Schonack, Wilhelm
Sir Thomas Browne s
Religio medici
Sir Thomas Brownes
RELIGIO MEDICI
Ein verschollenes Denkmai
des englischen Deismus
von
Dr. phil. Wilhelm Schonack
TtfBINGEN
Verlag von J. C. B. MOHR (Paul Siebeck)
1911
Sir Thomas Brownes
RELIGIO MEDICI
Bin verschollenes Denkmal
des englischen Deismus
von
Dr. phil. Wilhelm Schonack
TUBINGEN
Verlag von J. C. B. MOHR (Paul Siebeck)
1911
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9695fll
^Compilatusa multis,laudatus apaucis,sane iis
testimoniis non ornatus,quibus ornari meroit."
JAG. FRID. REBIMANNUS, nCatalogus biblio-
thecae theologicae systematico - criticus",
ffildesiae 1731, Vol. H, S. 685.
Alle Rechte, einschliefilich des Ubersetzungsrechts,
vorbehalten
Meinen Eltern.
Vorwort.
Der Deismus gehort unzweifelhaft zu den inter-
essantestenPerioden der Kirchengeschichte Englands, deren
Studium infolge der so haufigen revolutionskirchlichen
Bestrebungen und infolge der damit verbundenen religiosen
Aufwallungen, die Hoch und Niedrig in gleichem Mafie
ergreifen, einen unsagbaren Reiz, eine starke Anziehungs-
kraft auf einen jeden ausiibt, ja ausiiben muB, der
fur kirchliches und religioses Leben und Streben einen
empfanglichen Sinn besitzt. Der reformatorische Drang
der Angelsachsen, der Trieb, die bestehenden kirchlichen
Verhaltnisse, wenn auch nicht zu zerstoren, ' so doch zu
modifizieren, der uns bei all den Richtungen, die nach Los-
16'sung von der englischen Staatskirche trachteten und noch
trachten, von den Presbyterianern , Independenten oder
Congregationalisten und Quakern bis zu den Baptisten
und den anderen neueren Sekten, gleichartig entgegentritt,
beherrschte auch die DEISTEN. Wahrend aber die ,,prin-
cipal deistical writers" oft zum Gegenstand wissenschaft-
licher Darstellungen und gelehrter Untersuchungen ge-
macht wurden, blieben THOMAS BROWNES, des Norwicher
Arztes, theologische Leistungen und Verdienste so gut
wie unbeachtet; nirgends, weder in der theologischen,
noch in der medizinhistorischen Litteratur, in die er aller-
dings kaum gehort, — es sei denn, dafi ein Mediziner An-
yi Vorwort.
lafi nahm, sich iiber die so ganz andersartigen Inter.
essen seines friiheren Fachgenossen zu unterrichten — ,
finden sich mehr als diirftige Bemerkungen. Analysen
des Inhalts seiner beiden theologischen Hauptwerke, der
,,Religio Medici" (1642) und der ,,Pseudodoxia Epi
demic a" (1646) sind vollends nirgends zu lesen.
Diese Liicke in der wissenschaftlichen Erkenntnis
einer der wichtigsten religiosen Stromungen suchte der
Verfasser auszufullen. Im Februar dieses Jahres hielt er
in der ,,BerMner Gesellschaft fur Geschichte der
Naturwissenschaften und Medizin" als ordentliches
Mitglied dieser Vereinigung einen Vortrag iiber ,,Sir
Thomas Brownes Religio Medici", der im Aprilheft
1911 der bekanntesten medizinhistorischen Zeitschrift
,,Janus, Archives internationales pour THistoire
de la Medecine et la Geographic Medicale", heraus-
gegeben von den Proff. Dr. A. W. NIEUWENHUIS und Dr.
E. C. VAN LEERSUM, Leiden, abgedruckt wurde und zu-
gleich als selbstandige Broschiire erschien (Harlem 1911,
DE ERVEN F. BOHN, 22 SS. 8vo). Vgl. dariiber noch das
Referat in der Sonntagsausgabe der ,,Vossischen Zei-
tung" vom 12. Februar 1911, Nr. 73, 12. Beilage. Eine
Erweiterung jenes Vortrags, der naturgemafi nach der
medizin-historischen Seite hin gravitierte, und zugleich eine
Ausgestaltung in theologischer Richtung stellt dieses Buch
dar, das der Autor nunmehr alien Freunden kirchenge-
schichtlicher Lektiire zur geneigten Beurteilung iibergibt.
Von der Aufnahme, welche das Werkchen in den Kreisen
der ebengenannten Leser erfahren wird, der Gelehrten wie
derer, die aus allgemeinerem Interesse derartige Schriften
zur Hand nehmen, wird es abhangen, ob sich der Ver
fasser zur Herausgabe einer Ubersetzung des nicht eben
leichten Textes aus dem Englischen ins Deutsche und zu
Vorwort. VII
einer umfassenden Betrachtung der gesamten BROWNE schen
Theologie, zu der es der sorgfaltigen Sichtung seiner
samtlichen Werke bedarf, ermutigen lafit. Zur Steuer fiir
die kritischen Walfische sei zum Schlufi noch bemerkt,
dafi die Zitate aus der R. M. in der Orthographic der
sechsten Originalausgabe vom J. 1669 abgedruckt sind.
Berlin, im April 1911.
Dr. W. SCHONACK.
Inhalt.
Seite
Vorwort V— VII
Einleitung : Die Stellung der Theologie innerhalb
der Wissenschaften im Mittelalter, in der
Renaissance und in der Neuzeit .... 1 — 4
Erstes Kapitel : Sir Thomas Browne. Sein Leben
und die Entstehungsgeschichte der wReligio
Medici" 5—12
Zweites Kapitel: Inhaltsanalyse der ,,Religio
Medici" 13—39
Drittes Kapitel: Sir Thomas Browne im Urteil
der zeitgenossischen und der spateren Theo*
logen 40 — 53
Schlufi 54
Namenregister 55 — 57
Einleitung.
Die Stellung der Theologie innerhalb der Wissen-
schaften im Mittelalter, in der Renaissance und in
der Neuzeit.
Im Mittelalter waren Theologie und Kirche
Machte, die alles, was lebte und webte, in ihren Bann
schlugen, denen sich aber auch alles willig und in
glaubiger Verehrung zu ihnen aufblickend fiigte. Im
offentlichen Leben, in bildender Kunst und Musik, in
Wissenschaft und Schule, kurz iiberall begegnen wir
der Herrschaft der Religion. Die Krone aller Gelehr-
samkeit ist die theologische ; die iibrigen Fachwissen-
schaften - - wir nennen besonders Jurisprudenz und
Medizin — sind ihr untergeordnet, da sie als »ancillae
theologize" gelien. Von der Theologie, die als kanonische
Blicher die kirchlich autorisierten Schriften des alten
und neuen Testaments betrachtete, ging die Sitte, be-
stimmte Autoren als Richtschnur fiir Denken und For-
schen anzunehmen, auf andere Gebiete uber. Die
Juristen hatten ihre beiden Corpora, die Mediziner
ihren Galen und Avicenna (spater den Hippo
crates), die Philosophen der »Artistenfakultat" ihren
Aristoteles. Was diese Manner gelehrt hatten, war
nicht allein die einzige Grundlage fur jegliche For-
schung, es durfte auch niemand, wo es auch immer
sein mochte, zu anderen Ergebnissen kommen, die
mit den Resultaten, welche in jenen briinstig verehrten
Werken festgelegt waren, nicht ubereinstimmten. Wohl
Schonack, Thomas Brownes Religio Medici. 1
2
schwand vor dem leuchtenden Morgenrot der Renais
sance, die uns neben der Wiedergeburt griechischer
Dichtung und griechischer Kunst als eine fur die Folge-
zeit noch wichtigere Gabe die freie, durch Autoritaten
ungebundene wissenschaftliche Forschung bescherte,
die dunkle Nacht jener triiben ^mittleren Zeiten" da-
hin. Die Theologie mufite ihre Herrschergeluste auf-
geben, zum mindesten dampfen. An ihre Stelle trat
die Philosophic, besonders die platonische ; man
erinnere sich der Griechen Bessarion und Georgios
Gemistos Plethon sowie der italienischen Plato-
niker Marsilio Ficino und Pietro Pomponazzo.
Die Autoritat der Kirche wurde von verschiedenen
Gelehrten, zumal von Lorenzo della Valle, stark
erschiittert. Befanden sich doch unter den italieni
schen Humanisten offenkundige Heiden, wie z. B.
Carlo Marsuppini von Arezzo, Religionspotter
wie Luigi Pulci (man gedenke des frechen Glaubens-
bekenntnisses Morgantes in PulcisEpos: „!! Mor-
gante maggiore",) und Feinde des Monchtums wie
Francesco Poggio. Die Stimmen der wenigen
Frommen, eines Pico della Mirandula, eines Ja-
copo Sannazaro, verhallten wirkungslos in dem
Gewirr der gegnerischen Aufierungen. Auch die Zu-
stande am papstlichen Hofe, zumeist wahrend der
Regierung Leos X. (1513—1521) - Bibbiena und
Sadoleto! -- erweisen deutlich genug die damalige
Ohnmacht der Theologie. Aber sobald nach der Re
formation bei den Protestanten, nach der Gegenrefor-
mation bei den Katholiken ein tieferes religioses Leben
erwacht war, als in jener glanzvollen, anderen Zielen
zugewandten Epoche der Erneuerung des gesamten
geistigen Lebens und Strebens sich hatte entfalten
konnen, da tauchte, anfangs leise und tastend, dann
immer energischer und sicherer auch der nie vollig
verstummte Anspruch von Theologie und Kirche, im
Geistesleben eine prominente Stellung einzunehmen
und ihm genaue Direktiven zu erteilen, wieder auf.
Wohl erlangten in der Neuzeit beide niemals ihre
voile Bedeutung wieder; zu stark hatte das Autodafe,
das in der Renaissance iiber sie hereingebrochen war,
gewirkt. Die Wissenschaften als solche blieben von
der Theologie frei. Aber schon der Umstand, dafi
das Lehramt an hoheren Schulen fiir die meisten Be-
werber nur ein (jbergang zu dem ertragreicheren und
sozial geschatzteren geistlichen Beruf war und es bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts blieb, sowie die Tat-
sache, dafi ein Student der klassischen Philologie
sich als Theologe immatrikulieren lassen mufite —
ein Bann, den erst der gefeierte Neuhumanist und
Schopfer der klassischen Altertumswissenschaft im
modernen Sinne, Friedrich August Wolf, end-
gtiltig, wenn auch nicht als erster, gebrochen hat
— kennzeichnen die hohe damalige Bedeutung der
Theologie. Diese Wissenschaft wurde zudem — und
damit kommen wir zu dem charakteristischen Mo
ment — die Lieblingsbeschaftigung, der sich bedeu-
tende Forscher und Gelehrte, darunter solche, denen
die Welt unermefiliche Fortschritte verdankt, in ihren
Mufiestunden hingaben, ohne sich darum in ihrer
Fachwissenschaft beirren zu lassen. Hatte schon zu
Ausgang des Altertums Nonnos von Panopolis
neben sein umfangreiches, die homerische Ilias um
das doppelte iibertreffende heidnische Epos, die »Dio-
ny siaka", eine christliche Metaphrase des Johannes-
evangeliums gestellt, was Wunder, dafi die Gelehrten
vom 16. bis 18. Jahrhundert emsig Theologie neben
ihrem zum Lebensberuf gewahlten Wissenszweige be-
trieben und sich in ihr auch literarisch betatigten.
Es gentigt, an den Mathematiker und Naturforscher
Isaak Newton, der sich im Greisenalter tiefen Spe-
kulationen uber die mystische Apokalypse widmete,
und an den Juristen und Staatswissenschaftler Johann
Stephan Putter zu erinnern, der neben seinen
historischen und juristischen Schriften in seinen beiden
Werken: wDer einzige Weg zur wahren Gluckselig-
keit" (Gottingen 17763) und: »Die christliche Religion
in ihrem wahren Zusammenhange und in ihrer Vor-
trefflichkeit vorgestellt" (Gottingen 1779), Biicher ver-
offentlichte, die deutlich genug sein religios-theolo-
gisches Interesse bekunden. Andere Namen waren
leicht zu nennen, jeder weifi aus seinem Gedachtnis
heraus solche anzufiihren.
Erstes Kapitel.
Sir Thomas Browne. Sein Leben und die Ent-
stehungsgeschichte der ,,Religio Medici".
Unsere Untersuchung gilt jedoch nicht einem Ge-
lehrten des 18. Jahrhunderts, sondern einem hervor-
ragenden englischen Arzte des 17. Jh., dem Sir Thomas
Browne. Auch an seiner literarischen Produktion er-
kennen wir unmittelbar den nicht geringen Einflufi, den
die Theologie in seiner Zeit ausiibte, ja in noch starke-
rem Mafie, als dies bei den oben genannten Mannern
der Fall war. Denn jene opferten auch auf dem Altar
ihrer Wissenschaft und bereicherten sie mit vielen
neuen, z. T. unverganglichen Erkenntnissen ; Browne
aber hat kein einziges medizinisches Werk hinter-
lassen. Seine Haupttatigkeit als Schriftsteller war
eben der Theologie zugekehrt. Dieser auffallende Vor-
gang durfte sich aber nicht allein (nach dem Wort
des amerikanischen Theologen Cotton Mather (1663
bis 1728)1) aus der ^angelical conjunction of medicine
and divinity" im 16. und 17. Jahrhundert erklaren,
sondern vielmehr aus der Herzensneigung und geistigen
Grundstimmung des Verfassers. Ein wenig umfang-
reiches Buch, die »Religio Medici" (London 1642),
war es, das mit einem Schlage seinen literarischen
Ruhm unter seinen Landsleuten und seinen auswartigen
1) Zitiert in dem Auf satz von William Osier wAn Adress on Sir
Thomas Browne"; i. d. ,,British Medical Journal", Okt. 21, 1905,
S. 993 am Anfang.
Zeitgenossen begriindete. Von ihm allein werden wir
im folgenden ausfiihrlich zu reden haben, da wir sein
spater (1646) erschienenes Hauptwerk, die wPseudo-
doxia Epidemica or Enquiries into vulgar
and common errors" hier aufier acht lassen.
Schicken wir, ehe wir an die Analyse der »Religio
Medici" herantreten, zuvor ein kurze Ubersi cht iiber
das Leben unseres Arztes und eine knappe Dar-
stellungder Entstehungsgeschichte des vortreff-
lich gedachten und geschriebenen Traktates voraus.
Sir Thomas Browne1) wurde am 19. Okt. 1605
zu London geboren. Er besuchte die Schule zu Win
chester, studierte alsdann zu Oxford in ^Broadgate
1) Man vgl. iiber ihn die genaueren Ausfiihrungen in Zedlers
wGrofiem vollstandigen Universallexikon aller Wissenschaften und Kiinste"
(Bd. IV, Leipzig 1733, Sp. 1492 b); J. S. Erschs und J. G. Grubers
MAllgemeine Encyclopaedic der Wissenschaften und Kiinste" (Bd. 13,
Leipzig 1824, S. 108), die ^Biographic Universelle" in der ersten
(Bd. VI, S. 61—63, Paris 1812) und in der zweiten Ausgabe (Bd. V,
Paris 1843, S. 653 Sp. 2 — S. 653 Sp. 2), die Biographia Britannica"
(Bd. 2, London 1780, S. 627—637) und die ^Encyclopaedia Britan-
nica" (Bd. IV, 9. Aufl., Edinburgh 1876, S. 389 Sp. 2 — S. 390 Sp. 2),
Anthony Wood, ^Athenae Oxonienses", Bd. II, London 1721,
Sp. 713—715. KnappereAngaben siehe in den medizin-historischenLexicis:
Joh. Gottlieb Stolle, ^Medizinisches Gelehrten-Lexikon", Jena 1740
S. 140 (derselbe auch in seiner wAnleitung zur Historic der medizinischen
Gelahrtheit", Jena 1731, § 203, S. 236); N. F. J. Eloy, wDictionnaire de
la medecine ancienne et moderne", Mons 1778, Vol. I, p. 458 — 459:
Dezeimeris, Ollivier et Raige-Delorme, wDictionnaire historique
de la m<§decine ancienne et moderne", Paris 1828, Vol.1, p. 535-536;
die ^Biographic Medicale", Paris s. a. Vol. Ill, S. 7— 8; Gurlt
und Hirsch, ,,Biographisches Lexikon der hervorragendsten Arzte aller
Zeiten und Volker", Bd. I, Wien und Leipzig 1884, S. 589; siehe aufier-
dem Jocher, wAllgemeines Gelehrten-Lexikon", Bd. I, 'Leipzig 1750,
Sp. 1407, die wNouvelle Biographic Generale" (Bd. 7, Paris 1853,
Sp. 555); die Konversationlexika von Brockhaus, Herder, Meyer,
Pierer; endlich die von Samuel Johnson veriafite Biographic: vor
derWilkinschen Br.-Ausgabe Bd. I, S. IX— XXXVI.
