr ſolider Lurus. Die 
Möbel, alle aus Oſtindien, find nämlich nicht geleimt, ſondern meiſt aus 
einem Stück. Ich ſah koloſſale Eßtiſche, Platte und Fuß alles aus einem 
Stück. Dieſe Möbel ſind zwar theuer, erhalten ſich aber ſo gut, daß man 
fie faft um das Ankaufsgeld wieder losſchlägt. Jeder engliſche Beamte, 
der hierher verjegt wird, Tauft ſich oſtindiſche Möbel. Da er felten lange 
bleibt, fo verlauft er fie feinem Nachfolger und meift faft ohne Perluft. 
Diefe Möbel halten Generationen aus. Das Holz ift dabei fehr ſchön, 
dunkelbraun oder ſchwarz, mit einem natürlichen Glanz und meit jedem 
unferer Hölzer vorzuziehen. Europäifche Möbel gehen im hiefigen Klima 
in kürzeſter Zeit zu Grunde. Sie entleimen fi), das Holz wird zerfrefien, 
die Hitze verzieht und verdorrt fie, jo daß fie beim geringfien Anſtoß 
drehen. 

Als ich zum Zweck meiner Erkundigungen täglich viele Araber zu 
empfangen anfing, nahm ich, au Rüdficht für meinen Gaftfreund, eine 
eigene Wohnung. Wer bier ungeftört leben will, muß ein ganze Haus 
miethen, was alle Engländer thun. in joldhes fand jedoch nicht leer und 
fo mußte ich's machen, wie die Araber, und mit einem Stockwerk vorlieb 
nehmen. Leider findet ſich dergleichen nur im einheimifchen Viertel und 
dies ift über die Maßen lärmend. Ich mußte mich an das Klopfen einiger 
zwölf Tüncher unter mir, ein haarſträubendes Concert, gewöhnen und diejer 
Lärm erſchwerte natürlich jehr meine Converfation mit den Arabern. Da bei 
der winteligen Bauart alle Wohnungen fo zu jagen ineinander geſchachtelt, auch) 


nur durch Brettermände getrennt find, jo wohnte ich als Zuhörer den Fa⸗ 
10° 


148 Cinheimifches Vierte. Wohnung. Markt. 


milienereignifien einiger 50 Nachbarn, ihrer Frauen und Kinder, bei. 
Unter diefen herrſchten viele Krankheiten, nicht ſchwere, aber Geräufch ver: 
urſachende. Ein ewige Huften, Stöhnen und gelegentlides Erbrechen 
mußte ich täglich mit anhören. Das linangenehmfte im einheimijchen 
Viertel ift jedoch der Geruch, namentlih der durch die Yeuerung mit Ka⸗ 
meelmift erzeugte. Obgleich ich eine Heine Terraſſe im Freien hatte, fo 
fonnte ich diefem ſtinkenden Rauch doch nicht entfliehen. Er drang aus 
Hundert Kanuns (tragbaren Kochherden) zu mir. 

Ein großer Uebelſtand im einheimischen Viertel if, daß man die Dad) 
terraffe nicht benutzen kann. Man kommt fonft in die Gefahr, unver: 
ſchleierte Mohammedanerinnen zu jehen, mas ein jchredliches Verbrechen if. 
Ich verfuchte e& einmal, Beinahe hätte ich aber eine Revolution verur- 
jacht, denn aus allen Häufern fürzten wüthende Moslems, die mich be- 
Ihuldigten, ihre Harems zu entweihen. Dies ift die Sitte aller arabijchen 
Städte und, da hier im arabifchen Biertel ſonſt feine Europäer wohnen, fo 
bat fie fih für dieſes erhalten. Es blieb mir alſo nur meine Zerrafle 
im eriten Stod, die ummauert, nur oben offen war. 

Eine Veranda fehlte und jo mußte ich bei Tage mich im Zimmer den 
Mugkitos ausfegen. Die Nächte auf der Terrafſe im erften Stod waren ſehr 
willlommen. Dann fchliefen die Nachbarn, der Rauch) war vorbei, Die Tem- 
peratur ſehr angenehm, etwa 20° R., aber bei bewegter Luft. Billig war 
die Wohnung. Sie Toftete nur 10 Rupien.(6?/, Thlr.) monatlid. Mö 
blirt. hatte ich fie mir felber, denn ich ſchleppte das Nothoürftige mit mir. 
Mein Nubier beforgte Einfäufe und Küche, Alles jehr billig, Meine und 
jeine Nahrung Toftete mich kaum 20 Sgr. täglich und dennoch lebte ic) 
gut, wenn auch einfad). 

Der Markt von Aden fieht an Küchenbedarf ſelbſt dem dürftigften in 
Europa nad), aber gegen Dſchedda, Sualin, Maſſauwa bietet er Ueberfluß 
Aden ift der. einzige Ort in Arabien, wo man Kartoffeln, einige Gemüſe 
(Kohl, Rüben, Bamia) ſowie Früchte findet (in Dſchedda gab es nur hier 
und da Bananen). Ein Huhn koftete 8 Silbergrofichen (in Maſſauwa nur 
4). Die einheimische Butter (Semen) ift Europäern faft ungenießbar. 
Man muß mit Hammelsfett kochen, die aber von feinem eigenen Koh 
flüffig herſtellen laſſen. Hammelfleiſch ift gut und billig, aber fehr fett. 
Ochſenfleiſch ift nicht immer zu Haben. Es ift theurer, aber auch gut. 
Ein gutes Defiert für unverwöhnte Menſchen bilden die gepreßten Bacre- 
datteln. Sie find aud) dem Unterleib zuträglich. 


| LL | 


Wein. Branntweinpächter. Engländer in Aden. 149 


Bein it en detail nur zu den übertriebenften Preifen zu haben. 
En gros verkaufte nur Herr Tian Bordeaur- und leichte Weine, trefflich 
und ſehr billig. Die Kaufleute dürfen übrigens geiſtige Getränke nur an 
Suropäer abjegen. Für den Verkauf an Eingeborene eriflirt nur ein ein- 
ziger Laden, vom Branntweinpächter, einem Parſi, gehalten, der 8000 Ru⸗ 
pien (5340 Thlr.) Pacht zahlte Dort iſt der Verfammlungsort alles 
ſchlechten Gefindels. Auch die Proftitution hat dafelbft ihr Hauptquartier. 
Sie recrutirt fih nur aus Einheimifchen oder Schwarzen. Eine Euro» 
päerin darf fie nicht ausüben. Bor zwei Jahren murbe eine leichtfertige 
Franzöſin hierher verjchlagen, aber ſchnell von der Polizei weiter ſpedirt. 

Die Engländer in Aden find außer dem Padre (Geiftlichen) alle Mi- 
litaͤrs, welche bier auch die Civilperwaltung und Juſtiz in Händen haben. 
Es lag zur Zeit ein durchaus englifches Regiment bier. Die anderen 
waren Sepoys mit englifchen Officieren. Die bei einem Regimente ftehen- 
den ledigen Officiere führen mie in England gemeinfam Haushalt, die 
verheiratheten und die als Beamte fungitenden bewohnen jeder ein Haus 
für fi, mit vollfländiger, oft jehr complicirter Einrichtung. Die Haus- 
haltung, Dienerfchaft, Küche ift Alles auf demfelben Fuß, wie in Oftindien. 
Dort, hört man wohl zuweilen, fol das Leben ſehr theuer fein. Dies ift 
aber durchaus nicht wahr. Das Leben, da3 ein Officier gewöhnlich führt, 
tommt freilich Hoch. Wollte er aber in Europa ebenfo leben, das Bier- 
fache würde nicht ausreichen. Für 3000 Thlr. jährlich hat bier ein eng- 
liſcher Officier ein eigene® gut möblirtes Haus, einen vollfländigen Haus⸗ 
halt mit trefflicher Küche, mit guten Weinen, Bieren, Cognac, giebt Diners 
und Geſellſchaften, zahlt und ermährt einige acht oder zehn Diener, hat drei 
oder vier Pferde im Stall ftehen, Kühe zur Milchgewinnung reſp. Butter- 
bereitung und läßt fich feinen Bedarf an Kleidern, Wäfche, Büchern, ſowie an 
Jagdwaffen aus England kommen: dies die theuerften Poſten. Ein guter 
Haushälter würde jogar in Aden ganz. dafjelbe für zwei Drittel oder gar 
die Hälfte jenes Geldes ſich zu verjchaffen willen. Doch die englifchen Of: 
ficiere rechnen nicht. „Leben und leben lafjen“ heißt's da, und ihre oft- 
indifchen Diener beftehlen fie fo viel fie wollen. 

In England aber würden diejelben Annehmlichkeiten mindeſtens 2000 
Pfund often. Auch gegen Aegypten ift der Gegenjab auffallend. Für 
denſelben Lohn, den mein Nubier erhielt, konnte ich hier vier Diener be- 
lommen, die freilich alle vier zufammen nicht ſeine Arbeit verrichtet und 
obendrein geftohlen hätten. In Cairo giebt es Leute, die 100,000 Fran 


— 


150 Dfficielle Gefellfhaft. Diners. Punkahs. 


fen jährlich ausgeben und nicht die Figur machen, wie ein oftindijcher Eng⸗ 
länder für den britten Theil des Geldes. 

Da ih Empfehlungsbriefe befaß, kam ich leicht in die engliſche offi- 
cielle Geſellſchaft. Bei einem Diner im Haufe des Politifchen Agenten 
(diefen Titel führt Hier der Gouverneur) konnte ich den Luxus conftatiren, 
‘ den ein höherer engliſch-oſtindiſcher Officier fich erlauben darf. Faſt alle 
Gerichte beftanden aus vortrefflihen engliſchen Conſerven, die bier (d. h. 
die guten) gar nicht zu haben find. Er importirte feinen eigenen Bedarf 
direct aus England. Aber nicht geringer war der Luxus im Haufe feine 
Aififtenten, eines einfadhen Hauptmanns, der freilich als temporärer Civil- 
beamter hohen Gehalt Hatte. Die meiften Engländer, die ein größeres 
Haus machen, ebenjo die Officierclub8 Haben ihre Agenten in England, 
die ihnen Alles direct liefern. Darum ſteht e8 auch mit dem feineren 
Detailhandel in Aden verhältnigmäßig fchlecht, weil eben diefe Herren hier 
faft nichts zu kaufen brauchen. 

Ein Irrthum ift es au, daß man in den Tropen weniger Eßluſt 
berfpüre. In Aden wenigſtens ift die nicht der Fall. Man bat hier 
immer Appetit und genießt die Diners, die jehr lang und reichlich find, 
gerade fo gut wie in Europa. Auch was die Weine betrifft, jo fand id 
bei Niemand die Kraft, viel zu vertragen, abgeſchwächt. Die englijchen 
gemeinen Soldaten ſieht man mohl manchmal betrunten. ch vernahm 
jedoch, daß ſich der Raufch in diefem Klima jchneller verflüchtige, und kann 
mir das fehr gut durch die beftändige Zugluft, in welcher die Engländer 
fich gefallen, erflären. In den windftilen Monaten mag da3 anders fein. 

Viel angenehmer, ald jene Zugluft, Vie man hier in allen englischen 
Häufern antrifft und die im Winter oft nur zu fehnell Die durch Bewegung 
erhigte Haut fühlt, ift die regelmäßige Luftbewegung, welche durch die 
Punkahs (große hängende Fächer) erzeugt wird. Hier hat man fie nidt 
allgemein und meift nur in den erften Häufern, namentlich bei Diners. 
Ihr Einfluß auf die Gefundheit ift fiher mohlthätig. Selbft nach heftiger 
Leibesbewegung jchadet der Punkah nicht, während das Hier beliebtere Ab- 
fühlungämittel, die Zugluft, menigftend nach Erhitzung nur von ftarfen 
Naturen ertragen wird. Einen Punlah über dem Bett zu haben ift eine 
große Wohlthat für die Hautempfindung und Gefundheit. Ih kannte 
mehrere Damen, die troß des Klimas blühend ausſahen und behaupteten, 
fie verdantten ihre Friſche hauptſächlich dem nächtlichen Punkahfächeln. In 
Aden ſind die Punkahjungen (d. h. die, welche den Fächer in Bewegung 


Englifhe Kirche. Der Padre. Trauung. 151 


erhalten) meift eine Somäliß und billiger, als die oftindifchen. Man 
feßt fie gewöhnlich auf einen hohen Stuhl mit nur ſchmaler Fläche und 
ohne Lehne, jo daß fie nicht eimfchlafen können, ohne Herunterzufallen. In 
Oftindien läßt man oft einen Jungen die ganze Nacht ziehen; hier löfen 
fie ih ab. Die Jungen drängen ſich übrigen? zu dieſem Dienft, der 
ihnen ſehr zufagt, bedauern nur, daß die meiften Engländer ihnen nicht 
geftatten, dabei zu fingen. Eine Dame fagte mir jedoch, fie höre das 
Singen gern und fchliefe beſſer dabei. 

Die englifche Kirche, übrigens ein ſchönes neues Gebäude in dem in 
England wieder modern gewordenen gothiſchen Styl, wird gleichfalls durch 
Punkahs abgefühlt, auf denen man Kreuze angebracht hat, die auf dieſem 
oftindifchen Gegenftand fi komiſch genug ausnehmen, ift außerdem aber 
noch überreihlih der Zugluft ausgeſetzt, ſo daß die Frömmigkeit nicht 
jelten mit Katarrh bezahlt wird, beſonders da die Kirche auf einem Berge 
liegt, man aljo nur im erhißten Zuftand da anlommt. 

Man nennt hier, wie in Oftindien, auch die proteſtantiſchen Geift- 
lichen „Padre“ (pater), ein Wort, daß man dem portugiefifchen Goa ent- 
lehnte. Es Hingt ſehr komiſch, wenn man von der Gattin des „Padre“ 
ipricht, da man in Europa fich unter „Padre“ nur einen katholiſchen Prie- 
fter denten kann. Der hiefige „Padre” war ein ſehr freundlider Mann, 
dee mich oft einlud, Gaft in feinem Iuftigen Rohrhaus oben auf dem 
Berge, übrigens einer mahren Brutftätte von Katarrhen, zu werden. Er 
interejfirte fi) fehr für alle Elaffen von Eingeborenen und Hatte eigentlich 
immer eine Tleine Colonie bei fi. Er war es auch, der jene drei merk— 
würdigen himyariſchen Bronzeinfchriften auffpürte, die man in London für 
gefäljcht erklärte, obgleich fie Dies vielleicht nicht alle drei find, wenn fie auch allen 
unferen biöherigen Begriffen von himyariſchen Infchriften ſpotten. Als ich 
anlam, war er noch Junggeſelle und ein ziemlich rauher Naturburfche, dem 
man gar nit anmuthete, daß plößlich eine elegante junge Engländerin 
mit dem Dampfidiff ankommen werde, um fi ihm antrauen zu laflen. 
Diefe Trauung fand in ſeltſam befchleunigter Weife ftatt. Mit der Braut 
reifte nämlich ein Bilchof, der nur zwei Stunden in Aden blieb, und, da 
bort außer dem Bräutigam fein Geiftlicher war, jo konnte nur er fie 
trauen. Nun mußte die ganze Hochzeitögejellichaft, in Gala, lange Zeit 
am Hafen auf den Dampfer warten, der noch dazu zu ſehr unbequemer 
Stunde anlam. Die Kirche war nicht nah und bis man hingelangte, ver- 
ging viel Zeit. Der Bilchof beeilte filh jo gut er konnte, das Paar zu 


152 Gnglifche Damen in Aden. 


trauen. Dennoch hätte er faft das Schiff verfäumt. Alles fand jo zu jagen 
mit Dampf ftatt. Das Paar Hatte eigentlih erſt nad jeiner Trauung 
Zeit fi) zu begrüßen. 

Die englifche Geſellſchaft in Aden zählte übrigens jetzt gerade befon- 
ders viel Damen, nämlich achtzehn. Dies galt für eine hohe Zahl. Meh— 
rere Damen jagten mir, in manchen oftindiiden Stationen, mo fie gelebt 
hätten, habe die Damenzahl nur zwei oder drei beitragen und dieſe feien 
noch dazu meift unter einander verzantt geweſen. Hier ſchien das Ber: 
hältniß dagegen ein recht ſchönes. Kine neue Ankömmlingin war ſtets 
willfoınmen. Die ſchöne Braut des „Padre” wurde förmlich) mit Freund— 
lichkeiten überfchütte. Der Gemahl galt für unpraftiih. Deshalb be- 
mühten ſich alle Damen, ihr das Haus auszuftatten. Sie wurde wie auf 
Hünden getragen. 


Südaradien. 





Achtzehntes Gapitel. 
Adens öffentlihe Werke, Gebäude. 


Die Cifternen. — Regenverhältniffe. — Weltefte Eifternen. — Ihre Reftauration. — 

Ihre Aufnahmsfähigkeit. — Deffentlider Garten. — Feſtungswerke. — Aden als 

Seefeſtung. — Die Iſthmusfeſtung. — Die Injel Sira. — Einheimiihe Stadt. — 

Der Hauptmarkt. — Berfchiedene Quartiere. — Moſcheen. — Mangel an Alter⸗ 

thümern. — Das Grab des “Aideris. — Das Todtenhaus der Parfi. — Leiden: 

bögel. — Barbariihe Sitte. — Tempel der Banianen. — Synagoge. — Katho⸗ 
liſche Eapelle. 


Das Intereſſanteſte in Aden find ohne Zweifel die Ciſternen. Die 
Brunnen und die Wafferleitung von Schech Otmaͤn liefern fein trinkbares 
Wafler. Moden war alfo von jeher auf Regenwaſſer angemwiefen. Obgleich 
in den Tropen, jo empfängt Aden feltfamer Weile doch nicht die tropi- 
ſchen Regen, wie da3 Innere des Landes. Es regnet hier nur in einigen 
Wintermonaten, aber durchaus nicht regelmäßig. In einem Jahr Tommen 
die Regen jo reichlich, daß Waſſerüberfluß eintritt. Aber oft vergehen 
drei oder bier Jahre faft ohne Niederſchlag. Deshalb beitand hier von 
jeher das Bedürfniß nad) ungewöhnlich großen Wafferbehältern, um ja die 
ganze Regenfülle eines ausnahmsweiſen Jahres aufnehmen und bewahren 
zu konnen. | 

Im Altertfum, al3 Aden eine blühende Handelsſtadt war, befaß es 
Üeberfluß an Eifternen, und auch alle modernen find nur die wieder auf- 
gededten alten. Aber vielleicht nicht der vierte Theil der alten ift mieder 
aufgegraben. Die niederträchtige Wirthſchaft der Sultane von Laheg hatte 
alle Eifternen verfallen laffen. Erſt der englischen Regierung blieb es bor- 
behalten einen Theil diefer großartigen Werke wieder herzuſtellen. „Werte“ 


154 Gifternen. Schleufenfoftem. Garten. 


it faum dad Wort, denn die Natur bat bier das Meifte gethan, dem 
Menſchen blieb nur die Nachhülfe. 


Die größte der bis jetzt aufgevedten Eifternenreihen liegt in einer 
Schlucht ſüdweſtlich von der Stadt am Fuß des Gebel Schamſcham, oder 
vielmehr dieſe Schlucht jelbit bildet die Ciſternen. Ihr Boden, ihre Wände 
find durchweg aus feſtem Geftein, das nur mit einem Mörtel bebedt zu 
werden brauchte, um das Waffer aufbermahren zu können, nachdem Schleuſen 
errichtet worden. Der Mörtel ift noch der alte Die Schleufen, welde 
bie Schlucht und ihre Seitenſchluchten in einige zehn Abtheilungen |cheiden, 
ebenjo die Treppen, um von einer Abtheilung zur andern zu gelangen 
(denn die Schlucht ift fleil), find das Werk der Engländer. Aber man 
fand bier die Nefte älterer Mauern. Un jeder Gifterne ift das Maß 
ihrer Aufnahmsfähigkeit in engliihen Gallons verzeichnet. Dieſes Map 
ift jehr anfehnlih und das bedeutendfte Syſtem (von 10 Cifternen) liefert 
allein, wenn voll, 8,984,892 Gallond. Bon diefen zehn Eifternen find 
nur zwei inwendig außgemauert, die anderen alle natürliche Felsgruben, 
durch Schleuſen geſchloſſen. Die oberſte empfängt den Regenabfluß des 
Gebel Schamſcham. Die nächſtfolgenden acht erhalten ihr Waſſer je eine 
von der andern, einzelne außerdem noch von kleineren Seitenſchluchten, 
die zehnte, am tiefſten gelegene, von einem größern Nebenthal, ſteht aber 
ebenfalls in Verbindung mit der obern Reihe, ſo daß ſie, im ſeltenen 
Fall eines Ueberſtrömens derſelben, auch von ihr Waſſer aufnimmt, um 
es, wenn fie ſelbſt überfließt (was gewiß dann auch bald eintreten wird), 
in einen gemauerten Canal zu entladen, der ing Meer mündet. Dieſer 
Canal foll in 50 Jahren nur vier Mal gefloffen fein. Seine der Eifternen 
iſt gedeckt. 


Die Engländer haben die Umgebung dieſer Ciſternen in einen Garten 
verwandelt, den einzigen in dem jonft pflanzenlojen Aden. Hier findet 


man manche interefjante Pflanze, wie die Boswellia Carterii und Bos- 


wellia Bhau Dajana, die beiden Achten Weihrauchbäume, diefe erft in 


neuefter Zeit durch Carter und Birdmood*) bekannt gemachten Species. 
Sie ſcheinen hier zu gedeihen, wenn fie auch nicht die Höhe erreichen, wie 


*) Man vergleiche die intereffante Dionographie Birdwood's: The genus Bor 
wellia, description of a new species of Frankincense. London, Taylor and Fran- 
cis 1870. 


Weihrauchbäume. Feſtungswerke. Iſthmusfeſtung. 155 


in Mahra und im Somälilande, den einzigen Ländern, wo ächter Weihrauch 
wädlt*). 

Manchmal werden vom Gouverneur an diefen Eifternen nächtliche 
Feſte gehalten, wo dann glänzende Erleuchtung ihnen und dem Garten 
einen magiſchen Schimmer leiht. Einmal fol fogar in der größten Cifterne 
getanzt worden fein. Als ich fie jah (Anfang 1871), hätte man dies faft 
in allen thun können, denn nur die höchſte und die aus dem Seitenthal 
gejpeifte zehnte hatten Wafler. Aden war zur Zeit zum Theil auf deftil- 
lirtes Meerwafjer angetviefen, das hier maſſenhaft hergeftellt wird. Troß- 
dem war das Wafler viel billiger, al3 in Maſſauwa und Dſchedda. Mein 
zmweitägiger Verbrauch koſtete 11/, Sgr., Trägerlohn inbegriffen. 

Die Feſtungswerke find gleichfalls ſehenswerth. Ich hörte zwar Ur- 
theile competenter Engländer, welche diefelben gegen einen Seeangriff un- 
zureichend nannten. Die Möglichkeit eines ſolchen ſcheint man früher 
weniger ind Auge gefaßt zu haben. Erſt in neuefter Zeit hat man dieſem 
Gegenftande größere Aufmerkſamkeit gewidmet und eine Vervollſtändigung 
ber Werke dürfte wohl bald erfolgen. 

Gegen See- und Landangriffe der Einheimifchen ift übrigens Aden 
zur Genüge gefhüßt. Die Feſtungswerke auf der Landfeite find von im— 
ponirender Großartigfeit. Alle Berghöhen find hier mit Mauern, Schieß- 
ſcharten und Bier und da Batterien verjehen. Das größte Werk ift jedoch 
die Iſthmusfeſtung, arabifch Gebel Hadıd (Eiſenberg). Man denfe ſich 
eine Art von Krater, auf drei Seiten von vulcanifchen Felsmaſſen um: 
geben und durch fie fo unzugänglich gemacht, daß man Zunnel3 brechen 
mußte, um im Often zum Hafen, im Weften nach der Stadt zu gelangen; 
nur auf der vierten, mo die Senkung an den ganz flachen Iſthmus ſtößt, 
uriprünglich offen. Dieſe offene Seite wurde durch eine dreifache Reihe 
von Gräben, Mauern, Batterien ebenfo geſchloſſen, wie e8 die drei anderen 
durch die Natur find. Auf diefe Weile wird in der Halbinjel Aden ein 
völlig ifolirbarer Fleck Erde geichaffen, der Abends, wenn die Tunnels ge- 
ſchloſſen, Niemandem mehr zugänglich if. Diefe „Injel im Lande” trägt 
nur ein Gafernendorf. Fährt man vom Hafen nach der Stadt, fo ift es 
ein lohnender Umweg durch die zwei langen Tunnel und über das Iſth— 


*) Die fogenannte Bosw. thurifera, aud) serrata genannt, und bie B. glabra, in- 
diſche Pflanzen, geben nur ein ſchlechtes Surrogat für Weihraud. Noch vor Carter 
glaubte man aber, ihr Product fei der ächte Weihrauch. 


156 Infel Stra. Karawanenmarkt. Mofcheen. 


musdorf. Diefer Weg ift auch nicht fo fteil, wie der gewöhnliche, der 
über einen Hügel führt, defien Spige nur durch ein Felſenthor, feinen grö- 
Bern Zunnel durchbrochen if. 

Sira, einft eine Inſel mit einem alten arabifhen Schloß, ift jet 
duch einen Damm mit dem Feſtland verbunden. &3 liegt auf der Süd- 
weitjeite der Stadt. Zu Wrede’8 Zeit (1843) fcheint hier no) ein Anz 
kerplatz geweſen zu fein, denn er fchiffte fih bei Sira ein. Jetzt ankern 
auf der Weftfeite feine Schiffe mehr. Auf diejes Inſelchen verjeßt die ara- 
biſche Tradition das Grab Kains. Dies hängt mit der Sage zufammen, 
daß Aden „Eden“ ſei. 

Die compacte Maſſe der Stadt Aden ift faft durchweg von Einhei- 
mifchen, Indiern, Somalis und Juden bewohnt. Die englifhen Cafernen 
und PBrivathäufer liegen mehr zerftreut um die Stadt herum, meift an luf- 
tigen Pläßen, oft auf Hügeln. in breiter fandiger Plab, der ganz wie 
ein trodenes Flußbett ausfieht, trennt die Stadt der Länge nad) in zwei 
ungleiche Hälften. Diejer Platz ift der große Viehmarkt und Lagerungsort aller 
Karawanen. Das Leben und Treiben auf ihm bietet die malerifchften 
Bilder. Hier fieht man die ſchwarzbraunen Sübdaraber, mehr auf dem 
Hals als auf dem Höder ihrer Kameele ſich Iuftig balancirend, in langen 
Reihen anlommen. Die natürlide Anmuth, ic möchte jagen Grazie fo- 
wohl der ſchlanken, jehnigen Reiter, wie der flinfen Thiere bieten Erſchei— 
nungen, würdig eine® Malerpinjeld. Daneben die Somälis mit ihren 
twunderjchönen, fetten, weißen Schafen, die alle Schwarze Köpfe, fonft aber 
feinen led am Körper haben. Dazwiſchen die ganz anders ausſehenden 
arabiſchen Schafe, die gnuartigen Ochfen, hier und da eine lebende Gazelle, 
deren man ftet3 bier faufen kann, und vor Allem die Schönen Reitkameele, 
welche gegen ein gemöhnliches Kameel gehalten das find, mas ein englilcher 
Nenner gegen einen Sarrengaul. Pferde ind ſelten. Südarabien iſt Tein 
Pferdeland. 

Weſtlich vom Platz ift das Viertel der Indier, Uraber und der Se— 
poy3, die am weſtlichſten Ende von Aden in einer Heinen Hüttenftadt ihre 
Saferne haben; öftlih find die Quartiere der Parfis, Juden, fowie die 
beſſeren Läden und einige ſchönere Häufer, in denen einheimifche Beamte 
und Engländer leben. 

Sehenswerth ift fein einzige3 Haus in Aden. Auch die Mofcheen 
find Hein und unbedeutend. Sie find alle neu oder doch gründlich reftau= 
rirt. Auf einem freien Pla im Often ragt noch ein einzelner maſſiver 


® 
Heiligengrab. Das Todtenhaus der Parfı. 157 


Minaret empor, vielleicht das letzte Weberbleibfel vom alten arabifchen 
Aden. Sonft ift Hier nichts, was an diefes erinnerte. Die in Ritter’s 
Geographie befchriebenen Türkengräber find nicht mehr zu fehen. 

Selbſt das Grab des großen Schußheiligen von den, "Aiderus*), 
dad im Südoft der Stadt, und ganz nahe bei ihr, auf einer leichten An⸗ 
höße liegt, ift in jeiner heutigen Geftalt durchaus neu. Ein frommer oſt⸗ 
indiiher Moslem, der bier gute Gefchäfte machte, Hat diefen Neubau ge- 
flifte. Er fieht freundlich, wie eine ſchöne Heine Moſchee, aus, ift auch 
in orientafifchem Styl gehalten, aber unbedeutend. Man kann leiht Zu⸗ 
gang zu den Gräbern des "Aiderus und feiner Nachkommenſchaft erhalten. 
Sie find aber durchaus ſchmucklos, einfache vieredige Sarkophage. hr 
ehrwürdiger Hüter, ſelbſt ein Nachlomme des Aiderüs, deſſen Gefchlecht 
nod bier blüht, ſchien fehr tolerant. Er gab mir fogar einen Zeller voll 
Beihrauchafche, die am Grabe verbrannt war, ein für den gläubigen Sun- 
niten koſtbares, leider bei mir ſchlecht angebrachtes Gefchent. 

Biel ſchwerer iſt e8, zu einem andern Heiligihum Zugang zu er» 
dalten, nämlic) zu dem ZTodtenhaus **) der Parſi. Bekanntlich begräbt 
diefe Secte ihre Todten nicht, fondern febt fie in einem oben offenen 
Todtenhaus der Verweſung in freier Luft und dem Fraß der leichenfre- 
jenden Raubbögel aus. Aus hygieniſchen Rüdfichten müfjen diefe Tod⸗ 
tenhäufer natürlich in angemefjener Entfernung von menjchlichen Woh⸗ 
nungen fein. Mir ſchien das Adener denn doch der Stadt ein wenig zu 
nahe. Es Liegt auf der Spike eines vulcaniſchen Felshügels unweit der 
Gſternen und ift in 20 Minuten von Aden zu erreichen. Daß diefe Nähe 
noch nicht nachtheilig gewirkt hat, dürfte theils dem fteten, heftigen, jedoch 
nur felten vom Beinhaus zur Stadt mehenden Wind, theils der Gering- 
zäbligfett der Biefigen Parfigemeinde zuzufchteiben fein. Dieſe geitatten 
nur im Fall einer officiellen Enquöte die Befihtigung. Capitain Miles, 
der eine ſolche abhielt, beſchrieb mir die Oertlichkeit. Das Gebäude ift 
rund, oben offen und in der Mitte befindet fi ein tiefes Loch, in 
welhes man die Gebeine nach der Verweſung wirft. Um dieſes Loch find 
drei Cirkel, jeder mit einem kreisförmigen Gerüfte, auf das man die Lei- 


— — nn nn — 


*) Diefer Name ift keineswegs der gewöhnliche arabiſche Edris, fondern ein eigen- 
artig jüdarabiſcher, au Hadramaut ſtammender. Er wird mit“Ain geſchrieben und 
it RetS dreis, nach feltnerer Ausſprache ſelbſt vierfilbig. 

”*) Die Engländer nennen es „tower of silence“, d. h. Thurm des Schweigens. 


158 Beerbigungstveife der Parfi. Synagoge. Capelle. 


hen legt. Der innere Cirkel dient für Kinder, der mittlere für rauen, 
der äußere für Männerleichen. 

Die Raubvögel der ganzen Umgegend werden natürlich dadurch an- 
gezogen. Die Yolge iſt eine keineswegs angenehme. Alle Felſen der Um— 
gebung des Zodtenhaufes find mit den weißen Excrementen diejer Thiere 
bebedt, welche, da es felten regnet, ſich ungebührlich anhäufen. Es wurde 
mir erzählt, daß vor etwa zehn Jahren ein englifcher Landwirth Diejen 
edlen, fo unzweifelhaft aus verbautem Menſchenfleiſch gebildeten Guano 
ausbeuten wollte, da er demjelben ganz ausnahmsweiſe Borzüge als Düng- 
mittel zuſchrieb. Aber die Barfi hätten Alles, felbft Geld angewandt, um 
es zu verhindern. Man braucht nicht fentimental zu fein, um dies zu be— 
greifen. Iſt doch die Transformation ihrer BVerftorbenen in Guano bier 
nur zu bandgreiflich deutlich. Unbegreiflich ſcheint mir aber, daß die klugen, 
fonft fo wenig bigotten und civilifationsfähigen Parſis einem jo barba- 
riſchen Gebrauch noch nicht entjagt haben. Welche Krankheiten wiürben 
erzeugt, wollte man in dichtberuohnten Ländern diefe Sitte aufrecht Halten? 
Dichtbewohnt find aber alle civilifirten Länder. Folglich paßt der Parfi- 
Brauch nicht zur Civilifation und dennod wollen fie die vorgefchrittenften 
von allen Aſiaten jein. 

Die oſtindiſchen Banianen (Kaufmannskaſte) haben einen Saal, der 
ihnen als Tempel dient und wo einige ziemlich geſchmackloſe Götterfiguren 
aufgeftellt find. 

Die Synagoge ift durchaus einfach, fieht aber an Yeftabenden bei 
der nächtlichen Beleuchtung glänzend aus. Außer ihr giebt e& noch zwei 
ganz Heine ißraelitiiche Bethäufer. 

Eine katholiſche Kirche befindet ſich gleichfalls Hier, von italienischen 
Miffionsmönden bedient. Das Gebäude ift durchaus unbedeutend. Die 
Gemeinde ift ziemlich ftark, da hier viele oſtindiſche Mifchlinge von Portu- 
giefen und Indiern leben, die alle katholiſche Chriften find. Damit in 
Verbindung fteht ein Milfionspenfionat, in welchem junge Xbeflinier aus 
Schoa erzogen werden. 


Südaradien. 


Neunzehntes Capitel. 
Adens Bewohner. 





Geringe Einwanderung den Engländern erwünſcht. — Unmöglichkeit die Einwanderer 
fern zu halten. — Zunahme der Benölferung. — Einmwohnerlifte. — Oftindifche 
Chriften. — Oſtindiſche Moslems. — Schiiten. — Araber. — Schafei und Zäidi. — 
Sobayel und Raye. — Shhriftgelehrte. — Der Dadi von Aden. — Ein Aftrologe. — 
Der Dragoman der Regierung. — Seine Wichtigkeit. — Somäli. — Seltjamer 
Haarputz. — Somälifrauen. — Bagabundenthbum. — Berier. — Der Kröjus von 
Üben. — Ein fanatiſcher Schüte. — Banianen. — Ihre Liebe zu Thieren. — Oſt⸗ 
indiihe Pariasg. — Neger. — Zingi und Sudäni. — Parſi. — Handels: und 
Krämergeit. 


Der Unftand, daß Aden Waflermangel leidet, daß, in diefer ganzen 
britifchen Befigung nichts Genießbares wächſt und aljo auch kein Vieh 
beftehen Tann, hat mit die englifche Politik in Bezug auf die Einwanderung 
geleitet. ine ſolche ift den Engländern durchaus nicht willkommen. Sie 
ſprechen es offen als Grundſatz aus, daß Aden Hein bleiben müfle. Eine 
große Einwohnerzahl würde im Fall einer Belagerung nur Berlegenbeit 
bereiten. Aden ift ja für alle feine Bebürfniffe auf die Nachbarftaaten 
angewiefen. 

Aber gerade diefer Umftand, der die Engländer beftimmt, die Fremden 
fern zu halten, bringt es mit fi, daß man ihr Kommen und oft ihr Tän- 
geres Bleiben nicht hindern kann. Man kann es den Arabern, den Haupt: 
berjorgern des Markts, den Somäli, auf deren treffliches Kleinvieh Die 
Fleiſchconſumenten zum Theil angewiefen find, den oftindifchen Kaufleuten, 
die gleichfalls zur Verproviantirung beitragen, unmöglich vermehren, fich 


160 Zunahme der Bolfdzahl unter engliicher Herrichaft. 


zeitweiſe hier niederzulaflen, Agenten zu beftallen, Läden zu errichten, in 
denen ihre Landsleute das ihnen Nothwendige finden. Kein Mitglied 
diefer Völker würde auf die Dauer Aden zum Ziel feiner Handelsreiſen 
wählen, fände es nicht dajelbft eine Kleine Colonie feiner Landsleute. 

Es zeigt fih alſo als unausführbar, eine Stadt klein halten zu 
wollen, die große Bebürfniffe Hat. Dieſe großen Bedürfniſſe beftanden 
aber glei nach der engliichen Befisnahme, denn ein einziger Engländer 
confumirt mehr an Waarenwerth, als zwanzig Einheimijche. Die Vergrö- 
Berung der Stadt war dadurch bon vornherein bedingt. 

Als England Befi von Aden nahm, mar dieſes jo zu jagen in 
Agonie begriffen. Seine Bevölkerung war bis auf 600 Seelen zujam- 
mengefhmolzen. Sein Wunder, denn der Beherrſcher, der Sultan von 
Laheg, bedrüdte und fog es auf alle Weife aus. Ja einmal verfaufte 
dieſer Landesvater ſogar an ſeine Erbfeinde, die Fodli von Schughra, für 
30,000 Maria-Therefia-Thaler das Recht, Aden, feine einzige Handelsſtadt, die 
„Perle feines Reiches”, ausplündern zu dürfen. Aber kaum brachte die 
englifche Beſitznahme Sicherheit und geregelte Zuftände, jo firömten neue 
Einwohner der verlaffenen Stadt zu. Schon im erften Jahre nad) der 
Beligergreifung (1540) war ihre Zahl auf 2900 geftiegen. Seitdem war 
dieſes Steigen beftändig. Anfang 1871 ſchätzte man die Einwohnerzahl 
auf 29,730. Diefe beftand aus folgenden Elementen: 


Europäer und oſtindiſche Chriften (darunter Garnijon) 2000 
Oſtindiſche Mohemmedaner Cerunter sr .. 4000 


Araber... .. .. ... 6000 
Somilli . . . . een een. 5600 
Andere Mohammedaner ... 100 
Banianen und andere heidniſche Offindier (darunter viele 
Sep) » > 2 2 2 en en nenn. 8000 
Bali». > 2 2 2 nennen ne. 130 
Judenn. nenn. 190 
- BVerfhiedene © > 22 2 ernennen. 2000 


29,730 


Dftindifche Bewohner von Aden. 161 


Dftindifhe Chriften. 


Die oſtindiſchen Ehriften find meift fogenannte Portugieſen, aber alle 
haben mehr indiſches, als portugiefiihes Blut. Sie find die Mifchlinge 
der einfligen Herren Oftindiens, der Bortugiefen und ihrer indifchen Unter- 
thanen. Wie bei allen. Mifchlingövölfern, fo bietet ihre Hautfarbe und 
Geſichtsbildung mannichfache Abflufungen, bald große Annäherung an den 
europäifchen Typus, bald große Abweichung davon, meift natürlich das 
Mittel zwifchen diefen beiden Ertremen. Sie Heiden und gebärben ſich 
europäiſch, haben aber ein gewifjes Etwas in ihrem ganzen Weſen, was 
den Europäer abftößt, einen Mangel an Würde, eine moralifche und phy- 
ſiſche Verlommendeit, die defto mehr in die Augen fällt, ala ihr Aeußeres 
europäi if. Sie find meift (einige anglikaniſche Profelyten ausgenom- 
men) katholiſche Chriften, übrigens unwiſſend und bigott. Die meiften 
Iprechen nicht einmal mehr portugieſiſch. Da fie mehr Verſtändniß euro⸗ 
päifcher Sitten haben, fo nehmen fie die Engländer gern al3 Diener. 
Namentlich die erften Dienerftellen in englifchen Häufern find mit ihnen 
beſetzt. Einzelne treten auch bei den Sepoys ein. Familien leben menig 
bier, faft nur einzelne junge Männer. Ich fah kein einziges Kind. Zum 
Handel fehlen ihnen meift die Mitte. Wohlftand herrſcht nicht bei ihnen. 


Oſtindiſche Moslems. 


Die oſtindiſchen Moslems find hier in ihrem Element. Für ſie iſt 
Arabien die heilige Erde, die viele nur ihres Glaubens wegen aufſuchen. 
Ich kannte mehrere alte Moslems, die in Indien, wo fie unter Heiden 
lebten, niemals Gelegenheit gefunden hatten, ſich in ihrem Glauben ge— 
nauer zu unterrichten und nun hier das Verſäumte nachholten. Mehrere 
dieſer Leute lernten noch im hohen Alter den Oorän leſen. Ihre ſociale 
Stellung if hier meift mehr als bejcheiden. Indiſche Moslems find die 
gewöhnlichen Dienftboten in englifhen Häufern. Die Sepoy8 beftehen faft 
zur Hälfte aus ihnen. Die anderen find Sleinhändler, Handwerker, na= 
mentlich Schneider, Tüncher, Wäfcher 2. Sie haben faft alle arabiſche 
Vornamen, die fie in der fchriftgemäßen Weife ausſprechen, was den ächten 
Arabern, bei denen diefe Namen in Fleiſch und Blut übergegangen find 
und dialeltiſch geſprochen merben, jehr komiſch Hingt. Für „Abd-Allah“ 
jagen fie „ Abdullahi”, für „Abd el Däder“ hört man „Abdul Däbdiri” ꝛc. 


v. Malpan, Reiſe nad Eüdarabien. 11 


162 Arabifche Bevölkerung von pen. 


Nichts muthet den ächten Araber fremdartiger an, al3 dieſe affectirte 
Schriftgemäßheit. 

Ein Theil von ihnen beſteht aus fanatiſchen Schi' iten. Sie laſſen 
feine Gelegenheit verſtreichen, wenn fie den hier ſonſt numeriſch ſtärkeren 
Sunnitismus verſpotten können. In dem engliſchen Aden müſſen die 
Sunniten ihren Zorn verbeißen. 


Araber. 


Die hier ſeßhaften Araber ſind nur zum allerkleinſten Theile geborene 
Adener. Wenn man bedenkt, daß die Stadt 1839 nur 600 Einwohner 
hatte und daß von dieſen die Hälfte Juden waren, erklärt ſich dies. Unter 
den ächten Adenern nimmt die Familie des Aiderüs die erſte Stelle ein. 
Andere find Beamte bei Moſcheeen, Schreiber, Heine Handelsleute, Sen 
jalen zc. 

Die meiften Araber in Aden find eingewwandert, zum großen Theil 
aus der Ebene Mehaidan und anderen Orten des Sultanats Lader. 
Diefe find meift Aleinhändler, Handwerker, einige unregelmäßige Reiter im 
engliſchen Dienſt oder bewaffnete Diener der Regierung. 

Einige Hadrami leben hier von kleinen Handelsgeſchäften. Mein 
Bekannter, Auͤwaͤd b'el Cher aus Makalla, war der einzige hadramitiſche 
Senſal, die Zuflucht aller öſtlichen Araber, verdiente aber nicht viel. Mit 
ber Herrlichkeit der Hadrami iſt es Bier vorbei. Gegen die Banianen 
können fie nicht aufkommen. 

Ein großes Contingent haben in neuerer Zeit die Hogriya geliefert. 
Dieſer Stamm, deſſen Gebiet zwei Tagereiſen im Nordweſt beginnt, if 
unter dad Joch der Dü Mohammed gerathen, welche zur heterodoren Secte 
der Zaidi gehören, während die Hogriga Schäfei find. Bor diefen ihren 
feßerifchen Unterdrückern ſuchen ſie gern Zuflucht in dem freien Aden, wo 
noch dazu alle Moſcheeen dem Schaͤfe ismus angehören. Sie ernähren ſich 
dürftig als Tagelöhner und Handlanger. 

Die Secte der Zaidi hat übrigens bier auch viele Vertreter. Sie 
fommen größtentheild aus der Gegend um NRedä‘, Yerim und Damar. 
Alle Waflerträger und die meiften Schayyalin (Laftträger) gehören zu 
ihnen. Ihre Secte verbietet ihnen nicht, die Mofcheeen der Schäfei zu 
befuchen und Ießtere dulden fie. Die hiefigen Zaidi find alle vom un— 
wiſſendſten Schlage und haben feine Idee von den unterjcheidenden Dog⸗ 


Neligiöfe Secten in Aden. Schriftgelehrte. 163 


men ihrer Secte. Man kann fie faft nur an der Gebetsftellung erkennen, 
indem fie bei dem Diyam (dein Aufrechtftehen) nicht, wie die Schäfei, die 
Hände über dem Bauch Freuzen, fondern gerade hinab hängen laffen. Ahr 
Mundwerk verräth fie zwar auch. Sie lafjen’s fi gar nicht nehmen, fo 
oft fie können, über den Schäfeismus zu fehimpfen. Alle Zäidi find ftolz 
und oft übermüthig, denn fie können darauf pochen, daß ihre Secte in 
Demen die verbreitetfte und an den meiften Orten die herrjchende ift. 

Angehörige der Dobäyel (freien Stämme) des Innern leben nicht 
hier. Selbft das fo nahe Yäfi'a liefert keine Einwanderer. Die Verach— 
tung der Dobayel gegen jede bürgerliche Eriftenz erklärt dies. Dagegen 
haben ji) in Aden vielfach Raye (Unterthanen) jener freien Stämme, na- 
mentlih Bernohner der von ihnen despotiſch unterdrüdten Handelsftätte 
des Innern niedergelaffen. Unter diefen liefern Bedä, im Lande der Nezäz, 
und Da teba, ſüdöſtlich von Yerim, die meiften Einwanderer: gänzlich frieb- 
liche Leute, die den Heineren Detailhandel mit Landesproducten (Tabad, 
Datteln, Gifcher zc.) betreiben. Einen Mann aus Bäedä fannte ih, der 
jogar ein öffentliche® Aemtchen, als Marktmefjer, befommen Hatte. 

Da der tieffte Süden Arabiens meift von Yeinden einer civilifirten 
bürgerlichen Exiſtenz bewohnt wird, jo muß man die Schriftgelehrten, deren 
man doc) einige nöthig hat, aus dem mittleren Yemen verjhreiben und 
zwar fommen diefe vorzugsweiſe aus Zebid, Raima, Hodeda, wo es mehr 
Sunniten giebt, als aus Cana, wo nur Zäidi leben. Ein würdiger Re- 
präfentant diefer Claſſe ift der Qaͤdi von Aden, ein durchaus achtbarer 
Mann, an dem die türkiſchen und ägyptiſchen Rechtsverkäufer ſich ein Bei— 
fpiel nehmen follten. Ich Habe noch nie einen Daädi gefunden, der jo ge— 
wiſſenhaft alle die verwidelten Regeln der Sunna beobadtete. Sogar die 
läherliche Regel, daß ein Dadi perfönlich nichts Taufen darf*), befolgte er. 
Einft, als ich mit ihm ſpazieren ging, blieben wir vor einem Laden ſtehen. 
Ih faufte etwas und dem Dadi gelüftete nach derjelben Waare. Er 
durfte fie aber nicht jelbft kaufen, jondern mußte erſt Jemand jchiden, was 
er doch nicht gleich konnte. Es Half nichts, daß ich ihm anbot, ihm 
meinen Ankauf zu ſchenken. Ein Qädi darf feine Geſchenke nehmen. 
„Wären wir in einem moslemiſchen Lande, meinte er, jo wären Sie ftraf- 
bar.“ Denn man darf dem Dädi feine Geſchenke bieten. Weld eine 
Perle bon einem Daädi! 


2) Tornauw, das moslemiſche Recht. (Leipzig, Dyk. 1855.) Seite 195. 
11* 


164 Der Qaͤdi von Aden. Ein Aftrologe. 


Er hatte viel zu thun: nicht nur die 18,000 Moslems von Aden zu 
richten, jondern auch noch die Entſcheidung kleiner Rechtsfälle zwiſchen 
andersgläubigen Einwohnern. Der ganze Tag verging in Amtsangelegen⸗ 
heiten, denn er hatte feine Beiſizzer. 

Er war übrigens ein großer Gelehrter, in der arabiſchen Literatur 
trefflih zu Haufe, nahm Intereſſe an allen Forſchungen, ſelbſt ſolchen, die 
bigotte Moslems verabjcheuen, wie himyariſche (alſo heidniſche) Alter: 
thümer, und folchen, welche arabifche Gelehrte ſonſt gänzlich ihrer unwürdig 
halten, wie dialectiihe Studien. Die kufiſchen Infchriften las er wie 
A». C., eine Kenntniß, die bei modernen Arabern fehr felten geworden. 
In ganz Algerien kannte ich keinen einzigen, der kufiſch leſen konnte. Er 
war ein lebendes Lexikon. Weber jede ſprachliche Trage mußte er Auskunft. 

Der gute Qaͤdi befaß natürlich, Iwie jeder Menſch, auch eine Schwad 
heit, aber die feinige war gelehrter5Natur. Er war nämlich ein Jünger 
der Aftrologie. Die Qoraͤnvorſchrift, in der Nacht aufzuftehen, um zu beten, 
erfüllte er, aber er machte e8 kurz mit dem Gebet. Schnell fam der Aſtro⸗ 
lab hervor und die geliebten Sterne wurden befragt. Anfangs munderten 
fich die nächtlichen Straßenbummler, deren es in Aden viele giebt, über 
die lange weiße Geftalt mit dem weißen Spikbart, die auf dem Ballon 
bes Nichterhaufes Stunden lang herumlief und die Sterne mit einem In 
firument zu bedrohen ſchien. Als man aber über Perfon und Zweck auf 
geflärt war, wuchs die Verehrung für den Dädi ſehr. Ein Sterndeuket 
ift in Arabien immer noch eine geheimnißvolle Macht. „Der Dädi mei 
Alles, auch das Verborgene. Die Sterne ſagen's ihm“ hörte ich oft. 

Der Qädi hatte auch feinen Nachäffer. Das mar ein gewiſſer „Sid 
“Abd el Beri“, ein ſehr unwiſſender, aber den Gelehrten fpielender Scherf 
ſeines Amts Schreiber bei der Regierung. Der Siid befragte auch die 
Sterne, aber es fam Alles „krumm“ heraus, wie die Araber ſagten. Ein- 
mal prophezeite er einer Frau, fie würde einen Knaben gebären, und fe 
fam mit Smillinggmädchen (ein einziges Mädchen ift dem Araber fchon zu 
biel) nieder. Seitdem war's mit feinem Ruf vorbei. Der Dädi war bie 
zu Hug, um von den Sternen ſolche Einzelnheiten zu verlangen. Er fragte, 
fie nur um Algemeinheiten und die Antworten waren auch ganz allgemein 
gehalten, jo daß man fie immer als eingetroffen darthun konnte. Wenn 
er zum Beifpiel die Sterne fragte: „Wird dag Reich der Tugend bald 
anbrechen?“ und diefe antworten: „Ja, wenn die Menjchen die Wege dei 
Laſters verlaſſen“, jo mar das ebenjo wahr, wie hochſittlich. 


Der politiihe Dragoman. Somäli in Aden. 165 


Eine andere wichtige Perjönlichkeit unter den Arabern, ja die amtlich 
wichtigſte war Cälah, der Dragoman. Diefen beſcheidenen Titel führte er, 
wie denn überhaupt bie Titel in engliiden Colonieen durch ihre Beſchei— 
denheit faft irreführen. So betitelt man hier den Gouverneur „Politischer 
Agent“, die anderen höchften Beamten einfach „Affiltenten“; und in Oftindien 
heißt oft der Statthalter einer großen Provinz (wie z. B. Sind) nur 
„Commiſſär“. Cälah war in Wirklichkeit der Stellvertreter des engliſchen 
Statthalterö bei den. Einheimifchen, und beherrichte diefe wie ein Kleiner 
Fürſt. Er war zwar perfifcher Abftammung, aber ganz arabifirt, aud).ein 
guter Sunnife. Diefer Mann bildete eine wahre Errungenſchaft für die 
engliihe Verwaltung. Er leitete die oft ziemlich vermwidelten Fäden ber 
Beziehungen zu den Nachbarfürſten. Mit. allen diejen war er gut freund, 
ja, werm man fie beifammen fah, „ein Herz und eine Seele”, aber er 
war der englischen Regierung treu und mußte flet3 deren Interefien aufs 
Klügfte zu vertreten. Ich glaube, er war manchmal den Araberfüriten nur 
allzu überlegen, obgleich e3 diefen auch gar nicht an Staatäflugheit fehlte. 
Er if außerdem einer der liebenswürdigjten Orientalen, die ich je kennen 
lernte. An meinen Studien nahm er großes Intereſſe und förderte fie auf 
jede Weile. In der That wären fie ohne ihn in ein „Nichts“ verflofien, 
denn nur er und feine Amtsdiener hatten die Gabe, mir die Araber „zus 
ſammenzutrommeln“. 


Somaͤli. 


Nach den Arabern erwähnt die Einwohnerliſte die Somäli, Einge- 
wanderte von der afrifanischen Seite des Golfs. Ihr Präfenzftand ift je- 
doch größer ald 5600 Seelen, da fie hauptjächlich hier die flottirende Be— 
bölferung bilden, und jene Zahl nur die jeßhafte nermt. Im Ganzen kann 
man zur günftigen Jahreszeit, d. 6. im Winter, auf 10,000 Somäli rech⸗ 
nen. Im Sommer lommen fie feltener, da dann die Somälihäfen durch 
den Südweſt⸗Monſun unzugänglich gemacht werden. Sie find eine der 
Ihönften, wenn nicht die ſchönſte ſchwarze Race, die es giebt. Weder der 
Abeifinier, noch der Sudanefe kann gegen fie auflommen. NRegelmäßiger 
Bau, edle Geſichtszüge, volles reiches Haar, blendend meiße Zähne, eine 
Schlankheit des Wuchles und Elafticität des Ganges, wie fie fonft nur der 
Beduine hat, find ihre Vorzüge. Ihre Haut ift fait negerſchwarz, ſchwärzer 
als die der Mbeifinier und Nubier. Uber in jeder anderen Beziehung 


166 Haartoilette der Somali. Ihre Frauen. 


jtehen fie hoch über dem Neger. Selbft die Araber erkennen fie gewiſſer⸗ 
maßen als ebenbürtig an, indem fie jagen, „die Somali find Qobaͤhel (Freie 
Stämme)”, eine Ehre, die fie fonft feinem fremden, gejchtveige denn einem 
anderen ſchwarzen Volke erweiſen. 

Das Erſte, was und an den Somaͤli auffällt, iſt ihre ſeltſame, aber 
gar nicht unſchöne Haartoilette. Wie kommen diefe ſchwarzen Jünglinge 
zu den langen, bald goldblonden, bald wie lichte Goldbronze glänzenden 
Locken? Dieſe Yarbe ift nicht etwa die eines aufgelegten Yürbemittels, 
ſondern vielmehr das Ergebniß einer Entfärbung, indem Kalk in nur un- 
vollkommen gelöfchtem Zuftande dem Haar aufgelegt wird, der nad) einigen 
Tagen diefe „Verſchönerung“ zur Folge hat. So lange freilich die Bur- 
chen mit dem befaltten Haupte herumgehen, jeben fie gräßlich aus. Die 
Stußer zeigen fi in diefem Zuftand nicht. Aber nachher entpuppt jid 
der Adonis deito effectvoller. Diefer lange goldene Lockenmantel, der auf 
die Schultern finkt, fieht wirklich ganz hübſch aus, befonders wenn er im 
Zunge, zu dein die Somäli beftändig aufgelegt find, fi) in graziöſer Un- 
ordnung entfeflelt. 

Die jungen Somäli haben oft ganz außerordentlich feine Züge, die 
unftreitig Intelligenz verrathen. Schade, daß der Islam diefem Bolle 
feinen fortichrittsfeindlihen Stempel aufgedrüdt hat. Darum finden wir 
auch bei ihm daffelbe, was wir bei den meiften arabiſchen Städtern beob- 
achten, nämlih, daß die Antelligenz der Kindheit und Jugend nicht zur 
Entwidlung kommt, jondern vom religiöfen Fanatismus erftidt wird. Der 
Erwachſene wird geiftig träge. Er vermeint eben, duch den Islam ſchon 
das Höchfte erreicht zu Haben. Wozu alfo noch weiteres geiftiges Streben? 

Die Somälifrauen zeigen ganz diefelben Vorzüge, wie die Männer. 
Ihre Gefichter find jedoch meift etwas rundlicher. Sie neigen überhaupt 
mehr zur Wohlbeleibtheit. Ihre Tracht ift höchſt graziös. Sie tragen 
ſtets einen eigentlichen Weiberrod (nad) europäiſchen Legriffen), der ben 
Unterförper einhüllt, aber fo mannichfach gefaltet und gewunden ift, und 
dabei doch jo natürlich geihmadvoll, daß man glauben könnte, fie Hätten 
den antifen Yaltenmwurf fludirt. Unterhalb des Rüdens ift die Drapirung 
vorzüglich ftoffreih und faltenvol. Dieſer Faltenbund geräth beim Gehen 
in pendelhafte Schwingungen, die für beſonders reizend gelten. Piel 
diefer Frauen gehören allerdings der leichteren Claſſe an und bei ihnen 
wirkt jener Schwebegang wie ein Aushängeſchild. 

Wovon afe dieſe zahlreichen Somali in Aden leben, ift nicht leicht 


Lebensweiſe der Sumäli in ben. 167 


zu fagen. Einige führen Schafe ein; andere find Bootsleute, wohl auch 
Fiſcher; noch andere verrichten temporäre, meift leichte Dienfte; die einhei= 
miſche Polizei beichäftigt einen Kleinen Theil, da ja das Oberhaupt der 
ganzen Adener Polizei jelbft ein Somäli ift, ein tüchtiger Beamter, der 
einftige Dragoman Burton? auf feiner berühmten Entdeckungsreiſe nad) 
Harär, der fi) in der großſprecheriſchen Somäliart zu rühmen pflegt, er 
Habe Burton auf diefer Reife nicht etwa blos begleitet, jondern er habe 
ihn dahin gefchleppt, etwa wie man einen verbotenen Gegenftand durch— 
ſchmuggelt, als willenloſes Werkzeug in der Hand des Somaäͤli. 

Aber, troß jener Beihäftigungen eines Theil der Adener Somäli, 
it doch ihr Hauptftod unbejchäftigt, Iebt ein Bagabundenleben, von der 
Hand in den Mund. Ihre Bebürfniffe find jedoch auch fehr gering. Ge- 
wöhnlich fiten fie in und vor den Saffeehäufern, in deren Unzahl man 
beiläufig gejagt nicht Kaffee, fondern Giſcher (Abfud der Hülfen) trinkt 
bon dem eine Taſſe eine Beza (2 Pfennige) koftet. So oft ich dort vorbei 
fam, wurde id) von einer Schaar arbeitäluftiger Yünglinge überfallen und 
ihr Dienft mir angeboten. Aber fie verftehen eben nichts, als Zeller zer- 
brechen. 

Sie machen der Adener Yuftiz viel zu jchaffen, namentlich die große 
Menge ganz Heiner Somälilnaben, die ſich hier herumtreibt, und deren 
Aeltern, Gott weiß mo, nur nit in Men find. Den eltern durchzu— 
brennen, gilt bei den Somäli für ganz in der Ordnung. Alle Tage kann 
man im Adener Gericht3haus Somäli fehen, die wegen „Entwendung und 
Zandftreicherei” beftraft werden. Sie ftehlen felten Werthvolles, aber „ent- 
wenden“ SPleinigkeiten, um leben zu können. Ihr Mundwerk leiſtet aud) 
treffliche Dienſte. Ein Somali wird nie die Antwort jchuldig bleiben. 
Ihn einzufchüchtern, gelingt felbft dem Richter nicht. 

Die Regierung hat öfters verfucht, fid der überzähligen Somäli zu 
entledigen. Einmal hatte man fehon angekündigt, 2000 follten eingefchifft 
und nah Haufe transportirt werden. Aber dies Bolt ift jo ſolidariſch, 
daß dadurch auch die beſſere Claſſe fich getroffen fühlte, und eine gemein— 
fame Drohung an die Negierung gelangte, fie würden alle auswandern 
und den Markt von Aden nicht mehr verforgen. Da fie für diejen nöthig 
find, fo gab man nad, obgleich die Somäli wohl ſchwerlich die Drohung 
ausgeführt hätten, da fie ja hier viel gewinnen, 


168 Der Kröfus von Aden. Dftindifche Kaufleute, 


Andere Mobammedaner. 


Diefe auf nur 100 Köpfe geſchätzte Rubrik der Einwohnerliſte begreift 
Perſer, Kabulen, einige wenige Afghanen u. ſ. w. Davon fpielt nur ein 
einziger Mann eine Rolle, aber eine große, nämlich der Millionär Haſan 
“Ati, ein Berfer. Er ift der einzige Kröſus unter den hieſigen Moslems, 
was dieſe nicht wenig demüthigt, denn er ift natürlich ein Schi ite, der 
Mehrzahl der Mdener ein Gräuel. Er ift ganz plößlich reich geworden, 
nämlich durch glückliche Speculationen zur Zeit des abeffinifchen Feldzugs 
bon 1867. Seit er reich ift, Hat fich eine jo zahlreiche Sippſchaft bei ihm 
eingefunden, die er füttert, daß man faft jeden mohlgefleideten hiefigen 
Moslem für einen Better von ihm halten kann. Auch die Sunniten fom- 
men viel in fein Haus und ſchmeicheln ihm. Er ift freigiebig, mohlthätig; 
am Freitag und Feſten fpeift er viele Hunderte. Seines Glaubens hat 
er gar fein Hehl und läßt feine Gelegenheit vorbeigehen, den Sunnitismus 
zu verſpotten. Er treibt dies jo weit, daß er die Schafe des Opferfeftes 
nach den drei erften Imämen (Abu Belt, Omaͤr, "Otmän), die vom Sun- 
niten hochverehrt, dem Schi iten ein Gräuel find, benennt. Kommt der 
Opfertag, jo ruft er feinen Knechten: „bringt "Omär (oder Abu Bekr ıc.), 
daß ich ihm den Hals abjchneide”, und Abends erzählt er im Yreundes« 
treiß: „Heute haben wir "Omär gefchlachtet und morgen effen wir ihn.“ 
Menn das ein orthodorer Sunnite mit anhört, jo freut fih Hafan. In Aden 
kann er das wagen. Wären aber die Engländer nicht hier, feines Lebens 
würde feine Stunde fein. Gegen Europäer ift er jehr tolerant und ge= 
fällig. Sein Landhaus in Schech Otmän kann fo zu fagen als Gafino 
betrachtet werben, denn jeder Europäer fteigt dort ab und genießt feine 
Gaſtfreundſchaft. Oft bleiben Jagdgefellichaften Wochen lang da. 


Bantanen. 


Diefe Angehörigen der oſtindiſchen Kaufmannskaſte bilden den come 
merciell wichtigften Theil der Adener Bevölkerung. Aller Großhandel, alle 
Bank» und Wechſelgeſchäfte find in ihren Händen. Wie überall, mo Ba= 
nianen leben, beherrfchen fie den Markt durch ihren Affociationsgeift und 
ihre großen Gapitalien. Kein Europäer kann gegen fie auflommen. Sie 
find jetzt bier auch die Grundbeſitzer geworden. Die Mehrzahl der Adener 


Indiſche Kaufmanndkafte. Neger in Aden. 169 


Häufer ift ihr Eigentfum. Im Uebrigen gelten von ihnen alle Vorzüge, 
melhe bei Beiprehung der Banianen in Mafjauma erwähnt murben. 
Man mag über ihr Heidenthum, über ihren Abſcheu vor Fleiſchgenuß 
(man kann einen Banianen durch ein vorgehaltenes Stüd Fleiſch in die 
Hluht jagen) und manches andere Seltfame fpotten, aber jeder fühlenbe 
Menſch Tann nicht anders, als Sympathie für fie empfinden. Denn mel- 
her fühlende Menſch wäre nicht auch ein Thierfreund? und das find bie 
Banianen im höchften Grade. Mir war e3 immer rührend, wenn ich ſah, 
wie mein Hausherr, ein Baniane, die alten Kühe und Ochſen, die dem 
Shlähter oder gar dem Schinder übergeben werden follten, anfaufte und 
ihnen in feinem Stall bei gutem Yutter eine glüdliche letzte Lebenszeit be= 
reitete. Pferde giebt es nicht viele in Aden. Aber die wenigen alterd= 
ſchwachen, die vorkamen, wurden von Banianen gelauft, die ihnen das 
Gnadenbrod gaben. Dabei war nun gar nicht Religion im Spiele, denn 
dad Pferd gilt ihnen nicht für heilig, wie die Kuh, fondern lediglich mit- 
leidsvolle Gefinnung und Herzendgüte. 

Der Name „Banianen” wird in Aden mißbräudlih auch anderen 
heidniſchen Hindus, die nicht zur Kaufmannskaſte gehören, beigelegt. Dar— 
unter find viele, die zu einer der Pariaclaflen gehören. ine Claffe, die 
tieffte, if faft ausfchlieplich mit Grubenaußleerung beſchäftigt. Die Adener 
Aborte Haben nämlich in den guten Häufern meift feine Canäle, da ſolche 
bei dem Waffermangel leicht fioden, fondern der Unrath fällt in Körbe, 
welche die indifchen Parias täglich außleeren und ihren Inhalt abführen. 


Neger”) 


Unter der „Verſchiedene“ benannten Rubrik find die Neger am zahl- 
reichften vertreten. Sklaven giebt es natürlich in den nicht, wohl aber 
eine Menge Neger, die von englischen Kriegsſchiffen aus der Sflaverei be— 
freit wurden. Dan nennt fie gewöhnlich herzhaft „seedy boys“. Dies 
Mort drüdt etwa das aus, was vulgo im Deutſchen „auf dem Hund“ 
heißt, denn dieſen Eindrud machen die armen Neger, wenn fie bon den 
Sklavenſchiffen kommen. Hier ift nicht mehr die Rede von ſchönem ſchwar—⸗ 
zen (jubäthiopiihem) Menichenichlag, edlen Zügen und Yormen. Es ift 


*) Die Juden und die arabiſchen Pariad werden in den folgenden Eapiteln im 
Zuſammenhang mit ihren Geſchlechtsgenoſſen in ganz Sübarabien beiprochen. 


170 Zingi und Eudäni. Die befreiten Eflaven. 


das unzmeifelhafte, plattnäfige, didlippige, kurzwollige, ftupide Negerthum. 
Der Araber nennt fie Zingt (Zendji) zum Unterſchiede von Sudaͤni, wor⸗ 
unter man, wenigſtens in Arabien und SOftafrifa*), mehr den edleren 
Schwarzen, den Subäthiopier verfteht, der mit dem Neger nur die Haut 
farbe und auch diefe oft nur annähernd gemein hat. Der arabifche Geo- 
graph Yägut jagt höchſt treffend: „Das Land der Zingi ift noch größer, 
al3 das Land der Sudäni.” Natürlich; denn beinahe ganz Afrika, im Often 
freilich faft erft füdlih bon der Linie, im Welten aber zum großen Theil 
auch Schon nördlich, wird von Negern (Zingi) bewohnt, während die Sub: 
äthiopier nur im Norden, an der Grenze der weißen Racen, gefunden 
iverben. 


Diefe „seedy boys“ find eine große Verlegenheit für die englische 
Berwaltung. Die meiften wollen nicht mehr in ihre Heimath zurüdfehren, 
weil fie auf dem Wege von der Hüfte bis dahin doch wieder in die Hände 
der Sflavenhändler gerathen würden. Die Regierung muß fie alſo füttern. 
Sie bietet freilih allen Europäern an, fie umfonft in Dienft zu nehmen. 
Aber kein Menſch will fi. Ein Neger, der ſriſch aus Afrita kommt, fi 
vollkommen unbrauchbar. Er muß erjt gezogen twerden und dazu haben 
die Europäer feine Geduld, beſonders da das einzige Ziehmittel, der Stod, 
bier verboten ift. Hier und da nimmt man wohl Knaben, aber fie bringen 
es aud) zu nichts, da man eben nicht Strenge anwenden fann. Gemöhnlid 
laufen fie davon. Man Tann fie dann durch die engliſche “Polizei ein 
fangen laflen, die dies gern thut. Aber meift hält man e3 nicht der Mühe 
für werth, da fie eben Heine unnüge Strolde find. Sie vermehren dann | 
die Zahl der vielen Adener Bagabunden. 


So kommt e3, daß die Neger hier ganz verunglüdte Weſen find. In 
leßter Zeit hat man übrigens eingejehen, daß bereit genug dieſer unbraud- 
baren Menſchen fi Hier herumtreiben und jo transportiren die Regie— 
rungsſchiffe jet die von ihnen Befreiten nad Oftindien, wo fie übrigens 
gleichfalls Niemand will und brauchen Tann. 


*) Anders ift eg in Tripolis und im Nordweften von Afrifa. Dort kennt man 
das Mort Zingi gar nit und begreift unter Eudäni alle Schwarzen, gleichviel ob 
Subäthiopier, ob Neger, wenn fie nur zu den Stänmen gehören, aus welden fih 
gewöhnlich die Sklavenmärkte recrutiren. 


Die Parfi in Aden und ihr Handel. 171 


Parſi. 


Obgleich ſehr geringzählig, ſpielen die Parſi in Aden doch eine wich— 
tige Rolle. Sie ſind die Allerweltslieferanten. Ohne ſie würde es den 
Europäern faft an Allem mangeln. Außerdem iſt der Parſi bemerfens- 
werth, als derjenige unter allen Aſiaten, der am Leichteſten europäiſche 
Sitten und Cultur annimmt. Alle Parſi in Aden ſprechen engliſch, viele 
leſen und ſchreiben es. Religiöſe Vorurtheile ſcheinen ſie wenig zu haben. 
Ihre einzige tadelnswerthe Bigotterie beſteht darin, daß ſie von ihrer un— 
ſinnigen Begräbnißweiſe nicht laſſen wollen, welche, wie ſchon oben geſchil— 
dert, das Land mit einem Heerd von Krankheiten bedroht. Sonſt ſind ſie 
die „vernünftigſten“ aller Orientalen. Sie haben viel Handelsgeiſt. Aber 
e3 ift mehr ein engherziger, der Geift eines Krämers und Wucherers, ala 
der eines großen Kaufherrn. Deshalb ift aud al’ ihr Handel (Hier in 
Aden) mehr oder weniger Detailgefchäft, das ſich nur bei einigen zum grö- 
Beren Lieferungsgeſchäft aufſchwingt. Der eigentliche Großhandel, wie ihn 
die Banianen betreiben, die Bank- und Wechſelgeſchäfte find nicht in 
Händen der Barfi. Ein Parſi wird nämlich nie mit Darleihen freigiebig 
fein, wie der Baniane: die einzige Bedingung des großen Handels im 
Drient. Er will fein Geld ftet3 zu Wucherzinfen anlegen, während ber 
Baniane oft gar Teine Zinfen in Geld nimmt, fondern feinen Vortheil aus 
der ſpäter, oft erſt viel jpäter zu liefernden Waare zieht. 

Die Engherzigleit der Parfi giebt ſich oft auf eine lächerliche Weile 
fund. Der Parſi ift zwar freundlich, gefällig, oft kriechend höflich, aber 
das Alles nur, wenn unmittelbarer Vortheil bevorfteht. Jemand, der nichts 
von ihm kaufen will, eriftirt für ihn nit. Oft kommt es nun vor, daß 
ein Europäer Auskunft vom Parſi verlangt, da diefe Leute Alles wiſſen, 
was im Hafen und auf dem Markt vorgeht. Solche Auskunft giebt er 
aber nur einem Käufer. Ich felbft ftellte einmal eine Probe an, die fol- 
gendes komiſche Rejultat Hatte Ich fragte einen Beſitzer eines jener 
Allerweltsläden am Hafen, die zugleich Kaffeehaus find, mann das Dampf- 
ſchiff abginge? Steine Antwort. Ich fragte fo oft, bis endlich der Barfi 
nicht mehr vorſchützen konnte, mich nicht zu hören. Nie habe ih ein Ge— 
ficht gejehen, welches ſchlagender blafirte Gleichgültigkeit ausdrückte. Mit 
der unſchuldigſten Miene von der Welt fagte mir der Parfi, aber kaum 
hörbar, „daS wiſſe er nicht.” Die Scene änderte ſich aber fehr, ala ic 
nun jagte: 





un ru 


172 RKlleinlicher Handelögeift der Parfi. Ihr Aeußeres. 


„O ic) wollte es nur wiſſen, weil ich bier ein Paar Flaſchen Cham- 
pagner faufen und einem Freund auf3 Schiff ſchicken will.” 

„Dazu haben Sie Zeit. Das Schiff geht erit um halb vier,“ fagte 
der Barfi, der auf einmal Alles verftand und Alles mußte. 

Uebrigens ift der Parfi feig. Er wird nie wegen einer Obrfeige 
lagen, mie ber gemeinfte Somäli, ja wieder Neger e& thut. Warum auch ? 
Das Strafgeld bleibt ja der Regierung und ift folglich fein Schmerzend- 
geld. Im Gegentheil, er küßt die Hand, die ihn geſchlagen, wenn dieſe 
ih zu Anläufen öffnet. 

Ihre Namen enden alle auf „dſchi“ und nehmen fich engliſch (jee) 
geichrieben komiſch genug aus. Jeder hat zwei jo endende Namen. So 
fieft man die Firmen: „Eduljee Sorabjee“, „Cowerjee Bostanjee“ xc. 

Ihre Tracht ift feltfam, namentlih der Hut, eine Art orientalifcher 
Biſchofsmütze, welche jelbft die beibehalten, die ſich ſonſt europäijch leiden. 
Die Kinder werden fehr bunt berausgepußt. Aber fie haben von Kindern 
nichts, als das Alter, Sonft jehen fie gerade fo verſchmitzt und krämer⸗ 
haft aus, wie die Alten. Schöne Finder Habe ich unter ihnen nicht ges 
ſehen, fondern nur Heine altkluge Geſichter. Parfifrauen giebt e3 bier 
wenig. Selbit diefe jehen übrigen? wie die Tleifch gewordene Speculation 
aus. Auch die Märmer find meift häßlich, im Alter übermäßig fett. Da— 
bei das Raubvogelgefiht. Doc fieht man bier und da einen ſchöneren 
Parſi. Solche nehmen fi bei ihrer hellen Haut, ſchwarzem Bart und 
Auge ganz wie Südeuropäer aus. Man könnte einzelne berjelben für 
Staliener halten, wäre die Tracht nicht. 


Südarabien. 


Zwanzigſtes Capitel. 
Die Juden. 


Falſche Begriffe über Verbreitung der Juden. — Juden in Centralarabien. — Süd⸗ 
arabien von Alters ber den Juden günſtig. — Toleranz der Zaͤidi. — Intoleranz 
der Hadrami. — Vermiſchung mit arabifhem Blut. — Phyſiognomiſches. — Reine 
Sectirer in Südarabien. — Die Synagoge. — Der Oberrabbiner. — Ausſprache 
des Hebräifchen. — Gewerbe der Juden. — Bortbeilbafte Ausnahmaftelung der 
Juden. — Schuß der Gejege und der Sitten. — Demüthigungen. — Fanatismus 
der Araber. — Hoffnung auf beffere Zuſtände. — Auffhwung der Adener Juden⸗ 
Ihaft. — Beginnende Eulturernenerung. 


Es ift eine Redensart, die man von Moslems oft hört: „Arabien, 
diefe heilige Wiege des Islam, fei frei von Ungläubigen.”“ Dann wird 
gewöhnlich ein angeblicher Ausſpruch des Propheten Hinzugefügt: „Arabien 
dürfe nur Rechtgläubige beherbergen.” Natürlich; denn die' meiſten Mos- 
lems kennen nit? don Wrabien, was jüdlicher liegt, al3 Mekka. Yemen 
ift für die Mehrzahl jo gut wie nicht vorhanden, und den tiefften Süden 
fennen jelbft die arabifchen Geographen (Mogadeifi und Hamdaͤni aus- 
genommen) nur von Hörenſagen. Auf Nord» und Gentralarabien paßt 
jene Redendart; denn Dſchedda, der lebte Punkt, wo die Juden fich lange 
gehalten hatten, vertrieb fie vor etwa 80 Jahren, und, daß es in Chaibar 
noch Juden gebe, ift nichts, als eine vielverbreitete Fabel. Dieſe Länder 
haben übrigens auch vor Mohammed nur verhälmigmäßig wenige Juden- 
gemeinden gehabt. Der Jude liebt civilifirte Sander und das war Gentral- 


174 Zoleranz der Zaidi gegen die Juden. 


arabien nie, fondern bier herrſchte ſtets das Hirten-, Nomaden- und 
NRäuberleben vor. Die Juden fanden ſich alfo nur in oajenartig verein- 
zelten ſtädtiſchen Mittelpunften, wie Yathrib, Chaibar zc., und waren nicht, 
wie in Yemen, im ganzen Lande zerftreut. 

Ganz anders war es in Südarabien. Dies Land war eben ſchon im 
Alterthum civilifirt. Die Nomaden waren bewältigt und regelmäßige 
ftaatliche Einrichtungen, bürgerliche Verhältnifje gegründet worden. Handel 
und Wandel blühten und zogen die Juden an. Diejelebten dort ganz ähnlich 
wie in Europa, in größeren oder Heineren Gruppen, oft familienweife zer: 
fireut, in mandem Dorf nur ein paar Yamilien, je nachdem es Erwerb 
gab. Das Land mar alſo fiher. Die Gründung des Islam freilich be— 
drohte die Juden, namentlich thaten dies deilen orthodore Secten. Als 
aber die tolerantere Secte der Zäidi in Demen die Oberhand behielt, kamen 
wieder beſſere Tage für die Juden. So lange die Jmäme herrſchten, konnten 
fie fih über das ganze Land ausbreiten. Seit deren Fall find fie zwar 
mehr angefeindet, bejonders in den von Scäfei bewohnten Gegenden, 
aber an Boden haben fie wenig verloren. Nur das von Schäfei bewohnte, 
bürgerlichen Zuftänden abgeneigte Yäfia hat fie ausgeftogen. Im eigent- 
lichen Hadramaut waren fie niemals geduldet worden. Der dort herr- 
ſchende Stamm, die Kinda, früher in Centralarabien anſäſſig, ſcheint auch 
die härteren Anſchauungen aller Centralaraber in Bezug auf Fremde hier— 
her gebracht und durch die Annahme des Islam noch mit Fanatismus 
verſchwiſtert und ſomit verſtärkt zu haben. Ueberall aber ſonſt in Süd— 
arabien finden wir nach wie vor Juden durch's ganze Land zerſtreut, grade 
wie in civiliſirten Ländern, nicht allein in compacten Gruppen, wie in 
anderen fanatiſchen Staaten. 

Es iſt bekannt, daß das Judenthum in Yemen unter Du Nowäst) 
zur ftaatlichen Herrichaft gelangt und ganze Araberftämme zu ihm überge- 
treten waren. Mit der Einführung des Islam fielen diefe größtentheils wieder 
ab. Ihr Moſaismus war mohl ſtets nur ein oberflächlicher. Es ift menig-. 
ftens unzweifelhaft, daß die heutigen Juden Südarabiend größtentheils rein 
israelitifchen Urfprungs find. Vielleicht, daß die Rechabiten, jener nach dem 


*) D. h. der Inhaber der Ringelloden. Dieſe Loden find gewiß die jüdijchen 
Pais gemefen, welche noch heute bei den Juden Demens jehr zierlich getragen wer: 
den und wohl bei dem „Ichönen“ Du Nowas ala Zierde gepriejen werden fonnten. 


Typus der füdarabifchen Juden. 175 


Miſſionär Wolf im Norden Yemens lebende jüdiſche Beduinenftamm theil- 
weile arabiſchen Urfprungs find. Aber die ſeßhafte Bevölkerung weift 
heut zu Tage keine Spuren arabifcher Elemente auf. 

Ihre Phyfiognomie, Hautfarbe, ſelbſt ihr Gliederbau, find jo grund- 
berichieden von dem der übrigen Südaraber, daß an eine innigere Ber- 
miſchung nicht zu denken if. Ich jah Juden aus allen Theilen Süd» 
arabiend und alle zeigten denjelben Typus. Die Südaraber find Hein, 
die Juden felten unter, oft über Mittelgröße. Erſtere find mehr gebrungen, 
lebtere ſchlank. Die Hautfarbe der Einen ift dunkel, oft faft ſchwarz, bie 
der Anderen ftetö weiß, oft weißer, als die mancher Südeuropäer. Die 
Züge der Juden find gedehnt, regelmäßig, die der Südaraber Hein, zierlich. 
Das Haar der Südaraber ift ſehr fraus, das der Juden leichtgelodt, oft 
beinahe ſchlicht, ſo daß die Pais, die befannten Hängeloden, welche hier 
jet dünn und fein, aber lang getragen werden, nur wenige lodige Wine 
dungen zeigen. in Südaraber würde gar nicht im Stande fein, ſolche 
Pais zu tragen, die das Gefiht eintahmen; fie würden fich bei ihm als 
fraufe Büſchel um die Schläfen ballen. Im Ganzen find die füdarabifchen 
Juden ein ſehr ſchöner Menſchenſchlag, der an Schönheit nur den fpani« 
ſchen Juden nachſteht, aber die polnifchen weit übertrifft. Namentlich die 
Kinder zeigen oft allerliebfte Gefichter. Die Erwachfenen fehen in Folge 
der vielen rauhen Arbeit, die fie verrichten, oft vor der Zeit verwittert aus. 
Ihre Züge nehmen dann leicht etwas allzu Gedehntes an, was durch die 
langen ſpitzen Bärte noch vermehrt wird. Der Bartreihthum der Juden 
it au wieder ein augenfälliges Unterfheidungs - Merkmal vom ſüdara— 
biihen Typus, der faft bartlos if. Nur eines haben die Juden mit den 
Cüdarabern gemein, das ift die Magerfeit. Hierin unterjcheiden fie fich 
auffallend don dem Juden der ſpaniſchen (fephardifchen) Unterabtheilung, 
bei denen (namentlich den in Tunis angefiedelten) eine außerordentliche 
Neigung zur Wohlbeleibtheit vorhanden if. In Südarabien dagegen Habe 
id unter Juden nie ein mwohlbeleibtes Individuum gejehen; die Männer 
und älteren rauen zeigen jogar oft eine auffallende Magerfeit. 

Ih war neugierig zu erfahren, ob es unter der ſüdarabiſchen Juden- 
Haft auch Karaiten gebe. Bekanntlich Sollen die erften jüdiſchen Anfiedler 
in Yemen, die Beni Koraita, wie aud) der Name anzubeuten fcheint, diefer 
Secte angehört Haben. Aber alle meine Nachfragen erhielten eine entfchieden 
berneinende Antwort, modurd nur bejtätigt wird, was ſchon Niebuhr ſagt, 
der alle Juden Yemens Talmudiften nennt. In Aden, wo die anſäſſige Juden— 


176 Synagogen in Aden. Befuch beim Oberrabbiner. 


ſchaft nur eine einzige große Synagoge beſitzzt, beftehen zmar noch zwei 
Heine Gotteshäufer, die nicht von den Adener YSraeliten, fondern nur von 
fremden, aus dem Innern gefommenen bejucht werben. Uber ein Unter- 
ſchied im Belenntniß findet doch Hier nicht ftatt, wie mir der Oberrabbiner 
bon den verficherte ; er jagte, die Leute aus dem Innern fühlten fi durch 
die Nähe der meift reicheren und civilifirteren Adener gewiſſermaßen gede- 
müthigt, und das fei der einzige Grund, warum fie ſich abjonderten. Nach 
. Anderen befteht jedoch in der Wbendgebetsftunde ein Unterjchied, welche bei 
den Einen feft auf 6 Uhr fixirt wäre, was jedoch nicht viel auf ſich hat, 
denn in Aden geht die Sonne faſt immer um 6 Uhr Abends unter, da es 
nur 120 nördlich von der Linie liegt. Uebrigens bietet die große Syna⸗ 
goge kaum Platz für die Fremden, denn die Adener Judenſchaft zählt an 
2000 Köpfe, jo daß an jedem Feſttag ſich immer viele Hunderte dort 
einfinden. 

Als ih an einem Yreitag Abend die Synagoge befuchte, fand ich fie 
dicht mit Menſchen gefüllt, Alle jehr mohl gekleidet, die Knaben mitunter 
prachtvoll und mit filbernen Zierrathen behangen. Der Boden mar mit 
ſchönen Teppichen bededt, eine Unzahl Lampen angezündet; der Schrein, 
in weldem die Thora aufbewahrt wird, war kunſtvoll geſchnitzt und reich 
verziert. Während des Gottesdienftes führte man mich nicht herum, wie 
dies in Cairo bei den Karaiten gefchehen war, jondern wartete dag Ende 
ab, um mir die Thora zu zeigen. Diefe war auf langen Lederrollen ge 
jchrieben, und ih erfuhr, daß in Südarabien jede Synagoge foldhe Leder: 
rollen beſitze. Auch außerdem find eine Menge jolcher Rollen vorhanden 
und nicht ſchwer zu erwerben. Deren jollen noch jet beichrieben werden, 
aber nur im Innern; in Aden felbft giebt e& feine Schreiber, welche dieſe 
Arbeit ausführen. 

Am folgenden Sabbath machte ich dem Oberrabbiner einen Beſuch. 
Diefer führt den Titel „Meri” (e) und das foll überhaupt die Be 
zeihnung aller höheren Rabbiner Südarabiens fein. Es ift mohl das 
chaldäiſche Mare (Herr), das auch im Syriſchen in der Form „Mar“ eine 
fo große Rolle fpielt. (In Can’ä foll man nad) Wolf Möre ausfprechen.) 
Sein Name ift Menachem ben Mefcheh, fo nämlich) wird hier der Name 
Mofcheh ausgefprocdhen. Der Meri war ein ehrwürdiger Greis, hochbetagt 
und ſchon vom Alter gebüdt, nebenbei auch fehr kränklich, jo daß er mid 
auf dem Ruhebett liegend empfing. Seine Gelehrfamteit ſoll groß fein; 
er ift übrigens der einzige hier anfäffige Jude, der bedeutende Kenntniſſe 


Ausiprache des Hebräifchen bei den Adener Juden. 177 


befibt. Die Bücher, deren er ſich bediente, waren meift europäilche Drude; 
er beſaß jedoch auch Handichriften auf Leder. Er klagte mir, daß feiner 
feiner Söhne fi) der Gelehrfamleit gewidmet Habe. Aden ſei überhaupt 
ein jchlechtes Terrain für diefe; man fände hier zu leicht anderweitige und 
einträglichere Beichäftigungen. Nach feinem Tode müſſe man mohl einen 
Fremden kommen lafjen, um einen gelehrten Meri zu haben. Ich murde 
mit trefflichen weißen, faft ternlofen Rofinen (den berühmten aus Can ä) 
und engliichem Liqueur tractirt. Da? gebrannte Waffer gilt immer für er- 
laubt, während bloß gegohrene Getränke von Juden zubereitet fein müffen. 


Intereffant mar mir, was mir der Meri über die landesühliche Aus» 
ſprache des Hebräiſchen ſagte. Qämez wird wie oͤ ausgeſprochen, ebenfo 
ODaͤmez chatuph, nur kürzer. Zere iſt e, Segol aber a und von Patach 
faum unterjchieden. Chölem lautet auch wie €, jo daß man Meicheh, Yeief 
u. ſ. w. fagt, doch ift diefes e nicht ganz fo lang, wie Zere. Das Beth 
iſt bier ftet3 hart, nie aspirirt, nie bh, felbft wenn es ohne Dageſch fteht. 
Tas Zaͤde klingt ſehr meich, faft wie engliſches z und deutfches ſchwaches 3. 
Tas Ooph mird in Aden felbft wie Q, in Can ä dagegen foll es wie G 
(in Gott, gut) ausgeſprochen werden. Dieje Eigenthümlichkeit ift mohl dem 
Einfluß des Dialeft3 von Yemen zuzufchreiben, in welchem das arabische 
Q auch wie G Hingt. Daleth und Thau ohne Dagefch aspirirt, wie bei 
den ſpaniſchen Juden, lauten etwa wie das engliſche th in the (ftarf) und 
their (ſchwach). 


Die Stammestraditionen haben fih in Bezug auf die Leviten und 
Kohenim treu erhalten und werden in den Zunamen der Betreffenden zur 
Geltung gebracht. An Aden zählt man zur Zeit 30 Perfonen vom Ge- 
Ichlecht der Kohenim, dagegen nur 10 Leviim; man legt nämlich den er- 
fteren, obgleich auch) vom Stamme Levi, doch im gewöhnlichen Leben nie- 
mals den Namen Leviim bei, ja die Unmiljenderen halten die Kohenim für 
einen eigenen Stamm. Alle übrigen Juden nennen ſich zum Unterfchiede 
bon biefen beiden: „IEraeli". Die Leviim bejonders genießen faft größeres 
Anfehen, als die Priefterföhne, was vielleicht daher kommt, weil die Kohe— 
nim bier unverhältnigmäßig zahlreich find. 

Die Adener Juden find zum größten Theil Handwerker, Waffen: 
ſchmiede, Silberfhmiede, Mebger, Maurer, zu jeder Handarbeit geſchickt. 
Nebenbei treiben fie etwas Handel und Heinere Wechſelgeſchäfte. Der 
Großhandel und die Bankgeſchäfte find Hier nicht in ihren Bänden, fondern 


v. Maltzan, Reiie nach Südarabien. 


178 Jüdiſche Silberfchmiede. Ausnahmöftellung der Juden. 


in denen der Banianen, der oftindiichen Kaufmannskaſte. Die größeren 
Detailläden gehören den Parfi’3 und die kleineren auch Banianen oder indi- 
ihen Moslems. So find denn die Juden bier auf Handarbeit angewieſen. 
Sie find jehr gefhidt, namentlid) im Verfertigen der Waffenzierrathe und 
friegeriihen Utenfilien der Araber, und willen diejen Dingen mitunter eine 
ganz elegante Yorm zu geben. Da die Araber namentlid mit Dold- 
ſcheiden, Bulverhörnern, Kugelbehältern, filberbeichlagenen Banbelieren, 
Säbelgriffen u. |. mw. großen Luxus treiben und diefe Gegenflände, wenn 
fie es nur irgendwie erſchwingen können, von Silber haben wollen, fo ift 
befonder8 das Handwerk der Silberjchmiede hier ein verbreiteteg und vor—⸗ 
theilhaftes. Dafjelbe ift in ganz Südarabien ausfchließlich in Händen der 
Suden, indem die Südaraber faſt alle Handwerke im Allgemeinen, befon- 
ders aber jede Kategorie des Schmiedehandwerfes verachten und als freier 
Beduinen unwürdig anſehen. Da fie aber koſtbare Waffen nicht entbehren 
fönnen, fo jehen fie e8 gern, wenn fi Juden bei ihnen niederlafjen, ob⸗ 
gleich ihr moslemiſcher Fanatismus dies nicht eingefteht. 


So kommt es denn, daß wir faft in allen Gegenden Sübdarabiens 
namentlich in den Städten, Juden finden. Ja man Tanıı jo ziemlich den 
Blüthezuftand einer Ortichaft nach der Zahl der fie bemohnenden Juden 
abichffgen. Außer in den beiden oben erwähnten Diftricten (Yäfi'a und 
Hadramaut) duldet man fie principiell, wern man auch noch jo fireng in 
Fernhalten aller anderen Nichtmoslems iſt. 


Ein ſchlagendes Beifpiel von diefer Ausnahmäftellung der Juden Tie- 
ferten die neueften Religionsverfolgungen von Can d, mo man bor einigen 
Jahren alle nichtjüdiſchen Andersgläubigen, namentlich) die vielen Hindu’s, 
die dort lebten, zwang, zwiſchen Webertritt oder Tod zu wählen, und da 
die Meiften den leßteren vorzogen, ein fürchterliches Blutbad veranitaltete. 
In derjelben Stadt lebt aber eine zahlreiche Sudengemeinde, die bei diejer 
Gelegenheit ganz unbehelligt gelaffen wurde. Die Juden find eben den 
Arabern unentbehrlih, namentlich in ihrer oben erwähnten Eigenſchaft als 
Maffenjchmiede, jedoch auch nod anderer Induftrieen wegen, wie Baum⸗ 
wollweberei, Züncherei und der wenigen übrigen Gewerbe, melche bei dieſem 
bedürfniplofen Volke überhaupt vorkommen. 


Die Juden ftehen deshalb überall unter dem Schuß der Obrigkeit 
und, wo eine ſolche fehlt, unter dem ber freien Beduinen - Stämme. In 
diefem Land der erblichen Blutrache würde e8 freilich unmöglich fein, den 


Sicherung des Lebens der arabifchen Juden. 179 


Mörder eines Juden mit dem Tode zu ftrafen, da der Mord eben meift 
duch die Blutrache gefühnt wird: ein Recht, das jedoch nur dem Araber, 
nicht den Juden zufteht. Die Juden würden alfo vogelfrei fein, hätte die 
ſüdarabiſche Völferfitte Hier jeit uralter Zeit nicht einen andern Ausweg 
ergriffen. Dieſer if, daß man es für Schande erflärt, einen Juden zu 
töbten, wa8 vollkommen den ritterliden Begriffen von Ehre entfpricht, da 
die Juden unbewaffnet find, und ein Unbewaffneter im kriegeriſchen Sinne 
nicht für einen Mann gilt. Deshalb hört man oft Araber fagen: „die 
Juden find wie die Yrauen; Eines diefer beiden zu tödten, fehändet den 
Mann." Dies ift freilich nur durch Tradition, nirgends durch beſtimmte 
Geſetze, welche überhaupt in vielen Gebieten von Sübarabien fehlen, feit- 
gejeßt; aber die Traditionen erweiſen fi) bei diefen Völkern wirkfamer, 
als die Geſetze, jedenfall3 wirkſamer, als das des Doräns, welches hier nie 
ſo recht Fuß fafien konnte, d. h. was feinen juriftifchen Theil betrifft. 
Sind fo Leben und Gut der Juden im Innern von Südarabien ge- 
ſichert, ſo ift doch ihre Stellung in jeder andern Beziehung keineswegs eine 
beneidenswerthe. Sie find einer Menge von Demüthigungen ausgefegt. 
Bie in Marokko, dürfen fie feine Pferde, fondern nur Ejel reiten.*) Be— 
gegnet ein fo berittener Jude einem WUraber, jo muß er vom Thiere ab— 
Reigen, es am Halfter führen und zur linken Seite ausweichen, während 
die Araber dies fonft zur reiten thun. In dem gezwungenen Ausweichen 
zur Linken liegt ein Schimpf. Bei Begrüßungen, die freilich zwiſchen 
einem Araber und Juden feltener vorkommen, ftredt jener diefem feine Hand 
mit mweitauögeredtem Arm zum Kuſſe entgegen, ſtreng die gehörige Diftanz 
beobachtend, um nicht durch die Nähe des verachteten Juden berunteinigt 
zu werden. Der Araber hütet fich jedoch germöhnlich vor jeder Berührung 
mit Juden. Beiſpiele von einer Yamilien > Verbindung zwiſchen Arabern 
und Juden kommen gar nicht vor und die bloße Nachfrage danach jchien 
meine arabijchen Bekannten aus dem Innern zu flandalifiren. Alle diefe 
Araber ſprachen fi höchſt fanatiſch und verächtlich Über die Juden aus, 
denen fie freilich nichts nachfagen konnten, al3 daß fie eben einem von ihnen 
berachteten Glauben angehörten. Das genügt aber in ben Augen des 


*) Dies find diefelben Demüthigungen, denen zu Niebuhr'3 Zeit in Aegypten 
alle Nichtmoslems, jogar die Konfuln europäiſcher Mächte ausgelegt waren, weshalb 
egtere damals lieber zu Zube gingen, als vom Privilegium, auf Ejeln zu reiten, 
Gebrauch machten. 

12* 


180 Ausfiht auf Beſſerung der Stellung der Suden. 


Arabers, dem dogmatiſche Sünden ſchlimmer find, ala die chändlichften 
Berbrechen. Daß die gemöhnlichen Araber feinen Begriff von der Religion 
der Juden haben, verſteht ſich wohl von ſelbſt. Deshalb find auch die 
fabelhafteften Gerüchte über den jüdifchen Ritus bei ihnen verbreitet. Man 
erzählte mir allerlei Seltſamkeiten über den Gottesdienf. Den Gebraud), 
fi die Hände ſchwarz zu bededen und Hörner anzulegen (die Philafterien 
oder Thefillin) faßten fie als eine ſeltſam thieriiche Ceremonie auf, wobei 
gebrüllt und wie wahnfinnig in der Synagoge herumgerannt wurde. 


Daß die Juden ihre gedemüthigte Stellung ertragen, läßt ſich eben 
nur durch die Geduld dieſes Volkes und durch die Standhaftigfeit erklären, 
mit der es auf eine befjere Zukunft hofft. 

In der Hoffnung auf eine befiere Zukunft ift überhaupt der Jude be- 
barrlih, und die Thatſachen geben ihm Recht, denn diefe Hoffnung beginnt 
ſich zu verwirklichen und hat fi in der That ſchon auf vielen Punkten 
verwirklicht. Auch in Sübdarabien befindet fih ein ſolcher Punkt, nämlich 
Aden und feine nächfte Umgebung. Wer hätte es den mißhandelten Juden 
Adens vor 30 Jahren voraudgejagt, daß fie ihren, einftigen Herren, den 
ftolzen Arabern, rechtlich ganz gleichgeftellt fein würden? Nur wer den 
Drient genau Tennt, kann das Unermeßliche des Umſchwungs zum Bellen 
würdigen, welchen die englijche Herrſchaft in Aden für die Juden mit id 
gebracht Hat. Doch nicht in Aden allein, auch ſchon in einzelnen Staaten 
der Nachbarſchaft, wie in Laheg und Schughra, macht fi) der engliſche 
Einfluß heilfem geltend und die Sultäne vermeiden aus Furcht vor eng- 
liſchen Vorſtellungen, die Juden zu bebrüden. 


Mit der größeren Treiheit, welche die Juden in Aden und Umge 
gend genießen, bat fih auch ihr Eulturzuftand bereit merklich gehoben. 
Es wohnt diefem Bolt eine ſolche geiftige Lebenskraft inne, daß es nur 
eines geringen Anſtoßes von Außen bedarf, um fich auf eine höhere mora- 
liſche und intellectuelle Stufe zu ſchwingen. Merkwürdig ift ſchon jet der 
Unterfchied zwiſchen der jüngeren und der älteren Generation, die noch 
unter dem früheren Drud erzogen wurde. Die Knaben, haben faſt durch⸗ 
gehends eine gewiſſe Bildung, felbft nach europäifchen Begriffen, während 
die Väter außer ihrem Handwerk nur wenig Nügliches wiſſen und auch 
nicht durch die bei anderen Juden bes Orients fo vielfach vertretene talmu | 
diſche Gelehrſamkeit glänzen. Das Bebürfnig einer europäifchen Ausbil | 
dung wird übrigens bon den Juden jelbft empfunden (ein Araber glaubt | 





Zukunft der füdarabifchen Juden. 181 


eine Solche nicht nöthig zu haben) und dieſes Streben ift fchon allein ein 
Fottſchrit. So können wir denn ohne Webertreibung fagen, daß die 
Juden bon Mden und Umgegend fich emporzuarbeiten beginnen. In 
eigen Generationen werden fie wahrſcheinlich den Europäern nicht viel 
nahftehen. Die Rückwirkung wird fih dann aud auf die Juden des 
Innern bemerkbar machen. 


Südarabien. 


Einundzwanzigſtes Capitel. 
Die ſüdarabiſchen Pariakaſten. 


Eigenthümlichkeit des ſüdarabiſchen Pariaweſens. — Religion der Parias. — Parias 


in Gentralarabien. — Strenge Standesbegriffe der älteren Südaraber. — Arnaud's 


Viertheilung der Parias. — Achdaͤm. — Ubgefondertes Wohnen. — Stammesftol; 

der Bebuinen. — Die tieffte Paria-Kafte. — Schumr. — Ahr Gewerbe. — Moſchee⸗ 

verbot. — Kupplerinnen. — Eine Paria Sängerin. — Phyſiognomiſches. — Ein 

füdarabifches Schönheitsregifter in Verſen. — Dialekt der Parias. — Ahr Urfprung. 

— Falſche Anfihten. — Unmöglichkeit ihren Urſprung zu beftimmen. — Entftehung 

der Achdaͤm⸗Kaſte. — Verſchiedene Bezeichnungen für diefe Kafte. — Die Ahl Häplt. 
— Freiheit von Steuern. — Die Parias find feine Stämme. 


Es ift eine höchft merkwürdige Erjcheinung, daß in einem arabifcen 
Lande, in dem fonft der Fyreiheitäfinn und Stammeaftolz der Bewohner 
aufs höchfte ausgebildet ift, neben diefen freien Stämmen zwei Menfchen- 
clafjen exiftiren, welche, obgleich fich nicht zu anderm Glauben befennen), 
dennoch eben jo ſehr in den Bann gethan find, al3 wären fie die ärgften 
Ketzer. Ueberall fonft, wo es Parias giebt, find fie durch das Belenntnik 
oder wenigſtens durch ein ſectenartiges Ahweichen von der herrſchenden 
Religion unterfehieden. In Südarabien ift diefes nicht der Yall, und dide 
Thatſache macht die dortigen Parias zu einer Merkwürdigkeit, mie fie jelhf 
Oftindien nicht aufweiſt. Der Umftand, daß der befreiende und fociale 
Gleichheit für alle „Nechtgläubigen” prebigende Mohammebanismus in 
Südarabien nicht fo weit zur Geltung kam, um jene Kaſten zu emand- 





Ohnmacht des Islam in Bezug auf Emancipation x. 183 


piren, zeigt und diejes Land in einem ganz, andern Lichte als Gentral- 
atabien. Es mar eben ein uraltes eigenartige Culturland, das ſelbſt in 
feinem Verfall noch dem centralarabiichen Element Widerftand Teiftete, und 
wenn e3 auch im Großen und Ganzen diefem allmählich unterliegen und 
feine Eigenheiten mehr oder weniger einbüßen mußte, ihm doch im Beibe- 
balten einzelner tiefgewurzelter Eigenthümlichteiten trotzte. Zu lebteren ge— 
hörte auch das Beitehen der Paria-Saften. Die Parias glaubten vielleicht 
durch Annahme des Islams fich zu emancipiren. Aber ſie irrten ſich. 
Das angeſtammte Element der Kaſtenſcheidung erwies fich kräftiger als der 
befreiende Einfluß des Mohammedanismus. Weit entfernt, fie zur Gleich— 
heit zu führen, gab die ſüdarabiſche Auffaſſung des Islam noch Gelegen- 
beit, eine neue Scheidewand zwiſchen ihnen und der herrſchenden Claſſe 
aufzurichten, indem legtere eine diefer Kaſten fogar vom Beſuch der Mofcheeen 
ausſchloß. Ein unerhörtes und eigentlich ganz „unarabifches” Verfahren, 
denn nur SHeterodorie ſoll nach Acht mohammedaniſchen Begriffen von 
diefem Beſuch ausfchliegen, und diefe mar bier nicht vorhanden. Aber 
alle unfere Begriffe von dem mas „arabiſch“ oder „unarabiſch“ ift, find 
eben ausfchließlih aus centralarabiihen Quellen entlehnt. Der Geift der 
alten ſüdarabiſchen Eultur fängt erft an ſich und zu offenbaren, Seit die 
Inschriften der alten Sabäertempel (vulgo himyiariſche genannt) in größerer 
Menge auftauchen und mit vermehrter, wenn auch immer noch ſehr mangel- 
hafter Deutlicjkeit entziffert zu werden beginnen. Dieſer ſüdarabiſche Geiſt 
mar ein anderer, als der des freien Bebuinenthums, das fo recht eigentlich 
Gentralarabien fennzeichnet. 

Letzteres kannte zwar auch und kennt noch heute eine Art von Paria; 
doc) find dies herabgelommene Beduinen-Stämme*), die durch eine Kata- 
ſtrophe (Krieg, Raub) ihr Gut verloren haben, aber doch meift noch ala 
Gruppen ftammesweife zufammenteben, nicht, wie die füdarabifchen Barias, 
ſeßhafte Bewohner, die unter fi nur ſchwache Beziehungen haben und 
durch's ganze Land zerftreut find. 

Auch iſt es unerhört, daß in Gentralarabien Jemand wegen feines 
Stande, und jei er auch anrüdig (denn etwas anderes ift die Kafte in 
Yemen nicht), vom Beſuch der Moſcheeen ausgeſchloſſen würde. 


*) Herrn Profefjor Sprenger verdanke ih folgende Notiz: Es fcheint, daß zu 
Mohammed's Zeit die Banü Lihb, ſüdlich von Mekka, Paria waren. An der ſyriſchen 
Wuüſte find jetzt noch die Beni FElẽb (Kolaib) der geächtete Stamm. Sie haben nur Eſel 
und fommen nad) Damascus, um Trüffeln zu verlaufen, woran die Wüſſte jehr reich ift. 


184 Vierzahl der Pariakaften nad Arnaud. 


Die Dahtäniten (jo haben die arabijhen Genealogen die Südaraber 
benannt) hatten viel mehr Aehnlichleit mit den anderen alten oftafiatifchen 
Culturvölkern, den Berjern, den Oftindiern. Sie befaßen einen ziemlich 
complicirten Cultus, religiöfe Denkmäler in Bild und Schrift, ftaatliche 
Einrichtungen, blühende Städte. Die Rangfiufen ſcheinen mannichfaltig 
gegliedert gewefen zu fein. Die Infchriften zeigen ung eine Anzahl höherer 
Titel von Fürſten, von Heineren Häuptlingen; wir können faft auf eine Art 
Adel Schließen. Wo die höheren Rangftufen jo genau bezeichnet waren, da 
fönnen wir auch wohl in den niederen Sphären fcharfe Gliederungen 
borausfegen, und ala höchſt wahrſcheinlich annehmen, daß die Taftenartige 
Ausnahmzftellung einzelner Vollstheile in Südarabien uralt ift*). 

Niebuhr war es, welcher zuerit auf die Parias in Yemen aufmerkſam 
machte. Er verglid fie mit den Zigeunern, und dieſer Vergleich ift ſehr 
richtig. Nur wandern lebtere mehr als die ſüdarabiſchen Parias, die oft 
an die Scholle gebunden find. Kigentlich bekannt find fie jedoch erſt durch 
Arnaud, den Entdeder von Maärib, geworden, der ihre Eigenſchaft als 
Parias zuerſt in das richtige Licht flellte. Arnaud unterjcheidet vier Claſſen 
von Parias: die Achdäm, die Barbiere, die Schafuli und die Schumr. Die 
beiden letzteren Claffen nennt er als die verachtetften, vom Beſuch der 
Mofcheeen ausgeichloffen, alle efelhaften Gewerbe verrichten. Die beiden 
erſteren Claſſen find weniger in den Bann erllärt, dürfen noch Moſcheeen, 
aber nicht die Häuſer der Araber betreten. 

In Süd-Hemen iſt die Vierzahl der Pariaclaſſen unbekannt. Ich 
habe immer nur von zwei Claſſen reden hören, den Achdaͤm und den 
Schumr **). Die Barbiere in Süd - Yemen find niemals Parias, und ber 


— — — — — —— 


*) Ich entlehne folgende Bemerkung einem Briefe Profeſſor Sprenger's. Richtig 
find Ihre Begriffe über das Entſtehen folder Genoſſenſchaften. Es iſt natürlich, daß 
je ſtrenger die ariſtokratiſchen Begriffe der Vollblut-Bevölkerung find, deſto öfter 
Fälle von Ausftopungen vorkommen müfjen, und die Ausgeftoßenen werden, wenn 
nicht ſchon Parias vorhanden, ſelbſt vollftändig eine Genoſſenſchaft bilden müffen. 

*s) Profeſſor Sprenger ſchreibt: Die Schumr in Arabien entſprechen ganz dem 
Tschamär (Tſchamaͤr) , ( in Indien. Diefe fehlen faſt bei feinem Dorf Hin- 
duftans, leben aber immer in einiger Entfernung davon. Die Adam von Arabien 
find den Mihter — der oſtindiſchen Auskehrer⸗Kaſte, ſehr ähnlich, doch iſt in 
Indien eine größere Zerſplitterung, denn da find noch die Dhöbi re: bie 
Wälder, die Ahir und andere. 


Die Adam oder erite Pariakaſte. 185 


Name Schafuli ift dort unbelannt. Bon den Achdaͤm gilt das, mas Xr- 
naud von den zwei erfien, von den Schumr dad, was er von den zwei 
leßtern feiner vier Claſſen jagt. 

Der Name Adam (im Singular Chädem) bedeutet „Diener,“ und 
dies Wort bezeichnet genau ihr Verhältniß zu der herrſchenden Race. Eine 
Menge von Gewerben ift bei den ftolzen Bebuinen veradhtet, und dieſe 
verrichten die Achdaͤm. Sie find Gerber, Wäfcher, Töpfer, Schlächter und 
gelten für beſudelt durch diefe mehr oder weniger unreinen Gewerbe, aber 
doch nicht in dem Grabe für unrein, um aud den aus ihren Händen her⸗ 
borgehenden Gegenftänden ihre Unreinheit mitzutheilen. Letzteres foll bei den 
Schumr der Yall fein. Die Achdaͤmkommen, wie ermähnt,in Mofcheeen,aber nicht 
in die Häufer der Araber. Sie wohnen ſtets abjeits, gewöhnlich außerhalb 
der Städte und Ortſchaften. Sogar in Aden, mo doch die Staftenbegriffe 
durchaus Teine officielle Geltung haben, lieben e8 die Achdaͤm, fi) abzu- 
jondern und bewohnen ihr eigenes Viertel, Ich beſuchte dieſen Stabttheil 
öfter8, aber nie gelang es mir, von den dortigen Achdam über ihre Kafte 
Aufſchluß zu erhalten. Der Mebelftand ift, daß der Name diefer Kafte ein 
Schimpfwort geworden ift, und daß man alſo durch die Trage danadı, 
ſchon von vornherein Anftoß giebt. Alle nichtarabiichen Einwohner Adens 
d. 5. die Mehrzahl, wiſſen auch nicht zwiſchen Achdaͤm und anderen armen 
Arabern zu unterjcheiden, und fo fühlen fich die Achdaͤm hier von dem Bann 
erlöft, der im Imern auf ihnen laſtet. 

Wie ein Sträfling, den man in der Strafanftalt ſelbſt antrifft, feine 
Eigenschaft nicht verleugnen kann, jo müffen auch die Achdam im Innern 
des Landes, wo die Kaftenbegriffe Geltung haben, eingeftehen, zu welcher 
Clafſe fie gehören. So konnte ich mir denn auch in der Hauptfladt bes 
Abäbel-Sultanats, Laheg, viel beſſer Aufſchluß über fie verſchaffen. Na- 
tirlih geftehen fie auch dort ungern, daß fie zu den Parias gehören. 
Fragt man einen det Achdaͤm, ohne daß ein anderer Araber dabei ift, was 
er fei, fo wird er fich für einen Bebuinen ausgeben. In Gegenwart eines 
Beduinen aber kann er dies nicht wagen. Schimpf und Prügel würden 
dann fein 2003 fein; denn der Beduine ift unbändig im Stammesſtolz. Aber 
auch die Achdaͤm haben ihre Art von Stammesfiog Man kann ihnen 
feine größere Beleidigung anthun, als wenn man fie fragt, ob fie nicht 
eiwa zu der Claſſe der Schumr gehörten? Bon diefer Beichuldigung rei- 
migen fie ſich mit den heiligften Eiden, und nichts ift ihnen jchredlicher, als 
jo etwas hören zu müſſen. Sie können freilich dem Fremden oder dem 


186 Die Schumr oder zweite Pariakaſte. 


Araber gegenüber diefe Unbill nicht ahnden. Wehe aber dem Schimri 
(Singular von Schumr), der fi für einen Chädem auägiebt. Dies ge 
Ichieht nämlich immer, wenn man einen Schimri nad) feiner Kaſte frägt, 
ohne daß ein Chadem dabei iſt; denn die Schumr find ſich wohlbewußt, 
tiefer ald die Achdaͤm zu ſtehen und verjuchen gar nicht, ihre Kafte für 
eitwas Beſſeres auszugeben. Jeder verleugnet die feinige. Die Kaſte ift 
eben etwas ihnen Aufgedrungenes, dadurch unterjcheidet fie ſich weſentlich 
bon anderen Racenunterfchieden. So fteht 3. B. der Jude in Südarabien 
in focialer Beziehung gewiß eben fo fchlecht, ja oft fchlechter als Achdaͤm 
und Schumr. Mber nie wird es einem Juden einfallen, fein Jubenthum 
zu verleugnen. Im Gegentheil, er ift ftolz darauf, wie einft die Märtyrer 
auf ihr Chriſtenthum, durch das fie doch auch dem focialen Bann verfielen. 

Die Ahdam find im Vermeiden der Schumr ebenfo ferupulös, tie 
bie Bebuinen im Vermeiden der Achdaͤm. Die Kaſte der Schumr ift eine 
ganz eigenthümliche Erfcheinung und von merfmwürdiger Tocaler Begren- 
zung. Während es nämlich in ganz Südarabien, fo weit meine Erkun- 
digungen reichen, d. h. von Yemen bis "Omän, Achdaͤm giebt, erifliren 
Schumr nur im eigentlichen Yemen. Schon in Yäfia, welches doch auch 
einft zum Reiche der Imäme gehörte, find fie gänzlich unbekannt. Auch 
bei den Beduinen fcheinen fie nicht vorzufommen. ch hörte nur immer 
bon ihnen in Verbindung mit Städten. In allen Städten von Yemen 
fommen fie vor, wohnen auch dort abſeits, wie in Aden, mo fie fich in 
einer noch abgelegeneren Gaffe, als die der Achdaͤm, angefiedelt haben. 
In Aden natürlich kann man fie nicht verhindern, die Mofcheeen zu be 
treten, aber in feiner Stadt des Innern werden fie in denfelben zugelaflen, 
obgleich fie, wie ſchon oben gejagt, fi im Bekenntniß nicht von den Herr 
jchern unterfcheiden. Wo dieje Sunniten find, da find es aud die Schumr; 
in Gentral-Yemen, wo die Secte der Zaidi vorherrſcht, befennen fie fich zu 
diefer. Der Grund, warum man fie vom Gottesbienft ausſchließt, muß 
eine tiefere traditionelle Bedeutung haben, denn die Urfachen, welche bie 
Araber gewöhnlich dafür angeben, fcheinen mir alle nicht ſtichhaltig. Es 
heißt, die Schumr feien Abdeder, folglih durch Aas beſudelt (fie flehen 
fogar im Verdacht Aas zu effen); aber ich habe viele Schumr gekannt, 
die durchaus nicht jenes Gewerbe ausübten. Die meiften fcheinen ſich al? 
Bänkelfänger, Diufifanten, Trommler, Pfeiffer zu ernähren, und das iſt 
ein Gewerbe, welches zwar auch verachtet wird, aber doch an und für fid 
feine tiefere Stellung, al3 die der Achdaͤm, mit fich bringen würde. Den⸗ 


Antagoniemus der beiden Pariakaſten. 187 


noch erweiſt fich der Haftengeift jo mächtig, daß ein Schimri, und treibe er 
mas er wolle, fich nicht Über feinen tiefen Stand zu erheben vermag. Er 
gehört ihm durch die Geburt, nicht durch ein Gewerbe an. 


Daß ein Schimri es nicht wage, eine Mofchee zu betreten, dafür for- 
gen die Achdam, denn überall, wo es Schumr giebt, giebt es auch jene. 
Durch den Mojcheebefuch würde fich ein Schimri zum Chädem aufſchwingen, 
was freilich den Übrigen Arabern gleichgültig ift, was aber die Achdäm 
als die größte Schande für ſich anfehen würden. Ich glaube deshalb, daß 
jenes Berbot weniger von den Arabern, als bon den Achdam, ausgeht, 
befonder8 da es nur traditionell, nicht aufgezeichnet if. Da die Achdam 
faft überall numeriſch färker find, als die Schumr, fo können fie es auf- 
teht erhalten. 


Da in Yemen die Achdaͤm die meiften derjenigen Gewerbe ausüben, 
welche die anderen Araber verjchmähen, jo bleiben den Schumr nur wenige. 
Dazu gehört allerdings auch das der Abdeder. 

Daß die Schumr fo meiftend in großer Armuth ſchmachten, ift er- 
klaͤrlich. Daß auch ihre Moralität nicht immer die befte ift, läßt fich ver» 
muthen, obgleich die Araber gewiß in ihren Beſchuldigungen übertreiben- 
So jheint es ganz widerfinnig, die Schumr-Weiber des Yeilbietens ihrer 
Reize zu befchuldigen, denn wen follen fie diefe feilbieten? Wenn man die 


Araber danach fragt, wiſſen fie feine Antwort, denn ein Araber würde fich 


nie mit einer Baria einlaffen, und befäße fie auch die Reize einer Cleopatra. 
Alſo vielleicht den Adam? . Diefe aber find noch mehr von Vorurtheilen 
gegen die Schumr erfüllt. In Aden freilih ertappt man die herumzie- 
benden Sängerinnen von der Schumr-Safte zumeilen auf Kuppelei. Aber, 
recht bezeichnend, fie verfuppeln nicht ihre Stammesangehörigen, fondern 
Fremde. Diefelbe Schume-Frau, welche die Kupplerin fpielt, wird, wenn 
fie felbft zu Männern in’s Haus beftellt wird, um dort zu fingen, ſich 
bon ihrem Ehemann begleiten laſſen. 

Ale Schumr, welche ich Tennen lernte, namentlich aber die Frauen, 
waren von einer ganz bejondern Lebbaftigfeit. Gewöhnlich treiben fie ihr 
Weſen auf der Straße. Dort muficiren fie, fingen, und find dabet in be- 
ſtandiger, aufgeregter Bewegung. Da die Araber fie nie in's Haus kommen 
laſſen, fo ift ihnen das Singen bei ruhendem Körper ganz ungewohnt. Ich 
hieß einmal eine ſolche Sängerin zu mir führen, um die Worte ihres Liedes 
aufzuſchreiben. Sie kam, aber begleitet von zwei Männern, ihrem Mann 


188 Eine Sängerin von der Pariakaſte. 


und Bruder, mie fie angab. Da fein rechter Plab zum Umhertanzen 
tar, jo mußte fie ſich bequemen, fißend zu fingen. Das ſchien ihr jedoch 
ſehr wider die Natur zu gehen. Sie entichädigte ſich aber für die ge= 
zwungene Ruhe der Beine duch vermehrtes Gefticuliren mit den Armen. 
Der Hauptfik ihrer Lebhaftigkeit fchien übrigens in den Augen. Ich babe 
noch nie ein feurigere8 und zugleich geiftig ausdrucksvolleres Auge gejehen. 
Die Frau war durchaus nicht Schön, auch nicht mehr jung, aber ihr leb⸗ 
haftes Auge verlieh ihr einen Erfab für alle anderen äußeren Vorzüge. 


Die Lieder diefer Frauen find meift erotiſcher Natur, niemals jedoch 
bie Grenze des Anftändigen überfchreitend. Folgende Probe, die ich Der 
Treue wegen unmetrifch und fo mörtlich wie möglich überjeße, möge einen 
Begriff davon geben. Das Liedchen ift eine Aufzählung aller weiblichen 
Reize dom Kopf zur Sehe, vor. deren verheerender Macht der Liebhaber 
gewarnt wird. Ein unbelannter Bervunderer wird dabei immer als die 
Rede unterbrechend eingeführt, indem er zu jedem Gliede gleihfam einen 
Commentar, natürlich in der Hyperbel, giebt. 


Hüte dich vor den Loden! Er ſprach, die Locken find eine Nacht voll 
herrlicher Schönbeit, 

Ein hundertfaches Gefchmeide, ausgebreitet auf dem Ruhebette. 

Hüte di) dor der Stirn! Er ſprach, die Stirn ift wie ein Stern. 

Hüte dich vor den Brauen! Er ſprach, fie find runder als die Augen. 

Hüte dich vor der Nafe! Er ſprach, die Nafe ift ein Held. 

Hüte dich vor den Augen! Er ſprach, die Augen find eine dunfle 
Nacht; 

Wenn der Narr fie anblickt, wird er geſund in feinem Verſtändniß. 

Hüte did vor dem Munde! Er ſprach, er ift runder als ein Ring. 

Hüte dich vor dem Halje! Er ſprach, der Hals ift wie eine Flaſche, 

Eine Flaſche von feinem Glas, mit kunſtvoll geſchmückter Deffnung. 

Hüte dich dor der Bruft! Er fpradh, die Bruft ift ein Garten, 

Ein Garten voll reifer Früchte, jeder Art, jeder Gattung. 

Hüte di) vor der Taillel Er ſprach, die Taille, die ift jo recht meine 
Sadıe; 

Wenn man die Hand drum legt und zufammenpreßt, jo glaubt man 
ein Nichts zu umfafjen. 

Hüte did) vor dem Leib! Er ſprach, der Leib ift ein feines Gewebe, 

Glänzend und fchillernd wie der Bauch der Schlange. 


Dialeft der Schumr-Pariad. Ihr Typus. 189 


Hüte di vor den Schenken! Er ſprach, die Schenkel find zwei 
Blätter des Kadibaums *). 

Hüte did vor den Beinen! Er ſprach, die Beine find zwei Leuchter. 

Hüte dich vor den Füßen! Er ſprach, die Füße find zwei Panther. (!) 

Endlich rief er aus: das ift ja eine Fülle der fchönften Gemälde! 


Diefes, ſowie alles, was ih von den Schumr hörte, war ganz im 
Dialekt von Yemen gehalten. Ueberhaupt habe ich durdaus feine Spur 
bon einer eigenen Sprache der Schumr entdeden können. Dergleichen 
wird wohl zumeilen behauptet, aber es hat ſich mir immer al3 unftihhaltig 
erwieſen. Aehnlich verhält es fich mit den Phyfiognomien. Auch in ihnen 
will man etwas Fremdländiſches entdedt haben. Sie follen ſich dem 
Negertypus nähern. Ihre Hautfarbe foll dunkler fein, als die der anderen 
Araber. Alles dies Tonnte ich nicht finden. Ih fah zwar auch recht 
dunfelhäutige Schumr, aber fie waren es nicht mehr, als die Araber, unter 
denen fie Iebten; denn auch die Bewohner des tiefſten Südens von Arabien 
find faſt ſchwarz. Die Schumr aus den nördlichen Gegenden aber zeigten 
eine ebenjo Helle Haut, mie die dortigen Araberſtämme. Zuweilen fieht 
man wohl etwas gröbere Phufiognomien unter den Schumt, als unter den 
Arabern ; aber bis zum Negertypus iſt es doch noch meit. 

Sprade und Aeußeres können uns deshalb nidt leiten, um den Ur- 
iprung der Schumr zu entdeden. Die Tradition der Südaraber, daß 
fie von befreiten Negern flammen, ſcheint mir durchaus merthlos. 
Andere halten fie für Ablömmlinge der Abeſſinier, die im zweiten Jahr⸗ 
Hundert vor Mohammed in Demen herrſchten. Arnaud gar glaubt in ihnen 
die Ueberbleibſel der nach ihm faſt untergegangenen Himyaren zu erblicken, 
was ganz falſch iſt; denn die himyariſchen Stämme werden uns von Ham⸗ 
daͤni genannt und ſind noch heute in Südarabien ſehr wohl unter den 
bon ihm angegebenen Namen zu traciren. Sie find keineswegs unter⸗ 
gegangen, jondern bewohnen noch jet ihr altes Gebiet, den tiefſten Süd- 
weiten Arabiens. 

Bon allen diefen Theorien läßt fi keine einzige bemweilen. Das 
Klügfte Scheint mir, offen einzugeftehen, daß uns ihr Urfprung gänzlich un- 
befannt if. Daß fie die Reſte eines eigenartigen, nun als Nation unter- 


*) Die Kadiblätter find ihres Wohlgeruchs und ihrer ſchönen Form wegen bes 
liebt. Letztere ift genau die eines wohlgebildeten Schenkels. 


190 Urfprung und Name der Ahdam. 


gegangenen Volkes find, fcheint mir annehmbar, obgleich es ſich auch nicht 
beweifen und noch viel weniger beſtimmen läßt, was dieſes Volk war. 
Sie find in Südarabien ungefähr das, was einft die Heloten in Sparta 
waren. Nun denke man fi die Gefchichte Sparta's wäre nicht aufge- 
fchrieben, fo würden wir in den Heloten ein ganz ähnliches ethnologiſches 
Räthſel haben, wie jet in den Schumr. 

Der Uriprung der Achdaͤm dagegen ſcheint mir ein anderer, und nicht 
auf eine ethnologifhe Duelle zurüdzuführen. Es kommt nämlich noch 
heutzutage, wenn auch felten, vor, daß ein Araber, meift immer aus der 
unterften Claffe der Städtebewohner, zum Verhältniß eines Chädem hinab- 
fintt. Die befreiten Neger werden auch oft in dieje Kaſte eingereiht. 
Schimri dagegen wird man nur durch die Geburt. Der Stand der Ady- 
dam knüpft ſich an Gewerbe, die freilich meift auch erblich find, die aber 
auch zuweilen von Leuten in die Hand genommen werden, denen fie nicht 
angeerbt waren. So erzählte mir ein Bewohner des MWädi Do’an, daß 
dort ein Menfch, Namens Bahadur, ſich dem Töpferhandwerk ergeben habe; 
da dies für unrein gilt, jo ſank er in ein Paria-Berhältnig hinab, und fein 
Name „Bahadur” wurde die Bezeihnung für eine Elafje von Ausmwürf- 
lingen, welche dafjelbe Gewerbe betrieben, obgleich) fie feine genealogifche 
Einheit bildeten. Uber dies Verhältnig war von der milderen Art, nicht 
bon jener ftrengeren Erclufinität, deren Opfer die Schumr find. Letztere 
giebt es überhaupt in Hadramaut nicht. 

Der Name Adam iſt gleichfall® außerhalb Yemens nicht in demfel- 
ben Sinne gebräuchlich. Aber die Sache eriftirt, wenn auch unter anderem 
Namen, in ganz Südarabien. Im Lande der Audeli, öftlih von Yäfia 
heißen fie Meräfai, Doſchäͤn, Bezeichnungen, welche fi) auf die Inftrumente 
beziehen, die fie jpielen, denn mo e& feine Schumr giebt, verjehen die Ach⸗ 
daͤm diejes Gewerbe. In der Nähe von Ghoder, Hauptort der Audeli, 
giebt es ein eigenes Dorf, Mesfegge, nur von Meräfai bewohnt. In den 
Ländern der Aulaqi und Wähidi führen fie den Namen „Ahl Häyit“, d. h. 
das „Webervolk“, weil fie fi) diefem Handwerk hingeben*). Es giebt ganze 


*) Hamdäni erwähnt, daß viele Himyaren dem Gewerbe ber Weber ergeben 
waren. Da diefe Paria-Kaſte im Sarw Madhis, alſo nahe bei Yafı’a, welches ganz 
himyariſch ift, wohnt, jo ließe fi) wohl denken, dak hier Abkömmlinge jener Himy⸗ 
arenz Weber ſeien. Sie werden jetzt übrigens auch von den als Oobäayel lebenden 
Himyaren veradhtet, haben aud alle Stammestraditionen verloren. 


Abgabenfreiheit der Parias. Ihre Zukunft. 191 


Städte von diefen „Ahl Hayil“ bewohnt, z. B. die Stadt Rauda zwiſchen 
Höta und Habbän. In Hadramaut dagegen find es die Mebger, deren 
Gewerbe den Namen für die Bariad abgeben mußte. Sie beißen dort 
Zaͤbih (für Däbih), d. h. Schlächter. 

Die Parias genießen übrigens inſofern eine Entſchädigung für den 
ſocialen Unglimpf, den ſie erleiden, als ſie gänzlich frei von Abgaben ſind. 
In einzelnen Gegenden von Yemen ſollen fie zwar nad Arnaud zur Lei— 
fıng von Frohnden genöthigt werden. Nach allem, was mir befannt 
wurde, find fie jedoch aller Zaften ledig. Man hält es für Schande, wenn 
en Sultan oder Schedy etwas von den Achdäm erhebt. Im Gegentheil, 
es gilt für jehr ehrenvoll, diejelben reichlich zu bejchenten, befonders wenn 
fe jemand zu Ehren muficirt haben. Bei feftlihen Gelegenheiten lieben 
& die Araber, prahleriiche Geſchenke zu machen, und dieſer Brauch kommt 
den Mufifanten fehr zu flatten. Namentlich die Hochzeiter werden in 
Eontribution gejebt. Ein Mann aus Bedäaͤ erzählte mir, er habe gefehen, 
wie ein Chädem einem Hochzeiter Alles bis aufs Hemd abbettelte, und 
dieſer ſich ſchämte, ihm etwas abzufchlagen. 

Was iſt die Zukunft dieſer Parias? Sollte es möglich ſein, daß 
Pariagruppen in Folge neuer, durch Zuwächſe entſtandener Vergrößerung 
ſich ſiegreich vertheidigten, wohl gar die Offenſive ergriffen, jo Selbſtach— 
tung wieder gewönnen und ſich Anſehen verſchafften? Dieſe Frage wurde 
mir öfter geſtellt. Was die ſüdarabiſchen Parias betrifft, muß ich fie ver- 
neinen. Hätten wir es hier mit „Stämmen“ zu thun, wie in Centralarabien, 
jo wäre es denkbar, denn ein Stamm kann fi) erneuern, wie Beifpiele 
zeigen. Dort giebt es nämlich wirkliche Stämme von Bariad. Die füdarabifchen 
Paria dagegen haben jede genealogische Tradition verloren. Sie find über- 
Haupt nicht direct aus Stämmen hervorgegangen, fondern treten nur in 
Verbindung mit ftädtifchem, bürgerlihem Wefen auf. Sie find gewiß ſchon 
in hohem Alterthum ala Ausmwürflinge aus der verachtetften Schicht der 
Städter hervorgegangen, nicht der freien, ritterlichen, fondern der in Arabien 
derachteten gemwerbebeflifienen Städter, die ſelbſt ſchon als ohne Stammes- 
eindeit und als Unterthanen der Qobäyel (freien Stämme) fehr tief ftehen. 
Nun hat man aber fein Beifpiel, daß ſolche Städter fih ermannt und den 
Dobäyel, ihren Zwingherren, Widerfland geleiftet hätten. Wie viel weniger 
aljo diefe Ausmürflinge jener Städte. Die Dobäyel fchimpfen die Städter 
Feiglinge, und lektere nennen wieder die Parias Feiglinge, und da diefe 
fi’ gefallen laſſen, jo find fie doppelte Feiglinge, alſo jeden Aufſchwungs 


192 Unmöglichfeit der Pariad fi) emporzuarbeiten. 


unfähig. Es giebt freilich Städter, die jelbft Dobäyel find, aber diefe ma- 
hen mit den anderen Dobäyel gemeinſchaftliche Sache in Unterbrüdung 
ber ſtädtiſchen Raye (Unterthanen). Sie üben auch nie Gewerbe aus, fon- 
bern find Krieger. Aus ihnen gehen die Pariad nicht hervor. Sinkt ein 
Mann von den Oobäyel jehr tief, jo wird er doch nur Raye (ftädtifcher 
Unterthan), nicht Paria. Welch' eine tiefe Stufe vertreten alfo die Paria, 
die jelbft unter den Raye ftehen! 

Unfere europäijchen Begriffe müflen und Hier nicht irre führen. Wir 
denken an die Aflociafion, die unfere Proletarier ſtark macht. ine ſolche 
fommt aber in Arabien nur bei „Stämmen“ vor. Deshalb können ſich 
gefuntene Stämme emporarbeiten. Bei jenen zerftreuten, uneinigen Aus- 
würflingen von Leuten, die felbft ſchon ſtammeslos waren, ift ein kräf⸗ 
tige3 militäriſches Bündniß, den Yall eines halben Wunders vorbehalten, 
nicht denkbar. 

Ein füdarabifcher Baria wird ſtets Paria bfeiben, bis vielleicht ein- 
mal der befreiende Einfluß Europa's jenes Land durchdringt, was aber 
noch gute Weile hat. 


Zweiter Theil. 


J 


Heographiſche Jorſchungen im und über den füd- 
weſtlichſten Theil Krabiens. 


— — — 


Erſtes Capitel. 
Allgemeines. 


J. Zwed und Natur der Forſchungen. — II. Meine Informanten. — III. Zuſtande⸗ 
fommen der Karte. — IV. Sinerarien. — V. Orographie. — VI. Waädis. — 
VI. Klima und Bodenerzeugnifie. — VIII. Typus der Bevölkerung. — IX. Ab: 
kammung der Völker. — X. Sociale Eintheilung der Südaraber. — XI. Beſtäti- 
. gung meiner Erfundigungen durch arabilche Beographen. — XII. Ueber den Inhalt 
des beſchreibenden Theils. 


L Zweck und Natur ber Forſchungen. 


Zu den zahlreichen Lüden, welche die Kunde Arabien? noch aufweift, 
gehört auch die, deren Ausfüllung durch diefe Forſchungen angeftrebt 
wurde. Durch Wrede’3 wichtige Entdedungsreife ift ung zwar ein Theil 
des ana Arabifche Meer (Indiſchen Dcean) grenzenden Südarabiens be= 
tannt und fo eine Ausdehnung von etwa 2 Längengraden und ebenfo viel 
Breitengraden aus der Mafje des Unbekannten gerettet worden. Un— 
erforicht*) blieben dagegen (bis auf die unmittelbare Hüfte) die Länder 


*) Die Reife Seetzens durd einen Kleinen Theil dieſes Gebiets, nämlich das 
Gobehiland von Aden bis Moda, hat ein jo überaus dürftiges Material geliefert, 
dak wir wohl den Ausdrud „unerforjcht” fefthalten können und in Botta's For: 
Ihungsgebiet reicht daß unſerige nicht mehr hinein, fondern berührt nur deſſen 
Grenze. 

v. Maltzan Beile nah Südarabien. 13 


194 Seographifche Erfundigungen bei Arabern. 


öftlich und meftlich von diefem Neifegebiet. Hier haben wir e& mit dem 
mweitlih davon gelegenen zu thun, d. 5. mit dem Theil Südarabiens, Der 
ih am Nrabifhen Meer von Baͤb el Mandeb bis etwa zu 48% öftlicher 
Länge von Greenwich Hinftredt und im Norden als fernften Punkt 
150 nördl. Breite erreicht. Ein Heiner Theil dieſes Gebiet3, nämlich der 
zwiſchen 46° 40’ und 48° öftl. Länge von Greenwid und 130 30’ 
und 14° 40’ nördl. Breite gelegene wurde im Juli 1870 durch Mun—⸗ 
zinger und Miles bereif. Ihr Neifegebiet ſchloß fih im Welten an 
das Wrede'ſche an. 

Ih mar in der Abſicht nad Aden gekommen, durch eine größere 
Reife ind Innere Licht über diefen Theil Arabiend zu verbreiten. Ver—⸗ 
hinderungen verſchiedener Art bejchränften jedoch meine eigenen Reifen 
auf die Aden zunächft gelegenen Sultanate. Mit diefem Refultat nicht zu- 
frieden, warf ich mich auf ein anderes Forſchungsmittel, nämlich auf die 
Srkundigungen bei Eingeborenen. Man glaubt mit Unrecht, daß die 
Araber nur falſche Vorftellungen über ihr Land verbreiten können. Hört 
man freilich nur einen oder zwei Berichterftatter, jo mag das Rejultat oft 
ſehr irre führen. Zieht man aber gemwifjenhaft bei einer großen Anzahl 
Grlundigungen ein, vergleicht und prüft man dieſe, jo ift es faft unmög- 
lich, daß man ein durchaus falfches Bild vom Lande befommt. Cinen 
Beweis hiervon Hat in einem andern arabifchen Lande ſchon der franzö- 
fiihe General Daumas geliefert. Es ift befannt, daß er, zu einer Seit, 
als nur ein Theil Algeriend unterworfen war, vermittelft eines förmlich 
bon ihm organifirten „Bureau de recherches“, welches von allen nad) 
Algier verſchlagenen Eingeborenen der noch nicht unterworfenen Länder⸗ 
theile ausführliche Berichte über ihre Heimath einfammelte, das dankens⸗ 
werthe Reſultat erzielte, ſehr detaillirte und, wie fich ſpäter herausftellte, 
im Ganzen auch überrafchend getreue Beichreibungen der großen Kabplie, 
der algierifhen Sahara und anderer damals den Europäern noch unbe 
fannter Diftricte liefern zu können. 

Es kam mir feltfam und bedauerlih vor, daß dergleichen noch nie 
bon einem Europäer in den verfuht worden war. Doch e8 war ver— 
ſucht worden, aber von einem Araber, meinem Belannten "Abd el Beri, 
dem Amtsfchreiber und Aſtrologen. Freilich nur für einen Heinen Theil 
meine? Forſchungsgebiets, nämlihd Südyemen, und leider ſehr unvollkom⸗ 
men, denn der gute Aftrologe hatte fich begnügt, auf die Ausfagen von 
zwei Bebuinen bin eine Karte zu verfaflen. Die Karte war natiklid 


Ein einheimifher Kartograph. Informanten. 195 


falſch, aber dennoch Bat fie mir genüßt, denn ich fand in ihr ein großes 
Raterial an Ortsnamen, die ich vielleicht ſonſt nicht erfahren Hätte. Diefe 
Kamen dienten mir als Bafis zu meiteren Nachfragen, und fomit bin ich 
dem Aftrologen für die Erforſchung Südyemens zu Dank verpflichtet. 


Größern Dank ſchulde ich den Organen der englischen Regierung, 
dem politiichen Agenten, General Tremendhere, und feinen Aififtenten, Cap⸗ 
tains Prideaur und Miles. Diefe intereffirten ſich lebhaft für mein Stu- 
dium und berjchafften mir das Mittel zum Gelingen, indem fie anordneten, 
daß alle bei der Adener Polizei gemeldeten Araber aus heilen des In—⸗ 
nern, die mich intereffirten, mir vorgeführt werden follten. Dadurch allein 
gelang mir, was fonft nie geglüdt wäre, nämlich) eine große Anzahl von 
Arabern befragen zu können. Denn von jelbft, auch für Geld, ftehen die 
Araber dem Europäer nicht Rede. Meine Informanten waren aber alle 
Leute, welche mit der Regierung zu thun, von ihr etwas zu verlangen, zu 
hoffen hatten, und bejaßen fo ein Intereſſe, mich zu befriedigen, weil fie 
daten, dadurch bei der Regierung einen Stein im Brett zu haben. 


IL Meine Iunformanten. 


Ich empfing nun während dreier Monate täglich eine gewiſſe Anzahl 
von Arabern des Innern. Darunter waren Leute aller Art von den ge- 
meinften Bebuinen, zumeilen ſelbſt Verbrecher, bi8 zu den Stammeshäup- 
tern, ja bis zu Sultanen Heiner Duodezftaaten. Waren die Leute gar zu 
bornehm, wie der Sultan von Laheg und der von Schughra, fo transpor- 
firte ich mein improviſirtes Nachfragebureau ind Regierungshaus, wo diefe 
Herren die engliſche Gaſtfreundſchaft genoſſen. Im Ganzen kam ich mit 
nahe an Hundert Arabern in nähere Berührung. Der Werth ihrer Aus— 
fagen war ein jehr verfhiebener. Merkwürdigerweiſe fand ich, daß gerade 
diejenigen bie befte Auskunft gaben, die wenig gereift waren. Sie Tannten 
mm ihr engered Vaterland und gaben über dieſes genaue Berichte, wäh⸗ 
tend die Bielgereiften gewöhnlich Alles durcheinander warfen. Ich wollte 
eben von jedem nur fein Land kennen lernen, denn faft für jedes felbft noch 
jo Heine Stammesgebiet fand ſich ein eingeborener Informant. 


So babe Id) denn von ben eigentlihen Bebuinen und den gemeinen 


Soldaten einzelner Sultane am Meiften gelernt. Die wichtigften Nachrichten 
18* 


196 Verſchiedene Auskunftsertheiler. 


über das jo wenig bekannte Audeliland verdanke ich ſogar einem berüch— 
tigten Kameeldieb aus Ghoder, von dem ich noch immer bedauere ſo ſchnell 
getrennt worden zu fein, indem leider der beſtohlene Heerdenbeſitzer nach 
den kam, und mein gejhäßter Bekannter, der die Heerde verkauft hatte, 
flüchtig werden mußte. Ueber den größten Theil von Yafi a, deſſen ver- 
wilderte Bewohner ſehr jelten nach dem doch jo nahen Aden kommen, ge 
lang es mir gute Auskunft zu erhalten und zwar duch einen Trupp Sol- 
daten, der die Geſchenke der engliſchen Regierung für ihren Scheh zu holen 
fam. Die meiften Informanten fanden fi für das öftlihe Gobehiland, 
die Länder der Mogatera und Hogriya, deren Bewohner vielfach nad 
Aden kommen, um dem verhaßten Joch ihrer tyrannifchen Eroberer, der 
Du Mohammed, zu entfliehen, ferner für die Gegenden um Nedä, Gefe, 
die Stammesgebiete ber Hamaida und Yazıdi, aus deren Angehörigen ſich 
in Aden die Wafferträger recrutiren. Sie gelten in diefer Stadt oft für 
Du Mohammed, find aber nur deren Religiondverwandte, d. h. Secten- 
genofien. Abſolut fehlten“ Informanten nur für die Gebiete der Haujchebi 
oder Haumäjchib und für das hochgebirgige Ober-Yäfia. Hier mußten 
Nachbarn und Reijende ergänzen. Beide Gebiete find übrigens Hein. 


Unter den gebildeteren Arabern waren nur drei, denen ich werthvolle 
Auskunft verdankte, unter Anderm und beſonders au in Bezug auf das 
Ethnographiſche. Erftens der Sultan von Laheg, Bon ihm erfuhr id 
den wahren Namen des von Niebuhr und Wellſted ſo falſch benannten 
Haupifluſſes ſeines Sultanats und mehr dergleichen. Zweitens ein alter 
Mann aus Dateba, ein ganz armer Tabackshändler, aber ein Schriftwiſſer. 
Er gab mir bejonderd über Orographie und Bodencultur feiner Heimath 
und Nachbarländer werthuolle Auskunft. Drittens ein Kaufmann aus 
Beda im Rezäzlande, zur Zeit beeidigter Fruchtmeffer in Aden. Er ftand 
mir am Treueſten in allen meinen Nachfragen bei. Ihm verdanfe ich 
eine ziemlich genaue Kenntniß des Rezäzlandes, dieſes entfernteften Theils 
meines Forſchungsgebiets. 


Auch muß ich der niederen Vermittlungsagenten mit Dank erwähnen. 
Diefe „instrumenta viliora*, die man fonft faum anführt, waren mir 
von einer unbeſchreiblichen Nützlichkeit. Unter ihnen ift vor Allen des 
trefflihen Mohammed Gebeli, eines Gerichtdieners, zu gedenken. Diefer 
trommelte mir nicht nur die Widerfpenftigen und Säumigen zufammen, 
jondern machte au oft den Dolmetſch, wenn die Leute ein gar zu dia⸗ 


Erſter Entwurf der Karte. ‘ 197 


leküſch umdeutliches Arabiſch redeten. Auch mein treuer Nubier, Abdul- 
medihid, bewährte jich hierbei wirkſam, indem er ftet3 Saffee und. Delica- 
tefien bereit hatte, um die Durchbrennenden feitzubalten und auch manche 
nützliche Frage mit drein that. So ift e& oft der „petit monde“, der 
uns die wichtigften Dienfte leiftet, und wir in unſerm Düntel ertennen es 
nicht an. 


II. Zuftandetommen der Karte. 


Mein Erſtes war, eine Anzahl von Itinerarien zu fammeln, mir fo 
genau, wie möglich, die Zahl der Wegeftunden von einem Ort zum andern 
jagen zu laſſen. Dieſe mar viel leichter zu erfunden als die Richtung. 
Doch auch für fie gab e& Anhaltspunkte Alle Araber willen nämlich, wo 
die Dible (die Richtung nad Mekka) Tiegt. Fragt man 3. B., welcher Ort 
fiegt von Zaheg zunächſt in der Richtung der Dible, fo antworten fie un— 
fehlbar „Räha“. Für die Küftenorte war durch Haines’ treffliche Karte 
eine gute Orientirung gegeben. Die nordweftliche Grenze meines Forſchungs⸗ 
gebiet, d. h. die Städte Ta’izz,, Damar und Derim, find dur) Berghaus 
annähernd beftimmt. Den Gebel Gabr hat Botta befugt. Für Südyemen 
aljo waren die beiten Anhaltspunkte vorhanden, für die anderen Länder 
blieb die Hüfte Nur für den äußerften Often konnte mir Miles’ Tagebuch 
von Nuten fein. Alles andere mußte aus den Berichten der Eingeborenen 
conftruirt werden. Oft waren dieje freilich widerſprechend. In folchen 
Fallen ruhte ich nicht eher, als bis eine überwiegende Majorität von Aus— 
jagen eine als Die richtige erwiefen hatte. Leicht war's, Itinerarien zu 
erhalten, die von Aden aus gegen Nord, Nordoft, Nordweſt liefen, ſchwerer, 
verbindende Wege zwiſchen den entfernteren Stationen diefer Straßen zu 
finden, und doch war dies nöthig, um nicht in Bezug auf geographifche 
Länge auffallend zu irren. 

So kam denn auf der Bafis der Itinerarien eine Conjecturalfarte zu 
Stande, an der die Berichte der Araber viel feilten und mobelten, bis fie 
zu meiner leiblichen Zufriedenheit daftand. Ich ſage „leidlih”, denn etwas 
Vollkommenes wird fein vernünftiger Menſch vom Refultat bloßer Erfun- 
digungen verlangen. Denkt man aber daran, daß hier noch ganz jung= 
fräuficher, auf unferen beften Karten blank gebliebener, auf weniger guten 
duch ein Chaos ausgefüllter Boden ift, jo wird man felbft diefer Conjec- 


198 Itinerarien. 


turalkarte, die auf wohlgeprüften Berichten beruht, nicht ihr beſcheidenes 
Verdienſt abiprechen. 


IV. Itinerarien. 


Dieje enthalten das Material für die Karte, jedoch nicht Allee. Ein 
Theil defielben findet fich zerfireut bei den einzelnen Ortsbefchreibungen, 
+ ®. da, mo die etwaige Entfernung Heiner Ortſchaften vom Hauptort ge⸗ 
geben wird, ein anderer ift unter den Rubriken Bodenbefchaffenheit, Grenzen, 
Gebirge, Waͤdis u. |. m. der einzelnen Abſchnitte des beichreibenden Theils 
zu fuchen. 


Gegend nordöflid von Aden. 


Kin. L Bon Aden nad el Ghoder, vulgo LZöder, 7 Zagereifen, 3 in 
ber Ebene zu etwa 10 Stunden, 4 im Gebirge zu 6 Stunden*) (Iebtere 
fogenannte Acrreiſen nur bis zum Nachmittag). 


1. Tag Aden nad) Bir Nobto 

2 „ Bir Nobto nad) ‘Acala } Ebene, Richtung bekannt, 
„Acala nad Schughra 

„ Schughra zum Fuß des ©. Nadal. N. O. 

Fuß des G. Nachai nah Ard ed Dian. RD. . 

„ Ar ed Dian nah Omm Chobere (in Datina). NO. 
„ Omm Chodere nach el Ghoder. N. 


np” 
R 


Itin. I. Aden nad Gible in Datına, 6 Tagereiſen in der Ebene zu 10 
Stunden, 3 im Gebirge zu 8 Stunden (leßtere volle Tagereifen). 

1. Tag Wen nad Sebad). 

„ Sehad nad) Acala. 

„Agala nad Schughra. 

„Schughra auf den Abhang des G. Nadal. NO. etwas mehr O. 

„Abhang des G. Nachai nah Haneſch. N-D. 

„Haneſch nad) Gible der Hasni in Dafin. NO. 


AR 2 


*) Die Gehftunde, von der hier die Rede, und dielffameelgehftunde können nicht 
größer als zu Y, deutfche Meile gerechnet werben (2 geographical Miles & 60 to 
the degree). 


Stinerarien. 199 


Richtungen von Gible. Rihtungen von Ghoder. 
Südfid Kolaite, Doͤla. Südlich Omm Chodere, 
Nordoſtlich Halm Scidi. Oeſtlich Halm Sa'ibi. 

Dible (Mekkarichtung) Ghoder. Oeſtlich etwas nach Süd Häfa. 
Weſtlich Omm Chodere. Oible (Melkarichtung) Bedaͤ. 
Südweſtlich Haneſch. Weſtlich Beni Slimaͤn. 


Itin. DL Aden nach Bedä über el Ghoder, 8 Tagereiſen, 3 in der Ebene 


1 

2 

3 

4. 
5., 
b 

7 

8 


zu 10 Stunden, 5 im Gebirge zu 8 Stunden. 


. Tag Aden nach Gaumela bei Kod nördlich von Bir Nobto. 


Gauwela nad Acala. 


Acala nach Schughra. 


Schughra zum Abhang des G. Nachai. NO. 

G. Nachai nad) der Grenze von Datina vor Omm Chodere. N. O. 
Grenze von Datına nach el Ghoder. NO. 

el Ghoder über Tere nad) Daher, Oiblerichtumg. 

Daher nad Bedä, Diblerichtung. 


Richtungen von Beda. 


Dible-Richtung nad) "Omer. 

Weſtlich nah Harmelan, Hat, Merfat bis Yafi a. 
Rördlich nach Behän. 

Nordöfllicd mehr Nord nah Mesware. 

Rordöftlid mehr Oft nad Mara, Yeſchbum, Habbän. 


Stin. IV. Aden nad) Dära (Unter-Yäfia), 8 Zagereifen bon berjchiedener 


” 


l. 
2 
3 
4. 
b. 
6. 
7 
8 


Länge. 


Tag Aden nad Bir Nobto. 


Bir Nobto nad‘ Acala. 


„Acala nad Wädi Icäg 6 Stunden. N. Bon hieran Gebirge. 


W. Scäq nach Hatab 6 Stunden. N. 
Hatab nach Gebära 3 bis 4 Stunden. N. 
Cedaͤra nah Raubiva 3 bis 4 Stunden. N, 
Raukmwa nad) Serär 4 Stunden. N. 
Serär nah Dära 5 Stunden. N. 


200 Itinerarien. 


Itin. V. Dieſelbe Straße nach dem Bericht eines berittenen Couriers in 
4 Tagen. 


1. Tag Aden nach Chamfer ſollen 20 Gehſtunden ſein. N. etwas O. 
2. „ Chamfer nach Hatab „ 9 „ „ mM 
3. „ Hatab nad) Sa », 12 0 NR 
4. Serär nad) Dära „5 „ „ NR 


tin. VI Men nad) Dära durch das Tiefland von Yäfi'a, 9 Tagereifen 
bon berjchiedener Länge. 

1. Tag Wen nad) Sebach. 

2., Sebach nach Acala. 

3. „ Agala nad Derhäg 6 Stunden, Dible-Richtung. 

4. „ Derhäg nah Mar 4 Stunden. N. 

5. „ Marnah Naab 4 Stunden. N. 

6. und 7. Tag Naab duch die Wüfte der Meſchelqi nad Schewuha 15 
Stunden. N. etwas ©. 

8. Tag Schewuha über Mirza nad) Tore 6 bis 7 Stunden. W. 

9. „ Tore nad Dära nur 1), Tag, aber fteted Steigen. W. 


Richtungen von Dära, - Entfernungen von Dära. 
Dible-Richtung nad) Gefe. Dära nad) Chulle 1 Tag. 
Nördlich nach 'Atära, Ober-Näft’a. „„ESchab 1 Tag. 
Südlich nach Seraͤr. „„Telez 1 Tag. 
Weſtlich, etwas füdlih nach Chulle, „ n Seär Y, Tag. 

Seräfa, Da'teba. „„Chere 1, Tag. 
Südweftlih nah Tem 1 Tag. „ »  Hommu 2 bis 3 Ston. 
Oeſtlich nad Schab, Nahgi, Daher. 


Sin. VIL Aden nad) Bedä durch das Tiefland von Yafia 8 Tage. 
1. bis 7. Tag wie auf Straße VI. bis Scheêwuha. 
8. Tag Schẽwuha nad) Bedaͤ 9 Stunden, ftetes Steigen. N.O. 


Berbindungsftraßen zwiſchen den Ausgangspunkten der erften 
VO Straßen. 


Itinerarien. 201 


Itin. VIII. el Ghoder nach Dära durch das Hochland, 4 Tage. 


1. Tag el Ghoder über Beni Sliman nach Ber Däni 6 bis 7 Ston. W. 
2. „ Ber Däni nad) Ahl ben Nahgi (obere) 6 Stunden. N.-W. 

3 „ Ahl ben Nahgi nad Scha' be Yahud 6 bis 7 Stunden. W. 

4. „ Scha'b el Yahüd nad Dära 4 bis 5 Stunden, Ys Tag. W. 


Itin. X.*). Bedä nach Dära Über Medinet Telez, 3 Tage. 


1. Tag Bedä über Hamelan nad) Hat 5 Stunden. W. 
2 „ Hat über Merfat nach) Medinet Telez 7 bis 8 Stunden. ®. 
3, „ Medinet Telez nad Qaͤra 5 bi 6 Stunden. SM. 


Gegend weiter öftlih von Aden bis 48° 30“ öſtl. Länge von Greenwich. 
Sin. X. Men nad Habbän, 10 Tage. 


1. Zag Aden nad Sebad). 

2. „ Sebach nad Acala. 

3. „ ala nad) Schughra. 

4. „ Schughra nad) Seriya**) 9 Stunden, Richtung der Küſte O-N.-O. 
faft O. 

5. und 6. Tag Seriya nad) Haumwar 22 Stunden, Richtung der Küfte O. 

7. Tag Hauwar nad Qullihe 9 Stunden. N.-O. 

8. „ Sulliye nad) Mahfed(z) 7 bis 8 Stunden. N.O. 

9. „ Mahfed(z) nad Chabr 6 Stunden. N-D. 


10. „ Ehabr nad) Habbän 9 bis 10 Stunden, Oible-Richtung faſt N. 


Sin. XL Aden nad) Habbän mit Benukung des Seeweges. Zuerft Aden 
nah Bir "Ali, etwa 80 geographical Miles. N.O. zur See. Dann 
Landiveg von Bir "Ali nah Habbän, 5 Tage. 


1. Tag Bir "Ai über "Yin nah Sohail 10 Stunden. N.-W. 
2. „ Sohail nad) Nagb el Hagr 10 Stunden. NW. 
3. „ Nagb el Hagr nad) Hoͤta 5 Stunden. N. 


*) Die Rezäz von Beda haben mehr mit Medinet Telez zu thun, als mit Dära, 
deshalb nehmen fie ſtets dieſen Ummeg, die directe Straße würde gleih von Beda 
ſüdweſtlich gehen. 

*#) Seriya bei Haine’8 ohne Namen, als „Village in the mountains“ anger 
geben. Lage aber genau. ©. Haines Chart ıc. 


202 Itinerarien. 


4. Tag Hoͤta nach Röda 3 Stunden. W. 
Roͤda nach Redeha 3 bis 4 Stunden. W. etwas ©. 
5. „ Redeha nach Lahi 2 Stunden. W. etwas N. 
Lahi nad) Habban 6 Stunden. W. 
NB. Diele beiden Straßen nicht nach Bericht der Araber, fondern nad hand⸗ 
ſchriftlichen Notizen von Gapitain Miles und Munzinger, die beive Wege Juli 1870 
zurüdlegten. 


Richtungen von Habbän. Richtungen von Chabr. 


S. nad) Chabr. ©. nah Ebene el Monqa. 

©, etwas W. nad) Hauwar. S.O. nach Haura (Gegend offen bis 
SD. etwas ©. nad) Haura. Haura). 

SD. nad Nagb el Hagı. S.⸗W. nad Hauwar. 

O. nach Hoͤta. N-W. nach PYeſchbuͤm. 


Oible nach Londra. 

N.W. nad) Nicäb. 

W. etwas S. nach Yeſchbum. 
SD. nad G. Nem ) . 

S. W. nah ©. Kir | ſehr nahe. 


Berbindungswege der Endpuntte der Straßen L (el Ghoder), IIL (Beba) 
mit denen der Straßen X. und XL (Habbän). 


tin. XIL Bedä nach Habbän, dired, 4 Tage. 
. und 2. Tag Bedä nah Marcha 17 bis 18 Stunden. O.N.O. 
. Tag Mara nad Yeihbum 7 bis 8 Stunden. O. 
„Yeſchbüm nad) Habban 9 Stunden. O. etwas N. 


Stin. XII. el Ghoder nad) Chabt, 4 Tage. 


Tag el Ghoder nah Demäni 7 Stunden. NN.-O. 
„Demaͤni nad) Nachai (obere) 7 Stunden. N. etwas O. 
„Nachai (obere) nad Hatem 5 bis 6 Stunden. N. 

„ Hatem nad Chabt 5 bis 6 Stunden. N. etwas W. 


Stin. XIV. Chabt nah Habbän 4 Tage. 


u. 2. Tag Chabt nah Nicab 12 Stunden. O. 
Tag Nicab nad Hadena 8 Stunden. S. O. 
„ Habena nad Habban 8 Stunden. S.O. 


Pe 60 mi 


m SD m 


u a Te 


Itinerarien. 203 


Itin. XV. Vẽda nad) Behän el Gezäb, 4 Tage. 
1. Tag Bedaͤ nad) Mesware 9 Stunden. N. etwas O. 
(Der Weg ift anfangs derfelbe wie von Bedaͤ nach Mara (XTI.), dann R.-W.) 
2. Tag Mesware nad) Behan ed Doͤla 6 Stunden. Dible-Ridtung. 
3.und 4. Tag Behän ed Doͤla nad) Behan el Gezäb 2 Tagereiſen, etwa 
14 Stunden. N. 


Nordliche Straße zur Verbindung von Beda mit Irmer-Hemen. 


Min. XVL Bäedaͤ nah Nedvä', 5 Tage. 
1. Tag Bebä über Omr nad Zaft 7 bis 8 Stunden Dible-Richtung. 
2. „ Taft über Melägem nah Blad e8 Sad 7 Stunden. N.⸗W., 
mehr W. 
3. „ Blad e8 Suab über Mancur nad Blad el Hofain 6 bis 7 Stun 
ben. N.⸗W., faſt W. 
4., Blad el Hoſain über Bäzir nad Gefe 8 Stunden W., etwas ©. 
„ Gäefe nach Nedä‘ 1/, Tag, 4 Stunden. S.W. mehr W. 


on 


Richtungen von Meläfem, 


N. nad) Behän el Gezab. 

N.O. nad Behän ed Doͤla. 

D. nad Mesware. 

S. O. nach Bedä. 

S. nach Hat. 

O. etwas ©. nach Ataͤra. 

Wege in der Richtung von Aden nach Canä. 
Itin. XVII. Men nach Yerim, 5 Tage. 

1. Tag Aden nach Laheg (Hanta) 11 Stunden. Oible⸗Richtung. 
2. „ Rabeg (Haute) nad Raͤha 10 Stunden. N. 
3. „ Rähe über Goheb nad Dalcı 10Y/, Stunden. NN-M. 
4 
5 


., Daia nach Abaͤreb 9 Stunden. R.-W. 
. „ Aäreb nach Yerim 9 Stunden. N. 


in. XVII. den nach Redä (XVL) in 8 Heinen Zagereifen. 
1. Tag Men nad) Laheg. 
2. „ Laheg nad Ramla (Wuſte) 6 Stunden. N. 


204 Stinerarien. 


3. Tag Ramla nad) Goheb 6 Stunden. N. 

4. „ Goheb nach Hagfer 8 Stunden. N. 

5. „ Hagfer nad) Schaheri (obere) 7 Stunden. N. 

6. „ Schaheri (obere) nad Merraiß 5 bis 6 Stunden. N. 

1. „ Merrais nad) Hobeihi 5 bis 6 Stunden. N.O. mehr N. 
8 „ Hobeſchi nach Rebä‘ 5 bis 6 Stunden. N. 


in. XIX. Men nad Redä‘ mit anderen Stationen, 8 Tage. 
1. Tag Üben nad) Laheg. 
2. „ Laheg nad Bir ‘Abd Allah 7 Stunden. N. 
3. „ Bir ‘Abd Allah zu den 'Alluwi 7 Stunden. N. 
4. „ *Alluwi zu den Schaheri (mittlere) 8 Stunden. N. 
5. „ Schaheri nah Dateba 6 Stunden. N., etwas W. 
6. „ Dateba nad Yazidi 4 Stunden. N. 
7. „ Dazidi nah Zalab 51/; Stunden. N, etwa O. 
8 „ Talab nah Reda 6 Stunden. N.-D. 


Kin. XX. Aden nad Da’teba, 5 Tage, mit anderen Stationen ala XIX. 


1. Tag Aden nad) Laheg. 

„Laheg nach Raha 10 Stunden. N. 

Raͤha nah Hagfer 9"/, Stunden. N. 

„ Hagfer nad Dala 31/, Stunden. W.N.-W. 
Dala nach Gehäf 31/, Stunden. NW. 

5. „ Gehäf nah Da’teba 6 Stunden. N-D. 


> > D 


Berbindungswege zwiſchen Dala und Nafi'a. 


Itin. XXI Dala nach Dära (IV.), 3 Tage. 


. Tag Dala nad Schaheri (obere) 7 Stunden. N.-D., mehr N. 
„Schaheri nad Ehulle 7 Stunden. N.O., mehr O. 
„ Chulle nad Dära 8 Stunden. DO, etwas N. 


m m 


tin. XXIL Dale nad) Ober-Yäfi'a, 4 Tage. 


. Tag Dala’ nad) Schere 10 Stunden. N-D. 

’ Schere‘ nad) Raffa 7 Stunden. N. etwas O. 

„ NRafla nah Geruba 8 Stunden. N-O. 
„ Geruba nah Möfeta 7 Stunden. N.O. 


> mw DD Mm 


Stinerarien. 205 


Bon Möfeta nad) "Atära follen 2 Stunden fein. aitangen in Ober- 
Yafı a ſonſt nicht genau zu ermitteln. 


Straßen weſtlich von Aden. 


Der Ausgangspunkt ift hier immer Bir Ahmed, Aden gegenüber im 
Velten der Rhede. 


Yin. XXIIL Bir Ahmed nad) "Ara, 4 Tage. Küſtenweg. 
1. Tag Bir Ahmed nach Magher 10 Stunden. 
2 „ Magher nad) "Atfi 3 bis 4 Stunden. 
3, „ Mfi nah Zuran 6 bis 7 Stunden. 
4 „ Zuran nach “Ara*) 10 Stunden. 


tin. XXIV. Bir Ahmed nad "Ara, 4 Tage. Weg durchs Innere. 
1. Tag Bir Ahmed nad) Mohanneg 5 Stunden. W. 
Mohanneq nach Fegerra 5 Stunden. W., etwas N. 
2. , Fegerra nach Gharrihe 4 Stunden. W., etwas ©. 
3. „ Gharriye nach Kedere 9 Stunden. W., etwas ©. 
4. „ Kedere nach "Ara 7 Stunden. S.W., mehr W. 


Richtung der Hüfte. 


Rihtungen von Fegerra. Entfernungen von Fegerra. 
S. nah Magher. Hegäz 3 Stunden. 
S.W. nach Atfi. Rega 3 Stunden. 
W. nad) Amuri, Mamai. Magher 31/, Stunden. 
W.N.W. nach Hedäz, dicht bei Ymuri, Atfi 6 Stunden. 
Haggät. Anteriye 6 Stunden. 
N-®, nad) Ferſcha. Menäcera 7 Stunden. 


NND nah Regä.. 
O. nah Mohanneg. 


Jin. XXV. Bir Ahmed nach Taizz durch das Land der Hogriya, 5 Tage. 
1. Tag Bir Ahmed nach Redä‘ 9 Stunden. W,, etwas N. 

2. „ Regaäd nach Mircad 9 Stunden. W., etwas N. 

3. „ Mircad nad "Aturi 4 Stunden. N., etwas W. 

4. „ Atuͤri nach Beni Yufef 9 Stunden. N-W. 

5. „ Beni Yufef nach Taizz 7 Stunden. N., etwas W. 


*) Sage von Ara belannt, liegt am Ras ‘Ara, nur 2 Stunden vom leer. 


206 Itinerarien. 


Itin. XVI. Bir Ahmed nach Mochä durch das Land der Hogriya, 
6 Tage. 

1. Tag Bir Ahmed nach Rega 9 Stunden. W. etwas N. 

„Regaͤ nach Ma beq 10 Stunden. W. 

„ Mabeg nad Zazai 3 Stunden. W. 

Zazai nad Dafet Mogteri 2 Stunden. W. 

4. „ Dalet Mogteri nad Dobhän 41/, Stunden. N-W. 
Dobhän nach Beni Hammäb 4 Stunden. N-W,, etwas W. 

5. „ Beni Hammäd nach Schebe 6 Stunden. W. 
Schebe nach Kedeha 4 Stunden. W. 

6. „ Kedeha nach Moda 9 Stunden. N.W., mehr W. 


m! 


oder mit folgender Modification: 


2. Tag Regä‘ nah Mircad 9 Stunden. W. etwas N. 
3. „ Mircad nad Kaͤhela 3 Stunden. N.-W. 
Kähela nad) Dogga 3 Stunden. W. 
4. „ Dogga nad) Dobhän 3 Stunden. W., etwas N, 
Dobhän nad) Beni Hammäd 4 Stunden. N.-W., etwas W. 


Richtungen von Dal at Entfernungen von Dal’at 


Mogteri. Mogteri. 
S. nad Chor Amrän. Atuͤri 7 Stunden. 
S.5.W. nad) "Ara. Ibharaͤn 6 bis 7 Stunden. 
SW. nah Bäb el Mandeb. Ma beq 6 Stunden, 
N. nad) Dogga, Taizz. Aden 3 Tage. 
N. etwas W. nad) Acäbeh. Beni Hammäd 1 Tag. 
N.O. nad Kederra. Mohä 3 Tage. 
D. nad Moharrega. Tai; 16 bis 18 Stunden. 


S. O. nad Selim. 


Stin. XXVIL Bir Ahmed nah Ibb durch das Land ber Hogriha, 
7 Tage. 
1. Tag Bir Ahmed nad Reg‘ 9 Stunden. 
2. „ Regd‘ nad Teriha 4 Stunden. N.⸗W. 
Ferſcha nad Mircad 4 Stunden. W. 
3. „ Mircad nad "Abus 5 Stunden. N., etwas O. 


Itinerarien. 


207 


4. Tag 'Abus nach Heruwa 4 Stunden. N., etwas O. 
5, „ Heruwa nach Dimena 4 Stunden. N.W. 


6., 
7., 


Dimena nach Odida 7 Stunden. N., etwas W. 
Diva nad Medinet Asfäl 21/, Stunden. N, etwas W. 


Medinet Asfäl nach Ibb 51/; Stunden. 


Richtungen von "Abus. 
S. Mofaͤlis. 
S.W. Atuͤri nach Kähela, Mogqteri. 
W. Doqqa nach Acaäbeh, Dobhän. 


BRD. Hakuͤmꝰ) nach Hagüm, B. 


Yufef. 
RB. Hakuͤm Zabeiri. 
N. Dimena nach Ibb. 
NND. Heruwa nad) ec Gelu. 
O. Dobeti. 


Richtungen von Dimena. 
S. 'Aruͤq nad Abüs. 
S.W. Zobeiri nach Dobhän. 


W.S.W. B. Yuſef nad 2. Hammäb. 


W-R-W. Hoqaiba nad) Ta iza. 
N-W. Sahabän nad) Haime. 
RM. Ddide nad) Ibb. 

N. Nadlän nad Ehadra. 

RM. Haͤſcha nach Auwäs. 
O. Nähe. 

SD. Laheg nach 'Aden. 


Entfernungen von Abus. 
Mofälis 2 bis 3 Stunden. 
Hakum 2 bis 3 Stunden. 
Oobeti 2 bis 3 Stunden. 
Heruma 4 Stunden. 

Hagum 4 Stunden. 

Yufefi 4 bis 5 Stunden. 
Dogga 7 big 8 Stunden. 
Dimena 7 618 8 Stunden 
Ferſcha 7 big 8 Stunden. 


Entfernungen bon Dimena. 
Hom Schermän 2 Stunden. 
Beduͤ 2 Stunden. 
ec Gelü 3 Stunden. 
Cahabän 3 Stunden. 
Hogaiba 4 Stunden. 
Zobeiri 4 Stunden. 
Diida 6 bis 7 Stunden. 

atum 6 bis 7 Stunden. 
Nachlaͤn 6 bis 7 Stunden, 
Zaiz, 10 bis 12 Stunden, 
Kaͤhela 10 bis 12 Stunden. 
Mofalis 10 bi 12 Stunden. 
Nequl Semära 10 bis 12 Stunden. 


Verbindungswege zwiſchen Ibb, Yerim, und zwiſchen Dale, Qu taba, 
Auwãs. 


Itin. XVII. Oqteba (XX) nach Yerim, 2 Tage. 


1. Tag Doteba nad "And 3 Stunden. W. 
Aud nad "Amir 21/, Stunden. W. 


*) Dus Gebiet der Haktm ift ausgedehnt. 


208 . Stinerarien. 


2. Tag "Amer nah Hobäl 5 Stunden. N-N.-W. 
Hobäl nach Yerim 21/, Stunden. N. 


Richtungen von Amär. Entfernungen von Amaär. 
©. "Aumäß. Dcteba 1 Tag. 
S.W. Mauya. Yerim 1 Tag. 
W. Ibb. Redät 14, Tag. 
NW. Menzil. Adaͤreb 2 bis 3 Stunden. 
N. Hobäl. 


N-D. Dola. 
O. N. O. Da teba. 


O. Scherd. 
S-D. Dale. 


in. XXIX. Dala nad Ibb, 3 Tage. 


. Tag Dala nach Haͤſcha 6 Stunden. W. 
m Hãſcha nah Mauya 4 Stunden. NW. 
„ Mauya nad Ibb 5 Stunden. W. 


tin. XXX. Dala nach Ibb über 'Auwäs, 3 Tage. 


1. Tag Dala nah Auwäs 8 Stunden. ©.-W. 
2. „ Aumwäs nad) Chadra 8 Stunden. N.:W. 
3. „ Chadra nad Ibb 5 Stunden N.W. 


Dr 


V. Orographie. 


Fünf mächtige Hochgebirge von ſehr ungleicher Ausdehnung find in 
diefem Gebiet zerftreut. 

1) Der Gebel Cabr, ſchon durch Botta befannt. Er begrenzt unfer 
Forſchungsgebiet nur und zwar im Nord-Welten. 

2) Die Yäfi-Berge, der alte Sarw Himyar, die ausgedehntefte Ge- 
birgsmaſſe diejeg Gebiets. Sie beginnen im Rord-Often von Aden un 
weit der Stadt Chamfer. Hier bilden fie jedoch zuerſt nur einen Tänglichen 
bon Süd nad) Nord gedehnten Gebirgsrüden, dem im Often das Tiefland 
von Yafia parallel Täuft. In der Nähe von Serär und Dära Hört dieſes 
Tiefland auf und die im Norden dafjelbe überragenden Berge bilden mit 
der nördlichen Yortjegung jenes Gebirgärüdens eine einzige mächtige Hoch⸗ 
gebirgsmaffe, den Hauptftod von Yäfia, der in dem unmirthlichen Berg 


Südarabifche Hochgebirge. 209 


land Ober-Yafia feine höchſten Gipfel erreicht. Das Land der Nezäz 
bildet den nördlichen Abfall diefer Berge. 

3) Der Gebel Kor, im Often der Hauptmafle der Yäfi'=Berge, doch 
etwas jüdlicher als dieje, jo daß er im Welten noch das Tiefland von 
Yafia beherrſcht. Er zieht ſich als längliche Hochgebirgsmaſſe von Süd- 
weft nad) Nordoſt durch das ganze Land der Audeli: dieſelbe Richtung mie 
die des Gebel Cabr. Seine Ausdehnung ift verhältnikmäßig gering. 
Sein nördlicher Abfall bildet daS Thal des Wädi Metanet von BEdä nad 
Behaͤn. Die Waſſerſcheide ift hier viel fühlicher als in Yäfi’a. 

4) Der Gebel Der, im Nordoft dieſes Gebiet begrenzend, liegt unter 
bemfelben Längengrad wie der Gebel Kor, von ihm durch Hochebenen von 
circa 20 deutſchen Meilen Breite getrennt. 

5) Die Aulaqi⸗Berge und Hocebenen, welche zufammen früher den 
Namen Sarw Maphig führten. Sie nehmen (mit Ausnahme des Küften- 
landes) den ganzen Oſten unſeres Forſchungsgebiets ein. Der Sarw 
Madhig bildet in feinem weſtlichen Theil vorzugsweiſe Hochebenen, wor⸗ 
unter die drei von Marcha, Nigäb und Chabt (Salzbergwerke), die ſich 
zwiſchen dem W. Haumär und dem Gebel Dern von Süd nad Nord fol- 
gen, eine immer etwas höher als die andere. An fie jchliekt fih im Often 
die Hochebene von Habbän (nah Munzinger 3000 Fuß hoch) an. Im 
Norden von Habbän bilden Berge von etwa 5= bis 6000 Fuß Höhe die 
Waſſerſcheide zwilchen den Waͤdis Mẽf at (Süden) und Gerdän (Norden). 
Sie find Ausläufer der Aulaqi-Berge. Andere, wahrſcheinlich noch höhere 
Ausläufer befinden ſich aber ſchon im Norden der Wafjerjcheide und des 
W. Gerbän. 

Das Mittelgebirge erftredt fich faft durch den ganzen weltlichen Theil 
be3 Innern. Aus ihm ragen direct im Norden von Aden (etiva 8 Tleine 
Tagereifen nördlich) die ifolirten Bergmaffen von Gehäf und Merrais 
empor. 

Im Küftenland finden fi einzelne ifolirte vulcanifche Bergmaſſen, 
tie der Gebel Schamſcham in der Halbinjel “Aden, der Gebel Hafan 
(mit den „Asses ears“) faft eine Wiederholung des erfteren, von ihm nur 
durch den Hafen von Aden getrennt, ferner Gebel Charaz, eine Tängliche 
iſolirte Felsmaſſe, an der Hüfte zwiſchen Bäb el Mandeb und Aden, und 
der fattelförmige Bafaltberg Gebel Oau, im Often vom vorigen, nur dur) 
einen ſchmalen Streif jandiger Ebene von ihm getrennt. Diefe gehören 


nit zum „Syſtem“ der fübarabifchen Gebirge, jondern find nur ifolitte 
v. Maltzan, Keiſe nah Südarabien. 14 


210 Zerraffenfürmige Kalffteinberge. Flußthäler. 


Erſcheinungen mitten in der Ebene, die fie da, wo fie nit an's Meer 
ftoßen, auf allen Seiten umgiebt, und hängen nirgends: mit den Bergen 
des Innern zufammen. 

Im äußerften Often diejes Gebiets fehen wir die von Munzinger 
entdedte merkwürdige Aneinanderreihung vierediger, wie große Dächer aus- 
ſehender Kalkfteinhügel*). Ein Theil diefer, der Gebel Dolo, bietet ſogar 
22 ſolcher ZTerrafienfelfen, weshalb ihn Munzinger und Miles die 
„22 Brüder“ nannten. Sie ſchienen gleihfalls ein „Syſtem“ für ſich zu 
bilden. Auch Hier im Often ift am Meer ein ifolirter. vulcanijcher Berg, 
auf dem fi Hien Ghoräb befindet. 


VI. Wadis. 


In dieſem ganzen Gebiet iſt kein einziger das ganze Jahr fließender 
Waͤdi. Außer zur Regenzeit (und zwar nur wenn fie auf vollſter Höhe 
ift) führt feiner fein Wafler ind Meer. Bon namhaften Waͤdis findet fich 
im ganzen Cobehilande (zwiſchen Bab el Mandeb und Aden) fein einziger, 
nicht einmal einer, der zur Bemwäflerung gebraucht werden kann. Anders 
ift e3 in dem Theil nördlich und öſtlich von Aden. Direct nördlich ift der 
Wädi Tobbaͤn, der oberhalb Laheg durch Zufammenfluß des W. Warezän 
(vom Gebel Cabr tommend) und des W. Nüra (jüblih von Yerim bei 
Ain Scheläla entjpringend) gebildet wird. Teftlich von Aden der W. 
Bonna, der ganz nahe beim Quell des W. Nura, gleichfalls unweit "Ain 
Scheläla, entipringt. Im unteren Lauf nur ein Paar Meilen öftlid vom 
W. Bonna der W. Hafan, duch den bei Naab erfolgten Zufammenflug 
der W. Yerämes und Solüb gebildet. Das Tiefland zwiſchen W. Bonna 
und Haſan ift die fruchtbare Ebene von Abian, das zwiſchen W. Yerämes 
und Solüb der Kaffeediftrict von Yäfia. Gehen wir weiter nad) Often, 
jo finden wir nur ganz Heine Wädis bis zum W. Haumär, der zwar 
einen ziemlich langen Lauf Hat, übrigens auch nicht: mit W. Tobban, 
Bonna, Hafan verglichen werden kann. Erſt im Often dieſes Gebiets finden 
wir wieder einen reichhaltigeren Wädi, den W. Mefat (Mayfaa bei 
Wrede). Der zweite W. Mefat, der ein ſtets fliegender fein ſoll, gehört 
nicht mehr in unfer Gebiet. Von allen namentlich) angeführten Waͤdis 


*) Genau dieſelben Formen zeigt die oftafrilaniiche Danaqil-Küſte um Baäb el 
Mandeb. 


Klimatiſches und Producte. 211 


wird nur der W. Hauwaͤr nicht zur Bewäſſerung benutzt. Alle anderen 
leiten treffliche Dienfte. 


vo. RAlima und Bodenerzeugniffe. 


Das Klima dieſes Gebiets ift eins der gefegnetften der Erbe. Im 
2efland ift Die Hitze allerdings groß. Indeß das Ziefland bildet doch nur 
einen Heinen Theil des Ganzen. Die mittlere Bergesregion, welche den 
größeren Flächenraum einnimmt, ift durchaus gemäßigt. In der höheren 
find jähe Zemperaturwechfel, aber auch fie ift jedem organischen Leben 
günſtig. Die Temperaturverhältnifje find jo, daß durch Hibe oder Kälte 
allein kein einziger led dieſes Gebiets unwirthbar oder vegetationslos 
gemacht wird. ine eigentlihe Wüfte findet fich in dem von uns behan- 
beiten Theil Südarabiens nicht. Die vulcanifhen Felsmaſſen, die ifolirt 
längs der Küfte auftreten, find allerdings auf ihren Höhen und dem 
Shrem ausgeſetzten Stellen nadt und kahl, weil dort feine Pflanzenerde 
haften fan. Aber auch auf vulcaniſchem Boden bildet fih an geſchützten 
Stellen fruchtbares Erdreich, deflen Ertragsfähigkeit überall! da zur Gel- 
tung fommt, wo ed nicht an Waller fehlt. 

Trodenheit und relative Yeuchtigkeit, das find die Yactoren, welche 
auf Thier- und Pflanzenleben dieſes Gebiet3 einen ungleich größeren Ein- 
fluß üben, als Hitze und Kälte. Alles hängt von der Reichhaltigkeit der 
Riederichläge ab. Neichhaltige Niederfchläge bieten aber hier nur die 
tegelmäßigen tropiſchen Sommerregen. Die unregelmäßigen Winterregen 
lörmen wir als aus der gemäßigten Zone hierher verirrt anjehen. Sie 
daben hier ganz benfelben Charakter, wie an der afrikaniſchen Küſte des 
Mittelmeers, wie 3. B. in Nordägypten, d. h. fie find eben äußerſt un- 
regelmäßig, treten in manchen Jahren reichlich auf; oft vergehen aber auch 
ganze Jahre ohne namhafte Niederjchläge. 

Nach Analogie anderer tropifcher Gegenden würde fein Theil diefes 
Gebiets (das zwiſchen dem 13% und 15° nörbl. Breite liegt) den tropifchen 
Sommerregen entbehren. Locale Einflüfle betoirken jedoch für das ganze 
Küftenland eine Ausnahmäftellung. Ein Streifen von 5 bis 8 deutſchen 
Meilen Breite, ſowohl am Rothen, wie am Xrabifchen Meer leidet unter 
diefer Ausnahmsſtellung. Er befommt nicht die tropischen Sommerregen 
und ift auf die jehr unregelmäßigen Niederfchläge des Winter allein an- 
gewiejen. Die Yolge davon ift, daß das Küftenland im Allgemeinen un» 

14* 


212 Sinfluß der tropifchen Regen. 


fruchtbar bleibt, ziwar nicht gewächslos, aber meift doch nur ſolche Step- 
pengewächſe trägt, denen die Feuchtigkeit der Seeluft zu ihrem Gedeihen 
genügt und denen der Salzgehalt diefer Luft nicht ſchadet. In dieſen 
Landichaften blüht deshalb nur die Thier-, namentlich die Kameelzucht, da 
die Sameele fi auch von jenen Steppenpflanzen nähren können. Die 
Bodencultur in dem nicht durch Ylüffe bewäflerten Theil des Küftenlandes 
it eine äußerſt fpärliche. Ihr Erfolg hängt ganz vom Ungefähr ab. In 
den Ausnahmsjahren, in welchen die Winterregen reichlih maren, ift fie 
ebenſo gejegnet, wie die des fruchtbaren Innern. Aber durchfchnittlich 
fommen auf 3 oder 4 Jahre zwei Mißernten. 

Eine Ausnahme von diefem traurigen Zuftand bilden nur diejenigen 
Küftenländer, welche einen Fluß haben, der in feinem oberen Lauf ins 
Gebiet der tropifhen Sommerregen hineinteiht und deren Wafler ins 
Tiefland führt, wo fie dur) Bemäfjerungsanftalten feitgehalten und aus» 
gebeutet werden. Solche Tiefländer find Laheg (am Wädi Tobbän), 
Abian (zwiſchen W. Bonna und Hafan) und im Often das Thal des 
W. Mefat. Diefe fruchtbaren Küftentiefländer find reih an Baumwolle, 
Tabad, Indigo und Gerealien aller Art. Die Datteln find inbifferent. 
Alle Gemüfe gedeihen, aber nur in Laheg find Pflanzungen davon. 

Ganz anders verhält es fich mit dem Innern. Hier find die Som: 
merregen reichlich, Schwellen die Wädis und Sels (Aufftauungen), werden 
in Birket (Waflerbeden) gefammelt und geben einen Borrath, der bei ra= 
tioneller Ausbeutung für das ganze Jahr hinreihen würde. Das Srmere 
ift deshalb durchweg fruchtbar. Die Qualität feiner Producte ift vorzüg- 
lid nur dur die Bodenerhebung beeinflußt, denn an Wafler fehlt es 
nirgend3 und ein abjolut fterile8 Erdreich, findet fi hier niht. Das In⸗ 
nere zerfällt Himatologijch in 

1) Ziefland. Die Tiefländer des Innern, wozu wir bier auf 
jene tiefen Senkungen zwiſchen [Gebirgen rechnen, die oft ſchon in 
beträchtlicher Höhe über dem Meeresfpiegel liegen, aber doch in Bezug auf 
Begetation Alles mit Tiefländern gemein haben, befigen den boppelten 
Vortheil der Lage an einem Fluß und ber tropifchen Sommerregen. Sie 
find die vorzüglichſten Kaffeediſtricte. Was diefe Cultur betrifft, jo ſcheint 
e8 bier nicht zu genügen, daß der Boden durch einen Fluß bewäſſert wird, 
fondern er muß aud die tropiichen Regen empfangen und bor Sturm 
geichügt fein. Darum tragen jelbft die fruchtbarften Küftenländer wie 
Abian, Laheg feinen Kaffee. Die Eultur blüht in den tiefen Sen—⸗ 


Klimatologifche Eintheilung. Bevölkerung. 213 


tungen am W. Warezän und W. Nura (Zuflüfle des W. Tobbän, an 
diefem felbft nicht) am obern Theil des W. Bonna, an dem W. Solub und 
Jeraͤmes, dies der öftlichfte Kaffeediſtrict Arabiens. In der Regel kann man 
amehmen, daß Kaffee erft 8 deutfche Meilen von der Küfte*) vorkommt. 

Die mehr fandigen Ziefländer im Norden der Waflerjheide, mie 
ehän el Gezäb und Behän ed Döla find durch ihren Reichthum an Dat- 
telpalmen "berühmt. Die Qualität der Früchte ift jeboch nicht befonders. 

2) Dad Mittelgebirge. Auch bier wächlt noch Kaffee, wenn auch 
nicht jo viel, wie im Tiefland. Sonft gedeihen bier alle Obftbäume, an 
denen da3 Innere bejonders reich ift, ſowie alle Cerealien, Tabad, Baum- 
wolle, Indigo. 

3) Die Hochebenen. Sie find die Kornkammern Sübarabiens, na- 
mentlih die Plateaus bon Raͤha (im Norden von Laheg) Marcha, Nicäb, 
Chabt im Lande der Aulaqi. Auch hier wird viel Indigo, Taback, Baum- 
wolle erzeugt, Datteln wenige und ſchlechte. Kin großer Theil dieſes 
fruchtbaren Erdreichs bleibt jedoch unbebaut und ift natürliches, üppiges 
Beideland. Die Bevölkerung ift dünn, große Cultur aljo fein Bedürfniß. 

4) Die Hochgebirge. Auch Hier gedeihen noch Gerealien, namentlid) 
joldje nördlicherer Länder, wie Hafer, Gerfte, und auf den bewaldeten 
Höhen die nützliche Caatpflanze, deren Blätter gelaut und ſehr theuer ver- 
fauft werden. Der Saat wächſt nicht öfllih vom W. Donna. 


VII. Typus der Bevölkerung. 


Die Bemohner dieſes Theiles von Südarabien unterſcheiden ſich viel- 
fad) von den übrigen ſüdarabiſchen Völkerfchaften, den Gentral-Yamani, den 
Hadrami, Mahri u. |. w. Letztere find alle mehr Hellfarbig, von größerem 
ſchlankerem Knochenbau, jchlichterm Haar. Die Völker des tiefften Südens 
dagegen find ſehr bunfelhäutig, oft dunkler, als viele Abeffinier, Hein, zier- 
lich; die Gefichter ſehr feingefchnitten, oft aber rundlich; der Körper fehnig, 
mager, graziös, beweglich, aber nicht „Inodigftark”; das Haar jehr kraus. 
Ich möchte fie als eine Uebergangsſtufe zwifchen dem Südaraber und dem 


) Der Rame Mochä's, einer Rüftenftabt, weldden man einer Kaffeejorte gegeben, 
if irreführend. In Mochä ift niemals Kaffee gemahlen. Der Rame wurde nur 
dekhalb auf den Kaffee übertragen, weil Moda viele Yahrhunderte der Hauptplag 
für Kaffeehandel war. Jetzt it Mochäͤ zerflört und der Handel hat andere Wege 
genommen. Der Name Mochä⸗Kaffee war übrigens ſtets nur bei Europäern üblich. 


——— nen nn — — — ———— ——— En nn m — —— 


214 Abftammung der Südaraber. 


femitiihen Schwarzen (Zigre-Stamm) bezeichnen. Ausnahme von diefem 
dunklen, faft ſubäthiopiſchen Typus bilden nur die aus dem Norden (an &, 
auch ſchon Damar) oder aus Hadramaut flammenden und viele Scherife. 
Ein Theil der Aulagi nähert fich aud dem nördlichern Typus. 


IX. Abftammung ber Völker. 


Der arabifche Geograph Ibn el Hayek el Hamdaͤni nennt uns viele 
der dies Gebiet noch heute bewohnenden Stämme Danach zu ſchließen 
muß die Mehrzahl derjelben Himyaren fein. Unzweifelhaft ift diefe Ab⸗ 
ftammung bei den Abdeli, Fodli, Nezäz, Diebi, Yafi i und Gobehi. Die 
Qumuſch (Domeichi), Audeli und Hofriya Schreiben ſich in ihren Tradi- 
tionen denfelben Uriprung zu. Die Gada nennt zwar Hamdäni nur als 
einen von den Yäfi i adoptirten Stamm, nicht jelbft himyariſch, aber fie 
find fo vielfach mit jenen vermiſcht, daß fie Himyaren geworden. Wahr- 
ſcheinlich iſt ein Theil der Aulaqi (die jetzt noch den Sarw Madhig be⸗ 
wohnen) vom Madhegiſtamm, hat ſich aber auch mit Himyaren (Audeli, 
Diebi, Qumuſch) vermengt. Die Yazidi im Norden dieſes Gebiets dürften 
Kinda fein. Die Bewohner der Umgegend von Redä und Gefe werden im 
Volksmund als Beni "Ans bezeichnet. Das große Anfitifche Gebiet beginnt 
in der That nördlich vom Lande der Rezäz. 

Nach den Genealogen gab es 3 Himyar, einer vom andern flammend 
und jeder einem himyariſchen Geſchlecht im weitern, engern und engſten 
Sinne den Namen gebend. Der allgemeine Stammvater war Himyar*) 
ben Sabä. Der zweite Himyar war Sohn des Sabä el Acghar ben Lo— 
huͤa ben Himyar ben Saba. Nach 8 Generationen kam dann Himyar ben 
el Ghaut ben Sad. Seine Nachkommen allein ſollen die eigentliche Himy- 
ariſche Sprache geredet haben. Der vernünftige Ethnograph wird die 
Mühe ſparen, zu unterjucdhen, von wen diefer 3 Himyar obige Böller 
ftammen. Er wird alle diefe Stammpäter lediglich ald Symbole auffafjen. 
Das Symbol, weldes dem Namen Himyar zu Grunde lag, hat möglicher- 
weile folgende Bedeutung Das Wort ftammt von einer Wurzel, welche 
den Begriff von „roth fein“ in fich fchließt. „Roth“ nennt man aud) 
heute noch in Südarabien, ebenjo wie in Abeflinien, jene dunkle tiefbraune, 
manchmal aber einen fuchfigröthlichen Refler zeigende Hautfarbe ſowohl 


— — — — — — — 


*) Jacüt ed Wüftenfeld ad vocem Himyar und ad vocem Asbah. 


Sociale Unterſchiede in Südarabien. 215 


der jehigen Himharen, wie der Völker von Tigre. Möglich alſo, daß der 
Rame von einer Hautfarbe kommt. Gab es wirklich einen Stammvater 
Himyar, jo hatte auch er wohl feinen Namen von der Hautfarbe. 

Dan dente bei diefer Hautfarbe nur nicht an eine Vermiſchung mit 
Negerblut. Eine ſolche wird bei den freien Stämmen (und das find die 
meiften Himharen biefes Gebiets) fireng vermieben und gilt für entwürdi⸗ 
gend. Auch ift das Colorit durchaus nicht das mulattiiche. Ach brauche 
wohl kaum zu fagen, daß das Klima bei biefer Farbe ohne Einfluß: ift. 
Die Völker von Yäfia, die ein tühles Bergland bewohnen, find eben fo 
dunkel, oft dunkler, als die tiefländifchen. Sie find eben unzweifelhaft 
teine Himparen. Vermiſchung mit Negerblut kann in Städten vorkom- 
men. In unferm Forſchungsgebiet haben wir es nur mit einer einzigen 
Hädtereichen Landichaft, der Gegend um Za’izz zu thun, deren Bewohner 
zwar au) Himyaren, aber mit fremdem Blut vielfach vermiſcht find, wie 
es die loderen Stammesbande der Städter mit ſich bringen. 


X. Sociale Einteilung der Sübaraber. 


Die Sentenlaraber werden gewöhnlich in focialer Beziehung in zwei 
Hauptclafien getheilt, nämlich „Bebuinen“ und „Stäbter”. Erſtere find 
Nomaden, letztere ſeßhaft; erftere frei, Eriegerifch, bewaffnet und faft ohne 
alle Regierung, letztere Unterthanen eines Yürften, oft unfriegeriich; erftere 
halten fireng auf Stammeßtraditionen, letztere haben fie größtentheils ver- 
loren oder befigen nur Yamilienftammbäume. 

In Sübdarabien ift diefe Benennung für die zwei jocialen Haupt- 
claſſen nicht ftatthaft. Die freien Stämme find hier nur zum allerfleinften 
Theile Nomaden. Sie find meift auf dem Lande, oft aber auch in Städten 
ſeßhaft. Die Lebensweife haben fie alfo nicht mit den centralarabifchen 
Beduinen gemeinjam, wohl aber die kriegeriichen Eigenſchaften, die Freiheit 
und. die Stammesreinheit. Sie ſelbſt nennen fi Dobäyel*), ein Wort, 
dad uriprünglich zwar nur der Gollectiv von Dabila (Stamm) ift, aber 
ine viel umfafjendere Bedeutung erlangt hat, als jein Nomen unitatis, 


— 


*) Nach diefem Wort wurde in Wlgerien, jchon feit der erften Eroberung durch 
Araber, die berberifche Bevölkerung benannt, die als freie Stämme lebte. Die freien 
Araber, die im 11. Jahrhundert famen, nahmen deshalb einen andern Namen für 
„Stämme“ an. Sie nannten die Stämme Oruſch (Thron, Wohnfig) um nicht 
für Verber zu gelten. 





216 Freie Stämme und Untertbanen. 


welches leßtere man faft nur von den Gelehrten hört. Dobäyel heikt zu- 
gleich „freie Stämme” und „Republik“. Ich hörte es faft immer in diefem 
Sinn gebrauchen. Es kann aber auch, vermöge der Ermweiterungsfäbigleit 
aller Eollectivbegriffe eine „Vundesgenoſſenſchaft“ etwa „Eidgenoſſen“ be— 
deuten. Die Nisba „Dobaili” ift hier nicht üblich. Der einzelne bezeichnet 
fi) entweder ald „einer von den Dobäyel” oder er erlaubt fih die gram- 
matifalifche LicenzLund nennt ſich jelbft geradezu „Dobäyel“. Da Dobäyel 
urfprünglih einfah „Stämme“ heißt, jo könnte man denten, dab das 
Wort aud auf ſolche Stammeseinheiten angewendet wurde, welche ihre 
Treiheit eingebüßt haben. Logiſch und lexikaliſch vollfommen richtig. Der 
Volksmund braucht es aber niemals fo. Oobähel fchließt ſtets den Begriff 
bon „frei“ und „Eriegeriich” in fi. Unterthanen eines Fürften find nie 
Dobäyel und bildeten fie auch die reinfte, edelite Stammeseinheit. Man 
gebraucht in ſolchen Fällen andere Wörter, wie Aſchuͤra (großer Stamm) 
und Fachida (Heiner Stamm), die nicht nothwendig den Begriff „Freiheit“ 
in ſich ſchließen. 

Die Beduinen in Südarabien find nur ein Bruchtheil der Oobäyel. 
Einen focialen Unterjchied bezeichnet dies Wort Hier nit. Sie bilden Die 
ärmeren Stämme der Dobäyel, die durch die Dürftigfeit ihres Bodens 
zum Nomadenleben gezivungen werden. Sie wandern übrigens ſtets nur 
auf fehr bejchränttem Raum. Sie find meift roher, wilder, auch oft 
ſchlechter bewaffnet als die anderen Dobäyel, ſonſt aber diefen volllommen 
ebenbürtig, ebenjo frei, ebenſo kriegeriſch. | 

Die zweite fociale Hauptelafje der Südaraber find die Raye. Dies 
Wort bedeutet, recht bezeichnend, hier zugleich Gefangener und Unterthan, d. h. 
aber ftet3 im Sinne despotiſch beberrfchter Unterthanen. Die Raye find alle 
feßhaft, theils auf dem Lande, theil3 in der Stadt. Die tieffte Stufe 
nehmen die Stäbdter ein, weil fie der unmittelbaren Ausübung des Des» 
potismus örtlich näher find. In einigen wenigen Staaten dieſes Gebiet, 
wie in Laheg und im Amirland find alle Bewohner Raye und der Fürft 
ift dann ihr Herr. Dieje Rage, namentlich die Landbewohner, ftehen dann 
nicht fo tief, weil fie bewaffnet find. Der Yürft macht fie zu feinen Sölb- 
lingen. Auch die Bauern dürfen mit Waffen auf's Feld gehen. Da, wo 
ber Fürſt nur militärifcher Führer ift, find jedoch die Dobäyel, d. h. bie 
ganzen Stämme die Herren der Raye. 

In diefen Ländern giebt e8 ein zweifaches Rayeverhältniß. Das eine 
entfteht durch Eroberung ganzer Landſchaften, wo dann alle Bewohner 


Bevorzugte Stände und Parind. - 217 


Unterthanen des erobernden Stammes werden. Der militärifhe Stamm 
der Du Mohammed übt feine Herrſchaft durch gemeine Soldaten aus, 
deren er in jedem Dorf einige, oft nur einen läßt, welcher der abjolute 
Herr der Bevölkerung if. Kommen Kameraden von ihm, fo theilen fie 
mit ihm die Herrichaft. Hier ift alfo die Herrichaft der einen Race über 
die andere, eine Art von Helotenthum. 

Anders ift das Rayeverhältniß in Städten mit einer Civilbevölkerung, 
melde im Gebiet der Dobäyel liegen. Deren Bewohner bilden teine 
Stammeseinheit, fondern find oft Fremde, Arbeiter, Handwerker, die fi) 
freiwillig unter den Schub der Dobäyel geftellt haben. Sie werden milder 
behandelt, als die befiegten, ftehen aber focial womöglich noch tiefer, „da fie 
eben niemals Krieger gewefen find, auch gar nicht mit Waffen umzugehen 
wiſſen. Jeder Heine Knabe der Dobäyel fieht fih als den geborenen 
herrn folder Städter an. , 

Außer diefen zwei jocialen Hauptclaffen giebt e& noch Fleinere fociale 
Fractionen, die tiefer, al3 die Raye ftehen, d. h. mehr verachtet werden, 
obwohl fie rechtlich kaum tiefer ftehen können, denn der Raye ift den ODo- 
bäyel gegenüber ja ſchon rechtlos. Diefe find die Juden und die beiden 
Paria-faften, Ahdam und Schumr. Bon diefen 3 Claffen war ſchon 
oben ausführlich die Rede *). 

Es giebt aber auch zwei bevorzugte Yractionen, welche in der öffent- 
lichen Meinung fogar höher ſtehen, ala die Dobäyel, obgleich fie nicht krie⸗ 
geriich find. Dies find die Scherife, die angeblichen Nachkommen de3 Pro- 
pheten, und die Mefchaich, die Nachkommen von Heiligen. Bon lebteren 
giebt e8 ganze Stämme, die zwar unbemwaffnet find, aber doch nicht belä= 
figt werben. Bon Scherifen giebt es auch ganze Dörfer. Ich fand jedoch, 
daß die Dobänel von den Meſchaich oft mit Geringſchätzung ſprachen, wäh- 
tend fie vor den Scherifen ſtets die größte Ehrfurcht an den Tag legten. 

Im Ganzen kann man behaupten, daß in wenig Ländern der Erde 
die jocialen Abftufungen ſchärfer gefchieden find, als in Südarabien. 
Kommen Südaraber zufammen, fo find ftets die Ehrenpläße ſcharf marfirt. 
Die allgemeine Eintheilung ift dann ungefähr folgende: 

1) Scherif, rein religiöfer hochgeachteter Erbrang ohne Macht. 

2) Der Schech oder Sultan, der militärifche Chef der Dobäyel, als 
Vertreter von deren Machtſtellung. 


*) Siehe oben Erfler Theil, Kapitel 20— 21 Seite 173 bis 192. 


218 Rangſtufen. Arabiſche Geographen. 


3) Die Meſchaich, ein mehr geduldeter religiöfer Erbrang ohne 
Madıt. 

4) Die Dobäyel, die wahren Machthaber. 

5) Die bewaffneten Raye, meiſt Bauern. Eriftiren nur in einigen 
Staaten als Södlinge der Yürften oder der Oobähel. 

6) Die unbewaffneten Raye, meift Städter, Handwerker, Kaufleute zc. 

7) Die Achdäm, die befjergeftellte Pariakaſte. 

8) Die Schumr, die verachtetefte Pariakaſte. 

9) Die Juden. 

Lebtere drei Glaffen find von den Häufern der Araber ausgeichloffen. 

In einzelnen Staaten follen die reicheren Kaufleute eine Mittelftelung 
zwiſchen der 3. und 4. Rangclafje bilden. Alles dies beruht jedoch auf 
Duldung der Dobäyel. 

Sklaven werden hier jehr wenige gehalten. Wo e& vorlommt, find 
fie meift bewaffnet und bilden eine Garde des Fürften. Sie nehmen dann 
den Rang ber bewaffneten Raye an. Zu Paria finten fie nur felten 
herab. 


ZI VBeftätigung meiner Erkundigungen durch arabifche Geograpben. 


Bei der großen Maſſe des von mir erfundigten geographiihen Ma— 
terial3 und dem vielen Neuen, welches dieſes bot, mußten mir natürlich 
oft Zweifel kommen, ob nicht meine Informanten mich getäufcht Hätten. 
Cine Controle aus Werken europäifcher Reijenden konnte ich freilich nicht 
finden, da eben, außer Seeßen (der einen jehr fleinen Theil dieſes Gebiets, 
das Gobehiland, durchreiſte) Feiner dort gewejen war. Zum Glüd aber 
fehlte e8 mir nicht an einer Control. Der Güte des Hrn. Prof. Sprenger 
verdankte ich einige Auszüge aus dem einzigen ausführlihen arabifchen 
Werk über dieſes Gebiet, nämlich Hamdaͤni's*) „Geziret el Arab“ und zum 
Ueberfluß fand ich von diefem in Europa nur einmal vorhandenen Dianu- 
jcript eine zweite Copie in Aden. Nun denn; in diefem vor fafl 1000 
Jahren geichriebenen Buche (Hamdäni lebte um 935) fand ich zum großen 
Theil diefelben Städte, diefelben Wädis unter denjelben Namen an den- 


*) Das Manufcript in Europa gehört dem Hrn. Ch. Schefer, das in Aden Kapitän 
Miles. Beide weichen vielfach in der Bocalifation von einander ab, vocalifiren übri- 
gens beide oft unrichtig, auch die diacritiihen Punkte find oft in beiden falſch. 
Dieje Fehler corrigirten mir arabifche Gelehrte. 


Aufklärung entitellter Namendangaben. 219 


jelben Stellen erwähnt, wo fie mir meine Informanten genannt hatten. 
Selbſt die Stämme haben in diefer langen Zeit ihre Wohnfige faſt gar 
nicht verändert. Manche haben andere Namen angenommen, aber die Tra- 
dition hat doch nebenbei oft auch die alten im Gedächtniß bewahrt. Im 
beigreibenden Theil, ebenfo im Namentegifter am Schluß, wird bei jedem 
Ramen, den auch Hamdäni anführt, defien Schreibart beigefügt. 


Es ward mir in diefer Beziehung jogar eine merkwürdige Ueberra- 
ſchung. Bekanntlich Hat Seetzen, auf feiner Reife durch das Cobehiland, 
dort weder einen Wädi, noch ein Dorf, noch einen Unterftamm notirt. 
Nach meinen Informanten waren aber im Lande eine Menge namentlich 
bezeichneter Oertlichkeiten. Sollte dieſer Ueberfluß von Namensbezeich— 
nungen nicht auf Schwindel beruhen, beſonders da der einzige Europäer, 
der ſeit Lodovico de Barthema dieſen Küſtenſtrich durchreiſt hatte und noch 
dazu ein ſonſt ſehr tüchtiger Forſcher, dort gar kein nennenswerthes Ma- 
terial fand? So klangen meine Zweifel. Aber mit Unrecht, denn wie 
ich meinen Hamdaͤni aufſchlug, fand ich genau die von meinen Informanten 
im Cobehiland angegebenen Oertlichkeiten unter genau denſelben Namen. 
Die Namen im Hamdäni hatten freilich oft Copiften entftellt, aber das 
Richtige war ſtets leicht zu entdeden, da die Fehler fih nur auf Berftel- 
lung der diafritifchen Punkte gründeten. So ftand z. B. im Manufeript 
ein Ort Mohayeg, ein anderer Mahdaha, ein dritter Hegär. Un eben 
derjelben Stelle aber nannten mir meine Informanten Mohanneq, Meg- 
daha und Hegäz. Bei allen drei handelte es ſich nur um falfche Punt- 
tirung, wie jeder Arabift erfennen muß. Aehnlich fteht in beiden Manu- 
feripten ein W. Berämes, während bier nur ein W. Yerämes bekannt ift. 
Und fo in unzähligen Beifpielen, die an Ort und Stelle zu cititen. 


Ich Tann nicht genug die guten Dienfte rühmen, weldde mir Ham- 
daͤni's „Geziret el “Arab” leiſtete. Es diente mir nicht allein zur Gontrole 
des Schon errungenen, fondern gleichfall$ zur Erlangung neuen Materials. 
Ich fand nämlich darin auch manche Namen von Dertlichkeiten, von denen 
meine Informanten noch nichts gejagt hatten. In ſolchen Fällen frug ic) 
fie nach denfelben, hütete mich aber wohl, ihnen die von Hamdäni ange- 
gebene Lage zu jagen. Diefe Lage mwollte ich von ihnen erfahren. Und 
fiehe da! faft immer nannten fie mir genau die in der Handjchrift bezeich- 
nete Lage der Dertlichkeit. 


220 Zur Beichreibung Südarabiens. 


Nächſt Hamdaͤni kann Ihn el Mohäwer*) hier von Nuben fein. Die 
Namen find freilich bei ihm noch mehr entftellt. Aber es ift zu bezweifeln, 
ob er diefe Reifen gemacht hat. Sonft würde er Megpäha**), das öftlich 
bon Hien Ghoräb Liegt, nicht weftlich davon angeben. Die übrigen arabi— 
ſchen Geographen und namentlich die vielcitirten Edrifi, Abu ’I Yebä, Yü- 
qut wiſſen jo gut wie gar nichts über dies Ländergebiet. 


XI. Ueber den Inhalt des beſchreibenden Theils. 


Der befchreibende Theil behandelt nur die von mir genauer erkun⸗ 
bigten oder felbft bereiften Länder, aljo das Land öftlih von Hicn Gho- 
räb bis Bäb el Mandeb und etwa bis 14° oder 15° nördl. Breite. Die 
Breitenausdehnung (im geographiichen Sinne) varürt. Im Durchſchnitt 
kann man 2 Grade von der Küfte ins Innere anmehmen. Die Befchrei- 
bung beginnt am wmeftlichften Ende des erfundigten Gebiet und fchreitet 
von Welt nad Oft vor, doch fo, daß jedes Mal alle weſtlich gelegenen 
Länder erft in der Richtung von Süd nad) Nord behandelt werden, ehe zu 
der öftlichen übergegangen wird. Meine eigenen Reifen habe ich hier mit 
eingeflodhten, da ja auch fie entweder bisher gar nicht oder nur ungenü- 
gend beichriebene Gebiete behandeln und biefer ganze Theil des Reiſewerks 
dem bisher Unbelannten gewidmet if. Die Quelle, ob eigene Beobachtung, 
ob Anformation, findet an Ort und Stelle jede Mal Erwähnung. 


— 


*) Abhandlungen der deutihen M. &. Band III, Pr. 8, Sprenger’3 Por 
und Weiferouten im Orient. ©. 151. 
**) A. a. Ort. ©. 145. 


Zweites Capitel. 


Waͤhidi⸗Laͤnder. 


