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Full text of "Rheinisches Museum für Philologie"

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Rheinisches  Museum 


für 


PHILOLOGIE 


HeraiiBgegeben 


von 


Otto  Ribbeck  und  Franz  Buecheler. 


Nene  Fol^e. 


Neun  und  dreissigster  Band. 


Mit  drei  Tafeln. 


Frankfiirt  am  Main, 

Verlag  von  Johann  David   Sanerlander. 

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Museum 


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PHILOLOGIE 


Herausgegeben 


Ton 


Otto  Ribbeck  mh  Franz  Buecheler. 


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Neun  und  dreissigster  Band. 


Mit  drei  Tafeln. 


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Frankflirt  am  Hain, 

Verlag  Υοη  Johann  David  Sauerländer. 

1884. 


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Verzeichniss  der  Mitarbeiter 

von  Band  I — XXXIX  und  ihrer  Beiträge  von   Band  XXX  an, 


Herr  J.  L.  Aebi  io  Luxem 

H.  L.  Ahrens  in  Hannover  t  (XXXV,  578.  68i) 
Ε  Alberti  in  Kiel 
6.  Andresen  in  Berlin  (XXX,  506) 
H.  Anton  in  Ranmbnrg 
0.  Apelt  in  Weimar  (XXXV,  164.  XXXIX,  27) 

J.  Asbach  in  Bonn  (XXXV,  174.  XXXVI,  38.  XXXVII,  295) 

J.  Asebbacb  in  Wien 
L.C.M.  Anbert  in  Cbristiania  (XXXVI,  178) 

Th.  Anfirecbt  in  Bonn  (XXXV,  320.  XXXVII,  484) 
C.  Badbam  in  Sydney 

E.  Baebrens  in  Groningen  (XXX,  300.  463.  477.  627.  xxxi,  89) 

144.  254.  309.  002.  630.  638.  XXXII,  211.  H23.  328.  XXXIII,  313. 

C.  Baeumker  in  Breslau  (XXXIV,  64) 

F.  Banberger  in  Brannscbweig  t 
H.  Bartb  in  Berlin  t 

Tb.  Barthold  in  Altena  (XXXI,  313) 
J.  Bartscb  in  Stade 
A.  Baner  in  Graz  (XXXlX,  624) 
A.  Banmstark  in  Freibnrg  i.  Br.  t 
J.  Bannaek  in  Leipzig  (XXXVII,  472.  XXXVIII.  293) 

F.  Becber  in  Ufeld  (XXXVIL  576) 

G.  Becker  in  Bonn  (XXXVII,  642) 
J.  Becker  in  Frankfurt  a.  M. 

W.  A.  Becker  in  Leipzig  t 

J.  BelOCh  in  Rom  (XXXII,  227.  XXXIV,  117.   XXXIX,  34.  239) 

F.  Bender  in  Bftdingen 
0.  Benndorf  in  Wien 
Tb.  Bergk  in  Bonn  t   (XXXIV,  292.    XXXV,  244.    XXXVI,  87. 

XXXVII,  50.  298.  355.  XXXVIII,  526.  XXXIX,  607) 

J.  Bemays  in  Bonn  t  (XXXIII,  138.  232.  xxxiv,  6i5) 
0.  Bembardt  in  Lemgo 

A.  Biese  in  Kiel  (XXXVI.  322.  XXXVIII,  634) 

J.  P.  Blnsfeld  in  Koblenz 

Tb.  Birt  in  Harburg  (XXXII,  386.  XXXIII,  625.  XXXIV,  1.  509. 

XXXVIII,  197) 
F.  Blase  in  Kiel  (XXX,  481.  XXXII,  450.  XXXIII,  493.  XXXIV. 

160.    214.     XXXV,    74.    287.     XXXVI,    604.     XXXVII,    151. 
XXXVIII,  612) 

H.  Blass  in  Berlin  (XXX,  458  XXXI,  133) 
H.  Blftmner  in  Zflricb  (XXXIi.  118.  591.  XXXIV,  166) 
Η  Bonnet  in  Montpellier  (XXXII,  578.  XXXIV,  487) 
L  Bornemann  iu  Lübeck  (XXXIII,  600) 
F.  H.  Botbe  in  Leipzig  t 

R.  Bonterwek  in  Treptow  a.  d.  R. 
W.  Brambacb  in  Karlsrabe 
H.  Brandes  in  Leipzig 
J.  Brandis  in  BerÜn  t 
S.  Brandt  in  Heidelberg  (XXXIII,  630.    xxxiV,  575.    XXXVI, 

630.  XXXVIII,  603) 

L  Braun  in  Rom  t 
W.  Braun  in  Wesel  (XXXII,  68) 
L.  Breitenbacb  in  Raumbiii^ 


VI  Yerzeichniss 

Herr  F.  P.  Bremer  in  Strassimrg 

0.  Bmgman  in  Leipzig  (XXXII,  485) 
»       H.  Bnum  in  Iftiiclieii 

H.  Buchholtz  in  Berlin  (XXXII,  114.  XXXIII,  509) 

>  F.  Buecheler  in  Bonn  (XXX,  33.  436.  XXXII,  312.  318.  433. 
478.  479.  640.  XXXIII,  1.  271.  309.  489.  492.  640.  XXXIV, 
841.  623  639.  XXXV,  35.  69.  93.  279.  390.  495.  627.  631. 
XXXVI,  236.  329.  463.  478.  620.  XXXVII,  63.  226.  294.  321. 
516.  643.  XXXVIII,  132.  474.  476.  479.  507.  637.  640. 
XXXIX,  151.  168.  274.  315.  408.  568.  620) 

H.  Bnermaim  in  Berlin  (XXXII,  368) 

C.  Bnrsian  in  linohen  t 

9.  Bnsolt  in  Kiel  (XXXVII,  312.  637.   XXXVIII,  150.  307.  309. 
627.  629.  XXXIX.  478) 

1.  Bywater  in  Oxford  {XXX VII,  638.  XXXIX,  157) 
J.  Oftstr  in  larbnrg 

F.  Caner  in  Berlin  (XXXVI,  I3l.  XXXVIII.  470) 
W.  Glirist  in  Iftnelien  (XXXIII,  610.  XXXVI,  26) 

J.  Clasaen  in  Hambnrg 
W.  Clemm  in  Giessen  t  (ΧΧΧΠ,  462.  XXXIU,  318.  608) 

D.  Comparetti  in  Florenz 
J.  Conington  in  Oxford  f 
P.  Corssen  in  Jever  (XXXVI.  506) 

W.  CreceUos  in  Elberfeld  (XXX,  470.  XXXII,  632) 

0.  Cmsins  in  Leipzig    (XXXVII,  308.    XXXVIII,  307.    XXXIX, 
164.  581.  627) 

J.  G.  Cnno  in  Srandeni 

C.  Cnrtlns  in  Lftbeok  (XXXI,  288) 

E.  Cnrtlns  in  Berlin 

G.  Cnrtlns  in  Leipzig 
A.  Danb  in  Freibnrg  i.  B.  t  (XXXV,  56) 
H.  Dechent  in  Frankfart  a.  ■.  (XXXV,  39) 

W.  Deecke  in  Strassbnrg  (XXXVI,  576.   XXXVII,  373.   XXXIX, 

141.  638) 

H.  Deiter  in  Emden  (XXXVII,  314) 
H.  Dembnrg  in  Berlin 

D.  Detlefsen  in  Glftokstadt 

H.  Diele  in  Berlin  (XXX,  136.  172.  471.  XXXI,  1.  XXXII,  481. 
XXXIV,  487.  XXXVI,  343) 

A.  Dietzsch  in  Bonn  f 
K.  DUtkey  in  GOttingen 
W.  Dittenberger  in  BaUe  (XXXVI,  145.  463) 
H.  Dittrioh-Fabridns  in  Dresden 
9.  Dronke  in  Bonn  f 

H.  Droysen  in  Berlin  (XXX,  62.  281.  469) 
J.  9.  Droysen  in  Berlin  t 

F.  Dftbner  in  Paris  f 

H.  Dftntzer  in  KOln  (XXXIII.  638.  XXXIV,  245) 

F.  ?.  Dnhn  in  Heidelberg  (XXXVI,  127.  632) 

A.  Dnnoker  in  Kassel  (XXXI.  410.  XXXVI,  152) 

K.  Dziatzko  in  Breslan  (XXX,  141.    XXXI,  234.  370.    XXXIII, 

94.  XXXV,  305.  XXXVII,  261.  XXXIX,  339) 

9  ?on  Eckenbrecher  in  Berlin 

F.  Egenolff  in  Mannheim  (XXXV,  98.  564.  XXXVI,  490) 
C.  Egli  in  Zftrich 
A.  Emperins  in  Brannschweig  t ' 

G.  Engel  in  Berlin 
R.  Engelmann  in  Berlin 
1  Enger  in  Posen  t 


der  Mitarbeiter.  vii 

Herr     A.  Eissnor  in  WUnbarg  (XXX,  636) 
F.  Byssenhardt  in  HamDurg 
e.  Ftlttn  in  Barmen  (XXXIX,  26o) 
W.  FieUti  in  Stralsud  (XXXI,  304) 
C.  Θ.  Finhaber  in  Wiesbaden 
W.  Fischer  in  Oltweiler 

H.  Flach  in  Tübingen    (XXXII,  538.    XXXIY,  640.  XXXY,  191. 
XXXVI,  316.  624.  XXXVIII.  464) 

A.  Fleckeisen  in  Dresden 

R.  Foerster  in  Kiel  (XXX,  284.  316.  331.  466.  XXXII.  86.  XXXV, 
471.  XXXVII,  480.  483.  485.  XXXVIII,  421.  467.  633) 

Wend.  Foerster  in  Bonn  (XXXIII,  291.  639) 

Wilh.  Foerster  in  Duisburg  (XXXlV,  237.  XXXVI,  158) 

i.  Frlikel  in  Breslau  i  XXXIX,  159) 
A.  W.  Franke  in  Lingen 

J.  Frau  in  Berlin  t 

J.  Frei  in  Zfkrich 

J.  Freudenberg  in  Bonn  t 

J.  Freudenthal  in  Breslau  (XXXV,  408.  639) 
W.  Freund  in  Breslau 

J.  Frey  in  Itnster 

G.  ΜΛ  in  Höxter  (XXX,  278.  XXXI.  144) 

B.  Friederich  in  Hannover  (XXXVIII,  47i) 
L.  Friedl&nder  in  Königsberg 
H.  Fritssche  in  Leipzig  f 
W.  FrOhner  in  Paris 

J.  Froitxheim  in  Strassburg  (XXXII,  340) 

K.  Fuhr  in  Elberfeld  (XXXIII,  309.  325.  565.  XXXVII,  299.  468) 

A.  Funck  in  Kiel  (XXXIII,  615) 
R.  Gaedechens  in  Jena 

C.  SaUand  in  Strassburg  (XXXVII,  26) 
?.  Sardthausen  in  Leipzig  (XXXIX,  817) 
J  Seel  in  Leiden  t 

H.  Crelzer  in  Jena  (XXX,  230.  XXXII,  259.  XXXV,  514) 

E.  Gerhard  in  Berlin  t 
L  Gerlach  in  Farchim 

W.  Gilbert  in  Dresden  (XXXIX,  511) 
J.  Gildemeister  in  Bonn 

B.  Giseke  in  Schwerin 
C.  £.  GlAser  in  Breslau  t 

F.  Gioeckner  in  Strassburg  (XXXIII.   156.  316.    XXXIV,    140. 

XXXV,  484) 

H.  GloOl  in  Berlin  (XXXVII,  136) 

E.  GObel  in  Fulda 
H.  GOU  in  Schleiz 

K.  W.  GOtUing  in  Jena  t 

G.  GoetZ  in  Jena  (XXX,  1 62.  XXXI,  341.  477.  635.  XXXIII,  145. 
XXXIV,  52.  496.  603.  XXXV,  481.  XXXVII,  141) 

Th.  Gomperz  in  Wien  (XXXII,  475.  XXXIV,  154) 
0.  Goram  in  Danzig 

D.  GrOhe  in  Goldberg  i.  Schi. 

E.  Grosse  in  Tilsit 
R.  Grosser  in  Wittstock 

G.  F.  Grotefend  in  Hannover  t 

F.  Gustafsson  in  Helsingfors  (XXXIII,  480) 
A.  von  Gutschmid  in  Tübingen  (XXXI,  632.  XXXVII,  548) 

F.  Haase  in  Breslau  t 

H.  Hagen  in  Bern  (XXXIII,  159.  XXXlV,  501.  XXXV,  m% 
K.  Halm  in  nnchen  f  (XXXI,  534) 


νιπ  Yerzeichoiss 

Herr      F.  Haiiow  in  Zflllicliaa 
R.  Hanow  in  Zftlilchaii  t 

F.  Haussen  in  Leipilg  (XXXVII,  252.  XXXYIII,  222) 
K.  Hartfelder  in  Karlsruhe  (XXXYI,  227) 
J.  Haseumftller  in  Trier  t 
H.  Haupt  in  Wftnburg  (XXXIV,  377.  507) 
1.  Haupt  in  Berlin  t 
F.  Hauthal  in  Frankenhausen  t 
F.  Heerdegen  in  Erlangen  (XXXVIII,  120.  245) 
F  Heidenhain  in  Marien  wer  der  (XXXI,  349) 
F.  Heimsoeth  in  Bonn  t 
W.  HelMg  in  Rom  (XXXIV,  484) 
H.  J.  Heller  in  Beriin 
0.  Hense  in  Freiburg  i.  Br.  (XXXI,  582.  xxxii,  489.  xxxix, 

359.  521) 

W.  Henxen  in  Rom  (XXXIII,  488) 
R.  Heroher  in  Berlin  t 
K.  F.  Hermann  in  Göttingen  t 
6.  ?.  HertUng  in  ■fluchen  (XXXIX,  44(i) 
H.  Hertz  in  Breslau  (XXXIII,  635) 
W.  Hertzberg  in  Bremen  t 
H.  ?an  Herwerden  in  Utrecht  (XXXV,  456.  529    XXXVII,  24 1) 

E.  Herzog  in  Tflbingen 

F.  Hettner  in  Trier  (XXXVI,  485) 
H.  Heydemann  in  Halle  (XXXVI,  465.  617.  XXXVlil,  3ii) 
£.  Heydenreich  in  Freiberg  i.  S.  (XXXI,  639.  XXXII.  134.  140. 

XXXlIf,  479) 

G.  Heylbut  in  GOttingeu  (XXXiX.  157  3io) 

E.  HUler  in  Halle  (XXX.  68.  XXXI,  76.  XXXI 11,  518.  XXXVI, 
312.  XXXVII,  567.  XXXIX,  321) 

H.  Hirzel  in  Leipzig  t 

R  Hirzel  in  Leipzig  (XXXIX,  169) 

F.  Hitzig  in  Heidelberg  t 
H.  J.  Höfher  in  Mainz 

W.  Hoerschelmann  in  Dorpat  (XXXV,  373.  XXXVI,  260.  464) 

E.  Hoirtnann  in  Wien  (XXXIX,  47i) 

A.  Holm  in  Palermo 

L.  Holzapfel  in  Leipzig  XXXVII,  448.  XXXVIII,  631) 

K.  Hopf  in  Königsberg  t 

E.  Hflbner  in  Berlin 

k.  Hug  in  Zflrich  (XXXII,  629) 

Th  Hug  in  Zflrich 

F.  Hultsoh  in  Dresden 
E.  Huschke  in  Breslau 

W.  Ihne  in  Heidelberg 

■.  Isler  in  Hamburg  (XXX1 1,  812) 

K.  Jacoby  in  Danzig  (XXX,  555) 

0.  Jahn  in  Bonn  t 
L.  F.  Janssen  in  Leiden  t 

L  Jeep  in  Königsberg  (XXX,  1.  XXXVI,  351.  XXXVII,  425) 

C.  Jessen  in  Berlin 

C.  John  in  Stuttgart  (XXXI,  ^01 ) 

H.  Jordan  in  Königsberg 

H.  Jungblut  in  Halle  (XXXVIII,  394) 

E.  Jungmann  in  Leipzig  (XXXII,  564) 

6.  Kaibel  in  Greifswald  (XXXIV,  181) 

A.  Kalkmann  in  Bonn  (XXXVII,  897.  xxxix,  56 1) 

M.  ?on  Kar^^an  in  Graz 
K.  L.  Kayser  in  Heidelberg  t 


der  Mitarbeiter.  ix 

Herr     H.  Keck  in  Hosrai 
H.  KeU  in  Halle 
K.  Kell  in  Schnlpforte  t 
R.  Keknio  in  Bonn  (XXXIX.  481) 
L  Keller  in  Mtiister 

0.  KeUer  in  Prag  (XXX,  12S.  S02.  XXXI,  140.  XXXII,  327.  487. 

XXXIII,  V22.  XXXIV,  147.  384    498) 

A.  Kiessllng;  in  fireifswald  (XXXII,  636) 
6  Kiessllng  in  Berlin  t  (XXX.  477.  XXXI,  137) 
F.  Kindscher  in  Zerbst 
A.  Kirchhoff  in  Berlin 
L  Ε  Kirchner  in  St.  Petersburg  (XXXIX,  309) 

J.  Klein  in  Bonn  (XXX,  288.  mr  XXXI,  297.  465.  639.  XXXIII, 
128.  XXXIV,  142.  XXXV,  154.  317.  490.  684.  XXXVI,  634. 
XXXVII,  274) 

K.  Kietn  in  lainx  t 
A.  Klette  in  Insterburg 
A.  Klttgmann  in  Rom  t 

E.  Klassmann  in  Rndolstadt  (XXX,  144) 
A.  Knötel  in  Slogan 

H.  A.  Koch  in  Schnlpforte  t  (XXX.  7t^.  34<>.  479.  637.  XXXI,  475. 
XXXII,  97) 
Th.  Kock  in  Berlin  (XXX,  898.     XXXII,  lOl.    XXXV,  264.  488. 
XXXVIl,   130.  292.  XXXIX,  118) 

R.  Köhler  in  Weimar 

U.  Köhler  in  Athen  (XXXIX.  293) 

F.  Koepp  in  Biebrtch  (XXXIX,  209) 
P.  Kohlmann  in  Emden  (XXX,  819.  475.  634.  XXXI,  802) 
0.  Korn  in  Ratibor  t 

J.  Kranss  in  Köln  t  (XXXi  •Η2ΐ.  ΧΧΧΠ,  823) 
6.  Krflger  in  Görliti 

K.  Kmmbacher  in  Mflnchen  (XXXIX,  348.  478) 
E.  Kuhn  in  Dresden 
K.  Lachmann  in  Berlin  t 

Th.  Ladewig  in  Renstrelitz  t 
K.  Lange  in  Jena  (XXXV,  iio) 
L  Lange  in  Leipzig  (XXX,  128.  296.  350) 
P.  Langen  in  Mflnster 
H.  Langensiepen  in  Siegen 
9.  Lanbmann  in  Ittnchen 
K.  Lehrs  in  Königsberg  t  (XXX>  Ol) 
F  Lenormant  in  Paris  t 

F.  Leo  in  Rostock  (XXXIII,  189.400.  XXXV,  286.  431  XXXVIII, 
1.  811.  317.  XXXIX,  470) 

L  Lersch  in  Bonn  t 
E.  ?on  Lentsch  in  fiöttingen 
J.  W.  Löbell  in  Bonn  t 
?.  Lörs  in  Trier  t 
e.  Löwe  in  Göttingen  t   (XXX,  616     XXXI.  5Γ..    XXXllI,  631. 

XXXIV.  52    181.  138.  491.  624.  XXXVIII,  815.  479) 

A.  Lowinsld  in  Dentsch-Crone 

H.  Lnckenbaoh  in  Rom  (XXXVI,  808) 

A.  Lndwich  in  Königsberg  (XXXIM.  i60.  XXXIII,439.  XXXIV. 

857    619.  XXXV,   298.  473.  497.  XXXVI,  196.  804.  464.  628. 
XXXVIl,  206.  484.  XXXVIII,  103.  870) 

>  £.  Lftbbert  in  Bonn 

>  Chr  Lfttjohann  in  Kiel  (XXXVIl,  496) 
»        J.  lähly  in  Basel 

>  W.  larckscheflTel  in  Elrschherg  f 


χ  Yeneiobmes 

Herr     F.  lartii  in  Posen  f 

F.  Marx  in  Darmstadt  (XXXIX,  65) 
F.  latranga  in  Rom  f 

A.  lau  in  Rom    (XXXVI,  326.  XXXYII,  319) 

Th.  laurer  in  Darmstadt 

E.  Hehler  in  Zwolle 
P.  J.  Meier  in  Braraschweig  (XXXVII,  343) 

C.  leiser  in  IftnolieB 

F.  Heister  in  Breslau 
R.  Meister  in  Leipiig  (XXXVII,  312) 
L.  lendelssoliii  in  Dorpat  (XXX,  Ι1θ.  419.  631.    XXXI,  201. 

XXXII,  249.  XXXVI,  302.  XXXVIII,  126) 

L.  lereklin  in  Dorpat  t 
R.  Merkel  in  Ctnedllnbirg 
£.  Meyer  in  Leipxig  (XXXVI,  120.  XXXVII,  610) 
W.  Meyer  in  Minclieii  (XXXI II.  238) 
9.  Meynoke  in  Rom 
i.  MichaeUs  in  Strassbarg  (XXXIV,  i49) 

A.  Mommseii  in  Schleswig 
Th.  Mommsen  in  Berlin 
T^.  Mommsen  in  Frankfurt  a.  M. 

C.  von  Morawski  in  Krakan  (XXXIV,  370) 
J.  H.  Mordtmann  in  Constantinopel 
L.  Morsbach  in  Bonn  (XXXI,  567) 
R.  Morstadt  in  Schaifhansen 

E.  MtUer  in  Zittau 

F.  W.  Müller  in  Breslau 
H.  Mflller  in  BerUn 

K.  K.  MttllerinWftraburg(XXXVI,  145.  XXXVIII,  454.  XXXIX,  467) 

L.  MftUer  in  St.  Petersburg  (XXX,  6I8.  XXXI,  805.  476) 

0.  Mflller  in  Berlin 

H.  MOller-StrIlbing  in  Undon  (XXXIIl,  78) 

W.  Mnre  in  Galdwell  in  Schottland  f 

B.  Wake  in  Berlin 

P.  Ratorp  in  Marburg  (XXXVIII,  28) 
i.  Ranck  in  St.  Petersburg 

K.  J.  Reumann  in  HaUe  (XXXV,  301.  485.  XXXVI,  155) 

B.  Riese  in  Breslau  (XXXII,  267.  XXXIV,  137    XXXVIII,  567) 

F.  Rietzsche  in  Rasel 
K.  Ripperdey  in  Jena  t 
H.  Rissen  in  Ronn 

G.  W.  Ritzsch  in  Leipzig  t 
K.  W.  Ritzsch  in  Rerlin  t 

F.  Dehler  in  Halle  t 
Th.  Dehler  in  Frankfurt  a.  M.  t 

J.  Olshausen  in  Rerlin  f 
Th.  Opitz  in  Dresden 

F.  Osann  in  Glossen  f 

H.  OsthoflT  in  Heidelberg  (XXXVI,  481.  XXXVII,  152) 

J.  Overbeck  in  Leipzig 

H.  Paldamus  in  Greifswald  t 
Th.  Panofka  in  Berlin  f 

E.  Patzig  in  Leipzig  (XXXVn,  67) 

C.  FonPaucker inRe?alt (XXXV,586.  XXXVII,556.  XXXV1II,312) 
R.  Peiper  in  Breslau  (XXXI.  183.  XXXII,  561) 
H.  Peter  in  Heissen 
K.  Peter  in  Jena 

Ch.  Petersen  in  Hamburg  t 

i.  PhiUppi  in  Glossen  (XXXIV,  609.  XXXV,  607.  XXXVI,  245.  472) 


der  Mitarbeiter.  xi 

Herr     £.  Philipp!  in  Berlin  f 
W  Piersoii  in  Berlin 
L.  Preller  in  Weimar  t 
Th.  Presse!  in  Paris 
K.  Prien  in  Lübeck 
R.  Prinz  in  Mftnster  (XXX,  129) 
K.  Th.  Pyl  in  firelfswald 
A.  Rapp  in  Stuttgart 
R.  Ranchenstein  in  Aaran  t 
G.  Regis  in  Breslau  t 
A.  Reifferscheid  in  Breslau 
G.  Rettig  in  Bern  (XXX,  139) 
F.  Reuss  in  Wetzlar  (XXXVl,  161.  XXXVill,  148) 

0.  Ribbeck  in  Leipzig  (XXX,  145.  316.  626.  638.  XXXI,  381. 
465.  614.  XXXIl,  I.  308.  325.  445.  627.  XXXlil,  434.  478. 
XXXV,  105.    XXXVi,  116.  321.   XXXVil,  54.  417.  631.  628. 

XXXVIII,  450.  XXXIX,  315.  629) 
W.  Ribbeck  in  Berlin  (XXXI1I,300  456.  XXXV,  469.  610.  XXXVI, 

132.  XXXVIII,  471) 

F.  Richter  in  Rastenburg  f 

6.  Richter  in  Jena 

0.  Richter  in  Berlin 

J.  Rieckher  in  Heilbronn  f  (XXXIII,  307) 

A.  Riese  in  Frankfurt  a.  ■.  (XXX,  133. 320.  XXXI,  446.  XXXII, 

319.  320.  XXXIV,  474.  627.  640.  XXXVI,  206.  473.  XXXVIII, 
154.  XXXIX,  46«) 
F.  Ritschi  in  Leipzig  t  (XXX,  428.  480.  XXXI,  481.  530) 

F.  Ritter  in  Bonn  t 
A.  Römer  in  mnchen  (XXXIX,  491) 

H.  ROnsch  in  Lobenstein  (XXX,  449.  478.  XXXI,  148.453.  XXXII, 
142.  XXXIV,  501.  632) 

E.  Rohde  in  Tttbingen  (XXX,  269.  XXXI,  137.  148.  473.  477.  629. 
XXXI I,  327.  329.  488.  638.  XXXIII,  lül.  622.  638.  XXXIV, 
153.  260.  561.  620.  XXXV,  157.  309.  479.  XXXVI,  380.  524. 
XXXVII,  146.  465.  XXXVIII,  251.  301.  XXXIX,  161) 

W.  H.  Röscher  in  letssen 
L.  Ross  in  Halle  f 

K.  Rossberg  in  Horden  (XXXVIII,  152) 
K.  L.  Roth  in  Basel  t 

F.  ROhl  in  Königsberg  (XXX,  26. 135.  320.  XXXIl,  327.  XXXIV, 
593.  XXXVI,  11) 

H.  Sauppe  in  Göttingen 

J.  Savelsberg  in  Aachen  t 

K.  Schaarschmtdt  in  Bonn 

A.  Schaefer inBonnt(XXXin,418.605.XXXIV,616. XXXVIII,310) 

0.  Schambach  in  Mühlhausen  i.  Th.  (XXXI,  308) 

M.  Schanz  in  Wttrzburg  (XXXII,  483.  XXXIII,  303.  614.  XXXIV, 
132.    XXXVI,  215.  362.    XXXVII,    139.    XXXVIII,  138.  305. 

XXXIX,  3ia) 
E.  Scheer  in  Plön  (XXXVI,  272.  442.  640) 
A.  Scheuchzer  in  Zflrich 

Α  W.  ?on  Schlegel  in  Bonn  t 
A.  Schleicher  in  Jena  t 

A.  Schmidt  in  Parchim  (XXXl,  558) 

B.  Schmidt  in  Freiburg  i.  Br.  (XXXI,  273.  XXXlll,636.  XXXIV, 

106.  XXXVI,  1) 

Je.  Schmidt  in  Berlin 
Ju.  Schmidt  in  Athen  t 
Leop.  Schmidt  in  Marburg  (XXXi,  471) 


xn  Yerzeicfanise 

Herr     1.  Schmidt  in  Jena 

0.  Schmidt  in  Dresden  (XXXV,  313) 

W.  SchmitS  in  Köln  (XXX.  124.  302.  455.  XXXI,  287.  631.  XXXIII, 
321.  XXXVIl,  817) 

9.  Schneider  in  Gera 

0.  Schneider  in  Gotha  t 
R.  Schneider  in  Duiebnrg 

F.  W.  Schneidewin  in  Göttingen  t 

F  Scholl  in  Heidelberg  (XXXI,  469.  XXXII.  145.  XXXllI,  481. 
XXXIV,  «4.  630.  XXXV,  543.  (»30.  XXXVIl,  124) 

A.  Schöne  in  Göttingen 

F.  G.  Schöne  in  Stendal  t 

H.  Schrader  in  Hamburg 

Th.  Schreiber  in  Leipzig  (XXXl,  219) 

P.  Schroeder  in  London  (XXXV,  336) 

J.  H.  Schobart  in  Kassel 

J.  Schnbring  in  Lübeck 

F.  Schnltess  in  Hamburg  (XXXlII,  221) 
Α  Schultx  in  Breslan  (XXX,  528) 

E.  Scholle  in  St  Fetersborg  (XXX,  120.  XXXV,  483) 
P.  Schuster  in  Leipiig  t 
L.  Schwabe  in  Tflbingen  (XXXIX,  476) 

E.  A.  Schwanbeck  in  Köln  t    . 

K.  ScLwenck  in  Frankfurt  a.  1.  r 

H.  Schwenger  in  Aachen 

1.  Seebeck  in  Jena  t 

0.  Seeck  in  Greifswald  (XXXVIl,  i.  598) 
K.  Seeliger  in  Dresden  <XXXI,  176) 
H.  Seume  in  Göttingen  (XXXVIl,  636) 

1.  SeyflTert  in  Berlin  t 

W.  Sieglin  in  Leipiig  (XXXVIII,  348.  XXXIX,  162) 

0.  Sievers  in  Brannschweig 

K.  Sintenis  in  Zerbst  t 

J.  Sitiler  in  Baden  (XXXIII,  301.  613) 

J.  Sommerbrodt  in  Breslau  (XXX,  456.  XXXI,  129.  XXXV1,314. 

XXXVIl,  299.  XXXIX,  630) 

L.  Spengel  in  Hüneben  t 

A.  Stachelscheid  in  London  (XXXV,  812.  633.  XXXVI,  157.  a24) 

J.  ■.  Stahl  in  Münster  (XXXVIII,  143.  XXXIX,  307.  458.  466) 

Tb.  Stangl  in  Hünchen  (XXXIX,  23 1.  428.  566) 

L.  Stephan!  in  St.  Petersburg 

H.  Steuding  in  Gotha  (XXXI.  133) 

J.  Steup  in  Freiburg  i.  Br.  (XXXIII,  250.  XXXV,  3ji.  640) 

J.  Stich  in  Zweibrücken  (XXXVI,  175) 

J.  Strange  in  Köln 
Th.  Struve  in  St.  Petersburg 
W.  Studemund  in  Strassburg 

G.  Studer  in  Bern 
W.  Subkow  in  Moskau  (XXX,  <»29.  XXXI,  300) 

F.  Susemihl  in  Greifswald  (XXXIV,  134.  XXXV,  475.  486) 
G  TeichmtiUer  in  Dorpat  (XXXIII,  3io.  XXXVI,  309) 

F.  Teufel  in  Karlsruhe  (XXX,  142) 

W.  Teuffel  in  Tübingen  t  (XXX,  317   320.  47i.  477.  619.  632.  640) 
fl.  Tiedke  in  Berlin  (XXXIII,  580.  XXXIV,  6:25.  XXXV,  474) 

G.  Thilo  in  Heidelberg 
G.  Tbudichum  in  Büdingen  t 
A.  Torstrik  in  Bremen  t 
L.  Traube  in  München  (XXXIX,  467.  477.  630) 
F.  Ueberweg  in  Königsberg  t 


der  Mitarbeiter.  xm 

Herr  9.  ühlig  in  Heidelberg 
H.  R.  Ulrichs  in  Athen  f 
G.  F.  ünger  in  Wftrxbsrg  iXXXiV,  90.    XXXV,  l•.    XXXVI.  50. 

XXXVIl,  103.  63G.  XXXVIII.  157.  481) 

L  Urlichs  in  Wflrzbirg  (XXXI,  493.  XXXIII,  150) 
Ε  Usener  in  Beim  (XXX,  182.   XXXIV,  388.  508.   XXXV,  131. 
XXXVIl,  479) 

J.  fahlen  in  Berlin 

i.  von  Felsen  in  Athen  t 
F.  A.  ?on  Felsen  in  Giere 

A.  Tiertel  in  Königsberg  (XXXVI,  150) 

W.  Tischer  in  Basel  t 
J.  Th.  YOmel  in  Frankfurt  a  ■.  t 

9.  Folgt  in  Lelpsig  (XXXVI,  474) 

M.  Folgt  in  Leipzig  (XXX,  123.    XXXI,  105.  149.    XXXUI,  150 
483.  XXXVI.  477) 

Cr.  Tolkmar  in  Zflrich 

A.  Tollmer  in  Düren  (XXXII,  614) 
C.  A.  Tolqnardsen  in  MtUngen  (XXXIII,  538) 
C.  B.  Tolqnardsen  in  Schleswig  t 

H.  Wachendorf  in  Reoss 

C.  Wachsmnth  in  Heidelberg  (XXX,  448.  640.  XXXIV,  38.  156. 

159.    161.    334.    480.    614.     XXXV,  448.  4^.     XXXVI,  697. 
XXXVIl.  506.  XXXIX,  468) 

J.  Wackemagel  in  Basel  (XXXI,  432) 
F.  W.  Wagner  in  Breslan  t 
W.  Wagner  in  Hamburg  t 

R.  Wecklein  inPassan  (XXXIII,  115.307.316.  XXXV,  152.631. 
XXXVI,  135.  XXXVIl,  630.  XXXVIII.  136) 

W.  Wohle  in  Schleswig  t 

A.  Weidner  in  Dortmnnd 

6.  Weigand  in  Bromberg 

H.  Weil  in  Paris 

F.  WeinkanflT  in  KUn 

0.  Weise  in  Eisenberg  (XXXVIII,  540) 

P.  WeixsAckerinLndingsbnrg(XXXIl,28XXXIII,364.XXXV,350) 
F.  6  Welcker  in  Bonn  t 

J.  Wellhansen  in  Halle  (XXXI,  153) 

H.  Welzhofer  in  Mflnchen  (ΧΧΧΠ1.  620) 

£.  Westerbnrg  in  Barmen  t  (XXXVIl,  35.  XXXVIII,  92) 
F.  C.  Wex  in  Schwerin  f 

A.  Wiedemann  in  Bonn  (XXXV,  364.  XXXVIII,  384) 

A.  Wilmanns  in  CfOttingen 

W.  Wilmanns  in  Bonn 

£.  WOlfflin  in  Mttnchen  (XXXVII,  s3.  XXXIX.  156) 

9.  Wolff  in  Berlin  t 

M.  WollseiflTen  in  Krefeld 

P.  Wolters  in  Berlin  (XXXVIII,  97) 

F.  Weltmann  in  Breslau  t 

9.  Wustmann  in  Leipzig 

K.  Zangemeister  in  Heidelberg  (XXX.  309.   XXXUI,  322.  462. 

XXXIX,  634.  635.  636) 

E.  Zamcke  in  Leipzig  (XXXIX,  i) 
K.  F.  Zeyss  in  Karienwerder 
L.  Ziegler  in  München 
Th.  Zielinski  in  St.  Petersburg  (XXXVIII.  625.  XXXIX,  78.  30i) 
W.  Zlpperer  in  Wfirzburg  (XXXI.  627) 
J.  Zlindel  in  Bern  t 
A.  W.  Zumpt  in  Berlin  t 

H.  imrborg  in  Zerbtt  f  (XXXVIII,  464) 


Inhalt. 


Seite 

Coniectanea.    Soripsit  F.  Buecheler 274 

Hesiod's  μ€γάλαι  Ήοΐαι  bei  Pausanias.    Von  A.  Ealkmann  561 

Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker.    Von  Th.  Kock  ..  118 

Griechisches  Epigramm  aus  Aegypten.    Von  F.  Buecheler  151 

Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  Von  A.  Roemer  491 
Zur   Geschichte   der  Aristotelischen  Politik   im  Mittelalter. 

Von  G.  Freiherr  von  Hertling 446 

Exegetisch-kritische  Anmerkungen   zu  den  Fragmenten  des 

Antigonos  von  Earystos.    Von  ü.  Κ  ο  eh  1er 293 

Ein  Lehrgedicht  des  Plutaroh.    Von  O.  Crusius 581 

Zu  Sextus  Empiricus.    Von  0.  Apelt 27 

Die  Reihenfolge  der  Eklogen  in  der  Vulgata  des  Stobäischen 

•Florilegium*.    Von  0.  Hense 359.  521 

Beiträge  zur  griechischen  Litteraturgeschichte.  Von  E.  Hiller  32 1 

lieber  Entelechie  und  Endelechie.    Von  R.  Hirzel 169 

Ueber  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener.  Von  J.  M.  Stahl  458 
lieber  die  ταμ(αι  und  das  Archontenjahr  des  Themistokles. 

Von  Th.  Bergk 607 

Zui'  Finanzgeschichte  Athens.    Von  J.  Beloch 34.  239 

Ueber  die  syrischen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier  und  den 
Bruderkrieg  des  Seleukos  Kallinikos  und  Antiochos  Hierax. 

Von  F.  Koepp 209 

Ueber  die  Anordnung  der  Figuren  im  Ostgiebel  des  Zeus- 
tempels zu  Olympia.  (Mit  einer  Tafel.)  Von  R.  Kekule  481 
Der  Feueranbiäser  und  der  Dornauszieher.  (Mit  zwei  Tafeln.) 

Von  Th.  Zielinski 73 


InhAli.  χγ 

Seite 
Parallelen  zur  Entfahrungegeschichte  im  Milee  glorioeus.  Von 

£.  Zarncke 1 

Handschriftlichee  zu  Terenz.    Von  K.  Dziatzko 339 

Beiträge  zur  Textkritik  des  Martial.    Von  W.  Gilbert....  511 

Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden  I— III. 

Von  Th.  Stangl 231.  428.  666 

Ein    neuer  Codex    der   Grammatik    des  Dositheus.    Von  K. 

Krumbacher 348 

Animaduersiones  criticae  in  Scipionis  Aemiliani  historiam  et 
C.  Gracchi   orationem  aduersus  Scipionem.    Scripsit  F. 

Marx 66 

Zu  den  Berichten  des  Polybius  und  Livius  über  die  Schlacht 

am  trasimenischen  See.     Ton  G.  Faltin 260 

Altes  Latein.    Von  F.  Buecheler 408 

Oskische  Helmaufschrift.     Von  Demselben 558 

Die  Bleitafel  von  Magliano.     Von  W.  Deecke 141 


Miseellen. 

Litterarhistorisches. 

Die  Epoden  des  Archilochus.    Von  £.  Wölfflin 156 

Der  Tod  des  Kratinos.     Von  Th.  Zielinski 301 

Die  αποφθέγματα  rCtiv  επτά  οοφών  des  Demetrios  in  der 
Wiener  Apophthegmen- Sammlung.    Von   C.  Wachs- 

muth 468 

Reinesius  über  Timokles  den  Teratologen.    Von  0.  Cru• 

s  i  u  s 627 

Der  Wettstreit  des  Laberius  und  Syrus.     Von  £.  Hoff- 
mann    471 

Phaedrus  doch   in  Pierien  geboren.    Von  L.  Schwabe  476 

Zum  Horaz-Commentar   des  Scaurus.     Von  K.  Zange- 

meister 634 

Zum  lateinischen  losephus.    Von  L.  Traube 477 

Nochmals  die  Klage  eines  ostgothischen  Professors.    Von 
F.  Β 168 

Handschriftliches. 

Zu  den  Aristoteles-Commentaren.    Von  G.  Heylbut..  312 

Eine   Lucianhandschrift   in   der   Bibliothek   zu    Upsala. 

Von  J.  Sommerbrodt 630 


XVI  Inhalt. 

Seite 

Zu  Polyän.    Von  K.  K.  Müller 467 

Zu  Proklos.     Von  L.  Traube 467 

Zur  üeberlieferung  der  Grammatik  des  Diomedes.    Von 

K.  Krumbacher 478 

Kritisch -Exegetisches. 

Coniectanea.     Scripsit  F.  Β 620 

Zu  Thukydides   und   Diodor  und  Herodian.     Von  J.  M. 

Stahl 307 

Piatonis   locus    correctus    (Phaed.    100   D).     Scripsit  J. 

By  water 167 

Zu  Piatons  Protagoras.    Von  J.  M.  Stahl 466 

Zur  Frage  über  die  (Glaubwürdigkeit  der  in  die  Demo- 
sthenischen  Reden  eingelegten  Urkunden.     Von  J.  £. 

Kirchner 309 

Zu  Theophrast.     Von  G.  Heylbut 167 

Ein  germanischer  Name  bei  Strabo.     Von  A.  Riese...  466 

Zu  Musonius  und  Sotion.     Von  G.  Heylbut 310 

Ueber  die  Quellen  der  in   die  Anabasis  des  Arrian  ein- 
gelegten Reden.     Von  A.  Franke  1 169 

Stichi  Plautinae  versus  Ambrosiani.  Scripsit  F.  Leo  .  470 
Ueber  die  Üeberlieferung  von  Ovid's   libellus  de  mcdi- 

camine  faciei.     Von  M.  Schanz 318 

Dialogus  de  or.  32.    Von  O.  Ribbeck   629 

Zu  Apuleius.    Von  L.  Traube 680 

Glossa.     Scripsit  0.  R ,       315 

Epigraphisch -Antiquarisches. 

Zu  den  griechischen  Köuigslisten.     Von  G.  Busolt....  478 

Die  Joner  in  der  Schlacht  bei  Salamis.    Von  A.  Bauer  624 

Nachtrag  zu  den  Scenica.     Von  E.  R  ο  h  d  e 161 

Der   Durchzug    Hannibals    durch    die    Posümpfe.     Von 

W.  Sieglin 162 

Die  Fabiani  in  der  Lupercalienieicr.  Von  0.  Crusius  164 
Zur  römischen  Topographie  (vita  Sept.  Severi  19).    Von 

K.  Zangemeister 686 

Zu  den  römischen  Itinerarien.     Von  Demselben 636 

Der  goldene  Fisch   von  Vettersfelde.     Von  V.  Gardt- 

hausen 317 

Oskische  Inschrift.     Von  F.  Β 316 

Etruskisches.     Von  W.  D e e cke 638 


Parallelei  zvr  Entfahrnngs^eechicbte  in  Miles 

glariasvs. 


t 

) 


\ 


Es  ist  ßclion  früher  von  Rohde  und  Bacher,  und  neuerdinge 
"nieder  von  Ribheck  (Alazon.  Ein  Beitrag  zur  antiken  Ethologie 
etc.    Leipzig  1882,  S.  72  fg.)  behufe  Vergleichung  mit  der  Fabel 
vom  Miles  Gloriosus  ein  Märchen  aus  1001  Nacht  herangezogen 
'norden,  *die  Geschichte  des  Gerbers  und  seiner  Frau*  (Breslauer 
Üebersetzung  Bd.  XIV,  S.  00—64,  89G.  Nacht.;    Textausg.  von 
Habicht  XI,  S.  140  fg.   mit  der  Ueberschrift :    'Geschichte  vom 
i'^^ischhauer,   seiner  Gattin  und  dem  Soldaten*),  in  welcher  mit- 
^^8t  eines  Wanddurchbruches  der  Ehegemahl  hinter's  Licht  ge- 
^^rt,  eines  Tages  betrunken  gemacht,  geschoren,  als  Türke  ver- 
^^eidet  und  in  eine  sehr  entfernte  Gegend  getragen  wird,  wo  er 
ei'Wacht,    sich  dann  selbst  einredet,    er  sei  ein  Türke,   sich  auch 
sofort  in    diese  Situation   hineinfindet   und   nach  Ispahan    davon- 
zieht.    Es    dürfte   wohl   der  Mühe  werth   sein,    hier  noch  einige 
weitere  Seitenstücke  vorzuführen,    von  denen   mehrere  auch  hin- 
sichtlich der  Vergleichung  mit  dem  plautinischen  Lustspiele  Neues 
zn  bieten  im  Stunde  sind  ^     Sehr  nahe  der  mitgetheilten  Erzah- 
iung  vom  Gerber  und  seiner  Frau  steht  ein  albanisches  Märchen  : 


*  Für  gütige  Mittheilungen   bin  ich  Herrn  Oberbibliothekar  Dr. 
Reinhold  Köhler  in  Weimar  zu  Dank  verpflichtet,  der  mich  unter  an- 
lerem  auf  die  weiter  unten  genannte  Publication  im  Archiv   für  Li- 
praturgeschichte  noch  vor  ihrem  Eracheiiien  aufmerksam  machte;    die 
eubneriftche  Verlagshandhin^  hatte  die  Güte,  mich  die  Aushängebogen 
nsehen  zu  laüsen.  —  Es  bedarf  übrigens  nicht  erst  der  ausdrücklichen 
merkung,    das«  im   Folgenden    eine    erschöpfende  Vollständigkeit  in 
•  Aufzählung  bei  einem  Stoffe  von  so  massenhafter  Verbreitung  nicht 
•estrebt  werden  konnte. 

lUolD.  Mii».  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX.  1  ^ 


2  Kd.  Zarncko 

*Der  Pope  und  seine  Frau' ^.     Ein  Kaufmann  hat  ein  Verhältnies 
mit  der  Frau  eineR  Popen,    der  im  Nebenhause  wohnt;    eine  ge- 
heime Thür    vermittelt   den  Verkehr.     Gemäsß   der  \^erabredung 
mit  seiner   Geliebten    ruft  der   Kaufmann    den  Nachbar    in    sein 
llauR,    um  Rieh  von  ihm  trauen  zu  laesen.     Dort.  Rieht  der  Pope 
seine  Frau  als  Braut   sitzen.     Zweimal    kehrt    er   zurück,    unter 
dem  Vorwande,    ein  Papier  vergessen  zu  haben,    aber  beidemale 
findet  er  seine  Frau  im  Bette  und   beruhigt   sich  endlich.     Beim 
Tlochzeiteschmause  macht  man  ihn  betrunken,   schneidet  ihm  den 
Bart  ab,  zieht  ihm  Lumpen  an,  steckt  ihm  PiRtolen  in  den  Gürtel 
und  trägt  ihn  an  den  Hof  zäun.     Er   erwacht   und   kann  sich  an- 
fangs durchauR  nicht  zurechtfinden:    da  sieht  er  fünf  bewaffnete 
>fiinner  vorbeigehen,  die  ihm  sagen,  flie  seien  Räuber.  *Auch  ich' 
sprach  der  arme  Pope,  'bin  ein  Räuber;  ihr  seid  fünf,  ich  einer, 
also  sechs*  -. 

Diesen  beiden  Geschichten  ist  noch  eine  dritte  an  die  Seite 
zu  stellen,  die  von  Prym  und  Socin  mitgetheilt  wird^  Es  ist 
ein  syrisches  Märchen,  worin  die  Frau  eines  reichen  Juden  ihren 
Mann  betrügt,  indem  sie  sich  mit  dessen  Freunde,  einem  armen 
Glaubensgenossen,  zu  thuu  macht.  Sie  läset  den  Armen  einen 
unterirdischen  Gang  graben,  durch  den  er  zuerst  die  Stute  seines 
Freundes  holt  und  diesem  zeigt,  dann  dasselbe  Spiel  mit  dem 
silberbeschlagenen  Schuh  der  Frau  Aviederholt.  In  beiden  Fällen 
wird  der  Ehemann  stutzig,  aber  da  die  Täuschungsobjecte  durch 
den  Gang  zu  rechter  Zeit  wieder  zurückgebracht  werden,  so  findet 
er  sie  unversehrt  an  Ort  und  Stelle  vor  und  beruhigt  sich. 
Schliesslich  lädt  der  Arme  den  Reichen  zum  Hochzeitsschmanse 
ein,  Λνο  die  Frau  des  Reichen  die  Rolle  der  neuen  Ehegattin  spielt. 
Der  Mann  sieht  nun  schleunigst  zu  Hause  nach,  ist  aber  vollständig 


^  Albanische  Märchen  übersetzt  von  Gustav  Meyer,  mit  Anmer- 
kungen von  Rcinhold  Köhler  im  Archiv  für  Literaturgeschichte  Bd.  XII, 
lieft  1,  S.  92—148,  Xo.  12;  vgl.  G.  Meyer  in  der  Wissensch.  Beilage 
zur  AUg.  Ztg.  1881  No.  801  S.  4427. 

-  Dieser  Zug,  sich  selbst  für  einen  anderen  zu  halten,  wie  im 
zuerst  erwähnten  Märchen.  Man  beachte  übrigens,  wie  in  dieser  Er- 
zähhing  sowie  in  mehreren  folgenden  diT  getäuschte  Ehemann  sich 
selbst  in  hervorragender  Weise  an  seiner  eigenen  Dupirung  betheiligt. 

^  Syrische  Sagen  und  Märchen,  aus  dem  Volksmundo  gesammelt 
und  ü]>orsetzt  von  Eugen  Prym  und  Albert  Socin  (2.  Theil  von:  Der 
neuaramaeische  Dialc;ct  u.  s  w.  Göttingen  1R81.  Text  das.  S.  25 — 27) 
Nu.  XI  S.  37—39;  vgl.  Meyer  und  Köhler  a.  a.  0.  S.  136. 


Parallelen  zur  Kntführuiigsgescluchtc  im  Miles  gloriosus.  3 

zufriedengeRtellt,  als  er  seine  Frau,  die  durch  den  Gang  hinüber- 
geeilt ist,  daselbst  vorfindet.  Nachdem  sie  unter  sich  noch  Weiber- 
gemeinschaft eingeführt  haben,  wird  zuletzt  bei  einem  Schmause 
in  des  Reichen  Wohnung  der  Wirth  Λ'οη  seinen  Gästen  betrunken 
gemacht,  vergiftet,  fortgetragen  und  begraben;  die  Frau  heirathet 
den  Andern^. 


*  Hier  mögen  noch  einigp  Beispiele  Platz  finden,  die  aus  ver- 
schiedenen Gründen  sich  nicht  wohl  in  den  Rahmen  der  oben  gege- 
benen Darstellung  fügten.  Zunächst  ein  Schwank  in  Lassberg's  'Lie- 
dersaal, das  ist:  Sammlung  alttcutscher  Gedichte.  Herausgegeben  aus 
ungedruckten  Quellen.  St.  Gallen  und  Konstanz  1840*  im  3.  Bd.  S.  5—16, 
betitelt:  Die  listigen  Weiber.  Drei  Frauen  finden  einen  Ring;  sie 
kommen  überein,  dass  diejenige  ihn  erhalten  solle,  die  ihren  Ehemann 
auf  die  listigste  Weise  betrogen  habe.  Es  ist  nun  die  Erzählung  der 
dritten  Frau,  die  hierher  gehört  (analysirt  bei  Lassberg  a.  a.  0.  S.  2 
und  3  und  bei  Liebreclit,  Zur  Volkskunde.  Alte  und  neue  Aufsätze, 
ücilbronn  1879,  S.  127—128):  Die  Frau  hat  ein  Liebesverhältniss  mit 
einem  Ritter,  der  im  Nachbarhausc  wohnt.  Unterstützt  von  einem 
Knaben  macht  sie  ein  Loch  unten  an  der  Wand  am  Ende  des  Bettes, 
am  die  Comraunication  herzustellen.  Da  überrascht  sie  der  Mann  eines 
Tages  bei  dem  Ritter.  Wüthend  geht  er  nach  Hause,  findet  seine  Frau 
und  wird  von  ihr  überredet,  er  müsse  sich  geirrt  haben.  —  Dieser 
Schwank  mag  vielleicht  seinen  Ursprung  von  der  weiter  unten  be- 
sprochenen Geschichte  in  den  7  Weisen  Meistern  herleiten.  Liebrecht 
a.  a.  0.  stellt  ihn  wegen  der  darin  vorkommenden  'täuschenden  Aehn- 
lichkeit*  mit  einem  französischen  Fabliau  zusammen,  das  freilich  unser 
Hauptmotiv  nicht  enthält:  Des  trois  dames  qui  trouverent  un  anel  (In: 
'Barbazan,    Fabliaux  et  contes  des  poetes   fran^is  des  XI,  XII,  XIII, 

XIV  et  XV  siecles Nouvelle  edition  eta  par  M.  M*'ion.   Paris 

1808  Bd.  III  S.  220-229  [aus  dem  Ms.  7218  der  Bibl.  Imp.]  analysirt 
bei  Legrand,  fabliaux  ou  contes  etc.  T.  IV,  p.  193—194,  und  bei  Lieb- 
recht  a.  a.  0.  S.  127).  Die  Frau  erzählt  (vs.  201—265  S.  220-228), 
dass  sie  sich  in  Gegenwart  ihres  Mannes  mit  ihrem  Liebhaber  habo 
trauen  lassen  (ein  Zug,  der  an  die  oben  angeführten  Parallelen  erin- 
nert), indem  sie  sich  für  die  Nichte  eines  anderen,  eines  gewissen 
Eustache,  den  mau  durch  Geld  gewonnen,  ausgegeben  habe.  —  Der  im 
WendoTimuth,  ΛΊΙ  164,  Bd.  IV,  S.  350  fg.  in  Oesterley's  Ausgabe  (Von 
einer  listigen  Ehebrecherin)  erwähnte  'heimliche  Gang',  durch  den  der 
Jjiebhaber  zu  der  Frau  gelangt,  spielt  in  dem  Schwank  sonst  keine 
Rolle  weiter  und  findet  sich  überhaupt  nicht  in  der  Erzählung,  die 
diesem  zu  Grunde  liegt:  Pantschatantra  I  4,  in  Benfey's  Ucluirsotzung 
Bd.  H,  S.  38  fg.,  wozu  die  Parallelen  anführt  Ooeterley  a.  a.  0.  Bd.  V, 
8.  177  fg.  —  Interessant  ist  sodann  noch  eine  Stelle  bei  Saxo  Gram- 
maticus,    dem   dänischon  Gpschichtsstihrribor  ans  dem   12.  Jahrhundert 


4  Kd.  Zarncke 

Die  Art  und  Weiee,  wie  man  «ich  des  unbequemen  Gatten 
entledigt,  war  in  den  bisherigen  Beispielen  theils  possenhaft  un- 
wahrscheinlich, theils  abstoRsend  roh :  wir  gelangen  nunmehr  zur 
verfeinerten  Wendung  der  listigen  Entführung.  Ein  römiechee 
Volksmärchen,  von  Busk  mitgetheilt,  möge  den  Anfang  machen  Κ 
Eine  Waise  mit  Namen  Graze  (Grazia),  heirathet  einen  häsBlichen 
buckligen  Schneider,  der,  auf  ihre  Schönheit  eifersüchtig,  sie 
einschliesst,  damit  sie  keinen  Menschen  ausser  ihm  selbst  sehe, 
ja  er  übertüncht  alle  Fenster,  um  auch  den  Ausblick  auf  die 
Strasse  zu  versperren.    Aber  er  hat  das  Fenster  in  einer  Rumpel- 


(beigebracht  von  Liebrecht,  zur  Volkskunde  S.  127),  in  der  Ausgabe 
von  Müller-Velschow,  Elavniae  1839  Bd.  I,  S.  220  fg.,  lib.V:  Der  König 
von  Norwegen,  Götarus,  wird  auf  diese  Weise  von  Ericus,  einem  seiner 
Mannen  und  späterem  König:  von  Schweden,  und  Gunvara,  der  Schwester 
des  Königs  Frotho  III.  von  Dänemark,  hintergangen.  Sie,  die  er  noch 
soeben  in  seinem  Hause  verlassen  hat,  gewahrt  er  in  des  Ericus  Be- 
hausung neben  diesem  sitzen.  Da  gibt  sie  sich  für  eine  Schwester  der 
(runvara  aus.  Der  König  überzeugt  sich  davon,  dass  Gunvara  noch 
im  Xebenhause  verweilt,  und  ist  von  einer  solchen  Achnlichkeit  äusserst 
betroffen.  —  Woher  nun  Saxo  seine  Erzählung  nahm,  ist  zur  Zeit  nicht 
festgestellt.  Dahlmann  (Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte, 
Altona  1822  Bd.  I,  S.  237—263)  hält  das  ganze  fünfte  Buch  für  haupt- 
sächlich aus  isländischer  Quelle  geflossen  und  nicht  zu  jenen  alten 
Sagen  gehörig,  die  Saxo  sonst  zu  benutzen  pflege;  Velschow  a.  a.  O. 
Bd.  II,  S.  161  fg.  hält  die  Geschichte  vom  Ericus  für  eine  im  Mittel- 
alter ad  aures  titillandas  erfundene  Erzählung,  und  unsere  Episode  be- 
treffend setzt  er  hinzu:  Quid  dicamus  de  ea  qua  Ericus  Goetherum 
fefellit,  arte,  quae  quidem  in  fahula  sceniea  risum  movere,  vix  autem 
olim  in  septentrione  locum  habere  potuit,  vel  ob  hanc  unam,  ut  caetera 
omittamus,  rationem,  quod  pro  solita  aedificiorum  ligneornm  conditione 
trirlinia  numquam  ita  fuerint  constructa,  ut  unum  altcri  esset  conti- 
guum?  AufTällig  ist  es  besonders,  dass  sich  Gunvara  für  ihre  Schwester 
ausgibt,  ein  Zug,  den  wir  neben  Plautus  nur  noch  in  der  Geschichte 
des  Gerbers  und  seiner  Frau  vorfinden.  Sollen  wir  doch  auf  eine  alte 
Sage  schliessen,  die  Saxo  überlieferte,  oder  war  ihm  gar  das  plauti- 
nische  Stück  bekannt?  (Sicher  festgestellt  ist  nur  die  Benutzung  von 
Valorius  Maximus  und  Marcianus  ('apella;  vgl.  Klotz  in  seiner  Ausg. 
Leipzig  1771  S.  49  fg.)  Immerhin  konnte  vom  Niederrhein  odor  dem 
Documatenlande  her  diese  Episode  ins  Volk  gedrungen  sein.  —  Uebor 
den  pro vcn galischen  Roman  de  Flamenca  siehe  weiter  unten. 

^  The  Folk-Lore  of  Romo  coUected  by  word  of  mouth  from  the 
people  by  R.  II  Busk.  London  1874,  S.  309—403  betitelt:  The  good 
Grace  of  the  hunchback  (Anm.  1:  La  Buona  Grazia  del  Gobbo),  vgl. 
Meyer-Köhler  a.  a.  0. 


Parallelen  zur  Entführaogsgeschichte  im  Miles  gloriosue.  5 

kammer  vergessen,  und  eo  gelingt  es  ihr  sieb  mit  einem  jungen 
Manne,  den  sie  im  Hofe  sieht,  zu  verständigen.  Dieser  wohnt 
nebenan  und  durch  beiderseitige  Arbeit  wird  nun  ein  Loch  in  der 
Wand  zu  Stande  gebracht,  das  auf  der  Seite  der  Wohnung  des 
Schneiders  durch  ein  Bild  verdeckt  wird.  Sie  schlüpft  hinüber, 
und  der  neue  Geliebte  lässt  von  besagtem  Schneider  für  sie  ein 
Kleid  machen.  Beim  Anprobiren  stutzt  der  Bucklige,  läuft  in  sein 
Haus  und  findet  seine  Frau  natürlich  dort,  welcher  er  von  der 
eigenthümlichen  Aehnlichkeit  erzählt.  Sie  erlangt  von  ihm,  dass 
sie  bei  der  Abreise  des  Paares  vom  Fenster  aus  zusehen  darf, 
stellt  aber  statt  ihrer  eine  Puppe  hin.  Der  Abschied  ist  scherz- 
haft, der  Ehemann  geht  bereitwillig  in's  Gram.  Der  Entführer 
fragt:  You  give  me  your  good  Grace?  (mi  date  la  vostra  buona 
^razia),  und  der  Betrogene,  hocherfreut,  dass  ein  vornehmer  Herr 
80  höflich  mit  ihm  redet,  bejaht  es  mehrere  Male,  und  als  der 
Fremde  sagt:  Then  give  me  your  band  upon  it,  gibt  er  ihm  die 
Hand  darauf.  Man  reist  ab,  der  Schneider  geht  hinauf,  erhält 
von  der  Puppe  begreiflicher  Weise  auf  keine  Frage  Antwort  und 
prügelt  sie  —  da  entdeckt  er  den  Streicht  Zornig  wendet  er 
eich  an  den  Richter,  aber  zwei  Stallknechte  bezeugen,  dass  er 
durch  Handschlag  seine  Buona  Grazia  an  den  Fremden  abge- 
treten hat. 

Ein  türkisches  Märchen  reiht  sich  hier  an^:  'Das  mit  List 
gefreite  Mädchen'  von  Radioff  betitelt.  Nach  dem  wunderlichen 
Eingange,  den  ich  übergehe,  nimmt  der  uns  interessirende  Theil 
damit  den  Anfang,  dass  ein  Jüngling  sich  in  ein  Bild  verliebt. 
Er  begibt  sich  in  die  Stadt  des  Originals  und  hört  daselbst  von 
einer  Alten,  an  die  er  sich  wendet,  dass  dieses  Mädchen  jeden 
Freitag  auf  dem  Wasser  eine  Kahnfahrt  unternehme.  Er  ver- 
kleidet sich  nun  als  Mädchen,  fährt  der  jungen  Dame  auf  einem 
Brett  entgegen,  fällt  in's  Wasser  und  wird  gerettet.  Er  wird  Gesell- 
schafterin im  Hause  des  Fürsten,  des  Vaters  des  Mädchens,  entdeckt 
ihr  sein  Geheimniss  und  erhält  von  ihr  Anweisung,   nach  Hause 


^  Dieser  Zug  auch  in  einem  venetianischen  Volksmärchen  bei 
Widter- Wolf-Köhler  im  Jahrbuch  für  rem.  und  engl.  Literatur  VII, 
S.  148  fg.,  No.  11:  Der  Teufel  heirathet  drei  Schwestern. 

2  Proben  der  Volksliteratur  der  türkischen  Stämme  Südsibiriens, 
gessLUimelt  und  übersetzt  von  Dr.  W.  Radloff".  St.  Petersburg  1872.  IV. 
Theil  Uebersetzung  S.  393—397.  IV.  Theil.  Text  S.  316—319  (a.  u.  d. 
T.:  Die  Sprachen  der  türkischen  Stämme  Südsibiriens  etc.  L  Abthlc:.). 


6  £d.  Zarncke 

zurück  ζ akehreD  und  einen  unterirdischen  Gang  in  ihre  Wohnung 
zu  graben.  Dann  lädt  er  den  Vater  zur  Mahlzeit  ein,  und  dieser 
beschlieset,  ihm  jene  vermeintliche  Gesellechafterin  seiner  Tochter 
zur  Gattin  zu  geben.  Die  Tochter  erklärt,  sie  in  des  Fremden 
Haus  senden  zu  wollen,  kommt  aber  selbst.  Der  Vater  glaubt 
seine  Tochter  zu  erkennen  und  macht  in  der  bekannten  Weise 
die  Probe;  dann  spricht  er  den  Trausegen  über  die  Beiden.  Er 
begleitet  sie  bei  der  Abreise  noch  eine  Strecke  Weges;  als  er 
aber  zurückkommt  und  den  ihm  gespielten  Streich  entdeckt,  schickt 
er  dem  Entführer  eine  Schrift  nach  mit  den  Worten:  ^Du  hast 
meine  Tochter  mit  List  entführt ,  und  erhält  von  ihr  die  Antwort 
zurück:  Ό  Vater,  nach  Deinem  eigenen  Willen  hast  Du  mich 
gegeben*. 

Aehnlich  diesen  beiden  Volksmärchen  ist  eine  als  elegante 
Novelle  sich  präsentirende  Kairener  Stadtgeschichte,  die  uns  in 
einer  der  1001  Nacht  sich  nennenden  Traditionen  erhalten  ist, 
die  Erzählung  von  Eamaralsaman  und  der  Frau  des  Juweliers^. 


^  Mit   dem  Milcs  gloriosus    in  Bezug  auf  den  Durebbruch   der 
Wand  verglichen   von  Loiscleur  Deslongchamps,    essais  8ur  les   fahles 

indiennes  et  sur  leur  iniroduction  cn  Europe Paris  1838  S.  ItiO 

Anm.  und  von  d'Ancona  in  der  Ausgabe  der  Novelle  di  Giovanni  Ser- 
cambi  Bologna  1871  (=  Scelta  di  curiositä  lettcrarie  inedite  ο  rare  dal 
sccolo  XIII  al  XVII,  Diepensa  CXIX)  S.  285.  —  Abgedruckt  zuerst 
deutsch  in:  Der  Tausend  und  eine  Nacht  noch  nicht  übersetzte  Mär• 
üben,  Erzählungen  und  Anecdotcn,  zum  ersten  Male  aus  dem  Arabischen 
in's  Französische  übersetzt  von  Joseph  von  Hammer,  und  aus  dem 
Französischen  iu's  Deutsche  von  Aug.  E.  Zinserling,  Professor.  Stutt- 
gart und  Tübingen  1823.  1824.  8  Baude.  Die  hier  im  Titel  erwähnte 
llammer*sche  Uebersetzung  ging  im  Jahre  1820  bei  der  Uebcrscndung 
nach  London  verloren,  und  Hammer  Hess  nun  wenigstens  die  deutsche 
Afterübersetzung  erscheinen.  Erst  im  Jahre  1828  veranlasste  er  den 
Franzosen  Trebutien  zu  einer  abermaligen  Uebersetzung  aus  dem  ara- 
bischen Urtexte:    Contes  incdits  des    mille   et   une  nuits,    extraits   de 

l'üriginal   arabe  par  M.  I.  de  Hammer,  chevalier traduits  en 

franyais  par  M.  G.-S.  Trebutien.  Paris  1828.  3  Bände.  Ueber  die  Hand- 
schrift gibt  uns  der  Ucbersetzer  Auskunft:  'On  doit  ajouter,  que  ce 
manuscrit,  ecrit  au  Caire  l'au  1217  de  Thegire  (1797)  par  lo  scheikh 
Ibrahim  Alanssari,  et  qui  appartient  aujourd'  hui  a  M.  le  comte  Rzwuski, 
est  Ic  plus  complet,  que  Ton  connaisso'  (ebd.  S.  VI).  Unsere  Geschichte 
führt  dort  den  Titel:  Histoire  de  Kamar-Al-Zcman  et  de  la  femme  du 
joaillier  (962 — 978  Nacht.).  Ich  füge  hinzu,  dass  sich  dieselbe  Erzäh- 
lung mit  geringen  Abweichungen  und  unter  der  Uebcrschrift:  Zeitmond 
und  Morgenstern,    auch  vorfindet  in:    Tausend   und  eine  Nacht.    Ära- 


Parallelen  zur  Entführuugsgesdiiubte  im  Miles  gloriosus.  7 

Sie  ist  von  vielen  Zuthaten  umwüben;    ich    suche   mich    an    die 
Hauptsachen  zu  halten. 

Kamaralsaman  (d.  i.  Mond  der  Zeit),  der  Sohn  eines  Kauf- 
mannes, wird  durch  die  Erzählung  eines  Derwisches,  der  in  Bassra 
eine  Dame  von  ausnehmender  Schönheit  gesehen  hat,  von  einer 
derartigen  Leidenschaft  zu  der  Unbekannten  ergriffen^,  dass  er 
beschliesst  sie  aufzusuchen.  Diese  Dame,  Halima  genannt,  die 
Gattin  des  Juweliers  Asti-Obeid,  hat  vom  Kalifen  die  Erlaubniss 
erlangt  allwöchentlich  am  Freitag  einen  Umzug  in  der  Stadt  zu 
halten:  wer  sich  dann  auf  der  Strasse  blicken  läset,  verfällt  dem 
Tode.  Aber  Kamaralsaman  sieht  sie  doch  und  rettet  sich.  Durch 
die  Kathschläge  einer  Barbiersfrau  gelingt  es  ihm  nun,  sich  der 
Frau  zu  nähern.  Nach  erreichtem  beiderseitigen  Finverständniss 
bezieht  der  Jüngling  ein  Nebenhaus,  und  die  treulose  Grattin  lässt 
eine  Oeffnung  in  die  trennende  Wand  machen,  auf  beiden  Seiten 
durch  einen  Schrank  verdeckt.  Jetzt  beginnt  das  Spiel  mit  dem 
unglücklichen  Juwelier.  Zunächst  schleppt  die  Frau  alle  Eeich- 
thümer  ihres  Mannes,  Möbel  u.  s.  w.  zu  ihrem  Geliebten  hinüber, 
unter  anderen  Sachen  auch  einen  kostbaren  Dolch:  diesen  zeigt 
Kamaralsaman  dem  Freunde,  mit  dem  Bemerken,  er  habe  ihn 
jemand  abgekauft,  der  sich  gerühmt  habe,  ihn  von  seiner  Geliebten 
erhalten  zu  haben,  die  ihn  ihrem  Manne  entwendet.  Die  Unter- 
suchung des  Misstrauischen,  der  offen  nichts  zu  sagen  wagt,  er- 
gibt natürlich  das  bekannte  Kesultat:  der  Dolch  ist  an  Ort  und 
Stelle.  Am  anderen  Tage  wird  dieselbe  Komödie  mit  einer  Uhr 
gespielt,  ja  als  der  Juwelier  einst  seinen  Freund  besucht,  muss  er 
seine  eigenen  Möbel  in  dessen  Wohnung  erblicken.  Nun  verkleidet 
sich  die  Frau  als  Sclavin,  lässt  sich  von  ihrem  Geliebten  dem 
Manne  vorführen,  auch  bei  ihrem  richtigen  Namen,  Halima,  nennen 
und  sich  taxiren.     Aber  auch  hier  beruhigt  sich    der  Arme,    als 


tische  Erzählungen.    Zum  crsteumale  aus  dem  Urtext  vollständig  und 

^^•tiu  übersetzt  von  Dr.  Gustav  Weil  4.  Auflage  1871  (1.  Auflage  1837j. 

^^^  richte  mich  nach  der  französischen  Uebersetzung,  da  sie  einerseits 

'Qi•   den  vorliegeudeii  Zweck  geeigneter  erscheint,   und  ich  andererseits 

^ou    <Jem  von  Weil  benutzten   Originale   keine  klare  Vorstellung   habe. 

^    XJrtext   ist  die  Erzählung  gedruckt  u.  a.  in  der  Ausgabe  der  1001 

^^^-Ut  von   Bistany  Beirut   1880—1882  Imprimerie    des   belles    lettros. 

^•    ^arkis,  4  Bände,  im  IV.  Band,  S.   1577—1608  (963.  bis  978.  Nacht). 

^  Dieser  Zug,  sowie  der  folgende,  den  Umzug  am  Freitag  betrcf- 

Λ*^>  JÄ  auch  die  Frau  als  Vermittlerin  erinnern,  wenn  auch  nicht  in 

^^^^^ter  Uebereinstimmung,  deutlich  au  das  türkische  Märchen. 


8  £d.  Zarnoke 

er  seine  Frau,  freilich  ebenso  gekleidet,  mit  denselben  Diamanten 
geschmückt,  in  seinem  Hause  sieht.  Man  schreitet  jetzt  zur  Flucht: 
der  Abschied  ist  rührend ;  die  Juweliersfrau  nimmt  noch  die  Ge- 
legenheit wahr  ihre  Sclavin  mitzunehmen,  und  glucklich  erreicht 
das  edle  Paar  die  Grenze  von  Aegypten.  Der  Ausgang  gehört 
nicht  mehr  hierher:  der  Erzähler  lässt  noch  die  Nemesis  walten, 
die  untreue  Gattin  büsst  ihre  Schuld  mit  dem  Tode. 

Wir  nähern  uns  jetzt  mehr  dem  Miles  Gloriosus.  In  den 
beiden  Parallelen,  die  ich  noch  aufführen  will,  ist  der  Schauplatz 
der  Handlung  der  Meeresstrand,  die  Entführung  geschieht  zu 
Schiffe.  An  die  Erzählung  vom  Kamaralsaman  und  der  Juweliere- 
frau schliesst  sich  leicht  das  griechische  Volksmärchen:  Die 
Goldschmiedin  und  der  treue  Fischerssohn ^  wie  Hahn  es  be- 
nennt. Auch  bei  dieser  Geschichte  sind  die  vielen  Zuthaten  zu 
übergehen  und  nur  das  Wesentliche  hervorzuheben.  Ein  Eönigs- 
sohn,  der  mit  seinem  Gefährten,  einem  Fischerssohne,  durch  die 
Welt  reist,  hört  in  einer  Stadt  von  der  Frau  eines  Goldschmiedes, 
Mie  mit  der  goldenen  Krone  auf  dem  Kopfe  am  Fenster  sitzt  und 
mit  dem  goldenen  Apfel  spielt^',  sie  sei  schöner  als  alle  anderen, 
und  jeder  stimmt  diesem  Dictum  bei.  Da  ergreift  den  Jüngling 
heisse  Liebe  zu  der  Unbekannten^  und  er  verzehrt  sich  in  stillem 
Gram.  Der  treue  Fischerssohn  aber  miethet  ein  Haus  in  der 
Nähe  und  lässt  von  dort  aus  eine  Höhle  graben,  die  zu  dem  Hause 
des  Goldschmiedes  führt.  Sieben  Stockwerke  hoch  wohnt  die 
Dame,  und  sieben  Pforten  führen  zu  ihnen,  zu  denen  allein  der 
Goldschmied  die  Schlüssel  hat^.  Der  Fischerssohn  gelangt  nun 
hinauf  und  lässt  sich  von  der  Goldschmiedin  den  Goldapfel  geben, 


^  Griechische  und  albanesische  Märchen.  Gesammelt,  üliersetzt 
und  erläutert  von  J.  G.  von  Hahn,  Leipzig  1864.  2  Bände.  Bd.  I,  S.  201 
bis  208;  vgl.  auch  Bd.  II,  S.  228  fg. 

2  Hahn  erinnert  an  Hephäst  und  Aphrodite;  vgl.  Kohdc,  Gr.  Rom. 
S.  46,  Anm.  3.  —  Das  Verlieben  nur  auf  Hörensagen  hin  wie  im  Mär- 
chen von  Kamaralsaman.  Die  *  Goldschmiedin'  ist  wohl  auch  kein  Zu- 
fall gegenüber  der  'Juwelicrsfrau'    in  1001  Nacht. 

3  Diese  'sieben  Stockwerke*  sind  eine  ganz  unwahrscheinliche 
Zuthnt.  Sic  können  nicht  zur  ursprünglichen  Erzählung  gehören ;  schon 
deshalb  nicht,  weil  man  sich  von  einer  Höhle  bis  in  das  oberste 
dieser  Stockwerke  wohl  kaum  einen  vollkommenen  Begriflf  wird  machen 
können.  Die  weiter  unten  angeführte  Erzählung  in  den  Sieben  weisen 
Meistern  bietet  eine  sehr  passende  Parallele ;  dort  ist  auch  keine  Rede 
von  sieben  Stockwerken. 


Parallelen  zur  EntführuDgsgeecbichte  im  Miles  gloriosas.  9 

angeblich  um  eich  einen  ähnlichen  machen  zu  lassen.  Als  er  dem 
Goldschmied  den  Apfel  zeigt,  stellt  dieser  sofort  zu  Hause  die 
nöthigen  Recherchen  nach  dem  seinigen  an,  der  natürlich  schon 
wieder  an  seinem  Platze  ist;  mit  demselben  Erfolg  wird  dann 
die  goldene  Krone  zur  Dupirung  des  Mannes  benutzt.  Der  Fischers- 
Bohn  überredet  nunmehr  die  Frau  zur  Flucht  und  stellt  ihr  den 
wirklichen  £ntfuhrungsuandidaten  vor,  der  ihr  sofort  ebenfalls  recht 
ist,  und  am  Abend  wird  sie  auf  das  Schiff  gebracht.  Der  Gold- 
schmied, als  Hochzeitsgast  auf  dem  Schiffe  anwesend,  erblickt 
seine  Frau,  läuft  sofort  zurück  und  findet  sie  ganz  ruhig  im  höchsten 
Stockwerke  sitzend,  die  Krone  auf  dem  Haupte,  bei  ihrer  gewöhn- 
Hchen  Beschäftigung,  mit  dem  Apfel  zu  spielen.  Der  Mann  kehrt 
zurück,  eilt  aber  wieder  nacli  Hause,  kehrt  abermals  zurück  und 
eilt  zum  dritten  Male  nach  Hause  ^.  Endlich  bleibt  er  da  und 
hält  die  Brautkronen  über  sie  und  über  den  Prinzen.  Die  Liebenden 
fahren  ab,  und  der  Goldschmied,  nach  Hause  gekommen,  reisst 
sich  die  Augen  aus.  Der  Schluss  ist  wieder  ganz  ohne  Zusammen- 
bang mit  unserer  Fabel:  die  Liebenden  haben  noch  manche  Ge- 
fahren zu  bestehen,  ehe  Alles  zu  einem  guten  Ende  geführt 
wird. 

Den  Beschluss  möge  eine  Erzählung  bilden,  die  dadurch, 
dase  sie  in  den  Rahmen  einer  grösseren  aufgenommen  wurde,  mit 
dieser  die  gesammte  civilisirte  Welt  durchwandert  hat,  die  soge- 
nannte Inclusa  in  der  occidentalischen  Version  der  Geschichte 
von  den  Sieben  Weisen  Meistern^.  Vor  der  Reproduction  dieser 
Erzählung  jedoch  und  ihrer  Verfolgung  durch  die   verschiedenen 


^  Es  ist  unnatürlich,  dass  die  Frau  mitten  aus  der  Hochzeits- 
gesellschaft auf  dem  Schiffe  dreimal  davon  geht ;  das  musste  doch  auf- 
fallen, ganz  abgesehen  davon,  dass  die  'Höble'  von  einem  Hause  auf 
dem  Lande  und  nicht  vom  Mceresstrande  ausgeht.  In  der  Geschichte 
der  7  Weisen  Meister  wird,  einmal  auf  dem  Schiffe  angelangt,  nicht 
wieder  aufs  Land  zurückgegangen.  Und  nun  denke  man:  dreimal 
vom  Meeresstrande  sieben  Stockwerke  hinauf  und  hinunter,  ein  höchst 
unwahrscheinlicher  Laufschritt.  Das  müsste  ja  ein  wahres  Wettrennen 
gewesen  sein. 

2  Der  Name  'Inclusa'  ist  jetzt,  wie  auch  die  übrigen  lateinischen 
Namen  für  die  anderen  Erzählungen,  allgemein  acceptirt.  Verglichen 
mit  dem  plautinischen  Lustspiele  bei  Loiseleur  Deslongchamps,  a.  a.  0. 
S.  160  Anmerkung;  Keller,  li  romans  des  sept  sages,  Tübingen  1836, 
S.  CCXXVII;  Derselbe,  Diocletians  Leben  von  Hans  von  Bühel,  Quedlin- 
burg und  Leipzig  1841,  S.  C2;  Dunlop's  Geschichte  der  Prosadichtungen 
übertragen  von  Liebrecht,  Berlin  1851,  S.  197  u.  a. 


10  £d.  Zarncke 

Kedactionen  jenes  WerkeH  sei  es  gestattet,  den  Zusammenhang 
und  die  wechselseitige  Abhängigkeit  derjenigen  Traditionen,  welche 
die  Inclusa  enthalten,  so  wie  ich  sie  nach  der  von  mir  gewonnenen 
Orientirung  glaube  annehmen  zu  dürfen,  kurz  wiederzugeben. 

i)er  ursprünglichen  orientalischen  Tradition^  gehört  unsere 
(fCHchichte  nicht  an*"^.  Erst  im  Occident,  wo  die  sieben  weisen 
Meister  verschiedentlichen  Umformungen  unterzogen  wurden,  ist 
sie  —  und  zwar  in  den  meisten  dieser  Bearbeitungen  —  dem 
Kahmen  der  Haupterzählung  eingefügt^. 

Die  älteste  Gestalt  dieser  occidentalischen  Bearbeitungen 
liegt  uns  vor  in  einer  französischen  Kedaction  in  Versen  ** ;    von 


^  Der  Ursprung  ist  bekanntlich  indisch ;  vgl.  Brockhaus,  Die  Sie- 
ben Weisen  Meister  von  Nachschebi,  Leipzig  1845,  S.  7  und  8;  Behr- 
nauer,  Die  Vierzig  Veziere  oder  weisen  Meister,  Leipzig  1851,  S.  IX  fg.; 
Sengelniann,  das  Bueh  von  den  sieben  weisen  Meistern  u.  s.  w.,  Halle 
1842,  S.  1  fg. ;  Keller,  Li  Romans  des  sept  sages,  Tübingen  1836,  Ein- 
leitung. 

2  Die  von  Keller  S.  CGXXVII  angeführte  Geschichte  vom  Lie- 
benden im  Kasten  (in  den  Sieben  Vczieren,  Breslauer  Uebersctzung  XV, 
S.  207—210)  hat  mit  unserer  Intriguc  nichts  zu  thun;  vgl.  Loiseleur 
a   a.  0.  S.  160  Anm. 

3  Vgl.  Mussafia,  Beitrage  zur  Literatur  der  sieben  weisen  Meistor, 
•  Wien  1868    (aus  dem  Octoberhefte  des  Jahrgangs   1867   der  Sitzungs- 

beriehte  der  phil.-hist.  Klasse  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften 
[LVII.  Bd.  S.  37]  besonders  abgedruckt).  M.  thcilt  die  occidentalischen 
Traditionen  (abgesehen  von  der  sogenannten  Versio  Italica)  nach  der 
Anordnung  der  Erzählungen  in  drei  Ilauptgruppcn,  von  denen  die 
erste,  Filia-Noverca  (so  benannt  nach  zwei  dieser  Redaction  eigen- 
thümlichen  Erzählungen),  für  uns  in  Wegfall  kommt,  da  sie  die  In- 
clusa nicht  enthält.  Wir  haben  es  zu  thun  mit  den  drei  Gruppen  der 
Familie  Roma-Inclusa  und  der  Gruppe  Amatores.  Ueber  die  Ueber- 
lieferung  im  Allgemeinen  vgl.  hauptsächlich  die  Vorreden  bei  Keller, 
s.  8.  und  Diocl.  Leben,  sowie  die  in  den  neueren  Ausgaben  von  d'Au- 
cona  u.  a.  In  der  folgenden  Darstellung  citire  ich  jedesmal  die  von 
mir  benutzte  Ausgabe;  wo  ich  keine  einsehen  konnte,  fühi'e  ich  die 
älteste  niii*  bekannte  an  und  setze  hinzu,  wo  ich  sie  citirt  gefun- 
den habe. 

■*  Hrsg.  von  Keller  in  dem  schon  erwähnten  Buche,  Tübingen 
1836,  nach  der  Pariser  Hs.  No.  7595  kl.  fol.  Ende  13.  Jahrh.  Sie  ist 
'die  älteste  vollständig  erhaltene  Bearbeitung  des  Buchs  in  einer  mo- 
dernen Sprache  und  lieprt mittelbar  oder  unmittelbar  den  meisten 

späteren  europäischen  Bearbeitungen  zu  Grunde',  ebenda  S.  XLIII.  (Ich 
sehe  vorläuiig  von  Herbert's  Dolopathus  ab,  der  ganz  verschieden  von 


Parallelen  zur  £ntfübning8gescbichte  im  Miles  gloriosus.         11 

ihr  sind  ganz  üder  theil weise  mehrere  (ebenfalls  französische) 
Prosabearbeitungen    abhängig  ^.      Eine    dieser    Prosaredactionen  '^ 

unserem  Gedicht  ist),  lieber  die  franzÖHisohen  Bearbeitungen  vgl.  Deux 
redactious  du  roman  des  sept  sagcs  de  Rome  publiees  par  Gastuu  Paris. 
Paris  1876,  prefaoe;  über  die  weiteren  Hss.  in  Versen  siehe  ebenda. 

^  Z.  B.  die  erste  von  den  beiden  lledactiouen  bei  Paris  a.  a.  0. 
S.  1-54  aus  dem  Ms.  5Ü3G  (früher  9ü75i3)  der  Bibi.  Nation.,    sodann 
das  Ms.  2137  (früher  7974;  vgl.  G.  Paris  a.  a.  0.  S.  V,  Anm.  1),    aus 
dem  Leroux  de  Lincy  bei  Loiseleur  a.  a.  0.  Extraits  veröfifentlicht  hat 
als  Ergänzung  zu   dem  daselbst  abgedruckten  Roman  des   sept  sages 
(aus  dem  Ms.  1U166,  früher  Saint- Germain  1672,  vgl.  G.  Paris  a.  a.  0.), 
welcher  von  der  X^ersredaction  abweicht  und  zur  Scala  coeli  steht,  mit- 
hin   die  Inclusa    nicht  enthält   und   für   uns    in  Wegfall  kommt,    und 
schliesslich  Hss.  mit  dem  Titel:  Histoire  de  la  male  (oder  de  la  fausse) 
raarrastre,  worüber  vgl.  Paris  a.  a.  0.  S.  XXIll  fg.,  Leroux  bei  Loise- 
leur S.  XXIV  und  XXV.     Es  gibt,    um  dies  kurz  zu  erwähnen,   über- 
liaupt  zwei  französische  Redactionen,    welche  wesentlich  von  der  Vers- 
redaction  abweichen  und  der  Inclusa  entbehren.     Es   sind  die  folgen- 
den:   1)  Die  oben  genannte,  zur  Scala  coeli  stehende,  L  bei  G.  Paris, 
ausser  der  schon  erwähnten  Hs.  noch  durch  drei  Hss.  vertreten   und 
2)  eine  aus  L  und  Α  (=  Ms.  2137)  combinirte,  vgl.  Paris  a.  a.  0.  S.  XXUI, 
der  drei  Hss.  aufzählt.    Nichtfranzösische  Redactionen  ohne  die  Inclusa 
sind  1)  eben  jene  Version  in  der  Scala  coeli  des  Joannes  Junior  (erste 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts),  der  ersterwähnten  französischen  entspre- 
chend,   worüber    vgl.   Karl  Goedeke,    Liber  de  septem   sapientibus  in 
Benfcy's  Orient  und  Occident  III,  S.  397  fg.  und  A.  Mussafia,  Beiträge 
u.  s.  w.  S.  83  fg.    2)  Eine  mit  dieser  Version,    wie  Mussafia  a.  a.  0. 
i$.  84  fg.  zeigt,    innig  zusammenhängende  in  der  Summa  recreatorum. 
3)  Die  Version,  wie  wir  sie  in  dem  grössten  Theile  derjenigen  Hss.  der 
Oesta  Romanoruni  finden,    in  welche  die  S.  W.  M.  Aufnahme  gefunden 
babeu.    Doch  machen  hiervon   folgende  Hss.  eine  Ausnahme  und  ent- 
baltcn   die    Inclusa:    Von    latein.   Hss.:    a)    God.  Vindobon.    12449   fol. 
Bl.  95a— 149a,  XV.  Jahrh.  (In  Oesterley's  Ausgabe  der  lat.  Gesta,  S.  132  fg. 
Oe.  erwähnt  als  Νυ.  58:    'Königin  im  Thurm*,   und  dies  muss  die  In- 
clusa sein,  da  alle  übrigen  Umstände  es  bezeugen.)  Von  deutschen  Hss.: 
^)  Cod.  Vindob.  2937   quart.   Bl.  1  — 106b,  XV.  Jh.    (Oest.   S.  220  fg.). 
c)  Cod.  Berolinensis  germ.  59  fol.  Bl.  l-72a,  XV.  Jh.  (Oest.  S.224fg.). 
^^  Cod.  Carlsruh.  germ.  74  quart.  Bl.  48-181  b,  v.  J.  1448  (weil  nach 
"^'8t.  S.  230  mit  Berol.  germ.  59  übereinstimmend).  Diese  vier  Reproduc- 
^^Heii  der  S.  W.  M.  sind  natürlich  unmittelbar  theils  der   lateinischen 
®*ls  der  deutschen  Version  entlehnt,  bieten  also  weiter  kein  Interesse 
^iese,  die  ich  unten  bespreche.     4)  [Der  lat.  Dolopathos]. 
,  ^  Jene  erwähnte  Redaction  zum  Theil  von  Leroux  a.  a.  0.  abge- 

^^clct  (aus  dem  Ms.  2137  früher  7974),  die  in  ihrer  ersten  Hälfte  zu 
'^=^  der  Version  ähnlich  der  in  der  Scala  coeli  etc.),  in  ihrer  zweiten 
^  (=  der  französischen  Versrcdaction)  steht,  von  G.  Paris  A.  ^eüwixA»• 


12  Ed.  Zarncke 

ist  die  Grundlage  der  engliechen  Vereiunen,  einer  Italien iecbeo, 
und  der  lateininchen  historia  septem  sapientura  Rumae  ^,  eowie 
der  historia  caluniniae  novercalis  geworden.  In  England  gehen  die 
hiernach  gemachten  Bearbeitungen  in  gebundener  Rede  ^  solchen 
in  Prosa ^  voran;  im  Jahre  1560  übersetzte  John  Rolland  das 
Werk  in  schottische  Verse"*  und  1599  ward  es  von  Thomas  Decker 
draraatisirt  **.  Die  italienische  Bearbeitung  ist  in  Prosa  abgefasst®, 
ebenso  bekanntlich  die  historia  septem  sapientum^  und   die  bist. 


*  Dase  nicht  der  französische  Text,  wie  man  früher  allgemein 
annahm,  den  lateinischen  zum  Vorbilde  hat,  sondern  dass  umgekehrt 
die  lateinische  Historia  septem  sapientum  auf  der  französischen  Prosa- 
rcdaction  (A)  beruht,  hat  G.  Paris  nachgewiesen  a.  a.  0.  S.  XXVIII 
bis  XXXI.  Die  historia  calumniae  novercalis  steht  im  Wesentlichen 
zur  Historia  s.  s. 

*^  Zwei  hauptsächliche  Redactionen  liegen  hier  vor.  Die  eine  ist 
gedruckt  bei:  Weber,  mctrical  romances  of  the  thirteenth,  fourtecnth 
and  flfteenth  centuriee:  published  from  ancient  manuscripts  etc.  Edin- 
burgh 1810.  Vol.  III,  S.  1 — 153:  The  proces  of  the  sevyu  sages.  (Nach 
einem  Ms.  der  Cotton  library  [Galba  E.  IXJ  XIV.  Jahrh.  unter  Hinzu- 
nahme der  Edinburger  Auchinleck  copy  'nearly  a  Century  older  thau  the 
perfcct  one*.  Ebenda  Vol.  I,  Introduction  S.  LV  fg.;  vgl.  auch  KUis, 
specimens  of  early  english  metrical  romances  .  .  .  new  edition,  revised 
by  Haliwell,  London  1848  S.  409).  Die  andere  ist  veröffentlicht  im 
XVI.  Bande  der  Publicationen  der  Percy  Society  unter  dem  Titel :  The 
seven  sages,  in  english  verse,  edited  from  a  manuscript  in  the  public 
library  of  the  university  of  Cambridge  by  Thomas  Wright  u.  β.  w. 
London  1845.  (Diese  IIs.  ist  auch  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  vgl.  die  Be- 
merkuugen  bei  "Wright  im  Eingänge). 

^  The  hystorie  of  the  seaven  wise  maisters  of  Rome,  London  1633 
bei  Keller,  s.  s.  8.  LXXXI. 

■*  The  sevin  seages,  translatit  out  of  preis  into  scottis  meiter  by 
I.  Rolland.  Edinburg  1578,  bei  Keller  a.  a.  0.  S.  LXXX,  und  Diocl. 
Leben  S.  34. 

^  Nach  Keller  Diocl.  L.  S.  34.  —  Es  ist  dei•  bekannte  englische 
Lustspieldichter,  derselbe,  der  im  Jahre  1597  für  20  Schillinge  Mario we*s 
Faust  interpolirte. 

^  11  libro  dei  sctte  savi  dl  Roma.  Testo  del  buon  secolo  dclla 
lingun.  Pisa  1864  (ed.  d'Ancoua,  nach  einem  Laurentiauus  und  einem 
Palatinus,  vgl.  daselbst  S.  XXVIII). 

'  Historia  septem  sapientum  Rome.  Am  Schluss:  tiiiit  über  Hi- 
storia Septem  Sapientum  Rome  inscriptus  Anno  salutis  MCCCCXC  Per 
me  Johez  Koelhof  de  lubeck  Colouie  civem  impressus.  Est  tamen  no- 
tandum  etc.  (mit  Holzschnitten),  Hain  8725. 


Parallelen  zur  Entiuhrnngsgeechicbte  im  Milee  glorioeus.         13 

oal.  nov.^.  —  Von  der  lateinischen  Fassung  gehen  zunächst  die 
deutschen  Bearbeitungen  aus,  anfänglich  nur  in  ungebundener 
Form-,  sodann  aber  verschiedentlich  in  Verse  gebracht,  zuerst 
wohl  1412  von  Hans  von  BüheP;  auch  hier  erfahrt  unser  Werk 
dramatische  Bearbeitung,  und  zwar  durch  Sebastian  Wildt^.    Aus 


^  Hiatoria  de  Calumnia  novercali  (Titelblatt  mit  der  Prefatio). 
Auf  der  anderen  Seite:  Ilistoria  calumnie  novercalis  que  Septem  sa- 
pientum  inscribitur  etc.  Schluss:  Explicit  historia  calumnie  novercalis : 
impressa  antwerpie  per  rae  Gerardum  Iceu  Anno  domini  MCCCCXC  VI. 
die  mensis  novembris. 

2  Cronick  vnnd  histori  Aus  den  geechichten  der  Römern  ...  In 
der  Schlussnotiz:  .  .  .  die  Historie  von  den  syben  weysen  Meystem  . . . 
(Druck  von  Anthonius  Sorg  in  Augspurg  1478  Donrstag  nach  Johannis 
des  täuffers  tag).  Hain  8729.  Münchencr  Bibl.  Inc.  c.  a.  817.  —  Aehn- 
lich  dieser  Redaction,  nur  etwas  gekürzt,  ist  die  folgende,  mit  geist- 
lichen Glossen  versehene:  Cronick  u.  s  w.  wie  oben.  Schlussnotiz  fehlt, 
s.  I.  et  a  Hain  67*27.  Münchener  Bibl.  Inc.  s.  a.  301.  Am  SchluHse  der 
7  W.  M.  folgt  in  dieser  Ausgabe:  Hie  hebt  sich  an  die  Glosc  und  der 
geistliche  sinn  des  buche  Gesta  Romanorum  oder  der  siben  mcister. 
Hier  werden  also  Gesta  und  7  W.  M.  als  gleich  betrachtet,  üeber  diese 
spätere  Identißcirung  vgl.  Keller,  s.  s.  S.  CXX  fg.  Der  Text  der  7 
W.  M.  geht  in  dieser  Ausgabe  plötzlich  in  den  Text  der  Gesta  über: 
fol.  44  folgt  auf  die  Auslegung  der  Erzählung  vom  Ypocras  (medicus) 
der  Abdruck  eines  Thciles  der  Gesta  Romanorum;  interessant  ist  es, 
hiermit  den  von  Oesterley  in  seiner  Ausgabe  S.  2i4  fg.  erwähnten  Cod. 
Berol.  germ.  ö9  fol.  zu  vergleichen,  der  nach  der  daselbst  gegebenen 
Beschreibung  derselben  Redaction  angehört  haben  muss,  wie  das  Ma- 
nnscript,  nach  dem  diese  Ausgabe  s.  1.  et  a.  gedruckt  wurde.  Wir 
könnten  diese  Ausgabe  der  7  W.  M.  auch  als  eine  solche  der  Gesta 
betrachten;  doch  ist  der  darin  abgedruckte  Theil  derselben  sehr  gering- 
fügig. Nach  der  erstgenannten  Redaction  in  freier  Umformung  in 
Simrock's  Deutschen  Volksbüchern  Bd.  ΧΙΪ,  S.  116—243.  lieber  die 
deutschen  Hss.  und  Drucke  überhaupt  vgl.  Keller,  s.  s.  S.  LXXXIII  fg. 
und  Diocl.  Leben  S.  37  fg.  (Aelteste  Prosahandschrift  nach  Keller  Codex 
Stottgartensis  No.  157). 

^  Hrsg.  von  Keller,  wie  erwähnt,  Quedlinburg  und  Leipzig  1841 
(nach  der  Handschrift  der  Baseler  Universitätsbibliothek,  vgl.  Keller 
8.  8.  S.  XCII  fg).  Eine  weitere  poetische  Bearbeitung  in:  Altdeutsche 
Gedichte,  herausgegeben  von  Adalbert  Keller.  Tübingen  184G,  S.  20  bis 
241,  V.  Von  den  sieben  Meistern  (nach  der  Erlanger  Hs.  Chart.  Codd. 
no.   139;  Koller,  s.  s    S.  CVIII). 

*  Bürger  und  Meistersinger  zu  Augsburg;  es  erschien  von  ihm 
zo  Augsburg  15GG:  Schi)ener  Comcdien  und  Tragedien  zwölff,  deren  elfte 
betitelt  ist:  Die  siben  weysen  Maistcr  (Von  des  Keysers  Pencyanus  Son), 
bei  Goedeke,  Grundr.  zur  Gesch.  der  deutschen  Dichtung  Bd.\,  ^.^*ii\. 


14  Kd.  Zarncke 

dem  Deutschen  leitet  sich  her  die  dänische  Version^  sowie  eine 
Rückübersetzung  in  das  Lateinische,  von  dem  Kechtegelehrten 
Modius  um  das  Jahr  1570  verfasst^  der  offenbar  die  lateinische 
Ueberlieferung  nicht  kannte^.  Die  ersterwähnte  lateinische  Fas- 
sung (bist.  s.  s.)  ist  es  ferner,  die  einer  spanischen^  und  hollän- 
dischen* Bearbeitung  zum  Vorbilde  diente  und  die  sich  auch  eine 
Rückübersetzung  in  das  Französische  gefallen  lassen  musste^.  Auf 
einem  lateinischen  oder  deutschen  Texte  schliesslich  beruhen  ver- 
schiedentliche  weitere  XJebersetzungen  in  andere  Sprachen^. 

Dies  die  Versionen,  welche  mit  Sicherheit  iliren  Ausgangs- 
punkt  von    dem    alten    französischen   Gedichte   nehmen.     Wahr- 

^  De  syv  viso  Mestre  hvorledes  Pontianus  Keiseren  i  Rom  betroer 
sin  Son  Diocletian  .  .  .  (folgt  eine  allgemeine  Inhaltsangabe)  .  . .  Kjöben- 
have  8.  a.  [1859]. 

^  LuduB  Septem  sapientum,  de  Astrei  regii  adolescentie  cduca- 
tione,  pericnlis,  liberatione,  insigni  exemplorum  amoenitaie  iconumque 
elcgantia  illustratus,  antchac  latino  idiomatc  in  lucem  nunquam  editus 

am  Schlnss:    Impressum  Francoforti  ad  Moenum,  apud  Paulum 

Reffeier,  Impensis  Sigismundi  Feyrabent  [nach  d'Ancona,  setic  savi 
S.  XXV,  ungefähr  1570]  s.  a.  —  Die  Uebersetzung  ist  frei,  die  Namon 
sind  verändert. 

^  Libro  de  los  siete  sabios  de  roma.  Sevilla  1538  bei  Keller, 
Diocl.  Leben  S.  16  fg. 

*  Een  schoone  ende  genocgelijko  historie  van  de  zeeven  wyzen 
van  Romen  ...  —  Te  Amsteladam  by  E.  en  W.  Koene  . .  .  1803. 

^  Die  zweite  der  von  Gaston  Paris  a.  a.  0.  veröffentlichten  Rcdac- 
tionon.  Daselbst  S.  55—205  (nach  einem  Genfer  Druck  von  1492):  L' 
ystoirc  des  sept  sages. 

^  Gaston  Paris  a.a.O.  S.  II  erwähnt  noch:  eine  catalanischc  (von 
Mussafia  im  XXV.  Bande  der  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  S.  151 
bis  233  herausgegeben),  isländische,  schwedische,  polnische,  russische, 
ungarische  und  armenische  Uebersetzung.  Ich  kann  natürlich  nicht 
sagen,  nach  welchem  Texte  sie  gemacht  sind.  Dass  die  schwedische 
und  die  islandische  dem  deutschen  folgen,  lässt  sich  vcrmuthen,  aber 
so  steht  z.  B.  nach  G.  Paris  a.  a.  0.  die  catalanische  Uebersetzung  zur 
Version  in  der  Scala  coeli,  stammt  also  nicht  aus  dem  lateinischen 
Texte  her,  der  uns  hier  angeht.  Das  Wabrsclieinlichcro  bleibt  aber, 
dass  für  die  übrigen  Uebersetzungen  unsere  lateinische  Historia  Septem 
sapientum  oder  die  deutsche  Bearbeitung  vorgelegen  hat.  Im  arme- 
nischen Texte  z.  B.  findet  sich  die  Inclusa  nach  d'Ancona,  novelle  di 
Sorcambi  S.  286,  und  steht  mithin  zum  lateinischen  rosp.  deutschen 
Texte.  Vgl.  übrigens  auch  d'Ancona,  sette  savi  S.  XXIV  fg.;  dieser 
erwähnt  auch  hol)räische  Uebersetzungen  nach  dem  lateinischen  Texte. 
Zu  weit  bin  ich  absichtlich  nicht  auf  kleine  Einzelheiton  eingegangen. 


Parallelen  zur  Kntfiihrunfirsgesohichte  im  Milcs  gloriosus.         15 

scheinlich  ebenfalls  auf  Grund  deeselben  Gedichts,  jedesfalls  dann 
aber  in  freier  Ueberarbeitung,  baut  sich  die  von  Adolf  Mussafia 
so  benannte  Yersio  Italica^.  Es  ist  dies  eine  Tradition,  die  durch 
eine  ihr  eigenthüraliche  Anordnung  der  Erzählungen  sich  vor  den 
übrigen  auszeichnet.  Die  Keihe  eröffnet  hier  wohl  eine  lateinische 
Fassung-,  die  die  Quelle  bildet  für  verschiedentliche  italienische 
Uebersetzungen * ;  auch  ein  in  Ottaverime  abgefasstes  Gedicht* 
i^ehört  zu  dieser  Gruppe.  Dieser  Version  schliesst  sich  auch  an 
der  Roman  vom  Prinzen  Erasto'*,    der    in   einem  weitschweifigen 


^  Vgl.  Mussftfia,  Beiträge  u.  s.  w.  S.  92  fg. 
2  Veröffentlicht  von  Mussafia  a.  a.  0.  S.  94—118    (nach  der  Hs. 
der  k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien  3332  [olim  Hist.  Eccl.  52]  Papier  15. 
Jahrh.  Bl.  275— 282  a).    Das  undefinirbare  Latein  zwingt  uns  aber  nicht, 
wie  Mussafia  mit  Recht  bemerkt,  es  für  übersetzt  zu  halten. 

^  II  libro  dei  Sette  Savi  di  Roma  tratto  da  un  codice  del  secolo 
XIV  per  cura  di  Antonio  Cappclli.  Bologna  1865  (in:  Scelta  di  curio- 
sita  etc.  dispensa  LXII)  'tratta  dal  codice  membr.  e  miscell.  della  Pa- 
latina  di  Modena  n.  95  appartenente  al  secolo  XIV '  das.  S.  X.  Diesem 
Werke  scbr  nahe  steht  das  folgende:  Storia  d'  una  crudele  matrigna 
ovi  si  naiTano  piacevoli  novclle,  Scrittura  del  buon  secolo  di  nostra 
lingua:  Bologna  1862  [Vorrede  von  Gactano  Romagnoli],  XIV.  dispensa 
der  Scelta  etc.,  gedruckt  nach  dem  ersten  Drucke  (1832)  des  Giovanni 
della  Lucia,  daselbst  S.  5  fg. 

*  Storia  di  Stefano  figliulo  d'un  imperatore  di  Roma.  Versione 
in  ottava  rima  del  libro  dei  sette  savi  pnbblicata  per  la  prima  volta 
da  Pio  Rajna.  Bologna  1880  (CLXXV^I  dispensa  der  Scelta  etc.),  nach 
der  Hs.  des  Marchese  Gerolamo  d'Adda,  daselbst  S.  VI. 

^  I  compassionevoli  avvenimenti  di  Erastö.  Opera  dotta  et  morale, 
<li  Greco  ridotta  in  Vulgare.     Nuovamente  stampata  e  con  somma  dili- 
gonza  corretta  da  me  Gio.  Suenzo  profess.  dell'  humane  letterc,  e  corr. 
app.  Con  la  Tavola  dei  Capitoli  di  tutU  lOpera.     In  Venetia  MDCXVII. 
»ofremdlich   erscheint  hier  die  Versicherung,    dass  das  Original  grie- 
chisch sei    (wohl   schon  in  der   ersten  Auflage  1542,   vgl.  Keller  s.  s. 
^•  XXXVI;  jedesfalls  in  dem  Mantuaner  Druck  von  1546,  vgl.  ebenda 
«ndEllis,  specimens  S.  410).    An  den  Syntipas  kann  gar  nicht  gedacht 
Verden;  derselbe  steht  zur  orientalischen  Tradition  und  ist  eine  Ueber- 
^etiung  sei  es  nun  eines  hebräischen  Textes,  wie  Sengelmann  will  (das 
l>och  von  den  sieben  weisen  Meistern  aus  dem  Hebräischen  und  Grie• 
^«wchen  zum  ersten  Male  übersetzt  . .  .  von  H.  Sengelmann,  Halle  1842, 
^•  19),   oder    eines  syrischen   (DlDno*!  ii'*in?3   die  Fabeln  des  Sophos, 
"ynsclies  Original  der  griechischen  Fabeln  des  Syntipas,  herausgegeben 
^'^n  Dr.  Julius  Landsberger,  Posen  1859,  S.  CXXXII  Anm.).     Ein  ver- 
lorenos  griccbisches  Original  anzunehmen,  ist  schon  deshalb  bedenklich, 
*P»  dann  ja   doch  die  ganze  Vcrsio   Italica  davon   abhängetv  T£\.^%^\.<i 


16  £d.  Zarncke 

Stile  und  nach  der  Manier  des  Boccaoio  geechrieben  ist  und  nach 
d'Ancona  dem  16.  Jahrh.  angehört.  Der  Erasto  ward  vielfach 
überBetzt,  zunächst  in's  Franzöeische  ^  und  SpaniBche^,  ans  dem 
FranzöRiechon  in'e  Englische  ^  und  aue  dem  Spanischen  in'sFran- 
züsiflche*;  ja  es  existirt  auch  eine  hebräische  Uebereetzung^. 

Endlich,  drittens,  haben  wir  des  französischen  Dolopathos* 
zu  gedenken,  der  bekanntlich  aus  dem  lateinischen  Dolopathoe  des 
Johannes  de  Alta  Silva  ^  seinen  Ursprung  herleitet  und  von  Herbert, 


und  P8  verwunderlich  erschiene,  dass  wir  in  kpinem  Texte  derselben 
eine  derartige  Andeutung  finden  (CappoUi  in  seiner  Ausgabe  S.  58— G9 
gibt  einen  Auszug  aus  einem  Codex,  der  betitelt  ist:  Amabel  de  oon- 
tinentia,  aber  jene  Notiz,  wonach  ein  griechisches  Original  vo 
nicht  enthält).  Einstweilen  darf  man  wohl  annehmen,  dass  diese 
Angabe  nur  gemacht  ist,  um  den  Werth  des  Buches  bei  den 
zu  erhöhen  und  dass  demnach  auch  der  Name  Erasto  erfunden  ist,  am 
sie  glaublich  zu  machen;  vgl.  Ellis,  a.  a.  0.  S.  410  und  Keller,  s.  s. 
S.  XXXVII.  —  Ein  Gedicht  in  neun  Gesängen  ist  dem  Erasto  voi 
Mario  Tcluccini  nachgedichtet  in  ottave  rime:  Erasto  canti  IX,  Pcsaro 
15CC,  bei  Cappelli  S.  85  und  d'Ancona  S.  XXXI,  Anm.  1. 

*  Ilistoire  pitoyable  du  Prince  Erastus,   fils  de  Diocletien  Em- 
pereur  de  Rome.     Contenant  exemples  et  notables  discours.    Trador 
d!talien  en  Fran^ois.  Α  Paris  1587. 

2  Historia  del  principe  Erasto  hijo  dcl  emperador  Diocleziano 
traducida  de  Italiano.  Antwerpen  1573,  bei  Keller,  s.  s.  S.  XXXVII. 

^  History  of  Prince  Erastus,  son  to  the  Emperor  Diocletian  and 
those  famous  philosophers  called  The  Seven  Wise  Masters  of  Rome, 
1674,  übersetzt  von  Francis  Kirkman,  bei  Ellis  a.  a.  0.  S.  410. 

*  Im  18.  Jahrh.  von  de  Mailly  nach  d'Ancona  a.a.O.  S.  XXXIV 
Anm.  l. 

•'*  Nach  d'Ancona  a.  a.  0.  ebenda. 

"  Li  Romans  de  Dolopathos,  public  pour  la  premiere  fois  en 
entier  d'apres  les  doux  manuscrits  do  la  Ril)liothefnie  Imperiale  par 
M.  M.  Charles  Brunct  et  Anatolc  de  Montaiglon.  Α  Paris.  1856  (nach 
den  Mss.  No.  7535«  und  No.  1422.  S.  299-474,  vgl.  da.selbst  S.  XXII 
und  XXIII  in  der  Vorrede  von  Montaiglon). 

"  lohannis  de  Alta  Silva  Dolopathos  aive  de  rege  et  septem  sa- 
pientibus  herausgegeben  von  Hermann  Oesterley,  Strassburg  und  Lon- 
don 1873;  vgl.  die  Berichtigungen  dazu  von  Wilhelm  Studemund,  Zu 
lohannes  de  Alta  Silva  de  rege  et  Septem  sapientibus  in  Haupt's  Zeit- 
schrift 1874  S.  415—425.  —  Die  Entstehungszeit  dieses  Werkes  setzt 
Oesterley  S.  XI  in  das  Jahr  1184  oder  1185,  vgl.  Montaiglon  a.  a.  O. 
S.  10  fg.  —  Ueber  das  Verhältniss  des  lateinischen  Originals  zu  Her- 
bert's  Dichtung  vgl.  Musaafia,  lieber  die  Quelle  des  altfranzösischen 
Dolopathos,  in  den  Sitzungsberichten  der  phil.-hist.  Klasse  der  Kais. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Wien,  48.  Band  1864  S.  246—267. 


Parallelen  zur  Entführ ungsgesohiclite  im  Milcs  gloriosus.  17 

einem  Trouvere  des  13.  Jalirhnnderts,  verfasst  ist.  Dieses  Werk 
ist  sehr  verschieden  von  dem  Koman  des  sept  sages  und  gehört 
nnr  hierher,  weil  die  Inclusa,  die  sich  im  lateinischen  Original  nicht 
findet,  vom  französischen  üebersetzer  hineingeschoben  ist. 

In  jenem  französischen  Gredichte  nnn,  das  als  Grundlage 
der  hier  in  Betracht  kommenden  Redactionen  anzusehen  ist,  hat 
unsere  Erzählung  (vs.  4218—4591  Seite  164—179  K)  folgende 
Gestalt^:  Ein  vornehmer  Ritter  in  dem  Königreiche  Monbergier^ 
träumt  einst  von  einer  wunderschönen  Dame,  und  zu  gleicher  Zeit 
träumt  die  Dame  von  ihm.  Der  Traum  veranlasst  den  Ritter, 
die  Traumgestalt  aufzusuchen.  Nachdem  er  lange  umhergewandert 
ist,  kommt  er  nach  Ungarn ;  da  sieht  er  an  einem  Fenster  sein 
geträumtes  Ideal.  Es  ist  die  Gemahlin  eines  mächtigen  Herzogs, 
aus  Eifersucht  von  diesem  in  einen  festen  Thurm  eingeschlossen. 
Zehn  Thüren  führen  zu  ihr,  zu  denen  der  Gatte  die  Schlüssel  hat. 
So  wie  der  Ritter  aber  die  Dame,  so  erkennt  auch  «ie  ihn.  Der 
Ritter  tritt  nun  iu  den  Dienst  des  Herzogs,  dem  er  erzählt,  er 
sei  von  der  Heimath  vertrieben,  da  er  einen  Gegner  getödtet  habe. 
Er  hilft  seinem  Herrn  die  Feinde  besiegen,  die  das  Land  bedrängen, 
wird  bald  sehr  von  ihm  geschätzt  und  wird  sein  Seneschall.  Er 
darf  sich  ein  Haus  neben  dem  Schloss  des  Herzogs  errichten  lassen 
und  gewinnt  einen  Baumeister,  der  ihm  einen  unterirdischen 
Gang  in  das  Zimmer  der  Herzogin  macht,  dafür  aber  schlecht 
belohnt  wird:  damit  die  Sache  nicht  offenbar  werde,  tödtet  ihn 
der  Ritter.  Dieser  gelangt  nun  in  die  Wohnung  der  Dame;  die 
beiderseitige  Freude  ist  gross,  die  Liebenden  umarmen  sich.  Sie 
gibt  ihm  einen  Ring,  und  als  diesen  der  Herzog  bei  einer  Ge- 
legenheit sieht,  eilt  er  zu  seiner  Gemahlin  und  verlangt  den  Ring 
zu  sehen:  der  Ritter  jedoch  hat  die  Gefahr  wohl  bemerkt  und 
das  Object  schleunigst  wieder  in  die  richtigen  Hände  gebracht. 
Eines  Tages  eröffnet  der  Ritter  dem  Herzog,  dass  eine  Freundin 


^  Es  ist  das  Beispiel  des  siebenten  Philosophen.  Erst  der  latei- 
nische üebersetzer  macht  die  Geschichte  zur  siebenten  Erzählung  der 
Kaiserin;  darüber  siehe  weiter  unten.  In  der  Vcrsio  Italica  wird  sie 
vom  fünften  Philosophen  erzählt.  —  Ich  beziehe  mich  in  den  folgenden 
Citaten  betreffs  der  Inclusa  auf  die  schon  von  mir  angeführten  Aus- 
gaben. —  Analysirt  ist  die  Erzählung  auch  kurz  von  Keller,  s.  s.  Seite 
CCXXVIII  und  von  Legrand  d'Aussy,  Fabliaux  ou  contes  ΙΠ  S.  156 
bis  163  unter  dem  Titel:  Le  Chevalier  ä  la  trappe. 

^  Ein  unbekanntes  Königreich.  Könnte  etwa  Arkadien  damit 
gemeint  sein? 

BbeiB,  Vi»,  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX.  2 


18  Ed.  Zarnckc 

mit  guten  Nachnchten  ans  der  Heimath  ihn  anfgeencht  habe;  er 
wolle  in  sein  Vaterland  zurückkehren  und  bitte  ihn,  er  möge  vor- 
her noch  einmal  sein  Gast  sein.  Jetzt  beginnt  das  Doppelspiel 
der  Frau :  sie  sitzt  neben  ihrem  Gatten,  der  in  die  höchete  Ver- 
wirrung geräth;  aber  als  er  nach  Beendigung  des  Mahles  hinüber- 
geht in  den  Thurm  der  Herzogin  und  sie  dort  im  Bett  antrifft, 
da  erstaunt  er  gewaltig: 

Par  devant  le  lit  saresta 
Et  en  apries  se  pourpensa, 
Que  il  se  sont  femmes  asses, 
Ki  sentre  samblent  de  biantes 
Tout  aussi  comme  del  aniel, 
Ki  vit  el  doit  au  damoieiel; 
Icele  nuit  jut  od  sa  mie, 
Α  lautre  nuit  ne  laura  mie. 

Der  Ritter  miethet  ein  Schilf;  am  anderen  Tage  ist  die  Trauung, 
der  Herzog  selbst  gibt  seinem  bisherigen  Vasallen  die  eigene 
Gattin  zur  Ehe,  die  Liebenden  segeln  ab,  und  der  Ehegemahl 
findet  den  Thurm  leer. 

Im  wesentlichen  erzählt  die  französische  Prosabearbeitung 
(Ms.  2137  früher  7974  S.  89-96  L)  die  Geschichte  dem  Ori- 
ginale nach  ^  ihr  folgen  die  englischen  Versionen  (The  tow 
dreams  [Tabelle  S.  LXIX]  vs.  2787-3069  S.  34  —  104  Wr.  The 
tow  dreams  [Ueberschrift]  vs.  2909-3400  S.  113—131  We.) 
und  die  italienische  (La  moglic  involata  [Tabelle  S.  XXIX]  S. 
78 — 86  d'  A).  Nur  wenig  verändert  tritt  uns  unsere  Erzählung 
in  der  Historia  septem  sapientum  (fol.  34 — 36,  Köln  1490)  und 
in  der  Historia  calumniae  novercalis  (fol.  41 — 43^,  Antwerpen 
1490)  entgegen:  hier  ist  die  Dame  eine  Königin;  als  der  Ritter 
in  ihre  Wohnung  eindringt,  versichert  sie  allerdings  nachdrück- 
lich, nullos  nisi  castos  amores  placere  sibi  (H.  c.  n.  fol.  42;  quae 


*  Man  vergleiche  boiflpiolsweise  den  Anfang: 
Keller  vs.  4218  fg.:  Leroux  Seit^  89: 

Π  se  fii  ia  un  chnvalior  VA  reaumo  de  monhergier  fu  jacT 

El  roialme  do  monbcrgicr  l.  chnmlieVt  moult  proisio  d  arnB 

Proiaios  d'armos  ot  bicn  errant,  et  moult  errnnz\    et   moult    est 

Et  dauoir  richomcni  poissant  .  .  .  richos  hons  ot  povisnnz  .  .  . 

vs.  4226: 

II  sot  molt  bicn;  sil  le  vcoit  II  sot  n.oult  bien,    que  se  il  vec:^ 

Que  molt  tres  bien  le  connistroit ...  la  dame,  il  la  confiestroit  .  .  . 


Parallelen  zur  Entführungsgeschichte  im  Miles  gloriosuR.  Id 

Ratis  iiegavit  sed  tandem  sibi  consenfiit  hist.  r.  8.  fol.  34^),  läset 
sich  aber  schliesslich  erweichen  ^     Das  Königreich  von  Monber- 
gier,    das  in  der  italienischen  Λ'er8ion   noch  genannt  wird  (Mon- 
bergis),  verschwindet  aus  den  übrigen  ganz,  wie  denn  überhaupt 
jede  Localisirung  der  Erzählung  aufhört.     In  den  deutschen  Ee- 
dactionen  (fol.  49b— 53   Augsburg  1478,  S.  196—204  Simrock; 
die  poetischen  Versionen:  H.  v.  B.  vs.  5789—6348  S.  129—142 
K;  Ad.  Ged.  S.  169  Z.  15—181  Z.  28  K)  droht  der  Eitter  der 
Königin  mit  dem  Schwerte,    falls    sie   sich   nicht    seinem  Willen 
füge:  doch  hat  die  gekürzte  Eedaction  (fol.  26bB— 28b  ed.  s.  1. 
et  a.)  diesen    Zug  nicht.     Der    deutschen   Tradition    entsprechend 
geht  die  Erzählung  in  das  dänische  Volksbuch  (S.  83 — 89  [Kei- 
serindens  syvende  Lignelse  om  Taamet]  Kopenhagen  1859),    so- 
wie in  das  Werk  des  Modius  (fol.  68 — 74)  über;    für  den  Ent- 
führer und  seine  Geliebte  substituirt  der  letztere  die  Namen  des 
Paris   und   der   Helena,    für   den  Betrogenen    den    des  Menelaus. 
Genau    nach    der    lateinischen   Historia   erzählt    die   holländische 
Version  (S.  81  — 88,  Amsterdam  1803)  und  die  französische  Eück- 
übersetzung  die  Geschichte   (S.   139 — 148  P).     Sehr    kurz    stellt 
diese  sich  in  der  Versio  Italica  (mit  Ausnahme  des  Erasto)  dar; 
der  Mann  ist  ein  weiser  Eichter,  der  Thurm  hat  sieben  Pforten^, 
der  Betrug  wird  zuerst  mit  den  Kleidern  desselben  gespielt,  die 
sich    der   Liebhaber    anzieht    und   deren   er   sich  zu   rechter  Zeit 
wieder    entledigt,    dann    mit    omnibus    aliis    rebus   camerae:    ein 
Doppelspiel  der  Frau  findet  gar  nicht  statt,    da  die  Aehnlichkeit 
der  Kleider  u.  s.  w.    den  Gatten    bereits    gläubig    gestimmt    hat 
(Lat.  Fassung:  S.  108 — 110  M);    in    den    italienischen   Gliedern 
«lieser    Familie    (S.   29—32  C.     S.  37—40  Crud.   mat.   Conto  X 


^  Der  lateinische  Uebersctzer  fand,  wie  G.  Paris  a.  a.  0.  S.  jfXXII 
hemerkt,    dass   sich   diese  Erzählung   gut  dazu  eigne,    den  Kaiser  vor 

•''♦*inen  Freunden  zu  warnen,   und  legte  sie  der  Kaiserin   in  den  Mund. 

'^^hr  treffend  sagt  Paris  femer    (S.  XXXVII):    Le  conte  Inclusa  ayant 

^^*^    mis  dans   la  bouche   de   la  reine,    il  a  fallu  cn   changer  plusieurs 

^^«"constances,   rendre  l'amant  plus   noir,    et  insister  sur  la  repugnance 

^^i*c  laquelle  la  reine  lui  cede. 

2  Es  lässt  sich  nicht  verkennen,  wie  ähnlich  dieser  Zug  dem  gric- 

^ "tischen  Volksmärchen  ist:  in  der  französischen  Version  hatten  wir 
"   Pforten;    doch   lässt  sich   vorläufig   keine  Vermuthung  mit  einiger 

^icilierheit  hierauf  bauen  (Die  Erwähnung  einer  bestimmten  Anzahl 
"Porten  hat  übrigens  im  lateinischen  Text  aufgehört).  Merkwürdig  ist, 
^a%8  gerade  der  Erasto  wieder  von  zehn  Pforten  spricht. 


20  Ed.  Zarncke 

Strophe  1—26,  S.  106 — 114  E)  wird  noch  ausdrücklich  ein  klei- 
ner Hund  erwähnt,  der  den  Ehemann  zu  foppen  dient;  das  Motiv 
des  Traume»  ist  ganz  verschwunden.  Mit  allen  Künsten  der  No- 
vellistik  ausgestattet,  aber  gar  zu  breit  ausgeführt  ist  unsere 
Erzählung  im  Erasto  (fol.  68—78  Venedig  1617).  Die  Handlung 
spielt  in  Griechenland;  die  Frau  ist  die  Gemahlin  des  Gouver- 
neurs von  Morea,  der  Ritter  heiest  Fabio,  er  erscheint  auf  dem 
Turnier,  bleibt  Sieger  über  alle  anderen  und  gewinnt  mehrere 
Preise.  Der  Baumeister»  der  den  unterirdischen  Gang  gräbt,  er- 
hält hier  besseren  Lohn,  er  wird  reichlich  beschenkt  und  verlässt 
das  Land  ^.  Auch  hier  sind  die  Täaschungsobjecte  zweifach:  ein 
Ring  und  ein  Hündchen  ^  versetzen  den  Ehegemahl  in  grossea 
Erstaunen  ob  ihrer  gewaltigen  Aehnlichkeit  mit  den  ihm  gehö- 
rigen Dingen,  genügen  aber,  ihn  über  die  aufiPallende  Aehnlich- 
keit der  'Geliebten*  Fabio's  mit  seiner  Frau  sich  nicht  mehr 
allzusehr  wundern  zu  lassen;  und  so  findet  auch  hier  das  Doppel- 
spiel der  Frau  gar  nicht  statt.  Die  Entführung  geschieht  in  be- 
kannter Weise;  der  Gouverneur  legt  selbst  die  Hände  der  Lie- 
benden zusammen.  (Hiemach  natürlich  ebenso  die  Uebersetzungen, 
z.  B.  fol.  105b  bis  121b  Paris  1587.) 

Besonders  eigen  stellt  sich  unsere  Geschichte  im  französi- 
schen Dolopathos  dar»  (vs.  10324—11024,  S.  353—373  Β  et  M), 

^  . .  .  entro  quasi  in  pensiero  di  uccidere  il  pover'  huomo  che  vi 
haveua  lavorato,  per  assicurarsi  piu,  che  la  cosa  havesse  da  star  sopita, 
pur  vinto  da  compassione  cangio  volcre  e  donatele  molta  gratamcnte. 
Ig  rimise  in  quel  giorno  fuori  della  terra,  vgl.  Loiselenr  a.  a.  0.  Seite 
159  Anm. 

^  Der  Ring  wie  die  französische  Tradition,  das  Hündchen  wie 
die  italienischen  Texte  der  Versio  Italica. 

^  Analysirt  von  Leroux  a.  a.  0.  S.  144 — 147.  Sie  ist  von  Her- 
bert »vor  der  ach  ton  Erzählung  eingeschoben  (der  Anfang  dieser  bei 
Johannes  ähnelt  übrigens  merkwürdig  dem  Anfange  der  Inclusa  in  den 
Sept  Sagee);  es  folgt  dann  bei  Johannes  die  unter  den  Namen  puteus 
l)ekanntc  Erzählung,  während  der  Uebersetzer  die  Inclusa  einschiebt 
und  puteus  als  Fortsetzung  erzählt  wird;  vgl.  Oosterley  in  der  Ausg. 
des  Dol.  S.  XXVIII.  Ich  erwähne  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  es  nicht 
f^enau  ist,  wenn  Oesterloy  ebenda  sagt,  die  Geschichte  von  Kamaral- 
saman  befinde  sich  auch  in  der  tunesischen  Handschrift  (Breslau  14,  G2). 
Die  Geschichte  vom  Gerber  und  seiner  Frau  beruht  zwar  wohl  auf 
derselben  Quelle,  ist  aber  doch  eine  andere  Erzählung.  Eine  daselbst 
erwähnte,  von  Hammer-Zinscriing  'veröffentlichte  Handschrift'  soll  wohl 
die  nach  der  Ilanimer'schen,  später  verloren  gegangenen  französischen 
ung  von  Zinserling  gelieferte  deutsche  Afterübersetzung  sein. 


Parallelen  zur  Entführungsgeschichte  im  Miles  gloriosus.         21 

£in  junger  Mann  will  sich  anfangs  trotz  aller  Zureden  seiner 
Freunde  nicht  verheirathen ;  endlich  verfallt  er  auf  eine  originelle 
Idee:  er  trägt  einem  Bildhauer  auf,  ihm  eine  Statue  zu  ver- 
fertigen -^ 

Uuant  eile  fut  appareillie 

£t  atornee  a  sa  devise, 

Sor  .1.  grand  piller  Tait  assize 

£t  dist  a  ciauz  de  son  paraige 

Qu'  a  la  semblance  de  Tymaige 

Vuelt  avoir  famme  outroemant 

Ou  nule  n^an  vuelt  autremant. 
Da  erzählen  ihm  Leute^  die  aus  Griechenland  kommen,  von  einer 
Dame,  welche  in  einen  Thurro  eingeschlossen  sei  und  dieser 
Statue  völlig  gleiche:  alsbald  begibt  sich  der  Mann  an  Ort  und 
Steile.  Die  Dame  ist  eine  Königin;  der  Liebhaber  errichtet  ein 
Haus  neben  den  Thurm  und  gräbt  den  unterirdischen  Gang,  durch 
den  des  Königs  Möbeln,  Geschirre  u.  s.  w.  in  das  Haus  des  Frem- 
den hinübergebracht,  dann  aber,  als  der  König  dieselben  zu  Hause 
sacht,  wieder  zurückgestellt  werden.  Auch  die  Königin  tritt  in 
das  Haus  des  Fremden:  erstaunt  erblickt  sie  der  Gemahl,  aber 
die  angestellte  Probe  lässt  ihn  des  Argwohns  entrathen.  Doch 
hat  die  Geschichte  ein  eigenthümliches  Nachspiel:  als  die  Lie- 
benden, vom  Könige  noch  drei  Tage  begleitet,  davongefahren 
sind,  und  der  betrogene  Gemahl  den  Streich  entdeckt,  geräth  er 
in  Zorn  und  eiligst  setzt  er  den  Fliehenden  nach:  da  zeigt  man 
ihm  das  Bild  von  Stein,  das  seiner  Gemahlin  so  ganz  gleicht, 
mit  den  Worten,  zur  Strafe  ihrer  Untreue  sei  sie  zu  Stein  er- 
starrt, und  traurig  kelirt  der  König  heim  ^ 

Diese  Geschichte  in  den  sieben  weisen  Meistern  ward  das 
Vorbild  für  eine  grosse  Anzahl  von  Schwänken,  Novellen,  Komö- 
dien unter  den  literarischen  Productionen  der  folgenden  Jahr- 
hunderte ^. 


^  In  der  vorstehenden  Auffuhr ung  der  Stellen,  wo  die  luclusa 
**ch  findet,  konnte  ich  natürlich  nur  da  citiren,  wo  ich  eine  Ausgabe 
eingesehen  hatte;  im  anderen  Falle  habe  ich  die  Erwähnung  einfach 
ittterlawen,  auch  lässt  die  schon  erörterte  Abhängigkeit  der  in  Frage 
kommenden  Texte  von  ihren  Vorlagen  kaum  einen  Zweifel  an  der  Ge- 
staltung der  Inclusa  in  ihnen  zu. 

^  Einige  interessante  Beispiele  sind :  Giovanni  Sercambi,  ed.  d^An- 
'^Qa  Bologna  1871 ,  Novella  XIII  De  furto  unius  mulieris.  —  Les  amans 
oeureux,   histoires  galantes.     Α  Amsterdam   chez  le   petit  David  1695, 


22  £d.  Zarncke 

Wenn  man  nun  die  hier  angeführten  Parallelen  mit  dem 
plautinischen  Lustspiele  vergleicht,  so  muus  man  zugeben,  dase 
der  Wanddurchbruch  nicht  mehr  der  einzige  Vergleichspunkt  blei- 
ben kann,  sondern  dass  dem  Dichter  eine  Entführungsgeschichte 
ähnlich  den  hier  erzählten,  vorgelegen  hat.  Denn  es  ist  schwer 
an  einen  Zufall  zu  glauben,  wenn  wir  im  griechischen  Märchen 
die  Entführung  zu  Schiffe  in  Scene  gesetzt  sehen  und  die  Inclasa 
hiermit  in  Uebereinstimmung  linden  ^     Man  kann  hiergegen  nicht 


S.  86 — 1 16  Histoire  galante  de  Cornülio  et  de  Lucide  (dem  Erasto  nach- 
erzählt), erwähnt  von  Legrand  III  S.  168.  Keller,  Diocl.  Leben  8. 62.  — 
Die  Wiener  Haupt-  und  Staatsactioneu.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  deutschen  Theaters  von  Karl  Weise,  Wien  1854,  S.  75—77,  VI: 
Der  betrogene  Ehemann  oder  II.  W.  der  seltsame  und  lächerliche  Jung- 
fraun  Zwinger  u.  s.  w.  (1724)  in  3  Acten,  beigebracht  von  R.  Köhler, 
im  Archiv  für  Lit.  Gesch.  a.  a.  0.  —  A.  von  Kotzebue's  sämmtliohe 
Werke  1828,  Bd.  27,  S.  247-286:  Die  gefährliche  Nachbarschaft.  R. 
Köhler  a.  a.  0.  (erinnert  an  das  römische  Volksmärchen ;  vielleicht  mit 
diesem  zusammenhängend?).  —  Gueullette,  contes  tartare«  (im  22.  Bde. 
des  Cabinet  des  Fees)  101.  quart  dlieure  bis  104.  q.  d'h.  2S.  89^113: 
Aventures  du  vieux  Calendcr.  Keller,  s.  s.  S.  CCXXIX;  Dunlop-Lieb- 
recht  S.  197,  vgl.  daselbst  S.  414  fg.  —  Platen*s  gesammelte  Werke, 
Stuttgart  und  Tübingen  1853,  Bd.  111,  S.  253—281:  Der  Thurm  mit 
den  sieben  Pforten.  Keller,  s.  s.  S.  CCXXIX;  vgl.  noch  Legrand  a.a.O. 
III,  S.  163  fg.  Keller,  Diocl.  Leben  S.  62.  d'Aneoua,  uov.  di  Sercambi 
S.  285  fg.  und  sctte  savi  8.  120  u.  s.  w. 

^  Es  ist  schwer  zu  sagen,  wie  die  Inclusa  nach  Frankreich  ge- 
kommen ist.  Ihre  auffallende  Aehulicbkeit  mit  dem  griechischen  Mär- 
chen könnte  uns  wohl  veranlassen,  sie  als  direut  aus  Griechenland 
entlehnt  zu  betrachten;  nimmt  man  doch  dasselbe  jetzt  allgemein  von 
Flor  und  Blanchcflor  an  (vgl.  Floirc  et  Blanceilor  podmcs  du  Xllle 
siede  publies'  d'apres  les  manuscrit«  avec  uuc  iutroduction  des  notes 
et  un  glossaire  par  M.  £delc8taud  du  Meril  Paris  1856,  introduction). 
Freilich  scheint  das  Motiv  der  beiden  Träume  dem  zu  widersprechen, 
das  doch  wohl  orientalischen  Ursprungs  sein  wird;  aber  wer  wollte 
jetzt  noch  feststellen,  wie  eine  derartig  weithin  verbreitete  Erzählung 
und  wo  vor  allem  sie  die  Gestalt  erhielt,  in  der  sie  aufgezeichnet 
wurde?  Immerhin  ist  es  interessant  zu  sehen,  wie  das  zu  Grunde  lie- 
gende Motiv  in  Frankreich  auch  sonst  angetroffen  wird;  ich  erinnere 
an  das  Fabliau  (bei  Legrand  Bd.  IV,  S.  193—194  analysirt,  vgl.  Anm. 
5),  das  zwar  nichts  von  einem  Wanddurchbruch  enthält,  aber  die 
Uebcrgabe  der  Frau  an  den  Liebhaber  durch  den  eigenen  Gatten;  und 
zu  erwähnen  ist  noch  der  proven^talische  Roman  de  Flamenca  (Le  Ro- 
man de  Flamenca  x)ublie  d'apres  le  manuscrit  unique  de  Carcasaonne 
traduit  et  accompagne  d'un  glossaire  par  Paul  Meyer  Paris  1865),    im 


Parallelen  zur  Entführuiigsgeschichte  im  Milos  gloriosus.         23 

einwenden,  dass  ja  der  Dichter  des  Miles  sein  ureprüngliches 
Motiv  am  Schlusee  aufgegeben  habe;  er  konnte  deshalb  doch 
sehr  wohl  eine  ihm  vorliegende  Situation  benutzen,  die  ursprüng- 
lich auf  jenem  Motive  aufgebaut  war.  Dies  wird  bestätigt  durch 
die  auffallende  Aehnlichkeit  zwischen  der  Abschiedsscene  im  Miles 
Grloriosus  (vs.  1306 — 1373  ed.  Ribbeck)  und  der  Novelle  von 
Kamaralsaman  und  der  Frau  des  Juweliers.  Hier  wie  dort  bleibt 
der  Uebertölpelte,  weidlich  an  Schätzen  geplündert,  zurück  (die 
Frau  des  Juweliers  schleppt  den  Reichthum  ihres  Mannes  dem 
Geliebten  zu,  und  sie  reisen  damit  ab,  vgl.  M.  Gl.  vs.  975  sqq. 
1198  sqq.  1346  B),  hier  wie  dort  ist  er  noch  den  Flüchtigen 
beim  Fortkommen  behülflich  und  bei  der  Abreise  anwesend  (le 
joaillier  .  .  .  les  aida  lui-meme  k  monter  dans  la  litiέrβ,  vgl. 
M.  Gl.  vs.  1296  sqq.  1309.  1333  R).  Wenn  auch  das  Motiv  ein 
anderes  geworden  ist,  die  Ueberlistung  bleibt  bestehen:  ahnte  der 
Miles  die  Wahrheit,  er  Hesse  die  schlauen  Betrüger  nicht  ziehen. 
In  der  Erzählung  werden  die  Schätze  dem  Juwelier  entwendet: 
im  Lustspiele  sind  sie  der  Preis  für  den  scheinbar  ungern  ge- 
währten freiwilligen  Abschied  des  Mädchens.  Im  Lustspiele  so- 
wohl als  in  der  Erzählung  betreibt  der  hinter' s  Licht  geführte 
die  Abreise :  hier,  weil  ihm  an  der  Fortschaffnng  eines  Mädchens 
liegt,  das  ihm  in  Folge  trügerischer  Vorspiegelungen  anderer 
Aussichten  unbequem  geworden  ist,  dort  aus  reiner  Anhänglich- 
keit an  den  Gastfreund.  Ist  also  auch  die  Motivirung  verschie- 
den, die  Züge  gleichen  sich  frappant.  Unabweisbar  aber  scheint 
mir  das  Gewicht  einer  Einzelheit,    die  in  beiden  Versionen  wie- 


13.  Jahrhundert  verfasst  und  dem  poetischen  Genre  der  Novas  ange- 
hörig  (S.  XVII  Meyer  a  a.  0.).  Dort  wird  der  eifersuchtige  Archam- 
baud,  comte  de  Bourbon-les-Bains,  von  seiner  Gemahlin  Flamcnca  im 
Verein  mit  ihrem  Liebhaber  Guillaume  de  Nevers  in  der  Weise  hinter- 
gangen, dass  der  Geliebte  durch  einen  unterirdischen  Gang  in  die 
Bäder  der  Gräfin  gelaugt.  Diese  stellt  sich  nun  krank,  so  dass  sie  oft 
iu^8  Bad  gehen  muss,  geht  dann  durch  diesen  Gang  in  ihres  Liebhabers 
Wohnung  etc.  Aber  diese  Erzählung  hat  sonst  keine  Anknüpfungs- 
punkte; zudem  ist  sie  unvollendet,  und  wie  sie  verlaufen  sollte,  wissen 
wir  nicht.  —  Hinsichtlich  der  Inclusa  kann  man  sich  füglich  begnügen 
zu  betonen,  dass  ihr  Ursprung  in  Griechenland  zu  suchen  ist:  dies 
beweist  das  plautinische  Lustspiel  und  das  griechische  Märchen.  — ^  Auch 
der  Verfasser  der  Histor.  cal.  noverc.  findet,  allerdings  merkwürdiger 
Weise  nicht  im  Anfange,  wohl  aber  gerade  in  der  Entführungsscene 
Aehnlichkeit  mit  dem  Miles,  indem  er  sagt  (fol.  43  Z.  9  v.  u.  Antwerpen 
1490):  paranturque  docti  doli  non  absimilcs  a  plautino  pleuside.  (!) 


24  Ed.  Zarncke 

derkehrt:  die  Schenkung  der  Sciavin  in  der  arabischen  Erzählung 
und  die  Schenkung  des  Palaestrio  im  Miles.  Halima,  die  Gattin 
des  Juweliere,  die  sich  von  ihrer  treuen  Solavin  nicht  trennen 
will,  stellt  sich  mit  ihr  unzufrieden,  und  ihr  Mann  schenkt  sie 
dem  Kamaralsaman.  Im  Miles  erreicht  die  Philocomasium  durch 
vieles  Bitten  vom  Hauptmann,  dass  er  ihr  den  Palaeetrio  schenkt 
(vs.  1199  sqq.  E).  Natürlich  muss  auch  hier  die  Motivirung 
verschieden  sein:  in  1001  Nacht  konnte  ja  nicht  die  Anhänglich- 
keit an  ihre  Gebieterin  den  Yorwand  abgeben,  sondern  das  gerade 
Gegentheil,  da  ja  die  Herrin  scheinbar  zurückblieb,  und  der  Lust- 
spieldichter  brauchte  bei  seinem  veränderten  Jiotive  nicht  lange 
nach  einem  Grunde  zu  suchen  ^ 

So  gewinnt  man  aus  diesen  deutlichen  Anklängen  den  Ein- 
druck, dass  der  Dichter,  wenn  er  auch  von  dem  Anfangsmotive 
des  Wanddurchbruchs,  das  er  einem  älteren  Vorbilde  entlehnte, 
abgegangen  war,  gleichwohl  in  diesem  letzten  Theile  der  Intrigue 
in  seiner  Darstellung  auf  sein  Vorbild  zurückgrifiP,  das  jenen 
Grundgedanken  bewahrte  ^ ;  denn  dass  sich  die  Erzählung,  welche 


^  Die  Geschieht«  vom  Kamaralsaman  scheint  aus  Griccheuland 
durch  helleuistischo  Vermittlung  nach  Acgyptcn  gekommen;  jedesfalls 
steht  sie  der  Vorlage  des  Milcs  sehr  nahe.  Dass  die  Entführung  zu 
Lande  erfolgt,  ist  als  eine  durch  locale  Verhältnisse  bedingte  Variation 
anzusehen. 

^  Damit  zusammen  stimmt  die  Beobachtung,  die  sich  mir  auf- 
drängt, dass  der  Charakter  dos  Alazon  in  der  Abschicdssccue  nioht  ge- 
nügend gewahrt  erscheint  (Plaut,  mil.  1306 — 1373  R).  Die  Art,  wie 
sich  hier  der  Miles  gibt,  trägt  zum  grossen  Theile  den  Stempel  der 
biederen  Gutherzigkeit  (vgl.  vs.  1319.  1320.  1327.  1348.  1353.  1366. 
1302.  136i.  1370),  wir  finden  ihn  lebhaft  gerührt  —  wir  fühlen  wirk- 
lich Mitleid  mit  ihm,  und  die  Schadenfreude  kommt  nicht  zu  ihrem 
vollen  Rechte  (wenn  freilich  auch  zugegeben  werden  muss,  dass  dieser 
Eindruck  durch  geeignetes  Spiel  verwischt  werden  konnte);  wir  sehen 
den  albernen  Prahlhans  nicht  mehr  in  voller  Lebenswahrheit  vor  uns, 
dessen  Charakter  '  zusammengesetzt  ist  aus  Zügen  des  eitlen,  einföltigen 
Narren,  des  Schwätzers  und  Lügners,  des  hochmüthigen,  des  brutalen 
Wollüstlings,  des  Hasenfusses*  (Ribbeck  Alazon  S.  57).  Und  gerade, 
um  an  der  darauf  folgenden  letzten  Scenc  Behagen  finden  zu  können, 
müsste  man  mindestens  vorher  noch  einmal  die  ganze  Widerwärtigkeit 
der  Erscheinung  vor  Augen  sehen.  Ich  glaube,  der  Dichter  hat  hier, 
indem  er  die  Novelle  vom  betrogenen  Ehemann  benutzte,  unwillkürlich 
Züge  aus  diesem  her  übergetragen,  die  mit  den  Eigenschaften  seines 
Helden  nicht  im  Einklänge  stehen,  und  uns  mehr  den  betrogenen  Ehe- 
mann als  den  überlisteten  Prahlhans  dargestellt. 


Parallelen  zur  Entführungsgeschichte  im  Miles  gloriosus.         25 

die  Quelle  für  die  Inclusa,  Kainaralsaman,  u.  s.  w.  war,  und  in 
der  ein  Motiv  vollständig  durchgeführt  erecheint,  nicht  erst  ans 
dem  Milee  gloriosus  (oder  dessen  Vorlage,  wenn  der  Alazon  die 
genaue  Vorlage  war),  in  dem  ja  jenes  Motiv  plötzlich  links 
liegen  gelassen  wird,  ihren  Ursprung  herleitete,  versteht  sich 
doch  wohl  von  seihst.  Wir  besitzen  also  in  den  angeführten 
Parallelerzählungen  die  bald  mehr  bald  weniger  vom  Original 
sich  entfernenden  Ausläufer  einer  ursprünglich  griechischen  Fabel, 
sei  es  dass  wir  uns  diese  zuerst  in  dramatischer  oder  in  erzäh- 
lender Form  aufgezeichnet  zu  denken  haben.  Das  erstere  könnte 
nur  dann  der  Fall  sein,  wenn  die  Vermuthung  das  Richtige  träfe, 
dass  der  römische  Dichter  aus  zwei  Comödien  die  seinige  conta- 
minirte:  und  selbst  dann  bliebe  immer  noch  die  Frage  offen,  ob 
das  oine  dieser  beiden  ihm  vorliegenden  Lustspiele,  aus  dem  er 
den  zweiten  Act  und  die  Abschiedsscene  entlehnte,  die  Comödie 
vom  betrogenen  Ehemann,  auf  freier  Erfindung  des  Dichters  be- 
ruhte und  so  die  Vorlage  für  eine  Novelle  abgab,  oder  ob  eine 
schon  vorhandene  Erzählung  den  Stoff  herleihen  musste.  Haben 
wir  uns  aber  den  Alazon  als  alleinige  Vorlage  für  das  plauti- 
nische  Stück  zu  denken,  so  dürfte  eine  griechische  Novelle  zu 
supponiren  sein,  welcher  der  Alazondichter  unter  Einführung  des 
Prahlhanses  als  neuen  Charakters,  das  Motiv  zu  den  erwähnten 
Theilen  seiner  Dichtung  entlehnte,  dasselbe  zu  wirksamen  Scenen 
verwandte,  aber,  um  nicht  zu  ermüden,  wieder  fallen  liess  und 
später,  zwar  nicht  es  selbst,  wohl  aber  eine  auf  ihm  basirende 
Situation  wieder  aufnahm  und  mutatis  mutandis  benutzte,  wäh- 
rend andererseits  die  Originalnovelle  durch  mündliche  wie  durch 
schriftliche  Ueberlieferung  in  verschiedenen  Gestalten  über  die 
bewohnte  Erde  sich  verbreitete. 

Wenn  wir  nun  beobachten,  wie  alle  die  aufgeführten  Par- 
allelerzählungen miteinander  wieder  wechselseitig  zusammen- 
hängen, wie  verschiedene  Traditionen  diesen,  andere  jenen  Zug 
bewahrt  haben,  wenn  wir  femer  in  Rechnung  bringen,  wie  die 
verschiedenen  Volksstämme  die  überkommene  Tradition  je  nach 
ihrer  Individualität  gestalten  mochten,  so  ist  es  unschwer  sich 
von  der  ursprünglichen  Erzählung  (die  entweder  Original  war 
oder  sich  aus  einer  Comödie  herleitete)  einen  ungefähren  Begriff 
zu  machen.  Mit  Grund  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  die 
Zwillingsschwester  dort  eine  Rolle  gespielt  haben  wird:  dafür 
sprechen  der  Miles  Gloriosus  und  die  Geschichte  vom  Gerber 
und    seiner  Frau.     Die  Entführung  zu  Schiffe   mit  Einwilligung 


26     £d.  Zarnoke  Parallelen  zur  £iitführang8ge8cbichte  im  Mil.  glor. 

des  Ehemannes  ist  genugsam  bezeugt  durch  das  plautinische 
Stück,  das  griechische  Volksmärchen  und  die  Erzählung  aus  den 
sieben  weisen  Meistern:  betreffs  des  Einverständnisses  mit  dem 
Ehemann  treten  hinzu  das  römische  und  türkische  Märchen  — 
dass  es  hier  der  Vater  ist,  der  hintergangen  wird,  ist  eine  Ano- 
malie ohne  Interesse  —  sowie  die  Kairener  Novelle.  Diese  letz- 
tere, vereint  mit  dem  Miles  weisen  noch  den  Zug  der  Plünderung 
des  Ehemannes  und  den  der  Schenkung  des  Sclaven  auf.  Ob 
aus  dem  griechischen  Märchen  und  der  Geschichte  des  Kamaral- 
saman  geschlossen  werden  könne,  dass  eine  ^ Goldschmiedin*  die 
Intrigantin  war,  ist  kaum  zu  entscheiden  und  jedesfalls  gleich- 
gültig. Die  Trauung  im  Beisein  des  Mannes,  im  albanischen 
Märchen  geradezu  durch  diesen  selbst  und  in  der  Inclusa  we- 
nigstens unter  seiner  Mitwirkung  ausgeführt,  mag  vielleicht  eine 
spätere  Zuthat  sein;  die  in  dem  syrischen  und  griechischen  Mär- 
chen, der  Kairener  Geschichte  und  der  Inclusa  vorkommenden 
Gegenstände,  die  zur  Dupirung  des  Mannes  verwandt  werden  und 
dazu  dienen,  um  mit  Behagen  die  Situation  auszunutzen,  können 
sehr  wohl  durch  mündliche  Tradition  später  hinzugesetzt,  können 
jedoch  auch  Eigenthum  des  Originals  sein;  auch  dass  ein  Jüng- 
ling auf  blosses  Hörensagen  von  Liebe  zu  einer  Dame  ergriffen 
wird,  könnte  wohl  ein  Zug  des  Originals  sein,  während  das  Motiv 
des  Traumes  vom  Oriente  hereingebracht  sein  dürfte:  sicher  ur- 
sprünglich aber,  weil  durch  die  meisten  Parallelen  bezeugt,  ist 
jene  Scene,  in  welcher  der  Ehegemahl  es  über  sich  nehmen  muse, 
im  fremden  Hause  am  fremden  Tische  die  eigene  Frau  als  die 
eines  anderen  zu  begrüssen. 

Es  würe  ein  weitaussehendes  und  wahrscheinlich  unfrucht- 
bares Beginnen,  Λvollte  man  die  Wanderung  dieser  Erzählung  bis 
in's  einzelnste  verfolgen  und  darnach  noch  genauere  Schlüsse  auf 
das  Verhältniss  der  verschiedenen  Traditionen  zu  einander  zu 
ziehen  suchen;  wer  die  Verbreitung,  die  eine  beliebte  Erzählung 
oft  in  kürzester  Frist,  nach  allen  Seiten  hin  erfährt,  zu  beob- 
achten (xelegenlieit  gehabt  hat,  der  wird  sich  sagen,  dass  nach 
Jahrhunderten  mündlicher  Ueberlieferung  die  Zusammenhänge  noch 
mit  Sicherheit  bestimmen  zu  wollen,  ein  Λvenig  Aussicht  gewäh- 
rendes Bemühen  ist.  Soviel  nur  steht  fest,  dass  unsere  Erzäh- 
lung, von  Hellas  ihren  Ursprung  nehmend,  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte die  Welt  durchwanderte  und  überall  dahin  ihren  Fuss 
setzte,  wo  man  Gefallen  fand  an  Schwänken  und  3[ärchen,  im 
Orient  wie  im  Occident. 

Leipzig.  Eduard  Zarncke. 


Zu  Sextos  Empiricus. 


Durch  Immanael  Bekker's  erstaunlichen  Fleise  und  eindrin- 
genden Scharfblick  iet  uns  ein  ebenso  zuverlässiger  wie  lesbarer 
Text  des  Sex  tue  Empiricus  geschenkt  wurden.  Jede  Seite  seiner 
Ausgabe  zeigt  die  Sicherheit  seines  Urtheils  und  die  überall  auf 
zusammenhängender  Forschung  beruhende  Herrschaft  über  Inhalt 
und  sprachliche'  Form.  Möglich,  dass  durch  Herbeiziehung  un- 
verglichener  Handschriften  im  Einzelnen  noch  manche  willkom- 
mene Aufklärung  erfolgen  wird:  wesentliche  Umgestaltungen 
seines  Textes  sind  weder  von  neuen  Handschriften  zu  erwarten, 
noch  von  der  Conjecturalkritik,  der  er  nur  eine  Nachlese  übrig 
gelassen  hat.  In  letzterer  Beziehung  wollen  die  folgenden  Zeilen 
einen  kleinen  Beitrag  liefern. 

Pyrrh.  Hypot.  I  69  (17,  10  Bekk.)  wird  uns  eine  artige 
Bemerkung  des  Chrysipp  mitgetheilt  über  die  dialectische  Bega- 
bung des  Hundes  und  zwar  speciell  über  seine  Fähigkeit  apago- 
giech  zu  schliessen.  Er  vermag  nämlich,  wie  es  heisst,  τψ 
π€μπτψ  bia  πλ€ΐόνων  άναποΟ€ίκτων  έπιβάλλ€ΐν.  Die  fünf  άνα- 
nobetKTOi  d.  h.  die  fünf  Grundformen  der  hypothetischen  Schlüsse 
nach  Chrysipp  bilden  späterhin  für  Sextus  den  Gegenstand  aus- 
führlichster Erörterung,  wobei  sie  stets  unter  der  Bezeichnung 
πρώτος,  δεύτερος  u.  s.  w.  άναττόοεικτος  auftreten.  Die  Form 
des  fünften  ist:  entweder  ist  a  oder  b;  nun  ist  a  nicht,  also  ist 
b.  Man  sieht,  in  dieser  Grundform  handelt  es  sich  wie  bei  den 
übrigen  vier  zunächst  bloss  um  zwei  Glieder,  a  und  b.  Die  Zahl 
derselben  kann  aber  natürlich  beliebig  erweitert  werden.  Unser 
dialectischer  Vierfüssler  z.  B.  bringt  es  auf  drei  Glieder,  wenn 
er  bei  der  Verfolgung  eines  Wildes  au  einem  Dreiweg  angelangt 
auf  zwei  der  betreffenden  Wege  die  Spur  des  ΛVilde8  vergebens 
sucht  und  dann  ohne  erst  noch  zu  wittern  frischweg  den  dritten, 


28  Apelt 

als  den  allein  richtigen  einschlügt.  Er  schlieest  also  nicht  nach 
dem  einfachen  (zweigliedrigen)  αναπόόεικτος  der  fünften  Art, 
sondern  nach  einem  mehrgliedrigen  (bid  πλειόνων)  άναπό^βικτος 
dieser  fünften  Art.  Ein  solcher  kann  aber  nimmermehr  bezeichnet 
werden  durch  ό  πέμπτος  bia  πλειόνων  άvαπobείκτuJV,  man  mag 
den  Genetiv  beziehen  wie  man  will,  sondern  nur  durch  0.  π.  b. 
πλ.  άvαπόbεικτoς.  Daraus  ergibt  sich,  dass  es  im  Texte  heissen 
muss:  τψ  πέμπτιμ  bia  πλειόνων  αvαπobεiκτιμ.  Der  vierte  und 
fünfte  άvαπόbεικτoς  beruhen  auf  disjunctiven  Urtheilen,  sind  also 
όιεΖευγμένοι.  Sextus  hätte  sich  demnach  auch  ohne  Unterschied 
für  den  Sinn  der  Fassung  des  Plutarch  de  solertia  animalium 
p.  969,  wo  über  den  nämlichen  Gegenstand  gehandelt  wird,  be- 
dienen können:  o\  bi  διαλεκτικοί  φασι  τον  κύνα  τψ  bia  πλει- 
όνων διείευγμένω  χρώμενον  έν  ταϊς  πολυσχεδίσιν  άτραποΐς 
συλλογίεεσθαι  προς  εαυτόν  κτλ. 

Hypot.  Ι  83  (20,  2  Bekk.)  ο\  bk  Τεντυρϊται  των  ΑΙγυπ- 
τίων  ου  βλάπτονται  προς  δνω  κάτω  των  κροκοδείλων.  Die 
Worte  άνω  κάτω  sind,  da  sie  jeglichen  Sinnes  entbehren,  mit 
Recht  von  allen  Herausgebern  als  anstössig  bezeichnet  wurden. 
Meines  Erachtens  sind  sie  nicht  als  Rest  einer  verlorenen  Fas- 
sung —  über  deren  Beschaffenheit  man  vergebene  versuchen 
würde  sich  klar  zu  werden  —  sondern  als  Einschiebsel  zu  be- 
trachten. Aber  wie  sind  sie  hereingekommen?  Es  finden  sich 
im  Sextus  noch  mehrere  Stellen,  wo  die  Krokodile  erwähnt  wer- 
den, aber  nur  eine  einzige,  wo  über  sie  eine  besondere  Mitthei- 
lung gemacht  wird,  nämlich  Hypot.  II  195  (102, 19  Bekk.).  Dae 
Krokodil  wird  hier  als  das  einzige  Thier  bezeichnet,  welche«  τήν 
άνω  γένυν  κινεϊ,  während  alle  andern  τήν  κάτω  γένυν  bewegen. 
Diese  in  der  philosophischen  Litteratur  der  Griechen  oft  begeg- 
nende Bemerkung  mag  die  Quelle  des  Zusatzes  sein. 

Hypot.  I  1Ö4  (25,  10  Bekk.)  ώστε  εΤναι  αύτοϊς  ή  μή 
είναι  γίνεται  ούχ  απλώς,  άλλα  προς  τι.  Vielmehr  αύται  ς  sc. 
φαντασίαις. 

Hypot.  1115  (27, 13  Bekk.)  Λνϋΐ  Pappenheim  Philol.  36,  417 
für  έπει  άπιστος  έσται  einsetzen  έπει  άλλως  άπιστος  ίσται. 
Auch  mir  wollte  es  beim  ersten  Lesen  so  scheinen.  Weitere 
Bekanntschaft  mit  Sextus  führt  indess  zu  der  Einsicht,  dass  sein 
Sprachgebrauch  dem  geradezu  entgegensteht.  Diese  durch  Wider- 
legung des  (4egentheils  gegebene  Begründung  einer  Behauptung 
findet  sich  nie  in  anderer  als  dieser  Form.  Vgl.  129,8.  250,13. 
262,   13.  725,  5.  727,  21  Bekk.  u.  a.  m.     Um  so  auffälliger  ist 


Zu  Sextus  Empirictifi«  29 

es,  dass  Bekker's  kundiger  Blick  adv.  Phys.  I  209  (434,  8  Bekk.) 
sieb  hat  täuschen  lassen. 

Hypot.  I  178  (39,  27  Bekk.)  bia  τό  παν,  δπερ  δν  λάβω- 
μ€ν,  απιστον  είναι  οιαπ€φωνημίνον.  Wohl  οιαπεφωνημίνον  δ  ν, 
wie  oben  38,  12  Bekk.  0€ή(Τ€ται  και  τούτο  νοητόν  δν  κρίσεως 
και  τάστεως. 

Hypot.  Ι  228  (52  f.  Bekk.).  Wenn  des  Sextus  Darstellung 
der  Wabrscbeinlicbkeitslebre  der  neueren  Akademie  an  erbeblichen 
Unklarheiten  und  Widersprüchen  leidet,  so  mag  dies  zum  grössten 
Theil  in  dem  Schwankenden  und  Unwissenschaftlichen  dieser  be- 
quemen akademischen  Weisheit  selbst  seinen  Grund  haben.  Auf 
das  durchaus  Unbefriedigende  von  Hypot.  I  228  über  die  άπε- 
ρί(Τπα(Ττος  φανταοτία  hat  bereits  Stephanus  zur  Genüge  hinge- 
wiesen, nur  zweifle  ich  aus  obigem  Grund,  ob  eine  Aenderung 
des  Vorliegenden  nicht  vielmehr  den  Sextus,  als  den  Text  ver- 
bessern würde.  Leidet  doch  auch  die  nähere  Ausführung  adv. 
log.  I  176  ff.  (229,  5  ff.  Bekk.)  an  ähnlichen  Unbegreiflichkeiten. 
Nur  ii)  einem  untergeordneten  Punkt  ist  meines  £rachtens  Abhilfe 
nöthig:  nach  τψ  Άομήτψ*(53,  3  Bekk.)  nämlich  scheint  entschie- 
den ein  δ  b*  "Αδμητος  ausgefallen  zu  sein.  . 

Hy3)ot.  II  42  {66,  13  Bekk.)  wird  vor  dem  scheinbar  Klüg- 
sten (τών  απάντων  άγχινουστάτψ  οοκουντι  ύπάρχειν)  in  der 
Welt  gewarnt,  der  fähig  die  Wahrheit  zu  finden  und  mitzutheilen, 
seine  überlegene  Klugheit  doch  lieber  dazu  benutzt,  dem  Publikum 
Lüge  für  Wahrheit  zu  verkaufen.  Wenn  es  nun  heisst  ovbl 
τούτψ  τοίνυν  συγκαταθησόμεθα  ώς  αληθώς  τα  πράγματα  κρί- 
νοντι,  bio  τό  οϊεσθαι  μέν  αυτόν  αληθή  λέγειν,  οϊεσθαι  b'  δτι 
bC  ύπερβολήν  άγχινοίας  τά  ψευδή  τών  πραγμάτων  ώς  αληθή 
βουλόμενος  παρισταν,  α  φη(Τι  λίγει,  so  kann  man  sich  aus  dem 
Widerspruch,  der  in  dem  οϊεσθαι  μέν  —  οϊεσθαι  bi  liegt,  nicht 
wohl  herausflnden.  Man  erwartet:  weil,  bei  aller  Fähigkeit  die 
Wahrheit  zu  sagen,  er  nach  unserer  Ansicht  doch  vorzieht  zu 
lügen.  Dieser  Sinn  wäre  etwa  herzustellen  durch  ein  οΤόν  τε 
μέν  εΤναι  an  Stelle  des  οϊεσθαι  μέν,  wobei  nach  dem  bekannten 
Gebrauch  von  μέν  —  bi  das  erste  Glied,  statt  untergeordnet  zu 
werden,  des  nachdrücklichen  Contrastes  wegen  nebengeordnet 
wird.  Vielleicht  ist  das  in  den  Drucken  vor  Fabricius  hinter 
αληθή  sich  ßndende  εΐναι  als  Zeuge  für  die  ursprüngliche  Lesart 
anzusehen.  Es  wäre  das  nicht  die  einzige  Spur  einer  von  Bekker 
nicht  verglichenen,  beaohtenswerthen  Handschrift.  Vgl.  Kayser 
Philol.  4  S.  51. 


30  Apelt 

Hypot.  III  54  (132,  31  ff.  Bekk.)  el  bi  σώμα  έστιν  ό  λόγος, 
έπ€ΐ  και  πβρι  ταιν  σιυμάτιυν  διαπεφώνηται  πότερον  καταλαμ- 
βάνεται ή  0Ö,  bia  την  λβγομ^νην  συνεχή  ^ύσιν  αυτών,  ώς  μηοέ 
τήν  τότ€  beiSiv  έπιδ^χβσθαι,   μηδέ  elvai  νομίΖεσθαι  (παρό  καΐ 
ό  ΤΤλάτιυν  γιγνόμενα  μέν,  όντα  hk  ουδέποτε  καλεϊ  τά  σώματα), 
απορώ  πώς  έπικριθήσεται  ή  περί  του  σώματος  όιαφίυνία.     Er 
bedarf  keines  näheren  Eingehen»  anf  den  Zneammenhang.  um  zu 
sehen,    dass   τότε    vor    δεϊΕις    keine  Erklärung  znlässt.     Kayser 
Philol.  4  S.  73  räth  auf  μηδέ  δύο  έπιδείΕεις  unter  Berufung  auf 
adv.  log.  II  7,     wo    diese   Worte    in    Beziehung    auf   den    Flnss 
aller   Dinge   als   von   Aeklepiades    gehraucht    angeführt    werden. 
Abgesehen  von  der  paläographischen  Unwahrscheinlichkeit  dieser 
Vermuthung  erscheint  es,  da  an  unserer  Stelle  Aeklepiades  nicht 
genannt  wird,  sondern  nur  Plato,    gewiss  rathsam,    uns  zunächst 
an  diesen  zu  halten.     Vergleichen  wir  aber  dessen  schöne  Worte 
im  Timaeus,    den  Sextus  beiläufig  gesagt  unter  den   platonischen 
Dialogen  am  häufigsten  citirt,  p.  49  D  f  άει  δ  καθορώμεν  αλλοτε 
άλλη  γιγνόμενον,  ώς  πυρ,  μή  τούτο  άλλα  τό  τοιούτον  εκάστοτε 
προςαγορεύομεν  πυρ,  ....  μηδέ  άλλο  ποτέ  μηδέν  ώς  τιν'  ίχον 
βεβαιότητα,    δσα  δεικνύντες  τψ  ^ήματι  τώ  τόδε  και  τοΟτο 
προςχρώμενοι  δήλου  ν  ηγούμεθα  τι'  φεύγει  γάρ  ούχ  ύπομίνον 
τήν  του  τόδε  και  την  τούτου  ....  και  πάσαν  δση  μόνιμα  ώς 
δντα  αυτά   ενδείκνυται  φάσις,    so   wird   man  kaum  zweifeln 
können,    dass  Sextus  geschrieben  hat  τήν  ^τόδε'   δεϊΕιν,    *die 
Körperwelt   läset    nicht   einmal   die  Hinweisung  mit  dem  Finger 
*  Mieses  da"  zu*.   Da  das  τόδε  im  philosophischen  Sprachgebrauch 
zur  Genüge  bekannt  ist,  so  wäre  nur  noch  zu  bemerken,  dass  in 
der  philosophischen  Sprache   des   Sextus   im   Gegensatz    zu    dem 
älteren  Sprachgebrauch,  z.  B.  dem  des  Aristoteles,  der  Ausdruck 
δεϊΕις  ausschliesslich  zur  Bezeichnung  der  sinnlichen  Hinwei- 
sung dient.     Dies  ist  Bekker,  obgleich  schon  die  in  seinem  Index 
angeführten  Stellen,  zu  denen  ausser  der  unserigen  noch  zu  ver- 
gleichen ist  p.  249,  6  und  54ft,  13  Bekk.,    es  zeigen,  entgangen 
und  er   vermuthet  daher   p.  487,  20   unrichtig  für  δό£αν  δεϊΕιν. 
Mir  ist  es  wahrscheinlich,  dass  an  jener  Stelle  vielmehr  ποιησα- 
με'νιυν  in  πιστιυσαμένων  —  ein  Lieblingswort  des  Sextus  —  zu  än- 
dern ist. 

Hypot.  TU  83  (141,  1  Bekk.).  Zur  Veranschaulichung  des 
Gedankens,  dass  vernünftiger  Weise  eine  αυ£ησις  eigentlich  unmög- 
lich, dass  vielmehr,  was  man  so  nenne,  eine  έΗ  δλου  έτεροίωσις 
sei,    wird  Λ"ergleichs weise  gesagt:     ώσπερ  ουν  εί,    λόγου  χάριν, 


Zu  Sextus  Empiricus.  31 

Εύλου  τρΐ7τηχ€ος  όντος  οεκάττηχυ  ?τ€ρον  άγαγών  τις  ηύΕηκ^ναι 
τό  τρίπηχυ  λεγοι,  ψεύσεται  bia  τό  δλον  έτερον  είναι  τούτο 
εκείνου.  Ich  weiss  nicht,  wie  luaii  sich  hier  mit  άγαγών  ahfin- 
<len  kann  und  denke,  dass  es  mit  άλλά(Τ(Των  oder  etwas  ähn- 
lichem vertauscht  werden  muss. 

Hypot.  III  103  (145,10  Bekk.).  In  die  verwirrten  Worte, 
die  Bekker,  mir  unwahrscheinlich,  dadurch  lesbar  zu  machen 
«licht,  dass  er  γάρ  in  b€  umzuändern  empfiehlt,  wird  Ordnung 
gebracht,  wenn  man  vor  διατρ^πεται  γάρ  den  Ausfall  von  δ 
αδύνατον  annimmt.  Nicht  unmöglich,  dass  dies  auch  am  Rande 
nachgetragen  war;  wenigstens  könnte  das  zwei  Zeilen  weiter 
nnten  nach  μεταβάλλει  τι  άρα  stehende,  sinnlose  und  von  Bekker 
mit  Recht  eingeklammerte  8  der  an  falscher  Stelle  eingetragene 
Rest  dieses  Nachtrags  sein. 

Hypot.  III  126   (150,  9  ff.  Bekk.)    wird  die  stoische  Defi- 
nition des  Raumes  als  eines  διάστημα  ύπό  σώματος  κατεχόμενον 
και    έΕισαίόμενον   τψ   κατέχοντι  αυτόν    zurückgewiesen.     Denn 
-was  ist  hiemach  der  Raum?    Bloss  eine  Dimension  des  ihn  er- 
füllenden Körpers?     Das   ist    unmöglich.     Oder  die  drei  Dimen- 
sionen   desselben?    (ει   bi    a\    τρεις    διαστάσεις   hat   der   Text, 
während   die  Construction    erfordert   τ  ά  ς  τρ.  b.).     Dann   mtisste 
<ler  Körper  sein  eigener  Raum   sein  έπει   οοτε   κενόν   υπόκειται 
^v  τψ  λεγομένψ  τόττψ  ούτε  άλλο  σώμα  διάστασιν  ?χον,  μ^νον 
δέ  τό  έν  τόττψ  λεγόμενον  εΐναι  σώμα  ου  συν^στηκεν  έκ  τών 
διαστάσεων  (έστι  γάρ  τούτο  μήκος  και  πλάτος  και  βάθος  κα\ 
άντιτυπία,   ή  δη  συμβεβηκε'ναι   λέγεται   ταϊς   διαστάσεσι  ταΐς 
προειρημε'ναις).    Was  soll  hier  μένον?    Es  verwirrt  den  ganzen 
Gedanken,  der  sich  klar  herausstellt,    wenn  man  dafür  μ  ό  ν  u)  ν 
einsetzt.     Dann  wird  auch  die  begründende  Parenthese  verständ- 
lich: der  Körper  besteht  nicht  bloss  aus  den  drei  Dimensionen, 
sondern  ausser  ihnen  auch  noch  aus  der  άντιτυπία  —  und  diese 
will  auch  untergebracht  sein ;  wo  bleibt  aber  bei  jener  Definition 
für  sie  die  Möglichkeit  des  Unterkommens?  Die  nachdnicksvolle 
Stellung  des  μόνων  an  der  Spitze  des  Satzgliedes   und   getrennt 
von  seinem   Substantiv   ist    ganz   in   der  Art   des  Sextus.     \^gl. 
Hypot.  II  24  (62,  1  Bekk.)  μόνα  γάρ  κατ'  άλήθειαν  ύπάρχειν 
Φησιν  ό  άνηρ   τά   άτομα.     Adv.  ethicos  144    (574,  13  Bekk.) 
Μόνον   άταράχιυς  οιεΕάγειν   έν  τοις  κατά  boHav  άγαθοΐς  και 
κακοϊς  τόν  περί  πάντων  επέχοντα. 

Hypot.  III  181  (1C.3,  30  Bekk.).     Die  Peripatetiker  unter- 
scheiden drei  Arten  von  Gütern  τά  περί  ψυχή  ν,  τά  περν  Guiyia.^ 


32  Apolt 

τά  έκτος.  Die  erste  nnd  dritte  Art  erkennen  auch  die  Stoiker 
an,  τά  μίντοι  π€ρι  σώμα  ή  έκτος,  δ  φασιν  ο\  έκ  του  περιπάτου 
αγαθά  €Ϊναι,  oö  φασιν  αγαθά.  Wie  soll  man  sich  hier  ή  έκτος 
erklären,  nachdem  eben  mitgetheilt  ist,  dass  sie  έκτος  αγαθά 
ζ.  Β.  den  φίλος,  ebenso  wie  Aristoteles  anerkennen?  Ganz  correct 
heisst  es  denn  auch  in  dem  Buch  adv.  ethicos  §  46  (555,  14  ff. 
Bekk.)  τούτιυν  γάρ  τά  μέν  περί  ψυχήν  τά  b'  έκτος  τά  bi  ούτε 
περί  ψυχήν  ούτε  έκτος,  έΕαιρουντες  το  γένος  των  περί  τό  σώμα 
αγαθών  ώς  μή  αγαθών.  Nun  mögen  zwar  die  Stoiker  in  der 
näheren  Bestimmung  dieser  έκτος  αγαθά  mit  den  Peripatetikern 
nicht  ganz  übereingestimmt  haben,  immer  bleibt  doch  hier  das 
ή  έκτος  anstössig.  Es  ist  also  entweder  ganz  zu  streichen  oder 
zum  mindesten  ή  zu  tilgen,  indem  dann  nach  einer  logisch  we- 
nigstens zu  rechtfertigenden  Eintheilung  die  έκτος  αγαθά  als  Gat- 
tungsbegriff die  beiden  Arten  unter  sich  enthielten :  τά  περί  σώμα 
έκτος  und  τά  κυρίως  έκτος.  £inen  Anhalt  dafür  könnte  man 
finden  in  einer  Stelle  des  Scholiasten  beim  Lncian  Jacob.  4,  209, 
wenn  dieselbe  auch  in  sich  wieder  in  anderer  Beziehung  Zweifel 
erweckt.  Der  Scholiast  sagt  nämlich  über  diese  stoische  Lehre: 
τούτων  bi  τών  αγαθών  τά  μέν  εΤναι  περί  ψυχήν  τά  bi  έκτος, 
εϊτε  περί  σώμα  εϊτε  περί  τά  κυρίως  έκτος,  τά  bi  οΰτε 
κατά  ψυχήν  οοτε  έκτος, 

Hypot.  III  193  (167,  6  ff.  Bekk.)  οΐ  πλείστοι  τών  ανθρώ- 
πων όειλοι  θεωρούνται*  σπανίως  μέν  γάρ  τις  υπέρ  πατρίδος 
εαυτόν  έπέοωκεν  εις  θάνατον  βλακευσάμενος  ή  άλλως  θερμόν 
τι  τυφωθείς  έοοΕε  τις  οιαπράττεσθαι,  ό  bi  πλείστος  όμιλος  τών 
ανθρώπων  πάντα  τά  τοιαύτα  έκκλίνει.  Hier  ist,  wie  jeder  aue 
dem  Hergesetzten  bei  einiger  Prüfung  sehen  wird,  βλακευσάμε- 
νος an  der  Stelle,  welche  es  einnimmt  ebenso  störend,  schon  in 
liücksicht  auf  die  blosse  Construction,  wie  es  passend  sein  würde 
hinter  τών  ανθρώπων,  wohin  es  vielleicht  auch  gehört.  Denn 
wenn  es  übersetzt  wird  mit  utpote  quadam  animi  mollitie  reten- 
tus,  so  zeigt  schon  das  folgende  in  entgegengesetzter  Beziehung 
stehende  τυφωθείς  das  Missliche  dieser  Erklärung. 

Adv.  log.  I  73  (205,  22  Bekk.)  άτοπον  bi  γε  τό  μηδέν 
τούτων  εΐναι  λέγειν  τό  δν.  Die  Stelle  ist  gegen  Kayser  in  Schutz 
zu  nehmen,  der  Rhein.  Mus.  N.  F.  7,  IGG  hinter  τούτων  ein  öv 
einfichieben  will.  Verbindet  man  das  τό  vor  μηοεν  mit  λέγειν, 
wie  an  unzähligen  Stellen  nach  άτοπον  zu  dem  Infinitiv  τό  hin- 
zugesetzt ist,  so  wüsste  ich  nicht,  was  an  den  Worten  auszu- 
setzen ist.     Dagegen  verstehe  ich  es,  Λνβηη  Kayser  etwas  weiter 


Zu  SextuB  £mpiricus.  dd 

nnten  §  84  ό  ημέτερος  anstöseig  findet,  ohne  indeee  Hülfe  zu 
schaffen.  Die  Worte  sind,  wie  mir  scheint,  nur  aus  Versehen 
hinter  das  λόγος  in  dieser  Zeile  gerathen,  während  sie  hinter 
das  λόγος  in  der  folgenden  Zeile  gehören,  wo  sie  durch  den 
Gegensatz  mit  έτέριυ  vollständig  zu  ihrem  Bechte  kommen:  μή 
δν  (so  richtig  Bekker)  bk  λόγος  6  ημέτερος,  ουκ  δν  οηλιυ- 
θ€ίη  έτέρψ.     Ob  ό  zu  streichen,  bleibe  dahingestellt. 

Adv.  log.  I  250  (245,  19  Bekk.)  bei  τήν  καταληπτικήν 
φαντασίαν  και  έναπομεμαγμένην  και  έναπεσφραγισμένην  τυγ- 
χάνειν,  Υνα  πάντα  τεχνικώς  τα  Ιδιώματα  τών  φαντασιών  άνα- 
μάττηται.  Wer  die  Stelle  aufmerksam  liest  und  mit  §  248  ver- 
gleicht και  πάντα  τεχνικώς  τα  περί  αύτοΐς  (sc.  τοις  ύποκειμένοις 
d.  i.  den  vorgestellten  Gegenständen)  ιδιώματα  άναμεμαγμένην, 
der  muss  einräumen,  dass  für  φαντασιών  einzusetzen  ist  φαν- 
ταστών. 

Adv.  log.  II  85  (305,  14  Bekk.)  Δι^ομ^νου  τε  του  άΗί- 
ιυμα  είναί  τι  αληθές  καί  τι  ψευδός,  ου  συγχωρήσουσιν  ο\ 
άηό  τής  σκέψεως  bxa  τό  μή  εύαπό^οτον  αυτό  καθεστάναι  τοις 
προς  ους  έστιν  δ  λόγος.  Der  Widersprach,  der  hier  offenbar 
zwischen  οώομένου  und  ου  συγχωρήσουσιν  obwaltet,  wird  be- 
seitigt, wenn  man  für  οώομένου  schreibt  διδασκομένου,  wie  es 
anch  einige  Zeilen  weiter  unten  in  §  86  dem  entsprechend  heisst 
ovbi  τό  άπ'  αυτών  οι^ασκόμενον  αληθές  και  ψευδός  όείωμα 
συνήσομεν. 

Adv.  phys.  Ι  76  (408,  30  Bekk.)  αδύνατον  εϊη  δ  ν? 

Adv.  ethic.  §  99  (565,  30  Bekk.)  όρώμεν  γάρ,  φασίν,  ώς 
τίνα  γενναία  ίώα,  καθάπερ  ταύροι  και  άλεκτρυόνες,  δπερ  μη- 
οεμιας  αύτοϊς  υποκείμενης  τέρψεως  και  ηδονής  διαγωνίζεται 
μέχρι  θανάτου.     Für  απερ  ist  καίπερ  zu  schreiben. 

Adv.  ethic.  §  103  (566,  18  Bekk.)  ώστε  εΐ  φαΐεν  κτλ. 
Nicht  vielmehr  άλλως  τε,  ει  φαϊεν?  Vgl.  469,  27.  489,  13. 
513,  17.  517,  24.  534,  21  u.  ö. 

Weimar.  Otto  Apelt. 


^in.  Hos.  f.  Pbilol.  N.  F.  XXXIX. 


Zur  Fmanzgeschiehte  Athens. 


I.    Die  Bnndesstenern. 

In  der  Ueberflicht  über  die  militärischen  und  finanziellen 
HülfRquellen  Athens  zu  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges,  die 
Thukydides  dem  Perikles  in  den  Mund  legt,  wird  der  Betrag  der 
jährlich  von  den  Bundesgenossen  eingehenden  Tribute  auf  durch- 
schnittlich 6()0  Talente  berechnet  (Thuk.  II  13).  Andererseits 
zeigen  die  erhaltenen  Tributlisten,  dass  in  der  Zeit  zwischen  dem 
Abschluss  des  dreissigjährigen  Friedens  und  dem  samischen  Auf- 
stande, 44G/5 — 440/39,  die  Gesammtsumme  der  eingeschätzten 
Tribute  sich  auf  jährlich  460  Talente  belaufen  hat,  während  die 
wirklich  eingehenden  Zahlungen  noch  um  etwas  hinter  diesem 
Betrage  zurückblieben;  mit  anderen  Worten,  man  ist  damals  auf 
den  alten  aristeidischen  Ansatz  zurückgegangen,  nachdem  eine 
Zeit  lang  über  500  Talente  erhoben  worden  waren.  Ist  nun  die 
Angabe  des  Thukydides  richtig,  so  müssen  in  der  Zeit  zwischen 
439/8  und  432/1  die  Tribute  wieder  erhöht  worden  sein.  Nach 
Koehler  wäre  diese  Tributerhöhung  gleich  im  Jahre  439/8  er- 
folgt; aber  schon  Löschcke  *  hat  gewichtige  Bedenken  gegen  diese 
Ansicht  erhoben,  und  kürzlich  Busolt-  in  eingehender  Untersuchung 
gezeigt,  dass  der  eingeschätzte  Gesammtbetrag  der  Tribute  in  der 
Zeit  zwischen  dem  samischen  Aufstande  und  dem  Abfall  von 
Potidaea  sich  nach  wie  vor  auf  4G0  Talente  belaufen  hat,  die 
freilich  keineswegs  vollständig  eingingen.  Aber  auch  Löschcke's 
Annahme,    die   Tribute    seien    unmittelbar    vor    dem   Abfall    von 


'  In  Reiner  bokannton  DiRscrtation  Oc  tiiulis  aliqtmt  Atticis  (Bonn 
1870)  S.  11  ff. 

^  Dor  φόρος  der  athenrsohen  Bündnor.     Philologus  41   (1882)  S. 
652—718. 


Zur  Finanzgescliichte  Athene.  ä5 

Potidaea  erhöht  worden,  ist,  wie  Busolt  erwiesen  hat,  unhaltbar; 
denn  noch  in  den  ersten  Jahren  des  archidamischen  Krieges,  als 
Aegina    attische    Kleruchie    geworden   war,    und   folglich   keinen 
Tribut    mehr    bezahlte,    belief  sich   der  Sollbetrag   aller  Tribute 
auf  434  Talente,    so  dass  am  Anfang  des  Krieges,    selbst  unter 
der  Voraussetzung,  dass  der  Tribut  von  Aegina  in  dieser  Periode 
gegen  den  früheren  Satz  von  30  Talenten   erhöht  worden  wäre, 
die  aristeidische  Gesammtsumme  von  460  Talenten   nur   um    ein 
ganz  Unbedeutendes  tiberschritten  worden  sein  kann.     I)ie  wirk- 
lich   eingehenden  Tribute  hätten    sich  nach  Busolt  —   abgesehen 
von  Aegina  —  sogar   nur   auf  rund  360  Talente  belaufen.     Das 
wird    nun    allerdings    etwas    zu    niedrig    gerechnet    sein.     Denn 
während  Busolt  den  wirklichen  Ertrag   des  thrakischen  Tributes 
zn  77  Talenten  4000  Drachmen  veranschlagt,  ergeben  die  beiden 
vollständig  erhaltenen  Listen  dieses  Tributs  aus  der  Zeit  zwischen 
dem  Abfall  von  Potidaea  und  der  Steuerreform  von  425/4  (CIA. 
I  256  und  259»)  Summen  von  85  Talenten  4120  Drachmen*  und 
87  Talenten  3835  Drachmen.     Dagegen  ergibt  die  in  annähernder 
Vollständigkeit    vorliegende    Liste    des    hellespontischen    Tributs 
an»    dieser    Zeit    (CIA.   I   259)    eine   Summe    von    82  Talenten 
2610  Drachmen,    was   sehr  gut   zu  Busolt's  Ansatz  von   88  tal. 
5490  dr.  als  Gesammtertrag  dieses  Tributes  stimmt.     Auch  gegen 
»eine  Schätzung  des  ionisch-karischen  und   des  Inseltributs  wird 
nichts  wesentliches   einzuwenden   sein,    höchstens   könnten    beide 
Sätze  um  je  10  Talente  erhöht  werden.     Mögen  wir  also  rechnen 
so  reichlich  wir  wollen,  die  Thatsache  bleibt  bestehen,   dass  seit 
der  Incorporirung  Aeginas  in  den   attischen  Staat  der  Gesammt- 
betrag  der  jährlich  efFectiv  eingehenden  Tribute  400  Talente  nicht 
überstiegen  hat.     Für  den  Anfang  des  Krieges,  als  Aegina  noch 
zahlte,  werden  demnach  430,  vielleicht  450  Talente  anzusetzen  sein. 
Daraus   ergibt   sich    denn,    dass   Diodor   gegen  Thukydides 
recht  hat,  wenn  er  die  im  Jahre  432/1  eingehenden  Tribute  mit 
460  Talenten  in  Ansatz  bringt  (XII  40).     Diodor  folgt  hier,  nach 
seiner   eigenen  ausdrücklichen  Angabe    (XII  41),    dem  Ephoros; 
ßphoros  aber  hat  Thukydides  vor  sich  gehabt,  wie  ein  Vergleich 
^er  angeführten  Kapitel  Diodor's  mit  der  Stelle  des  Thukydides, 


*  Dass  die  Liste  CIA.  I  259  keineswegs,  wie  Kochler  und  Kirchhoff 
^<^llten,  in  die  Zeit  nach  der  Tributcrhöhuiig  von  425/4  gesetzt  werden 
^^rf,  zeigt  Busolt  a.  a.  0.  S.  695—9. 

^  Die  Quote  von  Samothrake  mit  0  Minen  in  Ansatz  gebracht. 


8β  Beloch 

von  der  wir  oben  ausgegangen  sind,  aufs  ünwiderleglioliBte  dar- 
thut.  Hat  also  Ephoros  seine  Quelle  auf  Grund  eigener  For- 
schung verbessert,  oder  stand  in  seinem  Exemplar  des  Thukydides 
etwa  έΗ[ήκοντα  και  τ€τρ]ακοσίων  ταλάντων,  so  dass  die  ein- 
geklammerten Buchstaben  in  dem  Archetypus  unserer  HandBcbriften 
ausgefallen  wären?  *  —  Uebrigens  weiss  auch  der  l^erfaeeer  der 
pseudo-andokideischen  Rede  gegen  Alkibiades,  dass  der  aristei- 
dische  Ansatz  der  Tribute  bis  auf  die  Steuerreform  des  Jahres 
425/4  in  Kraft  gestanden  hat  (§  11). 

Dennoch  glaube  ich  nicht,  dass  wir  berechtigt  sind,  die 
Angabe  des  Thukydides  einfach  als  Irrthum,  sei  es  des  Hieto* 
rikers  selbst,  sei  es  seiner  Abschreiber,  bei  Seite  zu  werfen. 
Nur  müssen  wir  allerdings  annehmen,  dass  Thukydides  sich  un- 
genau ausgedrückt  hat,  wenn  er,  statt  von  den  Bundessteuem 
überhaupt,  nur  von  den  Tributen  redet.  Denn  die  Tribute  bil- 
deten in  dieser  Zeit  wohl  die  hauptsächlichste,  aber  keineswegs 
die  einzige  Einnahmequelle  des  Bundes. 

Zunächst  kommen  hier  die  Einnahmen  aus  Samos  in  Be- 
tracht. Bis  zum  Aufstande  des  Jahres  441/0  hatte  diese  Insel 
bekanntlich  ihr  eigenes  Contingent  zur  Bundesflotte  gestellt,  und 
clemgemäHS  ßnanzielle  Beiträge  zu  Bundeszwecken  nicht  geleistet. 
Aber  auch  nach  dieser  Zeit  wird  Samos  in  unseren  Quotenlisten 
niemals  aufgeführt,  obgleich  es  doch  unzweifelhaft  ist,  dass  die 
Insel  als  Aequivalent  für  die  jetzt  wegfallenden  militärischen 
Leistungen  an  die  Bundeskasse  gesteuert  hat  ^  Tribut  aber  kann 
Samos  nicht  bezahlt  haben,  wie  das  Schweigen  der  Quotenlisten 
unwiderleglich  beweist;  Samos  müsste  sonst  ebenso  darin  vor- 
kommen wie  das  nahe  Amorgos,  das  auch  erst  seit  den  Ereig- 
nissen von  441 — 439  Tribut  entrichtet  hat.  Auch  an  eine  Con- 
fiscation  des  Grundeigenthums  in  der  Art,  wie  sie  'nach  dem 
Aufstande  von  428/7  über  Mytilene  verhängt  wurde,  ist  nicht  zu 
denken,  da  wir  noch  411  die  Geomoren  als  einflnssreiche  und 
zahlreiche    Klasse   auf   Samos   antrefTen    (Thuk.  VIII  21),    wenn 


^  Indcss  hat  schon  Plutarch  Arist.  24,  oder  vielmehr  seine  Quelle 
bei  Thukydides  600  Talente  gelesen. 

^  \^\.  CIA.  I  38.  Das  argumentum  ex  silentio  aus  Thuk.  I  117 
ist  hier  womöglich  noch  weniger  beweiskräftig  als  sonst.  Wozu  hätte 
Thukydides  iil)er  eine  selbstverständliche  Sache  Worte  verlieren  sollen? 
ΛΊΙ  57  werden  die  Samier  übrigens  unter  den  steuerpflichtigen  Bundes- 
genossen aufgeführt. 


Zur  Finanzgesohichie  Athens.  37 

auch  immerhin  eine  Anzahl  von  Domänen  für  den  attischen  Staat 
und  die  attischen  Götter  eingezogen  worden  sein  mögen  ^  Es 
bleibt  also  kaum  etwas  anderes  übrig,  als  die  Annahme,  dass 
Samos  indirecte  Steuern  an  den  Bund  zahlte,  mit  anderen  Worten, 
dass  die  Zolleinnahmen  auf  Samos  ganz  oder  zum  Theil  für  Bun- 
desrechnung erhoben  worden  sind.  Ausserdem  war  Samos  im 
Frieden  die  Verpflichtung  auferlegt  worden,  die  zu  1 200  Talenten 
geschätzten  Kriegskosten  zurückzuerstatten^;  und  diese  Rechnung 
konnte  bei  Ausbruch  des  peloponnesischen  Krieges  schwerlich 
beglichen  sein,  wir  müssten  denn  annehmen,  dass  Samos  in  jedem 
der  acht  Jahre  von  439/8—432/1  160  Talente  bezahlt  habe,  eine 
Summe,  die  doch  ohne  Zweifel  die  Kräfte  der  Insel  bei  Weitem 
überstieg. 

Diese  Einkünfte  aus  Samos  (τα  έχ  Σάμου)  bildeten  einen 
eigenen  Titel  des  attischen  oder  besser  des  Bundesbudgets.  In 
der  Schatzrechnung  aus  dem  Jahre  des  Archon  Glaukippos  410/9 
(CIA.  I  188)  erscheinen  sie  mit  einem  Betrage  von  gegen  100 
Talenten.  Böckh  hat  freilich  gemeint,  das  seien  Tributgelder» 
die  von  den  nächstgelegenen  Staaten  nach  Samos  gebracht  wor- 
den wären,  um  von  da  nach  Athen  weiterbefördert  zu  werden 
(Staatsh.  II  23).  Indess  diese  Erklärung  ist  sprachlich  wie  sach- 
lich gleich  unhaltbar.  Τά  έχ  Σάμου  kann  eben  nichts  anderes 
heissen,  als  Gelder  die  aus  Samos  stammen,  niemals  aber  Gelder 
die  von  andersher  dorthin  gebracht  sind  und  sich  noch  dort  be- 
finden: in  diesen  Falle  müsste  τά  io  Σάμψ  oder  etwa  τά  ii 
Ίυυνίας  gesagt  sein.  Und  abgesehen  davon  konnte  die  Flotte  in 
dieser  Zeit  gar  nicht  daran  denken  Gelder  nach  Athen  zu  schicken, 
denn  erstens  erkannte  sie  die  Autorität  der  Regierang  zu  Hause 
nicht  an,  und  zweitens  brauchte  sie  jede  Drachme  die  von  den 
Bundesgenossen  erhoben  wurde  zum  eigenen  Unterhalt.  Auch 
war  der  Umfang  der  athenischen  Herrschaft  in  lonien  und  Karlen 
im  Jahre  410/9  so  beschränkt,  dass  jene  95  Talente  nothwendiger 
Weise  zum  grössten  Theile  aus  Samos  selbst  stammen  müssen, 
68  sei  denn  sie  wären  aus  dem  Hellesponte  dahin  geschickt  wor- 
den, was  doch  Niemand  annehmen  wird.     Böckh  wendet  hier  ein. 


'  S.  die  von  Rayct  im  Bulletin  de  rocole  fran^aise  d'  Athenes 
n.  XI  (Sept.  1871)  publicirte  samischc  Inschrift  in  voreuklidischer 
Schrift:  "Ορος  τ€μ^νους  Έπιυνύμιυν  *Αθήνηθ[€]ν  mit  Kircbhoffs  Bemer- 
kungen in  den  Abhandl.  der  Bcrl.  Akad.  1876  S.  67. 

-  CIA.  I  177  wonach  bei  Diod.  XII  28  χιλίιυν  biUKoaiwv  zu  lesen  ist. 


88  Belooh 

dass  Samos,  dem  im  Jahre  vorher  die  Autonomie  bewilligt  wor- 
den sei,  410/ϋ  unmöglich  Tribut  bezahlt  haben  könne.  Das  be- 
hauptet auch  Niemand;  vielmehr  ist  Samos,  soweit  wir  sehen, 
überhaupt  niemals  tributpflichtig  gewesen,  und  ausserdem  waren 
im  Jahre  410/9  die  Tribute  bekanntlich  im  ganzen  Eeiche,  oder 
doch  in  dessen  grösstem  Theil  duroh  eine  indirekte  Steuer  er- 
setzt. Uebrigens  schliesst  die  Autonomie  absolute  Abgabenfreiheit 
keineswegs  in  sich  (Thuk.  Υ  18,  5);  und  es  ist  im  höchsten 
Grade  unwahrscheinlich,  dass  die  Strategen  der  athenischen  Flotte 
bei  der  bedrängten  Finanzlage  im  Jahre  411  auf  die  Einkünfte 
aus  Samos  sollten  verzichtet  haben.  Und  diese  Einkünfte  konnten 
sich  damals  recht  gut  auf  gegen  100  Talente  belaufen;  zahlte 
doch  selbst  das  kleine  Faros  seit  425/4  einen  Tribut  von  30 
Talenten.  Unter  der  Annahme,  dass  bei  der  grossen  Tributerhö- 
hung von  425/4  die  Steuern  von  Samos  in  demselben  Verhältnies 
wie  die  der  übrigen  Bundesstaaten  gesteigert  worden  sind,  er- 
hielten wir  für  den  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges  für  die 
*  Einnahmen  aus  Samos'  einen  Betrag  von  etwa  40  Talenten.  Die 
Rückzahlung  der  Kriegskosten  ist  hier  natürlich  nicht  einbegriffen. 

Es  ist  keineswegs  unwahrscheinlich,  dass  der  Bund  aach 
noch  in  anderen  Staaten,  zeitweise  wenigstens,  die  Zollgefälle 
erhoben  hat.  Wenn  Aenos  seit  dem  Abfalle  Fotidaeas  aus  unseren 
Uuotenlisten  verschwindet,  während  es  doch  bestimmt  bezeugt  ist, 
dass  die  Stadt  bis  zur  sicilischen  Katastrophe  am  Bündniss  mit 
Athen  festgehalten  hat,  so  ist  es  jedenfalls  das  nächstliegende, 
an  eine  Ersetzung  der  directen  durch  eine  indirecte  Steuer  zu 
denken.  Auch  sonst  sollten  wir  zur  Erklärung  von  besonders 
aufl'allenden  Tribut-Herabsetzungen  oder  Erhöhungen  diese,  bezie- 
hungsweise die  umgekehrte  Möglichkeit  mehr  in  Betracht  ziehen 
als  das  gewöhnlich  geschieht.  Die  allgemeine  Ersetzung  der  Tri- 
bute durch  die  εΙκθ(Ττή  im  Jahre  413  wäre  kaum  durchführbar 
gewesen,  wenn  man  nicht  schon  vorher  mit  dem  indirecten  Steuer- 
system auch  bei  den  Bundesstaaten  einige  Erfahrungen  gemacht 
hätte. 

Die  bei  Weitem  wichtigste  Zolleinnahme  des  Bundes  indess 
war  bis  zur  Steuerreform  des  Jahres  413  die  ί)6κάτη  im  thra- 
kischen  Bosporos.  Schon  der  bekannte  Volksbeschluss  über  die 
Rückzahlung  der  heiligen  Gelder  aus  435/4  oder  einem  noch 
früheren  Jahr  (CIA.  I  32)  weist  zu  diesem  Zwecke  ausser  den 
bereiten  Beständen  der  Hellenotamicn  noch  die  Erträge  einer  be- 
κάτη   an,    die  höchst  wahrscheinlich   mit  jenem  zehnprocentigen 


Zur  Fiuaiizgesuhiuhte  Athens.  39 

Zolle  auf  den  Verkehr  mit  dem  Pontes  identisch  ist;  wenigeteos 
kennen  wir  sonst  keine  δεκάτη  im  ganzen  Gebiete  des  attischen 
Keiches.  In  dem  Yolksbeschlnss  für  Methone  aus  426/5  wird 
eine  Behörde  der  Hellespontophylaken  erwähnt,  deren  Obliegen- 
heit unter  anderem  darin  bestand,  die  Ausfuhr  von  Getreide  aus 
dem  Pontos  zu  regeln  (CIA.  I  40).  Dass  in  unseren  literarischen 
Q^nellen  die  Ο€κατη  erst  nach  der  Wiederunterwerfung  des  Hel- 
lesponts  durch  Alkibiades  410  erwähnt  wird,  ist  kein  Gegen- 
grund,  denn  Alkibiades  kann  eine  längst  bestehende  Abgabe 
wieder  eingeführt  haben.  Und  dass  es  sich  in  der  That  bei  der 
Ο€κάτη  durchaus  nicht,  wie  Böckh  (Staatsh.  I  441)  wollte,  um  eine 
*  Erpressung^,  sondern  um  eine  organische  Einrichtung  des  Bundes 
gehandelt  hat,  zeigt  ihre  Erneuerung  durch  Thrasybulos  390/89. 
Auch  wäre  kaum  abzusehen,  wie  die  attische  Regierung  in  den 
finanziellen  Bedrängnissen  des  archidamischen  Krieges  eine  so 
reiche  Einnahmequelle  sich  hätte  lassen  entgehen  sollen  ^ 

Dass  der  Ertrag  dieses  Zolles  keineswegs  in  die  attische 
Staatskasse^  sondern  in  die  Bundeskasse,  d.  h.  an  die  Helleno- 
tamien  floss,  ist  an  sich  klar,  und  wird  durch  den  Volksbeschluss 
über  die  Rückzahlung  der  heiligen  Gelder  bestätigt.  Denn  da 
die  Rückzahlung  aus  den  Beständen  der  Hellenotamien  bewirkt 
wird,  so  müssen  die  Anleihen,  um  die  es  sich  handelt,  zu  Bun- 
deszwecken aufgenommen  worden  sein,  und  folglich  ist  auch  die 
οεκάτη,  deren  Ertrag  gleichfalls  zu  Rückzahlungen  bestimmt  wird, 
in  den  Bundesschatz  geflossen. 

Die  Einnahme  aus  dieser  Quelle  muss  sehr  beträchtlich 
gewesen  sein^,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass  der  oben  an- 
geführte Volksbeschluss  die  δεκάτη  ausdrücklich  hervorhebt.  Al- 
kibiades nach  der  Schlacht  bei  Eyzikos  und  20  Jahre  später 
Thrasybulos  nach  der  Eroberung  von  Byzanz  hatten  nichts  Eili- 
geres zu  thun,  als  sich  des  Zolles  im  Bosporos  zu  versichern. 
Und  was  die  lakedaemonische  Regierung  gegenüber  Thrasybulos' 
Erfolgen  am  meisten  besorgt  machte,  war  eben  die  Verpachtung 
dieser  δεκάτη  (Xen.  Hell.  IV  8,  31).  Wenn  es  nun  auch  un- 
möglich ist,  die  Höhe  des  Ertrages  in  einer  Zahl  auszudrücken, 
so  wird  doch  die  folgende  Betrachtung  geeignet  sein,  uns  wenig- 
stens einige  allgemeine  Anhaltspunkte  darüber  zu  geben.  Nach 
Demosthenes  betrug  die  jährliche  Getreideausfuhr  aus  dem  Pontos 


«  Vgl.  Gilbert,  Staatsalt.  I  333  A.  1. 
>  Böckh,  Staatsh.  I^  442. 


40  Beloch 

nach  Athen  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderte  400000  Me- 
dimnen  (g.  Lept.  32).  Den  Medimnos  zu  dem  Mittelpreise  der 
perikleiechen  Zeit,  2V2  dr.  gerechnet,  ergibt  dae  einen  Werth 
von  1000000  Drachmen  oder  etwa  170  Talenten.  Getreide  wurde 
aber  aus  dem  Pontos  noch  nach  sehr  vielen  anderen  Plätzen  in 
Griechenland  auegeführt,  und  war  auch  keineswegs  der  einzige 
Ausfuhrartikel,  so  dass  für  die  jährliche  Gesammtausfuhr  aus  dem 
Pontos  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  800  TaL 
gewiss  sehr  massig  gerechnet  sind.  Die  Einfuhr  nach  dem  Pontos 
war  allerdings  ohne  Zweifel  beträchtlich  geringer,  und  darum  ist 
in  der  Kegel  nur  von  einem  Zolle  für  die  Schiffe  aus  dem  Pontos 
die  Rede,  während  doch  die  δεκάτη  wie  alle  anderen  grieohischen 
Zölle  die  Ausfuhr  ebenso  wie  die  Einfuhr  traf.  Setzen  wir  nun 
die  Einfuhr  mit  der  Hälfte  des  Werthes  der  Ausfuhr  an,  so  be- 
lief die  gesammte  Handelsbewegung  des  thrakisohen  Bosporos 
sich  auf  1200  Talente,  was  einem  Ertrag  der  δεκάτη  von  120 
Talenten  entsprechen  würde,  wovon  aber  natürlich  die  Erhebungs- 
kosten, Zollbefreiungen,  Defraudationen  und  dergleichen  abzu- 
rechnen sind. 

Kechnen  wir  diese  Einnahmen  zu  den  460  Talenten,  die 
jährlich  aus  den  Tributen  eingehen  sollten,  so  erhalten  wir  eine 
Solleinnahme  von  über  600  Talenten,  und  eine  effective  Ein- 
nahme, die  diesem  Betrag  mindestens  sehr  nahe  kommen  musste. 
Die  Angabe  des  Thukydides  ist  also  vollkommen  gerechtfertigt, 
und  sollte  sie  selbst  nur  auf  einem  Fehler  der  Kopisten  beruhen, 
so  würden  wir  nichts  desto  weniger  berechtigt  sein,  die  Gesammt- 
einnahmen  des  Bundes  für  die  erste  Zeit  des  archidamischen 
Krieges  auf  jährlich  600  Talente  zu  veranschlagen. 

In  Aristeides'  Zeiten  hätte  diese  Summe  zur  Führung  eines 
Krieges  im  grossen  Stile  mehr  als  genügt.  Jetzt  waren  die  An- 
forderungen an  die  Staatskasse  gewachsen,  der  Geldwerth  ge•- 
sunken,  ganz  andere  Mittel  waren  für  die  Kriegführung  erforder- 
lich. Der  Schatz  auf  der  Burg  war  in  einigen  Jahren  erschöpft; 
die  durch  direete  Besteuerung  der  atheniBchen  Bürgerschaft  zu 
erlangenden  Summen  nur  ein  Tropfen  auf  den  heissen  Stein;  es 
galt  sich  nach  einer  anderen  Einnahmequelle  umzusehen,  wenn 
der  Staat  nicht  an  finanzieller  Erschöpfung  zu  Grunde  gehen 
sollte.  Der  Nothwendigkeit  gegenüber  mussten  alle  rechtlichen 
Bedenken  zurücktreten;  die  politischen  Bedenken  beseitigte  der 
Sieg  von  Sphakteria.  So  schritt  man  denn  zu  einer  radicalen 
Steuerreform;    der  alte  aristeidische  Ansatz   der  Gesammtsumme 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  41 

der  Tribute  auf  460  Talente  wurde  beseitigt,  und  auf  einer  ganz 
anderen  Grundlage  eine  neue  Einecbätzung  der  Tributsummen  vor- 
genommen. 

Die  Urkunde,  worauf  die  neuen  Tributeätze  verzeichnet 
waren  (CIA.  I  37),  ist  allerdings  nur  unvollständig  auf  uns  ge- 
langt, und  Quotenlisten  aus  der  Zeit  nach  425/4  sind  so  gut  wie 
gar  nicht  vorhanden.  Dennoch  genügt  das  Erhaltene,  um  die 
Gesammtsumme  der  geschätzten  Tribute  wenigstens  für  zwei  von 
den  vier  Steuerbezirken  des  fieiches  mit  verhältnissmässig  grosser 
Genauigkeit  zu  bestimmen.  Die  Liste  des  Insel tributs  nämlich 
liegt  uns  in  den  Namen  annähernd  vollständig  vor;  denn  was 
von  den  letzten  beiden  Zeilen  erhalten  ist,  läset  sich  kaum  an- 
ders ergänzen  als  *]Ηφ[αιστιής  |  ']o[i  έλ  Λήμνιμ',  so  das«  wir 
nur  Myrina  und  Imbros  vermissen.  Nisyros,  das  zeitweise  zur 
Inselprovinz  gehört  hatte  (CIA.  I  257)  kann  wieder,  wie  früher 
der  ionischen  Provinz  zugetheilt  worden  sein,  zu  der  es  geogra- 
phisch gehörte;  Eythera  war  zur  Zeit,  als  unsere  Liste  auf- 
gestellt wurde,  noch  nicht  erobert.  Die  aufgeführten  Gemeinden 
sind  31;  von  den  Tributsummen  sind  26  erhalten,  im  Gesammt- 
betrage  ven  149  tal.  400  dr.  Keria  ist  mit  10 Vi  dr.  angesetzt; 
and  zwar  steht  dieser  Betrag  nicht  wie  die  übrigen  in  der 
Columne,  sondern  unmittelbar  hinter  dem  Namen.  Offenbar 
haben  wir  es  hier  nicht  mit  einem  Tributeatz  zu  thun,  sondern 
mit  einer  Tempelqnote;  Keria  wird  wie  Methone  in  Thrakien 
und  andere  Städte  das  Privileg  gehabt  haben,  nur  die  απαρχή 
zu  entrichten.  Weggebrochen  sind  die  Tributbeträge  von  Mykonos, 
Seriphos,  los,  Dion,  welche  vier  Gemeinden  zusammen  nach  der 
Schätzung  von  439/8,  beziehungsweise  der  von  446/5  2  tal. 
2500  dr.  bezahlt  hatten.  Sind  diese  Sätze  jetzt  verdreifacht 
Worden,  so  würde  der  Gesammtbetrag  des  Inseltributes,  abge- 
sehen von  Myrina  und  Imbros,  sich  auf  rund  158  tal.  belaufen 
haben. 

Imbros  zahlt  nach  der  Schätzung  von  446/5  1—2,  Myrina 

1  Die  andere  noch  mögliche  Ergänzung  κ[€φ[άλαιον  νησι]αη:ικοΟ 
φόρου  wird  dadurch  ausgeschlossen,  dass  am  Anfang  der  letzten  Zeile 
nur  der  Betrag  von  4  tal.  steht.  Wie  mir  Herr  Dr.  Federigo  Halbherr 
aus  Athen  schrcibti  der  die  Inschrift  auf  meine  Bitte  nochmals  ver- 
glichen hat,  ist  der  Stein  oberhalb  dieser  Zahlen  ganz  glatt,  sodass 
die  4  tal.  nicht  etwa  das  Ende  einer  grösseren  Summe  sein  können. 
Wir  haben  es  hier  also  ganz  unzweifelhaft  mit  dem  Tribute  einer  ein- 
zelnen (Gemeinde  zu  thun. 


42  Beloch 

1Υ2«  Hephaestia  3  tal.;  da  nun  letztere  Stadt  in  unserer  Liste 
mit  4  tal.  augesetzt  ist,  so  wird  auch  der  Tribut  der  beiden  an- 
deren Kleruchengemeinden  nur  massig  erböht  worden  sein,  su 
dass  der  üesammtbetrag  des  νησιωτικός  φόρος  160  tal.  nur  un- 
bedeutend überstiegen  haben  kann. 

Von  dem  hellespontiscben  Tribut  ist  uns  die  Haupt43amme 
erbalten,  allerdings  am  Anfang  verstümmelt;  da  aber  2  Stellen 
fehlen,  scheint  der  Betrag  auf  295  tal.  5300  dr.  ergänzt  werden 
zu  müssen.  Der  frühere  Ansatz  —  nach  Busolt  98  tal.  300  dr.  — 
wäre  also  verdreifacht  worden.  Da  der  Inseltribut  nur  etwa  ver- 
doppelt worden  ist  —  von  79  tal.  2000  dr.  auf  ca.  145  tel.  *  — , 
so  ist  eine  so  viel  ungünstigere  Behandlung  der  bellespontiechen 
Provinz  sehr  auffallend,  um  so  mehr  als  auch  der  Verfaeeer  der 
Rede  gegen  Alkibiades,  der  hier  nach  sehr  guten  Quellen  gear- 
beitet hat,  nur  von  einer  Verdoppelung  der  Tribute  zu  berichten 
weiss.  Alles  wäre  in  Ordnung,  wenn  wir  annehmen  dürften, 
dass  die  Uauptsnmme  des  hellespontiscben  Tribute  zu  besserer 
Hervorhebung  vorn  um  eine  Stelle  eingerückt  war,  so  dass  sie 
nur  195  tal.  5300  dr.  betragen  hätte. 

Für  den  hellespontiscben  und  Inseltribut  zusammen  erhalten 
wir  demnach  eine  Summe  von  355  taL  5300  dr.,  beziehungs- 
weise 465  tal.  5300  dr.  Beide  Provinzen  hatten  bisher  etwa 
Vs  des  Gesammtbetrages  der  Tribute  geliefert;  wenn  also  Jonien 
und  Thrakien  im  selben  Verhältniss  gesteigert  worden  sind,  wie 
der  Hellespont  und  die  Inseln,  würde  sich  die  Summe  aller 
Tribute  nach  der  Schätzung  von  425/4  auf  890  beziehungsweise 
1140  tal.  belaufen  haben.  Letztere  Zahl  stimmt  fast  genau  zu 
den  Angaben  unserer  literarischen  Quellen,  die  über  1200  (Andok. 
vFr.  9,  wiederholt  von  Aesch.  vdGes.  175)  oder  1300  Talente 
(Plut.  Arist.  24)  als  Gesanimtbetrag  der  Tribute  in  dieser  Zeit 
angeben.  Aber  freilich  ist  diese  Summe  in  Wirklichkeit  niemals 
auch  nur  annähernd  eingekommen.  Manche  auf  den  Schätzunge- 
listen verzeichnete  Städte  haben  niemals  Tribut  gezahlt,  wie 
Melos  z.  B.;  Rückstände  mussten  jetzt  bei  der  so  stark  ver- 
mehrten Steuerlast  viel  häufiger  vorkommen,  und  endlich  brachten 
Brasidas'  Erfolge  in  Thrakien  einen  beträchtlichen  Ausfall  in  den 
Tributen  dieser  Provinz.     Selbst  unter  Einrechnung   der  Steuern 

'  Nämlich  abzüglich  der  15  tal.  mit  deuun  Melos  eingeschätzt 
ist,  das  niemals  Tribut  bezahlt  hat  nnd  folglieh  in  unseren  Quoten- 
listen nicht  vorkommt. 


Zar  Finanzgeechichte  Athens.  48 

ans  Samo8  und    des  Zolles   im  BoHpurüs,    dürften   die    effectiven 
Bundeseinnabmen  1200  Talente  kaum  erreicht  haben. 

Nach    dem   Frieden    des   Nikias  hätten    billiger  Weise    die 
Tribute   wieder   auf   die    aristeidischen   Sätze    ermässigt    werden 
müssen,  was  aach  von  den  Spartanern  für  die  cbalkidischen  Städte 
im  Friedensvertrage  ausdrücklich  ausbedungen  wurde.     Aber  die 
von  Hyperbolüs  und  Alkibiades  geführte  Kriegspartei,    die  nach 
kurzer    Unterbrechung    wieder    das    Heft    in    die    Hand    bekam, 
musste  sehr  wenig  geneigt  sein,  sich  der  Mittel  zu  berauben,  die 
eie  selbst  vor  fünf  Jahren  dem  Staate  verschafft  hatte;  und  aller- 
dings war  die  äussere  Lage  derart,  dass  ein  Wiederausbruch  der 
Feindseligkeiten   in   jedem  Augenblicke   zu  erwarten    stand.     So 
iiegt  denn  kein  Grund  vor,   die  Angabe  des  Zeitgenossen  Aiido- 
kidee  (vFr.  9)  zu  bezweifeln,  wonach  während  der  Friedensjahre 
die  Tribute  in  der  Höhe  weiter  erhoben  wurden,  wie  sie  bei  der 
Schätzung  von  425/4  festgestellt  worden  waren. 

Endlich  aber  begann  man  doch  in  Athen   einzusehen,    dass 
£?s   so   nicht   mehr  weiter  ging.     Der  Ausbruch  des  Krieges  mit 
jiarta  414  stallte    neue  gewaltige  Anforderungen  an  die  Staats- 
ssse.     Diesen   durch  eine  nochmalige  Erhöhung  der  Tribute  zu 
egegnen,  konnte  im  Ernst  Niemand  beikommen ;  ja  auch  nur  die 
iribute  auf  der  bisherigen  Höhe  zu  belassen  war  politisch  keines- 
«gs  unbedenklich.     So  entschloss  man  sich  denn  zu  einer  voll- 
'^^ndigen  Aenderung  des  ganzen  Systeme.    Der  erste  Schritt  dazu 
«r  geschehen  als  man  die  aristeidischen  Sätze  verdoppelt  hatte; 
J  ^tzt  beseitigte  man  die  Tribute  ganz  und  ersetzte  sie  durch  einen 
erthzoll  von  5**/o   (εΙκοστή)  auf  die  gesammte  Ein-  und  Aus- 
hr  der  Bundesstädte,  soweit  sie  zur  See  erfolgte  '. 

Eine  Erleichterung  im  Betrage    ihrer  Leistungen  war  frei- 

*^^ch  die  Einführung  der  €ΐκθ0τή  für  die  Bundesstaaten  nicht;  im 

^^^egentheil,  die  Athener  erwarteten  sich  davon  eine  Vermehrung 

^l^er  Einkünfte  (Thuk.  a.  a.  0.).     Aber  dennoch  hatten  die  Bun- 

^«Rgenossen  vom  finanziellen  Standpunkt  allen  Grrund,    mit   dem 

^^ausche   zufrieden   zu   sein.     Wenn   die  Zolleinnahmen   fortan  in 


*  Thuk.  VII  28  καΐ  τήν  είκοστήν  ύπό  τούτων  τών  χρόνων  τών 
κατά  θάλασσαν  άντΙ  τοΟ  φόρου  τοις  όπηκόοις  εποίησαν,  πλβίω  νομίίον- 
Τ6ς  dv  Οφίσι  χρήματα  οοται  προσι^ναι.  Die  Bedenken  von  Grote  und 
Muller-Strübing  gegen  diese  Angabe  haben  sich  durch  neuere  epigra- 
pbische  Entdeckungen  erledigt;  s.  'Αθήναιον  X  (1881)  68  und  Mitthei- 
lungen des  arch.  Inst,  in  Athen  VII  (1882)  174. 


44  Beloch 

den  Einzelbudgete  in  Wegfall  kamen,  so  gab  es  dafür  anderer* 
ee'its  auüh  keine  Tribute  mehr;  der  Haushalt  der  Bundesstaaten 
gewann  an  Stetigkeit,  man  konnte  schlechten  Jahren  in  Ruhe 
entgegensehen,  seit  das  Reich  das  Risico  für  einen  etwaigen  Aus- 
fall an  den  Zöllen  übernommen  hatte.  Was  die  athenische  Herr- 
schaft am  Meisten  verhasst  gemacht  hatte,  die  gewaltsame  £in- 
treibung  der  Tributrückstände,  das  war  jetzt  zur  Unmöglichkeit 
geworden.  £s  sind  mit  einem  Worte  dieselben  A^ortheile,  die 
das  indirecte  Steuersystem  gegenüber  den  directen  Steuern  auch 
im  Einheitsstaate  gewährt,  aber  in  gesteigerter  Potenz  und  ohne 
die  Nachtheile,  die  sonst  von  der  Einführung  eines  indireoten 
Steuersystems  unzertrennlich  sind.  Denn  hier  handelte  es  sich 
nicht  darum  eine  neue  indirecte  Steuer  zu  schaffen,  sondern  nur 
um  die  Ueberweisung  einer  schon  bestehenden  Steuer  von  den 
Einzelstaaten  an  das  Reich. 

Eben  deswegen  war  die  Reform  auch  ohne  jede  Schwierig- 
keit durchzuführen.  I)a  die  Erhebung  der  Zölle,  wie  bekannt, 
in  den  Staaten  des  Alterthums  niemals,  oder  doch  nur  in  den 
seltensten  Fällen  in  eigene  Regie  genommen,  sondern  an  Unter- 
nehmer verpachtet  wurde,  so  bestand  der  einzige  Unterschied 
gegen  früher  darin,  dass  diese  Verpachtung  jetzt  für  Rechnung 
des  Reiches  geschah,  statt  für  Rechnung  des  einzelnen  Staates. 
Abgesehen  davon,  dass  jetzt  ein  einheitlicher  Zollsatz  für  das 
ganze  Bundesgebiet  eingeführt  wurde,  während  früher  ohne 
Zweifel  die  grösste  Manichfaltigkeit  in  den  Sätzen  bestanden 
hatte.  Auch  das  war  in  wirthschaftlicher  Beziehung  ein  nicht 
zu  unterschätzender  Vortlieil. 

In  die  Souveränitätsrechte  der  Einzelstaaten  wurde  aller- 
dings durch  die  Reform  eine  breite  Bresche  gelegt.  Es  war  ein 
mächtiger  Schritt  auf  der  Bahn  zum  Einheitsstaate,  den  der  Bund 
damit  machte.  Wenn  man  will,  war  es  auch  ein  revolutionärer 
Schritt,  ganz  im  Sinne  der  extremen  *  Volkspartei*,  die  damals 
in  Athen  am  Ruder  war;  aber  wie  die  Sachen  lagen,  wären  viel- 
leicht noch  radicalere  Massregeln  am  Platze  gewesen.  Jedenfalls 
hat  das  System  si(;h  bewährt;  denn  als  Thrasybulos  im  korin- 
thischen Kriege  die  athenische  Herrschaft  in  Thrakien  und  Klein- 
asien wieder  herstellte,  hat  er  auch  die  6ΐκο0τή  von  Neuem  ins 
Leben  gerufen.  Wenn  dagegen  der  sog.  zweite  Seebund  wieder 
auf  das  alte  System  der  Tribute  zurückgegriffen  hat,  so  ist  die 
Rücksicht  auf  die  Autonomie  der  Einzelstaaten  hier  massgebend 
gewesen. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  45 

Ob  freilich  die  Steuerreform  im  ganzen  umfange  des  Reiches 
zur  Ausführung  gekommen  ist,  läset  sich  weder  bejahen  noch 
verneinen.  Man  führt  den  Vertrag  mit  Kalchedon  vom  Jahre 
408  an  (Xen.  Hell.  I  3,  9),  um  zu  beweisen,  dass  in  dieser  Zeit 
noch  Tribut  bezahlt  wurde,  vergisst  aber,  dass  dieser  Vertrag  für 
Kalchedon  eine  ganz  besondere,  privilegirte  Stellung  festsetzte, 
ahnlich  der,  die  im  Frieden  des  Nikias  für  die  abgefallenen 
Städte  der  Chalkidike  ausbedungen  worden  war.  Kalchedon  sollte 
von  Athen  vollkommen  unabhängig  sein,  und  damit  war  natürlich 
die  Erhebung  der  Zölle  für  Bundesrechnung  von  vorn  herein  aus- 
geschlossen. Dasselbe  gilt  von  dem  Volksbeschluss  für  Neapolis 
am  Strymon  aus  410/9  (CIA.  IV  51  S.  17),  der  dieser  Stadt  gleich- 
falls ein  Privilegium  sichert;  doch  ist  die  Urkunde  zu  sehr  ver- 
stümmelt, als  dass  wir  mit  Sicherheit  angeben  könnten,  worin 
diese  Vergünstigungen  bestanden.  Ebensowenig  Beweiskraft  hat 
das  Fragment  einer  Tributliste  des  hellespontischen  Bezirks  aus 
den  letzten  Zeiten  des  Bundes  (CIA.  I  258).  Denn  da  Abydos 
unter  den  zahlenden  Städten  erwähnt  wird,  so  muss  die  Liste 
jedenfalls  älter  sein  als  411,  in  welchen  Jahre  Abydos  abfiel'; 
und  es  liegt  kein  Grund  vor,  warum  sie  nicht  ebenso  gut  in  die 
nächsten  Jahre  vor  414/3,  als  in  den  Zeitraum  von  414/3  bis 
412/1  gesetzt  werden  könnte. 

Es  bleibt  noch  zu  untersuchen,  ob  und  wieweit  die  εΙκο^τή 
auch  von  den  Kleruchien  bezahlt  worden  ist.  KirchhofT  hat  be- 
kanntlich in  Abrede  gestellt,  dass  die  Kleruchen  jemals  Tribut 
entrichtet  hätten,    oder  überhaupt  zu   irgend  welchen  finanziellen 


*  Koehler  (Abh.  d.  Beri.  Akad.  1869  I  86)  meint  allerdings  unter 

■Berufung  auf  Xen.  Hell.  I  2,  15  Abydos  scheine  in  der  Zeit  nach  der 

Einnahme  von  Byzanz  'den  Athenern  ofifen  gestanden  zu  haben';  aber 

**»"*^tens  bezeugt  die  angeführte  Stelle  das  gerade  Gegentheil,  und  dann 

^■l)t  Diodor  (XIII  68)  ausdrücklich  an,    die  Athener  hätten   im  Früh- 

''^^r  407  alle  Städte  am  Hellespont  ausser  Abydos  genommen.    Dcm- 

^^^inäss  finden  wir  denn   im  Sommer  405,    als  Lysandros  den  Kricgs- 

'•^^liauplatz   wieder  nach  dem  Hellespont  verlegte,   Abydos  im  Besitze 

*^**^r  Peloponnesier  (Hell.  II  1,  18).    Die  Erklärung  des  Ausdrucks  aXbe 

^^Γ^]λ€ΐς  κατα[τ]€λοΟσι  τόμ  φόρον:  'haece  urhes  veetigdlia  pendendo  in- 

'"•^ttm  persohunV  (Kirchhofi*  CIA.  I  S.  139)   ist  schon  sprachlich  sehr 

^^^nig  empfehlenswerth ;    φόρον  tcXcIv  heisst  einfach  'Tribut  zahlen*, 

'^^pov  κατατελ€ΐν  also    'den  Tribut  vollständig  zahlen',   oder  besser, 

"^as  schon  Böckh  gesehen  hat  (Staatsh.  Π  616),    'den  Tribut  in  Raten 

fahlen',  also  κατατελ^ν  =  κατά  μ^ρος  tcXcIv.     Vgl.  CIA.  I  37  S.  22. 


4β  Beloch 

LeiBtnngen  an  dae  Eeich  verpiliobtet  gewesen  wären.  Indees 
haben  Lemnos  nnd  Imbros  während  der  ganzen  Dauer  des  ersten 
Seehundes  bis  auf  die  Steuerreform  von  413  Tribut  bezahlt;  und 
Kirchhoff's  Behauptung,  dieser  Tribut  sei  von  den  alten  Bewoh- 
nern der  beiden  Inseln  bezahlt  worden,  die  neben  den  Kleruclien 
besondere  G-emeinden  gebildet  hätten,  entbehrt  jeder  Begründung, 
da  wir  in  dieser  Zeit  von  andern  als  den  athenisohen  Bewohnern 
von  Lemnos  nnd  Imbros  absolut  keine  Kenntniss  haben,  vielmehr 
ausdrücklich  überliefert  wird,  die  alte  Bevölkerung  sei  hier  ebenso 
wie  in  Skyros  von  den  Athenern  vertrieben  worden  *.  Das  war 
ja  eben  der  Grund,  warum  Athen  diese  Inseln  allein  von  allen 
seinen  auswärtigen  Besitzungen  im  Antalkidasfrieden  zurück- 
erhielt. 

Lemnos  und  Imbros  waren  die  beiden  einzigen  Kleruchien 
—  wenn  wir  von  Salamis  absehen  —  die  zur  Zeit  der  Begrün- 
dung des  delischen  Bundes  bestanden  haben.  So  sind  sie  denn 
auch  von  Aristeides  zur  Tributzahlung  eingeschätzt  worden,  wo- 
bei zu  berücksichtigen  ist,  dass  das  attische  Kolonialrecht,  wie 
wir  es  in  späterer  Zeit  finden,  damals  unmöglich  schon  ausgebil- 
det sein  konnte,  und  dass  Lemnos  und  Imbros  während  der  letzten 
Jahre  von  Athen  politisch  getrennt  gewesen  waren.  Die  seit 
Begründung  des  Seebundes  gestifteten  Kleruchien  haben  aller- 
dings keinen  Tribut  mehr  gezahlt;  aber  daraus  folgt  doch  noch 
keineswegs,  dass  sie  überhaupt  zu  gar  keinen  finanziellen  Lei- 
stungen dem  Bunde  gegenüber  verpflichtet  gewesen  wären.  Im 
(xegentheil,  es  wäre  eine  flagrante  Rechtsverletzung  gewesen, 
wenn  Städte  wie  Oreos,  Aegina,  Potidaea,  die  bisher  an  die  Bun- 
deskasse Tribut  gezahlt  hatten,  mit  der  athenischen  Besitznahme 
plötzlich  Steuerfreiheit  erlangt  hätten.  In  letzter  Linie  hätten 
dann  eben  die  übrigen  Bundesgenossen  für  den  Ausfall  aufkommen 
müssen;  und  ich  denke,  eine  solche  Annahme  ist  ohne  genügen- 
den Beweis  oder  ausdrückliches  Zeugniss  ganz  unstatthaft*. 

Jedenfalls  ist  klar,  dass  die  Kleruchien  nicht  das  Privileg 
der  Zollfreiheit  gehabt  haben  können.  Wurden  doch  Zölle  auch 
im  Peiraceus  erhoben,  und  wir  dürfen  doch  nicht  annehmen,  dass 


»  Hcrod.  VI  140.  Thuk.  IV  109.  Diod.  X  19.  Nepos  Milt.  2. 

"^  Ich  spreche  hier  natürlich  nur  von  den  Kleruchien,  die  be- 
sondere Gemeinden  bildeten,  nicht  aber  von  den  Lamlanweisungen  an 
athenische  Bürger  im  Gcbioto  noch  bestehender  Bundosstaaten,  wie 
Chalkis,  Erotria,  Andros,  Naxos,  Lesbos.  Bei  diesen  letzteren  kann  von 
Kleruchenpfcmeinden  im  politischen  Sinn  überhaupt  keine  Rede  sein. 


Zur  Finanzgesohiohte  Athene.  47 

Athen  das  eigene  Emporium  zn  Gunsten  Aeginas  benachtheiligt 
haben  würde.  Die  Frage  ist  nur,  in  welche  Kasse  diese  Zölle 
geflossen  sind.  Da  nun  Lemnos  und  Imbros  Tribut  zahlten,  so 
haben  sie  ihre  Zölle  offenbar  für  eigene  Rechnung  erhoben,  bis 
die  Tribute  im  Jahre  414/3  durch  die  εΙκοίΤτή  ersetzt  wurden. 
Daraus  folgt  denn,  dass  in  den  übrigen  Kleruchien,  die  keinen 
Tribut  zahlten,  die  Zölle  in  den  Bundesschatz  flössen.  In  der 
That  wissen  wir,  dass  in  Aegina  406/5  eine  €ΐκο(7τή  erhoben 
wurde  (Arist.  Frösche  363),  die  doch  nichts  anderes  gewesen  sein 
kann,  als  ein  Ein-  und  Ausfuhrzoll.  Da  nun  der  Steuerfnss  hier 
genau  der  gleiche  ist,  wie  in  den  Bundesstaaten,  so  wäre  es  sehr 
unwahrscheinlich  an  eine  bloss  zufällige  üebereinstimmung  den- 
ken zu  wollen,  vielmehr  werden  wir  berechtigt,  ja  bis  zu  dem 
Beweise  des  Gegen theils  gezwungen  sein,  in  der  εΙκθ(7τη  auf 
Aegina  dieselbe  Zollabgabe  zu  erkennen,  die  damals  auch  in  den 
Bandesstaaten  zur  Erhebung  kam.  Die  Finanzreform  des  Jahres 
414/3  ist  demnach  nichts  anderes  gewesen,  als  die  Ausdehnung 
des  in  den  Kleruchien  bestehenden  Systems  auf  das  ganze  Reich, 
oder  doch  den  grössten  Theil  des  Reiches. 

Natürlich  werden  die  Zölle  in  den  Kleruchien  keineswegs 
von  Anfang  an  in  der  drückenden  Höhe  von  5%  des  Werthes 
aller  Einfuhr  und  Ausfuhr  erhoben  worden  sein,  vielmehr  ist  die 
Steigerung  auf  diesen  Satz  offenbar  erst  im  Laufe  des  Krieges 
erfolgt,  sei  es  bei  der  Tributerhöhung  von  425/4,  sei  es  erst  bei 
der  Steuerreform  von  414/3.  Sind  doch  auch  im  Peiraeeus  selbst 
in  dieser  Zeit  die  Zölle  erhöht  worden. 

Wie  bekannt,  wurde  seit  der  Anarchie  —  nachweislich  schon 
401/0  —  im  Peiraeeus  ein  Werthzoll  von  2%  (π€ντηκο(Ττή)  von 
allen  ein-  und  ausgeführten  Waaren  erhoben,  und  dieser  Zoll  hat 
noch  in  der  demosthenischen  Zeit  in  gleicher  Höhe  bestanden. 
Der  Verfasser  der  Schrift  Wom  Staate  der  Athener'  (I  17)  führt 
unter  den  Vortheilen,  die  Athen  von  dem  Gerichtszwang  der 
Bändner  habe,  auch  den  dadurch  gesteigerten  Ertrag  der  εκα- 
τοστή im  Peiraeeus  an.  Böckh's  Erklärung,  diese  έκατθ(Ττή  sei 
ein  Hafenzoll  von  1  ®/o  des  Werthes  der  Ladung  gewesen,  der 
neben  dem  Einfuhrzoll  von  2®/o  zur  Erhebung  gelangt  sei,  ist 
unbefriedigend;  denn  abgesehen  davon,  dass  beide  Abgaben  zu- 
gleich hätten  erhoben,  und  darum  auch  zusammen  hätten  ver- 
pachtet werden  müssen,  wodurch  sie  in  eine  einzige  Abgabe  von 
3*^/0  des  Werthes  zusammengeflossen  wären,  bleibt  es  ganz  un- 
verständlich,   warum    der  Verfasser  unserer    Schrift    den    Mehr- 


48  Beloch 

ertrag  der  kleineren  Abgabe  hervorheben,  den  der  grösseren  da- 
gegen hätte  übergehen  sollen,  während  doch  die  πβντηκοστή  im 
selben  A^erhältniss  wie  die  εκατοστή  an  Ertrag  wachsen  mnsste. 
An  eine  Marktabgabe  dürfen  wir  noch  viel  weniger  denken, 
denn  eine  solche  St«ner  hätte  ebensowohl  in  der  Stadt  bezahlt 
werden  müssen,  wie  im  Peiraeeus;  die  εκατοστή  ή  έν  ΤΤειραιεΐ 
mnss  also  nothwendig  ein  Einfuhrzoll  sein.  Und  wenn  Müller- 
Strübing  (vom  Staat  der  Athener  176/7)  einwendet,  die  Bürger, 
die  zn  den  Processen  nach  Athen  kamen,  hätten  nichts  eingeführt, 
so  ist  das  kein  Grcgengmnd,  denn  wenn  sie  anch  selbst  nichts 
einführten,  so  consnmirten  sie  dafür  desto  mehr  und  dieser  Be- 
darf mnsste  vom  Auslande  eingeführt  werden,  da  Attika  bekannt- 
lich nicht  einmal  den  Bedarf  seiner  eigenen  Bevölkerung  an  Le- 
bensmitteln nnd  Hohstoffen  für  die  Industrie  zu  decken  im  Stande 
war.  Was  der  Verfasser  der  Schrift  vom  Staate  der  Athener  an 
dieser  Stelle  hervorhebt,  das  sind  die  Vortheile,  die  der  gross- 
artige Fremdenverkehr,  wie  er  durch  den  Gerichtszwang  der 
Bündner  hervorgerufen  wurde,  für  Athen  im  Gefolge  hatte;  wer 
in  einem  unserer  grossen  modernen  Fremdencentren  gelebt  hat, 
weiss  von  welch'  einschneidender  Bedeutung  ein  solcher  Verkehr 
für  eine  Stadt  sein  kann. 

Das  Schweigen  unserer  Schrift  über  die  πεντηκοστή  ist  also 
voller  Beweis  dafür,  dass  eine  solche  Abgabe  im  Peiraeeus  während 
des  archidamischen  Krieges*  noch  nicht  bestanden  hat,  vielmehr 
in  dieser  Zeit  nur  ein  Werthzoll  von  1  %  der  Ein-  und  Ansfnhr 
hier  zur  Erhebung  gelangte.  Dieser  Zoll  muss  demnach  während 
der  letzten  beiden  Decennien  dos  V.  Jahrhunderts  auf  das  doppelte 
erhöht  worden  sein.  DaRs  nun  diese  Erhöhung  nicht  erst  nach 
dem  Friedensschlüsse,  sondern  schon  während  des  Krieges  erfolgt 
ist,  liegt  in  der  Natur  der  Sache;  ja  es  ist  sehr  leicht  möglich, 
dass  der  Zoll  während  der  ßnanzicllcn  Bedrängnisse  des  Staates 
nach  der  sicilischen  Katastrophe  auf  mehr  als  2  %  erhöht,  und 
dann  nach  dem  Frieden  auf  diesen  Satz  ermässigt  worden  ist. 
Zu  einem  ähnlichen  Mittel  hat  man  später  im  korinthischen 
Kriege  gegrifTcn;  ich  meine  die  bekannte  τ€τταρακοστή,  die  nach 
der  SchJacht  bei  Knidos  Euripides  einführte.  Grote  hat  zur  Evi- 
denz erwiesen,  dass  es  sich  bei  dieser  Massregel  nicht  um  eine 
βίσφορά  gehandelt   haben  kann,    sondern  um  eine  indirecte  Auf• 


'  Dass  die  *Αθηνα(ων  ΤΤολιτ€(α  in  diese  Zeit  gehört,  daran  halte 
ich  trotz  MüIIer-Strübing  und  Schvarcz  mit  KirchhofT  fest. 


Zur  Pinanzgeschichte  Athens.  49 

/ag'e,  nnd  dabei  werden  wir  an  nichts  anderes  denken  können  als 
an    eine  Zollerhöhung.     Und   zwar  nicht  in  dem  Sinne,  dass  nun 
stsLtt  des  Werthzolles  von  2®/o  ein  solcher  von   2*/«%  erhoben 
woTden  wäre,    denn   eine  so  unbedeutende  Erhöhung  wäre  finan- 
ziell kaum  ins  Gewicht  gefallen;  sondern  das  Gesetz  des  Euripides 
v^x-ordnete  offenbar,    dass  neben  der  bisherigen  πεντηκοστή  für 
di^   Kriegsdauer  ein  ausserordentlicher  Zuschlag  von  27s%  des 
^V^ erthee   von    der  Ein-   und  Ausfuhr   erhoben    würde;    wie    wir 
heute  sagen  würden,  es  war  eine  Zollerhöhung  um  125  %.    Der 
Zoll  im  Peiraeeus  hatte  bisher  etwa  40  Talente  ertragen,    Euri- 
picles  konnte  sich  also  von  der  neuen  Auflage  einen  Mehrertrag 
von  etwa  50  Talenten  versprechen,  eine  Zahl  die  Aristophanes  in 
komischer  Uebertreibung  verzehnfacht.     Dass  die  Erwartung,  we- 
nigstens zunächst,    nicht   in  Erfüllung  ging,    ist   allerdings  sehr 
be^eiflich. 

Der  Ein-  und  Ausgangszoll  von  1  Vo  des  Werthes,  wie  er 
bis    zur  sicilischen  Katastrophe   im  Peiraeeus  zur  Erhebung  ge- 
langte,   ist   nicht    nur  nach   modernen,    sondern  auch  nach  grie- 
chischen   Begriffen    ausserordentlich    massig;    es    war    eigentlich 
mehr  eine  Kecognitionsgebühr  als  ein  Zoll,    der  Sache  nach  war 
ΛβΓ  Peiraeeus  ein  Freihafen.     Wir   sehen   auch   hier,    wie  Athen 
nttit  allen  Mitteln  bestrebt  war,   das  Emporblühen   seines  jungen 
Emporiums  zu  befördern. 

II.    Der  Staatsschatz. 

Seit  Böckh  galt  es  als  aasgemacht,  dass  in  Athen  zu  Perkles^ 
^it  neben  dem  Schatz  der  Athena  Polias  ein  Staatsschatz  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes  nicht  bestanden  habe,  dass  viel- 
mehr der  Üeberschuss  der  Bundes-  und  Staatseinnahmen  nach 
einer  gewiesen  Zeit  der  Athena  geweiht  und  mit  den  heiligen 
Feldern  verschmolzen  worden  sei,  so  dass  der  Staat  von  da  an 
nnr  in  Form  einer  Anleihe  über  diese  Bestände  verfügen  konnte. 
Keeer  Ansicht  ist,  wie  bekannt,  Kirchhoff  ^  mit  der  Behauptung 
entgegengetreten,  es  habe  eine  Trennung  der  Schätze  auf  der 
Akropolie  in  heilige  und  profane  Gelder  bestanden,  von  denen 
die  ersteren  aus  den  eigenen  Einkünften  der  Tempel,  die  letz- 
teren aus  den  TJeberschüssen   der  Tribute  und   sonstigen  Staats- 


'  Zur  Geschichte  des  athenischen  Staatsschatzes  im  V.  Jahrb.   In 
den  Abb.  d.  Berl.  Akad.  187G  S.  21—67. 

Bbela.  Vofl.  r.  Phnol.  N.  F.  XXXIX.  4 


ßO  Belocti 

einnahmen    Rieh    angoRammelt    hätten.     Sein   BeweiR   ist    in    der 
Kürze  folgender: 

Aus  Thukydidefi  (IT  13)  wissen  wir,  dass  die  Geeammt- 
snmme  der  am  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges  auf  der 
Bnrg  vorhandenen  Bestände  gemünzten  Geldes  60(X>  tal.  betrag. 
Von  diesen  wurden  sogleich  1000  tal.  als  Keservefonds  fllr  den 
äussersten  Xothfall  zurückgelegt  (Thnk.  ΤΓ  24)  und  sind  erst  naeh 
der  sicilischen  Katastrophe,  genauer  seit  Anfang  412/1  zur  Ver- 
wendung gelangt  (Thuk.  VIIT  15,  Philoch.  fr.  116);  der  Rest  von 
5000  tal.  sei  dagegen  schon  Anfang  428/7  verausgabt  gewesen, 
wie  daraus  hervorgehe,  dass  es  damals  nöthig  wurde,  eine  €i(Tq>opa 
auszuschreiben.  Dagegen  zeigen  die  Rechnungen  der  Logisten, 
dass  in  den  7  Jahren  von  433/2 — 427/6  nicht  mehr  als  mnd 
4750  tal.  aus  den  Tempclschätzen  entliehen  worden  sind,  also 
noch  etwas  weniger  als  allein  in  den  drei  ersten  Kriegsjabren 
den  Beständen  aus  der  Burg  entnommen  worden  wären;  so  dass 
der  Schluss  nicht  abzuweisen  sei,  es  müsse  ausser  den  heiligen 
Geldern  noch  eine  andere  Reserve  von  nicht  unbedeutendem  Be- 
trage zur  Verfügung  des  Staates  gestanden  haben  (a.  a.  O.  S.  30 
bis  32). 

Dicfier  Schluss  ist  an  sich  unanfechtbar;  um  so  unsicherer 
aber  ist  die  Prämisse,  worauf  er  gebaut  ist.  Die  ganze  Berech- 
nung steht  und  fällt  nämlich  mit  der  Behauptung,  dass  der 
Schatz  —  bis  auf  die  unangreifbare  Reserve  von  1000  tal.  — 
im  Herbste  428  erschöpft  war.  Kirchhoff  allerdings  sieht  das 
als  ausgemacht  an:  *Nun  und  nimmermehr',  ruft  er  emphatisch 
aus,  'würde  sich  die  athenische  Bürgerschaft  dazu  verstanden 
haben,  sich  selbst  zu  besteuern,  wenn  damals  für  die  Zwecke 
der  Kriegführung  noch  bereite  Mittel  auf  der  Burg  vorhanden 
gewesen  wären'  (S.  27).  Nun,  über  Behauptungen,  die  dnrch 
keine  Gründe  gestützt  werden,  lässt  sich  freilich  nicht  streiten. 
Aber  verdient  denn  das  athenische  Volk  diesen  Vorwurf  einer 
Finanz wirthschaft  aus  der  Hand  in  den  Mund?  Dieses  selbe 
Volk  hatte  ja  soeben  am  Anfang  des  Krieges  durch  Reeervimng 
der  lOiX)  tal.  seine  weise  Voraussicht  in  finanziellen  Dingen  be- 
kundet; und  jetzt  sollen  die  Athener  auf  einmal  so  gedankenlos 
in  den  Tag  hinein  gcwirthschaftet  haben,  dass  sie  nihig  warteten, 
bis  die  letzte  Drachme  des  Schatzes  ausgegeben  war,  ehe  sie  zu 
Massregeln  ihre  Zustimmung  gaben  die  drohende  Finanznoth  ab- 
zuwehren? An  eine  Erhöhung  der  Tribute  war  ja  zunächst  nicht 
zu    denken;    für   Creditoperationen   im    modernen   Sinne    war   die 


5Jur  Finanzgeschiclite  Atlienö.  δ1 

Zeit  noch  nicht  reif,  und  die  Anspannung  der  directen  Steuer- 
kraft hat  eine  Grenze,  über  die  sie  nicht  auegedehnt  werden 
kann. 

Aber  KirchhofF's  Hypothese  ruht  nicht  nur  auf  einer  ganz 
onerweisbaren,  und  wie  ich  gezeigt  zu  haben  hoffe,  an  sich  un- 
wahrscheinlichen \^orau88etzung,  sie  führt  uns  auch  zu  sehr  be- 
denklichen Consequenzen.  Die  Rechnungen  der  Logisten  (CTA. 
I  273)  beweisen  nämlich,  dass  Athen  schon  in  433/2,  also  ein 
Jahr  vor  Ausbruch  des  peloponnesischen  Krieges,  zur  Aufnahme 
von  zinsbaren  Anleihen  bei  dem  Schatze  der  Athena  geschritten 
ist.  Es  widerstreitet  aber  allen  Prinzipien  der  Finanzwissen- 
scbaft  nicht  nur,  sondern  auch  jeder  gesunden  Privatwirthschaft, 
unter  erschwerenden  Förmlichkeiten  und  mit  dauernder  Belastung 
des  Budgets  Anleihen  aufzunehmen,  so  lange  bereite  Bestände  in 
hohem  Betrage  zur  Verfügung  stehen.  Man  wende  nicht  ein, 
dass  auch  neuere  Staaten  mitunter  zu  Anleihen  geschritten  sind, 
und  selbst  jetzt  noch  zu  Anleihen  schreiten,  um  den  Staatsschatz 
nicht  angreifen  zu  müssen.  Der  Fall  ist  hier  ein  ganz  anderer. 
Jene  neueren  Staaten  nahmen  und  nehmen  diese  Anleihen  bei 
Privatleuten  auf,  so  lange  der  Geldstand  ein  günstiger  ist,  um 
bei  plötzlichem  Ausbruch  kriegerischer  Verwickelungen  stets  über 
bereite  Mittel  verfügen  zu  können;  Athen  aber  borgte  bei  den 
Tempelschätzen,  die  ihm  im  Kriegsfalle  ganz  ebenso  zur  Dispo- 
sition standen,  wie  die  Staatsgelder  im  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes.  Auch  Kirchhoff  kann  nicht  umhin,  diese  Thatsache 
'merkwürdig'  zu  finden  (S.  46);  zu  ihrer  Erklärung  macht  er 
nicht  einmal  den  Versuch. 

Es  läset  sich  übrigens  auch  der  directe  Beweis  dafür  bei- 
bringen, dass  die  Bestände  auf  der  Burg  —  abgesehen  von  den 
Weihgeschenken  und  dem  eisernen  Reservefonds  der  1000  tal.  — 
im  Herbst  428  noch  keineswegs  erschöpft  gewesen  sind.  In  den 
vier  Jahren  von  426/5 — 423/2  sind  nämlich  aus  dem  Schatze 
der  Polias  zusammen  747%  tal.  für  Staatszwecke  verwendet 
worden.  Kirchhoff  meint,  diese  Summe  sei  aus  den  eigenen 
Einkünften  des  Tempels  der  Stadtgöttin  entnommen  worden,  die 
er  zu  jährlich  200  tal.  veranschlagt.  Dem  gegenüber  soll  unten 
gezeigt  werden,  dass  diese  Schätzung  sehr  übertrieben  ist,  und 
dass  die  jährlichen  Einkünfte  der  Polias  50  tal.  kaum  erreicht 
haben  können,  von  welcher  Summe  aber  in  erster  Linie  die  Aus- 
gaben für  den  Kultus  zu  bestreiten  waren,  so  dass  sie  keineswegs 
im    ganzen  Betrage    für   Staatszwecke    verwendbar   blieb.     Etwa 


52  Beloch 

600  von  jenen  ca.  750  tal.  mÜRBen  also  ans  Beständen  herrühren, 
die  noch  vom  Anfang  des  Krieges  her  vorhanden  waren. 

Nach  alle  dem  bleibt  nur  noch  übrig  zn  zeigen,  dass  die 
von  Eirchhoff  behauptete  Incongrnenz  zwischen  den  Angaben  des 
Thnkydides  nnd  den  Eechnungen  der  Logisten  keineswegs  exietirt, 
dass  vielmehr  beide  aufs  Beste  mit  einander  im  Einklang  stehen. 

Wie  wir  gesehen  haben,  betrugen  die  zunächst  verwend- 
baren Bestände  auf  der  Burg  —  d.  h.  abzüglich  des  Beservefonds 
und  der  Weihgeschenke  —  zur  Zeit  des  ersten  Einfalls  der  Pelo- 
ponnesier  ii\Attika,  also  Anfang  Thargelion^  432/1,  nach  Thnky- 
dides  5000  tal.  Die  Summe  ist  zu  rund,  um  als  völlig  genau 
gelten  zu  können;  es  werden  einige  hundert  Talente  mehr  oder 
weniger  gewesen  sein,  und  da  es  Thukydides  an  dieser  Stelle 
darauf  ankommt,  die  Macht  Athens  möglichst  ansehnlich  er- 
scheinen zu  lassen,  wird  er  die  Abrundung  nach  oben  hin  vor- 
genommen haben.  Femer  sind  hier  ohne  Zweifel  die  1 — 2  Monate 
früher,  an  den  grossen  Dionysien  im  Elaphebolion  eingegangenen 
Tribute  mit  einbegriffen,  soweit  sie  nicht  in  der  Zwischenzeit  für 
die  laufenden  Ausgaben  Verwendung  gefunden  hatten.  Diese 
Tribute,  deren  noch  übrigen  Betrag  wir  auf  etwa  300  tal.  ver- 
anschlagen können,  bildeten  als  έπέτεια  noch  keinen  Bestandtheil 
des  Schatzes,  und  konnten  vom  Staate  nach  freiem  Belieben,  ohne 
die  Verpflichtung  zu  spaterer  Rückzahlung,  ausgegeben  werden. 
Endlich  ist  es  wahrscheinlich,  dass  noch  Ende  423/2  ein  kleiner 
Rest  des  Schatzes  vorhanden  gewesen  ist.  Danach  wären  in  den 
9  Jahren  2  Monaten  von  Thargelion  432/1  bis  Ende  423/2  aas 
dem  Schatze  im  Ganzen  etwa  4500  tal.  zur  Verwendung  ge- 
langt. Da  aber  die  Tempelschätze,  wie  wir  unten  sehen  werden, 
in  dieser  Zeit  gegen  500  tal.  an  eigenen  Einkünften  gehabt  haben, 
von  denen  ein  Theil,  und  wahrscheinlich  der  grössere  Theil  gleich- 
falls für  Kriegszwecke  verwendet  worden  ist,  so  werden  wir  den 
Gesammtbetrag  der  in  diesen  Jahren  den  Schätzen  auf  der  Burg 
entnommenen  Summen  nach  Thukydides  auf  etwas  unter  5000  tal. 
veranschlagen  können. 

Andererseits  ergibt  sich  aus  den  Rechnungen  der  Logisten, 

'  Der  Angriff  der  Thel)aeer  auf  Plataeac  erfolgte  um  den  letzten 
Anthesterion  (Thuk.  II  2  mit  Krüger's  evidenter  und  allgemein  ange- 
nommener Verbesserung).  80  Tage  später  brachen  die  Peloponnesier 
von  Oenoe  auf  (Thuk.  II  19),  also  Mitte  Thargelion;  kurze  Zeit  vorher 
läset  Thukydides  den  Perikles  die  Rede  halten,  in  die  er  die  Angaben 
über  die  finanziellen  und  militärischen  Machtmittel  Athens  verwebt. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  53 

dass  in  den  11  Jahren  von  433/2—423/2  rund  5550  ial.  aus 
den  verschiedenen  Tem])el8chätzen  entliehen  wurden  eind.  Um 
dieee  Angahe  mit  der  des  Thukydides  vergleichen  zu  können, 
müesten  wir  wissen,  wie  hoch  sich  die  Anleihen  aus  dem  Schatze 
während  des  Jahres  433/2,  und  der  ersten  10,  oder  vielmehr, 
da  dieses  Jahr  wahrscheinlich  ein  Schaltjahr  gewesen  ist,  der 
ersten  11  Monate  des  Jahres  432/1  helaufen  haben.  Die  Eech- 
nungen  der  Logisten  lassen  uns  hier  in  Stich,  wir  sind  aber  im 
Stande,  diesen  Betrag  auf  anderem  Wege  wenigstens  annähernd 
zu  berechnen.  Die  bei  Weitem  bedeutendste  Kriegsausgabe  dieser 
Jahre  war  nämlich  die  für  die  Belagerung  von  Potidaea  (Thuk. 
II  13),  über  deren  Betrag  directe  Angaben  vorliegen;  die  Kosten 
der  Expedition  nach  Korkyra  und  des  makedonischen  Feldzugs 
kommen  daneben  kaum  in  Betracht.  Die  Ausgaben  für  Tempel- 
bauten aber,  die  in  diesen  Jahren  sehr  ansehnliche  Summen  er- 
fordert haben  müssen,  brauchen  hier  nicht  berücksichtigt  zu 
werden,  da  sie,  als  für  Kultuszwecke  geleistet,  den  Tempel- 
gchätzen  vom  Staate  nicht  vergütet  wurden  (Kirchhoff  a.  a.  O. 
S.  37). 

Die  Belagerung  von  Potidaea  erforderte  nach  Thukydides 
(II  70)  2000,  nach  Isokrates  (Antid.  113)  2400  tal.  Die  An- 
gabe des  Zeitgenossen  wird  doch  den  Vorzug  verdienen,  um  so 
mehr  als  Isokrates  gerade  an  dieser  Stelle  Veranlassung  hat,  eine 
möglichst  hohe  Zahl  vorzubringen.  Die  £inschliessung  der  Stadt 
begann  unmittelbar  nach  der  Schlacht  bei  Olynthos,  5 — 6  Monate 
vor  dem  üeberfall  von  Plataeae  (Thuk.  II  2),  also  um  die  Herbst- 
gleiche 432;  die  üebergabe  erfolgte  im  Winter  430/29,  in  wel- 
chem Monate  wissen  wir  nicht  (Thuk.  II  70).  Die  ganze  Dauer 
der  Belagerung  also  betrug  wenig  über  2  Jahre;  sie  hatte  etwa. 
8  Monate  gewährt,  als  die  Peloponnesier  das  erste  Mal  in  Attika 
einfielen.  Die  durchschnittlichen  monatlichen  Kosten  stellen  sich 
demnach  auf  etwa  80,  die  Kosten  bis  Ende  Munychion  432/1  auf 
640  tal.  Um  ganz  sicher  zu  gehen,  wollen  wir  aber  für  diese 
Zeit  monatlich  100,  zusammen  also  800  tal.  dafür  ansetzen. 

Die  30  Schiffe  und  1000  Hopliten,  die  im  Frühjahr  432 
nach  Makedonien  abgegangen  waren,  mochten  in  den  6  Sommer- 
monaten bis  zum  Beginn  der  Belagerung  etwa  120  tal.  erfor- 
dern ^;  die  Verstärkung  von  40  Schiffen  und  2000  Hopliten,  die 


^  Ich  setze  den  täglichen  Sold  der  Hopliten  zu  1  dr.,   den  eines 
Seemanns  zu  3  ob.,    wie  er  im  dekeleischen  Kriege  gewesen  ist.     Dass 


54  Belooh 

ihnen  um  den  Anfang  des  neuen  Jahres  gefolgt  ist;  während  der 
2 — 3  Monate  bis  zur  Herbstgleiche  etwa  80—  90  tal.  Die  Kosten 
der  Expedition  nach  Eorkyra  konnten  sich  kaum  anf  mehr  als 
100  tal.  belaufen.  Sämmtliche  Ausgaben  für  Kriegszwecke  in 
der  Zeit  von  Anfang  433/2  bis  £nde  Munjchion  432/1  betragen 
demnach  höchstens  1100  tal. 

£8  war  aber  keineswegs  erforderlich,  diese  Summe  in  ihrem 
ganzen  Betrage  durch  Anleihen  bei  den  Tempelschätzen  zu  decken. 
Allerdings  scheint  es,  dass  die  im  £laphebolion  434/3  eingegan- 
genen Tribute  schon  am  Ende  des  Jahres  verbraucht  waren,  da 
man  sonst  nicht  nöthig  gehabt  hätte,  für  die  verhältnisemäesig 
so  unbedeutenden  Kriegsausgaben  des  folgenden  Jahres  den  Schatz 
anzugreifen;  und  die  neben  den  Tributen  eingehenden  Bundes- 
einnahmen  werden  zum  grösseren  Theil  für  die  Bedürfnisse  der 
laufenden  Verwaltung  —  Richtersold,  Reiterei  etc.  —  Verwendung 
gefunden  haben.  Aber  wenigstens  die  an  den  grossen  Dionyeien 
433/2  einlaufenden  Tribute  d.  h.  gegen  400  Talente,  mussten  f&r 
die  Bestreitung  der  Kriegskosten  zur  Verfügung  bleiben,  und  dass 
dieses  in  der  That  der  Fall  gewesen  ist,  zeigt  der  Umstand,  daee 
man  damals  nicht  daran  gedacht  hat,  die  im  Laufe  der  ersten  8 
Monate  des  Jahres  bei  den  Tempelschätzen  contrahirten  Schulden 
zurückzuzahlen.  Und  ebenso  müssen  die  Kriegskosten  während 
des  Munychion  432/1,  die  wir  oben  mit  100  tal.  in  Rechnung 
gestellt  haben,  aus  den  eben  eingegangenen  Tributen  dieses  Jahres 
bestritten  worden  sein.  Mit  Berücksichtigung  dieser  Verhältnisse 
werden  wir  zu  der  Behauptung  berechtigt  sein,  dass  in  dem  uns 
hier  interessirenden  Zeitraum  höchstens  600  Talente  dem  Schatze 
für  Kriegszwecke  entnommen  worden  sein  können.  Da  nun  die 
Gesammtsumme  aller  Anleihen  von  433/2—423/2  laut  den  Rech- 
nungen der  Logisten  sich  auf  5550  Talente  belaufen  hat,  so 
entfallt  auf  die  Zeit  von  Thargelion  432/1  bis  Ende  423/2  ein 
Betrag  von  4950  Talenten. 

Wir  sehen,  dieses  Resultat  stimmt  aufs  Beste  zu  den  An- 
gaben des  Thukydides.  Die  Summe  der  wahrend  des  archidami- 
schen  Krieges  bis  Ende  423/2  bei  den  Tempelschätzen  aufgenom- 
menen Anleihen  entspricht  genau  den  Beständen,  die  am  Anfang 
des  Krieges  auf  der  Burg  vorhanden,  und  nicht  durch  gesetzliche 
Bestimmung  der  Verwendung  entzogen  waren.     Daraus  folgt  dann 

bei  Thuk.  in  17  höhere  Sätze  stehen,  darf  uns  nicht  irre  machen, 
denn  dieses  Kapitel  ist  eben  interpolirt. 


Zur  FinanzgüSühichte  Athens.  ji5 

weiter,  dass  Athen  neben  den  Tempelschätzen  keinen  Staatescbatz 
im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  besessen  hat,  vielmehr  eben 
der  Schatz  der  Atheua  zugleich  der  Staatsschatz  /gewesen  ist. 
Böckh  hatte  also  auch  hier  das  Richtige  gesehen. 

Die  Verwaltung  der  Tributsummen  haben  wir  uns  demnach 
in  folgender  Weise  zu  denken.  Sowie  die  Gelder  einliefen,  wur- 
den sie  von  den  Hellenotamien  den  Schatzmeistern  der  Göttin 
übergeben  (CIA.  I  32),  die  sie  im  Opisthodom  des  Parthenon 
deponirten.  In  den  Besitz  des  Tempelschatzes  ging  aber  zunächst 
nur  die  απαρχή,  Veo  ^^^  Gesammtsumme  über  als  Gebühr  für 
die  Aufbewahrung;  der  Rest  blieb  zur  Verfügung  des  Staates. 
Durch  diese  Deponirnng  war  ausgesprochen,  dass  die  Tribut- 
summen  nur  für  ausserordentliche  Bedürfnisse  verwendet  werden 
sollten,  und  in  der  That  sehen  wir  aus  den  Abrechnungen  der 
Schatzmeister  der  Athena,  dass  Zahlungen  aus  diesen  Geldern 
nur  unter  Beobachtung  derselben  Förmlichkeiten  geleistet  werden 
durften,  die  für  den  Fall  der  Ausschreibung  einer  €ΐ(Τφορά  ge- 
setzlich vorgesehen  waren,  d.  h.  es  musste  zuerst  durch  Volks- 
beschluss  die  äöeia  bewilligt  sein.  Der  leichtsinnigen  Verschleu- 
derung der  Tributsummen  war  damit  ein  wirksamer  Riegel  vor- 
geschoben und  die  Bundesgenossen  hatten  eine  gewisse  Garantie 
dafür,  dass  ihr  Geld  nur  für  die  Zwecke  verausgabt  wurde,  für 
die  es  zusammengebracht  war. 

Den  Beweis  dafür,  dass  die  laufenden  Tribute  -—  die  ini- 
Τ€ΐα  —  zunächst  Figenthum  des  Staates  blieben,  gibt  die  von 
den  Logisten  ausgestellte  Urkunde  über  die  während  des  archi- 
damischen  Krieges  bei  dem  Schatz  der  Polias  aufgenommenen  An- 
leihen (CIA.  I  273).  Diese  Anleihen  betragen  nämlich  für  die 
4  Jahre  von  426/5— 423/2  nur  resp.  261,  130,  133,  222  Talente, 
während  an  Tributen  im  ersten  Jahre  ein  Betrag  von  100  tal., 
in  den  drei  folgenden  Jahren  je  das  doppelte  oder  zweieinhalb- 
fache dieser  Summe  eingegangen  ist,  und  natürlich  für  die  Kriegs- 
bedürfnisse verausgabt  wurde.  Auch  ist  ein  Beweis  für  eine  an 
sich  selbstverständliche  Sache  nicht  nöthig. 

Wenn  nun  die  Tribute  im  Laufe  des  Jahres  nicht  vollständig 
zur  Verwendung  kamen,  so  wurde  der  Ueberschuss  nach  einer 
gewissen  Zeit  der  Stadtgöttin  geweiht  und  mit  dem  Tempelschatze 
vereinigt.  Zu  welchem  Zeitpunkt  dies  geschah,  wissen  wir  nicht; 
da  aber  die  Tribute  jedesmal  an  den  grossen  Dionysien  fällig 
waren,  so  kann  es  nicht  wohl  an  dem  darauf  folgenden  attischen 
Neujahr    geschehen    sein,    denn    sonst  hätten  die   laufenden  Aus- 


56  Beloch 

gaben  für  Kriegszwecke  während  der  ersten  9  Monat«  jedes  Jahres 
durch  Anleihen  gedeckt  werden  müssen.  Wahrscheinlich  ist  die 
Weihung  an  den  Dionysien  des  nächsten  Jahres  erfolgt,  wenn 
die  neuen  Tribute  einliefen,  oder  erst  an  den  folgenden  Pan- 
athenäen. 

Ganz  ebenso  niusste  mit  den  Ueberschüssen  verfahren  wer- 
den, die  sich  bei  der  Verwaltung  der  übrigen  Einnahmen  des 
Bundes  und  in  der  eigentlich  athenischen  Staatsverwaltung  er- 
gaben -  τά  περιόντα  της  διοικήσεως,  wie  man  im  vierten  Jahr- 
hundert sich  ausdrückte.  £ine  Theorikenkasse  gab  es  in  der  Zeit 
des  peloponnesischen  Krieges  noch  nicht;  und  da  neben  den 
Tempelschätzen  auch  kein  Staatsschatz  im  engeren  Sinne  des 
Wortes  bestand,  so  folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass  alle  Ueber- 
Schüsse  der  Göttin  geweiht  werden  mussten. 

Waren  diese  Ueberschüsse  einmal  in  den  Schatz  der  Athena 
übergeführt,  so  war  eine  Verwendung  für  Staatezwecke  nur  noch 
in  Form  einer  Anleihe  möglich,  zu  deren  Verzinsung  und  Rück- 
zahlung der  Staat  verpflichtet  war.  In  welcher  Weise  die  Auf- 
nahme einer  solchen  Anleihe  erfolgte,  ist  nicht  überliefert;  das  aber 
werden  wir  mit  Sicherheit  behaupten  dürfen,  dass  eine  Reihe 
constitutioneller  Förmlichkeiten  dabei  zu  beachten  waren.  Wir 
sehen,  mit  welch'  ängstlicher  Sorgfalt  die  Staatsmänner  des  Y. 
Jahrhunderte  bedacht  waren,  den  Schatz,  auf  den  vor  allem  die 
maritime  Bedeutung,  und  damit  die  Grossmachtstellung  Athene 
beruhte,  gegen  die  Beschlüsse  wechselnder  Majoritäten  der  Volks- 
versammlung zu  sichern. 

III.    Die  eigenen  Einnahmen  der  Tempelschätse• 

AVie  bekannt,  gab  es  in  Athen  zur  Zeit  des  peloponnesischen 
Krieges  drei  Tempelschätze  mit  getrennter  Verwaltung:  den  Schatz 
der  Athena  Polias,  den  der  Athena  Nike  und  den  Schatz  der 
*  anderen  Götter*,  των  δλλων  θ€ών.  Kirchhoff  hat  das  Verdienet, 
zuerst  auf  die  Bedeutung  der  eigenen  Einkünfte  dieser  Schätze 
für  das  attische  Budget  hingewiesen,  und  zugleich  den  Versuch 
gemacht  zu  haben,  den  Betrag  dieser  Einkünfte,  oder  besser  den 
Betrag  des  Ueberschusses  der  regelmässigen  Einkünfte  der  Tem- 
pelschätze über  ihre  regelmässigen  Ausgaben  abzuschätzen.  Da 
ich  mich  oben  genöthigt  gesehen  habe,  von  den  Ansätzen  Kirch- 
hoff's  beträchtlich  abzuweichen,  wird  eine  neue  Prüfung  der 
Frage  nicht  zu  umgehen  sein. 


Zur  Finanzgeschichte  Athene.  57 

Betrachten  wir  zuerst  den  Schatz  der  '  anderen  Götter*,  τών 
δλλιυν  θεών.  Aus  diesem  Schatte  sind  während  der  7  Jahre 
von  433/2—427/6  zwischen  716  und  796  Talente  geliehen  wor- 
den. Im  Jahre  423/2  ist  dieser  Schatz  dann  noch  einmal  in 
Anspruch  genommen  worden,  und  zwar  mit  dem  Betrage  von, 
wie  es  scheint,  einigen  50  Talenten  (Kirchhoff  a.  a.  0.  S.  32). 
Kirchhoff  meint  nun,  diese  50  Talente  wären  die  Summe  der 
Ueberschüsse,  die  sich  seit  dem  Jahre  428/7  bei  dem  Schatze 
der  anderen  Götter  angesammelt  hätten,  so  dass  der  jährliche 
Ueberschuss  auf  etwa  9  Talente  zu  veranschlagen  wäre.  Dass 
Kirchhoff  in  der  Hauptsache  Recht  hat,  halte  ich  für  unbestreit- 
bar; da  wir  aber  seine  Hypothese,  wonach  die  Tempelschätze 
schon  am  Ende  des  Jahres  429/8  erschöpft  waren,  oben  als  un- 
begründet zurückweisen  mussten,  so  liegt  keine  Veranlassung 
mehr  vor,  in  jenen  50  Talenten  die  Ueberschüsse  der  6  Jahre 
von  428/7 — 423/2  zu  erkennen.  Wir  sind  vielmehr  nur  berech- 
tigt, darin  die  Ueberschüsse  der  4  Jahre  von  426/5  bis  zur  10. 
Prytanie  423/2  zu  sehen,  während  welcher  Zeit  eine  Anleihe 
aas  dem  'Schatze  der  anderen  Götter'  nachweislich  nicht  statt- 
gefunden hat.  Der  jährliche  Ueberschuss  der  Einkünfte  dieses 
Schatzes  wird  also  statt  mit  Kirchhoff  auf  9  Talente,  auf  12—13 
Talente  zu  veranschlagen  sein. 

Die  Einnahmen  des  Schatzes  der  Athena  Nike  kommen  da- 
gegen kaum  in  Betracht.  Im  Jahre  423/2  sind  gegen  6  Talente 
daraus  entliehen  worden;  das  ergäbe  unter  denselben  Voraus- 
setzungen wie  für  den  Schatz  der  anderen  Götter  einen  jährlichen 
Ueberschuss  von  IV2  Talenten.  Da  aber  in  den  7  Jahren  von 
433/2 — 427/6  nur  22  Talente  aus  diesem  Schatze  entnommen 
worden  sind,  gegen  rund  750  Talente  die  aus  dem  Schatze  der 
anderen  Götter  entliehen  wurden,  so  werden  sich  die  jährlichen 
regelmässigen  Ueberschüsse  des  Schatzes  der  Nike  auf  eine  viel 
geringere  Summe  als  IY2  Talente  belaufen  haben.  Im  Jahre 
410/9  sind  aus  den  Einkünften  der  Athena  Nike  nur  91  dr. 
3V4  0.  entliehen  worden! 

Viel  bedeutender  waren  natürlich  die  Einkünfte  der  Athena 
Polias;  und  Kirchhoff  hat  kein  Bedenken  getragen  sie  auf  nicht 
weniger  als  jährlich  200  Talente  zu  veranschlagen,  und  zwar 
abzüglich  der  Ausgaben  für  den  Kultus.  Dieser  Ansatz  gründet 
sich  auf  die  bekannte  Schatzrechnung  aus  dem  Jahre  des  Archon 
Glaukippos,  410/9  (CIA.  I  188).  Kirchhoff  ist  nämlich  in  noth- 
wendiger  Consequenz  seiner  Ansicht  über  die  Beschaffenheit  des 


56  Beloch 

attiM.'heo  Staati^echatzee  gezwungen,  die  AbrecluiaDgeD  der  Schatz- 
uifititi'T  der  (iöttin  für  Schuld  Urkunden  aazneehen,  wobei  dann 
riütürlich  die  darin  vorkuinmenden  έιτ€τ€ΐα  nur  die  eigenen  Ein- 
künfte der  Tenipelechätze  bezeichnen  kvnnen. 

IndcHHen  die  l'nhaltbarkeit  dieser  Ansieht  er^bt  sich  aus 
•len  Trkuuden  selbst  klar  genug.  Schon  die  Ueberschrift  zeigt 
«las  aufs  deutlichste;  heisst  es  doch  regebn&esig:  die  Athener 
f^aben  aus  ('Αθηναίοι  άνήλακταν),  niemals:  die  Athener  machten 
eine  Anleihe.  Ferner  wissen  wir,  dass  die  Kosten  des  Krieges 
(reifen  SanioH  12^X)  Talente  betrugen^;  der  annähernd  gleiche  Be- 
frag '1270  tal.)  findet  sich  in  einer  Urkunde  der  Schatxmeister 
»U-r  Athena  (CIA.  I  177)  für  diesen  Zweck  verrechnet;  wäre 
ti'ii'.ni'y  Kuniiii«;  eine  Anleihe  aus  dem  Schatz,  so  mässten  wir  an- 
fj«'liifHrfi,  dsiHH  auHHcrdem  auch  noch  die  laufenden  Bundeseinnahmen 
fiir  den  Krif^r  verausgabt  worden  wären,  mit  anderen  Worten, 
dj<;  Kriegsk'iHlen  hätten  sich  nicht  mehr  auf  12(X>,  sondern  auf 
|MM>  Ύα\*Ίΐίί*^  oder  noch  höher  belaufen^,  im  AV'iderspmch  mit 
iHisf'rer  literariscben  ireberlieferung.  Entscheidend  aber  ist  die 
Abrei;lifMin^  ii<ir  Schiitznieister  der  Göttin  für  415/4  (CIA.  I  183 
ff.  IV  S.  lyj).  Dort  steht  zuerst  eine  Zahlung  aus  der  dritten 
l'rytanie  an  die  Strategen,  wobei  die  Hellenotamien  nur  der 
Kiir/e  wfirt'n  iih^rgangen  sind;  darauf  unter  der  neuen  Ueber- 
Hihrift  ^λληνοταμίαις  και  παρέδροις  έδανείσαμεν  eine  Reihe 
von  Zahlungen  aus  der  2.-8.  Prytanie.  Hier  werden  also  die 
einlarlM^i  Zahlungen  —  offenbar  aus  den  έΐτέτεια  —  von  den  ge- 
währten Anb^ihen  aiiKdrücklich  unterKchieden.  Kirchhoff  hat  na- 
tu rlieh  das  IbMlcnk liehe  dicKer  Stelle  für  seine  These  sehr  wohl 
ffrkannt.  Aber  die  künritliehc  Erklärung,  mit  der  er  die  Schw^e- 
ri^^keit  /jj  iinigfdien  Hiicht,  macht  die  Sache  nicht  besser.  Έλλη- 
νοταμίαις  εδανείααμεν  ηοΠ  nämlich  heissen,  die  Schatzmeister 
der  Ath«Mia  hätten  in  Folge  eineH  Privatcoutracts,  ohne  dazu  an- 
^f'wie.Hen  oder  <'nnä<:hti/^t  zu  sein,  den  Hellenotamien  Vorschüsse 
geleiKfet,  welche  dicHf»  binnen  einer  bestimmten  kurzen  Frist 
zurück'/Ji/.ahlen  vcTpfliehtet  waren  (a.  a.  0.  S.  41  Α.).  Ist  aber 
dicM'.  Krkläruiig  rielitiic,  wie  kommen  dann  diese  Vorschüsse  *au8 
denen  dem   Staate  keine   HehiKtung  erwuchs^   in  eine  zu  ewigem 


'  Diod.  Xll  28  wo  χιλίων  vor  διακοσίων  ausgefallen  ist.  Isokr. 
Antid.  lll.  NopoH  Tim.  1.  Vcrgl.  Koehler,  Urkunden  zur  Geschichte 
dos  Delischon  Bundes  S.  142  A.   1. 

'  Busolt  hat  Kbein.  Mus.  38,  309  diese  Consequenz  wirklich  gezogen. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  59 

ßedäcbtnise  aufgestellte    Urkunde,    und   nun   gar,    wie  Kirchhoff 
will,  in  eine  Schuldurkunde? 

Wenden  wir  uns  jetzt  zur  Betrachtung  der  Schatzrechnung 
aus  dem  Jahr  des  Olaukippos.  Laut  dieser  Urkunde  sind  im 
Jahre  410/9  aus  den  laufenden  Einnahmen  (έκ  τών  επετείων) 
von  den  Schatzmeistern  der  Athena  für  Staatszwecke  über  180 
Talente^  verausgabt  worden,  und  zwar  aus  folgenden  Quellen: 
Aus  den  Einnahm,  des  Schatzes  der  Polias  8  t.  4237  dr.  Y2  ob. 
Aus  den  Einnahm,  des  Schatzes  der  Nike  —  91  dr.  3V4  ob. 
Aus  den  Einkünften  aus  Samos      .     .    95  t.    2896  dr.  — 

Aus  nicht  specificirten  Einkünften  .    ^^  74  t.    2639  dr.        5  ob. 

"~1  Wt    3864  dr7~2V7ob^ 

Dass  nun  keineswegs  alle  diese  Gelder  Tempelgelder  ge- 
wesen sind,  zeigen  schon  die  Zusätze  'Αθηναίας  ΤΤολιάοος,  Νίκης 
mit  denen  einige  Posten  bezeichnet  sind;  ein  deutlicher  Beweis, 
dass  überall  da  wo  diese  Zusätze  fehlen  wir  es  mit  Staatsgeldern 
zu  thun  haben.  Ferner  ist  ohne  Weiteres  klar,  dass  die  eigenen 
Einkünfte  des  Schatzes  der  Athena  Polias  aus  Samos  sich  un- 
möglich auf  nahe  an  100  Talente  belaufen  haben  können;  ja 
selbst  wenn  wir  annehmen  wollen,  was  ich  sprachlich  wie  sach- 
lich für  gleich  unstatthaft  halte,  es  seien  die  gesammten  Erträge 
des  Tempel landes  auf  Lesbos,  Imbros,  Lemnos,  dem  Chersonnes 
nach  Samos  gebracht  und  dort  deponirt  worden,  kommen  noch 
lange  keine  hundert  Talente  heraus^.  Kirchhoff  meint  freilich, 
diese  *  Gelder  aus  Samos*  könnten  keine  Tributgelder  sein,  ^denn 
diese  waren  unter  allen  Umständen  zuerst  durch  die  Hellenota- 
mien  zu  vereinnahmen,  und  können  vor  ihrer  Abführung  nach 
Athen  unter  keiner  denkbaren  Voraussetzung  zur  Verfügung  der 
Schatzmeister  der  Athena  gestanden  haben'  (a.  a.  0.  S.  52).  Aber 
erstens  waren  die  Tribute  zur  Zeit  unserer  Urkunde,  wenn  nicht 
überall,  so  doch  im  grösseren  Theile  des  Reiches  abgeschafft  und 
durch  die  εικοστή  ersetzt;  zweitens  handelt  es  sich  hier  weder 
um  Tribute  noch  um  €ΐκο(7τή,  sondern  um  einen  Einnahmetitel, 
der  von  jeher  getrennt  verrechnet  worden  ist;  und  endlich,  selbst 

*  'Die  Summe  der  erhaltenen  Ziffern  aller  Einzelpoeten  beträgt 
178  t.  3864  dr.  2^/^  ob.,  die  Summe  des  denkbar  mindesten  Betrages 
des  zerstörten  2  t.  2100  dr.  V4  ob.,  was  zusammen  180  t.  5964  dr. 
3  ob.  ergibt;  doch  ging  die  Gesammtsummc  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  über  diesen  Betrag  in  Wirklichkeit  noch  wSa  einige  Talente  hin- 
aus* (Kirchhoff  a.  a.  0.  S.  51/2). 

*  S.  unten  S.  62. 


60  Beloob 

zugegeben  daHH  die  'Gelder  aue  Sumos'  ebenso  wie  die  Tribute 
durcb  die  Hellenotamien  vereinnabmt,  und  von  ibnen  den  Schatz- 
meistern  der  Atbena  Übergeben  wurden,  eo  macht  es  doch  gar 
keinen  Unterschied ,  ob  diese  Uebergabe  in  natura  geschah,  oder 
ob  man  die  ganze  Hache  durch  Abschreibung,  resp.  Zusohreibung 
bewerkstelligte.  Den  gesetzlich  vorgeschriebenen  Formalitäten 
niUHste  in  jedem  Falle  Gentige  geleistet  werden. 

Es  bleibt  noch  die  Frage,  aus  welcher  Einnahmequelle  die 
nicht  speciiicirten  74 V^  Talente  geflossen  sind.  Tributgelder 
können  es  nicht  gewesen  sein,  abgesehen  von  allem  anderen 
schon  darum  nicht,  weil  die  im  Elaphebolion  411/0  eingegan- 
genen Tribute  im  Jahre  410/9  nicht  wohl  als  έπέτεια  bezeichnet 
werden  konnten,  und  weil  die  ersten  Zahlungen  des  Jahres  aus 
den  Kinkünfteu  der  Polias  und  Nike  geleistet  wurden,  der  Staat 
aber  nicht  zu  einer  Anleihe  gegriffen  haben  würde,  hätte  er  noch 
bereite  Bestände  zur  Verfügung  gehabt.  Es  wird  uns  also  kanm 
etwas  anderes  übrig  bleiben,  als  hier  an  die  Erträge  der  είκοοτη 
ZU  denken.  Man  wende  nicht  ein,  dass  die  Summe  dafür  zu  klein 
ist.  Denn  bei  der  Spaltung  zwischen  Stadt  und  Flotte,  die  durch 
die  Ereignisse  des  Jahres  411  hervorgerufen  worden  war,  und 
erst  durcli  die  Wahl  des  Alkibiades  zum  Strategen  407  beseitigt 
wurde,  erhob  die  Flotte  ohne  Zweifel  die  Einkünfte  aus  dem 
Hellespont,  aus  lonien  und  einem  Theil  von  Thrakien  für  eigene 
Rechnung,  und  verwandte  sie  für  den  eigenen  Unterhalt,  ohne 
Hieb  im  geringsten  um  die  Behörden  zu  Hause  zu  kümmern.  Die 
Regierung  in  der  Stadt  verfügte  in  dieser  Zeit  im  Wesentlichen 
nur  über  die  Inselprovinz,  wo  Theramenes  noch  im  Herbst  411 
die  Autorität  Athens  aufs  Neue  befestigt  hatte  (Diod.  XIII  47). 
Wenn  wir  nun  auch  über  die  Höhe  des  Ertrages  der  €Ϊκοστή 
nicht  unterrichtet  sind,  so  kann  uns  doch  die  Höhe  der  Tribute, 
zu  deren  Ersatz  die  neue  Steuer  eingeführt  worden  war,  einen 
ungefähren  Anhaltspunkt  dafür  geben.  Nach  der  Schätzung  von 
425/4,  deren  Ansätze  bis  zur  gänzlichen  Aufhebung  der  Tribute 
maKSgebend  geblieben  sind,  belief  sich  Sollbetrag  des  Tributes 
der  Inselprovinz,  soweit  sie  im  Jahre  410/9  noch  die  Herrschaft 
Athens   anerkannte,    d.  h.    also   abzüglich  Euboea    und  Audros  ^, 


*  Die  Zeit  des  Abfalls  von  Andros  wird  nicht  überliefert,  es 
liegt  aber  doch  wohl  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  Erhebung  vor 
der  Schlacht  bei  Kyzikos  erfolgt  ist,  wahrscheinlich  zugleich  mit  dem 
Abfall  Euboea's.     Als  Athen  feindlich  erscheint  die  Insel  zuerst  407. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  Gl 

die  abgefallen  waren,  und  von  Lemnoe  und  Imbros,  die  eich  im 
Machtbereich  der  Flotte  befanden  und  auRserdem  zu  dieser  Zeit 
zur  Inselprovinz  nicht  mehr  gehörten '  —  auf  etwa  95  Talente. 
Wenn  wir  die  Zahlungsrückstände,  die  Störung  des  Verkehrs 
durch  den  Krieg  mit  den  dadurch  entstehenden  Ausfall  in  den 
Zolleinnahmen  und  ähnliches  berücksichtigen,  so  wird  der  An- 
nahme nichts  entgegenstehen,  dass  jene  74V2  Talente  wirklich 
der  Gesammtbetrag  der  in  Athen  während  dieses  Jahres  von  den 
Bundesgenossen  eingegangenen  €ίκθ(Ττή  gewesen  sind.  Natürlich 
bleibt  daneben  die  Möglichkeit,  dass  die  Erträge  der  €ΐκο(Ττή 
sich  höher  beliefen,  aber  nur  zum  Theil  in  die  Kasse  der  Schatz- 
meister der  Athena,  zum  anderen  Theil  direct  in  die  Kasse  der 
Hellenotamien  flössen.  Und  jedenfalls  sind  die  Zolleinkünfte  aus 
den  Kleruchien,  wenn  sie  wirklich,  wie  ich  oben  wahrscheinlich 
zu  machen  versucht  habe,  in  die  Bundeskasse  flössen,  jetzt  ebenso 
wie  früher  von  den  Hellenotamien  verwaltet  worden. 

Dass  der  Demos  in  der  Stadt  in  unserem  Jahre,  wenn  aueh 
zunächst  nur  formell,  wieder  über  die  *  Gelder  aus  Samos'  ver- 
fugen kann,  obgleich  doch  Samos  sich  in  der  Gewalt  der  Flotte 
befand,  ist  eine  Folge  der  Annäherung,  die  damals  zwischen  den 
beiden  getrennten  Hälften  des  Reiches  sich  anbahnte.  Thrasyllos, 
Strateg  durch  die  Wahl  der  Flotte,  weilte  seit  dem  Herbst  411 
in  Athen,  um  die  Absendung  einer  Hülfsarmee  und  einer  Ver- 
Rtärkung  an  Schifl^n  zu  betreiben.  Nach  der  Schlacht  bei  Kyzikos 
wurde  er  auch  vom  Volke  für  das  bevorstehende  Amtsjahr  410/9 
zum  Strategen  erwählt,  aber  seinen  eigentlichen  Zweck  erreichte 
er  erst  nach  längerer  Zeit,  und  wie  es  scheint  nach  Ueberwin- 
dung  grosser  Schwierigkeiten  (vgl.  Xen.  Hell.  I  1,  34).  Es  liegt 
in  der  Natur  der  Sache,  dass  das  Volk  von  der  Flotte  Gegen- 
concessionen  beanspruchte;  und  da  die  Hülfsarmee  in  lonien 
operiren  sollte,  so  war  es  nicht  mehr  als  billig,  dass  die  Flotte 
die  Verwaltung  dieser  Provinz  wieder  an  die  Regierung  in  der 
Stadt  zurückgab. 

Nach  alle  dem  wird  man  mir,  denke  ich,  zugestehen,  dass 
es  sich  in  unserer  Urkunde  keineswegs  um  blosse  Tempelgelder, 
vielmehr  der  Hauptsache  'nach  um  Staatsgelder  handelt.  Damit 
fällt  aber  der  Grund,  auf  den  gestützt  Kirchhofl^  die  jährlichen 
Einnahmen  des  Schatzes  der  Polias  auf  gegen  200  Talente  an- 
setzen zu  müssen  geglaubt  hatte. 


1  CIA,  I  258.  2G0. 


62  Beloch 

Sehen  wir  jetzt,  ob  es  nicht  möglich  iet,  anf  anderem  Wege 
zu   besser  begründeten  Resultaten  zu  kommen.     Die  Einnahmen 
des    delisohen  Tempels   in   den    vier  Jahren  von  377/4  betrugen 
zusammen  8  Talente  4644  Drachmen  2V2  Obolen,  einschliessHch 
der  Rückstände  gegen    19  Talente  (Böckh,    Staateh.  TI  f5.  95  u. 
103),    d.  h.   eine  Solleinnahme    von  4V2,    eine  Isteinnahme   von 
nur  2  Talenten   im  Jahre.     Und    doch  war   der  delischc  Tempel 
einer  der  ersten  in  Griechenland.     Die  jährlichen  Einkünfte  des 
'Schatzes  der  anderen  Grötter'  betrugen,  abzüglich  der  Ausgaben 
für  den  Kultus  nach  Kirchhoff  9  Talente,    eine  Summe,    die   ich 
oben  auf  12  — 13  Talente  erhöhen  zu  müssen  geglaubt  habe.    Die 
Athena  Nike  hatte   kaum    1    Talent   jährliche  Einkunft«.      Was 
nun  die  Athena  Polias  angeht^    so  war  ihr  Tempel  zur  Zeit  der 
Grösse  Athens   gewiss    der    bestdotirte    in   Hellas;    ob    aber   die 
eigenen  Einnahmen  ihres  Schatzes  —  von  der  απαρχή  abgesehen  — 
die  Einkünfte  aller  *  anderen  Götter*    zusammen   bedeutend  über- 
stiegen haben,    das   ist  eine  Frage,    die  kaum   so  ohne  Weiteres 
zu  bejahen  sein  dürfte.    Diese  Einkünfte  bestanden  in  dem  Pacht- 
ertrag des  Tempellandes   in  Attika  und  den  Kleruchien,    in    der 
απαρχή  der  Tribute,    die   bis  425/5  jährlich  an  7  Talente,    von 
da   aber  jährlich   das  doppelte   einbrachte,    endlich  dem  Zehnten 
von    confiRcirtem    Eigenthuni,    natürlich   eine    Einnahme    in    sehr 
schwankender  Höhe,  für  die  aber  im  Durchschnitt  jährlich  5  Ta- 
lente   gewiss    reichlich    gerechnet    sind.     Was    den    Ertrag    des 
Tempellandes  angeht,    so  betrug  derselbe  z.  B.  auf  Lesbos  jähr- 
lich 10  Talente  (Thuk.  IIT  50),  die  aber  keineswegs  aussohliess- 
lioh    in    den    Schatz   der    Polias    flössen,    wenn    diese    auch    den 
*  Löwenantheir,    d.  h.  mehr  als  jede  andere  der  bedachten  Gott- 
heiten,   erhalten    haben    wird.     Nun    war  Lesbos,    der  Zahl   der 
Kleruchen   nach    (3000   Loose)    die    bedeutendste  Kleruchie,    die 
Athen  jemals  ausgeführt  hat;  alle  im  V.  Jahrhundert  gegründeten 
Kleruchien    zusammen   werden  kaum  mehr  als  15000  Loose  um- 
fasst  haben  ^    Es  liegt  in  der  Xatur  der  Sache,  dass  diese  Loose 
im  Durchschnitt  gleiche  Grösse  oder  doch  gleichen  Wertli  hatten, 
und  dass  wenigstens  die  Loose  anf  Lesbos  nicht  kleiner  bemessen 
worden    sind,    als    die    in    den    früher    ausgeführten    Kleruchien. 
Unter  der  Voraussetzung,  dass  überall  wi(i  auf  Lesbos  der  zehnte 
Theil  dos  Bodens  den   Göttern   geweiht    worden    ist,    und    davon 


'  Vßl.  die,  allordingR  unkritische,  Zusammonstpllung  bei  Gilbert, 
Staatsalt.  I  421  Λ.  4. 


Zar  Finanzgpschichte  Athens.  63 

die  Hälfte  der  Polias  zufiel,  ergäbe  Rieh  demnach  aus  dieser 
Quelle  eine  jährliche  Einnahme  ihres  Schatzes  von  25  Talenten. 
Doch  ist  das  ohne  Zweifel  sehr  reichlich  Λ''eran  seh  lagt,  so  dass  wir 
den  Ertrag  des  Grund eigenthums  der  Athena  Polias  in  Attika 
unbedenklich  in  diese  Summe  mit  einschliessen  können.  Baraus 
folgt  eine  Gesammteinnahme  dieses  Tempelschatzes  vor  Beginn 
des  peloponnesischen  Krieges,  wo  Aegina,  Potidaea,  Lesbos,  Meloe 
mit  zusammen  etwa  5000  Looscn  noch  nicht  Kleruchien  waren, 
Λ'οη  gegen  30  Talenten,  nämlich  1 8  Talente  aus  dem  Grundbesitz, 
5  von  den  οημιόπρατα  und  7  aus  der  απαρχή.  Diese  Summe 
mag  sich  in  den  folgenden  .Jahren  durch  die  Gründung  neuer 
Kleruchien  auf  ί^7  Talente,  im  Jahre  425/4  durch  die  Steigerung 
der  Tribute  und  damit  auch  der  απαρχή  auf  45  Talente  erhöht 
haben.  So  ist  es  geblieben  bis  auf  die  sicilische  Katastrophe, 
wo  der  Ausfall  an  der  απαρχή  in  Folge  der  Empörung  der 
meisten  Bundesstaaten,  der  Verlust  eines  Theils  des  Kolonial- 
besitzes, wie  Andros,  Euboea  bis  auf  Oreos,  und  zum  Theil  auch 
Lesbos,  endlich  die  Occupation  von  Attica  durch  die  Pelopon- 
nesier  und  überhaupt  die  durch  den  Krieg  herbeigeführte  Un- 
sicherheit aller  Verhältnisse,  eine  beträchtliche  Verminderung  in 
den  Einnahmen  des  Tempelschatzes  bewirken  musste,  die  mit  20 
Talenten  kaum  zu  hoch  veranschlagt  sein  dürfte. 

Rechnen  wir  dazu  die  Ueberschüsse  der  Einkünfte  des 
Schatzes  'der  anderen  Götter*  mit  13,  und  des  Schatzes  der  Nike 
mit  1  Talent,  so  erhalten  wir  für  alle  drei  Tempelschätze  zu- 
sammen öitien  jährlichen  Ueberschuss  von 

vor  Anfang  des  peloponncsischen  Krieges      .     .  44  t., 

nach  der  Eroberung  von  Lesbos •'>!    r 

nach  der  Erhöhung  der  Tribute  425/4  .  .  .  59  „ 
nach  der  sicilischen  Katastrophe  höchstens  .  .  40  „ 
Dabei  sind  aber  für  den  Schatz  der  Polias  die  Brutto-Einnahmen 
in  Ansatz  gebracht,  von  denen  also  die  Ausgaben  für  den  Cultus 
abzuziehen  wären.  lieber  die  Höhe  dieser  Ausgaben  haben  wir 
^ar  keine  Kenntniss;  unbedeutend  aber  können  sie  in  keinem 
Falle  gewesen  sein.  Unter  Berücksichtigung  dieses  Factors  wird 
man  mir  zugeben,  dass  der  obige  Ansatz  von  50  Talenten  als 
jährlicher  Durchschnitt  der  Ueberschüsse  des  Tempelgutes  wäh- 
rend der  Zeit  des  archidamischen  Krieges  sehr  reichlich  be- 
raessen  ist. 

Dass  übrigens  Kirchhofes  Berechnung  der  reinen  ITeber- 
scbüsHe  des  Schatzes  der  Polias  auf  gegen  200  Talente  in  keinem 


C4  Beloch  Zur  Finanzgeschichte  Athene. 

Falle  haltbar  ist,  läset  eich  auch  in  anderer  Weise  noch  darthnn. 
Da  während  der  7  Jahre  von  433/2 — 427/6  aus  dem  Schatze  der 
*  anderen  Götter'  gegen  750  Talente  entliehen  worden  sind,  so 
inuss  der  Bestand  dieses  Schatzes,  selbst  einen  jährlichen  Zugang 
von  13  Talenten  vorausgesetzt,  am  Anfang  dieser  Periode  660 
Talente  betragen  haben.  Im  Schatz  der  Polias  lagen  zur  selben 
Zeit,  nach  Kirchhoff  (a.  a.  0.  S.  46  Α.),  reichlich  3000  Talente. 
Da  beide  Schätze  nach  Kirchhoff's  Auffassung  aus  den  Ueber- 
Rchüssen  ihrer  eigenen  Einnahmen  über  die  Ausgaben  gebildet 
sind,  so  müssen  diese  Ueberschüsse  doch  nothwendig  zu  den 
daraus  angehäuften  Beständen  im  ungefähren  Verhältnisse  stehen. 
Diese  Bestände  verhalten  sich  aber  wie  1:5;  d.  h.  wenn  die 
jährlichen  Ueberschüsse  der  Polias  200  Talente  betrugen,  müssen 
die  Ueberschüsse  des  Schatzes  der  anderen  Götter  sich  auf  40 
Talente  belaufen  haben;  wenn  andererseits,  wie  Eirohhoff  will, 
der  Ueberschuss  des  Schatzes  der  anderen  Götter  jährlich  nur 
9  Talente  betrug,  so  kann  der  Ueberschuss  des  Schatzes  der 
Polias  nicht  höher  als  45  Talente  gewesen  sein. 

Uebrigens  bin  ich  natürlich  sehr  weit  davon  entfernt,  ir- 
gend welche  absolute  Richtigkeit  für  meine  oben  aufgestellte 
Berechnung  der  Einkünfte  der  Tempelschätze  zu  beanspruchen. 
Ich  meine  im  Gegentheil,  dass  diese  Einkünfte  sich  in  Wirk- 
lichkeit auf  eine  sehr  viel  geringere  Summe  beliefen.  Was  ich 
beabsichtigte  war  nur,  der  Schätzung  Kirchhoff's  eine  andere 
Schätzung  entgegenzustellen,  die  wenigstens  innerhalb  der  Gren- 
zen der  Möglichkeit  bleibt  und  die  gegebenen  Momente  thun- 
lichst  berücksichtigt. 

Rom.  J.  Beloch. 


Aninadiereioiies  criticae  in  Scipiouis  Aemiliani  histo- 
riam  et  C.  eracchi  orationem  adnersne  Scipionem. 


I. 

P.  Comelii  Scipionie  Paulli  f.  hietoria  mirum   quantum  in- 

quinata  est  ex  aesentatorum  fraude   fabulatorumue  incuria  narra- 

tiunculie    eis,    quae    fictae    audacter    excogitatae    uenuste    epecie 

quadam  genuini  Colons  uins  doctie  imponant:  quae  si  quis  accurate 

excutiat  ac  pensitet,  facile  facum  illuni  quo  impoetores  res  geetas 

adolterare  adsolent  agnoscet  uel  inuitus.    Atque  hac  quidem  dispu- 

tatione  refatatume  eum  narrationem  id  genus  celeberrimam,  quam 

molti  laudauere  et  admirati  sunt  neque  quisquam  ni  fallor  eorum 

qui  historias  scripsere  non  ueram  esse  arbitratus  est.     Leguntur 

enim   apud  Yalerium  Maximum  lY  1,  10   haec:    'Ne  Africanus 

quidem  posterior  nos  de  se  tacere  patitur :  qui  censor  cum  lustrum 

conderet  inque  solito  fieri  sacrificio  scriba  ex  publicis  tabulis  sol- 

lemne  ei  precationis  carmen  praeiret  quo  di  immortales  ut  populi 

Bomani   res    meliores   amplioresque   facerent,    rogabantur:    Satis, 

inquit,    bonae  ac  magnae  sunt.     Itaque  precor,    ut   eas   perpetuo 

incolumes  sement.     Ac  protinus  in  publicis  tabulis  ad  hunc  mo- 

dum  Carmen  emendare  iussit.     Qua  uotorum  uerecundia   deinceps 

censores  in   condendis  lustris  usi   sunt.     Prudenter  enim    sensit, 

tone   incrementum  Romano   imperio   petendum   fuisse,    cum  intra 

Beptimum  lapidem  triumpbi  quaerebantur :    maiorem  autem   totius 

terrarum  orbis  partem  possidenti  ut  auidum  esse  quicquam  ultra 

&ppetere,  ita  abunde  felix,   si  nihil  ex  eo,    quod  obtinebat,  amit- 

teret\ 

Bem  totam  a  nescio  quo  nugatore  iietam  esse  facile  opinor 
concedes  si  quibus  de  causis  ita  iudicari  necesse  sit  acceperis. 
»out  uero  tres.  Atque  primum  quidem  narrationi  ist!  tanquam 
^damentum  subtrahitur  eo  quod  Scipionis  ipsius  uerbis  uel  ex 
^ttcilii  libro  undecimo  uel  ex  oratione  Scipionis  quam  pro  se 
contra  Ti.  Claudium  Asellum  de  multa  ad  populum  babuerat  a 
Uoerone  adlatis  certissimum  est  Scipionis  collegam  in  censura, 
'^on  Scipionem  ipsum  lustrum  condidisse  anno  612/142.  Videlicet 
eortiebantur  censores  uter  lustrum   conderet    (Mommseni  uide  in« 

Bbein.  Mus.  f.  Pbllol.  N.  F.  XXXIX.  5 


66  Marx 

publicum  Komanorum  II  1  p.  346.  406.  lan.  XXXYIII  36),  atqui 
Sorte  Aemilianum  euperatum  esse  Luciumque  Humminni  Instnim 
condidieee  cum  acerbitate  quadam  Scipio  ipae  pronantiat  apud 
Ciceronem  de  or.  II  268:  ^ut  Aeello  Afnoanua  obicienti  Ivatrom 
illud  infelix  noli,  inquit,  mirari;  is  ffttm,  qui  te  e»  a^ßrarüs  ex- 
etm'f,  lustrum  condidü  et  faurum  immoIauU.  f  Tanta  snspicio  est, 
ut  religione  ciuitatem  obetrinxieee  uideatur  Hummine,  quod  Asel* 
lum  ignominia  leuarit'.  Quae  uerba  niei  forte  canillabere  nnllo 
pacto  cum  eis  quae  a  Yalerio  traduntur  fieri  poterit  nt  conci• 
lientur:  cum  uero  ex  Aemiliani  oratione  (Meyer  or.  Som.  fragm. 
p.  101  Gell.  VI  11,  9;  II  20,  6)  uel  e  Lucilii  libro  XI  (14  Μ 
340  L)  sine  dubio  desumpta  eint,  prae  boc  teetimonio  Valerii 
liber  miecellaueus  sordet.  Idcirco  quod  Mummias  lustmm  con* 
didit  puto  Plinium  soribere  XXXIII  57  ^  Laquearia  qvae  nnno  et 
in  priuatis  domibu8  auro  teguntur  poet  Carthaginem  euersam 
primo  in  Capitolio  inaurata  sunt  censura  L•  MummC.  £tenim 
Scipio  et  clarior  fuit  Mummio  et  in  fastie  prior  nominatnr. 

