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Full text of "Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten"

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Reli^ionsj^e  schichtliche 

Versuche  und  Vorarbeiten. 
Bd.  15,  Heft  2 


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Religionsgeschichtliche 
Versuche  und  Vorarbeiten 

begründet  von 
Albrecht  Dieterich  und  Richard  Wünsch 

herausgegeben  von 
Richard  Wünsch   und   Ludwig  Deubuer 

in  Münster  i.  W.  in  Königsberg  i.  Pr. 

XV.  Band.    2.  Heft 


Die  Milch 
im  Kultus  der  Griechen  und  Römer 


von 


Karl  Wyß 


Gießen  1914 
Verlag  von  Alfred  Töpelmann  (vormals  J.  Ricker) 

Für  Amerika:  G.  E.  STECHERT  &  Co.  151—155  West  25th  St.,  NEW  YORK 


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Religionsgeschichtliche  Versuche  und  Vorarbeiten 


Zuletzt  sind  erschienen: 

^Tueh^  Der  Einfluß  der  Mysterienreligionen 

auf  das  älteste  Christentum 

von  Carl  Clemeu 

1913  92  S.  M.  3.40 

Der  Verfasser  untersucht  zunäclist,  wo  die  einzelnen  genauer  bekannten  Mysterienreli- 
gionen, die  eleusinischen,  Attis-  und  Kybele-,  Isis-,  Osiris-  und  Sarapismysterien  überhaupt 
nachweisbar  sind,  und  zeigt  von  neuem,  daß  die  Mithrasmysterieu  auf  semitischem  und 
griechischem  Gebiet  nur  sehr  wenig  und  auch  im  Westen  erst  seit  den  Flaviern  ver- 
breitet waren.  Dann  bespricht  er  nacheinander  den  Einfluß  der  Mysterienreligionen  auf 
die  Entstehung  und  älteste  Entwicklung  des  Christentums,  die  paulinische  Theologie  und 
die  Religion  der  paulinischen  Gemeinden,  und  die  nachpaulinische  Entwicklung.  In 
ersterer  Beziehung  wäre  s.  M.  u.  selbst  dann  kein  solcher  Einfluß  anzunehmen,  wenn  die 
Taufe  schon  in  ältester  Zeit  Sündenvergebung  hätte  beschaffen  sollen  und  das  Abend- 
mahl nur  mit  Brot  gefeiert  worden  wäre;  beides  glaubt  er  aber  bestreiten  zu  müssen. 
Bei  Paulus  nimmt  er  einen  Einfluß  auf  den  Sprachgebrauch  an,  dagegen  nicht  auf  die 
Theologie,  auch  nicht  in  der  Lehre  von  Taufe  und  Abendmahl,  in  der  die  korinthische 
Gemeinde  z.  T.  von  den  Mysterienreligionen  abhängig  sein  könnte.  Stärker  wird  ihr 
Einfluß  s.  M.  n.  erst  in  der  nachpaulinischen  Zeit,  beschränkt  sich  aber  auch  da  auf  An- 
schauungen und  Einrichtungen,  die  mindestens  im  Keime  vorher  schon  vorhanden  waren. 


Die  Schlange  in  der  griechischen  Kunst  und  Keligion 


XIII.Band 

a.  Heft 

Mit  32  Textabbildunsen  und  1  Tafel 


von  Erich  Küster 

1913  182  S.  M.  6.50 

Der  Verf.  gibt  im  ersten,  archäologischen  Teil  der  Arbeit  eine  Entwicklung  des  Schlangen- 
ornaments in  Zeichnung  und  Plastik  seit  den  ältesten  Zeiten  im  Zusammenhang  mit  der 
Entwicklung  der  Spirale  und  zeigt,  wie  die  künstlerische  Darstellung  der  Schlange  im 
östlichen  Mittelmeergebiet  ihre  ersten  naturalistischen  Formen  erhielt.  Sodann  werden 
besonders  in  der  griechischen  Kunst  die  mannigfachen  Entwicklungsformen  des  Schlangen- 
ornaments in  den  einzelnen  Stilen  vom  mykenischen  bis  zum  Beginn  der  hellenistischen 
Kunst  verfolgt.  Besondere  Beachtung  wird  den  Schlangen  an  den  geometrischen  Gefäßen 
zuteil,  sowohl  in  ihrer  künstlerischen  wie  religiösen  Bedeutung. 

Der  zweite  Teil,  der  unter  Heranziehung  alles  wesentlichen  archäologischen  Materials 
die  religionsgeschichtliche  Stellung  der  Schlange  in  Griechenland  beleuchtet,  enthält 
folgende  Kapitel:  I.  Die  Schlange  im  griech.  Seelenglauben.  II.  Die  Schi,  im  Heroenkult. 
III.  Die  Schi,  als  Erdgeist.  IV.  Die  Schi,  als  mantisches  Tier.  V.  Die  Schi,  als  Symbol 
der  Fruchtbarkeit.  VI.  Die  Schi,  als  Wasserdämon.  Durch  diese  Einteilung  und  Behand- 
lung der  einzelnen  Kapitel  soll  zugleich  auf  die  Schwierigkeit  hingewiesen  werden,  die 
so  verschiedenartigen  Vorstellungen  vom  Wesen  der  Schlange  bei  den  Griechen  unter 
einen  größeren  Gesichtspunkt  zu  vereinigen  —  es  sei  denn  unter  den  allgemeinen  des 
chthonischen  Grundcharakters  dieses  Tieres. 


XIII.Band        ])e  saltationibus  Graecorum  capita  quinque 

3.  Heft  •     •.  TT      i.   T    *+ 

scripsit  Kurt  Latte 

1913  115  S.  M.  4.— 

Nachdem  im  ersten  Kapitel  die  antike  Tradition  über  den  Tanz  geprüft  ist,  wird  zunächst 
die  weitere  Vorfrage  nach  den  Einzelbewegungen,  den 'Figuren',  behandelt.  Darauf  folgt 
eine  Geschichte  der  Waflfentänze,  namentlich  der  Pyrriche,  bis  in  die  Zeit  des  ausgehenden 
Altertums,  wobei  die  religionsgeschichtliehe  Bedeutung  der  Kureten  im  Anschluß  an 
den  neugefundenen  Hymnus  von  Palaikastro  ausführlich  erörtert  wird.  Ein  weiterer  Ab- 
schnitt beschäftigt  sich  mit  den  verschiedenen  Formen  der  Beteiligung  am  sakralen 
Tanze  und  der  Geschichte  der  Bürgerchöre.  Im  letzten  Kapitel  endlich  wird  die  Ver- 
breitung der  ekstatischen  Tänze  auf  griechischem  Boden  verfolgt  und  ihr  Alter  zu  be- 
stimmen gesucht.  Ein  Anhang  führt  die  für  die  Geschichte  der  Pyrriche  wichtige  Frage 
nach  der  Geltung  des  Deminutivsuffixes  —ixos  in  den  griechischen  Mundarten  weiter. 


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Die  Milch 
im  Kultus  der  Griechen  und  Römer 


von 


Karl  Wyß 


Gießen  1914 
Verlag  von  Alfred  Töpelmann  (vormals  J.  Ricker) 


Religionsgeschichtliche 
Versuche  und  Vorarbeiten 

begründet  von 
Albrecht  Dieterich  und  Richard  Wünsch 

herausgegeben  von 
Richard  Wünsch  und  Ludwig  Deubner 

in  Münster  i.  W.  in  Königsberg  i.  Pr. 

XV.  Band.    2.  Heft 


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Hit 


Kapitel  1  bis  7  sind  auch  gesondert  als  Beruer  Dissertation  1914  erschienen  unter 
deta  Titel:  Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer. 


Diese  Arbeit  ist  unter  der  Leitung  von  Herrn  Professor 
Dr.  Otto  Scliultheß  entstanden,  dem  ich  für  seine  unermüd- 
liche Belehrung  und  Förderung  während  meiner  ganzen  Studien- 
zeit herzlich  dankbar  bin. 

R.  Wünsch  hat  mich  durch  manchen  wertvollen  Hinweis 
und  seine  Unterstützung  bei  der  Drucklegung  sehr  zu  Dank 
verpflichtet. 


Inhalt 

Seite 

Einleituug 1 

1.  Kap.    Die  Milch  als  eine  Gabe  unter  Gaben 3 

2.  Kap.    Die  Milch  als  Opfergabe  bei  den  Römern 7 

3.  Kap.    Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Milchopfers  bei  den  Griechen  13 

4.  Kap.     Die  Milch  als  weinlose  Spende 19 

5.  Kap.    Die  Milchspende  bei  der  Totenbeschwörung  und  im  Totenkult  25 

6.  Kap.    Die  sühnende  Wirkung  der  Milch 32 

7.  Kap.    Die  Milch  als  Götterspeise  und  Attribut  des  seligen  Jenseits  39 

8.  Kap.     Die  Milch  im  Mysterienkult 52 

9.  Kap.     Käseopfer • 58 

Zusammenfassung 61 

Register 65 

Verzeichnis  der  wichtigeren  Literatur 67 


Karl  Wyß,  Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer 


Einleitung 

Die  weitgehende  Verwendung  von  Tiermilcli  als  Nahrungs- 
mittel gilt  heutzutage  als  etwas  Selbstverständliches,  von 
vornherein  durch  die  Natur  Gegebenes.  Daß  unsere  Milch- 
tiere aber  nicht  überall  in  dieser  Weise  dem  Menschen  dienen, 
beweisen  die  großen  Völker  Ostasiens  und  die  meisten  Ur- 
einwohner der  neuen  Welt,  die  keine  Milch  genießen  ^  Da- 
gegen molken  allerdings  die  Indogermanen  seit  den  frühsten 
geschichtlichen  Zeiten  ihre  Kühe,  Schafe,  Ziegen  und  zum 
Teil  auch  Pferde.  Aber  da  diese  Haustiere  nicht  vor  der 
jüngeren  Steinzeit  gezähmt  gewesen  zu  sein  scheinen  ^,  so 
müssen  in  diese  Epoche  auch  die  ersten  Versuche  fallen,  die 
Muttertiere  an  eine  verlängerte  und  vermehrte  Milchabsonderung 
zu  gewöhnen. 

Diese  Entwicklung  kann  nur  ganz  allmählich  vor  sich 
gegangen  sein,  muß  Zeiträume  in  Anspruch  genommen  haben, 
während  denen  viele  Menschengeschlechter  kamen  und  gingen. 
Unmöglich  kann  daher  die  Zähmung  die  zielbewußte  Tat 
des  Menschen  gewesen  sein.  Woher  hätte  ihm  auch  ein  solcher 
Gedanke  kommen  sollen  ?  Die  zufälligen  Veranlassungen,  den 
ersten  Anstoß  zu  dieser  unbewußten,  aber  äußerst  wichtigen 
und  folgenschweren  kulturellen  Eroberung  mit  Sicherheit  fest- 
zustellen, ist  unmöglich.  Verschiedene  Erklärungsversuche 
sind  gemacht  worden.  Einer  der  ansprechendsten  ist  der  von 
A.  Otto^,  der  annimmt,  der  Mensch  habe  aus  Spielerei,  durch 


'  E.  Hahn,  Die  Haustiere  und  ihre  Beziehungen  zur  Wirtschaft  des 
Menschen,  Leipzig  1896,  78. 

^  0.  Schrader,  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte  ^,  Jena  1907,  152. 
'  A.  Otto,  Zur  Geschichte  der  ältesten  Haustiere,  Breslau  1890,  1  ff. 
Religionsgescbic'ütUche  Versuche  u.  Vorarbeiten  XV,  2.  1 


2  Karl  Wyß 

den  Geselligkeitstrieb  veranlaßt,  sich  unter  den  Tieren  nach 
Spielzeugen  und  Gefährten  umgesehen;  denn  der  Mensch 
tue  immer  zuerst  das,  was  ihm  gefalle,  das  Nützliche  nehme 
er  in  der  Regel  nur  auf,  wenn  eine  Notwendigkeit  ihn  dazu 
dränge  ^  Ganz  anders  E.  Hahn  aaO.  Er  findet  das  treibende 
Moment  in  religiösen  Anschauungen.  Die  Indogermanen,  meint 
er  ungefähr,  sahen  als  Verehrer  der  Hiramelsgestirne,  besonders 
des  wechselnden  Mondes,  im  Rinde  mit  seinen  Sichelhörnern 
das  heilige  Tier  des  Gottes.  Das  neugeborene  Kalb,  als  die 
Frucht,  das  Liebste  des  heiligen  Tieres,  war  dem  Gotte  die 
angenehmste  Gabe.  Um  daran  nie  Mangel  zu  haben,  wurden 
in  heiligen  Bezirken  Rinderherden  gehalten.  Durch  eine  nach 
und  nach  sich  steigernde  Besorgung,  besonders  die  Regelung 
der  Fortpflanzung  der  Tiere,  gewöhnten  sich  diese  und  der 
Mensch  aneinander;  neben  dem  Kalb  wurde  auch  seine  Nahrung, 
die  Milch,  zum  Opfer  und  ging  dann  später  in  den  profanen 
Gebrauch  über  als  menschliches  Nahrungsmittel.  Sollte  diese 
Annahme  richtig  sein,  so  wäre  doch  wohl  zu  erwarten,  daß 
die  religiöse  Wertschätzung  des  Rindes  und  seiner  Gabe,  der 
Milch,  bis  in  spätere  Zeit  stark  nachwirkte.  Das  Rind  spielt 
nun  allerdings  in  den  religiösen  Anschauungen  verschiedener 
indogermanischer  Völker  eine  gewisse  Rolle.  Von  den  Indern 
mit  ihrer  lo  und  den  Wolkenkühen  ^  bis  zu  den  Europa-, 
Herakles-  und  losagen  der  Grieclien.  Im  ganzen  aber  über- 
wiegt die  profane  Verwendung  und  Ausnutzung  so  sehr,  daß 
ich  lieber  annehmen  möchte,  erst  durch  sie  sei  die  religiöse 
Spekulation  veranlaßt  worden,  diese  unentbehrlichen  Haustiere 
auch  in  die  Göttermythen  einzubeziehen.  Doch  diese  Frage 
steht  hier  nicht  zur  Behandlung,  sondern  nur  die  sakrale  Be- 
deutung der  Milch  bei  den  beiden  indogermanischen  Stämmen, 
die  auch  in  religiöser  Hinsicht  das  Erbe  des  ürvolks  zu  einem 
eigenen  reichen  Besitztum  ausgestaltet  haben,  den  Griechen 
und  Römern.    Wer  freilich  der  Ansicht  von  H.  Useuer'^  zü- 


*  F.  Ratzel,  Völkerkunde  I  Leipzig  1887,  57.     S.   auch  K.  Kircher, 
Die  sakrale  Bedeutung  des  Weins,  RGW  IX  2,  GieÜen  1910,  3. 

*  H.  Oldenberg,  Die  Religion  des  Veda,  Berlin  1894,  72  ff. 

"  Milch  und  Honig,  Rheinisches  Museum  LVII  (1802)  177  (Kl.  Schriften 
IV  398  ff.). 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  3 

stimmt,  die  Milch  habe  von  jeher  samt  dem  Honig  den  Griechen 
als  Götterspeise,  als  Attribut  des  seligen  Jenseits  gegolten, 
könnte  sich  versucht  fühlen,  die  so  eigenartige  Auffassung 
vom  Wesen  und  der  Wirkung  der  Milch  mit  der  Hypothese 
Hahns  in  Verbindung  zu  bringen.  Hier  handelt  es  sich  nur 
darum,  die  tatsächliche  Stellung  der  Milch  im  griechischen 
und  römischen  Sakralvvesen  darzulegen.  Die  nicht  zahlreichen 
Zeugnisse  gestatten  dies  kaum  für  die  historische  Zeit ;  darum 
soll  vermieden  werden,  über  die  völlig  dunkle  Urzeit  zu  den 
angeführten  noch  weitere  Hypothesen  hinzuzufügen.  Wenn 
ich  mir  trotzdem  einige  vorsichtige  Schlüsse  auf  die  Ent- 
wicklung der  betreiFenden  Anschauungen,  einige  Vermutungen 
über  die  vorhomerisch-griechische  und  die  altrömische  Volks- 
religion erlaube,  so  bin  ich  mir  wohl  bewußt,  daß  beides  einer 
zwingenden  Beweisführung  entbehren  muß. 


1.  Kapitel 

Die  Milch  als  eine  Gabe  unter  Gaben 

Als  Griechen  und  Römer  die  beiden  Mittelmeerhalbinseln 
in  Besitz  nahmen,  brachten  sie  als  ihren  Hauptreichtum  Herden 
mit.  Wohl  hatten  sie  schon  gelernt,  als  notwendigen  Zusatz 
zu  ihrer  animalischen  Nahrung  einige  Getreidearten  zu  ziehen  ^. 
Aber  noch  lange  galt  die  Bearbeitung  des  Bodens  als  ein 
Sklaven-  und  F)'auerigeschäft,  die  Besorgung  des  Viehs  neben 
Jagd  und  Streit  als  allein  des  freien  Mannes  würdig";  hüten 
doch  noch  bei  Homer  Königssöhne  die  Herden  ihres  Vaters^. 


'  Mommsen,  Rom.  Gesch.  I*  18. 

i  I.  V.  Müller,  Griechische  Privataltertümer  241 ;  Ed.  Meyer,  G.  d.  A. 
II  79  ff. 

"  G.  Finster,  Homer  I*  Leipzig  1913,  93:  „Die  Herrensöhne  werden 
als  Oberaufseher  auf  die  Alp  geschickt^  II.  XX  91 ;  VI423;  XI104;  XXIV  29; 
Od.  Xlll  222;  B.  Büchseiischütz,  Besitz  und  Erwerb,  Halle  18H9,  208: 
Schrader,  Sprachv.  und  Urg.  216  ff.    H.  XI  677;  Od.  XIV  100  u.  a. 

1* 


4  Karl  Wyß 

Die  Nutzung  der  Herden  hatte  sich  allerdings  bei  beiden 
Völkern  im  Verlaufe  der  vorgeschichtlichen  Entwicklung 
wesentlich  geändert.  Das  zeigt  ein  Blick  auf  ihre  indo- 
germanischen Brudervölker  nördlich  des  Alpen-  und  Balkan- 
walles. Die  Germanen  und  Britannier  schlachten  die  Herden- 
tiere zwar  auch,  aber  in  erster  Linie  scheinen  sie  doch  auf 
die  Milch  Wert  gelegt  zu  haben.  Caes.  bell.  gall.  V  14: 
(Britanni)  lade  et  carne  vivirnt  —  VI  22:  7naior  pars  eorum 
(sc.  Germamrum,  victm  in  lade,  caseo,  carne  consistit.  Bei 
Plinius  n.  h.  XXVIII  133  heißt  die  Butter  barhararmn  gentium 
lavtissimus  cibusK  Und  auch  die  Skythen,  deren  Wohnsitz 
oft  als  dem  ursprünglichen  Staramland  der  Indogermanen 
wenigstens  benachbart  aufgefaßt  wird,  wissen  besonders  die 
Pferdemilch  zu  verwerten,  worüber  Herodot  IV  2  und  Hippo- 
krates  De  morbis  IV  20  ^  berichten. 

Daraus  haben  wir  zu  schließen,  daß  auch  Griechen  und 
Römer  in  früheren  Zeiten  die  Milchproduktion  bei  der  Vieh- 
zucht in  die  erste  Linie  stellten  und  erst  durch  die  ver- 
änderten klimatischen  und  andere  Verhältnisse  veranlaßt 
wurden,  auf  die  Viehmästung  größeres  Gewicht  zu  legen'. 
Schon  von  Homer  aber  wird  Kuhmilch  als  Nahrungsmittel 
gar  nicht  mehr  erwähnt,  ungemischte  Ziegen-  und  Schafmilch 
nur  als  Getränk  des  Kyklopeu  *.  Die  oberen  Gesellschafts- 
schichten  verschmähten   also   die  Milch  fast  ganz   und   ge- 

»  Vgl.  Caes.  bell.  gall.  IV  1;  Athen.  IV  131 C;  Strabo  XVI  4,  24; 
VII  3,  2;  III  3,  7. 

2  Ed.  E.  Littre,  Paris  1861,  VII  585.    Vgl.  de  aere  18  (I  61  Kuehlewein). 

^  Gleichgültig,  ob  die  Urheimat  der  Idg.  mehr  im  Osten  (Vorderasien), 
oder  in  Mittelenropa,  oder  in  Nordeuropa  zu  suchen  ist,  alle  diese  Gebiete 
gewähren  der  Volkswirtschaft,  im  besonderen  der  Viehzucht,  nicht  allzu 
verschiedenartige  Bedingungen.  Wesentlich  verschieden  aber  vom  euro- 
päisch-asiatischen Binnenklima  ist  das  der  Mittelmeerländer,  wohin  nach 
allgemeiner  Ansicht  die  Griechen  und  Eömer  von  Norden  her  einwanderten. 
Daher  werden  mit  einigem  Eecht  diese  Verhältnisse  bei  den  nördlichen 
Stämmen  als  weniger  verändert  als  bei  den  Mittelmeervölkern  angenommen 
werden  dürfen.  Zur  Frage  der  Urheimat  s.  z.  B.  0.  Schrader,  Reallexikon 
878—902.  Sein  Resultat  ist:  die  ältesterreichbaren  V/ohnsitze  der  Idg. 
sind  an  der  Grenze  Asiens  und  Europas,  in  dem  Steppengebiet  Südrußlands 
zu  suchen.  —  S.  auch  K.  Brugmann,  Kurze  Gramm,  d.  idg.  Spr.,  Stras- 
burg 1904,  22  *  I.  V.  Müller  aaO.  118:  Od,  IX  248. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eöiner  5 

brauchten  das  Fleisch  als  Hauptnahrungsmittel.  Bis  sich 
dieser  Wechsel  vollzogen  hatte,  vergiogen  natürlich  Jahr- 
hunderte. Zum  mindesten  aber  in  diese  frühen  Zeiten,  wenn 
nicht  schon  in  die  Epoche  vor  der  Trennung  des  indogermani- 
schen Urvolks,  muß  wohl  auch  der  Ursprung  der  sakralen 
Verwendung  der  Milch  gerückt  werden. 

Einer  primitiven  Kulturstufe  müssen  also  auch  die  An- 
schauungen entsprechen,  die  zu  der  Verwendung  der  Milch 
als  Gabe  an  die  Götter  führten.  Man  könnte  sich  versucht 
fühlen,  an  einen  Glauben  an  zauberisch-dämonische  Wirkung 
dieses  Sekretes  des  menschlichen  und  tierischen  Körpers  zu 
denken,  wenn  man  sieht,  daß  bei  primitiven  Völkern  anderen 
warmen  Ausscheidungen  des  Körpers  wie  Speichel,  Urin, 
Samen  usw\  Zauberkraft  zugeschrieben  wird  ^ ;  selbst  in  unseren 
Tagen  wird  beim  niederen  Volk  besonders  Frauenmilch  als 
ein  wirksames  Zaubermittel  angesehen,  wie  aus  populären 
Zauberbüchern  zu  ersehen  ist.  Die  überkommenen  Zeug- 
nisse der  Alten  aber  lassen,  so  viel  ich  sehe,  in  keiner  Weise 
den  Schluß  zu,  daß  sich  solcher  Aberglaube  an  die  Milch 
hing,  wodurch  allerdings  nicht  bewiesen  ist,  daß  das  nie  und 
nirgends  geschehen  wäre^ 

Jedenfalls  aber  hätte  der  alltägliche  Gebrauch  als  Nahrungs- 
mittel dann  doch  bald  bewirkt,  daß  die  Milch  als  etwas  ganz 
Harmloses,  Ungefährliches  aufgefaßt  wurde,  wie  etwa  das 
„tägliche  Brot''  jener  Zeit,  der  Mehlbrei  (jro/Tog,  puls).  Und 
so  ist  die  Milch  denn  wohl  auch  ganz  so,  wie  die  anderen 
N  a  h  r  u  n  g  s  m  i  1 1  e  1 ,  in  die  Reihe  der  Opfergaben  aufgenommen 
worden.    Von   den    guten  Gaben,   die   die   Natur,   d.  h.   die 


'  Belege  bei  E.  Bethe,  Die  dorische  Knabenliebe,  Rhein.  Mus.  LXII 
(1907)  463  ff. 

^  Vgl.  Bethe  aaO.  467.  —  Nachträglich  werde  ich  durch  Rieß,  Aber- 
glaube, PW  I  Sp.  86  auf  Plinius  XXVIII  72—75  aufmerksam,  wo  Frauenmilch 
als  Heilmittel  gegen  Biß  von  tollen  Hunden  und  Augenkrankheiten  emp- 
fohlen wird.  Bedeutung  für  die  Annahme  einer  ursprünglichen  Anschauung 
kann  diese  späte  Einzelheit  nicht  beanspruchen.  Überhaupt  wage  ich  nicht 
ans  den  Anschauungen  der  Medicina  popularis  Rückschlüsse  auf  ursprüng- 
liche Vorstellungen  zu  machen.  Es  findet  sich  mehr  derart  bei  Pliniua, 
B.  den  Index  von  L.  Jan,  Teubnev  1898,  206  unter  lac,  usus  in  medicina. 
S.  auch  L.  Deubner  De  incubatione  43  Anm. 


6  Karl  Wyß 

Gottheit,  den  Menschen  bot,  kamen  den  Göttern  zum  Danke 
wieder  Opfer  und  Spenden  zu.  Dieses  Gefühl  des  Dankes 
oder,  wenn  man  will,  der  Abhängigkeit  von  der  Gnade  der 
Götter,  verbunden  mit  der  Überzeugung,  daß  diese  trotz  all 
ihrer  Überlegenheit  doch  im  Grunde  auch  menschliche  Be- 
dürfnisse hätten,  war  doch  wohl  der  stete  Antrieb  zum  Opfer. 
Was  dem  Menschen  gehörte,  war  zunächst  doch  wieder  Gottes, 
und  Gott  wiederum  bedurfte  nicht  mehr  als  der  Mensch:  denn 
„die  Götter  lebten  nicht  anders  und  besser  als  die  Menschen"  ^. 
„Diese  Beschränkung  auf  das  Heimatliche",  wie  Ourtius  sich 
ausdrückt,  „blieb  in  Geltung"  bis  in  späte  Zeiten. 

Ebenso  wird  auch  das  Milchopfer  verschiedener  anderer 
Völker  von  den  modernen  Gelehrten  erklärt.  So  z.  B.  das  der 
Ägypter:  „Für  den  Schutz,  den  sie  gewährt,  erhält  die 
Gottheit  von  der  Gemeinde  alles,  was  sie  bedarf,  Brot,  Fleisch, 
Milch,  Bier,  Wein,  Kleider  und  Schmuck,  Blumen  und  Weih- 
ranch", oder,  wie  es  später  in  den  Opferformeln  heißt,  „alle 
guten  und  reinen  Dinge,  welche  auf  den  Opfertisch  kommen 
und  von  denen  der  Gott  lebt"  ^  Ähnlich  das  der  Inder: 
„Auch  auf  dem  Gebiete  des  vedischen  Opferwesens  bestätigt 
sich  der  natürliche  Satz,  daß  der  Mensch  dem  Gott  eben  das 
darbietet,  was  ihm  als  seine  eigene  Nahrung  willkommen  ist". 
„Lassen  wir  zunächst  das  Tieropfer  und  das  Somaopfer  außer 
Betracht,  so  begegnen  als  Opferspeise  alle  hauptsächlicheren 
Produkte  der  Acker  Wirtschaft  wie  der  Viehzucht:  an  der 
Spitze  Milch  in  ihren  verschiedenen  Zuständen  (saure  Milch 
usw.),  Butter  und  die  beiden  vornehmsten  Körnerfrüchte, 
Gerste  und  Reis  .  .  .  Daß  den  von  der  Kuh  kommenden 
Produkten  ein  höheres  Gewicht  der  Heiligkeit  und  mystischen 
Bedeutung  beigelegt  wurde  als  den  Erzeugnissen  des  Acker- 
baues, tritt  dabei  unverkennbar  hervor"  ^. 

1  E.  Curtius,  Sitz.  Ber.  Ak.  Berl.  1890,  1142. 
^  Ed.  Meyer,  G.  d.  A.  I*  §  189. 

'  H.  Oldenberg  aaO.   353.     Vgl.   auch  K.   Marti,   Gesch.   der  israel. 
Eelig.,  Straßb.  1903,  104. 


Die  Milch  im  Kultus  der  üriechen  und  Römer  7 

2.  Kapitel 
Die  Milch  als  Opfergabe  bei  den  Römern 

Die  Kömer  blieben  Jahrhunderte  laug  ein  Bauernvolk. 
Unfreiwillig  wuchsen  sie  zu  einer  weltbeherrschenden  Macht 
empört  In  Politik,  Handel  und  Geldwirtschaft  mußten  sie 
den  neuen  Verhältnissen  Rechnung  tragen,  geschmeidiger, 
weitsichtiger  und  vielseitiger  werden.  In  ihrem  religiösen 
Leben  blieben  sie  die  echten  Bauern,  w^ohl  auch  darum,  weil 
nur  die  Religion  der  Väter,  wie  z.  B.  Cato  Maior  meinte,  dem 
Staate  Bestand  verhieß.  Religion  hatte  eigentlich  auch  Cato 
nicht,  wenigstens  keine  tiefinnere,  die  Seele  erfüllende 
Frömmigkeit,  deren  bester  Teil  vielleicht  der  immerbesiegte, 
immer  wieder  aufsteigende  Zweifel  ist.  Catos  Frömmigkeit 
bestand  in  dem  abergläubisch  gedankenlosen  P'esthalten  an 
alten  Formen:  der  Brauch  war  seine  Religion.  An  den 
alten  Gebräuchen  klebten  die  Römer  überhaupt,  und  die  Ver- 
suchung, davon  zu  lassen,  kannte  ihre  nüchterne  Gleichgültig- 
keit gegenüber  metaphysischen  Problemen  nicht.  Darum  wird 
man  nicht  fehlgehen,  wenn  man  in  ihren  Bräuchen  viel  mehr 
noch  als  in  denen  der  Griechen  alte  Elemente  nicht  zu  sehr 
entstellt  zu  finden  hofft.  Die  ganze  kulturelle  Entwicklung 
Roms  war  überhaupt  viel  einheitlicher  als  die  des  beweg- 
licheren, vielstämmigen  Griechenvolks,  das  schon  so  früh  die 
hohe  Blüte  des  hellenischen  Mittelalters  aufwies.  Auch  darum 
werden  Reste  des  altrömischen  Kults  den  Stempel  der  Ur- 
sprünglichkeit deutlicher  bewahrt  haben,  als  die  meisten 
griechischen,  und  darum  wird  es  nicht  unrichtig  sein,  hier 
einmal  von  Rom  nach  Hellas  zu  gehen. 