I. Name. — II. Geographiſche Lage. — II. Das Land der Unteren Wähidi. — 
A. Gränzen. — B. Seehäfen. — C. Gebirge. — D. Wädis. — E. ſtlima und 
Bodenerzeugnife.e — F. Bewohner. — G. Städte und Ortſchaften. — H. Alter⸗ 
thämer. — 1. Große zehnzeilige Inſchrift von Ghorab. — Ueberfegung. — 2. Zweite 
Inſchrift. — 98. Dritte Inſchrift. — I. Politiſches. — IV. Das Land der Oberen 
Wähidi. — A. Grenzen. — B. Gebirge. — C. Wädis. — D. Klima und Boden- 
erzeugnifie. — E. Bewohner. — F. Städte und Ortiaften. — Preile der Lebens⸗ 
mittel in Habbän. — G. Alterthümer. — Inſchrift von Nagb el Hagr. — Ueber: 
fegung. — H. Politiſches. — I. Sociale Zuflände der Waͤhidi. 


J. Name. 


Der Name Wähidi iſt urſprünglich nicht der eines Stammes. Man 
kann auch jetzt kaum von Wähidi-Tribus reden, wie Wellfted *) gethan hat. 
Wrede hat ſchon auf diefen Irrthum aufmerkſam gemacht *). Dennoch 
geht Wrede zu weit, wenn er ihn ausſchließlich auf die Dynaſtie ange⸗ 
wendet willen will. Der Name ift freilich urjprünglih nur dynaſtiſch, 


*) Bei Ritter, Erdkunde XII, ©. 624. 

») Wrede's Reife in Hadhramaut, ©. 161. Hier jagt auh Wrede, Wellfted 
führe einen Stamm Beni Ghoräb an. Dies wäre allerdings eine komiſche Ober⸗ 
flädhlichfeit, denn Ghoräb ift nur der Name eines Schlofies, und nad einem ſolchen 
wird fi wohl faum ein Stamm, am wenigften mit Beni davor, nennen. 


222 Die beiden MWähidi-Staaten. 


ähnlich wie die Bezeichnungen vieler anderer Völkergruppen, mie Aulaqi, 
Fodli, Rezäz, Amir, Abdeli u. |. w. Alles dies find Namen von Dyna- 
ftien, die oft mit dem Volke, daS fie beherrfchen, gar nicht ftammesverwandt 
find, aber fie find einmal gang und gebe geworden, um damit eine Ge— 
ſammtheit Hleinerer, oft genealogijch keineswegs zufammengehöriger Stämme 
zu bezeichnen, deren Herrichergejchleht jenen Namen führt *). 


II. Geographiſche Lage. 


Die MWahidi- Länder bilden mehr zmei Gruppen, als ein homogene: 
Ganze, das nur dur Grenzen in zwei getheilt wäre. Sie grenzen nur 
nominell aneinander, denn zwiſchen beiden wohnt ein heil des unruhigen 
Diebi-Stammes, über den die Sultane wohl die Autorität beanfpruchen, 
aber nicht ausüben. 


1) Die Gruppe der Unteren Wähidi mohnt am Meer vom 480 bis 
48080’ **) öſtl. 2. v. Gr., unter 14° nördl, Br. Dies Gebiet reiht nörd⸗ 
id von der Hauptftabt faum zwei Stunden ins Innere. Dann kommen 
ſchon unabhängige Stämme. Am unten Lauf des Wädi Mefat find 
zwar die Dörfer dem Sultan unterworfen, da8 Land aber ift frei. 


2) Die Gruppe der Oberen Wähidi***, Von 47° bis 47 240 öſtl. 
2. v. Gr. und von 14020’ bis 14058’ nördl. Br. 


) Dies ift nicht bei allen füdarabifhen Vöolkergruppen der Fall, fondern nur 
bei joldden, die in Staaten, meift neuerer Entftehung, vereinigt find, melde der ur⸗ 
alten Stammeszufammengehörigteit nicht mehr entipredhen. Völker, wie die Yafri, 
Audeli, 'Aqrabi, Eobehi, Haufchebt, Hakmi, Yazidi, haben ihre alten Namen behalten. 
Ihre Herrſcher find au uralt angeflammt. 


+) Ich muß darauf aufmerkſam maden, daß alle diefe Gradbeſtimmungen unge: 
fähr find. Die Erlundigungen gaben keine abjoluten Angaben. 


***) Munzinger und Miles haben durch genaue Wegmefjungen bewiejen, daß 
Wellſted Nagb el Hagr viel zu weit von der Küfte und viel zu nördlich angefegt 
hatte. Daher der Irrthum unjerer bisherigen Karten (Kiepert, Wrede), wonach 
Habbän und das ganze obere Waͤhidi⸗Land zu weit nörbli und aud zu jehr dſtlich 
angegeben wurden. Wrede fagt nämlich nichts davon, dab das Wähibi-Land fich fo 
weit nach Weiten erftrede, wie e8 nah Munzinger der Fall ift, und daß Habbaͤn 
jelbft ganz im Weiten liegt. 


Das Rand der Unteren Waͤhidi. 223 
IT. Das Land der Unteren WBapibi. 


A. Grenzen. 


Im Süden da3 Meer, im Weſten und Nordweſten die Diebi, im 
Rorden und Often das Bilad el Hagr (unabhängige Qobäyel). 


B. Seehäfen. 


Eine einzige Bai von etwa zehn Seemeilen Länge und zwei Breite 
mit zwei Ankerplätzen, Bir Ali, nur im Sommer, und Megdäha, nur im 
Winter fiher. Sie bilden zufammen einen fogenannten Monfunhafen, 
d. h. die Schiffe müflen je nad) dem Winde den Ankerplatz wechleln und 
ih in den Schuß, bald des öftlichen, bald des weſtlichen Vorgebirgs be- 
geben. Gefährlich find die plößlihen Umfchläge des Windes, jedoch mehr 
für große Schiffe mit ſchweren Ankern. Die arabifhen Saya’s können 
ichnell Anker Lichten und die Stelle wechſeln. Bir Ali befibt eine etwas 
tiefere Bucht, die aber doch beim Wintermonfun nicht ficher genug ift. 


C. Gebirge. 


Diefer Heine Küftenftant hat keine namhaften Berge, fondern nur 
größere vulcanische Yellen und Felsgruppen, wie den Fels, auf welchem 
Hien Ghoraͤb liegt. Sie find ifolirt und ftehen mit den Bergen des In— 
nern nicht im Zufammenhang. Der GebelHamrä, weitlih vom W. Mef at, 
liegt Schon außerhalb dieſes Gebiets. 


D. Wadis, 


Außer dem Waͤdi Mefat, der aber ſchon an der Grenze ganz im 
Weſten Tiegt, ift hier kein Fluß. Auch diefer weſtliche Waͤdi ift nicht 
perennirend, doch gelingt e8, durch Aufftauungen das Waſſer einen großen 
Theil des Jahres feftzuhalten. Er reicht in feinem oberen Theil ins Ge- 
biet der tropischen Sommerregen, gehört alfo zu den befruchtenden Waͤdis. 
Der andere Wädi Mefat*), im Often, liegt ſchon außerhalb der Grenzen 





*) Ich babe nicht ergründen können, ob es wirklich richtig ift, daß dieſe beiden 
Waͤdis, die ſich jo nahe liegen, aber jo grundverſchieden find, denjelben Namen füh— 
ten, wie Wrede jagt, und wie au im Damüß ftehen fol. (ch fand die Stelle 
nicht.) Der öftlicde heißt Übrigens auch nad Wrede nur in feinem Tieflauf fo, im 
Oberlauf heißt er W. Hagr. Miles jagte mir, man jchreibe den Namen jetzt nicht 
mehr mit “Win, diefer Buchflabe jei auch in der Ausſprache gar nicht zu entdecken. 
Alſo bloß Mefat, nicht Mefat oder Maifa’a, wie er früher jedenfalls hieß. 


224 Das Land der Unteren Wähivi. 


diefes kleinen Staates, aber nicht meit davon. Er joll das ganze Jahr 
Wafler haben. Wrede hält ihn für den Prion des Ptolemäos. Ich glaube 
mit Recht. 

In diefem Gebiet befindet fih auch ein Binnenjee*), unweit ber 
Küfte, aber durch vulcaniſche Felſen von ihr getrennt. Er ift von Man= 
grove-Waldungen umgeben und fol ſehr tief fein. 


E. Klima und Bodenerzeugnifje. 


Das Klima ift ganz dafjelbe, wie da3 von Aden. Das Land ift un- 
fruchtbar, da es eben ein Küſtenland und als foldhes nicht die allein 
hier Fruchtbarkeit ſpendenden Sommerregen hat. Steppengewädhje, Dom- 
palmen, wenig Datteln. Eine Ausnahme bildet das Thal von Mef'at, 
welche aber nur indirect hierher gerechnet werden Tann. Der W. Hagr 
im Innern gegen Norboften, aber außerhalb dieſes Gebiets, ift reih an 
Datteln. 


F. Bewohner. 


Die Diebi, der mächtigfte Stamm diejer Gegend, find dem Sultan 
nicht unterworfen. Ihr Hauptftod bat zwar jein unabhängiges Land, weſt⸗ 
ih vom weftlichen Wädi Mefat, aber fie überfluthen ftets das Wähibi- 
Gebiet. Außer ihnen wohnen in der Gegend von Megdäha noch die Ba 
Dobez und Bi Dibian, doch auch fie find dem Sultan kaum unteriworfen. 

Diefe Stämme kann man nicht Wähidi nennen. Diejer Name ge= 
bührt Hier nur der directen Unterthanenschaft des Sultan, d. h. den Städ- 
tern und Dorfbermohnern. 


G. Städte und Ortſchaften. 


Bir Ali und Megdäha, beides Hauptftäbte und zugleich die einzi— 
gen Städte des Sultanats, das erftere im Welten, da8 andere im Oſten 
der Bai gelegen und etwa zehn Seemeilen von einander entfernt. Der 


*) Es ift mir nicht recht Har, wo diefer See liegt. Haines (bei Ritter XII, 622) 
beſchreibt ihn ſchon, giebt ihm aber die Lage bei Hisn Ghoraͤb, während meine An- 
formanten ihn in die Nähe von Megdäha verjegten. Einer diefer Informanten war 
ein Engländer, Dr. Millingen, Arzt in türfifchen Dienften, der mit der türkiſchen 
Milfion 1870 Megdaha beſuchte und den See dort in der Nähe geſehen haben 
wollte. Auch Hatten Munzinger und Miles, die in Hisn Ghoräb waren, dort gar 
nichts von einem See in der Nähe gehört. Ob es nicht vielleicht zwei Seen giebt? 


Alterthümer in Hirn Ghoräb. 225 


Umftand, dag Bir Ali im Sommer, Megdaha im Winter der fichere Hafen 
it, hat auf das ganze Dafein det Bevölkerung eingewirkt und beide Stäbte, 
trog ihrer örtlichen Entfernung, eigentlich zu einer einzigen gemadt. Denn 
der größte Theil der Bewohner, ebenjo der Sultan und die Regierung, 
leben im Sommer in Bir Ali, im Winter in Megdaha. In der ihm un- 
günſtigen Jahreszeit ift jedesmal das eine Hafenjtädtchen verlaſſen. Ein- 
wohnerzahl beider Städte zuſammen: höchſtens 400, Frequenz des Hafens: 
monatlich etwa drei Saya’3 (Schiffe von 20 bis 100 Tonnen mit latei- 
niſchen Segeln). Außerdem befigt der Sultan eine Saya. Einziger Er: 
portartikel: Datteln aus dem Wädi Hagr, meift für Rechnung des Sultan, 
der felbft Handel treibt. 

Die Ortſchaften im W. Mẽf at erwähnt Wrede. (a. a. O. ©. 159 u. f.) 


H. Wlterthümer. 


Bei Bir Ali auf einem Felſen altes himyariſches Schloß, Hien 
GHoräb*) (gewöhnlich „Rabenſchloß“ überfegt, richtiger „das ſchwarze 
Schloß“, denn Ghoräb heißt im Dialect „ſchwarz“), wahrſcheinlich das alte 
„Cane emporium“, größter Hafen zur Zeit des himyarifchen Reich. Hier 
finden ſich ‚vier him. Inſchriften, die große zehnzeilige und drei Hleinere, 
deren eine deutlich den Namen „Cane“ nennt. Die große zehnzeilige In— 
Ihrift fleht auf einem Felsſtück ganz dicht am Boden und ift ziemlich 
ſchwer zu finden. Dr. Millingen, der kurz vor Munzinger bafelbft war, 
konnte fie gar nicht entdeden. Munzinger und Miles haben 1870 die erften 
guten Copieen der vier Injchriften gemacht, die älteren von Hulton und 
Smith waren fehlerhaft. **) Sie find bis jegt (Anfang 1873) noch nicht 
veröffentlicht ***). Ich Habe jomohl Miles’, als Munzinger’s Copieen 
verglichen und danach überſetze ich. 


*) he Mogämer (Sprenger’s Poft: und Neiferouten S. 145) giebt die Küften: 
orte von Oſt nad Welt an, nennt aber fehlerhafter Weile Hien el Ghoräb vor 


Megdaha. Er nennt erfleres das Schloß des Juden Samuel ben Adiya ! 


*e) Aber doch noch lange nicht jo reih an Fehlern, wie die Wellfted’ ſche Eopie 
der Inſchrift von Nagb el Hagı. Profeſſor Rö diger hat die Leßsart von Hulton und 
Smith in feiner Ausgabe von Wellfted’s Reifen wiedergegeben und danach über: 
jet. (Rödiger in Wellſted's Reife Theil II, S. 355, 359.) Diefe Ueberfegung 
bat Ritter abgedrudt (Erdkunde XII, S. 319). 

+) Sie wurden der Deutichen Morgen!. Geſellſchaft mitgetheilt und dürften im 
Zaufe des Jahres 1873 ericheinen, d. h. im verfpäteten Jahrgang der Zeitjchrift für 1872. 
v. Malkan, Melle nah Südarabien. 15 


226 Große Infchrift von Hin Ghoraͤb. 


Erſte große zehnzeilige Inſchrift: 


Zeile 1. Samila und Aſchwa und feine Söhne Sarahbel Aikmol 
und Ma dikarib Ja kor, Sohn der Belhayat. 


Zeile 2. Die Göttin begnadige Kolan und Di Yatan und Laden und 
Sargan und Hab und Yat on 


Zeile 3. und Yeſchar und Yarz und Makrab und "Aghat und Be- 
zänan und Yalaled und Ghaiman und Yasb 


Zeile 4. und Labh und Gadäyan und Kazzan und Rachit und 
Zardan und Dablan und Scharlay und die Söhne des Mal, 


Zeile 5. ſowie ihre Stämme und Hacat und Alhan und Selfan und 
Dayfatan und Riah und Rokban und Motlefan 


Zeile 6. und Sällan und Zograt und die Steppen, wie die Weide: 
pläbe der Schaiban. Dieſe ganze Reihe (von Männern) ſchrieb ſich auf 
diefer Tafel ein 


Zeile 7. Zum Andenten an ihren Sieg und die glüdliche Rückkehr 
zu ihrer Heimath (eigentlih zu ihren Gärten), ihre Heimkehr und ihre 
Wanderung, 


Zeile 8. weil fie von ihr (der Gottheit) Hülfe erhielten, als fie 
zogen ind Sand Habeſch und machten die Habeſchi zu Sklaven 


Zeile 9. im Lande der Himyaren, als im Kampf überfielen Himy- 
ar's König und feine Yürften die Schwarzen *). 


Zeile 10. Und die Zeit (dad Datum) war der Sommermond dei 
Jahres 642. 


Offenbar handelt es ſich hier um einen Feldzug der bei „Cane“ 
wohnenden Himyaren nach Abeſſinien, worunter wir jedoch nicht einjeitig 
das heutige Habeſch, jondern auch die Somali-Länder zu verftehen haben, 
die im Altertfum mit in Habejch inbegriffen waren. Der Golf von Aden 
vermittelt noch heute vielfache Verbindungen zwifchen diefer Hüfte und dem 
SomälisLande. 


*) d. 5. die Abeſſinier. Wörtlih fleht zwar „die Rothen“ (Ahmarän) aber 
als „roth* wird noch heute und wurde ſtets die Hautfarbe der Abeifinier bezeichnet, 
weil fie eben nicht ganz ſchwarz, fondern dunfelbraun mit röthlichem Reflex if. 


Regierung der Unteren Waͤhidi. 927 
Zweite Inſchrift (vier ganz kurze Zeilen) : 
Martdad, Sohn des Aus, ſchrieb feinen Namen ein (folßen unDdeutliche 
Zeichen, wahrſcheinlich Jahreszahl). 
Dritte Inſchrift (21/5 Zeilen) : 
Zeile 1. Said Abrad, Sohn des Malfchan, am Berge, 


Zeile 2. der beim Aufiteig von Cane liegt, ſchrieb ſich ein 
Zeile 3. zum Gedächtniß des Sieges. 


Die vierte Infchrift enthält nur zwei Namen. Man fieht, es Handelt 
fi Hier um Einschreibung von Eigennamen an einem wahrſcheinlich ge- 
beiligten Orte, ähnlich wie die Inschriften am Sinai und in Abu-Simbel, 
und wie fie noch heute bei Orientalen Sitte find. So fieht man z. 2. 
im der Gema Zulim in Cairo die ganze Wand mit Heinen arabifchen In- 
ſchriften bededt, welche nichts weiter ausfagen, als „N. N. Sohn des 
N. N. verrichtete hier feine Andacht.“ 


. I. Politiſches. 


Sultan Hädi, b. Abd Allah, el Wähidi, Beherrfcher der Unteren 
Wahidi, Better des Sultans der Oberen Wahidi, in deffen Lande er übri- 
gend auch eine gewifle officielle Stellung, etwa die eines Prinzen von Ge— 
blät hat. Dieſe fommt natürlich nur dann zur Geltung, wenn er fi in 
Habbän oder Höta befindet, wo er ein Haus beſitzt. Er findet fich aber 
nur fehr jelten dort ein, mohl nur bei Thronmwechjeln, um mit der zahl- 
reihen Sippſchaft die Nachfolge zu berathen. Er ift jehr arm und macht⸗ 
108. Sein einziges Einkommen bildet die Exrportgebühr (für Datteln) und 
der von ihm felbft betriebene Handel. 


So unbedeutend feine Herrſchaft, jo übt er doch die Befugniſſe der 
böchften Souveränität, indem er auch das Kanzelgebet auf feinen Namen 
jagen läßt, wie ein vollfommener „Beherrfcher der Gläubigen.” Er und 
alfe Unterthanen find übrigens Schäfei. Zaidi im Lande gänzlich) unbe- 
kannt. 

Im Jahre 1870 war Sultan Hädi nahe daran, ſeine Häfen (Bir 
"Ai und Megdaha) an die Türken abzutreten. Es fand ſich nämlich eine 
türfifche Expedition ein, welche angeblih Ouarantäne-Anftalten errich— 
ten follte und ihr Auge auf Bir Mi geworfen hatte. Sie beſaß Em- 


pfehlungen des Großſcherifs von Mekka, die von den unabhängigen Araber- 
15* 


228 Das Land der Oberen Waͤhidi. 


fürften (d. 5. nur von Sumniten) ſtets jehr Hochgehalten werden. Dem 
Sultan Hädi® wurde gejchmeichelt, ihm große Gefchenke, Orden u. f. m. 
berfprochen, wenn er feine Häfen zur türkiſchen Quarantäneftation hergeben 
molle. Seine Souveränetät, jo hieß es, jolle unangetaftet bleiben. Leb- 
tere8 war natürlich eine leere Floskel, denn, waren einmal türkische Truppen 
hier, fo war's vorbei mit Sultan Haͤdi's Macht. Der bethörte Mann hatte 
ſich wirklich beſchwatzen laſſen. Zum Glüd für ihn konnten die Engländer 
bieje türkiſche Machtermeiterung nicht dulden. Sie madten ihm no zur 
rechten Zeit Vorftellungen, und jo wurde er von diefem Schritt abgebradht, 
der ihm vielleicht den Nifchan eingetragen, ficher aber fein Sultanat geraubt 
hätte. Er ſoll übrigens jebt die geiftliche Autorität des Großſultans aner- 
fannt haben. 


IV. Das Land der Oberen Wapibt. 
A. Grenzen*). 


Durchaus Binnenland, grenzt im Süden und Südoften an die Diebi, 
im Südweſten an die Unteren, im Weften an die Mittleren und im Norb- 
weiten und Norden an die Oberen Aulaqi, im Often an freie Stammes- 
gebiete, die BA No män und das Biläd el Hagr. 


B. Gebirge. 


Im unteren Theil des Landes, und zwar nur in der öftlichen Hälfte, 
lange Reihen dachförmiger Kalffteinhügel oder Tafelberge, morunter ber 
Gebel Dolo, eine Gruppe von zmeiundzwanzig foldher Berge, von Miles 
„twenty two brothers“ (zweiundzwanzig Brüder) benannt. Gebel Dolo 
liegt öftlih von Nagb el Hagr und Höta. Richtung Süboft nad) Nord- 
welt. 

Der meitlihe Theil des Landes ift hochgebirgig und reiht fich dem 
Syftem des Sarm Madhig an. Im Süden der Hauptitadt Habbän, die 
auf einem 8000 hohen Plateau liegt, Gebel Kaur (nicht der große G. Kor) 
und im Südoften Gebel Ghait Nimr, d. h. der Bantherberg, nach den hier 
maflenhaft haufenden und ſehr gefährlichen PBanthern benannt. Im Norden 
von Habbän Höhere Gebirgstette, auf 6000’ gejchäßt, worunter ber Gebel 
zul, höchſte Spike. Richtung Südweſt nad Nordoſt. 


*) Geographiſche Lage nach Graden ſchon oben (zweites Gap. II, 2 Seite 222) 
angegeben. 





Das Land der Oberen Wähidi. 229 


C. Waͤdis. 


Im Süden der Waflerfcheide, welche die Berge nördli von Habbän 
bilden, und dem arabiſchen Meer zufließend, der Wädi Mefat. Er kommt 
aus der Gegend ſüdlich von Habbän, fließt öftlich bi Röda, mo er den 
von Norden kommenden W. Salmän aufnimmt, dann ſüdöſtlich an Höta 
vorbei nad) Nagb el Hagr, too er fich mit dem Heinen W. "Ecan vereinigt 
und dann Südlich ind Meer. 

Nördlich von der MWaflerfcheide und dem Gebel TA der W. Gerdän 
fließt norböftli gegen Hadramaut zu, das er aber nicht erreichen, fondern 
fich vorher im Sande verlieren fol. 


D. Klima und Bodenerzeugniffe. 


Der ſüdöſtliche heil biefes Gebiets, um Nagb el Hagr und Höta 
gehört klimatiſch noch dem Küſtenlande an. Hier ift alles, mas nicht durch 
den W. Mef at und feine Seitenflüßhen bewäſſert wird, Wüfte Die fehr 
engen, bon jähen Kalkfteinfeljen umgebenen Ylußthäler tragen meift Dattel- 
palmen (in großer Menge, Qualität mittelmäßig) und Gerealien. 

Der mehr binnenländifche gebirgige Theil des Heinen Staats ift frucht- 
bar, weil er die tropiihen Sommerregen hat. Producte: Durra, Dochn, 
Weizen, Tabad, Indigo, Baummolle, wenig Datteln. Guter Viehftand: 
Ziegen, Schafe, Kameele, Hornvieh in geringer Zahl, aber doch viel 
mebr, al3 im Tiefland, wo e3 faft ganz fehlt. Biel Butterbereitung. 


E. Bemohner. 


Um Nagb el Hagt, Ccän und bis nad) Höta hinauf nomadifiren nod) 
Diedi. Oeſtlich von Höta die Bi No'män. Die anderen Stämme ſollen 
urſprünglich Madhig ſein, werden aber jetzt unter dem gemeinſchaftlichen 
Namen Waͤhidi begriffen. Außer den Städtern, Juden und Parias ſind 
alle Bewohner Oobaͤhel (freie Stämme). Die Pariakaſte heißt hier Ahl 
Hayek (Webervolk) und wohnt in eigenen Städten und Dörfern, in denen 
es fonft feine Araber giebt. 


230 Hauptſtadt der Oberen Waͤhidi. 
F. Städte und Ortfchaften. 


Habbän, Hauptftadt, nah Miles*) mit etwal 4000 Einwohnern, 
liegt in weiter, hügelig gewellter Hochebene mit Gebirgen im Süden und 
Norden. Sechs Mofcheen. Seine Stadtmauern. Zwei große Wacht- 
thürme an beiden Enden der Stadt, jeder mit fünf Mann Garniſon. 
Jedes Haus ift Feſtung- Thurm- und Citadellenartig, oft fünfftödig, im 
unteren Theil ohne Yenfter, welche erſt in der Höhe von zehn bis zwölf 
Fuß vom Boden beginnen. Jedes Stockwerk hat feinen befonderen Namen: 
Barterre Süd, erfter Stod Bet, zweiter Stod Fadli, dritter Stod Ginna‘, 
vierter Stod Mechaddem, fünfter Stod und Dachterraſſe Rem. Auf dem 
Rem Zinnen und Schießſcharten. Der zweite Stod, Yadli, ift in vornehmen 
Häufern Empfangeort. Der Harem in die höchſten Stockwerke verbannt. In 
Habbän leben viele Juden, die ein eigenes Viertel beivohnen, auf taufend 
Seelen geſchätzt. Nahe bei Habbän, in einem Yelsthal, find eine Menge 
hebräifcher Anschriften, alle nur Namen enthaltend, wie „Möſchech, Sohn 
des Izchak“ u. ſ. w., vielleicht Andenken an einen ehemals bier gelegenen 
Friedhof. 

Preiſe der Lebensmittel in Habbän, 


Für einen Maria-Therefien-Thaler kauft man nad) Miles in Habbän: 
10 Hühner, 31%, Kela Weizen, 4 Kela Durra, 10 Sir Butter, 16 Sir 
Kaffee. Der Sir ift ein nad ſchwerer Silbermünze bemeſſenes Gemicht**). 
In Habbän miegt er nur dreizehn Maria-Therefien-Thaler, während der 
Adener Sir gleich ſechzehn Maria-Therefien-Thaler iſt. Vieh ift felten und 
theuer. 

Höta, zweite Hauptftadt und Si der meiften Mitglieder der fürftli- 
hen Yamilie, am Bereinigungspunft zweier engen Thäler, am Fuße ter- 
raſſenförmiger Kalkſteinfelſen auf beichränttem Raum gelegen. Miles giebt 
ihm 6000 Einwohner. Seine Mauern. Aber alle Häufer Weltungen, date 
unter ein Schloß Sultan Hädi's von Bir “Ali. 


*) Ich theile nur ſolche Notizen aus Miles’ Tagebuch mit, welche er nicht der: 
Öffentliht bat. Nur diejenigen Notizen, bei welchen europäilhe Gewährsmänner 
ausdrüdlich genannt find, ftammen von folden. Die anderen von Arabern. Das 
Meifte über das Wähidiland ftammt aus den Berichten von Arabern aus Hadramaut. 

**) Man vergleiche das oben (Erfter Theil, Vierzehntes Capitel, Handel von 
Maſſauwa Gewichte, Seite 119) über das oſtafrikaniſche Rotl Gejagte. 


Städte, Alterthümer der Oberen Waͤhidi. 231 


Gerdan, am Wädi gleichen Namens, zwei Tagereiſen norböfllih von 
Habbän. Soll eine große Stadt fein. Bon hier aus Berbindungen mit 
dem eigentlichen Hadramaut über W. "Amd und Haura. 

Roͤda, Stadt am W. Salmän zwiſchen Habbän und Höfe, ganz bon 
Ahl Hahet (Pariakaſte) bewohnt. Außer ihnen find hier nur noch 5 Me⸗ 
ſchaichfamilien (Nachkommen von Heiligen). 

Amagin fol eine große Stadt im Norden des Landes in der Gegend 
von Gerbän fein. Nur Araber mußten etwas von ihr. 

Redeha | Heine Dörfer zwiſchen Roda und Habbän in fruchtbarer 

Lahi Gegend. 

Londra, kleines Städtchen im Nordweſten von Habbän in gebirgiger 
Gegend (nah Munzinger und Miles). 

“Scan, Ortfhaft im gleichnamigen Wädi bei Nagb el Hagı. 


G. Alterthümer. 


Raab el Hagr am W. Mefiat, altes himyariſches Caftell, von 
großen, ſehr foliden und kunſtreich bearbeiteten Werkfteinen gebaut. Auf 
einer der höchften Stellen der Schlopmauer befindet ſich die berühmte In⸗ 
ſchrift, mit ſchuhlangen Buchftaben*) gefchrieben, die Wellfted**) zuerft, 
aber faft unleferlih copirte.e Miles erzählte mir etwas Bemerkenswerthes 
in Bezug auf die Inſchrift. Er fand nämlich in der Nähe des Schloſſes 
mehrere zerftreut liegende, große Werkfleine, auf welchen einzelne Wort- 
folgen oder ganze Wörterreihen, die fih auch in der Hauptinfchrift finden 
und genau von demfelben Maß und berfelben Form, eingegraben waren, 
nur daß der lebte Buchſtabe jedes Mal entweder ganz falſch war oder 
doch einen Sculpturfehler enthielt. Er ſchloß deshalb mit Recht, daß dies 
verunglüdte Inſchriftverſuche ***) fein. Man fcheint aljo die Steine erſt 


” Die Sculptur ift nah Miles viel tanftvolier, als die der Inſchrift von 
Hien Ghoraͤb. 
w) Wellſted ſoll kurzfichtig geweſen fein, wie mir Capitän Miles ſagte, und, 
da die Inſchrift fehr Hoch vom Erdboden ift, fo erflärt dies wohl die großen Mängel 
feiner Gopie. 

**) Achnliches findet ih auch in Bezug auf himyariſche Bronzeinſchriften. So 
erhielt Paſtor Kirk in Aden jüngft 2 Bronzetafeln, deren eine genau die 2 erften 
Zeilen der andern Szeiligen wiedergab und jonft blant war. Aber der legte Buch⸗ 
Habe war fallt. Man hatte die Inſchrift deshalb nicht ausgeſchrieben, aber doch 
forgfältig auch das fehlerhafte Fragment verwahrt. 


232 Inſchrift von Nagb el Hagı. 


beiärieben zu haben, ehe man fie dem Bau einfügte. Merkwürdig iſt, 
daß diefe Steine bier in nächfter Nähe des Schloffes, wo fie faft den Weg 
berjperren, jo viele Jahrhunderte jo ganz unverjehrt liegen blieben. Ach 
fann mir das nur duch einen Aberglauben erklären, der allen Ge- 
Ihriebenen eine geheimnißvolle Bedeutung beilegt. Talismanel 
Diefer Glaube lebt noch heute in Arabien. 

Miles und Munzinger haben mir beide recht ſchöne und deutliche 
Eopieen dieſer Inſchrift gegeben, die gleichfalls (mie jene von Hien Ghoräb) 
noch ihrer Beröffentlihung entgegen ſehen. Wellfted’s Gopie war ſo 
grundfalſch, daß keine danach gemachte Ueberſetzung einen Begriff vom In⸗ 
halt giebt. Ich wage mich nach Miles Copie an folgende. 


Inſchrift von Naqb el Hagr. 


Zeile 1. Ibſal, Sohn des Schagb, hat errichtet die Baute im Waͤdit) 
Mefat und einmeißeln laffen die Steine; als ein mächtige Werk, eine 
heilige Schutzwehr, hat er diefe Baute, dieſes Haus Hingeftellt. 

Zeile 2. Und er hat eingetheilt (d. b. in Bewäſſerungsdiſtricte) dieſen 
MWädi von feinen fruchtbaren Pflanzungen bis zu den fpärlicheren, und hat 
ernannt zum Statthalter des Wäbi (feinen Sohn Tadgaydi ). 

Die Beziehung auf den W. Mäf' at, die übrigens auch ſchon Rö— 
diger erkannt Hat, ift jedenfall® unzweifelhaft, was auch fonft in der 
Ueberfegung gefehlt fein mag. Wie wir in der 3. Infchrift von Hien 
Ghoräb das Wort „Cane“, fo finden wir auch hier nach abertaujend Jah: 
ren den alten Namen der Localität, der in diefem alle auch der Heutige 
ift. Dies ift gewiß werthvoll. 


H. politiſches. 


Sultan Ahmed, ben Hädi, el Wähidi, Yürft des Oberen MWäbhidi, übt 
zwar officiell die höchfte Madit aus, iftaber in Wirklichkeit ein ſehr ohnmäch⸗ 


— —— — 





*) Das Wort Ganäg eniſpricht in ſeiner Bedeutung „Bärten” etwa dein, was 
man heut zu Tage mit einem Bewäfferung ſpendenden Wädi ausbrüdt, welches Wort 
ja nit „Fluß“ allein, ſondern „Flußthal”, namentlih ein fruchtbares jagen will. 
(3 ift das, was die Spanier „huerta“ nennen im Gegenfaß zu „campo“. Ha⸗ 
Levy überfegt wie ich Höre, dieſes Wort „Gaftell” und hält es für identiſch mit 
„Dal’a”, jedenfalls jehr einladend, denn wo ich noch dies Wort fand, paßt immer 
Halevy's Bedeutung, doch weiß ich nicht wie dies ſprachlich zu rechtfertigen. 


Der Sultan der Oberen Waͤhidi. 233 


tiger und dabei faft bettelarmer Häuptling. Die Dobäyel (freien Stämme), 
welche den bei Weiten größten Theil der Bevölkerung ausmachen, erkennen 
in ihm nur für den Kriegsfall ihr militärifches Oberhaupt, vor dem fie 
übrigens fehr wenig Reſpect haben, denn er ift ja nicht felbft aus den 
Dobägel hervorgegangen, fondern ein Yürft mehr nach bürgerlich-ftaatlichen 
Begriffen, was die Dobäyel immer gering ſchätzen. Nebenbei ift er ein 
Städter und als ſolchen trifft ihn doppelt die Beratung der Oobähel. 
Er kann fie weder richten, noch befteuern. Er muß fie vielmehr noch durch 
Geichente fübern, damit fie ihn menigftens in den Städten herrfchen Iaffen. 
Sein ganzes Einkommen geht fo auf. Bon den Raye (ſtädtiſchen Unter- 
thanen), den Juden und Ahl Haͤyek (diefe Pariakaſte ift hier ausnahms— 
weite befteuert) erhebt er zwar !/, Maria«Therefia-Thaler für jedes Ka⸗ 
meel, 1/; für jede Kuh, Y/ıs für jeden Ejel jährlich, außerdem von den 
Juden ein Kopfgeld, ſowie deren Branntweinfteuer, ferner noch die Marft- 
gebühren, die auf 500 Maria⸗-Thereſia-Thaler jährlih geſchätzt werden, 
aber auch die Geld muß er noch mit der Megles theilen, einer Notablen- 
Verſammlung, aus den Scerifen, den zahlreichen Prinzen und den Häupt- 
fingen der Oobäpel beftehend, ohne deren Einmiſchung und Billigung er 
jelbft über feine Raye (Unterthanen) nicht die Herrichaft ausüben Tann. 
Bon feiner Armuth erhielt Miles einen draftiichen Beleg, indem er zu⸗ 
ſah, wie der Sultan felbit am Brunnen Waſſer ſchöpfte, weil er feinen 
männlichen Dienfiboten hatte. Ms Munzinger und Miles in Hab- 
bän waren (Juli 1870), mußten fie ihm wiederholt Trinkgelder geben, weil 
er fie fonft nicht bemirthen konnte. Der Sultan bettelte Übrigens nicht 
geradezu, wie manche andere Heine Sultane. Auch behandelte er fie gut 
und ſchützte fie gegen den Yanatismus der Städter. Sie Hatten nicht 
genug Geld bei fih, um ihn fo zu belohnen, wie fie e8 gemünjcht hätten, 
und Iuden ihn deshalb ein, nach Aden zu kommen, um fich den Reſt zu 
holen. Dies that er wirkfich, machte zu Fuß die für fein Alter doch be— 
ſchwerliche Reife, um 50 Maria-Therefia-Thaler in Empfang zu nehmen, 
wenig nad) unferen Begriffen, aber für ihn ein Capital! 

Trotz diefer factiſchen Machtloſigkeit des Sultans, wird dod die Fic- 
tion, als ſei er „Beherrfcher der Gläubigen“, aufrecht erhalten, wie das 
Sanzelgebet, diejes Symbol der höchften politiſchen wie religiöjen Autorität, 
zeigt, welches hier auf den Namen von Sultan Ahmed gehalten wird. 


234 Gefellichaftlihe Ranaftufen. 


J. Sociale Eintheilungen der Wähibdi. 


Wie überall in Südarabien, fo find auch hier die Rangftufen der 
verſchiedenen focialen Claſſen ſcharf geſchieden. Der Sultan fteht nicht auf 
der höchften, ſondern die Scherife oder Siid (beides hier ganz gleichbedeu⸗ 
tend*), Nachkommen de3 Propheten). Er muß vor einem Scherif auf- 
ftehen und fein Geficht mit defien Händen in Berührung bringen, nicht 
zum Kuß, der bei Scherifen nicht nöthig, fondern zu dem abergläubifchen 
„Beriechen ber Hände“, weil diefe einen „Geruch **) der Heiligleit” aus⸗ 
duften. Die Scherife haben auch überall den Ehrenplak vor dem Sultan. 
Folgendes find die Rangftufen, mobei man fi immer vergegenmwärtigen 
muß, daß es fich bier nie um „perſönlichen“ Rang Handelt. Ein folcher 
kann nur die erfte Stellung innerhalb ber eigenen Claſſe geben, aber nie 
über eine höhere Claſſe emporbeben: 

1) Scherife oder Siid. 

2) Der Sultan und die Prinzen. 

3) Meſchaich***) (Nachkommen von Heiligen). 

4) Die vornehmeren Kaufleute. 

5) Die Dobäyel, mozu hier auch alle Soldaten gehören. 

6) Die Städter und Aderbau treibenden Landleute, hier Towen ge— 
nannt (dafjelbe was in Aegypten Tyellah heißt). 

7) Die Ahl Häyek (Pariakaſte; die andere Pariakaſte, die Schumr, 
eriftiren bier nicht). Sie dürfen in Moſcheen, nicht aber in die Häuſer 
der anderen Araber kommen. 

8) Die Juden. 


— 


*) Jene Bemerlung Wrede's, daß man einen Unterſchied zwiſchen Scherif 
und Siid made, daß erfteres die Radlommen Haſan's, letzteres die Hoſains bezeichne: 
fand ich nicht beſtätigt. Wrede nennt auch einmal einen Scherif „Habib“ und hält 
dies für einen Eigennamen. „Habib“ (Freund) ift aber Titel und ganz gleichbedeu⸗ 
tend mit Scherif und Siid. 

“*) Auch von Wrede in Chorebe erwähnt. Wrede’ 5 Reife in Habhramaut, 
Note 90, Seite 233. j 

“er, Auch Deraͤwiſch (Derwiſch) genannt. Es ift genau das, was man beutzu- 
tage in Nordafrika Morabitin (Marabut) nennt. Der Urſprung iſt freilich ein anderer, 
denn legtere find die Nachkommen der erften Verbreiter und Kämpfer des Islam in 
Gränzländern. 


Drittes Gapitel. 


A 


Diebiland. 


l. Rame. — II. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Seehafen. — V. Ge— 

bitge. — VI. Wädis. — VII. Klima und Bodenerzeugniſſe. — VIII. Stämme — 

Wrede's Angaben über die Stämme. — Die fieben eigentlichen Diebiftämme — 

IX. Oriſchaften. — X. Politiſches. — XI. Sprachliche Eigenthuümlichkeiten. — 
XII. Abftammung. 


I Mame. 


Der Name „Diebi” bezeichnet nicht wie der Name „Wähidi“ eine 
Haatlihe Gruppirung verjchiedener Stämme, fondern eine alte urjprüng- 
lide Stammeseinheit, die ihren ererbten Namen beibehalten hat. Unter 
„Diebiland“ wird hier nur das Stammesland im engern Sinne ver— 
Handen, d. h. die ausſchließlich von Diebi bewohnte und beherrſchte Ge- 
gend, nicht jene Gebiete, mo die Diebi nur das Flachland bewohnen und 
die Städte den Wähidi gehören, wie die Gegenden zwiſchen den Staaten 
der Unteren und Oberen Wähidi. 


II. Geographiſche Lage. 


Das Diebiland im engern Sinne erftredt fi) von 47° 30’ bis 480 
ÖRL. Länge von Gr. und von der Küſte, ettva.130 40’ bis 149 15° nörbl. 
Breite. 


236 Ä Diebiland. 


II Grenzen. 


Am Süden das Arabifhe Meer. Im Welten die Dumufch, welche no- 
minell unter den Unteren Aulaqi fliehen. Im Norden das Land der 
Oberen Wähidi. Im Often der Wäbi Mefat, wo die Städte den Un— 
teren Wähidi, das Land aber größtentheils auch zerſtreuten Stämmen der 
Diebi gehören, 


IV, Seehaſfen. 


Die Heine Stadt Haura hat nur eine verjandete Rhede, auf welcher 
jehr jelten, vielleicht jährlich ein Dubend Mal, Schiffe (arabiſche Saya's) 
anlommen und Datteln einſchiffen. 


V. Gebirge. 


Im Often durchzieht das ganze Gebiet von Süd nad Nord der 
Gebel Hamrä, der rechts vom W. Mäẽf' at Tiegt. Höhe etwa 4000 Fuß. 
Der mittlere und weftliche Theil des Gebiets ift theils Hügelland, theils 
Hochebene. 


VL Wadis. 


Der W. Mäf'at kann nicht mehr zum engern Diebiland gerechnet 
werden. Dieſes beſitzt feinen einzigen nennenswertben Wädi. Bon Haura 
in nordöftlicher Richtung fol fih zwar bis nad) Chabr ein offenes hal 
binziehen, das wahrſcheinlich einen Gießbach enthält, der aber nur jelten 
Waſſer führen kann, da er ſchon ganz im Süden der Zone der tropiſchen 
Regen liegt. Ueber feinen Namen konnten Munzinger und Miles, als 
fie in Chabr waren, nichts erfahren. 


vo. Klima und Bodenerzeugniffe. 


Durdaus Küftenklima, nur auf die prefären Winterregen angewieſen. 
Die unmittelbare Küftengegend ift großen Theils ſandig. Hier wachſen 
Dattelpalmen, Früchte mittelmäßig. Faſt das ganze Gebiet ift fleppen- 
artiges Weideland, nur für Kameelzucht geeignet, welche hier trefflich ger 
deiht. Wenig Gerealien, Durra, Dochn, Mieweli (tother Dochn), die aber 
nur nad ausnahmsweiſen Winterregen eine Ernte geben. 


Stänme der Diebi. 237 


vo. Stämme. 


Das ganze Land ift von einer compacten Stammesgruppe bewohnt, 
alle Diebi. Bon anderen Bewohnern, bürgerlihen Städtern, Parias u. ſ. w. 
hörte ich nichts. 

Die Diebi zerfallen in folgende Unterflämme, welche mir einer ihrer 
Häuptlinge auffchrieb, und deren Namen ich Hier mit Wrede's Notizen 
über diefen Stamm vergleihend zufammenftelle. 

1) Azemi (bei Wr. "Ademi). 

2) Solemäni (ebenfo bei Wr.). 

3) Alluwi oder Ahl "Ali (bei Wr. nicht genannt). 

4) Agaͤri (bei Wr. nicht genannt). 

5) Ba Sayda (bei Wr. nicht genamnt). 

6) Bü Hamedi (bei Wr. el Ahmedi). 

7) Bä Auci (wohl nicht Wrede's Bü Wada?). 

8) Temẽſchi (fehlt bei Wr.). 

9) Hazchuͤri (fehlt bei Wr.). 

10) Sabchaͤni (fehlt bei Wr.). 

Wrede führt außerdem noch einen Stamm „Salemi" an. Er kennt 
übrigens im Ganzen nur 5 Stämme und da deren von ihm angegebene 
Wohnſitze ſämmilich außerhalb*) des engern Diebilandes gelegen find, jo 
it anzımehmen, daß er von letzteren nichts erfahren hat. Die Stämme, 
welche Wrede nennt, gehören alſo ſtreng genommen nicht hierher. Es 
find vom Hauptftoc abgetrennte Glieder. Ziehen wir fie von der obigen 
Stämmezahl ab, fo bleiben nur. 7 Stämme und dag flimmt genau zu den 
Angaben der Mehrzahl meiner Informanten, welche ausfagten, daß das 
eigentliche Diebiland nur fieben Stämme habe. Die Ba Ausi wohnen 
bei Haura, find alfo wohl ſchwerlich eines Stammes mit Wrede's Bä 
Wada, die er bei Meddaha nennt. 


IX. Drtfänften. 


Haura, Meines Fiſcherdorf und Hafenörtchen, der einzige nambafte 
Ort im Lande. Es ſoll auch wenig Schlöffer geben. Die meiſten Diebi 


*) Nämlich Ademi bei Naqb el Hagr, Solemani bei Ba el Hoff, Ahmedi im 
unten, Sälemi im obern W. Mat, Bü Wada gar bei Mesdaha. (Wrede’s 
Reile in 9. ©. 817). 


238 Diebiland. 


wohnen in Rohr oder Dattelpalmhütten. Unter ihnen giebt es mehr Be— 
duinen (d. 5. Nomaden) als in irgend einem andern Theil des von mir 
beſchriebenen Sudarabiens. 


X, Politiſches. 


Die Diebi haben keinen Sultan, und überhaupt feinen gemeinſchafi— 
liden Häuptling. Jeder der 7 Stämme hat feinen Schech, der den pa— 
triarchaliſchen Titel „Abu“ (Vater) führt. Sie find alle Oobayel (freie 
Stämme) und erkennen im Abu nur den Sriegsführer. Seine Steuern, 
feine Juſtiz, feine Soldtruppen. Mord wird nad den Regeln der Blut- 
rache gefühnt. Gemeinfame Angelegenheiten werden durch die Stämme- 
verſammlung, die einmal jährlich fattfindet, geregelt. 


XI Sprachliche Eigenthümlichkeiten. 


In der Sprache der Diebi hat fih manches Eigenthümliche erhalten, 
z. B. das jüdarabifchäthiopiiche Verbalſuffix „ka“ flatt „ta“ für die l. 
und 2. Perſon des Perfect. Jedoch bildet ihre Sprache jekt nur noch 
einen mit Idiotismen gemifchten arabiſchen Dialect, nicht eine Sprade 
sui generis, wie dad Mehri und Graumwi (Hatili). 


zu. Abftammung. 


Die Diebi felbft Halten fi für flammesverwandt mit den Qumuſch, 
im Untern "Anlaqilande und den Audeli auf dem Gebel Kor. Ihr Dialect 
ift faft derfelbe. Da letztere Stämme höchſt wahrſcheinlich Himyaren find, 
io dürften fie es au) fein. Sie wären dann die am meilten nad) Often 
vorgeſchobenen Himyaren. Außerdem fcheint auch ihre Hautfarbe fie als 
Solche zu kennzeichnen, denn fie find faft ſchwarz, mwie die Yafii und Co⸗ 
behi (beides unzweifelhafte Himyaren) und nicht hellhäutig, wie die Völter 
öftlih vom W. Mefat und tie die Hadrami. 


Biertes Eapitel. 


Aulagiländer. 


I. Name. — Irrthümer in Bezug auf den Namen. — II. Geographiſche Tage. — 
DI. Grenzen. — IV. Eintheilung. — V. Das Land der Unteren "Aumwälig. — 
A. Berge und Hodebenen. — B. Wädis. — C. Klima und Bobenerzeugniffe. — 
D. Stämme. — Irrthum in Bezug auf einen Stamm. — E. Städte und Ort: 
Ihaften. — Irrthum in Bezug auf einen Städtenamen. — F. Politiſches. — 
VI. Das Land der Mittleren Auwaliq. — A. Beichaffenheit des Landes. — 
B. Stämme. — C. Städte und Oriſchaften. — D. Politiſches — VII. Dos Land 
der Oberen “Aumälig. — A. Gebirge und Hochebenen. — B. Waͤdis. — C. Klima 
und Bodenerzeugniſſe. — D. Salinen. — E. Stämme — F. Städte und Ort: 
ſchaften. — G. Seßhafte und Nomaden. — H. Dobäyel und Raye. — I. Auswan⸗ 
derung. — K. Politiſches. — L. Juſtiz. — M. Sklaverei. 


L Rame. 


Aulaqi, häufiger in der Collectivform Aumaliq gebraudt, if 
gleichfalls, wie Wähidi und andere, ein dynaſtiſcher Name, der von einer 
Gruppe von Stämmen geführt wird, denen die genealogische Einheit fehlt. 
Er ift jedoch viel älter, ald der Name Wäpidi, und als Vollsbezeichnung 
mehr in Fleiſch und Blut übergegangen. Bon den Beduinen hört man 
den Namen „Mauleqi“ und im Plural „Mauweleq“ oder „Mauleq“ ſpre⸗ 
hen. Dies ift dialectiſch für „el Aulaqi“ u. |. w. denn der ſüdyemenſche 
mundartige Artifel ift nicht das arabijche „el“, fondern „em” oder „m“, 
dem Wort vorn innig angeſchloſſen. Das Ain verjchwindet dann. 


240 Aulagiländer. 


Irrthümer in Bezug auf den Namen. 


Haines fchrieb in feiner „Chart of the South East Coast of 
Arabia“ diefen Namen fälſchlich Urladji, und da man nebenbei doch auch 
den richtigen Namen hörte, fo beging man den Irrthum, hier zwei Völker 
anzunehmen, die Urladji und die Aulaqi, die man 'Olqi ſchrieb. Diefer 
Irrthum ift in mehrere gute Karten, 3. B. auch die Kiepert'ſche über- 
gegangen, findet fich ebenfalls bei Ritter *) 


A. Geographifhe Lage. 


Diefe ausgedehnteſte jüdarabifche Gruppe bewohnt daS Land von 
46° 20’ bis 470 30’ öftl. Länge v. Gr. und von 130 20° bis etwa 150 
nördl. Breite. Nördlihe Ausdehnung übrigens ungemip. 


II. Grenzen. 


Im Süden dad Arabiſche Meer. Im Welten, im jüdlichften Theil 
Datina, im mittleren das Audeliland, im nördlicheren das Land der Rezäz. 
Im Nordweſt Gezäb. Im Norden unbefannt. Im Nordoſt und Often 
(im obern Theil) das Land der Oberen Wähidi. Im Often (im niedern 
Südlichern Theil) das Land der Diebi. 


IV. Eintheilung. 


Die "Aumälig zerfallen in Untere und Obere, erftere von der Slüfte 
bis zu etwa 14° 20° nördl. Breite wohnend. Da aber die Oberen "Aus 
wälig ihrerfeitS wieder in 2 Gruppen zerfallen, welche wir die eigentlic) 
Oberen und die Mittleren nennen wollen, fo müfjen wir folgende 3 Theile 
unterjcheiden: 

1) Das Land der Unteren Auwäliq mit der Hauptſtadt Hauwar. 

2) Das Land der Mittleren "Aumwälig mit der Hauptftabt Yeſchbuͤm. 


*) Haines’ Irrthum ift, bis auf das ganz überflüffige „r’, erklärlich. Dim 

und Daf werden bier nämlich ganz gleiy, wie g in Bott, ausgeſprochen. Haines 
hörte „g* und fchrieb dies nach viel verbreiteter Methode „di. Auf der Chart of 
the Golf of Aden, d. h. der englifchsarabifhen Ausgabe hat Raffam die arabi- 
ſchen Namen ganz richtig gegeben, aber die falſchen engliichen ſtehen gelaflen. 


Das Land der Unteren "Aumälia. 241 


3) Das Land der Oberen "Aumälig, auch Mohäger genannt, mit der 
Hauptſtadt Nicäb. 

Letzteres vſt das bei Weitem größte, das Mittlere das lleinſte. Es 
bildet nur gleichſam eine ſüdöſtliche Ede des Landes der Oberen Auwaäliq, 
zu dem e& im Bollamund gerechnet wird, obgleich es unter eignem Yür- 
ften fteht. Alle drei Staaten bilden übrigens dem Ausland gegenüber 
eine Einheit; die Yürften find von einer und derſelben Dynaftie, nur die 
Oberen Auwäliq find mächtiger und führen die anderen, fo zu fagen, im 
Schleppthau. 

V. Das Land der Unteren Auwaliq. 
A. Berge und Hochebenen. 


Dies Land hat Teine höheren Berge, welche hier erft an feiner Nord⸗ 
grenze anfangen, jondern Hügelland im mittleren, eine große nad) Miles 
40 engl. Meilen lange Hochebene, Monga genannt, im weftlichen und 
ſandiges Tiefland im füdöftlihen Theil. 


B. Wäbis,. 


Ein einziger größerer Wäpdi, der W. Haumar. Er durchzieht den 
Norden und Often des Landes, fommt aus den Bergen im Süden von 
Habban, fließt dann erjt weftlich, darauf jüdlih, und mündet zwiſchen Ma- 
taten und der Stadt Haumar ins Meer. Er hat faft nie Wafler. Seine 
Mündung ift jogar faum zu entdeden, da fie die größte Zeit des Jahres 
nit von der Sandebene an der Küfte unterfehieden werden kann. Süd— 
li) von Qulliye nimmt der W. Haumar rechts ben von Datina kommen 
den W. Nefnafa, links den aus Monga‘ fließenden W. Keläfi auf. Der 
W. Achdar, links vom Tieflauf des Hauptfluffes, ift nur eine Schwache Regen- 
Tine. 


C. Klima und Bodenerzeugnijfe. 


Ein unfrudtbares Küftenland ohne tropiſche Sommerregen. Da ber 
W. Haumar gleichfalls faft in feinem ganzen Lauf außerhalb der Zone 
diefer Regen liegt, fo ſpendet er feine Fruchtbarkeit. Der wefllihe Theil ift 
ſehr arm, trägt fpärliche Eerealien, viele Dompalmen, aus deren Frucht 
die am W. Haumar wohnenden Bü Käzim ein beraufchendes Getränk be— 


veiten, deſſen Verlauf an die Karawanen faft ihren einzigen Erwerb bildet. 
v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 16 


244 Die Unteren und Mittleren Auwaͤliq. 


Qulliya, Städten der Bi Käzim am W. Hauwar zwiſchen Hau⸗ 
war und Mahfed. 


Irrthum in Bezug auf einen Städtenamen. 


Sn Ritter's*) Erdkunde ift nah Haines eine Stadt Hawaiyah 
genannt. Dies kann nur ein Irrthum für Haumar fein, ber aber deſto 
mehr auffällt, als Haines den Namen ein andermal richtig, engliſch Howhr, 
orthographirt. Ein Name Hamaiyah ift hier ganz unbekannt. 


F. Politiſches. 


Sultan Bu Belt, ben "Abd Allah, Vetter der Sultane der Oberen 
und Mittleren "Aumälig, wohnt im Hauwar. Seine Macht über den 
größten Theil der Bü Kaͤzim ift abfolut. Er richtet fie und befteuert fie. 
Da fie jedoh arm find, fo find feine Einkünfte gering. Er hält Solb- 
truppen und hat befeftigte Schlöffer. In allen wichtigeren Angelegenheiten 
muß er fich jedoch dem Sultan der Oberen "Aumälig fügen. Er bat einen 
Vertrag mit England und erhält von ihm gelegentlich Geſchenke, fein fixes 
Sahrgeld, 

Seine Macht über die Dumufch ift faft nominell. Diefe würden 
ihm wohl ſchon längſt die Vaſallenſchaft gekündigt haben, wäre nicht die 
Furt vor den Oberen "Wumälig, den mächtigen Bundesgenofjen der 
Unteren. 


VI Das Rand der Mittleren Auwaliq oder Yeihbum. 
A. Beſchaffenheit des Landes, 
Im jüdlichen Theil allmählig auffteigendes Hochland, im nördlichen 
Hochebene, ein Theil der großen Hochebene von Mara. Bon einem 
Wädi Yeſchbuͤm, den Wrede nennt, hörte ich nichts. Klima tropiſch, reich- 


lihe Sommerregen. Land fruchtbar, namentlich die Hochebene. Biefelben 
Producte wie um Habbän, an deſſen Grenzgebiet dies Heine Sultanat Tiegt. 


B. Stämme. 


Diefe find zum größten Theil Madhig. Folgende Lifte ſtammt von 
einem ihrer Häuptlinge: 


*) Ritter XII, ©. 662. 


Das Land der Mittleren Auwaͤliq. 245 


1) BA Räs. 2) Mebhage. 3) 'Atiq. 4) Omtusle. 5) Ahl Sli— 
man. 6) Ahl Gemia. 7) Magrehiha. 8) Ahl Hafan. 9) Hamedi. 
10) Ahl Rähi. 11) Ahl ec Cuwa. 12) Ahl Mehdi. 13) el Humir. 
14) Ahl Dafis. 15) Bäl Härif. 16) Deramis. 17) Moräda a. 


C. Städte und Ortjchaften. 


Yeigbum*), Hauptſtadt, auch Iſchibum genannt. Die Richtigkeit 
diefes Ießtern Namens hörte ih in 'Aden bezweifeln, unter andern aud) 
von Miles und Munzinger, die immer nur Yeſchbuͤm vernommen hatten. 
Die Sache if, daß die Städter und Gebildeten ſtets Yeſchbuͤm jagen, die 
Beduinen und Dobäyel dagegen immer Iſchibum, wie ich e& oft hörte. 
Zwei Heine Tagereifen weſtſüdweſtlich von Habban gelegen. Etwa 1000 
Einwohner vom Stamme der Bü Ras. Hier leben 60 bis 70 Juden. 
Balar. Mofcheen. Thurmartige Häufer. 

Omm Bedä ſoll ein Kleines Handelsftädichen, ganz von Juden be— 
wohnt, fein. 


D. Ppolitiſches. 


Sultan Frid, ben Ruwis, ben Frid, ben Nacr, naher Verwandter 
des Sultans der Oberen "Aumälig, von dem er zwar in Bezug auf innere 
Angelegenheiten unabhängig ift, deſſen Einfluß aber doch feine äußere Po- 
litik ausfchließlich leitet und der ihm Schuß gewährt. Die Stämme in 
der nächften Nähe der Hauptitadt und die Städter find Raye (Unterthanen), 
die anderen Dobäyel. Der Sultan richtet und befteuert die Raye, er hält 
Soldtruppen (einige 100 Mann). Sultan Frid gilt für einen Freund der 
Europäer. Cr ſchickte ſogar Juli 1870 feinen Sohn nad Habbän, um 
Miles und? Munzinger zu ihm abzuholen. Sie Tonnten aber nit 
geben. 

VII. Das Rand der Oberen ‘Auwalig ober Mohager. 


A. Gebirge und Hochebenen. 


Dies ift der alte Sarw Madhig, das Hochland der Mabhigftämme, 
Es ift jedoch nur zum kleinern Theil eigentliches Bergland, vielmehr befteht 
*) Diefer Ort ift auf der Map of Arabia by John Walker (für da® East 


India Government gemadt) viel zu nahe bei der Küfte angegeben. Er wird dort 
Isliboom gejchrieben. 


246 Dad Land der großen Hochebenen. 


fein Haupttheil aus drei großen Hochebenen, eine immer höher als die an— 
dere gelegen: ſüdlich die Hochebene Marcha, die fich zwifchen dem Gebel 
Kör und Habbän hinzieht (Yeihbum ift topographiſch ein Theil von ihr), 
nordöftli davon das Plateau von Nicäb, und nordweſtlich, aber bedeutend 
in nördlicher Richtung vorgejhoben, das Plateau von Chabt, welches fich 
bis zum Fuße des Gebel Dern hinftredt. Im Süden, wo die Hochebene 
bon Marcha gegen den W. Hauwar zu abfällt, ift bergiges Terrain. Im 
Nordoſten erhebt ſich öſtlich von Nicäb ein Hochgebirge, das zum Syſtem 
des Sarw Madhig gehört. Gebel Dern im Nordweſt gehört nicht zu 
biefem Syſtem. In den Hochebenen befinden ſich einzelne Berge, wie 
Gebel Abadän und Gebel Drä bei Nicäb, und Gebel Halhal und Gebel 
Chaure im Plateau von Marcha. 


B. Wäbis. 


Ale Wädis im Norden der Waſſerſcheide. W. Abadän und W. 
Drä kommen von den gleihnamigen Bergen oberhalb Nicäb und fließen 
in den W. Mefaudi, den Fluß von Nicaͤb. W. Hadena im meftlichen Theil 
des Landes fließt bei Habena vorbei gegen Gerdän im obern Wähidiland. 
Die Hochebene Marcha ift reih an Heinen Wädis. Indeß ift in diefen 
ganzen Lande fein größeres Syſtem von Wädis. Die Hochebene von 
Mara bildet eben die Waſſerſcheide. Die Wäpdis entftehen bier erft und 
nehmen nicht fo raſch zu, wie mern Gebirge die Waflerfcheide bilden. Ihr 
Abflug ſcheint durchweg nach Nordoft (vielleicht auch nah Norden?) zu 
fein, nicht nach Weft, noch Nordweſt. 

Bon einem W. Sanem, der nad) Ritter im ſüdöſtlichen Theil des 
Landes liegt, konnte ich nichts erfahren. Jedenfalls Tann fein Lauf nicht 
der auf Siepert’3 Sarte, melde W. Saimar fchreibt, verzeichnete jein, da 
an diefer Stelle der W. Haumar ifl, der aber eine andere Richtung nimmt. 


C. Klima und Bodenerzeugniffe. 


Hodland mit tropiſchem Klima, durchweg durch die regelmäßigen 
Sommerregen befruchtet. PBroducte: Indigo, Mais, Durra, Weizen, Baum- 
wolle, Tabad, wenig Datteln. Trefflihes Weideland. Kameel- und Horn- 
viehzucht. 

Niebuhr ſagt von dieſer Gegend: (Beſchreibung von Arabien, Kop. 
1772, Seite 279) „Wovon aber nichts weiter bekannt iſt, als daß in den—⸗ 


Salinen bei Chabt. Stämme. 247 


ſelben (Ländern) große Wüteneien find und daß dieſe Gegenden bon her— 
umfreifenden Arabern bewohnt mwerden.” Zwei Irrthümer. Das Land 
iſt fuchtbar und die Bewohner meiſt ſeßhaft. 


D. Salinen. 

In der Hochebene von Ehabt*) befinden ſich die ſogenannten „Berge 
unter der Erde“, d. h. Steinfalzfelfen unter dem Boden des Blateaus, zu 
denen man durch Gruben gelangt. Das Salz findet ſich nicht auf der 
Oberfläche des Bodens, alfo find hier nicht etwa Depofiten einer ausgetrockne⸗ 
ten Salglagune, fondern wirkliches Steinſalz. Chabt verfieht die ganze Ge- 
gend mit Salz Karawanen kommen aus Yäfi a, dem Lande der Rezäz, 
jelbft bis von Nedä“ und Yerim, früher fogar ganz aus ber Nähe von 
Men. Das Hoheitsrecht gehört der Regierung, welche von jeder Sameel- 
ladung 1/; Maria-Therefia-Thaler erhebt, da3 Eigenthumsrecht dem Stamme 
der Ehlifa, welche die Salzminen bearbeiten und das Salz verlaufen. 
Preis der Kameelladung 1 Maria-Therefia- Thaler. Die Laſt wird alfo 
bier für 11, Maria-Therefia-Thaler erworben. Schon in Ghoder und 
Dating wird fie oft für 6 bi8 8 Maria-Therefia-Thaler verkauft. Die 
Chlifa wachen eiferfüchtig Über die Minen und geftatten Niemandem, der 
nit don ihrem Stamm, auch nur in deren Nähe zu gehen. Die Kara— 
wanen müflen alle in einiger Entfernung halten. 


E. Stämme. 


Die größte Anzahl der Stämme find Madhig, einige weſtliche wahr⸗ 
ſheinlich Himyaren. Folgende Stammesliſte gab mir ein Häuptling der 
Auwaͤliq. 

1) Diäni (bei Orfän). 2) el Haidi. 3) Rabizi (zimifchen MW. Hau- 
war und Datina). 4) el Hamdmi (bei Nicäb). 5) Kellui. 6) Guäfir 
7) Zubäni (bei Nicdb). 8) Deghäri (bei Hadena). 9) Sehagi. 10) Mar- 
zaͤhi. 11) Maufadi. 12) Meslemi. 13) Semlän. 14) Schägeri. 
15) Ghaſili. 16) Hamibeli. 17) Schaifl. 18) Mlauwi. 19) Mor- 
dabi. 20) Masfer. 21) Nefiyin (führen das Zeltesleben und find No- 
maden). 22) Chlifa 23) "Obära, im Sing. "Aberi, ein Stamm von 
Meſchaich oder Deraͤwiſch (Nachkommen von Heiligen) in Marcha. 

*) Chabt heißt „Ebene. Hamdäaͤni bejchreibt ſchon bie „Berge unter der 


Ebene‘, daß aber gerade diefer Ort gemeint fei, ift nicht wahrfcheinlich, vielmehr bie 
Salinen bei Märib, 








248 Städte der Oberen Auwaͤlia. 


Mehrere der obigen Stämme werden gewöhnlich zu anderen Staaten 
gerechnet, ſo Diäni und Allauwi zu den Aumädel, Haidi zu den Rezäz, 
aber die Auwaͤliq nehmen das Hoheitsrecht über fie in Anſpruch. Ein 
Häuptling nannte jogar die Diebi als einen tributpflichtigen Stamm! 

Außerdem giebt es auch hier ganze Dörfer bon Ahl Haͤyek (Parias) 
bewohnt. 


F. Städte und Ortſchaften. 


Nicab*), Hauptſtadt, im Nordoſten des Landes am W. Meſ aud 
gelegen. Etwa 2000 Einwohner, alle Raye, worunter ungefähr 300 Juden. 
Lebtere find Schmiede und Silberfchmiede (Waffenzierrath), auch Baum- 
mollmeber mit der im Lande gezogenen Baumwolle. Nicab ift berühmt 
durch feine Indigostsärbereien, für melde das Waller des W. Mefandi 
günftig fein fol. Die Tüncher find arabiſche Städter (Raye). Dies 
icheint die einzige Stadt zu fein, wo man aus einheimifcher Baummolle 
gemebte Stoffe tündt. In andern mebt und tüncht man fie zwar 
aud, bezieht aber das Rohmaterial von Aden, denn die meilten Baum- 
tolle erzeugenden Länder haben feine Weber. — Große Mojchee mit aud- 
gedehnten Waflerbeden. — Biele Schlöffer und Burgen. — Mle Häufer 
caftellartig, wie die bei Habbaͤn befchriebenen. 

Hadena, Heine Stadt am gleichnamigen Wädi, zwiſchen Nicab und 
Habbän, bewohnt von Qobäyel der Stämme Sliman und Ehlife. 
Chabt, Dorf im Norbiveften, bei ben Salzbergwerken. Berühmtes 
Heiligtfum „Ara“ (Thron) genannt, mit den Gräbern folgender vier 
Heiligen: 1) 'Amr ben Said. — 2) el Mefchelgi. — 3) Ahmed ben 
Alwan. — 4) el Hubihel. Sonft hier wenig Gebäude. Die Chlifa 
wohnen in Häufern von Rohr, Reifern und Dompalmzweigen. 

In der Ebene Marcha**), die zum großen Theil von den Nefiyin, 
welche größtentheil® wirkliche Beduinen find, durchzogen wird, giebt es 


*) Oft „Enjab” gejprochen, von Niebuhr „Nöffeb“, bei Ritter „Naſal“ (wohl 
Drudfehler), von Wellſted „Nafſſäb“ genannt. Die Ausſprache Enjäb hat wahr: 
ſcheinlich zu der irrthümlichen Schreibart „Imshop“ geführt, die ih auf der Karte 
von Eol. Chesney findet. Hier ift auch die Lage viel zu weit füdli angegeben. 
Niebuhr rechnet e8 no zu Demen (Nieb. Arabien Ausg. v. 1772. Seite 279). 

**) Es ift ein von allen Reifenden getheilter Irrthum, dag Mara eine Stabt 
fei. Eine jolde exriftirt nicht, nicht einmal ein Dorf diefes Namens. Marcha ift 
nur ein Landſchaftsname. Die Schreibart Mara, die allein richtige, kannte ſchon 


Ebene Marcha. Zeltbewohner. Freie Stämme. 249 


auh viel ſeßhafte Bevölkerungen von anderen Stämmen. olgende 5 
Dörfer wurden mir genannt: 1) Wäje. 2) Hadr. 3) Meferſcha. 
4) Regäg. 5) Halhal. Ein Irrthum ift es auch, hier eine Stadt Obära 
(bei Niebuhr, Wrede zc.) zu ſuchen. Dies ift nur der oben erwähnte 
heilige Stamm, der in mehreren Dörfern zerftreut lebt. Ein Xheil der 
Ebene Marcha, der mweftlichite, wird übrigens politifch Schon zum Lande der 
Rezaͤz gerechnet. Vielleicht ift dies auch nur eine Prätention von Seiten 
der Rezäz, denn diefe Angabe ftammt von ihnen. Die Auwäliq gaben das 
nit zu. Sie waren im Gegentheil geneigt, ihre Grenzen nur zu weit 
über ihr eigentliches Gebiet auszubehnen. 


G. Seßhafte und Nomaden. 


Bei Weiten der größte Theil der Aumälig ift ſeßhaft und wohnt in 
Dörfern von Stein, LZuftziegeln, mehr noch in Reiferhütten. Eine Menge 
Hocen (Gaftelle), um deren eines fich gewöhnlich daS Dorf gruppirt. No- 
maden find nur drei Stämme, die Nefigin in Marcha und zwei andere 
ganz im Norden. Sie wohnen in Zelten von Häuten, das einzige Beiſpiel 
ſolchen Zeltlebens in dem von mir behandelten Theil Südarabiens. 


H. Dobäpyel und Raye. 


Eigentlihe Raye find nur die Städter, d. h. die bürgerlich lebenden, 
Handwerfäbefliffenen, nicht die Mitglieder freier Stämme, die fih in 
Städten niebergelafjen haben, wie 4. B. in Hadena und Chabt. Die 
meiften Stämme find Dobäyel, beinahe ganz frei, nur im Kriegsfall ge⸗ 
horchend. Eine Mitteljtellung nehmen die in der Nähe der Hauptitadt 
wohnenden Stänme ein. Sie können fich der Adminiftration des Sultans 
nicht ganz entziehen. Aus ihnen nimmt er einen Theil feiner Söldlinge. 
Die Nefiyin in Marcha ftehen im Ioderften Verhältnig zum Sultan. Sie 
haben ſogar ihren eigenen Sultan, der aber doch nicht ſtaatlich unabhängig 
ft Im Sriegsfall leiſten auch fie Folge. 


Riebuhr. Wrede hörte Mardſcha. Bei Hamdäni fehlen die diakritiſchen Punkte, 
man könnte alſo Marha oder Marga leſen, wenn ih mid) nicht aus dem Munde 
der Eingeborenen überzeugt Hätte, daß die Ebene nie anders als Mara ge: 
nonnt wird. 


250 Araber in Oftindien. Crbfehden und: Bündniffe. 


J. Auswanderung. 


Die Auwaͤliq, namentlich” die Oberen, haben eine ganz außerordent- 
liche Vorliebe für das Söldlingshandwerl. Da ihr eigener Sultan nur 
ein Baar hundert Söldlinge hält und fie aljo im Lande feine Gelegenheit 
zu diefem Dienft finden, fo gehen fie in ganzen Schaaren nah Oftindien 
und nehmen dort bei den halbunabhängigen moslemiſchen Fürften Sold- 
dienft, namentlih in Haiderabad. Sie haben in den lebten 20 Jahren 
dort alle anderen Südaraber aus dem Dienft verdrängt. Früher gingen 
viele Wähidi und Yafı'i in oftindifche Kriegsdienſte, jet findet man kaum 
mehr einen, nur Auwaͤliq. 


K Bolitifdes. 


Sultan Aud ben "Abd Allah, der mächtigfte der drei Aumäligfürften, 
refidirt in Nicaͤb. Hält einige hundert Söldlinge, worunter viele Neger 
(freigelaflene SHaven). Etwa 200 Reiter. Nur zehn derfelben find zu 
Pferde beritten, die anderen auf Deluͤl (Reitfameelen). Erhebt Steuern 
bon Raye (5 bis 6 Maria-Therefia-Thaler per Kopf), Juden, Ahl Haͤyek, 
außerdem Marktfteuer, Branntweinftener der Juden, Zoll für durchpaf- 
firende Waaren, Salzfteuer von Chabt. Das eigentlich den Yodli gehörige 
füdmeftliche Grenzland Datina zahlt ihm einen jährlichen Tribut, um nicht 
räuberiich überfallen zu merden. Der Sultan bat einen Vertrag mit 
England, erhält zwar kein Jahrgeld, aber alljährlich Gefchente. 

Die Oberen Auwäliq ftanden feit uralten Zeiten im Erbbündnif 
mit den 'Abaͤdel von Laheg und in Erbfehde mit den Fodli von Schughra, 
deren Gebiet zwifchen ihnen und den "Abädel liegt. Lebtere mußten na- 
türlid für die Hülfe der "Aumälig bezahlen, verdankten es aber lediglich 
diefer, daß fie von den Yodli nicht verſchlungen wurden. Noch jebt eri- 
flirt ein folenner Freundſchaftsvertrag zwiſchen "Aumälig und "Abädel. 
Doch find letztere jet durch England hinlänglich gegen die Fodli geſchützt. 
Die Fodli find ſchwächer, als die "Aumalig, und vermeiden, fo viel fie fön- 
nen, den Krieg. Sie verſuchen es nicht einmal, ihre eigene Provinz, Da— 
tina, die von ihren Stämmen bewohnt wird, von der Zributpflichtigfeit 
gegen Nicab zu befreien. 


Strafe für Mord und Piebitahl. Sklaverei. 251 


L. Juſtiz. 

Der Juſtiz des Sultans find nur die Raye unterworfen, nicht die 
Stämme. Mörder werden erftodhen oder auch erſchoſſen. Die Strafe für 
Diebſtahl wird nicht fereng nach dem Dorän, durch Handverflümmelung, 
gehandhabt, wie z. B. in Laheg. Diebe werden vielmehr nur eingejperrt 
und an Geld und Gut beftraft. Bei den Dobäyel berrichen für Mord die 
Geſetze der Blutrache. Diebftahl wird nur geahndet, wenn der Beſtohlene 
Hart genug ift, fich felbft Recht zu verſchaffen. Proſtitution ift fireng ver- 
boten, fommt übrigens nur hier und da in Städten vor, wo fie wie Mord 
beftraft wird. 

M. Sklaverei. 

Negerjflaven werben wenig importirt. Es ſoll aber in Nicäb weiße 

oder mulattenhafte Stlapinnen geben, die von Yrauen für die Harems der 


Wohlhabenden erzogen werden. Sie find alle im Lande geboren und 
Rammen von unfreien Eltern. Sie werden gut behandelt. 





Fünftes Capitel. 


Das Land der Fodli oder Dtmani. 


1. Rame. — I. Geographiiche Lage. — III. Grenzen. — IV. Berge und Tief: 

länder. — V. Wädis. — VI. Klima und Bodenerzeugniffee — VII. Eintheilung. — 

VII. Stämme. — IX. Städte und Ortſchaften. — A. Im eigentliden Yodliland. — 

B. Städte in Abian. — Eine angeblihe Stadt im Fodliland. — X. Dynaſtie der 

“Otmäni. — XI. Politiſches. — XII. Juſtiz. — XIII. Gottesgericht. — XIV. Ge: 

ſchichtliches (aus neuerer Zeit), — XV. Ein "Otmäniprinz als Geißel. — XVI. Sit: 
ten, Religion u. |. w. — XVII. Waffen. 


IL. Name. 


Auch diefe beiden Namen find urfprüngli die der Dynaftie und auf 
das Volk übergegangen. Der Name Yodli kommt vom Stifter der Dy- 
naftie, der Name Otmaͤni von deſſen vermeintlihem Urfprung von den 
Türken*). In Aden ift falt nur der erfiere Name befannt, im Innern 
hört man vorzugsweiſe den lebteren. Den Collectiv Fodl hört man jelten. 


ID. Geographifche Lage. 
Bon 45% 10’ bis 460 30’ öftl. Br. v. Gr. dehnt fi) das Fodliland 
als ein 20 bis 30 engl. Meilen breiter Gürtel längs der Hüfte Hin. Das 


*) Man ehe weiter unten über diefe bei Arabern fonft beifpiellofe, allen ihren 
Begriffen widerfprehende genealogiſche Vermuthung, von einem Bolt abzuſtammen, 
das (wenigftens in Gentralarabien) eigentlich verachtet wird. 


Berge und Flüſſe im Yodliland. 253 


eigentliche Yodliland erreicht nirgends ben 14. Grad nördl. Br., wohl 
aber die ihm fat entriffene Provinz Datina, die nach Nordoften vorge- 
ſchoben iſt. Sie fteht jeßt nur in Ioderer Verbindung mit dem Yobliftaat. 


IL. Grenzen. 


Im Süden das Arabifche Meer. Im Weiten Laheg. Im Norden 
Yıfıa. Im Nordoften das Audeliland, im Often Datina *). 


IV. Berge und Zieflander. 


Im Often des Landes erhebt ſich unmweit der Anfangs jandiger Küfte 
ein Hügelland, das zum Mittelgebirge aufftrebt. In letzterm ift der 
Gebel Nachai die befanntefte Berggruppe. Im Welten ift die große tiefe 
Ebene Abian, die fich ziemlich weit nördlich erftredt. Im äußerften Süd- 
weiten die Steppenebene Mehaidan, welche zum größten Theil ſchon in 
Laheg liegt. 


V. Waͤdis. 


Nur in Abian ſind bedeutende Wädis, namentlich die beiden großen, 
welche dieſes kleine Meſopotamien einſchließen. Sie ſind: W. Bonna von 
Ain Schelaͤla ſüdlich von Yerim kommend. W. Haſan, im untern Lauf 
dem genannten parallel, durch Zuſammenfluß der W. Solüb (aus Yafi’a 
fommend) und W. Yeraͤmes (vom Koͤr kommend) gebiltet. Beide erhalten 
im obern Lauf die Sommerregen und haben einen großen Theil des 
Jahres Wahler**), d. h. in Aufftauungen, nit an der Mündung. Zur 
Zeit der Sommerregen find fie faft Ströme zu nermen. Nur dann mün- 
den fie ins Meer, fonft wird alles Wafler durch den Feldbau aufgebraudtt. 

Andere Seitenflüffe find: 

MW. Reban (von Often kommend) mündet bei Scheriya in den W. 
Haſan. 

W. Neçchal und W. Bojäme kommen vom Gebel Nacha i, fließen 
weſtlich und münden ebenfall3 in den W. Haſan. 


*) Datina ift in einem eigenen Capitel bejonders behandelt. 

**) Haines deutet ſogar an, daß die Ebene zwijchen den beiden Flüſſen manch: 
mal einen See bilde und dann den Namen Bahrain (2 Meere oder auch 2 Flüſſe) 
führe (Ritter XII, 661). Dergleichen ift jet wenigftens ganz unbefannt und be: 
tubt wohl nur auf Uebertreibung der Wraber. 





— — — — * 


254 Klima und Eintheilung des Fodlilandes. 


Oeſtlich von Abian ſind nur unbedeutende Gießbäche mit kurzem 
Lauf, die nicht ins Gebiet der Sommerregen hineinreichen und alſo faſt nie 
Waller haben. Darunter: 

W. Sala‘ entipringt auf dem Gebel Nadha’i, mündet ind Meer 
zwiſchen Acala und Schughra. 


VL Klima und Bobenerzeugniffe. 


Das Land liegt durchweg außerhalb der Zone der Sommerregen, ift 
alſo nur da fruchtbar, wo ſich größere Ylüffe finden, deren oberer Lauf in 
das Gebiet jener Regen hineinreiht. Dies ift nur in Abian der Yall, 
welches ſich, obgleich felbft faft regenlos, doch durch Fruchtbarkeit aus— 
zeihnet, da die fleißigen Landleute feinen Tropfen, den ihnen die W. 
Bonna und Hafan zuführen, unbenußt laſſen. Abian ift eines der beiten 
Baummollländer. Außerdem gedeihen Hier alle Gerealien. Das öftliche 
Hodliland, am Meere jandig, mit einzelnen von Dattelpalmen bewachſenen 
Oafen, im Innern bergiges Weideland mit Steppengewädhlen. 


vo @intheilung. 


Wir müfjen zwei in jeder Beziehung verjchiedene Provinzen unter- 
jcheiden, nämlih Abian und das eigentlihe Yodliland. Erſteres gehörte 
noch vor 40 Jahren den Yafi‘i und wurde erft in den breißiger Jahren 
unſeres Jahrhunderts erobert. Es wird noch durchaus als eroberte Land 
behandelt und hat ſomit eine nachtheilige politische Ausnahmöftellung. In 
jeder andern Beziehung aber zeichnet es fich vortheilhaft por dem übrigen 
Fodlilande aus, durch feine Fruchtbarkeit, Cultur, Fleiß der Bewohner 
und durch feinen Reichthum an Städten und Ortichaften. Es ift eben ein 
altes Eulturland, das Yodliland eine Bebuineniteppe. 


voL Stämme. 


Die Yodli find unzmeifelhafte Himyaren und ganz deijelben Urjprungs, 
wie die Yafi i, führten auch vor Jahrhunderten noch Ießtern Namen. Seht 
ift freilich Stammesfeindfchaft eingetreten, jo daß fie verſchmähen, fich ge— 
nealogiſch Yafi i zu nennen und ſich lieber dynaſtiſch als Fodli oder Ot- 
mäni bezeichnen. 

Folgende Stammeslifte, welche zugleih die Zahl der Bewaffneten 


Stämme der Fodli. 255 
giebt, die jeder Stamm ftellen kann, wurde von einem ihrer Sultane jelbft 
gegeben. 

1) Ahl 'Elah oder Ei) mit 400 Friegern. 
2) Ahl Hasna oder Hasni 300 
3) Ahl Gada oder Gadni „ 200 ,„ 


4) Möferi „ 300 
5) Haneſchi n 100 ’ 
6) Fathäni „200 _ 
7) "Arvali „ 20 „ 
8) Ahl Schenin , 200 , 


(Dieſe 8 Stämme werden auch unter 
den Collectivausdruck Ahl 'Elah (mie der 


ere) bezeichnet.) 

9) Marqaſchi im Eollectiv Mo- 

raͤqeſcha 700 
10) Nada i „ 30 
11) Mefadi 50 n 
12) Ahl Saidi vulgo Halm 

Sa idi „ 600 n 
13) Ahl Said „50, 
14) Ahl Scheddaͤd 60 
15) Ahl Haidra Mancur „. 100 „ 


Dazu noch Soldtruppen „ 400 ’ 
Gefammtftärfe 4160 Krieger. 


Fünf der auf diefer Lifte genannten Stämme bewohnen Datina, das 
jet faft nur nominell den Fodli gehört, ihre Kriegerſtärke kann alfo nicht 
mit in Anſchlag gebracht werden. Dieſe find: Mieferi, Haneſchi, Hasni, 
Halm Saidi und eim Theil der Gadeni. Die 2 Heinen Stämne Ahl 
Said und Ahl Schedväd wohnen in Abian, d. h. fie helfen die dortigen 
Städter unterdrüden. Die Ahl 'Elah mohnen an der Grenze von Datina, 
bie Rachai auf dem nad) ihnen genannten Berge. Unter Iebteren find 


*) Nach Angabe des Fodli Sultans find die 3 Namen Elah, Hasna und Gada 
nit die der Ahnheren, jondern die der Stammmütter. Diefer Gebraud fih nad 
der Mutter gu nennen, ift in Südarabien uralt. Wir finden ihn vielfach ſchon auf 
den himyariſchen Injchriften, wie auch I. Hign Ghoraͤb, Zeile 1 (oben Seite 226). 


256 Die Hauptitädte der Fodli. 


viele Beduinen. Der wichtigſte und man kann ſagen der herrſchende 
Stamm find die Moraͤqeſcha in der Hauptſtadt Serihya und Umgegend. 
Die ſeßhafte Bevölkerung von Abian*) hat, wie fait alle Stäbdter, 
ihre Stammeßtraditionen verloren. Sie ift in der Lifte nicht mitbegriffen. 
Ahr Urſprung ift von den Yäfi‘i, aber, wie bei allen Städtern, das Blut 
weniger rein erhalten. Vermiſchung mit Negerblut, von den ODobäyel fo 
ſtreng gemieden, ift wohl im Allgemeinen bei Städtern häufig. In Abian 
fommt fie zwar vor, wird aber doch jehr ungern geſehen. Häufiger ift 
Vermiſchung mit anderen arabiſchen Städtern, die der Handel hinführte. 


IX. Städte und Ortfchaften. 
A. Im eigentliden Yodliland. 


Seriya, die eigentlihe Hauptitadt des Landes und Sik der Negie- 
rung, im Stammeögebiet der Morägejha, in gebirgiger Gegend einige 
5 engl. Meilen von der Küfte gelegen**. Große Moſchee. Schloß bes 
Sultans, feftungsartig, wie alle Häufer der Stadt. 300 bis 400 Ein- 
wohner. Juden dürfen hier nicht wohnen. In der Nähe zwei fefte 
Schlöſſer, Hocn***) Beceli und Hocn Koheb. Bei Iehterm follen himya- 
riſche Ruinen, auch Inschriften fein. 

Schughra (ältere, jchriftgemäße Schreibart: Cughra) gilt fälſchlich 
bei Europäern für die Hauptitadt der Fodli, ift aber in der That nur die 
See= und Handelſtadt (die einzige de3 Landes) und während 2 Monaten 
jährlich Refidenz de8 Sultand. Handel und Schifffahrt nur in einigen 
Monaten lebhaft. Während der Saiſon monatlich etwa 10 Saya’3 (ara- 
biſche Barken). Der Sultan befitt gleichfalls hier 3 Saya's. Die Stadt 


*) Der Name Abian kommt nah Yägüt (IT, 110) von Abian, ben Zohair, ben 
Aiman, ben Hamatifa, ben Himyar, einem der älteften Könige der Himyaren. 
Yägüt rechnet Übrigens auch Aden zu “Abian. Jetzt iſt diefer Begriff fein fo außge- 
dehnter mehr. 

**) Auf Haines’ Charte ift die Lage dieſes Orts ganz richtig (450 55’ Hfll. ©. 
v. Gr. und 130 80’ nördl. Br.) angegeben, aber der Name nit, jondern der Ort 
nur als „Village in the mountains“ bezeihnet und jelbft die engliſch-arabiſche 
Charte giebt nur die wörtliche Ueberjegung hiervon. Bon Seriya hat eigentli vor 
Miles und mir fein Europäer etwas gewußt und doch ift es die Hauptftadt, nicht 
Schughra, das fälſchlich immer dafür gilt. 

x***) Schriftgemäß wäre Hisn. Die Ausſprache ift aber ſtets auch im Singular 
mit o: Hogn (pl. Hocuͤn). 


Städte in Abian. 257 


ſelbſt ift ſehr Hein, hat höchitend 25 bis 30 Häufer Ccaftellartig). Etwa 
100 Einwohner. Iuden leben nur während der Handelsſaiſon bier. 
Schloß des Sultand eine halbe englische Meile von der Stadt. Außer: 
dem haben mehrere Prinzen bier Echlöffer, auch außerhalb der Stadt. 
Außer der Handelsſaiſon ift Schughra öde und faft verlaffen. Saiſon 
zur Zeit ded Nordoftmonfund, d. b. wenn er noch ſchwach iſt. Später 
wird der Ankerplatz unficher. 

Sonft zählt dad eigentliche Fodliland nur noch ganz unbedeu- 
tende Hüttendörfer. Darunter: 

Dar Zena, einft eine berühmte Stadt und von Hamdani, als 
in Datina gelegen, erwähnt, jebt ein kleines Dorf im Gebiet der 
Morageiha, kann alfo jept nicht mehr zu Datina gerechnet werden. 
Der Begriff Datina war früher ein weiterer. Bei Dar Zina altes 
himyariſches Schloß, ganz aus dem Feld gehauen. 

"Ameq*), Heiner Ort der Nahai, auf dem gleichnamigen Berge 
gelegen. Beduinen. 

Roda, Drt der Gadent, 1 Tag nordöftlih von Schughra. 

Samah**), Hüttendorf der Ga dent zwifhen Schughra und Mar 
in Abian. 

Ceraa, Ortichaft der Ga dent zwilchen Moragefha und Hanefchi, 
an der Grenze von Datina. 

Machſeb, Hüttendorf an der Grenze von Datina. 


B. Städte in Abtan. 


- ala, etwa 2 engl. Meilen vom Meer im Ziefland, unweit der 
Mündung des W. Hafan, einft eine blühende Seehandelsſtadt und 
gewifjermaßen Hauptitadt von Abian, jedenfalld wichtigſter Handels⸗ 
platz. Seit der Groberung von Abian dur die Fodli fehr gejunfen, 
da die Gultane, um Schughra, den Seehafen des eigentlichen Fodli- 
landes, zu begünftigen, den Schiffen verbieten, bei Arala Waaren zu 
laden. Der Hafen war in Mefauged (2 engl. Meilen von "Acala), 


- ) Hamdani erwähnt ein Ameg der Ga'da, aber diefe Ga'da find nicht die 
Ga'deni im Hodliland, fondern die Ga'da im Amir Sultanat, die fih noch heute 
Ga'ud nennen. Sie wohnen weſtlich von Yafiſa. 
») Ein Samah der Garda auch bei Hamdant, gehört aber gleichfalls nicht 
bierher, jondern in’d Amirland. Namen wiederholen fich oft. 
v. Maltza an, Reife nah Südarabien. 17 


258 Städte in Abian. 


ift aber jebt gänzlich verlaffen, der Ort eine Ruine. Dennoch erreichten 
die Sultane durch diefe unfinnige Maßregel ihren Zwed nicht, da die 
Baumwoll- und Kaffeelarawanen aus Abian und Yafia nun direct 
nad Aden zu gehen vorziehen. Sie kommen meift über Acala, jo 
daß Died doch noch Landhandel hat. Etwa 500 Einwohner, wovon 
ein Fünftel Juden, die eine große Synagoge haben. Ein Belannter 
von mir ließ hier Abfchriften der Thora auf Xeder kaufen. Alle Häufer 
caftellartig, aber nur von Luftziegeln. 


Teran, Heine Stadt nörblih von Acala, am W. Haſan. 

Dergäg, Städtchen von etwa 200 Einwohnern, 1 Stunde nörd- 
lich von Teran, au am W Hafan. Mehrere befeftigte Schlöffer 
von Luftziegeln. 

Kod, Dorf nördlih von Rad Sailan, am Öftende der Ebene 
Mehaidan (Laheg). 

Gauwela, fleine Stadt am W. Bonna, wurde erft im Sabre 
1858 den Yafi t entriffen und war während 28 Iahren ihre füblichfte 
Stadt. Es liegt nur 2 Stunden vom Meere. Caftelle von Luftziegeln. 

Sebach, Hüttendorf an der Grenze von Laheg in Mehaidan. 

Kor oder Chor, 3 Stunden von Acala landeinwärts. 

Scha ib, Heiner Ort bei Kor. 

Mar, nad Acala größte Stadt von Abian, 2 Heine Tagreifen 
nördlich von Acala am W. YVeramed, der hier den Namen W. Hafan 
annimmt. Häuſer und Gaftelle von Stein. Etwa 300 Einwohner. 
Viele Zuden. Große Mofchee In Mar refidirt als Erbgouverneur 
ein Prinz der Otmanidynaftie, Sultan Ahmed ben "Abd Allah. Er ift 
der einzige Feuerrichter im Fodliland (man fehe weiter unten „Gottes- 
gerichte”). 

Na'“ ab, etwa gleichwichtig wie Mar, an bemjelben Wadi, eine 
Heine Tagreiſe nördlich davon gelegen. Etwa 200 Einwohner. Viele 
Suden. Caſtelle von Stein. Hat auch einen Prinzen zum Crbgou- 
verneur mit dem Titel „Sultan“. 

Bab el Felaq, großed Gaftell von Stein, Grenzfeftung der 
Fodli, als Herren von Abian, gegen Yafı'a, eine Stunde oberhalb 
Naab am W. Yerames gelegen. 

Andere Heinere Ortichaften find Omad, "Amudiya, Teriya, alle 
im Tieflande zwilhen dem W. Bonna und Hafan gelegen. 


Die Sechsfingerdynaſtie. 259 


Eine angeblihe Stadt im Fodliland. 


Hained (bei Ritter XII, 661) jpricht von einer großen, 36 engl. 
Meilen landeinwärts gelegenen Fodliftadt, Namend Mein, der er 
1500 Einwohner giebt. Vielleicht fol dies Ma’r fein, das freilich 
lange nicht fo bevölfert ift, auch nicht jo weit landeinwärts liegt? 


X Dynaftie ber Otmani. 


Die Dynaftie der Otmani ift in doppelter Beziehung merkwürdig, 
ſowohl phyſiologiſch als genealogifch. 

Genealogiſch inſofern, als Fadl, ihr Gründer (von dem der Name 
Fodli), die für einen Araber höchſt ſeltſame Prätention beſaß, mit dem 
Ottomaniſchen Herrſcherhaus verwandt zu ſein und geradezu von dieſem 
abzuftammen und zwar durch eine feiner Ahnfrauen, eine angebliche 
türfiiche Prinzeffin, die, ald Aden noch türfiich war, dorthin gekommen 
fein und feinen Ahn geheirathet haben fol. Daher der Name Otmani 
(d. h. der Dttomane), der auf die Dynaſtie und von biefer aufs Volt 
überging. 

Phyſiologiſch ift die Dynaſtie jedoch noch viel feltiamer. In thr ift 
nämlich da8 ſogenannte „Sechöfingerthbum”" erblih. Alle nächſten Ver⸗ 
wandten des Sultans, einige 20 an der Zahl, fowie er felbft, haben 
neben dem fleinen Finger jeder Hand und neben der Heinen Zehe jeded 
Fußes einen knorpeligen, fingerartigen Auswuchs, was man gemöhn- 
lich den „fechöten Finger” und die „fechöte Zehe“ nennt. Obgleich dies 
ſehr Meine, ganz unnütze und unſchöne Gliedmaßen find, fo gelten fie 
bei den Arabern doch für ein Zeichen bejonderer Körperftärfe*) und für 
verehrungömwärdig. Bon bejonderd großer Körperfraft und noch weniger 
vom biblifchen Rieſenthum (S. Note) ift aber bei diefer Dynaftie gar 
feine Rede. Es find meift Fleine, häßliche, ſchwarze Kerle, bartlos und 
keineswegs impofant; wenn auch wie viele Dobayel jehnig und männlich, 


+) Ein altes Vorurtheil bei femitifchen (vielleicht auch anderen?) Völkern. So 
heißt es ſchon 2. Samuel. 21, 20: „Da war ein langer Mann, der hatte ſechs 
Singer an feinen Händen und ſechs Zehen an feinen Füßen, das ift vier und zwan: 
jig an ber Zahl, und er war auch ein Sohn von Rapha.“ Rapha iſt aber ein 
Riefenname. Auh Du Schenatir, der 53fte König von Demen, führte feinen 
Beinamen vom Sechöfingerthum und galt für fehr ftarf. 


17" 





260 Die Sechsfingerdynaftie. 


fo doch gewiß nicht martialifh. Die Mädchen find vollends körperlich 
unbedeutend , zeichnen ſich faft nur durch Häflichkeit aus und fie haben 
doch auch das „Sechöfingerthbum“, wie mir viele Fodlt verficherten. 
Gefehen babe ich felbit nur einen diefer Prinzen, einen Bruder des Sul- 
tans; Diefer war ausnahmsweiſe aufgeflärt, hielt dad , Sechsfingerthum“ 
feineöwegg für einen Talisman, fondern für etwas Monſtröſes. Cr 
war beöhalb eigend nad Aden gefommen, um fidh feiner unmwill- 
fommenen Anbängjel durch Amputation zu entledigen. Ein engliſcher 
Arzt operirte ihn ſehr glüdlich, fowohl an Händen, wie an den Füßen. 
Ich jah ihn vor und nad) der Operation. Er fagte mir: er ſei glücklich, 
jebt ein Menfch zu fein, wie ein anderer. 

Die entfernteren agnatiſchen Verwandten des Sultans befien das 
„Sechsfingerthum“ nur modificirt. Einer, fo wurde mir erzählt, habe 
12 Finger, dagegen 10 Zehen, ein anderer umgelehrt. Die entfernteften 
Bettern ſahen gar aud wie gewöhnliche Menjchenkinder, z. B. der „Feuer= 
richte von Mar, ber doch auch ein Otmani-Prinz if. So gilt daß 
mehr oder weniger vollkommene „Sechöfingertfum” nod) ald ein Zeichen 
von edelfter oder weniger edler Abſtammung. 

Der Bater des jepigen Herrſchers, Sultan Ahmed, war übrigens bi3 
in fein Alter außerordentlich kriegsluſtig. Als er vor Gebrechlichkeit ſchon 
nicht mehr gehen fonnte, ließ er fich auf's Kameel binden und machte 
alle Gefechte mit. Ex war übrigens nicht jehr alt, kaum fechzig. Frühe 
Gebrechlichkeit fcheint bier jehr häufig zu fein. 

Er hinterließ viele Eöhne (alle Sechsfingerer), von denen jest ſchon 
der vierte regiert. Der erfte, Nafir, ftarb 1865. Ihm folgte fein Bruder 
Salah (+ 1867) und diefem Ahmed (+ 1869), worauf dann der vierte 
Bruder die Herrichaft antrat. 

Alle Prinzen der Dynaftie führen übrigens den Titel „Sultan“. 
Der Regierende hat gar feinen unterfcheidenden Titel. 


XL Politiſches. 


Sultan Heidra, b. Ahmed, b. "Abd Allah, el Fodli, el Otmani, 
regiert deöpotifh nur über die eroberte Provinz Abian, deren feßhafte 
Bewohner ſämmtlich Raye find, fowie über die wenigen „bürgerlihen“ 
Etädter, welche ih in Schughra und Seriya finden, natürlich auch 


| 


Bertrag der Fodli mit England. 361 


über Juden und Parias. Oobayel find die vom Herricherfit entfernt 
lebenden Stämme. Die Morageicha, in deren Mitte der Sultan lebt, 
haben eine Zwifchenftellung, etwa wie die von bevorzugten GSöldlingen. 

Jedes Jahr im Monat Du’l Higge findet die VBerfammlung der 
Oobayel ftatt, zu der ſich alle Fodli-Stämme, manchmal auch benach⸗ 
barte Verbündete einfinden. Hier wird Krieg und Frieden berathen 
und auch feitgefegt, ob und was für Leiftungen allenfall® die Dobayel 
dem Sultan zu machen haben. Dieje können nur in Seriegöcontingenten 
beitehen. Die Raye find natürlich nicht vertreten. 

Dennoch bat der Fodli-Sultan eine gewilfe Macht, da er eben 
ganz jpeciell über den wichtigern Stamm der Moragefcha verfügt. Außer: 


dem hat er die Aſſhab ed Dola, d. h. feine Keibgarde, 400 Dann, 


faft alle Morageicha. 

Der Sultan bat einen Bertrag mit England, von dem er ein 
Fahrgeld von 1200 M. Tb. Thaler (1760 Thlr.) befommt. Dem 
Bertrage gemäß erhebt er 2 Proc. Waarenfteuer für alle nad) Aden paſſi⸗— 
renden Güter, Kopfiteuer von den Juden, nicht zu einem beitimmten 
Sage, fonden nah Willkür. Eben fo willfürlih werden auch Die 
Raye von Abian beftenert. Ein Staatsſchatz eriftirt übrigens nicht. 
Der Sultan fo wurde mir vielfach verfichert, behalte nie baares Geld, 
was nad den Grundfäben der Dobayel und Beduinen unmwürdig wäre, 
Selbit die engliichen Subfidiengelder follen, Taum angelommen, gleich 
verjchenft werden. Seine Bedürfniffe werden aus der Naturalienjteuer 
oder dem Ertrage feiner Güter, fein Luxus aus den Geſchenken in 
Waaren, Gewehren, Uhren .ıc. beftritten, die ihm, außer jener baaren 
Summe, die englifche Regierung oft macht. 


XI. Sufi;. 


Nur die Raye find der Juſtiz ded Sultans abjolut unterworfen. 
Begeht ein Naye Mord, fo wird er von ben Soldaten des Sultans 
anf dem Grabe ded Ermordeten mit Mefjerftichen getödtet. Ein eigener 
Scharfrichter eriftirt nicht. Der Dieb (wenn Naye) wird das erfte Mal 
nur geprügelt und zur Reſtitution gezwungen. “Die Prügel werden 
nicht gezählt, jondern darauf los gehauen, bid der Sultan, der immer 
gegenwärtig, „Halt” gebietet. Das zweite Mal wird ihm die Hand abge= 
hauen und, ift er dann nod) unverbefferlich, jo wird er in einem beichwerten 





262 Juftiz und Gotteögericht. 


Sad in's Meer geworfen. Gefängnißftrafe mit Feſſelung der Beine 
allein, für Vergehen wie Prügeleien, Schimpfen, religiöfe Berftöße, 
Faſtenbruch u. ſ. w.; mit Feſſelung des Mittelförperd und der Beine, 
oft auch des Halfes, bei Keuſchheitsvergehen. Ehebruch gilt dem Mord 
gleih. Die Civiljuftiz regelt der Dadt nach dem Doran. 

Die Oobayel kann der Sultan nicht ftrafen. Alles bleibt der 
Blutrache und dem Recht des Stärkeren überlafien. Nur die Mora- 
geiha follen, wenn fie ftehlen, zuweilen zur Reftitution gezwungen 
werden. 


XII. Gottesgeridt 


Kann der Mörder nicht durch Zeugenſchaft ermittelt werden, fo 
tritt das Gotteögericht ein, von weldem man im Fodltland nur Die 
Zeuerprobe fennt. Died gilt ſowohl für die Raye, wie für die Dobayel, 
welche ſich durch das Gotteögericht darüber Aufklärung verichaffen, auf 
wen fie die Blutrache zu lenken haben. Sn diefem Falle wenden ſich 
auch die Dobayel an den Sultan, in deilen Gegenwart die Probe 
ftattfindet. Er ſelbſt ift dabei fonft ganz unbetheiligt, denn nicht er 
applicirt die Feuerprobe. In jedem Lande ift nur ein einziger „Feuer⸗ 
richter“, d. b. eine Perjon, der der Aberglaube die Wunderkraft zu= 
jchreibt, die Probe wirffam anwenden zu koͤnnen. Es giebt übrigen 
auch viele Tleine Staaten, die ſelbſt feinen „Feuerrichter“ haben; die 
Leute wenden ſich dann an den ded benachbarten Staated. Wollte ein 
Unberufener die Probe anzuwenden verfuchen, dad Rejultat würde von 
Niemand anerkannt werden. Selbft der Herricher kann es nicht, D. 5. 
der jehige, denn Nichtd verhindert, daß der Aberglaube auch einmal 
einem Herrfcher das „Feueramt“ beilegt. Zur Zeit ift ed aber im 
Fodlilande nicht der Herrfcher, fondern deſſen entfernterer Better, der 
ichon oben erwähnte Sultan von Mar, der ald „Feuerrichter” ver- 
ehrt wird. 

Niemand, der vom Volke ald verdächtig bezeichnet wird, kann fich 
der Feuerprobe entziehen. Gehört er zu den Dobayel, jo kann ihn der 
Stamm des Grmordeten citiren. Wollte fi) einer weigern, jo gilt 
dies allein ſchon ald Schuldbeweis, und er richtet ſich dadurch felbft, 
d. h. die Folgen find ganz diefelben, wie wenn die Probe zu feinen 
Ungunften ‚abgelaufen wäre. 


Der Zenerrichter. 263 
Die Probe wird mit einem glühenden Meffer gemacht, welches 


ber Feuerrichter (nach Herfagung der vorgejchriebenen Gebete) der Zunge: 


bed Verdächtigen auflegt, felbftverftändlich vor vielen Zeugen, worunter 
die Erften der Dobayel und der Herrſcher. Verräth der Verdächtige 
fein Schmerzgefühl, zudt er zufammen oder zeigt fich eine deutliche 
Brandwunde, fo gilt er für jchuldig; natürlich nur dann, wenn Die 
Anweſenden dies conftatirt haben. Ift er Raye, fo tritt dann gleich Hin- 
rihtung ein. Gehört er zu den Dobayel, fo muß man ihn Dagegen 
in Frieden beimziehen laſſen und erft, wenn er dort angekommen ift, 
bat der Stamm des Crmordeten dad Recht, die Blutrache auszuüben. 
Damit ift aber keineswegs gefagt, daß er felbft diefer zum Opfer fallen 
wird. Ieder Stamm ift für jedes feiner Mitglieder folidarifch und es 
genügt, wenn nur irgend ein Mitglied vom Stamme ded Mörders, 
durch den Stamm des Ermordeten umkommt. Meift rächt fich aber 
dann der Stamm ded erften Mörders wieder und fo entiteht oft eine 
unabfehbare Kette bluträcherifcher Tödtungen. 

Natürlich hängt bierbet vom Aeuerrichter*) Allee ab, ob er das 
glühende Eifen hart aufdrücdt oder nicht, ob er ed fchnell über die 
Zunge zieht oder langſam, ob er es fehr glühend macht oder weniger. 
Der Aberglaube freilih halt ihn für gänzlich parteilos. Ich glaube 
aber, daß es jehr erfpriehlich ift, mit dem Sultan von Mar auf gutem 
Fuß zu ftehen. Im den meilten Fällen fol übrigens die Probe zu 
Ungunften des Verdächtigen ausfallen. 


XIV. Geſchichtliches (aus neuerer Zeit). 


Bon der älteren Geſchichte der Fodli ift wenig befannt. Im Al⸗ 
terthum gehörten fie zu Yafia und gelangten fpäter mit diefen unter 
das Joch der Imaͤme von Vemen. Sie fcheinen ſich aber früher von 
diefen befreit zu haben, als die Yafiſi, denn letztere find erſt feit etwa 
150 Sahren, die Fodli dagegen fett wenigſtens 200 bi8 250 Jahren unab- 
bängig. Dadurch wurden fie vom Hauptftod der Yafı't Iosgeriffen, und 


) Selbftverftändlich liegt hier ein Neft von Heidenthum vor, wie ja auch bei 
unferen mittelalterlihen Öotteögerichten. Das moslemiſche Gefeg nimmt die Weber: 
führung eines Mörderd nur durch 1) Geftändniß, 2) durch Zeugen, 3) durch Eid 
an. (Tornauw, das moslemiſche Recht, Seite 288) 


Yan am m. — —— — — —— 


264 Fehden und Bündniffe ber Südaraber. 


als dieſer jelbft feine Unabhängigkeit errang, fürchteten fie wahrjcheinlich 
deffen Nebermacht und wurden diefem fogar feindlih. Die Yafii waren 
und find ſelbſt heute noch zahlreicher, als die Fodli, aber lebtere einig, 
eritere zerfplittert. Dennoch balaneirten ji die Kräfte lange, bis in 
unferem Sahrhundert die Fodli fo entichieden die Oberhand gewannen, 
dab fie die Yafit ganz von der Küfte verdrängten und Abian, ihr 
fruchtbarſtes Tiefland eroberten. Noch im Jahre 1858 eroberten fie 
Gauwela, die damals füblichfte Yafi iftadt. Momentan ruhen zwar 
bie Feindlichkeiten, aber die Fodli follen ed ſehr auf Chamfer, melches 
jetzt die füdlichfte Stadt der Yafıi und faft ganz im Fodligebiet enclavirt 
ift, abgefeben haben. 

Faft alle arabiſchen Staaten haben immer ihre nächſten Nachbaren 
zu erblichen Feinden und die entfernteren zu Freunden. So hatten 
auch die Fobli ſtets mit ihren weftlihen Nachbaren, den Abadel von 
Laheg, und mit ihren öſtlichen, den Auwaliq, vorzugsweiſe den Oberen, 
Erbfeindſchaft. Dieſe waren immer gegen bie Fodli verbündet, aber 
niemald zugleich mit den Yafit, die zwar Grbfeinde der Fodli, aber 
doch zugleich auch Erbfeinde der Abadel von Laheg waren. Letztere, 
fehr ſchwach, verdanften ihr Beftehen nur den Auwaliq. Freundichaft 
beftand dagegen zwilchen Fodli und den Wahidi, den Reſas, den Hau- 
ichebi. und den Aqareb von Bir Ahmed, d. b. Heinen Staaten, die 
jeder durch einen feindlichen vom Fodligebiete getrennt waren. Den 
ſehr Schwachen Aqareb gegenüber fpielten die Fodli die Beichüger gegen 
Laheg, ganz wie letzteres gegen fie durch die Auwaliq beſchützt wurde. 
So hatten Erbfeindichaften und Erbfreundichaften eine Art von poli- 
tiichem Gleichgewicht unterhalten, das aber Fein friedliche war. Im 
Gegentheil kam es faft alljährlich zu Kämpfen; aber die Folge war doc) 
faft immer eine Rückkehr zum status quo ante. Nur die Yaft't blieben, 
ald mit Jedermann verfeindet, von den Vortheilen dieſes factiichen 
Gleichgewichts ausgeſchloſſen und verloren deöhalb wichtige Gebietötheile. 
Die Vergrößerung des Fodligebiet3 wurde aber wieder dadurch ihrer 
Solgen, welche eine Uebermacht fein konnten, beraubt, daß ihre eigene 
nordiweftliche Provinz, Datina, dem oberen Auwaliq tributpflichtig 
ward, denn gegen dieſe vermochten fie Nichts, da ihre weltlichen Bun- 
desgenoflen, die Wahidt, zu ſchwach waren. 

Die Beziehungen zu England waren bis zum Kriege 1865 und 
dem darauf folgenden Frieden immer fchlecht gewejen. Mehrmals hatten 


Beziehungen der Fodli zu England. 265 


fih die Fodli fogar mit ihren Erbfeinden, den Abadel von Laheg, zum 
Zweck der Wiedereroberung "Abend verbündet. Seit Laheg 1858 zum 
testen Male mit England Frieden ſchloß, ftanden die Fodli in ihrer 
Zeindlichkeit allein. Trotz oft erneuerter Waffenftillftandsverträge er- 
griffen die Fodli doch jede Gelegenheit, Aden zu fchaden. Noch 1860 
men immer nod viele Plünderungen von Karawanen mit engliichem 
But vor, der Sultan verbot fogar feinen Untertbanen, den Markt von 
Wen zu verforgen, fehlieflich verweigerte er Genugthuung für die auf 
ſeinem Gebiet erfolgte Ermordung englischer Schußbefohlenen. So kam 
& endlih 1865 zum Kriege. Die Fodli wurden in der Nähe von 
Acala gänzlich) gefchlagen. Der Friede folgte jedoch erft nach einem 
jwetjährigen Provifortum, während defjen übrigens Ruhe herrſchte, als 
der Sultan jelbft nach Aden kam, was er nur mit großem Wider: 
ftreben that. Der Bertrag, der nun zu Stande kam, iſt faft wörtlich 
der zwifchen England und Laheg beftehende (weiter unten abgedrudt) ; 
dad Recht der Tranfitoftener von 2 Proc. vom Waarenwerth, ſowie 
ein Jahrgeld von 1200 M. Th. Thalern werden dem Sultan darin ge- 
währleiftet. Seitdem herrſcht Friede, wenn auch fein fo anjcheinend 
herzliches Einvernehmen, wie zwifchen England und Laheg, fo doch 
vielleicht ein aufrichtigered; wie mir denn englifhe Beamten verficherten, 
dab man den Fodli mehr trauen könne, als den Abadel. 


XV. Ein Dtmani: Prinz als Geißel. 


Der genannte Vertrag hatte auch beitimmt, dat ein Better des 
Sultans ald Geibel in Aden wohnen müſſe. Diefer lebte bier 6 Sabre, 
d. h. bis zu feinem Tode, und hatte es fehr gut, denn er befam ein 
Haug und eine Penfion von 1200 M. Th. Thaler angewielen: für ihn 
Ueberfluß. Seit jeinem Zode hat England dieſe ganz unnüge Aus— 
gabe geipart, obgleich es nicht an Prinzen fehlte, welche fich nm dieſe 
einträgliche Stelle einer von England gefütterten Geißel bewarben. 
Gefahr war dabei gar nicht, denn England ift nicht fo barbarifch, eine 
Geißel, im Falle des Vertragbruchs, zu ftrafen. 


266 “Religion und Gebräuche der Fodli. 


XVL Sitten, Religion nf. w. 


Alle Fodli gehören zur Secte der Schafe i. Zaidi giebt es jelbft 
ala Eingewanderte nit. Die Beichneidung wird bier nicht, wie bei 
den meilten Moslems, erft Später am ’aufwachlenden Knaben, jondern 
dem ftrengen moslemiſchen Geſetz“) zu Folge, bereit am fiebenten 
Lebendtage vollzugen und zwar fowohl bei Knaben, wie bei Mädchen 
(bei welchen fie befanntlich nicht obligatoriſch iſt). Mit dem Haupt: 
Icheeren ded Kindes und dem Durchbohren ded Ohrläppchens, befannt- 
lich gleichfalls Vorſchriften für den fiebenten Tag, wird es weniger 
ſtreng genommen. 


Die Faſten im Ramadhaͤn werden ſehr ftreng**) beobachtet, eben 
fo die Gebete und dad Weinverbot. Nur die Gaſdeni ſtehen im Rufe 
Ichlechte Moslems zu fein, nicht zu falten und den Dompalmwein zu 
trinfen (bier nebid genannt, gerade wie in Aegypten der Traubenwein). 


Wohnungen in caftellartigen Häufern, von Luftziegeln im Xief- 
land, von Stein im Gebirge oder in Reiferhütten. Der Harem bleibt 
immer in den Häufern oder Hütten. Die Männer halten ſich tagüber 
außerhalb. 


Tracht ſehr einfach: blos ein Lendentuh und Kopfbund (ein un- 
ordentlicher Feiner Zurban) bei Männern, bei Frauen ein Hemd und 
Umſchlagtuch, nur in Städten Geſichtsverhüllung und zwar vollkommen, 
ohne Augenlöcher. Der Sultan geht wie der gemeinfte Mann gefleidet. 
Das Haar iſt immer lang und ungelämmt. Die Gaſdeni allein tragen 
ed gänzlich frei, aber alle anderen Stämme dody auch deutlich fichtbar, 
denn der Kopfbund tft nur ein Fleiner Wulf. Der Schnurrbart wird 
abrafirt, höchſtens bleiben die Enden ftehen. Da Badenbärte nur den 
Allerwenigiten wachſen, jo bleibt Nichts, ald ein Paar Härchen auf dem 
Kinn, denn die Leute find faft bartlos. 


*) Tornauw, dad modlemifche Recht, S. 85. 


”*) Es ift durchaus nicht richtig, daß die Fodli im Allgemeinen Iar im 
Glauben feien, wie Hained audfagte (bei Ritter XII., S. 662). Nur von den 
Ga'deni fann dies gelten. 


Bewaffnung der Sübdaraber. 267 


ZVOI WBaffen*. 


Die Schußwaffe ift die Luntenflinte**), meift Iang mit fehr bün- 
nem Rohr. Jeder Schütz hat zwei Pulverhörner, ein großes ſchnecken⸗ 
fürmiged, Edda genannt, aud dem er ladet, und ein Tleines fichelför- 
miged, Meghar, aus dem er bie Pfanne beftreiht. Die Kugeltafche, 
Mhafeda, hängt an einem Bandelier, dad meiſt mit Silber befchlagen 
ift, wie denn die zwei Bulverhörner und der Stugelbehälter felbft bei 
jedem nur einigermaßen Wohlhabenden auch ſtets von mafjivem Silber 
und oft recht kunſtvoll gearbeitet find, namentlid die Edda. Gelbft 
arme Soldaten legen fi) jahrelang auf's Sparen, um filberne Waffen: 
zierrathe Taufen zu können. 

Das Schießen mit diefen Zlinten ift ein entſetzlich langſames 
Manöver. Nachdem geladen ijt, muß die Pfanne beftrichen, dann Feuer 
gefchlagen und der gelbe Luntendocht, Fetil genannt, angezündet werben, 
worauf man ihn der Pfanne nähert. Oft verfagt der Schuß, denn 
nicht felten ift die Pfanne verftopft oder dad Pulver unrein. 

Den größten Lurud treibt man mit der Gembiye, dem Doldy 
meffer. Dieſe ift jichelförmig, ftedlt aber in einer balbmondförmigen, 
meift fogar hufeifenförmigen Scheide, deren Griff body tft. Höher ala 
ber Griff ift jedoch ein großer metallener Köcher, Amud (Säule) ge- 
nannt, welcher auf dem dem Griff entgegengejebten Ende der Scheide 
tet und nur ierrath if. Scheide, Griff und Amud find in den 
meiften Fällen auch von Silber. An der Gembiye Silber zu haben, 
gilt ſogar für viel nothwendiger, ald an Edda und Meghar. 

Außerdem wird ein geraded Schwert, 1. bi8 2 Fuß lang, Ne- 
meicha genannt, getragen. Es ift an der Spitze ein wenig nach außen 
gebogen. Die Nemeſcha kommt nicht bei Allen vor. Ich ſah fie eigent- 
lich nur bei Leuten, welche feine Luntenflinte hatten. 

Das ‘Aud, eine Lanze, wird mehr im Innern und von den Be: 
duinen getragen. 


*) Das bier über die Waffen Gefagte gilt zugleich für ganz Südarabien. 
Die Bewaffnung ift überall diefelbe, wird deshalb ſpäter nicht mehr erwähnt. 

”*, Steinfchlöffer find in diefem Theile von Arabien gänzlich unbekannt. Sie 
folfen fich erft wieder in ‘Oman finden. Die Sultane befommen wohl oft moderne 
Waffen geſchenkt, zerbrechen fie aber ftetö fehr bald. Kein Südaraber weiß damit 
umzugehen. 


268 Silberner Waffenſchmuck. 


Alle jene filbernen Zierrathe, Waffenbehälter und das filberbefchla- 
gene Bandelier nehmen ſich bei der Nadtheit des Oberförperd (denn 
diefer ift nie bekleidet) auf der fchwarzen Haut der himyarifhen Süd— 
araber höchſt effectvol aus. Sieht man fie jo im Silberglanz auf 
Ihwarzem Untergrunde hoch zu Kameel mehr hängen als fiten, oder 
fih graciös fchaufeln, jo befommt man ein ganz andered Bid vom 
arabijchen Krieger, ald wir gewohnt find, es und zu machen. 


Sechſstes Gapitel, 


Datina. 


— — — 


I. Name. — II. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI Klima und Bodenerzeugniſſe. — VIE Bewohner. — 
VII, Ortichaften und Schlöffer. — IX. Politifches. 


L Rame 


Datina ift ein uralter Ländername*), der früher einen engeren 
und weiteren Sinn gehabt zu haben fcheint. Wenigſtens erwähnt Ham- 
Dani eine Menge Orte ald in Datina gelegen, die im Lande der 
Aywadel, auf dem Gebel Kor liegen, wie Tere, Orfan, Daher u. |. w. 
Nach diejem weiteren Sinne umfaßte aljo Datina auch das Hodland, 
das jebt nicht mehr dazu gerechnet wird. Während aber Hamdant 
feine Aufzählung der Ortichaften den Geographen entlehnt, welche ein 
Datina im weiteren Sinne annehmen, folgt er in der Drographie an- 
deren, die es ald eine enger begrenzte Provinz auffaffen und kommt 
dadurch mit fich felbft in Widerſpruch. Cr nennt ed nämlich eine 
Senfung, öftlih vom Sarw Himyar. Zwar führt er Stellen an, wo 


*) Hamdani ſpricht ausführlich davon (Adener Handſchr. pag. 86 u. folg.). 
Zon Mogawer erwähnt ed als Ortfchaft, nicht aber als Land (Sprenger's Poſt⸗ 
und Neiferouten ©. 142). YDaqut führt den Namen an, weiß aber nur, Daß es 
ein Ort zwifchen Yemen und Gened. Das Uebrige, wad er fagt, find Fabeln. 
(Zacut 11., 550.) 








268 Silberner Waffenſchmuck. 


Alle jene filbernen Zierrathe, Waffenbehälter und das filberbeichla- 
gene Bandelier nehmen jich bei der Nadtheit des Oberkörpers (demn 
diefer ift nie befleidet) auf der fchwarzen Haut der himyariſchen Süb- 
araber höchit effectvol aus. Sieht man fie jo im Silberglang auf 
Ihwarzem Untergrunde hoch zu Kameel mehr hängen als jigen, oder 
ſich graciös fchaufeln, jo befommt man ein ganz andere Bild vom 
arabifchen Krieger, ald wir gewohnt find, e8 und zu machen. 


Sechstes Capitel. 


Datina. 


I. Name. - II. Geographiſche Lage. — TIL. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI. Klima und Bodenerzeugniffee — VI. Bewohner. — 
VIII, Ortichaften und Schlöffer. — IX. Politifches. 


J. Name. 


Datina iſt ein uralter Ländername*), ber früher einen engeren 
und weiteren Sinn gehabt zu haben fcheint. Wenigftend erwähnt Ham- 
dani eine Menge Orte als in Dating gelegen, die im Lande der 
Aywadel, auf dem Gebel Kor liegen, wie Tere, Orfan, Daher u. f. w. 
Nach diefem weiteren Sinne umfaßte alfo Datina auch das Hochland, 
dag jept nicht mehr dazu gerechnet wird. Während aber Hamdani 
feine Aufzählung der Ortichaften den Geographen entlehnt, welche ein 
Datina im weiteren Sinne annehmen, folgt er in der Orographie an- 
deren, die es ald eine enger begrenzte Provinz auffaffen und fommt 
dadurch mit fich felbft in Widerſpruch. Er nennt es nämlich eine 
Senkung, öftlih vom Sarw Himyar. Zwar führt er Stellen an, wo 


Ten 


„. ) Hambdant ſpricht ausführlich davon (Adener Handſchr. pag. 86 u. folg.). 
Jon Mogawer erwähnt ed ald Ortfchaft, nicht aber ald Land (Sprenger’s Poft: 
und Keiferouten S. 142). Yaqut führt den Namen an, weiß aber nur, daß es 
ein Drt zwifchen Yemen und Gened. Das Uebrige, was er fagt, find Fabeln. 
(Sacut I7,, 550.) 


270 Irrthümer arabifcher Geographen. 


ed ein „Sarw“ genannt wird (offenbar aus den Autoren, denen er 
feine Ortfchaftslifte entnahm). Aber da „Sarw“ Hochland beißt, jo 
corrigirt er diefe Benennungsweiſe, die er für einen Irrthum hält, 
indem Datina eine Senkung fer. Letzteres ift dad Datina im engeren 
Sinne Sein Irrthum Tann nur jo erflärt werden, daß er die genaue 
Lage der Ortichaften nicht kannte, denn fonft würde er nicht dad Para⸗ 
doxon begangen haben, Datina zugleich eine Senkung zu nennen und 
zugleich ihm eine Menge Ortſchaften zu geben, welde auf dem 
hoͤchſten Gebirge, dem G. Kor, liegen. Diefe Unkenntniß beweift 
auch der Umftand, daß er den ©. Kor felbit nit zu Datina 
rechnet, wohl aber Tere, Daher, Orfan, und diefe liegen doch auf 
dem G. Kor. 


Dennoch finden wir bei Hamdani volllommen richtige, auf das 
heutige Datina anwendbare Begriffe über dad Syſtem des Wadis. Er 
jagt: „Datina wird von den Bergen ded Sarm Himyar (d. h. den 
Bergen von Yafia) und dem fühlih von .Sarm Mabhig gelegenen 
ele Kor bewäffert“. Nichts kann richtiger fein, und trogdem nennt er 
Städte, ald in Datina, die ja auf eben diefem Kor liegen! 


I. Geographiſche Lage. 


Der äußerſte weftlihe Punkt von Datina dürfte 46° 15, der öſt— 
lichite 46° 40' oder 46° 42° erreihen. Im Süden nimmt man zwar, 
nah dem hiftorifchen Begriff „Datina”, die Ausdehnung bi8 an's Meer 
an, welches ed unter 46° 15° öftl. Breite und etwa 13° 30' nördl. 
Breite erreichte. Doch, fallen wir Datina in feiner heutigen provin- 
ziellen Bedeutung, jo können wir fein Südende erft einige 3 Stunden 
nördlich von der Küfte und fein äußerfted Nordende unter 139 50' nördl. 
Breite annehmen. Man überjehe nicht, daß Datina heut’ zu Tage 
fein ſcharf auögeprägter Begriff tft, fondern eine Provinz, die je nad) 
Macht oder Ohnmacht der Nachbaren bald Feiner, bald größer definirt 
wird. So iſt ed zum Beilpiel gar feine Frage, daß dad niedere Berg- 
land füdlih vom ©. Kor, alfo auch das Tiefland der Aumadel mit 
der Hauptſtadt Ghoder, topographiich zu Datina gehört und früher dazu 
gerechnet wurde. Aber heute iſt dies eben nicht mehr der Fall. 


Datina. 271 


II. Grenzen. 


Im Süden und Weiten dad Fobliland. Sm Nordweften und 
Norden dad Audeliland. Im Nordoften und Often dad Land ber 
Oberen, im Südoften das der Unteren Auwaliq. An Yafia und das 
Sand der Mittleren Auwaliq grenzt dad Datina im engeren Sinne 
(dem einzigen, der heut’ zu Tage gilt) nicht. 


IV. Bodenerhbebung. 


Datina ift weder ein Hochland, noch ein Tiefland im abjoluten 
Sinne. Die Araber nennen ed zwar manchmal Tiefland, doch ift e8 
dies nur im Vergleich mit dem hohen Gebirge, Gebel Kor, an deſſen 
ſüdlichem Fuße e8 liegt. Im Wahrheit ift es ein mittlere Bergland, 
mit einer Hochebene im Nordoften, dad fi im Süden allmälig zu 
einem niederen Hügelland abdacht und jo niederer und immer niederer 
wird bis zum Meereöftrande. 


V. Wadis. 


Zwiſchen Waͤdi Hafan-Yeramed und W. Hauwar führt Hamdani, 
als in's Meer mündend, einen W. Datina an. Ein ſolcher war keinem 
meiner Informanten bekannt. Wenn er exiſtirt, ſo muß er jedenfalls 
ſehr unbedeutend fein. Vielleicht iſt dies jedoch nur ein älterer Name“) 
für den W. Meran, den einzigen, der bier ins Meer mündet. (Man 
vergleiche übrigend Note **). 

W. Meran“) kommt vom ©. Kor, fließt ſüdlich und mündet 
in’d Meer bei Hoider ungefähr an der Grenze der Fodli» und "Aulagi- 
länder, zwilchen Mataten und Seriya. Er tft unbedeutend und ver- 
dient nicht die Ehre, mit W. Hajan-YVeramed und W. Haumar in 
einer Reihe genannt zu werden. Er hat fat nie Wafler. 


*) Bei Hamdani kommen viele Heutige Flußnamen noch nicht vor, 3. B. W. 
Hafan, den er Yerames nennt. Lebteren Namen führt er jetzt aber nur noch in 
feinen oberen Kaufe. Aehnlich beim W. Bonna. 

“) Hamdani führt in Datina einen W. Me'wran an, der den Beni Morahem, 
Scherifen der Aud gehörte, auch einen Ort Azzan (Arran?) zubenannt Reqb 
(Zegb?), der Beni Ketif. 


272 Flüfſe und Klima von Datina. 


W. Azan durdfließt Datina von Nordweft nah Südoft und 
mündet nahe bei Dulliye in den W. Haumar. 


W. Aidert fließt von Weſt nad Oft zwifchen dem Audeliland 
im Norden und Datina im Süden und mündet in den oberen W. 
Haumar. 


W. Ail im oberen Gebirgelande. 
Alle diefe Wadis find unbedeutend und faft immer wafjerlos. 


VI Klima und Bodenerzeugnifle. 


Der füdlihe Theil ift trodned, faft regenlofed Küftenland ohne 
einen durch tropiiche Niederfchläge gefpeiften Waͤdi. Steppengewächſe, 
mittelmäßige Serealien, Dattelpalmen mit mittelmäßigen Früchten, viel 
Dompalmen. Der Nordojten, weldyer an die Hochebene Marcha grenzt, 
hat beinahe deren Klima und Fruchtbarkeit. Takab, Sefam, Weizen, 
Maid. Gutes Meideland. Tropiſche Sommerregen. Seit einigen 
Jahren liegt die Eultur der unficheren Zuftände wegen darnieder. 


Hamdani befchreibt Datina ald „eine Steppe (Ghabit) wie die 
Steppe von Marib." Died paßt übrigens nur auf den füdlichen Theil. 


VD. Bewohner. 


Datina wird von den oben bereit3 erwähnten Fodliftämmen, den 
Halm Saidi*, Meferi, Hasni, Hanefht und Theilen der Ga deni be- 
wohnt. Xeptere vier haben das unfrucdhtbarere Küftenland, die Halm 
Saidi den fruchtbaren Nordoften ded Landes inne. Der zahlreichfte 
und wichtigfte Stamm find die Halm Sa'tdi. Sprit man von Voͤl⸗ 
fern Datina’s, fo ift fat immer nur von ihnen die Rede. Außer diefen 
wurde mir no ein Stamm, Namend Billet (vielleiht Bille i) ange: 
führt, der fonjt nicht unter den Fodli figurirt. , 


*, Halm Sa’tdt fir Ahl es Satdi, d. h. das faridifche Boll. Hal fteht für 
Ahl, da der Dialekt den Hauchlaut ſtets vorfeßt. Das „m“ ſteht für den ara: 
bifchen Artifel el (in specie es). Diejer dinleftifche Artikel wird ſtets dem vor: 
bergebenden Worte angehängt. Wlan verwechjele nicht Saidi mit Zaidi, daß ein 
Sectenname tft. 





Ortichaften in Datina. 273 


VTI. Ortſchaften und Sclöffer. 


Blad Halm Sa’idi, fo heißt der Hauptort gewöhnlich. Er fol 
übrigens auch den Namen Datina führen, wohl mur bei den Gelehrten. 
Das Bolt nennt ihn nie jo. Liegt am W. Azan, in fruchtbarer Ge- 
gend, dem norböftlichen Theil des Landes. Großes Schloß: Hofin 
Halm Saitdi. Einige hundert Einwohner, worunter zwölf Juden⸗ 
familien. 

Hafa, auch Suq Halm Sa’tdi genannt, der Hauptmarkt von 
Datina, im Nordweſten vom Hauptort, nur einen halben Tag ſüdlich 
von Ghoder. Viele Inden. 

Hanka*), Ortſchaft der Halm Sa idi. 

Magra'a““), Ortiſchaft der Halm Sa idi. 

Adan""-), Dorf der Hasni. 

Bible, Dorf der Hasni, im Südwelten, nur he fleine Tages 
reifen von Schughra. 

Kolaite, Hauptort ber Han, dicht bei Gible. Drei Subenfamilien. 

Dhoba, Ort der Hasni, eine Stunde füdli von Kolaite, am 
W. Meran, ſoll nur einen halben Tag vom Meere entfernt fein. 

Mekaus, Dorf der Hadni, nahe bei Dhoba. 

Omm Chodeire, Stadt und Markt der Meferi, im Often, un- 
weit der Grenze. 

Haneſch, Dorf der Hanejchi, nur zwei Tage von Schughra im 
Südoſten des Landes. 

Ahl Dian, Ort der Meſeri, vier Judenfamilien. 

Suweda, großer Markt der Haneſchi und Meſeri. Zehn Juden⸗ 
familien. 

Schloſſer: Hoffn ed Doma, H. eb Diab, H. Choraibe, H. 
Nachai, H. ber}) Homeſch und dad genannte H. Halm Sa idi. 

Choraibe ſoll zugleich ein Schloß und ein Dorf ſein. 


2) Bet Hamdani kommt ein Hanka im Rande der Ga'da vor. Schwerlich iſt 
dabei an das obige zu denken, da das Land jener Ga'da zu fern liegt. Sie find 
nicht die Ga’dent. 

) Hamdani erwähnt ein Magra'a in Safla, alfo ganz in der Nähe von 
Datina. 

) Adan tft bei Hamdani ein PYafi'-Stamm. 

+) „Ber“, das altfüdarabifhe Wort für „ben“, im Dialelt noch häufig 
gebraucht. 

v. Malgan, Reife nach Südarabien. 18 


Y 


274 Unglüdliche Lage von Datina. 


IX. Politiſches. 


Das Land fteht nominell unter den Fodli, in Wirklichkeit aber 
mehr unter den Auwaliq, deren Razzias es ftetd preißgegeben und von 
den Fodli fo ſchlecht beſchützt wird, daß es vorzieht, den Auwaliq Tri- 
but zu zahlen. So hat ed zwar einigermaßen Ruhe, ift aber doch 
fteter Willkür ausgeſetzt. Einheit bejteht nicht zwilchen den Stämmen, 
und felbit den Siegern gegenüber ift ihre Stellung verſchieden. Gerade 
der größte Stamm, die Halm Saiidi, den Auwaliq örtlid näher, muß 
am Meiften von ihnen leiden. Urſprünglich Dobayel, können fie jebt 
als halbe Raye gelten. Die Halm Saidi haben übrigens noch ihren 
angeftammten Schech, der den allgemeinen Titel „ Afel“*), und den ſpe⸗ 
ciellen Deran Mia tdi oder Deranem Satdi führt. Obgleich er aus 
dem tributpflichtigen Volke ftammt, fo Tiefen ihn die Auwaliq doch im 
Amt, gleihfam als ihren Statthalter und Tributeintreiber. 

Die Meferi, Hasni, Hanelchi find nicht in demfelben Grade den 
Auwaliq tributpflichtig. Sie fchielen ihnen nur von Zeit zu Zeit nam- 
hafte Gejchenfe, um von Razzias verfchont zu bleiben. Die Hasni haben 
übrigend einen Dimani- Prinzen, der den Titel Sultan führt, als Erb- 
gouverneur. Aber auch er it factiſch in ein Abhängigkeitsverhältniß 
zu den Auwalig geratben, wenn er auch de jure unter, den Fodli ſteht. 

Am Meiiten geplagt find jedoch die nordweſtlichen Landestheile, 
welche an dad Aubeliland grenzen. Die Auwadel find nämlich fehr 
räuberiſche und Eriegäluftige Dobayel. Da fie ihrem eigenen Sultan 
nicht gehorchen, jo nüpt ein dieſem gezahlter Tribut nicht viel. Die 
nordweſtlichen Datinaftämme zahlen zwar dem Sultan der Auwadel 
Tribut, werden aber demungeachtet ftetd durch Razzias beläftigt. 

Der Hauptgrund der unglüdlichen Stellung von Datina liegt in der 
Ohnmacht der Fodli. Es ift eben eine ihnen faft ganz entſchlüpfte Provinz, 
für die e8 viel befjer wäre, wenn fie definitiv mit dem "Aulagilande 
vereinigt würde. 





*) Diefer füdarabijche Titel bat Mauche an „Dail® erinnert, womit er wohl 
nichts zu thun hat. - DObige Schreibart mit ain und kaf (nicht qaf) wurde im 
Allgemeinen ald richtig verbärgt. 


Siebentes Gapitel. 
Audeliland. 





I, Rame. — U. Geographiſche Lage. — II. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI Klima und Bodenerzeugniffe. — VIL Bewohner. — VIII. Städte 
und Ortfchaften. — IX. Schlöſſer. — X. Politiſches. — XI, Sitten, Religion x. 


IL Name. 


Audeli*), häufiger im Eollectiv „Aumadel® vorfommend, tft der 
uralte Stammednanie, ben died Bolt und Land feit dem Sahrtanfend 
nicht verändert bat. Greifen wir zurüd bi8 zu Hamdani's Zeit, jo 
finden wir hier den Stamm Aud, in benfelben Wohnſitzen, im Beſitz 
derjelben Ortſchaften. Audeli heißt einfah „von Aud ftammend“. Der 
blos mit dem Schriftarabifch Vertraute würde freilich Audt erwarten, 
aber wer das lebendige, dialektifche Arabiſch Tennt, der weiß, daß foldhe 
Einſchiebungen von „I* oder „n* (auch andere Buchſtaben fommen vor) 
bei der Nisba häufig find. Beifpiele: Abdeli von Abd, Gadeni von 
Sada, 'Alluwi von 'Ali u. f. w. 


I. Geographiſche Lage 


Ungefähr zwifchen 450 50' und 46° 20° dftl Länge v. Gr. und 
13° 50' bis 140 25° nördl. Breite. 





”) Die Beduinen, die den dialettlichen Artikel „m“ gebrauchen, fagen Man: 
deli (für el Audeli) und im Collectiv Maudel oder Mauwedel. 
18* 


276 Der Goebel Kor im Audelilande. 


II Grenzen. 


Sm Süden Datina und Theile des Fodlilanded. Im Weften *) 
Yafia. Im Norden dad Land der Rezaz. Im Nordoften und Often 
Mara, ein Theil des oberen Aulaqilandes. Im Südoften wieder 
Datina und zwar dad Gebiet der Halm Sa' idi. 


IV. Bodenerhbebung. 


Nur ein ſehr Heiner Theil des Audelilanded ift verhältnißmäßig 
tief gelegen. Bei Weiten die größte Maſſe dieſes Gebiets ift Hochge- 
birgsland und zwar ein einziged maſſives, compacte8 Gebirge, oder, 
wenn man will, ein ungeheurer einzelner Berg mit mächtig gedehntem 
Rüden. Died ift der Gebel Kor. Diejer liegt ganz im Audelilande 
und reicht nicht mehr über daffelbe hinaus, es beinahe gänzlich aus— 
füllend. Seine Geftalt ift Ianglich, weshalb er oft der Nüden (Zaber) 
genannt wird, ein Name, den eine auf ihm gelegene Stadt im Be- 
fonderen führt. Seine Richtung ift, wie die anderer Hochgebirge Süd— 
arabiend (Gebel Sſabr und Yafıt) von Südweſt nach Nordoſt. Gebel 
Kor fteht mit feinem anderen Gebirge durch Höhenzüge in Verbindung, 
jondern fallt auf allen Seiten mehr oder weniger jchroff ab, im Süden 
nad Dating, im Weften nach dem Tiefland von Yafı'a, das ſich auf 
diefer Seite (oberer Lauf des W. Yerames) merkwürdig weit nad 
Nordoft erjtrect, im Norden nad) Beda und dem W. Thamat (nördliche 
Senkung von Behan) im Oſten nad der Hochebene Marcha. 

Im Lande wird der Kor zuweilen auch Gebel There genannt, wie 
eine auf feinem böchiten Punkte gelegene Stadt heißt. Gegen Nord— 
weiten bat der Kor eine ausgedehnte Vorterraffe, Gebel Mozaffer 
genannt. 

Hamdani Tennzeichnet die Lage des Gebel Kor genau, wenn er 
fagt: „Der Kor liegt zwifchen den beiden Sarw (Hodländern) Yafı a 
und Madhig“, d. h. zwiſchen den Hochgebirgen der Yafli und der 
Auwaliq, dem alten Sarw Himyar und Sarw Madhig, zu deſſen 
Syſtem Marcha gehört. 


*) Es drängt ſich jedoch auf dev weſtlichen Seite noch ein ſchmaler Streif 
des Fodlilandes ein. 


Flüfſe und Bäche im Aubdelilande. 277 


V. Wadis. 


Ein Land, das faſt ausſchließlich Hochgebirge iſt, kann nur die 
Anfänge von Wadis, nicht langgezogene Flußthäler haben. So iſt es 
auch hier. Nach allen Himmelsrichtungen ziehen ſich die Wadis vom 
Gebel Kor hinab, aber keiner erreicht innerhalb des Audelilandes nam⸗ 
hafte Ausdehnung. Der Kor bildet in dieſem Theile Südarabiens die 
der Küſte am nächſten gelegene Waſſerſcheide. Die beiden ihm nahen 
Koloffe, die Yafi'- und Aulagigebirge find etwas mehr in's Innere 
vorgeſchoben. 

Dem arabiſchen Meere fließen folgende auf dem Kor entſpringende 
Wadis zu: 

W. Yerames, dies der waſſerreichſte, entſpringt oberhalb des Sel*) 
Beni Sliman, zieht nach Südweſt durch den Kaffeediſtrict von Yafı'a, 
mündet unweit Mar in den W. Haſan. 

W. Raiban, etwas füdlicher entipringend und fließend, aber gleich. 
falls füdweftlih in den W. Haan mündend. 

Die Schon erwähnien W. Meran, der bei Hoider in's Meer mündet, 
W. Azan und Aideri, Tributäre des MW. Hauwar. Lepterer felbft 
fommt nicht vom Kor**), fondern vom Sarm Mabhig. 

Senfeitö der Wafferfcheide und dem großen centralen Tieflande, 
el Sof (Djauf) zuflteßend. 

W. Thamat fließt von Sid nad) Nord und ihm faft parallel, etwas 
mehr nad) Oſten W. Beraife. Andere kleinere W., meift Tributüre 
dieſer beiben: 

W. Mesware, W. Medeq, VB. Omm Chalif, W. Hauwir 
(niit Hauwar). 


VL Klima und Bodenerzeugniffe. 


Durchaus dem tropifhen Sommerregen ausgejept, ift dieſes Hoch⸗ 
land fruchtbar. Dazu kommt ein ziemlicher Reichthum an Quellwaſſer, 


2) Sel, d. 5. „das Fließen“ oder „Fluß“ im abftracten Sinne, bedeutet 
immer eine Stelle de Wadi, wo das ganze Fahr hindurch Waffer ift, und mag 
dies Refultat auch Tünftlich, d. h. durch Aufftanung erzeugt fein. 

=) Der Name Kor wieberbolt fi) oft, fo auch bei einem Berg ſüdlich von 
Habban, den wir Kaur gefchrieben haben und ebenfo in Hadramaut, beim Kor 
Saiban. Wo wir jedoch fchlechtweg Kor fagen, ift immer der im Audelilande 
gemeint. 


278 Bewohner des Audelilandes. 


während Brunnen gar nicht eriftiren follen. Seinen Producten nad) 
hat es viel Aehnlichkeit mit dem Hochland von Abeſſinien. Hier wie 
dort tft ber Honig ein Haupterzeugnik und außerordentlich billig, 10 oder 
15 Pfd. für einen Thaler. An den Bergabhängen gedeihen alle Obft- 
arten, Wein, Pfirfiche, Aprilofen u. |.w. Biel Sefam, Tabak, Durra, 
namentlich der rothe, Hamair genannt, und Dochn. Dagegen fehlen 
Palmen, Baumwolle, Indigo, Kaffee, Kant (obgleich eine Hochland⸗ 
pflanze, doch nur mehr gegen Weiten angetroffen). 


VL Bewohner. 


Die Einwohner, felbft die Städter, find, ausgenommen einige wenige 
Handwerker, die Pariad und die Iuden, welche drei Claſſen natürlich im 
RayesBerhältnii ftehen, alle Dobayel und der Abftammung nad) alle 
Aud, vulgo Auwadel. Obgleich Hamdani die Aub nicht ausdrüdlich 
Himyaren nennt, fo tft doch ihre Aehnlichkeit mit den anderen unzwei⸗ 
felhaften Himyaren zu groß, um fie nicht auch dafür zu halten. Als 
Stammovater nennt Hamdani: Aud, b. Abd Altab, b. Sahta, und 
als Unterſtämme folgende): Agib, Suiq, Bent Schabib, Habab, 
Bent Katif, Schelel, Beni Dais Aflagi, Schehab, Beni Togaif, Beni 
“Adi und Morahem, Scherife der Aud. 

Bon allen diefen Namen befindet fich (außer deren Geſammt⸗ 
namen Aud) auf der mir von den Cingeborenen gegebenen Lifte der 
Unterftämme feiner, was übrigens nichts beweift, denn die Tleinen 
Stämme nennen fi) oft nach ſpäteren Stammvätern oder Häuptlingen, 
unter denen ihr Stamm eine Rolle fpieltee Hat man Gelegenheit, 
genau nachzuforſchen, jo entdedt man jedoch faft immer, daß der alte 
Name nody in der Tradition bewahrt wird, wenn er auch im gewöhn- 
lichen Leben wenig zur Anwendung kommt. Folgende Unterſtämme 
wurden mir nad) ihren heutigen Bezeichnungen genannt: 

1. Bakſchi, wohnen in Heran. 

2. Manfıuri, auf dem ©. Kor. 

3. Bigeri, in und um Drfan. 

4. Tohaifi, in und um Orfan. 

*) Hamdani nennt diefe Stämme bei Datina, welches er in feiner Ortslifte 


bis aufs Hochland ausdehnt. Bon den Wohnfigen, die er dieſen angeblichen Da. 
tinaftämmen giebt, Tiegen bie meiften im Aubelilande. 


Stämme und Städte im Audelilande. 279 


5. Demant, im Nordoft auf den Abhängen des Kor gegen 
Mara zu. 

6. Scheheri, in und um Daher (Zaber). 

7. Ber*) Dani, im Weſten an ber Grenze von Yafla. 

8. Diebi, in Hafaf, im äußerften Often, alfo wohl ein abge- 
trennter Stamm der oben befprocdhenen großen Diebigruppe. 

9. Oofeſchi, in Oofeſch, eine Tagereife nördlich von Ghoder. 

10. Bent Sliman, in Ghoder und am fühweftlichen Abhange 
des Kor (Duellgebiet des W. Yerames) ; dies fol der Hauptftamm fein. 

Außerdem giebt ed viele Scherife und ebenfo eine gewiffe Zahl 
Parias, die bier Merafat (Mufilanten) heißen. Sie haben dieſelbe 
Stellung wie die Achdam in Yemen und die Ahl Hayek in den "Au- 
laqi⸗ und Wahidiländern, wohnen in Dörfern zufammen, find jedoch 
bei Weitem weniger zahlreich. 

Juden wohnen faft in jedem Dorfe bed Audeltlandes. 


vIL Städte und Ortfchaften. 


Ghoder, vulgo Zoder**) (die Auwadel felbft fagen ftetö Loder, 
in Aden und Beda hört man Ghoder), Hauptftadt des Aubelilandes, 
Sitz des Sultand, am füdlichen Abhange des Gebel Kor, etwas gegen 
Südwelten zu gelegen, in dem ntedrigften Terrain diefed Landes. Etwa 
400 Einwohner. Zehn Iudenfamilien. Burgenartige Steinhäufer. 
Bier Mofcheen. Vierzig Delmühlen (Sefamöl). Großer Marti. Schloß 
ded Sultans, Hofin Medmer genannt, jehr feit. 

Medfegge, Kleines Dorf dicht bet Ghoder, ausſchließlich von der 
Pariakaſte, den Merafai, bewohnt. 

DOrfan"*), eine Meine Tagereife norböftlich von Ghoder, auf 
einem Xheile ded &. Kor, der den Namen ©. Orfan führt. Ganz 


*) Ber für Bent, altiüdarabifch, wie ſchon oben Seite 273, Note 4. 

*5) Loder fteht für el Ghoder, defien Anfangsbuchſtabe Ghain bier nicht aus: 
geiprochen (oder wie Hamza geiprochen) wird. Das „X” des Artikels, der bei 
Diefem Wort ausnahmöweife nicht „M° tft, wird binübergezogen, alſo el Oder, 
und verfürzt Loder. Ich hörte nur einmal Moder (mit Artikel „m’). 

” Die Namen Orfan und Daher find bei Hamdani ganz deutlich zu leſen, 
eiwas weniger deutlich There, da bier alle diakritiſchen Punkte fehlen und ber lange 
Vocal auch nicht angedeutet tft, aber ich glaube Doch, daß There gemeint tft. Hann: 
dani fpricht von einem Wadi Orfan, von dem Beni Aflagt, und von einem 


280 Städte und Schlöffer im Aupdelilande. 


von Dobayel, von den Stämmen Bigert und Tohaifi bewohnt. Bier 
Zudenfamilien. Markt. 

There, höchftgelegene Stadt auf dem G. Kor, etwas öftlih von 
Orfan. Fünfzehn Iudenfamilien. Biel Handel. Blühender Marft. 

Daber*) (Zaher), größte Stadt im ganzen Audelilande, halb- 
wegs zwildhen Ghoder und Beda, nicht auf der höchften Höhe, fondern 
auf einer weftlichen Borterraffe ded Kor, G. Mozaffer genannt, gelegen. 
Der Auffteig von Ghoder nach Daher ift fteil und fteil auch der von 
Daher nach der Höhe des Kor (There und Orfan), die von hier öftlich 
liegt. Etwa 1000 Einwohner. Zünfzig Sudenfamilien. Großer Markt 
und lebhafter Handel. Biele Delmühlen. Hier leben Handiverfer, bie 
Naye find. Alle anderen Bewohner Dobayel. 

Heran, Stadt der Bakſchi, auf einem Abhange des &. Kor. 
Etwa 250 Einwohner. Sechzehn Sudenfamilien. Markt. 

Hafaf, Ortſchaft der Diebi, zwiſchen Orfan und Demani, am 
öftlichen Abhange de G. Kor. Etwa 200 Einwohner. Bierzehn Su- 
denfamtilien. Markt. 

Ardh ed Diebi, unweit Hafaf, Hüttendorf. Drei Sudenfamilien. 

Arieb, Fleined Hüttendorf. Drei Sudenfamilien. 


IX. Shlöffer. 


Bei jeder Stadt und im Mittelpunfte jedes Unterſtammes ein be- 
feftigtes Schloß. Hoſſn Mesmer in Ghoder, H. Motaibel bei There; 
H. Oofeſchi, H. Manfluri, H. Diebi, H. Bakſchi, H. Bigeri, H. To- 
haifi oder Tahifi in den gleihnamigen Stammesgebieten. 

Außerdem noch folgende Schlöffer im Lande zerftreut: Hofin 
Schau i, H. Scha iba, H. Mohadaka, H. el Hafan, H. Hamed el 
Mohaiteni, H. Ber Mortaiba, H. Halm Eſſarr, H. bel Schech, H. 
el Kahur. | 


Tere von den Bent Habab bewohnt. Zaher nennt er eine Stadt der Stämme 
Ketif und Oais. Die genannten Stämme find immer ale Unterftimme der 
Aud bezeichnet. 

*, Schriftarabifch wäre Tſaher. Der Buchſtabe Zfa (oder Tza) ift aber in ganz 
Südarabien durch Dhad verdrängt und zwar nicht nur in der Sprache, fondern 
wird auch in der Schrift fehr oft geradezu an Stelle des anderen gefeßt, fo na- 
mentlich Immer in Daber. 





Politifche Verhältniffe des Audelilandes. 281 


X Politiſches. 


Sultan Mohammed, ben Ahmed, ben Salah, regiert erft feit 
1870, dem Zodesjahre feined Vaterd, Ahmed. Nefidirt in Ghobder. 
Hat nur Bedeutung ald oberfter Kriegdführer. Sonſt ift feine Macht 
ſehr beichränft, ba faft alle Bewohner Dobayel find. eine Quftiz be: 
ſchränkt fich auf ein Schiedörichteramt, das er aber nur dann ausüben 
fan, wenn es den Oobayel beliebt, ihn zu fragen. Das Gotteögericht 
wird im Lande nicht ausgeübt. Kommen zweifelhafte Griminalfälle vor, 
fo geht man nach Dara in Unteryafia,-wo ein berühmter Fenerrichter 
lebt und holt fich dort die Entſcheidung. Alled bleibt jedoch der Blut⸗ 
rache überlaffen. 


Steuern kann der Sultan blos von den Raye und Suden erheben und 
zwar auch nur von denen, die in oder um feine Hauptitadt leben. Die 
Raye und Suden inmitten der Oobayel find Unterthanen der Stämme, 
nicht ded Sultans. Die meiften Städter find übrigens bier aud) 
Dobayel. Die Zahl feiner Soldtruppen beträgt höchſftens fünfzig. 

Mit den Fodli oder Otmani herricht Blutfehde. Im neuefter Zeit 
tft diefe wieder energifch entbrannt. Der Sultan der Fodli verlangte 
nämlich von dem Sultan der Auwadel die Auslieferung eined ihm ents 
Iprungenen Sklaven; da Died verweigert wurde, ſchickte er feinen Vetter, 
Mohader, b. "Abd - Allah, Gouverneur einer Grenzprovinz, um ihn 
mit Gewalt zu holen. Da aber Mohader gefchlagen wurde und fogar 
das Leben verlor, jo find jebt die Auwadel ftark in der Blutjchuld der 
Zodli. Lebtere können ihnen wenig anhaben, denn ihr Land- ift günftig 
für Hinterhalte und die Aumwadel find ehr kriegerifh. Im Kriegsfalle 
gehorchen fie ihrem Sultan gern, da diefer auch Krieger ift und zu den 
Dobayel gehört, nit wie der Wahidi Sultan, den man gewiſſer⸗ 
maßen eine Civilperſon nennen kann (f. oben). 

In Arabien tft immer die Abftammung und die Claſſe, zu der der 
Sultan gehört, im Auge zu behalten. Ein Fürft, der felbft nur oberſter 
Kriegsführer ift, wird dennoch factiich dann mehr Macht haben, wenn er 
perfönlich zu den Dobayel gehört, als wenn er mit diefen nur durch 
Verträge verbunden iſt. Daher denn auch die Macht der Aulaqi-, Fodli⸗ 
und felbft der Audeli-Sultane reelfer tft, als z. B. die der Wahibdi- 
Fürſten. 


2823 Audeltland. 


XL Sitten, Religion u. f. w. 


Alle Auwadel find Schafe'i, üben die Beichneidung am fiebenten 
Zage bei beiden Gejchlechtern, im Ganzen find fie jedoch etwas laxer 
im Glauben, ald die Fodli. 

Merkwürdig tft die Eriltenz der Merafai*) (Pariad). Trotz der 
Beradhtung, unter der fie leben, haben fie doch manche Vorteile. 
Sie zahlen feine Steuern und es gilt für einen Chrenpunft, fie reich- 
lich zur befchenten, wenn fie gefungen haben. Die Pariad fcheinen hier 
gar Fein andered Gewerbe ald das Muficiren auszuüben. 


*) Dad Wort beißt eigentlich „Hochzeitägratulant‘ oder „hochzeitlicher Lob: 
fänger”, wird aber bier für Mufitanten im Allgemeinen, im Speciellen fogar für 
„Trommler gebraucht. 


Achtes Sapitel. 
Yafı'a. 





J. Name. — U. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI. Klima und Bobenerzeugniffe. — VIL Politiihe Eintheilung. — 
VII. Unteryafia. — A. Stämme — B. Städte und Ortfchaften. — 1. Im 
Hochlande. — 2. Im füdlichen Tieflande, nahe bet Abian. — 3. Im öftlichen 
Zieflande (Kaffeediſtriet). — 4. In den weftlichen Senkungen von W. Bonna 
(gleichfalls Kaffeediſtrich. — C. Schlöffer. — D. Politiſches. — E. Juſtiz. — 
F. Gottesgericht. — IX. Oberyafia. — A. Stämme. — B. Städte und Ott: 
Ihaften. — C. Politiſches. — X. Gefchichtliches. — XI. Sitten, Religion ıc. — 
XII Sprachliche Eigenthümlichleiten. — XL Phyſiognomiſches. 


L Rame 


Auch dies ift der uralte Länder⸗ und Stammesname, den wir ſchon 
bei Hamdani (um 900 p. Chr.) finden. Die Form Yafia für das 
Land ift eigentlich nicht ſüdarabiſch, wenigſtens nicht üblich, jondern 
nach Analogie des Schriftarabifchen gebildet. Gewöhnlich jagt man”) 
‚Dafi * ohne a für Land, Volt, Berg u. f. w. 


DI Geographiſche Lage. 


Der äußerſte weftliche Punkt von Yafı a erreicht ungefähr den 450 
öftl. Länge v. Gr., der äußerſte öftl. 450° 50‘, aber Die Ausdehmung 


*) Unfere Karten und Bücher geben gewöhnlich einen falfchen Begriff von Yaft'a, 
indem fie dieſes Land viel zu groß annehmen. Selbft Reifende, ein Wrede und Well: 
fted rechnen Landſchaften hinzu, die entweder nicht mehr zu Yafiia gehören, wie 
Rezaz, Ga'da, nder die niemals dazu gehörten, wie dad Aubellland und ben Sarw 
Madhig. 


284 Lage und Gebirge des Mafi landes. 


nach Often ift ſehr ungleich und erreicht ſüdlich und nördli von der 
größten Länge ded Landes an Stellen nur 45° 20° öftl. Länge v. Gr. 
Im Südweſten erjtredt fid) dad Land bis zu 139% 20' nördl. Breite, 
aber dieſe ſüdlichſte Strecke bis 13% 40° bildet nur einen fchmalen 
Streifen, fat eine Enclave zwilchen Fodli im Oſten und Laheg im 
Weiten. Die compacte Maffe ded Landes liegt zwilchen 13° 40’ und 
149 40' nördl. Breite. 


IL Grenzen 


Im Süden das Fodliland. Im Welten eine Neihe Heiner Staaten, 
die fih von Süd nad Nord fo folgen: 1. Laheg, 2. Haufchebiland, 
3. Amirland, 4. Schaheriland (zum Theil Enclave in Nr. 3), 5. Wieder 
Amirland und zwar Stammesgebiet der Gaud (Gada), 6. Merrais. 
Im Nordweften Reda und Gef. Im Norden das Land der Nezaz. 
Im Oſten fih von Nord nad Süd folgend: 1. Wieder ein Theil 
des Mezazlandes, 2. Audeliland, 3. Ein Theil des Fodlilanded. 


IV. Bodbenerhebung. 


Jene nad) Südweften vorgejchobene, etwa 20 engl, Meilen ich 
hinſtreckende Spitze des YafiIandes, welche zwiſchen 13020’ und 13° 40° 
nördl. Breite und zwilchen Wadis Bonna und Hafan liegt, bildet jo 
zu fagen ein ſüdliches Vorgebirge des Gebel Yafi. Im Often von ihr 
dehnt ſich das Tiefland ſehr weit nördlich im’3 Innere. Dieſes öftliche 
Ziefland, zwiſchen Wadis Solub und Yeramed, ift nach Süden zu 
offen, im Dften vom Gebel Kor, im Norden und im Weften vom 
Gebel Yafı begrenzt. Im Weften von Yafı a ift fein ausgedehntes Tiefland, 
fondern nur eine ſchmale, faft Auftartige Senkung längs des Wadi Bonna. 
Die Hauptmaffe von Yafı'a bildet ein einziges mächtige Hochgebirge, der 
alte Sarw Himyar (Hochland der Himyaren) jetzt einfach das Yafi gebirge 
genannt. Dieſes Hochgebirge, welches nach den Pflanzen und meteo⸗ 
rologiſchen Erſcheinungen auf 6⸗ bi8 8000' Höhe geſchätzt werden kann, 
nimmt wenigftend vier Fünftel von ganz Yafı a ein. Sein weltlicher 
und füdlicher Abfall liegt zum größten Theil noch in Yafia. Sein 
nördlicher Abfall bildet das Land der Nezaz und auch im Nordoſt fallt 


Flüfſe und Bäche im Yafllande. 285 


es gegen den in diefem Lande gelegenen W. Thamat ab. Der höchfte 
Theil dieſer Gebirgsmaſſe liegt im Norden. 

Bon den Namen einzelner Gebirgätheile, deren ohne Zweifel viele 
ipeciell benannt find, wurden mir mur folgende befannt: Gebel Mau- 
fiya, einzelner Berg oberhalb Dara; Gebel Kellet, der ganze Hö- 
benzug bei Dara; Gebel Mohageba, die Hauptmaffe der Berge 
des nördlichen Yafi'a. 


V. Wadis. 


Alle Wadis von Yafia, füdlich der Waſſerſcheide, gehören zu ben 
Alußgebieten der W. Bonna und Haſan, zwilchen deren Syftemen der 
Süden ded Landes gleichſam eingefeilt ift. 

W. Bonna, von deffen Tieflauf Schon bei Abtan im Fodlilande 
die Rede war, entipringt im Nordweften von Yafi'a und zwar außer: 
halb feiner Grenzen, in Ain Schelala*), bei Schaif, unweit Yerim, 
fließt dann erft öftlid und darauf von Nord nah Süd, Anfangs bie 
weftliche Senkung und Grenze von Yafi'a bildend, im Süden aber 
ganz im Yafı territorium, das jedoch auf feiner MWeftjeite nur als ein 


ſchmaler Streif erfcheint, bis nach Chamfer, der füdlichften Yafı -Stabt. 


Nebenflüffe des W. Bonna find: W. Sabjab, tn feinem oberen 
Laufe W. Wallach genannt, bildet die fruchtbare Senkung von 
Chere. .Wadis Chulle, Schara, Serafe, Teem, alle bei den 
gleichnamigen DOrtichaften in den W. Bonna münden?. 

Der W. Hafan führt diefen Namen nur in feinem Tieflauf, in 
Abian, welches jegt nicht mehr zu Yafi'a gehört. Hier haben wir es 
mit feinen beiden nördlichen Seitenflüffen, den Wadis Solub und 
Yeramed, zu thun. Xepterer, vom Kor fommend, berührt eigentlich 
nur ben füdöftlichen Theil des Tieflandes von Yafia. Der W. Solub 
dagegen durchfließt e8 in feinem ganzen Laufe. Cr ift nad dem W. 
Bonna ber wichtigſte Yafl'fluß. Cr kommt aus der Gegend von Dara, 
fließt dann erſt öftlih bis Schewuha und wendet ſich darauf jüdlich, 
um fi an der Südgrenze Yafı a’3 mit dem W. Yerames zu vereinigen. 
Der W. Solub führt jedoch diefen Namen erſt ſüdwärts von Homma, 


*) Ganz nahe dabei entjpringt auch der W. Nura, der weiter ſüdlich 
W. Tobban oder Fluß von Laheg beißt. 


286 Das Hodgebirgs- und Tiefland von Yaft'a. 


wo er aus ben bier fich vereinigenden MW. Roſut (von Dara Toms 
mend) und W. Sarar (von Sarar herabfließend) gebildet wird. 

Andere Seitenflüfle ded W. Solub find: W. Reqab Hadad (von 
Cedara Tommend), W. Lamlan (im Gebiet der Ahl Yufef), W. Naum 
(im Gebiet der Sfaidi), W. Namaga (im Gebiet des gleichnamigen 
Stammes), W. Habba (im Gebiet der Amudi). 

Der ® Sfahab allein, der von Hatab kommt, vereinigt fi mit 
dem Haupifluß erft füdlih vom Zufammenfluffe der W. Solub und 
Yerames, in der Nähe von Scheriya. 

Die Wadis auf der Nordfeite der Wafferfcheide Tommen bier kaum 
in Betracht, da fie nur ihre unmittelbaren Duellen bier haben, indem 
ber ganze nördliche Gebirgsabfall außerhalb Yafı'a liegt. Bon ihnen 
wird beim Lande der Nezaz bie Rede fein. 


VL Klima und Bobenerzeugniffe. 


Nur die allerfüdlichite Spike, die Gegend um Chamfer, hat nod) 
Küftenklima, iſt aljo faft regenlos, aber in ihrem ebenen Theile nicht 
unfrudhtbar, da diefer am Bewäſſerung ſpendenden W. Bonna liegt. 
Diejer Theil gehört topographiich zu Abian. 

Das ganze übrige Land hat dad tropifche Regenklima, ift alfo 
überall fruchtbar, wo nicht felfige Bodenbeichaffenheit die Entwidlung 
einer namhaften Pflanzendede hindert. Dies fcheint in einzelnen Ge- 
genden der Fall zu fein, aber doch nicht in auögedehnten. Die rela- 
tive große Höhe von Oberyafia tft doch nirgends der Art, um 
der Entwidlung von Nüplichkeitspflanzen abjolut binderlich zu fein. 
Diefelben find natürlich fpärlicher und nordifcher, aber wo fie gänzlich 
fehlen, trägt nur der Felsboden, nicht die Höhe die Schuld, denn 
in dieſer geographifchen Breite gedeiht felbft noch bei 8000'° Höhe 
eine reichliche Pflanzendede, wenn die Bodenverhältniffe günftig find. 

Wir Finnen Yafi'a in Bezug auf Bodenproducte in drei Zonen 
eintheilen, das heiße Tiefland, das Mittelgebirge und das Hochland. 

Das audgedehntefte Tiefland bildet die nördliche Fortfegung von 
Abian, die Gegend zwiichen W. Solub und Yeramed. Died tft der 
oͤſtlichſte Kaffeediftriet in ganz Arabien; die an Kaffee reichite Land⸗ 
ſchaft Liegt bei den Drten Schewuha, Mirza und Tozze, jeber einige drei 
Stunden vom anderen entfernt und am W. Solub gelegen. Seder der drei 


Das Öftlichite Kaffeeland von Arabien. 287 


Orte liegt an der Mündung eined gleichnamigen Wadi in dem W. 
Sohib. Doc reichen die Kaffeepflanzungen in alle drei Geitenthäler 
ziemlich weit hinein und find überhaupt bier veichlicher, ald am Haupt: 
wadi ſelbft. Noch öftlicher liegen die Kaffeepflanzungen von Ahl ben 
Rahgi und Orqa, die ſchon vom Kor bewällert werden. Das gün- 
fügfte Terrain fcheint in dem Theil des Tieflandes, der unmittelbar am 
Rordfuß der hohen Yafı'berge liegt. 

Außer diefem amdgedehnteften Kaffeediftrict gedeiht jedoch dieſe 
Rubpflanze noch in allen Senkungen länge dem Wadi Bonna und 
jemen und des Wadi Solub Seitenthälern. Namentlich die Gegend 
von Chere am W. Wallach ift reich daran. Merkwürdig tft, daß Kaffee 
jelbft in den ſchon hochgelegenen Thälern um Dara vorlommen fol, 
mr nicht auf einem Berge, eben jo wenig wie in einer ganz flachen 
Ehen. So finden wir 3 B. einen Theil des Tieflandes, den ſüd⸗ 
lichſten, der zwiſchen dem SKaffeediftrict von Schewuha und Abian 
liegt, als ein wüſten⸗ oder fteppenartiged Land und dennoch wird auch 
er vom W. Solub durchzogen. Man nennt ed die „Wüfte der Mes 
ſcheli', auch „Wüfte Merzaf" genannt; dies erflärt fi wohl nur das 
dadurch, daß das Meſchekiland ſchon Küſtenklima, folglich keine tro⸗ 
piſchen Regen hat und die Einwohner, als bloße Viehzüchter, keine 
Bewäſſerungsanſtalten machen, wie die fleißigen Bewohner von Abian, 
ihre ſüdlichen, unter ganz gleichen Flimatifchen Bedingungen lebenden 
Nachbarn. 

Das Mittelgebirge trägt hier und da Baumwolle, Indigo, ſonſt 
mehr Seſam, Durra, Dochn, wenig Weizen, dagegen viele Obftarten, 
Bein, Pfirfiche u. ſ. w. Dattelpalmen nur in fehr geringer Zahl. 

Im Hochgebirge ift vortreffliches Weideland, namentlih wächſt 
bier reichlich ein wilder Klee, ein vortreffliches Kameelfutter. Hier 
findet fi) auch Safer und Gerfte, ſonſt in Südarabien felten. 

Duellen jollen in diefem Gebirge verhältnißmäßig wenig jein, ver- 
Ihieden hierin vom quellenreihen ©. Kor. Die Speiſung der Wabid ge 
ſchieht hauptſächlich durch die teopiichen Regen. Das Hochland iſt des⸗ 
halb für den Trinkbedarf auf Eifternen angewiefen, die jedoch bei den 
nie ausbleibenden Sommerregen ftet3 reichlich verforgt find. Im Tief 
lande dagegen behält man durch Aufftauung der Wadis faft für's ganze 
Fahr Flußwaſſer. Brunnen follen nicht viele fein. 


290 Städte und Örtichaften im Nafi lande. 


öftlich von Dara und direct oberhalb des Kaffeediftricts, zunächſt Tozze 
und Mirza gelegen. Etwa fünfzig Einwohner. Der Name deutet auf 
Juden, die in früheren Sahrhunderten bier gelebt haben mögen. Dept 
find im engeren Yafi’a_ keine Suden. Etwa ſechs Steinhäufer, jonft 
Hütten. 

Habba*),, Hüttendorf am gleichnamigen Wadi zwiſchen W. Eolub 
und Dara, gehört dem Stamme der Amudi. 

Shelale, Hüttendorf mit einigen Burgen, zwei Stunden bergab» 
wärtd von Dara. 


Homma, am Zufammenfluffe der ®. Serar und Rofut, Hütten- 
dorf mit zwei Schlöffern. 

Medinet Telez**), auch Zelez geſprochen, eine ftarfe Tagereiſe 
im Nordoften von Dara, fehr hochgelegen, von Vielen ſchon zu Ober: 
yafı'a gerechnet, zu dem es topographifch gehört. Politiſch ift aber bier 
die Herrichaft des Sultand von Unteryafi a vorwiegend, obgleich die 
Beziehungen zu Oberyafi a noch nicht aufgehört Haben; genießt übrigens 
eine gewiffe Unabhängigkeit unter einem eigenen Akel, Mtegna (Mie- 
tennia) Atif mit Namen. Diefer fol fih noch ald Verbündeter von 
Dberyafi a anfehen, aber factiih Vaſall von Unteryafi a fein. Kara= 
wanenftation zwiſchen Beda und Dara. 

Sugq el Had, vulgo einfah „el Had*, d. h. Sonntagsmarkt. 
In nächfter Nähe von Medinet Telez, fo dab es oft mit diefem ver- 
wechfelt wird. Größter Markt des Nordoftens von Yafl'a und an Sonn⸗ 
tagen jehr befucht, übrigens blos ein Hüttendorf. Auch diefer Ort wird 
oft zu DOberyafi a gerechnet. In Aden hörte ich fogar „el Hab“ als 
Hauptftadt von Oberyafi a bezeichnen ***), jedenfalls unrichtig, denn ein- 
mal ift es feine Stadt und zweitens fteht es zu Oberyafi'a in dem- 
jelben mehr traditionellen Verhältniffe wie Medinet Telez und ift, ebenfo 
wie leßtered, politifch mehr von Unteryafi'a abhängig. 


*) Habba bei Hamdant Ortfchaft des Stanımed Anfur. 

“) Dad Wort ift eigentlich Theletd, ein Name, der von der Zahl „drei“ ab: 
geleitet ift, wahrfcheinlich mit Beziehung auf den „dritten” Wochentag (Dienstag), 
an dem bier ein Markt abgehalten wurde. 

“r) Selbit Leute, wie der Sultan von Laheg, begingen diefen Irrthum, ein 
neuer Beweis, wie wenig man von den Nadybarn eined Landes über dieſes er. 


fahren Fann und wie nothwendig einheimifche Suformanten, d. h. aus dem engeren 
Gebiete, find. 


Städte im Tieflande von Yafl a. 291 


2. Sm ſüdlichen Tieflande nahe bei Abian. 7 

Chamfer*) (arabiih Chanfer geſchrieben, Chamfer geiprochen, nad) 
der engl. Aufnahme v. 1872 unter 130 12° 30” nördl. Breite und 450 19 
öftl. Länge v. Gr.), größte und zugleich füdlichfte Stadt im Tieflande, letzter 
Ort, ber den Yafi'i von Abian geblieben ift. Iſt jetzt faft ganz im Fodli⸗ 
gebiete enclavirt Nördlichfter Punkt, den die Europäer von Aden aus der 
Jagd halber zu befuchen pflegen. Einige vierzig Steinhäufer. Feſtes 
Schloß, Eitadelle mit Yafi'gamifon. Etwa 150 Einwohner. Lebhafter 
Markt. Biel Verkehr. Die Bewohner find nur politiih, nicht genen- 
logiſch zu den Yafı't zu rechnen. Sie find echte Städter, ohne Stam⸗ 
meßtradttionen, ihrer Stellung nad Raye ded Sultand von Dara. 

Hoſſn Scheriya, etwa drei Stunden nördlih von Chamfer am 
W. Solub. Altes himyariſches Schloß. Hier follen Inſchriften ſein. 
Nie von Europäern befucht**). 

3. Im öftlihen Tieflande (Kaffeediftrict). 

Schewuha, jüdlihfte Stadt im Kaffeediftrict, im W. Solub und 
feinem nördlichen Seitenthale, W. Schewuha, etwa anderthalb Tage⸗ 
reifen oberhalb Naab und Bab el Felaq, erfter fruchtbarer Land- 
fteich nördli der Meichefifteppe. Die Häuſer liegen in den Pflan- 
zungen zerftreut, nur etwa zwanzig bilden eine compacte Gruppe. 
Stamm Keſadi, Abtheilung der Yazidi. Hat einen eigenen Sultan 
vom Keſadigeſchlecht. Bon bier ftammt aud die Dynaftie von Mas - 
falla, el Keſadi, an der Südküfte unterhalb Hadramant. Der Nekib 
von Makalla und der Sultan von Schewuha find Bettern. 

Mirza, drei Stunden weitlid von Schewuha, am Zufammenfluß des 
W. Mirza mit dem W. Solub. Etwa 15 Steinhäufer bilden die „Stadt“, 
die anderen Häufer find in den Pflanzungen des W. Mirza zerftreut. 

Tozze‘, etwa 3-4 Stunden weftlich von Mirza, am Zufammen- 
fluß des W. Tozze mit dem W. Solub, am Fuß der Berge von 
Dara, von welder Stadt es nur 3 Stunden entfernt iſt. Größte 
Stadt im Kaffeediftrie. Etwa 200 Einwohner. Zwei Stämme, die 


*), Bei Hamdani ald Medinet Chamfer angeführt. Bewohner waren damala 
d’e Afibahin (wohl die heutigen Sfobehi) und die Beni Mohaid, die ohne Zweifel 
der Ebene Mehaidan den Namen gaben, welche dicht bei Chamfer ihr Oftende hat. 

”r) Died ift der nördlichfte Punkt, von deſſen ungefährer Rage die Adener 
Engländer überhaupt nur etwas gehört hatten. Ein engl. Offizier, Lieutenant 
Dwen, hat zuerft auf H. Scheriya aufmerkſam gemacht. Die Infchriften werden 
bezweifelt. 

19* 


292 Der Kaffeediftrict von Yafla. 


Ahmar und die Ahl Ba Gil’gella, jeder mit mehreren feſten 
Schloſſern. 

Der Weg von Schewuha nach Mirza und von Mirza nach Tozze 
führt durch das Thal des W. Solub, obgleich die Route über die 
Bergeszüge, welche die 3 Seitenthäler trennen, topographiſch näher wäre. 
Sie iſt aber zu ſteil. Uebrigens liegen in jedem der drei Seitenwadis 
die Kaffeepflanzungen auf weitem Raume zerſtreut und ſtrecken fi 3—4 
Stunden in's Innere der Thäler hinein. 

EI ’Orga*) (vulgo Orga gefprochen) auch im Tiefland, öftlich von 
Schewuha, Heine Stadt der Ahl ben Nahgi. Etwa 10 Steinhäufer 
mit 50 Einwohnern bilden die „Stadt". Viele Häufer in den Pflan- 
zungen zerftreut. 

Dhi Nahab**), Hüttendorf mit einem Schloß im Tiefland der 
Ahl ben Nahgi. 

Soleb***), Schloß am W. Solub und Hüttendorf. 

Mit Ausnahme des lehteren haben alle die obenerwähnten Drte 
ausgedehnte Kaffeepflanzungen. 


4. Sn den weftliden Sentungen am W. Bonna (gleich— 
falls Kaffeediftricte). 

Ehulle, Stadt am W. Bonna. Schlöffer. Etwa 100 Ein- 
wohner. inige Iudenfamilien. n 

Serafe, dicht bei Chulle, am W. Serafe und W. Bonna. 
Städtchen mit Schlöſſern. Etwa 80 Einwohner. Einige Juden. 

Cheſre, Stadt im höchſtgelegenen Kaffeediſtrite am W. Wallach, 
Seitenarm des W. Bonna, zwiſchen dieſem und Oara. 3 Stein— 
häuſer, ſonſt Hütten. Häuſer in den Pflanzungen zerſtreut. 

Scha'ib) Ortſchaft an der Weſtgrenze. Einige Schloͤſſer, ſonſt 
Hütten. Etwa 50 Einwohner. Markt. Juden. 

Teemfp, Ort der Yahlrri, wird auch von Abtheilungen der 
Gaud (Ga da) bewohnt, die nicht Yafii find. Aeußerfte weltliche Stadt ; 


— — — — 





*) Orqa bei Hamdani, Ortſchaft der Ahgur. 

**) Hamdani erwähnt Du Nachab, Ortſchaft der Chabr oder Gabr. 
*xx) Soleb bei Hamdani, Ortſchaft der Chabr oder Gabr. 

F) Bei Hamdani iſt Schiib ein Stamm, der in Yahor wohnt und Scha'b 
eine Stadt der Bent Schimi (Semi). Doc dürfte Scha’ib der von Hamdani ge- 
meinte fein, nicht das obengenannte Scha’b el Yahud. 

Tr) Teem oder Taim bei Hamdani in Daftia erwähnt. Stamm nicht angeführt. 


Unter- Yafı a. 293 


gehört nur nominell zu Unter-Yafia, ift factifch unabhängig. Der 
Sultan von Mar nannte mir Teem ald einen eigenen Fleinen Staat. 
Andere fagten aus, daß ed unter den Amir ftehe. Beides kann richtig 
fein, denn die dort wohnenden Gaud, die ja zu den Amir gehören, 
dürften auch deren Autorität anerkennen, die Yahirri dagegen unab- 
hängig fein. 

Bei allen diefen Orten wählt Kaffee, jedoh nicht in fo aus- 
gedehnten Pflanzungen, wie im öftlichen Tieflande. 


C. Schlöſſer. 

Folgende Schlöffer wurden mir als in Unter-Yafi a gelegen. be- 
zeichnet: Hoffn Sfaide, H. Schemi, H. Amudi (diefe 3 in den gleich. 
namigen Stammedgebieten), H. Deref, H. bel Haſan, H. bu Bekr cl 
Ghaleb, H. Mohaffin ben Ali, H. Shalib "Alt, H. "Ad*), H. Salem, 
H. Beni Raſcham, H. bu Bekr abu Kerim. 


D. Politiſches. 


Ahmed Ali el Ghaleb el Afifi, officiell Sultan von Unter-Yafi a, 
gewöhnlich aber nur Akel (Schech) von Dara genannt, am beften be- 
fannt unter dem Gejchlechtönamen ‚el Afift,“ vom Stamme der 
Kellet oder Beni Dajed, beherrſcht mit Macht und Energie den größten 
Theil von Unter-Yafia. Im Südweften, von Chamfer an, in ben 
Senkungen am Wadi Bonna (mit Ausnahme von Teem) und im ganzen 
Hochland iſt feine Macht faft abfolut, d. h. ohne Raye zu fein, ftehen 
die Stämme doch tn viel directerer Weile unter feiner Herrichaft, als 
Dobayel anderer Gegenden unter ihren Fürften. Cr erhebt Steuern, 
den Zehnten von allen Bodenerzeugnifjen, von Getreide und Baum: 
wolle nad dem Maaß, von Kaffee und Tabak nad) dem Gewicht. In 
den Städten diejer Gebiete hält er kleine Garnifonen. In Dara bat 
er zwei, in Chamfer eine Kanone. Biele Soldtruppen, die gelegentlich 
aufgeboten werden, nicht regelmäßigen Dienft verrichten. Der ganze 
Heerbann fol, wenn aufgeboten, 25,000 Mann betragen. Doch geſchieht 
da8 Aufgebot in 5 Slaffen, deren legtere nur im äußerften Falle heran⸗ 
gezogen werden. 


*) Gewiß ein merfwürdiger Name, ber an bie Aditen erinnert! 


294 Macht des Sultans von Unter - Yafta. 


Das öftlihe Tiefland, der Kaffeediftrict, ift zum Theil unabhängig 
unter eigenen Sultanen. Doch auch bier macht ſich der Einfluß des 
Afifi oft geltend, namentlih da er in religiöfer Beziehung eine 
große Autorität bildet. Teem und das Mefcheli-Land find ganz un- 
abhängig. 

Mit England find die Beziehungen freundjchaftlich, obgleich Die 
Yafli fehr wenig nad Aden kommen. Sie find eben fein wander- 
Iuftiges Boll, Der Afıfi befonmt fein regelmäßiges Sahrgeld, wohl 
aber faft alljährlich Geldgeichenfe, man fagte mir, felten unter 600 
M. Th. Thaler. Mit den Nachbarn berricht jebt Friede. Der ein- 
zige agreffive Zeind, die Fodli, die den Yaftt ihre fchönften Provinzen 
entriffen haben, jcheinen jet dur England zur Ruhe gezwungen. 


E. Sufti;. 

Der Afıfi übt ein ftrenged Regiment. In dem ihm unmittelbar 
unterworfenen Gebiet müſſen fogar viele Dobayel fi) feiner Juftiz 
fügen, die jedoch allgemein als eine gerechte und nicht wie die anderer 
Sultane willfürlich deöpotifche bezeichnet wird. Im den Städten werden 
fogar Gebet und Falten polizeilih eingeſchärft; den Webertreter trifft 
Prügelftrafe. Der Afifi halt einen Scharfrichter, einen gewiſſen Aud 
Mufta, der jedoch nur die Befugniß hat, Dieben die Hände abzu— 
ſchneiden, wofür er jedesmal 5 M. Th. Thaler Vergütung erhält. Das 
Handabfchneiden findet ſchon nach dem erften Diebftahl ftatt. Die 
Strafe für Mord wird, unter Aufficht der Obrigfeit, von den Ver- 
wandten des Crmordeten ausgeübt (wie in Maroflo). Cntflieht der 
Mörder, jo wird fein nächſter Verwandter bingerichte. Die Betheilt- 
gung der Obrigkeit ıwerhindert fo das übermäßige Umficdhgreifen der 
Blutrache. Keuſchheitsſünden werden fehr ftreng, meift mit dem Tode 
beftraft. 


F. Gottesgericht. 

Der Afifi ift der berühmtefte „Gottesrichter” und „Feuerrichter” 
dieſes Theild von Südarabien. Nicht nur die Yafıt, ſondern alle Nach- 
barvölfer (mit Ausnahme der Fodli, die ihren eigenen Feuerrichter 
haben) verehren ihn in diefer Eigenſchaft und wenden ſich in zweifel- 
haften Zällen an ihn. Fällt in diefen Ländern ein Mord vor, deſſen 
Thäter nicht durch hinlängliche Zeugenaudfagen ermittelt tft, jo heißt 


Das Gottesgericht u. die Feuerprobe in Yafia. 295 


es: „Sehen wir zum Afıfi nad Dura!“ Der Verdächtige muß dann 
feine Anfläger begleiten. Weigert er fih, fo gilt er für überführt. Es 
ift Died dann wie eine Wallfahrt. Beiläufig gefagt, jcheint dies auch 
der einzige Grund, warum überhaupt Fremde nad) Dara gehen. Alle 
Nicht-Yaftt, die in Dara gewefen waren, welche ich Tennen lernte, hatten 
nur zu dieſem Zwed die Reife gemacht. _ 

Als „Zeuerrichter" wendet der Afıfi die Probe ganz auf diejelbe - 
Weiſe an, wie der Sultan von Mar*) im Fodliland, nur mit etwas 
mehr Hokuspokus und Feierlichkeit. Es wird einem fchauerlich dabei 
zu Muthe“, fagten mir Leute, die Augenzeugen geweſen waren. Außer 
diefer Probe ſoll er aber noch andere, viel wunderbarere anwenden. Er 
fteht im Rufe, eine Schlange in der Weiſe bezaubern zu Tünnen, daß 
fie den Mörder unabläjfig verfolgt und durch ihre Nähe verräth. 

Eine andere Probe: Er nimmt einen mit heiligen Sprüchen be- 
Ihriebenen Waſſerſchlauch, blaft ihn auf und befichlt, daß der Leib dee 
Schuldigen ebenfo aufgeblafen werde; deffen plögliche Dickleibigkeit vers 
räth die Schuld. 

Will gar nichts anderes helfen, jo ruft er die Verſammlung berbet, 
läßt alle auf die Erde niederfigen, Ichlägt einen Nagel unter Gebeten in 
die Erde und murmelt ein Gebet, daß er den Schuldigen feftnagele. Dann 
ruft er „Kumu!* (ftehet auf). Alle thun ed, nur der Schuldige Tann 
ed nicht. Er ift durch den Nagel gebannt. Diefe Probe foll man 
nur Dann anwenden, wenn mehrere Verdächtige find. 

Sit die Schuld ermittelt, jo überläßt der Sultan die Hin- 
richtung den Verwandten des Crmordeten. Diefe kann gleich ftatt- 
finden, wenn der Mörder aus dem Lande ift. Sft er ein Sremder, fo 
wandern jedoch feine fünftigen Bluträcher friedlich mit ihm in die Hei⸗ 
math, und erft dann beginnt das Rächeramt. Das Blutgeld (die 
Diye) wird nie genommen, außer von Denen, die man „Schwache“ 
nennt, d. h. die nicht zu einem kräftigen Stanıme gehören. Sie zu 
nehmen, gilt für Schande. 

IX, Dber:Yafi'a. 
A. Stämme. 


Da Ober-Yafi'a eined der wenigen Länder tft, von dem ich auch 
nicht einen Eingeborenen fennen lernen Tonnte, jo beſchränken ſich meine 


®) Dan ſehe oben fünfte Gapttel, XIIL 


296 Stämme und Ortichaften in Ober-Yafla. 


Stammeönotizgen (und weiter unten Ortsangaben) auf folgendes 
Menige: 

1. Moſeti wohnen bei der Stadt Mofeta im äußerſten Norden. 

2. Meflehi wohnen in und um Balja an der Weftgrenge. 

3. Cholagi am Wadi gleichen Namens. 

4. Ahl Yazid zwiſchen Medinet Telez und Sefal. 

5. Dhobbi, ein großer Stamm, joll 4000 ftreitbare Männer 
haben (?), in der Gegenb von Mofeta und an der ganzen Nordgrenze. 

6. Dhi Zora. 

7. Be’ oft, vulgo Beöft geiprodhen. 

Ueber den Wohnſih der zwei letzteren Stämme konnte ich nichts 
Beſtimmtes erfahren. Man rechnet ſieben Stämme; ob aber meine 
Liſte gerade die ſieben Hauptſtämme giebt, oder ob darauf Unterſtämme 
vorkommen und Hauptſtämme fehlen, weiß ich nicht. 

Die Oberen Yafi't führen übrigens den Geſammtnamen Mo- 
hagebba. 


B. Städte und Ortſchaften. 

Atara (ich hörte auch Antara), eine der Hauptſtädte, Sitz eines 
mächtigen Akel. Einige Schlöffer, Markt und temporärer Bafar in 
Zelten. Seine Juden. 

Mojeta, imNorden, Sig des Akels der Dhobbi. 3 Stunden von 
Atara entfernt, fehr body gelegen. Etwa 100 Einwohner. Einige Schlöffer. 

Sefal, foll die größte Stabt in Ober-Yaft'a fein. Etwa 200 
Ginwohner. Juden wohnen nur zur Marktzeit bier. Der Markt ift 
der lebhaftefte im ande. 

EL’ Drr*) (vulgo Orr geſprochen), Hüttendorf mit einigen Schlöffern, 
an der Nordoftgrenze nahe dem Nezaz-Lande. Berühmt durch die bier 
gefochtene Schlacht, durch welche die Rezaz ihre Unabhängigkeit von 
Yafia erlangten. 

Raſſa, Stadt im Nordwelten. 

Geruba, zwiſchen Rafja und Mofeta. 

Yahor**), im Nordweſten am Wadi gleichen Namens. 

Dhi Zora, fol ein Feiner Ort bei Mojeta fein. 


*) Bet Hamdant ift el ‘Orr eine Stadt des Stammes Adan. Diefer Stamm 
wohnt im fehr nahe gelegenen Rezazlande. 
"*, Bei Hamdant ein Drt der Bent Scha’ib. 


Staat und Geſchichte der Yafti. 297 


C. Politiſches. 


Keine einheitliche Regierung, wie in Unter⸗Yafiſa, fein gemeinfamer 
Sultan. Der Akel von Atara, "Ali Asker, el Mohagebbi, 
gilt für den mädhtigften Stammesfürften und wird zumeilen auch 
Herrſcher von DberYafiia genannt. Ihm gleih an Macht ſoll jedoch 
ber Akel von Mofeta, Sſalah, ben Ahmed ed Dhobbt, fein. 
Jeder der fieben Hauptftämme hat außerdem feinen "Afel, der von ben 
anderen unabhängig ift. 

So find die Ober-Yafi t, wenn auch tapfer und Friegsluftig, doch 
durch Zerfplitterung ohnmächtig Sie haben übrigend vom Außdlande 
Rube, da ihr unwirthſames Hochgebirge feinen Eroberer reizt. Mit 
England beftanden bis jept feine politiichen Verbindungen. Im Sabre 
1871 erwartete man aber Leute aus DOber-Yafia in Aden, bie foldhe 
anfnüpfen follten. Man wollte wenigftend einen Handelöverlrag zu 
Stande bringen. Die Dber-Yafit verlaffen faft nie ihe Vaterland. 


X. Geſchichtliches. 


Die ältefte Gefchichte der Yafıt fällt zufammen mit der ber Hi- 
myaren, zu denen fie unzweifelhaft gehören. 

Im Mittelalter bildete Yafiſa mehrere Sahrhunderte hindurch einen 
Beftanbtheil des Reiches der Imame von Yemen, dem es durch Erobe- 
rung einverleibt wurde. Aus dieſer Zeit ftammt der Irrthum, Yafıa 
als einen Theil von Yemen zu hezeichnen, was ed nur politifch, nicht 
topographiich war”). Aber die Yafit widerftrebten in Allem der Herr- 
Schaft von Yemen, befonderd da ihnen, als Schafet, die Religion der 
Imame, die alle Zaidi waren, in den Tod verhaßt war. Nur fo lange 
die Macht der Imame auf dem Gipfelpunkt ftand, vermochten dieſe 
Yafia zu halten. Die Epoche der Befreiung Yafia’8 vom Joch der 
Imame tft e8 mir nicht gelungen, genau zu ermitteln. Ich habe jedod) 
allen Grund, fie in das erfte Drittheil des vorigen Jahrhundert zu 
verſetzen. Zur Zeit von La Grölandiäre'3 Geſandtſchaftsreiſe (1712) 


*) Der W. Bonna muß als die Oftgrenze von Süd⸗Yemen angefehen werben. 
Hier ift natürlich nicht vom fogenannten „Demen im weiteren Sinne” (ganz Süd» 
rabien) die Nede, ein Begriff, Der übrigens nur im Gehirn von Nordarabern leben 
konnte, in Südarabten aber unbelannt blieb. 


298 Gefchichtliches über Yafia. 


war nämlich noch Dhamar die Hauptftadt der Zatdidynaftie”). Da dies 
fehr nahe bei Yafl'a liegt und das Reich der Imame damals nody 
mächtig war, jo ift wohl kaum zu glauben, daß fie eine rebellifche 
Provinz in ihrer nächften Nähe geduldet haben würden. Bald darauf 
wurde die Hauptftadt nad) Sfana verlegt. Als Niebuhr**) diefes bee 
ſuchte (1763), Tonnte er dort, wie überhaupt in ganz Yemen, nicht 
einmal etwas Zuverläffiges über Yafıia erfahren. Der Abfall vom 
Neid) mußte alfo ſchon vor einem Menfchenalter ftattgefunden haben. 


Nach feiner Befreiung vom Joch der Imame muß Yafl'a eine Zeit 
lang als eine große, audgedehnte, unabhängige Provinz dageftanden 
haben. Es umfaßte damald außer Ober: und Unter-Yafia noch das 
ganze Nezazland, einen Theil des Fodlilanded, ganz Abian bis nad) 
Laheg und wahrſcheinlich auch noch das Land der Gaud, die ja im 
Altertum auch zu den Yaflt gehörten. Aber es trug den Keim ber 
Zeriplitterung in feiner Uneinigkeit. Die Fodli vergrößerten fich im 
Südoften bereit im vorigen Sahrhundert. Die Rezaz müflen fich ſehr 
bald unabhängig gemacht haben, denn fchon Niebuhr***) erwähnt eine 
Landichaft diefed Namend. Da nun der Name Rezaz dynaftifch ift 
und erft dadurch auf die Landichaft überging, daß diefe der Rezaz⸗Dy— 
naftie ihre Befreiung verdanfte, fo ift dad Vorkommen deffelben, als 
eined Ländernamend, ein deutlicher Beweis, daß die Losreißung des 
Rezazlanded von Yafıa fhon vor 1763 ftattgefunden haben muß. 

Mann die Gaud fich loögeriffen, werben wir bei Beſprechung des 
Amirlandes anzudeuten verfuden. 

Sp war Yafia bereits im vorigen Sahrhundert faft um die Hälfte 
fleiner geworden. In diefem ftand ihm dann noch der Berluft feiner 
Schönften Provinz, Abian, bevor. Noch bi8 zum Sahre 1837 hatten die 
VYafii das Küftengebiet in einer Ausdehnung von 60 engl. Meilen 
inne. Davon eroberten in dem genannten Jahre die Fodli zwei Dritt- 
theile und ließen ihnen nur den weftlichiten Theil des Küftenlandes um's 
Ras Sailan. Im Jahre 1858 verloren fie auch diefen legten Reſt 
und wurden jomit ganz von der Küfte abgeſchloſſen. 

”) Bei Ritter Erdfunde XI. ©. 740, 


**) Niebuhr, Befchretbung von Arabien S. 281. 
“) Niebuhr, a. a, O. ©. 282. 


Sitten und Gebräuche der Yaft'völker. 299 


XL Religion, Sitten w f. w. 


Ale Yafii find Schafe i. Zaidi follen im Lande gar nicht ge 
buldet werden. DBejchneidung beider Geſchlechter am fiebenten 2e- 
benstage. 

Kleidung: fehr einfach, Lendentud) und Kopfbund. In Ober: 
VYafiſa wird das Lendentuch ganz Fein getragen. Bei der ftrengen 
Winterfälte hüllen fich die Leute in Thierfelle, namentlih Schafhäute, 
Girrem genannt. Gefichtöfchleier bei Frauen unbelannt. 

Getränfe: Kaffee wird im ganzen Lande getrunfen und zwar 
der wirflihe Kaffee (Benn*) der Abjud der Bohnen, nicht wie im 
Ziefland der Abfud der Hülſen (Giſcher). Man trinft aber den 
Kaffee niemald rein, fondern mit Mil"). 

Waffen: Die Waffen find diefelben wie die oben bei den Fodli 
bejchriebenen. 

Ein eigener Gebrauch, den aber auch einzelne andere Stämme 
haben, ift der, für jeden Getödteten einen Heinen goldenen Nagel dem 
Griff der Gembiye einzufügen. Ie mehr Nägel, defto größer die Ehre. 
Man fieht ftreng darauf, da Niemand fich ein ſolches Ehrenzeichen 
unverdient beilegt. Zu jedem Nagel gehören Zeugen. Ich fah ganz 
junge Yafti, deren Gembiye ſchon 6 folder Nägel hatte, lauter Zeug⸗ 
niffe von Tödtungen, die fie felbft vollbracht hatten. Wer eine folche 
Gembiye erbt, muß die Nägel entfernen. Niemand barf fi) mit 
fremden Federn ſchmücken. 


XD. Spracliche Eigenthümlichkeiten. 


Die oben bei den Diebi erwähnten ſprachlichen Reminiscenzen des 
alten Sabäiſch⸗Himyariſchen finden wir in noch ausgedehnterem Grabe 
bei den Yafli erhalten. Doch ift auch ihre Sprache jet centralarabiich 
und die Sdiotiömen koͤnnen nur als provinzielles Beiwerk zu dieſem be- 
zeichnet werden. Bon einer eigenen „Sprache“ ift nicht mehr Die Rebe. 








*) Benn beißt eigentlih Bohnen, Dahwa das Getränk. In Südarabien jagt 
man aber auch für leptered Benn. 

”"), Diefe Sitte beiteht bet allen Landbewohnern in den Kaffeediftricten Süd⸗ 
arabiend. 


300 Geſichtstyphus der Yafl völfer. 


ZIIIL Phyſiognomiſches. 


Die Yafiſi haben, wie alle Himyaren, ſchön geformte, edelgebildete 
Züge, entweder gerade oder habichtartige Nafen (nur felten ftumpfe), 
dunkle, feurige Augen, fchwarzes, fehr Eraufes Haar. Sie find beinahe 
ſchwarz von Hautfarbe. Das Bergklima bleidht alfo die Haut nicht. 
Die Schwärze ift eben himyariſch. Sie neigen zur Magerfeit. Ihr 
Bart tft nicht fo fpärlih, wie der der himyariſchen Tieflandbewohner. 
Sch ſah bei ihnen ziemlich ſtarke Badenbärte, was fonft in Arabien 
eine große Seltenheit. Die Alten tragen den Bart „en Collier‘ und 
wenn diefer weiß ift, nehmen fich ihre ſchwarzen Gefichter dabei wirklich 
ein bischen pavianartig aus. Die jungen Männer find oft von großer 
Scönbeit. rauen fah ich feine. Sie verlaffen nie ihr Land. 


Neunted Capitel. 


Rezaz. 





I. Name. — IL Geographiſche Lage. — II. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 

V. Wadie. — VL Klima und Bodenerzeugniffe. — VII. Mineralquelle. — 

vi. Stämme. — IX. Städte und Ortichaften. — X. Politiſches. — XI. Juſtiz. 
— XI, Blutrache. — XIII. Sitten, Religion u, |. w. — XIV. Parias. 


L Name. 


Der Name Rezaz tft dynaftiich und wahrfcheinlich neuer, als andere 
Dynaftiiche Namen, wie Fodli und Aulaqi, etwa ein Sahrhundert alt. 
Borber wußte Niemand etwas von einem Volle ,‚Rezaz.“ Das Bolt 
ift genealogiſch ein Theil der Yaflt, und Bat feinen heutigen Namen 
von Ba Omm Rezaz, dem Kriegsführer, welcher feinen Befreiungd- 
fampf gegen Yafia anführte und in der Schlacht bei el Orr befiegelte. 
Da feine Dynaftie feitdem berrjchte, fo erhielt Voll und Land von 
ihr den Namen*), wie died im neuerer Zeit in Südarabien oft 
vorkam. 


‚Oo Geographiſche Lage. 


Wir müſſen hier zwei topographiſche Gruppen unterſcheiden, näm⸗ 
lich den Hauptitod ded Landes, der fih im ganzen Norden von Yafi a 


» Wir fehen fomit in Arabien ganz etwas Aehnliches, wie in Deutfchland. 
Auch wir haben Ländernamen, wie Baden, Würtemberg, die ausſchließlich dyna⸗ 
ftiich find, daneben folde von Bolleftämmen wie Sachſen, Baiern, die jept 
nue noch Thellen der Länder gegeben werden, die ſie urjprünglich trugen, ganz 
wie der Name Varta. 














302 Ausdehnung u. Beſchaffenheit des Nezazlandes. 


hinſtreckt und einen jüdöftlichen Ausläufer, der fi etwa um einen Grad 
ſüdlicher hinzieht, als die größere compacte Ländermaſſe. Dieſer ſüd⸗ 
oͤſtliche Ausläufer beginnt im Süden nahe an 140 20 und erſtreckt ſich 
etwa bis 15° nördl. Breite bei einer Längenausdehnung von 45° 50 
bis 46° 20° öftl. Länge v. Gr. Der nördliche Hauptſtock ded Rezaz⸗ 
landes liegt ungefähr zwiichen 45° 50° und 45°, ja felbft an einzelnen 
Stellen erreicht er 44° 50° öftl. Länge v. Gr., bei einer verhältnimäßig 
ſchmalen Breitenausdehnung von 14° 40° an Stellen 14° 50°, bis zu 
15°, 15° 10° vielleicht auch 15° 20° nörbl. Breite. Died Alles natür- 
lich nad ungefährer Schäbung, die auf den Berichten der Einhei⸗ 
milchen beruht. 


OL Grenzen. 


Der Hauptſtock ded Landes grenzt im Süden an Ober-Yafta, im 
Weften an Gefe und Reda, unabhängige ftädtiiche Gebiete, im Norden 
an die Stammeögebtete der "And. Im Dften vereint er fidh mit dem 
füdlihen Ausläufer des Nezazlanded. Lepterer grenzt im Süden an 
das Audeliland und im fühlichen Theil des Weſtens an Yafia. Im 
nördlichen Theil feiner Weftjeite ift er mit dem Hauptſtock des Rezaz⸗ 
Iandes verbunden. Im Norden grenzt er an Gezab, ein unabhängiges 
Gebiet, und im Dften an dad Land der Oberen Auwalig. 


IV. Bodenerhebung. 


Dad ganze Land der Rezaz wird aus den nördlichen Abhängen 
der zwei großen Gebirge, de Sarm Himyar (Nafi berge) und des Kor 
gebildet. Die Abdachung des Kor ift der füdöftliche Ausläufer, die der 
Yafi berge der Hauptftocd des Landes. Lepterer ift durchaus noch Hö- 
henland. Auf diefer Seite beginnt das eigentliche Tiefland erft nördlich 
vom Nezazgebiet, da eben diejed hier in Bezug auf die geographiiche 
Breite ſehr ſchmal tft. Anders iſt e8 mit dem fühöftlichen Theil des 
Landes, der Abdachung ded Kor; diefe beginnt bedeutend füdlicher, als 
die der Yafl’berge und finkt fchon innerhalb des Rezazlandes zu einer 
flachen Senkung hinab. Dies ift dad Xiefland von Behan, ber 
nordöftliche Theil des Rezazlanded. Die beiden Abdachungen, die des 
Kor und die der Yafı berge treffen in der Gegend von Radman zu⸗ 
zuſammen. 


Flußthäler im Rezazlande. 303 


V. Wadis. 


Alle Wadis des Rezazlandes liegen ſchon nördlich der Waſſerſcheide 
und fließen dem großen Binnenlande, Gof (Djauf), zu. Die von dem 
Kor nordwärts fließenden Waſſer vereinigen ſich im Nordoſt des Re⸗ 
zazlandes mit den nördlichen Abflüſſen der Yafi berge, und außerdem 
nehmen erſtere auch noch einen Theil des weftlichen Abfluſſes der Au—⸗ 
laqiberge (Sarw Madhig) auf. Alle dieſe drei Abflüſſe bilden hier nur 
ein einziges Syſtem. 

Vom Kor kommen folgende Wadis: 

W. Thamat, fließt an Beda, am Nordfuß des Kor, vorbei, von 
Süd nach Nord über Behan ed Dola nach Behan el Gezab, letzteres 
ſchon außerhalb des Rezazlandes. 

W. Beraike, vom Kor kommend, flieht gleichfalls in der Nähe von 
Beda vorbei, eine Zeitlang dem W. Thamat parallel und vereinigt ſich 
dann mit ihm. 

W. Medheg, fließt durch dad Stammesgebiet der Azan, vereinigt 
fich im Oſten mit dem W. Thamat. 

W. Omm Chalif, von dem nordöſtlichen Abhange der Kor, 
nimmt im Weſten den W. Hauwir auf und fließt in den W. Thamat. 

Dom Aulagqi-Hochland kommt: 

W. Mesware, kommt vom Oſten, fließt nach Nordweſt am 
Schloß Mesware vorbei und nach Behan ed Dola in den W. Thamat. 

Bon den Yafi bergen kommen: 

WB. Radman oder Melagem, Tommt aus Melagem an dem 
nordöftlihen Abfall des Sarw Himyar, fließt nad Oftnordoft in den 
W. Thamat, mit dem er fich jedoch erft im Ziefland Gezab vereinigt. 

W. Yella, entipringt im Nordweften der Yafi'berge, fließt nord⸗ 
öftlich und vereinigt fich gleichfalls erft in Gezab mit dem W. Thamat. 

Es ift wahricheinlich, daß der W. Thamat in feinen Tieflauf einen 
anderen Namen, etwa W. Behan oder W. el Gezab, führt, doch habe 
ih ihn nicht in Erfahrung gebradht. 


VL Klima und Bodenerzeugniffe 


Die meteorologifchen Verhältniffe find günftig, indem das ganze 
rand in der Zone der tropifchen Sommerregen liegt. Demungeachtet 


304 Ein Wunderbad im Rezazlande. 


fommen im Tiefland wüftenartige Striche vor, fo z. B. am Tieflauf 
des W. Radman eine Wüfte, Chobbet el Gu’an (Hungermwüfte) genannt, 
die fi im Norden von Melagem bis gegen Behan el Gezab binzieht; 
doch liegt fie. zum Theil ſchon außerhalb (im Norden) des Rezazlandes. 
Das Tiefland de W. Thamat dagegen, um Behan ed Dola, ift ein 
fruchtbares Palmenland, was bereitd Hamdani erwähnt. Hier wächſt 
auch viel Sejam. 

Die Gegend um Beda, am Nordabhange ded Kor, ift faft noch 
Hochgebirge. Hier gedeihen Ohftarten, Wein, Zeigen, Granaten, treff- 
liche Pfirfihe. Im Bergland wächſt vielfach eine Sinapusart, Charbel 
genannt, aus der dad Del für den gewöhnlichen Gebraud genommen 
wird, da nur dad Ziefland Seſam hat. Der nördliche Abhang der 
Yafiberge ſcheint vorzugsweiſe Weideland. Im den höheren Gegenden 
findet ſich Gerfte, Hafer, in den mittleren Durra, Mefeweli (tother 
Don), wenig Weizen. Kaffee, Kaat, Baumwolle fehlen. 


vI WMineralguelle. 


Eine Mineralquelle, der Beichreibung nad fchwefelhaltig, befindet 
fih in Miatde, im Gebiet der Su ad, unweit der Weftgrenze. Die 
Duelle ift heiß, aber in ihrer nächſten Nähe jcheint eine Kalte zu fein. 
Denn nur fo kann ich mir die Erzählung der Araber zufammenreimen, 
welche einftimmig außfagten, es flöffe bier aus einer und derſelben 
Duelle zugleich kaltes und heißes Waſſer. Nach dem landläufigen 
Aberglauben geichieht dad Wechſeln der Temperatur des Waſſers auf 
Anrufen ded Sinn (Genius) der Duelle. Dieſer Ginn heißt Mia ud. 
Nuft nun der Badende „Ya Miaud berd” (o Miaud, Falt!) fo flieht 
kalte, ruft er „Ya Mfa'ud hami“ (o Miaud, heiß!) jo fließt heißes 
Waſſer. 

Die Entdeckung der Quelle wird folgendem Wunder zugeſchrieben: 
Ein Bettler, der in Mſaſide wohnte, bat den Schutzheiligen des Orts, 
ben Alluwan, ihn aus feiner bedrängten Lage zu reiten. Der Heilige 
erihten ihm im Traume und befahl ihm, am Morgen in feinem 
Sendug (Bretterlade) zu ſuchen. Der Bettler fand darin ein Feine 
Käftchen, das er aber nicht öffnen konnte. Der abermald angerufene 
Heilige befahl ihm, die Büchſe mit Honig zu beitreidhen. Nun fam aus 
ber Büchfe eine Heine Schlange hervor, die fugleich fort, in's Gebirge 


Stämme ber Rezaz. 305 


huſchte. Der Bettler Tief ihr nad. Plöplih fchlüpfte fie in eine 
Felswand hinein und der Bettler ſah fie nicht mehr. Aber aus dem 
Spalt, den ihr Hineinſchlüpfen geichaffen, floß die heiße Duelle. Der 
Ruf derfelben drang bald durch's ganze Land. Der Bettler wurde ihr 
Eigenthümer und Wächter und ald ſolcher von allen Badenden reichlich 
belohnt. Die Schlange war Miaud, der Sinn der Quelle. 