— 7 —
Hall", dem sogen. ^Pembroke College", und erlangte
dort 1626 die Wurde eines B. A. und 1629 die eines
M. A. Nach Beendigung dieser damals ublichen Vor-
studien in der philosophischen Fakultat begann er
ebenda Medizin zu studieren. Mehrere Jahre brachte
er auf Reisen in Frankreich, Italien und Holland zu, um
seine medizinischen Kenntnisse durch Horen von Vor-
lesungen auslandischer Beruhmtheiten seines Faches,
besonders in Montpellier und Padua, zu bereichern;
1633 promo vierte er zu Leiden - - wie u. a. ein Jahr-
hundert spater der hervorragende Grazist JohannJa-
cob Reiske — zum Dr. med. Von seinen Reisen zu-
riickgekehrt, praktizierte er kurze Zeit in London, auch
zu Shibdan-Hall bei Halifax. Dort schrieb er wahr-
scheinlich, nach Wilkins1) Meinung, die wReligio
Medici" zwischen 1633 und 1635. Sein eigentliches
Ansehen als Arzt erwarb er sich aber in Norwich,
wo er seit 1637, 45 Jahre lang, bestandig lebte. Seine
Erfolgeverschafften ihm 1665 — wie auch spater seinem
in der Medizin um seiner Entdeckungen (z. B. der
Exzitabilitatslehre) willen beruhmteren Namensvetter
John Brown (1735 — 1788) die Ernennung zumEhren-
mitgliede des Medizinalkollegiums in London ^hono
rary fellow of the royal college of Physicians"). 1671
wurde er von Konig Karl II. in den Ritterstand er-
hoben. Er starb am 19. Oktober 1682 nach einem
ruhigen, der arztlichen Praxis und mannigfachen
Studien gewidmeten Leben in seiner zweiten Heimat
1) Vgl. die Einleitung zur R. M. im II. Bande der dreibandigen
Ausgabe der Samtl. Werke Brs. von Simon Wilkin, London 1852,
S. 294; auch H.Gardiner in der Praef atio zu seiner Edition der R. M.;
London 1845, S. V und J. Knott im ^Dublin Journal of Medical Science",
Okt. 2, 1905, S. 243.
Norwich, das Muster eines wahren, dem unruhigen
Getriebe des Lebens abgewandten Gelehrten.
Unter seinen Schriften 1st die beruhmteste die
»Religio medici", verfafit in englischer Sprache.i)
Interessant ist die Entstehungsgeschichte dieses
Buches, die aus dem zu Anfang stehenden Brief-
wechsel des Verfassers mit seinem literarischen
Gegner erhellt. 1642 namlich erschien gegen den
Willen des Urhebers die R.M. im Drucke, nach einem
unvollstandigen und ihm abhanden gekommenen Ma-
nuskripts). Als Th. Browne erfuhr, dafi ein anderer
namhafter Schriftsteller jener Tage, Kenelm Digby
(1603 — 1665)3), Anmerkungen dazu herauszugeben ge-
dachte, teilte er ihm brieflich diesen Sachverhalt
mit*) und fiigte hinzu, er habe uberhaupt nicht beab-
sichtigt, diese »zu seiner eigenen Ubung«5) verfafite
Schrift zu veroffentlichen : jetzt sei er genotigt, es zu
1) Der Titel verfiihrt zu der Meinung, als liege ein lateinisch
geschriebenes Buch vor; fiir ein solches mufi es H. Weingarten ge-
halten haben, da er in seinem Werke iiber die wRevolutionskirchen Eng-
lands", Leipzig 1868, S. 307—311 immer lateinische Zitate aus der R. M.
gibt, wahrend er die Schriften anderer Deisten englisch zitiert. Der
englische Titel ,,Physicians religion", der einzig und allein in der
,,Nouvelle Biographic Generale" (Bd. 7, Paris 1853, Sp. 555)
vorkommt, existiert nicht, auch nicht als sogen. Unter- oder Nebentitel.
2) Die Berliner Kgl. Bibliothek besitzt ein Exemplar dieser sehr
seltenen Ausgabe unter der Signatur Dd 5410.
3) Verfasser mehrerer philosophischer Werke, z. B. ,,A Treatise on
the nature of Bodies", »ATr. declaring the operations and nature of
man's soul" (beide aus dem Jahre 1644).
4) Alle in dieser Abhandlung unter dem Text vermerkten
Stellen aus der R. M. sind absichtlich der 6. Originalausgabe, die
1669 — also zu Lebzeiten des Autors — in London erschien, nicht
einer neueren Edition, entnommen; wenn es nicht anders angegeben
ist, ist immer der I. Teil gemeint.
5) Vgl. Vorrede I: ,,In my private study and as an exercise unto
myself"; ahnlich Vorrede IV: ,,For my private exercise and satisfaction".
tun, um zu zeigen, wie sehr der Text der ersten un-
autorisierten Ausgabe gelitten habe. Aus der Antwort
Digbys ersehen wir, dafi dieser von dem Graf en
von Dorset auf das Buch aufmerksam gemacht und
zugleich aut'gefordert worden war, es mit seinen An-
merkungen zu begleiten; fur die Lektiire und die
Niederschrift der Noten hatte er kaum 24 Stunden
Zeit gehabt1). Diese Angaben des Verfassers iiber
die Entstehung des Werkes werden von ihm in einer
anderen Vorrede2) bestatigt; wir horen hier nur
noch, dafi er sich bei seiner Abfassung keines Buches
bedient habe, mit dem er seine Gedanken hatte for-
dern oder seinem Gedachtnis hatte zu Hilfe kommen
konnen. Zugleich weist er den Leser darauf hin, dafi
er in diesem Buche friihere Gedanken ausspreche,
die schon darum nicht beanspruchten, als unwandel-
bares Gesetz fur alle Zeiten zu gelten; im Gegenteil,
1) Diese offenkundige Prahlerei wegen seiner Leistungsfahigkeit
im Studieren und Meditieren trug ihm von seinen Zeitgenossen den
Ehrentitel ,,the very Pliny of our age for lying" ein (vgl.
,,The Dublin Journal of -Medical Science" 1905 a. a. 0. S. 244).
William Osier, Regius Professor of Medicine in Oxford, macht in
seinem Br. gewidmeten Artikel (,,An Adress on Sir Thomas Browne",
delivered at the Physical Society; in: wThe British Medical Journal",
Okt. 21, 1905, S. 993—998) a. 0. S. 995 die launige Bemerkung: wSir
Kenelm holds the record for reading in bed".
2) Vgl. Vorrede IV : To the Reader : „! had not the assistance of
any good book .... not an immutable law . . . therefore are many
things delivered Rhetorically, many expressions therein meerly Tropical
. . . all that is contained therein, is in submission unto maturer dis
cernments". Mit diesen letzten Worten vgl. man das Ende des Schlufi-
kapitels von Teil 1 (c. 60, S. 126): ,,This is the Tenor of my belief;
wherein, though there be many things singular, and to the humour of
my irregular self; yet if they square not with maturer judgements,
I disclaim them, and do no further favour them, than the learned and
best judgements shall authorize them".
— 10
manch rhetorisch verbramter Ausdruck sei weder
wortlich zu nehmen noch genau zu priifen.
Aus diesem Bekenntnis scheint eine gewisse Be-
sorgnis zu sprechen: und, wenn wir spater die Wir-
kungen, die das kostbare Werk1) in der Heimat des
Autors und in anderen Kulturlandern ausiibte, auf-
weisen werden, dann wird man unschwer erkennen,
dafi die latente Beklemmung, die aus jener Aufierung
Brownes herausklingt, der Berechtigung nicht ent-
entbehrte. Denn manch sonderbarer Ausdruck, manche
paradoxe Wendung2), manche offen ausgesprochene,
der herrschenden Geistesrichtung zuwidere Meinung
konnten Mifif alien erregen, ja dem Verfasser gefahr-
lich werden.
Dafi dem so ist und in des Autors Zeit so sein
mufite, wird ein genauer Uberblick iiber den In-
halt der wReligio Medici" lehren; wir werden
ihn nicht so gestalten, dafi wir dabei die Reihenfolge
der Kapitel3) — bei Browne der »Sektionentt — ein-
1) wLibellus mole exiguus , acuraine vastus" nennt es Jac.
Frid. Reimmannus (wHistoria Universalis Atheism! et Atheorum",
Hildesiae 1725, p. 446). Auch das von D. Lam bin us auf das Lexikon
des Suidas angewandte Wort wpecus aurei velleris" diirite hier passen.
2} Vgl. das i. g. wenig giinstige Urteil, das Kippis in der nBio-
graphia Britannica" (Bd. n, London 1780, S. 637) aus ahnlichen
Griinden iiber ihn gefallt hat: ,,It abounds with week and undigested
notions and suppositions. Endued with a vigorous fancy, and possessed
of multifarious reading, the author throws out at random whatever oc-
cours to him, and treats on a variety of topics which he hat not ma
turely considered". Auch in der wEncyclopaedia Britannica" a. a.
O. S. 390 heifit es: WA mind like this is a psychological curiosity".
3) Die Inhaltsangabe schliefit sich im wesentlichen an einen in
der Februarsitzung der nBerUner Gesellschaft fur Geschichte der Natur-
wissenschaften und Medizin" im Jahre 1911 gehaltenen Vortrag an, der
im Aprilheft der in Holland erscheinenden medizin-historischen Zeit-
schrift: rJanus, Archives internationales pour 1'Histoire de
— 11 —
halten. Ein solcher Gang ware bei einem nach festem
Plane wie aus einem Gusse geschaffenen, auf streng
logischer Gliederung beruhenden Werke moglich. In
der R. M. aber haben wir es mit einzelnen Gedanken,
wenns hoch kommt, mit einzelnen Gedankengangen
zu tun, die nur lose zusammenhangen *), so dafi wir
zwar blitzartig aufleuchtende Apergus tiber alles, was
mit der Religion in irgend einer Beziehung steht, vor
uns haben, aber kein geschlossenes religionsphiloso-
phisches System. Daher miissen wir auch bei der
Darstellung des Gedankeninhaltes den Weg einschla-
la Medecine et la Geographie Medicale", 15. Jahrg. 1911 (S. A.:
Harlem 1911, 22 SS. 8.) abgedruckt ist; doch fehlen dort neben manchen
Anderungen im einzelnen die Zitate aus dem Original. Auch die theo-
logische Litteratur iiber Th. Browne ist an jener Stelle nicht be-
riicksichtigt worden.
1) Was dabei herauskommt, wenn man sich oberflachlich an die
Kapitelfolge anschliefit, mag ein Abschnitt aus der Vorrede (§ 4) von
Venzkys deutscher Ubersetzung der R. M. (Prenzlau und Leipzig 1746,
jetzt ganz veraltet) lehren : BEr ging mit allerlei, auch bosen Leuten um,
weil er sich mehr fur sein innerh'ches Verderben als fiir den aufier-
lichen Gift fiirchtete. Kurz, er war in alien Fallen vergniigt und tat ein
zuversichtliches Abendgebet" (Soil die Ubersicht der Kap. 10—12 des
II. Teiles sein) ! Das Werk bediirite einer neuen, wort- und sinngemafien
Ubertragung, wie sie dem Verfasser im Ms. vorliegt.
2) Das zeigen z. T. Widerspriiche in unmittelbar aufeinander-
folgenden Kapiteln. So behauptet er c. 13, S. 26, von metaphysischen
Spekulationen iiber das Wesen Gottes halte er sich fern; er begniige
sich damit, die Einwirkungen Gottes auf seine Geschopfe und in der
Natur zu entdecken. C. 15 aber bezeichnet er es als Eigentumlichkeit der
heidnischen Theologie, Gott in der Natur zu suchen, wahrend die
Christen dies unterlassen. Am Schlufi des 16. Kap. nennt er hin-
wiederum in seiner manchmal recht pragnanten, dafiir aber um so
wirksameren Schreibart die Natur wdie Kunst Gottes" (S. 34 : wNature
is the Art of God"). Zur Sache vgl. das treffende Urteil Hermann
Weingartens in seinem Buche: wDie Revolutionskirchen Englands.
Ein Beitrag zur aufieren Geschichte der englischen Kirche und der Re
formation", Leipzig 1868, S. 307: wKein systematischer und consequenter
Denker".
— 12 —
gen, dafi wir Brownes Anschauungen iiber bestimmte
religiose Fragen und zugleich iiber bestimmte Reli
gions- und Kultusformen aus dem Buche herausschalen
und ubersichtlich zusammenstellen. Wir werden dabei
durch gelegentliche Nebenbemerkungcn erfahren, dafi
Browne ein Arzt war, der zur Veranschaulichung
mancher Behauptungen Beispiele aus seiner Praxis
anfiihrt. Kamen diese seltenen Falle nicht vor, dann
freilich wiirden wir eher einen Religionsphilosophen
oder einen Theologen von Fach, als einen Mediziner
zu horen meinen.
Zweites Kapitel.
Inhaltsanalyse der ,,Religio Medici".
Wir basieren tmsere Inhaltsubersicht1) auf den
ersten Hauptteil des in zwei Abschnitte zerf alien-
den Werkes, well der Verfasser sich dort am ausfiihr-
lichsten iiber seinen religiosen Standpunkt aufiert, und
ziehen Angaben aus dem zweiten Teile, der mancherlei
Betrachtungen iiber vielerlei Gegenstande enthalt, nur
bisweilen und adminikulierend heran.
Es ist klar, dafi wir zuerst die Frage aufwerfen
und beantworten miissen, welchem Religionsbe-
1) Eine genaue Analyse des Inhalts der R. M. fiillt elne Liicke in
der wissenschaftlichen Erkenntnis der Entwicklungsgeschichte des Deis-
mus aus. Denn weder Bernhard Piinjer, ,,Geschichte der christlichen
Religionsphilosophie", Bd. I, S. 221—222, Braunschweig 1880, noch H.
Weingarten, ,,Revolutioiiskirchen usw." a. a. 0. S. 308— 311 [nur 52
Zeilen iiber die R. M.!] noch M. I. Mi Is and, ,,Th. Browne, le medecin
philosophe de Norwich. Une Epoque de transition scientifique" (Revue
des deux Mondes, Bd. 14, S. 653—656 [Keine Inhaltsang. !] Paris 1858)
geben hier hinreichende Auskunft, abgesehen von ihren Fehlern und
Irrungen. Auch die S. 6 Anm. 1 aufgezahlten Werke lassen samt-
lich eine geschickte Inhaltsangabe vermissen. G. V. Lechler, wGe-
schichte des englischen Deismus", Stuttgart und Tubingen 1841, nennt
S. 123 nur den Namen, H. Hettner, ,,Litteraturgeschichte des 18. Jahr-
hunderts" I. Teil ,,Geschichte der englischen Litteratur3" Braunschweig
1872, erwahnt S. 37 nur Brownes wPseudodoxia" und zwar voriiber-
gehend. Auch Benjamin Ward Richardson will in dem Aufsatz
wSir Thomas Browne, M. D. and the wReligio Medici" (in
dem lesenswerten Werke: ,,Disciples of Aesculapius", Bd. II,
S. 636 — 655, London 1910) nur ,,the mental construction" geben (vgl.
S. 649). Vgl. iibrigens noch die theologischen Litteraturnachweise gegen
Ende S. 49-53.