Eines  der  ehrwürdigsten  Feste  Roms  waren  dieFeriae 
L  a  t i n  a e',  gleichsam  die  Gründungsfeier  des  römischen  Staates. 
Gerade  hier  werden  die  konservativen  Römer,  die  der  einmal 

'■        »^1.  Mommsen,  K.  G.  I«  781. 

'  Ich  verweise  für  die  folgenden  Kulte  und  Gottheiten,  die  nicht  alle 
zu  den  bekannteren  gehören,  auf  G.  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der 
Bomer^,  München  1912,  mit  bequemem  Register,  sowie  auf  die  betreffenden 
Artikel  bei  W.  H.  Röscher,  Lexikon  der  gr.  und  röm.  Mythologie  und 
Pauly-Wissowas  Realenzyklopädie. 


8  Kari  Wyß 

festgesetzten  Form  und  Norm  einen  so  großen  Wert  beilegten, 
sich  vor  der  geringsten  Änderung  gehütet  haben.  Besonders 
bezeichnend  ist  die  Stelle  des  Dionysios  von  Halikarnassos  über 
das  Fest  des  lupiter  L  atiaris  ,  das  Latiar,  Arch.  IV  49,  3: 
Tavxag  rag  eoQtdg  je  y.(xl  tag  d^voiag  ueyiQL  rwv  ymS^  ^J^üg  XQÖrojv 
krtiteXovOL  'Fcü/^ialoi  yJarivag  A.a.Xovvttg,  xat  rpegovoiv  eig  aviag 
al  f.UT€XOvoai  xCbv  ieqCbv  noKug  al  fxev  ägvag,  al  ök  tvqovc, 
al  de  yd'/.a'Kzög  xi  /^lexQOV ,  al  ök  ojlWiöv  xl  xovxoig.  Die 
Ausschließlichkeit,  mit  der  hier  nur  Erzeugnisse  der  Vieh- 
zucht genannt  sind  —  das  eigentliche  Bundesopfer  war 
der  große  Stier  — ,  ist  ein  Zeugnis  dafür,  daß  in  jenen 
fernen  Zeiten  die  Viehzucht  den  Ackerbau  noch  bedeutend 
überragte;  unter  bfioiöv  xl  lassen  sich  aber  ganz  wohl  Feld- 
früchte verstehen.  Daß  die  Milch  bei  diesem  Opfer  nicht  der 
unwichtigste  Teil  war,  und  daß  sie  den  Spätem  als  das 
eigentlich  charakteristische  Merkmal  galt,  beweist  Cic.  de  div. 
I  18:  laeto  mactasti  lade  Latinas.  In  früheren  Jahrhunderten 
war  die  Milch  wohl  nur  ein  vielleicht  nebensächlicher  Teil 
des  Opfers ;  aber  zur  Zeit  Ciceros,  als  bei  den  meisten  anderen 
Opfern  in  der  Stadt  nur  Wein  gespendet  wurde,  empfanden 
die  Römer,  die  im  allgemeinen  doch  wohl  höchst  selten  Milch 
zu  Gesicht,  geschweige  denn  zu  schmecken  bekamen,  sie  als 
das  charakteristische  Merkmal  dieses  altertümlichen  Opfers. 
Auch  der  Epitomator  Festus  gibt  aus  Verrius  Flaccus  ein 
Zeugnis  für  diesen  Brauch  samt  einer  gelehrt  sein  sollenden 
ätiologischen  Erklärung,  p.  212  Lindsaj':  Atque  ideo  memoriam 
quoque  redintegrari  initio  acceptae  vitae  per  motus  cunarum 
lactisque  alimentiim,  qida  per  eos  dies  feriariim  et  oscillis 
moveaniur,  et  lactata  potione  titanttir. 

Ebenso  unverständlich  wie  das  Opfer  am  Latiar  war  den 
Römern  der  späteren  Jahrhunderte  der  Kult  uralter  Lokal- 
gottheiten, der  durch  das  Überhandnehmen  der  griechischea 
Kultgebräuche  in  Vergessenheit  geraten  oder  auf  die  länd- 
liche Bevölkerung  und  den  engbegrenzten  Kultort  beschränkt 
war.  Nur  gelehrte  Leute,  wie  Varro,  wußten,  daß  Rom  einmal 
eine  R  u  m  i  n  a  und  C  u  n  i  n  a  verehrte  und  ihnen  Milch  spendete. 
Da  über  den  Charakter  der  Gottheit  nichts  mehr  bekannt 
war,  hatte  es  Varro  leicht,  hier  das  unverständliche  Milch- 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eümer  9 

Opfer  nach  seiner  Weise  zu  erklären,  ß.  r.  II  11,  4:  Äptd 
divae  Ruminae  sacellum  .  .  .  (pastores)  . .  .  solent  sacrificari  Jade 
pro  vino.  Bei  Nonius  I  246  Lindsay  gibt  er  die  Erklärung: 
Rumam  veteres  mammam  dixerunt.  Varro  Cato  vel  de  liberis 
educandis:  'lus  Semonibus  lade  fit,  non  vino;  Cuninae  propier 
cunas,  Ruminae  propter  rumam,  id  est  prisco  vocahido  mammam ; 
a  quo  subrumi  etiam  nunc  dicuniiir  agni\  In  Varros  Fuß- 
stapfen wandelt  Plutarch  Romul.  4:  Triv  &r^li]v  ^ovfiav  ojvö- 
l^ia'Cov  oi  TtaXaioi,  vmI  d^eöv  riva  rf^g  iYJiqo(pT^ii  tCov  vr^Tticov  eni- 
fxiXelad^ai  öoxovoav  dvoud'^OLOiv  '^Povf.iiXiav,  y.al  S-vovoiv  avrfj 
vr^fpaXta,  xal  ydXa  rolg  uQolg  irciojtivdovoiv.  Aber  als  Mo- 
derner findet  er  auch  noch  eine  viel  modernere  Erklärung  für 
das  Müchopfer  als  Varro.  Quaest.  Rom.  57 :  /^  'Pov^äva  O-r^ldj 
jig  oioa  y.al  riO-r^vr^  y.al  '/.ovQOTQdcpog,  ov  TiqooisTUL  rbv  ay.qarov, 
u)g  ßJ.aßsQov  bvxa  rolg  vr^nioig.  Sch wegler  (ßöra.  Gesch.  I 
421,  5)  hat  diese  Erklärungsversuche  mit  dem  Hinweis  auf 
die  vielen  anderen  Milchopfer,  die  bei  den  Römern  üblich 
waren,  zurückgewiesen.  Die  meisten  dieser  Kulte  weisen, 
wie  die  schon  erwähnten,  denn  auch  in  alte  Zeiten  hinauf, 
so  daß  Pliuius  (n.  h.  XIV  88)  mit  richtigem  Gefühl  den 
Schluß  zieht:  Romul  um  lade,  non  vino  libasse  indicio 
sunt  Sacra  ab  eo  institufa,  quae  hodie  custodiunt  morem.  Numae 
regis  Postumia  lex  est:  Vino  rogum  ne  respargifo.  quod  sanxisse 
illum  propter  inopiam  rei  nemo  dubitet. 

Der  alte  Brauch  setzte  sich  natürlich  da  am  längsten 
fort,  wo  an  seinen  Voraussetzungen  am  wenigsten  geändert 
wurde,  das  heißt  bei  der  ländlichen  Bevölkerung,  den  Klein- 
bauern, denen  die  Milch  nach  wie  vor  die  nächstliegende  und 
billigste  Spende  war,  da  ja  der  Wein  nur  auf  den  größeren 
Gütern  geplianzt  und  von  den  Städtern  genossen  wurde.  Als 
der  wohlhabende  Bauer  neben  dem  Großgrundbesitzer  noch 
Platz  hatte,  mochte  auch  das  altertümliche  Milchopfer  mit 
der  modernen  Weinlibation  verbunden  werden.  Das  setzt 
Horaz  voraus  in  der  anmutigen  Schilderung  des  Erntefestes 
eines  altrömischen,  auf  seinen  kleinen,  freien  Besitz  stolzen 
Bauern,  Epi.st.  II  1,  139: 

Agricolae  prisci,  fortes  parvoque  beati, 
condita  post  frumenta  levantes  tempore  festo 


10  Karl  Wyß 

corpus  et  ipsum  animiim  spe  fiuis  dura  ferentem 
cum  sociis  operum  pueris  et  coniuge  fida 
Tellurem  porco,  Silvanum  lacte  piabant, 
floribus  et  vino  Genium  memorem  brevis  aevi. 

Nicht  fehlen  konnte  die  Milch  im  Kult  der  rein  land- 
wirtschaftlichen Göttin  Pal  es.  An  den  Palilien,  dem 
Gründungsfest  der  Stadt  Rom,  kam  auch  sonst  ein  eigenartiger 
Ritus  zur  Anwendung,  der  alle  Zeichen  der  Altertümlichkeit 
an  der  Stirn  trägt:  so  durften  keine  blutigen  Opfer  gebracht 
-werden  \  Probus  (zu  Verg.  Georg.  III  1)  gibt  über  das  Fest 
folgende  Angaben:  [Parilia)  qui  dies  tiatalis  est  urhis  Romae, 
quae  a  yaüorihus  est  condita.  huius  autem,  cuiiis  deae  esset,  eiiam 
ritus  declarat  natura,  nam  et  ignem  transüiimt  accensis  stra- 
mentis  more  agresti  ihi  hunc  dieni  colentes,  et  lacte  libant, 
qui  friictus  ex  pecore  toUitur. 

Besonders  nahe  lag  hier  die  Verwendung  des  Milchopfers, 
weil  Pales  vor  allem  das  Wachstum,  die  Mehrung  und  Ge- 
sundheit der  Herden  fördern  sollte  -.  So  lehrt  Ovid  (Fast. 
IV  745),  dieser  rustica  dea   seien  Hirsekuchen  zu  opfern   und 

adde  dapes  mulctramque  suas  dapibusque  resectis 
silvicolam  tepido  lacte  precare  Pale m. 

Dann  erst  darf  man  sie   um   den  Schutz   der   Herden  und 
Hirten  bitten,  und 

763     pelle  procul  morbos,  valeant  hominesque  gregesque. 
771     sitque  salax  aries,  conceptaque  semina  couiunx 


reddat,  et  in  stabulo  multa  sit  agna  meo. 


sowie : 


769     ubera  plena  premam,  referat  mihi  caseus  aera 
dentque  viam  liquido  viraina  rara  sero. 


1  Solin  I  19  (Mommsen  9). 

2  H.  Peter  (Ov.  Fast,  erklärt,  Teubner  1889,  zu  IV  721)  woUte  diese 
Bedeutung  schon  im  Namen  finden:  „Das  Wort  kommt  von  dem  Stamme 
pa  her,  vgl.  pasco,  pabulum,  panis".  Diese  Etymologie  ist  von  A.  Walde, 
Lat.  etym.  W.  B.^  Heidelberg  1910 ,  555  abgewiesen ,  weil  ein  substanti- 
visches Suffix  -li-  sonst  (außer  in  fnligo)  nicht  nachweisbar  ist. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  11 

Ein  kluger  und  frommer  Grundbesitzer  vergißt  auch  nicht, 
wenn  er  seinen  Pächter  oder  Hirten  besucht,  der  Schutzgöttin 
seines  Reichtums  zu  danken.    Tib.  I  1,  35: 

Hie  ego  pastoremciue  meum  lustrare  quotannis 
et  placidam  soleo  spar g er e  lacte  Palem. 

Sehr  nahe  verwandt  ist  der  Göttin  gerade  durch  die 
Macht  über  das  Gedeihen  der  Herde  Pan;  so  sind  beider 
einfache  holzgeschnitzte  Bilder  zu  finden  unter  einer  heiligen 
Eiche  des  Gutes,  triefend  von  Milch.    Tib.  II  5,  27: 


Lacte  madens  illic  suberat  Pan^  ilicis  umbrae 
et  facta  agresti  lignea  falce  Pales. 

Umgekehrt  läßt  Nemesianus  (I  64  ff.)  dem  toten  Hirten 
Meliboeus  von  dem  ruralis  Apollo  Zweige,  von  den  Faunen 
Trauben  und  Feldfrüchte  geben  und 

d a t  grandaeva  Palesspumantiacymbia  lacte, 
mella  ferunt  Nymphae,  pictas  dat  Flora  Coronas 
....  dant  carmina  Musae. 

Nicht  nur  den  Göttern  der  animalischen,  sondern  auch 
denen  der  vegetabilischen  Fruchtbarkeit  kommt  das  Milch- 
opfer zu.  Um  die  Felder  und  Früchte  vor  Ungewitter  zu 
schützen,  ist  ein  Flursegen,  ein  Gebet  an  Ceres  nötig.  Verg. 
Georg.  I  338 ff.: 

In  primis  venerare  deos  atque  annua  magnae 
Sacra  refer  Cereri  .  .  .  . 
cuncta  tibi  Cererem  pubes  agrestis  adoret; 
•    343    cui  tu  lacte  favos  et  miti  dilue  Baccho, 
terque  novas  arcum  felix  eat  hostia  fruges. 

Cato  (de  agr.  cult.  141)  gibt  allerdings  eine  wesentlich 
einfachere  Anleitung  zum  richtigen  Vollzug  dieser  Zeremonie, 
indem  er  trotz  einer  ausführlichen  Angabe  der  Gebetsformeln 
nur  von  einem  Siiovitaurilienopfer  ohne  Spende  spricht.  Warum 


1  Der  griechische  Name  ist  hier  für  den  einheimischen  Faunus  gesetzt, 
den  die  Schilderung  römischer  Vorzeit  voraussetzt. 


12  Karl  Wyß 

Cato  suovitaurilia  lactenfia,  Ferkel,  Lamm  und  Kalb,  die 
noch  saugen,  vorschreibt,  ist  mir  nicht  klar;  vielleicht,  um 
das  für  einen  Privatmann  recht  kostspielige  Opfer  möglichst 
erträglich  zu  machen. 

Die  Verbindung  von  Milch,  Wein  und  Honig,  wie  sie  uns 
in  dem  Opfer  an  Ceres  entgegentritt,  ist  in  rein  römischem 
Kult  kaum  nachzuweisen  und  wohl  von  den  Griechen  über- 
nommen worden. 

Auch  der  Gartengott  Priapus,  der  vom  Hellespont  aus 
spät  nach  Rom  gekommen  ist,  muß  zufrieden  sein  mit  einem 
Opfer  von  Kuchen  und  Milch,  wenn  er  nicht  den  großen  Park 
eines  Reichen  zu  bewachen  hat.    Verg.  Ecl.  VII  33: 

Sinum  lactis  et  haec  te  liba,  Priape,  quotaunis 
exspectare  sat  est:  custos  es  pauperis  horti. 

Endlich  schreibt  Ovid  (Fast.  IV  151—4)  den  Römerinnen 
vor,  der  Liebesgöttin  der  Menschen,  der  Venus  Verti- 
cordia,  Milch  mit  Mohn  und  Honig  zu  spenden: 

Nee  pigeat  tritum  niveo  cum  lacte  papaver 
sumere  et  expressis  mella  liquata  favis. 

Ätiologisch  fügt  er  bei: 

cum  primum  cupido  Venus  est  deducta  marito, 
hoc  bibit:  ex  illo  tempore  nupta  fuit. 

Auch  dieses  Gemisch  wurde  kaum  im  altrömischen  Kult  ge- 
spendet; papaver  (Mohn)  ist  das  Symbol  der  Fruchtbarkeit, 
das  Honiggemisch  hat  im  griechischen  Kult  oft  ähnliche  Be- 
deutung ;  von  dorther  ist  wohl  seine  Verwendung  in  den  römischen 
Venusdienst  eingedrungen. 

Von  einer  eigentümlichen  Substitution  im  Kulte  der 
Bona  Dea  berichtet  Macrobius  (sat.  I  12,  25):  Quod  vinum 
m  teniflum  eins  non  suo  nomine  soleat  inferri,  sed  vas,  in  qioo 
vinum  inditum  est,  mellariiim  nominetur  et  vinum  lac 
nuncupetur.  Doch  auch  hier  scheinen  sich  griechische 
Einflüsse  geltend  zu  machen;  die  Stelle  soll  daher  unten  be- 
handelt werden. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  13 

Aus  den  angeführten  Quellen  scheint  mir  hervorzugehen, 
daß  die  Milch  seit  den  ältesten  Zeiten  des  römischen  Gottes- 
dienstes ihre  Verwendung  als  Spende  fand;  die  Verwendung 
beim  Latiar  und  bei  den  uralten  Kulten  der  Rumina  und  Cunina 
lassen  vermuten,  daß  sie  zuerst  bei  jedem  beliebigen  Opfer  als 
eine  Gabe  unter  anderen  häufig  verwendeten  Gaben  gespendet 
wurde.  Im  Verlaufe  der  kulturellen  Umwälzungen,  als  das  poli- 
tische und  religiöse  Leben  des  Volkes  sich  in  der  Hauptstadt 
konzentrierte  und  der  Wein  das  Hauptgetränk  der  Römer 
wurde,  verschwand  die  Milch  zumeist  von  den  öffentlichen  Altären 
sowohl  wie  von  den  privaten  der  oberen  Stände.  Den  kleinen 
Leuten  auf  dem  Lande  aber  diente  sie  nach  wie  vor  als  das  ihnen 
zunächstliegende  Opfer,  besonders  für  die  Herden-  und  Feld- 
götter. Von  einer  gesetzlichen  Beschränkung  auf  bestimmte 
Kulte  weiß  das  römische  Sakralwesen  nichts,  und  einen  be- 
sonderen Charakter,  eine  erhöhte,  eigenartige  Wirkung  vor 
anderen  hatte  das  Milchopfer  in  all  diesen  angeführten  Kulten 
ebenfalls  nicht. 


3.  Kapitel 


Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Milchopfers 

bei  den  Griechen 

Das  religiöse  Empfinden  der  phantasievolleren  Griechen 
wird  sich  früh  von  dem  nüchternen  Glauben  der  Römer  unter- 
schieden haben.  Aber  mag,  um  Mommsens  Worte  zu  ge- 
brauchen ^,  des  einen  Gebet  Anschauung,  des  andern  Gedanke 
sein,  ursprünglich  ist  es  doch  dasselbe  und  grundsätzlich  bleibt 
es  dasselbe:  der  intimste  Verkehr  mit  der  Gottheit.  Und  das 
ist  ja  auch  der  Zweck  und  Sinn  des  Opfers  '■ :  ein  gegen- 
seitiges Nehmen   und   Geben.     Bald  dankt  der  Mensch  mit 


»  Rom.  Gesch.  I«  27. 

^  Vgl.  von  Fritze  De  lib.  14  ff. ;  Kircher  aaO.  5  und  45 ;  K.  Bernhardi,  Das 
Trankopfer  bei  Homer,  Progr.  d.  kgl.  Gymu.  Leipzig  1885,  1. 


14  Karl  Wyß 

dem  Opfer  für  Gottesg-aben,  die  er  empfangen  hat,  bald  gibt 
er  Gott,  um  nachher  den  Lohn  einzuheimsen.  So  verbindet 
Kircher,  wie  mir  scheint  mit  Eecht,  die  beiden  Auffassungen 
über  die  Bedeutung,  den  Sinn  des  Opfers  in  der  griechischen 
und  römischen  Eeligion :  es  sei  einesteils  eine  Gabe,  die  Ver- 
geltung fordert  [clo  ut  des),  andernteils  ein  Mittel,  um  mit  der 
Gottheit  in  Verbindung  zu  sein.  Der  ursprüngliche  Stand- 
punkt des  Opfernden  ist  gewiß  der,  durch  das  Opfer  eine 
Einwirkung  auf  die  Gottheit  zu  seinen  Gunsten  ausüben  zu 
wollen  \  Das  bloße  Verlangen,  in  eine  rein  ideale  Verbindung 
mit  der  Gottheit  zu  treten,  gehört  einer  höheren  Entwicklungs- 
stufe an  und  wird  sehr  oft  verwechselt  mit  der  inhaltlosen 
Formalität,  wozu  die  Libation  oft  wurde,  z,  B.  bei  Homer. 
Man  könnte  über  das  christliche  Tischgebet  ganz  ähnliche 
Betrachtungen  anstellen  ^. 

Da  die  natürlichen  Voraussetzungen,  die  Kulturstufe,  die 
Natur  und  Ertragfähigkeit  des  Bodens  bei  Griechen  und 
Römern  einander  ursprünglich  sehr  nahe  kamen,  wenn  nicht 
geradezu  dieselben  waren,  so  darf  man  wohl  auch  im  einzelnen 
in  diesen  formalen  Äußerungen  der  Religion  für  die  frühsten 
Zeiten  annähernde  Übereinstimmung  voraussetzen. 

Daß  in  vorgeschichtlicher  Zeit  das  Milchopfer  bei  den 
Griechen  ebenso  allgemein  gebräuchlich  war  wie  bei  den 
Römern,  kann  aus  den  griechischen  Zeugnissen  selbst,  die 
zahlreicher  und  älter  sind,  als  die  römischen,  geschlossen 
werden.  Nur  die  Behauptung,  auch  bei  den  Griechen  sei  ur- 
sprünglich dem  Milchopfer  keine  Wirkung,  die  es  vor  anderen 
Gaben  hätte  auszeichnen  können,  beigemessen  worden,  auch 
bei  ihnen  habe  es  im  Opfer  an  alle  Götter  nur  neben,  nicht 
über  den  anderen  Gaben  der  Natur,  Wasser,  Honig,  Feld- 
früchten, Tieren,  seinen  Platz  gefunden,  soll  durch  einen  Hin- 
weis auf  die  behandelten  römischen  Verhältnisse  wahrschein- 
licher gemacht  werden.  Denn  in  geschichtlicher  Zeit  hatte 
sich  der  Kultgebrauch  der  Griechen  stark  geändert.  Aus  dem 
Kult  der  panhellenischen  Olympier  ist  das  Milchopfer  völlig 


^  Schrader,  Reallexikon  unter  Opfer  598. 

2  Die  Vertreter    und  Quellen   der    verschiedenen  Auffassungen    bei 
Kircher  aaO.  —  Vgl.  auch  Ed.  Meyer,  G.  d.  Ä.  I»  §  47.  §  48  A.  §  52. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  15 

verdrängt.  Es  hat  sich  aber  behauptet  im  Dienste  lokaler 
Gottheiten  und  in  der  Totenverehrung-,  die  meist  privaten 
Charakter  trug-.  Aber  nicht  so  klar  zeigt  es  sich  hier,  daß 
diese  Veränderungen  lediglich  Folgen  der  neuen  wirtschaft- 
lichen Verhältnisse  sind.  Die  nimmermüde  Phantasie  der  Grie- 
chen hat  zu  den  neuen  Formen  sich  Begründung  und  Er- 
klärung hinzugedichtet,  und  wahrlich  weniger  prosaisch,  als 
es  Varro  und  Plutarch  in  bezug  auf  das  Milchopfer  der  Ru- 
mina taten.  Hier  soll  versucht  werden,  die  verschiedenen 
Wege,  die  diese  Entwicklung  einschlug,  etwas  zu  erhellen  und, 
wenn  möglich,  aus  der  Lage  der  Verhältnisse  sie  zu  erklären. 
Zuvor  soll  noch  eine  Stelle  angeführt  werden,  die  wohl 
als  ein  spätes  Zeugnis  des  ältesten  Opfergebrauchs,  allerdings 
in  dem  ursprünglich  phrygischen  Kult  der  Magna  Mater,  an- 
gesehen werden  darf;  Athen.  XI  478  cd  ^:  ITole^uov  ö' ev  t^ 
71£qI  xov  J'lov  Kcodiov  cprjoi'  f.i€ra  dh  xauta  rijv  reXeTijv  noiel 
■Kai  algel  ict  «x  tf^g  &a?-d(.irjg  y.al  ve/iiei  ogol  ävco  rb  xcQvog 
7t£Qievi]voxoT€g.  TOÖTO  ö*  loxlv  ayyelov  -/iegafisoüv  e^ov  ev  avi^t 
TtoXXovg  xoTvXloxovg  y.e-KoXXrjiiivovg'  eveioi  d^  iv  ccvroig  bQf.iivoi, 
(.n]yi(jüv€g  XsvKoi,  tzvqoi,  /.qi&ai,  rtiooi,  Id&vgoi,  (hxQOi,  cpay.oi, 
'Ava/iioi,  ^eial,  ßo6f.iog,  naXad-iov.  (.leXi,  elaiov,  oivog,  yäXa  biov, 
eqiov  anXvTov.  Das  ysQvocpoQsiv  war  ein  Teil  der  Speise- 
zeremonien der  Demetermysterien-.  Als  solche  ist  es  natür- 
lich mit  dem  gewöhnlichen  Opfer  nicht  zu  vergleichen;  aber 
die  Verwendung,  die  Art  und  Zahl  der  Gaben  hat  gewiß 
ihren  Ursprung  im  gewöhnlichen  Opfer  an  die  Gottheit.  Die 
Milch,  das  tierische  Produkt,  wird  also  hier  in  ganz  gleicher 
Weise  verwendet,  wie  die  vielen  Feldfrüchte:  es  sind  eben 
beides  Gaben  der  Natur.  So  finden  sich  auch  neben  den 
ältesten  Feldfrüchten,  Gerste  und  Spelt,  viel  später  von  an- 
deren Völkern  übernommene  Produkte,  Wein  und  Öl.  Gab 
die  Natur  etwas  Neues,  so  wurde  es  zum  Danke  auch  in  die 
Reihe  der  Opfergaben  aufgenommen.  Natürlich  konnte  ebenso, 
wie  Neues  aufgenommen  wurde,  auch  Altes  wegfallen,  wenn 
es  nicht  mehr  zur  Hand  war,  oder  durch  etwas  anderes  er- 


1  Ä.  Lobeck,  Aj^laophamus  I  Re,f^imontii  1829,  26 f.;  v.  Fritze  aaO.  7 f. 
^  A.  Dieterich,  Mithrasliturgie  i03ff. 


16  Karl  Wyß 

setzt  wurde.  Aber  zu  einem  solchen  Schritthalten  in  den 
religiösen  Gebräuchen  mit  den  Veränderungen  des  profanen 
Lebens  brauchte  es  eine  große  Unbefangenheit.  Welcher 
strenggläubige  Abstinent  ließe  es  sich  heutzutage,  trotz  allem 
Haß  gegen  den  Alkohol,  nehmen,  beim  heiligen  Abendmahl 
doch  eine  Ausnahme  zu  machen  und  selbst  von  dem  Gift  zu 
trinken?  Meines  Wissens  hat  auch  noch  niemand  den  Vor- 
schlag gemacht,  den  Abendmahlswein  durch  Milch  zu  ersetzen, 
obschon  das  gar  nichts  so  Absonderliches  wäre ;  sind  doch 
die  ältesten  Kirchen  damit  vorangegangen  ^  Aber  das  heutige 
Dogma  will  es  nun  einmal  nicht. 