Jetzt ift die Duelle Gemeinzut. Zum Andenten an das Wunder 
verjammeln ſich jährlih im Monat Regeb viele Taufend Araber bier 
und bleiben mehrere Tage. ine längere Badecur findet man nicht 
für nöthig. Die Reife dahin wird ganz wie eine Siara (Wallfahrt) 
behandelt. Hier werden auch dann die Stammedangelegenheiten ges 
regelt und Feſte abgehalten. 


vo. Stämme. 


Ihrem Urfprunge nah find die Rezaz Yafit, aljo unzweifelhaft 
Himyaren. Sept zerfallen fie in folgende Unterftämme: 

1. Azan*), ein fehr großer Stamm, deſſen Gebiet von Beda 
ans ſich eine Tagereiſe nach Nordoft erjtredt. 

2. Omr, eine Heine Tagereiſe nordweſtlich von Beda. 

3. Dobban, in und um Beda. 

4. Hamekan, eine Meine Tagereiſe weftlih von Beda gegen 
Yafıa zu. 

5. Melfi, bei Mesware, eine Tagereiſe im Nordnordoft von 

Beda. 

6. Hat, an der Grenze von Yafia, eine Heine Tagereiſe weſtlich 
von den Hamekan. 

7. Ah! Begga, der mädhtigfte Stamm, wohnt im ganzen 
Ziefland von Behan ed Dola am W. Thamat. 

8. Ahl Heſcham, in Taft, einen halben Tag nordweitlich von. 
den Omr. 

9. Melagem, in Radman, weftlih von Taft, ſüdweſtlich von 
Behan ed Dola, nordweitli von Beda, norböftlich von Yafl a. 


*) Hamdani erwähnt den Yafl'ftamm Adan in el ‘Orr, weldes bier ganz 
nahe Tiegt. Da er die diakritiſchen Punkte oft wegläßt, fo ift wahrſcheinlich Adzan 
(mit dzal) zu leſen und die füdarabifche Ausſprache tft für dz (dzal) oft wie z 
(zaln). . 

v. Maltzan, Meile nah Eüdarabien. 2 


306 Stämme und Städte der Rezaz. 


10. Swad, auch Si’ud genannt im Blad es Suwad und 
Mia’ide, direct im Norden von Yafia, '% Tag weitlih von Radman 
und 11, Tag öftli von Gefe, im Flußgebiet des W. YVella. 

11. Ahl Hofain, wohnen zwildhen der Weltgrenze und den 
Suad, einen Tag öftlih von Gefe, Y%, Tag weftlich von Mfa’ide, am 
W. Nekla. 

12. Bazir, wohnen an der Weſtgrenze zwiſchen Gefe und den 
Ahl Hoſain, noͤrdlich von ihnen beginnt das Gebiet der Murad 
und Ans. | 


IX. Städte und DOrtfhaften. 


Behan (Baihaan) ed Dola, d.h. dad Behan des Herrfchers, weil 
ed die Hauptitadt ift. Man jept immer ed Dola dazu, weil unter Behan 
ſchlechtweg oft das Behan el Gezab, dad zwei Tagereiſen nördlicher 
Iiegt, verftanden wird. Obgleich Hauptitadt, fo bat doch Behan feine 
eigentlich ſtädtiſche, d. b. bürgerliche, handeld- und gewerböbeflifiene Bes 
voͤlkerung. Die Bewohner find alle Dobayel (freie Stämme) vom 
Gejchlecht der Ahl Begga und verachten jede bürgerliche Bejchäftigung. 
In Zolge davon wenig Handel, unbedeutender Marl. Etwa 200 
Einwohner. Juden werden hier gar nicht geduldet. Großes Schloß, 
genannt Hoffn Hofain Rezaz Hier find, wie faft überall im Tieflande, 
die Gebäude nicht mehr von Stein, fondern von Luftziegeln. Der 
Sultan, obgleich Behan feine officielle Refidenz ift, wohnt gewöhnlich im 

Mesware; großes Schloß ded Sultans und Reſidenz, genannt 
Holin Medware, am Wadi gleichen Namens, eine Heine Tagereiſe füd- 
öftlih von Behan ed Dola und eine Tagereife nordöftlih von Beda. 
Sehr Heine Stadt, befteht eigentlich nur aus fünf Regierungsfchlöffern. 
Hier iſt dad Steueramt für alle Karawanen, welde dad Land der 
Rezaz durchziehen. Die Salzkarawanen von Chabt, die nad Weiten 
gehen, müſſen hier vorbei und Steuer entrichten. 

Beda Gaidhaa), größte Stadt im Lande und einzige Handeläftadt, 
einziger Ort, der eine bürgerliche Bevoͤlkerung befigt, wird aud) der, Bander“ 
(Handeldemporium) genannt. Liegt am Nordweitfuß des G Kor, zwiſchen 
W. Thamat und Beraife, in fruchtbarer, baumreicher Gegend. Die 
Einwohnerzahl wird auf 2000 Seelen geſchätzt. Darunter find auch 
Juden, aber fehr wenige, kaum 30 Seelen. Biele zugewanderte 


Ortichaften im Lande der Rezaz. 307 


Fremde. Die anderen find von Haus aus Städter ohne Stammestrabdi- 
tionen und ftehen ſocial und politiſch fehr tief, felbft wenn fie reich fein 
jollten. Reichthum herrſcht hier jedoch nicht, kaum etwas Wohlhabenheit. 
Die Bewohner find Kaufleute, Handwerker, theild auch Landbauern, aber 
alle Raye und ftehen unter deöpotifcher Zuchtruthe ſowohl des Sultans, wie 
aller in die Stadt kommenden Oobayel. Der Sultan hält hier einen eigenen 
Statthalter, Neqib betitelt, der jedoch nichts ift, al ein Beamter, und 
3. D. ohne Erlaubniß des Sultans nicht zum Tode verurtheilen darf. 
Der Sultan hält eine Garnifon von 30 Oobayel, welche die Stäbter 
deöpotiich behandeln. Pier große Regterungsichlöffer von Stein. Die 
anderen Gebäude find nur mittelgroß, aber feit gebaut, von Stein. 
Die Stadt hat einen Meinen Bafar und einen fehr befuchten Wochen- 
markt. 

Alfa, Heine Ortfchaft nahe bet Beda, ausſchließlich von Echerifen 
bewohnt. 

Dörfer im Stammesgebiet der Azan: Auwan, Mejabel, Schir- 
gan, Meſchrah, Cerru. 

Dörfer im Gebiet der Dobban: Metwoqein, Dahakki, Hagr. 

Taft, Hüttendorf der Ahl Heſcham. 

Sonſt in jedem Stammescentrum ein nach dem Stamme ges 
nanntes Dorf. Radman ift feine Stadt, fondern Landſchaft des Stam⸗ 
med Melagan, 


X. Politiſches. 


Sultan Hoſain ibn Omm Rezaz, hat den Oobayel gegen⸗ 
über nur die Macht des oberſten Kriegsherrn. Die Dynaftie beſteht 
aus zwei vetterlichen Zweigen, die jedesmal in. ber Herrſchaft abwech⸗ 
feln, beide von Omm Rezaz flammend. Jeder Stamm bat feinen 
Alel, der vom Sultan faft unabhängig ft. Der Sultan felbft ift 
jedoch Akel der Ahl Begga, des mächtigften Stammes. Die großen 
Stammeshäuptlinge, wie der der Azan, heißen Akel el Korub. Nur 
über die Raye, deren jedoch blos in Beda find, Parias und Juden 
herrſcht der Sultan despotiſch und beſteuert fie oft ſehr willkürlich. Er 
wohnt meiſt in Mesware, wo das Zollamt. Dort bezieht er für die 
Kameellaft Salz aus Chabt ein Drittel M. Th. Thaler, für die Laft 


getünchter Tücher aus Nicab einen M. Th. Thaler. Der Sultan kleidet 
20* 


308 Rechtspflege im Lande der Rezaz. 


fih wie ein gemeine Mann, d. h. blo8 mit dem Lendentuch. Auf 
dem Haupte trägt er, wie fait alle füdarabiichen Fürſten, den Diemal, 
indiihen Zurban. Wenn er ausgeht, hält er eine Lanze ald Amtözeichen 
in der Hand. 


XI Juſtiz. 


Der Sultan fann blos die Bewohner von Beda rihten. Seine 
Zuftiz ift lange nicht fo ftreng, wie die anderer Fürften. Diebe er- 
halten blos Prügel, einige zwanzig Hiebe. Diejelbe Strafe für Keuſch— 
heitsſünden. Handabhauen ift unbekannt. Ehebrecher dürfen nur von 
den Verwandten des beleidigten Mannes getödtet werden. Bei Mord 
wird die Hinrichtung von des Getödteten Verwandten, unter Aufficht 
der Megierung, vollzugen. Gefängni für Fleinere Vergehen. 

Sottesgeriht wird im Lande jelbft nicht ausgeübt. Man geht nad) 
Dara, um fi Rath zu holen. 


XI Blutrade. 


In die Eriminalangelegenheiten der Dobayel darf fi der Sultan 
nicht mifchen. Hier bleibt Alted der erblichen Blutrache überlaffen, die 
oft in fchaudererregender Weile um ſich greift. Meiſt zieht jede Blut- 
that eine ganze Reihe von Morden nad) fi), beſonders da es bei- 
ipiello8 ift, dab Iemand die Diye (dad Blutgeld) nähme Die Ein- 
zigen, denen ed manchmal gelingt, dem Blutvergießen Einhalt zu thun, 
find die Scherife. Sie kommen uneingeladen ald Friedensftifter in die 
Dörfer. Voran jchreitet ein Tromniler, dann der Xräger der heiligen’ 
Fahne, darauf kommt der alte Scherif mit feinen Söhnen, Brüdern ıc. 
Die Ehrfurcht, die jeder Sunnite vor den Scherifen hat, nöthigt die 
Leute, fie gut aufzunehmen und auch Dazu, während deren Anwefen- 
heit die Blutfehde ruhen zu laſſen. Dadurch it ſchon etwas gewonnen. 
Nun quartiert ſich aber der Echerif beim Stammeshäuptling ein und 
jept ihm täglich jo viel mit Predigten, Sprüchen, Crmahnungen zu, 
biß er endlich das Verſprechen erlangt, die Fehde für eine Zeitlang 
ruben zu laffen. Gewöhnlich fträuben fih die Araber mit Händen 
und Füßen gegen den Frieden. Den Dobayel gilt der Frieden immer 
für halb und halb unehrenhaft; darum gelingt e8 auch den Scherifen 
meift nur, einen Waffenftillftand herbeizuführen. Um die Dauer deö- 


Geſchichte, Sitten und Gebräuche der Rezaz. 309 


jelben joll oft förmlich gefeiljcht werden. Der Echerif will einen langen, 
die Dobayel nur einen jehr furzen. Endlich, wenn der Scherif das 
Mögliche erlangt hat, laßt er fich Alles feierlich beſchwören. 


XII. Geſchichtliches. 


Die Rezaz find ein yanz neues Bolf. Bis etwa 1750 theilten 
fie das Schickſal ihrer Stammesgenofien, der Yafii. Seit fie ſich von 
dieſen losgeriſſen, jcheinen fie immer in Frieden mit ihnen gelebt zu 
haben. Sie find übrigens den Oberyafi i fehr an Macht überlegen. 
Auch mit den anderen Nachbarn haben fie Frieden, obgleich fie die 
“Ans und Murad, ihre nördlihen Nachbarn, tödtlich haffen. Aber 
ed fomnıt doch felten weiter, ald zu Blutfehden zwiſchen den Grenz- 
ftämmen. 


XIV. Sitten, Religion u. f. w. 


In der Religion unterjcheiden fi) Die Rezaz in Nichts von den 
Nafi i. 

Die Männertracht iſt auch hier das bekannte Minimum. Die 
Frauen tragen Hemd und ein dunkelblaues Umſchlagetuch, das ſie, wenn 
fie Männern begegnen, fo über's Geſicht halten, daß nur ein Auge 
fihtbar wird. Das Haar hängt tief in die Stirn. 


XV Parias. 


Die Pariad, alle von der meniger verachteten Abtheilung, führen 
Namen nad) ihren Gewerben: Charras (Drechäler), Doſchan (Straßen: 
fänger), Haddad (Schmied). Das Schmiedehandwerk, ſehr veradhtet, 
ift fonft in Händen der Juden. Da es hier wenige giebt, jo müſſen 
die Pariad es ausüben. 


Zehntes Gapitel. 
Gezab. 





1. Name. — DI. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI. Flußſyfteme. — VID. Klima und Bodenerzeugniffe — 
VII. Stämme — IX. Ortfchaften. — X. Politiſches. 


IL. Rome. 


Gezab ift ein uralter Rändername, der jchon bei Hamdani vor- 
fommt, wenn auch etwas anders vocalifirt*). Aber die Beichreibung 
der Lage jcheint hierher zu paſſen. 


II. Geographiſche Lage. 


Wie weit fi) Gezab nad) Norden, Nordoften und Nordweften 
auddehnt, Tonnte ich nicht in Srfahrung bringen, da diefe Landſchaft 
ſchon gänzlich außerhalb des Anziehungägebietd von Aden liegt und, 
wie man mir jagte, ntemald ein Bewohner defjelben nad) Aden gekommen 
ift, fett diefe8 den Engländern gehört. Der jüdliche Theil von Gezab 
liegt ungefähr zwiſchen 45° 50’ und 46° 20° öftl. Länge von Br. und 
zwiſchen 14° 50° oder 15° und 15° 30’ nördl. Breite. 


*) Er fchreibt Gozaib oder Geztb. Da die diakritiichen Punkte fehlen, fo 
fann freilich auch Gerib gelefen werden. Wüßte man, wo der Ort Hafla, den 
Hamdani nahe babet angiebt, läge, fo würde dies alle Zweifel zerftören. Aber 
von einem Haſſa konnte ich nichts erfahren. 





Die Landichaft Gezab. 311 


UL Grenzen. 


Im Süden und Südweften dad Land der Nezaz Im MWeften 
und wahrfcheinlich aud im Norden die Stammesgebiete der Murad unb 
“Ans. Im Südoften dad Land der Oberen "Auwalig. 


IV. Bodenerhebung. 


Der größte Theil ded Landes ift Tiefland, die nördliche Fortſetzung 
jener Abdadhung, welche das Land der Rezaz auf der Nordiette der 
Waſſerſcheide bildet. Im Oſten tritt dad mächtige Hochgebirge, Gebel 
Dern, auf, welches im Nordweften der Aulagiländer, im Nordoften 
des Mezazlandes feine füdlichften Ausläufer bat. Gegen dad Xiefland 
von Behan el Gezab fällt ed im Weiten ab. Wie weit es ſich aber 
nach Norden und Nordoften erftredt, ift bis jetzt unbekannt. Ob der 
Gebel Dern überhaupt in feiner größeren Ausdehnung zum Gezab 
gefchlagen werden muß, ift zweifelhaft, da alle Araber, melde ich dar: 
über ſprach (die dad Land freilich nur von Hörenfagen Tannten), mit 
Gezab nur den Begriff eines Tieflandes, das ſich nach dem Gof zu ab» 
dacht, verbanden. 


V. Babdbiß,. 


W. Thamat, vom Gebel Kor kommend, durchfließt erft von 
Süden nad Norden den Südoften des Rezazlandes und durchzieht das 
Gezab in derjelben Richtung. 

W. Rabman, vom Nordoften der Yafı berge kommend, vereinigt 
fi zwiſchen Behan ed Dola und Behan el Gezab mit dem W. Thamat. 

W. Yekla kommt von Bazir im Rezazlande (an deſſen Weftgrenze), 
fließt von Südweſten nad Nordoften und mündet unterhalb Behan el 
Gezab in den W. Thamat. Niebuhr's W. Behan, von Welt nad) 
Oft fließend, nimmt wahrſcheinlich alle diefe Flüſſe in feinem Tieflauf 
auf und wendet fi) dann nach Norden. 


VL Flußſyſteme. 


Es ift intereffant, die Flußſyſteme diefer ganzen Gegend, wie fie 
Hamdani giebt, zu recapitulicen und mit unjeren Informationen zu 
vergleichen. 


312 Das Land Gezab. 


Er jagt: 

1. Der Kor bewäffert im Süden Datina. 

2. Der Sarw Madhig bewäflert Gerdan und Mara, feine füd- 
lichen Ausläufer Datina. 

3. Radman (d. h. die Landichaft, ein Theil ded Sarw Himyarı) 
bewäffert Behan. (Welches Behan ift nicht gejagt.) 

4. Der Gebel Dern bewäflert Hafla und Gozaib (Gezab). 

Alles Dies trifft zu, wie wir oben bei Datina, beim Aulaqi und 
Rezazlande gefehen haben. Hamdani weiß nicht, daß Behan außer von 
Radman (Abhang der Yafı' berge, des Sarw Himyar) auch vom Kor 
bewäfjert wird. Nun wird Behan el Gezab aber jedenfalld auch vom 
Gebel Dern bewäflert, fo daß bier drei Flußſyſteme zufammentreffen. 


VT. Klima und Bodrnerzeugniffe. 


Das Land empfängt die tropiihen Sommerregen, ift aljo überall 
da fruchtbar, wo der Boden nicht eine abjolute Wüfte ift, wie am 
Tieflaufe des W. Radman, den die Wüfte Chobbet el Sudan faft bis 
zu feiner Bereinigung mit dem W. Thamat begleitet. Das Tiefland 
von Behan el Gezab ſoll fruchtbar an Datteln, Baumwolle, Indigo 
fein; Die weftlichen Abhänge des Gebel Dern follen Obftbäume tragen. 


VII Stämme. 


Der herrihende Stamm in Gezab follen die Moffabein jein, 
welche in früheren Zeiten Bent Harith geheißen hätten. Da bier feine 
Himyaren mehr wohnen (die Rezaz find auf diefer Seite die füdlichiten 
Himpyaren), jo dürften wir in diefen Bent Harith*) vielleicht den befannten 
Kindaftamm vermuthen. Einer der Unterftämme der Moffabein wurde 
mir ald Tobban genannt. Cr wohnt in Behan el Gezab und Um⸗ 
gegend. Der ©. Oern, fo bie ed, fei von einem Stamme von Des 
rawiſch oder Meichaich (Hetligenföhnen) Namens Hayat bewohnt. 


*) Die B. Harith waren Nachlommen des Moawiya ben Kinda. Es gab 
verfchtedene Abtheilungen, alle von Harith ben Mo'awiya ftammend. 1) Die Abdha 
b. Harith. 2) Die B. Rayiih b. el Harith. 8) Die B. Moawiya b. el Harith. 
4) Die Badda b. el Harith. Außerdem werden noch Bent Haritha genannt. Die 
Kinda wohnten zwar vorzugsweife in Habramant, aber fie behnten ſich doch auch 
in der Gegend der Madhig und füblich vom Gof aus. 


Das Land Gezab. 313 


IX. Dritſchaften. 


Behan (Baihaan) el Gezab, am W. Thamat, etwa 2 Tagereifen 
nördlich von Behan ed Dola, Hauptftadt und Sig des "Afel, fol 
eine große Stadt fein und viel Verkehr mit dem Binnenlande, el Gof, 
haben. Bon anderen Drtichaften erfuhr ich nichts. 


x. Politiſches. 


Gezab fol feinen Sultan, fondern nur einen Afel haben, ber 
in Behan el Gezab refidir. Die Bewohner follen alle Dobayel fein. 
Den Rezaz find fie feindlih. Sie find fiher verfchiedener Abitam- 
mung, wahrſcheinlich auch verfchiedener Confeſſion, d. h. Zaidi, denn 
ih hörte Die Mezaz immer von ihnen mit einem Haß und einer Ber- 
achtung fprecdhen, wie nur religiöfer Fanatismus fie zu erzeugen pflegt. 





Elftes Capitel. 
Aqaͤreb. 





I. Name. — II. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 

V. Wadi. -- VI Klima und Bobenerzeugniffe. — VL Drtichaften. — VIIL Der 

Sultan der Agareb und fein Hof. — IX. Regierung. — X. Juſtiz. — XL Sitten, 
Religion u. f. w. — XI Geſchichtliches. 


L Rome. 


Aqrabi, im Collecttv Aqareb, ift der fehr alte Name diefer 
Volkerſchaft, den fie jchon zu Hamdani's Zeit führte. In noch älterer *) 
hieß fie Beni Harith; und 'Aqareb, das „Skorpione“ bedeutet, war nur 
das Symbol. 


IL Geographiſche Lage. 

Diejed Heinfte aller Stätlein umfaßt nur 2—3 Quadrat» Meilen 
an Flächeninhalt und liegt auf dem weltlichen Ufer der Zowayi- Bucht 
(Rhede von Aden) zwiichen 44° 51' und 44° 57° öftl. Länge v. Gr. 
und zwiſchen 12° 47° und 12° 57' nördl. Breite. 


OL Grenzen. 
Bor einigen Jahren grenzte das "Agrabi-kand im Often und Süden 
an's Meer, im Weiten an's Sfobehisfand und im Norden an Laheg. 
Jetzt hat ihm England feinen Küftenftrand mit dem Gebel Hajan ab- 








*) Hambani jagt: Beni Harith und das find Die Aqareb. 


Das Agrabi- Land. 315 


gelanft, jo daß ed jeht im Süden und Often an engliſche Beſitzungen 
grenzt und ganz vom Meere abgejchloffen ift. 


IV. Bobenerhebung. 


Der Gebel Hafan (mit dem Asses ears), eine mächtige vulfanifche 
Maſſe, die wie eine Infel zwiſchen Flachland und Meer liegt, gehört 
jeßt nicht mehr den Aqareb, da fie ihn an England verfauft haben. 
Jetzt befteht ihr Land nur aus einer wenig erhöhten ebenen ober ge⸗ 
wellten Steppe. 


V. Wadi. 


Der Wadi Tobban oder Fluß von Laheg durchzieht das kleine 
Sand in feinem Tieflauf und mündet bei Heſſua (jet engliſch) in's 
Meer. 


VL Klima und Bobenerzeugniffe. 


Das Wafler des W. Tobban gelangt nur felten bis hierher, da die 
Bewohner von Laheg es zur Bewäflerung ihrer Felder aufbraudhen. 
Nur im Hochſommer, wenn die Regen im Innern den Fluß ſchwellen, 
fommt eine dann allerdings bedeutende Wafjermenge das Flußbett hinab, 
ift aber eben jo fchnell wieder zerronnen und wird fo gut wie gar nicht 
audgebeutet. Als ein Küftenland bat es jelbjt feine tropiſchen Regen, 
fondern tft auf die ſehr ungewifjen Winterregen angewieſen, die manch⸗ 
mal drei Sahre ausbleiben. Bei ihrer alten Erbfeindichaft gegen Laheg 
behaupten die Aqareb, ed läge böfer Willen in jener Flubaufftauung 
und dem muthwilligen Wafferverbrauchen, das fie den Abadel zur Laft 
legen; dies gefchähe alled nur, um ihnen dad Waffer abzuziehen. Man 
citirt fogar ältere Zeiten, in denen der ®. Tobban audy zur Bewäflerung 
des Aqareb⸗Landes reichlich benutzt wurde, aber man vergibt, daß eben 
in jenen Zeiten dad Verhältniß zu Laheg ein andere war und daß 
man wohl feinen Freunden eine Wohlthat zufommen läßt, aber Niemand 
gezwungen werden fan, feinen Feinden etwas zu überlaffen, was er 
felbft gebrauchen Tann. Jene „älteren Zeiten‘ müfjen übrigens in 
grauer Vorzeit gefucht werden, denn fchon feit Sahrhunderten find beide 
Völker Feinde. 

In Folge diefed Waſſermangels find die Producte jehr ſpärlich und 
beichränten fi, auf Dochn, Durra, etwas Weizen, Dompalmen. Datteln 


316 Steppennatur der Tiefländer. 


fehlen. — Mit Trinfwaffer ift e8 auch fehr fchlecht beftellt. Die Brunner 
find brafiih. Keine Quellen. -- 

Dennoch ift das ebene Land keineswegs öde. Auf einem Ritt, den 
ih durch dafjelbe machte, ſtaunte ich über die Fülle wilden üppigen 
Strauchwerks, das den Boden bededte: Ricinus, Jasmin, wilder La— 
wendel, verjchiedene Mimwfenarten, wie Sayal, Semur, die oft be- 
trächtliche Höhe erreichten, der nie fehlende Nebefbaum, die eben jo 
ſchöne ald unnütze Dompalme (die nichts als ein ſchlechtes gegohrenes 
Getränk und Strohmatten zu liefern vermag), die Pavetta longifolia 
(noch das nützlichſte von Allem, da feine Zweige die bekannten arabilchen 
Zahnhölger, welche zugleih Zahnftocher und Zahnbürfte und ficher 
unferen Bürften vorzuziehen find, liefern); endlich eine charakteriftiiche, 
wirflih die Landichaft zierende Pflanze, der Giftſtrauch „Oſchr“ mit 
feinen jchönen großen Blüthen und feiner maffenhaft aus den Stielen 
hervorquillenden weißen Milch. Forskal nennt den Oſcher Asclepias 
procera. Aus feiner Milch, fo wurde mir erzählt, fol ſich, obgleich fie 
giftig ift, doch ein genießbares Salzmehl abfondern laffen, ähnlich wie 
die Tapioka, die ja befanntlidy auch das Product einer Giftpflanze (in 
Brafilien heimiſch) if. Sch möchte dieß jedoch bezweifeln. 

VI. Ortſchaften. 

Hauptftadt: Bir Ahmed, iſt der einzige nennenswerthe Ort 
im ganzen Gebiet, Sitz ded Sultand. Kleiner Bafar mit Läden, die 
faft immer halbgefchloffen find. Wochenmarkt. Etwa 30 Häufer, worunter 
dad Schloß ded Sultans, ftattliched Gebäude mit 4 Stockwerken, 4 großen 
Eckthürmen, Zerraffen und Zinnen, jedod nur winzig Heinen Zenitern, 
mit Holzſchnitzwerk verjehen. Alle Bauten von Luftziegeln, ohne An— 
ftrih. Außerdem befteht nody ein Gewirre von Stroh- und Schilf- 
Hütten, in denen Beduinen und Fremde wohnen. Außer den einge- 
borenen Einwohnern, etwa 200 an der Zahl, giebt ed bier noch eine 
ziemlich zahlreiche und buntgemifchte flottante Bevölkerung, aus allen 
moßlimischen Elementen, die das nahe Aden beherbergt, fich erneuernd: 
oftindifche Moslems, Hadramauter (diefe Kaufleute Arabiens), Somali's 
(Subäthiopier von der Berbera-Füfte), wirkliche Neger, Juden; ich ſah 
fogar einen Chinefen. 


VIIL Der Sultan der Agareb und fein Hof. 
“Abd Allah ibn Haidra, der Sultan der Aqareb, oder wie er ge- 


Der Agrabi- Sultan und fein Hof. 817 


wöhnlich genannt wird, der Scheh von Bir Ahmed, ift ein fchwächlich 
austehender Mann von etwa 50 Jahren, beinahe ganz fchwarz, faft 
bartlos, mittelgroß, mager und verfallen. Bei einem Beſuch, den ich 
ibm im Frühjahr 1871 machte, empfing er mid) in einem niedrigen 
Schuppen, in welchem er in Mitte feiner Brüder und Bettern faß. 
Alle waren bis auf das Lendentuch nadt, trugen aber fürchterlich große 
Gembiye (Dolchmeffer), fogar einige ganz junge Knaben. Dem Sultan 
wurde ganz diejelbe, feine höhere Chrenbezeugung erwieſen, wie feinen 
Brüdern, die dicht neben ihm fahen. 

Jeder Eintretende Tüte nämlich dem Sultan die Hand, aber diefer 
tieß fie Jich nicht vornehm küſſen, fondern hielt die Hand, melde die 
jeinige zum Munde geführt batte, feſt und machte Miene, fie gleichfalls 
füffen zu wollen, ja einigen alten Männern gegenüber ließ er es nicht 
bei der Miene. Alles dies zu wiederholten Malen und mit anjcheinend 
großer Herzlichkeit. 

Ganz daffelbe Ceremoniell fand den Brüdern des Sultans gegenüber 
itatt. Seine Unwiljenheit in Bezug auf europäifche Dinge war groß, 
ja ſelbſt von Arabien jchien er nichts zu kennen als Aden, auch diejes 
faum. Bon Europa’s Völkern kannte er nur die Engländer. Bon den 
Franzoſen hatte er gehört und hielt alle Nicht- Engländer für foldye, jo 
auch mid. Obgleich ich ihm meine Eigenschaft ald Deuticher mehrmals 
audeinandergefept hatte, verrieth jein Geſpräch doch immer wieder, dab 
er mid) für einen Franzoſen hielt, ja er machte fogar einige für lebtere 
ihmeichelhafte Bemerkungen, in der Meinung, mir zu gefallen, was bei 
dem damals zwijchen und und Frankreich noch berrichenden Kriege fehr 
komiſch herauskam. 


Er ſchien gar nicht begreifen zu können, warum ich ihn beſuche, 
vermuthete irgend einen politiichen Zwed und wartete gefpannt auf die 
Enthüllung des Geheimniſſes. In Bezug auf alle Fragen, die ich über 
fein Land that, war er fehr zugelmöpft. Merkwürdig war mir aud, 
daß feiner feiner Unterthanen wußte oder wiffen wollte, daß der Sultan 
engliſcher Penfionär ift. In Aden fällt es Niemandem ein, hieraus ein Ge- 
heimniß zu machen, da e8 offenkundig fit, daß alle Kleinen ſüdarabiſchen 
Fürften Penfionen von England beziehen, und Niemand erblidt darin 
etwas, deſſen jich dieſe Fürſten ſchämen müſſen, da nad) arabiichen Be- 
griffen nicht der Empfänger, fondern der Zahler, den man gern mit 


318 Sultan und Regierung der Agareb. 


einem Tributpflichtigen verwechjelt, fich eines folhen Verhältniſſes zu 
ſchämen braucht. Hier aber fand ich es umgekehrt. 

Komiſch war auch, daß diefer nur zwei Schritte von einer englifchen 
Stadt wohnende Fürſt nie in jeinem Leben eine Cigarre gejehen hatte, 
fo daß eine von mir angezündete ſprachloſes Erftaunen und Nadyfragen, 
was dad Wunderbing fei, hervorrief. Man bielt es allgemein für 
Haſchiſch, von welchem betäubenden Kraut man bier gehört hatte, das 
aber Niemand kannte. Man raucht bier, wie in ganz GSüdarabien, 
nur die Wafferpfeife (Nargileh). Auch im Empfangszimmer ded Sultans 
ftanden mehrere, gefüllt und angezündet, und madıten die Runde. Jeder 
that ein paar Züge und überließ die Pfeife dann feinem Nachbar. 
Auf einem Kohlenbeden, im Winfel ded Zimmers, ftand ein großer 
Kaffeetopf, gefüllt mit Gifchr, dem Abjud der Kaffeehülfen, welchen man 
bier, im beißen Tiefland, dem für zu erhitzend, ja für fiebererzeugend 
gehaltenen Abſud der Bohnen vorzieht. Davon wurde ftet8 in reich- 
licher Menge berumgereicht. Jeder Anweſende trank wenigftend vier 
Taſſen. Mander Sübdaraber fol täglih an dreißig Taſſen Giſchr 
leeren, was ihn gleichwohl nicht ruinirt, denn die Hülſen, die nicht er- 
portirt werden koͤnnen, find ſpottbillig. 


IX. Regierung. 


Die Regierung tft durchaus patriarhaltih und wird vom Sultan 
in innigem Einverſtändniß mit feinen Brüdern und Bettern, ja allen 
Mitgliedern der Dynaftte, ausgeübt. Selbft feine Einkünfte darf er 
fich perfönlich nicht zueignen, fondern muß Sedem feiner Verwandten 
eine Duote abgeben. Diejelben beftehen aus der englifchen Penſion von 
50 Maria-Therefien-Thalern monatlid (etwa 880 preuß. Thaler jährlich) 
und dem Zranfito- Zoll von 2% vom Werthe aller durch jein Gebiet 
beförderter Waaren. Diejer Zoll ift nicht unbebeutend, da faft Alles, 
was von Südwelt-Yemen nad Aden geht, über Bir Ahmed trans» 
portirt wird. Cr war jedoch vor etwa zwanzig Sahren noch, viel an- 
jehnlicher. Daß er abgenommen hat, bildet auch wieder (ganz wie die 
oben erwähnte Wafferfrage) einen Befchwerdegrund gegen ben Sultan 
von Laheg. 

Ein großer Theil der im Meften und Nordweſten von Bir Ahmed 
wohnenden Sjobeht-Stämme tft nämlich im neuerer Zeit in eine Art von 
freiwilligem Bajallen-Berhältnig zum Sultan von Laheg getreten, und 


Politit und Rechtspflege der Agareb. 819 


da dieſer gleichfall8 einen Zoll für die fein Gebiet Durcdhziehenden Waaren 
erhebt, fo fuchte er natürlich jene Stämme zu beftimmen, die Karawanen 
abzulenken, und fie ftatt den näheren Weg über Bir Ahmed den weiteren 
über Laheg nehmen zu laffen; einen Gefallen, welchen ihm viele dieſer 
Etämme auch gethban haben, jo daß nun der Zoll nicht werriger Waaren, 
ftatt in die Kaffe von Bir Ahmed, in diejenige von Laheg wandert. 

Gern würden die Agareb fi) dem widerfegen, aber, ganz abgefehen 
davon, dab England nicht den Krieg zwilchen zwei ihm gleich befreun- 
beten, wenn auch untereinander verfeindeten Stämmen geftattet, fo ift 
auch die Ohnmacht des Meinen "Agareb-Staates zu groß, um jebt, ba 
die einftigen Verbündeten thn im Stich laſſen, noch etwas gegen Laheg 
unternehmen zu Tönnen. 

Der Sultan bat einige dreißig Soldaten, von denen etwa ein 
Dritiheil Neitlameele, die anderen nur gewöhnliche Kameele haben. 
Ihnen giebt er nur die Naturalverpflegung, feinen Sold. Sie gehen 
gleichfalls bis auf das Lendentuch nadt, haben aber oft ſehr Toftbare 
Waffen, die ganz den oben bei ben Fodli befchriebenen gleichen. Im 
ganzen Ländchen tft Niemand, der ein Pferd fein eigen nennt. 


X. Juſtiz. 


Alle "Agareb fcheinen im Verhältniß von Raye zum Sultan zu 
ftehen; aber dies Verhältniß führt bier nicht zum Despotismus. Da 
die "Agareb faft alle miteinander, ja jelbft mit dem Fürſtenhauſe ver- 
wandt find, fo fcheut fich der Sultan, Jemandem eine ernftliche Strafe 
aufzuerlegen. Seit Menjchengedenten ift feine Hinrichtung vorgefommen. 
Auf Diebftahl fteht zwar die Strafe des Handabhauend, dem Doran 
gemäß, Tommt aber nie zur Ausführung. Kleine Diebe jperrt man 
ein, d. h. man läßt fie mit gefeflelten Beinen frei in einem großen 
Hofe herumgehen. Unverbefferliche Diebe ſucht man ſich auf gütlihem 
Wege vom Halfe zu jchaffen, indem man ihnen Gelegenheit giebt, nad 
Aden zu entwilchen, und fie bleiben dann ftillichweigend verbannt. 


XI Sitten, Religion uw. f. w. 
Alle "Agareb find orthodore Schafet und haben ganz dieſelben 
religiöfen Gebräuche, wie die Fodli, Auwaliq, Yafi't. 
Ihre Kleidung ift auch die jener Voͤlker. Nur bequemen ſich die 


320 Eiferfüchtige Strenge gegen die Frauen. 


Srauen bier ſchon mehr der ftädtifchen Sitte, das Geficht zu verfchleiern. 
Die Frauen der Bornehmen kommen zwar faft nie aus dem Haufe; 
wenn died aber gefchieht, fo tragen fie, nach dem Brauch von den, 
ein bunte Mouſſelintuch über's ganze Geficht, jelbft die Augen, eng 
gefpannt. Dies ift jedoch nicht durchfichtig genug, um ihr Geſicht ſehen 
zu laffen, hindert fie dagegen felbft wenig im Sehen. 

In Bezug auf die Abjperrung der Frauen ift man bier ſehr ftreng. 
Meder das Schloß des Sultans, in weldyem ſich fein und feiner ganzen 
näheren Sippſchaft Harem befindet, no auch die Privathäufer der 
Stadtbewohner, ja ſelbſt nicht die Hütten der Armen dürfen jemald von 
einem Manne, der nicht zu den nächſten Verwandten gehört, betreten 
werden. Der erwähnte Echuppen, in dem mid) der Sultan empfing, 
iſt fo ziemlich das einzige neutrale Gebiet, auf dem fih Männer (außer 
auf freiem Felde) begegnen können. Diefe Strenge geht ſogar fo weit, 
dag man nicht einmal die etwas abgelegeneren Straßen von Bir Ahmed 
durchwandeln darf, ohne fi ernten Vorftellungen ausgeſetzt zu jehen. 
Sole wurden auch mir zu Theil, als ich es verfuchen wollte, die er- 
wähnte Hüttenvorftadt zu bejuchen, um diejed merkwürdige Labyrinth 
etwas näher zu infpiciren. Der mich begleitende Soldat des Sultan 
rief gleich beim erſten Schritt, den ich auf die Hütten zu that: „Ah 
tefir honak“ (Es ift eine Schande, wenn du bier herumgehit) und 
weigerte ſich, mich zu begleiten. 

Die Araber können nun zwar nicht immer vermeiden, foldye ver: 
botene Wege zu betreten, aber fie hüten fich dann wohl, mit den Bliden 
umberzufchweifen. Die in Häujern wohnenden Männer dürfen nicht 
an's Fenfter treten, wenn, was oft gejchieht, Frauen aus den gegenüber: 
liegenden bliden. Die Dachterrafje pflegen nur Frauen zu befteigen, da 
man von dort aus die Nachbarinnen jehen kann. Auch gilt es für ſehr 
unpaffend, beim Durchſchreiten der Straßen, ſelbſt der Hauptftraße, feine 
Blide in die Höhe.nad den Fenftern zu richten. 

Die Frauen brauchen fich auf ihren Zerraffen, an den Senftern, ja in 
den abgelegenen Straßen, ſelbſt vor den Hausthüren, lange nicht fo viel 
Scheu aufzuerlegen. An den Männern ift e8, ihren Anblid zu ver 
meiden, oder wenigftens zu thun, als ſähe man fie nidt. Dennoch 
gehen dieje Frauen auch auf's Feld, um da zu arbeiten, aber gleichfalls 
dort beichügt fie die eiferne Sitte, welche jede Annäherung, jedes ſich 
Umſehen ald eine Schandthat brandmarft. 


Geſchichte des Aqrebiſtammes. 321 


ZI. Geſchichtliches. 


Der Stamm der" Aqareb ſcheint ſchon in alter Zeit dieſelbe Gegend 
bewohnt zu haben. 

Unter dem Namen Bent Harith erwähnt ſie Hamdani, aber er kennt 
bereits ihren heutigen und ſetzt hinzu: „Die Beni Harith, das ſind die 
Aqareb.“ Es iſt nicht daran zu denken, in dieſen B. Harith den 
gleichnamigen Kinda-Stamm zu ſuchen. Die Aqareb find fo unzweifel- 
haft Himyaren, wie Yafi'i, Sfobeht u. |. w. Man braucht fie nur an- 
zuſehen, um deſſen gewiß zu fein. Der Wohnfis, den Hamdani ihnen 
anweift, ilt faft genau der heutige. Nur. fcheinen fie früher einen weiteren 
Bezirk innegehabt zu haben, wahrjcheinlich weil fie bedeutender, zahl: 
reicher und mächtiger waren, als jet. 

Die erften Reiſenden, welche von den Aqareb berichteten, waren 
die Dffictere der engliichen Küftenaufnahme von 1833, Gruttenden und 
Grieve, die von ihnen ald einem „jchönen, Triegerifchen Menjchenfchlag, * 
etwa 600 Mann ftarf, die in allen Kriegen der Küftenaraber eine 
Rolle fpielen, obgleich fie nur ein Gebiet von 2 Duadratmeilen ein- 
nahmen, erzählten. Damals beſaßen fie noch den Gebel Haſan und 
die öftliche Küfte der Towayi- Bucht, hatten fogar einen kleinen See— 
bafen, nahe an den fogenannten „&feldohren? (zwei zuderhutförmigen 
Felſenſpitzen, Ausläufer des G. Hafan) und trieben etwas Handel. Seit 
dem Aufſchwung von Aden wurde ihr Handel, wie der aller Fleinen 
Küftenorte dieſer Gegend, durch die Concurrenz des neu aufblühenden 
Emporiumd gänzlich erdrüdt, und da fie feinen Vortheil mehr and - 
ihrem Heinen Hafenort zogen, fo gingen fie auf das Anerbieten Englands 
ein, ihm den Gebel Hafan, fowie ihr ganzed weftliches Küftenland zu 
verfaufen. Der Kaufvertrag fam im Sabre 1868 für die Summe von 
30,000 Marias Therefien- Thalern (44,000 preuß. Thlr.) zu Stande. 
England zieht aus diefem Geſchäft Teinen anderen Vortheil, als den, 
daß ed nicht mehr Gefahr läuft, einen Theil der trefflihen Towayi⸗ 
Bucht, der Rhede von Aden, in die Hände einer anderen Seemacht über: 
gehen zu jehen; benn nichts hätte Die Aqareb verhindern können, diefen 
Küſtenſtrich einer anderen Macht, etwa Frankreich (welches wirklich um 
jene Zeit darauf fann, einen arabifhen Hafen anzufaufen, und Dies 
Anfinnen aud bald darauf durch die Erwerbung von Schech Said bei 


v. Malkan, Reiſe nah Südarabien. 21 


822 _ Stammesfehden der Völker um Aden. 


Dab el Mandeb Ausführte) abzutreten, eine Abtretung, weldje die 
fragliche Macht zur Mitbefiperin der Rhede von 'Aden gemacht hätte. 
Bor diefer Epoche hatten die Aqareb ſchon zu wiederholten Malen 
Verträge mit England geichloffen, von Zeit zu Zeit zwar gebrochen, 
indem fie fat an allen SKriegen der umliegenden Stämme gegen Aden 
Theil nahmen, aber ftetS wieder nach dem alten Entwurf erneuert. Der 
jekt in Kraft beftehende Vertrag unterfcheidet fi) von dem zwiſchen 
England und Laheg nur durch die Verjchiedenheit der Suhfidienfumme 
(oben ſchon erwähnt) oder Penfion, weldye dem Sultan gezahlt wird. 
Sn den inneren Stammesfehden fpielten die Aqareb, trug ihrer 
Geringzähligfeit, immer eine wichtige Rolle. Sie ſollen vor einem vder 
mehreren Sahrhunderten (etwas Verbürgted Tonnte ich über die Zeitepoche 
nicht erfahren) unter Laheg geitanden haben, wenigftend erheben die 
Abadel noch jekt den Anspruch der Oberhoheit auf ihr Land, ich glaube 
jedoch mit Unrecht. Zur Glanzzeit des Imamats ftanden beide, Abadel 
wie Agareb, unter den Fürften von Yemen. Als fie fich frei machten, 
ſcheinen fie eine Zeitlang einen einheitlichen Heinen Staat gebildet zu 
haben. Aber diejer Zuftand konnte von ben Aqareb nicht lange er— 
tragen werden. Die Antipathie gegen Laheg war zu grob. Diele 
wurzelt wohl hauptfächlich in dem fremden Urfprung von dejjen Dynaftie, 
die nicht himyariſcher Abftammung ift, wie die Aqareb e8 ohne Zweifel 
find, denn ihre Phyfiognomte, ihre ſchwarze Hautfarbe, ihre Körper— 
bildung find ganz diefelbe, wie die der Yafit, der Fodli und anderen 
Himyaren. Jedenfalls find die Aqareb feit etwa einem Sahrhundert 
unabhängig von Laheg, das ihnen freilich niemald Ruhe ließ, nie einen 
wirklichen Frieden mit ihnen ſchloß und ſtets den Verſuch erneuerte, 
ihr Feines Zerritorium zu verfchlingen. Daß Dies nicht geſchah, ver- 
dankten die “Agareb der mächtigen Bundesgenoſſenſchaft der öftlichen 
Nachbarn und Erbfeinde von Laheg, der Fudli, welche in feinem Kriege 
verfehlten, ihre Partei zu ergreifen. Der lepte Krieg zwiſchen Abadel 
und Agareb fand im Jahre 1855 ftatt. Damald waren die Fodli zu 
ſehr anderweitig (durch den Krieg mit den Auwaliq) in Anſpruch ge 
nommen, fo daß bie Abadel ungehindert nach Bir Ahmed rüden konnten. 
Der Eultan der Aqareb wäre verloren gewejen, hätte nicht ein Zufall 
ihn gerettet. Die Auwaliq, die Verbündeten von Laheg, forderten 
nämlich gerade in diefem Zeitpunkt von defien Sultan die ihnen für 
diejen Kriegsbeiſtand verſprochenen Subfidiengelder, aber, jei es Geiz, 


Lebter Krieg des Aqrebiſtammes. 323 


fei es Unvermögenbeit, der Sultan weigerte fich zu zahlen. Darüber 
löfte ſich ihr Bündniß auf, die Auwaliq zogen beim und ließen die 
Abadel zwei Feinden, den Agareb und Fodli, gegenüber, welchen 
“Iesteren fie nicht gewachlen waren. So ward der Sultan von Laheg 
genöthigt, die Belagerung aufzuheben und Waffenftillitand eintreten zu 
laffen. Seitdem legt die Uebermacht Englands den beiderfeitigen Feind- 
jeligfeiten Stillfehweigen auf. Zu einem offenen Kriege darf es nicht 
mehr fommen, aber an Blutfehden, Privatfeindlichkeiten und Verationen 
aller Art fehlt e8 zwijchen den fich nad) wie vor hafjenden Stämmen 
auch jegt nicht. 


21* 


Zwoͤlftes Gapitel. 
Abdeli⸗Land oder Laheg. 


I. Name. — DL Geographiſche Lage. — DI. Grenzen. IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI Klima und Bodenerzeugniffe. — VIL Stämme. — VIII Stüdte 
und Ortſchaften. — IX. Sultan, Dynaſtie und Hof. — X. Regieru.g. — 
XL Finanzen. — XU. Münze. — XIU. Mititir. — XIV. Juſtiz. — XV. Aus: 
wärtige Politie — XVL Oberhobeit über fremde Stimme. — XVIL Geſchicht- 
liches. — XVII Religion. — XIX. Sitten und Gebräuche. — XX. Saftfreund: 
ichaft. — XXI. Europäer in Laheg. — XXU. Berrüdte Heilige. — XII. Zuden 
und Parias. 


I. ame 


Der Name 'Abdeli“), im Gollectiv Abadel, ift höchſt wahr- 
ſcheinlich dynaſtiſch. Abgeleitet ift er von "Abd (Nisba mit einge- 
Ichobenem I) das ald Stammedname hier ſonſt nicht vorfommt, wohl 
aber im Speciellen der Name des Herrſchergeſchlechts ift. Er ift übrigens 
neueren Datums. Dad Volk wurde früher Ajbahin genannt. 

Der Name Laheg ift ein uralter Ländername Nach Yaqut hat 


*) Die Schreibart "Abd "Ali, welche Ritter nach Haines und Wellited ge: 
braucht, ift durchaus unrichtig und widerfpricht auch ganz dem arabiſchen Eprady- 
bebrauch. „Sklaven 'Ali's“ könnten fich allenfalls Schiiten nennen, was Die 
Abadel aber nicht find. Wollte man "Alt „der Höchite” überfepen, fo dürfte der 
Artikel davor nicht fehlen. „Abd el AL“ ift ein häufiger Name. Außerdem braucht 
man den Namen nur ausfprechen zu hören, um zu wilfen, daß bier fein Ain vor 
dem I fteht. 


Sultanat von Laheg. 325 


es einen Stammpater diefed Namens gegeben, der im 8. Gliede vom 
erften Himyar”) ftammte. 


IL. Geographiſche Lage. 


Dad Abdeli-Land erſtreckt fi von etwa 44° 45' bis 45° 5" öftl. 
Länge v. Gr. und von 12° 50° bis 13° 12° nördl, Br. Dies die Aus- 
dehnung ded Eultanatd. Der Sultan nimmt aber noch die Oberhoheit 
über eine Menge Sſobehi-Stämme in Anſpruch und übt fie theilweife 
auch aus. Diele gehören indeß politiſch kaum und topographijch gar 
nicht hierher. 


IH. Grenzen. 
Im Süden Aden und das Aqrebi-⸗Land. Im Weſten die Sfobeht. 
Im Norden dad Haujhebi-Land. Im Oſten Abian, jept den Fodli 
gehörig. 
IV. Bodenerhebung. 


Der größte Theil ded Landes ift Tiefland, dad niedrig gelegene 
Flußthal des W. Tobban und feiner Seitenarme. Deftli und weſtlich 
vom Flußthal find wenig erhöhte newellte Ebenen. Die öftliche, die 
fi bis in's Fodli-Land hinein erftreckt, heißt Mehaidan. Nordlich 
verengt ſich das Flußthal und felſige Berge treten auf. 


V. Wadis. 


Wadi Tobban, vulgo der Fluß von Laheg genannt, einer der 
größten Wadis dieſes Theils von Südarabien, kommt aus der Gegend 
von Yerim, wo er, wie im ganzen Nordlauf, W. Nura heißt. 

Der W. Nura nimmt in der Gegend von Zaida den vom Gebel 
Sfabr fommenden W. Warezan auf und heißt nun W. Tobban. Er trennt 
fih 7 engl. Meilen nordweftlih von Hauta in zwei Arme, den W. el 
febir und W. eff ceghir (großen und Heinen W.), deren erfter bei 
Heffua, Tehterer unweit des Städtchend Omad, öftlic von Aden, mündet. 


*) Die Filiation ift: Laheg, ben Wayil, ben el haut, ben Datan, ben Arib, 
ben Zobair, ben Aiman, ben Hamaiſa, ben Himyar, ben Saba, ben Maſchgob, 
ben Ya’rob, ben Dahtan. Ein Sohn jened Wayil war nach anderen Fiften "Abd 
Schems, der Jüngere, der 18. König von Yemen, der 13. bei Wrede. War Dies 
nur ein anderer Name für Laheg? 


326 Der angeblihe Wadi Maidam. 


Trotz feiner Wichtigkeit ift er Fein perennirender Fluß. An der 
Mündung fließt er nur im Hochſommer. 

Der Name Tobban tft wenig befannt, indem das Voll meift vom 
„Leinen“ oder „großen" Sluß oder vom „Fluß von Laheg“ ſpricht. 
Died erflärt wohl den Irrthum Niebuhrd, Wellſted's, Haines' und den 
aller heutigen Europäer in Aden, welche den Fluß einftimmig W. Mai- 
dam nennen. Maidam ift aber nichts als eine Berhunzung von 
Mehaidan, dem Namen einer Steppe im DOften vom W. Tobban und 
im Norden v. Aden. Wer Mehatdan bereift, wie ich es that, der Tann 
übrigens feinen Augenblid den Namen eines Wadi für dieſes Land 
fefthalten. Es ift eine völlig trodene Steppe. Der Name ift freilic) 
jehr befannt. Feder Eingeborene ſpricht von Mehaidan. Feder Europäer, 
der nad) Laheg geht, hört dies Wort, und da der Volksmund dem Flufje 
nur jo allgemeine Namen, wie der „Heine", der „große”, der „Fluß 
von Laheg“ giebt, fo liegt die Verwechslung nahe, Mehaidan für den 
jpeciellen Namen zu halten, befonder8 da der Weg die Hochebene be- 
rührt. Sch mußte mir förmlich Mühe geben, den wahren Namen des 
Fluſſes zu erfahren und konnte ihn nicht eher ermitteln, ala bis ich auf 
den Gedanken kam, den Landesherrn, den Sultan von Laheg jelbft, 
der es doch am Beften willen mußte, danad) zu fragen. Diefer fagte 
mir und feine Brüder, Vettern, ſowie ein Dutzend arabiſcher Gelehrten, 
feine Hofleute, Soldaten u. |. w. beitätigten nun alle einftimmig 
Folgendes: „Der Fluß heißt W. Tobban. Mehaidan ift nur ein 
Meideland, eine Steppe‘*). Uebrigens merkte ich fpäter, daß auch das 
Bolf den Namen fehr gut kennt. Es findet e8 nur bequemer, jene all- 
gemeinen Auddrüde zu gebrauchen. Nie aber börte ich einen Araber 
von einem W. Mehaidan (oder gar Maidam) reden. 

Ritters**) Notiz: „Der W. Maidam zieht an der Stadt (Laheg) 
vorbei“, ift alfo ein Irrthum. Höchſt feltfam ift, was er dann jagt, 
‚wenn auch feine Mündung noch unbekannt zu fein ſcheint.“ Don 
diefer Mündung (bet Heffua) war fehon oben die Rede. Sie hat aller- 
dings jelten Waffe. Aber man follte faum glauben, daß fie Wellfted 
und Niebuhr, die doch in Aden Notizen fammelten, unbefannt geblieben 
ſei. In Aden Tennt fie jeder Araber. 


*% Da die Kameele an Eteppenpflanzen Weide finden, fo fann felbft eine 
Steppe bier als Weideland bezeichnet werden und wird ed allgemein. 
“*) Ritters Erdfunde XII ©. 707. 


Das fruchtbare Gebiet von Laheg. 327 


VI. Klima und Bodenerzeugniffe. 

Das Land bat durchaus Küftenklima, würde alfo auf die prefären 
Minterregen angewiefen fein, beſäße es nicht den W. Zobban, der in 
jeinem oberen Lauf die tropischen Sommerregen empfängt und das koſt⸗ 
bare Naß dem Tiefland zuführt. Ich hörte allgemein beftätigen, daß 
im Gebirge nördlid von Laheg, wo ein Theil des Flußwaſſers durch 
Schleußen zurüdgehalten wird, daſſelbe niemald gänzlich ausgehe. Einige 
diefer Schleußen werden nur im äußerſten Nothfall geöffnet, eine Rejerve 
für die fchlechteften Zeiten. Nur der Sultan kann die Erlaubniß zum 
Deffnen geben. Im Tiefland ſucht man es durch gejchichte Bewäſſerungs⸗ 
anſtalten jo einzurichten, daß man das ganze Jahr hindurch den einen 
oder anderen Theil der Selder bewällern fann. Kein Tropfen Wafjer geht 
hier verloren, außer im Hochſommer, wenn alle Schleußen überfließen 
und der Fluß in’d Meer gelangt. Die Folge der geichicten Ausbeutung 
dieſes Waſſervorraths ift große Fruchtbarkeit. 

Das Tiefland von Laheg ift einer der gejegneteften Landftriche 
Arabiend. Wellfted vergleicht ed nicht ganz mit Unrecht mit dem Nil» 
thal. Baumwolle wird in Menge angepflanzt und joll von ausgezeich- 
neter Qualität fein. DVortreffliher Weizen, Durra, Dochn, Seſam, 
Tabak, Wein, Feigen, Bananen, Orangen, Citronen, die Früchte der 
heißen neben denen der gemäßigten Zone gedeihen hier. Was der Boden 
bei geſchickter Cultur zu leiften vermag, beweijen die zwei von Oftindiern 
in Laheg bejorgten Gemüfegärten, von denen jämmtlicher Gemüjevor- 
rath Adens bezogen wird. Hier wachlen jowohl die Gemüfe Oftindiens, 
ald die Europa's, namentlich treffliher Kohl, ſonſt in Arabien etwas 
Unbekanntes. Die Datteln find von geringer Qualität. Kaffee wächlt 
hier ebenjowenig, wie in anderen Küftenländern. 

Die Ebene Mehaidan trägt jene Steppengewächſe, weldye als 
Kameelfutter beliebt find und von denen bei Bir Ahmed die Rede war. 


vIm Stämme. 

Jetzt begreift man die Bewohner des Sultanats Laheg alle unter 
dem Namen ,„ Abadel.“ Oben wurde ſchon gejagt, daß Died der ſpecielle 
Name der Dynaftie it. Wäre leptere einheimiſch, fo könnte er doch 
auch der urfprünglihe Name des Volkes fein. Died iſt aber nicht der 
Fall, wie fowehl ihre Geſchlechtstradition, als die Phyſiognomie, belle 
Hautfarbe, das fchlichtere Haar, die Neigung zur Wohlbeleibtheit ihrer 


328 Stämme des Sultanats Laheg. 


Mitglieder beweilen, alled Züge, die beim Volke entweder fehlen oder 
ganz anders find. Die Dynaſtie „Abdeli” ift aus Gentralyemen und 
ſtammt von einem Gouverneur der Imame, der fich frei machte und 
dad Land ald Gultan regierte; dagegen ift dad Volk echt himyariſch. 
Zum großen Theil befteht e& wohl aus Aſſabeh oder Alfbahin, Völkern, 
die auch Hamdant hier nennt und deren Name fich jebt noch bei den 
weftlichen Nachbaren, den Sjobehi, erhallen hat. Ein anderer von Ham⸗ 
dani hier genannter Stamm, die Wagedin, fcheint jetzt ganz unbekannt. 

Die Bewohner der Ebene Mehaidan *) werben ald die Beni Mehaid 
genannt, die auch in Chamfer wohnten. Ich hörte zwar nicht mehr den 
Namen Bent Mehaid, aber fehr oft Ahl Mehatdan ald Gefammtnamen 
der Heinen Unterftämme, welche jebt diefe MWeidefteppe bewohnen. 

Zolgende Unterftämme der" Abadel wurden mir namentlich bezeichnet: 

1) Ahl Zueila, wohnen in Ziuich, Heine Ortichaft in Mehaidan 
und Umgegend. 

2) Ahl Selam, mohnen in Meghafa am M. eff ceghir, füd- 
öftlich von Hauta. 

3) Ban, wohnen in Hamra, 1 Stunde von Hauta. 

4) Azeibih, oft auch Azeba geiprochen, in der Nähe von Mehatdan. 
(Hamdant erwähnt die Alfabeh bei Laheg. Ich glaube jedoch, daß die 
Ajabeh mit dem fonft oft erwähnten Aſſbahin identiich oder doch nahe 
verwandt waren und daß die hier erwähnten Azeba, deren Namen ich 
nie mit ſſad ſprechen hörte, ein ganz anderer Stamm find.) 

5) Diyani, wohnen 4 Stunden nordöftlid von Laheg. 

6) Bent Ahmed, wohnen in Suar. 


VID. Städte und Ortfchaften. 


Hauta (13° 4° nördl, Br. und 44° 54° öftl. L.) vulgo Laheg ge- 
nannt, welches ftreng genommen der Name ded engeren Diſtriets ift, in 
deffen Mitte Hauta liegt, Hauptftadt und Reſidenz ded Sultans. Ein- 
wohner etwa achthundert. Wenig Iuden, viele Somali’d, moslimiſche 
Oſtindier, feine Banianen (Hindu'ſche Kaufmannskaſte, in Aden ftarf 
vertreten). Keine Stadtmauern, obgleich der Name Hauta, ber eine „Um= 
friedigung“ bedeutet, ſolche vorausjegen laſſen Tünnte, aber als „Um= 


*) Hamdani fehreibt den Pandfchaftänamen Mehaidha (mit dhad), Dagegen den 
Stammesnamen Mehaid (mit daſ). 





Die Hauptftadt des Sultanats Laheg. 329 


friedigung‘ läßt man bier die Caſtelle und befeftigten Privathäuſer 
in ihrer Gejammtheit gelten. Etwa 80 Hänfer, 5 große Gaftelle, 
darunter dad Schloß des Eultand, impofante Baumaſſe, Aſtöckig, mit 
fünf 6ftödtgen Thürmen, worunter ein großer Rundthurm. Die zwei 
oberen Stodwerfe des Mittelpalafted und die vier oberen des Runbd- 
thurmes find weiß angeftrihen, was fie fo eigenthümlich hervorhebt, 
daß fie noch höher erjcheinen. Alles andere trägt die natürliche rothe 
Farbe der Luftziegel, aus denen die ganze Stadt erbaut ift. Schloß 
des Bruberd des Sultan, "Abd Allah, in einem anderen Stabttheile, 
gleichfall8 jehr impofant, mit vier hoben Eckthürmen. Xrtillerie- 
Gaferne, große vierftöcdige Baumaffe; im zweiten Stock Terraſſe mit 
fünf. aufgeftellten englifhen Kanonen. — Einige fünfzig Sejam:Del- 
mühlen, durch Ejel oder Kameele in Bewegung gefegt. — Täglicher 
Markt, außerdem großer Wochenmarkt. Sehr viel Verkehr. Mittel- 
punkt der Karamanenftraßen von Sſan a, Dhamar, Ta izz. 

An Markttagen ift die Bevölferung verdreifacht. Moſchee auf dem 
Marktplatz, niedrig, durchaus ſchmucklos, ein großer länglicher Schuppen. 

In der Nähe Gärten, worunter zwei große Gemüſegärten, von 
oftindifchen Gärtnern gepflegt und mit europäifchen Gemüfen bepflanzt. 
Herrliche Lage inmitten eined Palmenwaldes, Baumwollfeldern. 

Herrliche Auöficht vom oberften Stockwerk ded Artillerie - Thurmes, 
Der Blick fchweift nach Süden über einen Palmenwald, nad Norden 
über die fruchtbarften Gefilde bis zu den Bergen der Hauwaſchib. 

In Folge der Feuchtigkeit, welche die Bewäſſerung mit fidh bringt, 
entftehen Fiebermiasmen und da8 Klima ift eigentlich nur in der ganz 
trodenen Jahreszeit (im Winter) einigermaßen gefund, aber auch dann 
fommen Wechfelfieber vor. Im Sommer find fie oft gefährlich. 

Hamdani erwähnt Laheg an vielen Stellen, als den Mittelpunft 
zahlreicher Stinerare, am ausführlichiten Seite 112 (ded Adener Manu—⸗ 
Scripts), an welcher Stelle er von feinen Bewohnern ſpricht. Diefe waren 
die Habab, die Ro ain der Beni Ogil (oder Ohail) und die Hauwad, 
alle drei Abtheilungen der Aſſbahin. Dieſer letztere Name fcheint, wie 
ichon oben angedeutet, die Sfobeht zu bezeichnen, die jet nicht mehr in 
Zaheg, fondern im MWeften davon, aber theilweife in nächiter Nähe 
wohnen. 

Im Umkreis von 2 Stunden um Laheg viele Dörfchen, deren wich. 
tigſte: Mokaibera, Tharore, Bet Samjam (ſüdlich); Kadema, Abubekr, 


330 Ortichaften des Sultanats Laheg. 


Zhalub (öftlih); Siffia, Dar Kureſchi (nördlich) ; Abbeffelam, Bet Ayla 
(weſtlich). 

Derb (12° 58’ nördl. Br., 44° 55° öſtl L.), kleiner Ort mit 
etwa 12 großen Häufern und fünfzig Einwohnern, halbwegs zwischen 
Hauta und dem Meere am W. el Kebir (MW. Zobban). Hier ift ges 
wöhnlich die füdlichſte Aufſtauung des Waſſers und felbft in der trodenen 
Jahreszeit fehlt es jelten daran. Sehr frudhtbare Gegend, aber böje 
Fiebermiadmen. 

Bei Hamdani finden wir Derb einmal in der gewöhnlichen Weiſe, 
ein andermal Dareb gejchrieben. Es war von den Wagediun bewohnt, 
diejelben, die er an einer andern Stelle MWagedin nennt. 

Schech Otman (12° 53' nördl Br., 45° öftl. &), Heine Ort- 
Ichaft im Süden, nahe am Meere, 7 engliihe Meilen von Aden, nur 
2 von der engliichen Grenze entfernt. Einige zehn feitungsartige Häufer, 
worunter dad ded Sultans. Das jchönfte Gebäude ift ein modernes 
Landhaus des Adener Kaufmanns, Hafan "Ali, mit herrlichem Garten. 
Der Eigenthümer, der jelbit falt nie hier wohnt, geftattet allen reife- 
Iuftigen Europäern, fi bier fo lange, als fie wollen, aufzuhalten. 
Große Mofchee, Grab des Schech 'Otman, nad) dem ber Ort beißt, 
weites, aber verhältnißmäßig gedrücktes Gebäude mit einer Menge kleiner 
weißer Kuppeln. Gegend unfruchtbar (hier beginnt im Oſten die Ebene 
Mehaidan). Nur Dompalmen, die jetzt ganz unnüg, da der orihodore 
Sultan feinen moslimiſchen Unterthanen das Bereiten ded gegohrenen 
Getränks aus ihren Früchten verboten hat. In Hauta geftattet er dies 
ben Suben, aber in Schech Otman leben feine. 

MWahet, Feine Ortichaft oberhalb Derb, ausſchließlich von Sche- 
tifen oder Siid (Nachkommen ded Propheten) bewohnt. 

Fiuſch, Städthen in Mehaidan. Etwa 50 Einwohne. Ein 
Caſtell. Aus diefem Städtchen fol nad Einigen die Dynaftie ſtammen, 
wohl nur in weiblicher Linie. 

Meghafa, Heiner Drt in fehr fruchtbarer Gegend am W. eſſ Ceghir. 

Hamra, Drtichaft der Ban, in fruchtbarer Gegend. Dicht bei Laheg. 

Sfuar, Hüttendorf der Beni Selam. 

Sebach, Drt an der Fodli-Grenze, am öftlihen Ende der Ebene 
Mehaidan. Unfruchtbare Gegend. 

Zaida (13° 12’ nördl. Br., 44° 50° öftl. 2), Grenzftadt im 
Norden, gehört zur Hälfte dem Sultan von Laheg und zur Hälfte den 


Der Sultan von Laheg und feine Dynaftie, 331 


Hauwaſchib. War während langer Zeit die füdliche Grenzfeftung des 
Imamats der Zaidi, von denen fie auch ihren Namen befommen hat. 
Saftell des Sultans von Laheg, der bier eine Garnifon unterhält. 
Sruchtbare Gegend. 

Dmad, Dörfchen im Tieflauf des W. effceghir, unweit des Meeres. 

Kleine Ortſchaften in Mehaidan, nur aud Brunnen und einigen 
Hütten beftehbend, find: Bir Naſſr, Bir Omr, Bir Gomm ımd Bir 
Schaker. 


IX. Sultan, Dynaſtie und Hof. 


Seit Laheg fi) vom Imamat der Fürften von Yemen unabhängig 
gemacht bat, ein Ereigniß, welches etwa mit der Verlegung der Haupt: 
ftadt nad) dem Norden zufammenfällt, ift e8 immer unter demielben 
Herrfchergefchlecht geblieben, welches den Familiennamen Abdeli, der 
noch heuie auf den Münzen figurirt, führt. Seine zum Throne ge- 
langten Mitglieder find folgende”): 

1. Sultan Fadl ben Alt, ben Salah ben Salim, regiert von ' 
1728 bi8 1742, ermordet. 

2. Sultan’Abd el Kerim, ben Fadl, Sohn des vorigen, regiert von 
1742 bis 1753. 

3. Sultan “Abd el Hadi, ben "Abd el Kerim, Sohn des borigen, 
regiert von 1753 bis 1777. 

4. Sultan Fadl, ben "Abd el Kerim, Bruder ded vorigen, regiert 
von 1777 bis 1792. 

5. Sultan Ahmed, ben Abd el Kerim, Bruder des vorigent, re⸗ 
giert von 1792 bis 1827. 

6. Sultan Mohſin, ben Fadl, Neffe des vorigen, regiert von 1827 
bis 1847. 

7. Sultan Ahmed, ben Mobfin, Sohn des vorigen, regiert von 
1847 bis 1849. 

8. Sultan "Alt, ben Mohfin, Bruder des vorigen, regiert von 
1849 bis 1866. 

9. Sultan Fadl, ben Mobfin, Bruder ded vorigen, der regierende 
Sultan feit 1866. 


*) Bis 1849 iſt dieſe Sultandlifte aus Playfair’d Werk über Yemen ent« 
nommen. 


332 Thronfolgeftreit in Laheg. 


Die Thronfolge ſcheint nicht jo abfolut nad) dem Senioratsredht 
geregelt, wie in anderen moßlimifchen Staaten, jondern viel von jedes⸗ 
maliger Bamilienübereinktunft, oft auch durch bloße Willfür und das 
Recht ded Stärferen, d. h. desjenigen, deſſen nächte Verwandtichaft 
mächtiger ift, als die ſeines mehr berechtigten Nebenbuhlerd, bedingt 
zu fein. So beſitzt der jegige Sultan einen von einer anderen Mutter 
geborenen Älteren Halbbruder, Abd Allah ben Mobfin, den man, 
troß feiner Rechte, von der Thronfolge auszujchließen wußte. Sultan 
Fadl ift aber der rechte Bruder des verftorbenen Sultans Ali, und 
feine obgleich unrehtmäßige Nachfolge war ſchon von letzterem vorbe- 
reitet worden, fo daß nah Ali's Tode Fadl's Anhang zu mächtig 
war, um Abd Allah Ausficht auf die ihm von Recht zuftehende Thron» 
folge zu laſſen. 

“Abd Allah hatte zwar auch feinen Auhang und lieb fih ven 
diefem als regierender Sultan proclamiren. Während drei Jahren 
lebte er in offener Fehde mit feinem Halbbruder, und zwar in ber 
Hauptſtadt Hauta felbft, wo er ein feftes Gaftell beſitzt. Die Stadt 
war dadurch in zwei feindliche Lager getheilt, die fich täglich Schar⸗ 
mützel lieferten. Keiner fonnte ohne Lebensgefahr aus dem einen 
Stadttheil in den anderen geben. Erſt feit 1869 ift diefe Familien- 
fehde beigelegt. - "Abd Allah wurde von feinem Halbbruder, wie es 
beißt, durch bedeutende Geldgefchenfe zu einer ſtillſchweigenden Reſig⸗ 
nirung bewogen. Aber die Stiefbrüder follen fi) nad wie vor 
nicht ſehen. 

Eigentlich hatte der verftorbene Sultan Ali die Thronfolge nicht 
feinem Bruder Fadl, fondern feinem Sohne, der gleichfalls Fadl heikt, 
fihern wollen, und da er ſich großer Beliebtheit erfreute, jo wäre ihm 
dies auch wahrjcheinlich gelungen, hätte nicht fein zu früher Tod diejen 
Plan vernichtet. Der jüngere Zabl war bei Ali's Tode noch eim 
Knabe, und da fein Oheim Fadl von "Alt zum Vormund befjelben 
beitimmt worden war, fo ließ man ihn auch die Regierung übernehmen. 
Aber unter allen Mitgliedern des mächtigeren Theile8 der Samilie bee 
fteht die Mebereinfunft, dem jungen Fadl ben "Alt die von feinem 
Bater ihm zugedachte Thronfolge nad feines Oheims Tode zu fichern, 
obgleich er keineswegs Ausficht hat, dann der Senior der Familie zu 
fein, denn nicht nur bat der Sultan mehrere theild rechte, theild Halb- 
brüder, die alle älter find als der junge Fadl, fondern auch vier Söhne 


Die Herricherfamilie von Laheg. 333 


und eine Menge erwachjener Neffen, von denen viele gleichfall8 dem 
muthmaßlichen Thronfolger an Jahren überlegen find. 

Der im Alter dem Sultan am nächſten ftehende rechte Bruder, 
Mohammed, ift fogar der fähigfte Kopf der Familie, ohne defjen Gut- 
heißen der Sultan nicht8 unternimmt, und würde ſich gewiß gut zum 
Regenten eignen. Aber auch er fcheint dazu refignirt, feine Rechte an 
ben jungen Fadl abzutreten. Dieſem geftattet man jogar jet ſchon, 
feinen Einfluß geltend zu machen. Wenn der Sultan in Aden oder 
ſonſt auf Reifen ift, führt der junge Fadl die Regierung. Er fol 
fogar die Schlüffel zum Staatsſchatz haben, der nicht dem Sultan 
allein, fondern der ganzen zahlreichen Herricherfamilie gehört, aus 
welchem jedoch der Sultan berechtigt ift, größere Summen als die an- 
deren, zu beziehen. 

Alle Prinzen, einige fünfundzwanzig an der Zahl (ohne die Fleinen 
Knaben zu rechnen), führen übrigens gleichfall8 den Titel „Sultan“, 
und ed ift gar Fein Unterfchied zwiſchen ihrer Zitulatur und der des 
regierenden Fürften. Will man ihn unterfdheiden, fo fann man es 
nicht anders, als durd, feinen Namen Fadl ben Mohfin, oder man 
jagt auch wohl einfady „der Sultan“. 

Ich habe die hervorragenderen Mitglieder diefer Herricherfamilie 
alle perſoͤnlich kennen gelernt. Den regierenden Sultan und feinen 
Bruder Mohammed, von dem er fich nie trennt, ſah ich in Aden, 
wo fie fih im Frühjahr 1871 einen Monat lang aufhielten. Beide 
gleichen fih im Aeußern dergeftalt, daß man fie für Zwillinge halten 
fünnte. Ihre Hautfarbe ift ſehr heil, ihre Züge fein gefchnitten, edel 
nnd regelmäßig, ihre Augen von einer außerordentlichen Lebhaftigfeit 
und fehr ausdrucksvoll. Sie find’ von mittlerer Größe, wohlgebaut, 
nur etwas zu corpulent, die alle älteren Mitglieder dieſer Familie. 
Im Alter dürften fie den Fünfzigen nahe ftehen. Dad Haar des 
Sultans ift weiß, das feined Bruders noch etwas mit Grau gemildt. 
Beide find fait bartlos. Der ſchwache Echnurbart ift direct über dem 
Munde abrafirt, nur an den beiden Enden ftehen ein paar weiße 
Härchen, die nicht mehr mit den Speijen in Berührung fommen können, 
welche Berührung „makruh“ (verunreinigend) fein würde Trotz ihrer 
Fahre haben beide noch ein ſehr jugendliche Weſen, lache gern, ja fte 
zeigen fich, nach unferen europäifchen Begriffen, zuweilen etwas Tindifch. 
So fah ich einft beim Gebet, das fie immer einhalten, wie Eultan 


334 Coftüm der Prinzen von Yaheg. 


Mohammed hinter dem Vorbeter allerlei Schnippchen ſchlug, Grimaſſen 
fchnitt und fi dann, obgleich er eben kniete, vor Lachen faft wälzen 
wollte. Trotzdem ift er fehr orthodor, aber die Orthodoxie beiteht mehr 
in der Form im Allgemeinen; durch ſolche Kleinigkeiten ſcheint ſie 
nicht geſtört zu werden. 

Die Kleidung des Sultans und der Prinzen war vor einigen 
Jahren noch dieſelbe, wie die ihrer Unterthanen und wie Die aller ſüd⸗ 
arabifchen Fürften, d. h. Lendentudh und Dismal (Turban der Sul: 
tane). Seit aber der Eultan in Bombay war, wohin er auf Bereden 
des politiichen Agenten von Aden zur Begrüßung des englifchen Prinzen 
Alfred gereift war, hat er eine prächtige Kleidungsart in feinem Haufe 
eingeführt. Den Oberleib fhmüdt eine rothe Jacke, über und über 
mit dicken Goldftidereien bededt. Ein Hemd wird darunter nicht ge= 
tragen. Das Haupt ziert ein reicher Diesmal, gleichfall8 mit Gold- 
ſtickereien. Die Bedeckunng der enden ift aber doch beduinifch ges 
blieben, nur wird ein Lendentuch von koſtbarem Stoff getragen. Hoſen 
gelten nämlich im Süden von Arabien ald eined Mannes für un- 
würdig. In Yemen werden fie nur von den Frauen getragen. Es 
gilt für den größten Schimpf, wenn man von einem Manne fagt, er 
trage Hofen. Die Beine von den Knieen abwärtd und die Füße find 
im Haufe nadt; beim Audgehen werden Sandalen angezogen. 


Die Waffen der Prinzen find von großer Schönheit und jehr 
reih. Ein frummer Säbel mit goldenem Griff und mit Cbelfteinen 
bejegt, eine gleihfal8 mit kunſtvollem Goldgriff verfehene Gembiye, 
die aber bei den Bornehmen in Laheg nicht die Hufeijenform der 
Scheide zeigt, da diefe den Amud (die Säule) nicht tragen, welche bei 
dem Volke der Abadel und fonft überall in Südarabien ald Gegen- 
ſtück zum Griff figurirt. Die Gembiye der Prinzen gleicht mehr einem 
türkiſchen Yataghan. 

Die Coftümreform wurde nicht von dem fchmollenden Theil der 
Zamilie, dem Prinzen "Abd Allah und feinem Anhang, angenommen. 
Dieſe leiden fich vielmehr nad) wie vor ganz wie die Beduinen. "Abd 
Allah zeigt übrigend auch in feinen Zügen nicht die Familienähnlichkeit. 
Er ift jehr dunfelhäutig, faft jo fchwarz wie die Bebuinen und Die 
Mehrzahl der Abadel, was wohl darauf hindeutet, daß feine Mutter 
von bimyariicher Abftammung (wie das Volk) war. 


Der Zhronfolger und der Prätendent von Laheg. 335 


Den jungen Fadl ben "Ali lernte ich in Laheg kennen, wo er 
zur Zeit die Regentichaft führte. Er empfing mid im Palaft in Haute, 
im Staatözimmer ded regierenden Sultand. Er ijt ein junger Mann 
von eiwa 20 Jahren, etwas dunfelhäutiger ald feine Oheime, aber 
immer noch ſehr heil im Vergleich mit dem Bolt, neigt bereits zur 
Gorpulenz, zeigt übrigens lange nicht den aufgewedten Gefichtsausdrud, 
wie jene; auch war er weit entfernt von ihrer Natürlichkeit, fundern 
Ichien eine gewiffe fteife Würde mehr zu affectiren, als zu befiten. 

Unter den anderen jungen Prinzen bemerkte ich einen Sohn des 
regierenden Sultand. Ich hatte fein in Bombay aufgenommened Licht- 
bild in Aden geſehen und auf diefem fchien er die Verkörperung ju- 
gendlihen Heldenthums. Seine Augen ſprühten Feuer; martialifch hielt 
er feinen krummen Säbel in der Rechten und die andere Hand am 
Griff der Gembiye, ald wollte er fie ziehen und dem Blutfeind ins 
Herz ftoßen: dabei jene feinen arabifchen Züge, alle Theile des Gefichts 
von merfwürdiger Zierlichfeit und doch charakteriftiich ausgeprägt und 
kraftvoll; übrigend das ganze Geſicht fo Hein, daß man ed im die 
Hand nehmen zu Tünnen glaubte Aber wie hatte er fi) verändert 
feit den paar Jahren, welche das Bild zählte! Die Neigung zur Cor⸗ 
pulenz, die feiner Familie ausnahmsweiſe eigenthümlich tft, hatte auch 
feine Züge entjtellt, jo daß ich in ihm nur mit Mühe das Urbild jener 
Photographie erfannte. 

Bei einem anderen älteren Bringen, einem Bruder des regierenden 
Eultans, war gar jene Gorpulenz bi3 zur Monftruofität entwidelt, und 
dennoch gefiel er fih, fie der Bewunderung der Welt Preis zu geben, 
denn er hatte nicht die neue Kleiderreform angenommen und ging bi8 
auf das Lendentuch nadt, eine wandelnde Fettmaffe, deren einzelne 
Theile wie die Säcke bherunterhingen. Alle anderen Prinzen trugen 
die goldgeftidte neue Tracht. 

Bei Hof herrſcht eine gewiſſe Etiquette Im Diwanjaale des 
Sultans, einem länglichen jhmudlofen Raum, mit Teppichen bededt, 
auf denen man fibt, find alle Plätze wie durch ftillichweigendes Weber- 
einfommen marfirt, in der Iinfen Ede (von der Thür aus) der vor 
nehmfte, und jo fortfchreitend bis zur rechten Ede, wo der SKaffeetopf 
mit dem Gifchr, von dem bier, wie in Bir Ahmed, mafjenhaft herum: 
gereicht wirb, inmitten des Dienerfreifed fteht. Auch die gemeinen 
Soldaten, jelbft Bettler werden in den Saal gelafjen und nehmen ihre 


336 Regierung und Finanzen von Laheg. 


Plätze im rechten Flügel ein. Alle werden mit Giſchr tractirt und 
dürfen aus den umberftehenden Wafferpfeifen rauchen. 

Der Gruß der Untertbanen den Prinzen gegenüber beiteht im 
Kniekuß. Während ich beim jungen Fadl Audienz hatte, wurde fein 
Knie wenigftend hundertmal gefüßt. Er aber machte nicht die geringfte 
Miene ded Gegengrußes oder ded Dankes. Auch hier wird dem regie= 
zenden Sultan Teine höhere Chrenbezeugung enviefen, ald allen Mit« 
gliedern feiner Samilie. 


X. Regierung. 


Alle Bewohner bes engeren Sultanats Laheg ftehen im NRayever- 
hältniß zum Sultan, d. h. fie find despotiſch beherrſchte Unterthanen. 
Dobayel (freie Stämme) fcheint ed in dieſem Gebiet gar nicht zu 
geben. Die Regierung des Sultans kennt Feine anderen Beſchränkungen, 
als die durch die Mitglieder der Dynaftie, von denen einige, wie der 
junge Fadl, einen nicht geringen Einfluß ausüben, oder ſolche, welche 
durch die äußere Politik herbeigeführt werden. 


ZI Finanzen 


Der Sultan bezieht von der englifhen Regierung eine monatliche 
Nente von 541 Marta-Therefien-Thalern. Der Zoll von 2 Proc. vom 
Werthe aller durch fein Gebiet beförderten Waaren wurde mir von 
Sachverftändigen auf etwa 1500 derjelben Thaler monatlich gefchägt. 
Die Marktiteuer von Hauta jolltäglich acht, alfo monatlich 240 M. Th. 
Thaler betragen. Kleinere Steuern, wie die von den Suden für das 
Necht, aus den Dompalm-Früchten ein gegohrnes Getränk zu bereiten 
gezahlte, und einige andere, dürften monatlich noch etwa 50 M. Th. 
Thaler einbringen. Died würde die Gejfammteinnahme auf monatlid 
2331, jährlich 27972 M. Th. Thaler (etwa 40,000 preuß. Thlr.) 
jtelen. Auberdem hat der Sultan noch viele Einfünfte von ſeinen 
Ländereien, die aber in Naturalien bezogen und aud jo veraußgabt 
werden, denn mit ihnen zahlt er Truppen und Beamte. Die Ausgaben 
find, infofern fie in Baarem ftattfinden, jehr unbedeutend. Der 
Luxus des Hofed, d. b. die prachtvollen Kleider, die aber felten erneuert 
werden, fowie der Verbrauch an Saat (f. unten Sitten und Gebräuche), 
für den täglich 10 Thaler aufgehen jollen, endlich die Bejoldung des 
europäiſchen Artilferieinftructord (20 Pfd. Sterling monatlih) bilden 


Einheimifche Münze im Sultanat Laheg. 337 


bie einzigen regelmäßigen Geldaudgaben des Sultans. Zu feinem 
Leidweſen hat er freilich manchmal unregelmäßige und zwar fehr be- 
trächtliche, indem er die Friegäluftigen zwei Stämme der Dhu Moham- 
med und Dhu Hofain, welche in Ober- Yemen wohnen, aber ſchon 
einen großen Theil von Süd-Yemen erobert haben, und alljährlich 
drohen, auch Laheg ihren Befigungen einzuverleiben, durch oft fehr bes 
deutende Geldgejchenfe zum Frieden bewegen muß. Aber troß dieſer 
wahren Zributzahlung bleibt doch noch immer eine fchöne Summe im 
Staatsſchatz von Laheg. 


Zu. Münze 


Laheg ijt der einzige der Heinen jüdarabiichen Staaten, der eine 
eigene Münze befist, da fonft überall nur die Marie-Thereflen-Thaler, 
die oſtindiſchen Rupien (20 Silbergrofchen), Anna's (15 Pfennige) und 
Died (1'4 Dfennig), die in Arabien „Ardi* heißen, gelten, daſſelbe Geld, 
welches in Aden curfirt. Im Laheg gehen gleichfalls alle dieje Münzen, 
aber ed giebt auch eine inländische, „Manſſuri“ genannt, obwohl fie 
nur den vierten Theil des Werthes des ehenaligen Manſſuri's von 
Sſan a repräfentirt. Diefe einzige Münze des Sultanats ift ein ganz 
kleines Kupferftüd, von dem 110 auf eine Rupie gehen, alſo etwa 
2 Pfennige im Werth. Es trägt auf einer Seite die Inſchrift: „AL 
ben Mohſin el Abdeli" (Name des verftorbenen Sultans), auf ber 
anderen: „Doribat fi Hauta Laheg“ (geprägt zu Hauta in Laheg), ohne 
Jahreszahl. Das „geprägt zu Hanuta” ift übrigens eine unwahre Selbft- 
jchmeichelei, denn Sultan "Alt hat diefe Münzen in Bombay beftellt. 
Ste ftammen alle von einer einzigen Lieferung. Weder vor noch nad) 
“Ali wurden wieder welche geprägt. Sie haben nur in Laheg Geltung; 
ſchon an der Grenze des Heinen Staated nimmt man fie nicht mehr, 
und in Aden will fie fein Menſch. 

Die Araber, die dad Bedürfniß nach einer jehr Fleinen Münze 
haben, zteben die englifch-oftindifchen Pies (122 Anna), die noch Fleiner 
als die Manſſuri's von Laheg, da fie mur 1Y, Pfennig werth find, 
bet weitem diefen vor. Ihrem Bedürfnig nad) einer etwas größeren 
Kupfermüngze wird auch wieder durch die Viertel-Anna’d, vulgo Pezza, 
in Arabien Beza genannt; die 3 Pies, alfo 3%4 Pfennige werth find, 
abgeholfen. 


v. Maltzan, Belie nah Südarabien. 2 


338 Bewaffnete Macht von Laheg. 


xIoOI Rilitär. 


Der Sultan von Laheg hat die Prätention, drei Zruppengattun- 
gen, Cavallerie, Infanterie und Artillerie zu befigen. Erſtere hat etwa 
30 Pferde und 100 Reitkameele. inige 60 Reiter bilden eine Art 
von Garde ded Sultans, und find zugleich feine Courier. Die an- 
deren find auf die Dörfer vertheilt und verjehen den Botendienft zwiichen 
den verjchiedenen Punkten ded Landes, dienen auch wohl ald Escorte, 
wenn eine ſolche nöthig wird. Eine regelmäßige Infanterie giebt es 
nicht. Im SKriegöfall wird eine ſolche aus allen denen zufammen- 
gefegt, die Feine Reitthiere haben. Der Sultan foll dann über 2000 
jtreitbare Männer verfügen können. Die Artillerie ift eine ganz neue 
Schöpfung Der Sultan befam nämlich vor etwa 3 Jahren fünf 
fleine Kanonen von der englifchen Regierung gefchenkt, fogenannte Ra⸗ 
feten-Kanonen, die fein Menſch im Lande zu laden verftand. Zum Glüd 
machte er in Bombay die Belanntichaft eines jungen Polen, der dort 
bei der Eifenbahn angeftellt war und früher bei der Artillerie gedient 
hatte. Diefen gewann er für feinen Dienft und übertrug ihm die 
Schulung der Artilleriften. Etwa 24 Araber wurden ihm untergeord« 
net, denen er aber, wie er mir klagte, nicht die Kenntniß des Ladens 
beibringen könne, da Gefchüge ſowie Kanonen mit europäifchen Zeichen 
verjeben jeien, die diefe Leute bis jetzt noch nicht begriffen hätten, und 
Died habe zur Folge, daß fie immer verſuchten, die falfchen Kugeln in 
die Kanonen zu laden. Die Kanonen find nämlid von dreierlei 
Kaliber. 

Herr Landsberg, fo beißt der Pole, ift der einzige Europäer in 
Laheg. Er bewohnt ein großes Caſtell, die fogenannte Artilleriefaferne, 
welche aber trog ihrer Größe nur ein einziges bewohnbares Zimmer, 
und zwar das Thurmgemad im höchften Stockwerk, hat; dort bivoua⸗ 
firt er, fo zu fagen, inmitten feiner faft nadten Artilleriften. Der 
Sultan hält große Stüde auf ihn, befonders fett einer Revue, die 
Herr Kandöberg veranftalten mußte und bei der mit ſämmtlichen Ka- 
nonen ein eigend zu biefem Zwecke errichteter Echuppen zufammen- 
gefchoffen wurde. Der Inſtructor mußte freilich alle Kanonen in 
Perfon laden; aber trotzdem machte dies Ereigniß einen gewaltigen 
Eindruck auf alle Araber, namentlih auf die Mitglieder fremder 
Stämme, die zum Beſchauen der Revue gekommen waren, und das 


Rechtöpflege im Sultanat Laheg. 339 


Präftigium des Sultans von Laheg wuchs in nicht geringem Maße 
dadurch. 

An alten unbrauchbaren Kanonen beſitzt der Sultan Ueberfluß. 
Im Palaſthofe allein liegt ein Dutzend derſelben auf dem Sande. Ich 
ſah auch eine türkiſche darunter mit dem Namen Sultan Suleiman des 
Prachtigen. 


XIV. Juſtiz. 


Als Raye find die Abadel alle der unmittelbaren Suftiz bes 
Sultans unterworfen, die ftreng nad) dem Doran gehandhabt wird. 
Der Mörder wird vom Scharfrichter auf dem Grab des Ermordeten 
erftohen. Jedem, jelbjt dem kleinſten Diebe wird die Hand abge- 
ſchlagen; die abgejchnittene Hand dann von einem Soldaten auf den 
Friedhof getragen und begraben. Died gründet fi auf die etwas fehr 
ſinnlich aufgefaßte Auferjtehungdlehre, da man den Dieb am jüngiten 
Tage nicht eines feiner Glieder beraubt fein laſſen wil. Der Stumpf 
wird zur Blutftilung in gefochten Theer getaucht und der Delinquent 
nachher entlafjen. Stiehlt er noch einmal, fo verliert er die andere 
Hand, und nad dem dritten Male, das Leben. Die Hinrichtungen 
werden von einem gewiſſen Sad el Bagota, der jept dad Nachrichter- 
amt befleidet, vollzogen, die Hände der Diebe jedoch von gewöhnlichen 
Soldaten abgefchnitten. Sreiheitöftrafen werden niemal® auf eine be= 
ftimmte Zeit zuerfannt, fondern die Heinen Verbrecher oder foldhe, Die 
blos Polizeivergehen begangen haben, bleiben je nad) dem Gutdünfen 
des Sultans kurz oder lange gefangen. Haben fie feine Fürfprecher,. 
fo können fie mandymal Iahre lang auf ihre Befreiung warten. Zus 
weilen werben fie, fo zu fagen, im Gefängniß vergefjen. Die Gefangenen 
erhalten vom Sultan Teine Koft. Haben fie Verwandte, jo dürfen 
diefe ihnen das Eſſen ſchicken, ſonſt find fie aufs Mitleid der Barm- 
berzigen angewiefen. Bejuche dürfen fie, jo viel fie wollen, empfangen. 
Die Freiheitöftrafe tft überhaupt bier nicht eine Kerkerftrafe. Das Ge- 
fefleltfein, nicht die Einfperrung bildet die eigentliche Strafe. Alle haben 
nämlich ſchwere Ringe an beiden Beinen, die in der Mitte aneinander- 
gelöthet find, fo daß fie nicht frei geben Tönnen. Aber fie find nicht 
in einem Kerfer eingefchloffen, fondern haben einen großen, nicht einmal 
auf allen Seiten ummauerten Hof zur Verfügung, in dem ſie ſich frei 
bewegen Tönnen, infofern man ihr gezwungenes Hinfen jo nennen Tann. 

22* 


340 Auswärtige Politif des Sultand von Laheg. 


Nur die ſchwereren Berbrecher, namentlich folche, die grobe Keuſchheits⸗ 
vergeben begangen haben, jchleppen eine Kugel nad, und zwar an einer 
durch einen Ring am Halfe befeitigten Kette. 

Die Juſtiz ded Sultans ift keineswegs fehlerfrei und oft allzu 
ſummariſch. So ward vor Kurzem eine alte Dienerin der Sultanin 
von dieſer bejchuldigt, ihr einen Gegenftand, den, wie ſich ſpäter heraus- 
ftellte, die Herrin verlegt hatte, geftohlen zu haben, und ſogleich, ohne 
jede Unterfuchung, mit Handabhauen beftraftl. Die Arme kam päter 
nad Aden und mußte fi dort noch den Borderarm amputiren laffen, 
denn die Hand war fo ungeſchickt abgehauen oder vielmehr abgefägt 
worden, dab der Stumpf nicht zubeilen wollte Dieſer Fall erregte in 
Aden Entrüftung gegen den Sultan von Laheg. . 


XV. Auswärtige Politik. 

Der Sultan von Laheg tft, wenn auch nicht officiell, jo dod in 
Wirklichkeit, ein Vaſall Englands „Er ift vollfommen unabhängig, 
aber er muß thun, was man ihm vorfchreibt‘, dieſe Worte eines 
englifchen Beamten in Aden charakterifiren recht gut feine fcheinlar freie, 
in der That abhängige Stellung. Ein Schriftitüd, welches dieſes 
Bafallenverhältnig feftitellte, giebt e8 allerdings nicht. Es befteht eben, 
wie jo Vieles in der Politit, nur de facto und nicht auch zugleich de 
jure. Das einzige Schriftftücl, welches das officielle Verhältnig Englands 
zu Laheg regelt, ift der Vertrag von 1849, deſſen wichtigfte Artikel 
folgende find: 

1) Sicherheit des Lebens und Cigenthumd ift den beiderjeitigen 
Unterthanen in den beiderfeitigen Zerritorien gewährleiftet 

2) Engländer können Laheg ungehindert befuchen. 

3) Engliiche Verbrecher werden vom Sultan auögeliefert (d. b. aud) 
einheimifche engliiche Unterthanen). 

4) Engländer Tönnen in Laheg, Abadel in Aden Eigenthum er- 
werben. 

5) Der Gultan tritt das Fort von Kor Malfar*) (1 Stunde von 
Aden entfernt) an England ab. 

6) Der Sultan verpflichtet fih, die Karamwanenftraßen frei von 
Näubern zu halten. 


* Kor Makſar als Brüde von den Perſern erbaut: Ibhn Mogamir bei 
Sprenger a. a. O. 


Bertrag zwilchen England und Laheg. 341 


7) Regierungsgut iſt fteuerfrei in beiderlei Staaten. 

8) Der Sultan hat das Recht, eine Steuer von 2°/, vom Werthe 
aller durch fein Gebiet beförderten Waaren zu erheben, mit Ausnahme 
ven Gemüfen, Holz, Grad und Heu. 

9) Der Sultan beichügt die Gemüſezucht in Laheg für den Markt 
von Aden. 

10) Der Sultan nimmt in allen politischen Fragen dad Intereſſe 
Englands vor Allem wahr. 

11) Der Sultan -liefert alle Verfchwörer gegen die engliiche Re- 
gierung von Aden an diefe aus. 

12) England zahlt dem Eultan eine monatliche Subfidie von 
541 Maria-Therefien-Thalern. 

Diefer noch heute zu Kraft beftehende Vertrag it unterzeichnet von 
Hained (damald politiiher Agent in Aden) und Ali ben Mohjfin, 
Sultan von Laheg. | 

Der Artikel 10 diefed Vertrags ift, wie man fieht, von großer Dehn- 
barfeit. Er wird jebt jo gedeutet, daß der Sultan feine Bündniſſe 
ichließen, feine Verträge machen fann, ohne Englands Einwilligung zu 
haben. Der Eultan wird von Zeit zu Zeit nad) Aden eingeladen oder 
befchieden, wie man will, um dort Erklärungen über fein politijches 
Thun und Treiben zu geben. Man munkelt auch jchon feit einigen 
Fahren davon, daß England ihm fein ganzed Ländchen für die Summe 
von 40,000 Pfund Sterling ablaufen wolle, und daß er auch bereit ge⸗ 
weſen ſei, darauf einzugehen, hätten nicht feine Verwandten ſich wider- 
jest. England gewönne dadurd ein fruchtbares Hinterland für das 
nichtö hervorbringende Aden, und wäre dann weniger genöthigt, auf 
die anderen Stämme ded Innern jene oft fehr weitgehenden Rückſichten 
zu nehmen, zu weldyen es jetzt im Intereffe der Verproviantirung Adend 
gezwungen: ift. 

Die Beziehungen zu den einheimiſchen Nachbarn ded Sultanats 
find jet durchaus friedlich, mit einziger Ausnahme der Dhu Mohammed, 
jened mächtigen Stammes ded Innern, der Zaheg alljährlich bedroht. 
Um ſich gegen fie zu jchüben, bat der Sultan mit Erlaubniß Englands 
ein Bündniß mit einem anderen gleihmächtigen Stamme ded Innern, 
den Dhu Hoſain, geſchloſſen, und zahlt diefem eine Subjidie, um ihm 
bei Gelegenheit zu Hülfe zu fommen. Man hält jedoch das Ganze für 
ein abgefarteted Spiel zwifchen Dhu Hofain und Dhu Mohammed, welche 


342 Bafallen des Sultans von Laheg. 


innig befreundet, nahe verwandt und ſo zu fagen ein einziged Volf 
find. Die Dhu Mohammed müffen den Sultan fchreden, die Dhu 
Hofain feine Erretter fpielen, und das ihm abgepreßte Geld theilen beide. 
Wahrſcheinlich hält nur die Furcht vor England die Din Mohammed 
zurück, Laheg ihren Befihungen einzuverleiben, was fie fonft mit Leichtig⸗ 
feit fönnten. 


ZVL Oberhoheit über fremde Stämme. 


Endlih hat noch der Sultan in neueſter Zeit angefangen, eine 
Art von Schupherrichaft über eirien Theil der im Weiten an fein Land 
grenzenden Sfobehi-Stämme auszuüben. Was diefe Stämme dazu be 
wogen haben fann, fich freiwillig, wie fie es thaten, in eine Art von 
Bafallenverhältnig zu Laheg zu ſtellen, ift, aller Wahrfcheinlichkeit nach, 
auch wieder die Furcht vor den Dhu Mohammed gewejen. Seltſam 
freilich, daß fie bei Laheg Schuß ſuchten vor einer Macht, vor weldyer 
diefes felbft zittert. Aber, iſt Laheg ſchwach, jo find diefe Stämme, 
welche feine politiihe Einheit bilden, fondern aus lauter unabhängigen 
Bruchtheilen beftehen, doch noch viel ſchwächer. So finden fich denn 
die Schwachen zufammen, um vereint eher dem Starken widerſtehen zu 
fönnen. Auch willen diefe Stämme, daß England fo leicht nicht ge⸗ 
ftatten wird, daß die Dhu Mohammed Laheg- erobern; und wähnen, an 
der Sicherheit dieſes Schupverhältniffes dadurd Theil zu nehmen, daß 
fie fih unter Zaheg ftellen; obwohl fte ſich hierin irren dürften, denn 
das engliiche Protectorat möchte nur dem eigentlichen Eultanat Laheg 
und nicht feinen Schutzſtämmen gelten, um fo mehr, ald man in Aden 
diefe platoniſchen Annerionen nicht befonderd gern zu fehen jcheint. 

Man hat in der That auch Grund dazu, dem Gultan von Laheg 
zu mißtrauen, und zwar gerade in Bezug auf feine in den Schupftaaten 
betriebene Politik. Durch einen Zufall befam ich eine Einfiht in ein 
Verhältniß, von dem vielleicht die politifche Agentur in Aden nicht 
einmal unterrichtet iſt. Eines Tages kam nämlich ein Agent des Sultand 
zu mir und fragte mich, ob ich behülflich fein wolle, ein vortheilhaftes 
politiſches Geſchäft abzufchließen. Weberrafcht fragte ich, um was es fich 
handle? Nun erfuhr ich, daß von einem jener Seehafen- oder vielmehr 
Rheden⸗Verkäufe an irgend eine europäische Macht die Nede fei, von 
denen, feit dem Verkauf von Schech Satd an Frankreich und dem von 
Ahjab an Italien, alle Kleinen Sultane und Stammeshäupter diefer 


Borichlag eines Hafenkaufes. 343 


Küftenlandihaften träumen. Ich wußte gar nicht, daß der Sultan von 
Laheg einen Eeehafen befaß und noch weniger, dab er einen foldhen 
verfaufen durfte, und erfundigte mich erjtaunt nad) der Lage dieſes 
Handeldgegenitanded. Diefe Lage machte mir allerdings gleich dad Un- 
finnige ded ganzen -Projectd Mar. Der zum Verkauf angebotene Hafen 
war nichts anderes, ald Kor Amran mit den Vorgebirgen von Ras 
Amran und Gebel Dau, weit weg von Laheg und ſchon nahe an Bab 
el Mandeb gelegen. 

Diefe Küftenftrede Iiegt im Gebiet eines jener Sjubeht -Stämme, 
welche zu Laheg in ein Schupverhältniß getreten find. Died Schup- 
verhältni giebt freilich nicht dem Sultan dad Eigenthumsrecht über 
das Land. Möglich jedoch, daß er fih mit dem befikenden Stamme 
verftändigte und mit ihm übereinfam, das Geſchäft gemeinfchaftlich zu 
machen. Da blieb aber immer nody England, weldyes den Verkauf 
eines fo nahe bei Aden gelegenen Hafen? nie zugeben würde. Ich frug 
deshalb, ob man die engliſche Einwilligung hierzu habe? „Bemwahre, * 
war die Antwort, „die ganze Sache muß eben geheim betrieben werden, 
England darf erit davon erfahren, wenn das Geld gezahlt tft.“ 

Ich konnte nad) den Worten ded Agenten, eined ſehr angejehenen 
Mannes, nicht zweifeln, dab der Sultan die Abficht habe, bier den 
Engländern, ded lieben Gelded wegen, einen fehr unangenehmen Streich 
zu fpielen. Dieje Abſicht wird natürlich nie zur Ausführung kommen, 
denn feine europäiſche Macht wird fich eines jo jchlechten Hafend wegen, 
deſſen Seichtigfeit alle Sondirungen bezeugen, mit England überwerfen 
wollen. Weberdied ift der Nechtötitel des Verkäufers auch im höchſten 
Grade faul, denn außer dem bejagten Stamme erheben nody andere 
hier Eigenthumsanſprüche, die mit Laheg und jeinem Sultan nichts zu 
thun haben. 

Die zu lepterem in Schutzverhältniß getretenen Siobehi - Stämme 
find: die Bent Menacer, die Mechadim, die Debaina, die "Anteriye, bie 
Regaſi und die 'Atfi, in der Gollectiv-Form “Auwatif genannt. Bon 
ihren Wohnorten fol bei Beichreibung des Sſobehi⸗Landes die Rede jein. 


VD. Geſchichtliches. 
Laheg fcheint zu Anfang des Sahrtaufends hauptſächlich von Sfobehi- 
Stämmen bewohnt gewejen zu fein. (Hamdani nennt fie Afibahin). 
Bon dem Reiche der Imame von Yemen trennte ed ſich wahrjcheinlid) 


344 Geſchichte des Sultanats Laheg. 


um 1720, denn ſein erſter Sultan wird 1728 erwähnt. Der Haß gegen 
die ketzeriſchen Zaidi, denen die Imame angehörten, und deren Joch 
faſt um dieſelbe Zeitepoche die meiſten Fürſten der Küſtenlandſchaft ab⸗ 
geſchüttelt hatten, war damals noch ſo lebhaft und wirkte ſo einigend, 
daß fich manche Stämme, die ſeitdem abgefallen ‚find, unter Laheg 
ſtellten und es eine Zeitlang ein mächtiger Staat war. Mit dem Abfall 
der Aqareb (man ſehe die Beſchreibung dieſes Stammgebiets), dem 
Wachſen der Fodli-Macht und der Zerſplitterung der Sſobehi-Stämme, 
ſank auch die Macht von Laheg, fo daß wir ed zu Anfang dieſes Jahr⸗ 
hunderts ald ein ſehr herabgefommenes, Tleined Sultanat fehen, von 
übermädhtigen Feinden umgeben, und jo zu jagen nur von ihrer Grade 
fein Leben friftend. 

Noch beſaß es Aden und dieſer Beſitz verichaffte ihm durch den 
Zoll, den der zwar gejunfene, aber nie ganz erloſchene Handel dieſes 
wichtigften Hafens von Arabien abwarf, die Mittel, feine Bundesgenofjen 
zu bezahlen, namentlich die kriegeriſchen Auwaliq, denen ed in den 
legten 70 Iahren eigentlich die Erhaltung jeiner Eriftenz verdankte. 

Die Auwaliq unterftügten Laheg immer in den Kriegen gegen 
den Erbfeind, die Fodli, und in den Anneriondverjuchen, welche es gegen 
die "Agareb unternahm, die aber nie gelingen follten, wie ſchon bei 
Grwähnung der letzteren gefagt wurde. 

Bis zu welcher Tiefe der Ohnmacht das Sultanat im Jahre 1830 
geſunken mar, beweilt der Umftand, dat der Sultan, unfähig, fein koſt⸗ 
barſtes Beſitzthum gegen die Näubereien der Fodli zu ſchützen, mit 
dieſen gewiffermaßen gemeinfame Sache machte und ihnen geftattete, 
Aden zu plündern, wofür er ein Entgeld von 30,000 Thalern erhielt. 

Die bald darauf (1837) mit England begonnenen Berhandlungen 
wegen der Abtretung Adend und ihre Nefultate find befannt: wie der 
‚Sultan Anfangs einmwilligte, Aden zu verfaufen, bei der engliichen Be⸗ 
ſitznahme aber diefen Schritt bereute, die Engländer erſt zur See und 
zu Lande beläftigte und dann (1839) offen befriegte, indem er verjuchte, 
Aden mit Waffengewalt wiederzunehmen. In jenem Jahre mußte er 
fih mit einem Berlufte von 200 Mann zurüdziehen. 

1840 fam er wieder, diesmal mit 5000 Arabern, jedoch ohne 
beffere Erfolge zu erzielen. 1841 verbündete er fich fogar vorübergehend 
mit den Fodli. Der Religiondha machte die Erbfeindfchaft momentan 
verftummen. Mit einem DVerluft von 300 Mann zurüdgeichlagen, ent- 


Kriege der Sultane von Laheg mit England. 345 


ſchloß er fich endlich zum Frieden. Erſt 1842 erhielt er jedoch die im 
erften Vertrag von 1837 ftipulirte Subfidie von monatlid 541 Thalern, 
ben Kaufpreis für Aden, mit allen Rüdjtänden wieder audgezahlt. 

Bier Jahre darauf (1846) brad) von Neuem der Krieg aud. Ein 
Sanatifer predigte in Labeg und dem Fodli-Lande den heiligen Krieg 
gegen die Engländer und fammelte zahlreichen Anhang, Anfangs ohne 
directe Mitwirfung von Seiten des Sultans. Als diefer aber von 
England aufgefordert wurde, die ſich auf feinem Gebiet fammelnden 
Schaaren von Fanatifern zu zerfireuen, zog er ed vor, um nicht für 
einen jchlechten Moslem zu gelten, mit diefen gemeinfame Sache zu 
machen. In der Nähe von Kor Makſar wurde dad Heer der Glaubend- 
fampfer gänzlich gefchlagen, und Waffenftillftand trat ein, aber fein 
Friede, bis diefer Sultan ftarb (1849) und Alt ben Mohfin zur Re- 
gierung Tam. 

Unterdeffen hatte man in Laheg bittere Erfahrungen gemacht, welche 
den engliihen Schub im Licht einer Erlöſung erfcheinen liefen. Die 
alten Bundeögenoffen, die Auwaliq, erzürnt über dad temporäre Bündniß 
mit den Fodli, ihres und Laheg's Erbfeind, überfielen Hauta, die Haupt: 
ftadt, plünderten fie und erpreften dem Sultan 3500 Thaler. So war 
denn der neue Sultan froh, den Vertrag von 1849 (den oben geyebenen) 
abzufchließen, dur den er Kor Makſar abtrat und fich gleichlam unter 
englifhen Schuß jtellte. 

1855 fand der oben gefchilderte Krieg gegen die Aqareb ftatt, der, 
wie man jah, zu feinen Nefultaten führte. Als zwei Jahre darauf 
(1857) England einen Bertrag mit den Agareb ſchloß, mißfiel Dies 
deren Feinde, dem Sultan von Laheg, und er begann, die Engländer 
auf's Neue zu beläftigen. So befteuerte er den Brunnen von Schech 
DOtman, defien Waſſer durd eine 2 Stunden lange Leitung Aden 


verforgt. Karawanen wurden geplündert, Engländer auf der Jagd miß⸗ 


handelt. Der Stamm der Azeibih, ſtets freundlich gegen die Engländer 
gefinnt, wurde wegen dieſer Gefinnung von feinem Oberherrn, dem 
Sultan, hart geftraft. Der Krieg fam jedoch erft 1858 zum Ausbruch, 
zuerſt gegen die Fodli, deren Dörfer geplündert wurden, und, nachdem 
bier Zriede gefchloffen war, gegen die Engländer. Diedmal nahmen 
letztere Schech Otman, das zum Theil in die Luft gejprengt ward, und 
ſchlugen die Abadel mit Verluft von 300 Mann zurüd. 

Bald darauf trat Friede ein. Der Vertrag von 1849 wurde er= 


346 Religion und Sitten in Laheg. 


neuert und feitdem nicht mehr gebroden. Aber Sultan Alt blich ſtets 
den Engländern übelgefinnt. Erft unter Sultan Fadl (feit 1866) ftellten 
fich wahrhaft freundfchaftliche Beziehungen ber. 


XVOL Religion. 


Alle Abadel find Anhänger der orthodoren Secte der Schafe, 
außer welchen es im Lande gar feine giebt. Es ift unbegreiflih, wie 
Wellſted behaupten Tann, die Bewohner von Laheg gehörten zur Secte 
der Zaidi (Nitterd Erdfunde XII, 706). Diefe Secte ift ihnen fogar 
dergeftalt verhaßt, daß fie den fremden Arabern aus dem Norden, 
welde Zaidi find, nur höchſt ungern geftatten, in ihren Mofcheen zu 
beten, was man fonft doch ohne Anftand überall thut, 3.3. in 'Aden, 
deffen Bewohner zwar aud) Schafet find, ſich aber an die Zaidi, Die 
in großer Anzahl als Arbeiter dort hinkommen, gemöhnt haben. 

Auch bier findet die Beichneidung bei Mädchen und Knaben am 
fiebenten Lebenstage ftatt. 

In dem jebigen Sultan hat die Orthodorie eine feite Stütze ge— 
wonnen. Alle geiftigen Getränfe find ftreng unterfagt Alle Nicht: 
Moslems werden ungern gefehen. Sind fie nicht Europäer, fo ſehen 
fie ſich gewöhnlich genöthigt, den Ielam anzunehmen. Ich Fannte 
mehrere frühere Heiden von der indiſchen Banianen-Kaſte, die fich bes 
fehren mußten, um in Xabeg bleiben zu fönnen. 


XIX, Sitten und Gebräude. 


Die Männertracht ift die gewöhnliche ſüdarabiſche: Lendentuch und 
Kopfbund. Die Frauen tragen Hofen von buntem Cattun, von mittlerer 
Weite, bis an die Knoͤchel reichend und unten zugebunden. Das Ge: 

fiht wird verjchleiert oder blo8 verhängt. Viele Kinder laufen nadt 
herum und tragen nur ein Gehänge von Fleinen Riemdyen an einem 
größeren um die Weichen. 

Das beliebtefte Getränk ift der Giſchr (Schon oben erwähnt). Kaffee 
wird nie getrunfen. 

Man raucht nur Wafjerpfeifen, deren Geftelle ſehr grof, faft manns⸗ 
body find, und deren Mitte eine enorme Kokosnuß einnimmt, durch die 
der Dampf geleitet wird. 

Das Volksgericht iſt der Heris (in ganz Südarabien üblich), aus 


Das Kanen der Kaatblätter. Gaftfreundichaft. 347 


Fleifch, Del oder Butter und Duma-Mehl beftehend, eine Art Polenta. 
Das Gericht der Bornehmen tft die Baciffa aus Honig, Butter, Mehl, 
zumeilen mit Fleiſch vermiſcht. Außerdem wird das Fleiſch auch als fogen. 
„Braten“ verzehrt. Ich fage „jogenannt”, denn Die eine Seite ift ge- 
wöhnlidy noch roh, die andere halb verbrannt, wenn ed gegeſſen wird. 

Dad Kauen der Blätter des Kaat (Caata edulis, Forskal), der 
auf dem Berge Sfabr bei Taizz wächſt, bildet das Vergnügen des Hofes 
und der Reihen. Er ift in Laheg fehr theuer und ein Mann ver: 
braucht leicht für 2 Thaler täglich. Der Effect des Kauens dieſer 
Blätter ift nicht betäubend, fondern nur angenehm aufregend, die 
Schläfrigkeit verſcheuchend; es macht geſprächig, liebenswürdig, gefellig. 
Bei Hof wird der ganze Nachmittag dem Kaatkauen gewidmet. Kommt 
fein Kaat vom Gebirge, jo find die Leute wie in Trauer verfenft, 
ichlafen viel und haben fehr üble Laune. Uebrigens wird der Kaat 
auch von den Strengiten niemald dem Haſchiſch (Cannabis indica) 
oder dem Opium (dem Mohnproduct) gleichgeftellt. Der einzige Hebel- 
ftand ift, daß man, an ihn gewöhnt, nicht ohne ihn ſein Tann. 


XX. Gaſtfreundſchaft. 


Dieſe wird ſehr liberal ausgeübt. Kommt ein Europäer nad) 
Laheg, fo giebt man ihm ein Haus, dad freilich leer iſt. Die Sitte 
befteht eben, daß der Reifende feinen Bedarf an Bettzeug, Reifemöbeln 
u. |. w. mitbringt. Der Sultan fchidt ihm rohe Lebensmittel. Als 
ih in Laheg war, wohnte ich bei Herrn Landöberg, hatte aljo nicht 
für eigene Küche zu forgen. Da ich während meines Aufenthalt? nichts 
annahm, fo entfhädigte man fich bei meiner Abreiſe dadurch, indem 
man meinem Diener eine ganze Golonie von Hühnern mitgab. Alles 
Sträuben half nichts. Ich mußte die Hühner mit nach Aden nehmen. 
Sie hatten übrigend eine eigenthümlich wilde, gleichſam beduiniſche 
Natur. Sie blieben nie ruhig, wie die Stadthühner, wollten auch bei 
der beiten Koſt nicht fett werden. 


XXI Europäer in Laheg. 


Außer Herrn Landöberg lebte hier fein Europäer. Bor einem Fahre 
hatte aber der jchon bei Aden genannte junge 19jährige Franzoſe ſich 
hier lange aufgehalten. Diefem Züngling fiel e8 ein, dem Sultan im 


348 Derwiiche und Juden in Laheg. 


Frack die Aufwartung zu maden. Dem rad widerfuhr jedoch hier 
wenig Ehre. Der Sultan ſchien fogar zu glauben, der Fremde komme 
in einem zerrilfenen Kleide zur Audienz und fagte ihm ganz offen: 
„Dir fehlen ja zwei Stüde an deinen Rockſchößen.“ 

Sonft kommen manchmal Engländer zur Sagd ber. Diefe leben 
aber gewöhnlih ganz für ſich in Zelten, bringen Alles mit ſich und 
befuchen nicht einmal den Sultan. 


ZXII PBerrüdte Heilige. 


Wie in allen moslemifchen Städten, fo fehlt e8 auch in Hauta 
nicht an verrückten Heiligen, denen man Alles hingehen läßt. Ich ſah 
einen folchen beim Prinzen Fadl ben Ali. Er litt außer einem Schnupf- 
tuch um die Lenden nichtd auf feinem Körper und ſuchte auch Dies 
ſtets abzureißen, woran man ihn aber hinderte, denn das Schamgefühl 
ift bei den echten Arabern*) ſehr lebhaft. Er trug aud das Haupt 
bloß, obgleich er ganz fahlföpfig war. Er fepte fi ganz ungenirt 
neben, ja falt auf ‘den Prinzen, nahm ihm die Gijchrtaffe aus der 
Hand, trank fie aus, entriß ihm dad Rohr der Waflerpfeife und raudhte 
ruhig weiter. Died fiel nur mir auf. Cr war übrigens nicht vom 
Süden und hatte helle Haut. Unter den fchwarzhäutigen, echt himya- 
riſchen Eingeborenen babe ich Teinen einzigen Berrüdten gefehen. Es 
find bier lauter fremde Derwiſche. 


XXIII. Suden und Parias. 


In Laheg leben wenig Juden, da eben Aden zu nahe ift und 
jie dort alle bürgerlichen Rechte genießen, alfo mit Vorliebe dahin 
ziehen. Sie find übrigens jeht nicht bedrüdt. Früher, ald der Sultan 
noch Krieg mit England führte, verfolgte er fie, weil er die Juden für 
Freunde Englands hielt. Cr glaubte auch, England babe eine Bor- 
liebe für fie. Cr begriff nicht, daß die Nechte, welche die Juden in 
Aden genießen, eben nur ein Ausflug des Givilifationsprincips find, 
und feineöiwegd auf parteitfcher Bevorzugung beruhen. 


* Nie wird in Arabien das Auge Durch Solche unleufche Entblößungen be: 
leidigt, wie man fie 3. B. in Aegypten nur zu oft ſieht. Selbſt beim Baden iſt 
die Scham ſtets bededt. 


Parias in Laheg. 349 


Bon Pariad giebt es hier beide Glaffen, ſowohl die Schumr, die 
verachtetſte Kafte, ald die Achdam. Leptere fommen in Mofcheen, nicht 
aber in die Häufer der Araber. Sie haben diefelbe Stellung, wie die 
Merafai im Audeliland, die Dofchan bei den Rezaz, die Ahl Hayek bei 
den Auwaliq und Wahidt. Die Schumt ftehen fehr tief und dürfen nicht 
in Mofcheen fommen; man befchuldigt fie, Aas zu genießen und hält 
ihre Berührung für höchſt verunreinigend. Cie wohnen auswärts der 
Stadt in abgejonderten Hütten. Beide Kalten haben weder connubium 
nod) consortium mit den übrigen Arabern. 


Dreizebnted Sapitel. 
Hauſchebi⸗Land. 





I. Name. — DO. Geographiſche Lage. — III. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 
V. Wadis. — VI. Klima und Bodenerzeugnifle — VIL Bewohner. — VIIL Ort- 
ichaften. — IX. Politisches. 


L Name. 
Hauſchebi, im Colletiv Hauwaſchib, tft der uralte Stam- 
meöname biejed Bolfed, der ſich ſchon bei Yaqut*) erwähnt findet. 
I. Geographifde Lage. 
Ungefähr zwiſchen 449° 45 und 45° 5° öftl. &. v. Gr. und 
zwifchen 130 11° und 130 30 nörbl. Br. 
II Grenzen. 
Im Süden Laheg Im Weften Sfobehi und Hogriva. Im 
Norden Amir. Im Often Unter- Yafi a. 
IV. Bodenerhebung. 


Sm Süden Berge, nady Laheg zu abfallend; dann ein ziemlich 
hoch gelegened Platenu, das fid) durch die Mitte des Landes hinzieht, 
während im Often und Weiten längs der beiden Wadis Senkungen 
find. Im Often Gebel Manif, im Welten G. Schi ab etwa 6000 Fuß hoch. 


*) Bei Yaqut IH, 367, nur im Gollectiv „Hauwafchib“, erwähnt. Sonft fommt 
diefer Stanım (außer bei Hamdani) faum vor, 


Haufchebi = Land. 351 


V. Wadis. 


Der W. Nura begrenzt das Land im Weſten, der W. Bonna im 
Oſten. Erſterer vereint ſich oberhalb Zaida mit dem W. Warezan. 

Oeſtlich von der Hauptſtadt ein breites, ſandiges Strombett, Saibeah 
genannt, das nur zur Regenzeit Waſſer bat, nördlich davon zwei kleinere 
ähnliche Strombette, Sailet el millah und Sailet et thaimera, die das 
Regenwaſſer in die Saibeah führen, von wo ed nad Mehaidan fließt 


vI Klima und Bodenerzeugniffe 


Das Land ift durch die Sommerregen begünftigt und faft in allen 
feinen Theilen fruchtbar. In der Gegend von Raha, in der öftlichen 
Hälfte, ein ausgedehnte Plateau mit trefflicher Weizencultur. Ein 
Theil des Landes, der mittelfte, fcheint Wüſte zu fein, wie auch der 
Name Ramle (Sand) andeutel. Die Sentungen am W. Bonna er: 
zeugen Kaffee, die am MW. Nura Baumwolle. Das Land Fönnte viel 
mehr hervorbringen, wäre es nicht fehr dünn und meift nur von Vieh— 
züchtern bewohnt. So ift der größte Theil Merta a (Weideland). 


VO. Bewohner. 


Die Hauwaſchib jcheinen einen einzigen, compacten, großen Stamm 
zu bilden. Bon Unterftämmen wurde mir gar nichts befannt. Sic 
find alle Dobayel, unter denen vielleiht ein Drittel wirkliche Beduinen. 
Aber auch diefe wohnen nicht in Zelten, ſondern verlegen nur ihre 
MWeidepläpe und Strohhütten auf beſchränktem Raume von Zeit zu Zeit. 
Die anderen Dobayel find ſeßhaft, meijt in Hüttendörfern. 

Die Hauwaſchib find unzweifelhafte Himyaren, als welche fie ſchon 
Yaqut (a. a. O.) anführt. Der ganze Stamm ſoll höchſtens 12- bis 
15,000 Seelen zählen. 


VII. Drtſchaften. 


Raha“?) (13° 18° nördl. Br., 44° 58° öftl. &), Hauptort, Sitz 
des Schechs, liegt unweit der Dftgrenze in frudhtbarer Hochebene, be⸗ 


*) Bei Ritter (XII, 707) ift als nächſte Etation norbwärts Raben, „Ramla“ 
genannt (dort Rama gefchrieben.. Dies ift die Wüſtenſtation unfere® XVIII. 
Itinerars. Da R. aber dert ein Kornland angiebt, ſo deutet Rama auf Verwechs⸗ 
lung mit „Raha“. 





852 Haufchebi- Land. 


fteht nur aus einigen Schlöffern, Die aus einem Gewirr von Hütten 
von Stein oder Reijern emporragen. 

Dar Shaiban (13° 24° nördl Br, 44° 49° öftl. &), Hütten» 
dorf mit Schloß, 4 Stunden von Raha entfernt und dicht dabet: 

Nemara, kleine Ortichaft, Tagereiſe von Raha entfernt, beide 
am Sailet el Millah. 

Megba, kleine Ortſchaft, dicht bei Raha. 

Zaida, Grenzſtadt der Abadel, gehört zur Hälfte Laheg, zur 
Hälfte den Hauwaſchib, welche bier ein Schloß und Hüttendorf haben. 

Bir "Abd-Allab und Ramle, Karamwanenftationen mit 
Brunnen zwilchen Zaida und Raha. 

Millah, nördlichfter Ort, 13° 25’ nördl. Br. 


IX. Politifgee. 


Sultan "Ali, ben Manah el Haufchebi, gemöhnlih nur "Afel 
(Schech) genannt, ift blos Kriegeführer, da alle Bewohner Oobayel 
find. Hat einen Vertrag mit England, wodurd er fich verpflichtet, 
die Karawanenftraßen zu ſchützen. Erhält ein Sahrgeld von 360 M. Th. 
Thalern. 

Die Hauwaſchib leben beftändig in Fehde mit den Nachbarn. Im 
Sahre 1870 hatten fie Krieg mit den Yafii und 1871 mit den Sio- 
behi. Der Sultan fol 1500 Männer ind Feld führen. Das Land 
ift ald unficher verfchrieen, wa8 es zu Seeben’3*) Zeit auch Schon war. 

Alle Hauwaſchib find Schafe i. 

Früher, wenn man Maqut glauben will, wohnten fie auf dem 
Gebel Sſabr, doch iſt dies vielleicht nur eine hyperboliſche Ausdehnung 
der Grenzen jened Gebirges. 


*, Ritter XII. S. 746. 


Vierzehntes Gapitel. 


Amir⸗Land. 


x 





I. Name. — II. Geographifche Rage. — IIL Grenzen. — IV. Beichaffenheit des 

Landes. — V. Wadis. — VI. Berge. — VII Stämme. — VIII. Städte und 

Ortfchaften. — IX. Politiſches. — X. Alterthümer, — XL Hamdani’d Angaben 
über dieſes Lund. 


IL Rame. 


Der Name "Amir ift jedenfalls dymaftifh und neueren, wenn 
nicht neueften Datums. Dad Volt jelbft heist feit den älteften Zeiten 
Gada, doch gilt diefe Bezeichnung jept nie für den Staat, da er nicht 
von einheimiichen Fürſten regiert wird. Neben Amir. hört man aud) 
den Namen Schafel fowohl für's Land, als für die Hauptftadt. Diefer 
ift jedenfalls ſchon ziemlich alt, denn bereits Niebuhr erwähnt einen Ort 
Schafel. Und dennoch bat ed nie einen folhen Drt gegeben. Schafel 
iſt auch ein dynaftiicher Name, den der jebige Fürſt noch führt und 
nah dem man oft den Staat „Land ded Schafel“ und die Stadt 
„Stadt des Schafel” nennt. Daraus fehen wir, daß ſchon zu Niebuhr's 
Zeit bier „Schafel” regierten. Vorzugsweiſe iſt ed die Hauptftadt 
Dhala, welche vulgo „beled Schafel” heißt, was Niebuhr nicht wußte, 
denn er nennt Schafel und Dhala als verichtedene Orte. 


IL Geographiſche Lage. 


Dad Amirland dehnt fi) zwifchen 44° 45° und 450 2 öftl. L. 
v. Gr. und von 13” 28° bis 14” 10° nördl. Br. Es hat übrigens nicht 


H. v. Maltzan, Reiſe nah Südarabien. , 23 


“ 


354 Amir» Land. 


überall diefe Ausdehnung, fondern eine jehr unregelmäßige Seftalt, au- 
ßerdem nodh.. zahlreiche Enclaven des Schaherigebietd, welches ganz 
von ihm, aber nicht ald compacte Mafje, jondern ald Sprengftüde, 
eingefchloffen wird. Obiger Umriß umfaßt nicht dad nur loſe verbundene 
Sand der Gaud, weldes etwa unter 45° öftl. 2. weit nach Norden, 
faft bis zu 141,,° nördl. Br. vorgefchoben ift. Die Enclaven ded Scha⸗ 
berilandes trennen ed falt vom Haupflörper des Amirlandes. 


OL Grenzen. 


Im Süden Hauwaſchib. Im Welten eine Menge fleiner unab⸗ 
hängiger Gebiete, wie Fegra, Auwas, Haſcha. Im Norden andere 
fleine Gebiete, wie Databa, ein Xheil des Schaherilandes, Gehaf, 
Sayadi, Hagi. Im Often, da, wo nicht dad Schaherigebiet dazwi⸗ 
ſchen tritt, was enclavenweife der Fall ift, Yafta. 


IV. Beſchaffenheit des Landes. 


Saft durchweg Bergland, doch nicht eigentliched Hochgebirge. Die 
nördlichen Gegenden fruchtbar, bringen alle Gerealien hervor, Selam, 
Tabak, wenig Datteln, in den an Yafia grenzenden Diftricten ehvas 
Kaffee. Der Süden zum Theil fteppenartiges Hochland, theild Merta’ a 
(MWeidegrund), theild angebaut. Biel Feljengebirge mit fteilen, ab- 
Ihüffigen Formen. Hat durchweg tropiſche Sommerregen. 


V. Wadis. 


Der große Hauptwadi dieſer Gegend, W. Nura, berührt das 
Land nur im Weſten, aber faſt alle daſſelbe durchziehende Gießbäche 
ſind ihm tributär. 

Wadi Ma' aber, kommt von Merrais, nimmt einen Seiten⸗ 
arm auf, der fich vom Gebel Gehaf hinabzieht, geht nach Fegra in 
den W. Nura, der nach Laheg fließt. 

W. Dabab, entſpringt im Gebel Harir, geht nah Süden in 
den ®. Nura. (Bei Hamdani, im Lande der Gada, ald ein Wadi 
des Stammes Aswad erwähnt.) 

W. Dhi Regem, entipringt im Gebel Scha’ib, geht nad Süden 
in den W. Nura. 


Amir Land. 355 


W. Scher'a, am ber Grenze von Yafia, mündet unweit der 
Stadt Scher a it den W. Bonna, der nad) Abian geht. (Bei Ham- 
dani, im Lande der Gaida, als ein Wadi ber Beni Ahad erwähnt.) 


VL. Berge 


Gebel Aharrem, hoher Berg bei Dhala, auf dem ein altes . 
himyariſches Schloß fteht, ſoll jehr ſchwer zugänglich fein. 

Gebel Harir, Gebel Scha’ib follen gegen bie Daft grenge 
zu liegen. 

SebelAtoba oder Athauba, beherrſcht den W. Dabab; Reifen, 
abjhüffiger Berg. (Bei Hamdani wird ein Wadi Toba genannt, im 
Lande der Gada, Stammeögebiet der Aswad, gelegen. Die Aswad find 
jegt ein Schaheriftamm, im Gebiet der Amir enclavirt.) 


vo Stämme. 


Die Stämme, welche jebt unter dem einheitlichen Namen ber 
Amir begriffen werden, bilden einen Theil der großen, ſchon von Ham- 
dani erwähnten Stammeögruppe der Gada. Die anderen Theile diejer 
Gruppe heiben jebt Schahert (zu denen die Aswad gehören) und Haqi, 
beide politisch getrennte Völker, die wir in befonderen Abjchnitten be- 
handeln. Zu Hamdani's Zeit waren die Gada noch in Yafta encla- 
virt, was wohl nur heißen will, daß der Begriff Yafia damals ein 
andgebehnterer war und unter anderen auch dad weltliche Grenzgebiet 
mit umfaßte. Berändert haben diefe Stämme ihre Wohnſitze nicht, 
denn die von Hamdani genannten Orte gehören noch heute zu ihrem 
Gebiete. Der Name Gada hat fih nur noch in dem einer der grö- 
beren Abtheilungen der Amir erhalten, im Namen der Gabi (in ber 
Gollectivform jept immer Gand*) genannt), die den Nordweften an 
der Yafigrenze bewohnen Wir beginnen in der Aufzählung der 
Stämme mit ihnen. 

1. Die Saud im Nordweſt, follen 500 ftreitbare Männer 
ftellen koͤnnen. | 


”, Im Dialect hört man oft Lega'ud fprechen. Diefe find nicht zu ver- 
wechfeln mit den Gadent, von denen bei den Fodli die Rede war. 


23% 





356 - Stämme und Städte der Amir. 


2. Die Halemi, wohnen in Schera an ber NMafi grenze nahe 
den Ga ud. 

3. Sobeidi, wohnen in Soheb und Daſcha, im Süden an der 
Hauſchebigrenze. 

4. Alluwi, urſprünglich Ahl Ali, woraus Alluwi entſtand, 
bilden den herrſchenden Stamm im Süden zwiſchen Soheb und Dhala, 
haben einen ſehr einflußreichen, mächtigen Häuptling, Schech Scha’if 
genannt: 

5. Hogeil oder Ahl Hogel, wohnen in der gleichnamigen Ortfchaft. 

6. Ahl'Abd Allah, wohnen bei Aifai im Gebiet der Ga’ud, 
zu denen fie Einige rechnen. 


vIH Städte und Drtfhaften. 


Dhala', Hauptftabt der Amir, Sig des Sultans. Einige fünfzig 
Häufer, worunter mehrere Schlöffer; viele Strohhütten. Etwa 800 
Einwohner, alle Raye, worunter ungefähr 100 Juden. Kleiner Bajar, 
großer Markt, viele Delmühlen. Wird auch Blad Schafel genannt. 

" Soheb*) (13° 28' nördl. Br, 44° 50° öftl. &), Meine Stadt an 
der Sübgrenze. Einige Schlöffer, fonft Reijerhütten. Etwa 100 Einwohner. 

Qaſcha, Ort der Sobeidi, fehr nahe bei Soheb gelegen und oft 
zu diefem gerechnet. Strohhütten. Ein Schloß. Etwa 60 Ein- 
mohner. 

Hota oder Dhanab, Hüttendorf mit einigen Steinhäufern, eine 
Stunde von Dafcha nördlich, den Alluwi gehörig. 

Soda, Gemul, Tomeir, kleine Ortichaften mit einigen Schlöffern 
und Strohhütten, nordwärtd von Dafcha und Soheb, den Alluwi ge- 
hörig. 
Scher'a, Ort ber Halemi, im Nordweſten. Etwa 20 Stein- 
häuſer. Strohhütten. Etwa 100 Einwohner. 

ai ai, Hüttendorf mit Schloß, Hauptort der Ga'ud, nahe bei 
den Ahl "Abd Allah, im äuferften Norden. 

Soheib⸗id⸗ dewan; dar Mobeike, Thanaib, Heine Orte bei Gemul. 


*) Ritter giebt nach den Indian Papers (Erdk. XII, 700) genau an biefer - 
Stelle einen Ort „Seyeb” an, foll vieleicht für Soheb ftehen. Die neuefte eng: 
lifche Karte ſchreirt Saib. 





Sultan und Staat der Amir. 357 


IX. Politiſches. 


Schafel*), Sultan der Amir, zuweilen auch Amir Schafel ge- 
nannt, was darauf hinzudeuten feheint, daß dieſes zum Volksnamen 
gewordene „Amir” urjprünglich Titel war, dann Bezeichnung der Dy- 
naftie und endlih auch auf ben Staat und dad Volk angewandt 
wurde. Der Sultan ftammt nicht aus dem Lande, fondern von einem 
Mamluken (SHaven) der Imame Zaidi von Yemen, der zum Gouver- 
neur von Dhala ernannt worden war, fich beim Verfall des Reiches 
unabhängig machte und eine Dynaſtie gründete Die Borfahren des 
jegigen Sultans jcheinen noch zur Secte der Zaidi gehört zu haben. 
Da aber alle Stämme bier Schafet und die Zaidi fehr verhaßt find, 
jo fand die Dynaftie e8 politiih, dad DBefenntni zu wechjeln. Das 
Land der Amir ift in ganz Südarabien berühmt wegen jeiner wohl- 
geordneten Zuftände. Alle Dobayel find unterworfen, jo daß der Sultan 
fie faft wie Raye behandeln Tann. Die Oberhäupter der größeren 
Stämme, wie ber Gaud, der Alluwi, ſind ‚zwar mächtig, aber durch⸗ 
aus vom Sultan abhängig, welcher ſie indeſſen, ſo lange ſie zu ſeiner 
Zufriedenheit handeln, eine gewiſſe Selbitftändigfeit (in inneren Ange- 
legenbeiten) ausüben laßt. Nur der Sultan richtet in letzter Inftanz. 

Die Zuftiz tft diefelbe wie in Laheg. Der Blutrache wird faft 
immer gefteuert, und wenn Fälle vorfommen, daß Giner ſich felbft Recht 
verichafft, jo gilt Dies ald eine Mebertretung und der Betreffende muß. 
fich durch Flucht retten, 

Der Sultan bezieht eine Kopffteuer von den Suden (5 M. Th. 
Thaler per Kopf). Die Bürger der Städte, die eigentlichen Raye, 
werden je nad) den Bedürfnifien der Staatäcafje befteuert, doch wurde 
mir verfichert, daß fie jelten unter 12 M. Th. Thaler per Kopf jähr- 

lich wegfommen. Der Eultan bezieht 2 Proc. Karawanenftener. Auch 
er fol einen Vertrag mit England haben, obwohl er Tein regelmäßiges 
Fahrgeld, fondern nur gelegentliche Gejchenfe erhält. 

Der Sultan hat eine Garde von 300 Mann und fol im Kriegö- 

fall 3000 ftreitbare Männer aufbieten fönnen. 





— — — — 


*) Auf der Karte von Arabien v. Colonel Chesney und bereits bei Niebuhr 
(fe oben) ift Schafel als eine Ortichaft angegeben. 


358 Vergleichende Geographie des Amirlandes. 


Z. Alterthümer. 


Sn Ardh Atoba*) oder Athauba, unweit des W. Debab, befinden 
fich auf hoher Bergesſpitze drei himyariſche Schlöffer dicht neben einander. 
Der Eingang jo unbelannt fein. Sie gelten für den Sitz der Geilter 
und werden aus abergläubticher Furcht nie beſucht. Eines dieſer Schlöfler 
wird Hait Debab’ (die Mauer von Debab) genannt. Ein anderes bi- 
myariſches Schloß liegt auf dem Gebel Aharrem und wird gleichfalls 
nie beſucht. 


XL Hamdani's Angaben über dieſes Land. 


Hamdant, der einzige und befannte arabiſche Geograph, der von 
Südarabien Genauered weiß, beichäftigt fich ziemlich ausführlich mit 
diefer ſpeciellen Gegend, die er das Land der Gada nennt. Es ift in⸗ 
tereffant, feine Angaben mit den neueften Berichten über das Land, 
die ih ſammelte, zu vergleichen. Er giebt eine Reihe von Wadis an 
und erwähnt bei jedem den dort‘ wohnenden Stamm. Wir wollen 
‚feine Angaben Namen für Namen verfolgen und bei jedem eine Turze 
Bemerkung hinzufügen. Man erinnere ſich jedoch des Obengeſagten, 
daß nicht nur die heutigen Amir, jondern auch Schaheri und Hagqi 
zu der Völfergruppe gehören, welche Hamdani beichreibt. Er be: 
ginnt mit: 

1. Wadi Schera, gehörte. den Bent Ahad.. Scher a ift noch 
jebt der Name eined Wadt und einer Stadt, bewohnt von den Halemi. 

2. W. Hanka, gehörte den Aswad. Bon einem W. Hanka ver 
lautete nichts. Ein Stamm Hanfi, in der Collectivform Honuk, fol 
noch eriftiren, doch Tonnte ich über feinen Wohnſitz nichts Genaueres 
erfahren. (Es giebt einen Ort Hanka in Dating, dies gehört aber 
nicht hierher.) | 

3. W. Gabiya der Beni Mohager. Die heutigen Gaſdi ober 
Gaud bewohnen verfchiedene Wadis, deren Namen ich nicht alle er= 
fahren konnte. Nichts ift indeß wahrfcheinlicher, als daß einer derjelben 
ipectell nach ihnen benannt wurde. Mohager kennt man jept in Süd⸗ 








”) Diefed Ard Atoba tft möglichermeife dad Urdaba in dem von Ritter anfı 
genommenen Stinerar (Erd. ZU, 707). Ein Name Urbaba tft fonft bier ganz 
unbefannt. - 


Bergleichende Geographie des Amirlandes. 359 


arabien bauptfählih im Lande der oberen Auwaliq, aber auch im 
Scaberigebiet fcheint noh ein Stamm dieſes Namens zu leben, da 
einer ihrer Orte Hobeil el Mohagera heißt (Siehe unter 13 bei 
Schaheri.) 

4. W. Toba der Aswad. Toba duͤrfte das oft erwähnte Atoba 
fein, das jetzt Name eines Berges und einer Landfchaft „Ardh Atoba“. 
Die Aswad find jetzt ein Schaheriftamm. 

5. W. Ameq der Ahrur oder Agrur. Beide Namen waren den 
von mir befragten Amir-Arabern unbekannt. (Ein Ameq eriftirt im 
Fodliland bei den Nachai.) 

6. W. Samah der Adwad. Samah war meinen Amir-Infor- 
manten unbelannt. (Im Fodlilande zwiihen Mar und Echughra fol 
ein Samah eriftiren.) 

7. ®. "Anana oder Ataya (die diakritiſchen Punkte undeutlich). 
Jetzt unbekannt. 

8. W. Wahba. Wahba iſt jetzt eine Ortſchaft der Schaheri. 

9. W. Sera. Ein ſolcher Name ſchien meinen Informanten be- 
kannt, nicht aber ſeine ſpecielle Lage. 

10. W. Debab der Adwad. Beide Namen noch jetzt bekannt und 
oben mehrfach erwähnt. 

11. W. Hacen der Aswad. Erſterer tft wahrſcheinlich der W. Hocein 
im Lande der Haqi. 

12. W. Saka oder Schafa der Aswad und Mohager. Wenn 
die Lesart Schafa richtig ft, fo wäre diefer Wadi gefunden. Im 
Lande der Hagi eriftirt ein Ort Schafa. 

13. W. Ahla oder Agela der Aswad und Mohager. Im Lande 
der Schahert liegt ein Drt Gelela, deffen Namen jeder Arabift auf 
Agela (dad wohl Agella gelejen werden dürfte, da das Teſchdid im Ma- 
nuſcript faft immer wegfält) zurüdführen Tann. 

14. W. Tomri der Adwad. Tomri erinnert an das oben (Ori⸗ 
haften) erwähnte Tomeir. | 

15. W. Dhu Chorebe (alle diakritiſchen Punkte fehlen im Manu- 
feript) der Adwad. Im Gebiet der Schaheri, deren einer Stamm noch 
jebt Aswad heißt, liegt ein Dorf Chorebe. 

16. u. 17. Folgen zwei, in dem mir zugänglichen Manufcript un- 
leferlihe Namen. Der einzige Name, den ich bier entziffern Tann, ift 
ber eined Stammes Sadif oder Sadiq. Ift Iehtere Lesart richtig, fo 


360 Vergleichende Geographie des Amirlandes. 


dürfte diefer Name in dem jehigen Schahertort Cedeq wiedergefunden 
werden. 

18. W. Soheb der (folgen unleferlihe Stammesnamen). Soheb 
ift die wohlbefannte Stadt. Von einem Wadi hörte ich nichts, 

19. Du... . . (unleferli) der Meraned. Meraned fchienen 
Niemandem befannt. Ä 

20. W. Bona der Affana und Abirun. W. Bona tft vielleicht 
der öftliche Grenzfluß dieſes Landes, der aber jebt immer Bonna ge- 
iprochen wird. Aſſan a und Abirun kannte feiner der von mir be 
fragten Amir. | 

21. Atham oder Atgam der Sakaſeka von den Gaba. Beide 
Namen waren den von mir befragten Amir unbelannt. 


Fünfzehntes Capitel. 
Schaheri⸗Land. 


— — — 


I Name. — I. Lage. — DI. Beſchaffenheit des Landes. — IV. Stämme — 
V. Ortfchaften. — VI. Religion. — VII Politiſches. 


L Name. 


Schaheri ift wohl der Name einer IUnterabtheilung der Aswad 
(Ga’da), vielleicht auch dynaſtiſch, aber dann ift die Dynaſtie einhei- 
milch und führt einen eingeborenen Namen. Der Stammesname ift 
Aswad B. Ga da. 


IL. 2age. 


Im Amirlande enclavirt. Das Land ift Flein, bat höchſtens 
8 Duadratmeilen Umfang Der Haupttheil liegt in der nördlichen 
Hälfte des Amirlandes eingefchloffen und reicht etwas über deifen Nord- 
grenze hinaus. Einige kleinere Sprengftüde liegen an der Yafı grenze 
zwiſchen Yafi a und” dem Amirlande. 


\ 


LIT. Befhaffenheit des Landes. 


Sehr ähnlidy dem Amirlande. Scheint durchweg gut bewachlen. 
Gerealien, etwad Kaffee. Der W. Dhi Negem, von dem ſchon beim 
Amirlande die Rede war, durchzieht einen großen Xheil des Schaheri—⸗ 
landes. | 


362 Stämme und Städte der Schahert. 


IV Stamme. 


1. Aswad, der hiftoriſche Name der Schahert, Haupfftamm, 

2. Mohagera, gleichfalls ein hiſtoriſcher Name, jept ein Heinerer 
Stamm in Gelelet el Mohagera 

3. Bakeri, Stamm im Norden. 

4 Gaſchani, bewohnt die Gegend um Hagfer. 


V. Drtſchaften. 


Hagfer, auch Agemt el Hagfer genannt, Hauptort, nahe an 
Dhala, auf dem Wege nah Soheb. Reſidenz des Schechs. Etwa 
10 gemauerte Häuſer, zwei Schlöſſer, ſonft Strohhütten. Etwa 200 Ein⸗ 
wohner. Wenig Juden. Stamm: el Gaſchani. 

Chorebe, Hüttendorf mit Schloß. Keine Juden. 
Wahba, Hüttendorf mit einigen gemauerten Häuſern. Markt. 
Einige Juden. 

Metzem, Hüttendorf. 

Gelelet, Heine Ortſchaft, nahe an Dhala. Markt Juden 
ſollen hier wohnen. 

Hobeil el Mohagera, zerfällt in das eigentliche 

Hobeil und Hobeil el Gebr, zwei kleine Ortſchaften, durch den 
Wadi Ohi Regem von einander getrennt. Jede hat ein Schloß, ein 
Paar gemauerte Häuſer, ſonſt Hütten. 

Sadeiq, kleiner Ort im Süden, fol ſchon außerhalb des eigent⸗ 
lichen Schaherigebiets und nahe an Soheb liegen, obgleich politiſch 
fich zu den Schaheri haltend. Uebrigens ſehr unbedeutend. Schloß; 
Steohhütten. Höchftens 80 bis 100 Einwohner. Einige Juden. 
Markt. 


VI. Religion. 
Ale Schaheri find Schafe i 
| VIL Politifges. 


Die Schaheri haben feinen Sultan, fondern nur einen Schedh, 
Metenet el Gaſchani eſch Schahert, der in Hagfer refidirt. Er führt 
ein ftreng orthodores Regiment, Tann aber die Stämme nicht ald Raye 


Feindſchaft zwiſchen Schahert und Amir. 863 


behandeln, wie e8 Amir Schafel in Dhala thut, fondern muß ihnen 
viele Freiheiten geftatten. Auch berricht hier lange nicht diefelbe Sicher . 
heit und Ordnung, wie bet den Amir. Die Städter find alle Raye. 
Die Schaheri find trog ihrer Kleinheit eine reſpectable Macht, die jelbft 
den Amir imponirt. Oft haben diefe ed verſucht, dad Schaheriland, 
das im Amirgebiet eingefchloffen tft, auch politiſch einzuverleiben, was 
ihnen aber nie gelang. Die Feindſchaft zwiſchen Schaheri und Amir 
befteht hauptſächlich, feit das letztere Land unter der jebigen Dynaftie 
fteht (vielleicht 80 Jahre), da dieſe Dynaftie fremd ift, in diefer Eigen- 
ihaft keine Verwandtſchaftsrückfichten auf die Stämme zu nehmen 
brauchte und mit eiferner Hand geregelte Zuftände, die allen Arabern 
immer. mehr oder weniger ‚widerwärtig find, emführte, während die 
Schaheriherrſcher einheimiſch find, auf die Dobayel Nüdficht nehmen 
und mehr ein patriarchaliſches Regiment nad dem alten Schlendrian 
führen. Die nächſte Nähe eines foldhen Staated, wie der ber 
Amir, ift ihnen daher ein Dorn im Auge. Die Völker felbft haben 
jedoch feine tiefgehenden Antipathien, fie find ſtammverwandt, beide 
Ga daftämme, bildeten vor der Zatdiherrfchaft eine politifche Einheit, und 
gehören beide zu derjelben Secte, was hier jehr viel heißen will, denn 
Zaidi und Schafe i find gefchworene Zeinde, zwei Schafe i-Voͤlker dagegen 
verbindet der Haß gegen die Zaidi immer mehr oder weniger, befon- 
ders wenn fie, wie es bier der Fall ift, die leteren in der Nähe 
haben. Gegen die immer mehr in diefer Richtung fortfchreitende Macht 
der Dhu Mohammed find Schahert und Amir immer zum Bündniß 
bereit. j 


Schözehntes Kapitel. 


Kleine Stammesgebiete zwiihen Dhala und Perim und’ 
Dhala und Reda. 


I. Allgemeines. — II. Haqi. — III. Fegra. — IV. Gehaf. — V. Diiteba. — 
A. Ausdehnung des Landes. — B. Befchaffenheit des Landes. — C. Wadis. — 
D. Stämme. — E. Stadt. — F. Regierung. — G. Stellung der Juden. — 
H. Parias. — J. Sitten und Gebräuche. — VI. Merraie. — VII. Ahmedi oder 
Auwas. — VII Haſcha. — IX. Ahl Abahela oder Mauya. — X. 'Adareb. — 
XI. "Amar. — XU. Sayadt. — XII. Schafif. — XIV. Hobab. — XV. Yaziti. 
— XVI Talab, — XVII Hobeſchi. — XVII Reda‘. — XIX. Gefe. — 
XX. Schlußbemerkung. 


IL Allgemeines. 


Das Anıir- Land ift in der Richtung von 'Aden nad Sſan a das 
nördlichfte, welches eine compactere Stammesgruppe, einen eigentlichen 
Staat barftellt. Im Norden von ihm ftoßen wir auf eine Menge 
fleiner, zeriplitterter Gebiete, die ſich ſeit dem Verfall ded Reiches des 
Imame Zaidi noch nicht wieder zu einer ftaatlihen Vereinigung 
zufammengefunden haben. Etwas der Art ift freilich im Werden, 
aber e8 hat, wenigſtens in dem von und bier behandelten Gebiet, erft 
begonnen. Eines nach dem andern dieſer Fleinen Gebiete geräth näm— 
lich unter die Zuchtruthe der Dhu Mohammed. Diefe dringen von 
Norden erobernd vor. Doc folgen fie bei ihren Eroberungen durchaus 
nicht einem topographiich niedergelegten Plane. Die jchwachen Gebiete 


Die Sroberungen der Diu Mohammed. 365 


üben vor anderen Anziehungskraft auf fi. Die ftarfen umgehen fie, 
wenigftend Anfangs. Daher kommt ed, dab die Gefammtheit ihrer 
Groberungen ein buntes Flickwerk darftellt. Zahlreiche freie Enclaven 
liegen noch mitten in dem bejebten Gebiet. 

So iſt audy merfwürdig, daß fich die Croberungen der Dhu Moham- 
med im MWeften der Sfan a⸗Route viel weiter nad) Süden erftreden, als 
auf dieſer, und dennod find die auf legterer gelegenen Stätlein ihnen 
topographiih näher. Noch bunter wird das Flickwerk dadurch, daß die 
Dhu Mohammed vorzugäweife nur die Schafe i-Länder einverleiben. Ein 
von ihren Glaubensgenoſſen, den Zaidi, bewohntes Gebiet, das fie auf 
ihren Eroberungszügen treffen, laſſen fie meift unbehellig. Die Be- 
wohner find ihre Freunde und werben ihre Bundedgenoifen. 

Wir können alfo die Eroberungen der Dhu Mohammed, wie fie 
auf ver Karte feine Einheit bilden, auc in der Beſchreibung nicht ala 
Einheit behandeln. Da außerdem jeded eroberte Gebiet noch feine ab- 
geſonderte politische ‚Begrenzung behält, jo ziehen wir ed vor, jedes für 
ſich zu beichreiben. 

Hier find wir aud am Nordende der Religiondeinheit angekommen. 
Bon den Gebieten, die ſich jet folgen, gehört bald das eine den Schafeit, 
da8 andere den Zaidi, aber nie iſt ein Gebiet gemiſcht. Dieje beiden 
Secten haffen fich tödtlih und diefer Hab wirkt auf alle politiichen und 
jocialen Verhältniffe dergeftalt ein, daß man eigentlich ein Volk ſchon 
halb beichrieben hat, wenn man jagt, zu welcher Secte ed gehört. 


© 
D. Hagi (unter Dhu Mohammed). 


Ein Kleines Stammedgebiet zwifchen Dhala und Da teba. !% Tage: 
reife von lehterem. 

Die Hat gehörten ‚urfprünglich zu derjelben großen Stammesein- 
beit, wie Amir und Schaheri, d. b. den Gada, welche wahrfcheinlich 
Yafı i*) waren und jedenfalld Himyaren find. Ste find, nad) Hamdani's 
Angaben zu ſchließen, eine Abtheilung der Aswad, ber heutigen Schaheri. 

Hauptort: Hocein im Wadt gleichen Namend. Schloß der Dhu 
Mohammed. 


) Hamdani ſagt zwar: die Ga'da gelten für Yafii und wohnen in Yafi'a 
(welches früher mehr weſtwärts reichte), aber fie find nicht von ihnen. Phyſiognomiſch 
gleichen fie ihnen jedoch durchaus. Jedenfalls find ſie Himyaren. 


‚366 Der Stamm der Hagi. Pegra. 


Scala, Meines Hüttendorf mit Schloß. 

Bis no vor Kurzem waren die Hagi unabhängig unter ihren 
eigenen Schechs. Aber im Jahre 1870 fchidten die Dhu Mohammed 
ihren Negib (Statthalter) von Schaif (1 Tagereiſe nordweſtlich ˖ von 
Dhala’), welches ſchon länger unter ihre Herrfhaft gerathen war, nad) 
Hocein, um das Hagisfand zu erobern. 

So groß war die Furt vor den. Dhu Mohammed, daß weder 
Amir, noch Schaheri ed wagten, ald Bundesgenofien ihrer Stammes- 
verwandten, der Haqi, aufzutreten, und dad Heine Land ohne Wider- 
Aland in die Hände der Dhu Mohammed fiel. Seitdem fliehen die Haqi 
unter letzteren, weldye ihr Land durch ihren Negib, Abd-Allah ben . 
Mobfin, den Gonvernent von beled Schaif (den Eroberer) verwalten 
laſſen. 

Die Haqi zahlen eine jährliche Abgabe von 1200 M. Th. Thaler 
an die Dhu Mohammed, eine fehr drüdende Laft für einen fo Heinen 
Stamm in dem geldarmen Arabien. 

Jedoch das drüdendfte dieſes Unterthanen⸗Verhältnifſes befteht Kit 
fie darin, daß fie nun Raye eined anderögläubigen Volles geworben 
find, denn alle Haqi gehören zur orthodoren Secte der Schafe i, während 
die Dhu Mohammed Zaidi find. Unter den Zaidi zu ftehen, wird bei 
allen Orthodoxen immer ald die größte Calamität angefehen, obgleich 
jene fie in Ausübung ihres Bekenntniſſes durchaus nicht behindern und 
überhaupt viel toleranter find, als die Schafe. 


II. Fegra (freies Stammeögebiet). 


Ein unabhängiges Stammesgebiet im Sübdweften von Dhala, an 
der Grenze des Amir-Landes, etwa unter 140 40' nördlicher Breite ge 
legen, befteht faft nur aus dem Hauptort, Fegra, und ber nächiten 
Umgebung. 

"Zwei Stämme: Hadur und Degam. Schech: Abd Allah Salah 
el Degmi. Im Begra, Meinem Ort am Wadi Nura in frucdhtbarer 
Gegend gelegen, find mehrere Schlöffer ber beiden Stämme, fonft Stroß- 
hütten. Das ganze Vol zählt vielleicht 2000 Seelen. Die Bewohner 
find Schafe i und haben fich bis jept noch von den Dhn Mohammed 
unabhängig erhalten fönnen. 


Gehaf. Das Gebiet von Da’taba. 867 


IV. Gehaf (freied Stammesgebiet). 


Gleichfalls ein unabhängiges Gebiet im Nordweften von Ohala, 
zwiſchen diefem und Da’taba, auf der einen, und dem Lande der Hagi 
auf der anderen Seite. Gleichnamiger Stamm und Berg. 

Städtchen Gehaf, Hauptort mit einem Schloß. Das ganze Volt 
zählt vielleicht 1000 Seelen. Alle Bewohner Schafet. 


V. Databa (freies Stammeögebiet). 


A. Auddehnung des Landes. 


Das Gebiet von Oa'taba befteht eigentlich nur aus der gleiche 
namigen Stadt und einem etwas audgedehnteren Umkreiſe, mit einem 
Flächeninhalt von anderthalb bis zwei deutſchen Duadratmeilen. Es 
Itegt ungefähr unter 44° 52° öftl. Länge und eiwas über dem 14. nördl. 
Breitegrade. Seine Grenzen find im Süden und Often das Amir- 
Land, im Weiten Gehaf und Hagi, im Norden Merrais. 


B. Beſchaffenheit des Landes. 


Dieje ſcheint vortrefflich zu fein, nach den Producten zu ſchließen. 
Diefelben find: Kaffee, Kaat (auf den Höhen), eine Tabakart, die ganz 
ſchwarz fein ſoll, alle Gerealien, darunter vortreffliher Weizen, auöge- , 
zeichnetes Dbft, Pfirfiche, Aprikofen, Weintrauben; Teine Datteln. 


C. Wadis. 


W. Reſchan kommt von Merrais, fließt nach Databa und Haqi. 

MW. el Chodr fließt nach Fegra in den W. Nura. (Diefer ſcheint 
identiſch mit dem Wadi Ma aberim Amir-⸗Lande.) 

W. el Abehor, Heiner Gießbach bei Da taba. 

Topographiſch begrenzt wird das Land von dem Gebel Gehaf im 
Süömeft und dem Gebel Merraid im Nordofl. 8 jcheint alfo im 
Verhältniß zu feiner Umgebung ein ZTiefland zu fein, welder Umftand 
auch die Kaffeecultur erklärt. 


D. Stämme. 


Deren find nur zwei: 
1) Bet Abu Hodal, ftehen unter dem Schech Miefa d Salah. 


368 Stadtgebiet von Databa. 


2) el Ahnum, ftehen unter dem Schech‘ Abd cr Rahman 'Aidwa. 
Beide Stämme wohnen in Databa und theilen fi in das um- 
liegende Gebiet. 


E. Stadt. 


Databa,-eine der größten Städte diefer Gegend mit drei bis 
viertaufend Einwohnern, etwa 100 gemauerten Häufern, einer großen 
Menge gut gebauter Hütten und mehreren Schlöffern. Nefidenz der 
beiden Schechs. Zwei große Mofcheen der Schafei. Es giebt bier 
teine Zaidi. Etwa 200 Juden, die einzigen Leute, welche bier Snduftrie 
betreiben, nämlich Baumwolle aus Aden verfchreiben, die fie zu Stoffen 
verarbeiten. in Heiner Bafar, auf dem viel Tabak verfauft wird. 
Zwei große Wochenmärkte. In der Nähe von Databa find 5 große 
Schlöffer der Ab Hodal, nämlih Hamr, Dans, ed Darr, Rabe und 
Scheghab. Es joll auch ein Dorf Hamr geben, wo die Araber noch 
jehr viel vom Himyariſchen im Dinlect bewahrt hätten. Der Name 
Hamr fönnte allerdingd auf Himyar deuten. 


F. Regierung. 


Diefe wird von jedem der beiden Schedh8 in feinem Stamme und 
deſſen Stadttheil unabhängig ausgeübt. Ihre Macht ift jedoch fehr be- 
ſchränkt, da faft alle Bewohner Dobayel find, mit Ausnahme einiger 
‚hundert Raye, zugewanderter Fremden, der Iuden und der Paria's. 
Diefe 3 Claſſen werden je nad dem Duartier, in dem fie wohnen, 
von dem dort gebietenden Schech auögebeutet, die Suden zahlen Kopf: 
ftener (2%, Thaler jährlih); die Raye werden nah Willfür tarirt; 
die Paria's zahlen nichts, müfjen aber zumeilen frohnden. 


G. Stellung der Juden. 


Sie find fehr unterdrüdt und allerhand Demüthigungen ausgeſetzt. 
Sie dürfen Feine Pferde reiten (was freilich nicht ſchwer zu vermeiden, 
da es faft feine im Lande giebt), fondern nur Efel. Begegnen fie zu 
Eſel einem Araber, jo müſſen fie abfteigen und linfs ausweichen, da 
die linfe Seite für den, der fie einichlägt, für unehrenhaft gilt. Will 
ein Araber einem Juden eine befondere Gnade erweilen, fo erlaubt er 
ihm, jeine Hand zu küſſen, jedoch thut er dies mit weitausgeftredtem 


Eihnographifches aus Da’taba. 369 


Arm, damit jener ihm ja nicht nahe komme. Araber aus Databa er 
zählten mir allerlei Seltſamkeiten vom Gotteödienft der dortigen Juden. 
Sie Jollen ji) die Hände verhüllen, eine Art Horn auf die Stirn 
binden und damit wie befeffen in der Synagoge berumrennen. Die 
Züdinnen jollen ſehr jchön fein, aber e8 kommt nie vor, daß ein Araber 
eine ſolche auch nur zur Concubine nimmt, was doch in anderen mod- 
limiſchen Ländern gefchieht. Hier würde der, welcher fo etwas thäte, 
vom Stamme ausgeſchloſſen werden und verloren fein. 


-H. Paria's. 

Wir find nun in dad Gebiet gefommen, wo die zweite, verachtetfte 
Claſſe der Paria's, die Schumr (Singular: Schimri), ſich häufiger 
findet. Dieje allein find vom Bejud der Mofcheen ausgeſchloſſen, be- 
treiben die efelhafteften Gewerbe, wie das der Abdeder, dürfen nicht 
einmal an die Ihüren ber Häufer fommen und wohnen im abgelegenften 
Stadttheile. Die andere weniger verachtete Claſſe hat dieſelbe Stellung, 
wie in allen bis jept befchriebenen Ländern. Sie befteht hier aus den 
eigentlichen Achdam (Dienern), den Schahed (fo nennt man bier die 
Zamburin-Trommler) und den Doſchan (hier fahrende Sänger). Da⸗ 
gegen wird dad Gewerbe der Merafai (in Da taba die Schläger kupferner 
Trommeln) nicht von Paria’s, fondern von Dobayel ausgeübt. Merafat 
iſt aljo bier Tein mihachteter Name, wie in anderen Ländern. 


L Sitten und Gebräude. 


Die Männettradht ift die allgemein füdarabijche: blaues oder weißes 
Lendentuch und Kopfbund. Die Frauen tragen feine Hofen, wie fonft 
faft in allen Städten, fondern ein dunkles Hemd, darüber die reicheren 
Seidenftoffe. Alle haben ein Umhängetudy, hier Scheider genannt (in 
Aden Chonne), und in der Stadt außerdem noch die Rem'a, ein über 
das ganze Geficht gezogened Tuch, glatt angelpannt und ohne Lüden für 
die Augen (wie in Aden). Sie machen großen Gebraud von Schön- 
beitömitteln und Schminken verfchiedener Farben: Hösn heißt eine rothe 
Schminke für die Wangen, Ward eine orangefarbene und Horud eine 
gelbe‘ (von der Coloquinta zucumis), Mit der lebteren, welche die 
beliebtefte ijt, wird der ganze Körper gelb*) gefärbt, was für bejonders 

”) Sch ſah auch in Aden folche gelbgefärbte Frauen, Jüdinnen, die fich fret 
feben ließen, — ‘ 
H. v. Malpan, Reife nah Südarabien, 24 


j 


370 Das Stammesgebiet von Merrais. 


ſchoͤn gilt. Zum Schwarzfärben der Nägel ſoll eine Mirtur von Scheider, 
Atrun und anderen Ingredienzen dienen. 

Die Beſchneidung der Mädchen, ſonſt in ganz Sübdarabien (dem 
Küftenlande) üblich, findet hier niemals ftatt, die der Knaben am 
fiebenten Lebenstage. 


Das Kaatkauen ift bier eine allgemeine Sitte, Fvon der ſelbſt die 
Aermften nicht laſſen können. Da der Kaat im Lande wächſt, ſo ift 
er zwar weniger theuer, als in Laheg, aber immerhin noch theuer genug. 
Mancher ſoll ſeine Familie damit ruiniren. Ein armer Mann, der 
feine Familie mit 2 Anna's“) (2%, Silbergroſchen) täglich ernährt, 
braucht oft für 4 Anna's Kaat und ift unglüdlich, wenn er ihn nicht hat. 

Der Giſchr wird nur in der Stadt getrunfen. Die Beduinen da= 
gegen trinfen Kaffee und zwar, wie in Yafia, mit Milch. Sie follen 
logar den ſchwarzen Kaffee für ungefund und fiebererregend halten, ge- 
nießen alſo Milchkaffee aus demjelben Grunde, aus dem die Städter 
Giſchr trinten**). 


VL Merrais (freied Stammedgebiet). 


Dieſes im Nordoften von Da taba, im Nordweſten der Ga ud ges 
legene unabhängige Stammedgebiet befteht aus einem Bergdiftrict, deilen 
Mitte der Gebel Merraid einnimmt. Der Hauptwadi ift der ſchon 
erwähnte W. Reſchan. 


Es wird von 5 Stämmen bewohnt, jeder unter einem unabhängigen 
Schech: 

1) Beni.Schafel. 

2) Beni Mohammed. x 

3) Ahl Reidan. 


4) Ahl Ahmed. 
5) Ahl Schagran. 


*) Die Anna's verlieren ſich felbit bis nah Da’taba, da es im Innern an 
Heiner Münze fehlt. Im Lande wird Teihe geprägt. 

**) Alle Europäer glauben, daß im Orient nur ſchwarzer Kaffee getrunken wird. 
Araber Dagegen verfiherten mir, daß die Sitte des Milchkaffee's in Yemen allgemein 
fei. Der Araber liebt nämlich nicht ftarten Kaffee. Diefen zu trinken, tft eigentlich 
eine türkifche Sitte Wo ed an guter Milch fehlt, wie in den meiften Städten, 
ift Waffer Das Verdünnungsmittel. Wer aber Milch hat, braucht Diefe. Wuch in 
Aden jah ih Araber Milchlaffee trinken. 


Ahmedi. Haſcha. Ahl Abahela. 371 


Im ganzen Gebiet iſt feine Stadt, nicht einmal eine größere Ort⸗ 
Ihaft,.fondern die Bewohner leben in zerftreut liegenden Fleinen Stein- 
häufern. Jeder Stamm hat ein befeltigted Schloß... Die wictigften 
Shlöffer find: H. Schagran und H. Reidan. Bei diefen werden 
Märkte abgehalten. Es joll einige hundert Juden im Lande geben. 
Alle Bewohner gehören zur Secte der Schafei. Die 5 Stämme find 
eng verbündet und oft im Kriege mit den Nachbarn. Ihre Gefammt- 
heit wird jchlechtweg „Merrais“ genannt. 


> 


VI Ahmedi oder Auwas (freied Sanımesgebiet). 


Diefed unabhängige Stammeßgebiet dürfte nad) den Berichten der 
Eingeborenen etwa unter 449 33° öftl. Länge v. Gr. und 139 45' nördl. 


Breite zu juchen fein. Es grenzt im Weiten an Chadra, im Norden 


an Haſcha, im DOften an Fegra und dad Amir-Land. Es wird von 
einem Arm des W. Nura durchzogen, der von Gible bei Ibb kommt. 
Hauptort el Auwas, Stk der beiden Schechs der Ahmedi, welche 
fih in die Negierung theilen, Ahmed Salah el Auwaſi und Hadi ben 
Nast. | 
Der Name Ahmedi wird vulgo immer Hamedi geiprochen. 


VII. Hafda (unter den Dhu Hofain). 


Früher unabhängiges, jept von den Dhu Hofain erobertes Heines 
Gebiet mit dem gleichnamigen Stamm und der Ortſchaft Haſcha. Nach 
den Berichten der Araber glaubte ich feine ungefähre Lage 440 33° öftl. 
Lange v. Gr. und 130 49' nördlicher Breite anjegen zu können. Hafcha 
(tegt auf dem directen Wege von Dhala nach Ibb (Stinerar XXIX). 
Die Bewohner follen zur Secte der Zaidi gehören. Wenn dies der 
Fall ift, fo find fie mehr Verbündete, als Unterthanen der Eroberer, 
ebenſo wie die folgenden. 


‚IB. Uhl Ubahela oder Mauya (unter den Dhu Hofain). 


Die Ahl Abahela mit dem Hauptort Mauya (zwiſchen Haſcha und 
Ibb) haben gleichfalls in neuefter Zeit ihre Unabhängigkeit eingebüßt 
und ftehen unter den Dhu Hofain, zu deren Secte (Zatdi) fie übrigens 
gehören follen. Ihr Gebiet fcheint ungefähr unter 440 25° öftl Länge 
». ®r. und 130 53' nördl, Breite zu liegen. 

| 24% 


372 Adareb. "Amar. Sayadi. 


X. Adareb (freie Stammesgebiet). 


Dieſes noch unabhängige Gebiet beiteht faft nur aus der Ortſchaft 
‘Abareb, die gewöhnlich Beled el Dadi genannt wird, weil von 
einem Oadi (Richter), der ſouverän tft, regiert. Die Bewohner gehören 
zur Secte der Zaidi, ftehen aber nicht unter Dhu Mohammed oder Dhu 
‚Hofain, welde ihre Sectengenofjen meift rejpectiren. Die ungefähre 
Lage des Beled el Dadi glaube ich unter 440 35’ öftl. Länge v. Gr. 
und 14° nördl. Breite anfepen zu können. Adareb liegt dicht beim 
folgenden. 


XI Amar (freied Stammesgebiet). 


Auch dies ift ein unabhängige Gebiet, mit dem Hauptort Amar, 
“ vom Stamme ber Haddi bewohnt, weähalb Amar auch ſchlechtweg 
»Beled el Haddi heißt. Es giebt jedod auch eine Unterabtheilung 
der Haddi, welche ausfchließlich die Bezeichnung Amar führt, und eine 
fleine Ortſchaft, Namens Socheb el ‘Amar, bewohnen fol. Die Be- 
wohner gehören alle zur Secte der Zaidt. 
Ungefähre Lage 440 37' öftl. Länge v. Gr. und 140 3" nördl. 
Breite. Oberhaupt: Schech Hafan el Haddi. 


XI. Sayadi (Verbündete der Dhu Mohammed). 


Diefer unabhängige Stumm ſcheint ein etwas ausgedehnteres Ge- 
biet, zwilchen etwa 440 41' und 440 43° öftl. Länge v. Gr., und 
140 3° und 140 5' nördl. Breite zu bewohnen. Das Land wird vom 
W. Nura’ durchzogen, der von hier nad Hagi, dann zu den Ahmedi 
(Auwas) Fegra und Laheg geht. 

Hauptort el Do’ la, Sig des Schechs, Methen Ahmed es Sayabi. 
Im Dften von Dola die Landichaft el Aud, zwiſchen Oataba und 
"Amar. Alle Bewohner gehören zur Secte der Zaidi, ftehen aber weder 
unter Dhu Mohammed, noch unter Dhu Hofain. 

EI 'Aud liegt Y, Tag von Databa, 1 Tag von Dhala’, 2%, Tage 
von Rede‘. 


J 


ZI Scha“ if (unter den Dhu Mohammed). 


Lage ungefähr zwilchen 440 45' und 440 47' öftl. Länge v. Gr. 
und 140 bis 140 13° nördl. Breite. Etwas ausgedehnteres Gebiet. 


Scha if. Hobal. Yazidi. Talab. 373 


Grenzt ſüdlich an Haqi, Gehaf, weſtlich an Sayadi, öſtlich an Yazidi, 
Da taba. 

Der Stamm Scha ifi (Collectivform: Scha N it nicht unab- . 
. hängig, jondern fteht unter den Dhu Mohammed. Da er aber, wie 
diefe, zur Secte der Zaidi gehört, fo wird er nicht bedrüdt und mit 
Abgaben belaftet, wie die Haqi. Er hat ſogar einen eingebornen Schech 
(zuweilen auch Sultan genannt) "Abd Allah ben Mohfin eſch Scha ifi, 
welcher zugleich der Negib (Statthalter) der Dhu Mohammed ift und 
als ſolcher das Land der Hagi, dad er eroberte, mitverwaltet. 

Hauptort Radai, Sitz des Negib, gewöhnlich nur beled Scha if 
genannt. Hier follen Juden wohnen. Ä 


XIV. Hobal «unter den Dhu Mohammed). 

Lage ungefähr "unter 449 36' öftl. Länge v. Gr. und 140 13° 
nördl. Breite Stamm: Chobban, Die Einwohner alle Zaidi, ben 
Dhu Mohammed unterworfen, aber in derjelben milden Weiſe, wie die 
Scha'if. Schech Hafan ben Yahya Obbad vom eingebornen Stamme 
der Chobban. Soll jehr nahe bei Yerim Liegen. 


XV. Yazidi (Verbündete der Dhu Mohammed). 


Lage ungefähr unter 44° 52° öftl. Länge v. Gr. und 149 12' 
nördl. Breite. Kleines unabhängiged Stammesgebiet. Keine größeren 
Drtichaften. Zerftreute kleine Steinhäufer. Die Bewohner find alle 
Zaidi, aber nicht den Dhu Mohammed unterworfen. 

Sind ſehr oft im Kriege mit den Schafe i-Orten, Oa taba, Merrais, 
Gehaf, Dhala. Zwiſchen Zaidi und Schafet iſt ſtets Feindſchaft. 


XVI. Talab (Verbündete der Dhu Mohammed). 


Lage ungefähr 440 55' öfkt, Länge v. Gr. und 140 20° nördl. 
Breite. Unabhängiger Stamm, Zaidi. 


XVIL Hobefchi (unter den Dhu Mohammed). 


Lage ungefähr 450 3° öftl. Länge v. Gr. und 140 20° nörl. 
Breite. Stehen in gleichem abhängigen Verhältniß zu den Dhu Moham- 
med wie Schaif und Chobban (Hobal), gehören zur Secte der Zaidi. 

Landihaft Hagai, fruchtbarer Boden, Hauptort Demed zwifchen 


374 Die freie Stadt Reda. 


Merraid und Reda. Die Hobeſchi haben Anfang 1871 Krieg mit 
Databa angefangen, wahrjcheinlich im Auftrag der Dhu Mohammer. 


XVIO. Reda (freie Stadt). 


Wir fommen nun in das Gebiet von Sfana (im weiteren Sinne), 
in denjenigen Theil des alten Imamatd, welcher noch im erften Drittel 
dieſes Sahrhunderts zu demjelben gehörte, nachdem die bis jeht be- 
Ihriebenen Landſchaften ſchon längit abgefallen waren. Zugleich betreten 
wir auch einen den Europäern etwas mehr befannten Boden, die Nähe 
von Dhamar, Yerim und anderen von Niebuhr, Seeten, der englifchen 
Miſſion, der franzöftfchen Gefandtichaft befuchten Städte. Wir beichränfen 
und deshalb darauf, die beiden von jenen Europäern nicht befuchten 
öftlichen Städte diefer Gegend, Reda und Gefe, zu erwähnen. 

Bor Seetzen war man nicht darüber im Klaren, wo ungefähr 
Reda zu Suchen -fei, da Niebuhr diefen Namen mit Roda (ohne ‘), 
einer Stadt dicht bei Sſan a, verwechfelt hatte. Daffelbe ſcheint noch 
Gruttenden begegnet zu fein (Ritter, Erdkunde XII, 726). Seitdem 
finden wir ed aber mandhmal auf den Karten und zwar ziemlich richtig 
angefeßt, fo auf der Kiepert’ichen (Berlin, Reimer 1864), wo die Lage 
jedoch etwas zu füdlich, faft bi an den 14. Breitegrad gerüdt ift. Daß 
die Lage Reda's nicht diefe fein kann, gebt eineötheild aus unferm 
Stinerar XVI. bervor, anderntheild aud der mir einftimmig von den 
Arabern gemachten Angabe, dab Reda etwa gleichweit von Yerim und 
Dhamar entfernt jet, ungefähr 1", ſtarke Tagereifen von jedem diejer 
Orte. Demnach glaube ich Neda ungefähr unter 450 3" öftl. Länge 
v. Gr. und 149 28° nördl. Breite anjeben zu können. Sein Gebiet 
fiegt (ganz wie fon Seetzen erwähnt) im Nordweften v. Yafl'a und 
grenzt füdlih an Hobeiht und Talab, weftlih und nördlich an unab- 
hängige oder den Dhu Mohammed unterworfene Sprengftüde des 
einftigen Zaidi⸗Reiches, öftlih an Gefe. 

Reda ift die erfte Stabt in Arabien, wo der von Süden Kommende 
einigermaßen ftädtifched Weſen, Bauten und die bürgerlichen Gewohn⸗ 
heiten der anfäffigen Araber findet. Die Stadt ift gut gebaut‘ (freilic 
an Ruinen reich), hat 6 Mofcheen, einen großen Palaft, Feſtungsſchloͤſſer, 
‚ einen gemauerten Bafar, Bäder. Zum erftenmale findet der aus dem 
Süden Kommende, welcher nur dad oceaniſche Arabien Tennt, bier den 
ganzen orientalifchen Bade- Apparat, alte und heiße Wannenbäder, 


Freie Städtegebiete im Norden. 375 


Schwipftube, Abreiben mit Roßhaarhandſchuhen, Kneten der Glieder 
u. f. w. (von Aden bis Oman Alles unbefannt). 

Die Einwohnerzahl wird auf etwa 3000 Seelen geichäpt. 

Die Regierung ift in Händen eined einheimifchen Oberhauptes, das 
völlig unabhängig. Die Bewohner gehören zur Secte der Zaidi und 
find mit den Dhu Mohammed befreundet. Hier wohnen einige hundert 
Suden, Baummwollweber, Schmiede, Silberjhmiede. Paria's giebt es 
von beiden Claſſen, jedoch wenig Schumr. 

‚Die Umgegend von Reda ift berühmt wegen ihrer vortrefflichen 
Weintrauben, ganz denen von Sjana ähnlich, welche namentlich als 
Roſinen verkauft und verfandt werden. in Jude, den ich in Aden 
fannte, zeigte mir von bdenjelben. Sie waren weiß, jehr ſüß, weich 
bäutig und hatten jo winzige Kernchen, daß man- jie beim Kauen nicht 
fühlte. Diefer Umftand bat zur Zabel von den „kernloſen Rofinen 
von Sſan a“ Anlaß gegeben. Xeider herrſcht in Reda fchon fett 1865 
die Traubenkrankheit, jo daß die jährliche Leſe vielleicht auf ein Zehntheil 
ihres früheren Verhältniſſes herabgekommen iſt. Es werden nur noch 
ſelten Roſinen ausgeführt. 

Die ganze Gegend um Reda, Gefe iſt vom Stamme der Hamaida 
(Zaidi) bewohnt, die zur großen Familie der Ans gehören ſollen. 


XIX. Gefe ober Dſchaife (freie Stadt). 


Lage ungefähr 45° 13" öſtl. Länge und 14° 35° nördl. Breite. 
Kleine unabhängige Stadt zwiſchen Reda und der Rezaz- Grenze im - 
Norden von Yafia, fteht unter einem eigenen Oberhaupt, hat durchaus 
ſtädtiſchen Charakter, lebhaften Handel, etwa 1000 Einwohner, wenig 
Juden. Die Bewohner find Zaidt und im Frieden mit den Dhu Moham- 
med, in Feindichaft jedoch mit den Yafit und Nezaz, die fie aber in 
Ruhe laffen müfjen, aus Furcht vor den Dhu Mohanmer. 


X. Sqhlußbemerkung. 

Hiemit find wir auf dieſer Seite (Richtung von Aden nach Sſan a) 
am nördlichen Ende unſeres Forſchungsgebiets angelangt und kehren 
nun zum Ausgangspunkt unſerer Itinerare, Aden, zurück, um von dort 
aus die im Weſten und Nordweſten gelegenen Gebiete befchreibungs- 
weile zu durchgehen, auch hier wieder mit dem Küftenlande beginnend 
und dann nach Norden bi8 Taiz und Ibb fortfchreitend. 





Siebenzehntes Capitel. 


Sobehi⸗Land. 


1. Name. - IL Geographiſche Lage. — DIL. Grenzen. — IV. Bodenerhebung. — 

V. Wadis. — VI Klima und Bodenerzeugniffe. — VII. Stämme. — VOL Ort: 

ichaften. — LX. Politiſches. — X. Geſchichtliches. — XL Religion. — 
XI, Kleidung. 


L Rome 


Sobehi (ſchriftgemäß Sſobaihi, Ausſprache: Sfobeeht) ift der uralte 
Name eined Stammed, welcher fich früher noch viel weiter nad Diten 
ausdehnte, der von Hamdani erwähnten Afjabeh oder Affbahin, von 
denen die heutigen Sobehi nur die weitlihe Sraction bilden. Sie find 
eine Abtheilung der Himyaren *). 


IL Geographiſche Lage 


Zwiſchen 430 39° und 440 43° öftl. Länge v. Gr. und zwifchen 
der Südküſte von Yemen (im Mittel circa 12° 40° nördl. Breite) bis 
zu 13° 7 im Nordoft und 12° 55 im Nordweil. Im Durchſchnitt 
ein etwa 20 Seemeilen breiter Küftengürtel. 


*) Nah Yaqut ftammen fie von Afibah b. Amru, b. el Harith, b. Aſſbah, 
b. Malik, b. Zatd (Diefer war Bruder des dritten Himyar) b. el Ghaut, b. 
. Sa’d, b. Unf., b. Adi, b. Malik, b. Zaid, b. Sadad, b. Himyar (der zweite Hi- 
ınyar), b. Saba el Affghar, b. Lohi'a, b. Himyar (der erite Himyar). Sie waren 
ſomit Hinyaren der erften und zweiten, nicht der dritten Kategorie. 


Tiefland und Berge weftlich von den. 377 
II Grenzen. 


Im Süden der Golf von Aden. Im Weften das Hafmigebiet 
(dicht bei Bab el Mandeb). Im Norden dad Land der Mogatera. 
Im Often.Laheg und der Heine Aqareb⸗Staat. 


IV. Bobdenerhbebung. 


Saft durchweg Tiefland, an einzelnen Stellen der Küfte unter: 
brochen durch vulkaniſche Felsmaſſen, die aber ifolirt und nicht mit 
den Gebirgen ded Innern durch Hügelfetten verbunden find. Die größte 
diefer Felsmaſſen ift der Gebel Charraz zwiſchen Ras "Ara und Rad 
Dan, ein troftlofed ödes Gebirge mit geraden, oft wie Burgen aus- 
ſehenden Yeldwänden, nur auf den Gipfeln gezadt, etwa 2000 Zuß 
hoch. Vom fattelförmigen Gebel Dau faft bis Aden (den ©. Haſan, 
der wie eine Inſel ift, ausgenommen) zieht fi Flachland dem Meere 
entlang und diejes herrſcht auch im Innern, felbft hinter dem &. Char⸗ 
rag dor. Erſt im Norden beginnt fi das Terrain zu Hügeln zu 
erheben, die mit ben feftländischen Bergen zufammenhängen. 

Gebel Eharraz (bei Ritter nad) Haines ausführlich, bejchrieben, 
Erdk. XII. 673). Ich war auf, einer Küftenfahrt (Sanuar 1871) wäh- 
rend 3 Tagen in Sicht dieſes Gebirged durch Windftillen feftgebannt, 
fam ihm oft ſehr nahe und Tonnte genau feine Formen unterscheiden. 
Es ift eine impofante Maſſe, eher grau, als ſchwarz, gezadt, aber mit 
fehr geraden Kinien. in Theil fieht aus, wie ein koloſſales Schloß. 
Haines ſpricht von einer wirklichen Ruinengruppe. Cine foldhe jah ich 
nicht, wohl aber einen Felſen, der täufchend diefe Form annahm. Das 
Geftein jcheint mir trachytiſch, nicht wie die meilten anderen Berge 
dieſer Küfte bajaltijch. 

Gebel Da'u, ein fattelförmiger Berg, ben ich gleichfalls von 
Augenſchein kennen lernte. Er ſcheint durchweg baſaltiſch, iſt aber faſt 
bis zu ſeinem Gipfel mit hinaufgewehtem Sand bedeckt, ſo daß er jetzt 
nicht ſchwarz zu nennen iſt, wie Haines ihn beſchreibt. Nur die Spitze 
iſt ſchwarz. Zwiſchen Dau und Charraz befindet ſich, mitten aus der 
Küftenebene aufragend, ein kleiner Bergfegel, den die Araber G. Me- 
chanit nennen follen, ein nicht jehr anftändiger Name. - 

.Gebel Amran, eigentlih nur ein DVorgebirge, in der Nähe 
vom Gebel Hafan, vulkaniſche, wildgezackte Felömaffe. 

Ueber die Berge im Innern habe ich Teine genaueren Berichte, 


378 | Sobehi⸗Land. 


V. Wadis. 


Kein einziger Wadi, der zur Bewäſſerung Dienſt leiſtet. Meiſt 
kleine Gießbäche, die faſt nie Waſſer haben und deren Bett man nur 
mit Mühe entdeckt: 

W. Mo aden, kommt vom Gebiet der Hakum im Hogriyaland, 
durchfließt eine Ebene, Chabt geheißen und mündet in den Golf von 
Aden. Hat nur Waſſer nach den ſtarken tropiſchen Niederſchlägen im 
Innern. 

W. 'Aleſſan, im Gebiet der Monacera, kleiner Regenbach, geht 
dem W. Tobban zu. 

W. el QOobla, kommt vom Gebiet der Oobati im Hogriyaland, 
fließt durch das Gebiet der Haggat. 

W. Adim*), kommt vom ande der Bent Hammad, durdfließt 
das Gebiet gegen Weſten. Soll im Hafmiland in's rothe Meer münden ? 


vL. Klima und Bodenerzeugniffe. 


Faft durchweg trodenes, vegenlofed Küftenland. Am Meere eine 
Sandmwüfte, etwa8 mehr im Innern Steppe. inzelne vafenartige 
Stellen, die wahrſcheinlich Brunnen ihre Fruchtbarkeit verdanfen. Im 
Innern, im nördlichen Hügelland fällt ſchon etwas tropifcher Regen und 
bier gedeiht Kaffee. Producte ded Tieflandes Durra, Dochn, Mais, 
Weizen, Sejam und Datteln in Dafen. Ueberall Dompalmen und die 
befannten Steppengewächſe (Mimofen, Nebef, Oſchr, Araf u. |. w.). 

Sn den Steppen tft viel Kameelzucht. Diefe Thiere find bier 
von vorzüglicher Nace und Schönheit. In ganz Südarabien rühmt 
man die biefigen Kameele. ) 


vI Stimme 


Die Sobehi**) zerfallen in eine Menge ganz Heiner Stammes- 
bruchtbeile, arabiſch Fachida (Familie) genannt, die durchaus Teine 
nambafteren Einheiten bilden und unter fich feinen oder nur jehr loſen 


*) Bei Hamdani an diefer Stelle auch erwähnt. 
=") Seegen fchreibt Szobbaeh, Niebuhr Bent Zubey, Haines Zubeihi. Pe 
hörte immer Sfobeehi mit Sfad, langem e (für ai) und ftarfem h. 


Sobehi - Stämme. 379 


politifchen Zufammenhang haben. Die gewöhnliche Gruppeneintheilung 
der Araberftämme des tiefen Südens ift: 1) die Dabila, die Stammes- 
mafje, gewiffermaßen der Staat; 2) die Aſchira, der große Stamm, 
Unterabtheilung der Dabila; 3) die Fachida, der Unterftamm. Hier 
fallt nun fo gu jagen die zweite Abtheilung weg und die Dabila tft 
gleich direct in Fachida 8 eingetheil. Die Namen folgender Fachidas 
fonnte ich erfahren: 

1. Manffuri, in der Collectivform Menacera, wohnen nahe bei 
Laheg an der Oſtgrenze. 

2. Machdumi, in der Collectivform Mechadim, wohnen zwiſchen 
Laheg und Rega. 

3. "Anteriye, wohnen zwiſchen Laheg und Ferſcha, werden von 
Einigen zu den Menacera gerechnet. 

4. Debeine, wohnen bei Ferſcha. 

5. Rega’i, wohnen um Rega. 

6. 'Atfi, in der Gollectivform Auwatif, wohnen nahe am 
Gebel Dau an der Küſte. 

Diefe ſechs Stämme haben ſich in eine Art von Vafallenverhält- 
niß zum Sultan von Laheg geftellt, wie oben (bei Xaheg) erwähnt 
wurde. Die völlig freien Stämme find: 

7. Somati, wohnen 2 Tage weſtlich von Aden. 

8. Ma’mai, wohnen nahe bei den Somati zwifhen Mabeq 
und Gharriye. 

9. Geleidi, 2 Stunden nördlid von den Somati. . 

10. ®erabi, einen halben Zag nördlid) von den Somatt. 

11. Arai, nahe am Meere beim Ras "Ara. 

12. Haqqat, wohnen 4 Stunden weſtlich von Ferſcha. 

13. Meshagi, wohnen 3 Stunden nordweitlid von Ferſcha. 

14. Zafeih, wohnen 1 Stunde nördlich der Selim. 

15. Selim, wohnen 2 Stunden weitlid der Haggat. 

16. "Amuri, wohnen in und bei Hegaz, nördlid von Atfi, nicht 
weit vom Meere. Bu 

17. Zoreigi, wohnen nördlih von Zuran, nit weit vom 
Meere. . " 
18. Hameida, wohnen in Mabeq mit Mogatera vermifcht. Die 
Mogatera follen urfprünglich eine Abtheilung ber Hameiba gewejen 


380 Sobehi-Stämme und Ortichaften. 


fein. Sept aber bilden fie eine große Stammeßeinheit und werden 
nicht mehr zu den Sobehi gezählt. Die Hameida ftehen unter dem 
Schech Hafan Salah Abetul in Ma’beq. 

19. Bereimi, wohnen zwiſchen Fegerra und dem Meere. 

Aehnlich wie die Mogatera, fo rechnen aud Viele die Hafmi und 
Meſchalcha, die von Bab el Mandeb bis nad) Mocha zu wohnen, zu den 
Sobehi. Wahrjcheinlich find fie mit diefen ftammverwandt, aber fie bilden 
jest anjehnliche Stammeßeinheiten, ganz für fich gegliederte Gruppen, To 
daß fie von den Arabern, die unter Sobehi immer nur die vielen, von 
und oben angeführten einen zerjplitterten Stämme begreifen, nicht 
mehr mit diefem Namen bezeichnet werden. Nur Europäer rechnen fie 
heut' zu Tage nod) zu den Sobehi, aber felbft die politische Agentur 
bon Aden hat bereitö diefe Benennung aufgegeben *). 


II DOrtfhaften. 


Eine eigentlihe Stadt giebt e8 im ganzen Sobehigebiet nicht, fon- 
dern nur ganz Feine Drtichaften aus Schilf-, Stroh: oder Reiferhütten 
gebildet, bier und da mit einem Hofin (Schloß) oder ein Paar ge— 
mauerten Käufern. Jeder Stamm hat eine aud Stein gebaute Mo- 
ichee und einen Wochenmarkt. Die mir befannt gewordenen Ortichaften 
find: | 
Mohanneg, 5 Stunden von Bir Ahmed weſtlich, ebenfoviel 
nördlich von Meghar. Brunnen mit einigen Hütten. (Diefer Ort bei 
Hamdani genau erwähnt.) 

Rega“, zwiihen Mohanneq und Hegaz, fteht unter Salem Abd 
Allah, Schech der Regai. Diefer Drt wird oft auch Emerga genannt, 
ich hörte fogar Emera und Emeran außfprechen. Die Umgegend führt 
den Namen Beled es Stala, nad) einem früher bier lebenden Stamm 
Siala, der verfchwunden oder vielleicht in den Regaſi aufgegangen ift. . 

Hegaz, Heiner Ort der Amuri, 2 Stunden von Gharriye, 
3 Stunden von Fegerra, 8 Stunden von Mohanneq weitlih. (Ham: 
dani giebt das Stinerar: von Aden nad Mohanneg und von Mohanneg 





*) Die Aufzählung der Sobehiftämme ift hiermit noch keineswegs erichöpft. 
ber meine Informanten waren alle aud der dftlichen Gegend des Landes und 
wußten mir nur ein Paar von den im Weiten, nahe bei den Hakmi wohnenden 
Stämmen zu nennen. 


Ortichaften im Sobehi- Land. 381 


nach Hegaz, was vollfommen zutrifft, die Tagereiſe auf 8 Stunden 
berechnet.) 

Tegerra, zwiſchen Mohanneq und Gharriye, 5 Stunden von 
Mohanneq weitlih, im Norden der Bereimt. 

Meghar, auch Goher genannt, 4 Stunden ſüdlich von Fegerra, 
am Meere, kleines Fifcherdorf der Bereimi. 

She be, FL. Ort der Debeine im Norden bei Ferſcha. 


“Atfi, Heiner Ort unweit des ‚Meere, einige Stunden weſtlich 
von Meghar. Hauptort der "Auwatif, mächtiger Stamm unter Laheg. 
Gharriye, 2 Stunden von Hegaz, weitlic von Fegersa. Be⸗ 
deutendfte Ortſchaft der Gegend, gewöhnlich beled el Dadi genannt, 
weil bier da8 Grabmal eines längſt verjtorbenen Dadi, der nun ald 
Heiliger verehrt wird und deſſen Grab ein berühmter MWallfahrtsort 
geworden iſt. Zu der Siara (Wallfahrt) ſollen an 10,000 Bebuinen 
pilgern, alle gleichzeitig. Der Schech ber Hafmi von Schech Sa id bei 
Bab el Mandeb ſoll alle Jahre mit 1000 Beduinen hierher kommen. 
Großer Markt, Luftbarkeitenzc. Gharriye wird von einem Nachkommen 
des heiligen Dadi, dem Schech ‘Abd el Kerim Ahl el Dadi, regiert, 
der ſehr viele Geſchenke von den Pilgern empfängt und für dieſes Land 
reich ift. 

Zuran, Heiner Ort mit einigen gematerten Häufern und einem 
Hoffn (Schloß) in ſehr fruchtbarer Gegend, nahe beim Gebel Charraz 
gelegen. Die Bewohner find Meſchaich und werden von der vornehm⸗ 
ften Familie regiert. Da diefe zur Zeit ohne erwachſene Männer ift, 
fo führt eine junge Frau, eine Scherifa, Tochter bed letzten Schech's, 
die Verwaltung. Die Scherifa fol fi) einige Soldaten, meift Neger, 
halten und diefe treffliche Ordnung wahren. Ihr Mann foll feinen 
Einfluß haben. Guted Kornland, einige Palmen. (Hamdani erwähnt 
Zuran genau.) 

. Sbharan, Hüttendorf im Gebiet der Selim unweit der Nord: 
grenze. 

Kedeira, Dorf im Gebiet der Zoreigi, zwiſchen Turan und Ara, 
oft auch ſchlechtweg blad ez Zoreigi genannt. 3 Familien von Meſchaich 
wohnen bier. 

Ara, am Rad Ara, zwei Stunden vom Meere. Fruchtbare 
Gegend. 





382 , Sobehi. 


Neqeſcha, Dorf der Zoreigi nahe bei Zuran. 

Hofin Ahmed Daghem, feited Schloß im Gebiet der Gerabt. 

Die hauptfählihen Märkte find: Suq el Chamis (Donnerd- 
tagdmarft) in Ber] da, Feine Ortſchaft und Karamanenftation "auf 
dem Wege von Aden nad) Ta izz. 

Suq el Gom’a (Freitagsmarft) bei den Somati. 

Suq ed Sebt (Samödtagämarft) bei den Gerabi. 

Wallfahrtsort, außer Gharriye, noch dad Grab des Heiligen „es 

Senauwi“ bei den Gerabi. . 


IX. Politiſches. 


Die Sobehi haben feinen Sultan. Außer den 6 unter Laheg 
ftehenden Stämmen find alle unabhängig, fowohl von einander, als 
von irgend einem Oberhaupt. Jeder Stamm hat feinen Sched, der 
jedody werig Macht befigt. Die Vaſallenſtämme von Laheg find: übri- 
gend dieſem keineswegs wirklich unterthänig, Der Sultan übt mehr 
- ein Schiedöricdhteramt, kann aber. weder Juſtiz noch Polizei energiſch 
handhaben. So find 3. B. die Monacera, der Laheg zunächſt woh- 
nende und alfo feinem Einfluß zugänglichfte Stamm, berüchtigte Räuber 
und der Sultan wäre durd feinen Vertrag mit England genöthiat, 
ihnen das Handwerk zu legen, vermag ed aber nit. Mit England _ 
ftehen die Sobehi auf. freundlihem Fuß. Alle ihre Schechs, die nad 
Aden kommen, erhalten Geſchenke, aber fein Sahrgeld, da deren zu 
viele und fie alle machtlos find. Sie erweilen fich bei Gelegenheit 
auch dankbar. Ende 1870 defertirte ein engliiher Matroſe in’8 Innere 
und fam fait bis Bab el Mandeb, aber die Sobehi führten ihn aus 
freien Stüden zurüd nach Aden, ohne ihn jedoch fchlecht zu behandeln. 
Die Sobehi führen die Kaffeefarawanen von Yemen durch ihr Land 
nad Aden und nehmen '/, M. Th. Thaler (5%, Sgr.) Steuern für 
die Kameellaft, jeder Stamm in feinem Gebiet, weshalb man den 
Transport zur See vorzieht. 


X. Geſchichtliches. 


Die Sobehi jollen nad) ihrer Tradition mit den Hogriya und den 
Morageiha der Fodli ſtammverwandt fein. rftered macht der Um- 


Sobehi. 383 


ftand wahrſcheinlich, daß noch jept einer ber größten Hogriyaftämme 
Aſſabeh heißt. 


XI Religion. 
Alle Sobehi gehören zur Secte der Schafe. Beſchneidung am 
fiebenten Lebenätage, nur bei Knaben, nicht bei Mädchen. 
XI. Kleidung. J 


Indigogefärbte Lendentücher und Kopfbund für die Männer. Die 
Frauen tragen alle Hoſen und ein Umhängetuch. 


Achtzehntes Sapitel. 
Hakmi und Meſchalcha. 





Lage dieſer beiden Küſtengebiete. — Hafen von Schech Said. — Verkauf an 
eine franzöſiſche Compagnie. — Schlechte Beſchaffenheit des Hafens. — Faulheit 
des Rechtstitels. — Anſprüche der Pforte. — Vexation des Handels. 


Zwei Stammesgebiete, die einen Küſtengürtel von Bab el Man⸗ 
deb bid in die Gegend von Moda bilden. Sm Gebiet der Hakmi am 
fleinen Canal von Bab el Mandeb und gegenüber der Inſel Perim 
liegt die vielbefprodhene Dertlichkeit von Schech Said, mit ihren ge- 
priejenen Naturhäfen. 

Der Schech der Hakmi, Ali Tabat, genannt Dreen (dad Füchächen), 
ging im Jahre 1869 auf einen Vorſchlag der Compagnie Bazin von 
Marfeille ein, ihr die Loralität von Scheh Said zu verkaufen, von 
deren Hafen man Wunderdinge fafelte und fogar behauptete, e8 befände 
ſich hier eine leicht in einem Binnenhafen verwandelbare Lagune In 
der That iſt Schech Said ein fogenannter Monfunhafen, in welchem 
ih die Schiffe, im Schuß einer vorfpringenden Landzunge, je nad) 
dem Winde bald nördlich, bald ſüdlich von derjelben, faft immer ficher 
“ befinden. Zritt aber die „Verfehrung ded Monfund“ (les revers 
de Mousson) ein, d. 5. ſchlägt der Wind in der Saiſon der Nord- 
winde plöhlih in Süd über (bier an der Meerenge find die Monſuns 
faft direct Nord» und Südwinde), jo bietet der Ankerplatz die größte 
Gefahr, wie der ftürmifche Umſchlag im Februar 1871 bewies, welcher 
alle Schiffe im fogenannten Hafen fheitern machte. 


Die franzöfiiche Niederlaffung in Scheh Sa id. 385 


Das Kaufgefhäft kam zwiſchen der Gompagnie (hinter welcher na- 
türlich die franzöfifche Regterung ftedte) und Alt Tabat, wie man fagt, 
für die Summe von 80,000 M. Th. Thalern zu Stande, von welcher 
jedoch kaum ein Zehntel gezahlt wurde. Ali Tabat behauptet fogar, 
nur 3000 Thaler erhalten zu haben. Bald wurde nämlich der Rechts⸗ 
titel Ali Tabat's in Zweifel geftellt und zwar durch die Pforte, welde, 
wie man jagt, auf Antrieb Englands, die Souveränität über die ganze 
rothe Meeresküfte von Yemen, die fie ehemals bejeffen, wieder in An- 
ſpruch nahm und fogar eine Meine Garniſon nad) Schech Satb ſchickte, 
die fich unweit der franzöfiichen Niederlaffung bei einem Brunnen feit- 
jegte und noch heute dort if. Die franzöftfche Niederlaffung beiteht 
bis jegt nur aus einigen Steinhäufern und einer Anzahl Holzbaraden. 
Als Magazine dienten 3 große Schiffe (barks) im ‚Hafen, die ich An- 
fang 1871 dort fah, diefelben, die bald darauf fcheitern ſollten. Schech 
Said jelbft fol fein gutes Waſſer haben, dagegen befindet ſich eine 
Stunde im. Innern eine trefflihe Duelle, deren Ausbeutung jedoch 


feit der Verfeindung mit Ali Tabat auf große Schwierigkeiten ftößt. 


Nah der Einftellung der Weiterzahlung der ftipulitten Summe ift 
nämlich Alt Tabat der erklärte Feind der Ntederlaffung geworden, der 
er oft die Lebensmittel abjichneiden fol. Diefer Niederlaffung jcheint, 
wenigstens in nächfter Zukunft, fein bedeutender Aufſchwung bevorzu- 
ſtehen, befonderd da der mächtige Zuwachs des Handels, den die Deff- 
nung des Suezcanald zur Folge haben follte, ſich bis jegt nicht ein- 
ſtellte, und allem Anjchein nach in den nächtten Sahren auch nicht ſtatt⸗ 
finden wird. 

Uebrigens werden die beiden Küſtenſtämme, Hakmi und Meſchalcha, 
jetzt, d. h. ſeit jener Auf friſchung der türkiſchen Souveränitäts-Anſprüche, 
als der hohen Pforte unterthan angeſehen. Einſtweilen übt letztere 
jedoch dieſe Souveränität nicht factiſch aus. Ihre thatſächliche Macht⸗ 
ergreifung beſchränkt ſich bis jetzt noch auf das Unterhalten einer Meinen 
Garniſon bei Scheh Said. 


H. v. Maltzan, Reiſe nad Südarabien. 25 


Neungehntes Capitel. 
Mogteri-Land. 


I. Name. — H. Ausdehnung des Landes. — DI. Beichaffenbeit des Landes. — 
IV. Wadis. — V. Stämme. — VL Ortfchaften und Schlöffer. — VIE Poti: 
tiſches. — VIII. Sitten und Gebräuche. 


I. Name. 


Mogteri; häufiger hört man den Colletiv Mogatera. Der 
Name tft jedenfalld nicht dynaſtiſch. Ob er aber ſehr alt ift, möchte 
ich bezweifeln. Ich fand ihn bei feinem alten Autor erwähnt. 


II. Ausdehnung des Landes. 


Das Gebiet der Mogatera zieht ſich zwiſchen etwa 43° 52” und 
449 23° öftl. Zange v. Gr. und zwiſchen 120 55° und 13° 7” nördl. 
Breite bin. Letzteres iſt das Marimum der Breitenaußdehnung, welche 
an manden Stellen faum die Hälfte deſſelben erreicht. Es grenzt im 
Süden und Often an die Sjobehi, im Norden und Weften an die 
Hogriya, in der weitlichen Ede auch an Hafmi,und Mechalcha. 


III. Befchaffenheit des Landes. 


Das Land beſteht theils aus Gebirgen von etwa 2000 bis 3000 
Fuß Höhe, theils aus ziemlich ausgedehnten Senkungen zwiſchen dieſen 
Bergen, in welchen Niederungen die Kaffeecultur mit einigem Erfolg, 
obgleich lange nicht dem in Nord-Yemen oder Yafia erzielten vergleichbar, 


Mogteri - Land. 887 


betrieben wird. in Theil des Südens ſcheint eine feppenartige Hoch⸗ 
ebene, auf welcher meilt nur wilded Buſchwerk, an einzelnen Stellen 
choch auch Durra, Dochn, Korn wachſen. 


IV. Wadis. 


Die meiften derſelben haben haben keinen Ausfluß, ſondern ſind 
Gebirgsbäche, die nur nach dem Regen Waſſer führen, und dieſes wird 
durch die Bewäſſerung aufgebraucht. 

. DB. Mirſſad, bei der gleichnamigen Ortſchaft, weſtlich von 
Ferſcha, nörblih von Mabeqg, eine Fortfepung des W. Mefalis 
(Hogriya). 

W. Aten, bei Dogga im Norden an der Schergebi ( Hogriya) 
Grenze. Nach ihm heißt eine Landſchaft Tarf el Atena. 

W. L'eſchruch, bei Keddera im Norden, nahe bei Dogga. 


v Stimme 

Die Mogatera, urfprünglich aus den Hameida der Sſobehi hervor⸗ 
gegangen, bilden jept eine bejondere Stammeögruppe, zu ber folgende 
Unterabtbeilungen gehören. 

1. Kaheli, in der Collectivform Akahela, der mächtigſte 
Stamm, wohnt bei Hoſſn Kahela und in Doqqa, im Nordweſten an 
der Grenze der Schergebi. 

2. Za’za’t, in der Collectivform Aza” iz wohnen in Moharrega, 
2 Stunden ſüdlich von Hoffn Kahela. (Hamdani fennt diefen Stamm, 
der zu feiner Zeit nahe bei Aden, etwa in der Gegend von Mehaidan, 
gewohnt zu haben fcheint. 

3. Medegera. 
Mogabera. 
Sud. 
Megeiſcha. 
Be aima. 
Haneiſfſcha, wohnen nõwlich von Ma beq. 
. Anabi, in der Collectivform Ambu. 
Die Medabi, weldhe in Kebdera wohnen, werden manchmal noch 


zu den Mogatera gerechnet, gehören aber zu den Hogriya. 
25* 


I) Sonn mp 


388 Mogteri- Land. 


VL Ortſchaften und Schlöſſer. 


Ma' beq, an der Südgrenze, Mittelpunkt aller Karawanenftraßen, 
theild von Mogatera, theild von Hameida (Sfobehi) bewohnt. 

Mirffad, Heiner Ort zwifchen Ferſcha und Mabeqg an der Kara- 
wanenftraße nach Aden. 

Doggqa, Hauptort der Aahela, 3 Stunden von Dobhan, 2 Stun- 
den von Mobarrega. 

Moharrega, Hauptort des Stammes Zazat zwiſchen Ma beq 
und Dogga. 

Andere Heine Ortſchaften, deren genauere Lage ih nicht erfahren 
tonnte, find: Kebba, Medware, Zageiha, Adi. 

Dalet Mogtert, Hauptſchloß und weſtung der Moqatera, liegt 
bei Doqqa. 

90] In Kahela, Hauptſchloß der Alahela, 2 Stunden von 
Za za i, 4 Stunden von Bent Hammad, 2 Stunden von Dobhan. 
Sol ein alted himyariſches Schloß fein, aus ſchwarzen Steinen (Ba⸗ 
jalt?) errichtet, weßhalb.e8 vulgo auch Hagar ſud (der ſchwarze Feld) 
genannt wird. (Hamdani kennt Kahela, das er Kehala fchreibt und 
als dritte Station von Aden nach Welten angiebt. Er nennt zwilchen 
Hegaz und Kahela feine Station und in der That beträgt die directe 
Entfernung nur 9 bis 10 Stunden, was ganz einer von feinen Zage- 
reifen entipriht. Merkwürdig ift, daß er auch der Schwarzen Steinfarbe 
gedenkt. Die Stelle ift im Manufeript von Aden nicht durchweg lefers 
lich (es fcheint auch von einem Brunnen die Nede), aber die Worte 

„ein jchwarzed Geftein von dem Fuß bis zum Gipfel” find wenigſtens 

deutlich zu unterjcheiden. Die Gegend um Kahela wird tarf el Atena 
genannt. 


vo Politiſches. 