Accedit  alterum.  Narrat  Yaleriue  Scipionem  in  ipea  re  eaorm 
ecribam  interrupieee  et  intempeetiue  quod  ipee  sentiret  BapposnisBe 
eis  quae  neu  eollemni  more  maiorum  religione  grauieeima  netnatat• 
borrida  eancita  erant:  res  incredibilis  et  ei  quis  ad  obmaaam 
exigat  inepta  ut  quae  maxime.  übinam  gentium  tale  quid  factum 
est?  An  cogitari  poteet  apud  nos  eacerdotem  ita  esse*  uesannm, 
qui  eanctissima  precationis  carmina  quibns  cbristiani  ex  quo  tem- 
pore exstitere  utuntur  immutatie  inter  ipsam  caerimoniam  eese 
iam  mutaturum  clamitet,  magietratum  ita  mente  captum,  ut  dum 
ad  sacramentum  adigitur  eum  qui  iurisiurandi  Carmen  praeit  com* 
pellet  abeurdue  melioraque  eeee  nuncupanda  male  sagax  pronnn- 
tiet?  At  multo  minus  tale  quid  usu  uenire  potuit  apud  Romanos 
utpote  qui  multo  religiosiores  fuerint  quam  boc  saeculura.  'An 
si  ludius  constitit  aut  tibicen  repente  conticuit  aut  puer  ille  pa- 
trimus  et  matrimus  si  tensam  non  tenuit,  si  lorum  omisit,  ant  9% 
aedilis  uerbo  axä  simpuuio  aherrauiU  ludi  sunt  non  rite  facti  eaque 
errata  expiantur  et  mentes  deorum  imraoi*talium  ludorum  instau- 
ratione  placantur*  ut  Cicero  ait  de  barnsp.  resp.  23,  si  ludi  am- 
plius  septies,  si  sacrificia  uel  tricies  instaurantur  non  rite  facta, 
si  'quia  in  una  bostia  magistratus  Lanuuinus  precatus  non  erat 
populo  Romano  Quiritium,  religioni  fuit'  (Liu.  XLI  16),  dubita- 
bisne  quin  piaculum  commissum  fuerit  si  quis  in  lustri  sacrificio 
sanctissimo  et  grauissimo  uel  tantillum  mutarit?  Vide  PliniiXXVIII 
11  Prelleri  mytbol.  Rom.  I  p.  132.  215.  Umbrorumque  consuetu- 


de  Scipione  Aemil.  et  C.  Graccbo.  67 

dinem  oognoecimue  ex  tabulae  Iguuinae  lege  (in  Fleckeiseni  annal. 
a.  1875  p.  317),  qua  si  in  eacrificio  quicquam  commiesum  sit, 
totnm  denno  fieri  oportere  inbetur:  quo  nero  magie  intellegat 
qualee  fere  fuerint  Romae  in  Inetro  condendo  caerimoniae,  Ignaina 
de  iMdnuido  ρορνίο  lege  aBueebelero  in  libello  uniu.  BonnensiR 
a.  1876  explicata  commodiesime  utetnr  aliqnis. 

Poetremo  neqne  Scipio  lustrationie  Carmen  mutare  potuit 
neqne  si  potuiseet  tarn  fatuas  erat  ut  illum  in  modum  id  mit- 
taret,  cuius  Yalerins  auctor  est,  ueque  popalus  Komanus  unquam 
pasBue  esset  precationem  illam  de  sua  salute  et  proeperitate  tali 
modo  debilitari  ac  depranari  quo  Scipio  corrupisse  perbibetur. 
Tenax  enim  uetnstatis  erat  in  re  eacra  eademqiie  axamenta  Sa- 
liomm  Amalium  aliorum  permanserunt  ei  dis  placet  inde  a  Namae 
ueqne  ad  Elagabali  tempora,  quae  nemo  iam  Ciceroni  aequalis 
potnerat  intellegere.  Itaque  iure  negauerim  censorem  potuisse 
nedum  in  ipso  lostro  condendo  carmen  sollemne  mutare,  8ed  for- 
tasse  senatus  potuit  uel  quod  ueri  similius  uidetur  pontiiicee,  qui 
carmina  preeationum  et  uotornm  et  concipere  eolebant  et  praeire 
(cf.  Prellen  mytbol.  R.  I  p.  123.  139).  Suspectissimum  denique 
eet  quod  narratur  scriba  ceneori  uerba  praeire,  cum  exspectes 
pontificem  maximum  illo  munere  füngi.  Formulam  denique  illam 
qua  precantes  censores  vti  soliti  sint:  ^ut  [di]  populi  Romani  res 
meHares  ampliotesque  fiacerent'  Scipio  emendaese  dicitur  ita  ^ut 
eaa  perpetno  incolumes  seruent*  cum  clamaret:  Sat  honae  ac 
magnae  simt'.  Omitto  illo  anno  neque  Yiriatbum  neque  Numan- 
tiam  domitam  fniese,  Hispaniam  amissam  fere  totam,  ex  qua  sin- 
giilis  deioceps  annis  imperatores  Romam  re  male  gesta  redirent 
Qt  rationem  redderent  de  maiestate  populi  Romani  perfidia  et 
periuriö  pollnta:  forsitan  Scipio  dicere  potuerit  ^eat  magnae  sunt'. 
Yemm  enimnero  'sat  honae  sunt*  neque  potuit  dicere  neque  un- 
quam dixit  aut  cogitauit.  An  ille  recusare  potuit  quin  immor- 
tales  res  Romanas  meliores  facerent,  qui  iterum  iterumque  mali- 
tiam  nequitiam  luxuriam  corrnptelam  mornm  in  orationibus  suis 
castigei,  qui  in  ipsa  ceneura  orationem  inciutam  babuerit  qua 
teste  Grellio  IV  20,  10  ad  maiorum  mores  populum  hortaretur, 
qui  et  ante  Gartbaginem  cognouerit  et  denuo  ante  Numantiam 
cognitnms  fnerit,  quam  incredibili  nequitia  et  segnitia  exercitus 
populi  Romani  corrupti  essen t?  An  omnino  quisquam  unquam 
in  sacris  religiosiesime  pro  salute  urbis  Romae  et  populi  Romani 
faetie  pronuntiare  potuit  res  Romanas  meliores  fieri  nil  oportere  ? 
At  ülo  tempore  nubes  iam  collectae  erant,  e  quibus  nouem  annis 


ββ  Marx 

pont  tempeetas  Gracchana  empit  rempnblieam  labefacturay  neqne 
HcipioDem  misera  condicio  reipnblicae  Italiae  όλιγανδρία  semiti- 
omm  incrementmn  plebis  Romanae  aociominqiie  pauperies  fagerat, 
qaippe  qaae  damna  C.  Laelins  0ος>ός  ille  leuare  etadaieeet  ut 
Plntarcbae  Ti.  Gracch.  8  refert.  Itaque  tota  Yalerii  nanratio  ficta 
esse  putanda  est:  incertam,  quis  finxerit. 

II. 

De  Scipionis  Aemiliani  legatione  illa  inclnta  mnlta  uiri  docti 
flcripsere,  qnibae  diligenter  collectis  et  recensitia  tarnen  habea 
qaod  dabites:  de  tempore  qaidem  legationie  qaod  adhac  prolatum 
est  nouo  auxilio  reperto  ni  fallor  comgere  potero  aimol  et  nona 
quaedam  de  ea  docere.  Ac  primnm  quidem  egregie  fallvntnr  qui 
Ciceroni  credunt  ecribenti  Acad.  II  5  'Ego  aatem  cum  Graecas 
litteras  M.  Catonem  in  Henectute  didicisae  acceperim,  P.  antem 
Africani  hiRtoriae  loquantnr  in  legatione  iUa  nobili  qucmi  ante 
censuram  ohiit,  Panaetium  unum  omnino  comitem  foisse,  nee  lit* 
terarum  Graecarnm  nee  philosophiae  iam  nllum  anctorem  reqniro*. 
Tangitur  enim  aperte  legatio  illa,  de  qua  Plntarcbne  cnm  princ. 
esRii  philos.  112  Σκηπίων  μeτeπέμψaτo  ΤΤαναίτιον  δτ€  αυτόν  ή 
σύγκλητος  iίέπeμψey  'όνθρώτηυν  ΰβριν  τβ  κα\  €ύνομ(ην  4q>o- 
ρώντα\  ώς  φησι  ΤΤοσ€ΐ5ώνιος  et  apophtbegm.  Scipionis  minoris 
13.  14  Έκπεμφθίντα  b'  αυτόν  υπό  τής  βουλής  τρίτον,  ώς 
φησι  Κλ€ΐτόμαχος  'άνθρώταυν  υβριν  τε  και  εύνομίην  Ιφορωντα* 
πόλεων  εθνών  βασιλέων  έπίσκοπον,  ώς  εΙς  'ΑλβΕάνδρειαν  ήκ€ 
και  τής  νεώς  άποβάς  έβάδιίε  κατά  τής  κεφαλής  ίχων  τό  Ιμά- 
τιον,  ήζίουν  άποκαλύψασθαι  περιθέοντες  ο\  'Αλε^ανδρεΐς  καΐ 
5εΐΗαι  ποθοΟσιν  αύτοΐς  τό  πρόσωπον.  Άποκαλυψαμένου  κραυ- 
γήν  και  κρότον  εποίησαν.  Του  5έ  βασιλέως  μόλις  άμιλλωμένου 
βαδίίουσιν  αύτοϊς  bi'  άργίαν  και  τρυφήν  του  σώματος  ό  Σκι- 
πίων  άτρομα  προς  τόν  ΤΤαναίτιον  ψιθυρίσας  εΤπεν  *  Ήbη  τι  τής 
έπώημίας  ημών  ΆλεΗανορεΐς  όπολελαύκασι,  bi'  ήμας  γάρ  έαι- 
ράκασι  τόν  βασιλέα  περίπατου ντα\  Συvαπεbήμει  bi  αύτψ 
φίλος  μέν  είς  φιλόσοφος  ΤΤαναίτιος,  οΐκέται  bi  πέντ€• 
και  του  ενός  αποθανόντος  έπι  τής  Ηένης  άλλον  μή  βουλόμενος 
πρίασθαι  άπό  τής  'Ρώμης  μετεπέμψατο.  Illud  τρίτον  mire 
Gerlach  stud.  bist.  ρ.  222  Wyttenbacb  Plut.  mor.  I  2  p.  289 
Mueller  fragm.  bist.  Graec.  III  p.  255  Duebner  Plut.  mor.  I 
p.  243,  22  interpretati  sunt  quasi  tertinra  legationem  Scipio  obierit 
cum  significet  legatorum  numerum  qui  tres  erant  auctore  lustino 


de  Scipione  Aemi].  et  C.  Graccho.  69 

XXXVIII  Qf  8:  ^Qoibue  confluentibus  obuins  legatis  Romanorum 
Scipioni  Africano  et  Spnrio  Mummio  et  L.  Metello  qui  ad  ad- 
epicienda  sociorum  regna  ueniebant  procedit^  [Ptolemaene  Phyecon]. 
Plutarcline  autem  Poeidonio  usus  est  ut  apparet,  qui  Clitomacbnm 
Homeri  illum  nersam  de  Scipione  legato  adhibuisse  ecripeit  libro 
septimo  hietoriamm:  cf.  Athen.  XII  549  D  de  Ptolemaeo  Phyecone: 
ΤΤοσειοώνιος  γοΟν  ό  στωικός  συναποδημήσας  Σκιπίωνι  τψ  Άφρι- 
κανψ  κληθίντι  βίς  ΆλεΕάνδρειαν  και  θεασάμενος  αυτόν  γράφει 
έν  έβοόμΐ]  τών  Ιστοριών  ουτιυς  eqs.,  ubi  Athenaens  Poeidoniam 
cam  Panaetio  confudit,  cum  ille  tunc  nondum  natu»  esset:  idem 
de  Ptolemaei  eagina  uentris  a  Scipione  irrisa  narrat  quod  Plu- 
tarchuB  idemqne  de  numero  seruorum  deqne  seruo  in  demortui 
looum  Koma  aroessito  Posidonius  et  Polybius  Athen.  VI  p.  273  Α : 
prae  qnorum  anctoritate  nihili  faciemus  Valerium  Maximum  qui 
IV  3,  13  Scipionem  post  Nnmantiam  excisara  septem  seruis  se- 
quentibus  officio  legationie  fanctum  esse  contendat,  nihili  aucto* 
rem  de  uiris  illnstribus  cap.  58  qui  dnobns. 

At  ante  censuram  ut  Cicero  scribit  legationem  illam  obiisse 
Scipio  non  potest,  cum  sine  dubio  aliquanto  plus  anni  spatio  ut 
uidebimus  in  ea  consumendum  fuerit:  anno  autem  609/145  Sp. 
Mummius  currum  fratris  triumphantis  cui  legatus  fuerat  (Cic. 
Att.  XIII  6,  4)  secutus  est  credo,  anno  sequenti  Scipio  Romae 
fiiit  secnndum  Yal.  Max.  VI  4,  2,  anno  denique  611/143  magna 
cum  Appio  Claudio  in  petitione  censurae  simultAte  coorta  ut  Plut. 
apophth.  Scip.  min.  9.  10  tradit  Romae  ciuibus  ante  oculos  uer- 
eari  debebat.  Accedit  alterum.  Plutarchus  in  apophtliegmatis 
Scipionis  ubi  auctore  utitur  optimo  et  ordinem  temporis  seruat 
et  legationie  illius  meminit  post  censuram,  neque  minus  Cicero 
ipee  de  rep.  VI  11  Africanum  maiorem  facit  praedicentem  nepoti: 
'Cum  autem  Earthaginem  deleueris,  triumphum  egeris  censorque 
fneris  et  obieris  legatus  Aegyptum  Syriam  Asiam  Graeciam,  de- 
legere iterum  consul  absens  bellumque  maximum  conficies,  Nn- 
mantiam exscindes'.  Quod  eo  plurie  faciendum  est,  quod  Cicero- 
nem  in  libris  de  republica  accurate  historiae  operam  dedisse 
apparet  paeeim,  quippe  qui  uel  id  sciat  quo  consule  et  ad  quam 
leg^onem  ille  tribunus  militum  in  Africa  fuerit  (de  rep.  VI  9). 
Itaque  Ciceronem  in  Academicis  Antiochi  Soso  et  Philonis  scriptis 
inhaerentem  oblitum  esse  annales  euoluere  statuendum  est:  neque 
enim  uerba  a$^e  censiiram  coniectura  mutanda  esse  uidentur,  sicut 
noDHnlli  noluere. 

Deinde  Hueller  FHG.  II   p.  XX    sese    tempus    legationis 


70    '  Marx 

eruiese  putauit  qui  üiceronis  looo  in  VI  de  republica  ηίβαβ  illam 
recte  arbitratur  factam  esse  poet  Scipionie  censnram,  addit  porro 
haec:  (Poeidoniue) 'uberrime  legationem  persecutue  est  libro  sep* 
timo  (u.  Atheo.  XII  p.  549  D;  Posid.  fr.  11).  Ita  antem  Poei- 
doniue  in  Hietoriis  agit,  ut  singulis  libris  nniue  fere  aoni  ree 
pertractet.  lam  uero  quae  e  libro  quinio  affernntnr  pertinent  ad 
res  anni  138  quo  captus  est  Demetriue;  et  qnae  e  libro  octaao 
de  Siculoram  bello  leguntur  referenda  sunt  ad  annum  134.  Igitur 
ex  bis  colligitur  legationem  pertinere  ad  annum  136  uel  qaod 
malim  ad  an.  135.  Eodem  dncit  seriee  fragmentomm  Diodori'. 
Idem  coniecerat  Gerlacb  etnd.  p.  222,  nt  ita  Ciceronie  uerba  *de- 
legere  iternm  consul  absens*  intellegeret,  quaei  Soipio  nondnm  ex 
illa  legatione  Romam  renertieeet:  qnod  pröbauit  Nenmann  hiat. 
Bom.  p.  151,  quod  ipse  probaui  studiie  Lncilianie  p.  81.  Tarnen 
ουκ  for'  ίτυμος  λόγος  ούτος,  antea  uero  quam  de  tempore 
dicam,  de  itinere  ipso  Scipionie  quae  emi  exponam,  Atque  apüd 
Lucilium  in  XIY  ei  recte  interpretatus  eum  etud.  Lucil.  p.  81 
Aemilianue  pronuntiat: 

ad  regem  legatu  ,  Khodum,  Ecbatanam  ac  Babylonem 
ibo,  cercurum  sumam. 

Itaque  legati  Koma  ad  regem  Ptolemaeum  profecti  sunt  Alexan- 
driam:  cf.  Diod.  XXXIII  28•  δτι  fJKOV  €ΐς  'AXeEavbpeiav  ol  rrcpl 
τόν  Σκιπίωνα  τόν  *Αφρικανόν  πρβσβευται  κατα(Τκ€ψόμ€νοι  τήν 
δλην  βα(Τίλειαν.  Aegyptnm  fere  totam  uflque  ad  Memphim  ur- 
bem  permensi  et  contemplati  im  Κύπρου  κάκβΐθβν  Ιιά  Συρ(ας 
τήν  άναγιυγην  έποιήσαντο.  Quod  corrigere  potni  1. 1.  ex  Lucilio 
ubi  Scipionie  amicus  fortaese  Panaetius  ipee  illarum  regionum 
gnarus  uiam  derigit  bis  verbis: 

Carpatbium  mare  transuectus  cenabi'  Kbodi  — 

Transuebitur  aperte  Scipio  mare  Carpatbium,  quod  esse  mare  inter 
Alexandream  et  Rbodum  Philargyriue  teetatur,  tum  appellit  ad 
Rbodura  insulam.  Atque  doleo  equidem  me  1.  1.  cum  de  Aemi- 
liano  legato  Rbodi  commorante  agerem  omisisse  locum  primarium 
Cic.  de  rep.  III  48  ubi  Scipio  ad  Sp.  Mummium:  'Quid  tibi  tan- 
dem  Spuri,  Hbodiorum,  apud  quos  nuper  fuimus  una,  nullane 
uidetur  esse  respublica?*  Hbodo  profecti  Cyprum,  Cypro  Syriae 
urbes  petiere:  καθόλου  hk  και  τά ^πλείστα  μέρη^τής  οΙκουμένης 
έπηλθον.  Quod  cum  Diodorus  1.  1.  tradat,  non  mirabimus  usque 
Ecbatanam  Babylonemque  Scipionem  iter  fecisse,  quod  e  Lucilio 
discimus.      Inde    Asiam    minorem    peragrauit    Pergamum    petiit. 


de  Scipione  Aeinil.  et  C.  Graccho.  71 

postremo  Oraeciae  oppida  perlnstraiiit,  domum  rediit  spatio  iti- 
nerie  immeoeo  confecto.  Minas  duobus  annie  utique  neganerim 
legatoe  conenmpeieee  temporis,  cum  et  iter  pergrande  confecerint 
et  nbique  fere  diatins  commorati  eint,  lites  diindicarint,  regna 
constituerint:  itaqae  cam  anno  618/136  causae  Mancini  inter• 
fderit  Scipio  (Plut.  Ti.  Graocb.  7),  uereor  ne  temporie  epatium 
iBteimieeüm  inter  illam  et  consulatnm  Scipionis  alterum  anni 
620/134  brenins  exeietat.  Tum  ei  qai  de  Scipionis  legatione  scri- 
peenmt  non  uidentnr  nonisee  qnod  in  (Luciani)  macrobiis  12  tra- 
ditnr:  'Άτταλος  bk  ό  έτηκληθείς  φιλάΟ€λφος,  τών  ΤΤβργαμηνών 
και  ούτος  βασιλ€ύατν  προς  δ  ν  καΐ  Σκιπίων  6  τών  'Ρω- 
μαίιιιν  στρατηγός  άφίκετο,  buo  και  όγοοήκοντα  ετών  Hi- 
λιπ€  τόν  βίον.  Qnem  Seipionem  Panlli  filinm  esse  certnm  ent 
neqne  opinor  dubitari  potest  qnin  illa  Aemiliani  cum  Attalo  II 
Pbiladelpho  congressio  in  ipea  ea  de  qua  agimns  legatione  facta 
eit,  cum  Asiam  minorem  Scipio  peragraret.  Attalus  autem  iste 
mortuue  est  anno  616/138  ineunte.  Nam  anno  621/133  medio 
Eudemus  cum  Attali  III  Philometorie  testamento  Eomam  uenit: 
itaque  rex  anni  illius  initio  deoeeserat  βασιλβύσας  ίτχ]  πέντ€,  nt 
Strabo  auctor  est  XIII  p.  624,  et  regnum  obtinnerat  ex  anni 
616/138  initio.  Attalus  II  hoc  anno  ίν  καΐ  εΐκοσιν  ίτη  βασι- 
λ€ύ(Τας  (Strab.  1.  1.)  obierat,  poetquam  inde  ex  anno  595/159 
regnauit.  Ergo  quoniam  anno  612/142  Scipio  censura  functus 
est  eumque  sub  finem  legationie  ut  eupra  demonetrauimus  Aegypto 
Syria  Aeia  peragrata  Rbodo  et  Cypro  adita  Pergamum  uenisse 
ueri  aimile  est,  anno  614/140  aut  615/139  Attalum  II  Pbiladel- 
phum  eenectute  iam  langneecentem  uidit  Pergami:  legatio  facta 
est  intra  annos  613/141  et  615/139  neque  dubito  quin  Cicero  in 
Academiois  rectine  Rcripturus  fnerit  *in  legatione  illa  nobili  quam 
etatim  poet  censuram  obierit*.  Anno  617/137  Scipio  legem  Cae- 
eiam  adiuuit  teete  Cic.  Brut.  97  de  leg.  III  35.  37.  Denique 
qnod  Mueller  librie  eingulis  Posidonii  nngnlos  annos  compre- 
bensos  scribit,  ualde  dubito  num  uerum  sit,  saltem  incertissimum 
est.  Nam  in  rebus  Aegyptiacis  Syriacis  Siculis  conscribendis  si 
uere  Τφαγματικώς  uersatus  est  ecriptor,  complurinm  annorum 
facta  non  eontinenter  perscribere  et  uno  libro  complecti  uix 
potuit. 

ΠΙ. 

Liui  epit.  59:    ^Cum  Garbo  tribunus  plebis  rogationem  tu- 
litaet  ut  eundem  tribunum   plebis   quoties  uellet  creare   lic^t^t^ 


iZ 


2  Marx  de  Scmow  AcbO.  et  C  Gneeko. 


ror^tir'Ti^m  trn%  P.  Afncanet  praufciB«  oratione  diMnmsH;  in 
qua  dixit  Ti.  Grnrtkmm  imrt  f\mf mm  uidtrL  Gnecbi»  contn 
ftDa*it  rorationen,  eed  S«ipio  teavit  .  Ad  r^m  tmaAeat,  Seipionie 
iliam  ουκ  dpeCFKOucvnv  Gn^chanis  άνόκρίΟϊν  quam  dederat  a 
Papirio  iaterrogamc  quid  de  Ti.  Graccbi  eaede  eentiret  peitinent 
qaa^  Cic.  pro-  Mil.  9  de  or.  Π  106  Val.  Max.  TI  2,  3  anetor 
de  nir.  illastr.  bS  Teil.  TT  4,  4  nemoiiae  prodaat:  itaqae  non 
re<te  Linii  ephomator  nerba  illa  77.  Grmeeämm  imre  Cueemm  mderi 
diMoaeioni  ipsi  attribait.  Operae  pretiaM  aidetar  C.  Graeehi  qai 
rofratioDem  snasit  aerha  ex  oratione  illa  *nt  lex  Papiria  accipiatiir* 
apnd  Charöium  semata  examinare:  etenim  Meyer  or.  Boman. 
fra^.  p.  116  nil  in  eis  explicandis  emendandiene  praestitit.  Ex- 
ntunX  nfrro  in  codice  Neapolitano  Charisii  p.  940.  1β  Keilii  haec: 
'Pf-^nmi  Ti.  fratrem  menm  optimuni  interfeeeraat.  Eofi  aidete, 
ijnam  par  pari  sin'.  In  Eeilii  alionm  editionibna  par  pari  sim 
ant  sini  scriptum  eet:  neatmm  cum  intellegam  Gaiam  Gracchum 
dixifiee  patauerim:  '£m  nidete,  quam  barlari  sint^,  Xe  altemm 
quidem  fragmentum  in  Charieiu  p.  19β.  25  emendatam  eeae  ar- 
Mtror.  ubi  codex:  'Qui  sapientem  cum  faciet.  qni  et  aobia  et  rei 
puplicae  et  eihi  oommuniter  proepiciat,  non  qni  pro  eylla  hnma- 
num  tmcidet'.  PropoMiit  Jordan  Hermae  VI  p.  494  *non  qni 
pro  enilla  bumanam  trucidet* :  puto  dici  posse  pro  8ue  kominem 
frucidare,  quod  coniecit  Kitzsch  in  libro  de  Gracrbis  Gracebomm- 
que  Himilibu8  qui  eon  antecessere  p.  342,  at  dici  posee  kumanam 
pro  Huilla  tnicidare  negO  reputans  quid  raro  nox  significet:  cf. 
Baechelf-r  Mub.  Rbi-n.  XXXVIII  p.  479.  A'ide  enim  quam  di- 
nerna  nint  quae  lordan  laudat  Catonis  uerba  apnd  Gellinm  ΧΙΠ 
25,  12:  'Succidias  humanas  facie,  tantam  trdbidationem  facis 
C'qft.  Litterae  sylla  quae  in  Neapolitano  exRtant  Graecum  nerbam 
Hignificant,  ueriim  esse  credo  hoc:  'Qui  eapientem  eum  faciet  qui 
et  uobifl  et  reipublicae  et  sibi  communiter  proepiciat,  non  qui 
pro  aRvIo  bominem  trucidet*.  Nanicam  aperte  increpat  C.  Graccbue 
NaHicaeque  eectatorcB,  inter  quos  non  dubito  Laelium  illum  Sa- 
//ienfetn  fniese^  quem  legis  Papiriae  dissuasorem  (Cic.  Lael.  96) 
iTiiiiierito  isto  cognomine  appellari  clamat.  Tiberius  autem  tmci- 
datuR  e«t  ]>ro  teniplo  Fidei  ut  Appianus  b.  c.  I  16  enarrat: 
Γράκχος  αυτός  €ίλούμ€νος  π€ρι  τό  ΐ€ρόν  άντ|ρ€θη  κατά  τάς 
θύρας  παρά  τους  των  βασιλέων  ανδριάντας.  Quod  piaculum 
rnultum  commiHcrabantur  homines:  ού  -γάρ  απ€κρύΐΓΓθντο  κατά 
τάς  απαντήσεις  ''Xasicaej  οί  άνθρωποι  τήν  ουσμένβιαν,  άλλ' 
έΕηγριαίνοντο  και  κατεβόων,  δπου  προςτύχοιεν,  έναγη  και  τύ- 
ραννον  και  μεμιαγκότα  φόνω  σώματος  άσυλου  και  Ιερού 
τΛ  άγιώτατον  και  φρικωοε'στατον  έν  τη  πόλει  των 
ιερών  άποκαλουντες  (Plut.  ΤΙ.  Graccb.  21).  Pro  asylo  recte 
dicitur,  rum  uHitatnni  sit  pro  aede  Casforis^  pro  curia,  pro  ca- 
stris  aliii. 

Bonnae.  F.  Marx. 


Der  Feieranblaser  und  der  Domanszieher» 

Hierzu  Tafel  I  und  II. 


I. 

Wer  das  Nationalmuseum  von  Neapel  beeucht  hat,  wird 
eicli  einer  etwa  balblebensgroesen  Marmorgruppe  erinnern,  welche 
im  sogenannten  ^Portico  dei  Balbi'  aufgestellt  ist  und  mit  dem 
Namen  *il  sacrifizio  a  Cerere*  bezeichnet  zu  werden  pflegt.  Der 
vngtinstige  Standort,  die  trotz  dee  aufgewendeten  Fleisses  und 
guten  Willene  unecheinbare  Arbeit,  der  wenig  ansprechende  lo- 
balt der  Darstellung  —  es  handelt  sich  um  das  Opfer  eines 
Schweines  —  sowie  die  unerfreuliche  Composition,  das  mögen 
die  Grrunde  gewesen  sein,  warum  diese  Gruppe  bis  jetzt  ziemlich 
unbeachtet  blieb  und  nicht  die  Bedeutung  erlangte,  die  nur  die 
Vergleichung'  mit  anderen  Kunstwerken  ihr  zu  Theil  werden 
lassen  konnte. 

Diese  letztere  und  die  aus  ihr  sich  ergebenden  Schlüsse 
bilden  den  Inhalt  der  vorliegenden  Untersuchung.  Die  neapolitaner 
Gruppe  ist  ihr  Ausgangspunkt  gewesen,  sie  möge  daher  an  erster 
Stelle  behandelt  werden. 

Zur  rechten  Seite  ^  erblickt  der  Beschauer  einen  geräumigen 
im  Grundriss  vollkommen  runden  Kessel ^,  der  auf  drei  Steinen 
über  einem  schwachen  Feuer  ruht.  £r  ist  durchaus  schmucklos; 
sein  Boden  hat  die  Gestalt  einer  umgekehrten  Flachkuppel,  eine 
Einzelheit,  die  immerhin  nicht  ganz  ohne  Interesse  ist,  wie  sich 
im  weiteren  Verlaufe  herausstellen  wird.  An  der  Seite  hat  er 
zwei  bewegliche  ringförmige  Henkel,  deren  Verbindungslinie  nach 
der  gegenwärtigen  Aufstellung  die  Gesichtsach se  bildet.  Mit  dem 
Kopfe  nach  rechts  liegt  über  ihm  ein  als  männlich  gekennzeich- 
netes Schwein. 

1  Publ.  bei  Clarac  IV  pl.  742,  β.  die  beiliegende  Tafel  I. 
3  Wohl  ein  κρίβανος:   vgl.  Aeech.  fr.  302  N.  έγώ  bi  χοϊρον  .  .  . 
τόνδ'  iv  ^oOvn  κριβάνψ  θήσω. 


74  ZieliBfki 


Link»  hinter  de»  EcMel  befndet  neh  eine  stellende  mSnn- 
liebe  Fignr.  Der  Oberkörper  ist  Tomibergebengt,  obne  jedocb 
ane  dem  Gleicbge^cbt  η  kommen,  nnd  dabei  etwas  nach  links 
gewandt  wenn  anch  nicht  so  weit,  dass  die  KSrperaohse  der 
entsprechenden  Sehne  des  Kesaelkreises  parallel  wire.  Die  Beine 
sind  gespreiat  und  bilden,  da  das  linke  nglmoh  stark  eingeknickt 
ist,  einen  etwas  stampfen  Winkel;  der  linke  Unterschenkel  ist 
dicht  an  die  Eesselwand  geschmiegt,  daa  rechte  Bein  xarflckge- 
stellt  nnd  nnr  wenig  gebogen.  Die  linke  Schalter  ist  in  Folge 
der  starken  Neignng  de«  Körpers  nach  dieser  Seite  bedeutend 
niedriger  als  die  rechte,  der  linke  Oberarm  ist  gesenkt;  an  der 
richtigen  £rg&ninng  des  gehoben  vorgestreckten  rechten  Armes 
kann  angesichts  der  Hebung  der  rechten  Bmst  sowie  der  Lage 
des  antiken  Schulteransaties  kein  Zweifel  bestehen.  Die  ganie 
Gewandang  des  Mannes  besteht  ans  einem  in  iwei  Lagen  gefal- 
teten Ziegenfelle,  daa  er  sich  schnrxartig  am  die  Lenden  gebun- 
den hat,  nnd  swar  so,  dass  nnr  der  Glutaeus  und  der  obere  Theil 
der  Oberschenkel  verdeckt,  die  Scham  dagegen  dem  Blicke  völlig 
blosgestellt  ist.  Mit  der  Linken  hat  er  das  linke  Hinterbein  des 
Schweines  angefasst;  über  das  Motiv  des  rechten  Armes  soll 
nnten  im  Zusammenhange  gehandelt  werden. 

Links  vor  dem  Kessel  erblicken  wir  eine  zweite,  kauernde 
Figur.  Der  junge  Mann  ist  im  Begriffe,  zu  den  dreien  unter 
dem  Kessel  brennenden  Scheiten  ein  viertes  nachsulegen;  vorerst 
bläst  er  mit  vollen  Backen  in  das  Feuer  hinein.  Seine  Stellung 
ist  dieser  unbequemen  Beschäftigung  gemäss  verschränkt;  jede 
der  vier  Extremitäten  hat  etwas  an  der  Körperlast  zu  tragen. 
Am  stärksten  ist  der  vollauftretende  rechte  Fuss  beschwert,  der 
aber  doch  nicht  genau  unter  den  Schwerpunkt  der  Figur  zu 
liegen  kommt,  so  dass  auch  die  rechte  Hand,  dieselbe  die  das 
Scheit  am  Boden  hält,  etwas  belastet  ist  Der  linke  Fuss  hat 
als  Stütze  keine  wesentliche  Bedeutung;  er  ist  auf  die  Spitze 
gestellt,  das  Bein  in's  Knie  gebogen,  doch  beröhrt  die  Kniescheibe 
den  Boden  nicht;  ja  ihre  Lage  ist  sogar  noch  etwas  höher  als 
die  des  Knöchels.  Die  linke  Hand  endlich,  die  auf  dem  Kessel 
rnht,  dient  nur  dazu,  den  Jüngling  nicht  linksüber  das  Gleich- 
gewicht verlieren  zu  lassen,  was  sonst  bei  der  excentrischen  Stel- 
lung der  Füsse  mit  Noth wendigkeit  eintreten  müsste;  wir  haben 
sie  uns  bei  der  schwanken  Lage  des  Kessels  möglichst  leicht 
aufgelegt  zu  denken.  Der  Oberkörper  ist,  soweit  es  tbunlich 
war,    nach  rechts  herumgedreht;    die  Spannung  der  Muskeln  ist 


Der  Feueranbiäser  und  der  Dornauszieher.  76 

dabei  die  höchst  erreichbare.  Die  Gewandung  dieser  Figur  be- 
steht gleichfalls  nur  aus  einem  Ziegenfelle;  dasselbe  ist  ebenso 
gebunden,  wie  bei  der  erstbesprochenen. 

Ueber  den  Fundort  der  Gruppe  ist  nichts  bekannt.  Sie 
kam  mit  der  famesischen  Sammlung  nach  Neapel  und  wird  zum 
ersten  Mal  im  'Inventario  del  Nuovo  Museo  e  della  fabbrica  di 
porceliana  di  Napoli'  (herausgegeben  von  Fiorelli  in  den  'Docu- 
menti  inediti'  ί  ρ.  166  ff.),  das  im  Jahre  1796  angefertigt  wurde, 
unter  No.  234  folgendermassen  beschrieben:  Gruppo  di  due  figure 
ehe  portano  un  porco,  alto  oon  sua  pianta  palmi  2V4«  ^  di  bel- 
lissima  scultura  per  la  naturale  espressione  di  tutte  le  figure, 
merita  ristaurö  con  rifarsi  le  due  teste  delle  figure,  le  braccia 
e  gambe,  porzione  del  porco  e  basamento.  Diesem  Wunsche 
wurde  in  späterer  Zeit  entsprochen;  man  benutzte  dabei  einige 
wiedergefundene  Theile  der  ursprünglichen  Gruppe,  darunter  na- 
mentlich den  Kopf  der  kauernden  Figur,  und  liess  die  antike 
Basis  in  eine  viereckige  Plinthe  ein.  In  diesem  Zustande  wurde 
die  Ghruppe  von  Clarac  skizzirt  und  von  Gerhard  ^  und  Finati  ^ 
beschrieben.     Noch  später  wurde  die  Plinthe  wieder  entfernt. 

Die  modernen  Ergänzungen  sind  nicht  immer  mit  Sicherheit 
SQ  erkennen,  da  bei  der  Restauration  einzelne  Theile  reichlich 
mit  Gyps  überstrichen  worden  sind.  Nach  genauer  Prüfung  kam 
ich  zu  folgenden  Ergebnissen. 

Sicher  modern  ist  der  Kopf  der  stehenden  Figur,  der  sehr 
gegen  den  Stil  des  Uebrigen  verstösst.  Der  rechte  Arm  ist  mehrfach 
gebrochen,  und  besteht  aus  folgenden  Stücken:  a)  der  Hand  mit 
dem  an  der  Spitze  aus  Gyps  ergänzten  und  theilweise  wieder 
abgebrochenen  Schabeisen;  diese  ist  sicher  modern,  wie  schon  die 
Gesnchtheit  der  Arbeit  an  den  Fältchen  zwischen  den  Finger- 
gelenken sowie  an  den  vorstehenden  Knochen,  wo  die  Hand  in 
die  Finger  übergeht,  beweist;  b)  dem  Unterarme  vom  Handgelenk 
bis  über  den  Ellbogen  an  der  äusseren  und  bis  zur  Schulter  an 
der  inneren  Seite;  antik;  c)  dem  Muskelstück  an  der  äusseren 
Seite  bis  zur  Schulter  und  d)  der  Schulter;  ob  diese  beiden  Stücke 
antik  oder  modern  seien,  ist  nicht  zu  entFcheiden.  —  Der  linke 
Arm  ist  an  der  Mitte  des  Oberarms  und  dem  Handgelenk  ge- 
brocken. Die  Hand  hängt  mit  dem  Kessel  zusammen  und  ist 
über  das  Alter  des  Zwischenstückes   gestattet   die  Gyps- 


^  Neapels  antike  Bildwerke  S.  13. 
'  Museo  Borbonico  I  22. 


76  Zielintki 

küUe  kein  UTtheil.  jedmfmll•  aber  iit  ds•  Votiv  dnreh  den  Ober- 

• 

arm  und  die  Hand  gregeben.  —  Der  reckte  Unteraekenkel  und 
Fnsa  bis  auf  die  Zeben.  welcbe  mh  der  Baaia  inaammenbingeli 
nnd  antik  sind,  eebeint  modeni.  —  Das  linke  Bein  ist  am  Knie 
gebroeben.  doeb  bingt  der  Untencbenkel  mit  dem  Kessel  la- 
sammen  nnd  ist  antik. 

An  der  kauernden  Fignr  ist  der  Kopf  mit  einem  Sttck  des 
Halse•  nnd  der  reckten  Scbnlter,  wie  gesagt  antik.  —  Der  linke 
Arm  ist  an  der  Mitte  des  Oberarms  nnd  am  Handgelenk  ge- 
broeben ;  die  Hand  bingt  mit  dem  Kessel  msammen  nnd  ist  antik, 
das  ZwiscbenstQck  gewiss  modern;  docb  ist  ancb  bier  die  Bicb- 
tigkeit  der  Erginsnng  dnrcb  die  Lage  der  antiken  Tbeile  ver- 
bürgt —  Der  reckte  Arm  ist  nnterbalb  der  AcbselbSbley  am 
Ellbogen  nnd  am  Handgelenk  gebroeben:  die  Hand  bingt  mit 
der  Basis  zusammen  nnd  ist  antik,  der  Oberarm  scbeint  es  gleicb- 
falls  zn  sein;  der  Unterarm  ist  modern.  —  Das  reebte  Bein  ist 
etwas  nnterbalb  des  Kniees,  das  linke  etwa  an  der  Mitte  des 
Oberscbenkels  gebrochen;  beide  Unterschenkel  hingen  mit  dem 
Stücke  ab  der  Basis  (s.  die  Zeichnung  auf  S.  80),  das  seiner- 
seits von  der  Gesammtbasis  abgebrochen  ist,  nnd  dadurch  mit 
einander  zusammen;  und  so  sehr  es  befremden  mag,  dass  ein  dem 
Bruche  so  ausgesetztes  Stück  sich  als  ein  Ganzes  erhalten  bat, 
HO  bietet  doch  die  Gleichartigkeit  des  Marmors,  der  Corrosion, 
endlich  der  Arbeit  —  die  mit  der  Arbeit  z.  B.  an  der  r.  Hand 
der  stehenden  Figur  nichts  gemein  hat,  dagegen  mit  der  an  den 
eicher  antiken  Extremitftten  durchaus  übereinstimmt  —  genügende 
(Tewähr  für  die  Echtheit  der  betreffenden  Theile. 

Im  übrigen  ist  der  Kopf  des  Schweines  aus  Marmor,  dessen 
rechtes  Ohr  und  beide  Vorderpfoten  aus  Gyps  ergänzt;  bei  der 
Ergänzung  wurde  der  Haltbarkeit  wegen  in  die  Kesselsttttze 
unterhalb  des  Schweines  ein  noch  vorhandener  hölzerner  Stift 
hineingetrieben,  was  einen  Ries  in  den  Kesselstützen  zur  Folge 
hatte.  Die  Basis  ist  der  Hauptsache  nach  antik;  inwiefern  der 
Verfasser  des  Inventario,  der  ihre  Restauration  wünschte,  im 
Recht  war,  werden  wir  weiter  unten  sehen. 

Die  Gruppe  kann  demnach  wohlerhalten  genannt  werden, 
und  an  den  wenigen  Ergänzungen  ist,  wenn  man  von  dem  Kopfe 
und  der  rechten  Hand  der  stehenden  Figur  absieht,  durchaus 
nichts  auszusetzen.  Nun  ist  aber  die  weitere  Frage  zu  stellen: 
ist  sie  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  vollständig? 

Auf  den  ersten  Blick  könnte  man   geneigt  sein,    die  Frage 


Der  Feueranbläser  und  der  Dornauezieber.  77 

zu  bejahen.  Der  äussere  Eindruck  ist  befriedigend,  die  Compo* 
eiüon  läset  anscheinend  nichts  vermissen.  Wir  haben  eine  regel- 
mässige pyramidale  Aufstellung  der  Figuren  vor  uns;  im  Hinter- 
gründe,  genau  in  der  Mitte,  ragt  die  Gestalt  des  stehenden 
Mannes  am  höchsten  empor;  rechts  und  links  senkt  sich  die 
Gruppe  durchaus  gleichmässig  in  ihren  beiden  anderen  Bestand- 
theilen.  Die  Composition  ist  streng  symmetrisch,  man  darf  sogar 
behaupten,  dass  jedes  weitere  Element  eine  empfindliche  Störung 
des  wohlthuenden  Eindrucks  zur  Folge  haben  würde. 

Doch  würde  es  das,  wohlverstanden,  nur  unter  der  Voraus- 
Setzung^  dass  der  Augenpunkt,  von  dem  aus  die  Gruppe  jetzt 
betrachtet  zu  werden  pflegt,  auch  der  vom  Künstler  beabsichtigte 
seL  Und  diese  Voraussetzung  erweist  sich  bei  aufmerksamerer 
Betrachtung  der  einzelnen  Theile  der  Gruppe  als  irrig. 

Zunächst  ergeben  sich  Einwände  rein  ästhetischen  Charak- 
ters gegen  sie.  Die  kauernde  Figur  stellt  sich  in  sehr  unange- 
nehmer Verkürzung  dar;  von  der  stehenden  ist  der  ganze  Unter- 
körper theils  durch  die  kauernde  Figur,  theils  durch  den  Kessel 
verdeckt;  endlich  bleibt  das  Motiv  der  linken  Hand  der  stehenden 
Figur,  deren  ganzer  Arm  beinahe  durch  das  Schwein  verdeckt 
wird,  völlig  räthselhaft.  Wie  triftig  namentlich  der  letzte  Ein- 
wand ist,  davon  kann  sich  jeder  überzeugen,  der  —  wie  einst 
der  Verfasser  —  Gelegenheit  hat,  in  Neapel  längere  Zeit  vor  der 
Gruppe  zuzubringen  und  das  Verhalten  des  Publikums  ihr  gegen- 
über zu  beobachten;  von  allen  denen,  welche  der  Gruppe  ihre 
Aufmerksamkeit  schenken,  versäumt  es  kaum  einer,  auf  d^n  Zehen 
über  den  Bücken  des  Schweines  hinüber  einen  Blick  nach  der 
linken  Hand  der  stehenden  Figur  zu  werfen,  um  sich  über  die 
Bedeutung  derselben  aufzuklären ;  ein  unbequemes  Auskunftsmittel, 
das  unmöglich  in  der  Absicht  des  Künstlers  gelegen  haben  kann. 

Doch  können  wir  die  Beweiskraft  dieser  Aussetzungen  leicht 
durch  Einwände,  ich  möchte  sagen,  mathematischer  Art  verstär- 
ken. Stellt  es  sich  bei  eingehender  Betrachtung  der  Gruppe 
heraus,  dass  einzelne  Theile  derselben  vernachlässigt,  einzelne 
n^iit  grösserer  Sorgfalt  gearbeitet  sind,  so  haben  wir  uns  für  den- 
jenigen Augenpunkt  zu  entscheiden,  bei  dem  die  ersteren  dem 
Blicke  entzogen,  die  letzteren  demselben  vorzugsweise  biossge- 
stellt werden. 

Dies  trifft  nun  bei  der  jetzigen  Stellung  der  Gruppe  nicht 
zu.  Nachlässig  behandelt  ist  zunächst  die  Seitenfläche  des  Kes- 
sele unterhalb  der  linken  Hand   der   kauernden  Figur,    die   jeder 


7Θ  Zielineki 

Glättüng  entbehrt.  Sollte  das  Stück,  wie  wir  annebmen  raiaeen, 
dem  Auge  entzogen  werden,  so  konnte  diet  nur  dQreh  die  linke 
Schulter  der  genannten  Figur  geschehen,  dann  werden  wir  aber 
gezwungen,  die  gegenwärtige  Gesichtsachee  a»^  (a.  die  Figur  anf 
S.  80)  zu  yerlaeeen  und  uns  in  der  Richtung  dea  Bogena  Im  ra- 
rttckzuziehen. 

Eben  dahin  führt  uns  die  Betrachtung  der  Bebandlmigaweiae, 
welche  der  KUnetler  den  Schamtheilen  der  beiden  Figuren  bat 
angedeihen  laesen.  Es  ist  im  Yorbergebenden  darauf  bingewieaen 
worden,  danH  dieeelben  bei  keiner  τοη  beiden  durch  daa  Schurzfell 
verdeckt  werden.  Nun  ist  die  Arbeit  an  denjenigen  der  atebenden 
Figur  von  aulTallender  Roheit;  die  Schamhaare  aind  durch  elf 
Robrldeher  ausgedrückt,  und  wir  würden  una  daranfbin  berech- 
tigt fühlen,  unser  Exemplar  in  die  späteste  Zeit  römiacber  Knnat 
herunter  zu  datiren,  wenn  uns  die  einfach  gescbmackyolle  Art 
der  Haarbehandlung  am  Kopfe  der  kauernden  Figur  nicht  eines 
besseren  belehrte.  Ein  solcher  Widerspruch  in  der  Bebandlnnga- 
weise  desselben  Gegenstandes  ist  nur  unter  der  Annahme  erklSrliob, 
dass  die  Schamtheile  nicht  gesehen  werden  sollten.  Dasaelbe  gilt 
von  der  kauernden  Figur,  bei  der  sich  der  Künstler  der  Xfibe, 
die  Schamtheile  plastisch  darzustellen,  gänzlich  überhoben  hat. 

Suchen  wir  demnach  einen  Augenpunkt,  von  dem  aus  die 
Geschlechtstheile  beider  Figuren  unsichtbar  werden,  so  werden 
wir  wiederum  auf  den  Bogen  tu  gewiesen.  Zwischen  u  und  χ 
ist  bei  hohem  Augenpunkt  die  Scham  der  kauernden  Figur  aller- 
dings durch  die  rechte  Seite  derselben  verdeckt,  die  der  stehenden 
dagegen  blossgeetellt ;  bei  niedrigem  Augenpunkt  werden  umge* 
kehrt  die  Schamtheile  der  stehenden  Figur  durch  den  Keaael 
verdeckt,  dafür  aber  die  der  kauernden  enthüllt.  Erst  vom  Punkte 
tt  nach  links  werden  die  Schamtheile  beider  Figuren  in  gleicher 
Weise  durch  die  Schurzfelle  unsichtbar. 

Bleiben  wir  also  bei  der  Linie  uu^  —  eine  Verlegung  dea 
Augenpunktes  zu  weit  nach  t  hin  würde  die  Erscheinung  der 
kauernden  Figur  beeinträchtigen,  —  ro  sind  auch  die  Bedenken, 
welche  sich  bei  dem  jetzigen  Augenpunkte  ergeben,  aufs  beste 
beseitigt.  Der  linke  Arm  der  stehenden  Figur  wird  sichtbar,  das 
Motiv  der  Hand  tritt  deutlich  zu  Tage;  das  rechte  Bein  wird 
gleichfalls  biossgestellt,  und  über  den  linken  Unterschenkel  ist 
wenigstens  keine  Unsicherheit  möglich.  Die  kauernde  Figur  end- 
lich stellt  sich  in  der  denkbar  günstigsten  Weise  dar;  die  schön- 
geschwunfi'enA  Rückenlinie  tritt    voll  zu   Tage,    die  Extremitäten 


Der  Feaeranbläser  und  der  Uornaaszieher.  79 

heben  eicli  aufs  deutlichste  von  einander  ab;  das  Geeicht,  das 
der  Künstler  nur  ganz  oben  hin  bearbeitet  hat,  erscheint  dem 
Beschaner  abgewandt;  dagegen  wird  ihm  die  Möglichkeit  gegeben, 
die  Borgftltige  Arbeit  an  der  hinteren  Seite  des  Schurzfelles  zu 
würdigen,  wo  der  Künstler  jedes  Fältchen  liebevoll  ausgeführt 
hat.  Auch  ist  es  ein  Gewinn,  wenn  die  stehende  Figur  im  Profil 
gesehen  wird;  dadurch  tritt  die  linke  Seite  derselben  hinter  die 
in  der  Ausführung  bevorzugte  rechte  zurück  und  wird  durch  sie 
verdeckt. 

Ist  aber  durch  diese  Auseindersetzung  die  Anftahme  der 
Linie  uu}  als  Gesichtsachse  hinlänglich  gesichert,  so  sieht  jeder 
ein,  dass  die  Gruppe  dadurch  jede  Symmetrie  eingebüsst  hat. 
Die  stehende  Figur,  die  wir  vorhin  in  der  Mitte  aufragen  sahen, 
tritt  bei  der  nun  erfolgten  Drehung  zuäusserst  nach  links,  die 
beiden  anderen  Bestand theile,  die  sich  vorhin  symmetrisch  um  die 
stehende  Figur  gruppirten,  treten  nun  beide  auf  die  rechte  Seite 
der  letzteren,  und  der  schlaff  herabhängende  Schweinskopf  bildet 
den  wenig  erfreulichen  Abschluss  der  Gruppe  nach  rechts.  Der 
höchsten  Erhebung  links  entspricht  die  tiefste  Senkung  rechts; 
ungeschickter  konnte  eine  Gruppe  nicht  componirt  werden. 

Damit  ist  die  Unvollständigkeit  des  erhaltenen 
Exemplars  ausser  Zweifel  gestellt;  auch  ist  es  nicht  schwer, 
den  Standort  und  die  ungefähre  Gestalt  der  fehlenden  Figur  zu 
bestimmen.  Der  Erhebung  links  muss  eine  gleiche  Erhebung 
rechts  entsprechen;  rechts,  am  Kopfe  des  Schweines,  haben  wir 
eine  Figur  zu  ergänzen,  welche  zur  stehenden  Figur  links  eine 
Art  Gegenstück  abgibt. 

Es  fragt  sieh  aber,  ob  auch  Raum  für  eine  dritte  Figur 
vorhanden  ist.  Dies  führt  uns  auf  eine  eingehendere  Betrachtung 
der  Basis. 

Die  folgende  Figur  stellt  ihren  Grundriss  dar;  zur  £r- 
klAmng  sei  bemerkt,  dass  von  den  schraffirten  Stellen  Α  den 
Puntello  bedeutet,  der  das  linke  Knie  der  kauernden  Figur  stützt, 
Bj  C  und  D  die  drei  Kesselstützen,  Β  das  von  der  kauernden 
Figur  gehiUtene  Scheit,  F  das  unter  dem  Kessel  brennende  Feuer, 
G  und  Η  die  Füsse  der  stehenden,  I  und  Κ  die  der  kauernden 
Figur. 


Uie  BaeiH  tat,  wie  bereite  hervorgehoben,  sam  grdnten  Theile 
witik,  aber  mehrfach  gebrochen,  nnd  zwar  eind  die  Stücke  ab,  bc, 
cd,  de  und  ef  angesetzt.  Von  dieeen  sind  cd  und  ef  nodem,  nnd 
Kvar  aatt  GypR  ergttnzt,  anch  de  iet  eicher  modern;  ab  mit  dea 
Beinen  der  kauernden  Figur  int,  wie  wir  gesehen  haben,  antik; 
von  bc  gilt  daeeelbe,  wofür  vor  allem  der  Umstand  epricht,  dan 
die  Kante  nicht  gegUttet  ist  und  deutliche  Spuren  dea  Brache• 
aufweist.  Eh  ist  also  klar,  dass  die  Basia  eich  jeneeits 
des  Bogens  bf,  wo  eie  mit  lauter  Brachkanten  abschlieeat 
fortgesetzt  haben  uines;  und  das  ist  gerade  die  Stelle,  wo 
nach  unserer  Meinung  die  fehlende  Figar  gestanden  hat. 

Haben  wir  erat  auf  dem  angegebenen,  eher  technischen  aU 
aesthetiecheii  Wege  das  urHprilngliche  Vorhandensein  dieser  dritten 
Figur  erechlofisen,  eo  gesellen  sich  anch  Gründe  tetitgenaonter 
Art  hinzu,  um  diese  Annahme  za  empfehlen.  Das  Haupte rfordem im 
für  eine  bewegte  Gruppe  iet,  daRx  Kraft  auf  Wideretand,  Druck 
auf  Gegendruck  etoese,  knrz,  daes  die  Handlnng  concentrirt  sei.  Dies 
ist  sie  aber  bei  unserer  Gruppe  vorläufig  keineswegs.  Die  Handlnng 
beider  Figuren  ist  auf  den  Kessel  mit  dem  Schweine  gerichtet, 
dieser  sollte  daher  den  Mittelpunkt  der  Gruppe  bilden  ;~statt  dessen 
befindet  er  sieb  auf  der  rechten  Seite  derselben,  während  die  auf 
ihn  gerichtete  Handlung  von  links  ausgebt;  das  Auge  sucht  einen 
Widerbalt  in  der  entgegengesetzten  Richtung  und    findet   keinen. 

Dieeero  Uebelntande  ist  nun  durch  unsere  Annahme  gleich- 


Der  Feueranbläeer  und  der  Dornausziehcr.  81 

falle  abgeholfen;  ein  Nebenerfolg,  der  eich  gern  mitnehmen  läset. 
Im  übrigen  möchte  ich  bei  dieser  Gruppe  nicht  allzuviel  mit 
aesthetiecben  Gründen  operiren ;  weiter  unten  wird  gesagt  werden, 
warum. 

Auf  diese  Weise  ergänzt,  stimmt  die  famesische  Gruppe, 
was  ihren  Bestand  anbelangt,  durchaus  mit  den  verwandten  Dar- 
stellungen, die  uns  erhalten  sind,  übereiu. 

Yon  diesen  ist  in  erster  Linie  ein  Gladiatorenhelm  zu  er- 
wähnen, der  in  Pompei  gefunden  worden  ist  und  gegenwärtig  als 
Xo.  5672  des  Gesammtinventars  der  WafiTensamnilung  des  neapoli- 
tanischen Nationalmuseums  angehört  (Np.  276  in  Fiorelli's  ^Arrai 
antiche^). 

Die  Form  kehrt  bei  Gladiatorenbelmen  öfters  wieder,  man 
vergleiche  z.  B.  Mus.  Borb.  III  60.  Die  bildlicben  Darstellungen 
vertheilen  sich  auf  die  beiden  Seiten  des  Helmbügels,  die  Backen- 
klappen und  die  Stirnseite.  Die  Reliefs  der  Stirnseite  stellen  die 
Krönung  eines  Gladiators  dar  und  sind  ohne  weiteres  Interesse; 
den  Inhalt  der  übrigen  bilden  Scenen  aus  einem  bacchischen  Feste, 
und  zwar  sind  die  Theilnehmer  nicht  Satyrn,  sondern  Menschen, 
die  in  menschlichen,  auf  das  Fest  bezüglichen  Zuständen  oder 
Handlungen  auftreten.  Dieser  Umstand  verleiht  unserem  Helme 
einen  eigenthümlichen  Werth.  Die  Publication  seiner  sämmtlichen 
Darstellungen  verspare  ich  mir  auf  eine  andere  Gelegenheit,  da 
nie  uns  hier  zu  weit  führen  würde. 

Die  uns  interessirende  Gruppe  bestätigt  vollkommen  unsere 
Erörterungen  bezüglich  der  farnesiscben  Gruppe;  der  Theilnehmer 
eind  hier  drei ;  bis  auf  die  stehende  Figur  rechts  ist  diese  Gruppe 
mit  der  fameeischen  identisch. 

Ueber  den  Feueranbiäser  ist  kein  Wort  weiter  zu  verlieren, 
er  ist  in  beiden  Darstellungen  genau  derselbe.  Die  stehende 
Figur  linke  hat,  wie  zu  erwarten  war,  einen  jugendlichen  Kopf 
ihre  rechte  Hand  ist  über  das  Schwein  hingestreckt  und  hält  ein 
Messer.  Ein  besonderes  Interesse  erweckt  die  stehende  Figur 
rechte;  dieselbe  ist  in  einer  der  linken  entsprechenden  Haltung 
vomfibergebeugt  und  hält  mit  der  linken  Hand  das  Schwein  am 
rechten  Ohr,  mit  der  rechten  hebt  sie  dasselbe  am  Kopfe  empor. 
So  dürfen  wir  allerdings  die  feblende  Figur  in  a(\r  farnesiscben 
Gruppe  nicht  ergänzen;  doch  darüber  später. 

Die  Ansicht  der  Keliefgruppe  stimmt  nicht  ganz  mit  der- 
jenigen überein,  die  wir  für  die  famesische  verlangt  haben.  Naeb 
nneerer  Annahme  sollten  die  stehenden  Figuren    nach    links    und 

Rhein.  Ma».  f.  Phllol.  N.  F.  XXXIX.  6 


82  Zielinski 

nach  rechte  den  Abschlnes  der  6mppe  bilden,  das  Centmm  sollte 
der  Kessel  sein  und,  als  der  in  der  Aueführnng  bevorzugteste 
Theil,  die  vor  demselben  kauernde  Figur.  Auf  dem  Relief  da- 
gegen ist  diese  letztere  nach  links  verschoben.  Behalten  wir 
aber  im  Auge,  erstens  dass  die  Ansicht  der  Reliefgmppe  im 
höchsten  Grade  nngraziös  ist,  zweitens  dass  es  überhaupt  nicht 
möglich  ist,  die  farnesische  Gruppe  in  der  vom  Reliefkttnstler 
dargestellten  Ansicht  zu  sehen,  so  werden  wir  ohne  Schwierig- 
keit zugeben,  dieser  letztere  habe  sich  nur  eine  Freiheit  gestattet, 
welche  bei  der  Uebertragung  der  Freigruppe  in's  Relief  nothwendig 
war.  Um  die  Deutlichkeit  der  Darstellung  nicht  zu  beeinträch- 
tigen, durfte  er  die  kauernde  Figur  nicht,,  wie  der  von  ihm  ge- 
wählte Augenpunkt  verlangte,  ganz  auf  den  Kessel  projiciren ;  es 
blieb  ihm  nichts  übrig,  als  sie  etwas  nach  links  zu  verschieben; 
dass  dabei  die  Beine  der  links  stehenden  Figur  verdeckt  wurden, 
war  in  seinem  Falle  das  geringere  Uebel. 

Ferner  finden  wir  unsere  Gruppe  auf  einer  Gemme  und  einem 
Cammeo^  wieder,  deren  Darstellung  identisch  ist  und  eine  ver- 
einte Betrachtung  ermöglicht.  Auch  hier  sind  drei  Figuren  be- 
theiligt, doch  bietet  diese  Darstellung  einige  Verschiedenheiten,  die 
ihr  einen  selbständigen  Werth  verleihen.  lieber  den  FeueranblSser 
ist  nichts  zu  sagen;  die  stehende  Figur  links  hält  aber  statt 
eines  Messers  einen  Urcens  in  der  Rechten;  ebenso  ist  die  Hal- 
tung der  stehenden  Figur  rechts  etwas  abweichend,  indem  sie 
das  Schwein  mit  der  Linken  beim  Ohr  hält,  die  Rechte  aber  dem- 
selben auf  den  Rücken  stützt.  Der  Kessel  steht  gleichfalls  auf 
Stützen,  von  denen  die  eine  sichtbar  ist.  Die  Arbeit,  besonders 
auf  dem  Cammeo,  ist  scharf  und  präcis,  aber  ohne  besondere 
Feinheit. 

Nur  eine  Weiterbildung  dieser  Darstellung  ist  das  Elfenbein- 
relief aus  der  Sammlung  Carpegna^,  gegenwärtig  in  der  Bibliothek 
des  Vaticans  im  Schranke  der  Silberreliefs  Benv.  Cellini*s  befindlich. 
Bewegung,  Linienführung,  Attribute  sind  dieselben  wie  auf  dem 
Cammeo;  aber  die  Handelnden  sind  nicht  mehr  Jünglinge,  es  sind 
Satyrn.  Auch  dieses  Relief  gehörte  ursprünglich,  wie  die  Schweins- 
opfergruppe   des  Helmreliefs,    einem    grösseren    Cyclus    an,    das 


^  Impronte  dell'  Istituto  Cent.  IV,  No.  33;  Iiiipronte  Cades  Bd. 
XLVII,  No.   113  u.  114;  publ.  Panofka,  Bilder  antiken  Lebens  T.  XII  5. 

2  Sehr  ungenügend  publ.  von  Buonaroti,  Medaglioni  p.  314,  be- 
sprochen ebenda  p.  443. 


Der  Feueranbläser  und  der  I)ornau8zieher.  88 

'beweist  die  vierte  Figur,    die  wir   auf  demselben  erblicken,    der 

Satyr   links    im  Hintergrande    mit    dem  Pednm    in    der   rechten 

Sand,  der  erstaunt  beide  Arme  erhebt;  er  greift  in  die  Handlang 

:zsieht    ein,    und    da    er    auch   zur  Ausfüllung    des  Raumes    nicht 

xxöthig  war,  so  kann  sein  Vorhandensein  nur  darch  die  Annahme 

^ines  sehr  sorgfaltigen  Copirens  erklärt  werden,  wobei  der  ganze 

^^iT^om  gegebenen  Raame  eingeschlossene  Inhalt  auf  die  Platte  tiber- 

-tisragen  wurde. 

Abgesehen  von  dieser  Figur  und  der  bacchischen  Metamor• 
X^liose  der  übrigen  entspricht  diese  Gruppe  sehr  genau  der  eben 
T>«eprochenen.  Auch  die  Arbeit  des  Elfenbeins  zeigt  dieselben 
"V^orzüge  und  Fehler;  sehr  scharfe,  deutliche  Profilimng,  aber  einen 
V>«trächlichen  Grad  von  Roheit  in  den  Formen. 

Nur  mit  der  Figur  des  Feueranbiäsers  ging  eine  wichtige 
^Veränderung  vor,  die  uns  am  besten  zur  folgenden  Darstellung 
^  inüberleitet:  ihre  Stellung  ist  ungezwungen,  sie  bläst  nicht. 

Dem  eben  besprochenen  Relief  am  nächsten  steht  die  Dar- 
^^Ilang  auf  einem  Puteal,    das    aus    der  Sammlung    der  Königin 
^liristine  in  die  Gallerie  Giustiniani  und  aus  dieser  in  den  Vatican 
^tergegangen  ist,  wo  es  als  No.  134  Α  in  der  Galleria  dei  Cande- 
^^bri    aufgestellt  ist    (publ.  bei  Bartoli,   Admiranda  Romae  Taf. 
^^  und  45.  Montfaucon,  Antiquitä  expliquie  2  Taf.  85).    Es  stellt 
^^cchische  Scenen,  bekannte  Personen  in  bekannten  Motiven  dar. 
-"en  Hintergrund    bilden   Rebstöcke,    Pfeiler,    toscanische  Säulen 
^^it  Crateren,  zwischen  welchen  Thierhäute  und  Tücher  nach  Art 
^ines  Parapetasma  gespannt  sind.    Innerhalb  des  behängten  Raumes 
•bewegt  sich  der  bacchische  Thiasos,  in  dem  wir  Bacchus,   Silen, 
^ntym  und  Pane  erkennen;  ausserhalb  des  Parapetasma  befinden 
^ich  zwei  Gruppen,  die  auch  auf  dem  Bronzehelm   in    dieser  Zu- 
sammenstellung  vorkommen  —  das  Schweinopfer    und    der  Aus- 
^^eider. 

Der  letztere  wird  uns  weiter  unten  beschäftigen;    was    das 
^fstere    anbelangt,    so    sind  die  handelnden  Personen    als  Satyrn 
^^liarakterisirt;  sie  haben  Schwänze,  Ziegenohren  und  Pinienkränze 
*uf  dem  Kopfe.     Die  kauernde  Figur  ist  nackt,  die  beiden  stehen- 
<ien  haben  kurze  Gewandstücke    um    die  Lenden.     Die    kauernde 
^igur  ist  noch  mehr  nach   links    verschoben,    so    dass    sie    links 
Vom  Kessel  im  Profil  zu  sehen  ist,    sonst    ist    sie    mit    der  ent- 
sprechenden Figur  im  Relief  Carpegna  durchaus  identisch.    Auch 
^ie  links  stehende  Figur  bietet  nichts  neues;   die  stehende  Figur 
rechts  hält  das  Schwein  am  Rücken    fest.     Der  Kessel  ruht    auf 


84  Zielinski 

einem  pnmitiven  Herd,  aus  dem  man  das  Fener  beraneechlageD 
sieht;  im  übrigen  ist  die  AuRstattung  von  der  vorbesprochenen 
nicht  verschieden. 

Freilich  ist  das  im  Vatican  befindliche  Exemplar,  wie  schon 
Gerhard  ^  bemerkt  hat,  modernen  Ursprungs ;  doch  ist  es  die  Copie 
nach  einem  Original,  das  sich  gegenwärtig  in  Madrid  befindet'. 
Ich  citire  das  Exemplar  vom  Yatican,  da  ich  das  Original  nicht 
habe  einsehen  können. 

Dass  uns  von  der  ^chweinsiedergmppe  fünf  Daratellangen 
erhalten  sind,  läset  auf  eine  gewisse  Beliebtheit  des  Originals 
schliessen.  Doch  sind  sich  diese  fünf  Darstellungen  nicht  in  allen 
Theilen  gleich  und  es  fragt  sich  welche  Fassung  die  nreprung- 
liehe  ist. 

Eine  Datirung  ist  bei  den  verschiedenen  Darstellnngen  natür- 
lich nur  annäherungsweise  möglich.  Das  leichteste  Spiel  haben 
wir  bei  dem  Gladiatorenhelm  von  Ponipei.  Die  Yerschüttung  der 
Stadt  gibt  uns  den  terminus  ad  quem,  die  Einführung  der  Gladia- 
torenspiele  in  derselben  —  88  v.  C.  —  den  terminus  a  quo.  Da 
nun  ein  Helm  als  Verbrauchsgegenstand  auf  keine  lange  Daner 
berechnet  ist,  so  wird  die  Entstehung  des  unsrigen  nicht  lange 
vor  das  Jahr  79  n.  Chr.  fallen.  Nicht  so  früh  dürfen  wir  die  fame- 
sische  Gruppe  entstanden  glauben.  Zwar  die  unausgearbeiteten 
Bohrlöcher  an  den  Schamhaaren  der  stehenden  Figur  würden,  wie 
der  Augustusaltar  im  Tempio  di  Mercurio  zu  Pompei  beweist, 
das  erste  Jahrhundert  n.  Chr.  nicht  ausschliessen,  allein  die  auf- 
fallende Vernachlässigung  der  dem  Auge  nicht  direct  ausgesetzten 
Theile  lässt  uns  an  eine  spätere  sorglosere  Zeit  denken,  während 
andererseits  die  leidlich  gute  Arbeit  an  den  sichtbaren  Theilen,  na- 
mentlich die  Behandlung  des  Haares  am  Kopfe  der  kauernden 
Figur  uns  zu  weit  herunterzugehen  verbietet.  Wir  glauben  der 
Wahrheit  am  nächsten  zu  kommen,  >venn  wir  die  Gruppe  dem 
zweiten  Jahrhundert  zuerkennen.  Die  geschnittenen  Steine,  so  wie 
das  Cai*pegnarelief  sind  sehr  später  Arbeit;  sie  stehen,  wie  wir 
gesehen  haben,  der  Darstellung  des  Puteais  am  nächsten  und  alle 
drei  gehen  auf  ein  gemeinsames  Original  zurück. 

Die  iilteste  uns  erhaltene  Darstellung  ist  demnach  das  Helm- 
relief; ist  nun  das  Original  gleichfalls  ein  Relief,  oder  ein  Rund- 


^  Neapels  antike  Bildwerke  S.  13. 

2  Hübner.  antike  Bildwerke  in  Madrid  S.  144. 


Der  Feueranbläeer  und  der  Durnausziehcr.  85 

bild  gewesen?  Die  Anadyomene  ist,  wie  allgemein  geglaubt  wird, 
aus  dem  Gemälde  in's  Rundbild  tibertragen  worden,  und  es  würde 
daher•  aach  die  üebertragnng  eines  Reliefe  in'e  Rundbild  nicht 
onwahrecheinlieh  sein.  Doch  lässt  sich  durch  einen  Beweis  eigener 
Art  die  Priorität  der  statuarischen  Darstellung  darthun.  Und  zwar 
machen  wir  auf  die  Gestalt  des  Kessels  aufmerksam.  Kessel  dieser 
Form  wurden  noch  im  ersten  Jahrhundert  n.  Ohr.  in  Italien  ge- 
braucht; in  Pompei  wurden  fast  identische  ans  Tageslicht  gefördert, 
sie  stehen  gegenwärtig  im  grossen  Saal  der  Bronzegeräthe  des 
MnseoKazionalezu  Neapel  (dritter  Schrank  links  No.  68856 — 68858). 
Die  üebereinstimmung  dieser  Kessel  mit  dem  Kessel  der  fame* 
siechen  Gruppe  ist  auffallend,  der  einzige  Unterschied  besteht 
darin,  dass  die  wirklichen  Kessel  statt  der  beiden  Henkel  einen 
Tragreifen  haben.  Dieser  Unterschied  ist  aber  in  der  Natur  des 
Keesels  begründet ;  überall,  wo  er  das  hauptsächlichste  Hansgeräth 
bildet,  ist  er  bestimmt,  aufgehängt,  nicht  aufgestellt  zu  werden. 
Namentlich  ist  dies  in  Italien  der  Fall;  im  Hause  ist  sein  Platz 
im  foeolare,  und  er  hängt  ständig  an  einer  Kette,  die  ihrerseits 
am  Rauchfang  des  Herdes  befestigt  ist:  im  Freien  wird  er  an 
einen  Baomast,  oder  in  Ermangelung  eines  solchen  am  Kreuzungs' 
punkte  dreier  aneinander  gelehnter  Stangen  aufgehängt.  Dass  auch 
der  Kessel  unserer  Gruppe  von  der  allgemeinen  Regel  keine  Aus* 
nähme  machen  sollte,  erkennt  man  am  besten  an  seinem  convexen 
Boden ;  einem  zum  Aufgestelltwerden  bestimmten  Gefässe  gibt  nie- 
mand  einen  solchen,  namentlich  nicht,  wenn  das  Schwanken  mit 
Gefahr  verbunden  ist.  —  Wenn  nun  das  Original  unserer  Gruppe 
ein  Belief  gewesen  wäre,  so  hätte  der  Künstler  sicher  der  Natur 
gemäee  einen  aufgehängten  Kessel  dargestellt,  und  ein  solcher 
würde  uns  auch  auf  den  erhaltenen  Reliefnachbildungen  begegnen. 
Dass  wir  gerade  auf  diesen  «inen  aufgestellten  Kessel  sehen,  dünkt 
uns  ein  Anzeichen,  dass  das  Original  ein  Rundbild  gewesen  ist, 
welches  die  plastische  Ausführung  eines  aufgehängten  Kessele 
nicht  zuliess. 

Ist  aber  das  Original  eine  Freigruppe  gewesen,  so  dürfen 
wir  wohl  annehmen,  dass  uns  die  erhaltene  farnesische  Frei- 
gmppe  eine  ziemlich  getreue  Nachbildung  desselben  aufbewahrt, 
besonders  da  sie  mit  der  ältesten  uns  erhaltenen  Darstellung, 
mit  dem  Helmrelief,  so  wohl  übereinstimmt.  Allerdings  erstreckt 
sich  diese  üebereinstimmung  auf  einen  Punkt  nicht  —  auf  die 
Beschäftigung  der  zweiten  stehenden  Figur.  Auf  dem  Helmrelief 
hebt  sie  das  Schwein  beim  rechten  Ohre  und  beim  Kopfe  empor; 


86  Zielinski 

in  der  Gruppe  hängt  der  Kopf  sohlaff  herunter.  Hier  ist  aleo 
eine  Verechiedenheit  festzustellen;  wir  können  die  &nieeieche 
Gruppe  etwa  nach  dem  Kelief  Carpegna,  oder  nach  dem  Pateal 
der  Königin  Christine  ergänzen,  wozu  die  Bräohflftchen  auf  dem 
Kücken  des  Schweines  ganz  gut  stimmen.  Für  die  Heratellnng 
des  Originale  müssen  wir  uns  aher  doch  an  dae  Helmrelief|  als 
an  die  älteste  Fassung  halten. 

In  den  beiden  übrigen  Darstellungen  werden  wir  alsdann 
Wandlungen  der  ursprünglichen  Idee  zu  erblicken  haben,  und  es 
ist  nicht  ohne  Interesse,  diese  Wandlungen  schärfer  in's  Auge  zu 
fassen. 

Bei  der  famesischen  Gruppe,  dem  Helmrelief  und  den  ge- 
schnittenen Steinen  hatten  wir  es  mit  Menschen,  wahracheinlioh 
Sclaven  zu  thun;  im  Relief  Carpegna  und  im  Puteal  der  Königin 
Christine  treten  uns  Satyrn  entgegen,  dort  durch  spitze  Ohren, 
hier  ausserdem  durch  thierieche  Schwänze  und  Pinienreieer  im 
Haar  charakterisirt.  DerKünstler  der  beiden  letzteren  Darstellangen 
glaubte  dem  Geschmacke  seiner  Zeitgenossen  durch  ein  mensch• 
liebes  Genre  nicht  mehr  zu  genügen;  er  schuf  es  zu  bacchiechem 
Genre  um.  Diese  Erscheinung  steht  keineswegs  yereinselt  da; 
unten  werden  noch  mehr  Beispiele  beigebracht  werden. 

Eine  weitere  Veränderung  ist  in  der  Handhabung  des 
Schweines  vor  sich  gegangen  ;  hier  lässt  sich  geradezu  eine  Soala 
von  drei  Stufen  nachweisen.  Im  Helmrelief  hält  der  eine  Jüng- 
ling das  Tliier  mit  der  einen  Hand  bei  einer  Hinterpfote,  in  der 
anderen  Hand  hält  er  das  Messer,  während  sein  Gefährte  das  Thier 
beim  Ohre  und  beim  Kopfe  emporhebt;  in  den  geschnittenen  Steinen 
und  im  Relief  Carpegna  ist  das  Messer  mit  dem  Urceus  vertauscht, 
und  der  Gefährte  hält  das  S(;hwein  mit  der  einen  Hand  am  Ohre, 
mit  der  anderen  am  Rücken;  im  Puteal  der  Königin  Christine 
endlich  hält  er  es  mit  beiden  Händen  am  Rücken. 

Die  dritte  Verändernng  betrifft  die  Stellung  der  kauernden 
Figur;  wir  sehen  die  Auflösung  ihrer  verschränkten  Haltung  immer 
mehr  durchgefiilirt.  Im  Relief  Carpegna  ist  sie  erst  begonnen,  das 
linke  Knie  ist  etwas  gelockert,  der  Kopf  etwas  gehoben,  wobei 
auf  das  Moti>'^  das  Blaseiis  V'erzicht  geleistet  wurde;  dadurch 
wurde  die  ganze  Haltung  unmotivirt,  denn  erst  das  Blasen  bedingte 
überhaupt  die  Verschränkung.  Der  Künstler  des  Puteais  war  da- 
her nur  consequent,  indem  er  sie  überhaupt  aufhob;  wir  sehen  eine 
Figur  in  durchaus  ungezwungener  halb  knieender  Stellung.  Da 
weder  an  der  Identität  dieser  Figur   in   den   fünf  Darstellungen, 


Der  Feueranbiäser  und  der  Dornauszieher.  87 

noch  an  der  Priorität  der  farnesieclien  Gruppe  vor  dem  Puteal- 
reiief  zu  zweifeln  ist,  so  haben  wir  hier  ein  ζ  weifelloses  Beispiel 
der  häufigen  Erscheinung,  dass  sich  das  einfache  Motiv  aus  dem 
complicirten  entwickelt. 

Wenden  wir  uns  nun  ausschliesslich  zur  ältesten  Darstellung, 
ob  ans  vielleicht  auf  die  leider  meist  hoffnungslose  Frage  nach  dem 
Namen  des  Künstlers  eine  Antwort  wird. 

Doch  mögen  w^ir  uns  wohl  überlegen,  ob  in  der  Frage  nach 
dem  Künstler  nicht  bereits  zu  viel  enthalten  sei.  Ist  es  auch 
eicher,  dass  die  Gruppe  so  wie  wir  sie  kennen,  von  einem  Künstler 
original  erfunden  ist? 

Die  Gesetze  für  die  Gruppencomposition  sind  verschieden, 
je  nachdem  die  Intention  des  Künstlers  darauf  ausgeht,  die  Figuren 
blos  äusserlich,  oder  auch  innerlich  mit  einander  zu  verbinden. 
Ist  das  letztere  der  Fall,  das  heisst,  ist  die  Gemeinsamkeit  der 
Handlung  das  verbindende  Element,  so  ist  die  Einheit  der  Handlung 
die  unweigerliche  Forderung. 

Dieser  Forderung  genügt  aber  unsere  Gruppe  keineswegs. 
£8  ist  kein  Zweifel,  wir  haben  es  nicht  mit  einer,  sondern  mit 
zwei  Handlungen  zu  thun,  die  so  lose  verknüpft  sind,  wie  es  zwei 
nicht  zueinandergehörige  Handlungen  nur  immer  sein  können. 

Denken  wir  uns  in  der  ältesten  Darstellungsform  der  Gruppe, 
auf  dem  Helmrelief,  die  kauernde  Figur  mit  sammt  dem  Kessel 
hinweggezogen  —  das  Schwein  wird,  von  drei  Händen  festge- 
halten, in  der  Luft  hängen  bleiben  und  wir  würden  aus  der  einen 
Gruppe  eine  Statue  und  eine  Gruppe  gemacht  haben.  Der  feuer- 
anfachende  Sclave  bedarf  keiner  fremden  Hilfe  um  seinem  Ge- 
schäfte obzuliegen ;  ebenso  sind  die  beiden  Sclaven,  welche  das 
Schwein  halten,  der  eine  mit  seinem  Messer  in  der  Hand  und  im 
Begriffe  es  zu  gebrauchen,  durchaus  klar  und  unzweideutig. 

Wenn  aber  Theile  einer  Gruppe  getrennt  existiren  können, 
so  ist  das  für  die  meisten  Fälle  ein  Beweis,  dass  sie  getrennt 
existirt  haben. 

Durch  die  Vereinigung  der  beiden  Theile  zu  einem  Ganzen 
hat  die  Klarheit  der  Composition  nur  gelitten.  In  der  That,  was 
wollen  die  drei  mit  dem  Thiere?  Sie  opfern  es,  heisst  es  gewöhn- 
lich. Man  möge  uns  aber  eine  Stelle  nachweisen,  wo  das  Opfer- 
thier  mit  Haut  und  Haaren  gekocht  wird  —  namentlich  mit  den 
letzteren,  die  bei  der  farnesiscben  Gruppe  und  auf  dem  Putealrelief 
mit  wünschenswerther  Deutlichkeit  sichtbar  sind.  Clarac  erklärt 
die  Leute  für  ^ocorcheurs  rustics*;  doch  wird  man  zugeben  müssen. 


88  Zielinski 

dass  für  dieses  Geschäft  jede  andere  Stellang  des  Thieres  bequemer 
war.     Dazu  kommt,  dass  der  Eeftsel,  in   den  dooli   offenbar  das 
Schwein    mit  der  Zeit    hinein  mnee,   für  die  Aafnahme  eines  so 
stattlichen  Thieres  viel  zn  klein  ist.     Man  wende  nicht  ein,  dass 
diese  Erscheinung    in   der  griechischen  Gewohnheit,   Nebendinge 
oft  gegen  die  Natur  kleiner  darzustellen,  ihren  Gmnd  habe.     Der 
Künstler  hätte,  wenn  er  von  diesem  Triebe  geleitet  worden  wäre, 
auch  das  Schwein  dem  Kessel  entsprechend  verkleinern  können; 
so  trägt  das  Terracottafigürchen  einer  Demeter  im  Mnseo  Campano 
zu  Capua  eine  attributive  Sau  in  der  Hand  —  statt  des  gewöhn- 
licheren Ferkele  —  ,   doch  hat  diese  hier  nnr  die  Grösse   eines 
Ferkels. 

Die  vorhin  erwähnte  Soala  in  der  Art  wie  sich  die  beiden 
Männer  mit  dem  Schweine  beschäftigen,  findet  ebenfalle  ihre  Er- 
klärung in  der  Annahme,  beide  Theile  der  Gruppe  hätten  ursprüng- 
lich gesondert  bestanden.  Sie  ist  dann  der  Versuch,  die  Ver- 
bindung beider  Theile  möglichst  organisch  zn  machen.  Der 
Künstler,  der  die  Gruppe  zuerst  zusammenschweisste,  begnügte 
sich  damit,  dem  Schweine  eine  etwas  veränderte  Haltung  zn  geben; 
erst  hatte  es  den  Bauch  nach  oben,  jetzt  liegt  es  auf  der  Seite. 
Er  hielt  es  nicht  einmal  für  nöthig  das  Schwein  auf  dem  Keseel 
aufrnhen  zu  lassen;  ebenso  liess  er  dem  einen  Sclaven  das  Aus- 
weideniesser  in  der  Hand,  das  er  vermuthlich  als  Schabmesser 
auffasste.  Die  Künstler  der  geschnittenen  Steine  und  des  Reliefs 
('arpegna  gaben  ihm  das  Kännchen  in  die  Hand;  dadurch  wurde 
die  Handlung  vollends  als  ein  0])fer  charakterisirt.  Durchane 
ähnlich  ist  die  \'erwendung  des  Urceus  in  dem  Relief  einer  Mar- 
mor>'ase  im  Mnseo  Kircheriano'  sowie  einem  verwandten  Relief 
des  Museums  zu  Turin ^,  wo  die  Erklärung  der  Handlung  als  Opfer 
durch  den  Altar  und  die  Anwesenheit  des  Priesters  ausser  Zweifel 
gestellt  >vird.  Der  Künstler  des  Putealreliefs  hat  das  Motiv  des 
Aufruhens  noch  stärker  zum  Ausdrucke  gebracht,  indem  er  die 
Linke  des  zweiten  Sclaven  vom  Kopfe  des  Thieres  entfernte  und 
nur  den  Kücken  stützen  liess. 

Dies  alles  bestärkt  unsere  vorhin  ausgesprochene  Annahme; 
sie  wird  zur  Thatsache  dadurch,  dass  es  uns  möglich  ist,  beide 
Bestandtheile  der  Grupiic  in  ihrer  Vereinzelung  nachzu- 

*  Puhl.  von  der  Gräün  Lovateili  im  Itulluttinu  della  commissione 
municipale  degli  scavi  di  Roma  1879  Taf.  II— V. 
2  Publ.  im  Museum  Veronensc  p.  CCXl. 


Der  Fcueraubläner  uud  der  Dornaueziehur.  89 

weisen:    einereeite   zwei  Männer,   welche  ein  Schwein  ausweiden, 
andererseits  einen  feneranblasenden  Jüngling. 

Wir  beginnen  mit  den  ersteren. 

Hier  ist  zuerst  das  Relief  einer  Terracottalauipe  zu  nennen, 
die  sich  gegenwärtig  im  Museo  Archeologico  zu  Syracus  befindet. 

Zweitens  ein  Cammeo  ans  der  barberinischen  Bibliothek, 
publicirt  bei  Kaponi  (Recueil  de  pierres  grav^es)  Taf.  61,  6, 
Rossi-Maffei  (Gemme  antiche  figurate)  Taf.  51,  Sandrart  Admiranda 
24.  Beide  Figuren  sind  Satyrn,  die  links  ist  bärtig,  die  rechts 
unbärtig;  das  Thier,  das  ausgeweidet  wird,  ist  ein  Bock,  auch 
hat  es  den  Kopf  nach  links  gewandt.  Der  Satyr  links  hält  in 
der  Rechten  das  Messer,  in  der  Linken  die  linke  Vorderpfote  des 
Thieres;  der  Satyr  rechts  hat  beide  Hinterpfoten  des  Thieres  in 
den  Händen.  Beide  stehen  etwas  eingeknickt,  der  linke  hat  das 
linke,  der  rechte  das  rechte  Bein  vorgestellt.  Unter  dem  Bock 
befindet  sich  ein  brennender  Altar. 

Drittens  ein  Relief  in  der  Villa  Medici  in  Rom  (Matz-Duhn, 
Ant.  Bildw.  in  Rom  II  S.  92  No.  2349).  Hier  hält  die  rechte 
Figur  das  Messer,  auch  sonst  ist  manches  verändert.  Das  Thier, 
von  dem  der  Kopf  fehlt,  schien  mir  am  ehesten  ein  Reh  zu  sein. 
Duhn  erklärt  es  ffir  ein  Rind. 

Viertens  ein  Oscillusrelief  in  Neapel  (Museo  Nazionale,  erster 
Saal  der  Reliefe  No.  6635 ;  publ.  Museo  Borbonico  XEII  12),  das 
jedoch  von  allen  angeführten  Beispielen  die  grössten  Abweichungen 
zeigt.  £in  Satyr  und  ein  altes  Weib  weiden  gemeinsam  ein  Schwein 
aus.  Links  steht  das  Weib,  es  hält  das  Thier  bei  den  heiden 
rechten  Pfoten ;  der  Sat3rr  packt  es  mit  der  Linken  bei  der  Schnauze 
und  schneidet  ihm  mit  der  Rechten,  in  der  er  das  Messer  hält, 
den  Hals  auf;  unten  steht  eine  Schüssel,  um  das  Blut  aufzufangen. 
Mit  dem  Bilde  ist  entschieden  eine  komische  Wirkung  beabsichtigt; 
das  geht  vor  allem  aus  der  Haltung  des  Satyrs  hervor,  der  auf 
dem  linken  Fusse  steht  und  das  rechte  Bein  hinter  die  linke 
Kniekehle  geschlagen  hat.  Ueberhaupt  ist  das  Relief  von  frischer, 
launiger  Ausführung. 

Diese  vier  Darstellungen  weichen  von  einander  und  von  der 
Dreifigurengruppe  in  vielen  Punkten  ab,  doch  müssen  wir  be- 
denken, dass  es  sich  nicht  um  statuarische  Nachbildungen  handelt, 
wo  die  Genauigkeit  des  Copirens  durch  Rücksichten  technischer 
Art  geboten  war,  sondern  um  Reliefp,  welche  der  Künstler  aus 
dem  Kopf  und   nur  in  Erinnerung  seines  Vorwurfs  arbeitete. 

Es  wäre  nicht  unmöglich,  dass   diese  zweifigurige  Gruppe 


90  Zielintki 


\ 


eich  ihrereeite  aos  einer  Einzelfignr  eotwickelt  bitte  —  dem  schon 
mehrfach  erwähnten  Aneweider.    Von  diesem  besitien  wir  gleicb' 
falls  eine  Anzahl  von  Darstellongen,  in  denen  das  Thier  nich^ 
immer  dasselbe  bleibt.     Bei  allen  diesen  Darstellungen  ist  jedocl 
die  Composition  so  übereinstimmend,  dass  ihre  ZorficklBbrang  aal 
ein  Original  ganz  anbedenklich  ist. 

Vor  allem  ist  eine  Statne  im  Louvre,  aus  der  Villa  AlbanS> 
stammend,    zn  erwähnen  <pabl.  v.  Piranesi,  Mns£e  NapoUon  IV 
:U;  Clarac  ΙΠ  PI.  287).     Das  Thier  seheint  ein  Beb  zu  sein;  ii 
übrigen  bietet  diese  Darstellnng  aach  noch  die  Variante,  dass  di< 
Hant  des  Thieres,  das  aasgeweidet  wird,  vom  Halse  hemnterhängt^^^ 
und  den  Kopf  verdeckt. 

Zweimal  kommt    der  Aneweider   auf   dem    pompeianiachenv^ 
Helme  vor,  wobei  das  Thier  ein  Schwein  ist. 

Aaf   dem   Poteal    der  Königin   Christine    sehen    wir   einen» 
ausweidenden  Satvr:  das  Thier  ist  ein  Bock. 

Endlich  ist  eine  Terracottalampe  sa  nennen,  die  sieh  mit  dei^ 
bereits  erwähnten  im  Museo  Archeologico  sa  Syracas  befindet;  da» 
Thier  ist  wegen  der  Undeutlichkeit  des  Reliefs  nicht  in  bestimmen. 

AVie  man  sich  den  Uebergang  der  Einzelfignr  in  die  Grupp» 
zu  denken  habe,  lehrt  das  Relief  in  der  Villa  Hedici.  Statt  das» 
das  Thier  an  den  Baum  gehängt  wurde,  nahm  es  eine  zweite 
Person  bei  den  Hinterläufen  und  hielt  es  empor;  die  Stellung 
des  Thieres  und  des  ausweidenden  Mannes  konnte  dabei  dieselbe 
bleiben.  Eine  Veränderung  gieng  vor,  indem  nun  anch  der  Ans* 
weider  das  Thier  bei  einer  Vorderpfote  anfasste,  wodnroh  es  eine 
horizontale  Lage  bekam.  Diese  Veränderang  mochte  wünschens- 
werth  erscheinen,  um  die  linke  Hand  der  ausweidenden  Figur  za 
beschäftigen. 

Noch  sicherer  läset  sich  der  Feueranbläser  als  Einzelfigur 
nachweisen;  wir  besitzen  von  ihm  eine  Anzahl  von  Wiederholungen, 
allerdings  fast  auRschlipsslich  in  Relief. 

Erstens  ein  unedirtes  Fragment  des  Museo  Chiaramonti 
(No.  214),  ein  Gelage  darstellend.  Rechts  sitzen  die  Gäste,  Speisen 
werden  aufgetragen;  links  sehen  wir  eben  unseren  Feueranbläser 
am  Herde  beschäftigt.  Er  kniet  rechts  vom  Herd;  das  linke  Bein 
ist  in's  Knie  gekrümmt,  so  dass  das  Knie  den  Erdboden  berührt, 
das  rechte  ist  aufgestützt ;  der  Körper  ist  gebeugt  und  etwas  ver- 
schränkt; die  linke  Hand  scheint  in  der  Luft  zu  schweben,  während 
die  Hechte  mit  tlem  Nachlegen  beschäftigt  ist;  im  Gesichte  ist 
das  Motiv  des   Hlnscns  deutlich  ausgedrückt. 


Der  Fcueranbläeer  uud  der  Doruauszieher.  91 

Zweitens  das  bereite  erwähnte  Kelief  der  Villa  Medici. 
Auch  hier  kniet  der  Jüngling  rechte  vom  Kessel  nnd  zwar  auf 
beiden  Knieen;  der  Körper  ist  verschränkt,  aber  wenig  gebeugt, 
der  Kopf  bläst  nicht;  die  Linke  mit  dem  Scheit  schwebt  in  der 
Luft,  die  Rechte  rührt  im  Kessel,  der  hier  einem  Topfe  ähnlicher 
sieht.  Das  Gewand  ist  ein  Schurz;  der  Topf  steht,  wie  auf  dem 
Puteal  der  Königin  Christine,  auf  einem  Herd. 

Drittens  ein  im  capitolinischen  Museum  (8ala  degli  uomini 
illustri  G)  befindliches  Relief^,  einen  Leichenzug  darstellend. 
Rechte  von  den  Leidtragenden  sehen  wir  unseren  Feueranbiäser 
rechte  vom  Kessel  knieend.  £r  kniet,  gleich  dem  vorigen,  auf 
beiden  Knieen,  legt  mit  der  Linken  nach,  die  Rechte  ist  aufge- 
stützt. Der  Körper  ist  stark  gebengt,  doch  nicht  verschränkt, 
der  Kopf  ist  bärtig  und  scheint  der  Lage  nach  zu  blasen.  Der 
Kessel  oder  Topf  ruht  auch  hier  auf  einem  Herd. 

Viertens  ein  im  früheren  Atelier  Canova  eingemauertes  Relief 
(Matz-Duhn  II 3257),  den  Transport  eines  Eber«  darstellend.  Die 
nur  fragmentarisch  erhaltene  Figur  links  ist  mit  aller  Wahrschein- 
lichkeit als  Feueranbiäser  zu  deuten.  Sie  ist  nach  links  gewandt; 
ein  Kessel  ist  nicht  vorhanden,  auch  fehlt  der  Kopf  und  die  bei- 
den Arme,  doch  kann  man  erkennen,  dass  der  linke  Oberarm  ge- 
senkt war.  Der  Körper  ist  wenig  gebengt  und  nicht  verschränkte 
das  linke  Bein  ist  in's  Knie  gebogen,  aber  ohne  dass  das  Knie 
den  Boden  berührte;  das  rechte  Knie  ist  unsichtbar.  Die  Gewan- 
dung besteht  aus  einem  etwas  hoch  sitzenden  Schurz. 

Fünftens  ein  unzugängliches  Relief  in  der  Villa  Gentili,  ein 
Gelage  darstellend^.  Die  für  uns  in  Betracht  kommende  Figur 
beschreibt  Dohn  folgendermassen :  ^  Links  ist  in  die  Scherbe  einer 
grossen  Amphora,  die  mit  der  Oeffnung  auf  dem  Boden  steht, 
und  vermuthlich  ein  improvisirtes  Kohlenbecken  bilden  soll,  ein 
Topf  gestellt;  rechts  von  demselben  kniet  nach  links  ein  nur  mit 
einem  Schurz  bekleideter  Mann,  der  mit  der  Rechten  entweder 
in  dem  Topfe  rührt,  oder  daraus  schöpft'.  Wir  haben  sie  uns 
demnach  etwa  wie  die  Figur  im  Relief  der  Villa  Medici  zu 
denken. 

Sechstens  ein  Relief  im  Caffehause  der  Villa  Albani  ^. 
Siebentens  ein  Relief  im  Museo  Kircheriano  *. 

^  Publ.  bei  Foggini  Museo  Capitolino  lY  40. 

2  Matz-Duhn  II  S.  82  No.  2383. 

®  Catalog  von  Visconti  No.  275. 

*  Publ.  von  Bonanni,  Museo  Kircheriano  Glase.  III,  tav.  lüLXVX. 


92  Ziolinski 

Achtens  das  Eode  einer  Sarcophagplatte  im  Museum  za 
Berlin  (No.  809).  Links  steht  ein  Kessel  mit  Ringen  als  Hen- 
keln auf  einem  improvisirten  Ofen;  rechts  von  ihm  kniet  der 
Feueranhläser  nach  links  auf  dem  rechten  Knie,  dessen  Scheihe 
jedoch  den  Boden  nicht  berührt,  während  der  linke  Fuse  aufge- 
stützt ist;  er  ist  bartlos  und  nur  mit  dem  Schurs  bekleidet;  mit 
der  Linken  legt  er  Holz  in  die  Flamme  nach,  die  er  anblftst,  mit 
der  Kochten  rührt  er  im  Kessel.  Die  übrigen  Figuren  sind  mit 
ländlichen  Arbeiten  beschäftigt. 

Neuntens  der  feueranblasende  Satyr  auf  einem  Sarcophag- 
deckel  im  Lateran^.  Der  Kessel  ruht  auf  einem  Herd,  der  Satyr 
kniet  rechte  davon  auf  dem  linken  Knie,  der  rechte  Fuss  ist  auf- 
gestützt; der  Körper  ist  gebeugt,  aber  nicht  verschränkt,  der 
Kopf  bläst,  die  rechte  Hand  legt  nach,  die  Linke  ruht  auf  dem 
rechten  Knie. 

Zehntens  der  feueranblasende  Satyr  auf  einem  fragmentirten 
Sarcophagdeckel  im  Museo  Chiaramonti  ^  (No.  131).  Das  Oanze 
stellt  ein  bacchisches  Gelage  dar,  als  Hintergrund  ist  ein  Para- 
petasma  gespannt,  ausserhalb  dessen  sich  nur  unser  Feueranhläser 
befindet. 

Elftens  der  feueranblasende  Erot  auf  einem  Sarcophagdeckel 
in  S.  Agnese  fuori  le  mura  ^,    ein  erotisches  Gelage  darstellend. 

Endlich  zwölftens  ist  das  Motiv  sehr  ingeniös  bei  dem  Hnnd- 
iigürchen  einer  Terracottalampe '^  verwandt,  das  in  die  Flamme 
zu  blasen  scheint. 

Soviel  war  mir  möglich  zusammenzustellen.  Sollte  das  Ver- 
zciühniss  unvollständig  sein,  was  leicht  der  Fall  sein  könnte,  so 
möge  man  bedenken,  dass  es  sich  zumeist  um  unpublicirtes  Ma- 
terial handelt.  Uebrigens  würde  das  der  Stärke  des  Beweises 
keinen  Eintrag  thun. 

Identisch  sind  diese  Darstellungen  freilich  nicht;  indessen 
hat  die  eine  mit  der  anderen  immer  so  viel  Züge  gemein,  dass 
am  gemeinsamen  Ursprang  aller  nicht  gezweifelt  werden  kann. 
Als  ebenso  sicher  kann  aber  die  angedeutete  Beziehung  dieses  ein• 


^  Benndorf-SchÖDB  No.  378;  publicirt  von  Petersen,  Monumenti 
VI,  VII  80,  2. 

^  Publ.  bei  Spon,  Mise.  erud.  antiq.  p.  308. 

"  Beschr.  Roms  111  2,  446;  Collignon,  Essai  sur  les  monuments 
rclatifs  au  mythe  de  Psyche  418  resp.  162;  Matz-Duhn  II  S.  228  No.  2815. 

^  Publ.  Bellori-Bartoli,  luceme  sepulcrali  tav.  20. 


Der  Feaeranbläser  und  der  Dornauszieher.  93 

seinen  Feneranbläeers  zum  Feneranbläeer  in  der  dreifigarigen 
Gruppe  gelten.  Allerdings  erscheint  die  Haltung  des  Jünglinge 
in  den  Einzeldarstellungen  nachlässiger,  abgeschwächter  als  in 
der  Gruppe;  doch  macht  einerseits  die  Gruppe  auf  dem  Puteal 
zu  dieser  Haltung  den  Uebergang,  andererseits  finden  wir  alle 
Merkzeichen  des  Feneranbläsers  der  Gruppe  einzeln  in  den  ein- 
fignrigen  Darstellungen  wieder.  So  die  Beinstellung  auf  dem 
Fragmente  im  Atelier  Canova;  die  verschränkt«  Körperhaltung 
im  Fragment  Chiaramonti  No.  241;  das  Motiv  der  mit  dem  Nach^ 
legen  nicht  beschäftigten  Hand  in  den  Reliefe  der  Villa  Albani, 
Villa  Medici  und  Villa  Gentili,  hier  freilich  mit  einer  geringen 
Modification. 

Das  Original  des  Feueranbläsers  werden  wir  uns  übrigens 
nach  dem  Feueranbiäser  der  Gruppe  zu  reconstruiren  haben, 
schon  aus  dem  Grunde,  weil  wir  nur  von  diesem  eine  statuarische 
Darstellung  besitzen.  Dann  ist  es  auch  bemerkenswerth,  dass 
nur  bei  diesem  von  einer  künstlerischen  Intention  die  Rede  sein 
kann;  die  Abweichungen  der  Einzeldarstellungen,  die  ausserdem 
sämmtlioh  sehr  später  Ausführung  sind,  finden  als  Abschwächuugcn 
der  ursprünglichen  Motive  ihre  Erklärung. 

Ich  denke  mir  demnach  die  Gruppe  folgend ermassen  ent- 
standen. 

Ausweider 

I  Feueranbiäser 

Ausweidergruppe  ,./ 

Schweinsopfer 

Wir  sind  also  bei  dem  Resultate  angelangt,  dass  für  die 
Gruppe  nicht  ein,  sondern  zwei  Schöpfer  anzunehmen  sind. 
Anf  die  Namensbestimmung  des  Künstlers,  der  den  Ausweider 
geschaffen  hat,  muss  verzichtet  werden;  bezüglich  des  Feueran- 
bläsers geben  wir  jedoch  die  Hoffnung  nicht  auf. 

Zuvor  muss  aber  bemerkt  werden,  dass  man  wohl  daran 
tbnt,  zwischen  dem  Schöpfer  des  Motivs  und  dem  Schöpfer  des 
Typus  genau  zu  unterscheiden.  An  Beispielen,  wo  dasselbe  Motiv 
eine  Metamorphose  über  sich  ergehen  lassen  musste,  fehlt  es 
nicht.     Weiter  unten  kommen  wir  auf  diese  Frage  zurück. 

Betrachten  wir  zuerst  das  Motiv,  als  das  ältere  und  wesent- 
lichere Moment. 

Die  Absicht  des  Künstlers  ging  dahin,  einen  Jüngling  dar- 
zustellen  in   dem   Augenblicke,    wo    er  Holz    nachlegt   und    die 


94  Zielinski 

schwache  Flamme  durch  Blasen  anfacht.  Dies  Motiv  gehört  nicht 
zu  denen,  welche  darch  den  Anlaes  der  Besteilnng  selber  —  man 
mag  sich  diesen  denken,  wie  man  will  —  gegeben  sind;  viel- 
mehr offenbart  sich  bereite  in  der  Wahl  desselben  der  Charakter 
nnd  die  Lieblingsneignng  des  Künstlers.  Das  geschieht  jedoch 
noch  mehr  in  der  Art  nnd  Weise,  wie  der  letstere  seinen  Ge- 
danken zur  Ausführung  brachte.  Das  angegebene  Motiv  bedingt 
eine  allerdings  auf  die  Dauer  unangenehme,  jedoch  nicht  noth- 
wendigerweise  eine  verschränkte  nnd  selbst  fUr  den  Augenblick 
anstrengende  Stellung,  wie  unser  Feueranbiäser  sie  hat  Die 
natürlichste  und  bequemste  Lage  bei  dieser  Beschäftigung  ist, 
dass  man  sich  auf  beide  Kniee  niederlässt,  denn  schon  das  Auf- 
stützen des  Fusses  bedingt  ein  lästiges  Zusammendrücken  der 
Weichtheile  — ,  den  Körper  vorbeugt  und  sich  auf  den  Ellbogen 
des  unbeschäftigten  Armes  aufstützt.  Auch  unserem  Künstler 
stund  es  frei,  seiner  Aufgabe  auf  eine  ähnliche  Weise  gerecht  zu 
werden ;  dass  er  es  nicht  that,  dass  er  es  vorzog,  ohne  die  Gren- 
zen des  Möglichen  zu  überschreiten,  in  seinem  Feueranbiäser  die 
grösste  Verschränkung,  deren  ein  normal  ausgebildeter  Körper 
überhaupt  fähig  ist,  zur  Krscheinung  zu  bringen,  ist  ein  spre- 
chendes Zeugniss  für  die  Kunstrichtung,  der  er  huldigte. 

In  welche  Zeit  gehört  nun  diese  Richtung?  Die  Verschrän- 
kung  unserer  Figur  wird  gewiss  manchen  an  die  Perganiener, 
namentlich  an  das  ΛVeihgeschenk  des  Königs  Attulus  erinnern; 
und  in  der  That  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  das  Motiv  des 
sich  wehrenden  Galliers  in  der  Galleria  dei  Candelabri  mit  dem 
unseres  Feueranbiäsers  eine  gewisse  Aehnlichkeit  hat.  Trotzdem 
ist  es  nicht  die  Zeit  der  pergamcnischen  Schule,  welche  diesen 
letzteren  geschaffen  hat. 

Diese  Zeit  hatte  es  längst  verlernt,  Gestalten  zu  schaffen 
um  des  rein  plastischen  Wohlgefallens  an  ihrer  Erscheinung 
wegen.  Wie  jede  hochcultivirte,  zur  Reflexion  geneigte  Epoche, 
verlangte  auch  sie,  dass  die  Kunstwerke  nicht  allein  zum  Auge, 
sondern  auch  zum  Geiste  oder  zur  Phantasie  sprächen  und  Em- 
pfindungen erweckten,  welche  der  ursprünglichen  engeren  Sphäre 
des  plastischen  Kunstvermögens  fremd  waren.  Ihr  ist  die  Dar- 
stellung nicht  mehr  Ein  und  Alles;  diese  wird  zur  durchsich- 
tigen Hülle,  hinter  der  sich  das  eigentlich  wirkende  —  das  Dar- 
gestellte —  birgt.  Das  Mitleid,  das  sie  beim  Anblicke  des 
sterbenden  Galliers  empfand,  galt  dem  barbarischen  Jüngling, 
der  im   Kampfe   für  seine  Heimath    sein    Leben    gelassen    hatte; 


l)er  Feueranbiäser  und  der  Doruauszieher.  96 

die  Aphrodite  von  Melos  Hess  sie  an  die  üppige,  einnenreizende 
Schönheit  dee  Weibes  denken,  da»  dem  Eiinetler  zum  Vorwarf 
gedient  hatte;  der  Knabe  mit  der  Gans  wirkte  durch  den  frischen 
Humor,  der  in  der  Situation  selber  enthalten  war.  Wir  sehen 
die  Poesie  in  die  bildende  Kunst  hereinragen;  jedes  Kunstwerk 
jener  Zeit  ist,  sozusagen,  ein  erstarrtes  Gedicht.  Namentlich  gilt 
das  von  der  Genrebildnerei;  zum  Knaben  mit  der  Gans  wtisste 
ich  keine  bessere  Parallele,  als  das  Gdsseltreiben  in  Reuter's 
*  Hanne  Nute';  die  Empfindungen,  welche  die  Gruppe  und  das 
Idyll  erwecken,  sind  durchaus  ähnlicher  Art,  und  das  hat  seinen 
Grund  darin,  dass  in  beiden  Fällen  das  Interesse  nicht  der  Dar- 
stellung, die  verschieden,  sondern  dem  Dargestellten  gilt,  das  in 
beiden  Fällen  dasselbe  ist. 

Wir  mögen  uns  in  der  stattlichen  Reihe  von  Kunstwerken, 
die  wir  aus  jener  Zeit  besitzen,  noch  solange  umsehen  —  wir 
finden  keines,  dem  wir  unseren  Feueranbiäser  an  die  Seite  stellen 
könnten.  Vergleichen  wir  diesen  mit  den  Werken  der  Diadochen- 
zeit,  so  erscheint  er  uns  auf  den  ersten  Bück  höchst  anspruchs- 
los; im  Grunde  ist  aber  diese  höchste  Anspruchslosigkeit  des 
Kunstwerkes  recht  eigentlich  die  höchste  Selbstbewusstheit  des 
Künstlers;  er  verschmäht  die  fremde  Beihilfe  des  wirksamen 
Stoffes,  weil  er  weiss,  dass  er  im  Stande  ist,  einzig  und  allein 
durch  die  Mittel  seiner  Kunst  auf  seine  Zeit  zu  wirken. 

Diese  war  aber,  wie  gesagt,  zur  Diadochenperiode  länget 
vorbei.  Die  Zeit,  die  wir  meinen,  war  —  das  Wort  wohlver- 
standen —  die  Blüthezeit  des  reinen  plastischen  Virtnosenthums, 
ohne  Nebenabsichten  und  Hintergedanken;  es  war  dieselbe  Zeit, 
ans  der  der  Discobol  des  Myron  stammt. 

Auch  Myron  stand  es  frei,  seinem  Disouswerfer  eine  zwang- 
losere Haltung  zu  geben;  sein  Auftrag  konnte  ihn  ja  nicht  zwin- 
gen, gerade  diesen  Moment  zu  wählen,  und  wie  die  Aufgabe 
einfacher  gelöst  werden  konnte,  zeigt  der  andere  Discobol,  der 
in  der  Sala  della  Biga  des  Vaticans  in  der  Nachbarschaft  des 
myronischen  steht.  Myron  entschied  sich  für  die  verschränk  teste 
Stellung,  die  innerhalb  des  Natürlichen  zu  erreichen  war.  In  der 
Stellung  der  Beine,  in  der  Verdrehung  des  Körpers,  in  der  Pon- 
deration  zeigt  sich  eine  unverkennbare  Verwandtschaft  zwischen 
dem  Discobolen  und  dem  Feueranbiäser;  es  ist  die  grösste  Aehn- 
lichkeit,  die  bei  der  Verschiedenheit  des  Motivs  in  der  Erschei- 
nung zu  erreichen  war. 

Aber  noch  mehr.     Ich  bitte  den  Leser,  einstweilen  von  der 


96  Zielinski 

in  80  vieler  Hinsicht  mangelhaften  etatnariecben  Nachbildung  dei 
Feueranbläsere  abzusehen  and  eich  das  Original  za  reconetrairea 
Der  Copist  der  Dreifigarengruppe  durfte  die  dem  Beschauer  ab 
gewandten  Theile  vernachlässigen  in  der  Zuversicht,  daes  seine 
Gruppe  nur  von  einem  Augenpunkte  betrachtet  werden  würde 
Vom  Original  dürfen  wir  voraussetzen,  dass  es  bestimmt  war 
von  allen  Seiten  gesehen  zu  werden,  wenn  auch  oine  Ansicht  die 
vorztigHchste  blieb.  Alsdann  mussten  auch  die  vorderen  Theih 
des  Körpers  sorgfältig  ausgearbeitet  werden,  und  das  war  mit 
Bedingungen  eigener  Art  verknüpft. 

Jedermann  weiss,  dass  das  Anfachen  eines  Feuere  mit  den 
Athem  zum  Zwecke  des  Nachlegens  ein  ziemlich  anstrengendei 
Geschäft  ist.  Legt  man  ein  frisches  Scheit  in  ein  sohwachef 
Feuer,  so  läuft  man  Gefahr,  durch  die  plötzliche  Entziehung  einet 
beträchtlichen  Wärmequantums  die  Glut  vollends  zu  verlöschen, 
Man  muss  daher  auf  den  einen  Augenblick  die  grösstmöglichc 
Hitze  concentriren,  indem  man  die  Verbrennung  beschleunigt;  und 
das  geschieht  durch  rasche  und  ununterbrochene  Luftzuführung. 
Zwei  Bedingungen,  welche  für  die  menschliche  Brust  in  hohem 
Grade  anstrengend  sind.  Man  muse  die  Lungen  rasch  bis  zum 
letzten  Hauch  ausleeren,  dann  hastig  wieder  aufathmen,  dann 
wieder  blasen,  und  das  wer  weiss  wie  oft  wiederholen;  dazu 
kommt  die  lästige  kauernde  Stellung,  die  gesenkte  Lage  des 
Kopfes,  die  blendende  und  brennende  Nähe  des  Feuers,  das  Ein- 
athmen  des  schädlichen  Kohlendunstes  —  nach  und  nach  wird 
das  Gesicht  roth,  die  Adern  an  Stirn  und  Schläfen  blähen  sich 
auf,  die  Brust  will  sich  nicht  mehr  heben  und  erscheint  fast  ein- 
gezogen, kurz,  es  entsteht  ein  Zustand  ähnlich  dem,  wie  wenn 
jemand  sich  lange  Zeit  in  heftigem,  überstürztem,  athemlosem 
Laufen  befindet. 

Nun  war  es  gerade  ein  Werk  der  letzteren  Art,  wodurch 
sich  Myron  am  meiftten  hervorgethan  hat.  Was  die  Nachwelt 
an  seinem  Ladas  bewunderte,  weiss  jedermann  zu  gut,  alH  dass 
darauf  näher  eingegangen  werden  müsste. 

Endlich  kommt  uns  die  schriftliche  Ueberlieferung  zu  Hülfe. 
Der  Sohn  des  Myron,  Lykios,  sowie  der  Kyprier  Styppax,  den 
man  eben  deshalb  den  Schüler  des  Myron  nennt,  haben  beide 
einen  feueranblasenden  Knaben  gebildet,  und  es  kann  nur  noch 
die  Frage  sein,  welchem  von  beiden  wir  die  Erfindung  des  un- 
serigen  zuzuschreiben  haben. 

Die  Notiz  über  Lykios  stammt  aus  Plinius  (Overbeck  8.  Q. 


Der  Feneranbläser  und  der  Domanszieher.  97 

864)  ^Lyciue  Myronis  diecipalue  fuit,  qui  fecit  dignum  praecep- 
tore  paemm  sufflantem  languidoe  ignee'.  AaBserdem  lieieet  es 
von  Lykioe  bei  Pausanias  (S.  Q.  863),  er  habe  einen  Knaben 
mit  einem  Weihwasserbecken  (περφβαντήριον)  gemacht,  und  Pli- 
nius  erwähnt  noch  einen  pner  suffitor  von  ihm.  Dieser  letztere 
kann  nan  nach  Brunn  (Eünstlergesch.  I  S.  259)  mit  beiden  iden- 
tifidrt  werden ;  doch  ist  er  wohl  am  ehesten  der  παις  δς  τό 
π€ρφ^ντηριον  ίχει  des  Pausanias,  da  es  doch  wahrscheinlicher 
ist,  dass  Plinius  beide  Werke  des  Lykios  erwähnt  habe,  als  eins 
und  dasselbe  unter  zwei  verschiedenen  Namen.  Warum  man  den 
puer  sufflans  durchaus  mit  einem  Weihrauchbecken  zu  ergänzen 
habe,  wie  das  Overbeck  (G.  d.  gr.  PI.  I  373),  Furtwängler  (der 
Domanszieher  etc.  S.  32)  und  Oertel  (Leipz.  Studien  I  23)  thun, 
sehe  ich  nicht  ein;  Plinius  sagt  uns  nur,  dass  er  Feuer  anblies. 
Eine  bestimmtere  Vorstellung  können  wir  uns  vom  feuer- 
aoblaeenden  Knaben  des  Styppax  machen  (S.  Q.  868,  869).  Hier 
var  das  Anblasen  des  Feuers  mit  dem  Rösten  der  Eingeweide 
verbunden,  und  letzteres  war  ein  heiliger  Gebrauch,  von  dem  wir 
dnrcb  Yasenbilder  Kenntniss  haben  (vgl.  z.  B.  Wieseler  II  337; 
Crerbard  III  155).  Der  Opfernde  steht  am  Altare  und  hält  die 
betreffenden  Sttlcke  über  dem  brennenden  Feuer;  denken  wir  uns 
i^un,  dass  er  sich  vorbeugt  und  in  die  Flamme  bläst,  so  haben 
^  ungefähr  den  Splanchnoptes  des  Styppax  reconstrnirt.  Der• 
^Ibe  war  bekanntlich  ein  Weihgeschenk  an  die  Athena  Hygieia 
^d,  wie  es  heisst,  an  ihrem  Altare  aufgestellt.  Michaelis  hat 
nun  (Mitth.  d.  arch.  Inst.  1876,  S.  284  ff.)  in  einer  vor  dem 
Poetaraente  der  Athena  Hygieia  befindlichen  Basis  eben  die  Basis 
^^  Splanchnoptes  sehen  wollen,  den  er  nach  der  Anordnung  der 
lieber  in  derselben  sich  knieend  denkt;  doch  beruht  seine  Wahr- 
nebmung,  wie  Bohu  (Mitth.  1880,  S.  331  f.)  dargethan  hat,  auf 
einem  Irrthum,  indem  die  fragliche  Basis  vielmehr  dazu  gedient 
bat,  ein  grösseres  rechteckiges  Geräth  zu  tragen.  Ist  im  letz- 
teren eben  ein  Altar  zu  suchen,  wogegen  nichts  spricht,  so  würde 
<ift8  meine  Yermuthung  bestätigen,  indem  sich  dann  die  zugehörige 
Fi§nur  nicht  anders  als  stehend  ergänzen  liesse.  Es  würde  dies 
sof  den  Vorschlag  von  Bergk  ^  hinauslaufen,  mit  der  Modification 
jedoch,  dass  ich  mir  erstens  Feuer  und  Eingeweide  plastisch  aus- 
geführt denke,  und  dass  zweitens  dieser  Altar  in  keiner  Bezie- 
bung  zu  reellen  Opferhandlungen  stehen  würde.     In  diesen  zwei 


1  Ztschr.  f.  Alterthumsw.  1815,  S.  9G9. 

BliciD.  Ifiu.  f.  Phnol.  M.  F.  XXXIX. 


9β  Zielin«ki 

Punkten  weicht  Bergk's  Aneicht  τοη   der  meinigen  ab,    und  di^^ 
Polemik  von  Roes^  nnd  Brann-  gegen  ihn  i»t  völlig  berechtigt;- 

In  jedem  Falle  hat  man  sieb  also  den  Splanchnoptea  de^^ 
Styppax  stehend  za  denken,  anf  ihn  ist  also  das  Schema  nnsere^v 
Feaeranbläsers  nicht  zarückznfTihren ;  nnd  daraus  geht  heryor,  das^K 
d<^r  Schöpfer  des  letzteren  Lykios,  der  Sohn  des  Mjron  itL•^ 

Der  Gedanke  ist  nicht  nen.     £r  mag   wohl   manchem   ein — 
gefallen  sein,  der  eine  der  vielen  Repliken  dieser  Fignr  betrachten 
hat;    ausgesprochen   hat    ihn    meines  Wissens    nur  Winckelmanm. 
(Storia  ed.  Fea  II  213)    nnd,    oifenbar    unabhängig   von    diesem^ 
Petersen  in  den  Annali    (1803,  387  ff.),    ersterer   mit  Bezug  au^ 
die  famesische  Gruppe,  letzterer  mit  Bezug  anf  den  feneranbla sen- 
den Satvr  des  Laterans,  beide  ohne  ihren  Gedanken  näher  zn  be* 
gründen: 

Halten  wir  nun  an  der  Autorschaft  des  Lykios  fest,  so  er- 
geben sich  daraus  Conseqnenzen  eigenthürolicher  Art. 

Ich  habe  bis  jetzt  nur  vom  Motive  gesprochen  und  den  Typus 
unberücksichtigt  gelassen.  Wenden  wir  uns  jetzt  zu  diesem,  89 
wird  es  sofort  klar,  dass  er  einer  viel  jüngeren  Zeit  seine  Ent- 
stehung verdankt.  Das  breite,  runde  Gesicht,  die  kleinen  gemeinen 
Augen,  die  platte  Nase,  das  kurze,  struppige,  fast  satireske  Haar 
—  kurz,  der  ganze  Kopf  hat,  trotz  seiner  Vernachlässigung,  eine 
unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  einem  wohlbekannten  Kunstwerk, 
dem  Dornaußzieher  Castellani. 

Bezüglich  des  letzteren  bat,  abgesehen  von  E.  Curtius  (Arch. 
Ztg.  1878,  S.  22),  niemand  gezweifelt,  dass  er  dem  hellenistischen 
Genre  angehöre;  eben  in  die  Zeit  wird  daher  auch  der  famesische 
Feueranbläser  anzusetzen  sein.  Wir  haben  somit  die  merkwür- 
dige Thatsache  conatatirt,  dass  die  hellenistische  Kunst  der  na- 
turalistischen Schule  des  fünften  Jahrhunderts  ein  Motiv  entlehnt 
und  sich  begnügt  hat,  den  Typus  zeitgemäss  umzubilden. 

Zum  Schluss  bebe  ich  noch  einen  Gesichtspunkt  hervor. 
Die  Werke  des  Myron  waren  alle  oder  fast  alle  aus  Erz;  hin- 
sichtlich des  Lykios  wiesen  wir  das  sicher  von  dem  Knaben  mit 
dem  π€ρΐ(5^αντήριον,  dem  einzigen,  von  dessen  Material  wir  Kennt- 
niss  haben;  endlich  war  der  Splanchnoptes  des  Styppax  gleich- 
falls  von  Erz.  Es  unterliegt  demnach  keinem  Zweifel,  dass  auch 
der  Feueranbläser  des  Lykios   ein  Bronze  werk  war.     Betrachten 

^  Arch.  Aufs.  11  312. 
2  K(J.  I  260. 


Der  Feaeranblaser  und  der  Dornauezieher. 


99 


yxvr    nun   den   farnesiechen   Feueranbläeer,    so   erscheint    uns    der 
ganze  Körper  mit  seiner  verschränkten,  excentrischen  Bewegung 
unstreitig  für  Bronze  componirt;  dies  beweist  schon  der  pnntello 
unter  dem  linken  Knie  der  Figur,  der  sehr  störend  ist  und  gerade 
den  Begriff  des  Balancirens  aufhebt.     Ebenso  sicher  ist  aber  der 
Kopf  für  Marmor  gedacht;    die  Uebereinstimmung  zwischen  Ma- 
terial und  Technik  kann  nicht  grösser  sein,  es  ist  kein  Indicium 
vorhanden,    das  uns  auf  ein  Bronzeoriginal  schliessen    Hesse.   — 
Dieses    eigenthümliche  Verhältniss    zwischen    Körper    und   Kopf 
passt  trefflich  zu  unserem  obigen  Resultate. 

Der  feueranblasende  Knabe  hatte  auch  in  der  Malerei  der 
hellenistischen  Epoche  eine  neue  Beliebtheit  erlangt ;  Antiphilus 
(0?erbeck  8.  Q.  1942)  und  Philiscus  (S.  Q.  21M)  hatten  sich 
beide  dieses  Motive  bedient.  Doch  verfolgten  sie  beide  damit 
andere  Zwecke;  der  Widerschein  der  angefachten  Kohlenglut 
QQsste  sehr  hübsche  Lichteffecte  hervorbringen.  Dass  die  Kna- 
ben dieser  beiden  Maler  mit  unserem  Feueranbiäser  nichts  gemein 
hatten,  scheint  ziemlich  sicher.  Beim  Knaben  des  Antiphilus  war 
nach  Plinius  das  Gesicht  sichtbar,  während  der  unsere  es  ab- 
wendet. Philiscus'  Bild  stellte  ein  Maleratelier  dar;  das  Feuer- 
ftnblasen  wird  also  mit  der  Encausis  in  Zusammenhang  gebracht 
werden  müssen  (cf.  Donner  bei  Heibig,  Camp.  Wandgem.  p.  XXI), 
einem  Verfahren  bei  dem  ein  eisernes  Kohlenbecken,  das  soge- 
nannte Kanteron,  zum  Einbrennen  der  bereits  aufgetragenen  Wachs- 
farben der  Tafel  angenähert  wurde.  Wir  werden  uns  demnach 
diesen  Knaben  mit  dem  Kohlenbecken  in  der  Hand  stehend  oder 
wtzend  zu  denken  haben  —  ein  von  dem  unserigen  ganz  ver- 
whiedenes  Motiv. 

Wir  sind  mit  der  Entwickelungsgeschichte  des  Feueranbläser- 
fflotivg  zu  Ende;  der  Uebersicht  halber  seien  die  wesentlichen 
Stationen  in  folgender  Tabelle  zusammengestellt: 

Feueranbiäser 
des  Lykios  Ausweider 

I  I 

Feueranbiäser  in  realistischer     Ausweidergruppe 
Umbildung 


Feueranbla- 
sender  Satyr 


Feueranbla- 
sender Erot 


Schweinsopfergruppe 
dreier  Jünglinge 

I 

Schweinsopfergruppe 
dreier  Satvrn 


Ausweidende 


100  Zielinski 


Π. 


Bereite  im  Laufe  der  üntereuchuDg  habe  ich  Gelegenheit 
gehabt  auf  den  Domanezieher  hinzuweisen,  indem  ich  die  Aehn- 
lichkeit  in  den  Geeichtezügen  betonte,  die  mir  bei  dem  Domaos- 
zieher  Caetellani  und  dem  Feueranbläeer  Famese  aufgefallen  war. 
Doch  beschränkt  sich  die  Verwandtschaft  der  beiden  Kunstwerke 
nicht  auf  diese  allein ;  weit  grösser  und  bedeutsamer  ist  die  Aehn- 
lichkeit  der  Motive. 

Dass  das  Geeicht  im  Verhältniss  zu  den  Körperformen  in 
der  antiken  Kunst  nicht  die  bevorzugte  Stellung  inne  hatte,  die 
ihm  in  der  modernen  eingeräumt  wird,  ist  bekannt,  dasa  aber  der 
Hauptnachdruck  so  sehr  auf  die  Körperformen  gelegt  wird,  dass 
die  Gesichtszüge  dem  Blicke  des  Beschauers  in  der  Hauptansicht 
wenigstens,  entzogen  werden,  das  ist  selbst  in  der  antiken  Kunst 
ein  seltener  Fall.  Diese  Eigenschaft  hat  aber  der  Feueranbläeer 
.  mit  dem  Dornauszieher  gemein;  andere  Beispiele  wüsete  ich  nicht 
anzuführen. 

Als  ein  Hauptcharacterieticum  für  die  Kunstrichtung  des 
Schöpfers  habe  ich  femer  beim  Feueranbläeer  die athem beklemmende 
Stellung  angeführt.  Auch  dieee  hat  mit  ihm  der  Domanezieher 
gemeinsam,  und  zwar  eind  ee  in  beiden  Fällen  dieeelben  Mittel, 
wodurch  sie  herbeigeführt  ist:  der  Druck  des  vorgebeugten  Ober- 
körpers gegen  den  einen  Oberechenkel,  veretärkt  durch  den  noch 
engeren  Anechluss  des  anderen  —  dort  aufgeetützten  hier  aufge- 
nommenen —  Beines.  Daraue  ergab  eich  dann  die  weitere  Aehn- 
lichkeit  in  der  echöngeechwungenen  Rückenlinie. 

Auch  in  der  von  Furtwängler  hervorgehobenen  uneymmetri- 
schen  üeberlastung  der  einen  Seite  stimmt  der  Dornauezieher  mit 
dem  Feueranbläeer  überein;  endlich  auch  in  der  ^ Concentration 
dee  Körpere  auf  eine  Handlung\ 

Zwei  Bildwerke  von  so  grosser  innerer  wie  äueeerer  Ueber- 
einstiramung  mussten  dem  natürlichen  Laufe  der  Dinge  gemäse 
eine  ähnliche  Entwickelungsgeechichte  haben;  wenigetens  war  ftJr 
die  späteren  Künstler  die  Veranlassung,  das  gegebene  Motiv  zeit- 
gemäss  umzugestalten,  bei  dem  einen  so  gross,  wie  bei  dem  anderen. 

Indem  ich  mich  nun  anschicke,  die  Wandlungen  des  Dorn- 
ausziehers  zu  verfolgen,  bin  ich  mir  der  Streitfrage  wohl  bewusst, 
die  ich  damit  berühre.  Ich  will  mich  aber  auf  dieselbe  vorläufig 
nicht  einlassen  und  nur  Unbestrittenes,  oder  vielmehr  noch  nicht 
Bestrittenes  behandeln. 


Der  Feueranbiäser  und  der  Dornauszieher.  101 

Dazn  gehört  vor  allem  die  bereits  hervorgehobene  Aehn- 
lichkeit  des  uns  erhaltenen  realietiech  umgebildeten  Feueranblüsers 
mit  dem  Dornauszieher  Castellani,  welche  das  Ansetzen  beider  in 
dieselbe  Zeit  ermöglicht. 

In  der  Entwickelungsgeschichte  des  Feueranbiäsers  sahen 
wir  dicht  hinter  der  hellenistischen  Umwandlung  einen  Scheide- 
weg; einerseits  entwickelte  sich  das  Motiv  selbständig  weiter  und 
wurde  in  den  bacchischen  und  erotischen  Kreis  hineingezogen; 
andererseits  wurde  es  zum  Bestandtheil  einer  Gruppe  gemacht 
and  durchlebte  ihre  Wandelungen  mit. 

Genau  denselben  Scheideweg  können  wir  auch  noch  dem 
Dornauszieher  Castellani  nachweisen. 

Einerseits  kommt  der  dornausziehende  Satyr  auf  einem  Car- 
neol  des  Berliner  Museums  vor  (Tassie-Raspe  No.  4786;  Winckel• 
mann  Catal.  Stosch  No.  1528;  Tölken  No.  1656;  Impronte  Cades 
Bd.  X  196);  der  dornausziehende  Erot  als  kleines  Bronzefigiirchen 
im  neapolitanischen  Nationalmuseum  ^,  wie  auch  auf  einem  pom- 
peianischen  Wandgemälde. 

Andererseits  sehen  wir  unseren  Dornauszieher  auch  zum  Be- 
standtheil einer  Gruppe  werden,  wobei  zwei  Stadien  zu  unter- 
scheiden sind. 

Ehe  wir  jedoch  darauf  eingehen,  ist  eine  Vorfrage  zu  erledigen. 

Der  Feueranbiäser  konnte  unverändert  in  eine  Gruppe  her- 
eingezogen werden;  denn  wenn  auch  seine  Handlung  keine  fremde 
Beihfilfe  zuliess,  so  liess  sich  doch  auf  die  Weise,  die  wir  ge- 
sehen haben,  wenigstens  ein  äusserer  Zusammenhang  herstellen. 
Beim  Dornauszieher  ging  das  nicht  an.  Zwar  sehen  wir  ihn 
in  Gesellschaft  anderer  Figuren,  auf  einem  Belief  aus  Ince  Blundell 
Hall  (publ.  von  Michaelis  in  den  Arch.  Zeitg.  1877  Taf.  12,  2); 
allein  während  die  anderen  durch  ihre  Geberden  ihren  Antheil 
an  der  Musik,  die  ihnen  zu  Ohren  dringt  verrathen,  sitzt  der 
Dornauszieher  theilnahmlos  nur  mit  sich  selbst  beschäftigt  da,  ein 
fremdes  Element.  Dieses  Beispiel  zeigt  uns  besser  als  jede  Er- 
örterung, warum  der  Dornauszieher  nicht  unverändert  in  eine 
Gmppe  aufgenommen  werden  durfte.  Wurde  er  aber  verändert, 
80  konnte  das  nur  in  der  Weise  geschehen,  dass  eben  die  andere 
Pereon  der  Gmppe  die  Arbeit  des  Dornausziehens  übernahm. 
Diese  Aenderung  des  Gedankens  musste  folgende  Aenderung  der 
Bewegung  zur  Folge  haben.  Die  nunmehr  überflüssige  Spannung 


Figurchenschrank  5365. 


102  Zieliii8ki 

des  Körpem  wurde  aufgelöst;  die  Figur  durfte  eich  Rogar  etwas 
zurücklehnen  und  mit  den  unheechäftigten  Händen  anfangen,  was 
ihr  belichte.  Der  ganze  Unterkörper  muset-e  jedoch  derselbe 
bleiben. 

Nun  exietirt  im  Museum  von  Neapel  (grosser  Saal  der 
Reliefs  No.  6716;  besprochen  von  Gerhard-Panofka,  Neapels  ant. 
Bildw.  S.  131)  das  Fragment  eines  Hochreliefs^  von  feiner  Arbeit, 
das  dem  berühmten  Kelief  'Alcibiades  unter  Hetaeren'  durchaus 
stilverwandt  ist.  Dasselbe  stellt  eine  Grenrescene  in  ländlicher 
Umgebung  dar.  Kechts  grasen  Ziegen;  links  kniet,  nach  links 
gewandt,  ein  altes  Weib  in  einem  gegürteten  langSrmeligen  Chiton, 
mit  einem  Ueberwurf  um  die  Schultern  und  einem  Himation  um 
die  Beine ;  auf  dem  Kopfe  hat  sie  eine  Haube,  wie  so  h&ufig  die 
alten  Frauen  der  antiken  Kunst.  Sie  ist  in's  linke  Knie  gesunken 
und  stützt  den  rechten  Fuss  auf;  der  Kopf  ist  aufmerksam  vor* 
gebeugt,  *die  Finger  ihrer  ausgestreckten  rechten  Hand  sind  mit 
dem  Daumen  zusammengedrückt  und  gegen  ein  verstümmeltes 
breites  (Tcräth  erhoben,  das  die  Linke  hält,  vielleicht  einen  Thier- 
kopf  oder  eine  mystische  Schwinge'  (Gerhard).  Es  ist  aber  kein 
Thierkopf  und  noch  viel  weniger  eine  mystische  Schwinge,  sondern 
ganz  sicher  ein  menschlicher  Fuss.  An  dieser  Stelle  bricht  das 
Relief  freilich  ab;  wie  es  zu  ergänzen  sei,  geht  aus  einem  Hen- 
kelrelief hervor,  welches  im  selben  Museum  (erster  Saal  der 
Bronzegeräthe)  erhalten  ist.  Die  Ziegen  sind  natürlich  weggelassen; 
die  Figur  zur  rechten  entspricht  dem  alten  Weibe  des  eben  be- 
Nprocheiien  Maruiorreliefs;  der  Knabe  zur  linken  zeigt  uns  den 
Dornauszieher  genau  in  der  Stellung,  die  er,  einmal  zum  Bestand- 
theil  einer  Gruppe  gemacht,  nach  meiner  Auseinandersetzung  von 
vorhin  erhalten  niusste.  Der  Unterkörper  ist  unverändert;  der 
Oberkörper  zurückgebeugt,  die  r.  Hand  hinten  aufgestützt.  Dass 
die  Knabeufigur  auf  den  Dornauszieher  Castellani  und  nicht  auf 
den  capitolinischen  zurückgeht,  ist  zwar  aus  dem  Henkelrelief  nicht 
ersichtlich,  doch  geht  es  aus  der  realistischen  Behandlung  des 
alten  Weibes  auf  dem  Marmorrelief  hervor. 

Dass  dieser  Reliefgruppe  eine  statuarische  entsprach  ist  zwar 
an  sich  durch  nichts  erwiesen,  ist  aber  nach  den  Analogien,  die 
ich  sogleich  anführen   werde,   nicht  unwahrscheinlich. 

Die  nächste  Wandlung  der  Gruppe  nnisste  ihre  Hereinziehung 
in  den  bacchischen  Kreis  sein;   auch  von  dieser  Station  sind  uns 

*  Publ.  auf  meiner  Tafel  11  2. 


Der  Feneranbläser  und  der  Dornauszieher.  103 

Beispiele  erhalten.  Ich  meine  jene  Marmorgmppe^  die  sich  ehe- 
male  in  der  Villa  Borgheee  befand  und  gegenwärtig  im  Louvre 
aufgestellt  ist  (publ.  E.  Q,.  Visconti,  Villa  Pinciana  II  st.  IV  12; 
Hirt,  Bilderbuch  für  Mythologie  etc.  II  T.  XX  9;  Bouillon  III 
T.XIII;  Clarac297,  1741;  Müller-Wieseler,  Denkm.  II 43,  535; 
Panofka,  Bilder  antiken  Lebens  T.  VII  6.  Erw.  Clarac  Catal. 
No.  290;  Fröhner  Sculpt.  ant.  I  No.  261).  Hier  sehen  wir  unseren 
Domauszieher  en  face,  den  Körper  zurückgelehnt,  die  Hände  hinter 
sich  auf  den  Felsen  aufstützend,  den  Kopf  mit  übertriebenem  Aus- 
druck körperlichen  Leidens  zurückgeworfen  —  es  ist  ein  jugend- 
licher Satyr;  links  zu  seinen  Füssen  sitzt  mit  übereinanderge- 
echlagenen  Beinen  ein  Pan,  der  ihm  den  Dorn  aus  dem  Fusse 
zieht.  Die  Arbeit  scheint  nicht  hervorragend  zu  sein;  doch 
gebührt  der  Erfindung  hohes  Lob.  Dass  der  Satyr  bei  der  leichten 
Operation  so  ungeberdig  thut,  ist  seinem  Wesen  durchaus  ent- 
sprechend und  vervollständigt  nach  dieser  Seite  hin  die  Characteristik 
jenes  nichtsnutzigen,  je  nach  den  Umständen  frechen  oder  feigen 
Geschlechtes;  wahrhaft  rührend  ist  aber  der  Ausdnick  väterlicher 
Fürsorge  im  gutmüthigen  Bocksgesichte  des  improvisirten  Arztes. 
Dieser  kehrt  in  den  weiteren  Variationen,  von  denen  die  Rede 
sein  wird,  nicht  wieder.  Ferner  gehört  der  Satyr  der  Petersburger 
Ermitage^  hierher;  der  zugehörige  Pan  ist  leider  nicht  erhalten. 
Seine  Stellung  ist  mit  der  des  Pariser  Satyrs  fast  identisch,  nur 
dass  der  Kopf  weniger  zurückgeworfen  ist. 

Dieses  sind  die  Beispiele,  die  uns  ans  dem  älteren  Stadium 
der  Domausziehergruppe  erhalten  sind ;  das  zweite  jüngere  verhält 
i«ich,  was  die  Bewegung  anbelangt,  zum  ersten  etwa  so,  wie  die 
Schweinsopfergruppe  auf  dem  Puteal  der  Königin  Christine  zur 
farnesischen  Gruppe.  Während  dort  der  Unterkörper  des  castel- 
lanischen  Domausziehers  beibehalten  und  nur  der  Oberkörper  ver- 
ändert wurde,  wird  hier  auch  die  Bewegung  des  Unterkörpers 
aufgelöst,  der  kranke  Fuss  ist  nicht  mehr  auf  das  andere  Knie 
gelegt,  sondern  ist  vorgestreckt  und  ruht  ganz  in  der  Hand  des 
Arztes.  Dass  dieses  Motiv  das  jüngere  sein  muss,  geht  übrigens 
auch  daraus  hervor,  dass  das  vorhin  behandelte  das  in  diesem 
Falle  natürlichere  ist.  In  der  That  wird  jeder  bei  ähnlichen  An- 
lässen den  Fuss  über'sKnie  legen;  dadurch  bekommt  dieser  festen 
Halt,  eine  genügend  hohe  Lage,  und  der  Arzt  kann  die  Sohle 
weit    besser   überschauen.     Wenn    aber   trotzdem    der   Bildhauer 


1  Catal.  No.  15;  publ.  Clarac  IV  Taf.  716. 


104  Zielinski 

das  unbeqaemere  Motiv  vorzog,  eo  konnte  es  nor  geschehen,  weil 
das  andere  bereits  occupirt  war  nnd  er  gern  seine  Selbständig- 
keit wahren  wollte. 

Hierher  sind  mehrere  Darstellungen  zu  beziehen,  von  denen 
die  meisten  dem  bacchischen,  eine  dem  erotischen,  keine  dem 
menschlichen  Kreise  angehört.  Ich  beginne  mit  den  statuarischen 
Gruppen. 

Da  ist  vor  allem  die  Domausziehergmppe  ^  zu  nennen,  die 
in  der  Galleria  dei  Candelabri  des  Vaticans  aufgestellt  ist  (No.  74). 
Der  Satyr  sitzt  zurückgelehnt  auf  einem  Stein  und  stützt  sich 
auf  den  linken  Arm,  dessen  Hand  auf  einem  Schlauche  ruht;  der 
linke  Fuss  berührt  den  Boden,  den  kranken  rechten  hebt  er  hoch 
empor  und  hfilt  das  Bein  mit  der  rechten  Hand.  Der  Pan  kniet 
ihm  gegenüber  auf  dem  rechten  Knie,  das  er  gegen  den  linken 
Fuss  des  Satyrs  stemmt,  das  linke  Bein  ist  ausgestreckt.  —  Der 
seelische  Vorgang  ist  in  dieser  Gruppe  ein  wesentlich  anderer, 
als  in  der  vorbesprochenen;  der  Arzt  scheint  es  darauf  abgesehen 
zu  haben,  den  Patienten  recht  zu  quälen;  diese  Absicht  offenbart 
sich  nicht  minder  im  verdächtigen  Ausdrucke  seines  Gesichtes, 
als  darin,  dass  er  ihm  den  gesunden  Fuss  mit  dem  Knie  drückt. 
CoDze  vergleicht  ihn  sehr  passend  mit  der  volksthümlichen  Gestalt 
des  modernen  Zahnbrechers. 

Zweitens  eine  >'erwandte  Gruppe '^  die  sich  in  der  domue 
Lucretia  zu  Pompei  befindet.  Nur  haben  hier  die  beiden  be- 
theiligten ihre  Hollen  getauecht;  der  Satyr  ist  es,  der  diesmal 
dem  Pan  den  Liebesdienst  erweist.  Links  sitzt  der  Pan,  der  linke 
kranke  Fuss  ist  es,  den  er  dem  Satyr  reicht. 

Drittens  eine  der  ersterwähnten  ähnliche  Gruppe^  aus  dem 
Museo  Campana,  gegenwärtig  in  der  Ermitage  zu  St.  Petersburg. 
Der  Satyr  ist  hier  der  Patient,  der  Pan  der  Arzt 

Endlich  ein  Gruppenfragment^  in  der  Galleria  dei  Candelabri 
des  Vaticans  (No.  73);  erhalten  ist  nur  der  Pan,  dessen  Gesicht 


ί  Publ.  Visconti,  Museo  Pio-Cl.  I,  T.  48;  Pistolesi,  \^aticano  de- 
ßcrittoVI,  T.  20;  ClaracIV  725.  1742;  Conze,  Zeitschr.  für  bild.  Kunst 
111  S.  161.  Cf.  Beschreibung  Roms  II  2,  250;  Braun,  Ruinen  und  Mu- 
seen p.  478. 

2  Publ.  Museo  Borbonico  Bd.  XIV  im  Frontispiz;  Museum  of 
ciassical  antiquities  11  76. 

^  Erniitagü  imperial.  Musee  de  sculpture  antique  No.  266. 

^  Beschreibung  Roms  II  2,  250. 


Der  Feucranbläser  und  der  Domauszieher.  106 

stark  in*8  aifenhafte  carrikirt  ist;  aaeeerdem  ist  auf  der  Basis  der 
linke  Fnss  einer  Figur  erhalten,  die  nur  die  des  Satyrs  sein  kann. 
Ergänzt  man  diesen,  so  wird  man  eine  der  ersten  und  dritten 
durchaus  analoge  Gruppe  haben. 

Dieses  sind  die  statuarischen  Nachbildungen  des  Gegenstandes. 
Von  Reliefs  wäre  der  Sarcophag  zu  erwähnen,  den  Conze  (a.  a.  0.) 
im  Umgang  des  Hofes  vom  Palais  des  Arte  zu  Lyon  gesehen 
hat;  leider  ist  derselbe  nicht  publicirt,  und  ich  kann  nicht  einmal 
sagen,  ob  die  von  Conze  gemeinte  Darstellung  unsere  Gruppe  im 
älteren  oder  jüngeren  Stadium  reproducirt. 

Durchaus  arabeskenhaft  gehalten  sind  die  in  Silberintarsia 
gearbeiteten  bacchischen  Scenen^  an  den  Seitenplatten  des  bisellium 
Capitolinum.  Auf  der  einen  derselben  ist  auch  unsere  Gruppe 
dargestellt  Rechts  sitzt  der  Patient,  ein  Satyr,  der  sich  in- 
dessen nicht  zurücklehnt,  sondern  vorbeugt,  und  mit  der  linken 
Hand  den  kranken  linken  Fuss  anfasst,  den  er  einem  links  kau- 
emdm  Weibe  reicht.  Zwischen  beiden  befindet  sich  im  Hinter- 
gründe ein  Baum.     Die  Umgebung  stellt  Weinlesescenen  dar. 

An  letzter  Stelle  ist  eine  Anzahl  geschnittene  Steine  zu 
nennen. 

Die  Gemme  bei  Gay  lue  ^  erinnert  nur  durch  die  äussere 
Form  an  unsere  Gruppe;  der  Inhalt  ist  ein  anderer.  Beide  Be- 
theiligte sind  Menschen.  Rechts  sitzt  der  Kranke  und  reicht 
dem  Arzte  den  rechten  Fuss;  der  grosse  £mst  der  beiden,  so- 
wie die  wie  zur  Beschwörung  erhobene  rechte  Hand  des  Kranken 
machen  es  wahrscheinlich,  dsss  es  sich  hier  nicht  um  das  Heraus- 
ziehen eines  Domes,  sondern  um  eine  möglicherweise  gefährliche 
chirurgische  Operation,  etwa  die  Amputation  des  Fusses  handelt. 
Immerhin  soll  nicht  geläugnet  werden,  dass  sich  der  Künstler 
durch  unsere  Gruppe  mochte  beeinflussen  lassen. 

Dagegen  gehören  mehrere  Gemmen  hieher,  deren  summa- 
rische Aufzählung  genügen  mag.  Die  Betheiligten  sind  meist 
Satyrn';  einmal  ist  die  Kranke  eine  Bacchantin^. 

,    Besonders   hervorzuheben   ist   eine  Gruppe  zweier  Eroten^, 

^  Pabl.  im  BuUettino  della  commisBione  munipale  degli  seavi  di 
Roma  1Θ74  Tav.  III.  IV  von  Ciistellani 

'  Recueil  d'  antiquites  III  pl.  LIII  4. 

»  Taeeie- Raspe  4778—4784;  Winckelmann  Cat.  Stoech  1529;  Toel- 
ken  1058-1060;  Impronte  Cades  X  197—201. 

«  Tassie-Raspe  4785. 

&  Impronte  Cades  XIV  220. 


106  Zielinski 

von  denen  der  eine  dem  anderen  den  Dom  ans  dem  Fueee 
zieht. 

Ganz  abseits  von  der  Entwickelung  unserer  Gruppe  steht 
eine  andere  Darstellungs weise  des  Bornausziehens,  die  ich  nicht 
unberücksichtigt  lassen  will.  Der  Patient  pflegt  in  diesem  Falle 
zu  stehen  und  sich  etwa  an  einen  Baum  zu  halten;  den  kranken 
Fuss  hebt  er  nach  hinten  auf  und  reicht  ihn  dem  hinter  ihm 
sitzenden  Arzt.  Hieher  gehören  eine  Anzahl  geschnittene  Steine  ^, 
ferner  ein  Crater  von  Capua^  mit  rothen  Figuren,  welcher  be- 
sonders darum  interessant  ist,  weil  er  die  Domausziehergruppe 
unter  anderen  palaestrischen  Beschäftigungen  bringt.  Ich  muss 
gestehen,  dass  mir  dieses  Motiv  von  allen  das  bequemste  er* 
scheint,  sowohl  für  den  Patienten  wie  für  den  Arzt.  Jedenfalls 
beweisen  die  letztangefiihrten  Darstellungen,  dass.  das  bebandelte 
Gruppenmotiv  nicht  das  einzig  mögliche  und  darum  selbstver- 
ständliche war. 

Wir  sind  nunmehr  auch  mit  der  Entwickelungsgeschichte 
des  Dornausziehers  zu  Ende,  und  es  hat  sich  ergeben,  dass  sie 
der  des  Feueranbiäsers  durchaus  analog  ist.  Die  folgende  Ta- 
belle stellt  zur  besseren  üebersicht  die  einzelnen  Stationen  bei- 
der Motive  zusammen: 

A.  Das  Urbild. 

Der  Feueranbiäser  des  Lykios    |  ? 

B.  Die  Zeit  nach•  Lysipp  gestaltet  das  Bildwerk  mit  Bei- 
behaltung des  Motivs  entsprechend  um,  indem  sie  den  Typus  ins 
Realistische  übersetzt 

der  hellenistische  Feueranbläser  ',  der  Domauszieher   Castellani 

C.  Scheideweg.  Einerseits  entwickelt  sich  die  Einzelfigur 
weiter,  indem  sie  in  den  bacchischen  oder  erotischen  Kreis  her- 
eingezogen wird 

a.  feneranblasender  Satyr.  !  a.  dornausziehender  Satyr. 

b.  feueranblasender  Erot.  I  b.  domausziehender  Erot. 

D.  Andererseits  wird  die  realistisch  umgebildete  Figur  zum 
Bestandtheile  einer  Gruppe 

a.  Aelteres  Stadium: 
Jünglingund  Weib  (Henkelrel.). 

b.  Jüngeres  Stadium: 

9 


Scb\vein8opfergruppe. 


1  Ta88ie-Raspe4784;  Winckelmann  Cat.  Stosch  1530,  1531;  Toel- 
ken   1057;  Impronte  Cadee  X  202—204. 

2  Publ.  von  Klein,  Arch.  Ztg.   1879  Taf.  IV. 


Schweinopfernde  Satyrn. 


Der  Feueranbläser  und  der  Dornausziehcr.  107 

£.     Endlich  wird  auch  die  Gruppe  in  den  bacchischeu  [und 
erotischen]  Kreis  gezogen 

a.  Aelteres  Stadium: 
Dornausziehergruppe,  Satyr  u. 

Pan. 

b.  Jüngeres  Stadium: 
aa.   Domausziehergruppe,  Satyr 

und  Pan. 
bb.  Domausziehergruppe,    zwei 
Eroten. 

Wie  der  Leser  sieht  habe  ich  den  capitolinischen  Dornaus- 
zieher  in  die  Reihenfolge  nicht  aufgenommen;  andererseits  weist 
dieselbe  eine  Lücke  auf,  indem  die  dem  Feueranbläser  des  Lykios 
enteprechende  Stelle  in  der  Entwickelungsgeschichte  des  Dorn- 
ausziehers  mit  einem  Fragezeichen  hat  bedacht  werden  müssen. 
Nun  frage  ich:  ist  dieses  peinliche,  bis  in  die  unbedeutend- 
sten Einzelheiten  durchgeführte  Zusammengehen  der  beiden  Mo- 
tive, dem  sich  auf  dem  Gebiete  der  gesammten  antiken  Kunst- 
geschichte kein  gleiches  an  die  Seite  stellen  kann  —  ist  dieses 
Zusammengehen  ein  müssiges  Spiel  des  Zufalls,  dem  kein  tieferer 
Sinn  zu  Grunde  liegt,  oder  haben  wir  darin  das  Walten  eines 
historischen  Gesetzes  zu  erkennen? 

Ist  es  Zufall,  so  bekennen  wir  wenigstens,  dass  uns  der 
Zufall  diesmal  mit  beispielloser  Bosheit  mitgespielt  hat;  ist  es 
Gesetz,  so  ist  zu  verlangen,  dass  gleiche  Wirkungen  auf  gleiche 
Ursachen  zurückgeführt  werden. 

Die  Ursache  der  Entwickelung  des  Feueranbiäsermotivs  ist 
die  Freude,  welche  der  Hellenismus  an  Motiven  ans  der  ersten 
Blntheperiode  hatte;  soll  dasselbe  für  das  Dornausziehermotiv 
gelten,  so  ist  für  dasselbe  ein  Original  aus  dem  fünften  Jahr- 
hundert, das  heisst,  aus  der  Schule  des  Myron  anzunehmen.  Dies 
iet  der  erste  Theil  der  Forderung,  der  unerschüttert  bleibt,  auch 
wenn  der  zweite  fallen  sollte. 

Der  zweite  ist:  einen  erschöpfenden  Begriff  von  diesem 
Original  gewährt  uns  der  capitolinische  Dornauszieher. 

Diese  Sätze  zu  beweisen  soll  dieser  letzte  Abschnitt  meiner 
Arbeit  dienen. 

Zunächst  möge  die  folgende  Zusammenstellung  der  bis  jetzt 
ausgesprochenen  Meinungen  über  den  capitolinischen  Dornaus- 
zieher den  Leser  über  den  Stand  der  Frage  orientiren. 


108  Zielinski 

Für  ein  Werk  des  Kalamis  erklärt  ihn  Brixio^ 

Für  ein  Werk  ans  der  Schule  des  Myron  bSlt  ihn  Fnrt- 
wängler  *. 

In  die  Zeit  zwischen  Chabrias  nnd  Ljeipp  setzt  ihn  £.  Q. 
Visconti  ■. 

Für  älter  als  Lysipp  erklärt  ihn  Friederichs  1 

Dem  Boethos  schreibt  ihn  Brunn  ^  zu. 

Der  hellenistischen  Periode,  wenn  ich  ihn  richtig  verstan- 
den habe,  Conze  ^ 

Zwischen  einer  reactionären  Kunstrichtung  der  Diadocben- 
zeit  und  der  Schule  des  Pasiteles  schwankt  Kekule^;  fttr  erstere 
entscheidet  sich  Michaelis^. 

Der  Schule  des  Pasiteles  endlich  schreiben  ihn  Overbeok* 
und  Robert^®  zu. 

Diese  Zusammenstellung  war  nothwendig,  um  für  den  Ver- 
fasser das  Recht  zu  erweisen,  in  der  Domauszieherfrage  über- 
haupt mitzureden. 

Er  wird  gewiss  in  allen  Punkten,  wo  erprobtes  Kunstgefühl 
viel  zur  Entscheidung  beiträgt,  auf  die  Aufrechterhaltung  des 
eigenen  XJrtheils  gegenüber  dem  Urtheile  eines  bewährten  Kunst- 
kenners gern  und  willig  verzichten.  Wenn  aber  auf  Grund  dieses 
Kunstgefühls  ein  und  dasselbe  Kunstwerk  innerhalb  der  sechs 
Jahrhunderte,  welche  die  Entwickelung  der  antiken  Kunst  be- 
greifen, dermaeeen  umhergeworfen  worden  ist,  dass  für  einen, 
der  um  jeden  Preis  seine  Originalität  wahren  wollte,  auch  nicht 
ein  Plätzchen  unbesetzt  blieb;  wenn  hinter  jedem  der  verschie- 
denen, einander  widersprechenden  Ansätze  ein  klangvoller  Name, 
oft  eine  Autorität  steht  —  dann  möchte  selbst  für  einen,  der 
keinen    klangvollen    Namen    hat    und    noch    viel    weniger    eine 


^  Bei  der  Publication  des  florentiner  Dornausziehers  Annali  1874, 
163. 

^'Der  Doraauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans*. 

β  Opere  varie  IV  163. 

«  Baust.  S.  289. 

^  Gesch.  d.  gr.  Künstler  I  511. 

β  Zft.  f.  bild.  Kunst  III  161. 

^  Kunstmuseum  zu  Bonn  100. 

8  Arch.  Ztg.  1877  S.  127. 

»  Gesch.  d.  Plastik^  II   144  f. 

*^  Annali  1876  bei  der  Publication  des  Dornausziehers  Castellani 
133  ff. 


Der  Feueranbläser  und  der  Dornauszieher.  109 

Autorität  ist,  erlaubt  eein,  zweifelnd  zu  fragen:  ist  das  Kunst- 
gefuhl  der  jetzt  lebenden  Generation  überhaupt  so  entwickelt, 
dase  sich  in  allen  Fällen  damit  deductiv  operiren  Hesse? 

Ich  könnte  min  ruhig,  wie  Eadmos  bei  der  aufgegangenen 
Drachensaat,  dem  Kampfe  der  einander  aufhebenden  TJrtheile  zu- 
schauen und  die  Frage  als  neutral  betrachten,  da  jeder  von  mir 
beigebrachte  Grund  zu  meinen  Gunsten  entscheiden  müsste.  Da- 
mit es  jedoch  nicht  den  Anschein  habe,  als  suchte  ich  den  Schwie- 
rigkeiten aus  dem  Wege  zu  gehen,  sei  hier,  so  kurz  als  es  an- 
geht,  das  Problem  nochmals  behandelt. 

Die  Urtheile  über  den  Dornauszieher  vom  Capitol  sind  oben 
zusammengestellt,  lieber  die  Variante  Castellani  herrscht  ziem- 
liches Einverständniss.  Nur  Curtius^  möchte  ihn  in^s  fünfte 
Jahrhundert  datiren  ans  Gründen,  die  so  weit  sie  das  Motiv  be- 
treffen, durchaus  richtig  sind.  Die  anderen  betrachten  ihn  als 
ein  Erzeugnis»  der  hellenistischen  Periode,  Overbeck  speciell  als 
ein  Werk  des  Boethos;  Kobert  sieht  in  ihm  ein  Originalwerk. 

Diesen  verschiedenen  Ansätzen  der  beiden  Kunstwerke  ge- 
genüber habe  ich  nun  folgendes  zu  erwidern. 

Erstens  ist  der  capitolinische  Dornauszieher  kein  Werk  aus 
der  Schule  des  Pasiteles.  Gerade  der  Hauptgrund,  den  man 
gegen  die  Ansetzung  der  Figur  ins  fünfte  Jahrhundert  anzuführen 
pflegt  —  der  Fall  des  Haares  —  gilt  in  noch  erhöhtem  Masse 
gegen  die  Zurückführung  auf  Pasiteles  und  seine  Richtung.  Wenn 
in  der  That  die  Anordnung  des  Haares  unnatürlich  ist,  so  un- 
natürlich, dass  wir  sie  der  naturalistischen  Kunst  des  fünften 
Jahrhunderte  nicht  zutrauen  dürfen,  mit  welchem  Kechte  schrei- 
ben wir  sie  der  pasitelischen  Schule  zu,  da  doch  die  Sorgfalt  im 
Studium  des  Modells  —  bezüglich  des  Meisters  von  Plinius  be- 
zeugt, in  den  Werken  seiner  Schule  von  uns  selber  constatirt  — 
zu  dem  wenigen  gehört,  was  wir  von  dieser  Kunstrichtung  wis- 
sen? —  Wenn  femer  in  der  Bildung  des  Leibes  'lysippische 
Meisterschaft  gefunden  worden  ist,  so  muss  ich  dem  gegenüber 
aufs  bestimmteste  verlangen,  dass  erst  die  Art  und  Weise  nach- 
gewiesen werde,  wie  Lysipp  im  Gegensatz  zur  früheren  Kunst 
Knabenkörper  darzustellen  pflegte;  der  Schluss  von  einem  Jüng- 
ling wie  der  Apoxyomenos  auf  unseren  Knaben  erscheint  mir 
sehr  voreilig,  da  ein  in  die  Höhe  wachsender  Körper  der  Natur 
der  Sache  gemäss  schlanker  ist,  als  der  entwickelte  Körper  eines 


1  Arch.  Zeitg.  1879  S.  22. 


110  Zielinski 

Tlinglings.  Wenn  endlich  Robert  zwischen  der  'eleganza  nn  po' 
ricercata'  der  Bewegung  und  der  Behandlung  den  KopfeR  und 
den  Haares  einen  Gegensatz  erblickt,  so  hat  bereits  Plinius  nahezu 
denselben  Gegensatz  in  den  Statuen  des  Myron  betont.  Ueber- 
haupt  wird  auf  diese  'Starrheit  und  Leere'  im  Auedmeke  de^ 
Gesichtes  mehr  Nachdruck  gelegt,  als  billig  ist.  Das  Geeicht 
des  Dornausziehern  ist  nach  Welcker^  ganz  Aufmerksamkeit^  und 
Welcker  hat  Recht;  es  gibt  eben  keinen  neutraleren  Ausdruck 
für  das  menschliche  Gesicht,  als  den  der  Aufmerksamkeit.  Dan 
wissen  nnch  die  Photographen  sehr  wohl,  wenn  sie  ihre  Ülient^n 
auffordern,  aufmerksam  einen  bestimmten  Punkt  anzuschauen; 
ihnen  kommt  es  eben  darauf  an,  die  Gesichtszüge  der  betreffen- 
den ohno  jede  Beimischung  von  Kmpfindungen  zu  fixiren.  Was 
endlich  sonst  über  stilistische  Unvereinbarkeiten  beim  Dornaue• 
zieher  vorgebracht  worden  ist,  ist  sehr  zweischneidiger  Art  und 
kann  ebensogut  zu  Gunsten  der  noch  nicht  zur  völligen  Reife 
gediehenen  Kunst  des  Myron  verstanden  werden*.  Oft  ist  es  eine 
blosse  Spielerei  mit  dem  Worte  *eclectisoh';  wer  nur  *ein  Ragout 
von  anderer  Schmaus  braut',  ist  drum  noch  lange  kein  Eclectiker; 
das  wirtl  er  erst,  wenn  er  von  seinem  Geiste  genug  dranwenden 
kann,  um  ein  organisches  Ganze  zu  schaffen  —  und  dann  werden 
wir  ihm  nicht  so  leicht  auf  die  Sprünge  kommen  können.  Man 
versuche  doch,  den  Eclectiker  Domenichino  in  seine  Elemente  zu 
zerlegen! 

Zweitens  darf  eine  der  pasitelischen  analoge  Schule  inner- 
halb des  Hellenismus  nicht  angenommen  werden.  Die  Richtung 
des  Pasiteles,  man  mag  sie  nun  als  archaisirend  oder  als  eclectiech 
bezeichnen,  ist  jedenfalls  eine  künstlerische  Reaction;  eine  Reac- 
tion  aber  ist  keine  gesunde  Fortentwickelung  der  Kunst,  sie  ist 
nicht  eine  weitere  Stufe,  die  man  betritt,  wenn  die  dicht  vor- 
hergehende überschritten  ist;  sie  ist  ein  gewaltsamer  Sprung 
nach  rückwärts,  ein  Sprung,  zu  dem  sich  nur  eine  Zeit  entschliesst, 
die  sich  an  ihren  Idealen  zuwidergesehen  hat.  Sie  kann  nur  als 
Folge  einer  tiefen  politischen  Erschütterung  erscheinen.  Erst 
wenn  die  Besten  der  Nation,  an  die  sich  auch  die  bestehende 
Kunstrichtung  klammert,  von  der  Bildfläche  verschwunden  sind, 
und    andere  Elemente    emportauchen,    die    dem    eingeschüchterten 


*  Kunstmuseum  zu  Bonn*•^  S.  45. 

'^  Ich  verweise  bei  der  Gelegenheit  auf  die  treffenden  Worte  von 
Heibig,  camp.  Wandmalerei  S.  15. 


Der  Feueranblfiser  und  der  Domauszieher.  111 

Volke  einreden  —  ob  mit  Recht  oder  Unrecht,  gleichviel  —  dase 
vorwärts  nur  seitwärts,  und  rückwärts  eigentlich  v^orwärts  sei  — 
erst  dann  wird  auch  die  Kunst  in  ihrer  Entwickelung  gewaltsam 
unterbrochen  und  zurückgeschraubt.  Das  war  der  Fall,  als  die 
hellenistischen  Reiche  zertrümmert  wurden  und  ein  Element,  das 
bis  dahin  gar  keine  Berührung  mit  der  Kunst  hatte  —  die  Rö- 
mer —  nun  in  derselben  gar  tonangebend  wurde;  Pasiteles  und 
seine  Schule  war  die  natürliche,  noth wendige  Folge  dieses  Er- 
eignisses. Vorher  hatte  die  griechische  Kunst  nur  zweimal  Ge- 
legenheit zn  einer  gewaltsamen  Rückkehr;  das  einemal  als  die 
Blüthe  des  perikleischen  Zeitalters  durch  den  peloponnesischen 
Krieg  zerstört  wurde,  das  anderemal  als  die  griechische  Freiheit 
auf  dem  Schlachtfelde  von  Chaeronea  verblutete.  Und  beidemal 
erholte  sich  der  hellenische  Geist  von  dem  Schlage,  und  eine 
noch  üppigere  Knnstblüthe  folgte.  Und  dieser  ungebeugte  Geist 
sollte  nach  solchen,  so  siegreich  bestandenen  Prüfungen  sich  bald 
darauf  bereit  finden,  ohne  Grund,  ohne  Zwang  seine  Errungen- 
schaften preiszugeben  und  die  volle,  prächtige  Sprache  der  helle- 
nistischen Epoche  mit  dem  unverständlichen  Stammeln  der  vor- 
phidiasischen  Kunst  zu  vertauschen?  Es  mögen  doch  diejenigen, 
die  80  freigiebig  mit  Reactionen  umgehen,  bedenken,  welche  Un- 
bill sie  damit  dem  lebenskräftigen  Geiste  des  griechischen  Volkes 
zufügen;  und  wenn  sie  sich  auch  dazu  leichten  Herzens  ent- 
schliessen,  so  mögen  sie  wenigstens  das  eine  bedenken,  dass  eine 
Reaction  nicht  Ober  Nacht  kommt,  sondern  Folge  eines  politi- 
schen Umschwungs  ist,  dass  sie  d^her  verpflichtet  sind,  erst 
diesen  nachzuweisen,  ehe  von  jener  die  Rede  sein  kann. 

Nun  ist  aber  drittens  der  capitolinische  Domauszieher  kein 
Product  einer  reat^tionären  Kunst,  weder  der  pasitelischen,  noch 
der  hellenistischen,  noch  irgend  einer  menschenmöglichen  über- 
haupt. Es  folgt  dies  unmittelbar  aus  dem  Wesen  der  Reaction. 
Dieses  besteht  darin,  dass  man  in  allem,  worin  die  unmittelbar 
vorangegangene  Periode  Ueberschwängliches  geleistet  hat,  ein 
strenges  Mass  beobachtet  und  naturgemäss  weit  hinter  dem  Masse 
zurückbleibt;  dass  man  ferner  gerade  dasjenige  betont,  was  diese 
Periode  vernachlässigt  hat.  Suchen  wir  nun,  worin  die  helle- 
nistische Periode  zu  weit  gegangen  war,  so  ist  es  erstens  die 
Wahl  des  Stoffes,  zweitens  die  Bewegung;  in  der  ersteren  war 
nach  und  nach  die  Würde,  in  der  zweiten  die  Ruhe  mehr  als 
billig  abhanden  gekommen.  In  bewusstem  Gegensatz  dazu  wirkte 
die  Schule  des  Pasiteles,    um  bei  ihm   zu  bleiben;    wehrend  der 


112  Zielineki 

Helleniemue  genrehafte  und  heroische  Motive  bevonagt  hatte, 
namentlich  aber  die  ersteren  über  Grebühr,  kennen  wir  von  Pa- 
sitelee  nur  Götterbilder  (S.  Q.  2207.  2262),  mit  denen  er,  wie 
eein  elfenbeinerner  Zeus  beweist,  in  die  Knnatrichtiing  des  Phi- 
dias  zurückgriif;  und  wenn  wir  auch  von  einem  Löwen  hören, 
den  er  gefertigt,  so  kann  darunter  gar  wohl  ein  Kjbelelöwe  ver- 
standen werden.  Stephanos  stellte  nach  Art  des  Polyclet  den 
Kanon  eines  palaestrisch  geübten  Jünglings  dar;  Menelaos  be- 
wies seinen  Zeitgenossen,  wie  sich  mit  Beibehaltung  der  grössten 
Ruhe  in  den  Geberden  eine  tief  ergreifende  Wirkung  erzielen 
lasse.  —  Soweit  ist  alles  verständlich,  natürlich  und  nothwendig. 
Nun  soll  aber  auch  der  Dornauszieher  vom  Capitol  ein  Werk 
der  Reaction  sein,  in  directer  Anknüpfung  an  ein  Kunstwerk  ans 
eben  der  Richtung,  gegen  die  die  Reaction  Front  machte,  aus 
der  besten  Blüthezeit  des  Hellenismus.  Die  Reaction  verläset 
das  Feld,  auf  dem  sie  stark  und  mächtig  war;  statt  dass  sie 
durch  würdigen  Stoff  imponiren  sollte,  entlehnt  sie  ihn  diesmal 
der  Feindin;  statt  dass  sie  durch  milde  Ruhe  der  Geberden  wir- 
ken sollte,  behält  sie  die  eckige,  unruhige  Bewegung  ihres  Vor- 
wurfs bei;  sie  begibt  sich  aller  ihrer  Vorzüge  denen  sie  sonst 
den  £rfolg  verdankte,  sie  gibt  das  Original  wieder,  wie  es  war, 
nur  die  Charakteristik  läset  sie  weg.  Aber  nicht  genug:  sie 
nimmt  den  ungleichen  Kampf  auf  und  —  sie  siegt.  Ihr  Product 
bringt  da»  Vorbild  in  Vergessenheit;  es  wird  copirt  und  wieder 
copirt,  nnd  wenn  nicht  durch  Zufall  eine  verstümmelte  Replik 
des  Orginals  —  oder  dieses  selbst  nach  Robert  —  vor  kurzem 
gefunden  worden  wäre,  so  würden  wir  gar  keine  Kunde  davon 
haben,  wie  beängstigend  sich  manchmal  der  menschliche  Ge- 
schmack verirren  kann.  Es  gibt  gewisse  Forderungen,  deren 
Nichtzugeständniss  jeden  Streit  unmöglich  macht.  Für  wen  ge- 
schichtliche und  kunstgeschichtliche  Thatsachen  nichts  als  Mu- 
scheln sind,  die,  unbekannter  Herkunft,  mit  dem  Meeresschaum 
an  den  Strand  gespült  werden,  und  nicht  vielmehr  Coralleninseln, 
deren  Erscheinung  nuf  der  Fläche  die  nothwendige  Folge  langer 
geheimer  Arbeit  in  der  Tiefe  ist  —  der  wird  sich  nicht  über- 
zeugen lassen.  Nicht  unterlassen  will  ich  aber,  die  Frage  zu 
stellen:  woher  kommt  es,  dass  der  capitolinische  Dornauszieher 
früher  die  Bewunderung  Aller  bildete,  und  dass  man  ihn  jetzt, 
nachdem  der  castellanische  bekannt  ist,  dittseni  gegenüber  so 
herabsetzt?  Ich  denke,  daraus  läset  sich  ermessen,  was  gesche- 
hen wäre,  wenn  wir  umgekehrt  zuerst  den  castellanischen  und  erst 


Der  PeueranbliUer  und  der  I)ornaUszieher.  118 

seit  kurzem  den  capitolinischen  ans  Tageslicht  gefördert  hätten; 
alle  Welt  würde  fortfahren,  den  ersten  zu  bewundern,  der  zweite 
würde  nur  für  Fachmänner  den  Werth  einer  Curiosität  haben. 
Und  sollte  der  Geschmack  der  Alten  so  viel  schlechter  gewesen 
sein,  als  der  unsere? 

Viertens   ist   der  Dornauszieher  Castellani  kein  Werk   des 
ßoethos,  überhaupt  keine  genaue  Copie  eines  Originals,  noch  viel 
weniger  ein  Original  selber.    Dies  folgt  zwar  unmittelbar  aus  dem 
gesagten,  doch  kann  bei  einer  Streitfrage  wie  die  vorliegende  auch 
Ueberfulle  an  Beweisen    nicht   schaden.     Bekanntlich  hat  Robert 
die  Figur  für  ein  Original  erklärt,  und  da  für  uns  dieselbe  leider 
imzagänglich    geworden    ist,    so   hat  sein   Urtheil  Anspruch   auf 
Beachtung.     Overbeck   dagegen  hält  sie  für  das  Werk  des  Boe- 
tkos,  speciell  für  das  von  Pausanias  (S.  Q.  1596)  erwähnte  παι- 
biov  έπίχρυσον  γυμνόν  im  Heraion  von  Olympia,  wobei  er  έπί- 
XpiKTOV  mit  Wieseler  in  έπίκυρτον  ändert.     Die   beiden  Urtheile 
widersprechen  sich,  wie  jeder  sieht;  ist  der  Dornauszieher  Castel- 
lani ein  Originalwerk,    so  ist  er  nicht  das  παιοίον,   das  Boethos 
^TOpciKTC.     Allein    er   ist    keines   von    beidem.     Erstens    ist    die 
Aendemng  des  Textes  durch  nichts  geboten,  da  Bronze  werke  im 
Alterthum  nachweislich  vergoldet  wurden.     Zweitens  ist  παώίον 
ein  Kind,  infans,  nicht  Knabe,  pner;  und  als  Kind  passt  es  sehr 
gut  als  G-egenstück  zum  Knaben  mit  der  Grans.    Drittens  waltet 
swisohen    dem   Knaben    mit    der    G-ans    und    dem   Dornauszieher 
CatteUani   auch  nicht  die  geringste  Familienähnlichkeit  ob,    und 
es  ist  die  Frage    ernstlich  zu   erwägen,    ob  wir   dem   Boethos, 
deesen  Werk  zwar  in  hohem  Grade  ausdrucksvoll  und   charak- 
teristisch,  aber  nicht  im  mindesten  als  Typus  individualisirt  ist, 
diese  realistische  Darstellung  des  Baueriiknaben  zutrauen  dürfen: 
was  mich  anbelangt,  so  scheint  mir  der  Dornauszieher  Castellani 
in  eine  wesentlich  entwickeltere  Periode  des  Hellenismus  zu  ge- 
hören,   als   der   Knabe    mit   der  Gans.     Endlich   ist  —  und  das 
gilt  gegen  beide  —  unser  Dornauszieher  mit  nichten  ein  einheit- 
liches,   sondern,    wenn    das    Wort    erlaubt    ist,    ganz     deutlich 
ein  zweiheitliohes  Werk,  im  Gegensatz  zum  capitolinischen.     Ich 
rede  hier  nicht  von  der  höhereu   künstlerischen  Einheit  —  über 
diese  mag  sich  jeder  mit  seinem  Kunstgefühl  auseinandersetzen  — 
sondern  von  der  niederen  technischen,    die   sich  am  Objecte  ma- 
thematisch Yordemonstriren  lässt.     Und  da  ist  nicht  zu  leugnen, 
dass   zunächst   der   capitolinische  Dornauszieher   ein   höchst   ein- 
heülichee  Werk  ist.    Sowohl  die  einzelnen  Theile  —  Haar,  Augen, 

BhoiD.  yUiP.  f.  Phllol.  N.  F.  ΧλΧίΧ  β 


114  Zielinski 

LippeD,  Hände,  kurz  die  ganze  Oberfläche»  wie  auch  das  Motiv 
als  solches,  beides  ist  für  den  einen  Stoff  gedacht,  aus  dem  wir 
das  Bildwerk  vor  uns  sehen  —  für  die  Bronze.  Andere  der 
Dornauszieher  Castellani.  Zwar  das  Motiv  ist  auch  bei  ihm 
ursprünglich  für  die  Bronze  gedacht,  das  beweist  ausser  dem 
Puntello  an  der  linken  Hand  —  ein  unangenehmer  Nothbehelf, 
zu  dem  der  Meister  des  capitolinischen  Dornausziehers  seine  Zu- 
flucht zu  nehmen  nicht  nöthig  hatte  —  der  Umstand,  dass  naoh 
Kobert  die  beiden  Unterschenkel  aus  besonderen  Stücken  gear- 
beitet und  zum  Angesetzt  werden  bestimmt  waren;  dagegen  ist 
die  ganze  Ausführung  der  Oberfläche,  namentlich  des  Kopfes, 
von  einer  Art,  wie  wir  sie  nur  an  Marmorwerken  zu  treffen  ge- 
wöhnt sind ;  von  einem  Einfluss  des  Bronzestils,  wie  wir  ihn  an 
Statuen  regelmässig  wahrnehmen,  die  aus  Bronze  in  Marmor 
übertragen  sind,  ist  am  castellanischen  Dornauszieher  nichts  zu 
spüren.  Und  daraus  geht  erstlich  hervor,  dass  der  Erzgiesser 
Boethos  nicht  sein  Schöpfer  ist;  zweitens,  dass  er  kein  Original, 
auch  nicht  die  Replik  eines  solchen,  sondern  die  für  Marmor 
componirte  Umbildung  eines  Bronzeoriginale  ist. 

Alle  diese  Erörterungen  laufen  auf  das  eine  hinaus,  dass 
der  Dornauszieher  vom  üapitol  archaisch,  nicht  ar- 
chaistisch, und  das  Original  des  castellanischen  ist. 

Wenn  nun  der  Dornauszieher  vom  Capitol  eben  das  ver- 
langte Original  des  castellanischen  ist,  so  kann  nach  der  Aehn- 
lichkeit  seines  Motives  mit  dem  des  Feueranbiäsers  kein  Zweifel 
sein,  dass  auch  er  in  die  Schule  des  Myron  gehört.  Eine  nähere 
Bestimmung  kann  von  mir  nicht  erwartet  werden;  doch  will  ich 
nicht  unterlassen,  mit  aller  Zurückhaltung  eine  Yermuthung  zu 
äussern,  die  wenigstens  einen  gewissen  Grad  von  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  in  Anspruch  nehmen  darf.  Es  wäre  nämlich 
allerdings  etwas  sonderbar,  wenn  sich  von  diesem  im  Alterthume 
so  berühmten  Werke  keine  Spur  in  der  schriftlichen  Ueberliefe- 
rung  fände;  da  nun  thatsächlich  ein  Dornauszieher  als  solcher 
nirgends  bezeichnet  ist,  so  könnten  wir•  zunächst  annehmen,  dass 
man  ihn  im  Alterthume  unter  einem  bestimmten  conventionellen 
Namen  kannte.  Nun  hat  Brunn  erwiesen,  dass  Strongylion, 
etwa  ein  Zeitgenosse  des  Lykios,  zur  Kunstrichtung  des  Myron 
gehörte;  es  ist  demnach  wohl  möglich,  dass  der  bekannte  puer 
Bruti  des  Strongylion  eben  unser  Dornauszieher  ist.  Was  wir 
von  diesem  Werke,  sowie  von  seinem  Meister  wissen,  stimmt 
sehr  gut  zu  dieser  Yermuthung.     Er  befand  sich,  wie  aus  seiner 


Der  Feueranbläser  und  der  Dornauszieher.  115 

Nicbtenrähnnng  bei  Pansanias  combinirt  mit  der  Stelle  des  Pli- 
nins  geschlossen  werden  darf,  in  Rom;  dies  würde  die  vielen 
Copien  erklären.  Martial  vergleicht  seine  Epigramme  mit  dem 
pner  Bmti;  nnn  mnss  ein  solcher  Vergleich  immer  cum  grano 
Balis  verstanden  werden,  indessen  wird  man  zngeben,  dass  er 
unter  allen  voralexandrinischen  Werken  auf  keines  besser  passt, 
als  auf  den  Dornauszieher  mit  seiner  concentrirten  ^zugespitzten' 
Handlung.  Der  puer  Brnti  wird  ausserdem  noch  zwei  Mal  von 
Martial  erwähnt,  was  von  der  hohen  Beliebtheit  der  Statue  Zeug- 
nifie  ablegt.  Was  nun  den  Strongylion  anbelangt,  so  zeichnete 
er  sich  sonst  in  der  Menschen bildung  nicht  aus,  gerade  wie  Ka- 
lamis;  seine  Thiere  werden  mehr  gelobt;  dies  erklärt  sehr  gut 
das  Veraltete  in  Gresichts-  und  Haarbildung  bei  unserem  Dorn- 
auszieher, das  allerdings  im  Gegensatz  zur  freien  Bewegung  des 
Korpers  und  wohl  ein  Erbstück  aus  dem  Anfang  des  fünften 
Jahrhunderts  ist,  der  Zeit  des  Pferdebildners  Kaiamis,  der  über- 
haupt die  Schule  in  mancher  Richtung  beeinilusst  haben  wird. 
Für  die  Haarbildung  speciell  bietet  sich  der  Knabe  und  das 
Mädchen  im  eleusinischen  Relief  von  selbst  zum  Vergleiche  dar. 
Femer  erinnere  man  sieb,  dass  die  Amazone  des  Strongylion  den 
Namen  *die  schönschenklige'  (ευκνημος)  hatte:  gerade  die  Zart- 
heit in  der  Bildung  der  Arme  und  Beine  ist  es,  die  noch  heut- 
zutage beim  capitolinischen  Dornauszieher  den  Gregenstand  der 
allgemeinen  Bewunderung  bildet.  Dass  Strongylion  Erzgiesser 
war,  ist  bekannt  (S.  Q.  877). 

Doch  dem  sei  wie  ihm  wolle;  in  die  Schule  des  Myron  ge- 
hört der  Dornauszieher  jedenfalls.  Nun  bleibt  mir  nur  noch 
übrig,  einen  letzten  Einwand  Robertos  zu  berücksichtigen. 

Dieser  Gelehrte  nimmt  daran  Anstoss,  dass  wir  auf  diese 
Weise  ein  verhältnissmftssig  sehr  frühes  Genre  anzunehmei)  hätten, 
das  ohne  Beispiel  ist ;  denn  die  Knaben  des  Lykios  und  Styppax 
betrachtet  er,  und  mit  Recht,  als  aniconische  Portraits  und  Weih- 
geschenke.  Nun  hat  Furtwängler  auch  für  den  Dornauszieher  eine 
gleiche  Beziehung  yermuthet,  doch  nicht  eben  in  glücklicher  Weise, 
und  Robert  scheint  mir  wieder  mit  seinem  Einwände  im  Recht 
zu  sein,  indessen  ist  damit  die  Möglichkeit,  dass  der  Dornaus- 
zieher ein  Weihgeschenk  gewesen  sei,  noch  nicht  ausgeschlossen. 
Die  Gefahr,  sich  selbst  trotz  Sandalen  und  Perserschuhe  einen 
Dom  in  den  Fuss  zu  treten,  war  für  jeden  Griechenknaben  überall 
vorhanden,  wo  es  Opuntienhecken  gab;  das  wird  mir  jeder  bezeugen, 
der  im  Süden  war.     Und    wer    mag    alle    die    verhängnissvollen 


116  Zielinski 

oder  glücklichen  Folgen  aufzählen,  die  der  eingetretene  Dom  zu- 
fällig gehaht  hahe,  und  die  ihrerseits  ein  Weihgeschenk  an  die 
Gottheit  zar  Folge  haben  konnte?  Etwa  eine  schwere  Krank- 
heit, eine  Entzündung,  die  Grefahr  einer  Amputation,  von  der 
Gottheit  in  prophetischem  Traume  abgewandt?  Oder  eine  Ver- 
zögerung der  Wanderung,  die  das  Entgehen  einer  Lebensgefahr 
bedingte?  Doch  mag  nur  jeder  seine  Phantasie  anstrengen;  ich 
gehe  auf  diese  Möglichkeiten  um  so  weniger  ein,  als  mir  eine 
andere  Auffassung  unseres  Kunstwerks  viel  wahrscheinlicher  vor- 
kommt. Ich  habe  bereits  auf  den  Crater  von  Capua  hingewiesen, 
auf  dem  palaestrische  Scenen  dargestellt  sind.  Da  sehen  wir 
unter  anderen  auch  einen  Discobolen,  sowie  die  Gruppe  zweier 
Jünglinge,  von  denen  der  eine  dem  anderen  einen  Dom  aus  dem 
Fusse  zieht.  Dies  weist  uns  den  richtigen  Weg.  Auf  Robertos 
Frage,  wo  denn  in  Griechenland  ein  Sohn  aus  einer  Bürgerfamilie 
Gelegenheit  hatte,  sich  einen  Dorn  in  den  Fuss  zu  treten,  antworte 
ich :  in  der  Palaestra.  Bringen  wir  nun  diesen  Dom  in  Beziehung 
zu  einem  Siege  des  Knaben,  so  war  für  den  Bildhauer  Veran- 
lassung genug  da,  seinem  aniconischen  Portrait  diese  Stellung  zu 
geben.  Wir  kämen  damit  zu  dem  mit  Unrecht  so  geringschätzig 
behandelten  Vorschlage  Visconti's  zurück.  Wie  fein  das  Gefühl 
der  Griechen  für  solche  Siege  mit  Hindernissen  war,  beweist  am 
besten  folgende,  vom  Scholiasten  des  Pindar  überlieferte  Anecdote^ 
Bei  den  pythischen  Spielen  hatte  ein  gewisser  Midas  die  Flöte 
—  d.  h.  nach  unseren  Begriffen  das  Clarinett  —  zu  blasen; 
während  des  Blasen»  ging  nun  die.  Zunge  des  Clarinetts  entzwei 
und  blieb  oben  am  Rohre  stecken;  Midas  Hess  sich  aber  durch 
diesen  Zwischenfall  nicht  stören,  sondern  blies  sein  Stück  zu 
Ende,  indem  er  sein  Instrument  wie  eine  Syrinx  handhabte;  ent- 
zückt von  seiner  Geistesgegenwart  und  Gewandtheit  sprachen  ihm 
die  Zuschauer  den  Sieg  zu.  Was  hindert  uns,  den  Sieg  unseres 
Domausziehers  uns  ähnlich  zu  denken?  Stellen  wir  uns  einen 
olympischen  ορόμος  vor,  unser  Knabe  ist  der  erste  von  allen, 
schon  ist  er  dem  Ziele  nicht  fern  —  da  tritt  er  sich  einen  Dom 
in  den  Fusr,  sein  ungleicher  Tritt  verräth  allen  den  Zwischenfall. 
Man  meint,  er  werde  zurückbleiben ;  aber  er  verbeisst  den  Schmerz, 
erreicht  doch  als  erster  das  Ziel  —  und  nun  erst  setzt  er  sich 
nieder  und  zieht  sich  den  feindlicben  Dorn  heraus.  Welchen 
Sturni  von  Begeisterung  musste  ihm  solcher  Sieg  bei  dem  leicht- 


1  Schol.  Find.  Pyth.  XII. 


Der  Feueranbläser  und  der  Domauszieher.  117 

empfänglichen  Volke  der  Griechen  hervorrufen  —  und  welche 
Verenchnng  fdr  den  Bildner,  gerade  diese  Stellung  des  Knaben 
im  Erze  festzuhalten! 

Hiermit  sind  die  Fragen,  die  sich  an  den  Domauszieher 
knüpften,  erledigt.  Der  capitolinische  Domauszieher  ist,  vielleicht 
als  Werk  des  Strongylion,  dem  Feueranbiäser  des  Lykios  an  die 
Seite  getreten  und  hat  die  völlige  Identität  in  der  Fntwickelungsge- 
ecbiqbte  beider  Motive  hergestellt.  Die  Familienähnlichkeit  zwischen 
dem  Feueranbiäser  Famese  und  dem  Domauszieher  Castellani  dient 
zur  weiteren  Bestätigung,  dass  es  sich  hier  nicht  um  einen  Zufall, 
sondern  um  Absicht  handelt;  es  ist  offenbar  dieselbe  Epoche, 
dieselbe  Schule,  vielleicht  derselbe  Meister  der  hellenistischen  Pe- 
riode, der  es  sich  angelegen  sein  liess,  das  eine  wie  das  andere 
Motiv  seinen  Zeitgenossen  wieder  mundgerecht  zu  machen.  Robert's 
Einwand  gegen  die  Wiederaufnahme  des  Dornausziehermotivs 
dnrch  den  Hellenismus,  der  an  eigener  Erfindungsgabe  so  reich 
war,  gilt  nun  nicht  mehr,  seit  dem  sich  zum  Domauszieher  der 
Feneranbläser  gesellt  hat.  Wir  werden  vielmehr  gezwungen, 
eine  solche  Richtung  innerhalb  des  Hellenismus  anzuerkennen, 
und  ich  denke,  wir  können  dies  als  einen  Gewinn  fiir  unsere 
Eenntniss  dieses  Zeitraums  betrachten. 

Aber  sieht  eine  solche  Kunstrichtung  nicht  etwas  nach  jener 
fieaction  aus,  deren  Existenz  innerhalb  des  Hellenismus  in  Abrede 
gestellt  wurde?  Durchaus  nicht;  es  ist  ein  echt  griechisch  gedachter 
Act  der  Pietät  gegen    die  Vergangenheit,    dass    ihre  Motive    im 
reizvolleren  Kleide  der  Gegenwart  den  Zeitgenossen  wieder  vor  die 
Augen  geführt  wurden.     Es  erinnert  an  jenen  anderen,  verwandten 
Act  der  Pietät,  an  das  Psephisma  des  Lykurgos,  welches  jedem, 
der  eine  Tragödie  des  Aeschjlus  zeitgemäss  umgestaltet  auf  die 
Bohne  zu  bringen  gedächte,    den  Vorrang  vor  den  anderen  Mit- 
bewerbern zusicherte.     Zeitlich  von    einander    geschieden,    legen 
beide,  dieses  Psephisma  und  jene  Kunstrichtung,    von  demselben 
Geiste  Zeugniss  ab. 

Petersburg.  Th.  Zielinski. 


Aristophanes  als  Dichter  nnd  Politiker. 


I. 

In  der  ParabaHe  der  Wölken  (546  ff.)  rühmt  sieb  Aristo- 
phanes, dass  er  das  Publicum  nicht  wie  viele  seiner  Nebenbuhler 
zu  täuschen  versuche»  indem  er  zwei-  und  dreimal  dieselben 
Gegenstände  auf  die  Bühne  bringe,  sondern  dass  er  seinen  Witz 
in  der  Darstellung  stets  neuer  Erfindungen  bewähre,  die  einander 
in  nichts  gleich  und  alle  geschickt  seien.  Es  wird  sich  ver- 
lohnen, die  Berechtigung  dieses  Selbstlobes  einmal  an  der  Hand 
der  übrig  gebliebenen  Komödien  und  der  Bruchstücke  der  ver- 
lorenen, so  weit  sie  einen  irgend  sicheren  Anhalt  zur  Ermittelung 
des  Inhalts  bieten,  etwas  genauer  zu  prüfen. 

Mit  Hecht  macht  Antiphanes  (Fragm.  190  Mein.)  darauf 
aufmerksam,  dass  die  Aufgabe  des  Komikers  in  der  Erfindung 
in  vielfacher  Beziehung  schwieriger  sei  als  die  des  Tragikers. 
Denn  diesem  (dem  antiken  Tragiker)  war  der  zu  gestaltende 
Stoff  bereits  durch  die  Yolkssage  gegeben,  und  zwar  in  einer 
seit  langer  Zeit,  oft  schon  sehr  mannigfaltig  bearbeiteten  poetischen 
Form;  jener  dagegen  hatte  den  gesammten  Inhalt  seines  Stückes 
von  Anfang  bis  zu  Ende,  ja  selbst  die  Namen  seiner  Personen 
frei  zu  erfinden. 

Die  Fruchtbarkeit  eines  komischen  Dichters  —  es  ist  hier 
immer  nur  von  der  altattischen  Komödie  die  Rede  —  kann 
sich  zeigen  1)  in  der  Wahl  des  Themas  oder  des  Stoffes,  welche 
durch  die  Tendenz  des  Dramas  bestimmt  wird;  2)  in  der  Erfin- 
dung der  Fabel  (des  Mythos  der  aristotelischen  Poetik),  worin 
er  sein  Thema  verkörpert;  3)  in  der  Durchführung  desselben 
durch  die  einzelnen  Scenen,    oder  der  Oekononiie  der  Komödie  ^ 

1  Von   einer  Chaiakterechilderiing   im   moderneu  Sinne   kann    in 


Aristophanee  als  Dichter  und  Politiker.  119 

Was  zuerst  den  Stoff  seiner  Dramen  betrifft,  so  hat  Aristo- 
pbanes  keinesweges  in  jedem  derselben  einen  anderen  behandelt: 
Tielmehr  kehren  mehrere  Stoffe  Öfters,  einer  sehr  oft  wieder. 
Dennoch  aber  zeigen  seine  Stücke  selbst  schon  in  dieser  Beziehung 
eine  grosse  Manigfaltigkeit ;  nnd  auch  jene  Wiederkehr  desselben 
Gegenstandes  ist  keinesweges  die  Folge  einer  Armuth  an  schö- 
pferischer Kraft,  sondern  der  lebhaften  and  tiefen  Theilnahme  des 
Dichters  an  dem  politischen  Leben  und  Schicksal  seines  Volkes, 
welche  ihm  die  Wiederholung  desselben  Rathes,  derselben  Lehre, 
wenn  er  das  erste  Mal  keinen  Erfolg  gehabt  hatte,  als  patriotische 
Pflicht  erscheinen  Hess. 

Den  breitesten  Raum  nimmt  die  Bekämpfung  des  Krieges, 
die  Empfehlung  des  Friedens  ein.  Dieser  Tendenz  dienen  die 
^chorner^  die  beiden  Frieden,  die  Vögel,  die  Lysistraiay  die  Land- 
hamrn,  die  Inseln  und  die  Lasf schiffe.  Der  Krieg  hat  gar  keine 
Aneeicht  auf  Erfolg,  wenn  die  Athener  nicht  ihres  Reiches,  d. 
k.  ibrer  Bundesgenossen,  vollkommen  sicher  sind:  deswegen  sind 
die  Babykmier  gegen  die  damals  in  Bezug  auf  diese  beliebte  Politik 
gerichtet.  Und  wenn  es  hauptsächlich  der  Einiluss  einzelner  an- 
gesehener Männer  ist,  wodurch  der  Staat  nach  der  Ueberzeugung 
des  Dichters  in  falsche  Bahnen  gelenkt  wird,  so  sucht  er  diese 
mit  allen  Waffen  des  Spottes  zu  stürzen  oder  ihre  Stellung  zu 
erschüttern:  so  verhöhnen  die  Ritter  den  Demagogen  Kleon,  die 
Pfofmenbräder  (Ταγηνισταί)  und  der  Triphaies  wahrscheinlich* 
den  Alkibiades.  Religion  und  Staat  hängen  untrennbar  mit  ein- 
ander zusammen:  daher  streitet  Aristophanee  in  den  Jahreszeiten 
nnd  zum  Theil  wenigstens  auch  in  den  Lemnierinnen  für  die 
Wahrung  des  ehrwürdigen  alten  Cnltus  gegen  die  bedenkliche 
Aoftiahme  neuer  Götter.  Und  weil  die  Jugend  und  Jugender- 
ziehung des  Staates  Zukunft  bedingt,  so  hat  er  die  nach  seiner 
Ueberzeugung  falschen  und  gefährlichen  Richtungen   darin  schon 


der  alten  attieohen  Komödie  nicht  die  Rede  sein.  Dikäopolis  ist  dem 
Trygäos  nnd  Cbremylos,  auch  dem  Strepsiades  und  Philokieon,  Lysistrate 
der  Praxagora,  Xauthias  dem  Karion  zum  Erstaunen  ähnlich:  ihr  ver- 
schiedenes Thun  wird  durch  die  Verschiedenheit  der  Fabel  bedingt. 
Die  beiden  Sklaven  (Nikias  und  Demosthenes)  in  den  Rittern,  sowie 
Euelpides  und  Peithetäros  haben  ein  etwas  individuelleres  Ansehen. 

^  In  Betreff  neuer  Aufstellungen  und  Vermuthungen  verweise  ich 
ein  für  alte  Mal  auf  die  Bemerkungen  zu  den  einzelnen  Komödien  in 
meiner  Autgabe  der  Fragmente  der  attischen  Komiker. 


120  Kook 

bei  seinem  ereten  Auftreten  in  den  Schntausbrüdem  (Δαιταλής), 

später  in  den  beiden  Wolken,  von  denen  die  zweiten  bekanntlich 

nie  zur  Anffiihrnng  gelangt  sind,  nnd  wahrscheinlicli  aacli  in  den 

Störchen  angegriffen.     Die  für  die  innere  Entwickelnng  des  Staates 

sehr  gefährliche  Hichterwnth  des  Volkes  geiseelte  er  in  den  Wespe»] 

in  den   Ekklesiasnisen   macht    er,    da    die   StaatsTerwaltong    der 

Männer  bisher  ein  so  klägliches  Resultat  gehabt  habe,  den  lustigen 

Vorschlag  eines  Weiberregimentes.    Der  Bekämpfung  falscher  Bich- 

tungen  in  der  tragischen  Dichtknnst,    da   doch  der  Dichter  'der 

Lehrer  der  erwachsenen^    sei,    hat  er  nicht  Mos  einzelne  Scenen, 

wie  in   den  Achamem,    sondern   auch   ganze  Dramen   gewidmet, 

die  Frösche,  den  Gerytades,  den  Proagon  und  yielleicht  die  Oicht- 

kunst  (Ποίη(Τΐς),  in  deren  einzigem  TJeberrest  jemand  die  dem  Kreis 

der   Menschen    entschwundene  Poesie,    ähnlich  dem  Dionysos   in 

den  Fröschen,  zu  suchen  scheint;  und  ein  wenigstens  verwandtes 

Thema  behandeln  die  Thesmophorkumsen  und  Δράματα  ή  ΝΙοβας. 

Die  zweideutige  Kunst  der  Wahrsager,   beiläufig  von  ihm  häufig 

verspottet,  hat  er  zum  Gegenstand  des  Hauptangrifi^s  auch  in  ganzen 

Komödien  gemacht,   wenn  anders  man  dies  aus  einzelnen  Namen 

derselben,  Amphiareos,  PolyidoSj  Telemessier,  schliessen  darf.    Die 

zunehmende  Verarmung  des  Volkes  war  der  Vorwurf  der  beiden 

Plutos.     Mythologisch-parodischen  Inhalts  waren,    meist   ans  der 

späteren  Zeit  des  Dichters,  Aeolomk/)fi,  Dädalos,  Danaiden,  KokcdoSy 

Lemnier innen y    Phönissen   und   wohl  auch  der  Anagyros.     Ueber 

(Ion  Zweimal  seht  ff  brüchigen,  das  Alier  (trotz  Stivem's  bekannter 

Abhandlung),  den  Kentauren  (Δράματα  ή  Κένταυρος),  die  Heroen, 

die  zweiten   Thesmoplwriaeusen,  die  Weiher  die  auf  den  Sirassen 

Zelte  aufschlagen  lässt  sich  in  Bezug  auf  Stoff  und  Tendenz    des 

ganzen  etwas    bestimmtes    nicht   aussagen;    die  Σκ€υαί    gehörten 

wohl  dem  Komikor  Piaton. 

Eine  wahrhaft  sprudelnde  Fülle  komischer  Erfindung  zeigen 
die  Dramen  des  Aristophanes  namentlich  in  Bezug  auf  die  Ge- 
staltung der  Fabel:  in  dieser  Hinsicht  gleicht  in  der  That,  wie 
der  Dioliter  sich  rühmt,  keines  dem  andern.  Wie  mannigfaltig 
woiHH  or  das  am  häiifi^^ston  behandelte  Thema,  die  Verderblichkeit 
«loH  KriogoK,  einzukleiden.  Tu  den  Achamem  (Ol.  88,  3)  muss 
I)ikilo])oliH  die  Berechtigung  des  Friedens  fast  mit  Lebensgefahr 
giigc^n  (loHHen  bitterNte  Feinde  unter  Zuhülfenahme  der  Lumpen- 
^ardorobo  doK  Kuripides  in  heissem  Streite  durchfechten;  im 
Frivtkti  (Ol.  81),  *Λ)  holt  Trygäos  auf  einem  Mistkäfer  die  Göttin 
Kirenii,    wilehe  der  Kriegsgott  in  einer    tiefen  Grube    versteckt 


Arietophanes  ale  Dichter  und  Politiker.  121 

Mt,  gegen  den  Willen  der  Götter  nach  Bestechung  des  Hermes 
ans  dem  Himmel  auf   die  £rde    zurück.     Die   Vögel  (Ol.  91,  2) 
zeigen  die  Tollheit  des  Eroberungsznges  nach  Sikelien  durch  die 
proBsartige  Parodie  der  Gründung  von  Wolkenknkuksheim;  lAfsi^ 
strafe  (Ol.  92,  1)  bietet    gegen    den    unheilbaren  Wahnsinn  der 
Xiimer  die  Beize  der  Weiber  zur  Kettung  von  den  unerträglichen 
Bedrängnissen  des  Krieges  auf;    der  heftige    Streit  eines  Bauern 
mit  den  Feinden  des  Friedens  (Fragm.  100  meiner  Ausg.),  jedoch 
in  ganz  anderer  Weise  als  in  den  Acharnern,    und    nach    seinem 
Siege  die  Uebersiedelung  der  Landleute  aus  der  Beklommenheit 
des  städtischen  Aufenthaltes  (vgl.  Thuk.  2, 14. 18.  52)  in  die  frische, 
freie  Landluft  scheint  der  Mythos  der  feuipToi  (die  Bergk  früher 
io  Ol.  88,  4,  später  nach  Ol.  89,  3  ansetzte)    gewesen    zu    sein. 
In  den  Lastschiffen,  über  deren  Zeit  nichts  feststeht  (v.  Wilamo- 
vitz  Ol.  89,  1),  bringen  Athener  und  Spartiaten  alle  ihre  gegen- 
seitigen Beschwerden  und  Beschuldigungen  auf  Lastschiffen  herbei, 
wiegen  sie  gegen  einander  ab  und  schliessen,  da  sie  dieselben  von 
beiden  Seiten  gleich  schwer  und  unsauber  befinden,  Frieden;  da- 
oach  baut  ein  attischer  Landmann  sein  von  den  Feinden  zerstörtes 
Hang   wieder   auf   und    bewirthet  Freunde    und  Nachbarn    beim 
Biohtfest.    Von  den  Inseln  (vgl.  des  Eupolis  Oemen  und  Städte) 
ist  weder  die  Fabel  noch  das  Jahr  der  Aufilihrung  sicher  zu  er- 
mitteln, von  den  BäbyUmiern  (aufgeführt  Ol.  88,  2)  ist  die  Fabel 
unbekannt;    auch  der  Mythos  des   Triphaies  (Ol.  92,  2)  und  der 
Pfannenbrüder  (Ταγηνισταί,  nach  Bergk  etwa  Ol.  93,  3)  läset  sich 
beute  nicht  erkennen;    dass   aber  in  beiden  Stücken  Alkibiades, 
wenn  er  der  angegriffene  war,  jedenfalls  ganz  anders  verspottet 
wurde  als  Eleon  in  den  Rittern  (Ol.  88,  4),  beweisen  die  Bruch- 
stücke   488.   491.    492.  496.  502.  503.  506.  543.  544    mit  hin- 
länglicher Deutlichkeit. 

Eine  ganz  originelle  Gestaltung  der  Fabel  zeigen  die  Jahres- 
teiten  (^Qpat).  Die  alten,  von  Anbeginn  der  Geschichte  in  Attika 
verehrten  Götter  streiten  mit  den  neu  eingeführten,  die  kein  Bür- 
gerrecht haben,  in  derselben  Art  wie  einst  Athene  und  Posei- 
don, als  beide  auf  den  Besitz  des  Landes  Anspruch  machten.  Die 
Yerhandlung  dreht  sich  um  die  Frage,  welche  Partei  den  Be- 
wohnern von  Attika  mehr  Wohlthaten  erwiesen  habe:  wie  es 
scheint)  soll  der  Landesheros  Erechtheus  Kichter  sein.  Das  Ende 
ist,  dass  die  alten  Götter  in  ihrem  Besitz  bestätigt,  die  neuen, 
unter  welchen  Sabazios  namentlich  erwähnt  ist,  mit  Schimpf  und 
Schande  vertrieben  werden. 


122  Kook 

In  den  Schmausbrüdem  (Δαιταλής,  der  ersten  Komödie  dee 
Arietophanee,  Ol.  88,  1)  hat  ein  Yater  zwei  Söhne,  den  einen 
nach  der  guten,  alten  Art  beim  γραμματκίτής  und  κιθαριστής 
(vgl.  Plat.  Protag.  326  ab  mit  Fragm.  222),  den  andern  in  allen 
Künsten  der  nenen  eophistischen  Bildung  unterrichten  laseen. 
Yor  dem  Thiaeos  der  Schmauebrüder  im  Tempel  dee  Heraklee 
beginnt  ein  Streit  zwischen  den  beiden  Brüdern  Tugendsam  und 
Lüderlich,  dann  des  letzteren  mit  dem  Yater,  der  ähnlich  wird 
geendet  haben  wie  der  des  Strepsiades  und  Pheidippides  in  den 
Wolken  (Ol.  89,  1).  Aber  wie  grundverschieden  ist  die  Fabel 
in  den  zwei  Komödien  trotz  der  Gleichheit  der  Tendenz,  und  wie 
verschieden  von  beiden  wird  der  Mythos  der  Siöreke  gewesen 
sein,  wenn  anders  in  diesen  ein  undankbarer  und  missrathener 
Sohn  zur  Pietät  gegen  seine  Eltern  zurückgeführt  wurde. 

Die  Wespen  (Ol.  89,  2)  verspotten  die  thörichte  Richter- 
wuth  des  athenischen  Demos  (vergl.  auch  Telekleid.  2)  in  der 
Person  des  alten  Philokieon,  der  allen  edleren  Begnügen  des 
Menechenherzens  unzugänglich  auf  der  ganzen  Welt  nichts  schö- 
neres kennt  als  ein  kleines  Händelchen,  im  Tiegel  gedämpft. 
Aber  sein  Sohn  Bdelykleon  sichert  ihn  gegen  die  Sirenenstimmen 
seiner  Beruf sgenossen,  die  ihn  zum  Gericht  abholen  wollen,  nicht 
minder  erfolgreich  als  den  Odyssens  seine  Gefährten,  weist  ihm 
dann  die  Erbärmlichkeit  der  vermeintlichen  Tyrannis  des  Rich- 
ters, die  in  Wahrheit  nichts  anderes  ist  als  die  schimpflichste 
Knechtechaft  im  Dienet  der  Demagogen,  siegreich  nach  und  heilt 
ihn  endlich  für  immer,  indem  er  ihn  in  einem  Process  gegen  den 
Haushund,  der  freventlich  einen  Käse  gestohlen  hat,  wider  Wissen 
und  Wollen  den  angeklagten  freisprechen  lässt. 

In  den  Ekklesiaeusen  (Ol.  96,  4)  sehen  wir  die  Weiber  der 
verkehrten  Leitung  des  Gemeinwesens  durch  die  Männer  endlich 
überdrüssig.  Sie  ziehen  als  Männer  verkleidet  zur  Yolksver- 
Sammlung,  die  von  den  Bürgern  spärlich  besucht  ist,  setzen 
durch  die  Mehrheit  ihrer  Stimmen  den  Yolksbeschluss  durch,  die 
Staatsverwaltung  fortan  den  Frauen  zu  tibergeben,  und  fuhren 
zum  Heile  der  ganzen  Welt  den  Communismus  des  Eigenthums 
und  der  Weiber  ein. 

und  wie  voll  und  lebendig  fliesst  der  Strom  dichterischer 
Schöpferkraft  in  den  Komödien,  deren  Gegenstand  die  Dichtkunst 
ist.  In  den  Thesmophariazusen  (Ol.  92,  1)  Euripides  in  Gefahr 
von  den  Weibern  beim  Thesmophorienfest  um  seines  Weiberhasses 
willen    in    die  Acht   gethan   zu   werden,    seine  Anklage   und   die 


Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker.  128 

aDYergleichliche  Yertheidigungsrede  seines  Schwiegervaters  Mne- 
eilochos,  so  wie  dessen  Haft  und  Befreiung;  in  den  Fröschen 
(OL  93,  3)  die  Keise  des  Dionysos  in  die  Unterwelt  mit  allen  iliren 
liekerlichen  Abenteuern  und  der  Wettstreit  zwischen  Aeschylos 
und  fiuripides;  im  Gerytades,  der  der  Zeit  nach  den  Fröschen 
oieht  fem  steht,  die  allgemeine  Noth  der  Dichterzunft,  die  ihrer 
betten  Vertreter  beraubt  ist,  und  die  Wahl  von  Delegirten  jedes 
eioielnen  Faches,  um  zu  den  gestorbenen  Altmeistern  in  den 
Hades  hinabzusteigen  und  von  diesen  Hülfe  zu  erflehen,  wobei 
onr  die  Grefahr  ist,  dass  die  viel  zu  federleichten  Dichter- 
linge von  *  dem  Strome  der  Diarrhöe'  können  hinweggerafPt  wer- 
den; in  dem  Niobos  (Δράματα  ή  Νίοβος),  der  jedenfalls  nach 
des  Sophokles  zweitem  Oedipus  entstanden  ist,  der  Process  des 
lophoD  vor  den  Phratem  gegen  seinen  Vater  Sophokles,  den  er 
fiir  schwachsinnig  will  erklären  lassen,  um  ihm  die  Verwaltung 
des  Vermögens  zu  entziehen,  und  die  glänzende  Losspreuhung 
des  greisen  Dichters,  nachdem  er  sein  herrliches  Stasimon  aus 
dem  Oedipus  auf  Kolonos  vorgetragen;  endlich  im  Proagon  die 
Tkeaterprobe  zur  Verspottung  des  Euripides  und  in  der  Poesie 
die  Aufsuchung  der  verschwundenen  Dichtkunst,  welche  eich  Gott 
weiss  in  wessen  Haus  geflüchtet  hat,  durch  einen  Liebhaber  oder 
eine  Deputation  ihrer  Verehrer  —  das  alles  sind  glänzende  Zeug- 
nisse für  eine  unversiegliche  und  nichts  versagende  Phantasie. 

üeber  die  gegen  den  Unfug  der  Seher  gerichteten  Dramen 
ist  wenig  zu  sagen.     Im  Amphiareos  (Ol.  91,  2)  nimmt  ein  aber- 
gläubischer und  furchtsamer  Greis  mit  seiner  Frau  seine  Zuflucht 
so  der  Quelle  und  dem  Orakel  des  Amphiareos  bei  Oropos  und 
gewinnt  dort,    wie  es  scheint,    doch  sieht   man  nicht  ob  auf  die 
Bauer,  seine  Jugendkraft  wieder.    Mit  dem  Greise  soll  der  Dichter 
nach  Bergk's  Ansicht  den  Demos  von  Athen  gemeint  haben.  Ob 
im  Pölyidos  die  Rettung  des  Glaukos,  des  Sohnes  des  Minos  und 
der  Pasiphae,    durch   den  Seher  Pölyidos   behandelt  wurde,  .  ist 
zweifelhaft;  und  die  Fabel  der  Telemessier,  deren  Tendenz  gewiss 
der   Kampf    gegen    die   Leichtgläubigkeit    der    Athener   war,    ist 
völlig  unbekannt.     Sie  gehörten  wohl  wie  der  Pölyidos  zu  den 
späteren  Erzeugnissen  der  aristophanischen  Muse. 

Das  AUer^  eine  Komödie,  deren  Zeit  und  Tendenz  wir  nicht 
kennen,  zeigt  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  Wespen  so- 
wohl wie  mit  dem  Amphiareos:  analog  dem  letzteren  iindet  eine 
Verjüngung  von  Greisen  statt,  welche  dann  wie  Philokieon  eine 
Reihe  von  muthwilligen  Streichen   begehen   und    wie    es   scheint 


124  Kook 

zum  Theil  eich  von  neuem  yerheiratben.  Der  erste  Plutos  (OL 
92,  4),  wabrscheinlioh  ganz  verschieden  vom  zweiten,  scliilderte 
wobl  den  durch  die  grossen  Siege  des  Alkibiades  io  Kleinasien 
herbeigeführten  Umschwung  des  Kriegsglücks  und  die  Wiederkehr 
des  Reichtbums,  während  der  zweite  (Ol.  97,  4)  alle  Hoffnung 
auf  die  Wiederbelebung  des  athenischen  Wohlstandes  davon  ab- 
hängig macht,  dass  Gott  Plutos  nach  dem  Orakel  des  delphischen 
Apollon  durch  eine  Operation  im  Tempel  des  Asklepios  das  so 
lange  entbehrte  Augenlicht  wieder  gewinne  und  dadurch  in  den 
Stand  gesetzt  werde  seine  Gaben  nur  an  wUrdige  Menschen  zu 
vertheilen. 

Selbst  in  den  Komödien  mythologischen,  d.  h.  zum  grossen 
Theil  gegebenen  Stoffes  zeigt  sich  der  Oedankenreichthnm  des 
Aristophanes.  Denn  auch  solchen  Stoffen  stand  der  komische 
Dichter  ganz  anders  gegenüber  als  der  tragische.  Während  der 
letztere  dem  Mythos  zu  folgen  pflegte  und  ihn  nur  insoweit  zu 
ändern  genöthigt  war  als  es  die  Folgerichtigkeit  der  tragischen 
Entwickelung  und  die  Charakteristik  der  Personen  verlangte  — 
von  ganz  willkürlichen  Umbildungen  wie  z.  B.  in  der  Elektra  des 
Euripides  kann  hier  abgesehen  werden  — ,  musste  der  komische 
Dichter  die  Fabel  aus  einer  episch-tragischen  in  eine  komische 
erst  umgestalten,  d.  h.  seiner  Einbildungskraft  einen  viel  weit- 
greifenderen  und  eindringenderen  Spielraum  gewähren.  So  ist 
im  Aedosikon  der  homerische  Mythos  von  Aeolos  und  seinen 
Kindern,  den  Euripides  zu  einer  Tragödie  benutzt  hatte  (vgl. 
Frosch.  850),  gewiss  nicht  ohne  starke  Parodie  der  euripideischen 
Behandlung,  von  Aristophanes,  wie  schon  die  Hinzuftigung  des 
Namens  des  berühmten  Koches  Sikon  im  Titel  zeigt,  so  stark 
verändert  worden,  dass  auch  athenische  Zeitverhältnisse  (zwischen 
Ol.  97,  4  und  101)  verspottet  werden  konnten.  Der  Dädalos 
(aus  Ungewisser  Zeit)  verband  den  Mythos  der  Leda  mit  dem 
des  Dädalos,  wie  es  scheint,  in  der  Art,  dass  Zeus  in  der  Ge- 
stalt eines  von  dem  Künstler  zu  diesem  Zwecke  gebildeten  Vo- 
gels der  Jungfrau  nahete.  Im  Kokalos  erweiterte  der  Dichter, 
wie  wir  erfahren,  die  Sage  von  der  Flucht  des  Dädalos  zum 
Könige  Kokaloß  in  Sikelien,  der  Verfolgung  desselben  durch 
Minos  und  der  Ermordung  dieses  letzteren  im  Bade  durch  die 
Erdichtung  einer  unzüchtigen  Liebe,  wobl  einer  der  Töchter  des 
Kokaloe  zu  Dädalos^  und  einer  Erkennungsscene  (vgl.  meine  Anm. 
zu  dem  Titel  des  Stückes).  Die  Lemnierinnen  verbanden,  in 
durchaus  unbekannter  Ausführung,  die  Erzählung  von  dem  Um- 


Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker.  126 

gaog  der  lemniechen  Weiber  und  der  Argonauten  mit  der  Yer- 
spottttog  der  neuen  Gottheiten,  die  damals  in  Athen  Aufnahme 
faodeBf  namentlich  der  thrakiechen  Göttin  Bendie. 

Wie  der  Dichter  in  den  Danaiden  und  Phönissen  den  My- 
tkoi  behandelt  oder  umgestaltet  hat,  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln. 
So  hat  Arietophanes  namentlich  in  Bezug  auf  die  Fabel 
leiner  Stücke  einen  Reiohthum  der  Erfindung  bewiesen,  der  in 
Staunen  setzt;  nirgends  Verlegenheit  oder  Mangel,  allerwärts 
UeberflusB  und  willigste  Gestaltungskraft:  καναχοίχτι  ττηγαί,  bui- 
0€κάκρουνον  το  στόμα.  Dagegen  ergibt  die  Betrachtung  der 
Oekonomie  der  Komödien,  welche  sich  aus  nahe  liegenden  Grün- 
den fast  ausschliesslich  auf  die  elf  erhaltenen  beschränken  muss, 
ein  wesentlich  anderes  Resultat:  die  eigentliche  Handlung  näm- 
Heb  —  Parabasen  und  Chorlieder  sind  von  dieser  Betrachtung 
•ugeschlossen  —  ist  im  grossen  und  ganzen  in  allen  nach  einem 
und  demselben  Plane  gebaut. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  erhaltenen  aristophanischen  Dramen 
wollen,  und  ebenso  bei  weitem  die  meisten  der  anderen  alten 
attischen  Dichter,  nicht  etwa  wie  z.  B.  die  Lustspiele  Shakespeares 
lediglich  anmnthige  Spiele  der  Phantasie  sein,  welche  ihren  Zweck 
tllein  in  sich  selbst  haben  und,  während  sie  die  Welt  umher  mit 
iluren  Kämpfen  und  Bestrebungen  nicht  zu  kennen  scheinen,  nur  den 
Greist  des  Lesers  oder  Hörers  durch  ästhetischen  Genuss  zu  ent- 
lasten und  zu  erheben  suchen ;  ihr  Inhalt  hängt  vielmehr  mit  der 
Bewegung  des  Yolksgeistes  auf  dem  Gebiet  der  Politik  oder  der 
Erziehung,  der  Religion  oder  der  Kunst  auf  das  innigste  zusam- 
men, und  sie  verfolgen  den  bestimmten  praktischen  Zweck  auf 
diese  Bewegung  durch  üeberzengung  einzuwirken.  Sie  sind  so- 
mit, wie  Aristophanes  wiederholt  direct  bezeugt,  nicht  blos  poe- 
tischer, sondern  wesentlich  auch  didaktischer  Natur  und  können 
nur  bei  richtiger  Erfassung  ihres  lehrhaften  Grundgedankens  richtig 
verstanden  werden.  Dieser  Grundgedanke,  das  Thema  des  Stückes, 
wird  im  Prolog  exponirt;  und  da  er  nach  der  ganzen  Stellung 
des  Aristophanes  inmitten  seiner  Zeit  und  seines  Staates  mit  der 
Anschauung  der  Mehrheit  des  Volkes  im  Widerspruche  steht,  so 
wird  seine  Wahrheit  und  Berechtigung  durch  dialektischen  Be- 
weis meist  in  dem  Streit  zweier  Vertreter  der  entgegengesetzten 
Richtungen  erhärtet.  Dieser  erste  Tbeil,  den  man  den  deducto- 
risohen  oder  den  constructiven  Theil  der  Komödie  nennen  könnte, 
wird  zwar  im  ganzen  und  grossen  auch  stets  nach  derselben  Me- 
thode behandelt;  aber  er  lässt  die  einzelnen  Scenen  sich  aus  einander 


126  Kock 

und  in  stetigem,  meist  straffem  Fortechritt  der  Handlang  ent- 
wickeln, so  dass,  da  er  zugleich  den  Mythos  des  Stückes  znr 
Gestaltung  bringt,  die  Einförmigkeit  darch  die  grosse  Mannig- 
faltigkeit und  Originalität  der  Erfindung  verdeckt  wird.  Sobald 
der  Streit  im  Princip  entschieden  ist,  was  nicht  immer  mit  dem 
Anfang  der  Parabase  zusammenfällt,  beginnt  eine  Reihe  locker 
gefügter  Auftritte  von  willkürlicher  Zahl,  welche  zuerst,  bald 
länger  bald  kürzer,  die  Ausführung  des  Hauptgedankens  nach 
Besiegnng  aller  Schwierigkeiten  enthalten  und  dann  in  Beispielen 
die  segensreichen  Folgen  desselben  vor  Augen  fuhren.  Dieser 
zweite  Theil,  den  man  den  angewandten  oder  exemplificirenden 
nennen  könnte,  enthält  stets  im  einzelnen  auch  eine  Fülle  gro- 
tesker Komik,  wird  aber,  indem  die  Handlung  sich  zur  Schil- 
derung verlangsamt  und  oft  ganz  stockt,  im  allgemeinen  seichter  und 
alltäglicher;  ja  die  darin  enthaltenen  Gedanken  sehen  sich  in  den 
Komödien  gleichen  Stoffes  oft  so  ähnlich,  dass  sie  ohne  grosse 
Veränderungen  aus  der  einen  in  die  andere  versetzt  werden 
könnten.  Der  Schluss  endlich  bringt  den  auch  meist  nach  dem- 
selben Schema  durchgeführten  Triumph  des  Grundgedankens  der 
Komödie  und  seines  Vertreters. 

Gleich  die  Ächarner,  die  erste  der  erhaltenen  Komödien, 
zeigt  recht  deutlich  den  Typus,  den  die  späteren,  namentlich  die 
desselben  Stoffes,  mit  nicht  sehr  erheblichen  Variationen  bei- 
behalten. Dikäopolis  hat  längst  den  Frieden  als  die  einzige 
Rettung  für  Athen  und  Hellas  erkannt.  Seine  Erfahrungen  in 
der  Volksversammlung,  die  Abweisung  der  auf  die  Beilegung  des 
Krieges  gerichteten  Anerbietungen  des  Amphitheos,  die  Prahle- 
reien der  vom  persischen  Hofe  mit  'dem  Auge  des  Königs'  zu- 
rückkehrenden Gesandten,  die  Flunkereien  des  Boten  von  Sitalkes, 
überzeugen  ihn  noch  mehr  von  der  Richtigkeit  seiner  Ueberzeu- 
gnng.  Er  erhält  durch  Amphitheos  einen  Privatfrieden  mit  den 
Spartiaten,  muss  aber  denselben  erst  gegen  die  ärgsten  Feinde 
jedes  Abkommens,  die  Acharner,  die  ihn  mitten  in  der  Friedens- 
feier stören,  mit  Hülfe  der  von  Euripides  geborgten  Lumpengar- 
derobe, die  ihm  das  Mitleid  der  Gegner  sichern  soll,  verthei- 
digen.  Nachdem  er  dies  siegreich  gethan  hat,  erfreut  er  sich 
der  angenehmen  Folgen  seines  richtigen  Entschlusses,  die  auch 
den  erst  so  feindlichen  Chor  lüstern  machen,  in  einer  Reihe  sehr 
locker  gefügter  Scenen,  die  unter  sich  nur  durch  die  Gemein- 
samkeit des  Zweckes  zusammenhängen. 

Ganz  denselben  Bau  zeigt  der  Frieden;  hier  wie  dort  schliesst 


Aristophanee  als  Dichter  und  Politiker.  127 

der  erste  Theil  mit  Beginn  der  Parabase.  Trygäoe,  der  Zwil- 
ÜDgebruder  des  Dikäopolis,  will  die  Friedensgöttin  aus  der  Halle 
des  Zeus  vom  Himmel  holen.  Aber  wie  hinauf  kommen?  Er 
hat  XU  dem  Zweck  einen  Mistkäfer  grossgefüttert.  Mit  Hülfe 
des  Hermes  und  trotz  der  Schwierigkeiten,  welche  Polemos  selbst 
entgegenstellt,  gelingt  es  ihm  und  den  Friedensfreunden,  die  sehr 
unerwartet  ohne  Mistkäfer  gleichfalls  auf  den  Olymp  gekommen 
sind,  nach  unerhörten  Anstrengungen  die  lebendig  begrabene 
Eirene  zu  befreien  und  glücklich  zur  Erde  herabzubringen.  Im 
zweiten  Theile  wird  die  Göttin  nebst  der  'Ernte'  und  ^Fest- 
freude* den  Behörden  vorgestellt,  und  dann  geniesst  Trygftos  die 
Früchte  seiner  Bemühungen  in  einer  Folge  von  Auftritten,  die 
sowohl  unter  sich  als  auch  mit  denen  im  zweiten  Theil  der 
Achamer  ohne  Schwierigkeit  vertauscht  werden  könnten. 

Von  den  Lastschiffen  kennen  wir  freilich  nur  den  Haupt- 
gedanken des  ersten  Theiles,  die  Abwägung  der  gegenseitigen 
Beschwerden  der  kriegführenden  Parteien;  aber  die  wenn  auch 
sehr  spärlichen  Bruchstücke  lassen  deutlich  die  Zweitheilung  der 
Komödie  und  die  grosse  Familienähnlichkeit  der  zweiten  Hälfte 
mit  den  entsprechenden  Theilen  der  Achamer  und  des  Friedens 
erkennen,  wenngleich  bei  der  Schilderung  der  Wiedererbauung 
des  zerstörten  Hauses  und  des  Kichtschmauses  wenigstens  in  der 
aothwendigen  Zeitfolge  der  einzelnen  Auftritte  eine  festere  Fü- 
gung hervorzutreten  scheint. 

Die  Vögel  sind  unter  allen  Dramen  des  Aristophanes  am 
grossartigsten  und  geistreichsten  angelegt.  Aber  durchgeführt 
sind  sie  durchaus  nach  demselben  Schema  wie  die  übrigen;  und 
wenn  in  ihnen  die  Scenen  des  zweiten  Theiles,  der  die  gewöhn- 
liehe Lange  erheblich  überragt,  noch  ergötzlicher  und  grotesker 
Bind  als  sonst,  so  verdanken  sie  das  lediglich  der  grösseren 
Kühnheit  des  Grundgedankens;  in  der  Lockerheit  der  Fügung 
und  Folge  unterscheiden  sie  sich  in  nichts  von  ihren  Schwestern 
in  den  Achamem  und  im  Frieden. 

Nachdem  der  Dichter  um  die  Verderblichkeit  des  Krieges 
zu  beweisen  schon  eine  längere  Reihe  ziemlich  ähnlicher  Stücke 
geschaffen  hatte,  empfand  er,  vielleicht  eingedenk  der  oben  citirten 
Verse  aus  der  Parabase  der  Wolken,  bei  der  Conception  der 
Lysistrate  das  Bedürfniss  den  Grundgedanken  einigermassen  zu 
modifieiren.  Nicht  der  Segen  des  Friedens,  den  er  schon  so  oft 
geschildert  hatte,  sondern  dass  er  nur  durch  die  Frauen  als  neu- 
trale   Macht   gewonnen    werden    könne,    soll    bewiesen    werd«^** 


128  Kock 

Dabei  machte  anch  die  Tbeilung  des  Chors,  die  erst  kurz  vor 
dem  Schluss  (1042)  aufhören  konnte,  Keaemngen  nöthig.  Beides 
hatte  zur  Folge,  dass  der  Eriedensschluss  zwischen  Athen  und 
Sparta,  gewissermaRsen  als  der  Triumph  der  von  Lysistrate  vor- 
fochtenen  Politik,  nicht  wie  sonst  in  die  Mitte,  sondern  an  das 
Ende  verlegt  werden  musste.  Aber  die  Zweitheilung  bleibt  auch 
in  dieser  Komödie.  Nachdem  die  Heldin  des  Stückes  ihren  Plan 
erst  bei  den  Frauen  zur  Annahme  gebracht  nnd  dann  gegen  die 
Männer  (den  Probnlos)  siegreich  vertheidigt  hat,  beginnt  die 
Ausführung,  und  darauf  folgen  die  locker  gefügten  Soenen,  welche 
erst  die  Gefahren  für  den  Erfolg  in  dem  Widerwillen  der  Frauen, 
sich  der  auferlegten  Enthaltung  zu  unterwerfen,  dann  da«  glän- 
zende Gelingen  in  dem  köstlichen  tete  k  tSte  zwischen  Myrrhine 
und  Einesias  zeigen. 

Die  Bitter  verdanken  den  ersten  Preis,  der  ihnen  zu  Theil 
wurde,  weniger  ihrem  poetischen  Werthe  als  der  unverzagten 
Kühnheit,  mit  welcher  der  Dichter  den  leitenden  Staatsmann  jenw 
Tage  angriff.  Keine  Scene  in  der  Komödie  kann  sich  an  Lustig- 
keit mit  dem  Mistkäfer  des  Trygäos  oder  mit  den  Abenteuern 
des  Dionysos  in  der  Unterwelt,  an  sittlicher  Grösse  mit  dem 
Wettkampf  des  gerechten  und  des  ungerechten  Redners  in  den 
Wolken,  geschweige  denn  in  irgend  etwas  mit  den  Vögeln  messen: 
die  Stärke  des  Hasses  und  die  Unbändigkeit  der  Eachsucht  haben 
das  poetische  Vermögen  des  Dichters  beeinträchtigt.  Immerhin 
ist  die  Personification  des  athenischen  Volkes  in  dem  alten,  halb- 
tauben Herrn  Demos  und  der  Gedanke  dem  Kleon  in  der  Person 
eines  ganz  ungewaschenen  und  rüpelhaften  Wursthändlers  den 
siegreichen  Nebenbuhler  entgegenzustellen  ganz  aristophanisch  und 
flott  durchgeführt.  Der  Streit  der  beiden  Gegner,  in  welchem 
zuerst  Klcon  mit  seiner  Verwaltung  im  grossen  und  ganzen  an- 
gegriffen, dann  in  der  Preisbewerbung  mit  den  Orakelsprüchen 
und  endlich  mit  den  Leckerbissen,  die  dem  alten  Herrn  vorge- 
setzt werden,  besiegt  wird,  ist  trotz  der  durchschlagenden  Komik 
einzelner  Einfälle  prosaisch  schematiech,  wie  die  entsprechenden 
Soenen  in  den  Komödien,  die  vom  Kriege  handeln. 

Die  Wes2)en  geben  die  Exposition  des  Grundgedankens  in 
sehr  lebendiger  und  geistreicher  Entwickelung:  die  Einsperrung 
Philokleon^s  und  seine  vergeblichen  Fluchtversuche,  das  Ein- 
schreiten des  Chors  zu  seiner  Hülfe  und  die  Abwehr  dieses  Un- 
ternehmens, die  Verhandlung  zwischen  Vater  und  Sohn,  die  mit 
dem  Siege  des  letzteren  endigt,  sind  frisch  gedachte  und  glücklich 


Arietophanes  als  leichter  nnd  Politiker.  li^d 

und  folgerichtig  durchgeführte  Seencn.  Auch  die  vülletändige 
Heilung  der  Krankheit  des  alten  durch  die  ihm  unerwartete 
Freisprechung  des  angeklagten  Haushundes  ist  ein  köstliches 
Stück  Komik.  Der  dann  folgende  zweite  Theil,  in  welchem  sich 
Pbilokleon  nicht  ohne  Widerstreben  mehr  und  mehr  zu  der  Le- 
bensansicht  seines  Sohnes  bekehrt  und  aus  einem  griesgrämigen 
Timon  ein  lüderlicher  Taugenichts  wird,  enthält  im  einzelnen 
wieder  die  prächtigsten  Einfälle,  ist  aber  ganz  nach  dem  be- 
kannten Schema  gearbeitet  und   mehr  descriptiv  als  dramatisch. 

Auch  in  den  Ekklesiazusen  ist  der  erste  Theil  mit  der  Aus- 
fuhning  des  Grundgedankens,  der  üebertragung  der  Staatsver- 
waltang  durch  Volksbeschluss  an  die  Weiber,  ausserordentlich 
wirksam.  Sobald  Praxagora  die  Vernünftigkeit  und  Nützlichkeit 
dieser  Maseregel  ihrem  eigenen  Mann  zu  seinem  Erstaunen  sieg- 
reich nachgewiesen  hat,  beginnt  der  zweite  Theil  mit  der  Aus- 
führang  des  beschlossenen  Communismus  in  einzelnen  zum  Theil 
überaus  witzigen  Scenen  nach  dem  schon  so  oft  bewährten 
Kecept. 

Nicht  minder  gleicht  der  zweite  Plutos,  welcher  der  alten 
Komödie  nicht  mehr  angehört,  in  Anlage  und  Ausführung  seinen 
alteren  Geschwistern.  Nachdem  die  Heilung  des  Gottes  von  sei- 
ner Blindheit  trotz  aller  Anstrengungen  der  Armuth,  Chremylos 
von  seinem  Vorhaben  abzubringen  durchgeführt  ist,  wird  das 
Wunder  von  Karion  allen  armen  und  ehrlichen  Leuten  ver- 
kündet. Und  sofort  beginnt  wieder  die  Reihe  der  die  Handlung 
auf  demselben  Punkte  kssenden  Genrebilder:  der  gerechte  bringt 
seine  Lumpen,  nachdem  er  reich  geworden,  dem  Gotte  zum  Weih- 
geschenk; der  Sykophant,  der  auch  seinen  Theil  haben  will  an 
dem  neuen  Glücke,  wird  mit  Schimpf  und  Schande  fortgeschickt; 
eine  reiche  alte  schöne  wird  von  ihrem  jungen  Liebhaber,  der 
jetzt  nichts  mehr  von  ihr  wissen  will,  auf  das  lustigste  verhöhnt; 
Hermes  als  Ueberläufer  aus  dem  hungrigen  Himmel,  zu  welchem 
seit  Plutos'  Heilung  kein  Opferdampf  mehr  aufsteigt,  bietet  sich 
in  dem  reichen  Hause  als  'Mädchen  für  alles'  an;  zuletzt  ver- 
wandelt sich  der  Priester  des  Zeus  ΟΓωτήρ  in  einen  Priester  des 
Plutos. 

Bei  den  beiden  letztgenannten  Komödien,  den  Ekklesiazusen 
und  dem  zweiten  Plutos,  hatte  der  Dichter  einen  praktischen  Er- 
folg wohl  kaum  noch  im  Auge;  ebensowenig  gewiss  bei  einem 
früheren  Drama,  den  Thesmophoriazusen,  die  sich  auch  noch  in 
einer  anderen  Beziehung  von  den  übrigen  Schöpfungen  des  Aris*«- 

Bhein.  Mtu.  f.  PbUol.  N.  F.  XXXIX.  9 


ISO  Kock 

pbanes  zu  ihrem  NacLthcil  unterecheiden.  Der  Plan  des  Httickes 
nämlich,  die  Anklage  den  Earipides  als  des  ärgsten  Weiber- 
hassers  vor  der  Frauen  versammlang  bei  Gelegenheit  der  Theemo- 
pborienfeier  und  seine  Vertheidigung  durch  seinen  Schwiegervater 
Mnesilochos,  gibt  zwar  Anlass  zu  einer  Reihe  der  köstlichsten 
Scenen,  wird  aber  gar  nicht  durchgeführt:  denn  weder  die  An- 
klage noch  die  Vertheidigung  hat  einen  Erfolg.  Die  Anklage 
wird  wirkungslos  durch  einen  zwischen  Euripides  und  den  Frauen 
geschlossenen  Frieden,  der  nicht  etwa  durch  Mnesilochos*  präch- 
tige Vertheidigung,  sondern  durch  einen  ganz  neuen,  nur  beiläu- 
figen und  sehr  oberflächlich  motivirten  Vorschlag  des  Euripides 
selbst  herbeigeführt  ist  (1160  ff.).  Dass  dieser  Friedensvorschlag 
viel  zweckmässiger  am  Anfange  als  am  Schluss  des  Dramas  ge- 
macht, dadurch  aber  dieses  selbst  gegenstandslos  geworden  wäre, 
vergisst  man  über  den  lustigen  Schwänken,  die  namentlich  im 
zweiten  Theile,  wo  Euripides  in  mehreren  seiner  eigenen  Hollen 
auftritt  um  Mnesilochos  zu  befreien,  durchaus  denselben  Stillstand 
der  Handlung  und  denselben  Stil  der  Kleinmalerei  wie  die  ent- 
sprechenden Scenen  der  übrigen  Lustspiele  zeigen. 

Die  Wolken  und  die  Frösche  weichen  in  einem  wesentlichen 
Punkte  von  allen  übrigen  Stücken  de»  Aristophanes  ab.  Ge- 
wöhnlich nämlich  wird  das  Thema  der  Komödie,  so  wie  es  dem 
Volke  empfohlen  werden  und  am  Schlüsse  zum  Siege  gelangen 
HoU,  in  der  Exposition  aufgestellt  und  seine  Kichtigkeit  in  dem 
Streite  mit  der  entgegengesetzten  Meinung  in  der  Form  des 
directen  Beweises  dargethan.  So  wird  in  den  Acharnem  die 
Notliwendigkeit  des  Friedens  von  Dikäopolis  erkannt,  den  wider- 
strebenden Kriegefreunden  bewiesen  und  zum  Schluss  allgemein 
gebilligt.  In  den  Wolken  und  den  Fröschen  ist  die  Ankündigung 
und  der  Beweis  indirect.  Strepsiades  ist  keineswegs  wie  Aristo- 
phanes und  im  Anfange  auch  Pheidippides  von  der  Thorheit  und 
Verderbliühkeit  des  sophistischen  Unterrichts,  sondern  von  seiner 
Nützlichkeit  und  Nothwendigkeit  überzeugt;  im  Streite  des  ge- 
rechten und  des  ungerechten  Redners  siegt  der  letztere;  und  erst 
die  verkehrten  Consequenzen  des  falschen  Princips  bringen  das 
richtige  zur  Anerkennung.  Ebenso  hält  in  den  Fröschen  Dionysos, 
der  Ansicht  des  Dichters  zuwider,  nicht  den  Aeschylos,  sondern 
den  Euripides  für  den  grössten  Tragiker  und  steigt  um  ihn  zu 
liolen  in  den  Hades  hinab:  erst  der  Wettstreit  der  beiden  Neben- 
buhler überzeugt  ihn,  dass  er  falsch  geurtheilt  hatte.  In  beiden 
Fällen  also  stellt  sich  Aristophanes,    ganz   wie   es   der   indirecte 


Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker.  181 

Beweis  thut,  zuerst  auf  die  Seite  der  Gegner  und  zeigt  dann 
dnrch  die  eich  nothwendig  ergebenden  verkehrten  Consequenzen 
<Iie  Richtigkeit  seiner  wirklichen  Ansicht.  Jedoch  ist  der  Unter- 
eebied,  daes  in  den  Wolken  Strepeiades,  ehe  er  die  AVahrheit 
erkennt,  die  praktischen  Folgen  seiner  thörichten  Handlungsweise 
zu  fahlen  bekommt,  während  in  den  Fröschen  ein  lediglich  theo- 
retisclier  Wettstreit  die  Bekehrung  bewirkt  und  dadurch  die  be- 
abeichtigte  Unklugheit  verhütet. 

Aber  trotz  dieser  Verschiedenheit  zeigt  dennoch  die  Oeko- 
nomie  auch  dieser  Komödien  die  unverkennbaren  Züge  der  Ver- 
wandtschaft mit  den  anderen.  In  den  Fröschen  musste,  da  die 
Folgen  der  richtigen  Wahl  eines  Helfers  in  der  Noth  der  Tra- 
gödie dramatisch  nicht  wohl  darstellbar  waren,  der  Wettstreit 
der  Dichter  vor  den  Schluss,  also  in  den  zweiten  Theil  verlegt 
werden,  um  so  mehr  als  dadurch  Raum  gewonnen  wurde  für  die 
Ansmalung  der  dem  eigentlichen  Zwecke  der  Komödie  freilich 
fremden  Höllenfahrt  des  Dionysos.  Die  hieraus  sich  ergebenden 
Schilderungen  (des  ersten  Theiles)  entsprechen  in  ihrem  lockeren 
Geföge,  ihrer  willkürlichen  Zahl  und  der  Art  der  angewendeten 
Komik  ganz  denen,  die  wir  sonst  im  zweiten  Theile  finden;  nur 
■ind  sie  um  vieles  glücklicher  gedacht  und  entworfen.  Aber 
auch  im  zweiten  Theile  erinnert,  nachdem  der  Streit  der  Prin- 
cipien  entschieden  ist,  die  etwas  trockene  und  doctrinäre  Prüfung 
der  Prologe,  der  Chorlieder  und  Monodien,  welcher  die  Abwä- 
pttig  einzelner  Verse  nach  ihrer  Schwere  einen  etwas  lebhafteren 
ihechlusB  gibt,  in  ihrem  mehr  logischen  als  poetischen  Schema 
stark  an  die  sonstigen  Scenen  des  zweiten  Theiles. 

lieber  die  Wolken  ist,  da  die  ersten  nicht  erhalten  und  die 
zweiten  nicht  vollendet  sind,  schwer  zu  reden.  So  wie  wir  sie 
haben,  ist  auch  hier  der  Streit  der  entgegengesetzten  Principien, 
des  gerechten  und  des  ungerechten  Redners,  welcher  in  Genialität 
der  Erfindung  und  Hoheit  der  patriotischen  Gesinnung  hinter 
keiner  der  besten  Schöpfungen  der  aristophanischen  Muse  zurück- 
steht, in  den  zweiten  Theil  verlegt;  jedoch  sind,  da  die  Folgen 
der  verkehrten  Wahl  des  Strepsiades  nothwendig  gezeigt  werden 
mussten,  dahinter  noch  zwei  Scenen  der  bekannten  Art  angefügt, 
in  welchen  die  scheinbar  süsse  Frucht  des  sophistischen  Unter- 
richts zur  Darstellung  kommt.  Ausserdem  finden  sich  im  ersten 
Theile  nach  sehr  ergötzlichen  Schilderungen  der  Grübelbude  und 
der  Denkschule  Unterrichtsscenen  aus  dem  trockenen  und  sehr 
unpoetischen  Gebiete    der   Metrik    und   Grammatik,    welche    der 


132  Kock 

Prüfung  der  Prologe  und  CborgeBänge  in  den  Fröschen  auffallend 
gleichen  und  durch  das  Wanzensopha  und  andere  Spässe  ähn- 
lichen Kalibers  einigermassen  über  Wasser  gehalten  werden.  Wie 
dies  alles  nach  vollendeter  Umarbeitung  würde  ausgesehen  haben, 
ist  nicht  zu  errathen:  denn  den  auffallenden  doppelten  Wider- 
spruch der  Handlung  gegen  sich  selbst,  dass  Strepsiades^  Unter- 
richt trotz  seiner  Pfiffigkeit  zu  nichts  führt  und  Pheidippides, 
dessen  anfängliche  Weigerung  allein  des  Vaters  Entschluse  mo- 
tivirt,  dann  doch  Sokrates*  Schüler  wird,  kann  wohl  weder  das 
erste  Stück  enthalten  noch  das  zweite  beabsichtigt  haben. 

Fassen  wir  das  Ergebniss  dieser  Erörterung  in  einem  kurzen 
Schlnssworte  zusammen,  so  können  wir  sagen,  dass  Aristophanes 
durchaus  recht  hatte  sich  seiner  Fruchtbarkeit  an  neuen  Gedanken 
zu  rühmen:  sie  bewährt  sich  in  der  Erfindung  von  Sto£Pen  und 
Fabeln  als  ganz  unerBchöpflich.  Aber  ihn  freute  hauptsächlich 
der  erste,  kühne  Wurf;  bei  der  sorgfältigeren  Durchführung  des 
einzelnen  verdampfte  oft  zu  schnell  der  feurige  Wein;  und  in 
den  schildernden  Bcenen  des  zweiten  Theiles,  die  in  infinitum 
vermehrt,  ebenso  aber  auch  ohne  zu  grossen  Schaden  vermindert 
werden  könnten,  läset  sich  zuweilen  eine  nur  durch  die  gross- 
artige Routine  verdeckte  Ermattung  der  Productionslust,  ein  ge- 
wisser Ueberdruss  an  der  Vollendung  des  begonnenen  wahr- 
nehmen. 


IL 

Die  vorstehende  Betrachtung  gibt  vielleicht  noch  einen  an- 
deren Ertrag. 

Lessing  hat  im  Anfang  des  91.  Stückes  seiner  Hamburger 
Dramaturgie  die  alte  Komödie  gegen  den  Verdacht  vertheidigt, 
dass  sie  'nichts  als  muthwillige  Verleumdungen*  beabsichtige; 
vielmehr  seien  die  'nicht  treffenden  Züge'  in  der  Zeichnung  ihrer 
Personen  'Erweiterungen  des  einzelnen  Charakters,  Erhebungen 
des  persönlichen  zum  allgemeinen.' 

Diese  Aeusserung  läset  voraussetzen,  dass  Lessing  in  der 
alten  attischen  Komödie  trotz  aller  Schwanke  und  Zoten  einen 
sehr  ernsten  Zweck  zu  erkennen  glaubte,  der  an  blosse  muth- 
willige Verleumdungen  zu  denken  nicht  gestatte.  Er  würde 
auf  sie  etwa  das  Horazische  'ridentem  dicere  verum'  angewendet 
haben. 


Aristophanes  als  DichU>r  υτκΐ  Politiker.  133 

Dieselbe  Ansicht  vom  Ernste  des  Zweckes  der  Komödie,  trotz 
aller  Ausgelassenlieit  des  Spottes,    ist  im   allgemeinen    auch    die 
Ansicht  der  älteren,  jetzt  immer  mehr  aussterbenden  Generation 
von  Freunden  des  Alterthnms  gewesen:  sie  meinten,  wenn  Aristo- 
phanes (Frösche  1055)  den  Dichter  'den  Lehrer  der  erwachsenen' 
nenne,   der    das    gemeine    (τό    πονηρόν)  verschweigen   und    mit 
seinen  Darstellungen  stets  einen  edlen  Zweck  (τά  χρη(Ττά  λέγειν) 
verfolgen    müsse,    so    habe    er  auch    den  komischen  Dichter  mit 
einbegriffen,    der   bei  aller  Verschiedenheit    der  Mittel    doch    im 
letzten  Zwecke  der  Kunst  mit  dem  Tragiker  übereinkomme. 

Heute  wird  diese  Ansicht    wie    es    scheint    nur    von    einer 
Minderheit  der  Philologen  getheilt  und  vielleicht  mit    dieser    zu 
Grabe  getragen  werden.  Der  stärkste  Herold  einer  neuen  Auffassung 
iet  Grote  geworden;    um  ihn  hat  sich  ein  munterer  Chor   lauter, 
euch  sehr  vorlauter  'Rufer  im  Streit'  gesammelt,    welche    durch 
Znversichtlichkeit  der  Behauptungen  und  Selbstzufriedenheit  ihrer 
Einbildung  reichlich  ersetzen  was  ihnen  an  Kenntniss  der  Sache 
und  Festigkeit  der  Gründe  abgeht.    Diese,  von  den  neuen  Gesichts- 
punkten   in    Grotes    meisterhaftem,    aber    im    Partei intereBse    ge- 
schriebenen und  darum    vielfach    einseitigen    und    übertreibenden 
Werke  geblendet,  heben  jetzt  z.  B.  den  Kleon  gegen  den  aristo- 
kratisch   verbissenen    Thukydides    als  Ideal    eines    Staatsmannes 
auf  den  Schild,    die    alten  Komödiendichter    aber  erniedrigen   sie 
zu  einer  Art  von  immerhin  geistreichen  Possenreissern,  die  ohne 
ernste    politische  Gesinnung,    nach   dem    augenblicklichen  Beifall 
einer  gedankenlosen  Menge  begierig,  aber  durch  materiellen  λ^οτ- 
theil    an    die  reiche  Aristokratie  gefesselt,  überall  das  aristokra- 
tische Interesse,  die  aristokratische  Politik  verfochten  und  für  die 
mächtig  vorwärts  strebenden  Gedanken  der  demokratischen  Partei 
kein  unbefangenes  Urtheil  gehabt  hätten. 

Es  ist  gewiss  eine  merkwürdige  Erscheinung,  dass  die  alte 
attische  Komödie,  wenn  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Ausnahme  (vgl. 
Hermippos  Fragm.  46),  so  doch  in  der  weit  überwiegenden  Mehrheit 
der  Dichter  entschieden  eine  aristokratische,  zum  Theil  eine  stark 
reactionäre  Färbung  zeigt,  während  in  unseren  Tagen  und  schon 
seit  der  Zeit  vor  der  französischen  Kevolution  Witz  und  Satire, 
namentlich  die  volksthümliche  und  gesunde,  nicht  künstlich  am 
Spalier  gezogene,  obwohl  unser  Litteratenthuni  gegen  materiellen 
Vortheil  schwerlich  in  höherem  Grade  blind  sein  wird  als  das 
des  wohlfeilen,  äusserst  genügsamen  Athens  im  fünften  Jahr- 
hundert, dennoch    in    geschlossener  Masse    pegen    aristokratiscTi« 


134  Kook 

und  reactionäre  Bestrebungen  im  Felde  steht.  Aber  weder  das 
eine  noch  das  andere  wird  man  in  der  Hauptsache  aus  kleinlichen 
persönlichen  Motiven,  durch  Verdächtigung  oder  Herabsetzung 
der  hier  und  dort  an  der  Spitze  der  Opposition  stehenden  Männer 
genügend  erklären  können. 

Das«  die  aristokratische  Partei  auf  irgend  einen  der  Dichter 
der  alten  Komödie  einen  anderen  Einfluss  gehabt  haben  sollte 
als  den  ganz  natürlichen,  welcher  aus  der  Gemeinsamkeit  den 
Standpunktes  im  öffentlichen  I^ben  ent8])rang,  ist  unerweisbar 
und  ganz  unwahrscheinlich.  Die  Komödie  hat  der  Partei  und 
namentlich  den  einzelnen  Mitgliedern  derselben  gegenüber  eine 
vollständig  unabhängige,  man  muss  sagen  sehr  ehren werthe 
Stellung:  sie  verficht  mit  seltener  Einmtithigkeit  aristokratische 
Grundsätze,  ist  aber  keinesweges  weder  nachsichtig  gegen  die 
Fehler  ihrer  Parteigenossen  noch  blind  gegen  die  Vorzüge  der 
Führer  der  Demokratie ;  sie  ist  die  Vorkämpferin  der  Aristokratie, 
nicht  der  Aristokraten.  Am  einseitigsten  scheint  noch  Kratinos 
alles  was  nicht  streng-aristokratisch  ist  zu  verwerfen:  ihm  ist 
(Fragm.  1)  Kimon  der  vortrefflichste  Mann  in  ganz  Hellas;  gegen 
Per i kies  hat  er  die  Xeniesis  und  die  Chcironcn  geschriehen ;  noch 
vor  dem  peloponnesischen  Kriege  nennt  er  ihn  (240)  den  Sohn 
der  Parteiuug  und  des  uralten  Kron(»s,  und  Aspasia  (24 1Ί  die 
Hrra,  welche  ihm  die  Unzucht  zur  hundsäugigen  Beischläferin 
geboren  habe*.  In  Fr.  56  scheint  er  ihn  als  Urheber  aller  Un- 
ruhe und  Verwirrung  zu  bezeichnen,  die  damals  (vor  Ol.  84,  l) 
in  Athen  herrschte;  in  Fr.  71  heisst  er  der  zwiebelköpfige  Zeus, 
der  das  Odeion  auf  dem  Schädel  trägt;  und  nach  dem  Beginn 
des  Krieges  wird  ihm  wie  es  scheint  ι  Fr.  1Γ2Ί  vorgeworfen,  dass 
er  Sparta  unterschätze.  Und  fast  noch  erbitterter  wirft  ihm 
Hermippos  ι  Fr.  4Γϊ,  Ol.  87,  2)  Feigheit  in  dem  von  ihm  selbst 
angezettelten  Kriege  v(»r  und  freut  sich  über  den  Angriff  des 
*  Hitzkopfs  Kleon'  auf  ihn.  Dagegen  scheinen  des  Telekleides  spöt- 
tische Hinweisungen  (42.3.  l)  auf  sein  *  Funinkelgesicht\  dass  er 
alle  Macht  in  Athen  habe,  über  Tribute,  das  Schicksal  der  Bundes- 
genossen, die  Mauern  ihrer  Städte,  über  Krieg  und  Frieden,  Macht 
und    Ciewalt,    Kcichthum    und    Glück,    dass    er    aus    seinem   *elf- 


^  Wie  sehr  seine  Verbindunjr  mit  dem  tVemden  Weibe,  die  dem 
jitheiiisoheii  Stihstj^tfühl  so  jfun/,  unfassbur  schien,  auch  von  den  an- 
deren Komikern  ausgebeutet  wurde,  ist  aus  Plutarch  hinlänglich  be- 
kannt. 


Arietophanee  als  Dichter  und  Politiker.  135 

ecliläfrigen  Haupte   entsetzliches  Getöse    erschallen    lassen   schon 
mehr  der  Bewnndemng  als  der  Feindschaft  zu  entstammen ;   und 
auch  Arietophanee,  der  gegen  die  Folgen  seiner  Politik  nur  niiss• 
trauiech  sein  konnte,  erwähnt  ihn  ohne  Hase  (Kitt.  28H.  Wölk.  850), 
zum  Theil  mit  Stolz  (Wo.  213.  Ach.  530  ούλύμπιος),  dem  auch 
die  komischen  Legenden  üher  die  Entstehung   des  Krieges  (Ach. 
526.   Fried.    606)    keinen    erheblichen    Eintrag    thun.      Eupoliw 
endlich,  der  in  den  Demen  (nicht  nach  Ol.  Ol,   ll   seine    warme 
Verehrung  der    alten  Aristokratie    am    unumwundensten    äussert 
(117),  beschwört  in  derselben  Komödie  den    todten  Perikles   mit 
80I0D,  Miltiades,   Aristeides  aus  dem  Hades  herauf,  um  dem  ge- 
fährdeten Staate  zu  helfen,  und  schildert  seine  Beredsamkeit   mit 
den  glänzendsten  Farben  (04). 

Gegen  Alkibiades,  der  von  Selbstsucht  und  Ehrgeiz  getrieben 
zwischen  Thatkraft  und  Ausschweifungen,  Aristokratie  und  Demo- 
kratie, Diensteifer  für  das  Vaterland  und  Hochverrath  haltlos  hin 
ond  her  schwankte  und  deshalb  zuletzt  nirgends  mehr  V^ ertraue  η 
find,  auch  wo  er  es  vielleicht  verdiente,  hat  sich,  so  weit  unser 
Wissen  reicht,  die  Komödie  —  und  das  ist  sehr  bezeichnend  — 
jederzeit,  wobei  man  nicht  einmal  Arist.  Frösche  1422  ff.  aus- 
znnehmen  braucht,  argwöhnisch  und  ablehnend  verhalten:  schon 
Ol.  89,  3  geisselt  ihn  Eupolis  (158)  und  —  unbekannt  wann  — 
Pherekratee  (155)  wegen  seines  zügellosen  Lebens;  und  kurz  vor 
dem  Erobemngsznge  nach  Sikelien  hat  ihn  Eupolis  in  den  Hapten 
(Ol.  91,  1),  später  Aristophanes  im  Trifj/iales  und  in  den  Tagcnisicn 
(Ol.  92,  2  und  um  93,  3)  aufs  heftigste  angegriffen. 

Nicht  minder  charakteristisch  ist  auf  der  anderen  Seite  die 
Stellung  der  Komiker  zu  Nikias.  Seine  Zuverlässigkeit  und  Treue 
vertheidigt  Eupolis  (181)  gegen  jeden  Verdacht  (Ol.  80,  3);  Tele- 
kleides  nennt  sich  seinen  Freund  (41),  kann  es  aber  doch  nicht 
billigen,  dass  er  aus  übertriebener  Aengstlichkeit  Leute,  die  ihm 
schaden  können,  besteche.  Phrynichos  (50)  nennt  ihn  einen  Duck- 
mäuser; und  der  kühne  Aristophanes  fühlte  sich,  gleich  als  ahnte 
er,  welches  Unheil  seine  Bedenklichkeiten  und  sein  Aberglaube 
über  Athen  bringen  würden,  von  dein  unentschlossenen  Zanderer, 
wie  ausser  den  fiittern  Vög.  3()3  und  noch  mehr  (J40  zeigen 
immer  abgestossen.  Den  reichen  und  verschwenderischen  KalHas 
mit  seinem  Sophistengeschnieiss  liat  Eupolis  in  den  Schmeichlern 
(Ol.  89,  3)  verspottet;  und  mit  welcher  A^erachtung  behandelt  ihn 
Aristophanes  in  den  Vögeln  (283)  und  Fröschen,  Auch  die  unter- 
geordneten   Grössen,    die  der   Partei   nicht   zur   Ehre   gereichten, 


13G  Kock 

der  'Aegypter'  Lykurgos  (;Kratiii.  30.  Pherekr.  11,  Ol.  89,  4, 
Λ  riet  Vüg.  1296,  Ol.  91,  2),  der  Schwätzer  Phäax,  eiufluesreich 
als  Führer  einer  Hetärie  (zu  Ki.  1377),  der  Verschwörer  Phry- 
iiichos  (zu  Fr.  689),  der  feige  Ueherläufer  Peieandroe,  von  dem 
Komiker  Piaton  in  einem  hesonderen  Drama  angegriffen  (Fr.  Einl. 
§.  6.  7,  Vög.  Einl.  §.  19  und  zu  1556.  Eupol.  31.  Phryu.  20), 
der  Wetterhahn  Theramenes  (Fr.  Einl.  g.  7.  9.  13  —  16  und  zu 
540),  der  Verschwender  Leogoras,  die  Schlemmer  Glauketes  und 
Morychos,  werden  üherall  unbarmherzig  mitgenommen;  selbst 
Demos,  den  Sohn  des  Pyrilampes,  schützten  ebensowenig  wie  des 
Kallias  Liebling  Autolykos  Jugend  und  Schönheit  vor  dem 
bittersten  Spotte  (vgl.  auch  Einl.  zu  Fr.  §.  17).  Und  die  Mode- 
thorheiten  der  jungen  adelichen  Herrchen  so  wie  der  alten  grauen 
Sünder  hat  Aristophanes  im  Prolog  der  AVolken  und  in  den 
Wespen,  Avie  schon  in  den  Schmausbrüdem  (vgl.  216)  schonungs- 
los blossgestellt. 

Es  ist  unmöglich,  dass  Männer,  die  mit  solcher  Unpartei- 
lichkeit Verdienste  priesen  und  Schwächen  aufdeckten  wo  sie  sie 
fanden,  durch  materielle  \^ortheile  an  eine  bestimmte  Partei  sollten 
gebunden  gewesen  sein.  Sie  brandmarken  alle,  die  bestechen  oder 
sich  bestechen  lassen,  auf  das  empfindlichste;  Aristophanes  ver- 
schont selbst  den  von  ihm  so  hochgeachteten  Sophokles  nicht 
mit  dein  Vorwurf  der  Gewinnsucht  (Fried.  697  ff.).  Mit  gegen- 
seitigen Angriffen  und  Neckereien  sind  sie  durchaus  nicht  sparsam; 
die  Beschuldigung  der  Benutzung  fremden  Eigenthums  kehrt  sehr 
oft  wieder  (Arist.  AVolk.  553.  9.  Fragm.  54.  Kratin.  200.  307. 
,Ί35.  Hermipp.  64.  Eupol.  78.  Lysipp.  4),  und  auch  an  anderen 
Artigkeiten  ähnlicher  Art  fehlt  es  nicht  (z.  B.  Arist.  Wesp.  1028. 
Auf.  der  Frösche.  Kratin.  324  c.  Eupol.  244.  ."57).  AVie  gern 
würden  sie  einen  verhassten  Nebenbuhler,  der  sich  der  Käuf- 
lichkeit schuldig  gemacht  hätte,  vor  den  Augen  des  Publicums 
an  den  Pranger  gestellt  haben!  Aber  weder  ein  Komiker  noch 
sonst  irgend  jemand,  so  weit  meine  Erinnerung  reicht,  hat,  ob- 
>vohl  es  an  A^ersnchen  dazu  wohl  nicht  fehlte  (Wesp.  1036),  je 
(iinen  komischen  Dichter  der  Bestecliung  auch  nur  geziehen. 
ITnd  warum  gehören  sie  denn  nicht  zu  denen,  die  Nikias,  ihr 
eigener  Parteigenosse,  um  drobende  Gefahren  zu  beschwören, 
bcfltoclien  hat*?  Wie  kommt  es,  dass  der  verschwenderische  Aristo- 
krat Kallias  mit  all  seinem  Gelde  keinen  A'ertheidiger  unter  ihnen 
erkaufen  konnte?  dass  Alkibiades  trotz  seines  Keiohthums  und 
seiner  Heize  von  ihnen  nur  befeindet  wurde?  λ^οη  den  heimlichen 


Arietophniies  als  Dichter  and  Politiker.  137 

Wühlern  zu  schweigen,  die  Hicherlicli  βυΐιυη  die  Neutralität  dieser 
'Anwälte  de»  öffentlichen  Gewissens'  sich  mit  namhaften  Summen 
würden  gesichert  hahen.  Nein,  für  die  politische  Stellung  der 
Komiker  ist  kein  Grund  ausfindig  zu  machen  als  ihre  Vaterlands- 
liebe: sie  waren  sämmtlich  von  der  Verderblichkeit  der  demokra- 
tifichen  and  ochlokratischen  Uebertreibungen  so  fest  überzeugt, 
daeg  nicht  einmal  Nebenbuhlerschaft  einen  von  ihnen  auf  die 
andere  Seite  zu  treiben  vermochte.  Und  die  Geschichte  hat  ihnen 
leider  recht  gegeben. 

Auch  Aristophanes,  um  zu  ihm  zurückzukehren,  wird  man 
einen  Aristokraten  aus  Ueberzeugung  nennen  müssen.  Doch  haben 
etwa  die  recht,  die  ihn  trotzdem  für  einen  blossen  Possenreisser 
ohne  sittlichen  Ernst  und  seine  politischen  Meinungen  für  unzuver- 
Imig  und  nicht  bcrücksichtigenswerth  erklaren? 

£r  selbst  würde  eine  solche  Auffassung  mit  Unwillen  zu- 
rückweisen. Λνβηη  Eupolis  (160)  sich  allen  Ernstes  für  einen 
Wohlthäter  der  Menschen  hält,  so  hat  Aristophanes  diese  Ueber- 
zeugung von  sich  in  vollem  Masse  gehabt.  Er  rühmt  sich  φόρτον 
και  βωμολοχεύματα  άγεννή  (Fried.  748  ff.)  aus  dem  Tempel  der 
Kunst  entfernt  und  diese  erhoben  und  veredelt  zu  haben  'durch 
^8se  Gedanken  und  nicht  alltägliche  Spässe*.  Gewiss  hat  auch 
er,  wo  sie  seinem  Zwecke  entsprachen,  Derbheiten  und  Unflätereien 
ohne  Bedenken  angebracht  und  sich  auch  vor  starken  Uebertrei- 
hongen  nicht  gescheut:  aber  die  Kunst  sollte  nicht  aufgehen  in 
solchen  Dingen;  ihr  Zweck  sollte  ein  ernster,  man  wird  nur  in 
seinem  Sinne  sprechen,  wenn  man  sagt  ein  heiliger  sein.  Denn 
einen  άλεΕίκακος,  wie  Herakles  war,  mit  dem  er  sich  geni  ver- 
gleicht, und  καθαρτής  des  attischen  Landes  nennt  er  sich  (Wesp. 
1043),  einen  unbestechlichen  Vertheidiger  des  Rechtes  (Ach.  645) 
und  des  Volkes,  der  mit  unbeugsamen  Muth  gegen  die  gefähr- 
lichsten Feinde  (Ri.  511.  Wesp.  1028)  für  das  Wohl  Athens  und 
der  Inseln  (Fried.  760)  eingetreten  sei,  der  den  Kleon  selbst  zur 
Zeit  seiner  höchsten  Macht  'in  den  Bauch  getroffen'  (Wo.  549) 
und  den  eigenen  Einfluss  nie  zu  selbstsüchtigen  Zwecken  gemiss- 
braueht  habe  (Wesp.  1028).  Darum  sei  auch  der  Ruhm  seiner 
Wirksamkeit  schon  beim  Beginn  derselben  bis  nach  Lakedämon, 
ja  an  den  Hof  des  Perserkönigs  gedrungen  (Ach.  646  ff.).  Und 
seine  Nebenbuhler  wissen  ausHcr  dem  bekannten  Vorwurf,  dass 
er  eich  bei  der  Abfassung  der  Kitter  von  Eupolis  habe  helfen 
lassen,  keinen  anderen  Unglimpf  geg«*n  ihn  vorzubringen  als  den, 
der  ihm   in   der  That   zur  Ehre  gereicht,  dass    er    wie  Herakle« 


13β  Kock 

Mühe  und  Arbeit  für  andere    verschwende  (vgl.  meine  Anm.  zu 
dem  Korn.  Plat.  100). 

Hatte  er  für  eine  so  hohe  Meinung  von  dem  was  er  wollte 
hinreichenden  Grund?  Für  die  Beantwortung  dieser  Frage  ist  es 
/gleichgültig,  ob  er  die  achtunggebietende  Stellung,  die  er  in  An- 
spruch nimmt,  in  seinem  Vaterlande  wirklich  eingenommen  hat. 
Mag  er  sich  doch  in  seinen  jungen  Jahren  über  die  Starke  seines 
Einflusses  getäuscht  haben :  das  Selbstgefühl  des  Jünglinge  und  die 
Grösse  seiner  ersten  dichterischen  Erfolge  machen  das  natürlich 
und  entschuldbar;  noch  in  weit  höherem  Alter  hat  er  mit  der  recht 
eigentlich  politischen  Parabase  der  Frösche  so  grossen  und  all- 
gemeinen Beifall  gefunden,  dass  dem  Dichter  ein  Zweig  des  hei- 
ligen Oelbaums  verliehen  und  das  Stück  auf  ausdrückliches  Ver- 
langen des  Volkes  zum  zweiten  Mal  aufgeführt  wurde  (vgl. 
Hypothes.  zu  den  Fröschen).  Für  die  Beurtheilung  eines  Charak- 
ters kann  der  Erfolg  nicht  den  Ausschlag  geben:  des  Aeschylos 
Eumeniden  haben  den  politischen  Zweck,  den  er  verfolgte, 
auch  nicht  erreicht,  und  Demosthenes  hat  bei  aller  Höhe  seines 
Strebens  sein  Leben  lang  doch  nur  die  Rolle  der  Kassandra 
gespielt. 

Für  die  Beurtheilung  seines  Charakters  aber  gibt  der  erste 
Theil  dieser  Betrachtung  einen  nicht  zu  unterschätzenden  Beitrag. 

Denn  wenn  wir  uns  noch  einmal  die  Fülle  und  Vielseitig- 
keit seiner  Erfindungskraft,  die  Staunens werthe,  das  ganze  öffent- 
liche Leben  Athens  umfassende  Mannigfaltigkeit  der  von  ihm 
behandelten  Stoffe,  die  geniale  rnerschüpflichkeit  seiner  Phantasie 
vergegenwärtigen:  das  grüsste  an  diesem  Manne,  den  man  für 
einen  grundsatzlusen  Spassniacher  ausgeben  möchte,  ist  doch, 
dass  er  in  all  diesem  flutenden  Leben  in  ihm  und  um  ihn  un- 
wandelbar er  selbst  geblieben,  dass  er  im  heftigsten  Kampfe  nie 
von  dem  einmal  eingenommenen  Standpunkte  abgewichen  ist. 
Was  er  liebt,  bat  er  Zeit  seines  Lebens  geliebt,  was  er  hasst, 
Zeit  seines  Lebens  gebasst;  stets  ist  er  derselben  Einrichtungen 
und  Männer  Freund  und  Feind  gewesen.  Nie  hat  er  sich  eine 
Intreue  gegen  sich  und  die  Sache,  die  er  vertrat,  zu  Schulden 
kommen  lassen,  nie  nach  links  oder  rechts  gesehen;  sondern  ohne 
zu  Avanken  oder  zu  zweifeln  ist  er  in  einem  von  Parteiungen  und 
heinilichon  Wühlereien  untergrabenen  (remeindeleben  mannhaft  sei- 
nen Weg  gegangen,  selbständig  und  unabhängig  wie  nur  irgend 
ein  Perikles. 

Und  wie   klar,   wie   folgerichtig    in    sich   zusammenhängend 


Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker.  189 

nnd  seioe  politUchen  Gninrlsützi*;    wie   deutlich    zeigt  Kich  darin 
nicht  bloM  ein  warnies  und  Ktarkes,  iiir  dan  Wohl    ReineH  Landes 
und  Volke»  hegeistertes  Herz,  sondern  auch  ein  bewundernewürdig 
ffcharfEtiehtiger  Blick.     AnfgewacliHcn  in  der  BegeiKtening  für  das 
Athen  der  Marathonkämpfer,    widmet    er   seine  Fähigkeiten   dem 
Dienste  jener  echten  und   wahren  Aristokratie,   welche   den  Adel 
in  der  Selbatloaigkeit  und  in  der  Hingebung  tür  das  Gemeinwesen 
vifht;   über  die  Schwächlinge,    welche   mit    ihren   Kräften   nicht 
entechlüseen  für  die  Sache  der  sie  anhängen  eintreten,   und  über 
die  feinen  Herrchen,   die   den  Vorzug  der  Geburt   in  Wohlleben 
und  Scbwelgerei  ausbeuten  wollen,  gießst  er  stets  die  volle  Schale 
«eines  Zornes   aus.     Weil    er   auf  dem    abschüssigen    Wege    von 
den  ehrenfesten  Zuständen    einer    ruhmvollen    Vergangenheit    zu 
der  Reform  im  demokratischen  Sinne  keinen    recht    festen  Boden 
unter  den  Füssen   fühlt,   hat   er  offenbar   schon  vor  dem  Beginn 
seiner    dichterischen  I^aufbahn    auf    Perikles    und   seine    genialen 
FJäne  mit   einigem  Misstrauen   geblickt;   seit  aber  Kleon,  gegen 
den  persönliche  Feindschaft,  wie  unbedingt  zuzugeben  ist,  seinen 
politischen  Hass  noch  verschärfte,  und  andere  seinesgleichen,  die 
weder  Perikles  Geist  noch  Perikles  Charakter  besassen,  des  grossen 
Mannes  Erbschaft  antraten  und  immer  rücksichtsloser  die  Demo- 
kratie zur  Ochlokratie  ausbildeten,    wird  er  immer  entschiedener 
in    der   Opposition    gegen    diese    vermeintliche   Volksbeglückung. 
Aus  demselben  Grunde  tritt  er  von  seinem  allerersten  Auftreten 
an,  noch  als  ein  sehr  junger  Mann,   in   der  Ueberzeugung^  dass 
di«  Verbildung   der  Jugend    auch    die  Störung  der  Harmonie  im 
Staate  zur  Folge  haben  müsse,  mit  dem  bittersten  Spott  der  so- 
phistischen  Mode-Erziehung    entgegen,    welche    zunächst   in   den 
Kreisen    der    reichen    Aristokratie   Aufnahne    fand    und,    wie    er 
meinte,  die  Lockerung  des  Familienlebens  und  der  Pietät  zur  Folge 
haben  mnsste.     Auch   den  Euripides   wird  er,    obwohl   er   vieles 
mit  ihm  gemein  hat.  nicht  müde  zu  bekämpfen,  weil  er,   der  als 
Dichter  ein  Lehrer  des  Volkes  sein  sollte,  alt  und  jung  zur  Spitz- 
findigkeit und  Naseweisheit  verleite  und  die  alte,  gesunde  Naivität 
des  Glaubens  und  der  Gesinnung  zerstöre.     Nicht  minder  verfolgt 
er  unerbittlich  den  Aberglauben  und  die  Habgier  der  Wahrsager 
und  Zeichendeuter;   und  selbst  über  des  souveränen  Demos   ver- 
kehrte Neigungen  schwingt  er  unerbittlich  die  Geisse!  seines  stets 
treffenden  Spottes,  überall  sein  grosses  Ideal  des  alten,  einfachen, 
glücklichen,  *  veilchenbekränzten  Athens'  vor  Augen.     Und  einen 
Mann,  der  so  farchtlos  sein  Leben  lang  gegen  den  Strom  schwimmt, 


140  Kock  Aristophanes  als  Dichter  und  Politiker. 

80  furchtlos,  wenn  auch  vergeblich,  den  mächtigsten  Feinden  nnd 
der  Allmacht  dee  Demos  selbst  die  Stirn  bietet,  soll  man  für 
einen  Possenreisser  halten? 

Es  gibt  Leute,  welche  so  hohe  Gesinnungen  für  unvereinbar 
mit  Scherz  und  Spott  ansehen.  Das  sind  die  Philister,  die  nicht 
begreifen,  dass  Ernst  und  Scherz  sehr  wohl  zusammen  passen, 
ja  als  polare  Gegensätze  ώσπερ  έκ  μιας  κορυφής  συνημμένιυ 
(Plat.  Phäd.  60b),  wie  Lust  und  Leid,  Arbeit  und  Erholung,  recht 
eigentlich  zu  einander  gehören,  sich  gegenseitig  fordern.  Gewiss 
sind  die  Naturen  die  glücklichsten,  in  denen  sich  beides  zu  gleich- 
schwebender  Harmonie  verbindet;  aber  wenn  Aeschylos  unsere 
Verehrung  heischt,  weil  in  ihm  der  hohe  Ernst  die  unbestrittene 
Herrschaft  führt,  so  soll  man  es  dem  Aristophanes  nicht  verargen, 
wenn  er  seiner  Natur  folgend  und  an  den  Festen  der  ausgelassen- 
sten Freude  im  Scherz  zuweilen  über  die  Stränge  geschlagen  hat. 
Kein  verständiger  Mann  nimmt  an  Shakespeares  übermüthigen 
Zoten  Anstoss,  die  doch  mit  Macbeth  und  Hamlet  und  Eomeo 
und  Julie  in  einem  und  demselben  Kopfe  vortrefflich  sich  vertrugen; 
und  dem  Aristophanes  will  man,  weil  bei  den  Griechen  doch  nun 
einmal  der  Komödiendichter  nicht  zugleich  Tragiker  sein  konnte 
iPlat.  Symp.  223  d),  was  ihm  gebührt,  den  Preis  des  wahrhaftig- 
sten Patriotismus  vorenthalten? 

Weimar.  Theod.  Kock. 


Die  Bleitafel  von  Magliano. 


Id  der  Rivista  di  Filologia  Bd.  X  (1882)  530  ff.  hat  Prof. 
Teza  die  etrnekieche  Inschrift  einer  bei  Pian  di  S.  Maria  unweit 
Magliano  in  Toscana  gefundenen  Bleiplatte  veröffentlicht,  die  ich, 
nach  Interpunction  und  Inhalt  gegliedert,  so  übersetze: 

13  3 

I.  cau&as '  \  tu^u '  avils '  |  LXXX'  ez'  /Jmdm  *  casdial& ' 
Dem  Canta  im  ganzen  Jahre  180  Opfer 

4  5 

lnc& '    hevn  *      |    avil '  netd  *  |  man '  murinasie  * 

mit  Milch,  Schaf;  um  Neujahr  mit  Tropfgüssen  von  Myrrhentrank, 
fal'  ta^'i 

auf  diesem  Gertist; 

13  3  4 

II.  cUseras'  \  in'  ecs'  mene'  \  nUadcemarni'  \ 
der  Aisera  in  jedem  Monat  Kuchen-Blumen-Frucht-Opfer; 

5 

iu^'  tiw    I    xirndm'  οα&ίαΐ&ί'  a&l 
beim  Vollmond  100  Opfer  mit  Spelt; 

1  3.  3  4 

III.  marisl     \      menitla'      \     afrs'   ci'   alad^'  ximdm'  \ 
dem  Mars    am  Monatsende     Eber     5,  Geflügel  100       ; 

5 

αιήΐβχ '      eca'  \       cepen '         tuO^iu '        Ο^ηχ '       i/ulevr ' 

und  in  diesem  Jahr  der  Dictator  der  Gemeinde    und   2  Priester 
Jiesni '  mtdveni '  ed- '  ittci '  am "       ars ' 

im  Tempel  sollen  darbringen  dies:    Dörrfleisch,  Krüge,   Früchte, 
mlaxdan  * 
Kuchen ; 

1  3  3 

IV.  calu9c  •      I  ecnia  '  avil '  \  mimenicac  •  mar- 
und  dem  Orcus     alle     Jahre    sowohl  halbmonatliche,  als 

calurcac ' 
Randr^inigungsopfer ; 


142  Deecke 

V.  ediud'hinest '     man '  ήναχ '        lescem ' 
dies  Gemeindegrab  mit  Tropfguse,  und  mit  Spreng^nee  das 

inucasi ' 
Todtenlager  sollen  sie  begaben; 

1  2 

VI.  surises '  \  teis  '  evitiuras '     mvhle  '      mlax '      la^  * 
dem  Surisie  ein  Paar  Lämmer,  Honigtrank,  Kuchen,  Schüssel; 

VII.  Uns'     I     Jursi^' 

dem  Jupiter  ein  Keinignngeopfer; 

I  2 

VIII.  tev      I    auviOun  \  lurs^sal  \  efrs '        nac 
den  Göttern  Schafe  2,  ein  Reinignngsopfer,  3  Eber,  in 

der  Gruft. 

Bis  ars'  steht  die  Inschrift  auf  der  Vorderseite  der  Platte, 

der  Re^t  auf  der  Rückseite;    hinter  tev  ist  ein  Absatz,   und   das 

Folgende  steht  in  3  kurzen  Zeilen  unter  einander.     Unsicher  ist 

nur  der  Schluss  von  surises. 

Bei  den  folgenden  erläuternden  Bemerkungen  bezeichnen: 

F.,   P.,   S.,  T.,  Α.,  G.  =  Fabretti's  Corpus  Inscriptionum  Itali- 
carum  mit  den  Ergänzungen  und  dem  Glossar; 

C.  =  Corssen's  Sprache  der  Etrusker; 

M.'^  =  meine  Ausgabe  von  Otfr.  Müller's  Etruskem; 

Fo.  =  meine  Etruskischen  Forschungen; 

St.  =  Pauli's  Etruskische  Studien; 

G.  G.  A.  =  meinen  Aufsatz  in  den  Göttingischen  Gelehrten  An- 
zeigen 1880; 

L.  I.  u.  U.   =  Büchelcr^s  Lexicon  Italicum  und  Umbrica. 

Ich  sende  einige  allgemeine  Bemerkungen  voraus: 

Zur  Gliederung  der  Inschrift.  In  Abschnitt  I — IV  haben 
wir  1.  einen  Götternamen  im  Genitiv,  etruskisch  regelmässiger 
Casus  des  Beschenkten;  2.  eine  Zeitbestimmung;  3.  eine  Opfer- 
angabe; in  I — III  4.  eine  zweite  Zeitbestimmung;  5.  eine  zweite 
Opferangabe;  V  ist  chiastisch  geordnet;  VI— VIII  enthalten  wie- 
der 1.  einen  Götternamen  im  GenitiΛ^;  2.  eine  Opferangabe,  bei 
VIT!  mit  Ortsbestimmung,  wie  in   I. 

Zur  etruskischen  Lautlehre: 

1)  Aspiration  der  Tcnues,  auch  der  durch  die  Tenues 
vertretenen  Medien  M.*^  11  412—21;  G.  G.  A.  1429-30:  tu^iu 
=^  totius,  wie  tu^i  =  toti;  /im^m  =  ccntum;  caisj^iali^i)  = 
(*astialitia;  l'actf  =  laote;  afrs,  efrs  =  apros;  alai/  =  alata; 
mlap^^au  =  placentam;  lursy=  lustrum;  la/e  =  lancem;  ferner 


Die  Bleitafel  von  Magliano.  143 

ta-^i  neben  a-ti,  cela-ti  u.  s.  w.;  -/  in  avile-/,  ^-/,  riva•/  = 
-que,  neben  -c  in  mimenica-c'  marcalurca-c;  endlich  vhin,  (hi  zu 
duo;  e^  =  id  (eig.  *eid);  aii^*  vielleicht  =  ad-ore.  Auch  caui^e 
wird  für  *canta8  stehn. 

2)  SyncopeM.Ml334— 53;  G.G.A.  1415— 21:  ;fim^n)in; 
caÄiHal(i)i^  und  caiHal(i)i^i;  hev(i)n;  nen(a)l;  maris(a)l;  afr(u)8 
und  efr(u)8;  mla/(en)^n,  sogar  mla(;j)«'^• ;  ne8(u)l;  t(a)nuca8i; 
mnl8(u)le;  tin(a)e;  s.  auch  mla^cemarni. 

3)  Apocope  St.  V  46;  66;  80  if.  z.  B.  von  Vocalen:  -ainca- 
iHaliK(a)  und  weiter  ca8i^iali^(ia);  mlav^cemarni(a) ;  alai^(a);  tuci(a), 
vgl.  die  Feminina  auf  -i  für  -ia;  die  Genitivendung  -8  =  -8a; 
auffällig  hevn(ä),  vielleicht  abgekürzt;  -e  in  lac^^e);  -i  in  tiu(i), 
auch  in  ca8^ali^(i);  -u  in  ec8(u);  von  Consouanten:  -s  in  tu^u(8); 
munna8ie(8);  eca(8);  auvi(8),  auch  wohl  ecnia(8)  und  avil(8);  -ns 
in  tla(n8);  -nc  in  ci(nc);  -nt  in  raulveni(nt),  tnuca8i(nt),  so  dass 
η  eine  besonders  erweichende  Wirkung  auf  den  folgenden  Con- 
8onanten  ausgeübt  zu  haben  scheint,  wozu  sein  Einfluss  auf  Aspi- 
rirung  und  Assibiliioing  stimmt;  endlich  -m  {-um)  in  nesl(nm), 
lurs^um),  tev(um),  mul8le(m),  la/e(m).  Zu  bemerken  ist  hier- 
bei, dass  ein  Endbuchstabe  besonders  oft  in  einem  von  zwei 
grammatisch  in  gleichem  Casus  verbundenen  Wörtern  schwindet 
Fo.  V  53,  nt.  202  z.  B.  tute(s)•  arni/als  und  haMials*  ravni/^u(8) 
P.  387;  meclasial•  v^n/vilu(8)  F.  2108;  s.  oben  tu^u(8)•  avils; 
avil(s)"  nenl;  in*  ec8(u)•  mene;  tuvH'  tiu(i);  avils-/'  eca(e)  u.  s.  w. 
Die  schwache  Aussprache  und  der  Verlust  des  -s  und  -m  sind 
auch  altlateinisch  und  umbrisch. 

4)  Abkürzungen,  auch  lateinisch  in  Opfervorschriften, 
wie  CIL.  V  2072  tur(e)  tuc(ca)  vin(o);  so  hier:  man(ale8)"  mu- 
rina8ie(s);  man(ali)•  riva-/;  fal(a)*  ta^;  bl^'  =  ad-ore;  am(a8); 
ar8(via);  mla/(i^n);  nac(nya^i),  auch  dies  mehrfach  bei  gramma- 
tisch zusammengehörenden  Wörtern. 

Im  Einzelnen  bemerke  ich  folgendes: 

I. 

1)  cau&a-Sj  dafür  cai^-s  (a  =  au  M.^^II  370;  G.G.A.  1424) 
2mal  auf  der  Placentiner  Bronze  (abgekürzt,  Fo.  IV  46),  darunter 
am  Ostpunkt,  also  in  Beziehung  zur  Sonne,  wie  auch  die  IHO 
Opfer  zum  Sonnenjahr  von  rund  360  Tagen  stimmen;  vielleicht 
aus  *cauta,  ml.,  vergl.  Ciitil(l)u8  *der  Seher'  Preller  K.  Myth.^, 
II  140;  Wurzel  skau,  lat.  cav-,  cau-;  Suffix,  wie  in  fronta  'der 
Donnerer  . 


144  Deecke 

2)  tudiu{s)'  avils  =  totius  anni,  Geoitiv  der  Zeit,  wie  in 
den  Grabechriften;  s.  I  4  avil(8)•  neol;  III  4  avils-/  eca(8)•  — 
avil  36  mal  (St.  V  93  if.),  wbl.;  vgl.  zum  Stamme  gr.  ένι-αυτός, 
lat.  annus  aus  *amnu8  (soll-emnis)  aus  '''avDae;  zur  Endung  etr. 
ue-il  =  8ol;  ac-il  =  proprius,  proprietas;  lat.  pug-il,  vig-il. 

3)  LXXX'  ezyim^m'  cas&iali^'  lac&' hevn' =  LXXX  et 
centum  *ca8tialitia  lacte  habina.  —  ez  =  ^ets',  aus  et(i),  gr.  in; 
umgestellt  est,  s.  F.  1914  Α  2  lautn  vel^nas  es't  ]a[utn]  afunae 
=  gens  Velthinia  et  gensAfonia;  auch  B.  7(?);  über  κ  =  st  Fo. 
VI  107  z.B.  zic-  *ecribere'  =  lat.  stig-.  Das  im  in /im ihn  ver- 
tritt das  sonante  m,  wie  lat.  en,  gr.  α  in  έ-κατόν.  —  Zu  *ca8tia- 
litia  vgl.  C.  I.  L.  VI  357  castud  =  sacrificio,  zur  Endung  die 
Sacra  Compitalitia,  Genialitia  (nicht  mit  c?).  —  hevna  aus  ^havina 
=  umbr.  haliina,  hapina  'ovis  sterilis'  U.  72;  vgl.  zur  Erwei- 
chung des  Labials:  etr.  havrenies  neben  haprenies  Fo.  VI  53; 
zum  Umlaut  pepna  =  *papina  =  lat.  Papinius  Fo.  VI  47;  55; 
auch  VI  2  evi-tiuras  aus  *avi-.  Milch  und  unfruchtbares  Schaf 
passen  zum  Opfer  an  einer  Todtenstätte,  s.  Aen.  III  66. 

4)  avil(s)  •  ncfil  =  anni  novi.  —  nenl  =  *nenalis(a),  s.  über 
die  Stammerweiterung  durch  -ali  und  die  Genitivbildung  Fo.  V 
1 2  ff. ;  zur  Verkürzung  z.  B.  lariM  =  lar^lis(a) ;  neu-  aus  *nevin-, 
vgl.  gr.  νί/'-ος,  V€^-av-;  daneben  etr.  in  Eigennamen  nuv-,  nuvn-, 
lat.  nov-,  ηδη-  Fo.  VI  60,  wie  neben  me(v)-a-l/-  90  (gr.  iy-yl.^-a) 
auch  muv-a-l/-  (lat.  nov-em).  Zum  Ausfall  des  ν  zwischen  Vo- 
calen  s.,  ausser  me(v)al/-,  z.  B.  caie  =  cavie  =:  lat.  Gavius  Fo.  VI 
32;  62;  über  e  =  ei  M.^  II  367  if.  und  unten  aiseras. 

5)  man{ales)'  murinasie{s) '  fal(a)'  taS^i'  -=  manalibus 
murrinariis,  in  hac  fala.  —  manalis  sc,  urceolus  aus  Varro  bei 
Nonius  547,  9,  von  manare  *  tropfen',  hier  ^Tropfguss';  die  En- 
dung -es  habe  ich  nach  dem  ümbrischen  angesetzt  (neben  -eis, 
-is,  ü.  190);  murrnia  sc.  potio,  bei  Plautus  und  sonst  *  Myrrhen- 
trank*; zur  Endung  s.  osk.  dcketasiin,  umbr.  plenasier  urnasier 
u.  8.  w.  —  Zum  Locativ  Sg.  fal(a)•  ta^  vgl.  den  Acc.  PI.  falas 
F.  1914  A.  13  lind  den  Locativ  PI.  falsti  ehend.  15;  -d^'i  (auch 
'i^)j  -ti  ist  eine  häufige  I*osti)08ition  auf  die  Frage  wo?  z.  B. 
celati  'in  cella'  Λ.  789;  su^iti  *in  sede*  F.  2335;  tai^nal^, 
tar/nali^  'Tarquiniis*  T.  322,  A.  790;  zu  etr.  fala  s.  lat.  falae 
*  loci  exstructi,  turres  lignoae  Eniiius  bei  Nonius  114,7;  P.  Diac. 
Exe.  Fe.,  schon  bei  C.  I  892  ff.  —  ta  begegnet  auch  im  Nomi- 
nativ neben  sui^ifs)  'haec  sedes*  F.  348;  367;  dazu  der  aspirirte 
Locativ  Masc.  oder  Neutr.  dm  (aus  *toi)  als  Adverb  =  liic,  21nial. 


t>ie  ßleitafel  von  Magliano.  145 

II. 

1)  aisera^s  =  *Ae8erae;  derselbe  Genitiv  F.  2603  bie,  da- 
neben eiserae  F.  274  (ei  =  ai  M.^  II  367;  G.G.A.  1423),  beide- 
mal auf  geweibten  Bronzen;  Femininum  von  aisar  Meue'  L.  I. 
ais- ;  etr.  noch  aisaru  'deorum  (?)'  F.  2345 ;  esari  'deo'  F.  2033  bie 
Ε  (par.  7)  a;  eisne  'sacerdos,  divinus'  F.  2100;  gr.  Ιαρός  (dial.) 
=  *Ϊ0αρ-ός.  Wegen  des  e  vgl.  Camertes  neben  Camar(t)8;  wegen 
des  wbL  -a  s.  Fo.  V  63,  nt.  247.  Die  Göttin  führt  sonst  den  Bei- 
namen t^upl^a  (t^uful^a,  ^ufliHcla),  von  *^uple  =  lat.  duplus, 
umbr.  tuplü-,  ist  also  Mondgöttin  =  lana,  was  zu  den  Opfern 
dieses  Abschnittes  passt  Fo.  V  53,  nt.  203;  ΎΙ  110. 

2)  in'  ecs{u)'  mene  ^=-  in  unoquoque  mense^  —  vgl.  in  ilenzna 
(local?)  F.  2279;  i(n)-truta(t)  =  *insecrat  F.  986,  s.  Fo.  V  54.  — - 
ec-  demonstrativ,  L.  I.  eka,  auch  etr.  s.  III  4;  ec-s-,  oskisch  auch 
demonstrativ,  etr.  distributiv,  wie  ecnia  IV  2;  umbr.  via  ecia 
Omni  via'  U.  108;  ec8(u)  Abi.  Masc.  nach  umbr.  -u.  —  mene 
aus  *menne,  *menzne,  *men8ne  =  umbr.  menzne,  amitern.  mesene, 
L.  I.  mens- ;  vgl.  etr.  fremna  aus  fremzna,  (f)rem8na  G.G.A.  1433 ; 
unten  III  2  der  Locativ  meni,  IV  3  das  Adj.  mi-menica-c. 

3)  mla^cetnarni{a),  Acc.  PL  Ntr.,  wie  suovetaurilia,  von 
mla(/)i^-a  placenta  ,  cem-a  gemma  ,  Knospe,  Blume,  ar-via  (?)  = 
umbr.  arvia  '  fruges  und  der  Fndung  -(i)nia,  s.  über  -Ili  und 
-ίηδ  Fo.  VI  95.  —  Acc.  Sg.  mla/^n  III  5,  abgekürzt  mla/(i^an) 
VI  2;  vgl.  die  Göttin  mlacu;^  C.  I  340  aus  *mlacu^  =  placont-, 
«.  illyr.-lat.  Genit.  Fem.  Placontis  u.  s.  w.  Rh.  M.  XXXVI  590; 
gr.  μ(α)λακ-  =  lat.  plac-;  μ(ο)λυβ-  =^  plu(m)b-;  cemulm  lescul 
F.  1914  A.  7  =  *gemmulum  lectulum  (Acc)  *ein  edelsteinver- 
ziertes  Todtenlager'  (oder  zu  geminus?).  —  Zu  ar-  s.  ill  5  ars' 
vielleicht  =  *ar8via,  8.  arsvie  F.  2033  bis  F  (par.  8)  a,  doch  ist 
die  genaue  Form  und  der  Ursprung  des  s  noch  unklar. 

4)  tudi'  tiu{i)j  Locativ,  =?  tota  i.  e.  plena  luna,  'an  den 
Tden' ;  vgl.  meni,  dm  und  III  5  hesni.  —  tiu,  erweicht  aus  tiv, 
wie  cneue,  sceua  neben  cneve,  sceva;  vgl.  Genit.  tiv-s  =^  Lunae 
auf  der  Plac.  Bronze  Fo.  IV  7  ;  tiv-rs  =  mensium  F.  2119;  zur 
Wurzel  lat.  Di(v)-ana  und  unten  tev-. 

5)  /imdm'  ca^ialdi'  ad  :  =  centum  *castialitia  adore.  — 
Zu  ^  =  s^  aus  st  vgl.  den  Namen  cuet^na,  cvei^na  neben  cvesi^na 
aus  *cvestna,  s.  /vestna  u.  s.  w.  M.^  II  420.  —  ador  ist  ein  altes 
Opfer material.  Der  Mondgöttin  werden  hier  nur  vegetabilische 
Gaben  dargebracht.  Ist  ad-use  zu  ergänzen?  vgl.  tuse  F.  1914 
A.'  24  =  ture  (?). 

BiMlii.  Mo•.  L  Pbilol.  N.  F.  XXXIX.  10 


146  I)üecke 

III. 

1)  nmrisl  =  Martis;  vgl.  über  die  mit  Mars  verwandten 
Gütterknaben  etr.  maris  Fo.  IV  34;  über  die  Genitivbildung  Fo. 
V  21,  nt.  77. 

2)  menitla^  in  einem  Wort,  =  träne  mensem,  'am  Ende 
deR  Monate  ;  tra,  neben  traf,  auch  umbriech  mit  dem  Locativ 
U.  219;  vielleicht  hierher  calus-tla  F.  1049  auf  einem  ehernen 
Hunde  und  mit  erhaltenem  r :  cipinal-tra  F.  347  auf  einer  ehernen 
Taube;  vgl.  den  Vornamen  venel  neben  vener;  gr.  -τλον,  lat  -dum 
au«  -*tlum  neben  -τρον,  -trum. 

3)  afr{u)8'  ci'  ala&(a)'  /tmi^tit*  =  apros  quinque,  alata 
centum,  s.  die  grossen  Vögelreihen  auf  etr.  Reliefs.  —  apro 
L.  I. ;  daneben  VIII  2  efrs,  wie  germ.  eher  oder  altslav.  v-epr-T. 

—  ci  =  5  aus  *cinc,  *cic  =  quinque;  Genit.  eis,  Adv.  cizi  = 
5mal;  ce-a-1/-,  cel/-  =  50  u.  s.  w.;  vgl.  den  Eigennamen  einen, 
cicu  Fo.  VI32,  nt.  49.  Zum  Abfall  des  c  s.  falisk.  he  F.  2451; 
2452  neben  heic  F.  2442;  vielleicht  umbr.  enu(k),  e8u(k),  esu- 
me(k).  —  alata,  wie  volatilia;  vgl.  alites;  s.  etr.  alatie:  erce  A. 
802  'alatis  sacrificavit^  (?). 

4)  avüS'X'  eca^s)  =  anni-que  huius  *in  diesem  Jahre*,  in 
Gegensatz  zum  folgenden  ecnia'  avil*  ^omnes  annos*.  —  χ  z,  B. 
in  pumplial-/  =  Pompiliae-que  P.  388 ;  oft  -/va  =  -cva  =  lat. 
quam.  —  Der  Nom.  Femiü.  eca  14mal  mit  sniH(s)  =  sedes  (se- 
pulcralis),  3mal  mit  mutna  (mutana)  =  sarcophagus,  aus  *mrt-na; 
der  Acc.  Neutr,  ecn  aus  *ecum  =  hoc  3mal. 

5)  cepen'  iu&iu{s)'  &αχ'  i/utevr'  hesni'  mtdveni'  e^[  = 
cipus  totius  (i.  e.  civitatis)  duoque  sacerdotes  in  templo  offerant 
hoc.  —  cepen  noch  3mal  als  Amtstitel  T.  329;  F.  2700;  2101, 
mit  dem  Zusatz  tenu  (F.  2033  bis  Ε  a  tenve)  =  lat.  *tenuu8, 
vielleicht  gewählt  ,  alle  3mal  neben  maru,  marunn-  =  maro, 
*raarunuu8.  Zum  Stamme  s.  noch  ceip*  auf  der  Fuciner  Bronze 
A.  940  und  die  Sage  vom  rex  Cipus  Met.  XV  564  if.;  zur  En- 
dung gr.  -ην,  Genit.  -ηνος,  wie  in  βαλήν,  έσσήν,  π€υθήν,  auch 
Έλλην.  —  tu^^inis)  kann  Genitiv  vom  Femininum  tu^a,  wie  vom 
Xeutr.  tu^um  sein ;  vgl.  einerseits  das  in  die  substantivische  Decli- 
nation  übergegangene  ital.  Femin.  touta  πόλις  L.  I.,  vielleicht  auch 
etr.  Genitiv  tutas  F.  1928  ;  andrerseits  das  lat.  totum  'das  Ganze'.  — 
-i^u  =  2,  unten  VIII  2  Acc.  Feminini  ^un(8);  Adv.  ^iinz(i)  =  2mal; 
vielleicht  ^uns  Genitiv  F.  2335  a;  s.  noch  oben  dupl-i^a  =  dupla. 

—  i^u-tev-r:  Wurzel  \χ  aus  iu;f,  iuk  =^  gr.  ευχ-,  vgl.  Dativ  iacie 
'voto*  F.  2400  d;    Acc.  iu;((um)  'votum'  F.  2754  b,    auch    unibr. 


Die  Bleitafel  von  Magliauo.  147 

iuka,  iuku  'vota  U.  210;  die  Form  i/  wahrecheinlich  etr.  noch 
in  i/u-nia  *  votivam  F.  1009 ;  i/va;ra  F.  2301 ;  zu  ϊ  =  iu  aus  eu 
vgl.  gr.  Γθύς  =  ευθύς;  auch  uinbr.  Ivengar  *iuvencae  ;  zur 
Composition  gr.  Εύξίθεος.  —  teve  =  deivus,  divus;  unten  VIII 1 
tev(um)  =  div(or)um;  A.  795  2mal  tθv-araί^  neb«ii  dem  Bilde 
eines  Priesters;  —  ara(n)t-  Part.  Präs.,  zu  gr.  άρά(Τθαι,  vgl.  osk. 
arent-ikai  A.  930;  gr.  θεάρης  (?)  —  Das  -r  für  -ar  ist  Pluralendung 
M.^  II  499.  —  hesni  ist  Locativ  von  hesna  =  ital.  fesna  *tem- 
plum'  L.  L,  s.  über  h  =  fM.^  II  422;  vielleicht  fes(na)^i  Mn 
templo*  F.  2301  bei  einer  Anbetungsscene.  —  mulveni(nt),  wie 
lat.  duint,  edint^  unten  V  tnucasi(nt);  vgl.  altlat.  dedro(nt),  lat. 
-ere  neben  -erunt.  Das  -t  fehlt  auch  in  etr.  sta(t),  etwa  lOmal; 
i(n)truta(t),  s.  oben;  falisk.  cupa(t)  Fo.  VI  31,  nt.  47.  Der  Stamm 
mulven  begegnet  auch  im  Perf.  mulven-eke,  lOmal  (mit  Varianten 
und  Abkürzungen)  ^obtulit*;  daneben  mal(a)ve  *offert'  F.  314 
A.  11,  vielleicht  abgekürzt  mala  A.  939;  maice  *obtulit'  F.  2033 
bis  Ε  a;  vgl.  malena,  malstria,  vielleicht  abgekürzt  ma*  (etwa 
lOmal)  'donum',  die  Göttin  malavis;^  u.  s.  w.  Hierher  vielleicht 
auch  umbr.  maletu  'offerto'  t.  Έ.  II,  a  18,  und  oft  kumaltn  (ku. 
multn,  comoltu),  nebst  kumates  (comatir)  'oblatis*  (Abi.);  viel- 
leicht auch  etr.  knmuluevneke  P.  234.  —  ei^,  auch  ei&,  eit  = 
lat.  Td,  eigentlich  *eid  (s.  den  Nebenstamm  ei-),  etwa  lOmal,  auch 
unten  V  e^^  tu^u(e)  nesl ;  3mal  neben  dem  Acc.  Ntr.  fanu  (hanu), 
verwandt  mit  lat.  fanum  u.  s.  w. 

tvci'  atn'  ars'  ηίΙαχΟ^αη'  =  *tucia,  amas,  ^arsvia,  placentam.  — 
Zu  *tucia  oder  tuccia  s.  lat.  tucca,  tucetum ;  umbr.  toco  Acc.  PI. 
Maec.  ü.  40.  —  ama,  auch  lat.  '  £imer\  2mal  als  Acc.  PI.  F. 
1914  Α  5;  Β  15.  Die  etruskischen  Gräber  sind  reich  an  Gefässen 
aller  Art.  —  Zur  Endung  von  mla^j^n  s.  2mal  an*  su^(m)  *hanc 
sedem*;  F.  2327  ter  b  an'  und  P.  387  anc"  =  hanc,  mit  zu  er- 
gänzendem mutnan;  lescan  F.  346  =  lectam  (?);  auf  der  Plac. 
Bronze  den  Göttemamen  levhi  neben  Ict^am  u.  s.  w. 

IV. 

1)  caluS'C  =  Orci-que  von  calu  aus  *calve  'mortuus,  Orcus*, 
8.  oben  caluä-tla  und  tenvS,  tenu;  es  kommt  noch  mehrmals  vor 
(auch  abgekürzt,  wie  es  scheint).  Dazu  wb.  culbu  (culsu)  als 
Göttin  der  Unterwelt,  3mal,  und  ein  abgeleiteter  Göttername 
culeans  (wie  eelvanSj  seMans),  2mal,  s.  Fo.  IV  62  if.  und  A.  799, 
Z.  6,  überall  in  Grabweihinschriften.  Schon  C.  I  249  hat  auf 
lat.  cäl-igo,  oc-cnlSre  hingewiesen ;  germ.  halja  *  Unterweltsgöttin, 
Hölle'. 


146  Deecke 

2)  ecnia'  avil'  fasse  ich  als  Acc.  PI.  =  eciiia(8)  avil(ee) 
eigentlich  wohl  ecnia(ne)  αΛήΙβ(η8)  *oiniies  (per)  annos*;  s.  avil  in 
Grabschriften  regelmässig  =  annos  St.  V  123.  Das  Suffix  von 
ec-nie  ist  dem  von  om-ni-s  verwandt. 