— 14 —
kenntnis Browne angehort. Unser Autor, der sich
am liebsten als Christen und nur als einen sol-
chen1), ohne Festlegung auf die Dogmen irgend einer
der vielen Religionsgemeinschaften oder Sekten, be-
zeichnete, bekennt sich bald zu Anfang zur wrefor-
mierten, neugereinigten Religion"2) und schrankt
diese Aussage im ftinften Kapitel noch dadurch ein,
dafi er die anglikanische Hochkirche als die-
jenige bezeichnet, der er eidlich und durch Unterschrift
ihrer Artikel3) verpflichtet sei. Die offene Erklarung
der Zugehorigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis
bedeutet bei ihm sehr viel; erklart er doch gleich in
den ersten Zeilen der R. M., dafi die Welt, d. h. die
Leute oder seine Mitbiirger, aus drei Griinden annehmen
konnten, er habe iiberhaupt keine Religion. Von diesen
drei Griinden ist besonders der erste fiir den Sprecher,
noch mehr aber fiir die Anschauung der damaligen Zeit
iiber den Arztestand charakteristisch : wDer allge-
meine Anstofi, den mein Beruf erregt" (the general
scandal of my profession). Weniger auffallend sind
die beiden andern4), ,,den naturlichen Verlauf seiner
Studien und die Indifferenz seines Betragens sowie
seiner Unterredungen in Sachen der Religion" be-
treffend. Von einer Indifferenz miifite man, wenn man
1) Vgl. c. 2, S. 2 : »0f the same belief, that our Saviour taught,
the Apostles disseminated, the Fathers authorized, and the Martyrs con-
irmed". Diese nennt er c. 25, S. 56 ,,die einzigen Muster der Tapferkeit".
2) Vgl. c. 2, S. 2 : ,,To be particular, I am of that reformed new-
cast religion".
3) Man lese diese 39 Artikel in einem zu Ende des 17. Jahrh. er-
schienenen Werke, in Heinrich Ludolf Benthems ,,Engellandischem
Kirchen- und Schulen-Staat", Liineburg 1694, S. 78—98.
4) C. 1, S. 1: ,,The natural course of my studies; the indifferency
of my behaviour and discourses in matter of religion".
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sich in jene Zeiten der allmachtigen Orthodoxie ver-
setzt, aber auch wegen seiner Anschauungeniiber
andere Religionsgemeinschaften reden. Der
rechte Lutheraner und der echte Calvinist jener Tage
bewiesen ihre Rechtglaubigkeit und ihre Anhang-
lichkeit an die von ihnen erwahlte Religionsiibung
dadurch, dafi sie sich gegen einander und gegen andere
christliche Bekenntnisse ablehnend verhielten; davon
finden wir aber bei Browne keine Spur. Vielmehr
horen wir oft Ausspriiche, die von einer dazumal un-
gewohnlichen Toleranz zeugen.
Dies trifft besonders fiir die katholische Religion
zu, mit der er sich im dritten Kapitel ausfuhrlich be-
schaftigt. Er kann kein heftiger Gegner von ihr sein,
da sich die Reformation nur von ihr aus entwickelt,
aber sich nicht gegen sie gewendet habe1); zudem
hatten beide Kirchen, die reformierte und die katho
lische, einen Namen, eine Benennung und einen Grund-
stock von Prinzipien gemeinsam2). Er geht sogar bis-
weilen in katholische Kirchen, da ein iiberzeugtes
Gewissen Gott iiberall anbeten konne3). AuBerordent-
lichen Eindruck auf sein Gemiit macht die Ave-Maria-
Glocke, der er manche Erhebung4) verdankt. Uber
Pilger und Monche zu lachen, diinkt ihn unfein,
Schmahungen gegen den romischen Bischof erscheinen
1) Vgl. c. 3, S. 3: ,,We have reformed from them, not against
them".
2) Vgl. c. 3, S. 4 : ,,There is betwixt us one common name, and
appellation, one faith, and necessary body of principles common to
us both".
3) Vgl. c. 3, S. 4 : „ A resolved conscience may adore her Creator
any where".
4) Vgl. c. 3, S. 5 : „ J could never hear the Ave-Maria-Bell without
an elevation".
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ihm ungehorig1); ja er hat sogar geweint2), wenn
seine Gefahrten liber eine Prozession spotteten. Nur
den Reliquien, die er »piae fraudes" nennt3), vermag
auch er bei aller Nachsicht gegen katholische Riten
keinen Geschmack abzugewinnen.
Dafi es aber mit seiner Toleranz nicht allzu gut
steht, zeigen schon hier einige AuBerungen, aus denen
der Stolz des evangelischen Christen hervorleuchtet :
wenn der Katholiken Andacht in einer katholischen
Kirche Gott beleidige, so konne ihm vielleicht die
seine ge fallen. Dennoch scheint er, wie einst Jo
hannes zur Zeit des Urchristentums, seinen Glaubens-
genossen in umfassenderem Sinne, den Christen, ein
»Kindlein, liebet einander" zuzurufen. Ermahnt er
doch die Christen, sich nicht wegen einzelner Unter-
schiede in den Bekenntnissen gegenseitig das Himmel-
reich streitig zu machen4). Nur einer Religionsgemein-
schaft hat er, der so tolerant scheinende Arzt, Fehde
bis aufs Messer geschworen, den Juden, hierin ganz
ein Kind seiner Zeit5). Uber sie ergeht er sich nicht
1) Vgl. c. 5 , S. 8 : ,,To whom ... we owe the dutie of good
language".
2) Vgl. c. 3, S. 6: ,,J have wept abundantly".
3) Vgl. c. 28, S. 62.
4) Nur in diesem, doch wahrlich nicht schlechten Sinne kann man
ihn einen wlndifferentisten" nennen, wie es die Herausgeber der
Frankfurter und Leipziger Edition 1692 getan haben; ich entnehme diese
Angabe dem wFreydenker-Lexicon" von Jo h. Anton Trinius, Leipzig
und Bernburg 1759, S. 121, da mir jene Ausgabe selbst nicht zugang-
lich war. Von „ modifications qu'il apportait dans divers points de
croyance de 1'eglise anglaise" (so: Dezeimeris, Ollivier et Raige-
Delorme: wDictionnaire historique de la medecine ancienne et moderne",
Tom. I, Paris 1828, S. 256) kann keine Rede sein.
5) Daher sind die Worte von M. du Petit Thouars (denn dies
ist nach Simon Wilkin i. d. Preface zur Ausgabe der Samtl. Werke
Brownes, Bd. I, London 1852, p. VI, Anm. 3 der Name des Verfassers
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nur in ablehnenden, sondern in verdammenden, selbst
in schmahenden Worten. Es geniigt ja eigentlich, urn
die engen Grenzen seiner Toleranz zu erweisen, schon
die am Anfang des 54. Kapitels stehende Bemerkung:
»Nur wer an Christus glaubt, kann selig werden"*).
Doch klingt sein Urteil iiber die Mohammedaner, die
er bemitleidet2), — nur von ihrem Koran will er durch-
aus nichts wissen^) -- sehr viel milder als das iiber
die Israeliten; fragt er doch: »Was gibt es Schlimmeres
als die Juden"?4). Anderswo5) nennt er sie ,,die ver-
achtliche und entartete Nachkommenschaft Jacobs",
bezeichnet sie als ,,halsstarrig« 6) und tadelt die Zahig-
keit, mit der sie ihrem Glauben anhangen — mit einer
charakteristischen Nebenbemerkung?). Die Sonnen-
finsternis beim Tode Jesu leugnen zu wollen, gilt ihm
als »jtidische Unverschamtheit" »). Wir sehen also, dafi
seine Behauptung zu Anfang 9), er verteidige weder
des Browne-Artikelsin der «Biographie Universelle, Ancienne
et Moderne", Tom. VI, Paris 1812, S. 61—63) nicht ganz richtig (a.
0. S. 61): MTout indique un homme bien eloigne de 1' intolerance :
partout, au contraire, une douce philanthropic se fait sentir . ."
1) Vgl. c. 54, S. 116: wThere is no Salvation to those that believe
not in Christ".
2) Vgl. c. 1, S.,2: ^Rather to hate than pity Turks".
3) Vgl. c. 23, S. 52—53 : ,,The Alcoran of the Turks ... is an ill
composed piece, containing in it vain and ridiculous errors . . . impos
sibilities, fictions, and vanities beyond laughter . ."
4) Vgl. c. 1, S. 2: ,,(What is worse) Jewes?"
5) Vgl. c. 25, S. 55: ,,That contemptible and degenerate issue
of Jacob".
6) Vgl. c. 25,. S. 56: ,,The Jew is obstinate in all fortunes".
7) Vgl. a. 0. S. 55: wThis is a vice in them, that were a vertue
in us".
8) Vgl. c. 29, S. 64: ,,The Jews . . . have the impudence, to
deny the Eclipse".
9) Vgl. c. 1, S. 1 : ^Neither vidently Defending one, nor with that
common ardour . . . Opposing another".
Schonack, Thomas Browne s Religio Medici. 2
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heftig die eine ' Partei, noch trete er einer anderen
eifrig entgegen, nur in einer Hinsicht, den christlichen
Bekenntnissen gegeniiber, der Wahrheit entspricht;
den ihm verhafiten Juden1) gegeniiber bedient er sich,
um die am Anfang des zehnten Kapitels stehende
AuBerung hierfiir umzubiegen, seines Glaubens nicht
als eines »Schildestt, sondern als eines wSchwertesa,
als einer ^Schneide"2). Immerhin ist es fur sein Zeit-
alter viel, dafi er sich als Gegner der Verfolgungen
Andersglaubiger bekennt3). Wenn er die Sekten
fur krankhaft halt4), so werden wir, die wir nicht
allein in England und Amerika, den eigentlichen
Herden neuer Sekten, sondern auch oft in unserem
Vaterlande dergleichenMifibildungen erleben, ihm hier-
in Recht geben.
Hatte er sich als Angehoriger der reformierten
anglikanischen Hochkirche bekannt, auch aus dem
Grunde, weil der Name „ Christ" zu allgemein5) ge-
worden sei, so meinte er damit doch nur seinen An-
teil an der vom englischen Staate anerkannten Re-
ligionsgemeinschaf t ; dafi er nebenher seine eigenen
Wege geht, dafi er seine eigenen Gedanken
und Uberzeugungen besitzt, wird uns bei dieser
1) In der ^Geschichte des christlichen Antisemitismus" (S. 153 bis
259), die einen Teil des Werkes von Dr. Heinrich Graf Couden-
hove wDasWesen des Antisemitismus " bildet (Berlin 1901), ist Browne
nicht erwahnt. Dies Buch ist iiberhaupt nur ein quasi-wissenschaftliches,
geboren aus einer zu weitgehenden Irenik und bestimmt, die sehr
zweifelhafte These zu erweisen, dafi der A. ein wAusflufi des religiosen
Fanatismus" sei.
2) Vgl. c. 10, S. 18: ^Buckler . . . sword . . . edge".
3) Vgl. c. 25, S. 56: ^Persecution is a bad and indirect way
to plant Religion".
4) Vgl. c. 7, S. 14: Diseased affections".
5) Vgl. c. 2, S. 2 : ,,too general to express our Faith".
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Griiblernatur, die dem Irdischen bisweilen allzu abge-
wandt erscheint, nicht wundernehmen. Er verschweigt
auch in der R.M. nicht seine Religion; denn man
beachte es wohl: alles, was er vorbringt, sind indi-
v i d u e 1 1 e AuBerungen eines durchaus selbstandigen
Geistes, die darum auch nur fiir ihn Bedeutung
haben. Wir haben es mit der ^Religion eines Arztes",
eben des Th. Browne, zu tun, nicht mit der ^Re
ligion d e s Arztes", d. h. mit religiosen Vorschriften,
die Browne auch fiir andere Berufsgenossen als all-
gemein giiltig betrachtete; es ist demnach fiir den
bestimmten Artikel der unbestimmte zu setzen1).
1) Falsch ist es, das Buch als ein allgemein gehaltenes religioses
Handbuch zu betrachten, wie dies z. B. ein gewisser Reginaldus
Bokenham tat in dem zweiten seiner beiden Gedichte rln Religionem
Medici Latinitate donatam" (vor der lateinischen Ubersetzung der R. M.
von Johannes Merry weather, Lugd. Bat. 1650) S. 7, v. 2: BHic
Enchiridion Relligionis habes". Auch der nach Angabe von Jacob
Friedrich Reimmann in seiner wHistoria Universalis Atheismi et Athe-
orum", Hildesiae 1725, S. 446 von weinigen" der R.M. verliehene Ehren-
titel einer wMedicina religion is" ist nur ein rhetorisches Wortspiel,
ohne den wahren Sachverhalt zu bezeichnen. (Einen ahnlichen Ge-
danken aufiert B. W. Richardson ,,Disc. of Aesc." II, a. a. 0. S. 646:
wlt is ... the physician of religion"). Dieser ist bereits richtig er-
kannt worden in der wBiographie Universelle", Paris 1812, Bd. VI,
a. a. 0. S. 61: ,,Ce n'est pas, comme le titre pourrait le faire croire, une
suite des preceptes, ou 1' expose des principes de morale et de la
doctrine de tout un corps, mais une espece de profession d' un
seul individu" und in der wAllgemeinen Encyclopaedic der Wissen-
schaften und Ktinste" von Ersch und Gruber, Bd. 13, Leipzig 1824,
S. 108: wSein erstes . . . Werk R. M. enthalt nicht . . . religiose Vor
schriften fiir den Arzt, sondern sein individuelles Glaubensbekenntnis".
Diese Erkenntnis liegt auch in dem von Ferdinand Gebauer (wMis-
cellan. phys. med. math." 1728 m. Jan. p. 1153) falschlich als richtig
angenommenen Titel: wTh. Browne, Angli Medici, Religio" fur wTh.
Browne Angli, Medici Religio". Vgl. endUch B. W. Richardson,
^Disciples of Aesculapius", Bd. II, a. a. 0. S. 643: ,,It was an exposition
of the faith of a physician".
2*
20 —
Vernehmen wir zuerst drei Irrtumer--so
erschienen sie spater dem gereiften Manne — an
denen er in seiner Jugend festhielt, trotzdem diese
Anschauungen von den Konzilien *) verworf en waren.
Mil den Arabern glaubte er, dafi die Seelen nach dem
Tode mit den Leibern dahinschwanden , aber am
jiingsten Tage wieder auferstanden, mit Origenes, daS
Gott seine Rache nicht ewig an den Siindern auslassen,
sondern die Verdammten nach einiger Zeit aus dem
Martyrium erlosen werde; sein dritter Irrtum war die
Meimmg, dafi eine Fiirbitte2) fiir die Verstorbenen
von Nutzen sei (dies alles erfahren wir aus dem sie-
benten Kapitel). Diese Satze3) hielt er, nachdem er
sie als falsch erkannt hatte, nicht hartnackig fest,
sondern liefi sie unmerklich in sich absterben; folgt
er doch in Glaubenssachen lieber den gebahnten
Pfaden, als dafi er heftig disputiert4). In spateren
Jahren reizen seine Gedanken besonders drei geheim-
nisvolle Dogmen des Christentums : die Dreieinigkeit,
die Menschwerdung Jesu, die Auferstehung von den
Toten. All dies steht ihm fest und warum? Weil der
1) C. 7, S. 13; c. 8, S. 16 meint er, trotz alien Beschliissen der K.
seien wmany things untouch'd".
2) Vom B e t e n redet er oft: Er betet beim Erklingen der Toten-
glocke fiir gute Freunde (c. 7, S. 14); er geht nie zu einem Patienten,
seinen Leib zu heilen, ohne zugleich fiir seine Seele zu beten (Tl. IIf
c. 6, S. 148) ; wenn er sein Abendgebet gesprochen hat, dann schliefit er
seine Augen sicher (Tl. II, c. 12, S. 170); kann man einen Bettler nicht
mit einer Gabe unterstiitzen, dann spreche man wenigstens ein Gebet
fiir seine Seele (Tl. II, c. 13, S. 173).
3) C. 7, S. 13—14 gebraucht er dafiir die Worte: ,,Bare Errors,
and single Lapses of my understanding".
4) Vgl. c. 6, S. 9 : „! have no Genius to disputes in Religion" und
c. 6, S. 11: »In Divinity I love to keep the road".
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Glaubige denken mufi wie Tertullian1): „ Credo,
quia impossibile est". Wer alles sehen will, ehe er es
glaubt, folgt der Uberredung2).
Diese f lache Anschauung von den religiosen Dingen
1st um so verwunderlicher, als die tief sten Geheimnisse
unserer Religion durch die Vernunft bestatigt werden.
Mit dem Worte ^reason" sind wir an einem Angel-
punkte des religiosen Denkens unseres Verfassers an-
gelangt. Dennoch ist er, entgegen so manchen theo-
logischen Autoren seiner Zeit, nicht von ihrer abso-
luten Kraft, alle inneren Zweifel3) zu losen, iiberzeugt.
Wo die Schrift schweigt, folgt er der Kirche, wo beide
verstummen, der Vernunft 4). Ist dieser eine Aufgabe
zu schwer, so unterwerfe sie sich dem Glauben; bis-
weilen halt er fur wahr, was seiner Vernunft nach
falsch ist und handelt ihr somit strikte entgegen 5).