Die Mogatera bilden keine zu einem Staat gegliederte politiſche 
Einheit; jeder Stamm fteht unter feinem Schedh, der von den anderen 
Dberhäuptern unabhängig tft, übrigens wenig Macht bat, da die Mo» 
gatera alle Dobayel find, keinerlei Suftiz als die ihrer Traditionen und 
ber Blutrache anerkennend. Nur im Kriege ftehen die Mogatera einig 
zujammen, namentlich in ihren Kämpfen gegen die von Norden vor 


Mogteri-Land. 389 


Schreitenden Dhu Mohammed, weldye bereits faft alle die nördlich an dies 
Land grenzenden Hogriyaftämme unterjocht ‚haben und faft alljährlich 
den Verſuch erneuern, aud) die Mogatera zu unterwerfen. In diefer 
Einheit im Kriegsfall unterfcheiden fie ſich vortheilhaft von der Zerfplitte- 
rung der Sſobehi und der Hogriya. 

Religion. Alle Mogatera gehören zur Secte der Schafei. 


VII. Sitten und Gebräude. 

Die Sitte des Giſchrtrinkens ift gleichfall8 bier verbreitet, beſteht 
aber gleichzeitig mit der des Kaffeegenufled. Der Kaffee wird immer 
mit Milch getrunken. Zuweilen miſcht man auch Kaffee und Gifchr 
zufammen und mengt diefed Gemiſch dann noch mit Milch. inige 
Mogatera verficherten mir, dies gebe eine köſtliche Mifchung und ſei bet 
weiten jedem der beiden einzelnen Getränfe vorzuziehen. 


Zwanzigfted Capitel. 
Hogriyie, 





I. Name. — DI. Geographifche Lage. — IIL Grenzen. — IV. Eintbeilung. — 
V. Befchaffenbeit des Landee. — VI Wadis. — VOL Mineralquelle. — VIEL Ge⸗ 


birge. — IX. Stämme. — X. Städte und Ortichaften. — XI Märkte. — 
XII. Schlöſſer. — XL Religion. — XIV. Politiſches. — XV. Sitten und 
Gebräuche. ' 
IL Rome. 


Auch Tein dynaftifcher, fondern ein Stammesname von Hagr abge: 
leitet. Urſprung unbekannt. 


- 


I. Geographiſche Lage. 


Zwiſchen 43° 40° und 440 42° öftl. Länge v. Gr.- und zwiſchen 
13° 5 und 130 15 nördl. Breite, an einzelnen Stellen bis 13° 30° 
nörol. Breite hinaudreichend. 


IL Grenzen 


Im Süden Sjobehi und Mogatera, im Weften und Norden die 
vielen kleinen Gebiete und Städte, die man unter dem Geſammtnamen 
der Taizziya begreift, gegen Mocha, Taizz und Datda zu gelegen, im 
Dften Hauwaſchib, Amir und andere Kleinere unabhängige Gebiete. 


IV. Eintheilung. 


Obgleich dad Gebiet eined einzigen Stammes, fo ift doch das 
Land politiſch jet in eine Menge Kleiner Bruchtheile zerfplittert, von 


Hogriya- vand. 391 


denen einige ihre Unabhängigkeit bewahrt haben, während andere unter . 
die Herrichaft der Dhu Mohammed gerathen find. Im Allgemeinen 
fann man die nördlichen und öftlichen Stammesgebiete jebt eine Pro- 
vinz der Dhu Mohammed nennen. Da lebtere aber jeded Gebiet ge- 
trennt adminiftriren und ihm jomit den Schein einer gewiffen Auto: 
nomie wahren, jo jcheint es mir auch vorzuziehen, jeden Diftrict in 
der Stellung anzuführen, welche er früher ald unabhängiges Hogriya⸗ 
land einnahm. Natürlich wird immer hinzugeſetzt werden, ob und in 
welcher Weife er den Dhu Mohammed unterworfen tft. Topographiſch 
und gnealogiſch find dieſe Vafallenftämme mit den frei gebliebenen 
jo eng verbunden, daß wir auch leßteren nicht einen getrennten Ab- 
jchnitt anmeifen Fönnen, jondern fie in der Reihe der anderen aufführen 
mit Hinzuſetzung jedesmal der Eigenschaft ihrer Unabhängigfeit. 


V. Befhaffenheit des Landes. 


- 


Durchweg Bergland, mitunter (beim G. Sfabr, deifen füdlicher 
Theil hierher gehört) Hochgebirge. Reich an Producten. Faſt in allen 
Thälern Kaffee, weniger jedoch als in Mittel-Yemen und Yafia. Im 
höheren Gebirge viel Kaat, der von bier mafjenhaft in andere Ge- 
genden Arabiend ausgeführt und theuer bezahlt wird. Sonſt noch 
Gerealien: Durra, bier Reſi (in Aden Tamm) genannt, rother Dochn, 
bier Rharib oder Gharib genannt. Wenig Datteln. Dompalmen. 
Fällt ganz in die Zone der tropiſchen Sommerregen. 


vL Wadis. , 


Biele haben feinen Ausflug, ihr Waffer wird entweder durch die 
Bewällerung aufgebraucht oder e8 verliert ſich im Sande. 

Wadi Mefalis, Seitenarm ded bei den Mogatera erwähnten 
W. Mirffad, kommt von Abus, wo er den-W. Daan aufnimmt. 

Wadi Hagum (mit dihim und ſchwachem h) kommt von 
Hagum und fließt in den W. Hakum (mit kef und ftarfem h); 
legterer auch W. Chuale genannt, fließt gleichfalld in den W. Mefalis. 
Im W. Halum viel Kaffee. 

W. el Dobba, im Gebiet der Dobati, fließt in den W. Haggat 
im Gebiet der Sfobehi. 





392 Hogriya = Land. 


RW. el Metthur, fließt vom Gebiet der Beni Hammad gegen das 
Meer bei Moda zu. Biel Kaffee. 

MW. Heruma, bei ber gleichnamigen Stadt, verliert fih im Sand. 

W. el Menara bei eff Celu nahe bei Heruma, gleichfalls ahne 
Ausfluß. | 

W. Mo ga kommt vom ©. Sſabr, fließt öſtlich durch's Gebiet 
der Beni Yuſif und dann in den 

Wadi Warezan, größter Wadi dieſer Gegend, durchfließt den 
ganzen Oſten, vereinigt ſich noͤrdlich von Zaida mit dem W. Nura, 
mit dem zuſammen er den W. Tobban oder Fluß von Laheg bildet. 
(Bei Hamdani iſt der Verlauf dieſes W. genau angegeben. Er nennt 
auch eine Ortſchaft Warezan.) 

W. Adim, kommt von den Schergebi und B. Hammad, fließt 
gegen Bab el Mandeb zu. 


VO. Mineralguelle 


Sm Gebiete der Bent Hammad, 3 Stunden vom G. Sfabr, be- 
findet fi ein warmes Mineral: (wahrſcheinlich Schwefel-) Bas viel 
von Arabern bejucht, Birket Hammam genannt. Einige Meſchaich, die 
in der Nähe wohnen, hüten dad Bad und erhalten Almofen von den 
Gäften. Zwei Tage der Woche find für die Frauen reſervirt. Die 
Männer follen fi nie zufammen baden, fondern nur einem auf ein- 
mal es geftattet fein, dad Bad zu benupen. Juden werden nicht zu= 
gelaſſen. 


voOL Gebirge. 


Der ©. Sfabr*), von Paffama und Botta befucht, gehört ſchon 
in's Bereich des Befannteren. Die gewöhnlichen Berge führen immer 
den Namen nach dem nahe wohnenden Stamme: Gebel Mefalis, G. eff 
Geln, ©. el Efu u. ſ. w. 


IX. Stämme, deren Wohnort und politifche Stellung. 


1. Schergebi, in der Collectivform Schergab, mit der Haupt- 
ftadt Dobhan, wohnen etwa unter dem 440 öftl Länge v. Gr., an 


*), Man febe die eingehende Beichreibung Ritter XI, ©. 783 u, ff. 


” 


Hogriya - Stämme. 393 


der Grenze der Mogatern, 6 Stunden füdlich von G. Sſabr. Einft ein 
mächtiger Stamm, welcher feinen eigenen Sultan beſaß, der zur 
Zeit der Einnahme von Aden durch die Engländer mit Diefen einen 
Vertrag (einen der erften englifchen in Arabien) ſchloß, jet den Dhu 
Mohammed unterworfen, denen die Schergab Tribut zahlten, Doch nunmehr 
nicht mehr in Geld entrichten, fondern ftatt deſſen Sriegäbeiftand zur 
Unferjohung der noch unabhängigen Hogriya-Stämme leiſten müſſen. 
Sie lieferten auch diefen die einzige Kanone, welche die Dhu Mohammed 
im legten Kriege (18713 gegen die Beni Hammad befahen. Werden 
von einem Statthalter der Dhu Mohammed regiert. Ihr letzter unab- 
hängiger Sultan war Kazim Said eſch Schergebi. 

2. Aturi, nahe bei Mefalis und Mirffad. Der’ zulett unter: 
worfene Stamm. Die Dhu Mohammed eroberten fein Land erft 1870. 
(Bei Hamdani el Ater erwähnt.) 

3. Yuſefi, nördlich von der Grenze der Sfobehi oberhalb Ferſcha 
und Mirfjad. Steben unter den Dhu Mohammed. 

4. Dobati, nördlih von Aturi und Yufefl. Sind Unterthanen 
oder Naye der Dhu Mohammed. 

5. eſſ Celu, nördlih von Heruwa, nahe am W. Warezan, 
Raye der Dhu Mohammed. (Bet Hamdani Celu, Dorf beim W. 
Warezan.) 

6. Ariqi, in der Collectivform Aruq, füdlich von Taizz, weſt⸗ 
lich von Abus. Raye der Dhu Mohammed. 

7. Abeſi, in der Collectivform "Abus, bilden fo zur ſagen den 
Mittelpunkt ded ganzen Hogryialandes (topographiſch). Lage etwa unter 
440 21° öftl. Länge v. Gr. und 130 14° nörbl. Breit. Sind Raye ' 
der Dhu Mohammed. | 

8. Zo beiri, nordweftlich von Abus und Aruq. Raye der Dhu 
Mohammed. 

9. Hak um oder Hakimi, 2 Stunden weſtlich von Abus. 
Raye der Dhu Mohammed. 

10. Hagum (Hadjum) oder Hagimi, 2 bis 3 Stunden weftlich, 
bergauf von den Hakum. Raye der Dhu Mohammed. (Bei Hamdani 
ift ein Ort Mehagem etwa an dieſer Stelle erwähnt.) ' 

11. Anferat, im Oſten gegen Laheg zu, follen unabhängig fein. 


Bon diefem Stamm fonnte ich nicht erfahren. 





394 Hogriya - Stämme. 


12. Bent Hammad, große und mächtige Stammedgruppe, im 
Weſten der Schergebi, am füdlichen Fuß des G. Sſabr ungefähr balb- 
wegs zwilhen Hegaz und Mocha. Nach jedem diefer Orte rechnet man 
zwei Tage, nad) Aden 4 Tage. Zerfällt in eine Menge Unterftämme. 
Iſt noch unabhängig, aber jedes Jahr verfuchen die Dhu Mohammed, 
ihn zu unterjohen. Erſt im Frühjahr 1871 machte Daid Hofein, der 
Statthalter der Dhu Mohammed in diefer Gegend, einen folden Ber- 
ſuch und belagerte Dar Schaumar, Hauptort und Feftung der B. Ham: 
mad. Da jedod) feine einzige Kanone dabei plaßte und mehrere der 
Seinigen erſchlug, jo ließ er fich entmutbigen, gab die Belagerung auf 
und 309 ſich zurüd. Bald darauf ftarb er. Einftweilen ift nun Frieden 
eingetreten. Die Dhu Mohammed Tullen in diefer Gegend jebt feinen 
guten General mehr haben. Die B. Hammad ftehen unter einem 
Oberhaupt, dad den Titel Akel führt, Namens Kazim Hacem (mit m). 

13. Bent Scheiba, wohnen an der Weftgrenze zwilhen B. Ham⸗ 
mad und Moda, 1%, Zagereijen von lehterer Stadt. Berdanfen ihre 
Unabhängigkeit ihrer entfernten Lage vom Si der Dhu Mohammer. 

14. Medabi, kriegeriſcher kleiner Stamm, nördlid) von den Mo- 
qatera zwiichen Dobhan und Kahela. Hauptort Keddera. Iſt unab- 
hängig, macht bet Gelegenheit mit den Moqatera gemeinſame Sache 
gegen die Dhu Mohammed. 

15. Beni Yuſef, Stamm im Norden, am Sfticgen Abhang- des 
G. Sſabr. Raye der Dhu Mohammed. Nicht mit Yufefi zu verwechjeln. 

16. Doba’t, fol ein den Dhu Mohammed unterworfener Stamm 
5 Stunden von B. Hammad fein, in welcher Richtung erhellt nicht. 

17. Ahl Ooraiſch, ftädtiihe Bevölkerung der Stadt Dimena, 
foll von dem Ooraiſch in Hegaz ftammen. Naye der Dhu Mohammer. 

18. el Efu, Stamm von Raye der Dhu Mohammed, 2 Stunden 
von den Bent Hammad, wie ed fcheint, in weſtlicher Richtung. 

19. Aſſabeh, wohnen 3 Stunden von Keddera, nur 1 Stunde 
von Dobhan der Schergebi. (Der Name diefed Stammes ift ganz 
derjelbe, wie der von Hamdani in ber Gegend von Laheg angegebene; 
er deutet auf Verwandtihaft mit ben Sfobehi, die Hamdani Affbahin 
nennt. Aber Affabeh und Affbahin find wohl nur andere Formen eined 
und deffelben Namens. Die Tradition der Sſobehi jagt auch, daß bie 
Hogriya und fie einft ein Boll waren.) Die Aljabeh find Raye ber 
Dhu Mohammen. 


. 
> 


. Städte im Hogriya = Land. 395 


Diefe Berwandtichaft mit den Sfobehi, die Phyſiognomien und die 
ſehr dunkle Hautfarbe der Hogriya, alles laßt auf einen himyariſchen 
Urſprung fchließen, wenn auch die arabiichen Genealogen, die ſich ja 
mit diefem füdlichiten Theil der Halbinjel ſo wenig beichäftigen, und 
nichts Berläffiges darüber bewahrt haben. 


J 


X. Städte und Ortſchaften. 


Im Hogriyaland giebt e8 einige wirkliche, von ſtädtiſcher Bevölke— 
rung bewohnte Orte, die nicht den umwohnenden Stämmen gehören, 
gleihfam ehemalige Freiftädte (vor der Zeit der Dhu Mohammed und 
Zaidi), ſowie andere fogenannte Städte, die nur Mittelpunfte der Stam- 
mesbevölkerung find, aus einem Schloß mit Strobhütten und Marft 
beftehen und nichts eigentlich Städtifches haben. Die Städte der erfteren 
Art find: 

Heruwa, Heine Stadt zwifchen Abus und eff Celu. Sugq et tholuth, 
d. b. Dienſtagsmarkt. Etwa 500 Einwohner. Kleiner Bafar. Cinige 
Juden. 

Dimena, nirdlichſer Ort, nahe bei Ta izz. Etwa 600 Ein⸗ 
wohner, darunter 60 Juden. 

Dobhan, zwar einem Stamme, den Schergebi, gehörig, doch 
eine wirkliche Stadt. Suq ed ſebt (Samſtagsmarkt). Baſar. Etwa 
500 Einwohner, worunter 100 Juden. Ueber der Stadt liegt ein 
altes himyariſches Schloß, Oal'et Ooraiſch genannt, welches die Dhu 
Mohammed zu einer Feſtung reſtaurirt haben und das ihnen zur Ci— 
tadelle dient. (Hamdani erwähnt Dobhan genau. Das Pariſer Manu⸗ 
ſeript ſchreibt Dihan.) 

Ortſchaften der anderen Art ſind: 

Schueiwa, 2 Stunden von Dimena. 

Shafegga, Meiner Drt der Aturi mit einem Schloß, genannt 
Hoffe Gaſche auf dem Berge oberhalb Chafegga. 

Zafiye, Ortfchaft der Dobat nahe bei Efu. 

Medinet Sug Doba, Ort der Dobatt. Der Schech heißt Hamed 
ben Hamed. Ein Sug el arba (Mittwochsmarkt). inige Suden. 

Dar Schaumar, Hauptort der Beni Hammad, mehrere feite 
Schlöffer, 20 Steinhäufer, fonft Hütten. Etwa 300 Einwohner, Einige 
Juden. Ein Sug el goma ($reitagdmarft). 


396 Hogriya » Land. . 


Andere Orte deſſelben Stammes: Debn ed dachel und Debn el 


charig. 
Keddera, Stadt der Medabi. Schloß. Markt. Einige Juden. 


XI. Märkte. 


Abus, Sug et tholuth (Dienſtagsmarkt); Yuſefi, zwei Märkte 
an verſchiedenen Orten: ein Suq el latnen (Montagsmarkt), ein Suq 
el arba (Mittwochsmarkt); Hakimi, ein Suq et tholuth (Dienftags⸗ 
markt). Bent Yuſef, Suq el arba (Mittwochsmarkt). 


xun Schlöſſer. 


Hoſſn Mefalis, altes himyariſches Schloß, im W. gleichen Na- 
mens, Gebiet der Aturi. (Mefalid bei Hamdani ald Drtichaft erwähnt. 
Lage genau.) 

9. el Mimſchah, altes himyariſches Schloß im W. Daan, 
1 Stunde von Abus. 

H. el Dure, altes himyariſches Schloß in "Abus felbft. 

H. Rekeb, Schloß der Yufefi, 2 Stunden von ihrem Marft. 

9. Sherman, im Norden von Dimena, 1 Tag bon Ta iz. 

9. Hauban, Tag von Taizz. 

5. Gendiye, zwilhen Scherman und Hauban. 

Negil el Hamza, 2 Stunden von Abus auf dem Weg nad) 
Heruma. 

el Agrud, 1% Tag von Taiz. 


ZIO. Religion. 


‚Me Hogriya gehören zur Secte der Schafei Nur ihre Unter: 
drüder, die Dhu Mohammed, find Zaidi. Beſchneidung am jiebenten 
Tage. Die der Mädchen foll unbekannt fein. 


XV. Politifdes. _ 


Die Dhu Mohammed Iaffen faft überall die einheimiſchen Schechs 
ihre Stämme verwalten, geben ihnen aber oft einen Neqib (Statthalter) 
zur Seite. Ihr oberfter Statthalter führt den Titel Oaid. Sie 
unterhalten Garniſonen zum Zwed des Steuereintreibens; dieſe find 
jedoch nur felten feft an einem Orte, jondern durchziehen dad Land, um 


Hogriya = Land. 897 


den Tribut zu erheben. Die Iuftiz tt in Händen der Dhu Mohammed, 
welche die Hogriya als Raye behandeln. 

Die Invafton der Dhu Mohammed begann erft vor 23 Jahren. 
Srüher waren die Hogriya unabhängig, d. h. feit dem Sinfen des 
Imamats von Sſan a, zu dem fie noch zu Anfang: diefes Jahrhunderts 
gehörten. Einen eigenen gemeinfamen Sultan fcheinen fie nie gehabt 
zu haben, wenigftens in ben legten 3 Jahrhunderten. 


XVY. Sittenund Bebräude 


Die Männer tragen Lendentudy und Meſchedda (ein Umfchlagtuch) 
das nur lofe und auf einer Seite ftridartig zufanmengerollt getragen 
wird. Scwarzblauer Kopfbund. Die Frauen tragen indigofarbene 
Hofen, Hemd und Kopftuch (hier Schail genannt). 

Bei den Hogriya giebt es Teine Schumr oder Schimri, wohl aber 
viele Achdam, welche diefelbe Stellung haben, wie anderswo. 

In Aden finden ſich immer viele Hogriya, die vor der Tyrannet 
der Dhu Mohammed entfliehen. Sie bezeichnen bieje ihre Zwingherren 
jedoch nie mit deren Nanten, fondern ftetd nur nad) ihrer Sectenbezeich- 
nung, d. h. Zaidi. Diefer Gebrauch ift in ganz Südarabien allgemein. 
Der Gegenfap zwifchen Schafet und Zaidi wird viel Iebhafter empfun- 
den, ald irgend ein genealogifcher, auf Stammedverſchiedenheit ge⸗ 
gründeter. 


Einundzwanzigftes Sapitel. 
Kleine Hädtifche Gebiete bei Taizz oder Taizziya. 





I. Name. — II. Geograpbifche Yage. — III. Grenzen. — IV. Zwed der Mit: 
theilungen über die Zatizziya. — V. Beichaffenbeit des Landes. —, VI. Charakter 


dieſes Gebiets in focialer Beziehung. — VIL Bewoͤhner. — VII. Politiſche Ein: 
theilung der Talizziya. — IX. Städte und ‚ftädtifche Gebiete. 


L Rome 

Der Name Iaizziya begreift weder eine genealogiſch noch jetzt ab- 
gejchloffene, noch auch eine politifche Einheit. Die Bewohner von Süd- 
Yemen verjtehen unter diefem Namen alle jene Eleinen, meift ſtädtiſchen 
‚ Gebiete, welche ehemals, ald Ta izz noch Hauptftadt war, von ihm direct 
abhingen, und zwar nur die, welche in der fpeciellen Provinz Ta'izz 
lagen. Dad vorwiegend ländliche Gebiet der Hogriya tft hier nicht 
mehr mit inbegriffen. 


DI. Geographiſche Lage 


Die Lage dieſes Gebiets dürfte zwifchen 43° 25’ und 44° 15 öftl. 
Länge dv. Gr. und zwiſchen 130 30° und 140 35 nördl. Breite zu 
firiren fein. 


III. Grenzen. 


Im Süden Hogriya. Im Welten das türfiiche Küftenland von 
Moda gegen Zebid zu. Im Norden die einftige Provinz Sfan’a, jetzt 


Verfall der einftigen Provinz Ta izz. 399 


aleichfalld lauter zeriplitterte Heine Gebiete. Im Weften Dhala, Da taba 
und die in unjerem 16. Sapitel erwähnten kleinen Stammeösgebiete. 


IV. Zweck der Mittheilungen über die Ta'izziya. 


Da wir bier ſchon etwas bekannteres Gebiet betreten, fo ift es 
unſer Zwed nicht, die von anderen Reifenden, wie Niebuhr, Botta, 
Cruttenden, Seepen u. |. w. genauer bejchriebenen größeren Städte’ zu 
bejprechen. Diefe Städte find Ta'izz, Ibb (Debb), Dhamar und Yerim. 
Nur das fei erwähnt, da jene Städte jetzt nit mehr der mitunter 
äußerſt günftigen Befchreibung jener Reifenden entſprechen. Seit dem 
ſchon lange eingetretenen Verfall und dem jetzt gänzlich vollendeten 
Ruin des Neiched der Imame Zaidi von Sjana*) hat in diefen Ge- 
bieten die Verwilderung zugenommen; die Städte find theils veräbet 
ruinenhaft; theils frif@n fie noch dürftig ihr Leben, wie Ibb, Dhamar 
und Yerim. Taſizz felbft iſt faft nur noch ein Haufen von Ruinen, 
nicht viel beffer ald das zu einem Hüttendorf hinabgefunfene Moda. 

Diefer Berfall hat hauptſächlich die Drte von ehemaliger geuver- 
nementaler Bedeutung betroffen. Etwas befjer haben ſich die Eleineren 
Städte erhalten, deren Bedeutung in den Refjourcen ihre8 unmittelbaren 
Umfreijed und in deffen Bevölferung und nicht in officiellen Gründen 
lag. Died find gerade diejenigen Städte, welche die früheren Neifenden 
‚ entweder gar nicht, fannten, oder doch nur jehr oberflächlich erwähnten, 
weil fie ihnen feine Wichtigkeit beilegten. Dieſe Lüde auszufüllen, ift 
alſo der Zweck ded gegenwärtigen Capitels. 


V. Beſchaffen heit des Landes. 


Der größte Theil dieſes Gebited befteht aus Hochebenen, von ein- 
zelnen höheren Bergen unterbrochen: Es ift die füdliche Fortſetzung des 
Hochlandes von Mittel-Vemen. Dad Klima ift das binnenländijch 
tropifche, reich an fommerlichen Niederfchlägen, das Land deöhalb bei 
gutem Boden von ausgezeichneter Fruchtbarkeit. Der Kaffee gedeiht faſt 


*) Sian’a ſelbſt erkennt nicht mehr die Herrſchaft der Imame an, fondern wird 
von einem Megles, einem Rath aus den erften Bürgern gebildet, verwaltet, Tedig: 
lich ſtädtiſch, denn über das Rand bat es jede Autorität verloren. Die Familie 
der Smame erijtirt zwar noch, aber es find jet machtlofe unbemittelte Privatleute. 


400 Ein vorwiegend ftädtijches Gebiet. 


überall. Der Kaat fommt noch bier und da auf den Höhen vor. An 
Serealien ift fein Mangel. 


VI. Gharafter diefes Gebiets in forialer Beziehung. 


Sn allen früheren Abichnitten (mit Ausnahme von Reda und 
Gefe) hatten wir ed mit ländlichen, von Dobayel und Beduinen, oder 
von Raye auf tiefer ulturftufe, bewohnten Gebieten zu thun. Saft 
überall trat das ftädtiiche, bürgerliche Clement zurüd. Die Dobayel 
berichten ; die Städter nahmen die tieffte fociale Stelle ein. In dem. 
Gebiet der Zaizziya ändert ſich dies. Died Gebiet gehörte eben ſeit 
dem Sahrtaujend zu einem focial, bürgerlih und politiſch geordneten 
Staatöwelen, einem Culturftaat, im Sinne moslemiſcher Eultur, wie es 
Syrien und Aegypten find. Das Element der Oobayel tritt hier zurück. 
Hier fommen wir in ein dicht mit Städten bejäte Land, in welchem 
diefe Städte die Hauptſache find, Turz, wir nähert und mehr civilifirten 
Zuftänden. 

Damit ſchwinden denn aud die Stammes-Vorurtheile. Die Ge- 
ſchlechts-Traditionen find in den meiften Städten mehr oder weniger 
verwifcht. Eine größere Vermiſchung des Blutes findet ſtatt. Selbſt 
die Vermiſchung mit Negerblut, in den reinen Stämmen ſo ängſtlich 
vermieden, führt hier nicht mehr jene ſociale Verachtung mit ſich, die 
ſie bei den Oobayel trifft. 

Der Kaufmanns-, ſelbſt der Krämerſtand, die Handwerker find nicht 
mehr verachtet, ſondern nehmen eine ähnliche Stellung, wie in Europa, 
ein. Neben dieſer vornehmeren bürgerlichen Schicht der Bevoͤlkerung giebt 
es aber gerade hier zahlreich jene Auswürflinge, Paria's, die Schumr 
und Achdam, die aus uralten Abſonderungen hervorgegangen, vom 
nivellirenden Einfluß der Cultur unberückſichtigt blieben. Ebenjo giebt 
ed viele Juden, deren fociale Sielung kaum eine beſſere iſt, als 
anderswo. 


VO. Bewohner. 

Die Ta izziya find wahrfcheinlich im ihrem größeren Theil aud 
Himyaren. In diejer Gegend, mo ja auch (unweit Dhamar) die alte 
himyariſche Hauptftadt Tſofar (das befanntere weftliche) lag, muß wohl 
der Kernpunkt der einftigen himyariſchen Macht gejucht werden. Während 
aber die ſüdlichen Himyaren meiftentheild zum Leben der Dobayel zurüd- 


Politiiche Zuftände der Ta izziya. 401 


kehrten (manche mochten es nie verlaffen haben) und aus Bürgern eines 
ehemaligen Culturſtaates verwilderte Landbewohner wurden, blieben die 
Ta igziya den mehr civilifirten Traditionen treu. Sie verloren freilich 
in Folge davon ihre Stammedeinheit. Aber im Allgemeinen dürften 
wir nicht irren, wenn wir ihren Haupttheil ald Nefte jener ftädtifchen 
Himyaren bezeichnen, welche einft zum Glanz bes himyariſchen Reichs 
fo viel beitrugen. 

Bon den einzelnen Unterftämmen wird, infofern ſolche noch tra⸗ 
bitionell verbürgt jind, bei den von ihnen bewohnten Städten die 
Rede jein. 


VID. Politiſche Eintheilung der Taizziya. 


Seit dem Berfall des Smam-Reiches hat ſich an deffen Stelle eine 
andere Macht gejept, namlich die der oft Schon erwähnten Dhu Moham- 
med. Diefe, obgleich fie an und für fich betrachtet ganz ald Dobayel ange- 
jehen werden müfjen, unterjcheiden ſich jedoch infofern vortheilhaft von 
ben biöher erwähnten freien Stämmen, als fie einer ftädtifchen, bürger- 
lichen Eriftenz nicht feindlih find. Sie haben den größten Theil der 
Städte der Taizziya erobert, aber weit entfernt, fie tyrannifch all,uſehr 
zu bedrüden, üben fie vielmehr eine zwar ftrenge, aber nicht willfürliche, 
jondern geregelte und Zutrauen einflößende Autorität aus, wie einft die 
Imäme, unter denen diefe Städte hlühten, ja fogar in manden Be— 
ziehungen eine milder. Die meiften Ta izziya find ihre Naye, zahlen 
Steuern, werden aber ſonſt nicht beläftigt. Die Juſtiz bleibt meift in 
Händen des einheimischen Dadi. 

Es ift dad Unglüd der Tarizziya, dab die Dhu Mohammed nicht 
früher famen, daß unmittelbar nach dem Fall deö Imam-Reichs hier 
eine Periode der Anarchie eintrat. Aus diefer Periode rührt der namen- 
loſe Verfall der Städte, befonderd der größeren-her. Ceit jedoch die 
Dhu Mohammed herrfchen, haben ſich die Städte, namentlich die Fleineren, 
ſchon vielfach erholt. Die größeren erholen ſich ſchwerer. Das Syſtem 
der Dhu Mohammed tft eben fein centralifirended. Sie lafjen jede ihrer 
Eroberungen getrennt, mit einer gewiffen Autonomie beitehen, die dem 
Aufſchwung der Volkswirthſchaft jedenfalld vortheilhafter iſt, als die ehe- 
malige Gentralijation. Daher fommt es auch, daß fich einzelne kleinere 
Städte gehoben haben und nun größer find, als die früheren politijchen 
Mittelpuntte. 


v. Maltz an, Heiie nah Südarabien. _ 26 


402 Städte der Taizziya. 


Wegen dieſes Mangeld an Gentralijation koͤnnen wir denn auch 
bier nicht von einem Reiche der Dhun Mohammed reden, um. jo mehr, 
als zwifchen jenen unterjodhten Gebieten noch einzelne unabhängige 
Enclaven gelafien wurden, deren Bewohner nicht Raye, jondern Ver⸗ 
bündete der Dhu Mohammed wurden. 


IX. Städte und ftäbtifhe Gebiete. 


Oab ida“), Meine Stadt, !/, Stunde nördlich von Dimena (Hogriya).. 
gegen Ibb zu. Etwa 1000 Einwohner. Die Bewohner find Schafe i 
und Raye der Dhu Mohammed (Zaidi). Markt. Kleiner Bafar. Etwa 
50 Juden. 

Hogaiba, 3 Stunden nordweſtlich von Dimena, gegen Ta izz 
zu. Soll nur ein Schloß mit umberliegenden Hütten fein. Steht 
unter den Dhu Mohammed. . 

Sfahbeban, Heine Stadt, nördlid) von Dimena, nahe bei Scher« 
man (Hogriya). Schloß. Etwa 400 Einwohner. Keine Juden. 

Nachlan, Schloß und Hüttendorf nahe bei Datda. Bewohner 
Schafe i, Raye der Dhu Mohammer. 

Medinet el Adfal**), zwiſchen Datba und Ibb, ", Tag füblich 
von Ibb, eine Heine Tagereife norböftlih von Taizz. Blühende Han- 
delöftadt, wohin fich feit dem Herablommen von Zaizz faft aller Ver: 
febr diefer Gegend gezogen bat. Etwa 4000 Einwohner, worunter 
400 Iuden. Balar. Zwei Wochenmärkte. Mittelpunft der Karawanen⸗ 
ftraßen zwiſchen Ibb, Taizz, Scher ab, Aden und Moda. 

Haime, zwiſchen Daida und M. el Asfal, kleine Stadt mit 
200 Einwohnern. Bewohner Schafei, Raye der Dhu Mohammer. 

Bible, Meine Stadt ſüdlich von Ibb, ſchon durch Niebuhr, ber 
Dfjobla fchreibt, bekannt. 

Chadra, nahe bei Ibb, füdöftlih von Gible an einem Seiten» 
fluß des W. Nura 

Negd el Ahmar, Meſchura, Rebak. Dieſe drei Orte ſollen 
weſtlich von der Straße von Ibb nach Yerim liegen. 

Negil Semara***), auf einem hoben Berge zwiſchen Ibb und 
Verim. Die Bewohner find Zaidi und unabhängig. 

*) Niehuhr nennt ein Dorf Ghaida am ©. Sfabr, Ritter XII, 725. 


—*) MWabhrfcheinlich der Drt, der auf Niebuhr's Karte ald Dafoffal ſigurirt. 
“2, Bei Niebuhr nur ald Berg erwähnt. 


Städte der Ta izziya. 403 


Mohader, Schloß im gleichnamigen Stammesgebiete, zwifchen 
Ibb und Yerinm. Schon vor Niebuhr erwähnt. Bewohner Zaidi, 
Aundesgenofien der Dhu Mohammer. 

Le aud beni Nagi, fleiner Ort nördlich von Ibb. Bewohner 
Zaidi, unabhängig. 

Scher’ab*, '% Tag norbweftlih von Taltzz. Bon den Ahl 
Beggaſch bewohnt. Etwa 1200 Seelen, worunter 200 Zuden. Biel 
Handel. Bewohner Schafei und unabhängig. Die Exroberungen ber 
Dhu Mohammed reihen nicht fo wett weitlich. 

Doribet, Heine Stadt zwifchen Ta izz und Scher ab, bei Niebuhr 
erwähnt. Bewohner Zaidi, Bundeögenofjen der Dhu Mohammed. 

Ariſch **), weitlih von Tatzz auf dem Wege nad Mocha. Bee 
wohner Schafe‘i, unabhängig. 

Kedeiha, zwiichen den Beni Hammad und Moda, ganz im Süd— 
weiten von Taſizz. Bewohner Schafet, unabhängig. 

Zwiſchen Ariſch und Ta'izz liegen dann noh YVefrus, Gomar, 
Menaim, Scha ube, meift Schlöffer mit Beinen Hüttendörfern, 
unter den Dhu Mohammed ftehend. 

In Ta’ izz felbft haben die Dhu Mohammed das alte Schloß Hiffn 
Ghorab wiederhergeftellt und beberrfhen voy da aus die Stadt. Die 
Mofcheen ſollen alle bis auf die Sam a Modhaffer mit ihren 70 Heiligen- 
gräbern zerfallen fein. 


*) Hamdani erwähnt einen Ort Scherab und fept einen Beinamen binzu, der 
wie Kahin (?) ausfieht. 

”*) Bei Hamdani wird Ariſch gleich nach den Schergebi und vor den “Alturi 
erwähnt. 


20 * 


Zweiundzwanzigftes Gapitel. 
Dhu Mohammed und Dhu Hojain. 





Räthſelhaftes über Diefe Völker. — Belanntfchaften mit Dhu Mohammed. — Ein 

Schech der Dhu Hofain. — Eroberung der Umgegend von Marib. — Wichtigkeit 

der Dhu Mohanmed. — Ihre ausgedehnten Eroberungen. — Stellung der beiden 

Stämme — Ihre Wehrkraft. — Uriprung der Dhn Mohammed. — Die Haldyid 

und Bekil. — Söldnerftämme der Smame von Sſan'a. — Borfahren der beiden 
Stämme. 


Wie Jemand, der den Regen fühlt, ohne die Wolfe gejehen zu 
haben, jo haben wir bis jet fo oft von den Thaten und Croberungen 
der Dhu Mohammed gehört, ohne recht zu wilfen, wo wir fie bin ver- 
jegen follen. Aufrichtig geftanden, ift es mir nicht gelungen, dies mit 
völliger Bejtimmtheit zu ermitteln. Das Folgende joll da8 Wenige 
wiedergeben, was ed mir gelang über Died räthjelhafte Volk zu erfahren. 

Obgleich der Hauptfig der Macht und eigentliche Wohnort biefer 
beiden Stämme fern von unjerem, auf den tiefen Süden bejchränften 
Forſchungsgebiet Liegt, Fo greifen fie Doch fo mächtig in alle politiichen 
und religiöfen Eriftenzfragen diefer Ländertheile ein, daß unfere Aufgabe 
höchſt lückenhaft bleiben würde, wollten wir nicht von ihnen fagen, was 
wir darüber erfunden fonnten. Died tjt freilich wenig genug. Don 
ihren Eroberungen wurde viel gefprochen, aber vom eigentlichen Gig 
ihrer Macht wußte Niemand etwas zu fagen. Ich Iernte ſogar mehrere 
ber Dhu Mohammed und einen von den Dhu Hofain perfönlich Tennen, 
aber diefe waren ſchon in den eroberten Gebieten geboren und Tannten 
die eigentliche Heimath ihres Volkes nur von Hörenfagen. Mein Be: 


Die Dhu Mohammed und Dhu Hofain. 405 


fannter von den Dhu Hofain war ein Schedh, der in der Gegend von 
Marib wohnte, welche, wie er jagte, fein Stamm vor etwa 30 Jahren 
erobert hätte. Die Dhu Hofain befigen, nad ihm, nicht Marib felbft, 
jondern die umliegenden höher gelegenen Landſtriche, ſowie auch einige 
Bezirke des Tieflandes el Gof, melde fie noch jpäter erobert hätten. 
Dort ſei ihre Macht ſehr anfehnlidh, fie beſäßen ſogar etwa 1000 Pferde 
(was ſonſt in Yemen, das fein Pferdeland, unerhört ift). 

Wenn ſich die Dhu Hofain wirklich fo weit im Oſten und Norden 
ausgedehnt haben, wie diefer Schech, übrigens ein höchft ehrenwerther 
Mann, audjagte, fo erklärt mir died, warum im Weften und Süden 
jo wenig von ihnen die Rede tft, denn bier hört man eben faft immer 
nur von Dhu Mohammed und die Dhu Hofain find nur befannt, weil 
fie deren Schweiterftamm bilden. Die Dhu Hofain, feinen eigenen 
Stamm, ſchätzte mein Informant auf 5000 Männer (vom 13. Jahre 
bi8 zum reijenalter gerechnet). Die Dhu Mohammed dagegen, von 
denen er auch ausfagte, daß fie nur 100 bis 200 Pferde, dagegen 
2000 gute Reitlameele hätten, ſchlug er nur auf 3000 Männer an. 
Auch behauptete er, die Dhu Mohammed hätten bis jebt immer nur 
\hlechte, gebirgige, nicht jehr fruchtbare Landichaften erobert. 

Mag dem jo fein, jedenfalld aber erftreden ſich die Eroberungen 
der Dhu Mohammed auf ein fünfmal, ja vielleicht zehnmal fo großes 
Gebiet, als die des andern Stammes. Weberhaupt habe ich nach meinen 
anderweitig eingezogenen Erfundigungen allen Grund anzunehmen, daß 
das Berhältni der Wehrfraft der beiden Stämme eher dad Umgefehrte 
von dem ift, welches der Schech darftellte, indem letzterer ald Gefandter 
jeined Stammed beim Sultan von Laheg, von biefem Eubfidien für 
militäriſche Beiftandverfprechungen unterhandelte (er erhielt fie auch) 
und ein Intereſſe dabei hatte, feinen Stamm mächtiger darzuftellen. Daß 
aber die Geſammtmacht der beiden Stämme fidyer über nicht viel mehr 
verfügen kann, ald 8000 Mann, fcheint fo ziemlich feftzuftehen. 

Dennoch haben die Dhu Mohammed allein mit, jagen wir alfo, 
etwa 5000 Mann ein Zand erobert, das faft dem 4. Theil von Yemen 
gleihfommt. Diefe Eroberungen find, wie ſchon oft erwähnt, nicht 
zujammenhängend, fondern über dem ganzen Süden und Weften von 
Yemen mehr oder weniger zerfplittert, fie bilden zwar oft comıpactere 
Gruppen, aber es fehlt ihnen doch die topographiiche Einheit. So Tann 
man auf der Karte faum ein Reich der Dhu Mohammed mit topographiich 


406 Die Dhu Mohammed unter Dhu Hofain. 


richtigen Grenzen bezeichnen. Wir kennen ja gar nicht alle ihre Eroberungen 
und wiffen noch weniger, wo denn eigentlicdy der Hauptfern ihrer Macht, 
ob er nody in der Wiege ihred Stammed und wo diefe Wiege ge— 
legen ift? 

Ich babe mir viel Mühe gegeben, etwad über ihren Urjprung zu 
erfahren und bin theils durd Nachfragen bei Arabern, theild durch fol- 
gende Combination zu einem gewiljen Refultate gelangt. Schon Nie- 
buhr nennt die Haſchid und Bell, eine Art von Eonföderation (Ritter XII. 
714) freier Stämme im Norden von Sfan a, deren Mitglieder die Sold⸗ 
truppen der Smame bildeten; fo lange legtere mächtig waren, gehorchten 
aber bei jeder Schwächung des Neiched in Rebellion ausbrachen, ganze 
Diſtricte räuberifch durchzogen oder auch wohl einnahmen und fo lange 
im Beſitz behielten, ald die wieder eritarfende Macht der Imame ihnen 
dies geitattete. 

Nun beftätigen alle Araber, dab die Dhu Mohammed und Dhu 
Hofain aus den Söldnerftämmen von Sfana hervorgegangen find. Seit 
das Reich fiel, haben diefe Söldner fi} zu Eroberern und Landeöherren 
aufgefhwungen. Die Heimath der beiden Stämme wurde mir von den 
Arabern als im Norden von Sfana, in einer Gegend, welche man mir 
„Berad“ nannte, bezeichnet. Nichts iſt deshalb mahrfcheinlicher, als 
daß fie aus den Haſchid und Bekil hervorgegangen find. 

Auh die Sonfeffton trifft zu, denn Niebuhr nennt fene Zaidi. 
Ihre fpeciellen Namen kannte Niebuhr nicht, da fie unter dem allge- 
meinen der Conföderation verichwanden. Dennoch müſſen dtefe Namen, 
wie alle arabiichen Stammesnamen, eine gewiſſe genealogiſche Wichtig⸗ 
feit haben. Wie ich börte, jollen fie zu einem Stamme der großen 
Familie der Bent And gehören. Ihr fpecieller Vorfahr fol Schafer 
ibn Hamdan gewejen fein, der 2 Söhne, Mohammed und Hofain, 
hatte, nad) denen die Stammeötheile genannt wurden. Wann diefer 
Schaker *) gelebt hat, darüber wußte mir Niemand Auskunft zu geben. 
Der jepige Schedy der Dhu Mohammed nennt fi gerade umgefehrt 
wie er, nämlich Hamdan ibn Schafer. 


*) Sch hege übrigens die Anficht, daß diefer Schafer nur der Stammpater 
der Diynaftie war und daß bie Völker, die ſich aus den Haſchid und Bekil unter 
jeinen Söhnen zufammenfchrarten, dieſe dynaftifchen Namen angenommen baten, 
wie wir dies fo oft in Südarabien fehen. 


Die Dhu Mohammed und Dhu Hofain. 407 


Die Dhn Mohammed fehetnen jedenfalls ein ganz außerordentlich 
kriegeriſches Volk zu fein. Man jagte mir, daß in ihren Kriegen fogar 
oft die Frauen mitlämpften, aus den Häufern fchöffen, Steine auf ben 
Feind fchleuderten. Auch ſcheinen fie durch dad Glück bis jest noch 
nit verweichlicht, fondern ein abgehärteted Gebirgsvolk geblieben zu 
fein, während ich erftered eher von den Dhu Hofain glauben möchte, 

Bon ihren Eroberungen war fhon an Ort und Stelle bei Er- 
wähnung aller der Zocalitäten, welche dieſen zum Opfer fielen, ausführ⸗ 
lich die Nede. Auch die Art und Weife, wie fie ihre Eroberungen ver: 
walten, wurde bejprochen. Unfer Forſchungsgebiet umfaßt freilich nur 
einen Theil ihres Eroberungsfeldes. Doch von dem, was außerhalb 
deſſelben Liegt, war jchlechterdingd nicht? zu erfahren. 


Negifter. 


A. Aden 115. 142, 198. 
Abadel 250. 324—849. Adi 888. 
Aba Kati 12. Ada 124. 131. 
Abd-Aah 97. Aegypten 1—32. 
Abd-⸗Allah ben Haidra. 316. Afifi 298. 
Abd-⸗Allah ben Mohfin (2.) 332, Agari 237. 
Abd⸗Allah ben Mohfin (Negib) 336, 373, Ahir 184. 
Abd⸗Allah Sfalah ed Deqmi 366. Ahl Abahela 871972. 
Abd el Beri 164. 194, Ahl Abd⸗Allah 256. 
Abd el Hud 24. Ahl Ahmed 870. 
Abdeli 324—349. Ahl Alt (Amir) 356. 
“Abd el Kerim 20—24. Ahl Alt (Aulaqi) 242. 
“Abd er Rahman Aidwa 368. Ahl Alt (Diebi) 237. 
"Abdeffelam 330. Ahl ba Gilgella 289. 292. 
Abdulaziz 163. Ahl Begga 305. 
Aberi 247. Ahl ben Nahgi 200. 201. 288. 
Abeſi 206. 898. Ahl Dian 273. 
Abeſſinien 177. 122 u. f. Ahl Elah 255. 
Abian 212. 256. Ahl Ga'da 255. 
Abu 288. Ahl Gemiſa 245. 
Abu Bekr 168. Ahl Haidra Manffur 255. 
Abu Bekr (Dorf) 329. Ahl Haſan 245. 
Abuna Johannes 128. Ahl Haina 198. 255. 
Abuna Salama 132. Ahl Hayek 190. 229. 231—284. 
Abus 206-207. 898. 396, Ahl Heſcham 308. 
Abu Schehr ee Ahl Hogel 856, 
Abu Simbel 22 Ahl Hofain 806. 
Agabeh oder Dloeh 206. 828, Ahl Mehdi 245. 
Agala oder Affala 198—201. 257—259. | Ahl Mirza 289. 
Adhdam 194, 218. Ahl Dafis 245. 
Adan 273. Ahl Ooraiſch 394. 
Adareb 208. 872. Ahl Rahi 245. 


Ademi 237. Ahl Reidan 870. 


410 


Ahl Sa’id 255. 

Ahl Sa'idi 255. 272. 
Ahl Schagran 370. 
AH Scheddad 255. 
Ahl Schenin 255. 

Ahl Selam 328. 

Ahl Stiman 245. 

Ahl Dazid 296. 

Ahl Zueila 388. 
Ahmar 289. 292. 
Ahmed Alt Ghalib 293. 
Ahmed ben Alwan 248. 
Ahmed ben Hadi 232. . 
Ahmedi 242. 

Ahwar S. Hauwar. 
Ahnum 368. 

Ahſab 342. 

Aiderus 136. 157. 162. 
Aiman 256. 

Ain 201. 

Aiſai 356. 

Akahela 387. 

Akel 274. 

Alexandriern 1—4. 
Ali Asker 297. 

“Ali ben Ghalib 298. 
"Ali den Mobfin 881. 
Alt el Haufchebi 352. 
Ali Tabat 384-385. 
Allaka 125. 

Allaka Buru 191. 
Allauwi 247. 


Alluwi (Amir) 204. 356. 


Alluwi (Diebi) 237, 
Alwan 248. 

Amagin 231. 

“Amar 207—208. 372. 
Ameq 257. 

Amhar 104. 118. 
Amtr 353—360. 
Amira 126. 


Amir Schafel 353. 357. 


Amr b. Sa'td 248. 
Amudi 289. 
Amudiya 256. 
Amur 205. 

Amuri 205. 379. 
Anna 337. 


Regiiter. 


“And 214. 406, 

Anferat 393. 

Anteriye 205. 379. 
Aqareb 314-328, 
Aqrabi 222. 314 - 323. 
Ara 189. 205. 881. 
Araber in Aden 162. 
Arai 379. 

Ardh Atoba 280. 

Ardh ed Dian 198. 199. 
Ardh ed Diebi 280. 
Ardi 387. 

Arieb 280. 

Ariqi 207. 3983. 

Ariſch 403. 

Arkiko 118. 

Arnaud (Reiſender) 184. 189. 
Aruq 207. 393. 

Arwali 2585. 

Aſaker 137. 

Aſſa 307. 

Aſſabeh 206. 328. 394. 
Aſſbahin 291. (Note) 328. 394, 
Aftrologe 164. 

Aswad 360—368. 
Atara 203. 296, 

Atfi 205. 379. 381. 
Atiq 245. 

Atoba (Athauba) 280. 
Aturi 206. 398, 

Aud 275. 

Aud 207. 

Aud b. Abd⸗Allah 250. 
Audelt 222, 240. 
Audell:&and 275282. 
“Aulagt 190. 222. 239-251, 
Auwad bei Cher 107. 162, 
Auwadel 275—282, 
Auwaliq 239—251. 
Auwan 307, 

Auwas 206—208. 371. 
Awatif 379, 

Azaliz 387. 

Azan 305. 

Azeibih 328, 845. 
Azemi 237. 

Aziziye 31. 118, 

Azhar 12, 


B. 


Da Auci (oder Auffi) 237. 
Bab el Felaq 258, 

Bab el Mandeb 138. 206, 
Ba Hamedi 237.- 

Bahan 119. 

Ba Kazim 242. 

Bakeri 288. 362. 

Bakſchi 278. 

Ba'l Harif 245. 

Ban (Baan) 328. 
Banianen 107. 140. 168. 
Banu Lihb 183. 

Ba Omm Rezaz 301. 307. 
Barka 117. 118. 

Barſati 81. 

Ba Sauda 237. 

Baſchi Bozuk 101. 

Ba Wadda 237. 

Bazir 203. 306. 

Be'aima 387. 


Beda oder Baidha 163. 191. 200 -203. 


306. 307. 
Bedu 207. 
Beduinen 106. 
Behan oder Baihaan 208. 306. 
Behan el Gezab 203. 312. 
Beil 406. 
Beled el Haddi 372. 
Beled el Dadi 372. 
Beled Schafel 353. 
Beled Schaif 378. 
Ben Allıman 304. 
Beni Ahad 358, 
Beni Ahmed 328. 
Bent Amr 118. 
Bent "Ans 214. 406, 
Bent Geleb oder Sſolaib 183, 
Bent Hammad 206. 394. 
Beni Haritb 312. 314. 321. 
Deni Koraita 175. 
Bent Mehaid 328. 
Bent Mohammed 870, 
Bent Ogil 329. 
Bent Dafed ©. Kelle. 
Beni Schafel 370. 
Beni Schetba 394. 


Regifter. 


| Beni Stiman 201. 278. 

ı Beni Yufif (Hogriya) 205. 394. 
Dent Yufif (Hafl‘) 288. 
Be'oſi 296. 

Berad 406. 
Berberiner 27. 

| Bereimt 380. 

. Ber Dani-201. 278. 

Bet (Bait) Abu Hodal 367. 

Bet (Bat) Agla 830. 

Det (Bait) Samſam 329. 

Beth 177. . 

Bey 12. 

Beza 167. 

Bigeri (Bidjairt) 278. 

Billei 272. 

Bir (Biyr) Abt Allah 204. 352, 

Bir (Biyr) Ahmed 205. 316. 

Bir (Biyr) Ali 201. 224. 225. 

Bir (Biyr) Gomm 331. 

Bir (Biyr) Naffr 331. 

Bir (Biyr) Nobto‘ 198. 

Bir (Biyr) Omr 331. 

Bir (Biyr) Schalter 331. 

Birfet Hammam 392. 

Blad el Hofain 203, 

Blad ed Su’ad 208. 

Blad Halm Sa’idi 273. 

Bogos 104. 126. 

Boswellia Bhau Dhajanı 82. 

Boswellia Garterti 82. 

Botta 208, 

Brugſch 12. 

Bu Ber b. Abd Allah 244. 

Bulaq 13, 


— —— — — —— — 


C. 


Cairo 4-20. 
Camp (Aden) 142. 
Cane 225. 227. 
Cantar 119. 
Carter 154. 
Cedara 199. 289. 
Celu 207. 
Central⸗Yemen 186. 
Gera’a 257. 


411 


412 


Gerru 807. 
Chabr 201. 202. 248. 
Chabt 202. 247. 218. 
Shaden S. Adhdam. 
Chadra 208. 402. 
Ghamfer 200. 291. 
Charraz 139. 

Chelale 290. 
Chere (Chaire) 200. 287. 292. 
Chesney 248. 
Chobban 373. 
Shobbet el Guſan 304. 
Cholagi 296. 
Cholem 177. 
Chor (Ehaur) 258. 
Chor Amran 206. 
Choraibe 273. 
Chorda 120. 
Chorebe (Choreibe) 25. 
Chorebe (Schahert) 362. 
Chulle 200. 204. 292. 
Commandar 82. 9%. 
Commandari 26. 


D. 


Dädſchadſch 124. 

Dageſch 177. 

Dahakki 807. 

Daher (Tſaher) 190. 280. 

Dahlak 118. 117. 

Daira 12. 

Dala‘' S. Dhala'. 

Daleth 177. 

Damar S. Dhamar. 

Damascus 188. 

Dar Kureſchi 330. 

Dar Scha' iban 352. 

Dar Schauar 39. 

Dar Zena (Zaina) 257. 

Datina (Dathyna) 199. 247—249. 269 — 
275. 

Daumas 194. 

Debeine 379. 

Debu ed bachel 396. 

Debn el harig 396. 


Regifter. 


Demani 202. 279. 
Demed 373. 
Deqaim 366. 
Deran Mifaidi 2690- 58. 
Derawiſch 234. 
Derb 380. 
Dergag (Derdjadj) 200, 258. 
Dyhala‘ 203. 204. 356. 
| Dhamar 162. 197. 399, 
Dhanab 356. 
Dhi Nachab 292. 
Dhi Zora 296. 
Dhobba 273. 
Dhobbi 296. 
| Dhobi (Dhaubi) 184. 
Dhu Hofain 337. 312. 404—407. 
Dhu Mohammed 162. 337. 341. 365. 
404407. 
Dian 109. 
Dinni 247. 
Diebi (Dziaibi) 224. 235—238, 278. 
Dimena 206. 39. 
Dısmal 334. 
Diyani 328. 
| 
| 





Doan 24. 

Doba 273. 

Doba’i 304. 
| Dobban 305. 
: Dobban 208. 895. 
Doqqa 206. 388, 
Doſchan 190. 
Dra 119, 
Dſchedda 44 und folg. 





€. 


Effendi 11. 12, 
Efu (Aifau) 894. 395. 
El Afıfi 2983. 

El Aud 372. 

El Efu 394. 

El Hamami 247. 
El Hubehek 248. 
El Meſchelqi 200. 
El Orqa 292. 
El ‘Orr 296. 

El Do’la 372. 


Emera‘ 380. 
Gmentu 128. 
Esbekiya 18. 
Eff⸗Celu 393. 
Eva (Grab der) 75. 


F. 


Fadl ben Ali 832. 
Fadl ben Mohfin 881. 
Faresla 119. 

Fathani 255. 

Fatiha 39. 

Fegerra 205. 880. 
Fegra 866. 

Ferſcha 206. 207. 
Fiuſch 330. 

Fodl (Fodhl) 252. 
Fodli (Fodhli) 222. 252 u. folg. 
Frid 245. 

Futta 48. 


G. 


Gabari 242. 

Ga'da 214. 358. 355. 
Gadaref 116, 
Ga'deni 255. 

Galla 128. 

Gar Allah 242. 
Garli 242. 

Gaſchani 362. 

Gaſud 355. 

Gauwela 199. 258. 
Gebel Abadan 246. 
Gebel Aharrem 355. 
Gebel "Amran 377. 
Gebel "Ara 377. 
Gebel Atoba 855. 
Gebel Charraz 139. 377, 
Gebel Chaure 246. 
Gebel Dolo (Dhaulo) 210. 228. 
Gebel Dran 346. 
Gebel el "Efu 392. 
Gebel eff Telu 392. 
Gebel Gehaf 209. 
Gebel Hadid 515. 


Regiſter. 


413 


Gebel Halhal 246. 
Gebel Hamra 223. 236. 
Gebel Harir 355. 


Gebel Hafan 140. 209. 314. 315. 


Gebel Kaur 228. 

Gebel Kellet 285. 

Gebel Kor (KRaur) 209. 276. 
Gebel Manif 350. 


Gebel Maufiya 285. 


Gebel Mechanit 377. 


Gebel Mefalis 207. 


Gebel Merrais 209. 870. 
Gebel Mohageba 285. 
Gebel Mozaffer 275. 280. 
Gebel Nachd'i 198. 253. 
Gebel Nemr 202. 228. 
Gebel Da’u 189. 377. 
Gebel Dern 209. 246. 311. 
Gebel Scha’ib 355. 


Gebel Schamſcham 139. 209. 


— — — — 
— — — — — — 


Gebel Schi'ab 350. 
Gebel Sſabr 892. 
Gebel There 275. 
Gebel Tuil 228. 
Gebel Yafi“ 208. 285. 
Gefe (Diatfe) 203. 375. 
Gehaf 204. 367. 
Gehaina 41. 

Geleidi 379, 

Gelelet 362. 

Gembiye 334. 

Serabi 379, 

Geradi 242, 

Gerdan 209. 231. 
Geruba 204. 296. 
Gezab 208. 310—313. 
Gharriye 205. 381. 
Shafilt 247. 

Ghoder 1%. 198, 278. 
Gible J. 273. 

Gible IL 402. 

Giſcho 126. 

Giſchr (Difchr) 168. 167. 
Gobasye 128. 

Gomar 403. 

Gomfude 88. 

Gomul 366. 
Greycloths 81. 


414 


Großſcherif 57 u. folg. 
Guaſir 247. 


9. 
Habab 118. 
Habab (Dorf) 329. 
Habba 290. 
Habban 191. 202. 280. 245. 
Habeſch 122 u. folg. 
Habib 234. 
Hadi 372. 
Hadena 202. 248. 
Hadi Sultan 227. 232. 
Hadi b. Nagi 371. 
Hadramaut 20. 48. 191. 
Hadramt 20. 26. 48. 102. 107. 168. 
Habur 866, 
Hafa 199. 273. 
Hafaf 280. 
Hagat 373. 
Hagar Sud 388. 
Hagfer 204. 362. 
Hagr I. 249, 
Hagr I. 307, 
Hagum 207. 398. 
Hatderabad 250. 
Haidi 247. 248, 
Haidra 260. 
Haime 207. 402. 
Haines 201. 258. 
Hait Debab 358, 
Hakimi 396. 
Hakmi 384. 385. 
Hakum 207. 398. 
Halemi 356, 
Halevy 232. 
Halbal 249. 
Halm Sa'idt 199. 255. 272. 
Oamaida 875. 
Hamaiſa' 256 (R.) 
Hamami 247. 
Hamaſien 122. 
Hamdan b. Schaler 406. 
Hamdani 358—860. 
Hamedi 245. 371, 
Hameidi 379. 
Hamelan 199. 305, 


Regifter 


Hamideli 247 

Hamra 330. 

Haneiſcha 887. 

Haneſch 198. 273. 

Haneſchi 255. 

Danfa 273. 

Sagt 365—866, 

Haqqat 205. 379, 

Harniſch 188. 

Haſan Alt 330. 
Haſan ben Yahya 973. 
Haſan ben Alt 168. 
Haſan el Haddi 372. 
Haſcha 807. 371. 
Haſchid u. Beil 406, 
Hasni 198. 2355. 

‚ Saffen 102, 126. 
Hat 199. 201. 2083. 305. 
Hatab 199. 200. 289. 


. Hatem (Hatatm) 202, 


Haura 202. 237. 288, 

Hauſchebi 196. 349-352. 

| Yauta 203. 328. 

Ä Hauwad 329. 

Hauwar 201. 202. 240 —244. 
Hauwaſchib 8349—852 
Hawakil 137. 

Hawaiyah 244. 

| Hayat 812. 

Hazchuri 237. 

Hegaz (Land) 46 u. folg. 

Hegaz (Dorf) 204. 380. 

Heran 280. 

Heruwa 207. 395. 

Heſſua 315. 

Hicen oder Hiſſn Ghorab 223. 224 — 
227. 





Himyar 256. 

Himyaren 226. 254. 

‚ Hobal 208. 378. 

Hobeil el Gebr 862. 

Hobeil el Mobagera 362. 
Hobeſchi 204. 878. 
Hocein 359. 365. 
Hocen (Hofin) "Ad 298. 
Hocen (Hoffn) Ahmed Daghem 382, 
Hocen (Hofin) Amudi 298. 
Hocen (Hofin) Bakſchi 280. 


Regiiter. 415 


Hocen (Hofin) Beceli 256, 

Hocen (Hofin) bel Haſan 298. 
Hocen (Hoffn) bei Schedh 280. 
Hocen (Hofin) Bent Raſcham 293. 
Hocen (Hofin) ber Homeſch 273. 
Hocen (Hofin) ber Mortaiba 280. 
Hocen (Hofin) Bigert 280. 


Docen (Hofin) bu Ber abu Kerim 298. 


Docen (Hofin) be Betr Ghalib 298. 
Hocen (Hofin) Choraibe 273. 
Hocen (Hofin) Derek 2983. 
Docen (Hoffn) Diebi 280. 
Hocen (DHofin) ed Darr 368. 
Hocen (Hofin) ed Diab 273, 
Docen (Hofin) ed Doma 273. 
Hocen (Hoffn) el Aqrud 396. 
Hocen (Hofin) el Gendiye 396. 
Hocen (Hofin) el Hamza 396. 
Docen (Hofin) el Hafan 280. 
Hocen (Hofin) el Kahur 280. 
Hocen (Hoffu) el Mimſchah 396. 
Docen (Hofin) el Qure 396. 
Hocen (Hofin) Ghalib Alt 393. 
Hocen (Hoffn) Halm' Effarr 280. 
Hocen (Hofin) Halm Sa'idi 273. 


Hocen (Hoifn) Hamed el Mohaiteni 280. 


Hocen (Hofin) Hauban 396. 
Docen (Hofin) Hofain Rezaz 306. 
Hocen (Hofin) Kahelir 388. 
Hocen GHoſſn) Koheb 256. 
Hocen (Hofin) Manſſuri 280. 
Hocen (Hofin) Mefalid 396 
Hocen (Hoffn) Mesmer 280, 
Hocen (Hofin) Mesware 306. 
Hocen (Hofin) Mohadaka 280. 
Hocen (Hoffn) Mohafin b. Alt 298. 
Hocen (Hofin) Motaibet 280. 
Hocen (Hofin) Nacha'i 273. 
Hocen (Hofin) Dans 368. 
Hocen (Hofin) Dofefcht 280. 
Hocen (Hofin) Rabe 368. 
Hocen (Hoffn) Rebel 396. 
Hocen (Hofin) Reidan 371. 
Hocen (Hofin) Salem 293. 
Socen (Hofin) Scha’ibe 2380. 
Hocen (Hofin) Schaut 280. 
Hocen (Hofin) Schaqran 371. 
Hocen (Hofin) Scheghab 368. 


Hocen (Hoffn) Schemi 298. 
Hocen (Hoſſn) Scheriye 291. 
Hocen (Hofin) Scherman 396. 
Hocen (Hofin) Sfatde 293. 
Hocen (Hofin) Tohaifi 280. 
Hodaida 188. 163. 

Hogeil 356. 

Hogriya 162. 205. 214. 390—397. 
Homma 200. 290. 

Hoqaiba 207. 402. 

Hoſain 203. 

Hofain Rezaz 307. 

Hota (Hauta) L 248. 

Hota (Hauta) II. 201. 230. 
Hota (Hauta) III. 191. 356. 
Howhr 244. 

Hulton 225. 

Huwir 245. 


J 
Ibb 207. 399. 
Ibharan 206. 881. 
Ihram 48, 
Johannes (Abuna) 128. 
Johannes Teklar 128. 
Iſchibum 
—* S. Nefchbum. 
Ismalil Paſcha 15—20. 
Söraeli 177. 
Köraeliten 173—181. 
Iſthmus (v. Aden) 158. 
Suden (tn Arabien) 173—181, 


K. 


Kaadibaum 187. 
Kadema 329. 

Kahela 206. 207. 388. 
Kaheli 387. 

Karatten 175. 

Kaſſa 123 u. folg. 

| Kaffala 118. 118. 

| 


— — — — — — — — — — — — 


Katholiken (in Aden) 161. 
Kazim 242. 
Kebba 388. 


416 


Kebs el Monga‘ 248. 
Keddera 396. 
Kedeiha 206. 408. 
Kedeire 205. 381. 
Kela 280. 

Kellet 288, 

Kellut 247. 

Kelfanı 288. 

Keren 118. 129. 
Keſadi 289. 291. 
Khedive 15—2%0. 

Kirk 281. 

Kod (Kaud) 199. 258. 
Kobenim 177. 
Kolaite 199. 273. 
Kor (Kaur) 209. 258, 
Kor Makſar 340. 


L. 


La Orélandière 297. 
Lahaqi 242. 


Zaheg 144. 162. 202. 34349. 


Lahi 202. 281. 
Landsberg 338, 
Latahan 288. 
Leiten 177. 
Loder ©. Ghoder. 
Londra 202. 231. 


M. 


Ma'beq 206. 888. 
Machdumi 379, 
Machſeb 257. 


Madhig (Madzhidj) 214. 245. 247. 


Magher 205. 

Magra'a 278, 

Mahfed (Mahfedz) 201. 248, 
Makalla 82. 162. 


Makaten (Makatein) ceghir 243. 


Makaten (Mafatein) kebir 248, 
Ma'mat 205. 379. 

Manffuri L 278. 

Manſſuri IL 203. 379. 
Manfiuri IIL 242. 

Manfſuri (Münze) 337. 


Regiſter. 
ı Magrehiya 245. 


Ma’r 200. 258. 

Marcha 202. 203. 248, 249. 
Mare 176. 
Maria-Therefia-Thafer 119. 337. 
Marib 184. 

Margaſchi 255. 

Marzabi 247. 

Masfer 247. 

Maskat 88. 

Maffauma (Stadt) 101. 
Mafauma (Dialect) 104, 
Maffauma (Handel) 82. 113 u. folg. 
Maukadi 247. 

Mauya 208. 871. 
Moereni 118. 

Mechadim 379. 

Medabi 394. 

Medegera 387. 

Medhagi 245. 

Medina 41. 

Medinet el Asfal I. 402, 
Medinet ei Adfat II. 207. 
Medinet Suq Doba 395. 
Medinet Telez 201. 290, 
Medware 888. 

M.flebi 296. 

Meferſcha 249. 

Megba 352. 

Megdaha 223. 224, 
Megeiſcha 387. 

Meghafa 830. 

Meghar 381. 

Mehaidan 162. 326. 
Mehalla 142. 

Mebemed Alt 7. 

Mekaus 273. 

Mekka 58. 

Mekonen 122, 

Melagem 208. 305. 
Meifi 305. 

Menacera 205. 379. 
Menachem ben Meicheh 176. 
Mena’im 408. 

Menelet 128. 

Menſa 118. 

Menzil 208. 

Merafai 190. 278. 282. 


Merfat 199. 201. 

Meri (Mecri) 176. 
Merraid 204. 370—371. 
Merzaf 287, 

Meſabek 307. 

Meſa'd 367. 

Mefa'di 255. 

Meſauged 257. 
Meichaich 217. 247. 
Meſchalcha 384—385. 
Meicheh 176. 

Meſchelqi 200. 
Meſchrah 307. 
Meichura 402. 

Meſeri (Meiferi) 255. 273. 
Mesfegge 190. 278, 
Meshaqi 379. 

Meslemi 247. 

Meitinte 128. 

Mesware 199. 203. 306. 
Dietamma 113. 
Metennet 362. 

Methn es Sayadi 372. 
Metwogetn 307. 
Metuaftn 35 u. folg. 
Mebem 362. 

Middet 119. 

Mihtar 184. 


Miles 157. 224. 231. 243. 256. 


Millingen (Dr.) 224, 225. 
Mintfcherer 126. 

Mirſſad 206. 388, 

Mirza 200. 291. 

Mittlere Auwaliq 244—245. 
Mocha 138. 213. 399. 
Mochader 403, 

Mofalis 207. 

Mogafa 389. 

Mohader 281, 

Mohafiz 41. 

Mohngebba 296. 
Mohagera I. 362. 
Mohagera U. 241. 
Mohanneq 205. 380. 
Mohammed b. Ahmed 281. 
Moharrega 206. 388, 
Mokullo 108. 

Monga‘ 202. 241. 248, 


v. Maltzan, Weile nach Südarabien. 


Regiſter. 417 


Monſun 138, 
Montaz Paſcha 93. 
Maqabera 887. 
Mogqaibera 329. 
Moqatera 386-389. 
Moqteri 206. 886. 
Morageſcha 255. 256. 
Moradaia 245. 
Mordat 247. 
More 176. 
Moſaismus 174. 
Moſcheh 176. 
Moſchus˖ 118. 
Moſeta 204. 205. 296. 
Mojett 296. 
Moſſabein 312. 
Minide 304, 
Mfaud 304. 
Mtegna Atif 290, 
Diunzinger 103. 122. 202. 222. 231— 
236. 243. 256. 
Muſſelin 81. 


N. 


Na'ab 200. 258. 

Nacha'i 198. 202. 

Nachlan 207. 402, 

Nahgi 200. 201. 

Naqb el Hagr 201. 202. 229— 233, 
Negd el Ahmar 402, 

Meger 169. 170, 

Nemara 852. 

Nemr 202. 

Neqaq 249. 

Neqeſcha 382. 

Neqil el Hamza 396, 

Neqil Semara 207. 402. 
Nefiyin 247. 248. 

Niſſab (NMicab) 202. 248, 
Niebuhr 179. 184. 247, 249. 
Nubier 27. 

Nuri Paſcha 44. 


O. 


Obara 247 -249. 
Obere Auwaliq 245—251. 
27 








418 Regifter. _ 


Obere Wahidi 228—234. Deramid 245. 
Dber:Yafl’a 295 —297. Silfam 289, 
Okale 6. Oiyam 168. 
Okka 199. Dobayel 163. 191. 215—218. 249. 
Omad 258. 326. Dobati 207. 
Dmaiſi 242, Docer 88. 
Oman 186, Dofefchi 278. 
Omar 168, Do’la 208. 372, 
Omm Beda 245. Doph 177. 
Omm Chodeere 198. 199. 273. Dulliye 201. 244. 
Omm Saharig 137. Oumuſch 242—244. 
Omr 203. 305. 
Omtusla 245. 
Orfan 247. 278. ‘ 
Orqa 292. Rabizi 247. 
Orr 296. Radai 273. 
Otman (Othman) 168. Radman 805. 312, 
Oftafrifa 88—132. Raha 203—207. 851. 
Dftindifche Chrijten 161. Raima 168. 
Oftindifche Moslems 161. . Ramaban 64. 
Ramle 203. 204. 352. 
Ras "Ara 139. 205. 377. 
P. Ras Da’u 139. 877. 
Pais 174. 175. Raſſa 204. 2%. 
f Raſſam 240. 243, 
Parias 182—192, Rauda 191 
Parfis 143. 157. San a 199 
Hatach 177. auhwa 199. 
Raye 168. 192. 216—218. 
Perim 139, Rebat 402 
Derfer 340. ea ‘ 
Neda 162. 204—208. 374—375. 
Philakterien 180. Rebeha 202. 281 
Pies 337. ebeha 202. 281. 
Point 142, Rega' 205. 206. 380. 
Portugiefifche Abkoͤmmlinge 161. Regal 37. 
Rehauwi 288, 
Prion 142, 
. Nezaz 163. 301—309. 
Ptolemäus 224. 
Puntah's 150. Nitter 244. 
Roain 329, 
Roda (Raudba) L 257. 
Q. Roda (Raudha) L 191. 202. 231. 
Rolph 4. 
Dadi 60. 168. 164. Rotl 119. 
Dabtaniten 184. Rubit 120. 
Da’ida 207. 402. Rupie 837. 
Daliet Mogteri 206. 888. 
Dara 199—204. 289, © 
Dafcha 356. . 
Da’taba 168. 204—208. 367370, GSabäer 188. 


Daun 139. Sabchani 237. 


Regifter. 419 


Sad 120. Schlitten 162. 168, 
Sa’d el Bagota 339, Schimper 124. 131. 
Saibeah 351. Schimri S. Schumr. 
Sailet el Millah 351. Schirgan 807. 
Sailet eth Thaimera 351 Schoho 118. 
Salemi 242. Schohud 65. 
Samah 257. Schughra 180. 198. 201. 256. 
Sambar 117. Schumr 184 u. folg. 218. 369. 
Sarw Himyar 209. 275. 294. Sebach 198. 201. 258. 330. 
Sarw Madhig (Madzhidj) 209. 245. 246. Sefal 296. 
275. Segol 177. 
Sayabi 372. Sehagi 247. 
Scha’b 200. Sel Beni Sliman 201. 
Scha'b el Yahud 201. 289. Seltm 206. 379. 
Schafe't 38. 112. Semlan 247. 
Scafel 352. 357. Sepbardifche Juden 175. 
Scageri 247. Sepoys 161. 
Schahed 869. Serafe 200. 292. 
Schaheri 204. 360—363. Serar 199. 200. 289. 
Schaban 65. Seriya 201. 256. 
Scha’ib L 289. 292. Siffia 330, 
Schaib II, 258, Sir 330. 
Scha’if 366. 372—373. Sira 156. 
Schaft 47. 378. Si’ud 306, 
Scafuli 184. Smith 225. 
Schaka 366. Sobehi (Sfobathi) 376883, 
Schaker 406. Sobeidi 356. 
Schamſcham 140. Socheb el "Amar 372. 
Schaf 81. Soda 356, 
Scha uba 408. Sohail 201. 
Schayyalin 162. Soheb (Sohaib) 203. 204. 243. 356. 
Scheibe 381. Soleb 292. 
Schebe (Scheibe) 206. Solemani 237. 
Schech (Scheih) 217. j Solub 258. 
Scheh Abd el Kerim 20-25. Somali 160—166. 
Schech Otman 168. 330. Somalt 379. 
Schech Said 138. 384- 385, Sprenger 183. 184. 
Schecha (Scheicha) 48. Sfaheban 402. 
Scheheri 278. Sſaidi 289. 
Schema'i 242. Sfalah ed Dhobbi 297. 
Scemi 289. Sfana’ 399. 
Scher'a 204. 208. 356. Sſuar 380. 
Scher ab 408. Stella 128. 
Schergebi 892, Su’ab 209. 306. 
Scherif 58. 217. 234, Suakin 83. 89, 91. 114. 
Scheriya 291. Sub 387. 
Scheruf 120. Suban 91. 
Schewuha 200. 291. Subant 170. 








420 Regifter. 


Sue; 26—30. Tſchamar 184. 

Eultan 217. Tubani 247. 

Sunniten 168. 186. Zufun 227. 

Sug el Chamis in Ferfcha 382. Zuran 205. 381. 

Suq el ®oma’ 382. 

Suq el Had 2%. u 

Suq es Sebt 382. . 

Sug Halm Saidi 273. ubis 127. 

Suweba 273. Untere Auwallg 241—244. 

Synagoge 176 u. folg. Untere Wahidi 223—228. 

Untere Yafl 288—294. 

T. Urdaba 358. 

Tädſch 126. 

Tafeh 379. W. 

Taft 203. 307. Wadi Abadan 246. 

Ta izz 205—207. 399, Wadi Achdar 241. 

Ta’izziya 398— 405. Wadi Adim 378. 392. 

Talab 204. 373. Wadi Agela 395. 

Talmudiſten 175. Wadi Aideri 272. 277. 

Tarf el 'Atena 387. Wadi Ail 272, 

Taufik Paſcha 18. Wadi Aleſſan 378. 

Tayeſ 60. Wadi Amd 48. 

Teem 200. 292. Wadi Ameq 359. 

Telez 200. 201. Wadi Aten 387. 

Temeſchi 237. Wadi Azan 272. 277. 

Teran 258. Wadi Bereike 277. 303. 

Tere (Theire) 199. 280. Wadi Bonna 253. 285. 351. 

Teriya 258. Wadi Bofame 253. 

Thalub 330. Wadi Gera 359. 

Tharore 329, Wadi Chuale 391. 

Thau 177. Wadi Chulle 285. 

Thefillin 180. | Wadi Dabab oder Debab 354. 359, 

Theodor 122. Wadi Dhi Regem 354. 361. 

There (Theire) 199. 280. Wadi Do’an 28. 

Thora 176. Wadi Dra (Dhra) 246. 

Tian 144. Wadi "fan (Fran) 229. 

Zigre 116, Wadi el Abehor 367. 

Tigrinnia 104. Wadi el Chodr 367. 

Tohaift 278. Wadi el kebir 325. 

Tomeir 356. Wadi el Menara 392. 

Tornauw 163. Wadi el Metthur 392. 

Towen (Towein) 234. Wadi el Oobba 391. 

Tower of Silence 157. Wadi el Dobla 378. 

Tozze‘ 200. 291. Wadi eſſ ceghir 325. 

Tremendbere 195. Wadi Ga'diya 358. 


Tripolis 170. Wadi Gerdan 209. 229. 


Regiſter. 


Wadi Habba 286. 

Wadi Hacen 359. 

Wadi Hadena (Habhena) 246—248. 

Wadi Hagr 228. 225. 

Wadi Hagum (Hadjum) 207. 391. 

Wadi Hakum 207. 391. 

Wadi Hanka 358. 

Wadi Haſan 210. 253. 285. 

Wadi Hauwar 210. 241—243, 

Wadi Hauwir 277. 308. 

Wadi Heruwa 392, 

Wadi Hocein 359. 

Wadi Irames ©. Yerames. 

Wadi Kelafi 241. 

Wadi Kesr 48. 

Wadi Lamlan 286. 

Wadi Leſchruch 387. 

Wadi Ma’aber 354. 

Wadi Matdanı 326. 

Wadi Maifa'a 209. 223. 225. 229. 286. 

Wadi Medheq (Medheiq) 277. 308. 

Wadi Mefalis 391. 

Wadi Mefa't (Maifa'a) 209. 223. 225. 
229. 236. 

MWadi Melagem 3083. 

Wadi Meran (Meiran) 271. 277, 

Wadi Mejaudt 246. 

Wadi Mesware 277. 308. 

Wadi Mirſſad 887. 

Wadi Mo’aden 378. 

Wadi Mo'ga 392. 

Wadi Namaqa 286, 

Wadi Na'um 286. 

Wadi Neßhal 253. 

Wadi Nefnafe 241. 

Wadi Nura 210. 285. 325. 851. 354. 

Wadi Omm Chalif 277. 303. 

Wadi Dobla 378, 

Wadi Rachiye 48. 

Wadi Radman 803. 311. 

Wadli Raiban 277. 

Wadi Reban 288. 

Wadi Reqab Hedad 286. 

Wadi Reſchan (Hetfchan) 367. 

Wadi Roſut 286. 

Wadi Sabſab 285. 

Wadi Saimar 246. 

Wadi Sala‘ 254. 


421 


Wadi Salman 229, 

Wadi Samah 359. 

Wadi Sarar 286. 

Wadi Schaka' 359. 

Wadi Shara 285. 

Wadi Schera 855. 358. 

Wadi Schewuha 291. 

Wadi Serafe 285. 

Wadi Soheb (Soheib) 359. 

Wadi Solub 210. 258. 285. 

Wadi Sſahab 286. 

Wadi Tamat (Thamat) 277. 308. 311. 
Wadi Teem 285. 

Wadi Thamat 277. 808. 311. 
Wadi Toba 359. 

Wadi Tobban 196. 210. 285. 315. 325, 
Wadi Toruri 359. 

Wadi Wahba 859, 

Wadi Wallach 285, 

Wadi Warezgan 210. 351. 392. 
Wadi Yahor 296. 

Wadi Yelln 808. 311. 

Wadi Yerames 210, 253, 277. 285. 
Wahba 859, 362, 

Wahet 330. 

Wahidi 190, 221, 

Walker 245. 

MWagedin 328, 

Wafet 249, 

Wellſted 220, 221. 248. 

Wrede 24. 25. 224. 234. 248, 249, 


y. 


Yafı“ (Rand und Volk) 283 -800. 
Yafı'a 186. 199. 200. 283—800, 
Yafı't 214. 222. 283—300. 
Dahor 296, 

Yambo 28. 40. 

Daqut 220. 

Yazidi I. 289, - 

Dazidi II. 204. 222, 373. 
Defrus 408, 

Deherri 289. 

Demen 186. 

Derim 162. 163. 207. 208. 399, 
Yeſchbum 202. 245. 


422 


Yuſefi I 207. 
Yufefi IL 288. 


3. 


Zade 177. 
Zafiye 395. 
Zander 124. 
Zaida 380. 352. 
Zaidi 162. 186. 


Regifter. 


Za zai 206. 887. 
Zebid 168. 
Zemzem 35. 

Zere 177. 

Zingi 169. 
Zobeiri 207. 398. 
Zoreiqi 379, 
Zotto 126. 
Zugur 188. 


1IK07—-1%63 


Adohßh bon Wredels) 
Reiſe in Hadhramaut 


Beled Beny Yifa 


und 


Beled el Hadſchar. 


Herausgegeben, 


mit einer Einleitung, Anmerkungen und Erflärung der 
Inſchrift von Obne verfehen 


von 


Heinrich Freiherrn von Maltzan. 


Nebſt Karte und Facſimile der Inſchrift von Obne. 





Braunfhmeig, 
Drud und Verlag von Friedrich Bieweg und Sohn. 
1873. 





y% - -_- . - - - 


Die Herausgabe einer Ucberfegung in frangöfifcher und englifcher Sprache, 
fowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten. 


5 ver II — 


Vorwort. 


Dem Herausgeber des »Globus«, Dr. Carl Andree, 
kommt das Verdienſt zu, zuerſt nach langer Vergeſſenheit wie- 
der auf den handſchriftlichen Nachlaß Adolph von Wrede's 
aufmerkſam gemacht zu haben. Ihm verdanke ich auch das 
Manuſcript der hier herausgegebenen Reiſe, welches von 
Wrede's hinterlaſſenen Handſchriften nur einen Theil, aber 
den wichtigſten Theil bildet. Wrede's übrige Neifebefchrei- 
bungen behandeln die befannteren Gegenden am Rothen Meere. 
Da diefe aber feit Abfaffung des Wrede'ſchen Manuferipts 
ſchon vielfah von anderen Reifenden gefchildert wurden, fo galt 
ed für angezeigt, bier nur denjenigen Theil der Wrede’ fchen 
Reiſen zu veröffentlichen, welcher feine wichtigen geographifchen 
Entdeckungen in Südarabien behandelt. 


Dresden, 8. Juli 1870. 


Der Herausgeber. 


Inhalt. 


Einleitung. . . . ern. 1 
Ueber die Rechtſchreibung arabifcher Namen een. 42 


Erftes Eapitel. Kiüftenreife von Aden nad) Malalla . .. 43 
Schifffahrt von Aden nad) Borum. — Borum. — Der Stamm 
der Beny Haffan. — Wäbiy Fuwa. — Waͤdiy Halle. — "Ayn 
el Shaffffäny. — Ankunft in Makalla. 


Zweites Capitel. Bon Makalla nad) dem Dfchebel Tſahura. 55 
Abreife von Makalla. — Bü Darrayı. — Waͤdiy Omm Dſchirdſche. 
— Das Dorf Harr Schiwäts. — Hafiye. — Falh eff Sſifle. — 
Waͤdiy Mahniye. — Fedſch min Allah. — Die Areaͤ. — 
Dihebel Ba Bihae. — Der Engpaß Faylebät. — Aqaba el 
Mahniye. — Dſchebel Harf el Hagyg. — Dſchebel el Idme. — 
Schura. — Mifine. — EI Dada. — Gily. — Dſchebel Sidära. 
— Waͤdiy Montifh. — Dichebel Rohe. — Dichebel Mobarek. 
— Dſchebel Tſahura. 
Drittes Capitel. Der nördliche Gebirggabhang..... 86 
Waͤdiy el' Af. — Maqubet el Chomra. — Die Hochebene. — 
Nachtlager am Waädiy Haçarhayan. — Wädiy Dahme. — 
Waſſerbehälter. — Waͤdiy Eharit. — Nachtlager am Waͤdiy 
Chaͤyile. — Ueberraſchende Ausſicht in dem Wädiy Doän. — 
Ankunft in Choraybe. — Schaych 'Abd⸗Allah⸗Bä⸗-Sſudän. — 
Bewäſſerungsſyſtem und Kanalanlagen. — Abendmahlzeit bei 
Manaͤci ben Sſa'yd ibn Yſſa el' Amud, Sultan von Choraybe. 


Viertes Capitel. Erſte Excurſion vom Wädiy Doſän aus. 117 

Abreiſe von Choraybe. — Waͤdiy Minua. — El Oirbe. — Waͤdiy 
Gharäm. — Nachtlager im Wädiy Schomayre. — El Ebnä. 
— Girrayn. — Ercurfion nad dem Dſchebel Schagg. — Nadıt- 
\ lager im Wädiy Sfalaf. — Waͤdiy Mayfche. — Dichebel Dabr 
eff Sfäyir. — Nachtlager i im Wadiy Därat e8 Soha. — Waͤdiy 
el Boyut. — El'Aqyq. — Dſchebel Molk. — Waͤdiy Gafraͤ. — 
Ankunft in Hign ben Dighaͤl. — Wädiy EI Hadſchar. — Hicn 

el Dayime. 


Fünftes Capitel. Die Ruinen von Obne ..... 144 


Abreife von Hicn ben Dighäl. — Wäbiy No'män. — Dſchul Bi 
Yaghuth. — Wadiy Diiswel. — Diehebel Noab. — Ein 
erlofchener Bulfan. — Wäadiy "Obne. — Ruinen von Obne. — 
Wädiy Arär. — Zur Characteriftif ber Beduinen. — El 
Dſchowayre. — Dobbet el Ayn. — Die Bay Hardſcha. — 
Waͤdiy Mayfaa. — Ankunft in Dſchul eh Schaych. — Schaych 








VIII Inhalt. 


‘Omär ibn ‘Abd er Rahman ben "Abd el Manaͤh. — Abreife. 
— Saqqume. — Anfall der Dfiyayby. — Rüdreife nad) Dſchul 
eſch Schaych. — Abreiſe. — Waͤdiy EI Hadhena. — Dſchebel 
Alqa. — Waͤdiy Soggayme. — Ex Sodayre. — Waͤdiy Scharad. 
— Zweiter Anfall der Dfiyayby. — Ei Hodaà. — Waͤdiy 
Carhyr. — Ankunft in Hien ben Dighäl. 
Sechstes Eapitel. Stämmeverfanmmlung im Wädin ip Hafar 
Abreife von Hign ben Dighäl. — Ankunft in Hoda. eine 
gefährliche Tage daſelbſt. — Lager am Waͤdiy Kam. — Nacht⸗ 
lager am Waͤdiy Mintät. — Rachtlager am Wädiy Hafar. — 
Eine intereffante Scene. — Aufbruch. — Wegelagerer. — 
Metelle. — Wädiy Rhayde ed Dyn. — Dela. — Kaydam. — 
Chowayre. — Nachtlager am Wadiy Maghaͤra. — Ankunft 
in Choraybe. 


Siebentes Eapitel. Das eigentlihe Hadhramaut 
Zweiter Beſuch bei dem Sultan. — Abreiſe. — Ankunft in 'Amd. 
— Schaych Abd er Rahmaͤn bi Dyak ben Amudy. — Abreiſe. 
— Nachtlager bei Hallet ba Salib. — Nachtlager bei Dirbe. — 
Ankunft in Haura. — Der Waͤdiy Amd. — Der Waͤdiy Ei 
Hadſcharyn. — Die alten Königsgräber im Wadin Ghayibun 
unfern Mefchhed "Alyy. — Der Waͤdiy Darr. 


Achtes Kapitel. Ausflug nad der Wüfte El Ahgaf 
Abreife von Haura. — Batermord eines Beduinenfnaben. — 
Ankunft in Gahıma. — Ercurfion nad) dem Bahr eff Sſafy. — 
Die Wüfte EI Ahgaf. — Ein altes Grabmal. — Der Waͤdiy 
Er Raͤchiye. — Rückreiſe über Amd nad) Choraybe. — Der 
neue Sultan. 


Neuntes Capitel. Lebte Kataſtrophe und ‚ Rüdtehr nach 
Makalla 


Abreiſe. — Darrayn. — Antunft vor Sjayf. — Deine tritiſche 
Lage daſelbſt. — Entſcheidung der Olamaͤ. — Betragen -deö 
Sultans Alyy Mohammed ibn 'Abd Allah ibn No'maͤn ben 
Sfa’yid ihn "Na el Amud. — Abreiſe. — Der Wäaͤdiy Ei 
Ayffir. — Gaftfreundfchaftliche Aufnahme in einem Gehöfte 
unweit Chorayf. — Doqum el Ayffür. — Wohnungen der 
Bebninen im Wädiy Kotayf. — Eine Bebuinenhochzeit. — Um— 
zug der Beduinen. — Neue Wohnungen im Waͤdiy Howayre. — 
Ayn er Raͤſſ ed Dyn. — Ankunft in Makalla. — Freundliche 
Aufnahme von Seiten des Sultane. 


Bemerkungen und Ausführungen . 

Erfter Anhang. Ueber die Könige und Bölter Südarabiens 
Zweiter Anhang. Hinyarifche Inschrift von Obne 
Regiſter .. . . .. . ..... 


Seite 


186 


208 


237 


252 


273 
295 
325 
363 


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Einleitung. 


Wir Deutfchen haben an Entdedlungsreifenden Teinen Mangel. 
Keine Nation, die englische allein vielleicht ausgenommen, Tann ſich 
in diefer Beziehung mit uns vergleichen. Aber wir wiffen gar nicht, 
wie reich) wir find. Noch mandjer Name, der berühmt zu fein ver- 
dient, ichlummert im Berborgenen, den Fachmännern allein und jelbft 
diefen nım oberflächlich befannt. Der Grund Hiervon feheint mir nicht 
fhwer zu entdeden. ‘Die meiften deutfchen Forſcher, wie die dentfchen 
Gelehrten, verfchmähen die Reclame. Wenn diefe in Frankreich und 
England in jo üppiger Blüthe fteht und jedem Zweige der Publiciftik, 
jelbft der wiffenfchaftlichen dient, fo beſchränkt fich ihr Gebiet bei uns 
mehr auf die fogenannte ‚‚oberflächliche Literatur”, ein Umſtand, der 
ohne Zweifel feine gute Seite hat, denn das wahrhaft Gediegene 
wird fo gezwungen, fih im Kampfe zu bewähren und als folches zu 
offenbaren, indem es auch ohne Reclame zur Deffentlichkeit durchdringt. 
Aber es macht mitunter feinen Weg nur fehr Tangfanı. | 

Eine ſchlimme Folge der Beſcheidenheit unferer tüchtigen Männer 
ift ohne Zweifel die, daß die Buchhändler dadurch ftußig gemacht 
werden, daß fie an dem Erfolg eines Werkes zweifeln, von deffen 
Berfaffer fo wenig verlautet und daß deshalb die Werke diefer Männer 
fehr oft Leinen Verleger finden. So ging es auch dem treefflicken 
Manne, den wir den unbekannten Reifenden nennen fünnen. Diejer 
Mann, deſſen Namen wohl viele Lejer jet zum erſtenmal hören 

U. v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. ‚1 


2 Einleitung. 


werden, war Adolph von Wrede, ein geborner Weftphale, dem die 
geographifche Wiffenichaft die Ausfüllung einer jener Lücken verdankt, 
an denen diefelbe vor kurzem noch fo überreich war und deren viele 
auch jest noch auf ihre Ausfüllung und Befeitigung harren. 

Ueber Heimath, Leben und ſonſtige Privatverhältniffe unferes 
Reiſenden habe ich mir Mühe gegeben, etwas Beitimmtes zu erfunden, 
leider nur mit fehr geringem Erfolg, Der berühmte Miſſionar 
Dr. Krapf, der mit Wrede im Herbite 1843 in Aden zufanmen- 
traf, konnte mir über den Urfprung Wrede’s nichts Gewifjes Tagen. 
Bon ihm erfuhr ih nur, daß unfer Reifender in den dreißiger Jahren 
diefes Jahrhunderts in griechiſchen Dienften als Offizier geftanden, 
dann fi) in Kleinafien aufgehalten und fpäter nad) Aegypten begeben 
babe, von wo aus er im Frühjahr 1843 feine denfwürdige Entdedungs: 
reife unternahm. Erſt viel fpäter fcheint er nad Europa zurüd- 
gelehrt zu fein, um fein Manufeript zu veröffentlichen, was ihm je- 
doch nicht gelingen follte. 

Leider wurde dem muthigen Reifenden in feinem Vaterlande nicht 
mir feine Anerkennung zu Theil, fondern ihn traf aud) nod das 
graufame Schidfal, daß feine Berichte bei Vielen feinen Glauben 
fanden und daß man ihn für wenig befjer als für einen „Schwindler“ 
erflärte. Obgleich einige tüchtige Geographen, wie Carl Ritter, Sir 
Roderih Murdifon, Kiepert, Petermann die Wichtigkeit feiner Ent- 
deckungen zu würdigen wußten, jo blieb doch nicht nur das Publikum 
ihm gegenüber gleichgültig, fondern fogar bedeutende Männer, wie 
Alerander von Humboldt und Leopold von Buch, fprachen offen ihre 
Zweifel über die Glaubwürdigkeit feiner Reiſeſchilderungen aus. 
Leßterer in feiner derben Weife nannte den Reifenden geradezu einen 
Lügner und pflegte zu erzählen, wie Humboldt fich geärgert über die 
„Aufſchneidereien“, welche ſich Wrede beim Könige Friedrich Wilhelm IV. 
in Sansſouci, wo ihn Humboldt eingeführt hatte, über feine Aben- 
teuer erlaubt habe. Was namentlih das Mistrauen des großen 
Naturforfchers erwecdte, war die Schilderung, welche Wrede von einer 
merkwürdigen, allerdings fehr väthjelhaften Naturerſcheinung entwarf, 


d 


Einleitung. 3 


die er am Bahr eſſ Sfäfy in der Wäfte el Ahqaf beobachtet Hatte 
und über die der Leer, der fie im vorlekten Capitel diefes Buches 
findet, fich ſelbſt ein Urtheil bilden mag. Allerdings Klingt es fonder- 
bar, wenn man einem Naturforfcher ins Geficht hinein behauptet, daß 
eine Meßſchnur im Wüftenfande wie in einem Brunnen verfinfen 
könne, und diefe Erzählung Wrede’s, wenn ohne gehörige Erläuterung, 
d. h. außer Zufammenhang mit den fie begleitenden Nebenumftänden 
im gewöhnlichen Gefpräh gemadt, mochte wohl den Verdacht der 
„‚Auffchneidereien‘ auflommen lajjen. Aber wie die fragfiche Schil⸗ 
derung in Wrede’s handſchriftlichem Nachlaß Hingt, jehen wir fie faft 
gänzlich jenes wunderlichen, abenteuerlichen Gewandes entkleibet, welches 
Humboldt’ Mistrauen Hervorrief. Nicht im Sande fchlecdhtiweg ver- 
ſank die Meßſchnur, fondern in einer tiefen Höhlung, die dem Rei- 
fenden wie ein Brunnen erfchien, in deren Grunde wahrfcheinlich 
eine Betroleumgquelfe ſich befand, und deren Oberfläche nur eine Schicht 
jehr feinen Sandes oder Staubes, jehr verfchieden von dem gewöhn- 
lihen Wüftenfand, bedecdte. Die Naturforſcher mögen entjcheiden, in- 
wiefern eine ſolche Erſcheinung möglih iſt. Aber im fchlimmften 
Talle fünnen wir hier nur einen Irrthum des Reifenden vorausfeken, 
da er ja feine Meßſchnur nicht wieder aus der Höhlung heraufzuziehen 
vermochte und da das, was ihm wie ein Verſinken vorfam, möglicher- 
weife ja nur ein Stedenbleiben derfelben, durch merhanifche Hinder- 
niſſe, 3. DB. ein Vorrutichen des Sandes verurſacht, fein Tonnte. 

Dies ift Übrigens auch die einzige Epifode im ganzen Wrede'⸗ 
ihen Werke, welche jene Zweifel an feiner Glaubwürdigkeit erklären 
fann. Im Uebrigen macht feine Reifefchilderung durchaus den Ein- 
dvrud der Wahrhaftigkeit. Wie hätte auch ein Schmwindler ſolche 
Männer, wie Carl Ritter, und die andern bedeutenden Geographen 
täufchen Tünnen, wie hätte der langjährige Kenner Arabiens, der be- 
rühmte Arabift Tresnel, Wrede’s Reife als eine der widhtigften Ent- 
deckungen unferes Sahrhunderts preifen können? 

Aber wir haben auch nocd andere, geradezu direete Beweiſe für 
die Authenticttät der Wrede'ſchen Reife. Der erfte ift der, daß Arnaud, 

1* 





4 Einleitung. 


welcher gleichzeitig mit Wrede's Reiſe in Habhramant, feinen be- 
rühmten, unzweifelhaft authentifchen Ausflug nad Maͤrib unternahm, 
in letzterer Ortfhaft von Arabern, die aus dem benachbarten Ha⸗ 
dhramant kamen, hörte, daR ſich zur Zeit ein Europäer in viefer 
Provinz aufhalte, deſſen Berfonalbefchreibung durchaus auf Wrede 
paßte. (Die vollftändige Beichreibung jteht im Journal Asiatique, 
IV. Serie, V. Volume, Mars— Avril 1845, ©. 311 und 312.) 

Doch auch ohne Perfonalbeichreibung konnte bie Erzählung jener 
Araber nur Wrede und keinen Andern bezeichnen, denn nie ift außer 
rede ein Europäer in Hadhramaut geweſen. 

Einen andern Beweis fchöpfen wir aus dem Umftand, dag Wrede 
eine himyariſche Inſchrift von feiner Reife zurüdbrachte, auf welcher 
die Orientaliften deutlich den Namen mehrerer Orte und Landfchaften 
(Hadhramaut, Mayfaa und Obne) entzifferten, welche unjer Rei: 
fender befucht hat. Namentlich der Name des Fundortes der In—⸗ 
ſchrift „Obne“, fcheint unzweifelhaft feftgeftellt. Nun ließe fich zwar 
die Vermuthung aufftellen, Wrede könnte diefe Infchrift an der Küſte 
gefunden haben, aber zum Mindeften wäre dann der Umftand höchſt 
auffallend, wenn nicht räthjelhaft, daß diefelbe gerade den Namen 
„Obne“, wo der Reifende fie gefunden zu haben behauptet, deutlich 
wiedergiebt. Wäre fie aber an der Küfte vorhanden geweſen, fo 
mußten frühere Reifende, wie Eruttenden, Wellſted, welche die Injchriften 
gerade diefes Küftentheils copirten, doch auch etwas von ihrer Eriftenz 
gehört haben. Was fchlieglich eine andere für Wrede nod) nach⸗ 
theiligere Vermuthung betrifft, die nämlich, daß er jene Inſchrift 
fabricirt habe, ſo konnte eine ſolche nur von Menſchen aufgeſtellt 
werden, die keinen Begriff von der epigraphiſchen Forſchung himya⸗ 
riſcher Schriftdenkmäler beſaßen. Denn dieſe Forſchung war zu 
Wrede's Zeit noch ſo wenig vorgeſchritten, daß kaum der gelehrteſte 
Orientalift damals im Stande geweſen wäre, eine ſolche Inſchrift zu 
fabriciren, und Wrede kannte nicht einmal das himyhariſche Alphabet. 
Die Authentichtät der Infchrift iſt auch von den Gelehrten nie ernft- 
lich in Zweifel geftellt worden. Den Namen „Obne“ Tonnte aber 


Einleitung. 5 


Wrede nicht aus ihr ſelbſt geſchöpft haben, da, wie geſagt, er nicht 
im Stande war, ſie zu leſen. Wenn er uns nun eine himhariſche 
Inſchrift aus dem Innern Hadhramauts bringt und behauptet, er 
habe dieſelbe in einem Orte Namens „Obne“ gefunden, und die Drien- 
taliften auf derfelben fpäter den Namen „Obne“ wirklich deutlich 
leſen, jo gehört viel böfer Wille dazu an der Authenticität des Yund- 
orts zu zweifeln. Wenn aber Wrede den Namen „Obne“ nicht aus 
der Inſchrift Schöpfte, woher follte er ihn entnommen haben? Etwa 
aus frühern Neifewerfen? Kein einziges kennt diefen Namen. „Obne“ 
war vor Wrede in Europa ganz unbekannt. Es bleibt alfo nichts 
anzunehmen, als daß Wrede felbft in „Obne“ geweſen fein muß. 

Auch noch andere Umftände Iafjen die Vermuthung, daß Wrede 
feine ganze Reife nur erdichtet habe, im höchſten Grade unwahrjchein- 
ih, wenn nidht paradox erfcheinen. Wie ift es denkbar, daß ein 
Reifender ein ganzes Syſtem von Wädiy’s (Flußthälern), von Ge- 
birgen, Hocebenen, daß er über 100 Namen von Ortjchaften erfinden 
fonnte, und daß diefe Erfindungen vollfommen mit den Berichten der 
Einheimischen übereinftimmen, welche Fresnel ein Jahr fpäter fam- 
melte? Ferner war Wrede nicht gelehrter Etymologift, er verftand 
fih nur ſchlecht auf die Ableitung arabifher Namen, und dennoch 
paffen die Namen der von ihm genannten Ortſchaften in vielen Fällen 
genau auf den von ihm gejchilderten topographiichen Charakter jener 
Dertlichleiten! Wäre dies Alles erfunden, fo müßten wir dem Rei— 
fenden übernatirliche Divinationsgabe zufchreiben. 

Leider giebt e8 auch in der neuern touriftifchen Literatur ſo⸗ 
genannte fabricirte NReifebejchreibungen, d. h. völlig erdichtete Schil- 
derungen von Ländern, in die der Autor nie einen Fuß geſetzt Hat. 
Aber diefe Machwerke tragen einen ganz andern Stempel, als die 
Wrede’fche Reiſebeſchreibung. Handeln diefe Bücherfabrikanten von 
noch unentdeckten Ländern, fo beftreben fie fi vor allen ‘Dingen das 
geographifche Element in den Hintergrund zu drängen und umter einem 
Schwulſt von weitläufigen, oft romanhaften Detailerzählungen zu er- 
drüden. Sp erreichen fie den Zwed, ein dides Buch zu liefern, 


6 Einleitung. 


ohne fich allzu fehr zu compromittiren, d. h. ohne geographifche Data 
zu geben, deren Unechtheit eine vielleicht baldige Entdedung eines 
wirklichen Reifenden allzu Klar beweifen Tönnte. 

Merkwürdigerweiſe hat auch Wrede's KReifegebiet das Schidfal 
gehabt, zu einem der befchriebenen Machwerke den Vorwurf zu 
liefern. in franzöſiſcher Neifender, du Gouret, der fi) auch 
Haͤdſchy Abd el Hämid Bey nannte, wollte im Jahre 1844 (alfo 
ein Jahr nad Wrede) eine Reife durd) Hadhramant gemadjt haben, 
die er unter dem romanhaften Titel „Les Mysteres du desert‘ in 
Paris im Jahre 1859 veröffentlicht hat. Diefe „Geheimniſſe der 
Wüfte‘ find ganz nad) der oben erwähnten Schablone angelegt. Bon 
geographifchem Material wird nur das Allerdürftigfte, und aud dies 
nur aus falfchen, veralteten Quellen gefchöpft, geboten. In ganz 
Hadhramant Termt du Couret mur vier Drtfchaften und weift diefen 
genau diefelbe trrthümliche Lage an, unter welcher fie Berghaus auf 
feiner 1834 nad ältern Berichten, die jedod nur auf Hörenfagen 
beruhten, verfaßten Karte, verzeichnete, 3.3. giebt er Do’än (das 
er eine Stadt nennt) um Vieles nördlicher als Terym und Schibaͤm 
an, während es füdlich von befagten Orten Tiegt. Das zwifchen 
diefen vier Ortfchaften befindliche Land bezeichnet du Couret theils 
als eine Wüſte, theils als eine Steppe, nad) Art der amerikanischen, 
von frifehen hohen Sräfern bewachſen, theils als einen natürlichen 
Garten voll aromatifher Kräuter und wundervoll fchöner Blumen. 
Bon Gebirgsbezeichnungen, Flüffen, von dem fo wichtigen Syſtem 
der Waͤdiy's findet fich bei ihm Feine Spur. Aud die Bewohner 
find fehr wenig berückſichtigt. Außer den Einwohnern befagter Städte 
und den Mitgliedern feiner Karavane fennt der Tranzofe eigentlich 
nur noch Räuber, wie die wilden Stämme von Mahra, melde bie 
nad) Hadhramaut eingedrungen ſein und ihm dort aufgelauert haben 
ſollen, und die ſogenannten Khafir el Orianin (richtig geſchrieben Kaͤfir 
'el Oryaͤnyn), welche letztere er als eine Art von Wilden beſchreibt, 
die das ganze Flachland und die Wüſte bewohnen und unſicher machen. 
Was ſollen aber dieſe „Khafir el Orianin“ ſein und was bedeutet der 


Einleitung. 7 


Name? Letzterer ift Iediglih ein Schimpfwort und bedeutet bie 
„nackten Ungläubigen oder Keter”. Cs ift möglich, daR bu Eouret, 
der wirflid an der Küfte von Yemen gewefen zu fein ſcheint, mit 
jenem Schimpfwort die halbnadten Beduinen, welche eben feine 
ftrengen Moslims find, von den fanatifc orthoboren Städtern be- 
zeichnen hörte. Aber wie Tann man annehmen, daß ein Reifender in 
einem fo ſtammesſtolzen Lande wie Arabien, wo die Namensbezeich- 
nungen der Stämme ımd ihre Genealogieen eine viel wichtigere Rolle 
fpielen, als topographifche Linterfcheidungen, fir die zahlreichen 
Stämme, deren Gebiet er durchwandert haben muß, mie andere 
Namensbezeichnungen vernommen haben ſollte, als den bejhimpfenden 

Collectivausdrud „die nadten Ketzer“? Außerdem fpricht du Couret 
von einem Glanz und Yurus, der in befagten Städten herriche, von 
- einer gewiffen Civilifation und Toleranz, indem er fogar Juden, 
Banianen und Sabäer (?) im Innern des fanatifhen Habhramant 
wohnen läßt, überhaupt von Zuftänden, wie fie allenfalls in Küften- 
ftädten von NDemen vorkommen, wie fie aber im Innern Arabiens 
nicht exiftiren; einen Saß, für den wir noch andere Zeugen als Wrede 
haben, nämlich Eruttenden und Wellited, die auch ſchon von den bar- 
barifchen Zuftänden im Innern berichteten, und vor allen Dingen 
Fresnel, der in Dſchidda viel‘ mit Hadhramantern zufammenlebte und 
deffen aus ihrem Munde entnommene Berihte durchaus mit den- 
jenigen von Wrede übereinftimmen, diejenigen feines romanfchmiedenden 
Randsmannes dagegen Lügen trafen. 

Dies das dürftige geographifche und ethnologifche Skelett der 
„Geheimniſſe der Wüſte“. Deſto reichhaltiger erweifen fich diefelben 
jedoch an romanhaften Ausſchmückungen. In Märib, deſſen Befchrei- 
bung übrigens ein Plagiat Arnaud’s bildet, giebt uns du Couret, 
nachdem er den Palaft des Oberhauptes mit Arnaud's Worten ge- 
\childert, eine Reihe fabelhafter Scenen ımter dem Titel „Les &preuves‘ 
zum Beſten, welche als ein Zerrbild der ehemaligen freimaureriſchen 
Rovizenprüfungen erfcheinen. Es wird ihm befohlen, fi von einem 
fünfftödigen Thurme hinabzuftürzen, zu einem wüthenden Panther in 








0 0. - 


8 Einleitung. 


den Käfig zu fteigen, ein unterivdiiches Labyrinth zu durchwandeln, 
und nachdem er dies Alles gethan, aber beim HDinunterftürzen vom 
Thurme von fräftigen Armen aufgefangen, im Käfig des Panthers 
durch eine plößfich hinabſinkende Scheidewand errettet worden ift und 
im Düfter des Labyrinths ſich von einem mit Bligesfchnelle fich ent- 
faltenden Lichtmeer umgeben gejehen bat, trifft ihn nod die fchred- 
the Schlußpräfung, daß man feinem größten Feinde, einem mit ihm 
angefommenen Araber, der feinen Tod gefchworen Hatte, befieblt, ihn 
zu erfchießen. Letzterer drückt wirklich Los, aber — die Kugeln waren 
auf Befehl des Gebieters von Märib ohne Vorwiſſen des Mörders, 
der wirffih die Abficht zu tödten Hatte, aus der Büchſe entfernt 
worden, und fo endet die romanbafte Prüfung zum Ruhm und 
Heil des Schwererprobten! Iſt es. möglich, daß in unferm Jahr 
hunberte noch folhe Märchen aus „Tauſend und einer Nacht“ den 
Lefern als wirkliche Erlebniffe und Reifeabentener aufgetifcht werden 
fönnen? 

Einen fiegreichen Beweis gegen die Wahrhaftigkeit des Verfaſſers 
der „Geheimniſſe der Wüſte“ hat uns jedoch deffen eigene Unvor- 
fichtigkeit an die Hand gegeben. Wenn man eine Xeijebefchreibung 
erdichtet, fa muß man fie wenigftens ganz erdichten, und ſich wohl 
hüten, bie Ahenteuer Anderer, die bereits gedrudt find, als eigenes 
Erlebni wiederzugeben. Dieſe Vorficht hat du Couret gänzlich außer 
Acht gelaffen, indem er eine Scene mit Schlangengauflern aus dem 
befannten Werke des engliichen Confuls Drummond Hay „Marocco, 
its wild tribes and savage animals” nichf nur wiedergiebt, fondern 
faft wörtlich aus der franzöfifchen Weberfegung diefes Werkes ab- 
fhreibt und dem Leſer zumuthet, diefe in Marokko vorgefallene Scene, 
deren Details durchaus nicht nach Arabien paffen, für eine in letterm 
Lande von ihm perfünlich bezeugte hinzunehmen. Zu dieſem Zwed 
verfeßt er die "Ayffauya, die maroffanifche Secte der Schlangen- 
gaufler, mitten ins Herz von Arabien! Selbſt den fprachlichen 
Vehler Drummond Hay’s, welcher den Stifter der Secte Aiffer nennt, 
während er Mohammed ben Alfa (mit a, nicht mit ex) hieß, wieder: 


Einleitung. 9 


holt der unkritifche Verfaffer der Geheimmiffe der Wüfte. *) Wenn 
wir aber einen Reifefchriftfteller auf einem fo offenkundigen Piraten- 
thum ertappen, dann müſſen wir aud jeden Glauben an die Authen- 
tieität feiner übrigen vermeintlichen Exlebniffe von uns weifen. 

Der Lefer entfchuldige diefen Ercurs über das franzöfifche Reiſe— 
werk mit der Rückſicht auf unfern Landsmann, von Wrede, deifen 
Berichte eben durchaus falſch fein würden, wenn wir die des Fran- 
zofen fir wahr Halten könnten. Deshalb nur Habe ich fo lange bei 
leßtern verweilt, denn da Wrede's fo reichhaltiges geographifches 
Material mit dem dürftigen des Franzojen durchaus im Widerfpruche 
fteht, fo künnen unmöglich beide Berichte wahr fein. Ich denfe, der 
Lefer wird ſich ſchon längſt darüber entfchieden haben, wen von 
Beiden die Palme der Wahrhaftigkeit zufommt. 

Daß diefer Preis Wrede gebührt, darüber herrſcht heut zu Tage 
unter den Männern der Wiffenfchaft wohl kaum ein Zweifel mehr. 
Leider war dies jedoch zu Wrede's Lebzeiten (wie ſchon oben erwähnt) 
nicht der Fall, und diefer Umftand erklärt wohl, warum ber Reifende 
in feinem Waterlande keinen Verleger fand. Größere Anerkennung 
dagegen jchien ihm in England bevorzujtehen. Die dortige „Geo— 
graphifche Gefellfehaft‘ Hatte einen Auszug feiner Neifeberichte in ihre 
Zeitihrift aufgenommen. Weifefchriften fanden von jeher in England 
bereitwillige Verleger und Publifum. So faın er denn auf den Ge⸗ 
danken, es dort zu verjuchen, und e8 waren wirklich auch gegründete 
Ausfichten vorhanden, daß fein Manuſcript, ‚einmal ins Englifche 
überfegt, einen Verleger in England finden werde. Leider follte je- 
doc demfelben in England der größte Verluſt bevorftehen; ein Ver— 
luſt, den wir nahezu als unerſetzlich bezeichnen Tönnen. Wrede hatte 
feinem Manufcript eine mühſam entworfene, vollftändige Karte des 
von ihm entdedten Theils von Arabien, fowie eine Anzahl Dand- 


*) Die geftohlene Stelle findet fi in den „Mysteres du Desert par Hadj 
Abd ’el Hamid Bey” (Paris, Dentu, 1859, Bd. I, S. 177-181) und ift die 
beinahe wörtlide Wiederholung der franzöfifchen Ueberfeßung in Drummond 
Hay’8 „Marocco ete.“, &. 193—196 der franzöfifhen Ausgabe. 





10 Einleitung. 


zeichnungen nebft colorirten Coſtümbildern beigegeben 5, und dieſe Zu⸗ 
gaben befanden ſich in den Händen des Ueberſetzers, welcher jedoch, 
noch ehe er in ſeiner Arbeit einigermaßen vorgeſchritten war, ſtarb 
(durch Selbſtmord), und in deſſen Nachlaß ſich nichts vorfand als 
das einfache Manuſcript. Karte, Zeichnungen und Aquarelle waren 
und blieben fpurlos verſchwunden. Dadurch verſchwand auch die 
Ausſicht auf eine Herausgabe des Werkes in England. Entmuthigt 
ſcheint Wrede von nun an auf eine ſolche verzichtet zu haben. Er 
lebte zu jener Zeit wieder in Weſtphalen, wo er wegen Mittelloſig⸗ 
keit ſich genöthigt geſehen hatte, eine Privatanſtellung als Förſter auf 
den Gütern des gleichfalls als Schriftſteller bekannten Freiherrn von 
Harthaufen anzunehmen. Doch ſcheint es ihm in Deutſchland im 
Ganzen fchlecht gegangen zu fein, feine Reifelaufbahn fand Teine An 
erfennung, feine Privatverhältniffe follen dritdend gewejen fein. Dazu 
fam nun nod jene Entmuthigung des Mislingene der englifchen 
Herausgabe feines Werkes, und dies fcheint das Maß der Leiden für 
ihn vol gemacht und ihn zum Entſchluß gebracht zu haben, fein Vater- 
land (wahrfcheinlid) für immer) zu verlaffen. Bald darauf (id) glaube 
‚um 1856) foll er nach Texas ausgewandert und dort geftorben fein. 
Aber über feinen Tod fehlen mir alle zuverläffigen Angaben. Wollte 
Gott, daß er noch lebte und daß ihm diefes, fein nun endlich ge- 
dructes Werf, als ein Troſt am Abend feines vielgeprüften Lebens 
zu Händen kommen möge. 

Bon den ſchweren Verluſten, welche das Wrede’fche Reiſewerk 
in Zondon betroffen hatten, war glüdlicherweife wenigjtens einer nicht 
ganz unerjetlih. Ich meine denjenigen, welcher die Karte betraf. 
Wrede allein fommt das Verdienft zu, daß diefer Mangel ausgeglichen 
werden fonnte, natürlich nur beziehungsweife, denn feine eigene 
Karte würde ungleih Vollkommneres geboten haben, als diejenige, 


*) Auch Fresnel erwähnt diefe Zugaben zum Wrede’fchen Manufcript, das 
er Tannte, im Journal Asiatique, IV. Serie, VI. Volume, Novembre 1845, 
©. 394 und 395. 


Einleitung. 11 


welche e8 mir, nicht ohne Mühe, gelang aus feinen Reiſeberichten zu- 
fammenzuftellen. Natürlich mußte ich mir fagen, daß die Heraus- 
gabe des NReifewerfes für das größere Publikum faft werthlos fein 
würde ohne die Zugabe einer Karte, und ich forfchte deshalb im Ma- 
nufeript nad) Daten für diefelbe und fiehe da! ich fand die deutlichften, 
jo deutlich, wie ich fie nicht erwartet hatte und wie fie vielleicht noch 
fein Xeifender vor Wrede gegeben hat. Wrede hat überall die 
Diftanzen genau angegeben, den Winkel und die Himmelsrichtung 
feiner Route Bis auf die Minute verzeichnet; er hat genaue Beob- 
achtungen über die Schritte der Kameele, welche diefelben in einer 
Stunde zurüdlegen, angeftellt, und da er fand, daß 6000 Kameel- 
Schritte einer halben geographifchen Meile (ad 15 auf den Yreitegrad) 
entfprechen, jo hat er diefe Rechnung ale Bafis feiner Bezeichnung 
ber Wegftunden genommen. Eine aftronomifch beftimmte Baſis war 
ihm außerdem durch die befannten Gradbezeichnungen von Makalla 
und Borum, von wo aus er feine Reife unternahm, an die Hand 
gegeben. Ein Zafchendjronometer, eine Bouffole und ein Viſirkompaß 
waren die einfachen Hülfsmittel, mit denen er feine Route maß und 
feine Aufnahmen bewerkitelligte, und diefem "einfachen Apparat und den 
banad) gemachten Beobachtungen verdanfte ich den Umftand, nod) 
jest nad) fo vielen Iahren eine Karte von Wrede’s Itinerar entwerfen 
zu fönnen. | 

Jenes Land, welches das Reiſegebiet unferes Fühnen Entdeckers 
bildet und an das fich ein fo wichtiges Hiftorifches Intereſſe knüpft, 
die große Halbinfel Arabien, war fir uns vor wenigen Jahren noch 
ein mit fieben Siegeln verfchloffenes Bud und ift es zum großen Theil 
auch jetzt noch. Wie wir von einem folchen nichts jehen, als den 
Einband, fo Fannten wir auch von Arabien vor den Entdedungsreifen 
von Palgrave, dem Erforfcher des Wahabitenlandes, Arnaud, dem 
Entdeder von Märib, und Wrede nur die Küften und die diefen zu— 
nächftgelegenen Ländertheile; denn die frühern Reiſenden, wie Burd- 
hardt, Niebuhr, Seesen, Wellfted, wie groß auch immer ihre Ver- 
dienfte genannt werden müffen, waren dod) eigentlicd; niemals tief in 





— — — — 


12 Einleitung. 


das Innere eingedrungen. Jede der drei gebildeteſten Nationen Eu- 
ropa8 hat einen von den obengenannten drei Entdedungsreifenden 
geſtellt. Frankreich und England haben die ihrigen gebührend an- 
erkannt und deren Werfen den verdienten Ruhm gezollt. Nur Deutid- 
land hat den Namen des feinigen in Vergeffenheit ſchlummern laffen, 
und dennoch verdient gerade er befannt und berühmt zu werden, denn 
Wrede's Wagniß war ein größeres, ald das irgend eines Reifenden 
vor oder nad) ihm, und an feinen Namen knüpft fi) eine der intereſſan⸗ 
teften Entdedungen, die je auf dem Gebiete der Erdkunde gemacht 
worden find. 

Carl Ritter wußte etwas von diefer Entdedung, aber nur wenig, 
nur fo viel, als in der erwähnten englifchen Zeitfchrift in kurzem 
Abri darüber veröffentliht worden war, indeß felbit diefes Wenige 
begrüßte er als die wichtigſte Errungenfhaft und machte im zwölften 
Bande feiner Erdfunde den möglichiten Gebrauch von demfelben, denn 
für den von Wrede entdedten Theil Arabiens, d. h. für Hadhramaut, 
Beled Hadſchar, Beny "Ya und angrenzende Länder, war diefer 
feine einzige Duelle. Noch nie war vor Wrede ein Europäer in jene 
Gegenden gekommen, und nachmachen wird es ihm fo leicht auch feiner. 
Aber Ritter erkannte und bedauerte lebhaft das Ungenügende jener 
Mittheilungen, der einzigen übrigens, die bis jebt über Wrede’s 
Reife im Drude erſchienen find, und ſprach die Hoffnung aus, das 
vollftändige Reiſewerk des unternehmenden Weſtphalen bald erfcheinen 
zu jehen. Seitdem waren 24 Jahre verjtrichen und noch immer lag 
Wrede's Manufcript ungedruct da. 

Bor Ritter Hatte Schon ein Franzofe auf Wrede's Verdienite 
aufmerfjam gemacht, nämlich der berühmte Arabift Fulgence Fresnel, 
lange franzöfifcher Conſul in Dſchidda in Arabien, derjelbe welcher 
Arnaud beftinmte, feine denfwürdige Reife nach den Ruinen von 
Mariaba, der alten Hauptitadt der Könige von Sjäba, dem heutigen 
Märib, zu unterehmen und zwar in demfelben Jahre, in welchem 
Wrede feine Reife ausführte. Fresnel fhrieb im Jahre 1845 im 


“ Journal Asiatique: „Nie ift eine intereffantere Reife gemacht worden, 


Einleitung. 13 


als die des Herrn von Wrede, und diefelbe muß in der geographifchen 
Wifſenſchaft Epoche machen.‘ 

Durd einen Zufall gelangte vor kurzem Wrede's Manufcript 
in meine Hände. Anfangs war ich nicht geneigt, ihm große Be- 
deutimg zuzumeſſen, da ich mir nicht zu denken vermochte, daß man 
etwas wirklich Gediegenes ein Viertel Jahrhundert lang im Verbor- 
genen ſchlummern laſſen konnte. Aber je mehr ich mich in deffen 
Lectüre vertiefte, defto deutlicher erfannte ich den unzmweifelhaften 
Werth, die außerordentliche Wichtigkeit deſſen, was hier geboten wırrde. 
Wrede's Manufeript offenbarte mir gleichjfam eine neue Welt, eine 
Fülle von Thatfachen und Ericheinungen, die den Ethnographen 
Räthſel geblieben waren; es Tüftete den Schleier von einem Xheile 
jenes großen unbefannten Landes, Arabien, von einem Theile deſſelben, 
über den ich bis jett felbft in den arabifchen Autoren umſonſt nad) 
Aufklärung gefucht hatte, denn dieje geben uns über die an den indi- 
fchen Deean grenzenden Landfchaften und namentlich) über deren 
Inneres nur die allerdärftigften, kaum nennenswerthen Aufichlüffe. 
Wie es Wrede gelingen konnte, in diejes fo außerordentlich 
fchwer zugängliche Land einzubringen, und was dazu gehörte, um 
feinen kühnen Blan auszuführen, das vermag eigentlich nur der voll- 
fommen zu wilrdigen, der felbjt einntal Achnliches, wenn auch weniger 
Gefährliches, unternommen hat und der jo von den großen Gefahren 
des einen auf die noch größern des andern Wagniffes aus Erfahrung 
ſchließen kann. Nah Mekka zu dringen tft allerdings nicht leicht, 
aber unter dem bunten Völfergemifch, das fich alljährlid) dort zum 
Bilgerfeft verfammelt, wird e8 für den verfleideten Eindringling eher 
ausführbar, fich zu verfteden und feine “wahre Nationalität zu ver- 
bergen, als in einem Lande, wie Hadhramaut, wo Niemand, der 
nit aus diefer Provinz felbft ftammt, reift und wo der Fanatismus, 
der in ber Anmejenheit des Ehriften eine Entweihung und ein todes- 
würdiges Verbrechen erblidt, ebenfo mädtig, ja vielleicht noch 
mächtiger ift, als in Mekka. Im oceanifchen Arabien ift nicht nur 
der Europäer und Chrift, jondern felbft jeder nicht aus diefen Pro⸗ 


14 Einleitung. 


vinzen ftammende Moslim eine heterogene Erſcheinung umd zwar in 
einem folchen Grade, daß es fehr ſchwer, ja faft unmöglich wird, 
eine einladende Entjhuldigung, einen glaubwürdigen Vorwand für 
feine Anwelenheit dafelbit zu finden. ' 

Seit der Befigergreifung von Aden durch die Engländer ift eg 
in diefer Beziehung nur noch jchlimmer geworden. Die Engländer 
in Aden find in einer ganz ähnlichen Lage, wie vor dem letzten 
maroffanifchen Krieg die Spanier in Ceuta und Melilla. Aden ift 
für fie ein Gefängniß, aus dem ein Entlommen nur zur See mög: 
(dh. Zu Lande ift jeder Schritt über die Grenze der ſchmalen 
Halbinfel für den Europäer mit Zodesgefahr verbunden. Nichts, 
durchaus nichts ift von den Engländern im Laufe der dreißig Jahre, 
während welcher fie Aden befigen, für die Erforſchung des Landes 
geichehen, von dem ihre Befigung einen Theil bildet. Daſſelbe tft 
für fie fo vollitändig terra incognita geblieben, wie wenn es 
bei den Antipoden läge. Nur ein einziger Reiſender ift in diefem 
Zeitraume von Aden aus in das Innere eingedrungen, und diefer 
eine war fein Engländer, fondern unfer Landsmann, Adolph von 
Wrede. 

Eine Hinefifhe Mauer umzieht das Innere diefes Landes, Die 
dafür, daß fie Feine handgreifliche ift, nur defto umerbittlicher bewacht 
wird. Mauern laffen ſich niederreißen, Thore laffen ſich in ihnen 
anlegen, aber mit dem religiöfen Fanatismus, der Arabiens chinefifche 
Mauer bildet, giebt e8 Tein Abkommen. Die Völker Hadhramauts 
namentlich zeichnen ſich durch die Schroffheit ihres Fanatismus aus. 
Die in feinen Dörfern und Städten anfälfige Bevölkerung befennt 
fich zu der ftrengften Auffaffung des orthodoxen funnitifchen Glaubens- 
befenntniffes. Die Beduinen, d. 5. die Bewohner der Wüften und 
Steppen, welde bei weiten die Mehrzahl der Bevölkerung diejer 
Provinz bilden, find zwar auch hier wie überall, lax im Glauben, 
beten nie, nehmen nicht die Ablutionen vor, hegen aber doch eine 
abergläubifche Ehrfurcht vor den Moräbits (Santons), den Heiligen- 
gräbern und felbft vor den Schyäd (Pl. von Schaydh), den Schorfa 


Einleitung. 15 


und Sfayyds, d. h. der fanatifch-religiöfen Geijtlichleit und der 
theofratifchen Adelsfafte der anfäffigen Bevölkerung. 

Die geiftlichen oder theokratifchen Oberhäupter der Städte und 
Dörfer können denn auch überall ihren fchroffen Fanatismus zur 
Geltung bringen, die Beduinen fanatifiren und durch überfpannte 
religiöfe Reden zu den unvernünftigften und graufamften Handlungen 
binreißen, wie fie in Europa nur in den früheften Zeiten des Mlittel- 
alters möglih waren. Die inerte Maffe der’ Landbevölferung, die 
an und für fi gar fein Intereffe an der Religion nimmt, wird in 
den Händen der Glaubenswächter, die fie zu fanatifiren verftehen, 
das verderblichfte Werkzeug, welches ſich zu Allem gebrauchen läßt, 
wozu e8 jene verwenden wollen. Haß gegen Andersgläubige gilt aber 
jenen Glaubenswächtern als Geſetz und diefen den Beduinen ein- 
zuflößen, gelingt ihnen ſehr leicht, befonders da deren natürliche Graufam- 
feit jowohl, als deren räuberifche Inftincte ihre Rechnung dabei finden, 
diejen. durch die Religion geheiligten Haß zu bethätigen, den Fremden, 
der. ind Yand eindrang, zu tödten und fich feiner Habe zu bemächtigen. 
Nie ift deshalb ein offen als Chriſt auftretender Europäer in dieſes 
Land eingedrungen, und nie werden die fanatifchen Glaubenswächter 
dergleichen geftatten. 

Hadhramaut gilt für ebenjo unnahbar ala Mekka, ja’ es ift in 
That für den Europäer noch viel unnahbarer, denn unter dem bunten 
Völkergemiſch des Islam, welches ſich jährlih nad) Mekka zumendet, 
fann, wie erwähnt, eher ein Europäer ſich verfteden. Mehrere haben 
es gethan, und ich ſelbſt fand Feine "allzu großen Schwierigkeiten, 
dies auszuführen. Im Hadhramaut dagegen iſt die Ankunft eines 
Fremden ein faſt beiſpielloſes Ereigniß, deſſen Nachricht ſich von einem 
Ende des Landes zum andern wie ein Lauffeuer ſchnell verbreitet, 
alle Köpfe beſchäftigt und oft auf die abenteuerlichſte, ja verrückteſte 
Art gedeutet wird. 

Sit nun diefer Fremde gar ein Ehrift, oder wird er beargwohnt, 
ein folcher zu fein, fo find die Gefahren, denen er ſich ausſetzt, un⸗ 
ſäglich. Die fanatifchen Glaubenswächter, welche ihr Land ſpeciell 


16 Einleitung. 


Beled ed Dyn (Land des Glaubens) oder Beled el "Im (Land der 
Gottesgelehrtheit) nennen, erbliden in der Gegenwart des Anders- 
gläubigen die größte Profanation für ihren gebeiligten Boden. Nicht 
nur das; fie bilden fi) ein, daß er ihren Schulen, Mofcheen, ihren 
Gottesgelehrten irgend ein religidfes Geheimniß ablaufchen und diefes 
dann zum Unheil ihrer leiblichen und geiftigen Wohlfahrt durch irgend 
welche fatanifche Zauberfünfte, in denen fie alle Chriften fiir wohl- 
erfahren halten, ausbeuten könne. Die weltlichen Häupter des Volkes 
erbliden mit echt arabifeher Schwarzfeherei in jedem ſolchen Fremden 
einen Spion irgend einer europäifhen Macht, namentlich Englands, 
deffen Eroberung des nahen Aden fie immer noch nicht verwinden 
fönnen. Selbft die rohen, unwiſſenden Beduinen, die jonft noch die 
am wenigiten fanatijhen Bewohner Hadhramauts find, werden nicht 
jelten mistrauifch, namentlih dann, wenn fie einen Fremden Dinge 
vornehmen fehen, deren wahren Zweck fie nicht begreifen. ALS der 
bei der eriglifhen Küftenaufnahme Südarabiens betheiligte Engländer 
Wellfted im Jahre 1833 an der Grenze von Hadhramaut einen kurzen 
Ausflug Iandeinwärts unternahm, und die berühmte himyariſche In- 
Ihrift von Nagb el Hadſchar copirte, zerbrachen ſich die Beduinen 
die- Köpfe über den Zweck diefes feltfamen Gebahrens. Als aber 
bald darauf die Engländer "Aden eroberten, da ward den Beduinen 
auf einmal diefer Zwed Har. Wellſted Hatte in der himyarifchen 
Inschrift das Geheinmiß entdeckt, wie das nad) arabifchen Begriffen 
uneinnehmbare Aden zu erobern feil Wrede Hat zehn Jahre Tpäter 
diefe Anficht noch überall von den Beduinen des Küftenlandes ver⸗ 
nommen. 

Nach dem Geſagten wird nun der Leſer beurtheilen können, wie 
unermeßlic groß Wrede's Wagniß war, in ein ſolches Land ein⸗ 
zubringen. Daß er feine Eigenfchaft als Chrift und Europäer (nach 
arabiihen Begriffen gleichbedeutend) aufs Strengfte verheimlichen 
mußte, verfteht fich von felbft. Ebenfo, daß er der arabifchen Sprache 
vollfommen mächtig fein mußte. Den ägyptifchen Dialect Tante er 
wie feine Mutterfpradhe, und er befchloß deshalb, ſich für einen 


Einleitung. 17 


Aegypter auszugeben. Seine äußere Erjcheinung fcheint ihn bei diefer 
angenommenen Rolle auch im Ganzen unterftüßt zu haben. Er muß 
dunkle Augen und dunkle Haare gehabt haben, denn er fagt ausdrüd- 
lich, daß ein blonder und blanäugiger Mann eine ſolche Reife, wie 
die feine, nie wagen dürfe. Nur die Weiße feiner Haut erregte bei 
den Arabern oft Aufjehen. Seine europätfchen Gefichtszüge mußten 
wohl immerhin auffallen, bei den Gebildeten und Gereiften freilich 
weniger, da diejelben wiffen, daß nicht nur die Züge der Türken, 
fondern aud) diejenigen mander Moslims Shriens und Aegyptens, 
die oft aus fehr kühn gemifchter Race ftammen, den europäifchen 
ähneln. Da aber folche nordiſche Moslims fi nur fehr felten nad) 
Hadhramaut verlieren, ſo war es natürlich, daß das rohe, unwiſſende 
Volk dennoch in Wrede manchmal den Europäer witterte, bis zuletzt 
bei einer verhängnißvollen Gelegenheit dieſer Argwohn zum offenen 
Ausbruch kam, und ſeine Folgen der Reiſe des kühnen Mannes ein 
verfrühtes Ziel ſetzten. 

Aber ſelbſt ſeine angenommene Rolle als Aegypter ſicherte ihn 
nicht vor dem Argwohne der Südaraber. Er wurde oft für einen 
politiſchen Spion des damaligen Vicekönigs Mohammed Alyy ge- 
halten. Zudem war ein Aegypter als Reiſender in jenem Rande eine 
derartige Seltenheit, daß man gar nicht begriff, in welcher Abficht 
er dorthin gefommen fei. Im Hadhramaut reift eben Niemand, außer 
Hadhramauter. Der geringe Handel, welcher zwifchen der Küfte und 
den feiten Wohnfigen des Innern befteht, ift ausfchlieglich in Händen 
von Einheimischen, die man nicht einmal Kaufleute nennen Tann, die 
vielmehr den Handel nur gelegentlich betreiben, wenn irgend eine 
andere Beranlaffung fie zum Reifen treibt. Die beliebteften folcher 
Veranlaffungen find die Beſuche der verfchiedenen Heiligengräber, an 
denen das Land Ueberfluß befitt. Da dies nun derjenige Reifezwed 
ift, den der abergläubige Araber am leichteften begreift und gegen 
welchen er am wenigjten Einwendungen machen Tann, fo wählte fich 
ihn auch Wrede zum Vorwand. 

Unter allen Heiligengräbern von Hadhramaut erfreut fich das- 

A. v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 2 


18 Einleitung. 


jenige des Propheten Hud (nach Einigen der Eber der Bibel) der 
größten Verehrung. Zu diefen beſchloß Wrede zu wallfahrten, gab 
vor, auf Anrufung diefes Heiligen in Aegypten, feinem angeblichen 
Baterlande, von einer tödtlichen Krankheit geheilt worden zu fein und 
nun zum Danfe und zur Erfüllung feines Gelübdes nad) deſſen Grabe 
zu pilgern. Demgemäß nannte er fi) auch "Abd el Hud, d. h. Diener 
des Propheten Hud, ein Name, der in andern moslimiſchen Ländern 
faum vorkommt, der aber in Hadhramaut, dem Lande des Hud, er- 
Härlih, ja populär fein mag. 

Das Grab des Propheten Hud Tiegt etliche zehn ZTagereifen von 
der Küfte entfernt. Die nächſten Hafenorte find Makalla und Schihr. 
Wrede beichloß von erfterm aus die Reiſe zu ımternehmen, weil er 
ſich die Erforſchung der hadhramautiſchen Gebirgsterraffen zur Auf: 
gabe geftellt hatte. Da die Sfyara (Wallfahrt) immer nur in einer 
beftinunten Epoche des Jahres ftattfindet, und Wrede nach vollbrachtem 
Gelübde Teinen Vorwand mehr zur Anweſenheit im Lande gehabt 
hätte, jo mußte er e8 fo einrichten, daß er einige Monate vor der 
Pilgerzeit von der Küfte aufbrach. Er konnte leicht vorgeben, als 
Tremder die Epoche der Sfyara nicht genau gewußt zu haben, und 
die fo gewonnene Friſt zur Erforfchung des Landes benugen. 

Um den Leer in den Stand zu ſetzen, die Wichtigkeit der 
Wrede'ſchen Entdedungen in ihrer vollen Tragweite zu würdigen, 
fcheint e8 mir wilnfchenswerth, hier einen kurzen Weberblid über den 
Stand der geographifchen Wiſſenſchaft in Bezug auf den ſüdlichſten, 
an den indifchen Dcean grenzenden Theil von Arabien zu geben. Sein 
Theil der Erdkunde ift vielleicht fo ſehr vernachläffigt worden, ale 
gerade diefer, und für feinen fließen unfere Quellen fpärliher. Bon 
diefem Theile von Arabien, der fi von der Meerenge Bäb el Mandeb 
bis zum Raͤſſ el Hadd, d. h. vom 12. bis zum 22. Grade nördlicher 
Breite und vom 61. bis zum 77. Grade öftliher Länge von Ferro 
binzieht, Tannten wir vor Wrede wenig mehr als die Küfte; felbft 
von diefer war und ift auch bis heute nur ein Theil genauer erforfcht, 
nämlich derjenige, welcher zwifchen Aden und Mifenät bei Schihr 


liegt und zwar durch die englifche Käftenaufnahme von Haynes, 
Eruttenden und Wellfted im Jahre 1833. Weber das Innere diefer 
Länder Hatten die englifchen Reifenden nur fehr wenig Aufklärung 
geben fünnen und dies Wenige beruhte theils auf faljchen oder falſch 
verftandenen Mittheilungen, geeignet eher die Confufion zu vermehren 
als zu zerftreuen. Um mur ein DBeifpiel, aber ein recht fchlagendes 
anzuführen, genügt Folgendes. Wellfted und Haynes fprechen von 
einem Wahidi- Stamm, deffen Sultan in Abban (Habbän) veftdire 
und der 2000 Musfeten ftellen könne. Ein folder Stamm eriftirt 
nad) Wrede nit. Wohl aber giebt es eine Dynaftte "Abd el Wähib, 
von deren Dberhaupt die Engländer hörten und aus beren Namen 
fie jchloffen, der ganze Stamm müſſe Wahtdi heißen. Die Sultane 
find aber in Wirklichkeit von ganz anderm Stamme, als die Be- 
wohner des Landes, die Beduinen, auf welche ſich ihre Herrichaft 
nicht erftredt. 

Dom Inmern diefes ganzen großen Küftenlandes waren uns vor 
. Wrede eigentlich nur die beiden Grenzländer, Yemen tm Südweſt und 
Dmän im Nordoft, einigermaßen bekannt, und zwar erfteres haupt- 
ſächlich durch Niebuhr und unfern unternehmenden, zu früh ver- 
ftorbenen Landsmann Seeten, letzteres burch Welljted, dem wir heute 
noch Balgrave anteihen Tönnen. Aber der an den indifchen Dcean 
grenzende Theil diefer beiden mehr oder weniger erforfchten Länder 
war ein fo verjchwindend kleiner, daß die Maſſe des dazwifchen- 
liegenden Unbelannten nicht wefentlich vermindert wurde. 

Auch ift gerade derjenige Theil von Yemen, welcher an den indi- 
schen Ocean grenzt, weniger erforscht, als irgend ein anderer diejer 
arabifchen Provinz, und außer Aden, welches mit ihm zwar in geo- 
graphifchen, fonft aber auch in gar feinem Zufammenhang fteht, 
kennen wir faft nichts von diefer fübweftlichften Ede der großen ara- 
bischen Halbinfel, d. h. vom Lande füdlid von Mochaͤ und nördlich 
von Aden. Ehe die Engländer leßtere Stadt erobert hatten, war 
freilich einer ihrer Landsleute, Wellfted, bis nad) Laͤhidſch im Norden 


Adens vorgebrungen, und das, neben. ben fpärlichen, noch ältern Be⸗ 
2 w 


20 Einleitung. 


richten Seetzen's, ift Alles, worauf ſich unfere Kenntniß diefes Theils 

von Demen ftügt. Seit aber die Britten fih in Aden feftgejegt 
haben, find fie felbft von dem nahen Laͤhidſch wie durch eine un- 
überfteigliche Mauer getrennt. 

An diefen Theil von Yemen grenzt im Dften die Landichaft 
Yafi’a, eine mit Ausnahme der Küfte nie von einem Europäer be- 
tretene Region, über deren richtigen Namen man fogar lange im Un- 
gewiffen war, bis ihn Wrede's Forſchungen feitjtellten. Die Küfte 
jelbft gehört ftrenggenommen nicht zu Yaftta, fondern wird durch 
einen mächtigen Gebirgsgürtel von diefer Provinz getrennt. An der 
Küfte Liegt mit der Hauptftadt Gughra *) das Kleine Sultanat der 
früher in Aden herrfchenden Dynaftie Fadhl Alyy, auch zuweilen 
in der Relativform Fadhly genannt, von welchem Namen einige Rei- 
fende Anlaß nahmen, das ganze Boll „Fadhly“ zu nennen; ein 
Irrthum, der auch in Ritter's Erdkunde übergegangen ift und den 
erft Wrede aufbellte. Weberhaupt findet fich Fein Diftriet von Arabien 
in Ritter's Werke fo ſehr vernachläffigt, wie Yaͤfiſa. Nicht einmar 
Niebuhr’s Angaben, die allerdings jpärlich genug find, hat er benukt. 
Niebuhr rechnet freilich diefen Diſtrict zur Landſchaft Dfchauf, die er 
„Dſchof“ fchreibt, welche, wenn überhaupt der Name richtig ift, 
mehr nördlich gefucht werden muß. Er nennt die Heine Landfchaft 
Haͤrib, eine Tagereife von Märib (dem dftlichften Grenzpunkte Yemens, 
der alten Mariaba, dur Arnaud wieder entdedt), ferner Bahaͤm, 
Nöſab, Marcha und Obara, „wovon“, ſagt er, „aber nichts weiter 
bekannt, als daß in denſelben große Wüſteneien ſind und daß die 
Gegenden von herumſtreifenden Arabern bewohnt werden“. Danach 
ſcheint Niebuhr dieſe Namen für diejenigen von Landſchaften gehalten 
zu haben. Dies mag theilweiſe auch der Fall ſein. Daß es aber 
auch Städte dieſer Namen giebt, hat Wrede erkundet, der zwar Yafiia 
nicht jelbjt betrat, aber am Wädiy Mayfa'a, an feiner Weftgrenze, 


*) Diefer Sultan lebte nach der Eroberung “Adens Anfangs in Laͤhidſch, 
zog fi) aber ſpäter nach Gughra zurück, wo ihn Wrede beſuchte. 


Einleitung. 21 


einige werthvolle Erkundigungen darüber einzog. Der Ort Haͤrib 
exiſtirt, aber nicht eine, ſondern drei Tagereiſen von Maͤrib und zwar 
in ſüdöſtlicher Richtung. Das Baham des Niebuhr iſt vielleicht das 
Yıhybum Wrede’s, eine Tagereife öftlich von Haͤrib. Nickb (das 
Niebuhr Nöfab jchreibt) Liegt nad) Wrede eine Tagereife nördlich von 
Vſchybum und zwar auch im Waͤdiy Yſchybum, iſt alſo nur ein 
Orts- und Fein Diſtrietsname. Von hier noch eine Tagereiſe nörd⸗ 
lich nach Mardſcha (bei Niebuhr Marcha), welches aber ſchon in 
Beled el Dſchauf und nicht mehr in Naäfi'a liegt, und zwar gleich⸗ 
falls im Waͤdih Yſchybum, der fi alfo von Süden nach Norden 
Hinzieht. Eine Tagereiſe füdlih von Härib liegt Obaͤra, das auch 
Niebuhr kannte. Soweit Iekterer. 

Außer den genannten Orten erfuhr Wrede noch die Eriftenz 
folgender: Zfähir zwei Tagereifen von Obaͤra, Bahdhaͤ zwei Tage- 
reifen von Zfähir; Tetteres drei Tagereiſen von Nagb el Hadſchar 
entfernt, welches bereits den erforſchten Gegenden angehört und nicht 
mehr in Paͤfiſa liegt. Die Straße von Nagb el Hadſchar nach 
Baydha und Tſaͤhir zieht fich in weftlicher Richtung, eine andere von 
demfelben Punkte ausgehend, führt über "Yyän und Habban im Beled 
el Hadſchar in nördlicher Richtung nad Vſchybum. 

Nah den Erfundigungen, welche Wrede im Waͤdiy Mayfa'a über 
HYaͤfifa einzog, fcheint diefe Provinz auf einer weniger tiefen Stufe 
der Eultur zu ftehen, als Hadhramant, Beled Hadſchar und Beny 
fa, die Länder, welche unfer Reiſender felbft befuchte. Die Be⸗ 
duinen, jene größten Yeinde aller Cultur (nad) unfern politifch focialen 
Grundfägen), herrſchen dort nicht fo abfolut, wie in den genannten 
drei Landſchaften. Die Sultane der Städte find nicht, wie in jenen 
drei Diftrieten, zu ohnmächtigen Schattenfürften Hinabgedrüdt, die 
ohne Erlaubniß ihrer Schusherren, der Beduinen, feinen Schritt 
thun können und deren Herrichaft fi) auf ihre Stadtmanern befchränft, 
fondern genießen den rohen Herren der Wüfte gegenüber eine gewiffe 
Selbitftändigfeit, ja dehnen nicht felten ihre Oberhoheit über einzelne 
Stämme jener Halbwilden aus. Einzelne follen fogar ftehende Heere 


22 Einleitung. 


zu ihrer Verfügung haben, ja von einem erfuhr Wrede, daß er eine 
berittene Truppe mit 5000 Pferden befite, ein ſonſt unerhörtes Ding 
in dem pferbearmen oceanifchen Südarabien. Die höchſt anfehnliche 
Bevölkerungszahl der Städte in Yäfla (Wrede hörte von mehrern, 
die 40,000—50,000 Einwohner haben follen) deutet gleichfalls auf 
eine freiere Entwidelung des bürgerlichen Xebens, ſomit auf eine höhere 
culturhiftorifche Stufe. Auch der Umftand, daß in gllen jenen Städten 
Yuden leben und, wenn auch fchwer bedrückt, fo doch geduldet werden, 
deutet auf ein einfichtigeres nationalöfonormifches Verftändniß, während 
in der von Wrede bereiten Ländergruppe, in dem fogenannten Beled 
ed Dyn (Land des Glaubens), die Fanatiker ihren Stolz darein fegen, 
daß niemals -ein Nichtmoslim dafelbft geduldet worden ift. Eine Aus- 
nahme von dem ranbritterlihen Fauſtrechtzuſtand in den erwähnten 
drei Diftrieten bildet nur da8 Sultanat Habbaͤn im Wädiy Dſchandaͤn, 
dem obern Wädiy Mayfa’a, in dem wir ähnliche Zuftände wie in 
Yafı'a finden und das in der That auch an Naͤfiſa grenzt. 

Der Wädiy Mayfa’a, in feinem obern Theile Waͤdiy Dichandän 
genannt, bildet die öftliche Grenze von Yafla und die mweftliche vom 
Beled ed Hadſchar, am welches letztere im Oſten das Beled beny 
ii ſtößt, das wieder vom Beled Hamum öſtlich begrenzt wird. 
Alle drei Diftricte ziehen fich von der Küfte etwa ſechs bis acht Tage- 
reifen ins Innere und ftoßen im Norden an das eigentliche Hadhra= 
maut, welches alfo ganz eine Brovinz des Binnenlandes it. Auf 
unfern frühern Karten begreift man zwar die Gefammtgruppe aller 
diefer vier NXänder unter dem Collectivnamen Hadhramaut, aber bei 
den heutigen Arabern iſt dieſe Bedeutung eines Hadhramaut im 
weitern Sinne ganz unbekannt. Hadhramaut iſt nur die nördlich von 
den großen Gebirgsterraſſen und ſüdlich von der Wüſte el Ahqäf 
gelegene Landſchaft, als deren Hauptthäler uns der Waͤdiy Amd 
(jedoch nur fein öſtlicher Theil), die Waͤdiy Rachiye und Qaçr genannt 
ſind. In letzterm, der ſo recht eigentlich das Hauptthal von Hadhra⸗ 
maut bildet, waren uns vor Wrede nur folgende Punkte aus glaubwürdigen 
Quellen bekannt: Dabr Hud, das Grab des Propheten Hub, ferner die 


Einleitung. 23 


Städte Terym und Schibaͤm, beide von Edryſſy genannt, ſowie der 
geheimnißvolle Brunnen Burhut, deffen wunderbare Cigenfchaften 
ung der Dämuff ſchildert. Es ift wahr, ſchon vor unferm Reifenden 
hatten Niebuhr (1763) und. Wellfted (1833) Liften von Namen 
hadhramautiſcher Ortfchaften gegeben, aber in fo verftänmelter Form, 
daß uns erſt durch Wrede's Forſchungen ermöglicht wurde, zu unter- 
Iheiden, was für Namen dieje barbarifhen Wörter bedeuten follten. 
Den Waͤdiy Dagr, das Hauptthal von Hadhramaut, hat num 
zwar Wrede nicht felbft betreten, aber feine über denſelben eingezogenen 
Erfundigungen, die man in diefem Buche finden wird, geben uns 
eine Menge von Städten und Dörfern mit deren ungefährer Lage, 
von welchen die Erdkunde vor ihm faum eine Ahnung befaß, denn 
jelbft die arabifchen Duellen laſſen uns in Bezug auf die Kenntniß 
vom eigentlichen engern Hadhramaut faft ganz im Stiche. Ja biefe 
arabiihen Quellen fallen in denfelben Fehler, wie unfere europäifchen 
Geographen, indem fie Orte als in Hadhramaut gelegen angeben, 
die den drei erwähnten oceanifchen Dijtrieten, den Vorländern von 
Hadhramant, angehören. Sogar der Qämuſſ begeht dieje Tehler; 
unjer Irrthum in Bezug auf ein Hadhramaut im weitern Sinne 
icheint fomit aus mittelalterlichen arabifchen Quellen zu ftammen. 
Das Beled el Hadſchar wird von zwei Hauptthälern im Weften 
und Often eingefchloffen, welche beide ſeltſamerweiſe denfelben Namen 
führen, nämlich Wädiy Mayfa’a, ein Umftand, den wir aus dem 
Dämuff, welcher von zwei Wädiy Mayfa’a, zwei Zagereifen von⸗ 
einander entfernt, fpricht, zwar ſchon fannten, der aber erft durch 
Wrede uns erflärt wurde, da wir bisher die Lage der im Dämuff 
genannten Thäler nicht wußten. Das weſtliche Thal wird fogar von 
einem niemals verfiegenden Fluß, an feiner Mündung (beim Räff el 
Kelb) auch Wädiy Mayfa'a genannt, durchfloffen, der in feinem obern 
Laufe die Namen Waͤdiy Dſchiswel und Wädiy el Hadſchar führt. 
In ihm glaubt Wrede den Prion des Ptolemäos ımd im öſtlichen 
Wädiy Mayfa’a in einem Dorfe, das denfelben Namen wie das Thal 
führt, die Stelle der Miefat Metropolis des Plinius erkennen zu Tönnen. 


24 Einleitung. 


Es fcheint mix indeffen bei der noch jo großen Unvollkommen⸗ 
heit unferer Kenntni des oceanifchen Arabiens gewagt, uns auf ins 
Einzelne gehende Speculationen über die Lage der von ben alten 
Autoren genannten Orte einzulaffen, da fpätere Entdedungen diefelben 
doch ohne Zweifel umftoßen dürften, ähnlich wie jetzt bereits d'Anville's 
und Mannert's Bermuthungen zum großen Theil in ihrer Nichtigkeit 
erfannt find. Was die Städte betrifft, jo kennen wir mit Beftinmt- 
heit nur die Lage einiger wenigen, wie die der wichtigſten Handels⸗ 
ftadt, Cane emporium, welche mit Hign Ghoraͤb identificirt wurde, 
diejenige von Saubatha oder Sabota, das wir mit Recht in Schibam 
wiedererfennen Können, da e8 nad) Ihn Hahik noch nad) Mohammed’s 
Zeit den Namen Sabut führte. *) Save dürfte ferner das von Wrede 
wiederentdectte Cahwa im Wädiy Rachihe fein. Ganz deutlich find 
endlich die Namen Makalla und Zjofär. **) 

Nicht mehr wiffen wir über die Wohnorte der meiften von den 
alten Autoren im oceanifchen Südarabien genannten Böller. Nur 
folhe allgemeine Benennungen wie Chathramotiter (Bewohner von 
Hadhramaut), Sabaei (d. h. Sabäer, Bewohner von Nord- Yemen), 
Homeritae (d. h. Himpariten, Bewohner von Süd-Yemen), Gerraei 
(Bewohner der Landſchaft Dära, vulgo Gara ausgefprodhen) find 
erfennbar. Was jedoch die Toani des Plinius und die Minaei des 
Strabon und des Ptolemäos betrifft, jo kann ich es troß der Be- 
hauptung Fresnel's noch nicht für ausgemacht halten, daß wir in 
erftern eine Unterabtheilung (die Doreni des Ptolemäos) der legtern, 
der Minaei, und in diefen Minaei jelbft die Bewohner des heutigen 
Wädiy Minua, den Wrebe entdeckte, mit Sicherheit erfennen dürfen. 


*) S. Sprenger, „Das Leben und bie Xehre des Mohammad“, Berlin 1865, 
II. Bd., ©. 444, Note. ” 


) Die Identification ber Orte in Yemen und 'Omän gehört nicht hierher. 
Auch die von Ehoraybe im Wädiy Doän, welches Fresnel früher flr das Ca⸗ 
ripeta des Plinius hielt, muß bier unberüdfichtigt bleiben, da Fresnel felbft 
fpäter Caripeta in Eharibe in Yemen wiebererfannt hat (Journal Asiatique, 
Sept.-Oct.1845, ©. 222), Zjofär (nicht Zjafär) nad) Sprenger (a. a. O. III, 438). 


Einleitung. 25 


Die Toani oder Doreni (bei Stephanus Byzantinus Doveni genannt) 
follen die Bewohner des Waͤdiy Do’än fein. In dein als der Haupt- 
ftadt diefer Gegend erwähnten Karana des Strabon will Fresnel das 
heutige Darrayn, das er Karn nennt, erfennen. Wie unmahrfchein- 
fich ift e8, daß die Minaei, welche ung als „‚gens magna“ bezeichnet 
werben, in einem fo unbedeutenden Thale, wie dem Wädiy Mina, 
den Gipfelpunft ihrer Macht fanden? Möglich freilich, wenn auch 
noch feineswegs conftatirt, daß die Toani, Doveni oder Doreni, die 
ja (wenn anders diefe Namen zuſammenpaſſen) als eine anfcheinend 
nur Feine Unterabtheilung der Minaei bezeichnet werden, in dem 
ebenfalls fehr einen Wädiy Do’än ihren Wohnfig hatten. Die 
Unterfuhungen über diefe Fragen find indeß Teineswegs abgefchloffen, 
aber räthlich feheint es mir, das fehlüpfrige Terrain der Sperulationen 
fo lange zu vermeiden, bis nicht neue beftimmte Data es wieder zu 
betreten einladen. *) Diefe meine Zweifel jollen feineswegs eine 
Schmälerung der Verdienfte Fresnel's beabfichtigen. Aber wo nod) 
des Ungemiffen fo viel ift, halte ich es für ficherer, nicht die Ver- 
gangenbeit mit in unfere "Speculationen zu ziehen. Kennen wir doch 
die Gegenwart faum! 
Das Beled Beny Ya, ſüdlich von Hadhramaut, öſtlich von 
Beled el Hadſchar, und weftlid von Beled Hamum gelegen, welches 
wir gleichfalls erſt durch Wrede kennen lernten, wird durch die große 
hadhramautiſche (fo genannt im europäiſchen Sinne) Küſtenterraſſe in 
zwei ungleiche Hälften getheilt. Die dem Ocean zugewendete hat nur 
einen einzigen größern Wädih, der Wädiy Dirbe, in feinem obern 
- Theile Wädiy Naube, in feinem untern Wädiy Fuwa genannt, der 
in die Tihäma von Fuwa in der Nähe von Borum mündet und viele 
Heinere, als Hotſiye, Mahniye u. |. w., welche in der Gegend von 
Makalla das Meer erreichen. Ihre einzigen Küftenftädte find Borum 
und Mafalle. Jenſeits der Waſſerſcheide, deren höchſte Berge, die 


*) Man fehe Fresnel's Speculationen im Journal Asiatique, IV. Serie, 
VI. Volume, ©. 368—398. 


26 Einleitung. 


Dſchebel Tjahura und Kaur Sfaybän nad) Wrede's Schätzung eine 
Höhe von 8000 Fuß erreihen, liegt ein ganzes Syitem von Waͤdiys, 
in welchem wir übrigens zu umnferer genauern Drientirung zwei Haupt- 
züge mit Deutlichleit unterfcheiden können, den weftlichen, deſſen 
Hauptthal zuerft W. Rhayde ed Dyn, dann W. Amd Heißt, und 
den öftlichen, defien Hauptwädiy nacheinander die Namen W. Minua, 
W. Don und W. Hadſcharyn (letzterer der bedeutendfte) annimmt. 
Beide Hauptwaͤdiys treffen zuſammen bei Haura im eigentlichen Ha⸗ 
dhramaut (welche Landſchaft ungefähr hier ihren Anfang nimmt) und 
münden in den Wädiy Dagr, das Hauptthal von der genannten 
Provinz. 

Das ganze Beled Beny 'Affa, ebenfo wie die drei andern Pro- 
vinzen, ift in Händen der Beduinen; nur die Städte werden von 
ohnmächtigen Sultanen vegiert, die jedoch ohne Hülfe der Beduinen,“ 
ihrer Schugherren, ihre Herrſchaft nicht einmal innerhalb ihrer Stadt- 
mauern aufrecht zu erhalten vermögen. Es ift das gerade Gegentheil 
von dem uns durch Balgrave bekannt gewordenen politifchen Zuftande 
des Wahabitenlandes, in weldhem, wie uns der berühmte englifche 
Reiſende enthüllt, die anſäſſige Bevölkerung bei weiten das Ueber⸗ 
gewicht über die Beduinen errungen und diefe aus räuberifchen Wüften- 
lagerern in gezwungen friedliche und (freilich ungern) gehorchende Unter- 
thanen verwandelt hat. Aber genau derfelbe Zuftand herrfchte in 
Nedſchd noch im vorigen Sahrhundert, ehe "Abd el Wähab die religiös 
politiiche Secte der Wahabiten gründete und das Wunder Mohammed’s, 
den anarchiſchen arabijchen Stämmen den Geift der Einheit und der 
Kraft des Geſammtwirkens einzuhauchen, im Kleinen wiederholte. 
Dean Tann fagen, daß die barbarifche Beduinenherrſchaft oder viel- 
mehr Anarchie jett wieder der Normalzuftand des größten Theils der 
arabifchen Halbinſel geworden ift, gerade wie es vor Mohammed's 
Zeiten war. Eine Ausnahme hiervon finden wir nur in dem ſoeben 
erwähnten Wahabitenreich aus den bekannten religiös politiſchen 
Gründen und in Mahra und Dära aus ganz andern Urfadhen, deren 
nähere Beleuchtung uns bald befchäftigen foll. 


Einleitung. 27 


Die arabifchen Beduinen hat zwar ſchon Palgrave jenes roman⸗ 
tifch poetifchen Nimbus, mit dem fie frühere Keifende, namentlich 
Burdhardt zu umgeben liebten, entkleidet. Aber wir würden Unrecht 
thun, die Beduinen im Allgemeinen nach denjenigen zu beurtheilen, 
welche Palgrave ſah. Lebtere waren eben ihrem urfprünglichen Wefen 
entfremdet, denn der Beduine, der nicht frei und herrenlos umher⸗ 
fchweift, der eirien Gebieter über fich anerkennen, Steuern zahlen und 
fid) einem unerbittlichen Geremontalcultus anbequemen muß, bat bereits 
den beiten Theil feines Nationalcharakters eingebüßt. Als ein ganz 
anderes Volk lernen wir die Beduinen Hadhramants aus dem vor- 
fiegenden Werke kennen, als ein Voll, dem nicht alle großen Eigen: 
Ichaften abgehen, das auf Nitterlichkeit Anſpruch machen kann, das 
aber dennody weit binter jenem Ideale von patriarkhalifcher Tugend, 
natürlicher Gerechtigkeit und heroifch poetifcher Gefinnung zuräcdhleibt, 
welche die traditionelle Völferfunde ihm beizulegen Tiebt. 

Das Beled Hamum, im Weften an das Beled Beny Yſſa, 
im Norden an Hadhramant grenzend, ſcheint ſich unter ähnlichen po- 
Litifchen und nationalen Verhältniffen zu befinden, wie dieje beiden 
Provinzen. Wrede bat es nur an der Grenze betreten. Der Küften- 
ſtrich diefes Landes führt den Namen Schihr und hat mehrere Städte, 
wie Schihr, Mifenät, Dogayr, Baydhaͤ, welche wir theils durch die 
englifche Küftenaufnahme von Haynes und deſſen Gefährten fennen. 
Die öſtliche Grenze biefes Landes bildet der Wädiy Mochle, die füb- 
liche Bortfegung des Wädiy Dacr, des Hauptthales von Hadhramant. 
Bis hiehin haben wir es mit Ländern zu thun, die wir, Dank den 
Heifen Wrede’s, nun zu den mehr oder weniger befannten rechnen 
fönnen. Aber öftlih vom Wädin Mochle beginnt die große Terra 
incognita des oceanifchen Arabiens und erftredt fich in einer Rängen 
ausdehnung von nahezu 80 geographifchen Meilen bis zum Raͤſſ 
el Hadd. | 

Vom 15. bis zum 20. Grad nördlicher Breite und vom 67. bie 
nahe an den 76. Grad öftlicher Länge von Ferro zieht ſich eine 
Länderſtrecke Hin, deren Völker bis jet für uns ein ethnologifches 


28 Einleitung. 

Räthſel bleiben, deſſen Löſung allerdings durch Fresnel’s Forſchungen 
nähergerückt wurde, aber dennoch ſeiner endlichen Enthüllung noch 
harrt. Dieſes Ländergebiet wird gewöhnlich in zwei Küſtenlandſchaften 
eingetheilt, die ſich von der ſogenannten Weihrauchsküſte, ſo bezeichnet 
von dem angeblichen Weihrauchsberge (dem Dſchebel Schedſcher) mög⸗ 
licherweiſe tief ins Innere erſtrecken und durch die nicht klar definirten 
Benennungen Mahra und Dära (auch Gara geſchrieben) voneinander 
unterſchieden werden. Beide Landſchaften ſcheinen jedoch von einem 
und demſelben Volksſtamme bewohnt, wenn anders wir in Bezug auf 
Abſtammung die Sprache als Kriterium gelten laſſen können. Nun 
iſt freilich die Sprache hierin nicht immer ein ſicheres Kriterium. 
Aber ich glaube, daß ſie in letzterer Eigenſchaft an Sicherheit gewinnt, 
je freier die Volker von fremden Einflüſſen geblieben find. Seit der 
hiftorifchen Zeit find nun die Völker Mahras und Däras, die in ber 
Geſchichte durchaus Keine Rolle fpielen, nachweisbar weder von einem 
fremden Wolfe unterjocht worden, noch auch den Einflüffen eines 
foihen in erheblicher Weife zugänglich geweien. Das einzige Bolt, 
welchem wir in hiftorifcher Zeit einen Einfluß auf fie zufchreiben 
fönnten, wären die Eentralaraber, die in Folge des Mohammedanis- 
mus die wichtigfte Stelle in Arabien einnahmen und zu einzelnen 
Perioden felbft die Herrfchaft über die ganze Halbinfel erlangten. 
Aber gerade den Einfluß dieſes centralarabifchen Elements vermiffen 
wir bei der größern Abtheilung der genannten Völker gänzlich. Im 
Yemen, Hadhramant und allen fübarabijchen Ländern weftlich vom 
Waͤdiy Mochle hat ſich das centralarabifche Element in vorwiegendem 
Grade geltend gemacht, ja diefe Landfchaften wurden gewiſſermaßen 
ihrer wahren Nationalität verluftig. Selbit die ſüdarabiſche Spracde, 
welche im Altertum, wie die in Yemen fo zahlreich gefundenen, aber 
auch in Beled el Hadſchar (3. B. in Obne, Nagb el Hadſchar und 
Hien el Ghorab) vorkommenden himyariſchen Inſchriften beweiſen, in 
der ganzen ſüdweſtlichen Hälfte der Halbinſel geſprochen wurde, hat 
der centralarabiſchen, der geheiligten Sprache des Dorän, weichen 
müſſen. Zum Theil geſchah dieſe Umwandlung ſchon vor Mohammed 


Einleitung. 29 


und zwar durch die Kinditen, einen centralarabifchen Stamm, welcher 
nach Ion Hahik anderthalb Jahrhunderte vor der Hidſchra feine 
Heimath Bahrayn verließ, nad) dem Waͤdiy Dagr in Hadhramaut 
auswanderte, die dort wohnenden Kadifiten theils verdrängte, theile 
unterwarf und centralarabifche Sprache und Eultur einführte. Nach 


Mohammed machte das centralarabifche Element in diefen Landſchaften 


noch viel größere Fortjchritte und heut zu Tage find die Religion, 
die Sitten, bie Nechtszuftände von Yemen und Hadhramaut im 
Wefentlichen ganz diefelben, wie die von Centralarabien. 

Grundverfchieden dagegen find die Bewohner von Mahra und 
Dära. In der Religion haben fie fich längſt als Chäridfchiya oder 
Shuäridfch (Ketzer) von der großen Hauptmaffe der Orthodoren ab- 
gefondert und gehören, wenn überhaupt zu irgend einer anerkannten 
Secte, wahrjcheinlich zu derjenigen der Ibadhiya, die auch im benach⸗ 
barten Omäan fo vielfache Verbreitung gefunden hat. Ihr Moham- 
medanismus ift jedoch jo außerordentlich oberflächlid, und fo lar, daß 
man fie überhaupt faum als Moslims anjehen kann. Auch die focial- 
politifchen Zuftände, infofern wir bis jest über fie urtheilen können, 
feinen weſentlich von den centralarabifchen und hadhramautiſchen ab- 
zuweidhen. In allen jenen Ländern, in welchen fi) das central: 
arabifche Element geltend machte, tritt überall der Gegenfag zwifchen 
Landbevölferung (Beduinen) und Städtern auf das Schärfite hervor. 
Sitten, Lebensweise, religiöfe Anfchauungen, ja ſelbſt die oft außer- 
ordentlicd) abweichenden Dialecte trennen diefe beiden Volfsbeftandtheile 
in zwei heterogene, oft fogar, ja meiftens feindlihe Gruppen. 

Beide find auch faft immer verjchiedener Abftammung oder be- 
haupten e8 zu fein. Im Hafenorten und in foldhen der fremden Ein- 
wanderung fehr ausgefegten Städten, wie Meffa, Medina u. f. w., 
ift e8 nun zwar felbjtverftändlih, daß die Bevölkerung bald eine 
. Tühn gemifchte werden und fich duch Nafjenbuntheit auffällig von 
den auf Stammesreinheit eiferfüchtigen Beduinen unterfcheiden mußte. 
Aber ſeltſamerweiſe finden wir felbjt in den abgelegenften, der Ein- 
wanderung feit verjchloffenen Städten der von Wrede befuchten 


30 Einleitung. 


Ränder, daß deren Bewohner den Begriffen der Raffenreinheit nach 
den fehr excluſiven Grundfägen der Beduinen nicht mehr entfpredhen. 

Jedoch auch abgejehen von diefer zufälligen Verunreinigung der 
Race (wie die Beduinen fagen) fehen wir in den befagten Länder- 
gebieten, d. d. in Hadhramaut, Beny Yſſa und Hadſchar, felbft den 
Kern der ftädtifchen Bevölkerung (alſo die noch ungemifchte, racen- 
reine Stammeseinheit) fi) einer von den ummohnenden Beduinen ver- 
fchiedenen Abſtammung rühmen. Die anfäljige Bevölkerung nennt 
fich dort Amudy und leitet ihren Urfprung von Yſſaͤ el Amud, der 
für einen Sohn Hodun's gilt, welcher letttere nach den hier üblichen 
Stammestrabitionen (die aber den übrigen Arabern ganz unbelannt 
find) ein Sohn des Propheten Hub gewefen fein fol. Die Mehr- 
zahl der dortigen Beduinen dagegen nennt ſich Dahtäniten und führt 
ihren Urfprung auf die verfchiedenen Söhne des Dahtän zurück, ben 
fie für einen Bruder des genannten Hodun hält. Die uns bisher 
befannten, von Wüftenfeld gefammelten arabifchen Gefchlechtstafeln 
wiffen zwar gar nichts von fo vielem Söhnen des Dabtän, die hadhra⸗ 
mantischen Beduinen dagegen nehmen deren nicht weniger als ſechzehn 
an und leiten ihre verfchiedenen Stämme von diefen ab. Zwiſchen 
Hodimiten und Dabtäniten, aljo zwiſchen Stäbtern und Bebuinen, 
herricht faft immer Feindſchaft, ja oft blutige Fehde. 

Alle dieſe auffallenden Unterfcheidungsmertmale vermiffen wir in 
den Rändern Dära und Mahra. Nach Allem, was wir bis jetzt über fie 
erfahren haben, ift die Landbevölkerung derjelben meift an feſte Wohnfige 
gebunden und unterfcheidet. fich dadurch wefentlih von den eigentlichen 
arabifchen Beduinen. Dieſer Unterjchted findet auch in ber Art der 
Stammensbenennungen feinen Ausdrud. Während die arabifchen Be- 
duinen nur genealogifche Bezeichnungen für ihre Stämme haben und 
dem Stammesnamen ſtets die Wörter Beny, Aulad und in Hadhramaut 
Ba (alle drei „Söhne“ bedeutend) vorſetzen, beſitzen dagegen die 
Mahriten und Däriten topographifche Unterjcheidungsnamen, indem 
fie durch Vorfegung des Wortes Bayt, welches „Haus, Wohnung“ 
und im weitern Sinne „Niederlaſſung“ heißt, deutlich anzeigen, daß 


Einleitung. 31 


für fie im Gegenfaß zu den Nomaden die Genealogie den Drientirungs- 
punkt des Völkerdaſeins nicht bildet, fondern daß fie, Hierin den 
civilifirten Nationen fich nähernd, dem Wohnorte feine Berechtigung 
auf die Beitimmung des gemeindlichen Culturlebens zuerkennen. 
Diefe Bevölkerung, wohne fie nun in Dörfern oder vereingelten 
Hütten, fcheint ein homogenes Volk, gleichſam aus einem Guß. 
Mag diefer Umftand fchon als ein Zeichen der Verfchiedenheit der 
Nationalität der Bewohner von Mahra und Dära und der übrigen 
Araber gelten, jo giebt uns doch die Sprache für diefe Verfchieden- 
heit noch viel deutlichere Beweife an die Hand. Diefe Sprache, melde 
Ehkyly heißt, wurde uns erft durch Fresnel's Forſchungen (um 1840) 
und zwar beinahe gleichzeitig mit den Schriftdenfmälern in der Ur- 
ſprache Südarabiens, die man die himyarifche genannt hat, befannt, 
und gleich fiel e8 auf, daß zwifchen diefer Urſprache und jenem noch 
heute geſprochenen Dialect eine gewiſſe Verwandtſchaft beftehe, eine 
Berwandtfchaft, die ſich zwar nicht als fo innig erwiefen hat, wie 
Fresnel, der geradezu das Ehlyly fir himyariſch hielt, annahm, die 
aber dod) fo unzweifelhaft ift, daß man das erftere filr einen modernen 
Dialect der letztern todten Sprache anfehen kann. Das Himyariſche 
oder die alte ſüdarabiſche Sprache wurde im Alterthum in einem 
großen Theile der Halbinſel geſprochen, aber ſeit dem Mohammeda- 
nismus allmählich überall durch den centralarabifhen Dialect ver- 
drängt, nur nicht in Mahra und Dära, wo e8 freilid mit der Zeit 
ſich zu einem verderbten Dialect verfchlechterte. Aber das Himyari⸗ 
Ihe und das Ehkyly, alfo das antife und moderne Südarabifch, be- 
figen nicht mm untereinander große VBerwandtichaft, fondern auch mit 
den Sprachen eines andern Ländergebiets, nämlich mit dem Aethio- 
pifchen und feinen neuern Mundarten, dem Geſez und dem Ambhäri- 
ſchen auffallende Aehnlichkeit. Alle diefe fünf Sprachen, infoweit fie 
uns bis jet bekannt find, zeigen jo große Verwandtichaft unter- 
einander ımd entfernen fich gemeinfam fo deutlih von dem Central- 
arabischen (der Sprache des Dorän), daß wir fie mit Recht zu einer 
homogenen Gruppe zufammenfafjen können, welche wir die „ſüdarabiſch⸗ 


32 Einleitung. 


äthiopifche‘’ nennen wollen. Im diefer Gruppe laflen fi der Ze 
der Bildung nad) drei Abtheilungen unterjcheiden. 

1) Das Himyariſche, die ältefte, uns bis jegt befannt gemordert 
Sprade Arabiens. Sie fteht zwar dem Centralarabifden noch näher 
al8 die andern füdarabifch-äthiopifchen Dialecte, aber unterfcheide: 
ſich doc wefentlich von ihm. Jenes Näherftehen erklärt fi) wohl 
dadurch, daß beide, Centralarabiſch und Himyariſch, ihren gemeinſamen 
Urſprung in einer unbekannten ſüdſemitiſchen Urſprache hatten, und 
daß ſie, je näher in der Zeit ſie dem gemeinſamen Urſprung ſtanden, 
deſto weniger ſich voneinander entfernten. Jene ſüdſemitiſche Urſprache 
muß die Ariba (das urſprüngliche Arabiſch) des Abd el Malik und 
der arabiſchen Hiſtoriker geweſen fein, die von den Aditen, Thamu⸗ 
däern und andern erloſchenen Völkern geſprochen wurde. Von der 
Ariba gingen nach den Arabern zwei Zweige aus, die Mota' aͤriba 
(die Sprache der Dahtäniten), von der wir das Südarabijche und alfo 
auch das Himyariſche und Ehkyly, und die Moftariba (die Sprache 
der Ssmä’yliten), von der wir das Centralarabifche und feine verfchiebenen 
Mundarten als abgeleitet erkennen Fünnen. 

2) Die äthiopifche Reichsſprache oder das alte Geſez. Sie hat 
Alphabet, Pronomina und eine große Zahl Vocabeln mit dem 
Himparifhen gemein, wie Ernſt Oſiander's Forſchungen dargethan 
haben. Gleichwohl dürfen wir fie nicht von dieſem unmittelbar ab- 
leiten, fondern von einer Schwefterfprache deſſelben, dem Altäthiopifchen, 
von dem wir Übrigens nur wenige Schriftdenfmäler befigen, nämlich die 
von Rüppell entdecten arumitifchen Injchriften, welche jedoch kaum bis 
ans Ende des 5. Jahrhunderts unferer Zeitrechnung zurädreicen, 
alfo der fpäteften Phafe des Altäthiopifchen angehören. Trok der 
Einerleiheit der Schriftzüge und mancher grammatifchen Allgemeinheiten 
gehen dennod) Himyariſch und Aethiopiſch ziemlich weit auseinander. 
Um ſo mehr muß es uns wundern, daß wir in den zwei modernen 

Sprachen, die ſich aus jenen beiden entwickelten, im Ehkyly und im 
Amhaͤriſchen, auffallende Analogieen finden, welche wir aus unferer heu⸗ 
tigen Kenntniß der Völker von Mahra und Dära nicht erklären können. 


Einleitung. 33 


3) Ehtyly und Amhariſch find die neueften noch üblichen Dia- 
lecte des füdarabifch- äthiopifchen Sprachzweigs. Die Weitläufigfeit 
der Urfprungsverwandtichaft diefer beiden Sprachen, infofern wir 
fie Hiftortfch einigermaßen begründen können, möge folgender Stamm- 
baum veranfchaulichen, bei dem wir für einzelne Glieder, in Er- 
miangelung anderer Bezeichnungen, die fchon erwähnten arabifchen 
Ausdrüde "Ariba, Mota’äriba und Mofta'riba zu Hülfe nehmen müffen. 

Die Ariba 
die Mota’äriba die Mofta’riba, 
von diefer ftammt das heutige Arabifch 
mit allen feinen Mundarten. 


Pimgerkii _  Anähioriig 
Ein unbekanntes Aethiopifch j 
Zwiſchengüed. | 
Ehkyly Amhaͤriſch See. 


Die beiden letten Glieder find alſo je durch zwei Zwifchenglieder 
von der gemeinfamen Stammmutter, der Mota’äriba, getrennt, und 
wenn ſchon die einzigen une befannten Zwiſchenglieder, Himyariſch 
und Aethiopifch, jo viel Verſchiedenheit neben ihrer allgemeinen Ver⸗ 
wandtichaft aufweifen, fo jollte man denken, daß dieje Verfchiedenheit 
zwiſchen Ehfyly und Amhaͤriſch noch größer fein müßte. Dies fcheint 
nun merkwürdigerweife nicht der Fall oder wenigjtens nidht in dem 
Grad der Fall zu fein, wie wir verfucht wären, anzunehmen. Die 
einzigen wiffenfchaftlihen Andeutungen, welche wir bis jett über das 
Ehkyly Haben, und die wir Sresnel und Krapf verdanken, find nun 
zwar dürftig genug, aber diefe Andeutungen genügen doch, um in zwei 
Punkten eine auffallende Aehnlichkeit zwifchen ihm und dem Ambä- 
rifhen darzuthun; eine Aehnlichkeit, welche zu erklären die gemeinjame 
Abjtammung nicht genügt, da wir bei den Zwifchengliedern gerade in 
diefen beiden Punkten diefe Aehnlichkeit vermiffen. Diefe beiden Punkte 
find die Bildung des Zeitworts und die Hinzufügung neuer Buch— 
jtaben zu dem urfprünglidhen füdarabifch-äthiopiichen Alb habet 

A. v. Wrebe's Reife in Habhramaut. 


34 


Einleitung. 


Stellen wir die einfachften Formen des Zeitworts in diefen beiden 
Sprachen vergleichsweife nebeneinander und zugleich neben die des 
Aethiopifchen, jo erhalten wir folgendes Bild: 


Aethiopifch.*) Amhariſch. Ehkyly. 
Perfectum. . 
Singular. 

III person masc. Sota Sata Sut 

II person fem. Sotat Satath Sutet 
II person masc. Sotka Satach Sutek 
II person fem. Sotki Satash Sutes 

I person Sotku Satah Sutek 
Plural. 

HI person Sotu Satu Sutu 
II person masc. Sotkema Satatheh Sutkom 
U person fem. Sotken en Sutken 

I person Sotna Satanä Suten 
Imperfectum. 
Singular. 

III person masc. Yesot Yesat Yisut 
III person fem. Tesot Tesat Tesut 
II person masc. Tesot Tesat Tesut 
II person fem. Tesoti Tasats Tesyt 
I person Esot Esat Esut 

Plural. 

III person masc. Yesotu Yesatu Yisut 
III person fem. Yesotä 0. Yisutan 
II person masc. Tesotu Tesatu Tesut 
II person fem. Tesotä 0. Tesutan 
I person Nesot Nesat Nesut. 


2) Wir wählen abfichtli drei Berba von ähnlichen Wurzelbuchſtaben, ob⸗ 
gleich das Sut des Ehfyly (fhlagen) und das Sota des Aethiopiſchen (giefjen) 
den Concaven, das Sota des Ambärifchen (geben) dagegen den Biliteris an— 
gehört. Noch deutlicher wiirde fich die Achnlichkeit zeigen, wenn wir aud) im 
Ambärifchen ein concaves Berbum Sota ober Suta befäßen. 


Einleitung. 35 


Zeigt ſich hier ſchon die Aehnlichkeit des Ehfyly mit dem Aethio- 
piihen in den meiften Formen unverkennbar, fo ift doch noch eine 
. größere zwifchen erfterm und dem Ambärifchen vorhanden, indem in 
denjenigen Formen, in welchen das Ambärifche vom Aethiopifchen ab- 
weicht, auch eine ſolche Abweichung beim Ehlyly vorkommt, fo nament- 
(ich im Femininum der II. person sing., das im Xethiopifchen auf 
ki, dagegen im Amhäriſchen auf sh endet, ähnlich wie im Chfyly auf s. 

Noch merhvürdiger zeigt fich die Analogie beider Sprachen, des 
Ehfyly und des Ambärifchen, in der Vermehrung um eine Anzahl 
Zaute, welche das urfprüngliche ſüdarabiſch-äthiopiſche Alphabet bei 
beiden erfahren Hat. Das Ehkyly hat nad) Fresnel 36 Buchſtaben, 
während in feiner Mutterſprache, dem Himyaritiſchen, bis jett nur 
26 (2 weniger als im Arabifchen) nachgewiefen find, denn befanntlic) 
konnten die Zeichen (Tja) und & (Rhayn) noch nicht deutlich er- 
mittelt werden. Ebenfo hat das Ambhärifche 7 Buchſtaben mehr als 
feine Mutter, das Aethiopifche, welches deren gleichfalls nur 26 befikt. 
Schon Fresnel hat in Bezug auf diefe Supplementarbuchftaben die 
Aehnlichkeit zwifchen dem Amhärifhen und dem Ehkyly hervorgehoben. 
Er fagt: Das CEhkyly befigt „ausgeſpuckte“ Buchſtaben (lettres 
crachees), wie das Amhärifche, nämlich eine Art K und eine Art 
T, abweichend vom gewöhnlichen K und T, ſehr häßlich in der Aus- 
ſprache (wahrjcheinlich dem amhärifchen Chaf und Tſhait entſprechend). 
Verner finden wir im Ehkyly alle Nafaltöne des Franzöſiſchen und 
Portugiefifchen, und ſolche Nafaltöne hat auch das Ambhärifche dem 
äthiopifchen Alphabet beigefügt, 3. B. das Nyahas oder Gnahas ge- 
ſprochen wie das fpanifche ñ und das franzöfifhe gn in Perpignan. 
Endlih, fo behauptet Tresnel und jo wurde von Houlton, Smith, 
Sruttenden, Wellfted, den Officieren der englifhen Küftenaufnahme, 
bereits vor ihm angedeutet, weit das Ehkyly Laute auf, die nur durch 
Verdrehung des Mundes auf eine Seite Hin ausgefprochen werden 
fünnen, wobei die Zunge auf die rechte (nie auf die linke) Seite an 
den Gaumen angelegt wird. Vielleicht entiprechen dieſe Laute dem 
amhaͤriſchen Dient und Jay. 

3* 


36 Einleitung. 


Aus diefen PVergleihungen (die freilich) bei unferer geringen 
Kenntniß des Ehkyly nur höchſt unvollkommen fein fünnen) ſcheinen 
wir zu dem Schluß zu gelangen, als fände zwiſchen Amhaͤriſch und 
Ehkyty eine nähere Verwandtſchaft ftatt, als diejenige, welde durch 
ihren gemeinfamen Urfprung zu rechtfertigen ift; eine Berwandtichaft, 
die jich num durch jpätere, uns unbelannt gebliebene Berührungen der 
abyffinifchen umd der Mahra-Dära-Bölfer erklären ließe. Da num 
das Amhaͤriſche ſich erft etwa im 12. oder 13. Jahrhundert (unferer 
Zeitrechnung) zu einer felbftftändigen Sprache ausgebildet hat, fo 
müßten jene Berührungen in einer Zeit ftattgefunden haben, die dem 
Bereich des Hiftorifchen angehört. Aber die Geſchichte hat uns über 
folhe fpäte Berührungen zwifchen beiden Völkern nichts überliefert, 
und fie find in der That auch nicht wahrfcheinlih. Die lekte nach- 
weisbare Berührung zwifchen den äthiopifhen und füdarabifchen 
Stämmen fand im 5. Jahrhundert unjerer Zeitrechnung ftatt, als die 
Adyffinter Yemen eroberten. Ob fie aber je die Länder Mahra und 
Dara beſeſſen, ift bis jegt eine ungelöfte Trage. ‘Deshalb bleibt 
nichts anzunehmen, als daß beide Idiome, obgleich ihre Meutterfprachen 
fhon lange auseinandergegangen waren, und obgleich feinerlei Berüh⸗ 
rungen zwifchen den beiden Völkerfchaften in jpäterer Zeit ftattfanden, 
dennoch in der Entwidelung ihrer Elemente zu einer modernen Vulgär- 
ſprache parallelen Gang gehend, zu ähnlichen Refultaten gelangt find, 
zu NRefultaten, deren Begründung nur in der gemeinfamen Stamm⸗ 
mutter, der alten füdarabifch-äthiopischen Sprache, gefucht werden Tann. 
Vielleicht, daß die Principien, welche das Amhaͤriſche und das Ehfyly 
fo auffallend ähnlich entwickelten, jchon in der Stammmutter latent 
dalagen, ohne daß ein folcdhes Factum jekt irgend wie nachweisbar 
wäre? 

Jedenfalls fteht es feit, daß die Völker von Mahra und Daͤra 
jeßt die einzigen Bewohner der Arabifchen Halbinfel find, welche auch 
in der Sprache ihre VBerwandtfchaft mit dem afrifanifch - femitifchen 
Schweiterftamm bewahrt haben. Doc nit blos in der Sprache, 
auch in den Phyſiognomieen wollen die Reiſenden eine VBerwandtichaft 


Einleitung. 37 


beobadhtet haben. Die Mahriten follen zum Theil eben fo dunkel⸗ 
häutig, wie die Abhffinier fein. Ihre Züge bieten denfelben Typus 
regelmäßiger Gefichtsbildung, wie die der Aethiopier. Ihr Wuchs ift 
Schlank, ihre Geftalten edel und ebenmäßig. Das einzige Häßliche, 
was man an ihnen beobachtet haben will, ift die Bildung des Mundes, 
und diefe rührt eben von jenem fpracdjlichen Fehler, den fie mit: den 
amhärifch redenden Völkern gemein haben, daß gewiffe Laute ihres 
Idioms nur durch Verzerrung der Mundwinkel hervorgebracht werben 
können. Zwiſchen diefen beiden Völkern, den Mahriten und den 
Däriten, weldye nad) dem Gefagten ohne Zweifel aufs Nächite ver- 
wandte, der ganzen Maſſe der übrigen Araber entfremdet gegenüber- 
jtehende Bruderftämme find, hat fich gleichwohl mit der Zeit manches 
unterfcheidende Merkmal, ſelbſt in fprachlicher Beziehung, eingefchlichen. 
Der Dialect von Mahra iſt ſchon vielfacdy mit arabischen Wörtern 
untermifcht, der von Dära dem urfprünglichen Idiom treu geblieben. 
Leßterer hat jomit manche Idiotismen, die im Mahradialect ſchon 
durch Arabismen verdrängt find. Tresnel jagt: Ein Bewohner von 
Dära, der außer feinem Dialect auch noch arabif Tann, verfteht die 
Sprache von Mahra, nicht jedoch ein Bewohner von Mahra, der nur 
feine Spradje und die arabijche kennt, diejenige von Dära. 

Was wir von diefen beiden Rändern Mahra und Dära wiſſen, 
beichränft fi) auf die Nachrichten, welche uns die Dffictere der eng- 
liſchen Küftenaufnahme vom Jahre 1833 geben. Doch auch fie be- 
fuchten nur wenige Punkte diefer Küſte, denn ihre eigentliche Aufgabe 
befchränfte fi) auf die Aufnahme der Küften weftlih von Mahra. 
In letzterm Lande erwähnen fie faft nur den Golf von Qeſchyn, von 
dem übrigens fchon Niebuhr eine Karte und Beichreibung gegeben 
hatte. Der Hauptort Defchyn ift jedoch nım ein elendes Dorf, gleich⸗ 
wohl nicht ohne eine gemwifle Bedeutung, da er die Reſidenz eines 
Sultans, der über einen großen Theil der Mahra-Stämme und auch 
über die Infel Sofotra gebietet, bildet. Ins Innere diefes Landes ift 
noch nie ein Europäer eingedrungen. 

Zwifhen Mahra und Dära liegt mit dem gleichnamigen Vor⸗ 


38 Einleitung. 


gebirge der Dfchebel Schebfcher, in welchen wir den berühmten 
Weihrauchsberg der claffifchen und arabifchen Autoren erfennen müffen. 
Der Name diefes Berges hat zu den größten Misverftändniffen Anlaß 
gegeben, die jest ein chronifches Uebel aller Geographteen Arabiens ge- 
worden find, an deffen Heilung man faft verzweifeln möchte, bejonders 
da unfer berühmtefter Geograph Karl Ritter das feinige gethan hat, 
um fie wo möglich noch zu verfchlimmern, indem er, feinem Grund- 
fat, daß „Irrthum beſſer fei als Verwechſelung“ untreu werdend, 
den Namen Schedfcher mit einem andern, nämlid mit Schihr, aufs 
Hartnädigfte verwechfelt und dadurch zu jener Eonfufion gelangt, deren 
Vermeidung er als jein höchftes Ziel bezeichnet. Ritter (Erdkunde, 
XI, ©. 635) jagt bei Gelegenheit von Schihr, ‚der Ort heiße 
eigentlih Schechr, und das fei die wahre Lesart, falſch aber alle an- 
dern, wie Schedfcher, Schihr, Schehr, und num führt er noch einige 
zehn Formen an, die er als Benennungen für einen und denfelben 
Ort auffaßt, obgleich fie dies in Wirklichkeit nie waren. Von diefen 
Formen find einige, wie Shher, Xier, Schähr u. f. w, Verhunzungen 
von Schihr, andere, wie Chedſcher, Sedſcher, Sacher, Entftellungen 
von Schedſcher, ja, der antife Name Shyagros und der moderne 
Saugra gehört einer dritten Xocalität, welche Sfaufira heißt, an. 
Schihr ift zugleih Stadt- und Diſtrictsname, Schedſcher nur die 
Benennung eines Gebirges, eines Caps und einer Landſchaft, nicht 
aber einer Stadt. Beide liegen vier Längen- und zwei Breitengrade 
auseinander, können alfo topographifc unmöglich fir ein und diefelbe 
Localität gehalten werden. Schihr ift das äußerte weftliche, Sche- 
dſcher das öftliche Grenzland von Mahra. Die arabifchen Geographen, 
die über den oceanifchen Küftenftrich ihrer heimathlichen Halbinfel fo 
ſehr ſchlecht unterrichtet find, konnten freilich Nitter irreführen, denn 
oft findet man bei ihnen Erwähnungen wie folgende: „Mahra im 
Lande Schihr‘ (mas nad) arabifhem Sprachgebrauch jedoch auch 
heißen Tann ‚in der Nähe von Schihr“) oder „Mahra in der Gegend 
von Schedſcher“, Erwähnungen, die ſicherlich denjenigen zu Verwechſe⸗ 
lungen führen konnten, der weder mit der Elafticität arabifcher Aus- 


Einleitung. 39 


drüde (die man fo felten buchftäblich nehmen darf) vertraut ift, noch 
auch von der Exiftenz der zwei getrennten Landfchaften mit ähnlichem 
Namen eine Ahnung befikt. 

Der erfte weſtliche Diftriet, den wir im Lande Dära antreffen, 
ift das berühmte Tſofär (fälihlih oft Dhafar, Dafar, Zafar und 
noch auf einige zehn verjchiedene Arten gejchrieben). Zfofär ift jet 
feine Stadt mehr, wie im Altertfum (in welchem es nach Einigen das 
Ophir, berühmten Namens, gewefen fein foll), und wie im Mittel- 
alter, aus welcher Zeit die Nachrichten über daffelbe von Ihn Batuta, 
Abusel-Fedä und andern arabiſchen Geographen ſtammen, die es als 
ein blübendes Handelsemportum erwähnen, aber oft auch mit einem 
andern Xfofär,. dem in Yemen gelegenen, auf eine fo verwirrende 
Weije verwechjeln, daß man heut zu Tage gar nicht mehr unterjcheiden 
kann, welche Beichreibungen dem weftlichen und welche dem öſtlichen 
Tſofäaͤr gelten. 

Tſofaär iſt alfo jetzt mr noch der Name eines Diſtricts, in dem 
einige zwanzig Dörfer liegen, von welchen Mirbat und Dirys (das 
Addaharys von Fresnel) die wichtigſten ſind. Die Officiere der eng⸗ 


liſchen Küſtenaufnahme landeten hier und unternahmen Ausflüge ins 


Innere, ohne indeß tiefer als etwa zwei bis drei deutſche Meilen in 
daſſelbe einzudringen. Jedoch haben dieſe Ausflüge den Schleier des 
Unbekannten, der auf dem Lande ruhte, nur in ſehr mäßigem Grade 
gelüftet. Die einzige intereffante Ausbeute ift die Kunde, welche fie 
uns über das Vorhandenfein merfwürdiger Infchriften, eigenthümlicher- 
weife nicht eingemeißelt, fondern nad Art der Hieroglyphen in den 
Königsgräbern von Theben gemalt, bradten. Daß diefe Infchriften 
himparitifch find, dürfen wir mit Wahrfcheinlichleit annehmen, befigen 
übrigens dafür feine andere Beftätigung, als das Wort der Neifenden, 
denn eine Copie ift von feinem diefer Schriftdentmäler gemacht worden. 
Eine einzige Infchrift von Tſofär wurde von Herrn Mordtmann er- 
halten, aber über ihren Fundort herrſcht große Ungewißheit (Zeit⸗ 
Schrift der Deutfchen Morgenländifchen Gefellfchaft, XVIL, 791 und 
XIX, 180). Belannter als die Küfte, ja fogar jehr genau befammt, 


40 | Einleitung. 


find die Heinen, faft unbewohnten Infeln von Churyan Muryän, 
welche im gleichnamigen Golf der Küfte von Tfofär gegenüber liegen. 
An diefen Golf ftößt dann der von Sſaukira, der alte Syagros, an 
deſſen Küfte, obgleich noch zu Dära gerechnet, wir ſchon einen andern, 
den Ehfyly redenden Völkern völlig fremden Stanım, die Dichenäby, 
antreffen, deren Gebiet fi) bis an die Grenze von "Omän erftredt. 
Die Dihenäby ericheinen, was auch immer ihr Urjprung fein mag, 
heut zu Tage als ächte Araber, verftehen fein Ehtylh, ſondern reden 
einen dem Centralarabiſchen verwandten Dialect, führen da8 Beduinen- 
{eben und feinen im Ganzen ſehr den Völtern des Beled Hadſchar, 
Benh Yſſa und Hadhramaut zu gleichen. 

Somit find wir am Ende der oceantfchen Küfte Arabiens, am 
Ende des unbelannteften Theils der faſt noch unbelannten großen 
Halbinfel angelangt. Wenn wir bei der zweiten Hälfte diefer aus- 
gedehnten Küftenlandichaft länger verweilten, jo gejchah es einestheils, 
weil doch auch fie zum Wrede'ſchen Reifegebiet in einer Beziehung 
fteht, anderntheils, um neben dem bereits Geleifteten auch das noch 
zu Leiftende auf dem Bereiche der Erdkunde Arabiens in ein deut- 
liches Licht zu ſetzen, zugleich das Intereffe und die Reiſeluſt Fünftiger 
Ländererforfcher zu wecken und auf einen uns noch jo geheimnißvolfen, 
aber in ethnograpbifcher und linguiftiicher Beziehung fo reichliche Aus- 
beuite verfprechenden Volksſtamm hinzulenfen. Möge die kürzlich er- 
folgte Eröffnung des Suezcanals, der wie ein Wegweifer nad) dem 
nahen Arabien hinzuwinken fcheint, eine neue Aera in den Annalen 
arabifcher Entdedungsreijen bezeichnen; mögen Wrede, Arnaud, Bal- 
grade bald Nachfolger finden und eine Hülle nach der andern vom 
Haupte diefes umfchleierten Bildes von Sais, Arabien, fallen. An 
fühnen Entdedungsreifenden hat e8 ja in unferm Sahrhundert wertiger 
gefehlt, als je. So bleibt denn die Hoffnung unbenommen, daß auch 
einer oder der andere ſich diefem intereffanteften Yande, der Wiege des 
Islam, zuwenden möge. Ein anderes Reiſegebiet ift es freilich als 
Afrika und ein ungleich ſchwierigeres. Aber an Vorbildern wird es dem 
künftigen NReifenden, der ſich diefes Gebiet erwählen will, nicht fehlen. 


Einleitung. 41 


Mänmer wie Burdhardt, Seeten, Wallin, Arnaud, Palgrave, Yurton, 
diefe Helden der Selbftverläugnung, leuchten ihm voran auf dem 
gefahrvollen Weg durch die arabijche Halbinfel; aber unter Allen glänzt 
als Stern erfter Größe unfer Wrede. Bon ihm, wie von leinem 
Andern, kann der fünftige Entdedlungsreifende in Arabien lernen, wie 
er es zu machen hat, um der Erreichung feiner Ziele gewiß zu werden. 


Dresden, den 3. Februar 1870. 


Der Heransgeber. 


Ueber die Rechtſchreibung arabifher Namen. 


Zur Erläuterung, wie die arabifhen Namen in diefem Buche 
transcribirt ſind, diene hier folgendes Alphabet. 


Conſonnanten. Vocale. 
ob et . T.. 8 oder e 
ot > ts .... i 
th E ‘ , 
c dsch & eh, rh 0 
ch Sf 1... 
aa 4 S...) 
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8 ds Jı yo... u 
7" en Diphtonge 
> 8 OÖ] n 
U” 88 3 h “ au 
sch w - 
y ⸗ — (G.... ay 
au Das 5 Finale wird 
u niht ausgedrüdt, das 


Fatha vor ihm wird meift 
als kurzes e, felten als 
furzes a wiedergegeben. 


Erftes Capitel. 
Küftenreile von Aden nad Malkalla. 


— LE BG LCD GL — 


Schiffahrt von "Aden nah Borum. — Borum. — Der Stamm ber Beny 
Haffen. — Wadiy Fuwa. — BWädiy Halle. — Ayn el Ghafffſaͤny. — An- 
funft in Mafalla. 


Nach langem Warten auf eine Gelegenheit nad) Makalla fchiffte 
ih mi am 21. Juni Abends auf einem dahin beftimmten arabifchen 
Tahrzeuge ein. Zur Charakteriftif der Araber, bezüglich ihrer Den- 
fungsart über Chriften, mag bier ein Geſpräch Platz finden, welches 
fur; vor meiner Ankunft an Bord ftattfand. 

Während nämlich die Horniften der Garnifon den Zapfenſtreich 
bliefen, brad) einer der Matrofen in die Worte aus: „Hört ein- 
mal, wie die Hunde heulen!’ worauf der Nädodä ?) antwortete: 
„Gott befhüge den Isläm!“ — „Amen! rief die ganze Ge- 
ſellſchaft und Einer fette hinzu: „Möge Gott das Land des 
Edrus?) von diefen Hunden befreien!” — „Amen!“ hörte 
man wieder in allen Winfeln des Schiffes. So lange die Muſik 
währte, machten die Araber ihrem Aerger durch Ausrufungen Luft, 
als: „Dſchinſſ el Kelb!“ (Hundegeſchlecht!), „Kaͤfir!“ (Ungläubige!), 
„Raͤfidhy!“ 2) (Ketzer!) und dergleichen mehr; Ausrufungen und Aus⸗ 
drücke, die alle zur Genüge darthun, mit welcher Liebe die Moham- 
medaner den „Chriſten“ zugethan find und wie hoch diefe in ihrer 
Achtung ftehen. Das, was ich hier hörte, war nicht etwa der Aus- 


44 Abfahrt von 'Aden. Die Taräd. 


drud der Meinung einer einzelnen Perfon oder jener wenigen Per- 
fonen, fondern die allgemeine’ aller Belenner des Isläm, die ein 
Jeder derfelben vom Größten bis zum Slleinften in Gegenwart feiner 
Slaubensgenofjen, je nach dem Grade feiner Bildung, in mehr oder 
minder derben Ausdrüden ausipridt. 

22. Juni. Am 22. verließen wir in aller Frühe die Bay 
„Cyra“. — Mehrere Beduinen vom Stamm der Beny- Hafjan 
waren meine Neifegefährten; fie und die Mannfchaft des Schiffes, 
alle eifrige Mohammedaner, weshalb ih „Pfeudo-Islamite‘ 
auch regelmäßig die vorgefchriebenen „fünf Gebete” täglich ver- 
richtete, um bei meiner Antımft in Makalla mit dem Rufe eines 
orthodoren Mufelmannes auftreten zu künnen. Der Wind war fehr 
ſchwach und die See ging hoch, weshalb unfer Kleines Fahrzeug jehr 
ſtark umbergeworfen wurde. Doc Hatte ih das Glück, von ber 
leidigen Seekrankheit verfchont zu bleiben. Nicht fo die Beduinen, 
welche alle daran litten und zum Erbarmen jämmerliche Gefichter 
fchnitten. Während der vielen Scereifen, weldhe id) gemacht habe, 
fam e8 nie vor, daß die Seefranfheit den Tod herbeiführte; hier 
aber war es mit einem 18jährigen jungen Beduinen der all, bei 
welchen ſich das Uebel bis zum Blutfpeien fteigerte, ſodaß er noch 
am Abend unter heftigen Convulfionen ftarb. 

Die Taräd , auf welcher ich mid) eingeſchifft Hatte, erinnerte 
mic) jehr lebhaft an das Fahrzeug, womit weiland Abu Sfaryr °) 
von Bombay nad Dſchidda fuhr. Nur ein „Fataliſt“ Tann es 
wagen, fih auf einen ſolchen Bretterfaften zu jegen und auf ihm 


durch die hochrollenden Wogen des indischen Oceans zu fahren. Hätte - 


ich feine Bauart im Hafen gefannt, keinen Augenblid würde id) ge: 
ſäumt haben, e8 wieder zu verlaffn. Man denke ſich meine Weber: 
rafchung, und fie war feine der angenehmften, als ich bemerkte, daf 
die Schiffsplanfen, anftatt feft genagelt zu fein, nur mit Striden aus 
Palmfafern an die Kniehölzer befeftigt und die Fugen nur nadjläffig 
mit getheertem Werg kalfatert waren. Jetzt war es freilich zu fpät, 
die Sache zu ändern, weshalb id; auf eine fchügende Allmadt 


+‘ 


Gefährliche Fahrt. Landung in Borum. 45 


und die Stärke der Vorſehung bauend, mid mit ftoifcher Gelaffenheit 
in mein Scidfal ergab und Betrachtungen über die Folgen anftellte, 
welche diefes primitive Verfahren, ein Schiff zufammenzufügen, haben 
fönnte. u | 

Obgleich nun dem Schiffe bei dem gegen Mittag eingetretenen 
ftarfen Wind ftark zugefeßt wurde, fo hielt e8 dennoch zum Erſtaunen 
gut — miewohl die Schiffsmannfchaft das durch die Fugen eindrin- 
gende Waſſer fortwährend ausichöpfen mußte. 

23. Juni. Der günftige Wind währte die ganze Nacht und brachte 
uns bis zum Morgen des 23. Angefichts der Berge von Biyr Alyy, 
von denen ein eifiger Wind niederftrih, und noch vor Sonnenmtergang 
auf die Rhede von Borum, wo wir vor Anfer gingen. 

Der Nähodä unterrichtete mich, daß die Rhede von Makalla in 
der jegigen Zeit nicht haltbar ſei und rieth mir daher, Hier ans Land 
zu geben. Da es in meinem Plane lag, fo viel als möglich zu Lande 
zu reifen, und ich, nebenbei gejagt, feiner Ardje auf die Dauer feine 
genügende Haltbarkeit zutraute, fo willigte ich auch fehr gern darein. 
Meine Reifegefährten, ſowohl der Todte, als auch die Lebenden, 
wurden mit mir und den Kffecten in ein vom Lande gekommenes 
Boot gepadt und ausgefchifft. Der fehr gefällige Nächodä, der wahr- 
jcheinlich jehr froh war, feine Pafjagiere los geworden zu fein, führte 
mich in das Haus eines feiner Bekannten, wo ic aufs Beſte auf- 
genommen wurde. 

Borum®) ift eine Fleine Stadt oder vielmehr ein großes Dorf,‘ 
mit etwa 400 Einwohnern ımd liegt im Hintergrunde einer Bucht, 
welche zwifchen dem weftlich Liegenden Raͤſſ Borum und dem im Often 
vorfpringenden Raͤſſ el Ahmar (d. i. das vothe Vorgebirge), einem 
Ausläufer des Dſchebel Reich 7) gelegen, etwa Y, Stunde Tiefe hat. 
Der Ort ift von einem Dattelpalmmwalde umgeben, der fich bis in 
eine hinter demfelben liegende Schlucht fortzieht, in welcher nur wenige 
Schritte voneinander entfernt, zwei Quellen entjpringen, von denen 
die eine ein vortreffliches Trinkwaſſer liefert; die andere ift eine ſtark 
mit Schwefel gefhwängerte Thermalquelle. Mehrere gemauerte, mit 





46 Gaftfreundfchaft in Borum. 


Cement bekleidete Baſſins nehmen ihre Waffer auf und dienen den 
Bewohnern von Borum ale Waſch- und Badeorte. Zwiſchen dem 
Städtchen und Räff Borum öffnet fi ein weites Thal, der Wadiy 

Dahff °), vor defjen Mündung ſich die Rhede befindet, welche während 
dem Südweſt-Monſun, durch Raͤſſ Borum geſchützt, vollfommen 
ſicher, in der entgegengeſetzten Jahreszeit aber unhaltbar iſt. Einige 
20 Bagla’s ) und Daͤuw's lagen abgetakelt, theils vor Anker, theils 
auf dem Trocknen und erwarteten die günftige Sahreszeit des Nord- 
oſt-Monſuns, um die gewohnten: Reifen nach dem rothen Deere und 
nach der Oftküfte Afrikas zu unternehmen. 

Raum war die Nahridt im Städtchen verbreitet, daß ein 
Fremder, ein Aegyptier angekommen fei, als die Neugierde eine 
Menge Befucher herbeitrieb; wenigftens 40 PBerfonen hatten ſich auf 
der Terraſſe des Haufes eingefunden, wo man die angenehmen Abende 
zubringt, und begafften mich, wie man bei uns ein jüngft angekommenes, 
feltenes Thier zu befehen pflegt. Ein Ieder machte feine Bemer⸗ 
tungen: der Eine bewunderte meine für Arabien ungewöhnliche Statur 
und ſchloß jehr naiv aus dem Umfange meines fehr großen Dammel- 
felfes, daß da, wo foldye Widder eriftirten, die Menfchen ebenfalls 
fehr groß fein müßten; ein Anderer bewunderte meine weiße Haut- 
farbe und warf die Trage auf, „ob Mohammed "Alyy aud) fo weiß 
ſei?“ Kurz, ein Ieder entdedte etwas ihm Auffallendes an meiner 
Perfon, und des Fragens war fein Ende. Eine halbe Stunde mochte 
vergangen fein, während welcher man mid) mit Fragen gepeinigt hatte, 
als mich der Wirth des Haufes benachrichtigte, daß der Herr des 
Ortes, oder wie er ihn betitelte, der Sultan, gekommen fei, um mid) 
zu ſehen. 

Gleich darauf trat ein Heiner Mann von etwa 60 Jahren unter 
die Berfammlung, der fich übrigens weder durch die Kleidung, noch 
durch fonftigen Schmud vor den übrigen Bewohnern auszeichnete. 
Das Entgegenfommen, weldyes ihm von feinen Unterthanen zu Theil 
wurde, war ehrerbietig, aber nicht Friechend, und beftand nur darin, 
dag ein Jeder ſich zu ihm Hindrängte, um ihm die Hand zu küſſen. 