Vor  eine  ganz  ähnliche,  nur  umgekehrte  Entscheidung 
sah  sich  das  griechische  Volk  gestellt,  als  es  mit  dem  Wein 
bekannt  wurde.  Sollte  es  vom  alten  Brauche  abgehen  und  die 
Wasser-,  Milch-  und  Honigspenden  ersetzen  durch  das  neue 
Getränk,  das  immer  mehr  die  anderen  vom  Tische  verdrängte  ? 
Hier  schlugen  die  verschiedenen  Stämme,  ja  sogar  die  ver- 
schiedenen Volksklassen  ein  und  desselben  Stammes  ver- 
scliiedene  Wege  ein.  Die  adelige  Gesellschaft  des  griechischen 
Mittelalters,  wie  sie  das  Epos  schildert,  war  unbefangen  genug, 
den  bequemeren  zu  gehen.  Sie  vermag  „den  geistigen  Druck 
des  Zaubererstandes"  (des  Glaubens  an  Zauberei  überhaupt) 
„nicht  zu  ertragen.  So  wahren  sich  vor  allem  die  Häuptlinge, 
die  Ältesten  und  Geschlechtshäupter  die  Selbständigkeit  und 
Freiheit  der  Entschließung"  2.  Die  reichen,  mächtigen  Fürsten 
kümmern  sich  wenig  mehr  um  all  die  dunkeln  Mächte,  von 
denen  alles  Tun  und  alles  Glück  nach  dem  Altväterglauben 
abhangen  sollte,  sie  fühlen  sich  vielmehr  als  ihre  eigenen 
Herren,  die  das  schöne  Leben  genießen  und  nach  ihrem  Willen 
einrichten  wollen.  Sie  übertragen  auch  ihre  Lebensbedingungen 
ohne  weiteres  auf  die  Götter;  es  fällt  ihnen  nicht  ein,  sich 
in  deren  Verehrung  Zwang  anzutun.  Darum  machten  sie  sich 
keine  Skrupel,  von  der  Milch-  zur  Weinlibation  überzugehen, 
sobald  sie  selbst  immer  mehr  zu  dem  neuen  Getränk  sich  be- 
kehrten.   Daß  sie  selbst  sich  vom  Milchgenuß  ab-  und  dem 


*  H.  Usener  aaO.  J92;  G.  Anrieh,  Das  antike  Mysterienwesen  in  seinem 
Einfluß  anf  das  Christentum,  Göttingen  1894,  316. 
2  Ed.  Meyer,  G.  d.  Ä.  I  *  §  49. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  17 

Wein  zuwandteu,  mag  seinen  Grund  darin  haben,  daß  der 
flüssigere  Wein  in  dem  warmen  Klima  als  durststillendes 
Getränk  dem  Gaumen  überhaupt  besser  behagte,  als  die  Milch, 
die  mehr  als  Nahrungsmittel  dienen  konnte;  vgl.  Plutarch,  de 
San.  praec.  19:  rwv  öh  vyqCov  ydlaxTi  i-dv  ov%  cbg  tiotGj  xQV' 
<n€ov,  älX^  ojg  oltUo  dvva^iiv  k(.ißQid^^  '/.ul  7tolvTQO(pov  e^ovri. 
Zudem  hatte  der  Wein  vor  der  Milch  den  großen  Vorzug, 
lange  aufbewahrt  und  besser  transportiert  werden  zu  können, 
was  um  so  angenehmer  war,  je  weiter  sich  die  höfische  Ge- 
sellschaft von  einer  stets  an  die  Scholle  oder  besser  gesagt 
an  die  Herde  gebundenen  Lebensweise  entfernte.  Aus  diesem 
Grunde  blieb  wohl  auch  das  haltbarste  Milchprodukt,  der 
Käse,  stets  ein  häufiges  Nahrungsmittel,  während  die  Butter 
und  die  süße  Milch  nach  und  nach  immer  mehr  zurücktraten. 
Es  liegt  nahe,  anzunehmen,  diese  Wandlung  habe  sich  auf 
dem  Speisetisch  der  Menschen  und  im  Kult  der  Götter  gleich- 
zeitig vollzogen,  weil  ja  für  jene  Zeit  im  allgemeinen  die 
Regel  gilt:  „keine  Mahlzeit  ohne  Opfer,  wie  kein  Opfer  ohne 
Mahlzeit"  ^  oder  auch :  kein  Trunk  ohne  Spende,  keine  Spende 
ohne  Trunk. 

Anders  gestaltete  sich  die  Entwicklung  bei  den  Stämmen, 
die  an  dieser  hochentwickelten  Kultur  keinen  Teil  hatten,  und 
bei  den  unteren  Klassen  überhaupt,  denen  wohl  der  heitere 
Himmel  des  Südens  lachte,  aber  nicht  die  warme  Sonne  der 
Freiheit  und  der  Macht  schien.  Seit  Urzeiten  hatte  sich  ihre 
Gottesverehrung  in  gleichen  Formen  bewegt.  Inzwischen  war 
ihr  Gottesglaube  nicht  zu  der  freien,  aufgeklärten,  ratio- 
nalistischen homerischen  Religion  geworden,  sondern  er  war 
auf  dem  Standpunkt  des  mythischen  Denkens  stehen  geblieben, 
hatte  sich  vielleicht  eher  noch  zu  einem  verstärkten  Ab- 
hängigkeitsgefühl von  den  Schicksalsmächten  ausgebildete 
Ed.  Meyer  *^  schreibt  über  mythische  Vorstellungen  und  Er- 
zählungen: „Immer  haftet  ihnen  zugleich  etwas  Unheimliches 
an,  da  sie  eben  von  der  Wirksamkeit  der  geheimnisvoll  in 
den  Objekten  hausenden  Seelen  und  der  überall  in  der  Welt 


'  Bernhard!  aaO.  3.  «  ßohde,  Psyche  I«  21  f.;  204 ff. 

^  G.  d.  A.  I'^  §  47. 
ReligionBRCschichtliche  Versuche  u.  Vorarbeiten  XY,  2.  2 


18  Karl  Wyß 

umgehenden  Geister  berichten".  Dem  entsprechend  glich  der 
Gottesdienst  der  niederen  Klassen  mehr  einer  Sklaverei  als 
dem  freien  Verkehr,  den  die  homerischen  Edlen  mit  den 
Göttern  pflegten.  Darum  wurde  den  überkommenen  Formen 
ein  übertriebener  AVert  beigemessen:  man  klammerte  sich  an 
sie  und  wagte  nicht,  irgend  etwas  daran  zu  ändern,  aus  Furcht, 
die  Gunst  der  Gottheit  dadurch  zu  verscherzen.  So  behielt 
man  auch  dieselben  Gaben  und  Spenden  bei,  mochten  sie  auch 
im  gewöhnlichen  Leben  durch  anderes  verdrängt  werden. 
Dem  Eindringen  des  Weines  wurde  der  größte  Widerstand 
entgegengesetzt.  Darum  haben  sich  in  so  vielen  Lokalkulten 
die  nüchternen  Spenden,  vr^cpdha,  bis  in  die  historische  Zeit 
hinübergerettet  und  stets  behauptet  ^ 

Sicher  beweisen  läßt  sich  diese  Annahme,  wie  gesagt, 
nicht,  da  sich  der  Wandel  in  vorhistorischer  Zeit  vollzogen 
hat;  sie  scheint  mir  aber  die  wahrscheinlichste  zu  sein.  Viele 
unbekannte  Einzelfaktoren  mögen  mitgewirkt  haben;  aber  die 
skizzierten  Entwicklungslinien  scheinen  mir  die  Gesamtrichtung 
bestimmt  zu  haben.  Zuerst  scheint  also  die  Milch  samt  den 
übrigen  nüchternen  Spenden  stark  zurückgetreten  zu  sein, 
woraus  sich  dann  nach  und  nach  eine  sakralgesetzliche 
Regelung  ergeben  haben  dürfte. 


^  Vgl.  V.  Fritze  aaO.  32 ;  P.  Stengel,  Fleck.  Jb.  CXXXV 1887,  649  (Opfer- 
bräuche der  Griechen,  Tenbner  1910,  178  ff.).  Ders.,  Griech.  Kultusalt.  93.  — 
Zur  Illustration  des  aUbekanuten  Konservatismus  des  Volkes  in  religiösen 
Gebräuchen  mögen  noch  zwei  Stellen  dienen,  die  sehr  ähnliche  Entwick- 
lungen zeichnen.  0.  Beundorf,  Eranos  Vindobonensis  1893,  375:  „Die 
Juden  lernten  in  Ägypten  den  Sauerteig  kennen;  aber  am  Passahfest  hielten 
sie  an  ihrem  alten  ungesäuerten  Brot  fest."  J.  Heckenbach  De  nuditate 
Sacra,  RGW  IX  3,  Gießen  1911,  1 :  Sed  veteres  cum  deos  ea  ratione  venera' 
rentur ,  %it  rituiim  praescriptorunt  seriem  accuratissime  exsequereyitur, 
quorum  vel  minimo  neglecto  actiones  saeras  inrifas  fieri  putabant,  nuditatis 
etiam  religionem  ex  antiquissimis  temporibus  velut  sacram  tanta  tenacitate 
retinebant,  ut  ne  tum  quidem  ab  ea  superstitione  desisterent,  cum  plane 
fere  erudiii  eins  moris  vetustissimi  primordiorum  obliti  essent.  Qua  ratione 
facile  fieri  potest,  ut  sub  nuditatis  in  rebus  sac^-is  reUgione,  ut  saepe  accidit^ 
nihil  aliud  intelligamus,  nisi  temporum  incultorum  memoriam. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  19 

4.  Kapitel 

Die  Milch  als  weinlose  Spende 

Die  Milch  wird  an  und  für  sich  als  weinlose  Spende  im 
Götterkult  nicht  oft  angeführt,  da  sie  niclit  rein,  sondern  mit 
Honig-  vermischt  verwendet  wurde.  Dieses  fxeXiyiQaTov  ist 
wohl,  wie  Stengel  annimmt  \  „auch  im  Leben  häufig  genossen 
worden".  Noch  zu  Aelians  oder  seines  Gewährsmannes  Zeiten 
kannte  man  dieses  Gemisch,  hist.  an.  XV  7:  &(.iüyovoi  yccQ 
(ol  'Ivdol)  TC£QiyXv/.iaTOv  ydXa  xai  ov  diovrai  avaul^ai  avxG) 
fieXi,  ÖTitQ  oh  ÖQüjöL  "Ekltjveg.  Fast  scheint  es,  als  ob  in 
dieser  Zeit  des  verfeinerten  Lebensgenusses  unter  gewissen 
Ständen  die  Milch  nur  noch  mit  Honig,  dem  Zucker  der  Alten, 
getrunken  worden  sei.  In  alter  Zeit  war  das  gewiß  nicht  so. 
Das  /.leXUgaTov  mag  als  Leckerei  gegolten  haben  und  als 
etwas  ganz  besonders  Gutes  den  Göttern  gespendet  worden 
sein.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es  die  eigentliche  Hauptspende 
der  indogermanischen  Völkerfamilie  überhaupt.  Vgl.  0.  Schrader, 
Reallexikou  602:  „Der  Trank,  mit  dem  die  Unsterblichen 
gelabt  wurden,  war  ohne  Zweifel  der  Met,  an  dem  sich  die 
Götter  berauschten  wie  die  armen  Sterblichen,  die  dadurch 
für  Augenblicke  göttlicher  Unsterblichkeit  teilhaftig  wurden. . . . 
Auch  altitalische  Kultussatzungen  schließen  noch  vielfach  den 
Gebrauch  des  Weines  aus.  An  seiner  Statt  wird  Milch  ge- 
nannt. Vielleicht  ist  der  Argwohn  gestattet,  daß  diese  Milch 
einen  Zusatz  von  Honigmet  enthielt,  ganz  wie  in  Indien  der 
Soma  als  Beimischung  zu  Milch  häufig  vorkommt."  S.  85: 
„Der  idg.  Rauschtrank  war  der  aus  Honig  hergestellte  Met 
(jt/^^i»  Wein,  iii€^r]  Trunkenheit).  Gegorene  und  berauschende 
Stutenmilch  trinken  Iranier  und  Skythen."  S.  542:  „So  hatten 
sich  im  Osten  Europas  die  beiden  ältesten  Rauschtränke  der 
Idg.,  Met  und  Stutenmilch,  am  zähesten  erhalten". 

Ein  Sophoklesscholiast  zu  Oid.  Kol.  159  nennt  statt  Milch 
Wasser  als  Bestandteil  des  Melikraton :  ovyxiQvätai  yäg  Taitaig 


'  Fleck.  Jb.  CXXXV  1887,  65;  Opferbräuche  der  Griechen  185. 

2* 


20  Karl  Wyß 

Talg  ^ealg  (den  Erinyen)  vduTog  xal  fxeliTog  y.gä/^a,  und  Pollux 
VI  17  nennt  es  sogar  zo  vvv  oivöiieXi.  Auch  das  sind  Zeug- 
nisse dafür,  wie  man  in  späterer  Zeit  dem  Druck  der  Ver- 
hältnisse, d.  h.  dem  Mangel  und  der  Ungebränchlichkeit  der 
Milch  nachgab,  und  das  Überkommene  änderte.  Nach  Eu- 
stathios  zu  Od.  X  519  vollzog  sich  diese  Wandlung  schon 
früh;  für  die  homerische  Zeit  bezeugt  er  ausdrücklich,  daß 
das  i.ieUy.q(xtov  ein  Milchgemisch  war:  (itUy.QctTov  öe  ol  Ttahxiol 
^üyi^d  (paoL  i^ii'Utog  y.al  ydkanrog  Iviavx^a.  Damit  stimmt 
überein  das  Scholion  zu  Eur.  Or.  115,  wo  f.iEUy.QaTov  ein 
y.Qai.ia  h  i-uknog  ytal  ydXaxTog  genannt  wird.  Wenn  aber 
Eustathios  aaO.  dann  fortfährt :  ol  ^evroi  /.led^'  "OfitjQov  ^lixqi 
x«t  lg  agti  yqäfAa  ^leXitog  v.a.1  vdaxog  xo  f^ekUoaTOv  oXöaoi,  so 
„spricht  er",  wie  schon  Nitzsch  (zur  Od.  III  162)  ihm  vor- 
wirft, „zu  allgemein".  Denn  besonders  im  Totenkult  ist  die 
Verw^endung  von  Milchgemisch  in  späterer  Zeit  noch  öfter 
nachzuweisen. 

Abgesehen  von  diesem  später  zu  behandelnden  Totenkult 
ist  das  Opfer  von  f^ielUgarov  am  besten  bezeugt  für  die 
Erinyen.  Im  Kult  der  panhellenischen  Olympier,  der  durch 
die  homerischen  Gedichte  bestimmt  war,  hatte  es  keinen  Platz, 
wohl  aber  bei  diesen  Rachegöttinnen,  die  zumeist  an  einen 
bestimmten  Ort  gebunden  waren  und  dort  als  Lokalgottheiten 
verehrt  wurden  \  Hier  tritt  denn  auch  zuerst  die  ausdrück- 
liche Bezeichnung  des  Opfers  als  „nüchterne  Spende,  in-cpdhov" 
auf.  Vgl.  auch  Schol.  Aeschin.  in  Timarch.  88:  talg  l€i.ivaig] 
?jV  öe  ra  7ten7t6f.iEva  avtalg  uga  Ttonava  y.a.1  ydXa  ev  äyysGL 
xtgaf-isioig.  Vielleicht  ist  hier  nach  einer  Vermutung  von 
Nitzsch  -  yd)M  als  ungenaue  Bezeichnung  von  (.islUgarov  auf- 
zufassen. In  den  Eumeniden  des  Aischylos  macht  Klytai- 
mestra  den  schlafenden  Erinyen  Vorwürfe  und  erinnert  sie 
an  die  reichen  Spenden,  die  sie  von  ihr  genossen  hätten. 
Eum.  106: 

fj  TtolXcc  uhv  öl]  t&v  eucbv  Ikei^aze, 

%odg  t'  äoLvovg,    vr](pdlia  ^eilly ^laia. 


Rohde,  Psyche  V  268  ff.  ^  Zur  Od.  UI  162. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  uud  Römer  21 

'/lal  WKTiaEf.ivct  öslnv'  sn' eoxccQCf  rtvqog 
ed-vov,  wqav  ovöevbg  AOivijv  ^eCbv. 
Ähnlich  umschreibt  dieselbe  Spende  an  die  Eumeniden  Apol- 
lonios  Rhodios  (Arg.  IV  712)  rait  „Besänftignngsmittel  {j^la- 
camenta)  zu  nüchternem  Flehen": 

r]  d' eioio  jisXavovg  fuiXi'KTQd  xe  vrjcpaUrjOiv 
y.aUv  kit*  evx<^ülfjOiv  Ttaqeaiiog,  ocpqa  y^öloLO 
OfXEQÖaXmg  Ttavoeiev  egirvag. 
Auch  die  Sikyonier  spenden  den  Eumeniden  sowie  den 
Moiren   ^akU^arov.     Paus.  II  11,4:   eariv  äkoog  tiqIviov  -Aal 
vabg   d^iwv   äg  i^&Vjvaloi   Isf-ivag,  Iiy.vcjvlol   de   Eöfievlöag 
dvoi-id^ovoiv'    xarcc    öh   hog   exaoTOv    koqrijv   fjfiega   /.uä   acpiaiv 
ayovOL  d^tovreg  Ttgößata    ey-Av^iova,   ^leXfHQcitqt   öe   GTtovöj] 
xai  avd^eaiv  avrl  OT€(pdviüv  XQfiad^ai  vof.U^ovoiv.   eomÖTa   de  xai 
€ni  t(p  ßio[.uo  Tü)v  MotQCüv  ÖQwGtv.     Dieser  Tempel  liegt 
zwischen  Sikyon  und  Phleius  am  Asopos  \ 

Vgl.  auch  die  orphischen  Lithica  725  ff.  von  Meymqa  und 
den  Molgai: 

OTtTtoTE  ö'  lipojuevoiaiv  inl  /.qedeGOLv  'Uiovxai 
daivvoO-aL  tot'  STtena,  TtoQevvvo^ai  /ns^iaöjTeg, 
avTÖd^Ev  tx  TQiTtoöog  (ra  öe  Xeiipava  yuia  ■AalvTtTot) 
•/.ai  ocfiv  IjiLaTteloai  Xevxbv  ydla  aoI  /.le&v  f]öv-, 
•/Ml  XiTta  T  r:S'  IgaTOV  tb  fiilioorjg  äv^iuov  eiöag. 

Über  den  Kult  der  Hemithea  berichtet  Diodor  V  62:  eoTi 
ö' ev  KaoidßM  Tf^g  Xtqoovvr^oov  ieqov  äyiov  "Hf-iii^iag  .  .  .  h 
öe  Talg  d^uoiaig  avTf^g  öia  to  ov(.ißav  neql  tov  olvov  ndd^og  Tag 
fih  07t ovöag  f.ie?.iycQdTtp  tvolovoi. 

Den  Nymphen  und  Pan  läßt  Theokritos  Milchopfer 
bringen.    Id.  V  53: 

OTaaCü  öe  -/.gaTf^Qa  [.leyav  Xev^olo  ydXa-ATog 
Talg  Nv  ^(faig,  aTaoco  öe  xai  aö^og  UXXov  kXauo. 
OTUoCo  ö' OÄTü)  {.lev  yavXiog  t  G)  IIa  vi  ydXa'KTog  58 

OTiTw  ÖS  GAacpiöag  /neXiTog  nXia  Y.r^qP  b/olGag  '^. 

'  Pausanias  ed.  Hitzig-Blümner  I  2  409  f.  und  539. 

2  Hier  wird  eigentümlicher  Weise,  wohl  aus  Unkenntnis  und  Flüchtig- 
keit des  Verfassers,  den  chthonischen  Gottheiten  auch  Wein  gespendet. 

^  Vgl.  Verg.  Ecl.  V  67:  pocula  bina  novo  spumanüa  lade  (zitiert 
Ton  Fritzsche). 


22  '  Karl  Wyß 

Läßt  sich  darüber  auch  nicht  viel  anderes  sagen,  als  über 
das  Milchopfer  der  römischen  Hirten  an  ihre  Götter,  Pales, 
Pan  usw.  ^  so  zeigt  doch  der  Umstand,  daß  ihnen  vi](pdhtt 
geopfert  wurden  und,  wie  dies  ausdrücklich  hervorgehoben 
wird,  daß  bei  den  Griechen  auch  in  diesem  Kult  die  wein- 
losen Spenden  ihre  besondere  Bedeutung  hatten.  Tansanias 
gibt  nämlich  folgende  Nachricht,  V  15,  6:  i^Hlsloi)  fiövaig  öh 
Talg  NvfjKpaig  ov  vofii^ovaiv  oivov  ovds  ralg  Je- 
arco ivaig  aTtevdeLvovöeinlrö^  ß  lofxq)  rG)  y.o lvöj  itdv- 
Tiav  -d-eibv. 

Ein  inschriftliches  Zeugnis,  wohl  aus  dem  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts, nennt  ixelUqaxov  als  Spende  im  Kult  des  Zeus  Fo- 
lie u  s  auf  Kos  ^ : 

.  .  .  sniortEvdeTO)  ^€A/x[^aTOV,  '/.dqv^  ö\e  Y.(xqvGoiTO)  kogiaCleiv 
Zr]vbg  n]o[kifj]og  eviavria  u)Qala. 

Die  römische  Göttin  Bona  Dea  wurde  in  einer  Art 
Mysterienkult  von  den  Frauen  verehrt.  In  ihrem  orgiastischen 
Dienst  spielte  der  Wein  eine  große  Rolle;  aber  er  durfte  nicht 
beim  rechten  Namen  genannt  werden,  sondern  hieß  in  der 
Kultsprache  lac  und  das  Gefäß,  worin  er  war,  mellarium. 
Macr.  sat.  I  12,  25  (oben  S.  12  zitiert);  Plut.  qu.  Rom.  20: 
olvov  de  avrfi  OTtevdovOL  ydXa  7tQooayoQEv6f.iEvov.  Das  ist  doch 
wohl  nichts  anderes  als  ein  Rest  der  griechischen  Sitte,  dieser 
chthonischen  Gottheit  vr]rpdha  zu  spenden;  denn  Bona  Dea 
ist  eine  aus  der  griechischen  Mythologie,  nach  Wissowa  wahr- 
scheinlich im  Jahr  272  v.  Chr.  ^  übernommene  Gottheit. 

Gleichsam  {.uUy^QccTov  in  verdicktem  Zustand  erhielt  ein 
Heros  der  Eleer  nach  Pausanias  VI  20,  2*:  fj  de  tcqeo- 
ßvrig  Tj  d-eqanevovoa    zbv  Zwo LtioXiv    vöfxtp    re  ayiorevei   Tri) 


»  Vgl.  E.  Cartius,  Hermes  XXI  1886,  200:  „Die  Quellen  sind  die 
ältesten  und  die  spätesten  Gegenstände  des  Gottesdienstes  gewesen.  Es 
hat  eine  Zeit  gegeben,  wo  nur  Zeus  und  die  Nymphen  verehrt  wurden  . .  . 
die  mit  weinlosen  Spenden  gefeiert  wurden  als  die  wirksamsten  Wohl- 
täterinnen der  Pflanzen,  Tiere  und  Menschenkinder". 

2  Paton  and  Hicks  The  inscr.  of  Cos,  Oxf.  1891,  no  37  =  CoUitz 
DI  III  1  n.  3636,  36. 

*  Vgl.  Wissowa  P W  III  Sp.  686 ;  R.  Peter  in  Keschers  Lexikon  I  Sp.  790. 

*  Vgl.  Hermes  XXIX  1894,  281  u.  625;  P.  Stengel,  nelaiSs  (Opfer- 
bräuche 66  ff.). 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  23 

^Hkelcov  xft«  avTT],  Xovtqo.  te  lo(f€QU  %ö)  d-eöj  -Kai  (.id^ag  xaza- 
tid-r]aiv  avT(t)  (.isfiayf^evag  (.lelixi  .  .  ,  €7ti07t€vöeiv  ov  vo^iCovaiv 
ohov.  Znr  Bereitung  der  ^<S^a  scheint  nämlich  außer  Mehl 
von  jeher  unter  anderem  auch  ungefähr  das,  was  man  jeweilen 
unter  f.uUy.Qarov  verstand,  verwendet  worden  zu  sein  nach 
Erotianos  248 :  (.läta '  q)VQa(.ia  kB,  alcpirojv  ycvöfisvov,  ttotb  ftkv 
juez^  ö^vueXiTog,  Ttozh  de  fiez'  d^vyiQccTOV  r;  vd^oi-ielnog  f]  jue&^ 
i'darog,  und  den  Angaben  des  Aristophanesscholiasten  zu  Pax  1 
und  Suidas,  welche  die  Maza  tt^v  TQO(pi]v  tijv  ano  yäXay.- 
Tog  yial  gltov  nennen.  Ein  ganz  ähnliches  Opfer  brachten 
auch  die  Athener  am  Fest  der  Göttermutter^:  FaXd^ia: 
ioQTt]  l^d^t]vr]Oi  f.iriTQi  d^eCov  dyofievi],  h>  f]  eipovoi  ttjv  yala^iav. 
h'oTcdeTTokTogxQiO'ivogey.  yccXaxTog. 

Gerade  hier  läßt  sich  die  Identität  des  Opfers  mit  der 
ursprünglichen  Volksnahrung  wieder  klar  erkennen:  denn 
dieser  Gerstenbrei  war  seit  Urzeiten  ein  Brotersatz  der  Grie- 
chen und  Römer,  wofür  schon  die  etymologische  Gleichung 
puls  Ttölxog  zeugt  ^  0.  Benndorf,  Eranos  Vindobonensis  375, 
bezeichnet  als  das  zweite  Stadium  der  Brotbereitung  „das 
Anrühren  eines  mehr  oder  weniger  dicken  Breies  aus  Mehl, 
der  durch  Salz,  Fett,  Milch,  Käse  (z.  B.  Polei  im  Demeter- 
hymnus) ^  usw.  wohlschmeckender  gemacht  und  gekocht  oder 
ungekocht  als  Speise  wie  als  Trank  genossen  wird".  Das 
dritte  Stadium  ist  „das  Rösten  oder  Backen  eines  gekneteten 
-  .  .  Mehlteiges  .  .  .,  wobei  die  zur  Anfeuchtung  verwendeten 
Substanzen:  Wasser,  Milch,  Öl,  Wein  usw.  und  allerhand 
würzende  Zusätze  wechseln". 

Leider  ist  über  die  Bestandteile  der  weinlosen  Opfer  an 
Götter  sonst  nirgends  Genaueres  überliefert.  Aber  nach  dem 
Gesagten  wird  anzunehmen  sein,  daß  überall,  wo  vricpdlia  ge- 
spendet wurden,  das  i^iekUgarov  die  Hauptrolle  spielte.  Eine 
vollständige  Zusammenstellung  der  zerstreuten  Nachrichten 
über  diesen  Gegenstand  gibt  Th.  Wächter,  Reinheitsvorschriften 

^  Im.  Bekker,  Anecdota  I  229,  25;  Hes.  s.  v.  yaXa^ia.  Danach  durch 
V.  Wilamowitz  Fnla^ta  hergestellt  bei  Theophrast  Char.  XXI  11,  s.  Lese- 
buch II  (Textband)  305. 

^  Vgl.  Schrader,  Reall.  unter 'Brei'  111;  Mommsen,  Rom.  Gesch.  I  «19. 

*  Hymn.  hom.  in  Cer.  209. 


24  Karl  Wyß 

im  griech.  Kult,  RGW  IX  1,  Gießen  1910,  109.  Außer  den 
chthonischen  Gottheiten,  wie  Demeter,  Eumeniden,  Amphiaraos 
u.  a.,  denen  überhaupt  nie  Wein  gespendet  wurde,  erhielten 
auch  von  den  übrigen  Göttern  einige,  meist  an  engbegi-enzten 
Kultorten,  vrifpdha;  so  Aphrodite,  Eos,  Helios,  Selene,  die 
Musen  und  Nymphen,  Zeus  Hypatos  in  Athen  u.  a.  Von  den 
Erklärungen,  die  Wächter  gibt,  ist  die  einleuchtendste  die, 
welche  „die  weinlose  Spende  als  festgehaltenen  Rest  primi- 
tiver Sitte"  auffaßt.  Wie  oben  gezeigt,  ist  das  ^ulUqccxov  ja 
wahrscheinlich  der  in  seiner  Zusammensetzung  allerdings  etwas 
der  Veränderung  unterworfene  Mettrank.  Der  aber  war  ur- 
sprünglich berauschend  und  ist  es  wohl  geblieben,  bis  der 
leichter  zu  beschaffende  Traubenwein  die  Bereitung  des  Honig- 
likörs überflüssig  machte.  Die  Griechen  kannten  also  die 
Trunkenheit  schon  vor  der  Verwendung  des  Weins  gerade 
von  diesem  später  als  vr^cpdliov  verwendeten  Opfertrank  her; 
es  ist  daher  widersinnig,  sie  als  Grund  des  Ausschlusses  des 
Weines  von  gewissen  Opfern  anzunehmen.  Leider  ist  die 
Etymologie  des  Wortes  vri(p€iv  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  \ 
Wenn  Ficks-  Vermutung  richtig  ist,  so  wäre  das  Wort  mit 
einem  keltischen  „nagro-s,  bescheiden"  in  Verbindung  zu  setzen, 
woraus  geschlossen  werden  könnte,  daß  ursprünglich  nicht 
der  Begriff  des  „nicht  trunken  seins",  sondern  bloß  der  des 
„sich  Enthaltens  von  dem  (teuern,  kostbaren,  ungewöhnlichen, 
oder  nicht  durch  den  Gebrauch  geheiligten?)  Wein  und  des 
sich  Bescheiden s  mit  dem  alten  Met"  darin  enthalten  gewesen 
sei.  Man  vergleiche  damit  die  Ausführungen  von  E.  Curtius^: 
„Opfergebräuche  sind  die  dauerhaften  Zeugnisse  alter  Sitte. 
Die  Götter  lebten  nicht  anders  und  besser  als  die  Menschen  ; 
solange  diese,  von  der  Außenwelt  abgeschlossen,  auf  die  Er- 
zeugnisse ihres  Bodens  angewiesen  waren,  nahm  man  zu  den 
Spenden  Honig  und  Milch.  ...  Es  war  das  'indoeuropäische 
Ureigentum'  wie  es  Hahn  nennt,  und  auch  nachdem  die 
Hellenen  Öl  und  Wein  angebaut  hatten  und  sich  den  wein- 


»  L.  Meyer,  Gr.  Etymol.,  Leipzig  1902,  IV  262. 

2  A.  Fick,  Vgl.  Wörterb.  der  idg.  Spr.  II  *  Göttingeu  1890,  189. 

"  Sitz.-Ber.  Ak.  Berl.  1890  S.  1142  und  1143. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  25 

losen  Barbaren  des  Binnenlandes  gegenüber  ihrer  reich- 
entwickelten  Kultur  freuten,  blieben  die  vr^cpdha  ieqd,  vr^(pdXiot 
^iof.iol  in  alten  Ehren". 