Dennoch hiite man sich, GottesWerk,d.i. die Schopfung,
mit grober bauerischer Bewunderung6) zu verehren;
Untersuchungen anzustellen und sich bei diesen der
Vernunft zu bedienen, ist eine Pflicht des Verstandes,
die wir Gott schuldig sind. Wer aber in seinen Nei-
gungen nur der Vernunft folgt, ist kein Christ, die
1) Das hier von Browne, aber auch von uns (wcredo, quia ab-
surdum!") immer falsch zitierte Wort mufi heifien: ,,credibile, quia
ineptum est" (Tert. de sarce Christi 5 = Migne, Patrol. Lat. II, 806).
Vgl. die Nachweise bei Biichmann, — Robert — tornow — Ippel23
Berlin 1907, S. 434.
2) Jene Dreiheit heifit bei Br. c. 9, S. 17: Trinity, Incarnation, Re
surrection.
3) C. 19, S. 42 aufiert er die denkwiirdigen Worte: seine Zweifel
babe er iiberwunden wnot in a martial posture, but on my knees".
4) Vgl. c. 5, S. 8 : „ Where the Scripture is silent, the Church is
my Text; . . . where there is a joynt silence of both, I borrow . . .
the dictates of my own reason".
5) Vgl. c. 10, S. 20: Contrary the Reason".
6) Vgl. c. 13, S. 27: wWith a gross rusticity admire his works".
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Theologen wiirden einen solchen doch nur einen Heiden
nennen1). Es gilt vielmehr -- und das ist auch das
Ziel, dem Browne zustrebt -- eine 'Versohnung an-
zubahnen zwischen den drei widerstrebendenFaktoren:
Neigung (d. h. Gemiitsbewegung), Glaube und Ver-
Wir sehen also: die Vermmft spielt bei ihm trotz
gelegentlicher freierer Aufierungen keine so grofie Rolle,
dafi sie als alleiniger Leitstern in religiosen Fragen zu
gelten hatte ; sein Glaube ist stark genug, gelegent-
lich auftauchende Zweifel zu iiberwinden. Es ist nur
ein Zeichen seiner Bescheidenheit, wenn er am Ende
des ersten Teiles daran verzweifelt, den wahren Glau-
ben zu besitzen und niedergeschlagen ausruft: »Unser
Glaube ist entweder gar nichts oder beinahe nichts"3).
Bekennt er doch, dafi, trotzdem er viele Biicher4), auch
antichristliche und religionsfeindliche, wie den ,,Libei
de tribus impostoribus"5), gelesen hat, nichts den Glau-
ben in ihm habe ersticken konnen6). Er mufi freilich
1) Vgl. T1.II, c. 2. S. 131: Divinity will still call us Heathens".
2) Vgl. c. 19, S. 41 : ,,Affection, Faith, Reason".
3) Vgl. c. 60, S. 126: ,,Surely that which we boast of, is not any
thing, or at the most, but a remove from nothing" (sc. faith).
4) In c. 24 spricht er sich auBerst ungiinstig iiber sie aus, wie
man aus einer kurzen Zusammenfassung des Inhalts entnehmen mag:
Er ist nicht einverstanden mit denen, die den Verlust einiger Zeilen des
Cicero oder der Bibliothek von 'Alexandrien beklagen: wFor my own
part, I think there be too many in the world" (S. 54). Fur einige ver-
lorene Werke Salomos wiirde er die ganze vatikanische Bibliothek hin-
geben; auch eine Abschrift von Henochs Saulen (aus Joseph us, Antiqq.
Judaic. 1. I, c. 3) wiirde er nehmen. Launig klingen auch die Worte
S. 54: nSome men have written more than others have spoken".
5) Seinen Verfasser bezeichnet er als „ villain and secretary of
Hell" (c. 20, S. 45).
6) ttberall, wo er auf den Glauben zu sprechen kommt, wie auch
aus seinem gesamten religiosen Bekenntnis in der R. M. erkennt man
zugeben, dafi es in der Heiligen Schrift Geschichten
gibt, welche an Unwahrscheinlichkeit noch die Fabeln
der Dichter iibertreffen, z.B. die Erzahlung von Simson;
aber auch diese kann auf Wahrheit beruhen, wenn
Gottes Allmacht dabei im Spiele war1).
Diese Eigenschaft Gottes hebt er auch sonst ruh-
mend hervor; so betont er einmal nachdriicklich, Gott
konne alles, ihm sei kein Ding unmoglich; richtet er
irgend etwas nicht aus, dann will er es nicht2). Gottes
den tiefen Ernst seiner Worte. Vollkommen berechtigt ist daher das
Urteil Samuel Johnsons: BIt is no difficult to task to replace him
among the most zealous professors of Christianity", das John Knott
(,,The Dublin Journal of Medical Science", 1905 a. a. 0. S. 243) ^highly
refreshing" nennt. Von absichtlicher Ironie ist keine Spur vor-
handen; es mufi dies wegen der unrichtigen Angabe in der „ Bio gra
phic medicale", Tom. Ill, Paris s. a. S. 8: ,,11 s'exprime sur plusieurs
points de croyance avec une espece d'ironie" ausdriicklich festgestellt
werden. Richtiger sagt Johann Georg Theodor Graesse in seinem
umfangreichen nLehrbuch der allgemeinen Literargeschichte aller bekannten
Volker der Welt", (Bd. Ill, 2. Abteilung, Leipzig 1853 — ,,Das 17. Jahr-
hundert in seinen SchriftsteUern und ihren Werken") iiber diesen Punkt :
wEinige Zweifler wagten die Behauptung aufzustellen, es sei in der
R. M. eine solche Frommigkeit und eine solche glaubige (Jberzeugung,
dafi man dieselbe nur fur eine Ironie halten konne" (S. 412—413). Man
bedachte eben nicht, dafi eine freiere Anschauung von den religiosen
Dingen sich sehr wohl mit wahrer innerer Frommigkeit vereinen kann.
1) Gottfried Arnold in der ,,Fortsetzung und Erlauterung oder
Dritter undVierdterTheil der unpartheyischen Kirchen- und Ketzerhistorie",
(Frankfurt a. M. 1729, Bd. Ill, Kap. 8, § 29, S. 81) verteidigt Browne
gegen den Vorwurf des Atheismus. Aber so richtig diese Verteidigung ist
und so gut der vortreffiiche alte Kirchenhistoriker es meinte, seine Be-
griindung zeigt, dafi er selbst die R. M. nicht gelesen haben kann.
Derm Arnold behauptet, Browne habe an der oben genannten Stelle
hinzugesetzt, ,,wenn namlich rohe und unerleuchtete Gemiiter solche
Dinge lesen". In Wahrheit aber steht a. 0. c. 21, S. 46: ,,Yet is all of
this (sc. Simson) of an easie possibility, if we conceive a divine con
course, or an influence from the little finger of the Allmigthy".
2) Vgl. c. 27, S. 62: ,,He will not perform many things'-; man
vgl. damit auch c. 13, S. 26: ,,His actions springing from his power, at
the first touch of his will".
24
Allmacht versinnbildlicht sich uns in den Wundern,
die von Menschen, natiirlich nur unter Ein- und Mit-
wirkung Gottes, noch jetzt getan werden konnen; wir
haben sie alsdann als waufierordentliche Wirkungen
gottlicher Hand" zu betrachten1).
Viel of ter gedenkt er eines anderen Attributs Gottes,
seiner W e i s h e i t. In sie sich geistig zu versenken,
erquickt seinen Verstand, wahrend die Ewigkeit Gottes
ein sein Denken verwirrendes Gefuhl in ihm auslostS).
Die Weisheit ist Gottes schonste Eigenschaft3); wah
rend ihm nichts verborgen bleibt,sind seine Ratschliisse
und Plane fur den Menschen unfafibar. Diese Weisheit
of f enbart sich uns Menschen in der Natur. Unsere Auf-
gabe ist es — man denke dabei an des theologisierenden
Astronomen Camille Flammarion weitverbreitetes
Buch ,,Dieu dans la nature" - - Gottes Spuren in ihr
zu suchen4), die wir z. B. in dem Wirken der Bienen -
unwillkiirlich erinnert man sich an Maurice Maeter
linck s Beobachtungen in seinem schonen Buche: »La
vie des abeilles" (1901) - - Ameisen und Spinnen er-
kennen konnen ; die Bildung5) dieser kleinen Tiere musse
man mehr bewundern als die grofien Wunderwerke
1) Vgl. c. 27, S. 61 : ,,Extraordinary effects of the Hand of God".
Eine solche Aufierung ist wohl mehr als ,,haltlose Halbheit", wie Bern-
hard Piinjer, ,,Geschichte der christlichen Religionsphilosophie seit der
Reformation", Bd. I, Braunschweig 1880, S. 221 Brownes Ansicht von
den Wundern nennt. Man kann ihn aber auch nicht mit Lindner,
wLehrbuch der christlichen Kirchengeschichte. Mit besonderer Beriick-
sichtigung der dogmatischen Entwicklung" Bd. Ill 2, Leipzig 1854, S. 286
einen ,,Vorlaufer der natiirlichen Wundererklarung" nennen.
2) Vgl. c. 11, S. 20: ,,Wisdom and Eternity: with the one I re
create, with the other I confound my understanding".
3) Vgl. c. 13, S. 24: ,,Wisdom is his most b eauteous Attribute".
4) Vgl. c. 13, S. 26 : ^Discover those expressions he has left in his
creatures", s. aber dagegen die Anm. 2 auf S. 11!
5) Vgl. c. 15, S. 30: wThe civility of these little Citizens".
- 25
der Natur, die Wale und die Elephanten. Alles, was in
der Natur geschieht, sind »Werke Gottestt; durch sie
selbst geschieht nichts, da Gott auch der Sonne ihren
Lauf bestimmt hat. Schriebe man der Naturkraft
irgend eine Handlung zu, so wiirde man die Ehre des
Werkmeisters auf das Werkzeug iibertragen1). Gott
ist die wahre und untriigliche Ursache des Alls2). Aber
nicht nur die Natur3) ist Gott untertan; auch derMensch
ist von ihm abhangig, Gottes Weisheit bestimmt die
Lange seiner Tage4). Ihr entstammen auch die man-
cherlei Leiden und Plagen, die Gott iiber den Menschen
verhangt; sie erweisen sich schliefilich als Proben seiner
Zuneigung5). Erftir seine Person fiirchtet zwar Gott, aber
erschrickt nicht vor ihm6); andrerseits liebt er auch
Gott, da die Liebe sich immer auf etwas Unsichtbares
richtet; nur die Liebe zu Gott veranlafit uns, unseren
Nachsten zu helfen7).
Der herrlichste AusfluG seiner Weisheit aber ist
die Vorsehung8); dies Attribut Gottes tritt besonders
in Kraft bei dem Unerklarlichen, das wir das ^Gliick"
(fortune) oder ,,Zufall" (chance) nennen. Die unerhoffte
Erlosung aus den Fahrlichkeiten des Lebens, die einen
Menschen, aber auch ein ganzes Volk treffen konnen
1) Vgl. c. 15, S. 33: wTo ascribe his actions unto her, is to devolve
the honour of the principal agent upon the instrument".
2) Vgl. c. 18, S. 41 : wHe is the true and infallible cause of all".
3) Wie B. Piinjer behaupten konnte (a. a. 0. S. 221): ,,Das Ver-
haltnis von Gott und Natur wird nicht naher erortert", ist mir unver-
standlich. Eine sorgfaltige Lektiire der R. M. hatte das entgegenge-
setzte Ergebnis zeitigen miissen.
4) Vgl. c. 43, S. 92: „ 'twas his wisdom to determine them".
5) Vgl. c. 53, S. 115: ,,The secret . . . favours of his affection".
6) Vgl. c. 52, S. 114: ,,I fear God, yet am not afraid of him".
7) Vgl. Tl. II, c. 14, S. 173.
8) Uber sie handeln c. 17 und 18.
— 26 —
— als Beispiele hierfiir nennt er die Vernichtung der
spanischen Armada im Kanal (1588) -- »afflavit deus
et dissipati sunt" — und die rechtzeitige Entdeckung
der Pulververschworung (1605) — dem Gliicke, »dieser
gekrummten Schlangenlinie" *), zuzuschreiben, sei un-
richtig; es sei vielmehr hierin der verhullte Weg seiner
Weisheit zu erkennen, oder, wie er es etwas weiter-
hin ausdriickt, weinzig und allein die Hand Gottes" 2).
Die Vorsehung mit dem Gliicke zu identifizieren, geht
auf die menschliche Unwissenheit zuriick, die infolge
eines nachlassig gewahlten Terminus eine unrichtige
Bezeichnung verschuldet hat3).
Wie erklart sich aber die Weisheit Gottes, aus
der seine Vorsehung resultierte? Browne weifi auch
hier Auskunft zu geben: er kennt und weifi alles, weil
er alles geschaffen hat"4). Dafi wir Gott die Welt-
schopfung zu verdanken haben, ist unserem Autor
unzweifelhaft. Gott war es, der die rverworrenen
Klumpen", die vor der Schopfung existierten - - er
denkt also an das Chaos — trennte5) und jedes Stuck zu
dem ihm zugehorigen gesellte. Aber bedeutet denn
Schaffen nicht, dafi etwas aus dem Nichts hergestellt
1) Vgl. c. 17, S. 35: ,,Fortune, that serpentine und crooked line".
2) Vgl. c. 17, S. 36: ,,The meer hand of God".
3) Vgl. c. 18, S. 38: ,,It was the ignorance of mans reason, that
begat this very name (sc. fortune), and by a careless term miscalled the
providence of God". Venzky gibt S. 71 seiner ttbersetzung den letzten
Satzteil nicht richtig wieder, wenn er schreibt: ,,Hat der Vorsehung
Gottes diesen falschen Namen beigelegt." Richtiger mufite es heifien:
,,Hat infolge eines nachlassig gewahlten Ausdrucks die Vorsehung Gottes
unrichtig benannt".
4) Vgl. c. 13, S. 14: ,,He knoweth all things, because he made
them all".
5) Vgl. c. 48, S. 104: ,,There was a separation of that confused
mass into its pieces".
— 27 —
wurde? Gewifi, und Browne sucht sich mit dem
Nichts, aus dem alle Dinge entstanden, und jenen
Klumpen, die doch ein Etwas vor der Schopfung aus-
machen, durch folgende spitzfindige metaphysische
Spekulation1) abzufinden: »Da Gott das All 1st, ist er
dem Nichts, aus dem alle Dinge gemacht wurden,
gegensatzlich, und so wurde das Nichts etwas und
die Allheit bildete die Nichtsheit2) zu einer Wesenheit
urn"3). Gott schuf aber die Welt nicht um der Menschen
willen, sondern zu seiner eigenenHerrlichkeit4). Welche
Veranlassung einst den Wei tun ter gang herbeifiihren
wird, ob der Atem Gottes, der ihm hier als »ver-
zehrende Flamme" gilt5), oder eine andere Kraft, weifi
er nicht. Tag und Jahr dieses ,,unvermeidlichen"6)
Ereignisses bestimmen zu wollen, ist Torheit oder
Gottlosigkeit. Sicher ist nur das eine, dafi die Welt
selbst nie ihren eigenen Untergang verursachen wird7).
Jedoch nicht nur die Welt, auch die Menschen
1) Diese wichtige und schwer verstandliche Stelle lautet ira Ori
ginal c. 35, S. 77 f olgendermaBen : ,,God being all things, is contrary
unto nothing, out of which were made all things, and so nothing be
came something, and Omneity informed Nullity into an Essence".
2) Die Worte ,,0mneity" und wNullity" diirften von Browne neu
gebildet sein; vgl. die Encyclopaedia Britannica", 9. Ausg.,
Edinburgh 1876, Bd. IV, S. 390, Sp. 1 : »Much of its (sc. of the style) quaint-
ness, no doubt, depends on the excessive employment of Latinized
words"; vgl. auch B. W. Richardson, ,,Disciples of Aesculapius",
Bd. II, a. a. 0. S. 643: wBr. poured in a multitude of exotic words".
3) Diese ganze Deduktion zeigt die Unrichtigkeit der Behauptung
B. Piinjers (a. 0. S. 221): nEr schliefit aus der Religion alle meta
physische Spekulation aus".
4) Vgl. c. 35, S. 76 : wfor ... his own Glory".
5) Vgl. c. 45, S. 98: wthe consuming flame".
6) Vgl. c. 46, S. 99: inevitable time".