Tragen über Reifezwed u. |. w. 47 


Diefem Beifpiele folgte ich natürlih. Hierbei entftand nun zwifchen 
uns eim Wettjtreit der Höflichkeit. Wie ich mich nämlich zum Hand- 
kuß büdte, büdte er fich ebenfalls und drückte unfer Beider Hände 
jo Hinunter, daß fie beinahe den Boden berührten. Dieſes währte 
einige Secunden, worauf er als der höher Geftellte und Bejahrtere 
zugab, daß meine Lippen die Spisen feiner Finger ftreiften. Wir 
fegten uns dann nebeneinander nieder, während die Verſammlung, 
die indeß an bie 60 Perfonen herangewachſen war, um uns herum 
niederfauerte, um der Unterredbung mit gefpannter Aufmerkſamkeit 
zuzubören. Auf feine Sragn: „Wer ih ſei?“ „Woher id 
käme?“ „Wohin ih ginge?“ — gab ich ihm die für dieſen 
Fall fchon im Voraus bereiteten Antworten: „daß ich nämlich ein 
Aegyptier fei umd “Abd el Hud hieße, daß ich vor drei Iahren, 
während id) an der Peſt darniedergelegen, das Gelübde gethan, eine 
Wallfahrt nad) dem Grabe meines Schugheiligen Neby Allah Hud 19) 
zu unternehmen; daß fein Name fir immer verherrlicht werde. — Hier 
antwortete die Berfammlung mit: „Amen!“, erhob die Hände und 
betete das Fätiha 1%). — Hergeftellt, hätte ich leider die Erfüllung des 
Gelübdes Tag für Tag verfchoben und endlich gar vergeffen, da fei 
mir dreimal im Traume ein Engel erfchienen und habe mir befohlen, 
die Wallfahrt anzutreten, welchem Befehle ich jett nachzufommen im 
Begriff ſei — „Eſchhed Allah!“ 12) riefen Alle; — „Gott tft 
groß!” „Es ift nur ein Gott!” „Und Mohammed ift fein 
Gefandter!” — „Du wirft Deine Reife glüclich zurüdlegen, denn 
Gott ift mit Dir!” feßte der Sultan Hinzu. — In tiefes Nach— 
denken verfant die Verfammlung, deſſen Gegenftand ohne Zweifel 
mein erzähltes Wunder war, wie ic) aus den Stoßfeufzern entnehmen 
fonnte, welche von Zeit zu Zeit die Stille unterbrachen. 

Manche meiner geehrten Lefer, welche nicht mit dem Ideengange 
eines Arabers befannt find, werden mir vielleicht vorwerfen, meine 
Erzählung mit einer Abgefchmadtheit gewürzt zu haben. Hierbei er- 
faube ich mir jedoch zu bemerken, daß es in meiner Lage meine erfte 
Sorge fein mußte, mir das Zutrauen der Einwohner des Landes zu 


48 Aberglaube der Araber, 


erwerben, welches ich zu bereifen gedachte. Dazu reichte aber bei Den 
Arabern keine einfache, gewöhnliche Erzählung bin, die nicht nur einen 
oberflächlichen Eindrud gemacht, fondern fogar Mistrauen erregt haben 
würde. Dahingegen fand die mit einen Wunder verbrämte Geſchichte 
auf der Stelle Glauben und ftellte mich ihnen als ein von Gott 
unmittelbar befhüßtes Wefen dar; wie man allein ſchon aus der 
Aeußerung des Sultans erſieht. Was fi) in diefer Beziehung für 
den aufgeflärten Europäer als ungenießbar herausftellt, ift für den 
abergläubifchen fanatiſchen Moslim eine leicht verdauliche Speife, denn 
für ihn, in deffen Gemüth der ſchwärmeriſche Glaube an die auf den 
Menfchen ftatthabende „unmittelbare Einwirkung der Geifter: 
welt fo tief wurzelt, — haben dergleichen Erzählungen nichts Abſurdes. 

Nach umd nach befam die Neugierde wieder die Oberhand und 
von allen Seiten vegnete es Fragen. Mohammed Alyy, "Abd ul 
Medſchyd und die Engländer in Aden waren die Dauptgegenftände 
unferer Unterhaltung, welche bis fpät in die Nacht mwährte. Die 
eritern Beide jehen fie als ‚„„die mädhtigften Kürften der Erde“ 
an, und fie wunderten fich fehr, daß nicht der Eine oder der Andere 
den Engländern befohlen habe, Aden zu räumen, waren jedoch der 
frohen Hoffnung, ein Heer der „Beny Ottoman“, wie fie die 
„Türken“ nennen, vor 'Aden erfcheinen zu fehen. 

Wie im ganzen Orient, fo ift aud hier die Meinung verbreitet: 
„daR e8 nur ſieben chriſtliche Könige giebt, welche ſämmtlich ihre 
Kronen vom Sultan der „Beny Ottoman“ zum Lehen tragen, 
wofür fie demfelben unterthan und tributair find. 

Die Temperatur bei Sonnenuntergang, wolfenlofem Himmel und 
Nordweitwinde war diefen Abend 25° R. 

Der Sultan von Borum 1?) heißt "Alyy ibn Nacr und gehört 
dem Stamme EI Kefjady an, der einen Theil der Provinz Yäfln 
bewohnt. Mit fichtlihem Wohlgefallen erzählte er mir, daß er fein 
Gejchlechtsregifter bis auf Noah zurüdführen könne, ımb in gerader 
Linie vom Propheten Hub (dem Eber der Bibel?) abftamme, durch 
Himyar und Dahtän !*) (Ioftan), welche feiner Meinung nad) Alle 


Beny-Haflan- Stamm. Der WVäry. 49 


Mufelmänner gewefen find. — Zroß diefer hohen Abſtammung ift 
er doch nur ein winzig Feiner und armer Fürft, der außerhalb feines 
Städthens auch nicht die geringfte Autorität befitt, und felbft unter 
dem Schuge der Beny-Haſſan-Beduinen fteht, denen er dafiir einen 
jährlihen Zribut entrichten muß. 

Diefer Stamm der Beny Hafjan iſt eine Unterabtheilung bes 
großen Hauptſtammes Sjaybän 1°), deſſen Wohnfige fich weit ins 
Innere erjtreden. Diefem Stamme oder, was daffelbe ift, einem 
einzigen Sprößling deſſelben vertraute ich mich noch am Abend, nad) 
dem Nathe des Sultans und meines Wirthes, für die Neife nad) 
Makalla an. 

24. Juni. Am 24. nahm id) in der Frühe von meinem Wirthe 
Abfchied und verließ um 1,7 Uhr das gajtfreie Borum unter dem 
Schutze eines 10jährigen Beduinenfnaben. — Eine lange 
Yuntenflinte und eine Dſchembiye 16) (Dolch) waren die Waffen meines 
feinen Befhügers, der mit troßiger Meiene vor dem Kameele 
einherſchritt. In einem Lande, wo es Niemand wagt, unbewaffnet 
außerhalb feines Haufes zu erfcheinen, würde eine folche Escorte wenig 
Sicherheit gewähren, wenn nicht die Furcht vor der Rache ihres 
Stammes, ihrer Familie und ihres Wäch ?7) den Räuber davon ab- 
hielte, fie anzugreifen. Der Reifende wird, fobald er ſich ımter den 
Schuß eines Beduinen begeben hat, als ein Gaft des Stammes an- 
gefehen, und eine jede Beleidigung, melde ihm angethan wird, rächt 
der befchügende Stamm an dem Thäter oder deſſen Familie. ‘Der 
geleitende Beduine ift alſo für die Dauer der Reife gleichſam als 
Waͤch des Neifenden anzufehen. 

Gleich, nachdem wir den Drt verlaffen Hatten, führte der Weg 
von DBorum, längs dem Fuße des fteil abfallenden Dichebel Reſch 
hin. Rechts fprüßte die Brandung des Meeres bis zu den Füßen 
meines Kameeles hin und verfuchte feine zerftörende Kraft an den 
unzähligen Felsblöden, welche den Weg theilweife fo verengen, daß 
ein beladenes Kameel kaum dur kann. Man fieht an den fteilen 
zerriffenen Wänden diefes Vorgebirges, welches feiner röthlichen Farbe 

A. v. Wrede's Reife in Habhramant, 4 


50 Wädiy Eſch Scherebbe. — Fuwa. 


halber Rafj Ahmar, d. i. „das rothe Vorgebirge“ genannt wird, 
daß das Meer ſchon einen bedeutenden Theil davon weggenommen 
hat. Dieſer Zerſtörungsprozeß dauert noch fort, denn der ganze etwa 
20 Fuß breite Weg iſt voller Spalten, aus denen bei jedem Wellen- 
fchlag das Wafjer mehrere Fuß hoch, gleih Fontainen, emporfprügt. 
— Es war mir cin unheimliches Sefühl, auf dieſem unterminirten 
Wege zu gehen, der jeden Augenblick einjtürzen konnte, und ich war 
daher froh, nad) einer Stunde den Wadiy Eſch Scherebbe zu betreten, 
welcher fich zwifchen den Dichebel Reid) und Eſch Scherebbe, in nord: 
weftliher Richtung hinaufzieht. Jenſeits des Thales führt der Weg 
durch ein Felſenthor, welches ein losgeriffener Telsfegel mit dem 
Gebirge bildet. Zur rechten Seite des Weges befindet fich in dem- 
felben das Grab eines Heiligen, an deifen Kopfende die Süge eines 
Sägefiſches aufgepflanzt ift. Hinter dieſem Felſenthore führt die 
Straße eine Stunde lang theil® durch ein Chaos von Felsblöcken, 
theil8 durch tiefen Sand längs dem Meere hin. ‘Dann tritt das Ge- 
birge plöglich nach Nordoften zurück und dacht fich nad) der Tihäma ?°) 
(Niederung) von „Fuwa“ bis zum Wädiyg „Merret‘ ab. Der 
Weg bleibt fortwährend in der Nähe der Meeres und wird bie zum 
Wädiy Halle 19) mit niedrigen, mit Gejtrüpp bewachſenen Hügeln 
begleitet. Bis zum Dorfe Fuwa 2%), wo wir um Ys1l Uhr Halt 
machten, überſchritt id) nod) die Wadiy „Cahah“ 21), „Chomyr“ 22) 
und „Dſcharre“ 2°). Die Tihäma von Fuwa erſtreckt ſich von Süd- 
weiten nach Nordojten, von Dichebel Eich Scherebbe bis zum Gebirge 
Makalla, eine Strede von 8 Stunden, und hält in ihrer größten 
Breite 2 Stunden. Die Strede vom Dorfe Tuwa bis zum ‘Dichebel 
Eſch Scherebbe ijt wohl für Eultur geeignet, jedoch fand ich nur die 
Umgebung des Torfes und das Bett des Wäpdiy „Fuwa“ angebaut. 
Fuwa liegt eine Stunde vom Meer im Wädiy gleichen Namens und 
beiteht aus einigen 50 Häufern, welche von ungefähr 300 Bebuinen 
des Stammes Agaybere 2%) bewohnt werden. Diefer Stanım ift eine 
der Unterabtheilungen des Stammes Sfaybän und ift „Befhüger“ 
des Sultans von Mafalla, welcher dafür einen jährlichen Zribut zahlt. 


Rechtsgebräuche der Beduinen. 51 


Halbjährlich hält dieſer Stamm hier ſeine Dabayl Bakry“ 25) 
oder Stammverſammlungen, wobei jedesmal ein großer Markt ftatt- 
findet. Bei diejer Gelegenheit werden Streitigkeiten gefchlichtet, Ur⸗ 
theile gefällt ımd vollzogen, Krieg und Frieden beichloffen — furz 
alle nur möglichen Angelegenheiten des Stammes, ſowie der einzelnen 
Beduinen befprochen, geordnet u. ſ. w. ‘Der fonjt im ftrengften Sinne 
des Wortes vollfommen unabhängige Beduine tft während der drei 
Zage, welche die Verſammlung tagt, dem Schaych und dem Rathe 
der Aelteſten unterworfen, deren Urtheile unwiderruflich find und ge- 
wiffenhaft vollzogen werden. Gin jeder Fremder fogar kann in diefen 
drei Tagen jeine Klagen gegen einen Angehörigen des Stammes vor- 
bringen und erhält, wenn fic gegründet find, vollftändige Gemug- 
thuung. Jedoch nicht Alles, was bei uns Verbrechen ift, wird dort 
als ein folches erfannt. So würde 3.3. die Klage eines Menfchen, 
der von einen Beduinen auf der Yanditraße gemighandelt oder beraubt 
worden ijt, oder deifen Bruder von demſelben gemordet wurde, für 
den Fall zurücgewiefen werden, went er oder fein Bruder nicht zu 
der Zeit unter dem Schuße des Stammes geitanden haben. Da- 
hingegen wird Verrat am Stamme mit den Zode bejtraft und 
Diebftahl von Gegenftänden, welde einem „Stammesgenoffen“ 
oder einem „Schüßling des Stammes’ gehören, Ermordung 
eines „Schützlings“ und VBeruntreuung zum Transport anvertrauter 
Gegenstände mit „Ausſtoßen aus dem Stamme‘ geahndet. 

Das „Ausſtoßen aus dem Stamme’ ift eine jehr harte 
Strafe und gleicht dem „Bann“ und der „ Acht‘ des Mittelalters. 
Denn nicht nur, daß der Ausgeftopene von Feinem andern Stamme 
aufgenommen wird und er aller jeiner Rechte verluftig ift, werden 
ihm auch feine Weiber, Kinder, Heerden, Waffen u f. w. genommen. 

Während der „drei Tage‘, welche der BVollftredung des Ur— 
theils folgen, ift der Verurtheilte unantaſtbar und Niemand darf ihm 
nachgehen, um die Zufluchtsftätte zu erfahren, welche er erwählt hat. 
Iſt aber diefe Frift verfloffen, fo hat jeder Stammesgenoffe das Recht, 
ihn. wie ein wildes Thier zu verfolgen und zu tödten. — Solchen 

4* 


52 Wädiy Fuwa (Dirbe). 


Unglüdlichen bleibt dann nichts anderes übrig, als die unwirthbarften 
Gebirge aufzufuchen, wo fie gewöhnlid) andere „Baumägq‘ ?°) d. i. 
„Treuloſe“ (denn fo nennt man diefe Verbannten oder Ge— 
ächteten) antreffen und dort ordentlihe „Räuberbanden‘ bilden, 
die um fo gefährlicher find, als fie aller herkömmlichen Geſetze der 
Ehre entbunden, ihre angejtammte Raubgier und Mordluft rücfichts- 
(08 befriedigen Fönnen. 

Tas Dorf Fuwa liegt am linken Ufer des Wädiy Fuwa, in 
deſſen jehr breitem Bett der fruchtbare Humus mit vielem Fleiß cul- 
tivirt ift. Dattelpalmen jah id) dagegen nur wenige. Wie man mir 
berichtete, war der Wädiy früher mit einem dichten Dattelpalmen- 
walde bededt, welcher aber vor etwa 10 Jahren, während eines 
Krieges mit benachbarten Stämmen, namentlid) dem Stamme der 
Chaͤmiye, von demfelben umgehauen wurde. ‘Dem Dorfe gegenüber 
auf der rechten Seite des Waͤdiy ftehen einige verfallene Wacht: 
thürme, welche im cebenerwähnten Kriege zeritört wurden. 

Oberhalb des Gebirges führt der Wädiy Fuwa den Namen 
Dirbe 2”), in welchem mir folgende Ortſchaften genannt wurden: 
„Dobba 23), Cl Irme, Baydhä, Dirbet-Dahwe, Biyr Bü Räpe, 
Adyd, Kelbub, EI Modayne und El Dära’. ine Stunde oberhalb 
Fuwa liegt das Dorf Kulang, und eine Stunde nördlich von Fuwa, 
der Ort Ayn-el Ghaſſaͤny 29), wo ein Baffin exiftirt, zu weldem 
das Waffer mehrerer Quellen durd) Wafferleitungen geführt wird. 

Das Gebirge von Borum bis zur Tihäma befteht aus einem 
Conglommerat von Geſchieben eines jehr kryſtalliniſchen Kalkſandſteins 
und Iaspis mit quarzigem Bindemittel; unmittelbar am Deere ſteht 
Granit zu Tage. Die Temperatur war am Morgen 20°, um 
Mittag 30° R. bei Nordweftwind auf freier Ebene ohne Bäume und 
Gefträuche. 

Um Y.2 Uhr fette ich meine Reife fort. Die Hitze, weldje 
ſchon ohnedies bedeutend war, wurde noch durch das Keflectiren ber 
Sonnenftrahlen von den blendend weißen Sandhügeln, durd welche 
der Weg führte, bedeutend gefteigert. Die Gegend war faft ohne 


Wadiy Omm Bahya. — Makalla. 53 


alle Vegetation, denn nur hier und da ragten einige „Tamarisken“ 
(Tamarix orientalis, bei den Arabern Athl genannt), und „Dom— 
palmen“ (Hyphaene crinita) aus dem Flugſande hervor. Die 
„Dompalme“ hat fächerartige Blätter und zeichnet ſich vor den 
übrigen Palmenarten dadurch aus, daß ſich ihr Stamm in mehrere 
Aeſte theilt. Die braunen Früchte ſitzen traubenförmig zuſammen 
und ſind von der Größe und Geſtalt einer großen Kartoffel. Das 
Fleiſch dieſer Frucht iſt faſerig und widerlich ſüß und der Kern von 
außerordentlicher Härte, weshalb man allerlei Sächelchen aus ihm 
verfertigt, Perlen zu Roſenkränzen, Knöpfe u. dergl. m. 

Eine Stunde nach unſerm Aufbruche betraten wir das Bett des 
Wädiy Omm Bäyha ®%), welches wir bis ans Meer verfolgten, in 
deffen unmittelbarer Nähe wir bis Makalla blieben. Ein und eine 
halbe Stunde Wegs brachte uns an den Waͤdiy Wo’ayfa 24), welcher 
als klarer, rveißender Bad) ins Meer ftrömte. Jedoch hält diefer 
Wädiy nicht immer Waffer, fondern nur nad einem im Gebirge fur; 
vorher gefallenen Regen. 

Gleich Hinter dieſem Waͤdiy tritt ein Ausläufer des Dichebel Agay- 
bere bis auf 300 Schritt vom Meere vor; längs welchem wir nad 
1/, Stunde an die Mündung des Wädiy ba Darrayn gelangten, 
welcher fich zwifchen dieſem Vorgebirge und Dſchebel el Dära nord- 
westlich zieht. Dichebel el Dära überragt die Stadt Mafalla, melde 
ih, vom Wädiy aus gefchen, jehr hübſch ausnimmt und an die 
venetianischen Städte des Orients erinnert. 

Um 6 Uhr langte ih in Makalla an, wo ih in Folge des 
Empfehlungsfchreibens des Schaych Mohanımed el Bä Harr von dem 
Kaufmann "Abd Allah Ahıned ibn ba Wähil gaftfrei aufgenommen 
wurde. Die Schilderung, weldhe er mir von den Bebuinen machte, 
war freilich nicht geeignet zur Reife ins Innere aufzumuntern. Mein 
Entſchluß aber war gefaßt und ich bat ihn daher, mir für den .fol- 
genden Tag einen Dachayl 2?) (Geleitsmann, Beſchützer), nebft Ra- 
meel zur Reife nad) dem Wädiy „Doän” zu verſchaffen. Da ich 
befürchtete, vielleicht in der Stadt als Europäer erfannt zu werben, 


54 Makalla. 


ſo unterdrückte ich den Wunſch, dieſelbe zu beſehen und blieb den 
ganzen folgenden Tag „zu Hauſe“. 

Die Temperatur ſtand bei Sonnenuntergang 25°. Am 25. mit 
Sonnenaufgang 20°, um Mittag auf der Terraife des Haufe 30 , 
bei Sonnenuntergang 25° R. *) bei woltenlofem Himmel und Süd— 
weftiwinde. 


— 


*) Hier und für die Folge allemal im freien Schatten nad) Reaumur. 


Zweites Gapitel. 


Bon Malalla nad) dem Dſchebel Tſahura. 


Abreife von Makalla. — Bi Darrayı. — Wädiy Omm Dfcirdfhe. — Das 
Dorf Harr Schiwäts. — Hafiye. — Falh eff Sfifle. — Waͤdiy Mahniye. — 
Fedſch min Allah. — Die Area. — Dſchebel Bi Bihae. — Der Engpaß Lay: 
lebät. — "Agaba el Mahniye. — Dſchebel Harf el Hacyg. — Dſchebel el Some. — 
Schura. — Miffne — Ei Dada. — Gily. — Dſchebel Gidära. — Waͤdiy 
Moutiſch. — Dſchebel Rode. — Dichebel Mobarek. — Dſchebel Tſahura. 


25. Juni. Am 25. Juni brachte mir mein Wirth einen Be⸗ 
duinen des Stammes Agapbere und fchloß mit demjelben einen Con- 
tract, zufolge deffen er fich verpflichtete, mid) gegen Empfang einer 
mäßigen Summe nad) Choraybe im Wädiy ‚„Do’än‘ zu bringen und 
mid) während diefer Reife gegen Jedermann zu beſchützen. — Die 
Uebergabe eines Fremden in den Schuß eines Beduinen ift hier mit 
einem eigenthümlichen Ceremoniel verbunden, welches in Yemen und 
dem nördlichen Arabien nicht beobachtet wird. Nach Abſchluß des 
Contracts nämlich legte mein Wirth die Hand des Beduinen in die 
meinige und frug ihn, „ob er mid und meine Habe während 
der Reife beſchützen wolle?‘ Auf fein gegebenes „Ja“ benekte 
der Raufmann feinen Zeigefinger mit dem Speichel und fchrieb meinen 
Namen auf die Stirn des Beduinen, indem er fprad: „Der Name 
diejes Fremden jteht auf deiner Stirn gejchrieben, Aqay— 
bere, daß fie fih nie mehr vor deinem Stamm erhebe, 
wenn ihm etwas zu Leide geſchieht!“ — Der Bebuine erwiderte 


56 Der Dachahl. 


mit großer Lebhaftigkeit: „Sie erhebe fi nie michr, weder in 
den Städten, noch in den Gebirgen! Mein Tod ift fein Tod! 
Und fein Tod der meinige! Es ift nur ein GOtt und Mo- 
hammed ift fein Geſandter. Alles kommt von ihm! 

Hiermit endigte die Keremonie, und mein Wirth verficherte mir 
fpäter, daß id) nun dem Beduinen volles Zutrauen ſchenken könne. 

Die Vorbereitungen zur Reife waren bald, und dem Willen meines 
Beduinen gemäß, gemadt. Nach Wunfcd) wurden ihm einige Dirbe 
(Kleine lederne Schläuche) gefauft, um Mehl, Datteln, Butter, Ingwer 
und einige Stüde getrodneter Haififchfinnen hinein zu paden. Nach⸗ 
dem alles Nöthige angeſchafft war, padte ich meine Cffecten zu— 
fanmen und übergab fie meinem Führer, der fie nad) feinem Lager— 
plate außerhalb der Stadt brachte. j 

Nad) dem Nachmittagsgebete kamen mehrere Freunde des Wirths, 
um mic zu fehen. Die Unterhaltung bewegte ſich um meine Reife 
in das Innere des Landes, und Alle bemühten fi), mich zu über- 
zeugen, daß diefe Reife für einen Fremden lebensgefährlich fei. Dies 
zu beweifen, erzählten fie mir eine Menge Räuber: und Mord: 
geſchichten. Sie fchilderten mir überdies die Beduinen als Menfchen 
ohne alle Religion, ftetS nah Mord und Raub lüftern, und die über- 
haupt Alles genöffen, was der Dorän verbiete. Auf diejen letzten 
Umftand Iegten fie ein befonderes Gewicht. Dadurch ließ ih mid 
nun natürlich von meinem Plane nicht abbringen, ſondern entgegnete 
ihnen, daß ich unter dem Schute Gottes ftehe, ohne deffen Willen 
mir Niemand etwas anhaben könne und daß ic) übrigens wegen einer 
wahrfcheinlichen Gefahr nicht unterlaffen könne, ein Gelübde zu er- 
füllen. Als fie fih im Fluſſe der Rede und einer Fluth von Schmä- 
hungen eben noch ergaffen, — trat plößlich die dunfele, halbnackte, 
nervige Gejtalt meines „Dachayl“ (Geleitsmann) herein und Allee 
ward mänschenftill. — Statt der Schmähungen wurden ihm Schmei- 
cheleien gejagt. Im feiner Gegenwart lobte man mir laut feine TZapfer- 
feit, Rechtlichkeit, Religiofität u. |. w. — Bon alfen diefen Süßig- 
feiten aber nahın mein Beduine wenig oder gar Feine Notiz, und ohne 


Das Lager der Agaybere. 57 


“jenen Herren in Etwas zu begegnen, forderte er mic auf, ihm ins 
Lager zu folgen, da die Thore während der Nacht gefchlojfen und 
wir nod) vor Zagesanbruch aufbrechen würden. 

Bei meiner Ankunft im Bivouaf fand ich nod) 15 Stammtes- 
genofjen meines ‚„‚ Dachayl“ um ein Feier gelagert, um welches die 
Waarenballen und 20 Kameele einen Kreis bildeten. Die Beduinen 
ftanden auf und fetten fich nicht eher wieder, Ale bis ih im reife 
herumgegangen, Jedem die Hand gegeben und mid, nach feinem Be— 
finden erkundigt hatte. Nachdem auch mich ein Jeder nach meinem 
Befinden gefragt, festen wir uns nieder. Giner der Geſellſchaft be— 
reitete den Kaffee und reichte das für die Pfeife nöthige Teuer, 
welche von Zeit zu Zeit die Runde machte. 

Die Beduinen, wie alle Araber, Halten viel auf Begrüßungen, 
find unerfchöpffich in ihnen und laffen nicht leicht ſich in diefer Be— 
ziehung eine Nachläfjigfeit zu Schulden kommen. Auch ift es für 
einen Reiſenden fehr wichtig — ob er begrüßt wird oder nicht, denn 
er kann gewiß fein, daß der Beduine, welcher ihn nicht grüßt, etwas 
Teindfeliges gegen ihn im Schilde führt. 

Der Abend verging unter Gefpräcen aller Art. Ich mußte ihnen 
von Mohammed 'Alyy, dem Sultan der Beny Ottoman, vom Zwed 
meiner Reife u. j. w. erzählen, fie dagegen waren fo erpicht auf alle 
diefe Nenigfeiten, daß ich auch nicht eine einzige Trage anbringen 
Eonnte. Wenn man diefe Menfchen zum erften Male ficht, flößen fie 
freilich) wenig Zutrauen ein. Man denke fich dunfelbraune, nervige 
Kerle, deren ganze Kleidung aus einem Schurz um die Hüften befteht, 
der kaum bis zu den Knien herabreicht, und deren langes, ſchwarzes, 
etwas gefräufeltes Haupthaar zu einem Büſchel am Hinterfopfe zu- 
fammengebumden tft. Ein fpärliher Bart befchattet das Kinn, wäh- 
vend der Schnurrbart forgfältig gefhoren ift — denn in Hadhra- 
mant wird ein Menjch, der einen Schnurrbart trägt, „Makruh“, 
d. 1. „als ein unanftändiger Menſch“, vermieden. — Unter ihren 
bufchigen Brauen bligt ein feuriges Augenpaar, deffen nächſte Um— 
gebung durch den Gebrauch des Kohls (äuferliches Augenmittel, Col- 


58 Kechtsanfchauungen der Beduinen. 


(yrium von gepulvertem Antimonium) eine dunkle, jtahlblaue Farbe 
erlangt hat. Endlich fpielt um-den feinen, mit perlenweißen Zähnen 
befegten Mund ein Zug, welder die Verachtung ausfpriht, mit 
welcher diefe wilden Söhne der Wüſte auf Alle herabbliden, die nicht 
wie fie, frei wie das Raubthier ihrer Gebirge umherfchweifen. In 
ihrem Gürtel blitt die Dichembiye (Dolch) in der Nachbarfchaft eines 
großen blanfen Pulverhornes — cin Tleineres, worin feingeriebenes 
Pulver für die Pfanne enthalten ift, hängt an einen mit Mietalt- 
fnöpfen befegten Riemen über die linfe Sculter auf der rechten 
Bruft, — fortwährend liegt die unzertrennliche Begleiterin, die Yunten: 
flinte, in Bereitfchaft, um entweder einem Angriff zu begegnen oder 
bei günftiger Selegenheit felbit einen jolchen auszuführen. Je länger 
man mit ihnen umgeht, um jo williger fühnt man fi mit ihrem 
wilden Aeußern aus. Sitten und Gebräuche, durch die Yänge des 
Beftehens geheiligt, bannen ihre Raub- und Mordluft in engere 
Schranken, und geben ihrer Handlungsweife einen ritterlichen Anftrich, 
der ſeltſam mit ihrem fonftigen Thum und Laſſen contraftirt. So ijt 
3. B. dem Beduinen fein gegebenes Wort Heilig, nicht etwa aus 
religiös - moralifchen Gründen, o nein! — fondern weil ihm fein Vater 
diefen Grundſatz eingeprägt hat; weil der Wortbrüdige von ganzen 
Stamme veradhtet wird, und ihm die fchredlide Strafe der Aus: 
ftoßung droht. Alle Kaufleute vertrauen daher aud ihre Waaren, 
wären fie noch fo foftbar, einzelnen Beduinen zum Transport ins 
Innere des Yandes an; und mit der größten Gewiffenhaftigfeit, aber 
auch mit bintendem Herzen liefert er fie ab; denn er kann fi) des 
Gedankens nicht erwehren, wie jchön es geweſen wäre, wenn ihm 
dieſe Gegenſtände ohne Schutz begegnet, wo er ſie dann, unbeſchadet 
ſeiner Ehre, hätte rauben können. Daſſelbe gilt von den Reiſenden. 
Der Beduine vertheidigt den Fremden, welcher ſich ſeinem Schutze 
anvertraut hat, bis zum letzten Athemzuge. — Denſelben Fremden 
aber wird er ohne Weiteres ermorden und berauben, wenn er ihn 
„unbeſchützt“ auf der Straße trifft. Ob nun gleich der Beduine mit 
ſeinem ganzen Thun und Treiben nicht als ein Muſter der Moralität 


Gebrauch des Kohl. 59 


aufgeftellt werden kann, jo iſt er mir, bei aller feiner anerkannten 
Raub- und Mordluſt, dennod) lieber, als der ränfevolle, fanatifche 
und allen Yaftern ergebene Städtebewohner. | 

Noch ift die Art und Weife, es fi) bein Sigen bequen zu 
machen, zu erwähnen. Die jeift eben jo zweckmäßig, ale originell und 
meines Wiſſens in feinen andern Lande gebräudhlid. In feinem 
Haufe befinden jich nämlich Stiffen, an die man fich lehnen könnte, und 
die Beduinen fennen ſolche Yurusartitel um jo weniger. Da nun das 
Sigen mit freuzweis unterfchlagenen Beinen bald ermüdet, To ſchlingen 
jie das zweite lange Tuch, welches jeder Beduine bei’ fich führt oder 
aud) das Gehänge des Fleinen Bulverhorns dergeftalt un die Meitte 
des Körpers und um die Kniee, daR es gleichfam einen Keif bildet, 
in welchem ſich Rüden und Kniee gegenfeitig unterftüten. 

Der Sebraud) des Kohle oder Antimonpulvers, als ein Mittel 
die Ränder der Augenlider zu färben und fie dadurd) größer er- 
Icheinen zu laffen, ift in Aegypten, Syrien und ganz Arabien all- 
gemein und ſtammt aus dem Altertfum. ALS die erfte Perfon, welde 
diefes Collyrium gebrauchte, nennen die arabifchen Gefchichtsfchreiber ein 
Weib aus dem Stamme Dfidicäl, Namens: „Sora ??) el Demäma‘ 
und behaupten von ihr: „ſie habe in Folge der Anwendung diejes 
Kohle ein jo ſcharfes Geſicht erlangt, daß fie die Armee des himya— 
riſchen Königs Haſſan et Tobba‘, welder gegen ihren Stamm zu Felde 
309, in einer Entfernung von drei Tagereiſen entdedt habe. Sie 
wurde jedod) vom Feinde gefangen, und nachdem König Haſſan ihr 
die Augen habe ausreigen lajfen, habe man alle innern Fibern der 
Augen ſchwarz gefärbt gefunden.” — Wahrſcheinlich hat dieje Fabel 
zur Verbreitung diejes Gebrauchs beigetragen. Genug, daß alle Ein- 
geborenen, ohne Ausnahme des Alters, Geſchlechts oder Standes den 
Kohl anwenden, um die Augen zu ſtärken und fie größer erfcheinen 
zu laſſen. 

Anm 26. Juni, 22 Uhr Morgens in der Frühe bradyen wir 
auf und zogen nordwärts den Wädiy ba Darrayı ®*) hinauf. Es 
hat diefer Wädiy feinen Namen von einem Dorfe bekommen, das 


60 Dorf Harr Schimäts. 


wir, nachdem wir eine Stunde Wegs zurückgelegt, in einer mit Dattel⸗ 
und Cocospalmen bededten Schlucht, links Tiegen Tiefen. Es gehört 
dem Sultan von Mafalla und mag ungefähr 400 Einwohner zählen. 
Bon diefem Orte an wird die Richtung des Weges Nordoft, 15° Oft 
und führt durch einen Engpaß, welcher ſich 1%, Stunden lang bie 
zum Wädiy Omm Dichirdfche 3%) Hinzieht und an deffen Ausgang ein 
Dattelgebüfh, Eſſ Sfitt genannt, am Fuße des Dichebel Fath edh 
Dhayq ?°) Liegt. 

Um %s5 Uhr lagerten wir uns in einem fchönen Palmenwalde, 
am Fuße eines niedern Ausläufer des Gebirges, auf welchem 
das Dorf Harr-Schimäts 7) Tiegt. Auf der andern Seite des Ge: 
hölzes befanden fich auf einem Hügel einige verfallene Wohnungen 
und Wachtthürme. Das Dorf befteht aus gut gebauten, zweiſtöckigen 
Häufern und zählt ungefähr 400 Einwohner, weldhe dem Stamme 
Agaybere angehören. Unter den Cocos- und Dattelpalmen befanden 
fi gut angebaute Getreide- und Tabaksfelder, weldje durch eine 
warme Quelle bemwäfjert wurden, die am füdöftlihen Abhange des 
Dſchebel Fath edh Dhayq entipringt. Die Bemäfjerungsfanäfe, welche 
zu den verfchiedenen Abtheilimgen der Felder führen, find mit großer 
Umficht angelegt. 

Nach der Ankunft auf einem Ruheplage find alle Beduinen 
befchäftigt, die Bedürfniffe des Augenblids herbeizufchaffen. Cinige 
fuhen Brennholz, Andere holen Waffer, die Uebrigen füttern die 
Kameele. Nachdem das Feuer angezündet ift, ſchickt fich die Geſell⸗ 
Tchaft an, den Kaffee zuzubreiten, und ein Paar Andere übernehmen 
das Brodbaden. Zum Kaffee fteuert ein Jeder gewöhnlih nur 5 
oder 6 Bohnen, nebft einem Kleinen Stüdchen Ingwer. Die Bohnen 
werden nun gebrannt, mit dem Ingwer in einem Mörſer geftoßen 
und in einem großen kupfernen Gefäße. gefoht. Da von etwa 
60 Bohnen 20 ziemlich große Taſſen bereitet werden, fo Tann man 
fi denfen, daß der Kaffee nicht zu ftarf ausfällt und der Ingwer 
ift auch nicht geeignet, ihm einen angenehmen Gefchmad zu verleihen. 
— Zum Brode giebt Jeder, nah) Maßgabe feines Appetits, mehr 


Togerfitten. Feldbau. 61 


oder weniger Mehl, indem er zwei Hände voll für ein Brod rechnet. 
Das Mehl wird in einem hölzernen Napf mit Waffer zu einem Teig 
gemengt, dann zur zwei Finger diden, 6 Zoll im Durchmeſſer haltenden 
Kuchen gefnetet und auf den ausgebreiteten Holztohlen gebaden. Ge— 
wöhnlich find diefe Brode an ihrer Außenfeite verbrannt, während fie 
in ihrem Innern nod nicht gar find. — Einige getrodnete Datteln, 
ein wenig Butter oder Seſamöl und dann und wann ein Stüd auf 
dem Teuer geröftete Tederzähe Haifitchfinnen — find die Zuthaten; 
Waſſer das einzige Getränf. 

Anfänglih wurde es mir freilich etwas fchwer, mic) in diefe 
Lebensweife zu finden, und oft genug fehnte ich mic) nad) den Fleifch- 
töpfen Aegyptens zurück. — Jedoch woran kann man fich nicht Alles 
gewöhnen! Nach wenigen Tagen fchmecdten und befamen mir alle diefe 
Sachen vortrefflih; wozu denn die gefunde Gebirgsluft, das vorzüg- 
liche Waffer und die fortwährende Bewegung beigetragen haben mögen. 

Nördliih von Harr Schiwäts fteigt der Aqaybere auf, von 
welchem in Nordiweften zwei Zweige, die Dfchebel Lahab 3°) und 
Fath edh Dhayq ausgehen, niedrige Hügel tertiären Kalfs nehmen 
die Strede bis zum Meere ein, deifen Brandung deutlich zu hören 
war. Die Felder waren in Vierecke von etwa 50 Fuß Länge 
und 20 Fuß Breite getheilt, welde mit 2 Fuß breiten und 
1 Fuß hohen Erdaufwürfen umgeben waren, in denen Rinnen 
zur Leitung des Waffers eingegraben find. Diefe Weife, die Felder 
einzutheilen und zu bewäſſern, ift aud in Aeghpten gäng und gäbe. 
Das Land war mit Durra (Holcus sorghum), Dochn (Holcus 
Dochna; Forskäl),- Sejam (Sesamum orientale) und Tabaf bebaut. 
— Längs der Abtheilungen wuchſen Ricinusſträuche. Yängs der 
Quelle und am Rande des bebauten Feldes jah ich Tamarinden, 
Amba (Mango) und Arakbäume ſtehen. Der Aräkbaum, welcher 
hier wächſt, iſt wahrſcheinlich von der Art, welche Wellſted „Avi- 
cennia nitida“ nennt. Er gewährt einen freundlichen Anblick und 
ſein Laub hat ein lebhaftes Grün. Beim Zerreiben verbreiten feine 
Blätter einen aromatifchen ‘Duft. 


62 Vegetation. 


Der Tamarindenbauım oder richtiger TZamarhind, der in- 
diiche Dattelbaum, von Zamar, „Dattel” und Hind, „Indien“, 
ift einer der prächtigſten Bäume, die ich je gejehen habe, fowie feine 
Frucht eine der gefundeiten und erfriichendften, welche die tropiiche 
Zone aufzuweiſen hat. Unter dem dichten Yaubdade eines diefer 
Bäume hatten wir uns gelagert, jedoch waren leider die trauben- 
artigen Früchte nod) nicht veif. 

Im fandigen Bette des MWadiy wuchſen auch zwei Arten von 
Tamarisfen, nänlid) dic Tarfä (Tamarix gallica) und Athl (Ta- 
ınarıx orientalis); zwei Arten von Afazien, nämlich Seyal (Mimosa 
Sejal, Forsk. Flor. pag. 177) und El Goff (Acacia arabica); 
beide geben Gummi, die leßtere jedoch das befte. 

Ferner fah ich den „Nebefbaum‘ (Lotus nebeca oder nach 
Forskäl Flor. pag. 63 Rhamnus nebeeae), die Dompalme (Hy- 
phaene crinita); eine Fächerpalme, mit deren „Fächern“ („Tafi“) 
man die Hütten dect, und eine Siftpflanze Namens „EL Oſchr“ 
(Asclepias procera), welche hier eine Höhe von 10 Fuß erreicht. 
Den Stamm diefer Pflanze jah ich hier von der Dide eines Mannes 
und etwa 3 Fuß hoch, und es find nur die Zweige, welche 10 Fuß 
Höhe erreihen. Das Holz iſt fehr weiß, weich und leiht, weshalb 
es die Beduinen für ihr Pulver zu Kohlen benugen. Bei wolfen: 
lofem Himmel und ſchwachem Nordweitwind jtand der Thermometer 
bei Sonnenaufgang 20°, um Mittag 30°. 

Etwas nad 9 Uhr brachen wir wieder auf und zogen in der 
Richtung Nordoften 15° Dit durch den „Balmenmwald‘, — den 
Hügel hinan, Hinter den Dorfe vorbei, von wo aus fid) der Weg 
nad) Norden wandte. Um 2 Uhr ftiegen wir bei einem Gehöfte, 
Namens Hawä, mieder in den Wädiy Omm Dicirdiche hinab, 
welcher hier ebenfalls mit einem dichten Palmenhaine bededt ift. 
Die in ihm liegenden Felder werden von einer heißen Quelle bewälfert, 
welche oberhalb des Dorfes Hafiye entipringt. Diefes Dorf liegt 
in einiger Gntfernung lints vom Wege, etwa 200 Fuß über dem 
Thale, in einer Schlucht, von Gärten umgeben, welde fih in Ter— 


Wädiy Hotſiye. Falh eſſ Sfifle. 63 


raſſen längs der. Schlucht und mehrere 100 Fuß hoch oberhalb des 
Dorfes erheben; diefe geben der Lage diefes Ortes etwas Malerifches, 
welches mit den nadten Felſen des Gebirges wohlthuend contraftirt. 

Um 3 Uhr ſah ich rechts vom Wege in der Entfernung von 
Y/, Stunde das Dorf Dhyg edh Dhyäg ?) unter Palmen Liegen, 
welche durd) den Wädiy „Räye“ bewälfert werden. ", Stunde 
fpäter überjtiegen wir in der Richtung Süd 34° Weit einen niedern 
Felſenkamm, welcher jih nad) Meften nod) in weiter Entfernung be— 
merkbar macht und von welchen id eine fchöne Ausficht in den ſich 
zu unferer Rechten hinziehenden Wädiy Hotfine*") genoß. Bon grünen 
Saatfeldern umgeben, vagten dort aus einer Gruppe hoher Palmen 
die Minarets der Stadt „Falh eſſ Sfifle‘*') hervor, deren Ein- 
wohner, etwa 1000 an der Zahl, fih mit Aderbau umd der Be- 
reitung des Indigo befchäftigen. Der Weg über diefe Hügel war, 


der ſcharfen Beljenzaden halber, mit denen er gleichſam beſäet ift, 


ſehr fchwierig, befonders, da das dunkle Geftein der Grauwade, aus 
der fie beftehen, einen ſolchen Grad der Hite erlangt hatte, daß id) 
meine Hand nicht darauf halten konnte. Um jo mehr wunderte ich 
mic über die Sußfohlen der Beduinen, welche barfup mit der Be— 
hendigfeit einer Gazelle über diefe Felſenzacken hinwegliefen. Obgleich 
fie Alle mit Sandalen verfchen jind, fo bedienen fie ſich derjelben 
nicht einmal gegen die Hite des Sandes oder Bodens, fondern man 
ficht jie nur an ihren Gewehren hängen, und nur, wenn fie im Didicht: 
Brennholz oder Futter für ihre Kameele holen, bedienen fie fich der- 
felben. 

Zu meiner großen Zufriedenheit ftiegen wir fchon nad) 20 Mi— 
nuten zum Wädiy ,, Mahniye“ 22) nieder, welcher ſich bei der Stadt 
Falh eſſ Sfifle mit dem Wädiy „Hotſiye“ vereinigt. Che wir das 
eigentliche Bett des Waͤdiy betraten, famen wir an zwei Heinen Feldern 
vorüber, auf welchen Tabak angepflanzt war, welcher von Platanen 
überfchattet wurde. Bei jedem diefer Felder befindet ſich ein vier- 
eckiges gemanertes Wajferbeden, in welches ji) eine warme Quelle 
ergießt, welche beide etwa 100 Fuß oberhalb derjelben vom Abhange 


64 Waͤdiy Mahniye. 


» 


des hier fteil abfallenden Gebirges der Graumade entipringen. Das 
Waſſer diefer Quellen hatte einen Wärmegrad von SO" R. und war, 
wenn abgekühlt, von fehr angenehmem Geſchmack. 

Im Wädiy Mahniye angelangt, verfolgten wir denjelben auf- 
wärts, in der Richtung Nord, 40° Welt, weldje wir, einige wenige 
Wendungen abgerechnet, bis zum Abend beibehielten. Kurz vor 6 Uhr 
lagerten wir in einer Stelle des Wädiy, melde Fedſch-min-Allah **) 
genannt wird und wo nad) der Menge der Yagerpläße zu urtheilen, 
welche ſich dafelbft befinden, die Däfila (Karawanen) gewöhnlich ihr 
Nachtlager aufzufchlagen pflegen. 

Von Harr Schiwäts bis zum vorerwähnten Felſenkamm führt 
der Weg über tertiären Kalk, welcher eine ſchwach ondulirende Ebene 
bildet, die fih nad Südoften allmählich abdacht. Wädiy Mahniye 
ſelbſt ift mit Sand und Kiefeln bedeckt und mit verſchiedenen ftachligen 
Sträuchen und Bäumen befeßt, mit den Mimojengefchledtern: El 
Goff, Seyal, Semur (Acacıa vera, nad) Forsk. Flor. CXXIII, 
pag. 176 Mimosa unguis cati) und mit einer reichlihen Anzahl 
Nebefbäumen. Eine Menge Schlingpflanzen durchziehen diefe Ge— 
büfche oft fo, daß fie ein undurchdringliches Didicht bilden. 

Hier und da fah ich ganze Streden des Bodens mit Coloquinten 
(Cucumus colocynthus) bededt. Wie in allen fandigen Thälern 
diefes Landes fehlte e8 aud) hier an der Giftpflanze EI Oſchr nicht, 
zu welcher fich übrigens noch Hyoscyamus in ziemlicher Anzahl gejellte. 

Der Wäaͤdiy Mahniye ift im Nordoften von einem Gebirge be: 
grenzt, weldes unter dem allgemeinen Namen „Harf el Hachg“*) 
befannt ijt, und in welchem ich die bis zu unferm Ruheplatze ſich 
herüberziehende Koppe Dfchebel Harmal *5) bemerkte, welche ſich gegen 
2000 Fuß über den Zhalboden erhebt. Im Südweiten trennt der 
Dſchebel Agaybere den Wädiy Mahnige von dem Wädiy „Dirbe‘. 
Die Höchiten Gipfel dejjelben, welche id) während diefer Tagereiſe er- 
fhaute, waren die Dichebel Yahäb und Rughyſſ *%), welcher letztere 
fi) an die 2000 Fuß erhebt. Unzählige Heine, mit dichten Geftrüppe 
bewachjene Nebenthäler münden in den Wädiy Mahniye und verzweigen 





Neugierde und Gefchwägigfeit der Beduinen. 65 


| fich zwifchen Heinen Gebirgsfegeln, die in fchroffen Wänden abfallen. 


Diefe dem Hauptgebirgeftode vorliegenden Höhen beftehen aus Grau⸗ 
wade, welche auf ihrer Oberfläche röthlihbraun gefärbt, wie polirt 
glänzend und beinahe Schwarz ericheint. Adern eines fehr feinförnigen 
Granits durchſchwärmen fie nad allen Richtungen.  Diefer Granit 
geht da, wo er mit dem Hauptgeſtein in- Berührung fommt, in 
porphyrartigen Syenit über. Die Graumade zeigt ſich fehr deutlich 
geihichtet und ihre Schichten fallen unter einem Winfel von 47° ab. 

Gleich nad) der Ankunft in der Däfila (Karawane) auf irgend 
cinem Ruhepla werden die Kameele abgeladen, ihre Vorderfüße 
gefejfelt und ihnen die Freiheit gelaffen, ihr Kutter zu juchen. Bei 
Anbruch der Nacht werden die Waarenballen un den Yagerplag herum: 
gelagert, desgleichen die Kameele, doc) jo, daß ihre Köpfe nad) der 
Außenſeite gerichtet find. Denn da diefe Thiere im Dunkeln ziemlich) 
gut jehen und außerordentlich fchen find, fo verrathen fie durch ihre 
Unruhe die Annäherung eines fremden Menfchen oder wilden Thieres. 

Der Abend wurde von den Bebuinen mit wenig intereffanten 
Geſprächen zugebracht, die ſich meift um ihre häuslichen Angelegen- 
heiten drehten. Unſtreitig find die Beduinen das neugierigfte und 
geſchwätzigſte Volk der Erde. — Ueber alle meine Angelegenheiten 
wollten fic Auskunft haben. Hatte ich dem einen diefer unermiüd- 
fihen Frager fo viel beantwortet, als ich für gut fand, ihm miit- 
zutheilen, jo wiederholte ein Zweiter, obwohl er Alles mit angehört 
hatte, eben diefelben Tragen. War auch diefer befriedigt, fo wollte 
ein Dritter und Vierter Alles noch einmal und Alles von vorn wieder 
hören. — Gab ich dann, der unaufhörlichen Fragen müde, Teine Ant- 
wort mehr, jo beruhigte fie mein Dadayl in der Regel mit den 
Worten: „Laßt ihn in Rube, fein Herz ift [hwarz, denu er 
ift müde!‘ — Nach dieſem wagte dann Niemand eine Frage mehr 
an mich zu richten. — Dahingegen find die Beduinen auch ebenfo ge- 
ihwäßig in ihren Meittheilungen, wenn man nämlich die Kragen dem 
augenblicflichen Geſpräche anpaßt. Sowie man aber ohne weitere 
Einleitung nach diefem oder jenem Stamme oder nad) der Stärfe 

A. v. Wrede’s Reife in Habhramant. 5 


66 Engpaß Laylebät. Die Areéabäume. 


des ihrigen fragt, ftußen fie gleich, werfen einander fragende Blicke 
zu und geben entweder gar feine oder eine falfche Antwort. 

Bevor fie ſich zur Ruhe begeben, machen einige derfelben eine 
Runde in der Umgebung des Lagers, um fich zu überzeugen, daß Tein 
Feind in der Nähe des Bivouaks fei. Einer oder zwei von ihnen 
halten fortwährend Wade und ımterhalten das Feuer. 

Mit Sonnenuntergang ftand das Thermometer auf 30° R. bei 
ſchwachem Nordweitwinde. 

27. Juni. Am 27. Juni früh Morgens 4 Uhr verließen wir 
unfer Nachtlager und zogen den Wädiy in der Richtung Nord, 
40° Welt hinan. Kurz vor 5 Uhr lag zu unferer Linfen der hohe 
Bergfegel Dichebel Wäffib *7) und um 6 Uhr kamen wir an dem nicht 
minder hohen, ebenfalls zur Linken des Weges ſich erhebenden „Diche- 
» bel Hanbare‘‘**) vorüber. Bon hier an wird ber Weg immer 
fchwieriger, indem er ſich durch dichte, dornige Gebüfche wendet und 
mit großen Rollfteinen bededt if. Quellen fehlten ganz. Demun— 
geachtet Titten wir feinen Mangel an Waffer, da man nur ein zwei 
Fuß tiefes Loch in den Sand zu graben brauchte, um ſich das berr- 
(ichfte Waffer zu verfchaffen. Um 7 Uhr famen wir an eine Stelle, 
wo fich das bisher 300 Fuß breite Thal plöglich fo verengte, daR 
e8 kaum 40 Fuß Breite hielt. Außerdem war diefer Paß auf beiden 
Seiten dergeftalt mit dornigen Büſchen befegt, daß kaum ſoviel Plag 
blieb, ein beladenes Kameel durchzulaſſen. Hinter diefem Engpaß, 
von den Beduinen Kaylebät benannt und den zu durchſchreiten eine 
Minute genügt, öffnet ſich das Thal zu feiner frühern Breite. 

Eine dichte Gruppe Ardabäume nahm uns in ihren Schatten 
auf, der zu einladend war, um ſich nicht in ihm zu lagern und zu 
erquiden; was zu meiner großen Zufriedenheit geſchah. — Auch für 
unfere Rameele war diefes Ruheplätschen von befonderm Werthe, da 
die faftigen Blätter der Arda ihr größter Xederbiffen find. — Hin- 
fichtfich feiner Form und Größe hat diefer Baum große Achnlichkeit 
mit unferer Pappel. Das weiße Holz deffelben ift mit einer feinen, 
röthlichen, ſehr faferigen Rinde bededt, aus welcher die Bebuinen 


Beiſpielloſe Hitze. Aqaba el Mahniye. 67 


Lunten verfertigen. Die Blätter haben die Form einer Lanzette, ſind 
gegen zwei Zoll lang, einen halben Zoll breit und von lebhaftem Grün. 
Wie es ſcheint, iſt die Arda auch in Abyſſinien zu Hauſe, denn Salt 
befehreibt in feiner zweiten Reife nah Abyffinien einen ähn⸗ 
lichen Baum und verſichert, daß die Einwohner aus der Rinde 
deſſelben die Lunten verfertigen. Er fand ihn auf ſeinem Wege von 
Schelikut nach dem Tacaſſe, bei dem Dorfe Schela, deſſen Be⸗ 
wohner ihn „Schekumt“ nennen. Nie habe ich mehr die Wohlthat 
eines dichten Schattens empfunden, als an dieſem Tage, an welchem 
eine Hitze herrſchte, die Alles überſtieg, was ich je in dieſer Be— 
ziehung erlebte. Kein Lüftchen regte ſich; keine Wolke milderte die 
Wirkung der ſenkrecht herabſchießenden Sonnenſtrahlen, welche vom 
dunklen glatten Geſtein abprallend die Temperatur der Atmoſphäre 
dermaßen ſteigerte, daß der Thermometer zu Mittag 46° Ne im 
Schatten zeigte. Am Morgen ftand er bei ſchwachem Südoftwinde 
und wolfenlofem Himmel 26° R. 

Trotz diefer außerordentlicden Hige fingen die Beduinen an, 
gleich nach Mittag in der Gluth der heißen Nachmittagsitunden ihre 
Rameele zu beladen, und ohne auf meine Einwendungen zu hören, 
jeßten fie jih um Yy1 Uhr in Bewegung und verfolgten thalaufwärts 
die Richtung Weit, 30° Nord. Zwanzig Minuten nad) 1 Uhr be- 
fanden wir uns zwifchen den beiden Bergkuppen Harf el Haghe und 
Aqaba el Mahniye, von denen die eine rechts, die andere links vom 
Wege auffteigt. Der Waͤdiy ift auf diefen beiden Wegen mit enormen 
Felsblöcken angefüllt, zwifchen denen dorniges Gejtrüppe wächſt. Linke 
öffnet fich am Fuße der Agaba el Mahniye (d. i. Aufſtieg des Mah- 
niye) ein breites tief eingejchnittenes Thal, der Wädiy „El Idme“. 

Der Weg findet ſich den teilen Aqaba cl Mahniye hinan, 
deffen Gipfel wir um 3 Uhr erreichten, 

Die Graumwade ift hier von einem 50 Fuß mächtigen Kalfftein 
überlagert, welcher eine Ebene bildet, die unter einem Winfel von 
10° nad) Weften einfällt. Die weiße Farbe diefes Gefteins, fein 
fürniges kryſtalliniſches Gefüge, fowie die darin enthaltenen, ſparſam 

5* 


68 Das Gebirge des Dichebel Agqaybere. 


zerftreuten, höchſt undeutlichen organischen Reſte, laffen mich es ale 
Jura - Dolomit=Kalf bezeichnen. Spalten durchſchneiden es in rechten 
Winkeln und theilen diefen Kalf in große Platten, welche der Ebene 
das Anfehen geben, als fei fie mit Marmor gepflaftert. 

Man jah es den Kameelen an dem ungleihen und ſchwankenden 
Gange an, daß das Befteigen diefes Berges fie fehr angegriffen 
hatte. Wir zogen daher noch eine halbe Stunde weitlid, wandten 
uns dann nad) Norden und fchlugen Y4 Uhr-unfer Nachtlager in 
dem Wädin el Ahliye auf, welcher 60 Fuß unter der Ebene liegt. 

Südlich von unfern Lager lagen zwei Hauptkuppen des Dfchebel 
Agaybere, die Dichebel Bü Byhae und cl Idme. Obwohl eine un- 
gefähre Schägung dem Irrthume unterworfen ift, fo meine ich doc) 
nicht bedeutend von der Wirklichkeit abzuweichen, wenn ich die Höhe 
diefee Gipfel zu „5000 Fuß über der Meeresflähe” ſchätze. Im 
Norden ragt der Dſchebel el Ahliye empor, der aber höchſtens cine 
abfolute Höhe von 4000 Fuß haben mag. 

Bon Fedſch min Allah bis hieher jah ic) beftändig die geftern be- 
fchriebene Graumade. Der Dauptgebirgsftod des Dſchebel Aqaybere 
erhebt jich in mehrern durch Sattelvertiefungen getrennten Kuppen, 
welche jid) nad) Nordweiten mit fanfter Böſchung verflahen, in Süd— 
often aber in fteilen Wänden abfallen. Die obere Formation diefes 
Gebirges dürfte wohl aus oolitiſchem Geftein beftehen und ihre Yager- 
verhältniffe wohl diejelben fein, welche ic jpäter bei dem Dſchebel 
Choraybe, feiner nordweitlichiten Kuppe, erwähnen werde. 

Der Wädiy Mahniye hat einen ſehr ftarken Fall, nämlich 100 Fuß 
auf eine Stunde Weges. 

Am Abhange des Dichebel Aqaba el Mahniye wuchern viele 
aromatijche Kräuter und Stauden, als da find: Raute (Ruta gra- 
veolens), wilder Yavendel, Iasmin (Michaelia champaca), Ricinus 
(Ricinus communis), von den Arabern des Demen Dſcharr, im 
Hadhramaut aber Eich Scherroah genannt; ferner Kapern (caperis 
spinosa, Linn.), die oben erwähnten Afazienarten, die jchredliche 
Giftpflanze Adenia, und der „Balfamftrauh”, aus welchem 


Wadiy Lachme. Waͤdiy Dhayſſ. 69 


der berühmte „Mekkabalſam“ gewonnen wird, und der nach Roth 
„Balsamodendrum Opobalsamum“, nad) Forsfäl „Amyris“ 
und von den Arabern „Biſchäm“ genannt wird. 

Diefem befchwerdevollen, mühſamen Tag folgte eine fühle, er- 
quidliche Nacht, die fehr von der Schwille der vorigen abſtach. Der 
Thermometer ftand am Abend 20° R. bei ſchwachem Nordwinde und 
wolkenloſem Himmel. 

28. Juni. Am 28. früh um "6 Uhr verließen wir den Wädih 
und fchlugen auf der Ebene die Richtung nad) Weiten ein, in welcher 
wir nach einer halben Stunde den Fuß eines 100 Fuß hohen Felfen- 
kammes, Dichebel Fathe Walyma *) genannt, erreichten. Dieſer 
Felſengurt zieht fid) quer über die Ebene von Norden nah Süden 
und bildet, indem er die Dſchebel el Idme 50) und el Ahliye ver- 
bindet, die Wafjerjcheide zwifchen dem obern Theile des Waͤdin Mahniye 
und dem Wädih el Hotfiye. u 

Nachdem wir diefen Felfenfamm überftiegen hatten, famen wir 
auf eine der vorigen ganz ähnliche Ebene, welche hier mit losgeriffenen 
Felsblöcken des füdlichen Gebirgszuges, dem wir uns jet genähert 
hatten, befäet war. Diefe Felsſtücke beftanden aus Jura -Dolomit- 
Kalf, lithographiſchem Schiefer und mergelig -fandigem Kaffftein. 

Um 7 Uhr überfchritten wir den Heinen Wädiy Lachme 5%), der in 
den Wädin Hotſiye mündet und wie ein grünes Band durd) die weißen 
Rafffelfen zieht. An den Bereinigungspunfte des Wädiy Schura 2) 
ut der Wädiy Dhayff °?) Liegt, von Gärten und Palmengebüfchen 
umgeben, höchft maleriſch das Städtchen Riſche, von weldhem der 
Wädiy Dhayſſ den Namen EI Hotfige annimmt. Im Waädiy Ho— 
tſiye fiegen von Oben nad) Unten die Drtfchaften Pt Hotfiy, Me— 
haffa 5%), El Arafa, Foqayde, El Hatfa, EI Obayd, El "Agab und 
Falh eſſ Sfifle. Un 8 Uhr lagerten wir unter den Taubreichen 

Bäumen des Waͤdiy Scura. . 
| Die Beduinen berichteten mir, das Dorf Schura, nach) welchem 
der Wädiy genannt ift, läge in geringer Entfernung in einer Schlucht, 
welche fie mir als ein Heines Paradies fchilderten. Ich ſchloß mid 





74 Der Schaych der Agaybere. 


einen Fuß hohen und ebenfo Ibreiten, gut behauenen Quadern eines 
feinförnigen, fehr harten Grünfandjteins, den ich ſpäter in bedeutender 
Entfernung. von Miffne auf der Hochebene von Hadhramaut fand. 
Warum man nicht die unmittelbar danebenliegende, ebenfo harte Grau⸗ 
wade zu diefem Zwede verwandte, ift mir unerflärlih. Der die 
Duadern verbindende und den innern Umwurf des Wafjerbedens 
bildende Mörtel hat beinahe die Härte des Gefteins erlangt. 

Bon diefem Wafjerbeden aus führen Feine, gemauerte Kanäle 
das Waſſer nad) Heinen Behältern, von denen eines fid) auf dem 
hödhiten Punkt einer jeden Zerraffe befindet. Ich konnte der Ver— 
fuchung nicht widerftchen, in dem kryſtallklaren Waffer zu baden. 
Kaum war ich aber hineingeftiegen, fo mußte ich mich aud) wieder jo 
ſchnell als möglich zurüdziehen, da eine Mafje Hungriger Butigel 
einen Angriff auf meine nadten Glieder machte. Bor Sonmnenunter: 
gang langte ich wieder unter meinen Platanen an, wo id den Schayd 
der Aqaybere mit den angefeheniten Beduinen des Ortes bereits 
zugegen fand, welche in der Abficht gelommen waren, ſich mit mir 
zu unterhalten. 

Auf des Schaychs Wink wurde eine Binſenmatte ausgebreitet, 
auf die einige Frauen ein halbgargebratenes Schaf nebſt Datteln 
und Brod ſetzten. Der Schaych hatte ſich neben mir niedergelaſſen 
und ſchnitt mir eine tüchtige Portion Fleiſch in Heine Stüde, wobei 
er mir von Zeit zu Zeit ein befonders delicates Stüd in den Mund 
ftedte. Nach beendigter Mahlzeit mußte ich eine Fluth von Fragen 
beantworten, bejonders aber über Mohammed "Alyy ausführlichen 
Bericht erftatten. 

Auch der Komet wurde nicht vergeffen und ic wurde aufgefordert, 
meine Meinung über die Bedeutung feines Erfcheinens zu fagen. Da 
ich eg für überflüffig hielt, einen Vortrag über die Natur eines Ko- 
meten zu halten, jo hielt ich mich als guter Mufelmann an die unter 
den islamitifchen Gläubigen herrichende Meinung, daß nämlich „ein 
Komet ein Schwert Gottes fei, welches den züchtige, der nicht nad) 
jeinen Geboten handelt”. Der Engländer Beſitznahme von "Aden 


Wunderliche Anfichten der Beduinen. 71 


von mir bei Borum erinnerten Begriffe. Sie erzählen fogar in 
diefer Beziehung Gefchichten, welche ihrer Originaliät halber wohl 
einer Erwähnung verdienen; ich werde bier nur eine derjelben mit- 
teilen. 

Einer meiner Zuhörer, welcher auf die Andern eine Art Auto- 
rität ausübte, erzählte mix nämlich, daß ber Sultan der Bent Otto- 
man (der Türken) die Königin von England bereits vor langer - 
Zeit nad) Konftantinopel beordert habe, wo fie zum Islaͤm über- 
getreten fei. Ihre Hinreißende Schönheit habe den Sultan vermodht, 
fie in feinem Harem aufzunehmen, wo fie ihm bereits fieben Söhne 
geboren habe. 

Noch merkwürdiger find ihre Meinungen über fremde Völker. 
Nah ihnen ift der Kaifer von Rußland ein Herr, der feine 
gute fieben Ellen mißt und eine Leibwache von 7000 Antröpophagen 
bejigt, welche an Größe und Körperkraft ihren Herrn noch übertreffen 
und die (wie weiland die Cyklopen) nur ein Auge auf der Stirn tragen. 

Wie man fieht, fpielt hier die mutifche Zahl „„ Sieben” ihre 
Rolle und der Reiſende wird erinnert, daß er im Baterlande 
der „Tauſend und Einer Nacht“ herummandelt; freilich muß er fich 
mit den Erzählungen begnügen, denn die Herrlichkeit, deren in dieſen 
Nächten erwähnt wird, fucht er hier vergeblich. 

Der große Komet blieb auch nicht unberührt, und ic) wurde 
über die Bedeutung defjelben belehrt. Seine Erfcheinung galt näm⸗ 
lich bei den Arabern als ein ficheres Kennzeichen, daß die vereinigten 
Heere der Beny Ottoman und Mohammed "Alyy, des Sultans von 
Aegypten, wie fie ihn betitelten, Tommen würden, um die wider- 
ipenftigen Engländer aus Aden zu vertreiben, und daß, wenn dieſes 
geichehen fei, Mohammed Alyy den ganzen Hadhramant in Befik 
nehmen würde, wofelbjt dann die Thaler fo häufig werden würden, 
wie der Sand der Wüſte. Ich mußte nun fehon die guten Leute bei 
ihrer Meinung laffen; denn als orthodorer Moslim durfte ich weder 
an der Macht und Herrlichkeit des türkifchen Sultans, noch an diefer 
Bedeutung des großen Kometen zweifeln, 


72 Eine ſeltene Euphorbienart. 


Unter diefen intereffanten Gefprädhen war der Mittag 
herangefommen, weshalb wir den Rückweg zum Lager antraten. Unter⸗ 
wegs fiel mir eine Art Euphorbia auf, welde ich nie gejehen hatte. 
Der Stamm derjelben war 10—12 Fuß hoch, Terzengerade und von 
der Stärfe eines ftarfen Mannesarmes. Schnurgerade Acjte, welche 
im rechten Winfel vom Stammte abftehen und von denen wieder gerade 
- Zweige im rechten Winfel ausgehen, bilden den Gipfel und bis zur halben 
Höhe des Stammes cine Fegelförnige Krone. An den Enden der 
Zweige ftehen die Blätter gleichfalls im rechten Winkel ab nnd bilden 
einen Kranz, aus deffen Mitte 6—8 drei Zoll lange Sticle Hervor- 
ragen, von denen jeder eine Beere von der Größe einer Kirſche 
trug, weldje in der Zeit, wo ich fie jah, grün waren, der Ausſage 
der Beduinen nad) aber int reifen Zuftande roth find. Die Blätter 
diefer Euphorbia find fchwertförmig, von lebhaften Grün, glänzend, 
sechs Zoll lang und umten einen Zoll breit. Ihr Holz ift weiß, ſchwam— 
mig und im frifhen Zuftande ſchwer und weich, wird aber, wenn 
troden, leicht und fpröde. Beim Abbrechen cines Zweiges fprikt 
reichlich ein weißlicher Saft hervor, weldher, wenn er den Augapfel 
berührt, Blindheit verurfadt. Es wächſt diefe Pflanze, weldhe die 
Araber „Umär‘ nennen, in den höhern Gebirgsgegenden häufig und 
liebt hauptfächlid) den fandigen Boden des Wädiy. Oberhalb Schura 
erhebt fid) der Dſchebel Er Rayät °°), einer der Hauptgipfel des 
Dſchebel Agaybere wit einer abjoluten Höhe von ungefähr 5500 Fuß. 
Der Thermometerftand zu Mittag bei fcharfem Nordweitwinde und 
wolfenlofem Himmel betrug 35°. Am Morgen im Waͤdiy el Ahliye 
bei Südoſtwind und freien Himmel 20°. 

Um 2 Uhr feßten wir die Neife fort und kamen um 3 Uhr an 
dem Grabmale des heiligen Schaychs Alyy ibn Hoffayn ibn Nedſchd 
ben Amudy 9%) vorüber, welchem die Beduinen noch im Tode die 
Kraft zuſchreiben, kranke Kameele heilen zu können. Ein Jeder von 
uns blieb ſtehen, betete die Fätiha und legte einen kleinen Stein 
auf das Grab. 

Die Mohammedaner halten es für ein gutes Werk, wenn ſie 


El Mi. Miſſne. 73 


einen Stein, ſei er auch noch ſo klein, auf ein Grab legen, indem 
ſie glauben, dadurch zum Begräbniß des darin Ruhenden beigetragen 
zu haben. Gleich hinter dieſem Grabe ſtiegen wir in den Waͤdiy 
Dhayſſ hinab, wo wir längs eines langen Dattelpalmenwaldes, welcher 
den nördlichen Rand des Wäaͤdiy bededt, hinzogen. Diefe Strede 
führt den Namen „El Mä“ (das Waffer), weil hier auf eine Strede 
von ein Baar Hundert Schritten „fließendes Waffer” zum Borfchein 
fonmt. — Um Ys4 Uhr langten wir in dem ziemlich) bedeutenden 
Orte Miſſne an, wo die meiſten Beduinen unferer Däftla zu Haufe 
waren. Obgleich man mich einlud, in dem Dorfe zu übernad)ten, 
jo 309 id) doc die frifche Yuft einem dummpfen Zimmer vor, und 
ſchlug mein Nachtquartier unter einer Platane im Waͤdiy auf. 

Miſſne ift ein anfehnlicher Ort von ungefähr 1000 Einwohnern, 
welche dem Stamme Aqaybere angehören, deſſen Schaych "Abd el 
Aſys ibn Mohffin hier wöhnt. In der ziemlid) großen Moſchee, 
welche ſich aber durch keine architectoniſche Schönheit auszeichnet, ruhen 
die Gebeine eines hochverehrten Heiligen, des Schaych Nedſchd ibn 
Sſafyd ibn Yſſaͤ el Amud, des Großvaters des wunderthätigen 
Kameeldoctors. Jährlich findet eine Wallfahrt nach dieſem Grabe 
ſtatt, bei welcher Gelegenheit ein großer Markt abgehalten wird, 
welcher dem Orte einige Wichtigkeit verleiht. — Auf der Südſeite des 
Waͤdiy, dem Orte gegenüber, find am Abhange des Gebirges Gärten 
auf fünftlichen Terraſſen angelegt, die ſich bis zur Höhe von 200 Fuß 
über den Boden des Thale erjtreden; fie liefern Eocosnüffe, Datteln, 
Bananen, Aprifofen, Amba oder Mango, Weintrauben, Durra, 
Dochn, Bohnen, Kürbis, Seſam, Weizen, Tabak, Baumwolle :c. 

Dberhalb diefer Anlagen entjpringt der Graumade eine ftarfe 
Duelle, die fih in ein Wafferbeden ergiekt, von dem aus alle Ter— 
raffen bewäffert werden. Der Beduinenfnabe, welcher mich hinauf— 
geleitet hatte, führte mic zu diefem Behälter, welcher vor langen 
Zeiten ſchon gebaut worden zu fein jchien, wenigſtens war die Bauart 
deffelben weit dauerhafter, al8 bei den Waſſerbecken, welche ich bisher 
gejehen hatte. Das Mauerwerf beſtand aus zwei Fuß langen, 


76 El Do’da. Cily. 


Geſchwulſt verſchwunden. Auch die Beduinen ſchmieren ſich jeden 
Morgen mit Butter oder Oel ein, weil ihnen ſonſt, wie ſie ſagen, 
die Haut zu trocken wird und aufſpringt. In der Folge beobachteie 
ich auch diefe Gewohnheit, und befand mid) fortwährend ſehr wohl dabei 

Am Abend zeigte der Thermometer 25’ R. 

29. Juni. Am 29. Juni verließen wir Miffne erſt vor !/,7 Uhr, 
da natürlich die Beduinen Feine befondere Eile hatten, ſich von ihren 
Familien zu trennen. 

Um 7 Uhr kamen wir an dem kleinen, am füdlichen Rande des 
Waͤdiy höchſt malerifc gelegenen Dörfhen El Da’da vorüber, welches 
hödjftens 150 Ginwohner zählen kann. Sie leben von Ertrage ihrer 
fruchtbeladenen Gärten, welcde oberhalb des Dorfes, wie die bei 
Miſſne, in Zerraffen auffteigen. - 

Ie höher wir den Wädiy hinauffamen, um fo beichwerlicher 
wurde der Weg, welcher über Anhäufungen von großen Rolfjteinen 
und durch dichtes, dorniges Gebüſch führt. 

Segen 18 Uhr paffirten wir das vomantifch gelegene Dorf 
City 62), welches auf einer Anhöhe zur Rechten des Weges und am 
Wiedervereinigungspunfte des Wädiy Dhayſſ mit dem Wädiy Ei: 
daͤra 9?) Liegt. 

Dattelpalmen und Saatfelder nehmen hier den ganzen, ungefähr 
300 Schritte breiten Waͤdiy ein und laffen nur ein fehmales Bett 
zum Abfluß des Regenwafjers frei. — Dem Dorfe gegenüber fteht 
auf einem hohen Felſen eine Heine Kapelle, in welcher Reliquien eines 
Heiligen ruhen, zu welden an einem gewilfen Tage des Jahres ge- 
wallfahrtet: wird und wobei ein großer Markt ftattfindet. 

Cily zählt ungefähr 300 Einwohner und gehört wie El Da’da 
zum Stamme Aqaybere. — Bon El Dada bis hierher ift die Haupt- 
richtung Nord, 30° Weit. — Der Waͤdiy Dhayff komnmit hier aus 
einer Schluht am Fuße des Dichebel Foghaär *), der ungefähr 
5800 Fuß über der Meeresfläche erhaben fein mag. — In der Ric: 
tung Nord, 40° Weft bogen wir in den Wädin Gidära ein, welder 
feiner ganzen Länge nach mit Felstrümmern überſäet ift, durch welche 


Oberer Lauf des Waͤdiy Dhayſſ. 75 


Tchien ihnen befonders zu Herzen zu gehen, und es fehlte nicht an 
Schimpfworten und Flüchen, weldhe den ungläubigen Ufurpatoren 
"AHdens galten. Dahingegen erſcholl das ungemefjene Lob Fadhl⸗Alyy's 
von allen Lippen. Sie nannten ihn Sfayf ed Dyn (das Schwert 
des Glaubens) und der Schahch betheuerte wiederholt: ‚wenn Fadhl 
es verlange, nicht allein er mit feinem Stammte, fondern alle andern 
Stämme, foviel ihrer im Lande feien, würden ihm zu Hülfe eilen.“ 
Erſt ſpät brach die Verſammlung auf und ging, nachden fie mir für 
den folgenden Zag glücdliche Reife gewünfcht hatten, nad) dem Dorfe 
zurüd. Zwei Beduinen blieben bei mir als Sicherheitswadje zurüd. 

Miſſne gegenüber erhebt fich die ungefähr 5500 Fuß hohe Ge- 
birgsfuppe Hayt el Darr ?7), welche durch eine Sattelvertiefung vom 
Dichebel Er Räyät getrennt ift. 

Bom- Waͤdiy Schura befteht die ganze Gegend aus einer An- 
häufung des Grobfalfs, welcher ſich befonders auf der nördlichen Seite 
des Wädiy Dhayff auf mehrere Stunden Weges ausdehnt. An der 
füdlichen Seite des Thals hört diefe Formation ſchon bei Miſſne auf, 
wo die Grauwacke wieder auftritt. . Die Verfteinerungen, welche diejer 
Kalt in großer Menge mit fic führt, find wie zermalmt und daher 
Schwer zu erfennen. Jedoch bemerkte ic) Stadheln eines Echinus und 
Bruditüde von Ammoniten. In dem Umfreife von einer Tagereiſe 
liegen noch die Ortfchaften El Darr im Waͤdiy gleihen Namens, 
Moyqaq >), Darr el Fayn, Schowayye ®), Lohde ©) und Bä- 
Dſchah *). 

Während diefer eriten drei Tagereiſen hatte ich viel Ungemach 
zu ertragen, da meine nadten Beine von der Sonnenhige ftarf an- 
geihwollen waren und empfindlich fchmerzten. Außerdem hatten die 
Riemen der Sandalen, welche zwifchen der großen und zweiten Zehe 
hindurchgezogen werden, die Stellen aufgerieben. Das einzige Mittel, 
welches mein Dachayl anwandte, um der Wirkung der Sonnenftrahlen 
zu begegnen, war — jeden Abend und Morgen, nachdem ich die 
Beine gewafchen hatte, mir diefelben mit Butter einzureiben. Ich 
fand diefes Mittel jehr probat, denn ſchon am vierten Tage war die 


[4 


75. = ca Eir 













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Fern Lodie moieri$ scicarnen Teriden Ei Tea te nerüaber. 
beffiene 1N Eirnchrer schien fan. Zi Irben vom Crivege i 
frud:beladenen @ärter, welcbe oberbalb des Torte, mic dee 
Mitine, in Zerratien anftıcaen. - | 

Ie hbiber wir den Wädin hinauffamen, um io beickwertihe 
wurde der Weg, melber über Anbäufungen von grofen Rolliteier 
und durch dichtes, dorniges Gebüſch führt. 

Gegen °.& Uhr paitırion wir das romantiich gelegene Ten 
City %,, weldyes auf einer Anhöbe zur Rechten det Weges umd ae 
Wiedervereinigungspunfte dee Wädiy Thayi mit dem Wädin Gi 
bara °?) liegt. 

Tattelpalmen und Zaatfelder nehmen hier den ganzen, ungefähr 
AN) Schritte breiten Waͤdiy ein und fallen mir ein ſchmales Bet 
zum Abfluß des Regenmwailere fra. — Tem Torfe gegenüber itch 
auf einem hohen Selien eine Feine Rapelle, in welcher Reliquien eine: 
Seiligen ruhen, zu welchen an einem gewillen Tage des Jahres ge- 
wallfahrtet wird und wobei ein großer Markt itattfindet. 

Cily zählt ungefähr 300 Einwohner und gehört wie CI Ta’ 
zum Stamme Aqaybere. — Von Cl Ta’da bis hierher it die Haupt 
rihtung Nord, 30° Weit. — Der Wäaͤdiy Dhayſſ fommt hier aus 
einer Schluht am Fuße des Dſchebel Foghar °*), der ungefähr 
800) Fuß Über der Meeresfläche erhaben fein mag. — In der Rich— 
tung Nord, 4) Weſt bogen wir in den Wädiy Gidära ein, welcher 
feiner ganzen Yänge nad mit Felstrümmern überfäet ift, durch melde 


1 
Ein Gemitter im Hochgebirge. 79 > 


reißender Strom hin, der Felsblöcke von bedeutender Größe mit fi) 
fortriß und deren dumpfes Gerolle mar deutlid) vernahm. 

Die bisherige Windftille wurde plöglicd) vom heftigften Sturme 
unterbrochen, der fich aus der Ferne heulend fundgab und mit furcht⸗ 
barem Getöjfe in den Klüften und Höhlen des Dſchebel Choraybe 
wüthete. Schön, erhaben und im vollfommenen Cinflange mit den 
großartigen Umgebungen war freilich diefe Naturfcene, — verfekte 
mid) aber in eine höchft profaifche Stimmung. Denn nit nur, daß 
ih alle Augenblide durch die reißenden Wildbähe waten mußte, 
welche in den Hohlwegen und Schluchten herniedertobten, wobei meine 
Füße mit den mitrollenden Steinen in unangenehme Berührung famen, 
bewirkte auch noch der fchlüpfrige Boden, daß ich mehr wie einmal 
den Abdruc meiner Perſon darin zurückieß. 

Endlich erreichten wir eine Stelle, welche die Beduinen EI Ha- 
dichar nennen, wo wir unfer Nachtlager auffchlugen. Meine Begleiter, 
welche feine andere Bekleidung, als einen Schuz um die Hüften 
trugen, Tonnten die ganze Begebenheit als ein Sturzbad anjehen; ich 
aber, der nidht gewohnt war in einem fo primitiven Coſtüm einher- 
zugehen, fah die. Sache aus einem ganz andern Gefichtspunfte an, 
denn alle meine Effecten waren durchnäßt und die Nacht, welche kalt 
zu werden drohte, nicht mehr fern. Zum Glück 309g das Gewitter 
bald vorüber, und dank der tropifchen Sonne hatte ich das Vergnügen, 
noch vor Einbruch der Nacht Alles wieder troden zu jehen. 

Ich darf hier nicht übergehen, daß die Beduinen nad jedem 
Donnerfchlag in die Ansrufung ausbrahen: „eh-ya-ho!“ — und 
mit der Fauft nach der Gegend drohten, von woher das Gewitter 
fam. — Am Abend frug ich nad) der Bedeutung diefes fonderbaren 
Gebrauchs. Sie wußten es aber felbft nicht, oder wollten mir es nicht 
jagen; denn die einzige Antwort, welche fie mir gaben, „Firach Ya 
ba!” („Es ift jo Gebrauch, mein Sohn!“) — Auch fpäter Fonnte 
ich nie etwas Näheres darüber erfahren. 

Mein Dahayl fagte mir, daß der „Felſen“ oder „Stein“, 
welcher diefer Stelle den Namen gegeben hat, nämlich „Hadſchar“ 


78 Waͤdiy Montifch. 


Um 2 Uhr ftanden wir in diefem Niefenthore, deifen Boden mit 
Telsblöcen bededt ift; Denkmäler der Kataftrophe, welche diefes merf- 
würdige Defild bildete. Die Wände diefer beiden Gebirge erheben 
jih etwa 800 Fuß über den Boden der Schlucht. Die abjolute Höhe 
der Gebirgswände mag dagegen meiner ungefähren Schätzung nad) 
6000 Fuß beitragen. Die Breite des Dichebel Fardſchalät beträgt 
da, wo der Durchbruch ftattfand, kaum 200 Fuß, nimmt aber nad 
Nordoſten allmählich ab. 

Nachdem wir uns durch ein Chaos von Felstrümmern, von denen 
einige die Größe eines Haufes haben, hindurchgewunden hatten, traten 
wir in den Waͤdiy Meontifch 67) ein, in weldem wir die Richtung 
Welt, 20° Nord längs der fteilen Wand des Dichebel Choraybe ein- 
ſchlugen. — Waͤdiy Montiſch ift ungefähr Y, Stunde breit und wird 
im Norden von dem janft abfallenden Dichebel Roche 6°) und im 
Süden von den langen, jteilen Wänden des Dichebel Fardichalät und 
Choraybe eingefchloffen. Vom Fuße des lettern dachet jich das Thal 
nad) Norden bis zum Fuß des gegenüberliegenden Gebirges allmählich 
ab, längs den fich das Flußbett mit ſtarkem Fall von Dit nad) Weft 
hinzieht. Kine unzählbare Menge Raving durchfurchen diefe Abdachung 
von Süd nad) Nord. Dchebel Fardichalät hängt mit den NRiefen- 
foppen diefer Gegend, dem Dſchebel Kaur Sſaybaͤn und Meäyile 
Matar 6°) zufammen und bildet mit dem Dfchebel Choraybe die Waſſer⸗ 
cheide zwifchen dem Wäadiy Meontifch und dem Waͤdiy Dhayſſ. Der 
Wädiy Montiſch it dem Wädiy Dirbe tributär. 

Schon feit Mittag hatte ein Gewitter drohend in Nordweſten ge: 
ftanden und brad) nun über uns los. Die höchſten Zinnen des Gebirges 
waren in Schwarze Wolfen gehüllet, Blitz auf Blitz durchzudkte 
zifhend die Luft, und mit betäubenden Schlägen folgte ihnen 
fradhend der Donner nad. — Einer jener erweichenden, tropiichen 
Regen, die man weit richtiger „Wolkenbrüche“ nennen kann, ergof 
ih in Strömen über unfere Häupter, und ſchäumende Gießbäche 
ftürzten von der Gebirgswand ins Thal. — In dem noch vor 
wenig Augenbliden trodenen Bette des Montiſch braufte jetzt ein 


I 
Ein Gewitter im Hochgebirge, 79 


reißender Strom hin, ber Felsblöcke von bedeutender Größe mit fid) 
fortriß und deren dumpfes Gerolle man deutlich vernahm. 

Die bisherige Windftille wurde plößlich vom heftigiten Sturme 
unterbrochen, der fi) aus der Ferne heulend Fundgab und mit furcht- 
barem Getöſe in den Klüften und Höhlen des ‘Dichebel Choraybe 
wüthete. Schön, erhaben und im vollfommenen Cinflange mit den 
großartigen Umgebungen war freilih diefe Naturfcene, — verſetzte 
mid) aber in eine höchſt profaifche Stimmung. Denn nicht nur, daß 
ih alle Augenblide durch die reißenden Wildbäche waten mußte, 
welche in den Hohlwegen und Schluchten herniedertobten, wobei meine 
Füße mit den mitrollenden Steinen in unangenehme Berührung famen, 
bewirfte auch noch der fchlüpfrige Boden, daß ich mehr wie einmal 
den Abdruc meiner Perfon darin zurückließ. 

Endlich erreichten wir eine Stelle, welde die Beduinen EI Ha- 
dichar nennen, wo wir unfer Nachtlager auffchlugen. Meine Begleiter, 
welche feine andere Bekleidung, als einen Schurz um die Hüften 
trugen, konnten die ganze Begebenheit als ein Sturzbad anfehen; ich 
aber, der nicht gewohnt war in einen fo primitiven Coftüm einher- 
zugehen, jah die. Sache aus einem ganz andern Geſichtspunkte an, 
denn alle meine Effecten waren durchnäßt und die Nacht, welche kalt 
zu werden drohte, nicht mehr fern. Zum Glück zog das Gewitter 
bald vorüber, und dank der tropifchen Sonne hatte ich das Vergnügen, 
noch vor Einbruch der Naht Alles wieder troden zu fehen. 

Ich darf Hier nicht übergehen, daß die Beduinen nach jedem 
Donnerſchlag in die Ausrufung ausbraden: „eh⸗ya-ho!“ — und 
mit der Fauſt nach der Gegend drohten, von woher das Gewitter 
fam. — Am Abend frug ich nad) der Bedeutung diefes fonderbaren 
Gebrauchs. Sie wußten e8 aber felbft nicht‘, oder wollten mir es nicht 
fagen; denn die einzige Antwort, welche fie mir gaben, „Firach Ya 
bat” („Es ift jo Gebrauch, mein Sohn!) — Auch fpäter konnte 
ich nie etwas Näheres darüber erfahren. 

Mein Dahayl fagte mir, daß der „Felſen“ oder „Stein“, 
welcher diefer Stelle den Namen gegeben hat, nämlich „Hadſchar“ 


80 Der herabgeftürzte Fels. 


(„Stein’‘), vor 60 Jahren während eines Erdbebens von dem obern 
Theile der Felswand herabgeftürzt fei. Der Platz, den er früherhin 
einnahm, ift nod) deutlich bemerkbar. Der Felſen hält auf etwa 
0 Fuß Höhe, 20 Fuß Tiefe und Breite und ift etwas nach dem 
Thale geneigt, gleich einem „Pfeiler“ ftehen geblieben. 

Aus einer Spalte am obern Theile deffelben war eine Mimofe 
gewachſen und aud die übrigen Riſſe und Höhlungen mit Fleinem 
Geſträuche bededt. 

Während ich diefen „Felſen“ betrachtete, ſchoß einer der Be⸗ 
duinen unweit defjelben eine fehöne Gazelle, deren Fleiſch nad den 
Beichwerden diefes Tages trefflich mundete. 

Tiefe Stille war den Toben der empörten Elemente gefolgt, in 
violettem Farbenſpiele zeichneten fid) die fernen Berge auf dem Azur- 
blau des Himmels in ſcharfen Conturen ab, und ein Strom von Wohl- 
gerüchen entjtieg den aromatischen Kräutern des Thals und erfüllte 
die gereinigte Atmofphäre. Es war einer der fchönften der vielen 
Ihönen Abende, welche ich während diefer Reife genoß. 

Don Miſſne bis oberhalb Cily ift auf der nördlichen Seite des 
Wädiy Dhayfi der oben erwähnte Grobkalk das herrichende Geftein, 
während auf der entgegengefegten Seite die Grauwade dem Haupt: 
gebirgsftoce vorliegt. 

Oberhalb Cily herrſcht im Dſchebel Kidära ein grobfürniger 
Sandſtein vor, welcher auf Drufen und Reſtern Thoneiſenſtein führt 
und dergeftalt von Eifenoryd durchdrungen ift, daß er fait ein Eifen- 
fandftein genannt werden Fönute. 

Die Dichebel Fardſchalaͤt und Choraybe find fehr deutlich ge- 
ihichtet, und die Straten derfelben correfpondiren hinfichtlich der Be— 
ichaffenheit ihrer Gefteine und ihrer refpectiven Yage genau. Die 
Tagerungsverhältniffe find folgende: zu ımterft lagert Jura-Kalk, 
über diefem Jura-Dolomit-Kalk, alsdann lithographiſcher 
Schiefer, und als oberſtes Glied dieſer Oolithenbildung lagert 
ein mergelig-ſandiger Kalk. — Die Schichten fallen ein wenig 
nad) Südoſten ein. Dſchebel Choraybe iſt die nordweſtlichſte Koppe 


TEE end — — 


Ein Jagdbrauch der Beduinen. 81 


des großen Gebirgszugs, welchen ich unter dem Namen Dſchebel Aqay⸗ 
bere aufgeführt habe. | 

Ich Hatte während meiner Reife bisher die Bemerkung gemacht, 
daR die Kolben der Gewehre meiner Begleiter mehr oder minder mit 
rohen Fellen überzogen waren, ohne dabei einen andern Zwed zu 
vermuthen, als den, die Gewehrfolben gegen den Einfluß der Feuchtig⸗ 
feit 2c. zu ſchützen. Seht wurde ich aber eines Andern belehrt. Der 
glückliche Yäger nämlid) zog ein Stüd von dem Felle der erlegten 
Gazelle über den untern Theil eines Gewehrkolbens, obgleich derfelbe 
bereits mit einem "elle überzogen war. Auf mein Befragen fagte 
man mir: daß es Sitte fei, ein Stück von dem Felle eines jeden 
erlegten Wildes als Trophäe auf den Kolben zu jpannen. Einer der 
Beduinen zeigte mir ein Gewehr, auf welchem neun Felle übereinander 
gezogen waren. 

Mit Sonnenuntergang ftand der Thermometer 18° R. 

30. Juni. Den 30. Iuni früh 6 Uhr verließen wir unfer 
Nachtlager und beitiegen nad) 1, Stunde einen fteilen Thonhügel, 
auf deſſen Rüden ein großer Wafferbehälter eingegraben ift, welcher 
von dem Regen gefüllt war. Das hal, welches Hier nur nod) 
300 Schritt Breite hält, wird von diefem Thonhügel fait ganz ein- 
genommen. 1/, Stunde fpäter jtiegen wir in das Flußbett des Wädiy 
Montiſch hinab, welches wir bis 7 Uhr verfolgten und dann in nörd- 
licher Richtung den Dſchebel Roche Hinanftiegen. Der Wädin Montiſch 
verfolgt die Richtung Weit, 30° Nord und mündet, nachdem er fid) 
mit dem Wädiy Mobaͤrek vereinigt hat, einige Stunden unterhalb, 
bei dem Drte El Dära in den Wädiy Dirbe. Die braufende Fluth 
von geftern hatte feine weitere Spur binterlaffen, als einige Lachen 
in den Felfenvertiefungen. Nachdem der fanfte Abhang des Dichebel 
Nochg erjtiegen war, fehlängelte fi der Weg durch Thonhügel bie 
zum GEntjtehungspunfte des Wädiy Moffaffag 7%), wo wir um 9 Uhr 
anhielten. Außer diefem Waͤdiy, welcher nach Oſten ftreicht, nehmen 
auf der entgegengefeßten Seite zwei andere Wädiy ihren Anfang; 
nämlich der Wädiy Mobärek, der ſich Süd, 10° Weit wendet, und 

A. v. Wrebe's Reife in Habhramant. 6 


82 Der „Milchbuſch“. Ein aromatifcher Wädiy. 


der Wädiy Ofwe 72), der eine mehr weftliche Richtung nimmt. Schon 
am Abhange des Dſchebel Cidära Hatte ich den fogenannten „Milch—⸗ 
buſch“ (Euphorbia tirucalla), welchen die Araber Schadfcherat Chafu, 
die Beduinen Damhäna nennen, bemerkt. Hier aber bededte dieſe 
Pflanze bald das ganze Gebirge. Sie hat weiche, ſchwammige, glän- 
zend bleifarbige, beinahe blätterlofe Zweige, welche verworren durch⸗ 
einander wachſen, und dichte runde Büſche von 2 Fuß Höhe und 
3 Fuß Breite bilden. Die wenigen Blätter, welche ic fah, waren 
leberartig, herzförmig gezadt und glänzend dunkelgrün. Die Ironen- 
fürmigen, grünlid) gelben Blüthen figen am Ende der Zweige. Beim 
Abbrechen der Zweige und Blätter quillt ein dicker, ätzender mild; 
artiger Saft hervor. Demungeachtet freffen die Kameele diefe Pflanze 
jehr gern, und fie bekommt ihnen vortrefflih. Der Grobkalk, defien 
ich bei Miffne erwähnt Habe, tritt aud im Dſchebel Roche in be: 
deutender Entwidelung auf. Er ift von einem mergeligen Thon über- 
lagert, welcher durch die Auswafchungen des Regenwaſſers nach allen 
Richtungen Hin durchfurcht ift. 

Am Morgen jtand der Thermometer bei wolfenlojem Himmel 
md ſchwachem Wejtwind 15°, um Mittag bei freiem Himmel 26°. 

Um Yal Uhr fegten wir unfere Reife wieder fort und erftiegen 
in einer Stunde den Dſchebel Mobärek (Berg des Segens), welcher 
ein Plateau oder vielmehr eine Terraſſe bildet, auf der wir nach einem 
Marſche von einer Stunde am Fuße des Dichebel Haraͤmy (Diebesberg) 
anlangten, wo zwei Wädiy ihren Anfang nehmen, nämlic) der Wädiy 
Harämb, welcher ſich nad Weften zieht, und der Wädig Chilafat. 
Diefer Wädiy nimmt einige Stunden öftlich von feinem Entſtehungs⸗ 
punkte den Namen Mähile Matär an, als welcher er ſich dann 
mit dem Wädin Howaͤyre vereinigt. Nach der Ausfage der Beduinen 
foll diejes breite und tiefe Thal einen erftaunliden Reichthum 
an aromatifchen Stauden und Kräutern befigen, und es herrſcht unter 
ihnen die Sage: „daß Jemand, der in diefem Thale wohnen 
wärde, unfehlbar ein Alter von wenigftens 100 Jahren 
erreihen würde.“ 


Wildniß beim Dſchebel Tſahura. 83 


Trotzdem ift e8 unbewohnt, da es ale ein Tummelplatz böfer 
Geiſter verrufen ift. 

Der Dſchebel Haraͤmy bildet abermals eine Terraſſe, welche bie 
zum Fuße der großen hadhramauter Hochebene, welche hier unter dem 
Namen Diehebel Tſahnra bekannt ift, eine Strede von beinahe zwei 
Stimden einnimmt. Auf diefer Strede entftehen zur Rechten des 
Weges die Wädiy Hiräwe, Sfanäwe und Tſahura, welcher ſich mit 
dem Wädin Sſanawe verbindet, zur Linken die Waͤdiy Pirma und 
Werura. Alle diefe Waͤdih find tief eingefchnitten, mit dichtem Ge- 
jtrüpp bededt und als der Zummelplag der Tigerkatzen, Panther, 
Luchſe, Wölfe, Hyänen, Räuber und obligaten böfen Geifter ver- 
ſchrieen. Zroß diejen gefährlichen Bewohnern fah ich mehrere Stein- 
böde und Gazellen am Abhange derfelben weiden, auf welche die 
Beduinen vergeblich Jagd machten. Am Fuße des Dichebel Tſahura 
hielten wir in dem Wädiy gleichen Namens einige Minuten an, um 
die Schläuche aus einem mit Waffer gefüllten Felsbecken zu füllen 
und Brennholz zu ſammeln, und erjtiegen dann in °%, Stunden ben 
Gipfel des Berges. 

Nach einer ungefähren Schäßung gebe ich diefem Platenu 8000 Fuß 
über dem Meeresfpiegel, und die Ausficht, weldye man von ihm aus 
genießt, ift eine der großartigften, welche man fich denten Tann. — 
Bon Weit nach Nordoft fchweift der Blick über eine unabjehbare, 
graugelbe Ebene, auf der fi hier und da kugel- umd dachftuhlförnige 
Hügel erheben. — Im Oſten ragte, von der fcheidenden Some ma- 
gifch beleuchtet, der koloſſale Kaur Sfaybän weit über die Ebene hinaus 
und zeichnete feine riefigen Sormen auf dem dunleln Blau des tro- 
pifchen Himmels. — Nah Süden überſchaut das Auge ein Labyrinth 
bereits in Finfterniß verfimfener Thäler und fcheinbar chaotiſch Hin- 
geworfener Gebirgsfegel, und verliert fi) in der ſchwach erleuchteten, 
nebelerfüllten Atmosphäre des indifhen Oceans. Giganten, wie der 
DA Byhae, el Idme u. a. m., zu deren Gipfel ich früher bewundernd 
hinſtaunte, lagen jeßt zu meinen Füßen. — Geraume Zeit nad) Sonnen⸗ 
untergang leuchtete noch die Koppe des Kaur Sjaybän, während ſchon 

‚ 6* 


84 Schätzung der Gebirgshöhen. 


das Geheul der Beute fuchenden Raubthiere die tiefe Stille der Thäler 
unterbrad). — Die Nacht war unbeſchreiblich ſchön. Wohlthätige Kühle 
. wehte herab und Myriaden funkelnder Sterne ſchmückten das dunkle 
Gewölbe des Himmels. — Im Süden ftand, wie auf dem behren 
Altar der Natur gepflanzt, das Zeichen der Erlöfung, das füdliche 
Kreuz, und mahnte ehrfurdtgebietend an den großen Arcdhitecten des 
Weltalls, der die Bahnen der Geftirne ordnete und aud die Mafjen 
des Kaur Sfaybän ordnete und thürmte. 

Um meine Schätzung der Höhe 'des Dſchebel Tſahura zu recht⸗ 
fertigen, habe ic) Kolgendes zu bemerfen. Man wird aus der vorher- 
gehenden Beſchreibung bes Weges von Meeresgeſtade bis zur hadhra⸗ 
mauter Hochebene erjehen haben, daß man zu ihr über fünf Terraffen 
hinauffteigt, welche durch den Dſchebel Aqaba el Mahniye, Gidära, 
Roche, Mobaärek und Haraͤmy gebildet werden. — Das Terrain vom 
Fuße der erften Terraffe bis zum Mecre hat ferner einen jehr ftarfen 
Tall, welcher im Wädiy Mahniye auf eine Stunde Wegs wenigftens 
100 Fuß beträgt, alfo auf die Strede von 7, Stunden, welde ich 
in ihm aufwärts 309, 725 Fuß. Bon der Stelle an, wo ich dieſen 
Waͤdiy zuerft betrat, bis ans Meer, rechne id) einen Niveauunterfchied 
von 100 Fuß an, welches das Bett des Wädiy, am Fuße des Dichebel 
Aqaba el Mahniye 825 Fuß über den Meeresfpiegel ſetzt. Diele 
erfte Stufe zur Hochebene erhebt fich über den Thalboden um 1500 Fuß 
und dacht fih bis zum Wädiy Schura um 150 Fuß ab, weldes 
diefen Wädiy 2175 Fuß über dem Meere erhebt. Vom Wädiy 
Schura bis zum Fuße des Dichebel Eidära beträgt der Höhenunter- 
ſchied auf 3%, Stunde Weges 325 Fuß. Die Höhe des Eidära über 
dem Thalboden ift 1000 Fuß, folglich über dem Meere 3500 Fuß. 
Die drei folgenden Terraſſen ſchätze ich immer über die Ebene der 
untern gerechnet, den Dichebel Roche 800 Fuß, den Dichebel Mo- 
baͤrek 1500 Fuß und den Dſchebel Haramy auf 600 Fuß. Hierzu 
fommt noch der Höhenunterfchied auf den Ebenen der Dfchebel Mo- 
bäref und Harämy, welcher auf jeder 50 Fuß ausmacht. Diefes alfo 
giebt. 6500 Fuß als abfolute Höhe des Dichebel Haramy am Fuße 


Geologifches. 85 


des Dichebel Tſahura. Dichebel Tiahura, die letzte Stufe zur Hoch— 
ebene, fteigt 1500 Fuß über den Dichebel Harämy empor, und hat 
alfo eine pofitive Höhe von 8000 Fuß. Dſchebel Kaur Sfaybän ift 
etwa 1000 Fuß über der Ebene erhaben. 

Am Fuße des Dſchebel Mobäref hören die tertiären Gefteine 
auf und die Dolithenbildungen des Dfchebel Choraybe treten wieder 
hervor, verjchwinden aber am Fuße des Dichebel Tſahura unter einem 
mächtigen Thonlager. - Diefer Thon wird von einem Conglomerate 
von Hornfteingefchieben überlagert, welches dem Grünfandjteine zur 
Unterlage dient. Diefer Grünfandftein ift von gelblicher Farbe, welche 
nad Oben hin lebhafter wird, fehr feinkörnig, hart und wechfellagert 
mit Jura -Dolomit - Kalf. 

Mit Sonnenuntergang ftand der Thermometer bei Nordweſtwind 
und wolfenlofem Himmel auf 18" R. 


% 


Drittes Bapitel. 
Der nördliche Gebirgsabhang. 





Waͤdiy el 'Af. — Maqubet el Chomra. — Die Hochebene. — Nachtlager am 

Waͤdiy Haçarhayan. — Wädig Dahme. — Waſſerbehälter. — Wädiyg Chaͤrit. 

— Nachtlager am Wädiy Chäyile. — Ueberraſchende Ausficht in dem Wädiy 

Doän. — Ankunft in Choraybe. — Schaych "Abd -Allah- Bä-Sfudän. — Be- 

wäfferungsfuften und Kanalanlagen — Abendmahlzeit bei Manäci‘ ben Sfa’yd 
ibn "Na el Amud, Sultan von Choraybe. 


Am folgenden Morgen faßen bei meinem Erwachen die Beduinen 
am Teuer und fchienen an feinen Aufbrud zu denken. Man erzählte 
mir, daß während der Nacht ein Kameel entweder entlaufen oder 
geftohlen worden fei. und daß Einige von ihnen in den Wädiy ge- 
ftiegen feien, um es aufzufuchen. Ihre Beſorgniß, das Thier zu ver- 
lieren, war freilich gegründet genug; denn außer, daß die Umgegend 
nicht im beften Rufe ftand, befanden fie fich jegt nicht mehr auf ihrem 
Territorium, jondern auf dem der Stämme Sſaumahyn ımd Affwyra, 
deren Stammesgenoffen, wie überhaupt alle Beduinen, fich fein Ge— 
wiffen daraus machen, ihre Nachbarftänme zu bejtehlen. Dieſe beiden 
Stämme find Unterabtheilungen des Stammes Beny Sfaybän. Ich 
benutzte dieſen Aufenthalt, um die Gebirgsgipfel zu viſiren. 

Die Beduinen zeigten mir unter andern den Dſchebel Dära, an 
deffen Fuß Makalla liegt, wodurd id) die Hauptrichtung von diefer 
Stadt nad) dem Dfchebel Tſahura Nordweit, 6° Weit fand. Ob— 
gleih im Juli und innerhalb des 11. Yreitengrades zeigte Reaumur’s 


Monotone Hochebene. 87 


Thermometer, Nach einer bitterfalten Nacht, — bei Sonnenaufgang, 
heiterm Himmel und vollftommener Windftille 10° und um Mittag 
bei Nordweftwind 20°. 

Diefer niedere Thermometerjtand unter diejer Breite und im 
ſolcher Jahreszeit Läßt mich vermuthen, daß meine Höhenfchägungen, 
wenn auch nicht vollfommen, doch annähernd richtig find. 

Kurz nad) Mittag kamen die Bebuinen mit dem wiedergefundenen 
Kameele zurüd. Jedoch verzögerte ſich meine Abreije bis nach 1 Uhr. 

Der Weg führte nım in die unabfehbare Ebene, melde fid 
mit troftlofer Nactheit vor uns ausbreitete. Daher bietet auch der 
Weg über diefe Hochebene wenig Intereffantes dar. Jeden Tag zeigt 
fi diefelbe abfchredende Nacdtheit und Dede, und nur dann und 
wann bietet ſich die Gelegenheit dar, eine Scene zu befchreiben, welche 
als Beitrag zur Kenntniß der Sitten und Gebräuche der Bewohner 
diefer ſteinigen „Wüſte“ beitragen kann. 

Werm num auch die wiederholten Angaben der Namen der Waͤdih 
und der Richtung, welche diefelben nehmen, für viele meiner Leſer 
etwas Monotones haben und vielleicht ermüden könnten, jo tft es 
doch im Intereſſe der Wiffenfchaft durchaus nothwendig, diefelben zu 
berüdfichtigen, und ich bitte daher, mic, durch den Sachverhalt zu: 
entfchuldigen, wenn der Inhalt einiger Seiten etwas troden ift. 

Um 2 Uhr fah ich rechts am Wege den Waͤdiy Maͤdſchid, welder 
ſich Nord, 50° Oft zieht. Zwanzig Minuten fpäter lag links der 
Waͤdiy Dotub. | 

Nach einer halben Stunde führte uns der Weg zwifchen zwei 
Waͤdiy, von denen der zur Linken Tiegende Wädiy EI Ayſſiry genannt 
wird. Er vereinigt fich mit dem Waͤdiy Kotub und mündet dann bei 
dem Orte Dirbet Dahwe in den Wädiy Dirbe. Der zur Rechten 
ift der Wädiy Matära, welcher fi mit dem Waͤdiy Maͤdſchid 
bereinigt. 

Um %.4 Uhr kamen wir in den Wädiy Butrach, der auch in 
den Waͤdiy Mädfchid miünde. Kaum zehn Minuten fpäter führte 
der Weg zwifchen dem büftern, tiefen Wädiy EI 'AF??) und einem 


88 Gifternen in der Wülfte. 


der dachſtuhlförmigen Hügel hin, welder den Namen Darr eth 
Thamule führt. 

In diefem Wädiy Tiegt in einer Entfernung von einer Tagereiſe 
das Dorf EI Batha 7°), welches von Beduinen des Stammes Sfau- 
mahyn bewohnt wird. Wädin EI Af mündet in den Wädiy Maͤdſchid, 
nimmt dann den Namen El Ayſſaͤr an, und mündet bei der Stadt 
El "Arffüme in den Waͤdiy Do’än. 

Kurz nah 4 Uhr kamen wir an dem Waͤdiy Sfedun vorüber, 
welcher in den Waͤdiy EI Af mündet und an deſſen Rande ficher 
Cifternen eingehauen find, unter dem Namen Maqubet el Chomra 
(die Eifternen von Chomra) befannt. 

Die runden Oeffnungen der Cifternen, von den Einwohnern 
„Maquba“, d.i. „Drt, dahin man das Waſſer ſchüttet“ 
genannt, halten im Allgemeinen drei Fuß Durdmeffer und find 
brunnenartig durch die Schichten des Grünfandfteins gebrochen. Im 
dem untenliegenden Jura-Dolomit-Kalk ift dann ein zimmterartiger 
Kaum ausgehauen, der je nad) den Umftänden größer oder Kleiner 
ift, gewöhnlich aber auf 6 Fuß im Quadrat 4 Fuß Tiefe mißt. Die 
herausgebrochenen Steine find zu beiden Seiten der Deffnung zu einer 
Mauer aufgefchichtet, die ſich nach Außen abdacht. 

Um das Regenwaffer bineinzuleiten, hat man von der Deffnung 
aus zwei Reihen dicht aneinander gelegter, mit Thon verbundener 
Steine gezogen, welche mehr oder minder (gewöhnlid) unter einem 
Winfel von 45°) divergiren. Gewöhnlid) ftcht in jeder Eifterne ein 
mit kurzen Aeften verfehener Baum, um das Heraufheben des Waſſers 
zu erleichtern. 

Auf allen Wegen über diefe Ebene findet man eine Anzahl folcher 
Wafferbehälter. Sie find eine wahre Wohlthat, denn ohne 
fie wäre e8 nicht möglich, diefe große, wafferlofe Wüfte zu durchzichen. 

Diefe gemeinnütigen Anlagen verdanft der Neifende der Wohl- 
thätigfeit einiger Reichen, welche bei ihrem Abfterben eine gewiffe 
Summe, fowohl zur Anlage neuer, als aud) zum Unterhalt der ſchon 
vorhandenen Eifternen ausjekten. Ä 


Entitehungspunfte der Waͤdiy's. 89 


Eine Halbe Stunde von Magubet el Chomra trafen wir am 
Fuße des Hügels Kura 7%) wiederum fünf Cifternen. Cine halbe 
Stunde weiter gelangten wir zum Wädiy Bu Dalayt, der in den 
Wädiy EL Af mündet. Eine Stunde Marſch brachte uns in den 
Wädin Dararhayan ?°), wo wir unfer Nachtlager auffhlugen. Nahe 
an unferm Lager lag der Hügel Diehonayyde, an deffen Fuße eine 
große Eifterne vortreffliches Waffer lieferte. Der Waͤdiy Haçarhayan 
vereinigt fi mit dem Wädin EI Af. — Die Richtung von Dfchebel 
Tſahura bis hierher ift Nordweſt, 13° Weit. 

Im Nordweften drohte ein Gewitter, welches ſich aber zu meiner 
Freude verzog und fi über einer andern Gegend entlud. — Die 
Nacht wurde jo empfindlich kalt, — daß ich, obwohl in eine wollene 
Dede gehüllt, fortwährend fror. — Gegen Morgen ftürmte ein fcharfer 
Nordweft über die Ebene, und noch mit Sonnenaufgang ftand der 
Thermometer auf 10° R. 

Alle Wädiy der Hochebene ftellen fih als tiefe, von fteilen 
Wänden begrenzte Schluchten dar. An ihren Entftehungspunften dachen 
fie fi erft 30-50 Fuß allmählid) ab, und fallen dann plötzlich fteil 
nieder. Die vorliegende Abdachung ift gemöhnlid mit Mimofen und 
Nebekbäumen beſetzt, deren Wurzeln das Abfpülen der Erde verhindern. 
Die Wege über diefe Plateaur führen gewöhnlich über ein etwas 
erhöhtes Terrain, welches eine Wafferfcheide bildet; denn alle Wädiy, 
welche ich angeführt habe, ſah ich an ihren Entſtehungspunkten 
zu beiden Seiten des Weges. 

2. Juli. Am 2. Juli fette ſich unſere Däfila Y,6 Uhr wieder 
in Bewegung. Der Wind war immer nod) heftig und falt, und ich 
wunberte mich nicht wenig über die Gleichgültigfeit, mit welcher meine 
nackten Gefährten das Unbehagliche derfelben ertrugen. Um 1,7 Uhr 
famen wir an den Entjtehungspunften zweier Wädih vorüber: 
am Doru 79) und Lalal-Lafal 7”), von denen fid) der erfte links nad) 
dem Waͤdiy Dirbe, der andere rechts nach dem Wädiy EI “ÜF zieht. 
Bis um 1,8 Uhr paffirten wir nod) die drei Wädiy EI Ma Ghoräbe, 
d. 1. „das verdorbene Waſſer“, — El Forayſch und Sforbe, welche 


90 Die Bebuinenfrauen. 


in Zwifchenräumen von Y, Stunde fi linfe dem Wädig Dirbe zu- 
wenden. Am Waͤdiy Sforbe befinden ſich fünf Cifternen, und ein 
Feines Haus, weldyes als Zufluchtsort während eines Unwetters dient. 

Sole Häuschen beftehen aus übereinandergelegten Steinen, ohne 
alle Deörtelverbindung, und find mit Reißig und Lehm gededt. Man 
findet fie dann und warn an Stellen, wo Eifternen angelegt find. 
1/,8 Uhr gelangten wir in eine Niederung, welche mit dem jeßt durch⸗ 
wanderten Theile der Hochebene wahrhaft wohlthätig und erquickend 
contraftirt. Sie führt den Namen Wädiy Dahme. Diefe Niederung 
ftreicht von Weit nad Oft, und wird von dem Flußbette, welches 
von einem dichten Aréa-Gebüſche eingefaßt ift, im zwei faft gleiche 
Theile gelegt. Am Eingange der Niederung befindet fid ein Waſſer— 
behälter (Baade), welcher in ein feſtes Thonlager eingegraben ift. 
An der Thalfeite find in dem Damme deffelben zu beiden Seiten 
mehrere Löcher übereinander angebradit, um bei dem verfchiedenen 
Stande des Waſſers die thalabwärts, terraſſenförmig angelegten Weide: 
pläge bewäffern zu Fünnen. Die fanften Abhänge der angrenzenden 
Höhen und die Säume der Terraffen find mit Mimofen-, Tamaristen- 
und Nebefbäumen beſetzt. Zahlreiche Schaf- und Ziegenheerden meiden 
unter der Obhut einiger Beduinenfrauen, auf den im berrlichften 
Srün prangenden Terraffen. 

Der einfache und originelle Anzug diefer Beduinenfrauen befteht 
in einem großen, braunen, wollenen Hemde, deſſen hinterer Theil 
bis auf die Ferſen reicht, während der vordere kaum die Kniee be- 
dedt. Oben ift eine runde Deffnung gelaffen, welche auf beiden 
Schultern durch einen Einfchnitt erweitert ift, der, nachdem es an: 
gezogen worden ift, zugefnöpft werden fanı. Die Aermel reichen 
nım bie auf die Hälfte des Oberarms. in breiter, lederner Gürtel, 
der mit meffingenen Ringen und Tleinen weißen Borzellannufceln, 
fogenannten „Otterköpfchen“ beſetzt ift, hält diefes Kleidungsſtück 
über den Hüften zufanımen und dient zugleich zum Tragen eines Beils, 
welches fie immer mit fi führen, um während des Weidens das 
nöthige Holz zu fehlagen. Cine enge Hofe aus blauem Baumwollen⸗ 


Der Wadiy Dahme. 91 


zeuge reicht bie unter die Waden. Kopf und Geficht find unbededkt, 
und die Haare fallen unordentlich herab. — Wie ihre Männer, gehen 
die Beduinenfrauen faſt immer barfuß, der Sandalen bedienen fie 
ſich nur, wenn fie im dornigen Gebüfche Holz holen. — Als Zier- 
rathen tragen fie an den Beinen Meeflingringe von 3 Zoll Breite 
und 1 Rinie Dice; desgleichen um den Arm meffingene Ringe, welche 
aber glatt und von der Breite eines Fingers find, um den Hals eine 
Schnur Glaskorallen und in den Ohren und Najenflügeln meffingene 
oder filberne Ringe. — Wenn fie die Heerden austreiben und ine 
Freie gehen, tragen fie an einem Riemen einen Korb, der die Geftalt 
eines Viertel Rugelabfchnittes hat und mit Leder überzogen ift. Beim 
Tragen ift die Oeffnung nad) dem Körper gewandt. Es dient ihnen 
diefer Korb zum Fortfchaffen ihres vollfommen nadten Säuglinge, 
und jüngst geborener Yämmer und Zickelchen, wenn diefe zum Laufen 
noch zu ſchwach find. 

Das Heine Dorf Dahme bejteht aus elenden Hütten, welche 
ungefähr 50 Einwohner beherbergen und dem Stamme Sfaumahyn 
angehören. Wir paffirten es um 9 Uhr und kamen gleich darauf in 
ein Eleines Gehöfte, deffen Bewohner Schafe zum Verlauf anboten. 
Da meine Bebuinen fich bieher immer zuvorkommend gegen mid) be- 
nommen hatten, fo erſtand ich zu ihrer Belohnung drei Schafe, zu 
dem geringen Preis von !/, eines öfterreichtichen Thalers ein jedes, 
oder 8 Silbergroſchen. 

Das Flußbett, welches ſich dieffeit des Dorfes zu unferer Rechten 
hinzog, fehneidet fic etwas unterhalb deffelben, wie die übrigen Wädih 
ber Hochebene, plößlid grabenartig ein, bildet in den angrenzenden 
Höhen eine tiefe Schlucht und mündet weiter unten in den Wäbiy 
Ehärit. — Zwanzig Minuten hinter dem Gehöfte führte uns ein mit 
Gerölle bedectter Weg auf das Plateau, wo wir ung am Entftehungs: 
punkte des Waͤdiy Chärit unter einigen Mimofen Tagerten. 

Links vom Dorfe erhebt ſich ein Hügel in der Form eines Halb- 
mondes, auf welchem ein „Wachtthurm“ jteht, um den einige 


20 Hütten gruppirt find. Diefer Ort heißt Hien el $howanr. ?®) 


92 Wadiy Chärit. Wadiy Ehäyile. 


In dem Naume, welchen die concave Seite des Hügels einſchließt, 
fiegen terraffenförmig übereinander mehrere Weidepläte. — Wäpdiy 
Chärit mündet bei dem Orte Doqum el Ayffar 7°) in den Waͤdiy 
El Ayffär. 

Der Thermometer ftand um Mittag bei wolfenlofem Himmel 
und Nordweitwind 20° R. 

Seh nah Mittag brachen wir auf und kamen nad einer 
halben Stunde an einem großen Wafferbehälter vorüber, 
welcher am Entftehungspunfte des Wädiy Ya Rayyara eingehauen 
ift und mit Waffer gefült war. Der Wadiy Ba Rayyara wendet 
ſich rechts vom Wege ab und mündet in den Waͤdiy Chärit. 

Einige zwanzig Minuten fpäter fah ich rechts am Wege 
in den Wädiy Ghomwayr hinab, welcher fih mit dem Waͤdiy Chärit 
vereinigt. Ein Weg, welcher in diefen Waͤdiy hinabführt, wird von 
einem Wachtthurm vertheidigt, welcher von einigen Beduinen des 
Stammes Dihanbud, befegt ift. Links entfteht der Wädiy Ba "Auda, 
der dem Waͤdiy Dirbe tributär ift. Neben dem Thurme befindet ſich 
eine Ciſterne. 

Ein Viertel 2 Uhr kamen wir wieder an zwei Cijternen und 
um 2 Uhr an dem Wädiy Eſſ Sfyrabbe vorüber, welcher mit dem 
MWädiyn Charit zufammenhängt. Zwanzig Minuten fpäter füllten 
wir unfere Schläuche aus einer Gifterne, und bezogen um 3 Uhr 
unfer Nadtlager am Wädiy Chähile, der in den Wäbiy Chärit 
mündet. — Die Hauptrichtung während der heutigen Zagereife ift 
Weit, 30° Nord. 

Wir fanden hier bereits 20 Beduinen de8 Stammes Agahbere 
mit einigen 20 Kameelen gelagert, welche Waaren nad) dein Wädiy 
Do’än beförderten. 

Nachdem die Begrüßungen beendigt waren und die Kameele unter 
der Aufficht einiger Beduinen in den Waͤdiy geſchickt worden waren, 
wurden mehrere Feuer angezündet und zur Abſchlachtung der Schafe 
gefchritten. Als Gaftgeber beeilte ich mich, die Tugend der Gaft- 
freundfchaft zu üben und lud die fremde Partei zum bevorjtehenden 


Meahlzeitsgebräuche der Beduinen. 93 


Schmauſe ein, welches mir, wie man denken kann, warme Xobes- 
erhebungen erwarb. in Ieder mußte nun, dem Gebrauche gemäß, 
etwas zur DBereitung des Gaftmahls beitragen. Einige holten Holz, 
Andere fammelten Kiefel, noch Andere fchafften Waffer zum Reinigen 
der Thiere herbei, oder halfen meinem „Führer, der das Schlachten 
übernommen hatte, da er als mein „Beſchützer“ (Dadayl) feine 
Anfprühe auf die Felle geltend machte. Ihr Verfahren bei diefer 
Gelegenheit ift fo eigenthümlich, daß es hier wohl befchrieben zu 
werden verdient. 

Nachdem nämlich das Thier gefchlachtet ift, wird es an den ge- 
fpreizten Hinterfüßen aufgehangen, die abgezogene Haut wird auf dem 
Boden ausgebreitet, um das Fleiſch darauf zu legen, welches bis auf 
die Schenkel abgefchnitten wird, bevor die Eingeweide herausgenommen 
find. Hierauf wird der Magen herausgenommen, gereinigt und zer- 
ftädt; um die Eingeweide zu reinigen, nahnt mein Führer den Mund 
voll Waffer und blies dafjelbe fo ſtark als möglich in den Anus des 
Thieres, während es deffen Gehülfen durch die Eingeweide drücken. 
Diefe Operation wiederholte er, bis Alles genügend rein erachtet 
wirde. Das an ihnen haftende Fett wird dann abgetrennt, fie felbft 
abgenommen und in fingerlange Enden gejchnitten, um weldje dann 
das Fett gewidelt wird. Zuletzt werden dann auch die Schenkel zu 
fleinen Stüden zerfchnitten. — Mittlerweile Haben Andere von großen 
Steinen einen kreisfürmigen Heerd errichtet, auf denfelben einen 
großen Holzhaufen zufammengetragen und denfelben mit Kiefeln be- 
det. Iſt nun das Teuer heruntergebrannt, jo wird das Fleiſch auf 
die glühend gewordenen Kiejel gelegt, bis es heiß geworden ift. 
Hierauf werden fo viele gleid) große Haufen gemacht, als Berfonen 
zugegen find, und zur Theilung verfchritten. 

Um jeden Streit zu vermeiden — giebt ein Jeder irgend 
einen Gegenstand, welcher in ein dazu bereit gelegtes Tuch geworfen 
wird. Einer der Gefellichaft nimmt diefe Pfänder in Empfang, 
Tchüttelt fie durcheinander, und fegt fi, mit dem Rüden nad) dem 
Fleifche gewandt, nieder. Ein Anderer zeigt dann auf den Fleiſch⸗ 





94 Gefänge der Bebuinen. 


haufen und fragt: „Für wen derjelbe beftimmt ſei?“ Hierauf wird 
ein Pfand aus dem Tuche gezogen und auf das bezeichnete Fleiſch 
gelegt. Ein Jeder nimmt dann das Fleiſch, auf weldem fein 
Pfand liegt. 

Das Fleiſch ift dann noch roh. Die Beduinen efjen es aber 
jo am liebften — wenigſtens fah ich äußerſt felten, daß fie es noch 
einmal auf die glühenden Nohlen gelegt hätten. — Ebenſo effen ſie 
es ohne Salz, und feheinen fogar den Gebraud des Salzes lädher: 
(ich zu finden. Wenigftens machte Einer den Andern darauf aufmerfiam, 
daß ich mic) deffelben bediente, und Alle lachten herzlich darüber; — 
aus welchen Grunde, konnte ich nicht erfahren; die Scheriffe ver- 
fiherten mir übrigens, daß die Beduinen zu feiner ihrer Speifen Sal; 
gebrauchen. 

Am Abend (des 2. Juli) flammten in unfern Xager, deffen 
Stärke jett auf 36 Mann und 50 Kameelc gejtiegen war, acht euer 
auf, um welche die Beduinen gelagert, durch die eingenommene Mahl: 
zeit froh gejtimmt, ſich mit Geſang ergögten. 

Sie fangen „Hodſchayny“ ımd „Achaͤmer“. Die erftere der beiden 
Gefangweifen, Hodſchaynh, iſt „erotiſch“, und wird nur von einer 
Perſon vorgetragen; der zweite, Achaͤmer, iſt „panegyriſch“ und 
wird im Chore vorgetragen. In der Regel ſingt Einer einige Worte 
aus dem Stegreif, worauf dann der ganze Chor dieſe Worte wieder- 
holt. Bon einem andern Teuer antwortete einer auf dieje erften 
Strophen und fuhr in dem Xobe fort, und der Chor wiederholte danm 
die gefungenen Worte. Diefer Chorgefang pflanzte ſich von Teuer 
zu Feuer fort und dauerte bis fpät in die Nacht. — Im Uebrigen 
war der Gefang zwar rauh, aber jehr harınonifc und durchaus von 
dem Geſange der Aegypter verjchieden. 

Bei Sonnenuntergang, Nordweitwind und heiterm Himmel ftand 
der Thermometer auf 18° R. 

Am 3. Juli brad) unfere vereinigte Däfila früh 6 Uhr auf 
und langte um 4,8 Uhr an zwei Wädiys an, deren Namen ich nicht 
erfahren konnte. Der zur Rechten mündet in den Wädiy Chärit und 


Cifternen und Zufluchtshäufer. 95 


der zur Linken in den Waͤdiy Raube. Hier befindet fi ein Waſſer— 
behälter, welcher in den Felſen gehauen ift, und eine „Ciſterne“, 
beide aber waren ohne Wafjer. Um 8 Uhr trafen wir eine „Ciſterne“, 
und um 9 Uhr den Waͤdiy Hebät, welcher bei der Stadt Tfähir 80) 
in den Wädiy Do’än mündet. Kurz vor 10 Uhr lagerten wir uns 
an einem Waͤdiy, der fich mit dem Wädiy Hebät vereinigt und an 
welchem eines jener „Zufluchtshäuschen“ fteht. Hier find nicht 
weniger als 17 GCifternen in einer Reihe eingehauen, von denen aber 
nur einige Waſſer enthielten. 

Um Mittag war der Thermometerftand bei heiterm Himmel und 
Nordweitwinde 20°. Am Morgen bei Sonnenuntergang 10° R. 

Um 41 Uhp feßten wir die Reife fort und gelangten nad) einem 
Marſche von %, Stunde an den Waͤdiy Dolayle ®U), der in den 
Wädiy Eſſ Sfabal ®) mündet und deſſen Entftehungspunft wir 
nad zehn Minuten erreichten. Er mündet bei der Stadt Darrayn 3?) 
in den Wädiyg Do’än. Ihm gegenüber fah ich rechts vom Wege den 
Waͤdiy Eſch Schaff 8*), der fi) mit dem Wädiy Minua vereinigt. 
Zwei andere Wädin Chadhära 3%) und Dolle 3%), an denen wir um 
v3 Uhr vorüberfamen, münden in den Waͤdiy Do’än; der erftere 
bei der Stadt "Ara 8”), der andere bei dem Dorfe Eich Scharg °°). 

Zehn Minuten fpäter trafen wir vier Heine Häuschen und 13 Ei- 
jternen: diefer Ort wird Dabr Bayt °9) genannt. 

In kurzen Zwiſchenräumen kamen wir noch an einer „Ciſterne“, 
einem „Waſſerbehälter“ und einem jener Heinen „Zufludts- 
häuſer“ vorüber, die Schub gegen die Witterung gewähren, und 
fagerten dann .Y, nach 4 Uhr auf der Ebene. 

Die Beduimen hatten Hier einen harten Stand, da fie Brennholz 
und Futter für die Kameele aus dem entlegenen Wädiy Dolfe holen 
mußten und daher ſpät erſt ihr Brod baden konnten. Wie wenig die 
Beduinen die Vorfchriften des Doran beachten, und wie wenig delicat 
fie in der Wahl ihrer Speifen find, kann man aus folgender That- 
ſache entnehmen. 

Einer der Beduinen unferer Dafila brachte eine große Eidechſe 


96 Erſter Anblick des Wädiy Do'än. 


mit und warf fie lebendig, wie ſie war, in die Gluth der brennenden 
Kohlen; kaum war das Thier todt und die Haut von der Hiße ge- 
borften, fo zog er e8 hervor und verfpeifte es mit feinen Gefährten. 
Auf meine Bemerkung, daß der Genuß folcher Thiere verboten fei, 
antwortete man mir ladjend: „Nur für die Städter find ſolche Ge— 
bote gegeben, nicht aber für uns, die mit dem zufrieden fein müſſen, 
was wir hier im Gebirge finden.‘‘ 

Die Richtung, welche wir während diefer Tagereife eingehalten 
hatten, war Nord 12°, Weit. Mit Sonnenuntergang ftand der Thermo- 
meter bei heiterm Himmel und Nordweitwind auf 18°. 

4. Juli. Am folgenden Tage zogen wir nad) 6 Uhr in der 
Richtung Nord 32°, Weit dem nahen Wädiy Do’an zu, und meine 
Erwartung war, nad) dem, was man mir von ihm erzählt hatte, 
nicht wenig gefpannt. Bereits cine halbe Stunde waren wir unter- 
wegs, und noch immer ſah ich nichts als die unabjehbare fteinige 
Tlähe. Kaum 300 Schritt von dem Wädiy entfernt, bemerkte ich 
endlich den gegenüberliegenden Rand deffelben, der immer fichtbarer 
bervortrat, je näher wir kamen. Wir ftiegen nun etwa 40 Fuß in 
eine enge Schlucht hinab, und gelangten in einigen Minuten an den 
Rand diefes merfwürdigen Wäpdiy. 

Nie ward ic) fo mächtig überrafht, wie von dem Anblid, der 
ſich jett jo plößlich darbot. Er war unvergleihlid, in höchſten Grade 
anziehend und originell. Da das Hinabfteigen der Däfila auf dem 
fehr ſchwierigen und gefährlichen Wege nur langfam von ftatten ging, 
fo feßte ih) mich auf einen feitwärtsliegenden Felsblock, um dieſe 
Scene mit Muße betrachten zu können. ch fah in eine 600 Schritt 
breite und 500 Fuß tiefe, von fenfrechten Felſenwänden begrenzte 
Schlucht hinein, von deren halber Höhe aus hinabgerollte Felsftüde 
und Schutt des verwitterten Gefteins cine fanfte Abdachung gebildet 
haben, welche den Thalboden auf eine Breite von 300 Schritt reducirt. 
Auf ihr erheben ſich amphitheatraliſch Städte und Dörfer, zwifchen 
denen einzelne Gehöfte und Gräber von Heiligen liegen. Thalabwärts 
bemerkte ich die Städte: Darrayı, Raſchyd und Awra. Ueber fie 


Ankunft im Wadiy Do’än. 97 


hinaus begrenzt die Felswand des fid) dafelbft wendenden Thals die 
Ausfiht. Thalaufwärts ſah ich die Städte: Choraybe, Ribät, und 
die Dörfer: Chorbe, Darn el Dianäfil, Eſch Scharg und Ba Dfehifäs. 
"Alle diefe Orte liegen auf einer Strede von einer Stunde beifammen. — 
Dichter Dattelpalmenwald und grüne Saatfelder bededen das Thal 
und nur hier und da zeigt fid) das trodene Bette des Wildbachs als 
blendend weiger Streifen zwiſchen dem dunfeln Grün der Balmen. 

Diefer Anblick entfchädigte mic) reichlich für alle Entbehrungen, 
welche ic) während der Reiſe erduldet hatte, und flößte mir neuen 
Muth ein, diefe interejfanten Gegenden weiter zu erforfchen. 

Die Däfila war mittlerweile an mir vorübergezogen und ber 
Zuruf der Beduinen entriß mid) meinen Betrachtungen. 

Der Weg, welcher in das Thal führt, ift etwa 6 Fuß breit und 
wird zur Linken von der hochaufjteigenden Felswand begrenzt, wäh- 
vend zur Rechten der Abgrund droht. An vielen Stellen führt er auf 
einer Treppe 8 bis 10 Stufen abwärts, an andern ift er mit Kiefeln 
gepflaftert und der feljige Boden durch das Auf- und Abfteigen der 
Thiere und Menfchen jpiegelglatt geworden. Da feine Wehr eriftirt, 
fo ijt es ein wahres Wunder, daß nicht mehr Unglüdsfälle vorfommen, 
als die wenigen, von denen man mir fpäter erzählte. 

Bewundernswerth ift die Sicherheit des Schrittes, mit welchem 
die Kameele diejen glatten Weg zurüclegen. Ich felbft glitt im An- 
fang mehrere Male aus, weshalb id) dem Rathe meines Führers 
folgte und die Sandalen auszog. Unter den unaufhörlihen Zurufungen: 
„Sieb Acht!“, „Langſam!“, „Halt feſt!“, Zurufungen, denen 
die Kameele mit Aufmerkſamkeit Horchen, Hatte die ganze Däfila um 
8 Uhr das Thal ohne Unfall erreiht, wo fie ſich in verfchiedene 
Abtheilungen fonderte, von denen eine jede, je nach der Richtung dee 
Drtes ihrer Beftimmung, eine andere Straße zog. Wir zogen thal- 
aufwärts durch den Palmenwald, wo die Kameele das Bette des 
Wildbachs als Straße benugten, während die Fußgänger auf den Fuß⸗ 
jteigen blieben, welche auf den Dämmen liegen. 

Um %,9 Uhr Tangten wir an dem Orte unjerer Beſtimmung, 

A. dv. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 7 


98 Gebräuche beim Empfang des Gaftes. 


der Stadt „El Choraybe“ an. Mein Führer belud ji) mit meinen 
Gepäcke und führte mich durch die engen, krummen und fteilen Straßen 
in das Haus des Schaych „Abd "Allah Bü Sjudän”. Die meu- 
gierige Stadtjugend lief von allen Seiten herbei, um den Fremden 
zu ſehen, jedoch ohne mich zu beläftigen oder gar zu beleidigen, im 
Begentheil betrug fie ſich fehr anftändig und drängte fid) heran, um - 
mir die Hand zu küſſen. 

Nach wiederholten Klopfen wurde die Thüre von einem hod)- 
gewachienen jungen Manne geöffnet, der ſich ale „Schaych "Abd el 
Dädir” und Sohn des Hauſes gab, weshalb ih ihm, der Sitte des 
Landes gemäß, die Hand küßte. Er hieß mich willfommen und führte 
mid eine ſchmale duntle Treppe hinauf, in ein Zimmer im oberen 
Theil des Haufes, von dem aus ich eine herrliche Ausficht in das 
Thal genof. 

Hier entrichtete ih den Gruß von dem Schaych Mohammed ei 
Bü Harr und übergab ihm das Empfehlungsfchreiben an feinen Vater. 
Zu gleicher Zeit bat ich, demfelben vorgeftellt zu werden; man fagte 
mir aber, daß er ruhe, und gab mir das Verfprechen, mid) Nachmittag 
zu ihm zu führen. — Gleich darauf erfchienen noch drei andere Söhme 
des Haufes, die Schaychs Mohammed, Ahmed und Abu Bekr, welche 
mich beiwillfommmeten und ſich angelegentlid; nad meinem Befinden 
und den Berlauf meiner Reife erfundigten. — Hierauf fam ein Sclave, 
wuſch mir die Füße und rich jie mit Butter ein. Es herricht 
diefe Sitte in allen Gegenden dieſes Yandes, und der Reifende würde 
ein Recht haben, fich über einen Mangel an Aufmerkjamfeit Seiten 
feines Wirthes zu beklagen, im Falle fie nicht beachtet würde. Daſ⸗ 
felbe gilt vom Räuchern der Stube mit Weihrauch — welches 
täglich fünf» bis ſechsmal gefchieht. — Nach einiger Zeit brachte ein 
bereits erwachlenes Mädchen Kaffee und Datteln. Es war die 
Schwefter des jungen Schaych, „Sophie‘, ein Name, den ich hier 
wit zu finden hoffte. Noch mehr aber wunbderte ich mich, fie mit 
umbededtem Geficht vor einem Fremden erfcheinen zu fehen, welches 
bier, wie ich fpäter erfuhr, allen unverheiratheten Mädchen geftattet 


Kleinliche religiöfe Borfchriften. 99 


ft. Nachdem wir den Kaffee getrunken hatten, entfernten fich die 
Schaydjs, damit ich mic ungeftört der Ruhe überlaffen könne. 

Dir jelbft überlaffen überdachte ich meine Yage, deren Schwierig- 
feiten ich mir nicht verhehlen konnte. Ich befand mic auf eimem 
Boden, der, als heilig anerkannt, nur von Dohammedanern betreten 
werden darf, und überdies in dem Haufe eines Mannes, der von dem 
höchft fanatifchen Volke wie ein Heiliger verehrt wurde. 

Bei den Beduinen, welche ihre eigene Religion wenig kennen. 
— und faſt feine ihrer Vorfchriften befolgen — ift es leicht, ale 
Mufelmann zu gelten. Hier aber hatte ich es mit Leuten zu 
tun, welche als handfeſte Theologen aud) die Heinften Fehler bemerken 
und bei einem ſchärferen Eramen leicht die Entdedung machen konnten, 
daß ich Fein Mohammedaner fei. Gefchah dies aber, jo wurde ich 
ohne Weiteres der Wuth eines fanatifhen Pöbelse Preis gegeben. 
Bei einer Religion, wie die mohammedanifche, welde faft einzig und 
allein darin befteht, einige Stellen des Doräns unter finnlofen Gefti- 
fulationen herzuleiern und bei den Gebote die vorgejchriebenen Formen 
zu beobachten, ſcheint es freilich ein Leichtes zu jein, als Bekenner 
derfelben aufzutreten; aber es giebt eine Unzahl von Kleinigkeiten, 
welche berüdjichtigt werden müfjen. 

So unterfcheiden fich 3. 3. die beiden Secten der Hanefy und 
Schäfiy unter Anderem dadurd, daß Erftere bei der Abwaſchung 
(Ablution) Arme und Füße ‚nur bis zum Ellbogen und Knöchel“, 
Regtere hingegen „vier Finger breit höher waſchen“, und andern Un- 
finn mehr. — Dam darf ein echter Mufelmann nicht anders als 
mit der rechten Hand Speije und Trank zum Munde führen, nichte 
unternehmen, ohne vorher die Worte auszufprechen: „B' ism illah er 
rahmän errahym“, d. h. „im Namen deg allbarmherzigen 
Gottes!“ Er darf feinen Gegenftand auf die Erde werfen oder auf 
die Erde werfen fehen, ohne „tesdur”, d.h. „erlaube‘ zu jagen, 
und dergleichen mehr. — Solcher Kleinigkeiten giebt es, wie gejagt, 
eine unzählige Menge, die ein echter Muſelmann ftreng befolgen 
und beachten muß, und man muß wirflih ein geborener Mnjer- 

7 


100 Begrüßungen beim Empfang. 


mann fein, um alle dieſe Abgefchmadtheiten genau Tennen zu 
fönnen. 

Man Tann hiernach abnehmen, welche Vorſicht ich anwenden 
mußte, um nicht aus der Rolle zu fallen, und ich folgte daher a 
Nachmittag mit Hopfendem Herzen einem Diener, der mid zu dem 
alten Schaych führte. 

In einem Zimmer des oberen Stodwerfs, weldes mit 
elfenbreiten Streifen eines jchwarzen, grobgewebten Wollenzenges be- 
det war, und feine andern Möbel enthielt, als cinen mit Büchern 
gefüllten Wandſchrank, ſaß in einem Winfel auf perſiſchem Teppiche 
der Schayd "Abd Allah Bä Sfudän, ein etwa 7Ojähriger, hagerer, 
vollfommen erblindeter Greis. — Um ihn, mit aufgefchlagenem 
Dorän in der Hand, feine Söhne, nebjt einem halben Dutend junger 
Scheryf und Sſayydy. 

Bei meinem Eintritte ftanden Alle, mit Ausnahme des alten 
Schaych, auf und erwiderten meinen Gruß: „ER Sſalam alay- 
fom!’, d. h. „Friede fei mit Euch!’ mit der üblichen Antwort: 
„Alaykom ek Sſaläm!“, d.h. „Mit Euch fei Friede!” Ich. 
fchritt dann auf den ehrwürdigen Alten zu und Füßte ihm beide Seiten 
der Hand, welches er aus Höflichkeit zu verhindern fuchte; ich wandte 
mic) hierauf zur Berfanmlung und fprad) der Sitte gemäß: „Haqq 
eſch Scheräf!“, d. h. „das Recht der Scheryfe!“, worauf fo- 
gleich alle Scheryfe und Sſayydy °P), unter welchen auch ein 12jähri- 
ger Knabe — mir die Hände entgegenftrecdten, welche ich denn auch 
pflichtſchuldigft beroch. Die Art und Weife, mit der fie diefe Ehren- 
bezeigung annahmen, war jo anmaßend und impertinent ftolz, daß nur der 
Drang der Umftände mich vermochte, meinen Widerwillen zu überwinden. 

Die Söhne meines Wirths, denen id) als Schaychs die Hände 
füffen mußte, ließen nad vielem Widerftreben meinen Mund die 
Singer ftreifen und wollten den Handkuß erwiedern. 

Nachdem diefe Ceremonie beendet war, nahm ich im Kreife Platz; 
ih mußte dem Schayc über mein Vaterland, den Verlauf und die 
Abſicht meiner Reife Nechenfchaft geben. 


Alterthümer im Waͤdiy Ghaybun. 101 


Dann frug er mid), zu welcher Secte ich gehöre, worauf ih ihm 
die Hanefy nannte, zu welcher Secte ſich faft alle Aegypter befennen. 
Zu meinem unendlihen Vergnügen war das die einzige Frage, welche 
die Religion betraf. 

Dagegen mußte ich von Aegypten und Mohammed "Alyy, wel- 
hen der. alte Schaych früher während feiner Pilgerreife nad) Menaͤ 
in Dſchedda gejehen und gejproden Hatte, viel und ausführlich er- 
zählen. Da der Alte wahrfcheinlich noch einige Kapitel des Dorän 
mit feinen Zöglingen durdinehmen wollte, jo empfahl ich mich und 
ging in mein Zimmer zurück. 

Am Abend kamen mehrere Scherife und ftatteten mir ihren Be⸗ 
ſuch ab, während welchem ſich das Gefpräh um Aegypten, feinen 
Beherrfcher und den Zuftand ihres Landes drehte. Schaych "Abd el 
Dädir machte mid auf einen Schahch aufmerffam, der, wie er mir 
fagte, alle Gegenden des Hadhramaut Tenne. Ich Fnüpfte daher mit 
diefem Manne ein Gefpräd an, welches ic) nad) und nad) auf die 
„Hypogäen“ lenkte, welche nad) Fresnel im Wädiy Do’än erijtiren 
follen. Er theilte mir mit, daß fich bei der Stadt Meſchhed Alyy 
an ber Mündung des Waͤdiy Ghaybun in den Wädiy Hadfcharyn 
etwa „40 Grabmäler“ befänden, welde er mir aber, nicht als in 
Felfen gehauen, fondern als Heine Häufer befchrieb, welche aus be- 
hauenen Quadern aufgeführt wären. Dieſe Gebäude, befchrieb 
er, hätten nur eine Kammer und über dem Cingange eines 
jeden befände fi eine Injhrift, die Niemand leſen könne. 

Achnlihe Infchriften, erzählte er mir, fände man auch in 
Beled el Hadſchar, namentlich im Wädiy Obne. 

Außer andern merkwürdigen Mittheilungen, welche ich an Ort 
und Stelle näher bemerken werde, erfuhr ich von ihm, daß die 
Gegend, welche ich von Makalla aus bereiſt hatte, ſowie auch 
der Waͤdiy Do’an ?%*) und andere Thäler, welche er mir nannte, zu 
einer Brovinz gehören, welde Belch beny Yſſa (das Land der 
Söhne Yſſa's) genannt würde, und nicht zum eigentliden 
Hadhramaut, weldes einige Tagereiſen nad) Nordoften läge, u. |. w. 





102 Abhängige Stellung der Sultane. 


Zede Stadt, ja faft jedes Dorf des Wädiy Doän hat feinen 
Herrn, der ſich die verjchiedenen Titel „Sultan“, „Dawlet“, 
„Naqyb“ oder „Dula“ beilegt. 

Alle diefe Heinen Fürſten oder vielmehr „„Seudalherren‘ find 
zwar einer von dem andern unabhängig, ftehen aber ſämmtlich unter 
dem Schutze oder vielmehr der Herrfchaft der hier haufenden Stämme 
EI Chämiye und Moräfchide, denen fie einen jährlichen Tribut ent- 
richten müſſen. Bei vorkommenden Streitigkeiten zwijchen zweien 
diefer Sultane werden fie gewöhnlich als Schiedsrichter von denfelben 
anerkannt. Eine Anzahl Beduinen der befehütenden Stämme wohnen 
mit den Sultanen in ihren Thürmen, welde außerhalb der Städte 
fo angelegt find, daß fie diejelben beherrſchen. Durch dieje Ein- 
richtung haben die Beduinen nicht nur die Stadt, fondern aud den 
Sultan in ihrer Gewalt. Die beiden hier herrichenden Stämmie jind 
Unterabtheilungen des Stammes Beny Sfayban. Der Schayd) des 
Stammes Chämiye heißt Hoſſayn ba Sohra ben Amudy, umd der 
Schayd des Stammes der Moräfchide heißt "Abd er Rahınan- ba 
Dorra ben Amudy, und wohnen beide zu Choraybe. Der Sultan, 
der zur Zeit meiner Ankunft dort regierte und dem auch das gegen- 
überliegende Dorf Eſch Scharq gehört, hieß: Menäcih ibn “Abd Allah 
ibn ben "Yffa el Amudy, und ftammt, wie alle feine Collegen, in 
gerader Linie von dem heiligen Sfa’yd ibn "Yffa el Amud ibn Hodun 
ibn Hud ab. Er refidirt in einigen feiten Thürmen, die füdlich von 
der Stadt, nur durch eine tiefe Schlucht oder Hohlweg von berjelben 
gefchieden, dergeftalt liegen, daf fie einen großen Theil der Stadt 
beherrfchen. Die Gruppen von Thürmen heißen „EI Arr“. 

EI Choraybe liegt an der wejtlichen Seite des Wädiy und 
zählt ungefähr 6000 Einwohner, welche den Gejchlechtern der "Amudy 
und Oorayſchy angehören und fi mit Aderbau und Handel be: 
ſchäftigen. Die Straßen find eng und abſchüſſig, mit Kiejel gepflajtert 
und überall mit Stehricht bededt, den man nur dann und wann bin- 
wegräumt, um ihn ale Dünger zu gebrauchen. — Faſt neben jedem 
Hauſe befindet fich eine Heine Lache, in welche fi) Waſſer und Unrath 


Bauart und Einrichtung der Hänfer. 103 


- 


jammelt und mehr wie einen Sinn unangenehm berührt. — Dieſes 
macht das Gehen auf den Straßen eben nicht angenehm, bejonders, 
da man immer beforgen muß, von oben herab mit ſchmutzigem Waffer 
begoffen zu werden. — Die Form ber meift vier, auch fünf Stod 
bogen Häufer erinnert mid) an die der Tempel der alten Aeghpter, 
welche, wie fie, oben jchmäler als unten find. 

Die Tenfter find verhältnißmäßig jehr flein und werden nur mit 
ftarfen Läden von hartem Holze verfchloffen, da Glasfcheiben 
unbelannt find. Außer dem Fundament, welches aus unbehanenen 
Steinen etwa ſechs Fuß hoc, über den Erdboden reicht, ift der obere 
Theil der Häufer aus Lehmziegeln aufgeführt, welche, obgleich in der 
Sonne getrodnet, dennoc jehr dauerhaft find. 

Die Terraſſe jteht ungefähr 2 Fuß vor, und ift mit einer 
ungefähr 4 Fuß hohen Mauer umgeben. In jedem Stode find 
die Zimmer duch einen Gang verbunden, auf weldhen die fchmale 
Treppe ausmimndet. Die Wände der Zimmer, Treppen, Gänge, fo- 
wie auch deren Fußböden und die Stufen der Treppe find mit einem 
thonigen Cement belegt, in denen zur Zierrath breite, wellenförmige 
Streifen eingedrücdt find. Die Hausthür ift fehr niedrig und ge- 
ihmadvoll mit Schnigwerf verziert, in der Regel ift aud ein Sprud 
aus den Dorän darauf angebracht; die Einrichtung der Zimmer 
ift ehr einfach, denn außer einem Wandſchrank, deffen Thür mit 
eingeichnigten Arabesken und großen melfingenen Nägelfnöpfen ge- 
ſchmückt ift, fieft man feine Möbel. Der Fußboden ift ent- 
weder ganz oder nur längs den Wänden mit dem oben erwähnten 
fhwarzen Wollenzeuge bededt, und an den Wänden hängen Qunten- 
flinten, Säbel, kurze Yanzen und Schilde. — An der Wand, 
welche der Ka’ba (Mekka) zugewandt ift, hängen mehrere kleine 
Matten, auf denen man das Gebet verrichtet. In allen nach Außen 
gehenden Wänden und im vorfpringenden Theile der Terraſſe find 
runde Schießlöcher angebradjt. — Die Wohnungen der Sultane unb 
großen Schaychs erfennt man an den „Dörnern des Steinbocks“, 
welche auf der Terraſſe und allen oder einigen Eden eingemauert find. 


104 Große Unficherheit des Handels. 


Die Stadt befitt drei Mofcheen und einen Heinen „Bafar““, 
in welchem ſich höchſtens einige zwanzig ſpärlich ausgerüftete Kauf: 
fäden befinden. Die Häufer find von Außen fo dicht aneinander 
gebaut, daß fie die Stelle der Stadtmauern vertreten; roh gearbeitete 
starke, hölzerne Gitter verfchließen die Ausgänge der Straßen. 
Brunnen befinden fid) ſowohl innerhalb, als auch außerhalb der Stadt 
mehrere, welche ein vortreffliches Trinkwaſſer in gehöriger Menge 
liefern. 

Mit Sonnenuntergang jtand der Thermonteter bei heiterm Him— 
mel und Windftille 20°. 

5. Juli. Am folgenden Morgen machte ich in Begleitung Schaych 
Abu Bekr's, des jüngften Sohnes meines Wirths, einen Spaziergang 
in die Umgebung der Stadt. Während wir über den Bafar gingen, 
bemerfte ich dem Schaydh: „daß ic den Bafar für eine ſolche Stadt 
— ſchlecht verforgt fände‘. Darauf entgegnete er mir: „daß die 
Städte Ribät, Rafchyd, Awra und Darrayıı feinen Bafar befüßen, 
und daß die Kaufleute ihren größern Waarenvorrath in ihren Häufern 
hätten. Da aber die beiden Bebuinenftämme des Wädiy ınit denen 
der Umgegend fortwährend im Streite lägen, und daher jeden Augen 
blid ein Ueberfall möglich fei, fo wagten fie es nicht, die in folchen 
Fällen unbefchütten Kaufläden mit ihren Waaren zu füllen. Selbft 
die beiden fonft befreundeten Stämme geriethen oft innerhalb der Stadt 
in Streit, wobei die Einwohner für die Einen oder die Andern Partei 
nähmen, und die den Befiegten zugehörigen Kaufläden gewöhnlich ge- 
plündert würden. Aus diefem Grunde verläßt Niemand fein Haus, 
ohne mit Gewehr und Dolch bewaffnet zu fein, und jeder Kaufmann 
bat in feinem Laden feine geladene Flinte neben ſich ſtehen.“ 

Welch ein Zuftand! Keine feelenläuternde Moral legt hier ver 
rohen Gewalt Feffeln an, und in feiner urfprünglichen Roheit herricht 
bier noch das Fauftreht. — Die Religion fann feinen mildern: 
den Einfluß ausüben, — denn die, weldye hier herrſcht, üt 
nicht die Religion der Liebe und Verſöhnung, fondern die 
des Schwertes. 


Teltungsthürne. Bewäfferung: 105 


Die beiden Beduinen-Schaychs, ein Neffe des Sultans und der 
DadHy Taken auf einer Erhöhung neben einem Kaufladen, und waren, 
wie mir mein Begleiter fagte, bejchäftigt, Streitigkeiten zu Tchlichten; 
eine Menge Beduinen umgaben fie. Cs dien mir aber, daß die 
Furcht des Herrn nicht groß bei ihnen war; denn fie machten einen 
Pärm, daß man fein eigenes Wort nicht hören konnte. Schaych Abu 
Behr machte mid) mit dem Schayhch befannt, und nad) den landes- 
üblichen Begrüßungen fegten wir uns auf eine Matte nieder; fetzten 
aber, nachdem wir die Neugierde diefer „Gewaltigen“ befriedigt 
hatten, unfern Spaziergang fort. Durch ein enges Gäßchen gelangten 
wir ins Freie und ftiegen in die Schlucht hinab, welche Ei Arr von 
der Stadt trennt und mit Dattelpalmen dicht bejett if. Am Ab- 
hange der gegegenüberliegenden Anhöhe fielen mir die oben erwähnten 
anfehnlihen Subftructionen auf. Ste find aus roh behauenen Quadern 
gemauert, welche mit einen fteinharten Mörtel verbunden find und 
hier und da noch 3—4 Fuß über den Schutt hervorragen. — GI 
Arr befteht aus „12 Thürmen“, die dergeftalt angelegt find, daß 
fie ſich gegenfeitig beftreichen. Von El Arr jtiegen wir ins Thal 
hinab, wo ich die Wafjerleitungen befah, deren zwedmäßige Anz 
lagen in einem „ſolchen“ Lande wirflih überrajchen. 

Das 20 Fuß breite Flußbett, welches, wie die meiften Wädins, 
nur 'nach jedesmaligem Regen Waffer führt, Hat auf beiden Ufern 
10 Fuß hohe Dämme, deren Breite an der Baſis 8 Fuß, im 
obern Theile aber nur 4 Fuß mißt. Sie find aus dem feiten, 
mergligen Thone des Wädiy aufgeführt, und mit großen Steinen, 
ſowohl nad) Augen, als nah Innen befleidet. Hier und da’ find in 
diefen Dämmen Feine rımde Oeffnungen angebracht, durch welche 
das Waffer in Heine Kanäle fließt, weldye je nad) der Höhe des 
danebenliegenden Zerrains höher oder tiefer angelegt find. 

, Die obere Fläche der Dämme ijt mit Fleinen Steinen ge- 
pflaftert und dient ald Weg für die Fußgänger. — Steinerne 
Brüden eriftiven nicht, und nur hier und da fieht man, von einem 
Damm zum andern, drei bis vier Dattelpalmjtämme neben- 


106 Fruchtbarkeit des Wadiy Doän. 


einandergelegt. — Da das Thal einen ziemlich jtarfen Fall hat, 
fo find im Flußbette an verfchiedenen Stellen 4—5 Fuß hohe Duer- 
dämme oder Wehre gezogen, oberhalb welcher fi. das Waſſer 
ftaucht und dadurdy in 4 Fuß breite, ebenfalls eingedämmte Neben⸗ 
fanäle gedrängt wird, die das Zerrain bewäfjern, welches thalabwärts, 
längs den Abhängen, folglic; höher liegt, ale die Ländereien neben 
dem Flußbette. 

Alle diefe Anlagen fand ich aufs Beite unterhalten. Der Boden 
des Thale befteht aus einem fetten, mergligen Thon, welcher mit 
etwas Sand vermifcht iſt und jehr fruchtbar fein joll. Längs den 
Kanälen zieht ſich eine üppige Vegetation von Arda, Tamarisken, 
Mimofen, Rieinus, Platanen und Sylomoren hin. Die Felder find 
auf eben die Art eingetheilt, wie die von Harr Schimäte. 

Choraybe gegenüber mündet der Waͤdiy Dolle, weicher mit Gärten 
bededt ift, die theild dem Sultan, theils einigen Scheryfen gehören 
und Bananen, Aprifofen, Citronen, Weintrauben, Gemüſe manderfei 
Art liefern; unter diefen bemerkte ih Badingan (Solanum melon- 
gena), Zwiebeln, Linfen, Rettige (weiße), Peterfilie, Bohnen, Lu— 
pinen, Surfen, Kürbis, Lattich u. dergl. m. 

Ar der Südfeite dee Wädiy Dolle liegt das Dorf Eſch Scharg, 
weldyes Eigenthum des Sultans von Choraybe if. Schahch Abu 
Behr ſchlug mir vor, dafelbt einen Scheryf feiner Bekanntſchaft zu 
befuchen, worein id) gern willigte, da ich feine Gelegenheit vorüber: 
gehen laſſen wollte, die mir Belehrung veriprad). 

Wir trafen bei dem Scheryf mehrere andere Perſonen, welche 
alle fehr erfreut waren, mich zu fehen. Nachdem wir Ehre gegeben, 
dem Ehre gebührte, ließen wir uns nieder und zogen unfern Kaffee: 
beutel, aus dem ich 5—6 rohe Kaffeebohnen, nebſt einem Eleinen 
Stücdchen Ingwer nahm und auf einen aus Palmblättern geflochtenen 
Präfentirteller legte, den ein Negerfelave herumreichte. — Diele 
fonderbare Sitte herrſcht im ganzen Dadhramaut, weshalb aud ein 
Feder einen Kleinen Beutel mit vohen Kaffeebohnen bei fic führt. Es 
würde als eine Beleidigung gelten, wenn Iemand dem, der ihm 


Beſuch beim Sultan von Choraybe. 107 


Beſuch macht, mit Kaffee bewirthen wollte, bevor nicht derjelbe durch 
das Deffnen feines Kaffeebeutels das Verlangen darnach geäußert 
hat; eine Ausnahme von diefer Negek ift, wenn der Fremde im Haufe 
wohnt. Das Gefpräd war für nich von wenigem Intereffe, da ich 
nur die Neugierde der Gejellichaft zu befriedigen. hatte, während fie 
meine Fragen nur oberflächlid) beantworteten. Id) verabfchiedete mich 
daher, fobald der Kaffee getrunken war, ünd fehrte nach Choraybe 
zurüd. 

Des Nachmittags befuchte mich des Sultans Bruder, ein fehöner 
Mann, von etwa 50 Jahren, dunkler, faft ſchwarzer Gefichtsfarbe 
und mit der einfachen Tracht der Beduinen angethan. Er fagte mir, 
daß fein Bruder, der Sultan, mich zu jehen wünſche und ihn daher 
gefickt habe, mich zum Abendeffen einzuladen; an Schaych Abd el 
Dädir erging diefelbe Einladung. Natürlich war ic) erfreut, ben Be— 
herricher von Choraybe kennen zu lernen, und folgte alſo in Begleitung 
“Abd el Dädir’s dem hohen Führer nach der Refidenz. 

Bei unferer Ankunft im Haufe des Sultans fdhritt einer der 
dort Wache haltenden Beduinen voran und führte uns in die obere 
Etage, wo er die Thüre des Zimmers öffnete, im welchem fich der 
Sultan befand. An einem Fenſterchen des mehr breiten als langen 
Gemachs jap Sultan Menäcih, ein Hagerer, etwa 7Ojähriger Greis, 
auf einem perjifchen Teppiche, den der Zahn der Zeit bedeutend mit- 
genommen hatte. _ | 

Wie fein Bruder, war auch er bis zur Hälfte nadt und von 
dunkler Farbe, von der das blanke filberne Heft der Dſchembiye und 
der ntit fleinen filbernen Platten bejette Riemen feines Heinen Pulver⸗ 
horns nicht weniger auffallend abftah, als das fchneeweiße Haar 
feines Hauptes und Bartes. Sein Geficht Hatte einen freundlichen 
edlen Ausdrud umd deutete keineswegs fein hohes Alter an. 

Nach beendigtem Begrüßungsceremoniel mußte id) mid) neben ihn 
auf den Teppich feken, die Kaffeebeutel wurden gezogen unb bie 
Bohnen von einem Sclaven gefammelt, welcher bald nachher Kaffee 
und eine Schüffel mit Datteln brachte. 


108 Der Sultan von Choraybe. 


Das Zimmer, in weldem wir uns befanden, ſchien das PBrunf: 
gemach zu fein; denn ob es gleih mit dem oben bejchrichbenen, 
ſchwarzen Wollenzeuge bedeckt war, fo, hingen doc gegen 30 lange 
Gewehre und cine Anzahl Sübel, Lanzen, Dſchembiye (Dolce), 
Schilde und Patrontajchen an den Wänden umher. 

Der Sultan, weldher mich feinen Augenblid unbeachtet ließ, be: 
merkte, daß meine Blide an den Waffen hingen, und vief daher feine 
Sclaven, die ein Stüd nah dem andern herbeibringen mußte. ‘Die 
Gewehre waren ſämmtlich mit perfifchen Läufen verfehen, die übrigen 
Waffen hatten aber nicht viel mehr Werth, als den des daran ver: 
Ichwendeten Silbers. Während ich mit der Befichtigung der Waffen 
befchäftigt war, famen die beiden Beduinen-Schaychs Bi Dorra umd 
Bi Sohra, weldye ebenfalls eingeladen waren. 

Die Unterhaltung drehte fih nun um Waffen und Krieg, wobei 
Mohammed 'Alyy's, des türfifchen Sultans, Fadhl Alyy und der 
Engländer in reichlichem Maße Erwähnung geſchah. Sie erjtaunten 
nicht wenig über Alles, was id) ihnen von der Macht und dem Reich— 
thume Mohammed Alyy's, den fie (nebenbei gejagt) nicht anders 
nannten, als ‚den Sultan von Aegypten‘, und was ich ihnen 
von der Macht der Engländer und andern europätfchen Mächte 
erzählte. 

Auch hier fand ich die Meinung eingewurzelt, daß der Eultan 
der Beny DOttoman König der Könige und feine Macht unwiderjtch- 
ih je. — Als ich die wahre Sachlage berichtet Hatte, ftellte der 
Sultan die Frage, „warum denn die Macht des türkifchen Kaiſers 
heruntergefommmen ſei?“ Diefe Gelegenheit, mid) als eifrigen Moslim 
zu zeigen, ließ ich nicht unbenutt vorübergehen und antwortete daher: 
„Wie willit Du, daß Gott und der Prophet, den Gott für immer 
verherrlichen möge, ihm Kraft verleihe, wenn er nicht die Gejeke hält, 
wie e8 eines Mufelmannes Pflicht ift? Das Oberhaupt des Islaͤms 
ichwelgt, wie ein Ungläubiger, im Weine und verdirbt fo, durch fein 
böfes Beijpiel, die alte Zucht und Sitte jeiner Unterthanen! Kann 
es nach diefen anders fein, als daß Gott ihn in die Hände feiner 


Religiöfe Erelufivität. Das Abendeffen. 109 


Feinde giebt!” — Ic hätte in dieſem Augenblicde Maler fein mögen, 
um den Ausdruf des Eritaunens und des Abfcheus zu copiren, 
welcher jich in den Zügen meiner Zuhörer ausſprach. — Nach Furzer 
Paufe machten fie ihren Gefühlen durd) ein Fräftiges „Eſchhed Allah!“ 
Luft und verdammten den Sünder mit frommem Eifer in den Ab- 
grund der Hölle. Der Sultan bemerkte dann mit Stolz, „daß der 
wahre Isläm nur noch in ihren Thälern wohnhaft ſei und hoffentlich 
mit der Hülfe Gottes, bis zum Tage des jüngften Gerichts darin 
verbleiben werde.” Die VBerfammlung ſprach zu diefem frommen 
Wunſche ihr „Amen!’ und ftrih mit beiden Händen über Geficht 
und Bart. 

Auf meine Frage, ob in ihrem Lande nicht hier und da „Juden“ 
wohnten, antwortete mir der Sultan entrüftet, wie ich jo etwas von 
ihrer Heimath denfen könne, ihr Land fei ein Beled cd Dyn (ein 
Yand des Glaubens), in welchem mehr Heilige begraben worden wären, 
als in allen andern Ländern des Isläms und in das weder Chrift, 
noch Jude, noch Baniane (Brahmaverehrer) kommen dürfe. 

Unter folden Geſprächen war die Stimde der Abendmahlzeit 
herangefommen, und nahdem wir da8 Abendgebet verrichtet 
hatten, wurde eine große runde, aus PBalmblättern geflochtene Matte 
vor uns ausgebreitet, auf der man Weizenbrode in Form großer, 
flacher Kuchen herumlegte. ine große hölzerne Schüffel mit Reis, 
der ohne Salz und Butter bereitet war und auf dem ein halbes ge= 
fochtes Schaf lag, wurde nun aufgetragen. Dem Gebraude gemäß 
ferpirte man die Fleiſchbrühe in einem befondern Gefäß; bei diefer 
Gelegenheit aber war fie in einem Geſchirr enthalten, welches in 
Europa zu einem ganz andern Zwecke beſtimmt ift, nämlich: „in 
einem anfehnlihen, mit blauen Blumen gezierten — Nachttopfe!“ 
Beim Anblick diefes Gefchirres auf der Tafel eines arabifchen Fürſten, 
fonnte ich nicht umhin, zu laden. — Der Sultan, welder nebit 
den andern mitlachte, ohne zu willen, warum, fragte mic) nad) der 
Urfache. Ich entfchuldigte mich, jo gut ich konnte, mit dem Vor⸗ 
geben, an etwas Anderes gedacht zu haben, das in feiner Beziehung 


110 Seltſame Suppenſchüſſel. Nibät, die Stadt. 


mit irgend einem hier vorhandenen Gegenftand ftehe. — Gegen das 
Ende der Mahlzeit ging diefe neue Art Suppenſſchüſſel von Mund 
zu Mund, bis fie geleert war. Ich war neugierig zu erfahren, durch 
welche Schidjale dieſes Geſchirr bis hierher verſchlagen worden ſei, 
und man ſagte mir, daß es ein Kaufmann von Makalla von 
einem engliſchen Schiffscapitain erhalten und es dem Sultan 
zum Geſchenk gemacht habe. Bald nachdem es dunkel geworden 
war, mahnte Schaych "Abd el Däadir zum Aufbruch, worauf une der 
Sultan durch einen Beduinen bis an unſer Haus escortiren ließ. 

Am Morgen, mit Sonnenaufgang, bei wolfenlofen Himmel und 
Winditille ftand der Thermometer auf 15°, um Mittags 25°, des 
Abends 20’ N. 

6. Juli. Den 6. Juli befuchte ich unter dem Schutze eines 
Beduinen, den mir auf mein Verlangen Schayd Ba Dorra geſchickt 
hatte, die etwas über %, Stunde von Choraybe entfernte Stadt Ri: 
bat. — Sie ift mit jener von gleicher Größe, und liegt zwifchen dem 
Waͤdiy Minua und En Nebyy (des Propheten) an dem Unions- 
punfte beider Wädiy, der zugleich, der Entjtehungspunft des Wädiy 
Do’an ift. Die Richtung des Waͤdiy Do’än von Choraybe nad 
Ribaͤt ift Sid, 20° Wet. Der Wädiy Minua zieht fi im der 
Richtung Süd, 16° Welt hinauf. 

Ribät gegenüber an der rechten Seite des Wädiy Minug liegt 
das Dorf Ehorbe, und an der linken Seite des Wädiy En Nebyy 
das Dorf Darn cl Manäfil. %,, Stunde oberhalb diefes Ortes liegt 
an der rechten Seite des Wädiy En Nebyy, da, wo er fich mit dem 
Wädiy Chamuda vereinigt, das Dorf Haſſuſſa. Faſt diefem Dorfe 
gegenüber, um ein Weniges mehr thalaufwärts, mündetder Wädiy Tarın 
Sſiybe. Alte diefe Ortfchaften find das Eigenthum des Sultans von Ribät. 

Auf dem Rückwege fah ich in der Schlucht oder dem Hohlwege 
von Choraybe, nicht weit von der Stadt, mehrere junge Mädchen, 
welche, der allgemeinen Sitte islämitifcher Völker zuwider, unver- 
fohleiert gingen, ſich auch nicht im Geringften genirten, bei unferer 
Annäherung uns weidfid mit Fragen zu plagen. Ihr Anzug und 





Frauentracht im Waͤdiy Doän. 111 


die Mittel, welche fic angewandt hatten, um recht fchön zu fein, waren 
im höchſten Grade originell, würden aber wenig nad dem Gefchmade 
unjerer Damen fein. 

Der Schnitt ihrer Kleidungsſtücke ift ganz der, wie bei den 
Beduinenfrauen oben befchriebene, und der einzige Unterſchied befteht 
darin, daß fie aus feinern Stoffen verfertigt find. Die Oberhemden 
waren bei Alten hellblau, der Rand an den Aermeln, der Halsöffnung 
und den Einfchnitten auf den Schultern grün und mit Stickereien 
verziert, welche bei den Reichern mit Silber, bei den Aermern 
aber blos mit weißen Baumwollenfaden ausgeführt find. Eben- 
jo eine herzförmige Verzierung, welche vom Halſe bis zur halben 
Bruſt miedergeht. Der Gitrtel ift aus dunflerm Zeuge ebenfalls ge- 
ſtickt und mit einem filbernen oder meffingenen Schloffe verjehen. 

Die Beinfleider find meift aus roth und weiß geftreiftem 
Baummollenzeuge verfertigt. Je nachdem fie veid) oder weniger reich 
find, tragen fie fingerdide filberne oder meffingene Ringe um 
Bein und Arın, aud) in jedem Ohre bis zu zwölf ziemlich ftarfe 
Ringe, welde längs den Rande des ganzen Ohres angebracht 
find und daffelbe ftark hinunterziehen, was ihnen eben fein grazidfes 
Anfehen giebt. Einige diefer jungen Schönen Hatten noch zum Ueber: 
fing in jedem Nafenflügel einen Ring angebracht. — Auf jeder 
Seite des Kopfes ordnen fie fich ihr Haar in Kugeln, welde fie 
traubenförmig zuſammenbinden. Um ſo viel als möglich ſolche Kugeln 
aufweifen zu können, welche gewöhnlich die Größe einer halben Mannes: 
fauft haben, nehmen fie ihre Zuflucht zu alten Stüden verfchiedener 
Stoffe, über welche die Haare gewidelt werden. Die ganze Friſur 
wird dann mit einer Summiauflöfung überftrichen, um ihr den ge- 
hörigen Halt zu geben. Von einer Schläfe zur andern binden fie ein 
farbiges Band, an welchen mehr oder weniger Feine metallene Räft- 
chen (Etuis) von der Form Heiner Schnupftabafsdöschen angebracht 
find, in welchen ‚‚gefchriebene Amulette“ fteden. Das Haar ift an 
beiden Seiten und in der Mitte, von vorn nad) Hinten, mit finger- 
breiten rothen Streifen bemalt. 


112 Schminke, Friſur, Talismane u. f. w. 


Geſicht, Hals, Arme und Füße find mit einem Crtract der 
Curcumawurzel gelb gemalt und erfteres (das Gefiht) mit rothen 
und indigoblauen Blümchen bemalt. Die Augenlider find mit 
dem oben bejchriebenen Kohl ſtark gefärbt. Der Anblid des Coſtüms, 
welches ich hier beigegeben habe *), wird eine richtige Idee von dem 
ganzen Anzuge geben, richtiger, als es meine Belchreibung vermag. 

Die Kinder der „Do’any” gehen, mit Ausnahme der Reichen, 
bis zu ihrem vierten Jahre vollfommen nadt. 

Ihr Haupthaar haben fie auf eine ganz eigenthümliche Art ge- 
ihoren. So fah ih Einige, weldhe nur oberhalb der Stirn einen 
runden Büſchel Haare trugen; Andere, bei denen man nur oberhalb 
der beiden Scläfe einen Büſchel und über den Scheitel von vorn 
nad) Hinten einen zwei fingerbreiten Kamm hatte jtchen laſſen; noch) 
Andere endlich, bei denen zwei dergleichen Kämme den Kopf in drei 
Felder theilten. Dieſe Art, das Haupt zu fcheeren, ift jedoch nur 
bei den Knaben gebräuchlid). 

Die Frauen tragen die Kinder nicht, wie die Aegypterinnen, auf 
der Achfel, fondern ſie jegen fie rittlings auf die Hüfte. ⸗Die Kinder 
der Reichen tragen, wie die Erwachſenen, weiter feine Kleidungsftüce, 
als einen Schurz um die Hüfte und ein Feines vorn offenes Hemd 
mit langen engen Aermeln. Kopfbekleidung ſah ih nur bei den 
größern Knaben und verheiratheten Frauen, 

Um die Kinder vor Unglüdsfällen und dem Einfluffe des böfen 
Auges zu ſchützen, hängt man ihnen eine Menge Amulette um, welche 
bei reihen Leuten in filberne Kapſeln eingefchlojfen, bei den Armen 
aber in Leder eingenäht find. Bei mehrern diefer Kinder zählte ich 
bis zu 50 folder „Talismane“. 

Nachdem ic) die Neugierde diefer Schönen wenigftens zum Theil 
befriedigt Hatte, begab ich mich, jo ſchnell es ſich thun ließ, nad 
meiner Wohnung, da Einige der Mädchen Miene machten, meine 
Geduld noch ferner auf die Probe zu Stellen. 


*) MWrede’s Coftlimbilder gingen, wie gejagt, verloren. 


Gefahr beim Befuch der Ruinen. 113 


Nach meiner Zurüdfunft befuchte ich meinen greifen Wirth und 
zeigte ihm meinen Entfchluß an, nod) vor der Sfyara (Wall: 
fahrt) nad Ghadım, „die Ruinen im Waͤdiy Obne und dem 
Wädiy Mayfa'a“ zu befuchen, zugleid) bat ich ihn, mich mit 
Smpfehlungsjchreiben nad) jenen Gegenden zu verfehen. Erftaumt 
frug er mid): „warum ich mid) den Befchwerden und Gefahren einer 
ſolchen Reife ansjegen wolle, da ich dod) ruhig das Felt in feinem 
Haufe abwarten fünne, wo es mir an Nichts mangeln würde”. Ich 
dankte ihm für die Güte, die er mir bis jetzt erwiefen und erflärte: 
„daß ich neben dem eigentlichen, religiöſen Zwecke meiner Reife, aud) 
noch den verbände, mich ſoviel al8 möglich zu unterrichten und durch 
Anſchauung zu belehren, und daß befonders die alterthümlichen In— 
ſchriften aus der Zeit der himyariſchen Könige meine Aufmerkfamfeit 
in die höchfte Spannung gefett Hätten, und ich fehnlichit wünfche, 
meiner erregten Wißbegierde zu genügen‘. Diefe Erklärung be- 
friedigte den ehrwilrdigen Alten vollfommen und er verſprach mir 
Briefe nad) Hin ben Dighäl und Dſchul eſch Schaych mitzugeben. 
Auch follte mir fein Sohn einen „Führer“ verfchaffen. 

Doch ermahnte er mic, nicht zu lange bei den Ruinen zu bleiben, 
da die Beduinen leicht die Meinung faffen könnten, daß ich der Schäße 
halber dahin gekommen fei. Vor zehn Jahren fei au ein Mann 
durch Choraybe gekommen, der einen „rothen Bart‘ getragen, wes- 
halb ihn die Beduinen für einen „Käflr” (d.i. „Ungläubigen‘) 
gehalten hätten. Diefer Fremde habe aud) die Ruinen beſucht und 
deren Inſchriften copirt, fei aber auf dem Wege nad) Märib von 
den Beduinen des Stammes Hawaͤlyy 91), erſchlagen worden, haupt⸗ 
ſächlich deswegen, weil fie der Meinung geweſen, er habe dort Schätze 
gehoben. 

Der Abſcheu, welchen die Beduinen des Hadhramaut für alle 
diejenigen hegen, weldhe „vothes Haar’ tragen, fchreibt ſich auf 
Grund folgender Kegende aus den Zeiten des Propheten Gälih her. 
„Als Gott nämlich den Propheten Caͤlih fandte, um den in greuliche 
Lafter verfunfenen Stamm Thamud zu befehren, Täugneten fie die 

„e v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 8 


114 Die himyariſche Konigsliſte. 


Göottlichkeit ſeiner Sendung und verlangten von ihm ein Zeichen. 
Hierauf führte fie der Prophet an einen Felſen, öffnete denfelben und 
ließ daraus ein Kameel mit feinen Jungen hervorgehen. Zugleich 
warnte er fie, diefen Thieren etwas zu Leide zu thun, widrigenfalfe 
e8 dem ganzen Stamme zum Berderben gereichen würde. Zroß dem 
Wunder ſchenkten fie den Propheten feinen Slanben, und einer unter 
ihnen, Namens Dodär el Ahmar 2) (Dodär der Rothe), tüdtete 
durch einen Pfeilfhuß die Kameelkuh. Das junge Kameel verſchwand 
in dem Felfen. — Gott aber vernichtete den Stamm.’ — Nod) jett 
fagen die Araber: „voth wie Dodär’ — oder aud: „Unheil: 
bringend wie Dodär der Rothe‘, — und fehen unter andern 
einen Jeden, der rothes Haar trägt, wie einen Menfchen an, der 
Böſes gegen fie im Schilde führt. 

Nächſt diefem unterhielten wir uns über die vorislämitifche Ge- 
fchichte der Araber, worüber indeß der alte Schaych wenig zu 
fagen wußte. 

„Sein Sohn Ahmed dagegen‘, verficherte er mir, „wiſſe mehr 
als er von ſolchen Sachen, denn der befike ein altes Manufceript, 
welches die Gefchichte dev himyarifchen Könige von Dahtän bie 
Mohammed enthalte.‘ 

Nachmittag befuchte ich den Schaych Ahmed und bat ihm, mir 
das Manufcript zu zeigen. Es war durch vier verfchiedene Hände 
und mit vielem Fleiß gefchrieben. Das Papier war geblic) nnd glatt 
und im Duartformate. Zur Screibung der Namen der Könige, 
Provinzen und Stämme hatte man rothe Tinte verwandt, der Titel 
jedoch fehlte. — Ic hätte es fehr gern an mid gebracht. Jedoch 
da die Summe, die Schaych Ahmed dafür verlangte, meine Reife: 
faffe zu ſtark angegriffen haben würde, fo mußte ich zu meinem Xeid- 
weien auf den Beſitz defjelben verzichten. Der Schayh war fo 
zuborfommend, mir zu verjprechen, mir bis zu meiner Rückkehr ein 
Verzeichniß der darin genannten Könige anzufertigen, welches An- 
erbieten ich mit Danf annahm. Er hielt aud) in der Folge Wort, 
— wodurch er mich in den Stand fekte, eine bedeutende Lücke aus- 


Heftiges Gewitter. Abreife nad) 'Obne. 115 


zufülfen, welche ſich bei Abu el Fidaͤ und andern arabifchen Schrift- 
jtelfern finden. *) 

Kaum war ich auf meine Stube zurücigefehrt, Tv brach ein heftiges 
Gewitter los. Blitz auf Blitz durchzuckte das ſchwarze Gewölke, 
welches dicht über dem Thale lag. Mit furchtbarem Getöſe hallten 
aus allen Schluchten des Thales die krachenden Schläge des Donners 
wieder und ein Regen, wie man ihn nur unter den Tropen kennt, 
praſſelte gleich einem Wolkenbruche nieder. Hunderte von Cascaden 
ſtürzten von der Hochebene in die Tiefe hinab, und in dem kurz vorher 
noch trockenen Flußbette des Wädiy tobte jet ein reißender Berg- 
itrom. Dabei braufte ein Heftiger Nordweft und bog die fchlanfen 
Stämme der Palmen. 

Der Ruf „Erg Sal!” („die Ueberſchwemmungl“) erſcholl 
ans allen Häufern, und die Frauen trilferten den.aud hier gebräuch⸗ 
lihen „Sugharit”. 

Endlid nad) zwei Stunden ruhten die empörten Elemente und 
die fetten Strahlen der untergehenden Sonne erhellten wieder das 
während des Sturmes in nächtliches Dunkel gehüllte Thal. 

Der Thermometer zeigte am Morgen bei heiterm Himmel und 
Windftille 15°, am Mittag bei Nordwind 25°, am Abend nad) dem 
Gewitter bei Nordoftwind 20°. 

7. Juli. Am 7. Juli übergab mid) Schayh Abd el Däbdir 
dem Schuße eines Beduinen vom Stamme Ba Omm Sſaduſſ, welcher: 
ſich verpflichtete, mic, fiher nad dem Dorfe Hiçn ben Dighäl zu 
bringen, welches fünf Zagereifen von Choraybe im Wäpdiy el Ha⸗ 
dſchar liegt. 

Da ich noch nicht mit dem nöthigen Proviant verſehen war, der 
Bednine aber einer Qäfila angehörte, welche ſogleich aufbrechen wollte, 
und ohnehin am folgenden Zage mehrere Beduinen und Städte- 
bewohner nah Yign ben Dighäl reifen wollten, fo beichloß ich, 
in Gejellfchaft diefer Leute zu gehen, und übergab meine Cffecten 


*) Man fehe die Wrede'ſche Königslifte im Anhang I, A. 
a 8* 


116 Geographifche Irrthümer. 


dem Beduinen, welcher verfprah, im Dorfe el Ebnä auf mich zu 
warten. 

Gegen Abend wiederholte fi) der Gewitterfturm, der an Heftig- 
fett dem des vorigen Tages Nichts nachgab. Später Hatte ich eine 
Unterredung mit dem fchon oben erwähnten „länderkundigen 
Scheryf“, der mir fehr intereffante Mittheilungen machte. 

So fagte er mir unter anderm: „daß es im ganzen Rande Teine 
Stadt oder Dorf gäbe, weldyes den Namen Do’än*) führe, ebenfo 
wenig exiftire eine Ortfhaft Hadhramaut“. Unſere neuern Geo- 
graphen haben mit diefem Namen ohne Weiteres „zwei Städte‘ be- 
nannt, welche nirgend vorhanden find und die fie ganz willkürlich in 
„Hadhramaut“ exiſtiren laſſen. Wie viele andere Irrthümer haben 
ſich noch auf unſere Karten eingeſchlichen, welche durch falſche oder 
falſch verſtandene Berichte entſtanden ſind, und die bei näherer Unter⸗ 
ſuchung beſeitigt werden können. 

Der Thermometerſtand war am Morgen bei Windſtille und 
heiterm Himmel 15°, zu Mittag bei Nordweſtwind im Schatten 25°, 
am Abend nad) dem Gewitter und bei Norboftwind 20°. 


*) Weber die wahre Schreibart des Namens „Do'än” jehe man die Note 90. 


Biertes Kapitel. 
Erfte Erenrfion vom Waͤdiy Do’än ans. 





Abreife von Choraybe. — Wädiy Minua. — EI Dirbe — Waͤdiy Ghardım. 
— Nachtlager im Wädiy Schomayre. — EI Ebnä. — Girrayı. — Excurfion 
nach dem Dichebel Schagg. — Naditlager im Wadiy Sfalaf. — Waͤdiy Mayfche. 
— Dichebel Dabr eff Sfäyir. — Nachtlager im Wädiy Därat es Soha. — 
Wädiy el Boyut. — EI Aqyq. — Dſchebel Moll. — Waͤdiy Gafraͤ. — An⸗ 
funft in Hign ben Dighäl. — Wädiy EI Hadſchar. — Hien el Däyime, 


8. Juli. Am 8. Juli wurden am Morgen alle Reifevorberei- 
tungen beendigt. Mein Wirth verforgte mich mit Mehl, Datteln, 
Kaffee, Butter und Honig und mit einem großen Stüde getrockneter 
Haiftfchfinne, hier „Cham“ genannt, welches Alles auf den Efel 
eines meiner Reifegeführten geladen wurde, eines Scheryfs, deſſen 
Obhut bis El Ebnaͤ ich befonders empfohlen ward. Die gefammte 
Reifegefellihaft war um 1 Uhr Nachmittags auf dem Bazar ver- 
fammelt, wohin fie uns rufen ließ. Ich machte dann nocd mit dem 
Scheryf einen Abſchiedsbeſuch bei meinem alten Wirth, der mir feine 
Empfehlungsfchreiben einhändigte und mid) noch einmal dem Scheryf 
nadhdrüdlichft empfahl. 

Nachdem wir ein Yätiha gebetet und den Segen des Schayche 
empfangen hatten, eilten wir, uns ber übrigen Reifegefellihaft an- 
zufchließen, welche aus 20 Perfonen beftand. Da war aber nod fo 
Manches zu beforgen, daß wir erft %, nah 2 Uhr zur Abreife 





118 Ribät. Wädiy Minua. Wädiy Gharhän. 


fommen konnten. Sechs Beduinen des Stammes Bi Omm Sfabduff 
bildeten die Escorte. 

Einige 100 Schritt vor der Stadt machten wir Halt, um an 
einem hier befindlichen Grabe eines Heiligen, aus der Familie der 
Ba Sfudän, ein kurzes Gebet zu verrichten. Diefes Grab ift fonder- 
barerweife auf einen von der Gebirgswand herabgeftürzten, enormen 
Felsblock erbaut und mit einer Kuppel bededt. Bei Ribät bogen wir 
in den Wädiy Minua ein und kamen um 3 Uhr an einem Wadıt- 
thucme vorüber, der auf dem weftlichen Abhange erbaut ift. 

Das Thal, weldhes bis hierher mit herrlicher PBalınenwaldung 
und grünenden Saatfeldern bededt war, nimmt hier plößlicd) an Breite 
ab, und ift mit übereinandergethürmten, enormen Felsblöcken bedeckt, 
zwifchen welchen Mimoſen, Zamarisfen, Nebef und Fräftig wuchernde 
Schlingpflanzen hervorwachfen, welche einen großen Theil der Fels— 
maſſen gleich einem Teppich bedecken. — Obgleich dieſe Felſenpartien 
dem Thale einen romantiſchen Anſtrich geben, ſo iſt doch der Weg 
durch dieſelben im höchſten Grade beſchwerlich, und ich war daher 
jehr erfreut, als wir nad) einer Stunde diefe Trümmeranhäufungen 
verließen. 

Der Waͤdih ift hier wieder auf eine Kleine Strede frei von Fels⸗ 
blöden, und von Daitelpalmen und Saatfeldern beſetzt. Rechts an 
der Mündung des Wädiy Gharhän, einer düftern bufchigen Schlucht, 
liegt das Heine Dörfchen El Dirbe. Bon Hier aus ftiegen wir in 
den Wädiy Minua in der Richtung Oft, 30° Sid hinan. Einige 
100 Schritt oberhalb der Mündung des Wädiy Gharhän fangen die 
Anhäufungen der Gebirgstrümmer wieder an, und zwar in folder 
Maffe, daß ‘fie bis zur Hälfte der gegen 300 Fuß hohen Thalwände 
hinanreichen. 

Die Gegend hat ganz das Anſehen, als wenn das Waſſer 
eines früher weiter oben exiſtirenden Sees, anſtatt es von oben aus— 
zuwaſchen, ſich unten Bahn gebrochen habe, wo dann die zu ſtark 
unterhöhlte Decke einſtürzte. — Dieſe Gebirgstrümmer haben eine 
Ausdehnung von 15 Minuten, und ſteigen von beiden Seiten 


Mufit und pantommmifcher Tanz. 119 


plöglih an. Oberhalb diefer Rudera riefelt cin Bach kryſtallklaren 
Waffers durch ein dichtes Gebüſch von Arda, Platanen, Mimofen 
und Tamarisfen. Der Bad ift permanent und voller Kleiner Fiſche 
und einer winzig Kleinen Art Granelen. Um 5 Uhr verließen wir 
den Wädiy Minuag und bogen rechts in den Waͤdiy Schomahre ein, 
welchen wir etwa 10 Minuten hinanftiegen und unfer Nachtlager 
unter weit überhängenden Felswänden auffchlugen. Wie gewöhnlich, 
wurden fogleich einige Teuer angezündet und Kaffee gelocht, wozu ich, 
wie die Webrigen, Holz berbeiholen wollte, weldjes aber Niemand 
zugab, woraus ich abnehmen konnte, wie nachdrücklich die Empfehlung 
des hochverehrten Schaychs "Abd Allah ba Sfudän zu meinen Gunſten 
geſtimmt Hatte. 

Ein Gewitter war im Anzug und wir waren froh, unter unferer 
Felsdecke einigerniaßen gefchüßt zu fein. 

Das Unwetter warf ſich zum Wädiy Do' aͤn hinüber, und entlud 
fih über ihm, der es auch beifer gebrauchen Tomte, als wir. 

Am Abend beiuftigten ſich meine Reifegefährten niit Gefang und 
mit Tanz, welche von einer Rhobaͤba ?°) und Dagäba begleitet wurden. 
Die Qacçäba war aber für dies Mal weiter nichts, als eine euro— 
päifche „Querpfeife“, wie fie Pfeifer bei den Regimentern in Europa 
brauchen, und der Birtuos war als Knabe Compagniepfeifer bei einem 
ägyptiſchen Regimente gewefen. Sein Vater war bei demſelben Re- 
gimente Soldat, defertirte aber fammt feinem Sohne und wurde 
hierher verichlagen. Der frühere Regimentspfeifer hatte von den 
damals erlernten Stüdchen Nichts vergeffen, denn er blies ganz ge- 
müthlich die Arie: „Marlborough geht in den Krieg‘ (Marlbo- 
rough va à la guerre), nad) deren Takt die Andern wie befejjen 
umberfprangen. Zum Finale parodirte ein alter und witziger „Spaß⸗ 
macher“, der lange in Dſchidde geweſen war, die „Zürfen‘, „See: 
Leute‘ und felbft die „Beduinen“, wozu ihm fein ausgezeichnet 
häßliches Satyrgeſicht vortrefflid zu ftatten fam. Ob er gleich den 
Beduinen ftarf zufeßte, fo nahmen fie es ihm doch nicht übel, 
Sondern lachten auf ihre eigenen Koften mit. 


120 Waſſerſcheide zwiſchen Wädiy Do’än und Dirbe. 


Des Morgens jtand der Thermometer bei heiterm Himmel und 
Windftille 15°, um Mittag im Schatten 25’, des Abends bei Süd- 
weftwind 20°; der Himmel war mit Wollen bededt. 

9. Juli. Am 9. Juli früh Y, nad) 5 Uhr ftiegen wir in der 
Richtung Sid, 30° Wet den fehr fteilen Waͤdiy Hinan und gelangten 
nah einer halben Stunde bei feinem Entjtehungspuntte auf das 
Plateau, wo wir etwas anhielten, um die Nachzägler zu erwarten. 
Bald waren wir Alle verfammelt und ftiegen rüftig bis Y.8 Uhr 
vorwärts, wo dann Y, Stunde geruht wurde. Nach einem aber- 
maligen Mariche von fünf PViertelftunden gelangten wir an den Ent- 
ftehungspunft des Wädiy Gharhän. Links vom Wege ſenkt fi der 
Waͤdih Dilhaͤm ein, welcher in den Wädiy Minua mündet. Der 
Raum zwifchen diefen beiden Thälern heißt: Dabadh Schaych. °*) 
Unter einem am Rande des Wädiy Gharhän ftchenden Baume ruhten 
wir bis um 10 Uhr. Eine Stunde Marſch brachte uns an die Stelle, 
welche die Beduinen Dabadh Hayif?°) nannten, und wo an der Ein- 
jenkung des Waͤdiy Ma Allah (d. i. das Waſſer Gottes), welder 
in den Wädin Gharhaͤn mündet, drei Eifternen eingehauen find. 

Die ganze Gegend, auf eine Strede von mehrern Stunden, 
gewährt bier einen eigenthümlichen Anblid. Sie ift nämlich mit 
Heinen 1—2 Zolt hohen Felszaden dicht beſäet, zwiſchen denen 
eine pechfchwarze, glänzende, etwa Y, Zoll ftarfe Kruſte liegt. Bei 
näherer Unterfuhung fand ich, daß fie aus einer im Bruche „Schr 
weißen Kreide‘ beftand. Ic nahm einige Stüde davon mit, da 
ih vermuthete, daß der jchwarze, außerordentlich feine Weberzug 
nichts Anderes als eine vielleicht unbelannte „Alge‘ fei. Un— 
glüdlicherweife fand ich aber fpäter die fehr zerreibliche Kreide faft 
pulverifirt. 

Um Y, nad 1 Uhr lagerten wir unter einem Mimoſengebüſch 
am Wädiy Dſchilwe, an defjen Rand ſich eines jener Heinen „Schutz⸗ 
häuschen“ und drei Eifternen befinden. Diefer Waͤdiy gehört nicht 
mehr zum Gebiete des Wädiy Do’an, fondern zu dem Wädiy Dirbe, 
mit welchem er durd) den Wädiy Naube in Verbindung fteht. — 





Geologifche Bildung der Hochebene. 121 


Bon hier aus hört das Gebiet der Stämme Chämiye und Maräfchibe 
auf und das des Stammes Bü Mardagha beginnt. 

Zweiundzwanzig Minuten festen wir unfern Weg fort und ge- 
fangten in drei Stunden und zwanzig Minuten an den Fuß einer 
hoben Hügelfette, über welche unfer Weg führte. 

Auf diefer Strede trafen wir von Zeit zu Zeit mehrere Waffer- 
behälter und Ciſternen, fowie aud einige der Kleinen Schuß- oder 
Zufluhtshäuschen an. Bon Waͤdiy Dſchilwe an erhebt ſich das 
Terrain allmählich. Plänarkalk und mergliger Thon überlagert auf 
der erjten Hälfte des Weges den Grünjandftein und verfchwindet dann 
bis zur Hügelfette unter Numulithenkalk. 

Der Gefteinhügel ift eine ſehr weiße Kreide von Adern 
eines ſchwarzen Feuerſteins durchfegt, der zwiſchen 2 Zoll diden 
Schichten eines ſchön grasgrün gefärbteh, durchſichtigen Gypsſpathes 
inneliegt. — Die übrigen Hügel der Hochebene zeigen diefelben 
Gefteine und haben zu oberjt noch eine ftarfe Lage mergligen Thon. 
Den Gypsſpath fand ih nur hier von grüner Farbe; in den 
Hügeln der andern Gegenden ift er weiß und durchſichtig. Wie es 
fheint, war früher das ganze Plateau mit diefer Kreideforma- 
tion bededt, welde nach und nad) mit dem Regenwaſſer ab- 
geſchwemmt wurde. 

Am füdlihen Abhange diefer Hügelfette Läuft ein nur wenig ein- 
gefehnittener Wädiy hin, welcher den Namen El Ebnä führt und 
in welchem die Dörfer EI Ebnä und Er Cirrayn Tiegen. . EI Ebnä, 
das Ziel unferer Tagereife, erreichten wir Y, nach 6 Uhr und fanden 
in einen Heinen Haufe Obdach, welches eigens zur Aufnahme von 
Reijenden beftimmt if. Wir kauften einige Schaafe und Brennholz, 
wozu, mit Ausnahme der escortivenden Beduinen, ein Ieder beifteuerte. 

El Ebnä iſt der höchitgelegene Drt des Plateaus und das Klima 
daher fehr kalt. Wie man mir erzählte, frieren dort nicht nur im 
Winter, fondern ſchon im Herbit die Eifternen zu, welches id) durch- 
aus nicht bezweifele, da mein Thermometer am Abend nur wenige 
Grade über dem Gefrierpunfte ftand. Unſer aller Spaßmacher nannte 


122 Rauhes Klima von EI Ebnä. 


es gar nicht anders ale Omm eth Thaldſch (Mutter des Cifes). Um 
fo unangenehnter war cs für mid), dag mein Beduine noch nit an- 
gekommen war. Meine Dede und mein Schaaffell waren mit auf 
dein Kameele, und fo war id) genöthigt, jo wie ich war, auf der 
nadten Erde zu Schlafen. Den größten Theil der Naht ſaß id 
mit mehrern Andern, denen die Kälte gleichfalls unbehaglid) war, 
am Feuer, deſſen dichter Rauch noch unſer Ungemach vermehrte. Der 
Sehnlichft erwartete Morgen brach endlich an, und die Gefellfchaft 
rüftete fich zum Aufbruh. Da aber mein Beduine noch nicht an- 
gefonmen war, fo blieb id) zurüd, um ihn zu erwarten. 

Des Morgens jtand der Thermometer bei heiterın Himmel und 
Windſtille 15°, um Mittag 20°, und am Abend 10°. Die Haupt- 
richtung von unferm Nachtlager bis hierher war Süd, 10° Welt. 

Das Dorf EI Ebnä zählt etwa 300 Einwohner, welde in 
etwa 60 niedrigen Häuschen wohnen und dem Stamme Bü Mar- 
dagha angehören. Diefer Stamm ift eine der Abtheilungen oder 
Zweige des Stammes Beny Sfaybän.: Ce Cirrayn gehört zu dem: 
jelben Stamme und bat diefelbe Einwohnerzahl. Gin jedes dieler 
beiden ‘Dörfer hat einen großen Wachtthurm, in welchen ſich die Ein- 
wohner bei einem Ueberfall flüchten. 

Der Waͤdiy jtreiht von Welten nad Oſten und mündet einige 
Stunden unterhalb in den Waͤdiy Er Raube. 

Wahrſcheinlich ift das rauhe Klima ſchuld, daß der Waͤdiy gänz- 
lid) von Bäumen entblößt ift und überhaupt nur eine dürftige Vege— 
tation aufzumeifen hat; denn außer einigen verfrüppelten Mimoſen 
und einiger Gerſte jah ich weiter nichte. Der Name diejes Ortes 
erinnert an die Colonie, welche von perfifhen Soldaten gegründet 
wurde, die zurücblieben, als die perſiſchen Machthaber, von dem 
mohammedanifchen Feldherrn verdrängt, das ſüdliche Arabien räunten. 
Diefe Colonie nennen die arabifchen (Hefchichtsfchreiber mit dem Namen 
El Chnä oder Ebne. Iſt diefes Chnä das hier liegende oder eriftirt 
ein anderes? Manches ſpricht dafür, Manches dagegen. Daß bie 
Sieger den bejiegten und zurückgebliebenen Feinden nicht eben den 


Aufbruch nad) der Zropffteinhöhfe. 123 


frucdhtbarften Theil des Landes überließen, iſt mehr als wahrjcheinlich, 
und in diefer Beziehung wäre es wohl möglich, daß diefer Ort der- 
jelbe fein könnte, den die arabifchen Gefchichtsfchreiber genannt haben. 
Diefe Wahrfcheinlichkeit wird ftärfer durd) die Bedeutung des Wortes, 
denn „Ebnaͤ“ bedeutet „Barbar‘. Allein die Bewohner des heutigen 
Ebnaͤ find feine Abfümmlinge der Perſer, fondern ſtammen von 
Sfayban ibn Nedſchd ibn Sfa’yd ibn "Yifa cl Amud ab, alfo von 
Hud (Eber) durch Hodun (Beleg). Oder haben ſich im Xaufe der 
Zeiten diefe perſiſchen Anfiedler mit diefem Stamme vermiſcht? Das 
wäre leicht möglich. 95°) 

10. Juli. Gegen 6 Uhr Morgens kam mein Beduine mit der 
Däftla an und wollte gleich) weiter ziehen, was aber nicht in meinem 
Plane lag. Ich wollte vorher eine „Höhle‘ beſuchen, weldye in 
der Nähe von El Ehnä liegt und von der mir der Scerhf von 
Choraybe viel Wunderbares erzählt hatte. Ich machte den Beduinen 
mit meiner Abficht bekannt, jtieß aber, wie ic) erwartet Hatte, auf 
itarfen Widerjtand, den jedoch das Verſprechen überwand, ihn und die 
andern Beduinen für den verurfachten Aufenthalt ſchadlos zu halten. 

Er Holte nun die Truppe herein, um den Handel mit mir ab- 
zufchließen, und nad) vielem Hin- und Herfchreien wurden wir endlid) 
dahin einig, daß id) zwei Schanfe Taufen umd einen Thaler zahlen 
folle, wogegen fie ſich verpflichteten, bis zu meiner Zurückkunft zu 
warten und mir vier Mann zur Bededung mitzugeben. Ich machte 
fogleich die nöthigen Vorbereitungen; einige Brode wurden gebaden, 
Kaffee, Butter, Datteln eingepadt und in Ermangelung von Fadeln 
oder Wachskerzen einige Bündel trodener, zufammengedrehter Dattel- 
zweige herbeigeichafft. Außerdem füllten meine Begleiter einen Kleinen 
Schlauch mit Waſſer, und fo ausgerüftet zogen wir Morgens um 
1/8 Uhr von dannen. 

Der Weg führte bei dem Dorfe Ce Cirrayn vorüber, °/, Stunden 
thalabwärts, wo wir dann die Hochebene in der Richtung Süd, 
20° Weit beftiegen. 

Ich Hatte von hier aus eine Ausficht in den Wädiy Er Raube, 


124 Gefährlicher Gebirgspfad. 


welcher bedeutend tiefer liegt, als der Wäbiy El Ebnä, und mit einem 
dichten Dattelpalmenwalde bejtanden ift, in welchem id das anjehn- 
fihe Dorf Raube bemerkte. Nah einer Stunde überfchritten wir 
den nur wenig eingefchnittenen Waͤdiy Ga’ar und wandten uns Süd, 
24° Oft. Ein Mari von 1%, Stunde bradte uns an den füp- 
lichen Rand der Hocdebene, wo wir neben einer Ciſterne ausrubten. 
Die Hochebene fällt hier etwa 2000 Fuß in mehrern fchmalen 
Stufen mauerartig ad. Ein fehmaler Fußfteig führt längs dieſer 
Riefenmauer mit unzähligen Windungen in eine ſchauerliche Schlucht 
hinab, welche den Namen Wädiy Schagq führt. 

Das unterwegs getrunfene Waffer wurde erfegt und wir traten 
nunmehr die gefährliche Wanderung auf einem Pfade an, deffen ge 
wöhnliche Breite 4 Fuß, mehrere Dale bis zu 2 Fuß — ab: 
nimmt. Grauenerregende, fürchterliche Abgründe gähnten auf der 
einen Seite, während auf der andern Felſen theils ſenkrecht empor- 
jtiegen, theils die Schwindel erregende Tiefe überhangend, den Pfad 
befchatteten, den man an folhen Stellen nur gebüdt gehen kann. — 
Ich muß geftehen, daß ich gern wieder umgefehrt wäre; aber ich 
ſchämte mic), weniger Muth zu zeigen, al8 die Beduinen, welche mit 
leichtem, fiherm Schritte vorangingen. — In der unmittelbaren Nähe 
einer Gefahr, gegen welche menjchliche Hülfe Nichts vermag, bei dem 
Bewußtfein, dag ein Yehltritt unausbleibliches Verderben zur Folge 
bat, wo, einmal vom Schwindel ergriffen, auch der Muthigfte, wie 
von unfidhtbarer Geifterhand, unmwiderftehlich in den Abgrund gezogen 
wird, da wird wohl auch dem Tapferſten das Herz im Buſen Hopfen. 
In feiner Situation meines Lebens Hat ſich meiner ein fol uns 
beichreiblich beflemmendes Gefühl bemeiftert, wie bei dieſer Gelegen- 
heit. Ich glaube, es ift daffelbe, welches ein armer Sünder empfindet, 
wenn er zum Hochgericht geführt wird. Auch fchienen meine Ge- 
führten diefe Empfindung mit mir zu theilen, denn die fo geſchwätzigen 
Burſche ſprachen nicht eher cine Silbe, ale bis wir am Fuße ber 
foloffalen Felswand jtanden. 

Nachdem wir 5/, Stunde den Wädiy Schagg verfolgt hatten, 


- Der Eingang der Höhle. Geifterfuccht der Beduinen. 125 


fttiegen wir nördlid 300 Fuß den fteilen Berg gleichen Namens 
(Dichebel Schagg) Hinan und langten glücklich "/, Stunde vor 4 Uhr 
zum Eingange der Höhle. 

Nachdem wir unfer frugales Mittagsmahl zu uns genommen 
hatten, forderte ich die Beduinen auf, einige der trocknen Palmzweige 
anzuzünden und mir in das Innere der Höhle zu leuchten, wogegen 
fte aber allerlei Einwendungen machten. Ihre Meinung, daß wilde 
Thiere in der Höhle fein Fünnten, widerlegte ich dadurch, daß ich fie 
auf den gänzlihen Mangel von Spuren im fandigen Boden des Ein- 
ganges aufmerkſam machte; hierauf rückten fie mit der wahren Ur- 
face ihrer Furcht, „den böfen Geijtern, welche dem Volksglauben 
gemäß, diefe Höhle bewohnen”, heraus. Nach langem Zureden ent- 
Tchloffen fich endlich ‚zwei meiner Begleiter” umter der Bedingung 
mit mir zu gehen, „daß ich vorher durch Gebet die Geifter bannen 
wolle‘, wozu ich mid) denn auch, um der Sadıe ein Ende zu machen, 
verftand und „mehrere Gebete‘ fagte, worauf fie fi zum Befahren 
der Höhle anſchickten. — Da feiner meiner beiden Begleiter zuerft 
hinein wollte, nahm ich eine der Balmenzweigfadeln und kroch, ihnen 
voraus, in die faum 1 Meter im Umfange umfafjende Deffnung 
der Höhle hinein. Die Beduinen folgten mir, indem fie fortwährend 
riefen: ‚„„Zoffdor! Zoffdor! ya Mobaͤrekyn!“ — d. i. „Erlaubet! 
Erlaubet! Ihr Gefegneten!” 

Nach einer durchkrochenen Strede von 6 Meter befand ich mic 
in einem Gewölbe, welches auf 100 Fuß Höhe ungefähr 300 Fuß 
Länge ımd 250 Fuß Breite mißt und von einer Säulenreihe mächtiger 
ZTropfjteinpfeiler getragen zu werden fcheint, welche die Form zweier 
mit ihren Spigen zufammengegoffener Kegel haben. Die Farbe dieſes 
Tropfſteins, welcher aud die Wände der Höhle überzogen hat, ift 
„röthlich-gelb“ ımd contrajtirt jeltfam -mit dem weißen Sande des 
Bodens. Eine Menge anderer Pfeiler find im Entjtehen und hängen, 
gleich Eiszapfen, vom Gewölbe herab, während fid) am Boden Kegel 
und Blöcke gebildet haben, deren phantaftifche Formen wohl geeignet 
find, einem unwiſſenden und abergläubigen Menfchen Furcht einzujagen, 


126 Das Innere der Tropfſteinhöhle. 


der fchon darauf gefaßt ift, etwas Meberuatürliches zu ſehen. Meine 
Begleiter ftanden daher eine nantenlofe Angft aus, und ein Jeder von 
ihnen hielt fortwährend einen Zipfel meines Oberhemdes feſt, ale 
wenn meine Berührung fie vor einem Unfalle hätte befhügen können. 

Bon diefem domähnlichen Raume gehen nad) verjchiedenen Zeiten 
hin fünf Gänge, welche ich der Reihe nad) unterfuchte. 

Den erften Gang, welcher ſich links vom Cingange befindet, 
fand id) nad) wenigen Schritten durd einen Felsblock verſperrt. Der 
zweite endete nach funfzehn Schritten in einen Spalt; der dritte 
war fo niedrig, daß id) nur gebüdt darin gehen Fonnte, erweiterte 
ſich aber bald und führte nach zwanzig Schritten an den Rand eines 
Abgrundes, deffen Weite mir nicht möglich war zu beftimmen. Gin 
Stein, welchen ich hinabwarf, fiel nad zehn Secunden in Waffer 
(dem Geräufche nad zu urtheilen). — Der vierte Gang führte eben- 
falls an den Rand diefes Abgrundes. — Durch den fünften ge 
langten wir an eine Kleine Nebenhöhle, welde auf 30 Fuß Höhe, 
64 Fuß Länge und 50 Fuß Breite hält. Wände und Dede derfelben 
find mit Kryftallifattonen bedeckt, die das Licht unferer Palmenzweig- 
fadeln unzählige Male zurücwarfen. Während ich mid) in diejem 
Prachtgewölbe umfah, flüfterte mir einer meiner Begleiter ine 
Ohr: „Nur cin PBalmenzweig ift noch übrig und Zeit die Höhle zu 
verlaffen.” ‘Da ich, wie fie, ebenfo wenig Luſt hatte, im Dunteln 
herumzutappen, jo trat ich den Rückweg an, verfuchte aber vorher 
von den Kryſtallen loszufchlagen. Hieran wurde id) aber von meinen 
Begleitern mit einer Heftigfeit verhindert, welche mich nicht wenig 
betroffen machte. Mit Gewalt und ohne ein Wort zu fprechen, zogen 
fie mich bis an den Ausgang der Höhle und krochen fo jchnell als 
möglih hinaus. 