Als  sich  dann  das  Bedürfnis  geltend  machte,  den  Gottes- 
dienst in  feste  Formen  zu  fassen  und  die  religiösen  Anschau- 
ungen in  Dogmen  festzulegen,  wurde  zum  Gebot  mit  irgend- 
welcher rationalistischen  oder  explikatorisch  erdichteten  Be- 
gründung, was  sich  aus  den  Verhältnissen  in  natürlicher  Ent- 
wicklung ergeben  hatte.  Wie  sich  die  Römer  das  Milchopfer 
durch  erfundene  Begründungen  verständlich  machten,  so  die 
Griechen  die  vrjcpdXia  überhaupt.  Apollon  soll  die  Eumeniden 
einst  mit  Wein  betört  und  ihnen  so  den  Genuß  des  gefähr- 
lichen Getränkes  verleidet  liaben  ^  Helios  durfte  auf  seiner 
Bahn  um  die  Erde  nicht  durch  Alkoholgenuß  schwankend  ge- 
macht werden.  Athenaeus  XX  693e:  öelv  Uyovteg  rbv  ra  öXa 
Gvvi%ovTa  /.al  öiay.Qaxovvia  d^eov  y.al  diX  TttQiTio'kevoviu  xov  y.oojuov 
äXXoTQiov  eivai  f.ie&rjg. 


5.  Kapitel 

Die  Milch  bei  der  Totenbeschwörung  und  im 

Totenkult 

Alle  Getränke,  die  die  Lebenden  liebten,  kamen  auch 
den  Abgeschiedenen  zu,  ohne  daß  hier  ein  Unterschied  zwischen 
weinhaltigen  und  nüchternen  gemacht  worden  wäre.  Oft 
werden  Wein,  Wasser,  Milch  zusammen  gespendet  und  zwar 
die  Milch  auch  hier  meist  mit  Honig  versüßt,  also  in  der 
Form  des  (.leXUqaTov.  Das  älteste  Zeugnis  ist  eine  der  wenigen 
Stellen  des  homerischen  Epos,  die  einen  Blick  tun  lassen  in 
den  nichtolympischen  Kult  des  griechischen  Mittelalters. 
Odysseus  trifft,  den  Eat  der  Kirke  befolgend,  die  Vorbereitungen 


»  Aisch.  Enui.   727 f.  —  Vgl.  P.  Stengel,  Fleck.  Jb.  CXXXV  1887, 
649  ff.  (Opferbräuche  182). 


26  Karl  Wyß 

zur  Toten beschwörung,  indem  er  den  abgeschiedenen  Seelen 
ein  Mahl  bereitet.    Od.  XI  25  (vgl.  X  517): 

ßö&QOv  0Qv'^\  booov  T€  TivyovGiov  €vd^a  xai  tv&a 
a^icp'  avT(p  ök  xo^]V  ys6{.iriv  Ttäaiv  vev.veoo iv , 
TTQÖJTa  {^i  £liy.Qi]TO) ,  f.ut€7tsiTa  Ök  rjösc  olVw, 

TO    TQLtOV    aviF  vÖttTl. 

Dazu  das  Scholion  bei  Eustathios  zu  Od.  X  519:  fisXi^aTov 
ds  ol  TtaXaiol  ^ilyi^d  cpaoiv  ^idhrog  ytai  ydXa-ATog  kvravda. 

Denselben  Zweck,  die  Seele  eines  Toten  kirre  zu  machen, 
um  sie  dann  zu  zitieren,  verfolgt  Atossa  mit  ihren  reichen 
Gaben  in  den  Persern  des  Aischylos.  Diese  Verse  sind  so 
recht  dazu  angetan,  zu  zeigen,  wie  es  auch  hier  darauf  an- 
kommt, „alle  guten  und  reinen  Dinge",  von  denen  diesmal 
nicht  ein  Gott,  sondern  der  Verstorbene  lebt,  zu  weihen, 
ohne  daß  auf  eine  bestimmte  Auswahl  geachtet  oder  einzelne 
Gaben  für  wirkungsvoller  als  die  übrigen  gehalten  würden. 
Aisch.  Pers.  609 ff.: 

Tiaiöo g  TtaTQi  7tQ€vfi€V€lg  xoag 

rp€QOvo\  aTTSQ  vey.QOiGi  tusLlixTrjQia, 

ßoög  r  acp"  äyvrig  Ievy.ov  evTtovov  ydla, 

Tjjg  t'  dvd-e  1.10V Qyov  aray^ia,  naf^ifpaeg  {.liXi, 

lißdaiv  vÖQrjlalg  Ttaqd-svov  7triyi~]g  f.i€ta, 

ayirjQUTÖv  ts  /it)]tQbg  dygiag  ano 

TtoTov  Ttakaiäg  d^iirekov  ydvog  röds' 

Trjg  d' aisv  h  rpvXloiGi  d-aXXovorig  ßiov 

'§av37jg  eXdag  -/.aqrcbg  svwdrjg  Ttdqa, 

ävd-rj  re  TtXf.yt.Td,  itaurpoQOv  yaiag  re-Ava. 

Hier  scheint  besonders  auf  die  Reinheit  der  Spenden  und 
Gaben  Gewicht  gelegt  zu  sein:  Tta^upaig,  durch  und  durch 
leuchtend  muß  der  Honig  sein,  von  jungfräulicher  Quelle  das 
Wasser  und  von  wilder  Rebe  der  Wein.  Dazu  paßt  die  Milch, 
deren  hervorstechendste  Eigenschaft,  die  weiße  Farbe,  das 
eigentliche  Bild  der  Reinheit  ist. 

Auch  Aeneas  gießt  bei  seiner  Ankunft  in  Italien  den 
Manen  seines  Vaters  Anchises  außer  Wein  und  Blut  Milch 
auf  die  Erde.    Verg.  Aen.  V  77 : 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  27 

hic  duo  rite  raero  libans  carchesia  Bacclio 
fundit  humi,  duolacte  novo,  duo  sanguine  sacro 
purpureosque  iacit  flores  ac  talia  fatur: 
'salve,  sancte  parens'. 

Vergil  hat  hier  seine  Kenntnisse  vom  griechischen  Opfer- 
gebrauch verwendet,  aber  seine  römische  Reflexion,  die  hinter 
jedem  einzelnen  Teil  der  Spende  einen  bestimmten  Sinn  und 
Zweck  suchte,  hat  geholfen,  das  Bild  recht  zauberhaft  zu  ge- 
stalten. Zu  dem  Wein  und  der  Milch  tritt  hier  gleich  das 
„heilige  Blut",  das  Odj^sseus  erst  nach  der  Spende  in  die 
Grube  fließen  läßt  als  das  eigentliche  Beschwörungsmittel,  und 
die  avd-rj  Ttkeycrä  Ttaf-icpögov  yaiag  texva  der  Atossa  werden  hier 
zu  den  purpurei  flores'-,  die  natürlich  eine  chthonische  Be- 
deutung haben  sollen.  Eine  Schlange,  von  der  Aeneas  nicht 
weiß,  ob  sie  ein  Diener  des  Vaters  oder  der  Genius  loci  ist, 
macht  sich  dann  auch  heran  und  genießt  die  Spende. 

Lehrreich  ist  die  Anmerkung  des  Servius  zum  Vers  78: 
Lade  novo]  auf  sfafim  nmldro,  auf  post  fetum,  quod  Co- 
lostrum dicitur  neufro  genere.  umbraß  autem  sanguine  et  lade 
satiantur:  unde  feminae,  quae  mortuos  prosequuntur ,  uhera 
tundunt,  ut  lac  exprimant,  cundi  autem  se  lacerant,  ut  san- 
guinem  effimdant.  Die  Erklärung  des  novum  lac  als  Bries- 
milch  ist  kaum  die  zutrefi'ende;  wenigstens  kenne  ich  keine 
Stelle,  die  auf  ein  Opfer  von  Colostrum  schließen  ließe.  „Frisch 
vom  Euter  weg"  aber  spendet  auch  ein  Hirte  bei  Theokrit. 
Id.  I  143 f.: 

xat  %v  öiöov  Tccv  aiya  x6  rs  ov.vcpog,  äg  x€v  äf.ieX^ag 
OTtsiöu)  ralg  MoLoaig^. 

Während  von  Aeneas  eine  Beschwörung  nicht  beabsichtigt 
war=*,  wohl  aber  das  Opfer  dem  des  Odysseus  in  der  Nekyia 
ähnlich  ist,  läßt  Silius  Italiens  den  Scipio  mit  vollem  Bewußtsein 
einen  großen  Beschwörungsapparat  in  Szene  setzen.  Autonoe 
gibt  ihm  Anweisung.     Fun.  XIII  429: 

'  Servius  zu  Verg.  Aen.  V  79 :  Purpureosque  iacit  flores]  ad  sanguinis 
imitationem,  in  quo  est  sedes  animae.  ^  Vgl.  oben  21  Anm.  3. 

'  Er  erschrickt  ob  dem  Anblick  der  Schlange :  ohstipuit  visu  Aeneas,  V  91. 


28  Karl  Wyß 

ordine  raactari  pecudes  iubet.  ater  operto 

ante  omnes  taurus  Regi,  tum  proxima  Divae 

caeditur  Hennaeae  casta  cervice  iuvenca, 

inde  tibi,  Allecto,  tibi,  numquam  laeta  Megaera, 

Corpora  lanigerum  proeumbunt  lecta  bidentum. 

fundunt  mella  super  Bacchique  et  lactis  honorem. 

Man  sieht,  wie  diese  Szenen  immer  zauberhafter  ausge- 
schmückt, die  maßgebenden  Elemente  aber  von  Homer  bis  in 
die  spätesten  Zeiten  beibehalten  werden  \  —  Überraschend 
klingt  diese  Stelle  an  die  Schilderung  einer  Beschwörung 
durch  Ovid  (met.  VII 240  ff.)  an,  vor  allem  darin,  daß,  wie  Usener 
in  einem  Nachtrag  zu  Milch  und  Honig,  Kl.  Schrift.  IV  414, 
bemerkt,  die  Spende  vom  Totenkult  auf  die  Götter  der  Unter- 
welt übertragen  wird.    V.  246: 

tum  superinvergens  liqnidi  carchesia  mellis 
aereaque  invergens  tepidi  carchesia  lactis 
verba  simul  fudit  terrenaque  numina  civit 
nmbrarumque  rogat  rapta  cum  coniuge  regem. 

Noch  im  Heroikos  des  Philostratos  wird  eine  Art  Be- 
schwörung durch  diese  Seelenspeise  beschrieben,  allerdings 
auch  hier,  wie  in  der  Vergilstelle  mehr  nur  als  Opfer  gedacht  ; 
aber  hier  wie  dort  erscheint  der  Empfänger  der  Spende  körper- 
lich ;  der  Winzer,  dem  der  troische  Held  Protesilaos  bei  seiner 
schweren  Arbeit  hilft,  erstattet  ihm  zum  Dank  eine  Spende, 
deren  Darbringung  er  folgendermaßen  beschreibt.  Her.  p.  291 K. : 
■/.aiTOL  GTievöu)  ye  avxCo  xara  loireQav  Öltco  roviiovi  tCjv  daaiiov 
ai^iTteXiov,  äg  (pvxevEt  avrög,  xat  rqwAra  öh  wQata  TtQorid-e^aL 
xöTct  ^s07]/i(ßQlav,  eTteiöav  ^iqog  re  fjxTj  xal  luerÖTttoQOv  iGTfjratf 
oslT^vrjg  TS  iovGr]g  Ig  -/.v-aXov  iv  tfj  tov  rjQog  wqa  ydXa  kyxiag 
kg  TOV  \pvy.Tt]Qa  toDxov  Höov  ool  Xiyio  'ro  %f^g  loqag  väf.ia,  av 
de  Ttive',  yidyu)  fihv  eitviov  ravia  ujtaXXätwixcti,  %a  öe  ßeßQWtai 
t€  xat  TieTtOTai  d^ÜTzov  j]  ytara^ivaai. 

In  der  Zeit  des  blühendsten  Aberglaubens  waren  es  natür- 
lich nicht  mehr  nur  die  Helden  der  Epen,  die  Tote  beschworen 


*  S.  L.  Fahz  De  poetanim  Uomanorum  doctrina  magica,  EGVV  II 
3,  1804,  111  ff.,  der  S.  114  noch  mehr  Material  gibt. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  29 

oder  beschwören  ließen,  sondern  nach  dem  Glauben  der  Menge  in 
Griechenland  wie  in  Rom  war  die  Macht  über  die  Unteren  auch 
Menschen,  die  mitten  unter  dem  abergläubischen  Volke  lebten, 
gegeben.  Das  Handwerkszeug  entnahm  aber  dieser  Berut 
teils  altem  Volksglauben  teils  den  dichterischen  Phantasie- 
bildern der  Vergangenheit. 

Die  Künste  einer  Zauberin  beschreibt  TibuU  I  2,  45: 

haec  cantu  finditque  solum  Manesque  sepulcris 

elicit  et  tepido  devocat  ossa  rogo: 
iam  tenet  infernas  magico  Stridore  catervas 

iam  iubet  adspersas  lacte  referre  pedem. 

Lukian  führt  die  sonst  immer  den  Toten  gebrachten 
Spenden  als  Nahrung  eines  Hadesfahrers  au;  Mithrobarzanes 
läßt  ihn  durch  bestimmte  Auswahl  der  Getränke  und  Speisen  auf 
die  abenteuerliche  Reise  sich  vorbereiten.  Luc.  Ney..  7:  y.at 
aiTia  ^ihv  fif.iiv  ra  a-KQoÖQva,  Ttorov  de  yccla  -/.al  (xekl^Qarov 
xal  To  Tov  XodoTtov  vdujQ.  Dieterich  ^  hat  dies  mit  der  Ver- 
wendung der  Milch  im  Mysterienkult  zusammengebracht.  Mir 
scheint  aber  diese  Stelle  eher  auf  die  Totenspenden  und  Be- 
schwörungsopfer zu  weisen;  der  Hadesfahrer  muß  sich  durch 
den  Genuß  derselben  Speisen,  die  die  Toten  nähren,  in  einen 
ihnen  ähnlichen  körperlichen  Zustand  versetzen,  um  nicht 
zu  sehr  aufzufallen  und  Widerstand  zu  begegnen ;  doch  mögen 
auch  hier  literarische  Kenntnis  und  Beobachtung  der  Ge- 
bräuche der  Zeit  zusammengeflossen  sein.  Ähnlich  steht  es 
mit  der  Vorschrift  des  Berliner  Zauberpapyrus  I  20  (Abh. 
Berl.  Akad.  1865  S.  120):  laßtov  t6  yäla  aiv  tw  ineXiri  a/törtie. 
Sonst  dient  im  Zauber  die  Milch  meist  als  Spende  für  Toten- 
geister oder  chthonische  Dämonen,  um  sie  zu  versöhnen  oder 
zu  beschwören;  Pap.  Par.  2192  (C.  Wessely,  Denkschriften 
Wien.  Akad.  36).  Der  Zauber  zeigt  also  dasselbe  Bild  wie 
der  Kult. 

Die  Totenspende  ohne  Beschwörung  wird  in  der 
attischen  Tragödie  mehrfach  gestreift.  Chrysothemis  sieht 
am  Grabe  ihres  Vaters  ycohov-qg  i^  äxoag  veo  qqvtovq  Ttr^yag 


Mithraslit.  172. 


30  Karl  Wyß 

ydkayirog  und  Blumenkränze ^  Fein  hat  hier  der  Dichter 
nur  den  Teil  der  Spende  genannt,  der  eine  sichtbare  Spur 
hinterläßt.  Antigene  weiht  den  Leichnam  ihres  Bruders 
xoalai  TQiOTtövöoioi^.  Das  Scholion  erklärt:  fiehn,  ydXaxrty 
ohip.  Auch  der  Scholiast  zu  Euripides  Hek.  527,  wo  Neo- 
ptolemos  seinem  Vater  Achilleus  vor  der  Opferung  der  Polyxena 
spendet,  erklärt  die  x^«^  mit  oivov  örfkovön,  i-if/u,  yaXa  xai 
äXsvQov. 

Im  Orestes  des  Euripides  schickt  Helena  Hermione  zum 
Grabe  der  Klytaimestra  mit  dem  Befehl  (Vers  114): 

lld-ovoa  ö' ccf-Kfl  Tov  KKvTaif.iriGiQCig  xärpov 
[.isXlxQaz^  ärpeg  ydka'KTog  oIviottÖv  r' äxvrjv. 

Der  Scholiast  erklärt  /.ulingaTa  ydla/.Tog  wieder  fjioi  za  ocTtb 
(.liXiTog  AOL  ydla/.Tog  y.£v.Qaf.i€va.  Die  oivoinbg  äxvrj  wird  wohl 
eine  Umschreibung  für  Wein  sein:  brav  yao  eTayiTqxai  olvog 
Tip  i'K  ixiXitog  '/.al  ydla-/.tog  yi^dfiari  ETiiTiolaiiog  /.üTai.  Dem- 
nach wären  hier  alle  drei  Spenden  gemischt  verwendet  worden. 
In  dichterischer  Umschreibung  erscheinen  die  Toten- 
spenden in  Eur.  Iph.  Taur.  158: 

"j-höa  Tteuipag,  &)  rdaös  yoag 

(.if/J.O)    -AQUir^Qd    T£    TÖV    ff^^lflSVOJV 

vÖQUivsiv  yaiag  ev  vibxoig, 
Tnqydg  t'  ovQeiojv  £z  (.idoyiov 
Bd/.yov  t' oivTjQctg  koißag 
§ovd^äv  t€  Ttovr^i-ia  (.leXiöOäv, 
a  vsxQoig  d-EkATr^oia  xürai. 

Den  Manen  der  gefallenen  Helden  werden  alljährlich 
bei  Platää  Massenspenden  dargebracht,  wobei  zum  Gewöhn- 
lichen noch  Öl  und  Salbe  tritt.  Plut.  Aristid.  21^:  ercovrai 
d'  afta^ai  (.ivqqivr^g  ueoral  /.al  OTefpavioi.idT(ov  -/.al  fieXag  raüQog 
■/.al  xo«S  ohoo  xal  ydXa-/Tog  ev  d(.i(poQ£voiv  kXaiov  ze 
■/.al  (xvQov  -/QCDoaovg  veuvia/.oi  '/ofii^ovzeg  iXevd-eQOi. 


^  Soph.  El.  894  und  dazu  Kaibel  209  f.  ^  Soph.  Ant.  431. 

»  Vgl.  Aisch.  Pers.  609,  oben  S.  26. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  31 

Ein  dem  Alkaios  zugeschriebenes  Epigramm  besingt  die 
Weihe  des  Leichnams  Hesiods  durch  Nj^mphen  und 
Hirten.    Anth.  Pal.  VII  55: 

yJojtQiöog  iv  ve(.iü  o-auqix)  vinvv  'Hoioöoco 

aal  rdcpov  vipcooavTO'  yäXaxti  de  noiuiveg  aiywv 
tQQcivav  ^avd-ij)  f.u^6^ievoi  (.liliti. 

In  Pisae  in  Etrurien  wurde  einem  Verstorbenen  ein  all- 
jährlich wiederkehrendes  Opfer  mit  Milch,  Honig  und  Olspenden 
inschriftlich  zugesichert.  CIL  XI  1420,  19:  Inferiae  mittantur 
hosque  et-  ovis  atri  infulis  caenilis  infulati  dns  Manibus  mactentur 
eaeque  hosiiae  eo  loco  adolentur  superqiie  eas  singulae  urnae 
h actis,  mellis,  olei  fundantur. 

Daß  Dichter,  wie  Statins,  solche  Besonderheiten  des  alten 
Kults  aufgriffen  und  mit  solcher  Gelehrsamkeit  prahlten,  ist 
nicht  verwunderlich.  Über  die  Leichenfeier  der  Griechen  für 
Opheltes,  den  Sohn  des  Königs  von  Nemea,  sagt  Statins 
Theb.  VI  209: 

pallentique  croco  strident  ardentia  mella 
spumantesque  mero  paterae  verguntur,  et  atri 
sanguinis  et  rapti  gratissiraa  cymbia  lactis. 

Die  Seele  desKyzikos,  des  von  den  Argonauten  wider 
den  Willen  des  lason  getöteten  Dolionenkönigs ,  besänftigt 
Orpheus  mit  einem  Totenopfer.    Orph.  Arg.  572: 

avTOQ  eyioye 
ipvxrjv  UaGdi.irjV,  artevöcov  fieikcy^iata  xütAwv, 
vöari  t^  rjöe  ydXaxjL  /.uXioooQvroig  af.ia  vaoi^oig 
Xoißag  kxTtQOXiOJV  >t«f  ifiotg  v^voiol  yeQaiQiov. 

Es  scheint,  daß  man  tatsächlich  noch  zu  den  Zeiten  Lu- 
kians  an  dem  alten  frommen  Brauche  festhielt,  den  der  Spötter 
natürlich  mit  aufklärerischem  Hohne  persifliert  im  Charon  22 : 
XoQ.  oi  de  Kai  TtVQCtv  vi]oavTeg  ttqo  xCbv  X"'|Karwy  ymI  ßö&QOv 
riva  OQv^avreg  xaiovai  te  zavrl  rot  nokvreh'j  delnva  v-oi  ig  %a 
oQvyiiata  olvov  xai  fisXlxQUTOv,  u)g  yovv  eixdoai,  Ixx^ovoiv:  — 


32  Karl  Wyß 

'Eqy..  ovvt.  olda,  öj  7T0Qd^(.itv,  ri  ravra  Ttgbg  rovg  kv  'Aidov  Tte- 
Ttiaievyiaoc  yoüv  rag  ipi'xag  ävuTtmTioiihag  xccTiod-ev  öemvelv 
ftev  wg  olöv  TB  7reQi7r€rof.i6vag  ttjv  xvlaav  y.al  tov  y.aTtvöv,  Ttiveiv 

Öe    &7tO    TOV   ßÖd'QOV    TÖ    fielUQCCtOV. 

Im  Gegensatz  zu  diesem  Rationalisten  gibt  der  Neu- 
platoniker  Porphyrios  eine  komplizierte  mystische  Erklärung 
der  Milchspende  de  antro  nymph.  28:  df^ixog  de  dveiQcov  xara 
Uv&ayÖQav  al  ipvxai,  ag  Gvmyeai>(xL  rpr^oi  eig  tov  ya).a^iav  tov 
ovTO)  7CQOoayoQ€v6/j,evov  utio  töjv  yccla-ATL  TQsrpo/iisviov,  brav  eig 
yeveoLV  Treowaiv.  dib  ytal  airevöeiv  avTalg  TOvg  ipvxccyojyovg  fielt 
y.eY.Qaf.iivov  ydlav-Ti  <og  &v  öi  fjdovf^g  elg  yeveoiv  /.lefieXeTr^- 
yiiiaig  eq^eod^ai,  alg  avy/cvelod-ai  rb  yä'/M  7ticpv/.EV. 

Die  pythagoreische  Weisheit  schlägt  aber  schon  in  das 
Gebiet  der  Mysterien  ein,  die  später  zu  behandeln  sein  werden  ^ 


6.  Kapitel 

Die  sühnende  Wirkung  der  Milch 

Oft  werden  die  Spenden  an  chthonische  Gottheiten  oder 
Tote^  als  /.lediyfiara ,  i.iediy.Ti]Qia ,  /neihxTQa,  d^elycrr^gia  be- 
zeichnet. Daraus  ist  von  einigen  Gelehrten  geschlossen  worden, 
daß  Honig,  Milch,  Melikraton,  Öl  an  sich,  um  ihrer  natür- 
lichen Eigenschaften  willen  als  Linderungsmittel,  die  den  Zorn 
der  Unterirdischen  besänftigen,  aufgefaßt  worden  seien.  So 
sagt  Stengel,  Gr.  Kultusaltertümer  93:  „Denn  die  Götter 
der  Unterwelt  hassen  den  Wein;  Honig  und  lindes  Öl  be- 
sänftigt sie  wie  die  Toten".  Ähnlich  H.  Di  eis,  Sibyll. 
Blätter  69:  „Diese  nüchternen  Spenden  (vrjrpdXia)  haben  zu- 
nächst nur  den  Zweck,  das  vergossene  Blut  abzuwaschen,  wie 
der  Luperkalienritus  noch  deutlich  zeigt,  sodann  aber  lindernd 

1  Vgl.  noch  Lact.  Plac.  zn  Stat.  Theb.  IV  607 :  Nee  alius  liquor,  qui 
sacrifidis  (d.  h.  für  Tote)  consuevit  offerri.  niitigat,  i.  e.  vini  mit  meUis  aut 
lactis.  Das  Scholion  Dresdense  hat  nur  ladis  et  mellis.  Nachtrag  Useners, 
Milch  und  Honig,  Kl.  Schriften  IV  403.  ^  g.  oben  Kap.  4  und  5. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  33 

auf  den  Zorn  der  rnterirdischen  einzuwirken.  Daher  werden 
neben  reinem  Quellwasser,  welches  das  Blut  abwaschen  soll, 
gern  Milch,  Honig,  Öl  als  fieiUyi-iaTa  hinzugefügt."  Und 
von  Fritze  aaO.  34:  Illae  deae,  quae  crudeles  apud  inferos 
versabantur,  non  erant  'particifes  laetitiae,  qua  dei  sirperi  saejm 
deledahantur.  Quo  fiebat,  ut  non  vinum,  qiiod  excitat  annnos, 
furiis  offerretiir,  sed  täles  liquores,  qui  leniunt  animos,  ut  mel, 
lac,  oleum.  Quod  iam  Jimc  apparet  quod  In  potus  vocantur  fxei- 
Äiyf^iaTa. 

Was  heißt  u€iUyi.iaTa,  (.isihY.Tr^Qia?  Diese  "Worte  gehören 
zu  ndhyog  mild,  angenehm  ^  /Aeihyfia  ist  Nomen  actionis 
zu  dem  Verbum  usiUaaoj  -,  usdiy.Ti]Qic(  ist  das,  was  zu  dem 
„Mildmacher"  /^ledixTr'iQ  gehört.  Später  hat  sich  von  hier  aus 
eine  allgemeinere  Bedeutung,  „das  Milde"  entwickelt. 

Diese  abgeblaßte  Anwendung  erläutern  folgende  Beispiele. 

Hom.  Od.  X  217:  Wenn  der  Herr  vom  Mahle  kommt, 
umwedeln  ihn  die  Hunde, 

aisl  yccQ  ts  (piget  ueiXlyfiara  d-vf.iov. 

Aisch.  Ag.  1438  wird  Agamemnon  XQvorfidiov  (xdhyua  genannt. 
Theokrit  (Id.  XXII  221)  rühmt  sich :  ymI  eyw  liyeCjv  fieiUyi^ara 
MOVGWV  .  .  .  cp€Qto  (v.  Wil.  MovGeojv). 

Die  ^ELUy^iara  sind  also  hier  „etwas  Mildes"  im  Sinne 
von  „etwas  Angenehmes,  Süßes,  Erfreuendes" ;  der  Gegensatz 
wäre  „etwas  Scharfes,  etwas  Unangenehmes".  Ich  kann  den 
Sinn  nicht  besser  umschreiben  als  mit  dem  biblischen  Aus- 
spruch über  den  Wein  nach  Luthers  Übersetzung:  Wie  „der 
Wein  des  Menschen  Herz  erfreut",  so  tut  das  auch  alles,  was 
mit  tj.siliyf.ia  bezeichnet  wird.  Fleischbissen  erfreuen  das  Herz 
der  Hunde,  Agamemnon  das  der  Briseis,  und  wessen  Herz 
erfreuen  nicht  die  Lieder  des  gottbegnadeten  Sängers?  In 
erster  Linie  werden  diese  Wirkung  eben  alle  „guten  und 
reinen  Gaben",  mögen  sie  nun  bestehen  aus  was  sie  wollen, 
haben.  Darum  erklärt  Hesych  nicht  ganz  mit  Unrecht  (.uüUy- 
fiara  mit  dLTtäqyiiaxa  (Erstlingsopfer)"  düyqa.^  y.al  i)  nqol^,  und 


^  E.  Boisacq  Dict.  etym.  de  la  langue  greque  620. 
*  Brugmann-Thumb,  Griech.  Gram.  222. 
Religionsgeschichtliche  Versuche  u.  Vorarbeiten  XV,  2. 


34  Karl  Wyß 

ebenso  das  Scholion  zu  dem  angeführten  Homervers  -/.Qia  tiva 
■Aal  TiQog  fjöovTjV  öioQi]iAaza. 

In  den  angeführten  Stellen  wäre  eine  Übersetzung  von 
IxELlty^iaxa  mit:  „etwas  Milderndes,  Linderndes"  direkt  sinn- 
widrig. Nun  aber  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  besonders  spätere 
Schriftsteller  ^leihyi-ia  in  der  ausgesprochenen  Bedeutung  von 
„Linderungsmittel,  Besänftigung"  brauchen  und  somit  zur  ur- 
sprünglichen Bedeutung  zurückkehren.  So  Plutarch  Pomp.  47 : 
iKLTticovi  ooyfjg  (.leLltyna  Trjv  aavTOv  d-vyarcQCc  y.azaivsoag.  So 
geben  auch  die  Lexikogi'aphen  und  Scholiasten  vor  allem  diese 
Bedeutung  wieder:  orii.iaivei  rh  TrgavvTiy.d  ^.  In  derselben  Be- 
deutung wird  das  Wort  sogar  übertragen  für  Arzneimittel 
gebraucht.    Nikandros  Ther.  896  f.ieihyiiOL  vovocov. 