7) Etwas gekiinstelt sagt Browne hier (c. 45, S. 98): wThe World
... no will ever perish upon the ruines of its own Principles".
— 28 —
hat Gott geschaffen, besonders darum, damit sie ihn
ehren; wer diese Pflicht vergifit, vergifit damit auch
den Endzweck unserer ,,Schopfunga *). Wir sind nam-
lich wGottes Odem und Ebenbild"2), in unserer Zu-
sammensetzung ein ,,Mittelwesena3) zwischen korper-
licher und geistiger Wesenheit: auch als »Mikrokos-
mus" 4) bezeichnet er ihn. Jene Form el ist aber nicht
so zu verstehen, als habe Gott den Menschen ^durch
den Atem seines Mundes"5) geschaffen; er mufite beim
Menschen iiber das blofie Schaffen hinausgehen, er
mufite ihn wmachen"6), d. h. er mufite seine Gestalt
und seine Gliedmafien ,,bauen"7). Immerhin war die
Bildung des menschlichen Korpers als etwas aufier
Gott Liegenden bei aller Schwierigkeit noch leicht
gegentiber derSchopfung einerGottahnlichen Substanz,
der Seele, des ^unverderblichen und unsterblichen"8)
Teils im Menschen. Was die Seele ist und wie sie
organisiert ist, dies zu ergriinden, weist Browne von
sich; im Gehirn durfte ihr Sitz kaum sein, da es sich
in nichts von dem Hirnschadel eines Tieres unter-
1) Vgl. c. 35, S. 76: «We forget the very end of our Creation".
2) Vgl. c. 34, S. 74: wthe breath and similitude of God".
3) Vgl. c. 34, S. 73 : ^amphibious piece".
4) Dieses Wort iibersetzt Browne c. 34, S. 74 mit ,,little world";
es kommt noch einmal vor Tl. II c. 10, S. 162: ,,because every man is
a Microcosm".
5) Diesmal wahlt Browne fur Atem einen anderen Ausdruck als
in c. 34, S. 74 (vgl. das Zitat oben Anm. 2); hier (c. 36, S. 78) steht
wat the blast of his mouth".
6) Browne trifft a. 0. c. 36, S. 78 tatsachlich eine synonymische
Unterscheidung, indem er wto make" fur den Menschen und ,,to create"
fiir die iibrigen Geschopfe verwendet.
7) Vgl. am selben Orte: ,,having raised the walls of man".
8) Im Englischen aber kein Reim: ,,Incorruptible and immortal
soul" (c. 36, S. 78).
— 29 —
scheide1). Dafi sie ein Geistiges 1st, glaubt auch er;
er findet dafiir das Bild, sie sei in ,,fleischerne Wande
eingemauert"2;. Unwillkiirlich gedenkt man dabei der
pythagoreischen Anschauung vom Leibe als dem
Grabe der Seele (G& pa- a a pa). Sie belebt den Korper
kraft ihrer geistigen Natur und geht in den Himmel
ein. Von einer Seelenwanderung will Browne jedoch
nichts wissen.
Als Mittelwesen zwischen korperlichen und gei
stigen Wesenheiten hatte B r o w n e die Menschen be-
zeichnet. Es wird uns, wenn wir uns die Zeit, in der
er lebte,vergegenwartigen und uns zugleich der Binsen-
1) Hier zeigt sich Browne einmal als Naturkundiger und Arzt,
wahrend wir diesen seinen Beruf aus dem ganzen Tenor dieser und
anderer Schriften von ihm nicht erkennen wiirden. In der R. M. haben
wir noch mehrere, teilweise deutlichere Stellen, wo sich der Stand des
Verfassers verrat. Sie seien bei dieser Gelegenheit angefuhrt. C. 38, S. 83
erwahnt er das ,,Wiihlen in den Eingeweiden der Verstorbenen" und
,,den bestandigen Anblick der Zergliederungen der Skelette sowie der
Leichenreste", womit c. 45, S. 97 zu vergleichen ist: er habe nicht die
wahre Anschauung vom Tode, wenn er einen Schadel betrachte oder
auf ein Gerippe schaue. Im Original sei folgende wichtige Stelle aus
c. 44. S. 95 zitiert : ,,I have examined the parts of man and know
upon what tender filaments that Fabrick (sc. the life) hangs". Auch
im zweiten Teile der R. M. lesen wir zwei hierher gehorende Angaben;
erstens c. 6, S. 148 : wenn er zu einem Kranken gehe, seinen Leib zu
heilen, so bete er auch zugleich fur seine Seele, und zweitens am aus-
fiihrlichsten im 9. Kapitel, S. 159—161. Hier steht die bemerkenswerteste
Stelle wohl auf S. 160: ,,I can cure Vices bei Physick", ein Vorzug vor
den Theologen, die Hochmut und Geiz nicht so leicht heilen konnten, wie
die Arzte Podagra und Steinleiden; doch sind auch die anderen Aus-
fuhrungen besonders iiber die ,,unchristlichen Wiinsche" seiner Berufs-
genossen interessant: er wunscht nicht heimlich Seuchen herbei, freut
sich auch nicht iiber Hungersnote, ungesunde Friihlinge und unzeit-
gemafie Winter; kann er einem Kranken nicht mehr helfen, so dunkt
iim der Lohn unrechtmafiig.
2) Vgl. c. 37, S. 81 : ,,These walls of flesh, wherein the soul doth
seem to be immured".
— 30 —
wahrheit erinnern, dafi jeder, auch der geistig hochst-
stehende Gelehrte und Forscher, ein Kind seiner Zeit
ist und nur aus ihr heraus verstanden werden kann;1),
kaum wundern zu horen, dafi Browne iiber Geister
viel, recht viel zu sagen weifi. Da er ein frommer Mann
ist, so interessieren ihn naturlich in erster Linie die
Engel, von deren Dasein er fest iiberzeugt ist. Ihnen
verdanken wir viele Wunderzeichen2), sie beschirmen
als ,,Schutzengel"3) sowohl die Lander als auch ein-
zelne Personen. Ein wahres Gloria auf die Engel
lesen wir im 33. Kapitel4). Sie besitzen die Vollendung,
die wir in uns nur dunkel finden, in vollkommenerer
Form. Bei der ersten Erkenntnis tun sie, was wir
nicht ohne reifliche Uberlegung unternehmen konnen.
Sie kennen die Dinge in ihrer wirklichen Beschaffen-
heit, wir nur in ihren Zuf alligkeiten (d. h. in ihren Akzi-
dentien, oder urn einen aristotelischen Terminus
zu verwenden, in ihren ov^e^dra). Mit den iibrigen
reinen Geistern haben die Engel auch noch andere
Eigenschaf ten gemeinsam : wie die Seele das Vermogen
besitzt, den Korper, welchen sie belebt, zu bewegen,
so haben auch die Geister die Kraft, die Korper zu
1) Es bedurfte der von Milsand in seiner Abhandlung ,,Th.
Browne, le medecin philosophe de Norwich. Une Epoque de transition
scientifique" („ Revue des deux Mondes", Paris 1858, Bd. 14, S. 646
bis 685; Bd. 16 S. 632—661) im stolzen Ton der Entdeckerireude ge-
machten Angabe nicht: ,,En 1' ex am in ant mieux, on s' apercoit vite
que le genie propre . . . presente de grandes analogies avec les ten
dances complexes de son epoque" (Bd. 16, S. 633). Seit Goethes Selbst-
biographie und seit dem Erscheinen seines vortrefflichen Essays iiber
Winckelmann tist diese Erkenntnis jedem Forscher in Fleisch und
Blut iibergegangen.
2) Sie nennt er c. 31, S. 68: ,,Charitable premonitions of good
Angels".
3) Vgl. c. 33, S. 70 : ,,Tutelary and Guardian Angels".
4) Vgl. c. 33, S. 71—73.
31 —
bewegen (Fuhrung Habakuks zur Lowengrube, des
Philippus nach Azoth1). Ferner nennen sie eine Art
,,intuitiver Kenntnis"2) ihr eigen, vermittelst der es
ihnen nicht schwer wird, einen grofien Teil unserer
Gedanken zu erraten. Nur einen Vorteil haben die
Engel als die vornehmsten Geister vor den iibrigen:
sie sind iiberall, wo Gott ist, und leben in ihm — aber
doch win Entfernung" 3). Der hochste Geist, hinter dem
auch die Engel zuruckstehen miissen, ist der Welt-
geist4). Er lebt auch in uns als der Geist Gottes, eine
wlinde Warme"5) ist ihm eigentiimlich. Wer das sanfte
Wehen dieses Geistes in sich nicht empfindet, den
kann Browne nicht lebendig nennen, selbst wenn
er seinen Puls fiihlt.
Wo von Engeln6) die Rede ist, ist auch der Teuf el
1) Br. mufi irren, da von einer Fuhrung Habakuks zur Lowen
grube nichts bekannt ist; er denkt offenbar an die bekannte Erzahlung
im Buche Daniel c. 6 ; iiber Philippus vgl. Apostelgesch. c. 8. v. 39.
2) Vgl. c. 33, S. 72: ^intuitive knowledge" neben einer wextem-
porary k." (S. 71).
3) Vgl. c. 35, S. 76: wThey ... do live at a distance even in
himself".
4) Vgl. c. 32, S. 68: wAn universal and common Spirit of the
whole world".
5) Vgl. c. 32, S. 69: wa gentle heat".
6) Ich mochte die sich hier bietende Gelegenheit nicht voruber-
gehen lassen, ohne darauf hinzuweisen, dafi auch noch heute in theo-
logischen Schriften selbst protestantischerseits ein starker Glaube
an die wirkliche Existenz von Engeln sich bemerkbar macht. Franz
Spemann in seinem unerquicklichen, verworrenen, jeglicher Disposition
entbehrenden Buche: ^Jesus im 20. Jahrhundert"2, Stuttgart 1907
wehrt sich S. 55 gegen die wweiten Kreise", wo die Engel als wfossile
Knocheniiberreste aus der Kindheit der Menschen" angesehen werden.
Er hegt die Hoffnung, dafi die Theologie des 20. Jhs. auch die Ge-
samtanschauung der Apostel vom Kosmos (!) fur ^uniiberbietbare
Wahrheit" halt en werde. Wie recht hat einer solchen Anschauung gegen-
iiber doch ein Geistlicher, der Oberpfarrer Leopold Fenger, wenn er
betont: ,,Die Bibel will kein naturwissenschaf tliches .... Buch
- 32 —
nicht weit. Dafi ein solch Nachtwesen existiert, hat
unser Autor, darin Luther gleich, in recht storender
Weise bei seinen Studien1) bemerkt. Seine Absicht
ist, die Menschen zum Unglauben zu verleiten, unsere
Pflicht, mit ihm zu disputieren. Auch an Hex en2)
glaubt Browne; eine Aufierung iiber sie klingt sogar
recht zuversichtlich3). Wer an ihrem Dasein zweifelt,
gilt ihm als Atheist — der schwerste Vorwurf in
seinen Augen4). Der Teufel5) halt sie in dieser
Ketzerei fest; gerade sie, die sich so gern selbst
iiber die Hexen unterrichten wollen, werden eben zur
sein, sondern ein Religionsbuch, das uns lehrt, im Leben gliicklich, im
Leiden geduldig, im Sterben getrost, in der Ewigkeit selig zu werden"
(vgl. seinen Aufsatz : ,,Gedanken iiber Aufgaben allgemeiner
Volksbildungsarbeit" in der ,,Festschrift zum fiinfzigjahrigen
Jubilaum des kgl. Gymnasiums mit Realschule zu Lands-
berg a. W. II. Teil: Festgaben von Lehrern und friiheren Schiilern der
Anstalt'% Landsberg 1910, S. 157).
1) Vgl. c. 19, S. 42: wThe villany of that Spirit (sc. the Devil)
takes a hint of Infidelity from our Studies".
2) In praxi hat Br. (nach Hutchinsons: ,,Essay on Sorcery")
dies London 1664 durch ein Gutachten gegen zwei des Verbrechens
der Zauberei angeklagte Frauen bewiesen; es hatte ihre Verurteilung
zum Tode zur Folge. Er gab namlich an, die Krampfe, an denen diese
Frauen litten, seien zwar n^tiirlich, aber durch den ihnen inne-
wohnenden Satan gesteigert. — Ich entnehme dies den Berichten in
der wBiographie Universelle", Bd. 6, Paris 1812, S. 61, in der En
cyclopaedic von Ersch und Gruber, Bd. 13, Lpz. 1824, S. 108
und in H. Weingartens Buch: ,,Die Revolutionskirchen Englands",
a. a. 0. S. 308, Anm. 2, da mir Hutch. Werk nicht zuganglich war.
3) Vgl. c. 30, S. 65: ,,I do now know that there are Witches".
4) Vgl. die unten auf S. 40 ff. iiber diesen Gegenstand folgenden
Nachweise.
5) Ich mochte nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dafi Br. auch
den delphischen Apollo zum ,,Teufel" degradiert; denn c. 46,
S. 99 spricht er von der ^amphibology of the ^Devil of Delphos",
und c. 13, S. 25 wird das yv&d-i oeavrdr als Lehre des Teufels be-
zeichnet.
Strafe fur ihren Unglauben nie Erscheinungen be-
kommen, durch die sie sich von deren Existenz iiber-
zeugen konnten. Der Ort der Verdammnis, wo der
Teufel iiber die Sunder herrscht, ist die Ho lie. Hier
ist es nun tiberaus interessant zu bemerken, wie die
mittelalterliche, auch heut noch nicht ganz verklun-
gene Hollenauffassung1) neben einer gereinigten,
uns modern anmutenden2) steht. Verwunderlich ist
und bleibt es nur, wie es kam, dafi diese Anschau-
ung nicht die althergebrachte bei Browne vernichtete.
Im Hollenraum, den er sich unter der Erde, nicht
aber in feuerspeienden Bergen liegend3) denkt,
werden Schwefelflammen den Korper der Sunder
zermartern, ohne ihn zu zerstoren ; denn der mensch-
liche Leib wird mitten im Feuer unsterblich bleiben,
ahnlich wie das Gold in ihm zwar schmilzt, aber
nicht verzehrt wird. Da mithin der Korper auch in
der Holle, wenngleich unter furchtbaren Qualen,
unverganglich bleibt, so kann dieser Vorgang, der
den Pobel4) erschreckt, nicht das schlimmste Unheil
sein, das dem Sunder begegnet. Da aufierdem Un-
sterblichkeit im Himmel und in der Holle herrscht,
so ware es deshalb nicht notig, den Himmel der
Holle entgegenzustellen. Die wahre Holle aber ist
das menschliche Herz, in dem der Teufel wohnt, wie
1) Vgl. c. 50, S. 109—112.
2) Vgl. c. 51, S. 112—113.
3) Vgl. c. 51, S. 112.
4) Wie viele bedeutende Manner vor und nach ihm empfindet
auch Browne Abneigung gegen das grofie Volk (the multitude); er
nennt es Teil II. c. 1, S. 129: wthe great ennemy of Reason,
Vertue and Religion", besitzt aber doch zugleich soviel Einsicht
und Gerechtigkeitsgefuhl, dafi ihm der Pobel nicht immer mit dem
^niederen Volk" identisch ist: ,,there is a rabble even amongst
the Gentry".
Schonack, Thomas Brownes Religio Medici.
— 34 —
es Browne oft genug an sich selbst verspurt hat
und noch verspiirt1). Ein verstortes Gewissen kommt
einer ^Einfuhrung in die Holle"2) gleich, die voll-
kommene Holle aber mufi der in sich empfinden,
der des Himmels beraubt ist. Browne selbst kennt
keine Hollenfurcht, da alle seine Gedanken auf den
Himmel gerichtet sind3). Neben dem oder den
Teufeln, die in unseren Herzen nisten, gibt es auch
solche sichtbarer Art; denn Teufel sind auch die Er-
scheinungen abgeschiedener Personen, auBerdem die
Gespenster, die auf Kirchhofen und in Leichen-
hausern ihr Wesen treiben: kein Wunder, erkennt
doch an solchen Statten, wo die Toten schlummern,
der Teufel seinen iiber Adam errungenen Sieg4).
Wir wiirden uns jedoch irren, wenn wir Browne
Todesfurcht zutrauten. Aus alien seinen Aufierungen
liber den Tod geht das Gegenteil hervor. Aus-
driicklich lehnt er im 38. Kapitel jeden Gedanken an
diese Schwache ab; »er zittert und bebt nicht beim
Namen des Todes" 5), nicht, weil er keine Empfindung
fur seine Schrecken besafie oder weil ihn sein Beruf 6)
an den taglichen Anblick Toter gewohnt habe, son-
dern, weil er als ^wohlentschlossener Christ"7) keine
Angst zu haben brauche. Ist doch Sterben weiter
1) Vgl. c. 51, S. 112: I feel sometimes a Hell within my self,
Lucifer keeps his Court in my brest".