Draußen Hatten fie wieder Muth zu ſprechen, erzählten ihren 
zurückgebliebenen Kameraden, was ſich zugetragen, und machten mir 
Vorwürfe über mein Betragen in der Höhle, nämlich, daß ich es 
hätte wagen wollen, die Schätze anzutaſten, welche den Dſchinn oder 
Geiſtern zur Bewachung anvertraut worden ſeien. Sie waren der 


Aberglaube in Bezug auf die Höhle. 127 


fejten Weberzeugung, daß, hätte ich mein Vorhaben ausgeführt, es 
unvermeidlich unfer Aller Verderben geweſen wäre. Ich versuchte, 
jie von diefer Idee abzubringen; aber, wer vermag einem Volfe, wie 
diejent, feine mit der Muttermilch eingefogenen Vorurtheile zu ent- 
reißen? Ich ließ ſie alſo bei ihrer Meinung umd machte mid) bereit, 
den Rückweg nad) EI Ebnä anzutreten. 

Es lag uns natürlich viel daran, noch vor Anbruch der Nacht 
die Hochebene zu erreichen, da es im Dunkel doppelt gefährlich wurde, 
am fteilen Abhange Hinzutappen. Um 246 Uhr ftiegen wir in den 
Wädiy Schagg hinab und gingen fo jchnell wie möglih, wurden 
aber dennod) auf der halben Höhe von der Nacht überfallen, "welche 
in diefen Breiten plötzlich, ohne vorhergegangene Dämmerung eintritt. 
Zum Glück hatten wir Mondenſchein, ohne welchen eg fast unmöglich) 
gewejen wäre, einen ſolchen gefahrvollen Weg zu betreten. — Immer 
längs der Felswand Hin vorfichtig fortfchreitend, und auf Stellen, 
wo die Felfen den Weg überhingen, auf Händen und Füßen fort- 
friehend, erreichten wir um 9 Uhr die Hochebene, wo wir uns neben 
der Ciſterne niederließen. Wir zündeten Feuer an md. bereiteten 
Kaffee, welcher nebft Brod und Datteln vortrefflid” mundete. Nach 
einer Stunde Ruhe machten wir uns wieder auf den Weg und er- 
reichten um 3 Uhr Morgens das gaftliche Dah im Dorfe EI Ebnä. 

11. Juli. Bei unferer Anfunft ftanden ſogleich alle Beduinen 
auf und waren gefhäftig, uns zu bedienen. Einige legten Holz 
auf das Teuer, Andere Tochten Kaffee und brachten unfere Bor- 
tionen Brod und Fleifch herbei. Des Fragens war fein Ende und 
meine Begleiter wurden nicht müde zu erzählen, daß ich die Geifter 
gebannt hätte, daß, nachdem ich einen Stein in den Schadht geworfen, 
fi) furdtbare Stimmen hätten vernehmen laffen u. ſ. w. Nichts 
wurde vergefjen und wie gewöhnlich auf das Unfinnigfte commentirt. 
Die Beduinen fahen bald mich, bald die Erzähler mit großen Augen 
an. GStillfehweigend nahm ich meine Abendmahlzeit ein und horchte 
der Erzählung der von mir vollbrachten Wunder, erhob mid) dann 
mit der Erklärung: „daß fie Alle insgefammt nicht recht geſcheidt 


128 Bon Ebnaͤ zum Waͤdiy Sfalaf. 


wären’: die Einen, folche Ungereimtheiten zu erzählen, die Andern, 
fie anzuhören und zu glauben‘ — und ftredte die miüden Glieder 
auf mein Scaffell. — Dieje unerwartete Erklärung bewirkte eine 
augenblicfliche Stille, die aber bald durch ein allgemeines Gelächter 
unterbrochen wurde. Alle traten auf meine Seite und gegen meine 
Begleiter damit auf, daß fie weniger Muth befäßen, als der fremde 
Aegypter, und jeder rühmte fi), bei einer folchen Gelegenheit mehr 
Muth zu zeigen, wie fie. Ich meinerfeitS wünfchte ihnen in aller 
Stille Süd dazu, war aber überzeugt, daß ſich keiner von Allen in 
einem ſolchen Falle beſſer benommen haben würde, als meine heutigen 
Begleiter, welche übrigens derſelben Meinung zu ſein ſchienen; denn 
ohne ſich um die Spöttereien zu kümmern, folgten ſie meinem Bei— 
ſpiele und legten ſich zur Ruhe. 

Der Thermometer ſtand am Morgen 5°, um Mittag und bei 
heiterm Himmel und Nordweitwind 20°, des Abends hatte ich nicht 
obfervirt. 

Am 11. Juli erwachte ih erft um 10 Uhr, fah aber Teine An- 
jtalten zum Aufbruch. Die Beduinen jagten mir, daß fie heute nur 
eine kurze Strede zurüdzulegen gedächten, da diefer Tag einer der 
unglüclichen fei und fie daher befürchteten, beim Hinabfteigen von der 
Hochebene Unglüd zu haben. 

Um Y22 Uhr verließen wir El Ebnä und ftiegen von der 'ent- 
gegengefettten Seite des Wädi auf die Hochebene, wo wir die Rich— 
tung Süd beibehielten. Nach zwei Stunden kamen wir an einer 
Eifterne vorüber, welche zwifchen den Entftehungspuntten der Wädig 
Saar und Ma yſche liegt. Lebtgenannter Waͤdiy zieht fich zur Rechten 
des Weges Hin. Y, nad) 4 Uhr fchlugen wir unfer Nactlager in 
einer kümmerlich mit Mimoſen befeßten Niederung auf, welche Waͤdiy 
Sſalaf genannt wird. 

Am Morgen hatte ich den Thermometer nicht beobachtet, um 
Mittag bei Heiterm Himmel und Nordweitwind 20°, des Abends 10°. 

12. Juli. Nah einer empfindlich Falten Nacht verließen wir 
furz vor 6 Uhr Morgens unfer Nachtlager, ftiegen eine halbe Stunde 


Gefährliche Gebirgspaffage. 129 


einen fteilen Abhang hinan und kamen etwas nach Ys7 Uhr an eine 
enge fteile Schlucht, durch welche der Weg führte. Bevor wir fie 
betraten, löften die Beduinen die Stride, mit denen die Rameele ge- 
wöhnlich gebunden find; damit, wenn eins ftürzen follte, die andern 
nicht nachgezogen werden. 

Um 7 Uhr Morgens befanden wir uns am Ausgange der Sqlucht 
und am Rande des hier 1000 Fuß jäh abſtürzenden Plateaus. Der 
Weg, der zur Rechten von dem Abgrunde begrenzt wird, während 
ſich zur Linken eine ſteile Felswand erhebt, wendet ſich Hier plötzlich 
im rechten Winkel links, ſodaß die Kameele auf einem Raum von 
6 Fuß Breite die Wendung machen müſſen. Faſt alle waren bereits 
an dieſer gefährlichen Stelle vorüber, als eines der letztern, welches 
mit zwei kleinen Kiſten böhmiſcher Glaswaaren beladen war, an die 
zu umgehende Ede anprallte, ausglitt und ins Thal hinabſtürzte. — 
Die Verzweiflung des Cigenthümers, welcher, wie man mir -fagte, 
mit diefem Kameel feine ganze Habe verlor, war unbejchreiblid. Er 
wollte fich jeinem Thiere nachftürzen, und würde es auch ohne Weiteres 
gethan haben, hätten ihn die andern Beduinen nicht daran verhindert. 

Am Fuße diefer Unglückswand angelommen, zogen wir in vielen 
Krümmungen Eine Tanggedehnte fanfte Abdachung hinab, welche ſämmt⸗ 
ih aus ungeheuern Telsblöden und aus Schutt beitand, von einer 
Fülle aromatifcher Kräuter, Stauden und Bäume überdeckt. Dieſe 
Anhäufung von Gebirgstrümmern erinnerte mic) lebhaft an den Berg- 
ſturz von Goldau in ber Schweiz. Auch bier Liegen, wie dorf, 
koloſſale Mafjen, dem Gefteine der Hochebene angehörig, in bebeu- 
tender Entfernung umher. Diefer-Bergfturz fand vor geraumer Zeit 
itatt, denn ein beinahe 7Ojähriger Beduine berichtete mir: „daß, als 
fein Vater noch ein Knabe gewefen fei, ſich diefe Maſſen von der 
Hochebene getremmt hätten‘. 

Um 42.10 Uhr befanden wir uns am Fuße diefes Trümmer⸗ 
gebirges und im trodnen Flußbette des Wädiy Ma'yſche 9%), in dem 
wir noch zehn Minuten fortichritten und dann unter dichtbelaubtem 
Aréagebüſche Tagerten. 

A. v. Wrede's Reife in Habframant. I 


130 Sturz eineg Kameels. Berzweifling des Eigenthümers. 


Die Richtung vom unſerm Nachtlager bis Hierher ift gerade Süd. 

Ich folgte den Beduinen, welde mit dem Eigenthihner bes ver⸗ 
unglücten Kameels zu der Stelle gingen, wo es zerichmettert lag. 
Die Ausrufungen des Schmerzes ernemerten fi hier. Boller Ber: 
zweiflung warf ſich der Beduine auf fein todtes Thier, rief e8 beim 
Namen und weinte bitterlih. Kurz, der Anblid eines zerfchmetterten, 
- zu feinen Füßen liegenden einzigen Sohnes hätte einem Bater feine 
ftärlern Aenßerungen der Trauer entreißen können. 

Die Beduinen ftarrten fehweigend, auf ihre Gewehre gelehut, 
in die Scene, ohne auch nur den geringften Verſuch zu machen, den 
armen Menfchen von dem Gegenitand feiner Betrübniß zu entfernen. 
Endlih machte Einer von ihnen die Bemerkung, daß e8 Zeit fei, nad 
dem Ruheplatze zurüdzufehren, worauf fie ihren Hagenden Kameraden 
nit Gewalt fortführten. Der Packſattel, obgleich zerbrochen, und die 
Halfter wurden mitgenommen. 

Rechts (weſtlich) von der Stelle, wo wir die Hocebene ver: 
liegen, erhebt fich jenfeits des Wädiy Ma’yfche, ein weit über bie 
Ebene ragendes Vorgebirge deijelben, Dſchebel el Hacu genannt, 
welches in der Richtung Nordweſt ftreicht und, fo weit ich es vom 
Blatenu aus überfehen konnte, in unerfteiglichen Riefenwänden abfällt. 

Mit Ausnahme des Flußbettes ift ber Wädiy mit einem Dickicht 
von Ara, Nebel, Mimofen, Tamaristen, Dompalmen, Senneftauden, 
Uwer und mehrern Arten aromatifcher Sträucher bededt, welches 
von Schlingpflanzen jo durchwachſen, daß es nicht möglih, im 
daffelbe einzudringen. Außer den bereits früher befchriebenen Bäumen 
und Sträuchern lernte ich noch drei nie von mir früher gejehene 
kennen. 

Das erſte Gewächs, welches mir beſonders durch ſeine Geſtalt 
auffiel, war der Drachenblutbaum (Dracaena draco, Procarpus 
draoo; von ben Arabern Erg el Hanmä genannt), 

Der größte, den ich hier fah, war gegen 16 Fuß had. Der 
gerade Stamm hatte 1%, Fuß im Durchmeſſer und ift mit einer 
glänzend bleifarbigen Rinde bededt, ebenfo die Zweige, welche auf 


Der Dradenblutbaum. Die empfindfame Mimoſe. 131 


der halben Höhe des Stammes beginnen, fehr verichlungen ſind, und 
da, wo ſie ausſprießen, ſich plötzlich verdünnen. 

An den Enden der Zweige ſtehen die ſchwertförmigen, lederartigen 
und glänzend grünen Blätter im rechten Winkel ab und bilden einen 
Kranz, welcher einen Durchmeſſer von 20 Zoll hat. Sie nehmen, 
je mehr nach der Mitte des Kranzes, an Größe ab, ſodaß die größten 
10 Zoll Länge und an der Baſis 1%, Zoll Dicke meſſen; die kleinſten 
haben 1 Zoll Länge. Das Ganze formirt eine Krone, welde das 
Anfehen eines umgeftürzten Kegels hat, der auf einem Pfeiler fteht. 

Der Saft, der beim Abbrechen der Zweige reichlich hervorquillt, 
ift weiß, und hat die Konfiftenz eines verdünnten Syrups, verdickt 
fi aber und wird dann dunfelroth. Das ift das jogenannte Draden- . 
blut, welches in der Mitte des Monats Mai gefammelt und von 
den Arabern unter dem Namen Dum Dobayl, in der Sprache der 
Beduinen aber Edh Dhaha ”) in den Handel gegeben wird. 

Das Holz des Stammes und der Aefte ift ſchwammig und weiß. 

Der zweite Baum oder vielmehr Straud, der mir hier auf- 
fiel, it die Mimofa felam, von den Arabern Schedfherat et 
Ta a°) genannt. Ich lernte ihn durch Zufall fennen, denn als ic) 
einige feiner ſchönen rothen Blüthen abbredden wollte, geriethen bie 
Blätter und dünnern Zweige in eine zitternde Bewegung und die 
Blätter ſchloſſen ih. Ein Beduine, welcher mich fah, riß mid) zurüd.. 
und verficherte mir: „daß mir ein Unglüd zuftoßen würde, wenn ich 
diefen Baum verlegen würde”. Sie glauben nämlich, dag in diefem 
Gewäcdfe ein Geift lebe, der Jeden bejtraft, der es verlegt. 

Außer diefer enipfindfamen Mimoſe und dem Dradenbiut- 
baum fiel mir auch eine Pflanze auf, welche eine Art Lilie zu fein 
ſcheint, bajonnetförmige Blätter hat, und in großer Menge in diefem 
Waͤdiy wählt. Mein Dachayl fagte mir, daß diefe Gegend vorzugs⸗ 
weife von Panthern, Hyänen, Zigerfagen, Luchjen, Wölfen, Schafgls 
und Dirbuns (ein von einem Wolfe und einem weibligen Schafal 
erzeugtes Thier) bewohnt fei, weshalb auch Niemand gern hier über 
Nacht lagere. Im Wädiy Ma’yfche hört das Gebiet des Stammes 

9* 


132 Klagelied um das geftürzte Kameel. 


Di Mardagha auf und das des Stammes Kaſchwyn begimt. Dieſer 
Stamm ift eine Abtheilung des großen Hauptftammes Beny Nuh. 

Während wir uns im Schatten der herrlichen Bäume fagerten, 
feste fih der um fein Kameel trauernde Bebuine unter eine dihrre 
Mimofe und machte feinem gepreßten Herzen durch improvifirte Klage- 
lieder Luft, die er nach einer monotonen Weife herfang, ſich nad 
dem langfamen Takte feines Sefanges ſchwankend hin- und herbewegte 
und jede Strophe mit lautem Schluchzen endete. 

Seine Kameraden forderten ihn mehrere Male auf, zu ihnen zu 
fommen und Etwas zu genießen. Er wollte aber durchaus Nichts zu 
fi nehmen und fette feinen Trauergeſang bis zu unferm Aufbruch 
fort. Der Inhalt deffelben war abwechſelnd, übertriebene® Lob der 
Vorzüge umd feltenen Eigenfchaften feines Kameels und Klagen über 
feinen Berluft. 

Um 1 Uhr verließen wir den angenehmen, fchattigen Ruheplatz 
und verfolgten das Flußbett des Wädiy, welches ſich durch das Dickicht 
windet, etwa Y, Stunde, bis an den Fuß des Dſchebel Qabr eff 
Sſaͤhir. 

Aus einem großen Waſſerbehälter füllten wir unſere Schläuche 
und gelangten um 3 Uhr auf den Gipfel dieſes Berges, wo ſich 
neben dem hier einfenkenden Wädiy El Ma’adin eine Eifterne befindet. 
Diefer Waͤdiy vereinigt fich mit dem Waͤdiy Farte. — Waͤdiy Mayiche 
mündet, nachdem er den: Waͤdiy Schagg aufgenommen hat, in den 
Waͤdiy Raube, weldher, wie fchon früher bemerft worden, den obern 
Theil des Waͤdiy Dirbe ausmacht. Dfchebel Dabr eff Sſahir ift die 
nördlichfte Suppe des Gebirgszuges, welcher mit Raͤſſ Borum, Räff 
el Ahmar und Dichebel Eſch Scherebbe endigt, und die Wafjerfcheide 
zioifchen dem Wädty Dirbe und EI Hadſchar bildet. 

. Diefer Gebirgszug fcheidet auch die Provinzen Beny Beled Yſſa 
und Beled el Hadſchar. 
Eine Stunde Marſch bradite uns an den Waͤdiy Farte, welcher 
tief eingefchnitten und mit dichten Gebüfch bewachſen ift. Cine halbe 
Stunde fpäter Führt der Weg bei einem der Kleinen Zufluchtshäufer 


Form und Bildung der Gebirgsfette, 133 


vorüber, neben welchem ein großes Baſſin und eine Ciſterne ein⸗ 
gehauen find. Wir überftiegen dann einige fehr fteile Hügel, zogen 
einen fanften Abhang hinab und Iagerten um 1/5 Uhr unter einigen 
Mimofen im Wädiy Därat es Soha. ”) Die Richtung des Weges 
vom Waͤdiy Ma’yfche bis hierher ift Süd, 30° Weft. 

Vom Wädiy Ma’yiche an ift der Graphiten - Line - Kalk dag vor- 
herrfchende Geftein, das einen fandigen Mergel zur Grundlage bat, 
unter welchem an einigen Stellen in dem tief eingefchnittenen Wädiy 
das Rothliegende zum Vorfchein fommt. Die Form der Hügel, welche 
diefen Kalk bildet, giebt diefer Gegend das Anfehen von fturm- 
bewegtem Meere, deſſen langgedehnte Wellen, ſich überſtürzend, 
plötzlich ſteil abfallen. — Die Sturzſeite, wenn ich mich ſo 
ausdrücken darf, liegt bei allen dieſen Hügeln, mit Inbegriff des 
Dſchebel Dabr eff Sſaͤyir nad) Norden, während ſich die lange 
Dehnung na) Süden verläufl. — Alle dieſe Hügel find übe, 
von aller Vegetation entblößt und biendendweiß, weshalb der Reflex 
ber Somnenftrahlen die Augen außerordentlich angreift. 

Bald nad) unferer Ankunft brach ein Gewitter los, welches ſich 
aber nad) der Hochebene hin entlud und ung num mit wenigen Regen⸗ 
tropfen heimſuchte. Bis fpät am Abend unterhielten fi die Be⸗ 
duinen über den Unglüdsfall von heute, bei welcher Gelegenheit eine 
Menge Beifpiele von gleich unglücklichen Ereigniffen der Reihe nach 
erzählt wurden. Indeß hatte der Arme, den es betroffen, fich wieder 
abgejondert und fang bis fpät in die Naht feine Klagelieder, 
ohne aud) nur das Geringfte zu fid) genommen zu haben. 

Am Morgen ftand der Thermometer bei Windftille 5°, um 
Mittag_bei Nordweitwind und heiterm Himmel im Schatten 25°; 
am Abend bei Nordweitwind, während des Gewitters 15°. 

Am folgenden Morgen brady unſere Däftla Y.7 Uhr auf und 
erreichte, nachdem fie zwei Hügel überftiegen hatte, den Rand des 
Wädin Halle, den fie bis Y/, vor 8 Uhr entlang zog. Bier erftiegen 
wir abermals einen Hügel, defien füdlihe Abdachung ſich in weiter 
Ferne allmählich verläuft. Die Ausficht, welche ich von dem Gipfel 





134 Wagdiy Boyut. Das Thal der Achaten. 


deffelben genoß, war belohnend und um fo wohlthuenber, ale ich feit 
dem Waͤdih Ma'yſche nichts als das ermüdende Einerlei ber kahlen 
Kalkhügel gefehen hatte. Dſchebel Biyr Schyh 100) links, Dſchebel 
EI Ghowayte 101) rechts, erheben In einiger Entfernung ſtolz ihre 
Häupter und bilden bie beiden Endpunfte eines großen Gebirge: 
panoramas, deſſen Vordergrund die gebüjchreichen Waͤdiy El Bohyut 
und EI Showante eiimehmen. Zehn Minuten nad) 8 Uhr hatten wir 
den tief eingefchnittenen Waͤdih EI Boyut zur Linken des Weges und 
fttegen um 9 Uhr an feinem Vereintigungspunfte mit dem Wädiy EI 
Ghowahte in ihn Hinab. Hier beginnt das Gebiet bes Stanımes Bd 
Sſa'd, einer Abtheilung des Stammes Beny Nuh. Von Hier an 
bleibt der Weg im Flußbette des Wädiy Boyut, der mit dichten Ges 
büfchen bededt if. Kurz vor 11 Uhr lagerten wir ımter großen 
(aubreihen Platanen neben einem Yelfenbeden, in welches fich eine 
ſtarke Quelle ergießt, die etwa 50 Schritte oberhalb plötzlich aus dem 
Sande hervortritt und fi) unterhalb des Baſſins in eine enge, tiefe, 
mit dichten Gefträppe überwachfene Schlucht ftürzt. Diefer Ruhe⸗ 
play Heißt El Aqyq (der Adhat), jo von den vielen Adhaten ge: 
nannt, welche im Sande des Waͤdiy ınmherliegen. Außer den Achaten 
fand ih auch Chalcedon, Jaspis u. dergl. m.; alle jedoch von 
höchſt mmanfehnlicher und ſchlechter Qualität. 

Der Rubheplag war fo angenehm, daß ich gern bie zum folgenden 
Morgen dageblieben wäre, wenn die Bebuinen e6 zugegeben hätten; 
aber diefe geftrengen Herren kümmern ſich jo wenig um die Wünſche 
des Neijenden und machen Überhaupt fo wenig Umftände, dag man 
oft alle Mühe Hat, nicht gegen fie aufzubraufen. So gefchieht es 
oft, daß ich von meinem Beduinen durch einen Fußtritt in die Seite 
gewedt werde. — Jedoch diefe zarte Manier, Iemanden zu weden, 
iſt unter ihnen gäng und gäbe, und ich machte deshalb, obgleich wenig 
davon erbaut, gute Miene zum böfen Spiele. 

Der Wädiy El Boyut ift von Gebirgen eingejchloffen, in welchen 
der Liasſandſtein und bie ihn begleitenden quarzfelsartigen Bilbungen 
die vorherrichenden Felsarten find, woher fih das Vorkommen der 


Wadiy Moll, Cafraͤ und Hadſchar. 135 


Achate, Chalcedone u. ſ. w. erklärt. Der Wäpih EI Boyut vereinigt 
ſich mit dem Wadiy Noſman, welcher in den Wädiy EI Hadſchar 
mündet. Die Richtung des Weges von unſerm Radtioger bie El 
Aqyq ift Süd, 30° Weft. 

Nachdem ich mich fir die lange Entbehrung eines Bades ſchad⸗ 
los gehalten hatte, brachen wir um 1 Uhr 10 Minnten auf und 
zogen binnen 40 Minuten den Dfehebel Mollk hinan, bis auf feine 
untere Terraſſe, welche fih nah Oſten allmählih abdacht, während 
fih im Weiten das Gebirge fteil erhebt. Der Liasſandſtein des 
Dſchebel Moll, deſſen Schichten fait Horizontal Liegen, ift an mehrern 
Stellen von 40 Fuß mächtigen Straten eines Conglommerats höchſt 
merkwürdiger Tugeliger Eonceretionen durchbrochen, welche unter einem 
Winkel von 45° von Oft na Wet einfallen. 

Die kugeligen Concretionen beftehen aus Gypsſpath, find durch 
ein mergelig=thoniges Bindemittel verbimden und haben eine concen- 
triſch⸗ ſchalige Textur, und zwar fo, baß fie im Durchſchnitte ab- 
wechſelnd durchſichtige und opake Ringe zeigen, welche erjtere nad 
bem Mittelpuntte hin an Breite zunehmen. Ihr Durchmeſſer war 
verfhieden und variirte von 2 Zoll bis zu 2 Fuß. Einige 
waren an der Oberfläche rauh, hart, mit Heinen Kryitallen bedeckt, 
andere aber Ioder und nach allen Richtungen Bin gefpalten. 

Kurz nach 2 Uhr lag zur Linken des Weges der Wädiy Molk, 
welcher die untere Terraffe des Gebirges durchfurcht und in ben 
Waͤdiy el Boyut mündet. Bon Bier bis zum Wädin Gafrd, eine 
Stunde Weges, überfttegen wir mehrere Höhen, deren Sandftein- 
bildungen von dem darin vorkommenden Eifenjandftein röthlich-braum 
gefärbt find. Ehe ich in den Wädty Gafrd Hinabftieg, genoß ich eine 
entzüdende Ausfiht in den Wädiy El Hadſchar. Unter bem 
ihn bedeckenden Palmenwalde jchlängelt fih ein Fluß Hin, in beffen 
Fluthen fi an offenen Stellen die Sonne fpiegelte. 

An den Abhängen des gegenüberliegenden Gebirges Tiegen höchft 
maleriſch mehrere Dörfer und Wachtthürme, deren Bauart und Lage 
an unfere mittelalterlichen Burgen erinnert. Durch eine Schlucht zur 


136 Ankunft in Hin ben Dighäl. 


Rechten erblickte ich größere Saatfelder, die fih unter dem Palmen⸗ 
haine verlieren. Im Dintergrunde diefer veizenden Landſchaft erhebt 
fih in pittoresfen Formen ein hohes Gebirge, beifen Gipfel in die 
Region der Wollen ragen. — Eine Stunde währte es, bi8 wir an 
der Mündung des Wädiy Cafrä anfamen und dann den Palmen: 
wald des Wädiy EI Hadſchar betraten. 

Rechts, an der Mündung des Wädiy Cafraͤ Tiegt auf einem hohen, 
steilen Selfen das Schloß El Däyime 19%) mit dem Dorfe gleichen 
Namens. 

Ueberall fah ich unter Dattelpalmen gut bebaute Felder, welche 
mit Bewäfferungsfanälen durchfurcht find. Wir zogen jebt thalabwärts 
und kamen nah Y, Stunde vor der Mündung des Wädiy Din- 
nyne 103) vorbei. Rechts Liegt bier ein Gehöfte und links auf einer 
Anhöhe. ein Wachtthurm. Y, Stunde wanderten wir längs den an- 
muthigen Ufern des Fluſſes dahin und langten dann in dem Haupt- 
orte des Wädiy Disn ben Dighäl an, wo ich im Haufe des 
Schayd) Mohammed ibn Abd Allah Bä Räff eine gaftliche Auf- 
nahme fand. 

Mein Wirth Tieß fogleih Datteln und Kaffee auftragen, 
welche ich in feiner und zweier Scheryfe Gegenwart zu mir nahm. 
Während des Gefpräches fragte er mich nach feinem Bruder, der als 
Kaufmann in Kairo etablirt ift, und fchien ebenfo erjtaunt, als un- 
angenehm berührt zu fein, als ich ihm entgegnete, daß ich feinen 
Bruder nicht kenne. Auf meine Bemerkung, daß es ein Leichtes fei, 
in einer Stadt von 250,000 Einwohnern einen Menjchen zu über- 
jehen, erwieberte er dagegen: daß der Hadhramaut noch meit größer 
jei als Kairo, und dag dennoch alle Glieder feiner Familie von Jeder⸗ 
mann im ganzen Lande gekannt feien. Gegen dieſes Argument war 
nun freilid Nichts einzuwenden und ich verſprach ihm daher, bei 
meiner Zurückkunft nach Kairo diefen Fehler wieder gut zu machen und 
feinen Bruder zu befuhen. — Nach beendigter Miahlzeit wies man 
mir ein Zimmer an und ließ mid) allein, um von meiner Reife aus- 
zuruben. 


Der diebiſche Sultan. 137 


Kaum mochte ich eine Stunde geruht haben, als mir mein Wirth 
einen berkulifch gebauten Mann von beinahe ſchwarzer Hautfarbe 
bradite, angethan mit einer ärmlichen Beduinentracht, den er mir ale 
den Sultan Däffim ibn ben Dighäl vorftellte; er fette fich neben 
mid) nieder und überſchwemmte mich mit einer folchen Fluth von 
ragen, daß ich gar nicht wußte, welche ich zuerſt beantworten follte. 
Zudringlider als diefen ſchwarzen Prinzen habe ich feinen Menfchen 
auf meiner ganzen Reife angetroffen. Alles wollte er bejehen und 
betaften, was mir um fo umleidlicher wurde, als ich bemerkte, daß 
er eine jehr lebhafte Neigung blicken ließ, fich das Eigenthum Anderer 
zuzueignen; denn kaum hatte er einige Worte mit mir gefprodjen, fo 
verfhwand auch ſchon eine neben mir Tiegende Scheere unter feinem 
Gürtel. Ich fagte fein Wort, Tieß es ihn aber merken, daß id) feiner 
Fingerfertigkeit Anerkennung zolle, indem ich mehrere Gegenftände, 
welche zwiſchen uns lagen, mit einiger Haft auf die andere Seite 
legte; weldies er aber nicht zu beachten fchien. 

Zu meiner großen Zufriedenheit befreite er mid) bald von feiner 
Gegenwert, nicht aber ohne mich vorher gebeten zu haben, ihm ein 
Meſſer zu fchenken, welches ich eben erſt aus dem Bereiche feiner 
Hände entfernt hatte. 

Schahch Ba Raͤſſ erzählte mir am Abend, dag in dem Schloffe 
EL Dähime ein merkwürdiger Brummen eriftice, welchen ein himhari- 
cher König habe ausbauen lafjen. Ic bat ihn baher, mir am fol- 
genden Morgen einen Beduinen zu verfchaffen, damit ih dem im 
Schloſſe haujenden Schayd) des Stammes Schogayr einen Beſuch 
abftatten Tünne, welches er mir auch verjprad. Er Hatte von dem 
Beduinen, welcher mid hergebracht hatte, gehört, daß ich die 
Höhle im Dſchebel Schagg befucht Habe, und war neugierig auf das, 
was ich darin gefehen. Nachdem ich ihn befriedigt hatte, erzählte er mir: 
daß in diefer Höhle, lang vor Mohammed, ein Zauberer, Namens 
Schaqq gewohnt Habe, in deffen Körper außer den Rippen und den 
Fingerknöcheln feine andern Knochen exiftirt hätten; daß ferner un⸗ 
ermeßliche Schäge in ihr aufbewahrt lägen, die von einem Heere 


188 Madhtlofigkeit des Sultans, 


böfer &eifter bewacht würden u. |. mw. — Solche Erzählungen find bei 
diefem Volke fo allgemein, daß ich denfelben wenig oder gar Teine 
Aufmerkſamkeit fchentte. 

Mehr intereffirte mich dagegen, was mir der Schaych Baͤ Rap 
über die Bevölkerung des Landes, die politifhe Eintheilung 
und den Handel mittheilte. 

Da ihm die Aufmerkfamteit gefiel, mit ber ich ihm zubörte, fo 
war er unerfchöpflich in Deittheilungen, und ich muß geftehen, daß 
ih den größten Theil von dem, was ich Darüber erfahren 
habe, diefem Manne verdante. 

Schaych Baͤ Raͤſſ erzählte mir unter Anderm: „daß der Sultan 
Däfftm ibn ben Dighäl noch vor 20 Jahren fehr mächtig gewefen 
fei, aber durch einen unglücklichen Krieg mit Ahmed ibn "Abd el Waͤhid, 
Sultan von Habbän, zu Grunde gerichtet worden wäre, und ber ehe⸗ 
dem fo mächtige Fürft jest Nichts mehr befäße, als fein Haus und 
einige Grundftüde mit den darauf befindlichen Dattelpalmen. — Ab⸗ 
gaben würden feine an ihn entrichtet, denn biefe habe fi der Schayd 
der Bü Schogayr angemaßt, welcher der eigentlihe Machthaber des 
Wädty fe. Diefer müffe aber einen Theil der Abgaben an den 
Sultan von Habbän entrichten, welcher den obern Theil des Wäbiy 
befige. Die Familie der "Abd el Wähid (Sclave des Einigen) haben 
mit der Familie der Ben Dighäl einen und denſelben Stammvater, 
nämlich einen gewiffen "Abd el Manäh. ?°%) — Der bier regierende 
Beduinenftamm ift eine Abtheilung des Stammes Ben Nuh. 

Hin ben Dighäl (das Schloß oder der Thurm der Söhne 
Dighäl's) ift ein Kleiner Ort von 40 Häufern und höchftens 200 Ein- 
wohnern, welche ſämmtlich der Klaffe der Scheryfe und Schaychs 
angehören. Er erhebt fich auf dem Rüden eines fteilen, fchmalen 
Gebirgsvorfprunges an der Norbjeite des Thales. Die Häufer find 
mie die im Wädiy Do’än gebaut und wie dort mit Schießläcdhern ver- 
ſehen. Das Haus des Sultans zeichnet fich durch feine Größe aus, 
fowie durd feine höhere Lage und durch die Hörner des Steinbodg, 
mit welchen die Eden der Terraffe geihmüct find. Die Straßen 


Der Wadiy el Hadſchar. 139 


ſind ſchmal und durch Mauern unterſtützt, welche, gleich den Dämmen 
des Wadiy Do’än, nur aus übereinandergelegten Kieſeln ohne Mörtel⸗ 
verbindung beftehen. 

Der Waͤdiy el Hadſchar, nad) welchem die ganze Provinz be- 
nannt wird, nimmt 12 Stunden nordweftlih von Dim ben Dighal 
am Dſchebel Ba Dſchanaf feinen Anfang, behauptet diefen Namen 
bis 5/, Stunden füdöftlid von diefem Orte und wird dann Wädiy 
Dſchiswel genannt, weldhen Namen er 8 Stunden Weges beibehält; 
6 Stunden, bis zum Meere, welches er bei Biyr el Haͤſſy am Ralf 
el Kelb (Vorgebirge des Hundes) erreicht, führt er den Namen 
Mayfa'a. Es tft vielleicht das einzige Thal Arabiens, welches ſich 
eines permanenten Waflerftandeg erfreut, und vielleicht das einzige, 
welches einen Fluß befigt, der zu allen Sahreszeiten das Meer erreicht. 
Diefer Fluß entfpringt am Fuße des Dſchebel Bä Dſchanaf und 
nimmt an der nördlichen Seite des Wädin Hadſchar nod zwei ftarfe 
Bäche auf, welche aus dem Wädig Scharab und Carhyr hervortreten. 
Die Durchſchnittsbreite deifelben beträgt 50 Fuß und ift er ftelfen- 
weife fehr tief. Ich ſah fehr viel Fleine Fiſche und eine Art Gra- 
nelen in ihm. 

Im ganzen Wädiy EI Hadſchar ſoll Fein Sperling eriftiren, und 
wirklich fah ich dort auch keinen einzigen, obgleich während meiner 
Anwefenheit die Dattelernte war, wo fie ſich in andern Gegenden 
feharenweife einfinden. Die Einwohner fchreiben dies dem Neby 
Allah Hud (dem Propheten Gottes Hud) zu, welder, um das 
gehorfame und ehrerbietige Betragen der Einwohner gegen ihn zu be- 
Sohnen, den Sperlingen den Zutritt in diefes Thal verbot. 

Da ih mich mm einen Tag aufhalten wollte, fo äußerte ich gegen 
meinen Wirth den Wunfch, einen beſchützenden Führer auf den Waͤdiy 
Mayfa'a und Habbän anzımehmen, worauf er mir ein fehr ab» 
ſchreckendes Bild von den zügellofen und räuberifchen Gewohnheiten 
des auf diefem Wege haufenden Bebuinenftammes Eds Dfiyayby 
entwarf und mir rieth, diefe Reife nicht zu unternehmen. Jedoch 
einmal entfchloffen, mich weder durch eingebildete noch wirkliche Ge⸗ 


140 Das Geſchlecht der "Abd el Manäh. 


fahren abhalten zu Laffen, erklärte ich, daß ich troß dem Allen die 
Reife dennoch wagen wolle. Er fagte mir dann, daß Niemand mid 
ficherer dahin geleiten könne, als ein Mitglied der Familie "Abd el 
Manäh, melde in jener Gegend Hoch verehrt würde und daher im 
- Lande den größten Einfluß hätte; wenn mich alfo der einzige Hier 
wohnende "Abd el Manäh dahin führen wolle, fo würde ich viel- 
leicht Nichts zu befürchten haben. 

Mit dem Berjpreden, am folgenden Morgen wo möglich diefen 
Mann zu gewinnen, zog er ſich in fein Zimmer zurüd, 

Der Thermometer ftand des Morgens bei Windftille und hei- 
term Himmel auf 15°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am 
Abend bei demfelben Winde 25°. Die Richtung von EI Aqyq bis 
hierher iſt Süd. 

14. Juli. Am Morgen des 14. brachte mein Wirth ben er- 
wünfchten "Abd el Manah zu mir, einen jungen rüftigen Dann, 
von fehwarzbrauner Hautfarbe und vielverfprechenden Aeußern. Bald 
fam ich mit ihm überein, daß er mich über die Auinen von Obne, 
Dſchul⸗eſch⸗ Schaych, Nagb el Hadfhar und "Yan nad Habbän 
bringen und fich überall mit mir fo lange aufhalten müſſe, als ich 
es für gut befinden würde. Dagegen verſprach ich, bei unferer An- 
funft in Habbän zu der ausgemadten Summe nod ein Gejchent 
hinzuzufügen, welches im Verhältniß zu feinem Betragen gegen mid) 
jtehen folle. 

Nah diefer Webereinfunft übergab mid ihm mein Wirth mit 
Beobachtung des ſchon früher bei Mafalla befchriebenen Gebrauchs. 

Diefes wichtige Geſchäft beendigt, begab ih mih mit Schaych 
Sfalym (fo hieß nämlich mein [hwarzer Schukengel) nah EI 
Däyime, wo ih vom Schayd der Bü Schogayr freundlich em- 
pfangen wurde. Auch diefer rieth mir davon ab, auf dem Zerrito- 
rium der Dfiyayby zu reifen, welche er als eingefleifchte Teufel fchil- 
derte. „ES find feine Bedninen wie wir (fagte er), die Gott 
fürchten und dem Reiſenden das Seinige laffen, — fon- 
dern Mörder und Räuber, die weder Wort noch Eid bindet.” 


B — — 


Die räuberifchen Dfiyayby. 141 


Mit diefem Lobe, welches er fi) und den andern Beduinen auf 
diefe indirecte Weiſe auf Koften der Dfiyayby gab, war ih nun 
freilich nicht ganz einverftanden; bei alledem war es aber keineswegs 
beruhigend, einen Räuber, der nur durch die Macht herföümmlicher 
Geſetze oder durch Furcht abgehalten wird, den zu berauben, der 
unter dem Schutze feines oder eines andern befreundeten Stammes 
fteht, jagen zu ;hören, daß für einen Stamm, deſſen Gebiet man 
betreten will, alle diefe durch die Länge ihres Beſtehens geheiligten 
Conventionen ein leerer Schall find und daß weder religidfes Gefühl 
noch Furcht ihn abhält, feinen räuberifchen Gewohnheiten freien Lauf 
zu lafjen. Doc beruhigte mid einigermaßen feine Meinung, daß 
unter dem Schuße eines "Abd el Manaͤh die Gefahr geringer jet. 

Auf meinen Wunſch, die Brunnen zu fehen, führte er mid) 
in den Schloßhof, wo mehrere Beduinen Datteln auf Matten aus- 
breiteten. Ich bemerkte Hier, daß die Fundamente der Gebäude 
frühern alten Bauten angehörten, während der obere Theil derjelben 
in neuerer Zeit aufgeführt war. Auf einem der Mauerſteine be- 
merkte ih) zwei himyariſche Buchſtaben, fonft aber nichts von 
alten Inſchriften. — Dan führte mid) dann in einen großen be- 
dedten Raum, ber ein gemauertes Baffin umfchließt, das 10 Fuß 
ins Gevierte enthält und zu dem das Waffer durch eine Rinne von 
Außen hergeleitet wird. 

Der Schayd) Tieß eine Kleine Thür öffnen, durch die wir ins 
Freie traten. Hier fteht, etwas von der Mauer entfernt, ein runder 
Zhurm, in welchen fi der erſte Brunnen öffnete, der ungefähr 
3 Fuß im Durchmeſſer und 4 Fuß Tiefe bat. In den Seiten des 
Brunnens find Löcher gehauen, welde als Treppe dienen; denn ein 
anderer Weg zu den untern Brunnen eriftirt nicht. 

In der Hoffnung, an den untern Brunnen eine Infchrift zu 
finden, ftieg ich mit meinem Schaych und einem Beduinen Hin- 
unter. Etwa 3 Fuß oberhalb des Brunnenbodens ift ein Setten- 
anal eingehauen, durch welchen das Waffer in ihn geleitet wird. 
Diefer Kanal ift fo niedrig, dag ich nur gebüct hindurchgehen konnte, 


142 Alte Bauten und Brunnen in Däyime, 


und führt in einen Thurm, ber mit einem andern in Verbindung 
ftebt, in welchen der zweite Brunnen niedergebt. Durch Dielen 
gelangten wir in den unterjten Thurm, in deſſen Nebengebäude 
ber eigentliche, waſſerſpendende Brunnen bis unter dem Niveau des 
Fluſſes eingehauen iſt. 

Das Waſſer wird in ledernen, koniſchen Eimern, ohne Hülfe 
einer Rolle oder Welle von Brunnen zu Brunnen gefördert, bis es 
das Baſſin innerhalb der Schleßmauer erreidt. 

Bon Inſchriften fand ich nicht die geringfte Spur, auch find die 
Thürme, die Grundmauern abgerechnet, neuerer Conftruction. Ob⸗ 
gleich dieſes Brunneuwerk den Brunnen Adens nicht gleid- 
kommt (wenigſtens hinfichtlich der Solidität des Geſteins), fo iſt es 
doch nichts deſto weniger ein bewundernswürdiges Werk, welches auf 
Zeiten höherer Cultur hindeutet. 

Welche Urſachen walteten ob, die Nachkommen jenes civiliſirten 
Volkes in ihren jetzigen Zuſtand der Brutalität zu verſenken und ein 
Land, welches die alten Geſchichtsſchreiber und Geographen ein reiches, 
fruchtbares und daher glückliches nannten, in eine wüſte Einöde, in 
den Tummelplatz roher Horden zu verwandeln? — Auch hier hat 
ih der geiſttödtende Einfluß der Religion Mohammed's kund ge— 
geben, deren ſinnloſe Formen und leerer Wortſchwall im Verein mit 
der unſeligen Lehre des Fatalismus die edlern Seelenkräfte der 
Völker entſchlummern ließ. Das Heidenthum mit feinen lehren voll 
Poefie, das Exblühen der Fünfte und Wiſſenſchaften — dns Ehriften- 
thum pflanzte fie fort und baute auf unvergänglicher Baſis das 
ſchönſte aller Gebäude, „das Glüd der Völker“, indem es mit 
troftbringendem Licht die Macht der Barbaren verdrängte. Die Re 
ligion des Dorans aber wie ein zerftörender Brand auf die Bahn 
der Zeiten geworfen, vernichtet jedes Gefühl für Humanität, erftidt 
ieden Reim, aus welchem fi eine beglädende Givilifation ent» 
wideln könnte, und verwandelt blühende Lünder in grauenerregende 
Wüſteneien. | 

Bei unferer Zurückunft verabjchiedete ich mid bei dent Schayd) 


Bewäfjerungsfyften. 143 


und verließ das Schloß, um noch einen Spaziergang im Thale zu 
machen. Auch hier ift das Bewäſſerungsſyſtem im Gange, das 
ih im Waͤdiy Do’än befchrieben habe, jedoch mit dem Unterfchied, daß 
hier weder das Flußbett, noch die Kanäle eingedbämmt find. Auf 
der kurzen Strede von. einer Stunde fah ich) drei Wehre im Fluſſe, 
welches auf einen ziemlich ftarken Tall des Waſſers fchließen läßt. 
. Den Reft des Tages benutzte ich zum Niederfchreiben meiner 
Notizen und zu den Vorbereitungen zur Reife. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und ftarfem 
Nebel 25°, um Mittag bei heiterm Himmel und Nordweitwind 36°, 
des Abends 28°. 


Fünftes Capitel. 


Die Auinen von Obue. 


ICP PCI PC CER 


Abreife von Hign ben Dighäl. — Wadiy No'män. — Dſchul bä Yaghuth. — 
Wädiy Dſchiswel. — Dſchebel Noſab. — Ein erlofhener Vulkan. — Wädiy 
Obne. — Ruinen von Obne. — Waͤdiy Araͤr. — Zur Characteriſtik der Be- 
duinen. — EI Dſchowayre. — Oobbet el 'Ayn. — Die Bay Hardſcha. — 
Waͤdiy Mayfa'a. — Ankunft in Dſchul eſch Schaych. — Schaych "Omär ibn 
“Abd er Rahmän ben “Abd el Manäh. — Abreife. — Saqqume. — Anfall der 
Dfiyayby. — Rückreiſe nad Dſchul eſch Schaych. — Abreiſe. — Waͤdiy EI 
Hadhena. — Dſchebel Alqa. — Wadiy Soqqayme. — Eg Codayre. — Waͤdiy 
Scharad. — Zweiter Anfall der Dſtyayby. — EI Hodaͤ. — Waͤdiy Garhyr. — 
Ankunft in Hign ben Dighal. 


15. Juli. Am 15. Iuli verließen wir kurz vor 7 Uhr das 
Haus meines gaftfreien Wirthes und befanden und bald unter den 
fruchtbeladenen Palmen an den Ufern des Fluſſes, dem wir thals 
abwärts rüftig entlang fehritten. Mein Schahch war nicht jo ge: 
Iprädjig wie die Beduinen, mit denen ich bisher reifte, denn till: 
Ichweigend trieb er fein Kameel vor ſich her und fang nur dann und 
wann einige an daffelbe gerichtete Worte, um e8 zum raſchern Schritte 
aufzumuntern. Die Sitte, dem Kameele vorzufingen, herrſcht im 
ganzen Orient, und die Kameele hören den Gefang gern und nehmen 
auch, Sobald gefungen wird, einen raſchern Schritt an, — ‘Die Worte 
des Gefanges haben gewöhnlich Bezug auf die Eigenfhaften des 
Thieres oder auf die Beſchaffenheit des nächften Ruheplatzes. So 
hörte ich unter Anderm die Beduinen oft fingen: „O! mein Kameel! 


Reiſelieder. Wadiy No'män. 145 


Dein Rüden iſt breit und fleifhig! Du trägft mehr wie andere 
Kameele! Dein Gang tft raſch und fiher, und Du wirft nicht 
müde!” — Oder auh: „Bor uns liegt ein Brunnen! Ein 
Brunnen mit füßem Waffer! Du wirft unter den Bäumen 
einhergehen, unter Bäumen voll faftiger grüner DBlät- 
ter” u. ſ. mw. 

Nach Y, Stunde fah ich rechts vom Wege, auf einer Anhöhe, 
faft in der Mitte des Waͤdiy einen Wachtthurm, welcher Dign el 
Mifne genannt wird. 

Zehn Minuten fpäter famen wir an das Dorf Dſchul bä 
Daghuth 06), welches an der weftlihen Seite der Mündung des 
Wädiy No'män liegt und gegen 200 Einwohner zählt. Der Waͤdiy 
No'män ift eine halbe Stunde breit und mit ‘Dattelpalmen bedeckt, 
unter denen vortrefflich angebaute Felder liegen. — Wir hielten hier 
an, da der Schaych zu einem feiner Belannten gehen mußte, um 
einen Waſſerſchlauch zu Holen. Ungefähr 300 Schritt vom Dorfe 
entfernt, Tiegt unmittelbar am Dorfe ein Wachtthurm, welcher dazu 
dient, die Einwohner, während fie Wafler holen, zu befhügen. — 
Kurz vor 8 Uhr fegten wir ımfere Reife weiter fort. Die Palmen 
und mit ihnen die Saatfelder verfchwinden ſchon nah 10 Minuten, 
und das Thal verengt fich plöglich zu einer etwa 40 Fuß breiten 
Schlucht, die einen Höhenzug durchſchneidet, welcher die Dſchebel 
No’man und Matny 19%) verbindet. 

Mit ſtarkem Getöfe ſtürzt fih der Fluß in dieſe Schlucht und 
drängt fich ſchäumend durch die Felſentrümmer, welche feinen Lauf 
hemmen. Der Weg führt etwas bergan und 1Y, Stimde zwilchen 
der Schlucht und dem Abhange des Dfchebel No'maͤn Hin. “Diefer 
Berg entſendet einen Ausläufer nad) Südoſt, welcher den Namen 
Dichebel Dichofayye 197) führt. Von diefem Höhenzuge ftiegen wir in ein 
breites Thal hinab, welches Waͤdiy Dſchiswel genannt wird und mit 
einem Dicficht von Arda, Platanen, Mimofen und Tamarisken beſetzt 
ift, durch welches ſich der Fluß fchlängelt. Um 10 Uhr lagerten wir 
unter dem Laubdache einer riefigen Platane am Linken Ufer des Flufſes. 

A. v. Wrebe's Reife in Habhramaut. 10 


146 Gebirgsbildung. Waͤdiy Dichismel. 


Die dammartige Ablagerung des tertiären Kalkſandſteins, welche 
die beiden Dſchebel No'maͤn und Matny verbindet und durch welche 
fi der Fluß Bahn gebrochen Hat, hat eine Höhe von ımgefähr 


150 Fuf. 


Nahe bei unferm Ruheplatze brauft aus der Schlucht der Fluß 
hervor und ergießt fich in ein Treisförmiges Beden, welches eine Tiefe 
von mindeitens 20 Fuß mißt und augenfheinlich durch den Fall des 
im Anfang über den Damm fließenden Waſſers entjtanden ift. Denn 
allem Anfchein nad) war der Waͤdiy EI Hadſchar früher von einem 
Landſee bededt, welcher nad) vollendeter Auswaſchung der Schlucht 
pollftändig abfloß. Auch deuten bie Süßwafjerdiluvien darauf hin, 
mit welchen ich fpäter den weftlichen Theil des Wädig, von EI Hoda 
aufwärts, auf eine Strede von 3 Stumden überdedt fand. Der Fluß 
war bier reih an Forellen und Farpfenartigen Fiſchen. 

Gegen 2 Uhr brachen wir auf und verfolgten den Lauf des 
Fluſſes bis ’/, nad) 3 Uhr, wo wir die bisherige füdöftliche Rich— 
tung verließen und, ung nad Süden wendend, eine Anhöhe eritiegen, 
auf welcher der Weg einem bededten Gebirge zuführt, welches den 
Namen Dihebel No’äb trägt und nur durch eine Niederung von 
dem bier fteil abfallenden Dichebel Matny getrennt ift. 

Um 4 Uhr genoß ich eine herrliche Ausſicht in das Thal, an 
deſſen weftlicher Seite ein burgähnliher Bau liegt, welder Pin et 
Zample heißt. In dem Bette des Wädiy No’äb, welcher bei dieſem 
Bau in den Wädiy Dſchis wel mündet, erblicte ich mehrere mit Saat: 
feldern umgebene Häuſer, welche von den Beduinen des Stammes 
Ba Dorus bewohnt werden. — Diefer Stamm ift eine Abtheilung 
bes Stammes Beny Nuh. Bon Dim et Tawhle abwärts wird das 
Thal Wädiy Mayfa’a genannt. Das Bett des Waͤdiy No’äb ver- 
folgten wir eine Stunde in füdweftliher Richtung und ftiegen dann 
einen fchroffen Abhang Hinan, an welchem fein anderer Weg war, als 
die vorfpringenden Schichten der Grauwacke. 

Dean ift in Europa der irrigen Anficht, daß das Kameel nur 
auf ebenem Boden fortfommen könne und in den Gebirgen von wenigem 


Geologifches. 147 


Nugen oder auch ganz und gar nicht brauchbar ſei. Allein ſowohl 
bier, als auch bei vielen andern Gelegenheiten habe ich mich vom 
Gegentheil überzeugt, und oft mit Erftaunen den fichern Zritt und die 
Leichtigkeit bewundert, mit welcher diefes Thier auf den fchwierigiten 
Gebirgswegen einherfchreitet. 

Wir Hatten 40 Minuten zur Erfteigung diefer Anhöhe gebraucht 
und betraten jet eine Gegend, welche in geologifcher Beziehung eine 
der merkwürdigſten ift, die mir während meiner Reife aufitieß. Der 
Weg führte nämlich in eine Freisförmige Niederung von 10 Minuten 
Durchmeſſer, die von einem 20 Fuß hohen mulftigen Rande erftarrter 
Lava umgeben iſt. Längs der innern Seite deffelben erheben ſich 
mehrere Tonifche Hügel, welche man beim erften Anblide für Afchen- 
haufen anfehen könnte. Bei näherer Befichtigung jedod) fand ich, daR 
fie aus Bimſtein beftanden, deſſen Dberflähe fchon fehr verwittert 
war. Sie find von Strömungen eines ſchwarzen Obfidians durd)- 
feßt, welcher als fchwer zu verwitterndes Geſtein über die Oberfläche 
der Hügel vorfteht. — Die Lava ift ſchwarz, voll runder, oft ganz 
fhwarzer Blafenräume, Olivin und glafigen Feldſpath, Kryſtall⸗ 
freide enthaltend. — Die fehauerlichen Klüfte, welche in den Wänden 
bes nahen Gebirges gähnen, und die bedeutenden Hebungen ber Schichten 
in der nüchſten Umgebung des Kraters zeugen von der erfchütternden 
Gewalt, mit welcher fich hier das plutonifche Element Bahn brach, 
geben der Gegend einen höchſt bizarren, wilden und großartigen Cha⸗ 
rafter, der auch auf die lebhafte Einbildimgsfraft der Araber einen 
ftarken Eindruck gemadjt hat. .„Gleich feurigen Phantomen“ (erzählt 
man ich) „ſtreifen hier nächtlicher Weile Geifter umher und vernichten 
jeden tollfühnen Sterblichen, der e8 wagt, an diefem ihren Zummel- 
plate zu übernachten.” 

So hat fid) die Sage von den Schredniffen, deren Schauplak 
biefer Ort einjt war, bei dem Bolfe fortgepflanzt und dem Glauben 
an bösartige Yeuergeifter feine Entftehung gegeben. Sie nennen daher 
auch diefen Ort: Omm el Dſchinny, d. i. Ort der Geifter. 


Nachdem wir den füdweftlichen Hand des Kraters überftiegen 
10* 





148 Der Wädiy Obne. 


hatten, zogen wir bis zum Waͤdiy Obne 40 Minuten lang eine 
fanft abgedacdhte Ebene Hinab, welche von einem Lavaſtrom bedeckt üt. 
Noch eine Heine Strede verfolgten wir den- Wädiyn und lagerten ums 
unter einer großen Mimofe. Während wir nun hier an eimem hell: 
lodernden Feuer figend unfere frugale Abendmahlzeit hielten, wurden 
wir durch das plögliche Auffpringen bes Kameels aufgefchredt. Zn 
gleicher Zeit erblicten wir in einer Entfernung von 15 Schritten zwei 
große Hyänen, welche aber, als wir mit Feuerbränden bewaffnet, auf 
fie losgingen, eiligft die Flucht ergriffen. Wir banden das Kamed 
an den Baum, beendigten unfere Abendmahlzeit und legten uns zur 
Ruhe, die auch in diefer Nacht nicht weiter geftört wurde. Am 
Morgen ftand der Thermometer bei ftarfem Nebel und Windftilie 
25°, am Mittag bei heiterm Himmel und Nordweitwind 36°, am 
Abend 25°. - 

16. Juli. Am 16. früh Y, nah 5 Uhr machten wir uns auf 
den Weg, und verfolgten den Wädiy, der fich mit fehr ftarfem Ge- 
fälle durd ein Iura-Dolomit- Kalfgebirge windet. Die Thalſohle 
bildet eine vollfommene Treppe, deren Stufen eine Höhe von 1—5 Fuß 
haben. Kine Viertelftunde Weges Hatten wir zurüdgelegt, als mir 
der Schaych auf der zur Linken des Weges Tiegenden Anhöhe bie 
Ruinen eines alten Baues zeigte. Ich ftieg hinauf, fand aber Nichte 
als einen alten Schutthaufen, in dem man herumgewühlt hatte, wahr: 
fheinlid um Schätze zu ſuchen. Behauene Steine, Ziegel und zer- 
brochenes Zöpfergefchirr lagen umher. Das Gebäude war, nad) dem 
Material zu urtheilen, gewiß aus fehr alter Zeit und mochte wohl 
ein Wachthurm geweſen fein. 

Um 157 Uhr hörte die treppenförmige Abdachung des Thales 
auf, und ein fandiger, mit Gerölle bedeckter Pfad wand fich zwifchen 
großen Felsblöden. 

Kurz vor 7 Uhr langten wir bei den merfwürdigen Ruinen 
an, welche von den Arabern Hien el Obne genannt werden. Bon 
unferm Nachtlager bis zu diefen Ruinen hatten wir bejtändig die 
Richtung Sid, 20° Welt eingehalten. Weberaus kümmerlich ift die 


Die Ruinen von Obne. 149 


Begetation auf diefer Strede, und nur unter einem großen fchief- 
liegenden Yelsblode fanden wir Schatten. 

Die Ruinen von "Obne find nicht die einer Stadt, wie ich 
mir vorgeftellt hatte, jondern die einer Mauer, welche quer durchs 
Thal gezogen ift und dann über einen nicht fehr fteilen Berg geht, 
welcher den Wädiy Obne in Weften begrenzt und im Often an einer 
tiefen, wie ein Graben geftalteten Schlucht endigt, an deren ent« 
gegengefegter Seite eine Anhöhe fehr fteil abfällt. Diefe Anhöhe 
und der Thalboden beſtehen aus Grauwacke, der gegenüberftehende 
Berg aus Jura⸗Kalkſtein. Dem öftlichen Ende der Mauer gegenüber 
zieht ji) von der Anhöhe eine ſchmale Schlucht nieder, welche auch 
durch eine Mauer gefchloffen ift, an der man am Boden ein vier- 
eckiges Zoch gelaifen hat, um das Negenwaffer durchfließen zur Iaffen. 
100 Schritt füdlic von der großen Mauer fällt die Thalſohle einige 
30 Fuß ab, und der Wädiy, welder von da an "Arär genannt 
wird, ift jo ziemlich mit Arda, Mimofen und Dompalmen bepflanzt. 
Einige 50 Schritt weiter mündet öftlich ein anderer Wädiy ein, 
nach welchem obenbemerfte Anhöhe fehr fteil abfällt, aber da, wo 
fie gleichfam ein Vorgebirge bildet, eine weniger fteile, ftufenförmige 
Abdachung zeigt. Da nun von diefem Punkte aus die Hauptmauer 
umgangen werden Tann, fo bat man den Gipfel des Vorgebirges mit 
einer Mauer gekrönt, die, wenn auch nicht fo groß, doc Hinfichtlich 
ihrer Bauart der großen Mauer gleiht. Die Hauptmauer ift im 
Thale gleich gut erhalten, dagegen am Berge und am Abhange 
defjelben zerftört. Die großen Duadern find forgfältig behauen und 
mit einem Mörtel zufammengefügt, der beinahe jo hart geworden ift, 
wie das Geftein felbft. Die Höhe diefer Mauer ift 6 Meter und 
92 Gentimeter, die Breite 6 Meter und 8 Centimeter. Die 
Länge vou der Schlucht bis zum Fuße des gegenüberliegenden Berges 
67 Meter. In der Mitte des Thals befindet fi ein Thorweg 
von 1 Meter und 64 Sentimeter Breite, deſſen Wände etwas 
abdachen und der augenjcheinlich nie bededt war. An feinem füd- 
lihen Ausgange ift auf einem langen Quader, in der öftlichen 


150 Die Infchrift von Obne. 


Wand eine 5 Zeilen ftarke, zierlicdh eingehauene, himya— 
rifhe Inſchrift. Am nördlichen Ausgange hat der Thor- 
weg eine Erweiterung von einigen Zollen, als wie für eine Thür 
beftimmmt gewefen; jedoch fehlt jede Vorrichtung, fie einzuhängen. Die 
Bände der Mauer find gleich denen des Thorwegs um ein Weniges 
abgedacht und treten an verfchiedenen Stellen um ein Weniges hervor. 
An der Seite, welche an die Schlucht ſtößt, ift die Böſchung etwas 
ftärfer und ein Strebepfeiler angebradht, der auf einem VBorfprunge 
bes Felſens ruft. Auf der Mauer ift von den Dfiyaybh - Beduinen 
eine mit Schieglöchern verfehene Bruftwehr aufgeführt worden, hinter 
der fie mit vorgejtredten Gewehren dem Neifenden ein Pafſagegeld 
abverlangen. Zum Glück waren bei meiner Anmefenbeit feine diefer 
Wegelagerer zugegen. 

Die Beftimmung diefer Mauer fpricht fich ſchon in der Art 
ihrer Anlage aus; fie diente augenfcheinlich zu nichts Anderm, ale 
den Zugang zum Wädiy Hadſchar und dem Hadhramaut zu ver- 
fperren. Ihre Entfernung von Biyr "Alyy, einer in alten Zeiten 
blühenden Hafenftadt, beträgt eine Zagereife. Nun führen von dort 
zwei Hauptftraßen nad) dem Innern, von demen die cine durch den 
Wähiy Mayfaa nad) Habbän und nad) ber Provinz Yafla, bie 
andere durh den Wädiyg Obne und CI Hadſchar nach bem 
Hadhramaut führt. 

Jene wurde durch die Stadt beherricht, deren Ruinen noch unter 
dem Namen Nagb el Dad har befannt find; diefe durch die oben 
beichriebene Mauer. | 
‚ Die Zeit der Erbauung dieſer Mauer zu beftimmen, über- 
laffe ic) den Gelehrten, welche durch die beifolgende Kopie der 
Infhrift Hoffentlich genügende Aufklärung erhalten werden. (Leber 
die Inſchrift ſ. Anhang.) 

Vergeblich fuchte ich nad) Ueberreiten anderer Bauten; ich Eonnte 
in der ganzen Umgebung nicht das Geringfte der Art finden. Wo 
wohnte die Beſatzung? Vielleicht in dem Bau, defjen Rırinen ic 
thalaufwärts jah? 


Sagen über die Mauer von Obne. 151 


Gleich nach unferer Ankunft begab ich mich zu der Inſchrift 
und copirte diefelbe, was freilich fehr langjam von ftatten ging, ba 
mir bie himyariſchen Charaktere gänzlich unbefannt waren. Während 
ich mit diefer Arbeit befchäftigt war, vernahm ich einen Lärm, ale 
wenn ſich mehrere Perfonen zankten. Natürlich fam ich auf den Ges 
danken, daß Schaych Sfalym mit Dſiyayby-Beduinen in Streit ger 
rathen fei, und eilte deshalb zu ihm. Dieſer aber kam mir bereits 
im vollen Lauf entgegen, weil er ebenfalls der Meinung gewefen, 
ich fei mit Dſiyayby⸗Beduinen in Collifion gerathen. Jetzt entdeckten 
wir erit auf der andern Seite der Schlucht die Nuheftörer, nämlich 
eine Truppe von einigen 60 Affen, die herabgelommen waren, um 
ihren Durſt mit dem auf dem Boden der Schlucht ftehenden Waſſer 
zu löfhen. In feinem Aerger fchleuderte mein Schaych unter allen 
nur möglichen Verwünfchungen Steine gegen fie, welches aber feine 
andere Wirkung hervorbrachte, als daß die ganze Gefellihaft in eimer 
größern Entfernung niederkauerte. Schaych Sfalym fah ihnen nad 
und rief dann aus: „Nun, wie werdet ihr mir gehorden, da thr 
nicht einmal auf die Ermahnung Hud’s, des Propheten Gottes, 
geachtet habt?“ | 

Abergläubifche Sagen, welche durd) den ganzen Orient verbreitet 
find, Inlipfen fih an diefe Bewohner der Klüfte; die Legende erzählt 
unter Anderm: 

„Der König Scheddäd aus dem aramdifchen Gefchlechte der 
«Ad» eroberte die Welt und brachte alle erbeuteten Schäße in feine 
Hauptftadt Iram⸗dſat⸗el⸗Iſſnaͤd 10°), deren Bewohner fo reich wurden, 
daß der König in einem goldenen Palafte und feine Unterthanen in 
filbernen Häufern wohnten. Diefer Neichthum Hatte zur Folge, daR 
der König ımd feine Unterthanen ein höchſt lafterhaftes Leben führten. 
Gott ſchickte daher feinen Propheten Hud, um fie zur Beſſerung zn 
ermahnen. Doch alle Ermahnungen waren vergeblih. Im Gegen- 
theil verhöhnten fie nur den Mann Gottes. Ja der König entſchloß 
fich fogar, Gott und feinem Propheten zum Troß einen Garten an⸗ 
zulegen, deflen Pracht die des Paradiejes übertreffen ſollte. Dieſem 








152 Der Wundergarten des Könige Schebbäb. 


Plane zufolge baute er einen Balaft, deffen Diauern und Fundamente 
aus goldenen Quadern beftanden. Die Deden der Gemächer wurden 
von kryſtallenen Säulen getragen und mit Perlen und Brillanten 
ausgelegt. In den Wänden waren Rubine, Smaragde, Sapphire 
und Topaſe jo feit gefaßt, daß Niemand fie herausbrechen konnte. 
12000 Kuppeln bedeckten diefen Prachtbau, welcher dergeftalt mit 
Edelſteinen überſäet war, daß bei Sonnenfchein Niemand darauf 
hinfehen Tonnte. In 200 goldenen Kiosks wohnten ebenfo viel Mi- 
nifter, welche in Gewändern einhergingen, welche von Perlen und 
Diamanten ftrogten. Durch den Garten, welcher dieſen Palaft um- 
gab, floß ein Bach wohlrichendes Waſſer, ftatt über Kiefel, über 
Perlen und Edelgeftein; immerblühender Saffran wuchs an feinen 
Ufern, anftatt der gewöhnlichen Gewächfe. Längs dem duftenden 
Bach ftanden eine Menge goldener Belvedere, welche von Bäumen 
deffelben Metalls umgeben waren, deren Früchte und Blüthen Ru- 
binen und Perlen, das Laub aber Smaragde waren. — Auf diejen 
Bäumen faßen goldene und filberne Vögel mit Augen von Rubin, 
deren Inneres mit füßduftenden Eſſenzen angefüllt war, die ringsum 
die Luft mit Wohlgerüchen füllten. — Der Boden diefes Wunder- 
gartens endlich, beftand aus Ambra und Moſchus. — Tauſend Ge- 
neräle, deren jeder 1000 Mann Garde befehligte, waren zur Be- 
wachung diefer Reichthümer beftellt. Es trugen diefe Generäle gol- 
dene, und ihre Soldaten filberne Harnifche. 

„Kaum hatte der König Schebbäd erfahren, daß fein Garten 
fertig fei, fo brach er mit allen feinen Miniftern, Generälen und 
Garden auf, um ſich an dem Anblick deffelben zu laben. Aber noch 
ehe er des Gartens anfichtig wurde, erreichte ihn und fein Volk die 
Strafe Gottes. Denn plößlich erblicdte er eine filberne Figur mit 
goldenen Hüften, welder von marmornen Beinen getragen wird und 
an welder Rubinen die Stelle der Augen vertraten. Ohne Verzug 
Iprengte er auf fie los. Allein ebenfo ſchnell, als er reitet, weicht 
auch das Bild zurüd. Schon hat er feine Gefährten aus den Augen 
verloren, und er fieht fi) deshalb um, ob diefelben folgen. Als er 


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Zerſtörung des Wundergartens. 153 


nun feine Blicke wieder der geheinmißvollen Geftalt zuwendet, ift die- 
jelbe verfchwunden. An ihrer Statt fieht er aber einen geharnifchten 
Reiter, welcher ihm mit donnernder Stimme zuruft: «Elender Sclave! 
an was denfft Du in einer Lage wie die Deinige, oder was ift das, 
das Du fo hartnädig verfolgft? Bildeft Du Dir ein, daß der 
Gegenstand, mit dem jet Dein Geift befchäftigt ift, ober die Thaten 
und Unternehmungen Deiner Vergangenheit, Dich vor den Streichen 
des Todes fihügen?» — Mit diefen Worten öffnet der Tod (denn 
diefes war der geharnifchte Reiter) die Erde unter feinen Füßen — 
und der König Scheddäd verfchwindet. — Sein Volt aber wurde in 
Affen verwandelt, und ihre Stadt Iram-dfat-el-"Iffnäd, ingleichen 
der Garten mit feinen leuchtenden Baläften verſchwanden — und 
ſchwirren jest in der Luft umher, wo fie von Zeit zu Zeit als glän- 
zende Meteore erfcheinen, um das Gefchlecht der Menfchen an biefes 
Strafgeriht Gottes zu erinnern.” 

Diefer Scheddaͤd ift derfelbe, von welchem erzählt wird, daß er 
zur Zeit des Durchbruchs der Meerenge Bäb el Mändeb regiert 
habe. Dean Tann bier vermuthen, daß der Landftrich, welder 
früher die Stelle eingenommen Hat, in welcher jet die Meerenge 
fluthet und der Stamm der „ Ad” in einer und derfelben SKata- 
ftrophe untergingen, um fo mehr, als die arabifchen Schriftfteller 
die Stadt diefes Volles und den Wundergarten ihres Königs in die 
Nähe von Aden ſetzen. 

. Bis 5 Uhr Nachmittags war ich) mit der Aufnahme alles deffen 
zu Stande, was mir diefer merfwürdige Ort bieten konnte, und 
gab daher den Vorftellungen meines Schaychs Gehör, der durchaus 


“ weiter thalabwärts übernachten wollte, weil einerfeits das nöthige 


Butter für fein Kameel daſelbſt zu finden wäre, und andererfeits, 
weil dort nicht zu befürchten fei, mit den an der Mauer nächtlicher— 
weile umherjchweifenden Geiftern in Collifion zu gerathen. Wir 
zogen aljo noch '/, Stunde weiter und lagerten an einer gebüfchreichen 
Stelle des Wädiy "Arar am Fuße des Dichebel Araͤr. Der Ther- 
mometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, 





154 Fruchtbarkeit des Waͤdiy Araͤr. 


um Mittag bei Nordweſtwind 36°, am Abend bei ſehr ſchwachen 
Südweſtwind 25°. 

17. Inli. Am 17. Juli früh (10 Minuten vor 5 Uhr) ver- 
folgten wir den Wädiy ‘Arär in fühlicher Richtung. Es hHerrfde 
vollfommene Windftille und die Hitze wurde um 8 Uhr ſchon io 
drückend, daß wir unfer Vorhaben, erft um Mittag zu ruhen, auf: 
gaben und uns ſchon um 9 Uhr unter einem Dome des Herrlichiten 
Grüns Tagerten. Das Thal ift Hier ungefähr 400 Schritt breit umd 
von niedrigen Hügeln des Numulitenkalks eingefchloffen. Die Bege: 
tation ift herrlich. Rieſige Palmen, fchlante Arcas, Mimoſen und 
Nebek Hilden hier ein Didicht, welches von biumenreihen Schling- 
pflanzen durdhflodhten wird. Um das fchmadhaftefte Trinkwaſſer zu 
befommen, braucht man nur höchſtens 1 Fuß tief in den Sand bes 
eigentlichen Flußbettes zu graben. Der Boden befteht aus merge- 
figent Thon, mit etwas Sand vermildht, und könnte Tauſende von 
Menſchen ernähren. Kaum hatten wir einige Minuten gerubt, fo 
. hörten wir die Stimmen mehrerer Männer durd das Gebüſch fchalfen, 
und bald erblidten wir auch acht bewaffnete Beduinen, wie es fchien, 
Freunde meines Schaychs; denn nachdem fie ſich gegenfeitig begrüft 
hatten, fetten fie fid) nieder. 

Da fie mir weder die Hand gegeben, noch mich ſonſt begrüft 
hatten, jo ahnte mir nichts Gutes. Es dauerte auch nicht Tange, fo 
entfernten fich zwei von ihnen umd riefen meinen Schahch, dem glei 
darauf die übrigen folgten. Während ihrer langen Lnterredung 
beobachtete ich ihre Bewegungen und Blicke, und ſah aud) bald, daß 
von mir die Rede fei, fowie daß fie e8 darauf abgefehen hatten, 
mir einige Thaler abzupreffen. Ich Hatte mid nicht geirrt; denn, 
nachdem fie zürüdgefehrt waren, führte mid Schaych Sfalym auf bie 
Seite und erflärte mir, daß ich den Beduinen 50 Thaler Paſſagegeld 
zu zahlen hätte, widrigenfalls würde er mich verlaffen und allein nad 
dem Wädiy EI Hadſchar zurüdtehren. 

Schon befammt mit ſolchen Bebuinenkunjtftüden, verweigerte ic 
entfchieden diefe oder irgend eine noch fo Heine Summe und erinnerte 


Verſuch zur Gelderpreflung. 155 


ihn, daR er ſich verpflichtet habe, mich ficher nad) dem Orte meiner 
Beitimmung zu bringen. Es fei daher feine Sache, ſich mit den 
Beduinen abzufinden,; übrigens möge er thun, was er verantworten 
könne. 

Wie ich es vorausgeſehen hatte, ſo geſchah es. Er verſuchte nun, 
mich zu überreden, und drängte einige Male, das Geld herzugeben; 
da ich ihn aber keiner Antwort würdigte, ſo brach er mit der ganzen 
Truppe auf, nahm ſein Kameel und zog von damen. Ich that, als 
bemerke ich den Abzug nicht, und blieb ruhig auf meinem Platze ſitzen. 
Mein Dachayl kam nah Y, Stunde wieder und theilte mir ganz im 
Vertrauen mit, daß es feinem Einfluffe gelungen fei, die Beduinen 
mit 25 Thalern zufrieden zu ftellen. Ich ſolle doch nicht jo hart- 
näcdtg fein und diefe Summe zahlen; denn ſonſt müſſe er mid) 
ganz gewiß verlajfen. „Und was wird dann Dein Scidfal fein?“ 
fette er Hinzu. „Entweder bringen Dich die Beduinen um, oder Du 
wirft von wilden Thieren zerriffen, oder Du verhungerft .in diefen 
Bergen! — Darum bezahle lieber das Geld, damit wir weiter 
ziehen können.“ — Ich erwiederte fo barſch als möglich, daß ich 
auch nicht 25 Kaffeebohnen hergeben würde, und daß ih, was 
meinen Untergang anbelange, unter dem Schutze Gottes ftände, ohne 
deifen Willen kein Haar meines Bartes gefrünmt werden könne. Er 
aber fei nicht viel beffer als ein Räuber, obgleich er fich einen Schayd) 
und ‘Abd el Manäh nenne; er möge alfo feiner Wege ziehen, wenn 
er e8 glaube zu dürfen. 

Nach diefem Beicheid verließ er mich mit den Worten: ‚Du 
haft mich nicht Hören wollen, Dein Blut komme über Dich!“ — 
Worauf ich ihm zurief: „Nicht über mic komme es, fondern über 
Did, der Du handelt wie ein Bawwaͤq (Treulofer)! Schande über 
Dich und Deinen Stamm, "Abd el Manäh!‘ 

Nah Verlauf von Y, Stunde hörte ich die ganze Gefellfchaft 
zurüdtommen, ohne daß ic) jedoch durch eine Bewegung verrieth, 
daß ich es bemerkte. Sie fekten fich wieder neben mich hin und ver- 
Iangten zehn, dann fünf und endlich nur einen Viertelthaler, welche 


156 Ausföhnung mit den Räubern. 


Forderungen ih alle in einem sehr beitimmten Zone von mir wies. 
Als fie fahen, daß mich bis jet Nichts eingefchüchtert hatte, verfuchten 
fie es, mir auf eine andere Art Furcht einzujagen. Eimer von ihnen 
zündete die Lunte feines Gewehre an, öffnete die Pfanne und fekte 
mir die Mündung auf die Bruft, mit der Drohung mich zu erichießen, 
wofern ich ihren Forderungen nicht Genüge leiften würde, ein Anderer 
verfeßte mir zugleich Kolbenftöße in den Rüden. 

Obgleich ich überzeugt war, daß der Beduine mich nicht er- 
ichießen würde, fo hatte ich doc, die Beſorgniß, daß ſich das Gewehr 
durch Unvorfichtigkeit entladen lönne, zumal die brennende Lunte kaum 
1 Zoll hoch über der offenen Pfanne ſchwebte. In der Hoffnung, 
daß ſich mein Schayd ins Mittel fchlagen würde, verhielt ich mid 
noch einige Augenblice leidend. Als ich aber ſah, daß derfelbe lachend 
zufah, jo machte ich dem Unfuge ein fummarifches Ende; das heißt, 
ich riß mit der einen Hand die Mündung des Gewehre von ber 
Bruft und gab mit der andern Hand meinem Gegner einen fo derben 
Fauſtſchlag vor die Stirn, daß er rüdlings zu Boden fiel. Ich 
erwartete jett, daß mic der Beduine mit der Dſchembiye angreifen 
würde, und zog deshalb die meinige. — Allein Nichts von Allem 
erfolgte. Im Gegentheil lachten Alle, felbjt der Geſchlagene. Man 
gab mir gute Worte, verzichtete auf jede Contribution und fekte fich 
mit der Bemerkung nieder: „daß id ein Mann mit weiten Herzen, 
b. i. ein muthiger Mann ſei“. — Es wurde Kaffee getrunfen. Mein 
früherer Gegner fette fi) mir zur Seite nieder, gab mir die Hand 
und wechjelte zum Zeichen der Berfühnung die „Kaffeetaffe‘ mit 
. mir, kurz, Alles war wieder ins alte Gleis gebracht. 

Im Verlauf meiner Reifen im Orient habe ich fehr oft Ge- 
fegenheit gehabt, zu bemerfen, daß bei einem rohen Volke nur der- 
jenige imponirt, der bei einer kräftigen Perfünlichfeit Muth und 
Geiftesgegenwart befitt. ‘Daher darf man nie umterlaffen, ſolchen 
anmaßenden Forderungen gegenüber eine ruhige, feite Haltung anzu- 
nehmen, und fih nur dann Thätlichkeiten zu erlauben, wenn bie 
Sache im Wege der Güte nicht beizulegen ift. Aber aud dann muß 


Begriffe über Ehrenkränkungen. 157 


man fi) hüten, feinen Gegner auf eine Weife zur behandeln, welche 
in feinem und Anderer Augen für ſchmachvoll gilt. Hätte ih 3.2. 
dem Beduinen eine Ohrfeige ftatt des Fauſtſchlages verfett, jo wäre 
eine folche Beleidigung nur mit meinem Blute abzumafchen gewejen; 
dahingegen lag in dem Fauſtſchlage nichts Befchimpfendes, und das 
gute Vernehmen wurde bald wieder hergeftellt. 

Bald nad Beendigung diefer Scene verließen uns die Beduinen, 
wir aber wanderten erft am Mittag weiter, wo wir noch eine halbe 
Stunde den Wäbdiy verfolgten und dann die den Wädiy zur Linken 
begrenzenden Anhöhen beftiegen, auf deren Rücken fi eine von aller 
Vegetation entblößte Ebene nach Südweſten ausbehnt, welche in diefer 
Richtung allmählich abfällt. Von diefen Punkten aus erhebt ſich zur 
Rechten in einiger Entfernung ein hohes Gebirge, der Dfchebel 
Arcime; links ragen die gezadten Gipfel des düſtern Dichebel EI 
Deayde. 199%) Drei Stunden bleibt der Boden felfig, dann aber be- 
ginnt ein tiefer Sand, aus dem im auffallenden Gegenfage zu feiner 
biendenden Weiße mehrere 100 Fuß hohe, Tugelfürmige, ſchwarze 
Hügel hervorragen. Im Hintergrunde endigt die Sandwüſte an ber 
feuchten Wüfte des indischen Ocean. 

Etwa Y, Stunde vom Mecre entfernt überftiegen wir einen 
Damm oder vielmehr einen fammartigen Durchbruch des Baſaltes, 
der von Norden nad) Süden ftreicht, nahe am Meere in einem kegel⸗ 
förmigen Hügel endigt und mit den früher erwähnten Hügeln in 
Verbindung fteht. Kurz vor 6 Uhr lagerten wir zwifchen Dünen, 
welche größtentheils mit einer grünen Laubdecke überzogen find, auf 
welcher unfer Kameel weibete. Bon diefer Stelle aus lag uns 
Dſchebel Arcime gerade im Norden. Am Fuße dieſes Gebirges, 
welches ich auf 3000 Fuß Höhe fchägte, und in den Schluchten und 
Thälern deffelben haben fi) hohe Sandberge aufgethürmt. Ich lernte 
hier eine Art winzig Heiner Ameijen kennen, bie oft in diefer Gegend 
zur Landplage werden, da fie Alles und fehr ſchnell zerjtören. Hier 
hatten fie die Mimofen und Tamarisken von der Wurzel bis in die 
feinsten Spigen der Zweige vollfommen ausgehöhlt, ſodaß ich ohne 





158 Ankunft am Meeresftrande. 


große Mühe einer 20 Fuß Hohen Baum umreißen kounte. Sie 
Icheuen das Licht und bauen daher bededte Gänge, in denen fie bis 
zu irgend einer Deffnung der Rinde laufen; denn diefe verzehren fie 
nicht, nagen fie auch nirgend an. Ich zerftörte einen Gang, den 
diefe Ameifen gebaut hatten, fie arbeiteten aber fo emfig, daß der 
Schaden bald wieder ausgebefjert war. 

Diefe Heine weiße Ameife heißt bei den Arabern EI Arda 
und ift die Termes fatale des Linne. 

Die Hauptrichtung von Dim el Obne hierher ift gerade Süd- 
weft. Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und 
Windftille 22°, um Mittag bei Schwachen Nordweitwinde 36°, am 
Abend 25°. 

18. Iuli. Am 18. früh um 5 Uhr verließen wir unjer fandiges 
Lager und wateten in der Richtung Nordweſt zwifchen und über Sand- 
dünen hin. Nach einer Stunde betraten wir eine Fiefige Ebene, die 
im Norden und Nordweiten von hohen Sandbergen begrenzt wird 
und auf denen fich mehrere Heine Waldungen von Dattelpalmen 
gruppiren. Um Y, nad) 7 Uhr erreichten wir EL Dſchowayry, ein 
10 Minuten vom Meere, am Abhange eines Sandberges gelegenes 
Dorf des Stammes Eſſ Sfolaymäny, einer Unterabtheilung des 
Hauptftammes der Dfiyayby. Es befteht aus einigen 60 ärmlichen 
Hütten, zwifchen denen eine Mofchee und einige maffiv gebaute Häufer 
ftehen. Die Einwohner befchäftigen ſich hauptſächlich mit Fiſchfang, 
ftegen aber aud) der Viehzucht und der Jagd ob. Aderbau wirb nur 
fehr wenig betrieben, da der fandige Boden nicht dazır geeignet iſt. 

Wir kehrten in das Haus eines Belannten meines Schaychs ein, 
wo wir freundlich bewirthet wurden. Ich Hatte in Diem ben Dighaͤl 
einem Kranken etwas Arznei gegeben, und der Hauswirth, der dieſes 
durch Schaych Sfalym erfahren Hatte, bat mid), einen armen Tranfen 
Mann zu befuchen, der am Ufer des leeres in einer Hütte wohne. 
Sch bejuchte den Kranfen, der in einem fehr heftigen Fieber lag. ‘Da 
man aber in Arabien mit Arzneiengeben jehr vorfichtig fein muß, 
fo erklärte ich, daß ich bei diefer Krankheit Nichts thun könne. Man 


Ein feltfamer Talisman. 159 


bat mich, dem Kranken ein Amulett zu fchreiben, welchem Verlangen 
ih auch nachkam, indem ih aus Sciller’s „Lied von der 
Glocke“ den befannten Vers fchrieb: 

Gefährlich ift’8 den Leu zu weden, 

Berderblid) ift des Tigers Zahn; 

Jedoch das Schredlichfte der Schreden, 

Das ift der Menſch mit feinem Wahn. 

Unterfchriftlih fügte ih meinen Namen bei. Die Frau des 

Kranken legte das Papier forgfältig zufammen, nähte es in ein Stüd 
Leder ein und hing es dem Kranken um den Hals. Zugleich hörte 
ih fie zu ihrem Manne fagen: ‚er folle bis zu feiner Genefung zu 
irgend Jemand fo hoch als möglich ins Gebirge gehen‘. 
- Ih Hatte bier die Gelegenheit, die Fahrzeuge zu fehen, welcher 
fi die Araber beim Fifchfang bedienen. Es waren ihrer zwei 
Arten, und ich muß gejtehen, daß es wohl nicht etwas Primitiveres 
geben fann. 

" Die eine Art befteht aus 10—12 armitarfen, 6—7 Fuß langen 
zufammengebundenen Aeſten. Auf dieſem Floß ift eine Matte aus- 
gebreitet und einige aus Palmblättern geflochtene Körbe find an ihm 
befeitigt, um die gefangenen Fiſche darin aufzubewahren. Etwas nad) 
vorn ijt in der Mitte eine Vorrichtung, um eine Stange darin be— 
fejtigen zu können, an der eine Matte als Segel aufgezogen wird. 
Ein Paar Stide Holz dienen als Ruder. 

Die zweite Art ift ebenfalls ein Floß, welches aus 6 auf- 
geblafenen Schläuchen befteht, auf denen eine Art Roft von zufammen- 
gebundenen Dattelzweigen ruht. Diefe legte Art der Flöße, und 
wahrfcheinlich auch die erftere, war fchon in den älteften Zeiten im 
Gebrauch; denn Ptolemäus erwähnt derjelben in feinem 6. Bude 
bei der Beichreibung des Sinus Sadhalitorum, und Arrian in 
feiner Beſchreibung des Erythrätfhen Meeres. — „Zur 
Zeit der Blüthe des fabäifhen Reiches” (erzählt Diodor 
von Sicilien) „wohnte an der Küfte des indifhen Meeres, 
im glüdlihen Arabien, ein Volk Debae genannt, mit wel- 


160 Die Dſiyayby. Ayn ba Mi’bet. 


hem die Sabäer Handelsverbindungen pflogen.” — Be: 
muthlich find diefe Debae und die Dfiyayby 110) ein und daſſelbe 
Boll. Wenigftens ift fein Grund vorhanden, die Identität in Zweifel 
zu ziehen. 

Um 3 Uhr Nachmittags verließen wir diefen gaftlichen Ort, 
welcher mich bei weiten günftiger für die verrufenen Dfiyayby geftimmt 
hatte. Wir ftiegen den mit Dattelpalmen befegten Sandberz 
hinan, auf weldem ein gemauerter Wafferbehälter die wenige 
nit Tabak bepflanzten Felder bewäfferte. Eine alte Wafjerleitung, 
welhe in ihn mündet, verliert fich nördlich in dem Sande. Um 
Y nad) 3 Uhr gelangten wir wieder an eine Gruppe von Dattel: 
palmen und ein Baffin, weldyes, wie das frühere, durch eine Wafler: 
leitung gefpeift wird. Bis hierher ſah ich bedeutende Subftructionen 
eines alten Baues, wahrjcheinlich einer Mauer, ftellenmweife vom Sande 
entblößt, deren bebauene, jehr große Duader mit einem fehr feſten 
Mörtel verbunden find und daher einer fehr alten Zeit anzugehören 
fcheinen. Eine PViertelftunde weiter lag zur Rechten des Weges das 
von Balmen umgebene Dörfhen Ayn ba Mi’bet. 

Hier kaufte mein Schaych einen Iedernen Beutel voll gefalzener 
The von der Größe der Sarbdellen, von den Arabern Wark ge- 
nannt. Bon diefen gab er dem Kameele täglich eine oder zwei Hände 
voll, die von ihm mit Begierde gefreffen wurden, fie erfeßen bie 
Salzlede, welche zur Erhaltung der Gefundheit diefer Thiere erforber: 
lich iſt. Ich fah auch in der Folge in andern Gegenden des Ha— 
dhramauts die Beduinen ihren Kameelen von Zeit zu Zeit ſolche 
Fiſche reichen. 

Um 4 Uhr trafen wir, gleichfalls zur Rechten des Weges, auf 
einen andern Heinen Drt, Namens Ayn Ahwayry. 

Im Norden erheben fi die Sandhügel noch bedeutend und 
find Hier und da mit Gruppen von Dattelpalmen befegt. Diefe 
aus dem dürren Flugſande ftellenweis hervorbrechende Vegetation 
verdankt ihr Dafein dem Waffer des Wädiy "Arär, weldhes auf 
dem vom Sande bededten,. feiten mergeligen Thone, der Tihaäma 


Wanderung ber Küfte entlang. 161 


(Niederung) zufließt. Diefer Thon bildet nämlich eine dem Dichebel 
Argçime vorliegende Terraffe, auf welche der Waͤdiy "Arär aus- 
münde. Der Weg wird nun, des tiefen Sandes wegen, außerorbent- 
lic) befchwerlich ; befonders wurde er uns aber noch dadurch ermüdender, 
daß ſich Fein LXüftchen regte und die Hite durch den erhitzten Sand 
noch bedeutend gejteigert wurde. Erſchöpft kamen wir um 5 Uhr 
in dem Dorfe Dobbet el Ahn an, wo wir bei einem Freunde Schayd) 
Sfalym’s Nachtquartier nahmen. 

Das Dorf zählt ungefähr 400 Einwohner vom Stamme der 
Stolaymäny, liegt an dem Abhange der fandigen Höhen und beiteht 
aus lauter maffiven Häufern, zu deren Erbauung das Material 
größtentheild den Weberreiten alter Bauten entnommen ift. Seine 
Entfernung vom Meere beträgt Y, Stunde. Die Einwohner treiben 
Fiſchfang, Viehzucht, Iagd und etwas Aderbau. Die Richtung von 
unferm Nachtlager hierher ift Weit, 10° Nord. 

Das Meer bildet in diefen Gegenden eine Bucht, welche Scherm 
Hardſcha genannt wird und fi 6 engliſche Seemeilen Tandeinwärts 
erftredt. Im Weiten ſchließt diefe Bucht Raͤſſ Hardſcha, eine niedere 
fandige Landzunge am Fuße des Dfehebel EI Hamra. Im Often 
wird fie von dem düftern Vorgebirge Räff el Dgayde begrenzt. Diefe 
beiden Vorgebirge find ungefähr 22 englifhe Seemeilen voneinander 
entfernt. 

Nahe bei dem Vorgebirge El Ogçayde liegt ein befeitigter Thurm, 
welcher dem Sultan von Biyr Alyy und Mebäha, Mahdy ibn ben 
"Abd el Wähid gehört und den Namen Hi Bä el Haff führt. 

Bon diefem Thurme aus begannen die Herren Wellfted und 
Eruttenden ihre Excurſion nad) Nagb el Hadſchar. 

Wellfted bemerft hier auf feiner Karte einen Stamm, ben er 
Wähidi nennt. Zu diefer unrichtigen Angabe hat ihn wahrſcheinlich 
der Name des Sultans von Biyr Alyy verleitet; denn ein Beduinen- 
ſtamm jenes Namens eriftirt nicht, wohl aber mehrere Glieder der 
Tamilie EL Wähid (Sclave des Einigen). Ebenſo wenig wohnt 
in diefer Gegend der von Wellfted angegebene Stamm der Bany 

U, v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 11 


‚162 Geographifche Irrthümer. 


Shoräb; denn bis Medäha wohnt der Stamm Dfiyayby, von deiien 
Abdtheilungen keine diefen Namen führt. Beiden Herren fallen indeß 
diefe unrichtigen Angaben nicht zur Laft, da Nichts leichter ift, als 
von den DBeduinen bintergangen zu werden. Sie find fogleich mit 
einer Antwort bei der Hand und jagen gewöhnlich immer Ja, wenn 
man fie fragt, ob diefer oder jener Ort fo und fo Heißt. Ich bin 
feft überzeugt, daß, hätte ich einen Beduinen gefragt, ob nicht in 
der Gegend ein Stamm eriftire, der Beny Boruſſia hieße, er ohne 
zu zögern, Ja gejagt haben würde. Dean darf diefe Leute nie fragen, 
ob ein Ort fo oder fo Heiße, fjondern muß fie jedesmal fragen, 
wie er heiße, und dann erſt Andere, welche die Antwort nicht gehört 
haben, noch einmal fragen. Stimmen diefe Angaben überein, fo kann 
man von der Richtigkeit des Namens eines Drtes überzeugt fei. 

Länge diefer Bucht zieht fich eine Tihäma Hin, in deren nord: 
öſtlichem Winkel der Waͤdiy "Arär, in deren nordweftlihen dagegen 
der breite Wädiy Mayfa’a mündet. 

Der Sand der Ebene ift reih an Glimmer, und in den Betten 
einiger Regenbäche fand ich Heine Stüdchen Feldſpath, Quarz, 
und wenn ih nicht irre, Augitlörner. Aus allen diefen Stein: 
arten hat fih am Meere ein eigenthümlicher, merfwürdiger Sand: 
ftein gebildet, in welchem die verſchiedenen Mufcheln und Schneden- 
arten des indiſchen Dceans eingefchloffen find. Dieſer junge Meeres: 
jandftein bildet bei dem Dorfe EI Dſchowayre eine 18 Fuß lange 
Bank von ziemlicher Mächtigkeit, und ift bereits fo hart, daß es 
mir viele Mühe koſtete, ein Handftüd davon zu trennen. 

Ganz in der Nähe diefer Bank fieht man nod) andere, bie im 
Werden begriffen find. Als Bindemittel dient der durch die Regen: 
bäche herabgeſchwemmte mergelige Thon. 

Diefer Sandjtein erinnerte mich Tebhaft an die jüngfte Sanb- 
fteinformation am Raͤſſ et Tyn in Alerandrien, in welcher man 
außer den Schneden und Muſcheln des Mittelmeeres auch Scherben 
von irdenen Gefäßen und Ziegeln eingeichloffen findet. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und 


Tlugfandhügel am Meeresufer. 163 


Windftille 20°, um Mittag im Schatten 30°, am Abend bei ſchwachem 
Nordweſtwinde 25°. 
19. Juli. Am 19. Juli begannen wir unfern Tagemarſch be- 
reits um 4 Uhr Morgens und ftiegen in Begleitung unjeres Wirthes, 
der merfwilrdigerweife "Abd el Yaghuth (Sclave des Yaghuth) hie, 
in die mit Flugſand bededte Ebene bis zu einem Waifferbehälter 
hinab, wo eine Biertelftunde angehalten wurde, um das Morgen- 
gebet zu verrichten und den Schlau zu füllen. Hier nahmen wir 
von unferm Wirthe Abjchied und wateten in der Richtung von Weft, 
20° Nord eine Viertelftunde durch ermüdenden Sand, bis zu einer 
mergelig-freidigen Ebene, weldye mit Feuerfteinen bededt war, 
auf der wir bis 10 Minuten nach 6 Uhr fortwanderten. Hier be- 
gannen die Mühjeligfeiten aufs Neue, indem fi ein unabjehbares 
Labyrinth hoher Flugfandhügel vor uns ausdehnte, zwiſchen denen 
die Sonne mit entjeglicher Gluth brannte. Kein Baum, fein Straud), 
fein Grashalm war irgend zu erſpähen, überalf vollfonmener Tod. — 
Kein Lüftchen regte fih, uns Kühlung zuzumehen. Cine traurigere 
Wüſte ift nicht zu denfen. — Endlich erreichten wir vor 8 Uhr 
einige verfrüppelte Tamarisken, neben denen fich eine Heine Waffer- 
lache befindet. — Wir. waren von dem fortwährenden Auf- und 
" Niederfteigen in den Flugſandhügeln fo erfchöpft, dag wir une 
unter den dürftigen Schatten der Tamarisken lagerten. — Der 
Brunnen oder vielmehr die Lache war in ein Lager eifenfchüffigen 
Thones gegraben, der mit Heinen Adern von Gypsſpath und Stein- 
ſalz durdhfegt ift, weshalb denn auch das Waſſer einen unangenehmen, 
ſtark bradigen Gefhmad hat. Zum Glück bedurften wir feiner nicht, 
da wir hinlängli mit gutem Waſſer verſehen waren. 

Um 4,12 Uhr ſetzten wir unſern mühſeligen Marſch fort und 
erreichten um Y,1 Uhr das Ende dieſes Sandmeeres, — am welt: 
fichen Abhange des Dſchebel Maſſya, welcher ſich mit dem Flußbette 
bes Waͤdiy allmählich abdacht. Diefer Berg erreicht eine Höhe von 
ungefähr 500 Fuß und hat ein jo auffallendes Ausjehen, daß man 
in einiger Entfernung die Ruinen von Burgen auf ihm zu jehen ver- 

11* 





164 Ankunft im Waͤdiy Mayfa’a. 


meint. Sein Fuß befteht aus tertiärem Kalf, der, nad) den berab- 
gefallenen Blöcken zu urtheilen, weiter oben in quarzigen Kalkſand⸗ 
ftein übergeht. Der Wädiy Maffya, welcher den Namen diejes Berges 
führt, fcheidet ihn von dem weltlichen Abhange des Dſchebel Arcime. 
Bon hier aus fonnte ich den ganzen untern Theil des Wädiy Mayfa'a 
überjehen, in welchem mir Schaych Sfalym in der Reihenfolge von 
Siden nad) Norden, die DOrtihaften Kofayge, Radun, Schomcha 
und Sahun zeigte, weiche alle dem Stamme Sfolaymäny gehören. 

Wir zogen nun längs dem Abhange Hin, auf welchem von Zeit 
zu Zeit no Anhäufungen von Flugſand vorfommen, und gelangten 
um 4 Uhr in das Bett des Wädiy, der durchaus mit hohen Bla- 
tanen, Sykomoren und andern Gefträuchen befegt if. Der Flugſand 
nimmt ftellenweis wieder überhand und zwar jo, daß ich Hunderte 
der höchſten Bäume bis zum Gipfel damit bededt jah. 

Dieſe Tonifchen Hügel find meiltens mit Schlingpflanzen jo dich 
überzogen, daß man nur ganz in der Nähe den Sand durchſchimmern 
fieht, und gleichen grünen Grasſchobern; welches der Gegend ein gan; 
eigenthümliches Anjehen giebt. Bon nım an führte der Weg fort: 
während thalaufwärts, längs dem hohen fteil abfallenden Dfchebel 
Hamrä Hin. Vor der Mündung eines breiten Thales kamen wir 
16 Uhr vorüber, und erreichten Y, Stunde ſpäter und im Höchiten 
Grade erſchöpft das Dorf Dſchul eh Schaych und die Behaufung 
des Dberhauptes der Tamilie "Abd el Manäh, des Schaychs "Omär 
ibn "Abd er Rahman. - 

Man findet in diefem Theile Arabiens oft, daß Familien nod 
jest Namen tragen, welche an Gottheiten der vorislämitifchen Mytho— 
logie der Araber erinnern, fo die Familie des "Abd el Yaghuth 
oder Sclave des Gögen des Stammes Madhidſch: Yaghuth, bei 
welcher ich in Dobbet el Ayn übernachtete, und die Familie "Abd 
elManäh, Sclave des Manäh, des Göken der Stämme Qogay. 
Nach Abu el Fida war "Abd el Manäh, der Stammpater diejes Ge- 
Ihlehts, auc) der mehrerer Stämme, welde alle verfhwunden find, 
mit Ausnahme der Beny Dighäl, welche, wenn auch nicht als großer 


Die Engländer in Nagb el Hadſchar. 165 


Stamm, fo doch als Gefchlecht, wie ich bereits oben erwähnt habe, 
im Wadiy Hadſchar leben. Kein Glied diefer Familie hat auch nur 
die Teifefte Ahnung davon, weſſen Sclaven fie fi nennen; denn, 
wenn fie es wüßten, müßten fie als orthodore Mufelmänner diejelben 
im höchſten Grade anſtößig finden. Der alte Schaych bewillkommnete 
uns auf der Terraſſe ſeines Hauſes. Nachdem die Begrüßungen 
vorüber waren, befahl er feinem Sclaven, uns die Füße zu waſchen 
und mit gejchmolzener Yutter einzureiben, eine Operation, die aus⸗ 
nehmend reftaurirt und die ich jedem Fußgänger empfehlen Tann. 

Ich übergab ihm dann mein Empfehlungsichreiben, welches er 
bei dem Scheine einer Laterne las. — Und da ihm in bemfelben 
mein Wunfch mitgetheilt worden war, Naqb el Hadſchar und Habbän 
zu beſuchen, fo Sprachen wir nach beendigter Mahlzeit ein Kanges und 
Dreites über diefen Gegenftand. Während diefer Unterredung erzählte 
er mir, daß vor mehrern Jahren zwei Kafir (Uingläubige; er meinte 
die Herren Wellſted und Cruttenden) die Ruinen von Nagb el Hadſchar 
beſucht hätten. Hier ergoß er fich in Verwünſchungen über das böfe 
Treiben diefer Herren. „Daß ihr Name verflucht fei!’ rief er aus. 
„Dieſe Ferenghy (fo nennen fie die Europäer) hatten ein böfes Auge 
anf unfer Land geworfen, denn im ganzen Jahre, das auf ihren 
Beſuch folgte, ift weder im Wädiy Mayfa’a, noch in den Thälern, 
die in ihn münden, ein Tropfen Regen gefallen! Ohne Zweifel haben 
fie auch die Schäge entführt, die in den Ruinen begraben lagen, und 
fie dem Malik (König) der Ferenghy überbracht! — Denn der Eine 
ift zur Belohnung Dawla von Aden (Gouverneur von "Aden; 
Eruttenden nämlich Adjutant des Gouverneurs) geworden. 
So lange ich Lebe, foll keiner diefer Hunde wieder nah Nagb el 
Hadſchar fommen! 

Ebenfo brachte der alte Schayd) Omaͤr die Befignahme von 
Aden mit dem Beſuche der Herren Wellfted und Eruttenden in Ber- 
bindung, indem er behauptete, daß fie in den Ruinen Infchriften ge- 
funden, welche fie über die Art und Weiſe aufgellärt hätten, wie 
Aden zu nehmen gewefen fer. 111) 


164 Ankunft im Waͤdiy Mayfa’a. 


meint. Sein Fuß befteht aus tertiärem Kalk, der, nad) den berab- 
gefallenen Blöden zu urtheilen, weiter oben in quarzigen Kalkjand- 
ftein übergeht. Der Wädiy Maſſya, welcher den Namen diejes Berges 
führt, fcheidet ihn von dem weftlichen Abhange des Dichebel Arcime. 
Bon hier aus konnte ic den ganzen untern Theil des Waͤdin Mayfa’a 
überfehen, in welhem mir Schayd Sfalym in der Reihenfolge von 
Süden nad) Norden, die Ortfchaften Kofayge, Radım, Schomcha 
und Sahun zeigte, welde alle den Stamme Sfolaymäny gehören. 

Wir zogen nun längs dem Abhange hin, auf welchem von Zeit 
zu Zeit noch Anhäufungen von Flugfand vorkommen, und gelangten 
um 4 Uhr in das Bett des Wädiy, der durdaus mit hohen Pla- 
tanen, Sykomoren und andern Gefträuchen bejegt ift. Der Tlugjand 
nimmt jtellenweis wieder überhand und zwar fo, daß ih Hunderte 
der höchſten Bäume bis zum Gipfel damit bededt fah. 

Diefe koniſchen Hügel find meiftens mit Schlingpflanzen fo dicht 
überzogen, dag man nur ganz in der Nähe den Sand durcchichimmern 
fieht, und gleichen grünen Grasſchobern; welches der Gegend ein ganz 
eigenthümliches Anfehen giebt. Bon nun an führte der Weg fort: 
während thalaufwärts, längs dem hohen fteil abfallenden Dichebel 
Hamraͤ hin. Vor der Mündung eines breiten Thales kamen wir 
1/6 Uhr vorüber, und erreichten Y/, Stunde jpäter und im höchften 
Grade erfhöpft das Dorf Dſchul eſch Schayd) und die Behauſung 
des Dberhauptes der Familie "Abd el Manäh, des Schayds Omaͤr 
ibn Abd er Rahman. - 

Man findet in diefem Theile Arabiens oft, daß Familien noch 
jet Namen tragen, weldje an Gottheiten der vorislaͤmitiſchen Mytho- 
logie der Araber erinnern, jo die Familie des "Abd el Yaghuth 
oder Sclave des Götzen des Stammes Madhidſch: Yaghuth, bei 
welcher ich in Dobbet el Ayn übernachtete, und die Familie "Abd 
elManäh, Sclave des Manäh, des Götzen der Stämme Oocay. 
Nach Abu el Fidaͤ war "Abd el Manäh, der Stammvater dieſes Ge- 
Ihlechts, andy der mehrerer Stämme, welche alle verſchwunden find, 
mit Ausnahme der Beny Dighäl, welche, wenn auch nicht als großer 


Die Engländer in Nagb el Hadſchar. 165 


Stamm, fo doch als Gejchlecht, wie ich bereit oben erwähnt habe, 
im Wädiy Hadſchar leben. Kein Glied diefer Familie hat and) nur 
bie leifefte Ahnung davon, weifen Sclaven fie fih nennen; denn, 
wenn fie es wüßten, müßten fie al8 orthodore Mufelmänner diefelben 
im höchſten Grade anftößig finden. Der alte Schaych bewillfommnete 
uns auf der Zerraffe feines Hauſes. Nachdem die Begrüßungen 
porüber waren, befahl er jeinem Sclaven, uns die Füße zu wachen 
und mit geichmolzener Butter einzureiben, eine Operation, die aus- 
nehmend veftaurirt und bie ich jedem Fußgänger empfehlen Tann. 

Ich übergab ihm dann mein Empfehlungsjchreiben, welches er 
beit dem Scheine einer Laterne lad. — Und da ihm in demfelben 
mein Wunſch mitgetheilt worden war, Naqb el Hadſchar und Habbän 
zu befuchen, jo ſprachen wir nad) beendigter Mahlzeit ein Zanges und 
Dreites über diefen Gegenftand. Während diefer Unterredung erzählte 
er mir, daß vor mehrern Jahren zwei Käfir (Ungläubige; er meinte 
die Herren Wellfted und Eruttenden) die Ruinen von Nagb el Hadſchar 
beſucht hätten. Hier ergoß er ſich in Verwünſchungen über das böſe 
Treiben dieſer Herren. „Daß ihr Name verflucht ſei!“ rief er aus. 
„Dieſe Ferenghy (ſo nennen ſie die Europäer) hatten ein böſes Auge 
auf unſer Land geworfen, denn im ganzen Jahre, das auf ihren 
Beſuch folgte, iſt weder im Wadiy Mayfa'a, noch in den Thälern, 
die in ihn münden, ein Tropfen Regen gefallen! Ohne Zweifel haben 
ſie auch die Schätze entführt, die in den Ruinen begraben lagen, und 
fie dem Malik (König) der Ferenghy überbracht! — Denn der Eine 
ift zur Belohnung Dawla von 'Aden (Gouverneur von "Aden; 
Eruttenden nämlih Adjutant des Gouverneurs) geworben. 
So lange ich Lebe, ſoll Feiner diefer Hunde wieder nad) Nagb el 
Hadihar Tommen! 

Ebenſo bradjte der alte Schahch Omaͤr die Befignahme von 
Aden mit dem Beſuche der Herreri Wellfted und Eruttenden in Ver— 
bindung, indem er behauptete, daß fie in den Ruinen Infchriften ge- 
funden, welche fie über die Art und Wetje aufgeflärt hätten, wie 
Aden zu nehmen gewefen fei. 110) 








166 Thronftreitigfeiten in Habbän. 


Außer diefen Derzensergießungen, welche meinen geehrten Leſern 
einen Begriff von dem Ideengange dieſer Leute geben können, theilte 
er mir die Nachricht mit, daß der frühere Sultan von Habbän, 
Ahmed ibn "Abd el Wähid, durch feinen Vetter entthront und nebft 
feinem Sohne eingeferfert fe. — Sowohl in Habbän, als auch in 
der Umgegend herrſche vollfonımene Anarchie, indem die Beduinen⸗ 
ftämme ſich theils für den entthronten Eultan, theils für den Ufur- 
pator erflärt hätten und die Wege unficher machten. Alle Kaufmanns 
(äden wären daſelbſt gejchloffen und Jedermanns Leben ſchwebe in 
Gefahr. — Der neue Sultan (fügte er Hinzu) Tann diefer Un— 
ordnung nicht Einhalt thun, da die Sorge für feine eigene Sicher: 
heit ihm gebietet, den Beduinen feiner Partei nicht zu nahe zu treten. 
Bei fo bewandten Umftänden wäre e8 eine Tollkühnheit geweſen, nad 
Habbän zu reifen. Ich änderte daher meinen Plan und beſchloß, nur 
bis nach "Yyan zu gehen und von dort nad) Hign ben Dighäl zurück⸗ 
zufehren. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, am Mittag im Schatten 45°, am Abend bei ſchwachem 
Nordweitwinde 25°. 

20. Juli. Am 25. Iufi Morgens um 5 Uhr traten wir unfere 
Reife nach Nagb el Hadſchar und "Prän an. Bon dem Dorfe Dichul 
eſch Schaych aus führte der Weg eine Viertelftunde über angebautes 
Teld, neben dem eine Menge Heiligengräber ftehen, die, wie der 
Schaych Sfalym mit Stolz bemerkte, ſämmtlich der Familie "Abd el 
Manäh angehören. Wir ftiegen dann in dem Bette des Wädin thal- 
aufwärts ımd hielten fchon um 6 Uhr neben den Ruinen von Saqquma, 
von welchen mir mein Schach verficherte, daß fie aus der himyariſchen 
Zeit ftammten. Mehrere Bebuinenfamilien lebten bier unter großen 
Syfomoren und BPlatanen, weldhe von einem Verhaue dorniger 
Sträucher umgeben find. Die zumächftftehenden Bäume find mit 
ähnlichen Verhauen umgeben und dienen den Heerden während der 
Nacht zum Aufenthalt. Milch- und Wafferfchläuche, die wenigen 
Hausgeräthfchaften, der Zrageforb und eine lederne Wiege in ber 


Die Beduinen verfperren den Weg. 167 


Form eines Troges hängen an ben Xeften umher. In ber Nähe des 
Stammes brannte ein Feuer, an welchem die Frau des größtentheils 
müßig liegenden Beduinen Kaffee bereitet, Brod bädt und ihn und 
feine Gäſte mit Feuer für die Pfeife verforgt. Wir ließen uns bei 
einer diefer Familien nieder, in welcher drei Männer, auf Stroh⸗ 
matten ausgeftredt, dem dolce far niente fröhnten. Sie empfingen 
uns fehr gut und warteten mit Kaffee, Brod, Datteln, Milh und 
Honig auf. Einer von ihnen vermochte e8 fogar über fich, mid) nad) 
den Ruinen zu geleiten. 

In meiner Erwartung, Meberrefte alter Bauten oder gar 
interefjanter Inschriften zu finden, wurde ich jedoch getäufcht, denn 
ih fand Nichts als einen Haufen in der Sonne getrodneter, größten 
theils zerbrochener Lehmziegel, kurz „die Rudera eines modernen 
Dorfes”. — Ich kehrte daher ſogleich zuräd und fand bei meiner 
. Ankunft unter dem Baume ein Gericht aufgetragen, das aus einer 
Miſchung von gefnetetem Brod, Datteln und Milch beftand, über 
welche man frifche Butter gegofjen hatte. 

Um 8 Uhr Morgens verließen wir dieſes gaftliche Laubdach und 
wanderten weiter thalaufwärtse. Mein Schayd) fang feinem Kameele 
por, während ich die fchönen Formen des zur Linken ragenden Ge⸗ 
birges umd die pittoreske Lage zweier von Saatfeldern umgebenen Höfe 
bewunderte, als wir plötzlich Y, Stunde nah unſerm Aufbruch von 
9 Beduinen, die mit Säbeln, Turzen Lanzen und Keulen bewaffnet 
waren, angehalten wurden, welche hinter einem dichten Gebüfche 
hervortraten; ein Zehnter ftand ſchußfertig in einiger Entfernung feit- 
wärts. Mit Ungeftüm verlangte ihr Anführer, ein alter Graubart, 
20 Thaler Wegegeld, welche mein Schaych entfchieden vermeigerte, da, 
wie er fagte, diefer Boden Ardh el "Abd el Manäh (Land ber "Abd 
el Manäh) fei, und Niemand das Recht habe, von einem Mitgliede 
diefer Familie ein Wegegeld zu verlangen. - Der Alte ſprach ihm 
jedoch die Qualität eines "Abd el Manäh ab, und beftand auf feiner 
Forderung. Da gegen jo Viele Nichts auszurichten war, jo traten 
wir den Rückweg nach Dichul eſch Schaych an, wo wir hoffen konnten, 


168 Steinwurfstampf der Beduinen. 


von dem im diefer Gegend Alles vermögenden Schaych Omar unter: 
ftügt zu werden. Uns fo ungefchoren ziehen zu laffen, lag jedoch 
nicht in dem Plane unferer Straßenräuber,; denn faum waren wir 
100 Schritt weit von ihnen entfernt, fo liefen fie hinter ung her und 
riefen uns zu, „anzuhalten“. Schaych Sfalym übergab mir nm 
die Sorge für das Kameel, und ermahnte mich, es fo viel als mög- 
lich anzutreiben. Er rief ihnen dann mit gebieterifcher Stimme zu, 
„zurüdzubleiben”, und da fie wenig darauf achteten, griff er zu 
Steinen, welche er mit vieler Kraft und Geſchicklichkeit warf. — 
Aber auch unfere Gegner blieben nicht müßig, und die Kiefel fauften 
von allen Seiten heran. 

Man hielt e8 gar nicht der Mühe werth, mid) mit einigen Stein- 
würfen zu beehren, und jomit war nun mein armer Schaych die 
Zielfcheibe aller. Mittlerweile waren wir auf eine erhöhte Stelle ge- 
fommen, wo man uns von Sagquma aus jehen fonntee Da ich be- 
merkte, daß uns die Beduinen von dort zu Hülfe famen, der Schahch 
aber hart bedrängt wurde und mic zugleich auch die Geringfchägung 
meiner Berjon von Seiten diefer Bufchklepper ärgerte, fo ließ ich das 
Kameel jtehen und nahm Theil an der Affaire. Kaum aber Hatte ich 
einige Steine geworfen, fo ſchenkte man mir zu viel Aufmerffamteit 
und Kiefel um Kiefel fauften um meine Ohren; auch wurde ich an 
der linken Schulter getroffen, welches mir fpäter eine fchmerzhafte 
Geſchwulſt verurſachte. Schaych Sfalym, deffen Gemandtheit be- 
wundernswerth war, wurde ungeachtet derfelben mehrere Male, jedod) 
glüclicherweife an Feiner empfindlichen Stelle, getroffen. ALS das 
Geſindel die Hülfe herankommen fah, floh es in die Gebüfche. 

Was mich hierbei befonders Wunder nahm, war, daß der feit- 
wärtsftehende Beduine ein müßiger Zufchauer blieb, und ſich feines 
Gewehres nicht bediente. 

Da e8 nach diefem Vorfalle nicht rathfam war, die Reife fort: 
zufeßen, fo fehrten wir nah Dſchul eſch Schahych zurüd, wo fid 
Schaych Omaͤr nicht wenig wunderte, uns fo bald wieder zu fehen. 
Anfänglich war ich der Meinung, daß diefer Unfall durch Schaych 


Der obere Theil des Wädiy Mayfa’a. 169 


Sfalym abfichtlich herbeigeführt fei, um Geld zu erpreffen, oder um 
der Mühe überhoben zu fein, mich weiter zu geleiten; jedoch ließ ich 
diefe Idee fahren, wie ich die Quetſchungen fah,. welche ihm bie 
Steinwürfe verurſacht hatten. Sowohl Schahch "Dmär, als auch die 
Bewohner des Ortes waren der Anficht, daß diefe Wegelagerer aus 
dem Stamme verjagte Bawwäg (Treulofe) wären, befonders ſchloſſen 
fie diefes aus der fchlechten Bewaffnung derfelben. 

Der Wäadiy Mayfa'a ftreicht, wie alle Hauptwädih, die von der 
Hochebene niedergehen, von Norbweit nah) Südoſt, und mißt eine 
Breite von 2 Stunden. Nordweitlih von Dſchul eſch Schayd liegen 
an feiner öftlihen Seite die Dörfer: Bü Nogayc, EI Mancçura und 
Meayfa’a, welches dem Wädiy feinen Namen giebt. 

An der weitlihen Seite liegen Eſſ Sſayid und Dſchul el Aqyq. 
Jedoch Liegen mehr Ortfchaften in diefer Gegend, denn die englifchen 
Reiſenden fahen ihrer eine Menge. Ich Tonnte aber nicht mehr in 
Erfahrung bringen und mögen diefe wohl auch die Hauptorte fein. 

Die ganze Gegend oberhalb Dſchul eſch Schaych bis Nagb el 
Hadſchar ift von Beduinen des Stammes Es Sſalmy bewohnt, weldyer 
eine Abtheilung der Dfiyayby ift. Oberhalb des Dorfes Mayfa’a 
mündet an der Dftfeite bei den Ruinen von Nagb el Hadſchar ber 
Wädiy "Dean, in welchem die Stadt "Ygän Liegt; hier beginnt das Gebiet 
des Stammes EI Adſmy, gleichfalls eine Abtheilung der Dfiyayby. — 
Zwei Tagereifen von Naͤn Tiegt nordweitlih im Waͤdiy Dſchandaͤn 
die Stadt Habbän. Der Wädiy Dſchandaͤn ift der obere Theil des 
Wadiy Mayfa'a. Habban foll nad der Ausfage mehrerer glaub- 
wilrdiger Perjonen nicht weniger als 20,000 Einwohner zählen, 
darunter 2000 Iuden, welche unter dem grauſamſten ‘Drud leben. 
Dean erlaubt ihnen weder Handel zu treiben, noch die Stadt zu ver- 
laffen. Ebenfo dürfen fie nur von den Moslims abgefondert leben. 
Ihre einzige erlaubte Beſchäftigung ift die Bearbeitung der edlen 
Metalle und des Kupfers, 

Bon Dſchul eſch Schaych nad Märib giebt es zwei verfdie- 
dene Wege, und zwar der erfte, abgefeßt von Dſchul el Schaych 





170 Reiſeſtraßen in Naͤfi'a. 


nach Naqb el Hadſchar 1 Tagereiſe, von da nach "Yan 1 Tagereife, 
von da nad Habbän 2 Tagereifen, von da nad VYſchybum im Waͤdiy 
gleichen Namens, Provinz Yafia, 1 Tagereife, von da nad Härib 
1 Tagereife und von da nah Märib 3 Tagereifen; alſo im Ganzen 
9 Tage. 

Der andere Weg ift: bis Nagb el Hadſchar 1 Tagereife, von 
da nah Zfähir 3 Zagereifen, von da nach Obaͤra 2 Tagereifen, 
von da nad Härib 1 Zagereife und von da nad) Märib 3 Tage— 
reifen; aljo im Ganzen 10 Tage. 

Der Weg von Dſchul eſch Schaych nad) Mardiha im Wädiy 
Vſchybum führt zuerft über Yraͤn und Habbän nad) VYſchybum, dann 
weiter nach Nicab im Wädiy Yſchybum 1 Zagereife, und von da nad 
Mardſcha 1 Tagereife; alfo im Ganzen 8 Tage. 

In der Landfchaft Liegen von diefen Städten Yſchybum mit 
10,000 Einwohnern, Tſaͤhir mit 6000 Einwohnern, Obaͤra mit 
6000 Einwohnern; Haͤrib ift ein Dorf, Nisäb mit 15,000 Ein- 
wohnern. — Habbän und "Yan Liegen in der Provinz Beled el 9a: 
dſchar. Letzteres zählt ungefähr 5000 Einwohner und gehört dem 
Sultan von Habbän. 

Don Tſaͤhir nad) Baydhä, einer Stadt in der Landſchaft Yale 
mit mehr denn 10,000 Einwohnern, beträgt die Entfernung 2 Tage: 
reifen. In allen Städten der Landſchaft Yäfi'a wohnen Juden. 

Dſchul eſch Schaych ift ein anfehnficher Ort von etwa 600 Ein- 
wohnern, welde dem Stamme El Ahmedy angehören. Er liegt am 
Fuße des öftlichen Abhanges des Dſchebel Hamraͤ. Der Stamm EI 
Ahmedy ift eine Abtheilung der Dfiyayby und bewohnt den Wäbiy 
und die angrenzenden Gebirge von Dſchul eſch Schaych jühlich von 
Sahun. Die nächte Umgebung des Drtes ift gut angebaut und 
liefert Weizen, Durra, Dochen, Seſam, Tabaf, Bohnen, Lupinen, 
Kürbis, Linfen, Bodingan, Zwiebeln, Knoblauch und Melonen, hier 
Hundſchil genannt. Außerdem wird auch noch Viehzucht getrieben, 
welche ſich auf Kameele, Eſel, Schaafe, Ziegen und ganz wenige 
Kühe beſchränkt. Das Coſtüm der Frauen iſt, was den Schnitt der 


Coftüme im Waͤdiy Mayfa'a. 171 


Kleider betrifft, mit dem im Waͤdiy Do’än volllommen gleich; der 
Kopfputz aber und die Farbe der Kleider ift wejentlich von demjelben 
verfhieden. Die Haare werden hier in Flechten getragen, von denen 
gewöhnlich zwei nach vorn und zwei nad) Hinten hängen. Ueber den 
Kopf hängen fie jedoch jo, daß das Geficht unbedeckt bleibt; ein blaues 
Net, welches, je nad) dem Reichthume des Familienvaters, entweder 
aus Seide oder Baumwolle verfertigt ift. Die Farbe der Ober- 
hemden ift rot). Im Uebrigen ift das Gelbfärben der Haut und das 
Bemalen des Gefihts auch hier Mode. Das Nothbeizen der Nägel 
an Händen und Füßen mit Henne, wie es in Aegypten und andern 
arabifchen Provinzen der Tall tft, fcheint Hier ganz unbelannt zu fein. 
Berheirathete Frauen bededen fih hier nicht allein das Geficht, fon- 
dern — menden auch den Männern den Rüden zu, wenn diefelben 
vorübergehen. Dagegen fieht man unverheivathete Srauenzimmer un- 
bededt einhergehen. 

Auch die Männer weichen hier in ihrer Kleidung etwas von den 
Beduinen anderer Gegenden ab. So fah ich unter Anberm Viele, 
welche weiße Zücher anftatt blaue um die Hüften trugen. Die Scheide 
ihrer Dichembiye (Dolche) hat eine ftärfere Krümmung und ift fo 
lang, daß die Spite beinahe die Höhe der Schulter 'erreicht, wäh- 
rend die, welche ich bisher ſah, nur zur halben Bruſt hinaufreichten. 

Des Nachmittags bat ich den Schayd) "Omar, mir zu meiner 
weitern Reife behülflich zu fein, wozu er fich auch fogleich bereit- 
willig zeigte. Jedoch behauptete er, nur bis Nagb el Hadſchar ver- 
antwortlich fein zu können. Im Fall ih alfo nach diefen Ruinen 
und wieder zurüdreifen wolle, würde er mir zur Bedeckung 4 Mann 
mitgeben, welche id) aber mit 8 Thalern zu bezahlen habe. Diefes 
Anerbieten fchlug ich aus. Denn da ich nur bis zu den Ruinen und 
zurüd garantirt war, alles dort Sehenswürbige aber von den eng- 
lichen Reifenden bereit8 genügend befchrieben wurde, fo hielt ich es 
. für unnüß, der Neugierde Zeit und Geld zu opfern, welde anders 
beffer benugt werden fonnten; verzichtete daher auf die Ercurfion nnd 
entſchloß mid, geraden Weges nad) Wädin el Hadſchar zurüdzufehren. 


172 Brunneneinrichtung. Verheerende Aneifen. 


Der Thermometer ftand am Morgen hei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, am Mittag 40°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ 
wind 25°. 

21. Juli. Am 21. Iuli, Nachmittags gegen "/,3 Uhr, ver- 
fießen wir Dſchul eh Schaych und fchlugen die Richtung nach den 
gegenüberliegenden Bergen ein. Unſere Gefellfchaft hatte fi um den 
Bruder des Schaychs Omaͤr, den Schaych "Alyy ihn "Abd-el-Manäh, 
und einen Bebuinen vermehrt, welche Gefchäfte halber nach dem Wädiy 
EI Hadſchar reiften. An der Grenze des bebauten Bodens hielten 
wir neben einem Brunnen.an, um die Kameele zu tränfen und bie 
Woafferfchläuche zu füllen. Der Brunnen war etwa 40 Fuß tief und 
lieferte vortreffliches Waffer, das auf eine ganz eigenthümliche Weife 
zu Tage gefördert wird. Man gräbt nämlich vom Brunnen ang 
eine fchiefe Ebene in die Erde, deren Länge der Tiefe des Brunnens 
gleichfommt. Weber den Brummen ift ein Geftell erbaut, an dem eine 
Rolle angebracht ift, über welche ein Seil läuft, an dem ein großer 
lederner Schlauch befeftigt wird. Ein Stod hält diefe Art Eimer 
offen. Am andern Ende des Seild wird ein Kameel angefpannt, 
welches, indem es die fehiefe Ebene hinabgeht, den Schlauch herauf- 
zieht. Diefe Manier, Waffer aus einem Brunnen zu ziehen, ift aud) 
in Yemen gebräuchlich. 

Nah Y, Stunde zogen wir weiter und bezogen bald die Region 
der wilden Geftrüppe, ohne jedoch einen gebahnten Weg zu verfolgen. 
Mehrere entlaubte Bäume, an denen Heine, bedeckte Erdgänge hinan- 
führten, deuteten die Gegenwart der Heinen, verwüftenden Arda 
(Termes fatalis Linn.) an. 

Un 143 Uhr deutete Hundegebell die Gegenwart von Menfchen 
an, und gleich darauf erblidten wir mehrere Beduinenfamilien, die 
mit ihren Heerden ihren Wohnfig unter Bäumen aufgefchlagen hatten. 
Alle drängten fich heran, um bem allverehrten "Abd el Manaͤh bie 
Hände zu Füffen, und von allen Seiten ergingen dringende Ein⸗ 
ladungen, unter ihren von der Natur gebauten Wohnungen auszu⸗ 
ruhen. Jedoch lehnte der Schaych Alles ab, da wir noch eine lange 


Waſſerſcheide zwiſchen Wadiy Mayfa'a und Habfchar. 173 


Strecke zurückzulegen hätten. Nach einer Stunde trafen wir aber- 
mals Beduinen, gleichfalls unter Bäumen wohnend und uns ein- 
ladend, Erfrifhungen bei ihnen einzunehmen. Diesmal wurde die 
Einladung angenommen und wir festen uns auf Matten außerhalb 
der Einzännung nieder, wo Kaffee, Milh, Datteln, Brod und Honig 
mit folcher Freigebigfeit aufgetragen wurden, daß es mir ſchien, die 
guten Leute hätten ihren ganzen Vorrath hervorgeholt, um ihre Gäfte 
würdig zu bewirthen. Sie Hagten dem Schaych, dak in der ver- 
floffenen Naht ein Banther im ihre Heerden eingebrochen und ihnen 
mehrere Ziegen erwürgt hätte, bevor fie hätten zu Hilfe kommen 
fönnen. Meine Trage, ob es viele Panther im Waͤdiy gäbe, bejahten 
fie, fetten aber Hinzu, daß Wölfe noch häufiger und bei weiten 
mehr zu fürchten wären. Ebenſo häufig ſei der Dirbun (Crocuta bes 
Strabo), welcher aber den Heerden nicht fo gefährlich fei. 

Nah 1 Stunde mahten wir uns wieder auf und bejtiegen nad) 
20 Minuten eine nur wenig über den Wädiy erhöhte, traurig nadte, 
felfige Ebene, welche fi) auf eine Strede von 3 Stunden ausdehnt 
und dann von hohen Sandbergen bedeckt wird, über welche die dun- 
fein Maſſen des öftlihen Gebirges ragen, welches die Wafferfcheide 
zwifchen den Waͤdiys Mayfa'a und CI Hadſchar bildet. 

Nach Y, Stunde trafen wir einen alten, im Umziehen begriffenen 
Bebuinen, der mit feiner zahlreichen Familie und einer bedeutenden 
Heerde fich foeben gelagert Hatte. Wir folgten feinem Beifpiele, und 
nach den üblihen Begrüßungen fchlachtete der Alte, der fid) als der 
zuerft Angekommene das Recht nicht nehmen laſſen wollte, ein Schaaf, 
welches nad) der bereits befchriebenen Methode gejchlachtet wurde. 

Neun Uhr Abends marſchirten wir weiter und erreichten um 
11 Uhr den Fuß der Sandberge. Ift das Beſteigen eines fteilen 
Berges ſchon ermüdend, fo ift diefes um fo mehr der Fall, wenn 
man es, wie hier, mit einem aus Flugſand beftehenden Berge zu 
thun hat, wo man mit jedem Schritt einen halben Schritt zurückweicht. 

Zum Tod ermüdet erreichten wir endlich nad) einer Stunde den 
Gipfel, ſetzten aber dennoch den Marſch, fortwährend im tiefen Sande 


174 Der Wäbiy Hadhenn. 


bergauf, bergab watend, fort. Nad einer Stunde verfagten uns die 
Glieder ihre Dienfte, und ein Ieder ſtreckte fi) ermattet auf das weiche 
Sandlager — um am. andern Morgen neugeftärkt den Reſt diefer 
troftlofen Gegend durchwandern zu können, die im falben Lichte des 
Mondes fi noch. meilenweit auszudehnen jchien. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 

Himmel 20°, um Mittag 40° und am Abend, bei ſchwachem Rord- 
weftwind, 25°. 
22. Juli. Am folgenden Morgen verließen wir ſchon um 
Y,4 Uhr unfer Lager und erreichten in 3 Stunden den öftlichen Ab- 
hang der Sandberge. In der fandigen, fpärlih mit Grasbüfcheln 
bewachjenen Ebene, welche diefe Sandanhäufungen vom Gebirge tremnt, 
zieht fich ein grüner Strih, der Wädiy Hadhena, in welchem wir 
uns um 7 Uhr unter einer Platane lagerten. Um 1 Uhr Nachmit- 
tags jegten wir die Reife, den Wädiy aufwärts verfolgend, fort, und 
famen um 20 Minuten nah 2 Uhr an eine Stelle, wo ſich derjelbe 
zu einer Schlucht gejtaltet. Hier hört der von einem bläulidhen, ſalz⸗ 
führenden Thone getragene Diluvialfandftein auf, und es beginnf ein 
Eonglommerat, in welchem die Gefteine des Hauptgebirges, als Granit, 
Spenit, Diorit, Grauwade und einige oolithifche Gebirgsarten, durch 
einen fehr feiten, eifenfchüffigen, wmergeligen Thon verbunden find, 
und in welchem fi der Wädiy Hadhena fein Bett gegraben hat. 
Kurz vor dem Eingange der Schlucht befinden fich rechts einige Sand- 
bügel, in denen der Sand bereits in einen lodern Sandftein umge: 
wandelt ift. Im ihnen ftehen theils abgeftorbene, theil8 noch grü- 
nende Bäume, welche Ießtern aber auch ſchon kümmerlich ihr Leben 
frifteten. Beim Anblick diefes im Entftehen begriffenen Sandfteins 
drang fi) mir die Frage anf: Werden diefe vom Sande eingefchloj- 
fenen Bäume von der filiciöfen Materie durchdrungen werben, umd 
erklärt fich mir hier, während ich die fehaffende Natur in ihrer Werk: 
ftatt belaufche, auf eine ganz einfache Art das Entftehen jener merk 
würdigen Anhäufungen foffilen Holzes, welche man in der Wüſte 
zwiſchen Kairo und Suez antrifft? 


Eine fromme Stiftung zur Saffeebereitung. 175 


Die Richtung des Weges, welche von Dihul eſch Schaych 
bis hierher Nordoſt, 10° Oſt gewefen var, wird nun Nord, 
20° Oſt. | 

Einige 100 Schritt innerhalb der Schlucht öffnet ſich rechts ein’ 
tiefes Thal, weldhes bis zur Höhe von einigen 100 Fuß mit 
Flugſand angefüllt ift. Der Weg führte um eine Stunde thalauf- 
wärts durch dichtes Mimofengebüfch bis zum Fuße des fteil abfal- 
fenden Abhanges eines Vorberges, der fih an den Hauptſtock an- 
lehnt und aus Grauwacke befteht. 

Kurz vor 4 Uhr Hatten wir diefes VBorgebirge erftiegen und 
lagerten in einem Hohlwege, unter einer Art Dach, welches durch 
zwei fich aneinander lehnende Felsblöcke gebildet wird. Unter dieſem 
Dache lagen in einem ledernen Beutel: Kaffeetöpfe, Taſſen, Mörſer, 
eine Pfanne zum Brennen der Kaffeebohnen und ſelbſt Kaffeebohnen, 
furz alle Geräthfchaften, deren man zur KRaffeebereitung bedarf; felbit 
ein vollftändiges Feuerzeug war nicht vergeffen. Wie man ſich denfen 
fann, wunderte ich mich nicht wenig, daß Gegenftände, nad) deren 
Befik der Beduine befonders Tüftern ift, Teine Mitnehmer fünden, 
und gab dem Schaych mein Erjtaunen darüber zu erfennen. ‘Der 
Schayd erklärte mir: daß Diefes eine fromme Stiftung ſei umd es 
daher Niemand wagen würde, diefe Sachen zu entwenden, indem ein 
folcher Diebftahl den, der ihn beginge, zum YBawwäg (Treulofen) 
jtempeln würde. 

Diefer zarte Gewiffensferupel ergötzte mich nicht wenig. Welch 
ein Volkd — Ohne fich ein Gewiffen daraus zu machen, bemächtigt 
es fich des Eigenthums eines Jeden, dem es ohne Schub auf der 
Zandftraße begegnet, und ermordet ihn fogar. Ohne Bedenken zu 
tragen, ob er die Gottheit erzitent, taucht er mit mörderifcher Hand 
den Stahl in die Bruft feines Freundes, Bruders, ja felbit feines 
Vaters! — Aber nad) einem Kaffeetopfe, zum Gebrauche eines Jeden 
auf die Landſtraße geftellt, wagt er die Hand nicht auszuftreden; 
denn fein Stamm würde ihn verbammen, wenn er den geheiligten 
Brauch der Väter mißachtet, und ausgeftoßen würde er, wie ein 


176 Mineralifcher Reichthum. 


Raubthier von Kluft zu Kluft gejagt, emdlich unter ben Streichen 
feiner Feinde verbluten. 

Etwa 10 Fuß über dem Hohlwege geht in der Grauwade ein 
5 Fuß mächtiges, quarziges, fehr reichhaltiges Eiſenerz (Eifenglan;) 
zu Tage, und fällt, wie die Schichten des Meuttergefteins, umter 
- einem Winkel von 47° nach Weiten ein. Ich zweifle nicht, daß in 
diefer Gegend ein ergiebiger Bergbau betrieben werden fünnte, be: 
fonders da alle Thäler diejes Gebirges reih an Brennholz find. 
Aber die Zeit ift noch weit entfernt, wo die rohen Bewohner des 
Landes die Wohlthaten der Civilifation genießen werden. Und jo 
wird denn wohl aud) diefes reiche Lager nod) Iahrhunderte der müt- 
terlihen Erde anvertraut bleiben, bevor der Hanmer des Bergmanns 
e8 ihr entreißt. 

Die Ausfiht, welche man von diefem Punkte aus genießt, ift 
prachtvoll. Tief unten im Wädiy Hadhena ein Chaos marmorner 
Telsblöde mit Bäumen und Geftrüppe durchwachſen. Rechts gegen: 
über der hohe, von dunfeln Schluchten zerriffene Dichebel Acfun. 
Links zieht fih der Bergrüden des Dſchebel Matny nad) Süden, 
und in der Richtung unferes Wegs endlich ftrebt in fteilen Abhängen 
der Dichebel Alqa empor, deffen Gipfel das Ziel unferer Tagereife 
fein follte. 

Neugeftärkt ftiegen wir 25 Uhr über loſes Gerölle den fteilen 
Pfad Hinan und erreichten nad einer Stunde mühfamen Kletterns den 
Sipfel des Dſchebels Alqa. Auch hier war eine mit Schieglöchern 
verjehene Bruſtwehr aus lofen Steinen aufgeführt, welche den "Agaba 
(d. i. den Aufftieg) beherrfcht und, wie ſchon bei den Ruinen von 
Obne bemerkt worden, den Zwed hat, im Falle eines Kriegs diefen 
Uebergang zu vertheidigen oder auch gelegentlich Reifende zu brand⸗ 
fhagen. Oben ſenkt fih das Gebirge nad) Nordweften und bildet 
eine Keffelvertiefung, welche fi als Wädiy Soggayme nad) Norden 
öffnet. Wir ftiegen in den Wädiy hinab und lagerten unter einigen 
Mimofen, am Fuße eines Hügels, auf dem vier Cifternen einge: 
hauen find. 





Gefchieklichkeit des Kameels. 177 


Die Formation des Gebirges ändert fich von dem Bunfte aus, 
wo das Lager zu Tage fteht. Die Grauwade verſchwindet nämlich 
unter dem Lias-Sandfteine, auf welchem dann weiter oben der 
Oolithen-Kalkſtein liegt. Nach meiner ungefähren Schägung fteigt der 
Dichebel "Alga 3500 Fuß, Dſchebel Arfun 4000 Fuß und der Dfchebel 
Matny und "Argime jeder 3000 Fuß über den Meeresspiegel empor. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Nordweftwinde 45°, am 
Abend 18°. 

23. Juli. Am. folgenden Morgen um 5 Uhr begannen wir 
den öjtlichen Abhang des Gebirges hinabzufteigen. Am Ausgange der 
Schlucht, aus welcher der Waͤdiy Hervortritt, ſchneidet er fich plößlich 
al8 eine enge und fehr tiefe Kluft ein, längs der ein ſchmaler Pfad 
den Schlangenwindungen folgt, welche fie befchreibt. 

Einige funfzig Stellen kamen vor, welche mid) an den Pfad er- 
innerten, auf dem ich den Waͤdiy Eich Schagg niederftieg. Uebrigens 
ift das Gebirge reid) an romantischen Partieen, welche den NReifenden 
einigermaßen für die Mühen und Gefahren fehadlos Halten. Gegen 
6 Uhr hörte die Oolithenbildung auf und die Grauwacke, häufig mit 
Grauwackenſchiefer wechjellagernd, trat wieder hervor. Etwas nach 
10 Uhr ftiegen wir wieder in den Wädin hinab, welcher bereits cine 
Breite von 100 Fuß erlangt und der hier von ftraffen Wänden des 


Jura⸗Dolomit-Kalks begrenzt wird. Große Blöcke füllen das Thal 


oft dergeftalt, dag man fie bis zu einer Höhe von 60 Fuß fürmlidh 
überflettern muß, wobei die dornigen Mimofen und Nebek, welche 
zwifchen diefen Trümmern hervorwachſen, Geſicht, Hände und Kleider 
arg mitnehmen. Hier hatte ich wieder Gelegenheit, die Sicherheit 
zu bewundern, mit der die Kameele fih auf dieſem Zerrain be- 
wegen, welches kaum für Menſchen gangbar war. 

Mit der größten Vorficht festen fie Fuß vor Fuß auf die oft 
rſehr hohen Felsblöcke und thaten keinen Schritt, ehe ſie nicht gewiß 
waren, ihn mit Sicherheit thun zu können. Bis 11 Uhr blieb der 
Weg im Waͤdiy und führte dann eine Anhöhe Brackenſchuttlandes 

U, v. Wrede's Reife in Habhramant. 12 


178 Dorf Kodayre, 


binan, welche als unterjte Stufe bes Gebirges ſich fanft nah dem 
Wädiy el Hadſchar abdacht, deſſen üppige Fluren ſich jett zu unſern 
Füßen ausbreiteten. Gerade vor uns, faſt in der Mitte des Thals 
und am rechten Ufer des Fluſſes, lag Er Codayre, ein anſehnliches, 
von Thürmen flanfirtes Dorf von etwa 300 Einwohnern, welche den 
Stämmen Bü Häfir und Baͤ Caura, Abtheilungen des Stammes 
Beny Nuh, angehören. 

Auf der andern Seite des Dorfes öffnet ſich der Waͤdiy Scharad, 
aus weldhem ein ftarfer Bach hervorbricht, der in feiner Jahreszeit 
verfiegt. 

Im Nordweiten des Dorfes verengt ſich der Wädiy el Hadſchar 
zu einer engen Schlucht, welche fich bis zum Fuße des Dichebel 
Bi Dſchanaf Hinaufzieht und den Hauptfluffe das Rinnfal giebt. 
In einer halben Stunde erreichten wir das ‘Dorf, wo wir bei einem 
Freunde Schayh Sfalym’s Einkehr nahmen. Es gehört jcht dem 
Sultan von Habbän, welcher die Wachtthürme mit Beduinen des 
Stammes Hawalyf aus der Gegend von Nisäb befegt hält. Diele 
Leute wußten bereits die Entthronung ihres Herrn umd waren auf 
den Ausgang gefpannt, wollten aber von einer Llebergabe Codayre's 
an den neuen Sultan nichts hören. 

Die Stämme Bä Häfir und Bä Caura bewohnen den Wädiy 
el Hadſchar von feinem Entftehungspimfte bis zum Ausfluffe bes 
Wädiy Scharad und diefen in feiner ganzen Ausdehnung. Die Ge- 
birge zwifchen den Dichebel Bü Dſchanaf und Matny werden von 
einer andern Abtheilung der Beny Nuh, nämlid) von dem Stamme 
Baͤ Maur bewohnt. 

Trotzdem, daß wir bereits 7 Stunden eines befchwerlichen Weges 
zurüdgelegt ‚hatten, entfchlofjen wir uns, nod bis Hien ben Dighäl 
zu gehen. Schayd) "Alyy “Abd el Manäh blieb zurüd. ‘Dagegen 
fanden wir eine andere Reifegejellfchaft in fünf Beduinen des Stam- 
mes Bü Schogayr, und Freunde meines Schaychs. Da diefelben 
noch Geſchäfte abzumachen Hatten, fo Tamen wir überein, daß 
wir vorausgehen follten; fie felber wollten Y, Stunde fpäter auf: 


Der fruchtbare Wadiy Hadſchar. 179 


brechen und uns dann einholen. Um %, vor 2 Uhr verließen wir 
Er Eodayre ımd verfolgten thalabwärts die Richtung Oft, 10° Süd. 
Dem angebauten Boden, der fi) "/, Stunde vom Orte erftredt, 
folgte eine dichte Waldung von Platanen, Sykomoren, Arda, Mi⸗ 
mojen und Nebek, unter der ein Pflanzenteppich den fetten, mergelig- 
thonigen Boden bededt. 

Um 20 Minuten nad) 3 Uhr lag uns rechts am nahen Gebirge 
Dim Ba Sfolayman ein Kleines Dörfchen mit einem Wachtthurm. 
Seid) darauf durchwateten wir den Fluß, der hier etwa 30 Fuß 
Breite md 2 Fuß Tiefe Hält. Mit tropifcher Fülle breiten hier 
Plotanen ımd Area ihre dichthelaubten Kronen und verſchlingen ſich 
über dem Fluß zu einem undtrchdringlichen Laubdach, in deſſen 
Schatten Tauſende von Heinen, filberglänzenden Fiſchchen in der Haren 
Fluth des jpiegelhellen Waſſers ihr munteres Wefen treiben. Nur 
wer je durch troftlos nadte Sandwüften oder über Tahle Gebirgs- 
rüden unter den ſenkrecht herabfchießenden Strahlen der tropifchen 
Sonne gemandert tft, Tann begreifen, mit welcher Freude, ja mit 
welchem Entzücken ich diefen Fluß und diefe Vegetationsfülle und die 
grüne Dede betrachtete, welche fi) über den Fluß wölbt. 

Schaych Sfalym ſah mid ganz eritaunt an, als ich ihm den 
Vorſchlag machte, an diefer Stelle zu übernachten, und wahrſcheinlich 
mochte er glauben, daß mir es im Gehirn nicht ganz richtig fei; 
denn er antwortete keine Silbe, fchüttelte mehreremale den Kopf 
und trieb das Kameel zum rafchern Gehen an, wobei er folgende 
Strophen fang, deren Inhalt feine Gedanken über den Franken Zu⸗ 
jtand meines Kopfes ausfprad. Cr fang nämlid: 

„Geh' raſch, mein Kameel! Geh’ raſch! Nicht jeder Kopf ift 
heute gefund! Nicht jeder! Die Sonne hat heiß gefchienen in unfern 
Bergen und der Sand hat die Augen geblendet, der heiße Sand! 
Nicht jeder Kopf ift Heute geſund, mein Kameel! Geh’ raſch! Geh’ 
rasch!” 

Ich lachte laut auf und fragte: ob es denn nicht vorzuziehen 
jei, an einem jo fchönen Drte zu fchlafen, anftatt fih im einer 

12* 


180 Das Geiſterthal. Wäbiy Haſſy. 


dumpfen Stube einzufchließen. Er erwiederte hierauf: „ob ich demn 
nicht wiffe, daß eine unzählige Menge von Dſchinny und Ghul (böfe 
Geifter) an folden Orten des Nachts ihr Weſen trieben und id 
glaube, daß er jo ein Narr wäre, fih den Mißhandlungen derfelben 
auszufegen?“ — Gegen ſolch ein Argument war natürlich Nichts 
einzuwenden, und im Grunde konnte er auch Recht haben, werm er 
unter den Mißhandlungen der Geifter das Fieber verftand, welches 
in diefem Thale jehr häufig und bösartig ift, und das man am leich⸗ 
teften in der unmittelbaren Nähe - eines Fluſfes befommen kann, der 
von einer jo üppigen DBegetation umgeben ift. 

Jenſeits des Fluſſes windet ſich der Weg noch eine kurze Strede 
duch das Didicht und führt dann etwas bergan auf eine bürre, fie 
fige Ebene, welche hier und da mit verfrüppelten Mimoſen und ein- 
zelnen Gruppen Aloe (Aloe spicata) umbherftehen. Diefe Ebene 
befteht aus Süßwafferdiluvien, und der Sandftein derfelben ſchließt 
viele Berfteinerungen ein, welche aber, wie das Geftein felbit, jehr 
verwittert find. Er liegt einem rötblihebraunen mergeligen Thone auf. 
| Um 4 Uhr kamen wir an eine Stelle, von der aus man rechte 

am Abhange des Gebirges ein Heines Dorf nebſt Wachtthurm Tiegen 
fieht, weldes den Namen Diem ben Dommän führt. Der Wädiy 
macht hier eine Wendung nach Nordoften, welche aber ſchon nad 
Y, Stunde um 10° öftlicher wird. Rechts am Gebirge zeichnet fi 
eine Schlucht durch ihr frifches Grün aus, in weldem das kleine 
Dörfchen Ayn beny Mo'yin fchimmert. 

Um 5 Uhr überſchritten wir den mit dichtem Geftrüpp bededten 
Wädiy Haffy, welcher links aus einer Schlucht der nadten Kreide- 
hügel hervortritt und die Ebene bis zum Fluſſe grabenartig durch⸗ 
zieht. Der Fluß iſt zur Rechten durch die Gebüfche ‚feiner Ufer 
fihtbar, welche gleich einem grünen Bande die trodene Ebene durch— 
Ichlängeln. 

Kaum Hatten wir den Wädiy Haffy überfchritten, fo wurden 
wir von derfelben Bande angefallen, welche uns noch von Sfagguma 
aus in friihem Andenken war. 


Neuer Kampf mit Steinwürfen. 181 


Mit lauten Gefchrei ftürzte fie, den Alten an der Spike, aus 
dem Didicht des Wädiy auf die Ebene. Schaych Sfalym empfing 
fie mit Steinwürfen und fagte mir fchnell, mic) in Nichts zu mifchen, 
bi8 er mich dazu auffordern würde, und das Kameel anzutreiben. 
Obgleich er die Steine mit außerordentlicher Geſchicklichkeit fchleuderte, 
fo hielt fie das doch nicht ab, ihm auf den Leib zu kommen. Auch 
diesmal dachte Niemand daran, mich zu beumruhigen, dahingegen 
waren Lanzen, Dichembiye und Keulen gegen den Schaydh erhoben, 
der auch feine Dſchembiye gezogen Hatte und, rückwärts gehend, damit 
hin⸗ und herfuhr, ohne jedody einen feiner nachdrängenden Gegner zu 
verwunden, welche auch keinen Gebrauch von ihren Waffen, wohl 
aber einen deito heifern von ihren Zungen machten. Voller Erwar- 
tung und ftaunend ſah ic) der Scene zu und hatte große Luft, mit 
meinem eifenbefchlagenen Nebut ernftlich darein zu fchlagen; denn es 
fam mir im höchften Grade lächerlich vor, fo fchreiend, Tärmend, 
Dolche zudend, rückwärts zu gehen und nachzudrängen, ohne fich die 
Haut zu rigen, da doc die Sache auf die eine oder die andere Art 
ein Ende nehmen mußte. 

Etwa eine Minute mochte der Auftritt gedauert haben, als er 
einen jehr ernften Charakter annahın. Schaych Sfalym konnte nämlich, 
da er gegen die Räuber Front gemacht hatte, den Weg überjehen, den 
wir zurückgelegt hatten, und erblicte die fünf Beduinen, welche uns 
einzuholen verjprochen hatten und die jett im vollen Laufe herbeieilten. 
Jetzt fehrie er mir zu: „Abd el Hub! Schlag nieder die Hunde!‘ und 
jtieß in demfelben Augenblid den alten Anführer nieder. "Ic war 
mit dem Rameel etwa 20 Schritt entfernt und eilte auf feinen Ruf 
fogleich herbei, Hatte aber Taum einige Schritte gethan, als zwei 
Schüfje fielen, welche zwei der Räuber todt niederftredten. “Die 
Uebrigen hielten es nicht für rathſam, die Beduinen zu erwarten, 
und verſchwanden hinter dem Gebüſch. Unſere Bebuinen hatten dies 
erwartet und daher zwei der Ahrigen in das Didicht des Waͤdiy 
Haffy gefandt, die auch einen der Flüchtlinge fingen und brachten. 
Diefem wurden die Hände auf den Rüden gebunden und dann an den 





182 Der Kriegsgefangene. 


Schweif des Kameels befeftigt. Keiner der Unfrigen ließ es fi ein- 
fallen, die Gefallenen zu begraben, wohl aber ſetzten fie fih in den 
Beſitz ihrer Kleidungsftücde und Waffen. 

Während dem Marjche wurde mit dem Gefangenen ein fürm- 
liches Verhör angeitellt, und wir erfuhren num, wer fie waren und 
warum fie fo erpicht auf uns gewejen. Sie gehörten dem Stamme 
der Beny Oldſchyy an, welcher jenſeits des Dſchebel Hamrä längs 
der Küfte wohnt, und ftanden in dem Wahn, es habe der Schaych 
mit meiner Hülfe die Schäße gehoben, welche der Sage nad in den 
Nuinen von Dim el Obne vergraben liegen. 

Auf meine Trage, warum fie uns denn hier und nicht im Dichebel - 
Alqa angegriffen hätten, gab er mir die Antwort, daß die Furcht 
vor dem alten Schaych, "Alyy ibn "Abd el Manäh, fie davon abge- 
halten habe. Man fagte ihm damı, daß Schaydh Sfalym ebenfalls 
ein "Abd el Dianäh fei, worauf er den Schahch jehr reuig um Ber- 
zeihung bat und feine Hand zu küffen wünjchte, welche ihm denn aud) 
mit vieler Würde dargereicht wurde. 

Schaych Sfalym erklärte ihm hierauf, daß er Rabiet fei und 
als folcher behandelt werden würde. Rabiet heißt nämlich derjenige, 
welcher auf einem Raubzuge oder im Kriege zum Gefangenen gemadt 
wird, und gehört ‚nicht dem Stamme, fondern dem Beduinen, der 
ihn gefangen hat und der dann Rabbät genannt wird. Sie be- 
halten ihn fo lange, bis er das Röfegeld bezahlt bat; von dem Augen: 
blide an, wo Jemand gefangen worden ift, Tann er das Hecht des 
Dachahl (das Recht des Schuges) nicht mehr beanspruchen, wie es 
im nördlichen Arabien der Fall ift. 

Zwanzig Minuten von dem Wädin Haſſy kamen wir an einem 
Wartthurm vorüber, welcher hart am linken Ufer des Fluffes Liegt 
und zum Schutze eines Wehres erbaut ift, welches bier das Waffer 
taucht und in Kanäle drängt, die das im untern Theile des Wädiy 
längs dem Gebirge, alfo höher liegende Terrain bewäſſern. 

Um 6 Uhr erreichten wir das Ende der unfruchtbaren Ebene 
und traten in einen dichten Dattelpalmenwald, in dem wir Y/, Stunde 


Rückkehr nah Hicn ben Dighäl. 183 


jpäter einen Wachtthurm zur echten des Weges liegen ließen, in 
welchem einige Beduinen zur Bewachung der Anlagen wohnen. 

Bon hier aus liegt das Dorf Mafyyat el Däyime zur Rechten, 
Dim eg Cobaͤyh zur Linken des Waͤdiy. Wir näherten uns num der 
linken oder nördlichen Seite des Thale, verließen 20 Minuten nad) 
6 Uhr den Palmenwald und ftiegen am äußerften Ende eines niedern, 
ſchmalen Gebirgevorfprunges zum Dorfe EI Hoda hinan. 

Die Hänfer diefes Dorfes find nicht fo groß und gut gebaut, 
wie die der andern Drte des Wädiy, und liegen zerftreut umher. 
Die Einwohner, etwa 200 an der Zahl, gehören dem Stamme Bä 
Schogayr an. Bei unferm Durchzuge hatten wir Alt und Jung auf 
den Ferfen, welche mid) und den Gefangenen begafften. Jedoch war 
ih, als ein fremdartiges Gefchöpf, ganz vorzüglich der Gegenftand 
ihrer Neugier, und befonders war die Dorfjugend fo zudringlich, daf 
ich froh war, als wir anf der andern Seite des Dorfes in den 
Wädiy Carhyr Hinabitiegen. — Diefer Wädiy führt dem Fluſſe des 
Wädiy EI Hadſchar einen ftarken, nie verfiegenden Bach zu. — Jen⸗ 
feits diefes Baches führt der Weg wieder unter Palmen fort, am 
Schloßberge von Hien el Dähime und den Mündungen der Wäpdiy 
Es Cafrä und QOinnyne vorüber. Nah Yz8 Uhr Tangten wir wieder 
vor dem Haufe des Schayh Ba Raff in Hien ben Dighäl an. 

Der Abend verging unter allerlei Gefprähen und Mitteilungen 
des Shayh Ba Raͤſſ, welde von großem Imtereffe waren. Ic) 
erzählte unfere Reifenbenteuer, verfchwieg aber den Vorfall im Wädiy 
Araͤr, da Schayh Sfalym durch fein fpäteres Betragen den Ein- 
druck verwifcht, den er damals auf mich gemacht hatte. Ich frug 
‚ meinen Wirth nah der Entfernung Märibs und nach dem Wege, 
welcher dahin führt, da ich fpäter denfelben zu reifen gejonnen war. 
Er fagte mir, der Weg führe über Habbän, VYſchybum u. f. w. und 
daß die Entfernung 11 Tagereiſen bis Märib betrage; bis Dabbän, 
wie er mir angab, 6 Tagereiſen. 

Der Wädiy EI Hadſchar, den ich jegt, fo weit er bewohnt ift, 
gejehen habe, hat, von Eg Eodayre an gerechnet, bis Dſchul Bä 


184 Ungefunbheit des Wäbiy Hadſchar. 


Yaghuth eine Länge von 6 Stunden und feine größte Breite 2 Stunden. 
Mit Ausnahme von Er Godayre, welches dem Sultan von Habban 
gehört, fteht er unter der Herrichaft des Beduinenſtammes Ba Scho- 
gayr, welcher von den Dörfern, die von Perfonen bewohnt werden, 
welche nicht zu dem Stanıme gehören, jehr ftarke, oft ganz willfür- 
ih erhöhte Abgaben erpreßt. Verweigert eines diefer Dörfer die 
Bezahlung der Abgaben, fo wenden die Beduinen nie offene Gewalt 
an, fondern fchneiden die Verbindung mit dem Fluſſe ab, wodurd 
denn, da feines derjelben Brunnen oder Eifternen hat, die Einwohner 
gezwungen werden, die Beduinen zu befriedigen. Diefer Wädiy ift 
der ungeſundeſte oder vielmehr der einzig ungejunde des ganzen Landes, 
und Krankheiten, wie Fieber, Ruhr, Boden, Ausfag, find jehr 
häufig. Ebenſo fah ich Piele, welche an dem oben bejchriebenen 
Demengefhwir und Guinea-Wurm (Ferentit; Groordius-Vena me- 
dinensis) litten. Die Urfache diefer Krankheiten Liegt in dem Fluſſe, 
befonders aber in der in Anwendung gebraten Bewäfferungsmethode. 
Wie ſchon erwähnt, ift der Lauf des Fluſſes mehreremal durch Wehre 
gehemmt, wodurd das Waſſer immer zwifchen zweien derjelben ftagnirt. 
Da nun die Ufer ſtark mit Bäumen bejegt find, fo fallen eine Menge 
Blätter u. f. w. hinein, die natürlich im ftehenden Waffer in Fäulniß 
übergehen und jchädliche Dünfte im Thale verbreiten. 

Sn feinem Theile des von mir befuchten Arabien ſah ich fo 
viele Sternfhnuppen, wie in diefem Thale. Diefes hat wahr: 
fcheinlich feinen Grund in den Dünften, welche ſich fortwährend aus 
dem Bette des Fluſſes entwideln. Ebenſo erklären fich auch die übel- 
riehenden Nebel, welde jeden Tag bis gegen 10 Uhr Morgens fo 
dicht über dem Thale liegen, daß man auf 10 Schritt Weite einen 
Gegenftand kaum unterfcheiden Tann. 

Die Hauptproducte des Wädiy find Datteln und Tabak. Außer—⸗ 
dem werden noch, jedod in geringer Duantität, Weizen, ‘Durra, 
Bohnen, Baumwolle, Linfen, Dochen, Sefam und Lupinen gebaut. 
Cocospalmen ſah ich Feine, dagegen Tamarhinden-, Amba=- oder 
Mango-, Arda-, Eitronen- und Bananenbäume. Da ich mid nicht 


Stämmeverfammlung. 185 


aufhalten wollte, fo bat ich meinen Wirth, mir für den folgenden 
Tag einen Führer nad) dem Wädiy Do’än zu verfchaffen, welches er 
mir verfprad. Er erzählte mir, daR zwijchen den vereinigten Stänt- 
men Bä Mardagha und Chämiye und den Stämmen Bü Schaybe 
und Ba Kaſchwyn Teindfeligfeiten ausgebrochen wären, und daß 
in einigen Tagen eine Dabayl Bakry (Verſammlung der Stämme) 
der beiden Ießtgenannten Stämme im Wäbiy Hafar ftattfinden würde, 
um über Srieg und Frieden zu bervathen. Viele, jest hier zum 
Dattelmarfte anwefende, neutrale Beduinen würden über ben 
Wädin Hafar ziehen und dort verweilen, bis die Berathungen be- 
endigt feien; ich müſſe daher zufrieden fein, diefen Umweg zu machen. 
Was der Schayd) als für mic unbequem hielt, kam mir gerade er- 
wünjcht; denn erftens brauchte ich nicht denfelben Weg zurückzumachen, 
auf welchen ich gefommen war, und zweitens erwartete mid) das 
höchft intereffante Schaufpiel einer Dabayl Bakry (Stammverfamm- 
fung), bei welcher Krieg und Frieden befchloffen werben jollte. 

Das Thermometer ftand jet am Morgen bei heiterm Himmel 
und Windftille 15°, am Mittag bei Nordiweitwind 36°, am Abend 25°. 


Schstes Kapitel. 
Stämmeverfommlung im Wädiy Hafar. 





Abreife von Hin ben Dighäl. — Ankunft in Hoda. — Meine gefährliche Log 
daſelbſt. — Lager am Wädiy Haffy. — Nachtlager am Wädiy Mintät. — Rad 
lager am Wädig Hafar. — Eine intereffante Scene. — Aufbruch. — Be 
lagerer. — Metelle. — Wädiy Rhayde ed Dyn. — Deld‘. — Kaybäm. — 

Chomwayre. — Naditlager am Wädiy Maghära. — Ankunft in Choraybe. 


24. Juli. Am 24. Juli übergab mid) Schayd) Ba Räff einem 
Beduinen, Namens Bü Omm Sſaduſſ, einer Abtheilung des Stammes 
Ed Dayin. 

Nachmittags holte mic derfelbe nah EI Hoda ab, mo er mit 
mehrern Beduinen feines Stammes lagerte. 

Auf. dem Rüden des Gebirgsvorfprunges, an deſſen äußerſter 
Spike der Ort liegt, machten wir neben einem Dattelhaufen Halt, 
wo mir mein Dadayl unter Gottes freiem Himmel einen Platz an 
wies, auf welchem ich von den breimmenden Somnenftrahlen gebraten 
und fat vom Staube erftidt wurde, den die umherwogende Menge 
verurſachte. Denn hier lagerten mehr denn 3000 Kameele mit igren 
Führern, welche aus allen Gegenden des Hadhramaut herbeigezogen 
waren, um die Producte ihrer Thäler gegen Datteln einzutauſchen. 

Eine BViertelftunde ungefähr war feit meiner Ankunft vergangen, 
als fich plößlich das Gerücht verbreitete, ich fei ein Chriſt und de 
renghy (Europäer) aus “Aden. In einem Augenblide ware 


Beichimpfung und Mißhandlung des Keifenden. 187 


Hunderte von wilden, drohenden Geſtalten um mich verjammelt, welche 
ihren Ehriftenhaß gegen mic, austobten. Man ftieß mich mit Füßen, 
man pie auf mich herab, Staub und Steine wurden auf mid, als 
einen Kaͤfir (Ungläubigen), geworfen; kurz ein Jeder beeiferte fich, es 
dem Andern im Mißhandeln zuvor zu thun. Der ganze Haufe fchrie 
wie bejefjen, Zwanzig auf einntal fragten mich, wer ich fei, woher 
ich käme, wohin ich ginge, während Andere mic, aufforderten, die 
mohammedanifche Slaubensformel zu ſprechen. Dagegen ſchrieen meine 
Beduinen aus Leibesfräften: „Ich fei ein Moslim aus Aegypten, ich 
verrichte die fünf Gebete”, — und ließen e8 weder an Bitten, nod) 
an Drohungen fehlen, um die aufgeregten Gemüther zu bejänftigen. 
Jedoch alfe ihre Bemühungen blieben fruchtlos, fie wurden nur aus- 
geladht, worauf mich diefe einzigen Beſchützer meinen Schidfale über- 
fießen. — Kaum Hatten fie den Rüden gewandt, als ſich auch der 
Kreis, den man um mich gefchloffen Hatte, immer enger zufammen- 
zog und mir ärger denn zuvor wmitgefpielt wurde. Der Eine ftieß 
den Andern auf mid), und ich erfticte faft im Staube, den diejer Auf- 
lauf erregte. Endlih bradten fie einen Verrädten herbei, deſſen 
Hände an eine Furze eiferne Stange gefchloffen waren. Als man ihm 
gefagt Hatte, ich fei ein Käfie, warf er fi mit einem det Wahn- 
finnigen eigenen Schrei auf mid, riß mir den Zurban herab und 
fragte mid) an Hals und Kopf, während die Umftehenden in fchal- 
lendes Gelächter ausbrachen. Obgleich ich mir vorgenommen hatte, 
‚dem Zwede meiner Reife zulieb, jo geduldig als möglich zu fein, 
fo überftieg doch, was ich hier erduldete, die Grenzen von alle dem, 
was ich felbft inmitten diefer wilden, fanatiihen Horden befürchten 
zu dürfen je gedacht Hatte. Beim Angriffe diefes Menſchen verlieh 
mich der legte Neft der Geduld. — Außer mir vor Wuth fprang 
id) auf, warf mit aller mir zu Gebote ftehenden Kraft den rafenden 
Menjchen zurüd und zog meine Dichembiye, feſt entfchloffen, mein 
Leben fo theuer als möglich zu verkaufen; denn, wie man denken 
kann, hielt ih mic) für verloren. 

Bei dein Anblid der von mir angenommenen drohenden Stellung 











188 Berhör des Reifenden. 


erhob ſich von allen Seiten ein wüthendes Geſchrei, aus dem ich bie 
Ausrufungen: „Der Käfir hat feine Dfchembige gezogen! Schlagt 
den Hund nieder! Steinigt ihn! Schlagt ihn!‘ verftehen Konnte. 
Bertraut mit gewaltfamen Scenen und raſch zur blutigen That, grüf 
der fanatifche Haufe zu Steinen, um mid) den Tod des heiligen 
Stephan fterben zu Taffen, und Einige drangen mit gezogener Dichem- 
bige auf mich ein. 

In diefem kritiſchen Momente erjchien der Schaych von EI Hoda 
mit meinen Bedninen, welche ihn aufgefordert hatten, mir zu Hülfe 
zu fommen. Man machte ihm chrerbietig Pla und dem rafenben 
Wuthgefchrei folgte tiefe Stille. Nady den gewöhnlichen Begrüßungen 
ſetzte der Schaych ſich mir zur Seite und begann ein Verhör, welches 
ich wörtlich hierherjegen will. 

Der Schaydh: Wer bift Du? 

Antwort: Ein Aegypter. - 

Der Schaych: Dur haft aber nicht das Anfehen eines Arabers! 
Wer war Dein Bater? 

Antwort: Ein Maghreby (Bewohner des Weftens). 

Der Schaydh: Und Deine Mutter? 

Antwort: War ebenfalls aus diefer Gegend. 

Der Schaydh: Wie heißt Du? 

Antwort: "Abd el Hub. 

Der Shayh: Was macht Du hier im Lande? 

Antwort: Ich wallfahrte nah Dabr Hud, zufolge eines Nedfr 
(Gelübde) zur Siyara (Wallfahrtfeft). 

Der Shayd: Biſt Du ein Moslim? 

Antwort: EL hamdullah! (Gott ſei Dank!) 

Der Schayd) forderte mich dann auf, Glaubensformel und Faͤ⸗ 
tiha herzufagen, an deren Schluffe die aus wenigſtens 100 Mann 
tief umgebende Menſchenmaſſe das „Amen“ laut wiederholte. 

Hierauf unterfuchte der Schaych meine Arme, Hände, Beine 
und Füße, und verlangte endlich, daß ich die Arme fo weit als mög⸗ 
ich über den Kopf legen follte. Hiermit war die Unterfuchung 


Körperliche Kennzeichen des Unglaubens, 189 


beendigt und der Schahch theilte dem Volke das Reſultat derjelben 
in folgenden Worten mit: „Ya halq Allah! (Ihr Volk oder Menge 
Gottes!) rief er aus, „diefer Dann ift ein Moslim, denn er hat 
Glaubensformel und Fätiha gejagt; dann ift er ein Aegypter, welche 
alle gute Moslims find; ferner fommt er aus dem Haufe des Schaych 
"Abd Allah ba Sfudän, defien Wohnung fein Aufenthalt für Uns 
gläubige ift; auch Hat er feine Zeichen auf feinen Gliedern, wie fie 
die Ungläubigen zu haben pflegen; und endlich kann er, wie wir, die 
Arme über den Kopf zuſammenlegen, weldes die Ferenghy nicht 
können.“ Hiernächft forderte er die Leute auf, mih in Ruhe zu 
laſſen, da fie fonjt eine fehwere Sünde auf ſich laden würden. — 
Wie man fieht, hatte der gute Mann feine Logik inne unb war be- 
fonders in der Naturgefchichte der Europäer bewandert, die cr auf 
den erjten Blick zu erfennen meinte. Weber die Arme der Franken 
herrſcht hier die fonderbare Meinung, fie feien jo furz, daß die Hände 
den Mund nicht erreichen könnten, weshalb fie Speifen mit Hülfe 
der Löffel und Gabeln genöffen. Nachdem die Gelehrfamfeit des 
Alten vermitteljt jo ſchlagender Beweiſe meine Dualität als Moslim 
dargethan, und mich aus einer fo drohenden Gefahr errettet hatte, 
veränderte fi) das Benehmen der Leute gegen mid. So gefährlich 
mir vorher ihr Fanatismus gewefen war, fo beläftigend wurde er 
mir jeßt, indem Jeder das mir zugefügte Unrecht durch Freundſchafts⸗ 
bezeigungen wieder gut machen wollte. Alles drängte fich heran, mir 
die Hand zu reichen, ja Viele Fühten fie mir. Ich verlangte Waffer, 
und gleich Tiefen Einige fort, um mir folches zu bringen; Milch, 
Datteln, Brod wurden mir gebracht, furz, man that alles Mögliche, 
mich die erduldete Mißhandlung vergeffen zu machen. — Aus diefem 
Borfalle kann man abnehmen, wie gefährlich es für einen Chriften, 
jelbft unter der Maske des Isläms ift, diefe Gegenden zu bereifen, 
und daß es unvermeidliches Verderben nad ſich ziehen würde, als 
Chrift aufzutreten. 

Eine halbe Stunde nach diefem Auftritte beluden die Beduinen 
ihre Kameele, und bald darauf befanden wir uns auf dem Wege, den 


190 Amulet gegen Ameifenverheerung. 


ich amt vorigen Tage herwärts verfolgt hatte. Bei dem Wachtthunrme, 
deffen ich ſchon früher als hart am linken Ufer des Fluſſes gelegen, 
erwähnt habe, wurde mein Führer von den dort Wache haftende 
Beduinen gebeten, mit mir heraufzufommen, um einen Kaffee zu 
trinten. Da ich begierig war, das Innere diefes Thurmes zu fehen, 
willigte ic) ein. Auf einer Leiter ftiegen wir zu einer Heinen Ihür 
hinein, welche ungefähr 8 Fuß über dem Boden angebracht ift, umd 
traten in einen Raum, der das ganze Innere der untern Etage cin- 
nimmt. Längs der Mauer führte uns eine Treppe in bie ober 
tage, die in mehrere kleine Kammern abgetheilt if. Das dritte 
Stockwerk hatte diefelbe Einrichtung, fo auch das vierte, wo ums die 
Beduinen in ein langes, fchmales Zimmer führten, welches durd 
4 eine enfteröffnungen erhellt wird und an deffen Wänden einige 
30 Gewehre hingen. Nachdem wir Kaffee zu uns genommen und 
einige Dutend Tragen beantwortet hatten, Tlagten fie mir, daß das 
fleine Inſect EI Arda fchredliche Verwüſtungen in ihren Vorräthen 
anrichte, und baten mic, ihnen gegen diefe Unholde ein Amulet zu 
Schreiben. Ich fagte ihnen aber, daß es mir leid thäte, ihrem Wunſche 
nicht willfahren zu können, indem ich weder mit der Dord, noch mit 
andern verborgenen Künften vertraut fei. Dieſes wollten fie mir 
nicht glauben, und ich mußte mir alle nur erdenkliche Mühe geben, 
fie von meiner Unwiffenheit in folchen Dingen zu überzeugen. Sie 
zeigten mir hierauf die Vorräthe, die faft alle zerfreffen waren und 
von Millionen diefer Zerftörer wimmelten. Sie baten mich dam 
noch einmal, ihnen das gewünjchte Amulet zu fchreiben; jedoch bfieb 
ich bei dem einmal Gefagten, und fo mußten fie fi damit begnügen, 
daß ich auf ihre Bitten eine Fätiha über ihre Vorräthe fagte. Wir 
empfahlen uns dann und eilten den Kameelen nad. Mit Somen⸗ 
untergang erreichten wir die Däfila, welche jenfeits des Wädiy Haffy, 
zwifchen der Heerftraße und dem Fluffe, lagerte. Rechts von dem 
Plage, wo Abd el Manih umd ih am vorigen Tage angefallen 
wurden, bezeichneten drei Steinhaufen die ARuheftätte der Beduinen, 
welche ihre Lüfternheit mit dem Leben büßten. 


Waͤdiy Haſſy. Wadiy Mintät. 191 


Der Thermometer ſtand am Morgen bei Windſtille und dichtem 
Nebel 20°, am Mittag bei heiterm Himmel und ſchwachem Nord⸗ 
weitwinde 36°, am Abend 25°. 

25. Suli. Bis zum 25. Juli Mittags waren alle Abtheilungen 
der Däfila verfammelt, und eine Viertelftunde ſpäter entfaltete ſich 
der 600 Kameele ſtarke Zug zu einer unabfehbaren Linie, welche fi) 
längs dem Wädiy Haffy nad) den Höhen hinbewegte. Unfere Abthei- 
fung war die vorderfte und erreichte nad) Y, Stunde eine abjchredende, 
nacte, ondulivende Ebene, welche .jich nach Norden ausdehnt und über 
welder in weiter Ferne die impofanten Mafjen der hadhramanter 
Hochebene ragen, welche ji) mit dunfelvioletten Farben auf dem 
tiefen Blau des Himmels zeichneten. 

Glühende Sonnenftrahlen fchoffen auf uns herab und verwan- 
beiten die baumlofen, dürftenden Schluchten diefer traurigen Ebene 
in wahre Gluthöfen. Es dauerte nicht lange, fo fühlte ich die Ein- 
wirfung der von dem weißen SKreideboden zurüdprallenden Sonnen 
fteahlen auf meine Augen. j 

Ich fah alle Gegenftände in biutrother Färbung und wach einigen 
Stunden beläftigte mich ein ftechender Schmerz in dem Innerſten der 
Augen, welches mid eine Ophthalmie befürchten Tieß. 

Um 4,6 Uhr lagerten wir uns am Rande des Wädiy Mintät. 
Meine Befürchtungen, an den Augen zu erkranken, waren glitdlicher- 
weiſe unbegründet, denn mit dem Aufhören der Urſache verfchwand 
auch die Wirkung und meine Sehorgane Tehrten zu ihrem normalen 
Zuftande zurüd. Da fid) auf der nadten Ebene fein Futter für die 
Kameele vorfand, fo mußten die Beduinen dafjelbe noch ans dem 
ziemlich entfernten und tiefen Wädiy Scharad heraufholen. Von hier 
aus erblidte ich in einer Entfernung von etwa 3 Stunden den fteilen 
Dſchebel Scharad im Weften und in einer etwas bedeutendern Entfer- 
nung die hohen Gipfel des Dſchebel EI Ghowayta 112) im Nordoften. 
Die Richtung unfers heutigen Tagemarfches war durchgehende Nord, 
10° Weft. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und ftarfem 





192 Wäbiy Hafar. 


Nebel 20°, um Mittag bei. heitern Himmel und Nordweitwind 36°, 
am Abend 25°. 

26. Juli. Da unfer Wafjervorrath bis auf einen Kleinen Reit 
verbraucht war, fo bradjen wir am folgenden Morgen bereits ;, 
nad 4 Uhr auf. 

Die Gegend erhebt fi von hier aus allmählich, gleicht aber im 

- Allgemeinen der, weldhe wir geftern durchzogen. Um 9 Uhr bejtiegen 
wir eine Anhöhe, von der aus mich der Anblid des mit dichter Wal⸗ 
dung überzogenen Dſchebel Hafar höchſt angenehm überrafchte. Mit 
welcher Luſt jchwelgte mein ermattetes Auge an dem freundlichen Grün 
der üppigen Vegetation, welche die dürren Hügel gleich einem Bande 
durchzieht, welches im obern Theile des Wädin einem Bügel entrollt 
zu fein fcheint, der auf feinem Rüden eine Ruine trägt. Im Hinter- 
grunde diefer Landichaft ragen die fteilen zerflüfteten Wände der 
hadhramanter Hochebene. Eine Menge Rauchjäulen entftiegen dem 

. Iadhenden Grün, in weldhem unzählige Kameele, fich an ben faftigen 
Blättern labend, weideten, und ein vielfaches Echo trug den Schall 
von Gewehrichüffen und das dumpfe Gemurmel der lagernden Dienge 
zu unfern Ohren. Kurz, reges Leben herrichte in diefer Gegend, 
welche gewöhnlich nur dann und wann eine Däfila oder der irre Fuß 
bes Bawwaͤq betritt, und beren Stille fonft nur vom Geheul der 

Raubthiere unterbrochen wird. 

Wir ſtiegen in den Waͤdiy hinab und verfolgten ihn thalaufwärts 
bis jenjeitS der Nuinen, wo wir neben einer Wafferladhe, auf einer 
mit Mimofen bewachjenen Anhöhe unfere Lagerftätte einnahmen. 
Während des Marſches durch den Wädiy kamen wir an mehr dem 
200 Feuern vorüber, an denen zufammengenommen mehr al8 2000 
Beduinen lagerten. Uns gegenüber brannten in geringer Entfernung 
voneinander die Feuer der Stämme Bi Sfchaybe und Baͤ Kaſchwyn. 

Die bisherige Kreibdeformation hört im Süden des Thals auf. 
Die Anhöhen, welde den Wädiy im Dften und Weften einfchließen, 
beftehen aus einem fehr feinkörnigen Duader-Sandftein, deflen hori- 
zontale Schichten eine Mächtigfeit von 10 Fuß haben. — Am Fuße 


Sagenhafte Riefenbaute, 193 


diefer Höhen und befonders im Bette des Waͤdih ſah ich viele große, 
regelmäßig geformte Blöcke diefes Gefteins, welche meiſtens auf 
20 Fuß Länge 10 Fuß Breite und Höhe hatten. Viele diefer Blöcke 
waren durch die Einwirkung des Waffers zur Säule abgerundet. Der 
Thalboden befteht aus einem fetten, mergelig-thonigen Alluvium und 
ift des Anbaues im höchften Grade fähig. Aber wie viele Jahr⸗ 
hunderte werden noch vergehen, bevor der Pflug darüber Furchen 
zieht, wo jet nur Räuber und wilde Thiere haufen? 

Der Bau, welder fi in der Ferne fo malerifch ausnahm, hat 
in der Nähe gefehen nichts Imtereffantes und ift weiter nichts, als 
ein fchlecht gebauter, zerjtörter Thurm, dem fich die Trümmer eines 
‚Gebäudes von ebenjo ſchlechter Conftruction anſchließen. Dabingegen 
find die Subftructionen, auf denen die Ruinen Liegen, wahrhaft riefen- 
haft, denn fie beftehen aus den obenerwähnten Blöcken des Quader⸗ 
fandfteins und gehören wahrfcheinfich der anteislämitischen Zeit an, 
während der obenerwähnte Bau ein Machwerk fpäterer, ſchon in 
Barbarei verjunfener Generationen if. — Wie gewöhnlich an alle 
Ruinen, jo knüpft fi aud an diefe eine Sage. Ihr zu Folge baute 
ein Rieſe diefe Burg und verfperrte von ihr aus die ganze Umgegend, 
wobei ihm feine fieben Söhne getreulich beiftanden. Der Prophet 
Hud kam dann eines Tages diefes Wegs und wurde von diefen Un⸗ 
holden angefallen; aber Gott rettete feinen Liebling, indem er die 
ganze Rotte duch einen Blitzſtrahl tödtete. — Diefe Niefen waren 
nach der Meinung des Volls nichts Anderes als Aditen, denen fie 
eine außerordentliche Größe und eine folche Kraft zumeffen, daß ein 
Jeder von ihnen im Stande war, mehrere hundert Eentner zu tragen. 
Sp vergrößert die Einbildungskraft, vorzüglich bei rohen Völkern, 
Alles, was entfernt liegt. 

Gegen Abend langten noch mehrere Züge Beduinen an, welche 
ihr Lager in unferer Nähe aufſchlugen und dann hinübergingen, ihre 
Schahchs zu befuchen. Obgleich der größte Theil der hier zur De- 
rathung erwarteten Bebuinen angelangt war, fo wurde doch an diefem 
Abende Nichts unternommen, da der Aberglaube das Ericheinen des 

A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 13 


194 Der Abend im großen Lager. 


neuen Mondes als den glüdlichen Zeitpunkt bezeichnet, in welchem 
Unternehmungen berathen werden können. Es war ber legte Tag des 
Monats Dſchomaͤda eth thäny, und die Stunde der Berathung war 
daher auf den folgenden Abend, als den Anfang des Monats Redicheb 
feftgefett, an welchem die ſchmale Sichel des eriten Mondviertels 
fihtbar werben mußte. Die ganze Nacht Teuchteten die Thalwände 
von den Wachtfeuern wider, um welche fich die dunkeln Geftalten der 
Beduinen gruppirten. Bis fpät erfcholl wohltönender Geſang durch 
das Thal, der theils von Einzelnen, theils im Chore gefungen wurde. 
Alle dieſe Gefänge wurden aus dem Stegreife vorgetragen und be- 
zogen fich meiſt auf das Ereigniß, welches zu der Verfammlung der 
Stämme PBeranlaffung gegeben Hatte, oder lobten die Tapferfeit der 
Anführer, Andere befangen die Thaten der Väter und Krieger. 

Den ganzen Abend brachte ich in Gefellfchaft der Schach zu, 
und wie man fi denten Tann, mußte ich Vieles vom Sultan ber 
Beny Ottoman und ‘den Terenghy umd von Mohammed "Alyy 
erzählen, welchen lettern fie erwarteten, um vereint mit ihm die 
Engländer aus Aden zu vertreiben. Auch Sultan Fadhl "Alyy wurde 
erwähnt, welchen fie al8 den einzigen Koryphäen des Glaubens an- 
ſehen. Es ift unglaublich, wie populär fich diefer Mann durch fein 
feindliches Auftreten gegen England gemacht hat. Bon Sultan Mo- 
haſſin ſprachen fie nur mit Beratung und nannten ihn einen Kaͤfir. 

Gegen Mitternacht Yehrte ich zu unſerm Lager zurüd. Hier und 
da durch den Schatten eines Baumes oder durch vorfpringende Felfen 
verdunfelt, Leuchteten die Thalwände noch immer im rothen Scheine 
der Wachtfeuer, jedoch hatten die Gefänge aufgehört, und nur in 
unferer Nähe tönte eine Stimme, die nad) einer fehr anmuthigen, 
aber ſchwermüthigen Melodie einen Hodſchayn (Lieb erotifchen Inhalts) 
fang. Sie gehörte einem arabifchen Werther an, wenigftens fchloß 
id) diefes aus den Worten des aus dem Stegreif gefungenen Klage⸗ 
liedes. Mit ſehr gewählten Ausdrücken bejang er bie unwiberfteh- 
lichen Reize feiner Schönen, und klagte dann dieſe Unvergleichliche 
ber tigermäßigiten Graufamleit an. Die Allegorien, deren er fid 


Gefänge der Beduninen. ‚195 


bediente, waren größtentheils nach echt orientalifchem Geſchmack und 
fo ziemlich denen ähnlih, welche welland König Salomo feinem 
„Hohen Liede“ einverleibte, ja, einige waren fogar jehr unpoetifch, 
und id) zweifle nicht, daß eine europäifche Schöne ihrem Anbeter 
fofort den Abjchied geben würde, hätte er fich unterftanden, fie „ein 
widerfpenftiges Kameel“ zu nennen, wie e8 ber | in Rede ftehende 
hadkramauter Liebhaber that. 

Auch andere Vergleiche kamen vor, welche in Arabien zwar als 
fehr gelungen gelten, in Europa aber wahrfcheinfih wenig Glück 
machen würden. So verglich er den Hals feiner Geliebten mit einem 
„Gänſehalſe“ und ihre Ohren mit „Kameelsohren“. Doch ift der 
gute Menſch zu entehuldigen, denn Schwäne giebt e8 im Hadhramant 
nicht, wohl aber Gänfe, und unter allen Thieren, die er Tennt, hat 
das Kameel, im Vergleich mit feiner Größe, die Fleinften Ohren. 
Die Natur behauptete endlich ihre Rechte und der hoffnungslofe Lieb- 
haber entjchlummerte, wenigftens verftummten feine Lieder. 

Seinem Beifpiele war ich im Begriff zu folgen, als ein Beduine 
unferes® Zuges mit geheimnißvoller Miene neben mein Lager fich 
niederließ und die Pantomime des Geldzählens machte. Aergerlih 
fagte ich ihm, er folle fich deutlicher erklären, worauf er mir ins 
Ohr flüfterte, daß in jenen Ruinen unermeßliche Schäße begraben 
lägen; ich follte deshalb die Geifter bannen,. damit wir fie mit- 
einander heben Fönnten. Ziemlich heftig und laut fagte ich ihm, er 
ſolle mich in Ruhe laſſen, da ich von dergleichen Künften weder etwas 
wiffe, noch wifjen wolle, worauf er mich ganz verdußt anjah und 
ih, ohne ein Wort zu jagen, wieder ans Feuer fekte. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Harem Himmel und 
Windftille 22°, um Mittag 36°, am Abend bet Nordweitwind 25°. 

27. Juli. Um fein Auffehen zu erregen, blieb ich den ganzen 
folgenden Tag in unferm Lager. Jedoch fehlte es nicht an Beſuchern, 
die mich weiblich mit Fragen quälten, mir aber manches Interefjante 
mittheilten. Die Bebuinen übten ſich im Scheibenſchießen und Steine- 
werfen, worin fie ſehr viel Gejchicklichkeit zeigten. Die Schußweite 

13* 


196, _ Beginn der Stämmeberathung. 


wechfelte von 300 bis 500 Schritt, und felbft mit letzterer verfehlten 
fie jelten ihr Ziel. — Was ihre Gefchidflichkeit im Steinewerfen be- 
trifft, fo habe ich ihrer ſchon früher erwähnt, wo fie eine Probe auf 
meine Koften ablegten. 

Gegen Abend hatte eine Anzahl Beduinen die Höhen beftiegen, 
um den Mond vor feinem Verſchwinden fehen zu Fünnen. Sowie die 
Dunkelheit hereinbrach, waren Aller Augen mit gejpannter Aufmerf- 
famfeit nad) dem Gebirge gerichtet, von dem das Signal gegeben 
werden ſollte. Es dauerte auch nicht lange, fo verkündete lautes 
Jauchzen und Gewehrfchüffe, daß mit dem Ericheinen unferes Tra⸗ 
banten die glüclihe Stunde gekommen fei, in welder die Be— 
rathungen vorgenommen werden Tonnten. Kin donnerndes Allah 
häfits el Dabayl (Gott fegne bie Stämme!) ertönte aus dem 
dager der zur Berathung verſammelten Stämme, und ein lautes 
„Amen!“, welches Tauſende der neutralen Beduinen in die Lüfte 
fandten, wurde vom Echo von Berg zu Berg getragen und verhallte 
in den Klüften des nahen Hochlandes. Eine Fätiha wurde dann vom 
äfteften Schaych laut gebetet und von den Uebrigen leije nachgefununt, 
wonach dann die Tarr 1212) erfcholl, welche die betreffenden Individuen 
zue Berathung rief. Auch die neutralen Beduinen ftrömten herbei, 
blieben aber in befcheidener Entfernung vom Sammelplage ftehen. 

Die beiden Schaychs ließen ſich nieder und ihre Beduinen fetten 
fh im Kreife um fie herum. Eine Zeit lang herrſchte tiefe Stille 
und Alle Schienen in Nachdenken verfunfen zu fein. Dann erhob fid 
einer der Schaychs und hielt eine lange Anrede, weldye mit gefpannter 
Aufmerkſamkeit gehört wurde. Die Entfernung Hinderte mid, Die 
Worte zu verftchen, und Alles, was ich bemerken Tonnte, war, daß 
er feine Rede mit fehr lebhaften Gejticulationen begleitete. ‘Dann 
und wann entitand eine Bewegung unter den Zuhörern und ein 
dumpfes Gemurmel ließ ſich vernehmen. Nachdem der zweite Schaydj 
und einige ‚der Aeltejten das Wort geführt hatten, erhoben ſich auch 
zu wiederholten Malen Stimmen aus. der Reihe der Beduinen, worauf 
dann abermals der zweite Schayd) das Wort nahm und eine, nad 


Opfer und Waffentanz. 197 


feinen Geften zu urtheilen, heftige, aber kurze Rede hielt, nad) deren 
Beendigung ein „Allah häfits el Qabayl“ die Luft erfchütterte, 
dem ein paar taufend Kehlen ein „ Amen!’ nachriefen. 

Die Berathung war beendigt — und der Krieg beſchloſſen. 

Das Feuer, weldes in der Mitte des Kreifes gebrannt hatte, 
wurde durch einen großen Haufen Holz neu belebt und die auflodernde 
Flamme mit lautem Jubel begrüßt. Man brachte dann einen grünen 
Aft des Nebefbaumes und einen fetten Hammel, welchem der ältefte 
Schaych die Füße band. Nach diefen Vorbereitungen ergriff er den 
Aft, ſprach ein Gebet über ihm und übergab ihn den Flammen. Wie 
"jede Spur von Grin verfchwunden war, entzog er ihn dem euer, 
ſprach abermals ein Gebet und durchſchnitt mit feiner Dichembiye die 
Kehle des Hammels, mit deffen Blute der nod) bremmende Aſt ge⸗ 
löſcht wurde. Er riß dann mehrere Kleine Zweige von dem verbrannten 
Ate und übergab fie ebenfo vielen Bebuinen, welche damit nach ver- 
fchiedenen Richtungen forteilten. Der jchwarze, blutige Aft wurde 
dann in die Erde gepflanzt. Die Beduinen löften ihre gewöhnlich 
zufammengebunbenen Haare, nährten’ das euer aufs Neue und be- 
gannen einen ausdrudsvollen, Triegeriihen Tanz, welcher von ber 
Tarr und dem Hods (Kriegsgeſang) begleitet wide. Das magiſch 
beleuchtete Thal hallte von dem rauben, aber harmonischen Kriegsgefange 
wider, und die nackten ſchwarzen Geftalten, welche ſich mit fliegendem 
Haar in wilden Zalte um das blutig geweihte Panier bewegten, 
glichen entfeffelten Dämonen, der Ruine entjtiegen, die im SHinter- 
grunde ihre Schwarzen Schatten auf die hellerleuchtete weiße Thalwand 
warf. Zanz und Gefang dauerten bis nad) Mitternacht, wann ſich die 
beiden Schaychs an die Spige ihrer Beduinen ftellten, dem fonder- 
baren Banner folgend fih nad) Oſten wandten und bald im Dunkel 
verſchwanden. 

Tiefe Stille folgte dieſer intereſſanten Scene, und Jeder ſuchte 
noch den Reſt der Nacht zu benutzen, um ſich zu den Mühen des 
fommenden Zages zu ftärken. Die Begierde aber, etwas Näheres 
über die Bedeutung des eben Gefchehenen zu erfahren, ließ mich fein 


198 Symbole der Kriegserflärung. 


Ange fchliegen. Ich ſetzte mich deshalb zu dem wachehaltenden Be⸗ 
buinen ans Feuer und brachte nad vielen Umſchweifen das Geſpräch 
auf meinen Gegenftand. Der Beduine machte anch nicht viel Schwie⸗ 
rigleiten, meine Wißbegierde zu befriedigen, und theilte mir %ol- 
gendes mit: 

Bon dem Gebraude, „einen Aft des Nebekbaumes abzu— 
brennen’, wußte er weiter nichts, als daß e8 ein herkömmlicher ſei 
und daß fein Aft eines andern Baumes dazu verwandt werben Tünne. 
In dem Augenblid, da der Schahch den Alt ins Feuer wirft, fagt 
er die Worte: „So wie biefer Ajt verdorrt, jo mögen aud 
unfere Feinde verdorren!” und nachdem er ihn mit dem Blute 
bes Opfertbieres geröthet bat, fagt er: „Wer zurüdbleibt irn 
der Stunde ber Gefahr und wer diejfes Zeichen verläßt, 
Der verdorre, er und die Seinigen, gleichwie es verdorrt 
iſt!“ — Die lleinen Zweige, welche der Schahch abreift und an die 
Beduinen vertheilt, dienen als Lärmzeichen, mit denen die Abgefandten 
von Thal zu Thal eilen, die Söhne des Stammes zum bevorftehenden 
Kampfe zu laden. Keiner darf es bei Verluſt feiner Ehre wagen, 
zurücdzubleiben, wenn das gewählte Zeichen an feiner Lagerſtätte er- 
Icheint und die Stimme des Trägers zum Kampfe ruft. Aus allen 
Höhlen und Schluchten ftürzen der greife Krieger, ber Fräftige Mann 
und der kaum dem Knabenalter entreifte Jüngling hervor und eilen 
dem Kampfplage zu, für die Ehre und Rechte des Stammes zu fiegen 
ober zu fterben. — Voran zum Kampfe wird das blutige Sinnbild 
getragen. Um diejes entbremt der Streit am heftigften, denn Ehre 
iſt es, es dem Feinde zu entreißen; unauslöfchlihe Schande ift es, 
e8 zu verlieren. 

Beim Friedensfhluffe übergeben die Schahchs der verfühnten 
Stämme ihre Aejte dem Feuer und laffen fie zu Afche verbrennen. 

Nach diefem geben fie fich die Hände und fprecdhen: „Unſere 
Feindſchaft ift vernichtet, wie diefe Zweige vernichtet find; Friede fei 
fortan zwifchen mir und meinen Kindern und Dir und Deinen Kin- 
dern. Ein Jeder ſchlachtet dann einen Widder zum Opfer. "Hat 


Die Blutrache. 199 


eine Partei mehr Todte wie die andere, fo jagt der im Bortheil 
ftehende Schahch: „Wähle zwifhen Blut und Milch!’ welches 
ſoviel Heißen will: er könne die Gefallenen rächen ober die Diye 
(Blutgeld) annehmen. Bei diefer Gelegenheit wird gewöhnlich das 
Blutgeld angenommen, da, man nicht genau wiljen kann, wer Jemand 
getödtet hat. Der Ausdrud ‚Milch‘ bedeutet hier „Diye“, weil fie 
gewöhnlich in Kameelen oder Schanfen bezahlt wird. Die Araber 
nehmen im Allgemeinen an, dag Abd el Motallib ibn Hifhäm, der 
Großvater Mohammeb’s, der Erſte gewefen jei, der eine Diye bes 
zahlt habe, und daß es feitdem in Gebrauch geblieben fei. "Abd el 
Motallib Hatte nämlih ein Gelübde abgelegt, daß er dem Götzen, 
der damals in der Ka’ba (Tempel zu Meffa) verehrt wurde, einen 
feiner zehn Söhne opfern wolle. Er ließ deshalb feine Söhne Loofen 
und das Loos fiel auf feinen Lieblingsfohn. Jedoch konnte er es 
nicht über ſich gewinnen, ihn zu opfern, und fchladhtete an feiner 
Statt 100 Kameele. — Viele Stämme haben diefes beibehalten und 
100 Kameele oder ein Aequivalent von 8 Thalern pro Kameel als 
Sühne des vergofjenen Blutes feſtgeſetzt; Andere weichen von diefer 
Summe ab und. bejtimmen das Blutgeld nad) dem Reichthum des 
Todtſchlägers. Im Habhramant ift diefes überall im Gebrauch. 

Der Thermometer war am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 22°, am Mittag 36°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ 
winde 25°. . , 

28. Juli. Am 28. Juli kurz vor 7 Uhr fetten wir unfere 
Reife fort und gelangten in einer Stunde über ein allmählich an⸗ 
fteigendes Terrain und durch eine tief eingefchnittene, fteile Schlucht 
auf das Plateau oder vielmehr auf die untere Terraſſe deffelben; 
dann in einer Entfernung von 3—4 Stunden ragte eine zweite teile, 
unabfehbare Wand. Da der Weg durch die Schlucht fehr ermüdend 
geweien war, jo lagerten wir uns fchon um 1,9 Uhr in einer mit 
Mimofen bejekten Niederung. 

Rurz vor 1 Uhr fette fi die Däftla wieder in Bewegung und 
befolgte bis 1/4 Uhr die Richtung von Nord, 20° Oft. Das 


! 


200 Unverfchämtheit der Scheryfe. 


Plateau ftieg in fteilen Wänden vor und auf, Tonnte aber von ums 
nicht mehr erjtiegen werden, weshalb wir unfer Nachtlager ımter einem 
Mimofenwälbchen nahmen, welches den Entftehungspunft eines Waͤdiy 
umfäumt. Am Abend hatten wir ein Gewitter, welches jedoch feinen 
Segen über eine andere Gegend ausfchüttete. — Am Morgen hatten 
fi ums fünf Scheryfe angefchloffen, welche nad) dem Wädiy Amd 
veiften und die ich als die zubringlichften und frechften Burſche kennen 
lernte, die mir je vorgefommen find. Trotzdem, daß fie reichlich mit 
Proviant verjehen waren, nahmen fie die Säcke der armen Beduinen 
ohne Weiteres in Anſpruch. Auch die meinigen hatten den Mittag 
das gleiche Schidfal gehabt, umd um des Glaubens willen hatte id 
es geichehen laſſen. Diefen Abend aber wollten fie meinen Proviant- 
fa ebenfalls in Contribution fegen, fanden ihn jedoch verfchloffen. 
Dhne Umftände und in einem Zone, als hätten fie das größte Recht 
bazu, verlangten fie, daß ich das Schloß öffnen folle, welche freche 
Zumuthung ich aber mit barjchen Worten zurückwies. Diefes fchien 
fie zu befremden, und Einer von ihnen frug mich: „ob ich nicht wiſſe, 
daß fie Scheryfe feien?” „Es ift möglich, aber ic) glaube es nicht“, 
entgegnete ih, „dern ein Scheryf muß mehr wie jeder Andere 
wiffen, daß Gott in feinem Buche (dem Dorän) jedem Mufelmanne 
verbietet, fi der Habe feines Nächten zu bemächtigen. Wäret ihr 
alfo Scherhfe, jo würdet ihr die Provifionen verzehren, mit denen 
ihr rveichlih verfehen feid, und nicht die meinigen und die der Be⸗ 
duinen ohne Erlaubniß fortnehmen.” Diefe Sprache war ihnen un- 
erwartet und neu, und in Gegenwart der Beduinen demüthigend, um 
jo mehr, als diefe mir beiftimmten und fie weidlich auslachten. Höch⸗ 
lichſt entrüftet verlegten fie ihre Kagerftätte unter einen andern Baum, 
als befürchteten fie, durch die Nähe eines folchen ruchloſen Menſchen 
an ihrer Heiligfeit Schaden zu leiden. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winpdftille und heiterm 
Himmel 22°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwinde 30°, am 
Abend bei Süboftwind und bewöllten Himmel 20°. 

29. Zuli. Am 29. Juli bradden wir kurz vor 5 Uhr Deorgens 


Gelderprefiung der Herren des Weges, 201 


auf und erreichten nach einer Stunde den Fuß der ungehenern, faft 
3000 Fuß hohen Gebirgswand. Die "Agaba (der Aufitieg) wird Hier 
durch eine etwa 10 Minuten breite, ſehr fteile Abdachung, welche 
wahrfcheinkich durch einen Bergfturz entitand, gebildet. — Das Er- 
fteigen diefer Höhe war fehr ermüdend, da man auf dem lofen Ge⸗ 
rölfe fortwährend ausglitt. Wir Hatten noch ungefähr 100 Schritt 
zu fteigen, als wir oben einen Beduinen erblidten, der uns das Wort: 
„El Ghaffar!“ (Wegegeld!) zurief. Diefe Aufforderung wurde durch 
10 Gewehre unterftüßt, welche aus den Schieklöchern einer aus loſen 
Steinen errichteten Bruftwehr hervorblinkten. Unſere Bebuinen riefen 
hinauf, „wie viel ein Jeder zu zahlen Habe und wohin das Geld zu 
legen ſei?“ worauf die Summe von 1 Thaler feitgefeßt und ein großes 
Feljenjtüd auf halbem Wege zwifchen ihnen und uns als Ablieferungs- 
ort bezeichnet wurde. Mein Thaler war bald gezogen, aber die 
Scheryfe behaupteten, daß fie als folche nicht verbunden wären, irgend 
ein Wegegeld zu zahlen. Man wief diefe Einwendungen hinauf, je- 
doc) die da oben wollten von ſolchen Prärogativen Nichts wiſſen, fondern 
erflärten, „daß ein Jeder der Reiſenden (denn die Beduinen felbft zahlen 
fein Wegegeld), der nicht zahlen wolle, zurückbleibe und daß der fofort 
zufammengefchoffen würde, der es wage, diejes Gebot zu übertreten”. 

Diefem Argument war nun freilich Nichts entgegenzufegen und 
die Herren Scheryfe machten deshalb auch Feine weitern Umſtände 
und legten Jeder ihren Thaler in die Hand eines Beduinen, welcder 
zu dem bezeichneten Plage hinaufftieg, das Geld deponirte und dann 
zu uns zurückkehrte. Der oben ftehende Beduine ftieg nun behend 
hinunter, nahm das Geld und verfchwand ebenfo ſchnell Hinter der 
Bruftwehr. Bald darauf Tangteri wir oben an. Ic, fah mich aber: 
vergebens nach den Wegelagerern um, fie waren fpurlos in einer der 
nächſten Schluchten verfchwunden. 

Bis 1/9 Uhr zogen wir über die einförmige Gegend und ftiegen 
fodann in den Wädiy Metelle hinab, an deffen oberm Ende das Dorf 
Metelle liegt. Ä 

Diefes Dorf befteht aus ungefähr 20 Häufern, in welchen -bei- 





- 


202 Berheerungen der Heufchreden. 


läufig 150 Einwohner des Stammes Oothäm, einer Abtheilung des 
Stammes Beny Sfaybän, wohnen. In der Umgebung des Dorfes 
ftehen einige Dattelpalmen auf gut angebauten Feldern umber,. welche 
von einem Wachtthurme befhügt werden. Kurz nach 9 Uhr lagerten 
wir oberhalb des Dorfes unter einigen Mimofen. Bon Metelle eine 
Stunde Weges Tiegen im Nordoften die Dörfer Minter und Scho— 
rut im Waͤdiy Minter, welder in den Wädiy Nhayde ed Dim 
mündet. Der Wädiy Deetelle fteeicht von dem Dorfe aus von Sübdoft 
nad Nordweit, macht dann einen Bogen nad) Nordoften und ver- 
einigt fi) dann mit dem Waͤdiy Rhayde eſſ Sſowahde. 110) Er ift 
wenig eingefchnitten und nicht, wie die bisher bejchriebenen Waͤdiy 
der Hochebene, von jteilen Felswänden, ſondern von janften Abhängen 
begrenzt, die mit Mimofen und Nebek bewachſen find. 

Mein Beduine Taufte von einem der Einwohner Vorrath von 
einer Art Mehl, welches aus der Frucht des Nebelbaumes gemahlen 
wird und, mit Waffer vermiſcht, ein fehr nahrhaftes und Tühlendes 
Getränk gewährt. Auch getrocknete Heufchreden wurden uns feil- 
geboten. Die Heufchreden, welche hier genojjen werden, find auf 
folgende Art zubereitet. Nachdem man denjelben Kopf, Flügel und 
Beine abgeriffen hat, wirft man fie in kochendes, ſtark gefalzenes 
Waſſer und läßt fie etwa eine Minute darin liegen. Dann werben 
fie auf einer Matte ausgebreitet, mit Salz beftreut und an der Sonne 
getrodnet, und fo zum Gebrauche aufbewahrt. Viele ziehen fie au 
auf Fäden, wie bei uns die Beeren. Diefe Heufchredenart wird von 
den Arabern Mekun genannt und ift nad) Forskaͤl der Grillus gre- 
garius. Dieſer Gelehrte iſt der Meinung, daß fie nit Grillus 
‚migratorius des inne find, welde in der Zartarei vorkommen. 
Diefe Thiere richten greuliche Verwüftungen an und Tommen oft in 
fo erftaunlicher Menge, daß ein einziger Zug während eines ganzen 
Tages gleich einem Schneegeftöber über eine Stadt zieht. Der 
größte Zug, den ich geſehen Habe, ließ fih im Jahre 1835 in 
der Nähe von Moda in einer Ebene nieder und bebedte dieſelbe 
etwa 4 Zoll Hoch auf einer Strede von Y, Duadratmteile. 





Waͤdiy Rhayde ed Dyn. 203 


Um Mittag ſetzten wir unſere Reiſe fort und erreichten bald die 
Ebene, wo fi) 50 Kameele von der Qaͤfila trennten und dem Waͤdih 
Minter zuzogen. Nach einer Stumde ftiegen wir einen fanften Ab- 
Hang entlang in den Wädiy Rhayde eſſ Sjowande hinab, der un⸗ 
gefähr 4, Stunde Breite haben mag. 

Bis 2 Uhr durchſchnitten wir ihn thalabwärts in nordöftlicher 
Richtung und betraten dann den Wädiy Mhayde ed Dyn, der 
fi) wie eine 2 Stunden breite Ebene unabjehbar nach Norden zieht. 
Lines vom Wege ragten, etwa Y, Stunde entfernt, zwei Wachtthürme 
und 20 Minuten fpäter erblickte ich in einer Entfernung von 1 Stunde 
die Stadt Delaͤ. Hier refidirt ein Sultan, der aber wenig Macht be- 
fit, indem er, gleich feinen Stammesgenoffen im Wädiy Do’än, unter - 
dem Scute oder vielmehr der Botmäßigkeit der Beduinen fteht, die 
hier, wie faft überall, die Machthaber find. ‘Der hier herrfchenbe 
Stamm heißt Bi Omm Sſaduſſ und it eine Abtheilung des Stammes 
Ed Dayin. 

Die obern Theile der Wädiy Rhayde ed Dyn und Rhahde eff 
Sſowayde werden von zwei Abtheilungen des Stammes Beny Sfaybän, 
den Stämmen EI Dothäm und Dichahädeme,. bewohnt, welche aud) 
die Kleinern, in fie mündenden Thälern inne haben. 

Trotz dem fruchtbaren Boden diefer Wädiy findet ſich in den⸗ 
felben, außer in der nächſten Umgebung der Ortichaften, Feine Spur 
von Anbau, und die ganze Vegetation befchränft fi auf einige zer- 
ftreut umbherftehende Mimofen, mächtig wuchernden Oſchr (Asclepias 
procera) und emige andere Pflanzen, worumter hauptfählih Hyos⸗ 
cyamus. 

Unſer Weg lag jetzt quer über ben Wädiy und führte ung um 
Y, nah 2 Uhr an drei Thürmen vorüber, welche die hier begin- 
nenden angebauten Ländereien befhügen. Bon hier aus fah id) aud) 
rechts vom Wege die Dörfer Schäbith und Eich Schillät, das eine 
1,, das andere 1 Stunde entfernt Tiegen., Wir zogen längs der 
äußersten Grenze der angebauten Felder bin, auf denen Weizen, 
Sefam, vor allem der Indigo in üppigfter Fülle ftanden. Kurz vor 


204 Dörfer im Wii) Rhayde ed Dim. 


3 Uhr paffirten wir die beiden dicht beifammen und hart am Peg 
liegenden Dörfer Kaydam und Ghowayre. Kin dritter Ort lag dich 
hinter diefen beiden; ich konnte aber feinen Ramen nicht erfahren 
Diefe Ortſchaften find ganz regelmäßig im Viered gebaut und zwer 
fo, daß die äußere Häuferreihe das Ganze mauerartig umgiebt; an 
jeder der vier Eden fteht ein ſtarker vierediger Thurm, von dem aut 
die Seiten beftiegen werben können. Zwiſchen den drei Dörfern zählt 
ih noch acht Wachtthürme, welche fo angelegt find, daß einer der 
andern vertheidigt. Alle diefe Orte find von Beduinen des Stammes 
Bi Dmm Sfaduff bewohnt, deſſen ältefter Schaych in Kaydam refi- 
dirt. Die Seelenzahl diefer Dörfer wird wohl nicht 1500 überfteigen. 
Längs des Weges vor diefen Dörfern fah ich eine Menge irbenm 
Zöpfe, in welchen der Indigo bereitet wird, der ein Haupthandels⸗ 
artikel dieſes Wädiy iſt. Oeftlih vom Wege entipringt am Abhang 
des Plateaus eine Duelle, die fi in ein natürliches Baſſin ergich, 
welches mit Lotosblättern bedeckt war. Kurz vor 3 Uhr bogen wir 
in den Wädiy Maghaͤra ein, ſtiegen aber gleich darauf auf den m 
gegengejetten Abhang zum Plateau hinan und lagerten neben eine 
Waldung von Mimofen und Nebefbäumen. Zehn Minuten thalauf- 
wärts Tiegt im Wädiy Maghära das bedeutende ‘Dorf Horram, 
welches von Wachtthürmen umgeben ift. 