3)  mimenicac'  marcalur^s&tjcnc  =  8emime(n)8trioaqne  mar- 
ginilustricaque  sc.  sacra,  Acc.  PI.  Ntr.,  noch  von  mnlveni  ab- 
hängig. Der  Abfall  des  se-  ist  kühn ;  man  könnte  anch  an  mi(^)- 
menica  denken,  zu  Ifitin.  medius,  ^  mittmonatlich' ;  -menica  für 
-mensnica  oder  zu  gr.  ήμιμην-ιαΐος,  vgl.  umbr.  eemeniar  u.  s.  w., 
auch  lat.  seme(n)stri8  '  halbmonatlich*.  —  Lat.  margo  auch  Acker- 
rand', hier  marca  (=  germ.  marca)  der  Rand  des  Templume 
(hesna),  das  als  Gemeindegrab  dienen  sollte  (tuMnnesl).  Zu  -lurca 
=  -lursi^ica  vgl.  lat.  Marcus  =  *Marticus,  auch  etr.  marce ;  lure^ 
8.  unten.  Dieselbe  Endung  zeigt  teisnica  F.  2279,  Z.  3,  wahr- 
scheinlich auch  eine  Opferart.  —  Das  doppelte  -c  =  -que  ist 
echt  formelhaft;  vgl.  z.B.  F.  2100  eisne-vC  epr^ne-vC  niacstre- 
vc*  =  sacerdosque  praesesque  magisterque. 

V. 
ediud^iu{s)neslium)'  man{ali)'  riva//  leicem'  tnucasi(fit)  = 
hoc  totius  (i.  e.  civitatis)  ''^neculum  (i.  e.  sepulcrum)  manali,  ri- 
guaque  ^lectem  *dänucas(8)int.  Das  Subject  ist  noch  dasselbe. 
Lieber  die  Wurzel  näc,  nee,  nes-  im  Etruskischen  s.  Fo.  V  2, 
nt.  5;  VI  32  (f.,  auch  schon  C.  I  592;  unten  VIIT  2  nac(nva^i); 
lat.  nee-,  nöc-,  gr.  V€K-.  Das  Wort  nesl  erscheint  als  Adjeotiv 
mindestens  4mal  neben  .sut/i(&)  =  sedes  sepulcralis,  hier  substan- 
tivirt,  vgl.  lat.  torculum.  Zur  Sache  vgl.  tular*  spural  bustum 
publicum',  3mal,  Fo.  V  40,  nt.  144.  —  In  riva  ist  das  g  ge- 
schwunden, wie  in  lat.  rivus.  —  lescem,  Acc.  Fem.  für  *lecsem 
aus  *le('.tem  von  *lectis,  an  Bedeutung  =  lat.  lectus  sc.  sepul- 
ijralis;  vgl.  lescul  =  lectulum,  lescan  =  lectam,  beide  oben  citirt; 
zur  Aasibilation  M.-  II  426—434;  G.  G.  A.  1432  ff.,  lat.  -vexus, 
vexare  neben  vectus;  zur  Umstellung  vgl.  den  etr.  Familiennamen 
8e8c(a)tna,  8es(u)ct(u)na  neben  8ecst(i)na  =  Sextinius  M.^  II  353 
und  356.  —  Ein  lat.  Verbum  dauere  ist  erhalten  in  danunt;  zu 
ihm  verhält  sich  *dänücare,  wie  zu  mandere:  mandücare.  Zur 
Syncope  vgl.  den  Namen  tnuihira  A.  353  neben  tini^ur  A.  936. 
Mit  lat.  donum,  donare  scheint  etr.  tunur  F.  1915,  Z.  3  verwandt, 
wie  mit  gr.  boipov  etr.  ture  Mat\  turce  Medit*.  Auch  das  lat. 
diiere  begegnet  in  etr.  i^ues,  ^uves  *dat\  u.  8.  w.  Die  Formen 
auf  -R(8)im  dienen  auch  altlat.  bei  Wünschen  und  Geboten,  resp. 
Verboten. 


Die  Bleitafel  von  Magliano.  149 

VI. 

1)  Surises.  Ist  diese  Lesung  richtig,  so  setzt  sie  einen 
Nom.  surisie  voraus  =  *Suri8iu8  (wie  Nnmisius,  Calvisius,  Lari- 
sius),  abgeleitet  von  suris,  das  auf  2  Weibgeschenken  vorkommt, 
F.  83  und  2083,  und  dessen  Genitiv  *suri8l  lauten  würde.  Die 
Bedeutung  ist  unbekannt;  doch  vgl.  calu-surasi  T.  332. 

2)  feis'  evitiuras'  mulsle'  nday/  la/e'  =  binos  agnos,  mul- 
sulum,  placentam,  lancem.  —  Zu  teis  s.  teia  F.  1914,  A.  4 — 5; 
22,  schon  von  C.  I  890  als  'zwei'  erklärt,  doch  ist  es  auch  dort 
Accusativ.  Der  Form  nach  ist  es  =  gr.  οοιούς,  ind.  dvajän(8), 
kann  also  lautlich  sehr  wohl  neben  ^un(s)  =  duas  bestehen.  — 
Ueber  evi-  aus  *avi-,  unten  auvi-  =  lat.  ovi-  s.  oben;  -tiura  ist 
aus  -tura  diphthongirt,  wie  etr.  partiunus,  tiucuntine  neben  par- 
tunus,  tucuntine,  osk.  tiurris  =  turris  G.  G.A.  1426;  tura  aber, 
meist  aspirirt  ^ra,  ist  'Spross,  Nachkomme^  F.  2033  bis  3mal, 
vielleicht  A.  802  2mal;  besonders  oft  in  compouirten  Namen,  wie 
anei^ura,  telaihira,  vel^na^ura  (neben  vel^inaj,  tamiadura,  pve- 
cuihira  (in  derselben  Inschrift  neben  precu),  vel^urii^ura;  so  auch 
evi-t(i)ura  =  a(vi)-g(e)nus;  vergl.  noch  avillus  und  lat.  turio 
'Spross*.  —  In  mulsle  ist,  nach  Abfall  des  m,  das  schliessende 
8  zu  e  geschwächt,  wie  immer  im  Nominativ  auf  e  =  lat.  -u(s) ; 
ebenso  munsle,  Acc.  =  municulum  P.  398  (Fo.  V  2,  nt.  4).  — 
Zum  Ausfall  des  η  in  la(n)/e(m)  s.  M.^  II  434;  G.  G.  A.  1433, 
z.  B.  acari  neben  ancari;  pluca  =  Plunca;  mit  Aspiration  lar/e 
neben  lan^e,  lamqre  aus  *lampe. 

VII. 

1)  fin{a)3  =  lovis,  Genit.  von  tina,  häufiger  tinia,  etwa 
20mal,  schon  bei  C.  I  308  ff.;  vgl.  tins'  lut  A.  88;  vielleicht 
tinscvil  *  lovis  donum'  (mit  objectivem  Genitiv);  vgl.  ind.  dina 
*Tag\  lat.  nOndinae. 

2)  lursdiiim)  aus  lustrum,  s.  M.^  11  436  prei'^nse  =  presni^^e, 
presnte;  velniH  =  veli^ni;  pevtial  =  petvial;  cvelne  =  cvenle, 
auch  -VC  =  -cv(e)  und  oben  leecem,  sesctna.  In  solcher  Meta- 
thesis  sind  die  Etrusker  stark  gewesen.  Neben  lurs^  begegnet 
lu^-cva  =  lustrum-que  A.  799,  Z.  5;  ja  lut  im  oben  citirten 
tins*  lut;  doch  könnte  es  eine  Nebenform  *lutnim  =  gr.  λύτρον 
gegeben  haben ;  vgl.  noch  luri  oder  lui*H  T.  332  b,  und  rui^cva 
A.  799,  Z.  4  zu  gr.  ^υτρον  oder  *^ύτρον. 


150  De  eck  β  Die  Bleitafel  von  Magliano. 

VIII. 

1)  tev(um)  muss  Genit.  PI.  sein  =  divuin,  für  divorum; 
sonst  fl.  oben. 

2)  auOi{8)  ^un(s)  \  lnrs^(um)  sal  \  efr{u)s'  fMc(nva9i)j  ge- 
gen Ende  verkürzt  geschrieben,  =  ovee  duas,  lustrum,  tres  apros, 
in  sepulcro.  —  Zu  auvi- =  avi-  s.  M.^  II  384;  G.G. A.  1427.  — 
Das  η  von  ^-n  ist  Stammerweiterung,  wie  bei  den  Namen  auf 
-u,  8.  ^unz,  ^ns  oben;  da  das  Zahlwort  demnach  flectirt  wurde, 
ist  ein  s  abgefallen.  —  sal  =  3  lautet  sonst  isolirt  zal,  aber  Genit. 
e-sal-s,  Adv.  e-slz,  vielleicht  dazu  e-slem  St.  IV  5  ff.  Das  Ver- 
hältniss  zu  idgem.  tri,  wb.  tasar,  europ.  tesar  bedarf  noch  weiterer 
Aufklärung:  am  nächsten  liegt,  zal  =  t(e)8ar  zu  setzen,  wie  venel 
neben  vener;  esal  =  (t)esar.  —  Das  Wort  nacnva,  auch  nacna, 
nana  *  Gruft  ,  von  der  oben  besprochenen  Wurzel  nac-,  kommt 
8mal  vor,  F.  2598  ebenso  abgekürzt,  wie  hier.  Zur  Ergänzung 
8.  oben  fal*  taiH  und  3mal  ati*  nacn(v)a  *in  dieser  Gruft  . 

Es  ist  hiermit  zum  ersten  Mal  die  wesentliche  Ent- 
zifferung einer  grösseren  etruskischen  Inschrift  gelungen,  und  ich 
glaube,  dass  nach  den  obigen  kurzen  Ausführungen  schon  kein 
Zweifel  mehr  sein  kann,  dass  das  Etruskische,  wenn  es  auch 
manche  engere  Beziehung  zum  Griechischen  hat,  doch  zur  ita- 
lischen Gruppe  der  indogermanischen  Sprachen  gehört. 

Dass  die  Bleiplatte  von  Magliano  auch  mythologisch  be- 
deutsam ist,  wie  die  Placentiner  Bronzeleber  mit  ihrem  Templuni- 
schcma,  wird  gleichfalls  schon  aus  den  oben  gegebenen  Winken 
hervorgehen. 

Strassburg.  W.  De  ecke. 


Griechisehee  Epigramm  aas  Aegypten. 


Herr  Alfred  Wiedemann,  der  gelehrten  Welt  bekannt  durch 
seine  Arbeiten  über  ägyptische  Geschichte  und  Alterthuraskunde 
nnd  als  Lehrer  an  unserer  Universität  mir  nahestehend,  hat  von 
seiner  ägyptischen  Reise  aus  dem  Trümmerfeld  des  grossen  Tem- 
pels zu  Eamak  (Theben)  eine  Scherbe  oder  vielmehr  drei  Stücke 
einer  Scherbe  mitgebracht,  auf  der  ein  griechisches  Epigramm  ge- 
schrieben stand;  und  mir  die  Untersuchung  und  Veröffentlichung 
freundlich  gestattet.  Die  Scherbe  stellt  sich,  ähnlich  wie  die  von 
Um.  Wiedemann  selbst  in  Lepsius'  Zeitschrift  für  ägypt.  Spr. 
u.  Alt  1883  Heft  1  unter  der  Ueberschrift  'ein  Fund  thebani- 
scher  Ostraka'  besprochenen  Fragmente,  als  Ueberbleibsel  eines 
ziemlich  grossen  massig  gerundeten  Gefässes  aus  hellgrauem  ge- 
branntem Y2  Centimeter  dickem  Thon  dar,  worauf  die  Schrift  mit 
schwarzer  Dinte  aufgetragen  ist.  Was  uns  von  der  Scherbe  er- 
halten ist,  ist  mitten  durchgebrochen,  diese  beiden  Stücke  haben 
je  4  bis  5  Centim.  im  Geviert  und  decken  sich  soweit,  dass  sie 
im  Schutt  wie  έίη  Klumpe  über  einander  gelegen  haben  werden, 
das  Stück,  welches  die  Zeilenanfänge  hat,  die  linke  Seite  also, 
ist  dann  nochmals  quer  zerbrochen.  Die  Rundung  des  Thons  nicht 
minder  als  die  Inschrift  selber  lehrt,  wie  man  die  Stücke  zu- 
sammensetzen muss;  von  επίγραμμα  steht  -γράμμα  auf  dem 
grössten  Fragment,  auf  den  zwei  andern  je  die  Hälfte  von  έπι-. 
Die  Zeilen  laufen  schief  über  die  Scherbe,  so  dass  nach  der 
äusseren  Erscheinung  das  £nde  einer  jeden  wohl  1  Centim.  tiefer 
liegt  als  der  Anfang,  und  dieser  bei  jeder  folgenden  etwas  mehr 
nach  links  vorrückt;  der  freie  Rand  links  misst  Z.  3  ungefähr 
ΙΥ2>  Ζ.  10  etwas  über  V2  Centim.;  εϊσθεσις  der  Pentameter 
gegen  die  längeren  Verse  ist  der  Inschrift  fremd.  Die  Zeit  nach 
den  Buchetabenformen   zu  bestimmen  halte  ich  vorläufig  für  un- 


152  Bücheier 

möglich;  so  weit  meine  Kenntniss  ägyptischer  Schreibereien  reicht, 
hat  auf  PapyruB  mit  den  Zügen,  welche  dieser  Spross  des  schreib- 
seligen  Volkes  auf  Thon  getragen  hat,  ebensowohl  150  vor  als 
150  nach  Christus  geschrieben  werden  können;  die  Buchstaben 
sind  zum  Theil  zusammengeh&ngt,  von  schmiegsamem  wechseln- 
dem Charakter,  hellenistische  Currentschrift,  Α  aber  auch  Λ,  Δ, 
G,  0  meist  kleiner,  ebenso  CO  in  Tpuj-,  C  und  0  zum  Verwech- 
seln ähnlich,  Κ  durch  die  Eckigkeit  der  schrägen  Linien  sehr 
verschieden  von  IC,  an  Υ  und  Ν  Öfters  der  letzte  Zug  oben  rechte 
durch  stärkeren  Seiten  schweif  abgeschlossen,  welchen  Schnörkel 
ich  noch  nicht  finde  in  der  nach  Grösse  und  sonst  sehr  ähnlichen 
Schrift,  mit  welcher  die  Poseidippos-Epigramme  im  Papyrus  Fir- 
min-Didot  geschrieben  sind  (Weils  Ausgabe  S.  28  Tafel  II).  Die- 
ser fällt  sicher  vor  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderte  vor  Chr. ; 
nach  der  Mahnung  vorhin  darf  ich  auch  dem  Eindruck  Worte 
geben,  welchen  die  Schrift  der  Scherbe  auf  mich  macht,  dass  sie 
eher  noch  in  die  Zeit  der  Ptolemäer  als  in  die  der  römischen  Kaiser 
gehöre.  Uebrigens  sind  die  Buchstaben  so  deutlich,  dass  bei  ge- 
nauer Lesung  über  keinen  ein  Zweifel  bleiben  kann;  die  fragmen- 
tirten  und  darum  zweifelhaften  habe  ich  mit  Punkt  darunter  be- 
zeichnet; von  den  durch  Schuld  des  Schreibers  entstellten  am 
Ende  der  Scherbe  rede  ich  gleich.     Erhalten  ist: 

I  ΜΗΝ  I  ΝΟΔ 

'ΝβΚΤώΡΠΑΝΤβΠΥ 

ΟΥ  ΚβΦΥΛΑΙ'.ΑΧΟΛΟΝΒΡΙΟΗΙΔΟΟ 

e  ΛΛ  ΑΔΟΟβΙ^ΚΑΙΑΟΗΛΑΟεΤΡω 

5       ΡΥ  OMeNOCHATPANAOPICYMMAX 

ATPeiA  Α  ΙΚ€|\νΟΙΟΑΧΘΟΟ€ΜΟΙΔ 

_^ --€ΤΤ!ΓΡΑΜΜΑ 

βΜΤΤΑΨΟΙΜ€ΝΑ•Μ 
10       AGIT  Ι 

Ζ.  1  vorn  von  Μ  genug  vorlianden,  um  es  für  sicher  zu  nehmen. 
Am  SchlusR  hinter  Δ  im  Bruch  ein  Restrhen,  das  zu  einem  vertical 
anfangenden  oder  noch  besser  zu  einem  rundlichen  BuchHtabcn 
passt;  nicht  Avahrscheinlich  ist,  dass  Υ  folgte,  dessen  linke  Spitze 
bei  dem  freien  Baum  sichtbar  sein  müsste  oder  aber  als  verlöscht 
zu  betrachten  wäre,  wie  allerdings  an  manchen  Stellen  die  Fläche 
angegrift'en,  die  Buchstaben  etwas  verwischt  sind.  —  Z.  2  vorn 
Ν  sicher,   hinten  Υ  am    wahrscheinlichsten,   dessen   rechte  Spitze 


Griechisches  Epigramm  aus  Aegypicn.  153 

fehlt.  —  Z.  3  vom  0  noch  klar  genug.  —  Z.  7  Unterschrift  des 
Vorhergehenden,  wie  das  folgende  1  Centim.  breite  Spatium  zeigt, 
in  gleich  grossen  oder  kleinen  Buchstaben  mit  dem  voraufgehen- 
den Text.  —  Z.  9  habe  ich  leider  nicht  herausbringen  können; 
der  Schreiber  hatte  erst  Anderes  geschrieben,  der  alten  Schrift 
gehört  das  Α  vor  ^  an,  über  und  durch  die  alte  Schrift  sind 
neue  Buchstaben  gezogen,  von  denen  am  sichersten  die  vor  der 
Interpnnction  stehenden  €NA.  Der  zweite  Buchstabe  erscheint 
jetzt  wie  Μ  überragt  von  einer  Hasta  der  früheren  Schrift,  viel- 
leicht eines  N.  €t  γράψοιμ'  ^να  hat  nie  dagestanden,  aber  wahr- 
scheinlich beginnt  hier  ein  neues  Epigramm,  der  Schreiber  mag 
in  der  Auswahl  geschwankt  und  darum  was  er  erst  geschrieben, 
getilgt  das  heisst  durch  Aenderung  in  andere  Buchstaben  ver- 
schmiert haben.  Nach  der  vollen  Interpunction  Keste  von  drei  bis 
vier  Buchstaben  am  abgegriffenen  Rand,  nichts  leserlich.  —  Z.  10 
obere  Buchstabenreste,  möglich  auch  ACTT. 

Wir  würden  dem  Schreiber  mehr  Dank  wissen,  wenn  er  in 
der  Subscription  statt  der  Dichtungsgattung  uns  den  bestimmten 
Vertreter  derselben  genannt  hätte;  jedesfalls  zählt  der  Verfasser 
zu  den  geschickteren  Epigrammdichtem,  die  es  werth  sind,  dass 
ihre  Reliquien  sorgfältig  bis  auf  den  letzten  Funkt  edirt  werden. 
Achilles  ist  redend  eingeführt,  wie  Hr.  Wiedemann  sah;  seine  Hel- 
denthaten  (Hektors  Tödtung)  werden  in  Erinnerung  gebracht  im  An- 
Kchluss  an  Homer,  eingeleitet  und  verknüpft  im  Gegensatz  zu  Homers 
μήνιν  äetbe.  Schwerlich  wird  die  Meinung  Eingang  finden,  es  handle 
sich  um  die  Aufschrift  irgend  einer  wirklichen  Darstellung  des 
Achilles,  einer  Statue  oder  eines  Heroon,  dergleichen  Plinius, 
Philostratos,  Kaiser  Julian,  Servius  zu  Vergil  erwähnen  und  wir 
auch  ohne  das  beliebig  voraussetzen  dürften;  das  Gedicht  zielt  mehr 
auf  die  Ilias  als  auf  Achill  und  wird  daher  den  vielen  poetisch- 
schulmässigen  Erfindungen  zuzurechnen  sein,  welche  durch  die 
Beschäftigung  mit  Homer  und  der  älteren  Litteratur  hervorge- 
rufen sind,  in  welchen  von  den  Zeiten  des  Asklepiades  und  des 
Poseidippos  (Bergk  PLG  11**  p.  342)  an  bis  auf  jene  Spätlinge 
der  griechischen  und  römischen  Anthologien,  die  den  Achill  beim 
Anblick  des  Odysseus  im  Hades  oder  beim  Kriegssignal  im  Par- 
thenon declamiren  lassen  ^,  die  verschiedensten  Talente  sich  ver- 

*  Es  wird  gentigen  zu  verweisen  auf  das  in  den  Erläuterungen 
des  aristotelischen  Peplos  und  das  von  Jacobs  und  Riese  in  den  Re- 
gistern AGr.  5  p.  361  und  AL.  2  p.  362  uuter  Achilles  zusammenge- 
stellte Material;  vgl.  auch  Kaibel  epigr.  1079f. 


154  Bücheier 

sucht  haben.  Die  6  Zeilen  reichen  aus,  um  das  Epigramm  abzu- 
runden, es  scheint  also  nicht  mehr  Verse  gehabt  zu  haben.  Wo 
die  Scherbe  abbricht,  läset  sich  der  Wortlaut  auch  nicht  £in  Mal 
mit  Gewissheit  herstellen,  im  ersten  Distichon  selbst  der  ganze 
Sinn  kaum  annähernd :  eben  dies  das  Zeichen  des  besseren  Dich- 
ters. Unter  solchen  Umständen  wäre  es  zwecklos,  feinere  Supple- 
mente auszuarbeiten,  die  vielleicht  einen  Augenblick  über  den 
Verlust  hinwegtäuschen  könnten;  meine  Ergänzung  soll  nichts 
weiter,  als  durch  die  Fortführung  des  G-edankens  den  Gesammt- 
inhalt  zur  Anschauung  bringen: 

Μη  μ€υ  άέί  λβγε]  μήνιν.  ό  ο[ηώσας  γαρ  'Αχαιούς 

€ύτ€  ν€ώ]ν  "Εκτιυρ  πάντ'  έπύ[ριυσ€  λόχον, 
ουκ  έφύλαΕα  χόλον  Βρκτηίοος  ['oub'  δτ€  λείαν 

Έλλάόος  βιΣκαιάς  ήλασβ  Τριυ[ιάοας 
5    λυόμενος  πάτραν  bopi,  συμμαχ[ίαν  b'  έκάλεσσαν 

'Aipeibai,  κβίνοις  άχθος,  έμοι  b[k  κλέος, 
Vers  1  am  Schluss  hatte  Hr.  Wiedemann  etwa  όb[υpόμ€VOς  γαρ 
έταϊρον  gewollt,  aber  die  Inschrift  empfiehlt  kein  Y.  Allerlei 
Möglichkeiten  hier,  wie  ob[€uovTU)V  im  νήας  Τρώων,  indess 
nichts  glaublicher  als  die  Erwähnung  des  Schiffebrands  V.  2;  bei 
Properz  II  8,  32  viderat  Achill  fuffa  Stratos  in  littore  Achivos 
ferrer e  ef  Ilectorea  Oorica  castra  face,  —  V.  3  Homer  χόλον  δν 
σύ  φυλάσσεις,  mit  blossem  Genetiv  χόλον  υίος  έοϊο,  erklärt 
durch  ύττερ  oder  έ'ν€κα,  für  das  im  Epigramm  kein  Raum  war. 
Aber  eben  dieser  Genetiv  macht  die  Erwähnung  eines  gegensätz- 
lichen Subjects,  sei  es  des  Patroklos,  sei  es  überhaupt  der 
Griechen,  im  ersten  Distichon  wahrscheinlich.  —  V.  4  €ΐς  Οκαιάς 
mit  einfachem  σ  geschrieben  wie  €ΐστήλην  CIA.  II  467,  104  und 
Aehnliches  oft.  Dieser  Vers  erlaubt,  denke  ich,  nur  zwei  Er- 
gänzungen, die  obige,  in  der  Cxaiai  ohne  Zusatz  von  πύλαι  steht, 
wie  Γ  263,  Lykophron  774,  Properz  III  9,  39  und  Τρωιάοας 
adjectivisch,  wie  z.  B.  Kallimachos  Fragm.  509,  oder  ήλασε  Τριυσι 
ττύλας.  Der  Anfang  von  V.  5,  welcher  den  charakteristischen 
Ehrentitel  des  Hektor  wiedergiebt,  defcnsor  patriae  AL.  631,  be- 
weist, dass  ήλασε  von  Hektor  verstanden  werden  mnss.  Dann 
folgt  weiter  aus  der  Präposition  εΙς,  dass  der  Satz  negativ  war, 
wenn  nicht  in  der  Form  verneinend,  so  doch  dem  Sinn  nach,  \vie 
durch  hypothetische  Wendung  ή  κεν  όνεώος:  Hektor  fiel  vor 
dem  Skaeischen  Thor.  —  V.  5  πάτραν  mit  langer  erster  Silbe 
im  schwachen  Taktthcil,  was  die  alexandrinischen  Dichter  des 
dritten   und   ZΛveiten    Jahrhunderts   am    ersten   gerade  bei  diesem 


Griechisches  Epigramm  aus  Aegypten.  155 

Verebau,  nach  und  vor  einem  Daktylus,  vor  starker  (^äsur  sich 
gestatten,  wohl  am  öftesten  bei  τρ:  mehr  homerisch,  nach  der 
attischen  Poesie  Allen  weniger  gefällig  an  derselben  Versstelle 
z.  B.  πατρός  Kallim.  hy.  3,  168  in  der  Taktfolge  Spondeus 
Spondeus  Daktylus  oder  πάτρην  Leonid.  Tar.  AP.  VII  506,  12 
in  spondeisch  gebauter  Pentameterhälfte.  Die  Fonn  hier  ist  nicht 
die  epische,  obwohl  der  Dichter  im  Ganzen  einfach,  fern  von 
allen  κατάγλωττα,  an  das  epische  Sprach material  sich  hält;  da 
der  Schreiber  nirgends  einen  Fehler  gemacht  hat,  so  werden  wir 
den  Halbdorismus  oder  Atticismus  des  Epigramms  neben  dem  fast 
peplographischen  Stil  anzuerkennen  haben.  —  Diesen  Schluss  wählte 
ich  wegen  der  berufenen  Wendung  des  Kallimachos  Fr.  134  ούχ 
οΛ'  έμόγησαν  έλττίόες  ώστ*  έχθρων  συμμαχίας  καλβσαι,  welche 
ich  noch  von  Julianus  Aeg.  AP.  IX  398  benutzt  sehe.  Beiläufig 
sei  erinnert,  dass  der  Dichter  der  Aitia  den  Namen  Achills  άττό 
του  €ίναι  δχος  τοις  Ίλεΰσιν  abgeleitet  hat.  —  V.  6  Nikander 
ΑΡ.  VII  435,  5  Οπάρτφ  μεν  μβγα  κυοος,  ΆλεΕίππφ  bk  μεΥ 
άχθος  ματρί.  Ich  schätze,  dass  unser  Epigramm  viel  älteren  Ur- 
sprungs ist;  dem  Anschein  nach  hatte  der  Verfasser  für  die  Be- 
deutung von  μήνις  und  χόλος  noch  schärferes  Gefühl  als  man 
Apollonios  dem  Khodier  und  den  gelehrten  Homerikern  nach  Ze- 
nodot  anmerkt. 

Bonn.  F.  Bücheier. 


Miscelleii. 


Die  Epoden  des  Arehilochus. 

Da»   Distichon   der    iambiechen   Poesie    ist   die   Epode,    die 
Schö])fung  des  Arehilochus;  der  Trimeter  macht  den  Anfang  und 
es  folgt  ihm,    wie  der  kürzere  Pentameter  dem  Hexameter,    der 
Dimeter  als  ein  (Ττίχος  έπςιοόμβνος  oder  έττψδός,  wie  die  Metriker 
sich  ausdrücken:    denn  Arehilochus  wie  Horaz  haben  ihre  Dich- 
tungen bekanntlich  'lamben*  genannt.    Wie  ein  Paradoxon  klingt 
es  daher,  wenn  die  alte  wie  die  heutige  Metrik  (vgl.  z.  B.  Christ, 
§  442)  annimmt,    der  Dimeter  könne  auch  dem  Trimeter  voraus- 
gehen, wie  in  dem  Fragmente  des  Arehilochus 
αΙνός  τις  ανθρώπων  öbe 
ώς  δρ'  άλώπηΕ  καίετός  Ευνωνίην  κτλ. 
Weder  Horaz    hat   in   den  zehn  ersten  Epoden  diese  Form  nach- 
gebildet,   noch  ist  es  überhaupt  natürlich,    dass  ein  gleichartiger 
kürzerer  Vers  dem  längeren  vorangehe,  und  die  seltene  Form  bei 
Horaz  Od.  2,  18 

Xon  ebur  neque  aureum 
Mea  renidet  in  domo  lacunar 
ist    nur    durch    die   Verschiedenheit    der  Versarten    entschuldigt. 
Sollen  Λvir  nun  Kineni  Fragmente  zuliebe  aus  einem  έττψοός  einen 
προψόός  machen?     Mau  wird  sich  doch  die  Sache  vorher  über- 
legen müssen. 

ArchilochuK  gebrauchte  seine  Taniben  zu  Schmähgedichten, 
wozu  der  Vers  vortrefflich  passt,  und  auch  zu  Fabeln,  obschon 
diese  nicht  schmähen.  Aber  wer  sagt  denn,  dass  die  Fabeln 
selbständige  Gedichte  gewesen  seien?  Ist  denn  die  Fabel  bei 
Lucilius  oder  Horaz  selbständig?  Wenn  sie  aber  Theil  der  Satire 
ist,  so  kann  sie  ebensogut  Theil  der  luA^ectiven  gewesen  sein, 
und  sie  passt  in  dieselben  sogar  sehr  gut,  insofern  sie  oft  eine 
Lehre  und  Warnung  enthält.  Es  wird  also  blosser  Zufall  sein, 
dass  die  Fabel  vom  Fuchse  und  vom  Adler  bei  Arehilochus  mit 
dem  Dimeter  begann.  Sie  war  durch  diese  feste  Einfügung,  die 
ein  Ablösen  nicht  gestattete,  nur  um  so  fester  mit  dem  Ganzen 
verbunden.  Streichen  wir  daher  die  aus  iambischem  Dimeter  und 
Trimeter  bestehenden  Epoden  aus  der  Metrik. 


Miscclleu.  167 

Und  da  gerade  von  der  Fabel  die  Rede  ist,  darf  man  in 
der  Geschichte  der  römischen  Litteratur  lehren,  Phädme  sei  in 
*Pierien*  geboren?  (Teuffei- Schwabe  §  284).  Genau  genommen 
mnss  man  dann  auch  sagen,  er  sei  auf  einem  Berge  zur  Welt 
gekommen,  prolog.  lib.  III  17: 

Ego,  quem  Fierio  mater  enixast  iugo, 
In  quo  tonanti  sancta  Mnemosyne  lovi 
Fecunda  novies  artium  peperit  chorum, 
Quamvis  in  ipsa  paene  natus  sim  schola 
Curamque  habendi  penitus  corde  eraserim, 
Fastidiose  tamen  in  coetum  (näml.  poeta.rum)  recipior. 
Für  den  Zusammenhang   gentigt   es,    wenn  Phädrus   sagt,    er  sei 
nicht  in  der  Prosa  des  Lebens  (Geschäftsthätigkeit  u.  ä.),  sondern 
in  hellenischer,  poetischer  Luft  aufgewachsen. 

München.  Eduard  Wölfflin. 


Platonis  locns  correctus. 

Phaed.  100  D:  τούτο  bi  απλώς  και  άτίχνιυς  και  ϊσιυς 
€ύήθα)ς  ίχιυ  παρ'  έμαυτψ,  οτι  ουκ  δλλο  τι  ποΐ€Ϊ  αυτό  καλόν  ή 
ή  έκβίνου  του  κάλου  €Ϊτ€  παρουσία  €Ϊτ€  κοινωνία  €Ϊτ€  δπη  δή 
και  δπιυς  προσγενομένη*  ου  γαρ  ίτι  τούτο  οιισχυρί2Ιομαι, 
άλλ'  δτι  τψ  καλψ  τα  καλά  γίγνεται  καλά. 

Sensus  horum  apertus  et  perspicuns,  sed  laborat  oratio  — 
nisi  forte  illud  plaeet  cum  interpretibus  plerisque  statuere,  δττη 
και  βπιυς  προσγενομένη  idem  prorsus  esse  atque  δπη  και  δπως 
προίΓγίγνεται.  Itaque  re  ipsa  coacti  pro  importuno  isto  προσγε- 
νομένη  aliam  participii  formam,  προσγενόμενον  vel  προσγιγνό- 
μενον  vel  εϊτε  ante  δπη  inducto  προσγενομένου,  editores  repo- 
nunt  Quod  autem  Wyttenbachius  coniecit,  προίίαγορευομίνη,  id 
opinor  —  pace  dixerim  popularis  mei  Badhami  eani  coniecturam 
in  Mus.  Rhen.  t.  28  p.  174  improbantis  —  ad  mentem  et  niorem 
Piatonis  proxime  accedere,  et  multis  apud  Platonem  exemplis  fir- 
matnr,  quanquam  in  eo  quoque  est  cur  haereamns.  Unam  tolla- 
mus  litteram:  evadit  orationis  forma  aptissima,  είτε  δπη  br\  και 
δίχως  προ(Ταγορεύομεν,  et  simillimum  huius  videmusin  Parm. 
133  Γ)  locum,  τά  παρ'  ήμϊν  εϊτε  ομοιώματα  εϊτε  δττη  br\  τις 
αυτά  τίθεται. 

Οχοηϋ.  Τ.  Bywater, 


Zu  Theophrast. 

1.  Plutarch  cum  princip.  philos.  esse  c.  3  οϊ  γε  πολλοί  κατ' 
εονοιαν  τήν  boEav  τίθενται,  νομίίοντβς  ημάς  μόνον  έπαινεϊν 
οος  φιλοΟμεν.  άλλ'  ούτοι  μέν  ώς  ό  ΊΕίιυν  όιώκιυν  τήν  "Ηραν 
ώλισθεν  είς  την  νεφελην,  ούτως  άντι  της  φιλίας  εϊοιυλον  άπατη- 
λόν  και  πανηγυρικόν  και  περιφερόμενον  ύπολαμβάνουσιν.    Ό  bk 


158  Miscellen. 

νουν  ίχιυν,  αν  <^έν>  πολιτ€ίαις  και  πρά^βσιν  άναστρίφηται,  Ο€ήσ€- 
ται  όόέης  ^τοσαύτης)  δση  ουναμιν  περί  τάς  πράξεις  έκ 
του  πιστβύβσθαι  οίόωσιν.  Im  Leben  dee  Agie  c.  2  wird 
für  eine  ganz  verwandte  Betrachtung  über  die  Ehrliebe  Theo- 
phrastue  als  Auetor  genannt,  es  heisst  auch  hier:  ό  μέν  γαρ 
όπηκριβωμένος  και  τελείως  αγαθός  ού5'  δν  όλως  όόίης  6έοιτο, 
πλην  δση  πάροόον  έπι  τάς  πράξεις  [και]  bia  του  πι- 
στεύε^θαι  bibuucTi  und  wenn  am  Eingang  de•  ersten  Capit^le 
e«  heisst:  ουκ  άτόπιυς  τινές  ούοέ  φαύλως  συγκεϊσθαι  προς  τους 
φιλobόεoυς  ύπονοουσι  τόν  έπΙ  τψ  Ίξίονι  μυθον  ώς  bή  λαβόντι 
τήν  νεφέλην  άντι  τής  "Ηρας  καΐ  τών  Κενταύρων  ούτω  γενομέ- 
νων, 80  wird  man  ruhig  das  τίνες  mit  Theophrastus  interpretiren 
dürfen.  Derselbe  hat  in  der  That  zwei  Bücher  περί  φιλοτιμίας 
geschrieben,  aber  ich  zweifle  nicht,  dass  diese  Betrachtungen  aus 
den  πολιτικά  προς  τους  καιρούς,  die  von  Plutarch  vielfach  be- 
nutzt und  sogar  commentirt  worden  sind,  genommen  sind.  £iu 
Cit4it  aus  der  Schrift  περί  φιλοτιμίας  ist  mir  nicht  bekannt. 

2.  Zu  den  doxologischen  Reihen,  welche  Diele  p.  91  ff. 
seines  Werks  aufgeführt  hat,  tritt  noch  die  vom  Scholiasten  zu 
Apollon.  Rhodius  1  498  erhaltene.  Es  werden  genannt  Empedocles 
Thaies  Zenon  [Xenophanes  ausgefallen,  wie  es  scheint]  Anaxagoras 
Euripides.  —  Wenn  in  den  Werken  π.  φυτιυν  Ιστορίας  und  περί 
φυτών  αίτιων  ein  Mangel  historischer  Betrachtung  auffällt,  die 
docli  dem  Theophrast  nach  dem  Muster  seiner  Lehrer  eigen  war, 
so  liegt  der  Grund  lediglich  darin,  dass  vor  ihm  über  die  wich- 
tigsten Probleme  keine  Theorieen  aufgestellt  worden  waren  (das 
Einzelne  verzeichnet  Kirchner  Jahrb.  f.  class.  Philol.  Suppl.  Bd. 
VII  S.  δ  12),  HO  dass  Theoplirast  gar  nicht  in  der  Lage  war 
Uebersichtea  über  die  bo£ai  seiner  Vorgänger  zu  geben.  Dass 
er  es  sonst  gethan  hätte,  beweist  bist,  plant.  III  1,4,  wo  die  Er- 
klärungen von  Anaxagoras  Diogenes  Kleidemus  für  die  αυτόματος 
ΤίνείΤίς  nach  einander  angeführt  werden. 

3.  Der  Peplos  des  Theophrast,  der  bisher  nur  aus  den 
Berner  Scholien  zu  Martianus  Capeila  (s.  Usener  Rh.  Mus.  25, 
G06  f.)  bekannt  war,  ist  kürzlich  durch  ein  neues  Zeugniss  belegt 
worden,  das  freilich  der  Herausgeber  sofort  aus  der  Welt  zu 
schaffen  gesucht  hat.  In  dem  Grlossar  von  Laon,  das  Miller  No- 
tices  et  Extrait^  t.  2V>  p.  2  veröffentlicht  hat,  findet  sich  über 
einem  kurzen  Abschnitt  über  die  Erfindung  der  Buchstaben  die 
Ueberschrift  GX  ΤΤβΤΤΛΟ  TEOOPACTI,  was  Miller  erklärt  έκ 
βίβλου,  i.  libro  Θεοφράστου  und  zu  der  Erklärung  des  Namens 
*  proprium  et  interpretatur  deum  intelligens'  die  ergötzliche  Be- 
merkung macht  *je  ne  trouve  pas  cela  dans  les  oeuvres  de  Theo- 
phraHte'. 

4.  Die  L'rtheile  über  die  staatsmünnischen  Reden  bei  Plutarch 
])raec.  ger.  reip.  sind  grösstentheils  auf  Theophrast  zurückzuleiten. 
Die  Parallele,  die  (Ende  von  cap.  7)  Polyeuktus  zwischen  De- 
mosthenesund  Phokion  zieht,  hat  nach  vit.  Demosth.  c.  10  Theophrast 
berichtet.    Dass  dann  das  Folgende,  bis  Theophrast  wieder  für  die 


Miscellen.  169 

Charakteristik  des  Alkibiadee  als  GewährBinann  genannt  wird, 
ancb  ihm  gehört,  erweist  der  Ausdruck  ό£€ΐς  γάρ  οι  καιροί  καΐ 
πολλά  φέροντες  έν  ταις  πολιτείαις  αιφνίοια.  Gewiss  hatte  er 
auch  das  ή  ταιν  έμών  λόγων  κοπίς  des  Demosthenes  aufbewahrt. 
Ueber  diese  Wendung  vgl.  Bemays,  Phokion  S.  127  und  dazu 
Lucian.  conv.  §  6,  wo  Lycinus  von  Cleodemus  sagt  oloQa  τόν 
στιυμύλον,  τόν  έλεγκτικόν  ξίφος  αυτόν  οι  μαθηται  και  κοπίδα 
καλου0ΐν.  —  Wenn  Theophrast  die  rednerischen  Fähigkeiten  des 
Demades  so  hoch  schätzte,  dass  er  ihn  selbst  dem  Demosthenes 
vorzog,  so  hat  dabei  sicher  nicht  allein  die  politische  Parteisteliung 
mitgewirkt.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  wo  die  Be- 
redsamkeit nicht  als  Kunst  an  sich,  sondern  lediglich  als  ein 
Mittel  des  Staatsmannes  zu  wirken,  betrachtet  wurde,  die  Schlag- 
fertigkeit und  Kürze,  die  Fähigkeit  jeden  Moment  auszunutzen 
höher  geschätzt  wird  als  die  nach  stylistischen  Regeln  vollendete 
Redefähigkeit.  Das  rühmt  Theophrast  an  Phocion  und  Demades. 
Critolaas  ward  deshalb  den  Traditionen  seiner  »Schule  nicht  ganz 
untreu,  wenn  er  so  gering  von  der  Rhetorik  dachte,  dass  ihn 
Sextue  Empir.  adv.  math.  II  12  unter  den  heftigsten  Gegnern 
der  Kunst  nennen  konnte.  Vielleicht  hatte  Critolaus  selbst,  schärfer 
als  Theophrast,  mit  dem  Beispiele  des  Demades  den  Satz  belegt  : 
ενδέχεται  be  γβ  Ικανώς  και  κατά  τρόπον  ^ητορεύβιν  μή  μετά- 
σχοντα Ρητορικής,  ώς  και  π€ρ\  Δημάόου  παρβιλήφαμεν*  κωπη- 
λάτης γάρ  ών  ομολογείται  δριστος  γεγονέναι  ^ήτιυρ  (Sext.  1.  1. 
§  16  ρ.  677  Bekker). 

Göttingen.  G.  Heylbut. 


Ueber  die  Qaellen  der  in  die  Anabasis  des  Arrian  eingelegten  Reden. 

Die  Frage  nach  den  Quellen  der  in  die  Anabasis  des  Arrian 
eingelegten  Reden  habe  ich  in  meinem  soeben  erschienenen 
Bache:  'Die  Quellen  der  Alexanderhistoriker'  auf  S.  295—296 
mit  Absicht  kurz  behandelt,  weil  schon  Droysen  (Hellenism.  I  2, 
S.  405 — 420)  die  längsten  Reden  einer  ausführlichen  Erörterung 
unterzogen  hat.  Ich  halte  es  jedoch  nicht  für  überflüssig,  auf 
Grundlage  der  von  mir  gewonnenen  Resultate  die  vorliegende 
Frage  in  diesen  Blättern  einer  nochmaligen  kurzen  Besprechung 
zu  unterziehen. 

Zuvörderst  muss  ich  alle  Leser  meines  Buches  'Die  Quellen 
der  Alex.  Hist.'  um  Entschuldigung  bitten,  dass  ich  auf  S.  29G, 
infolge  eines  Versehens,  die  Rede  Alexanders  an  seine  Officiere 
vor  der  Schlacht  bei  Issos  (Arr.  An.  II  7,  3 — 9)  als  aus  Aristobul 
geflossen  bezeichnet  habe,  während  sie  in  Wirklichkeit  zum  Theil 
dem  Klitarch,  zum  Theil  einer  uns  unbekannten  Quelle  entlehnt 
ist^  Nach  dieser  kleinen  Beichte  will  ich  zur  Sache  selbst 
übergehen. 

^  Ist  doch   einem   so  gewiegten  Forscher  wie  Droysen  in  einer 


160  Misccllen. 

Ueber  die  Methode  des  Aman  bei  der  Yerfertigang  von 
Heden  sagt  Droyeen  folgendes  (Hellenism.  I  2,  419):  'Hat  Arriao 
die  Rede  von  Opis  nicht  ans  Ptolemaioe  oder  Aristobulos,  die 
er  sonst  für  die  allein  zuverlässigen  Uuelien  hält»  entnommen, 
stimmt  sie  in  wesentlichen  Motiven  und  in  bezeichnenden  An- 
gaben mit  der  auf  Kleitarchos  zurückführenden  Ueberlieferong, 
ist  sie  in  der  Situation,  die  sie  zu  G-runde  legt,  and  in  ihrer 
Gesammtstimmung  von  dieser  unterschieden,  so  wird  man,  da 
sich  Aehnliches  bei  anderen  Reden  Arrian's  ergab,  nicht  amhin 
können  anzunehmen,  dass  Arrian  nach  der  Sitte  der  alten  Meister 
der  Historiographie  für  angemessen  und  nothwendig  gehalten  hat, 
an  geeigneten  Stellen  die  handelnden  Personen  oder  die  Bedeu- 
tung des  Momentes  durch  frei  componirte  Reden  zu  charakteri- 
siren*.  Doch  gegen  diese  Ansicht  lassen  sich  gewichtige  Gründe 
vorbringen.  Erstens  finden  wir  bei  einer  vergleichenden  Betrach- 
tung sämmtlicher  Reden  des  Arrian,  dass  der  Charakter  derselben 
durchaus  nicht  gleich  bleibt.  Ein  Theil  derselben  ist  durchaus 
nüchtern,  knapp  verständig,  den  Verhältnissen  entsprechend  ge- 
halten: so  Arr.  An.  I  18:  Rede  des  Parmenio  während  der  Be- 
lagerung von  Milet,  um  den  Alexander  zu  einer  Seeschlacht  zu 
bewegen,  Antwort  Alexander's  darauf;  Arr.  An.  II  17:  Rede 
Alexander's  an  die  Offiziere  seines  Heeres  vor  der  Belagerung 
von  Tyros  (ein  wahres  Meisterstück  einer  klaren  strategisch-po- 
litischen Exposition).  Andere  Reden  hingegen  sind  breit,  rhe- 
torisch phrasenhaft,  den  Verhältnissen  durchaus  nicht  angemessen: 
so  Arr.  An.  V  25,  3 — 20,  8:  Rede  Alexander's  am  Hyphasis; 
Arr.  An.  V  27,  2  — U:  Antwort  des  Coenus  darauf;  Arr.  An.  VII 
\) — 10:  Kod(i  Alcxander*8  in  Opis  an  die  versammelten  Truppen; 
Arr.  An.  Π  7,  3—i^h  Rede  Alexander's  an  seine  Offiziere  vor 
der  Schlacht  hei  Isso«;  zu^fleich  haben  diese  drei  Reden  in  ihren 
Motiven  eine  bedeutende  Aehnlichkeit  mit  denjenigen  Reden,  die 
uns  an  <len  entsprechenden  Stellen  von  Ourtius  überliefert  sind. 
Ks  ist  aber  nicht  wahrscheinlich,  dass  ein  und  derselbe  Autor, 
falls  er  wirklich  selbst  Reden  koniponirte  —  wenn  auch  mit  Zn- 
^j^rnndelegnn;?  von  ihm  dar^i^ebotenen  Gedanken  —  solche  Reden 
von  so  verschiedenem  Charakter  verfertigt  hat;  der  verschiedene 
(^larakter  der  Reden  ist  nur  dadurch  zu  erklären,  dass  sie  ver- 
schieilenen  Quellen  entlehnt  sind.  —  Zweitons  finden  zwischen 
den  obenerwähnten  rhetorisch  gehaltenen  Arrianeischen  Reden 
und  den  entsprechen<len  Ciirtianischen  nicht  nur  in  den  Haupt- 
gedanken, sondern   auch  im   Einzelnen  Uebereinstimmungen  statt; 


spcciellen  Ari(umentation  (Hcllcnisni.  I  2,  40G)  eine  ganz  irrthüm- 
liclie  Inhiiltsangabe  von  lustin  XI  15  eiitscldüpft  (er  bcliauptct  iiüin- 
iicb,  'dass  nach  Instin  Alexander  mit  Darius  unmittelbar  vor  dca  letz- 
teren TiMh»  (lurcli  einen  Dolmotschor  sich  unterhalten  halx;',  während 
lustin  sajrt,  'dass  Darius  mit  einem  nniciMlonisehen  Sohlaten  gesprochen 
habe*);  man  wini  also  botVentlich  auch  bei  mir  dieses  in  einem  summa- 
rischen Referat   l»egaugeue  Versehen  njit  Nachsicht  bourt heilen. 


Misoellen.  1β1 

Und  dasB  Armn  vieles  theih  ausführlicher,  theils  anders  wieder- 
gibt, als  Curtiiis,  beruht  darauf,  dans  Curtius  den  mehrfach  über- 
arbeiteten Klitarch,    Arrian    hingegen   den   Klitarch    im  Original 
w-i^dergibt,    daes   ferner  bei  Curtius  die  Reden  —  entweder  von 
CcftKüuB  selbst  oder  von  seiner  Quelle  —  stark  zusammengezogen 
^^^^  gekürzt  sind;    überdies  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,   dass 
-^  "»"arian  manches  aus  Aristobul   eingefügt  hat  und   auch   dadurch 
-Einweichungen  von  Curtius  entstanden  sind.    —    Drittens  können 
^*"*^*•  an  drei  Reden   im  Arrian  durch  Vergleichung  mit    anderen 
^  ^^toren  direkt  beweisen,    dass  Arrian  diese  Reden  ohne  wesent- 
J*^  lie  Veränderung  aus  seinen  Quellen  herübergenommen  hat  (vgl. 
^^ell.  der  Alex.  Hist.  S.  296).  —  Alle  diese  Gründe  bestätigen 
er  die  Ansicht,  dass  Arrian  seine  Reden  nicht  frei  komponirt, 
'^Äidem  seinen  Quellen  entlehnt  hat;    bei   den   grösseren    hat    er 
?^  ^glicherweise  zwei  Uuellen  (Klitarch  und  Aristobul)   in    einan- 
^**^  verarbeitet;    nur   hin   und   wieder   hat   er  von   sich  aus   den 
denden  philosophische  Sentenzen  in  den  Mund  gelegt. 

Breslau.  Arthur  Fräukel. 


^ 


Nachtrag  za  den  ^Scenica'  (Rhein.  Mus.  38  8.  282  ff.)• 

Die  Richtigkeit  meiner  Annahme,    dass  bereits  in  der  Zeit 
peloponnesischen  Krieges  in  den  theatralischen  Aufführungen 
Athen  auch  die  Protagonisten  unter  einander  um   einen  Preis 
^J^etteiferten,    wird  aufs  schönste  bestätigt  durch  eine,    einst  von 
'^iöckh  CIGr.  231  aus  Fourmont's  Papieren  ungenau  mitgetheilte, 
j^tzt  von  ü.  Köhler,    CIAtt.  II  2,  n.  972    nach    der    genaueren 
il^Bung  bei  Lebas    (Voy.  aroh.  Attique  n.  507  p.  139)    ergänzte 
-Aufzählung  tragischer  Aufführungen  in  Athen.     Böckh  hatte  den 
^amen  des  einen,  auf  jener  Tafel  genannten  Archon  ΑΡΧΗ  zwar 
>ichtig  zu  Άρχίου  ergänzt,  dabei  aber  an  den  Archon  des  Jahres 
d46/5    gedacht.     Bei  Lebas    erscheint   der   Name    des  Archonten 
üeB    nächstfolgenden    Jahres    deutlicher:    das    ΝΤΙΦ   ΝΤΟΣ    hat 
Köhler  anzweifelhaft  richtig  zu  in  'Αντιφώντος  vervollständigt, 
und  nun  kann  freilich  kein  Zweifel   sein,    dass   hier   der  Archon 
des  Jahres  418/7,  vorher  "'er  aus  Diodor  bekannte  Archias,  Ar- 
chon 419/8  gemeint  ist. 

Mustert  man  nun  die  von  K.  hergestellte  Inschrift  durch, 
so  sieht  man,  wie  man  dies  aus  ähnlichen  Inschriften  jüngerer 
Zeit  gewohnt  ist,  für  jedes  Jahr  am  Ende  der  Namenreihe  ver- 
zeichnet den  Namen  des  siegenden  Schauspielers:  ύπο:  ό  beiva 
ένίκα.  So  ist  denn  bestätigt,  dass  bereits  an  den  tragischen 
Aufführungen  (ob  gerade  der  Lenäen,  wie  Köhler  annimmt, 
scheint  mir  noch  sehr  ungewiss)  der  Jahre  420,  419,  418  ein 
Agon  der  tragischen  Schauspieler  stattfand.  Die  Inschrift  lehrt 
Übrigens  uuwidersprechlioh,  dass  in  der  That  in  damaliger  Zeit 
£in  υποκριτής,  d.  h.  ein  Protagonist,  die  ganze  Trilogie  eines 
Dichters  zur  Aufführung  brachte:    wonach    denn    meine,    6d.  38 

BlMin.  Mo•,  f.  PbiloL  K.  F.  XXXIX.  ^0* 


tr>2  Miscellen. 

S.  271  geäueeerten  Zweifel  zurückzuweisen  und  anznnelimen  ist, 
daH8  im  5.  Jahrhundert  eine  andere  Praxis  geherrscht  habe,  als 
sie  für  die  zweite  Hälfte  des  vierten  die  eben  dort  von  mir  an- 
gerufene Inschrift  (jetzt  CIA.  II  973)  erkennen  Hess. 

Weiter  aber  wird  meine,  auf  S.  274/5  ausgeführte  Aneicht, 
dass  als  siegender  Schauspieler  nicht  ohne  Weiteres  der  Protago- 
nist der  siegenden  Trilogie  gegolten  habe,  sondern  über  das 
Verdienst  der  schauspielerischen  Leistungen  unabhängig  von  dem 
Urtheil  über  den  AVerth  der  aufgeführten  Dramen  entschieden 
worden  sei,  als  richtig  bestätigt  namentlich  durch  die  auf  die 
Aufführungen  des  Jahres  418  bezüglichen  Angaben  der  Inschrift. 
Man  muRs  jedenfalls  annehmen,  dass  die  Namen  der  im  Wett- 
kampf aufgetretenen  Dichter  auf  dieser  wie  auf  ähnlichen  In- 
Hchriften  in  der  Reihenfolge  genannt '  sind,  in  welche  sie  von 
den  Preisrichtern  gestellt  worden  waren:  eine  ausdrückliche  Be- 
merkung darüber,  welcher  Dichter  denn  nun  den  ersten,  zweiten 
(und  dritten)  Preis  errungen  habe,  kann  nur  darum  in  diesen 
Verzeichnissen  erspart  worden  sein,  weil  eben  dies  durch  die 
Reihenfolge,  in  welcher  die  Namen  der  Dichter  aufgezählt  wer- 
den, bereits  angezeigt  wird.  Nun  wird  als  Derjenige,  welcher 
418  die  an  erster  Stelle  genannte  Trilogie  ύπεκρίνβτο,  genannt 
Λυσικράτης,  als  Protagonist  der  an  zweite  Stelle  verwiesenen 
Trilogie  Καλλιππίόης,  der  wohlbekannte  (vgl.  38  S.  280  Anm.). 
Wäre  nun  der  Protagonist  der  siegenden  Trilogie  eo  ipso  Sieger 
im  Schauspielcragon  gewesen,  wozu  brauchte  dann,  da  ja  der 
Protagonist  der  siegenden  Trilogie  bereits  genannt  war,  auf  sol- 
(ihen  Verzeichnissen  überhaupt  noch  ausdrücklieh  gesagt  zu  wer- 
den, welcher  υποκριτής  ένίκα?  Dies  geschieht  aber  nicht  nur 
durchweg,  sondern  in  diesem  besonderen  Falle  lehrt  uns  die  In- 
Htdirift,  das»  als  υποκριτής  ένίκα  Kallip]>ides,  also  der  Protagonist 
der  nicht  an  erster  Stelle  genannten  Trilogie.  Hiermit  ver- 
gleiche man,  wan  ich   Bd.  88  S.  275  ausgeführt  habe. 

Tübingen.  Krwin  Rohde. 


Der  Durchzug  Hannibars  durch  die  Po-Sämpfe  im  Jahre  537/217. 

Dass  der  mühselige  Durchzug  der  punischen  Armee  durch 
die  Pü-Sünipfc  im  Frühjulir  537/217  in  Livius  22,  2  an  den  Arno 
verlegt  ist,  hat  Livius  allein  zu  verantworten,  der  bereits  21,  59,  y 
auf  die  letzteren  anspielt,  indem  er  den  Consul  Semproniu«,  als 
dieser  Hüdlicli  von  den  Apenninen  Hannihal  erwartete,  in  Luca, 
als  dem  nördlichsten  Ende  der  Arno-Sümpfe  gelegen,  sich  auf- 
Htellen  lässt.  Polybius  in  seiner  IJesclireibung  des  Zuges  kennt 
den  Namen  Arnns  noch  nicht;  er  bestimmt  zwar  die  (legend,  in 
der  die  Sümpfe  gelegen,  nicht  näher,  legt  dieselben  aber  mit  dem 
Ausdruck  την  bia  τών  ελών  €ίς  την  Τυρρηνίαν  φορούσαν  €μ- 
βολήν  .*>,  7S,  G  jedenfalls  ausser  halb  Etrnriens;  zudem  bezeichnet 
er  in  seiner  ganzen  Darstellung  die  Sümpfe  als  bleibende,  nicht 


Miscellcn.  163 

durch  periodieche  Ueberschwemiuungen  erzeugt,  die  erst,  nach- 
dem 20000  Mann  darüber  marschirt,  für  die  Nachhut  schwer 
darchziehbar  geworden  (c.  79.  5).  Wären  die  Sümpfe  bei  den 
Fossae  Papirianae,  bei  Luca  und  Pisa,  gewesen  wie  die  Meinung 
des  Livius  ist,  so  hätte  Hannibal  durch  einen  beliebigen  östlicher 
gewählten  Pass  sie  leicht  vermeiden  können;  waren  sie  wirklich 
östlicher,  zwischen  Pistoria  und  Faesulae,  wie  Nissen  meint,  so 
rührten  sie  nicht  mehr  vom  ausgetretenen  Arno  her,  wie  doch 
Livius  sagt,  sondern  vom  Ombrone  und  Bisenzio;  zudem  ist  es 
dann  nicht  mehr  richtig,  dass  die  Armee  vier  Tage  und  drei 
Nächte  keinen  Ruhepunkt  hatte  finden  können  (Pol.  3,  79,  8; 
Liv.  22,  2,  7).  Die  ganze  den  Ueberschwemmungen  ausgesetzte 
Strecke  ist  hier  nur  5  Meilen  lang  und  im  Durchschnitte  1  Meile 
breit  Die  Höhen,  die  im  Norden  und  Osten  das  Thal  ein- 
scbliessen,  sind  überall  der  Art,  dass  mit  Leichtigkeit  und  ohne 
Umwege  jederzeit  ein  Jiuhepunkt  für  die  Armee  auf  ihnen  er- 
reicht werden  konnte.  Die  Ueberschwemmungen  des  Ombrone 
und  Bisenzio  konnten  demnach  Hannibal  die  überlieferten  Schwie- 
rigkeiten nicht  bieten. 

Strabo  berichtet,  5,  2  p.  22G,  es  habe  zwei  Wege  von  Gallia 
Ciealpina  nach  Mittelitalien  ge^^eben,  einen  über  Arretium  (der 
sich  über  Faesulae  und  Bononia  fortsetzte) ;  diesen  habe  Hannibal 
gewählt;  der  andere  habe  über  Ariminum  geführt.  Er  berichtet 
weiter  5,  1  p.  217,  dass  von  Placentia  an  nach  Osten  zu,  jeden- 
falls bis  über  Parma  hinaus  sich  früher  grosse  Sümpfe  ausge- 
dehnt hätten.  Dieselben  seien  G45/109  mittels  Abzugskanälen, 
die  Aemilius  Scaurus  gebaut,  ausgetrocknet  worden,  und  sie  habe 
Hannibal  537/217  auf  dem  Wege  nach  Etrurien  durchziehen 
niüseen.  Wir  haben  keinen  Grund  an  der  Mittheilung  des  Strabo 
za  zweifeln.  Weil  die  Sümpfe  ausgetrocknet  waren,  wurden  sie 
vergessen  und  die  Leiden  der  punischen  Armee  bei  ihrem  Marsche 
nnnmehr  da  gedacht,  wo  man  von  Sümpfen  etwas  wusste,  im 
Amothale,  das  Hannibal,  nachdem  er  die  Apenninen  überschritten, 
gleichfalls  hatte  berühren  müssen. 

Die  Strasse  Placentia-Bononia  nun  ging  mitten  durch  die 
Po-Sümpfe.  Wollte  Hannibal  die  A])enninen  auf  dem  Wege  Βο- 
ή onia-Faesulae  passiren,  wie  er  es  that,  so  boten  sich  ihm  zwei 
Möglichkeiten.  Er  legte  die  Strecke  Placentia-Bononia  entweder 
auf  der  Strasse,  —  und  eine  solche  war  im  Jahre  537/217  8chon 
vorhanden  Liv.  21,  25^  9  —  oder  durch  die  Sümpfe  zurück. 
Wählte  er  die  Strasse,  so  Avar  den  Römern  sein  Aufbruch  sofort 
bekannt,  und  je  nachdem  er  nun  entweder  gerade  aus  nach  Ari- 
minum weiter  marschirte,  oder  in  Bononia  nach  Süden,  dem 
Rigonue-Thale  abbog,  lag  auch  seine  Marschroute  vor  aller 
Augen.  Er  aber  wollte  unerwartet  und  ungeahnt  in  Etrurien 
eindringen  (Pol.  3,  78,  6).  So  brach  er  denn,  wie  Zonaras  8,  25 
p.  243  D.  sehr  glaublich  überliefert,  bei  Nacht  mit  der  Haupt- 
armee auf,  liees  die  Reiterei,  um  den  Feind  zu  täuschen,  im  Lager 
zurück,    und  dieselbe  erst,   'nachdem   er  die  Apenninen   in   aller 


164  Misoellen. 

Ruhe  überstiegen  hatten  nachkommen.  Sollte  die  Täuschung  ge- 
lingen, 80  muH^te  Hannibal  bei  diesem  Marsche  die  Landetrasse 
nothwendig  verlassen  nnd  den  Weg  durch  die  anbegangenen 
Sümpfe  nehmen,  die  sich,  da  die  Strasse  mitten  durch  dieselben 
ging,  im  Süden  von  dieser  hinzogen.  In  der  Umgebung  dieser 
Po- Sümpfe  waren  dann  allerdings  keine  Höhen  vorhanden,  die 
den  ermüdeten  Soldaten  Rohepunkt«  hätten  bieten  können;  bei 
diesen,  die  sich  10  Meilen  weit  erstreckten,  war  eine  Durch- 
marschzeit von  vier  Tagen  allerdings  nothwendig.  Das  Zeugniss 
des  Strabo  stellt  sich  dem  des  Livius  gegenüber;  daes  Strabo 
über  römische  Geschichte  fast  durchgängig  trefflich  orientirt  ist, 
ist  bekannt.  Wir  werden  wohl  nicht  zu  gewaltthätig  verfahren, 
wenn  wir  bei  Gründen  so  mauigfacher  Art,  wie  sie  sich  im  vor- 
liegenden Falle  zu  Gunsten  Strabo's  gegen  Livius  ergeben,  dem 
ersteren  den  Vorzug  geben  vor  Jjivius.  Dnrchzogen  hat  die  pu- 
nische  Armee  allerdings  das  Amothal,  als  sie  537/217  in  Etrurien 
eindrang,  aber  die  Leiden,  die  sie  beim  Marsche  durch  die  Sümpfe 
erwarteten,  hat  sie  nicht  jenseits  der  Apenninen  zu  ertragen  ge- 
habt, sondern  diesseits. 

Leipzig.  Wilhelm  Sieglin. 


Die  Fabiani  in  der  LnpercalieBfeier. 

Im  Eingange  seines  Aufsatzes  über  die  Luperealien,  deren 
lange  verkannte  religiöse  Grundbedeutung  nun  wohl  endgültig 
festgestellt  ist,  wendet  sich  Unger  gegen  die  neuerdings  von 
Marquardt  u.  a.  vertretene  Anschauung,  dass  dieses  Fest  aus 
einem  Gentilculte  der  Fabier  und  Quintilier  erwachsen  sei;  den 
Grund  für  die  Benennung  der  Luperkensodalitäten  als  Fabiani  und 
Quintiliani  sowie  für  die  traditionelle  Vorstandschaft  jener  beiden 
iTontea  sucht  er  auf  sacralem  Gebiete,  in  einer  Beziehung  ihrer 
Namen  zum  Zwecke  der  Feier,  indem  er  an  einer  Reihe  von  Bei- 
spielen eine  derartige  Bevorzugung  der  'bona  nomina'  nachweist 
(Rhein.  Mus.  XXXVI  S.  52  ,58  55  f.).  Völlig  ungezwungen  er- 
gibt sich  denn  auch  eine  solche  Beziehung  bei  den  Quintiliern 
(zu  (]uinquare  =  lustrare:  Charisius  p.  Ol  P.  81,  22  K.),  während 
die  Verknüpfung  der  Fabier  mit  februare  weniger  ansprechend 
erscheint,  besonders  da  die  Alten,  wohl  mit  Recht,  über  die  Her- 
kunft dieses  Gentilnamens  —  von  faba  —  ganz  anderer  Meinung 
waren:  vgl.  Plin.  nat.  bist.  XVIII  3,  .-J,  10  'cognomina  etiaui 
])rima  inde,  Pilunini  qui  pilum  pistriiiis  invenerat,  Pi^onis  a  pisendo. 
iam  Fahiorum,  Lentulorum,  Ciceronum,  t(f  quisque  aliquod  optum*: 
(jcnus  sercret' ;  mehr  bei  Pfund  'de  antiiiuissima  apud  Ttalos  fabae 
cultura  ac    religione',   Dissert.  Berol.   1845  ]>.   26  sq. 

Aber  gerade  diese  Etymologie,  deren  Richtigkeit  kaum  Avird 
bezweifelt  werden  können,  legt  eine  Deutung  im  Sinne  Ungcrs  nahe. 

Li  den  römischen  Sühnriten,  besonders  bei  den  Totenfesten, 
spielt  die  faba  eine  grosse  Rolle,  wie  die  Beschreibung  einer  solchen 


Misoellen.  Ιβδ 

C6rimoiiie  Ovid.  Fast.  Π  574  eqq.  (an  den  Feralien:  vgl.  Calpurn. 
ecl.  III  82  Mupini  ferales'j  und  V  419  —  445  t^an  den  Lemurien) 
zeigen  kann,  vgl.  besonders   V  436  f.: 

nigras  accipit  ante  fahuH 

avereusque^  iacit.     Sed  dum  iacit,  'haec  ego  mitto, 

his*  inquit  ^redimo  tneqne  meosque  fahis  , 

Hoc  novies  dicit  ncc  respicit^;  umbra  putalur 

colligere  et  nullo  terga  vidente  eequi: 
wozu  vgl.  Varro'de  vita  pop.  Rom.'  bei  Nonius  p.  135:  'Uuibus  tem- 
poribuB  in  aacris  fabam  iactant  noctu  (loann.  Lyd.  de  mens.  p.  Hl) 
κύαμοι  €ΐς  τους  τάς)θυς  ρίπτονται  υπέρ  σωτηρίας  κτλ.)  ac  dicunt 
ee  letnurios  domo  extra  ianuam  eicere^'^;  bei  Pliniue  nat.  bist.  XVI II 
1*2,  3(^  118  sq.:  *.  .  .  ob  haec  Pytbagoricae  sententiae  damnata, 
nt  alii  tradidere,  quoniam  Morfuontm  animae  sint  in  ea,  qua  de 
causa  paretitando  utique  adsumitnr.  Varro  et  ob  haec  flaminem 
ea  non  vesci  tradit  et  quoniam  in  flore  eius  litterae  lugubres 
reperiantur';  bei  Festus  p.  287  *.  .  .  fabam  nee  tangere  nee  no- 
minare  Diali  iiamini  licet  quod  ea  putatur  ad  mortuos  pertinere. 
Nam  et  Lemuralibus  iacitur  Larvis  et  parentalibus  adhibetur  sacri- 
ficiis  et  in  flore  eius  luctus  litterae  apparere  videntur'.  Auf  diese 
alten  *8eelenculte'  war  jedoch  die  Anwendung  der  fabae  nicht  be- 
schränkt. Eine  Mischung  von  faba  und  far  wurde  nach  Ovid  Fast. 
VI  170  (vgl.  Macrob.  I  12,  31  fl".  p.  65  Eyss.)  am  1.  Juni  der 
unheilwehrenden  Carna  geopfert  und  als  Mittel  gegen  die  von 
Seiten  der  striges  (Festus  p.  314:  vgl.  Lyr.  Gr.  III*  p.  664  Bgk.) 
drohenden  Gefahren  genossen,  und  ganz  allgemein  sagt  Plinius 
nat.  hißt.  XVIII  12,  .30,  118:  *. . .  prisco  ritu  fabata  suae  religionis 


*  So  nach  den  besten  Hdss.  Der  Opfernde  muee  die  fabae 'poet 
torgum  iacere':  vgl.  V  439  und  die  folgende  Anmerkung. 

-  Das  Wirken  der  Geister  duldet  nicht  den  Blick  des  mensch- 
lichen Auges.  So  muss  eich  schon  Odysseus  Od.  €  360  άπονόσφι  τρα- 
π^σθαι,  wenn  er  den  Zauberschleier  der  Leucothea  wieder  ins  Meer 
wirft  (obgleich  hier  neuerdings  Maurer  eine  ganz  andere  Interpretation 
—  echt  rationalistisch:  aus  Rücksicht  auf  das  Schamgefühl  —  versucht 
hat),  und  Deukalion  und  Pyrrha  bei  Ovid  Metam.  I  899*iu8Sos  lapides 
sua  post  vestigia  (im  Weiterschreiten)  mittunt*  (vgl.  383  394).  Ebenso 
soll  in  Theokrit's  Herakliskos  (XXIV  92)  die  Magd,  welche  die  Asche 
des  Drachen  in  den  Fluss  wirft,  άψ  ν^€σθαι  Λστρ€πτος  (in  gleicher 
Situation  μηδέ  μεταστρωφάσθαι  Orph.  Lith.  739  Abel)  und  ganz  ähn- 
lich hcisst  es  in  dem  Liebeszauber  bei  Vergil  Ecl.  IX  101 :  '  Fer  cineres 
.  .  .  rivoque  flnenti  |  trans<iue  caput  iace  nee  respexeris*.  Aus  demsel- 
ben Grunde  darf  sich  Hannibal  in  dem  Traume  beim  Ebroübergange 
(vgl.  Sieglin  *Ck)elius  Antipater*  S.  64  und  Zielinski  'die  letzten  Jahre 
des  zweiten  pun.  Krieges'  S.  119)  nicht  umsehen  ('respexisse  veto*  Sil. 
Ital.  in  181,  άμ€ταστρ€πτί  .  .  .  ^πεσθαι  Zonar.  VIII  22):  sonst  hält  der 
gespenstische  Drache  inne  mit  der  Verwüstung  von  Italien.  Vgl.  auch 
C.  Wachsmuth  *d.  alte  Griechenland  im  neuen'  S.  35. 

'  Auf  einen  ähnlichen  Brauch  der  Griechen  ist  das  Sprichwort 
Θόρα2:€  κήρ€ς  ούκ  ίτ'  'Ανθεστήρια  (Bodl.  503)  zu  ))eziehen,  bei  Pho- 
tioi  p.  286  N.  richtig  erklärt:  ώς  κατά  τήν  πόλιν  τοις  Άνθβστηρίοις 
των  φυχύΟν  π€ρΐ€ρχομ^νιυν.    Vgl.  Lippert  'Seelencult'  S.  23  ff. 


166  Miscellen. 

dis  in  Racro  est  ...  110  in  eadem  (fabat«)  pecnliaris  religio; 
naniqne  fabam  utiqiie  e  frugibiie  referre  mos  est  auspici  canw, 
<]uae  ideo  referiva  appellatur*;  dasselbe  etwa  berichtet  anefübrlicber 
Festue  s.  V.  refriva  p.  276  277  M.  aus'Cinciue'  f  de  verbie  priscie*? 
cf.  Krause  FHR  p.  78)  mit  der  Schlussbemerkung:  %ed  opinionem 
Cinci  adiuvat  quod  in  sacrifkiis  puhlicis  cum  puls  fabata  dis  datur 
noniinatur  refriva'.  Endlich  ist  bei  Macrobius  I  12,  31  p.  65  Eyss. 
laus  den  Coramentarii  tastoruni  des  Nisus?)  durch  einen  glücklichen 
Zufall  die  Notiz  erhalten:  '.  .  .  Kalendae  luniae  fabariae  vulfio 
vocantur,  quia  hoc  meuse  adultae  fabae  divinis  rebus  adhibentur.  * 
Besonders  diese  Stelle  last  ahnen,  wie  bedeutsam  die  Verwendung 
der  fabae  im  römischen  Sacralwesen  b  er  vorgetreten  sein  mag.  Wenn 
man  eine  Festzeit  danach  benennen  konnte,  so  hat  die  gleiche  Be- 
ziehung bei  dem  Namen  einer  religiösen  Sodalität  nichts  befremd- 
liches mehr. 

Volkommen  gesichert  würde  die  angedeutete  Erklärung,  wenn 
es  gelänge,  einen  derartigen  Gebrauch  der  fabae  auch  bei  den 
Lnpercalien  nachzuweisen,  welche  nach  Zweck  und  Bedeutung 
mit  den  oben  erwähnten  Culten  eng  verwandt  sind  (ünger  S.  57  ff. 
84).  Ein  direktes  Zeugniss  dafür  scheint  jedoch  nicht  vorhanden 
zu  sein.  Bemerkens wertli  ist  aber,  dass  der  flamen  Dialis,  dem 
nach  Ovid  fast.  II  280  (282)  die  Leitung  der  Lupercalienfeier 
oblag,  nach  der  auf  Fabius  Pictor  (Peter,  FHR  p.  CLXXXI;  111,17) 
zurückgehenden  Zusammenstellung  religiöser  Verbote  und  Vor- 
schriften Gell.  X  15  und  Plut.  quaest.  Rom.  109 — 111  (vgl. 
Wyttenbacli  vol.  VII  p.  55)  kein  ungekochtes  Fleisch,  keinen 
Hund,  keine  Ziege,  keine  faha  und  edera  berühren  oder  nennen 
durften  Denn  gerade  Ziegen  und  Hunde  pflegte  man  an  den  Lu- 

^  Der  Grund  dieses  Verbotes  ist  nach  Varro  bei  Plinius  a.  a.  0. 
die  Bezielmng  der  fabae  zum  Totimcnlte  Dasselbe  pfilt  vcm  den  ederae, 
die  man  au  Grabmälern  anzupflanzen  i)flegte:  vjrl.  Plin.  nat.  hist.  XV 
;H4,  nj,  144  '  hedera  .  .  .  scpulchra  .  .  .  rumpens'  (XVIII  26,  05,  245  '  no 
t'abis  florentibus  attingatur  hedera'  —  bei<le  verbunden)  und  das  Sprich- 
wort του  σελίνου  öcixai  Ps.-Diogen.  VIII  57  Paroeniiogr.  I  p.  H16  (s.  v. 
heutsch  in  der  Note  p.  317).  Jedocli  sclieint  jene  Beziehung  bei  der 
faba  keineswegs  innerlich  und  'symbolisch'  begründet,  wie  etwa  bei 
dem  dunkelfarbi<fen  K])liou  —  denn  die  '  litterae  lugubres'  des  Varro 
sind  nur  ein  willkürlicher  und  misslungener  Erklärungsversuch.  Die 
l'aba  ist.  wie  Pfund  naehiiewicsen  liat,  das  älteste  und  volksthümlichste 
vegetabilische  Nahrungsmittel  der  Italiker  und  wird  daher  ganz  natur- 
gem'ass  in  den  alterthünilichsten  Culten  —  und  das  sind  ohne  Zweifel 
diese  'chthonischen'  —  zu  sacralen  /wecken  verwandt  (ursprünglich 
hidiglioh  als  Speise  der  Manen  gedaclit,  vgl.  Ovid  a.  a.  ().,  Plut.  Crass. 
ί)  nru\  die  Parallelen  bei  Lippert  'Seelencult'  S.  19  '23  u.  ö.).  Sehr 
hübsch  wird  diese  Auflassung  angedeutet  sclion  bei  Ovid  Fast.  VI  171: 
prisca  dea  est  (Carna)  alltusque  cibis  quihus  anir  solehat'  u.  s.  w.  Ueb«'r 
ilhnlicln•  Gegensätze  im  griechischen  (jpferwesen  vgl.  K.  Tümpel  'Ares 
und  Aphrodite'  S.  735  iXephalia  uncl  Oinosponda)  und  neuerdings 
λν.  H.  lioscljer  'Nektar  und  Ambrosia'  S.  36  (der  Göttertrank  ist  der 
idealisirte  Opfertrank,  daher  ursprünglich  =  Ilonigmeth  =  Nephalia, 
später  =•  Wein  =  Oinosponda). 


Miscellen.  167 

percalien  zu  opfern^:  so  dasH  es  immerhin  nahe  liegt,  eine  ähnliche 
Yerwendang  für  die  fabae  vorauszusetzen.  Aber  lasse  man  das 
als  unbewiesen  bei  Seite;  auch  die  dargestellte  allgemeine  religiöse 
Bedeutung  der  faba  genügt  wohl  schon,  um  von  ihr  aus  für  den 
Namen  der  Fabiani  dieselbe  Erklärung  als  annehmbar  erscheinen 
zu  lassen,  wie  für  den  der  Quintiliani. 

Weiter  in  diesen  Anschauungskreis,  in  den  wir  uns  freilich 
nicht  recht  hineinzufinden  vermögen,  führt  die  Sage  von  Modius 
Fabidius  nach  Pfundes  Deutung  S.  7  f.  Vor  allem  aber  kommt 
hier  in  Frage  der  Beiname  Fab-ola  oder  Fah-ula  (Faula),  welcher 
der  im  December  mit  Grabesspendeu  gefeierten  Larentia  beigelegt 
wurde:  Plutarch  quaestt.  Eom.  35  p.  105  τη  bk  Λαρβντία  Φα- 
βόλαν  έπίκληίίιν  είναι  λέγουσιν.  Man  hat  ihn  zwar  aus  einem 
Versehen  des  Plutarch  herleiten  wollen;  aber  dem  steht  die 
Parallelstelle  des  Lactanz  div.  inst.  I  20  entgegen,  vgl.  Sueton. 
ed.  Reitferscheid.  p.  351,  Gläser,  'Leipz.  Stnd/  IV  S.  2(X)  202. 
Auch  Mommsen  *röm.  Forschungen*  IJ  H.  2  G^^  hält  nicht  viel 
von  ihm ;  er  erklärt  ihn  für  einen  jungen  Zusatz  aus  der  euheme- 
risireuden  Fassung  der  Larentia-Sage,  in  der  Larentia  als  Hetäre 
dargestellt  wird,  und  übersetzt  ihn  durch  *  Seh watzmaul*.  So  be- 
stechend diese  Ansicht  erscheinen  mag,  wird  man  nach  den  obigen 
Zusammenstellungen  doch  wohl  kaum  Anstand  nehmen  dürfen,  in 
jenem  Beinamen  eine  Erinnerung  an  das  alte  Totenopfer  der  fabae 
und  fabata  zu  sehen^  da  die  Verehrung  dieser  Acca  Larentia  ganz 
unzweideutig  als  Seelencult  bezeichnet  wird,  vgl.  Mommsen  a.  a.  0. 
Benennungen  der  Götter  und  Heroen  nach  ihren  Opfern  sind  ja 
häufig  genug. 

ITebrigens  stehen  auch  bei  den  Griechen  die  κύαμοι  in  un- 
verkennbarer, wenn  gleich  weniger  hervortretender  Beziehung  zum 
Totendienste,  vgl.  Lobeck  Aglaoph.  p.  252-,  Ausserdem  aber 
liefert  uns  das  griechische  Reiigionswesen  eine  schlagende  Pa- 
rallele, durch  welche  die  entwickelte  Auffassung  des  Namens  der 
Fabiani  noch  erheblich  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt.  Bei  Hesych 
heisst   es:    κραόησίτης*   φαρμακός^,    ό  ταΐς   κράοαις    βαλλόμε- 


1  Vgl.  Ungar  S.  57  84  (Ziegenfelle  als  Sühnmittel  in  den  Luper- 
calien).  Auch  bei  jenen  beiden  Thiereii  ist  die  Beziehung  auf  die 
chthonisch-winterlichen  Mächte  allbekannt.  Vgl.  darüber  auch  Unger 
S.  85  f. 

^  üeber  eine  an  die  κύαμοι  geknüpfte  volksphysiologische  Vor- 
stellung der  Pythagoreer,  nach  der  sich  jene  unter  Umständen  in  ein 
Menscbenhaupt  verwandeln,  vgl.  Hohde  *gr.  Rom.*  S.  255  257  Anm. 

^  Schol.  Aristoph.  ran.  733  p.  29fj  Dübn.  φαρμακοΐσΐ'  καθάρμασι 
τους  γάρ  φαύλους  καΐ  παρά  τής  φύσ€ως  έπιβουλευομένους  βίς  απαλλαγή  ν 
αύχμοΟ  ή  λιμοΟ  ή  τίνος  τών  τοιούτων  έθυον  κτλ.;  Tzetzes  Chi!.  V  7:50 
fugt  noch  hinzu:  €ΐς  τόπον  hi  τόν  πρόσφορον  στησαντ€ς  τήν  θυσίαν  j 
τυρόν  τ€  δόντ€ς  τή  χβρί  καΐ  μά2^αν  καΐ  ίσχάδας  |  έπτάκις  γάρ  ί)απί- 
σαντ€ς  ^kcivov  €ΐς  τό  πέος  |  σκίλλαις  συκαΐς  άγρίαις  τε  καΐ  άλ- 
λοις τών  άγριων  |  τέλος  πβρί  κατέκαιον  έν  Ηύλοις  τοις  άγρίοις  (die  άγρια 
werden  gewählt  alö  Symbol  der  Unfruchtbarkeit).  Vgl.  Uippon.  fr.  4 — \) 


168  JMisceUen. 

νος,  und  κραδίης  νόμος'  νόμον  τινά  έπαυλοΐκΤι  τοις  έκπβμπο- 
μένοις  φαρμάκοις  κράοαις  και  θρίοις  έπιραβ^ιΣομένοις  ^  Wie 
also  der  zum  Sühnopfer  beetimmte  Mensch  κραοη(Τίτης  genannt 
wird  von  den  bei  jener  Cerimouie  gebrauchten  Kpabai:  gerade 
80  würde  den  Luperken,  deren  Bestimmung  ursprünglich  der- 
jenigen der  griechischen  φαρμακοί  genau  entspricht,  der  Name 
Fabiani  beigelegt  sein  mit  Rücksicht  auf  die  gleichfalls  besonders 
bei  Siihnriten  zur  Verwendung  kommenden  fabae. 

Leipzig.  0.  Crusius. 


Die  Klage  eines  ostgothischen  Prefessors 

welche  in  Bd.  38  S.  G37  ff.  vorgeführt  ward,  ist  auoh  von  Erwin  Rohde 
in  Fleckeisen's  Jahrbüchern  1881  S.  42ϋ  ff.  als  'ein  rhetorisches  Anek- 
doten' aus  oiner  Brüsseler  Handsclirift  Nr.  10057/62  veröffentlicht.  Die 
Brüsseler  Hs.,  in  welcher  das  betreffende  Stück  sogar  doppelt  geschrie- 
ben ist,  steht  in  der  Mitte  zwischen  der  Leydener  und  der  englischen 
(Z.  10  pellacie  mit  P,  aber  Z.  2  palpemus  mit  X»,  sie  läset  Z.  9  sola 
aus) ;  an  dem  früher  gegebenen  Text  ändert  der  Zuwachs  nichts.  Rohde 
hatte  in  seinem  Aufsatz  Zweifel  geäussert,  ob  Theodorich  nicht  viel- 
mehr ein  Kbetor  als  der  König  sei;  jetzt  wo  er  mich  auf  seine  Publi- 
cation  aufmerksam  macht,  fügt  er  hinzu:  *in  pariibus  suis  anders  tu 
deuten  als  in  ihrer  Gegend,  daheim,  scheint  mir  noch  heute  unmöglich*. 

F.  B. 

p.  462  sq.  Bgk.^  p.  94  sqq.  Meinek.  Auch  die  Cerimonie  der  Geisselung 
bindet  sich  —  nach  Unger  S.  ϋΟ  allerdings  als  nachträgliche  Erweiterung 
-  in  der  Lupercaüenfeier:  doch  werden  die  Luperci  (=  φαρμακοί) 
nicht  selbst  gegeisselt,  sondern  versetzen  vielmehr  den  am  Wege  ste- 
henden den  'Segenshieb'.  Vielleicht  ist  nur  diese  Urakehrung,  durch 
welche  die  Geisselung  viel  selbständiger  und  auftalliger  hervortritt, 
al>er  ihren  alten  greifbaren  Sinn  verliert,  eine  willkürliche,  durch  die 
von  Unger  a.  a.  (5.  entwickelten  Rücksichten  verursachte  Neuerung. 

*  Warum  soll  man  an  der  Richtigkeit  dieser  Erklärung  zweifeln, 
wie  zuerst  Francke  Callin.  p.  129,  dann  Volkmann  zu  Plut.  de  mus.  Vlll 
p.  84  85  und  neuerdings  Flach,  'Gesch.  d.  griech.  Lyrik'  S.  162  f.  ge- 
than  haben?  Die  Namen  der  griechischen  νόμοι  sind  ja  zum  Theil 
nicht  weniger  capriciös,  als  etwa  die  Bezeichnungen  der  'Töne'  bei 
den  Meistersängern;  der  von  Welcker,  Susemihl  u.a.  in  Hippon.  fr.  96 
(p.  492  Bgk.^)  vermuthete  satirische  Sinn,  der  Flach  S.  153  Anm.  nicht 
verständlich  ist,  erklärt  sich  dabei  aufs  beste:  Mimnermos  bläst  so 
trübselige  Melodieen,  wie  jene  Arme-iSünder- Weise,  ganz  ebenso  wie 
Euripides  nach  Aristoph.  ran.  1302  die  jammervollen  Καρικά  αύλήματα 
(Plat.  legg.  Vll  600  Ε  .  .  Καρική  τινι  μούση  προπέμπουσιν  τους  τ€- 
λευτήσαντας  und  dazu  Scholl,  ρ.  452  Bkk.  δοκοΰσι  γάρ  οΐ  Κάρβς  .  .  . 
αλλότριους  νεκρούς  έπΙ  μισθψ  θρην€ϊν)  nachaliint.  Aul*  jeden  Fall  aber 
muss  n)an  den  Gedanken  aufgeben,  dass  jener  νόμος  benannt  sei  nach 
seinem  —  sonst  gänzlich  unbekannten  —  Ertinder,  der  bei  Flach  S.  152 
Kradias  oder  Kradios  heisat.  Denn  der  Stamm  Kpabo-  kommt  im 
griechischen  Xamensystem  überhaupt  nicht  vor  (vgl.  Benseier  I  S.  709 
und  Fick  'die  gr.  Personennamen'  S.  -IG  120):  also  darf  kein  aus  ihm 
gebildeter  Eigenname  durch  Hypothese  geschaflen  werden 

Verantwortlicher  Redacteur:   Hermann  Rau  in  Bonn. 

UniveralULtfl-Baehdmokerel  ron  C«rl  Oeorfl  In  Bonn. 

(IS.  Deiemb«r  188».) 


lieber  Eotelechie  und  Endelechie. 


Efl  Bind  nun  schon  Jahrhunderte  vergangen  seit  £rmolao 
Barbaro,  wie  wenigRtens  berichtet  wird,  den  Teufel  citirte  damit 
er  ihn  über  das  Wesen  der  aristotelischen  Enteiechie  aufkläre. 
Glücklicher  sind  neuere  Forscher  gewesen:  ohne  das  Heil  ihrer 
Seele  zu  opfern  haben  sie  die  Bedeutung  jenes  Kunstausdruckes 
xn  einer  Klarheit  gebracht,  die  nur  noch  durch  das  Räthsel  ge- 
trübt wird,  das  sich  an  den  Ursprung  des  Namens  knüpft.  Denn 
ee  iet  doch  gewiss  etwas  höchst  verwunderliches,  dass  das  Wort 
ίντέΚέχεια  innerhalb  des  ganzen  weiten  Feldes  der  uns  erhal- 
tenen griechischen  Literatur  nur  von  Aristoteles  und  solchen,  die 
sich  als  Erklärer  oder  sonst  wie  auf  ihn  beziehen,  gebraucht  wor- 
den ist.  Trotzdem  hat  man  sich  hierbei  als  bei  einer  Thatsache 
bemhigt,  ja  man  könnte  fast  sagen,  der  Glaube  an  dieses  Wun- 
der wurde  zu  einem  Kennzeichen  aristotelischer  Orthodoxie  ge- 
macht und  die  Folge  davon  war,  dass  man  den  Wink,  den  zur 
Lösong  des  Problems  Cicero  gab,  wenn  er  die  allen  Griechen 
geläufige  ένΟ€λέχ€ΐα  an  die  Stelle  der  nur  den  Aristotelikem  be- 
kannten έντ€λέχ€ΐα  setzte,  nicht  weiter  beachtete,  vielmehr  den 
Römer  als  einen  vorlauten  und  von  der  Sache  nichts  verstehen- 
den Schwätzer  zur  Ruhe  verwies.  Die  Frage  selbst  war  damit 
natürlich  nicht  zu  unterdrücken,  und  ist  daher  in  jüngster  Zeit 
von  neuem  angeregt  worden.  Dass  die  beiden  Stimmführer,  die 
sie  gefanden  hat,  Teichmüller  ^  und  Leo  Meyer ^,  nicht  mehr 
dorohgedmngen  sind,  daran  tragen  sie  selber  die  Hauptschuld : 
denn  um  von  anderem  abzusehen,  wodurch  Teichmüller  den  rich- 
tigen Kern  seiner  Ausführung  verdunkelt  hat,  so  widersprechen 
sich  beide,  indem  Teichmüller  nachzuweisen  sucht,   dass  die  En- 


1  Aristoielieche  Forschungen  III  S.  97  ff. 
s  Bei  Teichm.  a.  a.  0.  S.  111  ff, 

BlMiii.  Miu.  1  PUM.  X.  r.  XXXIX.  11 


170  Hirzel 

telechie  mit  der  Endelechie  identisch  sei  und  die  letztere  ihrer 
ursprünglichen  Bedeutung  nach  sich  zur  Bezeichnung  des  aristo- 
telischen Begriffs  vollkommen  eigene,  Leo  Meyer  dagegen  die 
Entelechie  für  eine  von  Aristoteles  herrührende  Bildung  erklärt 
und  damit  zugibt,  dass  dem  Philosophen  die  Endelechie  zur  Be- 
zeichnung des  ihm  vorschwebenden  Begriffes  nicht  genügte^. 
Dass  das  letzte  Wort  in  dieser  Sache  noch  nicht  gesprochen  sei, 
muss  man  hiernach  Susemihl  zugeben*^.  Schwerlich  aber  würde 
ich  in  die  Behandlung  dieser  Frage  eingetreten  sein  bloss  deshalb 
weil  sie  noch  eine  offene  ist,  wenn  mir  nicht  meine  ciceronischen 
Studien  den  Anlass  dazu  gegeben  hätten.  Ich  beginne  deshalb 
mit  der  Erörterung  der  ciceronischen  Stelle. 

In  den  Tusculanen  I  22  lesen  wir  Folgendes:  Aristoteles 
longe  Omnibus  —  Piaton em  semper  excipio  —  praestans  et  ingenio 
et  diligentia,  cum  quattuor  nota  illa  genera  principiorum  esset 
conplexus  e  quibus  omnia  orerentur,  quintam  quandam  natnram 
censet  esse  e  qua  sit  mens;  cogitare  enim  et  providere  et  discere 
et  docere  et  invenire  aliquid  et  meminisse  et  tarn  multa  alia, 
amare  odisse  cupere  timere  angi  laetari,  haec  et  similia  eorum  in 
horum  quattuor  generum  inesse  nullo  putat:  quintum  genus  ad- 
hibet  vacans  nomine  et  sie  ipsum  animum  ένδελέχειαν  appellat 
novo  nomine  quasi  (|uandam  continuatam  motionem  et  perennem. 
Wer  die  in  diesen  Worten  ausgesprochene  Theorie  mit  der  Lehre 
des  Aristoteles  verglich,  wie  sie  uns  in  den  erhaltenen  Schriften 
entgegentritt,  konnte  allerdings  darin  kaum  etwas  anderes  als 
eine  Reihe  von  Miss  Verständnissen  erblicken,  da  nicht  nur  die 
ενδελέχεια  mit  der  εντελέχεια  verwechselt  scheint,  sondern  auch 
die  Seele  für  bewegt  erklärt  und  den  vier  Elementen  coordinirt 
ein  Stoff  bezeichnet  wird,  aus  dem  sie  bestehen  soll.  Was  in 
neuester  Zeit  Teichmüller  hiergegen  zur  Vertheidigung  Cicero's 
bemerkt  hat  (Aristotelische  Forschungen  III  98  f.)  ist  ungenügend: 
denn  abgesehen  davon,  dass  er  den  zuletzt  erwähnten  Punkt  gar 
nicht  borücksichtigt,  vermag  er  das  erste  Missverständniss  nur 
durch  eine  gewaltsame  Aenderung  des  Textes,  indem  er  gegen 
die  reberlicferung  sämmtlicher  Handschriften  εντελέχεια  für  εν- 
δελέχεια schreibt'^   und  das  zweite  durch  eine  falsche  Erklärung, 


^  Auf  diesen  "Widerspruch  bat  schon  Susemihl  hingewiesen,  Fortsob. 
d.  Alterthumewiss.  1873.  1.  S.  581. 
2  A.  a.  0. 
^  Da   er   έντ€λ^χ€ΐα   ohne   ein  Wort    darüber    zu    verlieren    gil)t, 


lieber  Entelechie  und  Endelechie.  171 

als  wenn  Cicero  der  Seele  nicht  im  eigentlichen  sondern  nnr  im 
metaphonechen  Sinne  eine  nnabläeeige  Bewegung  zuschreibe  ^,   zu 


konnte  man  auf  den  Gedanken  kommen,  er  habe  sich  durch  Orelli  täu- 
schen lassen,  der  dieses  έντ€λ.  in  den  Text  aufgenommen  hatte,  aus 
dem  es  dann  Halm  wieder  entfernte.  Orelli  hatte  sich  übrigens  an 
Naeke  de  Choerilo  S.  177  angeschlossen,  dessen  in  den  Worten  'malu- 
muB  Ciceronem  doctum  quam  indoctum  facere'  ausgesprochener  Grund 
schon  durch  seine  Fassung  sich  bescheidet  nicht  mehr  als  subjective 
Geltung  zu  beanspruchen,  und  ausserdem  nicht  einmal  seinen  Zweck 
erreicht,  da  doch  έντ€λέχ€ΐα  durch  motio  zu  übersetzen  nicht  eben  ein 
Zeichen  von  Gelehrsamkeit  ist.  Dieselbe  Schreibung  έντ€λέχ€ΐα  setzen 
ferner  Madvig  zu  de  fin.  IV  12  und  Heitz  die  verlorenen  Schriften  des 
Aristoteles  S  166  voraus.  Mit  Recht  hat  aber  Susemihl  a.  a.  0.  S. 
581,  29  sich  gegen  dieselbe  erklärt. 

^  Teichmüller  beruft  sich  auf  das  Wort  'quasi*.  Dadurch  werde 
der  Ausdruck  έντβλ^χβια  als  ein  metaphorischer  bezeichnet:  was  dann 
seiner  eigenen  Auffassung  zur  Bestätigung  dienen  würde,  da  er  in  der 
έντ€λ^χ€ΐα  oder  ενδελέχεια  —  beide  Worte  sind  ihm  identisch  —  ihrer 
ursprünglichen  Bedeutung  nach  nur  ein  Bild  für  das  Wesen  der  ari- 
stotelischen Entelechie  erblickt.  Wenn  nur  *  quasi*  bedeutete  was  es 
bedeuten  soll?  Um  den  Gedanken  auszusprechen,  den  Teichmüller  in 
den  Worten  findet,  müssten  dieselben  etwa  folgendermassen  lauten:  et 
sie  ipsum  animum  quasi  έντελ^χειαν  dicit  esse  id  est  continuatam  mo- 
tionero  etc.  So  würde  allerdings  deutlich  ausgesprochen  sein,  dass  έν- 
τελ^εια  von  Aristoteles  nicht  als  ein  adäquater  sondern  nur  als  ein 
bildlicher  Ausdruck  gemeint  sei.  Wie  die  Worte  aber  jetzt  lauten  ist 
dies  keineswegs  der  Fall,  und  wird  durch  'quasi*  nicht  eine  Verglei- 
chung  die  zwischen  'animus*  und  εντελέχεια,  sondern  eine  solche  an- 
gedeutet, die  zwischen  den  lateinischen  Ausdrücken  Cicerone  (quasi 
quandam  continuatam  etc.)  und  dem  griechischen  Worte  Statt  findet. 
Durch  das  'quasi  quandam*  gibt  uns  (Mcero  zu  verstehen,  dass  es  ihm 
an  einem  genau  entsprechenden  Ausdruck  fehlt  und  er  sich  deshalb 
mit  einer  Umschreibung  des  Begriffs  begnügt.  Denselben  Fall  haben 
wir  de  fin.  V  66:  nam  cum  sie  hominis  natura  generata  sit  ut  habeat 
quiddam  ingenitum  quasi  civile  atque  populäre,  quod  Graeci  πολιτικόν 
yocant  etc.  Tusc.  III  61 :  ex  quo  ipsam  aegritudinem  λύπην  Chrysippus 
quasi  solutionem  totins  hominis  appellatam  putat.  Der  ersten  Stelle 
gegenüber  wird  Niemand  von  einer  Metapher  sprechen  wollen;  und 
was  die  zweite  betrifft,  so  ist  zwar  λύπη  ein  metaphorischer  Ausdruck, 
aber  dass  er  dies  sei  wird  nicht  durch  quasi  angedeutet,  welches  viel- 
mehr nur  die  ciceronische  Erläuterung  einführen  soll.  Als  eine  solche 
Erläuterung,  die  nur  den  Gedanken  ungefähr  wiedergibt,  soll  also 
auch  durch  das  beigesetzte  quasi  die  continuata  motio  et  perennis  im 
\''erhältnis8  zur  εν&€λέχεια  bezeichnet  werden.  Achnlich  wird  im  Grie- 
chischen ώς  gebraucht  von  Piaton  Kratyl.  p.  415  D:    Τσως  bi  αίρετήν 


172  ilirzel 

beeeitigeu.  Dass  in  den  fraglichen  Worten  Cicero's  ein  Hiesver- 
ständnies  der  aristutelischen  Lehre  enthalten  sei,  kann  also,  sobald 
man  wenigstens  zur  Kenntniss  der  letzteren  sich  lediglich  an  die 
erhaltenen  Werke  des  Ötagiriten  hält,  nicht  wohl  bezweifelt  werden : 
vielmehr  die  Frage  nur  die  sein  ob  die  Schuld  hiervon  Cicero 
aufzubürden  oder  auf  dessen  griechischen  Gewähremann  zu  über- 
tragen sei.  Letzteres  ist  die  Meinung  schon  von  Anderen  ge- 
wesen^; ich  weiss  indessen  nicht,  ob  auch  jemand  auf  die 
Uebereinstimmung  geachtet  hat,  die  zwischen  Cicerone  Auffassung 
der  aristotelischen  Theorie  und  der  eigenen  Theorie  solcher  Phi- 
losophen besteht,  die  sich  an  Aristoteles  anschlössen.  Cicero  spricht 
von  einem  fünften  Element  aus  dem  nach  Aristoteles^  Meinung  der 
(reist  (mens)  bestehe,  und  dieses  fünfte  Element  ist,  wenn  wir 
der  Auslegung  der  Späteren  folgen,  der  Aether-.  Derselben  An- 
sicht waren  aber  auch  der  Peripatetiker  Kritolaos  und  sein  Schüler 
Diodoros  von  Tyros,  die  beide  den  G-eist  (νους)  aus  dem  Aether 
ableiteten'*.  Ja  um  die  Uebereinstimmung  mit  Cicero  vollst-ändig 
zu  machen  seheinen  sie  auch  den  Aether  als  das  fünfte  Element 
bezeichnet  zu  haben  "^.  Galt  ihnen  aber  der  Aether  als  die  Sub- 
stanz der  Seele,  so  hatte  es  für  sie  wieder  keine  Schwierigkeit 
die  Seele  als  ενδελέχεια  zu  bezeichnen,  da  ja  die  darin  ausgedrückte 
continuirliche    Bewegung     zum    Wesen    jenes    »Stoffes    gehörte  ^ 

λέγ€ΐ  («c.  τήν  άρ€τήν)  ώς  ούσης  ταύτης  της  ^Ηειυς  αίρετιυτάτης.  421  Β: 
ή  γάρ  θεία  του  όντας  φορά  ίοικε  προσειρήσθαι  τούτψ  τψ  ί)ήματι,  τή 
άληθείςι,  ώς  θεία  ούσα  άλη.  406  Β.  407  Β.  —  Aehulich  wie  Teichmüller 
hatten  das  'quasi'  schon  Ernesti  Clavis  Cic.  Index  Graeco-Lat.  s.  εν- 
τελέχεια und  Naeke  Choeril.  178  aufgefasst. 

^  Z.  B.  von  Heinrich  Ritter,  dessen  Schrift  'Bemerk,  zu  Cicero's 
Tuscul.  I  10,  22.  Ein  Beitraif  zu  der  Unters,  über  Cicero's  Bekannt- 
schaft mit  der  arist.  Philos.  Zerbst  184ii'  ich  jedoch  nur  aus  der  An- 
füiirunp^  bei  Heitz,  Die  verlorenen  Schriften  S.  187,  1,  kenne. 

'^  Z.  B.  Stob.  ecl.  1  64  Η :  αίθέριον  σώμα,  τό  πέμπτον  ύπ'  αύτοΟ 
καλούμενον.  Diels  Doxogr.  S.  305^  12.  Noch  mehr  Stellen  ebenda  In- 
dex Verhör,  u.  σώμα  und  bei  Krieche,  Die  theolog.  Lehren  S.  308. 

^  Stob.  col.  I  58  (=  Diels  30.Φ'0):  Κριτόλαος  καΐ  Διόδωρος  ό 
Τύριος  νοΟν  απ'  αιθέρος  απαθούς. 

*  Tertullian  de  an.  c.  Ι  (Diels  S.  212):  nee  illos  dico  solos  qui 
i'ani  fsc.  aniniam)  de  nianifestis  corporalibus  effingunt  —  —  ut  Crito- 
laua  et  Peripatetici  eins  ex  ijuinta  nescio  qua  substantia  si  et  illa  cor- 
pus quia  Corpora  includit.  Macrobius  Somn.  Scip.  I  14,  19  (Diels 
S.  213):  Critolaus  Teripateticus  (sc.  dixit)  constare  eam  (sc.  aiiinmni) 
df>  quinta  essentia. 

^  Zeller  IIb  437,  6. 


Ueber  Entelechie  und  Emlclechie.  173 

Hiemach  scheint  es  also  als  wenn  die  verschiedenen  Missverständ- 
nisse  die  man  Cicero  glaubte  Schuld  geben  zu  müssen  in  Wirk- 
lichkeit auf  ein  einziges  zurückgingen  das  in  der  Verwechselung 
der  späteren  peripatetischen  mit  der  ursprünglichen  aristotelischen 
Lehre  bestand. 

Indessen  ohne  Weiteres  wird  doch  Cicero  oder  seine  grie- 
chische Quelle  nicht  dem  Aristoteles  eine  Lehre  zugeschrieben 
haben,  die  lediglich  von  einzelnen  Mitgliedern  der  peripatetischen 
Schule  aufgestellt  worden  war,  vielmehr  findet  ein  solcher  Irrthum 
nur  dann  seine  genügende  Erklärung,  wenn  diese  Peripatetiker 
ihre  eigene  Lehre  mit  der  des  Stifters  der  Schule  für  identisch 
erklärten.  Letzteres  anzunehmen  haben  wir  überdiess  bei  Kritolaos 
noch  einen  besondem  Grund,  da  dessen  Bestreben  sich  den  alten 
Peripatetikern  anzuschliessen  von  Cicero  ausdrücklich  anerkannt 
wird^.  In  diesem  Falle  aber  sind  wir  weiter  zu  der  Frage  ge- 
nöthigt,  ob  denn  Kritolaos  es  gewagt  haben  würde  eine  Lehre  die 
mit  Aristoteles^  eigenen  Aeusserungen  in  vollem  Widerspruch  steht, 
für  die  echt  peripatetische  auszugeben,  und  kommen,  da  diese  Frage 
verneint  werden  muss,  mit  den  uns  erhaltenen  Schriften  des  Aristo- 
teles aber  Kritolaos'  Ansicht  sich  nicht  vereinigen  lässt,  zu  dem 
Sohlusse  dass  dieselbe  in  den  verlorenen  Werken  ihre  Stütze  ge- 
funden hat.  Diese  Vermuthung  hatte  schon  Heitz,  die  verlorenen 
Schriften  S.  187  f.  ausgesprochen,  ohne  sie  jedoch  weiter  zu  be- 
gründen.    Und   doch    bedarf    es    hierzu    nicht  einer  Vermehrung 


^  De  fin.  y  14:  Critolaus  iraitari  voluit  autiquos,  et  quidem  est 
gravitate  proximus  et  redundat  oratio;  ac  tarnen  ιιυ  is  quidem  in 
patriis  institutis  manet.  Das  zuerst  von  Bremi  geforderte  und  sodauu 
von  Madvig  befürwortete  *ne*  in  den  Worten  'ne  is  quidem'  scheint 
auch  mir  unentbehrlich.  Wenn  der  letztgenannte  Gelehrte  im  Zweifel 
ist,  worin  Kritolaos  von  den  alten  Peripatetikern  abgewichen  sei,  so 
scheint  mir  an  dieselbe  Ansicht  gedacht  werden  zu  müssen,  mit  der 
er  von  Antiochos  diffcrirte  (vgl.  Unters,  zu  Cicero's  philos.  Sehr.  11 
715  f.):  denn  dieser  grab  seine  Lehre  für  die  der  alten  Peripatetiker 
aus  and  Piso,  dessen  Vortrage  die  fraglichen  Worte  entnommen  sind, 
ist  in  allen  wesentlichen  Stücken  sein  Vertreter.  Nehmen  wir  nun  die 
nothwendige  Textesanderung  vor,  so  wird  zwar  von  Piso  d.  h.  von  An- 
tiochos bestritten,  dass  Kritolaos  die  altperipatetische  Lehre  treu  wie- 
dergegeben habe,  nicht  geleugnet  aber  wird,  dass  er  das  Bestreben 
hatte  sich  an  die  Alten  anzuschliessen,  und  dieses  Bestreben  wiederum, 
wenn  es  auch  zugleich  der  rednerischen  Form  galt,  muss  doch,  wie 
der  Zusammenhang  der  ciceronischen  Stelle  lehrt,  sich  vorzüglich  auf 
den  Inhalt  der  Lehre  gerichtet  haben. 


174  Hirzel 

Rondern   nur   einer   schärferen  Betrachtung  des   vorliegenden  Ma- 
terials. 

Die  Verschiedenheit  nämlich,  welche  zwischen  der  Aristoteles 
von  Cicero  zugeschriehenen  Meinung  und  der  von  ihm  selber  in 
den  erhaltenen  Schriften  ausgesprochenen  Statt  findet,  geht  noch 
etwas  tiefer  als  man  bisher  bemerkt  zu  haben  scheint.  Aristoteles, 
nimmt  man  an,  hatte  zwar  zu  den  vier  Elementen  noch  ein  neues, 
den  Aether,  gefügt  und  somit  thatsächlich  schon  ein  fünftes  Ele- 
ment aufgestellt,  diese  Bezeichnung  aber,  das  fünfte  Element,  noch 
nicht  darauf  angewandt :  so  dass  die  ganze  Differenz  zwischen  dem 
ciceronischen  Aristoteles  und  dem  der  erhaltenen  Schriften  darauf 
hinauslaufen  würde,  dass  jener  eine  Bezeichnung  wirklich  braucht 
zu  der  dieser  in  seiner  Darstellung  bereits  hindrängt.  In  der  That, 
wenn  man  nur  diesen  und  keinen  anderen  Unterschied  vor  sich  hatte, 
80  war  es  nicht  nöthig  zu  seiner  Ausgleichung  sich  auf  die  ver- 
lorenen Schriften  zu  berufen,  da  eine  derartige  auf  den  Namen  be- 
schränkte Ergänzung,  die  durch  des  Philosophen  eigene  Darstellung 
gefordert  war,  jedem  späteren  Berichterstatter  erlaubt  sein  musste. 
Nun  verhält  es  sich  aber  in  Wirklichkeit  anders.  Aristoteles  hat 
sich  nicht  begnügt  ausser  den  vier  Elementen  noch  ein  neues  ein- 
zuführen das  dann  Spätere  das  fünfte  nennen  konnten,  sondern  er 
hat  demselben  auch  bereits  in  der  Reihe  der  Elemente  seinen  Platz 
angewiesen,  indem  er  es  ausdrücklich  und  nicht  aufs  Gerathewohl 
sondern  unter  Angabe  eines  bestimmten  Grundes  als  das  erste 
bezeichnet  ^     Weder  er  selbst   konnte    es  daher    gleichzeitig    das 


^  Als  πρώτη  ουσία  de  coelu  13  p.  270^11.  πρώτον  στοιχειον  III 
ι  ρ.  298  »»β.  meteor.  Ι  Ι  ρ.  338  »>21.  πρώτον  σώμα  de  coelo  II  4  ρ.  287  »ο. 
12  ρ.  2911>32,  meteor.  Ι  3  ρ.  340  »20  1>1 1.  Was  man  schon  aus  der 
häufigen  Wiederkehr  der  Bezeichnung  vermuthen  darf,  dass  sie  keine 
willkürlich  gewählte  ist,  die  man  ebenso  beliebig  wieder  abstreifen 
dürfte,  ergibt  sich  mit  grösserer  Sicherheit  daraus,  dass  Aristoteles 
de  coelo  II  4  p.  287  «»2  ff.  sie  als  Prämisse  benutzt  um  die  Kugelgestalt 
des  Himmels  zu  erschliessen.  Er  muss  sie  also,  soll  nicht  der  ganze 
!Schlu8H  zusammenfallen,  wohl  für  eine  gehalten  haben,  die  in  der  Sache 
begründet  ist.  Inwiefern  dies  der  Fall  ist,  darüber  gibt  er  uns  selbst 
Aufschluss,  indem  er  a.  a.  0.  I  2  p.  269*18  ff.  die  Bezeichnung  der 
Kreisbewegung  als  der  ersten  mit  ihrer  Vollkommenheit  rechtfertigt 
(άλλα  μήν  καΐ  πρώτην  γε  άναγκαίον  εϊναι  τήν  τοιαύτην  φοράν  τό  γαρ 
τ^λειον  πρότερον  τή  φύσει  τοΟ  ατελούς,  ό  ί)έ  κύκλος  τών  τελείων)  und 
am  Ende  hieraus  das  Vorhandensein  eines  elementaren  Körpers,  eben 
jenes  πρώτον  σώμα,    folgert  dem  sie  eigcnthümiich  ist  und  der  ihr  in 


Uebcr  Entclcchic  und*£ndoIechie.  176 

fünfte  nenneD,  und  ee  ist  somit  kein  Zufall,  wenn  dieser  Name 
in  den  erhaltenen  Schriften  fehlt,  noch  konnte  er  durch  seine 
Darstellung  Spätere  veranlassen  diese  zu  thun,  da  dieselhe  ja  eine 
solche  Bezeichnung  ausschliesst.  Wenn  nun  die  Letzteren  trotzdem 
von  einem  fünften  £lement  sprechen,  so  Hesse  sich  diese  auch  unter 
der  Yorauseetzung,  dass  sie  nur  die  erhaltenen  Schriften  des  Phi- 
losophen im  Auge  hatten,  daraus  erkläi'en,  dass  sie  selber  auf  diese 
Bezeichnug  einen  besonderen  und  zwar  einen  höheren  Werth  legten 
als  auf  die  genaue  Uebereinstimmung  mit  Aristoteles.  Da  wir 
indessen  von  einer  Anifassung  des  fraglichen  Elementes  bei  den 
Späteren,  die  dazu  nöthigte  ihm  gerade  die  fünfte  und  keine 
andere  Stelle  anzuweisen,  nichts  erfahren,  so  bleibt  nichts  übrig 
als  anzunehmen,  dass  die  scheinbar  zwischen  ihnen  und  Aristoteles 
bestehende  Differenz  nur  für  uns,  die  wir  mit  unserem  Urtheil  an 
die  erhaltenen  Schriften  des  Philosophen  gebunden  sind,  unaus- 
gleichbar  ist,  für  sie  dagegen,  denen  auch  noch  die  verlorenen 
vorlagen,  nicht  in  demselben  Maasse  vorhanden  war.  —  Zu  dem- 
selben Resultat,  d.  i.  zu  einem  Schluss  auf  eine  eigenthümliche 
in  den  verlorenen  Schriften  des  Philosophen  enthaltene  Lehre, 
führt  uns  aber  ausser  der  eben  hervorgehobenen  zwischen  Cicero^s 
Angabe  und  den  erhaltenen  Schriften  bestehenden  Verschiedenheit 
noch  eine  andere,  die  ebenfalls  merkwürdiger  Weise  bisher  unbe- 
achtet geblieben  ist.  Bisher  nahm  man  nämlich  ohne  Widerspruch 
zu  finden  an,  dass  unter  dem  fünften  Element  der  Aether  zu  ver- 
stehen sei:  so  dass  die  Verschiedenheit,  da  in  den  erhaltenen 
Schriften  des  Aristoteles  derselbe  das  erste  Element  heisst,  nur 
den  Namen  betreffen  würde.  Für  diese  Auffassung  konnte  man 
sich  nun  allerdings  auf  Spätere  berufen  (vgl.  S.  172,  2),  vergass 
aber  ganz,  dass  deren  Zeugniss  dem  Cicero*s  hier  nachstehen  muss, 
da  dieser  nicht  bloss  der  älteste  Zeuge  ist  sondern  auch  als  der 
Verfasser  der  fraglichen  Worte  über  deren  Sinn  am  besten 
unterrichtet  war.  Wie  er  aber  die  Worte  aufgefasst  haben  will, 
ergeben  eine  Anzahl  von  Stellen  an  denen  des  fünften  Elements 
gedacht  wird^.     An   keiner  dieser  Stellen  nämlich  wird  dasselbe 


der  angegebeueu  Hinsicht  entspricht  (έκ  τβ  5ή  τούτων  φανερόν  οτι 
πέφυκέ  τις  ουσία  σώματος  άλλη  παρά  τάς  ενταύθα  συστάσεις,  θ€ΐοτέρα 
καΐ  πρότερα  τούτων  απάντων). 

1  Tuec.  Ι  41:  81  vero  aut  numerus  quidam  sit  ai^imus,  quod  sub- 
tiliter  magis  quam  dilucide  dicitur,  aut  quinta  illa  non  nominata  magis 
quam  non  intellecta  natura.    61 :  sin  autem  est  quinta  quaedam  natura, 


176  Hirzel 

mit  dem  Aether  identifizirt,  und  daes  diese  kein  Zufall  ist  —  ob- 
gleich ee  immerhin  ein  sonderbarer  Zufall  sein  müsete  —  zeigt 
deutlich  unsere  Stelle  und  ausserdem  Tubc.  I  41 :  denn  wenn  an 
diesen  beiden  Stellen  dasselbe  ausdrücklich  als  namenlos  (vacane 
nomine ;  non  nominata  magis  quam  non  intellecta  natura)  bezeichnet 
wird,  so  kann  wenigstens  Cicero,  und,  wir  dürfen  wohl  sagen, 
auch  sein  griechischer  Gewährsmann  nichts  davon  gewusst  haben, 
dass  es  dasselbe  sei  welches  anderwärts  den  Namen  des  Aethers 
trage.  Cicero  oder  wahrscheinlicher  sein  griechischer  G-ewährs- 
mann  scheinen  also  Schriften  des  Aristoteles  gekannt  zu  haben 
in  denen  von  einem  fünften,  übrigens  nicht  näher  bezeichneten 
Elemente  die  Rede  war,  der  Aether  dagegen  noch  kein  beson- 
deres Element  vorstellte.  So  auffallend  dieses  Resultat  erschei- 
nen mag  so  wird  man  es  doch  hinnehmen  müssen,  und  darf  sich, 
um  es  zu  widerlegen,  nicht  etwa  auf  Kritolaos  berufen,  der  schon 
lange  Zeit  vor  Cicero  in  dem  fünften  Element  den  Aether  er- 
kannt habe.  Abgesehen  davon  nämlich,  dass  derselbe  kein  In- 
teresse daran  haben  konnte  die  verschiedenen  Schriften  des  Ari- 
stoteles, diejenigen  in  denen  das  fünfte  Element  sich  fand  wäh- 
rend der  Aether  noch  nicht  als  besonderes  Element  erschien  und 
die  anderen  in  denen  zwar  der  Aether  begegnet,  dafür  aber  das 
fünfte  Element  wegfällt,  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen, 
80  steht  es  noch  nicht  einmal  fest  ob  dieser  Peripatetiker  wirk- 
lich in  dem  fünften  Element  eine  andere  Bezeichnung  des  Aethers 
gesehen  habe:  denn  die  Zeugen  gehen  auseinander,  und  während 
Stobaios  (Aetios  vgl.  8.  172,3)  ihn  vom  Aether  sprechen  läset, 
setzen  TertuUian  und  Macrobius  (S.  172,  4)  an  dessen  Stelle  das 
fünfte  Element  ohne  dieses  irgendwie  näher  zu  bestimmen.  Nun 
läset  sich  aber  bei  der  Gewohnheit  der  Späteren,  das  fünfte  Ele- 

ab  Aristotolc  indueta  primum,  haec  et  deorum  est  et  aiüniorum.  G6: 
singularis  est  igitur  quacdam  natura  atquc  vis  animi,  sejuncta  ab  bis 
usitatis  notisque  naturis.  Acad.  p<i8t.  20:  quiiitum  genus,  e  quo  ef*sent 
astra  mentesque,  singulare  eorumque  quattuor,  quae  supra  dixi,  dissi- 
mile  Aristoteles  quoddam  esse  rcbatur.  39:  de  naturis  jiutein  sie  seii- 
tiebat  (sc.  Zeno)  prinium  uti  quattuor  initiis  reruni  illis  quintam  haue 
naturam,  ex  qua  superiores  sensus  et  menteni  efiici  rebantur,  non  ad- 
hiberet;  statuebat  enim  ignem  esse  ipsam  eam  naturam,  quae  cuique 
gigneret  mentem  atque  sensus.  de  fin.  IV  12:  cum  autem  (juaereretur 
res  admodum  difiicilis,  num  quinta  quaedam  natura  videretur  esse  ex 
qua  ratio  et  intellegentia  oreretur,  in  quo  etiam  de  animis  cuius  ge- 
neris  essent  quaereretur,  Zeno  id  dixit  esse  ignem. 


Üeber  Entelechie  und  Endelechie.  177 

ment  und  den  Aether  einander  gleich  zu  setzen,  zwar  erklären 
wie  eie  tnr  den  Fall,  daes  Kritolaoe  nur  von  dem  fünften  Ele- 
ment gesprochen  hatte,  dafür  den  Aether  setzen  konnten:  wäh- 
rend das  Umgekehrte  viel  schwerer  begreiflich  ist,  wie  nämlich 
das  ursprünglich  bestimmt  als  Aether  bezeichnete  Element  von 
Tertallian  oder  seinen  Gewährsmännern  in  eine  'qninta  nescio 
quae  substantia'  umgewandelt  werden  konnte.  Es  ist  daher  wahr- 
scheinlich, dass  noch  Entolaos  sich  begnügt  hat  wie  Aristoteles 
von  einem  fünften  Element  zu  sprechen.  —  Aber  eine  Nachricht 
mag  durch  die  welche  sie  bezeugen  noch  so  gut  gestützt  sein, 
so  kann  sie  doch  an  inneren  sachlichen  Schwierigkeiten  leiden, 
durch  die  alle  ihr  von  aussen  zugeführte  Glaubwürdigkeit  ver- 
nichtet wird.  Ein  solcher  Fall,  könnte  man  meinen,  sei  der  vor- 
liegende und  kein  übrigens  noch  so  zuverlässiger  Zeuge  könne 
uns  überreden,  dass  Aristoteles  in  einer  Zeit,  da  die  Sprache 
reich  und  entwickelt  genug  war,  um  dem  mannigfachen  Gange 
der  philosophischen  Forschung  zu  folgen,  um  den  Namen  eines 
Elements  in  Verlegenheit  gekommen  sei  und  deshalb  sich  be- 
gnügt habe  es  in  mystisch  unbestimmter  Weise  als  das  fünfte 
zu  bezeichnen.  Indessen  hält  dieser  Einwand  nicht  Stich:•  denn 
in  der  Zeit  unmittelbar  nach  Aristoteles  iinden  wir  dieses  selbe 
namenlose  Element  und  mit  der  gleichen  Aufgabe,  die  Natur  des 
Geistes  zu  erklären,  bei  Epiknr^  und  dürfen  hierin  um  so  eher 
einen  Nachhall  gerade  der  aristotelischen  Bezeichnung  vermuthen, 
als  auch  sonst  der  peripatetische  Einfluss  auf  jenen  Philosophen 
kaum  abzuweisen  ist  (vergl.  Unters,  zu  Cicero's  philos.  Sehr.  I 
162  ff.). 


1  Stob.  I  798  (Plut.  plac.  IV  3,  5.  Aetios  bei  Diels  S.  378  f.): 
Επίκουρος  (ec.  λ^€ΐ  τήν  ψυχήν  €ΐναι)  κράμα  έκ  τ€ττάρα»ν,  έκ  ποιοΟ 
πυρώ&ους,  έκ  ποιοΟ  dcpUibouq,  έκ  ποιοΟ  πνευματικοΟ,  ίκ  τ€τάρτου  τινός 
ακατονόμαστου'  τοΟτο  b^  ήν  αύτψ  τό  αίσθητικόν  ών  τό  μέν  πνβΟμα 
κίνησιν,  τόν  bi  αέρα  ήρεμ{αν,  τό  bi  θ€ρμόν  τήν  φαινομένην  θερμότητα 
τοΟ  σώματος,  τό  δ*  άκατονόμαστον  τήν  έν  ήμίν  έμποΐ€Ϊν  αΤσθησιν 
έν  ούδ€ν1  γάρ  τών  όνομα2Ιομένων  στοιχείων  εΤναι  αϊσθησιν. 
Daee  das  Element  das  vierte  und  nicht  wie  bei  Aristoteles  das  fünfte 
heiest,  wird  durch  den  Zusammenhang  erklärt.  Vgl.  femer  Lucret.  ΠΙ 
241  f.:  quarta  quoque  bis  igitnr  quaedam  natura  necessest  |  adtri- 
buatur:  east  omnino  nominis  expers.  279:  nominis  haec  expers  vis. 
Dass  auch  Epikur  unter  diesem  namenlosen  Element  nicht  den  Aether 
verstand,  zeigen  Stellen  wie  Lucret.  V  448;  458  ff.;  498  ff.,  an  denen 
derselbe,  ausdrücklich  genannt  wird. 


176  Hirzel 

In  verlorenen  Schriften  hatte  also  Arietotelee,  das  ergab 
die  hieherige  Untereuchung,  von  einem  lünften  £lemeut  genpro- 
chen  und  darunter  nicht  den  Aether  verstanden.  Dase  diese  ver- 
lorenen Schriften  die  exoterischen  und  insbesondere  die  Dialoge^ 


^  Diesen  Anlu88  ergreife  ich  gern  um  mich   aufs  Entechiedeuste 
gegen  die  Kritik  zu   erklären,    die   in  neuester  Zeit  Diels   (lieber  die 
exoterischen  Reden  des  Aristoteles  in  den  Ber.  der  Berliner  Akad.  1888 
S.  477  ff.)    an   Bernays'  Auffassung    der    εξωτερικοί    λόγοι   geübt   hat. 
Diese  Kritik   ist  einmal   darum   verfehlt,    weil  sie  dem  genannteu  Ge- 
lehrten eine  Auffassung  zuschreibt,  die  ihm  in  Wirklichkeit  fremd  war. 
Denn  Bernays  hat  nicht  wie  Diels  voraussetzt  (S.  486.  490.  492)  iu  dem 
Namen  ol  έΠωτιρικοΙ  λόγοι   einen  Titel  der  Dialoge  gesehen,    sondern  ^ 
darin  eine  generelle  von  der  dialektischen  Methode  hergenommene  Βυ•   - 
Zeichnung  gefunden.     Vgl.  Bernays  die  Dial.  des  Arist.  S.  93.    Setzeu^a 
wir  aber  diese  richtige  Auffassuug  ein,    dann  verschwindet  die  Abge — 
schmacktheit,   die  Diels  S.  486   in   dem  Citat  Polit.  III  6  p.  1*278  »>80C: 
findet  und  fällt  der  Grund  weg  für  die  Behauptung  (S.  492),  dass  Ber — " 
nays  durch    seine  Behandlung   vi»n  Phys.  IV  10  p.  217  *»30    (Die  Dial.  J 
S.  91  ff.)  den  ganzen  mühsam  und  gelehrt  errichteten  HypothesenbaiK^ 
umgestürzt   habe.     Inwiefern  es  Diels  nicht  gelungen    ist  die  Unmög-'^ 
lichkeit    einer    Beziehung    der    von    ihm    Inisprochenen    aristotelischeil :β 
Stellen  auf  die  Dialoge  darzuthun,    kann  ich  hier  nicht  in  alle  cinzel-  J 
neu  Fälle  verfolgen,    sondern  muss  mich  begnügen  auf  eine  besondere^" 
wichtige  hinzuweisen.     Die  Polemik,  auf  welche  Met.  M.  1  p.  107i)  *2i— ^ 
hindeutet,    soll    nicht    diejenige    der   Dialoge    sein.     Diese  Behauptun^^ 
stützt  sich  zunächst  auf  ein  Argument  (S.  487:    'Wenn  Aristoteles  dit-=^ 
Ideenlehre  nur  νόμου  χάριν'  u.  s.  w.)   das  icli  nicht  verstehe.     Ein  an — 
deres  soll  in  dem  Gebrauch  von  τεθρύληται  liegen  (S.  488),    das  Dielsr 
mit   'es   ist  abgedroschen*   übers<;tzt:    ohne   doch    die  Berechtigung  zu 
dieser  Uebersetzung  nachgewiesen   zu  haben,    da  die  citirte  Demosthe- 
nische  Stelle  (πβρί  παραπρ.  150)  trotz  ihres  Ethos  viehiiehr  das  Gegen• 
theil  beweist  und    ebenso  andere,    wii;  sie   schon  Passows  Wörterbucli 
darbietet,   z.  B.  Pseudo-Platon  Axioch.  p.  804  A:  τήν  u€l  θρυλουμ^νην 
προς   σου   αοφίαν,    was    nach    Diels'  Auffassung   eine   Beleidigung    des 
Sokrates   in   sich  seh  Hessen    würde,    die  der  ganzen  Sachlage  nach  un- 
möglich in  Kleinias'  Absicht  liegen  konnt<•,  oder  Piaton  Phaidon  p.  76 
D:  €l  μέν  ίστιν  ά  θρυλοομ€ν  aei,  καλόν  τι  καΐ  αγαθόν  και  πάσα  ή  τοι- 
αύτη   ουσία,    welche  Worte,    weim    wir    in   Diels'  Sinne    zu    übersetzen 
liätten  'die  abgedroschenen  Ideen  des  Seliönon  und  Guten',   unmöglich 
dem  Sokrates  von  Piaton  in  den  Mund  gelegt  sein  kimnten.   Ein  dritter 
Grund    ist  für   Diels   ύπό   mit   dem  Genetiv    gewesen   (S.  490),    welche 
Construction    ihn    verleitet   hat    in  λόγων  eine  durch  σοφών  ersetzbare 
Personification  zu  erkennen.     Hiergegen  ist  zu  bcnnerken  einmal,    dass 
diese  Construction   kein»;swegs   nothwendig  eine  Personificaticm  voraus- 
setzt  (Vgl.  z.  B.  Kühner  Ausf.  Gramm.  II  412  f.    Krüger  I  52,  5)   und 


lieber  Enielechie  und  Endelechie.  179 

sind,  hatte  schon  Ueitz  (a.  a.  0.  S.  187  f.)  vermuthet,   und  diese 
Vermuthung    lässt    sich    noch    auf  eine  höhere  Stufe  der  Wahr- 

sodann,  dass,  wenn  es  der  Fall  wäre,   dadurch  die  Beziehung  auf  ari- 
stotelische Schriften  nicht  ausgeschlossen  wäre,    wie    ausser    den    von 
Diels    selber   beigebrachten  Stellen    Piaton  Phaidros  24*2  D    zeigt.   — 
Diese    mag   zur  Vertheidigung   der  Bernays'schen   Auffassung    dienen. 
Gegen  die  von  Diels  an  deren  Stelle  gesetzte,  wonach  die  exoterischen 
Kedcu    'ausserhalb    der   peripatetischen  Schule    übliche  Erörterungen* 
(S.  492)  sind,   spricht  Folgendes.     Zunächst  der  Widerspruch   in    den 
dann  Aristoteles  Polit.  III  6  p.  1278  ^30  mit  sich  selber  treten  würde, 
>venn  er  in  έν  τοίς  έΕωτ.  λόγοις  bιopιt6μeQa  erst  durch  έΗωτ.  gewisse 
Ürörtemngen    als    fremde   bezeichnet   und   ebendieselben    dann   durch 
^ιοριΖόμ.   zu   seinen   eigenen    macht  —  ein  Widerspruch  der   um  kein 
l]aar  geringer  ist,  als  der  von  Diels  selber  (S.  482)  beispielsweise  hervor- 
e^ohobeue  λ^ομ€ν  iv  Φαίδωνι.  Ferner  ist  es  nur  mit  einer  äusserst  küust- 
liehen  Erklärung  möglich  gewesen   die  Schwierigkeit   zu   überwinden, 
die  für  Jemand,  der  eine  Beziehung  der  έζωτ€ρικοΙ  λόγοι  auf  eine  eigen- 
^liümliche  Methode  nicht  gelten  lässt,  in  Eudem.  Eth.  I  8  p.  1217  b22 
liegt,    wo  doch  durch  den  Gegensatz  κατά  φιλοσοφ{αν  eine  solche  Be- 
ziehung auf  die  Methode  das  natürlichste  ist:  wie  künstlich  nimmt  sich 
l^iergegen  die  Erklärung  aus,    dass  unter  φιλοσοφ{αν  an  die  peripate- 
t^ische  als  die  Philosophie  κατ'  εξοχήν  zu  denken  sei!  zumal  sonst  nicht 
V>ekannt  ist,  dass  Aristoteles  und  seine  Schüler  andersdenkenden  Philo- 
sophen den  Namen  von  Philosophen  überhaupt  versagt  hätten.    Diels 
i^t  OS  denn  auch  nicht  möglich  gewesen  mit  Consequenz  seine  Erklä- 
rung durchzuführen:    deim  während  er  doch  zuerst  in  Abrede  gestellt 
hatte  (S.  482  f.),    dass  der  fragliche  Ausdruck  sich  irgendwie  auf  die 
Methode  beziehen  könne,    so   sieht  er  nachträglich  selber  sich  zu  dem 
Zngestöndniss  genöthigt,    dass  eine  solche  Beziehung  doch  Statt  finde 
(8.  490.  498).     Aber   diese    Beziehung    soll    nicht    ursprünglich    darin 
liegen?     Woran  sich  die  Frage  knüpft,    was  denn  Diels  berechtigt  sie 
davon   anszuschliessen.     Nicht  bloss   stimmen  in  dieser  Beziehung  des 
Wortes  auf  die  Methode  die  alten  Erklärer  überein,   auch  die  Zeug- 
nisse Cicero's  und  Plutarch's   fallen  hierfür  und  für  die  dadurch  ver- 
mittelte Deutung  auf  die  Dialoge  schwer  ins  Gewicht.    Diels  freilich 
hält  sich  für  berechtigt  sie  einfach  zu  ignoriren,    weil   er  den  Aristo- 
teles aus  sich  selbst  erklären  w^ill.     Um   so   weniger   durfte  er    dann 
solche   Stellen    vernachlässigen,    wie   die  von   Bernays  S.  164  °  aus  der 
Politik  beigebrachte,  in  der  von  einer  έΕωτ€ρικωτέρα  ακέψχς  die  Rede 
ist  und   die  von  Heitz,  Die  verlorenen  Schriften  des  Ar.  S.  124  f.  be- 
sprochenen £ξωθ€ν  λόγοι.     Endlich  werfe  ich  noch  die  Frage  auf,   wie 
bei  Diels'  Auffassung  des  Wortes  έζωτ€ρικός  sich  die  bekannte  spätere 
Bedeutung  desselben  erklärt,    wonach  es   nicht  bedeutet  was^gänzlich 
ausserhalb  des  Kreises  einer  Philosophie  liegt,  sondern  was  zwar  inner- 
halb  desselben,    aber   nur   nicht   im   Innersten  oder  Mittelpunkt  sich 
befindet. 


180  Hirzel 

schein lichkeit    erheben    al8    ilir    Urheber    gethan   hat.     Wae   die 
Dialoge  von  den  späteren  Werken  unterscheidet  und  selbst  ihre 
dürftigen  Fragmente,  seit  Bernays  ihnen  neues  Leben  eingehaucht 
hat,  zu  wichtigen  Documenten  der  Entwicklung  des  aristotelischen 
Geistes    erhebt,    ist   der   bei  aller  Selbständigkeit  in  ihnen  noch 
hervortretende   engere  Anschluss   an  Platon.     Sobald    wir  daher 
auf  eine  Lehre  stoesen,  die  ausschliesRlich  den  exoterischen  Schriften 
angehört  und  im  späteren  System  keinen  Platz   mehr   hat,    liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  sie  eine  derjenigen  ist,  in  denen  sich 
(lie  Abhängigkeit   des  Schülers    vom  Meister    kund    gibt     Diese 
Vermuthung  wird   in   unserem  Falle  vollkommen   bestätigt.     Die 
Lehre,    die   den    späteren  aristotelischen  Schriften  fehlt,    war  di< 
von  dem  sogenannten  fünften  Element,  eben  diese  aber  ist  es,  an! 
die  sich  an  einer  bekannten  Stelle  des  Timaios  schon  Platon  be— 
zieht  ^.     Was  Platon    unter    diesem    mystischen  Namen   wirklicl. 
verstand,  kümmert  uns  hier  nicht,  wichtig  ist  für  uns  nur,  das» 
er   nicht  den  Aetlier  damit   meinte  ^    und    somit  auch   in  diesem 
Beziehung  Aristoteles   mit   ihm    zusammentrifft.     Hiermit    hän( 
zusammen,   dass  ebenso  wenig,    als  in   den   verlorenen  Schriftei 
von  denen  hier  die  Rede  ist,    Arifitoteles,  Platon  den  Aether 
ein  besonderes  Element  gelten  Hess,    sondern  wie  sich  dann  υοη^^^οβ 
selber    ergibt    nur    als    eine    reinere  Art   von  Luft   betrachtete      ^^. 
Kndlich  ist  auch  das  Schicksal  der  platonischen   wie   der   ariet•-:^^)- 
telischen  Lehre  dasselbe  gewesen,  und  wie  von  den  Späteren  d^s-    ae 
aristotelische   fünfte  Element   ebenso    das   platonische  von  Xen  -^o- 
krates  auf  den  Aether   gedeutet  worden'*:    was   doch    nach    de^^^m 


*  Nachdem  der  Ursprung  der  vier  bekannten  Elemente  aus 
metrischen  Figuren  abgeleitet  worden  ist,   wird  j).  55  C  fortgefahren»    ß- 
ίτι  bi  οοσης  Συστάσεως  μιας  πέμπτης  έπΙ  τό  πάν  ό  θ€ός  αυτή  KaxcxfV^  ή- 
σατο  έκ€ΐνο  διαίωγραφών.     Vgl.  dazu  Zelier  II*  <)75    (s.  auch  BraucX-  ^e' 
Handb.  I  81  e).    Warum  Zeller  diese  πέμπτη  Ηύστασις  nicht  als  Elem^-»^ 
will  gelten  lassen,  verstehe  ich  nicht;    denn  dass   Platon  die  vier  EJX«• 
mente  ebenfalls  als   Ηυστάσ€ΐς   fasst,    erj^ibt   doch    ausser    den    citirfc^ö 
Worten  die  vorausgehende  Beschreibung  ihres  Ursprungs,  und  nherdi^ 
(»ntspricht  es  dem  Spraehgebrauch  durch  Ηύστασις  eine  Wesenheit,  φο<Πς 
lulcr  ουσία,    zu   bezeichnen,    sc»  dass  von   hier  aus   der  Ausdruck   sieb 
leicht   auf  die  Elemente   übertragen   liess    und   thatsächlich  z.  B.    von 
Aristoteles  de  coelo  I  2  p.  269  »31  auf  sie  übcTtragen  worden  ist. 

'^  Vgl.  Zeller  11^  675,  1. 

^  Tim    588:    ά^ρος    τό    €ύαγ^στατον    έπίκλην    αίθήρ    καλούμενος. 
Zeller  a.  a.  Ο. 

*  Siniplic.  Phys.  s.  26Γ)»>  =  schol.  Arist.  p.  427  »15  fl".     Dass  d»• 


üeber  Enielechie  nnd  £ndeleohie.  181 

Grrundsatz,  daee,  wo  zwei  Dinge  einem  dritten  gleich  sind,  sie 
anch  unter  einander  gleich  seien,  dafür  epricht,  daee  auch  zwi- 
schen dem  fünften  Elemente  Platon^s  und  dem  des  Arietotelee 
eine  gewisse  Verwandtschaft  besteht. 

Trotzdem  liesse  sich  gegen  dies  Eesultat  ein  Einwand  er- 
heben, der  sich  auf  Tuscul.  I  65  (vgl.  S.  175,1)  gründet:  denn 
während  nach  dem  Gesagten  Piaton  oder  gar  die  Pythagoreer 
es  waren  die  das  fünfte  Element  eingeführt  hatten,  wird  in  der 
citirten  Stelle  dieses  Verdienst  Aristoteles  zugeschrieben  (quinta 
quaedam  natura,  ab  Aristotele  indnota  primum).  Dies  mag  im- 
merhin eine  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks  sein,  so  ist  es  doch 
eine  die  sich  vollkommen  erklären  läset,  da  in  der  Wissenschaft 
nicht  derjenige  als  der  Entdecker  einer  Lehre  zu  gelten  pflegt 
der  sie  zuerst  ausspricht,  sondeni  der  welcher  sie  zuerst  näher 
begründet  und  entwickelt  und  dadurch  fruchtbar  macht.  Das 
Letztere  kann  weder  von  Platou  behauptet  werden  noch  sind 
wir  berechtigt  es  von  den  Pythagoreern  anzunehmen,  dass  da- 
gegen Aristoteles  von  dem  fünften  Element  eingehend  gehandelt 
habe  dürfen  wir  wohl  daraus  abnehmen,  dass  es  in  der  Ueber- 
lieferung  vorzugsweise  an  seinen  Namen  geknüpft  wird.  Diess 
leitet  uns  auf  etwas  Anderes  über.  Insbesondere  in  einer  Be- 
ziehung scheint  erst  Aristoteles  die  Bedeutung  des  fünften  Ele- 
ments recht  hervorgehoben  zu  haben,  indem  er  es  zur  Substanz 
des  Geistigen  und  Seelischen  machte  und  es  für  den  Ursprung 
der  Leidenschaften  nicht  nur  sondern  auch  des  Denkens  erklärte 


gegen,  wie  Zellcr  annimmt  (I  876,  4)  und  schon  vor  ihm  Böckh  Phi- 
lolaoa  S.  161  gethan  hatte,  das  fünfte  Element  schon  bei  den  älteren 
Pythagoreern  den  Aether  bedeutet  habe,  kann  ich  nicht  zugeben:  denn 
die  von  Zeller  angeführten  Stellen  des  Stobaios  I  10  und  Plutarch  Plac. 
II  6,  5  (Piels  334  f.)  sprechen  nur  von  einem  fünften  Element,  aus 
dem  die  Sphäre  des  Alls  bestehen  soll,  während  erst  ein  so  später  und 
schlechter  Zeuge  wie  Hermias  irris.  gentil.  philos.  16  (Diels  655,  21  f.) 
den  Pythagoras  das  Dodekaeder  d.  i.  das  fünfte  Element  mit  dem 
Aether  identificiren  läset,  und  ausserdem  wäre  es  kaum  begreiflich 
wie  Piaton,  wenn  er  wirklich  schon  dei  den  Pythagoreern  das  fünfte 
Element  oder  Dodekaeder  genauer  als  den  Aether  bezeichnet  fand, 
diese  nähere  Bestimmung  aufgeben  konnte.  Es  scheint  daher,  dass 
Xenokrates,  als  er  das  fünfte  Element  durch  den  Aether  erklärte,  nicht 
so  wohl  auf  die  älteren  Pythagoreer  zurückgriff"  als  vielmehr  die  echte 
Lehre  derselben,  wie  sie  noch  Piaton  gab,  verfälschte  und  so  den  For- 
derungen der  neueren  Zeit  anbequemte. 


182  Hirzel 

(vgl.  S.  175,  1).  Aber,  wird  man  einwenden,  hier  iet  ja  die  Un- 
znverläseigkeit  des  ciceronischen  Zengnieses  mit  Händen  zu  grei- 
fen: denn  Aristoteles,  der  von  einem  spiritnalistischen  Philosophen 
wie  Piaton  ausging  und  am  Ende  seiner  philosophischen  Laufbahn 
mit  einer  Annähemng  des  Geistigen  an  das  Materielle  zofrieden 
war,  kann  doch  nicht  bei  diesem  Gange  seiner  Entwicklung  eine 
Zwischenstufe  überschritten  haben,  auf  der  er  das  Geistige  im 
Körperlichen  untergehen  Hess,  oder  jedenfalls  müssten  es  doch 
sehr  zahlreiche  und  sehr  gewichtige  Zeugnisse  sein,  denen  wir 
ein  so  abnormes  Factum  glauben  könnten.  Dieser  Einwand,  triftig 
wie  er  zu  sein  scheint,  entspringt  doch  demselben  Irrthnm  wie 
andere  die  man  gegen  den  Bericht  Cicero's  erhoben  hat,  indem 
er  nümlich  Gedanken  in  ihn  hineinträgt  die  eigentlich  gar  nicht 
in  ihm  enthalten  sind.  Cicero  spricht  an  den  früher  angeführten 
Stellen  nur  von  einem  fünften  Element,  nicht  aber  was  erst  Spätere 
gelegentlich  thun  von  einem  fünften  Körper  (πίμτΓΓον  (Τώμα): 
wir  sind  daher  berechtigt  diese  letztere  Bezeichnung  für  eine  zu 
halten,  die  durch  die  Beziehung  des  fünften  Elements  auf  einen 
bestimmten    Körper,    den   Aether,    hervorgerufen    wurde  ^.     Und 


^  Nur  einer  der  angeführten  ciceronischen  Stellen  scheint  die 
Auffassung  des  fünften  Elements  als  eines  Körpers  zu  Grunde  zu  liegen. 
Die?  ist  Acad.  post.  2G  (vgl.  S.  175,  l).  Hier  wird  in  das  fünfte  Element 
nicht  nur  der  Ursprung  der  Geister  sondern  auch  der  Gestirne  (astra) 
verlegt.  Da  dieselben  nun  körperlicher  Natur  sind,  so  könnte  man 
auf  den  Gedanken  kommen,  dass  auch  das  Element,  aus  dem  sie  be- 
stehen sollen,  körperlicher  Art  sei.  Indessen  sind  die  Gestirne  doch 
nur  zu  einem  Theil  ihres  Wesens  körperlicher  Natur,  und  muss  nach 
aristotelisch-platonischer  Anschauung  auch  hier  der  Geist  von  seinem 
Leibe  unterschieden  werden,  so  dass  nicht  jener  sondern  nur  dieser 
materiellen  Ursprungs  ist.  Wenn  also  trotzdem  })ei  Cicero  die  Gestirne 
schlechtweg  so  gut  wie  die  Geister  (astra  mentesque)  aus  demselben 
Element  abgeleitet  werden,  so  scheint  dies  eine  Ungenauigkeit  des 
Ausdrucks  zu  sein,  indem  'astra*  die  Geister  der  Gestirne  und  das 
oinfache  *mentes*  diejenigen  der  Menschen  bezeichnen  soll:  in  welchem 
Falle  der  Ausdruck  nicht  bloss  denselben  Inhalt  wie  Tusc.  I  65  *et 
deorum  et  animarum*  aussprechen,  sondern  auch  an  dieser  letzteren 
Verbindung  ein  Seiteustück  haben  würde,  insofern  es  doch  auch  sicht- 
bare Götter  gibt,  die  deshalb  nicht  ohne  weiteres  den  Seelen  (animae) 
coordinirt  werden  dürfen.  Wollte  man  aber  die  Annahme  einer  solchen 
Ungenauigkeit  umgehen,  so  bliebe  der  Ausweg,  dass  *  astra  mentesque' 
ein  §v  6ιά  δυοΐν  wäre  und  die  Stelle  von  'astrorum  mentes*  verträte. 
Indess  scheint  sich  auch  noch  eine  dritte  Möglichkeit  zu  eröffnen,  dass 


üeber  Entelechie  und  Endelechic.  1Θ3 

nicht  bloss  berechtigt  sondern  genöthigt  sind  wir  hierzu,  sobald 
wir  Aoad.  post.  39  (s.  Anmerk.)  ins  Auge  fassen,  wo  erst  von 
Früheren  (snperiores)  die  Hede  ist,  die  den  Geist  aus  einem 
fünften  Element  bestehen  lassen  und  danach  denselben 'Früheren' 
die  Ansicht  zugeschrieben  wird,  dass  der  Geist  unkörperlich  sei^. 
Als  Kern  der  ciceronischen  Nachricht  bleibt  uns  sonach  übrig, 
dass  Aristoteles  ausser  den  vier  körperlichen  ein  fünftes  nnkör- 
perliches  Element  annahm,  das  die  Substanz  des  Geistes  und  der 
Seele  bilden    sollte  ^.     Mit  der  Lehre  wie  sie  uns  in  den   erhal- 


nämlich  hier  wo  Yarro,  der  Anhänger  des  Antiochos,  spricht  der- 
selbe in  der  "Weise  seines  Lehrers  Stoisches  mit  Alt-Pcripatetischero 
vermengt  und  daher  Aristoteles  schon  die  Ansicht  zugeschoben  habe 
nach  der  in  einem  feuer-  und  luftartigen  Stoff  der  Ursprung  der  Ge- 
stirne sowohl  als  der  Seelen  gesucht  werden  soll.  Diese  Möglichkeit 
zur  Wahrscheinlichkeit  zn  erheben  könnte  man  sodann  benutzen  was 
auf  die  früher  citirten  Worte  folgt:  sed  subiectam  putant  omnibus 
sine  uUa  specie  atque  carentem  omni  illa  qualitate  —  ~  materiam 
quandam  e  qua  omnia  expressa  atque  efficta  sint.  Denn  da  was  über 
das  fünfte  Element  gesagt  ist  diesen  Worten  unmittelbar  vorhergeht, 
so  scheint  es  als  ob  auch  dieses  so  gut  wie  die  vier  übrigen  als  eine 
besondere  Gestaltung  der  Urmaterie  angesehen  würde.  Trotzdem  kann 
diese  nicht  Yarros  Meinung  gewesen  sein,  da  ihn  bald  darauf  (89)  Cicero 
folgendes  sagen  lässt:  discrepabat  (sc.  Zeno)  etiam  ab  isdem  (von  den 
alten  Peripatetikem  und  Akademikern),  quod  nullo  modo  arbitrabatur 
quicquam  effici  posse  ab  ea,  quae  expers  esset  corporis,  cuius  generis 
Xenocrates  et  superiores  animum  esse  dixerant.  Denn  da  unter  den 
*8uperiores*  doch  die  alten  Peripatetiker,  und  in  erster  Linie  Aristo- 
teles, zu  verstehen  sind,  so  kann  nach  Yarros^  Ansicht  das  fünfte  Ele- 
ment, aus  dem  Aristoteles  den  Geist  bestehen  Hess,  unmöglich  körper- 
licher Natur  gewesen  sein.  Für  die  Erklärung  der  fraglichen  Worte 
folgt  daher,  dass  die  Ableitung  der  Elemente  aus  der  Urmaterie  nur 
von  den  vier  Elementen  gilt  und  nicht  auf  das  unmittelbar  vorher 
genannte  fünfte  zu  beziehen  ist,  dessen  Erwähnung  daher  als  eine 
parenthetische  aufgefasst  werden  muss. 

^  Dasselbe  würde  auch  durch  die  Art  wahrscheinlich  werden  wie 
Tusc.  1  41  (S.  175,  1)  mit  der  Ansicht  des  Xenokrates,  dass  die  Seele 
eine  Zahl  sei,  diejenige  des  Aristoteles,  wonach  sie  aus  dem  fünften 
Element  besteht,  zusammengestellt  wird.  —  Auch  hier  dürfen  wir  wie- 
der (S.  176)  Kritolaos  als  den  Yorgänger  Cicero's  betrachten:  'denn 
wie  wir  aus  Tertallian's  Worten  (S.  172,  4)  schliessen  müssen,  schien 
dieser  Peripatetiker  das  fünfte  Element  nur  insofern  als  körperlich  zu 
bebandeln,  weil  er  die  Körper  davon  umschlossen  werden  Hess,  wie 
wenig  aber  dieser  Umstand  beweist  kann  man  aus  Platon's  Timaios 
p.  84  B.  36  D  (s.  u.)  sehen  wo  ganz  dasselbe  der  Seele  zugemuthet  wird. 

2  Eben   dieser  ankörperlichen  Natur   wegen  ist   es   auch   nicht 


184  Hirzel 

tenen  Schriften  deH  Aristoteles  entgegentritt  läest  sioli  diees  frdi- 
lich  auch  nicht  vereinigen,  da  in  ihnen  die  Yerschiedenlieit  der 
Seele  vom  Körper  vielmehr  als  eine  formale  behandelt  nnd  kei- 
neswegs aus  einer  Verschiedenheit  der  beiden  zu  Grninde  liegen• 
den  Substanz  abgeleitet  wird.  Trotzdem  widerspricht  diese  Lehre 
wenigstens  nicht  der  £nt Wickelung  des  Philosophen  sondern  läset 
sich  in  dieselbe  einfügen,  unterscheidet  sich  also  in  dieser  Bezie- 
hung von  der  vorhin  erwähnten,  wonach  die  Seele  körperlicher 
Natur  gewesen  wäre.  Denn  so  gut,  wie  Piaton  namentlich  im 
Timaios  der  Seele  eine  besondere  Substanz  vindicirt,  dnrch  die 
sie  sich  von  den  Ideen  nicht  minder  als  vom  Körperlichen  unter- 
scheidet, könnte  auch  Aristoteles  zu  einer  Zeit,  da  er  den  Stand- 
punkt seines  Lehrers  noch  nicht  verlassen  hatte,  dasselbe  gethan 
haben.  Dass  er  diese  Seelensubstanz  mit  dem  Namen  des  fÜnften.e^K'  ^i 
Elements  belegte,  dem  bei  Piaton  diese  Bedeutung  nicht  aus —  ^9  .s 
drttcklich  gegeben  wird,  bildet  keinen  £inwand,  da  hier  nur  vm^m-m'w 
Betracht  kommt  ob  Aristoteles  ihm  diese  Bedeutung  gegeben  hat.::^-^1 
Das  letztere  zu  bejahen  haben  wir  einen  doppelten  Gmnd.  Dee^^*« 
erste  ist,  dass  Piaton,  wenn  er  auch  dem  fünften  Element  jen^^'K'ni 
Bedeutung  nicht  geradezu  gegeben,  sie  doch  nahe  genug  gelegf'^S^ 
hat:  denn  was  er  von  dem  fünften  Element  sagt  (S.  180,1)  ist*-^*®• 
dass  der  Weltbildner  dasselbe  auf  das  ganze  (dm  τό  παν)  ver'^«^  ^^^ 
>vaiidt  habe ;  von  der  Seelensubstanz  aber  erfahren  wir,  dass  die  ^^  ^®" 
selbe  vom  Mittelpunkt  der  Welt  aus  sich  durch  das  Ganze  hin  ^^^'^* 
durchziehen   und   es   ausserdem   umschliessen  soll  ^,    so  dass  mantf'  -^n 


möglich  das  fünfte  Element  auf  den  8toü*  zu  deuten,    an  den   den  er 
lialtimen  Schriften  des  Aristoteles  zu  Folge  die  Seele  im  Körper  gebun- 
den sein  soll  und  der  als  dem  Aethcr  analog,  aber  doch  noch  von  ihn*^     '^ 
verschicdon  geschildert  wird,  vgl.  Zcllcr  11•'  483,  4.     Dieselbe  Deutun^l^ 
wird  überdi«iss  auch  dadurch  ausgeschlossen,  dass  jener  Stoff  der  Seel^^ 
nur  ihr  Sitz  sein,  das  fünfte  Element  dagegen  ihre  Substanz  ausmachei^ 
soll,    welches   letztere  sich  theils   aus  dem  Ausdruck  'e  qua  (nicht  *in 
qua  )  sit  mens'  Tusc.  I  22  'e  quo'  Acad.  post.  26,    theils   aus  der  Zu- 
siimmenstellung  mit  der  Zahl  des  Xenokrates  Tusc.  1  41,  die  doch  nicht 
den  Sitz  des  Geistes  darstellt,    theils   endlich   aus  der   bestimmten  ße- 
zi'ichnung  als  'natura  atque  vis  animi*   a.  a.  ().  66  ergibt. 

^  Tim.  p.  34  B:  ψυχή  ν  δέ  είς  τό  μ^σον  αύτου  (sc.  τοΟ  κόσμου) 
θ€ΐς  δια  παντός  τ€  ίτεινβ  καΐ  ίτι  ίΕωθεν  τό  σώμα  αυτή  περιεκάλυψε 
ταύτη  κτλ.  ρ.  36  Γ):  έπεί  δέ  κατά  νουν  τώ  Ευνιστάντι  πάσα  ή  τής 
ψυχής  Ηύστασις  έγεγένητο,  μετά  τοοτο  πάν  τό  σωματοειδ^ς  εντός  αυτής 
έτεκταίνετο  καΐ    μέσον  μέση    ^υναγαγών    προσήρμοττεν.    ή   δ'  ^κ  μ^σου 


tfeber  B!ntelechie  und  Eudelechie.  185 

im  Gegensatz  zu  den  vier  Elementen,  die  nur  für  einzelne  Theile 
der  Welt  benutzt  werden,  von  ihr  in  der  That  sagen  kann  sie 
sei  für  das  ganze  gebraucht   worden^.     Liess  sich  hiernach  mit 


προς  τόν  (σχατον  ούρανόν  πάντη  διαπλακ€ΐσα  κύκλψ  τε  αυτόν  £ζιυθ€ν 
π€ρικαλύψασα,  αυτή  τ€  έν  αότή  στρεφόμενη,  θείαν  αρχήν  ήρξατοάπαύ- 
στου  καΐ  (μφρονος  β{ου  προς  τόν  Σύμπαντα  χρόνον. 

^  Wollte  man  hiergegen  einwenden,  dass  die  Seelensubstanz  in- 
sofern sie  dem  Ganzen  dient  kein  Dodekaeder  bildet,  was  doch  die 
Grundform  des  fünften  Elements  sein  soll,  sondern  in  Kreise  geglie- 
dert ist  (36  Β  ff.),  80  würde  es  wenig  helfen  sich  mit  Zeller  II*  675,  1 
auf  die  Annäherung  des  Dodekaeders  an  die  Kugel  zu  berufen,  wohl 
aber  erlaubt  sein  an  die  Missverständnisse  zu  erinnern,  in  die  Aristo- 
teles auch  sonst  der  platonischen  Darstellung  gegenüber  verfallen  ist. 
Indessen  konnte  das  Missverständniss  in  diesem  Falle  nicht  auf  Ari- 
stotelÄ  sondern  auf  unserer  Seite  sein,  wenn  es  nämlich  ein  Missver- 
ständniss ist  in  Worte  einen  Sinn  zu  legen,  den  sie  genau  genommen 
nicht  enthalten:  denn  das  Dodekaeder,  das  man  in  dem  fünften  Ele- 
ment zweifellos  zu  erkennen  glaubte,  erwähnt  Piaton  nicht,  sondern 
nur  die  Pythagoreer  und  danach  wieder  Spätere,  wir  haben  aber  be- 
reits gesehen  wie  diese  durch  Hineininterpretireu  des  Aethers  in  das 
fünfte  Element  den  Philosophen  missverstanden  und  können  daher  nicht 
geneigt  sein  in  dem  vorliegenden  Falle  ihnen  ohne  Weiteres  Glauben 
zu  schenken.  Dass  aber  Piaton,  weil  er  bei  der  Construction  der  vier 
Elemente  den  Pythagoreern  folgte,  auch  in  der  Auffassung  des  fünften 
sich  ihnen  anschliessen  musste,  wird  Niemand  behaupten  wollen.  Wäh- 
rend das  angeblich  unter  dem  fünften  Element  verborgene  Dodekaeder 
uns  nicht  hindern  kann  an  die  Seelensubstanz  zu  denken,  so  sprechen 
für  diese  Beziehung  noch  zwei  Gründe.  Zuerst  der  Umstand,  dass  das 
fünfte  Element  nicht  als  ein  körperliches  bezeichnet  wird,  dass  viel- 
mehr da  wo  von  solchen  die  Rede  ist  (p.  31  Β  ff.  32  C  f.  42  Ε  f.  52  D. 
53  A.  C.  E)  nur  vier  vorausgesetzt  werden;  und  sodann  die  zunächst 
ganz  unbegreifliche  Kürze  mit  der  das  fünfte  Element  abgethan  wird, 
die  jedoch  eine  Erklärung  findet  sobald  wir  unter  der  πέμπτη  ζύστασις 
an  die  ξύστασις  (ρ.  36  D)  der  Seele  denken,  die  ja  p.  34  C  ff.  mit  der 
grössten  Genauigkeit  beschrieben  worden  war  und  daher  mit  einem 
kurzen  Hinweis  an  der  späteren  Stelle  zufrieden  sein  konnte.  Da  ich 
mich  einmal  so  weit  in  die  Erörterung  der  Timaiosstelle  eingelassen 
und  eine  neue  Erklärung  derselben  versucht  habe,  scheint  ein  Wort 
auch  über  den  Ausdruck  'όια2[ϋΓΓραφών*  gesagt  werden  zu  müssen, 
durch  den  diejenige  Thätigkeit  des  Weltbildners  bezeichnet  wird,  bei 
der  das  fünfte  Element  zur  Anwendung  kam.  An  ein  Ausmalen  wie 
Susomihl  wollte  möchte  ich  dabei  so  wenig  als  Zeller  11^  675,  1  den- 
ken, vielmehr  an  ein  Bilden  überhaupt,  das  eben  so  gut  durch  όιακοα- 
μφν  (ρ.  83  D)  bezeichnet  werden  könnte  und  speciell  durch  jenen  Aus- 
druck, wenn  bei  der  Wahl  desselben  bestimmte  Gründe  gewaltet  haben, 

Bheio.  tfiu.  r.  PhUol.  M.  F.  XXXIX.  ^% 


186  Hirzel 

ebenso  viel,  wo  nicht  mit  besserem  Kecht  als  auf  den  Aetber  das 
fünfte  Element  auf  die  Seelensubstanz  deuten,  so  wird  es,  wenn 
wir  hinzunehmen,  dass  Aristoteles  das  fünfte  Element  von  Piaton 
entlehnt  und  dass  er  es  in  dem  angegebenen  Sinne  verstanden 
hatte,  höchst  wahrscheinlich,  dass  er  in  der  That  der  platoni- 
schen Stelle  jene  Deutung  gegeben  hatte.  Dasselbe  wird  nun 
aber  überdiess  noch  durch  eine  Art  von  äusserem  Zengnies  be- 
stätigt. Denn  da  nach  Kritolaos  das  fünfte  Element  als  körper- 
lich nur  insofern  erscheinen  konnte,  weil  es  alle  Körper  in  sich 
schloss  (si  et  illa  corpus  quia  corpora  includit  S.  172,  4),  das 
fünfte  Element  aber  die  Seelensubetunz  darstellt,  so  ist  klar,  dase 
dieser  Peripatetiker  die  Seelensubstanz  sich  in  derselben  Weise 
vorstellte  wie  Piaton  im  Timaios  (S.  184,  l),  und  da  wir  von  einer 
platonisii-enden  Richtung  des  Kritolaos  nichts  erfahren  so  wird 
weiter  höchst  wahrscheinlich,  dass  von  Aristoteles  schon  nicht 
bloss  der  Name  des  fünften  Elements  sondern  auch  die  besondere 
Auffassung  der  dadurch  bezeichneten  Seelensubstanz  so  wie  die 
Beziehung  beider  auf  einander  mit  der  Autorität  Platon's  ans  dem 
Timaios  gerechtfertigt  wurde. 

Bis  jetzt  haben  wir  Nichts  in  der  fraglichen  Stelle  der 
Tusculanen  gefunden  was  uns  hinderte  den  Inhalt  derselben  ans 
den  Dialogen  des  Aristoteles  abzuleiten,  sobald  wir  nur  die  cice- 
ronischen  Worte  genau  erklären  und  bedenken,  dass  in  jenen 
Schriften  der  Philosoph  seinem  Lehrer  noch  näher  stand.  Unter 
dieser  Voraussetzung  konnte  uns  weder  der  Name  des  fünften 
Elements  noch  die  Annahme  einer  eigenen  Seelensubstanz  Anstoss 
geben.  Indessen  haben  diese  beiden  Punkte  von  jeher  auch  weit 
weniger  Anstoss  erregt  als  der  dritte,  durch  den  Cicero's  Bericht 
charakterisirt  ist,  dass  nämlich  Aristoteles  der  Seele  eine  Bewe- 
gung zugeschrieben  und  ihr  deshalb  den  Namen  der  ενδελέχεια 
ertheilt  haben  soll.  Und  es  begreift  sich,  dass  man  Bedenken 
trug  Cicero  gerade  in  diesem  Punkte  Glauben  zu  schenken:  denn 
während  in  den  beiden  anderen  Fällen  es  sich  nur  um  Lehrbe- 
stimmungen  handelte  die  mit  den  erhaltenen  Schriften  sich  nicht 
vereinigen  lassen,  liegt  hier  eiiHi  vor  uns,  der  Aristoteles  durch 
seine  im  entgegengesetzten  Sinne  abgegebene  Erklärung  ausdrück- 


vielleicht  nur  bezeichnet  worden  ist,  sei  es  um  an  die  besondere  Be- 
scbaffenboit  dieses  Bildnisses  zu  erinnern  das  ein  2Ιψον  ist  und  mit 
solchen  erfüllt,  oder  weil  der  Name  εΐκών,  der  der  Welt  gepreben  wird 
(p.  37  D),  auch  ein  G(;mälde  bedeuten  kann. 


Ueber  Kntelcchie  und  Endelechie.  187 

Hell  widersprochen  hat.     Dass  die  Seele  unbewegt  sei,  ist  Piaton 
gegenüber  ein  wichtiger  Satz  der   späteren   aristotelischen  Philo- 
sophie.    Aber   eben,    dass  der  Aristoteles   des  ciceronischen  Be- 
richtes auch  hier  wieder  auf  der  Seite  Platon's  st«ht,    muss  uns 
davor  warnen  in  der  Verwerfung  desselben  nicht  zu  rasch  zu  sein, 
da    er  bisher   in  den  platonischen  Bestimmungen,    die  er  Aristo- 
teles zuschreibt,    sich  durchaus  als  zuverlässig  bewährt  hat.     Ja 
^r  müssen  noch  besonders  geneigt  sein  ihn  auch  in  diesem  Falle 
fnr  glaubwürdig  zu.  halten,    wenn  wir  bedenken,    dass  die  Lehre 
^on  der  Bewegung  der  Seele   nicht  isolirt  auftritt,    sondern   mit 
<ien   anderen   beiden   im   engsten  Zusammenhang  steht:    denn  die 
einzige  Eigenthümlichkeit.   die  Aristoteles   nach   Cicero's  Angabe 
an  dem  fünften  Element  oder  der  Seelensubstanz  hervorzuheben 
"vreies,  ist  ja  eben  die  fortwährende  unablässige  Bewegung.  Wenn 
snan  hiemach  auch   bereit  wäre  einen  Standpunkt   in  Aristoteles' 
Sntwickelnng  anzunehmen,    auf  dem  er  nicht  nur  eine  besondere 
Seelen  Substanz  annahm,    sondern  auch   das   charakteristische  der- 
selben in  der  unablässigen  Bewegung  fand,  so  müsste  doch  immer 
che  man  diess  thäte  die  Frage  beantwortet  sein,    ob  denn  wirk- 
lich dieser  Standpunkt   dem   platonischen  entspricht.     Zwar  dass 
Piaton   der  Seele   eine   eigen thümliche  Substanz  vindicirte  haben 
wir  bereits  bemerkt  und  bekannt  ist  auch,  dass  er  sich  die  Seele 
bewegt  dachte,  dagegen  lässt  sich  nicht  ohne  Weiteres  behaupten, 
das«  er  die  Bewegung  für  das  einzige  an  der  Seelensubstanz  her- 
vortretende Merkmal  hielt.  Denn  da,  so  viel  ich  weiss,  die  Neueren 
die  verschiedenen  platonischen  Bestimmungen  über  die  Seele  noch 
nieht  darauf  hin  angesehen  haben,  ob  die  einen  sich  auf  die  Sub- 
stanz  der  Seele  die   anderen   auf  deren  Form   oder  Qualität  be- 
ziehen ^,  so  bedarf  dieser  Punkt  noch  einer  Erörterung.    Dieselbe 


^  Hiermit  hängt  dann  die  Unklarheit  zusammen,  von  der  selbst 
Zeller'e  Darstellung  nicht  frei  ist.  Denn  wenn  hier  einmal  (S.  690  f. 
697)  Begriflf  und  Wesen  der  Seele  darein  gesetzt  wird,  dass  sie  das 
immer  lebendige  und  bewegte  ist  und  dann  doch  wieder  die  sinnliche 
Seite  des  Seelenlebens,  der  unvernünftige  Theil  der  Seele  von  ihrem 
eigentlichen  Wesen  gänzlich  ausgeschlossen  und  dieses  lediglich  an  die 
Vernunft  und  das  Denken  geknüpft  wird  (S.  713.  717),  so  sieht  man 
sich  vergeblich  nach  einer  Erklärung  um,  in  wiefern  die  Eigenthüm- 
lichkeit desselben  Wesens  bald  als  Leben  und  Bewegung  bald  als  Den- 
ken bestimmt  werden  kann,  und  ebenso  wenig  erhält  man  eine  Antwort 
auf  die  Frage  wie  Piaton,  wenn  im  Denken  das  eigentliche  Wesen  der 
Seele  bestellt,  überhaupt  die  niederen  Seelentheile  noch  mit  zum  Seelen- 


166  ttirzol 

geht  am  besten,  wie  sich  zeigen  wird,  von  dem  das  Wesen  der 
Seele  erläuternden  Abschnitte  des  Phaidroe  aus.  Hier  wird  der 
bekannte  Beweis  für  die  Unsterblichkeit  geführt  und  hierbei 
darein,  dass  die  Seele  sich  selbst  bewegt,  ihr  eigentliches  Wesen 
und  ihre  Natur  gesetzt,  wobei  Piaton  mit  dem  Worte  φύ(Τΐς 
(245  Ε  vgl.  ())  und  dem  Ausdruck  ουσία  T€  και  λόγος ^  (245  Ε) 
wechselt.  An  diese  Bestimmung  über  die  Seele  schliesst  sich 
sofort  die  andere  an,  welche  die  Dreitheilung  derselben  hervor- 
hebt (246  Α  ff.),  und  zwar  wird  ebenso  wie.  die  vorhergehende 
als  eine  Bestimmung  der  φύσις  oder  ουσία  T€  καΐ  λόγος  so 
diese  als  eine  der  Ibda  der  Seele  bezeichnet  ^.  Schleiermacher 
hat  sowohl  ουσία  als  Ibla  mit  'Wesen'  übersetzt.  Und  aller- 
dings scheint  er  dazu  ein  gewisses  Recht  zu  haben,  da  den  in 
der  Anmerkung  citirten  Worten  folgende  vorausgehen:  π€ρΙ  μέν 
ουν  αθανασίας  αυτής  Ικανώς,  also  Worte  die  nur  eine  Eigen- 
schaft der  Seele  hervorheben  und  denen  gegenüber  die  auf  die 
Dreitheilung  bezügliche  Bestimmung  das  Wesen  selber  zu  be- 
rühren scheint.  Trotzdem  geht  es  nicht  an,  so  wie  bei  der 
Schlciermacher'schen  Uebersetzung  geschieht,  IWa  und  ουσία  als 
synonj-me  Ausdrücke  zu  behandeln:  denn  abgesehen  davon,  dass 
die  ibea  thatsächlich  in  etwas  ganz  anderes  gesetzt  wird  als  die 
ουσία,  diese  in  die  Selbstbewegung,  jene  in  die  Dreitheilung,  so 
können  beide  Ausdrücke  auch  darum  nicht  dasselbe  bedeuten, 
weil  ja  sonst  die  vorhergehende  Bestimmung  der  ουσία,  die  doch 
ohne  ein  Gleichniss  zu  Hülfe  zu  nehmen  das  Wesen  der  Seele 
unmittelbar  ausspricht,  eben  die  göttliche  und  langwierige  Dar- 
stellung (θεία  και  μακρά  οιήγησις)  sein  würde,  auf  die  Sokrates 


leben  rechnen  und  besonders  witi  er  von  Thier-  oder  gar  von  Pflanzen- 
seelen reden  konnte,  da  er  doch  den  letzteren  wenigstens  alles  und 
jedes  Denken  ausdrücklich  abspricht  (Tim.  p.  77  B). 

^  Statt  ούσ{α  herzustellen  φύσις  ist  ein  Vorschlag  von  Naber 
Mnemos.2  IV  833,  der  sich  indessen  nur  auf  den  Gebrauch  des  letzteren 
Wortes  p.  245  C.  E.  277  Β  gründet  und  daher  nicht  als  hinreichend 
begründet  gelten  kann,  so  lange  wenigstens  nicht  als  man  Piaton  nicht 
vorbietet  mit  jrleichbercohtigten  (s.  Ast  unter  ουσία)  Ausdrücken  zu 
wechseln. 

2  p.  246  A:  π€ρΙ  δέ  τής  ιδέας  αυτής  iLbe  λβκτέον  οΐον  μέν  ίστι 
(denn  so  ist  statt  des  unbetonten  έστι  das  noch  Schanz  festhalt  zu 
sehreiben,  da  sonst  der  Gegensatz  zu  dem  folgenden  έοικεν  fehlt,  der 
doch  unmöglich  in  olov  liegen  kann),  πάντη  πάντως  θείας  cTvai  καΐ 
μακράς  διηγήσειυς,  φ  bi  ?οικ€ν,  άνθρωπίνης  τε  καΐ  έλάττονος. 


üeber  Entelechie  und  £ndeiechie.  189 

une  gerade  verzichten  heiset.  Es  bleibt  daher  nichts  übrig  als 
mit  Lehrs  ibia  durch  'Gestalt*  zu  übersetzen:  denn  dass  ibea 
hier  die  Bedeutung  von  'Art'  habe,  dieser  Gredanke  ist  darum 
ausgeschlossen  weil  eine  Art,  die  wie  hier  der  Fall  sein  würde 
(της  Ι^έας  heisst  es  und  nicht  τών  ibeoiv)  die  einzige  ihrer  Gat- 
tung wäre,  nicht  mehr  den  Namen  einer  solchen  verdiente.  Nun 
ist  mit  der  richtigen  Uebersetzung  freilich  noch  nicht  das  rich- 
tige Verständniss  gegeben.  Was  aber  das  letztere  betrifft,  so 
hat  uns  Piaton,  bez.  Sokrates,  nicht  im  Stich  gelassen,  wenn  er 
die  Angabe  der  ibia  mit  derjenigen  identiücirt,  welche  sich  auf 
das  olov  i<TTi  bezieht,  also  die  Qualität  der  Seele  betriift.  Be- 
denken wir  nun,  dass  letztere  (ποιότης)  in  der  Reihe  der  aristo- 
telischen Kategorien  von  der  ουσία  unterschieden  wird  und  dass 
dort  die  ουσία  die  Substanz  bedeutet,  so  werden  wir  hier,  wo 
ebenfalls  der  Qualität  eine  ουσία  gegenübertritt,  wenigstens  den 
Versuch  machen,  ob  nicht  die  erforderliche  Unterscheidung  bei- 
der auf  Grund  der  aristotelischen  Auffassung  des  Verhältnisses 
vorgenommen  werden  kann.  Gegen  eine  solche  Unterscheidung 
scheint  nämlich  zu  sprechen,  dass  die  Substanz  das  im  Wechsel 
beharrende  sein  soll,  die  Gestalt  der  Seele  aber  d.  i.  ihre  Drei- 
theilung,  da  sie  allen  Seeleu  den  menschlichen  wie  den  göttlichen 
anhaftet,  im  Wechsel  alles  Uebrigeu  nicht  minder  beharrt  als  die 
Selhstbewegung,  die  jene  Auffassung  angenommen  allein  der  Sub- 
stanz angehören  würde.  Da  aber  die  Substanz  nicht  bloss  das 
beharrende  sondern  auch  dasjenige  ist  an  dem  das  Uebrige  einen 
Halt  findet,  so  können  die  drei  Seelenvermögen  auf  diesen  Namen 
keinen  Anspruch  mehr  erheben:  denn  da  sie  dreie  und  verschie• 
dene  sind,  so  bedürfen  sie,  um  ein  einheitliches  Seelen wesen  zu 
bilden  wie  sie  sollen,  vielmehr  selber  einer  Substanz  die  sie  zu- 
sammenhält. Zu  diesen  sprachlichen  und  sachlichen  Gründen, 
die  uns  nöthigen  ib^a  auf  die  Qualität  und  dann  φύσις  und 
ουσία  auf  die  Substanz  zu  deuten,  liesse  sich  aus  dem  Fhaidros 
selbst  noch  ein  dritter  fügen,  wenn  wir  die  Gränzen  des  Mythos 
überschreiten  und  auch  die  anderen  Partien  des  Dialogs  berück- 
sichtigen wollten^.     Statt  dessen   sehen   wir  uns   lieber   noch   in 


^  Ich  denke  hierbei  au  p.  2S0  A,  wo  Sokrates  sagt:  σκοπώ  — 
έμαυτόν  elxe  τι  θηρίον  τυγχάνω  Τυφώνας  πολυπλοκώτβρον  καΐ  μ&λλον 
έπιτ€θυμμένον  €Ϊτ€  ήμερώτβρόν  τ€  καΐ  άπλούστ€ρον  2ώον  θείας  τινός 
καΐ  άτύφου  μοίρας  φύσει  μετέχον.  Dass  Sokrates  unter  seinem  Ich 
(έμαυτόν)  nicht  den  Körper  sondern  die  Seele  meint,   wird  sich  nicht 


190  Hirsel 

t^laton*8  anderen  Sohriften  nm.  In  der  Bepublik  werden  die 
drei  Heelentheile  unterechieden  (IV  435  G  ff.)  trotsdem  aber  alt 
etwas  beseiehnet,  das  erst  in  Folge  des  Eingeliena  in  den  Körper 
an  der  Seele  hervortritt,  während  ihrer  nreprüngUehen  Natur 
nach  dieselbe  einfach  sein  soll  (X  611  Β  ff.):  so  dass  hier  we- 
nigstens die  niederen  Theile  der  Seele  nnr  als  vorübergehende 
Zustände  erscheinen,  die  dorch  Berührung  der  eigentlichen  Seelen- 
substans  mit  dem  Körper  hervorgemfen  werden.  Nicht  anders 
ist  es  bekanntlich  im  Phaidon:  denn  wenn  hier  der  Meinung, 
welche  die  Seele  sa  einer  Harmonie  verflüchtigen  mödkte,  gegea- 
über  betont  wird,  dass  die  Seele^  sie  mag  übrigens  schlecht  oder 
gut,  vernünftig  oder  unvernünftig  sein,  doch  immer  Seele  Mttbt 
(p.  93  Β  f.),  so  setzt  auch  diess  etwas  in  der  Seele  voraae,  das 
bei  allem  Wechsel  ihrer  Zustände  und  Thfttigkeiten  unverändert 
beharrt,  eben  ihre  Substanz;  ganz  abgesehen  davon,  daae  aneh 
hier  die  Leidenschaften  und  Begierden  lediglich  der  befleckenden 
Berührung  mit  dem  Leibe  zugeschrieben  werden  (z.  B.  p.  81  Α 
83  Β  ff.),  ihr  eigentliches  Wesen  dagegen  einfach  (μονο€ΐ6ής 
ρ.  80  Β.  83  Ε)  sein  soll.  Die  nähere  Bestimmung!  welche  ausser- 
dem dieser  Dialog  von   der  Substanz  der  Seele  gibt,   indem  er 


bestreiten  lassen.  Danu  aber  kann  unter  dem  Wesen  das  vielgestal- 
tiger ist  als  Typhon  uur  die  Seele  verstanden  werden,  insofern  sie  in 
drei  Thoile  zerfällt,  von  denen  insbesondere  die  beiden  niederen  eine 
grosse  Mannichfaltigkeit  verschiedener  Regangen  unter  sich  begreifen: 
denn  ebenso  wird  in  der  Republik  IX  588  C  die  dreigetbeilte  Seele  mit 
Chimära,  8kylla  und  Kerberos  verglichen  und  zwischen  diesen  Fabel- 
wesen und  dem  Typhon  findet  ein  wesentlicher  unterschied  nicht  Statt 
Nun  wird  aber  kaum  jemand  die  Worte  des  Sokrates  lesen  ohne  den 
Eindruck  zu  empfangen,  dass  er  der  im  zweiten  Glied  der  Alternative 
angedeuteten  Meinung  zuneigt.  Diese  letztere  kann  aber,  wetiii  im 
ersten  Glied  auf  die  Dreitheilung  der  Seele  hingedeutet  worden  ist, 
nur  auf  die  Einheitlichkeit  und  Uugetheiltheit  derselben  gehen:  denn 
dass  doch  von  einer  θ€(α  μοίρα  die  Rede  ist  und  damit  die  bekannte 
Dreitheilung  vorausgesetzt  zu  werden  scheint,  darf  Niemand  irre  maühec, 
da  jene  Worte  eben  so  gut,  ja  besser  auf  das  göttliche  Theil  oder  Loos 
bezogen  werden  können  das  der  Seele  gefallen  ist.  AVar  also  Piaton 
schon  im  Phaidros  der  Ansicht  die  er  bestimmter  in  der  Republik  ge- 
äussert hat,  dass  die  Seele  einfacher  Natur  ist,  so  werden  vollemls  die 
drei  Theile  des  Mythos  oder  die  ihia  alles  substantiellen  Charakters 
entkleidet  und  erscheinen  nur  als  verschiedene  Zustände,  in  die  je 
nach  ihren  verschiedenen  Verhältnissen  die  eigentliche  Seclensubstanz 
eintritt. 


üebcr  Entclechic  und  Endelechie.  191 

sie  mit  der  Idee  dee  Lebens  in  unauflösliche  Verbindung  setzt 
(p.  105  C  ff.),  erinnert  uns  au  den  Phaidros  der  in  der  Selbst- 
bewegung  das  charakteristische  Merkmal  der  Substanz  fand, 
worunter  offenbar  nichts  weiter  als  das  Leben  (ίιυή  ρ.  245  C) 
zu  verstehen  ist.  Indess  bleibt  auch  jetzt  noch  ein  Rest  von 
Unklarheit  übrig,  der  das  Verhältnise  der  durch  die  Selbstbewe- 
gung charakterisirten  Seelensubstanz  zur  Denkthätigkeit  betrifft: 
denn  wenn  man  auch  bereit  wäre  die  Leidenschaften  und  Begier- 
den als  Acoidentien  von  der  Substanz  der  Seele  abzusondern,  so 
könnte  man  und  zwar  unter  Berufung  auf  die  gleichen  Schriften 
Platon's  die  Denkthätigkeit  desto  enger  mit  ihr  verbunden,  ja 
ihr  für  ebenso  wesentlich  halten  als  die  Selbstbewegung,  woraus 
dann  folgen  würde,  dass  nicht  erst  moderne  Darsteller  sondern 
schon  Piaton  selber  hinsichtlich  dep  Wesens  der  Seele  im  Un- 
klaren war.  Vor  diesem  Vorwurf  schützt  den  Philosophen  der 
Timaios,  wo  auch  den  Pflanzen  eine  Seele  und  dieser  eine  Be- 
wegung in  und  um  sich  selbst  gegeben,  gleichzeitig  aber  alles 
Denken  aufs  Entschiedenste  abgesprochen  wird  (p.  77  Β  f.).  Hier- 
nach erscheint  auch  das  Denken  und  die  Vernunft  keineswegs  als 
eine  mit  der  Substanz  der  Seele  selbst  nothwendig  gegebene  Thä- 
tigkeit  derselben  sondern  ebenfalls  nur  als  einer  der  Zustände,  wie 
sie  wechselnd  in  Folge  der  verschiedenen  VerhältniHse,  in  die  die 
Substanz  kommt,  an  ihr  hervortreten.  Und  doch  findet  zwischen 
dem  vernünftigen  Denken  und  den  übrigen  Aeusserungen  des 
Seelenlebens  ein  Unterschied  Statt,  der  jenes  in  eine  engere  Be- 
ziehung zur  Seelensubstanz  setzt.  Auch  über  diesen  Punkt  redet 
der  Timaios  am  deutlichsten,  wenn  er  die  allem  Seelenleben  eigen- 
thümliche  Bewegung  in  und  um  sich  selbst  vollkommen  und  rein 
nnr  im  Denken  dargestellt  findet  (mit  p.  77  Β  vgl.  bes.  34  Α  und 
43  Α  ff.) :  denn  dass  das  Denken  zwar  nur  einer  der  wechselnden 
Zustände  der  Seelensubstanz,  aber  derjenige  sein  soll  in  dem  ihre 
Eigenthümlichkeit  am  reinsten  zur  Erscheinung  kommt,  kann 
hiernach  nicht  wohl  bezweifelt  werden.  Zu  Gunsten  der  vom 
Verhältnise  der  oucfia  und  Ibea  im  Phaidros  gegebenen  Erklärung 
mögen  indess  noch  zwei  Bemerkungen  hier  stehen.  Die  eine  ist 
geeignet  das  zu  jener  Entscheidung  drängende^,  sprachliche  Mo- 
ment zu  verstärken:  denn  wie  im  Phaidros  der  ibea  die  Bedeu- 
tung der  Qualität,  der  ουσία  die  der  Substanz  gegeben  wurde, 
80  wird  im  Timaios  das  einzelne  Element  im  Verhältnise  zur 
Urmaterie  nicht  als  ein  öv  (p.  49  D),  sondern  nur  als  eine  ibea 
(49  C)  oder  ein  τοιούτον   (49  D)    bezeichnet,    die  Antwort  auf 


192  Hirzel 

da«  τί  eCTTi  aber  nur  in  der  Materie  gefunden  (50  A)  die,  ancb 
darin  der  Seeleneu betanz  im  Pbaidroe  vergleichbar,  eine  φύ(Τις 
heieet  (50  6).  Die  andere  Bemerkung  führt  ans  auf  das  each- 
liehe  Gebiet  zurück,  indem  sie  an  die  ovkiia  erinnert  die  in  der 
räthselvollen  Seelenconstruction  des  Tiroaioe  neben  dem  ταύτόν 
und  θάτερον  als  eines  der  Element«  erscheint  (p.  35  Α  f.)  und 
die  diesen  Namen  so  schlechthin  kaum  verdienen  würde,  wenn 
sie  nicht  die  Substanz  wäre  zu  der  die  beiden  anderen  sich  mehr 
wie  Zustände  oder  Thätigkeiten  zu  verhalten  scheinen^.  Durch 
das  vorher  bemerkte  ist  endlich  schon  dem  Miseveretändnise  vor- 
gebeugt worden,  dass  man  nicht  etwa  die  denkende,  die  im  Affect 
begriffene  und  die  begehrende  Seele  für  eben  so  viele  Snbetauzen 
halte  und  in  der  Selbstbewegung  nur  eine  allen  gemeinsame  Be- 
stimmung sehe:  dass  vielmehr  die  erst^ren  nur  wechselnde  Be- 
stimmungen der  durch  die  letztere  charakterisirten  Substanz  sind, 
zeigt  besonders  deutlich  gerade  der  Timaios,  wenn  er  ein  und 
derselben  Substanz  sobald  sie  im  menschlichen  Körper  eich  be- 
findet das  Denken  zuspricht,  sobald  sie  aber  Thierleib  angenom- 
men hat  sie  auf  die  niedrigsten  Seelen  vermögen  beschränkt  ^. 
Wenn  nun  trotzdem  im  Phaidros  die  Selbstbewegnng  nicht  bloss 
als  oucria  oder  Substanz,  sondern  als  oucTia  T€  και  λόγος  d.  i. 
auch  als  allgemeine  Wesensbestimmung  bezeichnet  wird,  so  ist 
diesR  natürlich  nicht  im  Hinblick  auf  die  einzelnen  Seelenver- 
mögen denen  allen  diese  Bestimmung  zukäme  zu  verstehen,  son- 
dern gilt  von  den  unzähligen  einzelnen  Seelensubstanzen,  die  alle 
durch  das  gleiche  Merkmal  der  Sclbstbewegung  als  Seelensnb- 
st^nzen  charakterisirt  sind. 

Vm  nun  von  dem  Ergebniss  der  eben  geführten  Untersuchung 
die  Anwendung  zu  machen,  so  hat  sich  gezeigt,  dass,  wenn  Cicero 
den  Aristoteles  eine  eigene  Seelensubstanz,  zu  der  das  Denken 
Kämmt  den  Leidenschaften  und  Begierden  sich  nur  wie  verschiedene 


^  So  viel  wenifTstens  p^laube  ich  hier,  wo  so  vieles  dunkel  ist, 
behaupten  zu  dürfen.  Zu  bemerken  ist  ausserdem,  dass  die  ibia  der 
Seele  auch  hier  von  der  ουσία  geschieden  wird  und  erst  aus  der  Ver- 
bindung der  letzteren  mit  den  beiden  anderen  Elementen  hervorgeht 
(]>.  85  A);  und  ferner  dass  das  Donken  (λόγος),  für  dessen  Zwecke 
ταύτόν  und  θάτ€ρον  allein  da  zu  sein  scheinen,  ausdrücklich  als  in  dem 
Selbstbewegtcn  vorgehend  bezeichnet  (έν  τψ  κινουμένψ  ύφ'  αύτου  φ€- 
ρόμ€νος)  und  somit  zu  ihm  oder  der  Seele  in  dasselbe  Verhältniss  ge- 
setzt wird,  welches  das  Inhärirende  zu  seiner  Substanz  bat  (p.  37  B). 

3  Tim.  p.  91  Ε  ff. 


üeber  Entelechie  und  Endelechie.  193 

Zastände  oder  Thätigkeiten  verhalten,  annehmen  und  das  cha- 
rakteristieche  Merkmal  derselhen  in  die  unabläsRige  Bewegung 
setzen  läset,  er  ihm  damit  nicht  mehr  zuschreibt  als  was  wir 
einem  Schüler  Platon's,  der  den  Standpunkt  seines  Lehrers  noch 
nicht  ganz  verlassen  hatte,  wohl  zutrauen  können.  Das  einzige, 
worin  der  ciceronische  Aristoteles  noch  von  Piaton  differirt,  würde 
hiernach  der  Name  ενδελέχεια  sein  den  er  zur  Bezeichnung  jenes 
charakteristischen  Merkmals  der  Substanz  gebraucht  haben  soll. 
Da  aber  Cicero  die  Neuheit  dieser  Bezeichnung  ausdrücklich  her- 
vorhebt, so  kann  auch  dieser  Umstand  nur  dazu  dienen  die  Grlaub- 
würdigkeit  seines  ganzen  Berichtes  zu  bestätigen.  Aber  freilich 
diese  Glaubwürdigkeit  ruht  schliesslich  immer  auf  der  Voraus- 
setzung, dass  die  frühere  Lehre  des  Aristoteles  auch  in  solchen 
Punkten  mit  der  platonischen  zusammentraf,  in  denen  später  der 
Philosoph  seinem  Lehrer  aufs  Schroffste  entgegengetreten  ist; 
und  wünschenswerth  wäre  es  doch,  wenn  sie  wirklich  Anerken- 
nung finden  soll,  dass  sie  nicht  bloss  auf  einer  solchen  prekären 
Stütze  ruhte.  Es  fragt  sich  daher  ob  nicht  was  wir  durch  Cicero 
erfahren  uns  auch  noch  von  anderer  Seite  her  als  aristotelische 
Lehre,  sei  es  nun  in  ausdrücklicher  Ueberlieferung  oder  als  £r- 
gebniss  gewisser  Ueberlegungen  entgegentritt. 

Zu  solchen  Ueberlegungen  gibt  einen  Anlass  die  Aehnlich- 
keit  die  auch  noch  zwischen  der  späteren  aristotelischen  Lehre 
und  der  platonischen  besteht  und  jene  nicht  als  etwas  ganz  neues, 
im  (regensatz  zu  dieser  aufgestelltes  sondern  als  eine  Fortbildung 
erscheinen  lässt.  Auf  diese  Ueberein Stimmung  kann  uns  theils 
Themistios  hinweisen,  wenn  er  gestattet  das  Wort  κίνη(Τις  im 
Sinne  von  ενέργεια  zu  brauchen  ^,  theils  Aristoteles  selber,  wenn 
er  eine  gewisse  Verwandtschaft  beider  Begriffe  gelten  lässt  ^.  So, 
scheint  es,  darf  man  ohne  deshalb  gerade  in  den  Verdacht  eines 
nenplatonischen  Synkretismus  zu  gerathen,  in  der  aristotelischen 
Energie  nur  eine  Modification  der  platonischen  Selbstbewegung 
der  Seele  erkennen.  Und  bestärkt  wird  man  in  dieser  Vermu- 
thnng  sobald  man  die  höchste  und  reinste  Energie,  wie  sie  sich 


1  Paraphr.  ed  Spengel  II  84,  1  ff.  52,  7  ff.  178,  4.  196,  25. 

*  Metaph.  θ  8  p.  1047  •80:  έλήλυθε  b*  ή  έν^ρτ€ΐα  τοΰνομα,  ή  προς 
τήν  έντελέχειαν  συντιθέμενη,  καΐ  έπΙ  τά  άλλα  (denn  so  ist  mit  Bonitz 
zu  interpungiren  und  nicht,  wie  Schwegler  nach  Bekker's  Vorgange  ge- 
than  hat,  das  Komma  nach  άλλα  zu  setzen)  έκ  τών  κινήσ€ΐυν  μάλιστα' 
6oKCl  τ^ρ  ή  iyipytxa  μάλιστα  ή  κΝησις  βίναι. 


194  Hirzel 

im   Denken    und   namentlich    im  Denken    der  Gottheit   daretelltt 
betrachtet:    denn   sobald   wir  nur  das  Denken  (νόηΟΊς)   ale  ein« 
Bewegung  im  weiteren  Sinne  diesee  Wortes  fassen,  so  haben  wir, 
da  das  Denken  eich   selber  Objekt   sein   soll    (νόη<Τΐς  νοή(Τ€υ)ς), 
eine  in  sich  selbst  zurückkehrende  Bewegung  und  somit  eine  Be- 
wegung der  Art,    in   weiche  auch  Piaton   die  Eigenthümlichkeit 
des  Seelenlebens  und  insbesondere  die  seiner  höchsten  und  rein- 
sten Aeusseruug,  des  Denkens,  gesetzt  hat.  Nehmen  wir  nun  hierzu, 
dass  diese  Bewegung,    wie  Cicero  berichtet,    von  Aristoteles  den 
Namen  ενδελέχεια  erhielt,  so  bilden  die  verschiedenen  Stufen  der 
letzteren,    die    wir   dann   νου   den   niedrigsten  Arten  des  Seelen- 
leben» anfangend  verfolgen   können   bis  zu  dessen  reinster  Mani- 
festation, eine  genaue  Parallele  zu  denjenigen  über  welche   nach 
den  erhaltenen  Schriften  des  Aristoteles  sich   die   εντελέχεια  hie 
zur  Gottheit   erheben    soll.     Dass  diese  Aehniichkeit  durch   den 
Anklang  der  Namen  ενδελέχεια  und  εντελέχεια  noch  auflallender 
wird,  darf  ich  hier  vorerst  nur  andeuten,  um  zunächst  einem  Ein- 
wände zu  begegnen  den  man  gegen  diese  (Kombinationen  erheben 
wird.     Denn    da   dieselben   auf  der  Voraussetzung    ruhten,    dass 
die  aristotelische  Energie  sich  auch  mit  dem  Worte  κίνηΟΊς  aus- 
drücken lasse,  so  wird  man  dagegen  geltend  machen,    dass  doch 
Aristoteles  selber  sich  dieser  Weise  der  Bezeichnung  nie  bedient 
und  daher  wohl  das  Wort  stets  in  jener  engeren  Bedeutung  ge- 
braucht habe  in  der  es  mit  der  Energie  nicht  synonym  ist.    Die- 
sem  Einwand  gegenüber  kann  man  sich  indessen  darauf  berufen, 
dasK   schon   Andere   in   einzelnen  Fällen   ein  Abweichen  des  Ari- 
stoteles von  der  strengen  Terminologi(i  eingeräunit  haben  ^  Hierzu 
kommt,    dass    zu    diesen    Fällen   insbesondere   der  Gebrauch    des 
Wortes  κίνη(Τΐς  an  einer  Stelle  der  Rhetorik  gerechnet  wird-  und 
weiter,   dass  \vb.h  in  <len  akroamatisclien  Schritten  allerdings  nur 
eine  Ausnahme  bildet,  die  populäre  Ausdrucksweise,  in  den  exo- 

^  So  Zeller  ΙΓ'  369  f.  Aiiiii.  hinsichtlich  der  \Vorte  ποΐ€ΐν  und 
πράττΕίν  insofern  sie  von  der  (jottheit  gebraucht  werden. 

-  Zellcr  1Π'  ίίΙΟ  Anm.  sa<it,:  'Ungenauer  lieisst  es  Rhet.  1  11  Antg.: 
όποκείσθιυ  b*  ήμΐν  είναι  τήν  ήδονήν  κίνησίν  τίνα  τής  ψυχής  καΐ  κα- 
τάστασιν  άθρόαν  και  αίσθητήν  €ΐς  τγ^ν  υπάρχουσαν  φύσιν,  λύπην  bi 
τουναντίον.  Denn  tbeils  betrachtet  Arisitoteles.  wo  er  sich  strenger 
auHdrückt,  die  Seele  überhaupt  nicht  als  bewegt,  tlieils  ist  die  Lust, 
nach  dem  eben  angeführten,  nicht  eine  Hewegung,  sondern  nur  Folge 
einer  Bewegung*.  Vgl.  auch  des  Verfassers  Unters  zu  Ciceros  philos. 
Sehr.  11  719,  1. 


Uebor  £ntelechie  und  Endelechie.  195 

teriechen  aue  leicht  begreiflichen  Gründen  wahrscheinlich  die  Regel 
war^:  man  wird  daher,  wenn  Cicero's  Bericht  sich  auf  die  letz- 
teren bezieht,  ee  nicht  mehr  undenkbar  finden  können,  dass  Ari- 
stoteles jemals  von  einer  Bewegung  der  Seele  gesprochen  habe. 
Ja  auch  unabhängig  von  Cicero,  auf  Grrand  lediglich  einer  Stelle 
der  Topik  könnte  man  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  in  den 
Dialogen  Aristoteles  das  Wesen  der  Seele  in  die  Selbstbeweguug 
gesetzt  habe:  denn  da  er  in  der  Topik  eine  andere  Definition  als 
diese  nicht  zu  kennen  scheint^,  so  wird  man  hieraus  so  viel  ent- 
nehmen dürfen,  dass  er  keine  andere  für  geeignet  hielt  der 
Gegenstand  dialektischer  Erörterung  zu  werden,  die  letztere  aber 
war  ja  gerade  die  in  den  Dialogen  herrschende.  Endlich  darf 
in  Verbindung  mit  den  vorhergehenden  doch  auch  der  Grund 
eich  hören  lassen,  dass  wenn  Aristoteles  wirklich  von  Anfang 
an  und  gänzlich  die  Anwendung  des  Wortes  κίνη(Τις  auf  das 
Seelenleben  verpönt  hätte,  schwerlich  sein  nächster  Schüler  Theo- 
phrast  wieder  in  diese  vulgäre  Weise  der  Bezeichnung  zurück- 
verfallen wäre  (Zeller  IP  846,  3). 

Durch  diese  Erwägungen  werden  wir  nun  auch  geneigter 
geworden  sein  der  Ueberlieferung  Gehör  zu  schenken,  die  man 
bisher  gänzlich  vernachlässigt  hat  und  die  doch  längst  hätte  auf 
kürzerem  Wege  zu  demselben  Resultat  führen  können.  Denn 
daes  Aristoteles  sich  die  Gottheit  als  Geist  und  körperlos,  nichts- 
destoweniger aber  in  ewiger  Selbstbewegung  begriffen  vorgestellt 


^  Ich  mu88  mich  hier  ganz  der  Ansicht  von  Bernays,  Die  Dialoge 
S.  73,  anschliessen. 

2  Die  betreffenden  Worte  lauten  Top.  VI  3  p.  UO  »33  ff.:  ή  €l 
έοτι  μέν  Ιδιον  τό  προακείμενον,  αφαιρεθέντος  bi  τούτου  καΐ  ό  λοιπός 
λότος  ϊδιός  έστι  καΐ  δηλοΐ  τήν  ούσίαν  (sc.  έπισκ€πτέον  έστ().  οίον  έν  τφ 
του  άνθρωπου  λόγψ  τό  επιστήμης  δβκτικόν  προςτεθέν  περίβργον  καΐ 
γαρ  αφαιρεθέντος  τούτου  ό  λοιπός  λόγος  ίδιος  καΐ  δηλοΙ  τήν  ούσ(αν. 
απλώς  δ'  εΙπεΙν,  Απαν  περίεργον  ού  αφαιρεθέντος  τό  λοιπόν  δήλον  ποιεί 
τό  όριΖόμενον.  τοιοΟτος  δέ  καΐ  ό  τής  ψυχής  δρος,  εΐ  αριθμός 
αυτός  αυτόν  κινών  εστίν  καΐ  γάρ  τό  αυτό  αυτό  κινοΟνψυχή, 
καθάπερ  Πλάτων  (ΰρισται.  ή  Ιδιονμέν  τό  είρημένον,  ού  δηλοΤ 
δέ  τήν  ούσ(αν  αφαιρεθέντος  του  αριθμού,  ποτέρως  μέν  ουν 
^χει,  χαλεπόν  διασαφήσαι.  Freih'ch  sagt  Aristoteles,  dass  diese 
Definition  Piaton  gehöre,  aber  er  gibt  sie  doch  nicht  bloss  als  eine 
platonische,  sondern  wie  eine  der  er  auch  selber  zustimmt.  Der  Zweifel 
den  er  dabei  laut  werden  lasst  bezieht  sich  nicht  auf  die  Selbstbewe- 
gung sondern  darauf,  ob  mit  dieser  um  das  Wesen  der  Seele  darzu- 
stellen auch  die  Bezeichnung  als  Zahl  zu  verbinden  sei. 


196  Hirzel 

habe,  sagt  ausdrücklich  der  Epikureer  bei  Cicero  de  nat.  deor.  I 
33  (Rose  fr.  21):    Aristotelesque  in  tertio    de    philosophia   libro 
inulta  turbat  a  magistro  suo  Piatone  non  diseentiene.  modo  enim 
menti  tribuit  omnem  divinitatem,  modo  mundum  ipsum  deum  dieit 
eese  modo  alium  quendam  praeficit  mundo  eiqne  eae  partes  tri- 
buit ut  replicatione   quadam   mnndi  motnm  regat  atqne  tueatur. 
tum  oaeli  ardorem  deum  dicit  esse,  non  intellegene  caelnm  mandi 
esse  partem  quam  alio  loco  ipse  designarit  deum.  quo  modo  autem 
caeli   divinus  ille   sensus    in   celeritate  tanta   conservari    potest? 
ubi  deinde  illi  tot  dei,  si   numeramus  etiam  caelum   deum?    cum 
autem  sine  corpore  idem  vuit  esse  deum,  omni  illum  sensu  privat, 
etiam  prudentia.  quo  porro  modo  moveri  carens  corpore  aut  quo 
modo  semper  se  moveus  esse  quietus  et  beatus  potest?    Weil  es 
aber  ein  Epikureer  ist  der  dieses  sagt  und  man  bei  dieser  Schule 
wie  kein  historisches  Interesse  so  auch   keine  historische  Treue 
voraussetzte,    so   hielt  man    sich   für   berechtigt  dieses  Zeugnis« 
einfach    zu   verwerfen    und  darin   nichts    weiter   als    ein    grobes 
Missverständniss  der  echt  aristotelischen  Lehre  zu  erblicken.   Und 
<loch  war  man  ein  solches  Missverständniss  anzunehmen  nur  dann 
genöthigt,    wenn   man   die  Angaben  des  Epikureers  mit  der  uns 
aus    den    erhaltenen   Schriften   des  Philosophen    bekannten  Lehre 
verglich;    der  Epikureer   aber   bemerkt   ausdrücklich,    dass  seine 
Angaben  der  verlorenen  Schrift  über  die  Philosophie  entnommen 
Hind.     Dieser   Umstand    allein    hätte    daher    schon    zur   Vorsicht 
mahnen  müssen,    ehe    mau   ein   so   kostbares  Zeugniss,  wie  jedes 
über   den   Inhalt   der    exoterischen  Schriften    des  Aristoteles  ist, 
ungenutzt  bei  Seite  legte.     Hierzu  kommt,  dass  nach  der  ganzen 
Beschaffenheit    seiner  Angaben   ein  Missverständniss  wie   man   es 
hier   dem  Epikureer  zutraut    schwer   denkbar   ist.     Denn    dieses 
Missverständniss    niünste    doch    darin  bestanden  haben,    dass  was 
nur  von  einer  besonderen  Form  des  Göttlichen,  dem  Aether,  gilt, 
nämlich  die  ewige  Bewegung,  vom  Epikureer  auf  eine  andere,  die 
körperliche  Gottheit  übertragen  wurde,    und   setzt   somit  voraus, 
dass   derselbe   nicht   im  Stande  war  die  verschiedenen  Arten  des 
Göttlichen    die  Aristoteles    unterschied    gehörig    auseinander     zu 
halten;    mit  dieser  Voraussetzung  aber  stimmt  es  nicht,  dass  ge- 
rade  der  Epikureer  es   ist   der   sieh    bemüht  die  niannichfaltigen 
Aeusserungeu  des  Philosophen  über  das  Göttliche  zu  sondern  und 
der  eben  ans  dieseni  Weichsel  ihm   einen  Vorwurf  macht.    Wollten 
wir  also  trotzdem  an  jenem   Missverständniss  festhalten,  so   wür- 
den wir  annehmen  müssen,    dass  der  Epikureer   zur  selben  Zeit, 


üeber  Enteleohie  und  Endeleohie.  197 

wo  er  die  aristotelischen  Aeusserungen  ihrem  Inhalte  nach  von 
einander  schied,  sie  mit  einander  confundirt  habe.  —  Gegen  diese 
Annahme  eines  Missverständnisses  hätte  man  aber  auch  deshalb 
bedenklich  werden  sollen,  weil  man  dadnrch  genöthigt  wird  nicht 
bloss  einen  Epikureer  sondern  auch  einen  Stoiker  eines  solchen 
zu  verdächtigen.  Lucilins  Balbus  nämlich  bei  Cicero  de  nat.  deor. 
Π  44  (Rose  fr.  20)  sagt  Folgendes:  nee  vero  Aristoteles  non 
laudandus  est  in  eo,  quod  omnia,  quae  moventnr,  aut  natura 
moveri  censuit  aut  vi  aut  voluntate,  moveri  autem  solem  et 
Innam  et  sidera  omnia;  quae  autem  natura  moverentur,  haec  aut 
pondere  deorsum  aut  levitate  sublime  fem,  quorum  neutrum 
astris  contingeret  propterea  quod  eorum  motus  in  orbem  circum- 
que  ferretur.  nee  vero  dici  potest  vi  quadam  majore  fieri  ut 
contra  naturam  astra  moveantur;  quae  enim  potest  major  esse? 
restat  igitur  ut  motus  astrorum  sit  voluntarius.  Da  die  Kreis- 
bewegung der  Grestime  hier  aus  deren  freiem  AVillen  und  nicht 
wie  in  den  erhaltenen  Schriften  geschieht  aus  der  Natur  des 
Aethers  abgeleitet  wird,  so  hat  mau  von  der  Meinung  ausgehend, 
dase  der  Inhalt  der  Dialoge  mit  dem  der  pragmatischen  Werke 
übereinstimme,  abermals  dem  Berichterstatter  lieber  einen  Irr- 
thum  Schuld  gegeben,  als  dass  man  an  der  Richtigkeit  des  eigenen 
Vorurtheils  irre  geworden  wäre  ^  Und  zwar  soll  das  Missver- 
Bt&ndniss  seinen  Ursprung  darin  haben,  dass  in  der  betreffenden 
Schrift  des  Aristoteles,  einem  Dialoge,  die  Kreisbewegung  der 
Gestirne  als  eine  freiwillige  bezeichnet  worden  war,  die  gerad- 
linige Bewegung  anderer  Körper  dagegen  lediglich  als  eine  na- 
türliche, woraus  dann  £iner  der  nicht  bedachte,  dass  auch  die 
Kreisbewegung  der  Gestirne  nur  weil  sie  ihnen  naturgemäss  sei 
von  ihnen  gewollt  werde,  den  Gegensatz  einer  natürlichen  und 
einer  freiwilligen  Bewegung  herausgelesen  habe.  £in  solches 
MiesverständnisB  würde  indessen  nur  dann  denkbar  sein,  wenn 
Aristoteles  das  eine  Mal  die  geradlinige  Bewegung  eine  natür- 
liche, ein  anderes  Mal  die  Kreisbewegung  eine  freiwillige  ge- 
nannt hätte.  Statt  dessen  setzen  die  Worte  des  Stoikers  voraus, 
dass  bereite  Aristoteles  Natur,  Gewalt  und  Willen  als  die  drei 
möglichen  Ursachen  einer  Bewegung  neben  einander  gestellt  uud 
die  Bewegung  der  Gestirne,  weil  sie  sich  nicht  aus  den  ersten 
beiden  ableiten  liess,  auf  die  dritte  zurtickgefiihrt  und  eben  damit 


^  So  Blase,  Rh.  Mus.  1875  S.  503,  nach  dem  Vorgange  von  Ber- 
nays  Dial.  S.  108  f. 


19β  Hirzel 

fiir  eine   widernatiirliche  erklärt   habe.     Vom  Standpunkt  seiner 
späteren  Lehre  aus  konnte  eich  Arietotelee  freilich  nicht  in  solcher 
Weise  äuesern,  da  er  auf  diesem  in  dem  Aether  einen  natürlichen 
Ursprung  auch   fiir  die  Kreisbewegung  gefunden  hatte.     Soll  er 
trotzdem  sich  so  geäussert  haben  —  und  wollen  wir  den  stoischen 
Berichterstatter  nicht  einer  ganz  groben  Entstellung  der  aristo- 
telischen Lehre  verdächtigen,  so  grob,  dass  sie  kaum  noch  ein  Ir^ 
thum  heissen  könnte  sondern  absichtlich  sein  müsste,  so  sind  wir 
genöthigt  jenes  anzunehmen  —  so  war  diess  nur  auf  einem  Stand- 
punkt möglich,  von  dem  aus  er  dem  Aether  noch  nicht  dieselbe  Be- 
deutung wie  später  zugestand.    Zur  Annahme  eines  solchen  Stand- 
])unkte8  des  Aristoteles  sind  wir  aber  bereits  durch  eine  frühere 
Untersuchung  geführt  worden   (S.  180).     Denn  diese  zeigte,  dass 
Aristoteles   in   früheren  Schriften  den  Aether  noch    nicht  als  be- 
sonderes Element  von   der   Luft  (άήρ)  unterschied,    daraus  folgt 
aber,  da  das  Recht  des  Aetbers  als  besonderes  Element  sn  gelten 
sich  vorzugsweise  aus  der  ihm  von  Natur  eigenthümlichen  Kreis- 
bewegung ableitet,  dass  Aristoteles  ihm  diese  damals  noch  nicht 
als    eine    natürliche   zugestanden  habe.     Dass   jener  Standpunkt, 
auf  den  uns  die  frühere  Untersuchung  geführt  hat,  und  der,   der 
uns  aus  dem  Berieht  des  Stoikers  entgegentritt,  wirklich  ein  und 
derselbe    ist*,    wird    dadurch    bestätigt,    dass   die    beiden    Lehr- 
Kestimmungen.    die  boi  dieser  Annahme  vereinigt  werden,    schon 
von    Piaton   Avaren    verbunden    worden.     Hinsichtlich    derjenigen, 
dass  der  Aether   nicht    als   besonderes   Element    gelten    soll,    ist 
diess  schon  früher  bemerkt  worden  »a.  a.  O.);    Avas  aber  die  an- 
ilrre  betrifft,    der  zu   Folsro  die  Kreisbewegung  der  Gestirne   der 
Natur  d.  i.   der    köq^erlivhen   Natur  zuwider    ist   und   nur   dureb 
den  Willon  der  (lestirne  als  göttlieher  Wesen    bewirkt  wird,    so 
besagt   diess    offenbar  nichts   andere•«   als  was   IMatun  ausdrücken 
will,   wenn  er  jene   Kreisbeweirnnjr  nicht  aus  der  materiellen  Be• 
<rhaffenheit  der  itestirno  erklärt,  sondern  mit  der  ihnen  innewob• 


11  42\    d*'*    ΜίΛΠ    t'ivntHÜs   der  Viiriic    ntiyi  ν^ηΚ^^^οφχα:,  .-uwciit.    wird 
.'wur  -ler  A«'tbcr  λΝ  dvr  Stört"  äu^^  vUin    lio  i»-<*rii;'    ^<<tt*hiMi   ν••ιι  der 

::'ν',Γ;γ^  !*«^'j:'    :i:«u<Si.i\    rxcru..''  i".%'o'i  τί.ο:•.*.     -.λ     r     :.*:   ^ol•.  rWii  >it,  gut 
u.v•  Γ!λ:ο•.ι  ν.-ί.ίΐ  S.  1<*\Λ-  uur  λΝ  ».••.•:   ivv^:-.dt:->  r»   •.     '."-i  l'-in-  Art 


Ueber  Entelechie  nnd  Endelechie.  1^ 

iienden  Seele  und  Vemnnft  in  Zueammenhang  bringt^.  —  Hatten 
wir  schon  vorher  keinen  genügenden  Grund  den  Bericht  des 
Stoikers  anzuzweifeln,  sobald  wir  nur  nicht  \Όη  falschen  Voraus- 
setzungen ausgingen,  so  ist  die  Glaubwürdigkeit  desselben  jetzt 
bedeutend  erhöht  worden,  ebenso  wie  die  des  epikureischen  und 
de«  ciceronischen  in  den  Tuscnlanen :  denn  diese  Zeugnisse,  mögen 
sie  jedes  einzeln  und  für  sich  betrachtet  noch  so  unzuverlässig 
sein,  erlangen  doch,  da  sie  unabhängig  von  einander  sind,  durch 
die  Uebereinstimmung  die  sich  zwischen  ihnen  herausgestellt  hat 
eine  Beweiskraft,  der  man  so  lange  wird  nachgeben  müssen  bis 
man  andere  und  bessere  Gegengründe  als  bisher  vorgebracht  hat. 
Daes  man  dergleichen  jemals  finden  wird,  ist  indessen  nicht  wahr- 
scheinlich, da  zu  den  besprochenen  Zeugnissen  noch  eines  kommt, 
dessen  Zuverlässigkeit  auch  solche  gelten  lassen  die  gegen  jene 
anderen  misstrauisch  sind^.  In  seinem  Dialog  £udemos  nämlich 
hatte  der  Philosoph  nicht  bloss  die  persönliche  Unsterblichkeit 
zu  erweisen  gesucht,  sondern  insbesondere  noch  von  einem  Herab- 
kommen der  Seele  aus  einer  höheren  Welt  (περί  καθόδου  ψυχής) 
und  einer  diesem  leiblichen  Dasein  vorausgehenden  Wahl  der 
Lebenslooee  (π€ρΙ  λήξεων)  gesprochen  (fr.  34  Kose)  und  zugleich 
die  körperfreie  Existenz  als  die  ihrer  Natur  angemessenste  und 
deshalb  der  Gesundheit  vergleichbare  geschildert  (fr.  35).  Wie 
sehr  Aristoteles  hier  noch  in  den  Vorstellungen  seines  Lehrers 
befangen  ist,  springt  in  die  Augen.  Dieser  Umstand  für  sich 
allein  hätte  schon  warnen  müssen  andere  Berichte,  die  auf  das- 
selbe Verhältniss  führen,  nicht  ohne  Weiteres  zu  verwerfen,  auch 
wenn  es  nicht  gerade  dieselben  Punkte  wären  um  deretwillen  man 
die  Eudemosfragmente  nicht  beanstandet,  jene  anderen  Berichte 
dagegen  verdächtigt  hat.  Aus  den  anderen  Berichten  ergab  sich, 
dasR  Aristoteles  eine  von  allen  körperlichen  Substanzen  gesonderte 
Seelensubstanz  annahm,  zu  der  die  einzelnen  Aeusserungen  des 
Seelenlebens  sich  nur  wie  ebenso  viele  nähere  Bestimmungen  ver- 
hielten; diese  selbe,  wie  ich  gezeigt  habe,  platonische  Vorstellung 
tritt  uns  nun  auch  wieder  im  Eudemos  entgegen^.     Was   ferner 


1  Tim.  p.  84  A.    Vgl.  dazu  Ges.  X  897  Β  ff. 

2  Vgl.  Zeller  Ber.  der  Berl.  Ak.   1882  S.  1050. 

*  Mit  der  Seelensubi^tanz  als  solcher  verknüpft  Cicero  Tuec.  I  22 
insbesondere  das  Gedächtniss  (meminisse).  DIcro  Ansicht,  die  mit  der 
späteren  I^ehrc  des  Aristoteles  in  Widersprucih  steht,  hatte  derselbe 
ebenfalls  im  Eudemos  ausgesprocheu  (fr.  85).    Vgl.  Zeller  a.  a.  0. 


200  Hirzel 

in  den  anderen  Berichten  so  Rtarken  Anstoes  gab,  daee  namlicli 
darin  von  einer  Bewegung  der  Seele  die  Rede  war,  diese  lässt 
eich  wenigetene  ale  Yoraueeetzung  auch  im  Eudemoe  nicht  ent- 
behren, da  dereelbe  von  einem  Herabkommen  der  Seele  in  den 
Körper  epricht.  Und  endlich  wird  man  nun  auch  Cicero  nicht 
deehalb  einer  groben  Ignoranz  zeihen  dürfen  weil  er  davon,  daee 
die  Seele  die  Entelechie  des  Körpere  sei,  nichte  gewueet  habe: 
denn  die  Entelechie,  ineofern  dieser  Begriff  die  Beziehung  zu 
einem  bestimmten  Körper  voraussetzt,  kann  die  Seele  nach  dem 
Endemoe  nicht  gewesen  sein,  da  ihr  die  Fähigkeit  beigelegt  wird 
mehr  als  einen  Körper  anzunehmen  ^ ;  dagegen  widerspricht  in 
dem  uns  vorliegenden  Materiale  nichts  der  Annahme,  daee  eie 
dort  als  έν&ελέχ€ΐα  bezeichnet  worden  sei,  so  dase  auch  von 
dieeer  Seite  her  auf  Cicero's  Bericht  ein  gtlnstigeres  Licht  fällt.  — 
Wenn  nun  aber  wirklich  Aristoteles  auf  die  Seele,  die  er 
später  eine  Entelechie  nannte,  einmal  den  Auedruck  ένΟ€λέχ€ΐα 
angewandt  hat,  eo  wird  weiter  wahrscheinlich,  daee  die  letztere 
Bezeichnung  nur  eine  andere  Form  der  ereteren,  wo  nicht  gar 
mit  ihr  identiech  ist.  Gegen  eine  solche  Identifizirung  der  bei- 
den Ausdrücke  müssen  wir  aber  zunächst  Bedenken  tragen  und 
können  darüber  auch  durch  Teichmüller  nicht  beruhigt  werden. 
Allerdings  wird  man  ihm  ja  zugeben,  dass  die  ένΟ€λέχ€ΐα  d.  i. 
die  Continuirlichkeit  in  der  Zeit  oder  die  ununterbrochene  in 
sich  zurückkehrende  Bewegung  (a.  a.  0.  S.  106  f.  115)  ein  pas- 
sendes Bild  sei,  um  die  Wirklichkeit  des  zeitlosen  Wesens  zu 
bezeichnen  ^,  muss  aber  um  so  mehr  die  Voraussetzung  beetreiten, 
dass  überhaupt  hier  ein  bildlicher  Ausdnick  vorliege:  denn  nir- 
gends, so  oft  er  auch  sich  dieses  Wortes  bedient,  hat  Arietotelee 
angedeutet,  dass  dasselbe  nicht  im  strengen  Sinne  sondern  nur 
gleichnissweise  zu  verstehen  sei,  und  doch  dürfte  man  diese  hier 


^  Denn  dass  €Τδος  τι,  wie  Aristoteles  die  Seele  im  Eudem  genannt 
haben  soll  (fr.  42),  nicht  die  dem  Stoffe  correlate  P'orra  bedeutet,  also 
auch  nicht  auf  die  Natur  der  Seele  als  einer  Entelechie  des  Körpers 
hinweisen  kann,  hatte  schon  Bernays  Dial.  S.  25  bemerkt.  Vgl.  über- 
diess  Zeller  IV>  59,  1. 

2  Aristoteles  selber  hebt  hervor  wie  nahe  das  continuirliche 
Werden  dem  Sein  kommt  de  gen.  et  corr.  II  10  p.  336*>  31  ff.:  συν€- 
πλήρωσ€  τό  ολον  ό  θ€Ος,  ένδ€λ€χή  (Bekker  έντ€λ€χή)  ποιήσας  τήν  γέν€- 
σιν  oÖTUJ  γάρ  αν  μάλιστα  συνείροιτο  τό  €!ναι  διά  τό  εγγύτατα  €Ϊνοι 
τής  ουσίας  τό  γ(ν€σθαι  ά€ΐ  καΐ  τήν  γ^ν€σιν.  τούτου  δ'  αίτιον,  ιΰσπ€ρ  ct- 
ρηται  πολλάκις,  ή  κύκλψ  φορά'  μόνη  γάρ  συνεχής. 


lieber  Sntelechie  und  Endelechie.  201 

um  80  mehr  verlangen  als  die  Metapher,    wenn  sie  wirklieh  die 
continuirliche  Bewegung  ausdrückt,  eine  Vorstellung  erweckt  die 
Aristoteles  sonst  bemüht  ist  von  dem  Begriff  der  Entelechie  fern 
zu  halten.     Diese  Widerlegung  konnte  ich  mir  sparen,  da  Teich- 
müller   selber   für    eine   solche   gesorgt  hat.     Denn  Leo  Meyer, 
dessen  Ansicht  er  zur  Bestätigung  seiner  eigenen  mittheilt  (a.  a.  0. 
S.  111  ff.),   gibt  zu,    dass  beide  Worte  nicht  vollkommen  gleich 
sind,    sondern  das   eine  als   eine    von  Aristoteles  vorgenommene 
Modification   des  anderen   zu   gelten   hat,    damit  ist  aber   weiter 
eingeräumt,    wie  schon    Susemihl   richtig   hervorgehoben    hat  (a. 
a.  O.),    dass  Aristoteles  zwischen  beiden  Worten  auch  einen  be- 
grifflichen unterschied   machte,    da  er  sonst  zu  jener  Aenderung 
keinen  Grund  gehabt  hätte.    Wenn  es  also  hiernach  nöthig  scheint 
zwischen  έντ6λίχ€ΐα  und  ενδελέχεια  zu  unterscheiden,  sollen  wir 
deshalb  Cicero's  Zeugniss  verwerfen?    Nach  dem  was  die  frühere 
Untersuchung  uns  gelehrt  hat  werden  wir  diess  nicht  thun.    Denn 
die  aristotelischen  Lehren   auf  die  es  sich  bezieht   gehören,    wie 
wir  gesehen  haben,  einem  Kreise  von  Anschauungen  an  aus  dem 
der  Philosoph   später  herausgetreten  ist  und  innerhalb  dessen  er 
sich  nur  zur  Zeit  seiner  dialogischen  Schriftstellerei  bewegt  hat; 
es  ist  daher  wohl  denkbar,    dass  Aristoteles  in  diesen  noch  von 
der  ενδελέχεια  sprach  und  erst  in  der  Periode  die  durch  die  er- 
haltenen Werke   repräsentirt  ist   an  deren  Stelle  die   εντελέχεια 
setzte.     Aber   freilich,    dass  Aristoteles  in  dieser  Weise  sich  er- 
laubte ein  in  der  Sprache  gegebenes  Wort  abzuändern,  soll  etwas 
unerhörtes   sein!     Diess    ist   es   was    ich  bestreiten  muse:    denn 
ähnlich,  wie  die  Grammatiker  ihren  Doktrinen  und  besonders  der 
Etymologie  zu  Liebe  die  Schreibung  der  Wörter  öfter  gewaltsam 
abänderten,    könnte    auch  Aristoteles  den  einmal    beliebten  Aus- 
druck ενδελέχεια  der  neuen  Auffassung  die  er  jetzt  von  der  da- 
durch bezeichneten  Sache  hatte  entsprechend  so  geändert  haben, 
dass  darin  die  nun  so  wichtige  Vorstellung  des  τέλος  (vgl.  bes. 
Met.  θ  8  p.  1050    8  ff.)  deutlich  hervortrat  Κ     Ein  solches  Ver- 


^  Ja  wenn  wir  bedenken,  dass  er  μακάριος  von  χαίρειν  ableitete 
(Eth.  Nikom.  VII  12  p.  1152  ^7,  vgl.  auch  Index  von  Bonitz  p.  291  »27  ff.) 
HO  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen»  dass  er  in  der  Schreibung 
εντελέχεια  nicht  eine  gewaltsame  Aenderung  sah  die  er  sich  zu  eigenen 
Zwecken  erlaubte,  sondern  diese  für  die  durch  die  Etymologie  be- 
währte allein  richtige  Schreibart  hielt.  Insbesondere  könnte  man  diese 
Verrauthang  noch  bestätigen  durch  meteor.  I  2  p.  339  *25:    denn  die 

Rhein.  Vn•.  f.  Philol.  H.  F.  XIXIX.  ^^ 


202  ttirzol 

fahren  dürfen  wir  dem  Philosophen  um  so  eher  zutrauen  als  das- 
selhe  auf  die  akroamatischen  Schriften  heschränkt  war   und  des- 
halb da  er  diese  nicht  für  die  Veröffentlichung  und  einen  grösseren 
Leserkreis    ])e8timmt    hatte    keinen    sonderlichen    Anstoes    geben 
konnte.     Noch  weniger  hätte  er  letzteres  zu   befürchten   gehabt, 
wenn  wirklich,  wie  Gregor  von  Korinth  behauptet,  die  Form  mit 
τ  die   attische    gewesen    wäre;    indessen    ist   auf    diese  Angabe 
kein  Verlass.     So    viel    aber    ergibt   sich  aus    ihr  und   aus  dem 
Zeugnisse  Lucians  (de  judic.  vocal.  10,  95),  dass  man  im  Alter 
thum  beide  Worte  fiir  wesentlich  und  von  Natur  identisch  hielt, 
und    hiermit    steht    auch   die  handschriftliche   üeberlieferung  im 
Einklang  die  in  der  Kegel  da  wo  sie  den   aristoteliechen  Eunst- 
ausdruck  wiedergeben    will,    wie    besonders    in    den    erhaltenen 
Schriften  des  Philosophen,  die  Schreibung  mit  τ,  anderwärts  da- 
gegen die  mit  b  bevorzugt  und  hierdurch    zur  Genüge  andeutet, 
dass   der  Unterschied   zwischen    beiden  Worten   kein    natürlicher 
und  Λvesentlicher  sondern  ein  künstlich  und  zwar  von  Aristoteles 
gemachter    ist  ^.     Zugegeben    endlich,    dass    die   Annahme   einer 
solchen  Abänderung  des  Wortes  durch  Aristoteles  ihre  Bedenken 
habe,    was  wollen  dieselben  bedeuten  gegenüber  denen  mit  wel- 
chen die  andere  behaftet  ist!  Nach  dieser  hätten  wir  in  έντ€λ€χ€ΐα 
und  ένΟ€λίχ€ΐα  zwei  von  einander   grundverschiedene  Worte  der 
hellenischen  Sprache.     Woher  kommt  es  nun,  dass,  während  das 
zweite  dieser  Worte  sich  hei  zahlreichen  Schriftstellern  der  ver- 
schiedensten Zeiten  des  Alterthums    findet,    das  erste  uns  nur  in 
den  Scliriften   des  Aristoteles  oder  da    begegnet,    wo    der  Knnst- 


Ursache  der  Bewegung  wird  hier  als  άΐδιος  καΐ  τέλος  ούκ  ίχουσα  τφ 
τόπψ  της  κινήσ€ΐυς  άλλ'  ά€ΐ  έν  τέλει  bezeichnet  und  unter  dieser 
ersten  Ursache  ist  liier  der  Acther  und  seine  Bewegung  zu  verstehen 
der  anderwärts  die  ενδελέχεια  zugeschrieben  wird. 

^  Ja  manche  scheinen  sich  nicht  einmal  klar  gemacht  zu  haben, 
dass  für  das  Wort,  insofern  es  aristotelisclier  Kunstausdruck  ist,  die 
Solireibung  mit  τ  erfordert  wird.  Denn  bei  Stob.  ecl.  I  328  (Diels 
doxofjr.  S.  418)  lesen  wir  Folgendes:  έντελέχειαν  6'  αυτό  προσειιτεν 
ήτοι  δια  το  ένδελεχώς  (so  liat  Diols  mit  Recht  hergestellt)  ύπάρχειν  ή 
ϋτι  τών  μετεχόντων  αυτού  ^καστον  παρέχεται  τέλειον.  Wer  so  etynio- 
logisirte  musste  es  für  gleichgilt  ig  halten,  ob  man  den  aristotelischon 
Kunstausilruck  mit  τ  oder  δ  schrieb.  Der  Irrthuni  den  er  damit  be- 
ging würde  sich  am  leichtesten  erklären,  wenn  wir  eine  Reminisconz 
an  die  Dialoge  voraussetzen  dürften,  in  denen  das  6  zu  Recht  bestand 
und  noch  nicht  durcli  das  spätere  τ  verdrängt  war. 


Ueber  Eiitelechie  und  Endelechie.  203 

aosdmck  dieses  Philosophen  wiedergegeben  werden  eoll?  Will 
man  etwa  in  der  εντελέχεια  einen  Ausdruck  sehen  den  Aristo- 
teles der  Volkssprache  seiner  Heimat  Stagira  entlehnte?  Und 
ferner,  während  die  ενδελέχεια  von  einer  Familie  gleichartiger 
Worte  wie  ενδελεχής,  ένδελεχώς,  ένδελεχίιυ,  ένδελεχισμός,  έν- 
6ελεχί2[ω  umgeben  ist,  steht  die  εντελέχεια  ganz  isolirt  und 
ausser  jedem  sprachlichen  Zusammenhange  ^,  macht  daher  viel 
eher  den  Eindruck  einer  künstlichen  in  den  Sprachschatz  hinein- 
getragenen als  einer  auf  dem  natürlichen  Boden  der  Sprache  frei 
gewachsenen  Bildung. 

Immerhin  bleibt  uns  noch  übrig  die  letzte  Probe  für  die 
Richtigkeit  der  vertheid igten  Ansicht  zu  machen.  Wenn  wirk- 
lich das  Wort  εντελέχεια  nur  eine  künstliche  Umbildung  der 
ίνδελ^χεια,  von  Natur  aber  mit  ihr  identisch  ist,  so  kann  auch 
seine  Bedeutung  von  der  des  anderen  nicht  gänzlich  verschieden 
sein,  sondern  wird  noch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  an  das- 
selbe erinnern  und  dadurch  von  seiner  eigenen  Abstammung  Zeug- 
niss  ablegen. 

Nun  tritt  in  der  allgemeinen  Auffassung  der  εντελέχεια 
zwar  zumeist  der  Zug  hervor,  wonach  sie  die  Erfüllung  einer 
gewissen  Anlage  oder  die  Eealisirung  einer  gegebenen  Möglich- 
keit darstellt;  daneben  aber  erscheint,  wenn  auch  seltener  her- 
vorgehoben so  doch  kaum  minder  deutlich,  ein  anderer.  Insofern 
nämlich  die  δύναμις  die  Fähigkeit  ist  vermöge  deren  ein  Ding 
entgegengesetzte  Bestimmungen  annehmen  kann,  bald  etwas  ist 
bald  nicht  ist^,  so  gehört  es  zur  Eigenthümlichkeit  ihres  Gregen- 
theils, der  εντελέχεια,  dass  dieselbe  immer  nur  in  einer  und  der- 
selben Weise  bestimmt  ist,  immer  nur  das  ist  was  sie  eben  ist 
und  in  dieser  Hineicht  keinem  Wechsel  unterliegt  ^.     Mit  anderen 


1  Denn  die  Form  ^ντελεχής  gehört  erst  den  Commentatoren  an 
und  ist  offenbar  erst  später  nach  dem  Muster  von  εντελέχεια  pfebildet 
worden.  Es  ist  daher  nicht  richtig  oder  entspricht  doch  nur  der 
grammatischen  Regel  aber  nicht  der  historischen  Wirklichkeit,  wenn 
Bonitz  zur  Meteph.  θ  3  p.  1047  »20  (S.  387)  die  εντελέχεια  von  dem 
Adjektiv  έντελεχής  ableitet. 

2  Phys.  III  1  p.  201  i,7:  ενδέχεται  ^καστον  ότέ  μέν  ένβργείν  ότέ 
δέ  μή,  οίον  τό  οίκοδομητόν  καΐ  ή  τοΟ  οΙκοδομητοΟ  ενέργεια,  ή  οίκοδο- 
μητόν,  ο1κοδόμησ{ς  Ιστιν.  Als  eine  Wirkung  der  ίίλη  erscheint  das  ότέ 
μέν  εΤναι  ότέ  δέ  μή  de  coelo  Ι  12  ρ.  283  ϊ>3  ff.;  ebenso  metaph.  Ζ  16 
ρ.  1039  b27ff.     Vgl.  auch  categ.  ρ.  4  •19  ff.  Μ  ff. 

^  Von  dem  göttlichen  νοΟς,  ninor  reinen  Entelechie,  heisst  es  de 


204  Hirzel 

Worten,  während  im  Bereiche  der  ούναμις  das  Sein  vom  Nicht- 
Sein  abgelöst  wird,  kommt  dasselbe  der  έντ€λέχ€ΐα  ununterbro- 
chen, continuirlich  zu  und  zeigt  uns  damit  an  dieser  eine  Eigen- 
thümlichkeit,  für  die  ενδελέχεια  eben  der  passende  Name  sein 
würde  ^.  Denn  wollte  man  einwenden,  dass  ενδελέχεια  auf  das 
Sein  nicht  anwendbar  sei  sondern  eine  Bewegung  voraussetze, 
so  wäre  zu  erwidern,  dass  es  sich  hier  um  dasjenige  Sein  han- 
dele, welches  Aristoteles  als  ein  ένεργεΐν  auffasste,  dass  aber 
von  einem  solchen  die  ενδελέχεια  ausgesagt  werden  könnte  läset 
sich  füglich  nicht  bestreiten  ^. 

Aber  nicht  bloss  die  allgemeine  Auffassung  der  Entelechie, 
wie  sie  durch  die  erhaltenen  Werke  des  Philosophen  hindurch- 
geht, ennnert  zum  Theil  noch  an  die  ενδελέχεια,  sondern  an 
einzelnen  Stellen  jener  Schriften  scheint  die  mit  letzterem  Namen 
bezeichnete  Vorstellung  sogar  noch  die  vorherrschende  zu  sein. 

Unter  den  Stellen,  die  von  jeher  auf  einen  gewissen  Unter- 
schied zwischen  der  Bedeutung  von  ενέργεια  und  εντελέχεια  hin- 
zuweisen schienen,  steht  in  erster  Linie  Metaph.  θ  8  p.  1050  •22 : 

anim.  ΠΙ  5  p.  430  »22:  ούχ  ότέ  μέν  νο€Ϊ  ότέ  δ'  ού  νοεΓ  χωρισθείς  6' 
έστΙ  μόνον  τοΟΘ'  οπερ  εστί.  So  ist  auch  die  επιστήμη  an  der  in  der 
vor.  Anm.  angef.  Stelle  der  Metaph.  nur  επιστήμη,  nicht  bald  επιστήμη 
bald  άγνοια  (ούδ'  έπιστήμην  ότέ  μέν  έπιστήμην  ότέ  δ*  άγνοιαν  ctvm  sc. 
ενδέχεται). 

^  Denn  was  dieser  Name  ausdrückt  ist  nicht  sowohl  die  Anfangs- 
und Endlosigkeit  eines  Seins  als  das  Ununterbrochene  desselben.  Daher 
kann  z.  B.  de  gen.  et  corr.  II  10  p.  337  »1  συνεχής  synonym  mit  εν- 
δελεχής (ρ.  336  ^82)  und  ρ.  836  »16  συνεχώς  mit  ένδελεχώς  (17)  ge- 
braucht werden.  Auf  einen  Unterschied  zwischen  άεΐ  und  ένδελεχώς 
deutet  doch  wohl  auch  Piaton  Tim.  p.  685:  οΰτω  δή  διά  ταΟτά  τε  ή 
τής  άνωμαλότητος  διασωΖομένη  γένεσις  άεΐ  τήν  άεΐ  κίνησιν  τούτων 
οοσαν  έσομένην  τε  ένδελεχώς  παρέχεται  und  ebenso  Aristot.  de  Xeno- 
pban.  2  p.  976  »^23  ff. 

2  Die  vorif^e  Anmerkung  hat  gezeigt,  dass  συνεχής  und  ενδελεχής 
Synonyma  sind.  So  gut  also  wie  Eth.  Nik.  IX  9  p.  1170*4  X  4  p. 
1175  »5  von  einem  συνεχώς  ένεργεΐν  IX  9  ρ.  1170  »7  Χ  7  ρ.  1177  »21 
von  einer  συνεχής  ενέργεια  die  Rede  ist,  konnte  auch  ένδελεχώς  έν. 
und  ενδελεχής  έν.  gesagt  werden ;  und  wenn  insbesondere  Metaph.  Λ  9 
ρ.  1074 '»29  eine  συνεχής  νόησις  des  göttlichen  Geistes  voraussetzt,  so 
gibt  uns  diess  ein  Recht  den  in  der  vorletzten  Anmerkung  aus  der 
Schrift  de  anima  angeführten  Worten  ούχ  ότέ  μέν  νοεϊ  ότέ  δ'  ού  νοεί 
als  positiven  Gedanken  gegenüberzustellen  άλλ'  ένδελεχώς  νοεΐ,  welches 
schliesslich  mit  dem  aristotelischen  χωριστός  δ'  έστΙ  μόνον  τοΟΘ*  δπερ 
έστΙ  auf  Eins  hinauslaufen  würde. 


lieber  Eutclechie  und  Endelechie.  205 

τό  —  ίργον  τέλος,  ή  bi  ενέργεια  το  Ιργον.  οιό  και  τουνομα 
ενέργεια  λέγεται  κατά  τό  ίργον  και  συντείνει  προς  τήν  έντελέ- 
χειαν.  Da  der  ενέργεια  hier  ein  Streben  (συντείνειν)  zur  εντε- 
λέχεια zugeechrieben  wird  ^,  βο  scblose  man,  daes  durch  jene  mehr 
die  Thätigkeit  als  solche,  durch  diese  der  darauf  beruhende  vollen- 
dete Zustand  bezeichnet  werde.  Derselben  Erklärung  mussten  sich 
dann  natürlich  auch  folgende  Worte  der  gleichen  Schrift  (p.  1047 
*30)  fügen:  έλήλυθε  b*  ή  ενέργεια  τουνομα,  ή  προς  τήν  έντε- 
λέχειαν  συντιθέμενη  (συντεθειμένη  Alexander),  καΐ  έπι  τα  δλλα 
έκ  των  κινήσεων  μάλιστα*  δοκεϊ  γαρ  (ή  om.  Bonitz)  ενέργεια 
μάλιστα  ή  κίνησις  εΤναι^.  Trotzdem  ist  dieselbe  weder  an  der 
einen  noch  an  der  anderen  Stelle  zulässig.  Was  die  erste  betrifft, 
so  handelt  es  sich  in  ihrem  Zusammenhang  um  den  Nachweis, 
dase  schon  eine  Thätigkeit  (ενέργεια)  als  solche  das  Ziel  (τέλος) 
eines  Werdens  oder  einer  Bewegung  sein  könne  und  Aristoteles 
beruft  sich  zu  diesem  Ende,  wie  die  angeführten  Worte  zeigen, 
auch  auf  die  Etymologie  des  Namens  ενέργεια  die  auf  das  mit 
τέλος  gleichbedeutende  Ιργα  zurückführe.  Es  ist  daher  nicht 
wohl  denkbar,  dass  er,  wie  doch  die  gewöhnliche  Erklärung  vor- 
aussetzt, zu  derselben  Zeit,  wo  er  sich  bemüht  in  die  ενέργεια 
selbst  schon  den  Begriff  der  Vollendung  hineinzutragen,  sie  als 
eine  Art  Bewegung  beschrieben  habe  die  nur  zur  Vollendung  hin- 
führe. Nicht  besser  steht  es  um  die  gewöhnliche  Erklärung  der 
zweiten  der  angeführten  Stellen.  Die  aristotelische  Auffassung 
der  ενέργεια  soll  hier  von  der  gewöhnlichen  unterschieden  werden. 
Diese  Absicht  würde  aber  nicht  erreicht  werden  wenn  der  jene 
charakterisirende  Zusatz,  ή  προς  τήν  έντελέχειαν  συντιθέμενη, 
die  Bedeutung  hätte  die  man  ihm  gewöhnlich  gibt  und  wonach 
er  die  Richtung  auf  eine  Vollendung  bezeichnet :  denn  eine  solche 
Tendenz  läset  sich  doch  auch  den  mancherlei  Bewegungen  und 
Thätigkeiten  nicht  absprechen  die  unter  der  ενέργεια  im  ge- 
wöhnlichen Sinn  subsumirt  werden,  so  dass  in  ihr  nicht  das  die 


^  Συντείνει  προς  τήν  έντελέχειαν  iet  offenbar  ebenso  gesagt  wie 
συντείνει  προς  τό  τέλος  bei  Plutaroh  de  Alex.  fort.  er.  1  p.  332  D. 

2  Teiohmüller's  Auffassung  dieser  und  der  vorher  angeführten 
Stelle  (a.  a.  0.  S.  114  f.)  scheint  es  nicht  uöthig  noch  besonders  zu 
widerlegen.  Auf  den  Widerspruch,  in  den  er  sich  verwickelt,  wenn 
er  die  zweite  Stelle  nach  der  oben  wiedergegebenen,  augenscheinlich 
richtigen  Interpunktion  von  Bonitz  citirt,  gleichzeitig  aber  so  erklärt, 
als  ob  er  mit  Bekker  das  Komma  nach  συντιθέμενη  getilgt  und  nach 
δλλα  gesetzt  hätte,  hat  schon  Susemihl  a.  a.  0.  hingewiesen. 


206  Hirzel 

aristoteÜHche  von  der  aTideren  unterKcheidende  Merkmal  liegen 
kann.  Genügt  daher  die  übliche  Erklärung  der  augeführten  Stellen 
nicht  80  müsKen  wir  uns  nach  einer  anderen  umeehen.  Hier  bietet 
eich  uns  nun  zunächst  diejenige  dar,  welche  die  έντβλβχβία  auf  die 
evbeXexeia  zurückführt  und  sie  als  die  Continuität  eines  VOrganges 
deutet.  Wenden  wir  diese  Erklärung  auf  die  erste  der  angeführten 
Stellen  au,  so  erscheint  dort  die  eigenthümliche  aristotelische  ένερ- 
γ€ΐα  als  eine  die  auf  Continuität  und  damit,  wenn  wir  dieselbe  als 
eine  vollkoniniene  fasnen,  auch  auf  unbegrenzte  Fortdauer  gerich- 
tet ist;  und  da  eine  solche  Fortdauer  nicht  möglich  wäre,  wenn 
die  Energie  ihr  Ziel  ausser  sich  hätte,  in  welchem  sie  ja  dann 
vielmehr  ihr  Ende  erreichen  würde,  sondern  nur  denkbar  ist  wenn 
sie  dasselbe  in  sich  trägt,  so  erhellt  weiter  wie  gut  die  vorge- 
schlagene Erklärung  dem  vorher  bezeichneten  Zusammenhang  der 
Stelle  entspricht,  in  dem  es  darauf  ankommt  zu  zeigen  dass  nie 
Energie  Selbstzweck  ist.  Aus  dem  Geagten  ergibt  sich  schon  wie 
angemessen  diese  Erklärung  auch  der  zweiten  Stelle  ist:  denn 
was  an  dieser  erstrebt  wird,  eine  Unterscheidung  der  aristote- 
lischen Energie  von  der  gewöhnlich  so  genannten,  das  leistet  sie, 
insofern  die  gewöhnlich  so  genannte  nicht  ins  Unendliche  fort- 
strebt sondern  auf  ein  ihr  gestecktes  Ziel  gerichtet  ist  mit  dessen 
Erreichung  sie  ihr  Ende  findet  ^  Ein  Bedenken  könnte  vielleicht 
gegen  dit•  vorgetragene  Erklänmg  erhüben  werden,  welches  sich 
darauf  gründet  dass  um  den  durch  dieselbe  den  aristotelischen 
Worten  gegebenen  Ciedanken  auszudrücken  die  einfache  Bezeich- 
nung der  evfcpT€ia  als  βνοελεχής  statt  der  umständlichem  die  wir 
thatsächlich  finden  genügt  haben  würde.  Dieses  Bedenken  liw^et 
sich  beben.  Es  ist  richtig,  dass  die  tVfcpT€ia  im  höchsten  und 
reinsten  Sinne,  welche  das  Wesen  der  Gottheit  ausmacht,  einer 
ununterbrochenen  Fortdauer  geniesst  und  insofern  einfach  evbeXe- 
χής  genannnt  werden  könnte;  indessen  würde  dann  die  unbe* 
gränzte  Fortdauer  nicht  so  sehr  als  die  Folge  des  innersten  Wesens 
der  eV€pT€ia  erscheinen,  wie  diess  der  Fall  ist,  wenn  in  die  letz- 
tere hinein  eine  Tendenz  zu  jener  gelegt  wird,  und  somit  der 
Vortheil  der  Einfachheit  im  Ausdruck  durch  einen  grösseren  Nacb- 
theil  des  Gedankens  erkautt  werden:  noch  mehr  aber  findet  «lab; 
Letztere  Statt,  wenn  wir  auch  die  niederen  Arten  der  €V€pT€ia 
ins  Auge  fassen  und   z.   B.  an   die  individuellen  Seelen  der  Men- 


lü 


»  Vgl.   noch  Mctaph.  θ  G  p.   1048  »'IS  ft'.:    imi  bi   τιΰν   irpuEcuiv 
V  toxi  ττ^ρας  ούΟ€μία  τίλος  άλλα  τιίιν  πβρί  το  τ€λος  κτλ. 


Ueber  Εηίοΐυυΐιίο  und  Eiiilelechie.  207 

echen  denken  die  mit  dem  Leibe  entsteben  und  vergeben  oder  an 
diejenige  £nergie  die  der  Vorstellung  eines  einzelnen  Hauses  mit 
Bezug  auf  den  Bau  desselben  zukommt;  denn  eine  ununterbroübene 
Fortdauer  kann  streng  genommen  allen  derartigen  Energien  nicbt 
zugeschrieben  werden,  dagegen  haben  alle  insofern  sie  sich  selbst 
Zweck  sind  die  Tendenz  dazu  und  werden  an  der  Durchführung 
dieser  nur  durch  die  Schranken  gehindert  die  ihnen  die  Materie 
zieht  ^. 

Schon  Öch wegler  zur  Metaph.  IV  S.  222  hatte  darauf  hin- 
gewiesen, dass  im  Gebrauch  von  έντ€λ€χεια  und  ενέργεια  eine 
gewisse  Verschiedenheit  besteht  und  insbesondere  bei  der  Üelini- 
tion  der  κίνησις  der  Name  der  εντελέχεια  vorherrscht-.  Das 
Letztere  ist  auffallend,  noch  autfallender  aber,  dass  die  κίνη(Τΐς 
eine  ενάργεια  nur  in  beschränktem  Sinne,  nämlich  eine  unvoll- 
kommene, genannt,  dagegen  als  εντελέχεια  schlechtliin  und  ohne 
einen  abschwächenden  Zusatz  bezeichnet  wird^.  Und  doch  war 
ein  solcher  zu  dem  Namen    εντελέχεια   mindestens   ebenso   noth- 


'  Eth.  Nik.  X  4  p.  1175  »4:  πάντα  —  τά  άνθριίπτβια  άδυνατβΐ  συν- 
€χώς  ένεργείν.  Metaph.  θ  8  ist  von  der  Priorität  und  Superiorität  die 
Rede  zunächst  die  der  ενάργεια  über  die  δύναμις  und  sodann  von  der 
die  einer  ενάργεια  über  die  andere  zukommt  (p.  1050^8  ff.):  in  diesem 
Zusammenhang  lesen  wir  p.  1050 1>20:  ούδ'  cf  τι  κινούμβνον  άΐοιον,  ούκ 
έστι  κατά  ούναμιν  κινούμενον  άλλ'  ή  πόθεν  ποΐ*  τούτου  δ*  ϋλην  ούθέν 
κωλύει  ύπάρχειν.  διό  άεΐ  ενεργεί  ήλιος  καΐ  άστρα  καΐ  δλος  ό  ουρανός, 
καΐ  ού  (ροβερόν  μή  ποτέ  στη,  δ  φοβούνται  οΐ  περί  φύσεως,  ουδέ  κάμνει 
τοΟτο  δρώντο"  ού  γάρ  περί  τήν  δύναμιν  τής  αντιφάσεως  αύτοΐς,  οΐον 
τοΙς  φθαρτοϊς,  ή  κίνησις,  ώστε  έπίπονον  €ΐναι  τήν  συνέχειαν  τής  κινή- 
σεως* ή  γάρ  ουσία  Ολη  καΐ  δύναμις  ούσα,  ούκ  ενέργεια,  αΙτία  τούτου. 

2  So  wird  Phys.  III  ρ.  200  i/ic  ff.  fast  ausschliesslicli  von  der  εν- 
τελέχεια gesprochen.  Eine  Ausnahme  macht  nur  ρ  201  '^9  ff.  Indessen 
fällt  dieselbe  darum  nicht  ins  Gewicht,  weil  ^9  die  Handschrift  Κ  εν- 
τελέχεια statt  ενέργεια  bietet  und  die  beiden  folgenden  Male  ενέργεια 
innerhalb  einer  Parenthese  stobt,  die  für  den  ZuFamnicnhang  leicht 
entbehrt  werden  (vgl.  201  *lii  f.)  und  deshalb  der  Zusatz  eines  Späteren 
sein  könnte.  Wollte  man  ausserdem  anf  die  parallele  Abhandlung 
Metaph.  Κ  9  verweisen,  wo  allerdings  ενέργεια  nind  εντελέχεια  in 
bunter  Reihe  wechseln  und  jeder  Unterschied  zwischen  beiden  Aus- 
drücken verwischt  ist,  so  wäre  daran  zu  erinnern,  dass  dieses  Stück 
den  von  Bonitz  S.  22  begründeten  Verdacht  gegen  sich  hat  das  Excerpt 
eines  Späteren  zu  sein,  der  natürlich  dem  überwiegenden  Gebrauche 
des  Aristoteles  folgend  beide  Worte  als  Synonyma  fasste. 

3  Phys.  III  2  p.  20J  >>28  ff.:  τοΟ  δέ  δοκεΐν  αόριστον  είναι  τήν  κ(- 
νησιν  αίτιον  οτι  ούτε  εΙς  δύναμιν  τών  δντων  ούτε  είς  ένέργειαν  έστ- 
θεΐναι  αυτήν  απλώς*  ούτε  γάρ  τό  δυνατόν  ποσόν  είναι  κινείται  έΗ  ανάγ- 
κης ούτε  τό  ένεργείςι  ποσόν,  ή  τε  κίνησις  ενέργεια  μέν  τις  είναι  δοκεΐ, 
ατελής  δέ.  αίτιον  δ*  οτι  ατελές  τό  δυνατόν,  ου  εστίν  (ή  gestrichen  von 
Bonitz)  ενέργεια  κτλ.  Hiermit  vergleiche  man  die  Definition  201  *10 
ή  τοΟ  δυνάμει  δντος  εντελέχεια,  ή  τοιούτον,  κ(νησ(ς  έστιν  und  202  »7 
ή  κ(νησις  εντελέχεια  τοΟ  κινητού  ή  κινητόν. 


20B  Hirzel  lieber  Enieleohie  und  Endelechie. 

wendig  wenn  dieses  wie  die  gewöhnliche  Erklärung  fordiert  einen 
Zustand  vollendeter  Wirklichkeit  bedeutete!  Abermale  werden  wir 
also  zu  der  Annahme  genöthigt,  dass  Aristoteles  mit  dem  Worte 
evreX.  nicht  immer  den  gleichen  Sinn  verband,  und  zu  der  Vβ^ 
muthung  kommen,  dass  auch  an  dieser  Stelle  von  der  später  ver- 
dunkelten ursprünglichen  Bedeutung  des  Wortes  sich  eine  Spnr 
erhalten  hat.  Inwiefern  nun  aber  die  κίνη(Λς  in  ihrem  Verhält- 
niss  zum  κινητόν  eine  έν&€λέχεια  heissen  konnte,  ist  nach  den 
früher  (S.  203  f.)  bemerkten  leicht  einzusehen:  denn  wenn  anch 
die  einzelne  κίνησις  nicht  von  unbegränzter  Dauer  ist,  so  ist  eie 
doch  während  ihres  Daseins  unausgesetzt  in  Bewegung  (έ(Ττι  μόνον 
τουθ'  δπερ  εστί)  und  nicht  wie  das  κινητόν  bald  in  Bewegung 
bald  nicht,  insofern  kommt  ihr  also  doch  die  Continuität  zu. 

Diess  sind  die  wenigen  Spuren  die  mir  innerhalb  der  ari- 
stotelischen Schriften  noch  an  den  Ursprung  der  έντ€λέχ€ΐα  zu 
erinnern  scheinen.  Vielleicht  gelingt  es  Anderen,  die  echarfsinniger 
und  in  den  Werken  des  Aristoteles  belesener  sind,  deren  mehr  w 
entdecken.  Indessen  auch  wenn  diese  nicht  der  Fall  wäre  und 
wenn  selbst  die  wenigen  Spuren  sich  als  irreleitende  erweisen 
sollten,  so  würden  die  früher  beigebrachten  Gründe  gentigen  um 
die  Annahme  zu  stützen,  dass  die  έντ€λέχ€ΐα  nicht  ein  von  l^atnr 
selbständiges  Wort  ist  sondern  eine  Umbildung  die  erst  Arieto- 
teles  mit  der  ενδελέχεια  vorgenommen  hat.  Was  nun  diese  Um- 
bildung betrifft,  so  mag  über  dieselbe  hier  noch  eine  Vermutbang 
stehen.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  zusammenhängt  mit  der 
Entwickolung  der  aristotelischen  Lehre:  während  der  Philosopli 
früher  bei  der  Darstellung  des  Verhältnisses  der  Begriffe  und 
Formen  der  Dinge  einer-  und  der  Materie  andererseits  mehr  in 
phitonischer  Weise  den  Gegensatz  beider  betont  und  desshalb  jene 
als  das  continuirlieh  d.  i.  ununterbrochen  auf  dieselbe  Weise  Sei- 
ende (das  ati  ιυσαύτως  ίχον  Piatons),  diese  als  das  beständig 
zwischen  Sein  und  Xicht-Sein  wechselnde  bezeichnet  zu  haben 
soluMnt,  suchte  er  dagegen  später,  wo>-on  ausserdem  seine  Kritik 
der  platonischen  Ideenlehre  Zeugniss  ablegt,  zwischen  beiden  zu 
vermitteln  und  sah  nun  in  den  Begriffen  und  Formen  nur  die 
Erfiillnng  einer  bereits  in  der  Materie  A'orhandenen  Anlage;  das  war 
die  Zeit  in  der  aus  der  ενδελέχεια  die  εντελέχεια  entstehen  konnte 
und  aller  Wahiseheinlichkeit  nach  auch  entstanden  ist.  Daes 
übrigens  Aristoteles  an  Stelle  der  jdatonischen  Ausdrücke  zur 
Bezeichnung  der  Unveränderlichkeit  der  Begriffe  und  Formen  das 
Wort  έv^ελεχεια  wählte,  hängt  jedentalls  damit  zusammen,  dasß 
er  das  Sein  derselben  als  ein  tvtpTtiv  und  somit  als  etwas  faeste, 
tiir  dessen  sieh  immer,  deich  bleibendes  Verhalten  jener  der 
passende   Name  war  (vgl.  oben  S.   i04.  2V 

l-^'ir'iif•  K.  Hirzel. 


lieber  die  syrischen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier 
ind  den  Bruderkrieg  des  Selenkos  Kallinikos  nnd 

Antioehos  Hierax. 


Schon  Droyeen  hat  in  den  Versen  Theokrit's  Έγκώμιον  €ΐς 
ΤΤτολεμαϊον  V.  86  if.  eine  Anspielung  auf  gleichzeitige  erfolg- 
reiche Kämpfe  des  Königs  erkannt  (Hellenismus^  III  1  S.  318  f.). 
'  Von  Phoinikien,  heisst  es  da,  reiset  er  sich  Stücke  los  (άποτέμνβ- 
ται),  von  Arahien  und  von  Syrien,  von  Libyen  und  dem  Lande 
der  schwarzen  Aithiopen,  er  gebietet  über  alle  Pamphylier  und 
über  die  reisigen  Kiliker  wie  über  die  Lykier  und  die  kriegs- 
lustigen Karer  und  die  kykladischen  Inseln\  Aber  diese  der 
Gegenwait  oder  der  jüngsten  Vergangenheit  angehörenden  Kämpfe 
können  nicht  diejenigen  des  sogenannten  zweiten  syrischen  Krie- 
ges gewesen  sein,  der  in  die  fünfziger  Jahre  fallen  soll.  Theo- 
krit's  GFedicht  ist  weit  älter.  Das  hat  Bücheier  nachgewiesen^. 
Sein  erstes  Argument  freilich,  das  einzige  zugleich  welches  einen 
sicheren  terminus  ante  quem  zu  ergeben  schien,  bleibt  nicht  be- 
stehen: die  Verse  43  f. 

άστοργου  hk  γυναικός  έπ'  άλλοτρίψ  νόος  aUi, 
^ηίδιοι  hk  γοναί,  τέκνα  b'  ου  ποτ€θΐκότα  πατρί. 
sind  nicht  auf  die  erste  Gemahlin  des  Ptolemaios  Philadelphos  zu 
beziehen,   sondern  auf  £urydike,  die  Gemahlin  des  ersten  Ptole- 
maios,  die  Mutter    der  Kinder    die  der  König   um  Philadelphos' 
willen   enterbte^.     Das   Kesultat    aber    ist   darum   nicht   weniger 


ί  Rh.  Mus.  N.  F.  XXX  1875  S.  56  ff.  Uebrigens  hätte  schon  die 
Erwägung,  dass  Theokrit's  Gedicht,  wie  Kallimachos'  Hymnos  auf  Delos, 
nur  vor  der  Schlacht  bei  Kos  verfasst  sein  kann,  gegen  Droysen's  Da- 
timng  Bedenken  erregen  sollen,  vgl.  Hempel,  Quaestiones  Theooriteae 
8.  67  ff.  WilamowitZ;  Antigonos  von  Karystos  S.  219,  40. 

*  Diese  Vermuthung  Otto  HempeFs  (a.  a.  0.  S.  95)  halte  ich  für 


210  Koepp 

gewiss;  ja  man  muss  meiner  Ansiclit  nach  das  Gedicht  noch 
höher,  als  Bücheier  gethan,  über  das  Jahr  270,  hinaufrücken. 
Das  Fehlen  von  Kypros  unter  den  Besitzungen  des  Könige  kann 
nur  mit  Bücheier  erklärt  werden  durch  die  Annahme  dass  gerade 
damals  die  Insel  unter  dem  Halbbruder  des  Königs  abgefallen 
war:  Pausanias  I  7,  1  vgl.  Droysen  III  1  S.  319,  1.  Dieser 
Abfall  aber  kann,  wie  der  des  Magas  von  Kyrene,  nur  in  die 
erste  Zeit  des  Philadelphos  gesetzt  werden,  jedenfalls  nicht  mehr 
als  zwanzig  Jahre  nach  seinem  Kegierungsantritt.  Auch  der  Ära- 
tiKcbe  Anfang  weist  uns  in  die  siebziger  Jahre ^.  Endlich  die 
Erwähnung  der  Ehe  des  Königs  mit  seiner  Schwester  Arsinoe. 
Es  ist  kaum  denkbar,  dass  Theokrit  seine  Huldigung  (V.  131  ff.) 
lange  Zeit  nach  der  Vermählung  dargebracht  habe.  Die  Hochzeit 
aber  fand  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  um  die  Mitte  der  siebziger 
Jahre  statt.  Droysen  hatte  sie  zehn  Jahre  später  gesetzt-:  diese 
Ansicht  ist  jetzt  durch  die  Inschrift  der  Stele  von  Bulaq  beseitigt: 
es  ist  daher  nicht  mehr  nötbig  Droysen's  Argumente  zu  widerlegen. 
Für  ein  möglichst  frühes  Datum  spricht  sowohl  das  Alter  der 
Arsinoe  als  auch  der  politische  Vortheil  den  die  Vermählung 
damals  dem  König  brachte  und  der  doch  jedenfalls  für  ihn  ent- 
scheidend gewesen  ist.  Die  aigyptischen  Monumente  aber,  denen 
hier  die  erste  Stimme  zukommt,  hindern  uns  nicht   mit  Bücheier 


sicher:  die  Verse  stellen  die  όστοργος  γυνή  gerade  der  Bereuike  JJ^eμ[eu- 
über,  deren  Kindern  iler  König  ruhig  sein  Haus  habe  anvertrauen 
können.  Zwar  trennte  sieh  Ptoieniaios  I  nicht  gleich  von  der  Eury- 
dike,  als  er  sieh  mit  BtTenike  vermählte  (vgl.  Droysen  II  2  S.  94,  l), 
später  aber  sclieint  er  sie  Verstössen  zu  haben  (ebenda  iS.  303  und  iS. 
i.{l<)f.).  Von  den  Kindern  dieser  Eurydike  wissen  wir  ja,  dass  sie  vom 
Vater  enterbt  wurden  —  Ptolemaios  Keraunos  war  zur  Zeit  unsertis 
(4odiehte8  bereite  todt,  ein  anderer  Solin  aber  wird  gerade  damals 
Kypros  in  Aufruhr  gebracht  haben.  Dass  die  Kinder  die  Ptolemaios  II 
von  der  ersten  Arsinoe  hatte  mit  der  Mutter  Verstössen  worden  seien, 
um  erst  spater  wieder  in  ihre  lleclite  eingesetzt  und  von  der  zweiten 
Arsinoe  adoptirt  zu  werden,  niusste  Bücheier  annehmen,  ist  aber  weder 
bezeugt  noch  wahrscheinlich.  -  Droysen's  Vermuthung  (111  1  S.  34Ü,  2), 
ilass  die  Verse  auf  Apama  die  Gemahlin  des  Magas  gehen  sollten,  hat 
niehts  für  sich. 

•'  Umsonst  hat  Hempel  (a.  a.  0.  S.  92  f.)  nachzuweisen  gesucht, 
dass  Arat  der  Nachahmer  gewesen  sei  und  die  Phainomena  nicht  zwi- 
schen 277  und  274  sondern  nach  seiner  llüekkehr  aus  Syrien  (um  201) 
gedichtet  liabe. 

-  Ztschr.  r.  d.  A.  W.   1843  S.  52  -OG;  llelienisjuus  111   1  8.  268  f. 


Die  syriechen  Kriege  der  ersten  l*tolemaier.  211 

Conze  Weeoher  u.  a.  an  dem  Jahr  276  als  dem  Datum  der  Hoch- 
zeit festzuhaltend  Bi8  zu  diesem  Jahr  dürfen  wir  alnu  auch 
Theokrit*e  Hymnoe  hinaufrücken. 

Es  kommt  noch  ein  Anderes  hinzu.  Das  Gedieht  int  zur 
Ehre  des  zweiten  Ptolemaios  verfasst;  aber  der  Dichter  spricht 
faet  mehr  von  dem  Vater  und  der  Mutter  als  von  dem  König 
selbst,  am  ausführlichsten  von  der  Apotheose  der  Berenike.  Auch 
dadurch  werden  wir  genöthigt  das  Gedicht  in  eine  möglichst 
frühe  Zeit  zu  setzen.  Vor  allem  die  Verse  104  f.  scheinen  mir 
dafür  zu  sprechen.     Da  heisst  es  von  Philadelphos: 

φ  έπίπαγχυ  μίλει  πατρώια  πάντα  φυλάσσειν 
οΓ  άγαθψ  βασιλήι,  τα  be  κτ€ατίΖ€ται  αυτός. 
Preist  man  so  einen  König  der  schon  mehr  als  zwanzig  Jahre 
das  Scepter  führt,  schon  manchen  Krieg  glücklich  zu  Ende  ge- 
führt hat?  Unmöglich!  Öo  kann  der  Dichter  nur  von  demjenigen 
sprechen  der  erst  seit  wenigen  Jahren  das  väterliche  Erbe  ange- 
treten hat,  der  zum  ersten  Male  das  Schwert  zieht,  um  zu  zeigen, 
dass  er  nicht  nur  das  ererbte  Reich  zu  schützen  weiss,  sondern 
dass  er  es  auch  als  Eroberer  zu  mehren  vermag.  So  war  Ptole- 
maios  um  die  Mitte  der  siebziger  Jahre,  nicht  zwanzig  Jahre 
später. 

Können  wir  so  mit  ziemlicher  Sicherheit  Theokrit's  Gedicht 
in  diese  frühe  Zeit  setzen,  so  haben  wir  nicht  nur  für  die  Geschichte 
des  Dichters  ein  Datum  gewonnen.  Wir  wissen  nun,  dass  schon 
damals  Ptolemaios  um  Syrien  und  Phoinikien  wie  um  Libyen 
erfolgreiche  Kämpfe  führte,  ja  dass  er  nach  Arabien  und  Aithiopien 

1  Allerdings  echlieset  Wiedemaun  seine  Besprechung  der  aigyp- 
tischun  Monumente  die  für  die  Chronologie  der  Arsinoe  Philadelphos 
von  Belaug  sind  (Rh.  M.  XXXVIII 1883  S.  88411'.)  mit  dem  Resultat,  dass 
die  Hochzeit  in  das  Jahr  271  zu  setzen  sei.  Aber  erwiesen  ist  nur,  dass 
Arsinoe  270  Königin,  und  dass  Euergetes  266  und  264  Mitregont 
war.  Sehr  wahrscheinlich  ist,  dass  Euergetes  271  (welches  Jahr  Suidas  u. 
Καλλίμαχος  als  das  Datum  seines  Regierangsantritts  angibt)  zum  Mit- 
regcuten  ernannt  wurde.  Blosse  Vermuthung  aber  ist  es,  dass  diese 
Kmennnng  mit  der  Adoption  durch  Arsinoe  und  mit  der  Vermähluug 
zusammengefallen  sei.  Die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Vermuthung  wird, 
wie  mir  scheint,  durch  die  Gründe  welche  die  Hochzeit  einer  früheren 
Zeit  zuweisen  reichlich  aufgewogen.  Es  ist  selir  wohl  möglich,  dass 
Euergetes  erst  als  er  ein  gewisses  Alter  erreicht  liattc  —  er  kann  im 
Jahre  271  etwa  zwölf  Jahre  alt  gewesen  sein  —  zum  Mitregenten  er- 
nannt wurde.  Im  übrigen  kann  man  auf  eine  Jabresangabe  bei  Suidas 
nicht  viel  bauen. 


212  Κοβρρ 

seine  Waffen  getragen  hatte  ^.  Damit  wird  der  sogenannte  erste 
syrische  Krieg  wie  der  Krieg  gegen  Magas  von  Kyrene  um  zehn 
Jahre  weiter  hinaufgerückt.  Und  diese  Datirung  wird  durch  eine 
andere  Erwägung  bestätigt.  Beide  Kriege  stehen  nach  Paueanias 
I  7  im  Zusammenhang.  Den  gegen  Magas  würden  wir  abgesehen 
von  allen  Zeugnissen,  aus  demselben  Grund  wie  den  erwähnten 
Aufstand  auf  Kypros,  in  eine  möglichst  frühe  Zeit  des  Philadel• 
phos  setzen.  Eine  Einzelheit  beweist,  dass  er  um  die  Mitte  der 
siebziger  Jahre  noch  fortdauerte.  Pausanias  erzählt,  dass  der 
Verrath  eines  keltischen  Söldnerhaufens  den  Ptolemaios  in  der 
Verfolgung  des  Magas  aufgehalten  habe  und  wie  er  sich  der  Bande 
entledigte.  Auf  dasselbe  Ereigniss  spielt  Kallimachos  an  εις  Δήλον 
V.  171  ff.,  in  dem  Hymnos  der  ohne  Zweifel  an  Theokrit's  be- 
sprochenes Gedicht  sich  anlehnt^  und  ebensowenig  lange  nach 
diesem  als  lange  nach  dem  angedeuteten  Vorfall  verfaset  sein 
kann.  Der  Scholiast  sagt,  dass  die  keltischen  Söldner  'Αντίγονος 
τις  φίλος  τοΰ  Φιλα^έλφου  Πτολεμαίου  dem  König  geschickt 
habe.  Es  ist  allgemein  anerkannt,  dass  dieser  Antigonos  nur 
Antigenes  Gonatas  sein  kann :  ansprechend  wenn  auch  nicht  sicher 
hat  Wachsmuth  vermuthet:  'Αντίγονος  (Γονα)τ(ά)ς  φίλος.  Dieser 
aber  konnte  erst  dann  Anderen  keltische  Soldtruppen  zuwenden 
als  er  selbst  derselben  nicht  mehr  bedurfte,  also  nicht  bevor  er 
sich  in  Makedonien  festgesetzt  hatte.  Das  geschah  im  Jahre  277, 
und  zwar  gerade  mit  Hilfe  eines  Gallierhaufens  unter  Biderios, 
der  ihm  nach  Ueberwindung  des  Antipatros  alsbald  sehr  lästig 
wurde ^.  Die  Vermuthung  liegt  sehr  nahe,  dass  Antigonos  sich 
gerade  diener  unbequemen  Gäste  entledigte,  indem  er  sie  dem 
Ptolemaios  als  erwünschte  Hilfstruppen  auf  den  Hals  schickte. 
Das  wäre  dann  etwa  im  Jahre  276  gewesen. 


*  Ucber  die  Züge  nacb  Arabien  uud  Aithiopien  s.  Droysen  111  l 
S.  307.  Wahrscheinlich  gehören  beide  Züge  in  die  ersten  Jahre  des 
Ptolemaios,  vielleicht  noch  zu  Lebzeiten  des  Vaters.  Einer  arabischen 
Stadt  gab  er  den  Namen  seiner  Mutter  ( loseph.  Antiquit.  VIII  6,  4 ; 
Droysen  III  2  S.  349),  und  an  der  Küste  des  rotlien  Meeres  gründete  er 
das  Troglodytische  Berenike  (Droysen  111  2  S.  341).  Philadelphos  jagte 
nach  der  Insclirift  von  Adule  zuerst  troglodytische  und  aithiopische 
Elephanten. 

'•^  Umgekehrt  fasst  das  Verhäitniss  auf  Hempel  a.  a.  0.  iS.  90  f. 

^  Polyaen  Strateg.  IV  6,  17.  Hempel  S.  91  meint,  Antigonos 
könne  die  Gallier  erst  nach  dem  Jahre  272,  d.  h.  nacli  Pyrrlios'  Tod 
gescliickt  liaben. 


Die  syrischen  Kriejre  der  ersten  Ptolemaier.  213 

Aber  nicht  nur  betreffs  der  Chronologie  des  ersten  syrischen 
Krieges  mnss  ich  von  Droysen's  Darstellung  abweichen.  Ausser 
den  Versen  Theokrit's  ist  Pausanias  fast  unsere  einzige  Quelle. 
Dieser  erzählt  (I  7,  3),  Magas  habe  seinen  Schwiegervater  über- 
redet den  Vertrag  welchen  der  Vater  Seleukos  mit  Ptolemaios 
geschlossen  zu  brechen  und  gegen  Aigypten  zu  ziehen.  So  sei 
der  Krieg  entstanden.  Aber  während  Antiochos  noch  rüstete, 
sei  ihm  Ptolemaios  zuvorgekommen,  indem  er  die  syrischen  Be- 
sitzungen von  allen  Seiten  angegriffen  habe,  so  dass  der  Syrer 
gar  nicht  dazu  gekommen  sei,  Aigypten  selbst  anzugreifen  (ai(TT€ 
*Αντιόχψ  μήποτε  έγγενίσθαι  στρατ€ύ€ΐν  in  Αϊγυπτον).  Antiochos 
war  aber  doch  nach  dieser  Darstellung  der  Angreifende.  Diese 
Thatsache  beweist  nicht  weniger  als  die  Erzählung  von  der  Ein- 
nahme von  Damaskofl  bei  Polyaen  (IV  15),  dass  Koilesyrien 
damals  nicht  dem  syrischen  König  gehörte.  Zu  welchem  Zwecke 
hätte  Antiochos  sonst  einen  Krieg  gegen  Ptolemaios  beginnen 
sollen?  Aber  seit  wann  gehörte  der  Phoinikische  Küstenstrich 
zu  Aigypten?  Die  Ueberlieferungy  sonst  wahrlich  in  diesem 
Zeitraum  traurig  genug,  gibt  uns  auf  diese  Frage  eine  deutliche 
und  einfache  Antwort;  Droysen  hat  an  ihre  Stelle  eine  verwickelte 
gesetzt.  Ptolemaios  Soter  hatte  sich  s.  Z.  dem  Bunde  der  den 
Antigonos  stürzen  sollte  nur  unter  der  Bedingung  angeschlossen, 
daes  er  Koilesyrien  als  Beuteantheil  erhielte.  Nach  der  Schlacht 
bei  Ipsos  hatten  die  drei  Könige  die  allein  den  Antigonos  be- 
wältigt hatten  ohne  Ptolemaios  eine  neue  Theilung  verabredet, 
aaf  Grund  deren  Seleukos  das  Land  in  Besitz  nahm  (Droysen 
II  2  S.  223;  S.  235  f.).  Aber  einige  feste  Plätze  hatte  Ptolemaios 
bereits  besetzt  und  war  nicht  gesonnen,  sie  herauszugeben,  erhob 
vielmehr  Klage  über  den  Vertragsbruch.  Seleukos,  augenblicklich 
ausser  Stande,  Gewalt  anzuwenden,  Hess  ihm  einstweilen  den  Be- 
sitz, die  Abrechnung  auf  eine  gelegenere  Zeit  verschiebend  (Diodor 
XXI  1,  5).  Ganz  willkommen  kam  es  ihm  dann,  dass  Demetrios 
Poliorketes  bald  darauf  Samaria  und  vermuthlich  auch  die  übrigen 
Festungen  dem  Aigypter  entriss  (Droysen  11  2  S.  243  f.).  Aber 
eclion  wenige  Jahre  später,  als  er  nach  Hellas  hinübergezogen 
war,  verlor  Demetrios  diesen  Besitz  wieder,  nach  Droysen  an  Se- 
leukos (Droysen  II  2  S.  255;  S.  258).  Aber  Droysen  muss 
selbst  eingestehen,  Plutarch  sagt  davon  nichts,  Pausanias  (I  6,  8) 
sagt  das  Entgegengesetzte,  nämlich  dass  Ptolemaios  wie  Kypros 
eo  auch  Koilesyrien  genommen  habe :  αποθανόντος  bk  'Αντιγόνου 
Πτολεμαίος  Σύρους  τε  αύθις  και  Κύπρον  €ίλ€.     Das  kann  sich 


214  Koepp 

doch  schwerlich  auf  die  Besetzung  einzelner  Platze  bezieben. 
Freilich  sagt  er  *  nach  dem  Tode  des  Antigonos  ,  aber  diese  TJn- 
genanigkeit  ist  verzeihlich.  Dass  Kypros  gerade  damals  von 
Ptolemaios  weggenommen  wurde,  wissen  wir  aus  Plutarch's  Leben 
des  Demetrios  (c.  35);  so  wird  dasselbe  von  Syrien  gelten^.  Von 
da  an  verblieb  das  Land  dem  Ptolemaios  Soter,  und  von  ihm 
erhielt  es  Philadelphos :  er  brauchte  es  nicht,  wie  Droysen  meint, 
nach  Seleukos'  Tode,  als  Antiochos,  von  allen  Seiten  bedrängt, 
mit  Mühe  das  väterliche  Reich  rettete  —  €l  και  μόλις  καΐ  ου6έ 
πα(Ταν  sagt  Memnon  —  wegzunehmen,  in  einem  kurzen  Kriege, 
von  dem  jede  Kunde  verschollen  wäre  (Droysen  III  1  S.  256). 
Ja,  wenn  Syrien  im  Besitz  des  Antiochos  gewesen  wäre,  würde 
Ptolemaios  ohne  Zweifel  die  günstige  G-elegenheit  benutzt  haben, 
es  wieder  zu  gewinnen.  Aber  es  war  vielmehr  Antiochos,  welcher 
die  Grelegenheit  erlauern  mueste,  seine  Grenzen  nach  dieser  Seite 
hin  vorzuschieben  und  zu  sichern.  Die  Gelegenheit  kam,  als 
Ptolemaios  II  in  den  Krieg  mit  Magas  von  Kyrene  verwickelt 
war.  Antiochos  rüstete.  Pausanias  sagt,  dass  er  damit  die  Ver- 
trage verletzte  welche  sein  Vater  mit  dem  ersten  Ptolemaios  ge- 
schlossen hatte  (παραβάντα  &ς  ό  πατήρ  ο\  Σέλβυκος  έποιήσατο 
συνθήκας  προς  ΤΤτολεμαϊον).  Mriglich  dass  Seleukos  in  späterer 
Zeit  auf  Syrien  noch  einmal  feierlich  Aberzieht  leistete,  wahrschein- 
licher aber  ist  es,  dass  hier  der  Vertrag  vor  der  Schlacht  bei 
Ipsos  gemeint  ist,  auf  den  sich  auch  noch  später  aigyptische  Ge- 
sandte berufen  (Polybios  V  67).  Welcher  Vertrag  gemeint  sein 
kiinnte,  wenn  Droysen's  Auffassung  die  richtige  wäre,  ist  gar 
nicht  abzusehen:  für  den  welchem  das  vom  Vater  ererbte  I^and 
in   einem   vom  Zaune   gebrochenen   Krieg  weggenommen   worden 


1  Polybios  V  34,  6  sagt  von  den  Vorgängern  des  Ptolemaios  Phi- 
lopator: έπέκ€ΐντο  τοις  τής  Συρίας  βασιλ€οσι  καΐ  κατά  γήν  καΐ  κατά 
θάλασσαν,  Κοίλης  Συρίας  καΐ  Κύπρου  κυρΐ6ύοντ€ς.  —  Auch  Hieronymus 
zum  Daniel  c.  XI  (S.  1122  d.  Bened.  Ausgabe)  nonnt  Kypros  und  Phoi- 
nikicn  zusammen  als  Besitzungen  des  ersten  Ptolemaios:  .  .  .  tantae 
))ot(Mitiae  ut  ...  ('yprumtiue  obtinuprit  ot  Phoenicen  etc.  Dass  in  spa- 
teror  Zeit  die  Syrer  auf  ein  altes  Recht  pochen,  nach  dem  ihnen  Koile- 
syrien  gehöre  und  sich  berufen  auf  τήν  Σέλευκου  δυναστείαν  τούταιν 
τών  τόπιυν,  steht  nicht  im  Wege;  es  ist  ja  unzweifelhaft,  dass  er  das 
Land  nach  der  Schlacht  bei  Ipsos  theilweise  in  Besitz  penommon  liat. 
mag  er  es  auch  bald  wie<ler  an  Ptolemaios  ixler  schon  an  Demetrios, 
der  wohl  nicht  nur  die  dem  Aiijypter  jibproriomnienen  Städte  besass, 
verloren  haben. 


Die  syrischen  Kriepre  dor  ersten  Ptolemaier.  215 

war  gab  es  doch  wahrlich  keine  T^erträge  mehr.  Wenn  Ptolemaioe 
nach  Seleukoe'  Tode  Koilesyrien  an  sich  rise,  war  er  es  der  den 
Vertrag  brach,  nicht  Antiochos,  dessen  gutes  Recht  und  Pflicht  es 
war,  dem  Räuber  die  Beute  bei  der  ersten  Gelegenheit  wieder  zu 
entreissen.  So  scheinen  auch  diese  Worte  des  Pausanias  der 
Annahme  Droysen's  zu  widersprechen.  Kurz  alles  spricht  dafür, 
dass  Koilesyrien  seit  lange  zu  Aigypten  gehörte  —  wie  tiberliefert 
ist,  alles  dafür,  dass  Antiochos  den  Krieg  begann  —  wie  über- 
liefert ist.  Aber  Ptolemaioe  kam  ihm,  wie  wir  gesehen  haben, 
zuvor.  Mag  Antiochos  auch  Damaskos  durch  eine  Kriegslist  in 
seine  Gewalt  bekommen  haben,  die  Flotte  des  Ptolemaios  be- 
herrschte die  Meere  und  beunruhigte  die  fernsten  Küsten  des 
syrischen  Reiches. 

Ohne  Zweifel  spielten  damals  die  Ansprüche  eine  Rolle  um 
deren  willen  Ptolemaios  seine  Schwester  geheirathet  hatte,  die 
Ansprüche  auf  das  ehemalige  Fürsten thum  Herakleia  am  Pontos, 
auf  Ephesos  und  was  sonst  etwa  noch  Lysimachos  der  Arsinoe 
einst  geschenkt  hatte.  Ptolemaios  suchte  in  Kleinasien  immer 
fester  Puss  zu  fassen.  Vielleicht  entschloss  er  sich  zu  der  Heirath, 
die  ihn  darin  fördern  sollte,  erst  damals,  als  der  syrische  Krieg 
ausbrach,  vielleicht  war  dieselbe  —  das  ist  mir  wahrscheinlicher 
—  vorausgegangen,  und  Ptolemaios  hatte  seine  Ansprüche  bereits 
geltend  gemacht,  bis  dahin  ohne  mit  Syrien  in  ofl'enen  Conflict 
ZQ  gerathen,  aber  doch  schon  dem  Antiochos  unheimlich,  so  dass 
dieser  gern  die  Gelegenheit  ergrifl*,  durch  einen  Vorstoss  gegen 
Aigypten  selbst  des  Ptolemaioe  Politik  in  Kleinasien  aufzuhalten 
(vgl.  Droysen  III  1  S.  270,  3;. 

In  diese  Zeit  und  diesen  Zusammenhang  gehört  der  Krieg 
des  Ptolemaios  gegen  den  pontischen  König,  von  dem  Stephanos 
von  Byzanz  (u.  "Αγκυρα)  eine  kurze  Notiz  hat.  Droysen  meint, 
dass  dieser  Krieg,  unter  Mithradates  begonnen,  noch  unter  seinem 
Nachfolger,  also  nach  266,  fortgedauert  habe,  da  Stephanos  bei- 
der Könige  Namen  nennt.  Aber  Meyer  (Geschichte  des  König- 
reichs Pontos  S.  45  f.)  hat  mit  Recht  bemerkt,  dass  nach  den 
Worten  des  Stephanos  eher  zu  denken  ist,  dass  beide  zugleich 
mit  Ptolemaioe  im  Kriege  lagen,  dass  Ariobarzanes  vielleicht 
Mitregent  seines  Vaters  war.  So  darf  der  Krieg  auch  schon  in 
die  siebziger  Jahre  gesetzt  werden.  Noch  eine  andere  Notiz  des 
Stephanos  hat  Droysen  (III  1  S.  272  f.)  in  diesem  Znsammen- 
hang verwerthet.  Der  Stadt  Tios  am  Pontos  soll  Ptolemaios  den 
Namen    seiner  Mutter   Berenike    gegeben    haben;    denn    bei   Ste- 


21β  Koepp 

phanos  werde  anter  dem  Worte  Bepcvixai  als  vierte  Stadt  dieses 
Namens  Tios  aufgezählt  (τετάρτη  ή  πρότερον  Τίος).  Tios  gehörte 
ja  zu  dem  Fürstenthum  Herakleia,  und  Ptolemaios  könnte  es  wohl 
erobert  haben.  Aber  die  Handschriften  geben  nicht  Τ(ος  sondern 
Χίος.  Dazu  bemerkt  Meineke  nur:  'Chinm  dicere  nidetur  Aegyp- 
tiacam';  Meyer  (a.  a.  0.  S.  45,  2)  sucht  dieses  aigyptische  Chios 
ausfindig  zu  machen ;  aber  seine  Yermuthung  steht  auf  schwachen 
Füssen.  Was  Meyer  für  unmöglich  erklärt  ist  vielmehr,  wenn 
nicht  alles  trügt,  das  Richtige:  Mas  bekannte  Chics',  die  Haupt- 
stadt der  Insel,  hiess  einmal  Berenike;  freilich  zu  einer  ganz 
anderen  Zeit.  Mithradates  d.  Gr.  eroberte  die  Stadt,  deportirte 
die  Einwohner  nach  Eolchis  und  siedelte  pon tische  Colonisten  auf 
der  Insel  an  (Appian,  Mithrid.  c.  46  fT.;  Mommsen  R.  6.®  II 
S.  294).  Bei  solcher  Gelegenheit  pflegten  den  Städten  auch  an- 
dere Namen  gegeben  zu  werden.  Eine  der  Gemahlinnen  aber  des 
pontischen  Königs  hiess  —  das  wissen  wir  aus  Plntarch's  Lncullns 
c.  18  —  Berenike  und  stammte  —  hier  hört  die  Möglichkeit 
eines  zufälligen  Zusammentreffens  doch  wohl  auf  —  aus  Chios. 
Die  Umnennung  der  Stadt  kann  allerdings  nur  eine  ganz  vor- 
übergehende gewesen  sein;  denn  Sulla,  der  die  Zurückfühmng 
der  Chier  zu  einer  Bedingung  des  Friedens  machte,  hat  der  Stadt 
ohne  Zweifel  auch  ihren  alten  Namen  zurückgegeben.  Das  könnte 
gegen  die  vorgetragene  Combination  Bedenken  erregen.  Doch 
man  erinnere  sich  nur,  dass  Alexander  Polyhistor,  dessen  zahl- 
reiche periegetische  Schriften  Stephanos  so  viel  benutzt  hat,  ein 
Zeitgenosse  des  Mithradates  und  Sulla  gewesen  ist.  Ein  gleich- 
zeitiger Schriftsteller  konnte  sehr  wohl  auch  von  einer  vorüber- 
gehenden Umnennung  Notiz  nehmen. 

Tios  also  müssen  wir  beiseite  lassen.  Aber  dass  Ptolemaios 
um  jene  Zeit  an  der  pontischen  Küste,  wie  an  allen  übrigen  Ge- 
staden Kleinasiens,  Unterthanen  oder  Bundesgenossen  gewann,  ist 
darum  nicht  weniger  sicher.  Möglich  dass  er  die  Interessen  von 
Herakleia  vertrat,  das  er  ja,  wenn  es  auch  eben  ein  Freistaat 
war,  doch  als  Eigenthum  seiner''  Schwester  ansah.  Vielleicht 
wollte  er  durch  Unterstützung  der  Republik,  wenn  nicht  die 
p:anze  Bürgerschaft,  so  doch  eine  Partei  für  sich  gewinnen,  um 
die  Stadt  später,  freiwillig  oder  mit  Gewalt,  in  seinen  Besitz  zu 
bringen.  Dass  er  Amastris  den  Herakleoten  nicht  wiedereroberte 
—  diess  ist  für  Droysen  (Ilf  1  S.  273)  Beweis  dafür,  dass  Pto- 
lemaios nicht  für  Herakleia  auftrat  —  lag  nur  daran,  dass  Eumenes, 
der  Conimaiidaiit  der  Stadt,  dieselbe  lieber  dem  Ariobarzanes  aus- 


t)ie  syrisotien  Kriege  der  ersten  t^tolemaier.  21? 

lieferte,  der  übrigens  damals  noch  nicht  König  gewesen  zu  sein 
braacht.  Daes  dieser  Enmenes  der  Bruder  des  Philetairos  ge- 
wesen sei,  ist  nicht  unwahrscheinlich,  aber  er  braucht  desshalb 
nicht  dieselbe  Politik  getrieben  zu  haben,  die  später  die  perga- 
menischen  Dynasten,  und  vielleicht  damals  schon  Philetairos,  für 
förderlich  hielten. 

Im  Verlauf  des  Krieges  scheint  Magas  einmal  Paraitonion, 
Ptolemaios'  Admiral  Patroklos  Kannos  erobert  zu  haben.  Alle 
anderen  Ereignisse  4ieses  Doppelkrieges  sind  spurlos  verschwun- 
den. Ja  nicht  einmal  das  wissen  wir,  um  welche  Zeit  der  Friede 
geschlossen  worden  ist.  Bticheler  folgte  Droysen,  der  ihn  einige 
Jahre  vor  Magas'  Tod,  etwa  ins  Jahr  263,  setzte.  Aber  wenn 
man  mit  dem  Theokritischen  Gedicht  den  Ausbruch  des  Krieges 
um  zehn  Jahre  hinaufrückt,  müsste  man  eine  mehr  als  zwölf- 
jährige Daner  annehmen.  Vielleicht  schloss  Ptolemaios  mit  Magas 
schon  Frieden  als  der  syrische  Krieg  ausbrach,  um  nicht  gleich- 
zeitig im  Westen  und  im  Osten  gefährdet  zu  sein ;  damals  musste 
ihm  der  Friede  so  viel  werth  sein,  dass  er  um  diesen  Preis  die 
Selbständigkeit  der  Kyrenaika  anerkannte.  Das  wäre  um  die 
Mitte  der  siebziger  Jahre  gewesen  \  Damals  konnte  freilich 
noch  nicht  der  aigyptische  Thronfolger  mit  der  Tochter  des  Magas 
verlobt  werden,  denn  Berenike  scheint  erst  später  geboren  zu 
sein.  Aber  es  sag^  uns  auch  Niemand,  dass  die  Verlobung  gerade 
in  diesem  Friedenschluss  verabredet  worden  sei:  wenn  Magas 
ohne  Leibeserben  blieb,  musste  ja  Kyrene  ohnehin  nach  seinem 
Tode  wieder  an  Aigypt^n  fallen.  Die  Verlobung  scheint  kurz 
vor  Magas'  Ende  stattgefunden  zu  haben :  '  ante  infirmitatem'  sagt 
Justin,  der  einzige  Zeuge  (XXVI  3).  Vielleicht  machte  Ptole- 
noAioe  nach  Beendigung  des  Chremonideischen  Krieges  einen  Ver- 
Buch,  die  Kyrenai'ka  wieder  unter  seine  Oberherrschaft  zu  brin- 
gen, und  der  alte  Magas,  der  mittlerweile  dick  und  den  Unbe- 
quemlichkeiten eines  Krieges  abgeneigt  geworden  war,   eröffnete 


^  Nach  Wiedemann  (a.  a.  0.  S.  392  f.)  wäre  der  Krieg  gegen 
Magas  und  der  Kampf  mit  den  meuterischen  Kelten  freilich  in  das 
Jahr  265  oder  kurz  vorher  zu  setzen.  Aber  was  im  ersten  Theil  der 
Pariser  Inschrift  (Clarac  II  pl.  242,  406)  von  Kämpfen  des  Ptolemaios 
steht,  ist  einerseits  zeitlich  nicht  fixirt,  andererseits  so  allgemein  ge- 
halten, dass  es  sich  auf  jeden  Krieg  beziehen  kann ;  dass  es  sich  im 
zweiten  Theil  (Z.  9)  um  Kämpfe  in  der  Umgegend  von  Sa'is  handelte, 
ist  blosse  Vermuthung. 

Bhelii.  Wn•.  r.  PhUoL  N.  F.  XXXIX.  Η 


die  Koepp 

ihm  durch  die  Verlobung  die  Aneeicht,  Eyrene  wieder  gans  an 
Aigypten  zu  bringen,  nm  nur  für  die  letzten  Jahre  seines  Le- 
bens Rnhe  zu  haben. 

Ich  kehre  zu  jenem  Krieg  der  siebziger  Jahre  zurück.  Das 
streitige  Phoinikien  behielt  Ftolemaios.  Ist  es  möglich,  dass 
Antiocbos  einen  so  ungünstigen  Frieden  schloss  zu  einer  Zeit  da 
er,  nach  der  Schlacht  bei  Kos,  als  Bundesgenosse  des  Antigonos 
alle  Aussicht  hatte,  bei  einiger  Ausdauer  günstigere  Bedingungen 
zu  erzwingen?  In  der  That,  man  kann  sich,  politische  Verwicke- 
lungen denken  die  dem  Antiocbos  trotz  des  mächtigen  Bundes- 
genossen augenblicklichen  Frieden  mit  Aigypten  so  wünschens- 
werth  machen  konnten,  dass  er  auf  Phoinikien  und  Koilesyrien 
Verzicht  leistete.  Aber  ist  nicht  für  den  syrischen  Krieg  eine 
Dauer  von  mehr  als  zwölf  Jahren  ebenso  unwahrscheinlich  wie 
für  den  gegen  Magas?  Weit  glaublicher  ist  es,  dass  Ptolemaios 
erst  dem  Magas  einen  günstigen  Frieden  gewährte,  um  seine  ganze 
Macht  auf  den  drohenden  Krieg  gegen  Syrien  verwenden  zu  kön- 
nen, dann  von  Antiocbos  den  Frieden  erzwang,  endlich  die  G-e- 
legenheit,  welche  der  Chremonideische  Krieg  bot,  ergriff,  um  dem 
immer  grössere  Macht  entfaltenden  Antigonos  entgegenzutreten. 
Antigonos'  Seemacht  gefährdete  schon  lange  die  aigyptisohe  Su- 
prematie zur  See  und  den  Besitz  der  Inseln.  Ptolemaios  durfte 
nun,  da  er  die  Grenzen  Aigyptens  nach  beiden  Seiten  gesichert 
hatte,  seine  Blicke  weiter  ßchweifen  lassen.  Aber  es  kam  der 
verhängnissvolle  Tag  von  Kos.  Bald  nach  dieser  Niederlage  mag 
Ptolemaios  mit  Antigonos  Frieden  gemacht  haben ;  auf  welche 
Bedingungen  er  eingehen  musste,  wissen  wir  nicht:  jedenfalls  war 
es  mit  dem  Einfluss  in  Hellas  vorbei;  den  Fall  Athens  hatte 
Ptolemaios  nach  der  Schlacht  bei  Kos  nicht  mehr  hindern  können. 
Vielleicht  hätte  gleich  damals  Antiocbos  Soter  den  Kampf  um  die 
syrische  Küste  wieder  aufgenommen,  wenn  er  nicht  in  den  per- 
gamenischen  Krieg  verwickelt  gewesen  wäre,  der  ihm  die  Nieder- 
lage von  Sardeis  und  kurze  Zeit  darauf  den  Tod  brachte. 

Antiocbos  II  führte,  wenn  wir  den  heiligen  Hieronymus 
hören,  viele  Kriege  gegen  Aigypten:  'aduersus  Ptolemaeum  Phi- 
ladelphum,  qui  secundus  imperabat  Aegyptiis,  gessit  bella  quam 
plnrima  et  totis  Babylonis  atque  Orientis  uiribus  dimicauit*  — 
bis  Ptolemaios,  des  Krieges  müde,  ihm  seine  Tochter  Berenike 
zur  Frau  gab:  *uolens  itaque  Ptolemaeus  Philadelphus  post  multos 
annoa    raolestum    finire    certanien    filiam   suam    nomine  Berenicen 


t>ie  syrisclien  Kriege  der  ersten  iPtolemaier.  21  d 

Aotiocho  nxorem  dedit*  (Hieronymus  zum  Daniel  c.  XI  S.  1123 
der  Benedictiner- Ausgabe ).  Das  ist  alles  was  von  diesen  Kämpfen 
überliefert  ist.  Ihr  Zweck  konnte  für  Antiochos  nur  der  sein,  das 
syrische  Küstenland  zn  gewinnen.  Dass  dieser  Zweck  nicht  er- 
reicht wurde  sehen  wir  ans  der  Inschrift  von  Adule  \  Wann  der 
Friede  geschlossen  worden  ist,  wissen  wir  nicht.  Aber  Berenike 
liatte  beim  Tode  des  Antiochos  bereits  einen  Sohn^. 

Droysen  hat  wahrscheinlich  gemacht,  dass  die  Vermählung 
der  Berenike  ein  politischer  Schachzng  des  Ptolemaios  gewesen 
sei,  nicht  mit  dem  Zweck  den  Frieden  zwischen  Syrien  und 
Aigypten  zu  einem  daueraden  zu  machen,  sondern  Zwietracht  zu 
stiften  im  Haus  der  Seleukiden.  Der  Zug  gelang;  aber  Be- 
renike selbst  wurde  das  traurige  Opfer  dieser  Politik.  Die  Gräuel 
welche  dem  Sohn  der  Laodike  den  Weg  zum  Throne  bahnten  sind 
bekannt.  Ptolemaios  Philadelphos  sah  wohl  nicht  mehr  diese 
blutigen  Fruchte  der  Saat  die  er  selbst  gesäet  hatte.  Sein  Sohn 
und  Nachfolger  musste   auch  dieses  Erbe  antreten^.     £r  that  es 


^  Doch  hat  der  Besitzstand  des  aigyptischen  Reiches  in  der  Zeit 
zwischen  Theokrit's  Gedicht  und  der  Inschrift  von  Adule  Veränderun- 
gen erfahren,  sei  es  durch  Eroberung  seitens  des  Antiochos,  sei  es 
dass  Philadelphos  der  Berenike  eine  oder  die  andere  kleinasiatische 
Landschaft  als  Mitgift  gab.    Vgl.  Niebuhr,    Kleine  Schriften  1  S.  292. 

*  Wie  die  kyrenaischen  Verhältnisse  zur  selben  Zeit  sich  gestal- 
teten, hat  Droysen  gezeigt.  Der  Friede  mit  Kyrene  wird  ungefähr 
gleichzeitig  mit  dem  syrischen,  einige  Zeit  nach  der  Ermordung  des 
schönen  Demetrios,  zu  Stande  gekommen  sein.  Die  Hochzeit  des  jun- 
gen Ptolemaios  und  der  kyrenaischen  Berenike  ward  dann  bald  voll- 
zogen, wahrscheinlich  noch  zu  Lebzeiten  des  Philadelphos  —  wenn 
auch  Droysen  (III  1  S.  347,3)  mit  Unrecht  dafür  Catull  LXVI  V.  15  f. 
anfuhrt,  wo  mit  den  'parentes*,  wenn  die  Worte  nicht  ohne  Bezie- 
hung gesagt  wären,  doch  wohl  nur  die  Eltern  der  Braut  gemeint  sein 
konnten. 

^  Dass  Hieronymus  sagt  'occisa  Berenice  et  mortuo  Ptolemaeo 
Philadelpho  patre  eius  in  Aegypto,  frater  illius  et  ipse  Ptolemaeus 
oognomento  Euergetes  tertius  saccessit  in  regnum*  kann  nicht  als 
Zengniss  dafür  gelten,  dass  der  Tod  der  Berenike  dem  des  Vaters  vor- 
ausging ;  ebensowenig  der  Irrthum  Polyacn's  (VIII  50),  der  eben  statt 
des  Bruders  den  Vater  nennt.  Sonst  könnte  man  auch  in  lustin's 
'Beronicen  nouercam  suam  sororem  Ptolemaei  regis  Aegypti  cum  par- 
uulo  fratre  ex  ea  suscepto  interfecit*  einen  Beweis  dafür  sehen,  dass 
Euergetes  zur  Zeit  dieser  Gränelthaten  schon  den  Thron  bestiegen 
hatte. 


2^0  Koepp 

mit  mehr  Kraft  und  Energie  als  der  alte  Philadelphoe  wohl  ge- 
zeigt haben  würde  und,  nach  glänzenden  Erfolgen,  mit  derselben 
weisen  Mäesigung  welche  die  Politik  seiner  Vorgänger  anege- 
zeichnet  hatte.  Sobald  die  Knnde  gekommen  war,  daee  Berenikene 
nnd  ihres  Kindes  Leben  bedroht  sei,  brach  er  mit  grosser  Heeres- 
macht  in*  8  syrische  Reich  ein.  Zu  retten  war  es  zu  spät,  so  blieb 
ihm  nnr  übrig  zu  rächen. 