2) Vgl. c. 51, S. 113: introduction unto Hell".
3) Vgl. c. 52, S. 113: „! have fixed my contemplations on Heaven".
4) Vgl. den Schlufi des 37. Kapitels auf S. 83: wThe Devil like
an insolent Champion beholds with pride the spoils and Trophies of
his Victory in Adam".
5) Vgl. c. 38, S. 83 : „! be not convulst and tremble at the name
of Death".
6) Vgl. die Anmerkung 1 auf S. 29.
7) Vgl. c. 38, S. 83: wa well-resolved Christian".
- 35 -
nichts als ein Beendigen des Atmens, ein Abschied
von den Elementen1). Betriiben konne ihn nur der
eine Gedanke, dafi die von ihm erworbene Geschick-
lichkeit — er sprach zuvor von der Verwendung
seiner Gelehrsamkeit im Interesse der Allgemein-
heit — mit ihm dahingeht und keinem vererbt
werden kann2). Auffallend ist ferner das Gestand-
nis, daS er sich des Todes schame, weil er die
wSchmach unserer Natur"3) sei: denn die nachsten
Angehorigen entsetzten sich bei unserem Anblick,
und die Vogel begannen uns zu zerfleischen. Dafi
diese wehmiitige Betrachtung wohl nur rhetorisch zu
verstehen ist, zeigt deutlich die unserem Arzte hier
vorschwebende Erinnerung an das homerische
,,otwvolGi re dalia'1. Aber dennoch verkennt er nicht,
dafi der Tod neben vielen Nachteilen auch Vorteile
bringt. Er ist die endgiiltige Kur aller Krankheiten,
ein ^Nektar fur die wohl Vorbereiteten" 4), er gibt
jedem die Erkenntnis dieses Lebens, nach der er bei
Lebzeiten vergebens trachtete 5) ; sein grofiter Nutzen
aber liegt fiir ihn selbst darin beschlossen, dafi er
sein Leben nicht noch einmal zu wiederholen braucht,
um es dann schlimmer zu verbringen als das erste
Mai 6).
1) Hiibsch ist die unmittelbar folgende Antithese (c. 38, S. 84):
die Folge sei, wto be a kinde of nothing for a moment, to be within
one instant of a spirit".
2) Vgl. Tl. II c. 3, S. 137: ,,My acquired parts must perish
with my self".
3) Vgl. c. 40, S. 87: ^ignominy of our natures*.
4) Vgl. Tl. II c. 9, S. 161: ^Nauseous to queasie stomacks, yet
to prepared appetites is nectar".
5) Vgl. Tl. II c. 8, S. 156: MKnowledge of this life ... which
Death gives . . . gratis".
6) Vgl. c. 42, S. 91: wFor fear I should live them worse".
3*
36
Dann soil also mit dem Tode em fiir allemal
alles zu Ende sein? Im Gegenteil! Er hofft fest
auf die Auferstehung und ist von ihr vollig iiber-
zeugt. Gabe es kein wanderes Leben"1), auf das er
barren kann, dann konnten alle Eitelkeiten dieser
Welt ihn nicht fesseln; dies Leben ertragt er iiber-
haupt nur win Erwartung eines besseren" 2). Versteigt
er sich doch in seiner Frommigkeit sogar zu dem
starken Ausspruch, dafi er, wenn der Teufel ihm
einreden konnte, er werde niemals sterben, diesen
Gedanken nicht iiberleben wiirde8). Anderswo gibt
er die Begriindung dafiir an: je langer wir leben,
desto mehr nimmt unsere Vollkommenheit ab, um in
jener Welt wieder erneuert zu werden; dem »vor-
wa'rts" hier entspricht ein ,,ruckwarts" dort4). Un
sere guten Handlungen entspringen der Hoffnung
auf Auferstehung5). Neben den Freuden, welche sie
dem glaubigen Menschen bringt lebt doch die
menschliche Seele dann im Himmel in vollkommener
Gluckseligkeit - konnen auch Leiden und Strafen
folgen, wenn Gott am ^jungsten Tage"6) seine Ge-
rechtigkeit walten lafit und die Ungleichheit, die in
dieser Welt bestand, in jener vor seinem prufenden
Urteil zur Gleichheit umwandelt. Dieser Tag schlieBt
alle vorhergehenden in sich; nur weil man an sein
1) Vgl. c. 38, S. 84: wanother life"; das Wort ^Resurrection"
JEiel schon am Anfang von c. 37, S. 81.
2) Vgl. c. 38, S. 84: win exspectation of a better".
3) Vgl. a. 0.: wCould the Devil work my belief to imagine 1
could never dye, I would not outlive that very thought".
4) Vgl. c. 42, S. 90 : wrun on here, but to be retrograde hereafter".
5) Vgl. c. 47, S. 102: «The life therefore and spirit of all our
actions, is the resurrection".
6) Br. gebraucht sonst (z. B. c. 57, S. 122) die Bezeichnung ,,the
last day"; am Ende des c. 46, S. 101 nennt er ihn ,,that great Jubilee"
— 37 —
dereinstiges Kommen denkt, 1st man auch im Finstern
ehrbar, nicht etwa deshalb, well man sich bei seinen
Handlungen seine besten Freunde als gegenwartig
denkt und well man nach dem Grundsatze der
Stoiker verfahrt: ,,Ipsa sui pretium virtus sibi". Als-
dann werden viele selig werden, die in den Augen
der Menschen verdammt waren und umgekehrt1).
Die Gerechtigkeit, aber auch das Mitleid oder die
Barmherzigkeit Gottes - sie allein die Ursache der
Seligkeit2) - werden dann offenbar werden; denn
die Menschen konnen nie bestimmen, wer selig
werden wird und wer nicht. Ihn hat die Menge
derer, die sich der Seligkeit riihmen, immer in Er-
staunen versetzt. Browne selbst will, obwohl er
seiner Seligkeit gewifi ist^), nur der geringste unter
den Seligen sein, nach dem hochsten Platze geliistet
ihn nicht4). Uber die Art und Weise, in der die
Auferstehung erfolgen soil, aufiert sich Browne ge-
nauer. Er glaubt, dafi unsere wzerteilte Asche",
unser wgetrennter Staub"5), nachdem das wallgemeine
Feuer"6) erfolgt ist, nach manchen Umbildungen in
die Teile der Mineralien, Pflanzen und Tiere auf
Gottes Befehl wieder so vereinigt wird, dafi die ur-
1) Vgl. c. 57, S. 122: »Many are saved, who to man seem repro
bated; and many are reprobated, who in the opinion and sentence of
man stand elected".
2) Vgl. c. 59, S. 125: BI hold to be the cause of Salvation . , .
was the mercy . . . of God".
3) Vgl. c. 59, S. 124: WI am confident, and fully, perswaded
... of my salvation".
4) Nach c. 58, S. 124 begniigt er sich sogar damit »to bring up
the Rere in Heaven".
5) Vgl. c. 48, S. 103 : nour divided ashes — our separated dust".
6) Vgl. c. 23, S. 53: wthe general flames, when all things shall
confess their ashes".
— 38 —
sprtinglich vorhandene Gestalt von neuem ersteht.
Gottes ^allmachtige Stimrne" wird alsdann den »zer-
f allenen Uberresten" *) bef ehlen, zu ihrer ihnen eigen-
tiimlichen Form zuriickzukehren , genau so, wie
Quecksilber, das in tausend Teilchen zerlaufen 1st,
sich wieder vereinigt.
Aus all dem bisher Gesagten ergibt sich von
selbst, dafi unser Autor ein sehr eifriger Leser und
genauer Kenner der Bib el gewesen ist; wenn er
nicht selbst im Verlauf seiner Darlegungen 6'fter auf
sie zu sprechen kame — auch Anspielungen auf
Bibelworte finden sich gelegentlich — so wiirden
wir seine Bibelkenntnis auch ohne ausdruckliches
Selbstzeugnis bemerken. Die Angabe und Be-
sprechung dieser Stellen mag unsere Inhaltsiiber-
sicht schliefien. Die Heilige Schrift gilt ihm als das
Wort Gottes2); aber auch als Werk von Menschen-
hand ware sie das vortrefflichste Buch, das existiert,
selbst als Heide wiirde er sie lesen3). Den mensch-
lichen Geisteserzeugnissen ist ihre Zeit gesetzt. Die
Heilige Schrift allein ist ,,zu hart fiir den Zahn der
Zeit" 4), sie wird dauern bis zum jiingsten Tage. Wie
er an einem anderen Orte5) gegenuber den theolo-
1) Dies hat man wohl unter den ^corrupted reliques" in c. 48
auf S. 104 zu verstehen.
2) Vgl. c. 23, S. 52: ,,The Word of God, for such 1 do believe
the holy Scriptures".
3) Vgl. a. 0. S. 52: »Were I a pagan, I should not refrain the
Lecture of it".
4) Vgl. c. 23, S. 53 : «too hard for the teeth of time" ; sollte hier
eine Anspielung auf Shakespeares Komoedie ,,Mafi fiir Mafi" (V, 1)
vorliegen? Uber ahnliche Stellen vgl. Buchmann-Robert-tornow-
Ippel23 Berlin 1907, S. 323.
5) c. 21, S. 47—48; auch das 22. Kapitel dient der Zuriick-
weisung derartiger Lacherlichkeiten.
— 39 —
gischen Haarspaltereien seiner Zeit1) eine ablehnende
Haltung einnimmt, so steht er auch zu den Bibel-
exegeten. Uber die rabbinischen Ausleger des Alten
Testaments ist er beschamt2); er nennt es aber
auch »eine nicht zu rechtfertigende Neugier"3), die
Richtigkeit der biblischen Geschichten durch ihre
(ibereinstimmung mit der »menschlichen Geschichte" 4)
zu priifen.
1) Ich erwahne aus dem 21. Kapitel nur die spitzfindigen Fragen,
ob Eva aus Adams linker Seite gebaut sei, ob Adam ein Zwitter ge-
wesen sei, wem von beiden die Rippe bei der Auferstehung gehoren
werde. Vgl. die ergotzlichen Beispiele, die K. J. Weber in den Auf-
satzen: wDer Geist des scholastischen oder gelehrten Zeitalters" und
wDas Abenteuerliche und Extradumme" (Democritos Bd. in, c. 23,
S. 270; Bd. XII, c. 9, S. 91—92 der 8. Aufl.) iiber diesen Unfug ge-
sammelt hat.
2) Vgl. c. 25, S. 55: WI am ashamed at the Rabbinical Inter
pretation".
3) Vgl. c. 29, S. 64: rnot warrantable curiosity"; vgl. iiber
Begriff und Umfang dieses Wortes W. Miinchs Studie wNeugier und
Wifibegier" in: nAllerlei Menschliches" Berlin o. J. S. 3ff.
4) Unter „ human history" (c. 29, S. 64) sind wohl die welt-
lichen Autoren, besonders die Geschichtsschreiber, zu verstehen.
Drittes Kapitel.
Sir Thomas Browne im Urteil der zeitgenossischen
und der spateren Theologen.
Ein Gelehrter, der, obwohl nicht Theolog, der
Heiligen Schrift so blindlings glaubt, dafi er kein
Tuttelchen auf dem I verandert wissen mochte, der
jede kritische Bibelforschung, die damals, den Streng-
glaubigen zum Trotz, schon kraftig ihre Schwingen
regie, energisch ablehnt, ein Mann, dem Engel und
Teufel, Himmel und Holle, Auferstehung und jungstes
Gericht keine blassen Schemen sind, sondern Dinge,
von deren Dasein er fest liberzeugt ist, der sich de-
miitig beugt vor Gottes Allmacht und Weisheit, der
sich endlich ausdriicklich einer bestimmten Kirche,
einer fest umgrenzten Religionsgesellschaft beigesellt,
kann nun und nimmer Atheist gewesen sein. Dies
aber war der Vorwurf, der bald nach Erscheinen des
Buches mehr oder minder laut, mehr oder minder
heftig gegen seinen Verfasser ausgesprochen wurde.
Zwar wurde ihm und seiner Schrift in seiner Heimat
England teils wegen des brillanten Stils1), teils wegen
1) Der Autor des Artikels iiber Br. in der wEncyclopaedia
Britannica" urteilt a. a. 0. S. 390, Sp. 1 f olgendermafien : ,,It is a
style altogether unique — rich, with a lavish use of mataphor and
analogy — majestic and swelling, and with a fine antique flavour about
it". Ungiinstig lautet das m. E. schiefe Urteil Samuel Johnsons
iiber Brs. Ausdrucksweise : wSein Stil ist lebhaft, aber hart, er ist
gelehrt, aber pedantisch; er macht Eindruck, ohne zu gefallen; er ist
— 41 —
seiner Gedankenfulle hohe Bewunderung zuteil. Es
waren im wesentlichen die deutschen Theologen
des 17. und 18. Jh., die Browne off en des Atheis-
mus beschuldigten, u. a. Joh. Mueller, Reiser,
Tobias Wagner und besonders heftig Adam
Rechenberg1). In Frankreich war es N. F. J. Eloy,
der eine vollig grundlose Anklage gegen ihn erhob 2).
Ganz anders hatte hundert Jahre vor ihm der fran-
tief, aber dunkel; die von ihm gebrauchten Bilder sind bizarr, seine
Kombinationen gezwungen; er borgt Ausdriicke aus alien Wissen-
schaften und wird dadurch seltsam" (mitgeteilt bei Ersch u. Gruber,
Encyclopaedie a. a. 0. S. 108). Dieser scharfen Aufierung des
Verfassers der ^Lives of the most eminent English poets" und eines
^Dictionary of the English language" stelle man die Ansicht eines
neueren englischen Sclmlmannes, des Mr. Johnson, des Begriinders
der „ Trinity- College -School" bei Toronto, entgegen : er las seinen
Schiilern Ausziige aus der Rel. Med. vor ,,in illustration of the beauty
of the English language" (vgl. W. Osier ,,The British Medical Journal"
1905, a. a. 0. S. 993). Von neueren Gelehrten riihmt den Stil Brs.
gar sehr B. W. Richardson, ,,Disciples of Aesculapius", Bd. II: rlt
is a prose poem from its beginning to its end" (S. 644). ,,It is a
classic rather than a physician he lives" (S. 637); freilich muB er
S. 643 zugeben, sein Stil sei ,,a tissue of many languages".
1) Vgl. sein Buch ,,Thomae Hobbesii Evgrjiua compendiarium in
religione Christiana novum . . . discussum", Lipsiae 1674. Cap. III.
§ 7, pg. 209: ,,Praestaret lib rum aeternis tenebris latuisse . . . virus*
quod uontinet liber". Die ,,tenebrae" beziehen sich also auf dasWerk
Brownes, nicht auf ihn selbst, wie Jac. Frid. Reimmann
(,,Catalogus bibliothecae theologicae systematico-criticus", Hildesiae 1731,
Bd. II, S. 1052), falsch zitierend, angegeben hat.
2) Vgl. sein «Dictionnaire historique de la medecine ancienne et
moderne", Mons 1778, Bd. I, S. 459: wL'irreligion, qui fait la base de
ce Traite, lui a merite la censure la plus severe de la part des Catho-
liques Remains". Diese konnten doch wahrhaftig iiber Br. nicht
klagen(man vgl. oben S. 15f.)! Daher sagt auch Gottfried Arnold in
seiner nUnpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie", Frankfurt a. M.
1729, a. a. 0. § 30, S. 81 des III. u. IV. Bandes: die Franzosen batten
die R. M. sehr empfohlen, wweil der Auctor von einigen Stiicken der
Pabstischen Religion ziemlich favorabel raisonniret hat".
— 42 —
zosische Ubersetzer der wReligio Medici"1)
geurteilt. Horen wir, ehe wir selbst auf jene von
den Theologen geaufierten Bedenken eingehen, die
durchaus berechtigen und verniinftigen Anschau-
ungen jenes unbekannten Autors, die in seiner Vor-
rede zu lesen sind. Uberzeugt davon, dafi mehrere
sein Vorhaben, eine Ubertragung der R. M. zu liefern,
verdammen werden2), kann er dennoch nicht davon
abstehen, da es ihm nicht einfallt, sich Ignoranten
zu unterwerf en 3). Er unterzieht sich seiner Aufgabe
aber auch aus Dankbarkeit, da er zur praktischen
Ubung der Tugend durch Browne angeregt ist4)
dies veranlafit ihn sogar zu einer begeisterten
Apostrophe an den frommen Arzt5) — , ferner aus der
klaren Erkenntnis heraus, dafi dieser in vielem Recht
1) Gemeint ist die Ausg. von 1668: nLa religion du medecin,
c'est a dire: Description necessaire par Thomas Brown,
M6decin renomm6 de Norwich; touchant son opinion
accordante avec le pur service Divin d' Angleterre.