Im Verhältniß zu feiner Ausdehnung und Fruchtbarkeit it der 
Wädiy Nhayde ed Dyn nur wenig bevölkert. Demungeachtet ift et 
als einer der Hauptwadiy der hadhramanter Hochebene anzuſchen. 
Nach der übereinftimmenden Angabe mehrerer Berfonen Liegen folgend 
Ortſchaften in ihm: Eſch Schillät, Schiſbe 11°), Kaydam, Ghowahre, 
Okaͤmiſſ, Chalyf '7%), Hiem ba ‘Abd, Hien Bahdra 17), Boyut, El 
Hidſchelhn und Nefhun. Auf der Weſtſeite, ebenfalls von Süden 
nach Norden, Del, Rhayde, Him ba Omm Sfabufj, Eſch She 
ryn 118), Eſch Scherka 119), Anik, Nyr. An der Oftfeite münden 
Waͤdiy Maghära mit dem Dorfe Horrayn 12%), Wädiy Ghana”) 
mit den Dörfern Ghaura und Bi Amr, Wädiy Rabadh und Cafri 
und der Wädin Hidſchelyn. An der Weftjeite münden: Widih 


Angebliche Zauberkunſt der Scheryfe. 205 


Rhayde eff Sfowayde, Wähiy Minter 122) mit den Dörfern Minter 
und Schorut, Waͤdiy Bü Taryq mit den Orten Ghebeſſ 17°), Ghaydyn 
und Baͤ Taryq, und endlich der Wädiy Nyr !2®), von deſſen Mün- 
dung an der Wädiy Rhayde ed Dyn den Namen 'Amd 125) annimmt. 

Unfere Däftle war jett nur nod) 20 Kameele und 14 Bebuinen 
ftarf, da die Uebrigen nach den verfchiedenen Ortſchaften der Waͤdiy 
Rhahde ed Dyn und 'Amd beſtimmt waren. 

Am Abend wurde mancherlei über den treuloſen, habſüchtigen 
und filzigen Charakter der „Scheryfe“ geſprochen und die Beduinen 
waren herzlid) froh, von der Gefellfchaft diefer Leute befreit zu fein. 
Zwar freuten fie fih, daß ich dieſe Leute zurechtgewiejen Hatte, fie 
befürchteten aber, daß mir ein Unglück zuftoßen wiirde, „denn, 
fagten fie, „die Scheryfe find falſch und rachſüchtig und 
fünnen Semanden ſehr viel Böſes zufügen, da ihnen viel 
Macht durd die geheime Wiffenfhaft des Sfihr geworden 
iſt.“ — „Gott ift groß”, erwiderte ih, „und ohne feinen 
Willen fann mir nichts Uebles widerfahren. Sch fürdte 
diefe Scheryfe nicht.” — Die Bebuinen fagten hierzu ihr „Amen!“ . 
und legten ſich zur Ruhe. 

Die Hauptrichtung der heutigen Tagereiſe war Nord, 20° Dit. 
Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 15°, am Mittag bei ſchwachem Norbweitwind 20°, am 
Abend 18°. 

30. Juli. Am 30. braden wir erft des Morgens 4,8 Uhr 
. auf. Die Gegend auf der Hochebene bleibt fich fortwährend gleich: 
Daffelbe Geftein, diefelbe Form der in allen Richtungen zerjtreut 
liegenden Hügel waltet bier wie dort vor, wo ich diefelben zum erften- 
male betrat. Ueberall ermübdet eine traurige Einfürmigfeit das Auge 
des Reiſenden, welches das Ende der unermeßlichen Ebene vergebens 
zu erfpähen ſucht. Etwas vor 9 Uhr erblicte ich zur Linken ben 
Wädiy Ghaura, aus welchem die Minarets (Thürme der Mofcheen) 
der Dörfer Ghaura und BA Amr hervorragten. 

Nach einer Stunde famen wir an einem in den Felſen gehauenes 


206 Gebirgswanderung. 


Baſſin vorüber, welches mit Waſſer gefüllt war. Von hier aus | 


legten wir nod) eine Stunde Wegs zurüd und lagerten dann unter | 


einer großen Mimoſe, neben welcher zwei Cifternen eingehauen find. 
Ganz in der Nähe fteht eines der mehrerwähnten Schußhäuschen. 

Nach einer Ruhe von 2%, Stunden wurden die Kameele beladen 
und die Reife fortgefegt. Um 20 Minuten vor 3 Uhr genoß ic) eine 
hübfche Aussicht in den Wädiy Rabadh, in welchem ſich das Dorf 
gleihen Namens aus einem dichten Gebüfche von Mimoſen und Ta: 
marisfen erhebt. An den Seiten des Thales befinden fich terrafjen- 
förmige Anlagen, welche im herrfichften Grün prangten. Zum Schub 
derfelben fteht im obern Theil derfelben ein Wachtthurm. Die Be: 
wohner des Orts find Beduinen des Stammes Baͤ Sſowayde, welde 
eine Abtheilung des Stammes Ed Dayin if. Um Y, nah 3 Uhr 
trafen wir eine Cifterne und Y, Stunde fpäter ſah ih das Dorf 
Safrä im Waͤdiy gleichen Namens liegen, deffen Bewohner gleichfalls 
dem Stamme Eſſ Sfowaydän angehören. Der Heine Wädiy Cafra 
vereinigt fich mit dem Wädiy Rabadh und dieſer bei dem Orte Hien 
Bahdra mit dem Wadiy Rhayde ed Dyn. Wir Iegten noch zwei Stunden 
Weges zurücd, während welcher wir an fechs Eifternen vorüberfamen, 
und lagerten dann auf einer mit Feuerfteinen befüeten Niederung umter 
einigen Mimoſen, welche in voller Blüthe ftanden und die Gegend 
mit ihren Wohlgerüchen erfüllten. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 10°, am Mittag 20°, am Abend bei ſchwachem Weft 
winde 18°. 

31. Juli. Am 31. Iuli verließen wir Morgens 7 Uhr unſer 
Nachtlager umd zogen dem nahen Waͤdiy Doän zu. Um 1,9 Uhr 
jtiegen wir in eine enge Schlucht hinab, und einige Minuten fpäter 
ftand ih am Rande des reizenden Thales, oberhalb der Reſidenz 
El Arr. 

Mehr wie einmal war während dieſer Reiſe mein Leben in Ge⸗ 
fahr geweſen; glühende Sandgefilde und Ebenen von troſtloſer Nadt- 
heit und erdrüdender Monotonie, nur hier und da von einem freund 


Rücklehr nad) Choraybe. 207 


lichen Ruhepunkte unterbrochen, hatte ich bisher durchwandert. Man 
kann ſich aljo denken, mit welcher Luft mein Auge an den in voller 
Tarbenpracht prangenden Fluren hing, mit welch inniger Treude ich 
den dunkeln Hain der Palmen und das gajtliche Choraybe wieder 
begrüßte. 

Mit vorfichtigen Schritten zog die Käfilah den äußerſt gefähr- 
lichen Weg hinab, erreichte ohne Unfall das Thal, und ſchon um 
10 Uhr faß ich in der Mitte der Familie meines ehrwürbigen Schaychs 
“Abd Allah ba Sudan, welche ungeheuere Freude bliden Tieß, mic 
wohlbehalten wiederzufehen. 

Am Morgen ftand der Thermometer bei Windftille und Heiterm 
Himmel 10°, um Mittag 25°, am Abend bei Nordweitwind 20°. 





Siebentes Eapitel. 
Das eigentlihe Hadhramaut. 


— — — — 


Zweiter Beſuch bei dem Sultan. — Abreiſe. — Ankunft in Amd. — Schahch 
Abd er Rahmän baͤ Dyak ben Amudy. — Abreife. — Nachtlager bei Hall 
ba Salib. — Nachtlager bei Dirbe. — Ankunft in Haura. — Der Waͤdiy 
Amd. — Der Wädiy EI Hadſcharyn. — Die alten Königsgräber im Wäbiy 
SHayibun unfern Meſchhed 'Alyy. — Der Wädiy Darr. 


1. Auguſt. Am folgenden Morgen ftattete ich, in Begleitung 
des älteften Sohnes vom Haufe, dem Sultan meinen Befuch ab, der 
mich aber diesmal fehr Talt empfing und überhaupt vieles Mißtrauen 
zeigte. Er hörte nicht auf, von Mohammed "Alyy zu fprechen, und 
ließ nicht umdeutlic) merken, daß er eine Invafion des Aegyptiers 
befürchte und daß ich von demfelben geſchickt fei, das Land zu er 
pähen. Obgleich weder gejchmeichelt noch erfreut, für einen Spion 
Mohanımed Alyy's zu gelten, mußte ich doch über die Wichtigthuerei 
des alten Herrn lachen, der fein aus einer Stadt, einem Dorfe und 
einigen Morgen Landes bejtehendes Reid) für bedeutend genug hielt, 
die Eroberungsluft eines fo entfernten Fürſten zu veizen. Um ihm 
diefe Meinung zu benehmen, frug ich ihn, wie viel er wohl glaube, 
daß eine Expedition nad) dem Hadhramaut koſten würde? Nach 
einigem Befinnen gab er mir zur Antwort: „Nun, an 100,000 Thaler.” 
Worauf ich ihm entgegnete: daß 3 Millionen nicht Hinreichen würden, 
und daß, da der ganze Waͤdiy nicht fo viel werth fei, er von einer 
Invafion des Paſcha Nichts zu befürchten habe. Jedoch blieb er bei 


Furcht vor dem Paſcha von Aegypten. 209 


der Meinung, daß der Wädiy Do’än mit feinen vielen Städten und 
Dattelwäldern ſich doch wohl der Mühe verlohne. 

Als ich ihm nun erzählte, daß die einzige Stadt Kairo mehr 
Einwohner zähle, als der ganze Wapdiy, daß mehr als 100 Städte 
wie Choraybe, und mehr als 3000 Dörfer in Scharg unter der 
Botmäßigkeit des Paſcha von Aeghpten ftänden, und daß, bloß in 
der Umgegend von Kairo, mehr Datteln, Durra, Weizen, Bohnen, 
Linſen u. |. m. geerntet würde, als alle Bewohner des Hadhramaut 
in einem Jahre verzehren könnten — da fchien dem alten Herrn der 
Berftand ſtille zu ftehen. Mit erftaunten Blicken und offenem Munde 
ftarrte er mich eine Weile an und brad dann in die Worte aus: 
„Gott ift Gott! Es ift nur ein Gott und Mohammed ift 
fein Gefandter! Mohammed Alyy ift ein mädtiger Sul- 
tan, der uns alle verderben kann. Du fiehft, daR ih wohl 
Urſache habe, ihn zu fürchten.“ — Da meine Bemühungen, 
dem alten Herrn feine Furcht zu benehmen, gerade das Entgegen- 
gefetste bewirften, fo hielt ich es fiir das Nathfamfte, mich zu beur- 
lauben und nad) der Stadt zurüdzufehren. 

Am Ausgange des Bafars begegneten mir mehrere der ange⸗ 
fehenften Einwohner, welche, wie mir mein Begleiter jagte, in Finanz⸗ 
angelegenheiten zum Sultan gingen. Schaych Bä Dorra, der auch 
mit ihnen war, wünfchte mir zu meiner Zurückkunft Glück und bat 
mid, ihn zu befuchen, welches ich ihm für den Nachmittag zufagte, 
da ic) Willens war, unter dem Schuße feines Stammes nach dem 
Waͤdiy "Amd zu reifen. 

Nachmittags erfüllte ich mein Verſprechen und befuchte den Schaych, 
bei welchen ich aud) feinen Collegen Hoſſayn bä Sohra, Schaych der 
Chämiye, antraf, der mid) ebenfalls beglüctwünfchte, fo glüclid) aus 
dem Lande der verrufenen Dfiyayby zurückgefehrt zu fein. Ich er- 
zählte ihnen meine Reiſeabenteuer und theilte ihnen meinen Entſchluß 
mit, noch vor der Sfyära von Dabr Hud einen Ausflug nad) Norden 
zu maden. Zu gleicher Zeit bat ich fie, mir einen fichern Führer 
aus einem der beiden Stämme zu geben. 

A. dv. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 14 


210 Der Sultan läßt Choraybe beſchießen. 


Meine Reifeluft kam ihnen komiſch genug vor, und fie fragten 
mich lachend, was ich denm eigentlich an den Steinen des Hadhra⸗ 
mant Merkwilrdiges fände? „Oder“, festen fie hinzu, „habt ihr 
in Aegypten etwa Feine Steine?‘ — Ich enigegnete ihnen: „ba 
ih nun einmal auf einer Pilgerreife in diefem Lande begriffen ſei 
und ich mich bis zur Zeit der Siyara langweilte, e8 aber ein ver- 
dienftlihes Werk fei, auch die in andern Gegenden befindlichen Hei⸗ 
figen- Gräber zu befuchen, fo wolle ich meine Zeit zum Beſuch der: 
felben verwenden.” — Waren fie nun auch nicht fo ganz von dem 
religiöfen Zwecke meiner Reife überzeugt, jo thaten fie doch wenigſtens, 
als glaubten fie daran, und Bä Dorra 1260) verfprah mir, am fol- 
genden Morgen einen Beduinen zu fehiden, mit dem ich mid) ver- 
ftändigen könnte. 

Mein Wirth, dem ich) am Abend meinen Neifeplan mittheilte, 
war nicht fo fchr dafür, gab aber doch, da er fah, dak mein Ent: 
ſchluß feitftand, feinem Sohne den Befehl, mir einen Empfangsbrief 
an einen ſehr einflußreichen Schayd in Amd mitzugeben. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 15°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am Abend 20°. 

2. Auguft. Am folgenden Morgen wedte mich ein lebhaftes 
Gewehrfeuer umd ein durchdringendes Gefchrei, das in allen Häufern 
von den Weibern erhoben wurde, Anfangs war ich der Meinung, 
daß die Stadt überfallen worden fei, ein Bli nad) EI "Arr belehrte 
mich jedoch, daß man von dort aus die Stadt beſchoß. Sch ging 
nad der Thür, um mid) nad) der Urfache des Schiekens zu erkun⸗ 
digen. — Hatte mic ein Inwohner der Refidenz am Fenfter erblickt 
oder ſchoß man aufs Gerathewohl, genug, dag eine Kugel durch das 
Tenfter in die gegenüberliegende Wand fchlug, nachdem ich mich Faum 
davon entfernt hatte. 

Im Gange fand ich bereits alle männlichen Mitglieder der Fa⸗ 
milie inftalliet, während die Frauen ſich in die untern Zimmer zurüd: 
gezogen hatten. 

Ich erfuhr jetzt, daß einige Individuen dem Sultan 10 Thaler 


Seltfame Stenereintreibung. Folgen der Beſchießing. 211 


Abgaben fchuldeten, welche fie nicht auftreiben köͤnnten. Um num bie 
Stadt zu zwingen, dieſe Summe einftweilen zu erlegen, wurde fie 
von dem Sultan bejchoffen. 

Das Syſtem, eine Stadt für einzelne Individuen ſolidariſch 
haften zu laſſen, findet fich alfo nicht blos in Aegypten, fondern ift ſeit 
undenflihen Zeiten im ganzen Hadhramaut gebräuchlich, wo noch oben- 
drein, wie man fieht, die Zwangsmittel höchſt energiſcher Natur find. 

Den ganzen Tag wurde auf die Stadt gefchoffen, ſodaß es 
Niemand wagen durfte, den Baſar oder die Straßen zu betreten, 
welche von EL 'Arr aus beftrichen wurden. Befonders war erfterer 
den Kugeln ausgefegt und die Kaufleute daher gezwungen, ihren 
Handel einzuftellen. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Wetter 15°, um Mittag 25°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ 
wind 20°. 

3. Auguft. Mit dem Beginn des nächſten Tages begann das 
Schießen aufs Neue, währte aber nım bis gegen Mittag, da die 
Neihen unter den Bewohnern der Stadt die Summe zufanmengelegt 
und fie dem Sultan durd) einen Beduinen überjandt hatten. — Diefer 
Auftritt war nicht ohne traurige Folgen gewefen, dem ein Manu 
wurde auf der Stelle getüdtet, ein anderer ftarb am Morgen an der 
erhaltenen Wunde, und 7 Individuen, darunter auch eine Frau, waren 
minder oder mehr ſchwer verwundet. Niemand aber wunderte fich 
über diefe Gewaltthätigfeit, nocd) war darüber aufgebradt. Im Gegen- 
theil fand man fie fehr natürlich und verficherte mir, daß diejes das 
einzige Mittel ſei, welches die Sultane anwendeten, um rüdftändige 
Steuern einzutreiben; auch käme diejes fehr häufig vor. 

Des Nachmittags ſchickte ich zu BA Dorra ıumd ließ ihn bitten, 
mir den verfprodhenen Beduinen zu ſchicken, da id) gefonnen fei, des 
folgenden Morgens nad) dem Wädiy Amd zu reifen. 

Er ſchickte auch fogleich einen jungen Mann feines Stammes, 
mit dem ich bald einig und dem ich von dem Schayc "Abd el Daäbdir 
in aller Form übergeben wurde. 

14* 


212 Aufbruch von Choraybe nach dem Waͤdiy "And. 


Den Abend bradte ih in Gefellichaft einiger Scheryfe und 
Schaychs zu, bei denen ich mich nad) der Gegend erfundigte, welche 
ich befuchen wollte; aber feiner von ihnen fonnte mir etwas Beſtimmtes 
mittheilen. 

Der größte Theil diefer Leute zeichnet ſich durch eine großartige 
Ignoranz aus und ift fo wenig mit dem eigenen Vaterlande befannt, 
dag man faft Nichts von ihnen erfahren kann. Unglüdlicherweife war 
der Schaych abweiend, der mir fo viele Nachrichten von Beled el 
Hadſchar gegeben hatte. Es iſt in dieſem Lande immer am Beſten, 
fich an die Ausſagen der Beduinen zu halten, die jeden Schritt im 
Gebirge kennen. Freilich findet man dann und wann Scheryfe, welche 
eine rühmliche Ausnahme machen und ſich um andere Gegenſtände 
bekümmern, als um den Doran; aber leider find fie ſehr ſelten. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 15°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwind 25°, am 
Abend 20°. 

4. Auguft. Am 4. Auguft früh Morgens um 6 Uhr verlieh 
ich Choraybe, um die nördlichen Gegenden des Plateaus zu beſuchen. 
Ich erftieg e8 auf demfelben Wege, auf dem ich es vor einigen Tagen 
verlaffen hatte, jedod ging das Hinauffteigen ſehr langſam von 
Statten, jodaß wir fie erft nad) zwei Stunden erreichten. Während 
1'/, Stunde blieben wir auf dem Wege nad) Rhayde ed Dyn md 
zwar bis zur Stelle meines letten Nachtlagers, wo wir uns nad 
Nord, 25° Weit wandten. Um Y, vor 11 Uhr lagerten wir neben 
einer Cifterne, wo wir einige Kaufleute mit ihren Bebuinen fanden, 
welche Tags zuvor den Wadiy Amd verlaffen Hatten. Um 2 Uhr 
verließen wir diefen Pla umd legten nod) eine Stunde Weges bis zu 
einer Cifterne zurück, neben welder wir uns für die Nacht einrich— 
teten. Hier entfteht zur Nechten des Weges ein Waͤdiy, deſſen Namen 
mir mein Beduine entweder wicht jagen Fonnte oder wollte; jedod) 
wußte er fo viel, daß diefer Wädiy bei der Stadt „Matruch“ in 
den Wädiy Do’an mündet. 

Etwa %, Stunde von diefer Eifterne erhebt ſich ein Hügel von 


Aberglaube. Eine Taſchenuhr als Behaufung der Geifter. 213 


ziemlicher Ausdehnung, der wie viele andere der Hochebene die Form 
eines Dachftuhles "hat. Ueberhaupt ändert ſich auf dem Plateau der 
Charakter der Gegend nirgends; überall diefelbe Nacktheit, dieſelbe 
Einförmigkeit. Die Eifternen, deren man auf dem Wege von Ma- 
falla nad) dem Wädiy Do’än und den andern Gegenden fo viele an- 
trifft, werden hier feltener, denn ich traf während diefer Tagereiſe 
auf einer Strede von jehs Stunden nur drei an. 

Mein junger Beduine ſchien fi) vor meiner Perfönlichkeit ge- 
waltig zu fürchten und e8 war augenscheinlich, daß ic) ihm ein höchſt 
unheimlicher Gefelle war. Er hielt fich fortwährend in einiger Ent- 
fernung und ſah ſich nad) allen Seiten um, als ob er befürchte, ein 
Dutzend böſer Geifter erfrheinen zu fehen; eine Wirfung des Gerüchte, 
weiches fich feit meiner Zurüdfunft aus dem Wädit el Hadſchar ver- 
breitet Hatte, nämlich, daß ich ein Geifterbanner fei. Alle meine 
Handlungen beobadıtete er auf das Genaufte und bejonders ſchien 
feine Aufmerffamfeit am gefpannteften zu fein, wenn id) nad) der 
Uhr fah, in welcher er, wie ich fpäter erfuhr, nichts Anderes fah, 
als einen Behälter, in welchem ic einen jener böfen Dämonen ein- 
geiperrt hielt. Man kann fich denfen, daß ich bei jo bewandten Um- 
ftänden Feinerlei Unterhaltung mit ihm anfnüpfen konnte. Zum Gtüd 
bot die Gegend, welche ich durchreifte, wenig Imtereffantes dar, und 
fo verlor ich Nichts durch feine Verfchloffenheit. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 15°, um Mittag bei Nordweſtwind 20°, am Abend 18°. 

5. Auguft. Am 5. Auguft des Morgens 5 Uhr machten wir 
uns auf den Weg, paffirten nach dreiftündigenm Marſch eine Eifterne 
und machten um 11 Uhr an einem Wädih Halt, welcher fi) bei dem 
Orte Dſchahys mit dem Wädiy Amd vereinigt. Einige Beduinen⸗ 
frauen trieben hier eine bedeutende Schaafheerde vorüber” Kaum 
hatten fie uns bemerkt, jo umringten fie mid) und meinen Führer 
und festen uns weidli mit Fragen zu. Beſonders komiſch fanden 
fie, daß ih ald Mann Unterbeinfleider trug, welches bei ihren 
Sansculotten von Männern etwas Unerhörtes ift. Sie gehörten zum 


214 Troftlofer Anblik des Waͤdiy "Amb. 


Stamme der Murat Cobayh, einer Abtheilung des Stammes GI 
Dſchaſda. Ihr Anzug unterfchied ſich in Nichts von dem, welchen 
ich früher bei dem Wädiy Dahme befchrieben habe; ein Heiner Spröß- 
Iing lag, mit zwei Lämmern treulich gepaart, in dem Korbe der einen. 

Um 1 Uhr Nachmittags fetten wir unfere Reife fort und er- 
reichten um Yz4 Uhr den Rand des Waͤdiy "Amd. — Diefer Waͤdiy 
ift zwar bedeutend breiter, al8 der Wädiy Do’än, gewährt aber feinen 
fo malerifchen Anblid. Hier fehlen die großartigen Felfenpartieen und 
die amphitheatralifche Lage der Ortfchaften, hier Laden keine fchattigen 
Baumgruppen zur Ruhe ein und kein Balmenhain erquicdt mit feinem 
dunfeln Grün das Auge; — überall dürre Steppen, nur hier und 
da von grünen Streifen durchzogen, und in der Ebene liegende Dörfer, 
welche, gehülft in gebliches Grau, mit dem Boden gleidhjam ver- 
ſchmelzen. In demjenigen Theile des Wädig, welchen ich überjehen 
fonnte, bemerkte ich folgende Derter. Gerade unter mir die Stadt 
Amd, weiter hinüber, weiter öftlic), die ‘Dörfer Nowayre und Ei 
pobul 127), linfs im Südweiten das Dorf Nefhun 128), im Norden 
das Dorf Lohun 129) und in nordöftliher Richtung thalabwärts das 
Dorf Dſchahys. Wir langten, nachdem wir den fanften Abhang der 
Thalwand hinabgeftiegen waren, kurz vor 5 Uhr in der Stadt Amd 
und im Haufe des Schaych "Abd er Rahmän bä Dyak ben "Amudy 
an, dem mic mein alter Wirth in Choraybe enipfohlen Hatte. Wäh— 
rend wir Elopften, Tief aus allen Gaſſen ein Haufen Kinder heran, 
welche fih um den beiten Plaß balgten, von dem aus fie ein fo 
jeltenes Geſchöpf, wie mich, am Beften in Augenschein nehmen könnten. 
Nad einigem Warten öffnete endlich eine Negerfclavin die Thüre und 
führte uns in das Gaftzimmer, wo wir mit Kaffee und Datteln be- 
wirthet wurden. Bald darauf führte man uns nad) einem auf einer 
Nebenterraffe angebrachten Zimmer, in welchem ſich der Schahch auf: 
hielt. Bei meinem Eintritt überrafchte mic der Anblid eines „Tiſches“ 
und ‚einiger eleganter, europätfcher Lehnſeſſel“. Aus einem derjelben 
erhob ſich der Schaych, ein ſchöner Mann in der vollen Kraft feiner 
Jahre und von imponivendem Aeußern. Er ging mir einige Schritte 


Ein civiliſirter, vorurtheilsloſer Araber, 215 


entgegen und führte mich, nad) Beendigung des üblichen Ceremoniels, 
zu einem der Stühle, indem er mid) Pla zu nehmen bat. — Er 
verabjchiedete hierauf meinen Dachayl, der feinerfeits höchlichſt erfreut 
war, der Sorge für meine ihm fo unheimliche Berfon enthoben zu 
fein. Nachdem fi der Schaych nach meinem Vaterlande und dem 
Zwede meiner Reife erkundigt Hatte, ftellte er in fehr gutem 
Englifch die Frage: „Ob. ich diefe Sprade verftehe?” Ob— 
gleich) e8 mir nicht fehr angenehm war, diefe Frage hier, aus ſolchem 
- Munde und in der Spradje der in diefem Lande fo gehaßten Eng- 
länder zu hören, fo erwog id) doch gleich, daß der Araber, welcher 
fie an mid) richtete, nicht zu den fanatifchen gehöre, und wagte es 
daher, diejelbe in derfelben Sprache zu bejahen. Er jagte mir num, 
daß er ſchon von mir gehört habe und daß es ihn freue, mid) Hier 
in feinem Haufe zu fehen. Er leitete dann das Geſpräch auf die 
Bolitif, welche die Engländer vermocht haben konnte, Aden zu be- 
jegen. Wie alle Araber, beummuhigte auch ihn das Feitjegen der 
Engländer auf arabifchem Boden, ohne jedoch, wie jene, die fhörichten 
Hoffnungen zu begen, die Eindringlinge mit Waffengewalt vertreiben 
zu können. Nach diefem Thema kam ich auf den Zwec meiner Reiſe 
zu Sprechen, und da er gehört Hatte, daß ich Vieles gefchrieben, fo 
bat er mid), ihm meine Notizen zu zeigen, welches ich, obgleich fehr 
ungern, that. | 

Er betrachtete die Schrift mit vieler Aufmerkfamteit und erklärte 
dann, daß, wenn es auch Feine englifche, jo doch eine europätfche ſei. 
„Aud find Sie fein Moslim”, ſetzte er hinzu, „denn fonft 
würden Sie nicht jo angelegentlih unfere Berge und 
Thäler beijhreiben und fogar, wie man mir gefagt hat, 
einen jeden Stein mit fo vieler Aufmerkſamkeit betrachten.“ 

Ich betheuerte, „ein echter Moslim zu fein‘; aber er fagte mir 
mit einem Zeichen der Ungeduld: „Mein Lieber! in Ihrem Sinne 
wohl, nicht aber in meinem! Freilich haben Sie alle Ur- 
jache, es zu behaupten, — und glüdlih für Sie, wenn man 
e8 glaubt. ch aber, der ih lange Jahre mit Europäern 


216 Eine englifhe Bibliothek in Hadhramaut. 


in Indien Umgang gepflogen und ihre Sprade erlernt 
habe, bin über Ihre Nationalität nicht in Zweifel. Indeß 
find Sie mir deshalb nicht minder willlommen, denn id 
weiß die Beweggründe zu würdigen, welde Sie beftimmt 
haben, eine Reife in diefe den Europäern noch unbefannten 
Gegenden zu unternehmen, und Fanatismus ift mir fremd. 
Bon meiner Seite haben Sie Nichts zu befürchten, im Gegen: 
theil werde ih mir ein Vergnügen daraus machen, Ihnen 
zur Erreihung Ihres Zwedes behüflich zu fein.’ 

Nach diefem Ausſpruche, auf den Nichts zu erwiedern das Befte 
war, öffnete er einen Wandichrant und zeigte mir feinen Schaß von 
englifhen Büchern. Walter Scott’s „Sefhihte Napoleon's“, 
ein „Lehrbuch der Phyſik“, eine „Geographie“ und ein „ged— 
graphifcher Atlas’ machten die Hauptbeftandtheile dieſer Eleinen 
Bibliothek aus. — Man kann fich meine Ueberrafchung denfen, in 
einem Winkel diefes von „Halbwilden“ bewohnten Landes einen Dann 
zu finden, dem die Wiffenfchaften nicht fremd waren, und der Geift 
genug befaß, fi) für mein Unternehmen zu intereffiren! 

Diefem Manne verdante ich Vieles, was mir ohne ihn unbefannt 
geblieben wäre und welches ich am geeigneten Orte mittheilen werde. 

Am Abend kamen mehrere Scheryfe, weldje aber nicht dazu bei- 
trugen, das Geſpräch intereffant zu machen. Mein Wirth, welcher 
bemerkte, wie Täftig mir das gehaltlofe Geſpräch und die albernen 
ragen diefer Leute waren, gab mir, indem er meine Müdigkeit vor- 
ſchützte, eine ſchickliche Gelegenheit, mid) auf mein Zimmer zurüd: 
zuziehen. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei klarem Wetter und 
Windftille 10°, am Mittag bei Nordweitwind 20°, am Abend 10°. 

6. Auguft. Am folgenden Morgen erfuchte ich den Schayd 
Abd er Rahnän, mir für den folgenden Tag einen fihern Dadapl 
nad) Haura, an der Mündung des Wädiy Amd in den Waͤdiy Tacr 
zu verſchaffen. Obgleich e8 fein fehnlichfter Wunſch war, mich noch 
länger bei fich zu fehen und ich felbft die interefjante Geſellſchaft dieſes 


Der Dädhy von Amd und feine Fragen. 217 


Mannes gern nod) länger genofjen hätte, fo war doch Feine Zeit zu 
verlieren, wenn ich, meinem Plane gemäß, den Wädiy Er Nädiye 
befuchen und am 25. in Ghaydun fein wollte Diefe Gründe und 
bas Verfprechen, auf meiner Rüdreife nad) dem Wädiy Do’än einen 
Tag bei ihm zu bleiben, bewogen ihn endlich in meine Abreife zu 
willigen. Er fohidte feinen Sclaven auf den Bafar, der aud) bald 
einen Beduinen, vom Stamme Murat Cobayh brachte, dem er mid) 
übergab. Am Morgen madte id) mit meinem Wirthe einen Spaziergang 
in die Stadt und ihre Umgebungen und befuchte auf dem Rückwege 
den Qadhy und zwei der angefehenften Scherufe, bei denen ich jedoch 
nichts Bemerkenswerthes hörte und nur eine Menge Fragen zu beant- 
worten hatte, unter denen, wie gewöhnlich, mehrere Höchft originelle 
vorfamen. Unter Anderm war eine der Art, daß wir, der Sitte 
zuwider, laut auflachten. Der Dädhy, ein aufgeräunmter, fehr rüftiger 
Sechziger, frug mid nämlich nad) den förperlichen Dimenfionen der 
— Königin von England und wie viel Eunuchen fie habe. Ganz 
erjtaunt ſah er unferm Laden zu, lachte aber endlich felbjt mit auf 
feine Koften und konnte ſich gar nicht darein finden, daß die Königin 
gar feine Eunuchen (Verfchnittene) haben follte; „denn“, fagte er, 
„die Frauen find zu ſchwach, um allen Verſuchungen widerftehen zu 
können, und eine Königin muß deren doch eine bedeutende Menge haben.’ 

Des Nachmittags führte mid; der Schaych in ein Haus, in 
welchen foeben eine Hochzeit gefeiert wurde. Schon von weitem ſcholl 
uns der Sugharith der Frauen und der Ton der Nhobäba und 
Dagäba entgegen, welche einen harmonifchen Gefang begleiteten. Bon 
Zeit zu Zeit hörte man aud) den Schall der Tarr, welche, wie mir 
mein Begleiter fagte, am Ende jeder Strophe fünf- bis jehsmal 
gefchlagen wird. Bei unferm Eintritt wurden wir von dem Vater 
des Bräutigams empfangen und in ein großes Zimmer geführt, wo 
der Bräutigam regungslos (demn es ift Sitte, daß der Bräutigam, 
ohne fid) zu rühren, mit möglichft fteifer Gravität bis zum Ende des 
Feſtes figen muß) auf einer eigens dazu errichteten, mit hellfarbigem 
geblümten Katun bedeckten Eftrade zwifchen zwei Anverwandten der 


218 Hodyeitsfeierlichleiten im Wadiy "And. 


Braut ſaß. Bor diefer Eftrade ftand ein kupfernes Gefäß, welches 
mit einem feibenen Tuche bededt war und dazu beftimmt ift, Die 
Geſchenke aufzunehmen, bie jeder Beſucher, der Sitte gemäß, machen 
muß. Neben diefer Schüffel faßen zwei aufgeputte Knaben, von 
denen der eine ein Rauchfaß, der andere eine mit Rojemvaffer ge- 
füllte Tiſſgiye in der Hand hielt. — Die Tiſſqiye find im ganzen 
Orient gebräudlih und werden aus Böhmen dahin verfdidt. Cs 
find Heine, mit Blumen gezierte Tlajhen mit langen engen Hals, 
welche vermittelft darauf geichraubter Stüde verfchloffen werden, 
die mit fleinen Deffnungen verfehen find. — Beide, Braut und 
Bräutigam, hatten einen Haufen Feiner, grüner Zweige neben fich 
liegen. Da id) bereits zu Haufe mit dieſem Gebrauch befannt ge- 
macht war, fo hatte ich ein Raſirmeſſer, eine Scheere, eine Heine 
Spiegeldoje und eine Schnur Glaskorallen mitgebracht, weldyes ich 
Alles unter das Tuch in die Schüffel ſchob, ohne die bereits darin 
liegenden Gefchente aufzudeden. Wir befamen ein Jeder einen der 
fleinen grünen Zweige, und nachdem uns einer der Knaben mit Rofen: 
waſſer beiprigt hatte, beräucherte der andere unfere Kleider mit Weih- 
rauch. Hierauf nahmen wir unter den andern Gäſten Platz, welde 
auf den bereits erwähnten Schwarzen Teppichen umberfaßen und fangen. 
Ich konnte nun den Bräutigam mit Muße betrachten, welcher, mit 
einem rothen Kaftan und großmächtigen Turban angethan, wie eine 
Bildfänle zwiſchen feinen beiden Gefährten ſaß. Born auf dem 
Zurban ragte ein volumindfes Bouquet Kuoblauchzwiebeln, welches, 
wenn e8 auch nicht zum großen Zierde gereicht, doch den Nuten bat, 
die Macht des böfen Blickes unfchädlicd, zu machen. Weber eine mit 
geblümtem Katun verhangene Thür, welche aus diefem Zimmer in 
ein Nebengemad führte, in dem ſich die Braut mit den weiblichen 
Gäſten befand, hing zu demfelben Zweck eine Aloepflanze nebft einem 
Bouquet Knoblauch und einem Sädhen Alaun. — Süßes Gebäd 
und Kaffee wurde in Menge herumgereicht, und fpäter gebratenes und 
gekochtes Fleiſch mit Reis aufgetragen. Nach der Mahlzeit fangen 
abwechjelnd Frauen und Männer Achämer und Hodſchahny. 


Drautftands- und Hochzeitsgebräuche. 219 


Der Achämer ift ein Gefang, in welchem die Tapferkeit, Reli: 
giofität und Freigebigkeit irgend einer Perfon gepriefen wird, der 
„PHodſchayni ift, wie id jchon früher bemerkte, erotifchen Inhalts. 

Nach dem, was mir gefagt wurde, Tommt das Brautpaar bei 
der ganzen Hochzeitbeluftigung am jchlechteften . weg; denn Beide, 
Braut und Bräutigant, müffen von Mittag bis Mitternadht, ohne 
auch nur das Geringfte zu fich zu nehmen, fortwährend in der Stel- 
[ung verbleiben, in der ich den Bräutigam von Anfang an figen ſah. 

Die Phafen, welche ein hadhramauter Liebeshandel bis zum 
Augenblide der Verlobung durchläuft, find fo ziemlich diefelben, wie 
bei uns. Der junge Mann ficht das Mädchen fowohl im väterlichen 
Haufe, als aud beim Brunnen, dem Hauptverfanmlungsorte der 
orientaliihen Liebenden. Der Liebhaber ftellt fi) in der Nähe des 
Haufes einer Geliebten auf und fingt Hodſchayny u.f.w. Von 
dem Augenblide an, wo der Vater für feinen Sohn um fie anhält, 
ändert fid) Alles. Das Mädchen darf ſich vor feinem Manne un- 
verfchleiert fehen laffen. Die Ständchen werden nicht mehr gebradjt; 
furz, Beide find bis zur Hochzeit auf das Strengfte voneinander 
geichieden. Am Hochzeittage wird die Braut nebft ihrer Kleinen Aus⸗ 
jtener, welche ihr der Vater giebt, in Proceffion in das Haus des 
Bräutigams gebracht, wo fie gleich ihm die obenerwähnte Gebulde- 
probe aushalten muß. Um Mitternacht befommen zwar Beide bie 
Erlaubniß zurück, ihre Glieder zu rühren, dürfen ſich aber bis zur 
vierten Nacht nad) der Hochzeitöfeierlichkeit nicht jehen. In der erſten 
Hälfte diefer Nacht muß der Bräutigam ſowohl feine Anverwandten 
und Freunde, als auch die der Braut bewirthen; erft nachdem er 
feine Säfte entlaffen bat, iſt es ihm erlaubt, feine Anſprüche ale 
Ehemann geltend zu machen. — Die Braut befommt von ihrem 
Bräutigam eine Ausſteuer, welche ihr in feinem Falle und ſelbſt dann 
nicht genommen werden kann, wenn fie durch ihre üble Aufführung 
dem Manne Gelegenheit gegeben hat, fid) von ihr zu fcheiden. Der 
Vater verkauft feine Tochter förmlich an ihren zukünftigen Ehemann, 
muß aber 2, des Kaufpreifes zurüdzahlen, wenn diefelbe durch ihre 





220 Leichtigkeit der Ehefcheidungen. 


Schuld vom Ehemanyge verſtoßen wird. Die Beweiſe öffentlich zu 
zeigen, daß ein Mädchen bei ihrer Verheirathung ihrem Bräutigam 
als unbefledte Sungfrau übergeben wurde, wie es in Aegypten und 
der Türkei der Fall ift, findet hier nicht ftatt; fie werden jedoch von 
ihren Anverwandten in Empfang genommen, damit fie diefelben im 
Talle der Noth zur Rechtfertigung vorzeigen können. 

In Arabien ift kein Band Ioderer, als das eheliche, denn der 
Mann braucht 'nur feiner Frau, ohne irgend eine Urſache anzugeben, 
die Worte „Ent' ‘alayk“ (‚Du gehörft Dir ſelber!“ zu fagen, um 
von ihr gefchieden zu fein. Sollte er fid) ja herablaffen, ihren Ber: 
wandten die Urfache feines Verfahrens zu nennen, jo braucht er bios 
zu jagen: „Sie behagte mir nicht‘, fo find diejelben zufriedengeftellt. 
Eine ſolche Scheidung bringt der Frau und ihrer Familie feine 
Schande, und fie Tann ſich nad) Verlauf von 1 Jahr und 1 Tag 
wieder verheirathen. — Ganz anders verhält es fich jedoch, wenn der 
Dann feine Frau wegen begangener Untreue verftößt und diefen Grund 
ihren Verwandten anzeigt. In diefem Falle wird die Ehebrecherin 
von ihren Brüdern oder fonftigen männlichen Anverwandten in aller 
Stille an einen einfamen Ort geführt und dort zu Tode gefteinigt. 

Dft aber gefchieht e8, daß der Mann eine ſolche Frau verſtößt, 
ohne ihr die Scheidungsformel mitzugeben; fo lange nın der Mam 
ihr dieſe Formel vorenthält, Tann diefelbe nicht heirathen und wird 
dann Tamahhe genannt. 

Die Stadt "Amd Tiegt an der füdlichen Seite des Waͤdiy der 
Mindung des Waͤdiy Nyr gegenüber, der fih mit dem Wädiy 
Rhayde ed Dyn vereinigt, welcher danı den Namen Amd annimmt. 

Sie hat ungefähr 6000 Eimvohner, welche theils zu dem Stamme 
der Amudy, theil® zur Klaffe der Sceryfe und Sſayydy ge— 
hören. Ihre Erwerbsquellen find der Handel, Aderbau und die 
Bereitung des Indigo, der hier in bedeutender Menge gewonnen 
wird. Die Häufer find wie die im Wädiy Do’än gebaut, und wie 
dort findet man in den enggepflafterten Straßen Schmuß und omtinöfe 
Miftlachen. Am Ausgange der Stadt find die Straßen mit ftarfen 


Der Sultan ganz von den Bebuinen beherrfht. 221 


eifenbefchlagenen Holzgittern verjchloffen. Am öftlichen Ende befindet 
fi der „Baſar“, ein Heiner, mit dunkeln Kaufläden umgebener 
Platz, welcher wahrſcheinlich aus dem ſchon bei Choraybe angegebenen 
Grunde fehr fpärlih mit Waaren ausgerüftet ift. Die drei Moſcheen, 
welche die Stadt befitt, zeichnen fich weder durch ihre Größe, noch 
Architectur aus, und find weiter nichts, als höchſt einfache, flach ge- 
decte Bethäufer mit Vorhöfen verjehen, in deren Mitte mit Waffer 
gefüllte Yaffins angebradt find, vor denen die zum Gebet gehenden 
Gläubigen die vorgefchriebenen Abluitionen verrichten. Der Sultan 
heißt Iſſmaͤyl ibn Moghtafir ibn ben Yſſaͤ el Amudy und refidirt 
mit feinen Samilien in einigen Thürmen, welche auf einer füdlich 
neben der Stadt liegenden Anhöhe ftehen. Seine Macht ift jehr be- 
Ichränft, da er unter dem Schuß oder vielmehr unter der Herrichaft 
des Beduinenftammes Murat Cobayh fteht, deſſen Schaych, welcher 
in dem nahen Lohun wohnt, eine Garnijon von einigen 30 Beduinen 
in der Refidenz liegen hat. Der Drud, unter dem der Sultan und 
feine Unterthanen leben, muß unansftehlich fein. So erzählte mir- 
der Schaych "Abd er Rahmän, daß die Beduinen die Stadt oft ganz 
willkürlich brandichagten und fie von der Reſidenz aus fo Tange be- 
Ihöffen, bis ihren Forderungen Genüge geleiftet. wird. 

Mehrere tiefe Brunnen liefern vortrefflihes Waffer, verfiegen 
aber bei regenlofen Jahren, mo dann der Bedarf aus großen Ent⸗ 
fernungen herbeigejchafft werden muß. Im folchen Jahren fteigt dann 
die Npth auf das Aeußerſte; denn nicht allein, daß die ausgedorrten 
Felder feine Früchte liefern, fondern die Beduinen, welche alle außer- 
halb der Stadt befindlichen Brunnen als ihr Eigenthum betrachten, 
erheben aud) noch von jeder Kameelladung Waſſer eine verhältniß- 
mäßig fehr ftarfe Abgabe. Tauſende von Reiſenden würden in einer 
folhen Zeit verdurften, wenn nicht die wohlthätigen Stiftungen reicher 
Verftorbener die Armen mit Trinkwaſſer verforgten. Es eriftiren 
nämlich, fomwohl in der Stadt als auch auf den Wegen, welche den 
Waͤdiy durchkreuzen, gemauerte, mit Ruppeln bededte Eleine Behälter, 
Sſabyl genannt, die fortwährend mit Waffer gefüllt find, deſſen Her- 


222 Die Dörfer des MWädiy Amd. 


beifhaffung von dem Ertrage der vom Stifter zu diefen Zwecke be- 
ftimmten Summe beitritten werden. Solche Sfabyl findet man in 
allen bewohnten Wäpdiys in Menge: umd find nebft den Eifternen un- 
ftreittg die fegensreichiten Stiftungen in diefem von der Diutter Natur 
fo ftiefmütterlich ausgeftatteten Lande. 

Der Thermometer jtand am Morgen bei heiterm Himmel und 
Windftille 15°, am Mittag bei Norbweitwind 25°, am Abend 20°. 

7. Auguft. Am 7. Auguft Morgens 6 Uhr verließ ich unter 
dem Schutze meines greifen Führers die Stadt Amd und nahm die 
Richtung Nord, 40° Oft. Eine halbe Stunde durchzogen wir ange: 
bautes Land und betraten dam eine dürre Steppe, mit fandig- 
thonigem Boden, auf der hier ımd da Tamarisken, Mimofen, Ofcher, 
Hyoscyamus und rankende Cologuinten umherjtanden. Cine Stunde 
Mari durch diefe Wüſte brachte uns in das trodene, fandige Fluß⸗ 
bette des Waͤdiy, welches wir aber fchon nach einigen Minuten ver- 
ließen und wieder die öde Steppe betraten. Links vom Wege lag in 
‚geringer Entfernung das von angebauten Feldern umgebene Dorf 
Lohun, von einem hohen WachttHurm überragt, in welchem der Schaych 
der Murat Cobayh refidirt. Es mag ungefähr 400 Einwohner faſſen, 
welche diefem Stamme angehören. In einer Stunde, während welcher 
wir die Richtung Oft, 10° Süd verfolgten, famen wir an die fleifig 
bebauten Felder des großen Dorfes Dſchahys, welches von ungefähr 
1000 Individuen des Stammes Murat Kobayh bewohnt wird. Es 
ftegt an der Mündung eines von Sübdoften kommenden Wädig und 
wird von einigen Wachtthürmen überragt. Von bier aus zieht fich 
der Weg nach Norden fortwährend über angebautes Feld bis zum 
Dorfe Scho’be, welches wir in Y, Stunde erreichten. Seiner 
Größe nach zu urtheilen, wird die Seelenzahl diefes Ortes wohl der 
des Dorfes Dſchahys gleichfommen; auch hier haufen die Murat 
Cobayh. Während wir hart am Dorfe Hinzogen, hatte ic) das Der: 
gnügen, die neugierige nadte Dorfjugend auf den Ferſen zu Haben. 
Jedoch begnügte fie fich damit, mich zu begaffen, und verließ une 
bald, nachdem wir das Dorf im Rüden hatten. Bon diefem Dorfe 


Beratung der Beduinen den Stäbtern gegenüber. 223 


aus wanderten wir Y, Stimde in der Richtung Nord, 30° Oft über 
angebautes Feld und betraten dann eine öde, gebüfchreiche Gegend. 
Nach "/, Stunde gelangten wir an den Rand eines Durrafeldes, wo 
wir unter einer großen laubreichen Platane lagerten. 

Um 2 Uhr fegten wir die Reife fort und famen nad) Y/, Stunde 
in geringer Entfernung an der Stadt Ma⸗Radhy 130) vorüber, welche 
wir rechts Liegen ließen. Diefe Stadt zählt ungefähr 4000 Ein- 
wohner, welche theils dem Stamme der Amudhy, theils der Klaſſe der 
Scheryfe und Sjayydy angehören und von einem der Schattenfürften 
regiert werben, weldje den pompdfen Zitel „ Sultan‘ führen; auch 
hier herrjcht ‚der Stamm der Murat Cobayh. 

Mein gemüthlicher alter Beduine, mit dem ich über ihr Ver⸗ 
hältniß zu den Städtebewohnern fprah und meine Verwunderung 
ünßerte, daß fih eine Bevölkerung, die ihnen an der Zahl weit 
überlegen ſei, jo geduldig brandichagen laſſe, beantwortete dieje Be⸗ 
merfung mit der Trage: „Kann denn eine Heerde Schaafe einen 
Wolf erlegen?” — Diefe Antwort, welche mein alter Führer mit 
einem verächtlichen Blicke nach der Stadt begleitete, bezeichnet Hin- 
länglih die Meinung, welche die Beduinen von dem Muthe der 
Städter hegen. Auf den Feldern, welche die Stadt umgeben, ftanden 
Durra, Dochen, Weizen, Indigo in üppigfter Fülle, und auf den 
niedern Dämmen, welche die einzelnen Abtheilungen umgeben, ftanden 
Blatanen, Nebef, Tamarisfen und Mimofen umher. Der Weg führt 
nun nad) Norden Y, Stunde zwiſchen den angebauten Feldern Hin, 
worauf wir wieder die Region der wilden Geftrüppe betraten. Es 
fehlt auf allen diefen wildliegenden Streden nicht an Anzeichen, daß 
der im höchſten Grade anbauſähige Boden in frühern, beſſern Zeiten 
den Fleiß ſeiner Bearbeiter belohnt hat; denn überall ſieht man 
regelmäßig abgetheilte Vierecke, welche mit Erdwällen umgeben waren, 
die jetzt noch erkennbar find, und aller Augenblicke ſieht man ver- 
fchüttete Brummen. Nach 12/, Stunde überfchritten wir das Fluß- 
bette, an deſſen gegenüberliegeuder Seite bebaute Felder liegen, längs 
denen wir in 1%, Stunde hinzogen und dann neben einem von 


224 Ausgeſtorbener Zuftand des Wädiy Amd. 


mehrern Platanen befchatteten Brunnen für die Nacht lagerten. Im 
Dften fah ich an jeder Seite eines hier mündenden Wädiy ein Dorf 
ampbitheatralifh am Abhange des Plateaus liegen, über den einige 
Wachtthürme hervorragten. Das füdlich gelegene Dorf trägt den 
Namen EI Medfarre; das nördliche Heißt Hallet Bü Galyb. Beide 
gehören dem Stamme Murat Cobayh, und jedes derfelben mag un- 
gefähr 500 Einwohner zählen. Das Territorium der Murat Cobahyh 
hört hier auf und es beginnt das des Stammes der Beny Schamlän, 
einer Abtheilung des Stammes El Dſchaſda. Ganz in der Nähe 
unferes Yagerplages wohnte eine Beduinenfamilie unter einer Platanr, 
welche uns mit ſüßer und fauerer Milch bewirthetete, eine Erfrifchung, 
deren ich ſchon Lange entbehrte und die mir deswegen fehr will- 
fommen war. 

Auf dem ganzen Marfche von 'Amd hierher begegneten wir feiner 
Menfchenfeele, ſodaß es ſchien, al8 wäre die Communication zwischen 
den verfchiedenen Drtichaften aufgehoben. Weber Mangel an Waffer 
hatte ich Feine Urſache zu Hagen, denn ich traf auf dieſem Wege 
10 der ſchon erwähnten Sfabyl, welche faft alle mit Waffer gefülit 
waren. Ganze Streden der bradjliegenden Gegenden, welche ich heute 
durchwandert hatte, waren mit der Aloe spicata (Es Succul) be- 
det, aus der, wie mir mein Führer fagte, eine bedeutende Quan- 
tität Gummi gewonnen und an die Küfte von Malalla und Schihr 
verfandt wird; noch bedeutender foll die Menge fein, welche aus den 
weiter öftlich liegenden Provinzen in den Handel fommt. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 15°, um Mittag bei Nordweftwind 25°, am Abend 20°. 

8. Auguft. Am 8. Auguft des Morgens Y, vor 6 ihr ver- 
ließen wir umnfere Lagerftätte und fchritten in der Richtung Nord, 
10° Oft längs des bebauten Feldes hin, betraten aber fchon nad) 
1/, Stunde die traurige Einöde. Eine Menge Hafen und Gazellen, 
welche auf Koften der Beduinen ihr Frühftüd in den ‘Durrafeldern 
eingenonmen hatten, flüchteten bei unferer Annäherung in die Ger 
büfche und erweckten die Iagdluft unferes Dachahl, der auch fogleid 


Dörfer Habab und Dämile. Neugierde der Jugend. 225 


dem Wilde behutfam nachſchlich, während ih das Kameel vor mir 
hertrieb. Es dauerte auch nicht lange, fo fiel ein Schuß und be- 
laden mit einer prächtigen Gazelle trabte bald mein brauner Nimrod 
heran. Nach einem Marfche von %/, Stunde zeigten ſich rechts vom 
Wege bebaute Felder und das Dorf Habab, welches von etwa 500 
Individuen des Stammes Beny Schamlän bewohnt wird; ein Wadht- 
thurm ragte zur Linken des Dorfes. Die Aeder hörten bald wieder 
auf, und die öde Steppe dehnte fih mit ihrer verftimmenden Ein- 
förmigfeit abermals vor uns aus. Nur am füdlihen Ende des 
Wädiy erhebt fih ein Wachtthurm von einigen Wohnungen um- 
geben, welden Ort mein Beduine mit dem Namen Rabadh Ba 
KRaubäl benannte. 

Nah 9/, Stunde änderte fih die Richtung in Dft, 10° Nord, 
welche wir 1 Stunde beibehichen, uns dann nad) Nordoften wandten 
und 5, Stunde weiter unter einigen Tamarisfen das Kameel ent- 
luden, um die gewöhnliche Ruheſtunde zu Halten; ein halbverfchütteter 
Brummen lieferte gerade noch Wafjer genug, um uns und unfer Thier 
zu erquiden. Im Nordweſten bemerkte ich die Mündung eines Thals, 
deffen Namen mir mein Führer nicht ſagen konnte, nur foviel wußte 
er mir von ihm zu fagen, daß es unbewohnt fei. Die erlegte Gazelle 
wurde von meinem alten Führer auf übliche, bereits bejchriebene 
Weife zubereitet und wir hielten im dürftigen Schatten der Tama— 
risfen ein im Vergleich zu dem gewöhnlichen herrliches Mittagsmahl. 

Um 2 Uhr Nachmittags machten wir uns wieder auf und ge- 
langten in 1%, Stunde durch eine mit Aloe bewachjene Gegend nad) 
dem Dorfe Damile, an welchem wir dicht vorbeizogen. Die ganze 
Dorfiugend und fogar Erwachſene liefen eine Strede mit uns, um 
das feltene Schaufpiel eines „Fremden“, der noch dazu ein „Aegyp⸗ 
tier’ war, zu genießen. Dämile mag ungefähr 300 Einwohner fafjen, 
weldhe dem Stamme Beny Schamlän angehören; Hinter dem Dorfe 
befinden fich einige Telder. Nach 1Y, Stunde wandte ſich der Weg 
nad Oft, 40° Süd. Zwei hohe Wachtthürme ragten in der Rich⸗ 
tung des Weges und bezeichneten die Lage des Dorfes Dirbe, welches 

A. v. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 15 





226 Erſtes Betreten des eigentlichen Hadhramaut, 


dem Stamme der Beny Schamlän gehört und etwa 1000 Einwohner 
haben mag. In feiner Nähe lagerten wir uns nad) einem Marſche 
von 1%, Stunde unter einem Tamariskengebüſch, welches die an- 
gebauten Felder umfäumte. Von Dämile bis hierher ift die ganze 
Gegend dicht mit Aloe bewachſen, zwifchen denen hier und da Mimoſen 
und Zamarisken Feine Gebüfche bilden. 

Am Abend kamen mehrere Einwohner, welche uns vom Felde 
aus bemerkt hatten, um fich mit uns zu unterhalten, wobei id) dann, 
wie gewöhnlich, weidlich mit Fragen gequält wurde. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel ımd 
Windftille 15°, um Mittag 25°, am Abend 20°. 

9. Auguft. Am 9. Auguft brachen wir ſchon um 4 Uhr auf, 
um die ftarle Tagereiſe bis Haura zurüclegen zu fünnen. Der Weg 
führte in der Richtung Oft, 30° Nord, am Saume der Felder und 
dann an der Mündung eines Thales vorüber, hinter welchem fid 
wieder eine weite, mit Mimofen, Tamarisken und Aloe bewachfene 
Ebene vor uns ausdehnte. Nach einem Marfche von 2%, Stunde 
ſah ich links die Mündung eines Wädiy und das Dorf Chanfa. 
Die Richtung des Weges wurde Oft, 10° Nord, melde wir 
1’/, Stunde verfolgten und uns dann nad) Dit, 20° Nord wandten. 
Wir legten nod) 1%, Stunde Wegs zurück und Tagerten uns dann 
neben einem Sfabyl unter einer fchönen Platane. Hinter Chamfa 
beginnt die Landſchaft Hadhramant. 

Wir mochten ungefähr 1 Stunde gefeffen haben, als ein Beduine 
auf uns zukam, den Arm meines Dachahls umfaßte und jprad: 
„So wahr Deine Kinder und meine Kinder in Frieden 
leben, Du bift mein Befhüger!” — Mein greifer Führer fah 
ihn eine Weile jchweigend an und jagte dann: „Es ift gewährt!” — 
Der Fremde feßte fich Hierauf zu uns und erzählte, daß er zum 
Stamme El Mahfus gehöre und daß zwifchen ihm und der Familie 
der Beny Schamlän Blut fei, indem fein Bruder cin Mitglied der- 
jelben erftochen habe. Er habe einen Brief nad Nefhun gebradit, 
jeine Feinde hätten diefes erfahren und er wüßte ganz genau, daß 


Schusflehende gegen die Folgen der Blutrache. 227 


man auf allen Wegen nad Meichhed Alyy, wohin er reife, feiner 
Perfon auflauere. Mein Dachayl verſprach ihm darauf nochmals 
feinen Schuß bis Haura und theilte ein Stüd Brod mit ihm, 
als ftillfchweigenden Schwur „bei der Heiligkeit des’ Brodes“, 
Daß er fein Verfprechen halten wolle. 

Um Yal Uhr fegten wir unjere Reife in der Richtung Oft, 
38° Sud fort. Nach 2%, Stunde ſah id) links des Weges in einer 
Stunde Entfernung das Dorf Ef Sfay't liegen, welches dem Stamme 
Beny Schamlän gehört und etwa 600 Einwohner zählt. Bon hier 
an wird der Wädiy gebüfchreicher und die Aloepflanzen zeigen fich 
nur in einzelnen Gruppen. 1%, Stunde weiter fah ich nod zur 
echten des Weges das von 500 Beny Schamlän bewohnte 
Dorf Andäl, deffen Felder theilmeife mit Dattelpalmen bepflanzt 
find. Die Ausfage des Schütlings meines Führers, daß man 
ihm auflauere, beftätigte fich 1 Stunde Hinter Andäl bet einem 
Sfabyl. ' 

Hier ftanden nämlich drei Männer, welche unfer Gefährte als 
Mitglieder der Familie des Ermordeten erfanntee Mein Führer blieb 
jtehen und winfte Einen derſelben zu fi), worauf aber alle drei 
beranfamen und ſich fogleich an ihren Feind wandten. Mit größter 
Gelaffenheit und Ruhe fprach zu ihm einer von ihnen: „Du und die 
Deinigen find Bluthunde, das Blut unferes Bruders fteht noch über 
der Erde 19%), und wir brauchen das Deinige, damit e8 verjchwinbe, 
Komm hervor denn! Mit Deinem warmen Herzblute will ich mein 
Gefchleht von dem Schmutze reinigen, mit welchem Du und die rän- 
digen Hunde, Deine Brüder, es befchmugt haben!“ Auf diefe Art 
hatte er ſich gleichſam in den Zorn geredet und id) dachte jeden 
Augenblid, dag fie aneinander gerathen würden; aber mein alter 
Bebuine, der wohl diefelben Befürchtungen hegen mochte, legte fi 
ins Mittel. „Gott ift groß! Es ift nur Ein Gott und Mohammed 
ift fein Gefandter!” rief er aus; „das Blut diefes Mannes gehört 
mir bis zur morgenden Sonne! ft diefe aufgegangen, jo möge es 
das Eure fein. Bis dahin bin ih und mein Stamm Dachahl diejes 

15* 


228 Streit mit den Bluträchern. Ankunft in Haura. 


Mannes. Ich Habe mein Recht ausgefprochen und ihr kennt es 
jet. Die Dſchembiye der Baͤ Schoqayr find ſcharf und ihre ' 
Rugeln reichen weit und ſicher.“ — Die drei Beduinen fahen den 
Alten eine Weile fchweigend an, und einer von ihnen erwiederte: 
„Die Bü Schogayr haben einem räudigen, biutigen Hunde, deſſen 
Angefiht in den Dörfern der Beny Schamläan ſchwarz ift, Den 
Dachayl angedeihen laſſen; aber wir fennen Dein Recht, denn Gott 
ift groß! Es ift nur Ein Gott und Mohammed ift fein Gejandter! 
Möge Dein Tag weiß ſein!“ — Hierauf gaben fie ihm und mir die 
Hände und verfhwanden in den Gebüfchen. 

Unfer Gefährte Hatte die ganze Zeit die Hand am Griffe der 
Dſchembiye und betrachtete feine Gegner mit funkelnden Blicken, er- 
wiederte aber Teine Silbe auf alle die Epitheta, welde man ihm und 
den Seinigen gab. Eine Stunde fpäter langten wir glüdlih in der 
Behaufung des Schahch Hoſſayn ibn Abu Salem el Amudy in 
Haura an, dem id durd "Abd er Rahman empfohlen war und ber 
mic auf. das Freundlichſte empfing. 

Der größte Theil des Waͤdiy Amd ift, wie man aus dem Vor: 
hergehenden erfieht, ein zwar fruchtbares, aber bradjliegendes Thal 
von 1 Stimde Breite, welches wenigftens zweimal foviel Einwohner 
ernähren könnte, als e8 jett der Tall ift. Früher muß e8 noch bei 
weitem bevölferter gewefen fein, denn darauf deuten die vielen Brunnen 
und die halbverwifchten Spuren einer Eintheilung der Aeder bin, 
welche man in den öden Stridhen zwifchen den Dörfern trifft. Troß- 
dem liefert diefer Wädiy eine erftaunliche Dienge Gummi, Aloe; denn 
der alte Beduine fagte mir, daß alle Jahre über 1000 Kameel- 
ladungen, aljo 3000 GCentner, nad der Küfte gefchafft würden. 
Datteln liefert er jehr wenig und Getreide kaum foviel, daß es für 
. den Bedarf der Bevölkerung auf ſechs Monate hinreicht. Dahingegen 
wird ein ziemliches Quantum Tabak und Indigo angebaut und aus: 
geführt. Der Alluvialboden fcheint das Thal bis zu einer Höhe von 
40 bis 50 Fuß auszufüllen; denn diefes war ungefähr die Tiefe der 
Brunnen. Die Abhänge des Plateau haben ungefähr eine Höhe von 


x 


Biyr Borhut. Die vermeintlichen Quellen des Styr. 229 


100 bis 150 Fuß über dem Thalboden, ſodaß aljo der ganze Thal- 
einfchnitt ungefähr 200 Fuß betragen mag. 

Am Abend kamen mehrere Scheryfe, um mic zu fehen, denn 
die Nachricht von der Ankunft eines Fremden hatte fich ſchnell durch 
die ganze Stadt verbreitet. Ich mußte Vieles erzählen, erfuhr aber 
auch viel Intereffantes. So erzählte mir ein Scheryf, der mehrere: 
mal am Dabr Hud gewefen war, daß der berühmte Biyr Borhut 
vier Stunden nördlich von Dabr Hud am Rande des Wädiy läge, 
daß er die Form eines langen, in der Mitte breitern Spaltes habe; 
"die Länge defjelben betrage ungefähr 500 Schritt und die größte Breite 
etwa die Hälfte, der Spalt ftoße fortwährend Schwefeldämpfe aus 
und man höre in der Tiefe ein immermwährendes Raufchen, wie das 
Fallen eines Waffers. Ferner fagte er mir, daß in den Spalten und 
Höhlungen der naheliegenden Belfen fi fehr viel Schwefel fünde, 
welchen die Beduinen zur DBereitung ihres Pulvers brauditen. Ob- 
gleich diefer Schwefel immer fortgefchafft würde, fo wüchſe er doch 
immer wieder aus dem Steine hervor. Natürlich hatte mein Bericht⸗ 
erftatter Teine Ahnung, daß diefer Schwefel das Refultat der Con⸗ 
denfirung der Schwefeldämpfe iſt. Auf meine Frage, wie die Steine 
befchaffen wären, fagte er mit, daß fie fehwarz feien und, ein zer: 
fpaltenes, gezacktes, fchroffes Anfehen hätten. Auch fagte er mir, 
die Beitimmung des Brunnens fei, die zur Hölle verdammten Seelen 
aufzunehmen. Dieſes mochte aud) wohl ſchon Claud. Ptolemäus ge- 
hört haben, als er feine „Quellen des Styx“ hierher verlegte. 192) 

Dabr Hud (d.i. das Grabmal Hud’s) befteht aus einer 
Moſchee, in welcher die Afche des Patriarchen ruht, und aus einigen 
Häufern, die von einigen Prieftern bewohnt werden, weldyen die Be- 
wachung des Grabmals anvertraut ift. Bei Haura 122) mündet der 
Wädiy Amd in den Wädin EI Hadihargn ’**), welcher dann ben 
Namen Wädig Dagr annimmt und bis Dabr Hud beibehält, von mo 
aus er als Wädiy Mochle 135) eine jüdöftliche Richtung nimmt und 
bei dem Orte Sjäh Hub 1°) (die Ebene Hud's) an der Küfte aus- 
mündet. — Bei Haura hat er eine Breite von 1%, Stunde, welde 


® 


230 Städte und Dörfer im Wädiy Oarr. 


bie Dabr Hud bis zu 6 Stunden zunimmt. Wädiy Doyle bildet 
die Grenze zwifchen den Landſchaften Hadhramaut und EI Hamum 
und der Landihaft El Mahra. Nah der Ausſage des Beridtt: 
erftatters, welche fpäter durch mehrere glaubwürdige Perſonen be- 
ftätigt wurde, liegen im Wädiy Dagr 197) folgende Orte, unter welchen 
mehrere fehr bedeutend find. 

An der nördlihen Seite liegen von Welten nach Ojften: 

EI Ghafar 13°), Dorf, von Beduinen des Stammes EI “"Aräba 
bewohnt; EI Ghitamm 120), Dorf, dem Stamme El "Aräba gehörig; 
El Shoraf '), Stadt von 6000 Einwohnern, die von einem Sultan 
regiert werden; Schibäm !*), Stadt von 20,000 Einwohnern mit 
einem eigenen Sultan; Teryſe ***) mit 10,000 Einwohnern und einem 
Sultan; Aridha 123), Dorf mit 500 Eimvohnern, ftcht unter dem 
Sultan von Teryfe; Borr 1), Stadt mit 600 Einwohnern, mit einem 
eigenen Sultan; Tyarby 1%), Stadt von 6000 Einwohnern, unter 
dem Sultan von Zerym. Beide legtgenannte Städte liegen an der 
Mündung des Wädiy Raͤchiye 14°) einander gegenüber; Terym '7), 
Stadt von 20,000 Einwohnern, hat einen eigenen Sultan. 

Auf der füdlichen Seite des Wädiy Tiegen von Weiten nad Ofen: 

Eſch Scha’be 14°), Dorf an der Mündung des Waͤdiy Tſohur 149), 
gehört dem Stamme EI Aräba; Hanän !°0), Dorf der EI "Aräba 221); 
Ma'dudy 152), Dorf des Sultans von El Ghoraf; Agnäb 1°), Stadt 
mit einem Sultan und 6000 Seelen; Tiffa, Stadt an der Mündung 
des Wädiy Odyme mit einem Sultan und 6000 Einwohnern; Tho—⸗ 
wayry 25%, Stadt mit einem Sultan und 6000 Einwohnern, und 
Dabr Hub. 

Nur um die Städte umher foll das Land etwas angebaut fein, 
das Webrige aber brach liegen; der Wädiy Liefert eine bedeutende 
Menge Gummi, Aloe und Indigo. 

Der Wädiy Hadſcharyn erhält diefen Namen bei Eſſ Sſayf, wo 
fich der Wädiy El Ayffar mit dem Waͤdiy Do’än vereinigt. Im ihm 
liegen von Norden nad) Süden an der öftlichen Seite: 

Sidbe, Dorf des Stammes El Mahfus; Dim Yahdra 1), 


Orte im Waͤdiy Hadſcharyn. Die Königsgräber. 231 


demfelben Stamme angehöriges Dorf; Meſchhed Alyy, Stadt von 
4000 Einwohnern, die von einem Sultan regiert werden. Neben 
diefer Stadt befinden ſich fehr alte Gräber, von den Eingeborenen 
Zorbet el Moluk 156) genannt; Ma'qq 15”), Dorf des Stammes EI 
Aſſwad; Chorahychyr 15%), Dorf der EI Aſſwad, und Sfowayg 189), 
Dorf deffelben Stammes. 

Ar der Weftfeite Tiegen von Norden nad) Süden: 

Marama 19), Homayſcha !*N), diefe beiden Dörfer gehören dem 
Stamme Cl Mahfus; EI Monayqyra 1°), Darret Sfudän, Dörfer, 
welche dem Stamme EI Affwad angehören; Dahdun, Stadt mit einem 
Sultan und 6000 Einwohnern, und Eſſ Sfayf, Stadt mit 2000 Seelen, 
von einem Sultan beherrfcht. 

Die Stadt Mefchhed 'Alyy (erzählte man mir ferner) ſei früher 
viel g:ößer geweſen, als jet; denn außerhalb der Stadt wäre eine 
Strede von wenigitens einer halben Stunde mit alten Mauern bededt, 
die a18 großen behanenen Steinen beftänden und fo feft gemanert 
wären, daß man fie nur mit vieler Mühe Iosbrechen könne, welche 
man zum Bau neuer Häufer brauchen wolle. Nahe bei der Stadt 
befärden fich innerhalb des dort mündenden Wädiy Ghaybun gegen 
40 Gräber, Torbet el Moluf genamnt. 

Diefe Gräber fähen aus wie Heine Häufer von der Höhe eines 
Zimmers (alfo ungefähr 20 Fuß), wären aus behauenen Steinen auf- 
gemauert und hätten einen Eingang, in welchem fich eine Inſchrift 
befände, die Niemand lefen könne. Ich zeichnete einige himyariſche 
Buchſtaben auf ein Papier und frug, ob die Infchriften aus dieſen 
Charakteren beftünden, und der Berichterftatter beftätigte das mit 
einem ungweidentigen „Ja“. 

Meichhed "Alyy ift ein neuer Name, der ohne Zweifel aus der 
Zeit ftammt, wo der Isläm in diefe Thäler drang. Außer, daß 
diefer Name auf die Bedeutendheit der Stadt binweift; — denn 
Meſchhed bedeutet ein Ort, an welhem man niederfniet, 
oder Zeugniß ablegt, alfo Mofchee, Tempel, und Alyy be- 
beutet erhaben, groß. Alfo Meſchhed'Alyy, große Moſchee, 





232 Ein geheimmigvoller Fremder in Hadhramaut. 


großer Tempel. In Yemen gebrauchen die Einwohner das Wort 
Alyy oft and nur, um eine große Stadt damit auszubrüden, und 
gebrauchen dann den Ausdrud Bender!) "Alyy, die große 
Stadt. Es geftatten aud die daſelbſt befindlichen Ruinen und 
Gräber, den Schluß zu ziehen, daß bier in jener Zeit, von mweldher 
nur Traditionen ſpärlich berichten, eine Hauptftadt ftand, die ertweder 
vor oder nah Darr el Medſchyd oder auch zu gleicher Zeit mit 
demfelben, die Nefidenz der Könige aus dem Geſchlechte Hodum's 
(d. i. Pelegs) war. 

Mein Wirth fagte mir, daß vor etwa 10 Jahren ein Tremder 
im Hadhramaut umbergereift fei und alle im Wädiy Ghaybun be- 
findlichen Infchriften copirt hätte, er habe gehört, daß er jpiter bei 
Nicäb in der Landſchaft Yafıi'n von Beduinen ermordet worden fei, 
welche ihn für einen Käfir (Ungläubigen) gehalten, weil errothes 
Haar und Bart getragen hätte. 

Andere Anmefende erzählten mir viel Wunderbare von ihm. 
Unter Anderm habe er Verfehr mit Dſchinny und Ghul gehabt, oft 
ganze Nächte durch ein fonderbar geftaltetes Ding nad) den Sernen 
gejehen u. ſ. w. Auch Schätze habe er in Menge gehoben, weshalb 
eigentlich die Beduinen ihn auch wohl ermordet hätten. 

Heute ftand der Thermometer am Morgen bei Harem Wetter 
und Windftille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordiweit- 
wind am offenen Fenſter des Zimmers 20°, 

10. Auguft. Am folgenden Morgen machte ich in Begleitung 
des Schayd) Hoſſayn, meines Wirthes, einen Spaziergang durch die 
Stadt und beſuchte einige Scheryfe, welche ich am vorigen Abend 
kennen gelernt hatte. Bei einem derſelben war man beſchäftigt, Oel 
aus Seſam zu preſſen, wozu man ſich einer ganz eigenthümlichen 
Maſchine bediente. Der Seſam wurde nämlich in einen aufrecht⸗ 
ſtehenden, etwa 6 Fuß hohen, ausgehöhlten, ſteinernen Cylinder ge- 
ſchüttet, deſſen innerer Raum oben 1Y, Fuß, unten aber nur 1 Fuß 
im Durchmeffer bat. Unten ift ein kleines Loch angebracht, durch 
welches das Del in ein Feines Gefäß abläuft. Das Auspreffen ge 


Beſuch bei einem Alchymiften. ‚233 


ſchieht vermitteljt einer hölzernen Walze von 1 Fuß Stärke, welde 
unten abgerundet und oben mit einem Querholze verjehen ift, welche 
zwei auf einem erhöhten &eftelle ftehende Männer dergeftalt vor- 
und rückwärts bewegen, daß die Walze an der innern Wand des 
Cylinders herumftreift und fo die fich zwifchen ihr und dem Ehlinder 
befindlichen Samenkoͤrner zerquetſcht. 

Auch einen Alchymiſten beſuchten wir, der trotz ſeiner Kunſt in 
höchſt dürftigen Umſtänden lebte. Er behauptete geradezu, daß er 
Gold machen könne und daß er einzig und allein davon lebe. Auf 
meine Frage, warum er dann aber ſo arm ſei, erwiederte er, daß 
er nicht mehr Gold machen dürfe, als gerade zu feinem Unterhalte 
erforderlich fei; denn nur unter diefer Bedingung habe er die Geifter 
in feiner Gewalt, melde ihm bei feiner Arbeit helfen müßten. Er 
zeigte mir mehrere alte Retorten, welche er aus Indien mitgebracht 
hatte, wo er, wie er fagte, die Alchymie erlernt habe. Als wir fort- 
gingen, bat er mich um eine Gabe, weil ihm: zu feiner nächften Gold- 
fabrifation eine Kleinigleit fehle, zu deren Anfchaffung er diefelbe 
verwenden wolle. Wir gaben ihm Feder ein Sechskanaſſi und lachten 
über die fterile Kunft, Gold zu machen, und über ihren armen Adepten; 
mir aber wurde es Har, was er unter Goldmachen und den Geiftern 
verftand, welche ihm dazu behilflich fein mußten, nämlich die Almofen 
und die Leichtgläubigen, denen er ſie abbettelte. 

Bei unferer Zurüdfunft benachrichtigte uns der Sohn meines 
Wirthes, der am Morgen den Auftrag befommen hatte, mir einen 
Beduinen zur Reife nad) Mefchhed 'Alyy aufzufuchen, daß er feinen 
babe finden können, der mic) dahin geleiten wolle, Da Mefchhed 
Alyy auf dem Wege von Choraybe nad) Dabr Hud lag, welchen ich 
ſpäter doc zu machen gedachte, fo tröftete ich mich und beichloß 
geradeweges nad) Cahwa 19%) im Wädiy Er Raͤchiye zu reifen. Der 
Schaych gab demzufolge feinem Sohne abermals den Auftrag, mir 
einen Führer dahin zu verfchaffen. Nah Y, Stunde fam er mit 
einem Beduinen zurüd, welder in der Umgegend von Cahwa zu 
Haufe war und dem Stamme Beny Tähir ben Radſchym gehörte. 


234 Gebräuche bei Beerdigung der Stadtaraber, 


Wir wurben bald Handels einig, und mein Wirth übergab mich dam 
feinem Schute auf die mehr erwähnte Weife. 

Des Nachmittags begab ich mich mit meinem Wirthe in das 
Haus meines Nachbars, deifen Sohn am Morgen geftorben war und 
nun beerdigt werden follte. 

Der Todte lag auf feinem Kefen in einer fargartigen Bahre, 
neben der auf jeder Seite aus einem fupfernen Gefäße Weihraud; 
dämpfe aufftiegen. Zu feinen Füßen ſaßen zwei Priefter und lafen 
die Stellen aus dem Dorän, weldhe den Umständen angepaßt werden 
follten. Die Hände des Todten waren über dem Leib zufammen: 
gelegt und die großen Zehen zufanmengebunden. In den Ohren, 
den Nafenlöchern, zwifchen den Daumen nıd Zeigefingern der Hände 
und ziwijchen der großen und zweiten Sehe eines jeden Fußes ftad 
ein Stüd Baumwolle, und ebenjo auf den Augen und dem Munde. 
Bald nad) unjerer Ankunft wurde der Kefen über den Zodten zu: 
fammengelegt und oberhalb des Kopfes, unter den Füßen und um 
die Mitte des Körpers zufammengebunden. Hierauf betete die Ver— 
ſammlung ein Faͤtiha und der Zug ſetzte fi) nach der Moſchee in 
Bewegung. Bis dahin hatten die Frauen mır ein leifes Wimmern 
vernehmen laſſen, jet aber brachen nidht allein die des Haufes, fon- 
dern auch die der Nachbarſchaft in ein jo durchdringendes Klagegefchrei 
aus, daß man jein eigenes Wort nicht hörte. Am Cingange der 
Moſchee ſetzte man die Bahre auf eine eigens dazu beftimmte Gr- 
höhung, und der. Imaͤm der Mofchee betete dann über derjelben mehrere 
Kapitel des Dorän. 

Nach diefer Art von Einjegnung wurde der Todte feiner Rube- 
ftätte zugetragen, neben welcher dann vor der Einſenkung noch ein 
Faͤtiha gebetet wurbe. 

Neben ımd zur Seite des ungefähr 3 Fuß tiefen Grabes hatte 
man in der ganzen Länge eine nifchenartige Vertiefung ausgegraben, 
welche fo hoch war, daß ein erwachſener Mann bequem barin fiten 
fonnte. In dieſe Nifche wurde der Zodte durch zwei umtenjtehende 
Priefter gelegt, welche dann die Bänder des Kefen über dem Kopfe 


Die Grabesengel, Die Stadt Haura. 235 


und unter den Füßen löften, Aefte ſchräg vor dieſe Nifche ftellten 
und eine Strohmatte darüber dedten, damit Feine Erde hineinfallen 
fonnte. Ein Jeder der Anmefenden warf dann dreimal eine Hand 
volf Erde in das Grab, betete eine Fãtiha und überließ es dann 
den dazu beſtellten Leuten, es vollends zu füllen. Mit der Niſche 
hat es folgende Bewandtniß: „Kaum hat ſich das Grab über einem 
Menſchen gejchloffen, jo kommen die beiden Grabesengel Mongir 
und Negr 165) zu ihm, um ihn über feinen Glauben u. f. w. zu be— 
fragen.” 

Diefen Engeln muß mın der Berftorbene in ſitzender Stellung 
Kede und Antwort ftehen, und damit er nicht gehindert wird, fich in 
dieſe Stellung zu bringen, wird ihm eine hinlänglich geräumige 
Niſche erbaut. 

Kaum waren wir nad) Haufe zurüd, fo brad) ein heftiges Ge- 
witter los, welches °/, Stunde anhielt und einen wahren Wolfen 
bruch herniederfandte. Da c8 hier feit 20 Tagen nicht geregnet hatte, 
fo war in der ganzen Stadt ein unendlicher Jubel und die ganze 
Dorfjugend eilte zur Stadt hinaus, um in den fich füllenden Pfützen 
ihr Wefen zu treiben. 

Die Stadt Haura liegt am Abhange des Vorgebirges, welches 
hier das Plateau zwifchen den beiden Wädiy EI Hadſcharyn und 
Amd bildet, und zählt ungefähr 8000 Einwohner, weldhe den Stämmen 
Amudy und Dorayfch angehören. Die Straßen gleichen vollkommen 
denen, welche ich bereit8 bei Choraybe bejchrieben habe. — Der 
Sultan heißt "Abd el Aſys ibn Ahmed ibn ben Amudy und wohnt 
mit feiner Familie in einigen Thürmen, welde am obern Ende 
der Stadt jtehen und fie beherrichen. ‘Der ihn beichügende Stamm 
EI Araͤba hat, wie in den übrigen Städten, einige 20 Mann in 
den Thürmen des Sultans liegen und bedrückt die Stadt mit bei- 
Ipiellofer Willkür. Außerhalb der Stadt am Fuße des Abhanges 
liegen einige Gärten und mit Dattelpalmen bejette Felder, auf 
welchen meiſt Getreide, Tabak und Indigo gebaut wird. Am untern 
Ende der Stadt befindet ſich auf einem Heinen Plage ein dürftig 


236 Die Stabt Haura, 


ausgeftatteter Bafar und die größere der beiden Mofcheen, welche die 
Stadt befikt. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Heiterm Himmel 
und Windftille 15°, um Mittag 26°, am Abend bei Nordweit- 
wind 20°. 


Achtes Kapitel, 
Ausflug nach der Wüfte El Ahqaf. 


— 


Abreiſe von Haura. — Vatermord eines Beduinenknaben. — Ankunft in Gahwa. 

— Exeurſion nach dem Bahr eſſ Sſafy. — Die Wüſte EI Ahqaͤf. — Ein altes 

Grabmal. — Der Wädiy Er Raͤchiye. — Rückreiſe über Amd nad) Choraybe. — 
Der neue Sultan. 


11. Auguſt. Am 11. Auguſt des Morgens um 5 Uhr verließ 
ih Haura mit einer Daäfila, beſtehend aus 15 Kameelen und 9 Be⸗ 
duinen des Stammes Beny Tähir ben Radſchym, einer Abtheilung 
des Stammes El Diha’da, unter denen ſich zwei Knaben von 10 bis 
12 Jahren befanden. Der Weg führte quer über den Wädiy bis zu 
einem Gehöfte, welches inmitten einer Gruppe von Dattelpalmen ftand 
und von wo aus er fich zum Plateau in die Höhe zieht, welches wir 
bald erreichten. Nach einem bdreiftändigen Marſch famen wir an eine 
Eifterne, und nach %, Stunde ebenfalls an einer folhen vorbei, von 
der and mir noch 2 Stunden Wegs zurücklegten und uns dann 
zwiſchen niedrigem Gebüſch Iagerten. Der Grünfandftein, welcher 
ſüdlich vom Wädiy Amd gelblich ift, zeigt bier eine braune, ins 
Violette Spielende Farbe und enthält handgroße Krhftalle des Eifen- 
oxydhydrats, welche dem Geftein ein eigenthümlich gefledtes Aus- 
ſehen geben. 

Gleich nad) Mittag war ich Zeuge eines Auftritts, welcher meinen 
Leſern einen Begriff von dem gefeglofen Zuftande dieſer Länder und 


an 


238 Batermord eines Beduinenknaben. 


von dem Charakter ihrer Bewohner geben wird. Wir wollten nämlid 
aufbreden, und da die Kameele ſich zwifchen den fpärlih umhermad: 
jenden Mimojenbüfchen zerftreut Hatten, fo befahl ein alter Beduine 
feinem Sohne, dem jüngften der beiden Knaben, feine Kameele zu 
holen. Diefer aber blieb ruhig beim euer ſitzen, jtöberte mit einem 
Stode in den Kohlen ‚und antwortete, als der Befehl wiederholt 
wurde, daß er fie felber holen köme. Dem Alten verging nun dir 
Geduld und er gab feinem ungehorfamen Sohne eine gebührliche Chr: 
feige. Aber in demjelben Augenblidle hatte der Bube feinen Dichen: 
biye gezogen und ihn feinem Vater in die rechte Seite geftoken, 
worauf er dann 100 Schritt fortlief und dann ftehen blieb. Der 
Vater ergriff trog der erhaltenen gefährlichen Wunde fein Gewehr, 
zündete die Lunte an und zielte nach feinem Sohne, der auch mit der 
größten Kaltblütigfeit die Kugel feines Waters erwartete. Jedod 
übermannte den Vater die Xiebe zu feinem Sohne, denn nachdem f 
einige Secunden im Anfchlag gelegen, ſenkte er fein Gewehr mit ba 
Worten: „Nein! Es ift ein Mann!’ und bat feine Gefährten, jenen 
Sohne zu fagen, daß er nichts zu fürchten habe und zurückkommen 
fünne. Der Bube kam aud) ohne Scheu zurüd, jedoch ohne em 
Wort des Bedauerns oder der Neue an feinen Vater zu richten, holte 
die Kameele, belud fie mit Hülfe der Andern und jegte feinen Vater, 
der mittlerweile verbunden war, auf eins derfelben, Alles dieſes aber 
mit einer Gleichgültigfeit, als wäre Beſonderes gar nicht vorgefalln. 
Keiner der Bebuinen dachte nur im Entfernteften daran, dem Sohn 
Vorwürfe zu machen, im Gegentheil fchienen fie die That des Knaben 
ganz natürlich zu finden. Einer, den ich frug, was den nun für 
eine Strafe erwarte, gab mir zur Antwort: „Gar feine; wenn if 
nicht jein Onkel umbringt. Es ift ja fein Vater, und Brüder hat 
er keine.“ " 
Einige Minuten uach 1 Uhr feßten wir unfere Reife fort umd 
lagerten uns nach einem Marfche von 4 Stunden neben einer Eifternt, 
welche am Entjtehungspunfte des Wädiy eingehauen ift, der bei dem 
Dorfe Chamfa in den Wädiy Amd mündet. Schon während dei 


DBeerdigungsgebräuche der Beduinen. 239 


Marſches war e8 mit dem Verwundeten Schlimmer geworden, mehrere: 
male wurde er ohmmächtig und man hatte ihn deshalb auf dem Ka⸗ 
meele fejtbinden müffen. Bei unjerer Ankunft fegten ihn unfere Ge⸗ 
fährten unweit des Feuers an die Waarenballen und erfuchten mich, 
ihm die Hand auf den Kopf zu legen und Gebete herzufagen, damit 
die böfen Geifter feine Gewalt über ihn hätten. Da e8 den armen 
Mann beruhigte, fo that ih, was fie verlangten, war jedoch nicht 
vermögend, den Zodesengel zu verfcheuchen, deffen Wirken bereits in 
den entitellten Zügen und den halbgebrochenen Augen erkennbar war. 
Sein Puls gerieth bald darauf von Zeit zu Zeit ins Stoden, bie 
Hände fingen an zu erfalten, und als die Sonne am Horizonte unter- 
tauchte, beleuchteten ihre legten Strahlen die letzten Zudungen eines 
von feinen Sohne ermordeten Vaters. Die Beduinen hatten fi um 
den Sterbenden gruppirt und ftarrten ihn fchweigend und fichtbar 
ergriffen an, und nur fein Sohn faß am Teuer und bededte fein 
Geficht mit den über das Knie gelegten Armen. Ich betete dann laut 
ein Faͤtiha und überließ die Leiche den Beduinen, welche auch fogleid 
zu feiner Beftattung Anftalt machten. Nachdem fie außer dem Schurze 
Alles von dem Todten genommen und neben den nod) immer in feiner 
gebüdten Stellung jigenden Sohn gelegt Hatten, trugen fie ihn etwa 
100 Schritt von der Cifterne an den Rand des Waͤdiy und banden 
ihm dann die Kniee dergeftalt an den Hals, daß fie das Kinn be- 
rührten. So gekrümmt legten fie die Xeiche in der Art auf die rechte 
Seite, daß ihr Gefiht nach Often gewandt war, beteten ein Fatiha 
und bededten ihn dann mit einem Haufen Steine. 

Hier finden fih die Spuren eines fehr alten heibuifchen Cultus, 
welche darauf hindeuten, daß die Bewohner des ſüdlichen Arabien 
ſchon in der früheften Zeit in enger Verbindung mit den Völferfchaften 
der gegenüberliegenden oftafrifanifchen Küfte geftanden haben müffen, 
und dag damals fogar eine Bermifhung beider Völker ftattgefunden 
bat; denn Erathoftenes erzählt (beim Strabo), daß die Troglo- 
öhten der Oftfüfte Afrifas ihre Todten auf eine ähnliche Art beftatten. 
Sch werde jedoch fpäter auf diefen Gegenstand zurüdfommen. 


240 Todtenklage. Seltfame Beftattungsweife. 


War es Reue über den begangenen Vatermord oder war es nım 
die Beobachtung des Gebrauchs, ich weiß es nicht, kurz der Sohn 
blieb den ganzen Abend in der von Anfang an angenommenen Stel 
lung, ohne aud) nur das. Geringfte zu fich zu nehmen, umd fang 
dann und wann in gedämpften Zone einige Strophen, welche wie 
ein Klagelied lauteten. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und 
Windtille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordweftwind 
22°. Die Hauptridtung diefer Tagereife war Weit, 40° Nord._ 

12. Auguft. Am 12. früh Morgens 5 Uhr verließen wir 
unfer Nachtlager und zogen über die nadte fteinige Ebene, ohne irgend 
ein lebendes Weſen anzutreffen, als vielleicht dann und wann eine 
Eidechfe, welche bei unferer Annäherung in den Spalten des Geſteins 
verſchwand. Nach einem Marfche von 6%, Stunde machten wir 
bis 1 Uhr Halt und fetten dann die Reife fort. Nach 1 Uhr paj- 
firten wir eine Cifterne, aus der wir unfere Wafferfchläuche füllten, 
famen dann nad einem Marfche von 4 Stunden abermals an einer 
Cifterne vorüber und lagerten 1/, Stunde weiter neben einigen ver- 
früppelten Mimofen. Unterwegs frug ich meinen Führer, warum 
fie ihre Todten nicht nad) der Art der Städter begrüben und weshalb 
fie ihnen die Kniee an den Hals bänden? Auf beide Fragen befanı 
ih zur Antwort, daß es fo Sitte fei und daß fie auf dem Plateau 
feine Gräber machen fünnten. ‘Die Trage, ob fte in den Wädiys, wo 
doch Erde genug ſei, ihre Todten ebenfalls mit Steinen bedecken, 
beantwortete er mir mit „Ja“. 

Während der heutigen QTagereife hielten wir die Nichtung von 
Weit, 10° Nord ein. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Wetter 15°, um Mittag 25° und am Abend bei ſchwachem Nord- 
weitwinde 20°. 

13. Auguft. Am 13. brachen wir des Morgens Y,5 Uhr auf 
und famen nach einem Marſche von 3%, Stunde an einem Wädiy 
vorüber, welcher ſich links vom Wege binzieht und in weldem wir 


Aufbruch nach der Wüfte CI Ahaaf. 241 


nad 1%, Stunde neben einem dichten Mimofengebüfh Tagerten. 
Gegen 2 Uhr machten wir uns auf den Weg und gelangten in drei 
Stimden nad Cahwa, wo ich in dem Haufe des Schaych "Abd-er 
Rafful ibn Omar ibn ben Amudy, zu welchem mein Dadhayl beauf- 
tragt war, mich zu bringen, eine freundliche Aufnahme fand, 

Am Abend Hatte ich wieder ein bedeutendes Auditorium, welches 
mich weidlih mit Tragen plagte. Jedoch erfuhr ich auch manches 
Intereffante, unter Anderm, daß die große arabifche Wüfte Ei 
Ahqaͤf 100) ganz nahe fei, und daß ſich am Fuße des Plateau, welches 
wie eine teile Wand abfiele, auf eine Strede von acht Tage- 
reifen eine Menge Stellen befünden, in denen Alles verjchwindet, 
was das Unglück Hätte, darauf zu treten. Diefe Strede (jagte man 
mir) würde Bahr eff Sfafy 1°”) genannt, weil ein König Namens 
Sfafy, welcher von Beled eff Saba’ Wadian aus mit einer Armee 
durch diefe Wüſte marſchirt fei, um in den Hadhramaut einzufallen, 
den größten Theil feiner Truppen in diefen Stellen verloren habe. 
Dieſe Mittheilung reizte meitte Neugierde im höchften Grade, und ich 
bat daher meinen Schaych, mir Führer dahin zu verfchaffen, welche 
er mir auch für den folgenden Tag verſprach. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftile und heiterm 
Wetter 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordweitwind 21°. 
Die Hauptrichtung diefer Tagereiſe war Weit, 20° Nord. 

14. Auguft. Am folgenden Tage hatte ſich mein Wirth fchon 
früh nad) einem Dachayl umgejehen. Keiner der anweſenden Be⸗ 
duinen aber hatte allein gehen wollen, weshalb er mir zwei bradite, 
mit denen-ic den Handel dahin abſchloß, daß fie mich bis zu den 
Stellen bringen und wieder nad) Cahwa zurüdführen müßten. Nach— 
dem mein Wirth mich ihnen in aller Form übergeben hatte, verforgte 
er mich zugleich niit dem nöthigen Proviant, und ſchon um 9 Uhr 
trat ich die Wanderung nach der Wüfte Ahqaͤf an. Der Weg führte, 
nachdem wir in %, Stunde den Wädip überſchritten hatten, längs der 
fteilen Wand des Plateaus auf einem gefährlichen Wege bis auf bie 
Ebene, die fich mit ihrer einförmigen Nacktheit vor ung ausdehnte, 

A. v. Wrede's Reife in Habhramant. 16 


242 Bahr eſſ Sſaſy 


Im Waͤdih erblickte ih, von Dattelpalmen umgeben, das kleine 
Städthen Wa’la von 4000 Einwohnern von den Stämmen der 
Amudy und Donayfchy bewohnt, dem Sultan von Cahwa zugehörig. 

Der größte Theil des Wädiy, welchen ich überfehen konnte, war 
mit weißem Flugſand bededt, der Hier und da bis zu einer Höhe 
von 100 Fuß anitieg. 

Nach einem bdreiftündigen Marfche ruhten wir zwei Stunden aus 
und erreichten dann in drei Stunden den Rand der Hochebene, vwelde 
etwa 1000 Fuß jäh zur Ahqaäf abfällt. Links zur Seite zog fih 
eine tiefe, theilweife mit Flugſand gefüllte Schlucht zur Wüſte nieder. 
Und vor mir weit unten die Ahqaf, die unabjehbare Sandfläche, die 
‚mit ihrer unendlichen Menge wellenfürmiger Hügel einem bewegten 
Meere gleicht. Keine Spur von Vegetation, fei e8 auch die kümmer⸗ 
Itchfte, belebt die weite Dede, und Fein Vogel unterbricht mit feinem 
Gefange die Todtenftille, welde auf dem Grabe des fabäifchen 
Heeres ruht. 

„Das iſt Bahr eff Sſafy“, fagten meine Beduinen, indem fie 
auf die drei blendendweißen Stellen deuteten, um die fi bier und 
da dunkle Felszacken über die Sandflücye erheben. „Geiſter bewohnen 
ihn und haben mit trügeriihem Sand die Schäße bedeckt, melde 
ihrer Wachſamkeit anvertraut find. Ein Jeder, der fich ihnen nähert, 
wird hinabgezogen; darum gehe nicht hin.” — Natürlich achtete 
ih ihrer Warnungen nit, die im Grunde nur darauf berechnet 
waren, der Mühe überhoben zu jein, vom Plateau hinab und wieder 
hinauf zu fteigen, und verlangte, der Webereinkunft gemäß, zu den 
Stellen geführt zu werden. Da wir wieder eine tüchtige Strede 
zurücgehen mußten, um in die Schlucht zu kommen, durch welde 
mon allein zur Wüſte gelangen Tonnte, fo brauchten wir nod über 
2 Stunden bis zum Fuße der Gebirgswand, wo wir mit Sonnen: 
untergang neben zwei enormen, aus dem Sande hervorragenden 
Veljen Halt machten und lagerten. Auf dem Wege durch die Schludt 
bemerkte ich an dem untern Theil derfelben eine Menge Stellen, an 
welchen zwilchen den Straten Petrol hervordringt. 


Räthſelhaftes Verſinken des Senkblei’s im Sande. 243 


Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und 
Windftille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei ſchwachem Nord- 
weftwinde 22°. Die Hauptrichtung von Cahwa bis hierher ift Norb, 
15° Weft. 

15. Auguft. Es war bereits 8 Uhr, als ich am andern Morgen 
erwachte, denn troß der Ermüdung des vorigen Tages hatte die Er- 
wartung den Schlaf von meinen Augenlidern gefcheucht, und erit lange 
nad Mitternacht behauptete die Natur ihre Rechte. Nachdem ich ge- 
frühſtückt hatte, forderte ich die Beduinen auf, mich nad) den Stellen 
zu führen, wozu fie aber nicht zu bewegen waren;. denn die Furcht 
vor den Geiftern hatte fich ihrer fchon bei unjerer Anfunft dergeftalt 
bemächtigt, daß fie kaum zu fprechen wagten. Ich entſchloß mid 
aljo, allein zu gehen, und trat, mit einem Kilogewicht und 60 Baden 
Schnur verjehen, die gefährlihe Wanderung an. 

In 36 Minuten erreichte ich die zumächitgelegene Stelle, welche 
auf 1 Stunde Länge 25 Minuten Breite Hält und fi nad 
der Mitte hin allmählich abdacht; wahrfcheinlicd die Wirkung bes 
Windes. Mit aller nur möglichen Vorficht näherte ich mich dem 
Rande, den ich mit einem Stode fondirte. Aus diefer Unterfuchung 
ergab fi), daß der Boden des Randes fteinig ift und dann plötzlich 
abfällt. Beim Hineinftogen des Stabes in den den Abgrund be- 
deckenden Staub fühlt man faft gar feinen Widerjtand, ſodaß es mir 
vorfam, als ftieße ich ins Waffer. Ic) legte mic) dann der Länge 
nach Hin, um den Sand oder vielmehr Staub zu unterfuchen, welchen 
ih beinahe unfühlbar fand. Hierauf warf ih das Gewicht, an 
welchem ich die Schnur befeftigt hatte, jo weit als möglich hinein; 
es ſank auf der Stelle und mit abnehmender Schnelligkeit, und nad) 
Berlauf von 5 Minuten verihwand das Ende der Schnur, welches 
mir beim Wurfe entfchlüpft war, in dem Alles verfchlingenden Grabe. 

Mid) jedes Urtheils enthaltend, überlaffe ich es den Gelehrten, 
dieſes Phänomen zu erklären, und befchränfe mid) darauf, die That⸗ 
ſache zu befchreiben, jo wie fie mir erſchien. 

Nur muß ich bemerken, daß der Staub eine weiße, etwas ind 

16* 


244 Der Reifende ale Geifterbanner verjchrieen. 


Graue fpielende Farbe Hatte und von dem gelblihen Sande der 
Wüfte volltommen abftadh. Gern hätte ich von bemfelben etwas mit- 
genommen, ich fürchtete jedoch den Verdacht der Beduinen zu erregen, 
welche etwas näher gekommen waren und alle meine Bewegungen 
aufmerkſam beobachteten. Die Felſen, welde hier und da an der 
Oberfläche des Sandes erfcheinen, beftehen aus einem ſchwärzlich⸗ 
braungefärbten Sandjteine, welcher an feiner Oberfläche ftark ver: 
wittert iſt. 

Um Ya11 Uhr traten wir den Rüdweg nad) Cahwa an, in der 
Hoffnung, daffelbe noch zu erreidhen; jedoch war der Weg in dem 
Sande der ziemlich fteil anfteigenden Schlucht jo befchwerlich, daß 
wir erjt nach einem breiftindigen Steigen die Hochebene ganz erichöpft 
erreichten und daher eine Stunde ruhten. Es war bereits dunfel, 
als wir an dem Rande des Wädiy Er Raͤchiye anlangten, und da 
e8 nicht zu wagen war, in der ‘Dunfelheit den gefährlichen Pfad hinab- 
zufteigen, fo lagerten wir uns daſelbſt. 

Der Thermometer ftand um Mittag in der Schlucht bei Wind- 
ftille und heiterm Himmel 30°, und am Abend bei Nordweitwind 20°. 

16. Auguft. Am 16. ftiegen wir um 6 Uhr zum Waͤdiy nieder 
und erreichten um 1/28 Uhr Gahwa, wo fat die ganze Stadt zu— 
fammenlief, um den Wundermenjchen zu fehen, der mit den Dſchimh 
bes Bahr eſſ Sſafy gefproden hatte, wie e8 meine Beduinen Jedem 
erzählten, der es hören wollte. * 

Mein Wirth lachte herzlich über meine Narrheit, Alles fehen zu 
wollen, wie er fid) ausdrüdte, und jagte mir, daß eine Viertelftunde 
von der Stadt ein Grabmal aus ben Zeiten der Käfir (Ungläubigen) 
eriftivre, und er wette darauf, daß ich das auch wohl fehen möchte. 
Als ich feine Meinung beftätigte, lachte er noch lauter und verfprad 
mir, mid am Nachmittage felbft dahin zu führen. Da ich ben 
Wunſch äußerte, den folgenden Tag nad "Amd zu reifen, fo ging er 
ſogleich, um einen Führer zu fuchen, kam aber nad) ein Baar Stunden 
unverrichteter Sache zurüd, da feiner der Beduinen e8 wagen wollte, 
mit einem Menfchen zu reifen, der mit Geiftern verfehre. Zum Glüd 


Ein wahrſcheinlich himyariſches Grabmal, 245 


kam fur; nah Mittag eine Däftla von 32 Kameelen und 20 Beduinen 
von Wa’la an, welche nad "Anıd beftimmt war und von denen fich 
Einer herbeiließ, den fremden, unheimlichen Menfchen mitzunehmen. 

Am Nachmittage führte mich mein Wirth zu dem Grabmale, 
‚vermied auch auf dem Hinwege bie betretenften Straßen der Stadt, 
um nicht die ganze Jugend auf den Ferſen zu haben. Diefes Grab- 
mal ftebt am Fuße der Gebirgswand unter einigen Dattelpalmen und 
ift aus gehauenen, ziemlich großen Quadern aufgeführt. Es nimmt 
ungefähr einen Raum von 25 Fuß im Duadrat ein und bat auch 
ungefähr diefelbe Höhe. Die Mauern haben 2 Fuß Dide und das 
ganze Gebäude ift oben jchmäler als unten, ungefähr in der Form 
der ägyptiſchen Tempel. Innerhalb ift es in zwei Kammern getheilt, 
deren Scheidewand der Mitte des Eingangs gegenüber und 6 Fuß 
von ihr entfernt fteht. Das Dach befteht aus 2 Fuß breiten, ftei- 
nernen Ballen. Außer dem Gingange, welcher oben enger als unten 
ift, find noch) in jeder Seitenwand ein und in der Hinterwand zwei 
dreieckige Quftlöcher angebracht, deren eine Seite nad) unten gefehrt 
if. Auf dem Dade find an jeder Seite am Rande drei Heine ftufen- 
förmige Pyramiden als Zierrath angebradt, in der Art, wie man 
fie oft auf ben mauriſchen Mofcheen fieht. 

Ueber dem Eingange exiftirte früher eine himyariſche Infchrift, 
bom der nur noch zwei Buchſtaben erkennbar waren und die der Ta- 
natismus irgend eiues Schaychs vernichtet hat. Im Webrigen war 
feine Spur eines eigentlichen Grabes oder Sarfophags zu fehen. Ein 
Gewitter, welches fchon ſeit einer Stunde drohend am Himmel ftand, 
brad) "bei unferm Heimwege über uns los, und bis auf die Haut 
durchnäßt langten wir zu Haufe an. Das Gewitter währte zwei 
Stunden und e8 regnete fo heftig, daß der größte Theil des Wädiy 
in einen Strom verwandelt ward. 

Die Stadt Cahwa liegt an der ſüdlichen Seite des Thals und 
zählt ungefähr 6000 Einwohner, welche den Stämmen der Amudy 
und Dorayſchy angehören. 

Der Sultan Namens Täleb ibn El Mobäd ibn ben "Da. el 


246 Stadt Cahwa. Waͤdiy Er Raͤchiye. 


Amud gehört zum Stamme der Amudy. Der ſchloßähuliche Dan, 
in dem er reſidirt, ſteht auf einem niedern Vorſprung der Gebirge: 
wand und beherriht die Stabt vollkommen. Abtheilungen von 
Bebuinen des Stammes Beny Taͤhir ben Radſchym liegen als Gar- 
nifon in der Burg, von wo aus fie von Zeit zu Zeit die Einwohner 
ranzioniren. 

Die Stadt ift von einigen Gärten und angebauten Feld umgeben, 
auf dem ein Wald von Dattelpalmen fteht. \ 

Der Wädiy Er Raͤchiye ift größtentheils mit Flugſand bededi 
und daher nicht fonderlic fruchtbar und bevölkert. Nur vier Städte 
nannte man mir in ihm liegend: Cahwa, Wala, Bü Dfiehenän an 
der nörblichen Seite und am Vereinigungspunfte des Wädiy gleichen 
Namens mit dem Waͤdiy Er Raͤchiye gelegen, von einem Sultan 
regiert, mit 4000 Einwohnern, und Er Raͤchiye, eine Stadt von 
5000 Einwohnern, an der füdlichen Seite des Wädiy und der Diün- 
dung eines Waͤdiy gelegen, gleichfalls von ihrem eigenen Sultan be: 
herrſcht. Der Wädiyg Er Raͤchiye mündet acht Tagereiſen öftlich von 
Cahwa, oberhalb Terym bei Borr und Thaͤrby in den Waͤdiy Qacr. 
Das Hauptproduct des Wädiy ift Gummi, Aloe. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag 27°, am Abend bei einem Gewitter bei 
Nordweitwind 18°. 

17. Auguft. Kaum graute der Morgen des 17. Auguft, als 
auch Schon mein Führer an die Hausthür Hopfte, um mid, zur Dafile 
abzuholen, welche außerhalb der Stadt lagerte. Ich nahm Abfchied 
von meinem Wirthe und folgte dem Beduinen ins Lager, welches auch 
ſogleich aufbrah und den jteilen Abhang des Plateaus hinaufzog. 
Mein Dachahl und feine Gefährten ‚gehörten zu dem Stamme Beny 
Zähir ben Radſchym und fahen wo möglich noch wilder aus, wie bie 
Beduinen, welche id) bisher gejehen hatte. Sie waren der fejten 
Meinung, daß ich in Bahr eſſ Sſafy Schätze gehoben hätte, und 
fragten mid: „mit wie viel Geiftern ich gefprochen, wie fie ausge: 
fehen und wie groß der Schaf fei, den fie mir nach meinem Vater 


Aberglaube. Schähe bringende Geiſter. Gefährliche Probe. 247 


Lande bringen müßten?‘ uud andern Unfinn mehr. Ob ich gleich 
von ihnen Nichts zu fürchten hatte, da ich unter ihrem Schutze ftand, 
fo war es mir doch nicht gleichgültig, daß ſolche Gerüchte in Umlauf 
famen. Aber was war zu thun? Ausreden Tonnte ich ihnen ſolche 
Ideen nicht, ich hielt es aljo fürs Beſte, fie ins Lächerliche zu ſpielen, 
welches mir auch infoweit gelang, daß Mehrere anfingen, die ftarfen 
Geiſter zu fpielen und den Geifterfpuf ebenfalls belachten. Unterweges 
wurde fat von nichts als von mir geſprochen und Einer behauptete, 
ich müfje gegen Hieb und Stich feit fein. Diefe Idee fand alige- 
meinen Anklang und wäre mir faft theuer zu ftehen gefommen; denn 
als wir nad einem Marjche von 6 Stunden lagerten, ſchlich fich 
Einer hinter mich, um zu probiren, ob ich fugelfeft fei. Zum Glück 
bemerkte ih, daß Aller Augen: auf ihn geheftet waren und daß ein 
vor mir fißender Beduine auf die Seite rüdte, um von der vielleicht 
durchſchlagenden Kugel nicht getroffen zu werden. Dies veranlafte 
mich, hinter mich zu fehen, wo ich denn die Urfache ihrer Aufmerf- 
famfeit entdeckte und auffprang. Ich erklärte ihnen, daß ich Feines-- 
wegs fugelfeft jet und machte meinem Beſchützer Vorwürfe, daß er 
nichts gethan habe, um feinen Gefährten an feinem Vorhaben zu ver- 
hindern. Sie lachten dann Alle laut auf und riefen: „Er hat Furcht! 
Er ift nicht kugelfeſt!“ — Gegen 1 Uhr reiften wir weiter und 
legten noch 5 Stunden bis zu einer Ciſterne zurüd, neben der wir 
uns für die Nacht lagerten. 

Am Morgen ftand der Thermometer bei Winditille und heiterm 
Himmel 18°, um Mittag 26°, am Abend bei Nordweftwind 20°. 

18. Auguft. Am Morgen des 18. Auguft brachen wir gegen 
6 Uhr auf und lagerten uns nad einem Marſche von 2%, Stunden 
neben einer Eifterne, welche am Rande des Wädiy eingehauen ift, der 
bei Hallet ba Galyb in den Waͤdiy Amd mündet. Gegen 2 Uhr 
zogen wir weiter und famen in 3%, Stunden in Amd an, 'wo id 
vom Schayd "Abd er Rahman aufs Herzlichite empfangen wurde. 

Nachdem ic ihm meine Erlebniſſe mitgetheilt hafte, fügte er mir, 
daß bei den Beduinen Vater- und Brudermord Feine Seltenheiten 


248 Ein anderer Alchymiſt. Das Golbkraut. 


wären, und in folchen Fällen dem Mörder nur dann Vergeltung drobe, 
wenn Brüder oder Vater des Ermordeten vorhanden wären. — Als 
ich des Alchymiſten erwähnte, verfprad) er mir, mid) am folgenden 
Zage zu einem Collegen deffelben zu führen, der jedoh in allem 
. Ernfte fi bejtrebe, „Gold zu machen‘ und bereits den größten 
Theil feines Vermögens dabei zugejett habe. 

Uebrigens beftätigte er mir Alles, was man mir bezüglich der 
Wädiy Dasr und EI Hadſcharyn gefagt hatte, und fügte dann Hinzu, 
daß es mir leicht würde, von Dabr Hud aus nad; dem Lande Mahra 
zu gelangen, indem ich unter der Menge von Scheryfen, welche dort 
zur Siyära kämen, wohl Einen finden würbe, der mich nach feiner 
Heimath brächte. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am Abend 
21°. Die Richtung des Weges von Cahwa nah "And ift Süd, 
15° Weft. 

19. Auguſt. Im Verlauf des folgenden Tages befuchte ich mit 
meinem Wirthe den Alchymiſten, der mir fein Laboratorium zeigte, 
in welchem NRetorten, Ziegel und allerlei Geräthe bunt durcheinander 
ftanden. Jedoch war er fo ehrlich zu geftehen, daß er es noch nicht 
dahin habe bringen können, Gold zu erzeugen; glaubte aber an das 
Gelingen, wenn er nur erjt ein Kraut gefunden habe, welches er mit 
dem Namen Haſchyſch edſ Dfahab 168) nannte. Die Mitwirkung der 
Seifter Täugnete er gänzlich). 

Des Nachmittags verfchaffte mir der Schaych "Abd er Rahmän 
einen Führen nad) Choraybe, und war dann fo gütig, mir die 
Namen der Hauptftämme der Beduinen, ihrer Unterabthei: 
fungen und deren Wohnfige, fowie auch ihre ungefähre Seelen: 
zahl zu dictiren. Außerdem verdankte ich ihm noch viele interefjante 
Mittheilungen. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winditille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Norbweftwinde 20° und am 
Abend 22°. 


Nachrichten über den Reiſenden Arnaud, 249 


20. Auguft. Auf demfelben Wege, den ich von Ehoraybe nad) 
"Amd eingefchlagen Hatte, fehrte ih am 20. dahin zurück und Tangte 
dafelbft am 21. nad) Mittag glüdlih an. Sowohl der alte Schaych 
"Abd Allah, als auch feine Söhne nahmen mich mit der mir früher 
bewiefenen Herzlichkeit auf und konnten fich nicht genug nad) meinen 
Reifeabenteuern erkundigen. Einen fehr einflußreihen Mann aus 
Meſchhed "Alyy Lernte ich hier kennen, welcher mit mir das Gaft- 
zimmer bewohnte. Er befleidete die Würde eines Dädhy (Richter) 
in feiner Stadt und intereffirte fich befonders für die Arzneifunde. 
Beſonders begierig war er zu willen, wie man am Arme zur Aber 
laffe, und da Niemand ſich zu der Probe hergeben wollte, fo mußte 
ich ihm jelbft zur Aber laſſen, obgleich die Uebrigen ihr Möglichites 
thaten, ihn von feinem Vorhaben abzubringen. Die Operation gelang 
volffommen, und da er ein ſehr fetter und vollblütiger Mann war, 
fo befam fie ihm aud) fehr gut. 

Nächſtdem erzählte man mir, daß ein Scheryf aus Maärib vor- 
beigefommen fei, welcher gejagt habe, daß ein ganz weißer Mann 
angekommen wäre, der nicht bete und alle alten Infchriften, die fich 
in Märib befänden, copire. Später traf ic) diefen Mann in Aden. 
Es war fein Anderer, als der durch feine Reife nad) Märib befannte 
Th. Arnaud. Man hatte ihm in Märib diefelbe Schilderung von 
mir gemadt. \ 

Am 20. ftand der Thermometer des Morgens bei Windftille und 
heiterm Himmel 20°, um Mittag bei Nordweitwind 27°, am Abend 
22°. Derfelbe Thermometerftand fand aud am 21. jtatt. 

21. Anguft. ‚ Während meiner Abwejenheit war in der Regie- 
rung der Stadt eine bedeutende Veränderung eingetreten und drohte 
den Einwohnern mit den traurigften Folgen. Der alte Sultan Me⸗ 
naͤcih war nämlich durch feinen Neffen Mohammed ibn "Alyy ent- 
thront worden, wozu ihm der Schaych des Stammes EI EChämiye, 
Hoffahn Bü Gaura, behülflich gewefen war. Dahingegen hatte der 
Moräfchide, "Abd er Rahınan Bü Dorra, den alten Sultan in Schuß 
genommen umd ließ ihn in einem der Thürme der Reſidenz durch 


250 Dean fobert Gift, den Schaych zu ermorden. 


feine Bebuinen bewachen. Die Einwohner hatten ſich gleichfalls in 
zwei Parteien getheilt und e8 war vorauszujehen, daß es wegen ber 
keineswegs beneidenswerthen Herrichaft zu ernftlichenn Kampfe fommen 
werde. 

22. Auguft. Wahrfcheinlih um diefem Uebel vorzubeugen und 
der Sache auf echt orientalifhe Manier ein Ende zu machen, kamen 
am 22. Nachmittags der neue Sultan in Begleitung des Schayche 
der Chämiye zu meinem Wirthe, welcher mit feiner Familie zu feinem 
Anhange gehörte. Hierauf wurde ih gerufen, und hier verlangte man 
von mir, — daß ich dem Sultan eine Dofis fehnell tödtenden Giftes 
geben möchte, mit welchem er den Schaydh Bü Dorra aus dem Wege 
räumen wollte 1m mein Gewiffen zu beruhigen, fagte wir der alte 
Schaych, daß Baͤ Dorra Witwen und Waifen beraube und die Muſel⸗ 
männer bedrüde, außerdem auch fchon mehrere Morde begangen habe; 
einen fo ſchlechten Menſchen zu vergiften, fei feine Schande, fondern 
vielmehr ein verdienftliches Werk vor Gott. Auf diefe Zumuthung 
aber antwortete ich ihnen: „daß ich wohl Arzneien befäße, durch welde 
kranke Menſchen geſund würden, jedoch Leine, um fie zu tödten, und 
daß, wenn Bä Dorra ein fo ruchloſer Menſch fei, wie fie ihn mir 
geichildert Hätten, ihn Gott dafür ganz gewiß ftrafen würde, übrigens 
verftünde ich auch Fein Gift zu bereiten.” ‘Diefes jchienen fie mir 
aber nicht zu glauben, denn fie verfuchten es, mich durch Geld- 
anerbietungen ihrem Wunſche geneigt zu machen, und boten mir nad) 
und nad) bis 100 Thaler, eine dort fehr bedeutende Summe. Wie 
fie fahen, daß ich bei dem früher Gefagten blieb, verlangten fie, daf 
ih auf den Doran ſchwören folle, von der hier ftattgehabten Unter: 
redung gegen Niemand etwas zu erwähnten. 

Natürlich willfahrte ich ihrem Begehren, da fie es im Ber 
weigerungsfalle nicht unterlaffen haben würden, mir auf der Stelle 
den Mund auf ewig zu fchließen. — Später erfuhr id in Kairo durch 
bie ſich dort aufhaltenden Kaufleute aus dem Hadhramaut, daß fowohl 
Baͤ Dorra als auch Sultan Menägih kurze Zeit nad) meiner Abreife 
aus dem Wege geräumt worden ſeien. 


Ein wißbegieriger Qaͤdhy. 251. 


Gegen Abend händigte mir Shayd Ahmed Bä Sfudän bie 
verſprochene „Lifte der himyariſchen Könige‘ ein, welcher er 
noch „eine kurze Reihe der Könige aus dem Geſchlechte 
Hodun’s (Peleg’s)’ beifügte und mir noch andere Mittheilungen 
machte, welchen ich weiter unten einen Pla anweiſen werde. Die 
Zeit zur Sſyära von Dahdun, der die Sfyära von Dabr Hud 
8 Tage fpäter folgt, war herangefommen, und ich bat daher meinen 
Wirth, mir einen Beduinen zu verfchaffen. Jedoch verficherte mir 
Schaych Habyb "Abd Allah ibn ben Hodum, der Dädhy von Mejchhed 
Alyy: „daß ih während diefer Reife unter feinem und 
Schaych Abd el Dädir’8 Schuß ftehen würde, und es daher 
feines Beduinen bedürfe“. — Auch wolle er mich alle bei Meſchhed 
Alyy befindlichen Infchriften copiren lafjen, jedoch müffe ich ihm ver- 
fprechen, nach meiner NRüdreife von Dabr Hud wenigftens einen 
Monat bei ihm zu bleiben, damit er die Arzneilunft von mir erlerne, 
welches ich gern verfpradh, da es nicht einmal foviel Zeit brauchte, 
um ihm meine Kenntniffe in der Medicin beizubringen. Nm um 
diefe Zeit ift e8 möglich, umangefochten nad) Dabr Hud zu gelangen, 
da dem Gebrauche gemäß die Beduinen innerhalb der 14 Tage por 
und ebenfo viel Tage nad) der Sfyara alle Räubereien einftellen und 
einen Jeden ruhig feines Weges ziehen laſſen. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winditille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwind 27° und am 
Abend 22°. 


Neuntes Capitel. 
Letzte Kataftrophe und Rücklehr nad) Makalla. 





Abreife. — Qarrayn. — Ankunft vor Sfayf. — Meine kritifche Lage dafelbfl. — 
Entfheidung der Olama. — Betragen des Sultans Alyy Mohammed ibn "Ab 
Allah ibn Nomän ben Sfa’yid ibn "Hk el' Amud. — Abreife. — Der Waͤdit 
EI Ayffar. — Gaftfreundfchaftlihe Aufnahme in einem Geböfte unweit Che 
rayf. — Doqum el Ayffar. — Wohnungen der Beduinen im Wädiy Kotayf. — 
Eine Beduinenhochzeit. — Umzug der Beduinen. — Neue Wohnungen int Waͤdiy 
Howayre. — 'Ayn er Raͤff eb Dyn. — Ankunft in Makalla. — Freundliche 
Aufnahme von Seiten des Sultans. 


23. Auguft. Am 23. Auguft Nachmittags verließen wir Cho⸗ 
raybe, nachdem ich meinem ehrwürdigen greifen Wirthe, dem Schayd) 
Abd Allah Bi Sfudän, meinen herzlichſten Dank für feine mir be- 
wiejene Güte abgeftattet hatte, und gingen bie zur Stadt Darrapı, 
wo wir bei einem Berwandten des Schaych Habyb über Nacht blieben. 

Darrayn iſt eine Stadt von 5000 Einwohnern, von einem 
Sultan regiert, der wie alle Sultane des Waͤdiy Do’än unter dem 
Schute der Stämme Moräfchide und Chämiye fteht. Es liegt nur 
1, Stunde von Choraybe entfernt, an der füdöftlichen Seite des 
MWädiy und an der Mündung des Wädiy Eſſ Sfabal. Auf diefem 
Wege kam id) an die Stadt Raſchyd, am Dorfe Bü Dichicäg und 
an der Stadt EI Wa’ra 19°) vorüber. 

Raſchyd hat ungefähr 5000 Einwohner, einen eigenen Sultan 
und Tiegt an der nordweftlichen Seite bes Waͤdih. 


Ortſchaften im Waͤdiy Do’än. 253 


Warra liegt an der füddftlichen Seite des Thales, zählt ungefähr 
4000 Einwohner und wird von einem eigenen Sultan regiert. 

Darrayn gegenüber liegt bie Stadt Cho’ayre mit 4000 Ein- 
wohnern mit einem eigenen Sultan. 

Ba Dichigäc ift ein Dorf an der jüdöftlihen Seite des Wadih, 
welches dem Stamme Moräſchide gehört. 

Der Thermometer ſtand am Morgen bei Windſtille und heiterm 
Himmel 20°, um Mittag 27° und am Abend bei Nordweſtwind 22°. 
Die Richtung des Thales von Chorayhe bis Qarrayn ift Nord, 
35° Oſt. 

24. Auguft. Am folgenden Tage, den 24. Auguft, legte ich 
mit einem Rameele, welches ein Bedienter des Schahychs Habyb unter 
feiner Obhut hatte — denn der Schaych und die beiden Söhne des 
Schaych “Abd Allah Bü Sfudän, nämlich "Abd el Dädir und Abu 
Bekr, waren auf Eſeln voransgeritten —, bis zur Stadt Sſayf 
6 Stunden Weges zurück, auf welchen ich folgende Ortſchaften paſſirte. 

Auf der nördlichen Seite: 

Ghalbun, Stadt von 4000 Einwohnern, von Darrayı Y, Stunde 
entfernt; Hodun, eine Stadt mit 3000 Einwohnern, von Ghalbun 
Y, Stunde entfernt. 

Hier befindet fi) das Grabmal Hodun’s (Peleg’8), des Sohnes 
Hud’s (Eber’s), zu dem nad der Siyara von Dabr Hud eine Wall- 
fahrt ftattfindet. Fünfzig Minuten weiter befindet fich die Stadt 
Tſähir mit 5000 Seelen und /, Stunde von ihr entfernt Matruch, 
Stadt mit 4000 Seelen. 

Bis hierher führt der Weg fortwährend durch einen dichten 
Dattelpalmenwald, in welchem das Terrain vortrefflich angebaut ift, 
und führt dann weiter über Felder fort. Ferner Sfabal, Stadt mit 
4000 Einwohnern, welche den Dattelpalmenwald /, Stunde .hinter 
ſich zurückläßt. Nach 20 Minuten folgt ihr die Stadt "Abd ec Camut 
mit 6000 Einwohnern. Acht Minuten davon liegt Beda mit 10,000 Ein- 
wohnern, die größte Stadt des Wädiy. Das Dorf EI Mä, an 
welchem man 50 Minuten von Bedaͤ vorüberflommt, wird von un- 


254 Der fühliche Theil des Waͤdiy Do’än, 


gefähr 300 Seelen bes Stammes Chämiye bewohnt. Chodayſch, 
Stadt mit 6000 Seelen, folgt dem Dorfe El Mä nah ’/, Stunde 
Weges. Sfayf, Stadt, ift 2 Stunden von Chodayſch entfernt. 

An der füdöftlichen Seite des Wädiy Do’än liegen die Orte: 

Er NiHab, Stadt mit 6000 Seelen und 40 Minuten von Dar: 
rayn. El Koſſufe, Dorf von 200 Köpfen der Chaͤmiye bewohnt, 
Y, Stunde weiter. Bon diefem Dorfe 1 Stunde 40 Minuten mündet 
der Wäbiy Hebut, wo ein Wachtthurm fteht, von einigen Häuschen 
umgeben, in welchen Bebuinen des Stammes Chämiye wohnen. 

Eine Stunde weiter führt der Weg bei Darr el Medſchyd, einem 
großen Dorfe, vorüber; diefes. Dorf zählt ungefähr 600 Einwohner, 
die dem Stamme Chämitye angehören. Neben dieſem Dorfe befinden 
fi) bedeutende Subftructionen, welche auf die frühere Eriftenz einer 
bedeutenden Stadt fchließen laſſen. Ein ganzer Theil der frühen 
Stadtmauer fteht noch aufrecht und fchlieft das Dorf auf der einen 
Seite ein. El Arſſam, Stadt mit 5000 Einwohnern ungefähr, liegt 
an der Mündung des Wädiy EL Ayffär, der fih 1 Stunde 50 Mi— 
nuten von Darr el Medſchyd öffnet. 

Alle diefe Städte haben eine jede ihren Sultan. Bon der Stadt 
Matruch an erweitert fi) das Thal zufehends, ſodaß es ſchon am der 
Mündung des Wädiy El Ayffür eine Breite von 1 Stunde hält. 
Ebenjo zeigen ſich bie Thalwände nicht mehr als jähe Mauer, fondern 
unter einem Winkel von 45° abfallend. Das Bewäſſerungéſyſtem 
ift durch die ganze Länge des Thales daffelbe, wie ich es bei Cho: 
raybe befchrieben habe, und überall fah ich gut unterhaltene Be 
wäflerungsfanäle durch alle Theile des Waͤdiy gezogen. Auf diejem 
Wege traf ich einige 20 der ſchon früher bejchriebeneu Sſabyl und 
etwa 10 Brunnen, welche bis zu einer Tiefe von 40 Fuß eingejenft 
und mit einer Mauerbefleidung verfehen find. 

Bor der Stadt Sfayf fand ich mehrere Taujende von Bebuinen 
verfammelt, die am folgenden Tage der Siyara des Schahch Sſa hyid 
ibn Yſſaͤ el "Amud in dem Y, Stunde entfernten Dahdun beimohnen 
wollten. 


Der Reifende wird mißhandelt und eingeſperrt. 255 


Kaum im Gewühl angelangt, rief man von allen Seiten: „Das 


ift der Spion der Ferenghyl“ Und der ganze Haufe ftürzte auf 


mich los, riß mid) vom Kameele, entwaffndte mich, band mir unter 
Mißhandlungen die Hände auf den Rücken, und führte mich mit blu⸗ 
tendem Geſicht und ſtaubbedeckt vor den dafelbft herrſchenden Sultan 
Alyy Mohammed ibn "Abd Allah ibn No'män ben Sfa’yid ibn 'Nifä 
et "And. — Alles drängte ſich mir nad) bis in die Stube, wo der 
Sultan fid befand, und die bald bis zum Erftiden mit Beduinen 
erfüllt war. Wie rafend fohrien diefe durcheinander, daR ich von den 
Terenghy in Aden ins Land gefchidt fei, um es zu erforfchen, und 
daß er mid) folle hinrichten laffen. 

Der Sultan fing nun an mich auszufragen, und id) beantwortete 
feine Fragen fo ausführlich wie möglich. Jedoch ließ man mid 
nicht lange reden und der ganze Schwarm übertobte mit feinem Ge- 
fchrei meine Worte. Meine Lage war im höchſten Grade Tritifch; 
denn ob ich gleich bemerkte, daß der Sultan unentfchloffen umberfah, 
wußte ich doch zu gut, daß er am Ende jeinen Beſchützern nachgeben 
mußte, und ich erwartete deshalb jeden Augenblid, dag er den Be⸗ 
fehl zu meiner Hinrichtung geben würde. In diefem Augenblid voll 
unbefchreiblich bitterer Gefühle, den ich für alle Schätze der Welt 
nicht noch einmal durchleben möchte, — in welchem die Ereigniffe 
meines Lebens und bie Geftalten meiner fernen Lieben gleich den immer 
wechfelnden Bildern eines Kaleidoflope an meiner Seele vorüber- 
zogen, — in diefem entſcheidenden Augenblide drängten ſich die Schaychs 
Habyb und Abd el Qädir durch die tobenden Beduinen und erflärten 
laut, daß, da ih unter ihrem Schube ftände, der Weg zu mir 
nur über Leihen gehen könne, uud zu gleicher Zeit löfte Habyb 
die Stride, mit melden ich gebunden war. | 

Gleich darauf fam aud) der Schayd des Stammes EI Mahfus 
und erklärte fih, als Beichüger der Stadt Meſchhed Alyy, auch 
zum Dachayl des Schützlings Schaych Habyb's. Andere Schaychs 
kamen nun auch herzu und verlangten, daß die Olamä und ber 
Dädhy über mein Schickſal entfcheiden und id) bis dahin Gefangener 


256 Die Entſcheidung der Gottesgelehrten über den Reiſenden. 


fein follte. Man brachte nun eine kurze eiferne Stange, an deren 
Enden Fußſchellen angebracht waren, ſchloß meine Füße hinein und 
brachte mich eine Treppe höher in ein Feines Gemach, wohin mir 
durch die Fürforge meiner Beſchützer meine Sachen gebracht wurden. 

Gegen Abend kamen meine beiden Freunde mit dem Schayd) der 
Mahfus, und fagten mir, daß die Entfeheidung der Olamä erft nad 
der Siyära ftattfinden würde; ich folle daher nur unbejorgt jein, 
denn fie würden nicht zugeben, daß mir ein Leides gejchehe. Webrigens 
wurde ich mit Allem verfehen, was ich brauchte. 

Die Stadt Sfayf zählt ungefähr 3000 Einwohner umd ift mit 
Feldern umgeben, welche durch zwei Kanäle bewäffert werden, deren 
Lauf ich von meinem Gemach aus deutlich fehen konnte; einer der: 
jelben fommt aus dem Wädiy Do’än, der andere aus dem Wädiy 
El Ayſſaͤr. So weit mein Blid reichte, fah ich weder Dattelpalmen 
noch andere Bäume, und der ganze Wädiy hatte ein ödes und trau- 
riges Anſehen. Sfayf gehört ſchon zum Wädiy Hadſcharyn. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Himmel 20°, um WMittag 27° und am Abend bei Nordweitwind 
22°. — Die Richtung des Thales von Choraybe bis Sfanf. ift Nord, 
30° Oſt. 

26. Auguft. Am 26. Abends fam Schahch Habyb zu mir 
und benadhrichtigte mich, daß die "Dlamä und die Schayf) den Aus: 
ſpruch gethan Hätten, daß ich unter der Bedingung freigelaffen werden 
ſolle, alles das herauszugeben, was ich während der Reife gefchrieben, 
und direct nach Mafalla zurüczufehren. — Diejer Nachricht zufolge 
fammelte ih alle die Kleinen Heftchen, in welchen ich während der 
Reife meine Notizen mit Bleifeder verzeichnet hatte und die mir nichts 
mehr nutten, da fie immer mit Zinte von mir ins Reine gefchrieben 
waren. Zu dieſen fügte ich noch zwei Anfichten und einen Bogen, 
auf welchen Inftructionen zur Anwendung der Medicamente gefchrieben 
ftanden; von der himyariſchen Inſchrift machte ich eine Abſchrift und 
fügte fie zu den andern; alles Andere verftedte ich in den Körben 
unter den Arzneien. 


Raubſucht des Sultans von Sfayf. 257 


27. Auguſt. Am 27. früh kamen der Sultan, der Dädhy von 
Sfayf, drei Olamä, meine Beſchützer und die Schach von Mahfus . 
und El Aſſwad zu mir ins Zimmer und verlangten, nachdem fie ſich 
niedergelaffen hatten, die Auslieferung der Papiere. Nachdem id) 
ihnen die für fie bereiteten Schriften übergeben hatte, frug mid) der 
Dadhy, „was das für für eine Schrift ſei?“ "worauf ich ihm zur 
Antwort gab, „es fei türkiſch“. Zum Glück war Seiner zugegen, 
der die türfifchen Charaktere fannte oder wußte, daß fie mit den 
arabifchen ein und diefelben find. Der Qaͤdhy verlangte hierauf einen 
Napf mit Waffer, in welchen er die Papiere, nachdem er fie in Heine 
Stückchen zerriffen hatte, warf, einige Gebete über fie ſprach, fie 
hierauf zu einem Brei verarbeitete und mit einem „Bismillah“ (‚im 
Namen Gottes!) zum enter hinauswarf. Nun fette fi der 
Sultan neben mich und machte fi über meinen Querfad, aus den 
er Alles hervorzog und betrachtete. Alle Gegenftände, welche ihm 
gefielen, legte er auf die Seite und fagte, daß ich fie ihm zum An— 
denfen fchenfen möchte; fo bejchenkte cr fich denn mit einer Scheere, 
Rafirmeffer, Spiegel und andern Kleinigkeiten. Endlich fand er auf 
den Boden des Duerfads den Beutel, in welchem ich mein Geld 
verwahrte, und erklärte mir ohne Weiteres, daß er mir das nicht 
zurückgeben könne, indem ich fonft meine Reife wieder fortfegen würde. 
Hierin Hatte er auch vollkommen Recht, denn im Fall- er e8 mir ge- 
laifen hätte, würde id), einmal aus feiner Gewalt, unter Beduinen- 
hut meine Reife nah) Meſchhed "Alyy und Dabr Hud fortgefett 
haben. Aus diefem Grimde proteftirte ich gegen die Fortnahme meines 
Geldes und frug ihn, wie ich es denn ohne Geld anfangen folite, 
jeinem Willen gemäß nad) Mafalla zu reifen? Worauf er mir er- 
iviederte, daB das feine Sache fei, er würde mir Proviant genug 
und einen Dahayl bis ans Meer geben. Hiermit ftellte ich mid 
aber nicht zufrieden und bemerkte, daß ich von Makalla bis Aegypten 
no einen weiten Weg Habe und ohne Geld nicht dahin gelangen 
könne. Auf diefen Einwand nahm er aber feine Rückſicht und ſteckte 

U. dv. Wrede's Reife in Hadhramaut. 17 


258 Der Sultan confiscirt den Chronometer. 


den Beutel mit den Worten in feinen Gitrtel: „Gott ift groß! Er 
‚ wird Dir fchon weiter helfen!‘ 

Den Korb mit den Medicamenten ließ er unbeachtet, als ich ihm 
fagte, was er enthielt. 

Man nahm mir mun die Feſſeln ab und übergab mich einem 
Beduinen des Stammes El Hammäm ed Dyn, einer Abtheilung dee 
Stammes Beny Sfaybän, mit dem Auftrage, mid) geraden Weges 
nad) Makalla zu bringen, und darauf zu achten, daß ich während der 
Reiſe das Land nicht „aufſchriebe“. 

Schon glaubte ich Alles berichtigt, als der Sultan mich fragte: 
„Wo ich dic Dofe Hätte, in der fid) Etwas bewege?‘ Ich that, 
als wenn ich ihn nicht verftände, und erflärte, Feine ſolche Dofe zu 
befigen. Damit ließ er fich aber nit abfpeifen, fondern öffnete mem 
Dberhemde und zog mir den Chronometer aus der Taſche, welde 
ich fogleich öffnen mußte. ‘Der Chronometer ging nun von Hand zu 
Hand, und ein Jeder ftöberte mit dem Finger darin herum. Endlid 
erflärte der Sultan ihn als fein Eigenthum, da er mir dazu diene, 
„das Land aufzuſchreiben“. 

Ungefähr eine Stunde ſpäter trat ich, ohne einen Pfennig Geldes 
zu beſitzen, meine Rückreiſe nach Makalla an. 

Dan kann ſich denken, mit welchen Gefühlen id) den Waͤdih 
Hadſcharyn Hinabjah, in welchem die merfwürdigen Gräber von 
Ghaybun lagen. 

Bel einem Sſabyl ungefähr Y, Stunde von Sfayf, bis wohin 
mid die Schayh Habyb, "Abd cl Dädir und Abu Bekr begleitet 
hatten, machten wir Halt, und bier verfuchte ich noch einmal, den 
Beduinen zu bewegen, mic) zuerft nad) Meſchhed "Alyy und dann 
nah Makalla zu bringen. Allein er blieb unbeweglich, obgleich die 
Schaychs mic unterftägten und ihm fogar einen Thaler boten. Cr 
fagte: „daß er fein Wort gegeben habe und es halten müſſe“. — 
Da Alles vergeblich war, meinen Beduinen anders zu ftunmen, jo 
nahm ic) Abſchied von meinen Freunden und wahrlih mit jchwerem 


Nothwendigkeit der Vorficht unter den Beduinen. 259 


Herzen, denn ohne ihren Beiftand wäre ich den wilden Beduinen- 
horden Preis gegeben und von ihnen gejteinigt worden. 

Nachdem fie mich noch einmal dem Beduinen empfohlen hatten, 
gingen fie zurüd und wir verfolgten unſern Weg, welcher auf den 
Wäaͤdiy El Ayffar zuführte. 

Ich muß hier bemerken, daß ich höchſt wahrfcheinlich unange- 
fochten bis Dabr Hud hätte reifen können, wenn id) e8 vermieden 
hätte, bei der Sfyära von Dahdım zu erfcheinen. In einem Lande, 
wo man den Fremden von Haus aus mit Mißtrauen betrachtet, ift 
88 nie rathfam, einen Drt in der Zeit zu befuchen, wo dafelbft große 
Feſte begangen werden; denn wenn auc) die Anweſenheit eines Fremden 
Verdacht erregt, fo bleibt er doc) bei den verfchiedenen Individuen 
vereinzelt und das Anjehen feines Wirths ift gewöhnlich hinreichend, 
den übeln Folgen zu begegnen. Ganz anders. gejtaltet fich die Sache 
bei großen Feſten, wo Zaufende verfammelt find. Bier braucht nur 
Einer feinen Verdacht laut werden zu laſſen, und fogleic hat er ſich 
auch der ganzen Verfammlung mitgetheilt. Was bei dem Einzelnen 
nur Vermuthung war, das wird bei der Menge zur Gewißheit, und 
der Fremde wird als ein der ganzen Gefellichaft gefährlicher BVer- 
bredher angejchen. Die Stimme der Vernunft verhallt fpurlos in 
dem Gefchrei des wilden Haufens. 

Der Einfluß der Einzelnen, welde fich des Fremden annehmen 
wollen, - wird in diefem Momente der Aufregung nicht beachtet, und 
er fällt, ein Opfer der Volkswuth. 

Wie man aus der Befchreibung meiner Reife nad dem Waͤdiy 
El Hadſchar erjehen haben wird, war ich bei einer ähnlichen Veran- 
faffung nahe daran, ‚ermordet zu werden”, umd ich vathe daher den- 
jenigen, welche in dieſen Ländern zu reifen beabfichtigen, alle Volfs- 
verfammlungen jo viel als möglich zu vermeiden; denn nicht Jeder 
würde vom Glüde jo begünftigt werden, als ich es wurde. 

Wir erreichten bald darauf die Mündung des etwa 1 Stimde 
breiten Wädiy EL Ayffar, den wir aufwärts bis an ein zur linken 
Seite des Weges Liegendes Gehöfte verfolgten, wo wir einfehrten 

17* 


260 Der Wädiy EI Ayffär. 


und freundlich aufgenorimen wurden. Nachdem wir ungefähr eine 
Stunde geruht hatten, feßten wir die Reife fort und gelangten nad) 
ungefähr zwei Stunden bei Doqum cl Ayffär an, wo wir abermale 
ungefähr eine Stunde unter Mimoſen ruhten. 

Die Entfernung von der Mündung des Wadiy CI Ayfjär bis 
hierher mag ungefähr 4 bis 4%, Stunde betragen, und die Richtung, 
in der fi das Thal hinaufzieht, ift Süd, 30° Oft. 

Auf diefer Strede fam ich an folgenden Städten vorüber: 
Cobayh zur Rechten des Weges mit ungefähr 4000 Einwohnern; 
diefem gegenüber El "Drapffime, ebenfalls mit 4000 Eimvohnern. 
Zur Rechten des Weges EI Offayf mit 4000 Seelen ungefähr; 
Dorayf, ebenfalls zur Rechten, ift etwag Fleiner als die vorigen. 
Käfira, rechts am Wege, hat etiwa 4000 Einwohner. Die drei leßt- 
genannten Städte liegen ganz nahe beieinander. Etwas oberhalb von 
Käfira Liegen links vom Wege nahe beieinander die ‚Städte Tätibe 
und Yaufa, von denen die erjte 4000, die andere ungefähr 6000 
Einwohner zählt. 

Das Dorf Doqum el Ayffar liegt auf einem 200 Fuß hoben 
Infelberge an dem Vereinigungspunkte der Wädiy Chärit und El 
Ayffar. Die Form des Wädiy El Ayifar ift ganz diefelbe, wie die 
oberhalb des Wädiy Do’an. — Bon El "Drayffime bis oberhalb 
Haufa führt der Weg fortwährend durd dichten Dattelpalmenwald, 
unter welchen der jchr fruchtbare Boden vortrefflih angebaut ift. 
Wie im Wädiy Doan war aud Hier das Flußbett eingedämmt und 
mit Wehren verjehen, und eine Menge Nebenkanäle gingen von ihm 
aus. Kine jede der Städte dieſes Wädiy hat ihren Sultan, welche 
zur großen Familie der Amudy gehören. Doqum el Ayffär gehört 
dem Stamme Hammam cd Dyn und zählt ungefähr 200 Ein: 
wohner. 

Wir verließen den Wädiy El Ayffar und betraten den hier 
mündenden Wädiy Kotayfa, welcher ſich eine ziemliche Strede in der 
Richtung Dft, 30° Sid berganzicht und dann das Plateau mit fehr 
geringem Gefälle etwa 6O Fuß tief durchſchneidet. Nach einem Marſche 


Gaftfreundfchaft der Beduinen. 261 


bon 2 guten Stunden langten wir bei dem Wohnfige meines Führers 
an einer Höhle an, wo ihn feine Frauen und Kinder begrüßten. 
Etwa 200 Schritt weiter, thalaufwärts mündet ein anderes ſchlucht⸗ 
ähnliches Thal, in welchem 13 Familien, die meines Führers nicht 
mitgerechnet, Höhlen bewohnen. ‘Diefe Höhlen waren ungefähr 10 Fuß 
über den Thalboden erhaben und find durch die Ausmwafchungen der 
weichern Straten de8 Jura-Dolomitkalks entftanden. Ihre Xiefe 
betrug bier ungefähr 15 Tuß und ihre Höhe 8 Fuß. Um fih und 
ihre Heerden, welche aud) darin untergebracht find, vor wilden Thieren 
zu ſchützen, ziehen fie ein Gehege dorniger Sträucher davor. Eine 
folhe Scheidewand fondert auch die Wohnungen der einzelnen Familien 
voneinander ab. Eine Anzahl fehr bösartiger Hunde bewachte diejes 
Troglodytendorf, welches im Ganzen, wie ich fpäter fah, 93 Köpfe 
zählte. Die Kameele, deren fie etwa 50 Stüd befigen, liegen wäh- 
rend der Nacht mit Frummmgebundenen Vorderbeinen im Wädiy. An 
Pflöcden, welde in den Riten des Gefteins eingejchlagen waren, hingen 
die Proviantfchläudhe umher. 

Wie man fich denken kann, war bald die ganze Colonie um mid) 
verfammelt, und mein alter Führer erzählte ihnen, was mir wiber- 
fahren war, verjchwieg aber die wahre Urfache, nämlih, dag man 
mich für einen königlichen Kundſchafter gehalten Hätte, und fette die 
Habfucht des Sultans von Sfayf an ihre Stelle. — Alle bedauerten 
mich und waren im höchſten Grade zuvorfommend, weldes wahr: 
fcheinlich nicht der Fall gewejen wäre, wenn er auch hier das Gerücht 
verbreitet hätte. Der alte Beduine ließ durd eine feiner Frauen, 
deren er vier hatte, ſogleich Brod baden, dann wurden hölzerne 
Näpfe hereingebraht, mit Milch gefüllt und Brod hineingebrodt, 
welches dann eine Frau mit ihren Händen zu einem Brei zerquetfchte 
und mit Yutter begoß. Obgleich diefes Gericht nicht auf die rein- 
lichſte Art zubereitet war, jo mundete es mir doch, denn der heutige 
Marſch hatte meinen Appetit geſchärft. 

Am Abend fagte mir mein Dadjayl, daß wir den folgenden Tag 
hier bleiben würden, weil einer ihrer jungen Männer beirathe, und 


262 Eine Beduinenhochzeit. 


daß fie alle am nächftfolgenden Tage in eine andere Gegend zügen, 
welche auf dem Wege nad) Makalla läge. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm 
Wetter 20°, am Mittag bei Nordweitwind 27°, am Abend 22°. — 
Die beiden folgenden Tage (der 26. und 27. Auguft) blieb der Ther- 
mömeterftand derfelbe. 

238. Auguft. Am folgenden Tage (den 28. Auguft) war bis 
Mittag Lange Feine Anftalt zur Hochzeit zu fehen. Im Gegentheil 
waren die Beduinen alle ihren Geſchäften nachgegangen, d. h. nämlich 
„die Frauen‘; die Männer überlicken fih dem dolce far niente. 
Ich meinerjeits fah erft zweien diefer geplagten Geſchöpfe zu, wie fie 
Yutter bereiteten, und trieb mich die übrige Zeit auf dem Plateau 
oder im Wädin umher. Zur Butterbereitung bedienten fie fich eince 
Ziegenſchlauchs, deifen härene Seite nad) innen gefchrt ift und an 
deffen Hinter - und Vorderbeinen Stöcke befeftigt find. Nachdem fie 
bie mit Milch vermifchte Sahne hineingegoffen und den Schlauch zu: 
gebunden hatten, zogen fie ihn fo lange hin und ber, bie fich die 
Butter abgefondert hatte. Die Butter wurde dann fogleich über dem 
Feuer zerlaffen und in die dazu beftimmten Schläude gegoffen. ln: 
gefähr gegen 4 Uhr Nachmittags kehrten die Frauen mit den Heerden 
zurüd, fie felbft mit großen Bündeln Holz beladen, und nun wurde 
es im ganzen Thal lebendig. Die Frauen trillerten den Sugha— 
rith und die Männer fchoffen ihre Gewehre ab. Kurz, die Hochzeit 
nahm ihren Anfang. Alle Männer begaben ſich vor die Höhle des 
Bräutigams und die Frauen vor die der Braut, die Väter des Braut: 
paares fchlachteten Jeder mehrere Schaafe, große Teuer loderten auf, 
und num wurde geſchmauſt und gejungen bis etwa zwei Stunden nad) 
Sonnenuntergang. Die jungen, unverheiratheten Männer nahmen 
hierauf den Bräutigam in die Mitte und zogen hierauf nad) der Höhle 
der Braut, um fie abzuholen. Hier aber wurde ihnen der Beſcheid, 
daß fi) die Braut geflüchtet habe und man nicht wiſſe, wohin. 
Nachdem der Bräutigam und feine Gefährten die ganze Höhle durd: 
jtöbert und nichts gefunden Hatten, eilten fie mit einem gräßlichen 


Scheinkampf um ben Beſitz der Braut, 263 


Geſchrei zu ihren Waffen, "zündeten die Lunten an und machten fich 
auf, die Flüchtige zu ſuchen. Ich ſchloß mic dem Schwarme an 
und z0g mit ihmen wenigftens zwei gute Stunden umher. Endlich 
erfahen wir einen Zrupp junger Mädchen, welche eine Höhle be— 
wachten, in die ſich die Braut verftect hatte. Der Bräutigam for- 
derte fie auf, die Flüchtige auszuliefern, allein anftatt der Antwort 
warfen fie mit Steinen und zwar dergeftalt, daß man es wohl für 
Ernft nehmen konnte. Nun liefen Die jungen Männer mit vor das 
Geſicht gehaltenen Armen Sturm, welcher mit einem Hagel von Steinen 
empfangen wurde. Dieſes war aber aud) die letzte Vertheidigung, 
denn als die jungen Leute auf fie eindrangen, flüchteten fich Die 
Mädchen mit Wehklagen nad) allen Seiten und Liegen die Braut als _ 
gute Beute zurüd. — Der Bräutigam ſetzte ſich nun ungehindert in 
deren Befig, und die Uebrigen zogen ſich dann etwa 100 Schritt 
zurück, wo fi dann auch die Mädchen einfanden. Es währte nicht 
Yange, fo kam das Baar, welches al8 Braut und Bräutigam die 
Höhle betreten hatte, als Mann und Frau wieder daraus hervor, 
Letztere mit einem großen Tuche verhült. Sie wurden jest in die 
Mitte genommen und unter Gewehrſchüſſen und Sugarithtrillern nad) 
der Höhle des Mannes gebracht. Bevor fie jedocd, eintraten, fchlachtete 
ber junge Ehemann zwei Schaafe zum Opfer, welche auch fogleich 
auf glühenden Steinen gebraten und verzehrt wurden. Hiermit war 
- die Feftlichkett beendet und Jeder legte fih zur Ruhe. 

Die Anzahl- der Frauen, welche ein Beduine heirathet, richtet 
ſich nad; der Zahl feiner Ziegen und Schaafe, denn ſowie eine Heerbe, 
die fie  beauffichtigt, für fie zu groß wird, heirathet er noch eine Frau 
und theilt die Heerde in wei Theile. 

29. Auguft. Die Sonne ftand fchon hoch, als die fünmtlichen 
Iamilten am 29. Auguft ihre Kameele zu laden begannen und die 
Heerden unter der Aufficht der Frauen, einiger Männer und der 
Hunde auf das Plateau getrieben wurden. Der Zug über die Hod- 
ebene gewährte einen eigenthümlichen Anblick. Auf den Kameelen 
waren die Hansgeräthfchaften, einige Frauen, deren Zuftand das 


264 Nomadiſches Leben der Höhlenbewohner. 


Gehen nicht erlaubte, und die Kinder geladen. Rechts und links vom 
Wege wanderte die in verſchiedene Haufen vertheilte Heerde, welche 
ungefähr aus 1500—2000 Schaafen und Ziegen bejtehen mochte, 
und die rechts und links von cinigen bewaffneten Männern flanfirt 
wurden. Ein Bortrapp von ſechs Männern ging ungefähr /, Stunde 
voraus. Da dieje Ordnung immer beibehalten wird, und die Schaafe 
und Ziegen weidend vorwärtsgehen, fo bewegt fi) der Zug nur fehr 
langfam feinem Ziele zu. 

Wir kamen bei einem Heinen Dörfchen Kotayfa und an einer 
Gifterne vorüber und lagerten ungefähr gegen 4 Uhr neben einer @i: 
fterne, welche am Entftehungspunfte, einem Heinen Wädiy, eingehauen 
ift, der in den Wädiy El Ayffär mündet. 

In zwei Tagereifen erreichten wir den Dfchebel Mathärun, eine 
mit Gebüfch bewachſene Erhöhung der Hochebene. Bei einem Grab: 
male, in welchem die Gebeine eines Heiligen, Namens. Dmär ruhen, 
wandte fi) der ganze Zug nad) Oſten umd ftieg in den Waͤdiy 
Mathärun, feinem Beſtimmungsorte, hinab, wo gleich eine Reihe 
von Höhlen bezogen wurden. In 10 Minuten waren alle Familien 
häuslich eingerichtet, denn die Gehege von dornigen Sträuchern und 
die Pflöce in den Felsipalten exiftirten hier nod) von früher her, und 
als alle Schläuche aufgehangen und die Feuer angezündet waren, 
ſchien es, als hätten fie von jeher Hier gewohnt. Auf unferm Wege 
von unſerm letzten Nachtlager bis hierher kamen wir an fünf Gi- 
jternen und den Entjtehungspunften von acht Wädiy vorüber, von 
denen ſechs weftlih in den Waͤdiy El Ayffar und zwei öftlid) in den 
Wadiy Odyme münden. Die Entfernung von den verlaffenen Wohn- 
figen im Wadiy Kotayfa bis hierher beträgt ungefähr 1LO—11 Stunden, 
die Richtung des Weges war Süd, 30° Oſt. 

Am Abend wurde ich mit einem mir ganz neuen, eigenthümlichen 
Aderglauben befannt; mehrere Beduinen nämlich lagen ausgejtredt 
um das Teuer meines Dachayl, während ic) mein Lager einige Schritte 
von ihnen aufgefchhlagen hatte. Um meine Pfeife anzuzünden, wollte 
id) zum Feuer gehen, und da ic) Teinen Raum zum Durchgehen fand, 


Aberglaube über die Mittheilung von Krankheiten. 265 


hritt ich über die Beine eines Beduinen. Ich erftaunte nicht wenig, 
als derfelbe auffprang und mir im heftigften Zorne die bitterften Vor— 
würfe machte, daß ich ihn mit Krankheiten überjchüttet hätte. Mein 
Führer trat dazwilchen, machte mir auch, jedoch in fanfterm Zone, 
Vorwürfe und erflärte mir, als ich ihn frug, was id) denn eigent- 
lich verfchuldet habe, daß ich durch mein Weberfchreiten des Körpers - 
feines Freundes, nicht allein die Krankheiten, an denen ich jebt viel- 
leicht Litte, fondern auch alle die, welche ich nocd, befommen würde, 
auf ihn übertragen hätte. — Um ben guten Mann zu beruhigen, 
antwortete ich ihm: „daß, da dem fo wäre, ich erbötig fei, ihn 
wieder über mich wegjchreiten zu laſſen“. — Diejes Anerbieten wurde 
auch jogleich angenommen. Ich legte mich dann der Länge nad hin 
und der Beduine fchritt über mich weg. Ich fah an feiner zufriedenen 
Miene, da er fich im Innern Glück wünfchte, mir nicht allein meine, 
fondern auch feine jegigen und zukünftigen Krankheiten übertragen 
zu haben. 

30. Auguſt. Während der legten drei Tage, nämlich am 28. 
Morgens bis zum 30. Abends, ftand der Thermometer am Morgen 
bei Windftilfe und heiterm Wetter 20°, um Mittag bei Norbiweft- 
wind 27° und am Abend 22°, 

31. Auguft. Am 31. Auguft reifte ic mit meinem Führer 
früh Morgens weiter und traf am Entftehungspunfe des Waͤdiy, wo 
wir die Hochebene betraten, eine Daͤfila von 50 Kameelen und einigen 
30 Bebuinen des Stammes meines Führers, welche Tabak und 
Summi-Alod nad) Makalla brachten. Wir jchloffen uns ihr an und 
famen nah ungefähr 1 Stunde an eine Cifterne, wo gelagert 
wurde. Ungefähr um 2 Uhr Nachmittags brachen wir wieder auf 
und Tamen nad ungefähr 1”/, Stunde an den Rand eines Teffel- 
fürmigen Thales, welches fich gegen Südoften zu einer engen Schlucht 
geftaltet. Wir ftiegen in ihr herab und lagerten unter einer Grippe 
von einigen 20 PBlatanen, neben welchen fi ein Baffin mit Wafjer 
befand. Mit diefem Kefjelthale beginnt einer der Hauptwaͤdiy der 
untern VBergregion, nämlich der Wädiy Howayre. Biel erzählten die 





266 Sage über die Leuchtläfer. 


Beduinen von Räubereien und Mordthaten, welche in dem dor uns 
liegenden Engpaffe von den aus ihren Stämmen geftoßenen Beduinen 
(Bawwäg) verübt worden. Diefe Banden find fo gefürdtet, daß 
die Kaufleute von Makalla, Schihr und den Städten des Innern 
ihnen förmlich Tribut zahlen, um die Wege offen zu erhalten. Jedoch 
Ichienen die Beduinen nicht fehr darauf zu bauen,. denn die ganze 
Nacht Hielten fortwährend 10 bis 12 Mann Wache. Am Abend 
wimmelte e8 auf allen Büſchen von Teuchtenden Inſecten, welche 
meinem Beduinen Veranlaffung gaben, mir eine ihrer Bolfsfagen 
mitzutheilen. Nach ihr giebt es im Gebirge cine Schlange, welde 
einen großen Diamant auf dem Kopfe trägt. Wenn nun die Schlange 
an ein Waffer fchleiht, um zu trinken, legt fie den Edelſtein ab, 
damit er ihr nicht entfällt, umd nimmt ihn wieder auf, wenn fie ihren 
Durſt gelöfcht Hat. 

Kann nun Iemand ihr den Stein entwenden, wenn fie ihn ab- 
gelegt hat, denn zu einer andern Zeit ift es nicht möglich, fo ftehen 
ihm alle Dſchinny der Welt zu Gebote, und er ift folglich der Glück⸗ 
Tichfte unter allen Menſchen. ‘Die Beduinen glauben, daß der König 
Salomo ein fo Glücklicher gewefen ſei, weshalb er aud) die Sprade 
der Thiere verftanden habe, in welcher ihn die Dſchinny unterrichtet 
hätten. 

Der Thermometer ftand am Morgen des 31. bei Windftille 
und heiterm Himmel 28°, um Mittag bei Nordweitwind 24°, und 
am Abend 20°, 

1. September. Am 1. September. theilte fi ein TZrupp von 
20 Beduinen in zwei Parteien, von denen die eine rechts, die andere 
links von der Schlucht auf den fie begrenzenden Höhen blieb und die 
Qäfila begleitete. Diefe VBorfiht war auch nicht überflüffig, denn 
längs dem ganzen Hohlwege, welcher auf eine Länge von 2 Stunden 
ungefähr nur eine Breite von 25 Schritten mißt, befinden ſich oben 
an den ziemlich fteilen Thalmänden aus übereinander gelegten Steinen 
Bruftwehren, von denen aus die Wegelagerer die Reijenden erfchießen 
und dann berauben. Ic zählte 17 Steinhaufen, unter denen Er: 





Waͤdiy Howayre. Furchtbares Gewitter. 267 


mordete begraben lagen, und wenigſtens 40 Stellen, an welchen die 
Spuren ſichtbar waren, welche die Kugeln auf dem Geſtein zurück⸗ 
gelaffen hatten. Der untere Theil diefes Engpaffes ift mit: großen 
Telsblöcen bedeckt, welche einen Hohlweg bilden und zwilchen denen 
Geftrüppe emporwädit. Längs diefes Abhanges führt der Weg auf 
den Vorfprung eines tertiären Kalfgebirgs bis zu einem von wenigen 
Heinen Häufern und angebauten Feldern umgebenen Thurm, in 
welcher Beduinen des Stammes Agaybere wohnen und der den Namen 
Dim Howayre führt. 

Hier Tlagerten wir bei einem natürlichen, fehr tiefen Baſſin, 
welches am Fuße obenerwähnten Abhanges Liegt und dicht mit Lotus— 
blättern bededt if. Im Südweſten von diefem Schurme erheben ſich 
die riefigen Koppen des Kaur Sfaybän und Mäpyile Matar, und 
weiter nad) Süden die Gipfel des Dſchebel Lehde. Ganz in der Nähe 
des Baffins ftehen mehrere Bäume, von denen ich auf meiner Reife 
bis hierher noch feine gefehen hatte. Nämlich der Hibiscus muta- 
bilis, ein Baum, der zu gleicher Zeit weiße und rothe Blüthen trägt, 
weldhe die Form und Größe einer Rofe haben. — Der Baum 
ift von der Größe eines großen Apfelbaums, dem er auch in der 
Form gleichkommt. Es ftanden eine Menge diefer Bäume umher, 
und da fie in volfer Blüthe waren, gaben fie dem Thale das An- 
iehen eines Roſenhains. — Nächſt diefem der Arafbaum 
(Er Rak), welchen Forskäl (Flor. pag. XXXII) Salvadora per- 
sica nennt; Andere geben ihm den Namen Cissus arborea. 
Wir lagerten hier den ganzen Tag, um noch 10 Kameele zu 
erwarten, welche zur Däfila gehörten und einen andern Weg ge⸗ 
nommen hatten. Des Nachmittags donnerte es oben auf dem Pla- 
teau heftig, und da wir zwifchen zwei ſehr fteilen Felswänden gelagert 
waren, jo hielten es die Beduinen für rathfam, die Schlucht zu ver- 
laſſen und ſich auf einen etwas weiter unten liegenden Hügel zurüd- 
uziehen. — Raum Y, Stunde nad) unſerm Umzuge hörten wir ein 
heftiges Raufchen und ein Beduine rief: „Eg Cal! Ee Kal!“ („Die 
Fluth! Die Fluth!“) Der Anblid, der fi) mir jegt darbot, war 


268 Große Ueberſchwemmung. Waͤdiy Kamiſch. 


erhaben und prachtvoll. Der ganze mit Felsblöcken bedeckte Abhang 
war in einen ſchäumenden Waſſerfall verwandelt und es dauerte nicht 
lange, ſo tobte in dem früher trockenen, hier etwa 200 Fuß breiten 
Flußbette ein wenigſtens 6 Fuß tiefer, reißender Strom. Jedoch 
genoß ich dieſes Anblicks nicht lange; denn ſchon in Y, Stunde 
fonnte man trodenen Fußes durch den Wädiy gehen. — Auf der 
höchſten Koppe des Kaur Sfayban befindet ſich ein Kuppelgebäude, 
das Grabmal Sfaybäns ibn Nedſch, das id) von meinem Lagerplatze 
fehen Tonnte. 

Des Morgens ftand der Thermometer bei Windftille und heiterm 
Wetter 20°, um Mittag bei Nordweitwind 30°, und am Abend bei 
Süldoſtwind 24°. 

2. September. Die erwarteten Kameele kamen erft am Mittag 
des 2. September, und da fie ausruhen mußten, braden wir erft 
gegen 2 Uhr auf, machten aber nur ungefähr 2 Stunden, bis wir 
bei einem gemanerten Baffin anlangten, zu weldem das Waffer vom 
Gebirge in gemauerten Rinnen geleitet wird und das eine ungeheuere 
Menge von Blutigeln enthält, weshalb die Beduinen ein Tuch über 
das Waffer ausbreiteten und einige Steine darauf warfen, wodurd) 
eine von Blutigeln freic Stelle gebildet wurde, aus der fie ihre 
Schläuche füllten und die Kameele tränkten. Dieſem Baffin gegenüber 
an der rechten Seite des Waͤdiy ſteht ein fehr Schönes Diorittrümmer: 
Geftein, welches ſich auf eine Strede von 5 Stunden bis zur Mün- 
dung des Waͤdiy Mäyile Matar ausdehnt. 

‚Am Morgen des 2. ftand der Thermometer bei Südoftwind 
22°, um Mittag bei Windftille 33°, umd am Abend bei Nordweſt⸗ 
wind 26°. 

3. September. Nur eine fehr Fleine Zagereife von 3%, Stunde 
machten wir am 3. September bis zu einem Gchöfte, welches, von 
Dattelpalmen und Eaatfeldern umgeben, an der Mündung des Wädiy 
Kamiſch Liegt. Die zehn zulett gefommenen Rameele follten bier mit 
Zabaf und Indigo beladen werden; da jedoch die Waaren noch nicht 
verpadt waren, fo bequemten fi) die Beduinen, darauf zu warten. 


Ayn er Raͤff ed Don, 269 


Diefer Wädiy ift ungefähr 200 Schritt breit und etwa 1 Stunde 
thalaufwärts mit Dattelpalmen bejett, unter denen das Land bebaut 
ift. Das Gebirge bejteht aus tertiärem Kalk. Jedoch fand ih im 
Flußbette Rollftüde von Granit, Gneis, Chlorit und Quarz, welches 
auf die Formation der weiter oben liegenden Gebirge fehließen läßt. 
Die Gegend ift von Beduinen des Stammes EI Hamum bewohnt, 
zu welchen auch die Bewohner des Gehöftes gehören. 

Der Thermometer ftand am Morgen bei Südoftwind und heiterm 
Himmel 22°, um Mittag bei Windftille 36°, und am Abend bei 
Nordweitwind 28°. 

4. September. Da die Ballen erft am Abend des 4. bereit 
waren, fo fetten wir die Reife erſt am Morgen des 5. fort, legten 
aber nur eine Strede von ungefähr G Stunden bis Ayn er Räff ed 
Dyn zurüd. Von der Mündung des Mäyile Mater an wird der 
Wädiy immer breiter und hat bei Ayn er Raͤſſ ed Dyn eine Breite 
von 2 Stunden. Der Weg führt längs dem Fuße des Dſchebel Lehde 
hin, dem auf diefer ganzen Strede Höhen eines tertiären Kalkſand⸗ 
jteins vorliegen. Der Wäadiy ift mit Flugſand bededt und reich an 
Mimofen-, Tamarisfen- und Nebefbäumen, zwilchen denen die Gift: 
pflanzen El Oſchr und El Marh (Asclepias procera und Asclepias : 
ignivoma) zu einer außerordentlichen Stärke gedeihen. Ayn er Räff 
ed Dyn ift ein niederer, flacher und mit einem, üppigen Graswuchs 
bededter Vorfprung des Gebirges, auf welchem jich zwei Kleine, 
jumpfige, mit Rohr umwachſene Teiche befinden, in denen fich eine 
Unzahl von Blutigeln aufhalten. Hier und da fieht man Gruppen 
von Dattel- und Dompalmen. Da wir an diefem Zage nicht 
weiter veiften, Fauften die Beduinen von eimer mit ihrer SHeerde 
vorüberziehenden Bedninenfran 5 Schaafe, wofür fie einen öfter- 
reichiſchen Thaler bezahlten. Obgleich ich zum Ankaufe derjelben 
nichts beigetragen hatte, jo verlangten fie doch, daß ich meinen An- 
theil nehmen follte; das Fleiſch wurde auf die ſchon Früher befchrie- 
bene Art zubereitet. — Auf der entgegengejetten Seite zieht ſich der 
Dſchebel EI Hamum bis an das Meer und erhebt feine ſchroffen 





270 Schihr. Wadiy Mogayre, 


Gipfel bis zu einer Höhe von beiläufig 4000 Fuß über den Meeres— 
fpiegel; ja die höchſte Koppe deffelben, welche den Namen Entaf el 
Hamum führt, ſchien mir noch höher zu fein. Am Buße diefes Ge- 
birges liegt die Stadt Schihr 170), eine der Haupthafenftädte des Littorals, 
welche von Sultanen beherrſcht wird, die zu der aus ber Provinz 
Yafiia ftanımenden Familie BA Rayke gehören; der jest (1843) 
lebende Sultan heißt Alyy Nay bä Rayke. 

Der Thermometer ftand an den Tagen des 4. und 5. am Morgen 
bei Südoftwind und heiterm Himmel 22°, um Mittag bei Winftille 
36°, und am Abend bei Nordweftwind 28°. 

6. September. Am 6. Septentber brachen wir ungefähr gegen 
10 Uhr auf und zogen durd eine öde traurige Gegend, in welcher 
biendendweiße Hügel eines tertiären Kalle mit dürren, fandigen 
Schluchten abwechſelten. Nach einem Marche von etwa 5 Stunden 
lagerten wir in einem gebüfchreihen Wädiy, Namens Mocayre. 

Der Thermometerftand blieb derjelbe, wie der des vorigen Tages; 
während der Nacht war ein jtarfer Thau gefallen. Die Richtung des 
Weges von Kotayfa ift Süd, 30° Dit. 

T. September. Am 7. September durchzogen wir wieder öde, 
dürre Schluchten, weldye die Kalfhügel durchbrechen, und betraten nad 
ungefähr 3 Stunden den Wädiy Hataby, in welchem wir bis etwa 
2 Uhr Nachmittags ausruhten. Links vom Wege in euer Entfernung 
von 1 Stunde ſah ich die blaue Fläche des Meeres und das an ihm 
liegende ‘Dorf Rohſch, welches von Fifchern bewohnt wird. Bon dieſem 
Nuheplage an legten wir noch 1%, Stunde zurüd und lagerten dam 
einer Duelle im Wädiy Dhyq edh Dhyäg, 1Y, Stunde vom Meere; 
rechts vagten die Dattelpalmen des Dorfes gleihen Namens herüber. 
Die Richtung des Weges ift Sid, 30° Weit. 

8. September. Am 8. September feßte ſich die Däftla mit 
Zagesanbrucd in Bewegung und gelangte nach etwa 2 Stunden nad) 
dem Dorfe Harr Schiwäts und von da in 4 Stunden nad) — Ma— 


kalla, wo fie außerhalb des Thores ihr Lager aufſchlug. Mein Beduine 


nahm meine Sachen auf den Rüden und führte mid) ins Haus meines 


Rückkehr nach Makalla, Ende der Reife. 271 


frühern Wirths, den ich aber nicht fand, da er nad) Schihr verreift 
war., Da id Niemand anders kannte und ohne Geld war, fo blieb 
mir nichts Anderes übrig, als in der großen Moſchee ein Unterfommen 
zu fuchen; ich fagte daher meinem Dachayl, mich dahin zu bringen. 

Als wir über den freien Platz fchritten, welcher die neue Stadt 
von der alten trennt, trat ein Schwarzer zu mir heran und Fündigte 
mir an, daß mid) der Sultan fprechen wolle Der Zitel „Sultan“ 
machte mid) ftußen, denn die arabifchen Sultane waren mir von 
. Sfayf aus bedeutend zuwider geworden. Jedoch die Nothwendigkeit 
gebot zu gehorden, und in Erwartung der Dinge, die da kommen 
folften, ftieg ich mit ſchwerem Herzen Hinter dem Schwarzen her eine 
Treppe hinauf und trat in das Gemach des Herrſchers von Mafalla. 

Ich wurde freundlid von ihm empfangen und gebeten, mid 
neben ihm niederzulafjen. 

Er fagte mir dann, daß er bereit8 von dem Vorfalle in Sfayf 
gehört Habe und erſuchte mid, ihm Alles ausführlich zu erzählen. 
Als ich mit meiner Erzählung fertig war, befahl er einem Sclaven, 
meine Sachen in eine Stube zu bringen, und fagte mir, daß unge- 
fähr in ſechs Tagen eines feiner Schiffe nad) Aden abginge und daß 
er mich mit demfelben dahin befördern wollte; bis dahin follte ich 
ruhig bei ihm bleiben. | 

Der Thermometerftand der beiden leßten Tage war am 7. Mor: 
:gens bei Nordojtwind 20°, um Mittag 30°, am Abend 22°; des 
Morgens am 8. bei Nordoftwind 20°, um Mittag 28°, und am 
Abend 22°. So lange id in Makalla blieb, blieb auch diefer Stand 
des Thermometers conftant. — In den Nächten fiel fehr ftarker Than. 


Demerkungen und Ausführungen 
zu 


A. v. Brede?’3 Reiſe in Hadhramaut 


von 


Heinrich Zireiherrn von Maltzan. 


A. v. Wredes Reife in Habhramaut. 18 


1) Nachoda, AL, ein urfprlingfich perfifches Wort, bedeutet „Schiffe- 
herr“ und ift in ganz Arabien an Stelle des arabifchen Ausdrucks für Sciffe- 
capitain, welcher „Rayyſſ“ lautet, getreten. 

2) Edrus, fehlerhafte dialektifche Ausfprliche flir Idryſſ, Name des Hei- 
ligen, unter bdeffen beſonderm Schute der Süden von Yemen und namentlich 
das Land um 'Abden fteht. 


3) Räfidhy (eigentlich Räfidhyy), d. 5. ftrenggenommen nur wer zur Secte 
Räfivha, welche Sayd, ben 'Alyy, ben Hoflayn, ben Alyy als Imäm anerkannte, 
gehört, wird aber auch auf alle Ketzer und Ungläubige im Allgemeinen abufive 
ausgedehnt. 

4) Zaräd ift eine Art von Däum, d. h. ein Segelichiff von 560—100 Tonnen 
Tragkraft, mit 2 Maften, einem großen und einem ganz Meinen, der mehr wie 
ein Flaggenftod ausfieht, beide mit lateinifchen Segeln. Die Taräb unterfcheidet 
fi) vom Daum nur dadurch, daß ihre Planfen nicht angenagelt, ſondern durch 
Stride miteinander verbunden find. 

5) Abu Sfaryr, d. 5. der „Befiker des Ruhebettes“ war ein heiliger 
Derwiſch aus Indien, der aus Armuth nicht zu Schiff nad) Dſchidde fahren 
fonnte, um die Bilgerfchaft zu machen. Da er aber Wunder wirken konnte, fo 
benutte er feinen Sfaryr, d. h. ein Ruhebett von geflochtenen Binfen, um auf 
biefem bie Ueberfahrt zu machen, und langte glücklich in Dſchidde an, wo er 
nun als Heiliger in hohem Andenken fteht. 

6) Borum findet fich bei feinem arabifchen Geographen. Nach Wellfted 
(Reife in Arabien, liberfegt von Rödiger) liegt Borum am Eingange eines engen 
GSebirgspaffes, hat viel Waffer, leidet in Folge der eingeengten Lage fehr von 
Hige. Das Raͤſſ Borum befteht nad) Haynes (Survey etc.) aus bunflem Kall- 
fleinfels von fchroffen abfchüiffigen Formen. 


7) Dſchebel Reich, d. 5. der „Berg des geringen Regene”, Er beißt 


„pauca pluvia’', 


8) Waͤdiy Dahſſ. Das Wort Dahſſ, BO, bedeutet einen weichen und 
ebenen Boden, der weder fandig noch lehmig ift (Freytag, Lerifon). 
9) Bagla oder Bagala ift Fein arabifches Wort, fondern inbifhen Ur- 
ſprungs. Im Sanskrit heißt es Bahala oder Vahana. Jetzt verfieht man 
18* 


276 Bemerkungen und Ausführungen 

darunter ein größeres Schiff von 100-150 Tonnen Tragkraft, das fih nur 
durch die Größe von dem Daum (f. Note 4) unterfcheidet, fonft aber diefem und 
der Tarad ähnlich ift. 

10) Neby Allah Hud heißt der Prophet Allah's Hud. Hud war ein echt 
arabifcher Prophet, den Allah zu den gottlofen Adyten fandte, um ihnen Buße 
zu prebigen, der aber von diefen getöbtet wurde (Dorän, Kap. 26, 124). Er ift 
ber in Hadhramant vorzugsweife verehrte Prophet. Nach Einigen war er ber 
Eher der Bibel. Ueber feine Nachkommenſchaft jede man unten im Anhang I, B. 
Ueber das Grab des Propheten Hud vergleihe man Ibn Batuta ed. Defr&mery 
et Sanguinetti, Paris 1854, Tome II, p. 403. Ebenſo Idryſſy in Jaubert's 
Ueberfegung, Paris 1836, Tome I, p. 54. Man fehe aud unten Note 166 
über die Wüſte el Ahqaf, wo nad) Yaͤqut das Grab des Propheten Hub 
fein foll. 

11) Faͤtiha, vulgo Fat⸗ha ausgeſprochen, ift das erfte Eapitel des Doräng, 
das jehr kurz ift und das beliebtefte Gebet des Moslims bildet. 

12) Eſchhed Allah, d.h. „Ich bezeuge, daß Gott iſt“ oder „Ich rufe 
Sott zum Zeugen an”, die Anfangsworte bes Glaubensbekenntniſſes der Mo 
bammebaner. 

13) Zur Zeit von Wellfted's Reife (1833) regierte in Borum Mobamme 
ibn "Abd el Abyb, der feine Nebenbuhler im Sultanat verdrängt und mit Hüffe 
der Bebuinen den Thron behauptet hatte. Alfo konnte der von Wrede bejchrie- 
bene Sultan, obgleich ein Greis, 1843 noch nicht lange geherricht haben. 


14) Dabtän wird allgemein als der Stammvater aller Südaraber an- 
gejeben. Wenn er, wie die Hadhramauter annehmen, ein Sohn Hud's war, 
fo mlffen wir in ihm wohl den Joktan und in Hud den Eber der Bibel er: 
blicken. Himyar, der Stammpater der Himyariten, war ein Abkömmling 
Dabtän’s, fein Vater mar "Abd Schamff oder Sfäbe, fein Großvater Yaſchdſchob, 
fein Urgroßvater Ya rob, Sohn Dahtän’s. Himyar gilt für den vierten König 
von Yemen. Nach Eauffin de Perceval (Tab. I) hätte er um 695 vor Ehriftus 
gelebt. (Dan fehe unten im Anhang I Wrebe’s Königsliſte.) 

15) Sfaybän. Nah Sſam'aͤdy mären die Sſaybaͤn vom bimyarifchen 
Stamme ber Schaybän und ſtammten von Sfayban, Sohn des Ghauth, des 
andern, Sohn des Schayban (EI Ofiyuty, Lobb el Lobab, ed. Wejers, S. 145). 
Damit fteht in Widerſpruch die Tradition diefes Stammes, welche Wrede ver- 
nahm, wonach Sfayban fein Himyarite und nicht einmal ein Dahtänite, ſondern 
von Hodun, einem Bruder von Dahtän, abftammen foll, in welchem wir dann 
den Peleg der Bibel erblicken müßten. 

16) Dſchembiye geiprochen, aber Dichenbiye gejchrieben., N Iautet be 
kanntlich vor B in M über. 


17) Wäcy, oh: PBarticipium von so verbinden, heißt alſo eigent- 


fich der „Verbinder“, d. h. der „Vermittler zwifchen dem Fremden und dem 
Stamme, ber ihn beſchützt. 


zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 277 


18) Tihaͤma, —2 bedeutet weiter Nichts als „Tiefland“, und es iſt 


gänzlich unrichtig, das Wort fiir einen beftimmten Provinzialnamen zu halten. 
Diefer Fehler ift jedoch fo fehr verbreitet und fchon fo alt, daß es ſchwer fein 
büirfte, ein Aufgeben deſſelben von Seiten der Geographen zu Hoffen, um fo 
mehr als fie eine fo gewichtige Duelle, wie Abu el Fidaͤ, flir ihre Anficht auf⸗ 
führen können. Diefer Geograph theilt Arabien, das er übrigens ſehr fchlecht 
kannte, in fünf Diftricte ein. Diefe nennt er 1) Tihäma, 2) Nedſchd, 3) Hi- 
dſchaͤs, 4) "Orudh, 5) Yemen. Nun ſoll Tihäma eine im Süben von Hidfchäs, 
im Norden von Nemen, gelegene Provinz fein. Aber in Wirklichfeit heißt ber 
ganze Küftenftrich von Arabien, von Hidfhäs, NYemen, ‘Abden, Näfl’a, Hadhra⸗ 
maut bis nad) "Omän „Tihaͤma“. Will man ein „Tihaͤma“ vom andern unters 
Heiden, fo fett man hinzu das „Zihima von Hidſchaͤs“, von „Yemen‘ u. |. w. 
Abu el Fidaͤ's Irrthum ift jedoch erflärlich aus dem Grunde, daß fowohl er 
wie feine Landsleute, die Syrier, von Arabien nur vorzugsmweife Hidſchaͤs kannten 
und daß fie deshalb das „Tihaͤma von Hidſchaͤs“ für das „Tihaͤma fat! Erochen“, 
ja für das einzige „Tihaͤma“ hielten, während e8 doch nur einen Theil einer 
ſich um ganz Arabien ziehenden Kliftenlandfchaft bildet. 


19) Waͤdiy Halle Heißt „Thal des Fleckens“. Halle, kiss, bedeutet 
einen leden oder einen bewohnten Ort. 

20) Fuwa (ann auch Fowwa geſchrieben werden) bedeutet „Färberröthe“ 
(rubia tinctorum) und führt ſeinen Namen gewiß von dieſer hier nach Wrede 


vielfach wachſenden Nützlichkeitspflanze 5. 


21) Wadiy Cahah, d. h. das geſunde Thal. Ze bedeutet sanus, 
geſund. 
22) Waͤdiy Chomyr. Die Etymologie iſt weniger deutlich. Es könnte 


von „Le Plural pi fommen. Dies Heißt „Alles was bedachet ift‘‘, könnte 


2 


alſo im Sinne von „die Hütten‘ ftehen. 


23) Waͤdiy Dſcharre. Thal der irdenen Geſchirre. Es darf uns 
um fo weniger wundern, bier ein Thal nach einem Waſſergeſchirre, der 


Dſcharre 6* ) benannt zu finden, da auch der große Hauptwaͤdiy dieſer Gegend 
„Waͤdiy QOirbe“ nad einem andern Waflerbehälter, der Dirbe (vulgo Girbe), 
x je} benannt ift. 

24) Agaybere. Diefer Stammesname findet fid) weder bei Wüftenfeld, 
Cauſſin de Perceval, noch einer andern mir befannten Stammestafel. Nach 
Wrede fol er einer der 15 Unterfiämme der Sfaybän fein. 

25) Dabyla (Plural Dabäyf) Heißt eine größere Stammesgruppe im 


Gegenſatz zu Batn und 'Arſch, Bezeichnungen für einzelne Stämme. Es giebt 
übrigens im Arabifchen zehn verjchiedene Bezeichnungen für größere oder Heinere 


278 Bemerkungen und Ausführungen 


Stammesgruppen und Yamilienvereinigungen, von denen obige brei bie ge 
fäufigften find, unb zwar bezeichnet jebe eine anbere Ausdehnung des Stammes: 
begriffes. Das Wort „Arſch“ ift in Nordafrika für „arabiſche“, das Wort „Da- 
byla“ daſelbſt für einheimifche (kabyliſche) Stämme gebräuchlich. 

26) Bauwaͤq, kann auch Bamwwägq gefchrieben werden, doc, ziehen wir 
vor, das erfte W vocalifch als U zu faffen, da es fih in der Ausſprache fo ge 
flaltet. Vulgo wird das Wort faft wie Bo’äg ausgefprohen. Seine Ableitung 


dürfte bie eines Adjectiv ber Form a5 von 5b: „boshaft, treulos handeln“ 
fein. Seine arabifche Schreibart ift Gin. 

27) Dirbe, 5 iſt der bekannte, arabiſche Waſſerſchlauch, den alle Rei⸗ 
ſenden mit ſich führen. 
| 28) Dobbe, Kus, heißt „Kuppel, Kapelle‘. El Irme, N, ift ein 


zum Wegweifer in der Wüſte errichteter Dentftein. Baydhaͤ, —S d. h. die 
Weiße. Dirbet Dahme, 5,45 Ks, d. h. das Kaffeehaus von Dirbe. 
Mobayne, ud, d. 5. bie Heine Stadt, Diminutiv von Medyna. Qaͤra, 
56. d. h. der Hügel. 

J & Pr} ’y) u. 

29) Ayn el Ohaffäny, „ul pas d. 5. die Duelle des Ghaſſaͤ— 
niten. Die Ghaffäniten haben ihren Namen vom Wafler Shaffän in Nemen, 
etiwa ſechs Stunden nördlich von Sebyd. Wir können alfo das Vorkommen diefes 
Namens bier nicht dadurch erflären, daß dies die Heimath der Shaffäniten war, 
wie Wrede an einer andern Stelle annimmt. Ghaffüniten wanderten jedod, 
wie alle Völker Yemens, vielfach aus und deshalb genilgt uns die Annahme, 


daß ein folches zerftreutes Stammesmitglied biefem Orte den Ramen ge- 
geben habe, 


„2 
30) Omm Bayha, sub cf, wortlich „Mutter — d. h. Inhaberin — 
der Schönheit”, alfo der „ſchöne Ort". 


31) Wo’ayla, ERS, „der heiße Ort‘, von As, „Hitze“ in der 
Diminutivform. 


32) Dachayl von S õ, „hineingehen“, im Caufativ „hineinführen“. 
Alfo eigentlich der „Einführer“. 

33) Bei Cauffin de Perceval, Histoire des Arabes, Bd. I, findet fich bie 
Geſchichte diefes Weibes und ihres Schladhtenruhmes fehr abweichend von der 
Tradition, nach welcher Wrede bier zu berichten fcheint. Bon ihr ſoll die Pro⸗ 
vinz Yamama ihren Namen erhalten haben. 


zu A. v. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 279 


34) Bi Darrayn. Baͤ iſt der in Südarabien übliche Verkürzungs⸗ 
ausdrud für Banu oder Beny. Qarrayn, Beer heißt die „zwei Wohnungen“, 


Dualform von ‘5, mansio. Der Dual wird nämlich heut zu Tage niemals 
im Casus rectus „Ani, fondern ſtets im Casus obliquus (der für alle Fälle 
fiehen muß) „ayn“ gebraucht. 

35) Omm Dſchirdſche, db. h. „die Mutter bes Drehrades“, was fo viel 
bedeutet, als ein an Drehrädern (zum Bewäflern) reicher Ort. Dſchirdſche fommt 
bon or” ‚in gyrum duxit”, 


36) Kath edh Dhaya, et] ee d. h. die „enge Oeffnung“, Name 
ber Felsſchlucht. 


37 Harr Schimäts, 1 per) > d. 6. „Hitze des rauchloſen Feuers”. 
> heißt Hitze. LI,s heißt famma fumi expers. 


88) Dſchebel Lahab (Feuer, N) heißt der „Zeuerberg”. Der Name 
ſcheint alfo auf einen erlofhenen Bulfan zu deuten. 


39) Dhyq edh Dhyäg, tel (0, b. 5. „Enge der Engen“. 
40) Hotfige geiprochen, iſt wahrſcheinlich Hotſayya, ubs, das nad) 


bem Dämuff „incessus lenis”, „ein langfamer Gang der in Karawanen fort- 
fhreitenben Kameele“ bedeutet und wohl auf Wegesfchwierigleiten in biefem 
Waͤdiy zu beziehen. 


41) Falh eſſ Sfifle, "TEA \;, d. 5. „aratio imae terrae‘‘, alfo 
etwa „niedrig gelegenes Aderland”. 

42) Wadiy Mahniye, KAisıe, „ein fih windendes, unebenes Thal“. 

43) Fedſch, e’ ‚ „ein hochgelegener Pfab zwiichen zwei Bergen”. 


- +8 .. 
44) Harf el Hagys, yvanasıll Js, heißt der „wenig belaubte‘ 


ober der „kahle Bergesgipfel“. Hacye bedeutet „kahl“, fowie „mit wenig Haaren 
verfehen‘ und fteht natürlich hier bildlich. 


45) Sarmal, JS, bürfte eine ähnliche Bedeutung wie Hach3 haben. 
dn,s heißt nämlich depilavit „der Haare berauben”. 


46) Rughyff, durfte von ui), „bereidjern“ abzuleiten fein, 


würde alfe bem Berge den Beinamen „der Reiche“, d.h. „der Fruchtbare“, 
geben. Bon Reichtum durch Bergwerle kann bier nicht die Rebe fein, ba die 
Araber ſolche nicht bearbeiten und nicht ſchähen. 


280 - Bemerkungen und Ausführungen 


a7) Dſchebel Waſſib, ml, Jam, d. 5. „ber grasreiche Berg“. 


Waͤſſib ift adj. verb. act. von aus „grasreich fein”. 

48) Dihebel Hanbare, syn, d. 5. der „Heine Berg”. 

49) Walyme, u) ‚ heißt das „Hochzeitsmahl“. Die Bedentung ſcheint 
kaum bierber zu paflen. 

50) Dſchebel el Home, „Berg der Armuth“, von edel, „Armuth“. 


Dſchebel el Ahliya, „Berg ber weißen Diſteln“, von st, eine weiße 
Diftelart. 
51) Waͤdiy Lachme, sol, „Thal der Zerklüftung“. 


52) Schura, 5 heißt „Schönheit“, alſo Wädiy Schura, „dab 
ſchöne Thal”. 
68) Dhayff, ad, das „Abnehmen des Wachsthums der Pflanzen“. 


54) Mahaffa von nr. „frigus herbas exurens”. 


55) Räyat, wolol,, heißt „die Signale“, alfo wiirde Dſchebel ex Raya, 
ber „Signalberg“ heißen. 

56) Nach dem Lobb el Lobaͤb gab es einen Stamm der Nedſchd Himyar. 
ber öftlih don den Sſarw Himyar mohnte. Da Hadhramant auch von Him 
hariten bewohnt war, Könnten wir den Hoffayn ibn Nedſchd ale diefem Stamme 
entfproffen annehmen. Rad den von Wrede gefammelten Bollstrabitionen gr 
hören jedoch die Amudy einem andern Stamme an, find nicht Dabtäniten, 
fondern Nachkommen von Hodun, der ein Bruder Dahtän’s geweſen fein foll. 


57) Hayt el Darr. Hayt, us, heißt „die Mauer‘ und Darr, gr 
„eine Burg, ein Schloß“, bildlich auch wohl ein burgähnlicher Felſen, älſo 
Hayt el Darr, die „Schloßmauer“ oder die „burgähnliche Felsmauer“. 


58) Moygag ift als part. pass. der IV. Conjug. von 5 „elbus fuit” 
aufzufaffen, diirfte alfo „die Weiße“ heißen. 


59) Schowayye, Kay adverbialifh „wenig“, fubftantivifch „die Heine 
Sache“, bier alfo „der Heine Ort”. 


- oo ? 
60) Rohde, BÄSU, excavatio, eigentlich eine künſtliche Aushöhlung, eine 
Ciſterne im Felfen angelegt u. |. w. 
61) Ba Dſchaͤh. Alle mit Baͤ (ftatt Beny, Söhne, ftehend) beginnenden 
Ortsnamen find von Stämmen entlehnt. Dſchaͤh ſcheint mir jedoch fein eigent- 
liches nom. propr., fondern ein Appellativ in der Bedeutung bie „Herrſchaft“, 


zu 9. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 281 


bie „Macht“. Der Stamm Bü Dſchaͤh heißt alfo „Söhne der Herrfchaft” oder 
„Die Mächtigen”. 


62) Eily, ‚Lo, don a, sustinuit fervorem ignis, alfo „Hitze“. 


63) Gibära, —R „der Bruſtpanzer“. Dſchebel Gidaͤra heißt alſo der 
„Panzerberg“. Nach dem Berge iſt der Waͤdiy benannt. 


64) Foghar, zu heißt „Flußmündung“, alfo Dſchebel Foghar, „Berg 
der Ylußmlndung‘ wobei man freilich hier nicht an einen wirklichen Fluß, 
ſondern höchſtens an einen Gebirgswädiy denken Tann, d. h. einen nur nad) 
ftarfen Regen wafferführenden Gießbach. 


65) Choraybe. Diefer Häufig vorfommende Name könnte ale Ber- 


Heinerungswort von Charib, oy> „die Wüfte”, angefehen werden. Wahr- 


fcheinlidher ift er jedoch Verkleinerungswort von Chorbe x >. Wir finden. 
nämlich im Wädiyg Do’än dicht nebeneinander zwei Städte, Chorbe und Choraybe, 
d. h. Chorbe und das „Heine Chorbe“. Die Bedeutung von Chorbe, welches 
ein „Loch im Boden‘, d. h. ein „Keſſelthal“, heißt, entfpricht auch ungleich beffer 

der Focalität, als die Bedentung „Wuülſte“. ° 


66) Fardſchalaͤt von Je, „mit weiten Schritten gehen”. Der Berg 
heißt alfo der „Berg der weiten Schritte‘, d. h. der Berg, wo man fchnell 
ſchreiten muß, wegen der Gefahren der Reife oder der Unmirthbarkeit der 
Gegend. Solche Benennungen find ganz im Geiſte der Bebuinen. 


67) Montifd, Vice, adj. verb. act. der IV. Conj. von Ur: „Feucht 
fein. Waͤdiy Montifch heißt alfo „das feuchte Thal“. 


68) Rock, vas), heißt „fanft, weich, milde”, alfo wird man Dſchebel 
Rode etwa der „sanft abfallende Berg” bezeichnen miiffen. 


69) Maͤyile Matar dlirfte etiwa der „Regenanzeiger“ oder das „Regen- 
wahrzeichen‘‘ bedeuten. Mater, yası heißt „Regen“ und Myl, Jas, wovon 


able, Maäyile, „ein Wahrzeichen für Reifende errichtet. Es giebt in arabi- 


{hen Ländern ebenfo gut wie in europäifchen folche Berge, die man gleichfam 
als Wetterpropheten anfieht und aus beren Umhülltheit oder Unverhülltheit ınau 
auf gutes oder ſchlechtes Wetter fchließt. Ic ſelbſt habe mehrere folder Berge 
in Arabien und andern Gegenden bes Orients gefunden. 

70) Moffaffag, , Part. pass., IV. Eonj. von Bi, „ abs 
gewenbet”. 


71) Ofwe, —* „Verwüſtung“. 


282 Bemerkungen und Ausführungen 


72) EI'Af, gie, „ad aquam veniens“, alſo Wädiy el 'Af etwa „bat 
zum Waffer führende Thal”. 

73) El Bathaͤ, Lsıb;, „ein nieberer Thalkeffel, in bem viel Kies if". 

74) Kaur oder Kur, —* „der Kaqmeelſattel“. Eine Benennung für einen 


Berg, welche fich dem Reifenden in Arabien faft von felbft aufbrängt, fo richtig 
ift ber Vergleich. 


75) Hagarhayan, Us as, ber „Regenbrecher“, von as, „brechen“, 
unb Us, Regen. 


76) Doru, Be „terra quae vix peragrari potest'’ oder „‚umtvirth- 
bares Land”. 
77) Lakal Lakal, fo fchreibt Wrede. Ein folder Rame Hätte freilich gar 


.., _» 
feine Bebeutung. Wir glauben jedoch, daf wir hier el Qalqul, JIALEN, nomen 


act. bon JS, „tönen‘‘, Iefen können. Bei dem Tönen in Verbindung mil 
einem Bergdiftrict könnten wir vielleicht an ein Echo denken. 

78) Hign el Ghowayr, „Schloß der Höhle. Hicn, gas: „dat 
Schloß". Ghowayr, — if Diminutiv von Ghur, —* die Höhle, heißt 
alſo eigentlich „die kleine Höhle“. 

0.08 

79) El ’Anffär, ul, „bie Fülle, der Reichthum“, alfo Waͤdiy el 
·Ayſſar, das Thal der Fülle”, d. 5. „der Fruchtbarkeit". Doqum, 30 in 
Pluralform, beißt die Eingänge”. 

80) Tfähir, yalb, „offenbar, anfehnlich”. Diefer Städtename if fehr 


verbreitet. In Habhramaut giebt es zwei Städte Tfähir, eine im Wädiy Do'än, 
eine im Waͤdiy Qaçr und in der daran grenzenden Provinz Yäfla ein anderes 
Tſaͤhir. 


81) Qolayle, LE, „ber Heine Gipfel‘, Diminutiv von &\s, „Bipfel". 

82) Eſſ Sfabal, alt, „der Regen“, alfo Wäbiy eff Sfabal „Regen 
that”. 

83) Darrapyı, Ber die „zwei Wohnungen oder Sclöffer”. Duel 
von Darr, y mansio firma, sedes (ſ. oben Anmerfung 34). 


8) Eſch Schaff, As, „tenuis“, alfo Wadiy eſch Schaff „das 
ſchmale Thal”. 


zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 283 


85) Chodhaͤra, —X „olers in hortis nascentia’'. 
S; 
86) Oolle, M, „Gipfel“. 


87) Awra, —** fissura montinm, alſo Wäbiy ‘Awra „Thal des 
Bergipaltes”. 


88) Eſch Scharq, —8 „das öſtliche“. 


89) Dabr Bayt, Er —* „Grabesſtätte“, wörtlich „Grabeshaus“. 


90) In Arabien macht man einen Unterſchied zwiſchen den Nachkommen 
des Propheten, welche von Haſſan ben "Alyy, und denen, welche von Hoſſayn, 
deſſen Bruder, abftammen unb nennt leßtere Sfayydy, erftere Scheryf. In 
Nordafrika heigen beide „Scheryf“, auch gebraucht man dort die Pluralform 
„Schorafä“ oder „Schorfä', in Arabien dagegen „Scheräf”. Die Ceremonie 
des Beriehens der Händekommt von dem Wahnglauben, daß diefe 
Nachkommen Mohammed's einen „Geruch ber Heiligkeit“ aus- 
duften. 


90°) Do’än. Die urſprünglich und literariſch allein richtige Schreibart 


iſt nad; Yigut (Iacat ed. Wüßenfeld, II, 621) „cas, was wir durch 
„Daw' an“ oder „Dau'an“ wiedergeben können. ‘In der Ausfprache ver- 
ſchmilzt fi aber der Diphtong „au“ zu einem langen „o’ und ein Alif pro- 
lungstionis ſchiebt fi nach dem Fatha ein, woraus zuerſt Do’an und dann 
Do’an wird. Mebrigens begeht Yäqut den Irrtfum „Dau' an“ eine Stadt zu 
nennen, der in alle unfere Geographieen übergegangen ift und zuletzt noch von 
dem Pfeudoreifenden du Couret in feinen „Mysteres du désert“ ausgebeutet 
wurde, in welchen er behauptet, Do’in fei eine Stadt, welche zugleich den 
Namen „Raſchyd“ führe. Bekanntlich ift „Raſchyd“ eine Stadt des Wädiy 
Do’än, aber Niemand giebt ihr felbft den Namen des Thales. 


31) Nach el Offyutyy’s Lobb el Lobaͤb find die Hamälyy eine Abtheilung 
des Stammes Aſd (Ad) von "Abd Allah ben Haula oder Hawaͤla. Cine Ab- 
theilung der Afditen wohnte fhon zu Mohammed's Zeit im Süden zwifchen ben 
Himyariten und den Ghäfniditen (Sprenger, Leben und Lehre des Moham- 
med, III, 323). 

92) Dodär, ben Sfalif, ben Dſchidſ', tödtete die heilige Kameelin, welche 
Gott auf den Auf des Propheten Gälih aus dem Fels hervorgehen ließ. Sie 
ernährte die Adyten mit ihrer Mil, aber fie trank jeden zweiten Tag ihren 
Brunnen leer. Man beſchloß fie zu tödten, aber Niemand wagte fih daran, 
bis endlich Dodär unter ausnahmsweifen Umfländen geboren wurde, der bas 
ſchrecliche Wert vollbringen follte.e Bon feiner Rothhaarigfeit verlautet bei den 
mir befannten Autoren Nichts, . 


93) Rhobäba, Lu, ift eine Art Altviole, die, zwifdhen den Beinen 


284 Bemerkungen und Ausführungen 


gehalten, wie ein Bioloncell gefpielt wird. Qaçaba, Las, ift eine einfache 
Flöte aus Binfenrohr. ° 


94) Oabadh, Haas, beißt „Beſitzthum“ oder „Landgut“, alfo Qabadh 
Schaych „Landgut des Stammeshäuptlings‘. 

9) Häyif Heißt „Abhang des Gebirges‘, ebenfo der „Ungerechte“, alfo 
würde Qabadh Häyif „das Landgut am Bergesabhang“ oder „das Landgut der 
Ungeredhten‘ bedeuten, 

95*) Diefe Anficht Wrede’s ift wohl ſchwerlich ſtichhaltig. Die perfijchen 
Ebnaͤ wohnten in Yemen; dag fie je in Hadhramaut geweſen, davon verlautet 
nicht das Geringfte. Die Ableitung bes Wortes „Ehnä“, „Lüst, iſt Übrigens 
fehr einfach. Es bedeutet lediglich „die Söhne‘, worunter man wohl die „Söhne 
bes Landes, d. h. die autochthone Bevölkerung verftehen Tann. 


96) Ma'yſche, wanze, heißt „Lebensmittel“. 


97) Dhahä von Is, „ausſchwitzen“, d.h. das vom Baume aus der 
Rinde „usgeſchwitzte“ Harz. 


98) Schedſcherat et Tä’a, xalEN 5-5, d.h. der „Baum des Ge 
horſams“, weil er bei ber Berlihrung bie Blätter einzuziehen fcheint, d. 5. bil 
fich der berührenden Hand „gehorcht“. 


99) Däret es Sobä, 5 6, d.h. „Hügel der Heerden“. 
100) Biyr Schyb, er ya d.h. „Brunnen des Schyb‘', b. h. der 


Abfinthpflanze. 
101) Showapte, —E terra ampla et plans in Diminutiv. 


102) Däayime, Sl, d. b. das '„aufrechte, feite, erhabene“ (Schloß). 


103) Dinnyne, — Die Bedeutung dieſes Wortes iſt „ein Gefäß 


von Glas‘ oder „ein Stasfläfäcen". Bir haben oben fon Dirbe (Schlaud) 
und Dolle (Krug) als Ortsnamen gehabt, aber diefe find dadurch Leicht in folder 
Anwendung zu erffären, daß beide Utenfilien von den Arabern vielfach gebraudt 
und verfertigt werden. Die Qinnyne dagegen wirb jet nirgends in Arabien 
fabricirt und Glas ilberhaupt nicht gemacht. Der Name ift deshalb ein auf- 
fallender und vielleicht aud) von Wrede nicht richtig wiedergegeben. 

104) "Abd el Dianäh, d. h. „Diener des Manäh‘, ift ein höchſt auffallender 
Name für einen Moslim, denn Manäh war eine Gottheit der heidnifchen Araber 
dor Mohammed, und zu diefer Zeit war der Eigenname "Abd el Manch ein 
fehr gebräuchlicher, wurde jeboch, wie alle heibnifhen Namen, dur den Bro- 
pheten verboten. In Hadhramant allein fcheint er ſich, ähnlich wie ber andere 


zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 285 


heidnifche Name „Abd el Yaghuth“ (Anm. 105) erhalten zu haben. Die Leute 
find zu unwiſſend, um damit irgend eine Bedeutung zu verbinden, fondern 
glauben wahrſcheinlich es ſeien höchſt orthodore Benennungen. 


105) Dſchul baͤ Yaghuth. Dſchul oder Dſchaul (Je) heißt „der 
Brunnen“. Bi HYaghuth iſt ein Stammesname, die „Söhne des Yaghuth“. 
Yaghuth aber iſt wieder ein heidniſcher Völkername, über defſſen Verehrung 
ſ. Krehl, Religion der vorislaͤmitiſchen Araber, Leipzig, Serig 1863, S. 73. 


106) Matny, Relativum von Matn, 8° pars durs terrae et elata. 


107) Dſchofaye, Relativum von Diofä, elis, quod propellit secumgue 
fert aquae fluxus. 

108) Iram dfät el iffmäd, d.h. „bie Beite mit den Säulen. &s wäre 
Unfinn eine Stadt diefes Namens oder unter der Benennung „Diät el "Amud“ 
(Magryzy) zu juchen, obgleich der Doran fie als Hanptftabt der Aditen bezeichnet. 
Aber es ift bekannt, daß die Araber unter „Aditiſche Werke” das bezeichnen, 
was wir etwa unter „Cyklopenbauten“ verftehen, d. h. Gebäude aus einer un- 
befaunten räthjelhaften Vorzeit. Auch brauchen wir kaum zu bemerken, daß 
Wrede hier nur eine Bolfstradition citirt, die auf den wahren Urfprung der 
Ruinen von Obne nicht das geringfte Licht wirft. Die bimyarifche Infchrift, 
welche Wrede bier copirte, giebt uns auch nicht erhebliche Aufſchlüfſe. Nur lehrt 
uns ihr Vorhandenſein, daß Hadhramaut zur Zeit der Exbauung der Mauern 
von "Obne unter himyariſchen Fürſten, entweder als mittelbar oder unmittelbar 
(dur einen Bayyin, Dayl oder Watr, wie die himyarifhen Satrapen hießen) 
verwaltete Provinz des Königreiches Yemen ſtand. Hadhramaut war nicht der 
eigentliche Sig der Himpariten, fondern Yemen, und nur zur Glanzzeit des 
himyariſchen Reiches in Nemen wurde diefe Provinz tributpflihtig. Diefer Um- 
ftand erflärt auch die geringe Anzahl himyariſcher Schriftdentmäler im oceani- 
fchen Arabien, denn außer den Infchriften von Obne, Nagb el Hadſchar, Tfafür 
und Hin el Ghorab find bis jegt feine Denkmäler biefer Sprache öſtlich von 
Yemen entdedt worden, während in Yemen jelbft die Ausbeute eine reiche war. 
Intereſſant ift die Infchrift von Obne hauptſächlich dadurch, weil wir auf ihr 
deutlich den Namen Hadhramaut leſen, jedoch etwas anders gefchrieben als ber 
heutige arabifhe, nämlich Hadhramut, ohne Diphtong in der letzten Sylbe. 
Diefer Umftand ftraft die arabifche Etymologie Lügen, welde aus Hadhramant 
gern (der heutigen Orthographie gemäß) „bie Bereitheit des Todes“ oder „die 
Wohnung des Todes‘ machen möchte. (S. Wrede’s Infchrift am Schluß des 
Werkes und liber den Namen Hadhramaut bie Brede ſche Königsliſte, Anhang I.) 


109) Oçayde, Diminutiv von Acad, olel, ein „kahler Ort im Gebirge”. 


110) Dfiyayby fommt von Dfiyb, oa Wolf oder Schakal. Es war 


bei den älteften Bewohnern Arabiens und zum Theil noch bei den fpätern eine 
Ehrenjache für einzelne Menjchen, wie ganze Stämme, ſich nad) Thieren zu be- 
nennen, denen fie friegerifche Eigenfchaften zufchrieben. Dfiyayby hieß alfo das 


286 Bemerkungen und Ausführungen 


„Wolfsgeſchlecht“ und follte ſoviel bedeuten, als „die muthigen Räuber”, beun 
die offene Raubfehde galt von jeher bei deu Arabern flir ehrenvoll. 

111) Die von Wellſted copirte Inſchriff von Nagb el Hadſchar findet fid 
in Rödiger’s Ausgabe von Wellfied’s Reifen in Arabien (Halle 1842) erffärt. 
Sie if infofern intereffant, als fie zweimal den Namen Mayfa’a in der him- 
Yarifchen Form „Mayfat“ enthält, alfo ein Beweis, daß ber „Waͤdiy Mayfa‘a” 
ſchon in ältefter Zeit diefen Namen führte. (S. auch Wrede's Infhrift am 
Schluß diejes Werkes, die gleichfalls den Namen Mayfat zeigt.) 


112) Ghowayte, Diminntiv von Ghauta, —2 heißt „weiche Erbe‘ 
(f. oben Anm. 101). 
113) Tarr, eine Art Trommel, aus einem ausgehöhlten Kürbis gemadit. 


114) Rhayde, nad Wrede's Schreibart follte man hier dus (arbore- 


„0, 
tum, palus) vermuthen, alfo würde Rhayde eff Sfowayde (Dim, von Syul, 
ſchwarz) der „ſchwärzliche Schilffumpf' bedeuten. Wahrſcheinlich ift jedoch die 


richtige Schreibart Rayde, idoy ein fehr häufig in Arabien vorlommender 
Drtsname. Auch Yägut (Jacut ed. Wüftenfeld, II, 776) erwähnt ausdrücklich 
zwei Ortfchaften diefes Namens in Hadhramaut, woflir El Hamdjäny fein Ge 
währsmann if. Die eine heit „Rayde el Ibad“ ober vielleicht „Rayde di 
Abbaͤd, o sa) (ohne Bocalifation). Rayde heifit eine „Felſenſpitze“, 


GG. ⸗ 
"Sad „die Sclaven‘ und Abbaͤd (Us, daffelbe wie Jule) der „Anbeter‘'. 