Zu  gleicher  Zeit  erhoben  sich  die  meisten  Städte  Kleinasiens 
gegen  den  Usurpator;  denn  als  solcher  erschien  Seleukos.  Mochte 
er  auch  der  älteste  Sohn  des  Antiochos  sein  :  mit  der  Verstossung 
seiner  Mutter  hatte  er  das  Recht  der  Erbfolge  verloren,  und  wenn 
er  sich  auf  den  letzten  Willen  des  sterbenden  Vaters  berief,  der 
ihm  sein  Recht  zurückgegeben  habe,  so  erzählte  man  sich,  der- 
jenige welcher  diese  bedeutungsvolle  Worte  gesprochen  sei  gar 
nicht  Antiochos  gewesen,  sondern  ein  Unbekannter,  den  Laodike 
zu  diesem  Gaukelspiel  gedungen  habe.  Doch  wie  es  auch  mit 
Seleukos!  Recht  anf  den  Thron  stehen  mochte,  wichtiger  als  die 
Rechtsfrage  war  die  Machtfrage.  Der  Sohn  der  Berenike  hatte, 
das  wusete  man,  an  dem  aigyptischen  König  einen  mächtigen  Be- 
schützer; Seleukos  war  ohne  Anhänger,  ein  König  ohne  Land  und 
ohne  Heer.  Als  man  bald  nachher  erfuhr,  dass  derjenige  dessen 
Ansprüche  man  vertreten  wollte,  nicht  mehr  am  Leben  sei  — 
Ptolemaios  soll  den  Tod  seines  Neifen  und  seiner  Schwester  an- 
fangs verheimlicht  haben  —  da  war  es  zu  spät:  der  siegreiche 
Aigypter  stand  in  bedrohlicher  Nähe,  man  konnte  für  jetzt  nicht 
mehr  zurück  und  schloss  sich  dem  Sieger  an.  Aber  sobald  Pto- 
lemaios Kleinasien  verlassen  hatte,  ergriffen  die  Städte  wieder 
die  Partei  des  Seleukos,  der  jetzt  der  einzige  und  desshalb  der 
rechtmässige  Erbe  war. 

Es  ist  uns  eine  Inschrift  erhalten  die  bezeugt,  dass  die 
Stadt  Smyma  auch  in  jener  ersten  Zeit  der  höchsten  Noth  zu 
Seleukos  gehalten  hatte:  der  Bundesvertrag  der  Smyrnaier  mit  den 
Bewohnern  von  Magnesia  am  Sipylos  (C.  L  Gr.  II  3137).  Da 
heisst  es,  dass  die  Smyrnaier  zu  der  Zeit  als  König  Seleukos  in 
die  Seleukis  hinüberging  (ύπερίβαλεν  εΙς  την  Σελευκίοα),  da  ihre 
Stadt  und  ihr  Land  von  vielen  und  grossen  Gefahren  umringt  ge- 
wesen, dem  König  treu  geblieben  seien.  Das  muss  damals  ge- 
wesen sein  als  Ptolemaios  gegen  das  Seleukidenreich  heranzog, 
und  der  junge  Seleukos,  der  in  Kleinasien  wenig  zu  verlieren 
hatte,  über  den  Tauros  eilte,  um  vor  allem  die  syrische  Tetrapolis 
zu  schützen:  damals  konnte  Ptolemaios,  der  an  der  Küste  Klein- 


Die  syrisohen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier.  221 

aeiens  noch  manche  Stadt  beeass  und  mit  seiner  Flotte  die  Meere 
beherrschte,  Smyma  zu  Wasser  und  zu  Lande  bedrängen.  Seleu- 
koe  aber  hielt  den  Siegeszug  des  Ptolemaios  nicht  auf.  Yielleicht 
besiegt,  sicherlich  ohne  irgendwelchen  Erfolg  errungen  zu  haben, 
zog  er  sich  wieder  nach  Eleinasien  zurück.  Auch  dorthin  folgte 
ihm  Ptolemaios.  Deun  nachdem  dieser  das  Land  bis  zum  Euphrat 
sich  unterworfen  hatte,  eroberte  er  Kilikien  Famphylien,  lonien, 
die  thrakische  und  hellespontische  Küste  und  machte  fiberall  in 
diesen  Ländern  die  selbständigen  Fürsten  sich  unterthan:  τους 
μονάρχους  τους  έν  τοις  τόποις  (τούτοις?)  πάντας  υπηκόους 
Κ0ΓΓα(Ττή(Τας.  Darauf  gewann  er  auch  die  Länder  jenseits  des 
Euphrat:  Mesopotamien,  Baby  lonien,  Susiana,  Persien,  Medien  und 
alles  übrige  Land  bis  nach  Baktriana  hin.  So  zählt  uns  die 
Inschrift  von  Adule  die  Eroberungen  dieses  wunderbaren  Feld- 
zugs auf  ^ 

Aber  Unruhen  in  Afrika  selbst  riefen  den  König  zurück, 
da  übergab  er  Kilikien  seinem  Freunde  Antiochos,  das  obere 
Asien  einem  anderen  Feldherren,  Xanthippos,  zur  Verwaltung: 
'et  Syriam  quidem  ipse  obtinuit,  Ciliciam  autem  amico  suo  An- 
tiocho  gubemandam  tradidit  et  Xantippo  alten  duci  prouincias 
trans  Euphraten^  (Hieronymus  a.  a.  0.).  Jetzt  soll  Seleukos 
eine  grosse  Flotte  gerüstet  haben,  um  die  abgefallenen  Städte 
wieder  zu  unterwerfen.  Aber  ein  Sturm  vernichtete  die  Schiffe. 
Als  sei  durch  dieses  Unglück  die  blutige  Schuld  des  Seleukos 
gesühnt,  hätten  die  Städte  darauf  von  selbst  wieder  seine  Partei 
ergriffen.  Mitleid  pflegt  in  der  Politik  keine  Rolle  zu  spielen: 
die  Städte  werden  ohne  Zweifel  ihren  Yortheil  dabei  gefunden 
haben,  jetzt  wieder  zu  Seleukos  überzutreten^;  sie  würden  es 
yielleicht  schon  früher  gethan  haben,  wenn  sie  nicht  die  Macht 
des  Ptolemaios,  so  lange  er  in  der  Nähe  war,  gefürchtet  hätten. 


1  'Fast  das  ganze  Reich*,  sagt  lustin,  *vom  Tauros  bis  nach  In- 
dien hin*  Polyaen;  'Syrien  und  Kilikien  und  die  Gegenden  jenseits  des 
Euphrat,  ja  fast  ganz  Asien*  heisst  es  bei  Hieronymus.  Polybios  be- 
schreibt diesen  g^rossen  Umfang  des  aigyptischen  Reiches  V  84,  6  ff. 

^  Magnesia  am  Sipylos  wird  eine  von  diesen  Städten  gewesen 
sein;  es  sollte  durch  den  Vertrag  mit  Smyma  fester  an  die  Sache  des 
Königs  geknüpft  werden,  der  ihm  nach  Z.  88  f.  der  Inschrift  gleich 
nach  dem  Uebertritt  einen  Beweis  seines  Vertrauens  gegeben  zu  haben 
scheint.  Nach  Z.  90  f.  hatten  Smyma  und  Magnesia  früher  im  Krieg 
mit  einander  gelegen,  ohne  Zweifel  jene  Stadt  als  Bundesgenossin, 
diese  als  Widersaoherin  des  Seleukoir. 


222  Koepp 

Yielleioht  hatte  die  Erfahrung  auch  gelehrt,  dass  die  Herrechaft 
der  Lagiden  drückender  eei  alR  die  der  Seleuktden;  hatte  doch 
Antiochos  Theos  den  Städten  loniene  die  Freiheit  gegehen  (Droysen 
III  1  S.  330)y  und  Seleukoe  dem  treuen  Smyma  dieeelhe  bestä- 
tigt und  nicht  nur  dem  Tempel  der  Aphrodite  Stratonikis,  sondern 
der  ganzen  Stadt  Asylreoht  verliehen. 

Als  der  Vertrag  zwischen  Smyrna  und  Magnesia  geschlossen 
ward,  war  der  König  wieder  nach  der  Seleukis  hinübergegangen: 
Z.  12  f.  νυν  bi  ύπερβεβληκότος  του  βασιλέως  €ΐς  τήν  Σελ€υκίοα. 
Justin  berichtet  von  diesem  Zuge.  Scleukos  ergriff  mit  einem 
von  den  Städten  Eleinasiens,  die  eben  zu  ihm  übergetreteo  waren, 
aufgebrachten  Heere  die  Offensive.  Ziemlich  weit  scheint  er  vor- 
gedrungen zu  sein,  aber  von  neuem  gänzlich  geschlagen  musste 
er  nach  Antiochia  fliehen.  Da  trat  er  mit  seinem  Bruder  in 
Unterhandlung,  Asien  bis  zum  Tauros  versprach  er  ihm  für  seine 
Hilfe  ^,  Ptolemaios  aber  schloss,  sobald  er  von  diesem  Anerbieten 
hörte,  mit  Seleukos  einen  Frieden  auf  zehn  Jahre.  Jastio*8  Be- 
richt können  wir  durch  zwei  vereinzelte  chronologische  Angaben 
ergänzen.  Die  eine  setzt  die  Gründung  von  Kallinikon  am  Eu- 
phrat  ins  Jahr  242  (Chronicon  Paschale  I  S.  330),  die  andere 
den  Entsatz  von  Orthosia  (und  Damaskos?)  durch  Seleukos  in 
dasselbe  oder  den  Anfang  des  folgenden  Jahres  (Eusebios,  Cliro- 
nika  S.  251  Schoene).  Beides  deutet  auf  ein  erfolgreiches  Vor- 
dringen des  Seleukos.  Das  war  eben  jener  Zug  von  dem  Justin 
spricht.  Seleukos  war  zuerst  gen  Osten  gezogen;  siegreich  war 
er  bis  zum  Euphrat  vt>rgedrungen.  An  der  Stätte  seines  Sieges 
erhob  sich  die  Stadt  Kallinikon.  Am  Euphrat  kehrte  der  König 
um  und  wandte  sich  südwärts  gegen  Ptolemaios  selbst,  der  das 
eigentliche  Syrien  für  sich  behalten  hatte.  Orthosia,  das  sich  bis 
dahin  behauptet  hatte,  wurde  entsetzt.  Durch  solche  Erfolge  er- 
muthigt  drang  Seleukos  weiter  nach  Süden  vor.  Aber  da  ver- 
Hess  ihn  sein  Glück.  Ptolemaios  eilte  herbei.  Seleukos  ward 
zurückgeworfen:  mit  wenigen  Getreuen  Höh  er  nach  Antiochia, 
kaum   weniger  verlassen  als  nach  jenem  Schiffbruch.    Dann  folgte 


*  Pass  St'loukos  seinen  l^nuler  um  Hilfe  bat  beweist  allerdings, 
ibiss  diesor  Land  iiiui  Leute  besrts>.  uiul  macht  Niebuhr's  Vermuthung, 
vlrtss  der  '  Freund  Antioehus*.  welchem  Ttolenuiios  Kilikieu  gab,  eben 
der  Hruder  des  iSeleukos  jjewesen  sei,  sehr  wahrstcheiulioh.  Wenn  aber 
Ptolemaii»s  dem  Anliochoii  Hierax  Kilikien  ^'ub.  so  beweist  das  doch, 
vlass  dieser  schon  damals  mit  seinem  Bruder  im  Kriege  1mg. 


Die  syriechen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier.  223 

der  Absohluee  dee  zehnjährigen  FriedeDs,  alles  noch  im  Jahre  des 
Entsatzes  von  Orthosia.  Aber  die  Unterhandlongen,  welche  den 
Ptolemaios  veranlasst  hatten  diesen  Frieden  zu  schliessen  obgleich 
er  in  demselben  von  den  Eroberungen  seiner  ersten  Jahre  nur 
wenig  behauptete,  führten  zu  keinem  Resultat^.  Nachdem  der 
Friede  mit  Aigypten  geschlossen,  war  Seleukos  natürlich  nicht 
mehr  geneigt  auf  Kleinasien  zu  verzichten:  das  Zugeständniss  das 
ihm  die  Noth  abgerungen  hatte  nahm  er  jetzt  mit  den  Waffen 
zurück.  Der  Bruderkrieg  begann  von  neuem.  Von  neuem,  sage 
ich:  denn  Justin's  Darstellung  darf  nicht  zu  dem  Irrthum  verleiten, 
als  seien  die  Brüder  jetzt  zum  ersten  Male  einander  feindlich  gegen- 


1  Bei  dieser  Darstellung  habe  ich  der  Notiz  über  einen  Krieg 
des  Ptolemaios  gegen  Seleukos  die  sich  bei  Eusebios  in  die  Erzählung 
des  Bruderkrieges  verirrt  hat,  nichts  als  das  Datum  des  Entsatzes  von 
Orthosia  entnommen  und  dieses  noch  vor  die  Schlacht  bei  Ankyra  zu 
setzen  gewagt,  während  es  dort  derselben  folgt.  Ohne  für  unmöglich 
zu  halten,  dass  Ptolemaios  den  zehnjährigen  Frieden  gebrochen  habe 
—  BO  will  Köhler,  der  diesen  Zeitraum  zuletzt  behandelt  hat  (in  Sybel's 
'  Bist.  Ztschr.  1882  S.  1  ff.),  die  Schwierigkeit  lösen  —  kann  ich  unter 
dem  Zuge  von  dem  hier  die  Rede  ist  doch  nur  den  grossen  Eroberungs- 
zug des  Ptolemaios  verstehen.  Auch  Droysen  (III  1  S.  390)  hält  ihn 
nicht  für  einen  neuen  Einfall.  Aber  den  Entsatz  der  beiden  Städte 
setzt  er  nach  der  Schlacht  bei  Ankyra,  indem  er  so  den  lustin  preis- 
gibt, um  den  Eusebios  zu  retten ;  denn  lustin  erwähnt  den  Bruderkrieg 
und  die  Schlacht  bei  Ankyra,  wie  wir  sahen,  erst  nach  dem  Frieden, 
und  dieser  soll  doch  auch  nach  Droysen  erst  nach  dem  Entsatz  der 
Festangen  geechloesen  sein.  Indessen  scheint  mir  eine  Abweichung 
von  Eusebios'  Darstellung  in  diesem  Falle  weit  weniger  bedenklich  als 
die  Droysen's  von  der  Erzählung  des  Justin.  Koehler  hat  versucht 
beide  zu  halten.  Aber  wie  unwahrscheinlich  ist  seine  Yermuthung, 
dass  nach  Seleukos'  Sieg  in  Lydien  'die  Trümmer  des  geschlagenen 
Heeres  zunächst  nach  Osten  zu  ausgewichen  seien  und  Seleukos  ihnen 
gefolgt  sei'  (von  Lydien  bis  zum  Euphrat?)  und  am  Euphrat  Kalli- 
nikon  gegründet  habe!  wie  unwahrscheinlich,  dass  in  der  kurzen  Zeit 
zwischen  der  Gründung  von  Kallinikon  (242  s.  Droysen  III  1  S.  391) 
und  dem  Entsatz  von  Orthosia  (ebenfalls  242  oder  erste  Hälfte  241 
8.  Droysen  III  1  S.  398)  Antiochos  vom  Euphrat  nach  dem  nördlichen 
Kleinasien  zurückgegangen  sei,  sich  dort  mit  Mithradates  vereinigt, 
den  Seleukos  bei  Ankyra  besiegt  habe  und  endlich  dieser  nach  Syrien 
dem  Ptolemaios  entgegengezogen  sei!  Uebrigens  sprechen  —  um  nichts 
unerwähnt  zu  lassen  —  auch  die  Worte  des  sogenannten  Propheten 
Daniel  (XI  8)  gegen  Koehler's  Annahme  eines  Angriffs  auf  Syrien  wäh- 
rend des  zehnjährigen  Friedens  s.  Droysen  III  1  S.  396. 


224  Koepp 

übergetreten.  Der  Bmderkrieg  hatte  schon  früher  gewüthet,  und 
vermathlich  gehört  die  Altersangabe  des  Antiochos,  die  luetin 
hier  einschaltet,  jener  früheren  Zeit  an.  Antiochos  hatte  mit  den 
kleinasiatisohen  Städten  gemeinsame  Sache  gegen  Selenkoe  ge- 
macht. Er  war  ein  Bundesgenosse  des  Ptolemaios  geworden. 
Viele  Städte  hatten  auf  seiner  Seite  gestanden,  besondere  wichtig 
war  ihm  Sardeis  gewesen,  wo  sein  Oheim  Alexandres  befehligte. 
So  lange  Ptolemaios  in  Eleinasien  war,  behielt  natürlich  Antiochos 
die  Oberhand,  aber  als  jener  nach  dem  Osten  zog  und  dann  nach 
Aigypten  zurückkehrte,  wandte  sich  das  Kriegsglück.  In  Lydien 
unterlag  Antiochos  (in  zwei  Schlachten?).  Sardeis  freilich  konnte 
Seleukos  nicht  nehmen,  auch  nicht  Ephesos,  das  in  Ptolemaios' 
Besitz  war;  aber  eine  Stadt  nach  der  anderen  ging  freiwillig  zu 
ihm  über,  nicht  zum  wenigsten  yielleicht  aus  Furcht  vor  den 
Eeltenhorden  des  Antiochos.  Bald  hatte  Seleukos  —  trotz  des 
Sturmes  der  ihm  eine  Flotte  vernichtet  hatte  —  wieder  eine  ach- 
tunggebietende Macht  vereinigt  und  konnte  an  die  Wiedereroberong 
seiner  Stammlande  jenseits  des  Tauros  denken.  So  war  der  erste 
Bruderkrieg  verlaufen,  jetzt,  nachdem  der  Friede  mit  Aigypten 
zn  Stande  gekommen  war,  entbrannte  der  zweite. 

Seleukos  brachte  so  schnell  als  möglich  ein  neues  Heer  zu- 
sammen und  ging  über  den  Tauros.  Dem  Antiochos  war  es  mitt- 
lerweile gelungen,  den  König  von  Pontos  für  sich  zu  gewinnend 
Mit  diesem  mächtigen  Bundesgenossen  und  seinem  zahlreichen 
gallisohen  Söldnerheere  konnte  Antiochos  getrost  dem  Angriff  des 
Bruders  entgegensehen,  dessen  eilig  zusammengeraflFtes  Heer  nicht 
sehr  stark  gewesen  sein  wird.  Bis  hart  an  die  Grenze  des  pon- 
tischen  Reiches  drang  Seleukos  vor.  Da  aber,  bei  Ankyra,  kam 
es  zur  Schlacht^.     Seleukos  hatte,  der  früheren  Siege  eingedenk, 


*  Seleukos  hatte  dem  Mithradates  früher,  um  ihn  an  sein  Inter- 
esse zu  knüpfen,  seine  Schwester  Laodikc  zur  Ehe  und  Phrygien,  das 
freilich  erst  zu  gewinnen  war,  als  Mitgift  gegeben.  Jetzt  ward  die 
Tochter  dieser  Laodike,  gleichfalls  Laodike  mit  Namen,  dem  Antiochos 
verlobt  —  das  ist  Niebuhr's  Vermuthung  —  und,  da  sie  noch  ein  Kind 
war,  einstweilen  einem  Freunde  desselben,  dem  Logbasis  von  Selge  — 
gleichsam  als  Geissei  der  Bundestreue  des  Vaters   —  anvertraut. 

-  Bei  Porphyrios-Eusebios  heisst  es:  'Quum  uero  in  Kappadocia 
et  aduersus  Mithridatem  secundus  congressus  esset,  duae  myriades  eius 
a  barbaris  caesae  ipseque  occisus  periit*.  Ich  glaube  nicht,  dass  man 
aus  diesen  Worten  mit  Meyer  (S.  46)  schliessen  darf,  dass  Ankyra  da- 
mals zum  Königreich  Pontos  (Kappadokien  am  Pontos)  gehört  habe. 


IHe  Byrischen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier.  226 

den  Gegner  nnterschätzt.  Er  unterlag.  Zwanzigtausend  seines 
Heeres  fielen,  er  selbst  galt  eine  Zeit  lang  ftir  todt.  Doch  er 
entkam  über  den  Tauros,  nnd  während  der  Sieger  plündernd 
Phrygien  durchsog,  rüstete  er  in  Eilikien  ein  nenes  Heer.  An- 
tiochos  sandte  eine  Abtheilnng  seines  Heeres  gegen  ihn;  er  selbst 
zog  naob  dem  Westen  Eleinasiens.  Dort  entrann  er  nur  mit 
Mühe  der  Gefahr  die  ihm  die  Kelten,  bis  dahin  seine  treuen 
Söldner,  bereiteten.  Sie  glaubten,  sagt  Instin,  Seleukos  sei  ge- 
faUen  nnd  hofiten  noch  ungestörter  Asien  plündern  su  können, 
wenn  der  Stamm  der  Seleukiden  gänzlich  vernichtet  wäre.  An• 
tiochoe  wird  von  seinen  Trabanten,  so  lesen  wir  bei  Eusebios, 
den  Barbaren  ausgeliefert,  aber  er  entkommt  mit  wenigen  Beglei- 
tern nach  Magnesia  und  siegt  am  folgenden  Tage,  da  er  auch 
von  Ptolemaios  Unterstützung  erhält.  Kein  Zweifel  doch,  dass 
beide  Schriftsteller  hier  von  demselben  Ereigniss  sprechen:  auch 
hierin  liegt  ein  Beweis  dafür,  dass  der  Satz  der  bei  Eusebios 
voransgeht  und  diese  Flucht  nach  Magnesia  von  der  Schlacht  bei 
Ankyra  trennt  gar  nicht  hierher  gehört  (vergl.  S.  15,  1).  Droysen 
hätte  nicht  diese  Flucht  nach  Magnesia  mit  der  weit  späteren 
Flocht  zu  Ptolemaios  identificiren  sollen,  von  der  lustin  spricht 
(III  2  8.  14).  Wen  Antiochos,  von  aigyptischen  Truppen  unter- 
stützt, damals  besiegte,  wird  nicht  gesagt.  Aber  Seleukos  war 
ja  gar  nicht  in  der  Nähe.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die 
meuterischen  Kelten  Antiochos'  Gegner  waren.  Und  gegen  diese 
konnte  der  aigyptische  Befehlshaber  den  Antiochos  unterstützen, 
ohne  den  Frieden  mit  Seleukos  zu  brechen  ^.  Seit  Jahrzehnten 
wiiren  sie  der  Schrecken  Kleinasiens.  Bald  diesem  bald  jenem 
um  Sold  dienend  durchstreiften  sie  die  Landschaften  bis  zum 
Tauros.  Aber  furchtbarer  noch,  denn  als  Soldknechte  des  An- 
tiochos, mnssten  sie  erscheinen,  wenn  sie  auf  eigene  Faust  plün- 
dernd und  raubend  umherschweiften.  Was  fragten  sie  dann  nach 
der  Neutralität  des   aigyptischen   Königs    oder    einer    autonomen 


^  Man  nimmt  an,  dass  dieser  aigyptische  Befehlshaber  der  Com- 
mandant  von  Magnesia  war.  Es  wird  an  Magnesia  am  Maiandros  zu 
denken  sein.  Dieses  war  freilich  zu  der  Zeit  als  zwischen  Smyrna  und 
Magnesia  am  Sipylos  der  öfters  erwähnte  Vertrag  abgeschlossen  wurde 
wahrscheinlich  noch  autonom  (Droysen  III  1  S.  885);  es  müsste  noch 
vor  Absohluss  des  Waffenstillstandes  von  den  Aigyptem  eingenommen 
worden  sein.  Wahrscheinlich  ist  das  die  Eroberung  durch  Kallikra- 
tidas  Yon  Kyrene,  von  der  Polyaen  (U  27)  berichtet,  und  die  Droysen 
ohne  zureichenden  Grund  in  den  früheren  Krieg  setzt  (III  1  S.  320). 


226  Koepp 

griechischen  Stadt?  Für  sie  gah  es  kein  neutrales  Gebiet  auMer 
dem  yerwiieteten;  jeder  Besitzende  war  ihr  Feind.  Desshalb 
mussten  alle  Umwohnenden,  selbst  Seleukos'  Anhänger,  nicht  am 
wenigsten  die  Commandanten  der  reichen  Städte  die  noch  dem 
Aigypter  gehörten,  mit  Schrecken  von  Antiochos'  Bruch  mit  den 
Kelten  hören  und  gern  ihm  ihren  Beistand  leihen,  die  wilden 
Horden  zu  bändigen,  die  er  allein  nicht  im  Schach  sa  halten 
vermocht  hätte. 

Antiochos  besiegte  die  Eelt«n,  wenn  man  den  Porphyrios 
hört.  Aber  lustin  sagt:  ^uelut  a  praedonibns  auro  ee  redemit 
societatemque  cum  mercennariis  suis  iungit'.  Danach  werden  wir 
annehmen  müssen,  dass  Antiochos  die  Kelten  zuerst  mit  dem 
wider  Erwarten  schnell  zusammengerafften  Heere  einschüchterte, 
dann  aber,  um  ihre  Hilfe  zu  gewinnen,  ohne  die  er  gegen  Se- 
leukos nichts  vermochte,  ihre  Habgier  —  vielleicht,  wie  Koehler 
vermuthet  hat,  auch  durch  eine  Schenkung  von  Landbesitz  — 
befriedigen  musste.  Aber  Antiochos  begnügte  sich  nicht  damit, 
die  Kelten  wieder  für  sich  gewonnen  zu  haben;  er  sah  sich  noch 
nach  anderen  Bundesgenossen  um  und  knüpfte  vor  allem  mit  dem 
bithynischen  König  eine  Verbindung  an,  die  durch  seine  Ver- 
lobung mit  dessen  Tochter  besiegelt  wurden 

Aber  auch  ein  neuer  Gegner  erstand  dem  Antiochos  jetzt  in 
Attalos  von  Pergamon.  Porphyrios  läset  uns  hier  für  zehn  Jahre, 
von  der  V^ermählung  des  Antiochos  mit  der  Tochter  des  Ziaelas 
bis  zum  Jahre  229,  im  Stich.  Folgen  wir  dem  lustin,  so  sehen 
wir  zunächst,  bald  nach  der  Schlacht  bei  Ankyra,  also  etwa  im 
Jahre  239,  den  Attalos  Antiochos  und  die  Kelten  besiegen  und 
darauf  faet  ganz  Kleinasicn  erobern.     Es   drängt  sich    die  Frage 


*  Diesü  Verbindung  wäre  immöglicli  gewesen,  wenn  nicht  zwi- 
Rchcn  Mithradates  und  Antiochos  seit  der  Schlacht  bei  Ankyra  eine 
Entfremdung  eingetreten  gewesen  wäre;  sie  war  unmöglich,  ohne  dass 
die  Differenzen  vorschärft  worden  wären ;  denn  die  Interessen  des  Pontos 
und  Bithyniens  konnten  nicht  Hand  in  Hand  gehen.  Mithradates  wird 
seinen  Fried«*n  mit  Seleukos  gemacht  liabcn;  dass  er  geradezu  wieder 
dessen  Bundesgenosse  geworden  sei,  ist  nicht  unmöglich,  aber  es  findet 
sich  davon  nirgends  eine  Spur;  denn  das  Bündniss  des  Mithradates  mit 
Seleukos,  von  dem  w^r  wissen,  gehört,  wie  wir  sahen,  vor  das  mit  An- 
tiochos, nicht,  wie  Koehler  vermuthet  hat,  in  diese  Zeit.  Die  Laodike 
die  dem  Antiochos  verlobt  ward  kann  ja  auch  nur  die  Tochter  der 
syrischen  Laodike  gewesen  sein,  die  Seleukos  dem  König  von  Pontos 
zur  Ehe  gab. 


Die  syrischen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier.  227 

anf:  wo  war  zu  dieser  Zeit  Seleukos?  Warum  eilte  er  nicht  herhei, 
um,  mit  Attaloe  A'^erhunden,  Hache  zu  nehmen  für  die  Niederlage 
vorAnkyra?  Wir  haben  gesehen,  dass  ersieh  damals  nach  Eili- 
kien  flüchtete  und  dort  zu  einem  neuen  Feldzug  rüstete,  dass 
Antiochos  eine  Abtheilung  seines  Heeres  gegen  ihn  schickte, 
während  er  selbst  durch  Phrygien  nach  den  westlichen  Küsten- 
landschaften  zog.  Aber  von  Kämpfen  des  Seleukos  gegen  An- 
tiochos  hören  wir  nichts  mehr  bis  zu  der  Schlacht  in  Mesopotamien. 
ADdererseits  wissen  wir,  dass  Seleukos  einen  Zug  nach  dem  Osten 
unternommen  hat,  wo  auf  die  Kunde  von  der  Schlacht  bei  An- 
kjra  Arsakes  sich  des  Partherreiches  bemächtigt  hatte.  Man  hat 
diesen  Zug  meist  gleich  nach  dem  Abschluss  des  Friedens  mit 
Ptolemaios  und  des  Vertrags  mit  Antiochos,  der  jenen  Frieden 
herbeigeführt  haben  soll,  gesetzt,  da  ja  Seleukos  im  Rücken  ge- 
sichert sein  musste,  als  er  nach  dem  Osten  aufbrach.  Der  Bru- 
derkrieg musste  dann  entweder  erst  nach  Seleukos'  Rückkehr 
ausgebrochen  sein  oder  er  musste,  dem  Zengniss  des  Justin  ent- 
gegen, dem  Frieden  vorausgehen.  Der  ersteren  Ansicht  war 
Niebuhr,  der  so  die  Schlacht  bei  Ankyra  mindestens  bis  zum 
Jahr  237  hinabrückte  (Kleine  Schriften  I  S.  282f.);  den  zweiten 
Weg  schlugen  Droysen  (III  1  S.  396)  und  Müller  (F.  H.  Gr.  III 
S.  708)  ein;  Droysen  war  es  also,  nicht  Niebuhr,  wie  Koehler 
irrthömlich  sagt,  der  die  Umstellung  der  von  Justin  berichteten 
Ereignisse  zuerst  vorgenommen  hat  (S.  396  f.  Anmerkung  3). 
Diese  Umstellung  ist  zu  gewaltsam  als  dass  wir  sie  billigen 
könnten,  solange  irgend  ein  anderer  Weg  offen  steht.  Aber  auch 
Niebuhr  s  Annahme  ist  nicht«  weniger  als  wahrscheinlich.  Nach 
lustin's  Worten  scheint  es  überhaupt,  dass  der  Vertrag  mit  An- 
tiochos gar  nicht  zu  Stande  kam:  die  URterhandlungen  gentigten, 
den  Ptolemaios  zum  Frieden  zu  bewegen,  nach  dessen  Abschluss 
Seleukos  unmöglich  gesonnen  sein  konnte,  ein  Bündniss  mit  seinem 
Bruder  um  den  Preis  der  Verzichtleistung  auf  Kleinasien  zu  er- 
kaufen. Vielmehr  nahm  Seleukos  ohne  Zweifel  jetzt  das  vorher 
in  Aueeioht  gestellte  Zugeständniss  zurück,  und  gerade  darum 
brach  der  Bruderkrieg  von  neuem  aus.  Justin  spricht  von  Se- 
leukos' Zug  nach  dem  Osten  in  diesem  Zusammenhang  nicht,  wir 
müssen  denselben  daher  an  irgend  einer  Stelle  seiner  Erzählung 
einschalten.  Aber  doch  sicherlich  nicht  da  wo,  wie  hier,  ein 
enger  Zusammenhang  zu  sein  scheint,  sondern  da  wo  Seleukos 
vom  Schauplatz  des  Krieges  welchen  Justin  schildert  auf  einige 
Zeit  verschwindet,  das  ist  in   den  Jahren  nach  der  Schlacht  bei 


228  Koepp 

Ankyra,  während  des  Krieges  zwischen  Antiochos  and  Attalos« 
Ueberdiess  bezeugt  es  ja  luetin  (XLI  4,  7)  auedrücklich,  daes 
die  Niederlage  von  Ankyra  dem  Zag  nach  dem  Osten  yoraasging. 
Koehler  (a.  a.  0.  S.  7  f.)  hat  zaerst  diese  Ereignisse  richtig  ge- 
ordnet; er  vermathete,  dass  Verträge  mit  Attalos  and  Mithradatee 
den  Seleukos  im  Kücken  sicherstellten,  als  er  den  Zag  unternahm. 
Den  Vertrag  mit  Mithradates  haben  wir  einer  früheren  Zeit  zu- 
weisen müssen,  aber  Attalos  war  ohne  Zweifel  ßandesgenosee  des 
Seleakos  and  hat  vermathlich  den  grossen  Sieg  über  Antiochos 
and  die  Kelten  schon  erfochten,  als  Seleakos  noch  in  Kilikien 
stand.  Ungefähr  za  derselben  Zeit  da  Seleakos  bei  Ankyra 
unterlag  hatte  der  jange  Dynast  von  Pergamon  die  tolistoagiechen 
Galater  bei  den  Quellen  des  Kaikos  in  einer  grossen  Schlacht 
besiegt.  Seleakos  beeilte  sich,  mit  ihm  ein  Bündniss  gegen  An- 
tiochos za  schliessen,  and  bald  bewies  der  glänzende  Sieg  des 
Attalos  bei  dem  Aphroditeheiligthum  von  Pergamon,  dass  der 
Pergamener  auch  dem  Antiochos  und  seinen  Söldnersohaaren  völlig 
gewachsen  war.  Im  Osten  dagegen  war  des  Königs  Anwesenheit 
dringend  nothwendig.  So  brach  er  denn  nach  dem  oberen  Asien 
auf.  Er  wird  nicht  versäumt  haben,  die  Pässe  des  Tauros  zu 
besetzen  und  starke  Garnisonen  in  die  Städte  Kilikiens  und  der 
Seleukis  zu  legen;  seine  Hauptmacht  aber  führte  er  gegen  Ar- 
sakes.  Doch  auch  auf  diesem  Kriegschauplatz  war  ihm  das  Glück 
nicht  hold.  Der  Parther  erfocht  einen  glänzenden  Sieg,  und  be- 
vor Seleukos  die  Scharte  hätte  auswetzen  können,  rief  ihn  der 
Aufstand  den  Stratonike  erregt  hatte  nach  der  Seleukis  zurück. 
Unterdessen  rechtfertigte  Attalos  glänzend  das  Vertrauen  des 
Seleukos.  Seinen  ersten  Sieg  erfocht  er,  wie  wir  sahen,  vor  den 
Mauern  von  Pergamon ;  als  der  Bruderkrieg  von  neuem  entbrannte 
stand  Antiochos  in  Mesopotamien.  Aus  Kleinasien  vertrieben  suchte 
er,  im  Einverständniss  mit  Stratonike,  den  Bruder  in  seinen  Stamm- 
landen zu  beunruhigen.  In  Kleinasien  aber  gebot  bis  zum  Tauros 
Attalos.  Von  den  Schlachten  und  Siegen  durch  die  so  im  Zeit- 
raum von  wenigen  Jahren  aus  dem  kleinen  Dynasten  von  Perga- 
mon der  König  von  Asien  wurde  soll  hier  nicht  die  Rede  sein; 
ich  will  nur  die  Darstellung  des  Bruderkrieges  in  der  Kürze  zu 
Ende  führen.  Ich  zweifle  nicht,  dass  Antiochos  an  der  Ver- 
schwörung der  Stratonike  theilgenommen  hat  (Droysen  III  2  S.  7 
und  S.  12  f.);  ihm  niusste,  wenn  die  Sache  glückte,  der  Haupt- 
gewinn zufallen.  Aber  Seleukos  eilte  herbei.  Der  Aufstand 
ward   niedergeworfen.     Stratonike    büsste    ihre   Bänke    mit    dem 


Die  eyriaohen  Kriege  der  ersten  Ptolemaier.  229 

Tode;  Antiochos,  der,  venuutlilich  durch  Eappadokien,  herange- 
zogen war,  um  dem  Seleukoe  den  Weg  zu  verlegen,  wurde  in 
Mesopotamien  geschlagen  und  floh  nach  Armenien.  Noch  einmal 
lächelt«  ihm  hier  das  Glück:  er  besiegte  die  Feldherren  des  Se- 
leukos  durch  eine  Kriegslist.  Aber  bald  musste  er,  von  neuem 
geschlagen,  nach  Eappadokien  fliehen.  Bei  Ariamenes  war  er  nicht 
sicher.     Wieder  suchte  er  sein  Heil  in  der  Flucht. 

So  weit  kann  ich  mich  der  Darstellung  Droysen's  anschliessen ; 
nicht  so  im  Folgenden.  lustin  wie  der  Prolog  lassen  unmittelbar 
auf  die  Flucht  ,aus  Eappadokien  die  weitere  Flucht  zum  Ptolemaios 
und  wieder  von  diesem  hinweg,  endlich  den  Tod  desAntiochos  folgen. 
Nach*  Porphyrios,  dessen  Frzählang  hier  wieder  einsetzt,  gehen 
dem  Tode  des  Antiochos  im  Jahr  229  noch  verschiedene  Schlachten 
voraus.  Bei  lustin  müssen  also  Ereignisse  die  mehrere  Jahre 
aasein  anderliegen  nahe  zusammengerückt  worden  sein.  Droysen 
hat  lustin's  Bericht  von  Antiochos'  Flucht  zu  Ptolemaios  ausein- 
andergerissen. ^Igitur  cum  profugo  nusquam  tutus  locus  esset, 
ad  Ptolemaeum  hostem,  cuius  iidem  tutiorem  quam  fratris  existi- 
mabat,  decurrit;  memor  uel  quae  facturus  fratri  esset  uel  quae 
memisset  a  fratre^:  das  soll  die  Flucht  nach  Magnesia  sein  von 
der  oben  die  Rede  gewesen  ist.  *Sed  Ptolemaeus  non  amicior 
deuicto  (al.  dedito)  quam  hosti  factus  adseruari  cum  artissima 
custodia  iubet*:  das  soll  auf  eine  zweite  Flucht  zu  Ptolemaios 
gehen.  Zwischen  jenem  *  fratre*  und  diesem  ^sed*  soll  lustin  einen 
Zeitraum  von  mehreren  Jahren  übersprungen  haben.  Das  heisst 
doch  den  lustin  etwas  zu  schlecht  behandeln.  Als  Antiochos 
nach  Magnesia  floh,  war  Ptolemaios  nicht  sein  Feind:  nach 
Droysen  müsste  er  heute  sein  Feind  gewesen  sein  und  morgen 
ihm  geholfen  haben,  den  Seleukos  besiegen.  Das  bedarf  keiner 
Widerlegung.  Allerdings  hat  lustin  die  Ereignisse  mehrerer 
Jahre  ungebührlich  zusammengezogen;  aber  wir  müssen  davon 
ausgehen,  dass  die  von  lustin  und  dem  Prolog  erwähnte  Flucht 
zu  den  Aigyptem  das  letzte  Ereigniss  in  Antiochos'  Leben,  der 
letzte  Schritt  der  Verzweiflung  gewesen  ist.  Die  Schlachten  von 
denen  Porphyrios  berichtet  müssen  also  vor  diese  Flucht  gesetzt 
werden.  Zwischen  der  Flucht  aus  Eappadokien  und  der  zu  Pto- 
lemaios liegt  die  Zeit  welche  lustin  übersprungen  hat.  Antiochos 
floh,  als  er  in  Eappadokien  sein  Leben  gefährdet  sah,  natürlich 
nicht  nach  dem  Süden  oder  Osten  —  dort  wäre  er  ja  seinem 
Bruder  in  die  Hände  gefallen  —  sondern  gen  Westen,  wahr- 
scheinlich zu  seinen  alten  Eampfgenossen,   den  Gralatern.     Seien• 


2S0  Koepp  Die  syrischen  Kriege  der  ersten  iHolemaier. 

kos  folgte  ihm  nicht.  Er  musste  eineehen,  dass  sein  Erscheinen 
jenseits  des  Tauros  den  Attalos,  der  sich  als  Herr  von  Kleinaeien 
fühlte,  veranlassen  würde,  mit  Antiochos  gemeinsame  Sache  za 
machen,  und  einer  Coalition  dieser  heiden  war  er  nicht  gewachsen. 
Auch  mochte  die  Gegenwart  des  Königs  in  der  kaum  beruhigten 
Seleukis  noch  noth wendig  sein.  Kurz  Seleukos  tiberlieRS  den 
Antiochos  wieder  dem  Attalos,  von  dem  er  erwarten  konnte,  dass 
er  die  einst  syrischen  Satrapien  wie  sein  Eigenthum  vertheidigen 
würde.  War  erst  Antiochos  einmal  ganz  beseitigt,  dann  musste 
auch  die  Gelegenheit  kommen,  mit  Attalos  abzurechnen.  Dem 
Antiochos  gelang  es  wohl  noch  einmal  die  Galater  zu  einem 
Bündniss  zu  bereden.  Von  neuem  führte  er  sie  nach  den  reichen 
Landschaften  des  Westens,  von  neuem  begann  der  Krieg  gegen 
Attalos^.  Die  paar  Worte  des  Porphyrios  sind  der  einzige  Be- 
richt den  wir  von  diesen  Kämpfen  haben  ^.  Antiochos  unterlag 
erst  in  Lydien,  dann  in  Karlen.  Endlich  musste  er  nach  Thrakien 
zu  Ptolemaios  fliehen.  Der  zehnjährige  Waffenstillstand  war 
mittlerweile  abgelaufen,  aber  Ptolemaios  hatte  wohl  mit  Seleukos 
einen  definitiven  Frieden  geschlossen.  Antiochos  mochte  sich  auf 
seine  alten  Verbindungen  mit  dem  Aigypter  verlassen.  Wider 
Erwarten  wurde  er  in  Haft  genommen.  Noch  einmal  entfloh  er. 
Aber  auf  der  Flucht  ward  er  von  Räubern  erschlagen  und  be- 
schloss  so  als  Abenteurer  sein  abenteuerliches  Leben. 

Biebrich  am  Khein.  Friedrich  Koepp. 

^  Absichtlich  gebe  ich  auf  diese  letzten  Kämpfe  des  Antiochos, 
in  denen  Attalos  wieder  in  den  Vordergrund  tritt,  wie  früher  auf  den 
grossen  Krieg  des  Attalos  gegen  Antiochos,  hier  nicht  näher  ein. 
Eine  Darstellung  dieser  Kämpfe,  die  fast  nur  auf  die  Pergamenischen 
Schlachteninschriften  sich  gründen  kann,  ist  jetzt  noch  nicht  wohl 
möglich. 

^  'Attamcn  CXXXVIl  olompiadis  anno  quarto  bellum  in  Lidiorum 
terra  bis  aggressus  debcllatus  est  et  e  regione  Koloae  cum  Attalo  prae- 
lium  committebat  et  anno  primo  CXXXVIII  olompiadis.  in  Thrakiam 
fugere  ab  Attalo  coactus  post  praelium  in  Karia  factum,  moritur'  — 
'Antiochos  wurde  in  Lydien  zweimal  angreifend  bewältigt*  übersetzt 
Droysen  (III  2  S.  16).  Aber  es  ist  doch  wohl  zu  übersetzen:  'zweimal 
zum  Kriege  schreitend' ,  ja  ich  mochte  vermutben,  dass  dieses  sonder- 
bare 'bis*  durch  Missverständuiss  des  armenischen  üebersetzers  ent- 
standen ist,  und  dass  im  griechischen  Original  vielmehr  stand  τό  6€ύ- 
T€pov  πόλεμον  αΐρόμενος  oder  ähnlich.  Und  vielleicht  handelt  es  sich 
überhaupt  nur  um  eine  einzige  Schlacht;  denn  der  See  Koloe  lag  in 
Lydien,  unweit  Sardeis  (Strabon  XIll  p.  b2(>).  Die  Stadt  Attaleia  am 
Hermos  könnte  Attalos  an  der  Stätte  gegründet  haben,  wo  der  Sieg 
erfochten  worden  w^ar.  Ist  das  richtig,  so  sind  wir  der  Frage  über- 
hoben, wen  wohl  Antiochos  in  Lydien  könne 'angegrififen'  haben.  Es 
konnte  auch  nur  Attalos  gewesen  sein.  War  es  doch  unwahrscheinlich, 
dass  Antiochos  in  demselben  Jahr  und  in  demselben  Lydien  erst  zwei- 
mal von  den  Aigyptern  und  dann  noch  von  Attalos  geschlagen  worden 
sei,  wie  Droysen  angenommen  hat.  Noch  andere  Erwägungen  machen 
es  unwahrscheinlich,  dass  Antiochos  gegen  Ptolemaios  Krieg  geführt 
habe. 


Zur  Textkritik  der  Sckoliasten  ciceronisclier  Reden. 


I. 

Im  27.  Bande  dieser  Zeitschrift,  S.  420  ff.,  gab  Leo  Ziegler 
eine   kurze  Zusammenstellung  der  wichtigsten   Resultate,   welche 
eine    auf  K.  Halm's    Anregung    unternommene    Neuvergleichung 
der  Palimpsestfragmente  der  Bobienser  Scholien  zu  ciceronischen 
Seden  zu  Tage  gefördert.     Erweitert  und  vervollständigt  wurde 
^ieee  Arbeit  durch  das  dem  gleichen  Zweck  gewidmete  Programm 
1872/3  des  Maximiiiansgymnasiums  in  München.     Beide  Publika- 
'tionen  Ziegler's  haben  für  den  Bobienser  Scholiasten,  mit  dem  nach 
IHalm's    1845    begonnenen    Spezialausgaben    ciceronischer   Reden 
«r  zuerst  und  allein  sich  eingehend  beschäftigte,  dauernden  Werth : 
^or  Allem   ward  dadurch  der  Unsicherheit  und    dem  Schwanken 
«in  Ende   gemacht,  das  Betreff  mehrfacher  Codexlesungen  in  A. 
l[ai*8  Mailänder  (1817)  und  desselben  Römischer  Ausgabe  (1828) 
einerseits  und  dem  Züricher  Text  (1833)  andererseits  bestand.   Als- 
dann   wurden   die  von  Mai  gar   nicht    oder  ganz   allgemein    an- 
gegebenen Lücken  für  griechische  Ausdrücke   genauer  bestimmt, 
viele  Lesungen  des  ersten  Vergleichers  berichtigt,  augeblich  vor- 
handene als  fehlend,  fehlende  als  vorhanden  erwiesen ;  manche  ver- 
derbte oder  lückenhafte  Stelle  sicher  wiederhergestellt  und  ergänzt. 
Wenn,  sonach  der  Schreiber  dieses,    als  er  den  Plan   einer 
den  Historikern  und  Juristen  wohl  nicht  minder  als  den  Fachge- 
noseen  erwünschten  handlichen  Neubearbeitung  der  Erklärer  tullia- 
nisclier  Reden  mit  Ausnahme  des  Asconius  ins  Auge  fasste,  '  eine 
jener  unnützen  Neuvergleichungen'  des  Palimpsestes  vornahm,  so 
mussten  für  ihn,  zumal  er  durch  Ziegler's  Liberalität  Monate  lang 
dessen  Kollation  in  Händen  hatte,  besonders  triftige  Gründe  vor- 
liegen.    Und  diese  lagen  in  der  That  vor:  denn  ein  Mal  stimme 


282  Stangl 

ich  dem  Urtheil  reiferer  Textkritiker  darin  bei,  dass  man  bei  einer 
Haudscbrift  dieses  Alters  (etwa  6.  Jhrb.)  und  Werthes  nicht  blos 
die  Seiten-  und  Colamnen-,  sondern  auch  die  Zeilenschltteee  wo 
nicht  im  Text  selbst,  was  ich  vorziehe,  so  doch  im  kritischen 
Apparat  anzugeben  habe,  da  so,  gerade  bei  dieser  ebenso  alten 
als  verderbten  Handschrift,  sich  sehr  viele  Yerderbnisse  leicht 
erklären  und  für  Ergänzungen  nicht  selten  ein  sicherer  ftneserer 
Massstab  gewonnen  ist.  Demnach  mussten  jedenfalls  die  85 
Mailänder  Seiten,  bei  denen  Ziegler  blos  vereinzelt  den  Zeilenschlnss 
angemerkt  und  die  er  überhaupt  einer  wiederholten  Durchsicht 
für  bedürftig  erachtet  hatte,  neu  vorgenommen  werden.  Aber 
auch  die  verlässige  Ergänzung  der  in  der  ganzen  Handschrift 
massenhaft  fehlenden  oder  verblichenen  griechischen  Ausdrücke 
schien  blos  möglich,  wenn  ein  völlig  objektives  Mass  für  ihren 
Umfang  durchweg  angegeben  sei.  Dies  finde  ich  aber  mehr 
in  der  Bestimmung  der  Lücken  nach  Centimetem  als  in  jener 
nach  Buchstaben,  wie  sie  Ziegler  durchführte,  da  beispielsweise 
ein  CO  unseres  Palimpsestes  leicht  den  Raum  von  drei  bis  vier 
einstrichigen  Buchstaben  einnimmt.  Durch  die  Beigabe  von  ein 
paar  das  ganze  Alphabet  darstellenden  photographischen  Schrift- 
proben wird  ein  drittes  Hülfsmittel  geschaifen,  das  im  Znsammen- 
halt mit  den  genannten  die  Textverbesserung  unverkennbar  zu 
fördern  geeignet  ist. 

Doch  das  sind  Schmerzen,  mit  denen  der  Herausgeber  sehen 
mag  wie  er  fertig  wird.  Hier  sollen  an  der  Hand  der  Orellischen 
Ausgabe  (M.  T.  C.  opp.  Turici.  1833.  vol.  V.  pars  II)  die  Ergeb- 
nisse niedergelegt  werden,  welche  1.  die  Neuvergleichung  der 
Mailänder  Fragmente,  2.  textkritische  Studien  zu  den  gesammten 
Bobienser  Scholien,  3.  Neuvergleichungen  und  Untersuchungen 
über  die  sonstigen  italienischen  Reden kommentare  ergeben  haben. 


259,  13  .  .  .  haberet.  Et  id  tempus  ergo  Laterensis  deno- 
taverat  invidiosum  Plancio  esse  debuisse  quo  minus  fieret  aedilis 
.  .  .  geben  die  früheren  CoUationen.  Das  an  sich  überflüssige 
Et  kennt  der  Codex  nicht. 

262,  15.  Periculosius  aliquantum  fuerat  evectus,  ut~^hoc 
ilicendo,  'voluisti  Plancium,  Laterensis,  aput  inimicos  iudices  ac- 
eusari,  oiTenderet  animos  eorum  qui  erant  de  causa  pronuntiaturi. 
So  Ziegler  mit  den  Ausgaben.  Die  Handschrift  zeigt  zwischen 
ut  und  hoc  ein  IT  mit  Raum  für  einen  dritten,  mir  unleserlichen 


Zar  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  2^3 

Bachetaben.     Die  Stelle  ist   wohl    zu  lesen :  .  .  ,  lU,  üa  hoc  di- 
cendo  •  •  • 

265,  36.  Nota  gratificationem  molestam  et  cum  magnie  ama- 
ntadinis  aculeis  interpoeitam.  Dicens  namqne  non  aliter  ad  ho- 
noree  adipisoendos  perventurum  esse  Laterensem  quem  Tulliue 
ipee  pervenerit  ua'\de  [folgt  eine  Zeile  und  drei  Buchstaben  leerer 
Raum]  subiunxit  testificando,  se  non  generis  nobilitate,  sed  virtute 
ad  omnis  magistratus  pervenieee  .  .  .  Von  Mai  schon  wurde  quem 
als  quam  hergestellt,  das  Wort  nach  pervenerit,  das  mit  Sicherheit 
als  ualde  (vgl.  360,  15)  zu  ergänzen  ist,  von  Ziegler  mit  ..a|de 
angedeutet.     Dasselbe  steckt  in  unde   267,  24. 

266,  27.  Accedit  hoc  etiam  quod  ...  die  Handschrift  hat 
klar  huc.  Vgl.  329,  30. 

267,  16.  Suifecerat  enim  de  ea  oratione  dixisse  qua  vel  se- 
natoi  vel  populo  gratias  egit.  Nunc  autem  et  de  versibus  suis 
facere  mentionem  videtur,  quos  intempestivum  sit  in  iudiciali 
disseriatione  recitare.  Non  potuit  tamen  in  totum  de  is  tacere.  Nam 
de  consulatu  suo  scripsit  poetico  metro^  quae  mihi  videntur  opera 
minus  digna  talis  viri  nomine.  Statt  dissertatione  hat  die  Hand- 
schrift disceptationcy  wie  287,  3.  349,  20.  354,  12.  Statt  is,  das 
eine  dem  Scholiasten  fremde  Contractionsweise  ist,  stelle  man  eis 
her  durch Dittographie  des  nächstvorhergehenden  Buchstabens.  Nach 
eoneolatu  erkenne  ich  in  dem  ganz  verdunkelten  Zeilenschluss 
auf  einem  Raum  für  drei  Buchstaben  in  der  Mitte  sicher  ein  d, 
unsicher  als  vorhergehenden  bez.  folgenden  Buchstaben  ein  i  bez.  e. 
Ich  vermuthe  ide,  das,  wie  235,  31.  239,  11.  279,  10.  284,  30. 
288,  8.  11.  302,  3.  312,  9.  351,  7.  u.  s.  w.  zeigen,  bei  unserm 
Scholiasten,  in  der  Weise  der  späteren  Latinität,  zu  is  entwerthet 
ist  and  häufig  auch  ohne  Subjekts  Wechsel  überflüssiger  Weise 
gesetzt  wird,  üeber  die  künstliche  Stellungsweise,  in  der  oft 
Cicero  nachgeahmt  wird,  vgl.  264,  24—26.  265,  4-5.  292,  1. 
307,  18.  308,  17.  Endlich  ist  more  statt  metro  herzustellen, 
gegen  den  Codex. 

331, 1.  Quibus  minacissimis  illius  vocibus  vehemefUer  et  acer- 
rimo  spiritu  hac  oratione  Cicero  respondit,  f  duorum,  tarn  ipsius 
quam  Curionis.  Statt  vehementer  hat  der  Palimpsest,  wie  schon 
Ziegler  als  wahrscheinlich  bezeichnete,  bestimmt  veJiementi;  und 
das  ist  ganz  richtig  bei  unserm  Scholiasten,  für  den  der  Superlativ 
bereite  nicht  mehr  schwerer  wiegt  als  der  entsprechende  Positiv. 
Vgl.  343,  8  iaotanti  et  insolentissimo.  343,  1.  294,  27.  253,  29. 
251,   23.    235,   29.   u.  β.  w.     Ferner    hat    die   Handschrift    nicht 

Bhefn.  Mus.  f.  PbiloL  N.  F.  XXXIX.  15 


234  Stangrl 

illius,  Bondem  am  Sohlnee  der  Zeile  IGT,  am  Anfang  der  nficheten 
CITVS.  Damacli  veminthe  ich  eacitus  als  arsprüngliclie  Leenog, 
deren  Richtung  hereits  Schütz  mit  seinem  territus  erkannte. 
Vor  dnomm  schob  Mai  ein  orationibns  ein;  Orelli  hielt  daomm 
selbst  für  verderbt.  Das  letztere  ist  jedenfalls  nicht  richtig,  da 
in  unseren  Scholien  ambo,  dno  und  nterqne,  wie  356,  27.  299,  16. 
246,  8.  bez.  324,  35.  351,  7.  bez.  365,  12.  316,  5  n.  a.  St.  zeigen, 
gleichbedeutend  sind,  so  dass  es  361,  13  heisst:  dissimilitndinem 
duorum,  P.  Syllae  et  Antronii,  prosequitur.  Vielmehr  ist,  wie 
nicht  blos  ein  Mal  (vgl.  unten  zu  239,  22),  eine  Colnmnenselle  aus- 
gefallen, deren  Umfang,  wie  jener  der  umgebenden,  15 — 18  Buch- 
staben beträgt  und  deren  Sinn  in  folgenden  Stellen  der  gleichen 
Eede  gegeben  ist:  329,  18  quoniam  habuerant  in  senatu  quandam 
iurgiosam  decertationem,  visum  Ciceroni  est  hanc  orationem  conscri- 
bere  plenam  sine  dubio  et  asperitatis  et  facetiarum,  quüms  mores 
utriusque  proscindit  et  de  singulorum  vitiis  quam  potest  acerbissime 
loquitur.  Darnach  ist  es  gerechtfertigt,  das  f  durch  einen  Ααβ- 
druck  wie  perstringendo  (dilacerando)  mores  zu  ersetzen. 

331,  8.  Hoc  enim  testificando,  se  omni  et  humanitate  et 
patientia  P.  Clodio  pepercisse,  sine  dubio  confirmat  veritatem  sni 
testimonii,  ut  omnia  de  illo  cum  fide  dixerit,  cui  per  illud  tempus 
reatus  parcendum  putaverit.  Schon  Ziegler  bemerkte,  dass  nach 
patientia  vor  dem  Zeilenschluss  noch  Raum  für  3 — 4  Buchstaben 
sei,  deren  zweiter  ein  e  scheine.  Ich  erkannte  den  dritten  als 
0,  einen  vierten  als  nie  vorhanden  und  nehme  rückhaltlos  das 
in  seiner  Collation  als  Yermuthung  angemerkte  reo  als  primäre 
Schreibung  an.  Nach  pepercisse  notirte  derselbe  zuerst  einen 
freien  Raum  von  2 — 3  Buchstaben,  in  dem  ich  GTIA  (also  GTIA, 
weil  am  Zeilenende)  lese. 

333,  1.  Ut  incestum  significaret,  mediam  suspendit  elocu- 
tionem  geben  die  Ausgaben,  medie  suspendit,  das  mein  Kamerad 
Ernst  KnoU  richtig  conicirt  hatte,  stellte  sich  nachträglich  als 
Lesung  des  Palimpsestes  heraus,  indem  ein  Punkt  in  der  Mitte 
des  ersten  s  dieses  als  Dittographie  bezeichnet.  Uebrigens  vgl. 
338,  10  Notemus  verborum  medietates  elegantissime  ab  oratore 
suspendi.  258,  1  und  Ambros.  in  Luc.  8,  17  §  34;  zur  Expun- 
girung  von  erster  Hand  s,  345,  5  (re).  256,  15.  (ee)  u.  s.  w. 

335,  13.  C.  Curionem,  qui  de  proscriptione  Syllana  fundum 
emerat  in  Campania,  qui  Marti  nuper  fuerat  et  ipsius  Arpinatis. 
Der  Codex  gibt  qui  C  Marii;  vgl.  335,  16. 

341,  8.   Q.  Metellus   Scipio   et  Hypsaeus.     Nach   Scipio  ist 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Heden.  235 

in  der  Handschrift  vor  Zeilenecblnss  ein  ehedem  beschriebener 
Baum  von  6  Buchstaben,  von  denen  blos  der  vorletzte  unzweifel- 
haft als  d  erkannt  wird.  Da  nun  die  folgende  Zeile  nicht  mit 
et  H.,  sondern  mit  cus  et  H.  beginnt,  so  ist  Scipio  ^^umtdicus 
herznstellen,  ein  Beiname  der  bei  der  erstmaligen  Nennung  des 
Mannes  in  dieser  Rede,  zum  Unterschied  von  Nepos  (294,  9)  und 
Celer  (308,  17),  wohl  am  Platz  ist. 

341,  27.  contradixit  eine  insectationi  M.  Cicero,  qui  famili- 
aritate  praecipua  Milonem  düigehat  ob  id  maxime  meritum  quod 
restitutionem  suae  dignitatis  ab  eodem  tribuno  pl.  meminerat  adiu- 
tarn.  Die  handschriftliche  Lesung  ist,  die  nicht  erkennbaren 
Buchstaben  durch  Punkte  bezeichnet,  folgende:  Milonem  .ol.e.a.ac 
obiduelmaxime.  Lesen  wir  also:  Milonem  coluerat  ac  ob  id  vel 
maxime  meritum.  Das  vel  maxime,  ganz  klar  sichtbar,  wird 
sonst  vom  Scholiasten  noch  zehn  Mal  gebraucht. 

343,  15.  Hoc  enim  ita  superiectum  est.  Nach  hoc,  am  finde 
der  Zeile,  sind  zwei  Buchstaben  ganz  verdunkelt,  wahrscheinlich 
et,  also  eienim,  wie  338,  29. 

345,  18.  Quod  pertinet  ad  reos,  illud  est:  inutiliter  loquens 
adfert  illis  periculum  damnationis.  Qtiod  autem  refertur  ad  iudices, 
hie  intellegere  debemus.  —  Statt  des  zweiten  quod  ist  im  Codex 
am  Ende  der  Zeile  quoni.,  d.  h.  quonm  zu  lesen. 

346, 8.  Comminatur  et  denuntiat  se  actionibus  eins  adversarium 
futurum  nee  in  legationem  cum  Pompeio  discessurum.  Laturus 
autem  de  suifragio  libertinorum  P.  Clodius  legem  videbatur,  ut  et 
istarum  in  censum  aequaliter  perveniret.  neq.  statt  nee  und  nt 
als  die  Endbuchstaben  des  Schlussverbum  sah  schon  Ziegler 
nchtig;  nicht,  dass  in  der  Handschrift  et  se  denuntiat  und  ebenso 
Uar  ipsi  tum  steht.  Damach  ist  der  Schluss  zu  lesen:  ut  et 
ipei  tum  in  censum  aequaliter  pervenirent. 

346,  23.  lautet  das  Lemma  nicht  Iterum  a  piratis  redemptum. 
Quo  enim  nomine  appellem    eos,    qui    te    pretio    accepto    libera- 
^erant.,  sondern  Et  iterum  .  .  .  praetio  reum  accepto  ..  .  .,   wo- 
nach Orelli*  V  951,  41  zu  berichtigen  ist.     Vgl.  den  Commentar 
4aza:  accepta  peounia  reum  de  incesto  absolverant. 

347,  14.  Statt  C.  Gracchi  et  Satumini  exempla  intulerat  bietet 
4er  Palimpsest  .  .  et  X.  ScUurnini  .  . 

353,  1 — 4  liest  man  bei  Orelli:  Pro  A.  Licinio  Archia  | 
Xncipit  feliciter.  |  Argumentum,  j  A.  Licinius  Archiae  (diese  Worte 
^la  ergänzt  bezeichnet)  se  studiis  poeticis  dedidit,  in  vier  fast 
^anz  verblichenen  Columnenzeilen  folgende  Textspuren :  . .  o. .  ci η . • 


236  Stangl 

a.c.a.  .|  etaal.c.niu.arcliia8|a..ea...o...aoriiindii8|8e  stadiis 
p.  d.  Demgemäes  stellt  sich  der  Kopf  des  Commentare  fest  mit  : 
Pro  A.  Licinio  Archia  poeta.  A.  Licinius  Arohiae,  urbe  Antiackia 
oriundus,  ee  studiis  p.  d. 

354,  2 — 4  ist  neqae  tabulie  —  neqne  bona  mit  der  Hand- 
schrift zu  schreiben. 

354,  21  praeloquitur  a  modo  praesentis  causae  non  abhor- 
rere.  Von  meinen  Vorgängern  wurde  ide,  das  nach  praeloquitur 
vor  ZeilenschluBS  steht,  übersehen.  lieber  die  Bedeutung  des 
Wortes  s.  unter  267,  16. 

355,  15.  eleganter  utrique  Archiam  placere  potuisse  in  hac 
parte  narrationis  ostendit,  quia  praestiterat  C.  Marius  eas  res, 
quae  satis  uberem  materiam  scribentibus  darent;  Catulus  autem  et 
rebus  gerendis  iloruerat  et  habilis  auditor  erat.  Dreierlei  ist  hier 
zu  berichtigen:  C  vor  Marius  ist  dem  Codex  mit  Recht  fremd, 
nicht  fremd  eins  zwischen  auditor  und  erat;  zuletzt  ist  prcubuü 
statt  praestiterat  za  lesen,  da  im  Palimpsest  nach  prae  einzig  für 
4  Buchstaben  Kaum  ist,  deren  zwei  letzte  einstrichig,  der  drittletzte 
zweistrichig  in  die  Höhe  gehen,  während  den  ersten  ein  fast  gleich 
breiter  wie  hoher  Dintenfleck  bezeichnet. 

355,  22.  Hie  Metellum  exulantem  cum  Pompilio  .  .  .  e  con- 

fec liess  Orelli   drucken.     In  der  ganz  erloschenen  Zeile 

erkannte  Ziegler  zuerst  .  .  pote,  d.  h.  nepote  als  das  Wort,  wel- 
ches Pompilio  folgt;  ich  füge  cö|.ere.at,  also  conferebaf,  nach 
dem  Codex  hinzu. 

355,  25.  ut  historia  de  illis  habet.  Nach  habet  lese  ich  .  . 
ad  .  tum,  d.  h.  fradUum ;  und  nach  ut  klar  ein  et,  das  ebenfalle 
seine  Berechtigung  hat.  Vgl.  336,  21  ita  se  et  in  historia  tem- 
poris  huius  commemoratio  habet. 

355,  27.  Ambo  Cinnana  dominatione  proscripti  sunt.  Zwi- 
schen dem  ersten  Buchstaben  unseres  Scliolion  und  dem  let-zten 
des  dazu  gehörigen  Lemma  steht,  von  erster  Hand  über  der 
Linie  nachgetragen,  ei ;  im  Text,  als  letztes  Wort  des  Satzes,  odiose. 

356,  7.  Hie  nobilissimus  tribunus  pl.  fuit  et  defensor  senatus 
contra  plebeni.  et  wurde  bislang  von  den  Collationatoren  nicht 
beachtet. 

356,  23.  Id  quod  derivat  in  aliam  causam,  qua  effectum 
sit,  ne  exhiberi  verae  possent,  id  est  propter  incendium,  quod  eve- 
nerat  hello  sociali.  Im  Gegensatz  zu  den  Früheren  lese  ich  hier, 
den  Palimpsest  wiederholt  vornehmend,  nicht  exhiberit  uerae, 
sondern  exhiberi  li.terae,  also  exhiberi  liiferae.     Ziegler's  sinnige 


Zur  Textkritik  der  Scholi asten  cicerooiecher  Reden.  237 

Konjektur  cerae,  die  damit  iUllt,  ist  deesbalb  schon  nicht  wahr- 
Bcbeinlich,  weil  Cicero  eelbet  dae  Gemeindearcbiv  der  Herakleeneer 
durcbKcbend  mit  tabnlae  bezeichnet  und  weil,  wie  jeder  Commen- 
tator,  80  beeonders  der  unserige  den  bekannten  Ausdruck  nie  durch 
den  selteneren  ersetzt 

358,  4.  Sepulchrum  fuisse  tradiium  extra  portam  Capenam. 
Da  unser  Scholiast  nur  traditur  (fertur,  proditur)  oder  traditum 
(proditum)  est  schreibt  (242,  7.  267,  10.  288,  17.  298,  7.  299,  5- 
8.  310,  27.  316,  13.  329,  23.  344,  14),  so  ist  das  handschrift- 
liche traditu  (so  am  Zeilenende),  selbst  wenn  es  in  dieser  Zeit 
paläographisch  unzulässig  scheinen  sollte,  als  traditur  aufzulösen. 
Bei  Cic.  pro  Arch.  22  beisst  es  putatur. 

358,  7.  De  Cn.  Pompeio  dici  manifestum  est,  est,  das  den 
Vorgängern  entging,  fehlt  bei  dieser  Phrase  in  unsem  Schollen 
nie.     Vgl.  306,  13.  317,  2.  318,  19.  363,  6. 

358,  1 2.  L.  Syllam  praeter  ceteros  Archiae  daturum  civitatem 
ßomanam  fuisse  poetae  nobilissimo,  qtwniam  malos  plerosque 
ezistimaverit  honorandos.  Wie  Cic.  §  26  (qui  etiam  Cordubae 
natis  poetie),  so  hat  auch  der  Palimpsest  qui  etiam  statt  quoniam. 
lieber  die  Stellung  des  Relativum  s.  259,  24  Potentissime  ab 
exemplis  qualitas  absoluta  firmatur,  licuisse  Plancio  seniori  quae- 
dam  liberius  dicere  pro  societate  publicanorum,  qui  etiam  — 
erexeriot. 

358,  20.  Das  Lemma,  welches  in  den  Ausgaben  lautet :  £x 
bis  rebus  quas  vendebat  iussit  enim  pretium  tribui,  sed  ea  condi- 
tione,  ne  quid  postea  scriberet^  las  ich  im  Codex  wiederholt  be- 
stimmt als  .  .  .  quas  vendebat  iussit  ei  tum  praetium  tribui  .  .  . 
Hält  man  diesen  Cicerotext  des  Scholiasten  an  den  unserer  Cicero- 
bandschriften  zu  pro  Arch.  §  25  (ex  iis  rebus  quas  tum  vendebat 
iobere  ei  praemium  tribui)  hin,  so  wird,  wie  durch  mindestens 
hundert  andere  Stellen,  auch  durch  diese  bestätigt,  dass  der 
Lemmatext  nicht  blos  an  zahlreichen  Abschreibeversehen  laborirt, 
Sondern  auch  £igenthümlichkeiten,  besonders  in  der  Wortstellung, 
aufweist,  die  den  Scholiasten  zum  Urheber  haben. 

Hieher  gehört  beispielsweise  364,  34  wo  der  Text  der 
Cicerobandschriften  Non  modo  animo  nihil  comperi,  sed  ad  aures 
Xneae  istius  snspicionis  fama  vix  pervenit,  im  Palimpsest  ersetzt 
\ma  durch  .  .  .  sed  etiam  ad  aures  —  fama  non  pervenit.  Mit 
Orelli,  der  etiam  in  Mai's  Collation  nicht  vorfand,  non  zu  ver- 
dächtigen, sind  wir  nicht  berechtigt.  Vielmehr  gilt  es  hier,  an 
jene  Phrasen    (sie  enim  textum  recordor,    bis  ut  opinor  verbis) 


288      St  an  gl    Zur  Textkritik  der  Scholiasten  oioeronieoher  Reden. 

sicli  zu  erinnern,  mit  denen  unner  ScLoliast  wiederholt  auch  lange 
Citate,  nicht  gerade  aus  den  znr  Erklärung  vorliegenden  Eeden, 
sondern  eelbet  aus  anderen  ciceronischen  und  Dichtciceroniechen 
Schriften,  einleitet. 

364,  30.  Glorioee  in  hunc  locum  deonrrit  orator  landibns 
suis  plurimis  demeritis  erga  rem  p.  tribnens,  qnod  tantis  iam 
perfunctus  periculis  honeste  posset  ab  omni  labore  reqniescere, 
nisi  animue  nullo  poeset  otio  consenescere.  Zunächst  muss  ich  das 
stärkste  Versehen  anmerken,  welches  meinen  Vorgängern  menech- 
licherweise  zustiess,  indem  sie  zwischen  animus  und  nullo  zwei 
Buchstaben  und  eine  ganze  Üolumnenzeile  Übersprangen.  Auf 
diesem  Eaume  sieht  man  nämlich  im  Palimpsest,  ebenso  klar  wie 
die  umgebenden  Worte  geschrieben :  pa  \  triae  devatissimus  |.  (vgL 
232,  20).  Ferner  halte  ich  die  korrupten  Worte  laudibus  suis 
plurimis  demeritis  erga  rem  p.  tribuens  für  sicher  geheilt  doroh 
folgende  Lesung:  laudibus  suis  plurimum  et  meritis  erga  rem 
p.  tribuens.  Für  die  Verstümmlung  der  fraglichen  Worte  ein 
Dutzend  Parallelen  aus  dem  Scholiasten  beizubringen  wäre  kein 
schweres;  ich  begnüge  mich,  den  Gebrauch  des  plurimum  tribnere 
(dare)  dem  Leser  zu  vermitteln  durch :  255,  1  suo  honori  pluri- 
mum dedit.  331,  16  suae  dignitati  plurimum  dedit.^  endlich  285,  32 
veri  siniilitudini  plurimum  dedit,  wo  Orelli  addit  unnütz  ver- 
muthete. 

369,  9.  dicitque  in  commune  omnibus  consulendum,  ut  se- 
veritatem  nimiam,  quam  temporis  necessitate  susceperint,  praesenti 
humanitate  mitiiicent.  Die  Handschrift  gibt  susceperunt,  das,  im 
Hillblick  auf  die  Modalverhältnisse  in  246,  8.  265,  23.  297,  27. 
301,  9.  324,   19.,  keineswegs  Anstoss  erregt. 

Rom.  Th.  Stangl. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zur  Finanzgescliichte  Athens. 

(Scbluss.) 


lY.    Der  Richtersold. 

Daee  der  Richtersold  am  Anfang  des  peloponnesisclien  Krieges 
2  Obolen  betrag,  and  darcb  Eleon  gleich  nach  dem  Siege  bei 
Sphakteria,  also  im  Herbst  425  aaf  3  Obolen  erhöht  warde,  darf 
jetzt  wohl  als  aasgemacht  gelten.  Durch  13  Jahre  ist  dann  das 
τριώβολον  an  die  Heliasten  bezahlt  worden,  bis  die  Oligarchie 
der  400  im  Frühjahr  411  alle  Besoldungen  abschaffte.  Der 
Grundsatz  μισθόν  μηδίνα  φέρειν  μηοεμιςί  αρχή  (Thuk.  VIII  97) 
ist  auch  von  der  gemässigten  Demokratie  festgehalten  worden, 
die  Theramenes  nach  dem  Sturz  der  Vierhundert  in  Athen  ein- 
führte. Es  war  das  eifrigste  Streben  der  Führer  der  radicalen 
Volkspartei,  eines  Eleophon,  Archedemos  und  anderer,  die  Wie- 
dereinführung der  Besoldungen  durchzusetzen ;  dass  es  ihnen  ge- 
lang, beweist  die  Klage  des  Aristophanes  aus  dem  Jahre  406/5, 
die  Richter  allein  verschlängen  alle  Staatseinnahmen  ^. 

Damit  ist  natürlich  noch  nicht  gesagt,  dass  der  Richtersold 
auch  in  der  alten   Höhe   wiederhergestellt    worden    sei.     Böckh 
meint  freilich  (Staatsh.  Ρ  331)  'es  werde  Niemand  glauben,  dass 
die  Athener  den  Sold  zum  Schaden  ihres  Beutels  wieder   herab- 
gesetzt hätten*;    aber   diese   selben  Athener  hatten  ja  eben  erst 
im  Jahre    411    den  Richtersold   nicht  nur,    sondern   alle   Besol- 
dungen 'zum  Schaden  ihres  Beutels'  ganz  aufgehoben,  und  wenn 
die  Finanzlage  in  der  letzten  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges 
die  Zahlung  des  Triobolon  noch  nicht  wieder  gestattete,  so  waren 
doch  2  Obolen  immerhin  besser  als  gar  nichts.    In  der  That  läset 
die  Anspielung  in  den  Fröschen  des  Aristophanes  (140),  wo  He- 
irakles  dem  Dionysos  den  Weg  nach  dem  Hades  beschreibt; 

ναύτης  biaSei  bu'  όβολώ  μισθόν  λαβών 
xind  Dionysos  antwortet 

φευ*  ώς  μέγα  δύνασθον  πανταχού  τώ  bu'  όβολώ 
kaum  eine  andere  Erklärung  zu,  als  dass  der  Richtersold  damals 
in  Athen  2  Obolen  betrug,    wie  der  Scboliast  auch  ganz  richtig 
gesehen  hat.     Ekklesiastsold  wurde  ja  in   dieser  Zeit  überhaupt 
nicht  bezahlt. 


^  Arist.  Frosche  1466  ό  δικαστής  αυτά  καταπίνει  μόνος. 


240  Beloch 

Wer  erinnert  sich  hier  nicht  der  verhältnisem&eeig  sehr 
ansehnlichen  Summen,  die  laut  Ausweis  der  Schatzrechnongen  in 
410/9  und  den  folgenden  Jahren  für  die  'Diobelie'  verwendet 
worden  sind?  Was  unter  diesem  Budgettit«! :  €ΐς  τήν  biuißeXtav 
zu  verstehen  sei,  dafür  suchen  wir  in  unserer  Ueberlieferung 
vergeblich  nach  Auskunft.  Wir  hören  nichts,  als  was  uns  auch 
der  Name  selbst  sagt,  dass  eine  Diobelie  eine  Zahlung  von  2 
Obolen  ist.  Der  Zweck  der  Zahlung  ist  dabei  offenbar  zunächst 
ganz  gleichgültig. 

In  unserem  Falle  wird  nun  die  Diobelie  nach  der  seit  Böckh 
herrschenden  Ansicht  für  eine  Geldspende  an  das  .\'^olk  bei  fest- 
lichen Gelegenheiten,  also  ein  Theorikon  angesehen.  Irgend  ein 
zwingender  Grund  für  diese  Annahme  liegt  aber  nicht  nur  nicht 
vor,  sondern  sie  lässt  sich  aus  unseren  Schatzrechnungen  selbst 
vollständig  widerlegen.  Das  Theorikon  nämlich  wurde  selbst  in 
den  Zeiten  der  ausgearteten  Demokratie  nur  an  einer  beschränkten 
Zahl  von  Festtagen  bezahlt,  dann  aber  jedesmal  in  einem  Betrage, 
der  die  armselige  Bagatelle  von  2  Obolen  bei  Weitem  überstieg. 
Philochoros  gibt  an  (fr.  85),  das  Theorikon  habe  zu  Anfang  sich 
auf  eine  Drachme  für  jeden  Bürger  belaufen;  später  sind  zum 
Theil  viel  grössere  Summen  bezahlt  worden.  Unsere  Schatz- 
rechnungen dagegen  zeigen,  dass  für  die  Diobelie  sehr  oft  und 
in  sehr  kleinen  Beträgen  Zahlungen  geleistet  worden  sind,  z.  B. 
in  der  zweiten  Frytanie  von  407/6  nicht  weniger  als  10  Mal, 
und  in  Beträgen  bis  herab  zu  12,  ja  zu  6Y2  Drachmen.  Sollten 
die  Athener  gerade  in  dieser  bedrängten  Zeit  sich  jeden  dritten 
oder  vierten  Tag  den  Luxus  einer  Theorikenspende  gestattet  haben? 
Und  was  bedeuten  denn  12  Drachmen  gegenüber  einem  Erfor- 
derniss,  das  sich  für  die  gesammte  in  Athen  anwesende  Bürger- 
schaft doch  auf  mindestens  4000  Drachmen  belaufen  musste,  wenn 
2  Obolen  auf  den  Mann  zur  Vertheilung  kamen? 

Also  an  das  Theorikon  dürfen  wir  bei  der  Diobelie  keines- 
falls (lenken.  Dann  bleibt  aber  nichts  übrig,  als  diesen  Budget- 
titel  auf  den  Richtersold  zu  beziehen,  der  in  dieser  Periode,  wie 
wir  gesehen  haben,  gerade  2  Obolen  betragen  hat.  Bei  dieser 
Annahme  erklären  sich  ohne  jede  Schwierigkeit  sowohl  die  häu- 
tigen Zahlungen,  wie  die  geringen  Beträge;  denn  der  Heliasten- 
sold  wurde  zunächst  aus  den  eigenen  Einnahmen  der  Justizver- 
waltung, d.  h.  den  Gerichtskosten,  bestritten,  und  erst  wenn  diese 
nicht  ausreichten,  musste  aus  der  Staats-  resp.  Bundeskasse  Zu- 
schuss  geleistet  werden. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  241 

Böckb  wendet  hier  ein,  der  Richtereold  sei  von  den  Kola- 
kreten  bezahlt  worden,  während  die  Zahlungen  für  die  Diobelie 
an  die  Hellenotamien  geleistet  werden.  Der  Einwand  ist  von 
einer  verblüffenden  Richtigkeit.  Gewiss  zahlten  die  Eolakreten 
den  einzelnen  Heliasten  den  Sold  aus,  aber  wovon?  Solange  ihre 
eigenen  Fonds  ausreichten,  die  sich  vor  allem  aus  den  Gerichts- 
geldem  füllten,  natürlich  aus  diesen.  Und  wenn  diese  Fonds  er- 
schöpft waren?  Nun,  da  die  meisten  der  in  Athen  zur  Zeit 
der  Blüthe  des  Reiches  verhandelten  Prozesse  Sachen  der  Bündner 
betrafen,  war  es  nicht  mehr  wie  billig,  dass  die  Kosten  der 
Rechtspflege  von  der  Bundeskasse  getragen  worden;  und  so  ist 
es  denn  auch  überliefert,  dass  der  Heliastensold  aus  den  Tributen 
bestritten  wurde  ^.  Mit  anderen  Worten,  reichten  die  Gerichts- 
gelder nicht  aus,  so  hatten  die  Hellenotamien  das  Fehlende  zu 
ergänzen.  Hatten  nun  auch  die  Hellenotamien  keine  Fonds,  so 
blieb  ihnen  eben  nichts  übrig,  als  sich  die  nöthigen  Gelder  von 
den  Schatzmeistern  der  Athena  zu  verschaffen,  ganz  wie  bei  den 
übrigen  auf  ihre  Kasse  angewiesenen  Ausgaben,  die  sie  nicht 
selbst  zu  leisten  im  Stande  waren.  £ine  direete  Zahlung  der 
Schatzmeister  an  die  Kolakreten  aber  war  in  jedem  Falle  aus- 
geschlossen. 

Έβ  bleibt  noch  eine  andere  Schwierigkeit  zu  erörtern.     In 
der   zweiten  Prytanie  des  Jahres  407/6   sind  dreimal  Zahlungen 
€ΐς  τήν  biuißeXiav  Άθηναίφ  Νίκη  verzeichnet.     Das    soll    nach 
Kircbhoff  eine  Geldspende  an  das  Volk  zu  Ehren  dieser  Göttin 
gewesen    sein.     Nun   wird  in   unseren  Schatzrechnungen  bei  den 
^hlungen  für  die  Diobelie  niemals  hinzugesetzt,  zu  Ehren  wel- 
clier  GOttheit,  oder  für  welches  Fest  sie  gezahlt  wird  —  natür- 
lich,   da  es  sich  um  den  Richtersold  handelt!  —   und  von  einer 
Solchen   Geldspende    zu   Ehren   der  Athena  Nike    findet    sich    in 
unserer  ganzen  sonstigen  Ueberlieferung  nicht  die  geringste  Spur^. 
Auch   sind   die    unter   der  Rubrik    εΙς  τήν  biuißeXiav  Άθηναίςι 
^liKij  verzeichneten  Summen  so  gering  —  das  eine  Mal  946  oder 
^β6  Drachmen,  das  andere  Mal  gar  nur  56  —  dass  der  Gedanke 
^n  eine  Geldvertheilung  von  vorn  herein  ausgeschlossen  ist,  oder 
4 och  sein  sollte.     Da   nun  in  der  Rechnung  von  410/9  aus  dem 


1  Scbol.  Arist.  Wespen  684. 

^  Kirchhoff  CIA.  I  S.  88  '  qiwd  quas  oh  caussas  factum  sit  et  quo 
^^eemplo  ftUendum  est  adhuc  ignorarV.  Es  ist  ihm  also  selbst  bei  seiner 
eigenen  Erkli^nmg  nicht  wohl  gewesen. 


242  Beloch 

Schatz  der  Athenaea  Nike  bezahlte  Summen  yerzeichDct  werden, 
80  kann  gar  kein  Zweifel  sein,  dass  auch  in  der  Rechnung  von 
407/6  die  Worte  είς  τήν  biiüßeXiav  mit  Άθηναίςί  Νίκη  keines- 
wegs unmittelbar  zu  verbinden  sind,  sondern  der  Zusatz  ^Αθηναιφ 
Νίκη  nur  die  Provenienz  der  Gelder  bezeichnet.  Alles  hftngen 
am  Buchstaben  kann  daran  nichts  ändern.  In  der  Rechnung  fBLr 
410/9  steht  nämlich  der  Genetiv  Αθηναίας  Νίκης,  während  hier 
der  Dativ  stehen  soll.  Ob  das  richtig  ist,  lasse  ich  dahingestellt, 
um  so  mehr,  als  die  Sache  für  die  Entscheidung  unserer  Frage 
ganz  irrelevant  ist.  Wer  sagt  uns  denn,  dass  das  verlorene 
Präscript  der  Rechnungsurkunde  von  407/6  genau  dieselbe  Form 
hatte,  wie  die  Ueberschrift  der  Rechnung  für  410/9?  Kann  nicht 
statt  des  Ausdrucks  έκ  TUiV  επετείων  ein  Yerbum  gestanden 
haben,  das  den  Dativ  regiert,  ίκ  τών  προ<Τιόντων  oder  etwas 
ähnliches? 

Wie  hoch  hat  sich  nun  aber  der  jährliche  Aufwand  für  die 
Gerichte  in  der  Zeit  des  peloponnesisohen  Krieges  belaufen?  Ari- 
stophanes  berechnet  diese  Ausgabe  bekanntlich  im  Jahre  423/2 
auf  150  Talente;  und  Böckh  hat  keinen  Anstand  genommen,  das 
für  baare  Münze  zu  nehmen.  Heut  sind  wir  skeptischer  gewor- 
den, vielleicht  auch  zu  skeptisch.  So  ist,  was  Fränkel  ^  gegen 
die  Berechnung  des  Aristophanes  einwendet,  vielleicht  für  das 
IV.  Jahrhundert  richtig,  für  das  V.  Jahrhundert  aber  keineswegs, 
oder  doch  nur  mit  grossen  Einschränkungen.  Der  Verfasser  der 
Schrift  vom  Staate  der  Athener  (III  7)  betont  ausdrücklich,  dass 
der  Mangel  an  Heliasten,  neben  der  Nothwendigkeit,  jeden  Ge- 
richtshof mit  zahlreichen  Geschworenen  zu  besetzen  an  der  Ver- 
schleppung der  Prozesse  die  Schuld  trage.  Nun  zählte  Athen, 
abgesehen  von  den  Kleruchen,  auch  nach  der  Pest  noch  min- 
destens 200i>0  Bürger  von  über  20  Jahren,  von  denen  nach  den 
Gesetzen  der  Bevölkerungsstatistik  14 — 15000  auf  die  Alters- 
klassen von  30  Jahren  und  darüber  entfallen  mussten.  6000 
Heliasten  mussten  also,  wenn  man  sie  brauchte,  zu  finden  sein, 
besonders  in  der  Kriegszeit,  wo  das  Landvolk  durch  die  \^er- 
wüstungen  der  Peleponnesier  seinen  Verdienst  verloren  hatte.  — 
Ebenso  ist  es  erst  eine  Bostimmnng  der  nach-eukleidischen  Ver- 
fassuntr,  dass  an  Volksvorsamnilunirstairen  kein  Gericht  gehalten 
worden  dürfte;  im   V.  Jahrhundert   bestand  eine  solche  Beschrän- 


*  I>io  attischen  Cioschwv^r^nengerichte  S.  10  ff. 


Zur  Finanzgeechiohte  Athens.  24B 

kang  niclit  \  Arietophan  es  hat  also  mit  seinem  Ansatz  von  300 
Gerichtstagen  im  Jahre  doch  nicht  gar  so  stark  übertrieben. 

Jedenfalls  beweisen  die  beständigen  Invectiven  des  Dichters 
gegen  den  Richtersold  soviel,  dass  dieser  Posten  des  Budgets 
jfthrlioh  sehr  beträchtliche  Snmmen  verschlangen  hat.  Einen 
ungefähren  Anhalt  zu  ihrer  ßerechnang  gibt  uns  die  Schatz- 
nrknnde  des  Jahres  410/9,  lant  welcher  an  die  Hellenotamien 
mindestens  16  Talente  4787 V2  Drachmen  εΙς  την  bιωßeλίαv,  d.  h. 
wie  wir  oben  gesehen  haben,  für  den  Heliastensold,  übergeben 
worden  sind*.  Wäre  statt  der  Diobelie  damals  noch  da«  Trio- 
bolon  bezahlt  worden,  so  würde  sich  das  Erfordemiss  auf  25 
Talente  erhöht  haben.  Dabei  ist  aber  zn  erwägen,  dass  diese 
Summen  bloss  Zuschüsse  sind,  und  also  nur  den  Theil  des  Auf- 
wandes für  den  Richtersold  darstellen,  der  aus  den  Gerichtskosten 
nicht  bestritten  werden  konnte.  Ferner  dürfen  wir  nicht  ver- 
gessen, dass  im  Jahre  410/9  mehr  als  die  Hälfte  der  Bundes- 
städte  von  Athen  abgefallen  war,  dass  die  lakedaemonische  Occu- 
pation  von  Dekeleia  (Thuk.  VI  91)  und  die  Unsicherheit  des 
Meeres  den  Gang  der  Rechtspflege  hemmen  mussten,  und  es  end- 
lich sehr  fraglich  ist,  ob  die  unter  Alkibiades'  Befehl  stehende 
Flotte,  und  damit  auch  die  in  ihrer  Gewalt  befindlichen  hellespon- 
tischen  und  thrakischen  Landschaften  die  Autorität  der  Gerichte 
in  Athen  mehr  anerkannten  wie  die  Autorität  der  Volksver- 
sammlung. 

Es  wird  unter  diesen  Umständen  sehr  massig  gerechnet  sein, 
wenn  wir  annehmen,  dass  zur  Bewältigung  der  laufenden  Pro- 
zesse vor  dem  ionischen  Aufstand  eine  doppelt  so  grosse  Zahl  von 
Gerichtstagen  erforderlich  war  als  im  Jahre  410/9.  Da  zugleich 
der  Richtersold  damals  um  die  Hälfte  höher  war,  so  erforderte 
er  den  dreifachen  Aufwand.  Weiter  ist  zu  berücksichtigen,  dass 
bei  einem  Sold  von  nur  2  Obolen  eine  viel  grössere  Quote  des 
Bedarfs  durch  die  Gerichtskosten  gedeckt  werden  konnte,  als 
wenn  der  Sold  ein  Triobolon  betrug.  Bestand  z.  B.  ein  Gerichts- 
hof  aus   400   Heliasten,    und   die  Gerichtskosten    betrugen    100 


^  Bamberg  Hermes  ΧΠΙ  506,  Meier  und  Schoemann,  der  attische 
Process  bearbeitet  von  Lipsius  S.  186. 

2  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  von  den  Zahlungen,  deren  Be- 
stimmung nicht  angegeben  wird,  ein  Theil  für  die  Diobelie  verwendet 
werden  sollte,  wodurch  sich  die  obige  Summe  möglicherweise  noch  be- 
trächtlich erhöht. 


244  Beloch 

Drachmen,    so    wnrden   im  ersten  Falle  V4  des  Soldes    dadurch 
gedeckt,  im  zweiten  nur  die  Hälft«. 

Dass  die  Gerichtekosten  eine  sehr  bedeutende  Einnahme- 
quelle des  athenischen  Staates  bildeten,  ist  mehrfach  bezeugt. 
Wir  wollen  aber  auch  hier  massig  rechnen,  und  nur  annehmen, 
dass  bei  einem  Solde  von  2  Obolen  die  Hälfte,  bei  einem  Solde 
von  3  Obolen  folglich  Vs  ^^e  Gesammtauf wandee  aus  dieser  Quelle 
bestritten  werden  konnte.  Unter  dieser  Annahme  erhielten  wir 
für  das  Jahr  410/9  eine  Ausgabe  für  die  Rechtspflege  von  min- 
destens 33 Ve  Talenten;  für  die  Zeit  von  425/4—413/2  also  mit 
Berücksichtigung  des  oben  gesagten  eine  8  Mal  höhere  Summe; 
d.  h.  100  Talente  oder  darüber,  von  denen  Vg  durch  die  Ge- 
richtskosten, 'Ys  aus  den  Bundeseinkünften  gedeckt  wurden. 

y.    Die  Kosten  des  peloponnesisehen  Krief^es. 

Wir  werden  jet^t  im  Stande  sein  uns  ein  ungefähres  Bild 
zu  machen  von  der  Höhe  der  Summen,  die  Athen  in  den  Jahren 
431 — 404  für  Kriegszwecke  aufgewendet  hat.  Betrachten  wir 
zuerst  die  Zeit  des  archidamischen  Krieges. 

Die  Anleihen  bei  den  Tempelschätzen  während  der  11  Jahre 
von  433/2  —  423/2  beliefen  sich  auf  zusammen  gegen  5550  Talente, 
und  zwar  sind  aufgenommen  worden  ^ :  während  der  7  Jahre  von 
433/2 
auR  dem  Scbatz  der  Athena  Polias    4001  t.     1522  dr.      — 
auK  dem  »::?chatz  der  Athena  Nike  22  t.       .  .8  dr.     2  ob. 

auK  dem  Schatz  der  anderen  Götter      7.6  t.     1095  dr.      — 

zusammen  4729  t.  262ydr. ~2^ib. 
DaRs  der  Betrag  der  Drachmen  bei  der  Anleihe  aus  dem  Schatz 
der  Nike  nur  unvollständig  erhalten  ist,  kommt  nicht  in  Betracht ; 
um  PO  mehr,  dass  bei  der  Summe  der  aus  dem  Schatz  der  anderen 
Göttrr  entliehenen  Talente  ein  Zehner  fehlt.  Die  Gesammtsumme 
der  .\nl(Mhon  aus  diesen  7  Jahren  wird  demnach  mit  Kirchhof  auf 
ungefähr  4750  Talente  zu  veranschlagen  sein. 

In  den  4  Jahren  von  42tv5 — 423/2  sind  ferner  bei  dem 
Schatz  der  Athona  Polias  folgende  Anleihen  aufgenommen  worden: 

420  :>:      2(n    t.     5t>40  dr.  — 


420  4:      130  t. 

—                 — 

424  3:      1:13  t. 

1895  dr.     3V'2  ob. 

423  2:     222  t. 

1(U2  dr.     2^  2  ob. 

/usammon     747  t. 

4178  dr. 

hhotV  a  H.  0.  5i.  31. 

CIA,  1  273. 

Zar  Finanzgeschichte  Athene.  245 

Dazu  kommt  in  dem  letzten  dieser  4  Jahre  eine  Anleihe  bei  dem 
Schatz  der  Nike  von  6,  bei  dem  Schatz  der  anderen  Götter  von 
einigen  50  Talenten.  Zusammen  also  betragen  die  Anleihen  dieser 
4  Jahre  gegen  800  Talente.  Da  nun,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  die  Anleihen  in  den  beiden  Jahren  433/2  nnd  432/1  (bis 
zum  ersten  Einfall  der  Peloponnesier)  gegen  600  Talente  betragen 
haben,  so  sind  in  den  9  ersten  Kriegsjahren  von  431/0—423/2 
im  Ganzen  mnd  5000  Talente  von  den  Tempelschätzen  entliehen 
worden. 

Daas  femer  die  Tribute  und  überhaupt  die  Bundeseinnahmen 
dieser  9  Jahre  ganz  oder  doch  zum  überwiegend  grössten  Theil 
für  Boiegszwecke  verwendet  wurden,  zeigt  eben  der  Umstand, 
dass  Athen  seit  Anfang  des  Krieges  beständig  gezwungen  war, 
zu  Anleihen  seine  Zuflucht  zu  nehmen.  Von  431/0 — 426/5  lie- 
ferten die  Bundessteuern  einen  Ertrag  von  jährlich  gegen  600 
Talenten,  von  425/4 — 423/2  das  Doppelte.  Das  ergibt  zusammen 
7200  Talente. 

Dazu  kommt  weiter  die  εΙ(Τφορά,  die  zum  ersten  Mal  428/7 
im  Betrage  von   200  Talenten   erhoben   wurde  und   seitdem    bis 
zum  Frieden  einen  beständigen  Posten  des  attischen  Budgets  ge- 
bildet  hat,    wie   sich   aus   zahlreichen  Anspielungen    bei  Aristo- 
phanes  ergibt.     Nehmen  wir   an,    dass  jährlich  200  Talente  aus 
dieser  Quelle  einkamen,  so  ergibt  das  für  die  6  Jahre  von  428/7 
*^  423/2  zusammen  1200  Talente. 

Endlich  w&re  noch  der  Ertrag  der  Kriegsbeute  und  ausser- 
ox'dentlichen  Kriegscontributionen,  sowie  der  etwaige  Ueberschuss 
^«T  inneren  Verwaltung  von  Attika  zu  berücksichtigen.  Diese 
ElljiQahmen  können  aber  nur  verhältnissmässig  unbedeutend  ge- 
'^'«ββη  sein  und  dürfen  hier  vernachlässigt  werden,  um  so  mehr, 
^^e  wir  oben  die  Bundessteuern  mit  ihrem  vollen  Betrage  in  An- 
*Ät2  gebracht  haben,  der  in  Wirklichkeit  niemals  für  die  Krieg- 
roiirung  verfügbar  blieb. 

Für  den  archidamischen  Krieg  bis  Mitte  422  sind  demnach 
^^TWendet  worden: 

aus  Anleihen,  d.  h.  aus  dem  Staatsschatz     5000  t. 

aus  den  Bnndessteuern 7200  „ 

aus  dem  Ertrage  der  €ΐ(Τφορά  ....     1200  „ 

zusammen     13400  t. 
^bei  ist  zu  ^bemerken,    dass   am  Anfang  des  Krieges  noch  ein 
^®Bt  aus  den  Tributen  von  432/1   zur  Verfügung  stehen  musste, 
^lurend   andererseits   auch  Ende  423/2  ohne  Zweifel  noch   ein 


246  Belooh 

Theil  der  im  Frühling  dieses  Jahres  eingegangenen  Tribatenmmen 
übrig  war.  Diese  beiden  Restbestände  mochten  sich  ungefähr 
compensireu,  und  so  erhalten  wir  denn  einen  jährlichen  Aufwand 
für  Kriegszwecke  von  im  Durchschnitt  etwa  1500  Talenten. 

Auf  die  einzelnen  Kriegsjahre   entfallen  folgende  Summen: 
431/01—427/6  aus  Anleihen     .     .     .     4160  t. 
9  aus  Bundessteuem  3000  „ 

„  aus  der  βίσφορά  .     .       400  « 


zusammen 

7550  t. 

jährlich 

also  gegen 

J500  t. 

aus  An- 

aus Bun- 

aus der 

leihen 

dessteuem 

€ΐσφορά 

zusammen 

426/5 

262  t. 

600  t. 

200  t. 

1062  t. 

425/4 

130  , 

1200  „ 

200  , 

1530  , 

424/3 

133  „ 

1200  „ 

200  „ 

1533  „ 

423/2 

280  . 

1200  „ 

200  , 

1680  „ 

805  t.  4200  t.  800  t.  5805  t. 

Man  wird   mir,    denke  ich,    zugeben,    dass  die  hier  aufge- 
stellte Berechnung,  die  natürlich  nur  auf  annähernde  Richtigkeit 
Anspruch  macht,  viel  mehr  innere  Wahrscheinlichkeit  besitzt  als 
die  Ansätze  Kirchhoflf's,    wonach   die   Kriegskosten    sich    in   den 
drei  ersten  Jahren  auf  *  mindestens  7400  oder  für  das  Jahr  durch- 
schnittlich 24662/8  Talente'  (a.  a.  0.  S.  30)  beliefen,    dagegen  in 
den  beiden  nächsten  Jahren  (428/7  und  427/6)  nur  je  800  Talente 
betragen  haben  könnten,    um  dann  auf  1100,  1500  und  schliess- 
lich beinahe   1700  Talente   anzuwachsen.     Die   ersten   drei  Jahre 
hätten  also  zusammen  denselben  Aufwand  erfordert  wie  die   fol- 
genden sechs.     Zur  Erklärung  an  Soldberabsetzungen  zu  denken 
ist  ganz  unstatthaft,    denn  je  länger   der  Krieg  dauerte,    um  so 
schwerer  musste  es  naturgemäss  für  Athen  werden   sich    die  nö- 
thige  Anzahl  Matrosen  zu  verschaffen;  und  was  die  Bürgertrupppeih 
angeht,    so    zeigt   die   Erhöhung   des   Richtersoldes    durch  Kleoni 
deutlich,  wie  \veit  man  davon  entfernt  \var,    zu  Lohnreductionei 
zu  Rcbreiten.    Es  bleibt  oben  wahr,  was  Hegesippos  einmal  sagte:- 
dass  *  der  Krieg  sich  sein  Futter  nicht  zumessen  lässt  . 

Athen  trat  in  das  Jahr  422/1  mit  einer  Schuldenlast  an  di  ^ 
Tempelschätzc  von  go^en  5500  Talenten,  zu  denen  dann  nochdi^^ 
in  den  letzten  11  Jahren  aufgelaufenen  Zinsen  hinzutraten.  Die^-^* 
Anleihen    hatten   die   Schätze    bis  auf  den  eisernen   ReservefoncJ.*' 


'  Genauer  von  Anfang  Thargelion  482  1  bis  Ende  427|6. 


Zur  Finanzgesohichte  Athens.  247 

Ton  1000  Talenten  und  vielleicht  noch  einen  unbedeutenden  Rest 
Ton  einigen  hundert  Talenten  erschöpft;  die  Kriegführung  musste 
also  aus  den  laufenden  Einnahmen  bestritten  werden,  d.  h.  im 
Wesentlichen  aus  den  an  den  grossen  Dionysien  422  eingegan- 
genen Tributsummen,  soweit  sie  nicht  schon  in  den  letzten  Mo- 
naten des  eben  abgelaufenen  Finanzjahres  zur  Verwendung  ge- 
langt waren.  Immerhin  mochte  dieser  Betrag  ausreichen,  um  die 
Kosten  des  kurzen  thrakischen  Feldzuges  im  Spätsommer  422  zu 
decken.  Bald  darauf  machte  der  Frieden  allen  finanziellen  Schwie- 
rigkeiten ein  Ende,  und  gewährte  die  Möglichkeit,  die  Rückzah- 
lung der  aufgenommenen  Anleihen  in  Angriff  zu  nehmen.  Nach 
Andokides  (v.  Frieden  8)  sollen  in  den  nächsten  Jahren  7000 
Talente  auf  die  Akropolis  gebracht  worden  sein,  eine  Angabe, 
die  freilich  eine  starke  Uebertreibung  enthält,  da  der  Gesammt- 
betrag  der  von  422/1  bis  417/6  eingegangenen  Bundessteuem 
eben  nur  höchstens  7200  Talente  ausmacht.  Von  dieser  Summe 
waren  aber  zunächst  eine  Menge  rückständiger  Ausgaben  aus  den 
letzten  Kriegsjahren  zu  bestreiten  ^,  femer  die  Kosten  für  Er- 
gänzung des  Materials  für  Heer  und  Flotte,  endlich  das  Erfor- 
demiss  für  die  Feldzüge  in  Thrakien,  im  Peloponnes  und  nach 
Melos,  abgesehen  von  den  sonstigen  laufenden  Ausgaben.  Die 
Rüstungen  für  die  Expedition  nach  Sicilien  haben  dann  den  ganzen 
Betrag  der  an  den  Dionysien  415  eingegangenen  Tribute  ver- 
schlungen, so  dass  es  im  folgenden  Winter  wieder  nothwendig 
wurde,  auf  Anleihen  aus  dem  Schatze  zurückzugreifen,  allerdings 
zunächst  in  dem  massigen  Betrage  von  etwa  350  Talenten  (CIA. 
I  183).  Die  Erfordernisse  der  Kriegführung  in  den  Jahren  414/3 
und  413/2  nahmen  nicht  nur  die  laufenden  Einnahmen  vollständig 
in  Anspruch,  sondern  verschlangen  auch  alles,  was  sich  seit  421 
in  den  Tempelschätz^n  wieder  angesammelt  hatte,  so  dass  Anfang 
412/1  die  Noth wendigkeit  nicht  länger  zu  umgehen  war,  die 
eiserne  Reserve  der  1000  Talente  in  Anspruch  zu  nehmen  (Thuk. 
VIII  15  Philochor.  fr.  116). 

Aus  dem  allen  ergibt  sich,  dass  in  den  10  Jahren  von 
422/1 — 413/2  der  Gesammtertrag  der  Bundessteuem  mit  12000 
Talenten,  und  der  eigenen  Einkünfte  der  Tempelschätze  mit  viel- 
leicht 600  Talenten  für  Kriegszwecke,  oder  doch  hauptsächlich 
für  Kriegszwecke  zur  Verwendung  gekommen  ist.    Eine  εΙ(Τφορά 


»  Vgl.  Arist.  Ritter  1366  f.    Thuk.  VII  48,  6. 


248  Belocb 

ist  dagegen  in  dieser  Zeit,  soviel  wir  wiesen,  nicht  zur  Erhebung 
gelangt  \ 

Von  jetzt  ab  ist  selbst  eine  annähernde  Schätznng  des  Auf- 
wandes nicht  mehr  möglich.  Vor  allem  fehlt  uns  jede  sichere 
Angabe  über  den  Betrag  der  Einnahmen,  die  Athen  in  der  Zeit 
des  dekeleischen  Krieges  gehabt  hat,  einmal,  weil  seit  413  die 
Tribute  durch  die  εΙκοίΤτή  ersetzt  waren,  vor  allem  aber  wegen 
des  schwankenden  Umfanges  der  attischen  Herrschaft  in  Folge 
des  Abfalls  und  der  Wiederunterwerfung  von  Bundesgenossen. 
Dazu  kommt,  dass  die  Flotte  immer  mehr  darauf  angewiesen 
war,  durch  ausserordentliche  Contributionen  ihren  Unterhalt  zu 
bestreiten. 

An  bereiten  Mitteln  standen  Athen  zu  Anfang  412/1  zu 
Gebote  der  eiserne  Reservefonds  von  1000  Talenten,  der  damals 
zuerst  angeguffen  und  im  Laufe  des  Jahres  verbraucht  worden 
ist,  ferner  die  Weibgeschenke  in  den  Tempeln,  deren  Betrag 
Thukydides  für  den  Anfang  des  Krieges  auf  500  Talente  be- 
rechnet, und  die  sich  seitdem  nach  Ausweis  unserer  Inventarien 
nur  unbedeutend  vermehrt  hatten;  endlich  das  goldene  Gewand 
der  Parthenos,  das  aber  nicht  zur  Verwendung  gekommen  ist. 
Die  übrigen  Weihgeschenke  sind  dagegen  mit  verschwindenden 
Ausnahmen  im  Jahre  der  Arginusenschlacht,  zum  Theil  vielleicht 
schon  früher,  in  die  Münze  gewandert, 

Εΐ(7φορά  scheint  in  diesem  Zeitraum   nur    zweimal    bezahlt 
worden  zu  sein.     Wenigstens  weiss  der  Sprecher   der  21.  lysia- 
nischen  Rede,  der  seine  sämmtlichen  Leistungen  für  Staatszwecke 
von  411/0  — 405/4  mit  der  grössten  Genauigkeit  auiTührt,  nur  voci. 
zwei  Zahlungen  für  diesen  Zweck  zu  berichten,  allerdings  in  ver — 
hältnissmässig  hohem  Betrage,  da  er  das  eine  Mal  HO,  das  andern 
Mal  40  Minen    zu   entrichten    hatte    (§  4).     Freilich  war  er  el^e^i 
sehr  reicher  Mann. 

Ausserordentliche  Kriegscontributionen  von  Freund  und  Feie».  *3 
zu  erheben  wurde  in  dieser  Zeit  fast  die  Regel.  In  welchem  Β  ^ ' 
trage  zeigt  die  Notiz,  dass  Alkibiades  vor  seiner  Rückkehr  ηαβ3 1 
Athen  407  von  den  Städten  am  Keramischen  Busen  in  Kari^^ 
nicht  weniger  als  100  Talente  eingetrieben  hat  (Xen.  Hell.  14,^  -^ 

Soll    nun    trotz    alledem    eine    Schätzung    der    Kosten   d^* 


Ϊ  Vgl.  Arist.  Lysistr.  Gö4,  Gilbert  Beiträge  S.  285.  Ob  das  Ps^' 
phisma  CIA.  I  55  sich  wirklich  auf  die  sicilische  Expedition  bezieh»"^; 
ist  doch  sehr  fraglich. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  249 

dekeleischen  Krieges  gewagt  werden,  so  wäre  etwa  folgende  Eech- 
nung  aufzustellen: 

Reservefonds  und  Weihgeschenke 1500  t. 

Bnndessteuern  der  7  Jahre  von  412/1 — 406/5  jährlich 

600  Talente,  d.  h.  die  Hälfte  des  früheren  Betrages      4200   „ 

Ει0φθρά,  Kriegscontributionen 2000   „ 

zusammen  7700  t. 
Das  ergäbe  für  das  Jahr  im  Durchschnitt  1100  Talente;  jedenfalls 
(las  Minimum  dessen,  was  für  den  Unterhalt  der  grossen  Flotte 
und  eines  beträchtlichen  Landheeres  unumgänglich  nothwendig 
war.  So  hören  wir  denn  in  der  That.  dass  die  Flotte  schon  im 
Frühjahr  411  von  Athen  keinen  Sold  mehr  erhielt,  ein  Zeichen, 
dass  der  am  Anfang  desselben  bürgerlichen  Jahres  in  Angriff 
genommene  Reservefonds  schon  erschöpft  war,  oder  sich  doch 
seiner  Erschöpfung  näherte^.  Unsere  obige  Schätzung  wird  also 
hinter  der  Wahrheit  zurückbleiben,  und  namentlich  der  dritte 
Posten  erhöht  werden  müssen.  Ohnehin  sind  die  Ausgaben  wäh- 
rend der  9  ersten  Monate  des  Jahres  405/4  bis  zum  Falle  Athens 
hier  vernachlässigt. 

Die  Gesammtkosten  des  peloponnesischen  Krieges  werden 
also  auf  gegen  35  (XK)  Talente  anzuschlagen  sein,  165  Millionen, 
oder  mit  Berücksichtigung  der  gesunkenen  Kaufkraft  des  Geldes, 
600  Millionen  Mark.  Dabei  sind  natürlich  nur  die  Ausgaben  der 
Staate-,  beziehungsweise  Bundeskasse  in  Rechnung  gestellt,  nicht 
aber  der  zum  Theil  sehr  beträchtliche  Aufwand  einzelner  Bürger 
für  Kriegszwecke,  vor  allem  für  die  Trierarchie.  Und  ebenso- 
wenig die  Verluste  an  Privateigenthum  in  Folge  der  feindlichen 
Occupation,  der  Störung  des  Verkehrs,  und  zuletzt  der  Abtretung 
aller  auswärtigen  Besitzungen. 

VI.    Das  Amt  der  Poristen. 

Es  sei  mir  gestattet,  zum  Schluss  noch  eine  staatsrechtliche 
'^ge  zu  erörtern,  die  mit  dem  Gegenstande  der  vorstehenden 
'^itzgeschichtlJchen  Untersuchung  in  engster  Beziehung  steht. 

In    der    letzten   Scene    der    aristophanischen    Frösche    gibt 


>  Thuk.  VIII  76  βραχύ  τέ  τι  €Ϊναι  καΐ  ούδ€νός  dEiov,   φ  προς  τό 
^ί^^ΊΓίτνεσθαι  τιίιν  πολ€μ{ων  ή  πόλις  σφίσι  χρήσιμος  ήν,  καΐ  ουδέν  άπο- 
^^^κένοι,  ο!  γ€  μ/|τ€  άργύριον  €Τχον  ίτι  πέμπ€ΐν,  άλλ'  αύτοΟ  έπόριίον 
^τρατιώται  κτλ. 

^^Uin.  Mos.  f.  PbiloL  Ν.  F.  XXXIX.  IG 


1260  Belocb 

Pluton  dem  Aeschylos  einen  Strick  und  einen  Dolch  mit  dem  Auf- 
trage (1504  fiF.) 

και  bός  τουτί  Κλ€0(ρώντι  φέραιν 

και  τουτΙ  τοΐσι  πορισταΐς, 

Μυρμηκί  b'  όμου  και  Νικομάχψ, 

TObe  b'  Άρχεμόρψ 

και  φράν  αύτοΐς  ταχέως  ήκ€ΐν  κτλ. 
Ausserdem  werden  die  Poristen  in  unserer  gleichzeitigen  Ueber- 
lieferung  nur  noch  in  Antiphons  Rede  für  den  Choreuten  (49) 
erwähnt,  und  zwar  zusammen  mit  den  Praktoren  und  den  Poleten. 
Auch  die  Grammatiker  wissen  über  das  Amt  nichts  anderes  zu 
sagen ;  als  was  sich  schon  aus  dem  Namen  entnehmen  läset:  die 
Poristen  seien  eine  Behörde  gewesen,  die  mit  der  Beschaffung 
neuer  Einnahmequellen  (πόρος  χρημάτων)  zu  thnn  gehabt  hätten 
(Bekk.  Anecd.  294.  Schol.  Arist.  Fr.  1504). 

Aus  diesem  seltenen  Vorkommen  und  ans  der  ünknnde  der 
Grammatiker  ist  denn  schon  längst  geschlossen  worden,  daes  das 
Amt  der  Poristen  in  der  demosthenischen  Zeit  nicht  mehr  be- 
standen haben  kann.  Und  ebensowenig  passt  ein  solches  Amt 
in  die  Zeit  der  finanziellen  Blüthe  Athens  vor  dem  peloponne- 
sischen  Kriege;  erst  in  einer  Zeit  finanzieller  Bedrängniss  konnte 
man  dahin  kommen,  eine  eigene  Behörde  einzurichten  zu  dem 
Zwecke  neue  Staatseinnahmen  aufzufinden.  Eine  untere  Grenze 
gibt  uns  die  Rede  Antiphons  für  den  Choreuten,  die  nicht  nach 
412  gehalten  sein  kann.  Aber  wahrscheinlich  ist  das  Amt  auch 
nicht  lange  vor  dieser  Zeit  geschaffen  worden.  Im  archidamischen 
Kriege  wenigstens  werden  die  Poristen  nicht  nur  niemals  er- 
wähnt, sondern  wir  haben  auch  in  der  Schrift  'vom  Staate  der 
Athener'  (II Γ  2)  ein  ausdrückliches  Zeugniss  dafür,  dass  damals 
der  Rath  die  Competenz  hatte,  περί  πόρου  χρημάτων  Massregeln 
zu  treffen^;  und  dem  entsprechend  rühmt  sich  der  Paphlagone 
in  den  Kittern  des  Aristophanes  (774  f.),  dass  er  als  Rathsherr 
die  Finanzen  in  guten  Stand  gebracht  habe: 

δς  πρώτα  μέν  ήνίκ'   έβούλευον,    σοι  χρήματα  πλεϊστ 

άπ€0€ΐΗα 
έν  τώ  κοινψ,  τους  μέν  στρεβλών,  τους  b'  ÖTXWJV,  τους 

bk  μεταιτών. 
Auch   sind,  soviel   wir  wissen,   Verfassungsänderungen  in  der  Zeit 


1  Gilbert  Beiträge  387  f.     Aber   allerdings  hatte  der  Rath  auch 
nach  Einsetzung  der  Poristen  diese  Competenz,  vgl.  Lysias  g.  Nikom.  22. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  251 

des  ardiidamiecben  Krieges  überhaupt  nicht  vorgenommen  wor- 
den. In  den  folgenden  Friedensjahren  bis  zur  sicilischen  Expe- 
dition lag  bei  dem  blühenden  Zustande  der  Finanzen  (Andok.  v. 
Fr.  8  f.)  nicht  das  geringste  Bedürfnies  vor,  eine  Behörde  wie 
die  Poristen  zu  schaffen.  IJm  so  mehr  aber  war  das  der  Fall, 
seitdem  mit  dem  Wiederausbruob  des  Krieges  mit  Sparta,  der 
Besetzung  von  Dekeleia  und  bald  darauf  der  sicilischen  Katastrophe, 
an  die  finanzielle  Leistungsfähigkeit  Athens  von  Neuem  die  höch- 
sten Anforderungen  herantraten.  Das  ganze  Finanzwesen  des 
Reiches  wurde  damals  durch  die  Aufhebung  der  Tribute,  und 
deren  Ersetzung  durch  die  6ΐκθ(Ττή  auf  eine  neue  Grundlage  ge- 
stellt, in  der  inneren  Verwaltung  und  im  Kriegswesen  die  höchste 
Sparsamkeit  eingeführt  (Thuk.  VIII  4),  zugleich  erfuhren  die 
Befugnisse  des  Rathes  durch  die  Schöpfung  der  neuen  Behörde 
der  Probulen  eine  sehr  wesentliche  Einschränkung.  Wenn  irgend 
ein  Zeitpunkt,  so  ist  es  dieser,  wo  wir  die  Einsetzung  der  Po- 
risten erwarten  sollten;  und  da  die  Rede  Antiphons  für  den 
Cboreuten  auch  aus  anderen  Gründen  mit  grosser  Wahrscheinlich- 
keit in  die  Zeit  gleich  nach  der  sicilischen  Katastrophe  gesetzt 
wird  \  so  spricht  alles  dafür,  dass  das  neue  Amt  wirklich  im 
Jahre  413/2  geschaffen  ist.  Die  Stelle  der  Frösche  beweist  uns, 
dass  nocb  im  Jahre  406/5  Poristen  in  Thätigkeit  waren.  Wie 
lange  das  Amt  noch  über  dieses  Jahr  hinaus  bestanden  hat,  soll 
nnten  erwogen  werden. 

Die  Competenz  der  Poristen  ist  schon  durch  ihren  Namen 
charakterisirt.  Es  handelt  sich  um  den  πόρος  χρημάτων,  um 
die  Beschaffung  der  Mittel  und  Wege  zur  Deckung  der  laufenden 
Staateausgaben,  zunächst  natürlich  der  Ausgaben  für  die  Krieg- 
führung. Es  ist  im  Wesentlichen  dieselbe  Aufgabe,  die  in  der 
demosthenischen  Zeit  der  *  Vorsteher  der  Verwaltung'  (ό  έπι  τή 
διθΐκή(Τ€ΐ)  zu  erfüllen  hatte ;  hebt  doch  Hypereides  da  wo  er  von 
den  Verdiensten  Lykurg's  spricht,  in  erster  Linie  hervor,  dass 
er  χρημάτων  πόρους  gefunden  habe'^.  Schon  Böckh  hat  auf 
diese  Analogie  zwischen  der  Thätigkeit  der  Poristen  und  des 
Vorstehers  der  Verwaltung  hingewiesen  ^.  Und  natürlich  können 
die  Obliegenheiten  der  Poristen  sich  nicht  darauf  beschränkt 
haben,    etwa  Jahr  für  Jahr  ein  neues  Steuerbouquet  vorzulegen. 


^  Sauppe  0.  A.  II  p.  144,  Blase  Attische  Bereds.  I  186. 
^  Υπέρ  Ti&v  Λυκούργου  πα{οων,  fr.  121  Blass. 
s  Staateh.  V  225. 


252  Beloch 

Zu  diesem  Zweck  hätte  man  keine  eigene  Behörde  zu  schaffen 
brauchen.  Die  Einsetzung  einer  solchen  Behörde  hatte  vielmehr 
nur  dann  einen  Sinn,  wenn  zugleich  eine  Generalcontrole  über 
das  gesammte  Finanzwesen  damit  verbunden  war,  wenn  die  Po- 
risten  dafür  zu  sorgen  hatten,  dass  nicht  nur  die  Einnahmen 
regelmässig  eingingen,  sondern  auch,  was  praktisch  fast  noch 
mehr  ins  Gewicht  fiel,  die  überflüssigen  Ausgaben  nach  Möglich- 
keit beschnitten  wurden.  Hat  ja  doch  auch  der  Vorsteher  der 
Verwaltung  in  der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderte  eine 
solche  Generalcontrole  ausgeübt. 

Daraus  ergibt  sich  sogleich  eine  weitere  wichtige  Folgerung. 
Zum  Schatzmeister  der  Göttin,  oder  zum  Apodekten  oder  Poleten 
war  jeder  Athener  qualificirt,  der  die  politischen  Ehrenrechte 
besass,  und  dessen  Vermögen  gross  genug  war,  um  für  die  Ehr- 
lichkeit seiner  Verwaltung  Garantie  zu  geben.  Aber  für  ein 
Amt  wie  das  der  Poristen  war  keineswegs  der  erste  Beste  be- 
fähigt. Sollte  die  ganze  Einrichtung  nicht  ihren  Zweck  von  vom 
herein  verfehlen,  so  musste  die  Behörde  aus  erfahrenen  Finanz- 
männern gebildet  sein,  musste  womöglich  eine  finanzielle  Capa- 
cität  darin  sitzen.  Es  wäre  einfach  eine  Absurdität  gewesen, 
ein  solches  Collegium  durchs  Loos  besetzen  zu  wollen.  Da  wir 
den  Athenern  eine  solche  Absurdität  doch  nicht  so  ohne  Weiteres 
imputiren  dürfen,  so  werden  wir  trotz  des  Fehlens  jedes  directen 
Zeugnisses  berechtigt  sein  zu  der  Annahme,  dass  die  Poristen 
durch  Cheirotonie  erwählt  wurden,  ganz  ebenso  wie  später  der 
Vorsteher  der  Verwaltung  ^  Und  auch  die  Wiederwahl  muss 
gestattet  gewesen  sein,  da  es  sonst  bald  an  geeigneten  Candidaten 
gemangelt  haben  würde,  besonders  wenn  das  Collegium  der  Po- 
risten —  was  zwar  nicht  überliefert,  aber  doch  nach  aller  Ana- 
logie höchst  wahrscheinlich  ist  —  aus  zehn  Mitgliedern  bestan- 
den hat. 

Von  welcher  Bedeutung  während  der  letzten  Jahre  des 
peloponnesischen  Krieges  diese  Behörde  gewesen  ist,  zeigt  am 
besten  die  angeführte  Stelle  der  Frösche.  Hier  nennt  der 
Dichter  die  Poristen  auf  gleicher  Linie  mit  den  einflussreichsten 
Männern  des  Staates,  einem  Kleophon,  einem  Adeimantos,   einem 


'  K.  Schoell  in  den  Commentationcs  in  honorem  Monnnsenii  S. 
4Γ)4  fl'.  hat  dasselbe  aus  anderen  Gründen  zu  erweisen  versucht,  dio  ich 
aber  nicht  für  ganz  durchschlagend  ansehen  kann,  so  sehr  ich  in  der 
Sache  selbst  mit  Schoell  übereinstimme. 


Zur  Finänzgesohiohte  Athens.  258 

Nikomaclioe.  und  wenn  Antiphon  dagegen  die  Poristen  mit  den 
Poleten  und  Praktoren  znsammenetellt,  eo  beweist  das  keines- 
wegs, dass  diese  drei  Aemter  etwa  an  Ansehen  sich  gleich  stan- 
den. Es  handelt  sich  in  dem  von  Antiphon  besprochenen  Falle 
um  die  Eintreibung  rückständiger  Gelder;  diese  konnten  die  Po- 
risten unmittelbar  nicht  bewirken,  sie  mussten  vielmehr  zu  dem 
Zweck  die  Hülfe  anderer  Behörden  in  Anspruch  nehmen:  der 
Praktoren  zur  Einziehung  des  dem  Staate  verfallenen  Gutes,  der 
Poleten  zur  Bealisirung  des  Werthes  des  eingezogenen  Eigen- 
tbums.  Auch  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  Antiphon  die  Poristen 
an  erster  Stelle  nennt. 

Ein  solches  Amt  kann  nicht  ohne  den  weitgreifendsten  Ein» 
fluss  auf  die  ganze  Staatsverwaltung  gewesen  sein.  Es  finden 
sich  denn  auch  in  der  Geschichte  der  Jahre  413  —  405  eine  Reibe 
von  Thatsachen,  die  es  nothwendig  machen,  die  Existenz  einer 
obersten  Finanzbehörde  neben  Eath,  Strategen  und  Hellenotamien 
anzunehmen ;  und  diese  Behörde  kann,  soweit  wir  den  Organis- 
mus des  attischen  Staates  in  dieser  Zeit  kennen,  nur  das  CoUe- 
ginm  der  Poristen  gewesen  sein. 

So  hören  wir,  dass  kurz  vor  der  Aufführung  der  Frösche, 
406/5,  Agyrrhios  und  Archinos  das  Honorar  der  Eomödiendichter 
vermindert  hätten;  und  zwar  werden  sie  bei  dieser  Gelegenheit 
als  προϊστάμβνοι  της  bnMoaiaq  τραπίίης  bezeichnet  (Schol.  Arist. 
Fr.  367).  Als  Loosbeamte  bätten  sie  diese  Competenz  schwer- 
lich gehabt,  auch  wäre  es  ein  sehr  sonderbarer  Zufall,  wenn  zwei 
80  ausgezeichnete  Staatsmänner  zur  selben  Zeit  durch  das  Loos 
in  die  Verwaltung  berufen  worden  wären.  Die  Hellenotamien 
können  als  Bundesbeamte  hier,  wo  es  sich  um  eine  Ausgabe  des 
athenischen  Staates  als  solchem  handelt,  nicht  in  Betracht  kommen ; 
die  Annahme  endlich,  Agyrrhios  und  Archinos  wären  in  diesem 
Jahre  Mitglieder  des  Käthes  gewesen,  ist  durch  die  ausdrückliche 
Angabe,  dass  beide  ein  Finanzamt  bekleidet  hätten,  von  vorn 
berein  ausgeschlossen.  Sassen  beide  Männer  aber  damals  im 
Gollegium  der  Poristen,  so  erklärt  sich  alles  auf  die  einfachste 
Weise;  sie  hatten  dann  nicht  nur  das  Recht,  sondern  sogar  die 
amtliche  Obliegenheit,  Luxusausgaben  nach  Möglichkeit  zu  be- 
schränken. Wir  verstehen  dann  auch,  warum  der  Dichter  gerade 
auf  die  Poristen  einen  solchen  Hass  geworfen  hat. 

In  demselben  Jahre  406/5,  bei  Gelegenheit  des  Arginusen- 
prozessesy  wird  Archedemos  bezeichnet  als  ό  του  bήμou  τότε 
προεστηκώς  και  της  biujßeXiaq  έπιμελόμενος  (Xen.  Hell.  Ι  7,  2). 


254  Beloch 

Hier  ist  das  Wort  worauf  allee  ankommt,  bιuι߀λiας,  allerdings 
eine  £mendation  von  Dindorf  statt  des  überlieferten  όΐιυκελίας, 
wofür  die  älteren  Ausgaben  Δεκέλειας  in  den  Text  setzten;  aber 
die  Emendation  ist  evident,  und  jetzt  allgemein  angenommen. 
Wenn  auch  nicht  gewiss»  so  ist  es  doch  wenigstens  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  Xenophon  mit  dem  Ausdruck  ό  τής  όιωβελίας 
έπιμελόμενος  die  amtliche  Stellung  des  Archedemos  bezeichnen 
will,  da  er  dessen  Qualität  als  Demagoge  schon  mit  den  Worten 
ό  του  οήμου  τότε  ττροεστηκώς  hervorgehoben  hatte.  Und  dass 
Archedemos  in  der  That  zu  dieser  Zeit  ein  Finanzamt  bekleidet 
hat,  dafür  spricht  seine  Anklage  gegen  den  Strategen  Eraeinides 
wegen  Unterschlagung  von  Geldern  aus  dem  Hellespont.  Da  nun 
die  Diobelie,  soweit  sie  in  den  Gerichtsgeldern  keine  Deckung 
fand,  aus  der  Kasse  der  Hellenotamien  bezahlt  wurde  ^,  so  liegt 
die  Annahme  sehr  nahe,  dass  Archedemos  eben  Hellenota- 
mias  war  (Böckh,  Staatsh.  I  312)  und  zwar  um  so  mehr,  als 
jene  von  Eraeinides  wirklich  oder  angeblich  unterschlagenen 
χρήματα  ii  Ελλησπόντου  offenbar  Bundesgelder  gewesen  sind. 
Dennoch  glaube  ich  nicht,  dass  diese  Annahme  richtig  ist.  Zwar 
darauf  ist  nicht  viel  Gewicht  zu  legen,  dass  in  einer  Schatz- 
Urkunde  das  Collegiura  der  Hellenotamien  dieses  Jahres  als 
Χαριάοης  Χαρίου  'Αγρυλήθεν  και  συνάρχοντες  bezeichnet  wird 
(CIA.  Ι  140).  obgleich  wir  allerdings  Archedemos  als  Präsidenten 
der  Behörde  zu  finden  erwarten  sollten.  Aber  es  scheint  über- 
haupt nicht,  als  ob  die  Hellenotamien  in  der  Zeit  des  peloponne- 
BiBchen  Krieges  besonderen  Einfluss  auf  die  Finanzverwaltung 
geübt  hätten.  Allerdings  wurden  sie  durch  Cheirotonie  bestellt^; 
aber  das  Verbot  der  Wiederwahl•*  machte  es  zur  Unmöglichkeit, 
dass  irgend  ein  Staatemann,  auf  dieses  Amt  gestützt,  die  Leitung 
der  Finanzen  hätte  in  die  Hand  nehmen  können.  Und  was  spe- 
ciell  die  Diobelie  angeht,  d.  h.  wie  wir  oben  gesehen  haben  den 
Richtersold,  so  ist  in  dem  ersten  Jahre  wo  sie  wieder  gezahlt 
wurde,  41Ü/9,  Kleophon  nicht  unter  den  Hellenotamien;  und  doch 
wissen  wir,  dass  er  es  war,  der  die  Soldzahlung  in  Athen  wie- 
der eingeführt  bat  und  unerniiidlich  thätig  geblieben  ist,  um  sie 
im   Gang  zu  erhalten^.     Also  auch   Archedemos  wird    nicht  Hel- 

1  CIA.  I   188  und  oben  S.  240. 

-  Loesohcko,  De  titulis  aliquot   Atticis  (Bonnae  1876)  S.  9  f. 
'*  W(Miipfstons  kennen  wir  kein  Hoispicl  cint^s  llellenotamias,    der 
mehr  als  einmal  diese  Würde  bekleidet  hätte. 

"*  Aesch.  V.  d.  Ges.  76  ^ιεφθαρκώς  νομή  χρημάτων  τόν  δήμον. 


Zur  Finanzgeechiohte  Athene.  266 

lenotamias  gewesen  sein;  dagegen  erklärt  sich  alles  anfs  Ein- 
fachste, wenn  er  im  Jahre  406/5  zu  den  Poristen  gehört  hat, 
vielleicht  das  leitende  Mitglied  des  Collegiums  war.  Lag  doch 
gerade  den  Poristen  die  Aufgabe  ob,  die  Mittel  zu  den  laufenden 
Ausgaben,  und  also  namentlich  auch  für  den  alles  verschlingen- 
den Heliastensold  (Arist.  Fr.  1466)  herbeizuschaffen. 

Von  viel  grösserer  Wichtigkeit  sind  die  Angaben  über 
Kleopbon's  amtliche  Stellung.  Κλεοφώντα  bi  πάντες  ϊστε  — 
sagt  Lysias  in  der  Rede  über  Aristophanes'  Vermögen  (49)  — 
δτι  πολλά  ίτη  οιεχείρισε  τα  της  πόλειυς  πάντα  και  προσεοο- 
κάτο  πάνυ  πολλά  έκ  της  αρχής  ϊχειν.  Hier  ist  das  Gerede  von 
dem  amtlosen  Demagogen,  der  durch  seinen  blossen  Einfluss  auf 
die  Volksversammlung  den  Staat  leitet,  von  vorn  herein  abge- 
schnitten; denn  Lysias  sagt  ja  ausdrücklich,  dass  Kleophon  eine 
αρχή  bekleidet  hat.  und  ebenso  wenig  geht  es  an,  Kleophon 
als  leitenden  Rhetor  in  der  Bule  auszugeben;  denn  das  Loos 
konnte  ihn  unmöglich  Jahr  für  Jahr  (πολλά  έτη)  in  diese  Körper- 
schaft bringen.  Kleophon  muss  also  in  der  Zeit  seiner  Macht 
d.  h.  von  410 — 405  ein  Staatsamt  im  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes  bekleidet  haben;  die  Frage  ist,  welches? 

Nach  den  Scholien  zu  Aristophanes'  Fröschen  (679)  wäre 
Kleon  Stratege  gewesen.  Man  pflegt  diese  Angabe  gewöhnlich 
ohne  Weiteres  bei  Seite  zu  werfen,  gerade  wie  die  ähnlichen  An- 
gaben über  Hyperbolos;  werden  doch  sogar  Kleon's  Strategien 
nach  Möglichkeit  zu  leugnen  versucht.  Wie  unmethodisch  ein 
solches  Verfahren  ist,  bedarf  keiner  Ausführung.  Eupolis  Klage, 
daes  jetzt,  statt  wie  einst  Männer 

έκ  τών  πρωτίστων  οίκιαιν,  πλούτψ  γένει  τε  πρώτοι 
Gesindel  (καθάρματα)  zu  Strategen   gewählt   würde,   muss   doch 
einen    thatsächlichen   Untergrund    haben.     Und   wenn  Kleon  zur 
Strategie  gelangt  ist,  warum  nicht  auch  seine  Nachfolger  in  der 
προστασία  του  οήμου? 

Nun  wissen  wir  allerdings,  dass  Kleophon  nicht  unter  den 
Strategen  gewesen  ist,  die  im  Frühjahr  406  an  Alkibiades  und 
seiner  Collegen  Stelle  für  das  Amtsjahr  406/5  gewählt  wurden. 
Und  ebensowenig  wird  Kleophon  bei  seinem  politischen  Gegen- 
satz zu  Alkibiades  zu  den  Strategen  des  Vorjahrs  gehört  haben. 
Da  auch  unter  den  neun  bekannten  Strategen  des  Jahres  410/9 
Kleophon's  Name  fehlt,  so  ist  es  so  gut  wie  gewiss,  dass  er  auch 
damals  das  Feldhermamt  nicht  bekleidet  hat.  Für  die  beiden 
zwiechenliegenden  Jahre  409/8  und  408/7  ist  nach  alle  dem  eine 
Strategie  Kleophon's  sehr  unwahrscheinlich. 


256  Belooh 

Wohl  aber  bleibt  die  Möglicbkeit,  dase  Eleophon  sei  es 
an  der  NachwAbl  für  die  in  Folge  der  ArginnBenschlacht  abge- 
setzten Feldherm  im  Herbst  406,  sei  es  an  den  regelmäeeigen 
Archaereeien  im  folgenden  Frühjahr,  oder  auch  bei  beiden  Gele- 
genheiten zum  Strategen  erwählt  worden  ist.  Bei  der  massge- 
benden Stellung,  welche  die  radicale  Volkspartei  in  Athen  damals 
einnahm,  hätte  die  Wahl  ihres  hervorragendsten  Fülirers  zur 
höchsten  Würde  des  Staates  gar  nichts  auffallendes;  im  Gegen- 
theil,  es  wäre  sehr  auffallend,  wenn  Eleophon  nicht  nach  dem 
höchsten  Amt  gestrebt  hätte  oder  bei  der  Bewerbung  unterlegen 
wäre.  Die  bekannte  Geschichte,  wonach  Eleophon  mit  dem 
Schwert  umgürtet  in  die  Volksversammlung  kam,  und  jedem  den 
Eopf  vor  die  Füsse  zu  legen  drohte,  der  es  wagen  würde  von 
Frieden  zu  sprechen,  eine  Geschichte,  die  nicht  nur  von  Aeschines, 
sondern  auch  von  Aristoteles  erzählt  wird  \  hat  zur  Voraussetzung, 
dass  Eleophon  ein  militärisches  Amt  bekleidete,  denn  ein  ein- 
facher Bürger  durfte  nicht  bewaffnet  in  der  Ekklesie  erscheinen. 
Und  dieses  militärische  Amt  kann  bei  Eleophon's  hervorragender 
politischen  Stellung  doch  kaum  ein  anderes  gewesen  sein  als  eben 
die  Strategie.  Noch  deutlicher  geht  das  hervor  aus  Lysias' 
(g.  Agor.  12)  Angaben  über  den  Process,  der  zu  Eleophon's  Ver- 
urtheilung  und  Hinrichtung  führte.  Er  wurde  nämlich  verurtheilt, 
δτι  ουκ  ήλθεν  εις  τά  όπλα  άνατταυσόμε νος ,  d.  h.  wegen  eines 
Vergehens  (λειπο(Ττρατίου)  das  für  einen  gemeinen  Soldaten  nur 
eine  partielle  Atimie  im  Gefolge,  hatte.  Wenn  aber  Eleophon 
als  Stratege  seine  Pflicht  nicht  that,  oder  doch  beschuldigt  wurde 
sie  nicht  gethan  zu  haben,  so  hat  weder  die  exceptionelle  Zu- 
sammensetzung des  Geschworenengerichts  noch  die  Schwere  der 
verhängten  Strafe  etwas  Auffallendes*^. 

Die  Angabe  der  Scholien  zu  den  Fröschen  ist  also  doch 
vielleicht  einer  guten  Quelle  eutnommen,  und  Eleophon  wirklich 
von  Herbst  406  bis  Frühjahr  4U4  Stratege  gewesen.  Dans  Piaton 
an  den  Lenäen  4UG/5  den  Demagogen  in  Person  auf  die  Bühne 
•  V>rachte,  ist  kein  Gegengrund,  da  wir  nicht  wissen,  wieweit  die 
PVeiheit  der  Koniüdie  damals  beschränkt  war;  auf  alle  Fälle  aber 
wird  nur  die  erste  Strategie  Kleophon's  im  Jahre  406/5  dadurch 
berührt. 

1  Aesch.  V.  d.  Ges.  76,    Aristoteles  fr..  71  Müller   (FHG.  II  127) 
bei  Schul.  Arist.  Frösche  1582. 

-  Vgl.  Sicvers,  Coniment.  bist,  de  Xen.  Hell.  S.  44. 


Zur  Finanzgeschichte  Athens.  267 

Immerhin  aber  reicht  dieee,  im  besten  Fall  achtzehn monat* 
liehe  Strategie  Kleophon's  keineswegs  aus  zur  Erklärung  von 
Lysias'  Ausdruck:  πολλά  ίτη  οΐ€χ€ίρισε  τά  της  πόλεως  πάντα. 
Es  bleibt  also  immer  noch  die  Frage,  welche  Stellung  Eleophon 
in  den  Jahren  von  410/9  —  407/6  bekleidet  hat.  Nur  dass  es  ein 
Finanzamt  gewesen  sein  muss,  zeigt  ausser  Lysias'  Worten  auch 
der  Vorwurf  des  Aeschines,  dass  Eleophon  den  Demos  durch 
Geldvertheilungen  verdorben  habe. 

Die  Loosämter  werden  wir  selbstverständlich  auch  hier 
ausschliessen  müssen.  Ebensowenig  dürfen  wir  an  das  Amt  eines 
Hellenotamias  denken ;  denn  erstens  konnte  Kleophon  diese  Würde 
nur  einmal  bekleiden,  nicht  'viele  Jahre^;  femer  hätte  er  als 
Hellenotamias  keineswegs  die  'gesammte  Verwaltung  des  Staates* 
unter  sich  gehabt;  endlich  wiesen  wir^  dass  er  410/9  sicher, 
407/6  höchst  wahrscheinlich  in  diesem  CoUeginm  nicht  gesessen 
hat.  An  den  *  Vorsteher  der  Verwaltung'  (έπι  τη  οιοική(Τει)  zu 
denken,  ist  auf  den  ersten  Blick  sehr  verführerisch,  um  so  mehr, 
als  von  410/9  —  407/6  gerade  eine  pan athenäische  Finanzperiode 
läuft;  aber  es  darf  wohl  jetzt  als  ausgemacht  gelten,  dass  dieses 
Amt  im  V.  Jahrhundert  noch  nicht  bestanden  hat.  Auch  bliebe 
in  der  That  neben  den  Poristen  für  den  Vorsteher  der  Verwal- 
tung kein  Raum.  So  gibt  es  nur  ein  einziges  Amt,  kraft  dessen 
Kleophon  die  Machtfülle  ausgeübt  haben  kann,  die  ihm  Lysias 
zuschreibt,  eben  das  Amt  eines  Poristen.  Und  dass  dieser  Schluss 
richtig  ist,  dafür  haben  wir  in  der  gleichzeitigen  üeberlieferung 
wenigstens  eine  Andeutung.  Andokides  vergleicht  in  der  Rede 
*von  seiner  Rückkehr^  die  bekanntlich  409  oder  in  einem  der 
nächstfolgenden  Jahre  gehalten  ist,  seine  eigenen  Verdienste  um 
den  Staat  mit  denen  der  leitenden  Staatsmänner  (§  17):  τοΟτο 
μέν  δσοι  τών  πολιτών  τά  υμέτερα  bιαχ€lpίεovτ€ς  άργυριον  ύμϊν 
έκπορίΖουσιν,  δλλο  τι  ή  τά  υμέτερα  ύμϊν  biboaai;  τούτο  bl 
δύοχ  (Ττρατηγοι  κτλ.  Namen  darf  Andokides  hier  in  der  Deme- 
gorie  nach  dem  parlamentarischen  Gebrauch  Athens  freilich  nicht 
nennen  \  aber  die  Anspielung  auf  Kleophon  ist  trotzdem  ganz 
unverkennbar.  Den  Ausdruck  Οιαχειρί21ειν  braucht  auch  Lysias 
an  der  oben  angeführten  Stelle  von  Kleophon;  der  Ausdruck  έκ- 
πορί2[ου(Τιν  konnte,  solange  es  überhaupt  eine  Behörde  der  Po- 
risten gab,    vom  Hörer  nur  auf  diese  bezogen  werden.     £s  sind 


*  Vgl.  Thuk.  IV  27,  5  und  alle  wirklich  gehaltenen  oder  fingirten 
Demegorien  aus  dem  V.  und  IV.  Jahrhundert. 


268  Beloch 

also  die  Poristen,  von  denen  nach  dieser  Stelle  die  Greldverthei- 
langen  ausgeben;  aus  Aeechines  wissen  wir,  dase  es  Eleophon 
war,  der  vor  allem  in  dieser  Richtung  sich  thätig  zeigte.  Zu- 
gleich sehen  wir  aus  den  Worten  des  Andokides,  welch*  hohe 
Bedeutung  im  Staate  dem  Amt  der  Poristen  sukam,  da  es  mit 
der  Strategie  selbst  auf  gleiche  Linie  gestellt  wird. 

Wenn  nun  auch  die  Poristen  seit  Ende  des  peloponneeischen 
Krieges  in  unserer  Ueberlieferung  nicht  mehr  auedrücklich  er- 
wähnt werden,  so  war  doch  die  Finanzlage  Athene  in  den  Frie- 
densjahren von  403—396,  und  spftter  im  korinthischen  Kriege 
derart,  dass  eine  solche  Behörde  gar  nicht  entbehrt  werden 
konnte.  Wir  besitzen  in  der  That  mehr  als  eine  Andentang 
dafür,  dass  das  Amt  der  Poristen  bis  zum  Frieden  des  Antal- 
kidas,  also  wahrscheinlich  bis  auf  die  Finanzreform  unter  dem 
Archen  Nausinikos,  bestanden  hat. 

So  soll  der  Sohn  der  Aspasia  von  Lyeikles  ^Poristes*  ge- 
heissen  haben  ^.  Der  Name  ist  in  der  ganzen  griechischen  Li- 
teratur und  Fpigraphik  völlig  unerhört,  und  sollte  Aspasia  wirk- 
lich die  Geschmacklosigkeit  begangen  haben,  ihren  Sohn  *  Rent- 
meier' '^  zu  nennen?  Sie,  die  nun  einmal  in  der  öffentlichen 
Meinung  als  Hetaere  galt,  hatte  doch  doppelten  &rund,  jede 
solche  Anspielung  auf  den  Gelderwerb  zu  vermeiden.  Ich  denke 
also,  dass  hier  eine  V^erwechselung  vorliegt,  und  dass  der  Sohn 
der  Aspasia  nicht  Poristes  geheissen,  wohl  aber  die  Würde  eines 
Poristen  bekleidet  hat. 

Aspasia  hat  Lysikles  nach  dem  im  Herbst  429  erfolgten 
Tode  des  Perikles  geheirathet;  nach  einjähriger  Ehe  fiel  Lysikles 
als  Strateg  in  Karien  im  Herbst  428  (Thuk.  III  19).  Sein  und 
der  Aspasia  Sohn  muss  demnach  im  J.  428  oder  Anfang  427  ge- 
boren sein.  Staatsäniter  konnte  er  folglich  nicht  vor  den  ersten 
Jahren  des  vierten  Jahrhunderts  bekleiden;  ist  er  also  Porist 
gewesen,  so  niuss  das  Amt  noch  nach  der  Anarchie  bestanden 
haben. 

Ich  erinnere  hier  an  die  τετταρακοστή  ήν  έπόρισ'  Ευρι- 
πίδης, die  Aristophanes  in  den  Ekklewiazusen  erwähnt.  Die  An- 
nahme liegt  sehr  nahe,  dass  der  Dichter  durch  das  Wort  έπΟρΐ(ΐ€ 
auf  die  Stellung  des  Euripides  als  Poristen  hat  anspielen  wollen, 

'  Aescliines  der  Sokratiker  bei  Harpokr.  'Ασπασία  und  Schol.  Plat. 
Mcnex.  p.  235  C. 

-  Pape-Benseler  unter  ΤΤοριστής. 


Znr  Finanzgeschiohte  Athene.  259 

und  jedenfalls  hätte  Enripides  als  Porist  am  ersten  Veranlassung 
gehabt,  eine  solche  Steuererhöhung  vorzusrhlagen  und  durchzu- 
setzen. 

Den  direkten  Beweis  für  die  Existenz  der  Poristen  in  dieser 
Zeit  gäbe  uns  die  Rede  des  Lysias  gegen  Epikrates,  wenn  Falk 
mit  seiner  Emendation  συμποριστών  für  συμπρ€(Τβ€υτών  in  den 
Eingangsworten  Recht  hätte.  Von  einer  Gesandtschaft  des  Epi- 
krates steht  in  der  ganzen  Rede  kein  Wort,  dagegen  um  so  mehr 
von  einem  Finanzamt,  das  der  Angeklagte  verwaltet  hat;  er  und 
seine  üollegen  werden  als  φύλακες  χρημάτων,  o\  τών  abiKOUv- 
των  κολασται  (§  3)  bezeichnet ;  ferner  waren  sie  es,  die  die  Sold- 
zahlungen leiteten  (§11)  ώστε  ούκίτι  ών  ούτοι  κλίπτουσιν  όρ- 
γί2€σθ€,  άλλ'  ών  αύτοι  λαμβάνετε  χάριν  ϊσθε,  ώσπερ  ύμεΐς  τά 
τούτων  μισθοφορουντες  (vgl.  §  1).  Ich  wüsste  nicht,  auf  wel- 
ches Finanzamt  sich  diese  verschiedenen  Attributionen  beziehen 
könnten,  wenn  nicht  auf  das  der  Poristen ;  denn  einen  *  Vorsteher 
der  Verwaltung^  hat  es  in  der  Zeit  des  korinthischen  Krieges 
noch  nicht  gegeben,  und  femer  geht  aus  der  Rede  deutlich  her- 
vor, das  Epikrates  Mitglied  einer  coUegialischen  Behörde  war. 
Eben  deswegen  aber,  und  auch  aus  Gründen  des  Rhythmus  dürfen 
wir  die  Worte  καΐ  τών  (ίυμπρεσβευτών  nicht  einfach  wegstrei- 
chen ^,  und  da  also  emendirt  werden  muss,  ist  συμποριστών 
jedenfalls  die  leichteste  Aenderung.  An  dem  *  neuen  Wort^  ist 
kein  Anstoss  zu  nehmen,  denn  solange  es  überhaupt  Poristen 
gegeben  hat,  mussten  die  Mitglieder  dieser  Behörde  ebenso  als 
αυμπορκτται  bezeichnet  werden,  wie  die  Mitglieder  einer  Gesandt- 
schaft als  συμπρεσβευταί  oder  die  Gesammtheit  der  Strategen 
als  (Τυστράτηγοι.  Aber  allerdings  konnte  ein  Grammatiker,  der 
bei  Demosthenes  von  dem  Gesandtschaftsprozess  des  Epikrates 
gelesen  hatte,  sehr  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  die  Rede 
des  Lysias  bezöge  sich  eben  auf  diesen  Prozess,  und  sich  berech- 
tigt glauben,  den  ungewöhnlichen  Ausdruck  συμποριστών  zu  cor- 
rigiren. 

Rom.  Julius  Beloch. 

'  Vgl.  Lys.  ΧΠ  81  κατηγόρηται  δή  Ερατοσθένους  καΐ  τών  τούτου 
φ(λ(ΐιν,  wodurch  eich  der  Einwand  von  Blase  1  445,  'dass  die  Anklage- 
rede stets  nur  gegen  einen  gehen  konnte*  erledigt.  (Hentschel,  Quae- 
stiones  de  Lysiae  orat.  Epicratea,  Diss.  Leipzig  1874,  angeführt  von 
Blase  IV  340). 


Ζα  den  Berichten  des  Polybins  nnd  Liyias  aber  die 
Schlacht  am  trasimenischen  See. 


Der  Versuch,  den  H.  Sturen  bürg  ^  neuerdinge  gemacht  hat, 
die  Darstellung  des  Polybius  von  der  Schlacht  am  trasimenischen 
See  mit  dem  Bericht  des  Livius  zu  verschmelzen,  um  dadurch 
die  Anordnungen  Hannibars  in  Beziehung  auf  die  Beschaffenheit 
der  Oertlichkeit  und  den  Gang  der  Schlacht  klarer  zu  stellen, 
gibt  mir  den  Anlass  das  Verhftltniss  der  beiden  Darstellungen 
untereinander  und  zum  Terrain  einer  eingehenden  Erörterung  zu 
unterziehen.  Es  ist  meine  Absicht,  den  Beweis  zu  erbringen, 
dass  Polybius  sich  nicht  bloss  das  Schlachtfeld  wesentlich  anders 
gedacht  hat  als  Livius,  sondern  dass  er  auch  die  Beschreibung 
des  Kampfes  sorgfältig  und  in  genauer  Beziehung  an  die  von 
ihm  vorgestellte  Oertlichkeit  angeschlossen  hat.  Aus  diesem  Be- 
weise soll  sich  die  nothwenJige  Folge  ergeben,  dass  in  der  Haupt- 
sache eine  Vermittelung  zwischen  Livius  und  Polybius  in  dieser 
Frage  unstatthaft  ist. 

In  der  vorliegenden  Litteratur  wird  die  Darstellung  des 
Polybius  vertreten  durch  Mommsen^,  die  des  Livius  durch  C.  Neu- 
raann•^  Beide  Berichte  suchte  als  aus  derselben  Quelle  stammend 
und  in  der  Hauptsache  als  zusammenfallend  zu  erweisen  Nissen*; 
seine  Aufstellungen  haben  theil weise  Widerspruch  erfahren  von 
C.  und  H.  Peter  ^  Egelhaaf^,  Stürenburg'. 

^  De  Romanorum  cladibus  Trasumenna  et  Cannensi.  Leipz.  188.3. 
Prg.  Thomasscbule  S.  0. 

2  R.  G.«  I  S.  504. 

^  Das  Zeitalter  der   punischeii  Kriege.  Breslau   1883.  S.  333  ff. 

*  Rh.  Museum  N.  F.  ΧΧΠ.   I8(i7.  8.  5H5  ff.,  bes.  S.  583. 

•'  Gesch.  Roms»  I  S.  368.  Λ.  Historicorum  Rom.  rell.  I  p.  CCXXVIff. 

"  Vergleichung  der  Berichte  des  Polybioa  und  Livius  über  den 
italischen  Krieg  der  Jahre  218 — 17.  Leipz.  1879.  Fleckeis.  Suppl.  X 
S.  512. 

■^  A.  a.  0.  S.  3  tr. 


Polybias  und  Livius  über  die  Schlacht  am  trasimenischen  See.        261 

Polybine^  erzählt,  dase  Hannibal  auf  eeinem  Zuge  aus  der 
Gegend  von  Fäsulä  das  römische  Heer  ein  wenig  überflügelnd  in 
das  Gebiet  von  Cortona  vorgerückt  sei,  die  fruchtbare  Landschaft 
sengend  und  plündernd,  um  Flaminius,  der  bei  Arretium  stand, 
zur  Schlacht  zu  reizen.  Er  rückte  von  hier  in  der  Richtung  von 
Rom  weiter,  indem  er  Cortona  und  seine  Berge  zur  Linken,  den 
trasimenischen  See  zur  Rechten  hatte.  Diese  Angaben  stimmen 
nicht  zu  den  örtlichen  Verhältnissen.  Wer  Cortona  und  seine 
Berge  zur  Linken  hat,  der  steht  mit  seiner  Front  vor  dem  tra- 
simenischen See^.  Wer  aber  den  trasimenischen  See  zur  Rechten 
hat,  der  ist  aus  der  Richtung  von  Rom,  welche  durch  das  obere 
Clanisthai  über  Clusium  (die  spätere  via  Cassia)  führt,  auf  Perusia 
und  die  via  Flaminia  abgebogen.  Polybius  ist  also  ohne  Zweifel 
falsch  orientirt.  £s  ist  aber  als  sicher  anzunehmen,  dass  Poly- 
bius der  Ansicht  gewesen  ist,  Hannibal  sei  am  Nordrand  des 
Sees  gezogen,  was  bereits  C.  Neumann  aus  seiner  Darstellung 
geschlossen  hat  ^  Durch  ein  enges  Defilee  zwischen  dem  See 
und  den  Bergabhängen  gelangte  Hannibal  in  eine  Thalschluebt, 
welche  an  den  beiden  Längsseiten  durch  hohe  und  ununterbro- 
chene Berge,  an  den  beiden  Querseiten  am  Fingang  durch  einen 
See,  am  Ausgang  durch  einen  schroffen  und  steilen  Hügel  abge- 
schlossen war.  Diesen  Hügel,  der  in  der  Front  des  marsohiren- 
den  Heeres  lag,  besetzte  Hannibal  selbst  mit  den  Iberern  und 
Libyern;  die  balearischen  Schleuderer  und  die  Speerwerfer  führte 
er  seitwärts  von  der  Strasse  ab  und  gab  ihnen  eine  gedeckte 
Stellung  entlang  den  rechte  der  Thalebene  sich  hinziehenden 
Höhen;  die  Reiter  und  die  Gallier  endlich  setzten  sich  in  gleicher 
Weise  an  der  linken  Hügelreihe  in  ununterbrochener  Linie  fest, 
so  dass  sie  dem  Defilee,  durch  welches  der  Einmarsch  der  Römer 
zwischen  See  und  Bergabhang  erfolgen  musste,  am  nächsten  stan- 
den. Diese  Vorstellung,  dass  die  Thalschlucht  rings  umstellt  war 
(83,  5  περιειληφώς  τόν  αύλατνα  ταΐς  έν^ραις)  wird  in  der  Dar- 
stellung des  Kampfes  streng  festgehalten. 

Unmittelbar  am  See  hatte  Flaminius  spät  Abends  das  Lager 


1  m  82—84. 

*  G.  Neumann  a.  a.  0.  S.  334-     Stürenburg  a.  a.  0.  S.  6. 

'  Stürenburg  a.  a.  0.  S.  5.  A.  16  hat  ohne  allen  Grand  aus  Neu- 
mann^s  Darstellung  gescbloseen,  dass  er  dem  Polybius  die  Meinung 
beilege,  der  Kampf  habe  nicht  jenseits,  sondern  diesseits  von  Borghetto 
stattgefunden. 


262  Faltin 

aufgeschlagen;  frühzeitig  —  der  Tag  war  stark  nehlig  —  rückte 
sein  Vortrah  längs  des  Sees  durch  den  Hohlweg  in  die  an- 
stossende  Thalehene,  um  mit  dem  Feinde  Fühlung  zu  gewinnen. 
Den  grössten  Theil  des  feindlichen  Heeres  Hess  Hannihal  in  das 
enge  Thal  herein,  his  der  Vortrab  vor  seiner  Stellung  eintraf. 
Da  gab  er  das  Zeichen  zum  Angriff.  Ueberrascht  von  der  Er- 
scheinung der  Feinde  in  der  Front  ahnten  die  Römer  noch  nicht, 
dass  sie  rings  umstellt  seien.  Plötzlich  wurden  sie  nicht  bloss 
in  der  Front,  sondern  auch  von  den  Seiten  und  im  Rücken  be- 
kämpft. So  wurden  die  meisten  noch  in  der  Marschordnung  zu- 
sammengehauen.  Flaminius  fiel  von  der  Hand  einiger  Gelten. 
Fast  15000  Mann  erlagen  dem  feindlichen  Schwert  in  der  Thal- 
ebene. Ein  Theil  des  Heeres  ward  in  dem  Hohlweg  eingekeilt 
und  in  den  See  gedrängt,  wo  viele  in  den  schweren  Rüstungen 
erstickten,  viele  sich  gegenseitig  tödteten,  viele  den  nachfolgen- 
den Reitern  sich  ergaben.  6000  Mann  durchbrachen  die  feind- 
liche Aufstellung  in  der  Front  (84,  11  τους  κατά  τό  πρόσωπον) 
und  retteten  sich  aus  dem  Kampfe.  Sie  wurden  nach  der  Schlacht 
eingeholt  und  zur  Ergebung  gezwungen. 

Die  Vorstellung  vom  Terrain,  die  Aufstellung  der  kartha- 
gischen Truppen,  die  Durchführung  des  Kampfes  passen  scharf 
aufeinander.  Man  sieht,  dass  Polybius  sich  eine  klare  und  durch- 
dachte Vorstellung  über  den  Gang  der  Schlacht  gebildet  hatte. 
Gleichwohl  finden  sich  in  seinem  Bericht  zwei  AnstÖsse,  die  den 
Zusammenhang  stören  und  das  Verständniss  irreleiten.  Sie  können 
nicht  Polybius,  sondern  müssen  den  Abschreibern  zur  Last  gelegt 
werden.  Auf  den  einen  Anstoss  hat  Neumann  ^  aufmerksam  ge- 
macht. Wenn  es  (83,  1)  heisst:  κατά  bk  τήν  άπ*  ουράς  (πλευ- 
ράν)  λίμνη  ν  (έχει  ό  αυλών)  τελείως  στενήν  άπολείπουσαν 
πάροοον,  80  mus8  man  noth wendig  unter  λίμνη v  sich  einen  an- 
deren See  denken  als  den  trasimenischen.  Indess  die  ganze  Dar- 
stellung des  Polybius  weiss  nur  von  dem  einen  See,  den  Hannibal 
bei  seinem  Marsch  links  von  Cortona  zur  Rechten  hatte  (82,  10), 
an  dessen  Ufer  das  Defilee  in  das  enge  Thal  führt  (83,  4),  in 
welchem  ein  Theil  des  Heeres  bei  dem  Kampfe  im  Defilee  hinein- 
gedrängt wurde  (84,  9).  Also  kann  an  der  angeführten  Stelle 
selbstverständlich  nur  der  trasimenische  See  gemeint  sein.  Dann 
iKt  aber  der  Zusatz  des  Artikels  unerlässlich.  Der  Ausfall  des- 
selben   erklärt    sich    aus    der    unbeholfenen    und    verschlungenen 

1  A.  a    0.  S.  8.S4. 


Polybias  nnd  Livius  über  die  Schlacht  am  trasiTnenischeii  See.        2β8 

• 

Satzfü^ng  leicht.  —  Wenn  aber  1.  die  Schildemng  des  Maraches 
(82,  9),  2.  die  Beschreibung  der  Thalschlucht  (83,  1),  3.  die 
Darstellung  der  Schlacht  (84,  1  —  10)  deutlich  ergibt,  dass  der 
trasimenisohe  See  sich  nach  den  Vorstellungen  des  Polybius  west- 
wärts von  Cortona  bis  an  den  Rand  der  engen  Thal  ebene  er- 
streckt und  nur  am  Eingang  dieselbe  in  einer  nicht  näher  be- 
stimmten, jedenfalls  nicht  erheblichen  Ausdehnung  begrenzt  hat, 
so  ist  es  als  ein  unerträglicher  Widerspruch  zu  bezeichnen,  wenn 
es  (83,  2)  heisst:  6ΐ€λθών  τον  αύλώνα  παρά  την  λίμνην,  wie 
Stiirenburg^  richtig  hervorgehoben  hat.  Denn  dieser  αυλών  kann 
selbstverständlich  nicht  etwa  auf  das  Thal  bezogen  werden,  das 
sich  Polybius  zwischen  den  Bergen  von  Cortona  und  dem  seiner 
Vorstellung  nach  dazu  südwärts  (ώς  €ΐς  την  Ρώμην)  konver- 
girenden  traeimenischen  See  gelegen  denkt.  Dies  beweist  eigent- 
lich schon  der  Ausdruck:  τόν  αύλώνα,  der  natürlich  nur  den- 
selben αυλών  bezeichnen  kann,  der  in  den  wenige  Zeilen  voraus- 
gehenden Worten:  δντος  bfe  κατά  τήν  biobov  αύλώνας  έττιπ^οου, 
genannt  ist,  wenn  anders  man  mit  Hultsch  die  unmittelbar  vor- 
stehenden Worte:  ώς  €ΐς  τόν  αύλώνα  παρά  τήν  παρώρβιαν 
verdächtigt.  Ausser  allem  Zweifel  setzt  es  aber  die  Wendung: 
τόν  μέν  κατά  πρόσωπον  της  πορείας  λόφον  αυτός  κατβλάβετο, 
die  sich  mit  dem  im  Vordersatze  befindlichen  Ausdruck:  κατά 
μέν  τήν  αντικρύ  (πλβυράν  6  αύλα^ν  ίχβι)  λόφον  έπικείμενον 
έρυμνόν  και  bύ(Tßατov,  deckt.  Daraus  ergibt  sich  die  Nothwen- 
digkeit  die  Worte:  παρά  τήν  λίμνην,  hinter  τόν  αύλώνα  zu 
streichen.  Die  Fassung  der  Stelle  wird  also  in  folgender  Weise 
abzuändern  sein:  βντος  bfc  κατά  τήν  biobov  αύλώνος  έπιπ^boυ, 
τούτου  bk  παρά  μέν  τάς  €ΐς  μήκος  πλευράς  έκατέρας  βουνούς 
ίχοντος  υψηλούς  και  συνεχείς,  παρά  hi  τάς  εΙς  πλάτος  κατά 
μέν  τήν  αντικρύ  λόφον  έπικείμενον  έρυμνόν  και  bύσßατov,  κατά 
bk  τήν  άπ'  ουράς  [τήν]  λίμνην  τελείως  στενήν  άπολείπουσαν 
udpobov  (ώς  εΙς  τόν  αύλώνα  παρά  τήν  παρώρειαν),  bιελθώv 
τόν  αύλώνα  τόν  μέν  κατά  πρόσωπον  τής  πορείας  λόφον  αυτός 
κατελάβετο  κτλ. 

Mit  diesen  Korrekturen  ist  die  Einheitlichkeit  und  der  Zu- 
sammenhang in  der  Vorstellung  des  Polybius  hergestellt.  Wenn 
man  vor  der  Hand  noch  von  der  Beziehung  derselben  auf  die 
gegebenen  Ortsverhältnisse  Abstand  nimmt  und  die  Darstellung 
nur  auf  ihre  innere  Wahrheit  prüft,  so  kann  man  allerdings  zwei 


1  A.  a.  0.  S.  5. 


264  F^ltin 

Bedenken  nicht  untfird rücken.  Wie  war  es  möglich,  daes,  wenn 
Hannibal  den  AiiRgang  der  Thalschlucht  in  einer  festen  nnd 
schwer  zugänglichen  Stellung  deckte,  60()0  Mann  gerade  hier 
durchbrechen  konnten.  Ferner  woher  kamen  die  Truppen,  durch 
welche  der  römische  Heerestheil  im  Hohlweg  von  vom  und  hin- 
ten eingekeilt  wurde,  da  vor  demselben  keine  Truppen  belassen 
worden  sind.  Auf  diese  beiden  Fragen  ist  ans  Polybius  eine  be- 
friedigende Antwort  nicht  zu  gewinnen. 

Versucht  man  aber  die  Angaben  des  Polybius  mit  den 
wirklichen  Ortsverhältnissen,  wie  sie  von  Neumann,  Stürenburg 
und  besonders  eingehend  von  Nissen^  dargelegt  sind,  in  Bezie- 
hung zu  setzen,  so  geräth  man  in  unlösbare  Schwierigkeiten. 
Die  Strasse  von  Cortona  nähert  sich  bei  ßorghetto  dem  trasime- 
nischen  See  und  wendet  sich  daselbst  ostwärts  am  Nordrand  des 
Sees;  sie  führt  am  Abhang  des  M.  Gualandro  durch  einen  Hohl- 
weg auf  eine  kleine  Strandebene,  die  im  Süden  vom  See  be- 
grenzt, im  Norden  bogenförmig  von  ziemlich  steilen  Höhen  ein- 
geschlossen wird.  Etwa  in  der  Mitte  der  £bene  springt  der 
schroffe  Rücken,  auf  welchem  das  Dorf  Tuoro  liegt,  gegen  den 
See  vor  und  bildet  eine  östliche  und  westliche  Einbuchtung.  Der 
östliche  Rand  der  Ebene  wird  abermals  von  steilen  Höhen  einge- 
schlossen, die  ganz  nahe  an  den  See  herantreten.  Bei  Passignano 
verengt  sich  die  Ebene  abermals  zu  einem  Hohlweg.  Die  Längs- 
ausdehnung  beträgt  8  Kilom.,  die  grösste  Breite  6  Kilom.,  die 
aber  zwischen  dem  Rücken  von  Tuoro  und  dem  See  auf  weniger 
als  die  Hälfte  sich  vermindert.  Der  Rand  des  Sees  ist  versumpft 
und  mit  Binsen  bewachsen,  so  dasß  die  Strasse  in  alter  Zeit  so 
wie  heute  sich  vom  See  entfernte.  Mit  den  Krümmungen  misst 
die  Länge  der  Strasse  etwa  10  Kilometer. 

Es  ist  auf  den  ersten  Blick  klar,  dass  diese  Ebene,  auf 
welche  Hannibal  nach  den  eigenen  Angaben  des  Polybius  gelangt 
sein  muss,  der  Beschreibung  seiner  Thalschlucht  nicht  entspricht. 
Der  wesentliche  Unterschied  liegt  darin,  dass  die  ganze  rechte 
Längsseite,  nicht  die  hintere  Uuerseite  vom  See  begrenzt  ist. 
Das  Thal  hat  ferner  eine  viel  grössere  Längsausdehnung  als  Po- 
lybius voraussetzt.  Denn  nimmt  man  an,  dass  er  mit  seinen 
Iberern  und  Libyern  die  Höhe  am  Ausgang  besetzt  hatte,  so 
hätte  sein  Heereszug  etwa  9  Kilometer  bedeckt,  ohne  dass  alle 
Truppen    in    die    Strandebene    gelangt    wären;    auch    dann    noch 

»  A.  ;t   O.  S.  580  IT. 


Polybins  und  Livins  über  die  Schlacht  am  trasimenischen  See.        265 

hätte  ein  erheblicher  Theil  im  Hohlweg  gesteckt.  Aber  diese 
Ausdehnung  des  Zuges  müsste  für  ein  Heer  von  30 — 40000 
Mann^  für  ganz  ausserordentlich  gelten.  Der  Hohlweg  ausser- 
dem, in  welchem  noch  ein  bedeutender  Theil  des  Heeres  einge- 
schlossen wurde,  ist  in  Wirklichkeit  viel  kürzer  als  in  der  Vor- 
stellung des  Polybius. 

Gleichwohl  hat  Nissen^  einen  Ausgleich  versucht  und  mit 
grosser  Zuversicht  vorgetragen.  Er  meint,  die  Terrainbeschrei- 
bung des  Polybius  sei  vollständig  genau,  sobald  man  berücksich- 
tige, dass  sie  auf  einen  römischen  Gewährsmann  zurückgehe. 
'Nur  ein  Römer,  der  in  dem  verhängnissvoUen  Engpass  (Thal- 
ebene?) linksum  gemacht  hatte  gegen  den  hervorbrechenden  Feind, 
konnte  so  beschreiben,  wie  Polybius  thut;  nur  er  durfte  den 
Flügel,  der  vom  karthagischen  Standpunkt  der  linke  war,  als 
rechten  und  den  rechten  als  linken  bezeichnen'.  Indess  eine 
solche  Beschreibung  wäre  beispiellos  und  ist  sicherlich  keinem 
Soldaten  zuzutrauen.  War  der  Schriftsteller,  dem  Polybius  folgte, 
nur  ein  halbwegs  klarer  Kopf,  so  musste  er  angeben,  von  wel- 
chem Standpunkt  aus  er  seine  Terrain  Schilderung  gab.  Hatte  er 
aber  seinen  Standpunkt  bezeichnet,  so  ist  wirklich  nicht  abzu- 
sehen, wie  Polybius  diesen  Standpunkt  übersehen  konnte.  Denn 
die  Darstellung  des  Polybius  lehrt  mit  aller  wünschenswerthen 
Klarheit,  dass  das  Terrain  als  von  der  Strasse  aus,  auf  welcher 
die  Colonne  zog,  aufgenommen  gedacht  ist.  Doch  wollte  man 
auch  zugeben,  dass  Polybius  wirklich  in  diesem  Punkte  seiner 
Quelle  nicht  genau  gefolgt  wäre,  so  ist  doch  damit  für  Nissen^s 
Ansicht  wenig  gewonnen.  Er  behauptet  nämlich,  dass  der  feste 
und  steile  Hügel,  auf  welchem  Hannibal  mit  den  Iberern  und 
Libyern  Stellung  genommen  hatte,  in  dem  schroffen  Rücken  von 
Tuoro  wiederzufinden  sei.  In  der  That  nähert  sich  die  Strasse 
dem  Fuss  jener  Höhen.  Aber  es  ist  undenkbar,  wie  bereits 
Stürenburg^  bemerkt  hat,  dass  ein  Mann,  der  vor  Tuoro  linksum 
macht,  die  Querseiten,  welche  von  den  Bergen  bei  Passignano  im 
Osten,  von  M.  Gualandro  im  Westen  gebildet  werden,  für  die 
Längsseiten  angesehen  hat,    während  er  auf  dem  Marsch  bis  an 


1  Nach  Polybius  sind  (84,  7)  gegen  15000  in  der  Thalechluoht 
gefallen,  mehr  als  15000  sind  gefangen  genommen  worden  (85, 1),  die, 
welche  im  See  umgekommen  sind  (84,  10).  sind  garnicht  gezählt. 

2  A.  a.  0.  S.  583  f• 
»  A.  a.  0.  S.  8  f. 

BheiD.  arat.  r.  Phllol.  N.  F.  xxxix.  ^"i 


266  Faltin 

den  Fus8  von  Tuoro  sich  über  die  Längeseiten  und  das  Verhält- 
niss  von  See  und  Bergen  zu  unterrichten  Zeit  und  Gelegenheit 
gehabt  hatte.  Ueberdies  hat  Niesen  völlig  übersehen,  dass  die 
Strasse  nicht  über  Tuoro  führt,  sondern  in  einiger  Entfernung 
an  seinem  Fuss  vorüber,  während  der  feste  und  steile  Hügel 
bei  Polybius  die  Stirnseite  des  Thaies  schliesst,  die  6000  Mann 
im  entschlossenen  Vormarsch  in  der  Eichtung  des  Zuges  durch 
die  feindliche  Stellung  hindurchbrechen.  Uebrigens  will  ich  die 
Frage,  die  immerhin  wichtig  genug  ist,  noch  nicht  abschliessend 
erörtern,  ob  es  für  die  Absichten  HannibaFs,  der  offenbar  eine 
Vernichtungsschlacht  geplant  hatte,  zweckmässig  war,  auf  den 
schwer  zugänglichen  Posten  von  Tuoro  sein  schweres  Fussvolk, 
seine  erprobten  Veteranen,  zu  stellen;  wenn  sie  Polybius  an  den 
Α  usgang  der  Thalschlucht  postirt,  so  ist  der  Zweck  auf  den  ersten 
Blick  klar.  Hannibal  musste  erwarten,  dass  der  im  Kücken  und 
von  den  Flanken  gefasste  Feind  mit  aller  Macht  nach  dem  Aus- 
gang drängen  würde.  Hier  die  beste  Kraft  bereit  zu  halten  ge- 
bot die  einfachste  Erwägung.  Anders  liegt  die  Sache,  wenn  wir 
mit  Nissen  Iberer  und  Libyer  auf  dem  Rücken  von  Tuoro  uns 
denken.  Dass  die  schwerbewaffneten  Schaaren  von  der  steilen 
Höhe  in  geschlossener  Linie  zum  Angriff  hätten  herabkommen 
können,  ist  unglaublich.  Was  hatten  sie  aber  denn  auf  ihrer 
vortrefflichen  Position  für  eine  Aufgabe?  Nissen^  hat  muthig 
die  Coufiequeuz  gezogen  in  den  Worten:  'Das  Centrum  scheint 
mehr  als  Reserve  verwandt  worden  zu  sein'.  Wenn  das  der  Fall 
war,  so  wäre  es  ein  Wunder  gewesen,  dass  nur  6000  Mann  und 
nicht  vielmehr  die  grössere  Hälfte  sich  der  Vernichtung  entzogen 
hätte.  Denn  indem  Nissen  die  Angaben  des  Polybius  über  die 
Aufstellung  der  karthagischen  Truppen  entsprechend  seiner  fal- 
schen Ansicht  weiter  deutet,  setzt  er  die  balearischen  Schleu- 
derer und  die  Speerwerfer  in  die  östliche  Einbuchtung  auf  die 
Höhen,  die  von  Tuoro  im  spitzen  Bogen  sich  nach  Passignano 
herumziehen.  Auch  diese  Massregel  kritisirt  er  selbst  unbewusst, 
aber  sehr  treffend  vom  militärischen  Standpunkt  aus,  wenn  er 
sagt:  'Der  linke  Flügel  —  nach  Polybius  sind  es  die  rechts 
der  Thalstrasse  aufgestellten  Mannschaften  —  schwach  an  Zahl 
und  weitläufig  aufgestellt,  war  mehr  dazu  bestimmt  die  Flüch- 
tigen aufzuhalten  als  entscheidend  in  die  Action  einzugreifen'. 
Dass    die    Hauptmasse    derselben    näher    an    der    entscheidenden 


ί  A.  a.  0.  S.  585. 


PolybiuB  und  Livius  über  die  Schlacht  am  trasimenischen  See.        267 

Stelle  —  NiBsen  setzt  diese  zwischen  M.  Gualandro  und  Tuoro  — 
hätte  stehen  müssen,  hat  Stürenburg^  bereits  bemerkt.  Dass 
dieser  Flügel  an  Zahl  schwach  gewesen  sei,  ist  eine  Voraus- 
setzung Nissen's,  die  den  Angaben  des  Polybius  widerspricht; 
denn  die  rechte  Seite  der  Thalschlucht  scheint  nicht  eben  viel 
weniger  Besatzung  beansprucht  zu  haben  als  die  linke.  Jeden- 
falls wäre  die  Aufstellung  dieser  beiden  Truppengattungen  dem 
Höhenkranze  der  östlichen  Thalbucht,  die  anzunehmen  eine  ge- 
naue Interpretation  der  Worte  des  Polybius  zwingen  würde, 
durchaus  unzweckmässig  gewesen  und  hätte  diese  vortrefflichen 
Waffen  nutzlos  verzettelt  und  von  der  Entscheidung  femgehalten. 
Dagegen  wäre  —  abgesehen  von  jener  ümkehrung  der  Bezeich- 
nung des  linken  Flügels,  während  es  von  Tuoro  aus  der  kartha- 
gische rechte  Flügel  war  —  gegen  die  Postirung  der  Reiter  und 
Gelten  an  den  Abhängen  des  M.  Grualandro  nichts  einzuwenden, 
wenn  man  nur  nicht  auch  hier  dem  Wortlaut  des  Polybius  zu 
Gefallen  die  Truppen  bis  auf  die  Höhen  von  Broncino  und  San- 
guinetto  zarückverlegen  müsste.  Endlich  sieht  sich  Nissen  ge- 
nöthigt  in  der  Ebene  von  Borghetto  einen  grossen  Cavalleriechoc 
gegen  den  Nachtrab  führen  zu  lassen,  um  die  Massen  in  das 
Defilee  hineinzutreiben  und  der  ganzen  Schlachtreihe  einen  Stoss 
nach  vorwärts  zu  geben.  Stürenburg-  hat  mit  Recht  hiergegen 
bemerkt,  dass  die  Reiter  und  Gallier  nur  innerhalb  der  Thal- 
scblncbt  des  Polybius  ihren  Platz  erhalten  hätten.  An  den  west- 
lichen Abhängen  des  M.  Gualandro  wäre  die  Reiterei  dem  an- 
marechirenden  Feinde  unmöglich  verborgen  geblieben,  wenn  der 
Nebel  nicht  eingetreten  wäre,  ein  Fall,  mit  dem  Hannibal  noth- 
wendig  rechnen  musste.  Nach  Polybius  traf  der  karthagische 
Feldherr  seine  Massregeln  in  der  Nacht;  dann  konnte  er  es  nicht 
wagen  durch  den  Hohlweg  die  Reiter  vor  dem  feindlichen  Lager 
nach  dem  Westabhang  zu  führen;  ebensowenig  war  es  möglich 
im  Dunkel  dieselben  über  den  hohen  und  steilen  Berg  zu  schaffen. 
Kurz,  wenn  man  der  Auffassung  Nissen's  folgt,  so  trägt  man  eine 
heillose  Verwirrung  in  die  Darstellung  des  Polybius  hinein,  und 
es  gelingt  doch  nicht,  die  lokalen  Verhältnisse  mit  seinen  An- 
gaben auszugleichen.  Ebensowenig  erreicht  man  ein  Verständniss 
der  militärischen  Action.  Und  es  ist  schwer  zu  begreifen,  wie 
C.  Peter,  Ihne,  Egelhaaf,  Stürenburg,  welche  die  Unvereinbarkeit 

^  A.  a.  0.  S.  6. 
2  A.  a.  0.  S.  7. 


268  Faltin 

der  TerraiBscbilderiiDg  des  Pol.  mit  der  Wirklichkeit  eingeseken 
haben,  doch  vor  dem  Versuche  nicht  zurückgeschreckt  sind,  seine 
Angaben  über  die  Trnppenaufstellung  und  den  Gang  der  Schlackt 
auf  die  Wirklichkeit  zu  übertragen,  ein  Versuch,  der  unumgäng- 
lich zur  Verwirrung  führen  musste.  Um  noch  einen  besonderen 
Beleg  dafür  anzuführen,  so  gibt  sich  Sttirenburg^  Mühe  uns  glauben 
zu  machen,  dass  έκπεριάγων  (83,  3)  durchaus  identisch  sei  mit 
κύκλψ  πβριαγαγών  (83,  4).  Der  Unterschied  ist  völlig  deutlich, 
wenn  man  daran  denkt,  dass  entsprechend  der  Vorstellung  des 
Polybius  Balearen  und  Speerwerfer  von  der  Strasse  erst  um  die 
Seespitze  biegen  mussten,  um  die  rechtsseitigen  Höhen  zu  er- 
reichen, während  Reiter  und  Gelten  unmittelbar  von  der  Strasse 
aus  am  Hohlweg  in  ihre  Stellung  gingen. 

Somit  ergibt  sich  der  Schluss,  dass  die  Darstellung  des 
Polybius,  so  gut  sie  auch  in  sich  zusammenhängt  und  so  genau 
sie  auch  ins  Einzelne  gearbeitet  ist,  sich  mit  den  örtlichen  Ver- 
hältnissen nicht  ausgleichen  läset,  dass  Polybius  sowohl  über  die 
Gegend  im  ganzen,  als  über  das  Schlachtfeld  im  besonderen  sich 
eine  falsche  Vorstellung  gebildet  hat.  Das  ist  ein  zwingender 
Grund,  von  allen  seinen  Angaben,  welche  mit  der  falschen  An- 
sicht zusammenhängen,  bei  der  Darstellung  des  Ereignisses  Ab- 
stand zu  nehmen. 

Es  bleibt  somit  die  Ueberlieferung  des  Livius  zu  prüfen. 
Livius-  berichtet  von  der  Verwüstung  des  Landstrichs  zwischen 
Cortona  und  dem  trasimenischen  See,  ohne  hervorzuheben,  dass 
Hannibal  hierbei  die  Richtung  auf  Rom  verfolgt  habe.  Hierauf 
zieht  Hannibal  durch  das  Defilee,  welches  die  Berge  von  Cortona 
am  trasimenischen  See  bilden.  Auf  dies  Defilee  folgt  eine  kleine 
Ebene;  hierauf  erheben  sich  steile  Hügel.  An  diesen  Hügeln, 
aber  auf  der  Ebene,  schlägt  Hannibal  mit  Spaniern  und  Afri- 
kanern sein  Lager  auf.  Hinter  die  Berge  stellt  er  bogenförmig 
die  balearischen  Schleuderer  und  die  LeichtbewafiTneten ;  die  Reiter 
unmittelbar  an  den  Eingang  hinter  Hügel,  die  eine  bequeme 
Deckung  boten.  Von  diesen  Hügeln  weiss  Polybius  nichts.  So- 
bald die  feindlichen  Colonnen  in  die  Ebene  gelangt  wären,  sollten 
die  Reiter  den  Eingang  verschliessen,  so  dass  alles  von  See  und 
Bergen  umschlossen  wäre.  Auch  diese  Vorstellung  ist  dem  Po- 
lybius fremd.     Die  Ortsschilderung  ist  lange  nicht   so   sorgfältig 

^   A.  a.  O.  S.   Vy.  A.   19. 
2  Liv    XXII  4-0. 


PolybiüB  und  LWius  über  die  Sohlacht  am  trasimeniechen  See.        269 

and  ins  Einzelne  gearbeitet  als  bei  Polybins.  Noch  läset  sich 
zwar  ans  den  Angaben  des  Livius  kein  volles  Bild  entwerfen^ 
aber  in  wichtigen  Punkten  unterscheiden  sie  sich  bestimmt  von 
der  Darstellung  des  Polybius.  Livius  spricht  nicht  von  der 
Richtung  auf  £om;  der  trasimenische  See  liegt  vor  dem  Heere, 
nicht  zu  seiner  Rechten  beim  Marsch  über  Cortona  hinaus ;  Spanier 
und  Afrikaner  lagern  auf  der  Ebene,  nicht  auf  den  Höhen;  die 
Reiter  sind  durch  Hügel  am  Eingang  gedeckt;  sie  sollen  den 
Eingang  schliessen,  wenn  das  ganze  römische  Heer  in  die  Ebene 
gelangt  ist,  so  dass  es  von  allen  Seiten  durch  See  und  Berge  ein- 
geschlossen wäre.  In  welchem  Yerhältniss  der  See  zur  Ebene 
liegt,  lässt  sich  aus  den  bisherigen  Angaben  noch  nicht  ersehen. 
Aber  keine  Angabe  deutet  darauf  hin,  dass  er  sich  auch  nach 
der  Auffassung  des  Livius  bis  westwärts  von  Cortona  erstreckt 
habe.  Dass  neben  den  Reitern  die  Gallier  nicht  erwähnt  sind, 
während  Gallier  in  dem  Kampfe  selbst  eine  wichtige  Rolle  spielen, 
ist  kein  tiefgreifender  Unterschied.  Wenn  auch  die  allgemeinen 
Züge,  die  Livius  gibt,  noch  nicht  ein  abgeschlossenes  Bild  liefern, 
so  ist  doch  nichts  darin  enthalten,  was  mit  der  gegebenen  Orts- 
lage im  mindesten  Widerspruch  steht.  Die  Schilderung  des 
Kampfes  ergibt  aber  die  nöthige  Ergänzung,  um  die  Beziehung 
auf  die  Wirklichkeit  in  genügender  Weise  durchzuführen. 

Mit  Sonnenuntergang  war  Flaminius  an  den  See  angelangt; 
mit  Tagesanbruch  zieht  er  durch  den  Hohlweg.  Ein  dichter  Nebel 
hindert  die  Umsicht.  Yortruppen  sind  nicht  ausgeschickt.  Da 
als  die  Marschcolonne  in  der  Ebene  sich  auszubreiten  begann, 
etösst  die  Spitze  des  Zuges  auf  den  Feind.  Zeit  und  Ortsbestimmung 
sind  mangelhaft.  Aber  jedenfalls  ist  es  verkehrt  den  Ausdruck 
des  Livius  so  zu  fassen,  wie  es  Stürenburg^  gethan,  dass  die  Römer 
gleich  nach  dem  Eintritt  in  die  Ebene  die  ihnen  gegenüberstehen- 
den Truppen  des  Feindes  erblickt  hätten.  Dagegen  spricht  aller- 
dings schon  die  Bedeutung  der  Worte :  pandi  coepit,  die  nicht  das 
Betreten  der  Ebene  ausdrücken,  sondern  das  Ausdehnen  der  Colonnen 
auf  der  Ebene  bezeichnen.  Jeden  Zweifel  entfernt  aber  der  un- 
mittelbar darauf  folgende  Satz:  Poenus,  ubi  id  quod  petierat 
clausum  lacu  ac  montibus  et  circumfusum  sais  copiis  habuit  hostem, 
Signum  omnibus  dat  invadendi.  Denn  war  das  ganze  Heer  in 
der  Ebene  —  nach  Polybius  ist  nur  der  grösste  Theil  dahin 
gekommen  —  so  muss  man  annehmen,  dass  die  Spitze  des  Zuges 

^  A.  a.  0.  S.  6.  8. 


270  Faltin 

am  FusB  des  Rückens  νου  Tuoro  bereite  vorübergezogen  war. 
Nach  den  Angaben  des  Livius  war  das  Heer  mindestens  31000 
Mann  stark.  Marschirte  man  6  Mann  breit  so  nabm  der  Zng 
mehr  als  5  Kilom.  ein.  Nimmt  man  auf  Heiterei  und  Gepäck 
Rücksicht,  so  wird  man  etwa  7  Kilom.  für  seine  Ausdehnung  an- 
zusetzen haben.  Damit  ist  der  Punkt  gefunden,  wo  nach  Livius 
die  Spanier  und  Afrikaner  aufgestellt  waren.  Sie  standen  in 
aperto,  im  freien  Terrain.  Sicherlich  lag  aber  das  Lager  nicht 
auf  der  Richtung  der  Strasse.  Denn  da  Hannibal  den  Nebel 
nicht  vorauswissen  konnte,  so  musste  er  seine  Truppen  maskiren, 
um  sie  dem  Auge  des  in  die  Ebene  einmarschirenden  Feindes 
möglichst  lange  zu  verbergen.  Denn  sein  ganzer  Plan  war  dahin, 
wenn  die  Römer  beim  Verlassen  des  Hohlwegs  die  ganze  Masse 
seiner  Afrikaner  und  Spanier  in  einer  Entfernung  von  7  Kilometern 
vor  sich  erblickten.  Für  seine  Absicht  war  die  östliche  Ein- 
buchtung der  Ebene  jenseits  Tuoro  wie  gemacht.  Vm  so  nah 
als  möglich  der  Strasse  zu  sein,  und  doch  um  möglichst  lange 
selbst  bei  klarem  Wetter  dem  Gegner  verborgen  zu  bleiben, 
mussten  die  Truppen  jenseits  Tuoro  stehen;  also  am  Fuss  von 
Torello  bei  St.  Damiano.  Sie  mussten  so  aufgestellt  sein,  dass 
sie  in  kürzester  Frist  den  Römern  die  Strasse  verlegen  konnten. 
Hier  gerade  brauchte  Hannibal  seine  besten  Truppen;  denn  er 
musste  sich  sagen,  dass  die  Feinde  mit  Gewalt  von  der  Reiterei 
nach  vorwärts  gedrängt  alle  Kraft  daran  setzen  würden,  jedes 
Hinderniss  in  der  Front  zu  überwältigen,  um  den  Ausweg  zu  ge- 
winnen. Uebcrdies  war  ja  nach  vorwärts  der  natürliche  Drang 
der  Massen.  Nun  galt  es  ja  nicht  bloss  den  Weg  zu  verlegen, 
sondern  mit  der  gewaltigsten  Wucht  die  dünne  Marschkolonne 
so  si;hnoll  als  möglich  nach  rückwärts  und  vorwärts  aufzurollen, 
eine  Abtheilun^j:  auf  die  andere  zu  werfen  und  auf  den  engsten 
Bezirk  der  Ebene  vor  Tuoro,  zusammenzutreiben,  so  dass  auf 
der  einen  Seite  der  See,  auf  der  anderen  der  steile  Rücken  von 
Tuoro,  von  vorn  die  Mautr  der  Seh  werbe  waflineten,  von  rückwärts 
der  An]»rall  der  Keiterniassen  die  verwirrten  Haufen  einschlösse. 
Bucbstäblicb  diese  Situation  scliildert  J^ivius  (5,  (y):  deinde,  ubi 
in  oninis  partis  nequiquani  Impetus  t'a])ti,  et  ah  lateribns  nuintcs 
(IC  /(fr HS,  α  fronte  et  alf  tcr(/o  hmtium  acies  chindehat  apparuitijue 
iiulbini  nisi  in  dexlera  i'erru(]ue  salutis  spem  esse,  tum  sibi  quisque 
dux  adliortatorquc  t'actus  ad  rem  gerendam.  Wenn  gleichwohl 
Hannibal  seine  Absicht  niclit  ganz  gelungen  ist.  wenn  trotz  der 
AiVikanei•  und   Spanier,    die  sieb   den   RiMuern  jenseits  Tuoro   ent- 


Polybins  nnd  LWius  über  die  Schlacht  am  traeimenisohen  See.         271 

gegen  warfen,    6000   Mann    an    der  Spitze    des   römischen  Heeres 
durchbrachen  und  ans  der  Ebene  entkamen,  so  beweist  dies  meiner 
Ansicht  nach,  dass  Hannibal  in  übergrosser  Vorsicht,  um  ja  nicht 
etwa  durch  den  plötzlich  sich  lichtenden  Nebel  vorzeitig  den  Blicken 
der   Feinde   blossgestellt  zu  werden,   erst  im  letzten   Augenblick 
aus   der   östlichen  Seitenbucht    vorrückte  und   seinen  Wall   noch 
nicht  dicht  genug  gemacht  hatte,  um  den  ersten  Abtheilungen  der 
Kömer  den   Ausweg  unmöglich  zu   macheu.     Man    kann    daraus 
dass   die    6000  Homer  durch   den  Hohlweg   von  Passignano  ent- 
kamen,  ferner  schliessen,   dass  derselbe  nicht  besetzt  war.     Und 
in   der  That  durfte  Hannibal   hoffen,    durch    das    schwere   Fuss- 
volk   noch   zur  rechten    Zeit   dem    Entweichen   grösserer  Massen 
durch  das  Defilee  vorbeugen  zu  können.    Aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  standen  also  die  balearischen  Schlenderer  und  die  Speerwerfer 
nicht  an  den  die  Ebene  östlich    begrenzenden  Bergen.     Es   wäre 
auch  sehr  kopflos  gewesen  die  trefflichen  Waffen  so  weit  von  der 
Entscheidung  zu  entfernen.     Die  Worte   des  Livius   (4,   3):   post 
montes  circumducit  gestatten  an  den  wichtigen  Rücken  von  Tuoro 
zu  denken,  der  gewiss  nicht  unbesetzt  bleiben  durfte ;  für  Leicht- 
bewaffnete war  die  Stellung  wie  geschaffen.     Sie   bestrichen  von 
hier  aus   die  linke  Flanke  des   römischen  Zuges   auf  eine   weite 
Strecke.     Der  steile  Anstieg  schützte  sie  gegen  einen  feindlichen 
Angriff.      Waren    die   Römer   zu    ihren  Füssen  von  rechts  durch 
die  Reiterei,  von  links  durch  das  Fussvolk   zusammengekeilt,    so 
hatten  Speere  und  Schleudern  ein  furchtbar  sicheres  Ziel  an  den 
zneammengeballten  Massen.     Mühelos  dagegen  konnten   sie  jeden 
Versuch,  ihre  Stellung  zu  ersteigen,  abweisen.    Den  Römern  blieb 
nichts  übrig  als  Tod  von  der  Hand  der  Feinde    oder  die  Flucht 
in  den  See.     Darauf  führt  die  Darstellung  des  Livius  (6,  5):  iam 
nee  lacus  nee  montes  pavori  obstabant:   per  omnia  arta  praerup- 
taque  velut  caeci  evadunt  armaque  et  viri  super  alium  alii  prae- 
cipitantur.    pars    magna,   übt  locus  fugae  deest,    per  prima   vada 
paludis    in   aquam    progressi,    quoad  capitibus  humoribus  exstare 
posBunt,  sese  immergunt.     Diese  Stelle  ist  auch  beweisend  für  die 
Lage  des  Sees  im  Verhältniss  zur  Ebene.     Er  begrenzt  eine  Längs- 
seite der  Strandebene.     Es  lag  dies  allerdings  auch  schon  ausge- 
sprochen in  der  Wendung  (5,  6) :  et  ab  lateribus  montes  ac  lacus, 
a  fronte  et  a  tergo  hostium  acies  claudebat,  wenn  auch  eine  kleine 
Ungenauigkeit  in  dieser  Wendung  unterläuft.    Man  muss  es  wohl 
auf  Kosten  der  rhetorischen  Antithese  setzen,  dass  Livius  es  un- 
erwähnt läset,  die  Berge  seien  auch  besetzt  gewesen.     Zu  seiner 


272  Faltin 

Entschuldigung  darf  man  hier  vielleicht  sagen,  daes  die  baloi- 
rischen  Schleuderer  und  die  Schützen  auf  dem  Rücken  von  Tuoro 
zwar  keine  unwichtige,  aher  doch  nur  eine  untergeordnete  Bolle 
in  der  Entscheidung   spielten.     Schlimmer  ist   ein   zweiter  Aus- 
druck des  Livius  (4,  7):  ante  in  fronteni  lateraque  pugnari  coeptnm, 
quam  satis  instrueretur  acies.     Korrekt  aufgefasst  kann  latera  nur 
bedeuten,  dass  der  Angriff  beide  Flanken  traf.    Und  das  war  nach 
der  Sachlage  unmöglich.    Die  rechte  Flanke  war  ungefährdet.    Die 
Wendung  beweist,  dass  Livius  sich  den  Gang  der  Ereignisse  nicht 
genau  vorstellte.  Wir  würden  den  Ausdruck :  in  frontem  tergumque 
als  den  geeignetesten  einsetzen.     Gleiwohl  ist  am  Text  nicht  zn 
ändern.    Dass  in  dieser  furchtbaren  Enge  der  Kampf  drei  Stunden 
hat  währen    können,   ist   ein    glänzender  Beweis   von    der   zähen 
Tapferkeit  der  Römer  und  der  Festigkeit  ihrer  Disciplin.     Als  der 
Konsul  durch  die  Hand  des  Galliers  Ducarius  gefallen,  hörte  der 
einigermassen    geordnete    Widerstand    auf.      Die    Masse    mnsste 
verbluten  oder  ging  aus  Verzweiflung  in  den  See  hinein.    Manchen 
holten    die    punischen  Reiter  heraus.     Dass   auch  viele  bei   dem 
dichten  Nebel    zu   entweichen  Gelegenheit  fanden,   ist   glaublich; 
dass   es  aber  10000  Mann  gewesen  sind,   ist  durchaus    unwahr- 
scheinlich. 

Eis  auf  eine  Wendung  gestattet  die  Darstellung  des  Livius 
eine  vollfitäiidige  Beziehung  und  einen  genügenden  Ausgleich  mit 
den  Ortsverliältnissen.  Er  lässt  sich  aus  seinen  Angaben  die 
Aufstellung  der  Truppen  und  der  Gang  der  Schlacht  in  einer  mili- 
tärisch dnrcliaus  verständlichen  Weise  combiniren.  Auf  diese 
Gründe  hin  muss  man  die  Ueberlieferung  des  Livius  als  die 
bessere  ansehen. 

Es  ergibt  eich  aber  aus  dieser  eingehenden  Betrachtung  der 
beiden  Berichte,  dass  sie  in  den  wesentlichen  und  wichtigsten 
Zügen  sich  bestimmt  von  einander  unterscheiden,  dass  die  Vorstellung 
von  der  Oertliclikeit,  die  Aufstellung  der  Truppen,  der  Gang  der 
Schlacht  kardinal  verschieden  sind.  Die  Annahme,  dass  Livius 
seine  Darstellung  dem  Polybius  entnommen,  ist  darum  unmöglich. 
Er  erhobt  sich  nun  die  Fra^e,  ob  beide  Schriftsteller  aus  derselben 
Quelle  geschöpft  haben.  Man  niuss  nach  Lage  der  Dinge  sich 
mehr  geneigt  fühlen,  sie  zu  verneinen  als  zu  bejahen.  Aber  es  ist 
schwer  nachzukommen,  in  wieweit  Pulyhius  die  Vorstellung  vom 
Schlnclitfeld  aus  seiner  Vorlage  genommen  hat.  Vieles  spricht 
dafür,  dass  er  in  seiner  durchgreifenden  und  selbständigen  Art 
nach   eigenem  Frtheil  und  freilich  oft  nur  vermeintlichen  besseren 


PolybiuB  und  Livius  über  die  Schlacht  am  trasimexiiechen  See.        273 

Eenntniee  den  Bericht  seiner  Quelle  umgestaltet  hat.  In  ähnlicher 
Weise  ist  er  bei  der  Beschreibung  des  Alpentibergangs  verfahren  ^. 
Wenn  seine  Nachrichten  wirklich  auf  einen  Augenzeugen  zurück- 
gehen, so  ist  doch  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Daten  bei  ihm 
solcher  Art,  dass  man  sie  einem  Augenzeugen  nicht  zutrauen 
kann.  £in  ortskundiger  Augenzeuge  kann  nicht  geschrieben  haben, 
dass  Hannibal  auf  Rom  zog,  als  er  südöstlich  auf  Perusia  abbog, 
ebensowenig  dass  er  auf  diesem  Marsche  Cortona  und  seine  Berge 
zur  Linken,  den  trasimenischen  See  zur  Rechten  hatte;  er  kann  dem 
Defilee  bei  Borghetto  nicht  eine  weit  über  die  Wirklichkeit  hinaus- 
gehende Länge  zugeschrieben  haben ;  es  ist  undenkbar,  dass  er  die 
Terrainverhältnisse  der  Strandebene  ganz  und  gar  verkehrte.  Dass 
aber  die  geographischen  Kenntnisse  und  die  Fähigkeit  sich  zu 
Orientiren  bei  Polybius  recht  mangelhaft  gewesen,  wird  man  wohl 
nachgerade  zugeben  müssen,  nachdem  C.  Neumann  und  H.  Droysen  ^ 
schlagende  Nachweise  hiervon  geliefert  haben.  Hatte  Polybius 
dieselbe  Quelle  vor  sich  wie  Livius,  so  ist  begreiflich,  dass  er 
die  nicht  gerade  sehr  genauen  Angaben  bestimmter  herauszuar- 
beiten sich  berufen  fühlte.  Ohne  Zweifel  hat  hierbei  die  falsche 
Vorstellung  von  der  Lage  des  trasimenischen  Sees  verhängnissvoll 
mitgespielt.  Livius,  der  mit  viel  geringerem  ürtheil  an  seine 
Quelle  herantrat,  hat  zwar  nicht  eine  vortreffliche,  aber  in  den 
Grundzügen  genügende  und  richtige  Darstellung  gegeben. 

Barmen.  G,  Faltin. 


^  Vgl.  die  einsichtigen  Darlegungen  von  C.  Neumann,    das  Zeit- 
alter der  panischen  Kriege.   S.  *282  ff. 

a  Rh.  Museum  N.  F.  XXX.  S.  62-67. 


GonieetaDea. 


τ  χυτλός  bk  κράτος  ό  κοσεύσκιος  παρήν"  έσπαρμβνος 
€ΐκή  και  ουκ  έν  τάΕει  μενουίΤιν.  ita  Hesychins  post  χυτλάσαι  et 
χύτλα(Τον.  triraeter  sive  Aeechyli  sive  alias  poetae  in  Schmidtii 
Hesychio  et  Nauckii  fragmentis  tragicorum  ine.  218  non  emen• 
datue  legitur,  nee  seio  mimquis  ex  eo  tempore  eustnlerit  men- 
dnm.  mihi  qnidem  non  est  dnbium  quin  auctor  gloesae  κρατός 
δγκος  είκτκιος  scripserit,  librarius  Γ  litteram  super  poeitam  cum 
V  spirituR  nota  confuderit.  dixisse  poeta  videtur  bellatorum  *un- 
danteB  in  vertice  cristas*. 

II  Aeschylus  in  Orithyia  Boream  induxerat  sufflatis  am- 
babus  buccis  turbantem  mare,  Sopbocles  eum  locura  imitatus  est 
non  sine  reprebenfiione:  haec  discnntnr  ab  scholiasta  Hermogenis. 
descripserat  omnes  istos  Aescbyli  versus  qui  περί  υψους  com- 
mentatus  est,  pars  eonim  adhuc  extat  cap.  3  (Aesch.  fr.  303 
Herni.  275  Naucki),  perierunt  in  qnibns  inerat  τό  τον  Bopeav 
αύλητην  ποιεϊν.  progreditur  disputatio  rhetoris  ab  Aeschylo  ad 
eos  qui  pedestrem  sermonem  simili  tnmore  inquinaverant,  Cli- 
tarchi  notationi  adhibentur  verba  Sophoclis  illa  quae  Cicero  ad 
Att.  II  1Γ),  2  iiobis  servavit  iiitegra:  φυΟη,  γάρ  ού  (Τμικροϊ(Τιν 
αύλίσκοις  ετι,  αλλ'  άγρίαις  φύσαισι  φορβειάς  δτερ  (fr.  697  Ν.). 
vis  scire  qui  factum  sit  bacc  ut  rhetor  recordaretur  et  in  unum 
inntando  trimetrum  aptaret  Clitarcbo?  ipsa  sunt  quae  ad  versus 
AeM'bylnm  Sopbocles  scripsorat  niniiani  coereiturus  niaioris  poe- 
tae andaoiam,  tibiriniuni  Borea»»  iniitaturus  simul  et  correcturus. 
itaquo   Oiiibyiac   Si»pboeleao   hos:   trimetros  adsiguo. 

III  In  extronio  libro  περί  υψους  cap.  44,  7  haec  dicuntur: 
ακολουθεί  γάρ  τψ  άϋ6τρψ  πλοΰτψ  και  άκολάστψ  συνημμένη 
και  ϊσο,  φασί,  βαίνουσα  πολυτέλεια,  κα\  αμα  άνοίγοντος  εκεί- 
νου τών  ττόλ€ΐυν  και  οϊκιυν   τάς   εiςό^oυς  εις   άς  έμβαίνει   και 


Coniectanea.  275 

συνοικί2:€ταΓ  χρονίσαντα  bk  ταύτα  — .  in  quibue  εΙς  δς  quia 
duo  haec  ordinem  sententiae  pervertont  lahnius  (p.  69,  13)  deleri 
voluit.  sed  leniue  medebimur  vitio  et  oratio  concinnior  iiet  hoc 
modo:  €Ϊααι  συμβαίνει  και  συνοικίίεται,  cum  eo  introgreditur 
in  contnbernium.  hoc  luxns  et  pecuniae  coniugio  deinde  oHuntur 
liberi  non  spnrii  eed  admodnm  ingenui,  ostentatio  et  fastue  et 
mollitia,  hi  ei  ad  maturitatem  pervenerint,  porro  nepotes  exibunt 
domini  animorum  atroces,  vis  et  ininria  et  impudentia.  scias 
placuieee  amico  Terentiani  legem  luliam  et  Papiam,  band  temere 
quoe  finxit  coniugibue  iura  dedit  triam  liberorum. 

IV  In  scholiie  Theocriteie  Zieglerus  qui  multifariam  locu- 
pletiora  ed4dit,  non  numquam  interpolatas  deteriornm  codicnm 
ant  fictae  lectiones  adscivit  post  habitie  melioribus  qnae  ex  libro 
Ambroeiano  descripserat.  velut  in  hypotheei  idyllii  XI  de  Nicia 
Milesio  haec  legimne  edita  p.  72:  γέγονε  bk  κατ'  επίγραμμα  τι 
συμφοιτητής  'Ερασιστράτου  ιατρού  Μιλησίου,  ώς  φησι  Διονύ- 
σιος κτέ.  at  codex  Ambrosianus:  έγραψε  bk  επιγράμματα  εαυ- 
τού, corrige  ό  αυτός,  nam  ante  dictus  est  Nicias  ad  Theocritum 
misisee  hexametroe.  deinde  codex :  γέγονε  bi  συμφοιτητής  Ερα- 
σιστράτου του  ποιητου  ή  ώς  φησι  κτέ.  corrige  του  Ίουλιήτου 
eecundnm  Strabonem  et  Suidam,  nam  ιατρού  Μιλησίου  in  libros 
volgaree  inrepeit  ex  eis  quae  de  Nicia  erant  dicta,  tum  aut  de- 
lendnm  ή  est  aut  adiciendum  Κηίου. 

in  argumento  idyllii  VIII  de  Daphnidis  fabula:  Συ^σίθεος 
bk  Δάφνιν  γενόμενον,  ύφ'  ου  νικηθήναι  Μενάλκαν  $^οντα  ΤΤανός 
και  Νυμςκχιν  κρίναντος,  γαμηθήναι  bk  αύτψ  θάλειαν.  priora 
mutila  sunt,  tum  non  bene  correctum  κρινάντιυν,  immo  legendum 
ΤΤανός  κρίναντος,  Nympharum  nomen  huc  invectum  est  ex  altero 
membro  quod  fuit  olim  γαμηθήναι  οέ  αύτψ  κα\  Νύμφην  Θάλειαν 
vel  και  Νυμφών  τίνα,  cf.  schol.  Λ^ΙΙΙ  93.  tali  traiectione  scholia 
haec  pereaepe  depravata  sunt. 

Theocritus  VI  3  πυρρός,  6  b'  ήμιγένειος.  scholiasta  Euri- 
pidis  verbum  πυρσαΐς  γενύεσσιν  (recte  γένυσιν  Phoen.  32),  tum 
haec  adnotavit:  ΤΤαρμενίσκος*  παϊο'  ούτε  γίνειον  πυρρόν  ουθ' 
ύπηνήτην.  quae  Ahrens  orta  a  poeta  scaenico  putavit  distribuit- 
que  in  duoe  «enarios  naib*  οοτ'  ίτι  γένεια  πυρρόν  οδθ'  ύπηνήτην 
πάλαι,  ego  choliambos  agnosco  παΐο'  ούτε  γίνυσιν  πυρρόν  ουθ' 
ύπηνήτην  addendumque  vereum  ceneeo  Parmenonis  Byzantii  re- 
liqaiis. 

Bchol.  VII  155:  rustici  vannunt  fnimentum  cumuloque  facto 
in  medio  πηγνύουσι  τό  πτύον  και  τήν  θρινάκην  κατέθεντο.  τήν 


276  Buecheler 

bk  αΐτίαν  εϊπεν  έκ  Τριτττολέμου.  quis  dixit?  nee  coit  κατίθ6ντο 
cum  πηγνύουσι  neque  apte  τττύον  et  θρΐναξ  copulantur.  duo  mem- 
bra  reR  haben!  congruentes  Λ'^aήe  expreseas  id  eRt  non  ab  eodem 
soriptore.  emendandum  ceiiseo  ττηγνύουσι  τό  πτύον.  Καλλίμαχος' 
την  θρίνακα  ήν  κατέθεντο,  addendum  hemistichium  reliquiie 
Aetiorum.  prudenter  Theo  auf  qnisquie  talium  auctor  fuit  ad 
Theocritea  solitus  eet  adhibere  carmina  Gallimachi»  huine  nomen 
cum  alibi  tum  hie  perdiderunt  notae  libramrum,  aetion  istud 
fortaeee  in  ea  parte  legebatur  in  qua  fr.  172.  θρίνακα  correpta 
prima  Antiphilus  posuit  AP.  VI  95,  Hesychius  OpivaS  πτύον 
σίτου,  non  ut  corrigunt  θρΐναΕ,  dictam  putabant  παρά  τά  τρία. 
quamquam  defendi  ab  analogia  potest  θρινάκην,  tameiT  Byzantinis 
quam  veteri  poetae  hanc  formam  vindicare  malo. 

verBus  VII  106  s.  interpretatus  Muuatiue  ait  έορτήν  *Αρκα- 
οικήν  elvai  έν  ή  ο\  παίονβς  τόν  Πάνα  σκίλλαις  βάλλουσι*  χϊοι 
be  τούτον  βάλλουσι  σκίλλαις  δταν  οΐ  χορηγοί  λβτττόν  Upeiov 
θύσωσι  κτέ.  Paeonas  recte  lacobsius  suetuliese  videtur  reetituens 
quod  in  codicibue  aliquot  inventum  est  παΐb€ς.  item  tollendos 
Chios  esse  concedo,  etsi  nihili  est  ista  emendatio  γίνβται  bk  τούτο 
δταν  — .  vide  ne  χοροί  fuerit  primo  Munatique  haec  sententia 
έν  ή  οι  παίοιυν  χοροί  τόν  Πάνα  σκίλλαις  βάλλουσιν  δταν  οΐ 
χορηγοί  κτέ. 

Theocritus  VII  125  εις  b'  έπι  τάςb€,  φέριστε.  Μόλων  άγ- 
χοιτο  παλαίστρας,  scholiasta  έΗιυθεν  τούτο  έπιφωνοΰσιν.  at 
poeta  ne  έΗιυθεν  esset  infesta  aemulo  exclamatio  dederat  operam 
interserta  appellatione  amici.  scriptor  περί  ύψους  33,  4  cum  in 
bucolicis  πλην  ολίγων  των  Κωθεν  Theocritum  felicissimum  iu- 
dicavit,  nuni  talia  habuit  in  aninio? 

in  illo  Simichidae  carmine  haud  facile  quiequam  explora- 
verit  quantum  rerura  et  vocabulorum  repetitum  sit  ex  Arati  vita 
ac  poesi,  sed  quod  in  Edonis  Pan  hibernare  dicitur  versu  112 
prope  Hebrum  τετραμμένος  ex  vicinia  Vrsae,  aut  valde  fallor 
aut  imitatus  Theocritus  Aratum  ludit,  certe  quidem  tam  frequens 
huius  vocis  est  in  Phaenomenis  usus,  ut  Aratum  asseverare  au- 
deam  commodasse  eam  ceteris  poetis.  Theocriti  autem  verba  nee 
bene  enarrata  video,  iter  cnini  fieri  ille  voluit  ab  arcto  ad  Hebri 
ripas,  mansioneni  in  montibus  Edonorum,  neque  quemquam  pu- 
tavit  Hebruni  ipsis  Edonis  attributurum,  nee  bene  distincta,  quia 
cogi  oportet  in  unum  τετραμμένος  έγγύθεν,  sie  ut  illa  Arati 
έΗόπιθεν  τετραμμένος,  Vergili  stabula  α  ventis  hiherno  opponere 
soll  ad  medium  conversa  diem,  Dionysii  perih.  έκ  κείνου  τετραμ- 


Goniecianea.  277 

μένος  αύθις  έπ'  δρκτους.  grammaticuR  Byzantinne  qui  adecripsit 
κεκλιμένος,  ei  non  ignanis  fnit  pbyeicorum,  tarnen  iion  perspexit, 
in  vexatione  et  in  capricorno  qnanto  plus  valerent  a\  τροπαΐ 
quam  τό  κλίμα. 

de  Arato  echoliaeta  Theocriteue  non  multnm  habuit  com- 
pertum:  ad  VI  1  προςοιαλέγβται  *Αράτψ  τ  ι  vi  φίλψ  έαυτου  ό 
Θεόκριτος,  post  adicitnr  posse  eum  oredi  qui  Phaenomena  scripserit. 
in  scholiie  Callimachi  h.  lY  175  'Αντίγονος  τις  φίλος  του  Φι- 
λαδέλφου  Πτολεμαίου:  Gonatam  ηοβ  intellegimus  meminiqne  cum 
mntabatur  'Αντίγονος  Γονατάς,  verum  non  is  quidem  illis  sae- 
cnlis  notior  erat  quam  Aratus. 

εϊτ'  ίστ'  άρα  Φιλϊνος  sie  Theocritus  VII  105.  item  Atti- 
corum  poetarum  morem  secutus  est  Callimacbue  in  epigrammate 
LY  Scbn.  in  vereu  nondum  emendato  ήν  b^  δρα  λάθη  καί  μιν 
όπαιτής.  mihi  syllaba  a  qua  claudicare  vereue  incipit,  quasi 
iteranda  videtur,  λάθη  o'  ή  καί  μιν:  quod  si  fugerit  te  aut  adeo 
exiges  ab  eo  quasi  non  acceptum,  testem  se  adfore  tabella  ait. 

Lycidae  Theocriti  YII  85  de  Comata:  tu  melle  pastus  ίτος 
ιΐιριον  έεεπόνα(Τας.  haereo  in  verbo  ultimo,  dubito  an  pariter 
exeuntis  versus  51  memoria  inductus  sit  librarius.  nam  έκπονοΟ- 
μεν  in  quibus  ipsi  desudamus,  quae  non  confiunt  nisi  labore 
nostro,  mandata  certamen  viam  Carmen  librum  discipulum  vitam: 
anno  non  inhaeret  operis  faciundi  necessitas,  neve  quis  adiectivum 
opponat  quod  possit  referri  ad  suprema  officia,  multi  aliis,  eibi 
nemo  baec  ujpia  εκπονεί,  verum  esto  ita  dixisse  Graecum  poetam 
εκπονώ  ίτος  ut  Latinum  eaanclabimus  annos,  parum  convenire 
cnm  sententia  Theocriti  arbitror  aerumnas  memoratas  in  fine: 
fortunate  Comata,  nam  dulcia  tulisti,  dominus  quidem  capulo  te 
condidit  sed  apes  vitam  tibi  prorogarunt  labore  —  tuo  nullo. 
Codices  non  pauci  ΐΗτέΧ^Ούας  habent,  ex  bis  unus  notae  melioris, 
hoc  idem  in  scholiis  scriptum  esse  Calliergus  testatur.  neutrum 
placet,  sed  originem  fuisse  utrique  conicio  έΕεπέραΟας.  Leonidas 
Tar.  AP.  YI  226  έπι  τούτοις  Κλείτων  όγ^ώκοντ'  έΗεπίρησ'  ίτεα. 

Υ  Εχ  papyro  Thebaica  quae  Berolinum  in  museum  Aegyp- 
tiacum  pervenit,  cuius  scriptura  saeculo  p.  Chr.  YII  antiquior 
esse  visa  est,  incertum  quanto,  Ludovicus  Stern  prompsit  propo- 
enitqne  in  eis  quos  Lepsius  edit  annalibus  antiq.  Aegypt.  a.  1881 
XIX  p.  70  (tab.  Y)  reliquias  carminis  heroici  quo  bellum  contra 
Blemyas  gestnm  celebratum  est  supplementis  Stemi  ipse  non 
nulla  adieci,  quamquam  non  plus  curae  huic  rei  impendi  quam 
ut  ordo  naiTationis  paulo  clarius  eluceret,  eamque  ob  caussam  ne 


278  Buecheler 

incerta  quidem  sprevi,  coTnineTidare  autem  ha«  rcliqnias  viriR  lit• 
teratiR  voliii  qiii  attcntiiiR  iiobis  et  peritius  in  id  etndinni  incum- 
buiit  iit  Nonnianae  artis  tarn  initia  quam  exitiie  cognoscaiitur.  tres 
Kiiiit  papyri  scidulae,  prima  pugnam  commisRam  in  ripa  Nili  fu- 
gamqne  ab  hoRtium  duce  captam  oontinet,  eecunda  plane  laceratÄ 
extremam  reguli  stragem,  tertia  diicifl  Romani  victoriam  et  in 
caRtra  hoRtilia  inruptionem. 


Α ]ρη  κραόάιυν  οολιχόσ[κιον  ίγχος 

γαστ[^]ρα.  τή  V  ένι  χαλκός  έλ[ηλ]α[μένος 

άσπίοα  όαώαλίην  χαμάόις  βά[λ€,  κάππεσβ  b'  αυτός 
ύπτιος  έν  κονίησι.  κυλινοομ€ν[ης  περί  χαλ]κώ 
5     γα[στρ]ός  άποθρώσκοντα  κατφρ€[€ν  ίτκατ]α  ^αίτ\. 
ΤΤερσίνοος  b'  δλεκβν  Δολίον  κρατβρόν  τ€  ΤΤυλάρτην 
ΛαμπετΛην  τε  φαληρόν  Άγηνορά  τ'  αίολομήτην. 
Αϊνιος  αύτε  Μίμαντα  b[αή]μovα  θηροαυνάων 
Ν]ειλώης  προβλήτος  ibübv  έπιάλ[μ]ενον  όχθης 

10    άκ]ροτάτης  κεφαλής  κατά  Ινίον  ο[ο]τασε  χαλκώ. 

πρηνής  b'  ές  ποταμόν  πpoκυλίvbετo,  [μίστ]ετ[ο  b'  ö]b[u)p 
α1ίματ]ι.  τήλε  b^  οι  προλιπών  χρόα  θ[υμός  άπέτττη 
ήύτε  κ]ουφος  δνειρος.  έπερρώ[οντο  ^  -  - 

]λαb'  αυτόν  άτη[ 

Β     _κ,^_ν.^_  κρεμ]αται  νέφος  oub'  έςορώ[μεν 
_  W  ν.  _  κ,  ^  _  ^]ινην  obov.  ή  bi  μοι  Ιίω 
στηθέων  ταρβαλεη  Kpjabin  άναπάλλεται  f{hr]. 
π]ώντα  [μεταστρεφομ]αι  χρόα  bείματι.  τίς  κεν  άλύΕη 
5     ajvbpa  ν[^ον,  τώ]περ  τε  μένος  και  χείρες  δατττοι 

π]εφύασιν  άπ'  άκαμάτοι[ο]  σώήρου ; 

είπε  ]  και  ές  φόβον  ώρτο  κατά  φρένα  θυμόν  άλυίιυν. 
οι  ]  b*  άλλοι  κατά  μέσσον  έελμένοι  ήύτε  κάπροι 
έρχ]όμενοι  κατ    δρ[εσ]φι  λίνων  υπο  θηρητήριυν 
10     έστα]ν  ΙμαρνάμενοΓΙ  τεκέιυν  υπέρ.  έρρεε  b'  ήχή 

τών  μέν  άπολλυμένω]ν  τών  b'  αυ  φεύγοντας  όπίσσ[ιυ 
θ6ΐνόντιυν  Είφεσίν  τε|  και  έγχεσιν.  έκτυπε  b*  α[ιθήρ 

π]έbov  b'  έρυθαίνετο  λ[ύθρυϋ. 
]πλην[ 

initio  versus  Β  G  supersunt  vestigia  litterarum:  πρεσβυτφιυν?  — 
Β  7  άλυίιυν  recte,  cf.  Herodian.  1  456,  23  II  783,  20  Arcad.  165,  24 
Et.  M.  72, 24  Eustath,  Od    '^ 


Coniectanea.  279 

II 

Α  ]ον  μέλος  ήχ[ώ 

τίν]α  λοίσ[θι]ον  ώλ€σ€ν  ήρ[ως 
]τας  άπβσκβόασεν  πολ€μ[-_ 
]€V  ή  μέν  όιστ[- 
5  ]νιυς  πολβμίίει 

ου  μ]€ν€Οντα  ποοώκη[ 
]οιης  έςιο[— 
Β     -]θοντ€ς  σάρκας  τ[€ 
-]ομ€Οιυ[  ]b'  ύσμιν[ 

και  τά]ρ  ^ή  Βλεμύων  πυκιναι  κλον^[οντο  φάλαγγες 
ώς]  ίβαλ'  Αίσυμνον  κατά  γαστέρα 
5     ώκυ]π€τές  κατέου  οόρυ 
-  ^]άμηχανίιυν.  χολ[άΟ€ς 
χύν]το  χαμαί.  τάς  b'  αυτ[€ 
όρίμαίνων  τ€κ[ 

ordiDem   paginaruni  retinui    quem   Sterniue  fecerat.     dubites  an 
praecesserit  Β  (ν.  2  Λαομ^δων?) 

III 

Α  ]ον[ί]οισι  φ[ 

]οι  κατόπισθβν 

έρχομέν]ιυν  5'  έκά[τ€ρθ]€  κύνες  προθέουσ[ιν 

ώς  τότε  Γ]6ρμανώ  βηΗήνορι  χαλκοκορ[υστη 
δ    ίσπετο  που]λύς  δμιλο[ς  έυ]πλέκ[τοι]ς  ένι  0€σμ[οϊς 

]ατος[ 
_  ^  W  _π]ολίμοιο  π€φυί[ό]τας.  f στενέ  οέ  χθ[ών 
_  W  ^  -.πρ]υλέ€σσι  και  άκ[άμ]α[το]ι  ποσιν  ϊτπτοι 

δ]μυ^ις.  λιγυρή  [συ]ν€βόμβ€€  σάλ[πιγΕ 

10    -  W  W  άγγέλλ]ουσα  μάχης  [πο]λυγηθέα  νί[κην 

]ρ€ς  πυλ[έ]ιυν  ψα  . . .  ον  όχή[ας 

Β     άλν  oub'  ώς  ά]πΑη[γ]€  μάχης 

-  W  ^  -  Β]λ€μύιυν  κλισίας  [w  ^  -]ie[ — 

]αι  κατέκηβ  και  οΟς  κατίμαρπτε  κ[ατέκτα. 

όμφί]θ€€ν  πέτρας  τε  και  οΰρεα  και  μέλαν  [ubujp 

5    ϊχνια]  λειπομένιυν  όιίήμενος  εϊ  που  έφ[εύροι. 
ώςτε  ]  λέων  νομίη  έπι  φορβάόι  θυμόν  άλ[υί(υν 
^€ΐα  ]  βοών  άγέλην  μετανείσεται  ήματι  μ[έσσω 
ού{)έ]μιν  Ισχανόωσι  κύνες  ^εοαημέν[οι  αλκής 
ούοέ  μέν]1ρκεα  πυκνά,  τεθήπασιν  bk  [νομήες 


280  Baecheler 

10    _  w  δ]τ'  αΤψα  βόαυλον  όμαιμακέτη[^  w  — 

φόνος  bk  γένυν  π€ριάγνυτ[αι 
έπίχραεν.  ο\  V  έπ[ 
π]αρ'  άλλήλ[ 
έοικότ€[ 
Α  11  putes  άν^ωγον  —  Β  8  fertur  δ€δαμέν[οι 

nifli  Blemyum  et  Nili  facta  esset  mentio,  vix  scires  Homerica 
haec  cantilena  quarum  rerum  praeconio  destinata  faent.  etiam 
virorum  nomina  ut  in  fabulis  ficta  sunt,  adrepta  ex  Homero  ant 
Posthomericis.  αηαιη  verum  esse  et  historicum  ipea  vox  fidem 
facit  Γερμανόν  III Α  5  quem  epitheta  ista  {>t\lr\wjp  χαλκοκορυστης 
venaticaeque  comparationes  dncem  belli  arguunt  similem  Achilli  et 
Hectori.  hie  Germanns  qnis  fuit,  cuius  aetatis?  ipeum  nomen  ab 
saeculo  qiiarto  usitatius  esse  coepit  maxime  orientis  incolis.  ad  lusti- 
niani  tempora  descendere  nos  vetant  rationes  metricae.  tum  enim 
quicumque  ita  erant  eruditi  ut  beilos  blandosque  componere  versi- 
culos  possent,  legibus  se  continebant  Nonnianis.  at  in  boc  carmine, 
ut  pauca  delibem,  versum  σπον^ειάΖοντα  habes  I  Β  9,  continuoe 
spondeos  in  primo  pede  et  secundo  I  Λ  9,  in  tertio  et  quarto 
I  Β  11,  elisnm  έβαλ'  II  Β  4,  non  evitatum  biatum  κατά  Iviov 
I  Α  10.  plurimi  quidem  versus  sie  ut  Nonniani  exennt,  neque 
igitur  ausim  I  Α  1  redintegrare  in  hunc  modnm  άμφι  κάρη  κρα- 
baujv  οολιχόοκιον  έγχος  έβαλλε,  tarnen  in  proparoxytonon  voca- 
bulum  desinit  I  Β  5  χείρες  άαπτοι,  in  monosyllaba  III  Α  7  έατενε 
hi.  χθων.  non  sectatus  est  bic  poeta  Nonnnm  sed  ante  cessit, 
mihi  videtnr  quasi  medius  inter  Quintum  et  illum  aut  saltem 
Nonno  annis  non  inferior,  de  rebus  Blemyum  quae  scriptores 
meraoriae  prodiderunt  maxime  Graeci  et  Coptitici,  ea  Eugenius 
Revillout  sedulo  conlecta  latiore  tractatu  exposuit  a.  1874  {Me- 
moires  pres.  par  divers  savants  ä  Vacad,  des  inscr,  VIII  2  p.  371). 
haec  respiciens  Sternius  qui  in  metricis  non  moratur,  neque  lusti- 
niani  adversus  eam  gentem  neque  quam  Aurelianus  olim  aut 
Probus  obierat  expeditionem  idoneam  fuisse  iudicat  quam  graecus 
poeta  epico  carmine  ornaret,  sed  potuisse  cantari  bellum  auspi- 
ciis  imp.  Marciani  a  Maximino  profligatum  anno  451  (Prisci  fr. 
21,  Revillout  p.  429).  Probus  quidem  cecidisse  Blemyas  ad  in- 
ternecionem  narratur  ac  triuraphasse  de  eis  Romae,  tamen  mihi 
quoque  praetermittendiim  hoc  saeculura  videtur  et  aut  Stemi  ac- 
cipienda  sententia  aut  advocatio  petenda  ab  silentio  historicorum 
quorum  culpa  ignoremus  Blemyas  et  Romanos  conflixisse  inter 
se  compluriens.     verum  Marcianus    bellum  istud  confecit  tantuni. 


Conieoianen.  ddl 

coeperat  gerere  Theodosiue  II,  nt  Neetorii  fata  testantur  (Eaagrius 
bist.  eccl.  17),  certe  aliquanto  ante  quam  de  vita  Theodosiue 
deceeeit,  Blemyee  ex  saperioribue  Nili  regionibus  in  Aegyptum 
invaeerant,  urbem  Panopolitanis  vicinam  diripuerant,  agros  nmltos 
ferro  et  igne  vastarant,  captivoe  praedamque  abduxerant,  Romanis 
maximum  eui  terrorem  fecerant.  fortasse  ut  Maximinus  Marciani 
auctoritate  Blemyae  addnxit  ad  pacem,  ita  Germanue  Theodosii 
contra  Blemyae  exercilnm  rexit.  ac  novimue  Germanum  a  Tbeo- 
doeio  praefectum  militibus  una  cum  Areobindo  et  Aneila  missum- 
que  claese  in  Siciliam  anno  441  (Prosper  Aquit.  et  Theophanes 
p.  157).  itaque  illnd  bellum  cum  nee  brevi  tempore  peractnm  sit 
et  ex  damnie  periculisque  atrocibus  firmiter  infixum  memoriae  et 
litterarum  monumentis  relatum  compluribus  (Revillout  p.  401), 
vicee  eine  ac  victoriam  poetae  Aegyptio  carminie  praebuisse  ma- 
teriam  satis  probabile  eet.  nobilissimus  eiuedem  aetatis  έποποιός 
Cyms  fnit  Panopolita  consul  Ordinarius  a.  441,  post  episcopus 
Cotyaensis,  quem  Suidas  vitam  perduxisse  refert  ad  tempora  imp. 
Leonis  ultra  a.  457.  bunc  admirabatur  £udocia  Theodosii  uxor, 
hunc  in  anth.  Plan.  lY  217  Calliope  eodem  lacte  quo  Homerum 
natrüsse  dicitur,  hunc  lohannes  Lydus  έπι  ποιητική  Ιτι  καΐ  νυν 
θαυμαίόμενον  scribit.  nunc  carmina  Cyri  perpauca  et  exilia  extant 
(anal.  II  p.  454,  laoobs  AGr.  XIII  p.  878),  in  bis  contexta  ex 
Homero  Theodosii  laudatio  et  epyllion  in  domum  opulentissimam 
Constantinopoli  aedificatam  a  Maximino  quem  ego  non  alium  puto 
quam  pacatorem  Blemyum.  quis  seit  an  magni  qui  quidem  voca- 
batur  poetae  parvam  hanc  teneamus  laciniam  ? 

Haec  dudum  scripseram,  cum  Alfredus  Wiedemann  possi- 
dere  se  mihi  narravit  multa  papyrorum  fragmenta  eruta  Thebis 
ex  eodem  sepulcro  ex  quo  Sternine  poeticas  illas  reliquias  pro- 
traxisset,  conlecta  ab  se  in  itinere  Aegyptio.  rogavi  igitur  ut 
aperiret  arculam  suam.  quo  facto  cum  perlustraremus  magnam 
frustulorum  copiam,  ecce  unum  invenimus  quod  eiuedem  volu- 
minis  olim  fuisse  statim  pateret.  id  quamvis  tenue  sit  nee  mul- 
tnm  verborum  aut  quidquam  luminis  adferat,  tamen  qnia  plura 
fragmenta  potest  fieri  ut  posthac  emergant,  Wiedemanni  permissu 
boc  loco  edam,  mutilatas  litteras  inferins  notabo  punctis : 

lY 

Α    -ww-ww-  Βλ€]μυων  ηγήτορες  [ — 

τιίσκβτο  •  τώ  b[ 
?χ]€υ€ν  έπ'  ίμμασι.  μ[ 

ΒΐΜίη.  Μοβ.  1  PUloL  Η.  F.  XXXIX.  V^ 


282  Buecheier 

^]»f[€liTo  καΐ  έσσομένο[ισι 

5  άλΐκήεντα  και  έσσυμί[νιυς 

οι  ]  b^  παρίστασαν.  L 

Β     _  W  W Ιην.  έπει  ουκ  άρα[-  « 

δφθο]ττος  έπι  χρόνον.ί 
]ρόν  μοι  έπΙ  κνέφα[ς 
σκ]οπΑοιο  φάνη  μίλαγ[ 

Γ»  ]τον  ήμαρ  έπαντίλλεΐι 

Α  5  frustra  fuit  spes  quam  conceperam  oonlato  II  Α  ö 
VI  Claudianum  et  Cyrum  poetas  Euagrius  hißt.  eccl.  I  19 
chronographornm  more  coaequatis  temporum  rationibue  narrat 
inclamiese  iitrnmqne  regnante  Theodosio  II.  Claudianum  Alexan- 
drinum  έποποιόν  νεώτερον  Arcadio  et  Honorio  aequalem  biogra- 
pbus  graecus  posuerat.  imaginem  Claudiani  poetae  in  quo  copulata 
esset  Yergili  mens  et  musa  Homeri,  Arcadius  et  Honorins  Romae 
titulo  latino  graecoque  epigrammate  eignarnnt.  mirabar  leepium 
in  praefatione  latini  poetae  de  patria  eine  dieputantem  ceteroeque 
qnod  sciam  omnee  omisisee  testimonium  clarissimum  quod  Johan- 
nes Lydiis  perhibet  de  mag.  I  47  p.  159  isque  manifeeto  anc- 
torem  secutns  antiquiorem.  verba  Lydi  sie  videntur  distinguenda : 
αοιυράτορας  οι  Ριυμαϊοι  τους  απομάχους  καλοΟσιν,  ά^ωρέα 
γαρ  κατ*  αυτούς  ή  του  πολέμου  λέγεται  οόΗα  .  .  .  βετεράνους 
6έ  τους  έγγεγηρακότας  τοις  δπλοις  —  μάρτυρες  ΚΑσος  τε  και 
Πάτερνος  και  Κατιλίνας  .  .  .,  Κάτων  προ  αυτών  ό  πριϊπΌς  και 
Φροντϊνος,  μεθ'  ους  και  Ρενάτος,  'Ρωμαίοι  πάντες,  Ελλήνων 
bk  Αιλιανός  και  *Αρριανός,  Αινείας,  Όνήσανδρος,  Πάτρων,  'Απολ- 
λόδωρος έν  τοις  πολιορκητικοΐς,  μεθ'  οος  Ιουλιανός  ό  βασιλεύς 
έν  τοις  μηχανικοϊς  —  ων  6  Φροντϊνος  .  .  .  μνήμην  ποιείται  και 
Κλαυοιανός  6έ  ούτος  ό  Παφλαγών  ό  ποιητής  έν  τω  πρώτω 
των  Οτιλικώνος  εγκωμίων  τίρωνας  bk  τους  ταπεινούς  κτέ. 
comicus  licet  truculentiim  queiidam  Paphlagonem  vocet  ioeulari 
convicio,  Lydo  quid  erat  caussae  cur  derideret  Claudianum  et 
hoc  loco  et  hoc  vocahulo?  itaque  serio  ille  locutus  patriara  poetae 
declarasse  indicaTidiis  est.  nee  profecto  iiifringit  huius  testimonii 
fidem  poetae  va^xa  oratio  hominis  in  aliis  orhis  partibus  geniti 
qui  'Pelusiaco  satuni  Canopo'  Claudianum  fecit.  immo  ortus  bic 
erat  Pompeioi>oli  aut  alio  oi)pido  Paphlagoniae,  Alexandriae  quasi 
in  optiva  patria  liberaliter  institutus.  respiciunt  Lydi  verba  ad 
librum  primuni  de  laude  Stükonis^  hune  enim  titulum  ipsa  quo- 
que  referunt,  non  illum  quem  cditores  praetulerunt  de  consulatu, 
veterani  quidem  ibi  non  leguntur,    aed   adorea  versu    384  et  tiro 


Coniectaneä.  28d 

V.  315  et  veteres  cohortee  et  omnino  rerum  militarinm  explicatio, 
nempe  eecnndus  über  incipit  'hactenuB  armatae  laude8\  Lydi 
antem  qnanta  faerit  socordia  in  adhibendo  distribuendoque  qaem 
forte  in  venerat  indice  scriptorum  unnm  Aeneae  nomen  optime 
ostendit. 

VII  Georgine  Valla  ad  luvenalie  IV  94:  'Acilius  Glabrionis 
filiuR  consul  sab  Domitiano  fnit,  Papinii  Statii  carmine  de  bello 
Germanico  qnod  Domitianus  egit  probatne: 

Inmina  Nestorei  mitis  prndentia  Criepi 
et  Fabins  Veiento  —  potentem  signat  ntrnmque 
purpnra,  ter  memores  implerunt  nomine  faptoB  — 
et  prope  Caeeareae  confinis  Acilius  anlae\ 
errat  interpres  Acilium  filium  coneulem  a.  91  confundens  cum 
patre  qaem  Statins  illa  ennmeratione  deeignavit  prope  confinem 
anlae  angnstae  dicenb  non,  opinor,  qnod  iuxta  palatinm  habitaret 
sed  ob  octoginta  qnoe  viderat  annoR  qnasi  aeqnalem  originibns 
principatne.  nee  recte  lahnius  qui  neglecti  ab  editoribne  carminis 
Statiani  memoriam  resnecitavit  mne.  rhen.  IX  p.  627  in  veren 
altero  ecribi  iuesit  Fcibricitis  Veiento:  eane  qnidem  ea  liomini 
illuetri  erant  nomina,  sed  coninncta  nnllus  ponit  poeta,  ne  Inve- 
nalis  qnidem  qui  IV 123  Veientonem,  129  Fabricinm  vocavit,  nednm 
Statine,  et  copulae  indiget  ennntiatio.  Statine  ut  Vibium  Criepum 
ob  mitem  facundiam  Nestorenm  cognominavit,  ita  Veientonem 
missis  ambagibne  elocutionis  transnominare  aueus  est  Fabium, 
qnippe  qni  esset  canta  specnlator  mente  fntnri,  providus  pectore 
praemeditans  enrgentia  bella,  denique  omni  agendi  fandiqne  vir- 
tute  excellens  ea  quam  Silins  I  Pnnicomm  ceteriqne  Romani 
Cnnctatori  illi  gravissimo  Hannibalis  adversario  tribnerunt.  simi- 
liter  postea  etiam  cottidiano  sermone  adclamatum  est  velnt  Sei- 
pioni  Gordiano.  discimns  ex  bis  versibus  Crispnm  et  Veientonem 
ter  funetos  esse  consnlatn,  bis  Crispnm,  semel  Veientonem  qni 
tum  demnm  a  Domitiano  bonorem  enm  adeptus  est  (epit.  Caes. 
12):  poeta  qnos  antestatnr,  fastorum  memoria  iam  abolevit.  po- 
tentem signat  utrumque  purpura,  ergo  eo  tempore  Crispus  et 
Veiento  consules  fnere  ambo.  quo  anno?  bellum  Germanicum 
poteet  id  intellegi  qnod  anno  83/84  Domitianus  gessit,  potest 
qnod  a.  88/89,  aut  denique  utriusque  expeditionis  ac  proeliorum 
variorum  eventue.  poema  de  eo  bello  Statins  non  absolvit  emisit- 
qne  rite  perfectam  ante  ultima  Domitiani  tempora,  licet  compo- 
nere  et  recitare  vel  ipsum  vel  simile  eins  iam  prius  coeperit 
(silvanun  IV  4,  95  et  2,  66).     descripsisse   in   illo  videtur 


284  Bueoheler 

yocatum  ab  imperatore  coneilium  cni  interfaeriut  Criepne  et  Yeiento 
et  Acilius:  desideratur  qaod  praegreesum  erat  verbnm  tale  veriit 
vel  demittit  luminaj  huic  nomini  vis  magna  adiungitur  ei  snpe- 
riore  loco  memoratum  fuisse  eumimus  Catullum  Meesalinuin  co&. 
a.  73  vinim  Domitiano  familiarieeimum  iam  orbatum  Inmiiiibiie. 
mibi  incidit  euspicio  hoc  Statii  poema  obversatiun  eeee  animo 
oculisque  Invenalis  saturam  lY  scribentis  eaqoe  imitatione  effec* 
tarn  esse  etiam  illam  rem  monetruosae  raritatie,  ut  vetus  satn- 
rarnm  enarrator  scriptoris  minime  volgaris  abetmenm  libnun  et 
ignotnm  omnibus  investigaret  versueque  ex  eo  aliquot  adnotaret 
apad  luvenalem  Domitianns  coneilium  habet  procemm  tan^uam 
de  Chattis  aliquid  torvisque  Sygambris  diciurus  (v.  147),  tanquam 
apparato  hello  Germanico  priore.  hinc  eiquid  coniectare  licet  de 
Statio,  CrispuB  iterum  et  Yeiento  consules  fuere  ubi  primum  Do- 
mitianue  Germanos  aggressus  est:  nundiniorum  consularium  ra- 
tionem  ei  computamus,  vacat  in  fastis  nostrie  quo  illi  inseri  pos- 
eint  looue  sub  autumno  anni  83.  de  tempore  coneulatue  in  lubrico 
vereamur  ecilicet,  de  conlegio  ipeo  conetat  fide  Statii. 

Yalla  Statii  vereiculoe  numquie  dubitabit  quin  ex  Probo  euo, 
ex  antiquissimo  commentario  deeumpeerit,  etei  hoc  loco  non  ut 
Bolet  auctorem  appellarit  Probum?  quoniam  echoliornm  luvenalis 
Placentino  interpreti  praesto  fuit  instrumentum  Optimum,  quae- 
rebam  num  forte  etiam  alias  usus  esset  eodem  ita  ut  plara  huius 
modi  aut  lautiora  quam  in  commentario  luvenalis  expromeret, 
ideoque  evolvebam  ingentia  duo  volumina  Venetiis  in  aedibus 
Aldi  impensa  ac  studio  loannis  Petri  Vallae  iilii  edita  anno  1501 
quibus  pater  ad  mortem  usque  inlaborans  *  expetenda  ac  fugienda' 
id  est  ad  artes  liberales  vitamque  humanam  pertinentia  cuncta 
paene  comprehenderat  (Firmin-Didot  Aide  Mannce  p.  176).  legere 
coepimus  ipse  et  amicus,  neuter  iiostrum  perlegit,  intercidit  enini 
spes  fore  ut  in  vasto  horreo  novam  frugem  inveniremus.  quam- 
quam  patuit  qui  coacervasset  eam  farraginem  et  in  luvenale  ver- 
satum  esse  curiosius  et  trivisse  manibus  copiolas  istas  Probianas. 
unum  adscribam  cxemplum.  libro  universi  operis  XXXIII  gram- 
maticae  quarto  exponuntur  officia  bistorices  ut  grammatieus  ob- 
scura  aperiat :  *  inops  hihumataque  turhUj  quis  fuerit  ille  veterum 
ritus  in  proferendo  iam  mortuis  noniismate,  unde  etiam  non  habet 
quem  j)orriyat  ore  irieutem,  quod  ab  Aristopliane  sumptum  videtur, 
et  spolium  affectare  pdlatl,  ut  palatus  infamor  speculo  dispoliatus 
sit'.  superiora  fere  congruunt  cum  scholiis  luv.  III  267,  inferiora 
praebuit  Probus    ad   II    106:    'Yitellius    occupavit    imperium    et 


Conicotanea.  2βδ 

Othonis  ιηοΐΐββ  habitus  qaos  palatus  infamor  Hustuleral  sibi  dari 
inssit'.  in  Pithoeano  et  S.  Galli  codicibne  Othonem  occidisse 
soribitur  ^palatos  infamior\  nt  Cramerns  emendavit,  'palato  in- 
famior*.  etiam  hoc  addam  qaod  de  Probo  Yalla  dixit,  eed  magis 
tacnit,  libro  XXXI  gram.  I  post  quam  ordinem  grammaticoram 
ex  Snetonio  coneeniit:  'reliquit  antein  non  mediocrem  eilvam  ob- 
servationnm  Rermonie  antiqui.  bunc  probi  quoque  secuti  sunt  ali- 
quot non  modo  qni  Aemilias  est  dictus  historiciie,  eed  qui  in 
Virgilium  commentaria  ecripsit  et  qui  Lactantii  tempore  vixit  qui 
in  poetas  varios  multa  scripsere.  praeclari  quoque  alii  secuti 
grammatici  DonatuR  Caper  Nestue  Fnstu8\  postremoe  ή  hac  forma 
minus  agnoscis,  inspice  Eeilii  gr.  lat.  VII  p.  35,  2. 

VIII     In  Curculione  Plautina  I  2  versu  96  Goetz.  anus  vi- 
nosa  sie  canere  incipit: 

flos  veteris  vini  meis  naribus  obiectust. 

eins  amor  cupidam  me  huc  prolicit  per  tenebras. 
ubi  ubist,  prope  meet .  euax  habeo. 
salve,  anime  mi,  Liber,  lepos, 
ut  veteris  vetus  ti  cupida  sum. 
tertiue  versus  anapaesticus  est,  quartus  et  quintus  iambici.  primi 
duo  Cboerilei  sunt,  ήνίκα  μέν  βασιλεύς  ήν  Χοιρίλος  έν  σατύροις, 
nisi    quod    latinue    poeta   pro    dactylo    etiam    spondeum   admisit 
(Naekius  Cboerili  p.  258).    Diphilei  iidem  vocantnr,  unde  metro 
huic  locum  fuisse  colligas  in  Attica   comoedia   nova.    illi  versus 
sie  possunt   scandi,    quemadmodum   metrici   praecipinnt,    ut    snb- 
sistens  vox  in  dactylo  tertio  respiret  ante  meis  et  me  huc.  atque 
in  subsequentibus  ter  repetita  est  dactylica  talis  tripodia: 
101     tu  crocinum  et  casia  es  — 

119  em  tibi,  anus  lepida. 

120  salve,  oculissume  bomo. 

verum  etiam  altera  quaedam  huius  versus  dimensio  concedenda 
est  Plauto.  mibi  enim  manifestum  videtur  scaenam  universam 
eisdem  numeris  concludi  a  quibus  initium  ceperit: 

155  re  spicio  nibili  meam  vos  gratiam  facere. 

156  st  tace  tace  ::  taceo  hercle  equidem  ::  sentio  eonitum. 

157  tandem  edepol  mibi  morigeri  pessuli  fiunt. 

in  primo  versu  revocavi  librorum  scripturam,  quam  in  perspicio 
mutarunt  praeter  necessitatem :  divisis  verbis  Phaedromus  rem 
ipsam  sibi  declarare  ait  pessulos  ingratos,  spicere  vel  specer  β  cum 
Flautue  aliquotiens  tum  Ennius  et  Cato  dixere.  sed  hoc  nihil  ad 
metrum.   altemm  versum,  cuius  pes  seoundus  dactylum  habet  so- 


286  Baecheler 

latum,  et  tertium  rIc  stractos  vieles  a  poeta,  nt  nnlla  fiat  in  ter- 
tio  dactylo  mora  vocis  eed  poseit  fieri  et  apte  fiat  in  eecundo 
tandem  edepol  \  mihi  morigeri  pessuli  fiunt,  diviRue  igitnr  veniie 
Diphileue  est  in  proodicon  dactylicnm  et  dimetrum  anapaesticum, 
eamque  sibi  placuiflse  partitionem  Plautns  etiam  principio  scaenae 
ostendit  nnmeros  continaans  hoc  modo:  Uns  amor  \  cupidam  me 
huc  prolicit  per  tenebras.  \  ubi  ubist,  prope  mest,  euax  httbeo. 

iambos  istos  quibus  Leaena  cupidinem  suam  vini  profite- 
batnr,  excepemnt  ut  opinor  iambici  Palinuri  et  Pkaedromi  yersue 
sUit  haec  anus  — ,  pol  ut  praedicas  —  quos  detrusos  ex  supe- 
riore  loco  librarii  post  v.  109  posuerunt,  Fleckeisenus  post  102. 
tum  anus  sie  pergit  canere: 

99     nam  omnium  nngnentum  odos  prao  tao  uauteast: 
tu  mibi  stacta,  tu  cinnamum,  tu  rosa, 
tu  crocinum  et  casia  es,         tu  telinum, 
nam  ubi  tu  profusu^s,  ibi  ego  me        p^rvelim  sepultam. 
105     sed  qnom  adbuc  ηέβο  odos  obsecutnst  meo, 
da  vicissim  meo  guttun  gaudium. 
nihil  ago  tecum:  ubi  es  ipsus?  ipsum  expeto 
tangere,  invergere  in  me  liquores  tuos, 
sine,  dnctim.  sed  hac  abiit,  hac  persequar. 

priores  versus  sie  disposui  et  emendavi  in  Woelfflini  archio  lexi- 
cogr.  I  p.  112.  in  posterioribus  perperani  editores  105  corrigi 
voluerunt  ohsecutu^s^  107  retinuerunt  quod  libri  exhibent  tthi  est, 
nam  odorem  quis  nominatim  compellet  pro  Libero,  quis  invocet 
ut  gaudium  det  gutturi?  immo  adloquitur  anus  precibus  et  ora- 
tione  eundem  quem  supra  v.  98  ss.,  Liberum,  florem  veteris  vini, 
sinum.  nihil  ago  feciim  tanquam  magistratus  cum  populo,  accusator 
cum  reo  agens  lege,  de  scripto,  per  formulas,  cum  aliena  inter- 
ccssione,  longis  ac  molestis  ambagibus,  singulare  quiddam  petens, 
sed  te  ipsum  expeto  quem  tangani  et  mihi  ingeram  totum. 
respicere  ad  Phaedromum  cogit  anum 

114     vini  pollens  lepidus  Liber 

tibi  qui  screanti  siccae  semisomnae 
adfert  potionem  et  sitim  sedatum  it. 

totrametrum  bacchiacum  ut  paenultimum  ita  ultimum  t'uisse  ver- 
Kum  admodum  verisimile  est.  sifim  intercidit  in  libris  paene  om- 
nibus,  simul  factam  putes  eins  syllabae  iacturam  quam  requirit 
tetrameter:  sitim  iam  sedatum  it. 

bibit  anus  v.   127,    Phaedromus    cum    servo   deliberat    quid 


CooiectaDea.  287 

illi  primum  dicat  v.  130.  131,  intermiltit  anae  bibere  ah  v.  128, 
rursue  bibit  et  exbaurit  vinam  v.  129,  interea  Pbaedromus 

132     iam  ηέ  ego  huic  dico  ::  quid  dices?  ::  me  periieee  ::  age 

die  ::  έηυβ  audi. 

octonariue  est  versus  par  snperioribus,  ne  non  interrogantis  sed 
adfirmantis  quod  sibi  decretnm  sit,  sicnt  v.  139  itbi  ne  ego.  octo- 
narinm  dixi:  nempe  dividi  in  quaternarios  neque  huno  verBum 
neque  ceteros  veto,  sed  nego  catalexi  ulla  refrenatum  esse  metri 
carsum  prius  quam  Pbaedromus  rem  summam  elocutus  sit  cre- 
tico  versu  133. 

postquam  anus  ex  scaena  abiit  v.  140,  Pbaedromus  et  Pa- 
linurus  anapaestos  producunt  modulis  infractin,  numero  septeuario. 
alter  versus  hie  fertur: 

142     Palinure   ::   edepol    qui   amdt,    si    eget,    misera   adficitur 

aerumna. 

laborat  metrum  in  tine.  paratum  est  auxilium  metro,  sententiis 
concinnitas  boc  supplemento:  misera  adficitnrj  ere,  aerumna, 

Plautus  Asinaria  in  öeptenario  iambico  661  quin  tradis  huc 
cruminam  erum  pressatum?  at  libri  pressafum  erum.  demonstrare 
volebam  puro  sermoni  gestuiqne  bistrico  non  con venire  nisi  pres- 
satum uinerumj  cum  boc  idem  ab  Ose.  Seyfferto  propositum  forte 
vidi,    gaudeo  consensu  nostro,  iam  omitto  argnmentationem. 

Baccbidum  v.  1082  seqnor  Β  tollo  ludum^  1105  lego  et  mali 
pnei  videOy  1121  nam  amabo,  quis  häs  huc  aves  sie  adegit?  eonl.  1123. 

in  Mostellaria  v.  852  canem  metuenti  seni  senex  haec  re- 
spondit:  tarn  placida  est  quam  fefa:  quam  vis  eire  intro  andacter 
licet,  posteriora  nuper  Frid.  Leo  item  emendavit  (qua  uis  libri, 
sed  erasa  quae  interfuerat  notula  B),  priora  contendemus  cum 
proverbio  JBnniano  ann.  518  'tantidem  quasi  feta  canes  sine  den- 
tibus  latrat'.  significatur  κιλυν  KuoucTa,  praegnans,  quamquam  am- 
bigui  aliquid  insertnm  est  et  ridiculi,  quia  feta  latine  dicitur  etiam 
recens  a  partu  femina,  canis  autem  talis  saevissima  est.  inter 
glossas  Pbiloxeni  feta  έγκύμων  πλήρης,  prisco  more  Liudprandus 
antapodosi  V  10  de  Willa  *quae  tempore  digressionis  sue  per 
montem  Avium  feto  partnique  vicina  qualiter  montes  tarn  asperos 
atque  invios  transire  pedibus  potuerit,   satis  nequeo  mirari'. 

IX  Persius  traditur  lecto  Lucilii  libro  decimo  esse  insti- 
gatus  ut  saturas  componeret,  eiusque  libri  initium  imitatus,  cum 
sibi  primo,  tum  omnibus  detraberet  et  recentes  poetas  oratoresque 
insectaretur.     ex  decimo   Lucilii  pauci   i^npereunt  versus,    eorum 


288  Bnecheler 

plurimi  ad  argumentiiin  quod  in  vita  Pereü  indicatnm  est  aptari 
posaunt  eine  temeritate,  rhetoris,  ut  opinor,  Oraeci  deridetur 
glorioea  epidixis  yeren  339  Laohm.: 

'νή  τόν  in  arce  bovem,  descripei  magnifice*  inqnit 
(masei  haiue  XXXYIII  p.  133).    orator  iam  non  fit,  nt  maioree 
voluerunt,  vir  bonne  eed  ita  moratne 

334  improbne  confidens  neqnam  malne  ut  videatur. 
hocine  genns  hominnm  instituit  noe  docetqae  rationem  dioendi? 

335  horum  est  indicium  phraeis,  nt  deeoripeimue  ante, 
hoc  est,  quid  enmam,  quid  non,  in  qnoque  locemne  — ? 

phrasis  restitni,  quod  vooabulum  in  librie  latinis  raro  incormptum 
legitnr:  crtissis  Noniani  duplicata  8  ant  ut  in  bassi  baeeilica  al. 
aut  po8t  quam  principalis  littera  vitiata  est,  in  speciem  vocabuli 
latini.  φρά(Τΐν  Quintilianue  interpretatur  corpus  eloquentiae,  φρά- 
σεως loquellae  pars  potieeima  est  ονομάτων  εκλογή  (π.  ύψους 
8,  1  30,  1),  sumam  Lucilium  posuiese  pro  digam  grammaticue 
te^tatur.  hi  iudicant  eloquentiam,  quid  dicam  et  quo  quidque 
loco  et  quo  modo?  nempe  et  res  et  verba  invenienda  sunt  et 
conlocanda,  in  hoc  vis  est  oratoris,  ut  Marcus  filio  narrat.  alias 
Cicero  'est  oratio*  inquit  *ita  flexibilis  ut  sequatur  quocumque 
torqueas':  in  oratoris  comparatione  prudentis  tenacisque  Lucilius 
naves  memorare  potuit   a  tempestatihus  tntas  propter  retinacula,* 

333     tonsillas  quoquo  validis  in  funibue  aptas, 

332     fluctibus  ac  ventis  quae  adversis  firmiter  essent. 
nani  cohaerent  hi  versus  manifesto;  in  priore  quoque,  in  posteriore 
α  venfisque  aversis  Nonius.     denique  non   modo   bellatoribus    sed 
etiam  poetis  Lucilianae  aetatis  merito  opprobrari  potuit 

331     languor,  obrepsitque  pigror  torporque  quietis 
in  quo  versu    languor   spondeum  implet    ut   clamor    in  Ennianie. 
potuit,  inquam:    nam  reapse  fuisse  ita  consertas  senteritiae  siquis 
adfirmare  velit,    profecto  quo  ingenio  nata  sit  eatura  nesciat.    ac 
duo  extant  eius  libri  membra  plane  avolsa  a  corpore  et  dissipata, 

338  pone  paludatus  stabat  rorarius  velox 
et  337  quamvis  desubito  trinis  deducere  scalis. 
hoc  versu  non  agi  puto  de  causidico  pauperculo  quem  quamvis 
subito  ex  cenaculis  arcessere  liccat  ad  operam  forensem  orato- 
riainve  —  Martialis  tribus  scalis  habitabat  I  117,  7  multique  ad- 
A'ocati  mediocres  schol.  luv.  7,  118  —  sed  de  re  veneria  ad  hunc 
modum:  praestat  meretriculam  quamvis  diictare  sortis  infumae 
quam  moechari  aut  lubidine  dirumpi.  luvenalis  3,  136  'dubitas  alta 
Chionen  deducere  sella'. 


Coniectanea.  289 

Lnciliae  etiam  in  decimo  meminerat  Accü:  Persiue  prima 
eatnra  orätores  casügaiie  unam  nominatim  dicit  Podium,  in  vitn- 
peratione  poetamm  dnosne  nominavit  an  nnnm?  nam  y.  4  ^ne 
mihi  Polydamae  et  Troiadee  Labeonem  praetulerint?*  et  v.  50 
'non  hie  est  Ilias  Atti  ebria  veratro?*  nnnm  vetue  interpree  feeit 
Attium  ant  nt  editam  eet  Accium  Labeonem  poetam  indootnm  iL• 
lomm  tempomm  qni  Iliadem  male  compoenisflet  (echol.  v.  49  50 
51).  recte  feeit,  sive  ipee  ita  indicavit  qnod  v.  4  in  nnllnm  aeque 
iocoee  iactatu8  eeeet  quam  in  scriptorem  Troicorum,  sive  didicit 
a  patribns.  argumento  iam  utimur  potentiseimo :  apparuit  enim 
cui  duo  illa  nomina  sunt  vir  ordinis  senatorii  in  titulo  Corintbi- 
enei  mutilo  hoc:  . . .  Mode8tin\um .  . .  |  . .  Attium  Labeonem . . .  | 
. .  Xi>h'i\fstlit%hus  iudican\d%8  . .  (lob.  Schmidt  in  actis  inet.  germ. 
graeci  VI  p.  354). 

X  Sereni  versiculus  a  Mallio  Theodoro  gram.  VI  p.  590,  9 
K.  adfertur  hie: 

et  nihil  est  quod  amem  Flaminia  minus. 
Luc.  Muellerue  (Butilii  p.  50  Ser.  fr.  28)  baec  adnotat:  *Flami- 
niam  viam  respici  putat  Wemsdorfiue,  ego  feminae  potius  nomen 
esse  existimarim,  nam  pleraque  Sereni  fuere  erotica*.  ego  Werne- 
dorfio  adeentioir.  recordare  Martialie  de  tritiesima  via,  de  etrepitu 
eins  ioca,  vel  unum  illum  versum  X  6,  6 :  '  totaque  Flaminia  Eoma 
videnda  via*:  num  dubitabis  quin  ruris  amator  et  cantator  ur- 
banae  yitae  faetidium  professue  sit  illo  verbo  et  quaei  summam 
fecerit  opueculorum  suorum  mralium? 

idem  Serenus  apud  Terentianum  M.  2629: 
geritque  intus  in  oppidum 
anbelos  Panope  greges. 
Muellerue  p.  49  fr.  26:  'Panope  vilica  eademque  amica  Septimii\ 
Wemsdorfius  tarnen  addiderat  alias  Panopen  nympbam  esse  marinam 
aut  fluyialem  Nerei  filiam.   de  gerendi  verbo  idem  quae  protulit, 
miror  quod  non  revocarunt  ipsum  ab  errore.  aquae  inundant  oppi- 
dum, Nereis  ingerit  ei  pecoris  sui  greges  qui  anbeli  vooantur  sive 
ob  celerem  undarum  incursum  sive  ex  natura  pi^cium  elatis  riman- 
tium  naribue  auras.  Γλαυκψ  καΐ  Νηρήι,  Glauco  et  Panopeae. 

Panopen  pro  undis  Serenus  etiam  in  anapaestico  versu  ap- 
pellavit  quem  Diomedes  gram.  I  p.  511,  19  K.  memoriae  pro- 
didit  sed  nemo  adhuc  intellexit  sordibusque  exerait  (p.  45  fr.  8 
Muell.).     baec  sunt  verba: 

cedo,  teetula  trita  solo  curret  tibi  per  speculum,  Panope. 
cede  aut  caeiOf  tum  sol  occurrit  aut  solem  curret  Codices;  cedo  quod 


290  Bnecheler 

similiter  dicitnr  a  luvenale  et  Appuleio,  ut  Donatue  in  Andria 
non  male  alt,  cum  quadam  fiducia  et  contemptu,  praeterea  solo 
iam  ScaJiger  in\^enerat.  Rpeculum  Panopes  compara  cnm  lym- 
pharum  epeculo  quod  scripsit  Pbaedrus  I  4,  3.  cetera  docebit 
Minnciue  Octavio  3,  5:  'pueroB  vidimus  certatim  gestientes  teeta- 
ruin  in  mare  iaculationibus  Indere,  is  Ιαβιιβ  est  teetam  teretem 
iactatione  fiuctuum  levigatam  legere  de  litore,  eam  testam  .  .  . 
euper  nndas  inrotare  .  .  .  is  se  yictorem  ferebat  cuius  teeta  et 
procurreret  longius  et  frequentius  exeiliret*. 

XI  AttaluB  Stoicus  Senecae  praeceptor  ipse  se  regem  esse 
dicebat  (Seneca  ep.  108,  13),  uiaxime  quidem  ut  philoeopbne, 
tarnen  vereor  ne  Bubierit  illi  fortunae  recordatio  avitae.  Pompeius 
pofit  bellum  Mitbradaticum  Attalo  et  Pylaenieni  Papblagoniam 
reddidit  (Eutropius  VI  14),  ΤΤοφλογόνων  τών  μ€(Τογαίιυν  τινάς 
βασιλεύεσθαι  παρ€ΟΐϋΚ€  τοις  άπό  ΤΤυλοιμένους,  καθάπ€ρ  και 
τους  Γαλατάς  τοις  άπό  γένους  τετράρχαις,  ύστερον  b'  οι  τών 
Τιυμαίϋϋν  ηγεμόνες  άλλους  και  άλλους  έποιήσαντο  μερισμούς 
βασιλέας  τε  και  όυνάστας  καθιστάντες  και  πόλεις  τάς  μεν 
έλευθερουντες  τάς  b'  έγχειρίίοντες  τοις  bυvάσταις  τάς  b'  υπό 
τψ  bήμψ  τψ  Ριυμαίιυν  έώντες  (Strabo  XII  ρ.  541).  Papbla- 
gonia  tota  Romanorum  facta  est  anno  urbis  747  et  contributa 
cum  Galatia  legatis  praetoriis  (Marquardt  antiq.  I  p.  201).  Ga- 
latiam  qui  ultimus  tenuerat  rex  decesseratque  anno  721),  Amyntas 
cum  alias  multas  gentes  ab  Augusto  datas  acceperat  in  dicionem 
tum  civitates  Pampbyliae  (Dio  Cass.  LIII  26),  post  rursus  imp. 
Galba  Galatiam  ac  Pampbyliam  provincias  uni  bomini  regendas 
permisit  (Tac.  bist.  II  9).  Pampbyliae  praeerat  L.  Piso  qui  con- 
sul  fuerat  a.  739,  cum  avocatus  est  ad  domandos  Tbraces,  quod 
bellum  triennio  gessit  Romamque  rediit  triumphans  a.  743  (Dio 
LIV  34,  Velleius  II  98),  praeerat  igitur  illis  regionibus  a.  740/1 
quo  tempore  Agrippa  ex  Oriente  Romam  revertebatur.  Pampby- 
lisne  Augustus  legatum  praeiiceret  consularem?  Asiae  Piso  secu- 
ritatem,  Macedoniae  pacem  reddidisse  narratur  devictis  Tbracibus : 
cum  in  Pampbylia  versaretur,  imperitasse  eum  latius  statuemus, 
simul  ordinasse  statum  Galatiae,  tractasse  pacis  bellive  artibus 
etiam  res  Papblagonum.  nam  hinc  explicatur  Antipatri  Tbessa- 
lonicensis  qui  Pisonem  adulabatur  epigramma  AP.   Λ^Ι  241: 

ή  κόρυς  άμφοτε'ρην  έλαχαν  χάριν*  ειμί  b'  όράσθαι 
και  τερπνή  φιλίοις  και  φόβος  άντιπάλοις. 

εκ  bέ  ΤΤυλαιμενεος  ΤΤείσιυν  μ'  εχεί'  έπρεπεν  αλλαις 
ούτε  κόρυς  χαίταις  ούτε  κόμη  κόρυθι. 


Coniectanea.  291 

sane  qoidem  non  memorasset  poeta  nomen  Pylaemenie,  niRi  cele- 
berrima  fuieeet  herois  Homerici  fama.  sed  significat  aliquem  qui 
tum  vixit  Pylaemenen,  ex  quo  Piso  galeam  ceperit  sive  praedam 
ex  hoste  sive  per  gratiam  potius  luagni  amici  munus  houorarium. 
laus  galeae  praemium  regium  arguit,  regnasse  etiam  tum  Pylae- 
menen  credas,  factum  Carmen  ipso  a.  741.  regnli  tales,  isti  Attali 
et  Pylaemenee  ei  priue  regnare  deeieruut  quam  vivere,  eolum 
verterunt,  multi  Romam  migrarunt  ut  fierent  homines,  'ego  sum 
tburarius  de  familia  rege  Mithredatis'  bomo  liber  eepultus  Eomae, 
'ego  regie  ülius'  Trimalcbionie  conlibertus  in  Carapania.  de  Attali 
Stoici  patre  et  origine  nibil  compertum  babeo,  duravit  ipee  in 
extremum  Tiberii  principatum.  Pylaemenis,  eiuedem  opinor  qui 
cum  Pieone  jem  babnit,  in  aula  augueta  video  vestigia:  Or. 
Henzen.  6307  ^Alexander  C.  Caeearis  Aug.  Germanici  serv.  Pf/- 
laememanus  ab  bybliotbece  graeca  templi  Apollinis  vix.  annis 
XXX' :  suppar  bic  et  aetate,  nam  natus  erat  aliquanto  ante  obitum 
Angusti,  et  agnomine  Trimalcbioni  Maecenatiano.  defecisse  in 
Papblagonia  mediterranea  regum  progeniem  Strabo  scripsit  sub 
annum  772  iibro  XII  p.  562. 

XII  Xenopbon  in  cynegetico  etiam  formam  canie  enarrat 
*Tnembratim  qualis  esee  debeat  cap.  4.  eadem  ratione  graecue  rei 
pecuariae  auctor  vetustior  Cassio  Dionyeio  vel  saeculo  a.  Cb. 
primo,  inferior  Arietotele  et  Tbeopbraeto  boum  equorum  cetero- 
rnm  animalium  formae  edissertaverat.  quae  descriptio  ab  illo  pro- 
pagata  est  in  omnes  eiuedem  argumenti  ecriptoree  ita  ut  bereditas 
non  cemi  possit  universa  nisi  congestis  succeseorum  copiis  om- 
nium,  quia  alius  plus  de  ea  alins  minus  sibi  adscivit.  Yarro  et 
Columella  de  graeco  talia  converterunt  aut  conversa  adbibuere, 
ille  fere  congruenti  magis  sermone,  bic  magis  polito,  graeca  verba 
eervarunt  pleraque  geoponicon  conditores.  in  forma  equi  Varro 
II  7  testes  et  femina  omisit,  genua  Apsyrtus  geop.  XYI  1,  Co- 
lumella VI  29  scapularum  umerorum  armorum  discrimina,  nullus 
non  aliquid  deiibavit  de  integritate  fontis  pleni.  prodesse  banc 
obeervationem  etiam  ad  emaculanda  quibus  ruris  disciplina  con- 
tinetnr  yolumina  duobus  exeraplis  probabo,  levibus  eis  quidem. 

Varro  II  3  in  constituendo  grege  caprino:  *de  forma  viden- 
dum,  ut  eint  firmae,  magnae,  corpus  kne  tU  habeant,  crebro  pilo'. 
Florentinus  geop.  XVIII  9  de  capellis  matrieibus:  bö  bk  εκλέ- 
γειν .  .  .  τάς  €ύπατ€ϊς,  μβγάλας  τ€  και  μεμυιυμένας,  και  τον 
μέν  χρώτα  λ€Ϊον  έχουσας,  οασύτριχας.  ergo  scribendum 
corpus  leve.  ne  ambigas  utrum  dictum  sit  prius,  χρώτα  bomo  la- 


292  Buecheler  Coniectanea. 

tinus  quem  ipsum    esse   reor  Yarronem  feetinantius   quam  aptine 
interpretatns  est. 

Varro  II  5  vaccas  esse  volt  ^pedibue  non  latis  neqne  in- 
gredientibus  qui  displodantnr  nee  cuiue  nngulae  divaricent  et 
cuius  ungues  sint  Jeves  et  pares,  corium  attactu  non  aepemm\ 
Florentinus  geop.  XVII  2:  πόδας  έν  τω  ßabiiciv  μή  πλατυνο- 
μένους  δγαν  μηδέ  χηλάς  οιβστολμένας,  τους  δνυχας  τε- 
λείους κα\  ίσους,  βύρσα  ν  εύαψή.  id  fait  scilicet  δνυχας 
λείους  τ  ε  καί,  deerraverat  particnla  in  versu  exemplaris  yeterie. 

XIII  £thica  Epionrea  iam  itemm  ao  splendidius  quam 
antebac  edita  a  Comparettio  (Museo  If.  dt  antichitä  class.  I)  de- 
sinunt  in  oharacterismos  et  eorum  hominum  qni  metns  eibi  fin- 
gunt  ac  male  vivunt  trepidantes  et  viri  sapientis.  mnlta  ego  alit«r 
lego  aut  suppleo  ac  princepe  editor,  unnm  huc  transcribo  poeti- 
cum  ni  fallor.  p.  11  col.  XYII:  isti  solent  prae  parvo  commodo 
deserere  quae  sola  voluptatee  praebere  poeeint,  et  laboree  enbire 
vanos,  philosopbiam  autem  penitus  contemnunt  pro  ee  quieque 
deprecantes  infinitam  aernmnam  et  anrnm  inrepertnm.  και  προς 
τάς  ότουδήποτε  αποκλείονται  μεταδόσεις,  ώς  τοις  άθανάτοις 
όεον  τούτο  ποιεϊν  ή  τοις  μένουσιν  ϊως  κομίσωνται  τήν  χάριν" 
και  πασιν  άχαριστοΟσι  πάλιν,  άει  μηδέ  ϊν  δότψ  καταστρ^-* 
ψαντι  μέτα  δια  γέλιυτος  έπιφιυνουντες.  videtur  e  cantico  tum 
notissimo  translatum  epipbonema,  nescio  an  e  comoedia,  nani  nu- 
meri  sunt  κορδακικώτεροι  trocbaei  excurrentes  in  cboriambum  et 
sententia  eimilis  Publilianae  'mortuo  qui  mittit  munus,  nil  dat 
illi,  adimit  sibi*  Plautinaeve  qualem  ingrata  mulier  amatori  dicit 
*dum  vivit,  bominem  noveris,  ubi  mortuost,  quieseat:  te  dum  vi- 
vebas,  noveram'.  miseri  eidem  col.  XX  quod  futuram  metnunt 
penuriam  δυςμετάδοτοι  (-δοΗοι  papyrus)  γίνονται  και  τάς  χάρι- 
τας  άποστερουσι.  contra  vir  bonus  XXI  18  μεταδίδωσιν  pro 
copia  pro  recula,  XXII  14  πολυυϋρεΐ  τε  τών  άνθρώπα/ν  δσους 
δύναται  πλείστους  και  τοις  φιλοφρονησαμένοις  ευχαριστεί,  sed 
Epicurei  horti  flores  nolo  praeripere  amico  integram  nectenti  co- 
ronam. 

XIV  M.  Aurelius  ad  se  ipsum  IV  33 :  nomina  celeberri- 
morum  olim  virorum  iam  quasi  glossemata  sunt,  Camillus  Kaeso 
Volesus  Λεοννάτος,  mox  erunt  Scipio  et  Cato,  tum  Augustus 
Hadrianus  Antoninus.   repono  Lanatura  (Λενάτου  cbron.  Pasch.). 

Bonnae.  F.  Buecheler. 


Exegetigeh-kritisehe  Anmerkangen  m  den  Fragmenten 

des  Antigonos  τοη  Karystos. 


ΑΡΚΕΣΙΛΑΟΣ  S.  75  WUam.  (Diog.  IV  38)  ελευθέριος  τε 
ών  καΐ  άφίλαργυρώτατος  εΙς  τάς  όργυρικάς  ^βί^εις  άττήντα 
πρώτος  και  έπΙ  τήν  *Αρχ€κράτους  κοί  Καλλικράτους  τάς  χρυ- 
σιαίας  παντός  έσπευδε  μάλλον,  συχνοϊς  τε  έπήρκει  καΐ  συνηρά- 
νιΖε  κτλ.  Hierzu  bemerkt  der  Heransgeber,  ^die  leute  sind  mir 
alle  unbekannt,  und  welcher  Art  die  δείξεις  waren,  weiss  ich 
auch  nicht .  Aber  nicht  nur  der  Ausdruck  ^εί£εις  sondern  auch 
die  Construction  ist  unverständlich,  und  dem  seltsamen  Adjec- 
tivnm  χρυ(Τΐαΐος  gereicht  es  wenigstens  nicht  zur  Empfehlung, 
dass  es,  wenn  auf  den  Thesaurus  Yerlass  ist,  nur  an  dieser  Stelle 
sich  findet.  Augenscheinlich  liegt  eine  starke  Yerderbniss  vor.  Ich 
rechne  auf  Zustimmung,  wenn  ich  lese:  εΙς  τάς  άργυρικάς  επι- 
δόσεις άπήντα  πρώτος  καΐ  έπι  τήν  Άρχεκράτους  καΐ  Καλλικρά- 
τους  παντός  έσπευδε  μάλλον.  Arkesilaos  betheiligte  sich  bereit- 
willig an  CoUecten;  άργυρικαΐ  επιδόσεις  ist  gesagt  wie  ander- 
wärts ίημίαι  άργυρικαί  und  bezeichnet  Geldbeiträge  wie  dieses 
Geldstrafen;  durch  Jemand,  der  den  Auedruck  missverstand,  ist 
die  unsinnige  Interpolation  τάς  χρυσιαίας  in  den  Text  gekommen. 
Archekrates  und  Eallikrates  scheinen  den  Namen  nach  zu  ur- 
theilen  Brüder  gewesen  und  die  bezügliche  CoUecte  zu  ihren 
Gunsten  veranstaltet  worden  zu  sein.  Zur  Bezeichnung  einer 
CoUecte  wird  gewöhnlich  der  Plural  al  επιδόσεις  gebraucht,  doch 
kommt  auch  der  Singular  vor,  so  CIA.  II  380.  —  Etwas  weiter- 
hin heisst  es  von  Arkesilaos,  nachdem  seines  Verhältnisses  zu 
Eumenes  gedacht  ist:  πολλών  bk  καΐ  τον  Άντίγονον  θεραπευόν- 
των  καΐ  οπότε  ήκοι  άπαντώντιυν  αυτός  ήσύχαίε,  μή  βουλόμενος 
προεμπίπτειν  εΙς  γνώσιν  .  .  .  και  δή  καΐ  πολλά  (Ίεροκλίους) 
συμπείθοντος  ώστ'  άσπάσασθαι  τόν  Άντίγονον,  ουκ  έπείσθη, 
άλλ'  &υς  πυλών  έλθών  ανάστρεψε.     Der  Herausgeber  gibt  dies 


7M  KShler 

(S.  229)  mit  den  Worten  wieder,  dus  ArkeaUfto•  *dem  k5iiig 
keine  anf Wartung  machte,  sondern  vor  der  tllr  umkehrte  \  Aber 
πύλαι  pflegt  in  Proea  nicht  die  Hanath&r  in  bedenten,  jedenfalla 
bat  das  Wort  an  dieser  Stelle  jene  Bedeutung  nicht  Nicht  tob 
einem  Besuche  ist  die  Bede,  sondern  wie  das  Yorhergehende 
zeigt,  von  der  feierlichen  Einholung  des  Antigonos.  Die  Sitte 
fremde  Fürsten  und  Kotabilitäten  in  feierlichem  Aufsuge,  an 
dessen  Spitze  die  Behörden  und  Priester  gingen ,  duubolen 
scheint  sich  wie  andere  Farmlichkeiten  in  der  hellenistischen 
Zeit  von  Eleinasien  aus  nach  Griechenland  verbreitet  lu  haben. 
Schilderungen  solcher  Aufzüge  findet  man  bei  Polyb.  XVI  25 
und  Plnt.  Cat.  13.  In  den  attischen  Ephebenurkunden  der  letsten 
Jahrhunderte  kehrt  der  Passus  απήντησαν  ht  καΐ  τοΤς  παροηπ- 
νομένοις  φ{λοις  καΐ  €ύ€ρτέταις  τοΟ  δήμου  'ΡυνμαΙοις  regelmäsrig 
wieder.  Arkesilaos  war  ein  Hai  bis  zum  Stadtthor,  wahrschein- 
lich dem  Dipylon  mitgegangen,  dann  aber  wieder  umgekehrt 

AYKQN  S.  84  Wilam.  (Athen  XII  647  d).  Lykon  war  be- 
vor er  das  Scholarchat  übernahm  ein  Lebemann,  (kltepov  ht  καΐ 
Toö  πβριπάτου  ττροστάς  ^bciirviZe  τους  φίλους  oXoijovciqi  καΐ 
noXuTcXciqi  πολλί)  χρώμβνος.  χωρίς  γάρ  τιΰν  παραλαμβονομένυιν 
€ΐς  αυτά  ακροαμάτων  καΐ  άργυρωμάτων  καΐ  στρωμνής  ή  λοιπή 
παροσκβυή  καΐ  ή  των  δείπνων  πβριβργία  καΐ  ό  τών  τραπβίο- 
ποιών  καΐ  μαγείρων  δχλος  τοσούτος  ήν  (ϊκττε  καΐ  πολλούς  όρ- 
ρω5€ΐν  καΐ  βουλομένους  προσιέναι  προς  τήν  ^ιατριβήν  άνα- 
κόπτεσθαι  κτλ.  Unter  ακροάματα  sind  hier,  wenn  das  Wort 
richtig  überliefert  ist,  die  zar  Unterhaltung  der  Tischgäste  be- 
stimmten musikalischen  oder  sonstigen  Yortrfige  zu  verstehen, 
aber  diese  können  doch  nicht  zu  dem  Schnlinventar  (τά  πάρα- 
λαμβανόμενα)  gerechnet  werden.  An  Lehrvoriräge  oder  belehrende 
Gespräche  ist  natürlich  noch  weniger  zn  denken.  Ich  zweifle 
nicht,  dass  eine  Yerderbniss  v^orliegt  und  dass  statt  χωρίς  γαρ 
τών  ...  άκρο  α  μ'ά  τω  ν  καΐ  άργυρωμάτων  zu  lesen  ist  χωρίς 
γάρ  τών  ...  χρυσωμάτων  και  άργυρωμάτων.  In  dem  Testa- 
ment des  Straten  (S.  266  Wilam.  Diog.  V  62)  vermacht  dieser 
Vorgänger  des  Lykon  dem  letzteren  τά  σκβύη  πάντα  [τά?]  κατά 
τό  συσσίτιον  και  τά  στρώματα  και  τά  ποτήρια,  die  hier  zuletzt 
aufgeführten  ποτήρια  sind  jene  χρυσώματα  και  άργυρώματα. 
Diese  kostbaren  Gefasse  waren  übrigens  nicht  sowohl  für  den 
Gebranch  der  Tischgenossen  als  für  die  Spenden  an  die  Götter 
bestimmt.  —  Dass  die  Schulen  der  Akademiker  und  Peripatetiker 
als  θίασος  der  Musen  gestiftet  und  organisirt  waren,  hat  v.  Wi- 


Ζα  den  Fragmenten  des  Antigonos  von  Karystos.  295 

lamowitz  im  zweiten  Excurs  sobön  ausgeführt.  Es  wäre  wenig- 
stens nicht  überflüeeig  gewesen  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen, 
dass  schon  im  5.  Jahrhundert  in  Athen  geistig  gleichgestimmte 
Männer  zu  einem  solchen  Verein  zusammengetreten  waren.  Es 
ist  kein  geringerer  als  Sophokles,  der  den  ältesten  uns  bekannten 
Thiasos  der  Göttinnen  gestiftet  hatte.  Dies  besagen  schlicht  und 
einfach  die  oft  und  in  verschiedenem  Sinne  (vgl.  L.  von  Sybel 
im  Hermes  IX  248  ff.)  besprochenen  Worte  im  βίος  Σοφοκλέους 
6:  φησί  bk  καΐ  Ίστρος  . .  αυτόν  . . .  ταϊς  Μούσαις  θίοσον  έκ 
τών  π€ποι5€υμένων  συναγαγεΐν;  vgl,  zum  Ausdruck  CIA,  II 
573  b  Ζ.  37.  Dass  Sophokles  selbst  ein  Stück  MoGcTai  hatte 
aufführen  lassen,  woran  nach  CIA,  II  992  I  Z.  25  doch  wohl 
nicht  mehr  gezweifelt  werden  kann,  mag  die  Veranlassung  zur 
Stiftung  gegeben  haben,  aber  zu  der  Annahme,  dass  die  πεπαι- 
δευμένοι, ans  denen  der  Thiasos  bestand,  nur  Dichter  und  Schau- 
Bpieler  gewesen  seien  und  dass,  wie  Sommerbrodt  im  Hermes  X 
S.  123  wollte,  daraus  die  σύνοόος  τών  περί  Διόνυσον  τεχνιτών 
hervorgegangen  sei,  liegt  kein  Grund  vor.  Den  Musen  diente 
man  abseits  von  dem  Lärm  der  Stadt  in  Hainen  und  6ärten,  in 
Athen  in  den  Niederungen  des  Ilissos  und  Eephisos.  Aus  einem 
solchen  den  Musen  geweihten  Garten  stammen  die  beiden  merk- 
würdigen Steine  mit  der  Aufschrift  δρος  Μουσών  κήπου  (CIA. 
II  1095.  1096),  die,  obwohl  in  ziemlicher  Entfernung  von  ein- 
ander im  Süden  und  Südosten  der  modernen  Stadt  gefunden,  doch 
iler  äussern  Beschaffenheit  nach  zu  schliessen  einst  auf  demselben 
Grundstück  aufgestellt  gewesen  sind.  Der  Schrift  nach  glaube 
ich  sie  eher  den  ersten  Zeiten  des  dritten  als  dem  Ende  des 
vierten  Jahrhunderts  zuweisen  zu  müssen.  Niemand  kann  be- 
haupten, dass  die  beiden  Grenzsteine  vom  Garten  der  Peripate- 
tiker  herrühren;  die  Möglichkeit,  dass  sie  dort  gestanden  haben, 
scheint  mir  nicht  ausgeschlossen  zu  sein.  —  In  der  Fortsetzung 
des*  Fragments  des  Antigonos  bei  Athen,  a.  a.  0.  547  f.  ist  von 
den  kostspieligen  Aemtem  die  Rede,  welche  die  Mitglieder  des 
Peripatos  vorkommenden  Falles  bekleiden  mussten:  Ibex  γαρ 
δρΕαι  τε  τήν  νομιΖομένην  έν  τώ  περιπάτψ  αρχήν  ....  Ιερο- 
ποιήσαί  τε  κοί  τών  Μουσών  επιμελητή  ν  γενέσθαι.  Von  einem 
richtigen  Sprachgefühl  geleitet  hat  hier  Meineke  ΜουίΤών  bean- 
standet, wenn  er  auch  mit  dem  von  ihm  eingesetzten  θυσιών 
nicht  das  Bichtige  getroffen  hat;  das  von  dem  Herausgeber  der 
Fragmente  S.  264  Anm.  2  zum  Schutze  der  handschriftlichen 
Ueberlieferung  angeführte  συνθύται  τών  Μουσών  einer  böoti sehen 


296  Köhler 

Ineclmft  ist  anderer  Art  und  gehört  nicht  hierher.  Entscheidend 
ist,  dass  der  officielle  Sprachgebrauch  Athene,  der  für  die  Privat- 
genoesenschaften  massgebend  gewesen  ist,  επιμελητής  nicht  mit 
dem  Namen  des  Gottes  sondern  der  bezüglichen  Feier  verbindet. 
Bekannt  sind  die  έπιμβληταΐ  ταιν  μυστηρίων  und  τής  πομπής, 
weniger  bekannt  wie  es  scheint,  obwohl  seit  mehreren  Jahren 
inschriftlich  bezeugt,  die  έπιμβληται  τών  Διϊσιυτηρίιυν  ^  Hier- 
nach ist  in  dem  Fragment  des  Antigenes  gewiss  herzustellen  καΐ 
τών  Μουσείων  έπιμελητήν  τ€vέσθαu  Als  Schnlfest  der  Akade- 
miker hat  y.  Wilamowitz  selbst  (S.  281  Anm.  13)  die  Μουσεία 
erkannt  in  einer  Stelle  des  Philodem  Ind.  ac(uL  7^8,  welche 
jetzt  von  Th.  Gomperz  in  den  Wiener  Stnd.  1882  S.  106  voll- 
ständig gelesen  und  hergestellt  ist. 

Da  oben  der  Philosopbentestamente  Erwähnung  geschehen 
ist,  mag  eine  Bemerkung  zu  dem  Testament  des  Tbeophrast  hier 
Platz  finden.  In  diesem  heisst  es  (Diog.  V  54,  S,  266  Wilam.): 
δπως  hi  συνείρηται  μετά  τά  π€ρΙ  ήμας  συμβάντα  τά  περί  τό 
\epov  κοί  τό  μνημεϊον  καΐ  τον  κήπον  καΐ  τόν  πβρίπατον  θ€ρα- 
πβυόμβνα,  συνβπιμελεϊσθαι  καΐ  ΤΤομπύλον  κτλ.  Zu  συνείρηται 
hat  der  Herausgeber  der  Fragmente  ein  Fragezeichen  gesetzt; 
die  Aenderung  συντηρήται  würde  leicht  und  das  Wort  sach-  und 
zeitgemäse  sein.  Indess  dasselbe  beRagt  mit  einem  gewählten 
Ausdruck  das  überlieferte  συνβίρηται.  Gewiss  mit  Hecht  aber 
ist  weiterhin  in  den  Worten  οίοιυμι  b'  αύτοϊς  και  Σιυματάλην 
την    παιοίσκην    der    monströse   Eigenname    beanstandet   worden. 


^  In  dem  auf  den  Cultus  des  Zeus  Soter  bezüglichen  Peephisma 
OJÄ.  II  305  hat  v.  Wilamowitz  Z.  10  επειδή  o[l  έπιμεληταΐ  πάσας] 
?θ[υσαν  τάς  θ]υσ{ας  hergestellt,  obwohl  eine  kleine  von  ihm  selbst  her- 
vorgehobene Schwierigkeit  bleibt;  er  hätte  sich  auf  den  im  *Αθήν.  VI 
S.  369  beschriebenen  Stein  berufen  können,  auf  dem  in  einem  Kranze 
die  Worte  stehen  ή  βουλή  καΐ  ό  δήμος  Διϊσωτηρίων  έπιμ€λητήν  γ€νό- 
μενον.  Damit  fällt  aber  auch  die  Möglichkeit  fort  das  Peephisma  mit 
der  Zeitgeschichte  in  Verbindung  zu  setzen  und  danach  zu  datiren. 
Dass  die  Feier  den  θ€θΙ  σωτήρες  in  Athen  gegolten  hat,  nicht  denen 
im  Piraeus,  hat  v.  W.  nachträglich  bemerkt  (S.  345);  ob  der  Zeus  Soter 
mit  dem  Ελευθέριος  identisch  soi,  dürfte  noch  zu  untersuchen  sein, 
üeber  die  Feier  im  Piraeus  gibt  das  Fragment  Άθήν.  IX  S.  234  Auf- 
schluss,  welches  wie  die  Inschrift  aus  Athen  vom  23.  Tag  der  zwölften 
Prytanie  datirt  ist  und  mit  den  Worten  beginnt  ύ[πέρ  ODv  άπατγέλλ]€ΐ 
ό  ί€ρ€ύς  τοΟ  Διός  τοΟ  Σωτήρος  τοΟ  έμ  TTeipaiel  καΐ  οΐ  έπι[μεληταΙ  πβρί 
τών  ΐ€]ρών  ών  ίθυον  τώ  τ€  Δη  τψ  Σωτήρι  καΐ  τε\  Άθηνψ  τ€ΐ  [Σιυ- 
τείρί?  κτλ. 


Zn  den  Fragmeoien  des  Aotigonod  von  Karystos.  1^7 

Paläographisch  am  nächsten  liegen  würde  es  zu  trennen  und 
0ώμα  Ίταλήν  (oder  einen  ähnlichen  Namen)  zn  lesen;  indess 
würde  σώμα  neben  τήν  παώίσκην  doch  überflüssig  und  lästig 
sein.  Ich  vermuthe  die  Sclavin  hies  Σιμάλη.  Der  Name  war 
in  den  unteren  Volksklassen  Athens  verbreitet. 

ΖΗΝΩΝ  S.  117  Wilam.  (Diog.  VIT  14)  έΕέκλινε  b^,  φοσί, 
και  τό  πολυδημώδβς,  ώς  έπ'  δκρου  καθίΖβσθαι  του  βάθρου, 
K€pbaivu)V  τό  γουν  ίτβρον  μ^ρος  της  ένοχλήσβιυς.  ου  μην  ουδέ 
μετά  πλειόνων  τών  δύο  ή  τριών  περιεπάτει  ....  καθά  φησι 
Κλεάνθης  έν  τώ  περί  χαλκού  *  πλειόνων  τε  περκττάντων  αυτόν, 
δειΗας  έν  τή  στοά  κατ'  δκρου  τό  Εύλινον  περιφερές  του  βωμού 
ίφη  *τουτό  ποτ'  έν  μίσω  ίκειτο,  bia  bk  τό  έμποδίΖειν  lbi<ji 
ετέθη•  καΐ  ύμεϊς  oöv  έκ  του  μέσου  βαστάσαντες  αυτούς  ήττον 
ήμιν  ενοχλήσετε'.  Es  scheint  mir  ziemlich  sicher,  dass  hier 
eine  Verderbniss  vorliegt.  Schauplatz  der  Erzählung  ist  die  Stoa 
Poikile.  Es  ist  nicht  zu  errathen,  was  das  für  ein  Altar  ist,  der 
plötzlich  in  die  Erzählung  eingeführt  wird;  andererseits  sind  die 
kurz  vorhergehenden  Worte  κατ'  δκρου  ohne  verständliche  Be- 
ziehung. Aber  auch  die  Emendation  ist  einfach :  statt  του  βωμού 
ist  herzustellen  του  βάθρου.  Das  Bathron  war  auf  der  einen 
Seite  mit  Stufen  versehen  und  ursprünglich  mit  einer  hölzernen 
Schranke  umgeben;  letztere  (τό  Ηύλινον  περιφερές)  war,  da  sie 
genirte,  bei  Seite  gebracht  worden.  Zenon  pflegte  sich,  um  we- 
nigstens den  Eücken  frei  zu  haben,  auf  der  obersten  Stufe  nieder- 
zulassen; als  man  sich  um  ihn  drängte,  brach  er  in  die  ange- 
führten Worte  aus.  Denn  dass  βωμός  hier  in  der  Bedeutung 
von  βάθρον  im  engeren  Sinne  gebraucht  sei.,  wird  man  doch  kaum 
annehmen  können.  In  dem  Passus  ού  μήν  ovbk  bis  έν  τψ  περί 
χαλκού  wird  man  nun  nicht  mehr  anstehen  ein  ungeschicktes 
Einschiebsel  zu  sehen  (vgl.  v.  Wilamowitz  S.  115  Anm.  25); 
dasselbe  unterbricht  den  Zusammenhang,  der  dann  wo  möglich 
noch  ungeschickter  durch  Hinzufügung  der  Worte  έν  τη  στοςί 
κατ'  δκρου  του  βάθρου  nothdürftig  wiederhergestellt  ist. 

Treffend  hat  der  Herausgeber  der  Fragmente  zur  Charak- 
terisirung  des  Werkes  des  Antigonos  auf  die  zahlreichen  persön- 
liehen  Beziehungen  und  Anspielungen  hingewiesen.  So  wird  in 
dem  der  soeben  behandelten  Stelle  vorausgehenden  Paragraphen, 
für  welchen  die  mit  Antigonos*  Namen  versehene  Parallelstelle 
bei  Athen.  603  c  vorliegt,  ein  Eitharöd  Aristokles  genannt.  Aus 
der  mitgetheilten  Anekdote  ergibt  sich,  dass  derselbe  zu  dem 
Freundeskreise  des  Antigonos  Gonatas   gehörte,    als   sich   dieser 

BhelB  Vai.  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX.  ^^ 


29Θ  Köhler 

um  (las  Jahr  290  in  Athen  aufhielt.  Wie  v.  Wilamowitz  S.  23 
bemerkt  hat,  wird  ein  Schüler  des  Arietokles,  Timou,.  iu  der 
συναγωγή  Ιστοριών  παραδόξων  169  als  Gewährsmann  für  die 
dort  berichtete  Thatsache  angeführt.  Es  wird  nioht  uninteressant 
sein  Näheres  über  die  Herkunft  des  Mannes  zu  erfahren,  der  den 
Zeitgenossen  als  Jugendfreund  des  makedonischen  Könige  und  als 
namhafter  Künstler  bekannt  war.  Im  Theater  des  Dionysos  ist 
eine  Marmorplinthe  gefunden  worden,  welche  auf  drei  Seiten  In- 
schriften trägt  (herausgegeben  von  Rusopoulos  Έφ.  άρχ.  2.  F.  221 
und  von  Kumanudis  Philist.  IV  S.  93).  Auf  der  Frontseite  steht 
am  oberen  Rande  mit  grossen  Buchstaben  Νικοκλής  'Αριστοκλέους. 
Darunter  sind  acht  Kränze  mit  je  einer  Inschrift  eingemeisselt 
und  zwar  zwei  Kränze  in  der  Mitte  übereinander,  die  übrigen 
sechs  zu  beiden  Seiten  vertheilt.  Die  Kränze  setzen  sich  auf 
den  beiden  Schmalseiten  fort,  jede  Seite  enthält  deren  vier.  Die 
Plinthe  rührt  von  einem  Postamente  her,  welches  das  Bild  des 
Nikokles  trug,  die  Kränze  bedeuten  die  Siege,  die  dem  Manne 
zu  der  Ehre  eines  Standbildes  im  Theater  verholfen  hatten.  Die 
beiden  mittleren  Kränze  der  Fronte  haben  die  Inschriften  Παν- 
αθήναια τά  μεγάλα  und  Λήναια  όιθυράμβψ,  die  reclits  und  links 
vertheilten  sechs  je  die  Inschrift  Πύθια.  Aus  dieser  Zusammen- 
stellnng  ergibt  sich,  dass  Nikokles  Kitharöd  war,  der  als  solcher 
Dithyramben  antführen  liess;  als  Chorodidaskalos  hatte  er  an  den 
Lenaeen  gesiegt.  Die  auf  den  Seitenflächen  befindlichen  Kränze 
enthalten  die  Namen  der  Ήλί€ΐα  (zweimal?),  Έκατόμβοια,  Ίσθμια 
(mit  dem  Zusatz  πρώτος),  Βασίλεια  έν  Μακεοονίςι,  Βασίλεια  ^v 
ΆλεΗανορείςι,  Βασίλεια,  'Ασκληπιεία.  Die  Erwähnung  der  alexan- 
drinischen  Festfeier  verbietet  die  Inschrift  über  das  Jahr  331 
hinaufzurücken,  die  letztere  kann  aber  auch  wegen  der  Schrift 
für  nicht  viel  jünger  gelten;  sie  wird  um  310  entstanden  sein. 
Diese  Daten  scheinen  mir  ausreichend  um  die  Ansicht  zu  be- 
festigen, dass  Aristokles,  der  Günstling  des  Antigonos,  der  Sohn 
des  Nikokles  war,  der  den  Namen  seines  Grossvaters  führte  und 
in  der  Kunst  der  Schüler  seines  Vaters  war.  Ijctzterer  lebte, 
wie  die  Untersclirift  seiner  Statue  erkennen  läset,  in  Athen  als 
Metüke;  seine  Heimath  und  zugleich  der  Ort  seiner  letzten  Ruhe- 
stätte sind  durch  Pausanias  überliefert.  Dieser  erwähnt  I  37,  2 
in  der  Periegese  der  Heiligen  Strasse  den  Demos  der  Lakiaden 
und  fahrt  fort:  και  Νικοκλεους  Ταραντίνου  έστι  μνήμα,  δς  έπι 
μεγιστον  οόΗης  κιθαρωδών  απάντων  ήλθεν.  Die  Identität  wurd 
man  nicht  bezweifeln.     Der  auf  die  Persönlichkeit  des  Nikokles 


Zu  den  Fragmenten  des  Antigonod  von  Karysioe.  U9^ 

bezügliche  Theil  der  Nachricht  wird  auf  die  Grabinschrift  zurück- 
gehen; von  einem  Manne,  der  in  Argoe  und  Dion,  in  Epidauroe 
auf  dem  Isthmos,  in  Delphi,  Lebadeia  und  Athen,  in  Rhodos  und 
Aegypten  siegreich  aufgetreten  war,  konnte  in  einem  Epigramm 
ohne  masslose  Uebertreibung  gesagt  werden,  dass  er  alle  anderen 
Kitharöden  an  Ruhm  tibertroffen  habe.  Die  Inschrift  aus  dem 
Theater  verzeichnet  keinen  in  Grossgriechenland  oder  Sicilien 
gewonnenen  Sieg;  danach  wird  anzunehmen  sein,  dass  Nikokles 
in  jungen  Jahren  seine  Heimath  Tarent  verlassen  hatte  und  nach 
Griechenland  übergesiedelt  war. 

Weiterhin  heisst  es  in  dem  Stück  ans  dem  Leben  des  Zenon 
Diog.  a.  a.  0.  18  (S.  119  W.):  ίφασκ€  bi  τους  μέν  τών  άσο- 
λοίκιυν  λόγους  και  άπηρτισμ^νους  όμοιους  eTvai  τψ  όργυρίψ 
τψ  'ΑλεΕονδρηνψ•  βύοφθάλμους  μέν  και  πβριγβγραμμίνους  κοθά 
και  τό  νόμισμα,  ούοέν  οέ  bxä  ταύτα  βελτίους.  τους  δέ  τουναν- 
τίον όφΐυμοιου  τοις  Άττικοϊς  τβτραοράχμοις,  εΙκή  μέν  κ€κομ- 
μένοις  και  σολοίκως,  καθελκειν  μέντοι  πολλάκις  τάς  κεκαλλι- 
γραφημίνας  [λΟ€ΐς].  Das  am  Schluss  stehende  λέΕεις  ist  mit 
Recht  als  Interpolation  getilgt  worden,  die  Corruptel  ist  ähnlich 
wie  die  oben  an  erster  Stelle  besprochene.  Unter  άργύριον  Άλ€- 
Εανορηνόν  versteht  der  Herausgeber  (S.  114)  alexandrinische 
Münze,  sprachlich  unzweifelhaft  richtig,  aber  Zenon  kann  diese 
nicht  gemeint  haben.  Alexandrien  hat  in  der  Ptolemaeerzeit 
keine  Münze  geschlagen,  und  selbst  wenn  die  Stadt  zeitweilig 
ein  beschränktes  Prägerecht  besessen  hätte,  so  konnte  diese  Local- 
münze  passender  Weise  nicht  in  Vergleich  gebracht  werden  mit 
der  attischen  Weltmünze.  Schon  Eckhel  hat  ohne  sich  an  den 
sprachlichen  Ausdruck  zu  kehren  Alexandergeld,  d.  h.  die  von 
Alexander  d.  Gr.  eingeführte  Münze  verstanden^,  die  der  atti- 
fichen  an  Währung  gleich  stand  und  diese  vom  Weltmarkt  ver- 
drängte. Von  alexandrinischem  Gelde  ist  noch  Diog.  VIII  85 
und  in  einem  ausgeschriebenen  Fragment  des  Polybius  Athen. 
Vni  331  (όβολοί  ΆλεΕανορινοί),  beide  Male  mit  Beziehung  auf 
die  Währung,  die  Rede.  Es  wäre  vielleicht  möglich,  dass  Dio- 
genes und  Athenaeus  aus  Unkenntniss  den  Irrthum  begangen 
hätten,  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  die  Ueberlieferung  die  Schuld 
trägt  und  dass  statt  άργύριον  ΆλεΕανορηνόν  überall  herzustellen 
ist  ά.  Άλε^άνδρειον.     Der  Ausspruch    des  Zenon   aber  ist    aus 


*  2).  N,  II  S.  210.    Vgl.  Mommsen,   Hist.  de  la  mon.  rom.  I  S. 
32  not.  1. 