Imprimee 1'an 1668". (s. 1.) Niceron, wMemoires pour servir a
1'histoire des hommes illustres dans la republique des lettres avec un
catalogue raisonn6 de leurs ouvrages", Tome XXIII, Paris 1733, S.353 muB
irren, wenn er den Titel der frz. Ausgabe von 1668 anders angibt
(,,La Religion du Medecin, traduite du Latin de Th. Browne, avec des
remarques", Paris 1668), oder es gab deren zwei verschiedene.
2) Vgl. S. 1 : ,,J'advoue qu' il y a grand sujet de croire que plu-
sieurs personnes blameront mon procedee ct condamneront ma
traduction comme inutile pour ne dire pas criminelle". Auch Joh.
Merryweather fand fiir seine lateinische (Jbersetzung der R. M.
(vgl. oben S. 19, Anm. 1) nur mit Muhe einen Verleger (so: Zedlers
Universallexicon, Bd. IV, Leipzig 1733, Sp. 1493).
3) Vgl. S. 4 : WJ1 n'appartient pas a un homme sage de sous-
mettre ses pensees a des gens ignorans".
4) Vgl. S. 5: MJe puis donner . . . ce tesraoignage a sa gloire
que j'ay beaucoup profite dans la pratique des vertus par son estude".
5) Vgl. S. 6 : wAyez a jamais cette gloire, grand et docte per-
sonnage, de m'avoir rendu plus vertueux, plus sgavant, et mieux
entendu que je n'estois pas la lecture de vostre ouvrage".
— 43 —
hat, dafi er durch seine grundliche Uberlegung1)
durch den die Wahrheit aufdeckenden Freimut2)
vielen Nutzen gestiftet hat. Fur die tiefe Frommig-
keit des englischen Verfassers findet er das hubsche
Wort: »Wenn dieser Mann noch mehr zum Ruhme
Gottes zu sagen gewufit hatte, so wiirde er es von
ganzem Herzen getan haben"3). Er kannte eben
seinen Autor grundlich; denn ihn des Atheismus zu
verdachtigen, war eben nur denen moglich, die in
dem Buche blatterten und - - gleich manchen Rezen-
senten heutzutage - die eine oder andere verfang-
liche AuBerung aufierhalb des Zusammenhangs be-
trachteten und dann uber das ganze Werk ein ver-
nichtendes Urteil fallten, nicht aber solchen Lesern,
die es vollstandig mit Sorgfalt und Fleifi durch-
gearbeitet hatten. Nur diese konnten wissen, dafi
er selbst sich an mehreren Stellen gegen den Atheis
mus ausgesprochen hatte. So wurde er denn auch
von manchen Theologen, z. B. von Jac. Fried.
Reimmann4) — ein Zeichen, dafi auch deutsche
1) Vgl. S. 7: »La solidite de vos raisons".
2) Vgl. S. 5: «J1 descouvre la verite avec trop de franchise".
3) Vgl. S. 11 : wSi cet homme eust sceu dire davantage pour
glorifier la Divinite, il 1'auroit fait de tout son coeur".
4) Cf. ^Historia Universalis Atheismi et Atheorum", Hildesiae
1725, pg. 447: wQuae si legeris non possis non obstupescere qua
front e nonnulli virum hunc Atheismi accusare potuerint, cum ipsemet
hoc vitium tarn rigide condemnaverit et suae doctrinae iuxta ac vitae
tarn ingenuam ac sinceram vulgaverit confessionem .... Immo in
Theologiae theoria ac praxi egregie excelluit" (S. 448). Anderswo (im
^Catalogus bibliothecae theologicae systematico-criticus", Hildesiae 1731,
Bd. 2, S. 1052) sagt er zwar: wHic auctor non omnis prorsus expers
est maculae et anomaliae", fiigt aber gleich hinzu: wSed multa
habet sana sobria praeclara et non cottidiani commatis, quae Lectori
pensare potuerunt quam eidem perlustrando impendit operam".
Gottesgelehrte !) die richtige Anschauung iiber ihn
batten - friih gegen jene unberechtigte Anklage
verteidigt. Da wir es unternommen haben, eine ge-
naue Inhaltsiibersicht zu geben und durch eine solche
Analyse das Andenken an ein hervorragendes, zu
Unrecht dem Gedachtnis gar mancher heutigen Theo-
logen entschwundenes Werk2) zu erneuern, so seien
Brownes Aufierungen iiber den Atheismus
noch kurz angefuhrt. Browne unterscheidet scharf
zwischen Ketzern und Atheisten. Ketzereien, Spal-
tungen und Irrungen3) konnen vorkommen, ja sie
werden immer wieder von neuem auftreten — und
aus welchem Grunde? Nur deshalb, weil immer
wieder derartige Manner erscheinen werden, und
weil noch keiner lebte, der nicht spater wieder
seinesgleichen gefunden hatte4). An einem andern
Orte5) behauptet er sogar, dafi Ketzereien stattfinden
mussen, da ja diese selbst wieder Spaltungen unter
sich erzeugen. Aber Ketzerei, worunter Browne
eine irrige, mit den herrschenden und von der
Kirche gebilligten Lehren nicht ubereinstimmende
religiose Anschauung versteht, ist nicht identisch mit
1) Dennoch ist die Angabe i. d. ,,Bio graphic universe lie",
Bd. VI, S. 62 im allgemeinen richtig: ,,Les theologians de 1'Allemagne
Pattaquerent plus se'rieusement et voulurent passer 1'autheur pour athee".
2) Hier sei noch das Urteil des beriihmten franzosischen Arztes
Guy Patin (1601—1672) iiber die R. M. angefiihrt; in seinen wLettres
choisies" (Francfort 1683) finden sich einige Aufierungen iiber sie; er
sagt u. a. einmal: ,,J1 y a de gentilles choses dans ce livre" (cf. S. 12);
ein ander Mai behauptet er: ,,J1 n'y a encore guere de livres de cette
sorte".
3) Vgl. c. 6, S. 11 : ,,Heresie, Schisms or Errors".
4) Vgl. c. 6, S. 12: ,,There was none then, but there hath been
some on since that parallels him, and as it were his revided self".
5) Vgl. c. 8, S. 15: ,,There must be Heresies".
45 —
Atheismus. Beides sind grundverschiedene Dinge.
Wie er iiber die Gottesleugner denkt, ergibt sich
hinreichend aus dem kurzen, aber treffsicheren Satze:
wlch bin viele Jahre der Meinung gewesen,
esgabe gar keinen"1). Wie konnten aber bei dieser
energischen und unzweideutigen Abkehr Brownes
von den Atheisten die zeitgenossischen und die spateren
Theologen dennoch einen solchen in ihm erblicken?
Die Ursache lafit sich leicht aufdecken; steht doch
im 13. Kapitel des zweiten Teiles: »Ich gestehe, ich
bin ein Atheist, ich kann mich nicht iiberreden, das
zu ehren, \v^s die Welt anbetet"2). Las dies ein
eifriger Theolog, der gleichzeitig ein eilfertiger Skri-
bent und ein ungriindlicher — oder soil ich sagen
wgenialera — Forscher war, so war das Urteil iiber
Browne gesprochen und sein Werk auf den Index
gesetzt3). Aber jene Aufierung bezieht sich darauf,
dafi Browne dem wGod of the Earth", dem
Gelde4) gegeniiber, ein Atheist zu sein behauptet,
und zwar gehen diese Worte unmittelbar jener be-
bedenklich erscheinenden, in Wahrheit aber unver-
fanglichen Aufierung voraus. Damit ist wohl der
1) Vgl. c. 20, S. 44: ,,I have been these many years of opinion
there was never any".
2) Vgl. Tl. II c. 13, S. 171: ,,I do confess, I am an Atheist, I can
not perswade myself to honour that the world adores".
3) Es kam tatsachlich auf den „ Index librorum prohibit orum" ;
vgl. H. Weingarten, wDie Revolutionskirchen Englands", a. a. 0. S. 308.
4) Dieser Ausdruck Brownes beweist wiederum, wie haufig sich
derartige Metaphern unwillkiirlich einstellen; man vgl. z. B. ein Gedicht
Schiller s aus der dritten Periode: wAn die Freunde", wo es
Strophe 3, V. 4—6 lautet:
,,Tausend Schiffe landen an und gehen;
Da ist jedes Kostliche zu sehen,
Und es herrscht der Erde Gott, das Geld".
— 46 —
Atheismus unseres Verfassers aufgeklart und er-
ledigt.
Wenn auch dieser Vorwurf seiner Zeitgenossen
gegen ihn unberechtigt war, so lafit doch unser
systematisch geordneter Uberblick iiber den Inhalt
der R. M. erkennen, dafi Browne in vielen Punkten
freiere Anschauungen hatte und auf keinen Fall den
Orthodoxen, zumal den orthodoxesten Orthodoxen
seiner Zeit, beigesellt werden darf; das ware schon
durch seine Ermahnungen zur Versohnung der
christlichen Parteien untereinander *) ausgeschlossen.
Seine Behauptung, in der Theologie halte er den ge-
bahnten Weg ein2), wird schon durch die hohe
Stellung eingeschrankt, die in seinem individuellen
Glaubensbekenntnis die Vernunft und das Anrecht
des Menschen auf eine von ihr geleitete wissen-
schaftliche Forschung einnimmt, ferner durch seine
Anschauung von dem eigentlichen Sitz der Holle.
Es kommt hinzu, dafi er einmal3) die Lehre Epikurs
von der Unbekummertheit Gottes um die Handlungen
der Menschen und die Ansicht der Stoiker von der
Allgewalt des Schicksals ausdriicklich gegen den
Vorwurf des Atheismus in Schutz nimmt und diese
aus der richtigen Einsicht in das unwandelbare
Gesetz seines Willens, jene aus einem allzu er-
habenen Begriff von Gottes Majestat ableitet. So-
krates, der Lehrer des Philosophen Plato, der wei-
seste der Griechen, diinkt ihn ein wirklicherer Mar-
1) Darin sieht E. L. Henke, wNeuere Kirchengeschichte". Nach-
gelassene Vorlesungen, hrsg. von Dr. W. Gafi. Bd. II, wGeschichte der
getrennten Kirchen bis zur Mitte des 18. Jh.tt Halle a. S. 1878, S. 476
einen Vorzug der Brown eschen Theologie.
2) Vgl. c. 6, S. 11: wln Divinity, I love to keep the road".
3) Vgl. c. 20, S. 44.
— 47 —
tyrer zu sein, als viele, die nur in Martyrologien
verzeichnet sind; litt er doch der von ihm ange-
nommenen und ihm zur Uberzeugung gewordenen
Einheit Gottes halberi).
Es erhebt sich daher die Frage, welcher reli-
giosen Richtung des damaligen Englands wir
Thomas Browne zugesellen miissen. Erinnern
wir uns zunachst daran, dafi wir inBrownes Theo-
logie drei wesentliche Punkte erkannten: 1. die
feste Uberzeugung vom Dasein Gottes, die aus seiner
Verherrlichung von Gottes Allmacht und Weisheit2)
erhellt, 2. die Sicherheit der Unsterblichkeit, und
3. den Gebrauch unserer Vernunft auch in religiosen
Angelegenheiten als eine Gott zu erweisende Schul-
digkeit, so werden wir ihn zu den Deis ten rechnen
miissen. Fallt doch seine Lebenszeit direkt in jene
kirchengeschichtlich interessanteste Periode Englands
hinein. Es sei noch nachdriicklich darauf hinge-
wiesen, dafi das Wort ,,0ffenbarung" sich in seinem
Traktat nirgends findet; das ^naturliche Gottes-
bewufitsein" 3) genugt ihm. Seine Zugehorigkeit zu
den ^Freethinkers" hier festzustellen, ist, obwohl
1) Browne teilt also die Anschauung der griechischen und
romischen Kirchenvater, dafi Sokrates kein Heide, sondern, wie
Seneca wegen einiger Gedanken, die er mit Paulus gemeinsam hat,
ein wChristianus ante Christum" gewesen sei; man vgl. in
Brs. R. M. c. 26, S. 59 : ^Socrates, that suffered on a fundament point
of Religion, the Unity of God", und fiber die alten ,,Patres ecclesiae" die
Rektoratsrede Adolf Harnacks vom 15. Oktober 1900 wSokrates und
die alte Kirche", Berlin 1900.
2) Nicht ganz richtig gibt H. Weingarten, wDie Revolutions-
kirchen Englands ",^a. a. 0. S. 309 an: ,,Von alien Aufierungen iiber
Gott steht ihm nur das Eine fest: sein Dasein".
3) So bezeichnet K. Hase in seiner wKirchengeschichte" 12, Lpz.,
1900, S. 464 eine dem Deismus eigentiimliche Lehre.
— 48 —
es nach der vorangegangenen Analyse des Inhalts
der R. M. so scheinen konnte, dennoch keine ver-
lorene Mtihe. Lesen wir doch in dem weitverbrei-
teten, besonders haufig von Studenten herangezogenen
,,Lehrbuch der Kirchengeschichte" von Johann
Heinrich Kurtz1), dafi Browne in seiner R. M.
einen ,,schwarmerisch -mystischen Supra-
naturalismus" vertreten habe. Gedenkt man aber
der bekannten Definition dieser Abart des Rationalis-
mus, man habe darunter den Glauben an eine un-
mittelb.are, der natiirlichen Vernunft unerreichbare
Offenbarung Gottes zu verstehen, denkt man ferner
daran, dafi Browne in seinem Buche nie und nirgends
diesen Standpunkt vertreten hat, gedenkt man end-
lich dessen, dafi der Supranaturalismus bei einem
Teile der Theologen des 18. Jh. im Schwange war,
wahrend doch Thomas Browne im 17. Jh. lebte,
so mufi diese Auffassung der Brown eschen Theo-
logie als unrichtig und unhaltbar abgewiesen werden.
Allerdings finden wir in der R. M. den Deismus noch
nicht so scharf ausgepragt, wie in den • teilweise
spateren Schriften von Herbert von Cherbury,
Thomas Hobbes, Charles Blount, John To-
land, Anthony Collins, Woolston, Tindal,
Thomas Chubb, Thomas Morgan und anderen
Vertretern dieser Richtung, aber die Keime dazu
sind gelegt2).
Dennoch mufi man trotz des soeben beruhrten
1) 13. Aufl., herausgegeben von Bonwetsch und Tschackert,
Bd. 11, 1. Halite, Lpz. 1899, § 167, 3, S. 292.
2) Richtig sagt H. Weingarten, wDie Revolutionskirchen Eng-
lands", a. a. 0. S. 308 : ,,In der R. M. sind die Grundgedanken des
Deismus angebahnt".
— 49 —
Irrtums dem Werke von J. H. Kurtz in einer Hin-
sicht dankbar sein, zumal wenn man UberTh. Browne
arbeitet. 1st es doch die einzige Kirchengeschichte
aus der neueren Zeit, wo unserem theologisch doch
wahrlich nicht unbedeutenden Autor - - neben der
wNeueren Kirchengeschichte" des jiingerenHenke —
einige Zeilen gewidmet sind. Denn tatsachlich er-
wahnen ihn weder Carl Ludwig Gieseler1) noch
Heinr. Ernst Friedr. Guericke2), noch K. R.
Hagenbach3), noch K. Hase in seinem grofien4)
und seinem kleineren5) Buche, noch J. J. Herzog6),
noch K. Heussi7), noch katholischerseits der Car
dinal J. HergenrotherS), noch endlich W. Moeller9).
Von Kirchenhistorikern, deren Schriften hinter dem
Jahre 1850 liegen, nennen ihn nur Lindner10) und
Niedner11); dieser gibt in seiner Aufzahlung der eng-
lischen Deisten nur den Namen und fiir die R. M. eine
1) ,,Lehrbuch der Kirchengeschichte", 6 Bande in 11 Teilen 4,
Bonn 1844—1855.
2) ^Handbuchder Kirchengeschichte " 9, 3 Bande, Leipzig 1866 — 67.