Alfo dürfte vielleicht das „Rande el Abbaͤd“, d. 5. die „Felſenſpitze des Ber- 
ehrers“, welche Yaͤqut anführt, mit dem vielgenannten „Rayde ed Dyn“ Wrede's, 
d. 5. der „Felſenſpitze des Glaubens‘, identisch fein. Halten wir aber die Ans 
fpradhe Ibaͤd“ (Sclaven) feft, fo führt uns der Sinn berfelben auf „Rayde 
eſſ Sſowayde“; denn die Ibaͤd (die Sclaven) find faft immer „Schwarze, und 
von ihnen konnte wohl ber Ort die Bezeichnung „ſchwarz“ befommen. (Ein 
Schwarzer und ein Sclave ift im Vulgärarabiſch einerlei Sinne.) Das andere 
Rayde nennt Yaͤqut „Rayde el Haramiye“, d. h. das „verbotene oder geheifigte 
Rayde', und diefes könnte gleichfalls flir „Kayde ed Dyn“ ftehen. Solder An- 
gaben von Orten in Hadhramaut (bei Yiqut ftets im weitern Sinne als großer 
Ländercompler gebraucht) find bei Mäqut jo außerordentlich wenige, daß wir 
diefe koſtbaren Fingerzeige unendlich body ſchätzen müſſen. 


115) Schi be, ur, ein „Gebirgsweg“. 
116) Chalyf, ls, ein „Weg zwiſchen zwei Bergen‘. 


117) Baydra, —*X „Tenne, in der Getreide gedroſchen wird“. 


118) Scheryn, 62107 bie „Käufer“ oder „Kauflente”. 


zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 287 


119) Schirka, er bie „Gemeinde ober „Aſſociation“. 


120) Sorraya, 22,8, horreum frumentarium, „Getreibefpeicher‘‘. 
121) Ghaura, 5 „abichäiffiges Land”, auch „Ebene“. 
122) Minter, yin, „Wachthaus“. 


128) Ghebeſſ, mus, „Dunkelheit“. 
124) Nyr, ya ‚Jugum aratorium”. 


125) Amd, As, wahrſcheinlich nom. act. von As, columna, palo 
fulsit, alfo „das Stügen durd Säulen oder Pfeiler; ohne Zweifel eine An- 
fpielung anf antife Ruinen. 

126) Ein Dorra ben Mo’awiya kommt in Wüſtenfeld's genenlogifchen 
Zabellen vor, 4, 16. 


29 o.. 
127) Hobul, Ju, Plural von du, eine „weit ansgebreitete Sand- 
flähe”. 
128) Nefhun, derivatum von eö „wohlriechen”, alfo „Ort des Wohl⸗ 
geruches“. 
129) Lohun von Le, delectatus fait, alfo „Luft, Freude, Gluͤckſeligkeit“. 


180) Mi Radhy. eo) Us, dag „liebliche Waffer“. 


131) Die Beduinen glauben, daß das Blut eines Ermorbeten fo lange die 
Erbe röthet, bis e8 durd) den Tod bes Mörders oder eines feiner Verwandten 
gerächt ift und daß bie dahin Nichts im Stande ift, feine Spur zu vertilgen. 


139) Biyr Borbut, 297 yayı und Biyr Barahut, wu, e; 


beide Lesarten finden ſich bei Mäqut (Jacut ed. Wüftenfeld, I, 598); ja biefer 
Geograph führt fogar mod) eine dritte Lesart, „Balhut“, wg an (die 
fih übrigens auch bei Ibn Haukal findet), wonad der Ort, in welchem der 
Brunnen liegt, zwar „Borhut“, der Brunnen felbft aber „Balhut‘ heißen 
fol. Da diefer Brunnen aud) unferm Autor Anlaß zur Anführung arabifcher 
Fabeln liber den Styr gegeben hat, fo dürfte e8 wohl pafiend fein, Bier bie 
ältern diefer Fabeln, wie fie Yaͤqut gefammelt bat, anzuführen. Yäqut fagt: 
Es Heißt „Barahut“ fei ein Brunnen in Hadhramant, Andere aber fagen, fo 
heiße die Ortfchaft, in welcher befagter Brunnen liegt. Ibn Dorayd aber jchreibt 
„Borhut“ und fagt, es fei dies ein befannter Wädiy. Mohammed ben Ahmed 
fagt: Nahe bei Hadhramaut ift ein Brunnen „Borhut“ und das ift der, von 
welchem der Prophet gefagt bat, daß in ihm die Seelen der Ungläubigen und 
der „Heuchler“ (die Mondfigyn von Mebyna, die nur lau im Slanben waren) 


288 Bewierkungen und Ausführungen 


weilen. Es wird behauptet, daß Alyy (der Schwiegerſohn bes Propheten) ge⸗ 
ſagt habe: Verhaßt iſt bei Gott ein Ort auf Erden, nämlich der „Wädiy 
Borhut” in Hadhramaut; in ihm wohnen die Seelen der Ungläubigen, und 
bier ift ein Brunnen, deffen Wafler ıft ſchwarz und flinfend. Nad einer andern 
Berfion fagte er (Alyy): Berflucht ift ein Brunnen auf der Erbe, nämlich ber 
„Biyr Balhut” .in „Borhut“; es fammeln fi in ihm die Seelen ber 
Ungläubigen. Açma'y aber erzählt, daß ein Mann aus Hadhramant ihm %ol- 
gendes berichtet Habe: Einft ftieg auf aus dem Grunde des Borhnt ein über die 
Maßen abfcheulicher Geruch, von ganz ausnahmsweiſem Geſtank, und fiehe dal wir 
erfuhren nachher, daß gerade zu jener Zeit eine ungeheure Menge von Unr- 
gläubigen geftorben war, und wir erfannten, daß dieſer Geruch von ihnen her- 
ftammen müffe (d. h. von ihren Seelen, die in den Brunnen gefchleudert wurden). 
Nach "Abbas (dem dritten Chalyfen) find die Seelen ber Gläubigen in einer 
reinen Waſſerburg (wörtlich Aquarium) im Lande Syrien, die der Ungläubigen 
dagegen in Borhut in Hadhramaut. Ibn Oyayna fagt: Ein Mann erzählte mir, 
daß er einft in Borhut übernachtet habe, und da „hörte ich, fo ſprach er, die 
ganze Nacht ein Chaos wild durcheinander ftreitender Stimmen und ein unfäg. 
liches Gefchrei‘. Abaͤn ben Taghlib erwähnt, daß ein Mann, welcher einft im 
Waͤdiy Borhut zur Nachtruhe eingefehrt war, ihm Folgendes gefagt Habe: Id 
börte die ganze Nacht hindurch fortwährend den Ruf: „DO Duma! O Duma!“ 
und da dachte ih an jenen Mann vom Volke der Bücher (Chriften oder Juden), 
welcher ausjagt, daß der König der verdammten Seelen „Duma“ heiße. 


133) Haura, 5, ge) die „Zerſtörung“, von der zerftörenden Kraft ber 
winterlichen Giehbäge fo genamnt. 


134) Hadſcharyn, ya „die Steine, alfo Wädiy Hadſchary 
das „fteinige Thal”. 

135) Mocyle, uns von Als, „überſchwemmen“; der Waͤdiy Mogyle 
führt zur Regenzeit außerordentliche Baffermaffen dem Meere zu. 

136) Sſaͤh, C, die „Niederung am Meere“. Der „ſandige Strand“, 


was bie Srangofen ia plage” nennen. 


137) Dagr, 2 5, „Feſtung“. Der Waͤdiy Qacr ift wahrſcheinlich ſo be⸗ 
nannt von den zwei mittelalterlichen Feſtungen Schibaͤm und Terym, welche 
bereits Idryffy erwähnt. 


138) Ghofar, von yisı „bedachen“, alfo „Stadt ber Dächer”. 


139) Ghitamm, bs, „mare magnum“, bier natürlich im bildlichen 
Sinn für „große Ebene‘ oder „Wüfte”. 


140) ®horaf, sr, Plural von Kira, coenaculum. 
” ” 


zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 289 


141) Schibaͤm, ‚Us. Rad) Haͤqut (Jacut ed. Wüſtenfeld, II, 247) 


gab e8 vier Orte, welde bdiefen Namen führten: 1) Schibim Kaufebän eine 
Zagereife weftlih von Gan’d, auf einem hohen Berge gelegen, zu dem nur ein 


einziger Weg führt. 2) Schibaͤm Sſochaym, a dreizehn Paraſangen ſüd⸗ 


öſtlich von Can'ä. 3) Schibaͤm Haräs, — zwei Tagereiſen weſtlich von 


Sand. Endlich 4) Schibaͤm in Hadhramaut, eine ber zwei Hauptſtädte Hadhra⸗ 
mauts, deren andere „Terym“ if. Diefes Schibäm, mit dem wir e8 allein 
bier zu thun haben, ift oft mit dem erften ber vier Schibäm, mit dem Schibaͤm 


Kaufebän, —E verwechſelt und die unzugängliche Lage des letztern auf 
das erſtere bezogen worden, ſo von Maqryzy (M. de valle Hadhramaut, ed. 
Dr. P. Berlin, Bonn 1866, p. 7 et 18) und von Idryſſy (ed. Jaubert, 1, 
p. 149—152), welcher zwar fein Schibam ausdrücklich Schibaͤm „in Habhra- 
maut“ nennt, aber deffen Lage doch fo ſchildert, daß wir bei feiner Befchreibung 
nur an das Schibäm Kaukeban des Yaͤqut denken können. Auch der Umftand, 
daß Idryſſy die Entfernung Schibäms von Märib als nur vier Tagereifen be- 
tragend angiebt, während die Stadt in Hadhramaut wenigftens zehn bis zwölf 
Tagereilen davon entfernt ift, dürfte auf derfelben Verwechſelung beruhen, denn 
bie angegebene Entfernung paßt recht gut auf Schibin Kaufebin, wenn wir 
berecänen, daß in Gebirgsgegenden die Zagereifen (nad) dem Maßſtab der Ent- 
fernung iu geographifchen Graben) fehr Hein ausfallen. Daß das Schibäm iy 
Hadhramant ohne Zweifel mit dem Sabota oder Saubatha der Alten identifch, 
wurde ſchon in der Einleitung erwähnt. Im Mittelalter hieß die Stadt Schabwa, 


7007 oder Schabut, ww Er und unter diefem Namen führt fie Yäqut an 
einer andern Stelle an (Jacut ed. Wiftenfeld, III, 257). Die Stelle lautet: 
Ibn Häyik fagt: Schabwa war eine Stadt der Himyariten, und als dieſe mit 
den Madſhidſch Friegten, wanderten die Leute aus, und nad) ihnen wohnten da- 
jelbft Hadhramauter und vom diefen wurde erft die Stadt „Schibam“ benannt. 


Der Urfprung diefes Namens war, daß die Stadt vorher „Schibaͤh“, 100 


(das 5 ift hier nicht Finale), hieß und daß das „h“ für das „m'' als Schluß- 
buchftabe ausgetaufcht wurde (d. h. aus Schabwa wurde erft Schibah und daraus 
jpäter Schibam). Eine andere Uebergangsepocdhe in der Ausſprache diefes Namens 
bezeichnet die Lesart des Magrysy (M., a. a. O., ©. 82), welcher „Schibwa“, 


Bra, vocalifirt, eine Variante, bie in der Mitte zwiſchen Schabwa und 
I" . 


Scibäh fteht. Bei faft allen arabifchen Geographen heißt es, daß bei Schibänt 
und Terym zwei Flüffe fich vereinigen, aber feiner jagt, wohin fie ihren weitern 
Zauf wenden (Maqryzy, a. a. O., ©. 4). Dieje Flüfle find ohne Zweifel der 
Wadiy Dagr und der Wadiy Räcdiye (f. Karte). 


A. dv. Wrede's Neife in Hadhramaut. 19 


290 Demerkungen und Ausführungen 


142) Taryfe, — 2— bie „Schöne“. 


143) Aridha, Kö,Le, die „Weite. 

144) Borr, * „Weizen“. 

145) Tyaͤrby, Relativ. von 85 „Staub“, alſo die „Staubige“. 

146) Raͤchiye, , „weich, fanft", alſo Wadiy Rachiye, der „ſanft⸗ 
fließende Fluß“. 

147) Terym, m —* dieſes und Schibaͤm find die einzigen Stüdte des 
eigentlichen Hadhramant ‚ welde die arabifhen Geographen kennen. Yignt 
(I, 746) fagt, Schibäm und Terym waren bie Namen zweier Stämme und von 
diefen wurben die beiden Städte benannt. 

148) Scha’be, und, „Menge“ oder ein „großer Stamm”. 

149) Tſohur, —R „Weg in der Wuüſte“. 


150) Hanän, glüsı „Meberfluß”. 

151) ‘Aräba iſt ein öfters vorlommender Eigenname. Araͤba ben Ans 
ben Oaydhy, ber zu Mohammed's Zeit lebte, war vom Stamme Aſd bez 
Kahlän ben Qahtaͤn. 

152) Ma'dudy, Relativ. von 27) Ars, das „Gezählte”, vielleicht das 
‚Heer‘. 

' 


E 
153) Agnäb, lt, Plural von Dannba, der „Hanf“, alſo etiwa bie 
„Hanfpflanzung”. Dieſer Rame wurde auf den alten Karten ſtets Aynab oder 
Ainad gefchrieben, bei Wrede findet fi) aber nur ganz deutlich g und nie y 
in der Bulgärform des Namens, da Agnab wie Agnab geſprochen wird. 


154) Thowayry, Relativ. von 5* „Stier“, im Diminutiv. Etwa der 
„ſtierreiche Ort“. 

155) Hien Baydra. Baydra, ver die „Tenne“; alſo „Schloß 
ver Tenne”. 


156) Torbet el Moluk, Xorbet, Ks „Grabſtätte““; alſo Torbet el 
Molut, „SGrabftätte der Könige”. 


157) Ma'yg, AR, „tiefgelegen‘ oder auch „tief“ von einem Flußbett. 


. o-) - 0. 
158) Choraychyr, pays Diminutiv von „Lay, aqua Äluens co- 


piosa; alfo ift das Dorf nad) einem „Meinen, aber nicht verfiegenden Gr 
wäfjer benannt. 


zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 291 


159) Sfowayg, Dim. von ger „Markt“. 


160) Maraͤwaͤ, CO, f ,‚ nomen loci von 53) y' „Waſſer ſchöpfen“; alfo 
etwa „der brunnenreiche la 


161) Homayſcha, Dim. von LES, „bie Berfammlung”; alſo etwa 
„die Heine Gemeinde”. 


162) Monaygyra, Dim. von Bye, „ausgegraben“, „ausgemeißelt‘‘, 
im Sem. 

168) Bender ober Bander tft fein arabifches, fondern ein perfifches Wort 
und wird oft fllr „urbs, portus, locus‘' gebraudt. 


164) Gahmwa, 5.2 2, „in terra sequali scrobs, in quo aqua est”, 
Die Bedeutung bezieht ſich jedenfalls auf eine fumpfartige Lage, in der das 
Baffer keinen Ausfluß bat, und trifft nach Wrede's Befchreibung hier ein. Gahwa 
ift nad) Yäqut (IL, 235) ein erhöhter Ort oder hohes Gebäude in oder bei 
- einer Stadt. 


165) MRongir und Regr, beide vom Verbum yöı „erforſchen“, das 
erfie des adj. verb. activam IV, yüs „ber Erforfcher”, das andere das nom. 
actionis I, yü „bie Erforihung”, doch bildlich hier auch für „Erforfcher” ftehend. 


$ 

166) Ah qaͤf, Ust, Plural von [AA>, „arena obliqua‘. Nach Yaͤqut 
(Jacut ed. Wüftenfeld, I, 154) giebt es bei den Arabern darliber, welche Dert- 
lichkeit eigentlich unter „el Ahqaͤf“ zu verftehen fei, drei verfchiedene Verfionen. 
Nach der einen wäre el Ahgäf ein Wädiy zwildhen "Omän und Mahra, nad) 
der andern eine Wüſte zwifchen Omaͤn und Hadhramaut, nach der dritten eine 
hochgelegene Sandftrede über dem Meerbufen von Schihr gegen Yemen zu 
liegend. Häqut bemerkt, daß alle diefe drei Anfichten ſich ſehr gut vereinigen 
laſſen, denn in der That iſt el Ahqgaͤf eine große „ſchiefe Sandebene“, die ſich 
im Norden von Hadhramaut und Mahra zwifchen Yemen und "Omän binzieht. 
Ihre genauen Grenzen find uns aber noch ein Räthſel. Nach einer Tradition, 
welche Yäqut erwähnt, if in der Wüſte el Ahqaͤf eine Höhle, im welcher der 
Prophet Hud begraben liegt. (Auch das von Wrede genannte Dabr Hub Tiegt 
ganz im Norden von Hadhramaut, nad Einigen ſchon in der Wüſte el Ahgäf.) 
Das Grab des Hud in der Wüfte el Ahqaͤf wird von Yäqut auf folgende fabel- 
Hafte Weife befchrieben: Einft fam ein Mann von Hadhramaut zu Alyy (dem 
Schwiegerfohn des Propheten) und diejer fragte ihn nad) dem Grabe des 
Propheten Hud, worauf denn der Mann erzählte: In meiner Jugend zog ich 
einft mit mehrern Gefährten aus in die Wüſte, uͤm fein (des Propheten Hud) 
Srab zu ſuchen, und wir famen in das Land el Ahqaf und bei une war ein 
Mann, der die Gegend kannte; da gelangten wir an einen rothen Sandhügel, 
in welchem viele Höhlen waren, und wir drangen in eine derfelben ein, welche 


19* 


292 Bemerkungen und Ausführungen 


wir fehr groß fanden; bier famen wir an zwei Felfen, deren einer ben andern 
bededte, und zwifchen beiden fanden wir eine weite Spalte; in dieſe trat ich ein 
und da fah ich einen Dann auf einem Throne fiten, von dunfler Farbe und 
fraftvoll, mit großem Kopf und dichtem Bart, aber fein Leib war gan; au 
getrodnet und wie ich eine Stelle feines Körpers berührte, fand ich fie hart, 
fodaß fie nicht nachgab, und bei feinem Haupte fah ich eine Aufjchrift in ara- 
bifcher Sprade, die ausfagte: „Ich bin der Prophet Hud, der gegen die Aditen 
eiferte wegen ihres Unglaubens und weil fie dem Befehle Gottes widerftrebten.‘ 
Als "Alyy dies hörte, fagte er: „Ganz daffelbe habe ich von dem Propheten 
Gottes (Mohammed) vernommen.‘ 


167) Sfafy,. — Relativ. von . „ſandig“; alſo „Bahr eſſ Sſafy“, 


— 
os *220—— 
| — das „ſandige Meer“ oder „Sandmeer“. 


168) Haſchyſch edf Dſahab, at is, das „Goldkraut“, ein 


wunbdermwirfendes Pflänzchen, das freilich nur die Phantafie der Araber geſchaffen, 
aber noch nie einer auch nur geſehen zu haben behauptet hat. 


169) ®a’ra, —* die „Sandige“. 

170 Schihr, yas; nad) Yigqut (Jacut ed. Wüftenfeld, III, 263) heift 
die ganze ſchmale Küftenlandfchaft zwifchen Yemen und Omän „Schihra“, 
i,sı, Schihr aber nur ein Theil diefer Küſtenlandſchaft; außerdem if es 


ber Name einer Stadt. Acma'y fagt, daß der Amber, genannt Schihry, an 
diefem Strande gefunden werde. Wie wenig befannt diefe ganze füdfiche Zand- 
[haft unter den Arabern von jeher war, beweift der Umftand, daß gerade fie 
vorzugsweife zu einem Schauplag von Fabeln und Monftruofitäten gemadht wird. 
Bir haben ſchon oben die Fabeln liber Dabr Hud, el Ahqaͤf und den Brunnen 
Borhut angeführt. Ebenſo ift das Werk des Maqryzy Über Hadhramaut fat 
Nichts als ein Gewebe von Fabeln, in denen Menſchen fliegen, ſich in Thiere 
verwandeln, Zaubereien aller Art verüben n. f. w. Bon Schihr im Beſondern 


berichtet Yüqut die Fabel vom Nafinaff, lid, eine Art von Halbmenfcen, 
die hier ihrer Originalität wegen eine Stelle finden möge. Ein Araber erzählte: 
Ih reifte durch Schihr und kehrte dafelbft bei einen Manne aus Mahra ein, 
einem vornehmen Häuptling. Nachdem ich bei ihm einige Tage gewohnt hatte, 
brachte ich das Geſpräch auf den Naffnaff und er fagte: „Wir jagen ihn und 
ejfen ihn. Es iſt das ein Thier, welches nur einen Arın und ein Bein bat 
und Ähnlich ift’a mit allen ſeinen Gliedern.“ Da rief ich: „Bei Gott, ich möchte 
das wohl fehen! Darauf fprad) er zu feinen Dienern: „Jaget eins von biefen 
Thieren und bringt es uns!“ Ant folgenden Tage, ſiehe da! da kamen bie 
Zünglinge an mit einem Wefen, das hatte das Geſicht eines Menfchen, jedoch 
jo, daß es nur die eine Hälfte eines Geſichts war, und einen einzigen Arm, 


zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 293 


mitten von der Bruſt ausgehend, und ein einziges Bein. Als mich nun dieſer 
Halbmenſch erblickte, da rief er: „Ich rufe Gott und Dich um Hülfe an!“ 
Da ſagte ich den Jünglingen: „Lafſet ihn freil!“ Aber fie antworteten: „OD, 
laſſe Dich nicht durch ſeine Worte bewegen, denn er iſt uns zur Speiſe be— 
ſtimmt.“ Jedoch ließ ich ihnen keine Ruhe, bis ſie ihn freigelaſſen hatten. Da 
lief er davon, eilig wie det Wind. Als nun am folgenden Tage der Mann, 
bei dem ich wohnte, ſeine Diener fragte, ob ſie auf der Jagd geweſen ſeien und 
den Naſſnaͤſſ gebracht hätten, antworteten fie: „Wohl hatten wir es gethan, 
aber Dein Gaftfreund hat ihn wieder freigelaffen.” Da lachte mein Wirth und 
fagte: „O, er hat Did) angeflihrt!‘ Darauf befahl er ihnen Morgen wieder 
auf die Jagd zu gehen, und ich fprady: „Ich gehe mit ihnen‘, und er ermwiederte: 
„Thue es!“ So braden wir dann am folgenden Tage mit den Sagdhunden auf 
und famen an einen großen Sumpf, wo wir bis in die tiefe Nacht hinein 
blieben. Plötzlich hörten wir eine Stunme jagen: „O Abi Midſchmar (Name 
des einen Nafinaff)! Der Morgen röthet fi) ſchon und die Nacht ift vorbei, 
der Süger aber nahe, und Du trägft Schuld daran!" Er antwortete: „Sei 
ruhig und verurfache feinen Schrecken!“ Da fandten die Jünglinge die Hunde 
anf fie (die Nafinäff) und ich fah Abk Midſchmar, wie die Hunde ihn faßten, 
da ſprach er: 
„Wehe mir in meinem Unglüd! 
Mein 2008 ift Trauer und Weinen; 
Berfolgt mi nit, o ihr Hunde! 
- Und Hört meine Stimme und habet Mitleid. 
Zu jetziger Zeit ergreift ihr mid, 
Denn ihr findet mich Hinfällig und ſchwach. 
Wär’ id) noch jung, ihr befiegtet mich nicht, 
Ihr kämet dann. felbft um oder ließet mid) frei.” 
So Hang feine Klage. Da erreichten fle ihn und padten ihn. Als der 
Morgen kam, bereiteten die Leute den Aba Midfhmar als einen [hmadhaften 
Braten. 


Erftier Anhang 
zu 


A. v. Wrede’s Reife in Hadhramant. 


— — — — 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens 
bearbeitet 


von 


Heinrich Zreiferru von Maltzan. 


Außer der obigen Beſchreibung feiner Reife hat Wrede noch 
intereffante Mittheilungen über die Stämme der von ihm durchreiften 
Länder hinterlaffen, die wir hier überfichtlich geben. Auch die Königs- 
lifte von Denen, welche Wrede dem Manufeript von Choraybe ver- 
dankt, verdient wohl hier mitgetheilt zu werden. Um ihr: relatives 
Verdienft näher zu beleuchten, Habe ich ihr die befannte Königsliſte 
von Cauſſin de Perceval an die Seite gefegt. Die Königslifte von 
Hadhramaut iſt jedoch etwas ganz Neues, und nichts bisher Veröffent⸗ 
liches kann dabei zu Rathe gezogen werden. Dieſer erſte Anhang 
zur Wrede'ſchen Reiſe enthält alſo folgende Haupttheile. 

A. Liſte der Könige von Yemen nach Wrede mit vergleichendem 
Hinblick auf die Liſte von Cauſſin de Perceval. 

B. Liſte der Könige von Hadhramaut: 

C. Lifte der Beduinenſtämme in Hadhramaut, Beny ‘Ya, Ha- 
dichar und Hamum. *) 


— — — — — — 


*) Aus Nützlichkeitsgründen iſt in dieſen Anhängen zu Wrede's Werk die 
Schreibweiſe der Namen ſo modificirt, daß ur durd) ſ, ) dagegen duch 3 
wiedergegeben wird, ba es fi in diefem wiflenfchaftlichen Theile nicht um’ 
populäre Schreibart handelt und bie Dentlichleit dadurch gewinnt. 


298 Erſter Anhang. 
A. Königslifte von Yemen nad) Wrede und Cauffin de Perceval 













3 95 
. Königename | |” 
Königename nad €. & x Bemerh 
Brebe, vg A „ “ “ 
“ 





Ya'rob Hatte nad} Wrede 
* 15 Brüder, von denen 


194 Ai in Flhnmahilkm 





Ya’rob ben: Dahtän 1 | Yerob den | 5 





v2 | daſchdſchobß | 2 | 761 | 


des Dabtän vor, der ben 
Beinamen „Habhramant” 
geführt Hätte, 


= Rad; dem arabiſchen De 
. nufeript von Choraybe 
Himpar ben Saba.| 4 | dimnat ben | 4 | 695 IAammten 1000 Könige 
don Himyar und regierte 
3300 Jahre. 
Diefer Bruder Hinyars 
gurirt nigt in der 
Wrede ſchen Königefife. 


Beide waren Brüber. 


dfchob, genannt | 3 |genannt@abäer| 3 | 728 
“Amir. Albar. 











— — 64 de der Königefiflen iſ 
" Semame Gm 5 (ariingegim| 6 | ann | Arber Bärigaken nf 
gieren. 


Malit, Bater des She 
mör, ‚war nad) Eanffın 
de Berceval Bruder des 
Hamayſa' und des Wir 
thila. 

Sohn des Zayd, des 
Sohnes des 6. Könige 
nad, Eauffin de Perceval. 


Ayman ben el Ha⸗ 6 Datit ben. $im- 


| | wor 
mabfa‘ 7| 629 


Ueber die Könige und Völker Sübarabiens., 299 


% 
Königename nad ü —* E 
ich Cauffin | = 

Vrede. de Percebal. # 


& 2 


Bemerlungen. 
h 


“ ** Ro'män el el vco anr (ohne Xo man). 
zudem ah weil z | Bomint [4] oo8 [ac oe iR Bote 


"siuyu vort auyu 


a 8 | Ama [12 | 540 |bei Wuſtenfeld ‘try, 


300 Erfter Anhang. 






Königename 
nad Eauffin 
de Perceval. 


® 
Königename nad J 
Wrede. 317 


Bemerkungen. 










Wrede's Lifte Führt im 
* | Folgenden noch die Rad- 
tommen Hamayſa'e als 
Könige an, während nad 


Dſchaydãn ben . 
Daten (fehtt dei 10 [Chr Ahurpator 


zgagoan (er Sue | zg [von ven une) 76 | 481 |» Dammayn'e, die ertnah 


aut [BE haut ham nataran ana 


wer ©. ujur⸗ 


Waͤhil b.el Ghauth.] 12 |” 2, Yıl, aber offenbar mp 


17 | 398 |, aber offenbar mus 





RI 18 | "Ab Sqhame. | 18 | 365 |"and Scjams unterbriät 
ie Reihe ber Ufurpatorez 
bei Cauſ. de Perceval. 





Aſſuar (e Cawar) 
ben ‘Abd Schams 1 
Thor Diihntcham hen 


&; Gawar, bei Wrede 
19 | 392 | fir geſchrieben, finde 


2 2. GMun.ete a, 


Der 4. Ufur 


naar 











— ve | 5 1° Pater. "| 20 | 299 | Yagbom's Zeit der Bio 
Däqut?). phet Joſeph, Sohn Ju 
tob's, gelebt Habe. 


Ueber die 


Königsname nad) 
Wrede. 


Dfu “Ans ben dſu 
Yaqdom (der Days 
des Näqut?). 





Amru ben dfu'Ans 
(nad) Yaͤqut' Amru 
6. Days, b. Mo a— 
wiya, ben Dſcho⸗ 
ſcham, ben "Abb 


Schams, b. Waͤyla 


u..f. w. zubenannt 
Hadhramant). 





EI Moltät ben 
Amru. 








Amr ben el Moltaͤt. 


— — — — — 


Scheddaͤd ben el 
Moltaͤt. 


Königsname 
nach Cauſſin 


de Perceval. 


Zahl in d. Königs⸗ 

reihe nach Wrede 

Zahl ind. Königs⸗ 
reihe. 


Der 6. Uſur⸗ 
pator. 


17 |Hafan el Qayl. 22 


— — — — — — — 


— 
| 


— — — — — — — — 


Scheddad ben el: 


Met | 


23 


Loqmaͤn ben el. 


Jahreszahl nad 
Cauffin de Pers 
ceval, 





or. 


266 


— — — — — — — | —— — 


233 


200 


Könige und Völker Südarabiens. 301 


Bemerhingen. 


Wahrjcheinlih derſelbe, 
der Bei Wüftenfeld dfu 
Abyan ibn dſu Yaqdom 
heißt. Dſu paßt nicht gut 
vor ‘Ans, das ein felbft- 
fländiger Name iſt; er 
bieß wahrſcheinlich "Ans 
dfu Abyan. 


Hafan war nad) Cauſ. de 
Berc. Sohn des "Amr, 
b. Days, b. Mo’amiya, 
b. Dſchoſcham, b. Waͤyl. 
Dſchoſcham wäre demnach 
ein Bruder des "Abd 
Schams des 18. Königs 
der 2. Lifte. Rad) Wüften- 
feld mar er deffen Sohn. 


Cauſſin führt el Moltät 
an, nicht aber al8 König. 
Sein Sohn Amr dagegen 
findet fich nicht bei ihm. 


Beide Liften ſtimmen wie- 
ber überein. 


Nach Wrede vegierten die 
Brüder Scheddaͤd's nid)t, 
fondern ihm folgte fein 
Sohn Wäbica. 


302 Erſter Anhang. 


Königename nad |& Br 


Wrede. SE| gem. 
# & 





Wäbiga ben * 
ann 21 | Oarnayn ben | 27 | 167 









Auf diefen König läßt 


"| Gauf. de Perc. Härith er 


Räyifch folgen, den 26. 
in feiner Lie. Da ihn 
Brede aber erft nach der 


felbe Berfon, deren Re: 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 303 


3 a 
J 5 Königename |E° |” 
Ascgename nad ä "ad Gauffin |S$ 331 Bemerkungen. 
rede. 35 | de Perceval. 5 
& 2 la 





At nicht, ob der 
König ein Sohn 
hrän war ober 
pt zu feiner Dy⸗ 
ehörte. 


»de fteht nad) Rim 
gegeihen. 


fem Könige endet 
ſchendiynaſtie der 
denn dem nächſten 
Deſchlechtoregi ſter 
t, welches ihn in 
Dynaſtie einreiht. 


w Verſchiedenheit 
Glieder der Ge⸗ 
erhellt doch, daß 
beiden Liften eine 
Abe Perfon, welche 
ärith er Räyifch, 


ben Sänay (?), ben| 28 | Mottät, ben | 26 von Sqpebbäb nennen, ge» 


i « meint fei. Da Pärith der 
HimyaregGoghayr, Amr, ben dſu 6 h 

6 dom, Bi john des 23. Königs der 

genannt er Räyiid) —8 Hl 1 Afeiß, fo Wurmbie 

6 Tobba‘, welche zwiſchen 


ihm und feinen Borfahren 
regierten, nicht fange ge- 
herrſcht haben. 





As 27. König figurirt 
auf der II. Lifte der oben 


Abraha ben el genannte athad ibn&ched- 
en | 99 |Härith, genannt| 28 | 184 | did. Bieleicht regierte 
" dfu el Minär. Härith zweimal, einmal 

vor Achäb und den Tobba‘ 


und einmal nad) diefen. 

















304 Erfter Anhang. 


















"I3g 8 12; 
önigsname nad | 80] Mrigsname |3, ne 
s%8| nad Cauffin |: Fe Bemerkungen. 
Dede. [BE] yo Perceva. [Er |EE° 
= 885 
SE & |#8 





Afrwave ben | z, | Afrvaus ben | „, DEE | Der fabelfafte Eroberer 
Abraha. Abraha. 101 |von Afrika. 





j Wrede's Life kennt dieſen 
— FA 30 und den folgenden König 
- night, 





Wrede nennt den Schor- 
Schorhabyl ben 1 | .e8 habyl zwar als Bater des 

dfu el Adhär. " 31. Könige (der IL. Lifte), 
aber nicht ſelbſt als König. 























Wahrſcheinlich ift das ben 
Särah bei Wr. ein Fehler 
und muß dfu Aſchrah 
heißen, da ſonſt die beiden 
Hodad dſu Namen volltommen iden- 
Hodid ben Särah, | „, |Micrap (Sarhı| 39 | gs |tifch find. Bei Wünenfen 
in Schorhabyl. ober Scarh) (Cab. 9, 18) finden wir 
abyl. einen Dſu Hobdän, ben 
Scharähyl, der Höchk 
wahrſcheinlich derfelbefein 
dürfte, wie Hobäd ben 
Schorhabyl. 
3. Fresnel im Journal Asia- 
Ber- 2 Serie IV, Bd.IV, 
t ihr . 203, behauptet nad 
aren, Nowayry, daß der Bater 
Jobäd der Bifgiye nicht König 
Bilgiys bint el Ho⸗ und Alyſchrah, gewejen. Aber Nomwayry 
däd, Königin von| 55 ben dſu Dſcha- 35 | 9 | fefbft nennt dem Bater der 
Sabä und Er⸗ dän, ben “Aly- Bilgige „dſu Aſchrah“, 
bauerin von Maͤrib. ſchrah, ben Haͤ⸗ welches ein Beiname Ho⸗ 
rith und ſcheint däd’s war, und Mafudy 
dadurch zu Fres⸗ und Ibn Hamdun nennen 
nel's Anfiht zu ihren Bater ausdrüclich 
neigen, wonach Hodhaͤd (Hodäd). Bil. 
Alyſchrah, der qiys war die berlihmte 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 305 








2 . ® 183 
Königsname nad) aa önigename Er H 
Wrede. Fi nad Eauffin Ei H A Bemerkungen. 
“ zZ de Perceval. F 53 
Ei Fit 
Befier des Rd 
nigs von Yemen, — Königin von Sabä, von 
Bater ber Bil- MÖR- | der ber Dorän fpricht, 
qiys und Hobäb die zu Salomon gefommen 
ihr mütterlicher fein fol. 
Oheim war. 
Yon'im und Tand'am 
bedeuten beide daſſelbe, 
. nämlich „erlebte in Wohl ⸗ 
Yäfir Tand'am ben behagen“. Nach Fresnel 
Amru, ben el Abd 33 | Yäfir Yon'im. | 34 wäre Haſir der mitter- 
ben Abraha. liche Oheim der Bilqiys. 
Nad) Wrede war er,gar 
nicht nahe mit ihr ver- 
wandt. 
j Hier findet ſich eine Rüde 
u De von 9 — vom 38. 
A Scammir —48. König bei Wrede, 
rap ou ne | 30 d0d) maßrfheintig fa 
när, ben el Härith, die Lilde erft nad; biefem 
ben Schebbäb. 


König gerechnet werden. 





Abu Mätit. | 36 | 31 





Zayd el Agra.| 37 | 64 


Dſu Habiſchan 
ben Zayd el | 38 |64—90| 




















&. v. Drede's Reife in Habframant. 20 


Pa 


"306 Exfter Anhang. 














Königename 
nad; Cauffin 
de Perceval. 


Königename nad 


won {| men 







Das „Ibn Schamrir' bei 

. 2 j Wrede deutet gewiß nicht 
Tobba, genannt) 44 | Tobba. Libe | go I168—| auf cine direte Water 
Div el Darnayu 200 | isaft, fondern auf eine 
Abſtammung in 4. oder 
5. Generation. 


-| Hier beginnen zahlreiche 
Lüden bei Wrede. 





Nach Cauffin de Perceval 
waren beide ‘mr ver 
Amr ben Tobba'.| 45 | 'Ammr dfu er | 44 |200— | ißieden, der eine der 44. 

° [Mönig, der andere ein 
Rönigsfohn, der nicht re 
gierte. 





Lucke von 70 Jahren bei 

















Wrede. 
“Abd Kolal ben | 46 | « „ar [ass] 

Matpub. | Abd Koläl. 273 | Woammung unbefannt. 
X ben | 48 |245— | Wahrfigeintich ein Ber- 
fan. 297 | wandter des obigen. 
rith. 49 |262— | ?liden von einem Jahr 

" 320 hundert bei Wrede. 





thad. 50 | 295 





ige. | 58 a 





ja ben | 52 |328— 
bäh. 870 












































Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 307 
Er 14 
. Königename 7 
Königename aach nad Eauffin = Fi Bemerkungen. 
Brede. [3 6 
5 de Berceval. |Z 
Ei 3 153 
Gabahän. | 58 Pr Urfprung unbefannt. 
—_ “00 | 
A Sohn ober Enkel des 
vebat. u u Königs der II. Liſte 
frame of @ifin) | B 
ben Tobba', ben) 55 | 394 
Hafan. 
tapı Wieder bie alte Dynaftie 
Dſu Moähir ben) 47 afan bju | 56 1427— * 
Pin FOL 10 |vom Zobba‘ ihn Hafam 
ſtammend. 
Dju Schanãtyr. 57 | 478 
Der betannte Chriſtenver ⸗ 
Dfu Nomäs es | 48 |Zor'a dſu Ro-| 58 |460— folger und Judenfreund. 
Goghayr. wãs. 490 Der letzte eigeniliche König 
von Yemen. 
Kumpft eine Zeitlang 
Dſu Dazan. | 59 | 525 | gegen die Abyffinier, muß 
aber unterliegen. 
u Setfamerweife führt bie: 
Wrede'ſche Lifte diefen 
first vor] Prinzen als König an, ob» 
Sayf ben Dju Da-| 49 580 | gleicher 70 Jahre nach bem 
gan ben Anaman(?) Untergange des Reiches 
von Yemen lebte und ſelbſt 
ſein Vater kaum regierte. 
Dieſer Sohn des 49. ab⸗ 
nigs ber I. und Entel des 
Ma‘ diylarib 59. Königs der M. Lifte 
ben Sayf ben 590 | tommt mitben Perſern ins 
Dfu Yazan. Land, Hilft die Abyffinier 
vertreiben und wird per« 
ſiſcher Statthalter. 














20* 


% 


308 Erfter Anhang. 


Bemerkungen zur Wrede’fhen Königslifte. 


Diefe Lifte bietet nur in ihrem erften Theile (bis zu Bilqiys) 
Sntereffe. Der zweite, d. 5. die ganze Königsgeſchichte nad Chrifti 
Geburt (die nach Kauffin de Perceval in Bilgiys’ Regierungszeit 
fällt) ift jo außerordentlich nadhläffig und Tücdenhaft behandelt, daß 
ihr jeder Werth abgeht. Zuerft ein Sprung von dem 33. auf den 
43. König und zwar zu einer Zeit, wo nah Eauffin de Perceval 
noch gar Feine Lücke vorhanden ift, denn Schammir Ya'roſch (bei Wrede 
Schamrir) ift der bdirecte Nachfolger von Yäfir Yonim oder Ta- 
naam. Dann, troß aller Lücken, ein ununterbrochenes Weiterzählen 
der Könige, fo daß Tobba‘ unmittelbar auf Schammir folgt, obgleid 
ſechs Könige zwifchen Beiden waren. Noch auffallender ift, daß Dfu 
Moähir direct nad "Abd Koläl aufgeführt wird, obgleich acht Könige 
zwifchen Beiden famen. Diefer zweite Theil der Wrede'ſchen Lifte ift 
alfo durchaus werthlos. 

Nicht fo jedoch der erjte Theil. Derfelbe ift infofern höchſt 
intereffant, als uns Wrede's Lifte in ununterbrochener Reihenfolge die 
Genealogie der Hamayſiten, Nachkommen von Hamayfa‘, ibn Himyar 
giebt. Auch Cauſſin de Perceval führt die Hamayfiten an, jedod 
nicht alle al8 Könige. Nach ihm regierten von diefer directen Linie 
nur Abd Schams (der 13. nad) Wrede), Scheddaͤd (der 20.), Waͤ⸗ 
biga (der 21.), Härith (der 28.), Abraha (der 29.), Afryqys (der 
30.), Hodaͤd (dev 31.) und Bilqiys, mit welcher die eigentliche Dy⸗ 
naftie der Hamayſiten erlojchen fcheint. Nur zwei Hamayſiten, welche 
Wrede's Lifte als Könige aufführt, nämlich Dſu "Ans, ibn du 
Yaqdom (der 16.) und Amr ben el Moltät (dev 19.) fehlen gänzlich 
in der Genealogie Cauffin de Perceval's. Letztere führt als Könige 
nur diejenigen Hamayhſiten an, von deren Herrfchaft fid) Spuren in 
der Gefchichte finden. Dagegen fcheint die Wrede’fche Lifte mehr die 
Neihe derjenigen Hamayſiten darzuftellen, welche nach der patriarcha⸗ 
liſchen Erbfolge die Tegitimen Herrfcher hätten fein follen. Es fieht 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 309 


ganz aus, als ob die Wrede’fche Lifte zur Verherrlichung eines der 
fpätern Herrfcher, etwa des Härith oder des Hodäd, die von He: 
mayfa” abzuftammen behaupteten, verfaßt fei und den Zweck gehabt 
habe, alle deſſen Vorfahren als Könige erſcheinen zu laſſen, während 
fie in Wirklichkeit wahrjcheinlih nur: Prinzen, mächtige Stammes: 
häuptlinge und Dahls eines Theil von Yemen waren; bagegen aber 
alle Fürften aus der himyariſchen Nebenlinie, wie den 6., 7., 8., 9., 
10., 11., 12., 13. und 14. König der II. Lifte zu ignoriren, ebenfo 
wie die ſechs Ufurpatoren aus Nedichrän, deren drei nad) Cauſſin de 
Berceval vor, brei nach "Abd Schams regierten. Was dieſe ſechs 
Ufurpatoren betrifft, deren Namen Cauſſin de Berceval nicht angiebt, 
fo ift es übrigens auffallend, daß auch, die Wrede’fche Liſte ein In- 
terregnum von ſechs Fürſten kennt, die fie zwar an einer andern 
Stelle anführt, die aber allem Anfchein nach diefelben fein dürften, 
wie die fechs fremden Fürſten bei Cauffin de Perceval. Denn es 
erhellt auf. den erften Blick, daß die ſechs Fürften der Zwiſchen⸗ 
dpnaftie, welche die Wrede'ſche Lifte giebt, nicht an die Stelle ge- 
hören, welde fie auf biefer Lifte einnehmen. An biefer Stelle ift 
gar keine Lücke vorhanden (da Härith der 28. König, der Sohn 
Scheddaͤd's des 20. und der Bruder Wäbica’s, bes 21. Königs tft), 
alfo die Ausfüllung einer folhen (und nun gar durch ſechs Negierungs- 
folgen) eher ein Hinderniß, das uns nur verwirren kann, wenn wir 
nicht zu dem Ausweg greifen, die ſämmtliche Zwiſchendynaſtie an eine 
andere Stelle zu verſetzen. Cine bier zu berüdfichtigende Lücke findet 
ſich aber nur an einer einzigen Stelle, nämlid in der Lifte Cauffin 
be Perceval's bei den ſechs ungenannten Ufurpatoren, deren Zahl genau 
mit der der Könige aus der Zwilchendynaftie bei Wrede zuſammen⸗ 
ftimmt. Der Umftand, daß die Wrede'ſche Lifte an diefer Stelle 
feine Lücke kennt (wie fie denn überhaupt in ihrem erften Theile, bis 
zu Bilqiys, keine einzige het), Tann uns nicht ftören, da ja dieſe Lifte 
mehr ein Gefchlechtsregifter der zur Erbfolge berufenen Tegitimen Ab- 
fömmlinge des Herrfchergejchlechts, als eine Aufzählung der wirklich 
zur Herrſchaft gelangten Könige zu fein jcheint. 








310 Erfter Anhang. 


Nach dem Daͤmus führten zwar nur die Könige von Himyar 
und Hadhramaut ben Zitel Toben. Da nun ber erfte der fechs 
Zwifchentönige nach der Wrede'ſchen Lifte Tobba’ ihn Zayd hieß und 
der erfte der ſechs Ufurpatoren der Lifte Cauffin de Perceval's aus 
Nedichrän kam, fo müffen wir vorausfegen, daß der Nedfchräner Er- 
oberer fi) der Randesfitte bequemt und ben Titel Tobba’ angenommen 
habe. Oder war vielleicht diefes Wort „Tobba'“ bei ihm nicht Titel, 
fondern Eigenname, wie bei Tobba‘ ibn Solaymäan, von dem ber 
Qaͤmus fpriht? Unter ben übrigen Eigennamen diefer ſechs Zwifchen- 
Könige ift übrigens kein ausfhlieglich oder nur vorzugsweiſe himyari⸗ 
fher, der uns zwingen würbe, bie Wiege biefes Geſchlechts im tiefen 
Süden Arabiens, in Himyar, zu ſuchen. Zayd, Daun, Zahrän, 
Häſchid find allgemein bekannte, ſowohl central», als ſüdarabiſche 
Namen. Zälib kommt fogar bei den Eentralarabern noch häufiger 
vor, als bei den Yemeniten. 

Der Beiname biefes Königs Talib, welchen die Wrede'ſche Lifte 
„Rim‘ nennt, könnte uns vielleicht einigen Aufſchluß über deffen Her⸗ 
funft geben. Einer ber älteften Könige bes von Kahlan ſtammenden 
Gefchlechts der Banu Hamdaͤn hieß Riaͤm, und nad) ihm wurde der 
"Tempel auf bem Berge Atwa benannt, ben fpäter Dſu Nowas zer: 
ftörte (Blau 3. D. M. G., Bd. 23, ©. 563). Nun giebt uns 
die Genealogie des genannten Riam nod einige Anhaltspunkte mit 
den Wrede’ichen Zwifchenkönigen. Der Urgroßvater der Riäm hieß 
Zayd, wie der Vater des erften Zwifchenkönigs unferer Lifte Der 
Eigenname diejes Zwiſchenkönigs ift uns‘ nicht genannt, fondern er 
heißt nur Zobba’, Sohn bes Zayd. Nichts hindert uns alfo an- 
zunehmen, daß er jener Bat‘, König der Hamdän, war, welder uns 
als Großvater Riam’s genannt ift (Wüftenfeld, Regifter S. 109). 
Ziwifchen diefem Tobba’ und Rim oder Riäm giebt uns die Wrede'ſche 
Lifte drei Namen, Daun ben Zobba, Bü Haun ben Tobba‘ und 
Zahrän ben ba Haun. Erftere Beide könnten wir für Brüder halten, 
da Beide den Namen ben Tobba führen, denn das BA vor dem einen 
Namen deutet nicht nothwendig ein Sohnesverhältnig an. Somit 


Ueber bie Könige und Völker Sübarabiens, 311 


blieben uns zwei Generationen zwifchen Tobba ben Zayd und Tälib 
Rim ober Riaͤm, allerdings eine mehr, als in Wüftenfeld’s Tabellen 
zwijchen Bat’ ben Zayd und Riaͤm. Auffallend ift ferner eine ge- 
wiſſe Aehnlichkeit zwifchen dem Namen des Nachfolgers des Tälib 
Rim und dem Sohne des NRiäm ber Wiültenfeld’fchen Qabellen. 
Erfterer hieß Haſchid, letzterer Yaſchy', wenigſtens lautlich naheſtehende 
Benennungen, die im Munde ſpäterer Erzähler zu Verwechſelungen 
führen konnten. 

Da wir jedoch bei Wrede nur Rim und nicht Riaͤm finden, fo 
fünnen wir auch annehmen, daß jener Taͤlib Rim feinen Namen von 
Rayın (vulgo Rim ausgefprochen) führte, welches nad) dem Dämus 
ein Michlaf von Yemen war. 

Die Namen diefer ſechs Yemenſiſchen Zwiſchenkönige find übrigens 
beinahe die einzige Errungenfchaft, welche wir der Wrede’fchen Lifte 
verbanfen. Alle andern Namen dieſer Lifte finden fi auch in ben 
fhon befannten Quellen, deren Angaben Cauffin de Perceval ge- 
fammelt hat, mit'nur zwei Ausnahmen, nämlich Dfu "Ans, ibn Dſu 
Hagdom und Amr, ihn el Moltät, der 16. und der 19. König der 
Wrede'ſche Lifte. Endlich findet fi) an Stelle des Achäb ibn Sched- 
dad bei Eauffin de Perceval, ein Wähle oder Wäbica, ihn Schebbäb 
bei Wrede genannt. Doch find beide Namen wahrſcheinlich nur aus 
entjtellten fehlerhaften Ausiprachen eines einzigen entftanden; Aus⸗ 
fprachen, die im Munde verfchiedener Erzähler mit der Zeit fo fehr 
fih vom urfprünglichen Klang und voneinander entfernt hatten, daß, 
als man fie auffchrieb, jeder Ehronift nad demjenigen arabtichen 
Namen griff, welder der von ihm vernommenen Ausfprache des 
Namens am nächften lag, der eine nahm Waͤbica, der andere el 
Achäb, welches beides bekannte arabifche Namen find und fo ging 
die Verfchiedenheit, die felther nur im Klang beftand, aud in bie 
Schrift über. 


312 ’ Erfter Anhang. 


B. Genealogie der Könige von Hadhramaut nad) Wrede. 


1) Hub *) (Eber), der Prophet (Mit ihm fei Friede?). 

2) Hodun ben Hub (Peleg) erbaute die Stadt Hodun, mo 
fein Grab. 

3) "Yfa**) el 'Amud (die Säule) ben Hodun. Erbauer der 
Stadt Dahdun. Bon ihm ftammen fämmtliche Städtebewohner 
bes Hadhramaut, fowie ihre Sultane, melde ſich alle "Amndy 
nennen. 

4) Sa’yd ben Yſa el Amud. Liegt in Dahbun begraben. 

5) Nedſchd ben Sa’yd. Gründer ber Stadt Mifne, wo fein Grab. 

6) Sayban ben Nedſchd, Stammvater der Bebuinen Saybän. 
Sein Grab auf dem Gipfel des Dſchebel Saybän. 

7) Hafan ben Saybän. 

8) Sadus ben Hafan. 

9) Yarom el Molk ben Sadus. 

10) Raby'a ben Ya’rom. 
11) Amr el Ahnab ben KRaby'a. 


*) Die Araber nehmen an, daß ihr Prophet Hub der Eber ber Bibel fei, 
den fie Abir nennen. Der Eber der Bibel hatte aufer Joktan (dem Oahtan 
der Araber) noch einen Sohn Namens Peleg, den die Araber gewöhnlich Falegh 
nennen. Wrede iſt nun, glaube ich, der Erſte, welcher dieſen Beleg auch Hodun 
nennt. Peleg's Nachkommen, bie uns bier Wrede anführt, kommen weder in 
ber Bibel, noch in den mir befannten arabifchen Genealogieen vor. Letztere 
begehen fogar meiftens den mit ber Bibel im Widerſpruch ftehenden Irrthum, 
daß fie Dabtän zum Sohne Peleg's machen, was wohl darin feinen Urfprung 
bat, daß nad den gewöhnlichen arabifchen Genealogieen alle Südaraber Yokta⸗ 
niten, d. 5. Nachkommen Dabtän’s find. Hiervon weichen, wie man fieht, 
Wrede's Berichte ab. (Bergl. Sprenger, Leben des Mohammed, III, oxxx.) 

**) Der einzige Autor, bei bem ich eine Erwähnung bes Stammes Yſd, 
ber in Hadhramaut herrſcht, finde, ift Maqryzy. Diefer fagt: Es ift in Ha 
dhramaut ein Gefchleht, deffen Familienname ift "Omar ben "Ya et Taubaͤt. 
Diefer Familie ward wunderwirkende Kraft, namentlid) bie Heilung des 
Schlangenbifjes zugefchrieben. Wer erkennt nicht bier die abergläubifche Ehr- 
furcht wieder, in welcher die Städter Hadhramauts, die faft alle von "Ai ab- 
ftammen, bei den Beduinen nad Wrebe’s Erzählung fiehen? (Vgl. Maqryzy, 
Bonn 1866, ©. 25.) 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 313 


C. Stammesliften*) der Völker Hadhramauts nad Wrede, 
I. Dabtäniten. 


Dahtän ben Hub Hatte nad) Wrede 16 Söhne. 

1) Ya’cob **) (eigentlich Yemen). 

2) Hannan (Wrede), wahrſcheinlich Hanaͤn. 

3) Ayman (wahrfcheinlich der "Dmän des Eauffin de Perceval, 
dem Ya’rob die Provinz Omaͤn gab). 

4) EI Mäs (Wrede), vielleiht Hamayfa‘, den Maqryzy als 
Sohn Dahtän’s nennt. 

5) EI Motalammid (d. 5. der feinem Vorſatz Getreue) 

6) Lawi (Wrede), vielleicht Loway. 

7) Maer (Wrede), vielleicht Mahr, Stammvater ber Mohriten. 

8) El Azeb (d. h. der Unvermählte). 

9) Manäh (dev Götze Manaͤh als Heros, der ſpäter vergöttert 
wurde). 

10) Dſchochom, dem Ya'cob bie Provinz Hidſchaͤs mit der Haupt- 
ftabt Meffa gab (Maqryzy, ©. 19). 

11) & Moltamis (db. h. der Bittende). 

12) El Allaͤmy (d. h. der Gelehrte). 

13) El Moghtafir (d. h. der Vergebende). 

14) Sälim. 

15) EI Ocamen (db. h. der Taube). 

16) Nahur. 





*) Diefe Stammesliften ftehen mit allen bisher befannten Genealogieen im 
Widerfprud. Mitunter ift fogar bie Orthographie der Namen zweifelhaft, ba 
ähnliche bis jet noch nicht vorfamen. Im diefem Falle gebe ich fie nad Wrede's 
Schreibart mit Hinzufligung von „Wrede in Klammern. 

”*) Die Bibel nennt 13 Söhne Ioltan’s, nämlich Almodad, Saleph, Ha- 
zarmameth, Sarah, Hadoram, Ufal, Dikela, Obal, Obal, Abimael, Saba, Ophir, 
Havila und Jobab. Bon biefen hat nur Jarah einige Aehnlichleit mit einem 
der obigen, nämlich mit Yarob. Magryzy dagegen nennt 10 Söhne Dahtän’s: 
1) Ya’rob, 2) ‘A, 3) Ayman, 4) Hamayfa‘, 5) Hadhramaut, 6) Nat im, 
7) Ghaͤſchim, 8) Solaf, 9) Datämy, 10) Dſchorhom. Bon diefen fiimmen nur 
ber 1., 3., 4. und 10. mit den Namen der Wreb’fchen Lifte überein. 


314 Erfter Anhang. 


| 
Bon diefen 16 Söhnen des Dahtan haben nur 8 ihre Rad: 


fommenfchaft in Hadhramaut und angrenzenden Ländern, 'und bilden 
die Stammoäter der 8 Qahtäuitiſchen Hauptſtämme, die zufammen 
in 36 Nebenftänme zerfallen. Aber in ben Beneunungen diefer Danpt: 


ftämme find die Namen ihrer in der vorigen Lifte angeführten Stamm: | 


väter (mit einer einzigen Ausnahme, Nahur) gänzlich verloren ge- 
gangen. Sie nennen fi jet ganz anders, als ihre obengenannten 
Stammpäter, und es ift nicht einmal zu erfennen, von welchem der 
16 Söhne Dahtän’d die einzelnen abjtammen. Nur die Zrabition, 
daß fie Dahtäniten find, ift lebhaft unter ihnen erhalten, und bie 
Kenntnig vom Unterſchied zwifchen ihnen und den von Peleg oder 
Hodun ftammenden Völkern wird noch immer im VBollsmund fort: 
gepflanzt. Ihre Namen dagegen find (mit einziger Ausnahme der 
Beny Nuh) eigentlich jegt gar keine Abftammungsbezeichnungen meht, 
fondern Beinamen, von Eigenſchaften abgeleitet, meiſt im bildlicer 
Redeform. 

Nah Yäqut (IL, 275) foll zwar einer der Söhne Dahtäns, 
welchen er "Amir nennt, deu Beinamen Hadhramaut geführt und diefen 
dem Lande beigelegt haben; aber einestheils erhellt nicht, welcher von 
den obengenannten 16 Söhnen Dahtän’s (von denen wir mehrent, 
wie El Motaammid, El Moltamis, El Moghtafir nur mit ihren 
Beinamen Tennen) mit feinem Hauptnamen ‚Amir‘ hieß, und dann, 
felbft angenommen, daß er den Lagab „Hadhramaut‘ führte und ihn 
nad) Ibn Obayda dem Lande gab, fo ift doch damit nicht geſagt, 
baß er ber Stammvater aller Habhramauter war. Ibn Kelby (bei 
Yäqut a. a. D.) nennt fogar den Hauptnamen diefes Sohnes Dahtän’s 
„Hadhramaut“ oder vielmehr „Haͤdhramyt“, wie er behauptet, daß 
dies die Schreibart der Bibel fei (fie ift bekanntlich Häzarmänet). 
Diefer Heißt bei ihm ben Yogtän, ben Abir, ben Schaͤlich. Cine 
andere Anſicht ift die, daß Hadhramaut ein Beiname bes Amru ben 
Days, des obengenannten 17. Königs der Wrede’fchen Lifte ſei. Nah 
Wüſtenfeld's Tabellen wäre jedoch „Hadhramaut“ der Name eine? 
Sohnes diefes Amru ben Days. Vielleicht führten Mehrere diejen 


| 
| 


Ueber die Könige und Völker Sübarabiens, 815 


Tagab. ebenfalls weiß bie heutige Tradition der hadhramauter Be⸗ 
Duinen Nichts mehr von einem Stammvater „Hadhramaut“. 

Zwei weitere Verfionen führt Magryzy (Bonn 1866, ©. 18) 
an. Nach der einen wäre Hadhramaut der Name eines Sohnes des 
Ayman, ben Hamayfa‘, ben Himyar, des 6. Könige der Wrede'ſchen 
Lifte. Diefer Hadhramant wäre aljo ein Bruder von EI Ghauth. 
Nach der andern Verſion ift Hadhramaut ein Sohn des Zohahr, ben 
Shauth, ben Ayman, aljo ein Urenkel, nicht ein Sohn Ayman’s. 
Diefer Hadhramant foll einen Bruder Namens Hadhramy gehabt 
Haben. Dier finden wir aljo, daß auch die Lesart. Ihn Kelby's 
„Hadhramyt“ zur Fiction eines Perfonennamens Anlaß gab, wie 
denn überhaupt „Hadhramaut“ als Perfonenname durchaus unwahr⸗ 
fcheinlih ift. 

Bolgende find num die acht Stammesgruppen ber In Hadhramaut 
und angrenzenden Ländern wohnenden Dahtäniten. 

1) Beny Nuh, bewohnen größtentheild die Landfchaft el Hadſchar 
und einen Keinen Theil der Landſchaft Beny "fa. Diefe Stammes- 
gruppe hat folgende Unterabtheilungen. 

a) Bü Kaſchwyn. Zählen etwa 3000 Seelen, bewohnen den 
oberen Theil des Wädiy Ma’yfche, die Wädiy el Madin, Verte, 
Showayte, den obern Theil des Waͤdiy Boyut und den nördlichen 
Abhang des Dſchebel Biyr Schyb. 

b) Bi Saſd. Zählen etwa 4000 Seelen, bewohnen den obern 
Theil des Waͤdiy No’män, das weftliche Gehänge bes Dfchebel Biyr 
Schyh, den mittlern Theil des Waͤdiy el Boyut bis zum füdlichen 
Abhang des Dichebel Ghomapte. 

c) Bü Schaybe. Ein Stamm von etwa 4000 Seelen, wohnt 
am nordweitlihen Abhang des Dichebel Ghowahte bis zum Ent- 
ftehungspunft des Waͤdiy Hafar und in den Thälern, welche in den 
obern Theil diefes Waͤdiy münden. 

d) Bi Dſchahym. Etwa 4000 Seelen ſtark, wohnen im untern 
Theil des Wadih Hafar und im Wädiy Haſſy, Caghyr, Gafrä und 
Oinnyna. 


316 Erfter Anhang. 


e) Bü Schogayr. Etwa 3000 Seelen ftarf, wohnen im Wabiy 
el Hadfhar, von der Mündung bes Waͤdih No'män an bis zum 
Wäaͤdiy Schorut oder Scharät. 

f) Bü Dſchohaym und 

g) Bü Dorus (Wrede), vielleiht Odruff, die gewöhnliche Art, 
wie der Name Idryſſ in Hadhramaut lautet. Diefe beiden Stämme 
mögen zufammen etwa 5000 Seelen ftarf fein und haben ihre Sike 
im Waͤdiy Dfehizwäl bis zum Waͤdiy No’äb. 

h) Ba Haͤfir und 

i) Ba Zora. Beide zählen zufammen nur 4000 Seelen und 
wohnen im Wädiy el Hadſchar, am Dſchebel Bü Dſchanaf bis zur 
Mündung des Wädiy Scharät und allen auf diefer Strede münbenben 
Waͤdiy. 

k) Bä Maur. Etwa 2000 Seelen ſtark, wohnen zwiſchen dem 
Dſchebel Bü Dſchanaf und dem Dſchebel Alqa. 

I) Bü Faq'as. Etwa 4000 Seelen ſtark, bewohnen den Waͤdiy 
Obne bis zum nordöftlichen Abhang der Dichebel Argime, Arfur 
und Matny. 

m) Bü Dhobayz *) und 

n) Ba Dfibyän. Beide zählen etwa 4000 Seelen und bewohnen 
die Meeresfüfte von Raͤſſ Borum bis Medäha, den öftlichen Wädiy 
Mayfaa bis zum Wädiy No’äb, das Gebirge bis zum füdlichen Ab- 
hang des Dichebel No’ab und ben obern Theil des Waͤdiy Araͤr. 

2) Dfiyayby. **) Diefer Stamm bewohnt die Landfchaft el 


— — — — — — 


*) Dhobayz, Verkleinerungswort von Dhabyz oder Dhabz, welches nach 
ben Qaͤmus (S. 714) ſoviel bedeutet wie Dſyb (Wolf), alfo „Wolflein“. Solche 
Thiernamen als Stammesbezeichnungen waren bei den Arabern ehrenvoll und 
kommen unten noch öfter vor. Selten geht ihnen jedoch, wie in obigem Falle, 
das „Ba (fiir Banu, vulgo Beny) vorher. 


**) Streng genommen ſollte das Wort Dſowayby (wölfleinartig) geſchrieben 
werden, aber die Ausſprache in Hadhramaut weiſt die Eigenthümlichkeit auf, 
dag im Relativum, wenn ber Mittelradical Hamza ift, der O⸗Laut des Dimi- 
nutiv in den der Endung verwandten I-Taut übergeht. Dadurch wird aud) der 
das Hamza vertretende Halbvocal aus einem Waw zu einem Ya und aus Die 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 317 


Hadſchar von Mebäha bis zum Raͤſſ Hardſcha, dem ganzen weſtlichen 
Waͤdiy Mayfa’a und die in denfelben mündenden Thäler. Er zer- 
fällt in folgende fünf Unterftämme. | 

a) Bü Waddä bewohnen mit etwa 3000 Seelen die Küfte von 
Medähe und Bü el Haff. 

b) Solaymäny. Diefer Stamm hat eime Stärfe von etwa 
6000 Seelen und bewohnt den Wädiy Araͤr und die Tihäma von 
Ba el Haff Bis zum Räſſ Hardſcha, inchufive Sähun. 

c) El Ahmady. Zählen etwa 5000 Seelen und bewohnen den 
weftlichen Wädiy Mayfa'a von Sähun bis Soggoma und die Wädi 
Hamra und Haͤdhena. 

d) Es Sälemy. Ein ftarfer Stamm von 9000 Seelen, bewohnt 
den Wädiy Mayfa'a von Soggoma bis Nagb el Hadſchar umd bie 
Seitenthäler. 

e) Ei "Adfemy.*) Zählen etwa 4000 Seelen, bewohnen bie 
Wädiy Mayfa'a und “Hsan oberhalb Nagb el Hadſchar. 

3) Bü No’män. Diefe Stammesgruppe bewohnt ben nord- 
öftlihen Theil der Landſchaft el Hadſchar und einen Heinen Theil der 
angrenzenden Landſchaft el Dſchauf und zwar die Gegend von Habbän, 
Fodſchy Alyy und Bü el Horr. Ihre Seelenzahl mag etwa 20,000 
betragen. Da Wrede ihr Stammesgebiet nicht bereift hat, fo kannte 
er nur die Namen, nicht aber die Wohnorte der verfchiedenen Unter- 
abtheifungen der Bü No'män. Diefe Namen find: 

a) Beny Labahit (Wrede), wahrfheinlih Beny el Bähith. **) 

b) Bi Didanaf. 


wayby entfteht Dfiyayby. Der Wolfsname war immer ehrenvoll bei ben Arabern. 
Er gab wohl zu der Sage Anlaß, die Magryzy anführt, wonach ein Volk diejer 
Gegend, die Say'ar, die Fähigkeit, fich nad) Belieben in Wölfe zu verwandeln, 
befaß (Maqryzy, Bonn 1866, ©. 19). 

*, Ein Perjonenname Adſem ift nicht befannt, wohl aber nennen ber 
Damus (S. 1661) und Yäqut (III, 626) einen Waͤdin in Pemen, Namens 
Adſem, über deffen genauere Lage fie aber nicht das Geringfte jagen. 

”) Bahhäth ift als Eigenname bekannt. Bähith diirfte ähnliche Bedeutung 
haben, d. 5. der „Erforſcher, Nachſpürer“. 


318 Erfter Anhang. 


c) Bü Raſchyd. 

d) Bü Dobhä’y. *) 

4) EL Dſcha'ſda. Diefe Stammesgruppe bewohnt bie Laub⸗ 
ſchaft Hadhramaut und einen Heinen Theil der Landſchaft Beny "Ya 
und zwar die Wädiy Amd und Rähiye. Er zerfällt in neun Unter- 
jtämme. 

a) Beny Taͤhir ben Radſchym. Bewohnen mit 6000 Seelen 

die Umgegend von Gahwa und Waͤdiy Raͤchihe. 
b) Muräd Gobayh. **) Zählen etwa 8000 Seelen und bewohnen 
den obern Theil des Wädiy Amd bis Hallet ba Sälib. 

c) Beny Schamlän. Zählen 6000 Seelen, bewohnen den 
mittleren Theil des Wädiy Amd. 

d) Bü Säftb ***) mit 5000 Seelen. 

e) Dfyaybene F) mit 6000 Seelen. 

f) Baͤ Dyatrr) mit 4000 Seelen. 

g) Beny Dſchadſyma mit A000 Seelen. 

h) EI Ma'dy mit 8000 Seel. 

3) Bü Hallähn mit 4000 Seelen. 

Die Wohnerte der ſechs zuleßtgenannten Unterftänme konme 
Wrede nicht im Einzelnen ermitteln. 

5) Nahur. Diefe Stammesgruppe bewohnt den Wädig Dag 


*) Dobdhä'y heißt „luchsartig“ und bildet fomit ein neues Seitenßück zu 
den obigen Wolfsnamen Dfiyayby und Dhobayz. 

**) Muräditen wohnten zu Mohammed's Zeit in Dſchauf im Difrict Dſchazr. 
Bon einem Gobayh, Rachlommen des Murad, ift Nichte bekannt. 

*#*) Wrede glaubt, der Name könne der „Gekreuzigte“ (Calyb) Heißen mb 
auf einen chriftfichen Urfprung bes Stammes deuten. Da Wrede Übrigens möcht 
die letzte Sylbe Img jchreibt (wie in Galyb) und Gad und Syn Bei iu oft 
ſchwer zu untericheisen find (er fchreibt nämlich nie in arabiichen Bachſtaben), 
fo glaube ich vielmehr Saͤlib, d. h. der Räuber, Raubmörber, Iefen zı dürfen. 

+) Ein Bert ühnfihen Urfprimge wie das obige Dfiyayby, alſo „molf- 
artig” bebentenb, wie es denn fehr viele Stämme in Arabien giebt, die ihre 
Namen von Dſfiyb (Wolf) ableiten, ebenfo wie von Leib (Qumb, aud) Beh. 
+r) Dot und Dyk el Dſchinn waren befannte arabäiche Laqabs (Beinanten). 
Dyät ift die Pluralform diefes Namens, welcher „ber Hahn“ bebeutet. 


Ueber die Könige und Bülker Südarabiens. 319 


son Dsthäm bis Dabr Hud und foll von Nahır, dem 16. Sohne 
Dahtän’s, abftammen. Ihre Gefammtzaht foll 30,000 Seelen be- 
tragen. Die Wohnorte der fünf Unterftännme konnte Wrede im Ein- 
zelnen nicht ermitteln. Ihre Namen find: 

a) Makaͤrim (d. h. die Eblen). 

b) Solaymän. - 

c) Haynan. 

d) Dodtän. 

e) Bü Amr. 

Bon ben drei folgenden Gruppen konnte Wrede mr die Haupt- 
namen, nicht aber die Namen der Unterſtämme erfahren. 

6) EI Aſwad. Diefe Stammesgruppe foll 12,000 Seelen 
zählen. Bewohnt den obern Theil des Wädig Hadſcharyn und den 
untern bes Waͤdiy Odyme. 

T) EI Mahfuz. Diefe Stammesgruppe hat eine Stärke von 
ungefähr 10,000 Seelen und ihre Wohnfige im untern heil des 
Wadiy Hadſcharyn, von Meſchhed "Alyy bis Hawra. 

8) EL Aräba. Wohnen mit 6000 Seelen im obern Theil 
des Wädiy Dar, von Hawra bis Dothäm. *) 


OD. HSobuniten. 


Bon Hodun (Peleg, Tälegh), dem zweiten Sohne des Propheten 
Hud (Eber), ftammen drei Hauptgruppen und 36 Nebenftänme ab. 
Hier find übrigens nur die Beduinen, welche Hoduniten find, ftammes- 
weife verzeichnet. Außer ihnen wurden aber im Manufeript von 


*) Die Namen diefer das eigentliche Habhramant bewohnenden Stimme 
haben gar feine Aehnlichkeit mit denen, die Maqryzy den Völkern Hadhramauts 
giebt. Er nennt folgende Stämme: El Baräwidfche, El Dichalähime, Eth Tha- 
bätine, Beny Aby Malit, Beny Mofalim, Beny Ibn er Raby'a und Beny 
Hy Hafchradſch (Magryzy de valle Hadhramant ed. Paul Berlin, Bonn 1866, 
p. 20). Rur die Beny Ihn er Raby’a laſſen fi auf einen von Wrede an- 

rien Ahnen zurückführen, nämlich Rabya ben Ya’rom, den 10. König von 
Hadhramaut (f. oben B, 1). 





320 Erfter Anhang: 


Ehoraybe nod alle Städter Hadhramauts und der angrenzenden 
Länder als Hoduniten bezeichnet. 

1) Saybän. Diefe große Hauptgruppe von Saybän, ben Nedſch, 
ben Sa’yd, ben "Da, ben Hodun, ben Hub abftammend, bewohnt 
die ganze Landſchaft Beny "Na, die nah "Ya el "Amud, dem Ur- 
großvater des Saybäan, benannt if. Die Sayban zerfallen in 
15 Unterftämme. *) 

a) Agaybere. Bewohnen, 12,000 Seelen ſtark, die Gebirge und 
Thäler vom Wädiy Dirbe bis zum Wädiy Howahre und zwar vom 
Meere an bis zur Wafferfcheide auf der Hochebene der Dſchebel 
Tfahura und Kaur Saybän. 

b) Chämiye umd 

c) Moraͤſchide. Zählen zufammen 16,000 Seelen und bewohnen 
den Wädiy Do’än und feine Nebenthäler. 

d) Beny Hafan. Zählen 10,000 Seelen und bewohnen die 
Gegend um Borum, ſowie die Waͤdiys weitlih vom Wäadiy Dirbe. 

e) Hamämedyn. Bewohnen mit 6000 Seelen die Waͤdiy ei 
Ayfar und Kotayfe, den untern Theil des Wädiy Chärith, den obern 
des Wäadiy Odyme. 

f) Bi Mardagha und 

g) BA Dfichonbog **) (gefprochen Dſchomboq). Zählen ein jeder 
etwa 4000 Seelen und wohnen gemeinjchaftlih im Wädiy Haube, 
Ebnaͤ, Saar, Baͤdſche, Corab und im Wädiy Ma’yjche bis Dirbet 
Dahme. 

h) Gaumahänyn ***) und 


*) Die Namen bdiefer Unterflämme find faft ausnahmslos urfprünglide 
Laqabs (Beinamen), deren mitunter höchſt charakteriftiiche Bedeutung in den 
Noten ber folgenden Seiten berührt werden joll. 

**) Mieder ein Thiername als Lagab (Beiname) eines Stammes. Dſchonboq 
oder Chonboq (beide Schreibarten find autorifirt) heißt daffelbe wie Danfut, 
d. 5. „der Igel, bildlich wohl auch „der Geizhals” (Damus von Calcutta, 
S. 1255 und 1269). 

*e*) Diefelbe Bedeutung wie Gamahmahy, „ein ſtarker Maun, von kräftigem 
Gliederbau“ (Dämus, ©. 291). | . 


Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 321 


i) Aſaͤwire.*) in jeder diefer beiden Stämme zählt ungefähr 
3000 Seelen. Sie bewohnen gemeinfhaftlid) die Waͤdiy Mädfchid, 
Butrah, el Matäne, el 'Af, Dahme und den untern Theil des Waͤdiy 
Chärith. 

k) Dſchahaͤtſime. **) 

l) Ootham und 

m) Matärnile. ***) Diefe drei Stämme, von denen jeder etwa 
3000 Seelen zählen mag, bewohnen gemeinjchaftlicd den obern Theil 
des Waͤdiy Rayde ed Dyn und die auf diefer Strede in ihn mün- 
denden Nebenthäler. 

n) Ahl el Hayik T), 

0) Hälife tr) und 

p) El Bahäbihe. 77) Ein jeder diefer drei legtern Stämme 
zählt kaum 2000 Seelen. Sie bewohnen gemeinfchaftlich die Kleinen 
Seitenthäler zwifchen dem Wädiy Doän und dem Wädiy Amd. —4 

2) Edſ Dfahiyn. FrTr) Zweite Stammesgruppe ber hodu⸗ 


*) Afüwire, ein aus dem Perſiſchen ſtammendes Wort, welches „Reiter“ 
und zwar vorzüglid eine perfifche Neitergattung bedeutet. Vielleicht weift der 
Name auf eine Stammestradition aus der Zeit der Perferherrfchaft in Nemen ” 
hin (ähnlich wie der Name Ebna), denn jest hätte er feinen Sinn mehr, da 
diefe Stämme keine Pferde haben und die Araber Kameelreiter oder Efelsreiter 
nicht „Aſaͤwire“ nennen. 

**) Das heift „die Großäugigen“ oder bie „mit hervorragender Bupille 
Verſehenen“. 

***) Dieſer eigenſchaftliche Name ſcheint ein Plural von Moſtatmil oder 
Montamil, welches etwas Aehnliches bedeuten dürfte, wie Matmal oder Tamyl, 
d. h. der ſich die Haut mit Del, Blut oder Harz einſchmiert, eine bei manden 
Beduinenflämmen herrfehende Sitte (Dämus ©. 1293). 

+) Ahl (das Bolt) el Hayik (dev Weber), alfo das „Bolt des Webers‘, 
wahrfcheinfih wegen ber Kertigfeit der Beduinenfranen dieſes Stammes im 
Weben der bekannten groben Wollendeden. 

+) Der „ſchwarze“ (Stamm). Hälife ift Femininum wegen Dabyle 
(Stamm), was in Gedanken ergänzt werben muß. 

+rr) Bahäbihe, Plural von Bahbahy, d. h. „ein Mann, deffen Geldbeutel 
und Haus offen iſt“, alfo ein gaftfreier Mann (Damus ©. 365). 

144) Edf Dfahiyn, d. 5. „die Glänzenden“. 


A. v. Wrede'e Reife in Habhramant, 21 


322 Erfter Anhang. 


nitifchen Bebuinen. Bewohnen den Wädiy Rayde ed Dyn von feiner 
Vereinigung mit dem Wädiy Rayde es Sowayde bis zum Wädiy 
Amd. Die Wohnorte der einzelnen Unterftämme, deren im Ganzen 
acht, konnte Wrede (mit Ausnahme der des Stammes Bü Omm 
Sadus) micht ermitteln. Die acht Unterftämme find: 

a) Bü Omm Sabus bewohnen, I000 Seelen ftarf, den Wädiy 
Rande ed Dyn gerade unterhalb feiner Vereinigung mit dem Wadip 
Rayde ef Sowayde. 

b) Baͤ Yomin*), 4000 Seelen, 

c) Bi Didohaym **), 4000 Seelen, 

d) Bü Sowaydän, 3000 Seelen, 

e) Bü Karyb, 2000 Seelen, ungefähre Schäßung. 

f) Baͤ Hanän, 3000 Seelen, 

ge) Baͤ Elyäs, 2000 Seelen, 

« _h) Abärile ***), 1500 Seelen, 

2) El Hamum. Dritte Stammesgruppe der Hoduniten. Die 
Stärke diefer Stammesgruppe foll 48000 Seelen betragen. Sie be 
wohnt die gleichnamige Provinz von der Meeresfüfte bis an die 
Grenze von Hadhramant. Sie zerfällt in 13 Unterftämme, deren 
Wohnſitze im Einzelnen Wrede nicht ermitteln konnte. 

Diefe Unterabtheilungen find: 

a) Bayt }) "Alyy. 

b) Bayt el Dſchomaymy. 

c) Bayt Aghräf. 

d) Bayt Ghoräb. 


*) Yomin, „ber glücklich iſt“, ähnlich bein befannten Eigennamen Maymun 
(beglüdt). - 

**) Dihohaym, Diminutiv des bekannten Eigennamen Dſchahm. 

“er, Das heift „die Gefegneten”. 

+ Bezeichnend ift hier das Wort Bayt ftatt des Üblichen Banu (Beny), 
Auläd oder Bi. Auch in Mahra und Dära finden wir dieſe Bezeichnung, melde 
offenbar anf ein Volk deutet, das mehr dem Leben in feften Wohnſitzen, ale 
dem beduinischen Romadenleben ergeben ift. 


Ueber bie Könige und Völker Südarabiens, 323 


e) Bayt ba Gälih. 

f) Baht Cobhy. 

8) Baht el Ahmediye. 
h) Bayt Därife. 

i) Baht Horr. 

k) Bayt Hakan. 

I) Bayt Bü Waly. 
m) Eſch Scha’amla’. *) 


- 


*) Scha' anla gefchrieben, aber Scha’amla‘ gefprochen. Das Wort bebeutet 
„longus, procerus”. 


21* 


Zweiter Anbang 
zu 


A. v. Wrede's Reife in Hadhramant. 


Himyariſche Inſchrift von Obne 


von 


Heinrich Zreiberrn von Maltzan. 


Die fünfzeifige himyariſche Infchrift der Mauer von Obne, welche 
Wrede im Jahre 1843 entdedte und copirte, erfcheint hier meines 
Wiffens zum erjtenmale *) in getrenem Yacfimile nad) des Reiſenden 
eigener Copie, welche feinem übrigen handjchriftlichen Nachlaß bei- 
gelegt war. Unbelannt war fie freilich den Drientaliften bis jet 
keineswegs geblieben. Es müſſen mehrere handichriftliche Copieen der- 
felben eriftirt haben und den Gelehrten zugänglich gewefen fein; we- 
nigftens finden wir einzelne Theile der Infchrift mehrmals citirt; 
3. B. von Profeffor von Ewald in Hoefer’8 Zeitjchrift. für die Wiffen- 
Ichaft der Sprache (I, ©. 306) und in fehr ausgedehnter Weife von 
dem ausgezeichneten Erforſcher himyariſcher Epigraphit, Ernft Oftander, 
welcher der Wilfenfchaft leider zu früh entriffen wurde. Letzterer 
fpricht ſich felbft (3. D. M. G., Bd. X, ©. 32, Note) über die 
Art und Weife aus, wie er zum Beſitz einer ſolchen Copie gelangte. 

Ebenſo ſcheint auch bis jet noch nirgends eine vollftändige Er- 
Härung erfchienen zu fein. Daß der Entwurf einer folchen ſich im 
handfchriftlihen Nachlaffe Ofiander’8 befinde, wurde mir von Herrn 
Prof. Levy, der fid) durch die Bearbeitung und Herausgabe eines 


*) Die Infchrift wird zwar in einer franzöfifchen wiffenfchaftlichen Zeit- 
fhrift (F. Lenormant, Comptes rendus des seances de l’Academie des In- 
scriptions, 1867, p. 124) als „veröffentlicht”’ bezeichnet, aber, wenn eine ſolche 
Bublilation flattgefunden hat, fo war fie jedenfalls anf jehr wenig Eremplare 
befchränft, von denen nie eines nad) Deutſchland gelommen zu fein fcheint. 
Selbft franzöfifche Gelehrte konnten mir darüber Teinerlei Auskunft ertheilen. 
Eine Anfrage an Herrn Lenormant felbft blieb ohne Erwiederung. 


328 Zweiter Anhang. 


großen Theiles jenes Nachlaſſes (3. D. M. G. Bd. XIX und XX 
ein fo ausgezeichnetes Verdienft erworben hat, mitgetheilt, und durd) 
die Güte der Deutſchen Morgenländifchen Geſellſchaft gelangte auch 
wirflih die Handſchrift jenes Grllärungsverfuhs in meine Hände. 
Denn, wie ich die Nothwendigkeit einfah, daß dem Wrede'ſchen Reiſe— 
werte das Facfimile der Infchrift als Anhang angefügt werden müſſe, 
jo fühlte ich natürlich” auh das Bedürfniß, eine Erklärung dieſem 
Facfimile beizugeben. Leider ftellte fi) jedod) der Theil des Oſiander'⸗ 
ſchen Nachlaſſes, welcher diefe Inſchrift behandelte, als cin bloßer 
Verſuch und zwar als ein fehr unvollfonmmener Verſuch heraus. Cr 
ftammt nämlich aus einer Zeit, in welder Ofiander noch nicht jene 
zahlreihen (27) von Colonel Coghlan und die von Playfair (von dem 
übrigens nur eine herſtammt) in Aden erwobenen und dem britijchen 
Muſeum geſchenkten Infchriftstafeln Fannte, durch deren von ihm felbit 
entworfene und von Prof. Levy herausgegebene Deutungen unfere 
Kenntnig der himyariſchen Epigraphif jo bedeutende Fortſchritte ge: 
macht hat. Dfiander fcheint zwar die Abjicht gehabt zu haben, feine 
durd) die befagten Schriftdenkmäler erweiterte Kenntniß des himyari— 
ſchen SprachgebietS audy zu einer neuen Deutung der Wrede'ſchen 
Inſchrift fpäter zu benuten. Aber der Tod des ausgezeichneten jungen 
Gelehrten verhinderte den Angriff diefer Arbeit, wie die Vollendung 
jo vieler andern von ihm unternommenen. | 

So erwuchs mir aljo aus dem Ofiander’fchen Nachlaß nur eine 
jehr ſchwache Beihülfe zu meinem eigenen Berfuche, die Wrede'ſche 
Inſchrift zu deuten; eine Beihülfe, die ic) gleichwohl nicht zu gering 
anfchlagen will und auf die ich im Folgenden nicht ermangle, in allen 
den Fällen hinzuweiſen, in welchen fie mir zu ftatten kam. 


Fundort der Inſchrift. 

Das Thal "Obne, in der Landſchaft el Hadſchar, auf dem Wege 
zwifchen Hien ben Dighaͤl und der die oceaniſche Küſte Arabiens be- 
Ipülenden Bucht Dobbet el Ayn, etwa zwei Tagereifen vom Meere 
gelegen, wurde von Wrede am 16. Juli 1843 befucht, wir können 


Himyarifche Inſchrift von Obne. 329 


fagen, entdedt. Die Ruinen einer uralten Baute, welde fih in 
jenem Thale befinden, führen im Volksmund den Namen Dim cl 
"Ohne, obgleih fie, wie Wrede fi durch Augenfchein überzeugte, 
nicht die Reſte eines Feitungsfchloffes, fondern die einer Mauer find, 
welche quer durch das Thal gezogen tft und im Weften über einen 
richt fehr fteilen Berg geht (der den Waͤdiy Obne auf diefer Seite 
begrenzt), dagegen im Often an einer tiefen, wie ein Graben geftalteten 
Schlucht endigt, an deren entgegengefegter Seite cine Anhöhe fchr 
fteil abfällt. Diefem öſtlichen Ende gegenüber zieht ſich von der er- 
wähnten Anhöhe eine ſchmale Schlucht nieder, welche aud) durch eine 
- Mauer gefchloffen ift, an der man am Boden ein vierediges Loch 
zum Abfluß des Regenwaſſers gelaffen hat. *) Die Höhe der großen 
Mauer ift 6,92, die Breite 6,8, die Länge 67 Meter. Im der Mitte 
des Thale ijt ein Thormweg, der augenjcheinlich nie bededt war, von 
1,64 Meter Breite. Es find jedod) Anzeichen vorhanden, daß die 
gelegentliche Schließung diefes Thorweges durd) eine Thüre beabfichtigt, 
wenn auch vielleicht nie ausgeführt worden war. **) An deijen füd- 
lichem Ausgang auf einem langen Duader in der öftlichen Wand be- 
findet fi) die fünfzeilige Infchrift. Weber die Größe der Schrift: 
zeichen giebt uns Wrede keinen Aufſchluß. 
Wrede fehreibt diefer Mauer einen feftungsartigen Zwed zu. 
Er fah fih aber umfonft nach den Reften eines Gebäudes um, in 
welchem die Garnifon diefer Feſtung gewohnt Haben könne. Doc 
vermuthet er eine ſolche Beſtimmung bei einer andern Ruine, welche 
er auf dem Wege nad Obne und ziemlich weit von leßterer Dert- 
lichkeit entfernt gefehen hatte. 
Wenn auch ein folcher Feſtungszweck wohl ſchwerlich in Abrede 
geftellt werden Tann, fo dürfte doch die Vermuthung nahe liegen, die 
Mauer könne zugleich eine ähnliche Beftimmung, wie der berühmte 





*) Die vollfländige Belchreibung der Mauer möge man oben (Cap. V, 
S. 149) nadlefen. 

**) Man fehe darliber Wrede’s Beichreibung der am nördlichen Ausgang 
des Thormweges nachweisbaren Steinmeßarbeit (Cap. V, S. 150). 


330 Zweiter Anhang. 


Damm von Märib, gehabt haben, d. 5. die Aufitauung und das 
gelegentliche Ausftrömenlaffen der Waffer, welche bie Gießbäche der 
Hochgebirge Hier famımeln mußten. Dennoch fehlen nad Wrede's 
Beſchreibung der Mauer alle nähern Anzeichen einer folchen Be- 
ftimmung und auch in der Infchrift jelbft wird ihrer nicht gedacht, 
wohl aber und zu wiederholtenmalen des feitungsartigen Zwecks 
derjelben, wie wir unten jehen werden. 


Charakter der Schriftzeichen. 


Wie faſt alle uns befannten himyariſchen Schriftdenfmäler, jo, 
zeichnet fi auch die Wrede’fche Inſchrift durch Deutlichfeit und 
Schönheit der Zeichen aus. Ja, fie gehört fogar, was ihre Aus- 
führung betrifft, zu den vollendetejten dieſer epigraphifchen Denk— 
mäler und darf in diefer Beziehung wohl den Bronzetafeln des Bri- 
tifchen Mufeums an die Seite geftellt werden. 

Die Form der Zeichen ift in den Grundzügen diefelbe wie auf 
den genannten Bronzetafeln. Das Reich hat jedoch weder die halb- 
freisförmige, nod) die gewundene Form, fondern die eines nad) links 
offenen ſtumpfen Winkels, unter welcher es ſchon aus der XLIII. In- 
ſchrift bei Fresnel*“) und der 13. (auf Tafel 12 in Z. D. M. G., 
XIX abgebildet) des Britiſchen Muſeums bekannt war. Das Vav 
hat nicht die Form eines Doppelkreiſes, ſondern die eines durch eine 
ſenkrechte Linie geteilten Kreifes, wie auf den Tafeln 27—32 des 
Britifhen Mufeums **) und auf vielen Infchriften bei Fresnel. Das 
Schin unterfcheidet ſich auch von der gewöhnlichen gewundenen ober 
der einem umgewandten Sigma ähnlichen Form und gleicht genau der- 
jenigen, wie wir fie auf der Inſchrift von Naqb el Hadfchar ***) 
und auf der 12. Tafel des Britiſchen Mufeums fehen. Ueberhaupt 


*) Journal Asiatique, Quatritme Serie, Tome VI, p. 178. 
**) 3, D. M. ©, Band XIX, Tafel. 27—82. 
**x) Wellſted, Reifen in Arabien von Rödiger (Halle 1842), Band II, 
Zajel 2. 


Himyariſche Inſchrift von Obne. 331 


nähert ſich der Schrifttypus der Wrede'ſchen dem der genannten 
13. Inſchrift mehr als dem irgend einer andern uns befannten 
und differirt merfwärdigerweife fehr auffallend von dem der Infchrift 
bon Hign el Ghoraͤb und zum Theil auch von dem derjenigen von 
Nagb el Hadſchar. Jede diefer drei in der Provinz el Hadſchar 
gefundenen Infchriften zeigt ihre unterjcheidenden Eigenthümlichkeiten, 
und nähert fich Feiner der beiden andern, fo daß wir den Gedanken 
an einen provinziellen Schrifttypus in Bezug auf fie aufgeben müſſen. 
Auch die eine der in London befindlichen Infchriften, als deren Fundort 
man wohl Hadhramant annehmen Tann, nämlich die 29. *) in 
Dfiander’8 Abhandlung über die Injchriften des Britifhen Mufeums 
weicht in den Formen des Schin, des Vav und des Thau von der 
Wrede’fchen ab, nähert fich ihr jedoch in der Form des Reich. 

Bei diefem Mangel eines provinziellen Schrifttypus und aus der 
geringen Zahl der in Hadkramant, Beny "Ya und el Hadſchar ge- 
fundenen Schriftdenktmäler könnten wir uns verjucht fühlen, zu folgern, 
daß die himyariſche Sprache als Schriftſprache in diefen Provinzen 
nie vecht heimisch geworden ſei und daß die himyariſchen Schriftdent- 
mäler, welche wir dafelbft beobachten, meift den Eroberern aus Yemen 
oder ihrer im Lande zur Herrichaft gelangten Nachkommenſchaft zu⸗ 
zufchreiben fein möchten. Was nun die Wrede'ſche Infchrift in Be⸗ 
fondern betrifft, jo muß uns die auffallende Aehnlichkeit ihres Schhrift- 
topus mit dem der 13. (Taf. 12)**) des Britiſchen Mufeums 
zu ber Vermuthung leiten, daß beide einer und derfelben Periode an⸗ 
gehören. Eine nähere Verwandtſchaft fcheint jedoch zwijchen ihnen 
nicht zus beftehen. | 


Deutung der Zeichen. 


Mit einer einzigen Ausnahme ift die Deutung der Zeichen der 
Wredefhen Inſchrift ganz diefelbe, wie die der übrigen himyariſchen 


— 





*) Z. D. M. G., Bb. XIX, ©. 238 und Tafel 26. 
**) Ich citire biefe Infchriften in der Ordnung, wie fle in Oſiander's Ab⸗ 
handlung, 3. D. M. ©., Bd. XIX, aufgeführt find. 


332 Zweiter Anbang. 


Denkmäler, d. h. wie ein Zeichen auf diefen gelefen wird, jo uf 
es auch auf jener gelefen werden. Die Ausnahme wurde ſchon von 
Dfiander *) conjtatirt und fcheint feinem Zweifel zu unterliegen. Die: 
jelbe betrifft das Zeichen 2, welches auf allen andern Infchriften ale 
ı (arabifh )) gedeutet wird, hier aber an Stelle des auf diefer In 
Ihrift ganz fehlenden 8 (A, &) ſteht. Da dieſe Subftitution fir 
die Erklärung der Wrede’fchen Infchrift fehr wichtig ift, fo will id 
hier Oſiander's eigene Worte über diefelbe wiederholen: 

‚Anders verhält es ſich (in Bezug auf den Buchſtaben ri) mit 
der Infcrift von Wrede. In den fünf Zeilen diefer himyariſchen 
Schriftprobe, die zudem noch manche Rücken hat, findet fi) das Zeickn 
2 allein fechsmal; und zwar dreimal ganz entfchieden in Eigennamen, 
z. B. Zeile 1, rar, Zeile 2 und 3, das. Crinnert ung nım 
Schon die beiden Eigennamen gemeinſchaftliche Silbe an den bei Fresnel 
öfters wiederkehrenden Eigennamen na»nX (3.38. XII. -XIV. u. f.w.), 
jo ift vollends merkwürdig die Form nRb& (in Zeile 5), die an 
einer Stelle, wo wir entfchieden ein Zahlwort erwarten, wo es fid, 
wie das folgende orrmıR zeigt, um die Angabe von Monaten handelt, 
nichtS anders, ald das Zahlwort „drei“, bezeichnen Tann .und dem 
ſonſtigen nnd® = nAbn entſprechen muß; woraus fi) dann mit 
ziemlicher Wahrjcheinlichkeit ergeben würde, daß es fich bei dem un- 
mittelbar vorausgehenden Zr>% um bie Zahl „zwei (iS) handelt. 
Um nun den Gebraud) des Zeichens % in diefer Infchrift richtig zu 
beurtheilen, muß es vor allem beachtet werden, daß in dberfelben das 
gewöhnliche Zeichen fir wo, 8, nit vorkommt. Es liegt deshalb 
die Annahme nahe, daß der Verfaſſer diefer Infchrift zur Bezeichmmg 
des Yautes S ſich ftatt des gewöhnlichen Zeichens eines andern be: 
diente und daß dies auf einer bloßen Incorrectheit beruht, wie fic 
3.2. auch auf den äthiopifchen Infchriften vorfommt **), erflärbar 
theils daraus, daß > und , in der Ausfpradhe, wenigftens im Munde 


*), Z. D. M. G., Bd. X, ©. 36. 
**8) Dillmann in Z. D. M. G., Bd. VII ff. in den Anmerkungen. 


Himyariſche Infchrift von Obne. 333 


Des Verfaſſers, nicht ſo ſehr voneinander abwichen, theils daraus, 
Daß die Inſchrift nicht mehr dem Stammſitze des himyariſchen Volkes, 
yondern bereit einem weitern Kreife angehört; wie denn auch die 
Sprache derſelben ihre |pecififchen Eigenthümlichkeiten zu haben ſcheint.“ 
Dadurch, daß in diefer Infchrift das gewöhnliche Zeichen für 
T 6) eine andere Bedeutung hat, müßte, fo follte man denken, viel- 
Leicht für dieſen Lautwerth ein neues, bisher unbekanntes Zeichen ftehen. 
Nach einem folchen fieht man fid) aber umfonft um, wenn man nicht 
etwa bie leichthin modificirte Form des I (5) in Zeile 1 als eine 
eigene felbftftändige Form anſehen will; vielmehr fcheint auf der 
Wrede'ſchen Infchrift für die beiden verwandten Zautwerthe 7 (5) und 
T (3) nm ein einziges Zeichen zu ftehen, dasjenige, welches auf den 
übrigen Injhriften dem 53 (5) allein entjpridt. In den meiften 
- Fällen muß zwar dieſes Zeichen auch Hier als 3 (5) gedeutet werden, 
aber die Beispiele fehlen doc nicht, wo wir ihm feinen andern Werth 
als den des 7 (5) beilegen können (ſ. weiter unten Zeile 3 und 5). 


Leſung der Inschrift. 


Wir lafjen nun zuerſt die Tranfeription der Inſchrift mit den 
einmal in ähnlichen Fällen hergebradhten hebrätfchen Zeichen folgen 
(obgleich die arabifchen fich Hierzu vielleicht beffer eignen würden) und 
verfchieben die Ueberfegung bis nad) dem Schluffe unferer Erklärungen, 
nach dem Vorgange Dfiander’s, der auch zuerſt die Tranfeription, 
dann die Erklärung und zulegt die Ueberſetzung der von ihm gedeuteten 
Inſchriften zu geben pflegte. 


1. 
I\a1ld...|.»....|.wn... amp | pm | ya | jan | Dumnsd 
ronın | waaR | nn | mann | an>n | sn72> 
2. 


| ®@)..m2n..9...... vd. | opoın | ba | 32 | br. . ie 
= | my | Basp | yrına | ya | ya. > | San | ap | Sp | yarap> 


334 Zweiter Anhang. 
8. 


|aans | man | ma | Zap | nbp | aaa | Won | nam | na.... 

> | yon | namen | na | 33 | men | pen | bes | sar 
4. 

| 37 | yrnerz | spr | 91 | 939 | omp | ym....ı [nem 

DE | DIN | 29903 | 35° | year | gar | yarı | erormn | yeraesa | 


5. 


| 3 | wm | yab | nsa | onpü | re | 0359 | 1993 ..... 
DrnwaTon | naar | Wwya | one | nndo | ran | orr95 | bez. 


Erite Zeile. 


Wie die bedeutungsvolle größere Form der Zeichen diefer Zeile 
und der weitere Zwifchenraum zwijchen ihr und der folgenden zu ver: 
rathen fcheint, jo bildete fie wahrfcheinlich eine Auffchrift, welche in 
furzen Worten auf den Zwed des Denkmals hindeutete. In ihrem 
heutigen Zuftand zeigt fie (ungefähr in der Mitte) eine durch Ber: 
letzung des Steines entitandene Lücke von etwa 14 Zeichen, in welcher 
Lücke jedoch wieder vier vereinzelte Zeichen erfennbar find, nämlid 
2 nad) den erften drei fehlenden Zeichen, dann einmal alfeinftehend 
ein id und am Schluß wieder ein w. Bor diefer Lücke find 17 Zeichen 
(die Trennungsſtriche nicht gerechnet) deutlich und nur eim einziges 
(das 5.) unkenntlich. Nach der Lücke folgt eine ununterbrochene Reihe 
von 28 Buchſtaben, von denen nur zmei etwas verftiimmelt find, 
fich aber doch erkennen lafjen. Die Infchrift beginnt mit dem Worte 
oder den Wörtern: 

Dd.nned. Nah Ofiander *) bilden die vier erften Zeichen ein 
(wie die heutigen Araber fagen würden) einfilbiges Wort, das ara- 
biſche Xẽ (m. net. von „Kä) oder „LS (Subft.), beibes „Ge— 
ichent, Gabe’ bedeutend. Das zweite » würde dann der Mimation 


*)2.DM.G,®.X, S. 58. 


Himparifche Infchrift von "Ohne. 335 


angehören, welde, wie Oſiander anderwärts *) bewiefen Hat, im 
Himyariſchen die Stelle des arabifhen Tanwyn vertritt. In einer 
Note zu der oben citirten Stelle (a. a. O., Bd. X, ©. 53) bemerft 
Dfiander: „die Infchrift von Wrede beginnt mit |w. ans (nad) 
dem Folgenden wohl wransö zu leſen). Sollte diefe Form nicht 
in dem arabifchen AN „Lö Erklärung finden?‘ 

Diefe Bemerkung Ofiander’s fteht mit dem von ihm ſelbſt (frei- 
lich fpäter) aufgeftellten Grundfage im Widerſpruch, wonad die Mi- 
mation im Himparifchen nur beim status absolutus ftehen fann, 
ganz wie im Arabifchen das Tanwyn.**) Das folgende Wort Tann 
alfo ſich nicht im Genitivverhäftnig umter „XS unterordnen, wie dies 
bei Nſ der Fall fein würde. Ehe wir aber nad einem andern 
Verhältniß für die beiden Wörter zueinauder forfchen, unterfuchen wir 
zuerit, was wir denn aus dem zweiten machen können, von dem wir 
nur einen einzigen Buchftaben, das w am Schluffe, kennen. Halten 
wir die Ergänzung Oſiander's zu ion feft, fo ergiebt fi) uns in der 
Bedeutung diefes Wortes im Aethiopifchen ein brauchbarer Anhalts⸗ 
punkt. Von der Wurzel ZAPs haben wir dort das Adjectiv CiS 
mit der Bedeutung „instructus, compositus, constitutus”. Hier 
ergiebt ſich freilich die Schwierigkeit, daß das S am Schluffe fich in 
unferm himparifchen Texte nicht findet. Diefe Schwierigkeit tft im 
arabifchen we) (von ywy), welches „firmus et immotus consistens“ 
heißt, nicht vorhanden. Das Alif polungationis pflegt im Him- 
parifchen nicht gefchrieben zu werden, denn das himharifche x ver- 
teitt meift nur die Stelle des arabifchen Hamza. Somit fünnten wir 


das arabifche uf) als Adjertiv hier gelten laffen, aber die Bedeutung 
dürfte fich doch dem obigen äthiopifchen CAP» nähern. 
Die Bedentung der beiden Worte wäre alfo weh) LE, d.h. 


)3.D.M. G., Bd. XX, G. 255 
**) Oſiander, a. a. O., Bd. XX, ©. 227. 


336 Zweiter Anhang. 


donum constitutum,. Das VBerhältniß der beiden Wörter zueinander 
wäre das eines Subftantivs zu dem auf daſſelbe bezüglichen Adjectiv. 
Hier ftört uns die Mimation des erftern Wortes gar nit, da letzteres 
auch im Arabifchen in gleichem Falle das Tanwyn haben müßte. Im 
Arabifchen müßte freilich (wenn fein Genitiv nadjfolgte) auch das 
zweite Wort entweder das Tanwyn oder den Artikel haben; da aber 
fegterer im Himyariſchen überhaupt fehlt, fo Könnten wir aud ohne 
Tanwyn das Adjectiv als in gleichem Status wie das Subftantiv 
jtchend auffaffen. Der Artikel könnte eben als im Adjectiv inbegriffen 
angejchen werden. 


Wir können jedod) aud) u) als im status constructus ftehend - 
auffaffen und uns das folgende „> davon im Genitivperhältnig ab- 
hängig denken, ohne gegen die avabifche Syntar zu 'verftoßen, wie 
folgendes Beifpiel beweift *): 

SE 25 56 
„Ein Opfer kommend zur Ka'ba“. 

Hier Steht genau wie in obigem alle das erfte Wort im status 
absolutus (mit Tanwyn, entfprechend der Mimation), das zweite im 
status constructus (ohne Tanwyn und ohne Artikel) und der folgende 
Genitiv bezieht fid) auf das Beiwort, nit auf das Hauptwort direct, 
ganz fo wie: wir das Verhältniß des dritten Wortes unferer Infchrift 
zu den zwei vorhergehenden auffafjen möchten. 

In... In diefem Wörtchen vermuthet Ofiander (in feinem Ma— 
nufeript) einen Eigennamen und zwar den des von Wrede genannten 
Hann ben Tobba‘. Ic habe mich jedod) nach genauer Befichtigung 
des Wrede’fchen Manuferipts überzeugt, daR diefer Name gar nicht 
Hann heißt, fondern der gewöhnfiche arabijche Eigenname Haun **) 


*) Silvestre de Sacy, Grammaire arabe, II, p. 111, 8. 198. 
**) Wrede bat fi in feinem Manufeript niemals arabifher Buchftaben be- 
dient. Er unterfcheidet zwar gewöhnlich bon 8, indem er das erfte 9, das 


andere H fchreibt; aber zuweilen vernachläffigt er dies. So ſchreibt er einmal 
Yaun, ein andermal Yaun, 


Himyariſche Inſchrift von Obne. 337 


iſt. Letzterer wird aber (gg! gefchrieben, hat folglich mit rs nur 
den legten Buchftaben gemein, und außerdem nod) den Diphtong mehr, 
als diefer. Diphtonge wurden aber im Himyariſchen ſtets ausgebrüdt. 
Diel eher möchte ich jm für ein nom. act. von > (barmherzig 
fein) Halten. Im Arabiſchen lautet freilich diefes nom. act. „U> 
(Barmherzigkeit), aber es find bis jet im Himyariſchen keine Beifpiele 
von nom. act. der Form Jle5 vorhanden, vielmehr fcheinen die 
meiften von der Form da: zu fein. Dieſe Form würde im Arabiſchen 
> lauten (das v> des Qaͤmus paßt gar nicht hierher) und daffelbe 
bedeuten wie „us, d. h. Barmberzigfeit, Mildthätigkeit, Wohl- 
thätigfeit. 

Ordnen wir nun diefes jo gewonnene nom. act. dem vorher⸗ 
gehenden adject. verbale unter, fo erhalten wir mit zugezogenem 
Subject: 

⸗ - 6509 
welches wörtlich überfegt lauten würde: 

Donum constitutum misericordiae. 

Wir dürfen jedoch nicht wörtlich ‚‚misericordiae‘’ überjegen. 
Nur derjenige Genitiv, welchem die Araber die Kraft der Bräpo- 
fition yo beilegen (den fie ge Ad; Lo nennen), bat unfere ge- 
wöhnliche Genitivbedeutung (und auch diefer nicht immer). Einen 
ſolchen Genitiv wilrden wir hier vermuthen, wenn er von „K& ab» 
bängig wäre, was aber nicht ift. Hier haben wir e8 dagegen offen- 
bar mit einem Genitiv zu thun, welcher die Kraft der Präpofition 
Jin ſich ſchließt AL A Lo). Dem arabiſchen Spracdgeift 
fchwebt Hierbei die Bedeutung „zju“ vor, alfo „zur Mildthätigkeit“; 
im Dentfchen müffen wir aber die Präpofition ‚‚aus’ und im Latei⸗ 
nifchen „in’ zu Hülfe nehmen. Alfo: 

„Donum constitutum in pietate‘ 

A. v. Wrede's Reife in Habframant. 22 





338 Zweiter Anhang. 


oder im Deutfchen: „Ein Geſchenk geftiftet aus Wohlthätigfeit‘‘, mit 
andern Worten: „Eine wohlthätige Stiftung”. 

|pm|y2... Das zweite Zeichen in yı77 ift Hier offenbar nicht 
das gewöhnliche 7, da es einen Mettelftrich mehr bat, als das 7 in 
üblicher Form, und wir dürfen e8 wohl für das verwandte 7 6) ans 
jehen, befonder8 da diefes auf unferer Infchrift nicht unter feiner 
üblichen Form % erfcheint. BD wäre der Plural des arabifchen 2) 
(locus elatior, ubi planities aut depressius solum est, ut reti- 
neatur aqua). 195) (> würde alfo heißen „der Sohn ber Hoch— 
thäler”. Dieſes 2) „> it wahrfcheinlich von dem vorhergehenden 
5 h „Kb abhängig und zwar wieder als Genitiv von der Kraft 
der Präpofition J. Wir dürfen es alfo wohl in der Bedeutung „für 
den Sohn der Hochthäler“, d. h. für die Bewohner der Hochthäfer 
feithalten. Für fie war die Mauer von Obne wirklich eine wohl- 
thätige Stiftung, da fie ihnen Schu gewährte. 

...amp|.. Offenbar haben wir e8 hier mit der VIIL arab. 
Conjugation zu thun, was ſchon Prof. v. Ewald, der diefe Inſchrift 
fannte *), bemerkt hat. ‘Der Stamm ift np, arabiih „AS, von dem 
freilich in dem Arabiſchen Lericon die VII. Conj. nicht vorkommt, 
ebenfo wenig im Aethiopifchen die diefer Conjugation entfprechende 
Form FPRamı, fondern von den Reflerivpaffiven mur die der 
V.und VI. arab. Eonj. entfprechenden Form FPRan ı und PPRanı 
Die VIII. Conj. hat befanntlich entweder Paſſiv⸗- oder NRefleriv- 
bedeutung, vorzugsweife die erſtere. Die verichiedenen Bedeutungen 
bon PAS find jedoch) alle ſolche, daß fich nicht leicht ein Paffiv, das 
es nicht blos der Form, fondern auch dem Sinne nad ift, davon 
denfen läßt. Selbft die V. Conj. &W hat in ihrer Bedeutung 
praefectus fuit, praecessit u. ſ. w. wieder einen activen Sinn er⸗ 
langt. Es bleibt alfo Nichts übrig, als hier an eine Reflerivbedentung 


*) Hoefer's Zeitfhrift für bie Wilfenfchaft der Sprache, S. 300. 


Himyariſche Juſchrift von Obne. 339 


zu denken und zwar an das Reflexivum der II. Conj., welches allein 
einen brauchbaren Sinn abgeben würde. An Beiſpielen, daß die 


VII. Conj. das Refleriv der II. bildet, fehlt es nicht, z. B. Ey 
effudit (aquam) und Eyil, effudit (aquam) sibi ipsi; „Ed, 
advocavit; seo, arrogavit sibi, appellavit se. 


Da nun eine der Bedeutungen der II. Conj. von ed, „Pro- 
posuit“ ift, fo würde das Reflexivum „proposuit sibi” für bie 
VII einen paffenden Sinn abgeben. Vielleicht dürfen wir bier 
jedoch ganz einfach die Bedeutung der äthiopifchen Form FpRan ı 
(der Steigerungsjtamm der III. Conj.) fefthalten, um fo mehr als 
Dillmann (Lexicon aeth., p. 461) diefe Form aud) im Sinne des 
einfadhen Stammes der III. Eonj., alfo fir FPRam ı, der VIII. 
arab. Conj. entfprechend, anführt. Diefe Bedeutung wäre prae- 
venire, praevertere, was wir in Verbindung mit der Gründung 
der Mauer etwa mit „den Grunditein legen‘ überfeßen dürften. 
Wahrſcheinlich ftand das Verbum hier im Plural, da die folgenden 
Eigennamen wohl das Subject dazu bildeten. Wir müßten alfo aınp 
zu wonp vervollftändigen. An dieſe 3. Perfon Plural. Präter. 
müffen wir dann noch das Pronominaljuffiz, entweder 17 (Ofiander, 
a.a.D., XX, 242) oder jene eigenthümliche dialectifche Nebenform 
» (a. a. O., XIX, 248), von der wir auch in unferer Inschrift 
Beifpiele fehen werden, ergänzen, da dem arabifchen Sprachgebraudhe 


gemäß das Object (welches hier > Um) A ift), wenn e8 vor 
den Verbum fteht, nach demfelben in Accujativform repetirt werden 
muß. Es ift fein Grund vorhanden, anzunehmen, baß die VIII. Conj. 
bier einen andern Cafus als den Accufativ regieren müßte. Im Gegen- 
theil macht es der Umftand, daß die uns befannte V. Conj. defjelben 
Verbums auch den Accufativ regiert, wahrfcheinlih, daR dies auch bei 
ber VIII. der Fall fein konnte. 

Mit den oben gewonnenen Wörtern „eine Stiftung der Wohl- 
thätigkeit“ und „für den Sohn der Hodthäler würde ſich alfo das 

22* 





340 Zweiter Anhang. 


Verbum „er nahm fi) vor’ im Plural zu einem logiſch richtigen 
Sate zufammenftellen laffen, deffen Sinn wäre: ‚Eine Stiftung 
aus Wohlthätigkeit für die Bewohner der Hochthäler nahmen ſich 
vor u. f. w.“ 

Auf diefen Eingang folgt nun die Xüde von 13—14 Zeichen, 
die nur von wenigen, vereinzelten, Tesbaren unterbrochen wird. Nach 
der Stelle, an welder wir das Pronominalfuffir von amp ver- 
muthen, kommen entweder unmittelbar oder nur durch ein Zeichen 
getrennt, die Buchſtaben oA, dann wieder eine Lücke von 1—2 Zeichen 
und dann ein Trennungsftrich. 

Nach dem erften Trennungsſtriche, der in der Lücke deutlich zu 
unterfcheiden, folgt eine weitere Küde von etwa 4 Zeichen, dann, wie 
es fcheint, ein ® und wieder eine Yüde von 1 Zeichen, darauf ein 
deutlicher Trennungsſtrich. Wielleicht können wir im letzten Theile des 


Mangelhaften den Cigennamen 917 (039), der auf unferer In- 
Schrift nod) öfter vorkommt, ergänzen. 

Daß das nächſtfolgende Wort ein Eigenname und zwar ein auf 
5 endender ift, läßt fich mit Leichtigkeit erjehen. Da wir aber in 
diefer Infchrift Keinen andern auf ð endenden Eigennamen haben, jo 
wagen wir e8 nicht, ihn zu ergänzen. 

Die Reihe der Eigennamen, welche da8 Subject zu dem obigen 
amp bilden, wird nun fortgefeßt in dem vollfommenen Deutlichen: 
nnnzn | 2920 | snras | 32... 

Sohn des Abyathi, des Geehrten (d. h. des Fürften) von Ha- 
dhramant. Da die Ueberfegung von nannsn | an>n als „der Ge⸗ 
ehrte von Hadhramaut“ ſchon von Oſiander feſtgeſtellt wurde, ſo 
kann id) mich bier wohl begnügen, auf ihn zu verweiſen.*) Un⸗ 
befannt war bis jett der Eigenname smsar, obgleich es nicht an andern 
himyariſchen Eigermamen fehlte, in denen die Form 25 auftritt, 
3.3. sn oder mit der Mimation oyn (bei Ofiander, a. a. O., 
Bd. XIX, ©. 202) und "aan? in Fresnel’s Infchriften, XUI— XIV, 


*) Ofiander in 3. D. M. G., 3b. X, S. 57, und XIX, ©. 240. 


Himyariſche Infchrift von Obne. 341 


€ 
XXIX, XLVI und LVIL ax ift offenbar das arabiſche I 
(Bater) und da nv als himyariſcher Name feftfteht, fo hatten wir 
& ! (dev Vater des Yathi‘ oder Ythi). Im Arabifchen kennen 


wir ald Eigennamen a (Qaͤmus 1113), a (Wüftenfeld, Re⸗ 


gifter, ©. 259) und al (Dämus 1113). Die beiden erftern mit 
dem Iohäfa an N angehängt, würden — N ergeben. Nun iſt 
aber die Verbindung durch das Idhaͤfa im Himyariſchen nicht die 
Regel, fondern die Ausnahme. Gewöhnlich ift die Verbindung der 
beiden Beftandtheile eines Eigennamens eine viel engere, als die durch 
das Idhaäfa bewirkte. Dfiander fagt darüber (a. a. D., Bd. X, 
©. 52): „Bei der großen Mehrzahl der Eigennamen jcheint bie 
nordfemitifche Weife der Zufammenfegumg vorzuherrfchen, wonad) bie 
beiden Beſtandtheile auch in der Bildung zufammenfließen, was fid) 
im Himyariſchen ſchon auf den erſten Blick auch durch das Fehlen 
des Trennungsſtriches zu erfennen giebt.“ Deshalb braucht es ung 
nicht zu ftören, wenn bei der engern Zufammenfegung im Himyari⸗ 
Schen ein Halbvocal verkürzt worden und aus ui2 IT das Fürzere 
ee! geworden ift. Xeßteres wäre fogar ganz nad den Regeln, 


wenn wir den obengenannten arabifchen Namen ei, Yathy (Dä- 


mus 1113) bier annehmen, da in ihm fein Diphtong, fondern nur 
ein langer Bocal ift und lange Vocale im Himyariſchen in der Regel 
nicht geſchrieben wurden. Unſer Name würde alſo wohl Abyathi) 
zu vocaliſiren ſein. 
ion dro 
Solche Nebeneinanderſtellungen von Wörtern einer und derſelben 
Wurzel in verſchiedenen Formen, wie wir fie hier in wann | DIn® 


*) Im Arabiſchen giebt es Tein langes i ohne ya, deshalb kann das bier 
befolgte orthographifche Syſtem, welches im Arabifhen ya durch y (nie durd) i) 
wiedergiebt, das i entbehren. Nicht fo für das Himyariſche, wo wir ſowohl 
kurzes i, als langes i ohne Ya haben und das ya nur entweder confonautifch 
oder als Theil eines Diphtongs auftritt. 





342 Zweiter Auhang. 


haben, fcheinen im Himyariſchen beſonders beliebt geweſen zu ſein, 
fo finden wir B. M. 8 (Taf. 7) z. B. op | pıprns; 13, 8. 
yarınamnaı | Yammna; 16, 7. eban | abo, und von lebterer 
Wurzel noch fünfmal *), 29, 6. nbaı | br u. f. w. 

Zumeilen finden wir auch genau diefelbe Form wiederholt, 3. 3. 
Dr. M. 13, 4. nAm | nnun; 14, 9. 097 | DIT. Das gegenfeitige 
Berhältniß der beiden ähnlich Tautenden Wörter ift faft in jeder der 
obigen Nebencinanderftellungen ein anderes. 

Die Form an, mit dem gewöhnlichen Pronominalfuffir 7 oder 
a ftatt des bier deutlich lesbaren, feltenen ©, kommt auf den 
Inſchriften des Britifhen Mufeums mehrmals vor, 3. B. 8, 7, 
warn; 8, 11. 12, 10. ann; 35, 5. varrann. Sie wird, ge- 


80. 
wig mit Recht, von Dfiander für den status constr. von —8 
äußerer Plural von | 34, gehalten. Diefer Plural un status constr. 


wäre sh d. 5. „die Männer”, mit angehängtem Pluralſuffix, „ihre 
Männer‘, d. 5. „ihre Stammesgenoffen”. Die Form "max finden wir 
in denfelben Infchriften 5, 3, aan; fie entfpridht nad) Dfiander 
dem arabifchen za, „Stammeshäuptling“. 

Das BD am Schluß beider Wörter ift ohne Zweifel das Pro- 
nominalfuffir der 3. Perfon Sing., io, vielleicht der 3. Perſon Blur. 
und ftcht ftatt des gewöhnlichen 7 und 0. Dieſe merfwitrdige 
dialectiiche Nebenform, von Dfiander Anfangs verlannt, wie er denn 
in unjerer Stelle nod) den Stamm wa vermuthete, aber jpäter von 
ihm deutlich ins Licht geftellt **), findet ſich bezeichnenderweife außer 
in der Wrede’fchen Infchrift amı häufigften in der 29. des Yritifchen 
Mufeums, derjenigen gerade, welche wir faft mit Beftimmtheit als 
aus Hadhramaut ftammend anfehen Können, fo daß wir hier wohl an 
einen Provinzialismus jener Landſchaft denken dürfen. In berfelben 
Inschrift Fommt auch das Tängere Suffie no einmal vor (Zeile 7). 


*) Oſiander ftellt fie zufammen 3. D. M. G., XIX, 211. 
**) 3. D. M. ©, XIX, 248; XX, 243. 


Himyariſche Inſchrift von Obne. 343 


Die beiden 1 am Schluſſe Hält freilich Oſiander für Abbreviaturen 
von folennen Formeln, welche jo allgemein befannt waren, baf fie 
nicht auögefchrieben zu werden braudten. Aber da io für m fteht, 
fo dürfte die Annahme, daß mio eine Nebenform von war fei, nicht 
unfinnig erfcheinen. Abbreviatiren irgend wo zu vermuthen, wo Yein 
ganz beftimmtes Anzeichen vorliegt, muß immer vermieden werden. 

Ich Habe freilich noch eine andere Vermuthung über diefes 7, 
nämlich die, daß es für das enklitifche Wa fteht, welches ſich im Aethio- 
pifchen in der Bedeutung des lateinifchen „„que” am Schluffe der Nomina 
findet. Auffallend ift jedenfalls der Umftand, daß in beiden Fällen, 
in denen diefes 11 vorfommt, nämlid Br. M., 29, 7 und hier, am 
Anfange des Wortes dem Sinne gemäß eigentlid ein „und“ ftehen 
müßte. Doch find der Fälle noch zu wenige, um hierüber zu be- 
ftimmten Schlüffen zu berechtigen. 

ron | Omar würde alfo nach dem Obengefagten heißen: „ihr 
Häuptling, ihre Männer” ober „ihr Häuptling, ihre Stammes: 
genoſſen“. Das erſte Pronominalſuffix könnte auf das vorhergenannte 
Land Hadhramaut, das zweite auf die Geſammtheit, Fürſt, Land 
und alle vorhergenannten Perſonen bezogen werden. 

Nun bleibt noch das ſchwer erklärbare nn übrig. Ich muß ge— 
ftehen, daß ich faft verfucht gewefen wäre, es durd) das hebräifche 
nn (Männer) zu erflären, fo gut paßte diefe Bedeutung hierher, 
wenn c8 mir nicht alfzu gewagt erfchicnen wäre, das nordfemitifche 
Sprachgebiet hier zur Hülfe zu rufen. 


Zweite Zeile. 
Bon | bsa | ya | yby |... . don 
Da nah Arm wenigftens 3 Zeichen fehlen und bier offenbar ein 
nom. propr. gefucht werden muß, fo können wir wohl nad) Analogie 
des weiter unten (Zeile 3) vorkommenden Eigennamen Im das 
Fehlende durch Sry ergänzen. Der fo gewonnene Eigermame ift offen- 
bar einer jener mit da (Gott) zufanunengefegten, wie alle jemitijchen 
Sprachen fie aufweifen. Aber’ die Form sn ift jedenfalls dunkel. 


344 Zweiter Anhang. 


Im Dämus kommt fein 8 bor. Möglicherweife haben wir et 
hier mit einer Hiphilform von gL5 zu thun, eine Wurzel, von be 


auch die arabiihen Namen a und a (vergl. oben sam) ab: 
geleitet find. Das Fehlen des zweiten ya Tieße fi in unferm Namen 
erflären, fchwieriger das Vorkommen des erften, da ein von Hiphil 
von glS abgeleiteter Eigenname SR heißen müßte. 


by, arabiſch —E (famelicus oder der Strauß oder alacer) 
kommt auch in der 21. Inſchrift des Britiſchen Muſeums als Eigen⸗ 
name vor. Hier iſt es a, wie auch bei Wüſtenfeld (Regiſter, 
S. 57). 

basa | 32. „Sohn des Ben⸗el“, letzteres offenbar ähnlich gebildet, 
wie die andern mit da zufammengefeßten Namen, alfo „Gottes⸗ 
ſohn“ bedeutend. 


Dior, arabiſch yrsO, der vielbefannte Eigenname „Daus“. 

Auf diefe deutliche Stelle folgt cine Lückenreihe, in der wir An- 
fangs nur ein undeutliches n und ein deutliches io unterfcheiden. Dann 
fehlen 5—6 Zeichen und es folgt po; hierauf eine Lücke von 1—2 
Zeichen und dann 3 deutliche 737, darauf 3 verjtünmelte Bnchftaben, 
die vielleicht wor darftellten. Ohne mid) auf Ergänzungen hier ein 
lafjen zu wollen, Halte ich es doch für gewiß, daß wir hier das 
Berbum zu dem folgenden fuchen müffen, weldhes etwa in der Be: 
deutung ‚‚errichten‘‘ oder ‚erbauen‘ zu fuchen wäre. 

nbp | yınapy... Erfteres wahrfcheinlich vom äthiopifchen HPA: 
custodivit abzuleiten und zwar analog IPNT :, „die Wache, die 
Schutzwehr“ (custodia terrae, Dillmann, Lexicon aeth., ©. 980); 
das folgende nbp ift gewiß der Plural des äthiopifchen Saı (Thal), 
subst. m. et f. plur. BAT: eine Pluralform, die im Aethiopifhen 
als die gewöhnliche vorkommt. In dem Suffle 37 müffen wir nad 
Dftander (a. a.D., XX, 238) ein entlitiſches Pronom. demonstr. 
erblicken, welches in der Form dem hebrätfchen yr, Ta, in ber de 
deutung dem äthiopifchen enklitiichen Ms entiprah. Wir würden es 


Himparifche Infchrift von Obne. 345 


alſo ganz einfach durch „dieſe“ zu überfegen haben. Demnach „dieſe 
Schutwehr der Thäler“. 

an | aP91.... Das erite Wort 3P9 hat wahrfcheinlich eine 
ähnliche Bedeutung wie das obige napy, was um fo einladender, da 
ja auch im Aethiopifchen die Form FM neben IPNT: in gan; 
derfelben Bedeutung vorkommt, d. h. als custodia (Dillmann, a.a. D.). 
Im zweiten Worte narı müffen wir, wie jchon Oſiander (in feinem 
Manufcript) fagt, ohne Zweifel den Namen „A>, Hadſchar, welchen 
Diefe Provinz, deren, Feftung Obne war, noch heut zu Tage führt, 
erfennen, nicht aber das äthiopiſche VICE, welches in himyarifchen 
Infchriften zwar vorfommt (3.3. Br. M., 20, 1; 34, 3. 4 und 
Fresnel, LIV, 3), aber ſtets mit =, niemals mit rı gefchrieben wird. 
Alfo würde an | aprı „und den Schug von Hadſchar“ zu über- 
fegen fein. 

Bei diefer doppelten Bezeichnung, „dieſe Schugwehr der Thäler 
und den Schub von Hadſchar“, können wir natürlich an nichts Anderes 
denken, als an die rieſige Mauer, welche dem Thale von Obne und 
der ganzen Provinz el Hadſchar zum Schutz gegen vom Norden ein⸗ 
dringende Feinde dienen mochte. 

| Yyrara | ya | yrnm.>s]... 

Dfiander hat in feinem handfchriftlichen Nachlaß das zweite Zeichen 
zu einem 5 vervollitändigt, ein Vorgehen, das gewiß gebilligt werden 
wird. Dadurch erhalten wir als das erfte Wort Zmnbs. br ift 
offenbar diefelbe Wurzel, aus der das obige „„LgÄe und das weiter 
folgende —6 gebildet find. Im Qaͤmus (©. 1829) finde ich eine 


Notiz, dag Ae gleichbedeutend ift mit Fr 2, d. h. „er zog ſich 
aus Furcht zurück“. Ein von dieſem «Le nach Analogie des obigen Mie 
gebildetes Nomen würde und im st. constr. plur. „ig4e 
lauten und etwa die Bedeutung „das Zurüdziehn aus Furcht“ oder 
bildlich etwa „Zufluchtsſtätte“, ‚„„Sicherheitsjtätte” haben. Das yı 
am Schluffe ift wieder das obige enffitifhe Pronom. demonstr.; 
alfo „dieſe Zufluchtsftätten‘‘. 


346 Zweiter Anhang. 


"na ift gewiß bas äthiopifche Ndul.: (Land), alfo yrmırıa | 73, 
„der Sohn diejes Landes’. Wahrſcheinlich im Genitivverhältnig und 
zwar eines Genitivs, ber die Kraft ber Präpofition J hat, dem 
Borhergehenden unterzuorbnien. Alfo „dieſe Zufluchtsftätten für den 
Sohn diefes Landes”. 

by | onıPp.... Bei dup (daS zweite m gehört den Mimation an) 
ift entweder an das arabifhe „5 (strenuus, audax) oder etwa 
an das äthiopif—he PR-I® ı *), substant. de loco, „das Vordere”, 
id quod ante est, pars antica (frons) zu denfen. “Die particula 
de loco P£-wms würde zwar hier faft denfelben Sinn geben, aber 
die Mimation Tünnte vielleicht Schwierigkeiten machen, wenn anders 


wir nicht das Wort adverbialifch als Kos auffaffen dürfen. by 
wird ähnliche Bedeutung wie \nıby haben und fi) zu diefem ver- 
halten, wie das obige 3py zu dem vorhergehenden naps. Halten wir 
jedoch die erftere Bedeutung von op feſt, fo ergiebt fi der Sinn, 
„die Fühne (mächtige, ftarke) Zufluchtsſtätte“. 


Dritte Zeile. 


Die 3. Zeile beginnt mit einer Yüde von 3—4 Zeichen, auf die 
die Buchſtaben na und dann ein Zrennungsftrich folgen. Der Keft 
der Zeile ift intact. Er beginnt mit: 

| np | aa | min | na | Was das erfte Wort betrifft, Jo 
ift von den verfchiedenen Notizen des Qümus (S. 1713) diejenige 


bier am braudjbariten, welche “e al8 mit „vocem emisit‘ über: 
fett. Ein hiervon gebildetes Nomen würde vielleiht die Bedeutung 
„Ausrufsftätte”‘ haben, wobei wir an die Warnung vor Gefahren 
durch den Auf der Feftungsmächter denken Könnten. 

ar... Die gewöhnliche Bedeutung von >, „ſtark und 
dit von Körper fein‘, findet hier Feine Anwendung. Dagegen treffen 
wir im Dämus andere Notizen, von denen vielleicht eine brauchbar 


*) Dillmann, Lexicon linguae Aethiop., p. 461. 


Himyariſche Juſchrift von Obne. 347 


fein dürfte. So heißt es: wo 6 2) el & , ‚was von 
Der Erde aufragt‘‘, alfo vielleicht „ein Hügel‘. Hier müſſen wir wohl 
bildlich ‚eine hohe Warte”, einen allwärts in der Umgegend fichtbaren 
Signalpunft, annehmen. Das = am Schluffe dürfte, wie Oſiander 
bemerkt, für das Pronominalfufficr 17 ftehen, wie ja für wa an 
mehrern Stellen (Br. M., 34, 6. u. |. w.) die der obigen verwandte 
Form a fteht. Dfiander ift der Anficht, daß diefe Form nur beim 
stat. constr. pluralis in Anwendung fommen fünne. Doc brauchen 
wir deshalb nicht anzunehmen, daß, um das 7 anı Plate zu finden, 
an unferer Stelle ftatt mw, mnioa ftehen müßte, denn das ı des 
stat. constr. plur. ijt zwar die Regel, fehlt aber in fehr vielen Bei- 
fpielen, an welche ſich auch unfer maiwa reiht. Auf wen fich freilich 
dieſes Suffir bezieht, ift nicht zu erfchen, da es im Sing. fteht und 
das Subject (die vorher in der 2. Zeile genannten Eigennamen) cine 
Mehrheit bilden. Vielleiht auf ar oder auf Zn. 


n5p | x „die Gärten der Thäler“. Wie wir oben gefehen 
haben, bildet ſich der stat. constr. von 7” jo, daß er das 
am Schluffe abftößt und , in | verwandelt; eine Bildung, die cbenfo 
wohl an ben status constr. al® an den status emphaticus des 
Plurals der Masculina im Syrifdhen erinnert, wo auch das n am 
Schluſſe wegfällt und aus LT zuerft SIE und dann Tas wird. Das 


arabifche Ki> ſowohl, wie das äthiopifche 177 (beides „Garten“ 
bedeutend) iſt freilich feminin und wenn wir den innern arab. Plural 
„u> hier annehmen wollten, fo dürfte das n am Schluffe im st. 
constr. nicht wegfallen, da e8 mater lectionis ift. Deshalb bleibt 
nur übrig, ein mascul. vorauszufegen, ähnlich dem Hebräifchen ya, 
deffen st. absol. 753 und st. constr. 82% wäre, das Nun wahrfchein- 
lich mit Teſchyyd. nbp als „Thäler“ haben wir fehon oben gehabt. 

Taffen wir alſo den Sinn der genannten vier Wörter zufammen, 


jo erhalten wir: „eine Ausrufsftätte und eine hohe Warte für die 
Gärten in den Thälern“. 





346 Zweiter Anhang. 


na tft gewiß das äthiopifhe Nd.C: (Land), alfo na | ya, 
„der Sohn diefes Landes“. Wahrfcheinlich im Genitivverhältnig und 
zwar eines Genitivs, ber die Kraft ber Präpofition J bat, dem 
Borhergehenden unterzuordnen. Alfo ‚‚diefe Zufluchtsftätten für den 
Sohn diefes Landes‘. 

59 | onıP.... BeinTp (das zweite n gehört ben Mimation an) 
ift entweder an das arabifhe „SF (strenuus, audax) oder etwa 
an das äthiopifche PAY": *), substant. de loco, „das Borbere”, 
id quod ante est, pars antica (frons) zu denken. “Die particula 
de loco PR-weı würde zwar hier faft denfelben Sinn geben, aber 
die Mimation Lönnte vielleicht: Schwierigkeiten machen, wenn anders 


wir nicht das Wort adverbialifch als LAS auffaffen dürfen. may 
wird ähnliche Bedeutung wie nmb> haben und fi zu diefem ver- 
halten, wie das obige Sp» zu dem vorhergehenden napy. Halten wir 
jedod die erftere Bedeutung von op feit, fo ergiebt fi) der Sim, 
„die kühne (mächtige, ftarke) Zufluchtsftätte‘‘. 


Dritte Zeile. 


Die 3. Zeile beginnt mit einer Yüde von 3—4 Zeichen, auf die 
die Buchftaben na und dann ein Zrennungsftrich folgen. Der Ref 
der Zeile ift intact. Er beginnt mit: 

| np | 83 | mio | nam | Was das erſte Wort betrifft, fo 
ift von den verfchiedenen Notizen des Dämus (S. 1713) diejenige 


hier am brauchbarſten, welche ee als mit „vocem emisit‘ über: 
ſetzt. Ein hiervon gebildetes Nomen würde vielleicht die Bedeutung 
„Ausrufsftätte‘‘ haben, wobei wir an die Warmıng vor Gefahren 
durch) den Ruf der Feftungsmächter denken könnten. 

aan... Die gewöhnliche Bedeutung von >, „ftart und 
did von Körper fein‘, findet hier Feine Anwendung. Dagegen treffen 
wir im Dämus andere Notizen, von denen vielleicht eine brauchbar 


*) Dillmann, Lexicon linguae Aethiop., p. 461. 


Himyariſche Iufchrift von Obne. 347 


fein dürfte. So heißt es: wo! JR N Ü , ‚mas von 
der Erde aufragt”, alfo vielleicht „‚ein Hügel‘. Hier müffen wir wohl 
bildlich „eine hohe Warte’, einen allwärts in der Umgegend fihtbaren 
Signalpunft, annehmen. Das 7 am Schluffe dürfte, wie Ofiander 
bemerkt, für das Pronominalfuffig 17 ftehen, wie ja für m an 
mehrern Stellen (Br. M., 34, 6. u. ſ. w.) die der obigen verwandte 
Form m fteht. Dfiander ift der Anficht, daß diefe Korm nur beim 
stat. constr. pluralis in Anwendung kommen könne. Doc brauchen 
wir deshalb nicht anzunehmen, daß, um das = am Plage zu finden, 
an unferer Stelle ftatt mais, nis ftehen müßte, denn das 1 des 
stat. constr. plur. ift zwar die Regel, fehlt aber in fehr vielen Bei— 
fpielen, an welche fich auch unfer "mios reiht. Auf wen fich freilich 
diefes Suffix bezieht, ift nicht zu erfchen, da es im Sing. fteht und 
das Subject (die vorher in der 2. Zeile genannten Eigennanten) eine 
Mehrheit bilden. Vielleicht auf an oder auf Yrınıa. 


nbp | a2 | „die Gärten der Thäler“. Wie wir ‚oben gefchen 
haben, bildet ſich der stat. constr. von 7” jo, daß er das 
am Schluffe abftößt und 5 in | verwandelt; eine Bildung, die chenfo 
wohl an ben status constr. als an den status emphaticus bes 
Plurals der Masculina im Syriſchen erinnert, wo auch dag n am 
Schluffe wegfällt und aus IT zuerft A und dann Tas wird. Das 


arabifche Ki> fowohl, wie das äthiopifche 7372 (beides „Garten“ 
bedeutend) ift freilich feminin und wenn wir den innern arab. Plural 
„u bier annehmen wollten, fo dürfte das n am Schluffe im st. 
constr. nicht wegfallen, ba es mater lectionis ift. Deshalb bleibt 
nur übrig, ein mascul. vorauszufegen, ähnlich dem hebräifchen 75, 
deffen st. absol. 733 und st. constr. &33 wäre, das Nun wahrjchein- 
lich mit Teihdyd. nbp als „Thäler” haben wir fchon oben gehabt. 

Faſſen wir alfo den Sinn der genannten vier Wörter zufammen, 
jo erhalten wir: „eine Ausrufsftätte und eime hohe Warte für die 
Gärten in den Thälern“. 





348 Zweiter Anhang. 


| yınaps | — „Diefe Schugwehr‘ bereits aus Zeile 2 befannt. 

"na | Sn | nn... 

Wieder das fehwererflärbare nn. Da 177m offenbar von ara- 
biſchen „> (fürchten) abzuleiten, aber hier die I. Conj. feinen 
reiten Sinn ergeben würde, indem ein Subject zu „fürchten“ fehlt, 
fo ziehe ich vor die II. Conj., den Steigerungsftamm, der bei diefem 


“ Berbum Caufativbedeutung hat, hier anzunehmen und 1,d> zu leſen, 


was „ſie haben Furcht eingeflößt‘ oder „fie haben zu fürchten befohlen“ 
bedeuten würde. "ara ift offenbar die Präpofition = (in) und der 


Stammes» oder Ländername ee. Alſo „... Furcht haben fie 
(d. 5. die oben in dev 2. Zeile Genannten) eingeflößt in Himyar“. 

Nun kommt wahrſcheinlich ein ganz neuer Sag, der durch ben 
doppelten Zrennungsftrih am Anfange angedeutet if. Er beginnt 
mit einer Wiederholung der obengenannten Eigennamen Haythi'el und 
Daus, von denen erfterer hier Tobba' genannt wird, nämlich: 

bioym | base | sarı „Und der Tobba’ Haythiel und Daus“. 
>an kommt ſchon auf andern himyarifchen Infchriften (3.2. Br. LVI) 
vor. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier der bekannte ſüdarabiſche 
Fürſtentitel „Zobba gemeint ſei. Dieſem bekannten Eigennamen iſt 
nun eine Reihe anderer angehängt, die bis jetzt noch nicht vorkamen, 
wahrſcheinlich von kleinen Stammeshäuptern, Untergebenen der 
obengenannten Haythiſel und Daus, die bei dem Werke der Er— 
richtung der Feſtungsmauer mit Rath oder That mitwirften, wenn 
fie auch unter den Stiftern ſelbſt nicht namentlich angeführt find. 
Zuerft: 

namen | naar | 73 | alas) 
Ammſamyn, Sohn des Obhatay Hadhramant. 
nöny befteht in feinem letztern Theile aus einem bereits be- 


kannten arabifchen Eigennamen, nämlich Samyn, ew (Wüftenfeld, 
Regiſter, ©. 412). Der erfte Theil 29 ijt entweder es, „der 
2 


Oheim“ oder verſchrieben für „I, „Mutter, das befanntlich aud bei 


Himyariſche Inſchrift von Obne. 349 


Männernamen als Zuſanmenſetzungswort vorkommt. Richtiger iſt 
jedenfalls die Ableitung von pe. Der Name ‚sie! ift nicht be- 


Tannt, dürfte wahrſcheinlich von (ſsplendor, magnificentia) 
abzuleiten fein, alſo „der Prächtige“ bedeuten. namen hier als 
NR, gebraucht, ift der fchon oben vorgelommene befannte Stammes⸗ 
oder Landesname. 


Tenn, ua, der Berbündete (ähnlich dem äthiopifchen FaA,h:) 
ift VII. Conj. von Aus, ein Verbum, das fich im Arabifchen nicht, 


wohl aber im Aethiopifchen ale Ahr" erhalten hat. @Ahh: bedeutet 
‚‚binzufügen”. Fadhh: (der VIII. arab. Conj. entſprechend) „ver⸗ 
binden, verbündet fein‘. 


Vierte Zeile. 

n92m2.... Ohne Zweifel der Name „Mayfa'at“ (nad) heutiger 
Ausſprache Mayfa’a), arabifch Rai, weldyen das Thal von Nagb 
el Hadſchar, unweit von Obne führt. Hierauf wäre das obige 
Anke zu beziehen, alfo „und der Bundesgenofje in Mayfa'at“, ein 
Präbdicat, welches vielleicht dem obigen Ammſamyn beigelegt werden 
ſoll, deſſen Vaterland durch) den AS als Hadhramaut bezeichnet wird. 

Nun folgt ein Wort, von dem nur das 1 am Anfange und das 
enflitifche pron. demonstr., 77, am Ende fi erhalten haben und 
darauf deutlich 

35 | op „Es hat fie (d. 5. obige Männer) vereinigt oder 
verbunden ‘Obne“. 73 Gunzit) mit dem Suffig der III. pers. 
pluralis und 339 nad) Oſiander der Name des Fundortes der Infchrift, 
nad) Wrede Obne geſchrieben, aber in ältefter Zeit vielleicht "Obnay. 

yanpsz | aps | sm |... 

= ijt wahrſcheinlich * zu vocaliſiren und als dfchezmirter 

Aorift (Erp. fut. apocopatum) mit Iuffivbedentung von 3.3 (aorist 


ye) anfzufaffen. Diefes heißt unter Anderm aud) impedivit, inhi- 


350 Zweiter Anhang. 


buit oder bildlich „ſchwer zugänglich machen”. pr ift das oben 
Ihon mehrmals vorgekommene Wort, weldes wir als „Schutz“, 
„Schutzwehr“ oder „Schutzwacht“ überjett haben. 

INDIE...» von SL, wahrſcheinlich das arabiſche —E 
welches im gewöhnlichen Sinne „Hospitalitas, convivium‘‘ Heft, 
aber auch bildlih für ‚„„Wohnort” ftehen kann. 7 ift das befannte 
Pron. enc. Mit dem vorhergehenden ÄS 8 bätten wir alfo 
hier vielleicht fo zu überfegen: „und die Schugwacdht verbindere den 
Zugang diefes Wohnortes”. 

yarıı | 9921... und die Söhne, d.h. ‚die Bewohner diefer 
Gärten‘. 23 st. constr. von 193 plur. von 73, Sohn. w>a oben 
Zeile 2 ſchon als „Gärten“ überjekt. 

MIO .... Diefer Wortftamm ift fchon in der Form eines 
nom. abstract. nern (administratio) bei Fresnel (LV md LII) 
vorgeflommen. Die Pluralendbung 7 und der Mangel des die Abstracta 
meift Tennzeichnenden n am Scluffe laffen bier auf eim nom. 
appellativum fchließen, deffen Form die eines adj. verb. der II. Conj. 
Als fein und deffen Bedeutung dem befannten arabifchen als 
(minister) entfprechen dürfte. Wir können alfo bier wohl „die Be: 
amten“ oder vielmehr (wegen des enflitifchen Pron. demonstr.) „und 
deife Beamten” überfegen. 

zan7mı | 37877 | offenbar zwei Xoriftformen eines und defjelben 
Stammes, die erfte in der I., die andere in der VIII. Coni. Was 
aber diefer Stamm fei, ift fehr dunfel. Daß das» am Schluffe nicht , 
zum Stamm gehöre, ift höchft wahrfcheinlich, da die himyariſche Aorift- 
form mit fchließendem Nun von Ewald und Ofiander (3. D. M. G., 
XX, ©. 216) erkannt wurde. Als Radicalen würden uns alfo nur 


2 
n5 übrig bleiben. Aber die arabifchen Wurzeln ‚sIö (propulit ca- 
melos), ‚sid (ad summam mollitiem coxit) wollen ebenfo wenig 


hierher paffen, wie die mit „IS (wovon ein Pflanzenname und ein 
das Sammeln diefer Pflanze bezeichnendes Verbum) gebildeten Wörter. 


Himyarifhe Inſchrift von Obne. 351 


Es bleibt uns daher Nichts übrig, als hier den dem Dial zunächſt 
verwandten Buchſtaben, das Zayn anzunehmen; eine Annahme, zu der 
uns die Eigenthümtlichkeit der Wrede’fchen Infchrift, welche Tein eigenes 
Zeichen für Zayn befigt, indem das gewöhnliche Symbol defjelben von 
Tha (ww) fo zu fagen ufurpirt wurde, gewiß berechtigen dürfte. Im 
Arabiihen haben wir nun eine Wurzel h, von der fich freilich in der 
ausgebildeten Sprade nur ein vierbuchjtabiges, die Wurzel ver- 


doppelndes Berbum 1 erhalten bat. Aber da alle diefe verdoppelten 
Berba (devm Form dem hebräifchen Bilpel umd aramäiſchen Palpel 
entfpricht) gewiß im älteften Arabifch einfady waren, fo hindert ung 
Nichts, bei einer fo alten Sprache, wie dem Himyariſchen, ein ein- 
faches Berbum mit den ſtarken Radicalen ) und ⸗ anzunehmen, deſſen 
volfftänbige triliterale Form entweder >15 (ein concaves, am Schluſſe 
hamzirtes Verbum oder >>) (ein doppelt hamzirtes Verbum) war, 
dem für die Pilpelformen gültigen Grundfatz zu Folge, daß der erſte 
und lebte Radical verdoppelt, der mittlere, ſchwache ausgeftoßen wird. 


Die Bedeutung von Ih, „Schrecken oder Furt einflößen”, paßt 
ebenso gut hier für die I. Conj., wie der Sinn der VIIL (als Re- 
flexiv oder, was hier faft denfelben Sinn ergiebt, als Paffiv), „‚fich 
fürchten” oder „von Furcht ergriffen werden”, ganz bem Zwecke unferer 
Erklarung entfpricht. Freilich müßten die beiden Verbalformen ol 
und „Lys, wenn fie ſich auf das vorhergehende 5040 beziehen 
follen, im Plural ftehen, aljo ein , oder zwei am Schluffe Haben 
(ſ. 3. D. M. G., XX, 217); aber die Fälle kommen doch auch 
vor, wo leßtere zwei .., in ein einziges (verftärktes) zufammengezogen 
erfcheinen, ja ſelbſt ſolche, wo fie alle beide wegfallen, wie Ofiander 
deren mehrere angiebt (a. a. D., XX, 216). Der Modus diefer 


Berbalformen ol und vu ift gewiß der dichezmirte Aoriſt mit 
Suffiobedeutung, ähnlich wie beim vorhergehenden ya> und die biefem 
Modns im Arabischen eigenthämliche Verkürzung der Endungsform 
fünnte aud) als Erklärung dienen, warum hier die zwei ..,, melde 
im Himparifchen als Endung der III. Berfon Plur. im Aorift ftehen 


352 Zweiter Anhang. 


müſſen, zu einem einzigen verkürzt erfcheinen, ähnlich wie beim obigen 
al das im Singular fteht, alſo ein ., haben follte, dies eine .., 
fehlt. Das wäre aljo in unfern beiden Berbalformen nur 
da8 Zeichen des Plural, und wir könnten vielleicht den Sat 
aufftellen, daß der dfchezmirte Aorift im Himyariſchen das Nun des 


gewöhnlichen Aorift abwarf. Die Ueberfegung von BEER of 
wäre alſo „ſie follen Furcht einflößen und ſich fürchten‘, d. h. die 
Beamten, sus, was wohl fo viel fagen will, als „fie follen 
durch heilfame Furcht alle Eindringlinge und Beſchädiger von ber 
Feſtung abhalten, und ſich felbjt vor den Oberhäuptern fürchten, 
damit diefe nicht Grund Haben, fie der Nadläffigkeit im Dienfte 
zu zeihen‘. 

| 31993 | y9° | yrebrm | Erfteres Wort, arabiſch le (suc- 
cessor fuit alicujus), äthiopifh "Ad. (transiit de loco in locum), 
wird bier vielleicht im Sinne von „abwechſeln, ablöfen‘ gebraucht und 
zwar als nom. act. der Form MAas. In 391 haben wir das arabifche 


FE (dfehegmirter Aoriſt), das äthiopifhe EW-F1, d. h. „es fei, es 
finde Statt‘ und 205 ift ganz deutlich das arabiſche & —* (Abend, 
Sonnenuntergang), wobei uns der Umſtand, daß » hier durch £ 
wiedergegeben wird, nicht ftören dürfte, denn bekanntlich find die 
wenigen Fälle, in denen man bis jet im Dimbarifchen ein eigenes 
Zeichen für & vermuthete, noch ſehr problematiih. Möglich ift es, 
daß das Himparifche, wie das Aethiopifche, Tein eigenes Zeichen für 
& beſaß, ebenfo wenig wie bis jegt ein eigenes Zeichen für > mit 
einiger Beſtimmtheil conftatirt it. Obiges würde aljo fo zu überjegen 
fein, „und diefe (d. bh. der Beamten) Ablöfung finde Statt um 
Sonnenuntergang”. 

| eva | om |... Im on haben wir, da das n der Mimation 
angehört, als Radicalen nur 7m. Im Arabiſchen findet fich eine 


Wurzel G, deren nom. act. si (bewäffern) heißt (Dämus, 


S. 1752) und ganz unferm „JS entipridt, nur daß bei letztern der 
ſchwache Wurzellaut vor. der Mimation verloren ging. Nebtere 


Himyariſche Inſchrift von "Obne. 353 


Bedeutung dürfte wohl hierher paſſen, aljo „die Bewäſſerung“, 
da vielleiht bei Errichtung der Mauer von Obne außer dem 
Veftungszwed noch ein anderer, auf Irrigation der Felder abzielender 
beabfihtigt: war. In dwe Haben wir diefelbe Form des nom. 
act., jedod ohne daR der ſchwache Schlußradical verkürzt wurde. 


Der Stamm ift 5, nom. act. Sys und der Umftand, daß in 
diefem nom. act. der Schlußradical das Tanwyn Hat, während im 
vorhergehenden 60 das Tanwyn ſchon auf dem Mittelradical ruht 
und der letzte Radical ſtumm iſt, dürfte erklären, warum Sr im 
Himyariſchen vor der Mimation das ya beibehält, während. (sAS 
8 - 

e8 verliert. (ss heißt die „Zuflucht“ und die „nächtliche Einkehr”. 
Wahrfcheinlich enthielt das folgende Wort (am Anfange der 5. Zeile), 
welches auf der Infchrift durch Verlegung umleferli geworben 
ift, eine nähere Bezeichnung über das „Wie oder „Wann“ der 
„Bewäſſerung“ und der „nächtlichen Einkehr“ in Bezug auf die 
Feſtungsmauer von Obne, etwa folgenden Siunes: „die Bewäfferung 
und die nächtliche Einkehr gehe ordnungsmäßig vor ſich“. 


Bünfte Zeile. 

| sa | "nam | Zwei fehr dunkle Wörter. Das erfte erinnert 
an yal, ein unregelmäßiger Plural von yo (Fromme Handlung). Das 
ı am Schluffe wäre in diefem Falle die Endung des st. constr.; doch 
möchte ich eher hier dem äthiopifchen AP: (alternatio, alterna vices) 
den Vorzug geben und etwa eine Elativform oder einen unregelmäßigen 
Plural defjelden ANZ: annehmen, um fo mehr als die Bedeutung 
bes von derfelben Wurzel gebildeten AN&T (tempus functionis 
seu administrationis cujusvis officii) trefflih auf die kurz vorher 
genannten 560450 paßt. Ya, da bie IV. äthiop. Conj. deffelben 
Berbums ANhtNde: die Bedeutung „‚ablöfen‘ hat, jo dürften wir 
wohl auch hier an einen ähnlichen Sinn, wie beim obigen “il>, 

A. v. Wrede's Reife in Habhramaut. 23 


354 Zweiter Anhang. 


denken. Nur fragt es fi, ob wir ein Intenſivadjectiv in der Elativ⸗ 
form („der Abloſende“) oder einen Plural der einfachiten Form des 
Nomens na annehmen follen? Lieber möchte ich jedoch hier an eine 
Abftractbedeutung, etwa im Sinne von „die Ablöfung” denten und 
zwar an einen jener durch äußern Vorſatz gebildeten Namensſtämme, 
wie fie im Arabifchen zwar urfprünglich von Klativadjectiven gebildet 
wurden, im Laufe der Zeiten aber die adjectivifhe Bedeutung ver- 


foren und ſich der von Abftracten genähert haben, 5.8. op 
(ratio, modus) *), — (error), Kal (res optata) u. f. w. 


Man vergleiche hiermit das äthiopifhe AFNdr (Thräne), 
AnACa **) (Reberkrankheit) und andere. Das am Schluffe des 
Wortes wäre alfo hier Radical. 

Was Jollen wir aber aus m13 mahen? Cin Stamm a 
eriftirt weder im Arabifchen, noch im Aethiopifchen. ***) Dfiander 
glaubt, das Wort fünne für wma (filius eorum) oder vielleicht gar 
für ma (filii eorum) ftehen. Da jedoch zu einer ſolchen Voraus⸗ 
fegung bis jetst (meines Wiffens) nur ein einziges Beiſpiel berechtigt }), 
in weldhem noch dazu der Tall nicht ganz derfelbe ift, indem dert 
zwei »ı nebeneinander zu ftehen famen und in ein einziges zufammen- 
gefchrieben wurden, fo fcheint e8 mir gerechtfertigt, für das m Feine 
pronominale Bedeutung anzunehmen. 7 allein ift aber aud fein 
himyariſches Pronominalfuffir. Es ift als angehängte Schlußſilbe 
überhaupt nur im Plural des Perfectum und im Nominativ einiger 
Nominaga mit äußerm Plural, wie 12, im Gebrauche. Dies würde 
aber eine Wurzel D32 vorausjeken. Da nun eine foldhe nicht eriftirt, 
müffen wir das 1 am Schluffe ale zur Wurzel felbjt gehörig und vie: 
leicht N als Präpofition anfehen. Der Stamm 103 mit den nom. act. 


*) Silvestre de Sacy, Grammaire arabe, I, $. 519, ©. 19. 
**) Dillmanı, Aethiopiſche Grammatik, 8. 113, ©. 191. 
et), Das Us im Qaͤmus wird nur als ein Sprachfehler aufgeflihrt und 
deutlich gefagt, daß das Mim zu viel fei. 
+) Oftander in 3. D. M. G., 8b. XIX, ©. 240. 


Himyariſche Inſchrift von "Ohne, 355 


pt: findet fih im Däamus.*) Don den verfchiedenen Bedeutungen 
deſſelben, weldhe der Dämus unter der Rubrif „es bringt, 1) cre- 
vit, 2) saturata fuit rubore etc., 3) retulit dietum ad aliquem, 
will Teine einzige recht hierher paffen. Da jebod der Gedanke nahe 
liegt, dag „es mit „+ verwedfelt werden konnte, jo Tönnen wir 
vielleicht auch die Bedeutungen, welche der Dämus uns unter leßterer 
Rubrik giebt, zu Hülfe nehmen. Gleich die erfte derſelben ift: ignem 
elevavit et saturavit ardorem ejus. Hierin haben wir wohl die Be⸗ 
zeichnung von „Senerfignalen‘, welche ſich auf die Ablöfung der 
Feſtungswächter beziehen laffen dürften. Halten wir diefe Bedeutung 
fejt und nehmen wir al® Verbum das obige 7127 hinzu, das Teines- 
wegs wiederholt zu werden brauchte, jo würde fid) der freilich keines⸗ 
wegs mit Gewißheit feftzuftellende Sinn: „und die Ablöfung gejchehe 
durch Feuerſignale“, ergeben. 
| 9953 | onpe | w | 2aan ||... 

In Ban ein nom. propr. anzımehmen, wie Dfiander will, 

wärbe hier durchaus dem Sinne widerjprechen. ‘Das Einfachfte fcheint 


mir, e8 als den Plural (op ,) vor >) (der Herr) anzufehen, denn 
da® 9, ift hier Lediglich Prolungationsbuchftabe und wurde im Himha⸗ 
rischen in folchen Fällen ebenfo wenig gefchrieben, wie das Alf pro- 
lungationis. Da das Tanwyn der Mimation entfpricht, fo ift das 


arabiſche Co7 buchſtäblich identiſch mit na=n. 

voop | "> | findet ſich bei Fresnel, LV, 2. und onpo | | 
Fresnel, LVI, 4. So gewagt es nun auch fcheinen mag, bei einer 
jo alten Sprade, wie dem Himyariſchen, bereits die Verwechſelung 
von Ayn und Hamza anzunehmen, fo ift doch hier die Achnlichkeit 
zu groß und wir müſſen wohl Dfiander’s Bemerkung, daß unfer 
BP | m | ganz daffelbe fei, wie das obige Fresnel'ſche papö| >|. . 
und daß das >» fi zu dem nächjtverwandten ſchwächern Kehllaut, 
Hamza, in dialectifcher Verderbtheit abgefchwächt Habe, als vollkommen 


*) Qaͤmus von Caleutta, S. 1957. 
23* 


356 Zweiter Anhang. 


begründet anerkennen. *) Die Bedeutung dieſes 77 hat’ Dfiander im 
Sinne einer Präpofition „bis zu (fowohl in örtlicher als zeitlicher 
Richtung gebraucht) feftgefteltt. 

Das nun folgende orpo ift jedenfalls dunkel. Keine der ge- 
wöhnlichen Bedeutungen von zii (colorem rubrum habuit, men- 
titus fuit etc.) will pafjen. Vielleicht, daß hier die Bedeutung des 


abftracten Subftantive „AS (res factu necessaria) einiges Licht geben 


önnte. Bon diefem ließe fih ein Adjectiv „NÄS denfen, das etwa 
bie Bedeutung „nothwendig“ oder auf Perfonen angewendet, „ges 
zwungen‘ haben würde. Diefes „gezwungen“ Tieße fi bildlich als 
„gehorchend“ auffaffen und künnte etwa im Sinne von „der Unter 
gebene stehen. ulki bildet feinen Plural rl, welches, da 
das lange U im Himparifchen nicht gefchrieben wird, und das Tanwyn der 


Mimation gleihlommt, der Form nad) genau unferm DIPS entipridt. 
Wenn wir bedenfen, daß wir aber in pas) wahrſcheinlich einen Plural von 


>) (der Herr), im Bulral or , haben und zwiſchen beiden eine 
Präpoſition, welche „bis zu“ bedeutet, ſo drängt ſich uns von ſelbſt 
der Sinn: „von den Herrn bis zu ben Untergebenen“ auf. Wört- 
lid) müßten wir freilid ‚die Herren bis zu den Untergebenen‘ über- 
ſetzen. Aber daß die Bedeutung die obige ift, dürfte ſehr wahrfchein- 
lich fein. Auch erlaubt die arabiſche Sprache ſolche Licenzen. 

Nun wird noch einmal das myſteriöſe 2 wiederholt, welches 
wir „durch Feuerfignale‘ zu überfegen verfucht Haben. Seine Wieder: 
holung muß natürlich) auf das Vorhergehende Bezug haben und mag 
hervorheben, daß die Signale der Ablöfung (in der Feſtungswacht) 
ſowohl für die Herren als die Untergebenen galten. 

87797 | band | 975 | Da — 

ab, „dem Sohne”. wa, „die Sonne”, wahrfcheinlicd im 

Sinne von Sonnengott, in welchem e8 oft auf den Infchriften des 


*) Oſiander in 3. D. M. ©., XX, 244, Rote. 


Himyariſche Infchrift von "Obne. 357 


Britischen Mufeums vorkommt. *) 5 von Eey, welches gleich Led, 
„glänzen“, „herrlich lein“, „prunken“, „ſtolz ſein“, wahrfcheinlic ein 
Adjectiv von der Form M weshalb das ı beibehalten ift, ausnahms⸗ 
weife jedenfalls, da fonft das lange I (Ü) nicht gefchricben wurde. Das 
Wort erinnert fehr an das äthiopifhe Ah, „Sonne, Sonnen 
glanz“, das zwar zunächſt fi) an das arabifche Isis anfehnt, aber 
doch verwandten Klanges und verwandter Bedeutung ift. 

dan kann ich nur für einen Eigennamen halten und zwar 
deffelben Urfprung wie das nyöbr, womit die LV. Infchrift von 
Fresnel beginnt. In beiden Fällen witrde der Name „Deus amplia- 
vit“ bedeuten. 

87597 | „der Herr der Mächtigen ober der Kraft”, 7 das be- 


fannte arabifche sd. 779 entweder für je (Kraft) oder was wahr- 
ſcheinlicher ift, ftatt —* Plural von zeye, der Mächtige. 


Alſo „dem Sohne der Sonne, der Glänzenden, Scharahel, der 
Herr der Mächtigen“. Da dieſer Scharahel früher nie genannt wurde, 
alfo nicht unter den direeten Gründern der Mauer von Obne erfcheint, 
und da er es doch ift, der die Schlußwidmung der Infchrift aus- 
ſpricht, fo liegt es wohl am nächften, anzunehmen, daß er der Ober- 
herr jener unmittelbaren Gründer war, dem die Ehre zulam, am 
Schluſſe als Widmer des Werkes an die Gottheit genannt zu werben, 
eine Vermuthung, die durch das Prädicat „der Herr ber Mächtigen” 
an Wahrjcheinlichkeit gewinnt. Vielleicht war jener Scharah£l identiſch 
mit dem Elfcharad) der LV. Inſchrift von Fresnel und beide mög- 
licherweife mit einem der drei Aliſchrah, welche in Cauffin de Per- 
ceval’8 Genealogie der Könige von Yemen vorkommen. Einer ber 
drei Aliſchrah bei Cauffin de Perceval- hieg mit dem Hauptnamen 
Schorahbyl. Nun wurde aber Ickterer nad den Dämus (©. 1475) 


*) Man fehe die Abhandinng Über den Gott Schams bei Ofiander, 3. D. 
M. G., XX, ©. 284. 


358 Zweiter Anbang. 


aud mit Scharähpl, Ae5, verwechſelt, was offenbar berfelbe 
Name ift, wie unfer Je &, denn der Gottname be wurbe von ben 
Arabern Aa! gefhrieben und in Zufammenfegungen fiel das Alif weg. 
Wenn Scharahel ein König von Yemen war, jo erklärt ſich zugleid 
ber Titel „Herr der Mächtigen‘, indem er als Oberlehnsherr über 
die Fürften von Hadhramant (die obengenannten Haythrel, Daus u.f.w.) 
gebieten mochte und andererfeits au, warum ihm die beſondere Ehre 
zu Theil wird, als Widmer am Schluffe der Iufchrift genannt zu 
werden. Wer aber tft der „Sohn der glänzenden Sonne”? Gewiß 
fein Menſch, da eine ſolche Anfchauung dem arabiſchen Götterdienfte 
fern lag. Wahrſcheinlich nichts Anderes, als der vergätterte Typus 
einer befondern Phafe des Sonmenlaufes, etwa die Sonne beim 
Sonnenaufgang, gleichſam die junge, neugeborene Sonne, ähnlich wie 
bei den Aegyptern Horus und Harpokrates Götter der aufgehenden 
Sonne, jugendlihe Sonnengötter und zugleih Söhne des Sonnen- 
gottes Dfiris waren. Im Vollscultus mochte dieſer „Sonnenſohn“ 
von dem „Sonnengott“ felbft kaum unterfchieden werden. 
| maeaı | noya | nimm | näbo | Yan | 
Diefer allerdeutlichfte Theil der Infchrift, der das Datum ent- 
bält, wurde zum größten Theil jchon von Ofiander erklärt. an ift 
gewiß Ordinalzahl, das arabifche „U oder 3. Mit dem enfti- 
tiſchen Demonftrativpronomen 77 verbunden, ergiebt fih der Sinn 
| „dieſen zweiten‘ (wohl den zweiten Tag). nAbw, neben nbn und 
ndbn, auf andern Infchriften (namentlich den Fresnel'ſchen) vorfommenb, 
ift Hier vielleicht auch Ordinalzahl in der Femininform KU, „der 
dritte”, oder das n am Schluffe ift Zeichen des st. constr., indem 
das folgende ern ſich dem Zahlworte im Genitiv unterorbnet. 
br ift genau das äthiopifche Am-ZT:, Plural von @LY:, Mond, 
Monat. ns wahrſcheinlich das arabiſche Ho⸗S, „der zwanzigſte“, 


welches im st. constr. im Himyariſchen sy“ lauten mußte. nam 
die urfprünglich arabifche Form für „hundert“, weLe, aus der das 


Himyariſche Inſchrift von “Ohne. 859 


fpätere ul entſtand. Alfo „den zweiten des dritten Monats im 
hundertundzwanzigften (Jahre)“. 

bratoa box | Hier, wo wir ein Wort für „Jahre“ erwarten, 
finden wir dieſen auffallenden Ausdrud. Er befteht offenbar aus 
zwei Hauptwörtern, jedes durch die Mimation abgefchloffen, und das 
zweite von der Präpofition > regiert. 

Das erfte ift Ton. Nehmen wir e8 in feiner einfachſten, ver- 


breitetften Bebentung als Sa, ber Löwe, ſo ſcheint zwar auf den 
erſten Blick dieſe Ueberſetzung nicht zu paſſen, dürfte aber doch aus 
dem Folgenden ſich als weniger paradox herausſtellen. nmio halte 
ich für daſſelbe, wie das arabiſche „w und das äthiopiſche N7 
Die urſprüngliche ſemitiſche Wurzel dieſes Wortes hatte möglicherweiſe 
ein = am Schluſſe, wie das hebräiſche nd (altus fuit), von dem bad 
abgeleitet ift, anzudeuten fcheint. Der Umftand, daß es in den andern 
femitifhen Sprachen jetzt durch * erjetst ift, braucht ung nicht abzuhalten, 
e8 einer jo alten Sprache, wie dem Himyariſchen, zu vindiciren. Außer⸗ 
dem fagt der Dämus (S. 1825) ausdrücklich —* — xund 
iſt das nom. act. von Lew, welches ganz dieſelbe Bedeutung 


hat, wie das hebräifche Tao. Beide Wörter por und ornin ftehen 
hier wahrſcheinlich im Genitiv mit der dem Tanwyn entfprechenden 
* 


Mimation und würden im Arabiſchen Auf und *— geſchrieben 
worden ſein. Da die Mimation genau dem Tanwyn entſtſpricht, fo 
fommt fte, wie Oſiander bewiefen hat, ebenfo gut im casus obliquus, 
wie im casus rectus vor. Der erfte Genitiv würde von nam oder 
vielmehr von der ganzen vorhergehenden Datumsbezeichnung, der zweite 
von der Präpofition 3 regiert. Daraus erhalten wir bie Ueberſetzung 
„des Löwen im Himmel“. 

Der „Löwe im Himmel“ war ohne Zweifel das Sternbild des 
Löwen und eines der zwölf Himmelszeichen, ſchon den älteſten Völkern 
befannt. Vielleicht geben uns diefe Worte den Schlüffel zu einer 
Aera des himyariſchen Volles. Wenn eine folhe Aera in Ber- 








360 Zweiter Anhang. 


bindung mit der Stellung der Dimmelszeichen gedacht werben fol, 
fo erfcheint e8 am Natürlichiten, den Stand der Sonne zu dem— 
jenigen Himmelszeichen, welches die Infchrift nennt, und zwar zu 
einer der vier Anfangsepochen der Jahreszeiten als Ausgangspunkt 
anzunehmen. Als eine foldhe Epoche bietet in unferm alle das 
Sommerfolftitium am meiften Wahrfcheinlichleit dar. Schon bie 
Aeghpter begannen ihr Jahr mit einer Epache, welche in nächfter Ver⸗ 
bindung mit dem Sommerfolftitum ftand, nämlich mit dem Srüh- 
aufgange bes Sirius (ägypt. Sothis) nach der Zeit der Sommer⸗ 
fonnenwende. *) Auch dürfte Hier der Umſtand vergleichsweife berüd- 
fihtigt werden, daß fon bei den Aegyptern das Sternbild des Köwen 
als der Sonne geweiht angefehen wurde, jo daß man diejes Stern- 
bild das „Haus der Sonne‘ nannte. Deshalb iſt e8 wohl denkbar, 
daß auch die den Aegyptern geographiid jo nahen Himhariter ähn- 
liche Beziehungen der Sonne zum Löwen vorausfegen unb ihre Aera 
auf die Stellung jener zu biefem bafirten. Da nun die Somme alle 
3000 Jahre einen Monat fpäter in ein Himmelszeichen und jet am 
23. Juli in dasjenige des Löwen tritt, fo würde ihr Cintritt in 
leßteres Himmelszeichen zur Zeit des Sommerjolftitiums etwa im 
Jahre 1340 vor Chr. Geburt ftattgefunden haben. Nun würde uns 
aber die Annahme einer auf diefe Jahreszahl bafirten Aera viel zu 
weit zurücführen, denn nad aller Wahrſcheinlichkeit ift die Entftehung 
unjerer Infchriften gar nicht in ein fo hohes Alterthum zu verfegen. 
Die Infchriften geben freilich in Bezug auf Chronologie noch wenig 
Anhaltspunkte. Aber aus der NAehnlichkeit vieler Eigennamen mit 
benen der Künigsliften von Yemen, wie "Abd Kolal **), Alyfchrab, 
Abd Schams, Härith, Marthad und anderer, dürfen wir vielleicht 
ſchließen, daß die Iufchriften der Periode des Yemeniſchen Künig- 
reich8 angehören, und diefe Beriode begann nad) Cauſſin de Perceval's 
fehr einladender Berechnung erft im Jahre 794 vor Chr. und endete 


*) Ublemann, Handbuch der ägyptiſchen Alterthumskunde, III, ©. 88. 
”) Wellſted, Reife in Arabien von Röbiger Excurs, Bd. IL 


Himparifche Infchrift vonObne. B61 


im Jahre 490 nah Chr. Deshalb bleibt Nichts übrig, als den 
Anfang der Aera Furz vor oder binnen diefer Periode zu fuchen, und 
bier möchte ic ein Ausfunftsmittel vorschlagen, welches‘ allein die 
Schwierigkeit löſen kann. Wie wenn wir als den Anfang der Acra 
nicht den Cintritt der Sonne in den Löwen, fondern den Stand in 
der Mitte diefes Himmelszeihens zur Zeit des Sommerfolftitiung 
vorausfegten? Dies würde uns auf das Jahr 160 nad) Chr. führen. 
Das 120. Jahr einer ſolchen Acra wäre aljo ungefähr das Jahr 280 
nad) Chr., d. 5. bald nad) der Zeit bes “Abd Koläl, des 44. Könige 
von Yemen nad) Cauffin de Perceval und des 46. nach der Wrede’: 
jchen Lifte, etwa Die Zeit des Tobba ben Haſan und des Härith und 
Marthad. Treilih muß Alles dies nur eine fehr gewagte Hypotheſe 
bleiben, bis einmal untrüglichere Wahrzeichen uns die Chronologie 
der Himyaren enthüllen follten. 


Ueberſetzung. 
Aufſchrift. 
Eine wohlthätige Stiftung zu Gunſten der Bewohner der Hoch—⸗ 
thäler haben ſich vorgenommen .................. Sohn des 
Abyathi, des Fürſten von Hadhramaut, ..... ihr Häuptling und 


ihre Stammesgenoffen. 

Zweite Zeile. 
Haythiet, Alhän, Sohn des Benel und Daus ............. 
(haben errichtet?) diefe Schutzwacht der Thäler und diefen Schuß von 
Hadſchar, diefe Zufluchtsftätte für den Bewohner diefes Landes, 
eine mächtige Zufluchtsftätte.. 

Dritte Zeile, 

. und eine Ausrufsftätte und eine hohe Warte für die Gärten der 
Thäler und mit diefer Schutzwacht .... haben fie Furcht eingeflößt 
in Himyar. Und der Tobba‘ Hapthiel und Daus und Amm Samin, 
der Sohn des Abhata von Hadhramaut und der Bundesgenofje in 


368 Zweiter Anhang. 


Bierte Zeile. 


Mayfaiat ..... es hat fie vereinigt ‘Dbne und es verhindere den 
Zugang diefer Wohnftätten die Schutzwacht und die Bewohner dieſer 
Gärten und diefe Beamten (d. 5. die Wächter der Mauer) follen 
Furcht einflößen und auf ihrer Hut ſein und diefe (ihre) Ablöfung finde 
ftatt am Sonnenuntergang, auch die Bewäſſerung und die Einkehr 
für die Nacht, 
Künfte Zeile. 

....... und die Ablöſung (geſchehe?) durch Feuerſignale (für alle?), 
von den Herren bis zu den Untergebenen durch Feuerſignale. Dem 
Sohn der glänzenden Sonne, Scharahel, der Herr der Mächtigen, 
am 2. (Tage) des 3. Mondes im 120. (Jahre) des himmliſchen 
Löwen. 


Negifter. 


1. 


Abaͤ Midſchmar 298. 
Abaͤrike 322. 

Abban, ſiehe Habbaͤn. 
"Abd Allah Ahmed 58. 
“Abd Allah Bü Sſudaͤn 98. 
“Abd eg Samut 258. 

“Abd el Aſys ibn Mohffin 78. 
“Abd el Hub 18. 47. 

"Abd el Manäh 284. 

"Abd el Dädir 98, 

“Abd el Waͤhab 26. 

‘Abd el Wähid 19. 

“Abd el Yaghuth 286. 
Abd er Rahman Bi Dorra 102. 
Abdha’a 306. 

"Ad Koläl 306. 

Abd Schamfj 276. 300. 
Abraha 303. 306. 

Abu el Fidk 39. 977. 

Abu Malit 806. 

Abu Sfaryr 44. 275. 
Abyan 299. 

Achäb 802. 

Achaͤmer 9. 

Ad 158. 

Aden 14. 19. 43. 

Aditen 292. 

Abyd 52. 

Aethiopiſch B1—85. 
Afryqus 504. 


Afryays 304. 

Ahl el Hayik 821. 

Ahgäf (ei) 3. 22. 241 fg. 291. 
Altäthiopifch 31—33. 
Alyſchrah 804. 

Alyy ihn Hoffayn 72. 
Alyy ibn Nacçr 48. 
Amba 61. 

Amd 214 fg. 241 fg. 285. 
Amhaͤriſch 32 386. 
Amir 299. 

Amr 312. 

Amr ben el Moltaͤt 301. 
Amr ben Tobba 306. 
Amru ben dſu "Ans 301. 
Amudy 30. 102. 

Audaͤl 227. 

Anik 204. 

“Ans 301. 

Anville (d’) 24. 

Aqaba el Mahniye 67. 
Agaybere 50. 55 fg. 277. 320, 
Agnäb 280. 290. 

Araͤba 290. 

Aral 61. 

Arka 66. 

Ariba 38. 

Aridha 230. 290. 
Armand 3. 7. 20. 41. 
Arr 106. 207. 

Arſch 278, 

Arſſame 88. 


364 Kegifter. 


Aryb 299. Baͤ Kaſchwyn 315. 
Aſaͤwire 321. Balhut 287. 288. 
Aſchrah 304. Baͤ Mardagha 121. 185. 320. 
Aſd 283. Bi Maur 316. 
Aſmaͤ 299. Bander 291.' 
Aſſnaͤr 300. Bi Roman 317. 
Aſſwyraͤ 86. Ba Nogayg 169. 
Athl 53. 62. Bi Omm Sfaduff 115. 322. 
Awra 95. 96. 283. Bi Darrayıı 59. 278. 
Ayman 298. 313. Baͤ Dodhä’y 318. 
Ayn Ahwayry 160. Bi Qarra 108. 
Ayn ba Mi'bet 160. Barahut 287. 288. 
Ayn beny Mi’yin 180. Baͤ Raſchyd 318. 
Ayn el Ghaſſaäny 52. 278. Bi Sa'd 315. 
Ayn er Raͤſſ ed Dyn 270. Bi Saͤlib 318. 
Azd 283. Bi Schaybe 185. 192. 315. 
Aa Schogayr 228. 316. 
B. Baͤ Sohra 108. 
Bi Sowayhdaͤn 322. 
Baͤ Amr 204. 319. Bü Sſa'd 134. 
Baͤb el Mandeb 18. Bi Sfudan 118. 
Baͤ Caura 178. Bathaͤ 282. 
Bi Dhobayz 316. Bauwaͤq 52. 278. 
Baͤ Dorus 316. Bi Waddaͤ 317. 
Baͤ Dſchaͤh 75. 280. Bawwaͤq, fiehe Baumwäg. 
Bi Dſchahym 316. Baydhä (T.) 27. 170. 278. 
Ba Dſchanaf 317. Baydhaͤ (IT.) 21. 52. 
Ba Dihenin 246. Baydra 286. 2%. 
Bi Diehicäg 97. 253. Baͤyha 278. 
Bi Dſchohaym 316. 322. Ba Nomin 322. 
Ba Dſchonboq 320. Bayt Aghraͤf 322. 
Bi Dfibyan 316. Bayt "Alyy 322. 
Baͤ Dyaͤk 318. Bayt Baͤ Calih 328. 
Bä el Haff 170 fg. Bayt Bi Waly 323, 
Bi Elyas 322. Bayt Gobhy 323. 
Ba Faq'as 316. Bayt el Ahmediye 323. 
Bagla 46. 275. Bayt el Didomayımy 322. 
Bi Haͤfir 178. 316, Bayt Ghoraͤb 322. 
Ba Halläbyn 318. Bayt Halam 323. 
Baham 20. Bayt Horr 323. 
Baͤ Hanaͤn 322, Bayt Oaͤrife 323. 
Baͤ Haun 302. Baͤ Zor'a 316. 
Bahrayn 29. Bedà 253. 
Bahr eff Sſafy 3. 241 fg. Beled Beuy Yſſa 21. 22. 26. 101. 132. 


Baͤ Karyb 322. ‚ 1 Beled el Dichauf 21. 


Regifter. 


Beled el Hadſchar 21. 28. 101. 132. 
Beled Hamum 22. 27. 
Bender 291. 

Ben Dighal 138, 164. 

Beny Dſchadſyma 318. 

Beny Hafjan 44. 49. 320. 
Beny Labahit 317. 

Beuy Ruh 134. 178. 315. 
Beny Oldſchyy 182. 

Beny Ottoman 48. 

Beny Schamlaͤn 224. 227. 318. 
Beny Tühir 233. 318. 

Berlin (Dr. P.) 289. 

Bilgiys 304. 305. 

Biyr 'Alyy 161. 

Biyr Barahut, fiehe 2. Borhut. 
Biyr Baͤ Raͤye 52. 

Biyr Borhut 228. 287 fg. 
Biyr el Haſſy 200 fg. 

Biyr Schyh 284. 

Borhut 277. 288. 

Borr 230. 2W. 

Borum 25. 4548. 275. 
Boyut 204. 

Buch (Leop. v.) 2. 

Burdharbt 11. 


C. 
Cane emporium 24. 
Caripeta 24. 
Cauſſin de Perceval 298 fg. 
Chalyf 204. 286, 
Chamfa 226. 
Chaͤmiye (Stamm) 52. 102. 121. 185. 
320. 
Charibe 24. 
Chathromotiter 24. 
Cho ayre 253. 
Chodaydſch 254. 
Chodhara 283. 
Chomyr 277. 
Choraybe 24. 97 fg. 207. 281. 
Choraychyr 231. 2%. 
Chorbe 97. 110. 281. 


365 


Churyan Muryän 40. 
GSruttenden 16. 35. 161. 


C. 
Gabaͤh 307. 
Gabahan 307. 
Gadifiten 29. 
Gafrä 206. 
Gahaͤh 277. 
Gahwa 24. 241 fg. 291. 
Gaͤlih 113. 283. 
Caumahänyn 320. 
Gawar 300. 
Gidära 281. 
Gily 76. 281. 
Kobayh 260. 
Godayre 178. 
Gughra 20. 
Gyra 44, 


D. 


Dachayl 53 fg. 278. 
Dahme 91. 

Dahſſ 46. 275. 
Dau’an 283. 

Daum 46. 275. 
Daw'an 283. 

Dayın 186. 

Dela 203. 

Dhaha 284. 

Dhayſſ 280. 

Dhyq edh Dhyag 63. 270. 279. 
Dirys 39. 

Diyn 119. 

Do aͤn 283. 

Dochn 62. 
Dompalme 53. 62. 
Doqum el Ayſſaͤr 92. 260. 
Doreni 24. 26. 
Doveni 25. 
Drummond Hay 8. 
Dſchabbaͤr 299. 
Dſchahädeme 203. 





366 


Didahätfime 821. 

Dſchahys 213. 222. 

Dſchanbuſch 92. 

Dſchauf 20. 

Dſchaybaͤn 800. 

Dſchebel Acfun 176 fg. 

Dſchebel "Alga 176. 

Dichebel "Agaba el Mahniye 68. 84. 
Dichebel Agaybere 53. 61 fg. 
Dicpebel "Arar 158. 

Dichebel Arçime 157. 177. 181. 
Dichebel Bü Byhae 69. 88. 
Dichebel Ba Dſchanaf 139. 178. 
Dichebel Bü Häyat 71—75. 
Dſchebel Biyr Schyh 134. 
Dſchebel Choraybe 77. 

Dſchebel Gidara 77. 84. 

Dſchebel Dſchofayye 146. 
Dſchebel El Ahliya 280. 
Dſchebel El Ghowahte 134. 191. 
Dſchebel EI Hamrän161. 
Dſchebel El Hamum 270. 
Dſchebel EI Idme 68. 83. 280. 
Dicebel EI Oçayde 157. 161. 
Dichebel EI Dära 58. 

Dichebel Er Raydt 71—75. 280. 
Dichebel Eich Scherebbe 50. 
Dſchebel Fardichalät 77. 

Dichebel Fath edh Dhayq 60 fg. 
Diehebel Fatha Walyme 69. 280. 
Dſchebel Foghar 76. 

Dſchebel Hafar 19. 190 fg. 
Dichebel Hanbare 190 fg. 280. 
Dichebel Haraͤmy 82 fg. 

Dſchebel Harf el Harz 84. 87. 279. 
Dſchebel Harmal 64. 279. 


Dſchebel Kaur Sfayban 26. 78. 88. 
282 


Dſchebel Lahab 61. 279. 
Dſchebel Maſſya 1683. 

Dſchebel Matny 145. 176 fg. 
Dſchebel Mäyile Matar 78. 281. 
Dichebel Mobärel 82—84, 
Dichebel Molk 135. 

Dichebel No'äb 146. 


Kegifter. 


Dichebel No’mäan 146. 
Dſchebel Oçayde 157. 
Dſchebel Qabr efi Sfäyir 132. 


| Diegebel Däret e8 Sohà 284. 


Dichebel Darr eth Thamule 88. 
Dichebel Reſch 49 fg. 


1 Diepebel Rod 78— BA. 


Dſchebel Rughufi 64. 279. 


| Digebel Schagg 125. 


Dichebel Schebfcher 39 fg. 
Dſchebel Tſahura 26. 88 fe. 
Dſchebel Waifib 66. 280. 


Dſchembiye 49. 276. 


Dſchenaͤby 40. 
Dſchirdſche 279. 
Dſchochom 813. 
Diof, fiehe Dſchauf. 
Dſchofayn 285. 


Dſchonayyde 89. 
Dſchoſcham 301. 


Dſchul Bü Yaghut 145 fg. 285. 
Dſchul el "Agyg 169. 


| Dfchut eſch Schaych 113. 140. 164 18. 


Dfiyayby 139 fg. 285. 316. 
Dfu "Ans 801. 


| Dfu Afchrah 804. 


Diu Dſchadaͤn 304. 
Dſu el Adhaͤr 804. 


4 Din el Awwaͤd 306. 
-1 Dfu el Oarnayn 302. 


Dfu Haͤbiſchaͤn 305. 
Diu Hobdan 804. 
Dſu Kifan 307. 
Dfu Mahra 3083. 
Dfiu Mo ähir 307. 
Dfu NRowäs 307. 
Dſu Schemäty 307. 
Dſu Yagdom 300. 
Diu Yazan 307. 
Dfyaybene 318. 
Du Eouret 6—8. 283. 
Duma 288. 

Durra 62. 


€, 


Eber, fiehe Hub. 

Er Sawar 300. 

&c Girrayn 121. 
Ed Dayin 186. 
Edrus 48. 275. 
Eds Dfabiyn 321. 
Ehtyfy 31—36. 

EI Acab 69. 

El Adfemy 169. 317. 
El Af 282. 
EI Ahmady 817. 

EI Ahgaf 241 fg. 291. 
El Allaͤmy 313. 

El Aqyq 134. 

Ei Araͤba 319. 

El Arafa 69. 

SL Arr, fiehe Arr. 
El Arfſaͤme 88. 254. 
El Aſſwad 281. 319. 
El Ayſſaͤr 282. 

El Azeb 813. 

El Bahaͤbihe 321. 

El Bathaͤ 88. 

El Dſcha da 214. 318. 


Ei Dſchowayre 158. 162. 


Ei Ebnaͤ 121 fg. 284. 
El Shafar 230. 

El Ghauth 299. 300. 
El Shitamm 230. 288, 
EI Ghoraf 230. 288. 
El Soff 62. 

El Hamum 269. 322. 
El Härith 808. 

El Hatſa 69. 

EI Haun 302. 

El Hidſchelyn 204. 
EI Hobul 214. 287. 
El Hodà 183 fg. 

El Hobäb 304. 

El Hotfiy 69. 

EI Hotfiye 279. 

El Fome 280. 

El Irme 52. 278. 


Regifter. 


El Koffufe 254. 

El Ma 73. 258. 

EI Mahfus 226 fg. 319. 
El Müs 313. 

EI Medfarre 224. 

El Modayne 52. 278. 
El Moghtafir 813. 

El Moltamis 313. 

EI Moltät 801. 

EI Monaygyra 231. 
El Motaiammid 818. 
El Obayd 69. 

EI Ogamen 318. 

Ei Oſchr 62. 

El Offayf 260. 

El Oſſyuty 276 fg. 
El Dada 76. 

EI Oalqaͤl 282. 

El Dära 52. 81. 278, 
El Darr 75. 

Ei Däyime 136. 284. 
El Dirbe 118. 278. 
Entf el Hamum 270. 
Er Raͤchiye 246. 

Er Raͤyiſch 808. 

Er Rihäb 254. 

Cs Sälemy 317. 

Es Sucul 224. 
Eſchhed Allah 276. 
Eſch Scha’be 230. 
Eſch Scha’amla‘ 823, 
Eid Sqhaff 282. 


367 


Eſch Scharg 95. 97. 102. 106. 283. 


Eſch Scerla 204. 

Eſch Scheryn 206. 286. 
Eſch Schillät 203. 204. 
Ef Sfabal 282. 

Eſſ Sſalmy 169. 

Eſſ Sſayf 281. 

Eſſ Sfayib 169. 

Eh Sſay'k 227. 

Eſſ Sfitt 60. 

Eſſ Sfolaymäany 168. 


368 

F. 
Fadhl Alyy 21. 75. 
Fadhly 21. 


Falh eff Sfifle 63. 69. 279, 


Fardſchalat 281. 


Fath edh Dhayq 279. 


Fatiha 276. 


Fedſch min Allah 63. 279. 


Foghar 281. 
Fogayde 69. 
Fowwa, fiehe Fuwa. 


Fresnel 4. 25. 35. 304. 


Fuwa 50. 277. 


G. 


Gara, ſiehe Daͤra. 
Geſez 31. 32. 33. 
Gerraei 24. 
Ghafar 230. 
Ghalbun 253. 
Ghaura 204. 287. 
Ghauth 276. 299. 
Ghaydun 205. 
Ghebeſſ 205. 287. 
Ghitamm 230. 288. 
Ghofar 288. 
Ghoraf 230. 288. 
Ghowayr 282. 
Ghowayre 204. 
Ghowayte 286. 


9. 
Habab 225. 
Hararhayan 282. 
Hafiye 62. 
Hamayfa’ 298. 
Samum 269. 
Sarmal 279. 
Haun 302. 
Haura 228 fg. 288. 
Hawä 62. 
Haynes 19. 275. 


Regifter. 


Hodun 30. 253. 312. 

Hodun (Stadt) 253. 

Homayſcha 231. 291. 
Homeritae 24. 

Horraya 287. 

Horrayn 204, 

Houlton 35. 

Hud 18. 30. 47. 48. 276. 312. 
Sumboldt 2. 


9. 


Habban 19. 22. 140. 165. 
Habyb 251 fg. 
Hadhramaut 101. 239. 301. 
Hadhramy 299. 
Hadſcharyn 288. 

Hadſchy "Abd el Haͤmid 6. 
Hälite 321. 

Halle 277. 

Hallet Baͤ Galyb 224. 247. 
Hamämedyn 320. 

Hanän 230. 290, 312. 
Hanbare 280. 

Hanefy 99. 

Sannan 312, 

Haräs 289. 

Hardſcha 161. 

Harf el Harys 67. 279. 
Härib 20. 170. 

Härith 303. 306. 

Harr Schiwäts 60. 279. 
Hafan ben Saybän 312. 
Hafan dſu Mo’ähir 807. 
Haſchid 308. 

Haſchyſch edſ Diahab 292. 
Haflan el Qayl 308, 
Haſſan et Tobba‘ 59. 
Haſſuſſa 110. 

Hanfa 260. 

Hawaͤlyy 260. 

Häyif 284. 

Haynan 319. 

Hayt el Darr 75. 280. 


Regiſter. 


Hebut 254. 

Herraya 204. 

Hirn Baͤ 'Abd 204. 

Hien Baͤ el Haff 161. 

Hien Baͤ Omm Sſaduſſ 204. 
Hien Bi Sſolaymaͤn 179. 
Hien Baydra 204. 230. 290. 
Hien ben Dighaͤl 113. 136. 183. 
Hicn ben Dommän 180. 
Hien es Gobäyb 183. 

Him el Ghowayr 91. 280. 
Hin el Mine 145. 

Hien el Obne 149 fg. 

Hirn el Däyime 136. 183.. 
Bien et Tawyle 140 fg. 
Siem Ghoraͤb 24. 28. 

Hiçen Howayre 267. 

Hidſchas 277. 

Himyar 48. 276. 298. 
Himyar eg Goghayr 303. 
Himyariſch 31—36. 
Himpariten 24. 

Hobul 214. 287. 

Hodä 184 fg. 

Hodad 304. 

Hodhäd 304. | 
Hodſchayn und Hodſchayny 94. 194. 219. 
Hoſſayn baͤ Sohra 102. 


J. 


Ibn Batuta 39. 276. 

Ibn Dorayd 287. 

Ibn Haͤyik 289. 

Idryſj 275. 

Idryſſy 288. 

Joktan 276. 

Journal Asiatique 304. 

Sram diät el Amud 285. 
Kram dfät el Iſſnaͤd 151. 286. 


8. 


Ka'ba 108. 
Käftr 43. 


A. v. Wrebe’s Reife in Habhramant, 


369 


Kaͤfira 260. 

Kahlän 298. 

Karana 25. 

Karn, fiehe Darrayı. 
Kaſchwyn 132. 185. 
Kaukebaͤn 289. 
Kaydam 204. 

Kelbub 52. 

Kefjady (Stamm) 48. 
Kiepert 2. 

Kinditen 29. 

Kofayge 164. 

Kohl 59. 

Krapf 2. 83. 

Kulang 52. 

Kura 89. 


L. 


Lachme 280 fg. 
Lahidſch 19. 

Lawi 313. 

Laylebaͤt 66. 

Lobb el Lobaͤb 276 fg. 
Lohde 75. 

Lohun 214. 222, 
Logmän 301. 


M, 


Madhidſch 164. 
Ma'diy Karib 307. 
Ma'dudy 230. 20. 
Maer 313. 

Mahafla 280. 
Mahfus 225 fg. 
Mahniye 279. 
Mahra 2640. 
Makalla 18—24. 53 fg. 
Makaͤrim 319. 
Mälit 298. 

Manäh 164. 318. 
Mangura 169. 
Mannert 24. 
Maqryzy 289. 299. 


24 








370 


Maqubet el Chomra 88. 
Mi Radhy 223. 287. 
Maraͤwa 231. 291. 
Marcha 20. 

Marbicha 21. 170. 
Mariaba 12. 20. 
Maärib 20. 169. 304. 
Marthad 306. 

Mafyyat el Däyime 184. 
Matämile 321. 
Mathub 306. 

Matny 288. 

Matrud) 212. 253. 
Mayfa'a 23. 169. 286. 
Mäyile Matar 281. 
Ma’yg 230. 290. 
May'iche 284. 

Medaͤha 161. 162. 
Medfarre 224. 

Mefat 23. 

Mehaſſa 69. 


Menäsih ibn "Abd Allah 102. 107. 


Meſchhed "Alyy 101. 227. 
Metelle 201. 

Minaei 24. 

Minter 202. 205. 287. 
Mirbat 39. 

Mifenät 18. 27. 

Mifine 73. 

Mo’amwiga 300. 

Mochaͤ 19. 

Mocyle 288. 

Mohammed el Bü Harr 53. 98. 
Moltät 301. 

Monaygyra 231. 291. 
Mongir 285. 291. 
Montifch 281. 

Moräbit 14. 

Morafchide 102. 121. 252. 320. 
Morbtmann 39. 

Morra 299. 

Moſſaffaq 281. 

Moſta riba 38. 

Mota ariba 38. 

Moyqaq 280. 


Regiſter. 


Murad Gobäyh 214. 318. 
Murdifon 2. 


N. 


Naͤchodaͤ 43. 45. 275. 

Nahur 313. 818. 

Naqb el Hadihar 28. 140. 161. 165. 
Nafinaff 292. 


. Rebel 62. 


Neby Allah Hud 47. 276. 
Nedſchd 277. 

Nedſchd ibn Sſa'yd 73. 312. 
Nedſchraͤn 300. 

Nefhun 204. 214. 226. 287. 
Neqr 235. 291. 

Niçab 21. 170. 

Niebubr 11. 19. 23. 87. 
No män el Mo'äfir 299. 
Nöſab, fiehe Nicäb. 
Nowayre 214. 

Nowayry 304. 

Nyr 204. 287. 


O. 


Obaͤra 20. 21. 170. 
Obne 5. 28. 285. 
Dcayde 285. 

Odad 299. 

Ofwe 281. 

Dfämiff 209. 
Olamãa 256 fg. 
Omaͤn 19. 291. 
Omm Bäyha 278. 
Omm Dſchirdſche 279. 
Orayb 299. 
Orayſſime 260. 
Orudh 277. 

Oſchr 62. 

Oſſyuty 276. 


P. 
Palgrave 11. 19. 27. 
Petermann 2. 
Plinius 24. 
Priou 23. 
Ptolemäos 24. 

DO. 


Oabadh 284. 

Dabadh Hayif 120. 284. 
Qabadh Schaych 120. 284. 
Dabayl Bakry 51. 185. 
Dabr Bayt 95. 283. 
Dabr Hud 22. 229. 276. 
Dabyla 278. 

" Dngäba 119. 284. 

Dacr 288. 

Dahdun 231. 

Dabtän 80. 48. 276. 298. 
Dalay Darib 305. 
Däamile 225. 

Qaͤmuſſ 23. 

Däara 24-40. 278. 

Däret es Sohaͤ 284. 
Darn el Manäfil 97. 110. 


Darrayn 25. 95. 252. 278. 


Darr el Fayn 75. 
Darr el Madſchyd 254. 
Darret Sjudan 231. 
Datan ben "Orayb 299. 
Däyime 284. 

Dayl 301. 

Days 301—303. 
Qeſchyn 37. 

Dinnyne 284. 

Dirbe (I) 52. 278 fg. 
Dirbe (II.) 225. 


Dirbet Dahme 52. 87. 278. 


Dobbe 52. 278. 
Dobbet el 'Ayn 158 fg. 
Dosay 164. 

Oocayr 27. 

Dobär 114. 283, 


Regifter. 


Dofahce 164. 
Dobtän 319. 
Dolahyle 282. 
Dolle 283. 

Qorayf 260. 
Dorayichy 102. 
Oorra 287. 

Ooru 282. 
Ootham 321. 
Dothäm 202. 319. 


N. 


Rabadh 206. 

Rabadh ba Kaubal 225. 
Rabbat 182. 

Rabiet 182. 

Raby'a 312. 

Raͤchiye 290. 

Radun 164. 

Raͤfidhy 43. 275. 

Raſchyd 96. 252. 283. 
Raͤſſ Borum 45. 132. 275. 


Raff el Ahmar 45. 50. 132. 


Räff el Hadd 18. 

Rafj el Ocayde 161. 
Raͤſſ Hardſcha 161. 
Raube 124. 

Rayat 280. 

Rayde 286. 

Raym 311. 

Rayyſſ 275. 

Rhayde 204. 286. 
Rhobaba 119. 217. 283. 
Riäm 303. 310. 

Ribät 97. 110. 118. 
Rim 303. 310. 

Riſche 69. 

Ritter (Carl) 2. 20. 38. 
Rochç 281. 


©, 
Saba 304. 
Sabä el Albar 298. 
24% 


371 


372 


Sabäer 24. 

Sabota 24. 289. 
Sabut 24. 

Sabus 312. 

Sahun 164. 

Sakſak 298. 

Saͤlim 313. 

Salt 67. 

Sänay 303. 
Saqquma 166. 168. 
Särah 304. 

Sarh 304. 

Saubatha 24. 289. 
Save 24. 

Saybän, fiehe Sfaybän. 
Sayd (Imäm) 275. 
Sa’yd ben Yſa 812. 
Sayf 307. 

Scha be 230. 290. 
Schäbith 203. 
Schabut 289. 
Schabwa 289. 

Scaff 282. 

Schaͤfiy 99. 
Schammir 305. 
Schamrir 305. 
Schamyr 298. 
Scharh 304. 

Scharq 283. 
Schaybin 276. . 
Schaych 14. 301. 303. 
Schedſcher 3E—40. 


Schedſcheret et Tä’a 284. 


Scheraͤf 283. 

Scherm Hardſcha 161. 
Scheryn 286. 

Schibaͤh 289. 

Schibäm 24. 230. 289. 
Scdi’be 204. 286. 
Schibwa 289. 


Schihr 18. 38. 270. 292. 


Schihra 292. 
Schillät 204. 
Schirka 287. 
Schobe 222. 


Regiſter. 


Schomcha 164. 

Schorfaͤ 14. 283. 
Schorhabyl 304. 
Schorut 205. 
Schowayye 75. 280. 
Schura 69 fg. 280. 
Schyid 14. 

Seeben 11. 19. 

Sefam 61. 

Seyal 62. 

Sibde 230. 

Smith 35. 

Sokotra 37. 
Solaymäny 317. 
Sor’a el Yemäma 59. 
Sfaba 276. 

Sfabal 253. 

Sſabyl 224. 

Sfafy 292. 

Sſaͤh 288. 

Sſaͤh Hud 229. 288. 
Sfaryr 275. 

Sfaufira 38. 39. 
Sſaumahyn 86. 
Sfayban 49. 86. 276. 320. 
Sfa’yd ibn Yſſaͤ 102. 
Sfayf 231 fg. 254. fg. 
Sſayyd 15. 
Sfolaymäny 161. 
Sſowayq 231. 291. 
Sſyaͤra 18. 

Stephanns Byzant. 25. 
Strabon 24. 

Sultan von Borum 48. 
Sultan von Oeſchwyn 37. 


T. 


Tamarhind 62. 
Tamayhe 220. 

Taraͤd 44. 275. 

Tarr 286. 

Terym 23. 230. 290. - 
Thowayry 230. 290. 
Tihama 277. 


Tiſſ'a 230. 
Tiſſqiye 218. 
Toani 24. 25. 
Tobba‘ 302. 306. 


- XZorbet el Moluk 231. 2%. 


Tfahir 21. 95. 170. 
Tfofar 24. 38. 39. 
Zfohur 290. 
Tyärby 230. 290. 


T. 


Talib Rim 303. 
Tarfü 62. 
Taryſe 230. 290. 


u. 
Umir 72. 


W. 
Waͤbiça 302. 
Waͤcy 49. 276. 
Wädiy Ab, fiehe 'Af. 
Waͤdiy 'Af 87. 


Wäadiy Amd 22—26. 205. 214 fg. 


Waͤdiy Araͤr 149. 158. 161. 
Waͤdiy Ayffar 260 fg. 

Waͤdiy Ba Auda 92. 

Waͤdiy Bü Dfehenan 214 fg. 
Waͤdiy Bi Darrayn 53. 69. 278. 
Waͤdiy Ba Rayyara 92. 

Waͤdiy Ba Taryq 208. 

Wädiy Boyut 134. 

Wadiy Bu Dalayt 89. 

Waͤdiy Butrach 87. 

Waͤdiy Ga'ar 124. 128. 

Waͤdiy Gafrä 135. 183. 204. 206. 
Waͤdiy Gahäh 50. 278. 

Wädiy Garhyr 139. 183. 

Waͤdiy Gidaͤra 76. 

Waͤdiy Chadhaͤra 95. 

Waͤdiy Chamfa 246 fg. 

Waͤdiy Chamuda 110. 


Regiſter. 


Waͤdiy Chaͤrit 91-95. 280 fg. 
Waͤdiy Chäyile 92. 260 fg. 
Waͤdiy Chilafat 82. 

Wädiy Chomyr 50. 278. 
Waͤdiy Dahme 90. 

Waͤdiy Dahſſ 46. 

Waͤdiy Dhayſſ 69. 75. 280. 
Waͤdiy Do an 25. 26. 

Waͤdiy Dſchahys 205 fg. 
Wädiy Dſchandaͤn 22. 169. 
Waͤdiy Dſcharre 50. 278. 
Waͤdiy Dſchilwe 120. 

Waͤdiy Dſchiswel 23. 139. 145. 
Waͤdiy Er Gafraͤ 183. 

Waͤdiy EI 'Af 87. 89. 

Waͤdiy EI Ahliye 72. 

Madiy EI Ayfiür 88. 92. 259. 
Waͤdiy EI Ayifiry 87. 

Waͤdiy EI Boyut 134. 

Waͤdiy EI Ebnaͤ 121 fg. 
Waͤdiy EI Forayich 89. 

Waͤdiy El Ghowayte 134, 


Waͤdiy El Hadſchar 132. 135 fg. 178 fg. 


Wädiy EI Hadſcharyn 229 fg. 
Waͤdiy El Idme 67. 

Waͤdiy EI Ma’adin 132. 
Waͤdiy EI Ma Ghoräbe 89. 
Waͤdiy EI 'Obne 149 fg. 
Wadiy Er Nebyy 110. 
Waͤdiy Er Raͤchiye, ſiehe Raͤchiye. 
Waͤdiy Er Haube, ſiehe Raube. 
Waͤdiy Eſch Schaff 95. 
Waͤdiy Eſch Scherebbe 50. 
Waͤdiy Eſſ Sſabal 95. 

Waͤdiy Eſſ Sſyrabbe 92. 
Waͤdiy Farte 132. 

Waͤdiy Forayſch 89. 

Waͤdiy Fuwa 25. 50. 

Waͤdiy Ghaͤdun 113. 

Wädiy Gharhaͤn 118. 120. 
Waͤdiy Ghaura 204. 

Waͤdiy Ghaybun 101. 231 fg. 
Waͤdiy Ghowayr 92. 

Wadiy Ghowayte 134. 

Waͤdiy Haçarhayan 89. 


373 





374 


Waͤdiy Hebat 95. 

Waͤdiy Hiräwe 83. 

Wadiy Howayre 82. 265 fg. 

Wädin Habbän 139. 

Wädiy Habhena 174. 

Wadiy Hadſchar 23. 182. 185 fg. 

Wadiy Hadiharyn 26. 229 fg. 

Wadiy Hafar 186 fg. 

Wädiy Halle 50. 183. 278. 

MWäbiy Haraͤmy 82. 

Waͤdiy Haſſy 180. 

Wadiy Hataby 270. 

Waͤdiy Hiçen ben Dighaͤl 136. 

Waͤdiy Hidſchelyn 204. 

Waͤdiy Hirma 83. 

Waͤdiy Hotſiye 25. 63. 69. 

Waͤdiy Kamiſch 268. 

Waͤdiy Kotayfa 266. 

Waͤdiy Kotub 87. 

Waͤdiy Lachme 69. 280. 

Waͤdiy Lakal⸗Lakal 89. 282. 

Waͤdiy Lohde 282. 

Waͤdiy Maͤ Allah 120. 

Waͤdiy Maͤdſchid 87. 

Waͤdiy Maghära 204. 

Waͤdiy Mahniye 25. 64. 68. 

Waͤdiy Maſſya 80 fg. 250 fg- 

Waͤdiy Matära 87. 

Waͤdiy Matharun 82 fg. 260 fg. 

MWädiy Mayfa'a 20—23. 113. 139. 
163 fg. 

Waͤdiy Mäyile Matar 82. 268. 

Waͤdiy May'fche 128. 129. 

Waͤdiy Merret 50. 

Waͤdiy Metelle 201 fg. 

Waͤdiy Mintät 191. 

Waͤdiy Minter 202. 

Wädiy Minua 25. 26. 110. 118. 120. 

Wäadiy Mobärel 81. 

Waͤdiy Mocyle 27. 28. 229, 

Waͤdiy Moll 135. 

Waͤdiy Montiſch 78. 81. 

Waͤdiy Moſſaffaq 81. 

Waͤdiy No'ab 146. 147. 


Regiſter. 


Waͤdiy No'maͤn 135. 145. 

Waͤdiy Nyr 205. 

Waͤdiy 'Obne 149 fg. 

Waͤdiy Odyme 220 fe. 

Waͤdiy 'Ofwe 82. 

Waͤdiy Omm Baͤhya 53. 278. 
Waͤdiy Omm Dſchirdſche 60. 62. 279. 
Waͤdiy Dacr 22. 27. 229. 

Waͤdiy -Daret es Soha 133. 
Waͤdiy Dinnyne 136. 183. 

Wäadiy Dirbe 25. 52. 120. 132. 
Waͤdiy Dolayle 95. 

Waͤdiy Oolle 95. 106. 

Waͤdiy Qoru 89. 

Waͤdiy Rabadh 204. 206. 

Waͤdiy Raͤchiye 22. 241 fg. 
Wädiy Raube 25..120. 123. 132. 
Wäadiy Raye 63. 

Waͤdiy Rayyara 92. 

Waͤdiy Rhayde ed Dyn 202 fg. 


Wädiy Rhayde efi Sfowayde 202 ig. 


Waͤdiy Schagg 124. 132. 
Waͤdiy Scharad 139. 178. 
Waͤdiy Schomayre 119. 
Wädiy Schura 69—75. 280. 
Wädiy Soggayme 176. 
Waͤdiy Sfabal 95. 

Waͤdiy Sfalaf 128. 
Waͤdiy Sfanäwe 83. 
MWädin Sforbe 89. 

Waͤdiy Tann Sfiybe 110. 
Waͤdiy Tſahura 83. 
Wäadiy Tſohur 230. 
Waͤdiy Werura 83. 
Waͤdiy Woayla 53. 278. 
Wädiy "Yan 21. 169. 
Waͤdiy Yſchybum 21. 170. 
Waͤhidy 19. 161. 

Wa’la 242. 

Waͤliya 306. 

Wara 252 fg. 29%. 
Waͤthila 298. 

Waͤyil 300. 

Waͤyla 298300. 


Wellſted 11—35. 161. 
Woayla 278. 
Wüftenfeld 299 fg. 


J. 
Yäfla 2022. 170. 
Mäqut 287 fg. 


Ya'rob 276. 298. 313. 


Ya'rom 312. 
Yaſchoſchob 276. 298. 
Haſit 305. 

‘Dean 21. 140. 169. 


Regiſter. 375 


Demen 19 fg. 277. 
Yon im 298. 

Dia el Amud, ſiehe Mſa. 
Yſchybum 21. 170. 

"Yıla el "Amud 30. 312. 


3. - 
Zahrän 303. 
Zayd 802. 
Zayd el Agra‘ 305. 
Zohayr 299. 


Zor'a 307.