800      Köhler  Zu  den  Fragmenten  des  Antigonos  von  Karystos. 

einem  anderen  Grunde,  den  die  Numismaliker,  so  viel  ich  weise, 
hervorzuheben  versäumt  haben,  von  Interesse.  Man  hat  ihn  an- 
geführt als  Zengniss  für  die  Fabrik  und  den  Gehalt  der  attischen 
Tetradrachmen.  Der  angestellte  Vergleich  trifft  aber  nur  für  die 
letzten  Zeiten  der  Münzen  'alten  Stiles*  zu  ^;  nachdem  man  be- 
gonnen hatte  die  Münzen  'neuen  Stiles*  zu  prägen,  für  welche  das 
Geld  der  makedonischen  Reiche  als  Muster  diente,  konnte  der- 
selbe nicht  mehr  gezogen  werden.  Wir  gewinnen  somit  einen 
Anhaltepunkt  für  die  chronologische  Fixirung  des  üeberganges 
vom  *  alten'  zum  'neuen  Stil',  der  einzigen  einschneidenden  Ver- 
änderung, welche,  von  der  Einführung  der  Bronceprägung  ab- 
gesehen, vom  sechsten  Jahrhundert  bis  zum  Aufhören  der  Sil- 
berprägung in  der  attischen  Münze  vorgenommen  worden  ist. 
V.  Wilamowitz  hat  bemerkt,  dass  die  an  der  ausgeschriebenen  Stelle 
aus  Antigonos  mitgetheilten  Aussprüche  des  Zenon  auf  die  letzten 
Lebensjahre  des  Philosophen,  etwa  275 — 265  hinzuweisen  schei- 
nen. Ich  hoffe  an  einer  anderen  Stelle  und  mit  anderem  Material 
die  Epoche  der  Münzen  neuen  Stils  in  Athen  nachweisen  zu 
können  ^. 

Athen.  Ulrich  Köhler. 


^  Die  Tetradrachraen,  welche  um  die  Zeit  Alexander^s  in  Athen 
geschlagen  worden  sind,  haben  an  Roheit  des  Stiles  und  der  Fabrik 
unter  den  Münzen  des  griechischen  Festlandes  nicht  ihres  Gleichen. 
Münzen  edeln  Stiles  kommen  zwar  vor,  sind  aber  äusserst  selten.  Die 
Ansicht  Beule*8,  der  den  Ausspruch  Zenous  auf  die  alterthümliehen 
Münzen  und  die  imfgulaHie  de  la  coupe  allein  bezieht  (Les  monn. 
(TAth.  S.  4),  bedarf  keiner  Widerlegung. 

2  In  dem  Pscphisma  zu  Ehren  Zenon's  (Diog.  VII  10  f.),  welches 
S.  i»41  \V.  abgedruckt  ist,  sind  in  den  letzten  Worten  zwei  Fehler 
stehen  geblieben :  statt  Μίκυθος  Συπαλληττεύς  war  in  der  attischen  Ur- 
kunde herzustellen  Σμίκυθος  Συπαλήττιος. 


Miseelleu. 


Der  Tod  des  Kratinos. 

Wohl  die  abenteuorlichste  von  allen  Todesarten,  welche  die 
geschäftige  Sage  den  MeiBtem  dionysischer  Kunst  angedichtet  hat, 
ist  diejenige,  die  durch  den  Liebesdienst  seines  Genossen  Aristo- 
phanes  dem  Eratinos  zu  Theil  geworden  ist.  In  der  *  Eirene* 
erkundigt  sich  Hermee  im  Namen  der  befreiten  Göttin  nach  den 
Männern,  welche  diese  bei  ihrer  Verbannung  in  Athen  zurückge- 
lassen hat,  darunter  auch  nach  dem  weisen  Kratinos.  Da  wird 
ihm  zur  Antwort:  (V.  701  ff.) 

άπίθανβν 

δθ'  ol  Λάκωνβς  ένέβαλον.  —  τ(  παθών;  —  ö  τι; 

ώρακιάσας'  ου  γάρ  έΗην^σχβτο 

Λών  πίθον  κατογνύμβνον  οϊνου  πλίιυν. 

Der  boshafte  Zusatz  spielt  auf  die  bekannte  Weinseligkeit  des 
Dichters  an,  die  auch  sonst  vielfach  den  Spott  der  Komödie  her- 
ausgefordert hat^,  und  wir  könnten  uns  dabei  beruhigen,  wenn 
die  Stelle  nicht  in  einer  anderen  Beziehung  sehr  auffällig  wäre. 
Der  Tod  des  Dichters  wird  mit  einem  Einfall  der  Lakoner  in  Zu- 
sammenhang gebracht;  nun  waren  die  letzteren  im  J.  425  zum  letz- 
ten Male  in  Attika  eingefallen,  und  im  J.  423  siegte  Kratinos  mit 
der 'Weinflasche'  glänzend  über  die*  Wolken*  seines  Nebenbuhlers. 
Also  ist  nicht  blos  die  dritte  Angabe  —  die  Todesart  — ,  sondern 
auch  die  zweite,  die  Zeitbestimmung  ersonnen.  Jene  scheint  selbst 
im  Alterthum  keinen  rechten  Glauben  gefunden  zu  haben  ^;  diese 


^  So  hat  auch  m.  E.  die  öfter  wiederkehrende  Notiz,  Kratinos 
sei  Taxiarch  τής  ΟΙνηίδος  φυλής  gewesen  (im  Wortlaute  übereinstim- 
mend bei  Zenobios,  Suidas  und  Apostolios  s.  v.  Έπ€ΐοΟ  δειλότερος), 
einen  Scherz  der  Komödie  zum  Ausgangspunkt.  Meineke  freilich  (bist, 
crit.  46)  nimmt  sie  durchaus  ernsthaft  auf;  das  wäre  aber  doch  ein 
gar  zu  merkwürdiges  Naturspiel.  Ein  ähnlicher  Scherz  ist  in  Yög. 
1407  KcKpoiriba  φυλήν  enthalten  und  in  den  vielen  Wortspielen  mit 
Άναφλύστιος,  Άναγυράσιος  u.  a.  Cf.  auch  Luc.  νεκυομ.  20.  Der  hier 
angenommene  Doppelsinn  kehrt  im  Sprichwort  ΟΙνέα  ΤΤηλέα  ποιεΐν 
wieder;  cf.  Crusius  Anal.  crit.  ad  paroemiogr.  Gr.  55. 

3  Der  Anonymes  ΠΙ  B.,  der  sie  wiedergibt,  beruft  sich  ausdrück- 
lich auf  Aristophanes ;  [Lucian]  Μακρόβιοι  25  hat  sie  nicht,  obgleich  er 


802  Miscellen. 

ist  erst  in  neuerer  Zeit  durch  Meineke  zurückgewiesen  worden  ^ 
Es  blieb  nur  die  erste  noch,  das  Wörtchen  άπίθανεν,  dem  man 
entnehmen  zu  können  glaubte,  dass  Eratinos  im  Jahre  der  ^  Eirene* 
bereits  todt  war,  bis  endlich  Bergk^  auch  diese  Bestimmung  den 
beiden  anderen  nachschickte.  Allerdings  hat  ihm  niemand  darin 
folgen  wollen;  doch  ist  seine  Ansicht,  meiner  Meinung  nach,  darum 
nicht  weniger  richtig.  War  Kratinos  im  J.  421  todt,  so  kann  er, 
der  Sieger  von  423,  nur  kurz  vorher  gestorben  sein;  sein  Tod 
und  die  Trauer  seiner  Freunde  um  ihn  bildete  unter  diesen  Um- 
ständen einen  düsteren  Hintergrund,  von  dem  der  lustige  Witz  des 
Aristophanes  in  höchst  fataler  Weise  absticht.  Nein,  der  Scherz 
kann  nur  gewinnen,  wenn  wir  uns  den  angeblichen  Todten  im 
Theater  selbst  anwesend  denken,  auf  eine  neue  Lection  für  den 
unverbesserlichen  Gegner  sinnend,  der  ihn  uneingedenk  der  *  Wein- 
flasche' schon  wieder  zum  alten  Eisen  warf.  Eine  zweite  *Py- 
tine  *  hat  er  freilich  nicht  mehr  geschrieben :  das  Jahr  423  war 
endgültig  das  letzte  Aufflackern  seines  Geistes  gewesen.  Aber  ganz 
still  hat  er  sich  auch  nicht  verhalten ;  nach  geraumer  Zeit  verlangte 
er  —  wohl  zum  letzten  Male  —  einen  Chor  und  führte  vor  den 
überraschten  Zuschauern  ein  Drama  aus  seiner  besten  Zeit,  die 
*  Nemesis*,  in  neuem  Gewände  auf*  —  mit  welchem  Erfolge,  wissen 
wir  nicht. 

Es  wird  daher  das  άπίθανεν  des  Kratinos  ebensowenig  ernst 


die  Traube  des  Sophokles  und  den  Esel  des  Pbilemon  seinen  Quelleu 
gläubig  nacherzählt;  von  Kratinos  sagt  er  nur:  επτά  προς  τοις  ένενή- 
κοντα  ^τ€σι  έβίωσε,  καΐ  προς  τψ  τέλει  τοΟ  βίου  δώάΗας  τήν  ΤΤυτίνην 
καΐ  νικήσας  μετ'  ου  πολύ  έτελεύτα  —  eine  Combination  der  aristopha- 
nischen Angabe  mit  der  Didaskalie  der  'Weinflasche'  und  der  Nach- 
richt, dass  Kratinos  97  Jahre  alt  geworden  ist.  Letztere  ist  sehr  ver- 
dächtig, da  auch  für  Epicharm  und  Philemon  dasselbe  Lebensalter 
angegeben  wird. 

^  Hist.  crit.  45. 

2  De  rell.  com.  att.  187. 

^  Schol.  Arist.  VÖg.  5J1  von  Lampon:  lZr\  bi  inX  της  τών  Ορ- 
νίθων διδασκαλίας,  ούχ,  ώς  τίνες,  έτεθνήκει*  πολλψ  γάρ  ύστερον  Κρατί- 
νος έν  ττ)  Νεμέσει  οίδεν  αυτόν  ίώντα.  Die  Angabe  ist  ziemlich  ein- 
stimmig verworfen  worden  (cf.  Meineke  hist.  crit.  44;  Kork  CAF.  I  51; 
Dübner  zdSt.);  ein  aenigma  Oedipum  exspectans  nennt  sie  Wilamowitz 
(Obs.  crit.  11).  Ohne  mich  für  diesen  Oedipus  ausgeben  zu  wollen,  glaube 
ich  doch  dass  wir  in  der  Wahl  zwischen  dem  bestimmten  Zeugniss  des 
augenscheinlich  wohlunterrichteten  Scholiasten  und  dem  Scherze  des  Ari- 
stophanes nicht  schwanken  dürfen.  Die  'Nemesis'  behandelte  die  Geburt 
der  Helena,  war  also  ein  mythologisches  Lustspiel,  das  an  keine  Zeit 
gebunden  w^ar  und  dessen  AViederaufluhrung  in  den  Jahren  nach  415 
nichts  im  Wege  stand.  Nebenbei  enthielt  die  erste  'Nemesis'  freilirli 
Ausfälle  gegen  die  attischen  'Olympier',  speciell  den  'Zeus  Xenios' 
Perikles,  die  bei  der  Wiederholung  wegbleiben  mussten;  dass  die  Ko- 
mödie überhaupt  gegen  Perikles  —  und  Aspasia  --  gerii^litet  worden 
wäre  (Hergk  a.  0.  130;  Kock  a.  0.  47)  ist  eine  bodenloso  Vermulhung; 
wozu  die  Nemesis*  aus  der  Reihe  der  übrigen  mythologischen  Komö- 
dien herausnehmen? 


Miscellen.  803 

zu    nehmen  sein,    wie     wenn    anderswo  (Ach.  15  f.)    Dikaiopolis 
von  sich  sagt: 

τητ€ς  b'  άπέθανον  και  οΐ€στράφην  Ιδών, 
ÖT€  bi]  παρ€κυψ€  Χαϊρις  έπι  τόν  ορθιον. 
Indessen  ist  die  Stelle  darum  nicht  verständlicher  geworden,  dass 
wir  sie  als  reine  Erfindung  erkannt  hahen;  je  weniger  Realität 
wir  in  ihr  erblicken,  um  so  berechtigter  erscheint  die  Frage,  was 
denn  die  wirkliche  Gestalt  des  Gebildes  gewesen  sein  mag,  das 
uns  aus  dem  Vexirspiegel  der  Komödie  in  so  seltsamer  Verzerrnng 
anschant. 

Nach  F.  y.  Fritzsohe^  hätte  Aristophanes  die  mirifica  ignavia 
des  Kratinos  auf's  Eom  genommen;  wenn  uns  das  nur  über  die 
Lakoner  hinweghülfe!  Nach  Bergk^  hätten  wir  die  Stelle  nicht 
1(Ττορικώς,  sondern  όλληγορικώς  zu  verstehen,  der  Niedergang  der 
Tragödie  wie  der  Komödie  seit  dem  Ausbruch  des  Krieges  wäre 
an  dem  Beispiele  des  Kratinos  und  Sophokles  vordemonstrirt; 
sonst  pflegt  aber  doch  unser  Dichter  nicht  so  bescheiden  zu  sein. 
Den  einzig  richtigen  Weg  der  Erklärung  betrat  Cobet^  indem 
er  den  Einfall  der  Lakoner  sammt  dem  zerschlagenen  Fasse  Λ'οη 
der  Wirklichkeit  auf  die  Bühne  verlegte;  weniger  glücklich  war 
er  in  der  Präcisirung  dieses  glänzenden  Gedankens.  Unter  öff 
Ol  Λάκωνες  ένέβαλον  wäre  zu  verstehen:  als  die  'Lakoner'  des 
Piaton  aufgeführt  wurden.  Blendend  ist  freilich  auch  diese  Idee ; 
aber  trotz  der  Zustimmung  von  Kock*^  kann  ich  sie  nicht  für 
befriedigend  halten.  Die  'Lakoner'  galten  selbst  im  Alterthum  für 
unecht^,  und  die  Betrachtung  namentlich  von  fgm.  69  K.^  legt 
den  Verdacht  sehr  nahe,  dass  sie  nur  eine  '  Litteraturkomödie' 
waren,  wie  die  dem  Chionides  und  Magnes  beigelegten  Stücke. 
Aber  zugegeben  einmal  ihre  Echtheit,  zugegeben  sogar,  dass  sie 
im  J.  422  aufgeführt  werden  konnten  —  was  durchaus  nicht  be- 
zeugt und  in  hohem  Grade  unwahrscheinlich  ist,  da  die  Blüthezeit 


1  QA.  268. 

2  A.  0.  187. 

®  Obs.  crit.  in  Piatonis  com.  rell.  87  ff.  von  Mcineke  FCG.  V 
1,  2  mit  einem  Hinweis  auf  Fritzsche  abgefertigt. 

*  A.  0.  n.   619. 

^  Harpokration  166,  3  έκωμψδει  bi  αυτόν  (den  Tragiker  Sthenelos) 
ό  τους  Πλάτωνος  Λάκωνας  γράψας,  cf.  Meineke  bist.  crit.  176.  Die 
ünechtheit  lässt  sich  auch  pinakographisch  nachweisen.  Nach  dem 
übereinstimmenden  Zeugniss  des  Suidas  (s.  v.  Piaton)  und  des  Ano- 
nymos  VII  Β  kannte  man  von  Piaton  28  Stücke ;  der  Index  bei  Suidas 
fährt  aber  SO,  derjenige  bei  Andronikos  (Bekk.  Anekd.  p.  1461)  mit 
Weglassung  des  *Phaon*  29  Titel  an,  die  bis  auf  den  erwähnten  Punkt 
mit  den  Titeln  des  Suidas  übereinstimmen.  Sind  also  zwei  Titel  über- 
schüssig, so  kann  unsere  Wahl  nur  auf  die  'Lakoner'  und  den  *Mamma- 
kythos'  fallen;  letzterer  wird  als  ganz  herrenloses  Stuck  bald  dem 
>fetagenes,  bald  dem  Aristagoras,  bald  dem  Demetrios  zugeschrieben; 
cf.  Meineke  bist.  crit.  218  ff. 

β  Für  eine  solche  Scene  den  iambischen  Tetrameter  zu  verwen- 
den ist  gegen  die  Sitte  der  gesungenen  Komödie. 


804  MiMeUen. 

Piaton't  viel  später  fällt  ^  —  bliebe  noeh  immer  der  πίθος  nonr- 
ατνυμβνος  xu  erklftreD.  Fgm.  69  eohildert  ein  Oartmabi,  in 
der  Sitte  der  alten  Komödie  gemiM  hinter  der  BtUioe  χα  denken 
iit;  bieraue  maoht  Gebet  ein  hominnm  temnlentomm  οοητίτίνη» 
qni  nimio  mero  madidi  et  alias  tnrbae  dediaee  Tidentar  et  Tini 
dolium  in  tamultn  diffiregisae.  Dieaea  allea  iet  jedooh  nur  der 
Stelle  aua  der  *  Eirene'  tu  Liebe  ereonnen;  der  xweite  Titel  das 
Stttckea  ΤΤοιητοί  läset  eher  an  eine  Naohahmnng  der  aiiatopliar 
nisehen  'Frösche'  denken,  nnd  fgm.  70,  wo  der  Tragiker  Sthe- 
neloa  des  Plagiates  überfiihrt  wird,  nebst  fgm.  68,  wo  einer  — 
wie  Aisohylos  in  den  *  Fröschen'  —  von  den  Todten  anffueteht» 
bestätigen  diese  Yermnthung  dnrohans.  Das  würde  einen  gere* 
gelten  Yerlaof  des  Gastmahles  Yoraussetsen*.  Aber  lassen  wir 
anch  diese  Cionjectnr  Cobet's  gelten;  es  mag  dmnter  und  drüber 
gegangen  aein  —  das  Fass  bleibt  trotsdem  nnerklärt,  wenn  man 
nicht  annehmen  will,  dass  die  Gäste  ihren  Strauaa  im  Keller  ans- 
gefochten  hätten.  —  Ich  meine,  das  serschlagene  Fase  besieht 
sich  auf  einen  Einfall  der  wirklichen  Lakoner;  ea  erinnert  zu 
lebhaft  an  jene  Zeit,  wo 

βκουσ*  έψόφη0€ν  2μιΤ€λος 
κοί  π{θος  πληγείς  ύη'  όρτήζ  άντΕλάκησεν  π(θψ, 

wie  es  in  derselben  *  Eirene*  heisst'.  Nur  wird  dieser  Einfall, 
dem  gesagten  entsprechend,  anf  der  Bühne  an  suchen  sein. 

Dass  Aiscbylos  durch  seine  ^Psychagogen'  nnd  die  Prophe- 
zeiung, die  er  darin  dem  Odyseeus  zu  Theil  werden  lässt,  selber 
die  Veranlassung  zur  Sage  gegeben  hat,  die  eich  später  —  mit 
Hülfe  der  Komödie  —  über  geinen  Tod  bildete,  darauf  scheint 
mir  Crnsius'^  mit  Recht  aufmerkeam  gemacht  zu  haben.  Auch 
Kratinos,  glaube  ich,  hätte  beim  Anhören  der  aristophanischen 
Verse  von  eich  sagen  können:  Tab'  ούχ  υπ'  δλλων,  άλλα  τοις 
αυτών  πτβροΐς  άλισκόμβσθα.  Εβ  sei  mir  erlaubt,  hier  etwas 
weiter  auszuholen. 

Von  Lucianos  Stellung  zur  altattischen  Komödie  darf  das 
nöthige  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Wenn  er  sich  einer- 
seits volle  Originalität  wahrt ^,  andererseits  zugibt,  dass  er  seine 
Schriften  aus  zwei  Bestandtheilen,  dem  Dialog  und  der  Komödie 


^  Geradezu  einen  Dichter  der  mittleren  Komödie  nennt  ihn  An- 
dronikoR  a.  0.  und  Anon.  IX  B;  gegen  die  zu  frühe  Ansctzung  des 
Ζ€Ος  κακούμ€νος  durch  Cobet  hat  schon  AVilamowitz  (a.  0.  5  f.)  pro- 
tcstirt;  die  Νίκαι  im  Jahr  420  zu  datircn  ist  kein  Grund  vorhanden, 
da  wir -dem  fgm.  81  K.  nur  das  Jahr  der  'Eirene*  als  terminus  post 
quem  entnehmen  können.  So  bleibt  als  die  früheste  der  datirbaren 
Komödien  der  'Hyperbotos*  nach,  geraume  Zeit  nach  421/420  (dem 
Jahre  des  'Marikas*),  aber  vor  417. 

3  Möglicherweise  war  die  Höllenpforte  Tainaron  Schauplatz  der 
Handlung;  daraus  würde  sich  der  Titel  Αάκα)ν€ς  erklären. 

8  V.  612  f. 

*  In  dieser  Zeitschr.  37,  808. 

*  ΤΤρομ.  €t  έν  λάγοις  35. 


Mieoellen.  305 

zueammeneetze  ^,  βο  werden  wir  das  in  seinem  Sinne  dahin  deuten 
dürfen,  dass  er  in  der  Erfindung  des  Stoffes  originell  sei,  da- 
gegen die  Führung  des  Gespräche  dem  —  philosophischen  ~ 
Dialog,  die  häufig  phantastische  Inscenirung  der  Komödie  ent- 
nehme. Das  bestätigt  die  Erfahrung  durchaus;  dass  die  ^Redner- 
schnle'  und  der  'Traum'  den  'Wolken'  des  Aristophanes  nach- 
gebildet sind,  ist  bekannt;  von  anderen  Dialogen  lässt  sich  ein 
ähnliches  Yerhältniss  zu  anderen  Dichtungen  der  altattischen  Ko- 
mödie nachweisen.     So  vom  'Doppelt  Angeklagten'. 

Die  Menschen  murren  über  die  Unthätigkeit  des  obersten 
Gottes,  der  alles  Unrecht  auf  der  Welt  gewähren  lässt;  endlich 
entschliesst  sich  dieser,  Hermes  mit  Dike  an  die  Sterblichen  ab- 
zusenden. Sie  lassen  sich  auf  dem  Areopag  nieder  und  kündigen 
eine  Gerichtssitzung  an.  Es  kommen  viele  Menschen  und  sym- 
bolische Wesen  mit  ihren  Klagen;  zuletzt  melden  sich  die  Rhe- 
torik und  der  Dialog.  Die  Rhetorik  klagt  Lucian  selbst  κακώ(Τ€ως 
an;  sie  hätte  sich  seiner,  des  barbarischen  Jünglings,  liebevoll 
angenommen,  sich  ihm  zum  Weibe  gegeben,  ihn  erst  gross  und 
berühmt  gemacht;  in  der  ersten  Zeit  wäre  er  ihr  in  allem  zu 
Willen  gewesen,  als  er  aber  den  Dialog  kennen  lernte,  da  hätte 
er  sein  angetrautes  Weib  verlassen  und  nur  mit  ihm  ερωτικώς 
verkehrt.  —  Dass  die  ganze  Fiction  lebhaft  an  die  Komödie  er- 
innert, wird  man  zugeben;  und  dass  speciell  ihr  erster  Theil,  die 
Absendung  des  Hermes  durch  Zeus,  um  die  irdischen  Angelegen- 
heiten zu  ordnen  —  einem  Komiker  entnommen  ist,  das  bezeugt 
uns  Origenes*:  6  κωμψδός  έν  τψ  θεάτρψ,  γελωτοποιών  αυνέ- 
τραψ€ν,  δτι  Ζευς  έΗυπνισθεΙς  Άθηναίοις  καΐ  Λακ€Οαιμονίοις 
τόν  Έρμήν  ?π€μψ€.  Den  zweiten  Theil  finden  wir  mutatis  mu- 
tandis  in  der  'Weinflasche'  des  Kratinos  wieder,  deren  Inhalt 
das  Scholion  zu  Ar.  Ritt.  400  folgendermassen  andeutet:  τήν 
Κωμψδίαν  6  Κρατίνος  έπλάσατο  αύτου  είναι  γυναίκα  κοί  άφί- 
(Ττασθαι  του  συνοικεσίου  του  συν  αύτψ  θέλειν  κοΙ  κακώσεως 
αότώ  δίκην  λαγχάνειν,  φίλους  bk  παρατυχόντος  του  Κρατίνου 
5€ΐσθαι  μηδέν  προπετές  ποιήσαι  και  της  ίχθρας  άνερωταν  την 
αιτίαν,  τήν  bk  μέμψεσθαι  αύτώ,  δτι  μή  κωμψδοίη  μηκέτι,  σχο- 
λάΐοχ  bi  τή  Μέθη.  Hier  wie  öfter  ^  wird  blos  der  Anfang  des 
Dramas,  die  Voraussetzung  und  ein  Stück  des  Prologes  erzählt; 
das  weitere  hätten  wir  selber  zu  ergänzen.  Der  Hauptsache  nach 
wird  der  Inhalt  der  Komödie  folgender  gewesen  sein.  Im  Prolog 
tritt  Kratinos  mit  zwei  Freunden  auf;  er  beschwert  sich  über  die 
Launen  seines  eifersüchtigen  und  zänkischen  Weibes;  sie  trösten 
und  ermahnen  ihn,  sich  mit  ihr  zu  versöhnen,  bevor  der  Zwist 
an    die  Oeffentlichkeit   gelange.     Er   ist   gern    dazu    bereit;    ein 


^  A.  0.  30;  dass  er  speciell  die  altattische  Komödie  meint,  folgt 
aus  32. 

*  Oegen  Celsus  c.  78  (p.  1410  C):  cf.  Leo  in  dieser  Zeitschrift 
33,  414  f. 

8  Wölk.  Hypoth.  II;  Eir.  II;  Vög.  I;  Ekkl.  1;  Plut.  ΠΙ. 


Fremd  begibt  meh  in'•  Hai»»  ra  die  Fm  ra  tsCbb;  Iwld  koamt 
diese  hermoe•  Aber  yob  einer  Yereofannng  will  de  niehtB 
sie  bleibt  bei  ibrem  Enteehlnn,  gegen  den  tranloeen 
Μκη  Μοχώαεως  enznetrengen.  Es  gibt  einen  sehr  erregten  Wort- 
wecbiel;  über  dem  Ltnn  erw«elit  Zens  nnf  d«n  Epiekenion;  er 
mit  Hermee  beran  nnd  ftngt,  wne  de•  allee  tn  bedmrten  ImIn^ 
Von  diesem  belebrt,  erinnert  er  eicb,  die  irdieeben  Angelegt 
beiten  länger  ale  billig  ▼emneblieeigt  m  beben;  mnkat  iriid 
Hermee  anf  die  Erde  geeandt,  nm  Ordnnng  m  eebaüen.  Kr  er^ 
Offnet  die  Sitxnng;  der  Anmarseb  der  Biebtor  mag  die  Baiodoe 
gebildet  beben.  KemSdie  bringt  ibie  Klage  tot;  aie.  wird  be- 
danerty  aber  wie  ist  ihr  sn  belfon?   Hermee  iat  in  Yerlegenheil; 

πώς  τις  σοτ6ν,  πώς  τις  dv 
άπό  τοΟ  πότου  παύσ€ΐ€,  του  λίαν  πύτου; 
έγφοα'  ΦιντςΛψω  γαρ  αυτοΟ  τους  χόας 
καΐ  τους  κα5{οίωυς  συτκβραυνώσαι  otiobubv 
καΐ  τβλλα  πάντ*  άχτ^ΐα  τα  π€ρ1  τάν  πότον, 
κού&'  όΕύβας>ον  οίνηρόν  (τι  κ€κτήσ€ται^ 

Nun  sind  wir  zur  yerbängniMYoUen  Stelle  gekommen,  mit 
der  Kratinoa  dem  Spotte  aeinee  Ghegnera  vorgearbeitet  b|it.  Wir 
«eben,  der  Gott  bat  den  Entscblaas  gefaeat,  alle  WeinbehSlter 
des  Kratinoa  zu  zeracblagen,  um  diesen  von  seiner  Tmnkenebt 
zu  bellen.  Was  wird  der  beflcbftdigte  beim  Anblick  der  Verwü- 
stung tbun?  icb  denke,  dasselbe,  was  ibn  Aristopbanee  in  Wirk- 
licbkeit  tbun  lässt: 

ώρακιάσας'  ου  γάρ  έίηνέσχετο 

ibUiv  πίθον  κοταγνύμενον  οίνου  πλέων. 

Für  todt  fällt  er  bin;  man  umringt  ihn,  aber  selbst  die  Zärtiivb- 
keilen  der  Komodia  können  ihn  ins  Leben  nicht  zurückrufen ;  das 
geschieht  erst,  als  in  irgend  einem  Winkel  die  vergessene  Wein- 
flasche aufgefunden  wird.  Aristophanes  durfte  den  weiteren  Ver- 
lauf des  Dramas  ignoriren. 

Aber  was  haben  die  Lakoner  mit  alledem  zu  schaffen? 
Kratinos,  der  sich  überhaupt  zu  seinen  Dramen  Zeit  nahm^,  wird 
auch  den  Gedanken  zur  'Pytine  längere  Zeit  bei  sieh  getragen 
haben.  Zu  Anfang  des  Krieges  waren  die  Einfalle  der  Lakoner 
und  mit  ihnen  die  Zerstörungen  der  Weinberge  und  die  Aue- 
raubungen  der  Keller  periodisch;  und  da  das  Zerschmettern  des 
Fasses  mit  dem  Blitz,  das  im  Worte  συγκ€ραυνώσω  liegt,  auf 
der  Bühne  nicht   darstellbar   war,   so  mag  Kratinos  und  Hermes 


*  Fgm.  187  K.  Gewöhnlich  werden  diese  Worte  einem  von  den 
Freunden  des  Kratinos  in  den  Mund  gelegt;  aber  von  diesen  braucht 
sich  Kratinos  einen  solchen  FingrifT  in  seine  Hausrochte  nicht  gefallen 
zu  lassen;  auch  lässt  das  AVort  συγκεραυνώσω  eher  auf  einen  Gott 
sohliessen.  Uebrigens  ist  der  Zusammenhang  zwischen  den  beiden 
Stellen  Richter  (zu  Eir.  701)  nicht  entgangen. 

3  Cf.  fgm.  237. 


Mieoellen. 


807 


auf  die  praktischere  nnd  zugleich  patriotischere  Idee  gekommen 
sein,  es  durch  einen  versprengten  Schwärm   lakonischer  Soldaten 

—  ein  Parachoregema  —  besorgen  zu  lassen.  Etwas  Lieblosig- 
keit liegt  freilich  darin,  die  Plage  des  Vaterlandes  mit  einem  so 
nichtssagenden  persönlichen  Missgeschick  in  Zusammenhang  zu 
bringen;  aber  dieser  Vorwurf  ist  auch  in  den  Worten  des  Ari- 
etophanes  enthalten.     Denn  wenn  Hermes  —  also  wieder  Hermes! 

—  in  der  '  Eirene  auf  die  Auskunft  des  Try gaios,  Kratinos  wäre 
beim  Einfall  der  Lakoner  gestorben,  Wi  παθϊύν  fragt,  so  erwartet 
er  jedenfalls  die  Antwort  *im  Kampfe  mit  dem  Feind'';  die  Ant- 
wort, die  er  zu  hören  bekommt,  ist  unter  diesen  Umständen  nicht 
ohne  einen  leisen  Beigeschmack  von  Bitterkeit. 

St.  Petersburg.  Th.  Zielinski. 


I.    Zn  Thnkydides  nnd  Diodor. 

In  meiner  Textausgabe  des  Thukydides  habe  ich  II  70,  4 
Lücken  der  Ueberlieferung  aus  dem  entsprechenden  Berichte  Dio- 
dors  XII  46,  7  ergänzt.  Die  Berechtigung  dieses  Verfahrens, 
welches  van  Herwerden  gebilligt  hat,  ergibt  sich  am  besten  aus 
einer  Gegenüberstellung  der  beiden  Texte. 


Diod.  XII 46,  6—7  διαλύσεις 
έποιήσαντο  τοιαύτας,  άπελθεϊν 
έκ  της  πόλεως  δπαντας  τους 
ΤΤοτώαιάτας,  δλλο  μέν  μηόέν 
λαβόντας,  έχοντας  be  τους  μέν 
ανορας  Ιμάτιον  ?ν,  τάς  bi  γυ- 
ναίκας 5ύο.  γενομένων  δέ  τού- 
των των  σπονόών  οΐ  μέν  ΤΤο- 
τιδαιαται  πάντες  μετά  γυναι- 
κών και  τέκνων  έΗέλιπον  τήν 
πατρίδα  κατά  τάς  συνθήκας, 
και  παρελθόντες  εις  τους  έπι 
θρςίκης  Χαλκώεϊς  παρ'  αύτοϊς 
κατώκησαν  οΐ  bk  'Αθηναίοι 
των  πολιτών  εις  χίλιους  οΐ- 
κήτορας  εξέπεμψαν  εΙς  την  ΤΤο- 
τίδαιαν  και  τήν  τε  πόλιν  και 
τήν  χώρα  ν  κατεκληρούχησαν. 

Mag  auch  die  Annahme  der  zweiten  Lücke,  so  leicht  sie  auch 
ist  (geschrieben  war  ές  qt  εαυτών),  nicht  durchaus  nothwendig 
sein,  so  ist  die  erste  um  so  gewisser.  Denn  einerseits  fehlt  zu 
και  ϊκαστος  das  Verbum,  da,  wenn  έκαστος  noch  zu  έΕήλθον 
gehörte,  nach  stehendem  Sprachgebrauch  das  και  fehlen  müsste, 
und  anderseits  kann  das  zu  και  .  .  .  έόύνατο  beigeschriebene 
Schoiion   τάς   τριάκοντα   bvo   πόλεις,    worüber  Dem.  IX  26  zu 


Th.  II  70,  4  έπι  τοϊσδε  ουν 
Ευνέβησαν,  έΗελθεΐν  αυτούς  καΐ 
παϊδας  και  γυναίκας  και  τους 
επικούρους  £ύν  ένΐ  Ιματίψ,  γυ- 
ναίκας bi  2ύν  5υοΐν,  και  άρ- 
γύριόν  τι  ^ητόν  έχοντας  έφό- 
Ö10V.  και  οί  μέν  ύπόσπονόοι 
έΕήλθον  έπι  τήν  Χαλκώικήν  και 
<κατφκη  σα ν^  έκαστος  ή  έ5ύ- 
νατο '  'Αθηναίοι  δέ  . . .  ύστερον 
έποικους  <ές  χίλιους)  εαυ- 
τών ίπεμψαν  ές  τήνΤΤοτείόαιαν 
και  κατωκισαν. 


806  MisoeUen. 

vergleichen  ist,  Dur  dann  verstanden  werden,  wenn  Todier  eh 
Yerbum  desselben  Sinnes  wie  κατφκησοτν  ausgefisUen  kt,  woq 
jenes  das  Object  bietet• 

Wie  nnn  hier  der  Text  des  Thnkydidea  ans  Diodor  sv  ver- 
vollständigen ist,  so  umgekehrt  an  einer  anderen  Stelle  der  Teil 
des  Diodor  aus  Thukydides.  Auch  hier  wird  eine  Oegenfther- 
stellong  die  Sache  am  besten  deutlioh  maohen. 

Th.  IV  12,  3   Ις  τοΟτό  Τ€  Diod.  ΧΠ  63, 6—7  θοη^ιάσαι 

περιέστη  ή  τύχη   dkrre  Άθη-  b'  βν  τις  τής  τύχης  τό  παρ4- 

ναίους  μέν  έκ  γής   [τ€]   καΐ  boSov  κοί  Tf|fv  Ιδιότητα  τής  ικρί 

ταύτης  Λακίλίνικής    άμύνεσθαι  τήν  ΤΤύλον  διαβέσ€ΐιις.    Αθη- 

έκ€(νους  επιπλέοντας,  Aaxebai-  ναΐοι  μ^ν  γάρ  ίκ  τής  AoNum- 

μονίους  5έ  έκ  νεών  τ€  καΐ  ές  κής  αμυνόμενοι  τους  Σπαρτιά- 

τήν  εαυτών  πολεμίαν  οδσαν  τας   έκράτουν,    Λακεδαιμόνιοι 

έπ' 'Αθηναίους  άποβαίνειν*  έπΙ  5έ  τήν  IbCov  χιίιραν  <πολε- 

πολύ  γάρ  έποίει  τής  bόir\ς  έν  μίαν) έχοντες  έκτης  θαλάττης 

τψ  τότε  τοις  μέν  ήπειρώταις  προσέβαλλον    τοις    πολεμίοις, 

μάλιστα  είναι  καΐ  τά  πεΖά  κρα-  καΐ  τοις   μ^ν   πεΖή   κρατουσι 

τίστοις,  τοις  bt  θαλασσίοις  τε  θαλαττοκρατεΐνσυ^βαινε, τοις 

καΐ  ταΐς  ναυσΐ  πλείστον  προ-  bk  κατά  θάλατταν  πραιτεύουσι 

έχειν.  τής  γής  απείργειν  τους  πολε- 
μίους. 

Eine  Ahnung  dessen,  was  bei  Diodor  ausgefallen  sein  mfissey 
hat  schon  ohne  Rücksicht  auf  die  Paralleleteile  des  Thnkjdides 
der  Bearbeiter  der  Didot'echen  Ausgabe  gehabt.  Im  Texte  setit 
er  zwar  wie  auch  Dindorf  das  Zeichen  der  Lücke,  aber  in  der 
Uebereetzung  gibt  er  in  zweifelnder  Form  die  richtige  Ergän- 
zung, indem  er  schreibt:  euam  (hoetilem?)  habentes  terram. 

Wenn  es  nun  richtig  ist,  daes  in  dem  einen  Falle  der  Text 
des  Thukydides  ans  Diodor  und  in  dem  andern  der  des  Diodor 
aus  Thukydides  und  sogar  ohne  Aenderung  der  Wortformen  zn 
vervollständigen  ist,  so  wird  sich  eine  directe  Benutzung  des 
Thukydides  durch  Diodor  an  diesen  Stellen  kaum  abläugnen  lassen, 
und  damit  wäre  die  Frage,  ob  und  in  welcher  Weise  Diodors 
Darstellung  auf  Thukydides  zurückgehe,  über  welche  sich  die 
Historiker  noch  immer  streiten,  dahin  entschieden,  dass  wenig- 
stens an  einzelnen  Stellen  Diodor  den  Thukydides  selbst  einge- 
sehen haben  muHS.  Ausserdem  ist  auch  die  anderweitige  Ueber- 
einstimmung  so  gi^oss,  dass  eine  Yermittelung  durch  Ephoros  sich 
schwerlich  annehmen  lässt.  Denn  an  beiden  Stellen  Diodors 
haben  wir,  abgesehen  davon,  daes  an  der  ersteren  die  Vertrags- 
bestimmungen nicht  ganz  genau  und  AOllständig  wiedergegeben 
werden,  denselben  Inhalt  wie  bei  Thukydides  und  eine  in  freier 
Weise,  nur  an  der  ersteren  in  et\va8  breiterer  Fassung,  an  seine 
Darstellung  sich  anlehnende  Form.  Zudem  gibt  die  zweite  gerade 
wie  bei  Thukydides  nicht  eine  Erzählung  von  Thatsachen,  son- 
dern eine  Keflexion  über  Thatsachen. 


Miscellen.  809 

II.    Znm  Oegehiehtseehreiber  Herodian. 

V  1,  4  τον  γοΟν  προς  ΤΤαρθυαίους  πόλ€μον  .  .  .  κατ€- 
λύσαμεν  και  έν  οΤς  άνορείως  παραταΗάμενοι  ουδέν  τι  ήττήμεθο 
και  έν  οΤς  σπείσαντες  .  .  .  μέγαν  βασιλέα  πιστόν  φίλον  δντ' 
έχθρου  όυσμάχου  έττοιήσαμεν. 

Zu  Οπείοαντες  bemerkt  der  neueste  Herausgeber:  *imo 
(Τπεκτάμενοι.  sed  tota  ennntiati  conformatio  mihi  dubia  est*. 
Offenbar  ist  (T  aus  dem  vorhergehenden  οΤς  irrthiimlich  wieder- 
holt und  πείοαντες  zu  lesen,  wie  ich  schon  längst  zu  Thuk. 
IV  98,  8  der  Poppo'schen  Ausgabe  bemerkt  habe.  Damit  ist  der 
Satz  vollständig  in  Ordnung. 

Münster.  J.  M.  Stahl. 


Zur  Frage  über  die  Glaubwürdigkeit  der  in  die  Demostheniechen 

Reden  eingelegten  Urkunden. 

In  der  in  die  erste  Rede  wider  Stephanos  eingelegten  Klage- 
schrift (XLV  46)  lesen  wir  den  Namen  'Απολλόδωρος  ΤΤαίΤίωνος 
*Αχαρνεύς.  Der  Einwand  Westermann's  (Abhdl.  d.  sächs.  Ges. 
d.  Wiss.  bist.  ph.  Cl.  1850  p.  106),  welcher  die  Richtigkeit  der 
Angabe,  dass  Apollodoros  eines  Achamers  Sohn  gewesen,  'als 
einzig  auf  diesem  Actenstticke  beruhend  dahingestellt  sein  läset\ 
konnte  bisher  nicht  entkräftet  werden.  In  einer  in  neuester  Zeit 
entdeckten  Seeurkunde  (CIA.  II  2,  794  b,  63)  findet  sich  nun 
unter  den  Trierarchen  der  Name: 

'Απολλόδωρος  Άχα[ρ](νεύς). 
Da  nach  U.  Köhler  s  Auseinandersetzungen  diese  Inschrift  dem 
Jahre  Ol.  106,  1.  356/5  angehört,  werden  wir  kein  Bedenken 
tragen  dürfen,  den  hier  erwähnten  Apollodoros  von  Achamai  mit 
dem  in  der  Demostheniechen  Urkunde  genannten  zu  identificiren. 
Um  so  mehr  glauben  wir  zu  dieser  Annahme  berechtigt  zu  sein, 
als  mit  derselben  das  in  Dem.  XXXVI  39  über  die  Liturgien 
des  Apollodoros  Gesagte  völlig  in  Einklang  steht.  Hier  werden 
die  Liturgien,  welche  Apollodoros  für  sich  allein  trug,  als  gering- 
fügig bezeichnet  im  Gegensatz  zu  denen,  für  welche  sein  Bruder 
Pasiklee  mit  aufzukommen  hatte;  wenn  nun  bei  den  letzteren 
nach  A.  Schäfer's  Darlegung  (Dem.  u.  s.  Zeit  III  2  p.  168)  an 
die  Ol.  104,  3.  362  angetretene  siebzehnmonatliche  Trierarchie 
zu  denken  ist  (Dem.  L  4.  10),  so  wird  zu  den  ersteren,  von 
denen  wir  sonst  ^nichts  näheres  wissen  ,  die  in  unserer  In- 
schrift erwähnte  Liturgie  gehören. 

Auch  der  in  dem  Actenstücke  der  (Demosthenischen)  Rede 
wider  Lakritos  (XXXV  14)  erhaltene  Name  Φορμίων  Κηφισο- 
φώντος  ΤΤειραιευς  ündet  durch  eine  kürzlich  aufgefundene  In- 
schrift seine  Bestätigung.  Hatte  es  schon  viel  Wahrscheinlichkeit 
für  sieh,  daes  der  in  den  Böckh'schen  Seeurknnden  (X  d  41. 
XIV  c  173)  erwähnte  Φορμίων  ΤΤειραιεύς  mit  dem   in    unserer 


810  MisoeUefi. 

fiede  genanDien  identieoli  ist,  eo  wird  ToUeodB  «i  der  AnÜioft• 
ticität  des  Namens  nieht  zn  zweifeln  sein,  wenn  wir  in  einer  «rf 
denselben  G-egenstand  sich  beziehenden  Inschrift  (CIA.  Π  S,  SM 
Β  b  2)  vom  Jahre  Ol.  111,  3.  834/3  den  Yollständigen  Nunea: 

Φορμ{ων  Κττκπφώντος  Π6ΐραΐ€(ύς) 
lesen.  Denn  Κτησις)ώντος  wird  nach  der  Insohrift  fllr  die  ύ 
den  Hdse.  sich  findende  Lesart  ΚηφΚίοςΝΰντος,  sn  der  ein  Ab- 
schreiber leicht  durch  den  im  fraglichen  Actenstücke  gleich  d•- 
nebenstehenden  Namen  Κηφΐ(ΤΟΙ)ωρος  verleitet  werden  konnte, 
ta  schreiben  sein. 

St.  Petersburg.  Joh.  Κ  Kirchner. 


I.    Zu  Nusenius  iid  Setiev. 

Jacob  Bemays  hat  in  seinem  Phokion  S.  54  und  128  eine 
Reihe  von  Stelleu  besprochen,  welche  für  die  Bedeutung  des 
Attributs  χρηστός  und  seine  von  den  Freunden  ernsthaft,  von 
den  Gregnem  ironisch  gemachte  Anwendung  auf  Phokion  lehr- 
reich sind.  Hinzugefügt  zu  werden  verdient  Marcus  Antoninus 
XI  13  άλλα  έγώ  €ύμ€νής  καΐ  €Ονους  παντί  καΐ  τουτψ  αύτφ 
έτοιμος  τό  παρορώμενον  bcSai  ουκ  όν€ώΐ(Ττικώς  οχΛΛ  d>ς 
κατ€πιΟ€ΐκνυμ6νος,  βτι  ανέχομαι,  άλλα  γνησίως  καΐ  χρησηϊις 
ώς^  ό  0u)Kiu)V  έκ€Ϊνος,  εΤγε  μή  προσεποιειτο.  Ohne  Zweifel 
wird  hier  auf  eine  beRtimmte  Anekdote  aus  dem  Leben  des 
Phokion  angespielt;  vermuthlich  auf  die,  welche  Musonius  bei 
Stob.  flor.  19,  16  erzählt;  sie  legt  den  Verdacht  der  προΟίτοίησις 
nahe  genug.  Als  Jemand  sich  bei  Phokion  entschuldigte,  dass 
er  seine  Frau  beschimpft  habe,  antwortete  Φωκίαιν  ό  χρηστός 
.  .  .  άλλα  ή  Τ€  έμή  γυνή  ούόέν  υπό  σου  πίττονθεν,  έτερα  W 
τις  ίσως. 

Parallel  mit  dieser  Geschichte  erzählte  Musonius  von  So- 
crates*  Gleichmuth,  als  ihn  Aristophanes  in  den  Wolken  öffent- 
lich dem  Gelächter  preisgab.  Von  den  Moralpredigern  war  diese 
Geschichte  dahin  zugespitzt  worden,  dass  als  Socrates  dem  Ari- 
stophanes nachher  begegnete,  er  ihn  gefragt  habe  el  και  ττρός 
άλλο  τι  τοιούτον  βούλοιτο  χρήσθαι  αύτψ.  So  nur  Musonius 
ond  der  auch  sonst  mit  dem  gleichen  Material  und  in  derselben 
Tendenz  wie  Musonius  arbeitende  Pseudo-Plntarch  π.  ασκήσεως, 
Rhein.  Mus.  27,  528. 

£s  sei  gestattet  aus  diesem  Literaturk reise  noch  einige  Be- 
merkungen hinzuzufügen.  Die  Benutzung  von  Sotion  π.  οργής 
bei  Seneca  de  ira  ist  bereits  an  einigen  Punkten  fcRtgestellt  wor- 
den. Diele  hat  doxogr.  256  neben  8otion  bei  Stob.  flor.  20,  53 
über  Democrit  und  Heraclit  die  Stelle  bei  Seneca  de  ira  II  10,  5 


^  Vulg.  οίος  ό  Φωκίων;  Yat.  1689  ή  ό  σοφοκίιιιν,  Stich  schlägt 
vor  ij  ό  σοφός  Φωκίων,  aber  σο(ρός  ist  nicht  angebracht  \md  έκ€ΐνος 
hinkt  nach. 


Miscellen.  311 

gestellt,  wobei  ich  bemerke,  dass  das  Plutarcbscholion,  welches 
daselbst  in  verstümmelter  Gestalt  abgedruckt  ist,  aus  Cosmas  zu 
Grregor.  Nazianz.  carm.  14  (Spicil.  Rom.  II  93  Mai)  folgender- 
massen  ergänzt  wird:  Ηράκλειτος  καΐ  Δημόκριτος  ουκ  έν  τψ 
αύτώ  γεγονότες  χρόνψ,  φυσικοί  5έ  δντες  ομοίως  τήν  το  Ob  ε 
κόσμου  άλλεπαλληλίαν  όιέπαι^αν  ό  μέν  γελών  ό  δέ 
κλαίων,  ό  μέν  Δημόκριτος  έγέλα  συνεχώς  τά  πράγματα*  6  bk 
Ηράκλειτος  έκλαιε  κτλ.  ^.  Das  bei  Stobaeus  flor.  20,  54  folgende 
Fragment  des  Sotion  hat  Allers  ^  de  Sen.  librorum  de  ira  fontibus 
(Götting.  1881)  p.  11  in  zwei  Theile  zerlegt  und  den  ersten  Satz 
ohne  Grund  dem  Sotion  abgesprochen.  Für  den  zweiten,  der 
Schauspieler  möge  zornig  erscheinen,  wo  er  es  nicht  sei,  die 
σττουόαϊοι  würden  auch  wenn  sie  ernstlich  zürnten,  nicht  die 
Miene  des  Zornigen  tragen,  hat  er  bereits  auf  Seneca  II  17,  1 
(nicht 'IV  17,  1')  verwiesen.  Zu  vergleichen  ist  auch  III  13,  1 — 3. 
Exemplifizirt  wird  da  wieder  an  Socrates,  der  von  Natur  zorn- 
müthig  war  (vgl.  auch  Ps.-Plut.  1.  1.  S.  527  unten):  In  Socrate 
irae  signum  erat  vocem  submittere  (Plut.  de  coh.  ira  4:  ένεόίδου 
τη  φωνή)  loqni  parcius.  adparebat  tunc  illum  sibi  obstare.  de- 
prehendebatur  itaque  a  familiaribus  et  coarguebatur,  nee  erat  illi 
exprobratio  latitantis  irae  ingrata.  Es  wird  damit  sicher  auf 
die  Begegnung  zwischen  Zopyrus  und  Socrates  hingedeutet,  wie 
sie  aus  Cicero  und  Alexander  bekannt  ist  und  auch  von  Ps.-Plut. 
1.  1.  S.  527  erzählt  wird.  —  Dass  die  Anführungen  des  Sextius 
(II  36,  1  [cf.  Plut.  de  coh.  ira  6]  und  III  36,  1),  der  in  Eede 
und  That  seinen  Schülern  vorbildlich  war,  auf  Sotion  zurück- 
gehen, hat  bereits  Zeller  Phil.  d.  Gr.  III  1  *  676,  3  bemerkt.  — 
Auch  wie  Sotion  (Stob.  flor.  14,  10)  in  π.  όργης  auf  die  Schmeichler 
zu  sprechen  kam,  erklärt  Seneca  III  8,  6  elige  simplices,  faciles, 
moderatos,  qui  irani  tuam  nee  evocent  et  ferant.  magis  adhuc  pro- 
derunt  submissi  et  humani  et  dulces,  non  tamen  usque  in  adula- 
tionem,  nam  iracundos  nimia  adsentatio  offendit. 

Ob  die  Uebereinstimmungen  zwischen  Seneca  und  Musonius^ 
aus  gemeinsamer  Kenntniss  des  Sotion  zu   erklären   sind,    bleibt 


^  Die  von  Diele  p.  238  aus  Marc.  δ21  publicirte  öoHa  des  Hippo- 
crates  ist  aus  π.  ά^ριυν  υδάτων  τόπων  II  ϋΟ  L,  Ι  268  Ε  und  lautet  da- 
selbst ό  γάρ  γόνος  πανταχόθεν  ίρχεται  τοΟ  σώματος,  ύπό  τ€  τών 
ύγιηρών  ύγιηρός,  άπό  τ€  τών  voocpuiv  νοσ€ρός. 

2  Wenn  derselbe  ρ.  80,  durch  die  Ueberlieferung  bei  Lactantius 
verführt,  annimmt,  Seneca  habe  I  3,  8  des  Aristoteles  δρεξις  άντιλυ- 
πήσ€ως  nicht  mit  cupiditas  doloris  reponendi,  sondern  rependendi  wie- 
dergegeben, so  irrt  er;  de  ira  II  28,  6  cogitemus,  inquam,  alios  non 
facere  iniuriam^  sed  reponere. 

^  Man  lese  z.  B.  nacheinander  de  ira  II  12,  4—6  und  Masonius 
bei  Stob.  flor.  29;  75.  Der  Gedanke  ist  derselbe,  an  beiden  Stellen  er- 
scheinen die  Seilläufer,  auch  stylistische  Uebereinstimmung  ist  bemerk- 
bar: no8  non  advocabimus  patientiam,  quos  tantum  praemium  expectat, 
felicis  animi  immota  tranquillitas,  ημείς  δ'  ούκ  άνεΗόμεθα  ταλαιπωρ€ΐν 
υπέρ  ευδαιμονίας  κτλ. 


312  Miscellen. 

dahiDgeetellt.  Dae  Ziel  der  Sextier  war  nicht  die  Theorie,  son- 
dern die  Praxis,  ihre  Absicht  zu  bessern,  dae  κινή(Ταΐ  τάς  TW- 
μας  τών  ακούονται  ν  προς  τά  βέλτιστα,  ihre  Lehre  der  Kampf 
mit  den  Leidenschaften,  der  Kampf  gegen  die  Unbill  des  Schick- 
sals, der  Ausdruck  volksthümlich,  wuchtig,  bilderreich,  nicht 
ohne  Schwung.  Vgl.  Sotion  bei  Stob.  flor.  20,  53,  Senecae  ep. 
59,  7,  Fabianus  bei  Seneca  de  brev.  vitae  10.  Was  bei  Seneca 
zur  θ€ραπ€ία  gehört,  wird,  wer  eine  Vermuthung  wagen  will, 
daher  geneigt  sein,  dem  Sotion  zuzuweisen;  das  war  sein  Gebiet 
und  die  Stoiker  waren  hierin  nicht  ausgiebig,  s.  Cic.  Tuec.  IV  9, 
Galen  de  Hipp,  et  Plat.  dogm.  p.  455  K.  Es  folgen  ihm  darin 
Seneca,  Musonius  —  b€iv  ae\  θεραττευομένους  βιοΰν  τους  σώ2Ιε- 
σθαι  μέλλοντας  bei  Plut.  de  coh.  ira.  2  — ,  Epictet,  Marens  An- 
toninus  u.  s.  w. 


II.    Zu  den  Aristo teles-Commentaren. 

Es  ist  bekannt,  das  loannes  Bemardus  Felicianus  in  seiner 
Uebersetzung  von  Eustratii  in  Aristotclis  Moralia  Nichomachia 
doctissimae  explanationes  (erste  Ausgabe  Basileae  s.  a.  [1542]) 
nicht  nur  den  Druck  der  Aldina  wiedergab,  sondern  ohne  dass  er 
angibt,  wo  er  diesen  Druck  verlässt,  aus  eigenem  Wiesen  und 
nach  anderen  Vorlagen  oft  nicht  unbeträchtliche  noch  werthlose 
Zusätze  gegeben  hat.  Er  selbst  sagt  in  der  epistola  nuncupatoria 
an  Alexander  Farnese,  die  in  der  Ausgabe  Venetiis  1589  nicht 
wiederholt  ist  —  die  Ausgaben  von  Venedig  1541  und  Paris  1543 
kenne  ich  nicht  —  *  cum  duplicia  quaedam  Commentaria  quae  par- 
tim eadam  partim  diversa  esse  videbantur,  in  secundum,  tertium, 
quartum  huiu«  operis  libros  mutila  illa  quidem  ac  divulsa  reperis- 
sem:  mihi  opus  fuit  non  tam  eorum  uertendorum,  quam  componen- 
dorum  laborem  suscipere  ,  d.  li.  er  hat  die  Commentare  des  As- 
pasius  mit  den  in  der  Aldina  gedruckten  contaminirt.  Auch 
zum  fünften  Buch  hat  er  den  uns  nur  ans  den  Oxforder  Hand- 
schriften coli.  corp.  Christi  106  und  coli,  novi  241  bekannten  Ano- 
nymus zur  Bereicherung  seiner  Uebersetzung  des  Michael  benutzt. 
Nach  Schluss  dieses  fünften  Buches  folgen  bei  Felicianus  drei 
Stücke  moralischen  Inhalts,  über  deren  A'erhältniss  zu  den  Com- 
mcntaren  keine  Aufklärung  gegeben  ist.  Ich  bemerke,  dass  dies 
die  Capitel  3,  iM)  und  10  der  ethischen  Probleme  des  Alexander 
von  Aphrodisias  sind,  welche  Spengel  als  viertes  Buch  von  Alex- 
anders physischen  Aporieen  herausgegeben  hat.  An  derselben  Stelle 
Λνίβ  die  lateinische  Uebersetzung  des  Felicianus  finden  sich  diese 
Stücke  in  mehreren  griechischen  Handschriften  der  Commentare 
zur  Ethik,  dem  Laurent.  85,  1,  Mutinensis  197,  Barberinus  II 
44,  Vaticanus  gr.  1622  und  Vatic.  gr.  260  ΙΓ.  Bei  der  Jugend 
dieser  Handschriften,  von  denen  keine  älter  als  das  dreizehnte 
Jahrhundert  ist,  lässt  sich  für  die  Textgestalt  des  Alexander 
nicht  allzuviel  erhoffen.    Der  Spengersche  Text  freilich  kann  aus 


Miscellen.  Sl3 

ihnen  an  vielen  Stellen  emendirt  werden.  Aber  wie  Rieh  diese 
Handschriften  zu  der  massgebenden  verhalten,  muss  ich  dem 
künftigen  Herausgeber  der  Aporieen  zu  beurtheilen  überlassen, 
dem  ich  meine  CoUationen  zur  Verfügung  stelle. 

Göttingen.  Gr.  Heylbut. 


lieber  die  Uebcrlicfcmiig  von  Ovid's  libellue  de  medicanine  faeiei. 

Wenn  wir  die  Schrift  de  medicamine  faeiei  näher  betrachten, 
80  dürfte  zunächst  in  die  Augen  springen,  dass  dieselbe  am  Ende 
v^erstümmelt  ist;  denn  mit  einem  Recept  bricht  das  Gedicht  plötzlich 
ab.  Auch  L.  Müller  hat  dies  anerkannt,  nach  einer  Erklärung  dafür 
gesucht  und  dieselbe  darin  gefunden,  dass  das  Gedicht  den  Schluss 
der  carmina  amatoria  bildete  (Rhein.  Mus.  XVII  525).  Aber  nicht 
bloss  am  Ende  ist  die  Schrift  verstümmelt,  auch  im  Innern  finden 
sich  zwei  Lücken,  welche  der  neueste  Herausgeber  der  Schrift  A. 
Kunz  richtig  erkannt  hat.  Einmal  ist  nämlich  der  üebergang 
von  dem  allgemeinen  Theil,  der  die  Mädchen  zur  Sittlichkeit  er- 
mahnt, zu  dem  speciellen  (V.  51),  wo  der  Dichter  mit  den  Schön- 
heitsmitteln beginnt,  ein  so  unvermittelter,  dass  kein  Leser  ohne 
Anstoss  daran  vorübergehen  wird.  An  der  anderen  Stelle  ist 
zwar  die  Lücke  durch  eingeschobene  Verse  verkleistert,  allein  der 
Defect  wurde  trotz  dieses  Einschubs  nicht  ausgeglichen.  Ich  habe 
im  Sinn  die  Verse  27,  28 

Pro  se  quaeque  parent  et  quos  venerentur  amores 
Refert:  munditia  crimina  nuUa  merent. 
Es  fragt  sich  nun,  ob  diese  drei  Lücken  nicht  einen  Schluss  auf 
die  Gestalt  d,es  Archetypos  zulassen.  Wir  beginnen  mit  den  zwei 
ersten.  Wenn  wir  von  den  zwei  unechten  Versen  27  und  28 
absehen,  zählen  wir  bis  zum  Eintritt  der  zweiten  Lücke  22  Verse; 
vor  der  Lücke  stehen  26  Verse  oder  richtiger,  wenn  wir  für  die 
Ueberschrift  den  Raum  von  zwei  Versen  ansetzen,  28  Verse. 
Zunächst  entsteht  die  Vermuthung,  dass  die  beiden  Defecte  dadurch 
entstanden  sind,  dass  eine  Beschädigung  der  Vorder-  und  der 
Rückseite  eingetreten  ist.  Wir  müssen  demnach  versuchen,  ob 
eine  Vertheilung  der  Verse  so  vorgenommen  werden  kann,  dass  sich 
in  der  Weise  der  Defect  leicht  erklärt.  An  das  Ende  der  Seite 
können  wir  die  Verstümmelung  nicht  legen,  denn  da  dieselbe  gleich- 
viel Verse  auf  der  Vorder-  und  auf  der  Rückseite  betroffen  haben 
mu8S,  so  atossen  wir  auf  die  Unmöglichkeit  28  -f  χ  =  22  +  x, 
d.  h.  wir  müssten  auf  der  Rückseite  einen  grösseren  Defect  an- 
setzen als  auf  der  Vorderseite.  Ganz  anders  gestaltet  sich  die 
Sache,  wenn  wir  davon  ausgehen,  dass  die  Beschädigung  am 
Anfang  einer  Seite  eintrat.  Wir  würden  dann  mit  V.  26  die  erste 
Seite  (oder  Columne)  schliessen,  und  sonach  28  Verse  als  Ein- 
heit anzunehmen  haben.  Die  zweite  Seite  (Columne)  würde  vor 
der  zweiten  Lücke  mit  V.  50  aufhören;  da  22  Verse  vorliegen, 
so  wäre  ein  Ausfall  von  6  Versen  oder  3  Distichen  zu  statuiren 

BbAin.  Mus.  f.  PbUol.  N.  F.  XXXIX.  20 


du  Miwellwi, 

(■elbetveretändlich  dae  eingeeohobene  DistJohon  nieht  mügendMl).. 
Es  käme   dann   die   dritte  Seite  (Colmnne);    da  hier  na  Aahag 
ebenfalls  6  Verse  fehlen  rnftsien,  so  mÜMte  dieselbe  ut  Y.  71 
utraque  da  uigris  etc.  abgescbloBeen  haben.    Damit  iHbea  die  ewm 
ersten  Lücken   auf  eine  ganz  natttrlichci  ein&ohe  WeiM  etUbt 
Allein  durch  unsere  Annahme  erklärt  doh  auch  die  dritte  LBeka 
Zählen  wir  nämlich  die  Verse  bis  zum  Bchlute,   so  erbaltea  vir 
gerade  28  Verse,    -damit  wäre  auch  fttr  dia  Yeratfünaieleiig  des 
tiedichtes  am  Hchluss  ein  ausreichender  ErklSrongagmnd  gegeben^ 
eine  Voraussetzung   hinzugenommen,   dass   nämlich    das  Gedicht 
auf  der  Rückseite  seinen  Absohluss  fand,     unter  dieser  Yora••- 
sotzung   können    wir   noch  genauer    die  Gestalt  des  Arche^rpos 
zn  bestimmen   versuchen.     Wie  bereit«  angedeutet,   können  jene 
28  Verse  eine  Columne  oder  auch  eine  Seite  gebildet  haben.    Im 
ersten  Fall  haben  wir  es  mit  2  Seiten  feu  thun,  anf  der  Vorde^  . 
Reite  stünde  Columne  a  (26  Verse  und  TJeberechrift)  nnd  Colnmae 
b  (6  +  22),  auf  der  Rückseite  Columne  c  (6  +  32)  nnd  GoIubm 
d  (2^).     Verstümmelt  sind   b  und   c  um  je  6  Yerse,    die  Yer- 
Rtümmelung  wäre    etwa  durch   einen  Ries   zn  erklären,    der  die 
Columne  b  und  c  in  gleicher  Weise  treffen  musste.    Nimmt  suui 
aber  28  Verse  für  die  Seite  an,  so  ist  die  Erklärung  des  Defeots 
etwas  schwieriger,   denn  es  bilden  dann  die  beschädigten  Seitea 
die  Rück-  und  Vorderseite  zweier  Blätter;  durch  einen  Kies  wäre 
dann   der  Ausfall    der  6  Verse  auf  beiden  Seiten  nicht  mehr  zs 
erklärciif    sondern  etwa  durch  eindringende  Feuchtigkeit,    welche 
bewirkt  hfttte,  dasR  heim  SchlieRRcn  der  Handschrift  die  Buchstaben 
sich   ge^enHeiti^  abdnickten  nnd  dadurch   unleebar  wurden.     Es 
ist  Konach  die  ernte  Annahme  etwas  wahrscheinlicher.     Wie  dem 
aber   auch   sei,  jedenfallK  hat  uneere  Hypothese  von  der  Gestalt 
des  ArchetypoH   daR  Entstehen  der  drei  Lücken  in  einer   so  ein- 
fachen WeiKC  erklärt,  dass  man,  solange  nicht  ein  noch  einfacherer 
Weg  gefunden    ^a'ird,    wohl   herechtigt   ist,    an  jener   Hypothese 
fest  zu  halten.     DicRelhe   setzt   uns   aber  zugleich  in  den  Stand, 
noeh  eine  weitere  HchluRRfolgerung  zu  machen.     Für  die  carmina 
amatoria  Ovid's   Λvurden  sowohl  von  L.  Müller    (cf.  de  re  metr. 
p.  45)  alR  von  Th.  Birt  (Gott.  Gel.  Anz.  1882  p.  841)  als  Ein- 
heit des  ArchetypoR  26  Verse  angenommen,  mit  dem  Unterschied, 
dass  Müller  die  20  Verfle  für  die  Seite,  Birt  für  die  Columne  in 
AuRpruch  nimmt.     Da  nun  die  Schrift  de  medicamine  faciei   un- 
leugbar zu  den  carmina  amatoria   gehört,    so    hat  Müller    seiner 
Annahme  entsprechend  (de  re  metr.  p.  4β)  zwei  volle  Blätter  für  das 
Gedicht,  das  100  Verse  umfasst,  statuirt,  das  Plus  von  4  Versen 
wohl  auf  die  Ueberschrift  rechnend,  und  weiterhin,  wie  bereite  im 
Eingang  bemerkt,   das  Gedicht,   um  damit  die   Lücke    am   Ende 
zu   erklären,   an  den  Schluss   der  ganzen  Sammlung  gelegt.     Ist 
unsere  Hypothese  richtig,  so  wird  die  Ansicht  Müller's  sehr  zwei- 
felhaft und  wir  gelangen  vielmehr  zu  der  Vermuthung,  dass  die 
ü eberlief erung  des  Gedichtes  de  medicamine  faciei  unab- 
hängig von  den  carmiftn  amatoria  erfolgte.     Damit  steht  aber 


Miecellen.  3 15 

die  handschriftliche  Ueberlieferung  der  Schrift  im  vollsten  Ein- 
klang; denn  wenn  νητ  die  bei  Eunz  aufgezählten  Handschriften 
ihrem  Inhalt  nach  durchmustern,  so  führt  nichts  auf  eine  ur- 
sprüngliche Verbindung  des  libellus  mit  den  carmina  amatoria. 
Damit  werden  aber  leise  Zweifel  an  dem  Ovid'schen  Ursprung 
des  Gedichts  rege  gemacht.  Und  so  oft  ich  das  Product  lese, 
es  will  mir  nicht  in  den  Sinn,  dass  wir  in  dem  Machwerk  einen 
Dichter  wie  Ovid  vor  uns  haben. 

Wtirzburg.  M.  Schanz. 


eiossa. 

Tristi  casu  litt«ris  amicisque  nuper  erepti  Gustavi  Loewii 
incido  in  glossematica  quaedam  ipso  mense  fatali  edita  in  Franco- 
gallorum  repertorio  quod  'revue  de  philologie'  appellatum  duo- 
viri  0.  Riemann  et  Em.  Chatelain  curant  (nouvelle  serie  annee 
et  tome  VII  4  liΛ'rai8on.  31  Decembre  1883).  ibi  p.  198  vir  ille 
doctus  atque  ingeniosus  hanc  ex  libris  Vaticanis  1468.  1469  et 
Casin.  90.  218  glossam  protulit:  ^  Cludidenns:  imperitus\  cltiden• 
dinus  in  Vat.  1468,  clttdidemus  vel  .cludidenius  in  Casin.  90  legi 
testatus,  ascito  autem  ex  Gellii  n.  a.  XVI  12,  3  elucus  vocabulo 
quam  vis  dubi  tanter  hanc  proposuit  emendationem:  eluci  plenus, 
imperitus.  recte  fecit  modestissimus  vir  quod  addidit  haec:  'au- 
daciuscula  mutatio  si  cui  minus  placuerit  non  obloquar :  meliorem 
tarnen  rogo  ut  proferat*.  ad  luvenalis  nimirum  notissima  I  80: 
'facit  indignatio  versum,  qualemcumque  potest,  quales  ego  vel 
Cluvienus'  pertinet  glossa  sie  emendanda:  ^  CluvienuSj  imperitus*. 
cf.  schoL:  ^Cluvienus:  delirus  poeta  vel  indoctus\  atque  in  ipso 
textu  poetae  miseri  nomen  Vindobonensis  codex  Cluuidenus  ex- 
hibet;  nee  indignum  memoria  quod  eadem  nominis  forma  redit 
apud  Ennodium,  qui  in  praefatione  ad  carm.  I  7  ad  luvenalis 
locum  bis  adlusit:  ad  Camenalem  tamen  ignominiam,  quibus  num- 
qnam  Glumdenns  deest,  versus  adieci  et  periturae,  ut  dictum  est, 
cartae  prodigus  non  peperci*.  sie  enim  nunc  legitur  in  editione 
accuratissima  Guilelmi  Hartel,  qui  ex  optimis  partim  et  anti- 
quissimis  codicibus  varias  lectiones  prompsit  gluuidinus  et  gludi- 
uinus:  Cluvienum  olim  luvenalis  memor  corrigi  iussit  Gronovius. 
denique  Ethici  libros  a  glossatoribus  diligenter  excerptos  fuisse 
quis  nescit? 

L.  0.  R. 


Oskische  Inschrift. 

Backstein,  zu  Ende  1882  ausgegraben  in  der  Gegend  von 
S.  Maria  di  Capua,  wohl  vom  alten  Heiligthum  bei  Capua 
(v.Duhn  Bullarch.  1876  p.  184).  Höhe  0,11,  Breite  0,22,  Dicke 
0,05,  Rückseite  glatt;  die  Buchstaben  1 — 2  Millim.  eingedrückt, 


316  Mieoellen. 

rechte  neben  der  Inechrift  eine  Rundung  oder  Buckel  erhaben 
etwa  1 — 2  Millim.,  links  leicht  eingedrückte  Linien,  deren  eine 
längs  der  Inschrift  herabgeht,  auch  jenseits  dieser  Linie  Keste  von 
Buchstaben.  Zeichnung  des  Besitzers  Hrn.  Bourguignon  durch 
Prof.  von  Duhn's  Güte  mir  vermittelt,  Publication  durch  Prof. 
Ernst  Sosso  in  den  Ätti  d.  comm,  conservatrice  Caserta  1883  p.  87: 

>IIDVIJI)ia  ek.diuvU 

•^Ι3>ΙΑ8Πν  upfaleis. 

'U3\\%\m  saidiieis. 

Τ I  D  V  α  )l  fl  ^  saJcKuvU 

5       laOTWn  h  pustrei 

hinter  pustrei  unter  dem  t  von  Z.  4  ein  klumpiges  Zeichen,  so 
zu  sagen  ein  vielfacher  Punkt.  Von  diesem  Text  weicht  Hr.  Sosso 
ab,  indem  er  Z.  I  diuvii  und  Z.  3  saidiieis  druckt  und  auf  eine 
Anfrage  des  Hrn.  Dr.  Corradi  vorsichert,  das  Zeichen  für  *  pingue 
auf  dem  Original  gesehen  zu  haben;  ich  folge  der  Zeichnung. 
Diese  bietet  ausserdem  jenseits  der  Linie  Z.  2  einen  Rest  wie  >l, 
Z.  3  einen  Schatten  wie  von  α,  Ζ.  4  einen  unbestimmbaren.  Es 
fehlt  also  links  ein  Stück  Inechrift,  aber  die  gut  zusammen- 
schliessenden  Namen  Z.  2  3  machen  wahrscheinlich,  dass  jenes 
Stück  eher  Fortsetzung  von  Z.  5  war,  als  dass  die  obigen  Zeilen 
einzeln  über  die  Linie  hinaus  fortgeführt  waren  und  jetzt  unvoll- 
Rtändig,  einer  Ergänzung  bedürften. 

Vergleicht  man  die  Terracotte  bei  Zwetajeff  syll.  ose.  34, 
wo  auf  der  einen  Seite  ekns  hivilas  luvei  flügiui  stahint  Minnieis 
Kais'ilUeis  Minaieis  ner.,  auf  der  anderen  Minieis  Kaisilliels  JSii- 
fiateis  mr,  ekas  iuvilas  luvei  flagiui  stahint^  so  ist  der  Anfang 
hier  klar  genug  ek{o)  diuvil(o),  dies  Donariuni,  die  Bezeichnung 
der  Species  in  älterer  Form,  welche  meine  Ableitung  des  Worts 
vom  Gottesnamen  Diovis  lovis,  wie  ich  meine,  ausser  Zweifel 
setzt.  Hier  wie  dort  dann  der  Donator  im  Genetiv,  Vpfafeis 
Vorname  bekannt  aus  Zwetajeff  42  43,  lat.  etwa  0/iU  (Livius 
0,  7),  Saidiieis  Name  erhalten  in  lat.  Saedius.  Für  das  Folgende 
hilft  nur  Probiren;  pustrei  Localis  wie  in  posfri-die,  $αλΊ'ΗΐΊί 
scheint  ein  Wort,  nicht  sakru  abzusondern,  3.  Pers.  Sing.  Präs. 
wie  plovit  statnif,  eine  denominative  Bildung  neben  osk.  sakarat 
ähnlich  wie  futnit  neben  fntat,  dem  Sinne  nach  vielleicht  wie 
griech.  Intransitiva  auf -euuj  neben  Transit,  auf-auj:  ist  geweiht, 
dient  heiligem  Zweck?  auf  der  Rückseite?  Λνοί6ηι  nicht  durch 
das  verlorene  Stück  links  pustrei  anders  bestimmt  war.  Der 
Ziegel  wie  die  Caesellius-Stele  Denkmal  eines  ήλύσιον,  Deckstein 
des  Adyton  für  den  Blitzgott,  den  von  ihm  Geehrten?  CIL.  I 
1115  itdns  saerunij  ebenda  p.  255  eine  dreiseitige  Bronzebasis 
mit  halblatein.  Inschrift,  vorn  Cat>i   Tertinci,  rechts  j)Osticnu. 

B.  F.  B. 


Misoellen.  817 

Der  goldene  Fisch  von  Vettersfelde. 

Aid  7.  Oct.  1882  wurde  bei  Vettersfelde  in  der  Niederlausitz 
ein  Goldschatz  gehoben,  der  dem  berühmten  Silberfnnde  von 
Hildesheim  wohl  an  Schönheit  der  künstlerischen  Ansführnng, 
aber  nicht  an  Wichtigkeit  nachsteht.  Man  fand  dort  ans  Gold- 
blech einen  grossen  Fisch,  Zierplatten  (wahrscheinlich  zu  einem 
Brusthamisch  gehörig),  Schwert-  und  Dolchscheiden  resp.  Griffe, 
Ringe,  Ketten,  Ohrgehäng  nebst  einigen  Steinwerkzeugen  mit 
Goldschmuck.  —  Der  ganze  Fund  (jetzt  im  Berliner  Museum) 
wurde  mit  einer  sehr  eingehenden  Abhandlung  von  A.  Furt- 
wängler  im  43.  Programm  des  Winckelmannsfestes  (Berlin  1883) 
herausgegeben,  in  welchem  der  Vf.  auf  Grund  seiner  ausgedehnten 
Denkmälerkunde  den  Nachweis  geliefert  hat,  dass  1.  der  Fund 
einheitlich  ist,  und  nicht  etwa  aus  zusammengeraubten  Beutestücken 
besteht.  2.  er  ist  griechischen  Ursprungs  und  stammt  ungefähr 
aus  dem  £nde  des  sechsten  Jahrb.  v.  Chr.  3.  er  zeigt  am  meisten 
Verwandtschaft  mit  den  griechischen  Funden  in  Stidrussland. 

Unser  Interesse  an  diesem  Funde  concentrirt  sich  besonders 
auf  jenen  aus  ungewöhnlich  dickem  Goldblech  getriebenen  Fisch 
(608,5  Gr.  schwer;  Länge 0,41,  Höhe  0,15).  Der  Verfasser  erklärt 
ihn  für  ein  Schildzeichen  und  meint,  dass  die  kleinen  goldenen 
Ringe  die  man  an  der  hohlen  Innenseite  bemerkt  (s.  S.  5)  dazu 
gedient  haben,  Schild  und  Schildzeichen  mit  einander  zu  verbinden. 
—  Ich  kann  dieser  Ansicht  nicht  beistimmen,  denn  es  scheint 
mir  aus  practischen  Gründen  undenkbar,  dass  entweder  im  Alter- 
thnme  oder  im  Mittelalter  ein  Schildzeichen  bloss  äusserlich  auf 
dem  Schilde  aufgeheftet  war,  so  dass  ein  oder  zwei  gutgeführte 
Hiebe,  wenn  sie  nur  die  Fuge  trafen,  es  herunterschlagen  konnten; 
das  böse  Omen  wäre  so  schlimm,  der  materielle  Verlust  von  mehr 
als  einem  Pfunde  Goldes  so  bedeutend  gewesen,  dass  wir  uns  ein 
goldenes  Schildzeichen  nicht  aufgeheftet,  sondern  vielmehr  in  den 
Schild  hineingearbeitet  denken  müssen,  so  dass  der  Fisch  erst 
nach  gänzlicher  Zerstörung  des  Schildes  herausgebrochen  werden 
konnte.  Das  Schildzeichen  war  im  Alterthume  nicht  in  erster 
Linie  das  Wappen  des  Besitzers,  sondern  die  künstlerische  Um- 
bildung des  Schildbuckels,  der  zum  Stossen  und  Schlagen  und 
zugleich  dem  Centrum  d.  h.  dem  schwächsten  Paukte  des  Schildes 
mehr  Halt  zu  geben  bestimmt  war.  Diodor  5,  30  sagt  daher 
von  den  gallischen  Schilden:  τινές  bi  και  Ζώων  χαλκών  έΗοχάς 
ίχουσιν  ου  μόνον  προς  κόσμον,  άλλα  και  προς  άσφάλειαν  €Ö 
δβδημιουρτημένας.  Wie  sorgfaltig  die  Schildbuckel  mit  dem 
Schilde  verbunden  waren,  zeigen  die  erhaltenen  Reste  sehr  deut- 
lich ^,  denen  gegenüber  man  sich  natürlich  nicht  auf  Vasengemälde 
berufen  darf,  wie  z.  B.  die  Schilde  der  würfelnden  Helden  ^,  denn 
diese  können  natürlich  niemals  beweisen    ob  die   vorspringenden 


1  S.  Revue  Archeol.  1867.  N.  S.  16  pl.  XIII-XIV. 
s  Overbeok  Heroische  Gall.  XIV  4. 


■  ■■r.-χ* 


δ18  lÜMellen. 

Schildbuokel  anfgeheftetet  waren  oder  niolit.  Dasv  kommt  damr 
aber  noch,  da•«  die  Form  unseres  Fieches  fttr  die  der.meiatea 
Schilde  eehlecht  paaet  und  auch  seine  Ränder  aicli  dcbrWeibBiig 
des  Schildes  hätten  anschmiegen  mQssen. 

Bei  der  Erklärung  dieses  goldenen  Fisches  musa  maa '  vid• 
mehr  ausgehen  von  dem  einxigen  Hetallflsch,  den  wir  hia  jeM 
aus  dem  Alterthnm  kennen;  diesen  beschreibt  Hommsen^  CIL• 
I  532  X  6281  (vgl.  Ritschi  PLME.  II  k):  Pisois  aerena  oraania, 
cnius  enpersiint  ocnii  et  sqnama,  deest  prima  pars  capitia  et  pan 
posterior  tota;  pars  postica  scripta  est,  nt  cum  piseis  reotas  etat 
scriptura  oonspicator  inversa.  repertns  est  Fendia. 

Die  Bedeutung  dieses  Fisches  ist  aber  durch  die  Schrift 
der  Binnenseite  vollständig  sicher  gestellt,  und  X.  flirrt  hinia: 
Fandana  haec  tessera  hospitalis  omnium  quae  eins  generia  extanti 
longo  antiquissima  est  ...  et  a  reliquis  eatis  diversa.  Hae  enim 
in  tabellis  scriptae  sunt  et  atrii  parietibus  afßxae  fnernnt;  contra 
Fundana  ita  comparata  est,  ut  qui  accepisset  eam  aecam  in  itinere 
ferret  hospitique  exhiberet  agnosoondam. 

£e  leidet  wohl  keinen  Zweifel,  dass  der  goldene  Fisch  die- 
selbe Bedeutung  hat,  wie  der  eherne'.  Die  figfirlichen  leeeenoe 
hospitales  der  alten  verhalten  sich  zu  den  insigniAcanten  tabeikA 
der  späteren  Zeit,  wie  die  bilderreiche  Sprache  Homers  su  ge- 
wöhnlicher Prosa. 

Da  nun  aber  die  ältesten  Verbindungen  der  erieohen  mit 
den  verschiedensten  Völkern  des  Mittelmeeres  sich  auf  die  Küsten 
beschränkten,  so  ist  es  begreiflich,  dase  man  gerade  den  Fisch 
zum  Träger  dieser  gastfreundlichen  Beziehungen  von  Küste  zu 
Küste  auswählte.  —  Als  dann  aber  später  die  Beziehungen  der 
griechischen  Küstenstädte  zum  Hinterlande  sich  mehrten,  wurde 
der  Fisch  durch  Thiere  des  Festlandes  ersetzt,  für  die  südrussische 
Steppe  z.  B.  durch  den  Steppenhirsch,  den  F.  bereits  mit  vollem 
Recht  zur  Erklärung  unseres  Fisches  herangezogen  hat;  auch  in 
diesem  Steppenhirscbe  haben  wir  aber  wiederum  nicht  ein  Schild- 
zeichen,  sondern  eine  tessera  hospitalis  zu  erkennen.  Viel  weniger 
anschaulich  und  bereits  ziemlich  abgeblasst  tritt  uns  derselbe 
Gedanke  in  einer  griechischen  Inschrift  CIG.  5496  entgegen,  über 
der  zwei  verbundene  Hände  die  geschlossene  Gastfreundschaft 
andeuten,  oder  CIG.  6778  einer  tessera  hospitalis  die  selbst  noch 
die  Form  einer  Hand  bewahrt  hat. 

£in  derartiger  Freund schaftsvertrag,  der  auch  für  die  kom- 
menden Generationen  noch  gelten  sollte,  musste  natürlich  möglichst 
gegen  Beschädigung  oder  Verlust  geschützt  werden.  Man  wählte 
desshalb  ein  grosses^  ungewöhnlich  dickes  Gold-   oder  Frzblech, 


^  Vgl.  Mommsen,   Römiscbo  Patronatstafel.    Archäol.  Zeitun«/  4. 
1846  S.  829. 

2  Vgl.  im  allgem.  Hermann -Blümner,  Griech.  Privatalterthümer 
§  22  S.  495. 

3  Eine  lateinische  tessera  hospitalis  CIL.  8,8837  misst  0,32x0,28. 


MiBcellen.  SlO 

und  zwar  in  einer  mögliclist  geschlossenen  Form  (daher  der  Fisch), 
möglichst  ohne  Extremitäten,  die  man  sogar  hei  dem  kauernden, 
in  sich  seihst  zurückgezogenen  Hirsche  glücklich  vermieden  hat; 
seine  unnatürliche  und  gezwungene  Lage  (Furtwängler  S.  16), 
bei  der  selbst  Geweih  und  Beine  nicht  hervorstehen,  passt  sehr 
gut  für  eine  tessera  hospiialis,  bei  der  die  Gefahren  einer  langen 
Reise  gleich  ursprünglich  berücksichtigt  waren,  aber  nicht  für 
ein  Schildzeichen. 

Die  f^sserae  kospitales  mussten  femer  so  eingerichtet  sein, 
dass  sie  zerlegt  und  vertheilt  werden  konnten.  Die  barbarische 
Sitte,  Münzen  oder  Ringe  beliebig  zu  zerbrechen  und  später  wieder 
an  einander  zu  passen,  lässt  sich  bei  den  Griechen  der  älteren 
Zeit  nicht  nachweisen,  und  doch  muss  man  voraussetzen,  dase 
auch  bei  ihnen  ursprünglich  wenigstens  die  Metallfigur  z.  B.  Fisch 
oder  Hirsch  beim  Abschluss  der  Gastfreundschaft  der  Länge  nach 
dnrchschnitten  wurde,  und  dass  sie  erst  später  gleich  in  zwei  Hälften 
gearbeitet  wurde,  die  ohne  Mühe  zerlegt  werden  konnten.  Darauf 
deuten  die  kleinen  goldenen  Ringe  an  der  Innenseite  des  Fisches 
von  Vettersfelde,  denen  natürlich  ebenso  viele  Ringe  oder  Haken 
der  verlorenen  Hälfte  entsprachen.  Wenn  man  die  beiderseitigen 
Ringe  auch  nur  an  zwei  oder  drei  Stellen  durch  einen  dünnen 
Faden  oder  Draht  verband,  so  reichte  das  vollständig  hin,  um 
die  beiden  Hälften  zusammenzuhalten,  bis  beim  Abschluss  der 
Gastfreundschaft  der  Faden  zerschnitten  wurde,  so  dass  beide 
Gastfreunde  gleiche  Hälften  des  Fisches  erhalten  konnten. 

Während  bei  dem  Fische  von  Vettersfelde  die  Fäden  noch 
im  Innern  der  Höhlung  und  von  Aussen  unsichtbar  angebracht 
waren,  scheute  man  sich  nicht,  bei  dem  Hirsche  von  Kul  Oba 
(bei  Kertsch),  den  übrigens  auch  Furtwängler  aus  stilistischen 
Gründen  für  jünger  hält,  noch  einen  Schrittt  weiter  zu  gehen, 
und  die  verbindenden  Fäden,  wie  die  Lage  der  Löcher  beweist, 
iiusserlich  sichtbar  anzubringen.  —  Vielleicht  dienten  jene  Ringe 
und  Löcher  ausserdem  noch  dazu,  die  tesserae  hospitalee  an  den 
Wänden  des  Atriums  aufzuhängen. 

Wenn  man  aber  einmal  jenen  goldenen  Fisch  als  tessera 
hospitcUis  erkannt  hat,  wird  man  auch  weiter  zugeben,  dass  diese 
Bedeutung  und  Bestimmung  auch  in  dem  figürlichen  Schmuck 
desselben  angedeutet  ist.  Auf  dem  unteren  Streifen  sieht  man  einen 
Triton,  der  vor  einer  Schaar  von  Fischen  herschwimmt,  zugleich 
aber  mit  der  einen  Hand  zurückgreift,  um  einen  derselben,  den 
er  bereits  gefasst  hat,  gleichsam  zu  überreichen.  —  Aehnlich  wie 
Prachtwaffen  mit  Kampfesscenen  geschmückt  werden,  wie  überhaupt 
der  figürliche  Schmuck  eines  Gegenstandes  dessen  Gebrauch  und 
Bedeutung  deutlich  machen  soll,  so  erinnert  der  Triton  mit  dem 
Fisch  in  der  Hand  an  den  Fremden,  der  seinem  Gastfreundjß  den 


Die  ursprüngliche  Grösse  des  Fisches  von  Fundi  laset  sich  nicht  mehr 
genau  ermitteln,  sie  muss  aber  nach  den  erhaltenen  Resten  ebenfalls 
ziemlich  bedeutend  gewesen  sein. 


Fitoll  entifegeii  h&lt|  um  moh  dftdvrek  euinjUo«^  vaA  mä  )Λφ 
timiren. 

Auch  auf  den  Rest  des  flgUrliobea  Sdunoeka•  -flUt  iuA 
dieee  Anffaeenng  einiges  Lidht  Sebr  deniUoh  fritt  «Miimlirt  & 
Dreitheilnng  hervor.  Oben:  Löwe,  Puither,  Hindi  ■•  •.  w•,  «In 
Tbiere  des  Festlandes,  damnter  TViton  und  Fisoha  d.  k.  Baprlwi 
tanten  des  Wassers;  dahinter  mit  ansgebreitatwi  Sokwi^geB  sfa 
Yogeli  nm  das  dritte  Element,  die  Lnft  anrodeatoB•  >Wir  wiM« 
sehr  wenig  von  der  Weltaoffassnng  der  sogribiMlieB  TKÜBer,  aber 
wunderbarer  Weise  kehren  dieselben  drei  Elemente  wieder  ia  dem 
nngefttbr  gleichseitigen  rithselhaften  Gksobenk  der  SegrÜhen;  als 
schickten  nimlich  nach  Herodot  4,  181  dem  BariM:  βρνΜ  fl 
κα\  μΟν  κα\  βάτραχο  ν;  wie  sehr  auch  die  Meinnsgen  der  Poner 
auseinander  gingen  über  den  eigentlichen  Simi  der  Botaehalli 
so  waren  doch  alle  darin  einig,  dass  mit  jeaen  drei  lUoe« 
die  drei  Elemente  gemeint  seien.  Leider  geht  die  Aeh&liohkeit 
so  weit,  dass  auch  wir  das  Bilderrltbsel  des  Fisebea  weht  ταΠτ 
stftndig  lösen  können.  Entweder  bedeuten  die  Land-  «ad  See- 
tbiere  Land-  und  Wasserreisen,  dann  wäre  aber  der  Yogel  Aber- 
flttssigy  oder  vielleicht  sollen  die  Thiero  aller  drm  ElemeiAs 
daran  erinnern,  dass  das  Gastrecht  unter  dem  Bchutse  der  bödwtoa 
Götter  steht,  die  man  beim  Abschluss  des  Vertrages  magenCni 
hat.  —  Auf  alle  F&Ue  aber  gewinnt  die  Yermuihnng  de•  Tt, 
dass  unser  Fisch  aus  den  Pontosländem  stammCi  durch  die  P^ 
rallele  mit  der  Botschaft  der  Scythen  in  hohem  Grade  an  Wahr^ 
scheinlichkeit. 

Unwahrscheinlich  wird  dagegen,  wenn  diese  Erklftrung  des 
Fieches  richtig  ist,  die  Auffassung  des  Vf.,  dass  wir  in  dem  Gold* 
funde  von  Vettersfelde  die  einheitliche  Rüstung  eines  der  ein* 
heimischen  Fürsten  vor  uns  haben.  Schon  Ringe  und  Ohrgehänge 
Bcbeinen  dagegen  zu  sprechen,  wenn  nun  aber  ausserdem  noch 
aus  dem  Schildschmuck  eine  tessera  hospitaXis  wird,  dann  möchte 
ich  in  jenem  Funde  von  Vetterefelde  lieber  die  Gastgeschenke 
sehen,  die  ein  hellenisirter  Scythenfürst  in  Südrussland,  der  grie- 
chische Goldschmiede  in  seinem  Dienste  hatte,  eeinem  Gastfreunde 
in  der  Niederlausitz  geschenkt  hat. 

Leipzig.  V.  Gardthausen. 


Verantwortlicher  Redactenr:  Hermann  Kau  in  Bonn. 

Unlranritlta-Vvdidrttekarcl  tob  Cari  Oeorgl  In  Boan. 
(16.  FebroAT  1884.) 


Beiträge  znr  griechischen  Litteratnrgeschichte. 

(Fortsetzung  von  Bd.  33,  518.) 


2.    Za  den  Nachrichten  fiber  die  Anfinge  der  TragSdie. 

Dass  in  den  Vorstellnngen  von  den  Anfängen  der  Tragödie, 
welche  sich  in  der  Arietoteliechen  Poetik  kundgeben,  manches 
aof  Hypothese  und  Combination  beruhen  muss,  ist  unzweifelhaft. 
Alte  'autoschediastische^  Satyrdichtungen  mit  einer  λέίις  γ€λοί(Χ, 
wie  sie  Aristoteles  schildert,  konnten  sich  unmöglich  bis  auf 
seine  Zeit  erhalten  haben,  und  von  einer  zuverlässigen  auf  Zeit- 
genossen zurückgehenden  Tradition  über  ihre  Beschaffenheit  kann 
ebenso  wenig  die  Rede  sein.  Indessen  wenn  wir  uns  auch  über 
die  Beglaubigung  dieser  Aristotelischen  Angaben  keiner  Täuschung 
hingeben  dürfen,  wenn  es  uns  auch  erlaubt  sein  muss  über  eines 
oder  das  andere  Zweifel  zu  hegen:  an  Stelle  desjenigen,  was 
Aristoteles  für  richtig  oder  für  wahrscheinlich  gehalten  hat,  etwas 
sichereres  zu  setzen  wird  uns  wohl  nicht  möglich  sein.  Auf  alle 
Fälle  aber  müssen  wir  versuchen,  uns  die  Anschauung  des  Ari- 
stoteles so  klar  und  genau  wie  möglich  zu  verdeutlichen;  dass 
wir  bei  einem  Widerspruch  zwischen  ihr  und  den  späteren  so- 
genannten 'Zeugnissen^  auf  die  Ansicht  des  Aristoteles  das  grössere 
Gewicht  zu  legen  haben,  ist  selbstverständlich. 

Dem  Thespis,  dem  ältesten  Tragödiendichter,  von  dem  eine 
Kunde  auf  die  Nachwelt  gekommen  ist,  wird  im  späteren  Alter- 
thum  und  hiemach  durchgehends  in  der  Neuzeit  das  Verdienst 
beigelegt,  dem  Gesänge  des  Chores  den  Vortrag  des  Schauspie- 
lers zuerst  hinzugefügt  und  hiermit  die  Tragödie  als  Drama  ge- 
schaffen zu  haben;  er  soll  nicht  nur  der  älteste  bekannte  Tra- 
gödiendichter, sondern  der 'Erfinder*  der  Tragödie,  sofern  dieselbe 
ein  Drama  ist,  gewesen  sein.  Die  Existenz  dieser  Vorstellung 
über  Thespis  läset  sich  mit  Bestimmtheit  zuerst  im  pseudo; 

RhelB.  Vas.  f.  PhJlol.  H.  F.  XXX IX.  21 


822  Hiller 

nieohen  Dialoge  Minoe  nachweisen.  Hier  lesen  wir  p.  821a  ή 
tk  τραγψδία  έστ\  παλαιόν  ένθάδε^,  ούχ,  ώς  οΤονται,  ήπΑ 
θέσπώος  όρ^αμένη,  ούδ'  από  Φρυνίχου.  Ans  diesen  Worten 
ist  zu  sohliessen,  dass  man  znr  Zeit  der  Abfassnng  des  Dialogs 
(also  vielleicbt  erst  nach  dem  Tode  des  Aristoteles)  in  KreiseOi 
die  sich  für  diese  Dinge  interessirten,  theils  den  Thespie  als  dm 
Urheber  der  Tragödie  ansah,  theils  den  Dichtungen  vor  Phry^ 
nichos  nicht  einen  Charakter  ;oder  eine  Bedeutung  beilegte,  wo- 
nach sie  den  Namen  von  Tragödien  verdient  hätten ';  was  die 
Vertreter  der  letzteren  Ansicht  von  Thespis  hielten,  muss  dahin- 
gestellt bleiben.  Der  Peripatetiker  Chamäleon  hatte  eine  Ab- 
handlung περί  θέστηδος  geschrieben  und  darin  über  die  Anfänge 
der  Tragödie  gesprochen  ';  dass  er  den  Thespis  für  den  Erfinder 
der  Tragödie  erklärte,  wie  er  ja  auch  den  Alkman  zum  Erfinder 
der  Liebespoesie  gemacht  hat^,    ist  möglich  und  nicht  unwahr- 


1  Die  Art,  wie  dies  ausgeführt  wird,  ist  ein  für  die  Geschichte 
der  litterarhistorischen  Tradition  nicht  in  Betracht  kommendes  Para- 
doxon. 

'  Von  den  Tragödien  des  Pratinas  wird  uns  ausser  ihrer  Existenz 
nichts  berichtet;  die  Δύαμαιναι  ή  Καρυάτιδες  waren  wohl  (wie  auch  Bergk 
angenommen  zu  haben  scheint)  eiue  rein  chorische  Dichtung.  Dasselbe 
wie  von  den  Tragödien  des  Pratinas  gilt  von  denen  des  Chörilos,  aus- 
genommen die  Notiz  bei  Paus.  1,  14,  8  (fr.  1  Nauck),  die  vermuthlich 
in  letzter  Instanz  auf  einen  Autor  der  voralexandriniscben  Zeit  zurSck- 
geht;  über  fr.  2  und  3  hat  Näkc  (Cboerili  Samii  quac  supers.  p.  189  ff.), 
wie  ich  glaube,  richtig  geurtbeilt;  die  Zahl  160,  die  bei  Suidas  als 
Zahl  von  Chörilos*  Dramen  angegeben  wird,  klingt  nach  Bemhardy^s 
richtiger  Bemerkung  'mehr  als  paradox*.  —  Etwas  anders  urtheilte 
über  die  Stelle  des  Dialogs  Minos  Bentley  Dissert.  upon  Phal.  p.  266 
der  Ausgabe  von  Wagner;  doch  scheinen  mir  seine  Bemerkungen  hier 
nicht  ganz  zutreffend. 

•  Phot.  lex.  ουδέν  προς  τόν  Διόνυσον.  Als  umfangreich  brau- 
chen wir  uns  diese  Abhandlung  ebenso  wenig  vorzustellen  wie  die  von 
Nauck  Aristoph.  Byz.  fragm.  p.  273  f.  aufgeführten  Special -Arbeiten 
anderer  Autoren.  —  Dass  der  Peripatetiker  Chamäleon  direkter  Schüler 
des  Aristoteles  war,  hat  Zeller  (die  Philos.  der  Gr.  3,  2  p.  899)  wohl 
mit  Recht  aus  Diog.  Laert.  5,  92  geschlossen.  Der  von  Memnon  bei 
Phot.  Bibl.  p.  226a  16  erwähnte  Chamäleon,  gleichfalls  aus  Ilcraklea, 
müssto  dann  freilich  vom  Peripatetiker  verschieden  gewesen  sein.  Unger 
(Rhein.  Mus.  88  p.  497.  499)  will  den  Peripatetiker  der  ersten  Hälfte 
des  zweiten  Jahrhunderts  zuweisen ;  doch  scheint  mir  seine  Beweisfüh- 
rung nicht  überzeugend. 

*  Ath.  10  p.  600  f.,  vgl.  Suidas  s.  v.  'Αλκμάν. 


Zu  den  Nachrichten  üher  die  Anfänge  der  Tragödie.  828 

scheinlicli,  aber  eicher  ist  es  nicht.  Ganz  im  allgemeinen  spricht 
von  den  *  Erfindern  der  Tragödie'  Isokrates  (an  Nik.  48  f.):  b\ö 
και  την  Όμηρου  ποίησιν  καΐ  τους  πρώτους  βύρόντας 
τραγψδίαν  δΕιον  θαυμάίειν  κτλ.  ό  μέν  γάρ  τους  αγώνας  καΐ 
τους  πολέμους  τους  τών  ήμιθίιυν  έμυθολόγηίΤβν,  ο\  bk  τους 
μύθους  εΙς  αγώνας  και  πράΗεις  κατάστησαν  κτλ.  Zu  der  Mei- 
nung, dass  die  später  herrschende  Vorstellung  von  Thespis  be- 
reits während  des  vierten  Jahrhunderts  allgemeine  und  wider- 
spruchslose Verbreitung  besessen  habe,  sind  wir  also  in  keiner 
Weise  berechtigt.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  nun  der  Um- 
stand, dass  Aristoteles  diese  Vorstellung  wahrscheinlich  nicht 
getheilt  hat  ^. 

Nach  Aristoteles  verdankt  die  τραγψδία  ihren  Ursprung 
den  έΗάρχοντες  τόν  διθύραμβον  (Poet.  4  ρ.  1449  a).  Das  Wort 
τραγψδία  bezeichnete,  wie  man  auch  sonst  über  seine  Bedeutung 
denken  mag,  ursprünglich  jedenfalls  den  blossen  Gesang  des 
Chores,  des  χορός  τών  τραγψδών :  die  Bezeichnung  blieb  bestehen 
auch  nach  dem  Hinzukommen  und  dem  immer  stärkeren  Hervor- 
treten des  dramatischen  Elementes.  Insofern  ist  man  berechtigt, 
zwischen  einer  ältesten  rein  chorischen  und  einer  dramatischen 
τραγωδία  zu  unterscheiden  *,  wenn  auch  in  anderen  Beziehungen 
die  'lyrische  Tragödie'  als  beseitigt  gelten  kann.  Die  Bezeich- 
nung τραγψδία  findet  sich  vereinzelt  auch  in  der  Litteratnr  für 
die  ursprünglichen  blossen  Chorgesänge  angewendet:  vgl.  Athen. 
2  p.  40b  άπό  μίθης  και  ή  τής  κωμωδίας  και  ή  της  τραγω- 
δίας βυρβσις  έν  Ικαρία  τής  'Αττικής  (wo  doch  wohl  nicht  an 
die  Hinzufügung  des  Schauspielers  gedacht  werden  soll,  vergl. 
Proclus  Chrestom.  p.  245  Westph.  und  die  Citate  bei  Athen.  14 
p.  638 ab).  14  p.  630c  (wörtlich,  wie  es  scheint,  aus  einer  älteren 
Quelle^):  συνίστηκε  bi  και  σατυρική  πασά  ποίησις  τό  παλαιόν 
έκ  χορών,  ως  και  ή  τότε  τραγψδία*  διόπβρ  ουδέ  ύποκριτάς 
εΤχον.  Diog.  Laert.  3,  56  ώσπερ  δέ  τό  παλαιόν  έν  τή  τρα- 
γωδί()ΐ  πρότερον  μέν  μόνος  6  χορός  διεδραμάτιίεν*,  ύστερον 


*  Auf  meinen  im  Gespräch  geäusserten  Zweifel  über  diesen  Punkt 
hat  bereits  1874  Susemihl  kurz  Bezug  genommen,  in  seiner  Ausgabe 
der  Poetik  p.  226. 

2  Vgl.  G.  Hermann  opusc.  7  p.  218.  221.  —  Dass  ich  über  die 
'dorische  Tragödie'  kein  Wort  verliere,  bedarf  wohl  nicht  der  Recht- 
fertigung. 

*  Vgl.  Rohde  de  Pollucis  in  app.  scaen.  enarr.  fontibus  p.  42  ff, 

*  lu    dieses  Veibum   haben  Thiersch   Einl.  zu  Pindar  p.  ^^^    ^ 


884  Hiller 

ht  θέσπις  iva  ύποκριτήν  äeOpev  κτλ.  Enanthnie  de  oon.  f^  4 
Reiff.  comoedia  fere  vetm  ut  ipsa  guoque  olim  iragoeäia  äimflm 
Carmen,  qtiemadmodum  tarn  dixmus^  fuü^  quod  charus  drcm  arm 
fumantes  nunc  spaiiatns  tmnc  cnnsistens  nunc  rwolvens  gi^roB  am 
Mneine  concm^at,  Itt  nnn  etwa  auch  bei  Arietotelesi  wo  tf 
▼on  den  Anfibigeii  des  Drama•  handelt,  eine  derartige  Bedevtimg 
von  τρατφδία  anzunehmen,  wie  diee  Welcher  und  Andera  ge- 
glaubt haben?  Gbmi  gewim  nicht;  für  Ariatotelea  beginnt  die 
Tragödie  erst  mit  der  HinznfUgang  einer  dramatischen  dem  Chan 
gegenüberatehenden  Solle.  Entaoheidend  hierfür  aind  die  Worte 
τό  T€  μέτρον  ba  τετραμέτρου  Ιαμβεΐον  έγέν^το'  τό  μ^  γΑρ 
πρώτον  τετραμέτρψ  έχρωντο  bia  τό  σατυρικήν  κα\  όρχΐ|ση- 
κΐλΐτέραν  είναι  τήν  ποίησιν,  λέ£ειιις  bi  γενομένης  αυτή  ή  qnknc 
τό  οίκεΐον  μέτρον  εδρε,  μάλιστα  γάρ  λεκτικόν  τών  μέτρων  τό 
Ιαμβεΐόν  έσην.  Der  Ausdruck  τό  πρώτον  muss  sich  natarlidi 
auf  die  Anf&nge  und  die  ältesten  Zeiten  der  τραγψΜα  bestehen. 
Für  diese  nimmt  also  Aristoteles  trochäische  Tetrameter  an,  an 
deren  Stelle  alsdann  iambische  Trimeter  getreten  seien  ^.  Es 
muss  jedem  bei  einiger  Ueberlegnng  einleuchten,  dass  er  dia 
Tetrameter  dem  Schauspieler  zugeschrieben  haben  mass;  die 
Auseinandersetzung  wäre  sonst  geradezu  sinnlos.  Es  kommt  ihm 
lediglich  auf  das  dramatische  Element  an;  wie  könnte  er  sonst 
kurzweg  sagen  τό  μέτρον  Ιαμβεΐον  έγένετο  u.  β.  w.?  Die  Partie 
eines  wenn  auch  noch  so  primitiven  Schauspielers  existirt  also 
fiir  Aristoteles  bereits  in  den  Anfangszeiten  der  τραγψδία:  folg- 
lich versteht  er  unter  der  τραγωδία  ausschliesslich  die  drama* 
tische  τραγψοία,  nicht  etwa  einen  Wechselgesang  zwischen 
Theilen  des  Chores  oder  dgl.,  und  die  Hinzufügung  der  Schau- 
spielerrolle ist  es,  worin  er  den  Anfang  der  Tragödie  erkennt 
Auch  die  Worte  καΐ  τό  τών  υποκριτών  πλήθος  il  ενός  εΙς 


Hermann  u.  Α.  sicherlich  mehr  hineingelegt  als  Diogenes  sagen  wollte. 
Am  wenigsten  darf  man  mit  K.  Fr.  llermann  (de  distrib.  pers.  p.  57,9 
Gottesdienst!.  Altcrth.  §  59,  14)  aus  dem  Worte  auf  die  Existenz  von 
'dramatischen  Zwischenakten'  (ohne  Schauspieler!)  schliessen.  Für 
Diogenes  ist,  wie  seine  Worte  zeigen,  der  hier  in  Betracht  kommende 
Chorgesang  schon  eine  τραγψδία,  und  da  ihm  andererseits  die  τραγψοία 
ein  ορομα  ist,  gebrauchte  er  von  der  vollständigen  bis  zu  £nde 
durchgeführten  Darstellung  derselben  das  Verbum  δια&ραματί2:€ΐν, 
ganz  in  demselben  Sinne  wie  M.  Antoninus  3,  8  p.  26  Stich. 

*  Vgl.  auch  Rhetor.  8,  1  p.  1404  a  djou€p  καΐ  έκ  τών  τετραμέτριυν 
€ΐς  τό  Ιαμβ€ΐον  μ€τίβησαν  (die  Tragödiendichter)  κτλ. 


Zu  den  Nachrichten  über  die  Anfänge  der  Tragödie.  825 

buo  πρώτος  ΑΙσχύλος  ήγαγε  inachen  in  dem  Zusammenhange,  in 
welchem  sie  stehen,  durchaus  den  Eindruck,  dass  Aristoteles  den 
einen  Schauspieler  als  von  Anfang  an  in  der  τραγψοία  vor- 
handen ansieht;  anderenfalls  wäre  es  naturgemäss  gewesen  zu 
sagen:  *  zuerst  ward  ein  Schauspieler  hinzugefügt,  dann  durch 
Aeschylos  ein  zweiter\  Man  beachte  auch  zwei  andere  Bemer- 
kungen des  Aristoteles  über  die  erste  Zeit  der  Tragödie:  Poet.  5 
p.  1449  b  ίτι  bk  τψ  μήκ€ΐ  ή  μέν  (die  Tragödie)  δτι  μάλιστα 
πειράται  υπό  μίαν  πβρίοδον  ήλιου  elvai  ή  μικρόν  έΗαλλάττειν, 
ή  bk  εποποιία  αόριστος  τψ  χρόνψ,  και  τούτψ  διαφέρει,  καίτοι 
το  πρώτον  ομοίως  έν  ταΐς  τραγψδίαις  τούτο  έποίουν 
και  έν  τοις  έπεσιν.  13  ρ.  1453a  πρώτον  μέν  γαρ  ο\  ποιηται 
τους  τυχόντας  μύθους  άπηρίθμουν,  νυν  bi  π€ρι  ολίγας 
οικίας  αί  κάλλισται  τραγψοίαι  συντίθενται^.  *  Jeder  beliebige 
Mythus'  Hess  sich  behandeln,  indem  dem  Satyrchor  Helden  aus 
irgend  einem  Sagenkreise  gegenübergestellt  wurden,  nicht  aber, 
wenn  das  Spiel  bloss  vom  Satyrchor  (und  etwa  dem  Dionysos 
oder  dem  Silen  als  Führer  desselben)  dargestellt  wurde.  Und  bei 
'Tragödien'  mit  Stoffen,  welche,  wenn  auch  nur  kurz  behandelt, 
doch  im  Gegensatz  zur  späteren  Tragödie  sich  über  längere 
Zeiträume  erstreckten,  denkt  doch  Aristoteles  gewiss  nicht  an 
blosse  Gesänge  des  Satyrchors,  sondern  auch  an  einen  in  ver- 
schiedenen Rollen  auftretenden  Schauspieler.  —  Auf  welche  Weise 
sich  Aristoteles  den  Anfang  der  Tragödie  im  einzelnen  vorgestellt 
hat,  ist  bei  seiner  nur  andeutenden  Kürze  schwer  zu  sagen.  Die 
έΗάρχοντβς,  die  er  sich  auch  als  Dichter  von  Dithyramben  ge- 
dacht haben  muss,  wurden  nach  ihm  die  ersten  Verfasser  von 
τραγψδίαι:  wahrscheinlich  nahm  er  an,  dass  der  έΗάρχιυν,  nach- 
dem er  die  Tänze  und,  durch  das  damals  allein  mögliche  Mittel 
des  Vorsingens,    die  Lieder  des  Chors  einstudirt  hatte ^,    bei 


^  Man  könnte  freilich  auch  den  Ausdruck  πρώτον  an  diesen  bei- 
den Stellen  für  ungenau  halten  und  ihm  eine  ganz  andere  Bedeutung 
beilegen  als  in  den  Worten  τό  μέν  γάρ  πρώτον  τβτραμέτρψ  έχρώντο  διά 
τό  σατυρικήν  καΐ  όρχηστικιυτέραν  €Τναι  τήν  ποίησιν.  Dann  würde  die 
Beweiskraft  der  zwei  Stellen  wegfallen.  Indessen  scheint  mir  ein  zwin- 
gender Grund  zur  Annahme  eines  solchen  Bedeutungswechsels  nicht 
vorhanden.  Für  entschieden  unstatthaft  halte  ich  die  Auffassung  von 
L.  Schmidt,  Symb.  phil.  Bonn.  p.  226. 

2  Die  früher  zuweilen  vorgebrachte  Erklärung  der  έΕάρχοντβς  als 
'Sänger*  wird  seit  Welcker  (Nachtrag  z.  Aesch.  Tril.  p.  228  Amn.  158) 
wohl  von  keinem  mehr  für  richtig  gehalten. 


896  Hiller 

der  AnflUimiig  des  Spiele  als  Darsteller  der  8eluuupiel«rrolk 
fangirte  (vgL  Rhetor.  3, 1  p.  1408  b  ύπ€κρίνοντο  γάρ  αώτοί  τ&ς 
τρατψ&ίος  ο\  ποιηταΐ  τό  πραιτον.  Vita  Sopb.  4.  Flut  SoIm 
29).  Natürlieh  konnte  der  έπαρχων  liierbei  nidit  sugleicli  aaek 
Koryphaaoe  eein^.  Die  Yoretelliuig  yon  einem  dem  Chor  eelb- 
etindig  gegenfibertretenden  Chorfülirer  oder  yon  'Zvte- 
geepritohen  des  ChorfUirere  mit  dem  Chore  *,  der  man  in  ErOi^ 
temngen  fiber  die  Anftnge  der  Tragödie  öfter  begegnet  *,  kann 
eich  auf  kein  einziges  Zengniss  stützen',  und  es  dürfte  sehr 
schwer  halten  sich  hienron  ein  einigermassen  klares  Bild  zu  ent- 
werfen. Man  lese  s.  B.  die  Schilderung  bei  0.  Müller,  Gesch. 
der  gr.  Litt  1^  p.  486,  und  £rage  sich,  mit  welchem  Beohte  der 
'Chorführer'  hierbei  noch  mit  diesem  Namen  bezeichnet  wer* 
den  kann. 

Dass  nun  Aristoteles  diese  HinzufÜgung  der  Schauspieler- 
rolle als  eine  Neuerung  des  Theepis  angesehen  habe,  Hast  sich 
nach  den  Worten  der  Poetik  zwar  nicht  geradezu  als  unmöglich 
erweieen;  es  ist  aber  durchaus  nicht  wahrscheinlich.  Seine  ganz 
unbestimmte  Ausdrucksweise  und  die  Art,  wie  er  die  Anfänge 
der  Tragödie  charakterisirt  ^,  legen  vielmehr  die  Annahme  weit- 


1  Dies  wenigstens  hat  der  Urheber  der  thörichten  Motiirimng  bei 
Diog.  Laert.  3,  56  θ^σττις  ^να  ύττοκριτήν  dScOpcv  ύττέρ  τοΟ  διάνα- 
τταύβσθαι  τόν  χορόν  richtig  erkannt. 

^  In  näherer  Ausfuhrung  wohl  zuerst  bei  G.  Hermann  zu  Aristot. 
Poet.  p.  107  f. 

^  Ueber  den  Ausdruck  διαδραματΰίειν  bei  Diogenes,  den  man  als 
ein  derartiges  Zengniss  hat  ansehen  wollen,  s.  oben  p.  323  Anm.  4. 

*  γενομένης  οΰν  άπ'  αρχής  αυτοσχεδιαστικής  καΐ  αυτή  καΐ  ή 
κωμψδία  καΐ  ή  μέν  άττό  τών  έΕαρχόντων  τόν  διθύραμβον  κτλ. 
AVarum  sollte  Aristoteles,  wenn  er  einen  ganz  bestimmten  IHdpxuiv 
für  den  Urheber  der  Tragödie  hielt,  nicht  dessen  Namen  genannt,  son- 
dern sich  des  unbestimmten  Pluralis  bedient  haben?  Wäre  nicht  für 
den  von  ihm  ausgeführten  Satz  von  dem  grösseren  Dunkel,  welches 
auf  der  Geschichte  der  Komödie  ruhe,  einer  der  schlagendsten  Beweise 
der  Umstand  gewesen,  dass  man  als  Urheber  der  Tragödie  den  Thespis 
zu  nennen  vermochte,  als  Urheber  der  Komödie  aber  nur  die  ίίάρ- 
χοντες  τά  φαλλικά?  Wenn  er,  im  Gegensatze  zur  Tragödie,  von  der 
Komödie  sagt  ήδη  hi  σχήματα  τίνα  αυτής  έχούσης  οΐ  λεγόμενοι  αυτής 
ΤΓΟίηταΙ  μνημονεύονται,  so  ist  daraus  nicht  zu  entnehmen,  dass  er  den 
Urheber  der  Tragödie  für  bekannt  hielt,  sondern  nur  dass,  wie  jeder- 
mann weiss,  bestimmte  Tragödiendichter  bereits  aus  einer  Zeit  bekannt 
waren,  in  welcher  die  Tragödie  noch  keine  eigentlich  dramatische 
Kunstform  besass,  d.  h.  aus  der  Zeit  des  einen  Schauspielers. 


Zu  den  Nachrichten  über  die  Anfänge  der  Tragödie.  827 

ans  am  nächeten,  daes  er  veretändig  genug  gewesen  sei,  bei  An- 
fangen von  80  bescheidener  and  dnnkeler  Art  auf  Kenntniss  des 
'Erfinders*  zu  verzichten,  eine  Annahme,  zu  der  wir  um  so  mehr 
berechtigt  sind,  da  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  jene  vermeint- 
liche Kenntniss  mit  Sicherheit  erst  für  die  nacharistotelische 
Zeit  erweisen  lässt. 

£s  existirt  übrigens  noch  eine  Notiz,  aus  der  mit  Bestimmt- 
heit wenigstens  das  hervorgeht,  dass  die  erste  Einführung  des 
Schauspielers  nicht  von  Allen  dem  Thespis  zugeschrieben  wurde. 
Zwischen  Bemerkungen  über  verschiedene  Theile  des  Theaters 
lesen  wir  bei  Pollux  4,  123  die  Worte:  έλεος  V  fjv  τράπεζα 
αρχαία  έφ'  ήν  πρό  θέamboς  €Ϊς  τις  όναβάς  τοις  χορευταϊς 
άπεκρίνατο.  Der  'eine',  welcher  sich  mit  den  Choreuten  unter- 
redet, soll  offenbar  dem  späteren  Schauspieler  entsprechen;  er 
wird  nur  darum  nicht  als  solcher  bezeichnet,  weil  das  Spiel  als 
ein  ganz  kunstloses,  von  der  späteren  Ausbildung  noch  weit  ent- 
ferntes hingestellt  werden  soll;  jedenfalls  aber  ist  es  nach  dem 
Urheber  der  Worte  nicht  das  Verdienst  des  Thespis,  den  Chor- 
gesang zu  einem  wenn  auch  noch  so  einfachen  Drama  erweitert 
zu  haben.  Wieseler  vermuthet  freilich  (allg.  Encykl.  1,  83  p.  203), 
der  'eine'^  von  dem  Pollux  spricht,  sei  der  Anführer  des  Chores 
gewesen;  0.  Müller  (Gesch.  d.  gr.  Litt.  1^  p.  488),  G.  Curtius 
(Ber.  der  sächs.  Ges.  der  Wiss.  1866  p.  151)  und  Andere  halten 
ihn  für  *  einen  aus  dem  Chore\  Dass  weder  das  eine  noch  das 
andere  die  Ansicht  des  Urhebers  der  Bemerkung  gewesen  sein 
kann,  bedarf,  denke  ich,  keines  Beweises,  man  müsste  denn  dem- 
selben einen  absichtlich  verkehrt  gewählten  und  irreführenden 
Ausdruck  beilegen  wollen.  Bernhardy  (Grundriss  der  griech. 
Litt.  2,  2  p.  15)  will  den  von  0.  Müller  angenommenen  Sinn 
durch  doppelte  Aenderung  in  den  Text  bringen:  er  conjicirt  εΤς 
τις  όναβάς  τών  χορευτών  ύπεκρίνατο.  Aber  sind  wir  denn 
berechtigt,  den  Pollux  durch  unmögliche  Interpretation  etwas 
sagen  zu  lassen,  was  er  thatsächlich  nicht  gesagt  hat,  oder  den 
Text  seiner  Worte  umzugestalten,  bloss  darum  weil  diese  Worte 
mit  der  dem  späteren  Alterthum  und  uns  geläufigen  Yorstellung 
von  dem  *  Erfinder'  Thespis  in  Widerspruch  stehen?  Der  Aus- 
druck όπεκρίνατο,  an  welchem  Bemhardy  wohl  gleichfalle  An- 
stoss  nahm,  ist,  wie  Curtius  im  Wesentlichen  richtig  erkannt  hat, 
mit^bestimmter  Absicht  gewählt:  es  soll  damit  der  Name  υπο- 
κριτής, den  der  'eine*  nachmals  führte,  erklärt  werden.  Man 
deutete  nämlich  υποκριτής  als  den  dem  Chore  *  antwortenden',  in 


828  Hillcr 

Anknüpfung  an  homerische  Anwendungen  von  ύποκρ{νασθ€η. 
Daes  dies  der  Sinn  von  όπεκρίνατο  in  der  Pollux- Stelle  sein 
soll,  ergibt  eich  mit  Evidenz  ans  den  von  Cnrtitis  angeföhrten 
Stellen  Apollon.  Soph.  p.  160  Bekk.  ύποκρίναιτο*  όποκρίναιτο* 
*ώΙ)€  χ'  ύποκρίναιτο  θ€οπρόπος'  και  πάλιν  'σοι  b'  ώδε  μνηστή- 
ρες υποκρίνονται'•  <ίνθ€ν  καΐ  ύποκριταί*  fügte  mit  Becht  Vil- 
loieon  hinzu)  πραητατιυνιστουντος  γάρ  του  χορού  τό  παλαιόν 
ούτοι  ώσπερ  άποκριται  ήσαν,  άποκρινόμενοι  προς  τόν  χορόν. 
Hesych.  ύποκρίνοιτο*  άποκρίνοιτο*  ίνθεν  και  υποκριτής,  6  άπο- 
κρινόμενος  προς  τόν  χορόν  \  —  Die  Vorstella  ng,  dass  man  sich 
in  den  Urzeiten  des  Dramas  eines  Tisches  bedient  habe,  um  einen 
erhöhten  Standpunkt  einzunehmen,  begegnet  uns  auch  bei  Orion 
p.  72  (=Etym.  m.  458,30):  θυμέλη  ή  του  θεάτρου  μέχρι  νΟν 
άπό  της  τροπέίης  ώνόμοσται  παρά  τό  έπ'  αυτής  τα  θύη  με- 
ρίζεσθαι,  τουτέστι  τα  θυόμενα  ιέρεια'  τράπεία  δέ  ήν  προ  τού- 
του, έφ'  ής  έστώτες  έν  τοις  άγροϊς  ήόον  (also  die  Choreuten!) 
μήπω  τάΕιν  λαβούσης  τραγψδίας.  Sehr  befremdlich  aber  ist  es, 
dass  für  diesen  Tisch  bei  Pollux  als  technischer  Ausdruck  das 
Wort  έλεος  gebraucht  wird.  Aus  Homer  sowohl^  wie  aus  Ari- 
stophanes  ist  uns  ό  έλεος  oder  τό  έλεόν  in  einer  Bedeutung  be- 
kannt, welche  mit  Chor  und  Drama  nichts  zu  thun  hat.  D^s 
Wort  bezeichnet  allerdings  einen  Tisch,  aber  einen  Anrichtetisch 
für  Fleischspeisen,  eine  μαγειρική  τράπεία  oder  ein  μαγειρικόν 
τραπέίιον  nach  den  Grammatikern  ^.     In  den  Rittern  gehört  das 


^  Anders  freilich  0.  Müller,  der  a.  a.  0.  die  AVorte  des  Pollux 
in  folgender  Weise  ausschmückt:  'Hier  (im  Lenäon)  soll  schon  vor  den 
Neuerungen  des  Thespis,  wenn  der  Chor  sich  um  den  Altar  des 
Dionysos  aufgestellt  hatte,  ein  einzelner  aus  dem  Chore  von 
dem  neben  dem  Altar  befindlichen  Opfertische  herab  dem 
Chore  gfeantw ortet,  das  heisst  wohl  (!)  im  Gesänge  das  ihm  mit- 
getheilt  haben,  was  die  Empfindungen  anregte  und  lei- 
tete, die  der  Chor  in  seinen  Liedern  ausdrückte*. 

3  II.  9,  215.     Od.  14,  432. 

8  Ath.  4,  173a  (wo  auch  das  compos.  έλ€οδύτης  erwähnt  wird). 
Ammon.  p.  48.  Arcad.  p.  136,  18  Schm.  Orion  p.  53,  25.  Etym.  m. 
298,  3).  32G,  46.  Hesych.  έλεοΐσι  und.  έλ€Ον.  Das  corrupte  ή  κρίον  in 
letzterem  Artikel  haben  Musurus  und  M.  Schmidt  mit  Recht  in  ή  Ικρίον 
oder  Ικρίον  geändert,  und  wohl  gleichfalls  mit  Recht  hat  Schmidt  hierin 
einen  Bezug  auf  die  Definition  bei  Pullux  angenommen.  —  Das  von 
έλ€Ος  gebildete  έλ€ατρός  (Koch)  scheint  eine  von  den  scherzhaften  AVort- 
bildungen  der  Komödie  zu  sein,  bei  welcher  Anklang  an  Ιατρός  be- 
sweckt  ist.    Vgl.  Valckenaer  animadv.  ad  Ammon.  p.  73. 


Ζα  den  Nacbrichten  über  die  Anfange  der  Tragödie.  829 

έλ€Ον  zu  den  σκεύη,  mit  denen  eich  der  Wnrethändler  auf  den 
Markt  begibt  (Ve.  152.  155.  169),  ist  also  ein  Tisch  von  sehr 
geringem  Umfange.  Die  Bezeichnung  hierfür  sollte  zugleich  ein 
technischer  Ausdruck  fUr  die  Erhöhung  gewesen  sein,  auf  welcher 
sich  in  den  Anfängen  des  Dramas  der  Schauspieler  befand?  Und, 
was  wo  möglich  noch  wunderbarer  sein  würde,  während  von  den 
Spielen  des  Thespis  jede  historische  üeberlieferung  den  Alexan- 
drinern entschwunden  war,  sollte  sich  eine  scenische  Bezeichnung 
aus  der  Zeit  vor  Thespis  erhalten  haben?  Oder  sollen  wir  an 
spätere  Erfindung  denken?  Aber  welcher  Grammatiker  oder  Lit* 
terarhistoriker  wäre  auf  dieses  ausser  Gebrauch  gekommene  Wort 
verfallen?  ^  Ich  halte  es  für  das  wahrscheinlichste,  dass  έλεος 
in  der  bei  Pollux  angegebenen  Bedeutung  auf  eine  Komiker- 
steile  zurückgeht.  Ein  Komödiendichter  stellte,  was  in  der 
Komödie  bekaAntlich  mehrfach  geschieht,  die  alte  Zeit  in  üon- 
trast  zur  Gegenwart,  und  zwar,  was  natürlich  durch  den  Zu- 
sammenhang motivirt  war,  mit  besonderem  Bezug  auf  die  Aus- 
stattung der  scenischen  Agone:  in  schroffem  Gegensatze  zu  seiner 
eigenen  Zeit,  in  der  das  Publikum  im  dionysischen  Theater  auf 
einer  mit  Decorationen  ausgestatteten  Bühne  kunstmässig  ausge- 
Ijildete  Vertreter  der  Schauspielkunst  bewunderte,  sprach  er  in 
burlesker  Weise  von  der  Urzeit  dramatischer  Spiele,  in  welcher 
von  einer  Bühne  noch  keine  Rede  war,  vielmehr  ein  *  Wursttisch* 
deren  Stelle  vertreten  musste^.  Dass  ein  antiker  Gelehrter  ^  bei 
der  Dürftigkeit  der  Nachrichten  über  die  Anfänge  des  Dramas 
auch  eine  derartige  auf  blosser  Phantasie  beruhende  Aeusserung 
glaubte  verwerthen  zu  müssen,  dass  er  sie,  wie  dies  vielfach 
geschah,  ernsthafter  nahm  als  sie  es  verdiente,  und  dass  auf  diese 
Weise  die  Definition  des  έλεος  in  die  Quelle  des  Pollux  gekom- 


1  Vgl.  Pollux  6,  90.  Dass  der  Ausdruck  έλεος  mit  Rücksicht 
auf  die  schöne  Etymologie  von  θυμέλη  bei  Orion  gewählt  sei,  wird  nie- 
mand behaupten  wollen. 

^  Humoristische  Beziehungen  auf  die  Vergangenheit  des  Dramas 
waren  in  der  Komödie  nicht  selten.  Man  vergleiche  z.  B.  Arist.  Vesp. 
220.  1479.  fr.  333  Kock.  Kratinos  fr.  339.  Auch  der  Vers  ήν(κα  μέν 
βασιλεύς  ήν  Χοιρίλος  έν  σατύροις  (Marius  Plotius  ρ.  608  Κ )  ist  wohl 
aus  einer  Komödie;  er  bildete  vermuthlich  den  Anfang  einer  Strophe 
von  der  Art  wie  z.  B.  Kratinos  fr.  240  f.  Arist.  Eq.  1268.  Fax  775. 
Ran.  814.  875.  Eccles.  371.  Für  die  Versform  vgl.  z.  B.  Stesich.  fr. 
37,  1.  Arist.  Nub.  475. 

8  Juba?    Robde  de  Poll.  fönt.  p.  63. 


880  Hiller 

inen  ist,  alles  dies  würde  sich  leicht  erklären.  Ancb  der  Ave- 
dmok  πρό  θέ(Γτη]>ος  könnte  in  einer  derartigen  Eomikerstelle 
als  fieseiclinang  der  denkbar  ältesten  Urzeit  dramatieoher  Kunst 
gestanden  haben;  denn  Thespis  war  jedenfedls  der  älteste  Tra- 
giker, von  dem  die  Eomödiendiohter  etwas  wnssten:  vgL  Arist 
Yesp.  1478.  Indessen  wie  es  sieh  auch  hiermit  verhalten  mag: 
als  glaubwürdige  Ueberlieferung  kann  eine  Behauptung  über 
Speoialitftten  der  dramatischen  Spiele  'vor  Thespis'  unter  keiner 
Beding^g^  betrachtet  werden  \  von  Interesse  ist  sie  aber,  mögen 
wir  in  ihr  den  Witz  eines  Komikers  oder  den  Einfall  eines  Lit- 
teraten erblicken,  für  uns  deshalb,  weil  ihr  Urheber  den  Thespis 
zwar  für  einen  sehr  alten,  aber  nicht  für  den  ältesten  Tragiker 
gehalten  hat. 

Ich  wende  mich  wieder  zu  Aristoteles.  Für  die  Frage  nach 
der  Vorstellung  desselben  von  den  Anfängen  des  Dramas  kommt 
ausser  der  Poetik  noch  die  vielbesprochene  Stelle  bei  Themistios 
26  p.  316  d  in  Betracht,  welche  Heitz  und  Andere  auf  den  ari- 
stotelischen Dialog  π€ρ1  ποιητών  zurückführen  wollen*:  άλλα 
κα\  f|  σεμνή  τραγψδία  μετά  πάσης  όμοΟ  τής  σκευής  καΐ  του 
χορού  κα\  τών  ύττοκριτών  παρελήλυθεν  εΙς  τό  θέατρον.  καΐ  ού 
προσέχομεν  Άριστοτέλέι  δτι  τό  μέν  πρώτον  6  χορός  εlσιdιv 
ήδεν  εΙς  τους  θεούς,  θέσπις  bk  πρόλογόν  τε  και  Μσιν  έίευρεν, 
ΑΙσχύλος  bk  τρίτον  ύποκριτήν  (βο  die  Ausgabe  von  Petaviue, 
τρίτον  ύποκριτάς  die  Mailänder  Handschrift)  και  όκρίβαντας,  τα 
bk  πλείιυ  τούτων  Σοφοκλέους  άπελαύσαμεν  και  Εύριπίόου.  Wie 
ίΠβ  Worte  τρίτον  ύποκριτήν  oder  τρίτον  ύποκριτάς  herzustellen 
sind,  läset  sich  kaum  sagen,  bevor  wir  einen  genügenden  kriti- 
schen Apparat  zu  Themistios  besitzen  ^.  Dindorf  vermuthete  τρεις 
ύποκριτάς,  Bernays  (die  Dial.  des  Aristot.  p.  139)  διττούς  ύπο- 
κριτάς, TJsener  (Rhein.  Mus.  25  p.  580)  τρίτον  δύο  ύποκριτάς, 
Jahn  (Soph.  £1.  ρ.  5)  ύποκριτάς.  Soviel  ist  klar,  dass  Themistios 
nicht  von  einem  Schauspieler  auf  drei  übersprang,  sondern»  in 
Uebereinstimmung  mit  Aristot.  Poet.  4  p.  1449  a,  dem  Aeschylos 
den  zweiten  Schauspieler  zuschrieb. 


1  wie  dies  bis  jetzt  allgemein  geschieht;  vgl.  ζ  B.  0.  Müller  kl. 
Sehr.  1  p.  391.  Sommcrbrodt  Scaenica  p.  24.  95.  117. 

2  Au  das  Buch  rrcpl  τραγιμδιΦν,  von  dessen  Existenz  wir  nur 
durch  das  Schriftenverzeichniss  Kunde  haben,  kann  methodischer  Weise 
nicht  gedacht  werden. 

^  Ueber  die  Lesarten  des  cod.  Mediol.  vgl.  Cobet  Mnemos.  n.  s. 
S  p.  343. 


Ζα  den  Nachrichten  über  die  Anfange  der  Tragödie.  881 

Offenbar  hält  Themistios  den  Theepie,  indem  er  ihm  den 
πρόλογος  und  die  ^ή<Τΐς  zuschreibt  (d.  h.  einen  zusammenhängen- 
den gesprochenen  Vortrag  und  diejenige  Anlage  des  Dramas,  nach 
welcher  dasselbe,  statt  mit  dem  Chorgesang,  mit  einer  gesprochenen 
Partie  des  Schauspielers  begann),  fUr  den  Urheber  der  Schau- 
spielerrolle überhaupt:  unmöglich  kann  er,  zumal  bei  dem  Zweck 
seiner  ganzen  Auseinandersetzung,  zwischen  dem  blossen  Chorge- 
sang und  der  Wirksamkeit  des  Thespis  die  Hinzufägung  des 
Schauspielers  angenommen,  aber  mit  Stillschweigen  übergangen 
haben.  Wenn  nun  wirklich  im  Dialog  über  die  Dichter  die 
gleiche  Darstellung  gegeben  war,  so  stand  dieselbe  in  entschie- 
denemWiderspruch  mit  den  Worten  der  Poetik.  Denn  nach 
der  Poetik  fallen  λέίις  (also  ebenso  wenig  oder  noch  weniger  die 
^ήσις)  und  πρόλογος  mit  der  Entstehung  des  Dramas  keineswegs 
zusammen :  der  Vortrag  des  Schauspielers  ist  zu  Anfang  ein  mehr 
gesangartiger,  und  die  Stücke  begannen  ursprünglich  mit  einer 
Chorpartie  ^  Dies  ergibt  sich  aus  den  beiden  Stellen  το  μέν 
γάρ  πρώτον  τετραμέτρψ  έχρώντο  κτλ.  λέΐ^ως  bi  γενομέ- 
νης αυτή  ή  φύσις  τό  οικείο  ν  μίτρον  εύρε  und  τίς  διπρόσωπα 
άπέδωκεν  (der  Komödie)  ή  προλόγους'  ή  πλήθη  υποκριτών 
καΐ  δσα  τοιαύτα,  ήγνόηται  (5  ρ.  1449  b).  Bei  einem  Widerspruch 
aber  zwischen  dem  Dialog  über  die  Dichter  und  der  Poetik  kann 
für  uns,  wenn  es  sich  um  die  wissenschaftlich  begründete  An- 
nahme des  Aristoteles  handelt,  nur  die  Poetik  in  Betracht  kommen, 
wo  er  seine  wirkliche  Ansicht  vorträgt.  Eine  Gewähr  für  alles 
dasjenige  zu  übernehmen,  was  in  seinen  Dialogen  vorgebracht, 
theilweise  Anderen  in  den  Mund  gelegt  war,  hat  ihm  offenbar 
ferngelegen^;  in  Schriften  dieser  Art  konnte  er  ohne  Bedenken 
Traditionen  und  Vorstellungen,  die  bei  seinen  Zeitgenossen  mehr 
oder  weniger  verbreitet  waren,  einen  Platz  einräumen,  ohne  dass 
er  sie  für  gut  begründet  hielt.  Und  auch  wer  dies  in  Abrede 
stellen  wollte,  müsete  auf  die  Annahme,  der  wir  in  der  Poetik 
begegnen,  doch  darum  den  grösseren  Werth  legen,  weil  wir  die 
Poetik  für  die  spätere  von  den  beiden  Schriften  zu  halten  haben  ^. 

Dass  sich  im  Dialog  über  die  Dichter  genau  dieselbe  Vor- 
stellung von  Thespis  kundgegeben  hat  wie  in   den  Worten  des 


1  Wie  die  Perser  und  die  Schutzflehenden  des  Aeschylos. 
^  G.  Hermanns  Aenderung  λόγους  ist  nicht  berechtigt, 
β  Man  denke  z.  B.  an  die  Sage  von  Midas  und  Siien  (p.  40  ed. 
Berol.),  an  das  Märchen  von  Homer  (p.  66)  n.  s.  w. 
*  Vgl.  Zeller  Philos.  der  Gr.  U  2»  p.  59.  61. 


882  riiUer 

Themietioe,  im  Widersprucli  mit  der  Poetik,  ist  non  zwar  eine  Hög* 
lichkeit,  aber  keineswegs  die  einzige  Mögliehkeit.  Man  kSnnte 
anob  annebmeui  dass  im  Dialog  dem  Thespis  zwar  wirklicli  πρό- 
λογος und  ^ή<ίΐς  zngesobrieben  wurden,  dass  aber  für  die  erste 
Hinznftlgung  des  Seban Spielers  bier  ebenso  wenig  wie  in 
der  Poetik  ein  bestimmter  Name  genannt  war  nnd  dass  Aristoteles 
das  eine  vom  anderen  nntersobieden  wissen  wollte,  dass  also  The- 
mistios,  indem  er  diese  Aristoteliscbe  Ansiebt  über  Thespis  mit 
dem  sp&ter  allgemein  angenommenen  Erfindertbnm  desselben  ver- 
einigte, eine  Ungenaoigkeit  begangen  bat.  Der  Widersprach  swi- 
soben  den  zwei  Aristotelischen  Schriften  würde  hiermit  wegfialleii. 
Doch  möchte  ich  diese  Annahme  nicht  für  besonders  wahrschein- 
lich erklären. 

£s  ist  aber  überhaupt  sehr  fraglich,  ob  Thespis  in  irgend 
einer  Aristotelischen  Schrift  genannt  war.  Schon  wieder- 
holt hat  man  die  Meinung  ge&ussert,  Themistios  habe  jene  Worte 
nur  mit  Reminiscenz  an  die  Poetik  niedergeschrieben  und  dabei 
leichtfertiger  Weise  dem  Aristoteles  Dinge  beigelegt,  die  ihm  aus 
anderweitiger  Eenntniss  im  Sinne  lagen^.  £s  lässt  sich  in 
der  That  gegen  diese  Ansicht  (die  also  eine  dritte  Möglichkeit 
darbietet)  nicht  das  geringste  einwenden ;  ich  bekenne,  dass  ich  sie 
geradezu  für  die  wahrscheinlichete  halte.  Dass  Tbemietios  die 
Poetik  benutzt  bat,  ergibt  eich  namentlich  aus  seinen  Worten 
or.  27  p.  327b:  έπ€ΐ  και  κιυμψδία  τό  παλαιόν  ήρΗατο  μέν 
έκ  Σικελίας'  εκείθεν  γαρ  ήστην  Επίχαρμος  τε  και 
Φόρμας  (βο  Petavius  statt  μόρφος)'  κάλλιον  bi  *  Αθηναίε  συν- 
ηυίήθη*  καΐ  τραγψδίας  εύρεταΐ  μέν  Σικυώνιοι,  τελεσιουργοι 
δέ  'AfriKOi  ποιηταί:  vgl.  Poet.  5  ρ.  1449  b  τό  bk  μύθους  ποιεϊν 
Επίχαρμος  καιΦόρμις*  τό  μέν  έΗ  αρχής  έκ  Σικελίας 
ήλθε.  3  ρ.  1448  a  bio  καΐ  αντιποιούνται  τής  τε  τραγψδίας  κα\ 
τής  κιυμψδίας  ο\  Διυριεΐς,  τής  μέν  γαρ  κωμωδίας  οΐ  Μεγαρείς 
οϊ  τε  ενταύθα  κτλ.  και  ο\  έκ  Σικελίας,  εκείθεν  γαρ  ή  ν  Επί- 
χαρμος κτλ.,  και  τής  τραγωδίας  ίνιοι  των  έν  ΤΤελοποννήσψ. 
Die  Uebereinstimmung  in  den  dnrch  den  Druck  hervorgehobenen 
Ausdrücken  beweist  die  Keminiscenz  aufs  deutlichste^.  Statt  der 
Ivioi  των  έν  ΤΤελοποννήσω  setzt  Themistios  die  Sikyonier,  wohl 
nach  Herodot^,  in  welchem  er  gut  bewandert  ist.    Dass  Stellen  des 

^  So  z.  B.  Rose  Aristot.  pseudepigr.  p.  79. 

^  Aus  der  Poetik  (2)  stammt  auch  ψιλομετρία  26  ρ.  319a:  vgl. 
Bemays  die  Herakl.  Br.  p.  116  f. 

3  Her.  5,  67  τά  τε  δή  αλλά  οΐ  Σικυώνιοι  έτίμων  τόν  "Αδρηστον 


Zu  den  Nachrichten  über  die  Anfange  der  Tragödie.  888 

Themistioe  auf  den  Dialog  περί  ποιητών  zurückgingen,  wäre  zwar 
durchaus  denkbar  (zwei  andere  Aristotelieche  Dialoge  werden  von 
ihm  erwähnt),  läset  sich  aber  nicht  erweisen.  Für  entstellt 
müeste  in  den  Worten  der  26.  Rede  die  Aristotelische  Fassung 
jedenfalls  gelten.  Denn  einmal  kann  Aristoteles  unmöglich  als 
eine  Neuerung  des  Aeschylos  den  όκρίβας  bezeichnet  haben:  man 
vgl.  hierüber  die  evident  richtige  Bemerkung  von  Rohde  Rhein. 
Mus.  38  p.  259;  Themistioe  müsste  also  den  ihm  vorliegenden 
Aristotelischen  Ausdruck  mit  einem  anderen  und  zwar  unpassen- 
den vertauscht  haben  ^.  Dasselbe  müsste,  wie  Ritter  bemerkt  hat, 
auch  von  den  verkehrten  Worten  ήί>€ν  εΙς  τους  θεούς  ange- 
nommen worden ;  der  Dithyrambus,  aus  dem  nach  Aristoteles  die 
Tragödie  hervorging,  gilt  doch  nicht  *  den  Göttern*,  sondern  dem 
Dionysos^,  und  dies  kann  auch  im  Dialog  kaum  anders  dargestellt 
gewesen  sein.  Auf  das  wenig  angemessene  des  Ausdrucks  εΙ(Τΐών 
hat  gleichfalls  Ritter  aufmerksam  gemacht.  Fndlich  hat  Aristo- 
teles gewiss  nicht,  auch  nicht  im  Dialog,  die  Albernheit  began- 
gen, ausser  dem  zweiten  Schauspieler  als  Neuerung  des  Aeschy- 
los  bloss  den  hohen  Schuh  zu  nennen:  auch  dies  müsste  auf 
Rechnung  des  Themistioe  gesetzt  werden^.  Ist  nun  die  Yer- 
mnthnng,  Themistios  habe  den  Aristoteles  für  einen  Th eil  seiner 
Notizen  irrthümlich  angeführt,  wirklich  um  so  vieles  verwe- 
gener, als  die  anderenfalls  noth wendige  Annahme,  dass  er  die 
Worte  des  Aristoteles  so  schlecht  wiedergegeben  habe?  Mir  scheint 
dies  nicht  so.     Bei  den  meist  sehr  trivialen  historischen  und  lit- 


καΐ  δή  πρ6ς  τά  πάθ€α  αύτοΟ  τραγικοΐσι  χοροΐσι  έγέραιρον.  Vgl  auch 
Suidas  8.  ν.  θέσπις.  Paroemiogr.  1  ρ.  137  Anm.  Phot.  lex.  ουδέν  προς 
τόν  Διόνυσον. 

^  Ohne  dass  ihm  indessen  in  der  Anwendung  des  Wortes  mit 
Bezug  auf  Aescbylos  das  Lob  der  Originalität  ertheilt  werden  könnte: 
vgl.  Philostr.  vita  Apoll.  6,  9  p.  245  όκρ{βαντος  bi  τους  ύποκριτάς  έν€- 
β{βασεν  (näml.  Aeschylos)  und  vit.  soph.  1,  9  έσθήτί  τ€  αυτήν  (die  Tra- 
gödie) κατασκευάσας  καΐ  όκρ{βαντι  ύψηλφ  κτλ. 

^  Vgl.  £uanth•  ρ.  8  Reifif.  incensis  tarn  altaribus  et  admoio  hirco 
id  gcnus  carminiSj  quod  sacer  chorus  reddehat  Libero  patri  tragoedia 
dicebatur, 

^  Man  beachte  die  Worte  τά  bi  πλ€{ω  τούτων  Σοφοκλέους  άπ€- 
λαύσαμεν  καΐ  Εύριπ(δου,  also  genau  genommen  alles  weitere  ausser  dem 
zweiten  Schauspieler  und  dem  hohen  Schuh!  Dass  die  σκηvoγpαφ{o^ 
die  neben  dem  dritten  Sehauspieler  in  der  Poetik  dem  Sophokles  zu- 
geschrieben wird,  etwas  ungleich  wichtigeres  ist  als  der '  όκρίβας*,  bedarf 
keiner  weiteren  Ausführung. 


884  Hiller 

tararhistorisolieii  Reminisoenzeii,  mit  denen  Themistioe  seine  Beden 
aneecbmttckt,  kommt  es  ihm  anf  Oenauigkeit  im  einseinen  mcbt 
an;  ee  wäre  naiv,  wenn  man  ToranesetEen  wollte,  er  habe  sieb 
jedesmal  die  Mühe  genommen,  hierfür  ein  Bnch  nacbzneoblagen, 
nnd  eich  niemals  anf  sein  Gedächtniss  verlassen.  So  begebt  er 
den  groben  Fehler,  die  endgültige  Yertreibnng  Dionysios*  Π 
demDion  znznsohreiben^.  An  einer  anderen  Stelle  (26  p.  828  b) 
sagt  er  in  einer  Anrede  an  die  Philosophie:  άμαθης  bk  οϋΜς 
οβηυς  έν  τφ  Ι)ήμψ  τφ  ήμ€τέρψ  οΤον  τό  Μένωνος  dvbp&nobov 
ψ  καΐ  διάγραμμα  έσαφήνισας  μόλις  έιταΐοντι  τής  Έλληνι- 
'  κής  διαλέκτου.  Auch  hier  liegt  ein  OedScbnissfebler  vor: 
denn  anf  des  Sokrates*  Frage  Έλλην  μέν  iorx  καΐ  £λλην{£€ΐ 
(näml.  der  ακόλουθος)  antwortet  Menon  (p.  82  B)  πάνυ  γ€ 
(ΤφόΙ)ρα,  οίκογενής.  Endlich  mag  noch  anf  die  Stelle  über 
Beispiele  brüderlicher  Liebe  6  p.  74d  hingewiesen  werden:  Υτρος 
όμδς  bk  μικρόν  ό  Ξέρξης,  μικρόν  bk  ό  Σέλ€υκος,  μικρόν  b^ 
6  τοΟ  Φιλ€τα(ρου'  ο\  μέν  γάρ  bid  τοΟτο  μόνον  άοΑιμοι,  δη 
μ€τρίως  έχρήσαντο  τοις  άΙ)€λφθΤς  τής  βαοηλ€{ας  άμφίσβη- 
τήσαοη,  κα\  καθάπβρ  δλλο  τι  τιΰν  απίστων  $0€ται  μέν  ό  Mή^oς 
κτλ.,  fberai  hk  Εύμίνης  συγχιυρήσας  *Αττάλψ  veurrcptoavTi. 
Hardonin  hat  erkannt,  dass  Themistios  diese  drei  Beispiele  ans 
Plntarch  de  frat.  am.  cap.  18  entnommen  hat,  wo  sie  in  derselben 
Reihenfolge  nnd  ohne  Dazwischentreten  eines  anderen  gleichartigen 
Beispiels  erzählt  werden;  die  Sache  ist  so  zweifellos,  dass  darüber 
weiter  kein  Wort  zu  verlieren  ist.  In  doppelter  Beziehung  aber 
hat  Themistios  seine  Quelle  in  leichtfertiger  Weise  entstellt.  Ein- 
mal nämlich  ist  bei  Plutarch  zwar  von  dem  brüderlichen  Grefühle 
die  Rede,  welches  in  Antiochos  Hierax,  trotz  seines  Bruderkrieges 
mit  Seleukos  II,  nicht  ganz  erloschen  war;  aber  von  der  'Milde* 
des  Seleukos  gegen  Antiochos  sagt  Plutarch  kein  Wort.  Man 
wird  verständiger  Weise  auch  hier  nur  an  ein  Versehen  des  The- 
mistios denken  können.  Oder  sollen  wir  etwa  lieber  annehmen, 
dass  Themistios  nicht  bloss  aus  Plutarch,  sondern  daneben  noch 
aus  einem  uns  verlorenen  Autor  'geschöpft'  habe?  Aber  dagegen 
wenigstens  wird  sich  wohl  kein  Widerspruch  erheben,  dass,  wenn 
Eumenes  II  bei  Themistios  ό  Φιλεταίρου  genannt  wird,  Themistios 


1  2  p.  37d:  —  τριήρ€ΐς  καΐ  στρατιώτας  συλλεζάμ€νος  (Dien)  έΕ 
*Ακαδημ{ας  μόλις  έΗέωσε  τόν  τύραννον  τής  πατρίδος  καΐ  ήν  θέαμα  Απιστον 
τοίς  τότε  "Ελλησι  Διονύσιος  μετά  τήν  τυραννίδα  Συρακοσίων  περίπατων 
έν  τιϋ  Κρανεί  ιμ. 


Zu  den  Nachrichten  über  die  Anfange  der  Tragödie.  385 

irrthümlich  an  Enmenefl  I,  den  Nachfolger  (nicht  Sohn)  dee 
Philetäros,  gedacht  hat;  bei  Plutarch  wird  der  Name  des  Vaters 
nicht  genannt.  Ist  hiernach,  so  frage  ich  nochmals,  die  Annahme 
nicht  vollkommen  erlanbt  und  berechtigt,  dass  Themistios  die  zu 
seiner  Zeit  allgemein  verbreitete  Auffassung  des  Thespis  (ebenso 
wie  die  Einführung  des  'όκρίβας'  durch  Aeschylos)  dem  Aristo- 
teles nur  aus  Flüchtigkeit  beigelegt  habe?  Für  Themistios  war 
die  Hinzufugung  der  8ohauepielerrolle  identisch  mit  der  Hinzu- 
fngung  des  Prologs  und  des  gesprochenen  Vortrags,  des  πρόλογος 
und  der  (^ή(Τις.  Dass  er  sich  der  letzteren  Wendung  bedient, 
würde,  unter  der  Voraussetzung  einer  derartigen  Flüchtigkeit, 
einfach  durch  das  Streben  zu  erklären  sein,  Erudition  und  ge- 
wählte Fülle  des  Ausdrucks  zu  zeigen;  niemand,  der  die  Art  des 
Mannes  kennt,  wird  diese  Erklärung  für  unstatthaft  halten^.  Ver- 
gleichen läset  sich  z.  B.  der  in  affektirter  Weise  aus  Herodot  (1,  47. 
62.  5,  60)  entnommene  Ausdruck  2  p.  27  c  καΐ  Ι(Ττι  Σ(υκράτ€ΐ 
προοίμιον  πεποιημίνον  έν  τόνψ  έίαμέτρψ  προς  τόν  θεόν^. 

Mag  man  indessen  über  die  Nennung  des  Aristoteles  bei 
Themistios  nrtheilen  wie  man  will,  entschieden  zn  missbilligen 
ist  jedenfalls  die  Hypothese  üeberwegs,  dass  mit  Hilfe  der  Stelle 
des  Themistios  eine  vermeintliche  Lücke  in  der  Aristotelischen 
Poetik  auszufüllen  sei.  Zu  dieser  Annahme  fehlt  jegliche  Be- 
rechtigung. Vergeblich  hat,  wie  mir  scheint,  Stahl  nach  dem 
Vorgange  Üeberwegs  nachzuweisen  versucht,  dass  man  in  der 
Poetik  die  Erwähnung  des.  Thespis  vermisse  (de  tragoediae 
primordiis  et  incrementis  ab  Aristotele  adnmbratis.  Münster 
1881)^.  *Minim  est',  so  sagt  er  (p.  9),  ^Aristotelem,  qui  me- 
moravit  quis  actorum  numernm  ex  uno  in  duos  auxieset,  omisisse 
quis  primus  unum  induxisset  actorem,  quippe  qui  probe  sei- 
verit  hoc  a  Thespide  factum  esse*.  Umgekehrt  ist  es  vielmehr 
meiner  Meinung  nach   wahrscheinlich,    dass   Aristoteles    die  Ein- 


^  Sowohl  von  πρόλογος  wie  von  ^ήσις  ist  in  der  Poetik  wieder- 
holt die  Rede. 

2  Piaton  gibt  das  Metrum  dieses  προοίμιον  nicht  an  (Phaedo  p.  GOd. 
61b).  Ob  Themistios  aus  der  Bezeichnung  προοίμιον  einen  Schluss  auf 
das  Metrum  machte  oder  ob  ihm  die  Fälschung  bei  Diog.  Laert.  2,  42 
Anläse  zu  seinem  Zusätze  gab,  kann  dahingestellt  bleiben. 

^  Vor  der  Erwähnung  des  zweiten  Schauspielers  in  der  Poetik 
nahm  Ueberweg  eine  Lücke  an,  welche  Stahl  mit  den  Worten  θ^σπις 
γάρ  πρόλογόν  τ€  κοί  ^ήσιν  καΐ  ?να  ύποκριτήν  ^ScOpcv,  ίτι  bk  τήν  προσ- 
ώπων χρήοιν  €ΐσήν€γκ€ν  ergänzen  will. 


886  Hiller 

flihning  dee  Sohanepielen  dem  Thespie  nicht  sugeeohriebea  kai. 
Treffend  ist  die  Bemerkung  UeberwegBi  ans  den  auf  die  EomSdia 
besfiglichen  Worten  τίς  hk  ffpoouma  άπέίχυκεν  ή  προλόγους  i^ 
πλήθη  ύποκριτιϊ^  ήγνόηται  gehe  hervor,  daea  Aristotelea  geglMibt 
hat,  für  die  Tragödie  den  Urheber  dee  πρόλογος  nnd  der  πρόΐ^ 
uma  SU  kennen^•  Aber  bei  der  ftneeerst  skissenhaften  Dar- 
stellnng  der  Poetik  scheint  es  mir  dorehaas  nngereehtfertigt» 
hierans  sn  schliessen,  diese  Urheber  mttssten  auch  bestimmt 
erwähnt  gewesen  sein:  sagt  doch  Aristoteles  selbst  ιτολύ  γάρ 
&v  Τσως  έργον  €Τη  bieSUvai  καθ*  Skcuttov  (4  ρ.  1449a)•  Auch 
der  Behauptung  Stahrs  'πλήθη  ύποκριτι&ν  omnem  actomm  nn* 
merum  oompleotitnr,  non  ad  secundum  tantum  et  tertium  refertar* 
(p.  10)  kann  ich  mich  durchaus  nicht  anschliessen ;  ich  verstehe 
(was  nach  dem  griechischen  Ausdrucke  mindestens  ebenso  gut 
erlaubt  ist)  unter  πλήθη  die  Mehrheiten  ',  d.  h.  die  Zwei-  und 
Dreisahl  der  Schauspieler:  ein  Schauspieler  beseichnet  nach  Ari- 
stoteles den  Anfang  des  Dramas,  und  hierfür  nennt  er  keine 
bestimmten  Urheber,  sondern  spricht  bloss  von  den  έΕάρχοντβς 
τόν  6ιθύραμβον  und  τά  ςΜχλλικά.  In  der  Poetik  vermissen  wir 
also  nichts,  nnd  damit  ßlllt  jeder  Orund  weg,  die  NenniMig  des 
Aristoteles  bei  Themistios,  mag  sie  nun  auf  den  Diak|f  π€ρΙ 
ποιητών  zurückgehen  oder  auf  Flüchtigkeit  beruhen,  zu  einer 
Einechiebung  in  den  Text  der  Poetik  zu  benutzen. 

Da  es  hiernach  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  Ari- 
stoteles den  Thespie  als  Urheber  der  dramatischen  Tragödie  an- 
gesehen hat,  da  Andere,  wie  aus  der  Pollux-Stelle  unter  allen 
Umständen  hervorgeht,  es  nicht  gethan  haben,  da  sich  diese  Vor- 
stellung von  Thespie  in   älterer  Zeit  nicht  nachweisen  läset', 


*  Vielleicht  führte  er  die  πρόσωπα  auf  Chörilos  zurück  (vgl. 
Suidas  8.  V.),  den  πρόλογος  auf  Phryuichos.  Die  Möglichkeit,  dass  er 
den  πρόλογος,  aber  nicht  den  ersten  Schauspieler ,  dem  Thespis  zu- 
schrieb, habe  ich  oben  p.  332  zugegeben. 

*  Die  Worte  τό  τών  υποκριτών  πλήθος  il  ενός  €ΐς  δύο  πρώτος 
ΑΙσχύλος  ήγογ€  stehen  dem  nicht  entgegen.  Bei  den  Worten  έπβισοοίων 
πλήθη  ist  die  von  mir  angenommene  Bedeutung  zweifellos. 

8  lieber  Chamäleun  s.  oben  p.  322.  Es  wäre  nicht  undenkbar, 
dass  die  später  herrschende  Vorstellung  hauptsächlich  auf  Chamäleon 
zurückginge.  Wie  man  behaupten  kann  (vgl.  Stahl  p.  10),  *  ο  m  η  i  a 
quae  de  antiquissima  tragoedia  tradita  sunt  ex  ipsius  Aristotelis 
doctrina  tanquam  fönte  derivata  esse'  (also  auch  Thespis  als  sechs- 
zehnter Nachfolger  des  Epigenes  oder  die  Albernheiten  bei  Suidas  über 
9  Maskirungen  des  Thespis?),  verstehe  ich  nicht. 


Zu  den  Nachrichten  über  die  AnfiUige  der  Tragödie.  887 

da  endlich  eine  *  Erfinder'-Nachricht  über  die  ersten  Anfänge  eines 
Gebietes  geistiger  Thätigkeit  von  vornherein  mit  grossem  Miss- 
trauen aufzanehmen  ist  ^,  so  wird  es,  denke  ich,  gerathen  sein, 
von  jenem  angeblichen  Verdienste  des  Thespis  mit  etwas  gerin- 
gerer Sicherheit  zu  sprechen  als  es  gewöhnlich  geschieht.  Der 
'Erfinder'  ist  auch  hier  der  erste  Vertreter  der  litterarischen 
Gattung,  dessen  Name  sich  in  der  späteren  Zeit  erhalten  hatte. 
Welche  Bedeutung  Thespis  für  die  Geschichte  der  Tragödie  in 
Wirklichkeit  gehabt  hat,  wusste  vielleicht  noch  Aristoteles,  jetzt 
lassen  sich  hierüber,  bei  der  Beschaffenheit  unserer  Tradition, 
nur  Phantasieen  vorbringen  (was  ja  auch  in  tiberreichem  Masse 
geschehen  ist),  keine  wissenschaftlich  begründete  Combinationen. 
Dass  sich  Dichtungen  von  Thespis  bis  ins  vierte  Jahrhundert 
V.  Chr.  erhalten  hätten,  glaubt  mit  Recht  gegenwärtig  niemand 
mehr  ^.  Es  gab  damals  Tragödien,  die  in  Folge  einer  Fälschung 
seinen  Namen  trugen.  Aristoxenos  behauptete,  Heraklides  Pon- 
tikos  habe  sie  abgefasst  und  mit  dem  Namen  des  Thespis  ver- 
sehen. Unecht  waren  sie  gewiss;  aber  es  war  eine  Uebereilung 
Bentley's,  den  Heraklides  mit  Bestimmtheit  für  den  wirklichen 
Verfasser  darum  zu  erklären,  weil  dies  Aristoxenos  behauptet 
hatte:  welche  boshafte  gegenseitige  Beschuldigungen  jener  Männer 
müsste  man  nach  diesem  Verfahren  alle  für  wahr  halten^!  Be- 
merkenswerth  ist  die  Art,  wie  Dioskorides  von  Thespis  spricht 
(Anth.  7,  410  u.  411):  offenbar  glaubte  er  nicht  nur  nicht  an 
die  Existenz  echter  Stücke,  sondern  hatte  die  Vorstellung,  dass 
die  Dichtungen  des  Thespis  gar  nicht  dazu  bestimmt  gewesen 
seien,  litterarisch  aufbewahrt  zu  werden.  Autorität  hat  freilich 
diese  Vorstellung  für  uns  ebenso  wenig  wie  die  ganz  entgegen- 
gesetzte bei  Horaz  epist.  2,  1,  163  und  Plut.  de  gloria  Ath.  7. 
Schliesslich  möchte  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  derjenige,  der  die  gewöhnliche  Vorstellung  von  Thespis  dem 


1  Vjfl.  Lobeck  Aprlaoph.  p.  1200.  Welcker  kl.  Sehr.  1  p.  167. 
Von  anderer  Art  sind  diejenigen  AriRtotelischen  Angaben,  die  bei  D. 
Volkmann  de  Suidae  biogr.  (Bonn  1861)   p.  15  zusammengestellt  sind. 

^  Es  müssten  dies  Dichtungen  von  so  grosser  und  charakteristi- 
scher Alterthümlichkeit  gewesen  sein,  dass  es  schwerlich  jemand  hätte 
wagen  können,  Stücke  modernen  Ursprungs  (Plut.  Mor.  p.  36  B.  Diog. 
Laert.  5,  92)  für  Erzeugnisse  des  Thespis  auszugeben. 

®  üeber  Aristoxenos  und  Heraklides  vgl.  u.  A.  Wilamowitz  Philol. 
Unters.  4  p.  281  Anm.  12.  Den  Anlass  zu  der  Beschuldigung  gaben  viel- 
leicht die  litterarhistorischen  Faseleien  des  Heraklides  (Bergk,  griech. 
Literaturgesch.  1  p.  405  f.).  Aber  dergleichen  zu  erzählen  war  leichter 
and  bequemer  als  ganze  Dramen  abzufassen. 

BheliL  Mus.  f.  Pbilol.  N.  F.  XXXIX.  22 


7,11  «len   Nacliricihtcrj  ϋ1ι..ι-  iti••  AiifäiiiiP  ''''i•  Tnigödi«-. 

beilegt  und  sie  mit  rleii  Bcraerkmigcii  der  Poetik 
■.iKttg  bringen  will,  doch  in  andfri^r  Beziehang  einen 
I  in  Wideraprucli  Kwieelieu  der  Änei<dit  de*)  Arietotelefl  and 
ligen  der  Späteren  wird  üngeRtehen  möaeeii.  Hat  nämlicli 
siotelee  die  HinzufBgung  dee  Sc  Im»  spie  lere  dem  Theepie  ϊη- 
ichrielien,  so  ιητιβΗ  er  di'n  TheepiM  in  eine  beträchtlich  frühere 
2eit  geeetzt  liaben  nie  dies  allgemein,  im  Alterthum  wie  in  der 
Neuzeit,  zw  geocheheii  pflegt;  er  kunn  tha  nicht  als  Sltereii  Zeit• 
genoBsen  des  Pltryni(;hi)s  angesehen  haben.  In  der  pariechen 
Chronik  (ep.  43)  wird  das  erete  Auftreten  des  Thespie  zwienheu 
f)i3  und  521  angesetzt;  nnt^h  einer  (nn  aii^li  ganz  werthlosenl 
Anekdote  bei  Pliitarcb  fSol,  23)  nnd  Diogenes  (1,  &))  sollen  die 
frühesten  dramatischen  Versuche  des  Theepis  in  der  letzten  Zeit 
von  Solon'w  iieben  stattgefunden  haben ;  nach  dem  Snidas-Artikel 
θΐσπις  brachte  er  Dramen  ul.  ΙΪ1  znr  AuffUhrung,  nach  dem  Ar- 
tikel Φρύνιχος  war  er  Lehrer  des  Phrynichos.  Feberall  also 
die  Vorstellung,  dass  die  Haupt  Wirksamkeit  des  Thespis  etwa 
dem  dritten  Viertel  ile«  Jahrhunderte  angehöre  '.  Aristoteles  aber 
sagt  von  der  Tragödiu  έκ  μικρών  μύθιυν  καΊ  λέΕεως  τ^λοίας  ί»ά 
τό  έκ  σατυρικού  μΕταβαλ€Ϊν  όψέ  σπεσεμνύνθη.  ΣίμνοΊ  waren 
gani  aweifelloB  die  Tragiidien  des  Phrynichos;  dass  Arietoteies 
dem  Diiihler  der  Phiinissen  eine  λΐ£ις  γίλοία  beigelegt  habe, 
werden  wir,  wenn  wir  ihn  nicht  fUr  einen  Ignoranten  erkISren 
wollen,  gewiss  nicht  annehmen  dürfen  ^.  Wäre  demnach  anch 
nach  Arietoteles  Thespis  nur  nm  30—40  Jahre  älter  als  Phry- 
niohos  und  zugleich  Urheber  der  Tragödie,  so  inüsste  der  Aue- 
drack  όψέ  άπεσεμνΰνθη  sehr  verkehrt  erscheinen;  Aristoteles 
konnte,  nnter  jenen  beiden  Voranseetzungen,  nicht  behaupten, 
erst  spät  aei  die  Tragödie  zu  der  ihr  angeniesaenen  Würde  ge- 
langt; hierfür  tat  ein  Zeitraum  von  30 — 40  Jahren,  im  Vergleich 
zu  den  folgenden  anderthalb  Jahrhunderten,  viel  zu  knrz.  Aristo- 
telea  miiaate  also,  wie  gesagt,  den  Theepis,  wenn  er  ihm  die 
RinHihrung  des  Schauspielers  zuschrieb,  für  erheblich  älter 
gehalten  haben,  als  es  auf  (irnnd  der  Angaben  späterer  Autoren 
zu  geschehen  pflegt. 

Halle.  E.  Hiller. 

1  Vgl.  Huch  vitft  AoBch.  p.  3,  10  lUt«uhl.  Ath.  1  p.  22.  Suidae 
V.  Σοφοκλής. 

^  Ritter  meinte  freilicli:  'eero  id  factum  vere  dicit  Aristoteles, 
cum  ctiam  in  fabulia  Aeechyli  et  Sophoclis  nonnulla  ridiculae  dictionis 
vfsiigia  compareant!' 


Handschriftliches  zu  Terenz. 


I. 

In  meiner  Abhandlung  über  die  Terentianischen  Didaskalien 
stellte  ich  bei  Beßprechung  der  Reihenfolge  der  sechs  Stücke 
(Rh.  Mus.  XXI  84  ff.)  fest,  dass  ihrer  chronologischen  Folge 
(Andria,  Hecyra,  Heauton  timonimenos,  Eunuchus,  Phonnio,  Adel- 
phoe)  im  Ganzen  die  Zählung  der  einzelnen  Stücke  in  den  Didas- 
kalien entspricht  (Andr.,  Eun.,  Heaut.,  Phor.,  Hec,  Adel.),  sobald 
man  nämlich  annimmt,  dass  die  Grrammatiker  je  die  erste  Auf- 
führung berücksichtigten,  die  Hecyra  aber  im  Jahre  589  d. 
St.  beim  ersten  Male  ^neque  specfari  neque  cognoaci  konnte  (Hec. 
V.  3),  ^platte  pro  nova  blieb  (V.  5)  und  daher  erst  die  nicht  zu 
Ende  gebrachte  Aufführung  des  Jahres  594  in  Anrechnung  kam 
(s.  meine  Ausgabe  d.  Ad.  S.  91).  G-ibt  man  dies  zu,  so  bleibt 
als  einziger  Differenzpunkt  die  hergebrachte  Zählung  des  Eunu- 
chus  (II)  und  des  Heauton  timorumenos  (III).  Da  nun 
Donat,  welcher  der  Andria  die  I.,  dem  Phormio  die  IV.,  der 
Hecyra  die  V.  Stelle  zuweist,  bei  seinen  didaskalidchen  Angaben 
einer  mit  unseren  Didaskalien  im  Wesentlichen  übereinstimmen- 
den Redaction  folgt,  so  glaubte  ich  (XXI  86)  es  als  unzweifel- 
haft bezeichnen  zu  dürfen,  dass  Donaths  Nachricht,  der  Eunuch 
sei  das  dritte  Stück  ^  (zum  Heaut.  fehlt  ja  Donat's  Commentar), 


1  Fr.  Leo  im  Rh.  Mus.  XXXVIII  324  f.  legt  Gewicht  darauf, 
dass  obige  Bemerkung  bei  Donat  von  den  didaskalischen  Notizen  ge- 
trennt stehe,  und  will  daraus  seh  Hessen,  dass  sie  eben  nicht  der  Didas- 
kalie  entnommen,  sondern  von  Donat  selbst,  welcher  dieses  Lustspiel 
in  seiner  Handschrift  des  Terenz  an  dritter  Stelle  vorfand,  hinzugefügt 
sei.  Indess  steht  jene  Notiz  innerhalb  des  Theils  der  praefatio,  wel- 
cher die  didaskalischen  Angaben  —  nur  mit  grösseren  Umschweifen 
und  Erweiterungen  als  gewöhnlich  —  enthält,  im  Grunde  doch  an  der 


f  litf  Uüiierlieferunp  biete,    währumi  zu  diesem  Lnnt- 
zum   Heant.   ille  Didaekalien  Her  Tereiiühaudachriften 
«euer  in   Verwirrung  befämlen. 

Wenn  icli  deine ntepreuheiKt  a.  0.  S.  β8,  7<)  bei  Henoiistmc- 
I  des  Textet!  der  Didaekalien  in  die  doe  Eunuch  die  Zabl  III, 
III  die  des  He&ut.  aber  die  Zahl  II  eeUte,  eo  werden  dit^s  Uenclie 
für  allzu  gewagt  halten,  und  iuh  eelbet  wurde  vielleicht  Bedeuken 
^retrageii  haben,  für  eine  Ausgabe  de«  Didilern  unter  Ab iüide rang 
der  Didaskalien  auch  die  hergebracble  Reihenfolge  jener  beiden 
Stücke  KU  ändern,  ubsehun  die  Anordnung  der  LoHtepiele  im 
BenibinuH  geuau  mit  der  in  den  IHduekalii-n  geliolenen,  also  im 
Grunde  chrouutugieehen  Zählung  übereinstimmt.  Uanz  andere 
steht  die  <Sache,  wenn  eich  aiie  den  TerenEhandsuhriRen  eelbit 
noch  die  richtige  Zählung  als  überliefert  nachweisen  läast  Daa 
ist  aber  der  Fall.  Freilich  tttand  mir  bei  meiner  damaligen  Un- 
tereuchung  über  die  Did.  nur  die  CuUatiun  zweier  llandechriften, 
des  Bembinns  und  dcH  Baeilicattiix,  su  tiebute.  aus  welchen  eich 
dae  angedeutete  Ergebniee  nieht  gewinnen  lies«.  Auch  der  Um• 
lifenbach'xrrlie  Ajiiiarat  genUgt  iiierfUr  niuht,  und  aus  Creppert^i 
zwar  reichhnlligeni,  aber  nngeeiuliteten  Material  i\x  den  Didae- 
kalien (Jahn'«  N.  .hihrb.  f.  I'l.i].  1«.  Sup.  bd.  1852  S.  556  ff.) 
konnten  sich  fenti.•  *i.'Hi(lits|iiinkte  nicht  ergeben.  Dagegen  finde 
ich  int  Codex  Lipsiensia  (Hta<ltbibl.  Rep.  I  Ά1  aus  dem  10.  Jahrb.), 
aaf  welchen  zuerst  0.  Brugman  in  den  N.  .lalirb.  f.  Phil.  1876 
S.  420  aufmerkRani  gemacht  und  aUH  dem  er  zugleich  einige 
werthvolle  Lesarten  mitgetheiU  hat',  den  Heatilon  timorume- 
Hos  ala  zweites  Htück  bezeichnet.  Dureh  die  gütige  Libera- 
lität des  Magistrats  der  Stadt  Leipzig  und'  des  Leiters  der  dor-. 
tigen  ätadtbibliothek  Herrn  Dr.  G,  M.  Wustmann  wurde  es  mir 
ermdglicht  jene  Handecki-ift  hier   in  BieHlau   für   meine  Zwecke 

Stelle,  wo  sie  stets  iu  einer  rfgeliuässigcu  l)idHRkalie  sieh  findet,  nim- 
lich  an  vorletzter,  uder  vielmehr,  da  die  Nammi  ά•χ  Cunsulu  wegge- 
fallen siud,  au  letzter  l^teilu.  Ki'Hclii'int  jedoch  diese  Argumentation 
nicht  völlig  gueichcrt,  insofern  wir  ja  nicht  wissen,  wc  die  Namen  der 
Consuln  ständen,  wenn  sie  erhalten  wären,  so  ist  ,icdenfalU  hervorzu- 
lieben,  dase  auch  die  Didaskalicn  der  Uaiidsehrirten  sämmtlich  die 
letzten  Angaben  dieses  titubie  in  verwirrter  und  nicht  gauz  gleich- 
massiger  Keihenfolge  überliefert  haben. 

■  Zweifelhaft  scheint  mir  der  Wertli  der  Lesart  tsturc  für  ixtn 
Ad.  677.  Mit  Fr.  Schmidt,  quaeat.  de  pron.  ...  p.  81  trnm  eUtt 
u^itn'av'  zu  lesen  ist  doch  zu  gewagt. 


Handschriftliches  zu  Tereuz.  341 

zu  benutzen  ^.  Dabei  überzeugte  ich  mich  sowohl  von  der  Rich- 
tigkeit der  BnigmanVchen  Angabe,  dass  der  Codex  zu  der  durch 
1),  (t,  E  und  V  bei  Umpf.  vertretenen  Familie  gehört,  als  auch 
da88  er  in  einzelnen  —  nicht  sehr  häufigen  —  Fällen  allein  oder 
mit  einzelnen  anderen  unter  den  genauer  bekannten  Terenzhand- 
schriften  das  Richtige  erhalten  hat.  Ich  füge  hierfür  zum  Belege 
den  von  Brugman  angeführten  Beispielen  einige  weitere  bemer- 
kenswerthe  Lesarten  des  Cod.  L  bei.  Mit  Α  hat  L  Eun.  554 
(vor  d.  Ras.  fast  sicher)  f/iwr/UO  eä,  Ad.  302  cireüuallant  /e,  701 
nunc  amo  (ohne  cr/o),  Phor.  265  cognorif,  von  L^  oder  L^  corr. 
in  cv  norif  (vielleicht  aus  Donat),  363  in  opera  (A  opera,  d.  übr. 
Cod.  bei  Umpf.  in  opere) ;  mit  Α  und  D  Eun.  593  it  lauit,  Phor.  1028 
(D  vor  d.  Ras.V;  corr.  von  L^)  fali  fit  macfatuf  1050  (L  vor  d. 
Ras.  und  D^)  qit  (von  L^  verb.  in  quf)  tiokfj  Ad.  791  (D  vor  d. 
Ras.?)  ilicet  (L^  fcilicd');  mit  AG  Eun.  106  tacere  (in  L  darüber 
von  1.  H.  /*.  me,  von  L-  corr.  in  taceri);  mit  AE  Eun.  854  uerituf 
ef  (zweimal  in  Folge  eines  Versehens:  L^  und  L^),  Heaut.  656 
(vor  d.  Ras.)  primü^  672  fcilic(('  (falsch  für  st  licet);  mit  D  Eun. 
593   inhcto  ίϊΐξ  collocarunt,    1074  (1)^)   Vt  Uheni.    Ad.  996  (D^) 


*  Die  Handschrift  (in  Quart)  —  wir  nennen  sie  L  —  besteht 
ofcgenwärtig  aus  81  Blättern  (nicht  80,  wie  mit  Weglassung  des  ersten 
Blattes  eine  in  neuerer  Zeit  ausgeführte  Blattzählung  angibt).  Auf 
einen  Binio,  der  durch  Wegfall  der  vier  inneren  Blätter  aus  einem 
Quaternio  entstanden  ist  (Andr.  74  bis  876  gingen  dabei  verloren), 
folgen  ohne  Lagenbezeichnung  4  Quaternionen,  2  Quinionen,  1  Qua- 
ternio, 1  Binio,  1  Quaternio  und  1  Ternio,  dessen  letztes  Blatt  aber 
abgeschnitten  ist,  da  die  Hecyra  schon  auf  Bl.  81^  endet.  Das  erste 
Blatt  ist  leer;  nur  auf  den  sechs  letzten  Zeilen  der  zweiten  Seite  steht 
von  erster  Hd.  das  bekannte  Epigramm  NtUus — erit;  der  übrige  leere 
Raum  war  wohl  zur  Aufnahme  der  abgekürzten  Vita  Ter.  und  anderer 
einleitenden  Stücke  bestimmt.  Geschrieben  ist  der  Codex  von  verschie- 
denen Händen,  z.  Th.  gleichzeitig,  wie  aus  dem  leeren  Raum  am  Endo 
des  Heaut.  (eine  Blattlage  ist  da  zu  Ende)  und  aus  der  weitläufigen 
Schrift  am  Ende  einer  anderen  Lage  zu  schliessen  ist.  Die  Aenderungen 
und  Zusätze,  welche  sicher  von  erster  Hand  stammen,  sind  fast  immer 
Verbesserungen,  die  einer  zweiten  und  dritten  Hand  (ungefähr  aus 
gleicher  Zeit)  sind  aus  Handschriften  gemacht,  aber  von  verschiedenem 
Werth.  Die  von  alter  Hand  in  wechselnder  Fülle  übergeschriebenen 
Glossen  haben  keine  Bedeutung.  Zweifelhaft  ist  öfters,  von  welcher 
Hand  die  Rasuren  und  Ueberschreibungen  derselben  stammen;  jeden- 
falls hat  wiederholt  auf  diesem  Wege  die  echte  gute  Lesart  der  schlech- 
teren Vulgata  weichen  müssen. 


342  Dziatzko 

facto  fit;  mit  D^G  Phur.  311  ?j(/u  (ohne  at;  die8  vun  L' zugef.); 
mit  AG^Pi  Eun.  411  (vermuthlich  vor  d.  Ras.)  ή  flocci;  mit  C^Pi 
Dscbol.  Andr.  941  (vor  d.  Rae.)  odiü.  Beachten  β  werth  sind 
auch  manche  Fälle,  wo  L  mit  seiner  Lesart,  so  weit  uns  bekannt 
ist,  ganz  allein  steht,  z.  B.  Phor.  423  ducendi  (A  ducenda,  Ό 
ducendü;  d.  übr.  mit  L*  ad  ditcetidum).  Ad.  453  tppe  eet  (viel- 
leicht mit  G  vor  d.  Ras.;  d.  übr.  prope  adesset).  Es  ist  unzwei- 
felhaft, dass  die  unmittelbare  Vorlage  unseres  Codex  oder  eine 
frühere  (vielleicht  auch  mehrere  Vorgänger  desselben)  ans  einer 
zu  einer  anderen  Klasse  gehörigen  Handschrift  mit  einer  Fülle 
von  Varianten  versehen  war  (ähnlich  wie  der  Victorianus),  so 
dass  Lesarten  der  einen  wie  der  anderen  Klasse  in  L  eindrangen. 
Manchmal  haben  sich  beide  Lesarten  neben  einander  behauptet; 
z.  B.  And.  832  ref  recie  tulit,  871  ec  quid,  d'  quid  ie  (von  L^ 
ist  ec  quid  getilgt),  Heaut.  39  ftnt  milü  fem.  Auch  läset  sich 
wahrnehmen,  dass  die  verschiedenen  Abschreiber  eine  verschie- 
dene Praxis  beobachtet  haben  und  bald  sirenger  dem  Grund text 
der  Vorlage  gefolgt  sind,  bald  aber  mehr  Varianten  aufgenommen 
haben,  so  dass  L  in  seinen  verschiedenen  Theilen  dieser  oder 
jener  der  sonst  bekannten  Terenzhandschriften  sich  mehr  zu  nähern 
scheint  (in  Hec.  und  Heaut.  besonders  dem  Cod.  Ε  und  1)-,  in 
Eun.  und  Phor.  dem  Cod.  D^;  in  den  Adelphoe  tritt  die  grosse 
Aehnlichkeit  mit  V  hinzu,  in  der  Hecyra  mit  F,  wobei  auf  Umpf. 
Praef,  p.  XLIV  adn.  2  zu  verweisen  ist).  Im  Ganzen  bildet  L 
mit  E,  vor  welcher  Handschrift  jene  aber  den  Vorzug  verdient, 
ein  Mittelglied  zwischen  den  Hauptvertretern  der  beiden  bekannten 
Klassen  der  Calliopiani,  D(besonders  D^)G  auf  der  einen  und 
CFP  auf  der  andern  Seite. 

Jedenfalls  geht  aus  diesen  Mittheilungen  über  den  Codex  L 
hervor,  dass  auch  obige  didaskalische  Notiz  zum  Heauton  tinioru- 
menos,  von  welcher  wir  ausgingen,  auf  volle  Beachtung  Anspruch 
machen  darf.  Der  vollständige  titulus  dieses  Stückes  —  er  steht 
auf  Bl.  53*  (oder  52*  nach  der  modernen  Blattzählung)  und 
schliesst  unmittelbar  an  die  suhscriptio  des  Phormio  an  —  lautet 
also  (in  Majuskeln):  Inclpit  Heautontimerumcnos.  Acta  ludis  Mc- 
galensihus  |  Cornelio  Lenhdo.  L.  Valerio.  Flacco.  aedil  curul  Σ  ff  er  c. 
L.  Ambiuius.  \  Turpio,  L.  Attilius,  Pneslmus.  Modos  fccit  Fhiccus 
Claudi  tibiis  \  inparibus.  deinde  duabus  dc^dris.  Greca  Menandri. 
Facta  II  M.  lunio  \    T.  Semphronio  Coss.^     Man  sieht,  die  Di- 

^  Hinter  der  Zahl  II  scheint  die  Dinte  eines  Punktes  abg^esprungen 
zu  sein. 


Haudsühriftliches  zu  Tereiiz.  343 

iluHkalie  stimmt  im  Wesentlichen  mit  der  Fassung  überein,  welche 
wir  der  Calliopischen  Kecension  zuschrieben;  nur  sind,  von  klei- 
neren Fehlern  abgesehen,  hinter  fibüs  die  Worte  acta  jmmum 
(oder  primo)  ausgefallen.  Wenn  nun  Codex  L  die  Zahl  II  bietet, 
so  gab  jedenfalls  die  Reihenfolge,  in  welcher  er  die  Lustspiele 
selbst  enthält,  nicht  dazu  Anlass;  denn  diese  ist  die  in  D,  G 
u.  8.  w.  übliche  alphabetische  (Andr.  Ad.  Eun.  Phor.  Heaut.  Hec). 
Auch  das  ist  ausgeschlossen,  dass  diese  Zahl  unserem,  etwa  ohne 
Nummer  überlieferten  Stücke  beigelegt  wurde,  weil  sie  gerade 
noch  zur  Verfügung  stand;  während  nämlich  die  Zahlen  I,  III, 
V  und  VI  nicht  vergeben  sind,  ist  als  zweites  Stück  schon 
vorher  der  Eunuchus  wie  in  allen  andern  Handschriften  so  auch 
in  L  benannt. 

Was  sich  aber  im  Cod.  L  befand,  scheint  wenn  auch  nicht 
von  der  ganzen  Klasse,  zu  welcher  L  gehört,  so  doch  von 
einem  Theile  derselben  und  ebenso  von  ihrem  Archetypus  zu 
gelten.  In  Ε  zunächst  heisst  es  mit  einer  Umstellung,  einer 
Erweiterung  der  auch  in  L  vorhandenen  Lücke  und  mit  der  Aen- 
derung  des  üblichen  Facta  in  Acta  (nach  Umpf.):  Pnestinus, 
Greca  Menandri  \  Acta  secimda,  Modos  fecit  Flaccus  Claudi  tibiis 
duab:  \  dextris.  Marco,  cet.  (in  Majuskeln).  Der  Decurtatus  (G) 
fehlt  zu  dieser  Partie  (s.  Umpf.  zu  Phor.  779);  ebenso  das  frag- 
mentum  Vindof)anense  (V).  D  hat  nicht  das  etwas  räthselhafte 
FACTA  ZVM.  IVNIO,  welches  der  Apparat  bei  Umpf.  aufweist, 
sondern,  wie  Herr  Prof.  Vitelli  in  Florenz  die  Güte  hatte  fest- 
zustellen, FACTA.  IVM.  IVNIO  mit  leichter,  auch  sonst  bei  der 
Einerzahl  üblichen  Krümmung  des  Zeichens  I,  Es  bedeutet  zu- 
nächst einfach  Facta  IV.  M,  lunio,  wie  auch  im  Basilicanus 
steht  ^.  Eine  einfache  Verschreibung  für  II  oder  III  —  dies 
nahm  ich  Rh.  M.  XX  575  an  —  scheint  die  Zahl  IV  nicht  zu 
sein ;    wie  sie  al)er  zu  erklären  ist,   weiss  ich  nicht  anzugeben  ^ ; 


1  Eun.  937  bis  Heaut.  229  ist  nämlich  im  Cod.  Β  eine  alte,  durch 
iiine  Hand  des  15.  Jahrhunderts  aus  dem  Cod.  D  ergänzte  Lücke  (s. 
Umpf.  zu  Eun.  937). 

3  Eine  blosse  Vermuthung  ist  es,  dass  die  Zahl  IV  vielleicht  in 
Beziehung  steht  zur  alphabetischen  Anordnung  der  Stücke,  welcher  D 
mit  anderen  folgt  und  in  der  ursprünglich,  wie  zu  vermuthen,  der 
Phormio  nicht  als  Formio  an  IV.,  sondern  an  VI.  Stelle  sich  befunden 
hat,  so  dass  der  Heaut.  dann  die  vierte  Stelle  einnahm.  Vielleicht 
enthielt  auch  Donats  verlorener  Coramentar  zum  Heaut.  eine  von  den 


344  Dziatzko 

jedenfalls  steht  diese  Lesart  ganz  vereinzelt.  Die  andere  GMip|>e 
der  Calliopiani  scheint  durchweg  in  Uebereinstimmung  mit  Α 
jenem  »Stücke  die  dritte  Stelle  zuzuweisen. 

Es  gibt  noch  eine  Pariser  Handschrift,  welclie  vjpn  Aug. 
Fritech  (Philol.  XXXII  446  ff.)  der  Familie  der  DG  jjteezählt 
wird  und  ersichtlich  dazu  gehört.  £s  ist  der  Cod.  laflF'Cer  Na- 
tionalbibiiothek  Nr.  10304  (früher  7903.  2  oder  a,  im&ii|)pl.  lat. 
Nr.  847),  auf  Pergament,  aus  dem  11.  Jahrhundert.  ^Üuskunft 
über  ihn,  sowie  über  den  Cod.  lat.  7903  (Colbert  2072)  verdanke 
ich  der  Güte  des  General-Administrators  der  Nationalbibliothek 
Herrn  L.  Delisle  und  insbesondere  des  Herrn  Michel  Deprez, 
welcher  so  freundlich  war  die  erforderlichen  Notizen  aus  beiden 
Handschriften  für  mich  abzuschreiben.  Darnach  hat  die  erstbe- 
zeichnete  Handschrift  die  gleiche  Anordnung  der  Stücke  wie  EL 
(DG),  in  der  Didaskalie  des  Heaut.  dagegen  die  Zählung  Facta 
IIL  Umgekehrt  folgt  der  Paris,  lat.  7903  (10.  Jahrh.)  in  der 
Reihenfolge  der  Stucke  zwar  den  Cod.  CFPB,  in  der  Didas- 
kalie des  Heaut.  aber  der  Gruppe  EL.  In  ihm  lautet  das  Ende 
der  Didaskalie  (in  Majuskeln  roth):  pnestintis  \  greca  Menandri 
prima','  \  acta,  secitnda,  modos  \  fecit  Flaccus,  Claudi  \  iihiis  dtuibus 

p.h 

dextris,  \  M,  lunio  Tito.  Sim  \  f.  rmiio.  consulibua;  Begleitet 
ist  die  Didaskalie  am  Rande  von  einem  ( übrigens  werthlusen) 
Commentar,  in  dem  es  heisst:  Secunda  fahula  heaufoniimornmemts 
quü  TerentitiS  latinus  comiciis  f'ecif.  Wir  sehen  also  in  Bezug 
auf  die  Zählung  denselben  Synkretismus  von  Lesarten  der  beiden 
Zweige  der  Calliopiani,  welcher  sich  auch  im  Texte  des  Dichters 
selbst  wahrnehmen  läset. 

Unter  dem  gewonnenen  Gesichtspunkte  wird  man  die  Lesart 
(icta  secunda  in  der  grossen  Anzahl  von  Handschriften  (34,  darunter 
auch  die  schon  besprochene  Paris.  7903)^,  welclie  Geppert  a.  0. 
S.  557  f.  dafür  aufzählt  und  die  er  z.  Th.  dem  10.  Jahrhun- 
dert zuweist,  und  gar  erst  die  Lesart  Facta  sexuuda^  welche  er 
in  den  Codd.  8453  und  8453  Α  der  Nationalbibliothek  fand, 
nicht  mit  ihm  dem  ^ unglücklich«.'n  Einfall  eines  Grammatikers', 
sondern  der  guten  Ueberlieferung  einer  bestimmten  Handschriften- 

Didaekalien  abweichende  Notiz  über  die  Zählung  dieses  Stückes,  wie 
ähnlich  zu  den  Adelphoe.  Aus  dieser  wäre  dann,  so  Hesse  sich  an- 
nehmen, die  gleiche  Angabe  in  den  Cod.  I)  eingedrungen. 

^  Ferner  gehört  dazu  der  Codex  229  der  hihi.  rcfj.  Hafn.  aus  dem 
H.  Jahrhundert,  welchen  ich  kürzlich  in  Kopenliagen  einsah. 


Uaiidscbriftliühee  zu  Tereuz.  345 

klaKRe  beimeMsen.  Stehen  sich  aber  die  beiden  Lesarten,  Facta  II. 
und  Facta  lil.,  in  der  Weiee  gegenüber,  dass  letztere  zwar  besser 
überliefert  ist,  insofern  sie  der  Bembinas  ausser  der  einen  Familie 
der  Calliopiani  bietet,  die  erstere  aber  der  zeitlichen  Eeihenfolge 
der  Stücke  entspricht,  welche  ihrer  Zählung  ursprünglich  bestimmt 
zu  Grunde  lag,  und  sie  sich  zugleich  in  einer  Handschriften gattung 
tiiidety  deren  selbständiger  Werth  auch  neben  dem  Bembinus  und 
den  anderen  Calliopiani  anerkannt  werden  muss;  so  werden  wir, 
wie  wenn  es  sich  um  die  Entscheidung  bei  einer  verschieden  über- 
lieferten Textstelle  handelte,  ohne  Bedenken  der  erstgenannten 
Lesart  Facta  II.  den  Vorzug  geben.  Die  Entscheidung  wird  uns 
um  so  weniger  schwer  fallen,  als  sich  irgend  ein  Grund  für 
eine  absichtliche  Aenderung  der  Zahl  III  in  II  nicht  denken 
läset.  Umgekehrt  aber  konnte,  wenn  der  Heaut.  die  zweite,  der 
Eun.  die  dritte  Stelle  einnahm,  sehr  wohl  ein  nicht  weitdenken- 
der tibrar'tuSy  wenn  er  im  Prolog  des  Heaut.  die  Verse  16  ff.  las 
'  Nam  quod  rumores  distuJerunt  malitwli,  MtUtas  cantatninasse  GraC' 
cofi,  dum  f'acit  JPaucas  latnias:  id  esse  factum  hie  non  negat\  zu 
der  Ueberzeugung  kommen,  der  Heaut.  sei  mit  Unrecht  als  zweites 
Stück  bezeichnet,  so  dass  er  ihn  dem  zunächstfolgenden,  d.  h.  dem 
Eunuchus,  nachsetzte  und  entweder  selbst  die  Zählung  in  der 
Didaskalie  änderte  oder  diese  Aenderung,  wenn  sie  durch  einen 
Späteren  geschah,  wenigstens  veranlasste.  —  Natürlich  werden  wir 
auch  in  der  Didaskalie  des  Eunuchus  die  Zahl  zu  ändern  haben, 
da  doch  nicht  anzunehmen  ist,  dass  er  sowohl  wie  der  Heaut. 
von  Anfang  an  als  zweites  Stück  gezählt  worden  sei.^  Dadurch 
kommt  auch  die  schon  erwähnte  Nachricht  des  Donat,  welcher 
in  der  Praefatio  den  Eunuch  als  tertio  editam  bezeichnet  (s.  S.  339 
Anni.  1),  zu  ihrer  Geltung. 

Das  für  die  Didaskalien  der  beiden  Stücke,  mit  welchen  wir 
uns  hauptsächlich  beschäftigt  haben,  gewonnene  Ergebniss  scheint 

^  Sehr  wohl  kann  das  Verderbniss  auch  auf  dem  umgekehrten 
Wege  eingedrungen  »ein.  Wenn  nämlich  in  der  Didaskalie  des  Eun. 
nach  Angabe  der  Musikgattung  ursprünglich  vermerkt  war,  dass  das 
Stück  an  denselben  Spielen  zum  zweiten  Male  aufgeführt  wurde  und 
einen  ungewöhnlich  hohen  Preis  davon  trug,  so  konnte  dies  leicht 
Anlass  werden  zu  einer  Aenderung  in  der  darauf  folgenden  Zählung 
des  Stückes.  In  der  Praefatio  des  Donat  hat  sich  jene  Notiz  ausführ- 
lich hinter  der  Angabe  der  Musikgattung  erhalten  (mit  den  Worten 
.  .  .  ageretur  üerum),  daneben  blieb  aber  auch  die  richtige  Zählung 
des  Stückes. 


criicl  ert,    ilnse    idi    es  wage  iluriiii  eine   kume  l'rlKim^ 
nienes    zu  knligifeii,   welcliee  nach  Fr,  Leo's   kürzlich 
ler        tschrift   {XXXVUl  SIT  ff.)    freRebeoen  Darstellung 
en  deu  Teritüli  Je  denen  HHiidHchril'teiiklaeseti  deH  Tereiiz  be- 
soll,     äo    sehr    ich    seine  AuHführung   αΐκ   gedankenreich 
im  zelneD    tordemd    auerkenne,    nanenttioh    dir    Unler- 

i  der  Iwiden  Familien  der  Calliopiani  nach  den  äusseren 

η  der  Verschiedenheit  in  der  Anordnimg  der  Stücke 
DWie  in  dem  Mangel  oder  der  Zugabe  bildlichen  HchmuekeR  (für 
Β  Haupt  Vertreter  der  beiden  Gattungen)  ale  eine  nnnmebr  fest' 
lende  ThatflBche  in  der  Ifeberlicfenrngege schichte  des  Teretis! 
ansehe^;  so  wenig  vermag  ich  in  der  Haupleache  Leo  beisustimirieo. 
Er  HHuht  nämlich  den  schon  in  der  IX.  These  »einer  Inangurol- 
abhandlung  (Quaest,  Aristtiph.  fionnae  1KT3)  autgeetellten  Satx 
durchzuführen,  datis  die  Klasse  DG  —  ich  will  sie  kurz  b,  die 
andere  Abtheilnng  der  Calliop.  aber  γ  nennen  —  die  eigentlichen 
HeprSMcntanten  der  Calliop.  Iteceusion  {mit  alphabetischer  An- 
ordnung der  Stücke)  enthalte^,  Klasse  γ  hingegen  darans  abgeleitet, 
übrigens  dnroh  einen  späteren  Hedigenten  not-hmals  überarbeitet 
sei,  zugleich  aber  aus  einer  alten  Terenzhandschrift  eine  andere 
Reihenfolge  der  Lii-tsj.ii-h-  und  ^U>n  IJild.Tsrhrinn'k  übernommen 
habe.  Dem  gegenüber  ist  meines  Erachtens  znnächst  einzuwenden) 
dasfi  die  BeechrSnknng  des  Einflusses  dieser  Terenzhandechrift 
auf  die  angegebene  η  Aeuseerlichkeiten,  ohne  daee  ans  ihr  auch  der 
Text  eine  ei genthüm liehe  und  bemerkbare  Umgestaltung  in  der 
Klaese  τ  erfahren  hStte,  doch  im  hücheten  Grade  aafTallend  wäre; 
eine  solche  Einwirkung  wird   aber  von  Le^  nicht  behauptet  und 


1  Ein  weiterer  L'nterechied  scheint  mir  zu  sein,  dass  dos  schon 
erwähnte  aechizeilige  Epigramm  Natus—erit  sich  in  DGLE  findet  (V 
fehlt  zum  Anfang  der  Andria  gleich  A),  dagegen  in  CFB  fehlt.     Ρ  hat 

es,  jedoch  in  verstümmelter  Gestalt  (β.  Umpf.  Praef.  S.  XXV),  welche 
nicht  an  eine  »ehr  alte  Ueberlieferung  denken  läset.  Zu  gewagt  wäre 
es,  darauf  weitere  Schlüeee  über  die  Zeit  und  den  Urheber  der  durch 
D  u.  a.  w.  repräientirten  Redaction  zu  hauen.  Das  Epigramm  wird 
von  C.  R.  Opitz  (Leipz.  Stud.  VI  200  f.)  dem  Sulpicius  Apollinaris  zu- 
gesohrieben. 

3  Pft  ein  Tbeil   der    für  b  e  igen  th  um  liehe  η    Lesarten    aich    schon 

bei  Arusianus  Meesius  findet  (vgl.  Herrn.  Schindler,  Observ.  crit.  et  hisl. 

in  Ter.  Diss.  inaug.  [Halae  Sax.   1881]  S.  6—28,   besondere  S.  19  f.),  so 

%»te  {nach  Leo)  Calliopine  apäteaten«  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts 

hr.  angehören. 


Handschriftliches  zu  Terenz.  347 

Hesse  sich  auch,  eoviel  ich  sehe,  kaum  nachweieen.  8udaim 
aher  scheinen,  was  hier  nicht  näher  aaegeführt  werden  kann,  gerade 
die  Leearten  der  Klasse  b  das  regellose  und  schwankende  Eingreifen 
einer  zweiten  Ueberliefemng  auf  einen  anderen  zu  Grninde  liegen- 
den Text  zu  verrathen.  Einen  bezeichnenden  Beleg  hierfür  bieten 
die  Didaskalien,  von  denen  ja  auch  Leo  ausgegangen  ist.  Die 
Uebereinstimmung  beider  Familien  γ  und  b  ist  hier  eine  so  voll- 
ständige, dabei  ihre  Fassung  so  deutlich  eine  mit  Bedacht  redigirte, 
dass  wir  ohne  Zweifel  in  ihrer  Redaction  die  Arbeit  des  Callio- 
pius  zu  sehen  haben.  Ist  es  nun  wahrscheinlich,  dass  dieser 
Redactor  sowohl  den  Eunuch  wie  den  Heauton  timorumenos  als 
zweites,  oder  aber  wenn  nicht  die  Zahl  II  der  Cod.  EL  u.s.  w., 
sondern  die  IV  in  D  (und  B)  das  ursprüngliche  ist,  sowohl  den 
Phormio  wie  den  Ueaut.  als  viertes  8tück  des  Terenz  gezählt 
und  erst  der  spätere  Urheber  der  Recension  γ  die  Zahl  II  im  Heaut. 
in  eine  III  verwandelt  hat?  Oder  ist  nicht  vielmehr  anzunehmen, 
dass  Calliopius  seiner,  in  diesem  Punkte  mit  Α  übereinstimmenden 
Vorlage  folgend,  den  Eun.  als  zweites,  den  Heaut.  als  drittes 
Stück  zählte,  später  aber  im  Archetypus  der  Klasse  b  eine  alte 
Handschrift  von  selbständigem  Werth,  welche  auch  noch  die 
richtige  Zählung  der  Stücke  bot,  zu  Hülfe  genommen,  aus  ihr 
namentlich  eine  Menge  abweichender  Lesarten  über  und  neben 
den  Text  geschrieben  wurde,  von  wo  sie  in  weiteren  Abschriften 
theils  in  den  Text  drangen  (so  jene  Zählung),  theils  als  Varianten 
stehen  blieben  und  auf  diese  Weise  mit  dem  Text  der  Callio- 
pischen  Recension  in  der  mannigfachsten  Weise  sich  verbanden?^ 

Breslau.  Karl  Dziatzko. 


^  Aus  dieser  Handschrift   würde  auch   die   alphabetische  Anord- 
nung der  Stücke,  welche  der  Klasse  b  eigenthümlich  ist,  genommen  sein. 


Ein  neuer  Codex  der  Orammatik  des  Dosithens. 


Bis  vor  kurzem  kannte  man  nur  eine  Handschrift  der  ars 
grammatioa  des  Dositheue,  den  codex  Sangaileneis  902,  eaec. 
IX/X.  S.  Niebuhr  in  den  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  II  (1826), 
392,  Ueener  im  Rhein,  llfne.  XXIV  (1869),  99  und  Keil,  Dosi- 
thei  ars  grammatioa.  Halae.  1871  p.  3.  Hierzu  kamen  vor 
einigen  Jahren  die  Fragmente  im  Monaceneis  601  ^  welcher  von 
Keil  in  der  zweiten  Auegabe  des  Dositheue  (Gr.  Lat.  VII)  neben 
dem  Sangallensie  benützt  wurde. 

Bei  Gelegenheit  handechriftlicher  Untersuchungen  über  die 
pseudodoeitheanischen  Interpretamenta  gelang  es  mir  einen  dritten 
Codex  des  Dositheue  zu  entdecken;  es  ist  dies  der  Har- 
leianus  5  642,  eaec.  IX/X. 

Indem  ich  bezüglich  des  sonstigen  Inhaltes  und  der  allge- 
meinen Beschaffenheit  der  Handschrift  auf  meinen  Vorbericht  ^ 
verweise,  gebe  ich  hier  das' Kesultat  meiner  Untersuchung,  soweit 
es  die  Grammatik  des  Dositheus  betrifft,  mit  den  Modifikationen 
wieder,  die  sich  mir  bei  einer  genaueren  Prüfung  des  Codex  er- 
gaben: Aus  einer  verlorenen  Handschrift  des  Dositheue,  die 
wir  mit  χ  bezeichnen,  floss  durch  ein  Mittelglied  —  y  —  der 
Sangallensis ;  demselben  Archetypus  χ  entsprang  ein  ebenfalls 
verlorener  Codex  z,  der  durch  einen  uns  unbekannten  Zufall  in 
verschiedene  Stücke  zerrissen  wurde;  der  grösste  Theil  dieser 
Trümmer  wurde  von  dem  Schreiber  des  Harleianus  kopiert;  ein 
kleinerer    (die  mittleren  Partien  der  (Tranimatik  enthaltend)   von 


1  S.  Kühl  im  6.  Supplementb.  d.  Jahrb.  f.  Vh.  u.  P.    (1872),    14 
und  G.  Loewe,  Prodromus  gloss.   Lat.  207  sqq. 

2  Sitzungsber.  d.  philos.  -  phil.  u.   liist.  (Ί.  d.  k.  bayer.  Akad.  d. 
W.  1883,  193-203. 


Ein  neuer  Codex  der  Grammatik  des  Dositheus.  349 

dem  des  Monacensis;  doch  benützte  der  letztere  ein  Stück,  da8 
dem  librariue  des  Uarleianu8  nicht  zu  Gebote  stand.  So  er- 
gänzen sich  also  beide  Handschriften  inhaltlich.,  und  durch  Com- 
bination  derselben  erhalten  wir  die  fast  vollständige  Copie  des 
('odex  z.  Die  etwaige  Annahme,  dass  der  Mon.  aus  dem  Har- 
leianus  geflossen  sei,  scheitert  au  dem  erwähnten  Stücke  des  Mon. 
das  im  Harl.  fehlt  und,  wie  die  Ordnung  der  Quaternionen  be- 
weist, immer  gefehlt  hat. 

Aus  diesem  Verhältnisse  der  i\  Handschriften  erklärt  es 
sich,  dass  einerseits  sämmtliche  3  codd.  zahlreiche  Lesarten, 
Lücken,  sogar  viele  Schreibfehler  gemeinsam  haben,  andrerseits 
Harl.  und  Monac.  häufig  eine  engere  Verwandtschaft  unter  sich 
zeigen  als  mit  dem  Sang,  und  z.  B.  sogar  in  der  Zeilenabtheilung 
meist  genau  übereinstimmen  ^ 


^  Sämmtliche  3  codd.  sind  in  St.  Gallen  geschrieben ;  dies  geht 
sowohl  aus  dem  besprochenen  Verhältnisse,  als  aus  ihrer  äusseren 
Aehnlichkeii  hervor;  Sang,  und  Harl.  haben  genau  dasselbe  Format, 
dasselbe  Pergament  und  dieselben  Schriftzüge;  der  Monac.  hat  zwar 
ein  kleineres  Format  (Oktav),  aber  ebenfalls  eine  Schrift,  die  offenbar 
nicht  nur  derselben  Zeil,  sondern  derselben  Schreibschule  angehört.  Unsere 
codd.  waren  eben  Lehr-  und  Lernexeinplare  der  berühmten  Klosterschulc. 
Wann  der  Harl.  und  der  Mon.  aus  der  Stiftsbibliotbek  abbanden  kamen, 
lässt  sich  wenigstens  wahrscheinlich  machen.  Die  grössten  Verluste  erlitt 
die  Bibliothek  von  St.  Gallen,  wie  Weidmann  in  seiner  Geschichte  der 
Bibliothek  von  St.  G.  aktenmässig  bewiesen  hat,  während  der  Konzilien 
von  Konstanz  und  Basel ;  ein  notorischer  ßücherverschleuderer  war 
auch  noch  der  Abt  Kaspar  (um  1450).  Nun  stammt  der  cod.  Monac. 
aus  dem  Nachlasse  des  Nürnberger  Patriziers  Schedel,  welcher  am  Ende 
des  15.  Jahrh.  (ungefähr  1460—1490)  eine  reiche  Sammlung  von 
Büchern  und  Handschriften,  die  später  in  die  bayerische  Hofbibliothek 
übergiii•^,  durch  allmählichen  Ankauf  erwarb.  Infolge  dieses  chrono- 
logischen Verhältnisses  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  Erwerbung 
des  coil.  Monac.  mit  der  erwähnten  Beraubung  der  Stiftsbibliothek  in 
Zusammenhang  stand.  In  jener  Zeit  muss  auch  der  Harl.  entführt 
worden  sein;  doch  habe  ich  nicht  erfahren  können,  wie  er  später  in 
die  llarleianische  Sammlung  kam.  Dass  im  Jahre  1461  beide  Hand- 
schriften der  Stiftsbibliothek  schon  abhanden  gekommen  waren,  beweist 
der  in  diesem  Jahre  abgefasste  Katalog,  in  welchem  nur  die  eine 
Handschrift  des  Dositheus  (N.  902)  genannt  wird.  Der  einzige 
ältere  Katalog,  der  aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrh.  stammt, 
nennt  noch  keinen  Codex  des  Dositheus.  Der  Schluss  Soherers  (Ver- 
zeichniss  d.  Handschr.  d.  Bibl.  v.  St.  G.  p.  318),  der  Codex  des  Dosi- 
theus sei  (wegen  der  mangelnden  Aspirata)  in  Frankreich   geschrieben 


en  ateo,  um  die  LeHiing  des  ÄrchetypuK  χ  »ν  tra- 
rv       tjuellen,  äie  äueeerlich  nuf  gleicher  Stufe   Btehen,  den 
tneie    und    den    kombinierten    Uarleiauiie-MouaceiimB.      Da 
U  flarl.  und  Mon.  viele  Purtien    (femeinstim    überliefern,    so 
.  sich,  dans  dieee  beiden  Handnchriften  im  Falle  einer  Ueber- 
mnng  die  Lesung  von  ζ  (freilich  nicht  die  des  Ärchetypne 
,  mit  gröeeerer  Sicherheit  eraehlieneen  lasBeii  ula  der  ja  immer 
.^reinxelt  Htehende  Sangallenaie  die  Lesung  y.     Hiedureh  ist  die 
•""Γ    neuen  Handwchrift  im  allgemeinen  bestimmt  und 
le  IUI       he  Verwertung  derselben  der  Weg  gezeigt. 
Die  ineereiiE  der  3  Handschriften  oder  vielmehr  der  durch 
ie  repräaentirten  2  codd.  y  ζ  zeigt  einen  eigenartige»  Charakter, 
der  lur  Gewinnung    eines    richtigen  Standpunktes  woht  beachtet 
werden  mnes.     Wir  bemerken  nämlich  neben  den  nntUrtich  auch 
bier   vorkomnienden    Abweichungen,     die  sieh  palSographisch  er- 
klären oder  als  einzelne  Eraendationsversuehe  kennzeiirhnen,  eine 
Menge    absiehtlieher    Aendei-ungen,    so   kleine  UmsteUungen,  Er- 
Hetzung  eines  Wortes  durch  ein  Synonym  u.  β.  w.,    mit  anderen 
Worten,    die  Variauten  sind  grüHstentheilti   redaktioneller  Prove- 
nienz.     Das    praktische    ßedUrftiiss    der    Schule   hat    hier    ohne 
Skrupel    und    ohne    Pietät    gegen    die  Ueberlieferung    freier    ge- 
waltet, als  dies  bei  anderen  Testen  der  Fall   sein  konnte,  wo  der 
literariBohe  Werth    immer    eine    gewieae    Scheu    auferlegte ;    wie 
eehr    gerade   ein  Schulbuch   Umänderungen    aller  Art    anageaetzt 
ist,    beweist,    um    nicht  auf  die    zahlloeen  'Umarbeitungen'    and 
überfttiBBigen    'Verbeseei-ungen'    moderner    Seh  η  Ikom  pendien     zv 
verweisen,    unter    anderem    die   Ueberlieferung   der  früher  anob 
dem    Dositheni    zngeachriebenen    Interpretamenta ;     hier    kennen 
wir    nicht   bloa  6  g9nzlicb  verschiedene  Versionen,    sondern  von 
der  einzelnen  Version  wieder  2  Bezensionen,    die    sieb  dann  erat 
wieder  nach  Uandechriften  gliedern.      Für  die  kritiecbe  Behand- 
lung solcher  Texte  ist  die  etete  Würdigung  diesen  Sachverhaltes 


und  ent  spiLter  nacii  St.  Gallen  gekommen,  da  der  alte  Katalog  (des 
9.  Jahrb.)  nur  anführe  'Liber  astrologiae.  Et  ctimpotue  Uabani  et 
alius  compotus  in  volumine  V,  ist  unrichtig;  denn  dasa  die  hier  er- 
wähnte Handschrift  des  liber  aatrot.  etc.  etc.  dieselbe  sei,  welche  uns 
jetzt  im  cod.  902  vorliegt,  iet  eine  unbewiesene  Voraussetzung;  es 
wurde  vielmehr,  als  Dositheua  und  Interpretamenta  l^nde  des  9.  oder 
Anfang  des  10.  Jalirb.  geschrieben  wurden,  in  detieulbcn  Band  auch 
eine  Abschrift  des  über  astrol.  etc.  etc.  aufgeii 


£in  neuer  Ccnlex  der  Grammatik  des  Dositheus.  851 

von  grösster  Bedeutung,  und  wenn  auch  bei  der  ars  des  Dosi- 
theus die  Sache  so  schlimm  nicht  steht,  darf  doch  der  angedeutete 
Gesichtspunkt  nicht  aus  dem  Auge  gelassen  werden.  Welche 
lleberlieferung  nun  bei  unserem  Texte  Recht  hat,  bleibt  nur  zu- 
weilen zweifelhaft,  meistens  ist  das  Richtige  mit  völliger  Sicher- 
heit zu  erkennen;  z.  B.  schreibt  Keil  397,  10,  dem  Sang,  folgend: 
Quaedam  nomina  sunt  quae  per  se  sine  alterius  partis  orationis 
ammin iculo  intellegi  non  possunt  Τινά  ονόματα  elcTiv  &  καθ*  έαυτά 
av€u  έτερου  μέρους  λόγου  προσβολής,  δνβυ  του  ίτβρον  (cod. 
av€i  του  €τρο)  μβρος  λόγου  προσθ€Ϊναι,  νοηθήναι  (cod.  νοντην) 
ου  δύναται.  Der  Harleianus  dagegen,  mit  dem  der  Monacensis 
hier  genau  übereinstimmt,  liest:  α  καθβαυτα  αν€υ  €τρου  μβρος 
λόγο  (corr.  μ€ρους  λογού)  προ(Τβοηθαν€ΐ  νοητ€ΐν  ου  δύναται, 
was  wohl  zu  emendiren  ist:  &  καθ'  έαυτά  άν€υ  έτερου  μέρους 
λόγου  προσβοηθ€ίας  νοηθήναι  ου  δύναται.  Wie  die  genaue 
Uebereinstimmung  des  Harl.  und  Mon.  zeigt,  stand  diese  Variante 
schon  im  cod.  ζ  und  zwar  in  derselben  etwas  korrupten  Form, 
in  der  nie  uns  im  Harl.  und  Mon.  erscheint;  folglich  kann  sie 
auch  nicht  von  dem  Schreiber  des  cod.  ζ  stammen,  sondern  wurde 
von  diesem  im  Archetypus  χ  vorgefunden ;  ob  die  Form  προίΤβο- 
ηθαν€ΐ  selbst  schon  in  χ  stand,  oder  ein  undeutlich  geschriebenes 
προσβοηθειας  von  dem  librarius  des  ζ  in  προςβοηθαν€ΐ  ver- 
lesen wurde,  bleibt  gleichgiltig.  Statt  des  einfachen  προ<Τ- 
βοηθαν€ΐ  nun  hat  der  Sang,  προσβολής  mit  dem  Beisätze 
άνευ  του  έτερον  μέρος  λόγου  προσθεϊναι;  dass  diese  lahme 
Erklärung  eine  Interpolation  ist,  liegt  auf  der  Hand,  und  Keil 
hätte  sie  wenigstens  nicht  ohne  Klammern  in  den  Text  setzen 
sollen;  aber  auch  προ(Τβθλής  passt  zu  amminiculo  nicht  so  gut 
wie  προσβοηθείας ;  kurz  die  ganze  Variante  des  Sangallensis 
stammt  von  dem  Schreiber  des  cod.  y  ^,  der  in  χ  ein  halbver- 
wischies  Wort  fand  und,  anstatt  wie  der  Schreiber  von  ζ  es 
sinnlos  nachzumalen,  eine  £mendation  für  angebracht  hielt  und 
dieselbe  gleich  auch  kommentirte.  Ob  die  also  ermittelte  Lesung 
des  Archetypus  gut  griechisch  ist,  braucht  kaum  erörtert  zu 
Averden;  denn  die  FragC  der  Klassizität  muss  bei  dem  griechi- 
schen Texte  dieser  ars,  der  nichts  ist  als  eine  wörtliche,  oft 
schülerhafte  Uebersetzung  des  lateinischen  ^,  ausser  acht  bleiben, 

^  Nicht  von  dem  des  Sang,  selbst ;  denn  dieser  war,  wie  aus  dem 
Codex  deutlich  hervorgeht,  des  Griechischen  viel  zu  wenig  kundig,  um 
interpolieren  zu  können. 

2  Ueber  Zweck  und  Entstehung  dieser  griechischen  Uebersetzung 


362  Krumbaoher 

und  hier  gar  in  einem  einseinen  Falle  ermitteln  xn  wollen,  ob 
DoBitheuB  selbst  so  sohlecht  übersetste  oder  ob  in  dem  bedenk- 
lichen Griechisch  die  grobe  Hand  späterer  Schüler  nnd  Sohnlmeiiiter 
zu  erkennen  sei,  hiesse  leeres  Stroh  dreschen.  Wir  haben  dieses 
Buch,  dessen  Text  durch  den  Schulgebrauch  jedenfalle  vielfach 
abgeschlissen  ist,  so  zu  nehmen,  wie  es  in  der  ältesten  fUr  nneere 
Augen  erreichbaren  Form  d.  h.  in  dem  Archetypus  χ  den  Schrei• 
hem  y  und  ζ  vorlag,  und  die  kritische  Thätigkeit  wird;  soweit 
sie  den  griechischen  Text  betrifft,  in  erster  Linie  nur  den  Zweck 
verfolgen  können,  jene  Form  möglichst  sicher  zu  ermitteln.  Aber 
auch  beim  lateinischen  Texte  ist  die  grösste  Behutsamkeit  ge- 
boten; denn  wer  dergleichen  Schriftstficke  nach  den  GrundeStzen 
der  Klassizität  korrigirte,  in  dem  Glauben,  dadurch  die  aathen- 
tische  Form  derselben  herzustellen,  beginge  einen  methodischen 
Fehler,  von  dem  sich  freilich  selbst  Lachmann  in  dem  ausge- 
zeichneten ^Versuche  über  Dositheus'  ^  nicht  ganz  fref  erhalten 
hat.  So  kann  z.  B.  der  Ausdruck  'in  civitate  Romana',  den  er 
(p.  197)  gar  so  unerträglich  findet,  nicht  mehr  so  sehr  befrem- 
den, wenn  man  die  Anwendung  von  civitas  =  urbs  bei  Sallust, 
Yitruv,  Tacitus,  Sueton,  Petron,  Apulejus  und  anderen  vergleicht 
S.  E.  Wölfflin,  *Ueber  die  Latinität  de»  Afrikaners  Cassius  Felix' 
p.  401  f.  (Sitzungeber.  d.  k.  bayer.  Akad.  d.  W.  1881).  Während 
man    früher    solche    Dinge    noch    kühn  wegemendierte,  sind  wir 


ist  uns  nichts  tiberliefert,  und  es  ist,  obschoti  bisher  niemand  daran 
zweifelte,  nicht  einmal  sicher,  ob  Dositheus  selbst  dieselbe  verfasste. 
Jedenfalls  aber  sollte  sie  nicht  zur  Erlernung  des  Griechischen  dienen, 
sondern  dem  Bedürfnisse  lateinisch  lernender  Griechen  Rechnung  tragen. 
In  St.  Gallen  allerdings  wurde  der  griechische  Text  der  ars,  seinem 
ursprünglichen  Zwecke  entgegen,  zuweilen  (so  ofifeubar  vom  Schreiber 
des  cod.  z)  auch  zum  Unterrichte  im  Griechischen  missbraucht.  S. 
p.  354.  65. 

*  Kleinere  Schriften  II  196—216.  Der  von  Lachmann  behandelte 
juristische  Traktat  gehört  zwar  nicht,  wie  man  damals  annahm,  dem 
Dositheus;  doch  hat  er  ganz  ähnliche  Schicksale  erlitten  wie  unsere 
ars  und  verlangt  eine  ähnliche  ßehandhiug.  Wie  in  der  ars  des  Dos. 
mancher  Schnitzer,  den  wir  zu  emendiercn  uns  versucht  fühlen,  auf 
Rechnung  des  Grammatikers  selbst  kommen  mag,  so  dürfte  in  den 
Ερμηνεύματα  Leidensia,  denen  jener  Traktat  angehört,  manches,  was 
L.  späteren  Abschreibern  und  Schulmeistern  in  die  Schuhe  schiebt, 
dem  anonymen  Autor  selbst  angehören,  der  für  <len  praktischen  Ge- 
brauch schrieb  und  keiner  Richtung  ferniT  stand  als  der  puristischen. 


£ίη  neuer  Codex  der  erammatik  des  Dositheus.  863 

etwas  behutsamer  geworden  und  begnügen  uns,  vorerst  sämmt- 
Hche  Erscheinungen,  die  ausserhalb  des  Altgewohnten  stehen, 
zu  registrieren,  um  dadurch  vielleicht  ein  Gesetz  zu  finden, 
welches  ebensoviel  Eecht  hat  als  das  klassische,  und  welches 
uns  nach  einiger  Beschränkung  die  wahre  Freiheit  geben  wird. 
Wie  schon  oben  angedeutet  ist,  gingen  die  erwähnten  re- 
daktionellen Aenderungen  nicht  von  den  Schreibern  der  uns 
überlieferten  Handschriften  aus;  denn  dieselben  standen  offenbar 
auf  der  niedrigen  Stufe  griechischer  Bildung,  welche  Bursian  ^ 
mit  Recht  als  die  im  9.  Jahrh.  gewöhnliche  bezeichnet;  ihr 
Wissen  beschränkte  sich  allem  Anscheine  nach  auf  die  mecha- 
nische Kenntniss  einiger  Wörter  und  Phrasen;  von  einem  wirk- 
lichen Eindringen  in  die  Sprache  ist  keine  Spur.  Selbst  der 
Schreiber  des  Sangallensis  konnte  wenig  Griechisch,  obschon 
seine  Schrift  etwas  mehr  Routine  zeigt  als  die  der  beiden  anderen 
librarii;  die  bewussten  Abweichungen  vom  überlieferten  Texte 
(des  cod.  x)  sind  also  auf  die  Schreiber  von  y  und  ζ  zurück- 
zuführen. Da  der  Sang,  wie  der  Harl.  und  Mon.  aus  dem  £nde 
des  9.  oder  dem  Anfange  des  10.  Jahrh.  stammen,  werden  wir 
uns  die  codd.  y  ζ  wohl  im  9.  Jahrh.  und  wahrscheinlich  auch 
in  St.  Gallen  geschrieben  zu  denken  haben.  Denn  eine  Menge 
von  Fehlern,  die  otfenbar  schon  in  y  und  ζ  vorhanden  waren, 
deuten  auf  eine  schon  ganz  barbarische  Zeit  und  eine  Gegend 
hin,  wo  das  Griechische  nur  kümmerlich  und  künstlich  gepflegt 
wurde.      Im    9.    Jahrh.    wurde,    wie    wir   aus  anderen  Quellen  ^ 


1  Bursians  Jahresber.  1878,  13. 

2  Von  Arx  'Geschichte  des  Kantons  St.  Gallen*.  1810,1  184.260. 
Uefele  'Wissenschaftlicher  Zustand  im  südwestlichen  Deutschland  und 
in  d.  nördl.  Schweiz  während  d.  9.  10.  11.  Jahrh.*  in  der  Tübinger 
theol.  Quartalschrift  1838,  214.  Weidmann  'Gesch.  d.  Bibl.  v.  St. 
Gallen.  1841,  9.  37.  Gramer  'De  Graecis  medii  aevi  studiis*  pars  II 43. 
Stralsund.  1863.  E.  Dumm  1er  'St.  Gallische  Denkmäler  aus  d.  Ka- 
rol.  Zeit  p.  268*  (12.  Band.  d.  Mittheil.  d.  antiqu.  Gesellsch.  zu  Zürich 
1869).  Ekkeharti  (IV)  Casus  sancti  Galli  ed.  von  Gerold  Meyer  von 
Knonau,  St.  Gallen  1877,  160.  323.  844.  H.  Jacoby,  'Ueber  die 
klass.  Bildung  im  Mittelalter*  allgemeine  Zeitung  1881,  2122.  2139. 
C.  Bursian  'Gesch.  der  classischen  Philologie  in  Deutschland*  1883,  28. 
Uebrigens  ist  hier  eine  Ungenauigkeit  zu  korrigieren,  die  sich  durch 
die  ganze  angeführte  Literatur  hindurchzieht,  nämlich  die  bald  mehr, 
bald  weniger  bestimmt  ausgesprochene  Meinung,  das  Werk  des  Dosi- 
theus  sei  eine  griechische   Grammatik,    während  doch  diese  ars  mit 

Bheio.  Μα•.  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX.  23 


ο,   lu      ι.  G-allen  GrieehiBcIi  getrieben;  wenn  Dümmler  a.  α. 

■-        ich    fragt,     ob    die   Lehrer   racli     Detituehland    verachlajr^iie 

ihen  oder  etwa  iriRcht*  Mönche  waren,  so  scheint  die  Schrei- 

ler  <-Λΐ\ά,  y  ζ    bald    die  eine,    bald  die  andere  Möglichkeit 

eilirworten;    Zuiiiit/e    wie    der    oben    beeprofliene    im    Sang. 

enier    doch    wohl    von    einem  Griechen  etammen,  die   Unmasse 

der  groben  Schreib-  und  J^sefehler  dagegen,  die    in  y  ε  Λ■orhan- 

en  waren,  einem  Hellenen  auzuninten,  wäre  kd  etark ;  das  Rieh- 

lige  wird  daher  die  Annahme  treffen,  dnae  bei  dem  Betriebe  der 

grieohiechen  Studien  in  At.Oatleu  wohl  vielleicht  dann  und  wann 

ein  Grieche  mitwirkte  ^,  im  allgemeinen  aber  Leute  diese  Spraehe 

lehrten,  die  selbst  des  Lehrers  bedurft  hätten. 

Bei  einielnen  Varianten  ist  ee  nun  allerdingw  detillich,  dasü 
der  Schreiber  des  Hnrleianas  büw.  der  des  cod.  ζ  IrntB  seiner 
'breite porigen  Ignoranz  mehr  aU  die  librarii  dos  Sang,  und  dee 
cod.  y  mit  jener  oklavischon  Sorgfalt  kopierte,  die  so  oft  eine 
Folge  und  ein  Zeichen  der  UnwifiBenheit  iet;  auch  haben  wir  μ 
dieser  Sorgfalt  ku  danken  daes  im  Harl.  mehrere  kleine  Lücken 
des  Sang,  ihre  Ergänznng  finden.  Im  allgemeinen  aber  ist  der 
HarleianuB  nnr  mit  der  ffrössten  Voreicht  /u  benüt.Ben;  denn  der 
SchreihiT  von  t  liiit,  wie  sdmn  oben  angedeutet  ist,  den  ihm 
vorliegenden  l'ext  in  freiester  Weise  nmgeetaliet;  er  läset  na- 
mentlich alles  weg,  was  nur  aaf  das  Lateinische  Bezng  hat,  eo 
die  Dichteretellea  and  einige  Abschnitte,  wo  die  griechiecbe 
Uebersetzang  von  Anbeginn  fehlte  (z.  B.  Eeil  p.  42β  f.),  er 
tibersetzt  die  griechischen  Termini  im  lat.  Texte  wörtlich  im 
Lateinische,    sncht    zuweilen    das    Lat.    dem  Grieeh.    noch    bncb- 


der  griechiachen  Sprache  nicht  das  Geringste  zu  thun  hat.  S.  von 
Arx  I  1β4  ('die  griechische  Sprache,  welche  die  Fähigeren  aus  der 
Grammatik  des  Uositheua  lernten'J;  Hefele  p.  214;  Jacohy  p.  2133. 
Weidmann  nennt  (p.  461)  unter  den  llnndschrirten  von  St.  Gallen 
geradezu  die  'griechiache  Sprachlehre  dea  Doaitheua'  und  noch 
Buraian  drückt  aich  über  dieaeu  l'unkt  nicht  deutlich  genug  ans. 
Griechiach  lernten  die  fratrea  Kllinici  weniger  vci  mittelst  der  einem 
TlieilederarsdcsDos.  beigegelicnengriechiaclicn  Uobereetnung  {s.  p.  352) 
ala  vielmehr  aus  den  Interpretamenta.  Die  Veranlassung  ziimlrrtume 
gab  offenbar  die  Verwecliaelung  dieses  Schulbuches  mit  der  Grammatik 
des  Dositheus. 

1  Man  könnte  an  die  Hßirath  Otto  II,  denken;  die  damalige 
Verbindung  mit  dem  byzantinischen  Hofe  führte  jedenfalls  verschiedene 
Griechen  nach  I>eutschland, 


£ία  neuer  Codex  der  erammatik  des  Dositheus.  35δ 

stäblicher  anzupassen  ^.  Die  Hauptmasse  der  Varianten  erklärt 
sich  auf  diese  Weise.  Weniger  zahlreich  sind  die  Stellen,  wo 
der  Harl.  wirklich  und  zweifellos  die  bessere  Ueberliefemng 
bietet.  Ausser  dem  oben  etwas  ausführlicher  behandelten  Bei- 
spiele kommen  etwa  noch  folgende  Varianten  in  Betracht^:  Keil 
ρ  377,  1  perpendimus  et  discernimus;  im  Sang,  ist  hier  eine 
Lücke,  welche  Keil  mit  diiudicamus,  Hagen  mit  aestimamus  aus- 
füllen wollte.  377,  2  sillabae  comprehenduntur  dictionibus  m 
σιλλαβαι  περιλαμβάνονται  εις  λεΕεις  .  377,  12  et  antepeneulti- 
mani  sillabam  (st.  ei  proximam  s.);  die  Lesung  des  Harl.  wird 
bestätigt  durch  Diomedes  (Gramm.  Lat.  I  431,  11).  378,  6  ut 
ora  Roma  (Sang.  om.).  378,  1  seu  breuis  sit.  378,  8  ut  deus 
(ut  Sang.  om.).  378,  12  πλειους  συλλαβας  (συλλ.  Sang.  om.). 
379,  2  acutum  habet.  381,  8  litterae  nomen   figura    (Sang.  om.). 

381,  11    ex    quibus  duo.  382,  1,  5  und  9  sillabam    (Sang.  om.). 

382,  2  numero  (Sang.  om).  382,  3  ut  pix  (ut  Sang.  om.). 
3S2,  11  aulum  solum.  382,  12  sillabas  (Sang.  om.).  384,  2 
tam  praeponitur  u.  quam.  3S4,  13  nota  numeri  cum  cen- 
tum  significat  σημιο  χρηματισμού  (corr.  prim.  man.  αρηεμου) 
οπότε  Ρ  σημαίνει  (numeri,  χρηματισμού  und  αριθμού  Sang.  om.). 
385,  3  quingenta.  385,  10  tam  praeponitur  uocalibus  και  προ- 
τάσσεται φωνοις  (!)  και  (Sang.  om.).  386,  1  item  honores  uel 
dignitates  cum  indicat  questorem  (uel  dignit.  Sang,  om.);  dass 
der  Schreiber  des  Sang,  diese  Stelle  nachlässig  kopierte,  zeigt 
das  doppelt  gesetzte  cum  questorem;  um  so  weniger  dürfen  wir 
zaudern  uel  dignitatis  (ή  άΕιώματος)  in  den  Text  aufzunehmen. 
38G,  4  attulit  (Sang.  om.).  386,  6  dict  e.  393,  1  casus  (Sang.  om.). 
430,  1  uerba  quae  passiua.  430,  13  copinor  (wie  Sang.);  daher  ist 
nicht  mit  Keil  cauponor,  sondern  coponor  zu  schreiben.  433,  6  ενα 
tutus  sum  (sum  Sang.  om.).  434,9  surgo  (prim.  man.).  434,  12  pre- 
scribo  περιγράφω;  ebenso  liest  der  Sang.;  Keil  schreibt  πρόγραφα), 
doch  ist  vielleicht  zu  vergleichen  das  Gespräch  der  Tnterpreta- 
menta  Monacensia,  wo  die  bessere  Ueberlieferung  (die  Münchener 
Handschriften)  περιγράφω  praeduco  bietet.  435,  28  compilo 
συναρωπακιΐω    (Sang,  συνόρωπακιΐω) ;    Keil   setzt  in  den  Text 

^  Der  Grund  dieses  Verfahrens  ist  leicht  einzusehen:  der  Schreiber 
von  ζ  benutzte  die  ars  des  Dos.  offenbar  auch  zum 'Unterrichte  in  der 
griechischen  Sprache. 

2  Sollte  jemand  für  eine  genauere  Mittheiluiig  der  Varianten  ein 
privates  Interesse  haben,  so  steht  meine  vollständige  CoUation  gerne 
zur  Verfügung. 


lacbpr  Ein  ncuir  Codex  der  Grammatik  des  Doeitbcus, 

.-..,  beim  Hocliamle    in    griechischer    Sprache    ge- 

"^       ;'.     S.  von  Ärx'Gtechichttf  des  Kantons  St  Gallen" 

f\.  besondere  '  Ekkeharti  Casus  St  Galli  ed.  v,  Meyer 

oiiod    p.  344.     Beide  grif.chiBchc  Texte  fjoden  sich  daher 

iiner  beträchtlichen  Zahl  .St.  Gallent-r  Handechriften  (bes.  des 

nnd   11.  Jahrhunderte);    die  Nachweise    s.   bei  Sclierer  'Ver- 

d       HandBchriften   der  Stiftsbibliuthck   von   St  Gallen 

β  verlohnt  eich  wohl,    beidu  Texte    in    der    oiFciibar 

I  if    der    damaligen  Aussprache  Rondern  auch  auf  der 

)  Sangweise  beruhenden  Schreibung  des  Codex   mit- 

<xa  nipeislis  theo  kepigis  irini  euaii  tropiN  eudokia  eiiu- 
mense  eulo^^-mense  proekinuniense  doxologiimense  eukaristamcRsi 
diatin  megalinsu  uoxan  kirrie  basileu  epuraniu  thee  patir  panto 
crator  kirie  ye  monogeni  yfuXpe  ke  agion  pneiinia  kirrie  ofheos 
uannos  tutheu  oyos  tu  patroR  ocrontin  amarthian  tneosuin  cleyeon 
ymas  oeroutaa  aniarthinn  tucoemu.  prosdexc  tindciüon  iinon  ucati- 
menoB  eii  dexia  tu  patrüfl  eleynon  inias  olo  eymouos  agyoti  ni  y 
monoe  kirrioe  hi  y  monoa  ipsistoe  yeua  chrietos  sin  agion  pneu- 
mati  isdoxan  IbenpatroR  ainin 

Αγιιυς  αγιιυς  αγιως  κιριος  σαβαωτ  πλιρις  κ€ΐίτις  ΙιιυΕις 
liicavva  iv  τις  incicTic  £uλoγιμ£VUJC  ω  epKoptvuJC  κ^νανομαη 
κφίου  lucavva  ev  Tic  iitcictic 

Statt  der  nölhigen  Kim-ndatinufn  füge  ich  beide  Texte  in 
der  Gestalt  bei.  wie  sie  heutzutage  in  der  griechischen  Kirche 
gesungen  werden ; 

Αό£α  έν  ύψίοτοις  θεψ  και  έττΊ  γής  ειρήνη  έν  άνθρώποις, 
εύ&οκία.  Ύμνοομεν  (Τε,  εύλοτούμέν  σε,  ττροίκυνοϋμΕν  de,  ίϊο£ο- 
λογοϋμεν  σε,  εΟχαριστοΰμεν  σοι  biö  τήν  μεγάλην  σου  boEav. 
Κύριε  βασιλεΰ,  ΐπουράνιε  θεε,  πάτερ  πηντοκράτορ,  κύριε  υΙΙ 
μονογενές,  ΊησοΟ  Χριστΐ  καΐ  αγιον  πνεΟμα,  Κύριε  ό  θεός,  ό 
αμνός  τοΟ  θεοΟ.  ό  υιός  τοΰ  πατρός,  ό  αΐριυν  τήν  άμαρτίαν  τοο 
κόσμου"  έλέησον  ήμδς,  ό  αίριυν  τάς  αμαρτίας  τοΰ  κόσμου. 
TTpoObeEai  τί|ν  b€ησιv  ημών,  ö  καθήμενος  έν  οεΕιά  τοΟ  πατρός, 
και  έλέησον  ίιμας.  "Οτι  (Τΰ  εϊ  μόνος  αγιος,  σύ  εΤ  μόνος  κύ- 
ριος, ΊησοΟς  Χριστός,  είς  δόΕαν  ΘεοΟ  πατρός.     'Αμήν.  — 

"Αγιος  αγιος  δγιος,  κύριος  Σαβαώθ,  πλήρης  ό  ουρανός 
και  ή  γη  της  ί)όΕης  σου,  ωσαννά  έν  τοΐς  ύψίστοις.  Ευλογη- 
μένος ό  ερχόμενος  έν  ονόματι  κυρίου,  ωσαννά  έν  τοϊς  ύψίστοις. 

München.  Κ.  Krumbacher. 


'  Auch  iu  Sl.  Ucnys  wurde  im  9.  und  10.  Jabrii.  das  Cri'do  nnd 
Gloria  griechisch  gesungen;  s.  hierüber  Dr.  H.  Grauurt  'die  Kuri- 
ütautiniecbu     Schenkung      im     liist.    Jahrbucb     der     (iörrL-EgcBcIlscbart 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  in  der  Valgata  des 

Stobäischen   Florilegium. 


lam  igitur  quod  per  iria  saecula  lUieras 
turpavit  concidat  Gesneri  inventum, 

Val.  Rose  Sorani  Gynaec.  praef.  p.  IV. 

Zu  den  Avichtigeren  Fragen,  welche  auf  dem  Gebiete  der 
Stobäuskritik  ihrer  Lösung  harren,  gehört  die  nach  der  ursprüng- 
lichen Reihenfolge  der  einzelnen  Eklogen,  insonderheit  im  Hin- 
blick auf  die  Bedeutung,  welche  derselben  für  die  Erforschung 
der  von  Stobäus  benutzten  Quellen  zukommt.  Um  aber  diese 
bisher  fast  ganz  vernachlässigte  Frage  allmählig  ihrer  Lösung 
näher  zu  führen,  bedarf  es  als  erster  Grundbedingung  der  völ- 
ligen Klarlegung  der  Ueberlieferung.  Einen  Beitrag  gab  nach 
dieser  Richtung  eine  frühere  Abhandlung,  wenigstens  insoweit  es 
damals  galt,  die  Beziehungen  des  dort  untersuchten  Bruxellensis 
(Br)  zu  dem  flor.  Laur.  (L)  ins  Licht  zu  setzen,  so  wie  die 
Fäden  aufzuweisen,  welche  diese  Gruppe  wiederum  mit  den 
übrigen  Stobäushandschriften,  nämlich  mit  der  Handschrift  des 
Mendoza  (M),  soweit  sie  damals  bekannt  war,  und  dem  ihr  nahe, 
wenn  auch  nicht  in  dem  von  Gaisford  flor.  v.  I  praef.  p.  XII  ed. 
Ox.  angegebenen  Verhältniss  verwandten  cod.  Paris.  1984  (A), 
ferner  mit  der  Wiener  Handschrift  (S)  und  endlich  mit  den  der 
letzteren  nahe  stehenden  Handschriften  verknüpfen,  die  man  als 
die  Trincavellische  Recension  (T)  bezeichnen  mag. 

Nachdem  sich  der  Unterzeichnete  während  dreier  Monate 
des  Winters  1882/83  auch  in  den  Besitz  einer  vollständigen  Col- 
lation  der  Escorialhandschrift  gesetzt  hat  ^,  hält  er  den  Zeitpunkt 


*  Wie  bereits  De  Stob.  flor.  exe.  Br.  p.  25  bemerkt  wurde,  war 
ich  schon  vor  meiner  spanischen  Reise  durch  W.  Dindorf  im  Besitze 
einer  Collation  des  ersten  Gaisfordschen  Bandes.     Ich  absolvirte  daher 


360  Henee 

für  gekommeiii  die  erwähnte  Frage  um  ihrer  selbst  willen  auf- 
zunehmen, nämlich  die  Ueberlieferung  wenigstens  in  Bezug  auf 
die  haupteächlioh,  wenn  auch  keineswegs  ausschliesslich  in  Be- 
tracht kommenden  Anfangskapitel  (1 — 6)  des  dritten  Buches  des 
Stobäischen  Gesammtwerkes  klar  zu  stellen,  oder  was  dasselbe 
sagen  will,  die  Gewähr  der  in  der  Vulgata  gebotenen  Eklogen- 
folge  an  der  Ueberlieferung  zu  prüfen.  Die  Frage  nach  der  Ge- 
währ der  Reihenfolge  der  Yulgata  d.  h.  der  heute  üblichen 
Keihenfolge  in  den  Mittelpunkt  zu  rücken,  empfiehlt  sich  durch 
die  Beobachtung,  dass  die  genannten  drei  Gruppen  der  ueber- 
lieferung LBr,  MA  und  ST  in  den  erwähnten  Partien  trotz  man- 
cher Abweichung  im  Einzelnen  doch  unter  einander  eine  augen- 
fällige Verwandtschaft  zeigen,  während  sie  in  einen  gleich  starken 
Widerspruch  mit  der  somit  völlig  isolirten  Vulgata  treten.  Diese 
Thatsache  föllt  um  so  schwerer  ins  Gewicht,  als  in  L,  d.  h.  der 
nächst  Photius  ältesten  Stobäusüberlieferung  wenigstens  das  fünfte 
und  sechste  Kapitel  des  dritten  Buches  erhalten  ist,  von  denen 
das  erstere  zumal  in  Verbindung  mit  den  Excerpten  von  Br  zahl- 
reiche Rückschlüsse  auch  für  das  erste  Kapitel  zulässt.  Nur 
indirekt  läset  sich  dagegen  für  die  in  Rede  stehende  Partie  S 
heranziehen,  insofern  die  ältere  Hand  des  Vindob.  erst  auf  f.  6** 
mit  Ekl.  7,  74  όρώ  b'  ίγωγε  (ν.  Ι  ρ.  178,  8  Mein.)  beginnt, 
wie    schon   Gaisford  Stob.  Ecl.  v.  11  p.  860   richtig    bemerkte  ^ 


zunächst  die  beiden  folgenden  Bände  und  hatte  dann  noch  Zeit,  vol.  1 
in  Hinblick  auf  Bestand  und  Reihenfolge,  auf  welche  Dindorfs  Colla- 
tionator  nicht  genügend  Rücksicht  genommen  hatte,  genau  nachzu- 
prüfen. Nicht  war  mir  eine  derartige  Nachprüfung  auch  für  das  son- 
stige Detail  dieses  Bandes  möglich.  Wo  ich  also  aus  eigener  Auf- 
zeichnung den  Escor,  citire,  gebrauche  ich  das  Zeichen  M,  wo  ich  le- 
diglich aus  der  Dindorfschen  Collation  schöpfe,  M^. 

Des  Escorial  kann  ich  nicht  Erwähnung  thun,  ohne  dem  gütigen 
Entgegenkommen  des  sprachenkundigen  bibliotecario  D.  Feliz  Ro- 
zanski  herzlichst  zu  danken•  Die  heitere  Liebenswürdigkeit  dieses 
Mannes  und  sein  arbeitsfreudiges  Beispiel  Hessen  den  primitiven  Wiuter- 
arbeitsraum  mit  seiner  Kalte  und  Dunkelh«iit  vergessen.  Auch  Charles 
Graux  und  Gustav  Loewe  haben  die  Freundschaft  des  I).  Feliz  reich- 
lich erfahren,  die  Guten  —  *die  um  schöne  Stunden  vom  Glück  ge- 
täuscht, vor  uns  hinweggest-hwundeu* !  Graux  hatte  schon  vor  Jahren 
die  Freundlichkeit  mir  seine  Aufzeichnungen  aus  Μ  zur  Verfügung  zu 
stellen,  Loewe  gab  mir  für  den  Aufenthalt  in  Escorial  nützliche 
Winke. 

^  Nachzutragen  ist  dies  p.   14  der  sorgfältigen  (aus  dem  Heidel- 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegiam.      361 

Eine  fortlaufende  Controle  bietet  dagegen  die  Gruppe  MA,  welche 
für  das  zweite  Kapitel  π€ρι  κακίας,  abgesehen  von  den  Brüsseler 
Excerpten,  sogar  allein  in  Betracht  kommt.  Um  neben  Μ  auch 
Α  mit  Sicherheit  zu  verwerthen,  ergibt  es  eich  freilich  als 
nothwendig,  zuvor  eine  die  Anfangspartie  betreffende  Blätter- 
verschiebung  in  Ordnung  zu  bringen,  eine  Forderung  die  sich  in 
gänzlich  modificirter  Weise  auch  für  Τ  ergibt.  Subsidiarisch  mag 
endlich  die  zu  Basel  im  Jahre  1532  hinter  Kallimachus  edirte 
Sammlung  des  Frobenius  herangezogen  werden  Γνώμαι  έκ  δια- 
φόρων ποιητών  φιλοσόφων  τ€  και  Ρητόρων  συλλ€γ€ΐσαι  (Froh.), 
eine  Sammlung,  die  sich  in  der  alphabetisch  aneinandergereihten 
Kapitelfolge  wie  auch  im  Einzelnen  öfters  berührt  mit  dem  cod. 
VossianuR  gr.  9  chartac.  in  8^,  welcher  mir  eben  jetzt  durch  die 
Güte  du  Kieu's  zu  näherer  Einsicht  vorliegt.  Es  ist  dies  die 
Leidener  Handschrift,  die  Ruhnkenius  ehemals  wieder  hervorzog 
(in  (ingulo  hibliothccae  publicae  latentem),  Valckenaer  näher  be- 
schrieb Diatr.  p.  198  {bonitate  potius  commendabilis  quam  aftti- 
qniiate  wie  er  sich  diplomatisch  ausdrückt)  und  von  welcher  dann 
Gaisford's  Ausgabe  eine  CoUation  mittheilte:  vgl.  Gaisf.  flor.  v.  I 
praef.  p.  VIII  und  XI  n.  ed.  Ox.  Der  nämlichen  Gruppe  dürfte 
angehören  der  cod.  Pal.  gr.  430,  dessen  Aufschrift  lautet  nach 
einer  freundlichen  Mittheilung  des  Herrn  Enrico  Stevenson  in 
Rom:  Sententiae  ex  variis  poetis,  philosophis,  oratoribusque  con- 
tinet  litterarum  ordine  dispositae  (so).  Gerade  wie  im  Voss,  und 
Frob.  beginnt  das  erste  der  alphabetisch  geordneten  Eapit«!  π€ρΐ 

αιόους  mit  Εύριπίόου  (\7τπο  fügt  Voss,  hinzu).  Ώ  πότνια  αΐ- 
6ώς,  εϊτε  τοις  πασι  βροτοϊς  κτέ.  Die  letzten  zwanzig  Titel 
fehlen  nach  Stevenson:  xit  liquet  ex  excerptis  Fröbenianis,  wie 
mein  Gewährsmann  begründend  hinzufügt. 

Indem  wir  unsere  Untersuchungen  über  die  Handschriften 
und  Excerpthandschriften  des  sogenannten  Florilegium,  ihr  gegen- 
seitige« VerhältniHs  und  die  Grade  ihrer  Verwandtschaft  an  dieser 
Stelle  nur  insoweit  in  Erwähnung  bringen,  als  wir  es  durch  das 
in  Rede  stehende  Thema  über  die  Reihenfolge  der  Anfangskapitel 
des  Florilegium  für  geboten  erachten,  eingehendere  und  um  ihrer 
selbst  willen  geführte  Untersuchungen  aber  anderen  Gelegenheiten 

berger  Seminar  hervorgegangenen)  Schrift  Karl  Schuchhardt's  An- 
dronici  Rhodii  qui  fertur  libelli  περί  παθΦν  ρ.  alt.  de  virtutibus  et 
vitiis  Darnistadt  1883.  Ueber  den  Werth  und  Bestand  der  Partie  von 
junger  Hand  in  S  werde  ich  mich  kurz  bei  anderer  Gelegenheit  äussern. 


862  Hense 

vorbehalten  müseen,  dürfte  doch  eine  orientirende  Bemerkung 
über  die  Handschriften  Trincavellisoher  Eecension  hier  am  Flatse 
sein.  Wir  geben  daher  einen  kurzen  TJeberblick  über  das  uns 
bisher  bekannt  gewordene  Material,  zumal  in  der  Hoffnung,  dase 
diese  erste  Zusammenstellung  bald  von  anderer  Seite  eine  Ver- 
vollständigung erfahre. 

Die  editio  princeps  des  Florilegium  von  Yettore  Trincavelli 
erschien  Venetiis  in  aedibus  Bartholomaei  Zanetti  nach  der  enb- 
scriptio  im  Februar  1635,  nach  dem  Titelblatt  1536  4^•  Die 
Frage,  die  Gaisford  praef.  p.  XI  aufwirft,  utrum  TrincaveUua 
eodieem  Veneium  accttrate  et  seposita  omni  correctione  aecuius  sU^ 
bin  ich  jetzt  durch  die  gütigen  Mittheilungen  des  mir  befreun- 
deten Herrn  Grafen  Soranzo  in  Venedig,  insbesondere  auch  durch 
die  sorgfältige  Einsicht,  welche  Herr  Dr.  E.  Seh  wart  ζ  auf 
freundschaftliches  Vermitteln  WachsmutVs  von  der  Handschrift 
genommen  hat,  in  der  Lage  mit  Sicherheit  zu  beantworten.  Und 
zwar  kann  nach  den  Mittheilungen  von  Schwartz,  'nicht  der 
leiseste  Zweifel  obwalten,  dass  die  ed.  princ.  ein  sehr  getreuer 
Abdruck  der  Handschrift  ist',  nämlich  des  cod.  Marc.  Class.  IV 
cod.  XXIX  [olim  LXIX  1  et  LXXXIX  3]  membr.  fol.  S.  XV/XVI. 
Die  Uebereinstimmnng  geht  so  weit,  dass  f.  27 '^,  wo  λόγος  € 
beginnt  (=  ed.  princ.  p.  53  ^),  der  Codex  genau  dieselben  leer- 
gelasHenen  Stellen  wie  die  ed.  princ.  aufweist,  und  dass  letztere 
dem  erstem  auch  in  dem  Umfang  der  Spatia  folgt.  Ausdrück- 
lich mu88  hier  hervorgehoben  werden,  dass  nicht  nur  in  der 
Kapitelfolge,  sondern  (nach  einer  auBgiebigen  und  charakteristi- 
schen Probe  zu  schliessen)  auch  in  der  Reihenfolge  der  einzelnen 
Eklogen  vollständige  UebcreinRtimmung  herrscht.  Nachdem  die 
ed.  princ.  den  cod.  Marc,  durch  die  123  Kapitel  hindurch  bis  zu 
den  Γνώμαι  θεοκτίστου  incl.  (cod.  Marc.  f.  309^—310'  =  ed. 
princ.  p.  616  f.)  getreulich  wiedergegeben  hat,  und  eben  bis  zu 
dieser  Stelle  zeigt  der  Codex  zahlreiche  Flecken  von  Drucker- 
schwärze, lässt  sie  dagegen  einige  weitere  vom  Codex  f.  31 1*"  bis 
zum  Schi,  gebotene  Excerpte  rait  Recht  bei  Seite.  Eben  letztere 
aber  mögen  aus  einem  gleich  zu  erwähnenden  Grunde  nach 
Schwartz'  Angabe  hier  aufgezählt  werdi^n.  1)  Ίππόμαχός  τις 
ην  —  έχει  του  πλήθους  f.  31Ρ-;313^•  =  Cram.  Auecd.  Par.  1 
ρ.  16.5,  2—171,  18     2)   drei  weitere  Excerpte  "Οτι  άλλοτε   μέν 


^  Damit  die  schwerfällige  Citirwcise  nach  Quaternioneu  vermie- 
den werde,  sei  es  erlaubt  für  die  ed.  princ    l*aginirung  einzuführen. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      868 

κτέ.  *Ότι  έν  τψ  έπιγραφομένψ  κτέ.  'Ότι  ο\  πυθαγορικοί  κτέ. 
f.  313^—314^  =  Cram.  Aiiecd.  Par.  Ι  ρ.  171,  19  —  172,  8  3)  Εχ- 
cerpte  έκ  τών  μάρκου  f.  314' — 316''  =  Cram.  Anecd.  Par.  ί 
ρ.  173  fr.  4)  Excerpte  Φίλωνος  f.  316^-317',  dann  τέλος  σύν 
θψ  ^  άγίω :  ^  Schon  Gramer  a.  a.  Ο.  ρ.  165  η.  1  hat  nämlich 
angedeutet,  dass  das  vollständige  oder  theilweise  Vorhandensein 
dieser  Excerpte  (1  und  2  sind  bei  Cramer  unter  dem  Titel  π€ρι 
Ίττπομάχου  vereint,  die  üeberschrift  des  bei  Cramer  dritten 
Tractates  lautet  π€ρι  Γυάρων)  für  die  Handschriften  Trincavelli- 
scher  Recension  charakteristisch  ist.  Er  veröffentlichte  sie  aus 
einer  Pariser  Handschrift  mit  der  uns  hier  angehenden  Bemer- 
kung: Tria  quae  sequuniur  opuscula  erufa  sunt  e  Cod.  Gr.  Suppl. 
No.  319  fol.  302,  qui  chartaceus  est  ei  saec.  XV  [s,  XVI:  H. 
Omontinv.  somm.  des  manuscr.  du  Buppl6ment  Grec  p.  39].  Cont. 
Stobaei  Serm,  Efhic.  et  post  Theoctisti  SetUentias  άποσπασμάτια 
ista,  quae  exstant  etiam  in  Cod.  ol.  Canonici  69  nunc  Bodl.  et 
forsan  in  aliis  Codd.  Stobaei,  qui  sunt  Trincavellianae  fami- 
Uae.  In  Parisiensi  autem  Codice,  qui  olim  ap.  Soc.  Jes.  Colon. 
asservabatuKj  haec  opt^cula  in  tabula  capitum  recensentur  post 
Theoctisti  Scntentias;  in  codice  Bodleiano  nofi  item;  in  eo  porro 
pars  secundi  et  ultimum  desiderantnr.  In  der  That  finden  eich 
diese  Excerpte,  beziehungsweise  ein  Theil  derselben  in  den  meisten 
Handschriften  der  Trine.  Recension,  und  bilden  somit  eines  der 
äusseren  Kriterien  für  die  Zugehörigkeit  zu  dieser  Familie.  Wenn 
also  Schow  bei  Gaisford  (praef.  p.  LVII)  von  den  beiden  Vati- 
cani  n.  954  und  955  saec.  XV  berichtet:  in  /ine  sentenfiarum 
Theoctisti  post  vcrba  απ€ρ  αυ  κατά  το  εναντίον  χιυρήσαι  ηοη- 
nidla  adduntur,  quae  in  edd.  desunt  quaeqtte  ita  incipiunt:  Ίτπτό- 
μαχός  τις  fjv  κτέ.  Finiuntur  in  sentefUiis  Marci:  so  würden  wir 
schon  hierdurch  auf  die  Trincavellische  Familie  hingewiesen, 
selbst  wenn  Schow  a.  a.  0.  nicht  ausdrücklich  vorausgeschickt 
hätte:  tcxtum  primär  um  edd.  (d.  h.  ed.  princ.  und  Gesn.^)  exacte 
sequwdut'y  eine  Bemerkung,  welche  übrigens  durch  die  mir  von 
Herrn  Stevenson  (auf  gütige  Anregung  meines  Collegen  Kraus) 
gebotene  Collationsprobe  bestätigt  wird. 

Wie  von  den  Vatic.  954  und  955  so  glaubt  Herr  Dr.  Elter 
auf  meine  Anfrage  auch  hinsichtlich  des  Regln,  gr.  146  cart.  4® 
min.  fol.  168  versichern  zu  können,  dass  er  der  Trincavellischen 
Klasse  angehört.  Einige  von  F.  von  Duhn  für  H.  Diels  aus 
diesem  Codex  ehemals  gezogene  Notizen,  die  ich  der  Freundlich- 
keit des  letzteren  Gelehrten  verdanke,  bekräftigen  dies.    Es  sind 


8β4  Hense 

παρ€κβολα\  των  ηθικών  του  στοβαίου  εκλογών,  (Lb.  Excerpte 
au8  Stobäus'  Florilegium,  und  zwar  von  Janas  liaekarie.  Charak- 
terietisch  ist  also,  dass  nacb  dem  am  Ende  später  binzugefügten 
Inbaltsyerzeicbniss  zu  sobliessen  die  in  Τ  feblenden  Kapitel  περί 
κακίας  und  περί  ακολασίας  nicbt  mit  berücksichtigt  sind.  Aacb 
die  Reibenfolge  der  Eklogen  lebnt  sieb  in  der  kleinen  von  F. 
V.  Dubn  mitgetbeilten  Probe  zum  grösseren  Tbeile  an  die  Trin* 
oavelliscbe  an.  Dass  sieb  die  drei  Eklogen  am  Sobluss  des  Ka- 
pitels φρόνησις  1,  37.  5,  45.  3,  40  in  Τ  vielmebr  vor  der  bei 
Laflkaris  den  Titel  φρόνη(Τΐς  beginnenden  Ekloge  3,  1  finden, 
dadurcb  bestätigt  sieb  wobl  lediglicb  die  von  vomberein  natür- 
licbe  Voraussetzung,  dass  siob  Laskaris  in  der  Eeibenfolge  seiner 
Excerpte  zwar  im  Grossen  und  Ganzen,  aber  nicbt  sdaviscb  an 
die  seiner  Vorlage  gebalten  baben  wird.  Es  sei  bei  dieser  Ge- 
legenbeit  bemerkt,  dass  Excerptlitteratur  im  engeren  Sinne,  so 
weit  sie  bisber  bekannt  wurde,  bier  nur  Erwäbnung  findet,  wenn 
sie,  wie  die  exe.  Brux.  durcb  ibr  Verbältniss  zu  L,  eine  wirk- 
liobe  Bedeutung  in  Anspruch  nehmen:  tibergangen  wurden  also 
oben  zwei  mir  bekannte  grössere  Excerptsammlungen,  die,  wie 
ich  bei  anderer  Gelegenheit  zu  erweisen  hoffe,  auf  einen  der 
Sippe  MA  angehörigen  Codex  zurtickzuftibren  sind.  Auf  eine 
dieser  beiden  komme  ich  weiter  unten  zurück,  lieber  die  in  den 
excerpta  Stobaeana  des  cod.  Paris,  gr.  1168  beobachtete  Reihen- 
folge sind  wir  nicht  in  der  Lage  etwas  Näheres  auszusagen.  Aus 
den  schätzbaren  Mittheilungen  Freudenthars  Rh.  M.  1880  p.  420 
ergibt  sich  nur  so  viel,  dass  diese  Excerpte  nicht  auf  einen  Codex 
Trincavellischer  Recension  zurückgehen,  insofern  sie  auch  das 
sechste  Kapitel  περί  ακολασίας  berücksichtigen.  Nicht  berück- 
sichtigt scheint  Kapitel  2  περί  κακίας  und  Kapitel  5  περί  Οω- 
φροσύνης.  Die  Form  der  Ueberschrift  περί  ψόγου  τυραννίδας 
erinnert  dagegen  au  T.  Es  handelt  sich  nach  Freudenthal  um 
einen  kurzen  Auszug  aus  Stobäus'  Florilegium,  und  zwar  auf 
f.  12P  -140^,  'untermischt  mit  wenigen  Exccrpten  aus  anderen 
Schriften*.  'Grössere  Einschiebungen  finden  sich  an  mehreren 
Stellen'.  —  Ueber  die  Brüsseler  Excerpte  wurde  in  der  schon 
erwähnten  Schrift  eingehend  gehandelt.  Der  sorgfältigen  Be- 
schreibung der  Handschrift  durch  Professor  P.  Thomas  in  Gent 
(Stob.  flor.  exr.  Br.  p.  2  ff.)  bin  ich  jetzt  in  der  Lage  eine  Com- 
bination  über  die  Provenienz  der  Handschrift  hinzuzufügen.  Die 
sehr  walirsoheinliehe  Vermuthung  gehurt  Rieh.  Fo erster  an, 
dessen  entgegenkommender  Gelehrsamkeit  die  darauf  bezüglichen 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      365 

Nachweise  verdankt  werden.  Der  Brüsseler  Codex  n.  11360  in  4^ 
dürfte  identisch  sein  mit  der  Handschrift  des  Petrus  Pantinus  hei 
Fabric.  bibl.  gr.  1.  VI  c.  5  v.  XII  p.  314  n.  20  'Stobaeus  de 
Virtute  et  Vitio  in  4^*.  Pie  Handschriften  Pantine  kamen  zu- 
nächst an  seinen  Lehrer  Andreas  Schott,  wie  sich  aus  einer  Ver- 
gleichung  des  A'^erzeichnisses  der  Handschriften  von  Schott  im 
Anhange  von  Sweert  Athen.  Belg.  Antverp.  1628  ('loannis  Sto- 
baei  sermones  de  virtute  et  vitio*)  mit  dem  A^erzeichnisse  der 
Handschriften  Pantin's  bei  Fabricius  ergibt.  Die  Handschriften 
Schott's  aber  wurden  grösstentheils  den  Jesuiten  von  Antwerpen 
geschenkt.  Die  Bibliothek  der  Jesuiten  von  Antwerpen  ist  1779 
versteigert  worden  (L.  Jeep  Rh.  M.  30  p.  3),  und  zwar  kamen 
die  Handschriften  grösstentheils  nach  Brüssel,  zum  geringeren 
Theile  in  den  Supplement  grec  der  Nationalbibliothek  zu  Paris. 
Damit  stimmt  überein  was  P.  Thomas  über  die  Schicksale  des 
Codex  bemerkt  a.  a.  0.  p.  3:  Apres  avoir  appartenu  k  quelque 
savant  grec,  il  est  devenu  la  propriot^  d'un  College  de  Josuites 
(on  11 1  sur  la  Ρ  page  Soc^"  Jesy  D,  P.);  transporto  plus  tard 
a  la  Bibliothέque  nationale  de  Paris,  il  a  6te  iinalement  dopose 
a  la  Biblioth^que  de  Bourgogne  (Bibl.  Royale  de  Bruxelles).  Die 
Handschrift  gehörte  demnach  zu  jener  Partie,  welche  1779  nach 
Paris  wanderte,  kam  dann  aber  später  nach  Brüssel.  Ein  Ver- 
zeichniss  der  cod.  gr.  in  domo  professa  (d.  i.  das  D.  P.  der  Hand- 
schrift, wie  Foerster  sah)  Antverpiensi  societatis  Jesu  findet  sich 
nach  Foerster  bei  A.  Sander  Bibl.  Belg.  Manuscripta  I  p.  334  f., 
ein  Werk  das  mir  einzusehen  bisher  versagt  war.  Scheler's  Be- 
richt über  die  griechischen  Manuscripte  der  königl.  Bibliothek 
zu  Brüssel  im  Serapeum  Jahrg.  VI  p.  360  ff.  übergeht  die  Hand- 
schrift. Die  Bezeichnung  bei  Pantin  Stobaeue  de  Virtute  et 
Vitio  erklärt  sich  durch  den  Beginn  der  Handschrift  f.l"^  d.  h. 
durch  den  Schluss  des  sich  dort  findenden  Photius  -  Excerptes 
πρώτον  περί  αρετής,  εΤτα  περί  κακίας,  περί  φρονήσειυς 
και  καθεΗής.  Für  jene  Zeit  nicht  eben  auffallend,  hob  man  die 
Titel  von  Kapitel  1  und  2  als  Gesammttitel  des  Werkes  heraus. 
Gesuchter  wäre  es,  zur  Erklärung  jener  Bezeichnung  auf  die  an 
anderer  Stelle  zu  beleuchtende  Ueberschrift  des  vierten  Kapitels 
περί  αρετής  και  κακίας  in  der  ed.  princ.  zu  recurriren.  —  Der 
Excerptlitteratur  im  weiteren  Sinne  musste  bisher  zugezählt  wer- 
den der  ehemals  Augsburger,  jetzt  Münchener  cod.  gr.  445  s.  XVI 
chart.  fol.,  insofern  er  noch  bei  Hardt  Catal.  t.  IV  p.  390  f.  nach 
Reiserus  als  Gnomologus   sententias   continene    ex   auctoribne  di- 


8ββ  Henee 

▼ersie  figurirt.  Wilh.  Meyer  erkannte  darin  die  Anfangepartie 
des  Florileginm  and  hatte  die  Freandlichkeit  mir  Nähere•  über 
die  Handschrift  mitzutheilen.  F.  Π  Mitte  beginnt  ohne  alle  Ueber- 
echrift  €υριπ(οης  έν  θησεΐ.  λλ'  Ιστι  οή  =  ed.  princ.  ρ.  1,  und 
f.  48'  Ve  en^®t  eie  mit  έκ  τών  Μωνος  χρειών  τήν  έπιτίμηαΐν 
ό  οιογένης  άλλότριον  αγαθόν  ^λεγεν  εΐναι  =  ed.  princ.  ρ.  99 
oben,  erstreckt  eich  also  bis  an  das  (nach  der  Zählung  der  ed. 
princ.)  elfte  Kapitel.  Bemerkenewerth  iet,  daee  die  einzelnen 
λόγοι  nnr  durch  leere  Zeilen,  nicht  durch  Unt^r-  oder  lieber^ 
echriften  gesondert  werden,  mit  Ausnahme  von  f.  12'  unten  τέλος 
ToG  πρώτου  λόγου  und  f.  17^  unten  τέλος  τοΟ  δευτέρου  λόγου 
ττερί  άφρο(Τυνης.  Reihenfolge  und  Collationsprohe  bestätigen  den 
Trincavellischen  Charakter  der  Handschrift,  ohne  dase  sie  etwa 
aus  dem  Drucke  abgeschrieben  wäre.  Durch  Erwähnung  dieser 
Handschrift  nehmen  wir  den  losen  Faden  unserer  Aufzählung  der 
zur  T-Elasse  zu  rechnenden  Codices  wieder  auf. 

Zu  den  Handschriften  der  Klasse  Τ  ist  femer  zu  rechnen 
die  der  Laurentiana,  von  der  Schow  bei  Gaisf.  praef.  p.  LXIII 
versichert  iextwn  ed.  Trincavellianae  exhibere.  £h  ist  der  von 
Bandini  Catal.  t.  II  p.  446  f.  beschnebene  cod.  Laur.  Flut.  LVIII 
cod.  XI  chartaceus  in  fol.  min.  saec.  XV  exeiintiR,  laut  der  subscr. 
p.  341:  Μετεγράφη  ή  παρούσα  βίβλος  έν  'Ρώμη  ίτει  άπό  της 
Χρίστου  γενέσεως  χιλιοστψ  τετρακοσιοστψ  ένενηκοστψ  τρίτψ, 
Ίουλλίου,  δεκάτη,  5ιά  χειρός  έμου  Ίιυάννου  πρεσβυτέρου  'Ρώσου 
του  Κρητός.  Damit  er  nicht  mit  L  verwechselt  werde,  mag  man 
ihn  Rhos.  nennen.  Nach  Bandini  enthält  er  123  Titel,  beginnt 
mit  dem  Kapitel  περί  φρονήσεως  und  zwar  mit  der  Ekl.  Γ),  21 
Άλλ'  ίστι  5ή  τις,  echliesst  mit  dem  Kapitel  δτι  τών  πλείστων 
μετά  θάνατον  κτέ.,  dessen  letzter  Vers  ist  Άπόλωλ\  δταν  τις 
έκ  οόμων  ίλθη  (Ekl.  126,  7):  alles  übereinstimmend  mit  Trine, 
und  charakteristisch.  Wie  hei  letzterem  folgen  dann  ohne  Ka- 
pitelzahl die  γνώμαι  θεοκτίστου  und  ρ.  342:  aliorum  sapien- 
tiim  dicta  et  enarrationes.  Inc.  Ίππόμαχός  τις  ην  τών  πάλαι 
γεγονότων  άνήρ  γυμναστής,  κτλ.  Sunt  autem  Aristoxeni,  Marci, 
Theophrasti,  Philonis  etc.  Des.  oÖTU)  τον  αυτόν  τόπον  ή  συνή- 
θεια τοις  μέν  κόλασιν  πεποίηκε,  τοις  οέ  πατρίδα,  d.  i.  der 
Schlu88  des  erwähnten  Tnictates  περί  Γυάρων  Crani.  Anecd.  Par. 
1  p.  179  f.  Nicht  minder  bezeichnend  ist,  dass  nach  Bandini 
das  Kapitel  περί  αρετής  fehlt  und  das  περί  κακίας.  Von  dem 
erstoren  sind  in  der  T-Klasse,  wie  sich  unten  zeigen  wird,  zwar 
einzelne  Partien  erhalten,  aber  unter  dem  Titel  περί  φρονήσεως. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      S67 

Daher  die  Angabe  Bandini's.  Wie  das  περί  κακίας  so  wird  auch 
das  περί  όκολα(Τίας  fehlen,  wenngleich  dies  Bandini  nicht  aus- 
drücklich hervorhebt.  Einer  Correctur  wird  Bandini's  Angabe  be- 
dürfen, dass  das  Kap.  ÖTi  o\  άτυχουντες  χρήίουσι  τών  συμ- 
παοΓχόντιυν  im  Khos.  fehle:  bei  der  sonstigen  Uebereinstimmung 
zwischen  dem  cod.  Marc,  und  Rhos.  kann  man  mit  ziemlicher 
Sicherheit  vermuthen,  dass  in  diesem  so  gut  wie  in  jenem  (Trine, 
p.  571)  dem  Inhalte  des  Kapitels  δτι  o\  άτυχουντες  κτέ.  irriger 
Weise  gleich  der  Titel  des  folgenden  Kapitels  δτι  ^qiov  δλλον 
παραινεϊν  ή  εαυτόν  vorgesetzt  war  und  zwar  in  der  Weise,  dass 
sich  dann  die  Eklogen  des  letzteren  Kapitels  an  die  des  ersteren 
ohne  Titel  anschlössen,  so  dass  mithin  lediglich  die  Aufschrift, 
nicht  aber  der  Inhalt  des  Kap.  δτι  Ol  άτυχουντες  κτέ.  (mit  Aus- 
nahme der  Ekl.  113,  7)  in  der  T-Klasse  fehlt.  —  Nicht  minder 
gehören  zu  dieser  Klasse  die  beiden  Oxforder  Handschriften,  die 
schon  Gaisford  praef.  p.  IX  als  cum  ed.  TrincavelU  in  phirimis 
conscnfientes  bezeichnete.  Es  ist  erstens  der  schon  bei  Gramer 
oben  erwähnte  cod.  Canon,  gr.  69  chartaceus  saec.  XVI  in  fol. 
(Coxe  Catal.  III  p.  71),  zweitens  der  cod.  Collegii  Novi  270  mem- 
branaceus  in  fol.,  letzterer  wie  die  subscriptio  lehrt  im  Jahre 
1523  in  Rom  geschrieben  von  der  Hand  des  Zacharias  Calliergus 
für  Richardus  Pacius,  den  britischen  Gresandten.  In  beiden  ßndet 
sich  am  Ende  die  Stelle  über  Hippomachus,  ferner  έκ  τών  Μάρ- 
κου (in  dem  cod.  Canon,  nur  bis  λέγειν  και  όιανοεϊσθαι  =  Cram. 
a.  a.  0.  p.  174,  32),  in  dem  cod.  Coli.  N.  noch  περί  Γυάρων  = 
Cram.  a.  a.  0.  p.  179.  Das  Urtheil  Gaisford's  wird  durch  die 
sorgfältige  Beschreibung  und  Collationsprobe  dieser  Handschriften, 
welche  ich  der  verbindlichen  Liberalität  Ingram  Bywater's 
danke,  bestätigt.  Auch  den  jungen  cod.  Paris,  gr.  2092  octav. 
hat  Gaisford  praef.  p.  VII  richtig  beurtheilt:  convenit  in  ple- 
risqtie  cum  edifione  TrincavelU.  Ich  ersehe  dies  aus  einer  mir 
ehemals  von  Di  eis  gütigst  tibermittelfen  Collationsprobe  des 
Kapitels  περί  δειλίας.  Es  ist  dies  die  zweite  der  beiden  von 
Cxrotius  für  die  Dicta  Poetarum  (Paris  1623)  benutzten  und  da- 
selbst p.  518  von  ihm  aufgeführten  Pariser  Handschriften,  näm- 
lich die  mit  der  Aufschrift  f.  1^  rubr.  Ιωάννου  του  στοβαίου 
εκλογών  αποφθεγμάτων,  υποθηκών,  βιβλίον  πρώτον  :  ^  Ein 
Eingehen  auf  die  Bezeichnung  βιβλίον  πρώτον  bleibt  einer  spä- 
teren Stelle  dieser  Abhandlung  vorbehalten.  —  Dass  unter  den 
zahlreichen  A^crtretern  dieser  Handschriftenklasse  bei  all  ihrer 
Uebereinstimmung    in    höchst    charakteristischen    Merkmalen,    zu 


8β8  Hense 

denen  aneser  der  Yerwirrnng  und  Lückenhaftigkeit  der  Anfange- 
kapitel  nnd  der  somit  gebotenen  Beihenfolge  der  Eklogen  aooh 
die  vielfach  yerkürzte  Form  der  Lemmata  zu  zählen  iet,  eich  im 
einzelnen  wieder  allerhand  unerhebliche  Abweiohangen  und  Diver- 
genzen finden  (vgl.  6aief.  praef.  p.  XII),  diese  nicht  eben  über- 
raschende Thatsaohe  wird  sich  im  Verlaufe  der  heutigen  £rdr- 
terungen  namentlich  an  der  Stelle  ergeben,  wo  eine  reconstmirende 
Beleuchtung  des  Archetypus  (T)  in  dem  für  diese  Abhandlung 
zu  erwartenden  Umfange  geboten  wird.  Gleich  in  dieser  kurzen 
Aufzählung  mag  der  Punkt  indessen  hervorgehoben  werden  gegen- 
über dem  noch  nicht  erwähnten  cod.  Paris,  gr.  1985  antea  Col- 
bert.  503  saec.  XYI.  Diese  von  Gaisford  (vgl.  praef.  p.  YII) 
mit  Β  bezeichnete  Handschrift  gehört  gleichfalls  zur  Trincavelli- 
scheu  Klasse,  ist  aber  nach  einem  Exemplar  der  Sippe  MA  durch- 
corrigirt  worden.  Der  Text  der  Handschrift  beginnt  wie  die  ed. 
princ.  mit  Ekl.  5,  21  άλλ'  ίθτ\  bi\  τις  κτέ.  Daran  schliesst  eich 
in  der  nämlichen  Reihenfolge  wie  in  der  ed.  princ.  5,  48.  5«  49. 
5,  50.  5,  51.  5,  52.  5,  33.  5,  133.  5,  134  (mit  5,  133  verbunden 
wie  ed.  princ).  5,  53.  5,  135  (nur  bis  και  κολαστέον  wie  ed. 
princ).  7,  69.  Schon  diese,  wie  wir  sehen  werden  besonders 
durch  das  Aufeinanderfolgen  von  5,  135  und  7,  69  höchst  cha- 
rakterietieche  Reihenfolge  beweist  für  Β  die  Zugehörigkeit  zur 
Trincavellischen  Klasse.  Nicht  minder  die  mit  Trine,  p.  16  wie- 
derum übereinstimmende  Reihenfolge  der  von  mir  zunächst  ver- 
glichenen Partie  f.  16^— 18^  3,  1.  5,  11.  9,  23.  3,  10.  3,  14 
(mit  Auslassung  der  bei  Trine,  vorhandenen  3,  11.  3,  12.  3,  13). 
3,  15.  3,  16.  a,  17.  3,  18.  3,  20.  3,  21.  3,  22.  3,  23.  3,  24. 
3,  54.  3,  55.  118,  9.  Gerade  wie  bei  Triuc.  p.  24  wird  weiter- 
hin auf  f.  22^  das  Kapitel  nepi  αφροσύνης  als  λόγος  β'  be- 
zeichnet. Durch  diese  wenigen,  aber  kennzeichnenden  Punkte,  auf 
die  sich  meine  Aufzeichnungen  für  diese  Handschrift  s.  Z.  be- 
schränkten, wird  gegenüber  den  schwankenden  Bemerkungen  Gais- 
ford's  a.  a.  0.  auch  Β  als  zur  Trincavellischen  Klasse  gehörig 
erhärtet.  Der  Nachweis,  wie  der  Text  dieser  Handschrift  im 
Einzelnen  von  zweiter  Hand  nach  der  Sippe  MA  durchcorrigirt 
ist,  für  welchen  übrigens  schon  die  von  (xaisford  niitgetheilte 
Collation  genügendes  Material  bietet,  liegt  dem  heutigen  Thema 
fern. 

Man  sieht,  das  sogenannte  'Florilcgium'  des  Stobäus  theilt 
das  Geschick  so  vieler  Schriftsteller:  die  ed.  princ.  ist  aus  einem 
jungen,  der  verbreitetHten  Handschriftenklasse  angehörenden  Codex 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegiuin.      3β0 

geflossen.  Aber,  wie  sich  im  Verlaufe  dieser  Abhandlung  er- 
geben wird,  war  dies  keineswegs  der  böseste  Unstern,  der  über 
dem  Florilegium  von  Trincavelli  bis  auf  Meineke  gewaltet  hat. 
Auf  Trincavelli  folgte  Conrad  Gesner.  Da  er  der  Begründer 
der  Vulgata  wurde,  so  mögen  seine  drei  Ausgaben  gleich  hier 
kurz  in  ihrer  Eigenart  vorgeführt  werden.  Schon  die  erste  Ane- 
gabe,  die  Tiguri  1543  in  fol.  erschien,  bedeutet  von  dem  heu- 
tigen Standpunkte  aus  einen  Rückschritt  gegenüber  der  treuen 
Wiedergabe  des  cod.  Marc,  durch  Trincavelli.  In  einer  für  jene 
Zeit  begreiflichen  Verkennung  seiner  Aufgabe  corrigirt  Gesner 
den  von  ihm  zu  Grunde  gelegten  Text  Trincavelli's  aus  den  ihm 
zugänglichen  Schriftstellerausgaben  seiner  Zeit,  wie  er  dies  Ver- 
fahren selbst  in  der  praef.  (wir  citiren  die  praef.  um  paginiren 
zn  können  und  dem  Leser  die  Controle  zu  erleichtern  nach  dem 
Abdruck  bei  Gaisf.  v.  I)  p.  XIV  als  seine  Norm  hinstellt.  So 
sind  also,  um  ein  ganz  beliebiges  Beispiel  zu  wählen,  fast  alle  die 
zahlreichen  Stellen,  die  Ekl.  49,  30  —  46  heute  bei  Gaisford  und 
Meineke  in  eckigen  Klammern  auftreten,  Zusätze,  welche  schon 
Gesn.^  f.  339^  fl^.  aus  Xenophon  selbst  im  Widerspruch  mit  Trine, 
p.  313  fl".  einführte,  und  zwar  ohne  jede  orientirende  Randbemer- 
kung für  den  Leser,  wogegen  er  sich  in  noch  zahlreicheren  an- 
dern Fällen  richtiger  auf  eine  durch  ein  kurzes  alias  am  Rande 
eingeführte  Notirung  der  Varianten  aus  jenen  Schriftstellertexten 
beschriinkt.  Das  letztere  Verfahren  beobachtet  er  auch  da,  wo 
er  den  Stobäus  aus  dem  Stobäns,  d.  h.  bei  mehrfach  citirten 
Stellen  die  eine  durch  die  andere  mit  Varianten  versieht,  z.  B. 
p.  20  durch  p.  134  und  f.  444^  (die  erste  Ausgabe  numerirt  bis 
p.  300  incl.  nach  pagg.,  von  da  ab  wird  nach  Folien  gerechnet), 
und  umgekehrt,  oder  f.  325^  (Ekl.  47,  22  Mein.)  durch  f.  33 Ρ  (Ekl. 
48,  64  Mein.);  ebenso  auch  zumeist  bei  seinen  eigenen  Correcturen 
und  Vermuthungen  (vgL  praef.  p.  XV),  er  notirt  sie  am  Rande 
mit  einem  lego,  addo^  nddendtim  ptUo,  malo,  malifn,  forte^  quid 
si  —  legas?j  pofius,  praestafj  ego  (f.  407^),  melius  (f.  419^).  Den 
margo  der  gegenübergestellten  lateinischen  Uebersetzung  be-, 
nutzt  er,  ohne  sich  überall  auf  ihn  in  dieser  Beziehung  zn  be- 
Rchränken,  zu  einer  wiederum  aus  den  Editionen  seiner  Zeit  ent- 
nommenen Vervollständigung  der  Lemmata  und  Angabe  der  Fund- 
orte (praef.  p.  XIV).  Bei  den  Schriftstellern,  die  ihm  übersetzt 
vorlagen,  nahm  er  die  Uebersetzung  der  betreifenden  Stellen  mit 
gewissen  Abänderungen  in  seine  eigene  herüber  (praef.  p.  XVII), 
ohne  sich  vor  dadurch  entstehenden  Discrepanzen  mit  dem  grie- 

Rhcln.  MiiB.  f.   Phllol.  N.  F.  XXXIX.  24 


870  Henee 

ohieolieii  Texte  zn  Bobeneoi  und  nicht  ohne  den  Yereucli,  aveh 
aus  jenen  Uebeitragangen  in  seiner  Weise  textkritischen  G«wiini 
zu  ziehen  (praef.  p.  XYI  f.).  Von  Stob&ischer  Qnellenlitteratiir 
im  eigentlichen  Sinne,  soweit  sie  damals  gedruckt  vorlag,  be- 
nutzte er  sehr  ausgiebig  die  im  Eingange  genannte  Sammlung 
des  Frobenius  (praef.  p.  XIY),  indem  er  die  Varianten  von  Froh, 
in  Bezug  auf  Lemmata  und  Text  am  Bande  wiederum  durch  ein 
vorgesetztes  äl.  vermerkte  (z.  B.  p.  68.  70.  72.  74.  104.  110. 
144  u.  s.  f•)•  Bekannt  waren  Gesner  schon  damals  die  Gom- 
mentarii  Urbani  des  Baphaelis  Yolaterranus  Bomae  1506 
fol.  (praef.  p.  XIX),  doch  dürfte  er  sie  fttr  die  erste  Ausgabe 
nur  selten  angezogen  haben:  in  der  Bandbemerkung  bei  Gteen.^ 
f.  359^  zu  £kl.  58  {=  56  Gesn.^),  5  ΑΙσχύλου  (so  ed.  princ.) 
alias  EüpmiboO  kann  letztere  Angabe  zwar  aus  Yolaterranus 
f.  444^,  ebensowohl  aber  auch  aus  Froh.  p.  155  entnommen  sdn. 
Wir  kommen  auf  die  vor  der  ed.  princ  liegenden  Stobftus• 
excerpte  bei  Yolaterranus  im  Yerlaufe  dieser  Abhandlung  kurz 
zurück.  Benutzt  ist  femer  die  lediglich  in  lateinischer  TJeber- 
setzung  veröffentlichte  Stobäische  Bxcerptsammlung  des  Pbavo- 
rinus  Camers  (praef.  p.  XIX:  contulimus  enmf  et  äliquat  inde 
etiam  nastri  codicis  locos  emendauimusX  ein  liber  rarissimus,  wie 
schon  Schow  schreibt,  dem  die  Benutzung  durch  Gaetano  Marini 
ermöglicht  wurde  (Gaief.  praef.  p.  LXIV).  Von  den  bei  Fabri- 
cius  bibl.  gr.  1.  Υ  c.  25  angeführten  Auflgaben  Romae  1517  4^ 
(nach  Schow  8^).  1519  8».  Cracoviae  1522  8^  war  mir  nur  die 
letztere  und  zwar  aus  der  Münchener  Staatsbibliothek  zugäng- 
lich. Eben  diese  Anegabe  aber  lag  Geener  vor,  nach  seiner 
Bibl.  Un.  f.  622^  zu  echlieeeen.  Der  Titel  lautet  vollständig: 
Yarini  Camertis  Apophthegmata  ad  bcne  beateque  uiuendum  mire 
conducentia;  nuper  ex  limpidieeimo  graecorum  fönte  in  Latinum 
fideliter  conuersa,  et  longe  antea  impreesis  castigatiora,  Addito 
insuper  per  Lncium  Stellam  directissimo  indice  secundum  Alpha- 
beti  seriem.  Servato  quidem  duarum,  triiim,  quatuorue  litterarum 
iuxta  locorum  exigentiam  ordine.  In  Eegia  Sarm.  Cracovia,  mense 
Nonemb.  A.  MDXXII  8^  min.  Dazu  ist  mir  noch  ein  Kölner 
Druck  bekannt,  der  in  der  Münchener  und  Dresdener  Bibliothek 
vorhanden  ist:  Nobiles  aliquot,  et  ad  vitain  recte  inetituendam 
mire  conducentes  sententiae,  ex  Stobaeo  Graeco  scriptore,  a  Va- 
rino  Camerte  Episcopo  Nucerino  uersae,  et  in  locos  communes 
redactae.  Coloniae  loannes  G^'mnicus  excudebat  A,  MDXXX  8^ 
min.     Die  Kückseite  des  Titels  enthält  die  auch  in  der  Krakauer 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      871 

Anflgabe  gebotene  Widmung  an  Leo  X,  eo  wie  am  Schlnse  auch 
der  Index  des  Lnciue  Stella  Micoinellne  gegeben  wird.  Diese 
wiederum  vor  der  ed.  princ.  datirende  Exoerptsammlnng  verwer- 
thete  Gesner,  obwohl  ihm  die  Fehlerhaftigkeit  derselben  nicht 
entging  (praef.  p.  XIX.  Bibl.  Un.  a.  a.  0.),  zunächst  als  Hülfe- 
mittel für  seine  Uebersetzung :  Gesn.^  f.  36(F  marg.:  (hmers  ita 
reddidit:  ex  agri  laboribus  incurvatum  et  circnmflexum  =  Cam. 
f.  XXIII^  Cracov.  p.  59  Col.  An  einer  anderen  Stelle  führt  er 
die  liebersetzung  des  Cam.  gegenüber  der  seinigen  nur  durch  ein 
Vel  ein,  f.  351^  marg.:  Fei,  Pax  ex  hello  magis  u.  s.  w.  (Ekl. 
54,  24)  =  Cam.  f.  Y'  Crac.  p.  14  Col.,  oder  ähnlich  f.  354' 
marg.:  potest  et  ita  reddi:  Conspecto  u.  s.  w.  (Ekl.  54,  50)  = 
Cam.  f.  V  Crac.  p.  13  Col.  Anderwärts  gibt  ihm  die  Ueber- 
setzung des  Camers  auch  zu  Rückschlüssen  auf  den  Text  Anlass. 
Zu  Ekl.  54  (=  52  Gesn.^),  41,  einem  Satze  des  Antisthenes,  be- 
merkt Gesn.^  f.  353"^  marg.:  al\  Antiphanes,  und  so  hat  Cam. 
f.  V  Crac.  p.  14  Col.  Die  Benutzung  des  Cam.  bestätigt  zudem 
die  fast  wörtliche  Herübemahme  der  Uebersetzung  ans  Cam. 

Cam.  f.  V  Crac.  Gesn.i  f.  353"• 

Antiphanes  dicebat,  precari  et         Antisthenes  inquiebat  precari 

opiare  oporterc,   citra  fortUudi-  et  optare  debere,  ut  bona  multa 

nem  multa  bona  hostibus   esse^  citra  fortitudinem  hostibus  con- 

nam  ea  non  possidentium,    sed  tingerent.     Nam  ea   non  possi- 

uincentium  esse.  5  dentiutn,  sed  uincentiutn  esse. 

• 

Nun  fand  Gesner  bei  Trine,  die  Lesart  vor,  die  er  im  Text  stehen 
liess  'Αντισθένης  ίλεγεν,  οτι  bei  τους  πολεμίους  εδχεσθαι  τά- 
γαθά  παρεΐναι  χωρίς  ανδρείας  κτέ.,  aber  die  Uebersetzung  des 
Cam.  hostibus  gab  ihm  Anlass  zu  der  richtigen  Eandbemerknng 
f.  352^:  lego  τοις  πολεμίοις.  Uebrigens  würde  man  fehl  gehen, 
wenn  man  ohne  weiteres  als  sicher  annehmen  wollte,  dass  der 
Codex  des  Cam.  τοις  πολεμίοις  geboten  habe.  Bei  seiner  schon 
von  Gesner  richtig  beobachteten  mangelhaften  Eenntniss  des  Grie- 
chischen übersetzt  Cam.  öfters  obenhin  nach  dem  ungefähr  zu 
erwartenden  Sinne,  wie  dies  an  eben  dieser  Stelle  das  auch  von 
Gesner  acceptirte  multa  bona  hostibus  esse  lehrt.  Hätte  Cam. 
das  in  andern  Handschriften  gebotene,  in  Τ  aber  ausgefallene 
πάντα  vor  bei  gelesen,  so  hätte  er  doch  wohl  omni  α  bona  ho• 
stibus  esse  übersetzt.  Er  wird  also  nur  das  τάγαθά  wie  in  Τ 
vor  sich  gehabt  haben,  und  übersetzt  nach  ungefährem  Sinn  multa 
bona  u.  s.  w.     Dagegen  dürfte  er  das  in  der  ed.  princ.  und  dem- 


872  Henee 

gemäfls  bei  Oeen.^  in  den  Worten  γίγνεται  γάρ  οβτως  fehlende  jap 
vielleicht  gelesen  haben.  Eine  eingehende  üntereuohnng  über  die 
BeechafTenheit  der  von  Cam.  benutzten  Handschrift  würde  von  dem 
Thema,  anf  welches  wir  stenem,  zn  weit  ablenken,  genug  dass 
wir  Oesner's  Yerhältniss  zn  Cam.  zn  controliren  in  der  Lage 
sind.  Es  sei  daher  fttr  heute  nur  so  viel  bemerkt,  dass  das  von 
Schow  über  die  sententiae  des  Cam.  gefällte  ürtheil  (bei  Qaisf. 
praef.  p.  LXIV)  begründet,  wenn  auch  keineswegs  erschöpfend 
ist,  ferner  dass  der  cod.  Cam.  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
Trincavellischer  Becension  war,  dass  dem  Cam.  selbst  aber  bei 
seinem  £xoerpiren  sowohl  hinsichtlich  des  Textes  wie  auch  der 
Lemmata  zahlreiche  Hissverständnisse  und  Flüchtigkeiten  unter- 
gelaufen sind,  üebrigens  stimmt  der  Kölner  Druck  mit  der  von 
Gesner  benutzten  Krakauer  Ausgabe  nicht  durchgängig  überein. 
Oesn.^  f.  SlO"  marg.  bemerkt  zu  Ekl.  63  (=  61  Gesn.^),  32: 
'  Camers  legU  'Αρίστιππος',  und  in  der  That  bietet  die  ed.  CracOv. 
f.  XXIIII'  ArisHppus  Cjfrenaeus  philosophuSj  während  in  dem 
Kölner  Druck  p.  60  vielmehr  Aristoteles  Cyrenaeus  phüosophus 
zu  lesen  ist  wie  später  bei  Trine.  Ein  Urtheil  über  diese  Discrepanz 
wird  sich  erst  durch  ein  Zuratheziehen  der  höchst  seltenen  römi- 
schen Originalauegabe  gewinnen  lassen.  Mit  Unrecht  liess  Gesner 
die  erwähnte  Marginalbemerkung  in  seiner  zweiten  und  dritten 
Ausgabe  wieder  fallen;  erst  Meineke  setzte  das  Richtige  auR 
A^  und  Β  in  den  Text  —  Was  endlich  Gesner  von  gnomologi- 
giecher  Literatur  im  weiteren  Sinne  damals  bekannt  war,  zahlt 
er  selbst  auf  praef.  p.  XX  und  XXI.  Es  ist  für  seine  Ausgabe 
ohne  Bedeutung  geblieben,  und  von  dem  allermeisten  hat  er 
ohnehin  keine  Kenntniss  aus  Autopsie:  Audio  et  alios  autores 
Graecos  in  Bibliothecis  quibusdam,  praesertim  apud  Italos^  reperiri 
n.  s.  w.  p.  XXI.  Die  hier  mit  aufgezählten  'Sententiae  ex  va- 
riis  poetis*  haben  wir  schon  oben  als  die  ersten  Worte  der  Auf- 
schrift des  cod.  Pal.  gr.  430  kennen  gelernt.  Von  den  sogen. 
'Sententiae  Democratis'  hat  er  auch  noch  Bibl.  Un.  f.  195^  nur 
entfernte  Kunde,  wie  er  denn  auch  für  Demophilus  an  letzt- 
genannter Stelle  nur  aus  einem  Katalog  der  Vaticana  schöpft. 
Die  praef.  p.  XX  f.  mitaufgeführte  Planudea,  ferner  die  sogen. 
Μονόατιχοι  des  Menander,  endlich  die  MUustrium  virorum  Sen- 
tentiae philoRophicae  loannis  Froheiiii  typis  qucndam  excusae* 
d.  h.  die  von  Wachsmuth  sogenannten  Gnomica  Basilecnsia  ^  wer- 


^  üeber  die  Gnom.  Basil.  (Frol)pn  1Γ)•21  ^^)  sehe  man   die  sorff- 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium.      878 

den  erst  für  die  zweite  Ausgabe  Gesner'B  von  Bedeutung,  frei- 
lich im  übelsten  Sinne,  nämlich  als  Fundgruben  für  seine  Inter- 
polationen. Von  handschriftlichen  Quellen  für  Stobäus-  hat 
Gesner  bei  seiner  ersten  Ausgabe  nur  ein'fragmentum  Stobaei, 


faltigen  Erörterungen  Wachsmuth's  Sat.  Saupp.  p.  7  ff.,  wo  insbeson- 
dere ihr  Yerhältniss  zu  den  Gnom.  Voss,  in  dem  cod.  Yossianus  68 
saec.  XYI  beleuchtet  wird,  und  Rh.  Mus.  1882  p.  606  ff.,  wo  sie  als 
ein  Auszug  aus  einer  Reccnsion  des  Maximus  erhärtet  werden.  Nur 
scheinbar  macht  Ottomar  Luscinius  dem  Froben  die  Priorität  der 
Edition  streitig,  insofern  wenigstens  die  seiner  Ausgabe  vorgesetzte 
Dedicationsepistel  ex  Argentina  a.  1518  datirt  ist.  Die  Ausgabe  selbst, 
die  auch  eine  lateinische  Uebersetzung  bietet,  gibt  zweimal,  am  Schlüsse 
der  ersten,  den  übrigen  dort  edirten  Gnomica  vorgesetzten  Epistel  und 
am  Schlüsse  des  ganzen  Buches,  die  Jahreszahl  1523:  Graece  et  latine. 
Moralia  quaedam  instituta,  ex  variis  authoribus.  Augustae  Vindel.  per. 
Simpertum  ruff,  Expensis  D.  Sigismundi  Grim,  m.  Decembri,  reparatae 
salutis  A.  1523  8^  min.  Die  Ausgabe  des  Luscinius  zeigt  dieselben 
charakteristischen  Unterschiede  gegenüber  dem  Voss.  68  wie  Frobenins 
(vgl.  Wachsmuth  Sat.  Saupp.  p.  8  f.);  sie  stimmt  mit  Froben's  Aus- 
gabe in  Bestand  und  Anordnung  genau  überein,  nur  das«  bei  Froben 
sechs  Gnomen  geboten  werden,  nämlich  No.  162.  218.  246.  250.  251. 
252,  die  bei  Luscinius  fehlen.  Auch  in  den  Lesarten  herrscht  durch- 
gehends  Ucbereinstimmung,  abgesehen  davon,  dass  bei  Luscinius  weitere 
Druckversehen  hinzukommen.  Hieronymus  Gebwiler  ist  kühn  genug 
in  einigen  anpreisenden  Versen  (in  operis  praeconium)  die  Sammlung 
als  Stobäisch  zu  bezeichnen:  Quae  UquH  post  se  Graecis  monumenta 
Stobaeus:  Ottomarus  IcUio  reddidit  doquio.  Ein  anderer  Nachdruck 
der  '  Gnom.  Basil.'  zugleich  mit  '  Frob.*  erschien  Basileae,  per  loannem 
Heruagium  1550  8^  hinter  dem  Aesop.  Endlich  ist  uns  eine  alte 
lateinische  Uebersetzung  der  Gnom.  Bas.  bekannt  aus  der  Freiburger 
Universitätsbibliothek  unter  dem  am  Kopfe  der  ersten  Blätterlage  sich 
findenden  Titel  'Sententie  antiquorum  philosophorum',  aber  ohne  beson- 
deres Titelblatt,  wenigstens  in  dem  mir  vorliegenden  ExemplarCi  sine 
loco  et  anno.  Es  sind  zehn  Blätter  in  8^.  Die  erste  Sentenz  bildet 
Äntisthenes  Antisthenes  omibiM  (so)  gut  se  incolumes  cupiunt  •  .  .  ss 
Gnom.  Bas.  n.  28,  die  letzte  (wenn  das  nur  handschriftlich  hinzugefügte 
finis  Recht  hat)  Idem  (näml.  Socrates)  Idein  qui  in  re  sua  male  sibi  oon- 
sulit  . . .  =  Gnom.  Bas.  n.  291,  wo  sich  das  τοΟ  αύτοΟ  auf  ein  voraus- 
gehendes Ισοκράτους  bezieht.  Die  Uebersetzung  ist  nicht  identisch 
mit  der  des  Luscinius,  fehlerhaft  wie  auch  der  an  Abbreviaturen  reichet 
an  Interpunktionszeichen  arme  Druck.  —  Der  Kürze  halber  sei  es  im 
Folgenden  gestattet  die  von  Wachsmuth  gewählte  Bezeichnung  Gnom. 
Bas.  auf  den  Inhalt  des  ganzen  Bandes  (Scriptores  aliquot  gnomici 
Basil.  1521)  auszudehnen. 