3) ^Kirchengeschichte von der altesten Zeit bis zum 19. Jh." 4,
Lpz. 1870—1886.
4) wKirchengeschichte auf der Grundlage akademischer Vor-
lesungen", 3 Tie in 5 Rdn, Leipzig 1885—1892.
5) ^Kirchengeschichte" 12, Lpz. 1900.
6) wAbrifi der gesamten Kirchengeschichte" 2, 2 Bde, Erlangen
1890—1892.
7) Compendium der Kirchengeschichte " 2, Tubingen 1910.
8) Hergenrother-Kirsch, wHandbuch der allgemeinen Kirchen
geschichte " 4, 3 Bde, Freiburg i. Br. 1902—1909.
9) MLehrbuch der Kirchengeschichte", 3 Bde, Tubingen 1897—1907.
10) ^Lehrbuch der christlichen Kirchengeschichte. Mit besonderer
Beriicksichtigung der dogmatischen Entwicklung" , 3 Bde 2, Leipzig
1848—1854.
11) wLehrbuch der christlichen Kirchengeschichte von der altesten
Zeit bis auf die Gegenwart", Berlin 1866, S. 775.
Schonack, Thomas Brownes Religio Medici. 4
— 50 —
spatere, in Deutschland erschienene Ausgabe (Argentor.
1652) an, jener zitiert ein falsches Erscheinungsjahr
(1646!). Von den zuerst genannten zehn Gelehrten
fiihren die meisten1) - auch nicht alle2) — nur
den Begriinder des Independentismus oder Kongre-
gationalismus, namens Robert Brown an, mit dem
unser theologisierender Arzt Thomas Browne, wie
aufier den verschiedenen Vornamen schon die
Schreibung des Wortendes zeigt3), natiirlich nicht
das geringste zu tun hat; denn friihere Verwechs-
lungen beider4) sind langst erledigt. Dennoch
machen wenigstens einige altere Kirchengeschichten
hinsichtlich unseres Browne eine riihmliche Aus-
nahme. Freilich der Gottinger Kanzler Joh. Lorenz
von Mosheim5), der grlindliche Wittenberger Ge-
lehrte Joh. Matthias Schrockh6) und der Gottin
ger Historiker, spatere Kurator der Universitat Tu
bingen, Ludwig Timotheus Frh. von Spittler7)
1) Vgl. Gieseler, Bd. III. 2 S. 34, Bonn 1853; Guericke,
Bd. Ill, S. 373, Lpz. 1867; Hagenbach, Bd. IV, S. 257, Lpz. 1870;
Herzog, Bd. II, S. 364, Lpz. 1892; Heussi S. 428; Moeller, Bd. Ill,
3. Aufl., hrsg. von G. Kawerau, S. 358—359, Tubingen 1907.
2) Nicht: K. Hase und Hergenrother-Kirsch.
3) Vgl. meinen Aufsatz im ,,Janus, Archives Internationales pour
1'Histoire de la MSdecine et la Geographic Medicale", 15. Jhg. 1911.
S. A. S. 4, Anm. 4.
4) Vgl. z. B. die Bearbeitung des S. 6 Anm. 2 genannten Werkes
durch Mentzer, MHerrn Heinrich Ludolf Benthems Neueroff-
neter Engelandischer Kirch- und Schulen-Staat", Lpz. 1732, S. 544—546.
5) wlnstitutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recentioris
libri quatuor", Helmstadi 1755.
6) wChristliche Kirchengescbichte" 2, Lpz. 1772—1803 in 35 Bdn;
^Christliche Kirchengeschichte seit der Reformation", 10 Bde, Lpz.
1804—1812.
7) ^Grundrifi der Geschichte der christlichen Kirche" 3, Got-
tingen 1791.
— 51 —
— dererste, unserem heutigen Rudolf Sohm1) ver-
gleichbare geschmackvolle Darsteller der Kirchenge-
schichte — , iibergehen ihn; Mosheim und Schrockh
halten wie andere nach ihnen den Independenten
R. Brown fur wichtiger2). Das umfangreiche
Werk von Job. E. Chr. Schmidt3) blieb, gleich
dem Neandersein Torso, bei fruheren Zeiten stehen.
Aber Gottfried Arnold4) und spater der altere
Henke5) widmen ihm, jener eine ausfiihrlichere,
dieser eine kurze Darstellung; dagegen fehlt er
wiederum in dem kurzgefafiten ^Handbuch der all-
gemeinen Geschichte der christlichen Kirche", das
der Helmstadter Professor gemeinsam mit seinem
Konigsberger Kollegen Severin Vater herausgab6).
Der von Ph. C. Marheinecke, dem bekannten
Hegelianer, geplante GrundriG7) gedieh nur bis zum
ersten Bande, kommt daher fiir uns gleichfalls nicht
in Betracht. Noch wunderbarer ist es aber, da 6
iiber Thomas Browne auch in den vorhandenen
Geschichten und Ubersichten des Deismus ein be-
sonderer Unstern gewaltet hat; denn in den Werken
1) ,,Kirchengeschichte im Grundrifi" u, Lpz. 1905; Th. Br. ist
hier natiirlich nicht genannt.
2) Vgl. Mosheim a. 0. Sectio III, Pars 2, § 21, S. 775;
Schrockh a. 0. Bd. V, S. 42, Lpz. 1806 (der ,,Christl. K.gesch. s. d.
Reform.").
3) ,,Handbuch der christlichen Kirchengeschichte", fortgesetzt von
Fr. W. Rettberg, Giefien 1801—1834 in 7 Banden.
4) ,,Fortsetzung und Erlauterung oder Dritter und Vierdter Teil der
unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie", Frankfurt am Mayn
1729, Bd. Ill, Cap. VIII, § 28—36, S. 81—83.
5) H. Ph. K. Henke, ,,Allgemeine Geschichte der christlichen
Kirche nach der Zeitfolge", Bd. IV4, Braunschweig 1806, S. 400.
6) Dort wird Bd. Ill, S. 260, Anm. 7 nur Robert Brown
genannt.
7) wUniversalkirchenhistorie des Christentums", Erlangen 1806.
4*
— 52 —
von John Leland1), Urban Gottlob Thor-
schmid2), Hermann vom Busche3) und L.
Noack4) begegnen wir ihm gleichfalls nicht, da der
von Thorschmid genannte Peter Browne5) und
die bei Leland vorkommenden John6) und
Simon7) Browne ganz andere Manner sind. Es ist
ein Beweis fur die Sorgfalt von Troeltsch, dafi er
in seiner kurzen Abhandlung iiber den Deismus8)
auch Th. Brownes, wenn auch nur mit wenigen
Worten, gedenkt. Auch bei anderen Gelehrten, deren
Biicher der litteraturkundige Forscher einsehen
wird, suchen wir unsern Browne vergebens, wie man
bei S. J. Baumgarten9), bei Franz Vorlander10),
1) ,,A View of the Principal Deistical Writers that have appeared
in England in the last and present Century with observations upon
them, and some account of the answers that have been published
against them. In several Letters to a friend." 2 Voll. 4 London 1764.
2) wVersuch einer vollstandigen engellandischen Freydenker-
Bibliothek", 4 Teile, Halle im Magdeburgischen 1765—1767.
3) wDie freie religiose Aufklarung; ihre Geschichte und ihre
Haupter", Darmstadt 1846, 2 Bde.
4) ,,Die Freidenker in der Religion oder die Reprasentanten der
religiosen Aufklarung in England, Frankreich und Deutschland", 3 Tie,
Bern 1853—1855.
5) Der Gegner John Tolands und Verfasser von MA Letter in
answer to a book, entitled „ Christianity not mysterious" (vgl. a. 0. Ill, 107).
6) Vgl. I, 64, Verf. von ,,Essays on the Earl of Shaftesbury's
Characteristics " .
7) Vgl. I, 110, Verf. von ^Rebuke to a ludicrous infidel, in ans
wer to Mr. Woolston".
8) Vgl. Herzogs Realencyclopaedie fur protestantische Theologie
und Kirche", Bd. IV3, Lpz. 1898, S. 537.
9) ,,Untersuchung theologischer Streitigkeiten", 3 Bde, Halle
1762 — 1764; auch in desselben- Gelehrten wNachrichten von merk-
wiirdigen Biichern", 12 Bde, HaUe 1752—58 steht iiber Br. nichts.
10) „ Geschichte der philosophischen Moral-, Rechts- und Staats-
lehre der Englander und Franzosen", Marburg 1855.
— 53 —
bei Carl Friedr. Staudlini), bei Job. Georg
Walch2) zu seinem Leidwesen merkt. Der einzige
unter diesen alteren Gelehrten, der, allerdings mehr
bibliographisch als litterarisch, uber ihn handelt, 1st
Job. Anton Trinius3).
1) Weder in der ,,Geschichte des Rationalismus und Supranatura-
lismus" (Gottingen 1826) noch in der ,,Allgemeinen Kirchengeschichte
von GroBbritannien", 2 Bde (Gottingen 1819).
2) wHistorische und theologische Einleitung in die Religions-
streitigkeiten, welche sonderlich aufier der evangelisch-lutherischen
Kirche entstanden", 5 Bde, Jena 1734—1736.
3) ,,Freydenker-Lexicon", Leipzig und Bernburg 1759, S. 119—122.
Gewidmet ist dies Werk dem Hamburger Hauptpastor Joh. Melchior
Gotze, Lessingschen Angedenkens.
— 54 —
Schlufi.
Man mufi sich eben, will man sich iiber die
,,Religio Medici", ein Werk, das allein schon durch
den Titel zur Lektiire reizt1), unterrichten, an das
Buch selbst wenden. Bei genauem und eingehendem
Studium werden sich einem alsdann die G r u n d -
1 i n i e n der Browne schen Theologie, wie wir sie
oben zu ziehen versucht haben, von selbst ergeben.
Noch interessanter ware freilich eine Darstellung der
gesamten Anschauungen Th. Brownes
liber Religion unter Benutzung seiner samt-
lichen Werke, vor allem der wPseudodoxia Epide-
mica" und seiner Briefe, da wir ja in dem von uns
analysierten Traktat nur Ansatze zu einem theo-
logischen System , eine Art Individualtheo-
1 o g i e , zu erblicken haben. Mag man die Aus-
fiihrungen des Verfassers iiber die R. M. als eine
Prodromosschrift zu jener ausfuhrlicheren Arbeit,
zu der bereits Material vorliegt, das aber vorlaufig
wegen anderer litterarischer Tatigkeit zuriickgestellt
werden muB, gew. als eine Abschlagszahlung auf
das Ganze, ansehen.
1) wThe name of the work was singularly suggestive and
taking" (vgl. B. W. Richardson, wDisciples of Aesculapius", a. a. 0.
S. 642).
Namenregister.
Die kleinen Ziffern rechts neben den
a usw. siehe
Aristoteles 1, 30
Arnold, Gottfried 23 1, 41 2,
51, 514
Avicenna 1
Baumgarten, S. J. 52, 529
Benthem, Heinr. Lud. 143,
504
Bessarion 2
Bibbiena 2
Blount, Charles 48
Bokenham, Reginaldus 19 1
Bonwetsch 48 1
Brockhaus 61
Brown, John 7
Brown, Robert 50, 51, 51 6
Browne, John 52, 526
Browne, Peter 52, 525
Browne, Simon 52, 52?
Browne, Thomas V, VI, 55,
6, 8, 9i, 10, 12, 131, 14,
15, 165, 181, 19, 191, 211,
212, 22, 23l, 24l, 26, 27,
272, 28, 284, 285, 286, 29,
291, 30, 30i, 31, 32, 33,
334, 34, 366, 37, 40i, 41,
411, 42,421, 44, 45, 454,
46, 46l, 47, 471, 48, 49,
50, 511, 52, 54
grofien verweisen auf die Anmerkungen.
unter ae usw.
Biichmann 21 1, 384
Busche, Herm. vom 52, 52s
Cherbury, Herbert von 48
Chubb, Thomas 48
Cicero 224
Collins, Anthony 48
Coudenhove, Heinr. Graf 18 1
Dezeimeris 61, 164
Digby, Kenelm 8, 83, 9, 9i
Dorset, Graf von 9
Eloy, N. F. J. 61, 41, 41 2
Epikur 46
Ersch,J. S. 61, 19l, 322, 40 1
Fenger, Leopold 31 6
Ficino, Marsilio 2
Flammarion, Camille 24
Galen 1
Gardiner, H. 7i
Gafi, W. 46l
Gebauer, Ferdinand 19 1
Gieseler, Karl Ludwig 49,
491, 501
Goethe 30 1
Gotze, Joh. Melchior 533
Graefie, Joh. Georg Theod.
226
— 56 —
Gruber,J.G.6l,19l,322,40l
Guericke, H. E. Fr. 49, 49 2, 50 1
Gurlt 61
Habakuk 31, 31 1
Hagenbach, K. R. 49, 49 3, 50 1
Harnack, Adolf 47 1
Hase,K.473,49,494,495, 502
Henke, E. L. 46 1, 49
Henke, H. Ph. K. 51, 51 5
Herder 61
Hergenrother 49, 498, 502
Herzog,J.J.49,496,50i,528
Hettner, H. 13 1
Heussi, K. 49, 497, 50 1
Hippocrates 1
Hirsch 61
Hobbes, Thomas 48
Homer 35
Hutchinson 322
Jocher 61
Johannes 16
Johnson, Mr. 40 1
Johnson, Samuel 6 1,22 6, 40 1
Josephus 224
Kawerau, G. 50 1
Kippis 102
Kirsch 498, 502
Knott, J. 7l, 226
Kurtz, Joh. Heinr. 48, 49
Lambinus, D. 10 1
Lechler, G. V. 13 1
Leersum, E. C. van VI
Leland, John 52, 52 1
Leo X. 2
Lessing 533
Lindner 24 1, 49, 49 10
Maeterlinck, Maurice 24
Marheinicke, Ph. C. 51, 51?
Marsuppini, Carlo 2
Mather, Cotton 5
Mentzer 504
Merryweather, Joh. 19 1, 422
Meyer 6 i
Milsand, M. J. 13 1, 30 1
Mirandula, Pico della 2
Moeller, W. 49, 499, 50 1
Morgan, Thomas 48
Mosheim, Joh. Lorenz von
50, 505, 51, 512
Mueller, Joh. 41
Munch, W. 393
Neander 51
Newton, Isaac 4
Niceron 42 1
Niedner 49, 49 n
Nieuwenhuis, A. W. VI
Noack, L. 52, 524
Nonnos 3
Ollivier 61, 164
Origenes 20
Osier, William 5i, 9i, 40 1
Patin, Guy 442
Paulus 471
Petit Thouars, M. du 165
Philippus 31, 311
Pierer 61
Plato 46
Plethon, Georgios Gemistos 2
- 57 -
Poggio, Francesco 2
Pomponazzo, Pietro 2
Piinjer, Bernhard 13 1, 24 1,
253, 273
Putter, Johann Stephan 4
Pulci, Luigi 2
Raige-Delorme 61, 164
Rechenberg, Adam 41, 41 1
Reimmann, Jac. Friedr. 10 1,
19l, 411, 43, 434
Reiser 41
Reiske, Johann Jacob 7
Rettberg, Fr. W. 51 3
Richardson, B. W. 13 1, 19 1,
272, 40l, 541
Sadoleto 2
Salomo 224
Sannazaro, Jacopo 2
SchiUer 454
Schmidt, Joh. E. Chr. 51
Schrockh, Joh. Matthias 50,
506, 51, 512
Seneca 47 i
Shaftesbury, Earl of 526
Shakespeare 384
Sohm, Rudolf 51, 51 1
Sokrates 46, 47 1
Spemann, Franz 31 6
Spittler, L. Th. Frh. von 50,
507
Staudlin, Carl Friedr. 53, 53 1
Stolle, Joh. Gottlieb 61
Tertullian 21, 21 1
Thorschmid, Urban Gottlob
52, 522
Toland, John 48, 525
Trinius, Joh. Anton 164, 53,
533
Troeltsch 52
Tschackert 48 1
Valle, Lorenzo della 2
Vater, Severin 51, 51 6
Venzky 111, 263
Vorlander, Franz 52, 52 10
Wagner, Tobias 41
Walch, Joh. Georg 53, 532
Weber, K. J. 39 1
Weingarten, Hermann 8l,
112,131,322,453,472,482
Wilkin, Simon 61, 7, 7l, 165
Winckelmann 30 1
Wolf, Friedr. Aug. 3
Wood, Anthony 61
Woolston 48, 52?
Zedler 61, 422
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