In  welcher  Bedeutung  wird  nun  das  Wort  /.alhyua  in 
den  Stellen  der  Tragiker  angewendet?  Offenbar  soll  es  nach 
der  Meinung  der  angeführten  Interpreten  die  Wirkung  physi- 
kalischer Eigenschaften  der  einzelnen  Spenden  bezeichnen: 
die  Süßigkeit  des  Honigs,  der  Milch,  das  Kühlende,  Lindernde 
des  Öls.  Schon  hier  müßte  man  aber  einen  recht  weiten 
Begriff  suchen,  um  alle  diese  Eigenschaften  zusammenzufassen : 
„lindernd,  besänftigend"  stimmt  wohl  für  Öl,  weniger  für  Milch, 
kaum  für  Honig  und  Melikraton,  besonders  wenn  wir  es  als 
das  ursprünglich  berauschende  Getränk,  den  Honigmet  auf- 
fassen. Endlich  wird  von  Aischylos  auch  der  Wein  unter  all 
die  fisdi-ATriQia  vey.QolOL^  gezählt,  die  Atossa  spendet.  Diese 
Tatsache,  daß  die  nuUy^iaTa  nicht  immer  vr^cfäha  sind,  wie 
Eumen.  95,  widerlegt  die  Annahme  von  Stengel,  Diels  und 
von  Fritze  am  besten.  Wenn  also  irgendeine  besänftigende, 
lindernde  Wirkung  erzeugt  werden  soll,  so  geschieht  das  offen- 
bar nicht  durch  eine  besondere  Eigenschaft  der  einzelnen 
Teile  der  Spende,  sondern  höchstens  durch  die  Spende  als 
solche,  bestehe  sie  nun  aus  was  sie  wolle.  Wo  es  sich  um 
Totenspenden  handelt,  sind  Besänftigungsmittel  überhaupt 
gar  nicht  am  Platz.     Die  Toten  im  Hades  haben  nach  da- 

1  Eustath.  zu  Od.  X  217  (1655,  44);  Et.  M.  582,  28.  Vgl.  Herodian. 
II  549,  23  Lentz;  Schol.  za  Soph.  Oid.  Kol.  159  und  zu  Eom.  Od.  X  217 
(ed.  Dindorf  Oxonii  1855,  462). 

*  S.  oben  26. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  35 

nialiger  Anschauung  keine  Macht  über  die  Lebenden,  ihr  Zorn 
braucht  nicht  gemildert  zu  werden,  da  er  ohnmächtig  ist; 
aber  sie  lechzen  nach  der  Nahrung  der  Menschen,  nach  den 
süßen  Spenden,  olme  die  ihr  Dasein  unerträglich  wäre\ 

Dieser  Auffassung  widerspricht  auch,  wie  ich  glaube,  die 
Bezeichnung  ^el/.Ti'iQiu  nicht;  gerade  die  schönen  Verse  Eur. 
Iph.  Taur.  156  zeigen,  daß  die  Schwester  Iphigenie  sich  aus  lauter 
Mitleid  bewogen  fühlt,  dem  Bruder  diese  d^sh/.Tt]Qiu  zu  spenden : 
kein  Gedanke  an  eine  verzaubernde  Einwirkung  auf  den  Ab- 
geschiedenen zu  ihren  Gunsten.  Auch  hier  ist  wieder  von 
der  Grundbedeutung  des  Wortes  it^elytiv  „streicheln"  auszugehen : 
Iphigenie  will  dem  Bruder  gleichsam  eine  „Liebkosung",  wir 
können  nur  sagen  „etwas  Liebes"  zukommen  lassen;  das  AVort 
ist  hier  nur  in  honam  partem  angewendet,  so  wie  auch  wir 
„bezaubern"  von  einer  sehr  angenehmen  Wirkung  sagen  können, 

Aischylos  verbindet  die  beiden  W^örter  (.ailiyua  und  ^ely.- 
tiIqiov  miteinander.  „Der  herzberückende  Zauber  der  Worte" 
soll  den  Erinyen  heilig  sein.    Eum.  886: 

uXV  ei  f^iev  ayvbv  eaii  ooi  Ilti^ovg  aeßac, 
y'/.cüoarjg  liifjg  /.isO.iyua   y.al  O-s/.xti'^qioi', 
ab  S"  ovv  fievoig  äv. 

Aus  der  allerdings  geringen  Zahl  von  Zeugnissen  scheint 
mir  hervorzugehen,  daß  neiliyf.ia  im  Epos  und  im  klassischen 
Drama  meistens  in  der  erweiterten  Bedeutung  „etwas  Ange- 
nehmes, Erfreuendes"  angewendet  worden  sei.  Gerade  auf 
Grund  der  angeführten  und  ähnlicher  Stellen  wird  sich  die 
Bedeutung  dann  wieder  verengert  haben  zu:  „eine  erfreuende, 
angenehme  Gabe".  Daß  gerade  dieses  Wort  auch  ohne  den 
ihm  von  den  Spätem  wieder  gegebenen  Sinn  gern  für  die 
Umschreibung  der  Spenden  an  chthonische  Götter  und  Tote 
verwendet  wurde,  ist  nicht  verwunderlich.  Infolgedessen  mag 
wohl  schon  im  Altertum  die  Meinung  aufgekommen  sein,  daß 
diese  Anwendung  des  Wortes  mit  den  physikalischen  p]igen- 
schaften  der  Spenden  in  einem  ursächlichen  Zusammenhang 
stehe.    Zu  solcher  Auffassung  mochte  das  religiöse  Empfinden 


'  Diese  Auffassung  ist  besonders  von  Ed.  Meyer  vielfach   vertreten 
worden,  z.  B.  G.  d.  A.  I»  §  58 ff.;  z.  T,  im  Gegensatz  zu  Rohde  II  256 ff. 

3* 


36  Karl  Wyß 

dadurch  verleitet  werden,  daß  die  natürlichen  Gründe  der  im 
chthonischen  Kult  ausschließlichen,  im  Totenkult  überwiegenden 
Verwendung  dieser  nüchternen  Spenden,  die  ja   unter  sich 
eine  gewisse   stoffliche  Ähnlichkeit  besitzen,  nicht  mehr  er- 
sichtlich waren.    Daß  die  Eechnung  nicht  ganz  stimmte,  der 
Wein  im  Grund  nicht  mit  {.aihyi-ia  bezeichnet  werden  konnte, 
wenn   doch   dies  Wort    ein  charakteristisches  Merkmal   der 
vr;cpdha  bezeichnen  sollte,  schadete  nichts.  Der  Glaube  kümmert 
sich  bekanntlich  auch  um  viel   schärferen  Widerspruch  der 
Lehre  nicht.    Daß  aber  diese  Anschauungen  in  der  klassischen 
Zeit  erst  im  Werden  waren,  das  scheint  mir  die  Art  der  Ver- 
wendung des  Wortes  im  Drama  zum  mindesten  wahrscheinlich 
zu  macheu;   der  Geist  der  großen  Tragiker  fühlte  wohl   den 
ursprünglichen  Sinn  der  Spenden,  und  nur  die  Befangenheit 
der  Späteren  konnte  aus   ihrer   dichterischen   Umschreibung 
Dogmen  herauslesen. 

H.  Di  eis  hat  mit  dem  Hinweis  auf  die  griechischen 
liEiUyi-iarcc  die  eigentümliche  Verwendung  der  Milch  in  dem 
von  Plutarch  (Rom.  21)  beschriebenen  Luperkalienritus  erklärt: 
xa  öe  ÖQwf.ieva  xi]v  aixiav  tzoleI  övoTÖTtaorov.  oq)ärTOvoL  yäg 
aiyag,  sha  f.uiQcr/.io)v  övolv  ciTto  yivovg  jtQOOayßivzMV  ahoig, 
Ol  ^iv  fj^iayuevfj  fiaxaiQq  xov  (.lercüTtov  -dr/yüvovOLV ,  eregoi 
ö'  ano^iccTTOvOLV  tvd-vg,  eq tov  ßeßqey j-ievov  ydlaY-xi  ttqoo- 
g)eQ0VT£g.  yeläv  öh  öel  tö  /jeiQcxxia  [.ura  xtjv  ä7r6fia'§iv.  Die 
Erklärung  dieser  Zeremonien,  die  Plutarch  beifügt,  ist  ganz 
im  Stil  der  des  Milchopfers  an  Rumina  ^  gehalten :  ti]v  öe  öiä 
Tov  yälu-ATog  arto/.d&aQOiv  imöf-ivri^ia  Ti]g  TQOcpfjg  avrCJv  (nämlich 
des  Romulus  und  Remus)  iivai. 

Diels  erklärt  die  Handlung  als  symbolisches  Sühnopfer,  an 
Stelle  des  durch  den  Fortschritt  der  Kultur  überwundenen 
Menschenopfers.  Gegen  diese  Auffassung  wendet  sich  W.  F. 
Otto 2;  „Wenn  man  darin  (in  der  genannten  Zeremonie)  jetzt 
fast  allgemein  die  Ablösung  älterer  Menschenopfer  sieht,  so  be- 
ruht dies  lediglich  auf  einem  Vorurteil,  das  überhaupt  der  sehr 
korrektionsbedürftigen  Theorie  vom  Substitutionsopfer  vielfach 
zugrunde  liegt."     Es  wäre  allerdings  eine  etwas  weitgehende 

1  S.  oben  9.  ^  p^  VI  Sp.  2065  unter  'Faunas\ 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  37 

Symbolik,  wenn  das  Besprengen  mit  dem  Blute  des  Opfertieres 
das  Opfer  des  Besprengten  selbst  bedeutete  und  das  Ab- 
wischen die  Sühne.  Diels  äußert  sich  dann  weiter:  „Ein 
zweiter,  eng  mit  dem  Blutopfer  zusammenhängender  Ritus  ist 
das  Trankopfer,  das  bei  chthonischem  Kult  in  der  Regel  den 
Wein  ausschließt.  Diese  nüchternen  Spenden  (v^pccha)  haben 
zunächst  nur  den  Zweck,  das  vergossene  Blut  abzuwaschen, 
wie  der  Luperkalienritus  noch  deutlich  zeigt,  sodann  aber 
lindernd  auf  den  Zorn  der  Unterirdischen  einzuwirken.  Daher 
werden  neben  reinem  Quellwasser,  welches  das  Blut  abwaschen 
soll,  gern  Milch,  Honig,  Öl  als  fudlyi.iaTa  hinzugefügt.  Diese 
xoal  werden  auf  das  Feuer  geschüttet,  welches  das  Opfertier 
(afpdyiov)  vollständig  verzehrt  hat.  Blut-  und  Trankopfer  ge- 
hören also  nach  dem  ursprünglichen  Sinne  dieser  Zeremonien 
eng  zusammen,  wie  Sünde  und  Sühne." 

Ich  glaube,  der  Luperkalienritus  läßt  sich  nicht  mit  dem 
Eumenidenopfer  vergleichen,  wie  Diels  es  tut,  wenigstens  nicht 
die  Verwendung  der  Milch,  die  beiderorts  doch  eine  ganz 
verschiedene  ist.  Selbst  wenn  die  Deutung  der  inedlyficaa 
als  Linderungsmittel  richtig  wäre,  ist  es  doch  ganz  etwas 
anderes,  wenn  solche  als  chthonische  Spenden  verwendet 
werden,  als  wenn  mit  Milch  das  Blut  abgewaschen  wird.  Die 
Spende  soll  den  chthonischen  Gottheiten  zum  Genuß  dienen, 
wie  die  aus  fast  denselben  Flüssigkeiten  bestehenden  Toten- 
spenden den  Verstorbenen;  beim  Abwaschen  des  Blutes  aber 
wird  doch  die  Milch  verunreinigt,  dient  als  bloßes  Symbol  der 
Sühnung.  In  keiner  der  von  Diels  angeführten  Belegstellen 
wird  ein  mpäyiov  verbrannt,  was  für  die  Behauptung,  daß 
Sünde  und  Sühne  bei  diesem  Opfer  eng  zusammengehörten, 
doch  notwendig  wäre. 

Von  Fritze  hat  die  Ansicht  von  Diels  modifiziert,  S.  38: 
Hoc  statuere  velim,  iUam  vim  sanguinis  alluendi  non  primam 
infuisse  Ubationihus  sobriis,  sed  secundam  accessisse  alieri  noiioni 
irae  leniendac.  Ist  der  Ritus  der  Luperkalien,  wie  ihn  Plut- 
arch  schildert,  wirklich  uralt,  wie  das  Fest  selbst,  so  ist 
auch  diese  Ansicht  nicht  annehmbar,  da  ja  doch  in  diesem 
Fall  die  Zeremonien  aus  der  Zeit  vor  dem  entscheidenden 
Einfluß  der  griechischen  Religion   stammen  müßten.      Da   im 


38  Karl  Wyß 

altrömischeii  Kult  von  einer  sakralgesetzlichen  Eegelung  der 
Verwendung  von  Milch  und  vr^cpdlia  überhaupt  nicht  die  Eede 
ist,  und  auch  später  gerade  diese  Eigentümlichkeit  des  grie- 
chischen Kultes  von  den  Römern  nicht  übernommen  worden 
zu  sein  scheint,  so  wäre  in  diesem  Falle  der  Luperkalienritus 
rein  römisch,  um  seines  Alters  willen  aber  von  Plutarch  nicht 
mehr  verstanden  worden  und  auch  heute  kaum  mehr  in  allen 
Einzelheiten  zu  erklären. 

Anderer  Meinung  ist  nach  L.  Deubner^J.  Pley,  nämlich 
daß  dieser  Ritus  der  Luperkalien  erst  spät  nach  Rom  gekommen 
sei^  Auch  in  diesem  Falle,  wenn  z.  B.  Augustus  bei  der 
Erneuerung  des  Festes  die  kathartischen  Riten  hinzugefügt 
hätte,  wäre  die  Herkunft  wohl  schwer  mit  Sicherheit  zu  er- 
forschen. 

Eine  Symbolik  des  Sühnens  wird  jedenfalls  im  Luper- 
kalienritus enthalten  gewesen  sein;  aber  warum  die  Milch 
hier  diese  eigentümliche  Rolle  spielte,  ob  vielleicht  deshalb, 
weil  sie  in  alter  Zeit  als  häufiges  Opfer  besonders  dazu  ge- 
eignet schien,  oder  weil  Anschauungen  und  Gebräuche  der 
Mysterienreligionen  in  diesen  Kult  hineinspielten,  das  wird 
kaum  auszumachen  sein. 

Für  nicht  richtig  halte  ich  die  Auffassung  von  Otto  ^,  der 
den  Luperkalienritus  dem  altrömischen  Kult  zuweist  und 
doch  in  der  Sühnezeremonie  eine  genaue  Parallele  zu  den 
Mysteriengebräuchen  sieht.  Ich  zweifle  daran,  daß  der  Er- 
lösungsgedanke irgendwo  im  römischen  Kult  lebendig  zum 
Ausdruck  kommen  konnte,  wenn  er  nicht  aus  den  Mysterien- 
religionen übernommen  war. 

Auch  die  ebenso  einzigartige  Sitte,  die  Servius  zur 
Aeneis  V  78  anführt*,  ist  kaum  so  durchsichtig,  wie  Diels 
sie  darstellt.     Ob  hier  wirklich   die  ausgepreßte  Milch   ein 


1  Lnpercalia,  Arcii.  f.  Eel.-Wiss.  XIII  1910,  502  f.,  der  gerade  für 
diesen  Zug  Einfluß  hellenistischer  Kathartik  annimmt. 

2  De  lanae  in  antiquorum  ritibus  usu,  RGW  XI  2,  14.  Vgl.  Perdel- 
witz  aaO.  84. 

'  W.  F.  Otto,  Die  Luperci  und  die  Feier  der  Luperealien,  Philologus 
LXXII  1913,  161  ff.,  besonders  S.  187 f.,  in  der  Polemik  gegen  Deubners 
oben  angeführte  Ansicht.  *  Oben  S.  27. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  39 

Ersatz  der  vr^tpaXia,  das  Blut  der  hro^a  sein  sollte,  ist  doch 
fraglich.  Die  ui]vig  der  Toten  wird  ja  zunächst  dadurch  be- 
sänftigt, daß  die  Lebenden  den  Schmerz  und  das  Leid,  die 
ihnen  die  Toten  zufügen  könnten,  gleichsam  im  voraus  sich 
selber  zufügen,  wenn  man  nicht,  wie  Ed.  Meyer,  diese  Angst 
vor  den  Toten  von  vornherein  ausschalten  wilP.  Daß  auch 
die  Symbolik  dieser  Zeremonie  später  im  Anschluß  an  neuere 
Anschauungen  sich  geändert  hätte,  ist  ja  möglich,  aber  läßt 
sich  nicht  beweisen. 


7.  Kapitel 


Die  Milch  als  Götterspeise  und  Attribut  des 

seligen  Jenseits 

„Wir  haben  feststellen  können,  daß  zu  den  Vorstellungen, 
womit  das  Götterland  und,  was  damit  wesensgleich  ist,  der 
Aufenthalt  der  Seligen,  das  Paradies  oder  der  Ort  des  goldenen 
Zeitalters,  ausgestattet  wurde,  seit  alters  auch  gehörte,  daß 
es  ein  Land  sei,  wo  Milch  und  Honig  fließt."  „Den  Toten 
wird  Gemisch  aus  Milch  und  Honig  gespendet,  weil  den  im 
glücklichen  Jenseits  wohnenden  Geistern  die  Speise  der  Götter 
zukommt."  Das  sind  Resultate  der  Untersuchung  H.  Useners 
'Milch  und  Honig' ^. 

Über  die  „mancherlei  nicht  immer  verständliche  Be- 
deutung" ^  des  Honigs,  der  „seiner  Süßigkeit  wegen  als 
Nahrungsmittel  schon  im  ältesten  Indien  sehr  geschätzt  war 
und  im  ßitual  eine  wichtige  Rolle  als  Speise  der  Götter 
spielte"  *,  und  über  die  Bedeutung  der  Biene  ^  im  Kult  kann 

»  S.  S.  35  Anm.  1. 

2  Khein.  Mus.  LVII  192  (Kl.  Sehr.  IV  413). 

"  0.  Gruppe,  Gr.  Mythologie  (I.  v.  MüUers  Handbuch  V  2)  910. 

*  J.  V.  Negelein,  Der  Traumschlüssel  des  Jagaddeva  II 107,  RGW  XI  4. 

*  S.  W.  Robert-Tornow  De  apiutn  tnellisque  apud  veteres  sigtiificatione, 
Berlin  1893;  W.  H.  Röscher,  Nektar  und  Ambrosia,  Leipzig  1883. 


40  Karl  Wyß 

hier  nicht  näher  gehandelt  werden,  obschon  der  Zusammenhang' 
der  beiden  Stolfe  ein  recht  enger  ist.  Nur  wie  die  Milch 
zu  dieser  Bedeutung  kam,  und  ob  die  Behauptungen  üseners 
auf  sie  zutreffen,  soll  untersucht  werden. 

Der  Hauptzeuge  Useners  ist  der  Gott  Dionysos:  wenn 
er  kommt,  sehen  die  Bakchautinnen  Milch,  Wein  und  Honig- 
ströme fließen.    Eur.  Bacch.  135: 

rjov  y  SV  oigeoLV,  og  av 

ly.  ■d-idacov  dqouaiiov 

Ttiori   TteööoE,  reßglöog  e^cov 

teobv  h'övTov,  äyoeviov 

alaa  rgayoy.rövov,  d)(.iO(pdyov  y^dqtv, 

lif-ievog  eig  ögea  (pQvyia,  Avdia. 

0  ö^l'Baoyog  Bgöfiiog,  dol. 

qeI  de  yä'/.ay.TL  Tciöov,   gel  ö' oivo),  gel  de  /.le'/.iGoäv 

viyxaQL. 

„Dionysos  bringt  den  Himmel  auf  die  Erde  hernieder. 
Himmlische  Gaben  müssen  es  sein,  womit  er  seine  Gegenwart 
bezeugt."  Unter  Himmel  versteht  Usener  S.  178  ohne  Zweifel 
das  „selige  Götterland".  Dionysosdienst  ^  ist  allerdings  ohne 
Unsterblichkeitsglaube  nicht  denkbar;  aber  dadurch  ist  nicht 
der  bewußte  Glaube  an  ein  von  dieser  Welt  örtlich  getrenntes 
Land  der  Unsterblichen  bedingt.  Im  orgiastischen  Kult  der 
gottbegeisterten  Dionysosdiener  ist  die  fiavla,  die  e/.aTaoig, 
das  "evd'eog  sein'  das  Endziel:  das  ist  ein  Versetztwerden  in 
einen  anderen  Zustand,  nicht  an  einen  anderen  Ort.  Erst 
in  der  weiteren  Entwicklung,  durch  die  Verbindung  mit  pytha- 
goreisch-orphischen  Anschauungen  ist  zu  dem  Unsterblichkeits- 
ahnen eine  bewußte  Jenseitshoffnung  getreten.  Die  Formen 
der  Dionysosverehrung,  wie  sie  uns  aus  den  Bakchen  entgegen- 
treten, gehören  der  früheren  Stufe,  dem  thrakischen  Dionysos- 
dienst an.  Eine  überirdische,  eine  göttliche  Kraft  offenbart 
sich  in  den  dionysischen  Wundern,  aber  „himmlisch"  darf  man 
sie  darum  gleichwohl  nicht  nennen. 


^  Vgl.  zum  Folgenden  Rohde,  Psyche  II  Iff.;  Ä.  Dieterich,  Der  Uiiter- 
gang  der  antiken  Religion,  Kl.  Schriften,  Leipz.  1911,  464  und  Euripides 
Bakchen  als  Ganzes. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer  41 

„Die    wundertätige    Kraft    des   Gottes    gelit    auf  seine 
schwärmerischen  Verehrerinnen  über."    Bacch.  704: 

&VQO0V  de  Tig  laßovo^  67TC(iotv  eig  nsrqav 
oO-tv  dQOod)ör]g  vöarog  h.Ttrjöä  votig ' 
aAXrj  de  vdg&rjyi'  elg  Tteöov  -/.aO-ryAe  yr^g, 
'Aol  rfj  öh  y.Qr^vr^v  e^avf^A'  ohov  ^eög' 
oacc ig  de  Xevv.o  v  Tcwi-iaxog  rtöS-og  Tiagf^v, 
äycQOiGi  öaxTvXoiai  öiu{.iCoGaL  Xi9-ova 
yaXa'/.rog  eof-iohg  el%ov'  t/.  de  -AioGiriov 
d-voöiov  y'/.vxelai     [.leXirog  eora^ov  Qoal. 

In  diesen  Wundern  sah  der  Bote  die  übernatürliche  Macht 
der  gottbegeisterten  Weiber  sich  offenbaren;  die  Erde  ist 
ihnen  Untertan,  und  Fels  und  trockene  Ackerschollen  spenden, 
was  ihr  Mund  begehrt.  Aber  das  Wunder  offenbart  sich  nicht 
in  erster  Linie  durch  eine  besondere  „himmlische-'  Gabe, 
sondern  durch  das  Aufbrechen  des  starren  Erdbodens,  das 
Strömen  und  Überfließen;  nicht  nur  die  Menschen  werden 
evd-eoL,  sondern  selbst  die  Erde  ist  voll  dionysischer  Lust :  das 
Tote  wird  lebendig  unter  dem  Wirken  des  göttlichen  Geistes. 
Der  Dichter  hätte  auch  kaum  Wasser  und  Wein  mit- 
fließen lassen,  wenn  es  ihm  daran  gelegen  hätte,  die  Milch- 
und  Honigquellen  als  die  besondere  Gabe  des  Gottes  hervor- 
zuheben. In  der  zweiten  Schilderung  (704  ff.)  sehen  wir  alle 
vier  Flüssigkeiten,  in  der  ersten  neben  Honig  und  Milch  auch 
Wein  ohne  irgendeinen  Unterschied  aufgeführt  (142).  Wenn 
also  die  Stofi"e,  die  unter  dem  Einfluß  dionysischen  Geistes 
der  Erde  entströmen,  eine  besondere  Eigenschaft  besitzen 
sollen,  so  muß  diese  auch  dem  Wasser  und  dem  Wein  zu- 
kommen. Und  gewiß  haben  sie  eine  solche:  jeder  Trunk, 
Wein,  Wasser,  Milch  oder  Melikraton,  ist  im  warmen  Süden 
ein  süßes,  erquickendes  Labsal  der  lechzenden  Lippen.  Zu 
Beginn  der  klassischen  Zeit  sind  wohl  auch  noch  alle  vier 
häufig  genossen  worden.  Nach  und  nach  erlangte  der  Wein 
aber  so  sehr  das  Übergewicht  über  alle  anderen  Getränke, 
daß  er  bald  als  das  vorzüglichste,  ja  einzige  Geschenk  des 
Gottes  angesehen  wurde.  Wenigstens  im  Bewußtsein  des  un- 
gelehrten Volkes  wird  das  so  gewesen  sein ;  das  Wasser  trat 


42  Karl  Wyß 

auch  in  der  späteren  gelehrten  Ausgestaltung  des  Mythos 
völlig  zurück,  Honig  und  Milch  aber  vermochten  sich  hier 
neben  dem  Wein  zu  halten ;  hatten  sie  doch  auch  aus  anderen 
Kulten  sich  nicht  ganz  verdrängen  lassen.  Wenn  auch  keine 
Erinnerung  geblieben  war  an  die  Zeit,  da  der  berauschende 
Met  dem  Wein  vorausging,  so  sorgte  das  konservative  Element, 
das  aller  Religion  anhaftet,  wenn  sie  sich  einmal  durchgesetzt 
hat,  dafür,  daß  wenigstens  die  Elemente  dieses  Urweines, 
Honig  und  Milch,  nie  ganz  aus  dem  Gedankenkreise  der 
dionysischen  Religion  verbannt  wurden. 

Mit  der  Zeit  aber  machte  sich  auch  hier  wieder  das  Be- 
dürfnis nach  einer  neuen  Erklärung  der  Elemente  des  Mythos 
geltend,  da  die  Verhältnisse  sich  so  sehr  geändert  hatten,  daß 
sie  einen  Blick  auf  die  tatsächlichen  Gründe  nicht  mehr  er- 
laubten. Wenn  Euripides  zwischen  Honig  und  Milch  einer-, 
Wein  und  Wasser  andererseits  noch  keinen  Unterschied  macht, 
so  tut  dies  doch  schon  Piaton,  indem  er  nur  die  beiden  ersteren 
in  diesem  Zusammenhang  anführt.  Er  spricht  über  den  Enthu- 
siasmus der  Dichter^  und  zieht  zum  Vergleich  die  Ekstase 
der  Korybanten  und  Bakchantinnen  herbei.  Ion  p.  534  a: 
woitBQ  al  ßdy.xai  ccQVTOvrai  ey.  tcjv  TtOTafiwv  f.i€).i 
Tial  ydXa  y.aTexö^evai,  e^KfQoveg  de  ovoai  ov,  xai tcov  f.isko7toiü)v 
fj  ipvxi]  TovTo  Igyaterai.  Diese  kurze  Bemerkung  zeigt  eine 
wesentliche  Verschiebung  gegenüber  den  beiden  Stellen  der 
Bakchen.  Dort  fließt  der  Boden  über  von  Wein,  Wasser, 
Honig  und  Milch,  hier  schöpfen  die  Bakchantinnen  aus  Flüssen 
Honig  und  Milch.  Das  Wunder  ist  also  stark  herabgestimmt, 
ohne  daß  der  Grund  dazu  ersichtlich  wäre.  Aber  Piaton 
streift  es  hier  nur  ganz  kurz  und  wird  sich  kaum  näher 
Rechenschaft  gegeben  haben  über  die  mythologische  Richtig- 
keit seines  Beispiels ;  es  kommt  ihm  nur  auf  das  Wunder  als 
solches  an.  Aber  gerade  in  ihrer  Unmittelbarkeit  scheint 
mir  die  Bemerkung  bezeichnend  zu  sein;  denn  sie  zeigt,  wie 
sich  die  Auffassung  solcher  nebensächlicher  Züge  im  Mythos 
rasch  änderte,  wie  an  die  Stelle  der  wunderbaren  Tat  in  den 
Versen  des  Dramas  bei  Piaton  nur  ein  Teil  davon  mit  wesent- 


'  Vgl.  Philostr.    V.  soph.    I  19:    ras    kwoias    iSias   re    y.al    napaSö^ovs 
exSiScoatj  (uarceg  ol  /Say/^eToi  O'voaoi  rb  fxkXi,  xal  rovg  eauovs  xov  yäXaKXOS. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  43 

lieber  Verschiebung-  des  spriDgenden  Punktes  verwendet  wird. 
Daß  diese  Änderung  ibren  Grund  in  einer  prinzipiell  anderen 
Auffassung-  des  Mj-tbos  bei  Piaton  habe,  in  dem  Glauben,  Milch 
und  Honig  seien  himmlischer  denn  Wein  und  Wasser,  ist 
kaum  anzunehmen. 

Gleichsam  den  Mittelweg  zwischen  Euripides  und  Piaton 
schlägt  der  Sokratiker  Aischines  ein.  Aristeides  Rhetor  45 
t.  II  23  Dind. :  /.al  yag  al  ßdy^yai,  iTteidav  evd^eoi  yeviorcai, 
b&ev  ol  äkXoL  l/.  iwv  cpQsdTiov  ^  ovde  vdiOQ  övvavrai  vögeveod-ai, 
ezelvuL  fielt,  y.al  yäla  ägvorrai.  In  dieser  nichts 
w^eniger  als  poetischen  Verschlimmbesserung  wird  das  Wasser- 
schöpfen, das  bei  Euripides  dem  Hervorzaubern  von  Milch 
und  Honig  gleichgestellt  wird,  als  geringeres  Wunder  dar- 
gestellt, um  dann  eine  gewisse  Steigerung  hervorzubringen. 
Aber  auch  hier  brauchen  Milch  und  Honig  nicht  als  himm- 
lische Getränke  angesehen  zu  werden,  der  Unterschied  vom 
bloßen  Wasser  ist  ohnehin  für  den  beabsichtigten  Eindruck 
groß  genug. 