874  Henee 

quod  aliqaot  eermonee  priores  continebat'  benntzt,  das  er  von 
dem  Baseler  Joannes  Oporinus  erhalten  hatte  (praef.  p.  XY). 
Das  lebendige  Interesse,  welches  dieser  rührige  Mann  für  die 
Herbeisohaffang  von  Handschriften  bethätigte,  and  wie  er  dabei 
▼on  4em  Baseler  Senate  unterstützt  wurde,  erhellt  auch  ans  den 
Acten  des  Angsbnrger  Senats  vom  Jahre  1544;  die  betreffende 
Stelle  wurde  jüngst  von  H.  Foerster  in  dieser  Zeitschrift  1882 
p.  492  f.  mitgetheilt  aus  v.  Stetten,  Gesch.  der  Stadt  Augsburg 
I  374.  Das  in  Bede  stehende  Stobäusfragment  dürfte  für  uns 
verloren  sein,  wenigstens  waren  die  Nachforschungen,  die  mein 
Freund  Herm.  Siebeck  in  Basel  und  Zürich  anstellte,  vergeblich. 
Auch  mit  der  oben  erwähnten  Münchener,  ehemals  Augsburger 
Handschrift  ist  es  nicht  identisch.  Dass  es  nicht  bei  der  Druck- 
legung von  Gesner's  Ausgabe  verloren  ging,  erhellt  schon  daraus, 
dass  Gesner  das  fragm.  Opor.  nur  bei  seiner  Texteegestaltung 
hie  und  da  heranzog  {id  quoque  adhibui  praef.  p.  XY),  in  der 
Hauptsache  aber  die  ed•  princ.  zu  Grunde  legte.  Auch  hat  Opo- 
rinus —  so  weit  lassen  sich  die  Schicksale  dieser  Handsclirift 
verfolgen  —  seinen  Schatz  wie  billig  von  Gesner  zurückerhalten^; 
es  ergibt  sich  dies  aus  einer  Stelle  der  zwei  Jahre  nach  Gesner's 
erster  Stobäusauegabe  erschienenen  Bibl.  Un.  f.  456':  fragmentum 
tarnen  manuscriptum,  quo  primi  aliquot  sermofies  cantinentur^  Toan. 
Oporinus  nosier  habet ^  cuius  initio  adscribiiur  βιβλίον  α'.  Aber 
die  letztere  Notiz  über  die  Aufschrift  βιβλιον  α',  die  Gesner  auch 
in  der  praef.  p.  XX  für  das  fragm.  Opor.  constatirt,  läset  den 
Yerlust  der  Handschrift  leicht  verschmerzen.  Eben  diese  Auf- 
schrift, durch  welche  nach  späterer  Zurechtmachung  das  ursprüng- 
lich dritte  Buch  des  Stobäischen  Gesammtwerkes  als  βιβλιον  α' 
des  inzwischen  von  den  sogen.  Fclogae  losgelösten  und  selbst- 
ständig überlieferten  zweiten  Haupttheiles  d.  i.  des  sogen.  Flori- 
legium  bezeichnet  wird,  ist  ein  charakteristisches  Kennzeichen 
für  die  Handschriften  Trincavellischer  liecension.  Mitgetheilt 
wurde  sie  schon  oben  in  dem  Ueberblick  dieser  Handschriften 
für  den  cod.  Paris,  gr.  2092.  Ebenso  findet  sie  sich,  fugen  wir 
nun  hier  hinzu,  in  dem  dort  ebenfalls  genannten  Oxford  er  cod. 
Canon,  gr.  69,  nämlich  Ίιυάννου  Στοβαίου  εκλογών  αποφθεγμά- 
των υποθηκών  βιβλίον  πρώτον,  περί  φρονήσειυς  λόγος  α,  ganz 

^  Umgekehrt  mahnt  einmal  Gesner  den  Oporinus  zur  Rücksen- 
dung entliehener  Bücher  Epistol.  mcdiciu.  Conr.  Gesneri  libri  III  (Ti- 
guri  a.  1577)  f.  lOQv. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobaischen  Flonlegium.      875 

gleichlautend  endlich  in  den  unR  aus  jener  Uebersicht  gleichfalls 
schon  als  Trincavellisch  bekannten  Vaticani  954  und  955.  £e 
ergibt  eich  hieraus,  dass  nicht  nur  das  fragm.  Opor.,  sondern 
beiläufig  auch  die  in  Schow's  Ausgabe  (Pars  I  Lips.  a.  1797) 
mit  den  Siglen  D£FG  bezeichneten  Codices  sämmtlich  Hand- 
schriften Trincavellischer  Recension  sind.  Denn  für  alle  diese 
vier  Handschriften,  wenn  nicht  bei  dem  einen  oder  andern  jener 
Siglen  etwa  ein  Druckversehen  vorliegt,  was  bei  den  eigenthüm- 
lichen  Schicksalen  dieser  Ausgabe  (vgl.  die  praef.  librarii)  be- 
kanntlich nicht  ausgeschlossen  ist,  vermerkt  die  genannte  Aus- 
gabe p.  69  n.  2  den  völlig  gleichlautenden  Titel.  Als  sicher  darf 
wenigstens  angenommen  werden,  dass  unter  den  bei  Schow  mit 
DEFG  bezeichneten  vier  Handschriften,  die  beiden  Vaticani  954 
und  955,  über  welche  wir  Schow  oben  referiren  hörten,  mitent- 
halten   sind  ^      Wie    somit    der    Trincavellische    Charakter    des 


1  Wie  in  den  Vaticani  so  fand  sich  natürlich  auch  in  den  l^eiden 
andern  Codices  Schowii  der  bezeichnete  Tit«l  vor  der  £kl.  5,  21  άλλ' 
έατι  δη  τις  δλλος  κτέ.,  d.  h.  vor  der  Ekloge,  mit  welcher  die  Hand- 
schriften Trincavellischer  Recension  ihren  Anfang  nehmen,  nicht  vor 
3,  l,  wie  CS  nach  Schow's  Ausgabe  p.  69  den  Anschein  gewinnt.  Indem 
Schow  den  von  Τ  in  der  Reihenfolge  völlig  abweichenden  Text  der 
editio  Geneveusis  zu  Grunde  legt  (vgl.  Schow  bei  Oaisf.  praef.  p.  LVHl), 
überträgt  er  nun  willkürlich  den  in  jenen  Handschriften  gefundenen 
Titel  Ιωάννου  Στοβαίου  εκλογών,  αποφθεγμάτων,  υποθηκών  βιβλ(ον 
πραιτον.  περί  φρονήσεως  λόγος  πρώτος  auf  den  Anfang  des  Kap.  περί 
φρονήσεως  in  der  ed.  Genev.,  statt  ihn  correcter  Weise  vor  der  fikloge 
άλλ'  ίατι  δή  τις  δλλος  mitzutheilen.  Es  ist  dies  nur  ο  i  η  Punkt  aus 
vielen,  die  uns  die  Nichtvollendung  der  Sohow*8chen  Ausgabe  keines- 
wegs bedauern  lassen.  Von  den  Vertretern  der  Trine.  Klasse  kennt 
Schow,  wie  wir  oben  sahen,  noch  die  Florentiner  Handschrift  Rhos., 
in  welcher  jener  Titel  ebenfalls  gelesen  wird,  aber  ohne  die  Bezeich- 
nung βιβλίον  πρώτον.  Ebensowenig  findet  sich  die  Angabe  βιβλ(ον 
πρώτον  in  dem  Schow  ebenfalls  bekannten  cod.  Marc.  (vgl.  Schow 
bei  Gaisf.  praef.  p.  LXIII),  aus  welchem  die  ed.  princ.  abgedruckt  ist. 
Bei  der  flüchtigen  Art,  in  welcher  Schow  seine  Angaben  macht,  ist 
die  Möglichkeit  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  er  das  Fehlen  der  Be- 
zeichnung βιβλίον  πρώτον  in  der  im  übrigen  übereinstimmenden  in- 
scriptio  des  cod.  Marc.  (vgl.  Trine,  p.  1)  wie  auch  in  Rhos.  übersehen 
oder  doch  nicht  weiter  betont  hätte,  und  dass  somit  auch  der  ood. 
Marc,  und  Rhos.  mit  zu  DEFG  zu  zählen  und  die  Vierzahl  dann  er- 
schöpft wäre.  Doch  ist  dies  nicht  ganz  sicher,  da  er  endlich  noch 
von  einem  Angelioanus  spricht,  der  gleichfalls  zur  Trincav.  Klasse  zu 
rechnen  sei:  cum  hiscc  (d.  h.  Vaticanis)  omnino  conaentU  ts,  qui  in  büd. 


876  Hense 


fragm.  Opor.  direkt  bezeugt  ist,   so  bestätigt  er  sich  oach  in- 
direkt daroh  den  Rückechlaes  ans  Gresner.^     Wäre  nämlioh  das 


AngeUca  odeervoitif,  ex  eodem  fönte  deduetus  et  eiusdem  fere  aeiatis: 
Sohow  bei  Gaief.  p.  LVII.  Dom  gegenüber  versichert  mich  Herr  Dr. 
Eiter,  dast  es  in  der  Angelica  keinen  Stobäus  gibt,  wie  mir  denn  aneh 
Herr  Stevenson  nur  von  dem  cod.  Angelicanus  C.  3.  17  berichtet  Lets- 
tere  Handschrift  aber  (vgl.  Schow  bei  Gaief.  p.  LXH  f.  Diels  Dox. 
p.  82  n.  1.  Wachsmath  Stud.  p.  55  n.  1  und  2)  ist  das  Handexemplar 
eines  Theilcs  der  Muivia  des  Apostolius;  wie  mir  Wachsmuth  mittheilti 
ist  Wilh.  Meyer  in  MQndien  im  Besitze  umfassender  Notizen  ans  die- 
sem Codex.  Anch  von  £lter  darf  man  wohl  über  die  hier  von  Seiten 
Sohow's  vorliegende  Gonfosion  eine  nähere  Belehrung  erwarten.  Im 
Uebrigen  benutste  Schow  bekann tlioh  den  *cod.  Caes.  Vindobonensis' 
(Schow  bei  Gaisf.  p.  LVII)  d.  i.  S.  Dazu  stellte  ihm  Gaetano  Marini 
einen 'parvulus  codex'  zur  Verfügung,  der  die  bisher  unverSfifentliohten 
Ματθα(ου  τοΟ  Δ€βαρή  κανόν€ς  συνθέσ€ως  κοινοί  πάντυιν  τών  τοΟ  λόγου 
μέτραιν  (1.  μ€ρΦν)  und  zum  Schluss  *  priores  XXX  VUI  Stobaei  Sermones 
ohrestomathiae  loco'  enthielt  (Schow  bei  Gaisf.  p.  LXH).  Die  Nachfor- 
schungen, die  Stevenson  und  £lter  in  Rom  nach  diesem  Codex  anstellten, 
waren  vergeblich,  und  sind  sie  wohl  überhaupt  aufzugeben.  Der  Verlust 
erscheint  beklagenswerth,  insofern  Schow  die  Beschaffenheit  der  Hand- 
schrift mit  S  auf  gleiche  Stufe  stellt.  Doch  lässt  Schow^s  Ausdruck 
chreatomathiae  loco  annext  sunt  wohl  nur  einen  Auszug  ver- 
muthcn,  eine  Ycrmuthung  die  durch  den  Ausdruck  *  parvulus  codex' 
gegenüber  der  Erwägung,  dass  die  ersten  38  Kapitel  nach  dem  Teub- 
ner^schen  Texte,  aus  dem  allerdings  noch  eine  Anzahl  G  csuer 'scher 
Interpolationen  auszuscheiden  ist,  über  400  Druckseiten  betragen,  nur 
an  Boden  gewinnt.  Was  Schow  sonst  noch  in  den  hier  nach  dem  Ab- 
druck bei  Gaisford  citirten  Addenda  zu  seiner  Schrift:  Charta  pai)yracea 
saeculi  III  musei  Borgiani  Yelitris  etc.,  Rom  1788  (zuletzt  kurz  be- 
sprochen von  Gardthausen  Gr.  Pal.  p.  171),  besonders  aber  in  seiner 
hier  ebenfalls  nach  Gaisford  citirten  cpistola  ad  Heyninm  (Rom  1790) 
an  Material  selbst  vorbringt,  hat  theils  schon  oben  Erwähnung  gefun- 
den, theils  sieht  es  wie  die  Bemerkungen  p.  LXIII  über  die  Handschrift 
der  Yallicelliana  und  die  in  Bologna,  zu  Stobäus  in  ganz  entfernter 
Beziehung.  Eine  eingehendere  Untersuchung  aber  über  die  in  Schow's 
Edition  gebrauchten  Siglcu  liegt  dem  heutigen  Thema  fern,  zumal  sein 
Text  nichts  anderes  ist  als  die  Vulgata  einschliesslich  fast  sämrot- 
licher  Interpolationen  Gesner's.  Die  Untersuchung  ist  wün- 
schenswerth,  wenn  auch  nur  um  den  Rest  des  mystischen  Dunkels  zu 
zerstreuen,  welches  der  Ueberschätzung  des  von  ihm  benutzten  Matc- 
riales  bisher  förderlich  war.  Für  heute  sei  soviel  bemerkt,  dass  ausser 
den  schon  beleuchteten  DEFG  in  Schow's  Ausgabe  überhaui)t  nur 
noch  die  Siglen  ABCHW  zur  Anwendung  kommen,  und  dass  unter  letz- 
teren eben  der  cod.  Vind.,    ferner  der  cod.  Marini  und  wohl  auch  die 


Die  Reihenfoige  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium.      877 

fragni.  Opor.  statt  zu  Τ  vielmehr  zur  Gruppe  MA  oder  zu  der 
durch  LBr  vertretenen  Ueberlieferung  zu  reohnen,  so  würde 
durch  das  Fragment  quo  primi  aliquot  sermones  conimefüur 
schon  Gesnerie  erste  Auegabe  um  das  zweite  Eap.  περί  κακίας 
bereichert  worden  sein,  während  in  Wirklichkeit  das  zweite  Kap. 
sogut  wie  das  sechste  erst  in  Gesner's  zweiter  Ausgabe  Eingang 
gewinnt,  und  zwar  aus  M.  Und  auch  sonst  würden  in  besagtem 
Falle  die  ersten  Kapitel  von  Gesner's  erster  Ausgabe  unter  dem 
Einiluss  jenes  fragnientum  '  manuscriptum'  ein  erheblich  anderes 
Aussehen  in  Bestand  und  Anordnung  erhalten  haben,  da  er  doch 
nicht  verschmäht  seinen  Text  aus  den  im  Druck  vorliegenden 
Schriftstellerausgaben  seiner  Zeit  zu  vervollständigen.  Diese  Er- 
wägung wird  auch  im  Einzelnen  bestätigt  durch  die  Beobachtung, 
dass  Gesn.^  mit  der  ed.  princ.  wie  in  der  Reihenfolge  der  Eklogen 
80  auch  in  den  für  Τ  charakteristischen  Lesarten  übereinstimmt. 
Da  sich  diese  Uebereinstimmung  schon  durch  Heranziehung  der 
Gaisford'schen  Ausgabe  d.  h.  durch  die  Gegenüberstellung  der 
dort  aus  Α  mitgetheilten  Lesarten  und  Vervollständigungen  für 
Jeden  leicht  ergibt,  so  beschränken  wir  uns  hier  darauf,  vielmehr 
das  dem  fragm.  Oporini  etwa  Eigenthümliche  wo  möglich  durch 
ein  sicheres  Beispiel  zu  kennzeichnen.  Nicht  ohne  Weiteres  sind 
hierher  zu  ziehen  die  vollständigeren  lemmatischen  Angaben,  welche 
auch  der  margo  des  griechischen  Textes  von  Gesn.*  nicht  selten 
gegenüber  der  ed.  princ.  bietet.  Trotz  seiner  Bemerkung  praef. 
p.  XIV  hat  sich  Gesn.^,  wie  schon  erwähnt,  in  der  Vervollständi- 
gung der  Lemmata  keineswegs  auf  den  margo  der  Uebersetzung  be- 
schränkt. Die  Gesner'schen  Interpolationen  sind  als  solche  meist  an 
der  Form  des  Lemma  zu  erkennen,  namentlich  daran,  dass  die  be- 
treffende Schrift  durch  die  Präposition  έν  eingeführt  wird,  wo- 
mit nicht  etwa  geläugnet  werden  soll,  dass  sich  die  gleiche  Aus- 
drucksweise auch  gelegentlich  überliefert  findet  (z.  B.  1,  93. 
4,21.  115,25,  123, 15  und  öfter).  Aber  wie  sie  dem  modernen 
Sprachgefühle  am  nächsten  liegt,    so  ist  sie  bei  Stobäus  die  sel- 


lonia  des  Apostolius  zählen  werden  (vgl.  Schow  bei  Gaief.  p.  LXII  f. 
magno  ctiam  textui  Scrmonum  emotumetito  fuit  insignis  iUe  codex  de,). 
Aber  die  scbon  erwähnte  Aporie  über  den  Angelicanus,  sowie  der  üm- 
8tand,  dass  Schow  neben  Stobäushandschriften  auch  abseits  liegende 
Exccrptc  kritiklos  heranzieht,  lassen  es  rathsam  erscheinen,  eine  ab- 
schliessende Untersuchung  bis  zu  dem  Zeitpunkte  zu  vertagen,  wo  un- 
sere Kenntniss  Stobäischer  und  nicht• Stobäisoher  Excerptlitteratur  eine 
noch  mehr  erweiterte  sein  wird. 


876 


Hense 


teuere  gegentlber  der  Anwendung  des  bloRsen  Genetive  oder  Da- 
tive oder  der  Präposition  έκ.  Nicht  hat  man  also  etwa  an  das 
fragm.  Opor.  zn  denken  bei  Lemmata  wie  4,  49  Πλάτωνος  έν 
φαίοιυνι  Gesn.^  ρ.  34  (Πλάτωνος  ed.  prino.  ρ.  27)  oder  4,  96 
Πλάτωνος  έν  εύθύφρονι  Geen.^  ρ.  38  (Πλάτων  ed.  princ.  ρ.  30) 
oder  4,  99  έν  τιμαίω  Geen.^  ρ.  38,  eine  Ekloge  die  ed.  prino. 
ρ.  30  ohne  Lemma  mit  der  vorhergehenden  zusammenhängt,  oder 
4, 113  Πλάτωνος  έν  μένωνι  Gesn.^  ρ.  40  (Πλάτωνος  ed.  princ. 
ρ.  31),  oder  8, 22  Πλάτωνος  έν  φα(5ωνι  Gesn.^  ρ.  42  (Πλάτωνος 
ed.  princ.  ρ.  33,  nicht  wie  Gaisf.  ρ.  229  angibt).  Alle  diese 
Beispiele  (wir  beschränkten  uns  auf  das  Kap.  π€ρΙ  αφροσύνης) 
sind  G^sner'sche  Interpolationen,  wie  dies  die  Yergleichung  von 
Μ  Α  lehrt:  4,  49  Πλάτωνος  έκ  τοΟ  Φαίδωνος  Μ^Α;  4,  96  fehlt 
in  HA  (doch  vgl.  4,  98  Πλάτωνος  έκ  τοΟ  Εύθύφρονος  Μ^Α); 

4,  99  hängt  in  ΜΑ  ohne  Lemma  mit  dem  vorhergehenden  zu- 
sammen; 4, 113  fehlt  in  MA;  8,  22  Πλάτωνος  έκ  τοΟ  Φαίδωνος 
Μ^Α.  Der  völlig  gleiche  Nachweis  liesse  sich  für  das  bei  Trine 
und  Gesn.^  folgende  dritte  Kap.  περί  οως>ρο(Τυνης  fuhren:  ed. 
princ.  p.  35—48.  Gesn.^  p.  44 — 60.  Aber  inmitten  der  auch  hier 
überall  von  Gesn.^  mit  έν  eingeführten  Interpolationen  findet  sich 

5,  128  beiGesn.^  p.  44  das  Lemma  Πλάτωνος  πολιτειών  γ 
gegenüber  ed.  princ.  p.  36  Πλάτωνος,  und  hier  wird  es  daher 
erlaubt  sein  an  das  fragm.  Opor.  zu  denken.  Der  Genetiv  und 
die  Angabe  des  Buches  scheinen,  obwohl  es  sich  auch  hier  um 
eine  Geener  anderweitig  zugängliche  Stelle  handelt,  auf  eine 
handschriftliche  Vorlage  hinzuweisen:  vgl.  5,  128  Πλάτωνος  πο- 
λιτείας γ  Μ*Ά.  Mit  grösserer  Sicherheit  läset  uns  eine  andere 
Differenz  zwischen  Gesn.'  und  Trine,  einen  Blick  in  das  fragm. 
Opor.  thun,  nämlich  die  Ekl.  4,  12,  und  zwar  ergibt  sich  hier, 
dass  das  Bruchstück  von  Interpolatorcnthätigkeit  nicht  ganz  frei 

geblieben  war: 

Frob.  p.  84 
Σαπφούς  προς  άπαίδευτον 
γυναίκα  κατθανοισα  6έ 
κείσεαι.  ουδέποτε  μνα- 
μοσύνα  σέθεν  έσσετ'  ού- 
5  6έποκ*  Οστερον.  ου  γαρ 
μετέχεις  i)o6ujv  των  έκ 
πιερίας.  ύλλ'  αφανής  κέιν 
άΐ6α•  δομοφοίτασις  παϊ6' 
άμαυρών  νεκύων  έκπεπο- 
10  ταμένα. 


vd,  princ.  ρ.  24 
ΣαπφοΟς. 

Κατθανοισα  δέ  κεισθαι. 
ουδέποτε  μναμοσύνα 
σέθεν  έσετ'  ούδέποκ* 
ΰστερον.  ού  γάρ  μετέ- 
χεις f)oöujv  των  έκπιε- 
ρίας,  άλλ'  αφανής  κην 
άΐδςι  δόμοις  φοίτασις. 
παϊδ'  άμαυρών  νεκύων, 
έκπεποταμέναν. 


Gesn.!  ρ,  30 
Σαπφούς  προς  απαίδευτο 
γυναίκα.  Κατθανοισα  i 
κείσεαι.  ουδέποτε  μνο 
μοσύνα  σέθεν  έσσετ'  οϊ 
δέποκ'  ύστερον,  ού  γο 
μετέχεις  ^όδων  των  Ι 
πιερίας,  άλλ'  αφανής  κή 
άΐδα  δόμοις  φοίτασις.  οι 
δεΙς  δέ  σε  βλέψει  παΐ 
άμαυρών  νεκύων  έκπειπ 
ταμέναν. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      879 

Die  Gegenüberstellung  lehrt,  dafis  Gesn.^  die  Fehler  der  ed.  princ. 
mit  Hülfe  von  Frob.  (3  κείσεαι  4  έσσετ'),  aus  dem  er  auch  das  voll- 
ständigere Lemma  herübernahm,  stillschweigend  verbesserte. 
Es  stimmt  dies  mit  dem  auch  sonst  bei  Gesn.^  beobachteten  Ver- 
fahren: Verbesserungen  oder  Ergänzungen  aus  Frob.  oder  den 
ihm  vorliegenden  Schriftstellerausgaben,  soweit  sie  ihm  einleuch- 
tend erschienen,  nimmt  er  stillschweigend  in  den  Text  auf  {ad 
ipsa  archetypa  corrcxi  Gesn.  praef.  p.  XIV),  während  er  im  an- 
dern Falle  den  Leser  durch  eine  mit  cHiiis  oder  einem  Asteriscue 
oder  ähnlich  eingeführte  Marginalbemerkung  über  die  varia  lectio 
belehrt.  Hinsichtlich  seiner  eigenen  Vermuthungen  machte  er 
sich  den  gleichen  Grundsatz  zur  Norm,  nur  ganz  selbstverständ- 
liche Correcturen  will  er  in  den  Text  aufnehmen:  si  quae  uero 
dubitatianem  idlam  utro  modo  rccHus  leger eniur,  parüura  uide- 
hatUur,  in  iis  omnino  religiöse  exemplaris  ueterem  lectioftem  reti- 
nuiniiis,  et  coniectnram  nosfram  in  margine  Graeco,  Lafinouey  aut 
utrobique  ascripsimus  (praef.  p.  XV).  Es  ist  daher  meines  Er- 
achtens  kaum  einem  Zweifel  unterworfen,  dass  Gesner  die  häse- 
liche  Interpolation  ούΟ€ΐς  hi  (T€  βλέψεΐ  auch  hier  wie  in  zahl- 
reichen anderen  Fällen  durch  ein  addo  oder  addendum  ptäo  oder 
de  nostro  addidimus  oder  dgl.  als  seinen  eigenen  Ergänzungsver- 
such am  Rande  bezeichnet  hätte,  wenn  er  sie  eben  nicht  vielmehr 
aus  einer  handschriftlichen  Vorlage  geschöpft  hätte.  Diese  Vor- 
lage kann,  soweit  ich  sehe,  nur  Üporinus  sein.  Nachdem  das 
äolische  πεό*  όμαύριυν  νεκύων  in  παϊΐ)'  όμαυρών  νεκύων  ver- 
derbt war  und  in  Τ  die  Aenderung  έκπεποταμίναν  statt  έκττεπο- 
ταμένα  nach  sich  gezogen  hatte,  versuchte  sich  ein  Corrector 
in  dem  fragm.  Opor.  mit  jenem  üblen  Emblem.  Indem  wir 
Zweifelhafteres  (wie  z.  B.  die  Schreibung  von  4,  42.  43  bei  Gesn.* 
p.  34  gegenüber  ed.  princ.  p.  26)  hierher  zu  ziehen  mit  Absicht 
vermeiden,  sei  nach  diesem  Blick  auf  das  bei  Gesn.*  benutzte 
fragmentum  '  manuscriptum*  zum  Schluss  nur  nochmals  hervor- 
gehoben, dass  Gesn.*  abgesehen  von  der  hie  und  da  vorgenom- 
menen Scheidung  zweier  in  der  ed.  princ.  vereinigt  auftretender 
Eklogen  (wie  z.  B.  5,  133.  134  Gesn.*  p.  2.  1,  58.  59  Gesn.* 
p.  8.  5,  23.  3,  35  Gesn.*  p.  10.  5,  22.  3,  52  Gesn.*  p.  14  und 
and.)  oder  seltener  Vereinigung  zweier  in  der  ed.  princ.  ge- 
trennter Eklogen  (vgl.  z,  B.  5,  67  ed.  princ.  p.  15  f.  mit  Gesn.* 
p.  18  ff.)  durchweg  die  Trincavellische  Beihenfolge  wieder- 
gibt, eine  Thatsache,  die  schon  für  sich  allein  genügen  würde, 
das   fragm.  Opor.   in   die  T- Gruppe    zu   verweisen.     Hätte    sieh 


880  Hense 

Gegner  in  dem  fragm.  Opor.  eine  andere  als  die  für  die  Trin- 
cavellieche  Sippe  so  charakterietische  Eklogenfolge  dargeboten, 
80  würde  er  diese  Disorepanz  zum  mindesten  in  der  praefiatio, 
wo  er  (p.  XXI)  die  ihm  schon  damals,  aber  lediglich  aas  in* 
neren  Gründen  anftanchenden  Scmpel  gegenüber  der  Trincavelli• 
sehen  Beihenfolge  zam  Ausdruck  bringt,  mit  in  die  Wagschale 
gelegt  haben. 

Gänzlich  verlassen  wurde  die  Trincavellische  Reihenfolge 
zumal  in  der  hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  Anfangepartie 
durch  Gesner's  zweite,  sechs  Jahre  nach  der  ersten  erschienene 
Ausgabe,  Basileae  1549  in  fol.^.  Da  uns  eben  diese  zweite 
Ausgabe,  ihre  Grundlagen  sowie  ihr  Yerhältniss  zur  ersten,  ins- 
besondere aber  die  in  ihr  gebotene  Eklogenfolge  in  den  nach- 
stehenden Blättern  yorwiegend  beschäftigen  wird,  so  beschränken 
wir  uns  hier  auf  die  wesentlichsten  Fingerzeige.  Von  handsohrift* 
lichem  Materiale  war  Gesner  bekanntlich  inzwischen  der  Codex 
des  D.  Diego  Hurtado  de  Mendoza  d.  h.  der  jetzige  Escorialeneis 
(M)  zugänglich  geworden  (praef.  p.  XXII),  aus  dem  er  nicht  nur 
das  zweite  und  sechste  Kapitel  zum  ersten  Male  zu  veröffentlichen 
so  glücklich  war,  sondern  auch  viele  einzelne  Eklogen  hinzu- 
fügte, andere  vervollständigte,  verbesserte  oder  doch  mit  Va- 
rianten ausstattete.  Wie  ββ  aber  von  jener  Zeit,  der  eine  diplo- 
matische Quellenausnützung  fern  lag,  kaum  anders  zu  erwarten 
ist,  bleibt  die  Yerwerthnng  von  Μ  bei  Gesn.^  mangelhaft  und  will- 
kürlich. Wenn  Gesner  in  Bezug  auf  das  aus  Μ  gegenüber  Τ 
neu  hinzukommende  Material  in  der  praef.  a.  a.  0.  bemerkt:  ea 
Iranscripsi  omniOj  so  mag  sich  diese  Bemerkung  allenfalls  auf 
seine  eigenen  Schedae  beziehen,  auf  die  Ausgabe  selbst  dagegen 
findet  sie  keineswegs  in  vollem  Sinne  Anwendung.  In  zahlreichen 
Fällen,  wo  eine  Ekloge  in  Μ  gegenüber  Τ  und  Gesn.^  vollstän- 
diger geboten  wurde,  begnügt  sich  Gesn.*^  mit  einer  Bemerkung 
wie  alias  plura  addunlur  usque  ad  Jiaec  uerba  .  .  .  p.  273,  oder 


*  Von  Gcsner's  zweiter  Ausgabe  verdanke  ich  seit  einigen  Jahren 

Di  eis'  Freundlichkeit  das  Handexemplar  von  Fr.  Jacobs,  das  dann  in 

den  Besitz  0.  Jahn's  übergegangen  war.     Jacobs  hat  es  mit  einer  Reihe 

von  Randbemerkungen  versehen:    Haud  paticas  niargini  Stobad  Gc^ne- 

riani   allevcram   cum   alioram   Observationen,   α  recentissimo  editore  atU 

^gkctaa,    aut  post  Oxoniensefu  editionem  demum  prolataSy   tum  etiam 

ieas  qualescuuque  cofiiecturas,   repetita  lectionc  enatas  u.  s.  w. :    Jacobs 

■ect.  Stob.  (Jenae  1827)  p.  XXIII. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegiam.      381 

al,  plnra  hie  praeponuntur  ab  hoc  inUio  ...  p.  274  und  ähn- 
licLen,  die  er  auch  griechisch  in  den  Text  zu  setzen  keinerlei 
Bedenken  trägt.  So  kam  es  denn,  dass  später  Gaisford  in  dem 
ersten  dieser  aus  vielen  ganz  beliebig  herausgegriffenen  Bei- 
spiele in  der  Lage  war,  ans  dem  mit  Μ  meist  tibereinstimmenden 
Α  die  £kl.  43,  149  um  ein  erhebliches  Stück  zu  vermehren  und 
die  von  Gesn.^  in  Μ  völlig  übersehene  Ekloge  43,  150  aus  Α 
neu  hinzuzufügen,  in  dem  zweiten  der  erwähnten  Beispiele  wie- 
derum das  Anfangsstück  der  £kl.  43,  152  aus  Α  zu  ergänzen. 
Noch  weniger  zeigt  sich  natürlich  in  der  Angabe  oder  Verwer- 
thung  der  varia  lectio  aus  Μ  Consequenz  oder  Genauigkeit.  Be- 
lege für  diesen  Satz  finden  sich  auf  Schritt  und  Tritt.  Eine 
klare  Einsicht  aber  in  das,  was  Μ  bot  oder  nicht  bot,  wurde 
dem  Leser  bei  Gesn.^  auch  abgesehen  von  der  Unvollständigkeit 
und  Ungenauigkeit  der  Angaben  und  der  hier  meist  nur  latei- 
nischen Wiedergabe  der  Lemmata  schon  dadurch  wenn  nicht 
geradezu  unmöglich  gemacht,  so  doch  wesentlich  erschwert,  dass 
auch  die  zahllosen  Varianten  ans  M,  wo  sie  nicht  gleich  im  Texte 
auftreten,  mit  einem  alicis  oder  mit  einem  Asteriscus  u.  dgl.  ein- 
geführt werden  und  nun  mit  den  aus  der  ersten  Ausgabe  her- 
übergenommenen, in  gleich  allgemeiner  Weise  eingeführten  Ver- 
weisungen auf  die  Schriftstellertexte  jener  Zeit,  Frob.  u.  s.  w. 
ein  Conglomerat  bilden,  das  nach  seinem  Einzelwerthe  nur  von 
demjenigen  richtig  benrtheilt  werden  kann,  der  der  Frage  über 
den  sogenannten  margo  Gesneri  ein  sorgfältiges  Detailstudium 
gewidmet  hat.  Da  es  später  Gtiisford  an  diesem  Studium  fehlen 
Hess,  namentlich  aber  das  Zuratheziehen  der  ersten  Ausgabe 
versäumte,  die  neben  Μ  Frob.  Cam.  u.  a.  für  die  Beurtheilung 
der  zweiten  Ausgabe  den  besten  Schlüssel  bietet,  zumal  in  der 
ersten  Ausgabe  die  Kennzeichnung  von  Gesner's  eigenen  Verrau- 
thnngen  als  solcher  eine  sorgfältigere  ist,  so  ergaben  sich  die 
übelsten  Consequenzen.  Obwohl  nämlich  Gaisford  die  bei  Gesn.^ 
auftretenden  Verweisungen  auf  die  Schriftstellerausgaben  als  solche 
in  öfteren  Fällen  erkannt  hat  (z.  B.  zu  Ekl.  85,  14),  so  hat  er 
das  gleiche  Verhältniss  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  ein- 
fach übersehen  oder  doch  dem  Benutzer  seiner  Ausgaben  nicht 
kenntlich  gemacht.  Kein  Wunder,  dass  aus  Gesner's  ungesich- 
teter  Anhäufung  so  verschiedenwerthiger  Marginalien,  in  denen 
sich  neben  wichtige  Lesarten  aus  Μ  ungezählte  Varianten  aus  fehler- 
haften Schriftstellertexten  drängten,  so  wie  durch  das  kritiklosf' 
Weit  ertragen  dieser  Marginalien  unter  Gaisford's  vager  Bezeit 


882  Herne 

nong  *&6βη.  marg/  eicb  auch  bei  den  Fragmentgainmleni  Hau* 
cherlei  unrichtiges,  Schiefes  und  Ueberflfiedgee  snmal  hinsiohtlioh 
der  Lemmata  einschlich.  Unterstütst  durch  Dübner's  Mitthei- 
lungen aus  M,  macht  eine  rühmenswerthe  Ausnahme  durch  seine 
Vorsicht  und  Enthaltsamkeit  A.  Nauck  in  den  Fragm.  Trag.  Die 
Gefahr,  das  γοη  Gesn.^  gebotene  Material  zu  fibersch&tsen  und 
daraus  falsche  Folgerungen  zu  ziehen,  lag  freilich  auch  ohne  das 
Vorangehen  Gaisford's  nahe  genug.  Mit  der  schon  erwähnten 
Versäumniss  in  die  Quellen  γοη  Gesn.^  und  in  das  Verhältniss 
von  Gesn.^  zu  G^n.'  einzudringen,  wirkte  zusammen  die  blen- 
dende Thatsache,  dass  Gesn.^  so  viele  unschätzbare  neue  £klogen 
und  Angaben  aus  dem  von  ihm  mit  Recht  gepriesenen  Codex  Μ 
mitgetheilt  hatte,  von  denen  namentlich  die  lemmatischen  Angaben 
durch  Α  und  durch  Gaisford's  nachträgliche  Collation  von  S  viel- 
fach bestätigt  wurden,  endlich  die  Schwierigkeit  sich  von  der 
entlegenen  Fscorialhandschrift  eine  neue  Collation  zu  verschaffen. 
Der  Fallstricke,  die  dem  Leser  bei  Gesn.'  gelegt  sind,  gibt  es 
gar  viele.  Im  Besondem  muss  vor  dem  täuschenden  Schein  sol- 
cher Stellen  gewarnt  werden,  wo  G^sner  aus  einer  ihm  zugäng- 
lichen Sohriffcstelleredition  eine  Lesart  anmerkt,  die  dann  nach- 
träglich in  dem  reicheren  Apparat  der  Späteren  auch  durch  eine 
Stobänshandechrift  vertreten  ist.  Wenn  z.  B.  Gaisford  zu  Ekl. 
59,  4  V.  2  notirt  έμφίρετ']  συμφίρβτ'  Β.  Geen.  marg.,  so  ge- 
winnt es  bei  oberflächlicher  Betrachtung  den  Anschein,  als  habe 
hier  Gesner  Β  oder  eine  dem  ähnliche  Stobäushandschrift  benutzt, 
während  er  in  Wirklichkeit  sein  dl.  συμφέρετ'  (Gesn.^  f.  361^) 
oder  *συμφίρ€τ'  (Gesn.^  p.  376)  nur  aus  Aratus  selbst  geschöpft 
hat,  wie  schon  Grotius  D.  P.  p.  536  bemerkt:  üa  in  Arato  castat. 
Wir  kommen  auf  die  Quellen  von  Gesn.^  und  die  Frage  über 
den  margo  Gesneri  in  dem  für  diese  Abhandlung  gebotenen  Um- 
fange später  kurz  zurück.  Ebenso  werden  die  zahlreichen  Inter- 
polationen, mit  denen  Gesn.^  seinem  *  Κέρας  *Αμαλθαίας'  (so)  eine 
für  die  Zeit  des  Humanismus  schwerwiegende,  für  uns  um  so  zwei- 
felhaftere Empfehlung  auf  den  Weg  gab,  und  deren  Mehrzahl 
bekanntlich  schon  von  Gaisford  und  Meineke  getilgt  wurde,  in 
mehrfacher  Hinsicht  beleuchtet  werden.  —  Eine  Wiederholung 
der  zweiten  Ausgabe  ist  die  zehn  Jahre  später  erschienene  dritte 
Ausgabe  Gesner's,  Tiguri  1559  in  fol.  Hie  folgt  der  zweiten 
^enau  in  Reihenfolge  und  Bestand  der  Eklop^en,  wie  auch 
eide  Ausgaben  in  dem  Umfang  der  Columnen  sich  decken.  Es 
ttrde  somit  auch  die  Paginirung  genau   übereinstimmen,    wenn 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegriam.      888 

nicht  in  der  zweiten  Ausgabe  die  pp.  94  und  95  irrthüuilich 
zweimal  gesetzt  wären,  ein  Druck  versehen,  welches  dann  in  der 
dritten  corrigirt  ist.  Die  letztere  weist  demgemäss  scheinbar 
zwei  Seiten  mehr  auf,  nämlich  632,  während  die  zweite  nur  bis 
630  zählt,  einige  heterogene  Anhängsel  beidemal  einbegriffen• 
Es  erschien  rathsam,  um  unnütze  Weitläufigkeiten  zu  vermei- 
den, einem  Winke  Gesner's  gemäss  die  falsche  Paginirung  vor 
der  Benutzung  der  zweiten  Ausgabe  zu  corrigiren  und  sie  nur 
da  beizubehalten,  wo  es  darauf  ankommt,  etwaige  Unterschiede 
zwischen  Gesn.^  und  Gesn.*  hervorzuheben.  Aber  eben  letztere 
sind  sehr  unwesentlich.  Die  am  Schlüsse  der  zweiten  Ausgabe 
gegebenen  Castigationes  ebenso  einige  schon  nach  der  praefatio 
gegebene  Verbesserungen  werden  natürlich  für  die  dritte  ver- 
werthet.  Eigenthümlich  ist  Gesn.^  der  *  Index  autorum*  vor  dem 
Beginne  des  Textes.  Letzterer  selbst  differirt  selten  (z.  B.  Ekl. 
3,  4  €ΐοής  Gefln.2  εΐοής  τι  Gesn.»  ρ.  35.  Ekl.  3,  39  €ύτυχ€Ϊς 
Gesn.*^  ευτυχήσεις  Gesn.^  ρ.  38).  Hinsichtlich  der  nun  folgenden 
Wecheliana,  Francofurti  1581  in  fol.,  gab  die  richtige  Beur- 
theilung  schon  Fabricius  bibl.  gr.  1.  V  c.  25:  mol^a  confusiane 
Stohaeanis  excerptis  intcgra  Ä  Maximi  et  Äntonii  Melissae  coUec- 
fanea  admixta  eahibet,  unde  cUius  capitum  numeruSj  cUiusque  wdo. 
Bene  tarnen  est,  quod  capiia  Stobaei  distincia  rdiquit  neque,  iia 
ut  Maximi  et  Äntonii^  inier  se  confudit.  Gesner's  zweite  Aus- 
gabe des  Florilegium  wird  hier  mit  Kapiteln  des  Gesner'schen 
Maximus  und  Antonius  durchschossen  der  Art,  dass  zwar  die 
Kapitelfolge  des  Stobäus  gestört  wird  (z.  B.  c.  3  περί  φρονή(Τεως 
=  c.  28  ρ.  75  Wech.),  nicht  aber  die  Eklogenfolge  innerhalb 
der  Stobäuskapitel.  Die  nun  folgende,  mir  bisher  nur  aus  der 
Angabe  bei  Fabric.  a.  a.  0.  bekannte  Ausgabe  Lugduni  1608  in 
fol.,  sowie  der  1609  erschienene  Genfer  Druck  machten  dem 
willkürlichen  Durcheinander  von  Stobäuskapiteln  und  Stücken  des 
Maximus  und  Antonius  wieder  ein  Ende.  Der  Genfer  Druck  ist 
eine  genaue  Wiedergabe  von  Gesn.^  mit  Beibehaltung  des  Co- 
lumncnumfangs  und  mit  gleicher  Paginirung,  aber  in  weniger 
scharfen  Typen.  Es  findet  sich  auch  hier  die  schon  von  Bandini 
Catal.  cod.  gr.  t.  II  p.  446  bemerkte  Nachlässigkeit,  welche  Gesn.^ 
mit  Gesn.*^  theilt,  nämlich  dass  die  Kapitelzahlen  38  und  39  je 
zweimal  verwendet  werden  (ττερί  φθόνου  sermo  38.  περί  πατρί- 
δος s.  39.  περί  Η\Χ]ς  s.  38.  περί  απορρήτων  β.  39).  Zumal  da 
der  Genfer  Dnick  nach  dem  Florilegium  auch  Canter's  Ausgabe 
der  sogenannten  '  Eclogae^  bot  und  zum  Schluss  aus  der  Yieeh 


884  Herne 

jene  üble  Ausgabe  dee  Antonius  und  Maximas,  über  welehe 
Wacbsmutb  nrtheilie  Stnd.  p.  101,  erhielt  er  das  Ansehen  der 
Ynlgata  (erüieia  pUrumque  eiiata:  Graisf.  praef.  p.  XIII)«  Nach 
Ansscheidnng  einer  Beibe  Gesner^sober  Interpolationen,  auf  die 
sebon  Fabricius  a.  a.  0.  und  Tyrwhitt  praef.  Orph.  Lith.  p.  Τ 
(vgl.  Oaisf.  praef.  p.  II  und  p.  XIII)  hingewiesen  hatten,  die  aber 
noch  Nie.  Schow  in  dem  ersten  und  einzigen  Bande  seiner  Aus* 
gäbe  (Lips.  1797  8^)  fast  gänzlich  unbeanstandet  Hess,  wiederholte 
die  Vulgata  d.  h.  den  Oesner'schen  Text  des  Florileginm  in  an- 
dererseits erweitertem  Bestand  Thom.  G-aisford  (Oxonii  1822 
und  Lips.  1823-24.  4  Yoll.  8^).  Er  fügte  demgemftss  seiner 
Ausgabe  die  Seiten-  und  Zeilenzahlen  der  ed.  Genevensis  hin»i| 
führte  aber  zugleich  dieNumerirung  der  einzelnen  £klogen 
innerhalb  der  Kapitel  ein  (praefL  p.  XIII).  L&sst  man  neben  der 
erwähnten  Eliminirung  Gesner^sober  Interpolationen  eine  Anzahl 
Yon  neuen  Eklogen  und  Vervollständigungen,  welche  Gaieford 
aus  dem  von  ihm  verglichenen  Α  und  aus  L  einführte,  nioht 
ausser  Acht,  so  stellt  sich  (abgesehen  von  den  hierdurch  mit 
Xothwendigkeit  eintretenden  Modificationen)  in  der  Numerirnng 
Gaisford^s  zugleich  die  Beihenfolge  der  Eklogen  in  der  Ynlgata, 
d.  h.  die  Gesner^sche  dar.  Um  unnöthigen  Weitschweifigkeiten 
ans  dem  Wege  zu  gehen,  empfiehlt  es  sich  unter  dem  erwähn- 
ten Vorbehalt  die  Gaieford^schen  Eklogennummerii  einfach  ab 
die  Gesner'sche  Reihenfolge  zu  behandeln,  und  der  bestehendes 
Difi^erenz  nur  da  ausdriick liehe  Erwähnung  zu  thun,  wo  sie  fOr 
das  Wesen  der  Sache  von  Belang  ist,  z.  B.  in  den  Fällen,  wo 
Gaiflford  eine  bis  dahin  unedirte  Ekloge  bietet,  oder  wo  er  Ges- 
ner  sehe  Interpolationen  in  seinem  Texte  stehen  Hess  oder  um- 
gekehrt Eklogen  tilgte,  die  Gesner  in  Μ  gefunden  hatte.  In 
jenem  limitirten  Sinne  wird  die  Gesner'eche  Reihenfolge  auch 
repräsentirt  durch  den  heute  am  meisten  verbreiteten  Teubner- 
flchen  Text  (Lips.  1855 — 57.  4  voll.  8^),  insofern  nämlich  Aug. 
Meincke  die  Nnmerimng  Gaisford's  ängstlich  bewahrte  und  aucli 
da  nicht  von  ihr  abwich,  wo  er  etwaige  der  Interpolation,  sei  es 
schon  Graisford  oder  erst  ihm  verdächtige  Stellen  in  kleineren 
Typen  unter  dem  Texte  gab,  oder  wo  er  die  Scheidung  einer 
Ekloge  in  zwei  (z.  B.  3,  27.  27*.  4,  Iß.  16•.  4,  21.  21»  u.  a.)  für 
geboten  hielt  oder  endlich  umgekehrt  zwei  Eklogen  in  eine,  dann 
aber  mit  Vorsetzung  beider  Nummern  zusammenzog  (z.  B. 
3,  14.  15.  10,  31.  32).  Mihi  quidem,  sagt  Meineke  Add.  v.  IT 
p.  LXXXIV,  nihil  aliud  projwsihwi  fuit  nisi  uf  Gnisfordi  ieainm 


Die  Reihenfolge  der  £klogeii  im  Stob&ischen  Florilegiam.      366 

sive  mea  ipsius  opera  »ive  aliornm  emendationihtis  adiutus  hie  ilUc 
correctutn  exhiberem.  £r  wurde  unterstützt  durch  die  nachträg- 
lich inzwischen  erschienene  Gaisford^sche  Collation  von  S  (Stob. 
£cl.  t.  II  p.  860  ff.),  durch  Gaisford's  Addenda  ad  Stobaei  Flo- 
rilegium  (a.  a.  0.  p.  838  ff.),  in  denen  neben  einer  etwas  weiter 
gehenden  Benutzung  von  L  auch  ßeving's  Veröffentlichung  über 
Br  (vgl.  Stob.  flor.  exe.  Br.  p.  1)  herangezogen  war,  weiterhin 
durch  den  'Venetus  a  Kirchhoffio  inapectus'  (vgl.  v.  I  p.  III  zu 
Ekl.  1,  13.  p.  IX  zu  Ekl.  2,  2  und  3  ^)  d.  h.  durch  die  Einsicht 
einiger  Stellen  des  cod.  Marc.  452  chartac.  in  8^  saec.  circ.  XIV, 
der  die  TobuJViai  des  Makarios  Chrysokephalos  enthält  (vgl.  Gaisf. 
Flor,  praef.  p.  V  n.  Ecl.  t  II  p.  841.  Wachsmuth  Stud.  p.  50), 
weitaus  am  meisten  endlich  durch  seine  eigene  Genialität  (Lect. 
Stob.  p.  1).  Aber  das  Interesse  dieses  glücklichen  Kritikers  war 
lediglich  auf  die  Textesemendation  gerichtet,  während  der  Kreis 
der  durch  Gaisford's  Mittheilungen  über  L,  über  die  abweichende 
Reihenfolge  in  Α  und  Τ  nahegerückten  fundamentalen  Fragen  ihn 
so  wenig  kümmerte,  dass  er  in  seiner  Sorglosigkeit  sogar  einige 
von  Gaisford  anfänglich  übersehene  Eklogen,  von  denen  sich  drei 
übrigens  nicht  nur  in  Α  sondern  auch  in  Τ  finden,  statt  sie  an 
den  betreffenden  Stellen  in  den  Text  aufzunehmen,  auch  seiner- 
seits wie  Gaisford  als  Addenda  aufführte  v.  IV  p.  144,  und 
zwar  fehlerhaft  und  unvollständig  (vgl.  ebendas.  p.  XLIII). 

Der  obige  Ueberblick  lehrt:  hinsichtlich  seines  Bestandes 
hat  der  Text  von  Gesner's  secunda  oder  tertia,  d.  h.  der  Vulgata 
im  Laufe  von  drei  Jahrhunderten  nur  einmal,  nämlich  durch 
Gaisford    eine    nennenswerthe   Kecension    erfahren,    während    die 


^  Nicht  bezieht  sich  auf  den  Codex  des  Makarios  die  Notiz  Mei- 
nekes  v.  I  p.  XII  zu  Ekl.  4,  8  *π€πραχότ€ς  ex  Ven.%  ebensowenig  wie 
die  p.  XIII  zu  Ekl.  4,  42  und  43  *  Επιχάρμου]  hoc  lemma  Grotiiis  e 
coniectura  posuisse  videtur;  Kbri  Κβρκίδου  vel  Κβρκίδας,  atque  ita  etiam 
Ven  α  Kirchhoffio  inspectus.  iidem  Κ€ρκ(δου  sequenti  loco  ad- 
scriplum  otnittunt.  Weder  Ekl.  4,  θ  noch  Ekl.  4,  42  und  43  sind  in 
den  Excerpten  des  Makarios  enthalten.  Wie  Trino.  p.  24  und  p.  26 
lehrt,  beziehen  sich  Meineke's  Angaben  hier  vielmehr  auf  den  oben 
näher  beschriebenen  cod.  Venetus,  aus  dem  die  ed.  princ.  geflossen. 
Kirchhoff  hat  also  auch  die  letztere  Handschrift  eingesehen,  Meineke 
aber  die  auf  beide  Handschriften  bezüglichen  Notizen  nicht  ausein- 
andergehalten. In  solchen  Dingen  darf  man  bei  Meineke  keine  Ge- 
nauigkeit erwarten,  und  mit  Trincavelli  hat  er  öfter  Unglück  gehabt, 
vgl.  Men.  et  Phil.  Rel.  praef.  p.  VI. 

Rhein.  Mus.  f.  Pbüol.  N.  F.  XXXIX.  25 


886  Hente 

eeener*8ehe  Reihenfolge  der  Eklogen  abgesehen  von  den  dnrdi 
jene  Reoension  mit  Nothwendigkeit  eingetretenen  Alterirnngen» 
die  insbesondere  dnrch  das  ZnsammenrOoken  der  durch  Gteener*- 
sohe  Interpolationen  ehemals  getrennten  Eklogen  snm  Ansdmek 
kommen,  ungeprüft  von  einer  Ausgabe  in  die  andere  übertragen 
wurde. 

Um  nun  diese  Prfifting  nioht  nur  mit  Hülfe  von  Κ  sondern 
auch  von  Α  vornehmen  zu  können,  ist  es  zuvörderst  geboten, 
die  Blfttterversetsung  in  A,  deren  Stob.  flor.  exo.  Br.  p.  S5 
Erwähnung  geschah,  kurz  ins  Reine  zu  bringen.  Für  die  ersten 
26  Blätter  hat  im  Wesentlichen  das  Richtige  bereits  getroffen 
Gktisford  v.  IV  p.  381  f.  Das  in  einer  früheren  Phase  erste 
Blatt  der  Pariser  Handschrift  löste  sieh,  wie  dies  öfter  beob- 
achtet wird,  am  Anfang  los  und  wurde  dann  an  folscher  Stelle, 
und  zwar  am  Schluss  als  f.  214  angeheftet.  An  f.  214  aber 
haben  sieh,  wie  Gaisford  ebenfalls  schon  richtig  ermittelte,  die 
ersten  Folien  in  nachstehender  Reihenfolge  anzuschliessen:  214. 
17.  18.  23.  24.  19.  20.  1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  9.  10.  11.  12. 
13.  14.  15.  25.  Zu  bemerken  ist  hierzu,  dass  die  nioht  mit  auf- 
gezählten Blätter  16.  21.  22  in  Α  unbeschrieben  sind.  Die  Noth- 
wendigkeit der  mitgetheilten  Anordnung  ist  von  Oaisford  a.  a.  0. 
durch  die  Folge  der  Kapitel  und  insbeRondere  durch  das  nun- 
mehrige Ineinandergreifen  der  in  der  Ueberlieferung  getrennten 
Eklogentheile  bereite  genügend  klar  gestellt.  Sie  wird  auf  das 
genaueste  bestätigt  durch  M.  Wie  sich  also  beispielsweise  die 
Nothwendigkeit  der  Aufeinanderfolge  von  Α  f.  24  und  f.  19  für 
Gkieford  einfach  dadurch  ergab,  dass  auf  f.  19'  die  £kl.  1,  64 
eben  da  fortgesetzt  wird,  wo  sie  auf  f.  24^  abbrach,  n&mlich  mit 
αυτά  (nur  das  letzte  α  von  αυτά  ist  ausradirt,  unzutreffend  Gais- 
ford*8  Angabe  a.  a.  0.  p.  381),  so  wird  der  durch  die  Blattver- 
schiebung jetzt  zerrissene  Satz  καΐ  ά  μίν  φιλοτιμία  άιτό  τοΟ 
θυμοεώ^ος•  ||  αυτά  b'  έν  ύπβρβολςί  γενομίνα  γεννή  τάν  θηριό- 
τητα  (ν.  Ι  ρ.  20,  80  Mein.)  nicht  nur  in  Τ  ed.  princ.  ρ.  4,  wo- 
raus Oaisford  das  Richtige  entnahm,  sondern  auch  in  Μ  f.  12^ 
in  ununterbrochener  Folge  gelesen.  Gerade  so  erhält,  um  noch 
ein  anderes  Beispiel  zu  geben,  die  jetzt  in  Α  mit  f.  20^  abschnei- 
dende Ekl.  1,  88  durch  f.  l*"  ihre  Fortsetzung,  nämlich  durch 
V.  I  p.  42,  28  Mein,  και  ίστι  φρόνησις  μέν  (die  punktirten  Buch- 
staben sind  heate  nicht  mehr  leebar)  περί  το  λογι2Ιόμ€νον  ktL 
Nach  Gaisford  a.  a.  0.  p.  381  muss  es  scheinen,  als  begönne 
f.  1  mit  Ekl.  1,  88  Auf.,  was  irrthümlich.     Wiederum  wird  die  (id 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.       887 

Τ  fehlende)  Ekloge  ununterbrochen  gelesen  in  Μ  f.  16^,  aus  dem 
sie  Gesner^  publicirte,  und  in  Br.  f.  16^  Und  eo  findet  die 
bezeichnete  Reihenfolge  auch  sonst  überall  ihre  Bestätigung. 
Nur  in  einem  Punkte  hat  sich  Gaisford  bei  seiner  Remedur  ge- 
irrt, nämlich  hinsichtlich  f.  214.  Allerdings  bildete  dieses  Blatt 
in  der  obigen  Gruppe  ehemals  den,  wie  Μ  lehrt,  auch  so  noch 
vorn  verstümmelten  Anfang  der  Handschrift,  aber  übersehen 
wurde,  dass  das  Blatt  nach  seiner  Loslösung  verkehrt  eingeheftet 
wurde:  das  was  jetzt  rectum  ist,  war  ehemals  versum,  und  um- 
gekehrt. Mit  andern  Worten,  nicht  die  Ekl.  5,  56.  3,  43.  3,  44. 
1,  66  u.  s.  w.,  d.  i.  der  Beginn  von  f.  21 4p,  bildeten,  wie  Gais- 
ford angibt,  ehemals  den  Anfang  der  Handschrift,  sondern  viel- 
mehr die  Eklogen  1,  30.  1,  29.  πυθαγόρου.  . . .  μ . .  άνανεούσθω 
(Joi  κτέ.  1,  19  (in  dieser  Folge,  nicht  wie  bei  Gaisford  a.a.O. 
p.  381  notirt  wird).  1,  20  u.  s.  w.,  d.  i.  der  Beginn  von  214\ 
Dass  dies  der  wahre  Sachverhalt  ist,  lehrt  nicht  nur  Μ  f.  2^ — 4^, 
wo  wir  die  anfänglich  nur  vermuthete  Ordnung  bestätigt  fanden, 
sondern  auch  Br.  Die  erste  Ekloge  in  Α  f.  17^,  die  sich  an 
f.  214  anzuschliessen  hat,  ist  5,  67;  diese  Ekloge  aber  folgt  wie 
in  Μ  f.  4^  so  auch  in  Br  f.  7'""'^  nicht  auf  die  letzte  von  Α 
f.  214^,  d.  h.  nicht  auf  1,  89,  sondern  auf  3,  40,  d.  h.  auf  die 
Schlussekloge  von  Α  f.  21 4^  Mithin  wurde  in  der  Vorlage  von 
Br  sogut  wie  noch  jetzt  in  Μ  der  Inhalt  von  Α  f.  214*'  nach 
dem  von  Α  f.  214^  gelesen.  Bemerkt  wurde  übrigens  schon  oben, 
dass  auch  mit  f.  214^  der  ursprüngliche  Beginn  von  Α  nicht  ge- 
wonnen ist.  Aus  dem  zwischen  Μ  und  Α  obwaltenden  Raumver- 
hältniss  lässt  sich  indess  der  Umfang  des  Verlustes  in  Α  bemessen. 
Die  Summe  des  in  Α  auf  f.  214^"*"  Gebotenen  nimmt  in  Μ  ziem- 
lich genau  zwei  Folien  ein,  nämlich  den  Sohluss  von  f.  2^  bis 
gegen  Ende  von  4^,  und  zwar  deckt  sich  das  was  auf  f.  4^  über- 
schüssig ist,  raumlich  etwa  mit  dem,  was  noch  vom  Schlüsse  von 
f.  2^  hinzuzunehmen  ist.  Da  nun  in  Μ  die  in  Α  verlorene  An- 
fangspartie gleichfalls  auf  etwa  zwei  Folien  gegeben  wird  (f.  1' 
bis  gegen  Ende  von  2^),  so  dürfte  in  Α  vor  f.  214^""'  kaum 
mehr  als  ein  Blatt  des  Textes  verloren  gegangen  sein.  Und 
den  Ausfall  eines  Blattes  im  Anfang  hatte  schon  Gaisford  an- 
genommen praef.  p.  V.  Nach  Hinzunahme  der  obigen  Berich- 
tigung hinsichtlich  f.  214,  durch  welche  auch  Gaisford's  Zweifel 
hinsichtlich  der  ersten  Blätter  (de  tfibus  prioribus  aliquantwn 
dvhifo  Gaisf.  v.  IV  p.  381)  gehoben  werden,  hatte  also  schon 
der   englische   Herausgeber    die   ursprüngliche  Ordnung   df 


868  •    Henee 

nannten  Folien  hergeetellt,  nnd  legen  wir  sie  im  Folgenden  η 
G^rnnde.  Diese  Folien  enthalten  die  ersten  seehs  Kapitel,  enf 
welohe  sieh  das  Beweismaterial  in  der  nns  hente  beachäftigeiiden 
Frage  im  Wesentlichen  beschränken  möge.  Wir  verfolgen  also 
hier  die  in  Α  femer  yorzunehmenden  Blättemmstellnngen  nicht 
weiter;  nur  sei  der  Vollständigkeit  wegen  noch  bemerkt»  daee  das 
sechste  Kapitel  in  Α  nach  f.  25  anf  dem  f.  32'^^  zu  Ende  ge• 
fuhrt  wird. 

Indem  wir  nns  nunmehr  znr  Prüfung  des  ersten  Kapitels 
anschicken,  dürfte  sich  hier  wie  überhaupt  eine  tabellarisohe  Zi- 
sammenstellung  der  handschriftlichen  Zeugen  durch  Kurse   und 
üebersichtlichkeit   einzig  empfehlen.     Es  werden  also  die  Gais- 
ford-Meineke*schen  Eklogennummem,    durch  welche  sich   in  der 
oben   bezeichneten   Einschränkung   eben  die  Gesner'sche  Reihen- 
folge  darstellt,   jetzt   in    der  Eeihenfolge  der  handschrift- 
lichen Ueberlieferung  yorgefOhrt.    Der  Vortritt  bei  diesem 
Zeugenyerhör  gebohrt   der  Sippe  MA,   insofern   sie  das  Kapitel 
am  yollständigsten   erhalten  hat  und  Μ  Hand  in  Hand  mit  der 
ed.  princ,  wie  oben  bemerkt,  an  der  Wiege  der  Vnlgata  gestan- 
den hat.    Μ  Α  tritt  also  zunächst  die  Klasse  Τ  gegenüber,   der- 
gestalt dass  die  sich  in  Τ  gegenüber  MA  findenden  Abweichungen 
jedesmal   hinter  der  betreffenden   Ekloge  yermerkt   werden,   ein 
Verfahren,  welcheß  auch  für  die  vierte  Columne  Br  (beziehunge- 
weiee  L)  eingehalten  wird.     Die  Art  und  Weise,  wie  die  im  An- 
fang stark  verwirrte  T- Klasse  von  uns  für  die  einzelnen  Kapitel 
und  zunächst   für   daR    περί   αρετής    herangezogen   wird,    findet 
weiter    unten    ihre    nähere   Begründung.     Diese  Begründung  be- 
deutet zugleich  einen  Keconstructionevereuch  des  Archetypus  der 
Klasse  in  dem  für  die  heutige  Frage  gebotenen  Umfange.     Indem 
bei  dieser  Keconstruction  die  in  der  ed.  princ.  d.  i.  die  im  cod. 
Marc,  dargebotenen   Bausteine  benützt  werden,    hat  man  sich  zu 
erinnern,  dass  das  Nacheinander  oder  richtiger  Durcheinander  der 
Anfangskapitel  gerade  das  am  meisten  charakteristische  Merkmal 
für  die  Mitglieder  der  T-Klasse   überhaupt   bildet,    dass   es   also 
zumal   gegenüber   der   uns    notorisch    bekannten   Uebereinstim- 
mung  zwischen  den  Oxforder  Handschriften,    der  Münchener  und 
der  der  Marciana  nur  gerechtfertigt  ist,  auch  die  sich  in  anderen 
Vertretern   der  Klasse    etwa   findenden   Discrepanzen   als   unwe- 
sentliche zu  betrachten,  wie  sie  an  ihrer  Stelle  auch  unten  znr 
Sprache    kommen.     Eine    vielleicht    übertriebene   Vorsicht    kann 
immerhin   die  Möglichkeit   einräumen,    dass  in    dem    oder   jenem 


Die  Reihenfolge  der  Elklogen  im  Stobäischen  Fiorilegiuni.      36Θ 

bisher  nur  von  Schow  oder  Gaisford  untereuchten  Vertreter  der 
Klasse  innerhalb  der  ersten  Kapitel  noch  einige  Eklogen  mehr 
auftauchen,  als  bisher  bekannt  sind,  ein  derartiger  Zuwachs  würde 
indess  das  Bild  nur  vervollständigen  helfen,  nicht  aber  es  zu 
alteriren  vermögen.  Wenn  in  den  nachstehenden  Tabellen  dem 
Bestände  der  T-Klasse  an  den  betreffenden  Stellen  die  von  uns 
numerirten  Seiten  der  ed.  princ.  hinzugefügt  werden,  so  soll 
dies  einerseits  dem  Leser  den  Einblick  in  den  zugänglichsten 
Vertreter  der  Klasse  erleichtern  helfen,  andererseits  empfiehlt  sich 
dies  Verfahren  auch  im  Hinblick  auf  das  zwischen  der  Vulgata 
und  der  ed.  princ.  obwaltende  Verhältniss.  Der  nach  einer  £kloge 
gesetzte  verticale  Strich  deutet  ihr  Hinüberreichen  in  das  nun 
angegebene  Folium  oder  die  nun  angegebene  Pagina  an. 

Br  f.  V  περί  άρ£τής 


f.  1Γ  π€ρΙ  αρετής 

.  καΐ  τ(να 

Α 

Τ 

τρόπον  κατά  άρετήν  βιιυ- 

τέον  ύποθήκαι. 

Τών  τε 

τοις   παλαιοΐς 

πραχθ^ν- 

τιυν      μνήμη 

βιακρελε- 

στάτη  :  -^ 

1  f.  ir 

2 

3 

4 

5 

6 

12 

___ 

— 

— 

— 

16 

— 

— 

13 

— 

— 

14 

— 

— 

15      f.  l^ 

9 

7 

4 

13 

— 

^^■* 

— 



44  Ι  f.  2' 

— 

_ 

60 

1. 

60  nach  einer  Partie 
des  7.  Kap.   (7,  74) 
ed.  princ.  p.  3 

ιει  γάρ — βλαπτικά  d.  i.  ein 

— 

— 

iatz  aus  1, 64  V.  I 

ρ.21,3— 

>  Mein. 

15 

— 

1, 

45  nach  1,  69  p.  6 

33 

-— 

S, 

58 

)1 

— 

6, 

31 

η 

— ' 

8, 

31  nach  3,  30  p.  6 

Κ) 

>— 

8, 

30  nach  5,  31  p.  6 

12 

— 

8, 

32  nach  8,  31  p.  6 

- 

— 

8, 

93 

)4 

— 

5, 

54 

^5      f.  2^ 

— 

6, 

55  1  p.  7 

(9 

— 

1, 

39  nach  1,  88  p.  7 

0 

1,  30  f. 

2UV 

1, 

80  nach  1,  59  p.  7 

1,  43  nach  1,  25  f.  Iv 


5,  81  nach  5, 124  f.  2' 
8,  31  nach  8, 80  f.  2' 
8,  80  nach  5, 81  f.  2' 


5,  54  nach  3,31  f.  2' 
5,  55  nach  1,  48  f.  1^ 


^^^890 

Henee 

^1 

Μ 

Λ 

Τ 

Br 

Ι,  29 

1,  2'J 

1.  29  ολΆ  1, 

31  ρ. 

7 

1.  2ί»  f.  1Γ 

Γίυθαγόρου 

Τνώμαι; 

πυθαγόρου. 

...μ.. 

— 

ώνανΐούΰθ 

dvaviouoem  —  ή 

dvavtoüöBiu- 

αιτία 

τά  αηίο. 

VrI.  ϊ. 

ή  τά  οΙκΙα  (βί>) 

IV  ρ.  381  ÖaiBf. 

1.  la  (  f.  3 

1,  19 

1,   19 

1.   Ιϋ 

1.  20 

Ι.  20 

1,  20 

1,  21 

1.  21 

1,  21 

6.  28 

&,  2Ö 

L•,  28 

1,  23 

1,  22 

1.  22 

Ι,  -η 

1,  23 

1.  23 

1,  24 

1,  24 

1.  24 

Ι,  25 

1,  25 

1,  2Β 

1,  25  Ι  f.  Ι 

1,  2ti 

Ι,  26 

1,  L!6 

1,  27 

],  27 

Ι.  27 

Ι,  28 

ι,  38 

Ι.  28       ρ,  8 

Β,  23 

6,  29 

5,  20 

5.  30 

5,  31) 

5,  30 

ών  £νΐκα  — 

μή   κα- 

iLv Ιίνίκα  - 

-  μή 

Ων  ϊνϊκα  — μή  κατόκνοι 

riiiKvei  (9' 

θ).  Vßl. 

KOTOKvei 

IJi« 

(BU  uJ,  1)Γ.) 

v.ivi,.a8i(iftiBr. 

Worte  κι 

-Δ  &. 

ποθανίϊν  jetzt 

abgerieseu) 

6,  23 

5,23 

α,  23 

3,  3Β 

3,  36 

3.  35 

5,  24 

5,  24 

6.  24 

1,  83 

1,  83 

1,  83  uaeh  6, 

55  11' 

7 

1,  58  na«!.   1. 

39  ρ. 

l,5eiiachd 

Stob.  fl. 
ρ.  33  f.  ν 

1.  Β9 

1,  &9 

1.  59 

1,  Bl 

1,  31 

Ι.  31  nach  1, 

30  ν. 

5,   127  Ι   f. 

5.   127 

5,  127ii!ichl, 

90  ρ. 

10 

5.   127  u.  5, 

t,  82 

1,  32 

1,  32  imuh  5, 

24  ρ. 

θ 

1,  32 

e,  1 

8,  27 
8,  28 


Ι,  89 

Ιϊςκ 
ΓΙ 


94 

3, 

,  94  η.  1,1 

95 

3, 

,  95  Ι  f.  ί 

90  nach  1,  99  ρ.  9  f. 

2    nach  5, 127  p.  10 

— 

27  nach  1,8  ρ.  10 

Ζ 

28 

32 

_ 

39  Ι   ρ.   Π 

89  nach  3,  52 

ρ.  η 

41 

22  vollst,  nach  9,34 

— 

5,  56  Doob  1,41  ρ.  11 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium. 


391 


Μ 

3,  43 
8,  44 

1,  66  I  f.  4r 
1,  83  wiederholt: 
vgl.  nach  5,  24 
1,  94 
1,  99 
1,  8 

7,  75 

1,  91 

1  92 

l',  37  I  f.  4v 

1,  38 

8,  41 

1,  30  wiederh. 

8,  42 
1,  33 
1.  34 
5,  25 
5,  26 

5,  27 

9,  34 
δημοκράτους ;   μή 

διά  φόβον— χρεών 
αμαρτημάτων  :- 
Vgl.  ν.  IV  ρ.  381 
Gaisf. 

6,  45 
8,  40 

5,  67  lückenhaft  | 
f.  51--V  (f.  6—7 
unbeschrieben) 


Br 


1,  85  der  Anfang 

nicht  erh.  f.  8'-v 
1.  86 

1,  70  I  f.  9' 
1,  71 
1,  72 

1,  73  I  f.  9^ 
1,  74 

1,  75  I  f.  lOr 
1,  78 
1,  76 
1,  77 
1,  79 
1,  64 


f.   10^ 
f.  lU 
f.  !!▼ 
f.  12r-v 


f.  13' 


3,  43 
3,  44 

1,  66 


1,  94 
1,  99 
1,  8 

7,  7Ö 

1,  91 

1,  92 

1,  37 

1,  88 

3,  41 

1,  30  wiederh. 

3,  42 

],  33 

1,  34 

5,  25 

5,  26 

6,  27 

9,  34_  ^ 

δημοκρα :  μή  διά  — 
χρεών  αμαρτημά- 
των (die  Worte 
φόβον  άλλα  διά  τό 
jetzt  abgerissen) 

5,  45 

8,  40 

5,  67  vollständig 
f.   17'-v  f.  18r 


5,  68 

5,  69 

6,  70 

6,  71  I  f.  18v 

1,  85  vollständig 

1,  86 

1,  70  f.  23r 
1.  71 
1,  72 
1,  73 
1,74 

1,  76  I  f.  23V 
1,  78 
1,  76 

1,  77  I   f.  24r 
1    79 

l*  64  I     f.  24V 
f.  19r 


3,  43 

3,  44 

1,  65  n.  3, 40  p.  12 

1,  66  I  p.  13 


1,  99  n.  3,  95  p.  9 
1,  8     n.  5,  1  p.  10 
7,  76  (vollständi- 
ger) n.  3, 44p.  11 
1,  91  p.  12 
],  92 
1,  37 
1,  38 
3.  41 

3,  42 
1,  33 
1,  34 

5,  25 

6,  26 
6,  27 

9,  34  n.3,39  p.  11 
Μή  διά  q)oßov— χρε- 
ών αμαρτημάτων 
nach  5,  27  ρ.  12 


6,  46 
3,  40 
6,  67  Anfang  bis  τ. 

Ι   ρ.   124,  16  Μ. 

nach  1,  68  ρ.  16f. 


1,  64  Anf.  nach 
1,  60  ρ.  3.  1, 64 
(ρ.  18,28-29  Μ.) 
nach  1,  67  ρ.  4. 
1,  64  (ρ.  20, 9— 
22, 4  Μθίιι.μ  ^  ^ 


7,  75  nach  1,  82 
f.  2Γ-ν 


6,  25  η.  1,97  f.7» 


5,  46 
8,  40 
5,  67 


f.  7v  f.  8^^ 


5,  68  η.  Ι,ββί.ΐβ' 


1,  76  η.  δ,  67  f.  8^ 

1,  79  Ι  f.  9'-^ 
1,  64  Ι    f.  ΙΟ^-ν 
f.  Π'-ν 


Henee 

^^ 

Λ 

Τ 

Br 

1,  HO  Ι 

f.  19> 

1,  69  1   ρ.  ti 

1,  Ü9  1   f.  12 

1,  67  ν. 

.llBlBudi;; 

1       I,  «7  (μ.  23,0- 

-14 

1,  67  1   f.   IS 

f.  20Γ 

Mein.)  nach  1, 
Anf.  p.  4.    1, 
lückenhaft    a: 
1,66  p.  13  1p. 

64 
67 

iLch 
14 

f.   U' 

1.  es  vollst. 

1,  eSlückenh.lp 

.1δ 

1,  68  1    f.  » 

1,  53  1 

f.  20» 

„ 

_ 

1,  62 

1,  G2  t   f.  15 

Ι,  es 

1,  63 

1,  87 

1,  87  1    f.  15' 

1,68  1 

f.  i'   f.  IV 

— 

I,  88  t    f.   16 

δ.  m 

5,  124  interpol, 
5,82  p.37 

.  η, 

5,  124  UMb 
f.  I»  f.  3r 

1,  4» 

1,  46  ri.  B,73p, 

.38 

1,  47 

1,  47 

1,  47  nach 
f.  18Γ-» 

1,  48 

1,  18 

1,  49 

1,  49 

1,  60 

l,  50 

1,  60 

1,  ai  1 

f.  at 

1,  61 

1,  51 

],  53 

1,  52 

1,  52 

5,84 

5,  84 

6,  85 

B,  85  p.  39 

Ξ    J 

6.  86 

6  θβ"^ 

6,  87 

5,  87 

6.87 

5,  87 

5,  87 

^β8 

5,  88 

5.  88 

6,891   1 

■.  13* 

6,  89 

6,90 

b.  MO 

5,90 

6.91 

5,  91 

5:91 

6,  92 

6.  9a 

5,  92 

6,93 

5,  93 

B.  93 

6,  94 

6,  94 

B,  94 

6,  95 

5,  95 

6:95 

5,96 

6,  96 

6,  96 

B,  »7  1  f 

•.  20•• 

6;  97 

5,  »7 

6,98 

5,  98 

5,  98 

6:99 

5,  99 

6,  99 
6,  IOC 
5,  101 

6,  101 

6,  101  1   t.  2' 

5,  106 

5,   106 

1,  54 

1,  64 

1,  56 

1.  65 

1,  56 

I,  56 

1,  67 

I,  57 

6,  107 

5,  107 

5,  108 

5,  lOE 

6,  109 

5,  lOS 

5,110 

5,  HC 

Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium« 


393 


Μ 


Br 


Β 

5, 

111      \ 

f.  2lr 

5, 

112 

■ 

δ, 

113 

δ, 

114 

δ, 

115 

δ, 

11ϋ 

δ, 

117 

8, 

77 

8, 

78 

3, 

79       1 

\  21ν 

f.  22Γ- 

ν 

3, 

80  Ι  f. 

23Γ-ν 

8, 

81 

8, 

82 

«. 

8, 

83 

3 

8, 

84  unvollst. 

■ 

8. 

86 

e; 

8, 

87 

r• 

8, 

00 

8, 

91 

1. 

35 

Ol  τό  άπό  τΦν  αΐ- 

σχρών 

κτέ.   Vgl. 

clOp. 

134  Gcsn.a 

ν.  IV  ρ. 

382  Gaisf. 

5,  111 

δ,  112 

δ,  113  f.  3r 

δ,  114 

δ,  115 

5,  116 

5,  117 

3,  77 

3,  78 

3,  79  Ι   f.  3V 

3,  80  Ι  f.  4Γ 

3,  81 

3,  82 

3,  83 

S,  84  unvollst. 

3,  86 
8,  87 


3,  90 

1,  35 

οΐ  τό  άπό  τύιν 
αΙσχρών  κτέ. 


1,  18  Ι   f.  24r-v 

1,  18       f.  4v 

f.  2b^-y  f.  26'-^ 

f.  5'-^ 

1,  80 

1,  80 

1,  81 

1,  81 

5,  125 

5,  125 

δ,  73 

1,  95 

f. 


28 


f.  27' 

f.  27^ 

[r-y 


1,  96 


1,  97  I  f.  291• 

1,  100 

1,  101  I  f.  29^ 

f.  30^v  f.  81'-v 
1,  102 


5,  73 

1,  95  I  f.  6'-ν 


1,  96 


1,  97 
1,  100 
1,  101  I 

1,  102 


f.  7 


5,  111  I   p.  42 

5,  112 

5,  113 

5,  114 

δ,  115 

δ,  116 

5,  117 

3,  78 

3,  79  Ι    ρ.  43 

ρ.  44 
3,  80  Ι  ρ.  45 
3,  81 
3,  82 
3,  83 

3,  84  vollst. 
3,  85  Ι  ρ.  46 
3,  86 

3,  88 
3,  89 
3,  90 
3,  91 
1,  35 

01  τό  άπό  τών 
αΙσχρών  κτέ. 


1,  36 
3,  92 
9,  68 
9,  69 
9,  70 
1,  18 


ρ.  47  ρ.  48 
ρ.  49  ρ.  50 


ρ.  51  ρ.  52 


5,  125    nach 
5,  124  ρ.  37 


δ,  126 

5,  72  Ι  ρ.  88 

6,  78 

1,  9δ  Anfang  U. 
£nde  lücken- 
haft, η.  1,  18 
ρ.  δ2  ρ.  δ3 


3,  79   .ohne     Kapitelbe- 
(zeiühn.  nach  47,20 
8,  80  if.  59^-62^ 


5,  125  nach  δ,  110  ΐΛ8\ 
darauf  die  Stob.  fl.  exe. 
Br.  p.  38  mitgetheilte 
Ekloge  I  f.  19r 


1,  9δ    (ν.  Ι  ρ.  47,  30— 
48,  1    Μ)    nach    1,  84 
f.  6^ 

1,  96    nach  23,  18   (vgl. 

Stob.  fl.  exe.  Br.  p.  7) 

f.  6v  f.  7r 
1,  97 

1,  101  nach  7,  75  f.  2^ 
f.  3'-v  f.  4r-v 


Hesse 


Br 


I,  105  I  Lda^'''  1,  105  I  f.  8*  —  1,  106  1  C  »r 

l,  92  l.  92  —  — 

1,  84  I  f.  W^-^  1.  84  I  t  8^  —  1.  84  |  £5^  flSr 

1,  40  1•  40  —  — 

Ueberbliekt  man  dieses  an  Beiehthnm  und  Qnppmmg  von 
der  Ynlgata  so  grondTenchiedene  Bild,  welehee  vne  die  üeber- 
liefening  von  dem  ersten  Kapitel  yor  Augen  stellti  so  ergibt  mA 
▼or  Allem  die  fast  völlige  Uebereinstimmnng  von  MA,  und  swar 
raniehst  in  dem  Inhalte  and  Bestände  des  Kapitels:  die  beidea 
Vertreter  der  Sippe  erginien  sieh  gegenseitig.  Wie  der  dnieh 
Kinbosse  des  ursprünglich  ersten  Textblattes  in  Α  verlorene  An- 
fang, um  minder  Wichtiges  hier  sn  flbeigehen,  dnrdi  ]f  ei^ 
gänzt  wird,  so  werden  andererseits  dnreh  Α  einige  in  ]f  sieh 
findende  LQcken  ansgefullt,  nimlich  die  in  Μ  nnbesohrieben  ge- 
bliebenen Folien  6^7  and  14.  Was  die  Brüsseler  Excerpte 
angeht,  so  erhalten  die  durch  MA  im  Widerspmeh  mit  der  Vulgata 
dem  ersten  Kapitel  zugewiesenen  Kklogen  dureh  Br  ihren  Plats 
in  diesem  Kapitel  grossentheils  auoh  direkt  best&tigt|  nicht  nur 
indirekt  durch  das  Fehlen  in  den  durch  die  Yulgata  bezeichneten 
Kapiteln.  Wir  kommen  auf  diesen  Punkt  zurück.  Einen  Zu* 
wache  bietet  Br  durch  das  zu  1,  58  erwähnte,  Stob.  fl.  exe.  Br. 
p.  33  veröffentlichte  längere  lamblichusfragment.  Dasselbe  wurde 
in  der  Tabelle  nur  beiläufig  aufgeführt,  weil  die  Stelle  der  Ein- 
fügung nicht  sicher  genug  erschien.  Mit  allem  Vorbehalt  sei 
indess  die  Möglichkeit  ausgesprochen,  dass  der  £xcerptor  die 
Keihenfolge  wenigstens  insofern  nicht  störte,  als  er  1,  58  darauf 
folgen  lässt.  An  1,  58  schliessen  sich  nämlich  in  Τ  (ed.  princ 
p.  7)  die  Eklogen  1,  59:  es  wären  dann  in  Stobäischer  Weise 
drei  Stellen  des  nämlichen  Autors  nach  einander  geboten  worden. 
Die  Trincav.  Recension  weist  gegenüber  MA  in  der  Zahl  der  aus 
dem  ersten  Kapitel  gebotenen  Eklogen  ein  erhebliches  Deficit  auf, 
welches  eben  mit  der  unten  näher  aufzuhellenden  Yerwirrung  im 
Anfang  seinen  hauptsächlichen  Grund  haben  dürfte,  aber  sie  er- 
setzt dieses  Deficit,  wenn  unsere  unten  näher  zu  begründende  Zu- 
theilung  zu  Recht  bestellt,  durch  eine  nicht  minder  erhebliche 
Anzahl  nur  ihr  eigener  Eklogen,  nämlich  durch  3,  93.  1,  58. 
1,  93.  5,  129.  3,  94.  3,  95.  7,  2.  5,  32.  3,  39.  1,  41.  3,  52. 
1,65.  5,100.  3,85.  3,88.  3,89.  1,36.  3,92.  9,68.  9,69.  9,70. 
5,  126.  5,  72.  Beachtenswerth  ist  wiederum,  dass  einige  dieser 
£klogen  auch  in  Br  im  ersten  Kapitel  auftreten,  nämlich  1,  58. 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium.      895 

3,  94.  3,  95.  Wie  die  Anfangspartie  des  EHpitels  nur  durch  M, 
die  Ekl.  5,  69.  70.  71,  ein  Theil  von  1,  85  nur  durch  A,  das 
erwähnte  lamblichusfragment  nur  durch  Br  erhalten  ist,  eo  liefert 
auch  die  Trincavellie&he  Recension  ihre  eigene  Ausbeute.  Was 
die  Reihenfolge  betriflft,  so  springt  durch  die  obige  Tabelle 
zunächst  wiederum  die  völlige  Uebereinstimmung  von  Μ  Α  ins 
Auge:  der  Zusammenschluss  der  in  Α  oben  nach  Gaisford's  Vor- 
gänge reconstruirten  Blätterlagen  erhellt  durch  die  Confrontirung 
mit  M,  wie  schon  bemerkt,  auf  das  allerdeutlichste.  Mit  der 
somit  hergestellten  Ordnung  der  Sippe  MA  fallen  dagegen  Br 
und  Τ  nur  gruppen-  oder  bündelweise  zusammen.  Wie 
eng  indessen  die  Verwandtschaft  der  Vorlage  von  Br  mit  MA 
auch  in  Bezug  auf  die  Reihenfolge  war,  lehren  insbesondere  die 
in  Br  von  f.  7'  bis  18*"  sich  erstreckenden  Excerpte.  Vgl.  auch 
Stob.  fl.  exe.  Br.  p.  25  ff.  Auch  Τ  weist  hinsichtlich  der  Reihen- 
folge trotz  beträchtlicher  Abweichungen  eine  so  durchgreifende 
Verwandtschaft  mit  MA  auf,  dass  eine  Gegenüberstellung  ohne 
besondere  Unbequemlichkeit  zu  ermöglichen  war.  Nicht  nur  zahl- 
reiche kleinere  Gruppen,  sondern  auch  ausgedehntere  Partien 
wie  die  von  1,  45  bis  5,  55,  welche  nur  durch  die  abwei- 
chende »Stellung  von  1,  30  einmal  unterbrochen  wird,  oder  die 
von  1,  29  bis  5,  24,  die  von  7,  75  bis  5,  27,  insbesondere  aber 
das  umfassende  Stück  von  1,  46  bis  1,  18  werden  mit  gering- 
fügigen Auslassungen  oder  Zusätzen  durch  die  obige  Tabelle  in 
continuirlicher  Uebereinstimmung  mit  MA  erwiesen.  Aber  es 
erhebt  sich  hier  für  Τ  ein  wichtiger  Unterschied.  Während  sich 
in  Br  sämmtliche  vorgeführte  Excerpte  (mit  Ausnahme  von  3,  79. 
80.  Vgl.  die  Tab.)  gerade  wie  in  Μ  ausdrücklich  unter  dem 
Titel  περί  αρετής  finden,  ein  Titel  der  ehemals  auch  in  Α  auf 
dem  jetzt  verlorenen  ersten  Blatte  vorhanden  war,  wie  dies  auch 
durch  die  Kapitelaufschriften  Α  f.  8^  ß'  περί  κακίας,  f.  10'  γ' 
περί  φρονήσεως  und  sofort  nur  bestätigt  wird,  hat  in  Τ  nach- 
weislich eine  Verschiebung  stattgefunden,  und  zwar  dergestalt 
dass  die  Eklogengruppen,  welche  in  einer  früheren  Phase  des 
der  T-Familie  gemeinsamen  Archetypus  dem  ersten  Kapitel  an- 
gehört hatten,  sich  jetzt  unter  verschiedenen  andern  Titeln  ver- 
sprengt finden.  Wir  stehen  damit  auf  dem  Punkte,  die  schon 
wriederholt  erwähnte  Verwirrung  zu  Anfang  von  Τ  ins  Reine  zu 
bringen  und  damit  zugleich  unsere  Berechtigung  zu  erhärten,  Τ 
in  eben  der  Weise  für  das  erste  Kapitel  heranzuziehen,  wie  es 
in  obiger  Tabelle  geschehen  ist. 


896  Hense 

Dass  sonäohet  die  Handsohrift,  aus  welcher  die  Gruppe  Τ 
ihren  Ursprung  nahm,  su  Anfang  des  dritten  Buches,  sagen  wir 
etwa  bis  zum  siebenten  Kapitel,  sich  in  einem  arg  serrttttetan  und 
defeoten  Zustande  befand,  lehrt  der  erste  vergleichende  BUok  auf 
die  sonstige  handschriftliche  üeberlieferung.  Das  zweite  und 
sechste  Kapitel  (wir  gebrauchen  die  Kapitelzahlen  der  sonstigen 
Ueberl.),  die  Ghesner'  aus  Η  hinzufügte,  fehlen  ganz,  und  vom 
ersten,  fünften  und  siebenten  Kapitel  sind  nur  Trümmer  vorhan* 
den•  Die  Art  aber,  wie  diese  Trümmer  durcheinander  liegen, 
gibt  von  jener  Handschrift  ein  ziemlich  deutliches  Bild•  Fassen 
wir  die  einzelnen  Gruppen  nacheinander  ins  Auge,  so  tritt  ed. 
prino.  p.  1 — 2  zunächst  eine  Zahl  von  Eklogen  voran,  welche 
die  sonstige  üeberlieferung,  insonderheit  L  im  fünften  Kapitel 
aufweist:  die  erste  dieser  Eklogen  ist  die  nur  in  Τ  erhaltene 
5,  21,  die  letzte  gegen  den  Schluss  von  p.  2  die  Ekl.  5,  135. 
Die  Eklogen  5,  133  und  134  treten,  beiläufig  bemerkt^  in  Τ  un- 
gesondert auf,  Oesn.^  trennte  sie :  es  sei  erlaubt  da  wo  dergleichen 
Dinge^für  die  Frage,  um  die  es  sich  handelt,  ohne  Belang  sind, 
öfters  stillschweigend  das  Richtige  einzusetzen.  Auf  diese  Grmppe 
aus  dem  fünften  Kapitel  folgen  nun  p.  2  unten  bis  p.  8  vier 
Eklogen  aus  dem  siebenten  Kapitel,  nämlich  7,  69.  7,  70.  3,34. 
7,  74  (letztere  unvollständig):  alle  diese  Eklogen,  auch  3,  34, 
wie  unten  naher  erörtert  werden  wird,  setzt  die  sonstige  Üeber- 
lieferung in  das  siebente  Kapitel,  7,  74  auch  Br  f.  27'.  An  eben 
dieses  Stück  des  siebenten  Kapitels  schliesst  sich  nun  p.  3  bis 
incl.  der  siebenten  Zeile  von  p.  16  unmittelbar  ein  sehr  erhebliches 
Stück  des  ersten  Kapitels  an.  Die  erste  Ekloge  dieser  Gruppe 
ist  1,  60,  die  letzte  die  Anfangspartie  von  5,  67.  Die  Zuge- 
hörigkeit zum  ersten  Kapitel  folgern  wir  wiederum  zunächst  nur 
aus  dem  Umstände,  dass  alle  diese  Eklogen,  mit  Ausnahme  der 
aus  Τ  allein  bekannten,  durch  die  sonstige  Üeberlieferung  (immer 
abgesehen  natürlich  von  der  Yulgata)  in  das  erste  Kapitel  ge- 
stellt werden,  zweitens  aber  aus  der  Thatsache,  dass  einige  von 
den  in  dem  Gaisford'schen  Apparate  nur  auf  Τ  basirenden  Ek- 
logen nachträglich  auch  durch  Br  ihren  Platz  im  ersten  Kapitel 
bestätigt  erhalten.  Fragen  wir  nun,  ehe  wir  weiter  gehen,  unter 
welcher  Kapitelüberschrift  diese  drei  von  der  sonstigen 
üeberlieferung  drei  verschiedenen  Kapiteln  zugewiesenen  Eklogen- 
gruppen  in  Τ  auftreten,  so  begegnet  uns  die  auffallende  Thatsache, 
dass  diese  Kapitelüberschrift  nicht,  wie  man  erwarten  sollte,  die 
des  fünften  Kapitels  oder  die  des  siebenten  oder  endlich  die  des 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Siobäischen  Florilegium.      897 

ersten,  sondern  vielmehr  die  des  dritten  ist,  nämlich  περιφρο- 
νήσεως.     Der  Titel   auf  f.  l*"  des  cod.  Marc.   (=  ed.  pr.  p.  1) 

lautet  nach  Schwartz'  Angabe:    ΐωΑΝΝΟΥ  CTOBAIOY  GKAO- 

ΓώΝ  λποΦθβΓΜΑτωΝ  γποθΗκωΝ  nepi  ΦΡΟΝπαεωα 

AOrOC  Α•  ΟΥ  Η  ΑΡΧΗ.  Und  so  findet  er  sich  auch  in  andern 
Vertretern  der  Familie  T,  nämlich  in  den  Vaticani  954  und  955, 
ferner  in  den  Oxforder  Handschriften,  dem  cod.  Canon.  Gr.  69 
und  dem  cod.  Coli.  N.  270,  nur  noch  etwas  vollständiger  so: 
Ιωάννου  Στοβαίου  εκλογών  αποφθεγμάτων  υποθηκών  βιβλίον 
πρώτον  (πρώτον  fehlt  im  cod.  C.  Ν.  270).  περί  φρονήσειυς  λό- 
γος πρώτος.  Wenn  aber  dieser  Titel  im  hohen  Grade  verdächtig 
wird  schon  durch  die  Thatsache,  dass  das  zunächst  gebotene 
Material  in  der  sonstigen  Ueberlieferung  drei  verschiedenen  Ka- 
piteln zufällt  und  unter  diesen  dreien  das  περί  φρονή0ειυς  über- 
haupt nicht  vertreten  ist,  so  wird  der  Verdacht  noch  erhöht  durch 
die  Beobachtung,  dass  die  besagte  Kapitelüberschrift  in  den  er- 
wähnten Vertretern  der  T-Klasse  in  Verbindung  mit  dem  schon 
oben  als  spätere  Fiction  erkannten  Generaltit«!  βιβλίον  πρώτον 
auftritt.  Vollends  aber  fällt  der  Titel  περί  φρονήσειυς  in  sich 
zusammen,  wenn  wir  wahrnehmen,  dass  auch  noch  in  Τ  der 
ächte  Titel  περί  φρονη(Τε(υς  an  ganz  anderer  und  zwar,  wenn 
man  von  einer  geringfügigen  und  sich  selbst  aufhellenden  Ver- 
rückung absieht,  an  richtiger  Stelle  erhalten  ist.  Nämlich  gegen 
den  Schluss  der  drei  oben  beleuchteten  Gruppen  vor  dem  in  der 
ed.  princ.  p.  16  Z.  1  unrichtiger  Weise  selbständig  auftretenden 
letzteren  Theile  der  Anfangspartie  von  5,  67  πρώτον  μέν  χειμώνι 
τά  βαλανεία  (so)  findet  sich  (abgesehen  von  dem  in  der  ed. 
princ.  üblichen  Columnentitel)  nochmals  der  Titel  περί  φρονη0εως. 
Nun  folgt  aber  auf  diese  Anfangspartie  von  5,  67,  nämlich  auf 
die  Worte  έαυτήν  αίτιομίνης  (so)  unmittelbar  die  auch  durch 
die  sonstige  Ueberlieferung  als  das  dritte  Kapitel  περ\  φρονή0ειυς 
verbürgte  Gruppe,  und  zwar  in  continuirlicher  Folge  von  p.  16 
Z.  8  bis  p.  23  incl.  Nichts  liegt  also  näher,  als  in  jener  zu  den 
erwähnten  Worten  von  5,  67  ungehörigen  Beischrift  den  echten 
Titel  des  nun  in  Wirklichkeit  folgenden  dritten  Kapitels  zu  er- 
blicken. Nachdem  die  unrichtige  Fassung  in  dem  Generaltitel 
(βιβλίον  πρώτον)  περί  φρονήσεως  λόγος  πρώτος  einmal  Boden 
gefasst  hatte,  konnte  der  vor  dem  wirklichen  dritten  Kapitel 
abermals  auftauchende  Titel  περί  φρονήσειυς  nur  unpassend  erschei- 
nen;   man  rückte  daher  letzteren  an  den  Beginn  des  unmittelbar 


898  Η  e  η  8  e 

vorhergehenden  Abechnittee  von  5,  67  und  zwar  in  der  Oeetelt 
eines  gewöhnlichen  Lemma.  Was  fibrigene  in  der  ed.  priBC., 
d.  h.  dem  getrenen  Abbilde  dee  cod.  ICarc.  erst  dnrch  dieee  ftvi* 
lieh  in  die  Augen  springende  Yermnthnng  ersohlosaen  wurde, 
findet  sich  in  einem  anderen  Vertreter  der  T-Beceneion  ansdrfiok- 
lioh  überliefert:  in  Β  liest  man  an  der  betreffenden  Stelle  vor 
3,  1  auf  f.  Ιβ""  den  Titel  π€ρ\  φρονήσ€ΐυς,  nnd  so  vielleicht  noch 
in  anderen  Handschriften  der  Familie.  Ffir  Β  fiel  eben  die  er- 
wähnte Anstössigkeit  des  Titels  an  letzterer  Stelle  fort^  insofern 
der  in  Β  vor  Beginn  des  Textes  auf  f.  4^  vorangeschickte  Htel 
vielmehr  in  folgender  Weise  lautet :  (Ττοβαίου  έκλογαΐ  dmxpOer- 
μάτιυν  κα\  όποθηκών  ΐ'^  π€ρ\  άρ€τής,  eine  Aufichrift,  die 
aber  für  die  znnftchst  folgende  Partie  ans  dem  fünften  nnd  sie- 
benten Kapitel  wie  man  sieht  ebenso  wenig  passt  als  der  in  der 
Hehrzahl  der  T-Handschriften  gebotene.  Was  sich  ans  dieser 
Discrepanz  zugleich  ergibt,  ist  die  weiter  unten  noch  nfther  ins 
Auge  zu  fassende  Beobachtung,  dass  sich  die  einzelnen  Vertreter 
der  Klasse  Τ  mit  der  ihnen  in  den  Anfangspartien  vorliegenden 
Confosion  nicht  alle  in  gleicher  Weise  abfanden.  Erweist  sich 
somit  der  in  der  Klasse  Τ  den  besagten  G-ruppen  vorausgeschickte 
Titel  unzweifelhaft  als  eine  spilte  Zurechtmachung,  die  sich  änsser- 
lich  auch  in  dem  Widerspruch  π€ρΙ  φρονήσ€ως  λόγος  πρώτος 
verräth,  so  iet  damit  zugleich  die  Berechtigung  dargethan,  die 
genannten  Eklogengruppen  unter  Führung  der  mit  Τ  im  Einzelnen 
80  vielfach  übereinstimmenden  sonetigcn  Ueberlieferung  in  der 
Weise  wie  es  oben  für  das  erste  Kapitel  geschehen  ist  in  die 
betreffenden  Kapitel  einzuordnen. 

Um  die  folgenden  Partien  in  Τ  weiter  klar  zu  legen,  so 
ist  über  die  Gruppe  p.  16 — 23  incl.,  durch  welche  das  in  Wirk- 
lichkeit dritte  Kapitel  π€ρΙ  φρονήσεως  repräsentirt  wird,  bereite 
gesprochen  worden.  Hinsichtlich  des  Details  sei  hier  auf  unsere 
späteren  Bemerkungen  im  Anschluss  an  die  Uehersicht  des  zweiten 
und  dritten  Kapitels  verwiesen.  Nach  den  im  cod.  Marc,  hinzu- 
gefügten Worten  τέ\ος  του  περί  φρονήσεως  λόγου  folgt  nun 
ρ.  24  (cod.  Marc.  f.  12')  die  Ueberschrift,  von  der  hier  wie  auc^h 
in  den  folgenden  Fällen  der  Kürze  wegen  nur  die  auf  das  Ka- 
pitel bezüglichen  Worte  mitgetheilt  werden,  nämlich  π€ρΙ  αφρο- 
σύνης λόγος  δεύτερος  •  ου  ή  αρχή  :  ^  d.  h.  es  folgt  jetzt  das 
in  Wirklichkeit  vierte  Kapitel  περί  αφροσύνης,  und  zwar  von 
p.  24  bis  p.  34  incl.  (=  cod.  Marc.  f.  12' — 17^,  wo  sich  am 
Schlüsse   wieder   ein   von  Trincavelli    bei  Seite  gelassenes   τέλος 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäisohen  Florilegiam.      899 

του  π€ρι  αφροσύνης  λόγου  :  ^  findet).  An  dieses  Kapitel  reiht 
sich  dann  die  Ueberschrift  περί  σωφροσύνης  λόγος  τρίτος,  ού 
ή  αρχή,  und  wird  ρ.  35—37  Ζ.  12  in  der  That  ein  längeres  auch 
durch  die  sonstige  Ueberlieferung,  zumal  durch  L  bestätigtes  Stück 
des  fünften  Kapitels  π€ρι  σωφροσύνης  gegeben.  Diese  Partie 
beginnt  mit  5,  9  und  schliesst  mit  5,  82.  Was  nun  aber  auf 
diese  Partie  des  fünften  Kapitels  unter  dem  gleichen  Titel  folgt, 
gehört  nach  der  sonstigen  Ueberlieferung  wieder  dem  ersten 
Kapitel  an,  nämlich  die  grosse  Gruppe  p.  37 — 48.  Die  erste 
Ekloge  derselben  ist  5, 124,  die  letzte  9,  70.  Keine  dieser  über- 
aus zahlreichen  Eklogen  bietet  die  sonstige  Ueberlieferung  in 
dem  Kapitel  περί  σωφροσύνης,  für  welches  wir  auch  die  Con- 
trole  von  L  besitzen;  alle  mit  Ausnahme  der  wenigen  nur  durch 
Τ  bekannten  Anden  sich  sonst  im  ersten  Kapitel.  An  dieses  grosse 
Stück  des  ersten  Kapitels  reiht  sich  p.  48  (=  cod,  Marc.  f.  24^) 
unter  der  Kapitelüberschrift  περί  άρ€τής  καΐ  κακίας  λόγος  τέ- 
ταρτος eine  dem  ersten  Kapitel  angehörende  Ekloge,  nämlich 
1,  18,  d.  i.  der  Pseudo- Aristotelische  Tractat  π€ρ\  αρετών  καΐ 
κακιών.  Da  dieser  Tractat  in  MA  die  Ueberschrift  'Αριστοτέ- 
λους περί  αρετής,  in  Τ  und  in  der  von  jüngerer  Hand  geschrie- 
benen Partie  von  S  nur  die  Ueberschrift  'Αριστοτέλης  (-ους  S)  trägt, 
so  dürfte  der  Titel  περί  αρετής  και  κακίας  λόγος  τέταρτος  eher 
aus  dem  Speciallemma  zu  1,  18  entlehnt  und  zu  einer  selbstän- 
digen Kapitelüberschrift  erhoben  sein,  während  andere  Annahmen 
auf  UnWahrscheinlichkeiten  führen  würden,  zumal  das  zweite  Ka- 
pitel περί  κακίας  in  Τ  überhaupt  nicht  enthalten  ist.  An  Ekl.  1, 18 
aber  schliesst  sich  p.  52  Z.  15  wiederum  eine  Ekloge  des  ersten 
Kapitels,  und  zwar  ein  Stück  von  1,  95  (φιλονεικείτω  ν.  Ι  ρ.  49,  27 
Mein.  —  γάρ  εαυτόν  ν.  Ι  ρ.  51,  2  Mein.).  Hiermit  ist  ρ.  53  Ζ.  8  ohne 
Absatz  verknüpft  der  oben  auf  p.  3  unvollendet  gebliebene  Schluss 
von  7,  74  όρα  (so)  <b'  έγωγε)  καΐ  έπ\  τών  δλλων  (ν.  Ι  ρ.  178,  8 
Mein.)  bis  μανθάνειν  και  μελετάν  (ν.  Ι  ρ.  178,  14  Mein.).  Ob- 
wohl wir  schon  damit  wieder  in  das  Kapitel  περί  ανδρείας  zu- 
rückversetzt werden,  folgt  nun  auf  p.  53  (=  cod.  Marc.  f.  27') 
der  Titel  περί  ανδρείας  λόγος  πέμπτος,  und  zwar  wird  dieses  Kap. 
lediglich  durch  die  im  Einzelnen  hier  lückenhafte  Ekl.  7,  73  ausge- 
füllt; vgl.  die  Beschreibung  des  cod.  Marc.  Hiermit  hat  die  Verwir- 
rung des  Anfangs  in  T,  deren  Klarlegung  uns  hier  angeht,  ihr  Ende 
erreicht;  das  nun  folgende  Kapitel  περί  δειλίας,  in  der  sonstigen 
Ueberlieferung  das  Kapitel  8,  trägt  im  cod.  Marc,  und  demgemäss 


400  Henee 

in  der  ed.  prine.  natttriioh  die  Zahl  ς\  das  nennte  ircpl 
νης  die  Zahl  2f  n.  s.  w. 

Fragen  wir  jetit  nach  der  Urtaehe»  welehe  das  oben  Ter 
Angen  gestellte  Durcheinander  von  Kapiteln  und  KapitelfragBealn 
bewirkte,  ao  mnee  dieselbe  ala  eine  meehaniaelie  beaeieluit 
werden.  Wird  die  Annahme  einer  meebaniaehen  Yeraohiebaiv 
schon  angesichta  der  Art  wie  die  TriUnnier  dnroheiiiaiider  Uegn 
(Kap.  5.  7.  1.  3.  4.  5.  1.  7)  sowie  durch  die  BeobeehtaDg,  da« 
einzelne  Kapitel  nur  unvollstSndig,  andere  gar  aieht  geboten  mt- 
den,  in  hohem  Ghrade  wahrscheinlich,  so  schwindet  vollaiide  jeder 
Zweifel  durch  die  Thatsache,  dass  die  einselnan  SMoke  wieder- 
holt mitten  im  Satse  abbrechen.  Ein  Beispiel  bietet  gleich  die 
Bchlnssekloge  des  ersten  Stückes,  nimlich  5, 136,  welche  ed.  prinsL 
p.  2  Z.  5  y.  n.  mit  den  Worten  έιηθ€τέον  {>(κην  καΐ  κολοΜΓτέον  (▼•  Ι 
ρ.  144, 12  Mein.)  abbricht,  während  der  Sati  erst  mit  den  Worten 
€{  μέλλ€ΐ  ευδαίμων  cTvai  zu  Ende  geht  Schon  Oean.^  fügte 
daher  letztere  aus  Piaton  hinzu,  Gaisford  edirte  dann  eplter  den 
übrigen  Theil  der  Ekloge  aus  A.  Mit  andern  Worten:  daajeaige 
Blatt,  dessen  rectum  zu  Anfang  die  Ekloge  5,  135  mit  den 
Worten  €l  μέλλει  κτέ.  zu  Ende  führte,  war  in  dem  Arohetypns 
der  Familie  Τ  nicht  mehr  vorhanden  oder  in  einem  unleaerliohen 
Zufltande.  -—  Die  Sohluesekloge  der  nächsten  dem  siebenten  Kapitel 
angehörigen  Partie  7,  74  bricht  ed.  princ.  p.  3  Z.  18  v.  u.  zwar  nicht 
mitten  im  Satze,  aber  doch  inmitten  der  Ekloge  (v.  I  p.  178,  8 
Mein.)  ab  und  erfährt  erst  p.  53  mit  όρα  (so)  ^b'  Ifwrx^y  καΐ 
έπΙ  τών  δλλιυν  ihre  Fortsetzung.  Letzteres  Stück  wurde  von 
G^aisford  übersehen  v.  I  p.  221  not.  h.  Durch  den  Schlnss  der 
nächsten  grossen  Partie  (aus  dem  ersten  Kapitel)  wird  wiederum 
der  Satz  bis  zur  Unverständlichkeit  durchschnitten:  die  Worte, 
mit  denen  die  Ekloge  des  Teles  5,  67  (v.  I  p.  124,  15  Mein.)  ed. 
princ.  p.  1 6  Z.  7  schliesst  bio  φησιν  ό  όιογίνης  φωνής  άκηκοέναι 
κακίας  εαυτή  ν  αΐτιιυμένης  (αΐτιομένης  ed.  princ.)  werden  über- 
haupt erst  verstÄndlich,  wenn  das  Wort  der  κακία  selbst  nun 
folgt,  nämlich  *οοτις  έμοί  τών5'  δλλος  έπαίτιος,  άλλ'  έγώ  αύτη*. 
GaiRford  hat  ans  Α  die  nehr  ausgedehnte,  schon  in  dem  Arche- 
typuR  T,  wie  man  sieht,  nicht  mehr  vorhandene  weitere  Partie 
der  Ekloge  hinzugefügt.  —  Mitten  im  Satze  begann  der  Anfang 
der  andern  grossen  Gruppe  aus  dem  ersten  Kapitel  p.  37  Z.  14, 
nämlich  mit  den  Worten  aus  5, 124  τών  άνθρώττων  (lies  τψ  άν- 
θρωποι) πάντων  μίγιστον  δντων  αγαθών,  bebiaai  bt  κτέ.  (ν.  Ι 
ρ.  139,  13  Mein.).    Nothdürftig  versohmiert  wurde  der  RisR  dnreh 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegtam.      401 

den  Redactor  der  erhaltenen  Bruchstücke,  um  wenigstens  einen 
Satz  zu  gewinnen,  ergänzte  er  aus  freier  Hand  die  phrasenhaften 
Worte,  die  wir  in  Klammern  schliessen  [Φαντάζονται  bi  τιν€ς 
πολλάκις,  και  όοκοΟσι  τινές  είναι,  και  οΤονται  τοΟτο  είναι]  τών 
ανθρώπων  πάντιυν  μίγιστον  δντιυν  αγαθών,  οεοίασι  bk  κτέ.  Der 
wahre  Anfang  dieser  Platonischen  Ekloge  (Apolog.  p.  29  A)  ist 
in  MA  erhalten.  Eine  MA  gegenüber  unvollständige  Ergänzung 
des  Anfangs  gab  Gesner^  p.  46  aus  Piaton,  die  zweite  Ausgabe 
wiederholte  diese  Fassung  p.  75,  ohne  zu  bemerken,  dass  Μ  die 
Ekloge  vollständiger  bietet.  Erst  Gaisford  gab  die  Vervollstän- 
digung aus  A.  —  Nicht  minder  klaffend  ist  der  Eise  am  Ende 
dieser  Partie  des  ursprünglich  ersten  Kapitels  ed.  princ.  p.  53  Z.  8. 
Mit  den  Worten  οοτε  γαρ  εαυτόν  (ν.  Ι  ρ.  51,  2  Mein.)  beginnt 
ein  neuer  Satz,  aber  mit  eben  diesen  Worten  reiset  Ekl.  1,  95 
in  Τ  ab:  ohne  Interpunction  schliesst  sich  sinnlos  die  schon  er- 
wähnte Fortsetzung  der  auf  p.  3  begonnenen  Ekloge  7,  74  daran 
an.  Man  blickt  hier  wieder  in  den  Archetypus  der  Klasse:  mit 
όρώ  (όρά  ed.  princ.)  <^b'  ίγιυγε^  και  έτη  τών  δλλιυν  nahm  das 
rectum  eines  neuen  Folium  seinen  Anfang,  vor  welches  durch  die 
in  Rede  stehende  Verschiebung  einige  Blätter  (wir  müssen  heute 
ununtersucht  lassen,  wie  viele)  des  ersten  Kapitels  gerathen  waren. 
Ob  und  inwiefern  diese  Beobachtung  durch  S  bekräftigt  wird, 
auf  diese  Frage  denke  ich  bei  anderer  Q-elegenheit  zurückzukom- 
men, nämlich  da  wo  das  Yerhältniss  von  Τ  zu  S  in  nähere  Unter- 
suchung zu  ziehen  ist  Für  heute  möge  also  nur  constatirt  sein, 
dass  das  jetzt  erste  Pergamentblatt  in  S,  nämlich  f.  6*^,  mit  wel- 
chem die  alte  Hand  anhebt,  genau  mit  eben  den  Worten  von 
7,  74  όρώ  b'  ίγωγε  κτέ.  seinen  Anfang  nimmt,  an  welches  Stück 
sich  dann  gerade  wie  in  der  ed.  princ.  p.  53  die  Ekl.  7,  73  an- 
schliesst,  dann  das  Kapitel  π€ρ\  5€ΐλίας  u.  s.  w.  Auch  der  jetzt 
nahe  liegende  Versuch  den  Blatt-  und  Columnennmfang  des  Arche- 
typus der  Familie  Τ  zu  ermitteln  wird,  so  weit  wir  sehen,  am 
schicklichsten  mit  der  Beleuchtung  des  Verhältnisses  von  Τ  zu 
S  Hand  in  Hand  gehen.  Er  wird  nicht  so  leicht  sein  als  es 
nach  der  obigen  Klarstellung  zunächst  den  Anschein  hat,  insofern 
nämlich  die  Ursachen  der  in  dem  Archetypus  der  Sippe  Τ  ein- 
gerissenen Verwirrung  sich  nicht  lediglich  auf  das  Abhandenge- 
kommensein  einer  Anzahl  von  Blättern  und  die  Verschiebung  von 
andern  beschränken  dürften.  Vielmehr  werden  auch  noch  vor- 
handene Blätter  des  Archetypus  hie  und  da  derartig  durch  Moder, 
Feuchtigkeit  oder  andere  äussere  Einwirkungen    gelitten    haben, 

Rlicin.  Mttt.  f.  Pbllol.  N.  F.  XXXIX.  ^^ 


402  Hesse 

daee  eine  Enteifferang  der  Schrift  sum  Theil  unmöglieh,  mm 
Theil  in  hohem  Grade  erschwert  war.  Deutlich  ist  dies  noch 
wahrzunehmen  auf  dem  ehemals  in  dem  Archetypus  mit  όρώ  b* 
£γιΐΓΓ€  κτέ.  beginnenden  Folium:  die  zahlreichen  Lücken  die  hier 
der  cod.  Marc,  innerhalb  der  Zeilen  Iftsst,  die  wie  echon  obeo 
bemerkt  in  der  ed.  princ.  p.  53  auch  in  dem  Umfiuig  der  epatia 
wiedergegeben  werden,  lassen  nur  eine  derartige  Erklimng  »l 
Auch  hier  ttberrascht  wieder  die  Analogie  des  zu  reoonatniireB- 
den  Archetypus  mit  S.  Hinsichtlich  des  erwähnten  mit  6ρώ  V 
£γωτ€  κτέ.  beginnenden  f.  6'  in  S  bemerkt  uns  Hekler:  m  Jkinw 
pag,  parte  superiore  βΰτψΗίΓα  humt^re  pamm  obUUeraia  esi.  Zieht 
man  derartige  partielle  Schädigungen  der  in  dem  Archetypna  nodi 
vorhandenen  Blätter  mit  in  Betracht,  so  ftllt  auf  die  in  dem 
Archetypus  dem  Folium  όρώ  V  £γωγ€  κτέ.  ehemals  unmittelbar 
vorangehende  Partie,  nämlich  auf  den  in  der  ed.  princ.  p.  3— S 
sich  findenden  Abschnitt  des  siebenten  Kapitels  einiges  liohi 
Da  es  nämlich  unwahrscheinlich  wäre,  für  diese  (nach  der  ed. 
princ.  berechnet)  25  Zeilen  des  siebenten  Kapitels  in  dem  Arehe- 
typus  ein  volles  Blatt  in  Anspruch  zu  nehmen,  so  liegt  es  nahe 
auch  für  dieses  Blatt  des  Archetypus  solche  Feuchtigkeitesohidea 
vorauszusetzen.  Έβ  wird  damit  zugleich  eine  der  Ursachen  be- 
rührt, die  bei  der  Beurtheilnng  der  zwischen  Τ  und  MA  hinsieht• 
lieh  der  Eklogenfolge  auch  nach  obiger  Klarlegung  noch  hervoi^ 
tretenden  Discrepanz  mit  in  Rechnung  zu  ziehen  sind. 

Wenn  somit  die  in  der  Klasse  Τ  zu  Tage  tretende  Verwir- 
rung unzweifelhaft  auf  den  defecten  Zustand  des  Archetypus,  ins- 
besondere auf  Blattverlusie  und  -Versetzungen,  d.  h.  auf  mecha- 
nische Ursachen  zurückzuführen  ist,  so  ist  dagegen  für  die  jetzt 
gebotenen  Kapitelüberschriften  zum  Theil  die  Willkür  der  ein- 
zelnen Vertreter  der  Sippe  verantwortlich  zu  machen.  Wie  schon 
oben  bemerkt  wurde,  die  Art  und  Weise  wie  sich  die  einzelnen 
Vertreter  der  Klaese  Τ  durch  Titelübcrechriften  mit  der  ihnen 
vorliegenden  Verwirrung  abfanden,  war  nicht  überall  die  gleiche. 
Die  willkürlichen  Kapitelüberschriften,  die  der  cod.  Marc,  bietet, 
haben  wir  kennen  gelernt,  wie  auch  über  den  von  fremden  Ein- 
flüsBcn  nicht  unberührt  gebliebenen  Paris.  1985  eine  Andeutung 
gemacht  wurde.  Von  dem  Marc,  wurde  ausgegangen,  insofern  in 
der  ed.  princ.  ein  treuer  Abdruck  dcRsclben  und  damit  dem  Leser 
eine  Controle  vorliegt.  Von  willkürlichen  Kapitelüberschriften 
freier,  d.  h.  dem  Archetypus  etwas  näher  stehend  ist  aber  offen- 
bar einf  Gruppe,  in  welcher  die  in  dem  cod.  Marc,  vor- 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      40d 

gcTiomniene  Scheidung  eines  περί  άρ€τής  καΐ  κακίας  λόγος  τέ- 
ταρτος (ed.  princ.  ρ.  48)  und  eines  περί  όνορβίας  λόγος  πέμπτος 
(ed.  princ.  ρ.  53)  eich  nicht  findet  und  die  betreffenden  Stücke 
vielmehr  ohne  besondem  Titel  mit  dem  vorausgehenden  dritten 
Kapitel  (und  zwar  unter  dem  gemeinsamen  Titel  περί  0ΐϋφρο(Τύ- 
γης)  zusammenhängen.  Zu  dieser  Gruppe  gehören  die  erwähnten 
Oxforder  Handschriften,  cod.  Collegii  Novi  270  und  Cod.  Canon. 
Gr.  (»9,  und  nach  dem  Titel  περί  δειλίας:  λόγος  b^:  —  zu  schliessen, 
auch  der  cod.  Paris.  2092.  In  diesen  Handschriften  entspricht  also 
das  dritte  Kapitel  περί  0ωφρο(Τύνης  (so)  dem  im  cod.  Marc,  dritten, 
vierten  und  fünften  Kapitel.  Der  wie  sich  oben  als  wahrscheinlich 
ergab  aus  dem  Speciallemma  zu  1,18  entstandene  Titel  περί  αρετής 
και  κακίας  λόγος  τέταρτος,  femer  die  unberechtigte  Uebertragung 
des  Gesammttitels  περί  ανδρείας  auf  eine  einzelne  £kloge  dieses 
Kapitels  (7,  73)  d.  h.  die  Aufschrift  περί  ανδρείας  λόγος  πέμ- 
πτος fanden  sich  demnach  in  dem  Archetypus  der  Sippe  Τ  eben- 
sowenig wie  bei  Stobäus  selbst;  sie  sind  im  cod.  Marc,  um  eine 
nothdUrftige  Ordnung  herzustellen,  willkürlich  zurecht  gemacht, 
wie  denn  der  περί  ανδρείας  schon  aus  dem  ersten  Worte  der 
betreffenden  Ekloge,  die  ja  in  der  That  in  das  Kapitel  περί  αν- 
δρείας gehört,  errathen  werden  konnte.  Gegentiber  diesem  Ergeb- 
niss,  dass  wir  es  in  dem  cod.  Marc,  (wie  auch  in  Ehos.  und  vielleicht 
noch  in  andern  Vertretern  der  Sippe)  mit  zwei  interpolirten  Noth- 
titeln  zu  thnn  haben,  während  sich  andere  Vertreter  innerhalb 
der  hier  in  Rede  stehenden  Partie  auf  nur  drei  Kapitelaufschriften 
beschränken,  ist  wiederum  überraschend  die  Uebereinstimmung 
von  S,  Das  in  dem  cod.  Marc.  (ed.  princ.  p.  54)  als  λόγος  ϊκτος 
bezeichnete  Kapitel  περί  δειλίας  wird  nämlich  S  f.  6^  auf  dem 
oberen  Rande  mit  περί  δειλίας  λόγου  δ'  bezeichnet  und  derselbe 
Titel  findet  sich  vom  Rubricator  auf  dem  Rande  rechts.  Dem- 
entsprechend lautet  die  Aufschrift  des  in  der  ed.  princ.  p.  56  als 

λόγος  έβδομος  bezeichneten  Titels  in  S  f.  6^  am  Rande  vielmehr 

γ    , 
λο  ε    u.  8.  w.    Es  ist  verlockend  die  wiederholt  beobachtete  nahe 

Beziehung  von  Τ  zu  S  schon  heute  auf  die  etwaigen  textgeschicht- 

lichen   Folgerungen    zu   prüfen.     Da  sich   indess  die  Frage,    die 

sich  dem  aufmerksamen  Leser  hier  längst  aufgedrängt  hat,    nur 

durch    eine    das    umfängliche    Material    vollständig    umspannende 

Untersuchung    erledigen    lässt,    letztere    aber  aus    dem  Rahmen 

dieser  Abhandlung  schlechterdings  heraustreten  würde,    so  mag 

das  wichtige  Thema  einer  anderen  Gelegenheit  vorbeb 


üense 

Bohr&nken  wir  ans  für  lieate  auf  die  obige  Klorslel• 

I  liier  herülirenden  ÄufaiigHpartie. 
litt...;  in  durch  diene  KlarBtellung  die  nahen  Beziehungen. 
w  e  ano.-  Τ  mit  MA  in  obiger  Tabelle  verbinden,  anf  <!■< 
ensuhe  uhate  bestätigt  sind  iiud  der  somit  TQlliff  JBolirteii 
•gata  aucn  der  Boden  von  Τ  entzogen  wurde,  bleibt  noch  übrie 
üie  indirekte  Ausnutzung  von  L.  Dass  Photiue  für  diese  Fmge 
linen  Ertrag  abwirft,  erklärt  sieb  durcb  das  iu  den  Namen- 
iiidice§  desselben  gewählte  Princip  der  Anordnung  in  Verbindnug 
mit  der  Thatsache,  daee  wir  uns  hier  bereitn  in  den  ersten  Ka- 
piteln des  dritten  Buchea  des  Stnbüisclien  Geeanimtwerki«  Iw- 
tinden,  insbesondere  aber  dadurch,  dass  sieh  die  durch  Wieder- 
eiiiführung  der  Ueber lieferung  not  wendig  werdenden  Verechie- 
bungen  vorwiegend  innerhalb  des  Ra  inios  weniger  benachbarter 
Kapitel  hnlteii.  Ee  bleibt  demgemäse  nur  zu  eonstatiren,  daas  die 
oben  vorgeführte  li and fohrift liebe  Reihenfolge  auch  mit  den  In- 
diccs  des  Fhotius  und  der  jüngst  von  Anton  £lter  so  acliün  durch- 
geführten Nutzbarniaehniig  doreelben  nirgend  in  Widerepmch  tritt 
So  ist  es  also  für  das  von  dem  Verfertiger  der  Indices  gewühlte 
Prinoip  beiapieleweise  gleich  werth ig,  wenn  in  dem  Fbilosophen- 
verzeichnisa  das  Lemma  Τέλητος  naeh  Masegabe  der  Üeberlie- 
ferung  jetzt  in  dem  ersten  Kapitel,  nicht  aber,  wie  noch  Elttr 
p.  48  notireu  musstc,  im  fünften  Kapitel  des  dritten  Buche« 
(5,  67)  erscheint;  nicht  minder,  wenn  die  Ekl.  5,  31  jetzt  eben- 
falls vielmehr  im  ersten  Kapitel  auftritt:  in  letzterem  Falle  wird 
die  Umstellung  der  Namen  Χίλωνος  und  ΧαρώνΟου  in  dem  Index 
nicht  überflüssig,  vgl.  Elter  p.  49.  Der  völlig  gleiche  Fall  be- 
gegnet bei  dem  Namen  Ίσαϊος  im  dritten  Pinax  (Elter  p.  GO): 
die  Ekl.  5,  54  ist  vielmehr  als  im  ersten  Kapitel  überliefert  u 
beiceictinen,  ohne  duss  damit  der  l)rdnung  des  Finakograpben  in 
nahe  getreten  würde.  Ein  besonderes  Gewicht  erhält  die  Heber- 
lieferung  aber  noch  dadurch,  dass  aammiliche  drei  Eklogen  B,  67. 
31.  54  im  fünften  Kapitel  von  L  fehlen,  dagegen  von  Br  in 
ersten  geboten  werden. 

Ziehen  wir  demnach  Jetzt  L  als  die  älteste,  uns  nSher  be- 
kannte üebcrlieferung  in  consequenter  Weise  heran,  so  stellt  eich 
eine  Thatsache  heraus,  dnrch  welche  die  Vulgata  vollends  über  den 
Haufen  geworfen  wird:  alle  die  zahlreichen  Eklogen,  die  in  der 
Vulgata  gegen  die  Autorität  MA  Τ  aus  dem  ersten  Kapitel  in 
das  fiinfte  Kapitel  versetzt  werden,  fehlen  in  dem  vom  flor.  Laur. 
p.  177,  25— 17R,  14  Mein,   gebotenen    fünften    Kapitel    (vgl.    die 


Die  Reibenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegiam.      405 

Tabelle  Stob.  flor.  exe.  Br.  p.  15  f.).  Bei  der  Aufzählang  dieser 
Eklogen  machen  wir  die  lediglich  in  Μ  oder  Α  oder  Τ  erhal- 
tenen besonders  kenntlich:  5,(12  M).  31.  54.  55.  28.  29.  30. 
23.  24.  127.  (129  T),  1.  (32  T).  22.  56.  25.  26.  27.  45.  67.  68. 
(69.  70.  71  A).  124.  84.  85.  86.  87.  88.  89.  90.  91.  92.  93.  94. 
95.  96.  97.  98.  99.  (100  T).  101.  102.  103.  104.  105.  106.  107. 
108.  109.  110.  111.  112.  113.  114.  115.  116.  117.  125.  (126. 
72  T).  73.  Es  müsste  nun  fürwahr  der  sonderbarste  Zufall  sein, 
wenn  L  gerade  von  diesen  dreiundsechzig  Eklogen  keine  ein- 
zige berücksichtigt  haben  sollte,  sofern  sie  ihm  im  fünften  Ka- 
pitel vorgelegen  hätten.  Das  Richtige  ist:  keine  dieser  Eklogen 
fand  sich  in  der  von  L  benutzten  Quelle  im  fünften  Kapitel. 
Das  Gleiche  gilt  für  Br.  Wohl  aber  findet  sich  eine  zu  dem 
Umfang  der  Brüsseler  Excerpte  in  Yerhältniss  stehende  Anzahl 
dieser  Eklogen  in  Br  im  ersten  Kapitel,  nämlich  5,  55.  124. 
31.  54.  127.  25.  45.  67.  68.  90.  98.  110.  125,  ein  Umstand, 
Avelcher  bei  der  sonstigen,  neuerdings  von  uns  erwiesenen  Ver- 
wandtschaft von  Br  mit  L  den  schon  an  sich  sehr  nahe  liegenden 
Schluss  bekräftigt,  dass  wenn  nicht  alle  so  doch  die  Hehrzahl 
der  in  Rede  stehenden  Eklogen  auch  in  der  Vorlage  von  L  im 
ersten  Kapitel  gehoten  wurden.  —  Eine  andere,  wiederum 
sehr  erhebliche  Gruppe  von  Eklogen  wird  von  der  .Vulgata 
in  Widerspruch  mit  MA  Τ  in  das  dritte  Kapitel  gerückt : 
wir  sind  hier  wenigstens  in  der  Lage  den  Prüfstein  von  Br 
anzulegen.  Es  sind  die  Eklogen  3,  (4  H).  53.  31.  30.  32. 
(93  T).  35.  94.  95.  27.  28.  (39.  52  T)  43.  44.  41.  42.  40. 
77.  78.  79.  80.  81.  82.  83.  84.  (85  T).  86.  87.  (88.  89  T).  90. 
91.  (92  T).  Wiederum  findet  sich  von  diesen  vierunddreissig 
Eklogen  keine  einzige  in  dem  dritten  Kapitel  der  Brüsseler 
Fragmente  (f.  22' — 23*'),  wohl  aber  liest  man  einige  davon  in 
den  Excerpten  aus  dem  ersten  Kapital,  nämlich  3,  30.  31.  40. 
94.  95,  zwei  davon  3,  79.  80  in  der  nachträglichen  Partie  ohne 
Kapitelbezeichnung  (vgl.  die  Tab.).  Auch  letztere  werden  also 
nicht  dem  dritten  Kapitel  (wohei  sich  noch  Stob.  flor.  exe.  Br. 
p.  6  f.  beruhigte),  sondern  dem  ersten  Kapitel  entnommen  sein. 
Was  daraus  für  die  Vorlage  von  Br  und  wahrscheinlich  auch  für 
die  von  L  folgt,  bedarf  keiner  Wiederholung.  Für  die  übrigen 
in  der  Vulgata  aus  dem  ersten  Kapitel  heraustretenden  Eklogen 
lässt  sich  indirekt  auch  S  verwerthen.  Noch  nicht  ftir  7,  2,  da 
die  alte  Hand  in  S  erst  später  beginnt;  es  genügt  zu  bemerken, 
dass  wie  in  Μ  f.  52^  Α  f.  32^  so  auch  in  Br  f.  26'  sich  im  sie- 


4M  Herne 

benten  Kapitel  die  Ekl.  7,  3  mit  Amlassiing  von  7,  2  «h 
mittelbar  an  7, 1  ansohlieeet.  Dagegen  iSstt  aich  für  7,  75  (TgL 
die  Tab.)  auch  das  Fehlen  in  dem  siebenten  Kapitel  von  8  be- 
stätigend heranriehen,  nicht  minder  für  9,  84•  68.  69.  70.  Bbenao 
encht  man  die  Ekl.  o\  τό  άπό  τών  akfXpiSrv  ktL  im  sehntea 
Kapitel  (vgl.  die  Tab.)  anch  in  S  yergeblich.  Da  «ieh  die  Ekl(^ 
im  sehnten  Kapitel  nirgend  finden  lassen  wolltOi  wurde  m  ▼€■ 
Gaisford  anfänglich  gans  vemachlKssigt:  vgl.  oben  p*  385.  Ks 
Zahl  der  in  der  Vulgata  ans  dem  ersten  Kapitel  henraetreteadci 
Eklogen  ist  hiermit  erschöpft:  anch  dnrch  L  in  Yerbindiuig  mit 
Br  and  dnrch  S  wird  diesem  Heraustreten  all  und  jeder  Bodei 
der  Ueberliefemng  entzogen;  die  Anordnung  der  Ynlgata  ist  so- 
mit eine  aller  handschriftlichen  Ueberliefemng  bare,  willkfll• 
liehe  Neuordnung. 

Zu  der  Thatsache,  dass  in  der  Yulgata  im  Widentreit  mit 
der  Ueberliefemng  in  runder  Summe  hundert  Eklogen  aas  des 
ersten  Kapitel  in  andere  verwiesen  werden,  gesellt  sieh  noeh, 
wie  ein  Blick  auf  obige  Tabelle  lehrt,  die  zweite,  das•  anoli 
in  dem  ersten  Kapitel  belassenen  Eklogen  in  wiUktlrlielier  Ww 
durcheinandergewttrfelt  werden.  Weiterhin  ergibt  sieh,  das•  aaeh 
nach  der  Reinigung  des  Gesner'schen  Textes  durch  Gaieford  noek 
in  den  »heutigen  Ausgaben  eine  Anzahl  von  Interpolationen  der 
Vulgata  Aveitergetragen  werden,  andere  Eklogen  dagegen  mit  Un- 
recht athetirt  wurden.  Mit  rebergeliung  der  schon  von  Gaisford 
mit  Recht  aus  dem  Texte  entfernten  Interpolationen  sind  gemäss 
der  ITebcrlieferung  noch  folgende  Nummern  zu  beseitigen,  wobei 
wir  die  schon  von  Gaisfurd  in  Klammern  geschlossenen,  aber  im 
Texte  bewahrten  in  gleicherweise  kenntlich  machen:  1,  [10.  11. 
12].  17.  [421.  [61].  [82].  [98].  Die  von  Gaisford  in  Klammem 
geschlossenen  Eklogen  bietet  Meineke,  wie  schon  früher  bemerkt, 
in  kleineren  Typen  an  dem  untern  Rande  der  Seite,  aber  mit 
fortlaufender  Nummer.  Durchgeschlüpft  ist  1,  17,  das  bekannte 
Hesiodische  της  b'  αρετής  κτέ.,  lediglich  in  Folge  seiner  Popu- 
larität und  Gceigentheit  für  ein  Kapitel  περί  αρετής.  Die  Stelle 
besitzt  gegenüber  der  handnchriftlichen  Ueberlieferung  keine 
grösHcre  Gewähr  als  das  bei  Gesn.-  ]).  2  darauf  folgende,  schon 
von  Gaisford  getilgte  Epigramm  des  Paulus  Silentiarius.  Gesner's 
lebhaftes  Interesse  für  Hesiod's  Spruchgedicht  lehrt  Bibl.  Univ. 
f.  320^  Stob  aus  begnügte  sich  in  diesem  Falle  die  Hesiodische 
Stelle  einmal  und  zwar  vollständiger  zu  bieten,  als  Citat  in  der 
Xenophontischen  Ekl.  1,  101.     Mit  Unrecht  dagegen  wurde  vüd 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      407 

GaiHtOrd  und  Meineke  athetirt  (ungerechnet  die  vier  anfänglich 
d.  h.  im  Texte  ganz  übersehenen  Eklogen,  wozu  noch  das  von 
mir  auR  Br  edirte  lamblichuefragment  kommt)  die  Ekl.  1,  43.  44, 
das  sind  zwei  Stellen  des  Isokrates,  endlich  lediglich  von  Meineke 
1,  9.  Und  zwar  wurde  in  allen  drei  Fällen  die  Athetese  ver- 
anlasst durch  die  Unbekanntschaft  mit  M.  Was  speciell  die 
Stelle  des  Bakchylides  1,  9  angeht,  so  bemerkt  Gaisford  vor- 
sichtiger :  Oeest  mss.  Trine.  Plenius  legitur  infra  CVIII  25  p.  569 
[Gesn.]  und  Bergk  P.  L.*  v.  III  p.  575:  Gaisfordü  libri  omittunL 
Wie  aus  der  obigen  Tabelle  ersichtlich,  fand  Gesner  die  in  der 
Vulgata  nach  1,  8  verstellte  Ekloge  in  Μ  f.  1^  nach  1,  15  vor. 
Dass  die  Ekloge  in  einem  so  weit  entfernten  Kapitel  vollstän- 
diger wiederkehrt,  war  mit  Nichten  ein  Grund,  sie  im  ersten  zu 
tilgen.  Auch  unter  der  Zahl  der  in  der  Vulgata  fälschlich  in 
das  fünfte  Kapitel  versetzten  Eklogen  fiel  eine  bei  Gaisford  und 
Meineke  der  Unbekanntschaft  mit  Μ  zum  Opfer,  nämlich  5,  12. 
Diese  Ekloge  Σοφοκλής  αϊαντι  (so):^  κλύειν  τον  έσθλόν  fivbpa 
χρή  τών  έν  τέλ€ΐ  :^  findet  sich  in  Μ  nach  1,  6.  Auch  gegenüber 
den  sonstigen  lediglich  in  M,  beziehungsweise  Br  überlieferten 
Eklogen  spricht  sich  in  den  Gaisford' sehen  Noten  eine  in  diesem 
Falle  begreifliche  Verlegenheit  aus.  —  Der  Umfang  und  Bestand 
des  ersten  Kapitels,  wie  ihn  die  Ueberlieferung  bietet,  ist  somit 
klargestellt  und  die  Reihenfolge  zur  Anschauung  gebracht.  Dase 
die  handschriftliche  Reihenfolge  auch  durch  innere  Gründe  der 
der  Vulgata  bei  weitem  den  Rang  abläuft,  wird  im  Verlaufe  der 
Abhandlung  noch  beleuchtet  werden.  Die  Untersuchung  über  die 
ursprüngliche  Reihenfolge  bei  Stobäus,  der  somit  wenigstens 
der  Boden  bereitet  ist,  bleibt  weiterer  Erwägung  vorbehalten. 
Abgesehen  von  den  zwischen  MA,  Τ  und  Br  noch  hie  und  da 
auftretenden  Discrepanzen  muss  besondere  das  Auftreten  einiger 
poetischen  Eklogen  inmitten  prosaischer  zu  neuen  Erwägungen 
Veranlassung  geben,  so  die  Stellung  von  5,  1.  3,  27.  28  zwischen 
1,  90  und  1,  89  in  MA,  oder  die  Stellung  der  Ekl.  7,  2  und 
folg.  in  Τ  (ed.  princ.  p.  10  f.).  Selbst  der  unverhältnissmässige 
Umfang  von  204  Eklogen  (inclusive  des  lamblichusfragmentes  ans 
Br)  gegenüber  den,  wie  sich  ergeben  wird,  nur  45  Eklogen  des 
respondirenden  Kapitels  περί  κακίας  gibt  zu  denken.  Doch  dürfte 
sich  derselbe  durch  den  vielumfassenden  Begriff  der  αρετή  sowie 
durch  den  auf  das  Kapitel  περί  αρετής  gelegten  Nachdruck  (έπι 
τω  ^υθμίσαι  και  βελτιώσαι  τψ  παι5ι  τήν  φύσιν),  ferner  durch 
die  Stellung  dieses  Kapitels  als  Anfangskapitel  eines  neuen  Buches 
(vgl.  den  Umfang  von  Kap.  43)  und  durch  die  auch  sonst  wahr- 
nehmbare Ungleichheit  in  dem  Umfange  einzelner  Titel  genügend 
erklären  lassen. 

(Schluss  folgt.) 
Freiburg  i.  B.  Otto  Hense. 


Altes  Lsteii. 

(Forteetzang  von  Band  XXXYII  8.  580.) 


YIII  Plaoidns  anter  JPp.45|4  Denerling:  fartensa^  aste$Ua. 
unde  et  porf endete  vei  oetendere.  Έβ  dürfte  den  Etymologen  schwer 
fallen,  diese  ans  ein  paar  Abechriften  des  liber  gloeearam  in  den 
Placidos  aufgenommene  Wortform  angemessen  zn  erklSren;  eiclier 
wird  es  dem  Kritiker  leichter  tu  sagen  wie  sie  entstanden  nnd 
eingesohmoggelt  ist^  wenn  er  nur  die  vom  Editor  mitangezogene 
Fassang  der  Glosse  vergleicht:  fartensa  quasi  portensa  osUndo. 
Mir  scheint  es  nicht  gerathen  bei  einem  glossematischen  Wort 
eine  an  sich  verständliche  Ueberlieferung  abzuändern  wegen  eines 
solchen  Zusatzes  wie  hier  ufide  et  poriendere  (überliefert  auch 
protenderCy  praefendere)  vel  ostenderc.  Denn  der  Zusatz  kann  von 
jüngerem  Datum,  kann  ursprünglich  anders  verknüpft  gewesen 
sein,  in  etymologischer  Verbindung  von  Wörtern  ist  allezeit  viel 
Spiel  getrieben,  hier  steht  selbst  das  nicht  fest,  ob  an  den  An- 
laut des  glossirten  Wortes,  f  statt  des  ρ  von  por/endere  nach  Art 
von  fl^mina  pUcmina^  atnfora  ampora^  oder  vielmehr  an  die  wei- 
teren Silben,  deren  Verwandtschaft  mit  Formen  von  ostendere 
sowohl  wie  protendere  gedacht  ist;  auf  keinen  Fall  hat  der  Zu- 
satz thatsächliche  Gültigkeit,  denn  auch  forUnsa  als  richtig  an- 
genommen, Lautlehre  und  Wortbildung  sträubt  sich  gegen  jeden 
Zusammenhang  mit  tendere^  portendere.  Ich  kann  ihm  also  keinen 
grösseren  Werth  beimessen,  als  wenn  z.  B.  p.  3,  4  aesctdtis  ab 
csca  abgeleitet  wird,  weil  die  Menschen  einst  Eicheln  gegessen, 
und  mag  daraus  nicht  einmal  das  Hecht  zu  einer  so  geringen 
Aenderung  folgern,  wie  es  die  Vertauschung  von  tesaurus  Me- 
gcdesm  mit  fensaurus  Megcdensla  wäre. 

Ueberliefert  ist  bei  Placidus  frontesia  osieniat  wie  ich 
meine,    verständlich    und    richtig.     Dass   Donner   und   Blitz    den 


Altes  Latein.  409 

Alten  die  wichtigsten  Gotteszeichen  waren,  dass  jene  Himmels- 
erscheinnngen  und  ähnliche  Wunderwerke  in  dem  einen  Wort 
βροντή,  έμβροντη(Τία  und  dergl.  begriffen  werden,  dass  wir  in 
Joh.  Lydus'  Buch  de  ostentis  eine  βροντοσκοπία  für  jeden  Tag 
des  Jahres  angeblich  nach  Nigidius  aus  tuskischer  Quelle  haben, 
dass  griechisch  ein  Adjectiv  βροντήσιος  so  gut  gebildet  werden 
konnte  wie  ημερήσιος  Ιθακήσιος  und  wirklich  gebildet  ist,  im 
Mon.  Ancyr.  10,  9  und  18,  20  Διός  βροντησίου  für  loms  to- 
.  nantis,  dass  der  Plural  N.  geradezu  für  Gewitterzeichen  stehen 
konnte  —  dies  weiss  jeder,  gibt  jeder  zu.  Von  βροντή  lehren 
die  Alten  und  die  Neuen,  dass  sie  benannt  ist  παρά  τόν  βρόμον; 
dem  griech.  βρίμειν  aber  steht  lat.  fremere  gegenüber,  daher 
auch  wenn  dem  Griechisch  eine  andere  Form  des  Anlauts  als  die 
Media  immer  fremd  gewesen  sein  sollte,  doch  weiter  zurück  die 
Aspirata,  auch  fronta  βροντή  angesetzt  werden  darf.  Auf  die- 
selbe Wurzel  haben  übrigens  Andere  den  Namen  der  Laute  und 
des  musikalischen  Spiels  φορμίΖειν  zurückgeführt,  womit  ich  für 
identisch  halte  äol.  βάρμον  (Sappho  Fr.  154)  βάρμιτον  (Etym. 
M.  188,  21)  gemein  βάρβιτον.  Mindestens  in  griech.  Dialekten 
ist  Öfter  als  unsere  Handbücher  notiren,  β  an  Stelle  des  aspi- 
rirten  Anlauts  getreten ;  nichts  berechtigt  gerade  für  makedonisch 
auszugeben  βάσκιοΓ  οβσμαι  φρυγάνιυν  (Hesych),  das  offenbar 
dem  lat.  fascis  gleich  steht.  Das  Suffix  von  frontesia  hat  auch 
in  ältesten  ital.  Namen  wie  Ocresia  sein  Gegenstück. 

Die  Glosse  ist  hiermit  erklärt,  zugleich  erhellt,  dass  das 
Wort  nicht  von  den  Griechen  entlehnt,  wohl  aber  dem  Griechi- 
schen urverwandt  ist.  Sollten  die  Lateiner,  welche  sonst  Donner 
und  Blitz  anders  bezeichnen,  allein  in  frontesia  angeerbtes  Gut 
treu  fortgepflanzt,  einen  hochalten  Ausdruck  selbständig  beibe- 
halten haben?  Ist  nicht  wahrscheinlicher,  dass  sie  ihn  von  dem 
Volk  bezogen,  welches  ihnei>  fast  die  ganze  Technik  des  Prodi- 
gienwesens,  vor  allem  die  Blitzlehre  und  Blitzbücher  gebracht 
hat,  den  Ftruskem  ihren  Nachbarn?  Berühmt,  öfters  abgebildet 
und  besprochen  ist  die  lateinisch-nordetruskische  bilinguis  von 
Pisaurum  (Aufrecht  Kirchhoff  umbr.  Spr.  Tafel  X  k;  Deecke  etr. 
Forsch.  5  p.  27):  L.  Ca]f(Uius  L.  f.  Ste(1Mina)  haruspe[ai\  ful- 
gitriator  und  darunter  Cafaies  Lr,  Lr.  uetkvis  truinvt  frontac.  So 
sicher  wie  der  lat.  Gentilname  nach  dem  etrusk.  ergänzt  ist,  kaum 
weniger  sicher  ist  die  Gleichung  von  ftUgnriatar  und  frontac^  wo- 
bei unentschieden  bleiben  mag  ob  letzteres  mit  Deecke  in  fronta 
und  die  Copulativpartikel  c  (lat.  que)   zu  zerlegen  ist  oder  rieh- 


410  Bneoheler 

tiger  von  Coreeen  als  Ableitang  von  fronia  mit  demeelben  Snllfix 
wie  Bivmaeh  (Bamanus)  gefaeet  wird.  Hieea  der  Blitxdeiiter  in 
Etmrien  frontaCt  in  Bom  Himmelszeichen  frmäma,  dtaf  mmn  da 
zweifeln,  daea  dies  Wort  mit  der  Etmsca  disciplina  und  den 
Hamspioea  nach  Rom  gekommen  iat? 

Ana  deraelben  Quelle,  einer  einstigen  Sammlnng  eaoraler 
Ansdrttcke,  etammt  manche  andere  Oloese  dea  Placidva.  Der 
vorgedaohten  ateht  wohl  am  nftchsten  die  unheilbar  zerrfittete, 
so  überlieferte  p.  68,  10  arthenUerem  (oder  '(crem)  aruspieem 
Titscum,  Daa  Wort  fing  mit  Ν  an,  die  Verwirrung  kann  durch 
doppelte  Schreibung  einer  Silbe,  Ueberachreiben  der  Correctiir 
entstanden  sein;  vielleicht  war  kein  speeifisoh  etiruakiachea  sondern 
ein  Wort  wie  narrcUorem  gemeint,  der  Exeget  der  Opfer,  in  wel- 
chem Sinn  die  Umbrer  eben  dies  Yerbum  brauchen,  naraMum 
Ig.  II  Α  1. 

IX  Daas  zwei  mächtige  Sprachstämme  wie  der  etruakiaohe 
und  der  lateinische,  auch  wenn  sie  innerliche  Gemeinschaft  nicht 
gehabt  haben  sollten,  durch  Jahrhunderte  neben  einander  gelebt 
hätten  ohne  beträchtliche  Einwirkung  auf  einander,  mfisate  an 
sich  wohl  für  eine  wenig  glaubhafte  Voraussetzung  gelten.  Der 
Richere  Beweis  freilich  für  diese  Einwirkung  im  Einzelnen  wird 
durch  die  Verlegenheit,  in  der  wir  uns  noch  immer  den  etrus- 
kiecben  Sprachdenkmälern  gegenüber  befinden,  und  durch  die 
Fabelhaftigkeit  der  römischen  Geschichtsbericbte  sehr  erschwert. 
Um  so  mehr  möchte  ich  die  Aufmerksamkeit  auf  ein  sprachliches 
Moment  lenken,  das  die  Frage  in  neuem  Licht  erscheinen  lassen 
kann,  wofern  ich  nicht  falsch  darüber  urtheile. 

Zur  vollen  Nomenclatur  des  freien  Mannes  ist  bei  Griechen 
und  Italikern  der  Name  des  Vaters  erforderlich,  Δημοσθένης 
Δημοσθένους,  Vibis  Vibics,  so  durch  den  blossen  Genetiv  aus- 
gedrückt, auch  dann  als  zur  Kennzeichnung  der  Person  von  den 
Italikern  ein  doppelter  Name,  Vor-  und  Geschlechtsname  recipirt 
war,  wo  die  nördliche  Gruppe  der  zusammengehörigen  Völker 
den  Vaternamen  gleich  hinter  den  Vornamen,  die  südliche  erst 
hinter  den  Geschlechtsnanien  stellt,  Umbrer  und  Volsker  K.  T. 
Kluviierj  Samniter  und  Päligner  V,  Popidiis  V.  War  also  auch 
betreffs  der  Reihenfolge  noch  keine  gleichmässige  und  feste  Obser- 
vanz vor  der  Spaltung  der  Italiker,  fest  stand  von  je  der  einfache 
Hinweis  auf  den  Vater  und  Machthaber  durch  den  Genetiv,  diesen 
Modus  haben  mithin  die  Lateiner  überkommen.  Aber  soweit  wir 
deren  Sprache   kennen,    begegnet  uns   der  Zusatz   filiuSy    schon 


Altes  Latein.  411 

auf  ältesten  Denkmälern  in  constanter  Abkürzung  X.  Comelio 
Cn.  f,  Scipioy  im  Gebrauch  ganz  wie  unser  *Sohn*,  filios  Barbati 
consol  cmisor  aidllis  hie  fuet^  pater  noster  Satumi  filie  für  das 
homerische  ώ  πάτ€ρ  ημέτερε  Κρονίόη.  Durch  die  Uebermacht 
des  Latein  verschaffte  sich  diese  Bezeichnung  zur  Zeit  da  die 
andern  Dialekte  abstarben,  auch  in  deren  Schriftwesen  Eingang, 
wie  auf  einem  Grabziegel  von  Tuder  (meine  Vmbrica  p.  174  Nr.  4) 
Ca,  Puplece  Ma,  fd.;  umgekehrt  folgt  eine  lateinische  Urkunde 
in  oskischem  Gebiet  der  dort  heimischen  Sitte,  wenn  sie  bloss 
schreibt  7.  Autrodiu  C.  oder  S.  Teditiu  S.  (CIL.  10,  4719,  Jordan 
Progr.  Königsberg  Som.  1884  p,  12).  Woher  nun  der  Zusatz 
ßliiis,  was  bedeutete  er  anfangs? 

Die  Entscheidung  liegt  im  Umbrischen,  weil  wir  aus  dieser 
Sprache  allein  das  Wort  ausserdem  kennen:  dem  Fisus  Sanoins» 
dem  Gott  des  Eides  und  der  Bündnisse  opfern  die  Iguviner  tref 
slf  feliuf  I  Α  14,  sif  filiu  trif  VI  Β  3.  Dartiber  herrscht  Ein- 
verständniss,  dass  junge  Schweine  gemeint  sind,  die  gewöhnlich 
beim  Bundesopfer  erwähnten  porci,  Vergil  Aen.  12,  170  paart 
sactigeri  fetum  suh  mit  dem  jungen  Schaf  wie  zu  gleichem  Zweck 
Hannibal  bei  Livius  21,  45  ein  Lamm  schlachtet.  In  Frage  steht 
die  eigentliche  Geltung  von  filiu,  ob  es  von  Wurzel  fu-  auege- 
gangen erzeugte  Thiere  und  so  Junge  bedeute,  oder  ob  gleichen 
Ursprungs  und  Sinnes  mit  θηλή  felare  die  saugenden,  üorssen 
ital.  Sprachk.  p.  184  wollte  das  Erstere  beweisen  durch  Wider- 
legung des  Letzteren,  nach  römischem  Brauch  müssten  Ferkel 
zu  saugen  aufgehört  haben,  um  zum  Opfer  geeignet  zu  sein:  ein 
arges  Missverständniss  von  Varro  r.  r.  2,  1,  welches  durch  zahl- 
reiche klare  Zeugnisse  der  Alten  für  das  Gegentheil  sich  erle- 
digt. Zugegeben  dass  lautlich  die  Herleitung  aus  W.  fu•  gerade 
so  nahe  läge,  wie  die  andere,  so  muss  ich  doch  mit  Curtins  gr. 
Etym.  p.  252^  für  diese  mich  erklären  ans  sachlichem  Grunde. 
feliuf  soll  die  Art  der  Schweine  genau  bezeichnen,  wie  dieselbe 
Urkunde  vorher  für  eine  andere  Gottheit  si  gomia^  sues  gravidas 
zu  opfern  befiehlt;  für  solche  Determination  pflegen  alte  Gesetze 
und  Rituale  keine  Ausdrücke  von  jener  Allgemeinheit  und  Ver- 
schiebbarkeit zu  verwenden,  welche  dem  angenommenen  Begriff 
\jung*  nothwendig  anhaftet,  sondern  präcise  und  objective  Merk- 
male, solche  welche  im  Wesen  des  Dings  begründet  und  von  der 
Natur  gegeben  sind,  welche  eben  darum  in  ähnlichen  Fällen  auch 
sonst  und  bei  verschiedenen  Völkern  übereinstimmend  gebraucht 
werden.     Nun  kehrt  bei  Opfer  und  Schmaus  als  stehender  Aus- 


412  Bueoheler 

druck  wieder  in  Rom  su8  oder  parcus  ladensj  in  Athen  und 
SparU  nnd  Alexandria  6ς  oder  χοίρος  oder  βορθαγορίσκος  γα- 
λαθηνός  oder  θηλάΖίΑΐν,  bei  uns  Spanferkel,  überall  da•  Kntter- 
milch-  oder  eangende  Ferkel.  Danach  unterliegt  die  Zugehörig- 
keit von  umbr.  feUuf^  ßm  zu  lat.  fdare  für  mich  keinem  ZweifeL 
fiUua  hicM  also  von  Haue  aus  der  Säugling;  dann  ergibt 
sich  Toti  eelber,  daes  wenn  der  G-enetiv  eines  Nominalbegriffs 
hinsugefOgt  ward»  dies  nicht  des  Vaters  Name  sein  konnte  son- 
dern nur  der  Mutter.  Nach  dem  oben  Bemerkten  wird  niemand 
erwarten,  dass  diesen  weit  vor  den  Zeiten  der  Literatur  liegen- 
den Wortgebrauch  noch  die  literarische  Sprache  klar  erkennen 
lasse,  und  es  wäre  wenig  methodisch,  wenn  s.  B•  bei  Terenx 
haut.  1025  Glitipho  su  seiner  Mutter  sagt  mit  Distinction  der 
Mutter  vom  Eltempaar  dieiws  fiUue  tum  vesira  voUmtate  nnd  an 
den  vielen  andern  Stellen,  welche  ich  der  ältesten  Bedeutung 
gemäss  finde,  die  Interpretation  so  zususpitsen.  Aber  Spuren 
der  Vorzeit  gewahrt  ein  achtsamer  Leser  doch  manchCi  wie  viel 
häufiger  in  der  Komödie  ist  pu&rum  peperit  als  fiUum^  wie  zwar 
Cicero  die  G-eburt  eines  Sohnes  anzeigen  kann  durch  audus  mmi 
filio,  ein  frttheres  Jahrhundert  aber  nicht  so  sondern  liberis^  vor 
allem  wie  in  den  Sinn,  welchen  bei  uns  Sohn  und  Tochter  fast 
allein  besitzen,  lat.  gnatus^  gnata  nnd  filius,  filia  sich  durchaus 
theilen,  wie  als  Anrede  bei  Plautus  sich  niemals  findet  mi  /i/i, 
der  Sohn  sagt  mi  pater,  der  Vater  mi  gnate  oder  gnaU  mi  (bei 
der  Tochter  indess  begegnet  auch  schon  einmal  filia  mea\  wie  im 
getragenen  Stil  bei  der  Anrede  das  Wort  keine  solche  Apposi- 
tion erhält  sondern  selber  Apposition  zum  Rufnamen  ist,  Cato 
Marce  ßi.  Wahrscheinlich  ist  jenes  Satumi  füie  und  ßios  Bar- 
bati  von  Dichtern  zur  Zeit  des  ersten  Punerkriegs  nicht  so  pro- 
saisch gewöhnlich  gewesen  als  es  nach  einem  oder  zwei  Jahr- 
hunderten scheinen  musste.  Sprichwörtliche  Wendungen  mit  ßius 
existiren  wenige  und  nicht  sonderlich  alte;  die  welche  wir  ken- 
nen: terrcie  ßius,  fortwiae  f.,  albae  gallinae  f.  weichen  nicht  ab 
von  der  ursprünglichen  Beziehung  des  Wortes  auf  die  Mutter. 
Mehr  Hesse  sich  aus  der  Sprache  anführen,  welche  die  Mythen 
reden,  wenn  deren  Gewebe  nicht  zu  verschlungen  wäre  um  für 
gewiss  zu  sagen  wo  ein  jeder  Faden  anfängt  oder  aufhört,  aber 
Eines  kann  ich  nicht  umhin  zu  berühren.  Roms  Gründer  ist 
Sohn  des  Nationalgottes,  ist  Martin  oder  wie  er  statt  Romulus 
schlechthin  genannt  wird,  wenn  auch  nur  von  Dichtern  (Petron. 
124,  268),    Mavortim-,    das  weibliche  Complement  dieser  Genea- 


xVltes  Latein.  418 

logie,  etwa  wie  dem  Apollon  eine  Koronis  als  Mutter  des  Aekle- 
pios  gesellt  ward,  denn  der  innere  Kern  der  Symbolik  kommt 
hier  nicht  in  Betracht,  war  Romnlus  Lupae  filius.  Wie  ein 
Schriftwort  in  Commentaren,  ungefähr  so  ist  jene  Genealogie  um- 
schrieben und  auegedeutet  und  zu  Folgerungen  benutzt  in  der 
römischen  Gründungeeage;  die  jener  Sprachform  eingeborene  Vor- 
stellung floss,  als  die  alte  Form  zersprang,  aus  einander  und 
ward  neu  zu  fassen  versucht  in  den  breiten  rationalistischen  Er- 
zählungen jüngerer  Geschlechter  von  einer  Wölfin  welche  aus 
den  Bergen  gekommen  und  die  ausgesetzten  Knaben  gesängt, 
von  einer  anderen  Mutter  aus  Ilion  oder  Alba.  Wann  und  in 
welchen  Stufen  sich  der  Process  vollzog,  dass  filius  dem  Etymon 
entgegen  mit  dem  Yatemamen  verbunden,  in  der  bürgerlichen 
Ordnung  und  Schrift  solche  Bezeichnung  M,  TuUius  M.  f.  fixirt 
ward,  ist  unserer  Kenntniss  entzogen;  der  Process  selber  begreift 
sich  leicht,  man  denke  vornehmlich  an  filius  oder  filia  familiaSf 
das  Correlat  zu  pater  und  mater  familiaSy  an  familmris  und  erUis 
filius  bei  den  Komikern;  es  könnte  wirklich  im  Gesetz  der  Decem- 
virn  gestanden  haben  si  pater  filium  fer  venutn  duity  wenn  nur 
erst  einmal  garantirt  wäre,  dass  bei  Gaius  duü  steht. 

Noch  in  spätesten  Denkmälern,  die  aber  in  den  Bereich  der 
Religion  fallen  und  älteste  Sitte  verrathen  wie  Zauber-  und  De- 
votionsformeln, wird  die  Person,  und  nicht  bloss  des  Sklaven, 
gekennzeichnet,  indem  bloss  die  Mutter  genannt  wird  oder  doch 
die  Mutter  mit  dem  Vater  (Rh.  Mus.  31  p.  344).  filius,  weil  es 
ursprünglich  die  Mutter  angeht,  schliesst  ein  Stück  ^  Mutterrecht* 
ein;  dies  Stück  ist  den  Lateinern  eigenthümlich,  trennt  sie  von 
ihren  Stammgenossen,  verknüpft  sie  mit  den  Etruskem.  Denn 
bei  diesen  ist  bekanntlich  der  Miittemame  zur  vollen  Nomenclatur 
erforderlich,  nicht  die  Vaterschaft  sondern  die  mütterliche  Her- 
kunft Zeichen  der  Ebenbürtigkeit:  Pup.  Velitnffa  Au.  Cahatialj 
P.  \^olumnius  Auli  Cafatiae  filius  oder  im  gewöhnlichen  Stil  A. 
f.  Cafatia  natus,  ein  Sprössling  der  angesehenen  Familie  von 
Perusia  aus  der  auch  ein  Consul  Roms  schon  im  Jahre  447  u. 
hervorgegangen.  Die  römische  Königsgeschichte  bezeugt  inhalt- 
lich und  noch  durch  die  Form,  in  welcher  »ie  uns  überliefert  ist, 
das  Gewicht  der  mütterlichen  Abstammung  für  den  Adel. 

X  Viele  Wörter  lauten  gleich  bei  verschiedener  Herkunft 
und  Bedeutung;  gelehrte  Auslegung  oder  Volksetymologie  wirkt 
zurück  auf  Laut-  und  Schriftform,  wie  im  Deutschen  lange  *un- 
bässlich'  geschrieben  ward  zu  Gunsten  der  Ableitung  von  *  bass', 


414  fineoHeler 

mifl  umgekehrt  lautliche  Affectionen,  welche  die  wahre  Herkunft 
yerdunkeln,  richten  wenigstens  in  gewissen  Kreisen^  durch  die 
Möglichkeit  einer  falschen  Beziehung  des  üblichen,  durch  deo 
falschen  Gebrauch  eines  nicht  üblichen  Wortes  Verwirrung  an. 
svasum  schwarz  und  empfohlen,  appido  sehr  und  der  Stadt»  pone 
hinter  und  stelle,  mehr  dergleichen:  die  ersteren  Formen  gingen 
unter  oder  fristeten  künstlich  ihr  Dasein,  weil  die  letzteren  von 
ihrer  zahlreichen  Sippe  unterstützt  sie  überwältigten  und  ab- 
thaten.  Im  Gebrauch  blieb  bloss  limare  feilen  von  Intw^  alt 
stand  daneben  Umare  in  Verbindung  bringen  von  limus  Binde  in 
einer  Phrase,  welche  die  prüde  Empfindsamkeit  der  stSdtieohen 
eesellschaft  gewiss  nicht  liebte,  limare  caput  cum  aliqua»  zu 
diesem  machte  der  Komiker  Poen.  294  ein  drittes  Umare  von 
Itmus  Schlamm,  ein  viertes  limari  für  rimari  ist  in  der  Literatur 
bisher  nicht  nachgewiesen,  durch  die  ulossographen  bekannt 
(Konius  p.  333  limari  exquirere,  Philox.  Umaiur  rimatur  Ζητεί). 
Plautus  stellt  in  lebendigem  Sprachgefühl  gegen  assidiio  ein  aelbst- 
gebackenes  aecubuo  zum  Scherz;  bei  Lucüius  adsiduaa  ficos  ändert 
Dousa  in  asse  duas  ganz  glaubhaft;  der  erste  Heister  der  lat. 
Spraohkunde,  Aelius  Stilo  leitet  assiduua  ah  asse  dando  her,  um 
den  staatsrechtlichen  Begriff  zu  erklären,  welche  Etymologie  zwei- 
mal von  Cicero  vorgetragen  und  von  genug  Andern  wiederholt 
wird;  sie  hat  die  Herrschaft  der  lautlichen  Assimilation  zur  Vor- 
aussetzung und  zwingt  znr  Lehre:  assiduus  quidam  per  d  scrihunt 
quasi  Sit  α  sedendo  figuratnm,  sed  errant  (Charisius  p.  75,  8). 
Ein  anderer  Meister  vor  Cicero  behauptete,  nicht  fat^isae  eondem 
flavisae  wäre  der  altlat.  Name  gewesen  für  die  Schatzkammern 
unter  dem  Capitol,  er  brachte  ihn  mit  flata  pecunia  zusammen 
(Gellius  2,  10);  die  Behauptung  tritt  uns  so  kategorisch  entgegen, 
dass  man  die  ExiRtenz  eines  Wortes  flavisae  kaum  leugnen  darf, 
ohne  Valcrius  Soranus  oder  Varro  der  Lüge  zu  zeihen,  und  doch 
A'ersteht  sich  für  uns  von  selbst,  dass  auf  keinen  Fall  dies  eins 
war  mit  jeiiem,  welches  durch  die  capitolinische  Oertlichkeit  ein 
wenig  besser  conservirt  und  besser  bekannt  ist,  mit  favisae.  Aus 
adcesso  (accio)  gingen  regelrecht  hervor  arcesso  und  die  von  den 
Editoren  wohl  nicht  mit  Recht  immer  ausgetriebene,  wenigstens 
gar  nicht  selten  in  den  Büchern  (z.  B.  des  Persius  2,  45  und 
5,  172)  tiberlieferte  Form  accesso;  gewöhnlicher  freilich  als  letz- 
lere war  die  unter  dem  Einfluss  der  ersteren  durch  das  Springen 
des  r-Lauts  entstandene  Mischform  acccrsn  von  den  ältesten  Zeiten 
an.     Aus  unserer  Literatur  lässt  HJoh  kein  Bcdcutungsui.t  er  schied 


Altes  Latein.  415 

darthan,  so  viel  ich  übersehe,  auch  kaum  Abnahme  des  Wortes 
überhaupt  oder  wesentliche  Zahlendiiferenz  im  Gebrauch  von 
arcesso  und  accerso  bis  zum  ersten  christl.  Jahrhundert,  wo  die 
Lehre  entwickelt  ward,  dass  arcesso  ab  arcendo  abgeleitet  soviel 
wie  summoveo  bedeute  und  consequent,  dass  es  richtig  nur  stehe 
für  accuso  (arcesso  alqm  crimiue),  welche  von  Sprachkundigen 
dann  allen  £rnstes  widerlegt  werden  musste  (Scaurus  p.  26,  Ve- 
lins p.  71,  vergl.  Diomedes  p.  379  α.  a.).  Wenn  man  duploma 
sprach  statt  άίρίοτηα,  primilegium  statt  Privilegium  und  manches 
Aehnliche  das  die  Grammatiker  rügen,  wenn  eine  Schuhart  in 
mehrerlei  Variationen  von  κομβαώνες  bis  campagi  benannt  ward, 
wenn  das  Mittelalter  Octimber  schreibt,  so  ist  die  Mitwirkung 
der  Etymologie,  die  Anlehnung  dieser  Wortformen  an  lat.  dU' 
wie  duplum^  an  primus^  die  Eiction,  dass  der  Schuh  zum  campus 
gehöre,  die  Namen  der  Herbstmonate  mit  imber  componirt  seien, 
unverkennbar.  Und  umgekehrt,  wenn  cetartae  tabemae  nunc 
creiariae  non  recte  dicuntur  (Caper  p.  108,  13),  so  gestattet  diese 
Confusion  von  Eisch-  und  Kreidehandlung,  wo  immer  und  in  wie 
kleinem  Umfang  das  Volk  sie  sich  zu  Schulden  kommen  liess, 
schwerlich  eine  andere  Erklärung  als  auf  lautlichem  Wege,  aus 
dem  Eindringen  und  Springen  des  r,  vielleicht  erst  cetra-  nach 
Art  von  culcita  culcitra,  dann  creta-. 

Es  war  mir  aufgefallen,  dass  das  Latein  kein  Wort  hat  für 
ungegürtet,  aufgefallen  beim  Umbrischen,  denn  das  Gebet  der 
Iguviuer  gegen  ihre  Feinde,  deren  nerf  gihitu  angihitu,  Ig.  VI  Β  59, 
für  die  eigenen  nenis  gihitir  angihitir  VI  Β  62,  bezeichnet  wahr- 
scheinlich die  Obersten  des  Volks  in  Krieg  und  Frieden  als  ge- 
gürtet und  ungegürtet  (Vmbrica  p.  99).  άΙωΟτος  discinctus^  dies 
regelmässig  der  Gegensatz  gegen  cincius,  obschon  es  auf  der  Hand 
liegt,  dass  eutgürtet  und  ungegürtet  zweierlei  ist;  seit  ich  darauf 
geachtet,  hat  mich  wohl  die  eine  oder  andere  Stelle  überrascht, 
wo  man  incinctus  hätte  erwarten  dürfen  aber  anders  gewendet 
findet,  wie  wo  des  sog.  Demokrit  Zauber  gegen  Kaupen  im  Garten 
angeführt  wird,  Palladius  1,  35  mulierem  menstruantem,  nusquam 
cinclam,  solutis  capillis,  nudle  pedibus,  Plinius  n.  h.  17,  266  a 
muliere  incitati  [initiante  Barth]  mensis,  nudis  pedibus,  recincta. 
Der  Begriff  cingerc  spielt  doch  eine  grosse  KoUe  im  römischen 
Leben,  ist  in  vielen  Composita  und  Derivata,  eigentlich  und  me- 
taphorisch verwandt;  auch  inoingere  ist  gebildet  gleich  ova£uü(Tat, 
und  davon  incincta  schon  bei  Ennius,  freilich  kaum  so  ursprüng- 
lich und  üblich,  dass  ich  glauben  möchte,  dies  hätte  gen"-*"  "**» 


.416  BneoHeler 

da•  Aufkommen  eines  negativen  ifieinda  za  yerhindenii  da  die 
beste  Zeit  immutatus  in  doppeltem  Sinn,  wenigstens  jüngere  Zeit 
neben  inflradus  von  infringere  ein  infraehu  αθραιΚΓτος  gebimncht, 
oder  gar  die  Fortpflanzung  jenes  ital.-nmbr,  angihUu  absnsohnei- 
den.  Die  Yerbalformen  von  incmgere  deckten  natürlich  ancb  den 
vollen  Lantbestand  im  zugehörigen  tnotfiefa;  setzen  wir  ein  nr^ 
altes  «leifMTto  ungegttrtet,  so  konnte,  mnsste  dies  imcMa  werden  wie 
qmmsta  qmnia,  wie  CIL  10,  2244  cm/ii  fUr  dneUm  und  viel  Aehn- 
liches  im  Vulgärlatein,  wie  bei  den  Ghriechen  seit  der  Apostel- 
geschichte 19,  12  σιμικ{νθια  semkkuiia.  Aber  es  gibt  ja  ein 
Uimincia  ungegttrtet,  das  in  den  roman.  Sprachen  lebt,  freilich 
nicht  mehr  mit  diesem  Wortsinn;  franz.  eneemte  bedeutet  einmal 
Umzftunung  nach  incingere,  dann  schwanger^  nach  der  herrsclien- 
den  Ansicht,  weil  solche  Frau  keinen  Gürtel  tragen  kann  und 
irgendwo  selber  sagt  ne  me  puis  ceindre  (Diez  Wb.  I  ineinta). 
Die  latForm  gewährt  bloss  Isidor  or.  12  unter  J  am  Schlues  mit 
eben  dieser  Erklärung,  incincta  heisse  die  schwangere,  weil  deren 
Leib  keine  ordentliche  ufirtung  gestatte.  Indessen,  dass  eine 
Aeusserlichkeit,  welche  gegen  andere  Merkmale  des  Zustandes 
wenig  ins  uewicht  fällt,  den  Namen  dictirt  habe  allgemein  und 
für  die  Dauer,  ist  höchst  unwahrscheinlich;  eher  hätte  diseinda 
sich  geeignet,  insofern  die  Lösung  des  O-Ürtels  Symbol  der  Be- 
schlaf ung  war;  die  Griechen  verstehen  unter  der  ungegürteten 
vielmehr  die  nnvermählte,  ganz  jungfräuliche  (Schol.  Eallimachos 
h.  3,  14).  Das  Richtige  haben,  wie  ich  aus  Forcellini  ersehe, 
schon  frühere  Gelehrte  bemerkt,  den  offenbaren  Zusammenhang 
mit  dem  uralten,  mehr  und  mehr  abgestorbenen  Wort  inciens 
έγκυος  έγκυμων;  nur  die  Art  des  Zusammenhange  bleibt  noch  zu 
bestimmen,  incincta  ist  ein  Mischling,  c  vor  t  ist  allerdings,  wie 
College  Foerster  mich  belehrt,  durch  das  Romanische  gesichert^ 
es  hat  sich,  indem  die  lautliche  Fasion  der  zwei  Wörter  den 
etymologischen  Unterschied  verwischte,  am  unrechten  Ort  fest- 
gesetzt. Nämlich  neben  inciens  stand  Fem.  incienta  wie  cliens 
cli^ntay  violens  violenfa,  im  Moschion- Soranus  adulescenta^  die  Yo- 
cale  wurden  zufolge  der  alten  Betonung  des  Präfixes  verschmolzen 
{fUie  fUif  vietis  bei  Horaz  zwei  Silben,  quietus  quifus  queius^  pis- 
aimus  petUissimo  u.  a.),  schwanger  und  ungegtirtet  beides  biess 
einmal  ineinta,  Worte  die  eine  Missdeutung  gegen  den  Anstand 
erfahren  konnten,  waren  nicht  geheuer  für  die  massgebenden 
Kreise  der  röm.  Literatur,  vermuthlicli  deRslialb  fehlt  jenea  lat. 
incinetus. 


Altes  Latein.  417 

Von  oZcre  kann  sehr  wohl  oletutn  ahgeleitet  worden  sein,  das 
wird  heute  geglaubt,  schien  dem  Frontin  oder  seinem  Erklärer  so 
aq.  97,  ist  auf  alle  Fälle  für  die  Alten  in  Betracht  zu  nehmen,  wie- 
wohl ich  einen  leisen  Zweifel  ausdrücken  muss,  dass  der  Geruch 
wirklich  die  Ursache  jenes  Wortes  gewesen,  wegen  seiner  sehr 
engen  Bedeutung,  nicht  einmal  auf  thierische  Excremente  ist  es 
ausgedehnt,  oletum  war  für  Veranius  stercus  humanum  (Paulus 
F.),  oletum  faccre  heisst  seine  Nothdurft  verrichten,  olefare  hier- 
durch verunreinigen;  wenn  es  für  das  kleinere  Bedürfniss  auftritt 
bei  Persius  1,  112  oder  in  der  Verordnung  bei  Frontin,  so  ist 
dies  nicht  anders  zu  beurtheilen,  als  wenn  auf  Grabmonumenten 
mit  Strafe  bedroht  wird  qui  hie  mueerit  aut  cacarity  der  biedere 
Trimalchio  aber  sich  begnügt  zu  verhüten  ne  in  monumentum 
meum  populus  cacatum  currat.  Griech.  xobiT€U€lv  mit  χόδανον, 
μυόχοοον  u.  a.,  auch  dieser  Stamm,  dessen  Fehlen  im  Latein 
auffallt,  ergab  oletum  nach  χήρ  er,  χ€ίρ  ir,  χήν  anser  u.  s.  w., 
nach  odor  olere:  wohl  eine  euphemistische  Homonymie. 

inUvere  inlex  inlecehrae,  warum  nicht  auch  inlicium  An- 
lockung? und  so  braucht  das  Wort  Varro  r.  r.  3,  16  iUicium  hoc 
Ulis  (etwas  weiter  in  hoc  vim  esse  illiciendi)  und  alvum  prope 
eisdem  üliciis  itUitam,  eine  frühere  Stelle  3,  7  propter  illicium  im 
Zusammenhang  gelesen  wird  in  die  Richtung  führen,  wo  ich  hin- 
aus will.  Vielleicht  war  jene  Wortbedeutung  alt,  sogut  wie  noch 
manche  andere  in  denselben  Lauten  ausgedrückt  sein  konnte,  von 
der  uns  kein  Zeugniss  vorliegt  oder  ein  räthselhaftes  (Varro  1.  1. 
6,  95  von  Müller  schlecht  behandelt,  denn  bleiben  muss  hoc  ipsum 
inlhium).  Vielleicht  aber  auch  braucht  der  Antiquar  das  alte 
Wort  nur  in  dem  Sinn,  in  welchem  er  und  die  gelehrten  Collegen 
es  verstanden,  es  missverstanden  als  ßine  längst  eingesargte  Re- 
liquie von  vergessenem  Ursprung.  Der  Consul  sprach  noch  da- 
mals in  herkömmlicher  Formel  inlicium,  für  Varro  und  Verrius 
bedeutete  dies  ut  populus  inliciatur  ad  magistratus  conspectum, 
cum  populus  ad  contionem  elicitur,  also  Anlockung.  Es  dünkt 
mich  unnöthig  auf  diese  Etymologie  oder  auf  die  neueren  Mei- 
nungen über  das  Wort  einzugehen ;  so  schablonenhaft  und  albern 
seine  Auslegung  von  inlicium  ist,  so  macht  sich  doch  in  der 
ganzen  Auseinandersetzung  Varro's  1.  1.  6,  86  ff.  eben  der  gute 
Sprachgeist  bemerkbar  welcher  das  Wort  einst  geschaffen,  neckisch 
genug  zwingt  er  den  Theoretiker  in  praxi  zu  eben  der  Wendung, 
welche  er  als  Etymon  hätte  setzen  sollen  aber  nicht  setzt.  Dank 
ihm,  dass  er  uns  die  Beispiele  erhalten,  welche  selbst  deutlicher 

Rhein.  Vne.  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX.  27 


418  Baecheler 

reden  nnd  alle  echarfeinnigen  Erörterungen  ttl>erwi^geii :  die  I^ing 
von  Amtewegen  voca  inliciufn  Quintes  huc  ad  me,  inlicmm  visUe  im 
ist  nar  das  öfter  geborte  sfa  ilico  hie  in  die  Bewegung  ungetetit, 
das  eine  wie  dae  andere  nach  römisclier  Art  Ort  nnd  Zeit  ein- 
eohliessend,  *znr  Stelle*  wie  anf  der  Stelle,  oder  nm  den  yollem 
Ton  naohznmachen,  zum  Stelldichein.  Das  Wort  ist  durch  Hj^ 
postaae^  von  in  loeo  gebildet,  so  wie  insommum  von  im  jonmii, 
pamerium  von  past  moeros^  wie  die  meisten  Gompoeita  mit  itUer 
entstanden  sind  (intematium,  interdigitos  spiit  ereetst  doroh  inter 
digitia),  der  Aconsativ  der  gleiche  wie  in  dcmum  oder  rriimn  in, 
audiium  vocare  u.  s.  w.  Denn  an  die  Identit&t  von  üico  nnd  in 
loco,  welche  dem  Wortgebranch  und  der  Tradition  de•  Alierthnss 
entspricht,  glaube  ich  allerdings  fest,  das  Bedenken  Leo*e  (Kns. 
Μ  p.  18)  wegen  der  regelmässigen  Schreibung  ohne  doppeltes  I 
hält  bei  näherer  Prüfung  nicht  Stich  {olim  von  offe).  Mit  Mi- 
eium  ward  einst  dem  Bürger  behufs  des  Gensus  oder  der  Heeiee- 
yersammlung  befohlen,  sobald  er  den  Buf  gehört  (man  beadhte 
ex  templo),  ohne  Verzug  sich  bei  dem  Magistrat  einzufinden.  Anoh 
an  der  ersten  Stelle  r.  r.  3,  7  paraphrasirt  Varro  den,  wie  ich 
vermuthe,  künstlich  zn  neuem  Leben  erweckten  Ansdmok,  das 
ifUicium  der  Tauben  im  Verfolg  durch  eine  Wendung,  in  welcher 
wieder  das  ächte  Etymon  erscheint  wie  1.  1.  6,  90  nnd  94:  co- 
lumbas  redire  solere  ad  locum, 

XI  Griechische  Wörter,  welche  das  Latein  aufnahm,  mögen 
hier  öfter  vorkommen  als  in  der  Grundsprache,  oder  mit  anderm 
Sinn  als  wir  aus  der  Grundsprache  nachweisen  können,  z.  B. 
cyma  als  Gemüse,  bolarium  als  Malerwerkzeug.  Eine  iiObsche 
kleine  Vermehrung  des  griech•  Wortschatzes  aus  dem  Latein  lie- 
fert der  Querolus  Scene  1  p.  17,  1  Peiper:  si  dives  fneris,  patus 
appellaberis,  sie  nostra  loquitur  Graecia,  nach  dem  Zusammen- 
hang in  der  Gegend  der  Loire,  vielleicht  durch  Vermittlnng  der 
Maesalioten.  An  der  üeberlieferung  ist  gewiss  nichts  zu  Sndem 
Cfort.  παχύς  F.  Haasius'),  man  vergleiche  Hesych's  πάτορβς' 
πλούσιοι,  παμωχίιυν  κεκτημένος  von  παμα,  πασις,  der  Tragiker 


^  Vgl.  Mus.  35  ρ.  630  über  sedulo^  scdiUitas',  übersehen  ist  dort, 
dass  schon  aus  'Plautus',  aus  der  Komödie  Caccus  adjectivisches  se^ 
dtdus  von  einem  guten  Zeugen  angeführt  wird  bei  Charisius  p.  219, 10, 
nämlich  auf  das  Wort  velim  tc[d]  arhitrari  factum  die  Antwort  sedvium 
est  [si]  summoventttr  hostes,  wie  ich  meine,  in  dem  Sinne:  das  nehme 
ich  für  Ernst,  ist  keine  Lüge,  wenn  — 


Altes  Latein.  419 

πάσασθαι,  πεπαμένος;  davon  πατός  mit  Besitz  aukgeetattet  nach 
Analogie  von  δυνατός  θνητός  u.  a.  (Soph.  Trach.  446). 

Aber  auch  lateinische  Wörter  sind  ins  Griechische  einge- 
drungen, können  aus  ihm  bestätigt,  vielleicht  allein  belegt  wer- 
den. Massenhaft  war  der  Import  in  Byzanz,  seitdem  Regierung, 
Gesetzgebung,  Sitten  der  Römer  sich  dort  einnisteten;  man  reci- 
pirte  selbst  eine  φίβλα  und  τρούλλα,  bildete  λουοοτρόφος  als 
Namen  des  lanista.  Alte  durch  das  Staateleben  sanctionirte  For- 
men wurden  hier  fortgepflanzt:  donaticus  kennen  die  Lexika  blos« 
aus  Cato,  der  lat.  Glossographie,  welche  donaticae  hastae  und 
coronae  uns  erhalten  hat;  wir  werden  zufügen  aus  der  byzanti- 
nischen Reichssprache  nach  Suidas  δωνατική'  5ιά6ο<Τις  ή  bibo- 
μ^νη  παρά  του  βασιλέως  τοις  στρατεύμασι ; '  freilich  ist  Umbie- 
gung  des  in  Rom  üblichen  donaiivum  nach  dem  Muster  griechischer 
Adjectiva,  also  Zufälligkeit  der  Uebereinstimmung  nicht  ausge- 
schlossen; byzantinischem  Einfluss  wird  wieder  zuzuschreiben  sein 
was  Du  Gange  aus  dem  Mittellatein  von  Belegen  hat.  Neue  For- 
men kamen  im  neuen  Reich  auf  und  verbreiteten  sich  zu  den 
\''ölkem  römischer  Zunge,  wie  das  am  Ende  deutsche  Stammwort 
für  die  romanische  Benennung  des  Haarbusches,  Zopfes,  Lydus 
de  mag.  I  8  p.  127,  19  Β  καλουσι  b'  αύτάς  o\  μέν  Ρωμαίοι 
ϊούβας,  ο\  b^  βάρβαροι  τούφας  βραχύ  τι  παραφθαρ€ίσΥΐς  τής 
λ^Εεως  (fttfae  bei  Vegetius  3,  5  ρ.  73,  5  L.,  Diez  Wb.  II  c  touife). 
Manches  in  diesem  griechisch-lateinischen  Gebiet  harrt  noch  be- 
friedigender Erklärung;  so  ingrusia  'bei  den  Römern  die  den 
Kranken  verabreichte  Speise,  zu  wenig  zum  Leben,  zu  viel  zum 
Sterben'  (Suidas  Ινγρουσία),  was  Meursius  gloss.  graecobarb, 
p.  239  und  Vossius  de  vitiis  serm.  p.  477  von  grossus  Feige,  an- 
dere vom  junggriech.  γρουτα  crusta  (vielmehr  scruta)  glaubten 
herleiten  zu  können;  gehört  es  zu  gluttus  i/ZtiAtre  *  schlucken*  und 
dessen  Sippe  mit  ursprünglichem  r,  oder  als  hybride  Bildung  zu 
ingerere,  oder  als  verschrieben  zu  den  Nullitäten?  Manches  ist  noch 
aus  Durchforschung  der  einschlägigen  Literatur  zu  dem  bisher  Ge- 
sammelten nachzutragen,  ich  führe  ein  Beispiel  aus  den  Nikander- 
Scholien  an.  Diese  Scholiasten  brauchen  ja  wohl  alle  zur  Erklärung 
hier  und  da  ein  den  Byzantinern  geläufiges  lat.  Wort,  der  zu  Nikan- 
der  z.  B.  ther.  825  τό  βιβάριον  für  Fischbehälter,  vivarium,  al.  493 
mit  dem  Zusatz  der  einem  nicht  griechischen  Wort  zur  Entschul- 
digung zu  dienen  pflegt,  γλ€υκος  δ  λίτ€ται  έν  συνηθ€ίςι  μοΟστον. 
So  liest  man  ther.  526  von  der  Sauciere,  dem  όΕύβαφον  oder 
έμβάφιον  das   auf  den  Tisch   komint,    οπερ   καλ€ΐ  γαργάριον  ή 


420  ßuecheler 

(Τυνήθεια,  so  in  der  ΚβίΓβοΙιβη  Ausgabe  nach  einer  minderwer- 
thigen  Handschrift,  ohne  dass  ein  erklärlicher  oder  passender 
Ausdruck  damit  gewonnen  wäre.  Evident  richtig  andere  Ηββ. 
und  die  beste  γαράριον,  von  γάρον  garum^  dies  Wort  war  im 
Latein  zur  Kaiserzeit  fast  üblicher  als  im  Griechisch,  sowohl  die 
(Τυνήθ€ΐα  wie  ein  lautliches  Moment,  das  Doppel-r  und  vor  allem 
die  Bedeutung  spricht  dafür,  dass  wir  ein  von  Römern  gebildetes 
gararium  wie  merarium  (όκρατοφόρον  thes.  Vulc.  p.  269,  3)  vi- 
narinm  camarium  u.  s.  w.  anzusetzen  haben. 

Nun  denke  man  sich  etwa  sechs  Jahrhunderte  vor  Constantin, 
wo  Griechen  die  ersten  Nachrichten  über  Rom  gaben,  wo  die  ersten 
römischen  Historiker  griechisch  schrieben:  war  es  möglich  für 
eigenartige  römische  Begriffe  römische  Ausdrücke  zu  vermeiden? 
hat  nicht  jeder  Grieche  der  über  römische  Geschichte  schrieb, 
von  Polybios  an  λίβ€ρτος,  πραίφεκτος  oder  welches  lat.  Wort 
sonst  repetirt?  Und  man  bedenke  femer,  was  noch  aus  Plautne 
und  Cato  in  die  Augen  springt,  was  durch  jedes  neu  ans  Licht 
tretende  ältere  Sprachdenkmal  in  überreichem,  in  verwirrendem 
Mass  letzter  Zeit  bestätigt  ist,  wie  viel  Wörter  und  Wortformen 
gerade  um  die  Anfänge,  vielleicht  durch  die  ersten  Flügelschläge 
der  Literatur  getödtet  worden  sind :  niemand  dürfte  sich  verwun- 
dern, wenn  Fabius  Pictor  oder  Diokles  oder  Timäos  noch  einen 
lat.  Ausdruck  kannten  und  benutzten,  der  bei  den  späteren  La- 
teinern nicht  mehr  vorkommt;  steht  nicht  noch  in  des  Näviue' 
spärlichen  Resten  Einziges  wie  rumitare,  Seltenstes  wie  flustra 
oder  luca  bos?  Durch  die  gricch.  Literatur  geht  als  ständiger 
Name  für  das  römische  Staatskleid,  die  Toga  oder  deren  Abarten, 
τήβεννος  oder  τήβεννα,  wie  awullus  cuculla  u.  a.,  regelmässig 
mit  doppeltem  ν  geschrieben.  In  den  Hermcneumata  ioga  τήβ€- 
νος,  im  Philox.  Glossar  togato  τηβεννηφόρψ,  im  Cyr.  τήβενος 
foga  trahea,  τηβενοφόρος  togatus:  Du  Gange  gloss.  graec.  zeigt 
wie  lang  das  Wort  gedauert  hat.  Allen  Griechen  war  bewusst, 
dass  dies  ein  römisches  Ding,  Hesycliios  τήβεννος  eTboq  περι- 
βολαίου  παρά  'Ραιμαίοις,  Artcmidor  onirocr.  2,  3  ρ.  87,  22  Η. 
ή  'Ρωμαϊκή  έσθής  ήν  τήβεννον  καλουσιν,  um  nicht  mit  einzelnen 
Stellen  den  Leser  aufzuhalten,  treffend  Salmafiius  zu  Tert.  de  pallio 
p.  69  τήβεννον  vel  τήβενναν  Graeci  Komanam  togam  semper 
vocitarunt:  was  natürlich  nicht  verhindert  hat,  dass  Klüglinge 
auch  dies  Ding  aus  Griechenland  oder  sonst  woher  importirt  sein 
Hessen.  Nach  Artemidor  καλουσιν  από  Τημένου  του  'Apxdboq: 
wie   aus  Arkadien   nach    Kom   unter  Anderem   das  Alphabet    ge- 


Altes  Latein.  421 

kommen,  so  war  jener  Arkader  der  Heros  Eponymos,  der  Erfinder 
der  τημίνειος,  welche  mit  der  Zeit  zur  τήβεννος  geworden  πα- 
ραφθαρέντος  του  ονόματος,  ja  man  zeigte  nach  PoUox  7,  61  an 
uralten  Bildern  der  Stadt,  welche  des  Herakliden  Temenos  Mo- 
nument enthielt  τήν  όνομαΖομίνην  τήβενναν,  die  richtig  heissen 
müsse  τημενίς.  Dieselbe  Periode  hat  die  in  Photios  Lex.  und 
im  Etymol.  M.  abgeschriebene  Glosse  hervorgebracht:  τηβεννα 
Ιμάτιον  ή  χλαμύς,  δ  φοροΟσι  τύραννοι,  wo  das  letzte  Wort 
sicher  irrthümlich,  nach  Cobet  o\  'Ρωμαίοι,  wahrscheinlicher 
Τυρρηνοί  das  Ursprüngliche  ist,  gemäss  der  Tradition  bei  Dio- 
nysios  ant.  3,  61,  wie  auch  das  Alphabet  aus  Etrurien  gekommen 
sein  sollte.  Solche  Legende,  solche  Entstellung  des  ächten  Inter* 
pretaments,  sei  es  durch  Schreibfehler,  sei  es  durch  Vorwitz  eines 
jungen  Lexikographen  kann  völlig  unbeachtet  bleiben  gegenüber 
dem  durchgehenden  Wortgebrauch  und  dem  ausdrücklichen  Zeug- 
niss  des  älteren  Dionys  a.  0.,  er  wisse  nicht  woher  die  Grriechen 
den  Namen  τήβεννος  für  die  röm.  toga  hätten,  griechisch  scheine 
er  ihm  nicht  zu  sein.  Richtig  bemerkt,  denn  das  Wort  hat  im 
griech.  Sprachschatz  keinen  Anschluss  und  tritt  erst  mit  der  rö- 
mischen Toga  in  die  griech.  Literatur  ein,  ist  vor  Polybios  allen 
unbekannt.  Daraus  ergibt  sich  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit, 
dass  tebenna  eben  der  altrömische  Name  war,  welcher  von  den 
ersten  Darstellern  römischer  Geschichte  gebraucht,  durch  diese 
im  Griechischen  eingebürgert  war  und  so  von  allen  folgenden 
Griechen  festgehalten  wurde,  während  er  im  Latein  selbst  dem 
kürzeren,  seit  der  hannibalischen  Zeit  allein  gültigen  toga  weichen 
musste.  Das  Suffix  von  tebennus  tebenna  ist  gut  lateinisch  und 
volksthümlich,  ich  erinnere  jetzt  nur  an  socienntis  das  mit  Plautus 
ausstarb,  homo  levenna  das  Laberius  scherzend  bildete  für  Zme, 
Dossennus,  Noch  zu  Varro^s  Zeit  lebte  teba^  seine  Landsleute 
um  Heate  bezeichneten  damit  den  collis  oder  clivua  (r.  r.  3,  l). 
b  gehört  der  Ableitung  an,  war  einst  /*;  tifata  kennen  wir  nicht 
bloss  als  Eigennamen  des  campanischen  Berges  sondern  auch  als 
Appellati vum,  vielleicht  adjectivisch ^  in  tifata  iliceta  'Gebüsch  auf 
der  Halde',  denn  so  wird  die  arg  verschnittene  Glosse  des  Paulus 
wohl  besser  verstanden  als  wenn  man  üiceta  für  das  Interpre- 
tament  von  tifata  nimmt,  welches  dann  wenigstens  all  zu  eng  und 
nicht  treffend  wäre,    substantivisch  in  Curia  tifata  und  Mancina 


^  Dies  die  Annahme  von  G.  Brandis  de  aspir.  lat  (Bonn  1881) 
These  VI. 


483  Baeoheler 

iifmUif  Burg  des  Curius  und  Mancinne,  naoli  der  Auelegimg  hat 
dcmuSj  nicht  weit  ab  vom  späteren  tecta.  Sollten  nicht  alle  diese 
Wörter  dem  Stamme  von  tegere,  decken  entsprossen  sein?  iefa 
für  itg-fay  wie  der  Stammesauslaut  von  figtre^  sMngere  vor 
dem  f  des  Snffixes  geschwanden  ist  in  fibulaj  sMbUgtk  Merk- 
würdig ist  wie  in  den  beiden  alten  Sprachen  ^die  Namen  für  be- 
waldeten Berghang  nnd  für  Schienbein  znsammengehdreoy  κνί)- 
μός  κνήμη•  ebenso  teba  Ubia,  analog  nnserer  VorsteUniig  von 
des  Berges  Fnss.  Verhalte  es  sich  mit  den  übrigen  Worten  wie 
es  wolle,  von  Mfenna  sweifle  ich  nicht,  dass  es  wie  in  der  Be- 
dentnng  so  im  Stamm  eins  ist  mit  toga^  lehne  daher  anoh  die 
lautlich  statthafte  Verbindung  mit  teaiere  tda  ab.  In  toga  sehen 
wir  den  Begriff  der  Bedeckung  durchaus  auf  Kleidung  einge- 
schränkt, obwohl  in  des  Titinius  Versen  43  Bibb.:  si  ms  oum 
scorto  constituit  ire,  davis  ilico  &bstrudi  iubeo,  tcgae  ne  rusHeoß 
sU  capia  nach  dem  Zeugniss  des  Grammatikers,  welches  am  Sats- 
gefttge  mir  den  stärksten  Rückhalt  zu  haben  scheint,  ein  Obdach 
auf  dem  Lande,  iectum  gemeint  war;  die  Weiterbildung  mit  glei- 
chem Ablaut  tugurium  geht  nie  die  Tracht,  immer  Oertlichee  an, 
wofern  nicht  der  Erklärer  der  XII  bei  Festns  p.  366  H.  wider- 
sprach. Umgekehrt  ist  das  Verhältnies  von  teba  und  seinem  De* 
rivatum  tebenna;  der  Stamm  selber  diente  für  beide  Beziehungen, 
iegmen  caeli  und  capitis^  fedum  und  teges. 

Dies  gibt  mir  G-elegenheit  zu  erinnern,  daes  man  zwei  hoch- 
etens  durch  Seitenverwandtschaft  verbundene,  aber  nach  dem 
äusseren  Schein  identische  und  mehrfach  zusammengeworfene 
Wörter  scheiden  mues:  tegillum,  auch  tigillum  (so  die  Plautus- 
Quellen  rud.  576  =  II  7,  18),  wie  dieser  Vers  lehrt,  mit  langer 
erster  Silbe,  Deminutiv  von  tegtdum,  mit  tegula  von  teg-  wie 
regiUa  (recta  tunica)  von  r^g-  vor  Alters  gebildet,  andererseits 
tigillum  mit  kurzer  erster  Silbe  minder  altes  Demin.  von  iignum 
wie  sigülum  u.  a.  Das  erstere  ist  so  selten  wie  das  zweite 
üblich,  und  scheint  in  der  Kaiserzeit  abgekommen;  mau  kann 
fragen  ob  der  Bcholiast  des  luvenal  7,  46  jenes  wirklich  noch 
gekannt  hat,  als  er  zum  Vers  quae  conducto  pendaU  anabaihra 
tigülo  zuschrieb  tecio,  diminutive;  jedesfalls  ist  hier  die  erwähnte 
Confusion.  (egillum  bedeutet  an  jener  Stelle  des  Plautus  nahezu 
tegcs,  was  der  Sklave  trägt  nnd  womit  er  sich  gegen  den  Hegen 
schützt,  wie  Paulus  F.  erläutert,  eine  Matte  die  man  um  den 
Leib  schlagen  und  über  den  Kopf  ziehen  kann.  So  wird  auch 
zu   deuten    sein  die   Gleichung   tegillum  καλυμμάτιον    (Onomast. 


Altes  Latein.  428 

1».  151  Vulc).  Aber  Nonius  p.  178  f.  erklärt  tegillum  als  De- 
minutiv von  iccium,  und  die  Stelle  welche  er  aus  Varro's  Sesculixes 
anführt:  der  Schrei  des  Weihen  kündigt  einen  wolkenbrüchigen 
Gu88  an,  ut  tegillum  (tex'iUum  die  Hss.)  pastor  sibi  stitnatj  die 
Fassung  dieser  Worte  empfiehlt  in  der  That  nicht  eine  blosse 
Decke  zu  verstehen,  sondern  ein  Obdach  das  sich  der  Hirt  sucht. 
Auch  der  Gebrauch  des  Primitivum  tegulum  bei  Plinius  16,  156 
und  178  begünstigt  die  von  Nonius  gegebene  Erklärung.  In 
riautus'  aul.  301  klagt  der  Geizhals  über  Verlust,  de  suo  tigiUo 
fumus  si  qua  exit  foras.  Ich  weiss  nicht  welcher  französische 
Gelehrte  zuerst  bemerkt  hat,  dass  das  Original  des  Verses  uns 
erhalten  ist  in  der  von  Graux  publicirten  Schutzrede  des  Chori- 
kios  für  das  Theater  (Goetz  praef.  p.  VII);  ich  füge  hinzu,  dass 
(!horikios  die  Worte  und  den  Trimeter  des  Menander,  mindestens 
den  Schluss  ganz  wiedergegeben  hat,  Smikrines  fürchtet  τών  ίν- 
bov  ό  καπνός  μη  τι  οϊχηται  φέρων.  Plautus  meinte  klärlich 
nicht  Balken  sondern  Behausung  (wie  jeder  Grieche  τά  ivbov 
erläutern  würde  durch  έκ  της  οικίας  φέρων),  ttgillum  mit  langer 
Aufangssilbe  wie  rud.  576.  Durch  ein  Versehen,  wie  es  scheint, 
des  Nonius  selber  oder  noch  älteren  Schreibfehler  ist  bei  ihm 
das  Wort  in  ligillum  {ligellum)  Deminutiv  von  lignum  geändert 
und  unter  L  gesetzt  p.  134,  aber  seine  Erklärung  iuguriolitm^ 
(lomiciliHm  breve  ist  alt  und  gut,  dient  dem  überlieferten  ligiUum 
zur  Beglaubigung.  Auch  luppiter  TigiUus  (quod  mundum  con- 
tineret  ac  sustineret  Augustin  c.  d.  7,  11)  gehört  meines  Erach- 
tens  nicht  zu  lignum  sondern  zum  ersteren  Wort.  Dies  also  be- 
zeichnete so  gut  körperliche  Bedeckung  wie  Sohutzort;  um  so 
eher  wird  man  auch  toga  bei  Titinius  als  tugurium  anerkennen 
und  die  Verbindung  von  τήβεννα  mit  teba  gestatten. 

Aehnlich  wie  über  τήβεννα  ist  noch  über  anderes  zu  ur- 
theilen,  das  bei  den  Griechen  sich  findet  und  aus  Italien  stammt. 
Aecht  römische  Waffe  ist  das  Pilum :  im  lat.-gr.  Glossar  pilum 
υπερον  (ύπερώον  Hs.)  και  'Ριυμαϊκόν  bopu,  im  gr.-lat.  ύσσός, 
το  άκόντιον,  pilum:  man  sieht  wie  das  griech.  Wort  keineswegs 
für  selbstverständlich  galt.  Appian  der  doch  nach  Heimath  und 
Bildung  das  Griechische  hinlänglich  überschaute,  sagt  ausdrück- 
lich Celt.  1  p.  45,  1  Mend.  von  diesen  δόρατα  oder  ακόντια,  δ 
'Ρωμαίοι  καλοΟσιν  ύσσούς;  da  für  seine  Zeit  dies  nicht  gilt, 
kann  er  es  nur  seinen  Vorgängern  nachgeschrieben  haben,  gerade 
so  wie  Eunapios  im  lulian  p.  129,  2  Comm.  von  der  Toga  des 
Proconsul  τήβξννον  αυτήν  'Ριυμαϊοι  καλοΟσιν.   Von  oiTOoc  aairen 


4a*  Buecholei 

daanlbe  wiederholt  mit  deneelben  Worten  christliche  Exeget« 
«nd  bTXaatiiUHhe  Lexikographen;  die  altgriech.  Theeaari,  ein 
H«rodiMl,  eu  Folhu  ignoriren  dae  Wort.  Dionye  ant.  5,  46  ge- 
desU  der  bei  den  Zelteo  aii(ge]>Han}:ten  ύσσών,  macht  sofort  eine 
Uqge  Furenthen  ίοττ  bt  ταΰτα  β^λη  'Ρωμαίων  u.  β.  π.,  fährt 
dann  fort  έκ  τούηυν  Μ)  τών  ύ(Τσών.  Polybios,  fUr  uns  heute 
der  erste  Gevihmiann  des  Wortes,  Bebildert  in  der  bekannten 
BeMhreibiuig  des  rSm.  Heerwesens  6,  33  die  Sacho,  die  sprach- 
liche Anfklinng  iat  er  ηΒβ  schuldig  gehlieben.  Mimm  eet,  meinte 
einit  Stnn  (Qeilford'e  Et  M.  p.  643C  unter  ^(naoς),  aiiud  latinos 
■^ptmea  aomen  hymn  eive  hussue  non  reperiri.  Kann  nicht 
dM  l«t.  Wort  dimh  Leatrentsdernng  entstellt  worden  seiH,  dw- 
gleiohea  bei  Lehnwerteni  in  allen  SprsAheii  Torkommt  und  tob 
den  Grieoheo  besonders  oft  verttbt  ist?  man  denke  nnr  «o  die 
Namen  in  AesobyW  Pereem.  Was  ist  denn  FQiim?^  Niebnkr 
hat  die  Laune  de«  Sohioksale  betont,  durch  weldie  bri  ΥιοΛλ- 
derung  des  DIm.  Heerwesens  sich  ereignet  bat,  dass  die  Hasteli, 
welche  von  der  Huta  benuint  sind,  keine  Haata  führen,  and  die 
Triariw  Pilan!  heisaen,  Λα  ohne  Fünnt  sind,  Avrt  τιΐιν  ύσσβν 
böpOTO  φοροΟίΠν.  Der  italisohe  Name,  einst  der  einzige  in  Born 
Pix  den  Spiess  war  hasta;  als  die  Angriffswaffe  des  Legionärs 
die  besondere  Gestalt  erhielt,  auf  welche  die  maeeivere  Bezeich- 
nung pütim  angewandt  ward,  ich  wiUs  glauben,  vor  Pyrrhus' 
Zeiten  —  pütimnoe  poploe  im  Soliarlied,  wenn  es  die  Romer  aU 
pHis  ttii  assueti  charakterieirte  nach  der  einen  Erklärung  des 
Alterthuma,  wttrde  ale  poetischer  Ausdruck  keinerlei  Schlnse  auf 
eigenthiimliohe  Gestaltung  in  Wirklichkeit  erlauben  —  da  erst 
konnte  der  Lateiner  dieae  Form  durch  den  besonderen  Namen 
nicht  bloae  unteracheiden  von  der  Oeeammtkategorie  hasta,  son- 
dern auch  geradesu  derjenigen  Form  entgegenselKen,  welche  von 
Altere  her  unter  hasta  begriffen  ward.  Solche  Sprach procease 
bedürfen  einer  gewiesen  Zeit;  wenn  ίκτσός  umgemodelt  ist  ans 
basta,  und  anders  weise  ich  das  Wort  im  Römischeit  nicht  unter- 
zubringen, so  gehört  ea  einer  Epoche  an,  in  ΛvelcheΓ  der  generelle 
Name  auch  tui  die  Form,  welche  weiterhin  pihtm  genannt  ward, 
gäng  und  gäbe  war,  so  dass  eben  die  Eigenart  der  römischen 
Waffe  durch  den  römischen  Gesammtnamen  für  den  Ausländer 
genügend  markirt  war,  wohl  keiner  späteren  als  Timäos  Zeit. 
Lautlieh  steht  umhr.  hosto  in  hoslatit  anhoslatu  dem  ύσσός  um 
eine  Stufe  näher  als  das  lat.  Wort,  welches  selber  nur  mit  dem 
ü-Vocal  vorliegt,  ein  Barharenname  lautet  'OöOabtoi  und  Ύσοάδιοι, 


Altes  Latein.  426 

die  Yertauschung  von  st  und  (SO  hat  manche  lat.  Analogie  (unbe- 
achtet aber  bezeugt  pessulum  pestulum)  und  eine  nächste  im  Griech., 
Hesych  υσσακος*  ύστακός  und  υσταΗ*  πάσσαλος  κεράτινος, 
Photios  ύσσάκους•  τους  πασσάλους,  Etym.  Μ.  erklärt  ύσσός 
als  Pilum  oder  auch  die  aus  dem  Schildbuckel  hervorragende 
Eisenspitze  ήτοι  πασσάλιον.  Die  im  Schmidt'schen  Hesych  auf- 
geführten Zeugnisse  gewähren  keine  Möglichkeit  griech.  ΰσταζ 
υσσακος  *  Pflock'  aus  der  Welt  zu  schafl^en,  es  scheint  sehr  alt 
zu  sein  und  von  der  Präposition  die  in  ΰσπληζ,  gebildet  wie 
πούστακος  πύσσαχος  (Ahrens  dial.  Dor.  p.  73,  3).  Ein  anklingen- 
des Wort  mit  etwas  annähernder  Bedeutung  —  kann  der  Wechsel- 
balg ύσσός  nicht  dadurch  gezeugt  sein? 

XII  Petron  sat.  75:  sed  Fortunafa  vetat.  ita  tibi  videtur, 
fulcipedia?  Der  Zusammenhang  weist  auf  eine  scheltende  Be- 
zeichnung des  Weibes  als  anmasslich  und  hochfahrend,  weil  sie 
ihrem  Herrn  gebieten  und  verbieten  will,  und  dies  liegt  im  Wort. 
Es  ist  componirt  mit  pes  wie  acupedia  schnellfüssig ;  auch  das 
erste  Glied  bedarf  wohl  keiner  Aenderung  oder  grammatischen 
Regulierung,  Philox.  exercipes  ταχυορόμος.  Den  Fuss  durch 
Unterlage  höher  machen  heisst  ftdcire  pedem,  daher  fulmenta 
schlechtweg  hohe  Absätze,  wie  in  der  Komödie  der  Sklave,  der 
will  unter  die  Soldaten,  fulmentas  itibet  suppingi  soccis  (PI.  Trin. 
720).  Auch  Properz  hat  jenen  Ausdruck  vor  Augen,  erfindet  für 
sein  Mädchen  in  Winterlandschaft  pedibus  ftdcire  pruinas;  wer 
dies  durch  premere,  calcare  erklärt,  was  so  ziemlich  das  Gegen- 
theil  ist,  versteht  das  im  Kleinen  grossartige  Bild  nicht.  Derselbe 
Begriff  wird  von  den  Römern  viel  metaphorisch  gebraucht;  sprich- 
wörtlich für  τά  κάτω  b*  άνω,  wo  der  Diener  Herr  sein  will 
fulmenta  lectum  scmidunt.  Irgend  eine  Römerin  beim  Satiriker 
(luv.  6,  506)  brevior  videiur  virgine  Pygmaea  nullis  adiuia  co- 
thurnis,  das  Widerspiel  ist  ftUcipedia,  welche  grösser  scheinen 
will  als  sie  ist.  Es  gibt  die  Verschiedensten  Bilder  im  Volk  für 
den  Hochmuth:  sich  aufs  hohe  Pferd  setzen,  die  Nase  hoch  tra- 
gen, den  Nacken  (ύψαυχενεϊν),  den  Klumpschuh  (wohl  aus  der 
Komödie  Hesych  όρθοττηγιαν*  δταν  γυνή  έαυτήν  έπαίρη  προς 
το  μακροτίρα  φαίνεσθαι,  corrigirt  in  -πυγιαν,  ich  erkläre  nach 
παλίμττηγα):  an  unserer  Stelle  besagt  eben  dies  das  Untergestell, 
vgl.  74  Cassandra  caligaria.  Im  Deutschen  hat  der  hohe  Fuss 
etwas  anderen  Sinn,  aber  der  ganze  Stolz  ist  von  Stelzen  be- 
nannt, '  Hochfahrt  lehrt  den  kurzen  Mann,  dass  er  auf  den  Zehen 
gehen  kann'  Freidank.     Dies  die  Gründe  warum  ich  im  Petron- 


Qlowax  /tUdpediu  al«  Merliinal  il^r  Ueberhebon^  deutete;  hoffen«- 
Utk  uhreibt  kein  V  erst  und  ig^r  mehr,  daee  ee  ihm  unveretäsd- 
lich  MJ. 

Bat.  5β  nadi<lein  der  Jnn^e  anflgeeDhiuipft  ist:  et  isle  gni  tt 
haee  doeet,  mufriua,  nan  »lagislcr,  aleo  Scheltwort  für  Lehrer, 
wie  f  Vagi,  oJt  und  valJisthiimlich  (eifilu8,  rafus),  vie  die  Ana- 
logie vaa  Ryjbrnis  φΆΐύι^η  macht,  von  einem  ätanim  ihm/-  den 
ich  mit  grieeh.  μΰθ-ος  μυοίύειν  μυθητηρίς  ^liriche  nach  dem 
aobliniBieii  Sinn  «lieser  Worte  (Anakreon  16|:  Schwätzer,  Stören- 
fried. DieConsei-viriniK  des  /  im  Inlaut  ist  sehr  bem^rkenawerth, 
laoul  6  eelbit  bei  relativ  npäten  und  »tets  bewuseten  ComptiBitiB 
u  die  Stelle  trat,  nicht  blüse  Mulciher  (in  der  nuttellat.  P'jesie 
wieder  Jfulei/er),  aondem  soj-ar  cisliber  (Slartial  5,  17  and  Kailicl 
epigr.  gr.  589),  wie  in  den  nn&chten  CompoiitiB  «jjfem&ar  oetober. 
Ob  Έηηίηβ  bei  der  Tmesle  cere  eommmuit  bntm  nicht  nooh  die 
einatige  Selbständigkeit,  noch  cora  gr.  κάρα  ftthlte?  daa  hente 
erst  im  Corippue  wieder  auftaucht^  Caesaria  ante  carttm.  Ooeh 
viele  Jahrhunderte  ftlter  iet  der  caracallua,  von  jeaem  eara  and 
dem  Stammwort  des  cucnHus,  nrsprtlagUoh'KopfhilUe',  SleAi  mit 
Üapnse,  wohl  ein  gut  italisohes  Wort,  denn  das  α  in  der  Fnge 
wird  eutatanden  Dein  wie  das  zweite  α  in  osk.  aragetnd,  wie  lat, 
meist  parapsis  für  παροψίς. 

Bat.  76:    ab  acia  et  acu  mi  omnin  expostiU,    nicht  sowohl   ' 
haarklein  als  ab  ovo,  so  wie  es  der  Astrolog  des  Froperz^  macht: 

'  Der  HauptEweck,  Rir  welchen  der  Dichter  in  der  Einleitung 
teine«  letzten  und  bedeutendsten  Buchea  (4,  I)  sich  jener  Mode-Figur 
bedient,  i*t  der  Well  auch  die  eigenen  Fereonalien  mögliclist  in  extenso 
zu  geben.  Nach  Erfindung  und  Behandlung,  durch  die  Verknüpfung 
von  Sachlichem  und  Persönlichem,  Vergange nlicit  und  Gegenwart,  Rom 
und  Ausland,  Äetia  und  Cynthia,  von  heiligstem  Ernst  und  schalk- 
haftem Spiel,  PathoB  und  Humor,  Humor  über  sich  selbst  nicht  minder 
aU  z.  B.  den  Philister,  dessen  Cinara  ins  Kindbett  kommt,  wie  ich 
denke,  seinen  lyrisch-erotischen  Collegen  Horaz,  ist  diese  Elegie,  die 
ISO  Verse  in  der  ContiuiiitSt  und  genau  in  der  Ordnung,  welche  die 
HsB.  gewähren,  für  mich  eine  der  allerorigine listen  und  pikantesten 
Touren,  welche  die  röm.  Calliope  jemals  getanzt  hat,  und  mich  betrübt 
geradezu,  was  in  den  wiederholten  Zerre issungs-,  Umstellungs-,  Ver- 
dnchtigungs versuchen  sich  zeigt,  dass  noch  heute  ein  solches  Gedicht, 
der  Spiritus  und  Stil  des  Properz  so  wenig  auf  williges  Verstäiidniss 
und  poetisch  empfänglichen  Sinn  rechnen  kann.  Vielleicht  ein  ander- 
mal eingehender  davon,  was  anno  1816  dringlicher  oder  doch  verdienst- 
licher war.    Im  Anfang  der  Rede  dea  Astrologen,    Vera  73:    accersis 


Altes  Latein.  427 

du  stammst  aus  Umbrien,  bist  geboren  in  Assisi,  hast  jung  den 
Vater  verloren  u.  s.  w.  Natürlich  entstanden  ist  die  Wendung  in 
Gedanken  an  die  Schneiderei  oder  Nähterei,  wo  das  Einfädeln 
der  Nadel  aller  Arbeit  vorausgeht;  ob  man  sie  aber  gewählt 
hätte,  wenn  sie  nicht  zugleich  dem  ABC  entsprochen  hätte?  hoc 
discunt  omnes  ante  alpha  et  beta,  in  alten  Wörtersammlungen 
κατά  (Ττοιχεϊον  mussten  die  Wörter  unter  den  ersten  sein:  von 
Α -bis  Z. 

sat.  74:  dum  bonatus  ago  gewiss  von  honum^  wie  malaitts 
(Ττυγνός  von  malum,  und  viel  Gleiches  im  Romanischen:  mit  mei- 
ner Gutherzigkeit,  Arglosigkeit  schlug  ich  mir  selbst  den  Pfahl 
ins  Fleisch. 

Bonn.  Franz  Buecheler. 


lacrimaSf  cantas,  avcrsits  Apollo  genügt  cantas  dem  Sinne  nicht  und 
zerfetzt  den  Satz;  catUarui  von  Bähreus  hilft  nur  dem  kleineren  Uebel 
ab;  Properz  schrieb  wohl  accersis  lacrimas  qnantasl  Weisere  Mahnung 
ist  nie  einem  gefeierten  Schriftsteller,  wenn  er  mit  neuen  Arbeiten 
hervortreten  wollte,  mit  auf  den  Weg  gegeben  worden,  als  das  Schluss- 
wort unserer  Elegie,  das  dem  Properz  die  Sterne  sagen:  der  Krebs 
geht  immer  hinter  sich  mit  Füssen  viel,  du  hüte  dich!  Abgesehen  von 
anderen  Motiven  —  wer  wäre  blind  für  die  Zurechtweisung  V.  126 
welche  sich  der  Dichter  für  sein  allzu  stolzes  Wort  V.  66  ertheilen 
läset?  —  der  Schlussvers,  von  dem  ich  jetzt  allerdings  nur  die  eine 
Spitze  herauskehre,  wie  ein  altdeutsches  Sprüchel  sie  ausgedrückt  hat, 
bestätigt  die  Einheit  des  Gedichts  als  Vorrede  eines  neuen  Buches. 


Zw  Textkritik  der  Sekeliselei  ciceronischer  Redea. 

(Fortaetzang.) 


Π. 

Die  Bobieneer  Soholien  gehören  ohne  Fnge  zn  jenen  «n- 
tiken  Sohriftwerkeii,  die  in  ihrer  Ueberliefem&g  nach  QnantitiU 
vnd  QnaliUt  den  äOMenten  Schaden  genommen  haben.  A.  Tixi 
«tg  die  ceratrenten  Beate  hsohetäblioh  am  Dnnkel  und  TTnbe- 
hanntheit  herrar,  laa  und  übeitnig  den  Text,  gab  dem  gromen 
ChuiMn  und  den  einzelnen  Haapttheilen,  so  weit  das  miJglieh, 
Anfang,  Hitte  tind  Ende,  eohied  Argumente,  Lemmata  und  Com- 
mentar  von  einander,  legte  Über  Orthographie,  Historie  und  Li- 
terarhietorie  in  seinen  Vorreden  und  Noten  einen  Schatz  von 
Kenntnissen  nieder:  wer  diese  ungehenre  Arbeit  verfolgt,  vird 
gestehen  müssen,  dass  Hai  anch  hier  nicht  bloe  nm  des  Rnhmes 
willen  das  Werk  anfgefnnden,  sondern  anch  durch  positive  Leistung, 
ungemein  gefördert  zu  haben  stets  den  ersten  Rang  unter  denen 
einnehmen  wird,  welche  in  diesen  Scholien  arbeiten.  Den  klein- 
lichen Nergeleien  gegenüber,  die  des  grossen  Italieners  Verdienste 
zu  schmälern  suchten,  halten  wir  an  dieser  Werth Schätzung  un- 
beirrt fest.  Denn  dass  eine  Arbeit  von  dem  Umfang,  der  Schwie- 
rigkeit and  dem  Froblemreiobthum  dieser  anf  den  ersten  Wnrf 
nicht  fertig  und  vollendet  war,  ist  menschlich.  Oder  liest  sich 
der  Text,  für  dessen  Säuberung  Mai  weniger  als  für  die  Auf- 
hellung der  übrigen  Fragen  gethan,  in  der  Züricher  Bearbeitung 
viel  reiner  als  in  der  zweiten  Mai'e?  I>n8  wird  kein  Kenner 
behaupten.  Und  doch  liegt  ein  bedeutender  Fortschritt  unbe- 
streitbar vor:  im  Züricher  kritischen  Apparat  stecken  bei  100 
fast  ausnahmloB  von  Orelli  herrührende  Conjectnren.  Baiter  neuerte 
weder  eeinerseita  etwas  nennenswerthes  noch  konnte  er  sich  ent- 
Bchliessen  Orelli's  Neuemngen  in  den  Text  zu  setzen.   Die  gleiche 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  429 

Gepflogenheit  des  Züricher  ScholienredaktOrs  im  sogen.  Gronov- 
scholiasten  ist  in  meiner  Schrift  über  diesen  spätlateinischen  Kom- 
mentariencento  beleuchtet. 

Diesen  Fortschritt,  wie  er  für  die  Bobienser  Scholien  durch 
Orelli's  Scharfsinn  und  Kenntniss  des  Spätlateins  angebahnt  wurde, 
ins  gehörige  Licht  zu  stellen  und  seine  zahlreichen  Textverbee- 
serungsvorschläge  mit  den  vervollkommneten  Mitteln  heutiger 
Kritik  abzuschätzen  und  gewissenhaft  zu  verwerthen,  ist  für  den 
Neuherausgeber  eine  Pflicht  nicht  minder  wichtig  als  jene,  auch 
an  seinem  Theil  die  noch  übrigen  Mängel  der  Ueberlieferung  zu 
ergründen  und  nach  Kräften  zu  heben.  Ich  stelle  demnach  zu- 
nächst das  Gute,  was  im  Züricher  kritischen  Apparat  begraben 
liegt,  hier  in  der  Weise  zusammen,  dass  in  Klammern  alle  jene 
Stellen  beigefügt  werden,  die  nach  Sinn  oder  Ausdruck  die  frag- 
lichen Verbesserungen  näher  oder  entfernter  zu  vertheidigen  ge- 
eignet erscheinen. 

£s  ist  mit  Orelli  gegen  die  Handschrift  und  Ausgaben  zu 
lesen:     228,   19    coniurationem    (229,  24.    246,  1.  15.    293,  32. 

360,  19.  21.  31.  36.  365,  7.  366,  6.  367,  10.,  nie  adiurationem). 
234, 17  oppugnantibus.  235,  27  idem  Laelius  (s.  unten  zu  267, 16). 
237,  5  defloretur  (die  Construction  von  241,  26.  284,  8.  304,  4. 

361,  27  zeigt,  dass  Ziegler^s  auch  paläographisch  weniger  wahr- 
scheinliches deuoretur  falsch  ist).  241,  13  convincuntur  (251, 12. 
262,  10).  249,  10  meruerit— permiserit  und  250,  26  quia  sive— ; 
sive  quia  (gegen  den  Wechsel  meruit — p.  und  s.  q. — β.  qui  zeugt 
die  ganze  Schreibweise  des  Scholiasten).  254,  18  Tnscolidarum. 
254,  25  recidentibus  (296,  30).  254,  31  erectius  (259,  27  auch 
259,  15).  255,  12  molestiam.  255,  25  existimant.  259,11  rigore 
(vigor  ist  richtig  272,  11.  299,  19.  311,  8.  344,  18).  261,  18 
diffidentia.  263,  26  de  XX.  viris.  268,  22  scripsit.  271,  17  se 
cedere.  272,  27  decernere  (272,  19.  34).  280,  28  iuris  certi 
(300,  24).  281,  21  facti  tenus.  282,  36  incertum.  285,  16  mo- 
deretur  ne.  287,  7  antiquius  sine  dubio.  287,  9  transgreditur. 
287,  12  voluntatem  (287,  4.  8).  293,  7  non  tam  voluit  —  quam 
noluit.  297,  25  C.  Caesari.  301,  20  debuerint.  303,  26  tabellae 
inscriberent.  305,  11  maledicis  Clodium  vocibus  (363,  24).  305,  34 
suff'ragatos  (305,  4.  304,  18).  308,  26  tempus  indicium  (320,  7). 
309,  2  mandato.  309,  21  editum.  311,  27  inde  deductus.  311,27 
incideret(319,  11).  312,31  gravissimie  cladibus  (259,6).  313,17 
triplicaverit.  316,  8  fortunam.  Nam  reus  (ähnlich  321,  8  zu 
verbessern).     320,  19   perseverans  ratione  (322,  7).     322,  6  ut 


4d0  Stangl 

Vaünine  dioeret.  322,  14  e  diyeno  (257,  9  a  diyena  parte. 
239,  19  ist  e  contrario,  nicht  contrario  mit  Ziegler,  su  lesen). 
329,  23  reata  (331,  11.  294,  5.  368,  34).  333,  16  ad  fidem  — 
perfidiam  (242,  2.  244,  13).  333,  12  primnm.  342,  7  variae. 
343,  8  alio.  845,  6  in  senatns  consnltis  (331,  21).  349,  15  tt 
latrocinetnr.  349,  27  digitis.  350,  12  conatnr.  352,  6  copiaa. 
357,  6  adlegatione  (256,  31.  259,  16.  289,  21).  361,  24  homi- 
nnm  (361,  26).  366,8  hoetinm  p.  (365,  23.  27).  367,  16  acierit 
(367,  12).  867,  29  offerre. 

Dazu  kommen  noch  eine  Anzahl  von  Emendationen,  welche 
die  folgenden  ünteranchungen  gelegentlich  als  solche  erweisen. 
Doch  ehe  ich  daran  gehe,  die  eigenen  Gonjectnren  za  den  Bo- 
bieneer  Scholien,  soweit  diese  nicht  in  Cicerolemmata  und  grie- 
chischen Ausdrücken  bestehen,  vorzntragen,  dürfte  es  am  Platze 
sein,  die  Mängel  der  üeberliefernng  nnd  die  Eigenart  der  Sprache 
des  Scholiasten  knrz  zn  kennzeichnen. 

Es  ist  kein  gering  anzuschlagendes  Zengniss  ffir  die  Trene 
der  Üeberliefernng  nnd  die  Naivität  der  Abschreiber  nnd  Leser 
des  Codex,  dass  eigentliche  Interpolationen  nnd  Wortnmetelliingen 
in  dem  umfangreichen  Werke  fast  gar  nicht  vorkommen  (vergL 
312,  23.  271,  1).  Denn  wenn  der  librarins  einige  Mal  (s.  unten 
zn  342,  4)  um  eine  oder  zwei  Zeilen  nach  rückwärts  abirrend 
ein  oder  mehrere  Worte,  ja  Zeilen  wiederholt  schreibt,  so  sind 
das  nicht  durch  bewueste  Abeichtlichkeit  sondern  durch  vorüber- 
gehend geringere  Achtsamkeit  entstandene  Veränderungen  des 
ursprünglich  vorliegenden  Textes.  Wie  sehr  man  berechtigt  ist, 
die  Masse  der  Textverderbnisse,  die  mit  500  wahrlich  nicht  zn 
hoch  gegriffen  ist,  einzig  und  allein  der  Unachtsamkeit  und  Un- 
beholfenheit der  Abschreiber  zuzuweisen,  zeigt  die  nicht  seltene 
Erscheinung,  dass  dasselbe  Wort  derselbe  Satz  in  ganz  kurzen 
Abständen,  beispielsweise  in  Lemma  und  zugehörigem  Commentar, 
wiederholt,  das  eine  Mal  richtig,  das  andere  Mal  falsch  überlie- 
fert ist  (vgl.  251,  7  bez.  9.  252,  5  bez.  6.  259,  21  bez.  28. 
259,  22  bez.  31.  266,  6  bez.  15.  281,  31  bez.  36.  In  diesen 
sechs  Fällen  ist  die  je  erste  Lesung  falsch,  die  je  zweite  richtig). 
In  der  oftmaligen  Verwechselung  der  Declinationsendungen  a 
und  am,  e  und  em  und  in  der  Vertauschung  der  AdjectiΛ''-  bez. 
Adverbendung  ae  und  e  steht  unser  Palimpsest  keiner  gleichalt«- 
rigen  Handschrift  nach.  Sehr  oft  wiederholte  der  Abschreiber 
ein  oder  mehrere  Buchstaben  vor,  nach  oder  in  einem  Worte 
oder  Hess  einen  BuchstAben,  eine  Silbe,  sogar  Columnenzeilen  sich 


Zur  Textkritik  d<'r  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  431 

entgehen.  Neben  diesen  leichter  erkennbaren  Haplographien,  Ditto- 
graphien,  Lücken,  deren  schon  bekannte  grosse  Zahl  durch  die 
folgenden  textkritischen  Bemerkungen  um  ein  Erkleckliches  ver- 
mehrt wird,  finden  sich  einige  Stellen  (wie  312,  44),  in  denen 
zwei  oder  mehrere  dieser  Fehler  vereint  scheinen,  so  dass  eine 
überzeugende  Herstellung  der  ersten  Lesung  unmöglich  ist. 

AVichtiger  noch  als  die  Kenntniss  der  Arbeitsweise  des  Ab- 
schreibers ist  für  den  Textkritiker  die  Einsicht  in  die  Indivi- 
dualität des  Schriftstellers  selbst.  Freilich  gibt  es  nicht  wenig 
Leute,  welche  den  späteren  römischen  Zeiten  den  Begriff  der 
einheitlich  und  klar  entwickelten  Individualität  absprechen  und 
zumal  beim  Worte  'Scholiast'  nur  ausnahmsweise  nicht  an  einen 
schwachsinnigen  und  lallenden  Schwätzer  denken.  Gegenüber 
diesen  muss  dem  Bobienser  Scholiasten,  der  ein  christlicher  Bhetor 
etwa  um  350  war,  reiches  Wissen  in  Rechtsfragen  und  Rhetorik, 
Geschichte  und  Literaturgeschichte,  ein  durch  das  Studium  der  grie- 
chischen und  nationalen  Literatur  geläuterter  Geschmack  und  die 
Fähigkeit  zugesprochen  werden,  die  Vorzüge,  Schwächen,  Eigen- 
heiten und  Dunkelheiten  des  von  ihm  interpretirten  Schriftstellers 
genau  ergründet  zu  haben,  endlich  und  vor  Allem  das  Vermögen, 
seine  Gedanken  in  klarer,  kräftiger,  von  der  reinen  Latinität  wenig 
abweichender  und  in  ihrem  Wortschatz  vielgestaltiger  und  höchst 
eigenthümlicher  Sprache  darzustellen.  Den  Reichthum  und  die 
Eigenart  des  Ausdruckes,  welche  unsern  Scholiasten  von  allen 
andern,  nicht  blos  ciceronischen,  auszeichnen,  mögen  drei  Belege 
andeuten.  Den  Gedanken  'es  nützt  viel'  gibt  der  Scholiast  in 
folgenden  Variationen:  multum  prodest,  promovet,  proficit,  pa- 
trocinatur,  valet.  *er  verkleinert':  detrahit,  decerpit,  deprimit, 
deflorat,  derogat,  obtrectat,  inminuit.  'er  tadelt':  castigat,  vitu- 
perat,  lacerat,  dilacerat,  perstringit,  proscindit,  insectatur,  inve- 
hitur.  Von  seltenen  Worten  seien  sensio  =  seutentia,  vincenter, 
concepte  genannt.  Ein  Kenner  und  Verehrer  der  alten  Sprache 
schreibt  er  neben  Miltiadis  auch  Themistocli,  Pompili  neben  Pom- 
peii,  omnis  nobilis  neben  fortes  cives,  quis  neben  quibus,  facinn- 
dus  statt  faciendus  nnd  all  das  ja  nicht  in  religiös  oder  politisch 
feststehenden  Formeln.  Uebrigens  so  manigfaltig  die  Sprache  ist, 
so  kehren  doch  im  Anschluss  an  ähnliche  Lemmata  und  bei  der 
geringen  Verschiedenheit  des  Gedankengehaltes  mancher  erklärter 
Reden  oft  dieselben  Worte  und  Wendungen  wieder:  dem  Text- 
kritiker kommt  bei  Kormptelen  diese  Typik  des  Kommentars 
trefflich  zu  statten.     Die  Abweichungen  des  Stiles  von  der  Glas- 


482  Stangl 

sicität  treten,  von  Einzelheiten  wie  Salaminam,  qnaei  =  quod 
abgesehen,  in  den  Steigerungegraden  der  Adjectiva  und  in  den 
Pronomina  hervor,  die  vermengt  werden  (s.  unten  zu  267,  16. 
331,  1),  in  der  Zeitenfolge  die  ihre  Strenge  eingebüsst  (β.  zu 
365,  25),  in  dem  Öfteren  Ersatz  der  indirecten  Redeweise  durch 
den  Conjunctiv,  ähnlich  wie  durch  den  Optativ  im  Griechischen  und 
den  Conjunctiv  im  Deutschen  (265,  19.  281,  25.  287, 1.  367,  29). 
Die  Grundgesetze  der  Formenlehre  und  Syntax  stehen  im  Uebri- 
gen  fest. 

229,  6.  Nee  suifecit  hoc  modo  auctoritatem  destruxisse; 
adiecit  etiam  illud  ^qui  huc  corrupti  concitatique  venemnt*:  et 
duplici  modo  fide  careant,  vel  quia  barbari  vel  quia  redempti 
sint  ad  obsequium  mentiendi  hat  die  Handschrift.  Kein  Zweifel 
dass  hier  wie  252,  1  und  298»  2  eine  Verwechslung  von  ut  und 
el  vorliegt  und  ersteres  herzustellen  ist. 

237,  17  ...  ut  volgaribus  et  sordidis  artificiis  appareat 
humilitas  personarum  nee  ullum  genium  publicae  maiestatis  obti* 
neat.  Vergleicht  man  die  Schreibweise,  in  der  ähnliche  Gedanken 
vom  Scholiasten  ausgedrückt  werden,  z.  B.  241,  10:  destruit  per- 
sonas  testium  singulorum,  quo  minus  bis  credendum  indices  ar- 
bitrenlur,  quibus  nuUa  vitae  honestas  patrocinetur,  so  wird  man 
liec  ullum  pafrocinium  (vgl.  363,  15)  p.  m.  obt.  als  primitive 
Schreibung  anerkennen.  Das  A^erdcrbniss  erinnert  an  288,  4,  wo 
in  cruentisRimetiones  ein  cruentissimae  diinicationes  (oder  decer- 
tationes)  steckt. 

238,  31.  praeco  legatos  Acmonenscs  cxciiavei'at  ist  selbst- 
verständlich erweitert  aus  .  .  .  cifaverat.  Vgl.  336,  28  (in  iudi- 
cium  citata)  und  an  der  hier  erklärten  Stelle  Cic.  pro  Flacco 
§  34  citat  praeco  voce  maxima  legatos  Aemonenses. 

238,  8.  'Triduo  lex  ad  praetorem  deferri  inbet*.  —  Lege 
enim  hahehaniur  ut  accusatori  de  pecuniis  repetundis  omnia  in- 
strumenta tabularum  et  intra  diem  tertium  ad  praetorem  deferrent 
et  omnia  iudicum  anulis  obsignarentur.  Orelli  verbesserte  accu- 
satores;  Baiter  änderte  habebantur  zu  babebatur.  Ich  lialtc 
cavehaiur  allein  für  richtig.  Vgl.  229,  17  Lex  enim  Aurelia 
iudiciaria  ita  cavebat  ut  .  .  .  310,  6  Per  haec  omnia  Vatiniura 
proscindit  legum  paene  omnium  conteniptorem.  Caecilia  est  autem 
et  Didia,  quac  inbebat  (Codex  iuvebant)  in  pronuilgandis  legibus 
trinundinuni  tempus  observari.  Licinia  vero  et  lunia  —  illud 
cavebat  ne  .  .  .  322,  18  de  quo  puniendo  iis  legibus  cavebatur. 
Zur  Corruptel  kann   man   343,  21    und    3G9,  3    vergleichen,    wo 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Beden.  433 

praecavisse  und  praecavet  zu  praeualuisse  bez.  praoadet  verschrie- 
ben sind. 

239,  15.  Die  noch  zum  Lemma  gehörigen  Worte  Laelio 
praesenti,  per  se  agenti,  vi  legis,  iuris,  accusationiSf  opibus  prae- 
terea  suis  terrenti  ac  minanti  werden  schon  durch  die  Cicero- 
codices zu  ...  vi  legis,  iure  accnsationis,  .  .  .  verbessert. 

239,  22.  ceterae  civitates  praesenti  Laelio,  oogenti,  opibus 
magnis  et  obstinata  necessitate  suadenti,  magis  est  ut  succubuerint 
ad  obsequium  mendacium.  magis  est  ut  in  dem  hier  geforderten 
Sinne  von  'mehr  wahrscheinlich,  eher  glaubhaft'  ist  weder  latei- 
nisch noch  so  oder  ähnlich  je  von  unserem  Scholiasten  gebraucht: 
es  ist  vor  oder  nach  magis  ein  mtdto  veri  simile  (oder  creden- 
dum)  ausgefallen,  d.  h.  eine  Columnenzeile.     Vgl.  331,  1. 

251,  19.  cum  manet  inlibata  felicitas,  minor  est  gratulan- 
tium  fructus;  cum  vero  ab  dolore  intercedentis  iniuriae  ad  pro- 
speritatem  fortunae  revocatur,  pressiore  iudicio  sensus  felicitatis 
accipitur.  Vergleicht  man  259,  34  Popularis  magis  quam  pressa 
et  gravis  sententia  und  andererseits  358,  22  Non  potuit  expres- 
sius  vitia  poetae  declarare,  ferner  242,  21.  263,  29.  301,  19. 
318,  4,  so  wird  man  hier  ea^ressiore  iudicio  allein  gelten  lassen. 
Dasselbe  hat  303,  7  Orelli  vorgeschlagen  im  Satz  Pisonem  Ga- 
biniumque  volens  pressius  ostendere,  ohne  freilich  von  Baiter 
gehört  zu  werden. 

251,  25.  sensus  incommodorum  commendabilia  facit  illa 
quae  prospera  sunt,  qualis  sententia  Yergiliana  est  'forsan  et 
haec  olim  meminisse  iuvabit*.  Vero  ut  Plato  in  πολιτείφ  his 
ut  opinor  verbis  eandem  conceptionem  sententiae  posuit.  Die  Ueber- 
lieferung  Vero  ut,  von  den  Herausgebern  mit  Vel  ut  in  den  Text 
gesetzt,  ist  Coruptel  von  FerMiw,  ein  Lieblingswort  des  Commen- 
tators,  das  freilich  vom  Abschreiber  fast  ebenso  gern  verstüm- 
melt wurde;  z.  B.  liest  man  einmal  im  Codex  vere  autem  statt 
verum  etiam. 

251,  35.  facit  ad  aures  volgi,  ut  cum  parentes  procrea- 
verint  hominem,  ipsi  provexisse  et  quodammodo  gradibus  bono- 
rum conroborasse  videantur  senatoriam  ad  dignitatem.  Die  Prä- 
position fiel,  wie  259,  16.  301,  26.  356,  19,  aus. 

256,  6.  Feriarum  Latinarum  sacrificio  hoc  solebat  obser- 
vari,  ut  hostiae  civitates  adiacentes  portiunculas  camis  acciperent. 
Der  Palimpsest  gibt  hostia.  Ueber  die  zwei  Genetive  342,  2  Ex 
iurgio  itaque  quod  inter  se  moverant  oratio  ista  composita  est, 
cnius  inscriptionis  titulum  —  explanandum  puto. 

Rhein.  Mna.  f.  Pbüol.  N.  F.  X?(XIX.  ^^ 


484  Stftngl 

256,  14.  Traneitne  fit  ad  quaeetinnculam,  qaa  Immilitae 
generis  obiciebatur  Plancio,  ut  ut  ea  propter  elargitus  peoimiaiii 
videretur,  quoniam  consequi  aedilitatem  familiae  enae  dignitate 
non  posset  hat  die  Handsohrift.  Das  e  von  elargitae  hat  die 
ente  Hand  selbst  expnngirt,  in  ut  ut  liegt  nicht,  wie  die  Aus- 
gaben meinen»  eine  Dittographie  vor,  sondern  es  steckt  darin  das 
hier  sinngemässe  und  dem  Scholiasten  geläufige  ut  gw«. 

257,  9.  Sagacissime  animadyertit,  quid  a  parte  diversa 
posset  opponi:  non  mirum  si  nihil  pro  Plancio  Tullius  yalnisse 
videatur,  cum  pro  alio  sibi  coniunctissimo  yiro  potentissimus  nihil 
promoverit,  cum  illi  designando  studeret?  Significare  autem  oan- 
didatum  videtur  T.  Ampium,  suffragatorem  vero  Gn.  Pompeium: 
de  quibits  tarn  se  quam  Pompeio  [folgt  ein  leerer  Baum  von  einer 
Zeile]  sie  vult  acoipi  Tullius  suepicionem,  ut  ipse  quidem  pro 
Plancio  valnerit  miserabiliter  et  demiesae  petendo;  Pompeius  noa 
item  pro  Tito  Ampio,  utique  pro  sublimitate  nominis  et  poten- 
tiae  superbius  hoc  sibi  aput  populum  vindicandi.  So  hat  die 
Handsohrift.  vir  —  demisse  —  vindicando  ist  von  den  Heraus- 
gebern bereite  richtig  gestellt.  Doch  der  Gedanke  und  Codex 
leidet  noch  an  zwei  Fehlem:  es  ist  non  mimm  si  nihil  non  pro 
...  De  duobus,  tam  pe  quam  Pompeio  ...  zu  ändern.  Betreff 
des  letzteren  vgl.  331,  2  duorum,  tam  ipeius  quam  Curionis  und 
das  zu  dieser  Stelle  oben  Gesagte. 

259,  35.  immo  ideo  tristis  snm,  quod  legationis  reiectae 
sint  An  der  alten  Endung  -is  rüttle  ich  nicht;  wohl  aber,  auf 
Grund  der  Moduslehrc  des  Scholiasten,  an  sint.  Es  ist  sunt  zu 
verbessern.  Vgl.  259,  31  quid  tristis  es?  an  quod  auctiones 
reiectae  sunt?  Uebrigens  sind  die  Fälle,  wo,  sogar  nach  ut,  vom 
Abschreiber  der  Indikativ  statt  des  Konjunktiv  gesetzt  wurde, 
gar  nicht  so  selten;  beispielsweise  ist  275,  7  interemerunt  statt 
interemerint  mit  Sicherheit  zu  ändern. 

263,  10.  Hie  ergo  quasi  ex  persona  patris  eins  et  avi,  ne 
de  aliis  etiam  nobilibus  intulit  mentionem,  quos  repnlsos  ab  ho- 
nore  constabat.     In  ne,  das  die  Ausgaben  auswerfen,   steckt  sed, 

264,  17.  Figmento  quodam  verecundiae  declinat  eam  par• 
tem,  quae  difficultatis  aliquid  habere  videatur  adversus  quorun- 
dam  testimonia  contendi;  non  sine  [folgt  ein  griechischer  Ausdruck] 
quae  se  omnem  Plancio  soUicitudiiicm  debere  testatur.  Lies  qua, 
wie  298,  2.  Aehnlich  ist  der  Fehler  245,  23  Facit  ergo  μετ. . .  σιν, 
quam  illi  ostendat  egestatis  causam  vitio  suo  accidisse,  non  huiuR 
inquitate  praetoris,  wo  Ziegler  bereits  .  .  .  μετάθ€(Τιν  qua  .  .  . 
verbeBBerte. 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceroniecher  Reden.  485 

264,  27.  Tullius  negat,  populum,  id  est  vnlgus  inperitorum, 
iudicare  paenitus  de  familiae  clarioris  nobilitate  potuisse,  ut  non- 
nisi  peritioree  vetnetatis  et  qui  antiquitatem  per  historias  legennt 
haec  scire  facillime  possint.  Der  Scholiast  schrieb,  wie  in  der 
einschlägigen  Rede  Cicero  §  58,  cum  statt  ut. 

269,  6.  semper  beatos  esse  sapientes,  nunqtiam  non  miseros 
existimandos  hat  der  Codex.  Die  Ausgaben  schreiben  nunquam, 
ich  schlage  vor  nunquam  omnino.     Vgl.  264,  8. 

270,  28.  Haec  omnia  non  ad  reum,  sed  ad  omnem  Cicero- 
nem  pertinent.  Das  unter  dem  Einfluss  des  vorhergehenden 
omnia  verschriebene  omnem  lautete  ursprünglich  ipsum.  Vgl. 
300,  7.  306,  4. 

272,  1.  Laelius  in  eques  R.  cni  familiaris  amicitia  cum  M. 
Tullio  fuerat.  L.  Aelius  ist  längst  verbessert;  sollte  das  in  nicht 
die  verderbte  Abkürzung  ilL  von  illustris  sein? 

276,  4.  Et  cernendam  causam  —  Cicero  suscepit.  Lies 
gerendam. 

277,  19.  spolia  Curiatorum  (statt  Curiatorium),  Die  Ver- 
schreibung  erklärt  sich  aus  der  vorhergehenden  Zeile,  wo  es 
heißt:  deplangentem  Atti  Curiati  obitum;  hingegen  steht  277,23 
im  selben  Commentarabschnitt  richtig  lano  Curiatio. 

282,  10.  Et  illa  ergo  sententia,  quae  causa  Milonis  fere- 
batur,  quasi  non  erat  simplex;  nam  duo  complectebatur:  ut  et 
veteribus  legibus  et  extra  ordinem  quaereretur.  Lies  .  .  .  quae 
de  causa  .  .  . 

285,  22.     ...  genter simul  et  ad  innocentiam  Milonis 

et  ad  cogitationem  sceleratam  P.  Clodii  ferenda  praestructio  est. 
genter  steht  am  Beginn  der  ersten,  simul  am  Ende  der  zweiten 
Columnenzeile;  der  Raum  dazwischen  zeigt  Spuren  von  (griechi- 
schen) Buchstaben,  über  die  wie  über  alle  griechischen  Ausdrücke 
ein  andermal  im  Zusammenhang  gehandelt  werden  soll.  In  genter 
ist  ein  Theil  von  vincenter  erhalten,  ähnlich  wie  243,  24  poten  || 
zu  potenter  (oder  potentissime)  zu  ergänzen  ist.  lieber  jenes 
vgl.  361,  11  (vincenter  subicit  responsum  Cassi)  und  289,  24; 
über  dieses  259,  24  und  237,  24.  Da  femer  unser  Scholiast 
häufig  ferre,  praeferre,  prae  se  ferre,  perferre,  proferre,  referre 
und  jedes  richtig  und  dem  klassischen  Gebrauch  gemäss  ge- 
braucht, so  ist  hier  referenda  ohne  Bedenken  zu  schreiben.  Vgl. 
292,  15.  300,  3  u.  ö. 

286,  24.  hie  enim  quasi  destitutus  miser  et  infeliciter 
yindicatus,    ille    quasi    grassator    et    paene    tyrannus    inducitur. 


486  Stangl 

Lies  misere;    über   den  Chiaemus    β.  254,   5.    282,  27.    829,  26 

IL    8.   W• 

287,  10.  animadvertene  plue  eibi  ipae  fiduoiae  in  illo  ae- 
cneando.  Die  Yermntbnng,  es  liege  das  Yerderbniea  in  einer 
Assimilation  des  Pronomens  (ipsi)  an  das  folgende  SnbstantiT« 
gab  iob  bei  der  Gorrectur  des  Druckbogens  anf,  da  ein  scharfer 
G-egensats  doch  nicht  vorliegt,  nnd  nehme  Hai's  esse  als  tnSe  auf. 

289,  19.  Intra  nndam  propositionem  adieoit  snoni  teetimo- 
ninm,  qni  testamentum  Cyri  signayerat.  Ei  posset  adYersariis 
esset  alia  responsio,  nt  allegarent,  etsi  certissimus  de  mortem 
Cyri  et  de  facto  testamento  cavisset;  adiecit  orator  sollertieeimiiB: 
*  testamentum  palam  fecerat,  et  illum  heredem  et  me  ecripBerat*; 
quUms  vincenter  posuii:  confugü  ad  temporis  qnalitatem,  quod 
hora  decuma  nuntiatnm  sit,  quae  opportunior  essed  magis  caedi 
quam  profeotioni.  Yon  der  Interpunktion  abgesehen,  ist  das  die 
handschriftliche  üeberlieferung.  esse  alia  —  de  morte  Gyri  — 
esset  werden  in  den  Ausgaben  schon  richtig  gelesen.  Daas  das 
Feld  noch  nicht  rein  ist,  sieht  Jeder;  ich  halte  für  richtig: 
.  .  .  Et  ne  posset  — ,  adieoit  — .  Quibus  vincenter  poMis  con- 
fngit  .  .  .  Vgl.  369,  6  Et  ne  hoc  ipso  tamen  animos  eorum 
laederet,  communicavit  fortnnam  temporis  sui  et  consulatas  oder, 
was  näher  liegt,  289,  13  Invigilat  partibus  coniecturae  dnplicis, 
ne  quid  ex  hoc  adversarii  promoverent  (=  proficerent).  347,24 
ne  quis  existimaret  —  invigilavit.  362,11  Salubriter  institit  huic 
parti  —  ne  hoc  dicere  adversariue  posset,  welch  letztere  Stelle 
mit  der  vorliegenden  die  grösste  Aehnlichkeit  zeigt.  Um  sieh 
zu  erklaren,  wie  hier  das  Particip  Perfecti  (positis)  vor  einem 
folgenden  Perfect  (confugit)  stehend  eben  diesem  Tempns  assi- 
milirt  wurde,  ist  es  lehrreich  304,  17  zu  vergleichen.  Dort  ist 
nämlich  überliefert:  uterque  honorem  quem  petere  instituerat  nullo 
modo  constUfäum.  Zulässig  ist  blos :  uterque  Jumorem-^coniinuii. 
Der  Indicativ  ward  unter  Einwirkung  des  vorhergehenden  Objecte- 
accusativ  zum  Particip,  doch  nicht  zu  contenutum,  da  dieses  die 
Nichtvulgärsprache  verschmähte  und  das  nahe  instituerat  das 
nach  Form  und  Sinn  nicht  unähnliche  constitutum  der  wenig 
achtsamen  Feder  nahe  legte. 

290,  22.  cuius  interitus  felicitati  publice  iudicetur.  Das 
endende  -e  lösen  wir  hier  mit  um  so  mehr  Recht  als  -ae  (jm- 
hlkae)  auf,  da  mindestens  25  Stellen  in  den  Scholien  sich  finden, 
wo  die  Adverbialendung  -e  mit  ae  geschrieben  ist. 

290,  26.     Deatiturus  orator  ibi  finera  posuit,    ubi    maxime 


Zur  Textkritik  der  Scholiasteii  ciceronischer  Reden.  437 

necessarium  videbatur,  ne  iadices  in  pronuntiando  Pompeium  ti- 
merent,  quem  maxime  verentur,  Orelli's  Desiturue  (der  umge- 
kehrte Fehler  346,3,  richtig  286,  18)  ist  nur  zu  billigen;  ebenso 
wenig  dürfte  vererenfur  zweifelhaft  sein. 

292,  29.  .  .  .  ut  recte  ac  necessario  P.  Sestius  armatos 
habuisse  videatur,  proptcrea  sit  maxime  praesentis  criminis  in- 
vidia  liberandus.  Achtmal  (236,  11.  244,  37.  263,  4.  24.  318,  8. 
340,  7.  357,  7.  362,  8)  koinmt  die  gleiche  Satzform  bei  unserem 
Scholiasten  vor  und  nur  mit  der  Anknüpfungspartikel  ac  propterea. 
Schreiben  wir  also  anders  als  gerade  im  Stil  dieses  Scholiasten, 
wenn  wir  auch  hier,  gegen  die  nachlässige  Ueberlieferung,  so 
schreiben  ? 

294,  4.  Και  μετά  άτειοείας  denuntiat  inesse  illi  talia 
virtutis  insignia,  ut  possit  reatns  patemi  ultor  existere.  Lies 
άδειας. 

294,  13.  Notissimum  est  in  historiis  C.  Antonium  exercitni 
praepositum,  qui  contra  Catilinam  duceretur.  Et  eleganter  hoc 
omne  victoriae  meritum  derivat  in  Sestium  quaestorem,  quasi  eius 
incitamento  factum  sit  ut  Antonius  parceret.  Nein,  nicht  parceret 
sondern  proeliaret.  Vgl.  294,  22  cum  ipse  consul  retardari  pe- 
dum  valetudine  videretur,  re  autem  vera  hostibus  congredi  nollet. 

298,  25.  Verum  tamen  plerique  philosophorum,  qui  disso- 
luta  hac  veluti  harmonia  corporis  animique  dicerent  omne  ietud, 
quod  in  nobis  concretum  esset,  extingui:  quidam  tamen  statim 
cum  ipso  corpore,  alii  vero  interiecto  quodam  temporis  spatio, 
animae  quoque  obitum  futurum,  quamyis  corpori  supervixerit. 
Den  beiden  hinkenden  Sätzen  ist  leicht  auf  die  Beine  geholfen 
mit  Fuerunt  tamen  .  .  . 

302,  14.  Temporibus  obsecntus  est  non  aliter  quam  fecerat 
cum  in  leges  quasdam  coniurareU  quae  illi  displicuerant.  Signi- 
ficat  autem  lulias  C.  Caesaris  leges,  in  quas  cum  diu  perseye- 
rasset  non  iurare,  ad  extremum  coaotus  suasionibus  plurimorum 
videtur  accommodasse  consensum.  Der  Zusammenhang  zeugt  deut- 
lich, dass  nicht  iuraret  mit  Orelli,  sondern  non  iuraret  zu  lesen 
ist.     Umgekehrt  steht  non  statt  con  245,  34. 

305,  1.  Ea  scilicet  die,  qua  speotatum  venerat  ludoe  Ho- 
noris atque  Virtutis,  qui  cdebrantur  in  memoriam  et  honorem 
C.  Marii,  a  quo  res  hello  Cimbrico  feliciter  gestae  sunt«  Dass 
der  Scholiast  nicht  in  einer  Zeit  lebte,  wo  dieser  marianische 
Ehrentag  noch  lebte,  wird  anderen  Ortes  gezeigt  werden;  hier 
genüge   es,    die  Emendation   cdebrabantur  durch  305,  24,    wenn 


486  Stangl 

das  überhaupt  nöthig  ist,  sn  stütsen:  tempore  ladomm,  qai  Υίτ' 
tatie  et  Honoris  dioebantur.  Uebrigens  hat  Orelli.  deaeeibei 
Schreibfehler  307,  34  entdeckt,  wo  der  Palimpeeet  bietet:  Certa 
pars  anni  observatur  (statt  observabatnr),  qua  nihil  in  iirbe  gere- 
retnr  —  Tuno  igitnr  prolatio  reram  fieri  dicebatnr. 

305,  29.  Auetor  illis  temporibus  navissimua  fla^tanun  &- 
bularnm  Aeaopus  egisse  yidetur  Accii  fleibulam,  quae  seribitar 
Eurysace.  Von  den  4  Fehlem,  die  in  diesen  14  Worten  ateokea, 
hat  Orelli  bereits  3  gehoben:  er  stellte  her:  Actor  (Tgl.  306»  6) 
tragioarum  fiabnlarum  —  quae  inscribitur  (vgl.  268,  20.  278, 19. 
289»  33.  803,  27.  306,  17.  342,  5  und  inscribitur  statt  eoribitir 
271,  1,  sowie  instare  und  istare  statt  stare  236.  4.  15).  noTissi- 
mus  lösten  die  Herausgeber  mit  nobilissimus  auf»  ich  eohreibe 
notissimuSj  da  die  erstere  Yerwechslung  in  den  Bob.  Soholien 
nie  vorkommt,  die  letztere  270,  1  aput  noyissimum  rhetora  et 
magistrum  illius  aetatis  Apollonium.  344,  27  Noviasimnm  est 
(s.  Hais  Note).     351,  5  Novissimum  est. 

306,  25.  cum  illi  fuisset  nomen  in  praeteritnm  eoilieet  gen- 
tile  et  fuUurae  Comelio  Scipioni,  reformatum  est,  ut  esse  Q.  Me- 
tellus  Scipio.  esset  wurde  von  den  Herausgebern  schon  herge- 
stellt, nicht  naturale. 

306,  29.  Yenit  ad  colnmnam  Menia  hat  im  Lemma  der 
Palimpeeet;  die  Cicerohss.  Yenit  a  columna  Maenia.  Lies  Y'enit 
ab  columna  Maenia.  Auch  366,  18,  wo  a  re  p.  in  den  Ausgaben 
steht,  ist  dae  handschriftliche  ad  re  p.  durch  ab  re  p.  zu  er- 
setzen. Yergl.  265,  35  ab  me.  265,  4  ab  se.  275,  11  ab  t 
255,  25  ab  L.     235,  30  ab  Cn. 

307,  22.  EvK  —  de  Cn.  Pompeio,  quem  constat  ex  Africa 
post  oppreseum  Domitiuni  Cleppianoeque  fugitivos;  et  Ponto, 
victo  Mithridat«  rege;  de  Hispania  post  occisum  Q.  Sertorium  et 
oppressum  M.  Perpernam  Lnsitanisque  victis  triumpfaasse.  So 
Bait«r.  Orelli  besserte  Clupianos.  Halm  schlug,  wie  ich  aue 
Rh.  Mus.  XXYII  p.  431  ersehe,  victis  Mithridatis  copiis  statt 
des  handschriftlichen  victisi  mitridatchoesi  richtig  vor.  Denn 
Ziegler's  .'Mithridatae  wird  durch  Mithridatis  232,  22  hinfällig. 
Da  EvK  am  Beginn,  de  am  Schluss  der  Columnenzeile  steht,  deren 
jede  auf  dieser  Seite  bei  18  Buchstaben  zählt,  so  dürfte  der  grie- 
chische Ausdruck  έγκώμιον  ποιείται  gelautet  haben.  Endlich 
noch  6.r  Ponte. 

309,  10.  (Yatinium)  sagittarium,  quasi  levi  armatura  sub- 
nixum,    hie   appellat,    qui  iimendus   non    videretur,    cum    maiora 


Zur  Textkritik  der  Schuliasttu  cioeronischer  Beden.  439 

esHcnt  alia  in  exercitu  C.  Caesaris,  quae  magie  Cicero  timere  de- 
beret.  Statt  maiora  eesent  alia  iet  maiora  eeeent  tela  zu  leeen. 
310,  19.  De  verbis  nobilibus  —  scalpellum.  lieber  den  fol- 
genden griechiscben  Ausdruck  ein  andermal;  hier  soll  blos  nota- 
bilibus  hergestellt  werden,  mit  Herbeiziehung  von  324,  23  'La- 
beculam'.  Notabile  deminutivum.  234,  20  Notabile  hoc,  quod 
singulari  numero  'sordem*  dixit.  —  Hoc  igitur  de  verbis  rario- 
ribus  adnotemus.  255,  13  'Fucosa*.  Verbum  et  hoc  notabile 
inter  alia,  quae  sunt  apud  veteres  rariora,  referendum  est.  296,  30. 
300,  3. 

315,  29  heisst  es  cum  alihi  dicat.  Die  Handschrift  hat  alii 
ubi,  was  eher  auf  alicubi  führt;  bemerken  wir,  dass  dasselbe 
Verhältniss  auch  317,  32  sich  findet  und  wiederum  in  einem 
Satze,  wo  die  reine  Latinität  blos  alibi  zuläset,  so  entsteht  die 
Frage,  ob  nicht  die  spätere  Zeit,  wie  andere  ähnlich  lautende 
Worte,  80  auch  diese  durcheinander  warf  und  als  gleichbedeutend 
gebrauchte.  Das  Scholion  schliesst  mit  folgendem  Raisonnement 
316,  1:  Non  potest  autem  dici  forum  mutum  fuisse  in  eins  dis- 
ceesu,  ut  non  ipsius  eloquentia  videatur  in  iudiciis  omnibus  desi- 
derata.  Unser  Scholiast  ist  logisch  genugsam  geschult,  um  nicht 
ein  cum  mit  einem  ut  zu  verwechseln. 

316,  16.  Haec  —  oratorie  perstringere  maluit,  quam  copiose 
iisdem  detexendis  immorari;  sive  quod  nimis  laciniosum  vide- 
batur,    sive   quod   prohibere  non   poterat.     Die   Handschrift   hat 

b 

prohabere,  was,  aus  prohare  entstanden,  zu  probare  zu  verbessern 
ist.  Vgl.  285,  35  Pars  haec  narrationis  aliquanto  turbatior  est. 
Sine  dubio  in  ea  multa  finguntur;  verum  hanc  omnem  permixtio- 
nem  cursim  praetervolat:  non  enim  debent  cum  mora  protrahi, 
quae  videri  iudicibus  possunt  aliquod  habere  figmentum,  ne  orator, 
si  laciniosus  sit,  in  mendacio  deprehendatur.  Betreff  der  Inter- 
linearcorrectur,  die  hernach  missverstanden  wurde,  s.  unten  339,  5. 

316,  21.  ^In  eo  magistratu  cum  sibi  aquaria  provincia 
Sorte  obtigisset*.  Quaestor  e  lege  Titia  provinciam  tacitam  et 
quietam:  hie  igitur  Vatinius  aquariam  sortitus  erat.  Orelli' β  Vor- 
schlag, nach  obtigisset  sei  Obtinebat  oder  ein  ähnliches  Verbum 
einzusetzen,  als  richtig  anerkannt,  schreibe  ich:  Obtinebant  quae- 
Stores  lege  Titia  pr.  t.  et  qu. :  hie  igitur  .  .  . 

317,  4.  Etiam  simul  decor  [freier  Raum  für  einen  grie- 
chischen Ausdruck]  locutioni  ornamenta  quaesita  sunt  cum  ita 
dicant.  dicat  verbessert  schon  Orelli,  decor  ist,  nach  364,  24, 
zu  decore  zu  ergänzen. 


440  Stftngl 


■ » 


322,  12.    Igitar  m  Yatiniiu  Iuni  prodMMt»  Uah«•  « 

tum  fuisee  (so.  in  epulo  Q.  ArriiX  ne  mpplii 
Pomptini  ratas  habuisse  et  fesia  faeere  τέϋ§ίοβα 
oGounit  edi  vero  Tolliae,  non  oportUMe  etfaun  illo  «wiiitg 
pore  a  ceteromm  habitu  diseentire»  ne  ooetna  epvIaatiBm  vn 
veete  Ingubri  contaminaretnr.  Orelli  lolion  emendiite  iMeiiül| 
lieh  ne  Yatinio  hoo  prodeeeet  nnd  e  diTerao•  Waruft  tob 
das  handschriftliche  religiosae  geändert  wurde  und  wwm  e 
unter  feeta  faeere  in  dieaem  Zoaammenhang  ^^iylitt\  wfHi  ük 
nicht.  Ah  sinngemSee  erkenne  ich,  namentlioh  im  ITIit^li^  wä 
Cic.  in  Yatin.  §  31  nnd  82  nnd  mit  Besugnahme  auf  die  gaiM 
Stelle  des  Ccmmentaree,  blos:  ne  snpplioatione•  nomine  CL  PoaplB 
ratas  habuisse  et  fesia  fade  rdlgiosas  prcboMte  Tideretiir. 

323,  4.  ipsins  enim  Yatinii  lege,  ^uam  tnlermt  in  trihh 
natu,  non  satis  aperte  neqne  distincte  apparebat^  ntmm  $$ni 
qnaesitor  esset  deligendus,  an  vero  mntua  inter  adTeraaziea  hr 
cienda  reiediane.    Die  Ausgaben  geben  nach  dem  Codex  rejeeüi. 

324,  35.  Mire  complexus  est  causam  duomm,  MUoms  ci 
Sestii,  eam  per  omnia  simillimam  fuisse  haben  HandBchrift  nai 
Ausgaben.  Die  richtige  Yerbalform,  die  in  dem  Yerderbten  eaa 
jedenfalls  steckt,  dürfte,  wenn  man  die  Schreibwoiee  dee  Sehe- 
liasten  (265,  39  subiunxit  testificando.  331,  8  Hoo  enim  testl• 
ficando  —  confirmat  veritatem  sui  testimonii)  und  das  unmittelbar 
vorhergehende  Wort  betrachtet,  testando  sein.  Dies  steht  so 
232,  11.  257,  2.  262,  18.  365,  23,  ist  durch  contestari  283,  25. 
337,  8,  durch  testificari  an  den  genannten  zwei  Stellen  und 
344,  25  ersetzt. 

334,  19.  cor  um  moribus  nihil  oporteat  exprobrari,  qui  certo 
tempore  anni  aquas  petant:  vei  quia  aetate  provecti  sint  — ,  vel 
quia  in  suis  praediis  demorentur  — ,  vel  quia  eo  tempore  quo 
Komae  omnia  quietissima  — ,  vel  quod  eit  omnino  valetudini  ser- 
viendum.  In  den  Ausgaben  steht  noch  das  handschriftliche  omni 
modo,  das,  vom  Scholiasten  anderwärts  ganz  richtig  gebraucht, 
hier,  wo  das  letzte  Glied  die  vorhergehenden  speciellen  Gründe 
mit  einem  allgemeinen  Argumente  abschliesst,  unzulässig  ist. 
Vgl.  auch  unten  351,  15. 

336,  2.  Deiinit  enim  rusticos  et  urbauos  ita,  ut  in  se  In- 
genium sobriae  virtutis,  in  Clodio  indicia  foeditatis  et  dedecora 
proscribat.  Da  der  Scholiast  praescribere,  proecribere,  perscri• 
bere  oft  und  nie  unrichtig  gebraucht  und  als  Erklärer  vemünf- 
tigerweiee    von    zeugmatischen    Tollheiten    sich    ferne    hielt,     so 


Zar  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  441 

ist  hier  perscribat  herzustellen.  Denselben  Fehler  sah  Mai  zu 
345,  2. 

336,  20.  Inpudico  igitur  habitu  erubescendi  decoris  quae- 
dam  figura  describitur.  Hoffentlich  dedecoriß  (vgl.  336,  3),  wenn 
wir  nicht  mit  Clodius  alle  Begriffe  von  decus  und  dedecus  we- 
nigstens theoretisch  vermengen  wollen. 

338,  24.  Praetexuntur  argumenta,  quibus  incestum  P.  Clo- 
dii  poiucrit  facillime  probari,  nisi  pecunia  intercessisset.  Ver- 
gleicht man  258, 18  Gratiosum  videri  poterat,  si  adseveraret  eum 
Satumino  propinquo  suo  placuisse;  maluit  ad  iudicium  Q.  Metelli 
confugere  .  .  .  267,  16  Sufifecerat  enim  de  ea  oratione  dixisse, 
qua  vel  senatui  vel  populo  gratias  egit.  Nunc  autem  et  de  ver- 
sibus  suis  facere  mentionem  videtur  . . .  und  den  Modusgebrauch 
des  Scholiasten  überhaupt,  so  wird  man  potaerat  schreiben. 

338,  29.  Quinque  etenim  servi,  in  quos  maxime  suspicio 
congruebat,  partim  missi  sunt  ad  Appium  Claudium,  qui  frater 
eiusdem  P.  Clodii  fuerat  .  .  .  Der  Codex  hat  eiusdem  de.  de  ist 
eine  der  so  häufigen  Dittographien  und  die  Einsetzung  von  P. 
tiberflüssig,  wie  zeigt  288,  7  De  Lentulo  Spinthere  loquitur,  qui 
et  ante  consulatum  amicissimus  Ciceroni  fuit.  Hoc  declarat  ipse 
Tullius  in  epistula,  quam  ad  eundem  Lentulum  ecripsit  (Codex 
scribens).  —  In  Albanum  Lentulus  idem  pro  Cicerone  conten- 
derat  .  .  .  302,  22  absens  consul  Cn.  Pompeius  fieret,  tempore 
scilicet  Mithridatici  belli  quod  ab  eodem  Pompeio  gerebatur. 

342,  4.  I  non  ab  re  existimans  futurum  |  non  lectoribus,  si 
oratiojnis  titulum  non  injdocte  perspexerint•  Die  mit  |  angege- 
benen Columnenzeilenanfänge  genügen,  um  Orelli'e  Yermuthung 
in  non  stecke  nostris  als  unwahrscheinlich,  das  Wort  selbst  als 
durch  das  Abirren  des  Auges  auf  den  vorhergehenden  Zeilen- 
anfang in  den  Text  geschlichen  zu  erweisen.  Dazu  kann  man 
noch  die  Bemerkung  fügen,  dass  der  Scholiast  an  den  oder  die 
Leser  sich  wendend  (257,  20  admonendum  lectorem  putavi.  244,  6 
in  ceteris  etiam  sua  sponte  lector  adgnoscet.  360,  20  non  in- 
curiosis  lectoribus  admiranda  lectio)  dem  lector  oder  den  lectores 
nie  ein  noster  oder  mens  hinzufügt.  Nicht  verschieden  ist  die  irr- 
thümliche  Wiederholung  des  cum  329,  24  incesltum  fecisse  cttm 
eins  I  uxore  Pompeia  cum  eo  \  tempore  quo  per  Ves|talie  virginis 
.  .  .  Keiht  man  vergleichungsweise  daran  die  üeberlieferung  zu 
309,  27  ff.:  Haue  igitur  stul|titiam  M.  Tullius  in  |  ridens  unum 
leonem  \  dicity  ducentos  bestia|rios  id  est  venatoree  |  sine  dubio 
volens  in|tellegi  omnem  dicU  du|centos  bestiarios   |   hanc  mannr 


442  Stangl 

gladieltoriam  seditionie  can|8a  comparatam,  so  ist  klar,  dm  dar 
Abschreiber  um  zwei  Columnenzeilen  zorückeprang  und,  was 
allgemein  interessant  ist,  dass  die  Vorlage  unseres  libnrims  in 
gleichgrossen  Columnenzeilen  abgefasst  war,  in  der  er  emie  Gopie 
fertigte.  Zum  gleichen  Resultat  fuhren  die  Wiederholungen,  die 
sich  finden. 

350,  2.  Temptaverat  Crassus  adseverare  non  semel  de  hae 
Aegypti  severitate  sed  freqnentissime  praeiudioatum.  Ao  prirao 
quidem  illo  tempore  quo  pecunia  repetita  esse  apii  rei  gcd  advacta 
Romam  yidebatur,  seposita  iam  nuper  ab  Alexa  rege.  Oooamu- 
dum  est  igitur,  ut  haec  refutentur.  £t  in  ipsa  propositione  [folgt 
Lücke  für  etwa  12  griechische  Buchstaben]  insigniter  £aeta  est, 
quod  bis  verbis  ingredi  coeperii.  In  der  Züricher  Auegabe  sohon 
ist  hereditate  hergestellt;  statt  repetita  esse  ab  Tyro  et  adveota 
Romam  hatte  ich  mir  gleich  nach  der  betreffenden  Tagescollation 
repetita  esse  ab  Ti^riia  et  advecta  Romam  an  den  Rand  geaohrie- 
ben.  Die  nachträglich  aus  der  Heimath  mir  zugesandte  CollatioB 
Zieglers  zeigte  die  Randglosse:  ob  nicht  Tyreis  zu  schreibeB 
ist?    Ausserdem  halte  ich  coeperai  für  noth wendig. 

351,  4.  Ad  tuendam  rationem  pudoris  exequitnr  non  de* 
cere  populum  R.  has  potestates  regias  nundinari;  ut  obiecta  qua- 
dam  senatui  facie  turpitudinie  id  yel  maxime  faciendum  esse  per- 
euadeat  quod  sit  congmene  honeetati.  Wäre  quadam,  wie  die 
Herausgeber  glaubten,  wirklich  überliefert,  so  würde  vielleicht 
ein  kühner  Criticus  zur  Aenderung  labe  turpitudiuis  (311,  2)  sich 
fortreissen  lassen,  obwohl  damit  dem  Senat  gegenüber  etwas  zu 
viel  gesagt  wäre.  Da  aber  im  Falimpsest  quodam  steht,  so  ist 
die  üomiptel  geringer:  es  ist  bloe  quodam,  d.  h.  quodammodo 
zu  schreiben.  Denselben  Fehler  sah  Orelli  richtig  305,  31  und 
290,  14.     Vgl.  251,  36.  350,  15.  360,  5.  366,  6  u.  ö. 

355,  3.  Utiliter  praeparavit  ad  causam,  iam  pridem  hunc 
Archiam  poeticae  facilitatis  gratia  celebrem  a  plurimis  nobüissi' 
mis,  populie  in  numerum  oivium  cooptatum.  Quod  nimirum  ar- 
gumento  esse  debeat,  etiam  Heracliensibus  nuper  adscriptum,  ro- 
buetiorem  iam  fama  et  ingenii  dignitate  maiore.  Fuerunt  autem 
urbe  iHtae  de  quibus  loquitiir  quibusdaiii  Grecier  tribubus  con- 
ditae:  so  hat  der  Falimpsest,  Interpunktion  und  Worttrennung 
und  Buch  Stabe  η  form  a])gerechnet.  In  der  Züricher  Ausgabe  ist 
poeticae  facultatis  (so  richtig  354,  10.  861,  29.  367,  32,  facilitas 
273,  1)  verbessert;  ausserdem  robustiorem  —  niaiorem  —  a  Graecis 
geschrieben.     Ziegler,  wie  aus  seinen  Collationsheften  zu  ersehen, 


Zur  Textkritik  der  Scholiastcn  ciceronischer  Reden.  448 

wollte  robustiore  —  maiore:  ich  halte,  im  Hioblick  auf  232,  22 
(civitae,  fide  et  amore  quam  virium  facultate  robustior)  die  Ueber- 
lieferung.  Nicht  minder  verwerfe  ich  die  Einschaltung  eines  a 
vor  Grecies,  da  es  auch  294,  10  heisst:  illi  habita  decertatio  est. 
362,  7  Neapolitanam  civitatem  delectam  P.  Syllae.  365, 18  [grie- 
chischer Ausdruck]  quidem  in  orationibus  plurimis  frequentata 
Ciceroni.  Ob  Graecis  oder  Graeciae  aufzulösen  sei,  läset  sich 
nicht  sicher  entscheiden.  Wenn  gegenüber  den  früheren  Colla- 
tionatoren  nach  nobilissimis  ein  Raum  für  einen  Buchstaben  no- 
tirt  wurde,  so  geschah  das  auf  Grund  einer  genauen  Untersuchung 
der  Palimpseststelle,  welche  ergab,  dass  die  Buchstaben  dieser 
Zeile  vom  Tinkteur  wie  oft  nicht  nur  aufgefrischt  sondern  dabei 
auch  dermassen  breit  gedrückt  wurden,  dass  der  Raum  für  einen 
Buchstaben  zwischen  den  beiden  Adjectiven  arg  verengt  und  der 
Buchstabe  selbst  übersehen  wurde.  So  lautete  die  ursprüngliche 
Lesung  unzweifelhaft  ncbilissimisq,,  das  wohl  keiner  Rechtfertigung 
bedarf. 

356,  17.  Densitas  igitur  haec  exemplorum  quae  ad  personas 
nobilitas  fertur,  multum  praesenti  negotio  patrocinatur.  Statt  quae 
ad  personas  nobiles  refertur  der  Editoren  schlage  ich  qnae  ad 
personas  nobilis  trasfertur  vor.  träs  kürzt  der  Abschreiber  ständig 
ab,  wenn  er  nicht  geradezu  romanisirend  tras  schreibt,  wie  299,  21 
compresus  statt  compresus  d.  h.  comprehensus. 

359,  10.  £pilogu8  valde  conveniens  personae  rei;  quo  de- 
votionem  Licinii  Archiae  commendet  in  rebus  tram  omnesque  in- 
geni  vires  occupatis:  das  ist  die  genaue  Ueberlieferung  der  arg 
verderbten  Stelle.  In  tram  vennuthete  Orelli,  im  Hinblick  auf 
den  commentirten  Üicerotext,  richtig  P.  R.  Ich  lese  die  ganze 
Stelle  also:  Epilogus  valde  conveniens  personae  rei,  quo  devo- 
tionem  Licinii  Archiae  commendet,  in  rebus  P.  B,  omnihtts  ingeni 
virib,  occupati, 

359,  5.  *Hunc  ad  perficiendum  adoravi\  Hoc  verbum  *ado- 
ravi'  significat  cohortatus  sum.  ^Ädoravif  atUem  orare  et  petere 
significat.  Ob  die  Herausgeber  der  Rede  pro  Archia  im  Cicero- 
text mit  Recht  adornavi  mit  Klotz  lesen,  soll  hier  nicht  unter- 
sucht werden ;  dass  es  in  unser  Lemma  nicht  hineingetragen  wer- 
den darf,  zeigt  der  Commentar  bestimmt.  Statt  Adoravit  autem 
schlug  Orelli  Adorare  autem  vor;  mir  scheint  die  ganze  Stelle 
so  gelautet  zu  haben:  Hie  verbum  ^adoravi*  significat  cohortatus 

ant 

sum.    ^Adorare*  item  (daraus  Adorauitem,  vgl.  316,  6)  orare  et 
petere  significat. 


444  Staugl 

360,  34.  *Non  modo  animo  nihil  oomperi,  eed  etiam  ad 
auria  meae  ietine  enepioionis  fama  non  pervenit'.  Obnixe  negando 
de  illa  enperiore  coninratione  nihil  se  comperieee,  hoo  perenadere 
coniiitur  .  .  .  Wer  negando  —  nibil,  was  mit  dem  von  Cioero 
behaupteten  und  vom  Soholiaeten  durchweg  richtig  aofgefasaten 
Thatbestand  in  direktem  Widerspruch  steht,  echtttsen  wollte, 
mttsete  Yorechtttzen,  es  eei  negando  —  nihil  statt  negando  —  quio- 
quam  gräcisirend  geschrieben.  Doch  ein  derartiger  Einwand  ist 
widerlegt  nicht  blos  durch  die  Thatsaohe,  dass  der  gesammie 
Stil  dieser  Scholien,  mögen  noch  so  viele  rein  griechische  Aus- 
drücke in  der  Ursprache  von  ihnen  aufgenommen  sein,  doeh  an 
sich  nahezu  frei  ist  von  Gracismen,  besonders  grammadech-eyn- 
taktischer  Art,  sondern  auch  durch  die  Beobachtung,  dase  in  den 
von  negare  und  ähnlichen  Begriffen  abhängigen  Sätsen  (vergL 
262,  7.  264,  27.  340,  3.  367,  14.  23)  niemals  eine  derartige 
Sprachvermengung  vorkommt.  Da  nun  zur  Einschaltung  eines 
nihil  in  den  vorhergehenden  und  folgenden  Worten  rein  ausser- 
lieh  kein  Anhalt  vorliegt,  so  liegt  der  Fehler  in  negando.  Hir 
scheint  es  aus  testando  verderbt,  das  ja  in  der  hier  geforderten 
Bedeutung  und  Form,  wie  wir  oben  zu  324,  35  gesehen,  dem 
Scholiasten  geläufig  ist. 

864,  21.  Aeculum  civitas  est  in  Piceno,  unde  etiam  prin- 
cipia  belli  socialis  arserunt  Da  der  Scholiaet  ardere  und  exar- 
dere  stets  mit  dem  Uuterechiede  der  klassischen  Schreibeweiee 
anwendet  (280,  7  eundem  ardentis  curiae  incendio  esse  deterritam. 
320,  19  ante  annum  quam  bellum  civile  Pompeii  et  Caesarie 
exardesceret.  281,  1),  so  ist  hier,  besonders  da  die  Ortsbestim- 
mung woher,  nicht  wo,  ganz  treffend  gewählt  ist,  exaraerunt  her 
zustellen.  Das  Yerderbniss  erklärt  sich  leicht,  wenn  man  siebt, 
dass  socialis  unmittelbar  vorhergeht  und  an  romanisirende  Schrei- 
bungen des  Scholiasten,  wie  esaurire,  despesisse,  saneerunt,  sich 
erinnert. 

365,  25.  relinquit  iudicum  tacitis  cogitationibus,  numquam 
86  ad  defendendum  äyllam  proceesurum  fuisse,  si  cum  vel  tenoi 
aliquo  argumento  seneieee  cum  hostibus  rei  p.  suepiearetur,  cui 
minuendus  esset  illius  coniuratiunis  nanierus,  ne  plures  in  poete- 
rum  sibi  reseret  inimicos.  Das  überlieferte  reseret  ist  nach  der 
Zeitenfolge  des  Scholiasten,  der  (240,  9  in  quibus  nullum  iudi- 
cium  oriminis  inveniretur  et  potius  iste  color  quaesitue  sit,  ut 
viderentur  perdidisse.  2i)0,  25.  29«,  9.  324,  31.  343,  1β  der- 
selbe Wedisel)    nach  einer  Nebenzeit   nicht   blos  eine  Nebenzeit, 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  445 

sondern  auch  eine  Hauptzeit  sich  zu  setzen  erlaubt,  wahrschein- 
licher als  reservet  denn,  wie  Orelli  wollte,  als  reservaret  zu  er- 
gänzen. 

Hingegen  ist  es  366,  17,  wo  überliefert  ist:  De  familia 
Torquati  mutuatur  exemplum,  quo  validius  ad  consensum  redi- 
geretur,  puniendos  ab  (Codex  ad)  re  p.  fuisse  hostes  intra  moenia 
depraehensos,  cum  per  contextum  sui  generis  recordatur  exstitisse, 
qui  filium  puniret.,  paläographisch,  besonders  in  unserem  Codex, 
rathsamer,  den  Ausfall  einer  Silbe  zu  statuiren  und  recordaretur 
zu  lesen  als  recordetur  zu  schreiben. 

367,  30.  'Sed  ego  in  quaestionibus  et  indiciis  non  hoc 
quaerendum  arbitror,  num  purgetur  aliqui,  sed  num  arguatur*. 
[8  Buchstaben  griechisch  fehlen]  et  perquam  exercitata  respon- 
dendi  facultate  propositioni  accusatoris  occurrit,  non  illud  easpec- 
iandum  in  indiciis,  an  defensus  sit  aliqui,  sed  an  nominatus. 
Unzweifelhaft  ist  spectandum  herzustellen;  ob  mit  oder  ohne  esse 
davor,  ist  zu  kleinlich,  um  darüber  zu  streiten. 

368,  21.  quae  ad  strumentum  fidei  necessaria  sunt.  Der 
Scholiast  kennt  blos  das  Compositum  insfrumentum  in  solchem 
Znsammenhang:  238,  2  si  quod  instrumentnm  probationis  attu- 
lerint.     238,  10  omnia  instrumenta  tabularum.  239,  29.  242,  2. 

(Fortsetzung  folgt). 

Rom.  Th.  Stangl. 


Zw  eesehiehte  der  AristoteliecheR  Politik  ii 

Mittelalter. 


'Der  erste,  der  als  ein  Forscher,  ausgerüstet  mit  fädt- 
wissenscbaftlicben  Kenntnissen  und  einem  ausgebildeten  Sinn  flir 
staatliche  und  yölkswirthschaftlicbe  Dinge,  an  die  üebersetiuag 
und  Erklärung  der  Aristotelischen  Politik  herangetreten  ist*,  war 
nach  Oncken  (Staatslehre  des  Aristoteles  I  77)* ein  gelehrter  Fran- 
zose des  14.  Jahrhd.^  Nicolas  d*  Oresme  (t  1382)'.  Zweierlei 
ist  es,  .worauf  Oncken  dieses  Urtheil  stützt,  der  von  Rosoher 
aufgefandene  Tractatus  de  mutatione  monetarum,  welcher  den 
^grossen  Nationalökonomen  des  14.  Jahrhunderts'  überall  auf  den 
Grundlagen  der  Aristotelischen  Philosophie  stehend  zeigt,  und 
die  für  Karl  V.  von  Frankreich  gefertigte  französische  Uebcr- 
tragung  der  Politik  und  Oekonomik.  Oncken  kennt  aus  der  letz- 
teren freilich  nur  eine  von  Barthelemy  St.  Hilaire  angeführte 
Stelle,  aber  eben  diese  erweckt  ihm  das  günstige  Vomrtheil,  e« 
müsse  das  Buch  schätzenswerthe  Beiträge  zur  sachlichen  Erklä- 
rung enthalten,  *  deren  vollständige  Vergleichung  wohl  der  Mühe 
lohnen  würde*.  Im  späteren  Verlaufe  seiner  Untersuchungen  theilt 
er  die  Stelle  mit,  sie  bezieht  sich  auf  die  Δελφική  μάχαιρα»  Pol. 
I  2,  1 252  ^2.  Oncken  bespricht  eingehend  den  Erklärungsversuch 
Göttling's  (De  machaera  delphica,  Jena  1856)»  hält  ihn  aber  nicht 
für  ausreichend  und  fahrt  fort  (a.  a.  0.  II  27):  *Ich  kann  nicht 
verhehlen,  dass  unter  solchen  Umständen  die  Erklärung,  welche 
Nicolas  dOresme  versucht  hat,  für  mich  immerhin  einiges  Be- 
stechende bat.  In  einer  Bemerkung,  die  Barthelemy  St.  Hilaire 
mittheilt,  Ragt  er  nämlich:  'pres  du  temple  (de  Delphes)  len 
faisoit  ou  vendoit  une  maniere  de  coteau  desquel  len  povoit  cou• 
per  et  limer  (feilen)  et  partir  (marteler?)  et  faire  plusieurs  be- 
sognes   et   estaient  ponr   les   povros  qui  ne  povoient  pae  acheter 


Zur  Geschichte  der  Aristotelischen  Politik  im  Mittelalter.       447 

coteaux  et  limes  et  marteaiuc  et  taut  d'  instrnmene'.  Auch  Suee- 
mihl  in  seiner  neuesten  Ausgabe  der  Politik  führt  die  Erklärung 
an,  ohne  sich  dafür  oder  dawider  auszusprechen  (Aristoteles'  Po- 
litik. Griechisch  und  Deutsch  herausgegeben  von  F.  S.  Leipzig 
1879.  II  S.  2).  Nur  wird  man  sie  in  Zukunft  nicht  mehr  die 
Erklärung  Oresme's  nennen  dürfen.  Denn  dieser  hat  sie  aus  dem 
Commentar  des  Thomas  v.  Aquin  herübergenommen  und  die 
dort  ausgesprochene  Vermuthung  nur  etwas  weiter  ausgeführt. 
Man  vergleiche  des  letzteren  Worte :  Apud  Delphos  enim  fiebant 
quidam  gladii,  quorum  munus  ad  plura  ministeria  deputabatur, 
puta  si  unus  gladius  esset  ad  incidendum,  ad  limandum  et  ad 
aliqua  alia  huiusmodi.  Et  hoc  fiebat  propter  pauperes,  qui  non 
poterant  plura  instrumenta  habere. 

Ich  bin  nicht  gewillt,  die  Prädikate,  welche  Oncken  dem 
Nicolas  d'  Oresme  beigelegt  hat,  nunmehr  für  Thomas  in  An- 
spruch zu  nehmen.  Dass  dem  grössten  Scholastiker  die  Voraus- 
setzungen fehlen  mussten,  eine  irgendwie  befriedigende  Erläu- 
terung der  Politik  zu  liefern,  liegt  auf  der  Hand.  Eine  Tradition, 
welche  aus  der  Schule  der  Peripatetiker  durch  die  Neuplatoniker 
und  die  arabischen  Erklärer  hindurch  ins  christliche  Mittelalter 
hineingereicht  hätte,  existirte  diesem  Werke  gegenüber  nicht^  und 
ebensowenig  genügte,  wo  es  auf  bestimmte  historische,  antiqua- 
rische, litterarische  Kenntnisse  ankam,  die  bewunderungswürdige 
Congenialität,  mit  welcher  sich  Thomas  anderwärts  in  den  Ge- 
dankengang der  Aristotelischen  Spekulation  zu  versetzen  weiss. 
Immerhin  wird  man  vielleicht  die  obige  Richtigstellung  als  eine 
captatio  benevolentiae  für  die  nachfolgende  Untersuchung  über 
das  gegenseitige  Yerhältniss  der  beiden  frühesten  Commentare. 
zur  Aristotelischen  Politik  gelten  lassen.  Ich  möchte  dies  umso- 
mehr  wünschen,  als  die  Beseitigung  eines  eingewurzelten  Irr- 
thums,  um  die  es  sich  dabei  handelt,  hier  wie  so  oft  einer  län- 
geren Beweisführung  bedarf,  als  sie  der  ursprünglichen  Aufstel- 
lung zu  Theil  geworden  ist. 

Der  ältere  Jourdain  hat,  soviel  ich  sehe,  zuerst  auf  die 
Verschiedenheit  hingewiesen,  welche  des  Albertus  Magnus 
Commentar  zur  Aristotelischen  Politik  von  seinen  übrigen,  der 
Darstellung  und  Erläuterung  der  Aristotelischen  Lehre  gewid- 
meten" Schriften  trennt  (Forschungen  über  Alter  und  Ursprung 
der  lateinischen  Uebersetzungen  des  Aristoteles,  deutsche  Ausgabe 
von  Stahr,  S.  326).  Die  letzteren  sind  Paraphrasen,  welche  die 
einzelnen  Worte  des  Textes    in   sich    aufgenommen   haben,    dort 


448  Hertling 

dagegen  begegnet  zum  ersten  Male  ein  eigentlicliery  von  dem  Tor- 
anegeechiokten  Texte  geechiedener  Commentar.  Dem  fransSriielien 
Gelehrten  schien  der  unterschied  so  bedentend|  dass  er  enMB 
Augenblick  an  Albert's  Autorschaft  zweifelte.  Hienni  geben  nun 
freilich  die  vorhandenen  Zeugnisse  und  auch  die  übrige  Beschaf- 
fenheit des  Werkes  kein  Recht,  und  was  die  erwähnte  Abweichung 
von  Albertus  gewöhnlichem  Yerfahren  betrifft,  so  stellte  bereiti 
Jourdain  selbst  eine  einleuchtende  Yermuthung  auf.  'Albertus 
muss  seine  Bearbeitung  der  Ethik  und  Politik  des  Arl• 
stoteles  nach  dem  Erscheinen  mehrerer  Commentare  des 
St  Thomas  über  den  Stagiriten  bekannt  gemaoht  haben; 
letzterer  nftmlich  sagt,  dass  das  Buch  der  Probleme  cur  Zeit,  als 
er  schrieb,  im  Abendlande  noch  nicht  bekannt  sei.  Albert  hatte 
ebendasselbe  gesagt  (Lib.  de  somn.  et  vigil.  tr.  II,  c.  5),  und 
doch  citirt  er  die  Probleme  in  seiner  Ethik  und  Politik  (S.  p.  177. 
290  bis),  welche  also  nach  seinen  anderen  Werken  verfaest  nnd. 
St.  Thomas  hatte  sicher  die  lateinischen  Versionen  mit  dem  grie- 
^chischen  Texte  verglichen  oder  vergleichen  lassen;  in  jedem  Fidle 
besass  er  Varianten  und  befolgte  eine  andere  Methode  als  aeia 
Lehrer.  Möglich  also,  dass  Albert  diese  Varianten  benlltite  und 
seinem  Schüler  nachahmte'  (a.  a.  0.  S.  326  f.). 

Dass  nun  in  der  That  Albert  den  Commentar  zur  Aristo- 
teliechen  Politik  erst  begann,  nachdem  bereite  Commentare  seines 
Schülers  zu  Arietoteliechen  Schriften  erschienen  waren,  ist  nach 
dem,  was  wir  über  die  Lebeneumstände  und  die  schriftstellerische 
Thätigkeit  der  beiden  Männer  wissen,  sehr  wahrscheinlich.  Ich 
habe  an  einem  andern  Orte  (Albertus  Magnus.  Beiträge  zu  seiner 
Würdigung.  Köln  1880.  S.  65  f.)  die  Daten  zusammengestellt 
welche  erkennen  lassen,  dass  zwischen  die  Vollendung  von  Al- 
bert's grossem  Werke,  welches  in  Einem  das  Ganze  der  Natar- 
wissenschaft  und  die  Lehre  des  Aristoteles  bringen  sollte,  und 
die  Beschäftigung  mit  der  Ethik  und  Politik  ein  Zeitraum  von 
mehreren  Jahren  fällt.  Den  Schluss  der  erstgenannten  Arbeit 
sollte  die  Paraphrase  der  grossen  Thiergeschichte  bilden.  An  ihr 
arbeitete  Albert  noch  als  Bischof  von  Regensburg  1260 — 1262. 
Von  Thomas  v.  Aquin  aber  wissen  wir  durch  den  Bericht  seines 
Zeitgenossen,  Ptolemäus  von  Lucca,  dass  er  seit  1261  in  Rom 
damit  beschäftigt  war,  quasi  totam  philosophiam  Aristotelis  münd- 
lich und  Bchriftlich  zu  erläutern  (Hist.  eccles.  bei  Muratori,  Script 
XT,  lib.  22,  cap.  24).  Fällt  nun  die  Erläuterung  der  Aristoteli- 
schen   Politik    durch   Albert    etwa    in    das    letzte    Drittheil    dei 


Zur  Geschichte  der  Aristotelischen  Politik  im  Mittelalter.      449 

Decenniume,  1267-1270,  so  steht  der  Annahme,  er  sei  dabei 
durcli  den  Vorgang  des  Thomas  beeinfluset  worden,  nichts  im 
Wege. 

Etwas  Anderes  aber  ist,   ob  unter  den  ihm  vorlie- 
genden Commentaren  seines  Schülers  auch  bereits  der 
zur  Politik  sich  befand..    Ihn  zur  Aenderung  seiner  Methode 
zu  veranlassen,    war  dies  offenbar  nicht  nothwendig.     Er  konnte 
sehr  wohl  die  Einriclitung,  welche  Thomas  seiner  Erklärung  der 
logischen  und  naturphilosophischen  Schriften,  der  Metaphysik  und 
Ethik  gegeben  hatte,  nunmehr  seinerseits  auf  den  Commentar  zur 
Politik    anwenden.     Auch    wird    in    dem    erwähnten  Bericht  des 
Ptolemäus  von  Lucca  unter  den  von  Thomas  in  der  angegebenen 
Periode    erläuterten  Werken    gerade    die    Politik   nicht   genannt. 
Aber  bereits  Jonrdain   an   der   mitgetheilten   Stelle    scheint   aus- 
drücklich   die   Priorität    des   Thomas   in    der   Commentirung    der 
letzteren  anzunehmen.     Seitdem  ist  dies  die  gewöhnliche  Meinung 
geworden.     Gleich  Charles  Jonrdain,    der  Sohn,    fasst  das  Ver- 
häUniss  so  auf,    Philos.  de  St.  Th.  d'Aquin  I  400:    La  Politique 
d'Aristote  a  6te  commente  par  St.  Thomas  d'Aquin;    eile  l'a  iti 
aussi  par  Albert  le  Grand;    ce   sont   lee   premiers  commentaires 
dont   eile  ait  iti  Tobjet  au  moyen  äge.     Mais  le  disciple  cette 
fois   parait  avoir  devanco  le  maitre.     Bien  que  Touvrage  de  St. 
Thomas  appartienne  aux  derniers  annoes  de  sa  vie,  et  qu^il  n*ait 
pas  ete  acheve,    quelques  indices  portent  k  croire,    quUl  est  an- 
terieur  k  celui   d'Albert,    dans  lequel  se   lit,    par   exemple   une 
citation  du  livre  des  Froblέmes,  ouvrage  qui,   au  tomoignage  du 
docteur  Angέlique,    n'otait   pae   encore   connu   k  l'opoque   oü   il 
ocrivait.     Ebenso  Oncken  (a.  a.  0.  I  70):  *Die  Arbeit  des  Ersteren 
(Albert)  scheint  hier  wesentlich  auf  der  Vorarbeit  des  Letzteren 
(Thomas)  zu  beruhen;  die  libri  Politicorum  des  Albertus  Magnus 
sind   nicht,    wie    seine    anderen   Schriften    zu  Aristoteles,    Para- 
phrasen  des  Textes,    sondern  eine  Art  Commentar,    und    zeugen 
von  Sprachkenntnissen,  von  Hilfsmitteln,  die  ihm  sonst  nicht  zur 
Verfügung  stehen,   und  die  Jonrdain  daher  auf  eine  fleissige  Be- 
nützung und  Nachahmung  der  commentarii  des  Thomas  v.  Α  quin 
zurückführt*.    Oncken  folgt  ausschliesslich  den  Spuren  Jourdain's, 
dessen   oben   mitgetheilte  Aeusserung    er    nur    mit   etwas   voller 
tönenden  Worten  wiedergibt.     Er  verdeckt  aber  dabei  gerade  den 
entscheidenden    Umstand.     Vergleichung    verschiedener    Lesarten 
nimmt  Albert  auch  anderswo  vor;    ich  bestreite,    dass  in   dieser 
Beziehung    sein   Commentar    zur    Politik    Besonderheiten    zeige. 

Rheio.  Ho•,  f.  PhUol.  N.  F.  XXXIX.  29 


4S0  Hertling 

Dae  Neue  ist  vielmebr  die  veränderte  Einrichtung,  die  Sobeidnng 
von  Text  und  Üommentar,  sind  in  dem  letzteren  namentlich  die 
beim  Beginne  jedes  neuen  Abschnittee  wiederkehrenden  BorgfSl- 
tigen  Eintheilungen,  welche  durchaue  an  die  Weise  des  Aqninaten 
erinnern.  Genauer  äussert  sich  Susemihl  (Arist.  Polit.  libr.  YIII 
cum  vetusta  translatione  Gull,  de  Moerbeka,  p.  IV,  n.  4):  Et 
Thomae  quidem  commentarius  aetate  prior  fnit,  id  quod  demon- 
stravit  Jourdainus.  Alberti  opus  cum  a  ceteris,  qnae  ecripiitv 
similis  generis  admodum  differat  in  materia  tractanda,  ηαιη  ge^ 
nuinum  sit,  dubitari  posse  idem  monet,  attamen  ipse  bano  enspi- 
cionem  refellit  et  rem  potius  inde  explicat,  quod  Albertus  in  boo 
libro  sit  imitatus  disoipuli  defuncti  Thomae  exemplum  eiedemqiie 
cum  eo  subsidiis  usus:  in  hoc  enim  solo,  quippe  qui  non,  nt  ce- 
teri,  paraphrasis  sit,  sed  verus  commentarius,  simileni  ab  eo  atqiie 
a  Thoma  iniri  viam.  Auch  Susemihl  bleibt  somit  in  der  Ver- 
stellung befangen,  als  hätte  es  gerade  der  Commentar  dee  Thomas 
zur  Politik  sein  müssen,  was  Albert  zum  Aufgeben  der  bis  dabin 
befolgten  Methode  veranlasste,  da  dieser  sich  ganz  woM,  was 
Einrichtung  und  Anordnung  betraf,  an  das  Beispiel  jeder  anderen 
unter  den  Erläuterungsscbriften  seines  Schülers  halten  konnte. 
In  der  späteren  Ausgabe  wiederholt  Susemihl  lediglich  die  Be- 
hauptung (a.  a.  0.  I  S.  8  Anra.  1):  *ünd  zwar  war  der  (Com- 
mentar) des  Thomas  früher  als  der  seines  Lehrers  Albert*. 

Der  ältere  Jourdain  hatte  allerdings  noch  eine  zweite  Stütze 
seiner  Vermuthung  vorbringen  zu  können  geglaubt,  das  Λ''erhält■ 
niss  der  beiden  Schriftsteller  zu  den  Aristotelischen  Problemen. 
Sein  Sohn,  wie  die  oben  ausgehobene  Stelle  zeigt,  will  sogar 
ausschliesslich  dieses  Argument  zur  Geltung  bringen.  Wie  steht 
es  damit? 

Thomas  berichtet,  sagt  A.  Jourdain,  dass  die  Schrift  von 
den  Problemen  zur  Zeit,  da  er  schrieb,  noch  nicht  bekannt  wsr. 
Albert,  der  das  Gleiche  früher  auch  gesagt  hatte,  benutzt  die 
Schrift  in  seinem  Commentar  zur  Politik.  Man  könnte  hiemach 
glauben,  Jene  Aeussernng  des  Thomas  fände  sich  in  eben  dem 
Werke,  dessen  Priorität  vor  dem  gleichartigen  Werke  Albert's 
bewiesen  werden  soll.  In  Wahrheit  aber  findet  sie  sich  ebenda, 
wo  sie  sich  auch  bei  Albert  findet.  Der  letztere  sagt  an  der 
von  Jourdain  angegebenen  Stelle,  in  seiner  Paraphrase  von  Pe 
somno  et  vigilia,  veranlasst  durch  die  AVorte  des  Originale  (2,  4o6 
^27 :  biOTi  bi  τά  μέν  ένύττνια  μνημον€ύουσιν  έγερθίντες,  τάς  b' 
Τρητορικάς  ττράΗεις  ου  μνημονεύουσιν,  έν  τοις  προβληματικοίς 


Zur  Geschichte  der  Aristotelischen  Politik  im  Mittelalter.       461 

εϊρηται),  dictum  est  in  libro  de  problematibus  ab  Aristotele,  qui 
über  non  ad  me  pervenit,  licet  viderim  quaedam  e^cerpta  de  ipso. 
Kürzer  bemerkt  Thomas  zu  der  gleichen  Stelle:  hoc  determinavit 
in  libro  Problematum,  quem  non  habemus. 

Von  den  Stellen  in  der  Ethik  und  Politik,  an  welchen  Al- 
bert das  Buch  von  den  Problemen  citirt,  führt  Jourdain  auffal- 
lender Weise  nur  die  ersteren  an.  Der  Aristotelische  Text  gibt 
hier  keinen  unmittelbaren  Anlass  jene  Schrift  zu  nennen,  daher 
das  Schweigen  hei  Thomas  nichts  Aulfallendes  hat.  Wenn  aber 
Albert  anders  verfährt  und  ihn  IV  11  die  Charakteristik  der  ver- 
schiedenen Gomüthsbeschaffenheiten,  VII  15  die  Erwähnung  der 
μελαγχολικοί  veranlasst,  die  Probleme  zu  citiren,  so  wäre  noch 
zu  untersuchen,  ob  ihm  jetzt  jene  Schrift  selbst,  oder  nur  die 
zuvor  erwähnten  Auszüge  vorgelegen  haben.  Die  Stelle  in  Buch 
VTI  (tr.  2,  cap.  5,  p.  290  ed.  lammy)  spricht  für  das  letztere. 
Albert  sagt:  tamen  dicit  Aristoteles  in  problematibus,  quod  omnes 
hi  qui  fuerunt  heroicarum  virtutum  Hector  et  Priamus  et  alii  in 
melancholia  laborabant.  Gemeint  ist  offenbar  Probl.  Λ  1  init., 
p.  953*  10  sq.  In  den  Worten  heroicarum  virtutum  klingt  das 
οίον  λέγεται  τών  τε  ήριυϊκών  a  14  und  πολλοί  τών  ήρώιυν  a  26 
nach,  statt  Hektor  und  Priamus  aber  ist  im  Original  von  He- 
rakles und  Lysander,  von  Aias  und  Bellerophon  die  Rede. 

Entscheidend  ist  dagegen  die  von  Jourdain  übergangene 
Stelle  im  Commentar  zur  Politik.  Zu  II  9,  1269*»  25  sq.,  wo 
Aristoteles  die  Neigung  zu  geschlechtlichen  Ausschweifungen  als 
eine  Eigenschaft  kriegerischer  Völker  bezeichnet,  bemerkt  Albert: 
Cuius  ratio  est  in  quodam  libro  de  problematibus  quibusdam, 
quem  transtulit  quidam  dioandum  Imperatori  Frederico  de  Graeco 
in  Latinum  et  incipit:  Cum  essem  in  Graecia,  venit  ad  manus 
meas  liber  etc.  Es  ist  deutlich:  jetzt  erst  kennt  Albert  das  Werk 
selbst  oder  vielmehr  seine  lateinische  Uebersetzung,  und  die  Be- 
kanntschaft mit  demselben  veranlasst  ihn,  die  Stelle  der  Aristo- 
telischen Politik,  welche  an  und  für  sich  eine  Aufforderung  hierzu 
nicht  enthält,  durch  Probl.  Δ  11,  871^  14  (bia  τί  ol  Ιτπτεύοντες 
συνεχώς  άφροοισιαστικώτεροι  γίνονται;)  zu  illustriren.  Die 
Worte,  mit  denen  er  das  Citat  einführt,  sind  völlig  die  eines 
Mannes,  der  eine  bis  dahin  nicht  oder  nur  ungenügend  bekannte 
Schrift  bei  seinen  Zeitgenossen  einführt. 

An  dem  gleichen  Orte  wird  nun  aber  die  gleiche 
Stelle  von  Thomas  citirt.  Hätte  er  das  Citat  nicht,  so  wäre 
daraus  nichts  zu  schliessen,  da  der  Text,  wie  schon  bemerkt,  e^• 


452  Hertling 

Aeaeeerang  über  die  Problemata  nicbt  nöthig  maoht.  Daas  er 
sie  citiri,  wirft  Jourdain's  ganze  Beweisfübning  ttber  äen  Haufen. 
Er  kanute  sie  nicbt,  da  er  die  Parva  natoralia  erl&aterte,  ehm- 
sowenig  wie  dieselben  damals  Albert  bekannt  waren,  dm  dieser 
seine  Parapbrase  scbrieb.  Jetzt,  bei  der  Abfassung  des  Commeii- 
tars  zur  Politik,  bat  er  ebenso,  wie  inzwiscben  Albert  Kenntiiiis 
davon  gewonnen:  Dicitur  in  libro  de  Problematibus.  Die  gleicbe 
Eenntnissnidime  beweisen  wiederbolte  Citate  in  der  Summa  tkeoL, 
man  vgl.  1  II  q.  44,  a.  1  und  3;  q.  46,  a.  4  (sweimal).  Bais 
Tbomas  die  Eenntniss  der  Scbrift  seinem  Lebrer  verdanke,  wird 
man  ebne  Weiteres  nicht  behaupten  dürfen,  sie  konnten  beide 
unabhängig  von  einander  in  den  Besitz  der  IJeberaetsnng  ge- 
langen. Immerhin  ist  die  Einführung  des  Citats  an  beiden  Ortei 
beachtenswerth;  deutet  die  Form  derselben  bei  Albert  dahin,  dasi 
es  sich  um  etwas  Neues  handelt,  so  spricht  Thomas  davon,  wie 
von  etwas  bereits  allgemein  Bekanntem.  Kann  man  sonaoh  aii 
der  Anziehung  der  Problemata  seitens  der  beiden  Erklftrer  über 
haupt  einen  Schluss  ziehen,  so  nur  einen  solchen,  welcher  der 
Meinung  Jourdain's  diametral  entgegenläuft  und  den  CSonunenIsr 
des  Lehrers  chronologisch  vor  den  des  Schülers  setzt.  Man  wird 
sogar  zu  vermntben  geneigt  sein,  dass  eben  der  Vorgang  d« 
Ereteren  für  Thomas  Yeranlaesung  wurde,  die  Stelle  der  Politik 
durch  die  Ausführung  der  Probleme  zu  erläutern. 

Beide  Argumente  Jourdain's,  welche  für  den  Commentar  des 
Thomas  die  Priorität  vor  dem  Alberte  des  Grossen  erweisen  soll- 
ten, haben  sich  sonacb  als  unetichbaltig  herausgestellt.  Dass  der 
letztere  von  dem  ersteren  abhängig  wäre,  läset  sich  auch  sonrt 
nicht  erweisen.  MissverständnisBe,  durch  Unkenntniss  des  grie- 
chischen Alterthums  entstanden,  finden  sich  zahlreich  an  beidei 
Orten,  aber  sie  decken  einander  keineswegs  überall,  man  vergl. 
beispielsweise  die  Deutung,  welche  die  Erzählung  von  Philolsu• 
und  Diokles  II  12,  1274»  31  sq.,  da  und  dort  gefunden  hat.  Di• 
zu  Eingang  besprochene  verständige  Erklärung  des  'delphiscbea 
Messers'  hat  Albert  nicht.  Zu  1274*  12  fügt  Thomas  aus  eigenem 
Wissen  hinzu:  Cum  enim  rex  Medorum  invaderet  Athenieneee« 
illi  cogitantes,  quod  neque  fines  suos  tueri  poterant  neque  obsi* 
dionem  civitatis  sustinere,  collocatis  pueris  et  mulieribue  et  rebes, 
quas  habebant,  in  aliis  Graeciac  civitatibus,  dimissa  civitate, 
transtulerunt  bellum  de  terra  ad  maro.  Albert  weiss  von  den 
näheren  Umständen  nichts,  er  sagt  lediglich:  cum  navali  hello 
pugnarent  contra  Medos,    qui  eos  invaflerunt.     Bei   unbefangener 


Zur  Geschichte  der  Aristotelischen  Pulitik  im  Mittelalter.       453 

Yergleichung  wird  man  in  der  Arbeit  dee  Schülers  eher  einen 
Fortschritt  über  die  des  Lehrers  hinaus  erblicken. 

Geht  man  nun  aber  umgekehrt  den  Spuren  einer  etwaigen 
Beeinflussung  in  dieser  letzteren  Richtung  nach,  so  ist  auch  hier 
nicht  viel  zu  finden,  was  sich  dafür  ansprechen  liesse.  Ich  möchte 
dahin  rechnen;  Alb.  M.  zu  II  9,  1271*5:  Propter  quod  melius 
est  ipsos  non  sine  correctione  esse  (βίλτιον  αυτούς  μή  ανεύθυ- 
νους είναι),  sc.  quod  deponi  possint  si  civitati  inveniantur  inu- 
tiles;  Thomas:  Sed  nos  —  im  Sinne  des  Aristoteles  gesagt  — 
intelligimus  de  alia  correctione,  ut  scilicet  possint  amoveri,  quod 
Ephori  facere  non  poterant.  Alb.  M.  zu  ΠΙ  1,  1275*  12:  In 
multis  quidem,  sc.  locis,  neque  iis,  iustis  scilicet  et  sententiis, 
perfecte  adventitii  participant,  sed  necesse,  adventitiis  scilicet, 
tribuere  astitorem,  i.  e.  fidei  iussoretn,  qui  stet  pro  ipsis,  qui 
scilicet  iuri  pareant  et  sententiae  iudioum,  quod  non  facit  civis; 
Thomas:  In  quibusdam  civitatibus  extranei  non  participant  per- 
fecte huiusmodi  iustitia  sicut  cives,  sed  necesse  est,  quod  si  vo- 
lunt  iudicio  contendere,  quod  dent  patronum,  idest  fideiiussorem 
de  parendo  iuri.  Unde  patet,  quod  (idventitii  imperfeote  partici- 
pant communione  iustitiae.  Indessen  kommt  hierauf  so  viel  nicht 
an.  Ist  erst  die  allzurasch  aufgenommene  Hypothese  A.  Jour- 
dain's  von  der  Priorität  der  Erklärung  der  Politik  durch  Thomas 
beseitigt,  so  wird  man  es  ohne  Weiteres  glaublich  finden,  dass 
Thomas  hier  wie  anderwärts  aus  den  Vorarbeiten  seines  Lehrers 
Nutzen  zog. 

Vor  der  Aufsteilung  jener  Hypothese  aber  hätte  endlich 
schon  der  Umstand  bewahren  müssen,  über  den  der  jüngere 
Jourdain  viel  zu  leicht  hinweggeht,  dass  der  Commentar  des 
Thomas  Fragment  geblieben  ist  und  nach  dem  Tode  des  Ver- 
fassers (1274)  von  einem  seiner  Schüler,  Peter  von  Auvergne, 
fortgesetzt  wurde. 

Nach  den  Angaben  der  alten  Berichterstatter,  zu  welchen 
aber  an  dieser  Stelle  die  beiden  vornehmsten  Gewährsmänner, 
Ptolemäus  von  Lucca  und  Wilhelm  von  Tocco  nicht  gehören, 
hätte  Thomas  die  vier  ersten  Bücher  erläutert.  Ihnen  schliessen 
sich  Ε  c  h  a  r  d  und  B.  M.  de  Κ  u  b  e  i  β  an.  Zwar  erwähnt  der 
erstere  (Script.  Ord.  Praed.  I  286  sq.)  einer  dem  13.  oder  14. 
Jahrhunderte  angehörigen  guten  Handschrift  (cod.  reg.  n.  4752), 
welche  im  dritten  Buche  am  Schlüsse  der  Lectio  IV  (Cap.  8 
Bekk.)  die  Notiz  enthält,  ^Explicit  sententia  libri  politicorum* 
und  am  Schlüsse  des  Ganzen   anmerkt  ^Explioiunt  scripta  super 


454  Heriling 

libroe  politioorum  edita  a  magietro  Petro  de  Alvemia*.  IMeYar- 
muthang,  dase  jene  Notiz,  wenn  auch  in  verstOmmelter  Form  die 
Stelle  bezeichne,  wo  Thomas  die  Arbeit  abbrach,  könnte  Mdann 
eine  gewisse  Bestätigung  durch  das  Zeugniss  eines  Henuitgeben 
aus  dem  15.  Jahrhundert  gewinnen.  Hierüber  berichtet  B.  IL  do 
fiubeis  (Dissert.  XXIII  p.  241):  Theophili  Cremonensis  Ord.  Pxisd. 
(qui  anno  1471  Commentaria  S.  Thomae  a  se  diligenter  ad  Tarios 
Codices  mss.  recognita  in  Aristoteiis  libros  in  luoem  Yenetiie  apad 
Bonetium  Locatellum  protulit,)  haec  verba  sunt  in  Prologo  [uk 
habe  die  Ausgabe  bisher  nicht  selbst  einsehen  können] :  *  In  dost 
solummodo  FalUicorum  cum  maiore  parte  tertii:  hos  namqne  solo• 
reperi  Divum  Doctorem  accuratissime  commentasse,  licet  nonnnlli 
asserant,  ipsum  in  omnes  Politicorum  libros  commentaria  edidiise. 
Sed  si  sie  volunt,  referant  obsecro,  unde  tanta  obrepsit  commes- 
tariis  diversitas  posi  dimidiati  Tertii  libri  commentationem•  Conr 
mentatio  itaque  illa  non  Divo  Doctori,  sed  doctissimo  viro  Petro 
Alvernati  .  .  .  adscribenda  est:  reliquis  enim  Petri  commenta- 
tionibus  haec  in  Politicorum  libros  commentationum  snppletio 
plurimum  alludit*.  Trotzdem  glauben  die  beiden  Genanntes, 
welche  sich  um  genaue  Feststellung  der  Lebensumstände  nnd  der 
Hchriftstellerischen  Thätigkeit  des  Thomas  von  Aquin  grosse  Ver 
dienste  erworben  haben,  die  andere  Aneicht,  wonach  die  viex 
ersten  Bücher  von  Thomas  herrühren,  als  die  besser  hezeugte 
festhalten  zu  sollen.  Dagegen  hat  neuerdnigs  Thümes  (Comment 
lit.  et  crit.  de  S.  Thomae  Aq.  operibus  etc.  Berol.  1874,  p.  32) 
auf  Grund  der  beiden  angeführten  Anhaltspunkte  mit  allem  Nach- 
drucke die  Urheberschaft  des  Thomas  auf  jenen  engeren  Umfong 
einschränken  wollen.  Um  dies  indessen  mit  grösserem  Erfolg 
thun  zu  können,  hätte  nachgeholt  werden  müssen,  was,  wie  ee 
scheint,  bereits  Tlieojdiil  von  Cremona  versäumte:  der  gensae 
Nachweis  der  bedeutsamen  Verschiedenheit,  welche  die  beiden 
durch  den  nach  III  8  gemachten  Einschnitt  geschiedenen  Thcile 
von  einander  trennt.  Ich  führe  nachstehend  einige  Hauptpunkte 
an,  die  sich  mir  bei  wiederholter  Vergleicliuiig  aufgedrängt  haben. 
Zuvor  wurde  bereits  der  sorgfältigen  Gliederung  des  Ari- 
stütelischen  Textes  gedacht,  welche  Tlioma«  der  Erläuterung  vor 
auszuschicken  pflegt.  Peter  von  Auvergne  oder  wer  sonst  den 
Commentar  fortsetzte,  folgt  ihm  darin,  aber  die  Ausdruckswei^ 
ist  eine  andere.  Für  die  kurze  Eintheilungsformel  adhuc  prima 
in  duas,  welche  bis  zu  der  angegebenen  Grenzlinie  nicht  vor 
kommt,    von  jetzt  ab  aber   stehend  wird,    finde  ich  bei  Thomas 


Zur  Geschichte  der  Arisiutelisrhen  Pulitik  im  Mittelalter.      45δ 

nirgendwo  einen  Beleg.  Thomas  feiner  gibt  zuerst  nar  die  £in- 
theilungen,  die  Begründung  der  späteren  Ausführung  überlassend, 
der  Fortsetzer  liebt  es,  sogleich  die  Motivirung  hinzuzufügen. 
Nicht  minder  eignen  dem  letzteren  pedantisch  weitläufige  Reka- 
pitulationen am  Schlüsse  der  einzelnen  Abschnitte,  welche  in 
dieser  Gestalt  Thoraas  fremd  sind.  Hiernach  dürfte  sich  bereits 
beurtheilen  lassen,  was  von  des  jüngeren  Jourdain  Aeusserung 
zu  halten  ist  (a.  a.  0.  S.  90):  Nous  n'avons  aper^u  aucune  dif- 
ference  ui  pour  la  methode,  ni  pour  les  opinions,  ni  meme  pour 
le  style  entre  le  dibut  et  la  fin  du  Commentaire  sur  la  Politique. 

Sodann  möge  noch  auf  einen  anderen,  sehr  auffallenden  Um- 
stand hingewiesen  werden.  In  den  systematischen  Schriften  der 
frülieren  Zeit  citirt  Thomas  die  Politik  nur  selten.  In  der  soge- 
nannten Summa  contra  gentiles,  den  Quaestiones  disputatae  und 
den  Quaestiones  quodlibetales  zähle  ich  17  ausdrückliche  Citate 
oder  deutlich  erkennbare  Anspielungen.  Sehr  häufig  sind  dagegen 
die  Anführungen  in  dem  letzten  und  reifsten  Werke,  an  dessen 
Vollendung  ihn  der  Tod  verhindert  hat,  in  der  Summa  theologica, 
und  hier  vorzüglich  in  dem  zweiten,  die  gesammte  Sittenlehre 
umfassenden  Theil.  Ich  zähle,  ohne  für  Vollständigkeit  eintreten 
zu  wollen,  124  Citate.  Das  Wichtige  ist  aber  nicht  die  Gesammt- 
zahl,  sondern  eine  aus  der  Vergleichung  der  einzelnen  Citate  sich 
ergebende  Verhältnissziifer,  welche  auch  durch  eine  mögliche  Er- 
höhung der  ersteren  kaum  wesentlich  modificirt  werden  dürfte. 
Von  den  124  Citaten  gehen  nämlich  nur  15  über  das  achte  Ka- 
pitel des  dritten  Buches  hinaus.  Dass  eine  so  auffällige  Zurück- 
setzung der  späteren  Kapitel  sich  aus  dem  Inhalte  derselben  er- 
kläre, wird  Niemand  behaupten,  dem  die  Art  und  der  Umfang 
bekannt  ist,  in  welchem  die  mittelalterlichen  Lehrer  ihre  Dar- 
stellungen durch  Anführung  von  Auktoritäten  zu  stützen  oder  zu 
schmücken  pflegen  (vergl.  hierüber  Bardenhewer,  die  pseudo- 
aristotelische  Schrift  über  das  reine  Gute  bekannt  u.  d.  N.  Liber 
de  causis  u.  s.  w.  S.  256  ff.).  Vielmehr  scheint  mir  die  nahe- 
liegende Erklärung  die  zu  sein,  dass  dem  Verfasser  nur  jene 
früheren  Partien  so  vollkommen  geläufig  waren,  dass  ihm  an 
passender  Stelle  sofort  ein  Citat  zur  Hand  war.  Hierin  aber 
könnte  man  dann  wieder  eine  Bestätigung  dafür  finden,  dass  es 
eben  nur  diese  Partien  waren,  welche  er  einer  eingehenden  Be- 
arbeitung unterworfen  hatte. 

£in  abschliessendes  Urtheil  wird  sich  b'er  nur  auf  Grund 
des  gesammten  handschriftlichen  Materials  ergeben.    Wie  dasselbe 


466  Hertling 

aber  auch  aasfallen  möge,  jedenfalle  hat  Thomas  iiioht  die  aisint- 
lichen  Büoher  der  Politik  selbst  commentirt    Nioht   das   fertige 
Werk  seines  Sohülers  also  hätte  dem  bereite  hoohbetagten  Albert 
vorgelegen  ^  er  starb  87  Jahre  alt  1280  — ,  sondern  von  die- 
sem nur  ein  Bruchstück,   während  der  Best  von  einem  Sohtier 
des  Schülers  herrührte.    Es  ist  schlechterdings  kein  Chnind  fir 
die  Annahme  vorhanden,  dass  Albert  hierauf  gewartet  bitte,  um 
nun  erst,   und  durch  die  Vorlage  beeinflusst,    seinereeiie   an  dk 
Erläuterung  der  Aristotelischen  Schrift  eu  gehen,     iraoh   eeiMr 
ganzen  Art  ist  vielmehr  anzunehmen,    dass  er  die  Erlftatenoig 
sofort  begann,    als   er  in  den  Besitz  der  üebersetzon^  gelangt 
und  nicht  durch  anderweite  Arbeiten  oder  Gtosohifte  in  Aneprnoh 
genommen  war. 

Dies  führt  auf  einen  letzten  Punkt,  der  noch  kam  erOztsrt 
werden  soll.  Susemihl,  der  die  mittelalterliche,  von  Thomas  voa 
ICoerbeka  gefertigte  und  von  den  beiden  Commentatoren  gleiek- 
mässig  benützte  üebersetzung  der  Politik  neu  heransgegeb«!!  Int, 
bemerkt  bezüglich  ihrer  Abfassungszeit  nur,  dieselbe  sei  vor  1S74, 
dem  Todesjahre  des  Thomas  von  Aquin  anzusetzen  (a.  a.  O.  p.  Tl, 
n.  4).  Er  that  gut,  die  unsicheren  Zeitangaben  völlig  su  ignorires, 
welche  Oncken  (a.  a.  0.  S.  70)  aus  Jourdain  herttbemahm.  Ib- 
dessen  lassen  sich  anderswoher  zuverlässige  Anhaltspunkte  flr 
eine  genauere  Fixirung  des  Zeitpunktes  gewinnen.  • 

In  dem  Commentar  zu  den  Sentenzenbtichem  des  Petnu 
Lombardus,  welchen  Thomas  nach  gewöhnlicher  Ansicht  zwischen 
1252  und  1256,  jedenfalls  aber  vor  1261  verfasste,  erwähnt  er 
der  Politik  nicht.  Das  argumentum  ex  silentio  hat  hier  um  det- 
sentwillen  entscheidende  Bedeutung,  weil  Thomas  wiederholt  Ge- 
legenheit zur  Erwähnung  gehabt  hätte,  so,  wenn  er  von  der 
gesellschaftlichen  Bestimmung  des  Menschen,  von  der  Sklaverei, 
von  der  Tyrannis  redet.  Wäre  ihm  die  Politik  bekannt  gewesen, 
er  hätte  hier  wie  in  den  späteren  Schriften  ihre  Anssprficlie 
citirt,  statt  dessen  verweist  er  auf  Stellen  aus  dem  8.  Buch  der 
Nikomachischen  Ethik.  Ebensowenig  findet  sich  eine  Erwähnung 
der  Politik  in  den  gleichfalls  vor  1261  zu  setzenden  Quaestiones 
de  veritate.  Man  kann  damit  zusammenbringen,  dass  Yincenz 
von  Beauvais  unter  den  Schriften  des  Aristoteles,  die  er  in 
seinem,  um  1254  verfassten  '  Geschichtsspieger  aufführt,  die  Po- 
litik nicht  erwähnt  (Jourdain,  Forschungen  u.  s.  w.  S.  36).  Sie 
ist  endlich  nicht  citirt  in  den  sechs  ersten  unter  den  Quaestiones 
quodlibetales,    welche  Thomas   nach  Angabe   der    alten   Bericht- 


Zur  Geschichte  der  Aristotelischen  Politik  im  Mittelalter.      467 

eretatter  ebenfalls  noch  während  des  Pariser  Aufenthaltes  ver- 
fasste.  In  der  Qnaest.  XII  dagegen,  deren  Abfassung  nach  den 
gleichen  Gewährsmännern  nach  Italien  zu  verlegen  ist,  wohin 
eich  Thomas  1261  auf  Veranlassung  Papst  ürban^s  lY.  begab, 
heisst  es  (q.  16,  a.  23,  ob.  2):  Secundum  Philosophum  cum  mu- 
tatur  ordo  civitatis  non  remanet  eadem  civitas  u.  s.  w.,  womit 
ohne  Zweifel  auf  Pol.  III  3,  1276*  38  angespielt  ist.  Ausdrück- 
lich in  den  Anfang  des  italienischen  Aufenthalte,  in  die  Regie- 
rungszeit des  genannten  Papstes,  welche  1265  ihr  Ende  fand, 
setzt  Ptolemäus  von  Lucca  die  Abfassung  des  Werkes,  welches 
gewöhnlich  unter  dem  Namen  Summa  contra  gentiles  angeführt 
wird.  Dort  wird  im  dritten  Buch,  cap.  22  Pol.  I  5  und  cap.  79 
Pol.  I  3  citirt.  Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  Thomas  alsbald 
nach  seiner  üebersiedelung  von  dem  Werke,  das  ihm  in  Paris 
unbekannt  geblieben  war,  Eenntniss  erhalten  hatte. 

Die  Anfertigung  der  lateinischen  Uebersetzung  durch  Wil- 
helm von  Moerbeka  ist  hiernach  um  1260  zu  setzen.  Der  An- 
nahme einer  Erläuterung  der  Aristotelischen  Politik  durch  Albert, 
ehe  noch  Thomas  Hand  an  dieselbe  gelegt  hatte,  steht  somit  auch 
von  dieser  Seite  kein  Hindemiss  entgegen. 

München.  G.  Freiherr  von  Hertling. 


lieber  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener. 


In  dem  Leben  des  Thakydides  von  IfarcelUnue  findet  tick 
eine  aufiallige  Nachriclit  über  eine  von  den  Athenern  nacli  der 
Niederlage  in  Sicilien  erlassene  Amnestie,  auffällig  deehalby  weil 
sich  sonst  nirgendwo  eine  Spur  dieser  Amnestie  nachweisen  liüt 
Wir  lesen  nämlich  hier  (32—34)  Folgendes:  Δίδυμος  h*  έν  *ΑΘ4- 
ναις  άπό  τής  φυγής  έλθόντα  βιαιψ  θανάτψ  φησίν  άιτοθαν€Ϊν. 
τοΟτο  bi  φησι  Ζώττυρον  1στορ€Ϊν*  τους  γαρ  'Αθηναίους  κάθοδον 
bebuiK^vai  τοις  φυγάσι  πλην  τιυν  ΤΤεισιστρατιΐΗ&ν  μετά  'apf 
ήτταν  τήν  έν  Σικελιφ*  ήκοντα  ουν  αυτόν  άιτοθαν€Ϊν  βίφ  κοί 
τεθήναι  έν  τοις  Κιμιυνιοις  μνήμασι.  και  καταγινώσκειν  €ύήθ€ΐαν 
?φη  τών  νομιίόντιυν  αυτόν  έκτος  μέν  τετελευτηκίναι,  έτη  γήζ 
οέ  της  'Αττικής  τ€θάφθαΓ  ή  γάρ  ουκ  Sv  ετέθη  έν  τοις  πα- 
τρώοις  μνήμασι  ή  κλέβοην  τεθείς  ουκ  δν  έτυχεν  ούτε  στήλης 
ούτε  επιγράμματος,  ή  τψ  τάφψ  προσκείμενη  του  συγγραφέως 
μηνύει  τοονομα.  άλλα  δήλον  δτι  κάθοδος  εδόθη  τοις  φευγουσιν, 
ώς  καΐ  Φιλόχορος  λέγει  και  Δημήτριος  έν  τοις  δρχουσιν.  έΐώ 
οέ  Ζώπυρον  ληρεϊν  νομίίω  λέγοντα  τούτον  έν  Θρ<|ίκΐ]  τετελεν- 
τηκέναι,  καν  άληθεύειν  νομίίη  Κράτιππος  αυτόν,  το  V  έν  Ίτο- 
λίςι  Τίμαιον  αυτόν  και  άλλους  λέγειν  κεΐσθαι  μη  και  σφόορβ 
καταγέλαστον  ή. 

Α.  KirchhofF  hat  in  seiner  Abhandlung  über   eine  Urkunde 
der   Poleten   von   Ol.  91,  3   (Jahrb.   für  Phil.  1860)    S.   248  die 
bezügliche  Angabe  als  zuverläsHige  Ueberlieferiing   in  Schutz  ge- 
nommen und  K.  Scholl  schliesst  sich  im  Hermes  XIII   S.  439  f. 
dieser  Ansicht    an.     Kirchhoff    glaubt    nämlich,    daes    das   Still- 
schweigen des  Thukydides  durch  das  Zeugniss  eines  Mannes  wi«* 
Pbilochorofl    aufgewogen    werde,    und    ähnlich    beruft  sich  Scbol! 
darauf,    dass  Didymos  diese  Thatsache   nach   den  Zeugnissen  <ler 
Chronisten  Dcnietrios    des   Phalercers   und    Philochoros    berichte. 


Ueber  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener.  469 

Das  nun  ist  freilich  klar,  dass  die  ganze  auegeechriebene  Stelle 
mit  ihrem  Wechsel  zwischen  directer  und  indirecter  Eede  der 
Beweisführung  des  Didymos  angehört  und  also  dieser  sich  auf 
das  Zeugniss  des  Philochoros  und  Demetrios  berufen  hat;  sehen 
wir  aber  zu,  was  denn  ihr  Zeugniss  eigentlich  besagt,  so  finden 
wir  nur  die  Thatsache  der  Zurückberufung  (δτι  κάθοδος  έοόθη 
τοις  φ€ύτου(Τΐν),  keineswegs  aber  die  Zeit,  wann  diese  stattge- 
funden habe,  durch  sie  gewährleistet.  Auch  genügt  jene  That- 
sache an  und  für  sich  vollständig  zum  Beweise  dessen,  was  hier 
bewiesen  werden  soll,  dass  Thukydides  nämlich  nach  seiner  Rück- 
kehr aus  der  Verbannung  den  Tod  gefunden  habe.  Denn  dieser 
Beweis  ist  ebenso  Erbracht,  wenn  das  Zeugniss  des  Philochoros 
und  Demetrios  sich  auf  die  durch  den  Lyeandriechen  Frieden  er- 
folgte Amnestie  bezieht.  Wir  sind  also  für  die  frühere  Begna- 
digung lediglich  auf  das  Zeugniss  des  Didymos  oder  vielmehr 
des  Zopyros,  so  weit  uns  dies  in  ächter  Gestalt  vorliegt,  ange- 
wiesen. 

Sehen  wir  denn  zu,  ob  die  Thatsache  an  sich  haltbar  ist. 
Nun  wäre  freilich  das  Stillschweigen  des  Thukydides  schon  räthsel- 
haft  genug,  da  er  des  Näheren  über  den  Hermenfrevel  und  die 
Mysterienentweihung  berichtet  hat,  in  Folge  deren  manche  flüchtig 
geworden  waren,  denen  diese  Begnadigung  in  erster  Linie  zu 
Gute  gekommen  wäre.  Doch  würde  sich  vielleicht  für  dieses 
Stillschweigen  noch  eine  Erklärung  ersinnen  lassen,  so  gut  und 
80  schlecht  als  man  sonst  Beweggründe  dafür  zu  erfinden  weiss, 
dass  er  auch  andere  zur  Sache  gehörige  Thatsachen  absichtlich 
verschwiegen  habe.  Aber  man  fragt  sich:  warum  ist  denn  Thu- 
kydides selbst  nicht  in  Folge  dieser  Amnestie,  sondern  erst  nach 
Beendigung  des  Krieges  zurückgekehrt,  da  es  für  ihn  doch  vom 
grössten  Interesse  sein  musste  gewisse  Dinge,  namentlich  die 
Vorgänge  bei  der  oligarchischen  Reaction,  die  er  so  eingehend 
geschildert  hat,  an  Ort  und  Stelle  kennen  zu  lernen?  Scholl 
meint  nun,  Thukydides  könne  Grund  gehabt  haben  trotzdem  die 
Heimkehr  für  bedenklich  und  gefährlich  zu  halten,  indem  er  auf 
den  Fall  des  Redners  Andokides  hinweist;  dieselbe  Ansicht  habe 
Thukydides  auch  noch  nach  der  Amnestie  von  404  gehabt  und 
habe  deshalb  das  ihn  speciell  zur  Rückkehr  ermächtigende  Pse- 
phisma   des   Oinobios    abgewartet  ^.     Dies    Psephisma   aber    hat 


1  Eine  andere  Meinung  sucht  die  Thatsache,  dass  weder  die  Am- 
nestie von  413  noch  die  von  404  dem  Thukydides  die  Bückkehr  ge- 


4θ0  8tahl 

eioherlich  eine  andere  Bedentang.  Wenn  nftmlich  PanwniM  I 
23,  11  berichtet,  Thukydides  sei  durch  ein  Peephiema  des  Oino- 
bio8  znrttckberofen  worden,  so  hat  das  keinen  anderen  Sinn  ab 
daee  die  im  £xil  Lebenden  überhaupt  nnd  also  auch  Thnkydidet 
durch  jenen  Yolkebeeohlnee  die  Heimkehr  erlangten  Κ  Denn  ataatt- 
rechtlioh  ist  es  unbegreiflich,  daee  ausser  der  allgemeinen  Amneetie 
noch  ein  besonderer  Besohluss  derselben  Art  über  Thnkydidet 
gefasst  worden  sei.  Dann  aber  war  auch  offenbar  aar  Ausfüh- 
rung der  bezüglichen  Friedensbestimmuug  ein  besonderer  Yolka- 
beschluss  nöthig;  denn  in  den  Friedensbedingungen,  die  nach 
Flut.  LvB.  14  in  Form  eines  von  den  Ephoren  gestellten  UlB- 
matums  nach  Athen  gelangten,  war  nur  verordnet,  daee  dieYel• 
bannten    und  Flüchtigen   zurückgerufen    werden   sollten*.     Also 


stattet  habe,  durch  die  Annahme  zu  erklären,  er  sei  wegen  fcpoboeb 
zum  Tod  Torurtheilt  worden  nnd  habe  sich  der  VoUziehungf  dieses  ür• 
tbeils  durch  die  Flucht  entzogen;  deshalb  hätten  die  Amnestiebeaddüsis 
auf  ihn  keine  Anwendung  gefunden  und  sei  für  ihn  eine  beeondan 
Begnadigung  nöthig  gewesen.  Dagegen  spricht  einmal,  dasa  in  beidoi 
Fällen  nach  dem  Wortlaut  unserer  üeberlieferung  die  Amnestie  aD- 
gemein  war  und  also  auf  Thukydides  auch  dann  Anwendung  geftmden 
haben  würde,  wenn  er  wirklich  zum  Tod  verurtheilt  worden  wäre; 
denn  sonst  wären  ja  auch  für  die  übrigen  Flüchtlinge,  die  w^^  des 
Hermenfrevels  oder  der  Mysterienentweihung  in  contumaciam  zum 
Tode  verurtheilt  waren  (Th.  VI  60,  4.  61,  7),  solche  besondere  Be- 
schlüsse nothwendig  gewesen.  Dann  ist  es  aber  auch  nicht  wahr,  dsn 
Thukydides  zum  Tod  verurtheilt  worden  ist,  da  er,  wie  er  bekannttidi 
selbst  sagt,  während  der  Zeit  seiner  Verbannung  im  athenisohen  Feld- 
lager verkehrt  hat.  Wenn  er  bloss  mit  Verbannung  bestraft  war, 
stand  ihm  natürlich  ein  solcher  Verkehr  ausserhalb  Attikas  frei.  An- 
ders, wenn  er  zum  Tod  verurtheilt  gewesen  wäre  und  sich  diesem  Ür- 
thcil  durch  die  Flucht  entzogen  hätte;  man  hätte  ihn  ergreifen  und 
zur  Vollstreckung  desselben  nach  Athen  bringen  müssen.  Alkibiadei 
kommt  erst  zum  Heere  nach  Samos,  nachdem  von  demselben  förmlich 
Amnestie  und  Rückkehr  für  ihn  beschlossen  worden  ist  (Th.  VIII  81, 1), 
welchem  Beschluss  dann  später  auch  die  athenische  Volksversammlung 
beitritt  (Th.  VIII  97,  3). 

*  Diese  Ansicht  habe  ich  bereits  in  der  Einleitung  zu  meiner 
Textausgabe  des  Thukydides  S.  IX  kurz  ausgesprochen,  damit  aber  bei 
denen,  welche  später  über  die  Sache  gehandelt  haben,  keine  Beachtoog 
gefunden.  Selbst  0.  Gilbert,  der  die  nämliche  Erklärung  im  Philol. 
XXXVI Π  S.  253  aufstellt,  weiss  nicht,  dass  dieselbe  von  mir  schon  5 
fahre  vorher  gegeben  worden  ist;  jedenfalls  erwähnt  er  es  nicht. 

^  Diesen  Sinn  hat  τους  φυγάδας  καθέντας  Xen.  Hell.  II  2,  20  and 
οος  φυγάδας  άνέντες  Plut.  Lys.  14. 


Ueher  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener.  461 

war  auch  noch  nach  der  auf  Antrag  des  Theramenes   durch   das 
athenische  Volk  vollzogenen  Ratification  des  Friedens  (Xen.  Hell. 
II  2,  22)  ein  besonderes  Amnestiedecret  nöthig.     Das  wird  denn 
auch  indirect  angedeutet  bei  Andokides  I  80  τους  bi.  φεύγοντας 
οοτε  ΤΤατροκλείοης  είπε  κατιίναι  ουθ'  ύμεϊς  έψηφίσασθε.   έπεί 
b'   α\   σπονοαΐ  προς  Λακεδαιμονίους   έγίνοντο,   και   τα  τείχη 
καθείλετε  και  τους  φεύγοντας  κατεοέΕασθε,    wo  der  Gregensatz 
dazu   nöthigt  auch   bei  τους  φεύγοντας  κατεοβασθε   an  einen 
bezüglichen  Antrag   und  Yolksbeschluss    zu    denken^.     Das    von 
Scholl  angeführte  Beispiel  des  Andokides   beweist  für  seine  An- 
sicht wenig.     Hätte  Thukydides  dieselben  Anfeindungen  und  An- 
klagen   wie   dieser    zu    fürchten  gehabt,    so  würde   ihn   dagegen 
das  specielle  Decret  seiner  Zurückberufung  ebenso   wenig   haben 
schützen    können    wie    der   allgemeine  Amnestiebeschluss.     Also 
bliebe   bei    der  Amnestie   von   413  nach   wie  vor  die  Thatsache 
unerklärlich,    dass  Thukydides    von    derselben    keinen   Gebrauch 
gemacht  hätte.     Ebenso   bedenklich  aber  wie  das  Schweigen  des 
Thukydides    ist   für   diese  Amnestie    das    des  Andokides   in   der 
Rede  über  die  Mysterien.     Wenn  derselbe  nämlich,    nachdem  er 
vorher  (I  67)  derjenigen  gedacht  hat,  welche  in  Folge  des  Her- 
mokopidenprocesses    geflohen    waren,    dann   über   das  Psephisma 
des  Patrokleides   sagt  τους   bi  φεύγοντας  οδτε  ΤΤατροκλείοης 
είπε  κατιέναι  ουθ'   ύμεΐς  έψηφίσασθε,    so  lässt  eich  doch  eine 
frühere  Amnestie,  in  Folge  deren  jene  Flüchtigen  sämmtlich  zu- 
rückgekehrt  wären,    kaum    denken,    zumal  für   den  Redner    ein 
besonderer  Antrieb   dieselbe    zu   erwähnen   darin   gelegen   hätte, 
dass  durch  eine  so  bald  eingetretene  Begnadigung  der  Flüchtigen 
die  ihn  belastenden  Folgen  seiner  Denuntiation  geringer  erscheinen 
mussten.     Entscheidend  aber  für  die  ganze  Frage  ist  meines  Er- 
achtens  eine  Stelle  des  Thukydides.     Wir  lesen  nämlich  bei  ihm 
VIII  70,  1  von  den  Vierhundert:  (ίστερον  bk  πολύ  μεταλλάΕαν- 
τες  της  του  δήμου  διοικήσεως,  πλην  τους  φεύγοντας  ου  κατή- 
γον  του  Άλκιβιάδου  ίνεκα,   τά  τε  δλλα  ^  ένεμον  κατά  κράτος 
την  πόλιν  και  άνδρας  .  .  άπέκτειναν  ου  πολλούς.    Hier  kann 
πλην  τους  φεύγοντας  ου  κατήγον  του  Άλκιβιάδου  ίνεκα  doch 
nur  heissen :  ^  sie  riefen  die  Verbannten  und  Flüchtigen  nicht  heim, 
weil  sie  sonst  auch  dem  Alkibiades  die  Heimkehr  gestattet  hätten'; 


^  So  auch  0.  Gilbert  a.  a.  0. 

^  So  nach  Classen's  Verbesserung  statt  τά  hi  αλλά,  worüber  meine 
Bemerkung  in  der  Poppo'schen  Ausgabe  zu  vergleichen  ist. 


462  Stahl 

du  aber  hätte  gar  keinen  Sinn,  wenn  jemals  eine  aUgesriBe 
Amneetie  mit  Aneechlnae  des  Alkibiadea  erfolgt  wire,  was  doch 
der  Fall  gewesen  sein  mfisste,  wenn  eine  solche  naoh  dem  sici- 
lisehen  Feldzng  erlassen  worden  wire.  Dann  aber  seigt  aneh 
der  Zusammenhang,  in  welchem  diese  Worte  stehen«  gans  dest- 
lichf  dass  anch  während  der  yorhergehenden  demokrmtiaehen  Be- 
giemng  die  Verbannten  nnd  Flfiohtlinge  nicht  snriiokbemfen  wer- 
den sind ;  denn  gerade  in  diesem  Punkte  wurde  ja,  wie  uns  gesagt 
wird,  von  den  Vierhundert  nichts  geändert.  Dasn  kommt  eins 
andere  Erwägung.  Die  angeführte  Stelle  ist  dem  Bericht  Ober 
die  Ereignisse  des  Frühjahrs  411  entnommen;  die  fragliebe  Am* 
nestie  aber  mttsste  nach  dem  Herbst  413  erlassen  sein•  Ee  mttsstea 
daher  in  der  kurzen  Zwischenseit  yon  noch  nicht  ΐγ^  Jaliren  ss 
viele  aristokratisch  Gesinnte  ins  Exil  gegangen  sein,  daas  ihres 
Parteigenossen  eine  allgemeine  Amnestie  wttnsohenewerth  er- 
schienen wäre,  wenn  dieselbe  nicht  auch  dem  Alkibiades  die  Bfiek- 
kehr  gestattet  hätte.  Das  aber  ist  kaum  denkbar.  ViTftliTend  des 
ersten  Jahres  des  dekeleischen  Krieges  hören  wir  von  innem  geges 
die  Aristokraten  gerichteten  Bewegungen  nichts;  angenseheinlich 
waren  alle  Kräfte  darauf  gerichtet  die  Mittel  zum  Widerstände 
gegen  die  von  allen  Seiten  andringenden  Feinde  aafsnbringes. 
Gleich  mit  dem  Winter  des  folgenden  Jahres  aber  beginnt  die 
oligarcbieche  Reaction  (Th.  VIII  47,  2.  48,  1),  welche  dann  bald 
daranf  znr  Herrechaft  der  Vierhundert  führt  (Th.  VIII  63,  3). 
AuRser  der  bcRprochenen  Stelle  des  Thukydides  lässt  aber  auch 
die  Thatsache,  dass  der  durch  Ostrakismos  verbannte  Hyperbolo« 
nach  Th.  VIII  73,  3  im  Frühjahr  411  in  Samos  ermordet  wurde, 
die  Amnestie  von  413  als  unmöglich  erscheinen.  Sein  Ostra- 
kismos fand  nämlich  418  oder  417  statt  ^;  diese  Amnestie  wäre 
also  auch  ihm  zu  Gute  gekommen  und  er  hätte  nicht  mehr  411 
in  der  Verbannung  seinen  Tod  finden  können.  Wenn  aber  in 
der  That,  wie  Kirchhoff  a.  a.  0.  S.  247  nachweist,  schon  vor  der 
in  Folge  des  Lysandrischen  Friedens  ergangenen  Amnestie  zwei 
aus  Anlass  des  Hermokopidenprocesses  flüchtige  Männer,  Axiocho«i, 
der  im  Proccss  der  Feldherrn  nach  der  Arginusenschlacht  auf- 
tritt, und  Adeimantof»,  der  gleich  nach  dieser  Schlacht  zum  Stra- 
tegen gewählt    wurde   und  bei  Aigospotaraoi  befehligte,    zurück- 

1  Kirchhoif  Reibst  setzt  den  Ostrakismos  des  Hyperbolos  im  Her- 
mei  I  S.  5  ins  Jahr  418,  E.  Curtius  Gricch.  Gesch.^  II  S.  870  ins  Jahr 
417,  niemand  später  als  4 IG/ 15.  Vgl.  G.  (iilbcirt  Beitr.  zur  inneren 
Geseh.  Athens  S.  231. 


lieber  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener.  468 

berufen  worden  sind,  ro  gehören  sie  zu  den  von  Th.  VITI  97,  3 
έψηφίσαντο  bi  και  Άλκιβιάόην  και  δλλους  μετ'  αύτου  κατιέναι 
erwiihnlen  αλλοι,  eine  Möglichkeit,  die  auch  Kirchhoff  a.  a.  0. 
S.  249  vorsichtiger  Weise  oflPen  läset. 

Somit  spricht  alles  gegen  und  nichts  für  die  dem  Zopyros 
entlehnte  Angabe  des  Didymos.  Es  ist  aber  noch  sehr  fraglich, 
ob  wir  es  hier  wirklich  mit  einer  Angabe  des  Didymos  und  nicht 
vielmehr  mit  einer  Interpolation  des  Epitomators  zu  thun  haben. 
Dass  dieser  nämlich  die  Deduction  des  Didymos  so  ganz  unver- 
fälscht nicht  Λviedergibt,  darauf  weisen  auch  andere  Anzeichen 
hin.  Zunächst  ist  in  dem  Satze  καΐ  καταγινώ<7κ€ΐν  .  .  .  τ€θάφθαι 
eine  Unvollständigkeit  zu  bemerken;  denn  die  folgende  Wider- 
legung passt  nicht  auf  alle  auswärts  Gestorbenen,  sondern  nur 
auf  die  wegen  npobociia  verurtheilten,  die  nicht  in  Attika  be- 
graben werden  durften  ^  Vollständig  müsste  es  also  heissen: 
έκτος  μέν  im  npohouxcf.  φεύγοντα  τετελευτηκέναι.  Dagegen  ist 
in  dem  ersten  Satze,  welcher  die  Behauptung  des  Didymos  ent- 
hält, etwas  zu  viel,  nämlich  έν  *Αθήναις.  Denn  die  Amnestie, 
welche  als  Beweis  für  dieselbe  angeführt  wird,  spricht  nur  dafür, 
dass  Thukydides  nicht  als  Verbannter  gestorben  ist;  er  konnte 
ja  auch  nach  seiner  Zurück  beruf  ung  noch  ausserhalb  Athene  sein 
Leben  bescliliessen  ^.  Auch  hat  Zopyros  nicht  berichtet,  dass  er 
in  Athen  gestorben  sei,  sondern  er  hat  ihn  nach  seiner  Zurück- 
berufung in  Thrakien  den  Tod  finden  lassen,  wie  die  unten  in 
directer  Rede  ^  folgende  Widerlegung   desselben   zeigt.     Erst  an 


1  Vgl.  Th.  I  138,  6.  Lyc.  in  Leoer.  113.  115.  Xen.  Hell.  I  7,22. 
Marcellin.  55. 

^  Man  wende  nicht  ein,  dass  ebensowenig  βιαίψ  θανάτψ  durch 
das  Folj^ende  bewiesen  werde.  Denn  die  Erörterung  des  Didymos  richtet 
sich  zunächst  gegen  die  unmittelbar  vorher  angeführte  Meinung  der- 
jenigen, welche  aus  dem  ίκριον  auf  dem  Grabmal  des  Thukydides  den 
Schluss  zogen,  er  sei  in  Thrakien  in  der  Verbannung  gestorben.  Für 
Didymos  war  das  ίκριον  das  Zeichen  eines  gewaltsamen  Todes;  daraus 
also  ist  das  βιαίψ  θανάτψ  erschlossen.  Wenn  wir  übrigens  nicht  recht 
wissen,  was  das  Ικριον  eigentlich  gewesen  ist,  so  ist  das  kein  genügen- 
der Grund  dasselbe  frischweg  als  eine  Erfindung  zu  bezeichnen.  Die 
auf  demselben  beruhenden  Hypothesen  der  Alten  über  den  Tod  des 
Thukydides  setzen  das  Dasein  desselben  voraus,  ohne  welches  sie  voll- 
ständig in  der  Luft  schweben  würden;  und  wie  hätte  eine  solche  Er- 
findung entstehen  und  sich  behaupten  können,  da  noch  zu  Plntarch's 
Zeit  das  Grabdenkmal  des  Thukydides  zu  sehen  war? 

^  Dass  mit  den  Worten  έγώ  bi  Ζώπυρον  ληρεΐν  νομίΖω  Marcel- 


464  Stahl 

diese  Widerlegung  konnte  sich  die  Behauptung  ansclilieeeeny  dttt 
Tbakydides  in  Athen  gestorben  sei.  Sehen  wir  also  hier  den 
Epitomator  etwas  an  verkehrter  Stelle  zusetzeiiy  während  er  ta 
einer  andern  etwas  Wesentliches  ausgelassen  bat,  so  dlirfen  wir 
ihn  auch  wohl  für  den  Zusatz  την  έν  Σικ€λ{ςι  verantwortliel 
machen.  AVcnn  Scholl  meint,  auf  diese  Weise  würde  an  Stelle 
eines  unbekannten  Factnms  ein  unrichtiges  gesetzt,  da  nach  der 
Niederlage  bei  Aigospotamoi  durch  das  Psephiema  des  Patroklei* 
des  wohl  die  δτιμοι  unter  gewissen  Beschränkungen  rehabilitiit, 
aber  nicht  die  Verbannten  begnadigt  worden  seien,  so  hindert  ji 
nichts  την  ήτταν  von  der  am  Schluss  des  Krieges  durch  die  Be- 
lagerung und  Capitulation  Athens  herbeigeführten  Niederlage  n 
verstehen. 

Doch  dürfte  auch  die  Annahme,  dass  hier  ein  grobes  Mm- 
verständniss  des  Didymos  selbst  vorliege,  nicht  geradezu  unmof 
lieh  sein.  Flüchtigkeit  und  Unzuverlässigkeit,  Mangel  an  Kritik 
und  Besonnenheit  des  Urtheils  finden  sich  bei  ihm  wie  bei  des 
Vielschreibern  aller  Zeiten.  Seine  A^ermuthung,  daee  Thnkydidei 
eines  gewaltsamen  Todes  gestorben  sei,  werden  wir  schon  ά» 
halb  nicht  gelten  lassen,  weil  es  schon  unter  den  Alten  solck 
gab,  die  ihn  in  Athen  eines  natürlichen  Todes  sterben  liesseo 
(λ'^1.  die  Λποηλ'ΐηο  Vita  10).  Ein  merkwürdiges  Beispiel  seiner 
Flüchtigkeit  nnd  UnzuverlüRsigkeit  hat  uns  Harpokration  8.  v. 
γαμήλια  aufbewahrt^,  und  Λνίο  Λνοηί5  kritisch  sein  Urtheil  vu, 
flielit  man  daraus,  das«  er  in  einer  Bemerkung  zu  der  bei  Dcmosth. 
XXin  2()Γ)  erΛvähnten  Anklage  und  Bestrafung  Kimon's-  dieeeo 


linus  wieder  selber  spreche  nnd  dabei  aus  eigener  Kenntniss  den  Zc 
j)yros,  Kratii)p()S  und  Tiniaios  eitire  ist  ganz  unglaublich.  Den  Sobeti 
selbst  zu  reden  mag  er  sich  geben;  in  der  That  aber  spricht  liidvmci. 
Aus  dit'sem  Grunde  geht  es  auch  nieht  an,  die  Angaben  des  Zopu.^ 
durch  ein  vor  έν  Θράκη  oder  λέγοντα  eingeschobenes  ούκ  oder  ου  π 
Einklang  zu  bringen;  denn  indem  man  hier  Ucbereinst immune»  h^ 
stellt,  setzt  man  den  Didymos,  der  ja  ebenfalls  behauptet  hat,  dx*i 
Thukydides  nicht  als  Verbannter  in  Thrakien  gestorben  sei,  mit  s:ci 
selbst  in  Widerspruch. 

*  Δίδυμος  ό  γραμματικός  έν  μέν  τοις  Ισαίου  ύπομνήμασί  φη<ίΐ' 
€ΐναι  γαμηλίαν  την  το'ις  φράτοραιν  έπΙ  γάμοις  διδομένην,  παρατιθίμ^^Χ 
λέίιν  Φανοδήμου  έν  ή  ουδέν  τοιούτον  γέγραπται.  έν  bi  τοις  €ίς  Αψ> 
σθένην  ό  αύτυς  πάλιν  γαμηλίαν  φησίν  elvai  τήν  €ΐς  τους  φράτον^ 
€ΐσαγαιγήν  τών  γυναικών,  ούδεμίαν  άπόδ€ΐΗιν  της  έΗηγήσ€ως  παρατι• 
θέμ€νος. 

2  Diese  Bemerkung  des  Didymos  findet  sich  beim  Scholiasten  d•'? 


lieber  eine  angebliche  Amnestie  der  Athener.  465 

verurtheilt  werden  Hess,  δτι  Ελπινίκη  τη  όοελφή  ύυνί\ν\  Un- 
bedachtsam war  es,  wenn  er  zu  dem  verdorbenen  V.  1028  der 
Frösche  des  Aristophanes  έχάρην  γοΟν,  ήνίκ'  ήκουσα  π€ρι  Δα- 
ρείου τεθνεώτος  nach  den  Schollen  anmerkte  δτι  ου  περιίχουσι 
θάνατον  Δαρείου  οΐ  ΤΤίρσαι  το  οραμα,  woraus  man  denn  in 
alter  und  neuer  Zeit  geschlossen  hat,  dass  die  erhaltenen  Perser 
eine  zweite  Bearbeitung  des  ursprünglichen  Stückes  seien.  Aber 
der  Ausdruck  des  Aristophanes  berechtigt  durchaus  nicht  zu  der 
Folgerung,  die  auch  Didymos  daraus  gezogen  haben  muss,  dass 
nach  demselben  die  Perser  den  Tod  des  Dareioe  enthalten  müssten. 
Denn  nach  klassischem  Sprachgebrauch  kann  τεθνεώτος  nur  den 
Zustand,  nicht  das  Factum  des  Todes  bezeichnen;  dazu  wäre 
θανόντος  erforderlich.  Von  dem  todten  Dareios  aber  ist  in  den 
erhaltenen  Persern  nicht  nur  die  Kede,  sondern  er  tritt  auch 
selber  auf.  Noch  anderes  derart  liesse  sich  beibringen.  Man 
sieht,  dass  Didymos  durchaus  keine  Auctorität  ist,  der  man  un- 
bedingt vertrauen  darf. 

Münster.  J.  M.  Stahl. 


Aristeides  S.  515, 15,  wo  aber  in  der  Anfuhrung  der  Demoethenesstelle 
irrthümlich  iv  τφ  κατ'  *Αριστοτ€(τονος  statt  έν  τψ  κατ*  Άριστοκράτους 
überliefert  ist.  Offenbar  stammt  die  Bemerkung  aus  Didymos'  Demo• 
sthenescommentar. 

^  Plutarch  im  Leben  Kimon's  15  weiss  nur,  dass,  als  Kimon  für 
den  Areopag  aufgetreten  sei,  seine  Feinde  an  dies  Verhältniss  erinnert 
hätten.  Allein  selbst  dies  ist  unglaublich  (vgl.  W.  Vischer  Kl.  Schriften 
I  S.  45),  wie  denn  das  ganze  Verhältniss  wegen  des  Mangele  überein- 
stimmender Ueberlieferung  (vgl.  Plut.  a.  a.  0.  4)  kaum  als  historisch 
beglaubigt  gelten  kann. 


Rhein.  Mue.  f.  Philol.  K.  F.  XI XIX. 


&0 


Miscelleu. 


Zh  PlaUBB  Preta^nui. 

312  e  ερωτήσεως  γαρ  ίτι  ή  όπόκρισις  ήμϊν  2>€ΐται,  ircpl 
δτου  6  σοφιστής  bcivov  ποιεϊ  λέγειν  ώσιτ€ρ  6  κιβαplσtής  bci- 
νόν  οήπου  ποιεί  λέγειν  περί  οΰπερ  καΐ  έπιστήμovo^  ircpl  κιθα- 
ρίσεως'  ή  γάρ;  Να(.  ΕΙεν  ό  bi  5ή  σοφιστής  περί  τίνος  bcivAv 
ποιεί  λίγειν;  <ή^  δήλον  δτι  περί  οΰπερ  κα\  έπίσταται;  ΕΪκός 
γε.  —  ή  hat  Heindorf  beigefügt.  In  diesen  Worten  hat  nti 
bieber  einen  ziemlicb  auffallenden  Febler  übersehen.  Wenn  nim- 
lieb  die  Analogie  des  Yergleiobe  gewahrt  werden  soll,  so  mnn 
es  ancb  von  dem  Sophieten  beifteen,  daee  er  die  Redefertigkeit 
darin  gewährt,  dessen  Kenntniss  er  verleibt,  nicht  darin,  dessen 
KenntnisR  er  besitzt;  περί  ούπερ  καΐ  έπίσταται  passt  nicht  η 
περί  ούπερ  και  επιστήμονα  (ποιεϊ).  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
περί  ούπερ  και  έπίστασθαι,  näm lieb  ποιεϊ.  zu  lesen  ist.  Wemi 
es  gleich  darauf  beisst:  Ti  br\  έΟτι  τούτο  περί  οΰ  αυτός  γε 
επιστήμων  έστιν  ό  σοφιστής  και  τον  μαθητήν  ποιεϊ,  so  dirf 
mau  έπίσταται  nicht  durch  περί  ού  αυτός  γε  επιστήμων  εστίν 
rechtfertigen  wollen.  Denn  zunächst  uiuss  in  jedem  Fall  dts 
Verglichene  dem"  Vergleich  entspreclien ;  dann  aber  liegt  hier  der 
logincbe  Schwerpunkt  und  der  Zueamnienbang  mit  dem  Vorher 
gehenden  nicht  in  diesen  Worten,  sondern  in  (περί  ουπερ)  τον 
μαθητήν  (επιστήμονα)  ποιεϊ.  Dase  der  SophiRt  das,  was  er 
andere  lehi-t,  auch  selber  wissen  inuss,  ist  eine  eelbBtverst^and' 
liebe  A'orauRsetzun^,  die  liier  über  den  Bereich  der  Analogie  hin- 
aus zur  weiteren  Bestimmung  der  Frage  verwendet  wird. 

Münster.  J.  M.  Stahl. 


Ein  germanischer  Name  bei  Strabo. 

L.  Schmidt  bat  in  dem  Autsiitz  'über  den  Namen  Arminins' 

(Germania  2H  |X.  K.   IG],  ίΜ2  tf.)    darauf  aufmerksam  gemacht, 

lass    bei    den   Germanen   *in    den   zahlreichsten  Fällen  der  Xamf 

^Wi  Vaters  insbesondere  mit  dem  des  erstgeborenen  Sohnes  durph 

•n  Anlaut  bis  zur  ersten  Silbe  verwandt  ist',   z.  B.   Theoderioh 


Miscellen.  467 

— Thorismund;  Theuderich — Theudibert;  oder  durch  'Gleichheit 
der  zweiten  Bestandtheile^  z.  B.  Hunerich — Hilderich  (aus  dem 
Hildebraiidsliede  fxige  ich  Hildebrand — Hadubrand  hinzu).  Bei 
den  Cheruskern  bestand  schon  dieselbe  »Sitte.  Segestes  und  sein 
Sohn  Segimundus,  anderseits  wohl  auch  Segimerus  und  sein  Bru- 
der Inguiomerns  bieten  dafür  Beispiele.  Nun  hatte  der  andere 
Segimerus,  des  Segestes  Bruder,  einen  Sohn,  den  Strabo  VII 
1,  4  p.  292  nach  den  Handschriften  Σβίΐίθακος,  nach  Müllenhoif's 
halber  A^erbesserung  (Germ,  antiqua  p.  68)  Σ€(Τίθατκος  nennt. 
Liegt  es  nicht  auf  der  Hand,  dass  wir  Γ  statt  C  zu  setzen  und 
diese  unerklärbare  Bildung  umzuändern  haben  in  Σεγίθαγκος, 
Siegdank? 

Frankfurt  a.  M.  A.  Riese. 


Zn  PolySn. 

In  den  'Melanges  Graux'  S.  723  ff.  habe  ich  über  die  Hand- 
schriften des  Polyän  gehandelt,  speciell  darauf  hingewiesen,  dass 
der  'Florentinus*  (=  Laur.  56,  1)  der  Archetypus  jedenfalls  der 
ersten  Klasse,  wenn  nicht  sämmtlicher  Handschriften  sei.  Ich 
sehe  leider  erst  jetzt,  dass  Val.  Rose  in  seinen  Anecdota  graeca 
H.  I  S.  8,  wo  er  diese  Handschrift  wegen  ihres  übrigen  Inhalts 
bespricht,  bereits  die  gleiche  Bemerkung  gemacht  hat. 

Zugleich  füge  ich  bei,  dass  wir  an  Par.  suppl.  gr.  607,  der 
AVescher  für  seine  'Poliorcetique  des  Grecs*  als  Grundlage  diente, 
eine  Kontrole  für  unsere  Polyän handschriften  haben;  derselbe  ent- 
hält nämlich  unter  den  Excerpten  zwei  Stücke  aus  Polyän  (IV 
3,  22  und  IV  6,  3  =  Wesch.  S.  293  ff.).  Wölfflin  hat  eine  von 
Mynas  gefertigte  Abschrift  dieser  Handschrift  (Par.  suppl.  gr. 
485)  benützt,  die  gleiche,  aus  welcher  Müller  als  Anhang  zu  der 
Dindorl'schen  Ausgabe  des  losephus  (Par.  1847)  die  sämmtlichen 
Excerpte  veröffentlichte.  Da  mir  eine  Kollation  des  Florentinue 
für  diese  Stellen  im  Augenblicke  nicht  zu  Gebote  steht,  kann  ich 
die  Güte  desselben  an  dieser  ältesten  Ueberlieferung  nicht  be- 
messen. 

Wtirzburg.  K.  K.  Müller. 


Zn  Froklos. 

Die  durch  Valentin  Rose  (Herrn.  II  96  sqq.)  begründete  Ver- 
muthung,  dass  des  Proklos'  Commentar  zum  Staate  des  Piaton 
in  einer  vollständigen  Hs.  unter  den  Codices  der  Königin  im  Va- 
tican  sein  müsse  (vgl.  aber  E.  Rohde  Rh.  M.  32,  330),  hat  sich 
mir  nicht  bestätigt.  Trotz  angestrengten  Suchens  ist  es  mir  nicht 
gelungen,  ihn  dort  aufzutreiben.  Nur  zwei  werthlose  Papierhand- 
Bchriften  desselben  Commentars  —  werthlos,  weil  sie  wie  die 
sonst  zahlreich  bekannten  (vgl.  Rose  a.  a.  0.)  lückenhaft  sind  und 


468  Miscellen. 

die  letzten  Bücher  nicht  enthalten  —  hahe  ich  gefanden:  cod. 
Vat.  233  laut  der  Unterschrift  geschrieben  im  Jahre  1540  vom 
Kalligraphen  Johannes  Honorius  aus  Maglie  bei  Otranto  (dem- 
selben jedesfalls  der  bei  Gardthausen  Griech.  Pal.  p.  327  als 
loh.  Hon.  und  p.  328  als  loh.  Hydruntinus  erwähnt  wird)  und  einen 
Pal.  63.  8.  XV,  einen  vollständigen  Zwilling  des  Par.  1831  (Rose 
p.  97). 

München.  L.  Traube. 


Die  αποφθέγματα  τών  επτά  σοφών  des  Demetrios  in  der  WieB« 

Apophtbegmen-Sammlnng. 

In  der  fleissigen  Arbeit  Brunco's,  de  dictis  Septem  sajnen- 
Hum  α  Demetrio  Phalcreo  cöllediSy  welche  kürzlich  in  den  *Acti 
Seminarii  Philologie!  Erlangensis  erschien,  ist  übersehen  worden, 
dass  ein  grosser  Theil  jener  Sammlung  des  Demetrios  wieder 
kehrt  in  dem  AViener  Apophthegmen-Corpus,  welches  ich  in  der 
*  Festschrift  zur  Begrüssung  der  36.  Philologen- Yersammlung  vc^ 
fasst  von  den  philologischen  Collegen  an  der  Heidelberger  Uni- 
versität' S.  1  zuerst  herausgab.  Die  hier  zu  Grunde  liegende 
Recension  verdient  aber  in  der  That  besondere  Beachtung  (weit 
mehr  als  z.  B.  der  ganz  werthlose  Abdruck  der  τών  επτά  (ΤΟφών 
γνώμαι  in  der  Aldina  des  Tlieokrit  von  1495,  den  Brunco  sorg- 
fältig verglichen  hat).  Denn  ein  Blick  auf  die  beigefügten  Va- 
rianten zeigt,  dass  sie  unmittelbar  neben  die  Fassung  bei  Stobäus 
und  in  der  bekannten  Boissonade^schen  Sylloge  (aus  cod.  Paris. 
Heg.  1G30)  tritt.  Ich  erwähne  das  nur,  um  eine  eigeiithümliohc 
Schwierigkeit  zu  erklären,  bez.  zu  beseitigen,  die  dieser  Annahme 
entgegenzustehen  scheint  und  die  von  mir  selbst  bei  der  erstea 
Constituining  des  Textes  noch  nicht  erledigt  wurde. 

In  der  Wiener  Apophthe^nien-Sammlung,  die  alphabetisch 
f^eordnet  ist,  beginnt   Nr.   1()1   mit  der   Kinfülirung:    XeiXuüV  €Ϊπ( 
und  bietet   17   (1ΐ6ί1οη  -  Sprüche.     Darauf   folgt   aber    eine   Reibe 
von   Sprüchen    anderer   Männer   aus    diesem  Kreise,    Thaies,    Pit- 
takos,  PeriandroK,  Bias,    die    uh  als  Nr.  102*  ^  ^  ^^  gezählt   habe. 
Dieser  Thatbestand    erklärt    sich    nur    so,    dass    der    Compilator. 
nachdem  er  aus  der  ihm  vorliegenden  Recension  der   Sylloge  de^ 
Demetrios  richtig  die  Sinnsprüche  des  Cheilon  abgeschrieben,  irr 
tbümlich    auch    die   nachfolgenden   Gnomen    hinzufügte,     nicht  be- 
merkend, dass  sie  anderen  Mitgliedern  der  weisen  Heptas  gehörten, 
in  seiner  Vorlage  folgten  also  auf  die  Sprüche  Cheilon's  noch  •ϋ^ 
des    Thaies,    Pittakos,    J^eriandros    und    Bias.     Die    Ordnung,   iß 
welcher    diese    erscheinen,    stimmt   ja   auch    in  der  That  mit  der 
bei  Stobäus  (wo  in  den  Codd.  nur  durch  Schreiberversehen  θαλήζ 
und  Πίττακος  die  Plätze  getauscht  haben)   und  im   Kegins  ükr 
ein;  jedoch   mit  der  autfallenden  Ausnahme,  dass  im   Vindob.  'iif 
Sprüche  des  Periandros  vor  <len(;n  des  Bias  stehen,  während  snn.^ 
tiberall  Bias  an  vorletzter,  l^eriandros  an  letzter  Stelle  sich  findet. 


Misoellen.  469 

Dass  aber  hier  nur  ein  Verseben  des  Abschreibers  des  Vin- 
dobonensis  vorliegt,  zeigt  dieser  selbst,  indem  er  am  Ende  von 
162'^  nach  μη  βιασάμενος  d.  h.  nach  den  Bias-Sprüchen  noch  hin- 
zufügt επισφαλές  προττετεια*  κέρδος  αισχρόν  φύσεως,  welche 
Worte  dem  Periandros  gehören  und  unmittelbar  fortgesetzt  wer- 
den durch  die  zwischen  den  Sprüchen  des  Pittakos  und  denen  des 
Bias  von  dem  librarius  geschriebene  Partie  κατηγορία*  άει  α\ 
—  εύφράνης,  welche  weitere  drei  bekannte  Sprüche  des  Perian- 
dros bietet  und  deren  erstes  Wort  κατηγορία  eben  den  Schlnss 
des  Satzes  κερόος  αίσχρόν  φύσεως  bildet.  Die  Vergleichung 
mit  den  andern  Recensionen  der  Sylloge  des  Demetrios  zeigt  nun 
aber,  dass  nicht,  wie  es  von  mir  S.  28  unter  Nr.  162®  geschehen 
ist,  die  Worte  επισφαλές  προπίτεια  κέρδος  αΙσχρόν  φύσεως 
vom  Scliluss  dieses  ganzen  Abschnittes  wegzunehmen  and  an 
dieser  früheren  Stelle  nach  Pittakos  einzureihen  sind,  sondern 
umgekehrt  die  fragliche  Partie  der  Periandrea  nach  den  Bias- 
sprüchen  zu  setzen  ist;  und  dass  sie  eben  hier  wirklich  auch  in 
der  Vorlage  des  Vindob.  standen,  lehrt  unzweideutig  der  hier  noch 
verbliebene  Rest,  d.  h.  der  Anfang  der  Periandrea  έπισφ.  προπ. 
κερδ.  αι.  φύσ. 

Damit  löst  sich  zugleich  ein  anderes  bisher  noch  unverständ- 
liches Räthsel,  Nach  162^  steht  άπραγ  mit  Compendium;  darauf 
folgt  nun  nach  Ausscheidung  der  Periandrischen  Partie  der  Satz 
μη  όνείδιίε,  der  sonst  nirgends  als  Bianteisch  bezeugt  wird;  erst 
dann  schliessen  sich  sicher  Bianteische  Sprüche  an.  Es  kann 
jetzt  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  dass  die  Worte  άπραγ 
und  μη  όνείοι2Ιε  zu  dem  Pittakosspruch  (5*  S.  364  bei  Brunco) 
άπραγουντα  (so  auch  Stob.,  κακοπραγοΟντα  Gesner)  μή  όνείοιίε 
zusammentreten.  Also  sind  die  Nr.  162^^**  der  Wiener  Apo- 
phthegmen-Sammlung  vielmehr  so  zu  gestalten: 

162^  'Ό  μέλλεις  ποιεϊν  μή  πρόλεγε,  αποτυχών  γαρ  γελα- 
σθήση.     *Απραγ<ουντα>  μή  όνείοιίε. 

Der  erste  Spruch  =  Boiss.  An.  Gr.  I  p.  139,  10.  11; 
Vatic.  p.  513,  20.  21;    Laert.  Diog.   I  78;  Anton.  I   73 
p.  74,  1,    Max.  20  p.  597,  27  (überall  Pittakos);    Stob, 
flor.  III  79*  (Arsen,  p.  292)  [Thaies;   durch  Schreibver- 
sehen bei  Stob.];  Exe.  Vindob.  37  (ohne  Lemma).     Der 
zweite  Spruch   =  Stob.  flor.  III  79*  (Arsen,  p.  292) 
[Thaies;  ebenso];  Ps.  Auson.  in  Wölfflin's  Syrus  (Pittakos). 
162^  Μίσει  το  ταχύ  λαλεϊν*  δνοια  γάρ.  Μήτε  εύήθης  ϊσθι 
μήτε  κακοήθης.    *ΑνάΗιον  [bk  εις]  Svbpa  μή  έπαίνει  6ιά  πλουτον. 
ΤΤείσας  λάβε,  μή  βιασάμενος. 

=  Stob.  flor.  III  79^  (Arsen,  ρ.  148)  und  Boiss.  An.  Gr. 
I  p.  140,  3—9  (Bias);    vgl.  Laert.  Diog.  I  87  f.  (Bias; 
wo  jedoch  der  zweite  Spruch  fehlt). 
162^  Επισφαλές  προπετεια.     Κέρδος  αίσχρόν  φύσεως  κα- 
τηγορία.   *Αει  αι  μεν  ήδοναι  θνηταί,  α\  bi  τιμαι  αθάνατοι.    Ευ- 
τυχών μέτριος  ϊσθι,   δυστυχών  bi  φρόνιμος.    Άτυχίαν  κρύπτε, 
ϊνα  μή  τους  εχθρούς  εύφράνης. 


470  Misoellen. 

=  Boies.  An.  Ur.  I  p.  140,  18—141,  2;  Stob.  flor.  ΠΙ 
Id"!  (Arsen,  p.  418  f.);  Laert  Diog.  I  97  f.  (ttbenll 
Periandroe);  der  vorletzte  Sprnob  aucli  bei  Anton.  I 
70  D.  70,  45  und  Max.  18  p.  590,  35  (Κυψέλου  Κοριν- 
θίου) und  in  den  Γνώμαι  btaq>opoi  bei  Boiseon.  I  p.  114 
(obne  Lemma);  der  letzte  =  Anton,  a.  a.  O.  p.  70, 
und  Max.  a.  a•  0.  p.  589,  33  (obne  Lemma). 

Heidelberg.  G.  Wachemntb. 


Stiebt  Plantinae  versis  AabreaiaiL 

Sticbi  verenum  427—429;  441—445;  590.  591   in  nno  eo- 

dice  reecripto  eervatorum  (cf.  387)  aconratiorem  debemne  notitian 

indefeesae  Onetavi  Loewii  indnetriae,  qui  haece  oblitteratae  eeri- 

ptnrae  reliqniae  indagavit: 

447  QVODHOG£  (I?  T?)  Τ  (I?)  AMFifVM  JJ:  QVIDID  (T?  E?  I?) 

AVTEM EXPEDl 

ADGENAMIfiONISI  (P?  E?  T?)  VO  (C?)  C  (O?)  AT  α?  E?  P?| 

YSC£NS£0 
SICHOCPLAGETROGA MNIHILMOROR 

441  SÄNGE  (I?)  RINV  (0?)  SC  (0?  S?)  03fl  (P?)  AM  (MA?)  HF  (E?) 

CADEBlTCVDOUnHOSyO 

SEByVSUOMO  (C?)  Q  KIBVS EBÄMCElilAMM^  (quaiimd 

ALE,  EAE,  EA) 
ADVORSITORESDVOCVMVERBERlBVSDECEr 
DARI  (E?)  VTIi  (VTN?)  Α  (0?)  Μ  KERBERABVNDVMAB  (D?) 

DVCANTDOMV 

591)  ETE  (I?)  QVIDEMSI  -  IC  (0?)  NE  (I?  T?)  VOSINVITASSEM 

DOMY 

ADMESED  .  .  HINS  . .  0 ^NIHILESTAT  (EV)  Q  .  HOCSÖ 

TJSVüS 
quae  sie   sunt  su])pleDda   (adsumam  autem  versiculos   ad  res  in- 
tollegendas  necesBarios): 

423  EPIGN.  Et  ius  et  aequom  postulas:  siimae,  Stiche, 
in  hunc  dieni  te;  nil  moror,  abi  quo  lubet. 
cadum  tibi  veteris  vini  propino.     STICH.    Papae, 
ducam  hodie  amicam.     £.  Vel  deccm,  dum  de  tuo. 
427  8.  Quid?  hoc  etiam  unum?     E.  Quid  id  autem  [unumsl?] 

expedi. 
S.  Ad  cenam  ibone?     E.  Si  vocatu's,  ccnseo. 
S.  Sic  hoc  placet:   roga[to  ([uo  ea]ni.     E.  nil   moror: 
ubi  cenas  hodie?     S.  sie  hanc  rationem  institi:   e.  q.  s, 

440  Aut  egoniet  ibo  et  opsonabo  opsonium. 

Sagarinus  quom  iam  hie  aderit  cum  domino  suo, 
eervofl  homo  quibus  [ei  obfleram  cenam  n[i[odi8?] 
advorsitores  duo  cum  verberibuR  decet 
dari,  uti  iam  verberabuiidi  eum  adducant  doitium. 

445  parata  res  faciam  ut  sit  e.  q.  8. 


Miscellen.  471 

587  (G£LAS.)   edepol  ne  ego  nunc  mihi  medimnum  mille  esse 

argenti  velim. 
EPJUN.     Unia  eu  tibi  opust?     G.    Hunc   liercle  ad  cenam 

ut  vocem,  te  nun  vocem. 
E.    Advorsinn   te   fabulare       G.    lUud   quidera,    ambos  ut 

vocem. 
590  et  equidem,  si  fessent,  benjigne  vos  invitassem  domum 
ad  me,    sed  [nii]hi  in  (ijs[ta]  c[rumin]a   nihil   est:    atque 

hoc  scitis  V08. 
E.   Edepol  te  vocem  hibenter,  si  superiiat  locus. 
427  'quid?  hoc  etiani  unum?'  et  428  ^si  vocatu's'  Goetzius. 
incerta  supplementa  versuum  442  et  591.    —    Addo  versus  628 
emendationem,    quoniam  ea  quoque  codicis  Ambrosiani   ope    sup- 
peditatur.     qui  cum  praebet: 

NONEGOISTAAPVTTE  ö  8ΑΓΙ88ΡΕ0ΓΑΤΑ8ΓΜΙΗΙ/ΑΜΤνΑ 

FEL/C/TAS 

eo    tantum   discedit  a   libris  Palatinis,    quod  *isti*   pro  'ista'  illi 
praebent.     totus  autem  locus  hie  est  repetita,  una  litterula : 
624  GELAS.   Q,uid  igitur?     EPIGN.    Dixi  equidem  in  carcerem 

ires.     G.  Quin  si  iusseris, 
eo  quoque  ibo.     E.  Di  immortales,  liic  quidem  pol  summam 

in  crucem 
cena  aut  prandio  perduci  potis.     G.  Ita  Ingenium  meumst: 
quicumvis  depugno  multo  facilius  quam  cum  fame; 
628  non  nego  ista  aput  te.     E.  Sktis  spectAtast  mihi  iam   tua 

felicitas : 
dum  parasitus  mi  atque  fratri  fuisti,  rem  confregimus: 
nunc  ego  nolo  ex  Gelasimo  mihi  fieri  te  Catagelasimum. 
parasitus  non  negare  se  apud  eum  qui  probe  sciat  quae  vera  eint 
praedicat.  Epignomus  et  quam  felix  ille  sit  et  qualem  adferre 
soleat  felicitatem  expertum  se  habere  nee  ultra  experiri  velle 
respondet. 

Rostochii.  Fridericus  Leo. 


Der  Wettstreit  des  Laberins  und  Syrns. 

Der  Bericht  des  Macrobius  (Sat.  II  7,  2  ff.)  über  den  von 
Cäsar  veranlassten  Wettstreit  der  Mimen-Dichter  Laberius  und 
Publilius  Syrus  wird  von  den  Literarhistorikern  allgemein  so 
verstanden,  als  ob  jeder  von  beiden  in  einem  von  ihm  selbst  ver- 
fassten  Stück  aufgetreten  sei,  und  Teuffei  (R.  L.  (j.*  S.  352,  7) 
macht  deshalb  zu  den  Worten  des  Macrobius  *  Laberium  .  . .  Caesar 
.  .  .  invitavit  ut  prodiret  in  scaenam  et  ipse  ageret  mimos  quos 
scriptitabat*  —  die  nicht  sonderlich  feine  Bemerkung:  ^mimutn 
quem  scripserat  wäre  sachlich  richtiger*. 

Nach  dieser  Auffassung,  die  allerdings  eine  Stütze  findet 
in  dem  oberflächlichen  Berichte  Sueton's  (Caes.  39:  ludis  Deoi- 
mus  Laberius,    eques   Romanus,    mimum    suum    agit),    hätte   es 


478  MiioeUen. 

sich  bei  dem  Anftreten  der  beiden  Diobter  nur  um  eisen  Wett» 
etrait  in  der  Ennet  der  Daretellnng  gebandelt,  da  andemfiJli, 
wenn  die  Stücke  selbst  den  Gegenstand  des  Wettetreitee  gebildet 
bitten,  es  dazn  nicbt  des  persGnlioben  Anltretens  der  Terikiav 
bedurft  hätte.  Nun  sind  aber  der  secbzigjShrige  Bitter  Laberins 
und  der  junge  zünftige  Mime  Syrus  ein  zu  nngleicbes  Paar,  ab 
dass  es  nicbt  befremden  müsste,  wie  Cäaar  ΰΐιβατίηιφΐ  ein  Wett- 
spiel beider  veranlassen  mocbte.  Den  Gedanken  an  eine  'Ty- 
rannenlaune' Cäear*s  bat  Mommsen  bereits  zurückgewiesen  (B.  G. 
III 7,  S.  467*);  Munk*s  Einfall  aber  (G.  d.  r.  L  l\  S.  188),  dan 
Cäsar,  gereizt  durcb  die  scbarfen  Anspielungen  in  den  Stilckea 
des  Laberius,  für  diese  Scbmäbsucbt  und  Anmaesnng  'eine  em- 
pfindlicbe  Bacbe  genommen  habe,  indem  er  ibn  nötbigte,  in  eines 
seiner  eigenen  lOmen  auf  der  Bübne  aufzutreten*  \  widerlegt 
sieb,  von  allem  anderen  abgeseben,  durcb  Cäsar's  Verhalten  gegei 
den  besiegten  Laberius.  Die  Annabme  Grjsar's  (der  r5m.  Mimuf 
S.  57),  Lftberius  'müsste  in  Privatkreisen  Proben  von  aeinca 
Talente  als  mimischer  Acteur  abgelegt  haben,  und  seine  Leiatungei 
im  Spiele  müssten  ebenso  bekannt  gewesen  sein  wie  seine  Schriftan, 
da  sonst  Cäsar  unmöglich  ibn  bätte  auffordern  können,  sieh  ge- 
rade mit  dem  berübmtesten  Mimen  der  damaligen  Zeit  in  einei 
Wettkampf  einzulassen'  — ,  diese  Annahme  muss,  auch  wenn  wir 
von  dem  Zirkel  absehen,  in  dem  sie  sich  bewegt,  echon  daniH 
zurückgewiesen  werden,  weil  ein  Mann,  der  bereite  'in  Privat- 
kreisen Proben  seines  Talentes  als  mimischer  Acteur  abgelegt 
batte',  oder  mit  anderen  Worten,  der  ohne  Rücksicht  auf  seinen 
Stand,  verfübrt  durch  seine  Eitelkeit  als  Darsteller  zu  glänzen, 
gleicb  anderen  PoseenreiHsern  nach  römischer  Sitte  Tiechgesell• 
Schäften  durch  Aufführung  seiner  Mimen  unterhalten  hatte,  woU 
kaum  mehr  ein  Recht  zu  der  herben  und  stolzen  Klage  in  seinem 
Prolog  gehabt  hätte:  'Quem  nulla  ambitio,  nuUa  umqiiam  lar- 
gitio,  Nullus  timor,  uis  nulla,  nulla  auctoritas  Mouere  potuit  in 
iuuenta  de  statu,  —  —  Ego  bis  tricenis  annis  actis  eine  nota 
Eques  Romanus  e  Lare  egressus  meo  Domum  reuertar  mimiu! 
nimirum  hoc  die  Uno  plus  uixi  mihi  quam  uiuendum  fiiit\ 

Doch  angenommen,  des  Laberius'  Talent  als  mimischer  Actenr 
sei  stadtbekannt  gewesen,  so  fragt  es  sich  weiter,  in  welcher 
Weise  man  sich  den  Hergang  des  Bühnenwettstreites  zu  denken 
habe,  ob  Laberius  und  Syrus  in  demselben  Stücke  aufgetreten 
seien,  oder  ob  jeder  nur  in  dem  von  ihm  verfassten  Mimus  eine 
Rolle  übernommen  habe.     In  dem  ersteren  Falle  hätte  dem  einen 


Ϊ  Befremdlich  wie  dieser  Einfall  Munk*s,  ist  die  Begründung  des- 
selben durch  Verweisung  auf  Gellius  XVII  14,  2:  C.  autem  Gaesarem 
ita  Laberii  malcdiccntia  et  adrogantia  offendebat,  ut  acceptiorcs  sibi 
esse  PubIi[I]i  quam  Laberii  mimos  praedicaret.  In  dieser  Stelle  ist 
eben  nur  generalisirt,  als  continuirlich  hingestellt,  was  speciell  nnr 
von  der  Parteinahme  Cäsar's  für  Syrus  gelegentlich  des  von  ihm  ▼e^ 
tnlassten  Wettstreites  zu  berichten  war. 


Miscellen.  473 

die  Haupt-,  dem  anderen  eine  Nebenrolle  zufallen  müssen,  und 
da  im  Mimus  mehr  als  in  jedem  anderen  Bühnen-Grenre  der  Haupt- 
cliarakter  dominirt,  so  wäre  der  Darsteller  einer  Nebenrolle  offen- 
bar im  entschiedenen  Nachtheile  gewesen.  Im  andern  Falle  aber, 
wenn  jeder  für  sich  in  dem  von  ihm  selbst  verfassten  Mimus 
auftrat,  und  somit  doch  wohl  eine  Eolle  spielte,  wie  sie  seinem 
Alter  und  seiner  Individualität  entsprach,  dann  ist  nicht  abzu- 
sehen, wie  auf  Grund  der  Darstellung  ganz  verschiedener  Cha- 
raktere die  beiderseitigen  Leistungen  in  objectiver  Weise  hätten 
bemessen  werden  können.  Selbstverständlich  konnte  der  eine  mit 
der  Darstellung  seiner  Rolle  mehr  Beifall  finden  als  der  andere, 
aber  dann  wäre  es  doch  fraglich  gewesen,  ob  dieser  Beifall  nur 
der  Kunst  des  Darstellers,  oder  dem  gefälligeren  Stücke,  der 
dankbareren  Charakter-Rolle  gegolten  habe. 

Aber  Syrus  hatte  sich  ja  nicht  blos  mit  Laberius  zu  messen, 
vielmehr  muss  er  nach  dem  Siege  über  diesen  den  Wettstreit  mit 
anderen  Concurrenten  fortsetzen  und  erbittet  sich  dazu  mit  ge- 
winnender Courtoisie  die  Unterstützung  des  von  der  Bühne  ab- 
tretenden Laberius:  quicum  contendisti  scriptor,  hunc  spectator 
subleua  (Macrob.  II  7,  8).  Soll  nun  etwa  Syrus  einen  zweiten 
und  dritten  Mimus  bereit  gehalten  haben,  um  neuerdings  in  diesen 
seine  künstlerische  Superiorität  gegenüber  anderen  Dichtem  und 
Darstellern  zu  erweisen?  Wir  wollen  nicht  fragen,  wozu  es  über- 
haupt noch  eines  weiteren  Auftretens  bedürfen  konnte,  da  der 
einmal  gegebene  Beweis  schauspielerischer  Kunst  doch  auch  bei 
der  Abschätzung  der  Leistungen  der  weiteren  Concurrenten  hatte 
in  Betracht  kommen  können;  aber  wie  Syrus,  so  hätten  auch  alle 
übrigen  Preiswerber  für  den  möglichen  Fäll  des  Erfolges  eine 
Anzahl  weiterer  Mimen,  und  selbstverständlich  auch,  da  die  Mimen 
ja  nicht  als  Monologe  gedacht  werden  können,  eine  entsprechende 
Zahl  von  Darstellern  für  die  betreffenden  Nebenrollen  in  Bereit- 
schaft halten  müssen :  genug,  wir  werden  zu  Annahmen  gezwungen, 
AUS  denen  sich  von  selbst  die  Unmöglichkeit  ergibt,  dass  es  sich 
bei  diesem  scenischen  Wettstreite  um  die  Meisterschaft  in  der 
Durchführung  eingelernter  Rollen  könne  gehandelt  haben. 

Es  hätte  aber  dieses  Hinweises  auf  alle  diese  Un Wahrschein- 
lichkeiten gar  nicht  bedurft,  wenn  wir  von  der  Auffassung  un- 
serer Literarhistoriker  abgesehen  und  uns  nur  an  das  gehalten 
hätten,  was  Macrobius  berichtet.  Seine  Erzählung  leidet  freilich 
an  einem  argen  Hysteron  Proteron,  indem  zuerst  von  dem  er- 
zwungenen Auftreten  des  Laberius  als  Mime,  von  seinem  Prologe, 
Reinen  bissigen  Anspielungen  auf  Cäsar  und  der  dadurch  veran- 
lassten Parteinahme  des  letzteren  für  'Publi[li]u8  (§5)  berichtet 
wird,  ehe' der  Leser  noch  von  diesem  und  seiner  an  alle  Bühnen- 
dichter und  Darsteller  ergangenen  Herausforderung  erfahren  hat; 
aber  Macrobius  hat  es  auch  gar  nicht  auf  einen  sachgemässen 
Bericht  über  Anläse  und  Verlauf  dieses  scenischen  Wettkampfes 
abgesehen;  ihn  interessiren  für  die  Witzsammlung  in  dem  IL 
Buche   der  Saturnalien   eben   nur  die  Impromptus   einerseits  des 


474  Miscellen. 

LaberiüH,  anderseits  des  üäsar  und  Syms.  So  kommt  ee  denn 
auch,  das«  das,  womit  der  Bericht  über  diesen  Wettstreit  hätte 
abschlicsseu  sollen,  dass  nämlich  Cäsar  dem  Laberius  mit  dem 
goldenen  Hinge  den  Ritter-Rang  zurückgab,  bereite  einige  Kapitel 
früher  (c.  3,  10)  erzählt  ist,  nur  weil  dort  im  Zusammenhange 
mit  anderen  Witz  Worten  Cicero' s  auch  jenes,  mit  dem  er  sich 
entschuldigte,  dem  auf  die  Kitterbänke  zurückkehrenden  Laberine 
nicht  Platz  machen  zu  können,  ^recepissem  te  nisi  anguste  se- 
derem',  so  wie  die  bekannte  beissende  Entgegnung  des  Laberias 
mitgetheilt  werden.  Sehen  wir  von  diesem  Mangel  in  der  Er- 
zählung des  Macrobius  ab,  so  ist  doch  das,  was  er  über  die  Art 
des  Wettstreites  berichtet,  zu  welchem  Syrus  omnes  qni  tunc 
scripta  et  operas  suas  in  scaenam  locauerant  herausforderte 
(c.  7,  7),  so  klar  und  präcis  gcfasst,  dass  es  nur  wandern  kann, 
wie  überhaupt  ein  Missverständniss  möglich  war.  Die  Uerane- 
forderung  des  Syrus  lautete:  ut  singuli  secum  posita  m  ukm 
materia  pro  fctnpore  coiitetidcrent.  Und  dass  in  dieser  Art  vod 
Wettkampf  Laberius  unterlag,  spricht  der  folgende  Satz  an•: 
nee  ullo  recusante  superauit  omnes,  in  quis  et  Laberium. 

Nicht  der  Vorführung  eines  fertigen  Mimus  also,  senden 
der  Improvisation  eines  solchen  auf  Grund  eines  wechselweis 
gestellten  Themas  (oder  gegenseitig  zugetheilter  Rollen)  galt  die 
Herausforderung  des  Syrus,  und  eben  deshalb  war  sie  in  errter 
Reihe  nicht  an  die  mimischen  Acteurs,  sondern  an  die  Mime«- 
Dichtcv  gerichtet.  Sonach  ist  auch  klar,  dass  die  AuiTorderang 
Cäsar's  an  Laberius,  '  ut  prodiret  in  scaenam  et  ipse  ageret  mimos 
(juos  .srripf ifahat  ,  nur  den  Sinn  liatte,  dass  sich  LaberiuH  auf  der 
Bühne  dem  Syrus  stellen,  und  Mimen,  Λvie  er  <leren  schrieb, 
einmal  -  natürli<'li  ex  tempore  —  spielen  möge.  LaV)eriu8  und 
Syrus  waren  beide  durch  ihren  schlagfertigen  Witz  genugs&in 
bekannt,  und  es  begreift  sich  daher,  wie  es  Cäsar  reizen  konnte, 
zwei  solche   Kämpen  sich  mit  einander  messen  zu   sehen. 

Wie  die  Herausforderung  des  Syrus  den  Spielen  selbst  vor 
ausgegangen  sein  muss,  damit  sidi  eben  alle,  die  es  mit  ihm  ani• 
n«'hnion  wollten,  eintinden  kiJnnten,  so  wird  denn  auch  Laberiw 
iiicht  erst  am  Spieltage  sel])8t,  sondern  schon  früher  von  Cäsar 
aufgefordert  worden  sein,  die  Herausforderung  des  Syrus  ann• 
nehmen.  Beweis  dafür  ist  der  Prolog  des  Laberius,  der  wie  ff 
zu  allen  Zeiten  ob  des  Adels  der  (iesinnung  und  des  Ausdrucke? 
bewundernde  Anerkennung  gefunden  liat,  durchaus  nicht  den  Γ1»• 
rakter  eines  flüchtigen  Extempores  an  sich  trägt  ^.  Auch  wärt 
es  solnver  erklärlieh,    wie  eine  solche  längere   Improvisation  sieb 


Ϊ  Für  Grysar  a.  a.  ().  S.  57  ist  der  Pmloj^  freilich  eine  Impr'• 
visation,  da  er  erst  am  Spioltago  scll>Ht  den  im  Theater  anwescnilu 
Laberius  von  Cäsar  aufgefonlert  worden  liisst,  di<'  Ileraiisforderuiic  ^'^ 
Syrus  aufzunehmen;  aber  (irysar  niuthtt  dem  Laberius  ja  auch  i*' 
andere  Kunststück  zu.  »lass  »τ  uhne  wi.'iteres  aus  doni  Goflächtniss  j-- 
wahrscheinlich  aiich  (»hne  MitspieN-r  ««iiuii  stuncr  Minien  aufgeführt  bii'i- 


Miscellen.  475 

hätte  YoUständig  erhalten  können,  während  aus  dem  Stegreif- 
Spiele  nur  zwei  Verse  hewahrt  blieben,  die  als  piquante  Anspie- 
lungen auf  den  allgewaltigen  Cäsar  von  dem  Publikum  begierig 
aufgegriffen  worden  waren. 

Das  Stegreif-Spiel  selbst,  in  welchem  Laberiue  und  Syrus 
bestimmte  Hollen  durchzufübren  hatten,  musste  sich  in  der  Form 
jener  alten  Exodien  bewegen,  die  aus  dem  Fescenninus  hervor- 
gegangen, von  diesem  sich  dadurch  unterschieden,  dass  an  die 
Stelle  des  in  persönlichem  Spotte  sich  bewegenden  Wort-  und 
Witzkampfes  zweier  lustiger  Gesellen  vom  Schlage  der  Horazi- 
schen  Messius  und  Sarmentus  der  Streit  zweier  komischer  Cha- 
raktere, zweier  aus  dem  Leben  herausgegriffener  contrastirender 
Typen  getreten  war.  Der  Mimus  selbst  war  ja  nur  die  kunst- 
vollere, bühnengerechte  Form  dieses  'frontibus  aduersie  secum 
pugnantia'  vorführenden  Streitspiels.  Leider  erfahren  wir  nichts 
über  das  Sujet,  das  in  dem  improvisirten  Mimus  durchzuführen 
war.  Nur  so  viel  berichtet  Macrobius,  dass  Laberius  in  der 
Tracht  des  Syrus  (mit  dem  pilleus  des  Freigelassenen?)  aufge- 
treten und,  als  flüchte  er  vor  Peitschenschlägen,  mit  dem  Aueruf 
auf  die  Bühne  gestürzt  sei:  porro  Uuirites!  libertatem  perdimus  — , 
und  dass  er  weiter  jenes  andere  geflügelte  Wort  gesprochen  habe: 
necesse  est  multos  timeat,  quem  multi  timent.  So  empfindlich 
nun  auch  das  eine  wie  das  andere  Wort  Casar's  Ohr  treffen 
musste,  auf  den  sich,  wie  Macrobius  beifügt,  aller  Augen  wandten, 
—  im  Munde  der  von  Laberius  dargestellten  Person  mussten  die- 
selben an  sich  harmlos  und  von  komischer  Wirkung  sein.  Als 
Syrus  costümirt  mag  Laberius  einen  Possenreisser,  vielleicht  von 
der  Gattung  derer  gespielt  haben,  hinter  deren  Narren-Maske  sich 
beissender  Witz  verbarg.  Die  Schläge,  vor  denen  der  Schalk 
flüchtet,  indem  er  mit  komischem  Pathos  die  Bürger  ob  der  be- 
drohten Freiheit  zu  Hülfe  ruft,  mögen  ihm  wohl  zum  Lohn  für 
einen  boshaften  Witz  zugedacht  gewesen  sein.  Ob  die  Rolle  des 
80  provocirten  und  mit  Schlägen  drohenden  von  Syrus  gespielt 
wurde,  das  lässt  sich  natürlich  nicht  entscheiden;  jedenfalls  aber 
muss  das  Stegreif-Spiel  damit  seinen  Abschluss  gefunden  haben, 
dass  sich  Syrus  als  der  gewandtere  und  witzigere  Improvisator 
erwies,  dessen  schlagfertige,  von  dem  Applaus  der  Zuschauer  be- 
gleitete Erwiderungen  den  Gegner  endlich  verstummen  machten. 
Der  laute  Beifall  des  Publikums  (vgl.  das  laus  est  publica  am 
Schluss  der  unten  angeführten  Verse)  muss  das  Urtheil  gesprochen 
haben,  und  Cäsar  constatirte  sicher  nur  den  wirklichen  Erfolg, 
wenn  er  im  Tone  der  Improvisation  fortfahrend  an  Laberius  die 
Worte  richtete:  fauente  tibi  me  victus  es,  Laberi,  a  Syro.  Jene 
Verse  aber,  die  Laberius  angeblich  bei  einem  zweiten  Wettspiel 
in  einen  Mimus  eingelegt  haben  soll, 

non  possunt  primi  esse  omnes  omni  in  tempore, 
summum  ad  gradum  cum  claritatis  ueneris, 
consistes  aegre  et  citius  quam  escendas  cades: 
cecidi  ego,  cadet  qui  sequitur:  laus  est  publica  — 


in  Ton  iinJ  Metrum  liem  Prologe  MiteprecbcD, 
-T'pUug  gebildet  liaben,  mit  üem  Laberiue  von  der 
it. 

Emanuel   Uuflmaun. 


Phsedrus  doch  in  rierien  geboren. 

E.  Wolfflin  (oben  S.  157)  verübelt  es  Uen  Lilerai-liietorikern, 

m  eie  den  Fabeliliditer  Phaeilrus  in  Pierien  geboren  sein  laeeeo. 

meint,    die  bekannte  iStelle  (3,  prol.   17  hi{.J,    wo    es    heLset: 

I  quitH  Fierio  maier  en'MOSl  m{IO  u.  h.  w.,    dürfe  nicht  gensB 

^^..iimiiion    werden.     Freilich   nicht:    auch    bislier    hat    man 

nicht  getraut  das  betreffende  Woehenbe' t  auf  ein   iugum  Pieräia 

in  verlegen. 

Aber  wenn  nun  Wolfflin  fortfahrt:  'Für  Jen  Zueainmenhang 
genügt  ee  wenn  I'haedrua  aagt,  er  ee  nicht  in  der  Pro§a  dee 
Leben»  iGeechäftithiLtigkeit  u.  ä.),  soi  lern  in  helleniBcher,  poe- 
tiecher  Luft  uafgewaehsen',  %o  ist  dies  unrichtig.  V.  52  ag.  sa^ 
PhaedruB  zu  seiner  Rechtfertigung,  daee  er  es  gewa^  habe  Fi- 
beln KU  Bühreiben,  Folgendes:  Si  Phryx  Aesopus  potuit,  si  Ana- 
charsis  Scfflba  Aetcrtiam  famam  comiere  ingenio  auo:  Ego,  Uüc- 
ralae  qni  λμμ  propior  eraeciae.  Cur  sörntto  inerti  äeseram  patriae 
deeua?  Threlsaa  man  gern  numerei  attciores  shus  Lindque  Apollo 
ait  paretis,  Musa  OrpJteo,  Qni  saxa  cantu  mavit  q.  s.  -w.  Also: 
Wenn  Reibet  der  Phryger  Aesop  und  der  Skythe  Anacbarais  durch 
ihren  (reist  Ruhm  erwerben  konnten,  so  darf  anch  ich,  der  den 
gelehrten  Griechenland  näher  steht  als  Jene  beiden,  su  schreibin 
wagen,  uarane  ist  ersichtlich,  dass  PhaedruH  sich  zwischen  Jeu« 
Barbaren  und  die  tiriechen  in  die  Mitte  stellt,  dass  er  von  Ge- 
hurt kein  Grieche  war.  Warum  (fragt  Phaedrua  V.  54)  soll  ich 
aus  Trägheit  die  literarischen  Bemühungen  aufgeben,  welch« 
meinem  Vaterlande  zur  Ehre  gereichen'!'  Als  Vaterland  des  Ph- 
wird  aber  in  den  folgenden  Versen  (Threisea  .  .  .  gene,  Liniu, 
Orpheus)  deutlich  Thrakien  bezeichnet.  Damit  stimmt  die  An- 
gabe, dass  Phaedrufi  in  Pierio  iugo  geboren  sei  auf  das  Beete. 
Denn  die  (älteren)  Bewohner  Pieriens  waren  Thraker:  de; 
V.  57  erwähnte  Thraker  Orpheus  war  der  Sage  uaoli  in  Pierien 
geboren  und  bestattet  und  auch  an  Beziehungen  zwist^hen  Line* 
uud  Orpheus  und  Thrakien,  bez.  Pierien  fehlt  es  nicht.  £r  hei»ei 
z.  B.  Bnider  des  Orpheus,  Vater  oder  Sohn  des  Pieroe  u.  β.  w, 
So  stimmt  der  Schluss  des  Prologs  trefilioh  zusammen  mit  iei 
Stelle  von  welcher  wir  ausgingen  (V.  17  sq.),  und  eg  verbiet 
achon  diese  enge  sachliche  Verbindung  WijliHin's  Auffassun(r. 

Aber  auch  Anderes.     Phaedrus    sagt:    Meine  Mutt«r  gel»' 

■mich    da   wo   Mnemosyne    die  Mueen   gebar,    in  Plenen.      Ist  » 

Äglich  in  solchem  Zusammenhang  bei  eigentlichster  Äuedruci) 

w  (mater  me  enixa  est)  uneigentlich  ku  verstehen   und   in  er 

und  ist   die  Bezeichnung   iugum  Pierinm    statt  I^eri 


Miscellen.  477 

anstüssig  für  eine  Landschaft,  welche  fast  ganz  gebirgig  ist  und 
nur  einen  schmalen  Streifen  ebenen  Landes  längs  der  Küste  hat? 
Ferner  V.  20  quamvis  in  ipsa  paene  natus  sim  schola  bedeutet: 
Obwohl  ich  als  Pierier,  fast  inöcht*  ich  sagen,  aus  der  Schule  der 
Musen,  der  Dichtkunst  stamme,  ....  so  bebandelt  man  mich 
abweisend  (V.  23).  Solcher  Verkennung  gegenüber  sagt  endlich 
Phaedrus  V.  61  sollemnis  mihi  debetur  gJoria  d.  h.  derselbe  Ruhm, 
welchen  andere  Thraker,  wie  Orpheus  und  Lines,  zu  geniessen 
pflegen.  —  Demnach  bleibt,  denke  ich,  die  Literaturgeschichte  bis 
auf  überzeugendere  Belehrung  bei  der  Meinung,  dass  Phaedrus 
in  Thrakien,  bez.  in  Pierien  geboren  war. 

Tübingen.  L.  Schwabe. 


Zum  lateinischen  losephns. 

Im  Jahre  840  begann  der  für  den  Katholicismus  begeisterte 
Laie  Albarus  aus  Cordova,  der  selbst  jüdischer  Abstammung  war, 
mit  dem  damals  wohl  in  Saragossa  weilenden,  zum  Judenthum 
abgefallenen  Alemannen  Bodo-Eleazar  einen  Brief  krieg,  um  den 
Apostaten  zur  Umkehr  zu  bewegen  (vgl.  über  Bodo  Simson  Jahrb. 
d.  fränkischen  Reichs  unter  Ludwig  d.  Fr.  II  252  ff.  und  über 
beider  Verhältniss  Graf  von  Baudissin  Eulogius  u.  Alvar  p.  77  sq.). 
Den  klassischen  Philologen  können  Albar's  Briefe  kaum  interes- 
siren  —  Eleazar's  sind  in  der  einzigen  Hs.  absichtlich  so  gut 
wie  vollständig  verstümmelt,  woraus  man  auf  die  vermeinte  Kraft 
ihrer  Gegenargumente  schliessen  mag  —  aber  wir  lernen  aus 
ihnen  einiges  Neue  für  die  Ueberlieferungsgeschichte  des  sogen. 
Hegesippus. 

Albar  hatte  dem  Eleazar  etwas  aus  der  jüdischen  Geschichte 
berichtet;  dieser  antwortete  —  man  kann  das  aus  Albar's  Rück- 
antwort entnehmen  (ed.  Florez  Espana  sagrada  XI  186),  da  auch 
hier  Eleazar  selbst  nicht  mehr  vorliegt  —  der  Bericht  gründe 
auf  Unwahrheit  und  stamme  aus  dem  Hegesippus.  Darauf  Albar 
(ebenda):  scito,  quia  nihil  tibi  ex  Egesippi  posni  verbis,  sed  ex 
losippi  vestri  doctoris.  Dann  citirt  er  einiges  aus  diesem  losippus 
(oder  losephus,  wie  von  hier  an  Florez  druckt),  nimmt  aber  diese 
Citate  in  der  That  aus  dem  Hegesippus,  nicht,  wie  ich  Anfangs 
annehmen  musste,  etwa  aus  der  sogen.  Uebersetzung  des  Rniin. 
Man  vgl.  ebd.  p.  187:  Non  mirum  loannes  si  perseueres  usque 
ad  excidium  patriae,  cum  iam  reliquerit  (so  mit  der  Hs.:  die  da- 
maligen Spanier  setzen  nach  neutr.  plur.  den  singularis  uerbi) 
eam  praesidia  diuina:  sed  miror  etc.  bis  imminet  mit  Hegesippus 
V  31  ed.  Weber  p.  346,  2. 

Also  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jh.  gab  es  in  Spanien 
eine  Handschrift  des  sog.  Hegesippus,  die  noch  unter  dem  Namen 
des  losephus  ging  und  man  wusste  recht  wohl,  wer  dieser  lose- 
phus war  (ebd.  p.  186  sq.);  ob  in  ihr  angemerkt  war,  dass  Am- 
brosius  das  Werk  übersetzt  habe,  läset  sich  nicht  ausmachen,  da 


478  Miecelien. 

Albar  es  recht  wohl  desbalb  ]iicht  erwähnt  haben  kann,  um 
möglichst  authentische  Weisheit  zu  atfectiren.  Zu  gleicher  Zeit 
aber  ging  —  nicht  nothwendig  in  Spanien  —  derselbe  Autor 
schon  unter  dem  Namen  des  Hegesippus.  und  der  gelehrte  Eleazar 
deckt  sich  sehr  geschickt  mit  dieser  Kenntniss. 

In  Spanien  hatte  man  übrigens  schon  früher  die  Bekannt- 
schaft des  bearbeiteten  losephus  gemacht  (vgl.  Vogel  de  Hegesippo 
Erlang.  1881  p.  36  sqq.).  Isidor  hat  ihn  excerpirt  und  die  Citate 
des  anonymen  Autors  der  scintillae,  des  sog.  Defensor  (ein  Ba- 
seler Druck  von  1544  hier  auf  der  Hof-  und  Staate-Bibliothek; 
ein  Abdruck  bei  Migne  88,  595),  der  zeitlich  zwischen  Isidor 
und  Albar  zu  stehen  scheint,  verstehen  unter  ihrem  loseph.  wohl 
unseren  Bearbeiter  und  fliessen  aus  dessen  Reden,  was  ein  ge- 
nauerer Kenner  des  Hegesippus  gewiss  leicht  wird  nachweisen 
können.  Damit  würde  sich  die  Bemerkung  der  Benediktiner  er- 
ledigen (s.  Migne,  ebd.). 

München.  L.  Traube. 


Zur  UeberHefernng  der  Grammatik  des  Diomedes. 

Gramm.  Lat.  Τ  ρ.  XXX Π  ist  Keil  in  Zweifel  darüber,  ob  cod. 
Harl.  2773,  den  er  selbst  nicht  eingesehen  hatte,  den  ganzen 
Diomedes  enthalte.  Eine  von  mir  angestellte  A^ergleiebung  der 
Handschrift  ergal),  dass  dieselbe  sänimtliche  Bücher  des  Diomeilef 
enthält,  aber  allerdings  für  die  Textkritik  nichts  Neues  bietet, 
da  sie  auf  denselben  Archetypus  znvürkgebt  wi«^  der  l^uteamis 
und  die  übrigen  Codices. 

München.  K.  Km ni  ha  eher. 


Zu  den  griechischen  KönigsHsten. 

Die  aus  Diodoros  bei  Euscb.  (Iiron.  I  223  erhaltene  LiBte 
der  Eurystheniden  bat  Inger  Pbil.  40  (1881)  9(i  auf  Ephoros 
zurückgeführt,  indem  er  die  ü]»erlieterten  Zahlen  für  Agis  nn»i 
Echestratos:  1  und  'M  nicbt  mit  A.  v.  Gutschmid  in  31  und  30 
verändert,  sondern  aufrecht  erhält.  In  der  That  würde  die  Summe 
von  2iM  Jahren  von  der  Herakleiden -Wanderung  bis  zur  ersten 
Olympiade  genau  dem  chronologisclien  Systeme  des  Ephoros  ent- 
sprechen, Avälirend  die  JU^gierungszeit  des  Agesilaos  nach  ΏΜ. 
nicht  mit  der  Anirabe  Apollodi>r's  über  die  Zeit  lloiuer's  über- 
einstimmen würde  ( liohde  lilicin.  i\lus,  ;{(>,  521h.  Dass  die  Zahlen 
1  und  31  nielit  auf  einem  alten  Sclireibieliler  beruhen,  sondern 
enge  mit  den  andern  zusammcnluingcn,  ergibt  folgende  Betrd'^h- 
tung.  Die  überlieferten  Zahlen  für  die  Kegierungen  der  ii  Ko- 
nige vi)n  Eurystlienes  bis  Alkamenes.  mit  dem  die  Liste  aufhürt. 
weil  in  seine  Regierung  die  erste  ()lymi>iade  fiel  und  die  Chrono- 
graphen sieh  nun  an  die  ()lym})iadenzählung  hielten,   ergeben  iQ* 


r 


Miscellon.  479 

saminen  die  Summe  von  321  Jahren.  Folglich  kommen  auf  jede 
T€V€a  35-''3  Jahre.  Eine  solche  Berechnung  der  γ€ν€ά  ist  in  der 
Zeit  des  Aristoteles  (vgl.  Pol.  IV  14,  6  p.  1335^  Susemihl)  nicht 
auffällig.  Auch  rechnet  ja  Ephoros  von  der  Herakleiden  Wanderung 
bis  zum  Uebergange  Alexanders  nach  Asien  735  Jahre,  so  dass 
auf  die  21  Geschlechter  der  spartanischen  Könige  je  35  Jahre 
entfallen.  3  Geschlechter  zu  je  35'^/3  Jahren  ergeben  zusammen 
107  Jahre.  Zählt  man  die  Zahlen  der  drei  mittlem  Könige  La- 
botas,  Doryssos,  Agesilaos  mit  je  37,  29  und  44  zusammen,  so 
ergibt  sich  die  Summe  von  110  odef  107  +  3.  Addirt  man  dann 
die  Zahlen  des  ersten,  dritten  und  neunten  Kr)nigs,  Eurysthenes, 
Echestratos  und  Alkamenes,  42  4-  31  -l•  37,  so  erhält  man  wie- 
derum 110  oder  107  +  3.  Die  Summe  der  übrigen  drei  Könige: 
Agis,  Archelaos,  Teleklos:  1  +  60  -f  40  ist  gleich  101  oder 
107—2  .  .3. 

Die  Speculation  tritt  noch  klarer  durch  folgende  Anordnung 
der  Regenten  hervor: 

1)  Eurysthenes  2)  Agis  3)  Echestratos 

42  1  31 

4)  Labotas  5)  Doryssos  ü)  Agesilaos 

37  29  44 

7)  Archelaos  8)  Teleklos 

eO  40 

9)  Alkamenes 
37 

Die  erste  Reihe  von  drei  Generationen  ergibt  also 

107  4-  1  +  1  +  1,  die  zweite: 

107  —  2  —  2  —  2,  die  dritte: 

107  +  1  +  1  -f  1. 
Damit  ist  erwiesen,  dass  an  den  Zahlen  1  und  31  nicht  zu  rüt- 
teln ist,  dass  ferner  Unger  Recht  hat,  wenn  er  die  Liste  auf 
Ephoros  zurückfuhrt,  und  dass  endlich  auch  nicht  einmal  die 
Regierungszeiten  der  letzten  Könige  vor  dem  Beginne  der  Olym- 
piadenzäblung  auf  w^irklich  historischer  Ueberlieferung  beruhen. 
Dasselbe  Exempel  läset  sich  auch  bei  der  korinthischen 
Königsliste  machen,  die  Unger  gleichfalls  auf  Ephoros  zurück- 
führt. Diodoros  bei  Euseb.  I  219  rechnet  von  Aletes  bis  Kypselos 
447  Jahre,  von  denen  357  auf  die  Könige  und  90  auf  die  Pry- 
tanen  kommen.  Das  ist  die  Chronologie  Apollodor's.  657  +  447 
=  1104/3.  Die  bei  Diod.  überlieferten  Zahlen  für  die  einzelnen 
Könige  ergeben  jedoch  nur  die  Summe  von  327  Jahren.  Gut- 
schmid  hat  eine  Lücke  angenommen,  wogegen  sich  Gelzer,  Sext. 
Tul.  Afric.  147  erklärt.  Unger  nimmt  die  Summe  von  323  Jahren, 
welche  sich  im  Kanon  des  Euseb.,  in  der  Series  und  in  den  Ex- 
cerpt.  barb.  42^  finden,  als  die  ursprüngliche  an.  323  4-  747 
(Anfang  der  Prytanen)  ^=  1070.  Das  wäre  wiederum  die  Hera- 
kleiden-Aera  des  Ephoros. 


MiBcelleii. 

'"  Liste   bei  DiodoruB  weicht  von  der  im  Kanon   nnd  in 

"1  tinr  darin    Ab,    daiie    sie    den   beiden    ersten    Eiinigen 

lud  Ixion  je  38  Jahre  gibt,  während  sie  dort  35  und  :^T 

bähten.     Die  Zahlen  35  und  Ά7  flndeu    sich    auch    iu    den 

u  liarb.     Sie   eind   in    der  That    die   nraprü  η  glichen.     I>ie 

ithiechen  Künige  tunfaeeen  nur  10  Generationen  (vgl.  Paus. 

ij,  denn  Agenion  nnd-Alexandros  UHi)r;iireii   die   Herrschaft 

Ol       ormiinder  des  Teleetee.     Der  letzte  Kiinig  Automenee  regiert 

nur  1   Jahr  und  beginnt  erst  die  10.  Generation.     323  .Tnlirc  einil 

^  9  Generationen  zu  35"/^  JahreTi    +  1  ■'    ' 

Die  Liüte  iet  nun  folgende: 


AletoB        <   Ixion  Agelan  I 

I     35  j       37  37 

Pryninie  ι  Bakohis  Agela»  ΓΙ 
I     35         I       35  I      SO 

Eudaraos  i  ArietomedeR  iTeleBtee ' 
35       I       35  I      5S 


( 


Aletee,  Agelas  I,  Prymnis     =  107  =  S  χ  SSVi 
Ision,  Bakohie,  Arietomedes  =   107  =  3  χ  35^^ 
Agelas  11,  Telentee,  Endamos  =     108  =  3  χ  35%  +  1.         | 
Die  flpceolation  tritt  somit  klar  zu   Tage,  j 

Die  Liste  in  den  Excerpt-  ba  b.  weist  duruhans  nicht,   wi• 
Gelier  meint,    eine  besondere  aus  anderer  Quelle  geschöpfte  Rf    ' 
oension  auf.     Die  Differenzen  von  der  andern  Liste  rtiduoiren  weh    '■ 
darauf,  dass  in  den  Excerpt.  .Vgelaa  I  nur  a3  Jahre  zählt,   aleo 
4  weniger  als  bei  Diod.,  im  Kanon  und  iu  der  Series.     Dafür  lul 
aber  Agelas  II  34  .Tahre,  d.  h.  4  Jahre  mehr,    so   dasx  sich  iit 
Differenz    aasgleipht.      Ferner  zählen    die    Ictitttn    beiden    Könip 
hier,  wie  dort  zuRnmmen   13  Jahre,  die  nur  anders  vertheilt  eiad.   | 
Bei  Diod,  hat  Telestes  12  Jahre,  Automenes    1  Jahr,    in  den  Et- 
cerpt.  Tclestes  9  Jahre,  Automenes  4  Jahre.     Es  sind    mitbin  nw  ' 
einige  Regenten  zahlen   anders   vertheilt,    aber    eine  grundsätiilirli    | 
versnhiedene  Redaetion  liegt  nicht  vor. 

Kiel.  G.   Buar 


I  IG,  Aleintidros  2S,  Teleatea  12. 


Verantwortlicher  Redacteur:   Herr 

(ΐβ.  Juni  1884.) 


lieber  die  Anordaung  der  Figuren  im  Ostgiebel  des 

Zeustempels  zu  Olympia. 

(Hierzu  Tafel  III) 


PausaniaR  V  10:  Τά  bk  έν  τοις  άετοΐς,  ίστιν  έμπροσθεν 
ΤΤβλοπος  ή  προς  Οινόμαον  τών  ϊππυυν  δμιλλα  ίτι  μέλλουσα  και 
το  ^ργον  του  δρόμου  παρά  αμφοτέρων  έν  παρασκευή.  Διός 
bk  αγάλματος  κατά  με'σον  πεποιημένου  μάλιστα  τον  άετόν, 
έστιν  Οινόμαος  έν  οεΕια  του  Διός  επικείμενος  κράνος  τή  κε- 
φαλή, παρά  οέ  αυτόν  γυνή  Στερόττη,  θυγατέρων  και  αυτή  τών 
"Ατλαντος.  Μυρτίλος  bi,  δς  ήλαυνε  τω  ΟΙνομάω  τό  δρμα, 
κάθηται  πρό  τών  ϊππων  ο\  bi  είσιν  αριθμόν  οΐ  ϊπποι  τέσσαρες, 
μετά  bk  αυτόν  εΙσιν  άνδρες  δύο '  ονόματα  μέν  σφισιν  ουκ  ίστι, 
θεραπεύειν  bi  άρα  τους  ίππους  και  τούτοις  προσετέτακτο  υπό 
του  ΟΙνομάου.  προς  αύτώ  bi  κατάκειται  τω  πέρατι  Κλάδεος* 
ίχει  δέ  καΐ  ές  τά  άλλα  παρ'  Ηλείων  τιμάς  ποταμών  μάλιστα 
μετά  γε  Άλφειόν.  τά  bk  ές  αριστερά  άπό  του  Διός  6  ΤΤέλοψ 
καΐ  Ιπποδάμεια  και  δ  τε  ηνίοχος  έστι  του  Πέλοπος  καΐ  ϊπποι, 
δύο  τε  άνδρες,  Ιπποκόμοι  δη  και  ούτοι  τψ  ΤΤέλοπι.  καΐ  αύθις 
ό  αετός  κάτεισιν  ές  στενόν,  καΐ  κατά  τούτο  'Αλφειός  έπ'  αύτου 
πεποίηται.  τω  δέ  άνδρι  δς  ήνιοχεί  τω  ΤΤέλοπι  λόγψ  μέν  τω 
Τροιίηνίων  έστιν  όνομα  Σφαΐρος,  6  δέ  έΗηγητής  έφασκεν  6  έν 
Όλυμπία  Κίλλαν  είναι. 

Auf  Grund  dieser  Nachricht  dachte  sich  Welcker^  den  Zeus 
in  der  Mitte  stehend,  stehend  nehen  ihm  einerseits  Oinomaos  und 
Sterope,  andererseits  Pelops  und  Hippodameia,  die  beiden  Vier- 
gespanne der  Mitte  zugekehrt,  den  dem  Myrtilos  entspreclienden 
Killas  wie  diesen  vor  den  Pferden  sitzend,  die  beiden  Pferde- 
wärter jederseits  liinter  den  Pferden.  'Pausanias  —  so  drückt 
sich  Welcker  aus  —  nennt  Myrtilos,  die  Pferde  und  nach  ihm 
(dem  Myrtilos)  die  zwei  Stallknechte.     Hiernach  könnten  sie  auch 


1  Alte  Denkmäler  I  S.  178  flf. 

Rhein.  M»e.  f.  PUUol.  N.  F.  XXIIX.  Bl 


482  Keknl« 

neben  den  Pferden  gedacht  werden:  yermiithlMh  aber  «i 
hinter  ihnen  und  zwar  nicht  stehend,  eondem  gebllokt  i 
irgend  eine  Weise  mit  den  Pferden  besehiltigt•  •  .  .  8d 
denMyrtilos  war  der  abnehmende  Raum  des  Oiebelfald•  ι 
rechten  Stellung  nicht  mehr  hinreichend;  er  war  ee  niekl 
Pferdeknechte  neben  den  Thieren,  noch  weniger  wean  eil 
ihnen  sich  befanden.  Dies  ist  aber  aadi  dämm  TOimi 
weil  wir  so  an  der  fttr  die  GrOsse  des  Tempels  engen 
Ausdehnung  der  Gruppe  gewinnen.  . . .  Die  Anadelunuig  i 
Stellung  ist  so  wichtig,  dass  man  sich  auch  die  beiden  Yierg 
so  viel  als  möglich  auseinandergehend  denken  mnee,  nngef 
die  in  einem  Yasengemälde  des  Museums  au  Neapel  % 
Opfern  vor  dem  Wettkampf  ziemlich  lange  Beihen  der  ι 
vortretenden  Pferde  bilden.  . . .  Auf  der  andern  Seite  waiei 
falls  der  Sitzende,  die  vier  Pferde  und  die  zwei  Kneehte 
Rt&ndig  übereinstimmender  Gruppirung.  Die  Pferde  miti 
sind  es  der  Figuren  einundzwanzig\ 

Von  den  Flussgöttem  in  den  Giebelecken  nahm  1 
natürlich  an,  dass  sie  gelagert  gewesen  seien.  Aue  seinei 
fortigung  der  gesammten  Darstellung  hebe  ich  die  folgend« 
aus:  *  Statt  aller  andern  Götter,  unter  deren  Ange  nnd 
nähme  Pelops  den  Sieg  und  die  Herrschaft  des  Landes 
Rind  Zeus  Reibst  ausgewählt  nnd  die  beiden  vornehmsten 
der  gesegneten  Landschaft,  an  deren  Altären  auch  in  d< 
geopfert  wurde.  Nach  ihrem  Lauf  mass  auch  die  Sage  < 
Oinomaos  und  Pelops  durchfahrene  Bahn  aus.  Die  Oöt 
die  handelnden  Personen,  weislich  auf  das  nothwendige  besc 
Zeus,  neben  ihm  auf  beiden  Seiten  die  Hauptpersonen,  d 
Kämpfer,  neben  diesen  Hippodameia  und  Sterope,  dann  d 
gespanne,  die  heiligen  Ströme,  füllten  den  Raum  nicht  voL 
aus:  lieber  als  gleichgültigere  Götter  oder  Nebenpersonen 
zuziehen,  hat  der  Künstler  vier  ganz  untergeordnete  Fign 
ner  eigenen  Erfindung,  von  denen  die  Sage  nichts  wnsate, 
gefügt,  das  Paar  der  Pferdewärter  auf  beiden  Seiten,  die 
*  Gepränge    einer    so  stattlichen    und    so   gern   gesehenen  - 

Wettkampf  es  vermehrten*. 
j,  Die  deutschen  Ausgrabungen  haben  die  von  Welche: 

dertc  Zahl  von  21  Figuren  für  den  Ostgiebel  ergeben  un 
hanpt  seine  Vorstellung  von  der  Composition  im  Wese 
bestätigt.  Aber  die  Anordnung  und  Erklärung  der  Für 
bieten  noch  ungelöste  Schwierigkeiten  dar. 


Ueber  den  Ostgiebel  des  Zeustempels  zu  Olympia.  483 

Nachdem  zuerst  einige  gewissermaesen  vorläufige  Versuche 
unternommen  worden  waren  ^,  stehen  sich  gegenwärtig,  nach  Ab- 
schluss  der  Ausgrabungen,  zwei  auf  den  vollständigen  Fundbestand 
gegründete,  sorgfältig  und  genau  durchdachte,  in  sich  geschlos- 
sene Anordnungen  gegenüber,  die  von  Treu^  und  Curtius^. 

Treu  erhebt  die  Forderung  der  strengsten  Symmetrie  so- 
wohl für  die  Anordnung  als  auch  für  die  Richtung  aller  Figuren. 
Er  sucht,  um  dieser  Forderung  zu  genügen,  die  Paare  auf,  welche 
sich  als  Gegenstücke  auf  den  beiden  Giebelseiten  entsprechen 
müssen  und  ordnet  diese  um  die  gegebene  Mittelfigur  des  Zeus 
und  zwischen  den  gleichfalls  gegebenen  Flussgöttern  in  den  Gie- 
belecken. Die  Anordnung  Treu's,  welche  die  Skizze  auf  unserer 
Tafel,  oben"*,  deutlich  macht,  lässt  in  der  Beobachtung  strengster 
83'^mmetrie  in  der  Tliat  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig.  Nur  in 
dem,  was  Treu  selbst  die  innere  Symmetrie'  nennt,  liegt  ein  leichter 
Wechsel  vor  —  durch  die  beiden  Gestalten,  welche  jederseits  den 
Gespannen  zunächst  angebracht  sind  C  Ε  L  N.  Dem  sinnenden 
Greise  hinter  den  Pferden,  N,  entspricht  drüben  der  Wagenlenker 
C,  dem  Myrtilos  L  vor  den  Pferden  der  hockende  Knabe  E,  so 
dass  der  die  Zügel  haltende  Mann  einmal  vor,  einmal  hinter  die 
Pferde  kommt  und  der  hockende  Knabe  E,  wie  sich  Treu  selbst 
ausdrückt,  'eine  blosse  Füllfigur'  ist,  Mie  nur  aus  formellen  Grün- 
den der  Composition  hier  ihren  Platz  gefunden  hat'.  In  dem  An- 
satz einer,  auch  dem  Motiv  nach,  völlig  bedeutungslosen  Füllfigur 
gerade  an  dieser  Stelle,  in  dem  leichten  Wechsel  wenn  auch  nur 

1  Treu,    Archäol.  Zeitung  1676  S.  174  ff.  mit  Taf.  13.     ürlichs, 
Bemerkungen  über  den  olympischen  Tempel  und  seine  Bildwerke  (Würz- 
burg 1877)   S.  20  ff.    mit   Tafel.     G.  Hirschfeld,    Deutsche   Rundschau 
IV  2  (1877)  S.  809  ff.  mit  Tafel.     Vergl.  auch  die  Skizze  Adler's,    Die 
*     Ausgrabungen  in  Olympia  II  (1877)  Taf.  XXXV  nebst  der  Erläuterung 
■     ebd.  S.  16.     Milchhofer,    Im  Neuen  Reich  1877  II  S.  206  ff.    Robert, 
d     Archäol.  Zeitung  1878  S.  31. 

κ  2  Archäol.  Zeitung  1882  S.  217  ff.  mit  Taf.  12.    Treu  zugestimmt 

Μ    haben  Overbeck,  Geschichte  der  griech.  Plastik  PS.  420  ff.  (mit  Taf); 

"t    Ad.  Boetticher,  Olympia  Das  Fest  und  seine  Stätte  (Berlin  1883)  S.  258  ff. 

(mit  Taf.  VII). 
"^  8  Die  Funde  von  Olympia,  Ausgabe  in  einem  Bande  (Berlin  1882) 

S.  11  ff.  mit  Taf.  VI.  VII.     Curtius   haben    zugestimmt  Furtwängler, 
^  Archäol.  Zeitung  1882  S.  3Ü5  Anm.  99  und  Lucy  M.  Mitchell,  Α  history 
;    of  ancient  sculpture  (London  1883)  S.  262  ff.  mit  Fig.  127. 
V  *  Ich  verdanke  diese  wie  die  beiden  anderen  Skizzen  auf  unserer 

r-    Tafel    und    ebenso   die  S.  487   mitgetheilte  Abbildung  der  Taren tincr 
Münze  der  Gefälligkeit  von  Franz  AVinter. 


484  KekuU 

der  'inneren'  Symmetrie,  in  dem  unmittelbaren  Nebeneinandei 
stellen  von  Β  und  C,  in  dem  Platze,  welcher  dem  MSdeheii  * 
hinter  dem  Rinnenden  Greise  Ν  angewiesen  ist,  liegen,  meine] 
Grefuhl  nach,  ebenso  viele  Schwierigkeiten  vor,  welche  ich  lieb< 
beseitigen,  als  sie  aus  dem  Ungeschick  des  Etinstlere  nnd  ans  di 
Kunststufe,  von  der  die  Composition  Zeugniee  gibt,  erklin 
möchte.  Zumal  der  Wechsel  der  Bedeutung  nnd  BeschSltigii 
in  den  Paaren  EL  und  CN  bringt  es  mit  sich,  daae  diese  Figvn 
dem  Sinne  nach  kreuzweise  sich  entsprechen,  CL  und  £N,  n 
demnach  CDE  und  LMN  als  Gesammtgruppen  gegen überstelMi 
während  alles  darauf  hinzudeuten  scheint,  dass  eine  peinlich  f 
naue  Gegenüberstellung  der  gegenseitig  sich  entspreobenden  Eio» 
fignren  stattfand. 

Aber  der  hauptsächlichste  Einwand  gegen  Treu'e  Anordnuij 
gründet  sich  auf  eine  äussere  Thatsaohe,  welche  durch  die  Fso^ 
umstünde  gegeben  ist.  Der  hockende  Knabe  £  lag  bei  setic 
Auffindung  zwischen  Ν  und  Ρ  und  er  gehört  also  an  die  Stell 
O.  Dies  war  für  Treu  selbst  bei  seinem  früheren  der  Hentd 
lung  des  Giebels  gewidmeten  Versuch  ein  Grund-  und  £ck|^«k 
des  Ganzen.  'Beide  Hälften  unserer  Figur  —  so  schrieb  Tw 
damals  —  mit  den  zugehörigen  Bruchstücken  sind  zwölf  Sckiit 
vor  der  fünften  Säule  der  Ostfront  (von  Süden  gerechnet)  vu 
\Or8cl)ein  gekomineii,  und  zwar  genau  zwischen  dem  Greis  Ν  mi 
dem  Kladeostorso  P,  von  denen  klar  ist,  dass  sie  noch  unterbtü 
ilires  alten  Aufstellungsortes  lagen.  Da  nun  die  Maasse  ^ 
kauernden  Knaben  für  diese  Stelle  vortrefflich  passen,  so  wir 
CS  denn  doch  überaus  wahrscheinlich  sein,  dass  auch  er  noch  u 
seiner  Fallstelle  lag.  Es  müssten  wenigstens  sehr  triftige  Grfini 
dagegen  angeführt  werden  können,  ehe  wir  uns  entschlössei 
solchen  Thatsacheu  den  Glauben  zu  versagen.  Aber  es  ist  viel 
mehr  das  Gegentheil  der  Fall*  u.  s.  w. 

Die  geforderten  triftigen  Gründe  um  von  seiner  früberei 
Aniialnue  abzustellen  fand  Treu  in  den  allgemeinen  ErwägunfO 
für  seine  Herstellung  des  Giebels,  in  technischen  BeobachtuogcE- 
welche  ihm  gegen  die  Einordnung  des  hockenden  Knaben  bei  0 
zu  sprechen  schienen,  in  seiner  seitdem  an  Ort  und  Stelle  ^ 
machten  Erfahrung  'wie  entsetzlich  die  Zerstörung,  wie  rege  aei 
alles  verschlingend  die  Bauthätigkeit  später  hier  angesi'^deltif 
Geschlechter,  wie  gross  der  Umfang,  wie  weit  das  Gebiet  ^ 
wie  völlig  unberechenbar  die  Zufälle  bei  den  Verschleppnngfi 
gewesen  seien. 


lieber  den  Ostgiebel  des  Zeustenipels  zu  Olympia.  485 

Ich  kann  mich  durch  alles  was  Treu  anführt  nicht,  in  der 
Ueberzeugung  irre  machen  lassen,  dass  nach  Ausweis  der  Fund- 
berichte dem  hockenden  Knaben  seine  Stelle  zwischen  Ν  und  Ρ 
angewiesen  werden  muss,  wie  dies  von  Treu  selbst  früher  ge- 
schehen ist  ^. 

Von  der  Thatsache,  dass  der  hockende  Knabe  an  die  Stelle 
Ο  zwischen  dem  Greis  Ν  und  dem  Eladeos  Ρ  gehört,  geht  Cur- 
tias  aus,  dessen  Anordnung  in  der  Skizze  auf  unserer  Tafel  an- 
gegeben ipt.  Die  fünf  Mittelfiguren,  die  Gespanne,  die  Endfiguren 
ordnet  Curtius  mit  Treu  übereinstimmend,  ebenso  auch  den  Greis 
Ν  hinter  den  Pferden  rechts  vom  Beschauer.  Alle  übrigen  Fi- 
guren hat  er  versetzt.  Dem  hockenden  Knaben  0  lässt  er  auf 
dem    andern   Flügel    bei  Β  das  kauernde  Mädchen   entsprechen, 


1  Treu,  Archäol.  Zeit.  1876  S.  187.  189:  'Unberührt  . . .  scheinen 
die  drei  Statuen  der  rechten  Giebelecke  (NOP)  geblieben  zu  sein.  Alles 
in  dem  Fundbericht  über  dieselben  weist  darauf  hin :  die  unmittelbare 
Nähe  des  Kapitells,  über  dem  sie  ursprünglich  aufgestellt  waren,  die 
Weise,  in  welcher  die  drei  Stucke  dicht  neben  einander  daliegen,  genau 
in  der  Reihenfolge,  in  der  sie  im  Giebel  neben  einander  standen.  Sie 
sind  ferner  fast  genau  in  derselben  Tiefe  ausgegraben  worden:  Ν  und 
0  in  der  Höhe  der  zweiten,  Ρ  in  der  der  untersten  Tempelstufe.  Sie 
lagen  endlich  noch  von  den  zugehörigen  kleineren  Marmorfragmenten 
umgeben  da.  Mögen  also  auch  die  Köpfe  von  0  und  P,  die  Beine  von 
Ρ  von  Menschenhand  entfernt  worden  sein:  was  wir  haben  ist  jeden- 
falls so  liegen  geblieben  wie  es  fiel.  Dies  ist  die  wichtigste  Thatsache, 
die  wir  aus  diesen  Fundberichten  lernen  .. .  .*  Die  Angaben  aus  dem 
Tagebuch  der  Ausgrabungen  sind  bei  Treu  S.  188  abgedruckt.  Dazu 
'  ist  noch  zu  vergleichen  Treu,  Die  Ausgrabungen  in  Olympia  lY  (1880) 
3[     S.  10.    Archäol.  Zeit.  1879  S.  118.    Graeber,  Die  Funde  von  Olympia, 

^    in  der  Erläuterung  der  Fundkarte  Taf.  XXXI  S.  31:  ' Während 

*  die  der  Falllage  entsprechende  Anordnung  der  Metopen,  des  sinnenden 
Greises  und  des  Kladeos  nicht  bezweifelt  wird,  haben  sich  aus  anderen 
^  Gründen  Bedenken  erhoben  gegen  die  des  hookenden  Knaben.  Man 
will  denselben  vor  das  Gespann  des  Pelops  seCzen  und  in  die  Nordecke 
Beben  den  Kladeos  das  kniende  Mädchen  bringen.  Dem  widerspricht 
die  Fundstelle*.  Alle  Verschleppungen  seien  nach  aussen  hin  vorge- 
nommen worden.  Nach  Treu's  Annahme  aber  würde  allein  beim  hocken- 
den Knaben  'nicht  eine  Verschleppung  von  innen  «nach  aussen,  son- 
dern ein  tieferes  Hineinschleppen  in  die  Trümmermasse'  stattgefun- 
den haben.  'Vorher  aber  hätte  das  kniende  Mädchen  mit  allen  Frag- 
menten aus  der  Stelle,  wohin  der  hockende  Knabe  gebracht  werden 
sollte,  also  aus  der  untersten  Stelle  des  Trümmerhaufens  fortgeschafft 
werden  müssen*.     Vgl.  Curtius  ebd.  S.  12. 


486  Keknlo 

dem  Greis  Ν  Trea*e  liyrtilos  bei  C;  Tren'e  PfarfefUrtw  Β  mi 
C  rückt  er  nach  rechte  und  swar  den  ersten  naeh  Ε  vor  fii 
Pferde   linke   vom  Besohiiaery   den  iweiten   tot   die  FIMe  af 

dem  andern  Flügel  nach  L. 

Die  Schwäche  der  Cartini'echen  AnftteUnng  Vtegt  m  im 
zerstörten  Symmetrie.  Die  Mittelgrappe,  die  Oeepamie»  die  Iri- 
figuren  weisen  die  strengste  Entsprechung  wmL  lat  μ  deakki; 
dass  die  Fignr  L  nach  rechts  gekehrt  war  statt  aaoh  Hidcs?  vi 
die  Figur  bei  Β  nach  links  statt  nach  reohts?  Kiohts  tereA 
tigt  dazu. 

Ich  halte  die  Aufgabe  für  unabweisbar  eine  Avfttellnf 
aufzufinden,  welche  sich  sowohl  der  von  Gurtine  feetgelialleMi 
Fundthatsache  fQgt,  dase  der  hockende  Knabe  nach  Ο  gehSrt^  sk 
auch  dem  Gesetze  strengster  Symmetrie  in  der  Weiee^  gereeht 
wird,  wie  dies  Treu  verlangt  hat. 

Indem  ich  den  Versuch  mache  diesen  beiden  ForderaigSB 
nachzukommen  so  wie  es  die  dritte  Skizze  auf  nneerer  TafU  Ttf- 
anschaulicht^,  gehe  ich  von  der  Voraussetzung  ane,  daee  ΤηΛ 
Ermittelungen  über  die  gegenseitige  Entsprechung  der  einiebia 
Figurenpaare  richtig  sind,  und  ich  lasse  demgemSee  dem  liockei- 
den  Knaben  0  bei  Β  Treu*s  Myrtilos  entsprechen,  so  daes  diese 
Figur  gegen  die  Cnrtiue'Rche  Anordnung  um  eine  Stelle  nack 
aussen  rückt.  Dem  Greise  Ν  stelle  ich  bei  C  Curtius'  Hyrtilo• 
gegenüber,  so  dass  diese  beiden  Figuren  an  denselben  Steiles 
bleiben  wie  bei  Treu.  £s  sind  noch  übrig  das  kniende  Hädchca 
und  der  ganz  ebenso  kniende  Knabe,  bei  Treu  Ο  und  B,  ha 
Curtius  Β  und  E;  sie  können  nur,  einander  zugewandt,  jeder 
seits  vor  den  Gespannen  bei  L  und  Ε  ihre  Plätze  haben. 

Bei  dieser  Anordnung  wird  dem  Gesetz  der  Symmetrie  auch 
in  der  Kichtung  der  Figuren  völlig  genügt:  sie  bietet  nooh  an- 
dere Vortheile. 

Das  hockende  Mädchen  L,  welches  für  Curtius  bei  der  Stelle 
Β  zu  einer  *  Quellnympbe,  der  Quelle  Pisa  oder  der  berlihmteren 
Arethusa'  Avird,  soll  nach  Treu  bei  0  eine  *  Gefährtin*  des  Greises 
Ν  sein,  *die  ihm  in  ähnlichem  Sinne  beigegeben  ist,  wie  der 
kentronhaltendc  Knabe  dem  Killas*  —  ohne  solche  Umschreibung 
sagt  0 verbeck,  eine  Benennung  der  Figur  bei  0   'da  wo   sie   ist 

1  Die  Skizze,  welche  auf  Grund  der  bisher  vorliegenden  Publi- 
kationen gemacht  ist,  kann  natürlich  nur  die  allgemeine  Anordnung 
anpfebcn. 


Uober  den  Oetgiebel  des  ZcusttimpoU  in  Olympia.  467 

und  wird  bleiben  mtiseen'  sei  wohl  sehr  schwer  möglich.  Um- 
gekehrt erklärt  Botticber,  sie  lasse  sich  unschwer  als  eine  Die- 
nerin aus  dem  Gefolge  der  Königin  Sterope  deuten.  Gewiss !  nnr 
mnse  sie  dann  ihre  Stelle  neben  Königin  Sterope  erhalten.  Sie 
kniet  dienstbereit  neben  ihrer  Herrin,  wie  auf  dem  schönen  atti- 
schen Grabstein  '  die  Dienerin  dienstleistend  vor  Ameinokleia 
kniet,  wie  auf  anderen  Grabsteinen  die  dienenden  Knaben  zu 
FSasen  ihrer  Herren  hocken  und  kauern^.  Bei  dieser  Anordnung 
wird  zugleich  der  Irrthnm  des  Pausanias,  oder  seines  Gewährs- 
mannes, begreiflich,  der  die  langbekleidete  Gestalt  fttr  Hyrtilos 
in  der  Tracht  der  Wagenlenter  versehen  hat. 

Der  kniende  Knabe  £  soll  nach  Treu  mit  wenig  gebogenem 
linken  Arm  und  wenig  vorgestreckter  linker  Hand,  dagegen  mit 
stark  erhobener  nnd  nach  innen  geführter  rechter  Hand  ein  Kentron 
halten  —  es  ist  nngeiUhr  die  Bewegung,  mit  der  man  ntdert. 
In  den  ebenso  gehaltenen  Händen  setzt  Curtiue  die  Zügel  des 
Viergespanns  voraus.  Ein  anziehenderes  Motiv  ergibt  der  Ver- 
gleich mit  zwei  Mijnzbildem  and  dem  BrnchetHck  einer  bemalten 
Vase.  Ein  Didrochmon  von  Tarent,  welches  bei  Head,  Guide  to 
the  principal  gold  and  silver  coins  of  the  ancients  (London  1881) 
Taf.  34,  7  abgebildet  und  danach  hiemächst  wiederholt  ist,  zeigt 


unter  einem  siegreichen,  von  seinem  Reiter  bekränzten  Pferd 
einen  knienden  Jüngling  oder  Knaben,  welcher  den  linken  Vor- 
derfnss  des  Pferdes  in  der  Hand  hält,  um  ihn  zu  reinigen  oder 
zu  prüfen.  Auf  einem  Didrachmon  von  Ambrakia,  dessen  Ab- 
guse  mir  durch  Imhoof-Blumers  Güte  vorliegt,  ist  es  ein  geflü- 
geltes Pferd,  also  Pegasos,  dessen  linker  Vorderfuee  auf  dieselbe 

'  Das  Grabrelief  iet  abgebildet  bei  Le  Bae,  Monument«  figures 
Tafel  66  und  bei  Lucy  Mitchell,  Α  hietory  of  ancient  sculpture  S.  500 
Fig.  211.  Vgl.  meine  Beacfareibung  der  antiken  Bildwerke  im  Theseion 
zu  Athen  (Leipzig  1869)  S.  61  f.  No.  149. 

s  Annali  dell'  Inst,  archeol.  1876  tav.  d'  agg.  H.  Heydemann,  Die 
antiken  Marmorbild  werke  in  der  Stoa  des  Hadrian  (Berlin  1874)  S.  75 
No.  203.  Ant.  Bildw.  im  Theseion  S.  122  No.297.  Vgl.  0.  Jahn,  Die 
FicoronJBche  Cista  S.  0. 


488 


Kekulü 


Weise  von  dem  knieenden  Jüngling  gepflegt  oder  geprüft  wird  V 
Das  Vasenbruchstück  ist  bei  Robert  Walpole,  MemoirB  relating  to 
European  and  Asiatic  Turkey  (London  1818)  vor  S.  321  abge- 
bildet und  S.  322  besprochen.  Danach  ist  es  von  Lord  Aberdeen 
in  Athen  gefunden  worden  und  wird  sich  also  vermuthlich  jetzt 
im  Britischen  Museum  befinden.  Die  Figuren  sind  schwarz  anf 
hellem  Grund,  dessen  Farbe  nicht  ausdrücklich  angegeben  wiri 
Man  sieht  zwei  einander  zugewendete,  mit  den  Köpfen  an  einen 
Pfosten  hoch  angebundene  Pferde.  Das  eine  wird  von  einem 
stehenden  Manne  mit  einer  Btirste  am  Eücken  gereinigt.  Unter 
dem  anderen  sitzt  ein  Mann  in  ganz  ähnlicher  Btellnng  wie  aof 
den  Münzbildem  und  hält  wieder  den  linken  Vorderfnes  des  Pfer 
des  in  den  Händen.  Aber  diesesmal  sieht  es  so  ans,  als  ob  er 
gerade  nicht  den  Huf  selbst,  sondern  das  Gelenk  oberhalb  da 
Hufes  rein  mache.  Die  Beachtung  und  Pflege  der  dem  Schadet 
so  sehr  ausgesetzten  Hufe  wird  von  Xenophon  mehrfach  einge- 
schärft ~.  Ich  denke  mir  den  Knaben  £  in  derselben  Beschif- 
tigung,  wie  sie  die  Münzen  zeigen,  möglichst  dicht  vor  das  vot- 
derste  Pferd  gerückt  und  dessen  linken  Yorderfuss  prüfend.  Die 
beiden  Münzen  sind  natürlich  später  als  der  olympieche  Giebel: 
das  Vasenbild  wird  für  älter  als  derselbe  oder  spätestens  fir 
etwa  gleichzeitiiT  gelten  iiiüsson. 

Nacli  Trcu's  Bericht  sind  die  beiden  \"ierge8paiine  in  der 
Weise  gearbeitet,  'dass  die  drei  hinteren  Pferde  aus  einem  unJ 
demselben  Marniorbloeke  genieisselt  wurden,  so  dass  sich  Ki»pfr- 
Hälse  und  Beine  gewissennassen  reliefartig  vor  einander  schie- 
ben; das  vorderste  Pferd  dagegen  ist  aus  einem  besonderen  Block 
gehauen  und  stellt  sieb,  so  zu  sagen,  als  ein  Drei  viert  elspferJ 
dar,    von  dessen  dem  Beschauer  abgewandten  Seite    des  Runipfei 


^  Der  mir  vorliegende  A])guR8  ist  nach  einem  Kxemplar  in  Im• 
lii»i>rs  Sammlung,  welelier  dazu  für  mich  aufgeschrieben  hat:  Άτι^π 
rallask()j)f  re<litshin  und  Α  hinter  demselben.  Andere  Kxcmplare  sio-i 
abgebildet  im  Catalogur  Allii-r  ilc  HauttToclie  pl.  G,  13  und  in  Eckhel's 
Xum.  vi;t.  amcd.  ΛΜΙΙ  li).  Von  Korintli  selbst  gibt  es  keine  derarfiiP?- 
iStüeke.  Das  Kigürdien  unter  deni  Begasos  ist  auf  der  Tafel  AllitT'' 
irrthümlicli  als  Satyr  gi-zeiclinct'.  Auch  von  einem  in  ΙηιΙιοοΓβ  Saniir.• 
hing  hi'tindlichen.  iK^^'indcrs  si^liüncn  Kxemplar  der  Tarentiner  MürJ'. 
liaV>e  ich  durch  (li<?  (iütr  cliiscs  bewährten  und  geduldigen  Freuii-J^ 
einen  Abguss  in  Händen. 

-  Xenophon  π^ρΐ  ιππικής  1,  Γ».    .•»,  12.    4,  4.  5.    5,  9.     ΐππαρχιι^'^ 


t  η 


lieber  den  Ostgiebel  des  Zeustenipcls  zu  Olympia.  469 


man  der  Länge  nach  etwa  ein  Viertel  weggeschnitten  hat .  Wun- 
derlicher Weise',  so  fahrt  Treu  fort,  *  sind  dabei  jene  drei  Relief- 
pferde jedes  Viergespannes  au  ihrer  Vorderseite  vollständig  aus- 
gearbeitet, als  ob  dieselben  niemals  von  dem  davor  stehenden 
vordersten  Pferde  verdeckt  gewesen  wären'.  Diese  Wunderlich- 
keit bleibt  bei  Treu's  wie  bei  Curtius*  Aufstellung  bestehen  und 
unerklärt.  Bei  meinem  Vorschlag  fällt  sie  von  selbst  weg.  An 
beiden  Viergespannen  ist  das  vorderste  frei  gearbeitete  Pferd  vor 
dem  vordersten  Eeliefpferde  etwas  rückwärts  zu  rücken,  so  dass 
über  den  Figuren  Ε  und  L  ein  Theil  der  Vorderseite  des  Relief- 
pferdes sichtbar  blieb.  Die  gegebenen  Raum  Verhältnisse,  aus 
denen  Treu  auf  die  Unmöglichkeit  schloss,  die  frei  gearbeiteten 
Pferde  irgendwie  vor  oder  rückwärts  zu  schieben,  machen  dabei 
keine  Schwierigkeit.  Im  Gegentheil  wird  es  wohl  nur  erwünscht 
sein,  nunmehr  die  Viergespanne  möglichst  dicht  an  die  stehenden 
Mittelfiguren  heranrücken  zu  können,  jederseits  in  dem  vorder- 
sten Reliefpferd  um  eine  ganze  Stelle  dichter  als  in  den  Aufstel- 
lungen von  Treu  und  Curtius.  Die  beiden  Figuren  £  und  L  sind 
ohne  die  Spuren  eigener  Postamentplatten  gefunden  worden;  bei 
dem  Knaben  £  ist  nach  Treu's  Beobachtung  im  Nacken  'ein  nach 
vorn  etwas  gesenkter,  etwa  1  cm  starker  und  fast  10  cm  tiefer 
Bohrkanal,  wie  von  einem  runden  Metallstift,  erhalten',  woraus 
Treu  schliessen  will,  die  Figur  sei  gegen  das  Ende  des  Giebels 
von  oben  '  an  dem  schrägen  Giebelgeison'  befestigt  gewesen.  Diese 
Vorrichtung  wird  vielmehr  zur  Befestigung  vorn  an  dem  frei  ge- 
arbeiteten Pferd  gedient  haben;  und  £  und  L  sassen  wohl  auf 
denselben  Postamentplatten  auf,  wie  die  frei  gearbeiteten  Pferde. 
In  den  äginetischen  Giebeln  ist  die  ganze  Composition  auf 
die  Profilstellung  aller  sich  entsprechender  Figuren  gegründet. 
Nur  die  Mittelfigur  der  Athena  ist  jederseits  in  der  Vorderansicht, 
^ewissermassen  auch  der  einzeln  vor  ihr  liegende  Krieger.  Der 
Künstler  des  olympischen  Ostgiebels  hat  vermuthlich  ein  beson- 
deres Verdienst  seinerseits  darin  gefunden,  dass  er  alle  fünf 
Mittelfiguren  mit  solcher  sonderbarer  steifer  Feierlichkeit  in  die 
Vorderansicht  stellte.  Aber  dadurch  wird  die  Empfindung  für 
die  Symmetrie  an  den  nächsten  Stellen  besonders  geschärft.  Un- 
möglich konnte  Ε  bei  L  eine  nach  rechts  abgewendete  Figur  ent- 
sprechen wie  bei  Curtius,  unmöglich  auch  die  etwas  lockerere 
Symmetrie  der  Figuren  Β  und  0  eintreten  wie  bei  Treu!  An 
diese  Stellen,  neben  den  stehenden  Mittelfiguren,  vor  den  gleich- 
förmigen Gespannen,  können  nur  die  am  genauesten  und  streng- 


IT  dun  Ostgiulwl  dca  ZcuelempeU  xu  Olyuipu.         | 

ml  Stellung  eioh  entsprechenden  Geetalten  Pl&ti 
*  und  E,  während  die  leieht«  Lockerung  der  Άγιο- 

ι   βίτικθΐηβη   an   die  Stellen   gegen    die  Giebelenden  Uio, 
lio  Eckäguren,  gehört. 

Schlieeelich  hebe  ich  noch  hervor,  daes  meine  Anordnung 
h  der  Ueeammtheit  der  Fnndthateachen '  leichter  fngt,  nicht 
r  als  diejenige  Trea'e,  sondern  nuch  als  die  von  Curtina  ver- 
ebte. Ohne  Zweifel  sind  diese  Fandthatsachen  von  verechie- 
leni  Gewicht,  und  derjenigen,  welche  die  Stellen  der  Figuren 
i  NOP  bestimmt,  kommen  die  übrigen  nicht  gleich.  Inde« 
iid  der  Untertbeil  des  Alpheios,  der  eelngerte  Mann,  der  Unter- 
theil    des    knienden  Mannes   genau  lerselben  Reihenfolge  vor 

der  Südeoke  der  Ostfront  gefunden  \  den,  wie  ich  sie  bei  ABC 
angeordnet  habe,  Das  hockende  Mä  en  dagegen,  welches  da- 
tiue  an  die  Siidecke  nach  Β  setzen  wil.,  während  ich  es  nach  L 
verweise,  ist  in  seinen  beiden  Theilen  innerhalb  der  nördliche« 
Hälfte  des  Fundgebietes  gefunden  wo  len  nnd  iwar  der  unter- 
theil  wiedemm  neben  dem  Untertheil  ler  Sterope  —  genan  der 
Stelle    entsprechend,    an    die   ich  Figur  neben   Sterope  ge- 

setzt babe. 

Die  von  Treu  und  Curtius  fibereinstimmend  gegebene  An- 
ordnung und  Benennung  der  fünf  Mittelfiguren  *  zu  bezweifeln, 
linde  ich  keinen  Anlaee.  Von  den  anderen  Figuren  kann  »ef 
einen  bestimmten  Namen  nur  der  Greis  Ν  Anspruch  erbeben:  « 
ist  Myrtilos,  der  in  der  Sage  zu  berubmt  ist,  um  fehlen  an  kön- 
nen. Auch  die  Eckflguren  mögen  vielleicht  als  Alplieios  nni 
Kladeos  zu  verstehen  sein,  obgleich  ich  es  nicht  für  wafarscheiii- 
lieh  halte.  Die  änsserlicbe  Acbnliobkoit,  welche  diese  beidtn 
liegenden  Gestalten  und,  bei  meiner  Anordnung  wie  bei  Tren^ 
früherem  so  glücklich  begonneneu  und  mit  Unveclit  von  ihn 
aufgegebenen  Versuch  der  Gnippirung  der  Ecken,  auch  diejeni^ 
an  den  nächst  äussern  Stellen  Β  und  0  mit  den  cntsprechendci 
Gestalten  in  den  Ecken  des  Weetgicbels  am  Parthenon  darbie- 
ten, ist,  meines  Wissens,  zuerst  von  Treu  bemerkt  worden*.  D« 
hockende  Knabe  0  gohiirt  übrigens  in  eine  lange  Typenreihe  vm 
iohr  altem  Trsprung, 

Bonn.  Keinhnrd    Kekule. 

1  Sie  lassen   sich  am   bequemsten   und  sichersten    erkennBU  ni 
llf«  der  Uebersichtekarte  Taf.  XXXI  der    Funde  von  Olympia,   Ae 
einem  Bande'  und  Gracber's  Krläutening  dazu  cbd,  S.  28ff- 
'  '1-  dasu  auch  Michaelis.  Archäol.  Zeltung  187G  S.  162  Κ 
>äol.  Zeitung  1876  S.  179. 


ΖπΓ  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles. 


Ein  Eecensent  von  L.  SpengeFe  Ausgabe  der  Aristotelischen 
Rhetorik,  L.  Kayser,  hat  bei  Besprechung  des  Werkes  den  sehr 
beherzigenswerthen  Satz  aufgestellt,  dass  nach  der  vorzüglichen 
Arbeit  von  Speiigel  für  jeden  neuen  Herausgeber  der  Khetorik  nur 
mehr  eine  unbedeutende  Nachlese  übrig  bleibe.  So  bin  ich  denn 
nicht  ohne  ein  Grefuhl  berechtigten  Bangens,  das  durch  die  leb- 
hafte Erinnerung  an  den  glänzenden  Scharfsinn,  an  das  strenge 
und  unerbittliche  Urtheil  meines  hochverehrten  Lehrers,  Leonhard 
Spengel,  noch  gesteigert  ward,  an  diese  schwere  Aufgabe  heran- 
getreten und  ich  habe  mir  auch  während  der  Arbeit  dieses  Ge- 
fühl immer  gegenwärtig  zu  halten  gesucht:  hat  dasselbe  doch 
auch  die  eine  gute  Folge,  dass  es  die  jetzt  grassirende  Mode- 
krankheit, jedem  plötzlichen,  auch  nur  einigermassen  probablen 
Einfalle  sofort  nachzugeben  und  ihn  entweder  als  Conjectur  oder  gar 
als  Emendation  in  die  Welt  zu  schicken,  nicht  leicht  aufkommen 
lässt.  Auch  überzeugte  mich  bald  die  genauere  Beschäftigung 
mit  einigen  Kapiteln  des  ersten  Buches,  dass  denn  doch  der  Aus- 
druck Kayser's  von  einer  Nachlese  nicht  so  ganz  wörtlich  zu 
nehmen  sei.  Im  Gegentheil,  nur  zu  bald  musste  ich  mir  ge- 
stehen, dass  hier  von  einer  Nachlese  eigentlich  keine  Rede  sein 
könne,  sondern  dass  noch  ein  Haupttheil  der  Arbeit,  nämlich  eine 
neue  Collation  der  berühmten  Pariser  Handschrift  von  Bekker  A*^ 
genannt,  der  Handschrift,  von  welcher  fast  die  ganze  Kritik  unserer 
Schrift  abhängt,  ein  dringendes  Bedürfniss  sei.  Denn  wenn  im 
Commentare  von  Spengel  an  manchen  kritisch  gerade  sehr  wich- 
tigen Stellen  für  die  Lesarten  von  A**  nicht  weniger  als  4  Zeugen 
—  Victorius,  Gaisford,  Bekker,  A.  Laubmann  —  ins  Feld  geführt 
werden,  so  ΛviΓd  man  denn  doch  die  billige  Forderung  an  einen 
neuen    Herausgeber    stellen    müssen,     endlich    einmal    in    diesen 


hin    ι 


itscheid   2u   bringen.     Und   ich    hStt^    «ri>M  waA 
Feder  (tngeeetzt  zn  einer  neaen  Hernnsgabe,    wenn  ndr 
getid  ein  glUcklicber  Zafall  die  Eineicht  nnd  Collation  de• 
luiiiten  Parieer  Codex  ermöglicht  hätte. 

Ich    habe    mich    nun    in    der  praefatio   über    den  Cod.,    diB 
lachen  Heiner  Fehler  nnd  A'erechreibnngen,  seiner  Mängel  über- 
Dpt  ausführlich  anegeeprocheti,  was  ich  also  hier  nicht  wieder- 
ien  will.     Doch  soll   anch   an   dieecm  Orte  nicht  verschwiegen 
■  erden,  dasn  die  zum  Gebrauche  Gaisford's  hergestellte  Collation 
iel  genauer  und  beeeer  iet,    als  die  von  Bekker  besorgte,    weno 
auch  hie  und  da  dae  geübte  Auge  Bekker's  richtiger  gesehen  hat  al« 
alle  seine  Vorgänger.     Zweck  des  enden  Aufeatzes  ist  ea  daher 

nur,  die  von  mir  in  der  Aue  üe  litgetheilten  Conjecturen  η 
rechtfertigen,  die  durch  die  neue  (  lation  gewonnenen  Lesarten 
an  begründen  oder  anderen,  die  mir  ungebührlich  vemacblüsei^ 
SU  Nein  eobeinen,  zu  ihrem  Rech'  i  verhelfen;  denn  dasa  wir 
soviel  als  möglich  an  der  Aucto  d's  Cod.  A'  festhalten  müssen, 

das  hat  aaneer  Spengel  in  neuerer  ieit  gans  besonders  Vahlni 
an  mehreren  Bciepielen  glänzend  pei  pigt.  Aber  erst  wenn 
eich  die  Varianten  der  deteriores  so  hl  bei  Bekker,  wie  bei  Gaie- 
ford  in  strenger  nnd  scharfer  Prüfung  ihrer  Entstehung,  ihrer 
Absicht,  ihrer  liedentung  für  den  Text  klargelegt  hat,  dann  wird 
man  ganz  besonders  bei  Verwerthung  derselben  y.MT  Vorsicht  ge- 
mahnt. 

Indem  ich  sonst  die  Beihenfolge  der  Bücher  nnd  Kapitel 
einhalte,  will  ieh  nur  hier  zu  Anfang  das  an  zwei  scMHgendMi 
Beispielen  erläutern. 

Aristoteles  spricht  I  7  13G5•  10  von  der  Wirknng  der  ImoI- 
ρε<ης  und  bemerkt  unter  Anderm  καΐ  &ιαιρούμΕνα  ht  «Ις  τά 
μ('ρη  τα  αυτά  μ£ί£ω  φαίν€ται'  πλΕΐόνων  γάρ  όττερέχΕίν  φαίντππ. 
Diesen  Satz  erläutert  er  nun  mit  einem  Beispiele  ans  Homer  I 
592  If.  und  A<=  bietet  da  die  folgende  Lesart:  ΟΘευ  καΙ  6  ποιη- 
τής φησι  π£ΐσαι  τόν  Μελΐαγρον  άνοστήνοι 

οσσα  κάκ'  άνθρώποισι  ττίλει  των  δστυ  άλφη 
λαοί  μίν  φθινύθουσι,  πόλιν  bi  τε  πΟρ  όμαθύνει 
τίκνα  ΐιέ  τ'  ίίλλοι  δγουσιν. 
Was  bieten  nun   dazu    unaere   deteriore«,    denen  Bekker  nnd  der 
urtheileloae  Cope  gefolgt  aind?  δθεν  καϊ  ό  ποιητής  φησι  ircioai 
λίτουσαν  τον  Μελέαγρον  άναστηναι  κτλ.     Nun   hat   Spengel 
llatlludig  recht  getlian,    λεγοιΚΤαν,   das  nur  die  det.  bieten,  m 
heu:  dagegen  ist  ihm  eine  befriedigende  Erklärung  der  Stellt 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  498 

nicht  gelungen.  So  meinte  er  Praefat.  ad  rhet.  Graec.  p.  VI 
'aliud  excidisse  videtur  v.  c.  παράκοιτιν*^  und  in  seiner  Ausgabe 
1867  'Intellige  την  γυναίκα,  quo  aegre  cares.  Excidisse  videtur 
subiectum*.  Aber  beides  ist  verfehlt:  denn  die  Stelle  ist,  wie  sie 
A^  liest,  vollständig  richtig,  Subject  zu  π€Ϊ(Ταΐ  ist  eben  das  fol- 
gende Citat;  würde  Aristoteles,  was  er  ja  auch  hätte  thun  können, 
dasselbe  mit  einem  τό  eingeführt  haben,  kein  Mensch  hätte  da 
auch  nur  den  geringsten  Anstoss  genommen.  Wollte  man  aber 
auffallend  finden,  dass  so  in  ungehöriger  Weise  Text  und  Citat 
mit  einander  verwoben  sind,  so  erinnere  ich  an  eine  ähnliche 
Stelle  Pol.  I  8,  1256^  33  ώσπ€ρ  Σόλων  φησι  ποιήσας 

'πλούτου  V  ουδέν  τέρμα  π€φασμ€νον  ovbpam  κ€ΪταΓ 
κείται  γαρ,  ώσττερκαι  ταΐς  δλλαις  τίχναις,  hier  muss  man  eben- 
falls aus  dem  Citate  zu  dem  Text  τέρμα  ergänzen.  Zweierlei  sieht 
man  aber  daraus  klar  und  deutlich,  einmal,  dass  man  in  erster 
Linie  immer  und  immer  mit  der  Pariser  Handschrift  A^  zu  rechnen 
hat;  dann  aber  überrascht,  wie  vortrefflich  Aristoteles  seinen  Ho- 
meros  verstanden  hat:  hätte  er  wohl  ein  schlagenderes  Beispiel 
für  seine  Lehre  aufspüren  können,  als  das  genannte?  Liest  man 
nämlich  I  574,  581,  585  und  590  και  τότε  οή,  so  wird  man  die 
prägnante  Kürze,  der  sich  hier  AHstoteles  beflissen,  erst  recht 
am  Platze  finden. 

Ich  reihe  an  dieses  Beispiel  ein  zweites,  das  ich  in  einem 
anderen  Zusammenhang  auch  anderweitig  besprochen  habe,  wo 
uns  A^  ebenfalls  auf  das  Richtige  führt.  Bei  Besprechung  der 
μεταφορά  und  ενέργεια  III  11,  1411^  29  sagt  Aristoteles  και 
'τούντευθεν  οΰν  "Ελληνες  '^Ηαντες  ποσίν*  τό  ήΙΕαντες  ενέργεια 
και  μεταφορά.  So  wird  hier  in  allen  Ausgaben  gelesen.  Ganz 
anders  aber  lautet  die  Stelle  in  unseren  Handschriften  und  zwar 
bietet  hier  A®  τούλευθερον  ol  'Έλληνες,  die  det.  entweder  τού- 
λεύθερον  V  έλληνες  oder  ελεύθεροι  bi  Έλληνες.  Victorius 
hat  nun  vermöge  seiner  ausgezeichneten  Belesenheit  die  citirte 
Stelle  in  Iphig.  Aul.  80  aufgespürt  und  für  das  unverständliche 
τούλευθερον  aus  Euripides  τούντευθεν  οΰν  geschrieben,  worin 
ihm  alle  Herausgeber  gefolgt  sind.  Aber  diesmal  hat  der  vor- 
treffliche Mann  neben  das  Ziel  geschossen.  Aristoteles  schrieb 
hier  sicher  nichts  als  και  τό  * 'Έλληνες  ζάντες  ποσίν*  und  das 
unverständliche  ελεύθερον  ist  nichts  als  eine  Glosse  zu  dem  un- 
mittelbar vorausgehenden  τό  'σέ  b'  ώσπερ  άφετον*,  wo  eben 
αφετον  mit  ελεύθερον  erläutert  war.  Ich  möchte  diese  Stelle 
vergleichen  mit  der  Λ'οη  Vahlen  glücklich  emendirten  1398^*  16: 


ι 


Lttche  ane  A*^  noch  erkennber  ist,  eo  auch  hier  die 
■sreite  bei  den  ileteriorea  Jurch  bi  noch  mehr  in  diMi 
g  geKugen  worden  ist,    nnd  richtig  ist,     was  Sp.  iii 
p.  VI  geengt  bat  'aililito  bk  tiiiigl)«  cornipi-rnnt'. 
üb   null    im    folgenden  ilie  Stellen  nach  der  Keihuo- 
I      I     liem    und    Kapiteln    beRiireobe,    beginne    icb    niii    I 
vOv  μΐν  οΰν  o\  τάς  τέχνας  τών  λότιυν  συντιΘΐντ€ί 
ίΕ•      ήκασιν   αύτης   μόριον.     Howohl    in    der    grüeevreii 
in  ilcr  editio  teilium  iterata  biit  Bekker  für  ττίττοιή- 
..    irt  η£πορ!κασι  eing(;fubrt.    'Ilhid   πΕπορίκασι,    Im- 
ipe       1  im  Oonimentar  p.  11,  II,  minipHit  Itekkt^r  ex  mar- 
(        ,  niii  ein      ι  manu  eeriptiiiu  est:  γρ.  oubiv  ώς  eiiTELV  Πί- 
criv  αυτή     ιόρίον'.     Ein  Blick  in  den  kritischen  üommcntar 
ΊΙ  iiäkker   xcheint  nne  aber  eines  Beeeercn    επ  belehren:    dort 
.  von   der   durch  Sp.  aiiit  Gaiaford   mitgetheiltcn  Variante    kein 
irt  zu  ΙοΗβη.     Wie    b'ixt  Rieh    nun  daii  KSthxel?     Nun  einfacd 
rch,  dnes  wir  es  hier,    was  Sp.  ituni  Thcil  schon  richtig  n• 
inte,  nieht  mit  einer  Variante,  Ronderu  mit  einer  Erklürniig  η 
Kinn  haben;  denn  im  Cod.  ist  nicht«  von  einem  γρ.  ^u  bemerken 
nnd   darum   wurde    auch   diese    angebliche  Variante    von    Bekker 
nicht  mitgethcilt.     l'm  so  weniger  ist  ee  demnach  gerechtfertigt, 
eine  Bolche  Lesart,  die  nach  dem  hritiechen  Auitweis  nur  in  einer 
der  echlachtcBten   Handschriften,  nftmlteh  in  Q  Rieht  —  Yict,  be- 
merkt nwar  vidi  etiam  in  i|Diliu8dam  πεπορίκασι  —   in  den  Teil 
zu  setzen.     Denn  πεπορίκασί  iBt   nichts   anderes  als  eine   Erklä- 
rung des  allerdinge  etwas  unbestimmt  und  allgemein  klingenden, 
sonst  aber  durchaus  unanstössigen  ιτΐτίοιήκαΟι,  wie  wir  eolohe  so- 
wohl in  den  geringereu  Codd.,  als  auch  in  den  Commentaren  η 
Aristciteles    nicht    selten    antreffen.      Aber    mit    gatem    Gewieeen 
hätte    aacU   Aristoteles    einen    Η  atz    wie    den    obigen    gar    nicht 
schreiben  können:  wir  müssten  ihm  da  seine  eigenen  Worte  1399* 
15   HlXCl   140(:t''15   U02»  17  entgegL-.i  halten.     Allein  die  spi- 
teren  librarii,  wie  die  Erklärer  desselben  sind  dnrchane  nicht  so 
bescheiden  wie  Aristoteles:    das  sieht  man  klar  und  deatlich  atts 
der  Stelle  1392"  2:    τούτων  bt   πορισθε'ντιυν   nepi  re   ενθυμη- 
μάτων κοινή  π€ΐραθώμ€ν  einciv,   tt  τι  ίχομεν,   καΐ  Trepi  πορα- 
δίίγμάτων.    Hier  lassen  alle  dcteriores  im  Bewusstsein  ihrer  über 
legeneii  GcKcheitheit  das  ei  Ti  ίχομεν  weg,  das  zuerst   Victorioi 
aus  A"  in  den  Text  einführte  und  mit  der  guten  Bemerkung  be- 
gleitete 'declarant  autem  illa  et  rei  huius  cxplicandae  difficnltateto 
et  Aristotelis  mcdestiam  . 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  495 

Die  Stelle  1354^  29  hat  Sp.  edirt:  και  ήττον  έστι  κακοΟρ- 
γον  ή  δημηγορία  οικολογίας,  αλλά  κοινότερον  mit  der  Angabe 
aus  Bekker  '  κοινότερον,  άλλα  καινότβρον  addito  super  κοινότβρον 

ort 

rec.  δτι'.  Aber  δτι  ist  in  der  Weise  geschrieben  οικολογίας  κοι- 
νότ€ρον  und  άλλα  καινότ€ρον  ist  durchgestrichen,  δτι  ist  von 
erster  Hand,  passt  vortrefflich  in  den  Sinn  und  darum  habe  ich 
es  mit  Vahlen  in  den  Text  gesetzt.  Das  in  der  Handschrift  ge- 
tilgte άλλα  καινότβρον  dürfte  jedoch  kaum  eine  Variante  sein, 
wie  Vahlen  meinte  άλλα*  καινότ€ρον,  sondern  viel  eher  der  An- 
fang eines  Scholions.  Darauf  scheint  mir  auch  der  Umstand  hin- 
zuweisen, dass  an  derselben  Stelle  in  A*^  auch  ein  Scholion  steht, 
dessen  vollständige  Entzifferung  mir  jedoch  nicht  gelungen  ist, 
das  aber  unzweideutig  auf  Isocrates  hinweist  (Ή  πλέ  ή  Ισοκρά- 
τους). 

Die  Stelle  I  2,  1355»  12  liest  A*'  von  erster  Hand  προς- 
λαβών  περί  ποΐά  τέ  έστι  τό  ενθύμημα  und  damit  stimmt  auch 
die  Vet.  Tr.  überein.  Eine  jüngere  Hand  hat  in  A*^  den  Plural 
auscorrigirt,  welchen  alle  deteriores  bieten.  Vergleicht  man  aber 
damit  die  Stelle  1357»  13  ώστ*  άναγκαΐον  τό  τ€  ενθύμημα  eTvai 
και  τό  παράδειγμα  περί  τών  ενδεχομένων  ώς  τα  πολλά  ίχειν 
και  άλλως,  so  könnte  auch  hier  ganz  gut  der  Singular  in  ge- 
nereller Bedeutung  stehen. 

Die  sehr  schwierige  Stelle  I  2,  1356»  12  ου  γάρ  ώσπερ 
ίνιοι  τών  τεχνολογούντιυν  τιθέασιν  έν  τή  τέχνη  καΐ  τήν  έπιεί- 
κειαν  του  λέγοντος,  ώς  ουδέν  συμβαλλομένην  προς  τό  πιθανόν 
ist  auch  nach  Spengers  Besprechung  durchaus  noch  nicht  erle- 
digt. Selbst  die  gewagte,  ja  fast  unmöglich  scheinende  Construc- 
tion  zugegeben,  so  ist  doch  das  και  vor  έπιείκειαν  durchaus  nicht 
zu  erklären.  Die  deter.  freilich  haben  sich  leicht  gethan,  indem 
sie  es  einfach  entfernt  haben.  Allein  mit  diesem  Mittel  kann  ich 
mich  durchaus  nicht  befreunden.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  das- 
jenige Wort,  welches  die  Technographen  gebrauchten,  sei  es 
χρη(Ττότητα  oder  ein  ähnliches  ausgefallen  ist;  denn  επιείκεια 
ist  das  Wort,  welches  Aristoteles  selbst  für  diese  Sache  gewöhn- 
lich gebraucht,  cf.  1418»  39  και  μάλλον  τώ  έπιεικεϊ  αρμόττει 
χρηστόν  φαίνεσθαι,  ή  τον  λόγον  ακριβή. 

In  demselben  Kapitel  1356»  19  habe  ich  nicht  gewagt,  mit 
Spengel  und  Vahlen  πιστεύου(Τΐν,  für  welches  die  Tr.  πκττεύομεν 
bietet,  zu  tilgen.  Gerade  im  letzten.  Glicde  einer  Aufzählung 
wird  man  diese  Art  der  Wiederholung  eines  variirten  Ausdruckes 
dem  Aristoteles  gestatten  müssen.     Ich  verweise  dabei  auf  1309» 


Γ 


Roei 


ate  ΟΠοΛ  fem  b'  άπό  τύχης  μ4ν  τά  τοιαύτα  γιγνό- 

J      ιΐ:  es  folgen  dami  φύσει  —  ßiqt  —  bia  λογκίμύν  — 

^d(        ι      καΐ  όργήν  —  aber  lias  letzte  Glied  ncIilieHat  er  «η 

bi  πράττεται.     So  lint  aucli  Valilen  in  der  PoH. 

ι^ιμούνται  mit  lii-clit  im  Texte  behalten.      AnlTKllrad 

g   Bnbeint   mir  diigegun  in    dieser  ßesciehimg  MOS*" 

η       ii-^Bt  ιϊις  Γοργίας  ώνύμαΐεν  απιΐ  »war  im  zwvitnn 

^,,  ind  das  erste,    wie   die  folgenden  nllc  ohue  ein  aol• 

üVei.         üingenihrt  find ;  aacli  die  Tinniiltt^tliar  dnrniif  folgen- 

Wi  ,;ewähren    diceem   ών6μαΐ«ν    keine    iitUtzc,     sondeni 

.  ....     Gegentlieil.    Anders  scheint  sidIi  dagegen  die  Sache     ' 
11       „2  K..  ος  προςαγορεύει  ό  χαλκούς    Ι 

tv  τοις   iXt  ίχ\ζ  τήν   τΓοίησιν,     Hier   ist    , 

wolil    προσατυ>        .    -~ai n*en    am    Platite,    weil  Dionyiiinfi    mit 

der   verii  π  glückten  Metapher  κραυτή    die  Muse   angesprochen  η     1 
hallen    ncheint.     Daas    dagegen    eine    so    enge  Apposition    wi«  6    I 
χαλκούς  duriih  ein  Wurt  getrennt  ist,  kann  nicht  aiiti'itllt-iider  eein 
wie   141)0*  il:    Άνίιροκλής  ίλίγίν  ό  Πιτθίύς  oder  Xen,  Anab.  I 
2,  !l  αμα  bi  και  Σιΐιΰις  παρήν  ό  Συρακοΰΰιος. 

An  derselhen  Stelle  hnben  Bekker  und  Spengel  ϋληθίς  ein- 
gesetzt nnd  geschrieben  οταν  άληθϊς  t\  φαινόμενον  ζάληθίς) 
bciEuipiV  ίκ  τών  περί  έκαστα  πιθανών.  Das  ist  allfirdings  das 
gewiibniiche:  nilein  das«  es  wenigstens  nicht  unbedingt  uülhis 
ist,  zeigt  deutlich  1309"  2ti  και  τών  λυπηρών  fj  φαινομί'νων  ή 
ύπαλλαγήν  ii  μ£τάληψιν,  wo  mau  sieh  wohl  schwerlich  zur  Kin- 
selznng  eince  λυπηρών  wird  entschliessen  kOnnen. 

So  bin  ich  auch  bei  der  Sclircibniig  der  Worte  I  3,  1358' 
Άϋ  ίση  bi  της  ρητορικής  ίΓ6η  τρία  τον  αριθμόν  weder  Bekker 
nucb  Spengel  gefolgt.  Der  erstere  schrieb  für  £Ϊ6η  Τ^νη,  Spengel 
Bchloss  die  Worte  της  Ρητορικής  εΐϋη  ein.  Und  es  soll  fLocli 
nicht  geleugnet  werden,  dass  solche  Inhaltsangaben  durch  unge- 
nehickte  Abschreiber  manchmal  vom  Rande  in  den  Text  können 
gekommen  sein  —  ich  verweise  auf  die  adnot.  crit.  ia  meiner  Α db- 
gabc  zu  1375''  26,  1303»  23,  1405»  3  —  allein  dennoch  konnte 
ich  Spengel  hierin  niclit  folgen.  Ist  denn  etwa  unsere  Stelle  auf- 
fallender als  Pol.  I  II,  1258'*  31  αίίτη  bi  πολλά  ήΐιη  περιείληφε 
γένη'  πολλά  τάρ  €Ϊ1>η  τών  έκ  γης  μεταλλευομένων  εστίν? 
Ausserdem  sei  noch  bemerkt,  dass  in  A"  in  marg.  zu  der  Stelle 
angegeben  ist  ÖTi  τρία  είδη  της  ρητορικής. 

Kaum  glücklich  dürfte  Spengel  nueh  eine  andere  Stelle  in 
demselben  Kapitel  1258''  (!    behandelt   haben,     δ   bfe    [τϊ€ρ>]  τής 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  497 

δυνάμεως  [6]  θεωρός  'et  haec  non  dependent  ex  vei'bo  Kptvuiv, 
huius  enim  generis  auditor  non  est  κριτής  (man  vergl.  dagegen 
1391^  16),  est  θεωρός,  sed  ex  voce  θεωρός'  bemerkt  derselbe 
im  Commentar:  aber  περί  fehlt  nicht  in  A",  wie  Bekker  fälsch- 
lich angegeben,  sondern  ist  von  erster  und  alter  Hand  über  die 
Linie  geschrieben.  Dass  man  aber  mit  diesen  Correcturen,  welche 
in  A*^  lib.  I  von  cap.  T— X  begegnen)  anders  verfahren  muss, 
wie  mit  den  wenigen  in  den  späteren  Büchern  begegnenden,  glaube 
ich  in  der  praefatio  meiner  Ausgabe  nachgewiesen  zu  haben.  Hier 
kann  von  einer  Streichung  des  περί  absolut  keine  Rede  sein; 
allerdings  erwartet  man  auch  hier,  was  die  Tr.  wohl  aus  Cor- 
rectnr  bietet  olov  ό  θεωρός:  allein  bei  einem  dritten  und  letzten 
Gliede  darf  man  mit  Aristoteles  in  dieser  Beziehung  nicht  rechten. 

Τ  4,  1359^  22  finde  ich  den  Ausdruck  καΐ  των  εί(Ταγομίνων 
καΐ  έΗαγομίνων  auffallend  dess wegen,  weil  eben  hier,  wo  Aristo- 
teles die  Sache  nur  allgemein  und  in  grossen  Umrissen  angibt, 
man  auch  den  unten  wiederkehrenden  allgemeinen  Ausdruck  τρο- 
φής erwartet  und  nicht  einen  speciellen,  wie  den  obigen.  Man 
könnte  daher  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  das  Ur- 
sprüngliche durch  Einführung  einer  Glosse  verdrängt  worden  sei. 
Kein  Gewicht  will  ich  dabei  auf  den  Umstand  legen,  dass  in 
A*^  καΐ  έεαγομένων  freilich  von  erster  Hand  in  marg.  steht.  Bei 
der  Begründung  der  hier  angedeuteten  Sache  spricht  Aristoteles 
in  demselben  Kapitel  1360*  12:  ίτι  bk  περί  τροφής  πόση  δαπάνη 
ίκανη  τή  πόλει  και  ποία,  ή  αύτου  τε  γιγνομίνη  καΐ  είςαγώγι- 
μος,  καΐ  τίνων  τ'  έΕαγωγής  οίονται  καΐ  τίνων  είςαγωγής,  ϊνα 
προς  τούτους  καΐ  συνθήκαι  καΐ  συμβολαΐ  γίγνωνται.  Ohne  Αη- 
stoss  scheint  mir  nun  hier  trotz  der  Bedenken  Spengers  ή  αύτου 
τε  γιχνομίνη  καΐ  είςαγώγιμος.  Wie  will  man  aber  dagegen  in 
dem  Satze  mit  ϊνα  das  τούτους  erklären?  denn  eine  Erläuterung 
προς  τούτους  i.  e.  παρ'  οίς  Ιβτχ  ών  όεόνται  war  einem  so  feinen 
Kenner  des  Griechischen  wie  Cope  vorbehalten.  Man  erwartet 
einen  Gedanken  wie  \va  προς  τους  (εύποροΟντας  ή  άπορουν- 
τας^  Viel  näher  liegt  es  dagegen  nach  dem  Vorausgehenden 
das  τίνων  als  Masculinum  aufzufassen :  bei  dieser  Annahme  läset 
eich  τούτους  leicht  erklären;  dann  können  aber  unmöglich  die 
Genetive  stchn,  sondern  man  erwartet  da  nothwendig  εΙς  oder 
προς  έΗαγωγήν  und  είςαγωγήν  oder  etwas  ähnliches,  προς 
ταΟτα  für  τούτους,  was  die  Tr.  und  wohl  (A  —  denn  Y^  hat 
τούτους  —  bieten,  scheint  mir  noch  weniger  zulässig. 

I  5,  1361•  12  scheint  mir  auffallend  πλούτου  bi.  μέρχ]  vo- 

ühcin.  Mus.  f.  riiilol.  N,  F.  X^XIX,  32 


ίθος  κτλ.  insofern,  als  maii   nnrh  den  ausdrücklichen 

AriatoteleB    lHliü''  30   λάβιυμεν    τοίνυν    όμοίιυς   και 

τον  τί  έΟΎΐν  Uouli  Bicherlioh  aucli  hier  eine  Defiiiitioii 

erwartet,    wie   eie   bei   jedem   einzelnen  Worte  im 

enfnlle  gegeben  iitt.     Teil  glaulie  daber,  dass  die«e}be 

;ht  von  Aristuteles  Uhereehen  wnrde,  Bondern  Anej;e- 

,  ti  nal  derselbe  Riiih  im  folgenden  ολιυς  ί)ΐ   τό  πλουτίΐν 

eV  χρϊΐσθαΐ  μάλλον  Ρ|  έν  τψ  κΕκτήσθαι    auf   eine    vor- 

ρ         η,  Definition  zu  beziehen  eebeint. 

-„■  Aufziihlunji  der  πλούτου  μ^ρη  im  Folgenden  gl&nbe 
xum  ;en  Male   richtig  au»  A'^  und  imderen  Haiidechri/Un 

c.utj  S       ?  ;eHtellt  κι  η. ρ  jetzt  allgemein    8»    geleSM 

wird:  nnui       ,  bi  μέρη   >.         lu  πλήθος,  γής  (andere  νομίσ- 

ματα, πλήυυ^  τήζ)ι  XuJpiujv  κΓήυις  £τι  tk  επίπλων  κτήίίις  κα) 
βοσκημάτων  και  άνίιραπόίιιυν  πλήβ€ΐ  και  μίγίθει  και  κάλλϊΐ 
Ϊ>ιαφ6 ράντων,  (iann  nndoren  Lieti't  Λ":  dort  lesen  wir  ,,.  νο- 
μίσματος πλίϊοος,  γής,  xojpiwv  κτήσις  πληθ€ΐ  καΐ  μ€Τ€θ£ΐ  χαϊ 
κάλλει  ίΐιαφίρόντων,  mieli  διαφερόντων  ist  das  Zeichen  i_,  dieeen 
Zeichen  entapriult  dasselbe  am  Kam  e,  wo  die  Worte  stehen:  in 
bi  ΐπιπλών  κτήσις  και  άνίιραπόί>ων  καΐ  βοσκημάτων  και  πλήθΐΐ 
και  κάλλΕΐ  ίιιαφΕρόντίυν :  dieseR  zweite  am  linnde  atüheiid«  Glied 
war,  wie  man  deutlich  wieht,  durch  όμοιοτΐλ£υτον  (nmgefalleii, 
der  διορθωτής  des  cod.  Λ",  über  welchen  ich  in  meiner  praefalio 
auHfllhrlich  gesprochen,  hat  ηηκ  aun  dem  archetypus  ilasRelbe  er- 
halten. Für  die  Kichtigkeit  spricht  auch,  ilaea  bei  den  έτηιΐλά. 
den  άν!ιράπο&α  und  βοΟκήματα  das  hier  ungehörige  μ€ΤΕθΕΐ  fehlt. 
Einen  wichtigen  Schluea  erlaubt  uns  natürlich  diese  Stelle  anf 
die  anderen  Codd.  Die  det.  sowohl  bei  Rekker  wie  Oaieford  habea 
den  Znsatz  και  πλήθει  και  κάλλει  &ιαφ£ρόντων  beim  zweiten 
Gliedc  gar  nicht;  dagegen  stimmt  ganx  wortgetreu  mit  A"  uhereia 
die  Vet.  Tranelatio,  mit  der  man  freilich  bis  jetzt  hat  nicht«  aa- 
fangen  können,  und  das  fragmentum  Monacense,  welches  incii 
Freund  Dr.  Wilhelm  Meyer  aus  Speyer  gefunden  nnd  dae  icli 
znerat  in  meine  Ausgabe  herangezogen  habe.  Diese  drei  codi 
stimmen  auch  gleich  im  Folgeuden  darin  Uberein,  dass  sie  κβϊ 
vor  όΰφαλή  nicht  lesen,  welchen  desewegen  auch  kaum  eiw 
Stelle  im  Teste  verdient  (vgl.  Vahlen,  Index  lectionnm  Berolis. 
1Θ75). 

Die  Stelle  Ι  6,  1362^*  24  lautet  in  A"  ίτΐ  £ϋφυΙα,  μνημσι, 
£ύμάθεια,  άγχίνοια,  πάντα  τά  τοιαϋτα.  Ich  glaube  kaum,  du« 
mit   der   schon   von  Victorius  vorgeschlagenen   Aendertuig  μνήιΐΊ 


Zar  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  499 

die  ächte  und  ursprüngliche  Lesart  hergestellt  ist.  Der  Schreiber 
des  cod.  A°,  welcher  das  Iota  beim  Dativ  nie  subscribirt,  son- 
dern immer  adscribirt,  läset  dasselbe  vielfach  ganz  nach  seinem 
Belieben  weg;  das  hat  er  aus  Missverständniss,  wie  es  scheint, 
auch  hier  gethan  und  nur  bei  μνήμαι  hat  er  es  gehalten,  weil 
μνήμα  im  Griech.  ein  ganz  unerhörtes  Wort  wäre.  Darum  glaube 
ich  auch,  dass  der  Plural  bei  allen  Substantiven  das  ursprüng- 
liche war;  damit  stimmt  auch  die  Tr.  überein,  welche  drei  No- 
mina pluralisch  und  nur  das  letzte  mit  dem  Singular  übersetzt. 

Eine  sehr  schwierige  Stelle  begegnet  in  demselben  Kapitel 
1363*  14.  Dieselbe  wurde  zuletzt  von  Spengel  geschrieben  5ιά 
γάρ  το  φανερόν  όμολογοΐεν  dv,  ώσττβρ  και  φαύλοι  [οος  οΐ  φί- 
λοι ψεγουσι,  και  αγαθοί],  οος  οΐ  έχθροι  μη  ψ^γουσιν.  Im  Com- 
mentar  ρ.  108,  13  hat  er  aber  den  Sinn  der  Stelle  ganz  richtig 
gegeben:  ^locum  bonos  esse,  quos  inimici  laudent,  Aristoteles 
invertit:  quemadmodum  et  mali,  quos  amici  vituperant,  quibus 
addit:  et  inimici  non  vituperant'.  Darauf  wird  man  auch  geführt, 
wenn  man  die  Stelle  genau  so  behandelt,  wie  sie  in  A®  gelesen 
wird.  Dort  ist  vor  den  Worten  οΟς  ol  έχθροι  μή  ψέγουσιν  ein 
Zeichen:  dasselbe  begegnet  auf  dem  Rande,  wo  von  derselben 
Hand  geschrieben  ist:  ους  dx  φίλοι  ψέγοικτι  και  αγαθοί;  aber 
αγαθοί  ist  kaum  mehr  zu  lesen,  so  dass  es  wohl  ursprünglich 
gar  nicht  dastand  und  mit  Recht  ist  das  Wort  zuerst  von  Mu- 
retus  getilgt  worden.  Es  ergibt  sich  demnach  als  allein  richtig 
οος  ol  φίλοι  ψέγουσι  καΐ  οΟς  ol  έχθροι  μή  ψέγουσι.  Der  Fehler 
war  in  A^  wie  so  oft  auch  hier  durch  όμοιοτέλ€υτον  entstanden 
und  auch  hier  verdanken  wir  dem  διορθωτής  das  Richtige.  Dass 
aber  das  von  Bekker^  aus  den  det.  beibehaltene  οΰς  ol  έχθροΙ 
έπαΐνοΟΟΊ  ein  Unsinn  ist,  der  sich  mit  dem  Folgenden  absolut 
nicht  vereinigen  lässt,   hat  schon  Yictorius  ganz  richtig  erkannt. 

Der  Stelle  in  demselben  Kapitel  1363*  16  καΐ  δ  τών  φρο- 
νίμων τις  ή  τών  αγαθών  ανδρών  ή  γυναικών  προέκρινεν  wollte 
der  gelehrte  Kenner  des  Sophocles  G.  Wolf  damit  aufhelfen, 
dass  er  Air  φρονίμων  ουρανίων  schreiben  wollte.  Das  ist  nun 
freilich  unmöglich;  richtig  ist  aber  der  Gedanke:  denn  wenn  man 
im  folgenden  liest  οίον  Όδυσσέα  Άθηνα  και  Έλένην  θησεύς 
καΐ  ΆλέΗανορον  α  Ι  θεαι  και  'Αχιλλέα  "Ομηρος,  βο  wird  man 
das  doch  schwerlich  mit  dem  Hinweis  auf  γυναικών  erklären 
wollen.  Darum  glaube  ich,  dass  vor  φρονίμων  (f\  θεών^  aus- 
gefallen ist. 

So  ist  mir  auch  im   folgenden  Kapitel  1363^  22  κα\  δ(Τα 


Kol  τό  μΐγιστον  τοΟ  μ£γΙ(ηΌυ  durchaue  nicht  ver- 

cti  gluulie,    dase  man  für  6aa  ÖTaV  eulireihpii  mas«. 

•  liietet  dafür  im. 

•      η    deraeelben    Kapitel    13ü4'  12    hat  Spengel    nicht    recht 

ιπ,  indem  er  vertrauend  auf  Beicker's  falsche  Angaben  euhrieb 

Λυοΐν   άρχαϊν   τό   am  τής   μίίΕονος   μείζον,     αρχής   neck 

ς    iat   in  Α'  von   alter  Hand    über  die  Linie    genchriehen 

I    kann    aus   diesem  Umstände   wohl   ebensowenig  weg^lasHen 

■i'-rilfin.  niH  die  gleich  folgenden  Worte  Kai  ίιυοϊν  airioiv  τό  änö 

;  αίτιου  μ€Ϊεον,    welche  in  A"  von  derselben  eretcn 

l  an   (I     I   Rand  lipBchripben   «Ind.      EbenKo   war  auch   daeclb«( 

0    aus  A'^  ηη•ι  Victorius    anfaulte hnien:    die 

erste  Hand  in  A"  η  nachgetragen. 

Die  Stelle  in  dcnif  η  Kap  el  I3C5'  28  .  .  .  και  ό  "Ιφι- 
κράτης αυτόν  ίν€κωμίι  γων.  ί£  ιΐιν  ύττήρΕί  ταΟτα  habe  uh 
mir  wiederholt  angesehen:  ich  ι  mich  immer  noch  ausser  SUn- 
dc  in  dem  Satze  it  djv  ιΊτιήρί  ταύτα  das  ταΰτα  auch  nar 
einigermaHiiea  befriedii?''"  •1ίΐίΐΓΡη  jm  können  und  nur,  um  viel- 
leicht bald  eines  be:  ■>  α  werden,  habe  ich  die  Stelle 
hier  zur  Besprechung  ^  .  Aristoteles  versteht  wühl 
darunter,  wae  er  gleich  unten  anführt  1367''  19  iE  otuiv  εις  olo. 
Vergleicht  man  nun  damit  wae  wir  13SI8'  18  von  Iphicrate«  leicn, 
ao  mUBB  man  auf  den  uedanhen  kommen,  daxa  Aristoteles  nicht» 
anderes  Bagen  wollte,  als  dass  Iphlcratea  von  diesem  τόττος  ίι 
Beinen  nar  zu  hänfigen  έτκώμια  auf  seine  eigene  Person  den  aiu- 
giebigsten  Gebrauch  gemaeht  hat.  Darum  könnte  man  die« 
Worte  λίτων  —  ταΟτα,  die  mir  ausserordentlich  matt  nachzn-  | 
hinken  scheinen,   fUglich  ganz  entbehren. 

Keine  Stelle  verdient  im  Teste  I  8,  Ιθοδ^"  31  άΐΐ,  das  voi 
Bekker  angeblich  aus  A°  aufgenommen  wurde.  Die  Handachrift 
hat  aber  etwaa  anderea:  daselbst  ist  nämlich  durch  Correctur  die 
Lesart  der  deterioreti  δν  εΐη  eingeechw'arzt  und  dae  ΐστίν  dardi 
darüber  geschriebene  Punkte  als  zu  tilgen  bezeiolinet.  Dama 
kann  hier  nur  die  Lesart  der  ersten  Hand  statthaben,  die  lautet: 
τούτων  τι  έστιν  μόριον. 

Ι   12,  1373"  IG   lautet    eine    Stelle:    καΐ    οίς   χαριοονταΐ  ft 

φίλοις  f\  θαυμαΖομίΥΟίς 2ώσιν    αυτοί.     Hier    kann    icfc 

Thurot'e  Angabe,  das«  A'^  nicht  οίς,  somierii  οΰς  leae,  nicht  be- 
Rtiitigen.  Allerdings  kann  ein  erster  flüchtiger  Blick  zu  dieser 
Annahme  verführen;  vergleicht  man  aber  das  Zeile  18  wieder 
vorkommende  οϊς,  das  fast  ganz  ebenso,  wie  das  obige  geschrie- 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  501 

ben  iet,  so  mues  man  auch  hier  οΐς  als  gut  beglaubigt  aus  A^ 
annehmen,  dagegen  wusete  ich  mir  diesen  Dativ  nicht  zu  erklären. 
Sp.  nimmt  denselben  als  ablativ  im  Sinne  von  οΟς  ά6ικοΰντ€ς, 
ohne  dafür  Beispiele  beizubringen.  Vergleicht  man  dagegen  das 
schol.  ad.  h.  1.  και  ών  αδικούμενων,  so  wird  man  zur  Yermu* 
thung  gedrängt,  dass  derselbe  auch  in  seinem  Texte  die  Worte 
οΟς  άοικοΟντες  vorfand. 

Bei  der  erstmaligen,  ja  auch  bei  wiederholter  Lecttire  der 
Aristotelischen  Rhetorik  wird  man  seine  Bedenken  nicht  unter- 
drücken können  an  so  manchen  Stellen,  wo  wir  nach  unserem 
Gefühle  und  nach  unseren  Anschauungen  das  Citat,  auf  welches 
Aristoteles  hinweist,  auch  im  Texte  vor  uns  sehen  möchten.  Nun 
sagt  man  allerdings  iiicht  ohne  Grund:  Aristoteles  hat  dasselbe 
nicht  mitgetheilt  und  brauchte  es  auch  nicht  mitzutheilen,  für 
seine  damaligen  Leser  genügte  ein  einfacher  wenn  auch  unbe- 
stimmter Hinweis  vollstänbig.  Nun  ist  diese  Rhetorik  allerdings 
nicht  für  απαίδευτοι  bestimmt,  aber  auch  nicht  für  Polyhistoren 
denke  ich.  So  hat  man  meines  Erachtens  ganz  recht  gethan, 
wenn  man  z.  B.  1373^  19  nach  Άλκιδάμας  eine  Lücke  annahm, 
in  welcher  ursprünglich  die  schönen  uns  von  dem  Scholiasten 
erhaltenen  Worte  standen.  Ganz  unbegreiflich  ist  es  mir  aber, 
wie  man  die  folgende  Stelle  I  12,  1373*  22  so  ediren  konnte: 
ώσπερ  λέγεται  ΑΙνεσίοημος  Γίλιυνι  πέμψαι  κοττάβια  άνοραπο- 
δισαμένψ,  δτι  ίφθασεν,  ώς  και  αυτός  μέλλιυν.  Im  ganzen  Com- 
mentar  von  Sp.  habe  ich  über  nichts  mehr  gestaunt,  als  über 
die  Erklärung  dieser  Worte  p.  176  'Casaubonus  ad  Athen.  XY  1 
p.  944  populi  nomen  excidisse  aut  τινός  inserendum  esse  conjicit*. 
Dagegen  bemerkt  nun  Spengel:  ^absolute  loqui  Aristoteli  licet,  ut 
monet  Vaterus  p.  67,  quia  id  agitur,  rem  gestam  esse,  non  de 
iie  ad  versus  quos  gesta  sit\  Wenn  wir  nun  hier  so  bestimmt 
den  Aorist  von  einem  wirklich  vorgekommenen  und  dem  Aristoteles 
bekannten  Factum  lesen,  so  müssen  wir  ganz  richtig  mit  Casau- 
bonus  annehmen,  dass  hier  der  Name  eines  Volkes  oder  einer 
Stadt  ausgefallen  ist  und  darum  habe  ich  auch  unbedenklich  in 
meiner  Ausgäbe  das  Zeichen  der  Lücke  gesetzt.  Zur  Ausfüllung 
derselben  wird  man  wohl  schwerlich  die  Scholien,  die  uns  hier 
von  Sp.  mitgetheilt  werden,  verwenden  können. 

Eine  der  interessantesten  Stellen  des  ersten  Buches  ist  un- 
streitig cap.  14,  1374^  31  και  ου  μη  έστιν  ϊση  <τιμιυρία,  άλλα 
πάσα  έλάττιυν.  και  ου  μη  έστιν)  ϊασις*  χαλεπόν  γάρ  και  αδύ- 
νατον.    Die  in  Klammern  eingeschlossenen  Worte  fehlen    in  A® 


ι   gehört    unsuru  Stelle  xu  den  wenigeu,    in  welchen 

zweifelhafte  Gut  der  deteriores  angewiesen  sind,    Sp, 

in    der  pnief.   p.  IV  dieeelbeii   zuaammiiiigeetellt,    aber  nacli 

ht  der  Handechrift  müssen  I  2,  1367''  27  und  II  23,  1400''3 

werden.     Merkwürdig  ist  auch,  dase  ση  in  ίση  ia  Ä' 

gänzlich  erloechen  ist,  ao  daea  es  am  Ende  radirt  war.    Du 

ifir    entstandene    und    vom    blopθuυτής    nicht    mehr    verbeasirte 

er   erklärt   sieh    natürlich  und  einfach  dnrcli  όμοιοτίλευτον: 

■um  glaube  ich  aber  anch,    dass   im  arehetypns  etwas  ander« 

Rtand,    als  das,    was  wir  lesen:    nämlich  ίση  ϊασίς,    das  ja  auoli 

noch  in  A*^  steht,  vnn  dnin  ίση  vor  τιμυυρία  iet  eben  das 
Auge  dee  Schreibers  abgeirrt  a\\  das  ίση  vor  Τασις.  Nimmt 
man  das  an,  ao  erklären  eich  t  h  die  vielanetiissigen  Worte 
χαΧίπών  γαρ  καΐ  αδύνατον.  Allein  wie  man  auch  die  Sacht 
hier  erledigen  mag,  soviel  steht  fcut,  dasa  wir  mit  ΐση  vor  ΐαΰΐς 
wir  ea  in  A^  eteht,  in  erster  Linie  zu  rechnen  haben. 

Aaffallend  und  anstöesig  acheint  mir  was  heute  I  15,  1375* 
26  gelesen  wird:  κα\  nepl  μίν  τών  νόμαιν  οϋτως  &ιιυρίΰθιιι, 
iT£pi  δέ  μαρτύρων  μάρτυρες  c'iffiv  διττοί.  Sohwt-rlich  dHrfle  tt  • 
angehen  aus  dem  vorausgehenden  οΰτως  διωρίσθω  anch  biem 
ϊιΐιυρίσθω  zu  ergänzeu.  Ferner  könnte  man  dann  auch  schwer 
lieh  80  fortfahren  μάρτυρας  eioiv.  Darum  glaube  ich,  dass  hier 
nepi  μαρτύρων  zu  tilgen  und  zu  sdireiben  ist  μάρτυρας  bi  eiffiv 
biTTOi.  Es  war  eine  Inhalleangabe,  die  iu  ungehöriger  Wei« 
vom  Rande  in  den  Text  gekommen  ist. 

11  1,  137fl'  ;iO  bieten  die  det.  nepl  b'  εύνοιας  και  φιλία; 
iv  τοις  περί  τά  πάθη  λεκτίον  νϋν.  Aber  νΟν  feldt  in  Α*  und 
mit  Recht  hat  es  fiaisford  eingeschlossen,  Spengel  ganz  weggf 
lassen.  Das  erkennt  man  aus  11196"  20  τά  bk  στοιχεία  τών 
ίνουμημάτιην  λίτ^μεν,  hier  sollte  man  auch  vöv  erwarten  und 
3p.  sprach  auch  diese  Vcrmuthung  aus;  allein  so  gut  wie  ahtu 
ist  es  auch  hier  unnöthig. 

So  bieten  auch  dieselben  det.  II  2,  l."}?»^  18  kaum  das  Ur 
sprängliehe,  obwohl  heute  allgemein  so  gelesen  wird  ?στι  γαρ  b 
ΐτιηρεασμός  έμπο&ισμός  ταΐς  βουλήσεσιν  ούχ'  ϊνα  τι  αύτώ,  άλλ" 
'ίνα  μιΊ  ΐκείνψ.  Daea  aber  aus  Α"  μή  ϊνα  τι  αύτώ  ζη  schreibe! 
sei,  erkennt  man  aus  den  Stellen  unten  2,^  1381' 5,  1381*37, 
ISW^  21,   1387"  23,   13it3"  «. 

Der  Stelle  in  demselben  Kapitel  13711''  I  έπΕίδάν  γαρ  σφόδρα 
οί^ωνται  ύπάρχειν  iv  τούτοις,  ΐν  οίς  σκώκτοντοι,  nach  welehrr 
Fr.  A.Wolf  ΐν  ΐαυτοϊς  vermulhel,  während  Sp.  i\  τούτοις  ein- 


Zur  Kritik  der  Rhutorik  des  Aristoteles.  503 

geechloBsen  hat,  iet  am  Ende  eher  geholfen,  wenn  man  für  ύπάρ- 
Xeiv  ύπ€ρίχ€ΐν  schreibt.  Wegen  des  vorausgehenden  ύπάρχειν 
muss  nicht  unbedingt  auch  hier  derselbe  Ausdruck  stehen,  viel- 
mehr konnte  Aristoteles  die  Sache  variiren;  wie  häufig  aber 
gerade  diese  beiden  verba  von  den  Schreibern  verwechselt  wer- 
den, ist  bekannt  genug. 

Zu  der  Stelle  in  demselben  Kapitel  1379^  29  και  τοις  χάριν 
μη  όπο6ι&οΟ(Τΐν  habe  ich  mir  erlaubt,  eine  etwas  kühne  Conjectur 
vorzuschlagen  kühn  dem  Gedanken,  nicht  den  Buchstaben  nach. 
Sp.  hat  zu  den  Worten  bemerkt  Comment.  p.  215,  29  *Idem  fere, 
quod  supra  legitur:  και  τοις  μη  άντιποιοΟσιν  ευ  μηδέ  τήν  ϊσην 
όνταπο&ι6ου(Τΐν.  quibuscum  hoc  erat  coniungendum ;  vix  enim 
dignum  est,  quod  novum  conficiat  locum*.  Sp.  hat  dabei  auf  eine 
Reihe  von  Stellen  hingewiesen,  wo  Aehnliches  vorkommt  und  es 
ist  in  der  That  einer  der  allerschwierigsten  Punkte  in  der  Ehe- 
torik  die  verschiedenen,  manchmal  ganz  identisch  scheinenden 
τόποι  scharf  auseinander  zu  halten.  Allein  viel  anstössiger  als 
dieses  scheint  mir  ein  anderer  Punkt:  es  ist  nämlich  in  diesen 
oft  zu  lange  ausgedehnten  und  geradezu  ermüdenden  τόποι  — 
ich  erinnere  an  I  7  —  doch  eine  gewisse  Ordnung  von  Aristo- 
teles festgehalten  worden,  was  sich  unschwer  in  manchen  Kapiteln 
nachweisen  Hesse.  Darum  finde  ich  hier  ganz  besonders  befrem- 
dend, dass  neben  diesen  Gedanken  von  der  χάρις  gleich  im 
folgenden  ein  anderer  tritt,  der  mitten  aus  dem  gesellschaft- 
lichen Leben  herausgegriflPen  scheint:  και  τοις  €ΐρων€υομίνοις 
προς  σπουδάζοντας•  καταφρονητικόν  γαρ  ή  εΙρωνεία.  Einen 
ähnlichen  Zug  erwartete  ich  auch  hier  und  dachte  für  χάριν 
χα(ρ€ΐν  zu  schreiben;  dass  die  Nichterwiederung  des  Grusses  von 
den  Griechen  so  aufgefasst  wurde,  ersieht  man  aus  Xen.  Memorab. 
III  13,  1  όργιίομίνου  bk  ποτέ  τίνος,  δτι  προσειπών  τίνα 
χαίρ€ΐν  ουκ  άντιπροσβρρήθη ;  ein  solcher  war  nach  dem  Aus- 
spruche des  Sokrates  την  ψυχήν  άγροικοτίριυς  διακείμενος  (cf. 
Isocrat.  Demonicus  §  20). 

Unbedenklich  bin  ich  in  demselben  Kapitel  1379*  36  A« 
gefolgt,  indem  ich  b\  όμέλειαν  μέν  γάρ  geschrieben  habe.  Bekker's 
Angabe  zu  der  Stelle  ist  wieder  falsch.  Die  det.  haben  nämlich 
bia  μέν  γάρ  άμέλειαν.  Die  Lesart  derselben  scheint  mir  aus 
Correctur  entstanden,  weil  sie  eben  γάρ  nicht  gern  an  dritter 
oder  gar  an  vierter  Stelle  dulden.  Man  vergleiche 
1380»  15  ώσπερ  είληφίναι  γάρ  A^  ώσπερ  γάρ  είληφίναι  det. 
140G*  5    πάντα  ταύτα  γάρ  Α®  πάντα  γάρ  ταύτα  det. 


) 


14Ut>^  22  &ιά  TD  γαρ  αμφω      Λ''  biu  γάρ  τό  άμφί»  ιΙβΙ. 
und  Βο   noch  öfters. 

Schwer  iet  dagegen  die  Eutedieidung  II  i,  1381'  34  καΐ 
Ol  έπώΐΕιοι  και  τψ  παΐσαι  και  τιμ  ύπομίΐναι,  βο  liest  Α'^.  De- 
für  bietet  der  grösste  Theil  der  det, :  καί  o'i  fntbcEiOl  και  τωθάοαι 
και  ύπομ€Ϊναι.  Mun  ist  nur  zu  tetclit  geneigt,  ein  so  selten  vor- 
kommendes Wort  wie  τωθάσαι  viel  eher  für  richtig  zu  halten 
als  παΐσαι,  welches  mau  eben  als  Glosse  /u  τωθάσαι  fassen 
könnte.  Dennoch  hat  Sp.  die  Äuctorität  des  A""  anch  hier  gegen 
die  det.  in  Schutz  geDomtnen  und  παΐσαι  im  Texte  gelaseen  ntid 
ich  denke  mit  Recht:  denn  Aristoteles  konnte  τιυθάΟαΐ,  das  natik 
Answeie  der  Synonymiker  einen  sehr  starken  Grad  des  Spott«« 
beieicbnet,  Ja  nahe  an  den  τ£φυρισμός  grunzt,  unmöglich  im  Fol- 
genden erklären  mit  έμμελώς  Οκώπτοντίς:  lepide,  eleganter,  omni 
acerhitate  vaoare  debere  bemerkt  Vietorins.  Den  Dativ  τψ  neck 
έπιϊι^ΕιΟί  freilich  wird  man  schwer  erklären  können.  Sollte  er 
am  Ende  von  dem  einstmals  darüber  geschriebeneii  τιυθάϋαι  her- 
rühren ? 

In  demselben  Buche  cap.  fl,  1.Ί87'  14  lautet  eiue  Stelle; 
άλλ'  im  πλοΟτψ  και  6υνι5μ€ΐ  κα\  τοις  τοιοΟτοις,  δσων  ιύς 
απλώς  ttneiv  öEioi  tiffiv  ο\  άγαθοι  καί  οι  τά  φύσει  έχοντίς 
αγαθά,  οίον  ίύγ^νβιαν  καί  κάλλος  καί  ασα  τοιαύτα.  Die  Er- 
klärung derselben  ist  mir  nicht  gelungen  und  τοπ  den  atau  er- 
haltenen Varianten  ist  nur  von  einiger  Bedeutung,  was  in  Q 
steht  καΐ  el  τά  φύσει  κτλ.:  aber  anch  damit. ist  der  Stelle  nicht 
geholfen.  Den  Sinn  derselben  erkannte  schon  gauz  richtig  Vie- 
torins 'etiam  adversus  eoe,  qui  bona  illa  habent,  quae  nattin 
mortaiibuB  daie  eonsnerit'  (nemo  invenitur,  qui  tibere  indignetnr). 
Dieser  Sinn  liegt  aber  nicht  in  den  Worten,  wie  wir  eie  heute 
im  Texte  lesen.  Durch  einfache  Emendation  ist  nicht  zu  helfen, 
man  wird  daher  nicht  umhin  können  nach  αγαθοί  eine  Lücke 
anzunehmen. 

An  der  Stelle  II  13,  ISSö''  23  άλλα  κατά  τήν  ΒΙαντος 
ύποθήκην  καί  φιλοϋσιν  ύις  μισήσοντες  και  μισοϋσιν  ώς  ψι- 
λήσοντες  hat  meinem  Wieaens  noch  Niemand  Anstose  genommen 
ausser  Spengel,  der  der  Sache  nicht  weiter  nachgegangen  ist 
Aber  der  einstimmigen  Ueherlieferuug  des  Alterthums  ist  diese 
Version  des  Spruches  von  Blas  fremd  cf.  Spenget  Commentar. 
p,  254:  die  ausdrücklichen  Zeugnisse  Diog.  Laert.  I  87,  Cic.  de 
nmicitia  cap.  16  kennen  Bias  nur  als  den  Urheber  des  verwerf- 
lichen Satzes   και  φιλεΐν,    ώς   μισήσοντας    und  fUr  einen  Mann, 


Zur  Kritik  der  Ehetorik  des  Aristoteles.  505 

der  schon  so  frühe  sein  Urtheil  über  die  Welt  in  dem  berühmten 
Worte  zu'sammenfaeete,  o\  πολλοί  oder  ol  πλείστοι  κακοί,  ist 
die  allgemein  überlieferte  Fassung  anch  allein  die  passende.  Nnn 
hat  Aristoteles  in  einer  der  schönsten  Stellen  der  ganzen  Rhe- 
torik 1395*  19  nochmals  über  die  Sache  gesprochen,  wo  es  heisst 
bei  bi  τάς  γνώμας  λέγειν  καΐ  παρά  τά  ^εοημοσιευμένα  und 
weiter  unten  führt  er  als  ein  Beispiel  dieses  παρά  τά  6ε6ημο(Τΐ- 
ευμένα  gerade  unsere  Stelle  an  δτι  ου  6εΐ,  ώσπερ  φασιν,  φιλεΐν 
ώς  μισήσοντας,  άλλα  μάλλον  μισεΐν,  ώς  φίλήσοντας.  Demnach 
glaube  ich,  dass  auch  hier  Aristoteles  auf  den  zweiten  Theil  des 
citirten  Satzes  das  Hauptgewicht  legen  wollte  und  meine  dem* 
nach,  dass  man  auch  hier  für  κατά  παρά  schreiben  müsse;  viel 
einfacher  wäre  allerdings  die  Sache,  wenn  wir  dann  hier  nur 
lesen  würden  άλλα  παρά  τήν  Βίαντος  ύποθήκην  μισοΰσιν  ώς 
φίλήσοντες:  denn  kaum  dürfte  es  angehen  das  κατά  τήν  Βίαντος 
ύποθήκην  nur  auf  den  ersten  Theil  der  Sentenz  zu  beziehen :  daran 
hindern  die  correspondirenden  και. 

Die  Stelle  II  20,  1393»>  4  lautet  in  A*'  παραβολή  bi  τά 
Σωκρατικά,  die  det.  παραβολή  bi  και  τά  Σωκρατικά.  Mir  ist 
da  einmal  auffallend  die  Sprache  παραβολή  &έ  τ  ά  Σωκρατικά  — 
im  folgenden  sagt•  er  immer  οίος  —  man  vergleiche  auch  1394** 
36  οίον  ει  τις  λίγοι  δπερ  Στησίχορος,  ferner  1401^  15  οΐον  δ 
λέγει  Πολυκράτης;  ferner,  und  das  ist  die  Hauptsache,  es  geht 
kaum  an,  in  dem  Sinne  von  Sokratischen  παραβολαί  zu  sprechen, 
wie  man  von  Aesopischen  Fabeln  spricht.  Darum  glaube  ich, 
dass  τά  Σωκρατικά  zu  tilgen  ist:  es  ist  eine  Glosse,  die  ur* 
sprünglich  vielleicht  in  anderer  Fassung  am  Kande  stand.  Einen 
Anhaltspunkt  dafür  gewinnen  wir  aus  der  Yet.  Tr.  und  zwar  cod. 
M,  wo  das  Wort  nicht  übersetzt  ist.  Ich  würde  nun  darauf 
weniger  Gewicht  legen,  wenn  nicht  die  vielfach  lückenhafte  Hand- 
schrift auch  an  anderen  Stellen  das  richtige  erhalten  hätte.  So 
ist  z.  B.  1396*  20  der  anstössige  Zusatz  και  εϊ  τι  άλλο  τοιούτον 
αμάρτημα  υπάρχει  αύτοΐς  nach  Ausweis  der  Collation  meines 
Freundes  Dr.  Dittmeyer  nicht  übersetzt.  So  fehlt  auch  in  der- 
selben Handschrift  1391^  33  das  durchaus  nicht  statthafte  άπο- 
τρεποντες. 

Eine  Stelle  in  demselben  Kapitel  1393^  24  lautet  in  A«' : 
Αίσωπος  bk  έν  Σάμω  δημηγορών  κρινομίνω  δημαγωγώ  περί 
θανάτου.  Έβ  ist  das  eine  A^erschreibung,  die  nicht  selten  in  dem 
Codex  vorkommt  und  die  wir  unbedenklich  an  der  Hand  der 
Vet.  Tr.  verbessern  dürfen   οημηγωρών  κρινόμενου   δημαγωγού 


) 


irtp'i  θανάτου.  Die  gcriugtTPn  CudJ.,  (lein'n  hier  die  Her«iiK- 
gclier  gefolgt  Hind,  lesen:  συνηγόρων  6ηματωτΦ  κρινομί'νψ.  Kr- 
wurtbt  man  dn  Bber  niolit  υπέρ?  cf.  1374''  36  οΓον  ΣοφΟκλής 
υπέρ  Εύκτήμονος  συνηγόρων. 

Ich  glaube  nun  auch,  daee  man  eich  der  Ueherlieferung, 
wie  BJC  zu  einer  Stelle  deeeelben  Kapiteis  1393*'  31  vorliegt,  an- 
nehmen miisBe.  Dort  liest  A"  allein  έάν  bi  τούτους  αφίλητοι. 
^Tepoi  έΧθόντες  π€ΐνώντ£ς  έκπιοΰνταί  μου  τό  λοιπόν  αίμα;  dir 
del.  haben  dafür  άφέλη.  Was  eher  hier  A"  hietet,  halte  ich  für 
auegezoiehnet:  cb  wird  hier  nänilieh  der  Sache  eine  allgemeine 
Wendung  gegeben,  die  gerade  am  Seh  Ines  e  voriilglich  ist  'wenn 
miLn  aher  wegnimmt  Rive  tu  eive  aliue'.  Ich  kann  mich  nicht 
genug  wundern,  dass  ein  eo  gründlicher  Kenner  des  Arietotelee 
wie  Sjiengel  an  diesem  Sprach  geh  rauch  noch  zweifeln  konnte  und 
hier  gar  an  die  Eineetinng  eines  τΙς  dachte.  Man  wende  mir 
nicht  ein,  eine  nolche  Wendung  ne'i  dem  einfachen  und  Bchmack- 
loeen  Stile  der  Fahel  nicht  entsprechend;  wenn  die  zweite  Perfon 
tu  dem  Originale  tttand,  bo  hat  eie  eben  ArietotelcB,  der  in  höchel 
freier  Weise  mit  seinen  Citaten  yerfehrt,  geändert.  Ich  Λ■eΓknfipf* 
damit  eine  andere  Stelle,  hei  der  man  schon  im  Alterthum  an 
dieeem  unzweifelhaften  Gebrauche  des  111.  Pcrs.  Sing.  Anstoss 
genuninien  hat.     Eurip.  Orest.  314.  ülb 

καν  μή  νοσή  γάρ,  άλλα  boi&Zvt  voffciv, 

κάματος  βροτοϊσιν  απορία  τε  γίγνεται, 

Ώηββ  man  echon  in  alter  Zeit  νοσής  und  boEά£ης  ändom  wollte, 

geht  dentlich  aus  der  Notiz  dee  sehol.  hervor:  Καλλίστρατος  τήν 

έκτος  τοΰ  σ  γραφήν  btbauKEi. 

Ob  eap.  21,  1395'  12  nicht  au«  Α'  biö  τό  γαρ  €Ϊναι  κοινά, 
wofSr  die  det.  κοιναί  bieten,  zu  halten  eei,  mügen  genaaere  Kenner 
des  Aristotelischen  Spraehgebrauchee  ent«cheiden;  nach  meinen 
Beobachtungen  würe  die  Lesart  von  A"  zulässig,  da  Aristoteles 
eine  ganz  merkwürdige  Neigang  znr  Anwendung  des  Kentninie 
liat.  So  ist  man  überrascht  bei  ihm  zu  lesen  1355^  35  τΰιν  ht 
πίστεων  αί  μέν  άτεχνοΙ  εϊσιν,  αί  ί>'  έντίχνοι.  οτεχνα  bk  λίγν) 
Οσα  μή  ίιΓ  ημών  πεπόρισται,  άλλα  προϋπίϊρχεν,  οίον  ...  έν- 
τεχνα bk,  οσα  κτλ.  und  doch  ist  die  Stelle  ohne  jeden  Anstoss. 
So  wird  man  auch  schwerlich  Pol,  Τ  ίί,  1255'  6  ό  γάρ  νόμος 
ομολογία  τίς  ΐστιν,  iv  iL  τά  κατά  πόλεμον  κρατούμενα  τών 
κρατούντων  εϊναί  φασιν  für  έν  φ  niit  Bns.-  ΐν  f|  sehreiben  dürfen. 

Kapitel  25,  1402''  25  ff.  bi6  και  άε\  εστί  πλεονεκτεϊν  άπο- 
λογούμενον  μάλλον  ή  κατηγοροϋντα  διά  τοΰτον  τόν  παραλο- 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  507 

γισμόν  έπ€ΐ  γαρ  ό  μέν  κατηγορών  δι'  εΐκότιυν  άποοείκνυσιν, 
ίστι  b'  ου  ταύτό  λύσαι  ή  δτι  ουκ  εΙκός  ή  δτι  ουκ  άναγκαΐον, 
ά€ΐ  b'  ?χ€ΐ  ίνστασιν  το  ώς  έπι  το  πολύ*  ου  γάρ  δν  ήν  <ώς 
έπι  τό  πολύ  και  βο  richtig  Vahlen')  εΙκός,  άλλ'  άει  καΐ  άναγ- 
καΐον* 6  bi  κριτής  οϊεται  δν  ούτω  λυθή  ή  ούκ  εΙκός  εΤναι  ή 
ούχ'  αύτψ  κριτίον  κτλ. 

In  verschiedener  Weiee  hat  man  eich  in  neuerer  Zeit  an 
dieser  Stelle  versucht,  so  wollte  Bonitz  für  έπ€ΐ  και  schreiben. 
Oanz  anders  urtheilte  dagegen  Vahlen  Poet.  p.  117.  Aber  mit 
der  Aenderung  von  Bonitz  und  der  Erklärung  von  Vahlen  ist 
meiner  Ansicht  nach  der  Hauptanstoss  der  Stelle  nicht  entfernt. 
Ich  meine  nämlich  ό  μέν  κατηγορών  erfordert  einen  ausdrück- 
lichen und  bestimmten  Gegensatz:  nämlich  ό  bk  όπολογουμ€νος. 
Beachtet  man  nun,  dass  ein  ähnlicher  Gegensatz  auch  1399^  33 
ταύτα  γάρ  έστιν  δ  έάν  μέν  ύπαρχή  bei  πράττειν  <έάν  bi  μή 
ύτταρχή,  μή  πράττβιν)  ausgefallen  und  von  Sp.  aus  cod.  C  ein- 
gesetzt wurde,  so  ergibt  sich  als  der  einfachste  und  natürlichste 
Gedanke,  dass  auch  hier  das  dem  δ  μέν  κατηγορών  correspon- 
dirende  Glied  in  Wegfall  kam,  nämlich  έπ€ΐ  γάρ  ό  μέν  κατη- 
γορών bi'  εικότιυν  άποοείκνυσιν,  (Jb  bi,  άπολογούμενος,  δτι  ούκ 

άναγκαΐον>  .  . . .,  δ  κριτής  οϊεται ;  das  1>έ  vor  κριτής 

scheint  ungeschickter  Weise  eingeschoben  worden  zu  sein,  weil 
man  dem  μέν  in  δ  μέν  κατηγορών  einen  Gegensatz  schaffen  wollte. 

Unbedenklich  wird  man  dagegen  cap.  22,  1396*  8  dem  cod. 
A*  folgen  müssen  λίγιυ  δ'  οΐον  πώς  δν  δυναίμεθα  (Τυμβουλεύειν 
Άθηναίοις  εΐ  πολβμητίον  ή  μή  πολεμητίον,  μή  ίχοντες  κτλ. 
ή  μή  πολεμητίον  fehlt  hier  in  Α®  und  ist  uns  aus  der  det.  er- 
halten ;  ebenso  fehlt  unten  lin.  32  ή  μή  αγαθόν.  Ich  glaube  nun, 
dass  Gaisford  entschieden  recht  gethan,  dass  er  die  fraglichen 
Worte  beidemal  in  Klammern  gesetzt  hat.  Man  vergleiche  1376• 
18  o\  μέν  οΰν  τοιούτοι  τούτιυν  μόνον  μάρτυρας  είσιν  ει  γίγονεν 
[ή  Μή]?  ίί  Ιοτχν  ή  μή,  wo  ή  μή  ebenfalls  in  Α®  fehlt  und  dess- 
wegen  getilgt  wurde.  Ebenso  wenig  durfte  Sp.  Anstoss  nehmen 
1401^4:  τούτο  δ'  έστιν  δταν  μή  δειΗας  δτι  έποίησεν,  αύΕήση 
τό  πράγμα,    weil  hier  das  negative  Glied  fehlt  ή  ούκ  έποίησεν. 

Bei  der  Lehre  von  der  Verwendung  der  Metaphern  sei  es 
zum  Lobe  oder  zum  Tadel  bemerkt  Aristoteles  unter  anderem 
III  2,  1405•  28:  διό  ίΗεστι  λέγειν  τόν  άδικήσαντα  μέν  άμαρ- 
τάνειν,  τόν  δ'  άμαρτάνοντα  άδικήσαι  και  τόν  κλέψαντα  και 
λαβείν  καΐ  πορθήσαι.  Die  letzten  Worte  και  λαβείν  και  πορ- 
θή(Ταΐ   sind   in  ihrer  jetzigen  Fassung  total    unverständlich,    ins- 


^^^  Itocmcr 

Itet   dne    ΐΐορθηΟαι   jeder   auch   nur   aniiälifrriiil  hv- 

SrkläruDg.     Eine   Variante    d^za    lieg)    in    unaeren 

niuht  vor;  hier  hat  jedoch  die  Tr.  wieder  etwas  or- 

niftn  mit  Sicherheit  die  urapTiingHehe  Leeart  hsr- 

KSmliuh  'accipere   et  aequirere'.     In    diesem    hc- 

dae    Bichtige,    worauf    schon    Bnhle    hingewiesen, 

fai.     Demnach   iet    zu    lesen    λαβΐΐν    καΐ   ιτορίσαι. 

^      äinlich    ist    άπό  χίίρονος    gesagt,    wie  in   der  von 

I    -yer  HO  glücklich  ans  Tr.   eruirten  Stelle   137-1»  16 

TCOpioai  dagegen  από  τοΟ  βίλτίονος  geradeso  wir 

vnruer  heisst:    και   οι   μέν  ληιΤτα'ι  αυτούς    ττοριΰτάς 

thwendigkeit  III   9,   1409*  21    Öpov    und    nicbl 

rie        .  auB  Λ*^  opou  xu  schreiben  sind  in  neuerer  Zeit  Hayduck 

leeii'n  Jahrb.  1875)  und  Dittmeyer   in   eniner  Diaeertation 

tii       I  eingetreten    und   zwar  mit    Recht,    denn    das    verlangt   dir 

Aber  S|i,  wurde  auch  hier  wieder  wie  so  oft  durch  Bek- 

t>   falsche  Angabe   zum  Irrtbum  verleitet.     A"  liest   nämlich 

r  und  deutlich  Öpov. 

Ich  will  hier  noch  eine  Stelle  anachlieeaen,  für  die  ir.h  eine 
sichere  Emendation  noch  nicht  gefunden  habe,  die  aber  troti  der 
Teraichening  von  Spengel  noch  nicht  emendirt  iat.  Ich  meine 
die  Stelle  III  17,  14171' 37,  y,„  ι^^^η  die  det.,  welchen  aUe 
Heranageher  gefolgt  sind:  bcT  t>4  κα\  όράν  ΕΪ  ΤΙ  ψβύΐιεται  έκτος 
τοΰ  πράτματος,  und  Sp.  bemerkt  pniefat.  VI  das  eei  dextere 
restituta  für  das,  was  A"  hier  bietet  tiEt  b^  Opäv  £Ϊ  τις  ψ^ύΐκτιη 
έκ  τοσούτου  πράτματος.  Damit  weiaa  ich  allerdinge  auch  niohte 
anzufangen.  Soviel  ist  aber  doch  sicher,  daae  Ariatotelea  nie 
eagt  έκτος  ToO  πράγματος,  sondern  immer  thu  TOÜ  πράγματος, 
dasB  also  das  έκτός  τοΰ  πράγματος  nicht  richtig  ist;  ferner  be- 
merkt Aristoteles  ausdrücklich  im  Anfang  I  1,  ISSl**  27  von  dem 
γίνος  συμβουλευτικόν  ...  δτι  ήττον  ΐστι  πρό  ίργου  τά  Snt 
τοΟ  πράγματος  λέγειν  έν  τοις  Ιιημηγορικοΐς  και  ήττον  έστι  κα- 
κοΰργον  f)  ϋημηγορία  δικολογίας.  Ich  dächte,  das  sind  »wei 
gewichtige  Bedenken,  die  uns  an  der  Richtigkeit  der  Leeart  der 
deterioree  doch  zweifeln  lassen.  Könnte  man  vielleicht  τις  in  τι 
ändern  und  ίκ  τοΰ  πράγματος  schreiben  nnd  έκ  nach  Bonitz 
Index  SÖS*•  U   erklären? 

Zum  HrhluBse  sei  hier  noch  eine  Stelle  besprochen,  an  der 
»an  sich  auf  die  verschiedenst  ρ  Weise  versucht  hat.  Gelegent- 
h  des  Prologes   bemerkt  Aristoteles  III  14,  1415'  19:    καΐ  o\ 


Zur  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristoteles.  &09 

τραγικοί  δηλοΟσι  π€ρΙ  τό  δράμα,  κ&ν  μή  ευθύς  ώσπερ  Ευριπί- 
δης, άλλ'  έν  τψ  προλόγψ  γί  που  [δηλοϊ],  ώσπερ  και  Σο(ροκλής 

έμοί  πατήρ  ήν  ΤΤόλυβος. 
Hier  hat  nun  Yahlen  dae  Richtige  getroffen  durch  Tilgung  des 
ungehörigen  δηλοΐ.  Ahznweisen  sind  dagegen  die  Conjecturen 
von  Spengel  und  auch  die  *Emendation'  von  Freund  Wecklein 
*και  o\  τραγικοί  δηλοΟσι  κδν  μή  ευθύς,  ώσπερ  Ευριπίδης  dv  τώ 
προλόγΐϋ,  άλλα  περί  τό  δράμα  γί  που  ώσπερ  καΐ  Σοφοκλής, 
έμοι  —  ΤΤόλυβος*  mit  der  Uehersetzung  *da  oder  dort  im  Drama 
irgendwo*.  Ich  bemerke  dagegen  nur,  dase  man  hier  δηλοΟΟΊ 
richtig  überRetzen  muss,  περί  δ  τό  δράμα  hat  Portus  conjicirt: 
aber  δηλου(Τι  hat  er  wenigetenR  richtig  übersetzt.  Das  Ueber- 
raechendste  und  Merkwürdigste  nun  für  jeden,  der  sich  zum  ersten 
Male  eingehender  mit  Aristoteles  beschäftigt,  ist  die  scharfe  Son- 
derung und  Scheidung  enge  an  einander  gränzender  Begriffe  und 
so  hat  er  auch  hier  mit  glücklichem  Scharfsinn  das  ευθύς  des 
Euripides  dem  πρόλογος  des  Sophocles  gegenübergestellt  und 
davon  geschieden,  und  unter  dem  ευθύς  des  Euripides  versteht 
er  nichts  anderes  als  die  vielfach  unmotivirte  und  von  Aristo- 
phanes  so  köstlich  verspottete  erste  ^ή(Τΐς  der  ersten  auftreten- 
den Person,  die  ja  klar  und  deutlich  bei  Euripides  δηλοΐ  περί 
τό  δράμα  und  zwar  gleich  im  Anfange  ευθύς;  diesem  stellt  er 
hier  nun  die  kunstvolle  längere  Exposition  des  Sophocles,  die 
schon  von  den  Alten  so  sehr  hervorgehoben  wurde,  gegenüber, 
wobei  wir  an  irgendeiner  Stelle  des  Prologes  und  nicht  ευθύς  über 
die  nun  sich  abspielende  Handlung  die  nöthige  Aufklärung  bekom- 
men. Und  ich  muss  gestehen,  dass  die  Art  und  Weise,  wir  hier 
Aristoteles  den  Anfang  der  Tragödien  bespricht,  viel  glücklicher 
und  trefffender  ist,  als  Poet.  1252**  19  ίστιν  δέ  πρόλογος  μέν 
μέρος  δλον  τραγωδίας  τό  πρό  χοροΟ  παρόδου;  das  ist  denn  doch 
zu  äusserlich  und  schematisch  und  meines  Erachtens  bei  man- 
chen Dramen  des  Euripides  durchaus  nicht  haltbar.  So  bestimmt 
man  z.  B.  den  Prolog  des  Hippolytos  nach  der  citirten  Stelle  der 
Poetik  von  V.  1 — 120;  das  finde  ich  aber  durchaus  unpassend, 
denn  wenn  V.  80  —  120  Hippolytos  vor  unseren  Augen  schuldig 
wird,  gleich  im  Anfange  sich  eine  so  bedeutende  Handlung  ab- 
spielt, so  kann  man  das  kaum  mehr  richtig  mit  dem  Namen 
Prolog  bezeichnen;  denn  mit  dem  Abtreten  der  Göttin  beginnt 
das  Stück  und  das  wollte  Aristoteles  mit  dem  von  ihm  gewählten 
Worte  ευθύς  ausdrücken.  Dagegen  können  nun  aber  die  im 
Texte  folgenden  Worte  έμοι  πατήρ  ήν  ΤΤόλυβος  unmöglich  richtig 


610  Roemer  Zar  Kritik  der  Rhetorik  des  Aristotele•. 

sein,  and  dae  baben  echon  Twining  und  Vater  eingeeeben;  denn 
die  citirten  Worte  mtteaen  im  Prologe  stehen  nnd  bei  einer  so 
genauen  Bekanntecbaft  des  Aristotelee  mit  dieser  Praehttragodie 
des  Sophoeles  ist  ein  Irrtbnm  von  Seiten  des  Philosophen  aut- 
geseblossen.  Und  nun  will  ioh  hier  gleich  bemerken,  dase  wenn 
wir  einmal  eine  tüchtige  Ansgahe  der  Scbolien  zur  Bbetorik  be- 
sitzen, wir  leioht  über  den  Ursprung  solcher  falschen  Embleme 
orientirt  sein  werden.  So  hat  anch  Sanppe  mit  vollem  Rechte  trotz 
der  Einsprache  Spengers  Anstoss  genommen  an  den  Versen  der  An- 
tigene, die  wir  heute  in  unserer  Rhetorik  1375^  7  lesen.  Gerade 
die  älteren  Commentatoren  der  RhetOrik  haben  mit  Vorliebe  die 
Sätze  der  Philosophen  mit  Dichterstellen  erläutert.  Oder  könnten 
wir  die  Worte  des  Aristoteles,  da  wo  er  von  dem  £λ€θς  spricht 
138G^  5  κα\  μάλιστα  τό  σπουδαίους  elvai  έν  τοις  τοιούτοις 
καιροΐς  βντας  έλ€€ΐνόν  besser  erläutern  als  der  Scholiast,  der 
hier  gewiss  nach  einer  älteren  vielleicht  von  ihm  ungeschickt 
geänderten  Vorlage  auf  die  heroische  Haltung  der  Polyxena  in 
Eurlpides  Hecuba  hinweist?  Bekanntschaft  mit  demselben  Drama 
verräth  sich  an  mehreren  Stellen,  so  auch  bei  der  Erläuterung 
von  141 4*^  8  ή  μέν  ούν  δημηγορική  λέΕις  κα\  παντβλώς  foizc 
τή  σκιαγραφίςι.  δσψ  γαρ  &ν  πλείων  ή  ό  δχλος,  πορρωτέρω  ή 
θεά*  b\ö  τα  ακριβή  περίεργα  και  χείρω  φαίνεται  έν  αμφοτέροις, 
wo  der  schöne  Vers  des  Euripides  Uec.  807,  ob  passend  oder 
unpaRRend  ist  hier  gleichgültig,  herangezogen  wird: 

ώς  γραφεύς  τ'  άποσταθείς 
ibou  με  κανάθρησον  οΓ  ίχω  κακά. 

München.  Adolph  Roemer. 


Beiträge  znr  Textkritik  des  Martial. 


In  meiner  Programmabhanrllun^  'Ad  Martialem  qaaestionee 
criticae'  (Dresden  1883)  und  in  den  Jahrbüchern  für  claesische 
Philologie  B.  127  (1888)  S.  G43— G48  habe  ich  den  von  L.  Fried- 
länder mit  allbekannter  Feinsinniii^keit  und  Schärfe  de«  Urtheil« 
namhaft  gemachten  Epigrammen,  in  denen  von  der  Textesgestal- 
tung in  Schneidewin's  zweiter  Ausgabe  abzuweichen  ist,  mehrere 
Stellen  beigefügt.  Ich  gebe  im  Folgenden,  als  das  Resultat  einer 
erneuten  Textesrevision,  eine  Anzahl  von  Nachträgen.  Voraus- 
schicken muss  ich,  dass  die  Epigramme  des  Martial  in  3  Klassen 
guter  Handschriften  uns  tiberliefert  sind,  in  der  (besten)  Familie 
A,  deren  Handschriften  (RTH)  jedoch  nur  je  einen  kleinen  Theil 
der  Epigramme  enthalten,  ferner  in  der  Fam.  Β  (ausser  Ρ  be- 
sonders die  freilich  nicht  vollständigen  Angaben  Gruter*8  über 
φ  und  Gronov's  über  Q)  und  in  der  Fam.  C»  (XABCGEV,  be- 
sonders XAB).  Als  besser  bezeugt  hat  man  in  den  Epigrammen, 
welche  in  einer  Handschrift  der  Fam.  Α  vorliegen,  solche  Les- 
arten zu  betrachten,  in  welchen  diese  mit  Fam.  Β  oder  mit  Fam. 
C*  übereinstimmt,  dagegen  in  den  nur  in  den  Fam.  Β  und  C*  er- 
haltenen Epigrammen  solche  Lesarten,  in  welchen  zu  dem  Zeug- 
niss  der  Fam.  C*  eine  Handschrift  der  Fam.  Β  hinzutritt  oder 
zum  Zeugniss  der  Fam.  Β  eine  oder  mehrere  Handschriften  der 
Fam.  C*  (besonders  eine  ihrer  reinsten  Vertreterinneu:  XAB). 
Steht  dagegen  entweder  die  gesammte  Fam.  C*  der  Fam.  Β  oder 
die  Fam.  Α  den  beiden  anderen  Familien  gegenüber,  so  kann  die 
Entscheidung  nur  durch  anderweitige  Erwägung  getroffen  werden. 

Spect  21**:  Orphea  quod  subito  tellus  einisit  hiaiUj  Versa 
—  miramur?  —  venu  ab  Eurydice»  Haupt  hat  das  nicht  ganz 
zutreffende  Versa  sehr  ansprechend  in  Mersa  verbessert.  Aber 
weit  zwingender  ist,  wenn  man  versa  beibehält  oder  durch  ein 
anderes  auf  Eurydice  bezogenes  Particip  (wie  mersa)  ersetzt,  eine 


512  Gilbert 

UmetelluTig  deeeelben  mit  miramur;  vgl.  s.  B•  Speot.  25. 
III  28.  V  73.  VI  89.  VII  18,  3.  4.  X,  84.  XI  35.  8β.  57. 
XII  51.    XIII  74. 

Spect  23,  1:  Das  in  HT  überlieferte  und  wobl  luinm  ra 
haltende  tarn  bat  Schneidewin  durch  tarn  ereetxt  Aber  diee  wire 
eine  unpaeeende  AbBohwächung  des  Preisee  des  Garpophoms.  Da- 
her ist  zur  Lesart  des  Scriverins  und  der  schlechten  Handechriften 
(quam)  zurOcksukehren,  wie  denn  auch  sonst  qwtm  und  tarn  η 
den  Handschriften  nicht  selten  verwechselt  werden  (z.  B.  IV 
13,  4;  IV  74,  2;  VI  36,  1;  VIII  46,  1). 

Hpect.  27,  2:  In  der  Ergänzung  Schneidewin's  ist  das  In- 
perfect  aleret  anstössig.  Passen  würde  Pavissei  nuUas  barbara 
terra  feraa  oder  vielleicht  unter  Wahrung  des  ttberliefert-en  /ero, 
aber  mit  minder  üblicher  Constmction  von  pavere:  Bimstet  miSk 
harbara  terra  fera. 

Hpect.  28,  10:  {Quidquid  et  in  Circo  $pedatnr  et  ΑηηΛρ- 
theairOt)  dives  Caesarea  praestitit  unda  ^t&i.  Die  Ueberlieferang 
ist  unmöglich.  Denn  erstens  gibt  es  nichts,  worauf  man  iSn  be- 
ziehen könnte,  sodann  ist  die  Dehnung  der  vokalischen  Endsilbe 
nicht  durch  die  gleiche  Dehnung  consonantischer  Endsilben  (VI 
61,  2.  Vir  44,  1.  IX  101,  4.  X  89,  1.  XIV  77,  2)  gerechtfer- 
tigt {Nausicaa  ΧΓΙ  31,  9  hat  selbstverständlich  natürliche  Länge). 
ITcinsius  hat  zwei  Emendationen  vorgeschlagen:  I>ives  Caesar  ei 
praestitit  undn  sali  und  Dives,  Caesar^  io,  praestitit  unda  tibi. 
DasR  die  letztere  die  richtige  ist,  geht  zweifellos  daraus  hervor, 
dasR  als  die  Person,  cui  spectacula  praestantur,  immer  der 
Kaiser  erscheint  (Spect.  5,  4.  9,  1.  I  14,  2).  Zu  dem  fren- 
digen  lo,  das  auffällig  erscheinen  könnte,  ist  zu  vergleichen  VII 
G,  7.  VIII  4,  1.  XI  36,  2. 

I  29,  4:  In  den  Worten,  mit  welchen  Martial  den  Pla- 
giator Fidentinus  zum  Kaufen  seiner  Gedichte  auffordert,  hat 
wed(ir  Scrivcrius  noch  Schneidewin  noch  vollends  Flach  die 
Uebt^rlieferung  beibelialten.  Ueberliefert  ist  Si  dici  tua  vis.  Hoc 
emc,  ne  mea  sint;  denn  wenn  aiicli  in  Τ  hoc  ausgelassen  ist,  so 
Rtimmen  doch  darin  die  Familien  Β  und  C*  tiberein.  Scriverius 
schreibt  haec  emCj  Flach  hoc  cme,  qitod  mea  sunt  f  erkaufe  dir 
den  Umstand,  dass  sie  mein  sind,  d.  i.  das  Eigenthunisrecht'), 
Schneidewin  cn  emc.  Letztere  Conjectur  hätte  mir  dann  einen 
Vorzug  vor  der  üeberliefening,  Λvenn  der  Vers  eine  Aufforderung 
an  Fidentinus  wäre,  sein  Exemplar  wenigstens  zu  kaufen.  Aber 
das«  Fidentinus  diesmal  oder  früher  ein  Freiexemplar  von  3fartial 


Beiträge  zur  Textkritik  des  Martial.  513 

erhalten  oder  erbeten  habe,  ist  durch  nichts  angedeutet.  Viel- 
mehr zeigt  I  06,  3.  14,  dass  das  Exemplar  der  Plagiator  zu 
kaufen  püegte;  und  I  06^  4 — 16.  XII  63,  7  erweisen,  dass  Mar- 
tial verlangt,  dass  ihm  vom  Plagiator  das  Autorrecht  (oder 
richtiger:  das  Schweigen)  abgekauft  werde.  Die  gleiche  For- 
derung enthält  nun  auch  I  29,  4  der  Ueberlieferung,  nur  muss 
man  die  Stelle  richtig  interpretiren :  Äoc  weist  nämlich  auf  dici 
tua  zurück,  und  wie  die  Forderung  I  66,  14  Silentium  emere 
lautet,  so  lautet  sie  hier  hoc  (i.  e.  fä  ttui  dicantur)  eme. 

I  49,  14:    Scriverius  schreibt  Vohisca  nach  Farn.  B,  Schnei- 
de win   Voberca    nach   der  Fam.  C*  (ausser  Ε  G).     Dass  G  beide 

Lesarten  in  einer  Dittographie  (Vobis  erga  =  Voberca)  enthält, 
will  nicht  viel  besagen,  da  sich  auch  aus  anderen  Stellen  nach- 
weisen läfist,  dass  der  Archetypus  von  G  einige  Correcturen  nach 
einer  Handschrift  der  Fam.  Β  erhalten  hat.  Aber  Ε  hat  Vobesca, 
stimmt  also  im  Consonanten  mit  Familie  B.  Da  anderseits  der 
Vocal  i  in  Familie  Β  auf  leicht  ersichtlicher  Interpolation  beruht 
( Vobis  capram  dentiferas  PF,  nicht  Vobisca  prandenti  feras),  so 
ist  zweifellos  Vobesca  aufzunehmen.  Zu  der  Endung  ist  zu  ver- 
gleichen IV  55,  26:    Vativescae. 

I  49,  17  f.:  Ämdam  recens  Dercenna  placabit  sUim  Et 
Nutha^  quae  vincit  nives.  Bei  dieser  Lesart  der  Familie  C*  und 
Schneidewin's  könnte  man  doch  wohl  nur  an  *  frisch*  in  das  Haus 
geholtes  Wasser  denken;  aber  Martial  will  ja  nach  v.  15  f.  die 
heissen  Sommerstunden  ini  Freien  im  kühlen  Schatten  der  Bäume 
zubringen.  Daher  ist  mit  P^  und  Scriverius  rigens  statt  recens 
zu  schreiben;  vgl.  XII  21,  1:  rigidi  Salonis,  Auch  XIV  117 
(nofi  potare  nivem^  sed  aquam  potare  recentem  De  nive)  kann  es 
trotz  der  häufigen  Verbindung  von  recens  mit  de  fraglich  er- 
scheinen, ob  man  statt  des  von  Schneidewin  nach  Τ  aufgenom- 
menen recentem  nicht  vielmehr  nach  den  übrigen  Handschriften 
rigentem  zu  schreiben  hat. 

I  62,  5  ist  hinter  flammas,  wo  Schneidewin  keine  Inter- 
punktion hat,  ein  Kolon  zu  setzen:  Costa  nee  antiguis  cedens 
Laevina  Sahinis  ....  dum  Baianis  saepe  fovetur  aquiSy  Incidit 
in  flammas:  iuvenemque  secuta  relicto  Coniugc  Penelope  venitj  abit 
Helene;  Der  Nebensatz  mit  dum  gehört  nur  zu  Incidit  in  flam- 
mas. Dass  die  Worte  Penelope  venit  parataktisch  an  die  Stelle 
eines  Nebensatzes  getreten  sind  und  der  vorhergehende  Parti- 
cipialsatz  nur  von  abit  Helene  abhängt,  wäre  nicht  ausdrücklich 
hervorzuheben,  wenn  nicht  Flach  daran  Anstoss  genommen  hätte. 

Bbetn.  Mna.  f.  PhUol.  N.  F.  XXXIX.  ^^ 


δΐ4  Gilbert 

Dieser  setzt  nämlich  ein  Kolon  nicht  nach  flammas,  sondern  nach 
coniuge  ein;  in  diesem  Falle  aber  wäre  der  Zusatz  von  est  zn 
secuta  für  Martial  hier  unerlässlich. 

I  68,  5  f.:  Scripserat  hestema  patri  cttm  luce  salufem^ 
'  NaevM  lux^  inquU  ^  Naevia  lumen,  ave\  So  Schneide win  nach 
T.  Aber  statt  des  Plosquamperfects  erwartet  man  das  Imperfect 
oder  Perfect;  ebenso  nehme  ich  an  der  Präposition  cum  Anstom 
(vgl.  IV  15,  1  hesterna  luce;  ITI  63,  7).  Also  ist  mit  Scriveriüs 
und  den  Familien  Β  und  C*  scriberet  aufzunehmen. 

Τ  70,  13:  Hanc  pete  nee  metuas  fasfus.  Für  nee,  das 
nach  Fam.  C*  Scriveriüs  und  Schneidewin  schreiben,  ist  das  besser 
bezeugte  (durch  TP)  asyndetische  ne  aufzunehmen. 

Τ  82,  4 — 8  ist  zu  interpungiren :  Tectis  nam  modo  Regulns 
8ίώ  Ulis  Gestatus  fuerat  recessernfque :  Victa  est  pondere  cum  suo 
repente,  Et  postquam  domino  nihil  timebat,  Securo  mit  incruenia 
datnfw.  Schneidewin  hatte  hinter  recesseratque  Komma,  hinter 
repente  Semikolon  gesetzt.  Aber  indem  er  so  die  5  Verse  in  2 
Perioden  zerlegt,  machen  diese,  da  die  zweite  keinen  entsebie- 
denen  Gedankenfortschritt  enthält,  den  Eindruck  der  Tautologie.  — 
T)ass  übrigens  v.  3  nicht  in  tanto  (C*  Schneidewin),  ebenso  wenig 
aber  mit  Flach  die  nicht  einmal  siiingeniässe  Conjectur  des  Scri- 
veriüs heu  qiianfo  in  den  Text  aufzunehmen  ist,  sondern  zweifellös 
en  qiianto  (P  und  Scri\^crius),  darauf  habe  ich  schon  im  Philol. 
Anzeiger  XII  S.  29  binare  wiesen. 

I  105  interpungire  ich:  In  NomantnniSy  Oridi,  quod  na.icitw 
nnis,  Acccpit  quoiieiis  f  empor  η  longa  ^  vier  um  Exuit  nnnosa  mores 
nomenque  senecfa:  Et  quldquid  volnit,  testn  vocidur  amis.  Schnei- 
dewin hatte  das  Epigramm  als  Einen  Satz  gefasst,  wobei  das 
doppelte  Subjekt  missfällt. 

I  117,  13  ff.:  IlUnc  me  pete,  nee  roges  Atrectum,  —  //«v 
nomen  dominus  gerit  tahernae^  —  Oc  prinw  dahit  alterove  nid« 
....  Dennris  tibi  quinque  Mftrtialem.  Die  schwierige  Stelle 
glaubte  ich  im  Philologus  XLI  S.  3G5  f.  durch  Annahme  eine^ 
(i-egeiisatzes  zwischen  pefere  und  rogare  unter  Vergleich  von  Ci- 
cero 1Μι1Γΐ[)]).  IT  30,  7G  {eum  con.^uhüus  petchatnr^  nofi  rogabafar 
erklären  zu  müssen.  ]j.  Friedländer  hat  mich  gütigst  brieflicli 
belehrt,  dass  hier  der  Gegensatz  zwischen  Fordern  und  Bitten 
nicht  annehmbar  ist.  Ich  glanl)c  jetzt  die  Stelle  durch  folgen«!? 
Interjninktion  verständlich  zu  machen:  Illine  mc  petc.  Nee  roQt^ 
Af rectum  (Ilor  nomen  dominus  gerit  tnhernae) :  De  primo  daU* 
(dterore  nido   ....    Denuris  tibi  quinque  Martialem.      Nee  τ(ψ^ 


Beiträge  zur  Textkritik  des  Martial.  615 

vertritt  einen  condicionalen  oder  vielmehr  conceeeiven  Vordersatz, 
bekanntlieh  ein  sehr  häufiger  Gebrauch,  der  sich  sogar  mit  Nach- 
stellung hinter  den  logischen  Hauptsatz  findet  (III  5,  8 :  Eaxipiet, 
in  vel  pulveruhntus  eas).  Also  sagt  der  Dichter:  *Und  auch  ohne 
dass  du  meine  Gedichte  von  Atrectus  ausdrücklich  verlangst, 
wird  er  sie  dir  (als  allbegehrte  Novität  vorlegen  und)  für  5 
Denare  geben'. 

II  praefatio  11:  me  herctde  Scriv.  und  Schneidew.  Die 
einzige  hier  in  Frage  kommende  Handschrift  (P)  hat  me  liercüles. 
Und  diese  Form  ist  metrisch  geschützt  Phaedrus  III  17,  8. 

II  14,  13:  Schneide win  hat  hergestellt:  Nam  fernis  Herum 
ihcrmis  ifcrumque  lavatw.  Aber  die  Figur  der  occupatio  ver- 
langt Voranstellung  von  fhef'mis.  Es  ist  also  zu  schreiben:  Nam 
ihcrmis  iterum  ternis  iterumque  lav, 

II  19,  1.  2:  Sohneidewin  interpungirt:  Felkem  fieri  credis 
me,  Zofk,  cena:  felicem  cena,  Zoile?  deinde  tua?  Er  hätte  we- 
nigstens das  Fragezeichen  vor  das  zweite  Zoile  setzen  müssen. 
Aber  es  ist  vielmehr  so  zu  interpungiren:  Felicem  fieri  credis  me^ 
Zoile  cena?  felicem  cena,  Zoile,  deinde  tua? 

II  53,  3:  LiJber  eris,  cenare  foris  si,  Mcutime,  noles  schrei- 
ben Schneidewin  und  Scriverius.  Aber  noles  hat  nur  die  zu  C* 
gehörige  Excerptenhandschrift  D;  die  übrigen  der  Familie  C* 
haben  ndles.  Dagegen  haben  TP  (also  die  Familien  Α  und  B) 
nolis;  nur  ist  es  in  Ρ  in  fwbis  verschrieben.  Der  Conjunctiv 
Präsentis  im  Condicionalsatz  neben  einem  Futur  im  Hauptsatz  ist 
bei  Martial  ungemein  häufig:  vgl.  Spect.  27,  9  f.  I  68,  4.  V 
IG,  5  ff.  IX  14,  4.  IX  G5,  14.  XI  5,  5—14.  XII  34,  5  ff.  Und 
eine  üebereinstimmung  mit  den  folgenden  mit  nolis  coordinirten 
Verben  ist  auch  durch  noles  nicht  erzielt,  sondern  nur  durch 
non  vis,  das  schwerlich  jemand  wird  einsetzen  wollen. 

II  65,  2:  inquiSy  das  Schneidewin  aus  Ρ  aufgenommen  hat, 
ist  anstössig,  da  v.  1  Saleianus  nicht  mit  Verwendung  der  zweiten 
Person  genannt  ist.  Also  ist  inquit  mit  Fam.  C*  und  Scriverius 
zu  schreiben.  Freilich  wendet  sich  der  Dichter  in  den  folgenden 
Versen  direkt  gegen  Saleianus.  Aber  dieser  üebergang  in  die 
zweite  Person  ist  ja  eben  durch  die  mit  inquit  eingeführten  di- 
rekten Worte  desselben  vermittelt. 

II  76 :  Argenii  lihras  Marius  tibi  quinque  reliquit.  Cui  nihil 
ipse  dahaSy  hie  tibi  verba  dedit.  Bei  dieser  Interpunktion  ist  das 
Epigramm  mehr  als  lahm;  auch  ist  klar,  dass  der  Relativsatz 
nothwendigee  Glied  nicht  sowohl  der  Pointe,  als  der  narratio  ist. 


516  Gilbert 

Ich  interpnngire  daher:  Argenti  lü>ra8  Marius  t&n  qumgue  rdi• 
quU,  Gut  nihil  ipse  dahas:  Hie  tibi  verba  dedit?  Martial  hält 
also  dem  mit  einer  Lappalie  abgefandenen  Marias  vor,  daee  er 
sich  nicht  als  in  seinen  Erbschaftshoffnungen  getänscht  beklagen 
dürfe,  weil  er  nicht  seinerseits  dem  zn  beerbenden  nach  Sitte 
der  heredipetae  Geschenke  gemacht  hat. 

II  84,  4:  Abs  hoc  occisus,  Rufet  pideturj  Erym.  o&f  Aoe, 
das  Schneidewin  (nnd  Gnyet)  nach  dem  in  C*^  überlieferten  nb  kcc 
geschrieben  hat,  ist  formell  ebenso  unmöglich,  wie  ex  hoc  (P  nnd 
Scriverins)  e3mtaktisch  anstössig.  Die  Stelle  hat  m.  E.  Boy  richtig 
so  verbessert:  Esse  huic  occ.  Zu  dem  Dativ  beim  Paesivam  vgl 
z.  B.  III  22,  5:  ^t7  est,  Apici^  tibi  gulosius  factum.  VII  14,  5: 
SteUae  cant^üa  meo  (lanthis), 

III  15,  1:  Plus  credit  nemo  quam  tota  Cordus  in  wrbe. 
Unabweisbar  erscheint  mir  die  in  G  überlieferte  Wortetellnng: 
Plus  credit  nemo  tota  quam  Cordus  in  utbe. 

III  52,  1:  In  den  Quaest.  crit.  p.  14  habe  ich  das  über- 
lieferte ducentis  im  Sinne  von  dmentis  müibus  sestertium  verthei- 
digt.  Ich  fuge  hinzu  centum  Mart.  VI  5,  2,  wo  nicht  an  100 
sestertii  gedacht  werden  kann,  ferner  ducenia  ΧΠ  66,  9»  irecenia 
XII  70,  7. 

III  58:  V.  7  ist  statt  des  Punktes  ein  Semikolon,  v.  9 
statt  des  Kolons  ein  Punkt,  v.  17  statt  keiner  Interpunktion  ein 
Semikolon,  v.  18  statt  des  Semikolons  ein  Komma,  v.  19  statt 
des  Kommas  ein  Punkt  zu  setzen.  Auch  eni))iiehlt  sich  v.  28 
statt  des  Punktes  ein  Semikolon,  v.  29  statt  keiner  Interpunktion 
ein  Komma. 

III  80,  3:  casta  ist  nicht  etwa  prädikative  Bestimmung, 
sondern  (wie  auch  v.  1)  Vokativ  und  also  in  Kommata  jeinzn- 
scliliessen. 

Ι II  81,  3:  Ahscis.sa  est  quarc  Samia  tibi  mentula  testa. 
Abscissa  schreiben  Scriv.  und  Schneidew.  nach  P;  die  Familie  C* 
hat  ahscisd.  Letzteres  ist  zweifellos  aufzunehmen.  Dase  abscissa 
mir  unpassend  erscheint,  mag  subjektiv  sein.  Aber  8chlagen<1 
sind  die  Parallelen:  III  G(],  2  Ahscidit  (allein  bezeugt  nnd  nicht 
angezweifelt);  TU  85,  1  ahscidere  (KTC*  und  Schneidew.  gegen 
Ρ  und  Soriver.);  II  82,  1  ahscisa  (TO*  und  Schneidew.  gegen  PU 
und  Scriveriiis).  Zu  vergleichen  sind  auch  die  ganz  in  dem  glei- 
chen Sinne  gebrauchten  prnccisa  (mentula  II  45,  l)  und  excidtm^ 
(senlH  mentulam   TU  91,  9). 

IV  9,  1:     Fnimna\    V  Vmw\i\V,   \^^«*N\iiHli^>hlct;jiihier  nicht 


Beiträge  zur  Textkritik  des  Martial.  517 

in  Frage.  Da  im  übrigen  Fahulla  nur  in  Β  und  im  Lemma  von 
X,  LabuUa  dagegen  in  XACG  bezeugt  ist  und,  als  der  selteuere 
Name,  leicht  durch  Fahvlla  verdrangt  werden  konnte,  so  ist  nicht 
Fabulla  mit  Scriv.  und  Scbneidew.,  sondern  Labulla  zu  schreiben. 
Vgl.  Läbulle  XI  24,  4.  9  (wo  allerdings  Ρ  Fabulle  hat)  und  ΧΠ 
36  (ohne  Variante).  —  Ausserdem  hat  XII  93  XABGV  Labulla, 
das  daselbst  wohl  gegen  Schneidewin  aufzunehmen  ist. 

IV  21,  3:  dum  negat  7m  ec  Schneidewin  nach  X AB.  Besser 
bezeugt  (durch  PCG)  als  haec  ist  das  von  Scriverius  aufgenom- 
mene hoc,  und  es  ist  auch  geradezu  erforderlich,  da  es  nur  auf 
die  Aufstellung  nullos  esse  deoSf  inane  caelum  zurückweist. 

IV  36 :  Cana  est  harha  tibi,  nigra  est  coma :  fingere  harbam 
Non  potes,  haec  causa  est:  sed  potes,  Ole,  οωηαηι.  So  schreibt 
man  nach  den  Familien  Β  und  C*.  Dagegen  hat  R  et  potes,  und 
vielleicht  ist  auch  darin,  dass  XA  das  t  in  causa  est  weglassen, 
ein  Rest  dieser  Lesart  zu  sehen.  Mir  erscheint  et  potes  feiner: 
tingere  barbam  Non  potes  —  haec  causa  est  —  et  potes,  Ole, 
comam. 

IV  40,  10 :  Die  Worte  Postumus  imposuit  sind  ein  äusserst 
matter  Schluss  des  Epigramms,  wenn  man  sie  nicht  in  Anfüh- 
rungsstriche setzt  und  der  Fortuna  zuertheilt.  Durch  Hoc  for- 
tuna  placet?  hat  der  Dichter  gegen  Fortuna  den  Vorwurf  erhoben, 
dass  sie  ihre  Gaben  an  einen  Unwürdigen  verschleudert  habe, 
der  sie  nicht  freigebig  verwende.  Fortuna  entschuldigt  eich  nun : 
*  Postumus  hat  mich  geleimt,  er  Hess  anderes  erwarten'. 

rV  44,  6:  Hie  locus  HerctUeo  numine  clarus  erat.  Besser 
bezeugt  (durch  TP  gegen  C*)  ist  das  von  Scriverius  aufgenom- 
mene nomine;  und  es  besagt  auch  mehr,  dass  nämlich  Hercu- 
laneum  nicht  nur  Cultstätte  des  Hercules  ist,  sondern  auch  seinen 
Namen  trägt.  —  Beiläufig  bemerke  ich,  dass  v.  1  Schneidewin 
in  der  zweiten  Ausgabe  mit  Unrecht  die  durch  TPABG  bezeugte 
und  auch  sonst  vorkommende  Form  Vesbius  mit  der  nur  in  X 
überlieferten  Form   Vesvius  vertauscht  hat. 

IV  46,  16:  Es  empfiehlt  sich  hinter  diesem  Vers  ein  Komma 
zu  setzen ;  denn  zweifellos  ist  Bispanae  luteum  toreuma  caeli  nicht 
ein  neues  Glied,  sondern  nur  Ajtposition  zu  Septenaria  synthesis 
Sagunti, 

IV  55,  18.  22:  Hier  sind  zwei  sonst  meines  Wissens  nicht 
vorkommende  spanische  Ortsnamen  zu  berichtigen:  v.  18  schreibt 
Schneidewin  Peterum,  Scriverius  Peleron.  Ueberliefert  ist  in  Fa- 
milie C*  Peterin,   in  Pfß  Peterem.     Also  \et  Ρ  et  er  In  tml  %^x^v 


Gilbert' 

ben  und  zn  der  Bildung  der  Accoeativ  liHAUm  zu  vergleichen.  — 
T.  22  BcbieiU  man  allgemein  Vetoniesae.  Ueberltefert  iet  Tuat 
lottissae  (C*),  Tontu  niesap  fP;  vgl.  Tuntuniseae  F),  Tentoniünae 
(Φ),  Man  wird  daher  entweder  eine  <ler  beiden  letiteu  FoTmeoi 
in  den  Test  eufuelimpn  mÜHKen  oder,  was  mir  wahrBcbpinlrrh» 
ist,  Tvtlonissae.  Ein  ähiiliuher  epaniachcr  Ortnname  CIX.  II3406, 
IV  66,  14:  üec  meraa  est  pelago,  iiec  fUtii  ulln  ratis:  Mit 
Recht  hat  L.  FriedlÄnder  daa  von  Scbneidewin  und  ScriTerins  ans 
Ρ  aofgenomniene  f'litit  duroh  fuil,  dit  Leoart  der  Familie  C, 
ersetzt,  doch  bat  er  diee  minder  richtig  erklärt  (=  mcrsa  faiti. 
Die  Worte  heieeen:  'Und  kein  Schiff  ist  dir  untergeg'angen,  und 
dn  hast  überhaupt  nie  ein  Sfhiff  gehabt'.  L.  FrieiHÜtiiJer  tut 
mir  giitigHt  mitgetheilt,  ά&κ»  ihm  die  gleii.'he  Erklärung  nach 
Hunro  briefiich  vorgeschlagen  hat. 

IV  75,  3  f.:  Te  pafrios  wiscere  iuvat  cttm  eimiufft  censw, 
Gaudentem  socio  participique  viro:  Statt  parlicipiijue,  der  liesart 
des  Spriverins  und  der  Familien  Β  «nd  C'•,  hatte  8chnridewin 
inderereten  Ausgabe  mit  liecbt  partiripare  iiiie  Τ  anfgennmmen. 
Die  Form  purticipi  ist  mir  bedenklich,  obwohl  eie  (vgl.  Npb*, 
Formenlehre  der  lat.  Sprache,  TP  S.  44  §  34)  gpartian  Geta  S,  3 
sich  findet.  Anderseite  bieten  fHr  die  BeJeutnng  von  perticipiiTt 
('thei!|;eben')  die  Le\ika  hinlänglidie  Parallelen;  dnse  im  erst«i 
Jahrhundert  n.  Chr.  sonet  statt  des  Dative  cum  mit  dem  Ablativ 
zu  stehen  pflegt,  scheint  minder  erheblich. 

V  3,  1:  Statt  Vegis  ist  vielleicht,  um  Uebereinetimmaiig 
mit  der  bei  Dio  (LXVII  7)  Uh  erlieferte  η  Form  des  Namens  ία 
erzielen,  liieijis  zu  schreiben  und  mit  Syniüeae  zu  lesen.  Vgl. 
die  Quaest.  crit.  p.  14  besprochenen  Synizesen  Sigerios  (IV  IV.  8), 
Marcelliano  (II  29.  5),  Vipsniiins  (I  lOP.  3),  von  denen  die  [etil* 
ebenfalle  in  den  Handschriften  durch  Auslassung  des  i  beseitigt  ist. 

V  fi,  5 :  Der  Wunseh  ci  sis  invidia  favenle  fdi.T  erecheint 
mir  einnwidrig;  er  könnte  nur  bedeuten  'mögeetdn  dadurch  glück- 
lich sein,  dass  sich  die  invidia  in  Gunst  verwandelt';  aber  so 
Bauer  hat  doch  wohl  dem  Parthenius  die  invidia  das  Leben  nicht 
gemacht.     TrefBich  ist  des  Heinsius  Verbeseerung  fatente. 

V  10,  I.  2  glaube  ich  als  Worte  des  Regulus  im  Anfüh- 
rungsstriche setzen  zu  iniisHen. 

V  18,  8:  Amdum  vorato  decipi  scarum  musco.  So 
Schneidewin  in  der  zweiten  Ausgabe  naeb  Brodaeus  statt  der 
überlieferten  oorala  —  mwsca.  Diese  Correctur  ist  allcrdin^ 
bestechend:    vgl.  Flinins  n,  h.  IX  62:  (scarus)  sottts  jHSCium  di- 


Beiträge  zur  Textkritik  des  Martial.  6l9 

citur  ruminare  herbisqm  vesci;  uud  von  demselben  Fische  berichtet 
(aus  Aristoteles)  Athenaeus  VII  p.  319  f.:  χαίρει  be  τη  ταιν 
φυκίιυν  τροφή,  bio  και  τούτοις  θηρεύεται.  Trotzdem  ist  die 
Conjectur  zu  verwerfen,  und  zwar  keineswegs  nur  deshalb,  weil 
Martial  diese  naturwissenschaftliche  Eenntniss  nicht  zu  haben 
brauchte.  Sondern  erstlich  hätte  er  hier,  wo  der  scarus  nur  als 
Vertreter  aller  Fische  genannt  wird,  wohl  nicht  gerade  diesen 
Fisch  gewählt,  wenn  er  wusste,  dass  man  bei  dessen  Fang  sich 
eines  sonst  ganz  unüblichen  Köders  bediente.  Besonders  aber 
ist  ja  dieser  nur  bei  dem  scarus  angewendete  Köder  gar  nicht 
das  Moos  {musco),  sondern  der  Seetang,  und  es  hätte  dem- 
nach Martial  schreiben  müssen:  Avidos  vorafa  decipi  scaros  alga. 
—  Man  hat  also  die  l^eberlieferung  wieder  in  den  Text  aufzu- 
nehmen. 

V  19,  17.  18  ist  wohl  zu  interpungiren :  lam  dudum  tacito 
rides,  Germanice,  naso,  Utile  quod  nobis  do  tibi  consilium,  Schnei- 
dewin  hat  hinter  naso  ein  Kolon,  hinter  nobis  ein  Komma. 

V  21,  4:  In  den  Jahrbüchern  für  class.  Philol.  Bd.  127 
1883  S.  643  habe  ich  statt  der  Lesart  Schneide win's  und  der 
Handschrift  Τ  scripserat  ei  didicit  die  Lesart  der  anderen  Hand- 
schriften soripsit  et  edidicit  empfohlen.  Hierzu  bestimmte  mich 
ausser  der  Unangemessenheit  des  Plusquamperfects  die  Erwägung, 
dass  das  e  vor  didicit  leicht  ausfallen  konnte,  und  es  dann  nahe 
lag,  den  Vers  durch  Veränderung  des  Tempus  herzustellen.  Ich 
füge  jetzt  bei,  dass  dies  bei  Martial  durchaus  nicht  häufige  Com- 
positum auch  sonst  in  den  Handschriften  durch  das  Simplex  er- 
setzt ist:  so  hat  IX  49,  2  Fam.  Β  didicit  statt  edidicit j  X  68, 11 
Τ  et  discas  statt  ediscas. 

V  48,  7.  8:  Sed  tu  ne  propera,  brevibus  nee  crede  ca- 
pülis^  tardaque  pro  tanto  munere,  barba,  veni.  Besser  bezeugt  ist 
ne  crede  (durch  CGP).  Ich  schreibe  daher:  Sed  tu  ne  propera 
(brevibus  ne  crede  caplllis)  tardaque  pro  tanto  munere,  barba,  veni. 
Diese  Gestaltung  des  Distichons,  bei  welcher  der  parenthetische 
Zusatz  nur  Begründung  des  ersten  Gliedes  ist,  empfiehlt  sich 
auch  dadurch,  dass  logisch  berechtigt  nur  eine  Zweitheilung,  nicht 
eine  Dreitheilung  sein  kann:  der  Bart  wird  erstens  gewarnt, 
durch  die  vorzeitig  verschnittenen  Haare  getäuscht  vorzeitig 
zu  kommen,  und  zweitens  gebeten,  wegen  der  Pietät  des  Encolpus 
aussergewöhnlich  spät  zu  spriessen. 

V  58,  3:  Quam  lange  est  cras  istud?  ubi  est?  aut  unde 
petendum?   lange  est  schreiben  Scriverius  und  Schneidewin  nach 


620  Gilbert  Beiträge  zar  Textkritik  des  MarUal. 

P$  und  den  auch  der  Familie  Β  ang^hörigen  Exo.  Frie.  Da- 
gegen hat  longe  (ohne  est)  anseer  Fam.  C*  auch  Q•  Auch  er- 
scheint mir  die  einmalige  Wiederholung  von  ed  nicht  sehr  con- 
cinn.  Es  ist  also  wohl  zu  schreiben :  Quam  lange  cras  istuä,  tibi 
est?  anä  unde  petendum? 

y  64,  5:  tarn  (so  nach  der  Mehrzahl  der  Fam.  C^  Schnei- 
dewin)  ist  nnr  schwer  zn  erklären,  da  die  Yerbindnng  mit  vwert 
wegen  der  Stellung  nicht  leicht  ist.  Dagegen  ist  trefflich  iam 
(so  nach  6$P  Scriverias).  Zn  icm  vicina  vgl.  ΥΠ  15,  4  tau 
prope,  wo  die  gleiche  Variante  vorliegt,  nnd  YII  50,  6  icmi  vicim, 

Yl  27,  7.  8:  In  dem  Gedichte,  in  welchem  Martial  seinen 
Nachbar  Nepos  mahnt,  für  seine  (erst  kttnslich  geborene;  vgl.  v.8 
nunc  novo)  Tochter  zwar  Greld  zurückzulegen,  nicht  aber  auch  die 
alten  Weine  seines  Kellers,  schreibt  Schneidewin  in  der  zweiten 
Ausgabe  mit  Scriv.:  Sit  pia^  sü  locupies,  sed  potei  filia  musUm: 
Amphora  cum  domina  nunc  nova  fiat  anus  {opus  C*,  Sehn.  I). 
Aber  fiat  ist  weder  gut  bezeugt  (durch  B)  noch  sinngemäss.  £e 
ist  vielmehr  mit  PXACG-  fiei  zu  schreiben  (auch  Sehn.  I:  fid 
opus):  'Mag  die  treue  Tochter  (pia  ist  nämlich  nicht  mit  locupks 
coordinirtes  Prädikat,  sondern  Attribut),  mag  sie  reich  werden; 
aber  sie  mag  jungen  Wein  trinken;  übrigens  wird  ja  auch  ^e 
jetzt  junge  Amphora  mit  ihrer  Herrin  altem'. 

VI  35,  3:  Schon  Heinr.  Deiter  (in  den  Jahrbüchern  fnr 
class.  Philol.  Bd.  121,  1880)  hat  darauf  hingewiesen,  dass  Schnei- 
dewin in  der  zweiten  Ausgabe  das  nicht  nur  weniger  anspre- 
chende, sondern  auch  erheblich  schlechter  bezeugte  (durch  Τ 
gegen  R  und  gegen  die  Familien  Β  und  C*)  ducis  mit  Unrecht 
statt  dicis  aufgenommen  hat.  Ich  füge  bei,  dass  sich  der  gleiche 
Fehler  in  Τ  auch  sonst  findet,  z.  B.  λ^  44,  3.  X  25,  6  (dHcis 
und  ducere  statt  dicis  und  dicere), 

VI  82,  6 :  Aurefn  qui  modo  non  habet  Β  oe  ο  tarn.  So  Schnei- 
dewin in  der  zweiten  Ausgabe  nach  Kuhnken's  Conjectur  statt 
des  überlieferten  Batavam,  Aber  warum  sollte  Martial,  der 
doch  so  gern  das  seiner  Zeit  nahe  liegende  herausgreift,  hier 
nicht  zeitgemäss  umgestaltet  haben?  Für  ihn  war  die  Unem- 
pfönglichkeit  der  Böotier  gewiss  eine  aus  der  Mode  gekommene 
oder  wenigstens  nicht  im  Bewusstsein  des  römischen  Volkes  wur 
zelnde  Vorstellung.  Dagegen  die  Bataver  kannte  in  Rom  jedes 
Kind;  standen  doch  Bataver  als  Thonfignren  mit  rohen,  lächer- 
lich hässlichen,  die  Kinder  schreckenden  Zügen  in  Rom  zum  Ver 
kauf  aus  (vgl.  XIV  170).  Tiid  die  Messung  Boeofam  ist  doch 
zum  mindesten  höchst  bedenklich;  aus  diesem  Grunde  verwirft 
die  Conjectur  Ruhnken's  mit  Recht  Luc.  Müller  de  re  metrica 
p.  247.' 

Λ^Ι  92,  2 :  Caelatns  tibi  cum  sit,  AnniaiiCj  Serpens  in  ;ja- 
/errt,  3If/ronos  artes,  Vaficana  bibis:  bibis  venenum.  An  sirh  ist 
das  von  Schneidewin  aufgenommene  artef!!  sehr  wohl  möglicli 
(vgl.  IV  39,  2).  Doch  ebenso  gut  und  besser  bezeugt  (dnrch 
PCG)  ist  artCy  die  Lesart  des  Scriverius. 

Dresden.  W.  Gilbert. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  in  der  Vulgata  des 

Stobäischen    Florilegiom'. 

(Sch1u88.) 


Cap.  II  περί  κακίας. 

Μ  f.  Sir  ircpi  κακίας        Α  f.  8v  π€ρΙ  κακίας  Br  f.  20r  π€ρΙ  κακίας 

2. 1  f.  34r  2, 1  f.  8^  2,  1  nach  2, 27  f.  20' 

2. 2  2, 2  — 
2  3  2  3                 

2,  4  2!  4  2,  4  nach  2, 5  f.  20' 

2,  5  2,  δ  2,  5  Anfangsekl.  des 

Kap.  f.  20' 

2,  6  2, 6  2,6  nach  2, 4  f.  20' 

2. 9  2, 9  2, 9  nach  2, 1  f.  20' 

2. 10  2, 10  — 
2,  11  2,11  nach  2,  26  f.  8^  |    — 

f.  9' 

2, 12  2, 12  — 

2,  13  2, 13  — 

2,  14  2, 14  2, 14  nach  2, 6  f.  20' 

2, 15  2, 15  — 

2,  16  I  f.  34^  2, 16  - 

2,  17  2, 17  2,  17 

2, 18  2, 18  nach  2, 27  f.  9'    — 

2,  19  2, 19  — 

2. 20  2, 20  nach  2, 29  f.  9'  — 

2.21  2,21  - 

2,  22  2,  22  2, 22  nach  2, 9  f.  20' 

2. 23  2, 23  — 

2. 24  2, 24  — 

2,  25  2,  25  2,  25  |  f.  20^ 

2,  26  2, 26  nach  2, 10  f.  8v   2, 26  nach  2, 17  f.  20' 

2,  27  2,  27  nach  2, 17  f.  9'    2,  27 

2, 28  2, 28  nach  2, 19  f.  9'    — 

2  29  f.  35'  2  29  

2^  31  2!  31  nach  2,  25  f.  9'    2, 31  nach  2,  25  f.  20^ 

2. 32  2, 32  — 

2.33  2,33  2,33 
2,  34  2,  34  2, 34 

2. 35  2, 35  I  f.  9^  — 

2. 36  2, 36  — 


622  H6n86 

Μ  Α  Br 

2. 87  2, 87  - 

2. 88  2, 88  — 

2. 89  2, 39  2, 39 

2. 40  2, 40  2, 40 

2.41  Ι  f.86^         2,41  — 

2.42  2,42  2,42 
2, 48              2,  48  2, 48 

2. 44  2, 44  — 

2. 46  2, 46  — 

2. 47  2, 47  — 

2.45  Ι  f.86r         2,46  — 

2. 48  2, 48  ~ 

Ein  vergleicliender  Blick  auf  die  obige  Tabelle  lehrt«  dasB 
der  Bestand  des  zweiten  Kapitels  in   der  Vorlage  von  Br  un- 
gefähr der  nämliche  war  wie  der  in  MA,  wenigstens  findet  sich 
nnter   den   verhältnisemässig   zahlreichen    (18)  Excerpten   in  Br 
keine  Ekloge,    die  nicht  auch   in  MA  erhalten  wäre.     Dagegen 
stimmt  die  Reihenfolge  mit  der  von  Μ  oder  Α  erst  von  der  £!kL 
2y  31  an  genau  iiberein.     Fassen  wir  die  Gruppe  MA  näher  ins 
Auge,  so  deckt  sich  Α  mit  Μ  dem  Bestände  nach  durchaus,  zeigt 
aber  in  der  Reihenfolge  bei  vorwiegender  Uebereinstimmnng  Η 
gegenüber  einige  Abweichungen.     Zwar  bleibt  auch  bei  der  von 
Α  gebotenen  Ordnung  2,  17.   2,  27.  2,  18.  2,  19.  2,  28.  2,  29. 
2,  20    u.  8.  w.    der   Uebelstand    bestehen,    dass    die    poetischen 
Eklogen    einmal    durch    eine    prosaische   unterbrochen    werden, 
nämlich  durch  2,  19,  aber  in  Μ  schieben  sich  zwischen  die  poe- 
tischen Eklogen  2,  18  und  2,  26  nicht  weniger  als  sieben  pro- 
saische (2,  19 — 25)  ein,    eine  Reihenfolge;    die   schon  heute  als 
dem  Stobäus  fremd  bezeichnet  werden  darf:  vgl.  Stob.  flor.  eic. 
Br.  p.  27,    wo   über  Α  in   dieser  Hinsicht    etwas    zu    ungünstig 
geurtheilt  wurde.  —  Die  Vulgata  hielt  sich  in  diesem  Kapitel 
abgesehen  von  einigen  Interpolationen  am  Schlüsse  (Gesn.^  p.  33  ff.), 
die  schon  von  Gaisford  getilgt  sind,    ziemlich  genau  an  den  Be- 
stand und  die  Reihenfolge  ihrer  Quelle,  d.  h.  an  M.     Gegen  die 
Ueberlieferung  von  Μ  dagegen  bereichert   sie  dieses  Kap.  durch 
2,  7  und  8.     Τ  ρ.  19  iindeu  sich  nämlich  vierzehn  Eklogen,  von 
denen    die  Vulgata   die    meisten    im    fünften    Kapitel,    einige    im 
dritten,    die    beiden    genannten    im    zweiten,    eine  sogar  im  118. 
Kapitel  unterbrachte.     Sieht    man    näher   zu,    so  findet   man  die 
Eklogen  118,  9   +   3,  26.    5,  2.    5,  3.    δ,  4.    δ,  δ.    δ,  6.    δ,  7. 
δ,  8.   3,  3.    2,  7.   2,  8.   5,  17.  δ,  18  in  Τ  auf  beiden  Seiten  von 
einer   fortlaufenden    Hcv\\<i   \oiv  Eklogen    des    dritten   Kapitels 
umg-eben.     Um   zunaeh^l   e\\\  \3ΐτν\^τ^«λ%.^\Α^  ^^\  \<ίχ  \Ivsherliefe- 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stob&ischen  Fioriiegium.      523 

rung  zu  bieten,  mussten  daher  jene  Eklogen  vielmehr  im  dritten 
Kapitel  zwischen  3,  55  und  3,  49  gegeben  werden,  vgl.  die  Ta- 
belle und  Erörterung  des  dritten  Kapitels.  Die  nächste  Abwei- 
chung der  Vulgata  von  der  üeberlieferung  ist  die  Ekloge  2,  30 
Επικτήτου.  Αίσχρόν  τοις  τών  μελιττών  όωρήμασι  —  τή  κακίςι. 
Weder  Μ  noch  Α  noch  Br  haben  sie  im  zweiten  Kapitel,  alle 
diese  Handscliriften  aber,  und  dazu  noch  Τ  im  ersten  (5,  98). 
Lediglich  der  Urheber  der  Vulgata  setzte  sie  mit  Rücksicht  auf 
das  Stichwort  τή  κακία  in  das  zweite  Kapitel  πβρι  κακίας,  ohne 
sie  aber  in  der  grösseren  Gruppe  von  Epictetea,  die  er  wiederum 
ifegen  alle  handschriftliche  Üeberlieferung  in  das  fünfte  Kapitel 
gerückt  hatte,  zu  tilgen.  Die  Ekl.  war  demnach  2,  30  überhaupt 
auszumerzen,  aus  dem  fünften  aber,  wie  oben  geschehen,  in  das 
erste  zurückzuversetzen.  Der  willkürliche  Neuordner  der  Vulgata, 
nicht  Stobäus  hat  sich  die  in  den  Ausgaben  zu  Tage  tretende 
Wiederholung  zu  Schulden  kommen  lassen.  Willkürlich  ist  ferner 
die  Stellung  von  2,  45.  Die  Ekloge  2,  48  endlich  fehlt  bei  Gesn.« 
trotz  Μ  f.  36*^,  erst  Gaistord  fügte  sie  aus  Α  f.  9^  hinzu. 


Cap.  III  περί  φρονήσειυς. 


f.  36r  π€ρΙ 

φρο- 

Α  f. 

10p  π€ρΙ 

φρο- 

Τ 

Br  f.  22r  π€ρΙ  φρο 

ιήσεως 
11  f.  36r 

νήσ€ως 
3,11  f.  10«• 

8,11  nach  3, 10  ed. 

νήσ€ως 
3,  η  f.  22' 

12 

3,12 

princ.  p.  16 
3,12 

3, 12  η.  3,  23  f.  22 

• 

3,13 

■ 

~^ 

3,14 
3,15 

— 

3,5 

— 

3,6 

— 

3,7 

— 

3,8 

— 

— 

f.  36V 

3,9 

— 

3, 9  ohne  V.  1—2 
nach  3,11  f.  22r 

ohne  V.  1 

3, 1  ohne  V.  1 

3, 1  vollständ.  p.  16. 
vgl.  oben  p.  397 

— 

— 

5,11 

— 

i 

9,23 

9,23 

9,  23  n.  3,  12  f.  22 

0 

3,10 

8,10 

— 

6 

3,16 

3,  16  n.  3, 15  p.  16 

7  ohne  V.  1—2 

3,  17  ohne  V.  1-2 

3,  17  vollständig 

— 

8  lückcnliaft 

3, 18  lückenhaft 

3. 18  vollst,     p.  17 

— 

9 

3,19 

— 

— 

0 

3,20 

3,20 

— 

1 

3,21 

3,21 

— 

n 

3,22 

3,22 

3,22 

3 

3,23 

3,23 

3,  23  n.  8,  9  f.  22' 

Λ 

3,24 

3,24 

— 

4  1  f.  37' 

3,64 

3,54  p.  \Ö 

— 

Γ 

Η 

ηββ 

1 

♦■• 

ΙΗ 

Α 

Τ 

Br 

S,  &5 

f,  10' 

8,55 

3,  S6  nacli  3,  a 
f.  22t  1  f.  ^i 

IIB,  9 

ρ.  19 

Λ«ϊ 

8,26 

W 

Β.  2 

.SB 

— 

6,8 

■α  a 

_ 

5,4 

5,5 

S": 

5,6 

=^s• 

5,7 

SM 

5,8 

.2  = 

_ 

3,3 

■β    Η 

2.7 

«^ 

— 

2.8 

J3    9 

_ 

5,17 

5.  ΪΒ 

■^.ο 

^Mt 

3,19 

üük«Tlh«ft 

3  ;9 

ollst. 

ρ.  20 

3. 49  liiukcnb. 

haft 

3,50d.Schl.vünrai 

3.    Λ 

olUt. 

_ 

3,51 

3,  Ol 

3,« 

3,45 

3,45 

8.8β 

3,5β 

3,56  D.8,G1  m 

3.57 

3,58 

3.69 

3,59 

S,60 

3,60 

Sr 

3,61 

3,61 

η.  21 

3.  61  nach  3,  « 

f.  22'  (  f.  2P 

3.  R2 

8.68 

3,63 

3,63 

3,61 

3,64 

3.6*  D.  3,56  11 

3,(i5 

3,65 

=              -    d 

3.66 

3,66 

3, 87 

i;  iif 

3.67 

3,61 

f.  38•  8, 70  3^  70  I   p.  22 

-  3,71 

3,  72  3,  72 

8, 73  3,  78 

ir  d.  Lemma      3, 74  nur  d.  Lemma  3,  74 

inedeiiAnf.      3,  75  ohne  den  Anf.  3,75  vollst.  1 


3.76  I  f.  U' 


ί,7β 


Schon  bei  der  Bilanz  des  zweiten  Kapitels  hatten  wir  der 
Gruppe  Erwähnung  zu  thun,  die  sieh  in  Τ  ρ.  19  zwiechen  3,  55 
und  3,  49  innerhalb  des  dritten  Kapitels  findet,  in  der  Vulgftl» 
dagegen  abgesehen  von  3,  26  und  3,  3  nnter  andere  Kapitel  vei^ 
theilt  wird.  Um  zunächst  die  Ueherlieferung  klarznetellen,  wnrde 
sie  in  der  Tabelle  des  dritten  Kapitels  an  der  Stelle  wie  bei  Τ 
geboten.  Pass  die  Sache  mit  der  Einsehiebung  derselben  iwi- 
Bchen  3,  5.5  und  3,  49  nicht  abgethan  ist,  lehrt  freilich  ecbop 
der  Umstand,  dass  3,  55  nnd  3,  49  zwei  prosaische  Stticke  sind, 


Die  Heihenfolge  der  Eklogeti  im  Stobäischen  Florilegiam.      525 

die  in  Τ  dazwiBcheu  auftretenden  aber  poetische.  Und  auch  in 
der  Vorlage  von  Br  echlose  sich  3,  49  unmittelbar  an  3,  55  an. 
Weiterhin  ist  zu  bemerken,  da«»  sich  die  Vulgata  nur  hinsicht- 
lich 5,  3  +  4  (verbunden)  auf  eine  Stelle  des  Vossianus  berufen 
kann,  nämlich  f.  32',  wo  sich  diese  beiden  Eklogen  allerdings 
unter  dem  Titel  περί  (ΤωφροίΤύνης  finden,  während  sie  an  einer 
späteren  Stelle  derselben  Handschrift  f.  102'  unter  dem  jetzt 
ausgelassenen,  aber  sich  durch  die  Nachbarschaft  von  Excerpten 
περί  υγείας  und  περί  χρηστότητος  sicher  ergebenden  Titel  περί 
φρονήίΤεως  auftreten  gerade  wie  bei  Froh.  p.  239  f.,  und  zwar 
auch  in  der  nämlichen  Reihenfolge:  118,  9.  3,  26.  5,  3.  5,  4. 
5,  5.  5,  6.  5,  7.  Γι,  8  (5,  17  fehlt  bei  Froh.),  d.  h.  wie  bei  T. 
Von  dieser  Uebereinstimmung  zwischen  Voss.  Froh,  und  Τ  sei 
vorläufig  Act  genommen,  ohne  dass  hier  Baum  wäre  in  eine 
nähere  Untersuchung  des  gegenseitigen  Verhältnisses  dieser  Quellen 
einzutreten.  Wichtiger  ist,  dass  von  den  neun  in  der  Vulgata 
dem  fünften  Kapitel  zugewiesenen  Eklogen  der  in  Rede  stehen- 
den Gruppe  (5,  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  17.  18)  wiederum  keine  ein- 
zige in  L  gelesen  wird.  Eine  auf  die  Emirung  der  ursprünglich 
Stobäischen  Eklogenfolge  gerichtete  Untersuchung  wird  immerhin 
die  Frage  zu  erwägen  haben,  ob  nicht  diese  Gruppe  in  Τ  ans 
versprengten  Eklogen  verschiedener  Kapitel  zusammengeschoben 
ist,  eine  Möglichkeit,  die  angesichts  der  früher  vor  Augen  ge- 
führten Schicksale  von  Τ  nicht  gerade  fem  läge.  Nur  mit  sol- 
chem Vorbehalt  wurde  die  Gruppe  zunächst  im  dritten  Kapitel 
an  der  Stelle  wie  in  der  ed.  princ.  mitgetheilt.  Selbstverständ- 
lich ist  Ekl.  118,  9,  die  nur  aus  Τ  a.a.O.  bekannt  ist,  auch  in 
Α  ST  (M  bleibt  hier  als  lückenhaft  ausser  Betracht)  im  118.  Ka- 
pitel nicht  zu  finden.  Das  principlose  Schwanken  der  Heraus- 
geber tritt  auch  hier  wieder  zu  Tage.  Gaisford  gibt  die  Ekloge 
im  118.  Kapitel,  aber  mit  dem  Zeichen  der  Athetese.  Meineke 
tilgte  die  Klammern  wieder,  ohne  die  Sachlage  zu  durchschauen. 
Soll  sich  das  kritische  Zeichen  bei  Gaisford  auf  die  Stellung  der 
Ekloge  im  118.  Kapitel  beziehen,  so  ist  es  berechtigt;  Gaisford 
versäumt-e  aber  dann  die  Ekloge  gemäss  Τ  p.  19  im  dritten  Ka- 
pitel zu  geben.  Soll  sich  das  Zeichen  der  Athetese  dagegen  auf 
das  Pseudo-Phocylideum  als  solches  beziehen,  so  vergase  Gais- 
ford, dass  er  bereits  3,  26  ein  solches  aus  derselben  Stelle  bei 
Τ  ohne  jede  Beanstandung  gegeben  hatte.  Irre  geführt  wurde 
hierdurch  Bergk  Γ.  L.**  II  p.  96.  Nach  der  Bemerkung,  dass 
eine  erhebliche  Anzahl  Handschriften  des  Pseudo-Phocylid eischen 


61te  Bense 

eediohtea  die  Verse  111  und   112    in   umgekehrter  fieihenfolge 
überliefern,  fährt  Bergk  fort:  quibuscum  conspirat  Hiam  Stob.  fior. 
118,  9  ubi  v,  111  et  113  leguniurj  quamqmm  Jmie  tesimoniowm 
muiium   iribuendumy    ecloga   haecj    quam   Stobaei   Ubri   ignorwU 
postea  insertOj  während  er  gleich  darauf  a.  a.  0.  p.  98  die  Ekloge 
3,  26  ohne  Weiteres  als  Stobäisoh  passiren  läset.     Es  ist  selbst- 
verständlich:   die  an  sich  richtige,  schon  voii  Tyrwhitt  gemachte 
Wahrnehmung,  dass  Gesner  seine  zweite  Ausgabe  auch  gelegent- 
lich aus  Pseudo-Phocylides  interpolirte  (vgl.  Gaisf.  Note  zu  5, 22), 
kann  nicht  gegen  die  handschriftliche  Ueberlieferung  ins  Feld  ge- 
führt werden.  —  Das  Motiv  für  die  Neuordnung  in  der  Vulgata 
ist  bei  118,  9  übrigens  einleuchtend.     Die  fikloge  wurde  in  du 
118.  Kapitel  gestellt  περί  θανάτου  κτέ.  mit  Betonung  des  Stich- 
worts πάντες   ICFov  νέκυες.    Man   übersah,    dass  eine  Senteni 
wie  Pseudo-Phoc.  111.  113  πάντες  Ισον  νέκυες,  ψυχών  b^  θεός 
βασιλεύει.  Κοινός  χωράς  &πασι,  πένησ(  τε  κα\  βασιλεΟσιν,  μαΐ- 
lida  Mars   aequo  pulsat  pede  pauperum   iäbemas    regumque 
iurrea  vor  vielen  geeignet  ist  zur  φρόνησις  (Kap.  3)  zu  mahneo. 
Zur  Bestätigung  dient  der  Zusammenhang  bei  Pseudo-Phocylides.  — 
Sonst  werden  noch  5,  11  und  9,  23  durch  die  Ueberlieferung  in 
das  dritte  Kapitel  gewiesen :  eretere  findet  sich  auch  Frob.  p.  288 
gerade  wie  Voes.  f.  102"^  nach  3,  1  unter  dem  Titel   περί  φρο- 
νήσεως,    und  fehlt  im    fünften  Kapital  von  L;    9,  23   aber  ver 
leugnen  nicht  nur  Μ  Α  Br  Τ,  flondern  auch  S  im  nennten  Kapitd. 
Daher  die  verkehrte  Athetese  bei  Gaisf.  v.  I  p.  236,  der  die  Ekloge 
an  richtiger  Stelle  zu  veröffentlichen  versäumte,    obwohl   er  ans 
Α  f.  10'  die  Reihenfolge  3,  1.  9,  23.  3,  10  angibt  v.  IV  p.  382, 
wenn    auch    mit    dem   Druckfehler  9,  1    statt  3,  1.     Das  Motiv, 
welches  den  Urheber  der  Vulgata  leitete,  die  Ekl.  9,  23  'Απάτης 
δικαίας  ουκ  αποστατεί  θ€Ος  in  das  Kapitel  περί  δικαιοσύνης 
zu  versetzen,    springt  in  die  Augen.  —  Umgekehrt  werden  von 
der  Ueberlieferung  nicht  wenige  Eklogen  aus  dem  dritten  Kapitel 
verwiesen,  andere  aus  Stobäus  überhaupt,     λ'οη  den  34  aus  dem 
ersten  Kapitel  eingeschmuggelten  Eklogen  ist  schon  oben  (p.  4(>5) 
gesprochen  worden.  —  Die  Ekloge  3,  34  Δημοκρίτου.  Σοφίη  αθαμ- 
βος  άΕίη   πάντιυν  τιμιωτάτη  ούσα   bieten  ΜΑ  vielmehr  im  sie- 
l)entcn  Kapitel  zwischen  7,   79  und  7,  74,    ebenso  Τ  in  der  ans 
dem  siebenten  Kapitel  versebhigenen   Partie  p.  3,  und  zwar  zwi- 
schen 7,  69.  70  und  7,  74.     Gaisf ord  und  Meineke  wiederholten 
daher  die   Ekloge  Jiuch  im  siebenten  Kapitel  als  n.  7,   80.    Vor- 
sichtiger wäre  es  gewesen,  sie  vor  7,  74  zu  stellen,  worin  ΜΛ  Τ 


\ 


t)ie  Heihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      627 

übereinfttimmen,  während  sie  sich  an  7,  79  nur  in  MA  anschlieset; 
zweitens  aber  war  3,  34  als  nur  auf  Gesn.^  beruhend  zu  tilgen: 
der  Urheber  der  Vulgata  Hess  »ich  durch  die  versprengte  Partie 
bei  Τ  (unter  dem  Titel  π€ρι  φρονήσ€ΐυς)  täuschen.  Die  Ueber- 
lieferung  gibt  sie  lediglich  im  siebenten  Kapitel  π€ρι  ανδρείας 
mit  Betonung  von  σοφίη  δθαμβος  κτέ.  Vgl.  7,  32  Δημοκρί- 
του. Δίκης  κυοος  γνώμης  θάρσος  και  άθαμβίη  κτέ.  — Als 
Gesner'sche  Interpolationen  waren  auszuscheiden:  3,  2.  [25.]  29. 
33.  [36.  37.  38.]  46.  [47.  48.]  96.  97.  Die  eingeklammerten 
Stellen  sind  schon  von  Gaisford,  zum  Theil  von  Meineke  athetirt. 
3,  2  entnahm  Gesner  aus  Sophokles  Elektra;  25  aus  Gnom.  Bas. 
p.  342;  29  und  33  aus  einer  Sammlung  der  Sprüche  der  Sieben, 
welche  der  der  Aldina,  in  Orelli's  Opusc.  sent.  et  mor.  p.  I  p.  146 
wiederabgedruckten  ganz  ähnlich  oder  mit  ihr  identisch  war;  36. 
37.  38  aus  Pseudo-Tsokrates  ad  Demonic.;  46  aus  Gnom.  Bas. 
p.  148;  47.  48  aus  Plutarch;  96  aus  den  Pseudo-Plalonischen 
definitiones;  97  aus  Dio  Chrysostomus.  Für  die  Stelle  des  Dio 
π€ρι  απιστίας  wurde  die  Bibl.  ün.  f.  375'  erwähnte  Ausgabe 
des  Camerarius  benutzt,  Nürnberg  1531,  aus  der  auch  die  Ueber- 
setzung  wörtlich  entlehnt  wurde.  Dass  Gesner  im  Texte  einmal 
ein  bk  ausläset  (in  den  Worten  έ νιους  bi  και  υπό  τών  ίγγιστα 
αδελφών  κτέ.),  in  zwei  Accenten  die  Enklisis  berücksichtigt, 
auch  eine  Vermuthnng  an  den  Rand  schreibt,  endlich  in  den 
ersten  Worten  der  Uebersetzung  ein  aliqutbus  setzt  statt  des 
nlieui  bei  Cam.,  dergleichen  winzige  Abweichungen  sind  ohne 
Belang  gegenüber  der  sonst  wörtlichen  Uebereinstimmung. 

Cap.  IV  περί  αφροσύνης. 


f.  39«•  περί  αφρο- 

Α f.  11^  περί  αφρο- 

Τ ρ.  24  π( 

:ρΙ  άφρο-  - 

ΒΓΓ.23Γπ€ρΙάφρο 

σύνης 

σύνης 

σύνης 

σύνης 

1  f.  39r 

4.  ι  f.  Uv 

4,  ι  ρ.  24 

— 

3 

4,2 

4,2 

— 

S 

4,3 

4.3 

4, 8  η.  4,  8  f.  23if 

i 

4,4 

4,4 

4, 4  Anfangseklog« 
des  Kap.  f.  23' 

5 

4,5 

4,5 

— 

> 

4.6 

4,6 

^      f.  39V 

4,7 

4,7 

4,7 

1 

4,8 

4.8 

4,8 

) 

4,9 

4,9 

0 

4,10 

4,10 

— — 

1 

4,11 

4,11 

— 

4,12 

4,12 



3 

4,13 

4,13 



4 

4,14 

4,14 

4,14n.4,16G.f.23 

4.  15  (i.  üliii«  V.  2      4,  Ifiii.  ν.ι11«1.μ.2 


4.39 

,39 

_ 

4,40 

<,40 

4,41 

— 

— 

i.42 

_ 

4,43 

4. 44  f.  iOi 

4,44 

4,44 

4,4B 

4,46 

4,45 

4,46 

4,4G 

4,16 

4,46 

4,47 

4,47 

4,  Λ1   1  p.  27 

4^48 

4, 4R  1  f.  12' 

4;  48 

4.  4β 

?« 

4,49 

4,49 

4, 60  1  f.  40» 

4,50 

4,60 

4.60 

4,61 

4,61 

4,51 

4,41 

4.52 

4,62 

4,52 

4,63 

4,  5S 

4,63 

4,53 

4,  Μ 

4.54 

4,54 

4,66 

4,55 

4,  56  p.  28 

4^66 

4,56 

4,66'^ 

4.67 

4,57 

4,67 

4,67 

4,68 

4,68 

4,68 

4,69 

4,69 

4,59 

4,60 

4,60 

4.60 

Vei 

4,61 

4,61 

4,62 

4,62 

4,62 

4,02 

4,63 

4,63 

4.63 

4,04 

4,64 

4,64 

4,64 

4,65 

4,65 

4,65 

4. 66  r,  41'• 

4,66 

4,66 

4,  er 

4,67 

4,67 

4.68 

~ 

Die  ReiheDfolge  der  Eklogen  im  Stobäiscben  Florilcgium.      629 


Br 


4,71 
4.72 

4,74 
4,75 
4,76 
4.77 
4,78 

4. 79  nach  4, 80  f.  12^ 

4.80  nach  4,78  f.  12^ 

ις   ίιυής   όρ^-      lwΫ^6pέχoyτa\ 

,   τήροος  θά-  τήραος  θάνατον  δ€- 

δεδοικότες  δοικότ€ς  nach  4,  79 

f.  12^ 
4,81 
4,83 
4,82 
4,84 
4,85 
4,8ϋ 
•  4,87 
4,88 
4,89 
4,90 
H^  4,91 

4,92 
4,93 
4,94 
4,95 


4,98 
.  42'  4, 99 

4,101 
4,102 
4,103 

4, 105  f.  13' 
4,106 
4,107 
4,108 
4,109 
42^  4,110 

4,111 
4,112 

4,114 
4,115 

4.116 
ί.43Γ  4,117 

4,118 

4, 119 1  f.  13^ 

4,120 

Bbeia.  Mtu.  f.  Philol.  N.  F.  XXXIX. 