Dion  von  Prusa  will  das  Bild  der  bakchischen  Ekstase 
und  Macht  möglichst  farbenprächtig  gestalten,  nimmt  daher 
alle  Elemente,  Wein,  Milch  und  Honig,  aber  auch  die  Gegen- 
überstellung dieser  wertvolleren  Flüssigkeiten  zum  bloßen 
Wasser  in  seine  Schilderung  auf;  er  vergleicht  seine  Zuhörer, 
die  Alexandriner,  mit  den  Bakchanten,  den  Nymphen  und  Satyrn 
im  Thiasos.  Dio  Prus.  XXXII  (Reiske)  682  §  58  (I  284 
V.  Arnim) :  ra  de  älXa  -kuI  ndw  hol  öonetre  eor/Jvai  Nvfxcfaig  y.al 
larvQOig.  ÜMQoi  z€  yag  dei  xal  (fdoyslcoTeg  -/.al  cpdoQxr^otai' 
Ttlrjv  ovy.  avTÖuaTog  vf-ilv  dvaßlvei  önpr]aaoiv  6  oivog  Ix  Tthqctg 
Ttod-iv  rivog  rj  rdjtr^g,  ovöe  ydla  xat  fielt  övvaod^e  ev- 
XiQiög  Ott  lüg  exe  IV,  ä/.QOioi  Öcr/.rvlotg  ötaftwvreg  x^öva-' 
all"  ovöe  tb  vÖioq  v(.dv  diptKvenat  öevQO  ttiröfiaTOV  ovde  zi]v 
fiäZav  e^exe  Iv  l^ovoia  dii']7iovd^ev. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  noch  ein  Lykophronscholion 
des  Tzetzes  erwähnt,  wo  Wein  und  Milch  genannt  sind.    Zu 


»  ey.  TÜv  f^eäzcDv  mit  Unrecht  von  Jacobs  zu  Philostr.  imag.  p.  316 
getilgt.  Siehe  C.  F.  Hermann  Disputatio  de  Aeschinis  Socraüci  reliquiis, 
Göttingen  1850,  23.  Vgl.  Piaton  Ion  p.  534  a:  «x  twv  Ttoraitoj,'.  Anders 
Usener  aaO.  178  Anm.  5  (Kl.  Sehr.  IV  399  Anm.  6).  *  Eur.  Bakch.  709. 


44  Karl  Wyß 

143 :  ymI  vagdr^^i  ttjv  yf^v  xat  rag  nerqag  Ttaiovoai  (sc.  al  Bdy.- 
Xai),   OTtoze   öiipcpev,   yäXa  ymI  oivov  eTtoiovv  avaßXvKstv. 

Noch  bei  Himerios  findet  sich  das  Wunder,  wohl  wörtlich 
irgendwoher  abgeschrieben.  Hirn.  Soph.  XIII  7^:  ore  Aal  tyjv 
yfjv  löyog,  olov  aioi>avo(.ievr^v  tf^g  £Ttidi]i.uc(g  aiiou,  qeIv  fiev  ^ueh 
Tial  ydla  Y.al  Ttora^iovg  rivag  amoD  zoö  vey.raQog  lazvQoig  ze 
■/.al  Bä/.yaig  aQveo&ai. 

Die  Verse  der  Bakchen  des  Euripides  hat  Seneca  nach- 
geahmt.   Oed.  491: 

pumice  ex  sicco 
fluxit  Nyctelius  latex; 
garruli  gramen  secuere  rivi, 
conbibit  dulces  humus  alta  siicos 
niveique  lactis  candidos  fontes 
et  mixta  odoro  Lesbia  cum  thymo. 

Daß  sich  aus  diesen  verschiedenen  Beschreibungen  des 
Dionysoswunders  —  wie  manche  Stelle,  die  noch  eine  neue 
Pointe  zu  geben  suchte,  mag  verloren  sein !  —  in  der  weiteren 
Entwicklung  besondere  hyperpoetische  Anschauungen  bilden 
konnten,ist  leichtmöglich.  Aber  noch  aus  einer  Stelle  des  jüngeren 
Philostratos  blickt  ganz  das  euripideische  Bild ;  hier  ist  auch 
ausdrücklich  der  Sinn  des  Wunders  ausgesprochen:  „Die  Erde 
selbst  schwärmt  mit".  Philostr.  im.  I  14:  fj  yr;,  'ij  ye  /.al  gv^i- 
ßanxetoet  avTco  /.al  oivov  dcpvöOEiv  1/  nr^yCov  öwotL  yä'ka  xe 
olov  UTto  f.iaKG)V  ekyiSLV  rb  fiev  Ix  ßiokov,  ro  de  t/ 
itirqag. 

Usener  führt  auch  ein  Fragment  Alkmans  an,  das  aber 
trotz  Aristeides  2  sich  nicht  auf  Dionysos  bezieht,  sondern  auf 
A  r  t  e  m  i  s  %  die  auf  dem  Taygetos  als  wilde  Jägerin  von  den 
Lakonern  verehrt  wurde,  dort  die  Löwinnen  molk  und  den 
Göttern  aus  der  Milch  weißen  Käse  bereitete.  Alkman  Frg.  34, 
Anth.  Lyr.  Hiller-Crusiiis  p.  172  n.  18: 

TioHd/i  ö'  h  ■/.oovfpalg  ögicov,  d/.u 
d^EolGLV  liör]  TCoAvfpauog  Loqxd, 


^  ed.  Wernsdorff,  Göttingen  1790. 

2  XLI  7  Keil.  ^  So  S.  Wide,  Lakon.  Kulte,  Leipz.  1893,  131. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  45 

yrgvaiov  äyyog  eyoLoa  (.liyav  O'Kvcpov, 

old  re  TtOLuevBg  ävögsg  s'xoi'Oiv, 

Xsgal  XeövreLov  ydla  ^i]ac(0, 

ivQov  hvgr^aag   (.leyuv  argvcpov  agyicpovrav. 

Wieso  kommen  aber  römische  Dichter  dazu,  „das  Para- 
diesesleben oder  das  goldene  Zeitalter"  ^  mit  den  Vorstellungen 
von  Milch-  und  Honigströmen  auszustatten? 

Allbekannt  ist  die  Schilderung  des  ersehnten  friedevollen 
Segenslandes  in  der  16.  Epode  des  Horaz;  zu  den  paradie- 
sischen Vorzügen  dieser  'Insel  der  Seligen'  gehört,  daß: 

raella  cava  manant  ex  ilice,  montibus  altis  47 

levis  crepante  lympha  desilit  pede. 
illic  iniussae  veniunt  ad  mulctra  capellae 

refertque  tenta  grex  amicus  ubera. 

Vergil  wiederholt  dieselben  Verse,  um  dem  jungen 
Freund  ein  Kompliment  zu  machen  und  ihm  zu  sagen,  das 
goldene  Zeitalter  sei  schon  angebrochen ^    Ecl.  4,  21  f.: 

ipsae  lacte  domum  referent  distenta  capellae 
ubera  nee  magnos  metuent  armenta  leones. 

T  i  b  u  1 1  sehnt  das  saturnische  Zeitalter  zurück  mit  seiner 
ruhigen  Sicherheit,  dem  ungestörten  Glück,  wo  (I  3,  45): 

ipsae  mella  dabant  quercus,  ultroque  ferebant 
obvia  securis  ubera  lactis  oves. 

Ovid  schließt  die  Schilderung  der  aurea  aetas  mit  ganz 
ähnlichen  Worten.    Met.  I  Ulf.: 

flumina  iam  lactis,  iam  flumina  nectaris  ibant 
flavaque  de  viridi  stillabant  ilice  mella. 

Claudian  nimmt,  wie  Vergil,  das  himmlische  Vorrecht, 
das  Glück  paradiesischer  Zeiten  für  einen  irdischen  Festtag 
seiner  Zeit  in  Anspruch.    De  cons.  Stilich.  1,  85: 

ferunt  raellisque  lacus  et  flumina  lactis 
erupisse  solo. 

1  Usener  aaO.  181  (402). 

'  Kießling-Heinze,  Einl.  zu  Horaz  Epod.  IG. 


46  Karl  Wyß 

Silius  Italicus  erzählt,  wie  Bacchus  einst  in  der 
guten  alten  Zeit  —  er  denkt  wohl  auch  an  das  saturnische 
Zeitalter  mit  den  schuldlosen  Menschen  —  einem  Bauern  den 
Wein  schenkte,  als  er  den  Gott  freundlich  aufgenommen  und 
mit  den  Gaben,  die  ihm  zur  Verfügung  standen,  bewirtete. 
Fun.  VII  179: 

donec  opes  festas  puris  nunc  poma  canistris 
composuit,  nunc  irriguis  citus  extulit  hortis 
rorantes  humore  dapes,  tum  lacte  favisque 
distinxit  dulces  epulas,  nulloque  cruore 
polluta  castus  mensa  cerealia  dona 
attulit,  ac  primum  Vestae  decerpit  honorem 
undique,  et  in  mediam  iecit  libamina  flammam. 

Besteht  überhaupt  ein  Zusammenhang  zwischen  diesen 
Schilderungen  und  den  Wundern  des  dionysischen  Enthusiasmus? 
War  sich  Horaz  bewußt,  daß  er  ein  ähnliches  Bild  in  der 
16.  Epode  und  in  der  Ode  II  19,  9—12  verwandte: 

fas  pervicacis  est  mihi  Thyiadas 
vinique  fontem  lactis  et  übe  res 
cantare  rivos  atque  truncis 
lapsa  cavis  iterare  mella? 

Ich  denke,  er  wird  beidemale  das  Bild  unbedenklich  aus  der 
betreffenden  Vorlage  übernommen  haben.  Daß  aber  ursprüng- 
lich beide  Vorstellungen  sich  berührten,  die  zweite  vielleicht 
direkt  aus  der  ersten  herauswuchs,  ist  nicht  unwahrscheinlich. 
Die  dichterische  Vorlage  des  Antoninus  Liberalis  läßt 
den  Wein  oder  Honig,  den  Dionysos  aus  den  Bäumen  der 
Minyastöchter  fließen  macht,  zu  „Nektar"  werden.  Anton. 
Lib.  10^:  TtQog  di]  xavta  xaXsTirivag  ö  Jiövvoog  ävii  y.OQr^g 
eyevero  ravQog  xa«  Xicov  y.al  nagöcchg  /.aX  Ix  %ü)v  ksIsöv- 
Tiov  k^Qvrj  vi-/.Taq  avTw  xal  ydka.  Damit  ist  der  Weg 
der  Entwicklung  gezeigt.  Euripides  hat  nicht  an  Nektar, 
Göttertrank,  gedacht;  warum  sollte  er  sonst  das  Wort  nicht 
gebraucht  haben?  ^     Nirgends  ersetzen  die  älteren  Dichter 

1  Vgl.  Usener  aaO.  177  (399)  A.  3. 

2  Bakchen   142  braucht  er  das  Wort  metaphorisch,   aber  durch  das 
Attribut  genau  bestitamt  für  Honig. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  47 

in  der  Schilderung  des  Wunders  f^ieh,  olvog  oder  ydla  durch 
vHtaQ.  Erst  den  Späteren,  den  Alexandrinern,  die  über  ihre 
Vorbilder  hinausgehen,  neue  Motive  bringen  oder  die  alten 
verfeinern  wollten,  blieb  es  vorbehalten,  den  süßen  Trank  der 
Menschen  durch  den  der  Götter  zu  ersetzen.  Dabei  gehen 
Vermenschlichung  des  Göttlichen  und  Vergöttlichung  des 
Menschlichen  Hand  in  Hand.  „Wie  die  Götter  der  Hellenen 
ganz  nach  menschlicher  Art  gestaltet  erschienen,  so  stellte 
man  sich  auch  den  Göttertrank  später  als  eine  Art  Wein  vor. 
Daher  kommt  es  denn  auch,  daß  spätere  Dichter,  wie  Nik- 
andros,  umgekehrt  ve/.TaQ  ohne  weiteres  statt  olvog  ge- 
brauchen" ^  Das  machte  dann  Schule  bei  Poeten,  die  es  ver- 
lernt hatten,  auf  die  sinnliche  Anschauung  in  ihren  Bildern 
Rücksicht  zu  nehmen.  Man  wird  sich  nach  und  nach  unter 
Nektar  so  wenig  etwas  Bestimmtes  vorgestellt  haben,  als  wir 
heutzutage;  aber  „Göttertrank"  klang  gut  in  die  Ohren  und 
wo  es  anging,  setzte  man  ihn  her. 

Lehrreich  für  diese  Art  ist,  wie  Philostratos  mit 
den  Versen  135  ff.  und  704  If.  der  ßakchen  des  Euripides  um- 
springt. Im.  I  17  (II  320  Kayser) :  yeyQccrcxai  .  .  .  /.al  xa.  h 
TU)  Ki&aiQüjVL'  Ba'A.'i{hv  '/oqoI  zai  vtiolvol  TtSTgai  /.al 
vi'A.taq  £x  ßoTQviov  /.al  log  yäXa/.TL  Tr]v  ßwXov  fj  yfj 
XiTtaLvei.  '/.al  idov  -/.iTTog  eQTtei  '/al  orpeig  oqS^oI  '/al  d-vqaov 
öhöqa  olj-iaL  f-iili  axa'QovTa.  Hier  setzt  er  unbedenklich  zu 
Wein,  Milch  und  Honig  den  Nektar;  kaum  wird  er  sich  Wasser 
darunter  vorgestellt  haben,  wahrscheinlich  gar  nichts.  In  der 
oben  angeführten  Stelle  begnügt  er  sich  mit  Wein  und  Milch ; 
ebenso  in  der  Vita  Apoll,  VI  11  p.  248:  .  . .  ov/  änioielg,  wg 
ydXa'/Tog  avxolg  /al  oivov  Ttr^yccg  öcooti,  und  Im.  VI  10 
p.  110  (II  213  K.):  oiöh  ydla  loOTteq  ßd'/xaLg  fj  olvov 
öiöiüoiv.  Aber  gleich  nachher  setzt  er  den  Nektar  wieder 
hinzu,  p.  111  (215  K.):  -/al  utg  ttoxuI  ydla'/xi  -/al  ojg 
■/rjQlotg  &QiipsL  /al  Cog  ve/xaQ  aoi  .  .  .  e'axai.  Anderswo 
spricht  er  nur  von  Milch  und  Honig,  Vit.  soph.  p.  217:  {höi- 
ööaoi)  ßa/'j^eloc  0-voool  xb  (.iHl  -/al  xovg  eo^iohg  xoü  yd- 
Xa'Kxog. 


»  Th.  Bergk,  Fleck.  Jb.  LXXXI  1860,  381  und  seine  A.  65. 


48  Karl  Wyß 

Das  lateinische  Wort  nectar  bedeutet  wohl  noch  Götter- 
trank, z.  B.  bei  Cicero  Tiisc.  I  26:  non  enim  amhrosia  deos 
mit  nedare  .  .  .  laetari  arbitror.  Aber  die  Übertragung  auf 
Wein,  Honig,  Milch  ^  läßt  darauf  schließen,  daß  die  Römer 
das  V¥ort  von  den  Griechen  schon  in  dieser  erweiterten, 
farblosen  Bedeutung  eines  beliebigen  „süßen  Getränkes" 
übernahmen;  wir  können  ja  auch  von  jedem  guten  Tropfen, 
sei  es  nun  Wein  oder  etwas  anderes,  sagen:  das  ist  ein 
Göttertrank!  Andererseits  konnte  sich  in  einer  breiteren 
Schilderung  oder  im  Bestreben  des  Dichters,  sinnlich  deut- 
lich zu  sein,  das  Bedürfnis  geltend  machen,  das  nichts- 
sagende vh-raQ  durch  ein  reales  Bild  zu  ersetzen;  dazu  ver- 
wandte man  seit  den  frühesten  Zeiten  gerade  das,  was  den 
jeweiligen  Menschen  als  das  vorzüglichste  oder  ein  vorzüg- 
liches Getränk  erschien,  den  Honigmet,  den  Wein,  das  Meli- 
kraton  usw.  Erst  als  sich  unter  der  Ausbreitung  fremder 
Religion,  dem  Einfluß  des  MysterienAvesens,  der  Orphik  das 
Bedürfnis  geltend  machte,  die  frommen  Bräuche  mit  einem 
Zanbernimbus  zu  umgeben,  da  mögen  sich  Honig  und  Milcli, 
dank  ihrer  Verwendung  im  chthonischen  und  Totenkult,  in 
diesen  Anschauungen   einen  besonderen  Platz  erobert  haben. 

Auch  gewisse  Göttermythen  mußten  dieser  Entwicklung 
günstig  sein;  vor  allem  die  Erzählung  von  der  Jugend  des 
Zeus.  Auf  dem  kretischen  Ida  wurde  er  von  Nymphen  oder 
der  Ziege  Amaltheia  mit  Honig  und  Milch  aufgezogen.  Diod. 
V  70:  avxai  de  (sc.  al  Nvf.icpaL)  i-iHl  v.al  yüla  f.iLGyovoai 
10  Ttaidiov  e&QCtpav  ycal  rf^g  aiyog  Tf]g  ovo i-iatojuh'tjg  l4i.iaX- 
S^elag  tov  {.laorbv  eig  öiaTQOcprjV  TtctgeixovTO.  —  Apollod.  Bibl. 
I  1,  6:  avxai  /.lev  ovv  i^JögaoTÜa  vxd  "lärj)  rov  Ttalöa  ergetpov 
%q)  Tfjg  "A^iald^Eiag  yccXami.  —  Callim.  hymn.  in  lovem  48: 

.  .  .  oh  ö'  id-i\oao  TcLova   f.iat.6v 
aiybg  i4{.ialS^eirjg,  eul  de  ylvyiv  ■ktiqLov  eßQOJ^. 


•  Stat.  Silv.  II  2,  99:  et  dulci  distendunt  nectare  cellas  (sc.  apes). 
Verg.  Ecl.  5,  71 :  quid  meruistis  oves  .  .  .  j^l^^no  quae  fertis  in  ubere  nectar. 
Vgl.  Georg.  IV  164.  —  Mart.  XIII  47:  Picentina  Ceres  (Brot)  7tiveo  nectare 
crescit. 

2  Zum  Zeuskult  auf  dem  Ida  siehe  auch  die  Abbildung  des  in  der 
Idahöhle  gefundenen  „Opfertisches"  mit  drei  Höhlungen   für  Weihegüsse; 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  49 

Ich  finde  in  diesen  Gestaltungen  der  Sage  aber  vielmehr  eine 
Vermenschlichung  derer,  die  die  Milch  genießen,  als  eine  Ver- 
göttlichung des  Getränkes.  Es  ist  doch  nicht  verwunderlich, 
wenn  der  Sage  nach  auch  göttliche  und  halbgöttliche  Kinder 
mit  Milch  und  auch  Honig,  der  zum  Versüßen  diente,  auf- 
gezogen wurden,  wie  Triptolemos.     Ov.  fast.  IV  546: 

mox  epulas  ponunt  liquefacta  coagula  lacte 
pomaque  et  in  teneris  aurea  mella  favis; 

oder  die  Kinder  der  Amazonen.  Philostr.  Her.  c.  XIX 
19:  TQecpovoi  .  .  .  rä  ßge^r^  yd'/.ay.rl  ze  cpogßdöwv 
'iTtTctov  xai  ÖQÖGov  y.r^Qioig.  Oder  Achilleus:  Philostr.  Im. 
112  (S.  342  K.):  Ttalöa  k'ri  ydlay.zi,  VTCod-qeipag  xai  ^v- 
ü.ü)  y.al  ^uliTi  ...  0  XeiQiov.  Oder  Beroe:  Nonnus  Dionys. 
XLI  216: 

^ylGTqau]  .  .  . 
7taQ^evi(o  öe  ydlayiTi  Qoag  ßXv^ovaa  d^e}.dotiov 
XEilea  Ttaiöbg  söevoe  ycd  eßlvev  eig  ozöf-ia  KOVQr]g 
"Jxd-idog  fßvTÖyoio  ntgid-Xiipaoa  ^lEXiaarjg 
öcaöaXiriv  wötra  ttoJ.vtqtitoio   '/.oxeir^g, 
xriQLa,  ffiovi]tvTCt  aocföj  yeqdoaaa  yvTTillo). 

Ob  eine  Stelle  bei  Theokrit,  wo  der  verliebte  Ziegenhirt, 
den  seine  Spröde  nicht  erhört,  die  Natur  des  Eros  erkannt 
hat,  auf  eine  ähnliche  Sage  zurückgeht  oder  freie  Erfindung 
ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.    Id.  III  15: 

f^Qo.  Xeaivccg 
fxatov   Id^la^ev,  ÖQvi.cq)  li  viv  erQacps  fiijrrjQ  ^. 

Robert-Tornow^  sagt  im  Anschluß  an  den  Zeus- 
mythus richtig :  Lac  ergo  et  mel  alimenta  lovis  esse  putata  sunt, 
qiiia  omnes  infantes  eodem  modo  pascebantur.  Postqnam  vero  dii 
mel  ederunt,  sucus  ille  divinus,  nectari  ambrosiaeque  par,  sym- 
bolum  immortalitatis  factiis  erat.    Dasselbe  gilt  von  der  Milch. 

G.  Karo,  Altkret.  Kultstätten,   Ärch.  f.  Rel.-Wiss.  VI!  (1904)  121  erinnert 
dabei  an  die  Totenspenden  des  Odysseus  in  der  Nekyia. 

^  Die  Nachahmungen  römischer  Dichter  verzeichnen  Fritzsche-Hiller 
in  der  erklärenden  Ausgabe^  8U.  «  AaO.  121. 

Religionsgeschichtliche  Versuche  u.  Vorarbeiten  XV,  2.  4 


50  Karl  Wyß 

Das  Gleichsetzen  der  Lebensbedingungen  des  göttlichen  Kindes 
mit  denen  der  menschlichen  ist  das  Primäre,  die  mythologische 
Verkleidung  das  Sekundäre  ^ 

Für  falsch  halte  ich  die  Annahme  Useners,  die  wichtigste 
und  gebräuchlichste  Anwendung  von  Milch  und  Honig  im 
Kultus,  das  Opfer  an  Tote  nämlich,  sei  von  den  Vorstellungen 
abhängig,  die  beides  als  Göttertrank  und  Attribute  des  Himmels 
ansehen.  Ich  versuchte  oben  zu  zeigen,  daß  vor  allem  die 
Milch,  aber  auch  der  Honig,  im  Totenkultus  in  älterer  Zeit 
häufiger  angewendet  wurden  als  später^,  daß  aber  offenbar 
noch  Euripides  Milch  und  Honig  nicht  als  etwas  Himmlischeres 
empfindet  denn  Wasser  und  Wein.  Vor  allem  aber  geht  es 
nicht  an,  den  Hades  der  Griechen  dem  christlichen  Himmel 
gleichzusetzen,  um  dann  die  Übereinstimmung  der  griechischen 
mit  den  frühchristlichen  Anschauungen  um  so  einleuchtender 
erscheinen  zu  lassen.  „Die  Geister  der  Entschlafenen  wurden 
im  seligen  Jenseits  gedacht,  es  kam  ihnen  die  Nahrung  zu, 
welche  die  Sage  dorthin  versetzt."  ^  Dieser  Begriff  des  „seligen 
Jenseits"  war  den  Griechen  entschieden  fremd,  als  sich  die 
Eiten  der  Totenverehrung  bildeten.  Und  erst  recht  fehlte 
ihnen  eine  klare  Vorstellung*  vom  Totenreich,  die  doch  durch 
solche  Einzelheiten  wie  Milch-  und  Honigströme  vorausgesetzt 
ist.  Erst  im  Verlaufe  der  Entwicklung  der  Dionysos-,  der 
Mysterien-  und  der  orphischen  Religion  wurde  eine  Hoff- 
nung auf  die  ewige  Seligkeit  lebendig,  mit  der  dann  die  christ- 
lichen Jenseitsvorstellungen  eine  wirkliche  Wesensverwandt- 
schaft besitzen  ^. 

Die  beschränkte  Zahl  menschlicher  Genußmittel,  die  zum 
Totenopfer  ausgewählt  wurden,  mag  aus  ökonomisch  praktischen 
Gründen  nicht  erhöht  worden  sein;  dazu  war  Wasser,  Meli- 


*  Über  ein  ähnliches  Sagenmotiv  äußert  sich  H.  Hepding,  Attis,  RGW 
I  88:  „Die  Aussetzung  und  wunderbare  Rettung  des  göttlichen  Kindes 
kennen  wir  aus  vielen  Sagen  und  Märchen.  Gerade  das  Motiv,  daß  das 
Kind  von  wilden  Tieren  gesäugt  wird,  kehrt  in  zahllosen  Varianten  wieder." 
Mit  der  Milch  als  solcher  hat  dieses  Wunder  nichts  zu  tun.  Die  Literatur 
gibt  Hepding  an. 

2  Vgl.  dazu  auch  Rohde,  Psyche  II  216  ff. 

'  Usener  aaO.  182  (403).  *  Rohde,  Psyche  I  301. 

5  Vgl.  A.  Dieterich,  Untergang  469;  Rohde,  Psyche  II  Iff. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  51 

kraton  und  Wein  das  Bequemste  und  zugleich  als  süßer, 
labender  Trank  das  Willkommenste,  drängte  sich  auch  auf, 
da  es  als  Opfer  im  Götterkult,  der  dem  Totendienst  parallel 
geht,  gebräuchlich  war. 

Das  Melikraton  ist  zur  Zeit  der  Enstehung  dieser  Ge- 
bräuche gewiß  von  allen  Menschen  gern  genossen  worden, 
nicht  nur  von  Kindern  und  Greisen,  wie  Stengel  vermutet  ^ ; 
wenn  es  wirklich  ursprünglich  der  berauschende  Mettrank 
war,  vielleicht  von  diesen  gerade  nicht.  Auch  Pindar  hat  es 
wohl  als  herrliche  Gabe  für  jedermann  empfunden,  wenn  er 
seine  Poesie  damit  vergleicht,  Nem.  III  77: 

XcüQS,  cpilog'  lyu)  töös  toi 
7t€^7tio  {.le^.iei'y (.livov  f.LsXt  Atixö) 
avv  yälaytri,  /.iqva^ieva  6^  eeqa^  ä/^KpeTtei 
Ttoix'  äoiöif.wv  Aiolfj- 
aiv  Iv  7tvocilöiv  avXöjv  ^. 

Daß  Pindar  an  einer  anderen  Stelle^  die  ödaig  Moioäv 
Nektar  nennt,  ist  kein  Grund,  damit  das  Gemenge  von  Milch 
und  Honig  zu  identifizieren.  Der  Dichter  darf  mit  seinen 
Bildern  v/echseln,  und,  wenn  er  von  den  Gaben  der  göttlichen 
Musen  spricht,  nennt  er  sie  mit  gleichem  Recht  himmlischen 
Nektar,  wie  er  die  Poesie  eines  Menschen  dem  süßesten  mensch- 
lichen Getränk  gleich  setzt,  dem  Melikraton. 

Von  dieser  poetischen  Gleichsetzung  ist  auch  das  schöne 
Bild  vom  Absterben  der  Bäume,  dem  Verdorren  der  Blumen 
und  dem  Versiegen  der  Milch  und  des  Honigs  beim  Tode  des 
Dichters  abhängig,  Moschos  III  31 : 

uä/.wv  ouy,  i-^^evae  yta?.bv  ylüyog ,  ov  i-ieXi  oqtßÄojy, 
■/.ard-ave  ö^  iv  y.rjQüJL  kvTtsvfievov  ov/Jti  yccQ  ötl 
rCü  (.liXiJüg  tu  oCo  re^vayMTog  avTO  Tqvyüod-ai. 


1  Gr.  Kultusalt.«  132. 

""  Mehr  bei  üsener  aaO.  179  (400)  A.  10.  "  ül.  VII  7. 


52  Karl  Wjß 

8.  Kapitel 
Die  Milch  im  Mysterienkult  ^ 

Über  den  Einfluß  der  vielen  Glaiibenssysterae  und  Kulte, 
die  im  römischen  Reich  miteinander  kämpften,  auf  den  end- 
lichen Sieger,  das  Christentum,  ist  besonders  in  den  letzten 
zwei  Jahrzehnten  viel  geschrieben  worden.  Im  Gebiet  der 
dionj'sischen ,  orphisch  -  pythagoreischen ,  der  verschiedenen 
Mysterienreligionen  wird  gegenwärtig  besonders  eifrig  geforscht, 
wozu  die  großen  Arbeiten  Rohdes,  Cumonts,  Dieterichs,  Reitzen- 
steins  und  anderer  Veranlassung  und  festen  Grund  geben. 
Unmöglich  kann  über  all  die  schwierigen  Fragen,  die  zum 
Teil  noch  ungelöst  sind,  erst  recht  nicht  über  das  Gesamt- 
problem in  kurzer  Zeit  ein  eigenes,  begründetes  Urteil  ge- 
wonnen werden.  Darum  muß  ich  mich  darauf  beschränken, 
aus  größeren  Darstellungen  und  Einzeluntersuchungen  das 
"Wenige,  das  mein  engbegrenztes  Thema  angeht,  herauszuheben 
und  die  Erklärung  wiederzugeben,  die  mir  die  begründetste 
und  meinen  bisherigen  Resultaten  am  wenigsten  wider- 
sprechende zu  sein  scheint. 

Usener  geht  von  der  Behandlung  der  Rolle,  die  die  Milch 
in  dem  Kult  des  Dionysos  und  anderer  griechischer  Götter, 
dann  auch  im  Totenkult  spielte,  gleich  zu  deren  Verwendung 
im  altchristlichen  Abendmahl  und  der  Taufe  über.  „Alle 
drei,  (Wein,  Milch  und)  auch  der  sprudelnde  Quell  lebendigen 
"Wassers,  waren  gegeben  in  alter  tief  gewurzelter  Vorstellung, 
es  sind  die  wunderbaren  Erzeugnisse,  durch  welche  sich  die 
Gegenwart  Gottes  wie  einst  des  Dionysos  offenbart^." 

Ich  habe  im  vorhergehenden  Kapitel  Useners  Vermutung, 
die  Verwendung  der  Milch  im  Kult  der  clithonischen  Götter, 
der  Toten,  die  Rolle,  die  sie  im  Dionysosmythos  spielt,  ent- 


1  Die  Speisezeremouien  in  den  Demetermysterien,  wohin  die  S.  15 
augeführte  Athenaiosstelle  gehört,  übergehe  ich,  s.  Dieterich,  Mithraslit. 
103 f.:  „Freilich  wissen  wir  von  der  eigentlichen  sakramentalen  Bedeutung 
dieses  Essens  noch  weniger  als  von  der  des  Trinkens  des  y.vK£oh'."  Über 
das  sakramentale  Essen  überhaupt  s.  Dieterich  aaO.  101  ff. 

2  Usener  aaO.  183  (404). 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  53 

springe  einem  alten,  tiefgewurzelten  Glauben  an  ihre  himm- 
lische Natur,  abgelehnt.  Wenn  ich  damit  recht  habe,  kann 
natürlich  eine  Übernahme  der  Milch  aus  den  behandelten  an- 
tiken Kulten  in  den  christlichen  nicht  ohne  weiteres  statt- 
gefunden haben.  Dazu  sind  die  religiösen  Anschauungen  des 
Urchristentums  und  des  altgriechischen  Glaubens,  auch  des 
dionysischen,  grundsätzlich  viel  zu  verschieden.  Zwischen 
beide  muß  ein  Mittelglied  getreten  sein,  das  der  Milch  eine 
bisher  nicht  gekannte  Rolle  im  Kult  zuwies. 

Dieses  Mittelglied  sind  die  verschiedenen  Religionen, 
deren  Wesen  in  der  Verheißung  eines  ewigen  Lebens,  eines 
seligen  Daseins  im  Jenseits  gipfelte.  Eine  der  ältesten  unter 
ihnen  ist  nun  allerdings  die  dionj'sische,  in  Griechenland 
mindestens  seit  dem  6.  Jahrhundert  in  dieser  Richtung  v/irk- 
sam  \  Vielleicht  hat  der  Mythos  auch  äußerlich  den  Weg 
zur  Umgestaltung  des  altthrakischen  Gottesdienstes  in  ein 
Mysterium  dadurch  gewiesen,  daß  er  Milch  und  Honig  als 
Symbole  der  Weihe  darbot.  Aber  nicht  als  „Attribut  des 
seligen  Jenseits"  wurde  die  Milch  dabei  aufgefaßt,  sondern 
als  die  Nahrung  des  Neugeborenen,  Und  daran  konnte  auch 
die  Mystik  des  Urchristentums  anknüpfen.  In  allen  Mysterien, 
heidnischen  und  christlichen,  ist  das  tiefste  Geheimnis,  die 
höchste  Weihe  ein  Geboren  werden  zu  neuem  Sein,  eine  Wieder- 
geburt zum  ewigen,  wahren  Leben  der  Seele.  „Milch"  aber 
„ist  die  Nahrung  der  leiblich  Neugeborenen  und  so  auch  der 
Wiedergeborenen"  ^.  Besonders  auch  im  Isiskult  ^  waren  solche 
Anschauungen  lebendig,  und  damit  stimmt  ja  gut,  daß  nach 
Usener'*  gerade  die  ägyptische  Kirche  Milch  und  Honig  als 
Bestandteil  des  den  Täuflingen  gespendeten  Abendmahls  zu- 
erst aufbrachte  und  am  längsten  festhielt. 

Die  Milch,  die  vom  Mysten  bei  der  Weihe,  das  heißt  bei 
dem  Absterben  des  alten  und  dem  Geborenwerden  des  neuen 
Menschen   getrunken   wird,  gilt  dann   begreiflicherweise   als 


1  Dieterich,  Untergang  464  fl'.;  Rohde,  Psyclie  11  38  ff. 

*  Dieterich,  Mithraslit.  173. 

3  R.  Reitzenstein,  Arch.  f.  Rel.-Wisa.  VIT  1904,  403. 

*  AaO.  185  und  190  (40G  und  411). 


54  Karl  Wyß 

das  eigentliche  rpaQ/^ia-Mv  äd-avaoiag  ^  So  erklärt  Dieterich ' 
auch  den  Spruch  der  dionysisch  Gläubigen  Unteritaliens  von 
Thurioi  und  Petelia,  der  auf  Goldplättchen  des  3.  oder  4.  vor- 
christlichen Jahrhunderts  eingraviert  gefunden  wurde,  IG  XIV 
341  A  12  und  342,  4: 

€Qirpog  ig  yd).^  ercexov  ^. 

Das  „Zicklein",  der  neugeborene,  zu  Gott  gewordene  {■d-ehg 
ö'lyevov  kB  ävd-Qwrtov,  wie  es  auf  denselben  Tafeln  heißt) 
Myste  erhält  die  Milch  als  Symbol  der  Unsterblichkeit, 
ob  er  nun  in  ihr  gebadet  (Rein ach),  mit  ihr  getauft  oder  ge- 
tränkt wird. 

Noch  deutlicher  bezeichnet  Sallustios  die  Milch  als 
Symbol  der  Wiedergeburt  in  den  Zeremonien  des  Kybele- 
dienstes ,  der  Attismysterien ,  Ttegl  d-eüv  IV  * :  Inl  tovtoig 
ydlay.Tog  TQog)i],  wOTteg  a.vayevvio(.ieviov,  icp^  olg  Ika- 
getai  y.al  oricpavoi  '/.al  TTQog  rovg  -d-eovg  olov  l/tdvoöog. 

Auch  die  späteren  Pythagoreer  haben  diese  Vorstellungen 
in  ihre  kosmische  Religion  verwoben.  Porph.  de  antronymph,28: 
öfifiog  öe  ovetQWV  v.a%h  Ilvd^ayÖQav  al  ipvyai,  ag  avvdyeo&al 
(pr^oiv  eig  rbv  ya)M^iav  rov  ovxco  7rQOGayoQevö/.i€vov  cctio  rCbv 
yd)My.Ti  TQE(poi.uv(ov,  orav  eig  yevtoiv  TieoojoiV  dio  v.al  OTtevöeiv 
avxalg  xovg  xpvyaycoyohg  ^leli  y.ey.gaiuevov  ydlay.Ti  ojg  av  di' 
Tjdovfig  £ig  yiveaiv  ^i€(.ieX€Tr]y.viag  egyao^ai'  alg  ovy/.vela&ai  t6 
yd).a  Tficpvy.Ev. 

Damit  stimmt  Macrobius  überein,  Somn.  Scip.  I  12:  hinc 
et  Pyihagoras  imtat,  a  lacteo  circiüo  deorsum  incipere  Diüs  im- 
permnij  quia  animae  inde  lapsae  videntur  iam  a  superis  reces- 
sisse.  ideo  primam  nascentibus  offerri  ait  lactis  alimoniani,  quia 
primus  eis  motus  a  lacteo   incipit  in  corpora   terrena   lahentihus. 

Reitzenstein, Dieter  ich  und  Perdelwitz^  kehren 


^  Reitzeustein  aaO.  402.  Vgl.  auch  das  Zitat  aus  Kobert-Tornow 
oben  S.  49. 

2  MithrasUt.  171  und  214;  Nekyia  84 ff.;  El.  Schriften  95 ff.  Vgl. 
S.  Eeinach  Rev.  arcli.  XXXIX  1901,  202  {Cidtes  Mijthes  et  Religions  II 123  ff.) ; 
P.  Foucart  Becherches  sur  Vorigine  et  la  7iature  des  Mystcres  d'  Eleusis, 
Paris  1895  {Mim.  de  VAcad.  des  Inscr.  et  Belles-Letires  XXXV  2, 1905,  69  ff.). 

'  Dialektisch  gleich  Ijieaov.  *  Dieterich,  MithrasUt.  163. 

»  Mysterienreligion,  EGVV  XI  3,  57. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  55 

mit  dieser  Erklärung  der  Verwendung  der  Milch  im  früh- 
christlichen Kult  als  Symbol  der  Wiedergeburt  zu  einer  von 
Usener  ausdrücklich  bekämpften  Ansicht  zurück.  Vor  allem 
führe  Usener  als  dieser  Erklärung  widerstreitend  die  Tatsache 
an,  daß  nicht  nur  Milch,  sondern  Milch  und  Honig  verwendet 
w^urden.  Das  ist  aber  nicht  durchgehend  der  Fall.  Perdel- 
witz  behandelt  eine  Stelle  des  ersten  Petrusbriefes,  die  zwar 
nicht  auf  die  Tauf-  und  Abendmahlszeremonien  ausdrücklich 
Bezug  nimmt,  wohl  aber  genau  denselben  Vorstellungen  ihre 
Symbolik  entlehnt.  Sie  klingt  selbst  im  Ausdruck  (dcQriyev- 
vr^za  ßgtcpT^  —  avayEvvLoi.ieviov)  überraschend  an  die  angeführte 
Stelle  des  Sallustios  an.  I  Petr.  2,  2:  wg  äQTiyivvrjTa 
ßgerpr^  ro  Xoyiy.bv  ädoXov  ydka  iTtiTtod^riOaie,  %va  Iv 
avTö)  av^ri^T]Te  elg  oartriQiav,  e'i7t€Q  eyevaaaihe  ort  xQr^orbg  {XQiarbg 
Perdelwitz)  6  Kvgiog. 

Auch  folgende  zwei  Stellen  aus  einem  heidnischen  und 
einem  christlichen  Schriftsteller  sind  zu  vergleichen :  Sallustios 
Tiegi  d-sCov  IV:  ymI  ttqCütov  ^uv  xat  avrol  Tceoovxeg  eE,  ovquvov 
y.al  zfj  NviKpjj  avvövreg  iv  Y.axT^(f>ü<x  lofisv  oiioi  re  y.al  ir^g 
äXXr^g  nayücLg  xat  qvrcaqäg  xqo<:pT]g  artexöfJttd^a '  i/Mzega  evavzia 
ipvyf],  und  I  Kor.  3,  2^:  y(i).c(  vuäg  enözioa  ov  ßocbfia.  ovnoj 
yaq   iövvuod-e. 

Zweifellos  gehört  in  eine  Mysterienreligion  auch  die  ya- 
?.a-/.zr](p6Qog  auf  einer  Weiheinschrift  eines  Altars  in  Thessa- 
lonike  aus  der  Kaiserzeit  ^.  Einem  bestimmten  Kult  läßt  sich 
diese  Priesterin  mangels  sicherer  Beweise  nicht  zuweisen; 
der  Herausgeber  der  Inschrift  erinnert  in  erster  Linie  an 
Hermes,  Mithras,  Attis. 

NachPlutarch  spielte  auch  bei  den  Persern  symbolisches 
Essen  und  Trinken  in  mj'sterienähnlichen  Begehungen  eine 
Rolle;  ob  die  Symbolik  hier  dieselbe  war,  läßt  sich  auf  Grund 
eines  einzigen  Zeugnisses  nicht  entscheiden.  Artax.  3=':  t|»;- 
'/Moev  sig  Ilaoagyadag  6  ßaoü.evg,  ontog  zeleod^eii]  t»/V  ßaodiy.rjV 
TskezTjV  V71Ö  zGjv   ev  Ileqoaig  ughov  .  .  .  eig   zoixo    öü   zov   ze- 


1  Vgl.  R.  Reitzeustein,  Hell.  Myst.  Rel.  53. 

2  S.   Ch.   Avezou  und  Ch.   Picard   Inscrijjfmis    de  Maccdoine  et  de 
Thrace,  Bull,  de  corr.  hell.  XXXVII  1913.  97. 

»  S.  G.  Anrieh,   Das  antike  Mysterienwesen  S.  107  Anm.  und  S.  106. 


I 


56  Karl  Wyß 

Xovfievov  TtctQsld^övza  rr^v  Idiav  ajtod-eo&ca  OTolr.v,  avaJ.aßelv  S', 
fiv  KüQog  6  TiaXaLog  icpoqei,  tiqIv  rj  ßaailevg  yEvio&ciL  ymI  gvxov 
jtaXdd^r^g  hicpayövra,  t£qiiiv&ov  -/Mracpayelv ,  y.al  Ttorr^oLov 
STiTt islv  0 ^vya).a-/.Tog^. 

Ganz  deutlich  aber  leuchtet  die  Wiedergeburtslehre  und 
die  damit  zusammenhängende  symbolische  Verwendung  der 
Milch  aus  der  Vorschrift  eines  Zauberpapyrus,  geschrieben 
um  300  n.  Chr.  hervor-:  ■/«/  )Mßcüv  %o  yd).a  ot-v  tG)  [i.ieli]TL 
aTiOTCLE  ttqIv  dj'ßTO/^g  f]?Jov,  y.cd  eorai  xi  evd-eov  Iv  rf]  oj]  y.aodia. 

Ähnlichen  Vorstellungen  werden  auch  zwei  andere,  weniger 
deutliche  Vorschriften  der  Zauberpapyri  entsprungen  sein, 
auf  die  Dieterich  Usener  ^  hingewiesen  hat  und  die  bereits 
oben  S.  29  zitiert  sind.  In  der  einen  tritt  wieder  die  alt- 
bekannte Dreizahl  auf:  Wein,  Melikraton,  Wasser.  In  einer 
Anrufung  an  Apollo  heißt  es'*:  -/.cd  OTrovdtjv  Tele[(Jo]v  äjto 
oivov  '/Ml  ^leliTog  xal  ydXa'^rog  y.al  öi-ißQiov  vdaxog  \ß7i\i 
7tXay.oüvrag  t,'  y.al  TCÖTtava  C'. 

Warum  in  dem  anderen  Papyrus  ausdrücklich  Eselsmilch 
zur  Reinigung  des  Lagers  verlangt  wird,  ist  rätselhaft.  Die 
Stelle    lautet^:    ioniqag    ^liXXbiv   y.oiuäoO^aL   dvsLii)  yd'/.ay.ti 

■/lU&äQÖV   O0[v]    T7)V    GTQCO/LtVr.V. 

Auch  in  einem  von  Leemans^  herausgegebenen  Papyrus 
finden  wir  dieselbe  Anweisung  Milch,  (Melikraton?),  Wein  und 
Wasser  zu  spenden,  hier  in  Verbindung  mit  einer  Eäucherung. 
Im  großen  Pariser  Papyrus  '  treten  dazu  noch  Kuchen  {TtÖTiava) 

1  Vgl.  Strabon  XV  733  vom  Opfer  der  Perser  an  Wasser  und  Feuer: 

aTtoaTtEvSotres    oi  f^täyoi  eXniov  o/uov  yd?.ny.ri    y.al    fieltTi   y.ey.gauevov  ovy.   tis 

71VQ  ovS'  vScog  «AÄ'  eis  TovSufos.    Zitiert  von  Usener,  Kl.  Sehr.  IV  404. 

*  Berl.  Zauber-Pap.  I  20;  Parthey,  Abhandl.  Akad.  Berl.  1865,  109; 
Usener  aaO.  192  (414)  Anm.  59.  Über  den  engen  Zusammenhang  zwischen 
dem  Mysterienknlt  und  der  Magie,  deren  Mittelpunkt  Ägypten  war,  s.  An- 
rieh aaO.  46.  Über  die  Zauberpapyri  s.  auch  oben  S.  29,  Milch  im  Zauber: 
Dieterich,  Abraxas  S.  58  Anm.  »  AaO.  192  (414). 

*  Berl.  Pap.  I  Z.  286. 

*  Berl.  Pap.  II  Z.  20,  nach  der  neuen  Kollation  von  Ad.  Abt,  die  mir 
R.  Wünsch  mitteilte.  Hier  ist  vielleicht  weniger  an  einen  Zusammenhang 
mit  den  Mysterien,  als  an  den  Einfluß  von  volkstümlichen  Vorstellungen 
zu  denken,  wie  sie  S.  5  erwähnt  w-urden. 

®  A.  Dieterich,  Papyrus  Magica  VII  4;  Fleckeis.  Jahrb.  Suppl.  XVI  806. 
Zitiert  auch  von  Anrieh  102  A.  1.  '  Z.  2188  ff. 


Die  Milch  im  Kultus  der  üriechen  und  Römer  57 

und  Öl,  während  das  Wasser  hier  fehlt;  an  einer  anderen 
Stelle  1  desselben  Papyrus  wird  zwischen  Wein,  Bier,  Honig, 
Milch  die  Wahl  gelassen,  was  wohl  auf  eine  Vermischung 
von  verschiedenen  Zauber  Vorschriften  hinweist. 

Die  Verwendung  der  Milch  im  frühchristlichen  Kult 
weiter  zu  verfolgen,  liegt  nicht  mehr  in  meiner  Aufgabe.  Ich 
glaube  aber  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  aus  den  ange- 
führten Stellen  schließen  zu  dürfen,  daß  in  der  genannten 
Gemeinsamkeit  der  Wiedergeburtshoffnungen  der  erste  Anstoß 
zur  Übernahme  liegt.  Diese  ging  aber  in  einer  Zeit  der  weit- 
gehendsten Religionsmischung  vor  sich:  darum  sind  natürlich 
nicht  alle  anderen  Anklänge  an  heidnische  und  alttestament- 
liche  Anschauungen  als  unmöglich  abgelehnt.  Daß  das  Land 
der  Verheißung  der  Juden,  das  goldene  Zeitalter,  der  Toten- 
uud  chthonische  Kult,  die  Dionysoswunder,  die  Heiligkeit,  die 
den  Bienen  und  dem  Honig  überall  angedichtet  wurde,  nicht 
hätten  mithelfen  können,  beides,  Milch  und  Honig,  in  die 
christlichen  Sakramente  einzuführen,  wird  niemand  als  absolut 
ausgeschlossen  betrachten.  Aber  über  diese  Beziehungen 
können  wohl  nur  sehr  unsichere  Vermutungen  aufgestellt  werden. 
Die  Ähnlichkeit  der  Symbolik  in  den  zwar  nicht  zahlreichen 
angeführten  Stellen  aber  ist  so  auffallend,  daß  der  Schluß 
wohl  erlaubt  ist,  von  hier  aus  sei  der  erste  Schritt  zu  einer 
Angleichung  der  Kultübungen  der  neuen  Kirche  an  die  älteren 
Kultvorstellungen  getan  worden. 

So  wahrscheinlich  mir  ein  Zusammenwirken  verschiedener 
Anschauungen,  die  sich  im  Laufe  der  Zeiten  entwickelt  hatten, 
zu  sein  scheint,  so  gewagt  scheint  mir  von  vornherein  Useners 
Hypothese,  sie  seien,  wie  die  Äste  eines  Baumes,  alle  aus 
demselben  Stamme,  alle  aus  einer  Idee  erwachsen,  nämlich 
aus  dem  allen  in  Frage  kommenden  Völkern  eigenen  Glauben, 
Milch  und  Honig  seien  besonders  heilige,  den  Göttern  liebe 
Gaben  der  Natur.  Vielmehr  scheint  mir  ein  Strom  die  vielen 
Bäche  gesammelt  zu  haben;  die  Quellen  können  wir  unmöglich 
alle  finden;  beim  einen  fällt  auf  die  Mündung,  beim  anderen 
auf  den  Oberlauf  ein  schwaches  Licht;   konstatieren  können 


Ebenda  9Ü7. 


58  Karl  Wyß 

wir,  daß  sie  durch  ihr  Zusammenwirken  stark  waren:  denn 
trotzdem  das  Christentum  viele  neue,  revolutionäre  Ideen 
brachte,  nahm  es  hier  Symbole,  die  bei  Griechen  und  Römern 
von  jeher  in  verschiedener  Weise  gewirkt  hatten,  auf;  ganz 
assimiliert  hat  es  sie  nicht ;  denn  im  Verlauf  der  ersten  Jahr- 
hunderte wurde  „der  alte  Brauch  der  Kirche"   abgestoßen'. 


9.  Kapitel 
Käseopfer 


Ich  stelle  hier  anhangsweise  einige  Angaben  zusammen, 
die  über  die  Verwendung  des  einzigen  von  den  Alten  häufiger 
zubereiteten  und  stets  geschätzten  Milchproduktes  in  den 
Opfergebräuchen  einigen  Aufschluß  geben. 

Die  Zubereitung  von  Käse  ist  eine  allen  Indogermanen 
geraeinsame  Kunst.  Besonders  häufig  wurde  sie  ausgeübt  auf 
der  Balkan-  und  Apenninhalbinsel,  deren  Klima  weder  ein 
längeres  Aufbewahren  frischer  Milch  noch  die  Bereitung  einer 
guten,  haltbaren  Butter  erlaubte.  "Wie  wir  heute  eine  Menge 
Käsearten  unterscheiden,  so  zeichnete  sich  auch  bei  den 
Griechen  und  Römern  dieses  Nahrungsmittel  durch  seine 
mannigfache  Zubereitungsweise  aus^.  Zum  bloßen  Haus- 
gebrauch wird,  wohl  nicht  nur  in  homerischer,  sondern  auch 
in  viel  späterer  Zeit,  ein  Käse  von  möglichst  einfacher  und 
kurzer  Zubereitungsart  gewonnen  worden  sein.  Wie  uns  die 
Kyklopie  die  Käserei  des  Polyphem  schildert,  so  werden  die 
der  gewöhnlichen  Kuh-,  Ziegen-  oder  Schafhirten  auch  ge- 
wesen sein.  Außer  dem  Scheiden  der  Milch,  dem  Entfernen 
der  Molke  und  einer  einfachen  Würze  wird  an  dem  Produkt 
wenig  gemacht  worden  sein.  Gerade  um  dieser  leichten  Ge- 
winnuugsmöglichkeit  willen  gehörte  der  Käse  in  älterer  Zeit 


1  Usener  185  (406). 

2  S.  E.  Cougny  bei  Daremberg-Saglio,  Dictionnaire  unter  caseus. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  59 

wolil  ZU  den  häufigsten  Nahrungsmitteln  der  ländlichen  Be- 
völkerung und  so  natürlich  auch  zu  den  gewöhnlichsten  Opfer- 
gaben, z.  B.  beim  Latiar  der  latinischen  Gemeinden.  Dion. 
Hai.  Antiqu.  IV  49,  3 :  /mI  cpsQovoL  eig  avrag  ai  fteiexovoai 
xCjv  leqCüv  Ttöleig  al  fxev  agvag,  al  de  zvgovg,  al  de  ydlamög 
XI  ueiQOV,  al  de  b/iioiöv  ti  xovxoig. 

Bei  Homer  zeugt  nur  eine  einzige  Stelle  für  die  Verwen- 
dung des  Käses  beim  Opfer.  Die  aristokratische  Gesellschaft 
verwendete  ihn  nicht ;  nur  da,  wo  einer  dieser  Edeln  in  Ver- 
hältnisse gerät,  die  es  ihm  unmöglich  machen,  der  Sitte  seines 
Standes  zu  folgen,  paßt  er  sich  den  Umständen  an.  Der  Not 
gehorchend  befriedigt  Odysseus  mit  seinen  Gefährten  in  der 
Höhle  des  Kyklopen  die  Götter  und  den  eigenen  Hunger  durch 
den  Käse,  der  dort  aufgespeichert  war.  Od.  IX  231: 

evd-a  de  tivq  y.r^avxeg  ed-voaiiev  i)de  y.al  avxol 
xvqCüv  aivvf.ievoi  (fdyoaev. 

Eine  besondere  Sorte  von  platten,  dünnen  Käschen  opfer- 
ten die  Kreter,  Athen.  XIV  658  d:  rovg  de  lenxovg  xCöv  xv- 
Qü)V  y.al  TtXaxelg  Kqfixeg  d-r^Xeiag  y,a).ovoLX\  lög  cpr^oi  ZeXev/.og' 
ovg   ev  ^vGiaig  x laiv  ivayitovoiv. 

Inschriftlich  bezeugt  ist  das  Käseopfer  für  Thera  in  einer 
sakralen  Stiftungsurkunde  aus  der  Zeit  um  200  v.  Gh.,  dem 
sogen.  Testament  der  Epikteta^ :  ^vexw  de  [i.ie\v  ö  xav  TTgäiav 
eTiLixriVLeviov  äuegav  xalg  Movoaig  legelov  y.al  iegd,  ikXvTag  ex 
nvQÖJV  xoi'Viy.(x)v  Ttevxe  y.al  xvoov  yarcv  qo  v  oxaxf^qog  .  .  .  18-4 
o  de  xav  devxegav  xolg  rJQcooi  (ßoiviy.i  xal  ^E7trKxi]xcc  (dasselbe 
Opfer).  191 :  o  de  xav  xgixuv  d^vatl  xolg  i[owaL  KQaxr^oi\/.6\xfif 
'/.al  'AvdQayÖQct  y.aia  xa  avxä  y.ad-^  a  yiyQauxai  <Polvl'/.\i\  /.al 
^Eni'/.xr^xq. 

Dem  Herakles  wurde  auf  Kos  ein  sehr  reichhaltiges 
Opfer  von  Nahrungsmitteln  gespendet,  darunter  auch  ein  nicht 
geringes   Quantum  Schafkäse^:  xovxov  O^vei  6  lagevg,  xüt  de 


'  von  Prott-Zieheu,  Leges  sacrae  II  319,  177  ff. 

'  von  Prott,  Inschr.  v.  Ko3  S.  27  Nr.  7  Z.  10;  Paton  aud  Hicks  Nr.  39 
DI.  3638  Collitz.  Die  Inschrift  stammt  nach  Hicks  S.  XXXI  vermutlich 
aus  dem  Ende  des  4.  Jh.  v.  Chr. 


60  Karl  Wyß 

\d-eä)i  r\€Qa  öLöoxai  '/.gid-äv  rgia  fji.uoii.iva  y.al  a7iv[Q]CüV  tqüq 
T€.raQTf^g  '/.cd  /.ulLzog  rixogeg  xoTt'A(£)at  '/.al  t  vq  ol  oLeo  l  övw- 
dexa  /.al  iTtvbg  '/aivbg  '/al  (pQ\vya\vu)v  äx^og  /al  ^v/Jwv  äxd^og 
■/al  oivov  rqia  r^uioya. 

In  einer  anderen  kölschen  Inschrift  ^  des  4.  oder  3.  Jh.  v.  Ch. 
wird  von  einem  aqxog  xvQihör^g.  der  am  Herd  geopfert  werden 
solle,  gesprochen.  Wie  dieses  „käsig"  zu  verstehen  ist,  ob 
Käse  mitgebacken  oder  sonst  beigegeben  wurde  oder  nur  eine 
bestimmte  Beschaffenheit  des  Brotes  gemeint  ist,  kann  ich 
nicht  entscheiden. 

In  eigenartiger  Verbindung  mit  Wein,  Aalen,  Honig  führt 
den  Käse  eine  Menanderstelle  an,  Athen.  VIII  364  d,  vgl.  IV 
146  de: 

£ir'  ov%  of.ioia  nQücTTOf-iev  '/al  d-vojusv. 
0710V  ye  rolg  S^eolg  idv  7joQaoi.i€vov 
dgay^iöjv  ayio  TigoßäTOJV  ayaTtr^ibv  öe/.a, 
avh]TQLdag  de  '/al  {.lvqov  '/al  ipalzgiag, 
Mtvdalov,  6doiov,  eyyjleig,  tvqöv,  fielt- 
(.u'/gov  xa'/.dvTOc. 

Daß  der  Käse  in  bestimmten  Kulten  und  bei  gewissen 
Religionsgenossenschaften  eine  besondere  Bedeutung  gehabt 
hat,  muß  aus  der  Angabe,  daß  er  den  Pythagoreern  als  Opfer 
vorgeschrieben  war,  und  einem  eigentümlichen  Verbot,  das 
der  Priesterin  der  Athene  nicht  erlaubte,  Käse  zu  essen,  ge- 
schlossen werden. 

Die  Sitte  der  Pythagoreer,  Käse,  getrocknete  Feigen  und 
ausgepreßte  Oliven  zu  opfern  und  dann  auch  zu  essen,  wird 
mit  der  asketischen  Seite  ihrer  Lehre  zusammenhängen,  ohne 
auf  tief  erliegende  Gründe  zurückzugehen.  Athen.  IV  161  d: 
fj  ö'  eGxiaoLg  ioyuöeg  /al  OTef.i(pv)M  /al  rigog  eaxaf  xavxa 
'/UQ  ^veiv  vöuog  xolg  Uv&ayoQeloig. 

Kaum  zu  erklären  ist  dagegen  die  Angabe  über  die 
Priesterin  der  Athene.  Athen.  IX  375  c;  FHG  I  375:  xat 
vvv  öe  xijV  xf^g  143-r^väg  iegeiav  ov  d-vetv  ufivrjv  ovdh  ivqov 
yeveod^ai.  xiveg  ö'  ano  xov  xrjv  legeiav  xfjg  JloXiädog  ^.J^r^väg 
yXcjQov  TVQOv  xov   (U£v   e/iiywQtoc    /.lij    äTtzeod^ai,   §evi'/bv  de 


'  V.  Prott-Ziehen  II  20  Z.  49. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Römer  61 

Ti]g  "Arrmf^g  ri]v  Icdaulva  ovy.   ei.     Besonders   rätselhaft  ist 
dieser  Unterschied  zwischen  einheimischem  und  fremdem  Käse. 
In  Verbindung  mit  Eiern  wurde  der  Käse  auch  als  Hekate- 
mahl  verwendet.    Aristoph.  Plut.  594  (PW.  VII  2780): 

Ttagcc  tf^g  ^Exdrr^g  e^eoriv  tovto  -/tvd-eo&ai, 
eixE  To  Ttlovrslv,  tire  ro  Tteivfjv  ßiXxiov  cpr^ol  yccQ  amr] 
TOt'S  f.ikv  exoviag  xaf  TtXovrovvtag   öuitvov    y.axcc  f.ifjv'  artO' 

[7t€f.l7teiV. 

Dazu  bemerkt  das  Scholion:  delTtvov]  l^  ihibv  y.al  tvqöv 
TSTr^yaviOfiivov. 

Eine  wichtige  Rolle  hat  allem  Anschein  nach  der  Käse 
im  Kult  der  Alten  nie  und  nirgends  gespielte 


Zusammenfassung 

Die  Zähmung  der  Haustiere  durch  die  Indogermanen  fällt 
in  das  Dunkel  vorhistorischer  Zeiten;  keine  der  bisher  auf- 
gestellten Hypothesen  über  die  Art  dieses  Vorganges  befriedigt. 
Ebensowenig  kann  gesagt  werden,  wie  die  Milch  in  indo- 
germanischer Zeit  unter  die  Nahrungsmittel  des  Menschen 
aufgenommen  wurde. 

Auf  Grund  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse  bei  verschie- 
denen nördlichen  indogermanischen  Stämmen  ist  zu  schließen,, 
daß  auch  die  Griechen  und  Römer  vor  ihrer  Einwanderung 
in  die  Mittelmeerländer  mehr  Wert  auf  die  Milchproduktion 
legten,  als,  wie  später,  auf  die  Viehmästung.  In  diese  frühe 
Epoche  fällt  jedenfalls  der  Ursprung  der  sakralen  Verwendung 
der  Milch.  Sie  ist  darum  wohl  ganz  wie  andere  häufige 
Nahrungsmittel  in  die  Reihe  der  Opfergaben  aufgenommen 
worden,  ohne  darin  eine  bevorzugte  Stellung  einzunehmen. 

Infolge  des  zähen  Festhaltens  der  Römer  am  religiösen 
Brauch  können  wir  bei  ihnen  reiner  erhaltene  Reste  uralten 


'  Zu  der  aus  Löwenmilch  Käse  bereitenden  Artemis  Alkmans  s.  o.  S.  44  f. 


62  Karl  Wyß 

Kults  ZU  finden  hoifen  als  bei  den  Griechen.  Beim  Latiar, 
im  Kult  der  früh  vergessenen  Lokalgottheiten  Kumina  und 
Cunina,  in  dem  der  ländlichen  Götter  Silvanus,  Pales,  Faunus, 
Ceres,  Priapus  wird  Milch  gespendet,  ohne  daß  sich  dieses 
Opfer  von  anderen  durch  eine  besondere  Wirkung  unterschiede. 
Von  einer  gesetzlichen  Beschränkung  der  Milchspende  auf 
bestimmte  Kulte  im  Gegensatz  zum  Weinopfer  weiß  das  rö- 
mische Sakralwesen  nichts;  nur  mußte  die  Milch  auch  im 
Kult  zurücktreten,  als  sich  das  politische  und  religiöse  Leben 
in  der  Hauptstadt  konzentrierte;  auf  dem  Lande  blieb  das 
Milchopfer  in  voller  Geltung. 

Da  die  natürlichen  Voraussetzungen  bei  den  Griechen  ur- 
sprünglich sehr  ähnlich  gewesen  sein  müssen  wie   bei  den 
Römern,  dürfen  wir  annehmen,   daß  auch  in  den   formalen 
Äußerungen    der    Religion    eine    gewisse    Übereinstimmung 
herrschte.    Das  Opfer  war  ein  Dank  für  empfangene  Gaben 
oder  ein   Geschenk,  wofür  der  Opfernde  wieder  belohnt  zu 
werden  wünschte.     Wenn  das  Milchopfer  der  Römer  keinen 
anderen  Zweck  verfolgte,  so  haben  wir  auch  für  das  der 
Griechen   ohne    zwingende    Gründe   keinen   anderen   voraus- 
zusetzen.   In  älterer  geschichtlicher  Zeit  wurde  bei  den  Grie- 
chen  die  Milch    nur  noch    von  einzelnen   Volksklassen   be- 
stimmten, meist  nichtolympischen  Gottheiten  gespendet.    Die 
homerischen  Helden  und  Götter  kennen  das  Milchopfer  nicht, 
weil  bei  der  herrschenden  Klasse  der  Wein  die  Milch  auch 
im  profanen  Gebrauch  verdrängt  hatte.      Infolge  geringereu 
Zwanges  der  äußeren  Umstände,  vor  allem  aber  infolge  innerer 
Hemmungen,   der  Angst  vor  rituellen  Verfehlungen,  hielten 
die  unteren  Klassen  an  dem  althergebrachten  Milchopfer  fest. 
Als  die  Milch  einmal  aus  dem  Kult  der  panhellenischen  Olym- 
pier verdrängt   war  und  nur  noch   im  Dienst   anderer  Götter 
oder  Verstorbener  Verwendung  fand,  wurde  diese  Sachlage 
durch  ätiologische  Erfindungen  erklärt  und  durch  sakrale  Ge- 
setze zum  Teil  auch  festgelegt. 

Die  Milch  war  ein  Hauptbestandteil  der  nüchternen 
Spenden,  die  vor  allem  im  Kult  der  chthonischen  Götter  ver- 
wendet wurden,  hauptsächlich  in  dem  der  Erinyen.  Als  der 
Gegensatz   der  Spenden   an    die    Olympier  und   der   an   die 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  63 

chthonischen  Götter  dem  Volke  auffiel,  erklärte  es  sich  den 
„festgehaltenen  Rest  primitiver  Sitte"  durch  die  Annahme, 
der  Wein  werde  infolge  seiner  berauschenden  Wirkung  von 
den  chthonischen  Gottheiten  verschmäht.  Und  doch  ist  wahr- 
scheinlich gerade  das  Melikraton  aus  dem  indogermanischen 
Rauschtrank,  dem  Honigmet,  entstanden. 

Von  Totenopfern  waren  die  berauschenden  Getränke  sa- 
kralgesetzlich nicht  völlig  ausgeschlossen,  obschon  gerade 
hier  das  Milch-Honiggemisch  einen  wichtigen  Bestandteil  der 
Spende  ausmachte.  Diese  Mischung  tritt  uns  in  mehreren 
Stellen,  meist  abhängig  von  der  Nekyia  der  Odyssee,  entgegen, 
wo  sie  zur  Beschwörung  der  Toten  dient.  Dann  aber  war  sie 
die  gewöhnliche  Gabe  der  Überlebenden  an  verstorbene  An- 
gehörige. 

Die  Überzeugung,  daß  die  Milch,  wie  Honig  und  Öl,  in- 
folge ihrer  natürlichen  Eigenschaften  besänftigend  und  lindernd 
auf  den  Zorn  der  chthonischen  Götter  und  der  Verstorbenen 
wirke,  kann  nicht  die  Veranlassung  zu  ihrer  Verwendung  ge- 
wesen sein.  Unter  die  Bezeichnung  (.isiUyuara,  f.uihyciriQLa 
fällt  auch  der  Wein,  trotzdem  die  vr^cpäXia  nach  der  Ansicht 
der  Vertreter  dieser  Auffassung  gerade,  weil  sie  nüchtern 
sind,  lindern.  Auch  brauchen  die  Überlebenden  den  Zorn  der 
Toten  nicht  zu  beschwichtigen,  weil  er  ohnmächtig  ist.  Es 
handelt  sich  in  beiden  Kulten  nur  um  Gaben,  die  als  solche 
eine  erfreuende  Wirkung  auf  den  Empfänger  ausüben;  der 
Dank  für  die  Gabe  und  den  dadurch  erzeugten  Genuß  äußert 
sich  natürlich  bei  den  chthonischen  Göttern  im  Ablassen  vom 
Zorn,  bei  den  Toten  in  einer  Beruhigung.  Das  mag  dann 
wieder  die  Veranlassung  zur  Erfindung  von  Begründungen 
des  Opferbrauches  gewesen  sein;  die  sind  aber  sekundär;  die 
wahren  Gründe  liegen  in  der  natürlichen  Entwicklung  mensch- 
licher Verhältnisse. 

Da  die  Dionysosgläubigen  sich  nach  einem  seligen  Zu- 
stand, nicht  nach  einem  in  seinen  Einzelheiten  durch  die  Ver- 
heißung beschriebenen  Paradies  sehnen,  da  ferner  das  Dionysos- 
wunder nicht  in  Strömen  von  Milch  und  Honig  allein,  sondern 
auch  von  Wein  und  Wasser  besteht,  kann  daraus  nicht  auf 
eine  besondere,  himmlische  Eigenschaft  der  Milch  geschlossen 


64  Karl  Wyß 

werden.  Infolge  einer  späteren  Begriffserweiterung,  dem 
häufigen  Gleichsetzen  von  Wein,  Honig,  Milch,  Melikraton 
mit  Nektar,  einem  Wort,  das  früh  nicht  ausschließlich  „Götter- 
trank", sondern  ein  beliebiges  sehr  gutes  Getränk  bezeichnen 
konnte,  galt  den  alexandrinischen  und  römischen  Dichtern 
Milch  umgekehrt  wieder  als  Göttertrank,  und  so  gehörte  das 
Bild  vom  Milchüberfluß  zur  Ausmalung  des  goldenen  Zeitalters, 
der  Insel  der  Seligen. 

Einzelne,  falschverstandene  Göttermythen,  wie  die  Sage 
von  der  Ernährung  des  Zeuskindes  auf  dem  Ida  und  die  Rolle, 
die  die  Milch  in  dem  chthonischen,  dem  Toten-  und  dann  be- 
sonders auch  im  Mysterienkult  spielte,  mögen  im  Verlauf  der 
Entwicklung  dazu  beigetragen  haben,  daß  man  in  ihr  eine 
besondere  religiöse  Kraft  zu  ahnen  begann. 

Auch  in  den  Mysterienkult  wurde  die  Milch  nicht  als 
eine  Gabe  aus  dem  erhofften  Jenseits,  nicht  auf  Grund  alter, 
tiefgewurzelter  Glaubensvorstellungen  aufgenommen,  sondern 
als  das  Symbol  der  Wiedergeburt,  dann,  mit  einer  gewissen 
Steigerung,  als  ein  cpccQf.iay.ov  a^avaolag. 

In  der  Zauberei  vermischen  sich  alte  Kultgebräuche  mit 
dem  Mysterienritus,  indem  bald  deutlich  an  die  Wieder- 
geburtslehre angeknüpft,  bald  kiltiklos  das  Opfer  aus  den 
verschiedenen  Spenden  des  chthonischen.  Toten-  und  Mysterien- 
kults zusammengestellt  wird. 

Auf  absolute  Sicherheit  können  meine  Folgerungen  nicht 
Anspruch  erheben,  besonders  weil  die  zeitgenössischen  Quellen 
vielfach  versagen,  spätere  Berichterstatter  aber  oft  alten 
Brauch  und  Glauben  falsch  darstellen.  Vor  unbegründeten 
rationalistischen  Deutungsversuchen  aber  glaube  ich  mich  ge- 
hütet zu  haben. 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Eömer 


65 


Register 


Abendmahl  52 

Ätiologische  Erklärungen  8 f.  15.  25. 

36.  42.  62  f. 
Alkman  44  f. 
Artemis  44  f. 
Attismysterien  54 

ßd-A-/ju  40  ff.  47 
Bona  Dea  12.  22 

Ceres  11.  62 

chthonische  Götter  19  ff.  28  f.  35.  37. 

57.  62  f. 
Cunina  8  f.  13.  62 

Demetermj'sterien  15 
Dionysos  40  ff.  46.  52  f.  63 

Erinyen   (Eumeniden,  Semnai)   20  ff. 

25.  37.  62 
Ipicfos  si  yäV  tTZSTov  54 
Euripides  Bakchen  40  ff.  • 

Feriae  Latinae  7  f. 

yaXa',cTi]f6oog  55 
yi(kd^ia   23 

Gebet  13 

Gütterkinder  mit  Milch   und  Honig 

ernährt  48  ff.  64 
Goldenes  Zeitalter  45  f. 

Hemithea  21 

Homer  3  f.  14    20.  25  f.  33.  59 

Inder  2.  6.  19 
Isiskult  53 

Religionssjeschichtlicbe  Versuche  u.  V 


Käseopfer  58 

y.EQt  0(fOQelv  15.  52  A. 

I.  Korintherbrief  3,  2.  55 

Latiar  8.  13.  59.  62 
Luperkalien  36  ff. 


fiEi).fxrQa 


Magna  Mater  15 

uä^a  23 

Meyaipa  21 

fiEiXiyfiarn  ,      HSiliy.rrioia , 

32  ff .  63 
fiEliyQaTOV  19  ff.  25  f.  50  f.  63 

MrjTTJO    ■d'Ecöv    23 

Met  19.  24.  34.  48.  51.  63 
Milch  als  Attribut   des  seligen  Jen- 
seits 39  ff.  50 

—  als  Nahrungsmittel  1.4.  17.  61 

—  als  Symbol  der  Unsterblichkeit 
54  ff. 

—  als  weinlose  Spende  19  ff. 
— ,    die    sühnende    Wirkung   der- 
selben 82  ff. 

—  im  Mysterienkult  52  ff. 

—  im  Zauber  5.  56.  64 
Milchopfer  bei  anderen  Völkern  6 

—  bei   den   Kömern  7  ff.  61 

—  in  der  Urzeit  2.  5 
— ,       ursprüngliche  Bedeutung 

desselben  bei  den  Griechen 
13  ff. 
Milchproduktion ,      Verhältnis      zur 

Viehmästung  4.  61 
Milchtiere  der  Indogermanen  1 
orarbeiten  XV,  2.  5 


66 


Karl  Wyß 


Moiren  21 

Mythisches  Denken  5.  17  f. 
Mysterienknlt  (und  Christentum)  38. 
52  ff.  57.  64 

rky.xaQ  46  ff.  64 

rrifäXia  18  ff.  bes.  24.  32.  36  f.  39.  62f. 

novum  lac  27 

Nymphen  21  f.  48 

Olympische  Götter  14  f.  20.  62 
Opfer,  seine  Bedeutung  6.  13  f.  15.  62 
Orphische  Eeligion  40.  48 

Pales  10  f.  62 
Pan  11.  21.  62 
Persische  Mysterien  55  f. 
I.  Petrusbrief  2,  2  55 

cpdofiny.ot'  d&avaaias  49.  54.  64 
nökros,  puls  5.  23 
Priapus  12.  62 
Pythagoreer  32.  40.  54.  60 

Kind  im  Kult  2 
Rumina  8  f.  13.  62 

Sallustios  ^£^1  &ecöv  IV  54  f. 
Silvaniis  10.  62 

Standesunterschiede  und  Kultübung 
9.  13.  15  ff.  36.  62 


Suovitaurilia  ladentia  12 
Iwainohs,  Heros  der  Eleer  22 

Taufe  52 

d'tk'ATrifiui,  ü'elysiv  32.  35 

Totenbeschwörung  25  ff.  63 
Totenkult  20.  29  ff.  34.  50.  63      • 

Usener,  Milch  und  Honig  2.  39  ff.  52  f. 

Yenus  Verticordia  12 
Verg.  Aen.  V  77   26  f.  38  f. 
Viehzucht  3  f.  8 

Wein  gleich  Nektar  47.  64 

Wein    im    Gegensatz    zu    anderen 

Spenden  15  ff.   19  ff.  33  f.  42. 

46.  63 

—  in  Verbindung  mit  Milch  25  ff. 
39  ff.  52.  56 

—  verdrängt  Milch  13.  15  ff.  62 

—  vom    altröm.    Opfer    ausge- 
schlossen 9 

Wiedergeburt  53  ff. 

Zähmung  der  Milchtiere  1  f.  61 
Zauber  5.  28  f.  64 
Zauberpapyri  56 
Zeus  Jugend  48.  64 
Zeis  IIoXisvs  22 


Die  Milch  im  Kultus  der  Griechen  und  Kömer  67 


Verzeichnis  der  wichtigeren  Literatnr 

RGW,  Religionsgeschichtliche  Versuche  und  Vorarheiten.   Herausgegeben 

von  Wünsch  und  Deubner  bei  Alfred  Töpelmann,  Gießen. 
PW,    Pauly-Wissowa,  Real-Eneyclopädie,  Stuttgart  1894 ff. 

Roschers  Lexikon,   Ausführliches  Lexikon   der  griechischen  und  römi- 
schen Mythologie.    Hrsgg.  von  W.  H.  Röscher,  Leipzig  1884  ff. 


G.  Anrieh,  Das  antike  Mysterienwesen  in  seinem  Einfluß  auf  das  Christen- 
tum, Göttingen  1894. 

A.  Dieterich,  Eine  Mithrasliturgie -,  Leipzig  1910. 

Der  Untergang   der  antiken  Religion.     Kleine  Schriften, 
Leipzig  1911,  S.  464. 
J.  von  Fritze  De  Ubntlone  veterum  Graecorum.    Diss.  Berlin  1893. 
K.  Kircher,  Die  sakrale  Bedeutung  des  Weins.   RGW  IX  2,  Gießen  1910. 
Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Altertums  II'.  Anthropologie. 

W.  Robert-Tornow    De  apium  melUsque  apuä   veteres  significatione , 
Berlin  1893. 

E.  Roh  de,  Psyche-,  Freiburg  1898. 

0.  Schrader,  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte',  Jena  1907. 

Reallexikon  der  idg.  Altertumskunde,  Straßburg  1901. 

P.  Stengel,  Griechische  Kultusaltertümer-,  München  1898. 

Opferbräuche  der  Griechen,  Leipzig  1910. 

H.  Usener,  Milch  und  Honig,  Rheinisches  Museum  LVII 1902, 177 ff.    Kleine 
Schriften  IV,  398  ff.  Leipzig  1913. 

G.  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der  Römer ^,  München  1912, 


5* 


\ 


Religionsgeschichtliche  Versuche  und  Vorarbeiten 


B^"^        De  antiquissimis  veterum,  quae  ad  lesum 
^^"  Nazarenum  spectant,  testimoDÜs 

scripsit  Kurt  Linck 

1913  118  S.  M.  4.— 

Die  Arbeit  hat  den  Zweck,  von  neuem  die  nichtchristliclien  Zeugnisse  über  Jesus  von 
Nazareth  (Joseph,  ant.  Jud.  XVIII  63  sq.  Niese,  Plin.  ep.  ad  Tr.  95.  96,  Tac.  ann.  XV  44, 
Suet.  Claud.  25)  auf  ihre  Glaubwürdigkeit  hin  zu  untersuchen.  Bestimmend  hierfür  waren 
folgende  Gründe :  Zunächst  ist  die  besonders  seitdem  Erscheinen  von  A.  Drews'  'Christus- 
mythe' (Teil  I  Jena  1910,  II  1911)  vielfach  entstandene  Ansicht  zurückzuweisen,  daß  aus 
jenen  Zeugnissen  unbeschadet  dessen,  ob  sie  echt  oder  interpoliert  seien,  kein  Argument 
gezogen  werden  dürfe  für  die  Frage  nach  der  Geschichtlichkeit  Jesu  und  nach  seiner 
Sekte.  Sodann  erschien  es  zweckmäßig,  das  im  Laufe  der  Zeit  sehr  angewachsene  und 
an  den  verschiedensten  Stellen  verstreute  Material  in  den  Hauptzügeu  zusammenzufassen 
und  die  Echtheit  aller  vier  Testimonia  in  ein  und  derselben  Abhandlung  zu  prüfen. 
Endlich  glaubte  der  Verfasser,  auf  das  Sprachliche  der  Zeugnisse  noch  mehr  Sorgfalt 
verwenden  zu  müssen,  als  es  bisher  geschehen  ist.  Jedem  Autor  ist  ein  Kapitel  zuge- 
wiesen. Die  Resultate  sind  folgende:  1.  Die  Josephusstelle  ist  ganz  als  interpoliert 
zu  betrachten.  2.  Des  Plinius  Brief  und  Traians  Antwort  sind  echt.  Aus  jenem  er- 
fahren wir  einiges  über  die  ersten  christlichen  Gemeinden  von  Pontus  und  Bithynien. 
.3.  Des  Tacitus  Zeugnis  muß  in  allen  Teilen  als  echt  anerka.nnt  werden  und  ist  am 
wertvollsten.  Ihm  liegen  zuverlässige  Quellen  zugrunde;  wir  erfahren  daraus:  a)  Zur 
Zeit  Neros  waren  Christen  in  Rom;  b)  als  Stifter  ihrer  Religion  galt  dem  Tac  Jesus  von 
Nazareth;  c)  dieser  war  unter  Pontius  Pilatus  gekreuzigt;  d)  Jesus  ist  nach  Tac.  unter 
die  historischen  Persönlichkeiten  zu  rechnen.  4.  Die  Worte  in  Suet.  Claud.  25  sind 
echt  und  beziehen  sich  auf  einen  jüdischen  Aufwiegler  namens  Chrestus,  der  uns  weiter 
nicht  bekannt  ist.  

and       De  coronarum  apud  antiquos  vi  atque  usu 

*  *  scripsit  Josef  Köchliug 

1914  100  S.  M.  3.40 

Im  ersten  Kapitel  wird  die  Bedeutung  des  Kranzes  untersucht,  die  sich  einerseits  aus 
seiner  Form,  andererseits  aus  seinem  Material  ergibt.  Das  zweite  Kapitel  bringt  die 
Verwendung  des  Kranzes  als  prophylaktisches  und  apotropäisches  Mittel  bei  der  Kon- 
sekration von  Tempeln,  Altären,  Bildwerken  und  anderen  Gott  geweihten  Gegenständen,  bei 
Geburt,  Hochzeit  und  Tod,  bei  allen  privaten  und  öffentlichen  Feiern  und  bei  jeder 
magischen  Handlung.  Zu  den  Sitten  der  Alten  werden  bisweilen  die  Bräuche  moderner 
Völker  in  Vergleich  gesetzt.  Im  dritten  Kapitel  gibt  der  Verfasser  einen  kurzen  Über- 
blick über  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Bedeutung  des  Kranzes. 


Das  stellvertretende  Huhnopfer 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  des  jüdischen  Volksglaubens 

von  Isidor  Scheftelowitz 

1914  70  S.  M.  2.40 

Zunächst  werden  die  Fälle  behandelt,  in  denen  das  Huhn  als  Substitut  für  den  Menschen 
den  Göttern  dargebracht  wird,  z.  B.  bei  Krankheiten,  beim  Todesfall,  bei  der  Grundstein- 
legung eines  Hauses.  Das  Huhn  im  Hochzeitsritual  dient  entweder  zur  Besänftigung  der 
Dämonen  oder  als  magisches  Symbol  des  Kindersegens.  Das  Huhnopfer  ist  oft  verbunden 
mit  den  apotropäischen  Zeremonien  des  Umkreisens,  Schwingens.  Blutbesprengens.  Ferner 
werden  dargelegt  die  Apoponipe  mittels  des  Huhnes  und  die  Gründe,  warum  das  Huhn 
als  ein  Dämonen  verscheuchendes  Tier  aufgefaßt  und  so  als  Opfer  für  die  Dämonen  be- 
vorzugt worden  ist  und  selbst  ein  dämonisches  Tier  geworden  ist.  Schließlich  wird  die 
Entstehung  des  jüdischen  Volksbrauches  des  Kapporo-Huhnes  untersucht  und  auch  der 
Ritualmordaberglaube  behandelt. 


H^  De  veterum  macarismis 

'  scripsit  Gustav  Lejeune  Dirichlet 

1914  73  S.  M.  2.50 

Die  aus  dem  Neuen  Testament  bekannte  Formel  der  Seligpreisung  findet  sich  auch  in  der 
antiken  Literatur  häutig  verwendet.  Das  erste  Kapitel  der  Arbeit  gibt  eine  Geschichte 
der  in  dieser  Redewendung  gebräuchlichen  Synonyma,  besonders  der  Worte  /uäxao, 
öXßioi,  iv^aiuiov,  und  analysiert  die  einzelnen  Formen  des  Makarismus.  Im  zweiten 
Kapitel  werden  die  verschiedenen  Typen  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  zusammen- 
gestellt, wodurch  die  Seligpreisung  als  kürze.ste  Fassung  antiker  Anschauungen  über  das 
Ideal  und  als  Gemeinplatz  einzelner  literarischer  Gattungen  erwiesen  wird. 


Religionsgeschichtliche  Versuche  und  Vorarbeiten 
xiv.Band  Babylonian-Assyrian  Birth-Omens 

^'    ®  And  Their  Cultural  Significance 

by  Morris  Jastrow,  jr. 

1914  92  S.  M.  3.20 

Die  Schrift  ist  ein  Nebenergebnis  der  langjährigen  Studien  des  Verfassers  über  die  baby- 
lonisch-assyrische Religion.  Auf  Grund  von  zahlreichen  Auszügen  aus  den  betreffenden 
Keilschrifttexten  wird  die  babylonisch-assyrische  Deutungslehre  aus  Geburtsvorzeichen 
dargestellt,  und  zwar  erstreckt  sich  diese  Lehre  sowohl  auf  Tiergeburten  wie  auf  Er- 
scheinungen bei  Menschengeburten.  Sodann  geht  der  Verfasser  liber  zu  einer  Unter- 
suchung der  kulturhistorischen  Bedeutung  dieser  Geburtsvorzeichenlehre  und  weist  nach, 
daß  Nachklänge  in  den  weitverbreiteten  Anschauungen  über  Monstrositäten  als  Monstra, 
d.  h.  also  Zeichen  von  den  Göttern  gesandt,  sowie  in  der  Annahme  von  Misch-  und  Fabel- 
wesen bei  Babyloniern,  Ägyptern,  Etruskern,  Griechen,  Römern,  ja  selbst  im  fernen  Osten 
zu  erkennen  sind.  Die  Schrift  wendet  sich  also  an  weite  Kreise  und  hofft  das  Interesse 
der  klassischen  Archäologen,  der  Orientalisten  und  der  Religionsforscher  für  das  behan- 
delte Problem  zu  erregen. 


XV.  Band  Die  Fragmente  der  griechischeü  Kultschriftsteller 

z.  Heft  ,  ,  ,      , 

herausgegeben  und  erläutert 

von  Alois  Tresp 

1914  Im  Druck 

Gesammelt  sind  in  dieser  Arbeit  die  Fragmente  aus  den  Schriften,  deren  Titel  mit 
griechischem  Kult  im  Zusammenhang  steht.  In  zweifelhaften  Fällen,  wie  bei  den  Schriften 
über  das  griechische  Orakelweseu,  war  der  Inhalt  der  Fragmente  maßgebend.  (Jedem Frag- 
ment folgen  die  wichtigsten  textkritischen  Bemerkungen ;  angeschlossen  ist  die  Literatur, 
die  auf  das  Fragment  sich  bezieht,  und  Bemerkungen  des  Verfassers,  sofern  etwas  Neues  hin- 
zuzufügen war.)  Die  Ergebnisse  der  Sammlung  sind  in  einer  Einleitung  zusammengefaßt. 
Im  Quellenregister  sind  sämtliche  Stellen  aus  den  Quellenschriftstellern  zusammengestellt, 
mögen  diese  direkt  ihi-e  Gewährsmänner  zitieren  oder  sachlich  mit  ihnen  übereinstimmen. 


Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 

Archiv  für  Religionswissenschaft 

Nach  Albrecht  Dieterich  unter  Mitwirkung  von  H.  Oldenberg, 
C.  Bezold,  K.  Th.  Preuß  in  Verbindung  mit  L.  Deubner 

herausgegeben  von  Richard  WünSCh. 

XVII.  Jahrgang.    1914.    Jährlich  4  Hefte  zu  je  etwa  10  Druckbogen.    Preis  M  18. — 

Das  «Archiv  für  Religionswissenschaft"  will  zur  Lösung  der  nächsten  und  wichtigsten  auf 
diesem  Gebiete  bestehenden  Aufgaben,  der  Erforschung  des  allgemein  ethnischen  Untergrundes 
aller  Religionen,  wie  der  Genesis  unserer  Religion,  des  Unterganges  der  antiken  Religion  und  des 
Werdens  des  Christentums  beitragen  und  insbesondere  die  verschiedenen  Philologien,  Völkerkunde 
und  Volkskunde  und  die  wissenschaftliche  Theologie  vereinigen.  Neben  der  I.  Abteilung,  die 
wissenschaftliche  Abhandlungen  enthält,  stehen  als  II.  Abteilung  Berichte,  in  denen  von 
Vertretern  der  einzelnen  Gebiete  kurz,  ohne  irgendwie  Vollständigkeit  anzustreben,  die  hauptsäch-B 
liebsten  Forschungen  und  Fortschritte  religionsgeschichtlicher  Art  in  ihrem  besonderen  Arbeits- 
bereiche hervorgehoben  und  beurteilt  werden.  Regelmäßig  kehren  in  fester  Verteilung  auf  vier 
Jahrgänge  zusammenfassende  Berichte  über  wichtige  Erscheinungen  auf  den  verschiedenen  Gebieten 
der  Religionswissenschaft  wieder.    Die  III.  Abteilung  bringt  Mitteilungen  und  Hinweise. 


U.  Fätz'sdie  Buchdr.  Lippert  &  Co.  G.  m.  b.  H.,  Naumburg  a.  d.  S. 


BL       fißlxgioniigesciiichtiiche  Versuche 
25       und  VorLrbeiten 

Bd.  15 
Heft  2 


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