4,71 

4,72 

4, 73  p.  29 

4,74 

4.75 

4,76 

4,78 
4,79 


30 


4,81 

4,82 

4,84 

4,85 

4,86 

4,87 

4,88 

4,89 

4,90 

4,91 

4,92 

4,93  I 

4,94 

4,95 

4,96 

4,97 

4,98 

4,99 

4,100 

4,101 

4,102 

4,103 

4,104 

4,105 

4,106 

4,107 

4,108 

4,109 

4,110 

4,111 

4,112 

4,118|.p.82 

4,114 

4,115 

4,116 

4, 117|  p.33 

4,118 
4,119 
4,\^0 


4, 79  n.  4, 53  f.  24r 


4. 84  n.  4, 69  f.  24r 

4.85  n.  4, 64  f.  28t 

4. 86  n.  4, 84  f.  24' 


4,93 
4,95 


4,102 


p.  31  — 


4,105 


4,110 


4, 115  nach  4,  85 
f.  23^  I  f.  24' 

4,  117    unvollst.  n. 
4,110f.24v|f.26' 


^i^ 


4,121 

4,  121  η.   4,115 

f.  24Γ 

10,78 

e.  22      vollst. 

8,22    nnvoUit. 

ρ.  34 

n.  *,  50  f.  23' 

Im  vierten  Kapitel  stimmt  die  in  dieser  got  erhaltenen 
Partie  reiolier  auegeetattete  T-Klaeee  mit  MÄ  durchgängig  über- 
ein,  die  Br-Eiccrpte  nur  gmppenweine.  Gegenüber  der  von  ihm 
bemerkten  Uebereinetimmung  von  Μ  Τ  wagte  anch  der  Begrün- 
der der  Vulgata  keine  erheblichen  Neuemagen.  Die  Schlasn- 
cklogen  10,  78  und  8,  22  entzog  er  dem  Kapitel  περί  αφροσύνης. 
offenbar  weil  sie  ihm  ihrem  Inhalte  nach  besser  in  die  betreft'en- 
den  Kapitel  10  und  8  zu  passen  schienen.  Wer  sie  genauer  liest, 
erkennt  leicht  die  Grundlosigkeit  dieses  Verfahrene.  In  MA  ST 
Br  sucht  mau  die  beiden  Eklogen  im  10.  und  Θ.  Kapitel  natör 
lieh  umeonet.  In  beiden  Fallen  verführte  im  Specielleu  die  Vul- 
gata  das  Motiv,  je  zwei  Stellen  desselben  Autors  und  der  näm- 
lichen Schrift  zn  Rammen  zu  rücken.  I>iee  um  so  hinfälliger,  aln 
auch  8,  21  nur  auf  Gesn.^  beruht,  es  ist  eine  Wiederholung  von 
1,  89:  in  allen  uns  bekannten  Handschriften  macht  8,  20  den 
BeachluBs  des  achten  Kapitels.  —  Geaner'aehe  Interpolationen 
Bind  in  den  heutigen  Texten  noch  stehen  geblieben  4,  23— 2<t, 
obwohl  sie  schon  Gaieford's  Note  wenigsteuH  als  verdächtig  be- 
zeichnete. Es  sind  vier  Stellen  aus  erhaltenen  Dramen  des  So- 
phokles und  Euripidee.  —  Leicht  zu  erkennen  ist  der  Grund  der 
Abweichung  der  Vulgata  in  der  Stellung  von  4,83:  Gesn.•  p.  36 
konnte  ans  Τ  nur  4,  81  und  82  verüffentlichen,  Gesn.*  p.  56  trag 
4,  83  aus  Μ  nach,  aber  an  falscher  Stelle. 

Cap.  V  περί  σωφροσύνης. 


Μ  f.  43>   Tiepl 

Α  f.  13'πίρΙ 

Τ  ρ.  35  uepi 

L  vgl.    Stob,  fl    eit 

σαιφροούνης 

σωφροσύνης 

Br.  p,   15  f. 

ö,9  f.  48- 

5,9  f.  13• 

6, !)  Tl.  35 

5,9  nach  6,13 

5,13 

6,13 

6,13 

5,13  nach  5,  U 

6,14 

G,U 

5,14 

5, 14  nach  5,  16 

fi,  IS 

6,  IG 

B,  16 

5,15    AnfangieklogT 

des  Kap. 
B,16 

6, 16  1  f.  ii' 

6,  IG 

Γ),  16 

6,119 

&,  119 

0,119 

B,  119  nach  5,0 

B,  120 

5,120 

5,120 

5,120 

5,131 

5,131  nach  5,52 

_ 

^ 

Exe.  auB  Plat.  Pbileb 

B,läll 

&,\36 

i>,\^&  ^.  3G 

5,136  nach  5,120 

Β,ΙΙβ 

&,U8 

i,,U* 

ΐ.Λ"Α 

Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stohäischen  Florilegiam.      681 


Μ 


6,128 

6, 128     f.  14' 

6,128 

6,130 

6,130 

6,130 

δ,  121      f.  44^ 

5,121 

6,121 

6,122 

5,122 

6,122 

6,123 

6,123 

6,123 

6.74 

6,74 

6,74 

6,75  nnvollst. 

6,75  nnvollst. 

6,75 

6,76 

6,76 

5,76 

6,77 

5,77 

6,77 

6,78 

5.78 

5,78 

6,79 

6,79 

6,79  ] 

6,80 

6,80 

6,80 

5, 81  1  f.  45' 

5,81 

6,81 

6,82 

5.82 

5,82 

6,41 

5,41 

6,42 

5.42 

— 

6,43 

5,43 

— 

6,44 

5,44 

5,182 

6,132 

— 

6,35 

6,35 

— 

5,36 

5,36 

'— 

6,34 

6,34 

— 

δημοκρίτου :  Αύ- 

δημοκρίτου*  αυ- 

— 

τάρκ€ΐ  κτέ. 

τάρκη  κτέ. 

6,47 

6,47 

— 

6,87 

6, 37  f.  14^ 

— 

6,38 

6,38 

— 

6, 89  Ι  f.  46^ 

6,89 

«^ 

6.40 

5,40 

— 

6,83 

5,83 

— 

6,59 

5,69 

— 

6,60 

6,60 

•— 

6,61 

6,61 

— 

5, 62  f.  46r 

6,62 

— 

6,63 

5,68 

'— 

6,64 

.5,64 

— 

6,66 

6,66 

— 

6,66 

5,66 

— 

— 

— 

6,21  ] 

6, 48     f.  46^ 

6, 48  Ι  f.  15' 

6,48 

5,46 

6,46 

— 

5,49 

6,49 

5,49 

5,60 

6,50 

6,50 

5,61 

6,51 

6,61 

5,62 

6,62 

6,62 

5,33 

6,33 

6,33 

ρ.  87 


ρ.  1 


5,  58  6, 63 

5, 135  Ι   f.  47r         6, 135 


5,  133  Ι  ρ.  2 


6,134 

6,63 

6, 136  unvst. 


6,128 
6,180 

6. 121  nach  6, 136 

5. 122  nach  6, 51 
6,123 

5,74 

6,75 

5,76 

6,77 

6,78 

6, 79  nach  5, 49 

5,80 

5,81 

6,82  nach  5,33 

6,41  nach  6,46 

5,42 

6,48  nach  5,81 

5,44  nach  6,78 

5.35  nach  5,43 

5.36  nach  5,42 
5, 34  nach  6, 35 
(Αύ)τάρκ€ΐ  κτέ.  η. 

5,  44 
5,47  nach  5.82 

5. 37  nach  6, 84 

6.38  η.  {Αο)τάρκ€ΐ 
κτέ. 


5, 83  nach  6,  36 

6,59 

6,60 

6,61 

6,62 

6,63 

6,64 

5,65 

6,66 

6,48 

5, 46  nach  δ,  47 

5.49  nach  5,88 

6. 50  nach  6, 121 
6,61 

5,52  nach  5,48 
6,83  nach  5,37 
5, 133   im   Anfang 

▼ollst&ndiger;  n. 

£xo.    aus    Plat. 

Phileb. 
6,184 
5,53 
6, 186  nach  5, 130 


Nach  Abzng  der  63  von  der  Ueherliefernng  (abgceehen  von 
dem  aus  Br  edirten  lamblioliiiefrHgnient)  dem  ernten  Rapiiel,  so- 
wie der  10  dem  dritten  Kapitel  zagewiesenen  Eklogen  bleiben 
von  den  136  Eklogen  den  fünften  Kapitels  63  übrig.  Ans 
dieser  Zahl  sind  aber  noch  fünf  Geeiter'sche  Interpolationen  aae- 
znficheiden,  und  zwar  entnahm  er  [5,  10]  aus  Gnom.  Bas.  p.  32.1, 
Ekl.  5,  19  auH  Euripidee  Medea,  5,  20  aus  Enripidee  Hippolytus, 
[5,  57  und  58J  aus  Agapetae.  Einen  Zuwachs  erhält  dagegen 
das  Kapitel  durch  die  Ekloge  Δημοκρίτου.  ΑύτάρκΕΐ  κτέ-,  ferner 
BUB  L  durch  dae  Exeerpt  ans  Plato'e  Phileboe  nach  5,  131,  wäh- 
rend sich  das  Stob.  tlor.  exe.  Br.  p.  16  noch  als  selbständige 
Ekloge  aufgeführte  Excerpt  ans  Plato'e  Charmidee  nnr  ale  Ver- 
vollständigung der  Ekl.  5,  133  erweist.  Ee  bleibt  somit  nach 
der  Ueborlieferung  dem  fünften  Kapitel  die  in  obiger  Tabelle  vor 
geführte  Humnie  von  nur  60  Eklogen.  Dass  aus  der  unter  dem 
dritten  Kapitel  beeprochenen  noch  prob  lern  ati  sehe  η  Partie  bei  Τ 
(ed.  priuc.  p.  19)  einige  Eklogen  nacb  dem  Vorgange  der  Vul- 
gata  dem  fünften  Kapitel  KUzuweisen  eeieti,  lilest  eich  haodaclirifl- 
liüli  bisher  nicht  hinreichend  erhärten  (s.  oben  p.  525).  Beach- 
tenewerlh  ist,  dass  gegenüber  den  59  Eklogen  von  MA  Τ  nni 
vier  Nummern  in  L  fehlen,  eine  dagegen  hier  mehr  geboten  wird. 
Es  erhellt  auch  ans  diesem  Verhältnis»!  die  Berechtigung  der  oben 
p,  404  f.  auf  L  baeirten  Sehltiesfolgerungen. 


Η  f.  47'  uepl  ακολα- 
σίας 
β,  18  f.  47f 
6,19 
6,20 
6,21 
B,  22  I  l.  47V 


Gap.  VI  πϊρΐ  ακολασίας. 

Λ  f.  Ι  Β''  ηερί  άκολα- 

α(ας 
6, 18  f.  Ib'- 


L  vgl.  Stob.   β.  ezb 

Br.  p.  le  ff. 
6,  IB  nach  6, 22 
6,19 
6,20 
6,21 

6.22  Anfangsekloge 

6.23  nach  6,21 
6,24 

6,25 
β,  26 
6,27 
6,28 


6,31 

6,82 

6,  33  nach  6, 9 

6, 34  nach  6,  49 

6,35 

6. 36  nach  6,  33 

6. 37  nach  18, 86 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Siobaisohen  Floriloginm.       588 


Μ 


6,1 

6,1 

6,2 

6.2 

6,3 

6,3 

6,4 

6.4 

6,6  1 

f.  48^ 

6,5 

6,6 

6,6 

6,7 

6,7 

6,8 

6, 8  1  f.  251 

6,9 

6,9 

6,10 

6,10 

6,11 

6,11 

6,12 

6,12 

6,13 

6,13 

6,14 

6,14 

6.16 

6,15 

6,16 

6,16 

6,17 

6,  17 

6,38 

f.  49» 

6,38 

6,39 

6,39 

6,40 

6,40 

6,41 

6,41 

6,42 

6,42 

6,43 

6,43 

6^44 

6,44 

6,45 

6.45 

6,46  1 

f.  49^ 

6,46 

6,47 

6,47 

6.48 

6, 48  f.  25^ 

6,49 

6,49 

6,50 

6,50 

6,61 

6,51 

6,52 

6,52 

6,53 

6,53 

6,54 

6,54 

6,66 

6,55 

6,56 

6,66 

6,57 

6,57 

6,58  f 

.  50^ 

6,58 

6,59 

6.59 

6,60 

6,60 

6,61 

f.  50^  5U 

6,61      f.  3i 

6,62| 

f.  51v 

6,62 

6,63 

6,63      f.  3! 

6,64| 

f.  52»  52^ 

6,64 

6,65 

6,66 

6, 1  nach  Τους  μέν  άλλους  κτέ. 

6,2 

β,  8  nach  6,  38 

6,4 

6,6 

6,  6  nach  6,  2 

6,7 

6. 8  nach  6,  85 

6. 9  nach  6,  32 

6. 10  nach  6,  62 
6,11 

6, 12  nach  6,  57 

6,13 

6,14 

6.15 

6,16 

6,17 

6,38 

6, 39  nach  6,  7 

6,40 

6,41 

6,42 

6,43 

6,44 

6,46 

6,46 

6,  47  vgl.  Maxim,  p.  185  Rib. 

6,48 

6.  49  nach  6.  36 

6. 50  nach  6,  51 

6. 51  nach  6,  48.  Vgl.  St.  fl.  exe. 
Br.  p.  17.  24 

6,  52  nach  6,  5 

6.68 

Τους  μέν  άλλους  κτέ. 

6, 54  nach  6, 60 

6.  55  nach  6.  11 

6.  56  nach  6,  54 

6. 57  nach  6.  55 

6. 58  nach  6,  50 
6,59 

6,60 

6, 61  nach  6.  8 

6,62 

6, 63  nach  6,  37 

6  64 

6,'  65  nach  6,  56 

Εύσ€βίου.  Σιυφροσύνην,  τό  π€ρ  κτέ. 

18,36 


Der  Bestand  des  sechsten  Kapitels,  wie  ihn  Μ  Α  bietet 
(65  Eklogen),  wird  um  drei  Eklogen  vermehrt  in  L:  durch  die 
Ekl.  (οιογένης  Br)  τους  μέν  αλλους  κτέ.,  der  zwei  andere  Sätze 
des  Diogenes    vorausgehen;    durch   die  Ekl.   EucTeßiou.    Σακρρο- 


684  Henee 

σύνην,  τό  περ  -—  πλημμελέοντες  und  dnrclL  18,  36  Έιηκτήτου 
απομνημονευμάτων.  Όσοι  άπό  γαστρός  kxL  Die  letsten  geben 
ST  im  aohtzehnten  Kapitel  und  zwar  mit  dem  Lemma  Δημοκρί- 
του, HA  weder  im  seobsten  noeh  im  aehtsehnteiL  L  liest  in• 
fttr  das  aohtielmte  Kapitel  bekanntlicli  im  StioL  Die  Ynlgata 
hielt  sieh  an  die  Vorlage  von  H,  aber  mit  grober  Yerletnmg 
der  Beihenfolge:  vgl.  Stob.  flor.  exe.  Br.  p.  27. 


Die  Gonfirontimng  der  Ynlgata  mit  der  üeberliefemng  in 
dem  hente  beabeiohtigten  Umfange  ist  hiermit  beendigt.  Der 
Bestand  der  ersten  seohs  Kapitel  —  so  ergab  sieh  —  ist  ram 
dem  Begründer  der  Ynlgata  gegenüber  der  Üeberliefemng  aif 
das  empfindlichste  alterirt  nnd  verschoben  worden;  insonderheit 
die  Reihenfolge  derEklogen  erweist  sich  in  allen  diesen  Kapiteln 
als  eine  willkfirliohe  Neuordnung,  wenn  aneh  nicht  für  alle  In 
gleich   starkem  Grade.    Und    zwar  haben  weniger  gelitten  dM 

«  zweite,  vierte  nnd  sechste  Kapitd,  d.  h.  diejenigen  Abeohnitte, 
in  welchen  entweder  wie  im  zweiten  nnd  sechsten  lediglich  Μ 
der  Ynlgata  zur  Ansbente  dienen  konnte,  oder  wo  wie  im  vierten 
Kapitel  sich  ans  der  Yergleiohnng  von  Η  nnd  der  ed.  princ.  kein 
Widerspruch  ergab.  Ganz  und  gar  aus  den  Fugen  geriethen 
dagegen  das  erste,  dritte  und  fünfte  Kapitel,  d.  h.  diejenigen, 
welche  die  ed.  princ.  in  einem  für  den  Begründer  der  Ynlgata 
unlösbaren  Widerspruche  mit  Μ  darbot.  Die  letztere  Beobach- 
tung wird  sich  als  wesentlich  herausstellen  für  die  Beantwortung 
der  Frage,  auf  wen  im  letzten  Ende  die  Neuordnung  der  Ynlgata 
zurückzuführen  ist,  eine  Frage,  die  freilich  für  den  aufmerksameren 
Leser  bereits  durch  die  im  Eingänge  dieser  Abhandlung  über  die 
Entstehung  der  Ynlgata  gegebenen  Nachweise  gelöst  ist.  Ehe 
wir  indess  auf  diese  Frage  direkter  eintreten,  dürfte  es  sich  nach 
der  erschöpfenden  Yorlegung  der  handschriftlichen  Thatsachen 
empfehlen,  nun  auch  den  Massstab  einiger  mehr  innerer  Kriterien 
anzulegen  und  damit  die  schon  im  Obigen  (p.  407)  gegebene  Bemer- 
kung zu  rechtfertigen,  dass  die  handschriftliche  Reihenfolge  der  der 
Yulgata  auch  aus  inneren  Gründen  bei  weitem  den  Rang  ablaufe. 
Wenn  hierbei  die  Frage  nach  der  ursprünglich  Stobäisohen  Rei- 
henfolge wenigstens  gestreift  werden  muns,  so  geschieht  dies  auch 
hier  nur  unter  dem  Vorbehalt  einer  späteren  Wiederaufnahme  der 
Frage    und    zwar    unter    veränderten    und    erweiterten    Gesichts- 

ponkten. 


Die  ReiheDfoIge  der  £klogeu  im  Stobäiechen  Florilegium.      586 

Von  den  zwei  wicbtigeten  Beobachtangen,  die  hier  duroli 
eine  Reibe  von  Beispielen  beleucbtet  werden  mögen,  konnte  na- 
mentlicli  die  eine  ecbon  bei  der  Einzelprüfung  der  vorgeführten 
Kapitel  nicht  unberührt  bleiben:  die  Vulgata  läest  sich  Wieder- 
holungen zu  Schulden  kommen,  welche  die  handecbriftliche 
Ueberlieferung  vermeidet  \  Man  erinnere  sich  unserer  Nachweise 
zum  ersten  Kapitel  über  die  Ekl.  1, 17  und  1, 101,  zum  zweiten 
Kapitel  über  die  £kl.  2,  30  und  5,  98,  zum  dritten  Kapitel  über 
die  £kl.  3,  34  und  7,  80.  Ein  anderes  Beispiel:  die  £kloge  o\ 
ορθώς  φιλοσοςρουντες  setzte  der  Begründer  der  Vulgata  gegen 
die  Ueberlieferung  in  das  achte  Kapitel  als  £kl.  8,  21,  aber  ohne 
sie  im  ersten  Kapitel,  wo  er  sie  Trine,  p.  11  und  Μ  f.  3^  ge- 
funden hatte,  zu  tilgen  (Gesn.^  p.  24).  Demnach  gaben  sie  auch 
Gaisford  und  Meineke  an  beiden  Stellen,  nämlich  1,  89  und 
8,  21,  an  ersterer  Stelle  in  der  etwas  vollständigeren  Form  wie 
sie  in  der  ed.  princ.  gelesen  wird  Τψ  δντι  δρα,  ίφη,  ώ  Σιμμία, 
οΐ  ορθώς  κτέ.  Die  Wiederholung  8,  21  kommt  lediglich  auf 
Kechnung  der  Vulgata.  —  Die  Ekloge  ΤΤιττακός  ίφη  9, 34  würde, 
wenn  Gesner's  Anordnung  zu  Recht  bestände,  an  nicht  weniger 
als  drei  Stellen  gelesen  werden,  wobei  die  etwas  gekürzte  Fas- 
sung aus  anderer  Quelle  in  Ekl.  3,  79  (v.  I  p.  88,  29  Mein.) 
nicht  mitgezählt  wird.  Einmal  setzte  er  sie  p.  39  im  dritten 
Kapitel  an  derselben  Stelle,  an  der  er  sie  schon  in  der  ersten 
Ausgabe  p.  12  im  Anschluss  an  ed.  princ.  p.  11  gegeben  hatte, 
nämlich  nach  3,  39,  und  zwar  mit  Trine,  in  der  unvollständigen 
Form  ΤΤαρακαταθήκην  λαβών  οικαίως  άπόοος.  (In  der  zweiten 
Ausgabe  ist  an  dieser  Stelle  der  griechische  Text  durch  ein 
Versehen  ausgefallen,  wie  Gesn.^  selbst  in  den  Nachträgen  hinter 
der  praef.  bemerkt.  In  der  dritten  ist  er  demgemäss  nachgetragen.) 
Zweitens  stellte  er  sie,  offenbar  mit  Rücksicht  auf  δικαίως  άπο- 
νος, in  das  neunte  Kapitel  περί  δικαιοσύνης  ρ.  104,  nach  Gais- 


^  Dase  Stobäus  selbst  häufige  Wiederholungen  zulässt,  soll  damit 
nicht  etwa  in  Abrede  gestellt  werden.  Aber  erheblich  vermindert  sich 
ihre  Zahl,  wenn  man  diejenigen  Fälle  in  Abzug  bringt,  wo  eine  schon 
früher  mitgetheilte  Ekloge  in  einem  späteren  Kapitel  zwar  wiederholt 
wird,  aber  in  grösserem  oder  geringerem  Umfange  als  früher,  oder  als 
Citat  innerhalb  einer  anderen  Ekloge,  oder  mit  verschiedenem  Lemma 
oder  mit  sonst  einer  Abweichung,  die  zumeist  auf  eine  verschiedene 
Qaellenvorlage  schliessen  lässt.  Gerade  für  die  Quellenuntersuchung 
Iftsst  sich  die  Frage  mit  Nutzen  verwerthen,  natürlich  in  ihrer  Aus- 
dehnung auf  alle  vier  Bücher. 


686  Hense 

ford'e  Zählung  9»  84.  Damit  aber  nicht  genng,  wiederholte  er 
die  Sentens  noohmale  gegen  den  Sohloee  seines  nennten  Kapiteb 
nnmittelhar  vor  einer  Beihe  von  ihm  selbst  interpolirter  Znthaten 
p•  125.  Letsterer  Umstand  ist  wohl  kaum  anders  πα  erkliroBi 
als  dass  sieh  GFesner  die  Ekloge  als  nach  seiner  Ansieht  su 
nennten  Kapitel  gehörig  in  seinen  Sehedae  am  Sohhieee  dieses 
Kapitels  notirt  hattOi  dass  er  sie  dann  aber  sn  tilgen  Tergass, 
nadidem  er  sich  entschlossen,  sie  mit  einem  anderen  Satie  d« 
Pittakos  (9,  88)  sn  verbinden  p.  104  and  zwar,  nm  letateres  η 
ermöglichen,  mit  EinfÜhrong  der  Interpolation  Ό  αυτός  6ρη  statt 
des  überlieferten  ΤΤιττακός  £φη.  Die  tastende  Yerlegenheit  des 
Begründers  der  Yolgata  tritt  an  diesem  Beispiele  gleidisam  hand- 
greiflich zu  Tage.  Das  Schwanken  des  Herausgebers,  welohss 
sich  anderwärts  in  marginalen  Bemerkungen  verrftth  (s.  B.  Oesn.' 
p.  17  zu  1,  84:  Eiusdem  [Husonii]  ea  Utro  de  YesOmetUo.  Ar* 
tinmU  autem  haee  ad  iempertmiiam  poima)^  begegnet  hier  im  Texte 
selbst.  Auch  eaisford  begriff,  dass  diese  Wiederholungen  nidit 
von  Stobäus  herrühren  können.  Richtig  gab  er  die  Ekloge  air 
einmal,  aber  an  unrichtiger  Stelle»  n&mlich  9,  34.  MA  8T  ver^ 
leugnen  die  £kloge  im  neunten  Kapitel,  sie  war  nach  Μ  f.  4* 
und  Α  f.  214^^  und  (nach  der  Entwirrung  von  T)  auch  gemies 
Τ  (=  ed.  princ.  p.  11),  wie  oben  geschehen,  im  ersten  Kapitel 
aufzuführen.  Uebrigene  in  folgender  Gestalt:  ΤΤιττακοΰ.  Πίττα- 
κός  ίφη,  παρακαταθήκην  λαβών  οικαίως  άπόοος.  In  Α  ist  jetit 
ein  Stückchen  abgerissen,  auf  dem  sich  ehemals  ΤΤιττακοΟ  befin- 
den konnte,  wie  es  Μ  Τ  überliefert  ist. 

Viel  gravirender  noch  wird  aber  die  Yulgata  durch  eine 
andere  Beobachtung  belastet:  in  zahlreichen  Fällen  werden  fiklogen, 
die  sich  in  der  Ueberlieferung  als  geschlossene  Gruppen  des  näm- 
lichen Autors  darstellen,  durch  den  Begründer  der  Yulgata  le^ 
sprengt  und  zerbröckelt.  Je  weniger  die  Quelle  der  Ueberlie- 
ferung durch  die  Yulgata  getrübt  ist,  um  so  klarer  tritt  die 
durchgehende  Excerpirweise  des  Stobäue  zu  Tage,  aus  einer  an- 
gezogeneu Schrift  oder  dem  nämlichen  Autor  eine  Heihe  von 
Eklügen  in  contiDuirlicher  Folge  zu  bieten.  Wo  also  die  YulgaU 
im  Grossen  und  Ganzen  den  Boden  der  Ueberlieferung  nicht  ver• 
lässt,  wie  z.  B.  im  vierten  Kapitel,  da  treten  dem  Leser  Gruppen 
entgegen,  wie  die  Sammlung  11  Sokratischer  Sprüche  4,  57  ff. 
über  die  άφρονες  und  απαίδευτοι,  oder  die  13  Democritea  4,  71  ff. 
aber  die  άνοήμονες^  Becbe  Stellen  des  Fusebius  4,  100—105,  nm 
kleinere  Gruppen  zu  üb^TgiiVftiv•,  \\ä  ^^OcÄ\ÄTi^^^Λ^ÄV  ^vue  Gruppe 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  StolHÜschen  Florilogium.      537 

von  fünf  Stellen  des  Eneebiue  6,  13  ff.  und  eine  andere  von 
ebenso  vielen  des  Plntarch  6,  42  ff.  Die  Beobacbtnng  bestätigt 
sich  auch  in  den  übrigen  Kapiteln  an  Partien,  welche  von  der 
Yulgata  intact  gelassen  wurden.  Hierher  gehört  die  Gruppe  von 
sechs  Stellen  des  lamblichus  5,  61 — 66;  aus  dem  ersten  Kapitel 
die  Collection  von  zehn  Eklogen  des  Archytas  περί  ανδρός  άγα- 
βοΰ  και  εύδαίμονος  1,  70 — 79,  ferner  gegen  den  Schluss  vier 
Xenophontisohe  Eklogen  1,  100 — 103,  und  andere.  Umgekehrt 
wo  die  Neuordnung  der  Yulgata  einsetzt,  geschieht  es  in  zahl- 
reichen Fällen  auf  Kosten  der  handschriftlich  überlieferten  Con- 
tinuität  einheitlicher  Complexe.  Die  U eberlief erung  gibt  im  ersten 
Kapitel  eine  Sammlung  von  Stellen  des  Epiktet  1,  46  ff.,  welche 
die  Yulgata  unter  Kapitel  1.  5  und  3  zersplittert.  Liest  man  sie 
in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung,  so  ergibt  sich  eine  con- 
tinuirliche  Gruppe  von  47  Eklogen  des  nämlichen  Autors.  Noch 
schlagender  ist  ein  anderes  Beispiel:  die  vor  1,  19  beginnende 
Sammlung  von  Pythagoreischen  Sprüchen  (s.  die  Tabelle  p.  390, 
wo  auch  für  Α  die  Lesart  (fiHa  anzugeben  war,  nicht  οΙκία) 
wird  in  der  Yulgata  unter  das  erste  und  fünfte  Kapitel  vertheilt 
und  mit  Uebergehung  zweier  Eklogen ;  setzt  man  die  handschrift- 
liche Ueberlieferung  wieder  in  ihre  Rechte,  so  taucht  nicht  nur 
der  vollständige  Titel  der  Sammlung  ΤΤυθαγόρου  γνώμαι  und 
eine  continuirliche  Gruppe  von  fünfzehn  solcher  Gnomen  auf, 
sondern  die  Sammlung  wird  mit  Berücksichtigung  bloss  des  ersten 
Buchstabens  in  alphabetischer  Reihenfolge  gegeben:  1  άνα- 
νεούσθιυ  —  2  δγρυττνος  —  3  δ  μή  bei  —  4  εητεΐν  bei  —  5 
2ήν  κρεΐττον  —  6  Ισχυειν  —  7  πίπεισο  —  8  πράττε  μεγάλα 
—  9  τίκνα  μάθε  —  10  τά  έττίπονα  —  11  χαλεπόν  —  12  ψυχής 
παν  πάθος  —  13  ών  ή  τύχη  —  14  ών  του  σώματος  —  15  ών 
ένεκα  — .  Es  wird  hierdurch  die  bereits  Stob.  fl.  exe.  Br.  p.  25  f. 
mitgetheilte  Beobachtung  bestätigt  und  auf  Grund  des  inzwischen 
collationirten  Μ  und  der  für  Τ  gewonnenen  Einsicht  erweitert. 
Das  Beispiel  ist  so  einleuchtend,  dass  seine  Beweiskraft  durch 
ein  weiteres  Eingehen  auf  die  Zerstörungen,  welche  die  Yulgata 
in  zahlreichen  kleineren  Gruppen  anrichtete,  scheinbar  eher 
vermindert  als  vermehrt  werden  dürfte.  Ein  paar  Beispiele 
mögen  immerhin  noch  Platz  finden.  Kurz  vor  der  Sammlung 
der  Pythagoreischen  Gnomen  findet  sich  die  auch  durch  Br  ver- 
bürgte Reihenfolge  5,  31.  3,  30.  3,  31  (M  hat  5,  31.  3,  31.  30 
was  irrelevant),  d.  h.  je  ein  Dictum  dreier  zu  den  Sieben  gehö- 
render σοφοι,  nämlich  Χίλωνος  (vgl.  3,  79  ^.  BB^  \ — *λ  ^^\\3..\^ 


686  Η«  nee 

Βίαντος  (vgl.  3,  79  ρ.  89,  13—14  MeiB.)  und  θ€θβουλοιι  d.  L 
Κλ€θβούλου,  wie  Nanok  auch  su  corrigiren  ritiu  EkL  3,  79  p. 
87,  22  Mein,  würde  allerdings  nicht  dagegen  epreohen,  da  das 
Eigenthnmsrecht  der  Septem  schwankend  ist.  —  Eine  ähnliche 
Omppe  bietet  das  erste  Kapitel  an  einer  späteren  Stelle  in  der 
Reihenfolge  5»  26.  6,  27.  9,  34,  nämlich  .θ€θβθύλου  d.  L  KXco- 
βούλου  (troti  3,  79  p.  88,  8  Hein.),  Βίαντος  nnd  ΤΤηταχοΟ. 
Dnrch  die  Neuordnung  der  Yulgata  würde  diese  Trias  wie  die 
vorige  um  eine  Nummer  geschmälert  Wollte  man,  beiläufig,  6, 26 
nach  Massgabe  von  3,  79  p.  88,  8  Hein,  das  Eigenthomsreeht 
des  XciXuiv,  und  3,  31  nach  3,  79  p.  87,  22  Hein,  das  des  Selon 
schützen,  so  wäre  dies  nur  möglich  auf  dem  Wege  einer  wieder 
holten  und  eben  desshalb  unwahrscheinlichen  Lüokenannahne. 
Schon  Photius  fährt  θ€θβούλου  neben  Κλεοβούλου  ant  Die 
Frage,  ob  bereits  die  Quellen  des  Stobäns  cum  Theil  θεοβούλου 
boten,  oder  irrthümlich  hie  und  da  erst  Stobäus  oder  endlich  die 
librarli,  steht  hier  ausserhalb  der  Untersuchung.  Auch  108|  72. 
73.  74.  75  finden  sich  übrigens  drei  solcher  Apophthegmen  n- 
sammen  Χ€(λιυνος,  ΤΤιττακοΟ  (so  Η)  und  θεοβούλου,  nur  dase 
in  Nr.  74  hier  noch  Schrates  ZutriU  fand.  Ygl.  auch  10,  48 
und  49;  femer  48,  23  und  24  und  anderes.  —  Weiter:  die  Nach- 
barschaft von  5,  32  und  3,  39,  zweier  Gruppen  von  Sotadeen 
wird  aufgehoben  in  der  Yulgata,  ebenso  die  von  5,  45  und  3, 40, 
zweier  Stellen  έκ  τών  Άριστιυνύμου  τομαριών  (vgl.  10,  50. 51). 
Andere  Beispiele  des  ersten  Kapitels  (vgl.  3»  90.  91  ff.)  übe^ 
gehen  wir.  Gegen  den  Sohluss  des  zweiten  Kapitels  wird  die 
von  der  Yulgata  verlassene  Reihenfolge  2,  44.  46.  47.  45  dureh 
die  Beobachtung  bestätigt,  dass  sich  durch  die  SteUung  2,  44. 
46  zwei  Eklogen  des  Plato  zusammengesellen.  —  Die  in  der 
Yulgata  weit  auseinander  gerissenen  Nachbareklogen  des  dritten 
Kapitels  9,  23  und  3,  10  sind  zwei  Stellen  des  Aeschylus.  — 
Gepaart  treten  in  Τ  (ed.  princ.  p.  19)  auf  die  beiden  Pseudo- 
Phocylidea  118,  9  und  3,  26. 

Die  Manier  des  Stobäus  mehrere  Eklogen  desselben  Autors 
oder  des  nämlichen  Schriftwerkes  neben  einander  zu  stellen,  die 
mit  der  mechanischen  Art  seiner  Qaellenbenützung  auf  das  engste 
zusammenhängt,  ist  so  durchgreifend,  dass  sie  auch  dem  Begrün- 
der der  Yulgata  nicht  entgangen  ist.  Es  wird  damit  ein  Haupt- 
grund für  die  immerhin  auffallende  Tliatsache  beigebracht,  dass 
weder  Gaisford  trotz  seiner  YerÖffentlichung  der  differirenden 
fieihenfolge  aus  Α  und  Τ  und  L  noch  auch  Meineke  oder  sonst 


Die  Reihenfolge  der  £klogeD  im  Stolmiechen  Florilegium.      589 

jemand  an  der  Vulgatenreihenfolge  bisher  irgend  welchen  Ansioee 
nahm.  Die  Vulgata  täuscht  durch  den  Schein  Stobäischer  Excer- 
pirweise.  £s  muss  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass  sich 
der  Begründer  der  Vulgata  auch  seinerseits  vielfach  beflissen 
zeigte,  Stellen  des  nämlichen  Autors  oder  Schriftwerkes,  Gleich- 
artiges und  Verwandtes  zusammenzurücken,  wie  dies  schon  in 
den  obigen  Bemerkungen  zum  vierten  Kapitel  bei  £kl.  10,  78 
und  8,  22  deutlich  wurde.  So  gibt  die  Vulgata  z.  B.  1, 41 — 45 
eine  continuirliche  Gruppe  von  fünf  Stellen  des  Isokrates,  welche 
in  den  Handschriften  auf  zwei  £klogen  zuzammenschrumpft:  die 
sich  nur  Trine,  p.  11  findende  £kl.  1,  41  wird  vielmehr  zwischen 
1,  89  und  5,  56  gelesen;  1,  42  hat  überhaupt  keine  handschrift- 
liche Gewähr;  1,  45  findet  sich  in  Μ  f.  2'  vielmehr  nach  einem 
Satze  aus  1,  64,  in  Τ  (ed.  princ.  p.  6)  nach  1,  69:  es  bleiben 
somit  nur  die  von  Gaisford  und  Meineke  aus  Unkenntniss  de? 
Elscur.  athetirten  Eklogen  1,  43  und  1,  44  übrig,  welche  in  Μ 
f.  l^  die  fünfzehnte  und  sechszehnte  Stelle  des  Kapitels  einneh- 
men. Wer  auf  diese  Beflissenheit  des  Begründers  der  Vulgata 
seine  ausschliessliche  Aufmerksamkeit  richtete,  könnte  sich  sogar 
für  einen  Augenblick  versucht  fühlen,  gerade  darin  eine  Gewähr 
der  Gesner^schen  Anordnung  zu  erblicken.  Aber  dieses  ürtheil 
würde  nicht  nur  den  einstimmigen  Protest  der  Ueberlieferung  und 
der  vorgeführten  inneren  Gründe  überhören,  es  würde  auch  an 
sich  verfehlt  sein.  Unbeachtet  bliebe  nämlich,  dass  durch  die 
Rückkehr  zur  Ueberlieferung  das  gruppenweise  Auftreten  von 
Eklogen  oft  auch  an  den  Stellen  begünstigt  wird,  wo  man  es 
durch  das  Verlassen  der  Gesner'schen  Ordnung  zunächst  zu  zer- 
stören scheint.  Dieser  Punkt  dürfte  wichtig  genug  sein,  ihn 
durch  einige  Beispiele  zu  erhellen.  Gleich  die  erste  Abweichung, 
die  sich  die  Vulgata  von  der  Ueberlieferung  zu  schulden  kommen 
läset,  1,  7.  8,  bestätigt  die  ausgesprochene  Beobachtung.  Den 
Begründer  der  Vulgata  leitete  für  die  Stellung  von  1,  7  und  1,  8 
der  Anschluss  an  eine  Reihe  von  Euripidea:  unbeachtet  blieb, 
dass  sich  wenigstens  1,  8  auch  in  der  Ueberlieferung  (ed.  princ. 
p.  10)  mit  einer  oder  vielmehr  zwei  Stellen  des  Euripides  3,  27. 
27*  gruppirt.  Einiges  hierhergehörige  ist  schon  im  Verlaufe  der 
obigen  Erörterungen  ans  Licht  getreten.  Durch  die  Stellung  der 
Ekl.  9,  34  nach  9,  33  Hess  die  Vulgata  zwei  Stellen  des  Pittakos 
zusammenrücken,  aber  durch  Wahrung  der  Ueberlieferung  bleiben 
statt  zweier  vielmehr  drei  Dicta  der  zu  den  επτά  gerechneten 
σοφοί  zusammen :  5,  26.  27.  9,  34.  —  Die  Ekl.  3,  35  war  nach 


640  Ηβηβθ 

Tilgung  von  3|  84  gemäss  der  Ueberliefemng  an  eine  andere 
Stelle  zu  rücken,  so  dass  dieses  in  der  Yulgata  auftretende  2$mi 
von  Demooritea  zu  verschwinden  scheint,  aber  durch  die  Ueber 
liefernng  des  ersten  Kapitels:  5,  28.  3,  85.  5,  24  gewinnt  msn 
gldohfalls  zwei  SStze  des  Demokrit,  und  da  5^  24  wahxvoheinlidi 
unter  demselben  Kamen  Überliefert  war,  sogar  deren  dreL  — 
Für  die  mit  der  Ueberlieferung'  streitende  Zusammenstellung  ves 
8,  40  und  8,  41  war  das  leitende  Motiv  offenbar  die  Oleichkeit 
des  Bildes  vom  κυβ€ρνήτης,  dafBr  bot  aber  die  ueberlieferung 
mit  5,  45  und  8,  40  ein  Paar  von  Sfttsen  aus  den  τομάρια  de• 
Aristonymos,  und  8,  41  schliesst  sich  (naeh  MA)  mit  1,  37.  38 
zu  einer  Trias  von  Sokratischen  SStzen  zusammen,  naoh  Τ  (v|l• 
oben  p.  891)  mit  den  folgenden  8,  42.  1,  88.  84  sogar  zu  einen 
Complex  von  sechs  solchen  Sprüchen.  Bleiben  wir  bei  der  Gtruppe 
der  Vnlgata  3,  41  ff.  noch  etwas  stehen,  so  sehen  wir  die  Bokn* 
tischen  Eklogen  3, 48.  44  auch  in  der  Ueberlieferung  ungetrennt 
(vgl.  die  Tabelle  des  ersten  Kapitels),  nur  3»  46  scheint  im  Ge- 
gensätze zur  Yulgata  aus  der  Oesellschaft  anderer  Sokratiseh« 
Apophthegmen  gelöst  zu  werden,  doch  liegt  auch  hier  wenigstens 
ein  Paar  solcher  vor,  nämlich  3,  45  Σιυκράττ[ς  έραττηθείς,  Ά 
φρόνησις,  εΤπεν,  εύαρμοστία  (ευαρμοστία  εΤπε  Τ)  ιμυχής.  3,45* 
Σωκράτης  (6  αυτός  Τ)  ερωτηθείς  (diese  Worte  fehlen  in  Br), 
τίνες  φρόνιμοι  (τί  φρόνησις  εΤπεν  Μ),  ο\  μή  ^<]ΐδίως  (εΤπεν  hier 
Τ)  έ£αμαρτάνοντ€ς  ^.  —  In  der  Vulgata  bilden  3,  90 — 92  eine 
Gruppe  von  drei  Sokratisoben  Sprüchen,  in  der  Ueberlieferong 
vereinigen  sich  eecbe  derselben  (vgl.  Tab.  p.  393).  Die  Uebe^ 
lieferung  bot,  wie  wir  sahen,  im  ersten  Kapitel  einen  einheit- 
lichen Complex  von  siebenundvierzig  Stellen  des  Epiktet,  welche 
die  Yulgata  mit  Hinzunahme  von  1,  53  zu  drei  Gmppen  von 
zwölf  (1,46—57),  zwei  (3,77—78)  und  vierunddreissig  Eklogen 

^  Das  Exemplar  des  Varinus  gab  sie  noch  getrennt,  Varinue  selbet 
verwirrte  dann  wohl  die  Ordnung  und  die  Lemmata.    Vgl•: 

Trine,  p.  20  Cam.  f.  IX'  ed.  Crao. 

Σωκράτους.  Soerates  interrogatus  quid  esset 

Σωκράτης    έρωτηθ€ΐς,    xi    φρό-      prudentia,  respondit  aniroi  oonciii- 
νησις,    εύαρμοστία  €ΐπ€  ψυχής,    ό      nitas. 

αυτός  ερωτηθείς,    τίνες  φρόνημοι,  Idem  interrogatus,   quod  maxi- 

οί  μή  ^(|ΐ&ίως  εϊπεν  έΗαμαρτάνοντες.      roum  esset  in  minimo  corpore,  re- 
ΤΤερίαν6ρος.  spondit,  bona  mens. 

Περίανδρος  ερωτηθείς,    τΐ   μέγι-  Periauder  interrogatus,  qui  pru- 

στον  έν  έλαχίστψ,  είπε,  φρένες  deutes  sunt?  dixit  non  facile  de• 
άγαθαΐ  έν  σώματι  άνθρωπου.  linquentes,  et  peccautes. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegiuro.      541 

(5,  84—117)  zerstückelt.  Doch  genug.  Es  kann  kein  Zweifel 
mehr  sein,  daes  das  in  Rede  stehende  Princip  trotz  des  augen- 
scheinlichen Bemühens  der  Yulgata  in  der  Ueberliefemng  reiner 
und  ungetrübter  zum  Ausdruck  kommt. 

Die  Frage  nach  dem  Urheber  der  nunmehr  aus  inneren  wie 
äusseren  Gründen  als  völlig  willkürlich  erwiesenen  Vnlgaten- 
anordnung  wurde  bisher  mit  Absicht  zurückgestellt.  Durch  die 
Vorführung  des  obigen  Beweismaterials  aber  hat  sie  sich  inzwi- 
schen von  selbst  beantwortet:  die  Reihenfolge  der  Yulgata,  wie 
sie  zuerst  in  Gresner^s  Secunda  auftritt,  gehört  eben  Niemand 
andere  als  Conrad  Gesner  selbst  an.  Es  ergibt  sich  dies  Re- 
sultat nicht  nur  aus  der  Erwägung,  dass  der  Begründer  der 
Yulgata,  dessen  tastendes  Yerfahren  oben  deutlich  wurde,  mit 
Gesner  identisch  ist,  sondern  einleuchtender  noch  aus  der  Beob- 
achtung, dass  sich,  von  Unwesentlicherem  abgesehen,  die  Ab- 
weichungen der  Yulgata  vorwiegend  eben  da  fanden,  wo  die 
beiden  Gesner^  vorliegenden  Quellen  d.  h.  die  ed.  princ.  und  Μ 
mit  einander  in  einen  für  Gesner  unlösbaren  Widerspruch  traten. 
Zum  Ueberfluss  endlich  stimmt  das  Yerfahren  der  Yulgata  mit 
eben  den  Angaben  überein,  die  Gesner  selbst  über  das  von  ihm 
eingeschlagene  Yerfahren  macht.  Jener  Widerspruch  zwischen  Μ 
und  Τ  bestärkte  ihn  in  der  Ansicht,  die  ihm  angesichts  der  in 
der  ed.  princ.  bis  zum  siebenten  Kapitel  vorliegenden  Yerwirrung 
schon  bei  Bearbeitung  seiner  ersten  Ausgabe  auftauchte,  nämlich 
dass  Stobäus  sein  Werk  in  einem  unvollendeten  Zu- 
stande hinterlassen  habe.  Aus  dieser  Anschauung  entnahm 
er  für  sich  die  Berechtigung,  die  verwirrte  Reihenfolge  der  Eklogen 
nach  seiner  eigenen  besseren  Einsicht  zu  verändern.  Doch  hören 
wir  ihn  dies  selbst  und  zwar  schon  in  der  praefatio  zur  ersten 
Auflage  hervorheben  (==  Gaisf.  praef.  p.  XXI):  Caeterum  hoc 
etiam  adnumitum  uolo  Lectorem,  uideri  mihi  Stöbaeum  opus  suum 
fion  undequaque  absoluisse.  Interdum  etiim  sententiae  non  suo  loco 
citaniur:  ut  in  sermone  de  prudentia  muUa  acribuniur  quae  niagis 
ad  temperantiam  aut  ipsam  in  geiiere  uirttäem  pertinent.  8ed  hoc 
α  prineipio  nuunme  errcUum  est:  in  caeteris  fere  satte  conumiunt 
singulae  gnomae  ad  argumentum,  quod  sermonis  inscriptio  poUi- 
cefur,  Alioqui  si  plures  adeo  confusi  fuissent,  ordinem  immu- 
tassem:  quod  facere  nolui  cum  rarius  hac  parte  delictum  esse 
öbseruarem,  Multa  sunt  quae  diuersis  locis  accomodari  possint, 
semel  duntaaat  α  Stohaco  commemorata:  üerum  Index,  qui  satis 
copiosfis  adiectus  est,  haec  omnia  supplehit.     Sehr  richtig  bemerkt 


64S  Heate 

hior  Gkener  ttber  die  ed.  prine.,  die  er  in  eeiner  enten  Avagabe 
ilMt  aaeschlieeelioli  su  Gmnde  legte,  dae•  eioli  unter  dem  Tttd 
Hcpl  ς>ρονή<Τ€ΐλΐς  vieles  finde,  wie  mehr  in  ein  Kapitel  ircploui- 
(ρροσύνης  oder  auch  περί  Αρ€τής  gebarep  aber  itatt  diese  Yer- 
wirrnngi  wie  es  oben  bei  nnaerem  Beeonstraetionevenraeli  von  Τ 
geaehah,  auf  eine  Trttbnng  der  TTeberUefenuig  nrlleluEnfllimf 
maaa  er  sie  dem  Stobina  selbst  bei.  Dennoeh  enthielt  er  sidi 
mnSehst  nooh  eigenmiehtiger  ümstellnngen,  aber  nur  insofinn 
er  das  Uebel  anf  den  Anfang  besohrinkt  sah:  oKo^irfv  si  ptmm 
(sermones)  oclso  OMi/Wst /Mss0fiif  ardlmem  isiimrfgsssni.  IMegleiehs 
Beserye  legte  er  sich  in  dieser  ersten  Ausgabe  anf  g^geniber 
der  Yon  ihm  bereits  damak  ins  Ange  geCsssten  YerToUstindigavg 
des  (wie  es  ihm  ersohien)  Ittokenhidften  Werkes.  lam  twcasperwa, 
heisst  es  am  Schlüsse  der  erwähnten  prarf.  snr  ersten  Ansgabe, 
sr  eraecia  BcHpiaribuB  eoroUarhm  in  mmgyüos  IXobaei  losoe  een- 
elfmare,  ä  hm^per  aädere  nouos:  $ed  quia  mehtebam  ne  Über  nkm 
srossNS  euadere$f  älHa  guo^iis  oempaüotiibus  neeenario  momni^ 
loborem  iskm  in  praesmHa  quamms  äUquo  ιιββκβ  prodmdmm  ür 
ΦΛ%  .  .  .  Nnr  die  erwähnten  Süsseren  Bttcksiohten  halten  ihn 
snrftek,  schon  die  erste  Ansgabe  dnrob  ansgedehnto  Interpola- 
tionen BU  einem  seiner  hnmanistischen  Zeit  wahrhaft  wQrdigen 
Theeaumg  auezngeetalten.  Aber  sein  Gedanke  war,  wie  man 
sieht,  schon  halb  znr  That  gereift,  und  er  trat  ans  licht,  wenn 
auch  mit  den  Spuren  grosser  Eilfertigkeit  in  der  editio  seounds, 
und  diese  Edition  wurde  die  Grundlage  der  Yulgata.  Die  Ent- 
haltsamkeit, welche  sich  die  erste  Ausgabe  auferlegt  hatte,  weicht 
in  der  zweiten  einem  schrankenlosen  Interpolations-  und  Umstel- 
lungsverfahren.  Insofern  nun  Gesner  die  praefatio  zur  ersten  Aui- 
gabe  vor  der  zweiten  wiederholt,  ist  es  nur  begreiflich,  den 
sich  der  vielbeschäftigte  Mann  in  der  letzteren  Über  das  von  ihm 
beobachtete  Yerfahren  etwas  knapper  ausläset.  Hinsichtlich  seiner 
Zuthaten  heisst  es  in  der  praef.  zur  ed.  sec.  (=  Gttisf.  praef. 
p.  XXI  f.):  Praeterea  adiunxi  etiam  passim  Corollaria  quaedam  tx 
Qraecis  libris  cdlecta,  tum  carmine,  tum  prosa:  non  muUa  tameny 
nofi  pröliaa,  nee  absque  dekctu.  Theophrasti  de  NoHs  libeUum . . . 
qua  potui  diligentia  emendaui,  et  pro  argumenti  ratione  passim 
inserui.  Wie  schon  in  den  Schlussworten  dieser  Stelle  ein  in- 
direktes Zeugniss  auch  für  die  willkürliche  Behandlung  der  Reihen- 
folge der  Eklogen  und  ihrer  Yertheilung  unter  die  loci  vorliegt, 
insofern  ja  durch  den  Einschub  von  Interpolationen  die  überlieferte 
Bklogenfolge  nothwendig  altcrirt  werden  musste,    so    lässt  eich 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Plorileglnm.      648 

doch  auch  ein  ganz  direkter  Beleg  beibringen.  Unmittelbar  vor 
den  eben  citirten  Worten  sagt  er  in  der  praef.  zur  ed.  sec.: 
Aristotelis  libellum  de  Uirtutibus  et  uitiis  tarn,  non  ut  prius^  uno 
in  loco  posuinnus  Metrum,  sed  pro  argumenio  in  diversos  locos 
diuisimus:  qui  integrum  uolet,  cum  reliquis  Aristotelis  operibus 
inueniet.  Man  sieht,  gegenüber  dem  argumentum,  der  argumenti 
ratio  ist  dem  Begründer  der  Vnlgata  die  handschriftliche  Ueber- 
liefenmg  ein  so  völlig  gleichgültiges  Moment,  dass  er  seine  Me- 
thode nur  der  Mühe  werth  hält  an  einem  Beispiele  zu  beleuchten, 
und  zwar  an  einem  Beispiele,  wo  sich  zu  der  Willkür  der  An- 
ordnung noch  eine  zweite  gesellte,  nämlich  die  Zerstückelung  des 
bei  Stobäns  zusammenhängend  überlieferten  Pseudo-Aristotelischen 
Tractates  περί  αρετών  καΐ  κακιών.  Die  Unbefangenheit,  mit  der 
er  diese  einzelnen  (erst  von  Gaisford  unter  1,  18  wieder  zusam- 
mengefassten)  Stücke  vertheilt,  ist  dabei  so  gross,  dass  er  aus 
einem  derselben  sogar  ein  neues  Kapitel  constituirt  mit  neuem 
Titel,  π€ρ\  μικροψυχίας  λόγος  ρΓ  (Gesn.^  ρ.  578),  ein  Kapitel, 
welches  schon  Grotius  D.  P.  p.  458  als  der  handschriftlichen 
Grundlage  bar  erkannte.  Offenbar  hatte  die  inzwischen  erfolgte 
Bekanntschaft  mit  dem  codex  Mendozae  und  der  hier  Trincavelli 
gegenüber  hervortretenden  Disorepanz  dem  unglücklichen  Gedanken 
Gesner's  von  der  Unfertigkeit  des  Stobäischen  Werkes  nur  neue 
Nahrung  gegeben.  Statt  die,  wie  oben  klar  wurde,  im  Wesent- 
lichen nur  scheinbare  Discrepanz  durch  eine  sorgfältige  Quellen- 
analyse  aufzuhellen,  scheint  ihm  die  Bedingung,  an  welche  wir 
ihn  sein  selbstthätiges  Eingreifen  knüpfen  hörten  —  si  phtres 
(sermones)  adeo  eonfusi  fuissent  —  nun  vollende  erfüllt:  er  greift 
zu  dem  ordinem  immutare,  zu  dem  pro  argumenti  ratione  passim 
inserere.  Genau  entsprechend  diesem  Quellenverhältniss  tritt  denn 
auch  die  Abweichung  der  Vulgata  von  der  Ueberlieferung,  worauf 
schon  oben  als  auf  ein  schlagendes  Moment  hingewiesen  wurde, 
um  so  entschiedener  auf,  je  unlösbarer  der  Widerspruch  zwischen 
Μ  und  der  ed.  princ.  erschien,  d.  h.  im  ersten,  dritten  und  fünften 
Kapitel. 

Die  Art  und  Weise,  wie  Gesner  im  Einzelnen  seine  Um- 
stellungen durchführte,  ist  durch  die  obige  Prüfung  der  Vulgata 
schon  in  so  zahlreichen  Beispielen  ans  Licht  getreten,  dass  eine 
abermalige  Darstellung  seiner  ars  oder  artes  ebenso  müssig  als 
unerquicklich  erscheinen  dürfte.  Daher  hier  nur  ein  beurtheilen- 
der  Rückblick.  Mit  der  schon  mehrfach  erwähnten  Yersäumniss 
einer  sorgfältigen  Analyse  seiner  Vorlagen  ging  bei  Gesner  Hand 


544  Rente 

in  Hand  eine  iweite  Yertiamnie•,  nialieh  nniduit  ait  Sdbifc- 
beecheidang  in  die  Art  der  Stobiisohen  Ezoerpinraee  nnd  Onelles- 
benfitsnng  einsndringen.  Indem  ihn  der  erato  BHek  aif  du 
Steb&ieehe  Werk  tber  deeten  etofSiohe  Anordniuig  nnd  aeine  Onp- 
pimng  nach  den  Themen  der  titnli  aafklirta,  eigab  aidi  ihm  n* 
gleich  die  Beobaohtong  τοη  dem  Waltüi  der  aignmenti  mt», 
und  diese  schnell  snm  Prinoip  erhobene  Beobaohtmig  maehte  ika 
blind  gegen  das  bei  Stebftne  nieht  selten  herrortretaide  wuiac 
mechanische  Ansschreiben  seiner  Quellen.  Eine  dnidigehende  ui 
conseqnente  UebereinstimmQng  der  Einielekloge  mit  dem  Thsaa 
des  Kapitels,  d.  i.  die  lurgomenti  ratio  seheitert  bm  Btobina  aidit 
gerade  selten  an  der  bequemen  Aosnntsang  seiner  Qgellen,  die 
zumal  bei  der  Herftbemahme  eontinuirlieher  Gruppen  aneh  Un- 
gleichartiges mit  in  den  Kauf  zu  nehmen  nicht  iagatlieh  nr 
meidet  (vgl.  auch  Wachsmuth  Stud.  p.  147).  Aber  Gleener  hat 
das  —  wenn  es  in  der  angedeuteten  Weise  Umitirt  wird  — 
richtige  Prinoip,  dessen  Vorwalten  su  Tage  li^gt,  nicht  nur  un- 
richtig auf  die  Spitie  getrieben,  sondern  hat  es  in  seiner  Anwen- 
dung auch  —  Tcrflacht.  Die  von  Stobius  im  Allgemeuen  ge- 
wahrte Unterordnung  der  Ekloge  unter  das  Thema  ihres  Kapitels 
wurde  unter  GFesner^s  HSnden,  wie  in  den  oMgen  Unteannehm- 
gen  an  sahireichen  Beispielen  hervortrat  (vgL  p.  628.  626  t 
535),   zu  einer  seichten  Stiohwortstheoriθ^    Statt  den  Kern 


^  Es  wird  damit  keineswege  geleugnet,  dass  Stobftus  selbst  dem 
Stich  Worte  des  Titalus  su  Gefallen  sich  oftmale  Aenderungen  in  dem 
Texte  seiner  Vorlagen  gestattet,  wofür  in  den  Lectiones  Stobensee  und 
Krit.  El.  p.  81  Beispiele  beigebracht  sind.  Anderes  bei  Bernhardt  Rh. 
M.  17  p.  465  ff.,  Diels  Dox.  p.  66  ff.,  Wachsmuth  Stud.  p.  146  f.  Der 
Natur  der  Sache  nach  sind  dergleichen  Nachweise  leichter  an  poeUecheo 
Eklogen  zu  führen.  Zu  den  prosaischen  dürfte  auch  an  sShlen  eein 
ilor.  106,  75.  Nach  Wachsmuth's  überzeugender  Darlegung  (a.  a.  0. 
p.  149)  sind  hier  die  γνωμολογικά  des  Phaborinos  als  gemeinsame  Quelle 
für  das  Parallelenbuch  und  Stobäus  anzunehmen  (vgl.  Frendenthal  Rh. 
Mus.  85  p.  410).  Die  Abweichung  zwischen  Siobftus  und  dem  Paral- 
lelenbuch 

Stob.  Parall. 

τάς  τής   τύχης   μεταβολάς  γεν-  ευτυχών    μή    ίσο    ύπερήςκινος, 

ναίαις  πειρώ  φέρβιν  καΐ  μήτε  εύ-      άπορήσας   δέ    μή    ταπεινοΟ  *    τάς 
τυχών  υπερήφανος  ίσο  μήτε  άπο-      μεταβολάς  τής  τύχης  γενναίαις  Μ- 
ρών  ταπεινός*  άλλα  γίνου  επιεικής      στασο  φέρειν. 
έφ*  έκατίρας  τής  τύχης.  5 

dürfte  aber  so  zu  erklären  sein,  dass  Stobäus  die  Worte  τάς  τής  τόχης 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      545 

der  βηοιηβ  von  der  Schale  zu  lösen,  wurde  für  ihn  der  oder 
jener  Einzelauedruck  einer  Ekloge  entscheidend,  sie  in  dieses  oder 
jenes  Kapitel  zu  rücken.  So  wurde  oben  p.  527  angedeutet, 
wesshalb  die  Gnome  Δημοκρίτου.  Σοφίη  αθαμβος  κτέ.  mit  gutem 
Grunde  von  MA,  d.  h.  von  Stobäus,  in  das  siebente  Kapitel  π€ρ\ 
ανδρείας  gestellt  wird,  Gesner  stellt  sie  mit  Rücksicht  auf  das 
Stichwort  (ΤΟφίη  in  dasjenige  Kapitel,  unter  dessen  Ueberschrift 
die  Ekloge  in  der  ed.  princ.  p.  3  gerathen  war,  in  das  Kapitel 
π€ρΙ  φρονή(Τ€ως  3,  34.  Die  mechanische  Betonung  eines  Einzel- 
anedmcks  sieht  man  hier  wie  in  zahlreichen  anderen  Fällen  bei 
Gesner  zusammenwirken  mit  der  Yerkennung  der  Gründe  für  das 
Durcheinander  in  T.  Jene  Betonung  insbesondere  verbannte  die 
Ekloge  aus  dem  siebenten  Kapitel,  beide  Factoren  zugleich  aber 
verschafften  ihr  den  Platz  im  dritten.  Mit  der  mechanischen 
Anwendung  einer  äusserlichen  Stichwortstheorie  hängt  auch  die 
oft  wahrzunehmende  Thatsache  zusammen,  dass  Gesner  mit  den 
Grundbegriffen  der  griechischen  Ethik  ungenügend  vertraut  ins- 
besondere die  innige  Berührung  des  rein  moralischen  und  intel- 
lektuellen Gebietes  verkennt  und  die  zarte  Grenzlinie  vergröbert, 
z.  B.  zwischen  φρόνη(Τΐς  und  (Τωφρο(Τύνη.  Strenge  Consequenz 
wird  man  in  der  eiligen  Arbeit  Gesner's  (dans  la  rapidito  de  son 
travail:  Ch.  Granx  Fonds  grec  de  TEsc.  p.  240  über  Angaben 
der  Bibl.  Un.)  auch  hier  freilich  nicht  erwarten,  die  Ekl.  3,  64 
z.  B.  hätte  nach  Gesner's  Stichwortstheorie  in  dem  Kapitel  π€ρ\ 
(Τακρρο<Τύνης  Platz  finden  müssen.  Und  während  man  ihn  eben 
die  Ekloge  Σοφίη  αθαμβος  mit  Rücksicht  auf  das  Stichwort  in 
das  Kapitel  περί  φρονή(Τ€(υς  setzen  sieht,  beginnt  er  am  Schlüsse 
dieses  Kapitels  von  neuem  mit  einer  schon  von  Gaisford  getilgten 
Interpolationenreihe,  die  er  mit  den  Worten  einführt  p.  50:  π€ρ\ 
(Τοφίας  χαφίς  τίνα  ένταΟθα  προστιθέναι  iboie.  καί  τοι  έν  τοις 
προηγουμίνοις  ουκ  ολίγα  εΙς  σοφίαν  συντείνοντα  τοις  ττερί  φρο- 
νή(Τεως  6  Στοβαίος  συνέμιΣε.  Die  einseitige  Verfolgung  der  ar- 
gumenti  ratio  Hess    ihn   aber   noch    andere   Stobäische  Maximen 


μεταβολάς  γενναίως  πεψώ  φέρειν  voranstellte  mit  Rücksicht  auf  seine 
Kapitelüberschrift  öri  ftcl  γενναίως  φέρειν  τά  προσπίπτοντα.  Da  übri- 
gens die  gemeinsame  Quelle  ευτυχών  bot,  so  ist  die  naheliogende  Cor- 
rectur  εύπορων  (im  Gegensatz  zu  άπορων)  hier  ausgeschlossen,  trotz 
Kleobulos  Ekl.  3, 79  p.  87,  B— 7  Mein.  εύποροΟντα  μή  ύπερήφανον  εΤναι, 
άποροΟντα  μή  ταπεινοΟσθαι.  Man  würde  die  Quelle  des  Stobäus  ver- 
bessern, nicht  den  Stob&us. 

BlMln.  Mn•.  t  Pbllol.  N.  F.  XXXIX.  36 


546  Hense 

fiberaelien.  In  den  Pandeotae  (Tig.  1548)  f.  24'  entgeht  'Am 
swar  nicht,  daes  Stob&ns  anf  das  Für  nnd  Wider  in  Minen  Zs- 
sammenstellnngen  Bückeicht  nehme,  aber  eonet  rechnet  er  ihn  ra 
denen,  welche  aUenaa  sefUmUias  .  . .  m  eommeniarias  mme  crdm 
reMerunt  mit  ausdrücklicher  Hinznfügnng  ui  SUbama  mtkt. 
Und  im  Gegensätze  hierzu:  Älü  ordmis  oKgiMiM  roHommm  Im- 
buaruntf  et  locos  smffuU^  tn  certa  genera  ei  apeeks  aiAdmimrmtd . . . 
So  ist  ihm  denn  anoh  die  Gewohnheit  des  Stobins  nicht  Uar  be- 
wnsst,  die  dichterischen  Eklogen  voranzustellen:  willkürlich  be- 
ginnt er  das  sechste  Kapitel  in  direktem  Widerspruch  su  If  (andi 
zu  A:  ygl.  oben  und  Stob.  flor.  exe.  Br.  p.  16  ff.)  mit  eiaer 
Beihe  prosaischer  Eklogen.  Nicht  minder  entgeht  ihm,  wie  dies 
aus  den  oben  ausgeschiedenen  Interpolationen  8,  96.  97  erhell^ 
die  Stobäisohe  Neigung  mit  den  Platostellen  den  Beeohlnea  ti 
machen.  Aber  nicht  genug,  er  wiederholt  aus  8, 97  zum  Sehhies 
dieses  ^pitels  nochmals  den  bei  Dio  citirten  Satz  des  Epiehana 
νδφ€  καΐ  μέμνασ*  άτηστ€ΐν,  δρθρα  ταΟτα  τών  q>p€vAv  und  zwar 
mit  besonderem  Lemma  (Gesn.*  p.  49  a.  E.;  anders  GhusHord),  we- 
mit  die  Stobäische  Stellung  der  poetischen  Eklogen  abermals  igne- 
rirt  wird.  Dieser  plumpen  Durchführung  der  argomentl  ratis 
konnte  begreiflicher  Weise  auch  die  dem  Stobäus  abgelernte  Nei" 
gung,  Stellen  des  nämlichen  Autor  zusammenzurücken,  wie  sie 
oben  beleuchtet  wurde  und  wie  sie  sich  auch  in  Gesner's  Inter 
polationen  kund  thut  (z.  B.  3,  36.  37.  38.  3,  47.  48.  5,  57.  58 
und  sonst  häufig  in  den  schon  von  Gaisford  getilgten  Partien), 
kein  irgend  wie  nenne nswerthes  Gegengewicht  bieten.  Das  Mo- 
saik der  Ueberlieferung  war  einmal  gelockert;  bei  dem  Yersuek 
die  einzelnen  Stifte  nach  dem  Aussehen  und  nach  ihrer  Aeha* 
lichkeit  zusammenzurücken,  musste  das  Bild  auch  unter  geschick- 
teren Händen  nothwendig  ein  verschiedenes  und  damit  verfehltes 
werden.  Oder  um  mit  einem  dem  berühmten  Züricher  Ante 
näher  liegenden  Vergleiche  zu  schliessen,  das  von  Gesner  an^ 
wandte  Heilverfahren  gefährdete  den  Krankenden  mehr  als  die 
Krankheit  selbst:  parum  certe  medice  verfuhr  er,  nach  Gombefis' 
treffendem  Urtheil  p.  719,  mit  Maximus  und  Antonius,  nicht  an- 
ders mit  Stobäus. 


Einer  weiteren  Verstärkung  der  Beweisgründe  für  das  Haupt- 
^'rgebniss  der  obigen  Abhandlung,  für  das  'concidat  Gesneri  in- 
^entum',  wird  Niemand  bedürfen.     Wenn  zum  Schlüsse  nochmals 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäisohen  Florilegiam.      547 

auf  die  von  OcRiier^  benfitzten  Quellen  und  damit  auf  den  Beginn 
des  Anfsatzes  zarfickgeblickt  wird,  so  geschieht  es  vornehmlich, 
nm  das  oben  nur  in  einigen  Grrund strichen  skizzirte  Bild  der 
bisher  so  wenig  bekannten  Ynlgata  und  ihrer  Quellen  durch  ein 
näheres  Eingehen  zu  yervollst&ndigen.  Zumal  unter  letzterem 
Gesichtspunkte  mag  auch  die  Erledigung  der  Frage  noch  Interesse 
haben,  ob  Oesner  bei  seiner  radicalen  Umgestaltung  der  Reihen- 
folge vielleicht  doch  noch  anderes  handschriftliche  Material  be- 
Dutst  habe  als  dasjenige,  welches  von  ihm  selbst  erwähnt  wird 
und  auch  uns  vorliegt,  also  im  Wesentlichen  Trine,  und  M.  Be- 
zieht man  diese  Frage  auf  irgend  welche  gnomologische  Excerpt- 
litteratur,  so  ist  zunächst  zu  constatiren,  dass  auch  die  neuesten 
Nachforschungen  in  dieser  Richtung  Nichts  zu  Tage  gefördert 
haben,  was  der  Gesner'schen  Anordnung  eine  bemerkenswerthe 
Stütze  leihen  könnte  ^.  Gesetzt  aber,  eine  derartige  Beeinflussung 
habe  dennoch  in  erheblicherem  Masse  stattgefunden,  so  erhellt 
sofort,  dass  die  schon  an  sich  stets  problematische  Anordnung 
solcher  Excerptlitteratur  in  dem  notorisch  willkürlichen  Ensemble 
der  Gesner^schen  Neuordnung  erst  recht  illusorisch  geworden  wäre. 
Es  lässt  sich  dies  an  Maximus  recht  deutlich  machen.  Die  An- 
nahme läge  ja  nahe  genug,  dass  sich  der  Herausgeber  des  Ma- 
zimus  (Tig.  1546)  für  seine  Neuordnung  der  beleuchteten  Stobäus- 
kapitel  durch  Maximus  beeinflussen  Hess.  Prüft  man  aber  nach 
dieser  Richtung  z.  B.  Maxim.  3  (περί  άγνείας  κα\  σωφροσύνης) 
ρ.  183  ff.  R.,  ein  Kapitel  in  welchem  zugestandener  Massen  (Wachs- 
mnth  Stad.  p.  148,  Elter  a.  a.  0.  p.  31  n.  2)  vieles  aus  Sto- 
bäus  oder  Stobäusexcerpten  geflossen  ist,  so  ergibt  sich,  dass  von 
allen  den  Stellen,  welche  dieses  Maximuskapitel  bei  Ribitt  (d.  h. 
in  dem  eesner'schen  Codex)  mit  dem  fünften  Kapitel  des  Gesner*- 
sehen  Stobäostextes  gemeinsam  aufweist,  nur  eine  zu  nennen 
ist,  welche  nicht  auch  von  den  Stobäushandschriften  in  das 
fünfte  Kapitel  gesetzt  wird,  nämlich  Ekl.  5,  54.     Dass  aber  diese 


^  Im  October  1883  hatte  Herr  Dr.  Elter  die  Freundlichkeit  mir 
von  Rom  aus  auf  meine  Anfrage  zu  erwiedern:  *Ein  Excerpt,  das  die 
Gesner'sche  Reihenfolge  der  Eklogen  in  Kap.  1.  8.  δ  wiedergäbe  oder 
stützte,  kenne  ich  nicht;  gerade  diese  Kapitel  sind  in  der  Regel  in  den 
Florilegien  mit  anderen  Quellen  so  untermengt,  dass  eine  Entscheidung 
Über  die  Reihenfolge  in  dem  jeweilig  benutzten  Stobäus  sehr  schwer 
ist.  Indessen  ist  mir  bisher  noch  bei  Keinem  eine  besondere  Ueber- 
einsiimmung  mit  Gesner  aufgefallen*. 


548  Η  e  η  8  e 

Ekloge  dem  Begründer  des  ParaUelenbaches  statt  im  ersten  Et- 
pitel,   wo    sie   nnsere  Stobäaehandechriften  bieten,    viehnebr  in 
fünften  Kapitel  des  StoJ^äne  vorgelegen  bätte,    kann  daraus  nm• 
soweniger  folgen,    als  auch  die  übrigen  Eklogen  jenes  Ifaximsr 
kapitels,    deren  Zarflckfühmng  anf  Stobäns  wenigstens   mSglidi 
ist,   Yon  dem  Verfaeser  des  Parallelenbnebes   oder   dessen,  ββ- 
wäbrsmann  nicbt  nnr  ans  dem  fünften,    sondern  auch  ans  des 
secbsten   nnd   siebzebnten   Kapitel   des   StobKiseben   FlorilegiiB 
zneammengesobrieben  sind..   In  gleieber  Weise  lebrt  die  Znssa- 
menetellnng  bei  Wacbsmntb  Stnd.  p.  158  ff.,  dass  für  Max.  SC, 
Anton.  I  58,  Mel.  Ang.  XLYU  'flor.  Kap.  120.  IIB.  ].  124.  7. 
98.  121.  126   in  buntester  Reibe   berangezogen   sind\    Wii 
nnn  in   dieser  Partie  des  Parallelenbnebes   manche  StobiisAi 
Kapitel  nnr  durch  je  eine  Ekloge  vertreten  sind  (i.  B.  das  enti 
durch  1,  83,  das  siebente  durch  7,  55),    so  kann  anoh  in  j< 
dritten  Kapitel   des  Maximus   die  erwähnte  Ekloge  5,  54 
wohl  allein  aus  dem  ersten  Kapitel  des  StobSus  geflossen  seis» 
eine  Annahme,    die  darch  das  Fehlen  derselben  in  dem  ΛβΛλ 
Kapitel  von  L  nur  begünstigt  wird.     Aber  auch  in  dem  eulgcgsi 
gesetzten,  für  Gesner  denkbar  günstigsten  Falle  würde  nur  fblgi^ 
daRfl  er  bei  der  Vertheilung  dieser  einen  Ekloge,  sei  es  angeregt 
durch  Rcinen  Maximnscodex  oder  durch  Volaterranue  f.  451^  oder 
lediglich   bestiuimt   durch  Reine  Tendenz  die  argumenti  ratio  nr 
Geltung  zu  bringen  (man  sehe  den  Text  von  5,  54),  wenigsten 
das  Kapitel   einmal  richtig   getroffen   hätte.     In  der  Wahl  d«r 
Stelle  innerhalb  des  fünften  Kapitels  würde  er  sich  übrigens  mekr 
durch  VolatcrranuR  haben  beeinflussen  lassen,  insofern  5,  53  foi 
5,  54  hier  nur  durch  eine  Stelle  getrennt  sind,  während  bei  Maxia 
p.  185  R.  Ekl.  5,  54  vorangeht  und  von  5,  53  durch  mehrere  Ekl 
geschieden  ist.    Aber  mehr  noch  als  bei  Maximus  und  Verwandta 
würde  man  bei  Volaterranufl  (s.  oben  p.  370)  fehl  geben,  ¥€β 
man  die  in  seinen  Commentarii  Urbani  benutzte  Stobäushandsclnift 
oder  Stobäischc  Exoerptliandschrift  auch  für  die   von    ihm  gebo- 
tene Reihenfolge  verantwortlich   machen  wollte.     Der  Natnr  der 
Sache  nach  konnte  in  dem  encyklopädischen  Werke  des  Yolatir 
ranus    die  Wahrung    der  Stobüischen  Kapitelfolge    oder   gar  4ff 
Reihenfolge  der  aus  Stohäus  entlehnten  Stellen  nicht  in  BetnÄ 
kommen:    f.  439'"  z.  B.  findet    sich    unter  der  nämlichen  Rubrik 
die  Reihenfolge:  G8,  29.  36.  35.    74,  40  (mit  falschem  L^mm\ 
45.  58   u.  s.  w.,    oi\oT   ΐ.  444'"  (indon    sich   nacheinander  29,  li 
30,  12.    29,  25^.  21.   ^0,  e>.  ^^,  \^..  «^vn^  xv.  ^^,  ^^     Α,ίβο  iw* 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium.      549 

aus  den  bei  Volaterranue  f.  451^  unter  der  Rubrik  De  modestia 
GrcLecorum  Dicta  in  nachstehender   Folge  citirten  Eklogen  5,  2. 

4.  6.  7.  9.  13.  53  α.  s.  w.  lässt  eich  keineswegs  ohne  Weiteres 
ein  Kuckschluss  auf  die  Stobänshandschrift  des  Volaterranus  wagen 
(iU  est  auctor  Stöbeus  in  Collectaneis,  heisst  es  auf  der  nämlichen 
Seite,  wenn  auch  unter  neuem  Absatz)  oder  daraus  eine  hand- 
schriftliche Stütze  des  von  Gesner  auch  für  5,  2.  4.  6.  7  ge- 
wählten fünften  Kapitels  herleiten.  Auch  hier  (f.  451^)  hat  Vo- 
laterranus Stücke  aus  verschiedenen  Kapiteln  unter  der  nämlichen 
Ueberschrift  vereinigt:  neben  Stellen,  die  auch  die  handschrift- 
liche Ueberlieferung  in  dem  Kapitel  περί  (Τ(υφρο(Τύνης  bietet  wie 

5,  9.  13.  53.  123.  75,  wählt  er  auch  Eklogen  aus  anderen  Ka- 
piteln, wie  (abgesehen  jetzt  von  den  schon  erwähnten  Nummern 
5,  2.  4.  6.  7)  auch  5,  54  (erstes  Kapitel);  3,  18  (drittes  Kapitel); 
5,  55  (erstes  Kapitel).  So  gern  man  daher  auch  ein  Wort  wie 
5,  2  Έγώ  b'  oibiv  πρεσβύτερον  νομίίω  τής  σωφροσύνης  έττει 
τοις  άγαθοΐς  άει  Ηύνεστι  mit  Volaterranus  und  Gesner  an  der 
Spitze  des  Kapitels  περί  σωφροσύνης  sähe:  eine  Wiederherstel- 
lung der  Ueberlieferung,  wie  sie  die  Absicht  dieser  Blätter 
ist,  konnte  5,  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8  zunächst  nur  mit  Τ  (ed.  princ. 
p.  19)  in  dem  Kapitel  περί  φρονήσειυς  aufführen.  Die  schon  oben 
(p.  525)  erwähnte  Thatsache,  dass  5,  3  +  4  an  einer  Stelle  des  Voss. 
allerdings  unter  der  Ueberschrift  περ\  σωφροσύνης  auftritt,  aber 
im  Widerspruch  mit  einer  anderen  Stelle  derselben  Handschrift 
und  mit  Froh.  p.  239  f.,  konnte  nicht  aufkommen  gegenüber  dem 
Fehlen  der  betreffenden  Nummern  im  fünften  Kapitel  von  L.  Schon 
für  Volaterranus  mochte  bei  dieden  Anfangsnummem  insbesondere 
dae  Stichwort  massgebend  sein,  entsprechend  den  Worten,  mit 
denen  er  den  Abschnitt  einleitet :  Reliqua  sunt  que  ad  modestiam 
iemperantiamque  pertinent:  quam  graeci  sirmd  et  pudicitiam  uno 
Mocabulo  σακρροσύνην  uocant  magnopereque  commendant.  Gesner 
aber  mochte  dem  ihm  wohlbekannten  Werke  (vgl.  die  Castiga- 
tiones  hinter  der  praef.  zu  Gesn.')  hier  um  so  lieber  folgen,  als 
die  von  ihm  benutzte  (vgl.  Bibl.  Un.  f.  578')  Baseler  Ausgabe 
der  Commentarii  Urbani  (Basil.  1530)  durch  den  Titel  dieses  Ab- 
eohnittes  f.  372^^  noch  besonders  dazu  einlud :  Oe  modestia,  Graecis 
sophrosyne  dicta^  während  die  von  uns  citirte  erste  Ausgabe 
(Bomae  1506)  vielmehr  Oe  modestia  Graecorum  dicta  bietet.  So 
erscheinen  denn  abgesehen  von  3,  18  und  einer  zweifelhaften 
Stelle,  die  sich  bei  Volaterranus  zwischen  6,  53  und  5,  54  findet, 
■ämmtliche    von   Volaterranue    a.  a.  ü.    g^Bamm^W.^  ^\,^>\^\\>  \i^\ 


5βΟ  Η  6  η  s  e 

Geener  im  fünften  Kapitel.  Ans  dem  Geeagten  erhellt:  so  be- 
reitwillig eine  gelegentliche  Beeinfloeeang  ϋ^ββηοτ'β  dnrdi  gno- 
mologische  Exoerptlitteratar  eingerfinmt  werden  mag,  ebea  ao 
einleuchtend  ist,  dass  das  Besoltat  der  ohigen  Unterraohmigea 
dadurch  in  keiner  Weise  alterirt  wird.  Jene•  Besnltat  bleibt 
hestehen,  seihet  wenn  sich  erweisen  Hesse,  dass  Geaner*s  Nei- 
ordnung  durch  dergleichen  Anregungen  in  eimelnen  FKUen  we- 
nigstens auf  das  richtige  Kapitel  geführt  wire. 

Ebensowenig  aber  kann  das  ohige  Besultat  irgend  wie  sl- 
terirt  werden,  wenn  ein  selbstquUerisoher  Zwdfel  argwOfanei 
wollte,  ob  nicht  Gesner  bei  seinem  ordinem  immntare  einer  «n 
heute  verlorenen  fortlaufenden  Stohftushandschrift  eise• 
erheblichen  Einfluss  gestattet  habe.  Sofort  erhellt,  das•  man  ei 
gegenfiher  der  Uehereinstimmnng  der  besten  Quellen  in  eolohea 
Falle  mit  einer  der  Beachtung  nur  unwerthen,  weil  wilikttrliofaea 
Bedaction  zu  thun  hätte.  Nicht  der  Werth,  nur  da•  Alier  dei 
Untersuchungsohjectes  wlirde  in  solchem  Falle  etwas  erhöht  wβ^ 
den,  aber  auch  dies  nur  bedingt,  da  Gesner's  selhsttfaltige•  Bi- 
greifen durch  sein  eigenes  Zeugniss  wie  durch  seine  Ivterpoli- 
tionen  feststeht  und  mithin  yon  einer  irgend  wie  eoneeqmentn 
Wiedergabe  einer  derartigen,  gegenüber  der  sonstigen  üeber 
lieferung  völlig  isolirten  Handschrift  mit  Nichten  die  Rede  sein 
könnte.  In  der  Tbat  aber  bat  eine  derartige  Handschrift  nie- 
mals exietirt.  Unter  den  zahlreichen  Gründen,  die  sich  gegen 
die  Annahme  einer  solchen  erheben,  ist  der  schlagendste  wohl 
die  mit  Fug  wiederholt  hervorgehobene  Beobachtung,  dass  die 
Irrwege  der  Gesner'schen  Neuordnung  nicht  nur  in  dem  von 
Gesner  selbst  ausgesprochenen  Princip  der  argumenti  ratio,  son- 
dern insbesondere  in  dem  auch  uns  controlirbaren  Apparate,  wie 
er  gerade  Gesner  vorlag,  nämlich  in  der  ihm  dunkel  gebliebsnea 
Verwirrung  bei  Trine,  und  dessen  Widerstreit  mit  Μ  ihre  ein- 
fache Erklärung  finden.  Wenn  wir  uns  nichtsdestoweniger  ver 
anlaset  sehen,  bei  dieser  Frage  noch  einen  Augenblick  zu  ver 
weilen,  so  liegt  der  Grund  lediglich  in  einer  gleich  näher  η 
beleuchtenden  Auedrucks  weise  Gesner's,  welche  bei  oberfläch- 
licher Betrachtung  eine  irrthümliche  Vorstellung  von  dem  Tm- 
fange  seiner  Quellen  erwecken  könnte.  Um  einen  derartigeo 
Irrthum  zu  verhüten  und  zugleich  das  Bild  der  Yulgata  eii 
wenig  vollständiger  vorzuführen,  möge  denn  auch  jene  nicht 
ganz  deutliche  AuAdruckeweise  Gesnerie  zum  Schluss  noch  auf 
ihren  wahren  Wert\i  lutücV^^^xvkcX*  ^«t\w!L. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäisohen  Florilegium.      551 

Im  Widerspruch  mit  der  von  den  Geener'schen  Quellen 
bisher  gegebenen  Ansicht  könnte  nämlich  der  Umstand  erscheinen, 
dass  Gesner^  nicht  nur  auf  dem  Titel  von  innurneri  hei  ex  ue- 
tustissimia  codicibus  manuscriptis  emendati  spricht,  sondern  auch 
in  den  Marginalbemerkungen  seiner  Ausgabe  gelegentlich  im 
Plural  auf  quidam  Codices,  guaedam  antigrapha,  cdii  Codices  ver- 
weist. Was  zunächst  die  Angabe  des  Titelblattes  betrifft,  so 
hat  man  für  die  Erklärung  desselben  nicht  nöthig,  den  der  Sitte 
jener  Zeit  gemäss  ruhmredig  anpreisenden  Ton  desselben  in  An- 
schlag zu  bringen,  auch  rein  wörtlich  genommen  durfte  Gesner 
von  uetusiissimi  Codices  manuscripti  sprechen,  insofern  nämlich 
neben  der  Fülle  des  aus  Μ  neu  hinzukommenden  Materials  auch 
für  die  zweite  Ausgabe  das  fragm.  Opor.  in  Geltung  blieb,  dem 
er  wie  die  praef.  zur  ersten  Ausgabe  und  auch  Bibl.  Un.  f.  456' 
lehren,  freilich  mit  Unrecht  einen  erheblichen  Werth  beimass. 
In  dem  nämlichen  Sinne  spricht  er  sich  denn  auch  in  den  Pan- 
dectae  (Tig.  1548)  f.  28'  aus :  breui  Herum  ad  uelusta  tnanuscripia 
exemplaria  infinitis  locis  castigatos  et  auetos  dabimus  (nämlich 
Stobaei  locos  communes),  eine  Stelle,  durch  welche  zugleich  der 
Superlativ  uetusiissimi  Codices  sich  als  Titelreclame  verräth. 
Für  die  wenigen  Stellen  aber,  wo  der  margo  Gesneri^  ausdrück- 
lich auf  Codices  quidam  Bezug  nimmt  (wenn  einer  wiederholten 
Durchsicht  nichts  entgangen  ist,  geschieht  es  fünfmal),  gibt  es 
eine  nicht  minder  einfache  Erklärung.  Ekl.  3,  80  bemerkt  Gesn.^ 
in  den  Nachträgen  hinter  der  praef.  zu  den  Worten  Treivujv  5p- 
μο£€  (ν.  Ι  ρ.  114,25  Gaisf.):  non  video  quo  sensu  dicatur^  et  in 
quümsdam  codicibus  non  legitur,  was  er  in  der  dritten  Ausgabe 
p.  47  so  abänderte:  obscura  haec  sunt,  et  in  quibusdam  codicibus 
non  leguntur.  Jene  Worte,  auf  welche  sich  die  Bemerkung  be- 
zieht, finden  sich  in  Μ  (und  A,  wo  πεινών  statt  πείνων),  sie 
fehlen  {non  leguntur)  bei  Trine,  p.  45.  Unter  den  quidam  Codices 
ist  hier  also  zunächst  der  ^archetypus^  der  ed.  princ,  wie  sich 
die  praef.  zu  Gesner's  erster  Ausgabe  einmal  ausdrückt,  zu  ver- 
stehen, und  da  das  fragm.  Oporini  'aliquot  sermones  priores* 
enthielt,  wohl  auch  dieses.  Die  ed.  princ.  also  zählt  Gesner  als 
codex,  gerade  wie  er  in  der  praef.  zu  seiner  ersten  Ausgabe  in 
gleicher  Anwendung  schreibt:  aliquot  inde  (d.  h.  aus  Phavorinus 
Camers)  etiam  nostri  codicis  (d.  h.  Trine.)  locos  emendauimus,  oder 
deutlicher  p.  152  erster  Ausgabe:  Haec  in  codice  Venetiis  im- 
presso (d.  i.  Trine.)  corrupte  leguntur,  oder  wie  er  von  Codices 
impressi  ed.  alt.  p.  454  zu  Ekl.  79  (=  77  Geeu.^),  δ  V.  ^  %^χ\λ^λ 


662  Hense 

d.  h.  Yon  den  Enripideeansgaben  seiner  Zeit,  und  sonst.  Znr  Beclit- 
fertignng  der  Anwendung  des  Ansdmcks  codex  auf  die  ed.  prino. 
bedarf  es  also  nicht  einmal  der  Annahme,  dass  Gtesner  während 
seines  Aufenthalts  in  Venedig  (1548:  s.  M.  Schanz,  Zeitschrift 
ffir  die  ö.  G.  1884  p.  168)  den  der  ed.  princ.  an  Gmnde  lie- 
genden cod.  Marc,  vielleicht  selbst  kennen  gelernt  hatte  ^:  diu 
die  ed.  princ.  als  codex  zu  nehmen  sei,  verstand  sich  ihm  von 
selbst.  Aber  wie  steht  es  mit  dem  Plural  in  quibuedam  eodidr 
bu8?  Mag  auch  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Heranaiehaig 
des  fragm.  Oporini  gestattet  sein,  an  einer  anderen  Stelle  handelt 
es  sich  nicht  mehr  um  die  'aliquot  sermones  priores*.  EU.  74 
(=  72  Gesn.'),  65  heisst  es  Gesn.'  p.  447  zu  den  Worten  ή  κοα 
παΐοας  —  ό  νόμος:  obscura  suntj  et  in  quibusdam  otdiffra^kM 
tum  habentur^  und  wiederum  geht  die  Bemerkung  auf  Trine.,  wo 
(p.  422)  die  Worte  ausgelassen  sind.  So  weit  ich  sehe,  l&nt 
dieser  Pluralis  nur  eine  der  beiden  Erklftrungen  zu:  entweder 
kannte  Gesner  in  der  That  noch  einen  anderen  GodeZy  der  dann 
der  T-Becension  angehörte,  oder  er  bediente  sich  des  Pluralis  ia 
generalisirendem  Sinne,  indem  er  den  Codex  der  ed.  princ  ab 
den  Vertreter  einer  ganzen  Sippe  von  Handschriften  anffasste. 
Welche  dieser  beiden  Erklärungen  aber  die  zutreffende  ist,  lehren 
diejenigen  Stellen,  wo  in  einem  derartigen  Plural  von  Μ  gespro- 
chen wird.  In  dem  Kapitel  trepl  διαβολής  42  (=  40  Gesn.*),  14. 
15  bemerkt  Gesn.^  p.  239:  Graecum  eaemplar  corruptum  est:  d 
in  caemplaribiis  qulbusdam  prarsus  non  leguntur  haec:  er  meint 
M,  wo  42,  14.  15  fehlen.  Zu  dem  Kapitel  περί  πολιτείας  43 
(=41  Geen.^,  121  heiest  es  p.  265  f.:  Paulo  posf  quid  sit  igno- 
rantia  ista  et  dissensio  apud  Platonem  statim  ante  hunc  locum 
plurihus  tractaiur:  quae  et  ipsa  in  aliis  Sfehaei  codicibtis  adscripia 
sunt  ab  hoc  initio  φαμέν  bk  bi\  νυν  καθ'  6bov  έόντες  (so).  D.  h. 
Gesner  fand  in  Μ  vor  den  Worten  τους  bi  τουναντίον  ίχοντας 
τούτων  noch  die  längere  Stelle  Φαμέν  bk  bi\  νυν  bis  6ιαπ€πο- 
νημένοι  δτταντα  (ν.  II  ρ.  130,  2—32  Mein.);  er  notirt  die« 
wenigstens,  ohne  die  Worte  dem  Texte  einzuverleiben.  Gaisford 
fügte  sie  später  aus  Α  wirklich  hinzu.  Nicht  andere  steht  es 
endlich  mit  der  von  Waclismuth  Stud.  p.  49  berührten  Notiz 
zum  Anfange  von  Tit.  81  (=  79  Gesn.^).     Gresner  p.  468  bemerkt 

^  Unter  deu  Bibliotheken,    deren  Kataloge   er  für  die  Bibl.  Un. 
benutzte,    nennt  Gesner  auch  die  SS.  loannis  et  Pauli,    und   vom  cod. 
Jliarc.  sagt  später  Scbow   (^G^iftf.  praef.)   y.  LXXIX:  quo  Venetiie  ueui 
Bum  quique  nuper  in  moniialmo  λ.  Yowcvm^  vä.  "^w^x  ^^\\νλ1. 


Die  Reihenfolge  der  £klogen  im  Stobäischen  Florilegium.      558 

zu  dem  in  der  zweiten  wie  in  der  ersten  Ausgabe  ans  Trine, 
p.  444  beibehaltenen  Titel  irepi  γραμμάτων:  De  phüosophia  uide 
etiam  in  praecedenti  aermone  de  diis,  Cohacrä  autem  hie  iüi  in 
antigraphis  nannuUis  tamjuam  umis  sermo.  Auch  hier  ist  nur  Μ 
gemeint,  wo  Kapitel  81  ohne  Kapitelüberschrift  und  Numerirung 
mit  dem  vorhergehenden  zusammenhängt  (f.  261'),  gerade  wie 
hier  Tit.  80  (f.  259^)  ohne  Aufschrift  und  Numerirung,  letzterer 
sogar  ohne  Bubrication  und  vorausgehende  grössere  Interpunction 
mit  dem  Schlüsse  von  Tit.  79  verbunden  ist  ^     Es   ist   klar,    in 


*  Von  einem  Titel  zu  80  π€ρΙ  ecuiv  καΐ  επιστημών  καΐ  γραμμάτων 
findet  sich  also  Nichte  in  M.  In  dem  in  mehrfaeher  Beziehung  inter- 
eesanten  Kapitelvcrzoichniss  auf  den  beiden  nicht  numerirten  Perga- 
mentblättem  zu  Anfang  von  Μ  finden  sich  dementsprechend  die  Titel 
et  οτι  χρή  τους  γονείς  κτέ  und  οη'  οποίους  τινάς  χρή  €ΐναι  τους  πα- 
τέρας κτέ.  unmittelbar  hintereinander.  In  Α  liest  man  vor  SO  f.  156^ 
keine  neue  Kapitelzahl,  dagegen  den  Titel  περί  Ocuiv  καΐ  επιστημών  καΐ 

τ 

b\ak€K  (?);  dann  wird  f.  Ιδβ*•  ohne  neuen  Titel  oder  Zahl  mit  Kap.  81 
fortgefahren,  dann  f.  160'  ohne  Numerirung  €ΐς  τό  εναντίον,  f.  160^ 
mit  ot  οποίους  τινάς  κτέ.  entsprechend  dem  οζ  von  οτι  χρή  τους  γο- 
νείς κτ^.  Im  Hinblick  auf  die  Darlegungen  Wachsmuth's  ist  von  In- 
teresse ferner  der  Umstand,  dass  in  einer  der  Oxford  er  Handschriften 
ood.  Can.  Gr.  69  das  Kapitel  π€ρΙ  θ€ών  überhaupt  fehlt  (ordo  capitu- 
lorum  idem  atquc  in  ed.  Trincavelliana,  ita  tamen  .  .  .  ut  capitulum 
π€ρΙ  θ€ών  omnino  desit  schreibt  mir  Bywater).  Nach  alledem  erscheint 
der  aus  Gesn.^  p.  465  von  Gaisford  und  Meineke  übernommene  Titel 
π€ρΙ  θ€ών  καΐ  τής  π€ρΙ  τόν  ούρανόν  καΐ  κόσμον  φυσιολογίας, 
dessen  Unzulänglichkeit  Wachsmuth  Stud.  ρ.  60  beleuchtete,  als  eine 
Fiction  Gesner's.  Der  ihm  durch  Trine,  überlieferte  Titel  π€ρΙ  θ€ών 
wurde  von  ihm  erweitert,  da  er  ihn  als  unzureichend  erkannte.  In 
der  üben  mitgetheilten  Bemerkung  zu  Tit.  81  (=79  Gesn.^)  citirt  er 
selbst  nur  in  praecedenti  sermone  de  diist  während  sich  der  Aus- 
druck De  philosophia  uide  etiam  wieder  als  ihm  angehörig  kenn- 
zeichnet. Wie  wenig  Gesnor  Bedenken  trug  auch  in  den  Titeln  inter- 
polirend  einzugreifen,  dafür  lässt  sich  mehr  als  ein  Beispiel  anführen. 
Der  schon  von  Grotius  beanstandete  Titel  π€ρΙ  μικροψυχίας  ist  seine 
eigene  Erfindung,  er  nimmt  ihn  in  den  Text  und  in  seinen  Index  sogar 
mit  eigener  Numerirung  auf.  Als  den  Generaltitel  der  zweiten  Aus- 
gabe lässt  er  wie  in  der  ersten  Ausgabe  mit  Trine.  Ιωάννου  τοΟ  Στο- 
βαίου έκλογαΐ  άποφθ€γμάτων  καΐ  υποθηκών  bestehen,  während  er  in 
Μ  las  Ιωάννου  τοΟ  στωβαίου  εκλογών  άποφθ€γμάτων  καΐ  υποθηκών 
κ€ς>άλαια  (mit  Abbrev.)  ρκβ'.  Vor  dem  Beginne  des  Pergaments  finden 
sich  nämlich  in  Μ  vier  Papierfolien,  von  denen  die  Rückseite  des  vierten, 
jetzt  losgelösten,  unter  anderem  diesen  Titel  b\et(^\..   I^^Vv^t^^  i^^^  v:^ 


den  drei  znletzt  vorgeführt« ο  Fällen  steht  ηι&η  ht Deich tlich  Κ 
vor  derselben  Alternative  wie  oben  bineichtlich  Trine. :  cDtweda 
wnr  Geener  wirklich  nech  eine  andere  üandecbriCl  ala  H  ini 
Hand,  und  dann  geborte  dieselbe  nnsweifelhaft  kq  der  Sippe  Jt.^; 
odfr  der  Plural  itit  nur  der  ein  wenig  laxe  Auedraok  der  rich- 
tigen Vorstellung,  daes  Μ  nicht  vereinzelt,  sondern  als  der  Ver 
treter  einer  bestimmten  Handschriften  kl  asse  anzusehen  sei.  Gegen- 
über der  ereteren  Erklärung  würden  sich  gewichtige  Bedenken 
erheben:  nicht  nur  daes  jedes  nähere  Signalement  einee  weiterfn 
Exemplare  der  Sippe  ΉΑ  bei  Geener  yermiset  wird,  auch  an 
Aufheben  welches  Geener'»  praefatio  von  Μ  macht,  würde  in 
solchem  Falle  wenig  verständlich  sein.  Sicherlich  aber  wäre  die 
Keihenfolge  der  Eklogen  die  nämliche  wie  in  Μ  gewesen,  Dsm 
sich  dagegen  die  Yoretellung  von  der  generellen  Bedeatnng  vcn 
Μ  einerseits  und  Trine,  andererseits  Geener  im  Verlaofe  seinci 
Werkes  gelegentlich  aufdrängte  und  in  der  margtniüen  Kfint 
jenes  l'lural  zum  Ausdruck  gelangte,  dies  wird  man  um  so  natu- 
lieber  finden,  aU  die  besondere  für  die  Anfangspartie  in  Bestand 
nnd  Anordnung  (zumal  in  Geener'e  Augen)  eo  erhebliche  Diffcrem 
zwischen  Trine,  und  M,  sowie  andererseits  die  U  eberein  Stimmung 
doR  fragm.  Oporini  mit  Trine,  einer  derartigen  Aoffaseung  diu 
günstig  war.  —  Wenn  Gesner  endlich  auch  Bibl.  Un.  f.  450' 
von  e,Tem)ilaria  des  Stobiius  spricht  unae  nos  Kidimus,  eu  erkliil 
flieh  dieser  Plural  gleich  auf  der  nämlichen  Seite  durch  die  Notii, 
daes  er  inzwischen  auch  den  cod.  Μ  kennen  gelernt  hat.  Was 
er  hier  bemerkt,  nümlioh  dass  die  ihm  ans  iijnidas  bekannte  Ein- 
theilung  des  Stobäisohen  Werkes  in  vier  Bücher  durch  die  ihm 
zugänglichen  exemplaria  nicht  geboten  werde,  lindet  seine  An- 
wendung sowohl  auf  Trine,  wie  anf  Ή,  Quanquam  autcm  crm- 
plaria,  heisst  es,  quae  nos  nidmvs  non  exprcssc  disHnguanfw  m 
qualuor  Ubros,  fragmenlum  tarnen  manuecriptum,  quo  pritni  aligwil 
icrmones  contmeitttir,  loan.  Üporinus  noslcr  holet,  cuius  inilto  ad- 
seribilur  βιβλίον  α'.  Die  diesen  Worten  zn  Gmnde  liegende  miss- 
verständliehe  Beziehung  der  vier  Bücher  auf  das  jetst  sogen. 
Florilegium  statt  auf  das  ganze  Werk  nnd  die  nicht  Stobiisctie 
Eintheilung  in  dem  fragm.  Oporini  sind  an  anderer  Stelle  (p.  374] 
beleuchtet  worden,  hier  inleressirt  die  Coneeqnenz,    daes  G«ener, 

darüber  an  anderer  Stelle.  Inconsequent  und  in  anderer  Beiiehang  will- 
kürliab  ist  dann  wieder  bei  Gesner  der  auf  p.  1  vor  dem  eraten  Kapitel 
gegebene  Titel,   übet  den  £VWr  ».  ».  ü.  v-iÄ  ■a.'l  «u^^Lvejdifi&iiMerte. 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  StobaischeD  Florileginm.      556 

wenn  er  etwa  bis  znm  Jahre  1545,  in  welchem  die  fiibl.  ün.  er- 
schien, wirklich  noch  ein  anderes  ^exemplar'  des  Stohäus  ansser 
Μ  Trine,  und  dem  fragm.  Opor.  kennen  gelernt  hätte,  dieses  sich 
mit  dem  uns  hente  bekannten  S  nicht  messen  könnte,  insofern 
bekanntlich  in  letzterem  ein  Zeugniss  für  die  ursprüngliche  Ein- 
theilnng  des  Oesammtwerkes  in  vier  Bücher  bewahrt  ist.  Auch 
hier  würde  man  also  nur  auf  ein  anderes  Exemplar  der  Klasse 
Τ  oder  MA  stossen.  Aber  angesichts  der  völlig  zwanglosen  Be- 
ziehung des  Ausdrucks  exemplaria  auf  Trine,  und  Μ  und  in  Er- 
wägung des  ausgesprochen  gelehrten  Zweckes  der  Bibl.  Un.  hat 
man  vielmehr  mit  allem  Fug  zu  schliessen:  Oesner  hatte  zu- 
nächst bis  zum  Jahre  1545  keine  andere  Handschrift  als  Μ  kennen 
gelernt.  Unzweifelhaft  würde  er  sie  sonst  in  seinem  encyklo- 
pädischen  Werke  erwähnt  haben.  Die  Art,  wie  er  das  Fragment 
des  Oporinus  wieder  hervorkehrt,  kann  diesen  Schluss  nur  be- 
kräftigen, nicht  minder  die  Grewissenhaftigkeit,  mit  welcher  er 
auf  derselben  »Seite  über  seine  inzwischen  erfolgte  Bekanntschaft 
mit  Μ  referirt.  Nach  Empfehlung  seiner  ersten  Ausgabe  sagt  er: 
Hoc  non  dissmtüabo  me  post  opus  tarn  aediium  manuscriptuin  co- 
dicem  nactum  esse  ex  insfructissima  bibliotheca  D.  Diegi  Hurtadi 
α  Mendozza  iUustris  apud  Uenetos  Caesareae  maiest.  legatif  ubi  et 
casiigatius  mtdfa  legebantur,  et  plura  etiam  in  locis  ηση  paucis^  prae- 
sertim  ex  Piatone  et  Xenophonte  adiecta  erant:  sed  ea  nimis  prolixe: 
contra  uero  tmdta  deerant,  qtiae  in  impressis  leguntur,  Uerum  (üias^ 
nt  spero^  dabitur  occasio  amplius  hoc  de  re  disserendh  et  quod  desy- 
deratur  supplendi  ^.  Das  Versprechen,  welches  die  letzten  Worte 
enthalten,  hat  die  ed.  sec.  1549  und  deren  praefatio  wenn  auch 
mehr  hinsichtlich  des  supplere  als  des  amplius  disserere  eingelöst. 
Auch  hier  ist,  wie  bekannt,  von  keinem  anderen  als  von  dem  cod. 


^  Als  Gesner  die  Bibl.  Un.  schrieb,  hatte  er  noch  im  Sinne  die 
Collation  des  Μ  sowie  andere  Addenda  zur  ersten  Ausgabe  nachtrag- 
lich besonders  herauszugeben.  Bibl.  Un.  unter  Conradus  Gesnerus 
sagt  er  f.  182^  hinsichtlich  der  ersten  Aasgabe:  Super  sunt  tarnen  adhue 
non  pauca,  quae  calci  uoluminis  culiicienda  me  absente  in  Itnlia  typo- 
graphorum  incuria  omisit:  sed  cum  tüa,  tum  ueterum  exemplarium  cot- 
lationcs  breui  fortassis  aedentur  separatim:  ein  Plan  der  dann  durch 
die  editio  secunda  verdrängt  wurde.  Die  in  den  eben  citirten  Worten 
erwähnten  ueterum  exemplarium  collationes  beziehen  sich  vornehmlich 
aber  nicht  ausschliesslich  auf  M,  daneben  kommen  nicht  nur  Trine, 
das  fragfm.  Opor.,  Frob.,  Phavorinus  Gamers,  Volaterranus  in  Betnw' 
sondern  auch  die  Ausgaben  der  damals  ed\rt«ii  ^<^tit\l\«\^^« 


) 


Mend.  die  Kede.  Wenn  aber  Geaner  in  der  Bibl.  Un.,  kam-l 
zwei  Jahre  nach  dem  Ereclicinen  seiner  ersten  Attegabe  gewieeen- 
haft  genug  im,  den  ood.  Mend.  auafübrlicb  zu  erwähnen,  durch 
den  er  den  Werth  Heiner  ersten  Ausgabe  nothwendig  herabeeUti', 
mueste  er  dann  in  der  praefatio  zn  eeiuer  zweiten  Anitgabe 
nicht  doppelt  die  Nölhigunc  empfinden,  wenigstene  dieser  Ans- 
gäbe  jede  mögliebe  Empfehlung  durch  einen  vollständigen  Ein- 
weis  auf  dae  hier  zum  ernten  Male  benutzte  hand§chrif:liohe 
Maleria]  auf  den  Weg  zu  geben'i'  Und  würde  er  vollends  von 
einer  HandRchrift  gesehwiegen  haben,  die  ihm  in  der  ihn  hüch- 
lich  intereesirenden  Frage  der  Heihenfolge  eine  Führerin  gewesen 
wäre?  Man  sieht,  alles  drüngt  zu  dem  entscheidenden  Schlnsse: 
auuh  bis  ium  Jahre  1549  oder  vielmehr  bis  zum  Jahre  154iS,  in 
welchem  die  ed.  sec,  bereits  unter  der  Presse  war  (vgl.  Pandect. 
hinter  der  praef. :  eadem  [naml.  Slobati  cotlectanea]  nunc  Herum 
snb  praeto  sunl  multo  casligatiora  locupleltt/raqne)  hatte  Liesner 
von  St  ob  äushand  Schriften  (abgesehen  von  dem  fragm.  Opor.)  nat 
den  ood.  Kend.  kennen  gelernt. 

Die  Prüfung  der  Vulgata  und  ihres  Verhältuiseee  zn  Be- 
stand und  Reihenfolge  der  band  schriftlichen  Ueberliefening  war  die 
Aufgabe  dieser  Abhandlung,  nichts  weiter.  Es  sind  oben  (p.  388) 
die  Gründe  dargelegt  worden,  wesslialb  bei  dieser  Fragesteilung  der 
Sippe  MÄ  der  Vortritt  gebührte.  Τ  bot  zwar  das  dritte,  vierte 
und  einen  grossen  Theil  des  ersten  und  fünften  Kapitels,  aber 
zumal  letitere  in  einer  Verfasenng,  welche  aufzubellen  und  in 
ihrem  eigentlichen  Werthe  zu  erweisen  erst  gelingen  konnte  durch 
die  von  UA  vorangetragene  Leuchte.  L  hat  innerhalb  des  Rah- 
mens der  hier  wenn  nicht  au ssobli esslich  so  doch  vornehmlich 
in  Frage  gekommenen  Kapitel  überhaupt  nur  daa  fünfte  and 
sechste,  Br  mehr  oder  weniger  ausgiebige  Excerpte,  Ganz  an- 
ders nun  gestaltet  sich  das  Verhältniss  bei  der  höheren  Frage 
nach  der  Rangfolge  und  Stellung,  welche  diese  Handschriften 
gegen  einander  einzunehmen  haben.  Man  darf  erwarten,  dast 
abgesehen  von  Br,  wo  die  gelegentliche  Willkür  des  Excerptore 
nicht  zu  überseben  ist,  der  höhere  Werth  der  einen  oder  der 
anderen  Quelle  mit  der  grösseren  Annäherung  an  die  von  Stu- 
bäas  gebotene  Reihenfolge  ungefähr  Schritt  hält.  Es  sei  in  dieser 
Richtung  zum  Schlüsse  wenigstens  auf  ein  wichtiges  Moment 
hingewiesen.  Die  Gewohnheit  des  Stubäus,  mehrere  Eklogen  des 
nämlichen  Autors  oder  Schriftstückes  unmittelbar  nach  einander 
Forzu/ühren,  tritt  in  der  von  L  ςβ\ίο\«.\νβ'Β'¥Ιώιι%%\Α(ΐ\ι^%  4%r  fünften 


Die  Reihenfolge  der  Eklogen  im  Stobäischen  Florilegium.      557 

nnd  sechsten  Kapitels  ungleich  stärker  hervor  als  in  MA  T,  wie 
dies  eine  darauf  zielende  Controle  der  Stob.  fl.  exe.  Br.  p.  15  ff. 
mitgetheilten  Tabellen  oder  der  obigen  auf  das  angenscheinlichste 
darthnt.  Prüft  man  ferner  MA  gegenüber  Τ  in  der  bezeichneten 
Richtung,  so  müssen  jene  auch  vor  diesem  noch  die  Segel  strei- 
chen, trotz  der  nahen  Verwandtschaft  des  Archetypus  von  Μ  Α 
mit  Τ.  Die  nachweisbaren  Beispielci  welche  im  Einzelnen  vor- 
zuführen hier  nicht  der  Ort  ist,  erhalten  eine  erhöhte  Bedeutnng, 
wenn  man,  wie  billig,  nicht  ausser  Erwägung  lässt,  dass  uns  Τ 
nur  in  späten  und  verkümmerten  Abkömmlingen  vorliegt.  Der 
sich  somit  ergebenden  Rangfolge  L,  T,  Μ  Α  entspricht  nun  in 
der  That  die  aus  anderen  Erwägungen  resultirende  Schätzung 
dieser  Handschriften.  Alter  und  Bedeutung  der  in  flor.  Laur.  be- 
nützten Stobäushandschrift  d.  h.  von  L  bedarf  hier  nicht  aber- 
maliger Erörterung;  Τ  steht  zu  der  weitaus  ältesten  und  besten 
Handschrift  des  bereits  getrennt  überlieferten  '  Florilegium'  d.  h. 
zu  dem  in  das  elfte  Jahrhundert  zu  setzenden  S  in  der  aller- 
nahesten  Beziehung,  während  der  ältere  Vertreter  der  Sippe  MA, 
d.  i.  Μ  sicher  erst  dem  zwölften  Jahrhundert  angehört.  Die  vor- 
liegende Untersuchung  hatte  den  Irrgängen  der  Vulgata  an  der 
Hand  ihrer  eigenen  Quellen  nachzugehen,  eine  nunmehr  zu  freierem 
Ausblick  gelangte  Forschung  hat  die  Rangfolge  L  S(T)  Μ  Α  in 
ihre  Rechte  einzusetzen.  Die  nähere  Beleuchtung  des  gegensei- 
tigen Verhältnisses  dieser  und  anderer  Quellen,  soweit  der  Gang 
der  obigen  Untersuchung  sie  nicht  schon  erheischte,  bleibt  spä- 
teren Grelegenheiten  vorbehalten. 

Freiburg  i.  B.  Otto  Hense. 


> 


Oskische  Helnanfschrift. 


j>j-3<^:J/'^-.  --\> 


Herrn  Max  Fraenkel  gebührt  das  Verdienet,  daee  wir  im 
Stande  sind  den  Lesern  diese  neue  italieche  Inschrift  mitzutheilen, 
welche  nicht  bloss  den  Bestand  von  Sprachformen  vermehrt,  son- 
dern dem  Anschein  nach  anch  geschichtliche  Bedeutung  hat.  Hr. 
Fraenkel  schickt  —  ich  setze  seine  eigenen  Worte  her  —  *Ab• 
Schrift  und  Abklatsch  einer,  so  viel  ich  sehen  kann,  oskischen 
Inschrift  in  griechischem  Alphabet,  die  sich  auf  einem  Helm  be- 
findet, der  seit  kurzem  im  Antik enkabinet  zu  Wien  ist.  Ich  fand 
den  Helm  mit  der  Inschrift  in  dem  Auctionskatalog  einer  Wiener 
Privatsammlung  (von  Koller)  photographisch  abgebildet,  und  da 
nicht  genau  zu  erkennen  war,  welcher  Art  die  Inschrift  —  sie 
war  auch  nicht  vollständig  photographirt  —  bat  ich  Herrn  Dr. 
von  Domaszewski  in  Wien,  dort  nach  dem  Verbleib  des  Helmes 
zu  forschen,  der  mir  das  Ihnen  hiermit  zugehende  Material  über- 
sandt  hat  mit  der  Nachricht,  dass  die  Publication  gestattet  ist'. 
Auf  meine  Frage  nach  der  Form  des  Helmes  antwortet  er  mit 
einer  Skizze,  welche  eine  einfache  spitzzulaufende  Kappe  ohne 
Schirm  und  Bügel  darstellt,  die  Inschrift  stehe  am  unteren  Rande, 
eine  genaue  Abbildung  würde  für  das  Räthsel  der  Inschrift  wohl 
nichts  weiter  ergeben.  Xach  dem  Abklatsch  ist  mittels  einer  von 
Hrn.  Franz  Winter  freundlich  besorgten  Zeichnung  das  Facsimile 
gemacht,  welches  von  dem  Schriftcharakter  die  nöthige  Vorstel- 
lung geben  kann.  Zeile  1  hat  eine  Länge  von  9Y2,  Z.  2  von 
11  cm,    der  höchste  der  Buchstaben  i  eine  Höhe  von  1  cm. 

Das  Museum  zu  Palermo  besitzt  einen  aus  Grossgriechen- 
land stammenden  Helm  mit  oskischer  Inschrift  in  griech.  Alphabet 
linksläufig,  welche  nur  Namen  und  Weihung  bezeugt:  τρ€βΐ(7 
σεστεσ  bebej  (Zwetajeif  syll.  Ose.  154,  Tafel  18,  13):  im  Wiener 
Helm  erhalten  wir  dazu  ein  Seitenstück,  das  in  denselben  Ge- 
genden gefunden  sein  wird,  das  aber  auch  den  Anlass  der  Wei- 
sung   erwähnt.      Oskische    Denkmäler    in    griech.    rechtsläufiger 


Oekisohe  Helmaufechrift.  659 

Schrift  fanden  eich  mehrere,  za  Anzi  und  Diano  in  Lncanien,  bei 
den  Bmttiern  und  Mamertinern.  Die  Lesung  ist  keinem  Zweifel 
unterworfen:  σαιπινσ:  ανα  ακετ  |  σπε^ισ:  μαμερεκιεσ: 
Das  ganz  punktirte,  einem  grösseren  rechteläufigen  S  gleiche  Zei- 
chen Z.  1  gehört  offenbar  nicht  zu  den  Buchstaben  der  Inschrift; 
sollte  nicht  auch  auf  dem  Helm  von  Palermo  das  S  zwischen 
<Τ-ε<Ττε<Τ,  welches  mit  der  übrigen  Schrift  contrastirt,  welches 
man  in  die  Inschrift  einbezogen  hat,  indem  man  las  τρεβκτ  (Τ. 
8ε<Ττε<Τ  und  erklärte  Trehius  Seati  f.  SexHus,  obgleich  die  Osker 
den  Yatemamen  nicht  nach  dem  Pränomen,  sondern  hinter  das 
Nomen  stellen,  sollte  dies  nicht  das  gleiche  Zeichen  wie  auf  un- 
serem Helm  und  aus  dem  inschriftlichen  Text  auszuscheiden  sein? 
Hier  αναακετ  in  έΐη  Wort  zusammenzufassen  wurde  ich  ebenfalls 
graphisch  für  erlaubt  halten,  wenn  damit  ein  befriedigender  Sinn 
gewonnen  werden  könnte. 

Dass  die  Sprache  der  neuen  Urkunde  oskisch,  ist  gesichert 
durch  die  Namen  der  zweiten  Zeile  und  deren  Lautformen:  lat. 
Spedius  MamerciuSj  beide  Namen  häufig  in  oskischen  Landen 
(CIL.  IX  und  X),  letzterer  abgeleitet  von  den  gerade  auf  die 
Osker  zurückgeführten  Mtimereus^  Mamern,  ersterer  hier  Vorname 
wie  Trebins  und  Yibius  sowohl  Individual-  als  Oeschlechtsnamen 
sind,  wohl  identisch  mit  Σπέν^ιος,  Namen  des  den  libyschen 
Krieg  führenden  Campaners  bei  Polybios  1,  69  ff.  und  Spendia, 
Die  Endung  des  Pränomen  ist  bloss  'is  nach  der  Regel  des  Oski- 
schen (z.  B.  Pakis  KluvaUia  Zwet.  50),  die  des  Nomen  voller  -ies 
wie  πομΐΓΓΐε(Τ  Zwe);.  160,  οπιε(Τ  144,  Äfariea  u.  a.,  woraus  dann 
in  nationaler  Schrift  -üs  ward  und  -«t5,  die  gewöhnlichen  En- 
dungen der  Nomina  {AtiniiSy  Staiiis),  Im  Oskischen  pflegen  r 
und  k  oder  g  nicht  verbunden  sondern  durch  Yocal,  den  vor  dem 
r  angegebenen  Stimmton,  auseinander  gelegt  zu  werden,  um  nur 
sicherste  Beispiele  anzuführen,  Hereklels  neben  lat.  hercle,  aml• 
rieatud  neben  lat.  MircurioSf  aragetud  lat.  argento:  also  acht  os- 
kisch Mamerekies  statt  Mamerkios.  Vor  den  Eigennamen  steht 
ακετ,  durch  die  Endung  als  Yerbum  kenntlich,  wie  behex  für 
späteres  deded.  Die  bantische  Tafel  (Zwet.  142)  hat  Z.  24  acum 
für  lat.  ageret  und  ich  meine  auch  andere  Spuren  aufgewiesen  zu 
haben  (Umbr.  .p.  30  und  127),  wonach  Samniter  und  mehr  Ita* 
liker  den  Guttural  des  Stammes  ag•  verhärtet  haben.  Nach  Ana- 
logie von  fak'  Perf.  fefak-  bildeten  die  Osker  von  äk-  Perf.  oak- 
oder  einfach  aket,  das  ich  also  mit  lat.  egü  gleiche.  Dieser  Aus- 
druck musste  in  Yorgehendem  begründet,  daraus  verständlich  sein. 


ϊ 


660  ßuoclioler  OHkiechp  llelmaufHchrift. 

Vorauf  geht  öarnivd,  sioher  Nominativ  Sing.  MaRc.  wie  BatUm 
lat.  Bnntinus,  uml  ανα,  welches  Uh  eben  jener  mUnnlichen  Form 
wegen  nicht  mit  ακετ  zneammen  als  άνήγβγΕν,  nntrapil,  BondprD 
gleichrallH  fiir  Nom,  Sing,  eincB  männliclien  e-Stammes  nelime, 
wie  KweifelloH  Santia  der  kahlköpfigen  Figur  mit  Maeke  auf  einer 
Vatie  beigeHchrieben  (Zwet.  138}  dem  komiocheii  Ξανθίας  entepricbt, 
BO  dasH  ava  mit  σαιπινσ  wie  Adjectiv  und  Substantiv  sieb  io- 
eanimenfügt,  nach  Art  des  homerieithen  χρύίΤίος  πόρκης.  Den 
Werth  von  nwn  etymologiecb  zu  bestimmen,  genauer  aln  der  Hi-lm 
es  thut  nnd  die  η  ma  tob  ende»  W'irter,  mögen  Andere  eich  getrauen: 
inr  Anknüpfung  bietet  eich  dar  lat,  αηκ$  Ring,  von  Natur  run- 
des oder  künetliuh  /um  Kreie  gentaltetee  Hing,  wie  die  Miiniiunjr 
de*  Aftern  gr,  δακτύλιος,  oder  eine  FenBel  am  Kurs  wovon  aiialm 
wer  PuBsschellen  trägt  (Philos,);  uIh  Netzwerk  und  Gestrick  ist  J*r 
Helm  gedacbt  in  casiis,  in  ffalea  als  Hanbe  oder  Kappe,  als  eine  Λτΐ 
AmhoB  in  cudo.  Ich  verstehe  das  Ganze  ungefähr  ito:  Saepiva 
praeda,  egit  Spedius  Slatnercius,  dass  der  Helm  von  Säpinnn  er 
beutet,  Erinnerungszeichen  an  Kriegefahrt  nnd  λαφυρατωτΐα  des 
Mamerciufl  war,  in  dem  Sinn,  in  welchem  römische  Feldherren  eof 
Stücke  Ihrer  Beute  Ilinnad  oder  Ambracia  cepil  schrieben,  Saipitm 
auf  dii•  bokrtNiite  i^t^dt  SaiiDiiums  /.u  be/.ipbi-ii,  -ihwobl  die  UxU-mi-r 
zu  Saepimtm  das  Adjectiv  Saepinas  -afis  bildeten,  kann  keinem  Be- 
denken unterliegen,  da  seihet  innerhalb  dee  Lateins  Ortsnamen  nnd 
Ethnika  öftere  ebenea  schwanken,  z.  B.  Truentum  TVuenfMUM,  To- 
lentini  TolentiHafes  Toletüinenses,  hei  Tergil  Amiiema  cohors,  bei 
Silins  nj/mphis  habiiata  Casinis  n.  s,  w.  Die  römischen  Annalea 
(LiviuB  10,  44  f.)  erzählen  unter  dem  Jahre  461/293  vom  Zug 
des  Coneul  L,  Fapirius  Careor  gegen  die  bei  Säpinnm  zneammen- 
gezogenen  Samniter,  welcher  ihm  nach  Einnahme  dieser  Stadt 
den  Triumph  vereohafTte;  der  Bericht  hebt  den  Gewinn  reicher 
Beute  hervor,  von  welcher  nicht  bloes  Rom  geschmückt  aondeni 
auch  an  Bandesgenossen  und  benachbarte  Colonien  zum  Schmuck 
der  Tempel  und  ÜITentlichcn  Stätten  abgegeben  ward.  Unter  den 
Socii,  welche  den  Römern  damals  Säpinum  erobern  halfen,  mögen 
auch  Sprach-  und  Stammgenosaen  der  Samniter  aus  Lucanien  oder 
welcher  nnteritalischen  Oegend  sonst,  mag  auch  Uemercius  ge- 
wesen sein,  der  wie  einst  Hieron  und  die  Syraknsier  dem  Zeus 
zu  Olympia  für  den  Sieg  ihrer  Flotte  einen  Helm  weihten  Τυράν' 
άπό  Κύμας  (CIG.  IG),  so  in  seiner  Heimath  an  heiligem  Ort 
diesen  Helm  aufhing  mit  dem  strittigeren  Rahmeetitel  Saipins  ana. 
lu.  Franz  BUcbeler. 


Hesiod's  μεγάλαι  Ήοΐαε  bei  Pausaiiiae. 


Paneanias  citirt  Hesiod^e  Katalog  und  Eöen  verechieden. 
I  43,  1  olba  bk  Ήσίοοον  ποιήσαντα  έν  καταλόγιμ  γυναικών 
(firg.  114)1  Ι  3,  1  Ησίοδος  εϊρηκεν  έν  ίπεσι  τοις  ές  τάς  γυ- 
ναίκας (frg.  119)  III  24,  10  ούκ  ίστιν  έν  καταλόγω  γυναικών 
(frg.  110)  IX  40,  5  ό  τά  ίττη  τάς  μεγάλας  Ήοίας  ποιήσας 
(frg.  147)  IX  36,  7  ό  τά  ίπη  συνθείς,  δς  μεγάλας  Ήοίας  κα- 
λουσιν  Έλληνες  (frg.  148)  IV  2,  1  έπελεΗάμην  τάς  τε  Ήοίας 
καλουμένας  κτλ.  (frg.  152)  II  2,  3  πεποίηται  έν  Ήοίαις  μεγά- 
λαις  (frg.  155)  II  26,  2  VI  21,  10  κατά  τά  ίπη  τάς  μεγάλας 
Ήοίας  (frg.  153, 156)  II  16,4  τά  ίττη,  &  bi\  Έλληνες  καλοΟσιν 
Ήοίας  μεγάλας  (frg.  154)  Χ  31,  3  αΐ  Ήοϊαι  καλούμεναι  (frg. 
157).  —  Nur  zweimal  wird  Heeiod  als  Autor  genannt.  Der  Ka- 
talog aber  tritt  ganz  zurück  hinter  den  Eöen  und  das  ist  vor 
Allem  auffallend,  da  man  vielmehr  das  Umgekehrte  erwartet. 
Denn,  um  mich  Eirchhoff's  Worte  zu  bedienen  ^,  *  während  die 
Kataloge  (im  engeren  Sinne)  eine  formell  und  materiell  zusam- 
menhängende Genealogie  der  hellenischen  Stämme,  von  Prome- 
theus, Deukalion  und  Kellen  anhebend,  darstellten,  führten  die 
'  Eöen  eine  Heihe  einzelner  Genealogien  vor,  welche,  ohne  inner- 
liche Beziehung  zu  einander  zu  haben,  rein  äasserlich  durch  den 
stets  gleichen  Anfang  ή  οΐη  (woher  der  Name  des  Ganzen)  unter 
einander  verbunden  und  mit  dem  einleitenden  Proömium  in  eine 
zunächst  nur  grammatische  Beziehung  gesetzt  waren'  ^.  Der  Pe- 
rieget  citirt  die  Genealogien  vorzugsweise  zu  den  einleitenden 
Bemerkungen  über  die  Genesis   einzelner  Stämme   und  Staaten, 


^  Ich  citire  nach  Marckscheffel :  Hesiodi  Eumeli  Cinaethonis  Asii 
et  Carminis  Naupactii  fragmenta  p.  273  ff. 

^  Die  Compoeition  der  Odyssee.    Gesammelte  Aufsätze  p.  60 
'  YgL  auch  Marckscheffel  a.  a.  0.  p.  119  ff. 

Bhein.  Kqs.  f.  Pbllol.  N.  F.  XXXIX.  86 


η    2 

in  Excureen  über  die  Eponymen  von  Stidten•    Hiefmnf  beifiglieke 
Angaben  machen  die  erhaltenen  Fragmente  dea  Katalog•  geiivg• 
nicht  so  die  Eöen,   was   bei  der  yerediiedenen  Tendeni  bttder 
Dichtungen  nicht  auffallen  kann»  und  wenn  also  Panaania•  (IT 
2,  1),   am  über  die  Heroine  Meeeene  ond  ihr  G^eeohleoht  etmi 
in  Erfahrung  an  bringen,    die  E5en  naohlieat  (έπ€λ€Εάμΐ|ν  ictX.), 
so   begreift  man  nicht,   wamm  er  doh  nicht  yielmehr  an  im 
Katalog  hielt,    üeber  die  Kinder  von  Polykaon  n&d  Heaune  ladet 
der  Perieget  nichts :  ού  μήν  ίς  Τ€  ταΟτα  ήν  aqrfcnv  odb^v  iccnotqpf- 
νον,  άλλα  ΠΓλλου  μ^ν  τοΟ  'Ηρακλέους  θυτοττρί  ΕύαΙχμη  συνοικήαηι 
ΤΤολυκάονα  υ\όν  Βούτου  λέγουσας  τάς  μετάλας  ο&κκ  ΉοΙος,  Ά 
b^  ές  τόν  Μεσσήνης  dvbpa  καΐ  τά  ές  οΑτήν  Μεσοήνην  καραταΐ 
σφίσι^.    Wenn  ee  auch  fraglich  bleibt,  ob  dieaer  Boataa  idenfiNi 
ist  mit  dem  Sohne  des  Poseidon,   der  im  Katalog  vorkam',  die 
von  Paoaaniae  referirte   meeaeniaohe  Stammeage*  iriri  man  im 
Katalog  suchen,   der  sich  wie  gesagt  naoh  den  Geaeakgien  der 
einzelnen  griechischen  Stämme  und  StamHiharoea  gliederte  (frg. 
2  ff.).    So  konnte  man  auch  mit  vollkommener  SidieKlieit  s.  & 
die  an  den  Heroen  Orchomenos  anknüpfenden  Genaalogieir  (kg, 
46  ff.)  dem  Katalog  suweieen  und  es  leuchtet  eioi  daaa  ebendaUs 
das  von  Pausanias  (IX  36,  6  ff.)  ans  den  gross«!  Eöen  citirtB 
Fragment  gehört,  wo  erzählt  wird,  wie  Hjettos  ans  Azgos  m 
Orchomenoe  kam  and  von  diesem  Land  erhielt,    und  dass  eine 
andere  Boeotische  ebenfalls  von  Pausanias  (IX  40,  6  ff.)  ans  des 
grossen  Eöen  angeführte  Stammsage,  die  Chairon  den  Heros  der 
Chaironeer   behandelt,    demselben    Abschnitt   des    Hesiodeiachea 
Werkes  entnommen  ist.     Arne,  das  spätere  Ghaironeia^,  kam  so- 
gar nachweislich  bei  Hesiod  vor  (frg.  51  Icxi  hk  αδτη  Boturria^ 
ώς  καΐ  Ήσίοοός  φησι);    das  Fragment  ist    mit  Beoht  für  des 
Katalog  in  Anspruch  genommen,    während  Marckscheffeli    dnroh 


1  Der  Schluss  greift  deutlich  zurück  auf  die  Messene,  von  der 
Pausanias  aueging;  es  können  also  unter  den  Eoen  (έιτ€λ€εάμην  τάς  tc 
Ήοίας  καλουμένας)  ebenfalls  nur  die  μεγάλαι  Ήοΐαι  verstanden  sein. 
Entweder  citirt  Pausanias  flüchtig  oder  es  ist  mit  Person  μεγάλος  ein- 
zusetzen. —  Der  Sondertitcl  Ήοΐαι  findet  sich  nur  X  31,  3  al  b^  ΉοΙαί 
T£  καλούμ€ναι;  auch  hier  verlangt  Person  μεγάλοι,  ohne  Grund,  wie 
mir  scheint. 

^  Eustath  II.  α  18,  43  (frg.  115).  Eustath  nennt  diesen  Boutes 
Stammvater  der  Boutaden;  vgl.  Etym.  Magn.  210,  6. 

»  Müller  Der.  I  5Ä•,  vgl.  Paus.  III  1,  1. 

*  Paus.  a.  a.  0.    StepYi.  "B^z.  Χανν^ν^Νίνα.    ^<3!Μλ.Λ\.  ^^iKl. 


Hesiod's  μβγάλαι  Ήοΐαι  bei  Paueanias.  568 

das  Gitat  des  Pausanias  irregeleitet,  es  lieber  den  Eöen  zu- 
weisen will. 

Dass  im  dritten  Buch  der  Kataloge  der  Stammbaum  des 
Königshauses  von  Argos  behandelt  war»  hat  Kirchhoff  nachge- 
wiesen (a.  a.  0.  p.  66).  Nur  gleichsam  einen  anderen  Zweig 
dieses  Stammbaumes  aber  berührt  die  Notiz  des  Periegeten  über 
den  Stammheros  der  Epidanrier  II  26,  2:  κατά  bk  ΆργεΙιυν 
boEav  καΐ  τά  ίπτ\  τάς  μεγάλας  Ήοίας  ήν  Έπιοαύριμ  πατήρ 
Άργος  ό  Διός.  Weiter  hängt  damit  zusammen  die  Genealogie 
des  Inachos  II  16,  4:  ταύτην  (sc.  Μυκήνην)  είναι  θυγατέρα 
Ίνάχου  γυναίκα  bk  Άρ^τορος  τά  ίττη  λίγει,  δ  οή  "Ελληνες 
καλοΟσιν  Ήοίας  μεγάλας.  Mir  scheint  daher  die  Schlussfolge- 
mng  unabweislich,  dass  der  Titel  μεγάλαι  Ήοΐαι  auch  für  das 
ganze  aus  Katalog  und  Eöen  zusammengesetzte  Werk  üblich  war, 
eine  Annahme,  welche  Pausanias  in  seinem  Exours  über  die  He- 
siodeischen  Schriften  sogar  ausdrücklich  bestätigen  hilft. 

Nach  der  Angabe  des  Periegeten  hielten  die  Böoter  nur  die 
Erga  für  ein  echtes  Werk  des  Hesiod.  Er  bemerkt  dazu  IX  31,  5: 
ίστι  bk  και  έτερα  (sc.  boHa)  κεχιυρισμένη  τής  προτέρας,  ώς  πολύν 
τίνα  έπων  6  Ησίοδος  αριθμόν  ποιήσειεν,  ές  γυναικάς  τε  (|10όμενα, 
[καΐ]  δς  μεγάλας  έπονομάΖουσιν  Ήοίας,  κα\  θεογονίαν  τε  και 
ές  τόν  μάντιν  Μελάμποοα  κτλ.  Die  Aufzählung  verräth  eine 
literargeschichtliche  Quelle  ^  oder  eine  vita  und  die  Titelangabe 
des  Katalogs  erhält  daher  als  gleichsam  authentisch  erhöhte  Be- 
deutung. Marckscheffel  (a.  a.  0.  p.  110)  stützt  sich  auf  das  κα\ 
der  Handschriften  und  will  Pausanias  den  Katalog  von  den  grossen 
Eöen  trennen  lassen,  während  fast  alle  Herausgeber  και  streichen, 
wie  auch  Schubart  in  der  neuesten  Ausgabe,  der  bemerkt:  debet 
abesse  copula  propter  seq.  έπονομά2[ου(Τιν.  Der  Grund  ist  zwar 
nicht  durchaus  zwingend,  allein  die  Worte  ές  γυναικάς  τε  (jibo- 
μενα  können  wegen  ihrer  Allgemeinheit  unmöglich  einen  Theil 
des  ganzen  Werkes  bezeichnen,  weder  die  Eöen  noch  den  Katalog 


^  Ich  mache  darauf  aufmerksam,  dass  eine  Skepsis  in  Bezug  auf 
die  Urheberschaft  der  vulgairen  Leichtgläubigkeit  gegenüber  nicht  nur 
hier  in  dem  Excurs  über  Hesiod  laut  vrird;  man  vergleiche  z.  B.  was 
Pausanias  über  Eumelos  (IV  4,  1)  und  über  Musaios  (I  22,  7)  bemerkt.  — 
Aelian  var.  bist.  XII  86:  Ησίοδος  δέ  έννία  καΐ  δίκα  (sc.  λ^ει  τής  Νιό- 
βης ΐΓοΛδας),  εΐ  μή  άρα  ούκ  είσΐν  Ησιόδου  τά  ίπη,  άλλ*  ώς  πολλά  καΐ 
Αλλά  κατ^ψευσται  ούτοΟ.  Schol.  Find.  Pyth.  III  14  έν  bi  τοΙς  εΙς  Ήσ(ο- 
δον  άναφερομένοις  ίπεσι  φέρεται  ταΟτα  κτλ. 


564  Kalkmann 

im  engeren  Sinne  ^.  Wer  κα\  hält^  müsute  eine  Lücke  anneli- 
men,  in  der  eine  weitere  Unterabtheilang  des  ganien  Werices  an- 
gegeben wäre.  Vielmehr  kann  kein  Zweifel  sein,  dase  kier  der 
Titel  μ€τάλαι  Ήοΐαι  für  das  ganze  ans  Katalog  nnd  Eöen  n- 
sammengesetzte  Werk  gebrancht  ist. 

Marckeckeffel  (a.  a.  0.  p.  111)  will  eine  weitere  Stütze  seiner 
Annahme,  wonach  Pansanias  Katalog  und  grosse  £5en  scheide, 
in  dem  ihm  freilich  nnbegreiflichen  Umstände  finden,  dass  der 
Perieget  den  Katalog  mit,  die  grossen  Eöen  ohne  Hesiod^s  Namen 
anführe.  Pansanias  citirt  im  ersten  Buch  43,  1  Ήσίο5ος  έν  κα- 
ταλόγψ  γυναικών  und  8,  1  Ησίοδος  έν  £π€(η  τοις  £ς  τάς  γν- 
ναΐκας^  Wie  bereits  bemerkt,  kann  man  diese  zweite  Bezeichmuig 
nicht  von  einem  Theil  des  ganzen  Werkes  verstehen;  obendrein 
heisst  es  aber  im  dritten  Bnch  24,  10  ούκ  £σην  έν  καταλόηρ 
γυναικών^  ohne  Hesiod's  Namen.  Dies  zusammengehalten  mit 
der  Thatsache,  dass  Pansanias  wieder  nur  im  ersten  Buch  Ή0ΙΟ- 
οος  έν  θεογονίφ  (28,  6),  später  dagegen  die  Theogonie  nie  citirt, 
ohne  Zweifel  an  Hesiod's  Autorschaft  auszusprechen  ^  dass  er 
ebenso  den  Weiberkatalog  später  stets  ohne  Hesiod'e  Namen  sn- 
fuhrt  ^,  zwingt  zu  dem  Schluss,  dass  der  Perieget  im  ersten 
Bach,  wo  er  überhaupt  noch  ungeschult  und  flüchtig  arbeitet, 
jene  im  neunten  Buche  niedergelegte  Tradition  noch  nicht  kannte 
oder  nicht  berücksichtigte  "^. 


^  Pausanias  selbst  und  andere  citiren  den  Katalog  auch  κατά- 
λογος γυναικών  und  bei  den  Eöen  liegt  schon  im  Titel  der  Hinweis  auf 
Frauen. 

3  Wie  hier  καΐ  nach  dem  vorhergehenden  t€,  so  liest  man  am 
Sohluss  der  Aufzählung  fehlerhaft  όπόσα  [τε]  έπελεΕάμεθα  καΐ  ήμεΐς. 

^  AVilamowitz  (Hermes  ΧΥΠΙ  4 IG)  hat  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  man  den  hier  berührten  Mythus  von  Phaethon  jetzt  am 
Schluss  der  Theogonie  (986  ff.)  liest. 

*  Marckscheffel :  non  repugnat  III  24,  10.  —  II  9,  5  πα(>εδήλωσα 
κτλ.  bezieht  sich  auf  Erga  265,  ist  aber  geflügeltes  Wort;  vgl.  Apostol. 
XVII  78. 

•'  Vm  18,  1  IX  27,  2.   Die  Erga  Jcommen  mit  dem  Titel  nicht  vor. 

ö  Einmal  (IX  36,  7)  sogar  ausdrücklich  ό  τά  ^πη  συνθείς,  ας  κτλ. 

"  Paus.  II 6, 5  Ησίοδος  γε  καΐ  "Ιβυκος,  ό  μέν  έποίησεν  ώς  Ερεχθέως 
€ΐη  Σικυών  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  den  Katalog.  Doch  kann 
die  Stelle  wegen  der  offenbar  der  Quelle  entlehnten  unvollständigen 
Citirung  nichts  beweisen.  —  II  26,  7  handelt  von  Arsinoe  ούτος  ό 
χρησμός  δηλοΙ  μάλιστα  o<jk  ^Ντα ' Kq>^Vx\t^\6v  'Αρσινόης,  άλλά'Ησίοδον  ή 
Τ&ν  τινά  έμπεποιηκάτνυν  Κ  '^^  'ν\ο\(Λο\λ  -^b.  \τιτ\  Q\sNfeV.>n^  V.^  •Γ\ν  Μεο- 


Hesiod^B  μεγάλαι  Ήοΐαι  bei  Pausanias.  565 

Gegensätzliche  Anführungen  der  Titel  μεγάλαι  Ήοϊαΐ  und 
Κατάλογος  giebt  es  nicht,  denn  Schol.  Apoll.  Rhod.  II  181  π€- 
πηρακτθαι  bk  Φινία  φησιν  Ήίσοοος  έν  μεγάλαις  Ήοίαις,  ότι 
ΦρίΕιυ  την  obov  έμήνυσεν,  έν  bk  τψ  γ  Καταλόγων,  έπεώή  τον 
μακρόν  χρόνον  της  δψειυς  προέκρινεν  ist  nach  einer  zweifellos 
richtigen  Vermuthung  Usener's  für  έν  μεγάλαις  Ήοίας  zu  schrei- 
ben έν  μέν  ταΐς  Ήοίαις.  Sowohl  diese  als  zwei  andere  Stellen 
der  ApoUonios-Scholien  (II  1122  IV  828),  wo  aber  έν  ταΐς  με- 
γάλαις  Ήοίαις  citirt  wird,  gehen  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
auf  Dionysios  Skytobrachion  zurück,  wie  Schwartz  (de  Dionysio 
Scyto brach ione  p.  11)  gezeigt  hat.  Während  also  dort  Dionysios 
dem  Katalog  die  £öen  im  engeren  Sinne  gegenüberstellt,  braucht 
er  daneben,  und  zwar  nachweislich  zuerst,  den  Titel  μεγά- 
λαι Ήοϊαι^  —  für  das  ganze  Werk,  wie  man  jetzt  schlieesen 
darf^.  Führt  aber  der  Titel  auf  eine  so  frühe  Zeit  zurück,  so 
ist  es  unwahrscheinlich,  dass  er  einer  von  dem  alexandrinischen 
Exemplar,  wo  die  EÖen  dem  Katalog  folgten  ^,  abweichenden  Vor- 
anstellung der  Eöen  seinen  Ursprung  verdankt.  Die  vielleicht 
gar  von  Dionysios  erfundene  Benennung  erscheint  vielmehr  ziem- 
lich willkürlich;  der  Zusatz  μεγάλαι  kann  nur  das  ganze  um- 
fängliche Werk  von  den  Eöen  im  engeren  Sinne  unterscheiden 
sollen,  ähnlich  wie  der  Titel  der  späten  μεγάλα  *Έργα  dem  uns 
erhaltenen  Werke  gegenüber  auf  einen  grösseren  Umfang  deuten 
möchte. 

Da  Pausanias  leicht  die  Titel,  unter  denen  er  die  Genea- 
logien angeführt  fand,  vertauschen  konnte  mit  den  ihm  geläufigen 
Benennungen,  so  ist  ein  Schluss  von  seinen  Citaten  auf  die  Quellen 
unstatthaft,  trotzdem  es  sicher  neben  dem  mythologischen  Hand- 
buch noch  andere  Quellen  sind,  aus  denen  ihm  die  Fragmente  des 
Weiberkatalogs  zuflössen.  Das  Nähere  hierüber  muss  ich  einer 
späteren  weiter  ausgreifenden  Untersuchung  über  Pausanias  vor- 
behalten. 

Bonn.  A.  Ealkmann. 


σηνίιυν  χάριν.  Wae  Hesiod  eigentlich  behauptet  hatte,  erfahren  wir 
nicht.  Ich  verstehe  hier  nicht  die  Interpolation  einiger  Λ'^βΓδβ,  sondern 
eine  nur  in  etwas  anderer  Form  als  sonst  ausgesprochene  Athctesc  des 
Weiberkataloffs,  um  den  es  sich  hier  nur  handeln  kann.  —  Man  be- 
achte auch,  dass  Pausanias  in  den  späteren  Büchern  dem  ebenfalls  in 
jenem  Verzeichniss  (IX  31,  5)  gebrauchten  Titel  μεγάλαι  Ήοΐαι  den 
Vorzug  gibt. 

^  Sonst  kommt  er  noch  vor  Schol.  Apoll.  Rhod.  I  118  IV  57 
Schol.  Pind.  Pyth.  IV  85  *Ασκληπιάδης  τά  έν  ταΐς  μεγάλαις  Ήοίαις  πα- 
ρατίθεται Schol.  Pind.  Isthm.  Υ  53  Aut.  Liber.  28  Aspasios  zu  Aristo t. 
Eth.  Nikom.  III  p.  43. 

2  Von  den  angeführten  Stellen,  wo  die  grossen  £öen  citirt  wer- 
den, stammt  frg.  145  (Schol.  Pind.  Pyth.  IV  85)  sicher  aus  den  Eöen, 
wie  die  Eingangsformel  ή  οΐη  zeigt.  Bei  den  übrigen  lässt  sich  nicht 
erweisen,  ob  sie  dem  Katalog  oder  den  Eöen  entnommen  sind. 

^  Argument  zur  Aspis:  τής  Άσπίδος  ή  αρχή  έν  τφ  δ'  Καταλόγψ 
φέρεται.     Gleich  darauf  wird  Aristophanes  citirt. 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden. 

(Schlu88.) 


III. 


Die  Ueberlieferung  der  von  A.  Mai  aus  codex  AmbroeiaDos 
C  29  inf.  zuerst  herauegegebenen  und  von  den  Zürichern  1833  vol. 
V  pars  II  p.  369,  30-373,  17  mit  faet   allen  Fehlern  nachge- 
druckten Randbemerkungen  zu  einigen  Stellen  von  Cicero's  vierter 
Rede  gegen  Catilina  nnd  jenen  für  Marcellus,  Ligariue  und  Deio- 
tarus  ist  nicht  blos  lückenhaft  (372,  25.  373,  3.  4.  15),  eondern 
zugleich  so  voll  von  Verschrei bungen,   dass  die  Scholien  keines- 
falls von  dem  Schreiber  verfasst  sind,  der  sie  im  10.  Jahrhundert 
in   jene    Mailänder    Handschrift   eintrug.     Allerdings    muss    man 
sich  auch  hüten,    sie  um  mehr  als  ein  paar  Jahrhunderte  früher 
entstanden  zu  denke«.     Denn  Mangel  an  Gehalt  (die  Commentare 
sind   meist    abgeschmackte  Umschreibungen  und  Verwässerungen 
der  Worte  Cicerone)  und  Form  (das  überflüssige  inquit,  das  beim 
Gronovscholiasten  eine  grosse  Rolle  spielt,    begegnet  hier  7  mal, 
scilicet  4 mal;    auch    der   Gebrauch   der  Tempora   und  Modi  und 
Ausdrücke   wie    acceptam   vel   amabilem   et   plausibilem  omnibus 
quam  maxime  diligentibus  plebem  372,  10,  usque  adeo  ut  372,  31, 
iniuriam   amissionis   regni  372,  20  weisen   auf  späte  Zeiten  hin) 
sprechen  entschieden  dagegen.    Kurz,  die  Scholien  sind   wertblos 
und  viel  unbedeutender  als  die  zahlreichen,  welche  z.  B.  in  alten 
Tandschriften    von    Boethius    de    consolatione    philosophiae    und 
cero  de  officiis  sich  finden  und  bisher  des  Druckes  nicht  wür- 
crachtet    wurden,    und    werden   demgemäss   von    einer  prak• 
ben    Neubearbeitung    der   Ciceroscholiasten    am    besten    ferne 
llten.     Dafür  spricht  auch  der  Umstand,    dass  der  Orellitext 
60  Jahren  von  'N\emaxv(\.  ^c\^^^\\  o^i^x  ^^^\  ^^wx^^tens  nicht 


Zur  Textkritik  der  Schuliastcu  ciceruuischur  Redeu.  567 

verbessert  wurde.  Ich  gebe  hier  den  bisher  noch  fast  ganz  feh- 
lenden kritischen  Apparat,  wobei  die  Varianten  in  Klammern 
hinter  den  Orellitext  gesetzt,  richtige  Varianten  durch  gesperrten 
Druck  ausgezeichnet  und  einige  Emendationen  in  gleichem  Druck 
an  verderbte  Lesungen  gereiht  werden. 

369,  32.  Quum  omnes  {Cum  enim  onmes;  über  enim  vgl. 
372,  2.  14.  373,  7.  11). 

370,  2.  Omnes  {amnis;  ebenso  hat  der  Codex  370,  4  cu- 
rulie,  371,  7  hostis,  372,  3  partie,  ähnlich  Pompei  371,  12,  ferner 
stets  cum,  nie  quum).  —  2  curules  (camiles).  —  8  patriciorum. 
Aediles  etiam  qui  de  plebeis  non  erant  curulis  (pciorum.  η  pars 
depleis  erat  edil  etia  curulis).  —  5  carrulis  magistratns  in  curia 
nitebantur  (carolis  magistrat'  id  ^  piä  nittebantur;  lies  c.  m.  in 
curiam  uehebaniur),  —  8  poenas  (penas).  —  10  audacior  (audac- 
tior).  —  13  autem  (ebenso  der  Codex,  einen  Sinn  gibt  blos  item), 
aderat  (adeei),  —  17  noluerant  (noluer).  —  18  adsentatores 
Catilinae  fuisse  compertum  est  (adsentatores  fuisse  Caiilinae  cer- 

tissimum  est),  —  21  sententiam  (sepniä).  —  25  metuerem  (m 
metnerem).  —  27  poena  (pena).  —  29  curriculum  (cursus).  — 
cursas  (cursui).  —  30  metaphorice  (metaforicos,  lies  μεταφορι- 
κώς). 

371,  3.    Marcello  (macerllo).  —  4  aemulatione  (emulatione). 

—  7  ceperant  (c^perant).  —  8  quem  donat  fehlt  wie  371,  32 
und  372,  18  ad,  373,  3  tantam,  4  quantam,  373,  15  arma  abi- 
cienda  ohne  Lücke  oder  Ltickenzeichen.   —   12  praelatior  (platior). 

—  12  Bcio  (iscio).  —  13  praeponendum  (pponendam).  —  16  fuerit 
(fuef.).  —  20  dubiam  (dubiü).  —  24  Condemnat  (codepnat).  — 
27  quos  (quo).  —  28  tamen  pertinacia  (tä  i  pertinatia).  —  31 
Syllam  (Sillam).  —  32  ad  delationem  (et  delationem;  lies  et  ad 
delationem). 

1 

372,  2  qnis  esset  mittendus  (q  esset  nuttend').  —  3  placuit 
rem  sortito  genere  (placuit  rem  sortito  geneneri;  lies:  pl.  r.  s. 
decerni),  —  5  sorte  venit  (ebenso  der  Codex;  OrelH  verbesserte 
sorte  evenit),  —  10  amabile.  Te  plausibilem  (lies  mit  Orelli  a. 
et  pl.).  —  16  astigonum  (so  der  Codex  falsch  statt  Artigonum), 

—  17  Phidippicum  (Fidippicum;  lies  mit  den  Cicerohandschriften 
Phidippum).  —  18  ad  criminandum  regem  (criminum  regem).  — 
18  ftepos  (nepus).  —  21  passus  erat  (passus  c),  —  21  adimeret 
in  Caesarem  iusti  causam  doloris  (adimeret  in  c^s  regis  iusti  cau- 
sam doloris;  stelle  re^i  her).  —  22  poteiunt  (^poiuerutU,  λα^  ^^%^^ 


^ 


SUagl 

die  llmidaDlirift  zn  lesen).  —  2-1  mirttinliiiii  iiniitaniium).  —  26 
euni  (eü).  ~  30  Romano  (r.). 

3T3,  2  pretioea  (ptioea).  —  'i  Arricanue.  Regie  Deiotari 
tantam  in  CaoBarom  liberalitateni,  quantam  in  Africanam  (afit• 
canü  rege  deioturü  Ϊ  ossäre  liberalitalie  Ϊ  africann;  vt«Ueicht.  ut 
herüUBtellen :  Afriranne,  Hegern  Dciotarum  lattlae  in  Caeearam  B- 
beralilaite  qtiantae  ία  Africaiium).  —  8  circumiecta  Manronim  (cir 
onmuectü  aurorum).  —  9  erectu«  CaecUiüs  (eicctuK  c^IÜde).  — 
11  Sordidum  enim,  laudie  egenus:  in  rege  frugalitetem  ewe  mi- 
randani  (Morditü  cm  landie  e  gen',  in  rege  fr.  e.  m.  Die«,  mr 
H)km'UlengeL•ftlten  mit  Cicero'n  Daretelinng  pro  Deiot.  §  26,  wn,  | 
im  AnBchluea  an  Heiotarum  eoltantem  qaiepiam  aut  ebrium  vidit 
nniquam?,  die  Bürgertugenden  dee  Königs  beleuclityt  werden,  führt 
2U  fülgdudcr  Fassnng  dee  Hcholion :  Sdtrhim  enim  Inadie  esl  gents: 
in  rege  et  fnigalitatem  esse  mirandani).  —  14  pacem  I'om^  i 
suaei  et  urma  debere  deponi  (et  feblt  in  der  Handschrift;  wa  J 
Doppelpunkt  nacb  euaBi  läsHt  ee  in  dieser  I.atinilät  nicbt  ve^ 
luieaen).  —  15  Post  PbarsalicDm  autem  proelinm  arma  abiclenda 

non   deponenda  Pompeio   concederem.  Dicit  (po^t   faealicum   auti 

pliu  i|rliis  (odnr  (jrltiM)  pöpei  üKeder.  η  drponcnda  et.  Disil.  — 
16  Omnium  noetrum  infractis  et  comminatis  animie  hat  anch  der 
librarius  Terechrieben.  Es  ist  fractis  et  comminntis  herzDstellen, 
eine  Phraee,  die  bnchetäblich  eo  nnd  im  gleicben  Sinne  vom  sel- 
ben SoholiasteD  371,  27  gebraucht  wird). 

Die  τοπ  Mai  aue  dem  ambro eianischen  Palimpeeet  Β  57 
ΒπρθΓ.  Eor  Scanriana  an Bgeschri ebenen  und  in  der  Züricher  Scfao- 
lienauBgabe  mit  fieier'e  echarfainnigen,  wenn  auch  oft  tlberkähnen 
Konjekturen  373,  18—376,  5  wiederholten  hieinen  Scholien  η 
den  berühmten  Fragmenten  jener  Rede  sind  nicht  mehr  werth 
als  die  eben  behandelten  weit  jüngeren  und  dabei  bo  vergilbt 
nnd  verradirt,  daea  ich  darauf  verzichten  mues,  za  den  vielen 
Lücken  der  Ausgaben  hier  die  genauen  Raummaaeae  nnd  Varianten 
abdrucken  zu  lassen. 


IV. 

Die  Züricher  Ausgabe  jener  Verrinenscholien,  welche  1416 

Poggio  in  St.  Gallen  mit  Asconius    gefunden    und    erst  "vor 

55  Jahren  von  N.  Madvig  in  eeiner  meiBterhaften  Untersachiing 

ber  Aeconius  als  nichtaeconianisch  erwicBen  wurden,  nuterschei- 


Zar  Textkritik  der  Scholiastcn  ciceronischer  Reden.  569 

det  sich  von  der  Bearbeitung  der  übrigen  Scholien  dadurch  zu 
ihrem  Vortheil,  dass  Baiter  hier  ernster  und  emsiger  an  der 
Textverbesserung  thätig  war,  zu  ihrem  Nachtheil  durch  den  mon- 
strösen und  zugleich  fast  gehaltlosen  kritischen  Apparat. 

Baiter  kannte  von  den  Handschriften  des  Pseudoasconius, 
die,  wie  jene  des  wahren  Asconius,  alle  auf  den  verlorenen  St. 
Gallenser  Codex  des  Poggio  zurückzuführen  sind,  blos  die  Ley- 
dener  Abschrift,  und  diese  nicht  aus  eigener  Anschauung  oder 
in  neuer  Vergleichung,  sondern  einzig  aus  früheren  Drucken, 
besonders  der  Ausgabe  ciceronischer  Reden  und  Commentare,  die 
Ende  des  17.  Jahrhunderts  Graevius  veranstaltet  hatte.  Wenn  er 
nun  diesem  Mangel  einer  sicheren  handschriftlichen  Grundlage 
durch  Beiziehung  der  älteren  und  ältesten  Editionen  dieser  Scho- 
llen abzuhelfen  bemüht  war,  so  anerkennt  man  dies  nicht  blos 
als  grundsätzlich  richtig,  sondern  auch  als  theilweise  wirklich 
nutzbringend.  Theilweise  nutzbringend  —  denn  wer  läset  es  sich 
jetzt  wenigstens  noch  beikommen,  den  Umfang  einer  kritischen 
Ausgabe  um  gut  ein  Drittel  durch  die  Anführung  von  Lesungen 
ans  mehr  als  einem  halben  Dutzend  alter  Ausgaben  zu  belasten, 
die  ein  halb  offenes  Auge  sofort  als  unbrauchbar  erkennt?  Diesen 
ganzen  Ballast  sicher  verderbter  früherer  Texte  über  Bord  zu 
werfen  und  aus  dem  durch  Baiter^s  Mühe  aufgethürmten  Haufen 
von  Varianten  die  Goldkörner  herauszulesen,  ist  eine  der  ober- 
sten Aufgaben  eines  Neubearbeiters. 

Die  oberste  ist  jedoch,  dass  ein  auf  die  erhaltenen  Ab- 
schriften des  verschollenen  Archetypus  begründeter  Apparat  her- 
gestellt werde.  Die  trefflichen  Zweimänner,  welche  die  Weid- 
mannische Ausgabe  des  Asconius  redigii*ten,  haben  hierzu  eine 
sehr  dankenswerthe  Vorarbeit  geliefert,  indem  sie  in  einer  Ap- 
pendix (S.  85 — 99)  eine  Neuvergleichung  der  in  Leyden  und 
Pistoia  aufbewahrten  Pseudoasconiuscodices  des  Poggio  und 
Sozomenos  veröffentlichten^  und  die  Erwerber  der  Ausgabe  zu 
deren  Verwerthung  einluden  (a.  0.  S.  XXXI).  Zur  Vervollstän- 
digung der  kritischen  Hilfsmittel  erübrigt  noch,  dass  drei  Floren- 


^  R.  SchölPe  Vergleichung  des  Leydener  Apographon  ist  genauer 
als  jene  des  Pistoieser  durch  C.  Bardt.  Oder  ist  der  Apparat  zu  S, 
an  Baiters  Text  und  Noten  gehalten,  120,  14.  123,  20.  181,  18  klar  und 
jeden  Zweifel  auBschlicssend  ?  Ich  wenigstens  muss  mich  erst  in  Pistoia 
vergewissern,  ob  an  der  ersten  Stelle  auch  enim,  an  der  zweiten  ne, 
an  der  dritten  et  in  S  steht  oder  nicht. 


570  Stangl 

tiner  und  ein  Wolfenbütteler  Apographon  (a.  0.  S.  XXXI.  XXXU) 
eingesehen  und  das  Yerhältnise  dieser  Copien  cum  gemeineamen 
Original  und  ihre  Stellung  zu  einander  dargethan  werde•  Dem 
es  ist  klar,  dase  durch  die  Beoonstruction  des  Arebetypue  au 
der  Summe  der  vorhandenen  und  unter  einander  abgewogenen 
Abschriften  die  Neugestaltung  des  Textes  bedingt  ist.  Dieser 
Aufgabe  gilt  es  doppelt  ein  Augenmerk  zuzuwenden,  naehden 
die  Herausgeber  jener  zwei  Apographakollationen  einen  unricb• 
tigenWeg  zur  Wiederherstellung  der  Poggio^schen  Urhandeohrift 
gewiesen  haben,  einen  Weg,  der,  von  einem  Neuherausgeber  glii• 
big  betreten  und  consequent  yerfolgt|  die  Textkritik  des  ganzes 
Pseudoasconius  weit,  weit  hinter  Baiter  zurttckverschlagen  wfirde. 

A.  Kiessling  und  B.  SohöU  haben  deutlich  zu  erkennen  ge- 
geben^, dass  ihnen  durch  das  Apographon  des  Sozomenos  (=8) 
die  erste  Vorlage  treuer  wiedergegeben  zu  sein  scheine,  als  dies 
durch  die  Abschrift  des  Poggio  in  Leyden  (=:L)  geschehe.  lek 
habe  die  geradewegs  entgegengesetzte  Anschauung  und  suche  lie 
kurz  folgendermassen  zu  begründen: 

Wie  es  sicher  ist,  dass  beide  Handschriften  aus  derselbea 
ersten  Quelle  geflossen  sind,  so  steht  auch  durch  eine  grosse 
Anzahl  von  Divergenzen,  als  da  sind  abweichende  Lesungen  und 
Stellungen  bei  gleichem  Grundbestand  der  Worte,  ein  Mehr  oder 
Weniger  der  Ueberlieferung,  unverrückbar  fest,  dass  weder  L 
von  S  noch  S  von  L,  sei  es  unmittelbar,  sei  es  durch  ein  Zwi- 
schenglied, abgeschrieben  ist.  So  entgingen  z.  B.  dem  Abschreiber 
des  L  211,  11 — 14  zwei  Lemmata  mit  ihren  Commentarien;  212, 
5 — 6  und  136,  17  ^  einige  Zeilen,  beide  Mal  in  Folge  eines 
Homoioteleuton.  Der  Grieche  vollends  waltete  seines  Amtes  so 
fahrlässig,  dass  ihm  nicht  blos  in  Folge  eines  Homoitoleutoo 
130,11  acht  und  139,19  sechs  Worte,  sondern  183,14—186,1« 
gleich  einige  Seiten  der  Vorlage  entschlüpften. 

Wird  in  S  eine  Lücke  angezeigt,  so  geschieht  dies  durch 
AuKKparung  eincH  masHloBcn  und  über  den  tliatsächlichen  Buch* 
stabenausfall  weit  hinausgehenden  Raumes:  119,  10  z.  ß.,  wo  L 
den  vollen  Text  Comoedia  quinque  actus   habet   gibt,    markirt  S 


^  A.  0.  S.  91  zu  136,  17  im  Zusammenhalt  mit  den  übrigen  ge- 
sperrt ijedruckten  Stellen  des  Apparates,  soweit  diese  in  der  folgenden 
Uuterauchuug  nicht  als  richtige  Lesungen  anerkannt  werden. 

2  Der  vollständigere  Text  von  S  ist  sacbgemäss  und  lässt  keinen 
Verdacht  der  Fälschung  zu. 


Zur  Textkritik  der  Schuliasieu  cicerouischer  Redeu.  571 

das  fehlende  actus  mit  einer  Lücke  von  20  Buchstaben.  Dieselbe 
Beobachtung,  dass  S  die  Lücken  des  Archetypus  durchweg  mit 
einem  ordentlichen  Yergrösserungsglas  ansah,  kann  man  an  jenen 
Stellen  machen,  wo  in  S  and  L  dieselben  Worte  ausgefallen  sind : 
in  der  Begel  ist  der  freie  Kaum  in  L  enger  und  schärfer  be- 
gränzt  und,  wenn  man  den  Gedankengang  der  unterbrochenen 
Ueberlieferung  verfolgt,  mehr  als  S  geeignet,  zur  Wiederherstel- 
lung der  Archetypuslesung  hinzuleiten.  Doch  das  könnte  mancher 
Kleinigkeiten  und  Aeasserlichkeiten  nennen,  wenig  geeignet,  die 
Antorität  des  Sozomenos  als  Abschreiber  zu  schädigen,  da  sie 
auch  in  andern  und  zwar  guten  Codices  begegnen.  Nun  dann 
ist  doch  sicher  das  eine  bedenkliche  Eigenart  von  B,  dass  er, 
ohne  besonders  dickleibig  und  stark  an  Umfang  zu  sein,  so  stark 
ist  in  absichtlicher  Umstellung  und  Umgestaltung,  Verminderung 
and  Vermehrung  der  in  der  gemeinsamen  Vorlage  vorgefundenen 
Wort«.  Denn,  selbst  wenn  wir  nur  die  auffallendsten  Vergewal- 
tigungen der  Ueberlieferung  anmerken,  so  zählen  wir  eine  will- 
kührliche  Auslassung  eines  in  der  Originalhandschrift  schon  ver- 
derbten Ausdruckes  (145,  3);    sieben  Transpositionen   (158,  24. 

180,  6.  8.  187,  20.  200,  2.  14.  209,  8);  neun  eitle  Konjekturen 
(99,  14*.  107,  9*.  16.  131,  14.  139,  4.  141,  21.  154, 13.  159,  16. 
161,  15.  201,  21)  und  dreizehn  Interpolationen  (120,  14*.  128,  2*. 
130,  10*.    132,  16*.    139,  22.   148,  14*.   171,  9.  10.    177,  24*. 

181,  5.  203,  4*.  12*).  An  diesen  dreissig  Stellen  vergass  unser 
Abschreiber,  dass  er  nicht  ein  sogenannter  criticus,  sondern  ein 
simpler  librarius  sein  solle  und  seine  Vorlage  wie  sie  war,  nicht 
wie  er  sie  wünschte  uns  wieder  zu  geben  habe.  Und  wie  gleissend 
wusste  er  nicht  mit  seinem  Witz  zu  spielen!  Hat  er  doch  an 
zehn  Stellen  (es  sind  die  mit  *  bezeichneten)  selbst  die  in  text- 
kritischen Dingen  wahrlich  nicht  ungewandten  Herausgeber  jener 
beiden  Collationen  getäuscht. 

Da  nun  in  der  Entscheidung  darüber,  ob  an  diesen  zahl- 
reichen Stellen  die  Abschrift  des  Foggio  oder  jene  des  Sozomenos 
das  Original  treuer  bewahrt  hat,  der  Angelpunkt  der  ganzen 
Werthabwägung  der  Copien  und  der  Grundstein  der  künftigen 
Textgestaltung  liegt,  so  greife  ich  aus  den  zwei  bedeutendsten 
Arten  von  Text  Verschiedenheiten  auf  gut  Glück  drei  Stellen  her- 
aus und  confrontire  die  Varianten,  auf  dass  der  theilnehmende 
Leser  sich  ein  selbständiges  Urtheil  bilden  möge. 

So  überliefert  99,  16  L:  dicit  enim  Caecilius,  aut  a  se  ac- 
cusandum  esse  Verrem,  aut  a  se  quoque;  S:  dicit  enim  Caecilius 


n*7i  Stangl        • 

anntiiri;  ηι•  ...    Die  Γηΐϋϊβϊυιι  (irr  reinen  Siirm-he  hätte  aut  a  μ 
nnii   —   aut  a  κβ  (jiiuiiue  VBrIangt. 

117,  !)  L:  PuterUue  eius  uratiuni  subire]  Qaasi  Inline  dixll 
iit  magno  punderi  eabire'.  Den  von  L  anverilndert  äberüeferten 
Hcbreibfeliler  dee  Arobetyjme  emendirte  P.  Munutins  schlagend 
mit  Trnnsliilive  dixit  ...  Η  merkte  natiirlioh  aucb,  daes  die  Vo^ 
litge  Tcrechrieben  sei  und  verbrach  folgende  Konjektur:  Poterim* 
eius  orationi  enbire]  Unaei  Harcinae  dixit  ut  magno  ponderi  eub- 
ire.  Das  iet  gar  keine  Latinität  und  anoh  keine  Logik  mehr: 
es  mUsete  doeh  Qnasi  sarcinae  dixit  et  (oder  wieder  q^ani]  magnt 
ponderi  Bubire, 

127,  1  L:  »am  vult  intelligi  etiam  praeinia  sibi  praevari- 
cationi«  oetentavieee  Verrem,  eed  'terra  mariquo'  (diese  Wort« 
»ind  aus  dem  erklärten  Lemma  vom  Cominentator  herübergenom• 
men)  insidias  faotaa  Higiiifiuat.  S:  .  .  .  'terra  man<]^Qe'  nitae  in- 
sidiae  faotae  signiRuat.  Der  Dativ  vitae,  der  S  uiientliehrlicli 
dSuchte,  tat  aus  dem  iiächetv  ο  rh  ergeh  enden  Satz  heruntergexerrt: 
Aliaa  rnrane  fignificat  ineidiae,  quae  vitae  eius  faotae  snnl,  «lia» 
quae  integritati  et  exietiniationi ;  ein  Gedanken verhältnise,  du 
hier  in  chiastieeher  Abfolge  wieder  aufgenommen  und  im  Be«on- 
dern  erwiesen  wird. 

Nach  diesen  Proben,  denen  die  übrigen  Varianten  sieli 
würdig  anreihen,  dürfte  es  aueser  Zweifel  sein,  daee  L  weit  über 
S  steht  und  daee  der  gewissenhafte  Handschriften  Verehrer  nnd 
tüchtige  Latinist  Foggio  eich  von  den  Willkührl  ich  ketten  und 
Ungeschick tbeiten  in  der  Transcription  des  FaendcasconiuB  ferne 
hielt,  die  bei  dem  an  Charakter  i^nd  hier  nuthwendigen  Eeont- 
nissen  ihm  nachstehenden  Griechen  Sozomenoa  nicht  eben  alliQ- 
sehr  befremden. 

Indem  man  so  L  nicht  blos  an  Umfang  des  Ueberlieferten, 
sondern  auch  an  Wahrhaftigkeit  der  Ue herlief ernng  unbedingt 
über  S  stellt  und  gegen  einen  Rückschritt  der  Textgeetaltnog. 
wie  er  für  Pseudoasconius  durch  den  entgegengesetzten  Stand- 
punkt eingeleitet  würde,  sich  nachdrücklich  erklärt,  verkennt  man 
weder  die  Mängel,  die  L  an  sich  hat,  noch  das  Gute,  wob  die 
VerhessernngEflucht  in  S  hervorgebracht,  Dieaes  Gute  ist  niohl 
biel,  jene  Mängel  sind  noch  weniger  und  kaum  nennenfiwertb. 
ämlich  196,  12  sicher,  127,  16  wahrscheinlich  je  iwei 
(orte  unter  einander  umgestellt;  S  hat  li)0,  3  tarn  aus  euni, 
b,  4  nominibuB  ans  oranibiie,  140,  3  ad  aus  a,  149,  13  mire,  das 
tßg  in  solchem  ZusaTiimeiiVa.w^  'atvia  ft-üttO^ainsa  ■xlederkehrt. 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  573 

und,  was  S  entging,  noch  ein  paar  Mal  verderbt  ist,  aus  mile 
des  Arclietypas  emendirt  und  108, 17  in  divinationis  caueis  et  in 
aliis  maioribae  vielleicht  richtig  hergestellt. 

In  L  sind  Emendationsversache  verderbter  Leearten,  will- 
kürliche Zusätze  and  ebensolche  Auslassungen  dem  Abschreiber 
nicht  nachweisbar;  man  müsste  mir  denn  eine  Stelle  wie  123,  13 
entgegenhalten:  Propiora  exempla  et  magis  similia  posteriora 
ponenda  sunt,  wo  L  das  richtige  propeiora,  S  propria  überliefert. 

Uebrigens  wird  jeder  Zweifel  über  das  Verhältniss  der 
Copien  zum  Original  benommen  sein,  sobald  die  Collation  der 
Florentinischen  Handschriften  geschehen  ist;  und  wenn  die  vor- 
liegende Untersuchung  über  die  innere  Reconstruction  des  Arche- 
typus bewusst  ohne  den  Reichthum  der  wirklich  vorhandenen 
Hülfsmittel  gewagt  wurde,  so  möge  man  bedenken,  dass  nicht 
minder  ein  absonderlicher  Reiz  wie  ein  zu  ernster  Forschung  er- 
ziehendes Element  gerade  darin  liegt,  dass  man  mit  Muth  und 
Vertrauen  den  engen  und  schwierigen  Pfad  nach  einem  noch  so 
bescheidenen  Ziele  wähle,  dem  die  breitere  und  bequemere  Heeres- 
strasse,  etwas  später  und  langweiliger,  jeden  ohne  Beschwerden 
zotragen  würde. 

Den  praktischen  Theil,  der  sich  diesen  mehr  theoretischen 
Erörterungen  anschliesse,  fassen  wir  für  diesmal  ganz  knapp 
und  gliedern  ihn:  1.  in  die  Ausbeutung  des  Züricher  Apparates. 

2.  in  die  Yerwerthung  der  Apographa  des  Poggio  und  Sozomenos. 

3.  in  eigene  Yerbesserungsvorschläge. 

Aus  Baiter^s  Noten  sind  in  den  Text  zu  setzen:  107,  25 
omnes  homines  sua  facinora  honestius  leniusque  (Codex  leviusque) 
pronunciant.  113,  26.  Mire  ostendit.  120,  14  esse  alibi  ait  (s. 
122,4.  159,13.  169,13).  130,  23  continet  exposita  in.  132,13 
itaque  ad  praetoris  tribunal  considerent  ut  iudicaturi  cum  prae- 
tore  suo.  133,  25  de  victis  Allobrogibus  AUobrogicus  nominatus 
est  (s.  199,  19  subactis  Dalmatis  Dalmaticus  appellatus  est). 
135,  17  ex  Siciliae  praedationibus.  137,  6  aut  a  tribu  in  qua 
censeretur,  aut  a  censu  si  erat  Senator,  aut  a  curia  sua  si  eques 
Romanus.  138,  4  nodis  vinculorum  inclusus  intelligitur.  139, 
13  bino  modo  (modo  und  domo  sind  in  beiden  Handschriften- 
klassen von  Cic.  de  or.  mehrmals  verwechselt).  14  dicebantur 
quod  vellent.  146,  5  litis  aestimationem  non  solum  ex  titulo 
propositi  criminis  fieri  sed.  156,  13  citabantur  (vgl•  201,  21. 
Schol.  Bobiens.  238,  21).  158,  6  sperari  melius  ex  senatu  ne- 
qneat.     158,  19  cum  illi  freti  Yerris  gratia  Ucerentur  <\iiQ.m  i^W 


574  Stangl 

rimo  de  (etwas  ßesseree  findet  sicher  Keiner;  wenn  es  nur  nicbt 
zu  gut  ist!).  163,  8  praeterea  horas  generaliter.  168,  26  hac 
eadem  causa  se  usum  esse  transfngio.  172,  5  quaestorem  eum 
ad  quem.  172,  9  et  simul  infert.  177,  23  Dicit  invidiosam  sen- 
tentiam.  180,  21  statim  damnarentur  si.  200,  1  flectentibns  se 
ad  rostra  versus  dextram  partem.  Den  kleinen  Aendemngen,  die 
mit  den  in  der  Züricher  Ausgabe  notirten  Emendationen  an  fünf 
Stellen  angenommen  wurden,  dürften  zu  107,  19.  158,  6  und 
137,  6  sicher  sein. 

Aus  LS  hat  eine  Neubearbeitung  folgende  gemeinsame  Le- 
sungen zu  entnehmen:  97,  10  fuisset  praetore  Sexto  Pedncaeo; 
100,  17.  18  und  187,  2  d.  h.  durchgehend  die  Schreibung  Lily- 
bitanus,  die  auch  in  den  Bobienser  Scholien  festgehalten  ist  Sie 
ist,  wie  ich  in  der  Schrift  über  den  sogen.  GrronoYRcholiast^n 
gezeigt,  in  ihrer  Zeit  ebenso  berechtigt  wie  Yoloterra,  Dolobella, 
Terracina,  Brindisis,  die  zwischen  der  klassischen  Benennimg 
Yolaterra  u.  s.  w.  und  der  modernen  Yolterra  unantaetbaies 
Mittelglied  sind.  103,  11  addidit  (ebenso  123,  4.  136,  37).  18 
quinquennio  lustrabant.  104,  10  si  absentis.  105,  1  inimienm 
fingas.  107,  15  praecipue.  19  tantundem  impetratunim.  115, 1 
oratoris  in  (157,  10).  14  verum  illud  est.  118,  1  magister  ludi. 
8  dixerit.  122,  15  damnaverunt.  127,  8  possit.  134,  15  coepta 
est.  136,  4  iudicii.  138,  20  animadvertitur  etiam  seneibus. 
142,  22  ludos  dictos  putant  quod  consiliorum.  149,  16  Quia 
(ebenso  151,  11).  166,  22  iudicaretur.  168,  5  legatis  et  pro- 
quaestori.  13  eius  dicitur  et.  172,  4  cuius  cura  est.  173,  3 
difficile  est  autem.  186,  4  decebat  et  dolosius  sed.  198,  7  co- 
niventiam  (204,  7).  201,  3  subsortitus  est  in.  6  alios  indices 
supposuisse.     17  abnuerat  (LS  adnuerat). 

Verworren  —  dies  halte  ich  für  jenes  Wort,  wodurch  Pseudo- 
asconius  in  jedwedem  Betracht  zutreffend  gekennzeichnet  wird: 
verworren  sind  seine  Kenntnisse,  sein  Ausdruck,  die  handschrift- 
liche Ueberlieferung.  Die  frühern  Herausgeber  haben  dem  Ver- 
fasser der  Scholien  so  ein  halbes  Dutzend  arger  historischer^ 
literarliißtorischer  und  antiquarischer  Fehler  nachgewiesen,  den 
Abschreibern  ein  Dutzend  (108,14.  117,  1.  120,  16.  21.  168,7. 
169,  3.  175,  1.  178,  3.  181,  12.  193,  4.  195,  18.  196,  17) 
Transpositionen  von  Lemmata  oder  Scholien  oder  Lemmata  mit 
ihren  Scholien,  Transpositionen,  die,  wie  beim  Gronovscholiasten, 
darin  ihren  Grund  Yiabeix,  Λ^ν,^^^  die  erklärenden  Bemerkungen  ur- 
sprünglich nicht  selV^aUvTv^Agxmöi^Qm^'A'i'ix^iV^^^ÄVi^^^^^^ 


Zar  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  675 

sondern,  wie  die  kleineren  Mailänder,  an  dem  Rand  einer  Cicero- 
handschrift angebracht  waren.  Die  Besprechang  einiger  Stellen 
im  Folgenden  wird  zeigen,  dass  der  Stil  ein  unbeholfener  nnd 
unklarer  ist,  den  man  oft  nicht  zu  fassen  weiss,  wenn  er  lückenlos 
erhalten  ist,  geschweige  verlässig  zu  ergänzen  wenn  lückenhaft. 
Das  Material,  welches  ich  über  die  Realien  und  Sprache  auch 
dieser  Scholien  gesammelt,  soll  hier  nicht  ausgeschüttet,  wohl 
aber  der  Zuversicht  Ausdruck  gegeben  werden,  dass  bald  aus 
der  Gesammtheit  aller  in  diesen  zwei  Gebieten  enthaltenen  Ar- 
gumente auch  eine  nicht  allzu  unsichere  Chronologie  der  Cicero- 
scholiasten  wird  aufgebaut  werden  können. 

100,  12.  Narrationem  in  exordio  multi  admirantnr  Jiac  re- 
prehensionej  sed  non  recte.  Est  enim  argumentabis  narratio  ad 
priorem  divisionem,  in  qua  quaeritur,  an  recte  Cicero  ex  de- 
fensore  accusator  effectus  sit.  Ich  schlage  vor  admirantur  ut 
reprehensionem.  Nebenbei  sei  die  culturhistorische  Bemerkung 
gestattet,  dass  unser  Scholiast,  was  hier  allerdings  nicht  im 
Lapidarstil  geschieht,  diejenigen  seiner  Vorarbeiter  oder  zeitge- 
nössischen Cicerointerpreten,  welche  über  irgend  eine  Stelle  nicht 
seiner  Ansicht  sind,  insgemein  als  inepti  homines  benamst.  Vgl. 
108,  4  Inepti  sunt  homines  qui  hanc  clausuiam  notant  ut  malam. 

100,  20.  Siculi  veteres  patronos  habent,  in  quibus  Mar- 
cellos .  .  .  Scipiones  .  .  .  MeteUos.  Die  Handschrift  und  Baiter 
hahen  MeteHiy  ein  Fehler,  der  allerdings  einigermassen  begreiflich 
wird,  wenn  man  bedenkt,  dass  dieses  Substantiv  von  seinem  re- 
gierenden Yerbnm  mehr  als  drei  Zeilen  entfernt  ist. 

101,  1.  Causae  ingerunt  quas  iusto  defensionem  et  mire 
vnlt  esse,  non  accusationem.  ursprünglich  hiess  es  doch  wohl 
Causae  ingeruntur  quis  iusto  defensionem  et  merito  (iure?)  vult 
esse,  non  accusationem. 

106,  11.  Quod  in  una  quaque  re]  Leges  Hieronicas  Rupi- 
liasque  dicit  regis  ipsitis  aut  Rupilii,  de  decem  legatorum  sen- 
tentia  constitutas.  Der  Schreibfehler  sui  des  librarius  ist  in  den 
Ausgaben  noch  nicht  getilgt. 

112,  26.  Inepte  quidam  mirantur,  cur  haec  Tullius  in  ac- 
cando  Yerre  non  obiecerit  Caecilio  td  multa  alia.  Die  Ausgaben 
schreiben  mit  den  Codices  et 

114,.  1.  Sunt  alia  magis  occulta  furta]  Inepte  a  quibusdam 
quaeritur,  quae  sint:  nulla  enim  sunt,  sed  oratorum  est,  neqtie 
ieinne  landes  vel  crimina,  neque  ostendere.  Der  Gedanke  verlangt 
oratorum  est  aegue  ie'iune  landes  cUqnc  CT\m\TVit  inique  ciA«w^Rx^, 


576  Stangl 

126,  17.  Toto  igitur  hoc  libro  exhortatio  indicum  conti- 
netar  ad  vere  iudicandum,  minae  in  adversarios  diriguntur  omnia 
teutantee  ad  corrumpendum  iudicium,  et  exposUianes  Ciceronis  con• 
silii  sui  iadicibue  exhibentur,  quas  intractans  communiter  gibt 
Baiter.  Die  Apographa  L  und  S  haben  advereario,  offenbar  yer- 
schrieben,  und  expositione  sowie  exhiberetor. 

Zunächst  vergleichen  wir,  um  Klarheit  über  das  zu  erlan- 
gen, was  der  Mann  überhaupt  will  und  zugleich  um  die  Typik 
der  Argumente  unseres  Scholiasten  anzudeuten  127,  4  und  155, 
19.  Dort  heisst  es:  Quarum  rerum  quasi  per  narrationem  facit 
demonstrationem  consilii  sui;  et  cum  iudicibus  deliberatio  vi- 
detur  inducta,  in  qua  ostenditur  .  .  .;  hier  Prooemia  sane  huias 
libri  in  simulatione  constituta  sunt  quasi  verae  accusationis  in 
Verrem  audentem  adesse  atque  defensum  (s.  154,  3),  in  exhor- 
tatio ne  iudicum  ad  recte  iudicandum,  tum  in  minie  contra  adver- 
sarios, et  in  exhibenda  ratione  officii  sui,  cur  ita  maluerit  accu- 
sare,  ut  prima  actione  tantum  testibus  uteretur.  Damach  ist 
wohl  herzustellen:  et  expositiones  de  Ciceronis  consUiis  iudicibos 
exhibentur  qimsi  tractantis  communiter. 

130,  13.  IIa  vexavit  ac  perdidit]  Nimirum  vexavit  ingentis 
calamitatis  usum  signiiicat.  usum?  ausum^  das  allein  dem  Sinne 
entspricht,  ist  formal  nicht  gewagt. 

132,  20.  Ex  alacri  atcjiie  laeto]  Alacris  sive  alacer  (utrum- 
que  enim  dicitur)  is,  qui  integris  (so!)  est  sensibus  universis, 
quod  est  indicium  erecti  animi  atque  sublimis;  nam  e  contrario 
lacer  dicitur  amputatis  corjwre  sensuum  membris,  hoc  est  auribns 
oculisve.  Q,uod  ad  animum  saepe  transfertur,  ut  plerumque  af• 
flicto  animo  sensibus  non  utaniur  crectis.  Sic  alacer  dicitur  is, 
cui  omnis  sensus  in  loco  suo  quisquc  degat  tU  sunt  et  intenti  \d 
vultu  indicet  adesse  aniuium  non  sincerum  sensibus  suis.  Sicher 
zu  ändern  ist  corporis  walirsclieinlicli  dicitur)  est  is;  integer  statt 
integris  wäre  überllüssig.  Den  letzten  Satz  haben  einzelne  Aus- 
gaben vor  Baiter  sclion  besser  so  gelesen:  cui  omnes  sensus  in 
loco  quisque  suo  vegeti  sunt  et  intenti.  Laeti  vero  qui  vultu  in- 
dicant  adesse  animum  sincerum  sensibus  suis.  Mich  dünkt  fol- 
gende Lesung  wahrscheinlicher,  denn  von  völlig  sicherer  Emen- 
dation  Avird  kein  Besonnener  bei  so  arg  verderbten  Stellen  sprechen: 
cui  omnis  sensus  in  loco  suo  quisquc  uegcti  sunt  et  intenti,  laetus 
qui  vultu  indicat  adesse  animum  omnino  sincerum  sensibus  suis. 

135,  14.     8Ui5.p\cix\\t\ir  senatorem  alii  Crassum,    alii  Horten- 
eium;    equitem  aAi\  neminem  \)\oi^xv\wV^  ^\\  ^^5^2^λ^v\\x\   quendam 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciceronischer  Reden.  677 

drnckte  man  bisher,  unbegreiflicher  Weise.  Denn  in  neminem 
muss  doch  ein  Eigenname  stecken,  etwa  Gurionem. 

137,  1.  Tribns  enim  urbanae  rusticaeque  onnics  XXXV. 
numerantur,  ox  quibus  aliquam  neccsse  est,  rniitsaoKUte  onlinis 
fuerit,  civis  Eomanus  obtineat.  So  weit  ist  e«  mit  der  Latinität 
unseres  Scholiasten  doch  noch  nicht  gekommen,  das«  er  mit  sei- 
nen Abschreibern  eitinsque  mit  ouiuscunqne  verwechselt. 

152,  4.  Sestertium  qnadringentiesf  Diximus  de  liac  (juae- 
Rtione  summae  variae.  In  Divinatione  enim  ^sestertium  millies* 
dixit.  Quod  solvimus:  qnod  adhuc  non  erat  insinnata  criminum 
ratio  Ciceroni  et  <|Uod  ex  persona  Siciliae  loqucbatur,  augere 
voluit  veritatem,  et  quoniam  opr  duplae  vel  (juadruplae  repeti- 
ttonie  quantumvis  accusatori  progredi  licuit.  Tn  den  Apographa 
und  Editionen  steht  spe. 

154,  7.  et  bene  intelligentes  omnom  A'irtutem  oratoriam, 
quaecunque  in  criminationibus  oonstitnta  est,  lii<^  exj)ressam  vi- 
dent,  et  contra  ex  boc  defonsionum  vim  in  caoteris  orationibus 
et  nervös  eins  ex  hac  virtuti>  cognosi'unt,  quae  in  o|)|)rinicnilo 
e,rpromifur  reo.  Die  Absdireiber  setzten,  nach  opprimondo  und 
expressam  leicht  begreiflich,  cr^yrimUnr  an  seine  Stelle.  Dass  der 
Scholiast  die  Bedeutung  von  promo  kennt,  beweist  173,  25;  dass 
er  den  feinen  Unterschied  Λ'οη  expromo  und  exprimo,  wie  er  in 
Cie.ero's  rhetorisclien  Schriften  so  klar  und  so  oft  hervortritt, 
fühlte,  verbürgt  seine  genaue  Vertrautheit  mit  der  Sprache  gerade 
dieser  Werke.  Merkt  er  doch  z.  H.  110,  1  einen  Fehler  (dccla- 
matores)  vieler  Handschriften  zu  Cic.  de  or.  TU  §  138  an,  der 
noch  bei  Baiter-Kayser  in  der  Tauclinitzausgabe  stebt:  IFuiusmodi 
homincs  in  libris  de  oratore  non  declamatores,  sed  clamatores 
idem  Tüll  ins  vocat. 

157,  10.  Proprium  Ciccronis,  et  in  orationibus  et  in  dia- 
logis  et  in  epistolis,  eandcm  sjiepe  sententiam  dicerc  et  uti  elo- 
qacntiae  diversis  modis,  iisdem  sententiis  tamen  ab  aJia  orcasione 
repetitis.  Die  Codices  baben  wie  die  Ausgaben  aliqua.  dialogi 
=  philosophische  Schriften,  wie  bei  Victorinus  in  seinem  dorn- 
mentar  zu  de  inv.  und  bei  dem  Fortsetzer  der  Commentare  des 
Boethins  zu  Cicero's  Topica,  über  den  in  den  JJ.  f.  Philol.  1883 
gehandelt  ist. 

161,  3.  Multi,  inquit,  ita  subtiles  fuerunt  praevaricatorcs, 
nt  in  tota  actione  iideles  actores  esse  vi<lerentur;  qui  tamen  non 
effugerunt  suspiciones  hominum,  cum  in  reiciendis  iudicibus  ver- 
sarentnr:  ßeiciens  enim  nmloR  et  retineuft  \>ot\oä  n^tmv».  tv.^.^.w^'öX«^ 

Rhein.  Mm.  /.  Pbiloh  N.  F.  XXXIX.  *>;\ 


578  Stangl 

intelligitnr.  Qui  vero  contra  facit,  et  sii  inpedmenio  ttuUm 
asiu  iegtU,  de  hoo  intelligitnr,  qnod  praevarioator  exiatai.  Β 
bona  accusatio  cum  cansa  laudandis  iudicis  arituris.  Die  Stelle 
gehört  zn  den  am  meisten  verderbten  nnd  am  wenigsten  bisher 
richtig  angepackten.  Orelli  allein  hatte  auch  bier  den  ersten  lichtr 
blick:  sein  etsi  astnte  agat  (agit  braucht  nicht  geändert  sa  wer 
den,  da  etsi  oft  von  unseren  Scholiasten  wie  ja  auch  von  dei 
andern  mit  demeelbon  Modus  wie  quamvis  verbunden  wird)  zeigt 
den  rechten  Weg.  Dieser  scheint  zu  folgender  WiederherstellBBg 
zu  führen:  Qui  vero  contra  facit,  etsi  in  retinmdo  caute  rem  mbi 
legat  (oder  in  r.  peioris  (istiäe  agat)  de  hoc  intolligitor,  qaod 
praevarioator  existat.  Et  bona  accusatio  cum  causa  laudandiht 
dicis  oritur.  Für  sich  gibt  so  jeder  der  beiden  Sätze  -einen  or 
dentlichen  8inn;  nicht  kann  befriedigen  ihre  Abfolge  unter  eir 
ander.  Denn  der  Oedankengang  fordert  entweder  die  Tranepori- 
tion  dcB  £t-oritur  vor  Qui-existat  oder  die  leichtere  Aendenmg 
At  (8et)  -oritur  mit  Belassung  der  überlieferten  Wortfolge. 

1G3,  10.  Quod  mihi  lex  mea  causa  dedit]  De  commodo 
proprio  licet  unicuique  detrahere,  praesertim  cum  in  eodem  adver 
sario  nihil  poseit  esRC  commune.  Die  Handschriften  bieten  cm 
CO  de.  Betreff  idcm  =  ifl  gilt  das  bei  den  Bobienscr  Scholin 
Gefiagte. 

1G5,  1.  Aciliam  legem]  Acili  Glabrionis,  patris  huinece 
practorifi,  de  quo  etiam  supra  dixit;  quae  lex  ficque  comperemli- 
nationem  7Wqm  ampliationem  habet.  Kobortellus,  der  zuerst  das 
Unrichtige  der  antiquariechen  Notiz  bemerkte,  sclirieb:  (iuae  lex 
eomperciulinationem  habet.  Doch  so  gewaltsam  brauchen  wir  hier 
nielit  zu  sclialten,  λνο  auch  mildere  Mittel  wirken :  qnae  lex  aeqve 
comperoiidinationem  afqnc  ampliationem  habet.  Ein  ähnlicher 
Schreibfehler  wurde  unter  114,  1  verbessert. 

168,  o.  Dcdi  stipeudio,  frunieuto,  legatis]  Haeo  oninia  no- 
miua  sunt  erogatiouum,  quibus  aut  Stipendium  militibns  dediftse 
sc  dii;it  VcrroH,  aut  frumentum  coeniisse  in  annonam  exercitüs, 
aut  legatis  et  proquaestori  in  sumptum  alimenta  de  publico  dafa- 
Die  Ueberlieferung   lautet  dant, 

178,  16.  Graeco  uiorc  biberctur]  Grandibus  inquiunt  po- 
culis  et  meracis  potionibus,  qui  non  intelligunt  dicta  Ciceronie, 
et  lioc  putant  Graeco  more  ])otarc.  Est  autem  Graecorum  innf, 
ut  Graeci  (z.B.  Athenilus  im  κότταβος  -  Kapitel)  dicunt,  cm 
iHfCro  q)Ta,tlUH• iHivltia.\i\eH  ciulum«  libaiiic-iv  \|riiiia  deof»,:<  deitidefiaioitö« 


Zur  Textkritik  der  Scholiasten  ciccroniscber  Reden.  579 

et  caros  suos  nominatim  vocant.  Dem  Satze  rum  —  nominantes 
fehlt  mit  der  Partikel  und  dem  Hauptverbum  Fuss  und  Kopf; 
da«  Ganze  lautete  ehedem  wohl  ho:  Est  autem  Graerorum  mos, 
ut  Graeci  dicunt,  ?//  cum  mcri  cyathis  saltantes  invicem  lihcNf, 
primo  deos  deinde  amicos  ruor  nominantes. 

182,  19.  Sed  etiain  inter  hostium  tela]  Tnvidiose  orator 
hoc  addidit,  cum  de  magistratu  dioat.  Nam  ciniclarnm  legatornn), 
in  foederibus  faciendin  vel  legibus  pacis  bellique  diccndis,  sancta 
Corpora  iure  gentium  atque  inviolata  scrvantur.  Die  Apographa 
haben  Nam  iiiier  legatorum  in  foederibus  .  .  .  Für  Lexikographen 
sei  die  Bemerkung  beigefügt,  diiss  für  den  Begriff*  all,  ganz  bei 
nnHerem  Scholiasten  neben  totus,  omnis,  eunctus  auoh  plenus  und 
integer,  die  beide  im  Ivomanisehen  eine  so  grosse  Kolle  spielen, 
nicht  fehlen;  breit  machen  sich  auch,  ein  sicheres  Zeichen  sj>iiter 
Zeit,  die  Adjektive  auf  -osus,  wie  gratiosus. 

194,  18.  uti  com^xUnninr  a  convenientibus  advocati.  Da 
die  Codices  consulentur  überliefern,  ist  conHuUentur  herauszugobou. 

20.3,  12.  Incipit  autem  a  laude  Siciliae  et  egreditur  ad 
crimen  Dionis,  deinde  Sosippi  et  Philooratis,  scilicrf  de  iure  Si- 
cnlorum  everso.  In  Verkennung  der  uralten  Abkürzung  dieses 
AVortes,  das  bei  unserem  Scholiasten  ein  paar  Dutzendmal  steht, 
ward  von  den  librarii  ein  si,  von  den  editores  ein  sed  daraus 
gemacht. 

Rom.  Th.  Stangl. 

Nachschrift.  Der  Schluss  dieses  Aufsatzes  war  am  AVeih- 
tiachtsabend  v.  J.  an  die  Redaktion  abgegangen;  in  den  Biblio- 
theken, Λvelchen  die  seitdem  verflossenen  acht  Monate  in  Mittel- 
nnd  Oberitalien  mich  zuführten,  habe  ich  diese  Studien  nicht  aus 
den  Augen  verloren.  Es  lag  von  vornherein  in  meinem  Heise- 
plan Florenz  zuletzt  aufzusuchen;  zufällig  trifft  es  sich,  dass, 
nach  den  bisher  bekannten  littcrarhistorischen  Notizen,  hier  allein 
noch  in  Italien  unbenutzte  Handschriften  zu  Pseudoasconius  auf- 
bewahrt werden.  Aus  Baiter  p.  lüo  hatte  ich  cod.  Laurent.  ])1. 
64,  27,  aus  Kiessling-Schöll  p.  XXXII  bez.  XXXI  cod.  Laurent, 
pl.  50,  4  und  5  und  cod.  soc.  Columb.  Florent.  Β  7  verzeichnet. 
Der  erstgenannte  enthielt  ausser  einem  lateinischen  Commentar 
xn  Plutarch  nichts,  den  zweiten  und  vierten  konnte  ich,  erst 
wenige  Tage  hier  und  mit  werth volleren  Handschriften  beschäf- 
tigt, nicht  vornehmen,  der  dritte  Avurde  an  all  jenen  Stellen  ein- 
gesehen, welche  geeignet  schienen,  die  oben  S.  570  fl*.  angedeutete 
Meinungsverschiedenheit  mit  A.  Kiessling  und  R.  Scholl  über  das 
A^erhältniss  der  Leidenser  (-—  L)  und  Pistoieser  (=  S)  Abschrift 
xum    verlornen   Archetypus    zu    kläreii.     T>'\^  '^\τv^\^\Vew^^cv^^^^^  ^^"^ 


5dO      St  an  gl  Zur  Textkritik  der  Scholiaeten  ciceroniscber  Reden. 

^Äfedioeischen  Handschrift  Avar  in  der  Tliat  nicht  nutzlos;  wich- 
tiger nocli,  dass  bereits  in  der  Nationalbibliothek  zu  Neapel  ein 
von  den  Asconiuskritikern  nicht  genannter  Codex  gefunden  und 
iju  Hinblick  auf  jene  Frage  benützt  worden  war. 

Cod.  Laurent.  50,  5  (—  M),  der  fol.  1»— 33^  lin.  7  Asconins, 
Λ'οη  da  bis  fol.  73^'  lin.  16  Pseudoasconius  enthält,  ist  am  *25. 
Juli  1410  vom  berühmten  Geheinischreiber  des  Papstes  Martin  Y, 
Bartholomaeus  de  Montcpoliciano,  abschriftlich  vollendet  worden, 
auf  Grund  der  Untersclirift. 

Cod.  Ncapolit.  V  Β  20  (=  Ν),  der  fol.  1*— 49»  Asconius, 
49*^ — 119**  Pseudoasconius  bietet,  ist  von  mir  unbekannter  Her- 
kunft. 

Μ  und  Ν  sind  von  einander  unabhängig  und  es  steht  im 
Allgemeinen  Μ  nahe  dem  S,  Ν  sehr  nahe  dem  L.  Doch  ist  weder 
Ν  aus  L  abgeschrieben,  noch  Μ  aus  S.  Denn,  um  nur  einen 
Beleg  anzuführen:  Ν  hat  mit  L  nicht  die  oben  S.  570  bespro- 
chenen Lücken  zu  211,  11—14.  212,  5— G.  130,  17  gemein,  noch 
Μ  mit  S  jene  zu  130,  11.  139,  19.  183,  14—186,  18.  Von  den 
liOsungen  des  S,  welche  oben  «als  Emendationen  oder  als  Tnter 
])olationen  erklärt  wurden,  findet  sich  keine  einzige  in  N,  die 
charakteristiKchen  alle  in  M.  Doch  steht  Μ  154,  13.  171,  9. 
200,  2.  208,  20  und  noch  öfter  mit  L  Ν  gegen  S,  mit  dem  er 
auch  die  zu  weite  Haumausparung  bei  Lücken  nicht  theilt.  Dar- 
aus iM'bellt.  dass  die  gemeinsamen  Abweichungen  der  Mediceischen 
und  IMstoieser  llandseliriften  eine  Frucht  der  so  zu  sagen  kriti- 
si'hcii  Thätiirkcit  eines  (T(;lehrten  ist  und  zwar  ein  und  desselben. 
Wer  von'don  ziililreicben  Hunianisten,  die  damals  in  der  Anio- 
stiult  wirkten,  diese  Tliätigkeit  in  den  neu  gefundenen  Ciecro- 
coninicntarien  enti'iilt(^te,  thut  niclits  zur  Saebe.  Am  stärksten  ist 
davon,  wie  aus  Obigem  liervorgebt,  das  Aj)Ogra]dion  des  So/.u- 
nicnos  inli(M'rt,  weniger  jenes  des  i^iontepubiiand,  ganz  verschont 
\i\\r.\)  natur.ii:<'niiiss  das  von  Poggio  in  St.  Gallen,  dem  Fundoil 
des  Arclictypus,  gefertigte  und  das  Neapolitaner,  das  «υ  wohl  vor 
d(!r  Verbreitung  jener  llon^ntinisclien  Textneuerungen  oder  aufh 
i::l('ie]izeitig  o(b'r  später  ferne  Λοηι  Arno  und  dem  Einlluss  jenes 
(rebdirteiikreises   entstanden   ist. 

l)er  neue  kritisclie  A]>j>arat  wird  darnach  zu  L  einen  jener 
^  Fb>rentiner'  Codices  beizieben,  am  besten  M,  und,  wenn  Ti  nml 
Μ  .irei;-en  einander  stellen,  Ν  entscdn^iden  lassen.  ,Iede  weit»Te 
llaudselirirt  ist  vom  rchel:  sie  LTclx'n  bloss  species  zu  <leu  /wei 
nunmeiir  Jestgestelllen  geuera  ab.  Dass  der  Kritiker  hiiniiii  in 
die  Laire  k<»uiml,  gegen  L  und  Ν  und  M,  gegen  alh»  liel>crlit'- 
terung,  den  Text  zu  konstituiren,  ist  im  vierten  Tbeil  dics»T 
Aufsätze   erwiesen    worden. 

I  litren/.  Th.    Staiiirl. 


Ein  Lehrgedicht  des  Plntarch. 

(Echtheit  von  Galen's  Protrepticus  —  Versspunm  —  Galen  und 

Plutarch   —  Plutarch  und  Phaedrufl.) 


An  der  Spitze  des  Corpus  der  Galenischen  Sdiriften  steht 
eine  kleine,  früher  viel  gelesene  und  in  mehreren  vSonderabdrücken 
verbreitete  Abhandlung  paraenetischen  Inhalts,  mit  dem  urkund- 
lichen ^  Titel  Γαληνού  παραφράστου  του  Μηνοοότου  προ- 
τρβπτικός  λόγος  έπι  τάς  τεχνας.  Nun  erwähnt  Galen  π€ρι 
τών  IbiuJV  βιβλίων  9  (vol.  XIX  ρ.  38  Κ.)  unter  einer  Gruppe 
* empiriecher*  Schriften:  περί  τών  Μηνοοότου  Σεβήρψ  ενοεκα, 
kurz  darauf :  υπομνήματα  γ  εις  το  Μηνοόότου  Σεβήρψ*  προ- 
τρ€ΤΓτικός  έπι  ιατρική  ν.  Bereits  Ackermann  (bei  Fabricius- 
Harl.  bibl.  V  =  Galen,  ed.  Kuehn  I  p.  LXXII)  nahm  an,  dass 
der  erhaltene  Protrepticus  mit  dem  des  Katalogs  identisrh  sei  - 
und  Willet  p.  58  seiner  Ausgabe  gesteht  wenigstens  die  Mög- 
lichkeit zu.  Kühn  ist  anderer  Meinung.  Er  macht  geltend,  dass 
die  euasoria  des  Katalogs  'ad  medicimm,  liicbt  \id  (trtes^  be- 
titelt werde;  die  überlieferte  Schrift  könne  also  wohl  verschie- 
den sein  von  der  im  Katalog  gemeinten.  1)λ  nun  ein  äbnlicber 
Titel  von  Galen   an   keiner   anderen  Stelle   aufgezeichnet  ist,    so 


*  Bis  jetzt  i^t  es  freilich  noch  nicht  gelungen,  eine  Handschrift 
aufzufinden ;  doch  darf  die  editio  princeps,  von  der  die  Kritik  abhängt, 
nach  den  Bemerkungen  Müller*»  (Galen,  de  plac.  Ilippocr.  et  Piaton. 
prolegg.  p.  14)  wohl  die  gleiche  Gewahr  beanspruchen.  Vgl.  (ijikMii 
scripta  minora  vol.  I  ex  recogn.  Jo.  Marquardt  Lips.  1884  praef  ]>. 
XXIV.  Ich  freue  mich,  dass  ich  diese  sehr  willkommene  Publication 
noch  nachträglich  habe  verwerthen  können. 

2  Die  Ansicht  des  Montanas,  der  den  Protrc^pticus  einem  sonst 
ganz  unbekannten  andern  Galen,  dem  'Sohn  des  Mcnodot',  znschreibi, 
beruht  auf  c'mcm  offeuharcn  Miss  Verständnisse. 


5H2  Crusius 

ΛνϋΓο  damit  der  Verdacht  einer  Fälschung  nahe  gelegt.  Und  in 
der  Tliat  liat  bereits  C.  Hofmann  in  einem  an  Reinesius  gerich- 
teten Briefe  ^  das  Schriftchen  dem  Galen  abgesprochen,  leider 
ohne  Angabe  seiner  Gründe.  Dieselbe  Ansicht  äusserte  später 
in  aller  Kürze  und  ohne  auf  Hofmann  Bezug  zu  nehmen  der 
einsichtige  anonyme  Recensent  der  Willct'schen  Ausgabe  im  Mn- 
seum  Criticum  II  (Cambridge  1826)  S.  318,  während  der  neueste 
Herausgeber  keinerlei  Zweifel  verlauten  lässt. 

Jene  Bemerkung  Kühn's  erweist  sich  aber  bei  näherer  Be- 
trachtung als  nicht  stichhaltig.  Am  jetzigen  Schlüsse  des  Pro- 
trepticus  stehen  die  Worte  έκ  τούτων  ούν  τίνα  τών  τεχνών  άνα- 
λαμβάν€ΐν  τε  και  άσκ€Ϊν  χρή  τον  νίον,  δτψ  μη  παντάπασιν  ή 
ψυχή  βοσκηματώοης  εστί*  και  μάλλον  γε  την  άρίστην  έν  ταυ- 
ταις,  ήτις,  ώς  ήμεϊς  φαμέν,  έστιν  ιατρική*  τούτο  h'  αυτό 
όεικτε'ον  έφεΕής.  Dies  Thema  wird  dann  freilich  mit  keinem 
AVorte  weiter  ausgeführt,  auch  nicht  durch  die  in  den  meisten 
Ausgaben  folgende  rein  philosophische  Schrift  περί  άρίο'της  bi- 
οαοΓκαλίας,  die  man  wohl  als  Fortsetzung  des  Protrepticus  auf- 
gefasst  hat.  Das  erhaltene  Stück  ist  also  nur  die  Einleitnng; 
der  Hau  ρ  tt  heil  ist  verloren  gegangen,  und  erst  dann  wird 
man  die  nicht  melir  passende  Uebersehrift  έπι  ϊατρικήν 
in  έπι  τάς  τεχνας  verwandelt  liaben.  Damit  ist  der  An- 
stoss  Kübn's  beseitigt  und  eine  schwer  wiegende  äussere  Ge- 
wiilir   für   die   Autluntie  des  Schrift ebens  gewonnen. 

\Ί<*11οί(•1ί1  sind  aber  innere,  sacliliehe  oder  formelle  Ver- 
daclitgründe  vorlianden.  welche  dagegen  in  die  Wagsebale  fallen. 
Wyttoiil)ac]i  —  und  mit  ihm  sein  Seliüler  AVillet  —  ist  freilich 
nicht  der  Ansicht.  "  Er  hält  den  Stil  des  Protrei)ticus  für  echt 
(lalenisob,  und  während  er  über  das  in  mehr  als  einer  Hinsicht 
eng  verwandte  Plutarcbische  Scbriftehen  περί  Traibujv  αγωγής 
nach  einer  strengen,  do(di  wühl  zu  peinlichen  Untersuchung  da.s 
Vcrdamnningsurtheil  ansspriclit,  bat  er  für  die  Abhandlung  Galen's 
nnr  Woi'tc  der  Anerkennung.  Tn  der  lebrreieben  Keeension  der 
Kidiler'sclu'n  Ausgal)e  (bibl.  crit.  11  2,  08)  rühmt  er  die  mirn 
(bxttrinae  siKirifas^  nml  in  seinen  Animadversiones  zu  der  oben 
tirwiihuten  »Sclirift  IMutarclTs  (toni.  VI  p.  90  ed.  Oxon.)  sagt  er 
vom  achten  Kapitel:  ideni  argumentum  siiaritcr  et  eopiose  ennr- 
ravit   Galenus    in    Protreptico.      Wohl    Λ-υη    ihm    beeinflusst.    hat 

^  Th.  Kc'iucsii  v\d  .  .  .  V•ΛV^\^.  \\vA\\\v.vuuuni,  Christ.   Ad.  liiiporiuii: 
.  .  .  epistolac,  Lips.  Μ'Λ\^  γ.  V^^V 


£in  Lehrgedicht  des  Pluiarcb.  683 

denn  auch  der  sehr  A^erdiente  neueste  Herausgeber,  Jo.  Marquardt, 
das  Schriftchen  (praef.  p.  XXV)  suavis  et  lectu  pcrdignus  genannt. 
Ganz  anders  der  Engländer.  Er  meint,  es  sei  eine  selir 
untergeordnete  Composition,  unelegant  in  der  Anordnung,  schwach 
in  der  Beweisführung  —  das  letztere  kann  ich  nicht  zugestehen, 
auch  will  beides  bei  dem  fragmentarischen  Zustande  nicht  viel 
besagen  — ;  auch  sei  die  Sprache  vielfach  incorrect  und  verrathe 
hie  und  da  geradezu  *an  ignorance  of  tho  Grcek  idiom'.  Schade, 
dass  er  die  Nachweise  schuldig  geblieben  ist.  Wenn  ich  richtig 
beobachtet  habe,  wird  man  höchstens  von  *  ignorance  of  the  Aific 
Idiom'  sprechen  dürfen;  und  hierin  hatte  Galen  bekanntlich  ein 
weites  Gewissen,  ja,  er  stellte  sich  geradezu  in  einen  bcwussten 
Gegensatz  zur  Moderichtung  seinerzeit:  vgl.  z.  B.  XIX  p.  61  K. 
αμεινον  γαρ  έστι  φωνή  μάλλον  ή  τψ  βίψ  σολοικίίειν  τ€  και 
βαρβαρί2ΐ€ΐν  (gegen  die  Atticisten).  Τη  der  Darstellung,  heisst  es 
weiter,  there  is  fhroughout  an  ambiiions  phrascologij^  α  flowcry 
rhetoric,  which  seem*s  to  have  been  cuUed  froni  the  'garden's  of 
Adonis'  rather  than  from  the  orchards  of  Alcinous  —  vielleicht 
auch  aus  den  χαρίτων  κήποι,  wie  wir  vorgreifend  hinzufügen 
können.  Diesen  letzten  Satz  unterschreibe  ich,  abgesehen  von 
dem  throughout.  Vielmehr  ist  es  gerade  eine  auffallende  Eigen- 
thümlichkeit  des  Protrepticus,  dass  an  knappe  und  schlichte,  ja 
nüchterne  Partien  ganz  unvermittelt  breit  angelegte,  schwungvolle, 
nicht  selten  gesucht  und  gespreizt  erscheinende  Ausführungen  sich 
anschliessen.  Gerade  in  diesen  starken  Stildifferenzen  sehe  ich 
eine  der  grössten  Schwächen  des  Schriftchens.  Der  trefflichen 
urkundlichen  Beglaubigung  gegenüber  werden  sich  aber  aus  der- 
artigen Anstössen  bei  einem  notorischen  Schnell-  und  Vielschrei- 
ben, wie  Galen,  doch  wohl  keine  zwingenden  Verdachtsgründe 
ableiten  lassen :  um  so  weniger,  als  von  ihm  verwandte  Tendenzen, 
zum  Theil  mit  denselben  Mitteln,  auch  in  andern,  sicher  echten 
Schriften  verfolgt  werden^. 

Wir  werden  demnach  in  der  Folge   die  Echtheit  des  Pro- 


^  Stellennachweise  bei  Willet  p.  122  124  125.  Hervorzuheben  ist 
der  SchluBs  der  Abhandlung  π.  τ.  διά  τής  μικρδς  σφαίρας  γυμνασίου  V 
ρ.  910  Κ.  102,  4  sq.  Mq.  «  Protr.  Χϊ  ρ.  30  Κ.  123,  IG  Mq.  Hinzu 
fügen  wir  noch,  dass  über  die  menschlichen  Fertigkeiten  in  ihrem  Ver- 
hältnisse zu  denen  der  Thiere  in  der  Schrift  περί  μορίων  χρείας  wie- 
derholt (bes.  I  2.  3.  4)  dieselben  Ansichten  ausgesprochen  werden,  wie 
im  Protrepticus. 


5b4  Crusius 

trepticuH  getrost  voraussetzen  dürfen.  Doch  ist  es  für  nnsere 
rntersucliuiig  von  Nutzen,  wenn  wir  hier  noch  einige  Bemer- 
kungen über  jene  formellen  I^nebenheiten  vorausschicken. 

£incn  Theil  der  Schuld  könnte  der  Umstand  tragen,  dose 
Galen  in  diesem  AVerkchen  eine  Schrift  des  Skeptikers  Menodotos 
zu  Grunde  legte  ^.  Denn  diese  Folgerung  wird  man  aus  dem 
allerdings  schwerlich  correct  überlieferten  Titel  doch  wohl  ziehen 
dürfen-;  die  Erwähnung  des  Menodot  und  das  Vorherrschen 
skeptisch-enipirischer  Schriften  in  derselben  Gruppe  des  Kata- 
loges,  sowie  leise  Spuren  jener  philosophischen  Bichtung  in  der 
Abliandlung  selbst^  bieten  eine  geΛvi8se  Bestätigung  dafür.  Die 
Schrift  des  Skeptikers  war  vermuthlich  im  Ton  rein  philosophi- 
scher Erörterung  gehalten"*,  der  ja  auch  an  einigen  Stellen  un- 
seres Protrej)ticufi  noch  durchklingt.  Doch  da  Galen  seine  Ab- 
liandlung zu  mündlichem  Vortrage  vor  Schülern  bestimmt  hatte^ 
so  mussten  ihm  lebhaftere  Farben  erwünscht  sein,  und  als  echtes 
Kind  seiner  Zeit  verschmähte  er  es  bei  aller  Opposition  gegen 
die  Sophisten  ^'  doch  keineswegs,  von  ihren  λήκυθοι  reichlich  Ge- 

^  Wiederholt  benutzt  ist  Menodot  in  den  (nur  in  einer  Ucber- 
sctzuijof  cihiiltenei»)  ύποτυπώσεις  έμπειρικαί:  vgl.  M»x  Bonnet,  de  Clan• 
ilii  (ijilcni  siibii;;nra1ioiui  einpirica,  diss.   Γκμιπ.   1872  ρ.  70. 

-  I>i('  üHcrcii  Vcrsnclic,  den  Titel  zu  vcibesscni,  hei  Willet  und 
\)i'A  DiiiM'itilK'rg•,  (»cMivrcs  dl'  (ijilicn  I  j>.  SV  Dareiiiber;;  meint,  die  Er- 
wüliiiuiijjf  «Ics  Menodot,  sei  'nne  addition  des  copistes'  iiud  übersetzt 
eint'acli  'exliortatioii  a  Tetiide  des  arts\  Aehnlich  bereits  K<>lder  ]>.  10 
und  iieuerdin«^s  Manjuardt  p.  103,  der  πρ.  έπΙ  τ^χνας  sclireibt,  daWi 
al»er  mit  Fiireelit  auf  den  Kataloii^  verweist.  Allein  woher  kam  den 
eopistes  di«'ves  exijuisite  WissiiiV  -«Vus  der  Abliandlunji  selbst  ktjnnten 
sie  doeli  iiielits  seldiesscn  und  ein  Missverstäntliiiss  der  Notizen  des 
Katalo<^s,  an  «las  ieli  »'inmal  /^edaelit  habe  und  vor  mir  Köhler  j».  h\ 
ist  mir  nicht  mehr  re(;ht  walirsolieinlieh.  An  die  /uverlässio:keit  der 
retx'rsclirit't  irl:iul)t,  wie  icli  brieliiehen  Mittheilunj^en  entnehme,  auch 
1*.  Volkmann. 

■'  (iluicli  im  Anfan;^:  Kap.  I  ei  μίν  μηδ'  ολαις  λόγου  μ^τεστι  τοις 
(ίλόγοις  ονομαΣ^ομ^νοις  liijoic,  αδηλόν  έστιν.  ίσιυς  γαρ  κτλ.  Fcrutr 
Kd[y.  IX  |t.  121  Κ.  öBev  αμ^ινον  προδιασκενμασθαι  irepi  αυτού*  eOer- 
απ('<τ)ΐτος  γαρ  ί'καατος  tv  ο'ις  ϊατιν  άπρόσκειττος. 

^  Einen  «j;anz  anderen  Ton  seheint.  Menodot  freilich  in  der  Vv 
Irmik  mit  scinm  (μ'^ιημίι  annfoschlai^en  zu  halben:  \'^\.  die  sehr  cha- 
rakteristische Stelle  p.  (i.'i,   n>  iV.  ]>onnet. 

'  Vjxl.  Iva]».  IX  )».  20  K.  «γετ'  ούν,  ώ  παιόες,  όπύσοι  τιϋν  ^μυ•ν 
άκηκούτ^ς  \o'((uy  ...  ikur/.  vorher:  μη  toivujv  εάσης  ώ  μ6  ιρ  άκ  ιον  . . .). 

''  J>ekannl    isl   sciwe  \\Av!\u\V   ^^c'^^^-w  V'*x\v>\\\\  \\\  viviv  iScbrift  περί 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  685 

braach  za  machen.  Auch  hat  er  bei  diesem  Auf-  und  Ausputzen 
ohne  viel  Bedenken  stillschweigend  Bilder,  Wendungen  und  ganze 
zusammenhängende  Stellen  von  andern  entlelmt  und  in  Heine  Dar- 
stellung eingelegt.  Schon  die  von  Wyttenbach  a.  a.  0.  nachge- 
wiesenen Parallelen  aus  Plato  geben  davon  eine  Anschauung. 
Aber  freilich  sind  das  lauter  Einzelheiten,  die  nicht  einmal  sehr 
störend  wirken.  Viel  aufTälliger  sind,  wie  schon  oben  bemerkt, 
stilistische  Unterschiede,  wie  zwischen  dem  ersten  Absatz  (p.  103 
Mq.)  und  Kap.  II,  besonders  aber  ΠΙ  ff. 

Den  Eingang  bildet  eine  kurze,  im  Ton  der  Skepsis  gehal- 
tene Auseinandersetzung  darüber,  ob  die  αλόγα  ίψα  Vernunft 
besitzen  oder  nicht.  Die  Frage  Λvird  unentschieden  gelassen. 
Doch  sei  der  Mensch  jedesfalls  darin  allen  andern  Ιωα  überlegen. 
Er  könne  sich  nicht  nur,  μόνος  επιστήμης  επιδεκτικός,  alle  ihre 
Fertigkeiten  aneignen,  sondern  habe  auch  Theil  an  den  'göttlichen 
Künsten'  des  Asklepios,  des  Apollo  und  der  MuHcn.  πώς  οΰν 
ουκ  οίσχρόν,  heisst  es  dann  Kap.  11,  φ  μόνψ  τών  έν  ήμϊν  κοι- 
νωνουμεν  θεοϊς,  τούτου  μέν  άμελεϊν,  έσπευκεναι  bk.  περί  τι  τών 
δλλων,  τέχνης  μέν  αναλήψεως  καταφρονουντα,  τύχη  bk  εαυ- 
τόν επιτρέποντα;  Mit  diesem  nicht  eben  strengen  Gedanken- 
fortschritte wird  das  Thema  für  die  folgenden  Kapitel  gewonnen: 
der  Gegensatz  zwischen  τε'χνη  und  τύχη.  Der  Rest  des  zweiten 
Kapitels  enthält  einen  in  der  Art  der  Sophisten  entworfenen 
ψόγος  der  dämonischen  Tyche  ^  das  dritte  einen  έπαινος  des 
Hermes,    des  Vertreters  von  λόγος  und  τε'χνη  -.     Die    folgenden 


ττ^ς  άρ(στης  διδασκαλίας  Ι  ρ.  40  Κ.  ρ.  82  Mq.;  vergl.  περί  τών  Ιδίων 
βιβλίων  13  vol.  ΧΙΧ  j).  45  Κ.:  προς  τόν  Φαβουρινον  κατά  Σωκράτους 
(verloren  jregangen).     Sehr  bezeichnende  Aeusserungen  vol.  I  p.  62  K. 

μή  καθάπερ  κολοιόν  ή  κόρακα  περί  φωνών  ίυγομαχειν,  άλλ*  αΟτών 

τι&ν  πραγμάτων  σπουδάίειν  τήν  άλήθειαν  (οτι  ό  άριστος  Ιατρός  καΐ 
φιλόσοφος  reo.  Mueller  ρ.  29,  Parallelstellen  im  Commentar  ρ.  51); 
IX  ρ.  789  Κ.  .  .  .  τους  σοφιστικούς  λήρους  έτ^ροις  παρόντες  .  .  ., 
ähnlich  XV  ρ.  159  .  .  .  σοφιστής  έστιν  άνομίλητος  τοϊς  ίργοις 
τής  τέχνης.  Ausführlicher  wird  er  sein  Programm  entwickelt  haben 
in  der  leider  nicht  erhaltenen  Schrift  περί  τών  προς  τους  σοφιστάς, 
erwähnt  im  Kataloge  vol.  XIX  ρ.  48  Κ.  Auch  im  Protrepticus  cap.  X 
p.  120,  4  Mq.  macht  er  einen  Ausfall  gegen  die  Rhetorik,  nachdem  er 
eben  ihren  ganzen  Apparat  hat  spielen  lassen:  vgl.  unten  S.  588^. 

*  Man  wird  das  Wort  in  der  Folge  mit  grossen  Anfangsbuch- 
staben schreiben  müssen  [wie  es  Marquardt  durchweg  gethan  hat]. 

^  In  beiden  bildet  eine  Beschreibung  der  plastischen  Darstellung 
der  beiden  Gottheiten  den  Ausgangspunkt.    Für  uua  beme\:k<ivv&^^xi\\ 


58ß  Crusius 

beiden  Kapitel  8childern  uns  da«  Schicksal  der  'Thiasoten'  jener 
Gottheiten,  die  in  zwei  geeonderten  χοροι  an  uns  vorbcigcführt 
werden.  Mit  Kap.  V^I  beginnt  dann  eine  mit  Citaten  und  Anek- 
doten überreich  ausgestattete  Auseinandersetzung  über  die  Gaben 
derTyche:  Reichthum  (Kap.  VI),  adelige  Geburt  (VII),  Schönheit 
(VIII).  Das  Schlussresultat  wird  p.  18  K.  zusammengefaeet  in  die 
Worte:  έ£  απάντων  τοίνυν  των  είρημενων  .  .  .  έναργώς  φαί- 
νεται, μήτ'  έπι  γένους  λαμπρότητι,  μήτ'  έπι  πλούτψ  τε  και 
κάλλει  θαρ^ήσαντα  καταφρονήσαι^  τέχνης  ασκήσεως.  Damit  ist 
der  erste,  allgemeine  Theil  abgeschlossen. 

Schon  im  zweiten  und  dritten  Kapitel  wird  den  Leser  die 
poetische,  von  lebendiger  Anschauung  getragene  Sprache  stutzig 
machen,  ohne  dass  man  daraus  weitere  Folgerungen  ziehen  dürfte 
bei  einem  Schriftsteller  jener  Zeit,  die  überhaupt  die  Mittel  der 
Poesie  mit  Vorliebe  im  Dienste  der  alleinherrschenden  Prosa  ver- 
Λvandte.  Mehr  ins  Gewicht  fallt  die  Thatsache,  dass  die  Rede 
an  etlichen  Stellen  unverkennbar  einen  rhythmischen  Gang  an- 
nimmt, z.  B.  im  Anfange  des  dritten  Kapitels:  τόν  b*  Έρμήν 
ατε  ||  λόγου  μεν  δντα  δεσπότην  <ήο'>  έργάτην  [6έ]  || 
τέχνης  άπάσης.  Nun  ist  zwar  der  Jambus  μάλιστα  λειαικός; 
auch  finden  sich  bei  älteren  Kedekünstlern  häufig  ähnliche  An- 
klänge, die  schliesslich  docli  nur  dem  Streben  nach  Eurhythniie 
ihren  Ursprung  verdanken-.  Aber  iui  vierten  und  fünften  Ka- 
pitel liegt  die  Sache  schon  anders.  Hier  Averden  die  beiden 
χοροι  der  Tyclio-  und  Ilerniesdiener  mit  einer  solchen  Anschau- 
lichkeit, in  so  fein  detaillirtcr  Ansfülirung  gezeichnet  und  zugleich 
drängen  sieh  die  rhythmischen,  insbesondere  jambischen  Reihen 
so  dicht  an  einander,  dass  man  schwerlich  noch  an  eine  zufällige, 

Kap.  ΙΓ  (wo  Giilr-n  ganz  sicher  nicht  den  Paciivius  auct.  ad.  lleronn. 
II  2B  vor  Augen  gehabt  hat,  wie  Köiilcr  glaubt  S.  11)):  oi  παλαιοί 
halxMi  diu  Ί\•(•1ΐ(;  als  Weib  gebildet,  καΐ  πηοάλιον  ^booav  έν  χεροιν  αύτη 
καΐ  τοΐν  ποδοϊν  ύπέθ€σαν  βάσιν  σφοιρικήν,  ^ στέρησαν  δέ  καΐ  τοΐν  όφβαλ- 
μοΊν  .  .  .  (wird  nun  weiter  ausgeführt).  Kinc  genaue  Parallele  dazu 
sind  tlie  entsni-eeheiuh'n  εκφράσεις  in  Kel)(\s'  (Jemälde  (bes.  Tyehe  Kap. 
7.1.  Auch  die  in  dvn  foli^'-endcMi  Kapiteln  gegebene  Schilderung  d»T 
TychcMlieuer  iiiidet  in  diesem  zuerst  von  Lueian  berücksichtigten  uii'l 
doch   wohl  sehr  spät   anzusetzenden   Schrii'tclu*n  ein   Analogon. 

^   Maripiardt  corrigirt  καταφρονητ^ον. 

-  Man  vgl.  z.  B.  di«.•  interessanten  Xachweisungen  bei  Jo,  llb•'r:,^ 
studia  Pseudi)>pocratea  ( lii})s.  IPS'•).  ]).  25s(}.;  dazu  ühcr  die  'i><:iCti-ehc 
i'/Osa'  dei'  Sophisten  iAe,uovd\\\\;9.  II.  Diel^,  (iorgias  und  EnipodnkU-^ 
(SVtzungsber.  d.  r>er\.   Xkad.  V;\\\  λ'^^^^  V.. 'iVu  ^^^>.. 


£in  Lehrgedicht  des  Plutarch.  687 

halb  unbewußsto  Handhabung  poetischer  Kunstmittel  wird  denken 
dürfen.  Am  besten  läset  sich  der  Sachverhalt  darlegen  durch 
eine  schlichte  Wiedergabe  der  wichtigsten  Stellen.  Die  jambischen 
Stücke  sind  gesperrt  gedruckt;  hie  und  da  ist  eine  Andeutung 
davon  gegeben,  wie  leicht  sie  sich  vervollständigen  und  correcter 
gestalten  lassen. 

Kap.  IV  Τους  [bi  T€]  τη  Τύχη  1  συνεπομένους  απαν- 
τάς μέν  II  αργούς  θεάση  και  τεχνών  αμαθείς*  ||  όχου- 
μενους  b'  έπ'  έλττίδων  <κενών>  άει  ||  και  θεούση  τή 
όαίμονι  συνθέοντας  (κ.  σ.  τ.  θ.  b.)  ||  ένίους  μέν  εγγύς, 
ένίους  bk  πο(5^ωτερω  ||  τινάς  bέ  και  της  χειρός  αυτής 
[έΕ]  ήμμενους.  !|  έν  τούτοις  απασι  και  τον  Κροϊσον  .  .  . 
δψ€ΐ,  και  τον  Πολυκράτην,  και  ϊσως  θαυμάσεις,  τψ  μέν 
τον  ΤΤακτωλόν  ibwv  ||  ^εοντα  χρυσόν,  τψ  bέ  και  τους 
θαλαττίους  ||  ύπηρετουντας  Ιχθυς.  μετά  τούτων  bέ  και 
Κυρον  θεάση,  και  Πρίαμον  και  Διονύσιον  .  .  .  ||  δψει  bέ 
και  <τόν>  Πρίαμον  (έγ>καθειργμένον-  .  .  .  εΐ  bέ  και  τους 
δλλους  έπισκε'ψαιο  τους  άπωτέρω  μέν  αυτήν  θέουσαν  bim- 
κοντας,  ||  ού  μην  τύχοντας  γε,  μισήσεις  δλως  τόν  χορόν. 
είσι  γάρ  ενταύθα  και  bημαγωγoι  .  .  .  εισι  bέ  και  ||  φονεϊς  ^τε> 
και  τυμβωρύχοι  και  δρπαγες'  ||  πολλοί  bέ  μηbέ  των 
θεών  [αυτών]  πεφεισμένοι  .  .  . 

Kap.  V  Ό  bέ  έτερος  τών  χορών,  πάντες  μέν  κόσμιοι 
και  τεχνών  έργάται,  ού  θέουσι  .  .  .  ||  άλλ'  έν  μέσοις  αυ- 
τοί ς  μέν  (edd.  μ.  αύ.)  ό  θεός,  άμφ<ι>  [αυτόν]  bέ  ||  άπαντες 
έν  τάΗει  κεκόσμηνται,  ||  χώραν  έκαστος  ήν  εκείνος  έbωκεv 
(ώπασεν)  ||  ούκ  άπολιπόντες.  οι  μέν  έγγιστοι  (vg.  -α)  [τω] 
θεώ  .  .  .  γεωμε'τραι  . .  .  και  φιλόσοφοι  τε  και  ιατροί  .  .  .  !| 
τούτων  b'  έφεΕής  [6]  bεύτερoς<τις),  Ζωγράφοι, ||πλάσται 
. .  .  καΐ  μετ'  αυτούς  6έ  ή  τρίτη  τάΕις  αι  λοιπαι  τέχναι  ...πάν- 
τες bέ  προς  τόν  θεόν  άποβλέπουσι,  ||  κοινοϊς  (edd.  —  ψ) 
[τώ]  παρ'  αύτου  [προσ]  τάγμασιν  (vg,—  τι)  πειθόμενοι  (πειθή- 
νιοι)^, θεάση  bέ  κ(|1νταυθα  πολλούς  μετ'  αύτοΟ  του  θεού, 
τετάρτην  he  τίνα  τάΕιν  από  τών  δλλων  έκκριτον,  ούχ  οίοί  τίνες 
ήσαν  ο\  μετά  τής  τύχης,    ού  γάρ  άΕιώμασι  πολιτικοϊς   .  .  . 


*  So  Cobet  und  Marquardt;  die  Hdd.  τής  Τύχης. 

2  Hier  hat  Marquardt  mit  Wyttenbach  und  Cobet  καθηρημ^νον 
geschrieben:  eine  sehr  nahe  liegende  Aenderung,  die  auch  mir  in  den 
Sinn  gekommen  war.     Doch  lässt  sich  die  lieber! ieferung  wohl  halten. 

3  Ein  Lieblingswort  Plutarch's•,  τάγμα  *BdeiViV  ^^^tl\\.\  ^.^^\  ^^. 


588  Crueias 

II  πλούτψ<τ'>[τούς]  αρίστους  6  θεός  [ούτος]  είθισται  κρ(- 
νειν'όλλά  τους  II  καλώς  [μέν]  βιουντας,  έν  bk  ταΐς  εαυτών 
τέχναις||πρωτευοντας... τούτον... τ όν  χορόν||νοήσας(νοών) 
όποιος  έστιν  οό  μόνον  δηλώσεις  άλλα  καΐ  προσκυνήσεις. 
Σιυκράτης  έστΙν  έν  αότψ  καΐ  "Ομηρος  .  .  .  οίον  Οιταρχοί  τίνες 
καΐ  ύπηρέται  του  θεοΟ.  των  b'  δλλων  όπάντιυν  ||  ούκ  £στιν 
δστις  ήμελήθη  <πω^ποτέ  ||  προς  αύτοΟ.  .  .  .  ||  πλέουσι 
σύμπλους  [έστΙ]  καΐ  ναυαγούντων  (νεναυαγηκόσι)  ||  ούκ 
απολείπεται  (παρίσταται). 

Jeder  unbefangene  Leser  wird  hier  den  Eindruck  empfiuigeii, 
dasB  er  aafgelöste  Verse  vor  sich  hat.  Oalen  ηιαββ,  obgleich  er 
kein  Wort  davon  sagt,  eine  poetische  Vorlage  benatzt  nnd  mm 
grossen  Theil  wörtlich  ausgeschrieben  haben  ^.  Hypothesen  tlber 
den  Verfasser  sollen  hier  nicht  aufgestellt  werden.  Wir  wenden 
uns  zu  dem  zweiten,  noch  mehr  in  die  Augen  stechenden  Falle, 
mit  dem  wir  uns  eingehender  beschäftigen  mttssen. 

Die  Vorzüge  der  Techne  vor  der  Tyche  sind  erwiesen.  Doch 
gibt  es  auch  eine  ματαιοτεχνί(χ,  brodlose  und  unwürdige  Künste, 
vor  deren  Ausübung  man  warnen  muss.  Wührend  die  meisten 
VOD  ihnen,  wie  das  Seiltanzen  und  Ähnliche  Fertigkeiten,  von 
Niemandem  mehr  mit  der  wahren  τίχνη  verwechselt  werden, 
kann  τό  τών  αθλητών  έπιτήόευμα  das  Urtheil  verwirren,  da  es 
eine  Steigerung  der  physischtin  Kraft  verBpricht  und  nach  altem 
Herkommen  geschätzt  und  geehrt  wird.  Damit  ist  das  Thema 
des  zwoilen,  specielleren  Theiles  /ofegcbcn,  den  man  als  einen 
ψόγος  der  Athletik  bezeichnen  kann. 

Die  Grundlage  bildet  ein  Gedanke,  welcher  dem  Schrifl- 
steller  wohl  schon  in  der  Einleitung  vorschwebte.  Das  Geschlecht 
der  Menschen  ist  den  Göttern  verwandt,  καθ'  ÖCiov  λογικόν  έοίτι, 
den  Thieren,  καθ'  δσον  θνητόν.  Die  auf  dem  λογικόν  beruhende 
παιδεία  ist  daher  das  einzige  Kr8tre])enswerthe;  die  δ(Τκη(Τις  αθλη- 
τική unserer  Leibeskriifte  ])at  an  sich  geringen  Werth  und  oben- 
drein bringi'n  ΛνΐΓ  es  dadurch  nicht  einmal  so  weit,  dass  wir  den 
ολογα    ίψα    gleichkommen    oder    gar    sie    übertreffen,      τίς   γαρ 

*  Man  könnte  sich  wundern,  dass  Galon  seinen  Lesern  so  etwa? 
zu  ])ieten  waixte.  Aber  an  einer  nu'rkwürdiiren  Stelle  der  von  Diitx 
wieder  aufgefundenen  Schrift  περί  έθών  (die  wohl  auch  eine  Xeubear- 
heitung  verdiente)  sagt  er  seihst  (Kap.  I  p.  115  ed.  Lips.  1832):  φαί- 
νεται bt  Ktti  .  .  .  κατά  τάς  συνήθειας  ών  έπιστάμεθα  έττών  <,καΙ>  Ιάμβων, 
€Ϊ  ης  κελευσειεν  ημάς  tlπtw  Ικ  yxioovi  στίχους  δύο  ή  τρεις  άσυνήΑεις 
οντάς  του  τοιούτου,  ούκ  (χί  tv)'ιx6^vwς  b\5N«\\xt%a  νι\. 


Ein  Lehrgedicht  des  Pluiarch.  589 

λ€Οντων  t\  ελεφάντων  άλκιμώτερος;  τις  b'  ώκύτερος  λα- 
γιυοΰ;  (Kap.  IX  ρ.  21  Κ.  117  Mq.).  Dieser  Gedanke  wird  zu- 
nächHt  durch  Beispiele  und  Zeu^iURsc  weiter  ausgeführt  (Kap.  TX 
X)  ^  dann  von  Kap.  1 1  an  innerlich  begründet.  Die  Lebens- 
weise des  Athleten  liisst  die  Seele  erlöschen  ώς  έν  βορβόρψ 
πολλψ,  macht  ihn  δνουν,  ομοίως  τοις  άλόγοις  ίψοις.  Aber  sie 
verleiht  auch  kein  nennenswerthes  physiches  Gut,  sondern  schä- 
digt vielmehr  Gesundheit  (Kap.  XI)  wie  Schönheit  (XII).  Die 
unnatürlich  gesteigerte  Kraft  und  Widerstandsfähigkeit  des  Kiir- 
pers  aber  ist  nutzlos  und  zwecklos  (XIII),  und  obendrein  —  hier 
wird  ein  schon  früher  ausgesprochener  Gedanke  wieder  aufge- 
nommen —  sind  den  Athleten  darin  viele  Andere  überlegen, 
Menschen  wie  Thiere. 

Bei  der  Ausführung  dieses  Gesichtspunktes  verändert  sich 
die  Darstellung  wieder  erheblich;  sie  Λvird  lebendiger,  anschau- 
licher; auch  zeigen  sich  abermals  Versspuren,  und  zwar  diikt\'- 
lische,  erst  vereinzelt,  dann  immer  häufiger,  bis  sie  sich  end- 
lich zu  drei  vollständigen,  gut  gebauten  Hexametern  zusammen- 
schliessen.  Wie  oben,  möge  eine  Mittheilung  der  bezeichnendsten 
Stellen  über  die  Sachlage  orientiren. 

Kap.  XIII  p.  :J3  K.  ...  αλλά  προς  κρύος  και  θάλπος  ισχυ- 
ροί, αύτου  γε  του  Ηρακλέους  ίηλιυταί,  |1  ώς  ένι  και  (καν?) 
χειμώνι  και  <έν)  θερει  σκεπεσθαι  (έσκευάσθαι)  1|  bep- 
ματι*^  .  .  .  υπαίθριοι  κοιμάσθαι,  χαμευνεϊν;  έν  απασι  γαρ  τού- 
τοις τών  νεογνών  παίόων  είσιν  ασθενέστεροι.  Έν  τίνι  τοί- 
νυ ν  [Ιτχ]  \\  την  ισχύν  έπιδείζονται;  .  .  .  ||  ου  γάρ  οή  [που 
δτι]  τους  σκυτοτόμους  ήτέκτονας,  ή  τους  ||  οικοδόμους 
οίοι  [τ' εΤσι]  καταβάλλειν  έντε  παλαίστρα  (έν  π.  τ.  edd.)  || 
και  σταόίψ.  τάχ^α  γ)ουν  έπι  τώ  bi'  δλης  ημέρας  κονίε- 
σθαι^  δικαιουσιν  άλλα  τουτό  γε  και  ||  τοις  δρτυΗί  (je} 
και  τοις  πέρδιΗιν  <καθ)υπάρχει*,  ||   καΐ  εϊπερ  τινά  (edd. 


^  Hier  macht  Galen  der  herrschenden  Sitte  eine  Concession,  indem 
er  den  iiblicben  rliotoriseh-sophistisclien  Apparat  anwendet.  Doch  sagt 
er  nachher  ausdrücklich  (Kap.  X  p.  25  K)  ολως  μέν  ούν  έπΙ  μάρτυρος 
ούκ  ήβουλόμην  κρίνεσθαΓ  ^ητορικόν  γάρ  τό  τοιούτον  μάλλον  ή  τιμών- 
τος  άλήθειαν  ανδρός:  worauf  er  dann  freilich  doch  erst  noch  die  Ge- 
legenheit benutzt,  ein  Geschichtchen  von  der  Phryne  zu  erzäblen,  bis 
er  Kap.  XI  eine  streng  deductivc  Begründung  seiner  Ansichten  gibt. 

^  δ^ρμα  als  Kleidung:  Plut.  de  inimic.  util.  2  p.  86  D. 

•*  \'gl.  Plut.  ainat.  VI  p.  752  A;  de  soll,  anim    X  p.  9Π6  C. 

*  Das  COmpositum  καθυπάρχειν  hat  Plutarch  Cicero  23, 


500  Crueitts 

έπι),  τούτους  (edd.  τούτιυ)  μέγα   χρή  φρονεΐν  έπι  τώ  bi'  δλης 
ήμίρας  βορβόρψ  λούεσθαι  \ 

Etliche  weniger  flichcre  Vorsfragmente  auf  ρ.  34  sq.  über- 
gehen  \vir;  dafür  möge  aber  die  Ausschlag  gebende  Stelle  p.  35  sq. 
vollständig  und  im  Wortlaute  mitgcthcilt  \verden. 

Ότι  μέν  €ΐς  ουδέν  τών  κατά  τον  βίον  έργων  χρήσιμος  ή 
τών  αθλητών  ασκησις,  ευ  oTb'  δτι  σαφές  ήδη  γέγονεν*  δτι  be 
και  έν  αύτοϊς*^  οίς  άσκουσιν  ούδενός  είσιν  αζιοι  λόγου,  μάθοιτ 
αν,  ει  διηγησαίμην  ύμϊν  τον  μυθον  εκείνον,  δν  τών  ουκ  άμού- 
σιυν  ανδρών  τις  έντείνας  έπεσι  διεσκεύασεν.    Ιατχ  δέ  ούτος. 

Ει  Διός  γνώμη  πασι  τοις  ίώοις  ομόνοια  και  κοινωνία 
γένοιτο  ||  προς  τον  βίον,  ώς  τον  έν  Ολυμπία  κήρυκα  || 
μη  μόνον  ανθρώπους  τους  αγωνιούμε  νους  καλεϊν,  άλλα  και 
πάσιν  έπιτρέπειν  τοις  Ιώοχς  εις  το  στάδιον  ήκειν  [*έν]  ^,  ού- 
δένα  δν  ανθρωπον  οΤμαι  στεφθήσεσθαι.  ||  έν  μέν  γάρ 
δολιχώ  υπέρτατος,  φησίν,  ό  ϊππος  έσται, 

το  στάδιον  δέ  λαγωός  άποίσεται,  έν  δέ  διαύλψ 
δορκάς  άριστεύσει^,  μερόπων  δ'  έναρίθμιος  ουδείς 
έν  ποσίν,  ω  κουφοί  άσκήτορες^,  άθλιοι  άνδρες, 
άλλ'  ουδέ  τών  αφ'  Ηρακλέους  τις  έλέφαντος  ή  λέοντος 
ισχυρότερος  αν  φανείη.     οΐμαι  δέ    οτι   και   ταύρος   πυγμή 


^  Die  Worte  τάχ'  οΰν  bis  λούεσθαι  lässt  Marquardt  klein  drucken 
und  umklammert  sie  als  Zusatz  —  wohl  jenes  homo  insulsissimus, 
den  er  praef.  p.  JAl  η(\ι[.  charakterisirt.  Fremdarti»^  genug  sind  sie, 
aber  das  wird  uns  naeh  den  genuichten  Erfahrungen  nielit  zur  Atlietese 
))estimmen  kcinnen,  zumal  der  Protrepticus  von  derartigen  Interpola- 
tionen frei  ist.  Derselbe  Vergleich  bei  einem  Zeitgenossen  Galcn's,  Lu- 
(iian,  Anaehars  2  καΐ  αύτοΙ  (die  Athleten)  έκόντες  έπαγώνται  την  κύνιν 
dAcKTpuovujv  δίκην.  Die  Sehlassworte  glaube  ich  durch  eine  leichte 
Correctur  und  die  Interpunetion  vor  τούτους  (oder  darf  man  Galen  don 
durch  die  Ueberliefcrnng  nalu^  gelegten  Dativ  bei  χρή  zutrauen?)  ver- 
ständlich gemacht  zu  haben  (vgl.  Plato  rej).  VI  i».  497  K,  Krüger,  gr. 
Si)ruehl.  §  05,  Γ),  U).  Doch  ist  Marcpiardt's  Zweifel  hier  wohl  am  ehi^ 
sten  berechtigt. 

-  έαυτοΊς  Kidin  im  Text,  sinnlos;  in  der  Uebersetzung  rielitiii: 
nee  in  ipsis  (piibus  exercentur  [.Mariiuardt  έν  οΐς]. 

•'  (ietilgt  von  Haupt  und  Volkmann,  observ.  miscell.  VIII  ('tv 
abundat  et  ex  ultima  syllaba  vtrbi  ηκειν  male  repetita  ortum  videtur'). 

'  Die^e  beiden  Tieni  stehen  auch  bei  riutareh.  amat.  XIV  }>. 
757  1)  nehVnernalidcr;  '■'■   "     ''  •''''    ■-'■''■     ■ '"'    '•  ■  '■••t•• 

''^'S/t'  iJi'reits'iVAiu^c^V,  T\\\t  \W  \U\\vt!,''Cobet* 'und''Yol'kmaiin,  der 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  591 

στεφθήσβται,  καιδνοςφησί  λάΗ  δτι^  ei  βούλεται  έρίσας 
II  αυτόν  τον  στέφανον  οϊσεται*  αύτάρ  έν  ιστορίΓ]  πολυ- 
πείρψ  II  γράφεται  δνος  δτι  παγκράτιον  νίκησε  ποτέ  άν- 
δρας* II  εΙκο(Ττή  bk  και  πρώτη 'Ολυμπιάς  ήν  δτ'  ένίκα  || 
Ογκητης-. 

πάνυ  χαριέντως  ούτος  ό  μύθος  έπώείκνυσι  την  άθλητικήν 
ίσχύν  ου  των  ανθρωπίνων  ουσαν  άσκημάτων  κτλ. 

Schon  längRt  hatte  man  beobachtet,  dass  hier  vor  und  nach 
den  unversehrt  erhaltenen  Versen  weitere  daktylische  Bruchstücke 
sich  finden  und  daraus  das  zerstörte  Ganze  herzustellen  unter- 
nommen. Aber  freilich  sind  die  älteren  Versuche,  insbesondere 
der  (xataker's,  völlig  unzulänglich  ^.  Für  etliche  Stellen  fand 
Th.  Bergk  im  Classical  Museum  III  (1816)  p.  117  eine  befrie- 
digende Fassung;  dagegen  leidet  die  sehr  durchgreifenUc  Umge- 
staltung, die  Burges,  angeregt  von  Bergk,  rev.  de  philol.  TI 
(1847)  p.  228  mit  dem  Fragmente  vornahm,  an  derselben  unme- 
thodischen  Willkür,  wie  seine  zahllosen  Conjecturen  zu  Babrius*. 
In    fast   allen  Punkten   abschliessend  ist  die    meisterhafte  Recon- 


^  Aus  dem  überflüssigen  zweiten  öri  machte  Burges  ποσί,  Haupt 
(Cobet  Volkmann)  ποδί,  im  Anschluss  an  die  Homerische  Formel. 

2  Das  Wort  soll  offenbar  als  Eigenname  aufgcfasst  werden.  Er- 
götzlich ist  AVillet's  Bemerkung  \s.  145:  *vidctur  hoc  rcferri  ad  certa- 
men  απήνης  ...  in  hac  Olympiade  iiü  tale  habet  Corsinwt%  nicht  minder 
das  Bekenntniss  des  scharfsinnigen  Köhler  (p.  50),  er  wisse  nicht  'quid 
Olympiade  viccsima  prima  et  victoria  ab  asino  .  .  .  parta  sibi  velit 
ignotus  pocta'.  Burges  schreibt  p.  250:  *de  Asino  victore  vid.  Pausan. 
VI  15  et  de  Apro  Suid.  in  Κλεόμαχος'  (soll  wohl  hcissen  Κλεομήδης: 
excerpirt  aus  Paus.  VI  9).  Was  er  damit  bezweckt,  ist  mir  unklar 
geblieben.  Verglichen  werden  könnte  Luc.  ver.  bist.  II  22  πάλην  μέν 
έν(κησ€  Κάπρος  ό  άφ'  Ηρακλέους  Όδυσσέα  καταγωνισάμενος  =  Paus. 
V  15,  4.  10,  Euseb.  ΟΙ.  142  Ι  ρ.  210  Seh.  Sehr  scharfsinnig  vermuthet« 
Bergk  (Rhein.  Mus.  XXXVI  96),  mit  diesen  Versen  sollten  die  Athener 
verhöhnt  werden,  'welche  stolz  darauf  waren,  dass  Ol.  21  .  .  .  zum 
erstenmale  ein  Athener  .  .  .  der  Olympiade  den  Namen  gab*.  Ob  das 
aber  bei  den  Hörern  nicht  doch  zu  viel  voraussetzt? 

^  Vgl.  Willet  p.  132  f.  Gataker's  Herstellung  (adv.  misc.  posth. 
III  p.  420  sq.)  kenne  ich  nur  aus  AVillet's  Exceri)t  p.  133;  man  wird 
auch  schwerlich  von  ihm  lernen  können  —  '  mirum  est  quot  quantisque 
erroribus  peccaverit'  (Haupt). 

*  Doch  findet  sich  unter  der  Spreu  wohl  auch  einmal  ein  gutes 
lypi^Uftu  So  iis^^vck^p  ι(λvιi()cnleι6iφajpctup(((f€puv{üiκειvt>füT)>μβ^>'^tvώσκ€lV 

hcrjgen  Herausgeber  übersehen  haben.  AlV  .^1   tvwi  ^awvXwAx 


592  Crueius 

Btruction  von  M.  Haupt  Herrn.  IV  (1870)  27  =  Opusc.  III  445  ^. 
Zuletzt  hat  sich  Cobet  in  seiner  Weise  besonders  mit  den  Schiass- 
versen beschiiftigt  (Mnemos.  IV  [187G]  p.  352;  X  [1882]  p.  178), 
ohne  jedoch  einleuchtende  neue  Resultate  zu  erzielen. 

Haupt  kennt  seine  beiden  nächsten  Vorgänger  nicht  und  es 
ist  daher  eine  Cxewähr  für  die  Richtigkeit  des  Gefundenen,  wenn 
er  in  den  wichtigsten  Punkten  mit  ihnen  zusammentrifft;  Einzel- 
heiten Avird  man  aus  Bergk's  Beobachtungen  ergänzen  oder  cor• 
rigiren  können.  Was  sich  danach  mit  ziemlicher  Sicherheit  als 
der  ursprüngliche  Wortlaut  des  μύθος  Avieder  herstellen  läset, 
ist  folgendes: 

El  Ζηνός  γνώμη ^  Ιώοχς  ομόνοια  γένοιτο 
πάσιν  προς  βίον,  ώς  τον  Όλυμπιακόν  κήρυκα^ 
μη  μόνον  ανθρώπους  ές  άγω  ν  ι  σμ  ου  ς  <προ^καλ€Ϊσθαι, 
πασιν  bi  ίώοις  έπιτρωπάν  ές  στάδι'  ήκειν, 
5     oubev'  αν  ανθρώπων  δοΗάίω  στ€φθήσ€σθαι ' 
έν  μέν  γάρ  οολιχοϊσιν  υπέρτατος^  ίσσεται  ϊππος, 
το  στάδιον  hi  λαγωός  άποίσεται,  έν  bi  διαύλιυ 
ί)ορκας  άριστ€ύσ€ΐ,  μερόπων  V  έναρίθμιος  ούοεις 
έν  ποσίν,  ω  κουφοί  άσκήτορες,  οθλιοι  δνορ€ς^ 
10     αλλ'  ου  <(μήν  ποτε^  των  τις  αφ'  ΊΗρακλβους  έλέφαντος 
ισχύ  ι  ήέ  λέοντος  υπέρτερος  ^^ου^κε  φανείη. 
οϊμ'  ότι  και  ταύρος  πυγμή  στεφθήσετ'  ^,  όνος  he 

^  \ViiHlf;ral)<i<Hlruckt  im  nubrius  von  (ϊίΐΠ)αυοΓ  287  ρ.  1Γ)3.  V<il. 
Iiiibriiis  (μ1.  Α.  Kberlianl  ρ.  1)7,  wo  mit  llcclit  betont  wird,  dass  dicsor 
μΟΟυς  Tabula  dici  nori   potcst'. 

-  rnsichor;  viflltiiclit  ist  cino  Partikel  ansfrcfallon,  welche  den 
Vers  mit  (h'm  etwa  Voraus}^ohon<lon  vorknüj>ft(•;  Ei  Διός  έν  βουλή 
Iiur;i<"s,  s(tli\v('rlicli  i-ichtig.  Durcli  gosporrtcn  Druck  werden  hier  woittT 
al)li<';r(Mi(]c  ViTänderunj^i'n  dos  l'eborlirforton   «iokonnzoichnot. 

•'  τοις  ίώοις  πάσι  γένοιτο  ||  προς  βίον,  ώς  προς  Όλύμπια  κήρυγμ 
('Ίpι^oς  €Ϊναι>  liur^j^cs,  unklar  untl  motrisch  vorkehrt.  Kr  wagt  dann 
soi(ar  (lio  IJotsoliaft  scinor  Jris   in  dirokt(»r  Ki-do  cinzusotzon ! 

*  ^ολιχώ  πίΐν  υπ€ρτ^τος  Cliartir'i•  Külilor  IJor^^k  Cobot  (Miioni. 
X  179,  wo  or  scino  fohlorliafto  Conioctur  [IV  !)52:  mit  Hiatus]  still• 
scliwoigcuil  v«M-l)essert ),  vioUoiclit  ri(;liti<4(.ir,  vorgl.  στάόιον  —  ^iüvUiü. 
Man  hiMuorko  ii])rigons,  wio  fi-in  die  Thioi'o  durch  die  Erwälnuin;^  doT 
vors(;lH(MitMion   Arten  dos  ^pόμoς  cliaraktorisirt  worden. 

''  IJurgi's  ou  KoiKpiuv  άσκήτορέ'ς  fioiv  utBXiuv  —  unniUliior. 

^  oΰ^'  dp'  u(p'  Ήρακλί^ους  τις  (ipfiuiv  ή  έλέφαντος  j)  <  βύΐεται'^  ήΐ 
Αγοντος  \iv  όίρΟαλμυιοΛ  φαν\^Να\*  γ.α\  "λ^λλ^  Kat  κτλ.  Hur<:(os  \n\i  lliitrr- 
drückιmfξ  von  V.   12. 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  593 

λά£  TTobx    ♦    ♦    *    €l  βούλετ  έρίσσας 
αυτόν  τόν  στίφανον  <μέν  άπ)οίσ€ται    *    * 
15     αύτάρ  έν  Ιστορίη  πολυπείρψ    *    *^ 

Τράψ€θ',  6θούν€κα  παγκράτιον  νίκησα  ποτ'  άνδρας' 
*€ΐκοστή  καΐ  πρώτη  Όλυμπιάς  fjv  δτ'  ένίκα 
Όγκητής  .  .  . '  ^. 
Gegen  Ende  wird  da«  Excerpt  lückenhafter,  anch  stehen  die  Satz- 
theile  schwerlich  in  der  richtigen  Ordnung.  Die  ersten  Verse 
sind  völlig  in  sich  abgeschlossen  nnd  machen  den  Eindruck,  als 
ob  sie  auch  in  der  ausgeschriebenen  Vorlage  den  Anfang  gebil- 
det hätten.  Freilich  könnte  man  erwarten,  dass  diese  ganz  spe- 
cielle  Fassung  des  allgemeinen  Themas  vorbereitet  und  eingeleitet 
würde;  aber  der  Dichter  hat  ja  das  Vorrecht,  gleich  in  medias 
res  zu  fuhren:  höchstens  eine  kurze  Eingangs f ο r m e  1  mag  vor- 
her ausgefallen  sein.  Mit  dem  hübschen  Schlusseffect  v.  17  f., 
wo  der  Esel  als  würdiger  Genosse  des  Pankratiasten  hingestellt 
wird,  scheint  der  Mythos  gleichfalls  geendet  zu  haben.  Dass  das 
Gedicht  noch  weiter  fortgeführt  wurde,  dafür  bürgt  die  Bruchstelle 
in  dem  hier  gerade  besonders  gut  erhaltenen,  von  den  meisten 
neueren  Kritikern  in  gleicher  Weise  wieder  erkannten  und  wie- 
der hergestellten  Rhythmus. 

Sind  nun  etwa  in  dem  Schriftchen  Galen^s  noch  andere  hier- 
hergehörige Bruchstücke  verstreut?  Es  ist  das  sehr  wahrschein- 
lich,   da  Galen  unverkennbar  bereits  im  neunten  Kapitel  eine 


^  V.  14  ist,  wie  Burges  S.  230  bemerkt,  αυτόν  kaum  in  Ordnung. 
Die  Annahme  der  Lücken  nach  Bergk;  Haupt  stellt,  nicht  ohne  Ge- 
waltsamkeit, folgenden  Vers  her  δνος  δέ  ||  λάΕ  έρ(σας  ποδ(,  αύτάρ  έν 
ίστορίΐ]  πολυπείρψ  κτλ.  Dabei  bleiben  etliche  unverkennbar  daktylische 
Bruchstücke  unverwerthet,  auch  wird  die  hübsche  Anspielung  auf  die 
bekannte  νώθ€ΐα  des  Esels  verwischt,  die  wohl  in  den  Worten  €l  βού- 
λεται  zu  suchen  ist. 

2  Bnrges  *divinirt'  folgendes:  καΐ  ποσΐ  λάΕ  ονος  (αυτός),  δταν 
βούληται,  έρίσσας  ||  (cO  (?)  πίτυος)  στέφανον  <γ'  (unnützes  Flickwort) 
οΧμ*  οΐσεται  άντ*  άνθρωπου')•  ||  (καΐ  γάρ)  έν  ίστορ{τ)  πολύπειρος  έγραψε 
^τις  οοτως)  ||  εΙκοστή  κτλ.  (17)  [|  όγκώτης  <κάνθων  καΐ  παγκρατίου  γέρας 
ctxc).  ßergk  hat  später  (Rhein.  Mus.  XXXVI  96^)  geschrieben:  αύτάρ 
έν  Ιστ.  π.  γράψετ*  *ονος  τις  ||  παγκράτιον  ν(κησέ  ποτ*  άνέρας  (άθλητή- 
ραςΥ  εΙκοστή  καΐ  πρ.  κτλ.,  dem  Sinne  nach  nicht  recht  befriedigend. 
Cobet  stellt  drei  ganze  und  glatte  Verse  her:  αύτάρ  έν  Ιστ.  π.  γράφεται 
οΟνος  (sie)  II  όγκητής  οτι  π.  ν.  π.  άνδρας'  ||  €ΐκ.  κ.  πρ.  Ο.  ήν  6τ'  ένίκα. 
Aber  hinter  ένίκα  ist  das  Nomen  kaum  zu  entbehren;  auch  macht  sich 
das  emphatische  Όγκιγτής  an  erster  Stelle  im  Verse  sehr  hübsch. 
Bbein.  Mu•.  f.  Pbllol.  N.  F.  XXXIX.  38 


694  Crosittt 

Wendnng  au  dieeem  Gediolite  im  Sinne  hatte.  VgL  die  oboi 
S.  588  ansgeechriebenen  Worte  mit  Y.  7.  10  f.  Knn  halben  wir 
aber  schon  im  Anfang  von  Kap.  ΧΙΠ  daktylische  Stellen  ver 
wandten  Inhalte  gefunden;  gleich  die  erste  (Ηρακλέους  Σηλίλίτοί 
η.  s.  w.)  erinnert  gewiss  nicht  zof&llig  an  Y.  10.  Daraus  ergibt 
sich  die  kaum  abzuweisende  Folgerung,  dass  diesen  Partien 
dasselbe  Gedicht  zu  Grunde  liegt,  aus  dem  der  spSter  mü- 
getheilte  'Mythos'  entlehnt  ist. 

Es  fragt  sich  weiter,  ob  sie  ursprünglich  vor  dem  Mythos  stu- 
den  oder  hinter  ihm.  Fttr  die  erstere  Möglichkeit  könnte  man  dia 
jetzige  Reihenfolge  bei  Galen  geltend  machen;  doch  spreohen  unsere 
Bemerkungen  über  den  Charakter  der  Anfangsverse  des  Mythos  dt* 
gegen.  Die  zweite  Möglichkeit  wird  empfohlen  durch  die  Thatsache, 
dass  nur  der  Schluss  sicher  fragmentarisch  ist;  auch  wird  durch  die 
Anfügung  jener  Bruchstücke  eine  passende  Steigerung  des  Gedan- 
kens gewonnen.  Kein  Mensch  kann  es  mit  den  Thieren  an  Knft 
und  Schnelligkeit  aufnehmen;  es  ist  also  thöricht,  dass  sich  die 
Athleten  auf  derartige  Erfolge  etwas  zu  Gtite  thun  (Stück  B). 
Aber  auch  yor  ihren  Mitmenschen  haben  sie  nichts  Toraus.  Sie 
pochen  auf  ihre  Abhärtung,  ihre  einfache  Kleidung  —  aber  die 
neugebornen  Kinder  thun  ob  ihnen  darin  zuvor.  Und  in  der  Pa- 
lästra  kann  eich  ein  jeder  stramme  Handwerker  mit  ihnen  messen 
(Stück  A).  Als  Schluss  des  Gedichtes  haben  wir  uns  das  notb- 
wendige  positive  Complement  dieser  Abweisung  der  Athletik  zu 
denken,  wie  bei  Galen:  den  Preis  der  τίχναι  λογκΤτικαί. 

Wer  ist  nun  jener  των  ουκ  άμού(Τ(υν  ovbpuiv  τις?  Die 
älteren  Erklärer  lassen  uns  bei  dieser  Frage  ganz  im  Stiche,  nnd 
nur  als  Curiosum  kann  die  Ansicht  von  Burges  erwähnt  werden, 
welcher  hier  (rev.  de  phil.  II  p.  227.  230)  relliquias  mnsae  So- 
or aticae  erkannte,  wie  —  in  den  Babrianischen  Fabeln.  Lehrreich 
und  anregend  dagegen  sind  die  von  Burges  mit  ganz  nichtigen 
Gründen  zurückgewiesenen  Conibinationen,  welche  Bergk  in  sei- 
nem wenig  bekannten  Aufsatze  'thc  age  of  Babrius'  vorgebracht 
hat  (Classical  Museum  III  [184GJ  11 G  iF.):  wenn  wir  auch  sein 
Schlussresultat  uns  nicht  werden  aneignen  können  ^. 

Es  ist  ein  sehr  nahe  liegender  Gedanke,  die  in  Kede  ste- 
henden Fragmente  jenen  daktylischen  Μυθικά  zuzuschreiben,  aus 


^  Hoffentlich  kommt  diesiiT  \w  Vi<i\x\Ä^Vi\^\\d  sehr  schwer  zuging• 
liebe  Aufsatz  im  zweiten  Bai\v\e  ά^τ  '^  V\e\wew^OMA\Ä\C  \οί^  tncssv  V^^ack. 


£in  Lehrgedicht  de«  Plutarch.  695 

denen  Suidas  eine  Anzahl  von  Versen  citirt  ^  Aber  unser  Mythos 
ist  keine  eigentliche  Fabel,  wie  schon  Bergk  mit  Recht  einge- 
wandt hat  Die  Erzählung  ist  nicht  in  sich  abgeschlossen;  sie 
wird  nicht  als  that«ächlich  mitgetheilt,  sondern  von  vornherein 
als  willkürliche  Annahme  zur  Erläuterung  des  Grundgedankens 
gekennzeichnet.  'The  moral  not  only  prompte  the  invention  of 
the  fable,  but  is  the  pervading  and  ruling  dement  of  the  whole 
composition'.  Analogien  dazu  finden  sich  nirgends  in  den  Μυθικά 
und  vor  Allem  nicht  in  ihrer  einzigen  Quelle,  der  Fabelsammlnng 
des  Babrius^y  während  sie  bei  Phaedrus  gar  nicht  selten  sind. 
Eine  derartige  selbständige  Leistung  aber  darf  man  dem  Verfasser 
oder  den  Verfassern  der  Μυθικά,  die  von  ihrem  Vorbilde  Babrius 
durchweg  sklavisch  abhängig  sind,  nicht  zutrauen;  ganz  abge- 
sehen von  der  doch  wohl  später  anzusetzenden  Lebenszeit  des 
römisch-griechischen  Fabeldichters. 

Bergk  vermuthet  nun  aber  weiter,  dass  diese  Verse  einer 
viel  früheren  Periode  angehören  und  das  Werk  eines  jonischen 
Dichters  seien;  denn  dem  jonischen  Stamme  sei  ebenso  Vorliebe 
für  die  Thierfabel  wie  Abneigung  gegen  die  gymnastischen 
Hebungen  eigenthümlich  gewesen.  I  therefore  suspect,  fährt  er 
fort,  that  these  verses  are  the  production  of  Xenophanes  and 
that  they  belonged  to  bis  Sillij  or  parodies,  which  are  evidently 
but  different  names  for  the  same  work.  The  second  elegy  of 
Xenophanes  has  altogether  the  same  tendency  .  .  .^.  Nay  the 
very  form  and  manner  in  which  the  brüte  creation  is  contrasted 
with  the  human  race,  remind  us  of  the  verses  of  Xenophanes 
*AXV  €Ϊ  τοι  χ€ϊράς  γ'  €Τχον  βΟ€ς  ήέ  λέοντες  κτλ.*.     Even  the 


^  Zusammengestellt  im  Babrius  von  Lachmaun  p.  Vll,  von  Eber- 
hard p.  96,  von  Gitlbauer  p.  147  f.  155  (wo  jedoch  mancherlei  Un- 
sicheres und  Fremdartiges  eingemischt  ist;  auch  gehört  288,  3  wohl 
unter  die  hexametrischen  Stücke;  nachzutragen  ist  p.  154  das  von  Nauck 
aus  Georg.  Gnom.  Tzetz.  Alleg.  II.  p.  320  Boiss.  gewonnene  Bruchstück. 
Was  endlich  ßcrgk  Anthol.  Lyr.  p.  XX  sq.  173  sq.  neues  bietet,  ist 
anch  von  den  neuesten  Ilgbb.  über  Gebühr  vernachlässigt.  Die  ganze 
Frage  verdient  eine  sorgfältige  Revision. 

2  Vgl.  Bahr.  ed.  Eberh.  p.  97,  Leipz.  Stud.  II  p.  194». 

8  Dieselbe  Tendenz  zeigt  bereits  Tyrt.  fr.  12  vol.  II*  p.  17  οοτ' 
Äv  μνησα{μην  οοτ*  έν  λόγψ  δνδρα  τιθ€(μην  ||  οοτ€  ποδών  άρ€τής  οοτε 
παλαισμοσύνης  κτλ.    Vgl.  jetzt  Bergk,  gr.  Lit.-Gesch.  II  258. 

*  Xenophanis  rell.  ed.  Karsten  p.  41 ;  C.  Wachsmuth,  de  Timone 
PhliasJo  p.  76,    Dasselbe  Motiv  in  einer  FabeV  iie%  'B^tvoÄ  '^^^^^^ 


6M  Crusiue 

barehnese  of  expreesion,  as  τό  Otabiov  άπο((Τ€ται,  πυγμή  στ€- 
φθή(Τ€ται  perfeotly  acoorde  with  the  diotion  of  Xenophanee  ^ 

Sioberlich  hat  Bergk^e  Argumentation  etwas  Beeteobendee, 
wenn  sie  ancb  Niemandem  zwingend  ereobeinen  wird.  Nun  wiid 
man  zwar  mit  Gründen,  die  anf  Stilgefübl  bemben,  einem  Kenner 
wie  Bergk  gegenüber  nicbt  operiren  dürfen;  docb  mnss  Yf.  ge- 
stoben, dass  ibm  die  wortreicbe  nnd  rbetorisobe  Manier,  welche 
besonders  in  den  ersten,  von  Bergk  in  ibrer  Zogebörigkeit  nicht 
erkannten  Partien  hervortritt,  der  Art  des  Xenopbanee  nicbt  eben 
zu  entspreoben,  sondern  in  ein  viel  jüngeres  Zeitalter  zu  gebSren 
sobeint.  Aucb  ist  es  nicbts  weniger  als  wabrsobeinliob,  dm 
Galen  die  Werke  des  alten  joniscben  Pbilosopben  im  Oiiginil 
benutzt  bat;  wenigstens  ist  ein  zweites  Citat  aus  Xenopbanes  (toL 
XV  p.  25  E.)  den  φυσικαΐ  böSai  des  Tbeopbrast  entlebnt'. 

Ausserdem  bat  Bergk  zwei  Tbatsacben  überseben  oder  oiekt 
riobtig  gesobätzt,  welcbe  mit  Notbwendigkeit  zu  einem  geraden 
entgegengesetzton  Resultate  fübren. 

Erstens  die  Worte  Turv  άφ*  Ηρακλέους  τις.  Gebet  (de  Phi- 
lostrati  libello  π€ρ\  τυμνα(ΤΤΐκής  ρ.  75)  bat  gezeigt,  das«  danmter 
Atbleten  zu  versteben  sind,  welcbe  zwei  Preise,  in  der  πάλη  nod 
im  παγκράτιον,  errangen,  wie  es  Pausanias  Υ  9,  4  von  Herakles 
beliebtet.  Unter  Olympias  142  =  212  v.  Chr.  beisst  es  ]»ei  Enee- 
bios  I  p.  210  8ch.: 

Κάπρος  Ήλ€Ϊος  πάλην  και  παγκράτιον  ένίκα  μ€θ'  Ήρακλέα 
και  αναγράφεται  0€ύτ€ρος  άφ'  'Ηρακλέους. 

Aehnlicbe  Notizen  folgen  zu  Ol.  156.  172.  178.  182.  198 
und  endlich  zu  Ol.  204  =  40  n.  Chr.  p.  215  Seh.: 

Νεικόστρατος  Αιγεάτης^  πάλην  καΐ  παγκράτιον  δγδοος 
άφ'  Ηρακλέους  ίτι,  παραβραβευόντων  τους  δυναμένους***, 

Bodl.  ed  Knoell  148  =  Babr.  173  Kbh.  185  Gb.,  wo  der  Lowe  schliesi- 
lich  sagt:  ei  ήδβσαν  λ^οντ€ς  γλύφ€ΐν,  πολλούς  ανθρώπους  αν  €Ϊδ€ςύιο• 
κάτω  λ€Οντιυν  (vgl.  Leipz.  Stud.  II  ρ.  180  fl'.  und  Sauppe,  Gott.  gel. 
Anz.  1879  S.  1571).  Ein  verwandter  Gedanke  bei  Epicharm.  p.  270L 
καΐ  γάρ  ά  κύιυν  κυνί  κάλλιστον  εΤμεν  φαίνεται  κτλ. 

^  Mit   einem    'fortasso'   verweist   Bergk   auf   diese  Vennuthnng 

PliGr.  II*  (1882)  p.  113;  doch  acheint  sie  zeitweise  ihm  selbst  nicht  recht 

eingeleuchtet  zu  haben ,  wenigstens  spricht  er  Rh.  Mus.  XXXVI  (1S81) 

S.  9ü2  von  dem   'unbekannten  Verfasser  eines  satirischen  Gedichte* 

'f  die  Athleten*. 

2  Vgl.  lo.  llberg,  studia  Pseudippocratea  p.  17. 

•  So  Λ.  V.  Gutsc\\m\d  ϊ\\τ  dw^  \v^\\^'&öcit\l\\\R.\ve στρατός  *Αρ• 

vgl.  auch  Gebet  a.  «i,  O.  ^.  IV  ^<v. 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  697 

zn  ergänzen  aus  Hieron.:  post  quem  nemo  ulterius  exstitit  ab 
Herakle  nsque  ad  nos,  qaoniam  HelienecR  nc  validos  quidem 
coronabant. 

Demnach  scheint  erst  in  hellenistiRcher  Zeit  dieser  Ehrentitel 
aufgekommen^  sowie  das  mythische  Prototyp  für  ihn  geschaffen 
zn  sein.  Aus  hellenistischer  Quelle  ist  auch  geflossen,  was  Strabo 
Vni  30  p.  354  vorbringt:  .  .  .  περί  της  θέ(Τ€ως  του  αγώνος 
τών  μέν  ?να  τών  Ίδαίιυν  δακτύλων  Ήρακλέα  λεγόντων  άρχη- 
γίτην  τούτων,  τών  hi  τόν  'Αλκμήνης  και  Διός  κτλ. :  hier  zeigt 
eich  eine  Kenntniss  jener  späten  mythographischen  Homonymen- 
listen,  wie  sie  uns  unter  Anderem  Cicero  (de  nat.  deor.  III 16)  über- 
liefert^. Wie  populär  gerade  in  den  ersten  nachchristlichen  Jahr- 
hunderten jene  Bezeichnung  war,  das  zeigen  etliche  Stellen,  die 
Cobet  a.  a.  0.  p.  75  sq.  gesammelt  hat,  so  besonders  Lucian. 
quom.  bist,  conscr.  12  ούόέν  κωλύσει  άφ'  Ηρακλέους  γενέ- 
σθαι Νικόστρατον  τόν  Ίσώότου  γεννάόαν  δντα  κα\  τών  αντα- 
γωνιστών έκατέρων  (nämlich  in  der  πάλη  und  im  παγκράτιο  ν) 
άλκιμώτερον,  εΐ  αίσχιστος  όφθήναι  εϊη  τήν  δψιν  und  ver.  bist. 
II 22  πάλην  μέν  ένίκησε  Κάπρος  6  άφ'  'Ηρακλέους  Όδυσσέα 
καταγωνισάμενος.  Geradezu  sprichwörtlich  wurde  δγοοος  άφ' 
Ηρακλέους,  von  dem  letzten  Olympischen  Sieger,  dem  jener 
Ehrentitel  zu  Theil  ward.  Vgl.  Cassius  Dio  LXXIX  10,  wo  er- 
zahlt wird,  wie  der  Athlet  Aurelius  seinen  Gegnern  so  sehr  tiber- 
legen gewesen  sei,  dass  er  beabsichtigt  habe,  πάλην  αμα  και 
παγκράτιον  έν  τή  Όλυμπίςι  άγωνίσασθαι;  es  sei  ihm  aber  nicht 
gelungen:  o\  μέν  γάρ  Ηλείοι  φθονήσαντες  αύτώ  μή  τό  λεγό- 
μενον  δή  τούτο  άφ'  Ηρακλέους  δγόοος  γένηται  ουδέ 
έκάλεσαν  ές  τό  στάδιον  παλαιστήν  ούδένα.  Aeltere  Stellen 
fiir  die  Anwendung  dieses  Titels  in  der  Literatur  existiren  nicht. 

Nach  derselben  Richtung  weist  Galen* s  Ausdruck  τών  ουκ 
άμούσων  άνορών  τις  '.  Damit  kann  er  einen  berühmten  Dichter 
und  Philosophen  der  dassischen  Zeit,  wie  Xenophanes,  unmöglich 


1  Aehnlich  hat  man  Callim.  fr.  307  p.  527  Sehn,  τόν  δγδοον  ώστε 
Κόροιβον  erklärt,  was  in  die  nämliche  Zeitfahren  würde;  aber  kaum  mit 
Recht:  Schneider  p.  55. 

^  Vgl.  R.  Miinzcl,  quaestiones  mythographae  (Berl.  1ΘΘ3)  p.  20  sq., 
angezeigt  im  literar.  Centralblatt  1888  Sp.  1581. 

•  Aehnlich  Kap.  VI  p.  11  K.  *Όθ€ν  ούδ'  ό  ταΐς  κρήναις  τοίκ;  τοι- 
ούτους εΐκάσας  Αμουσός  τις  ήν  κτλ.  Auch  hier  wird  ein  Popularphilo- 
eoph  der  Sophistenzeit  gemeint  sein,  vielleicht  der  nämliche,  auf  den 
wir  den  MythoB  zurückführen  werden. 


Βθβ  Crasi«• 

gtmmt  haimmK  80  sprieht  mmm^  wie  adM»  Ha^  mfaitoto, 
■■r  TOD  JenandeBi,  dem  man  aeitlieli  sähe  aloht  «ad  den  an 
•idi  ancb  an  Bedeatoag  aad  Raf  aar  Seite  ateDea  kann  Κ 

eeeaaerea  ftber  die  PeiaSaliekkeit  dea  Biolitan  am  erBitteb, 
liih  Haapt  ffkr  amaSglieL  AIleiB  id  bofSft»  daaa  eine  aaiAn- 
bare,  InAitr  anbeaehtet  geUiebeae  Noiia  aiek  aaa  ala  SoHliail 
aar  LSaaag  dea  Bitbaela  bewüuea  wird• 

lai  BogeDaanten  Lampriaa  -  Kataloge  der  Pfataiefceiwlwi 
Sehriflan  alelit  aater  Nr.  1S7  (p.  IS  Traa)  der  Titel 

ncpl  Ζφιιιν  ildiuiv  ιακητικός. 
Ea  war  daa  alao  eine  Abliandlvag  in  poetiaeher  Fora  -* 
daa  iat  die  einsig  aidgliebe  ErkliniBg  tob  ποιηηχός,  ae.  λέτοςΐ 
Ana  dem  Znaatae  αλάγίνν  wird  man  addieaaea  dlrfea,  daat  π 
bier  niebt  etwa  ein  natarwiaaenediaftlidies  LebigediAt  ii€|A  Ζφνν 
am  andien  baben,  sondern  Anaf&bnuigen  aber  daa  Yerblltaiu 
swiaeben  den  Tbieren  and  dem  des  λόχος  tbeilbtf- 
tigen  Kenaeben  —  ein  Tbema,  welebea  Plntareh  ja  mit  Tor 
liebe  bebandelt 

Beides  trift  bei  den  oben  beaprodienen  bezaaetriadben  Bnnh- 
stllcken  an•  Wenn  daa  sebr  prosaiscbe  Stidiwort  äkorfa  in  jsaen 
immerhin  in  hSberem  Stile  gehaltenen  'Mythos*  Y.  4  yenaied» 
wird,  so  ist  das  kein  Wunder;  Grälen  hat  es  im  Protrepticne  bei 
verwandten  Erörtemngen  wiederholt  gebraucht,  z.  B.  gleich  in 
Eingang:  €i  μέν  μη&'  δλως  λόγου  μέτ€ση  τοις  άλόγοις  όνομαΖο- 
μένοις  2:ψοις,  αοηλόν  fo^i,  femer  Kap.  ΎΙ  ρ.  9,  IX  ρ.  21,  XI 
ρ.  27  Ε.  Da  ηαη  überdies  Lebenszeit  nnd  Stellung  des  Plntank 
den  oben  festgesetzten  Bedingungen  durchaus  entspricbt,  so  könnt• 
unser  Fragment  recht  wohl  aus  jenem  Schriftchen  entlebnt  maoL 
Freilich  wäre  der  Titel  nicht  sonderlich  bezeichnend;  er  tiife 
nicht  sowohl  den  Kern  der  Sache,  als  eine  besonders  angenfillig• 


^  Sehr  mit  Unrecht  aber  folgert  Borges  daraus,  dass  dem  Gika 
selbst  der  Name  des  Verfassers  unbekannt  gewesen  sei;  die  fababe 
Aesopicae,  aus  welchen  der  Mythos  herstamme  (?},  seien  anonym  het• 
ausgegeben  worden.  Aber  dann  hätte  Galen  nach  altem  Herkommei 
eben  den  Aesop  genannt. 

^  Haupt    sagt    a.  a.  0.    quis  ille    poeta   fnerit  .  .   .  investigin 

^m  videtur  posse,   nisi  quod  veri  similc  est  aequalem  eins  foine.  ■- 

titer  Gellios  XIX  11    nomen   omittit  cum   dicit  amicus   meos,  ούι 

ΐκίος  adulescens.    *aequalis'  ist  freilich  wohl  etwas  zu  eng  gegrün- 

•  YgL  111  i.  τιαραμ\)θτ\τνκ(ϊ<^  VV^  τ\τθ€υτικός,  153  ύποθτηκός  ^ 

ς  ΔΙσνο  {ιτγθ€ίς,  20Τ  πν>οτν>^τα\κ(^ς^ 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  599 

Aenseerlichkeit.  Aber  denselben  Vorwurf  musK  man  noch  vielen 
andern  *  höchst  mangelhaften  und  oberflächlichen^  Titeln  des  Lani- 
priaskataloges  machen:  die  natürlich  nicht  von  Plutarch  selbst 
herrühren,  sondern  von  einem  spateren  Gelehrten,  der  wahrschein- 
lich die  Plutarcheischen  Werke  irgend  einer  grossen  Bibliothek 
zu  verzeichnen  hatte.  Vgl.  M.  Treu,  der  sogen.  Ijampriaskatalog 
S.  46  ff.  Ein  Bedenken  gegen  die  Gleichsetzung  der  von  Galen 
benutzten  und  der  im  Plutarch kat4iloge  erwähnten  Schrift  könnte 
hieraus  also  nicht  abgeleitet  werden.  Dennoch  wäre  die  vorge- 
tragene Ansicht  eine  leichtwiegende,  nicht  sowohl  wahrscheinlich, 
als  möglich  zu  nennende  Vermuthung,  wenn  sich  nicht  noch  wei- 
tere Anhalte-  und  Stützpunkte  gewinnen  Hessen. 

Es  fragt  sich  zunächst  ob  wir  berechtigt  sind  zu  der  Annahme, 
daes  Galen  den  Plutarch  benutzt  hat.  Bei  der  grossen  l^opula- 
rität  des  Chäroneers  wird  man  von  vornherein  einer  bejahenden 
Antwort  nicht  abgeneigt  sein.  Dazu  kommt  noch  eine  Anzahl 
der  sprechendsten  Indicien.  Gleich  die  nachstehende  Abhandlung 
Galen's  π€ρι  άριστης  οώασκαλίας  ist  gegen  eine  Schrift  ge- 
richtet, die  aus  dem  Plutarchischen  Kreise  hervorgegangen  ist 
und  Plutarch*8  Namen  trägt  —  gegen  Favorin's  Πλούταρχος  (τΓ€ρι 
της  Άκαδημιακής  διαθέσεως)  ^  Plutarch  selbst  wird  citirt  de 
placit.  Hippocr.  et  Piaton.  III  p.  308  K.  266  Müller:  . . .  ώσπερ 
και  Πλούταρχος  έπίόειΗεν  έν  τοις  τών  Όμηρικών  μελετών. 
Endlich  machen  sich,  auch  wenn  man  von  dem  später  zu  behan- 
delnden Antilegomenon  περ\  παίδων  αγωγής  absieht,  im  Pro- 
trepticus  selbst  so  viele  Anklänge  an  Plutarch  bemerklich,  dass 
man  doch  wohl  an  eine  direkte  Beeinflussung  wird  denken  müssen. 
Man  findet  eine  Reihe  solcher  Fälle  von  Wyttenbach  in  der  bi- 
bliotheca  eritica  und  darauf  am  bequemsten  in  Willet's  Ausgabe^ 
zusammengestellt;  etliche  sollen  weiter  unten  beiläufig  bespro- 
chen werden.  Hier  sei  nur  auf  das  durchaus  Plutarcheische  Ge- 
präge hingewiesen,  welches  der  oben  nicht  ohne  Grund  ausführ- 
lichst behandelte  Abschnitt  über  τύχη  und  τε'χνη  trägt  ^     Ganz 


*  Vgl.  R.  Yolkmann,  observ.  miec.  VII  p.  6. 

3  Vgl.  Willet  p.  60.  61  (sehr  bemerkenswerthe  Parallele  zu  Kap. 
I  p.  103,  14  Mq.:  de  sollert.  anim.  X  p.  966  Ε  τά  δέ  αράχνης  ίργα 
κοινόν  ΙστΦν  γυναιΕΙ  καΐ  θήρας  σαγην€υτα1ς  άρχέτυπον)  66.  68.  70.  71. 
79.  83.  88  sq.  96.  100  (adde  Plut.  fr.  ine.  XLVUI)  116  sq.  126  sq. 
129  sq.  136. 

'  Die  Gegenüber-  oder  Zusammenstellung  von  τέχνη  und  τύχη 
ist  freilich  ein  alter  Gemeinplatz,  der  iu  den  «op\u&t\s<^licii  Kr^i^^cL 


600  Crusias 

dieselbe  Welt-  und  LebenBanifaeenng  fiiiden  wir,  im  ecliaxfeten 
Gegensätze  zu  den  in  jenen  trostlosen  Zeiten  herrschenden  An- 
sichten ^,  bei  Plutarch  wieder  in  den  Schriften  π€ρι  τύχης,  π€ρι 
τής  Ριυμαίιυν  τύχης,  π€ρι  τής  'ΑλεΕάνδρου  τύχης  ή  άρ€της. 
Aber  auch  die  Ausführung  dieser  Gedanken  zeigt  gerade  in  den 
hervorstechendsten  Zügen  unverkennbare  Familienähnlichkeit.  Die 
dämonische  Vertreterin  der  τύχη  ist  dem  Plutarch  τυφλή  χ€ΐρα- 
Τΐυγός  (de  fort.  III)  ^,  πτ€ροΐς  έλαφρίΖουσα  κούφοις  έαυτην . . . 
άκρώνυχον  υπέρ  σφαίρας  τινός  ||  ϊχνος  καθ€ϊσα*,  Μουμον 
στρέφουσα  πηδάλιον  (de  fort.  Rom  IV)*.  Ihr  wird  allerdings 
nicht  Hermes  gegenübergestellt,  der  aber  natürlich  auch  bei  Pia- 
tarch  Vertreter  des  λόγος  und  Erfinder  der  γραμματική  und  der 


Athens  aufgekommen  zu  sein  scheint.  Vgl.  Aristot.  Metaph.  I  1  p. 
981»  3  ή  μέν  γάρ  έμπ€ΐρ(α  τέχνην  έποίησεν,  ώς  φησι  ΤΤΦλος,  6ρθα»ς 
λέγων,  ή  h*  άπ€φ(α  τύχην;  ebenso  Polos  bei  Plato  Gorg  ρ.  448C;  wie 
eine  Parodie  dieses  Ausdruckes  klingt  Agathon's  τέχνη  τύχην. forcf^ 
κτλ.  (Aristot.  eth.  Nicom.  VI  4  =  fr.  6  p.  693  Nauck).  Aehnliche  Wen- 
dungen finden  sich  auch  in  manchen,  zum  Theil  sicher  von  Galen  be- 
nutzten, Hippocrateis :  vgl.  π.  άρχ.  Ιητρικής  1  vol.  Ι  ρ.  570,  π.  τέχνης 
4  νυΐ.  VI  ρ.  6  sq.,  π.  τόπυτν  τών  κατ'  άνθρωπον  vol.  VI  ρ.  842  Littr. 
Ilbcrg,  der  mich  hierauf  aufmerksam  machte  (vgl.  stud.  Pseudippocr. 
p.  41  sq.  53  sq.),  vermuthet,  dass  sie  aus  einem  rhetorischen  Werke 
des  Polos  in  jene  von  der  Manier  des  Gorgias  beeiufiussten  Schriften 
übergegangen  seien.  Doch  ist  hier  τύχη  überall  das  Abstractum,  anch 
ist  nur  von  der  Ileilkuiist  die  Rede;  nirgends  allgemeinere  Ausfuhnmgeii 
und  ähnliche  Details,  wie  im  Protrepticus.  Näher  verwandt  ist  eine 
Stelle  des  Maximus  Tyrius  disscrt.  XI  4  ...  τα  5έ  μεταβάλλει  ή  τύχη, 
τα  δέ  οΙκονομεΐ  ή  τέχνη  κτλ.  Die  meisten  Parallelen  liefert  die  neuere 
Küniödie,  vergl.  die  Stellensammlung  bei  Lorenz,  Plaut.  Pscud,  EinL 
S.  2321  (zu  der  man  Men.  monost.  309  hinzufüge). 

^  lieber  die  religiös-philosophischen  Stimmungen  und  Gedanken- 
richtungen  des  späteren  Griechenthums  ist  ganz  besonders  zu  verweisen 
auf  Rohde's  'griech.  Roman*  S.  276—282. 

'^  Der  οδηγός  τυφλός  erscheint  ζ.  Β.  auch  unter  den  Stobäus- 
Excerpten,  fr.  ine.  XXXIV,  XIX  p.  52  Dbn. 

•^  Vgl.  an  vitios.  ad  vit.  inf.  sufi'.  I  σκοτοδινιάσας  προς  τόν  ττ\ 
τύχης  πεταυρισμόν. 

*  Diese  Wendung  ist  dem  Piiidar  entlehnt;  aber  auch  sonst  zeigen 
sich  in  jener  Beschreibung  Spuren  von  poetischem  Rhythmus  0"* 
jambischen)  und  Ausdruck.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass  es  gerade 
die  mit  jambischen  Anklängen  durchsetzten  Stellen  des  Protrepticis 
sind,  zu  denen  sich  die  aufllilligstcn  Parallelen  bei  Plutarch  findet 
Doch  läset  sich  die  nvjAivi  Wvi^ewvivi  Ν  viwwviUwvw^^  dass  auch  diese  ftfcit* 
poetische  Vorlage  von  T?\uVvvt«A\  \ινλττ\5λ\\:ν\ι,  Vwwwx  xY^i^^-^c  X^ss^sss^en. 


Ein  Lehrgedicht  des  Plntarch.  ^1 

mueieohen  Künste  ist^,  sondern  einmal  die  Athena  Ergane  (de 
fort  IV),  an  anderem  Orte  die  Arete  ~  άλλα  της  μέν  όρ€τής 
πρςίόν  T€  τό  βάοισμα  κα\  τό  βλέμμα  καθεστηκός*  παρέχει  bk 
τι  και  τψ  προσώπψ  .  .  .  ερύθημα  τής  φιλοτιμίας  .  .  .  δγουσι 
b'  αυτήν  καΐ  όορικροροΟσι  κατά  πλήθος  άνδρες  άρηΐφατοι  κτλ. 
(de  fort.  Rom.  III).  Man  sieht,  selbst  die  Vorstellung  von  den 
χοροί  dieser  Mächte  fehlt  bei  Plntarch  nicht  ^;  anch  werden  (de 
fort.  Rom.  III.  FV  und  de  Alex.  s.  fort.  s.  virt.  II),  gerade  wie 
bei  Galen,  die  berühmtesten  'Thiasoten'  herausgegriffen  und  nam- 
haft gemacht.  Demnach  scheinen  dem  Galen  im  Protrepticus  in 
der  That  Plutarcheische  Ausführungen  vorgeschwebt  zu  haben. 

Wir  müssen  nun  weiter  untersuchen,  ob  sich  speciell  für 
die  daktylischen  Fragmente  Anknüpfungspunkte  und  Analogien  bei 
Plntarch  nachweisen  lassen. 

£ine  ganz  frappante  Uebereinstimmung  finden  wir  in  der 
Abhandlung  περί  παίδων  αγωγής  im  achten  Kapitel.  Hier  wird, 
völlig  wie  bei  Galen,  nur  in  kürzerer  Form,  die  Werthlosigkeit 
aller  äusseren  nicht  in  der  Seele  selbst  wurzelnden  Güter  nach- 
gewiesen; genannt  werden  ευγένεια  (Galen  cap.  VII),  πλούτος 
(G.  VI),  boEa,  κάλλος  (G.  VIII),  ύγίεια,  endlich  Ισχύς  (G.  XIII). 
Τό  bi  δλον,  heisst  es  in  betreff  der  letzteren  p.  5  Ε  (12,  20 
Hercb.),  εϊ  τις  έπΙ  τή  του  σώματος  ^μη  φρονεί,  μαθέτω  γνώ- 
μης διαμαρτάνων.  πόστον  γάρ  έστιν  Ισχύς  ανθρωπινή  τής  των 
δλλων  2Ιψων  δυνάμεως;  λέγω  bk  οΤον  ελεφάντων  κα\  ταύ- 
ρων καΐ  λεόντων,  παιδεία  bk  των  έν  ήμΐν  μόνον  έστιν  άθά- 
νατον  κα\  θείον.  Löwe,  Elephant  und  Stier  erscheinen  anch  in 
dem  hexametrischen  Mythos  V.  10  ff.  (S.  591)  als  Vertreter  der 
physischen  Kraft  bei  den  Thieren. 

Dieses  doch  schwerlich  zufällige  Znsammentreffen  können 
wir  aber  für  unsere  Zwecke  nicht  ohne  weiteres  verwerthen,  da 
•clion  Wyttenbach  in  einer  ausführlichen  Untersuchung  jene  Schrift 
dem  Plntarch  abgesprochen  nnd  die  neuere  Kritik  -—  ob  mit  Recht 
oder  Unrecht,  bleibe  dahingestellt  —  sein  Urtheil  bestätigt  hat  ^. 


\  *  Vgl.  Amator.  XUI  p.  757  Β  (φήσουσι)  τόν  Έρμήν  λόγον  (ctvoi), 

ΐ    roaxime  c.  princ.  philos.  esse  dieser.  II  p.  777  C  (λάγος)  ήγεμόνος  Έρ- 


4 .  μοΟ  6ιΰρον;  de  Is.  et  Osir.  ΠΙ  ρ.  852  Β  . . .  Έρμήν  δέ  γραμματικής  καΐ 

^  μουσικής  εύρετήν  νομίΖομεν. 

Β?  ^  Ebenso  heisst  es'Amat.  IX  ρ.  753  G  ήμΐν  .  . .  φεύγουσι  τοΟ  π€ρΙ 

^  χάμον  "Ερωτος  εΐναι  χορβυτοίϊς. 

=^.  •  VgL  Β.  Volkmann,   Plutarch's  Leben  und  Schriften  I  S.  180. 

'~*{'iß  würde  nch  gewiaa  der  Mähe  lohnen,  wenn  3^ιη.«ϋ<9ι  ^aa^^tVv^Vx!^^ 


602  Grueius 

Jedesfalls  entspricht  die  angezogene  Partie  darchans  Platar- 
chciHclien  Anschauungen.  Man  vergleiche  z.  B.  die  bei  Stobäue 
erhaltenen  Excerpte  κατά  πλούτου  (fr.  XXI  ρ.  41  Dbn.)  und 
υπέρ  κάλλους  (XXVI  3  ρ.  46  Dbn.),  in  denen  ganz  ähnliche 
Grundsätze  gepredigt  werden.  Auch  die  Schrift  π€ρι  τύχης  be- 
wegt sich  in  demselben  Gedankenkreise.  So  werden  hier  im 
sechsten  Kapitel  (p.  99  F,  228,  3  Hr)  boia  πλούτος  ύγίεια  ισχύς 
κάλλος  der  einzig  sicheren  Grundlage  des  Glückes,  der  φρόνηαις, 
gegenübergestellt,  und  im  dritten  heisst  es:  κουφότατον  ίπποι 
και  ώκύτατον,  άνθρώπψ  bi  θέουσι  .  .  .  τί  μ€Ϊ2Ιον  έλέφαντος 
ή  (ροβ€ρώτ€ρον  ibeiv;  άλλα  και  ούτος  παίγνιον  γέγονβν  άν- 
θρωπου .  .  .  ουκ  άχρήστως  .  .  .  άλλ'  ϊνα  μανθάν(υμ€ν  ποϊ  τον 
άνθρωπον  ή  φρόνησις  αϊρει  .  .  . 

ου  γάρ  πυγμάχοι  είμέν  άμύμονες  ovbk  παλαισταί, 

ούόέ  ποσι  κραιπναις  θεομεν^, 
άλλ'  έν  πασι  τούτοις  ατυχέστεροι  τών  θηρίων  έσμέν* 
έμπειρίςι  όέ  .  .  .  και  τέχνη  κατ'  ΆναΕαγόραν  σφών  τε  αυτών 
χρώμεθα  και  βλίττομεν  καΐ  άμέλγομεν  .  .  .  Noch  wichtiger  für 
uns  wegen  seiner  formellen  Fassung  ist  das  inhaltsgleiche  Excerpt 
κατ'  Ισχύος  bei  Stobaeus  flor.  LIII  14  =  fr.  XXIV  p.  43  Dbn.: 
τί  bi  σοι  τοιούτον  αγαθόν  εύτυχεΐται  μάλλον,  ώς  ^νεκα  τούτου 
μητρυιάν  μεν  τών  άνθρώπιυν,  μητέρα  bi  τών  άλόγιυν  ίψων 
γεγενήσθαι  την  φύσιν,  μεγέθους  και  όΗύτητος  χάριν,  ή  bi  τών 
ανθρώπων  ϊοιος  Ισχύς  ό  ψυχής  έστι  λογισμός,  φ  και  ίππους 
έχαλίνιυσε<ν),  και  βόας  άρότροις  ύπέίευΗε  και  ελέφαντας 
ύπό  ορυμόν  είλε  ποοάγρ(|ΐ,  και  τα  έν  αέρι  κατέσπασε  καλά- 
μοις,  και  τα  βύθια  οε^υκότα  οικτύοις  ανήγαγε ^.  τοΟτ'  Ιστιν 
ισχύς.  Ή  b'  έτι  μείίιυν,  δταν  γής  περιόδους  .  .  .  και  αστέρων 
κύκλους  οιώκουσα  μη  κάμη.  ταΟτ'  ην  Ηρακλέους  δ£ια. 
τις  γάρ  ουκ  δν  βούλουτο  μάλλον  'Οδυσσεύς  είναι  ή  Κύκλιυψ;^ 
Zunächst  ist  die  Erwähnung  des  Herakles  in  diesem  Zusammen- 


der  Galenischen  und  Phitarcbischeu  Schrift  eingehender  untersucht«: 
vermuthlich  würde  dabei  das  Urtheil  über  die  letztere  sehr  zu  ibren 
Gunsten  modiiicirt  werden. 

1  Parodie  von  Iloni.  Od.  θ  246  f. 

-  lieber  die  fehlerhafte  Umstellung  von  καΐ  ελέφαντας  —  ποοά- 
γραις  vor  ϊπττους  vgl.  Ducbner  ρ.  IX,  Meineke  Stob.  II  ρ.  XXVII. 

'^  Gaisford  bemerkt  Stob.  p.  333:  'Ceterum  hie  locus  coloroin 
duxisse  videtur  ex  notissimo  illo  Sophocl.  Antig.  322  sqq.'.  Dübner  hat 
die  ganze  Partie  von  ^Χ^φα^τας  \m  άντχχαχε  in  Anführungszeichen  ge- 
setzt, Meineke  nur  die  dakl^UsOiiGii  \i  ox*^^  ^^^αΝ•\^<^\Λ&  τ^ν^^ά\<?ς. 


Ein  Lehrgedicht  des  Plutarch.  608 

hange  zu  beachten;  sie  mag  nns  an  die  2Ιηλωται  Ηρακλέους  und 
τους  άφ'  Ηρακλέους  erinnern.  Auch  begegnen  uns  hier  wie- 
derum die  Ιψα  δλογα,  dnrch  etliche  von  den  bei  Galen  vorkom- 
menden Individuen  repräsentirt  ^.  Endlich  aber  klingt  in  den  ge- 
sperrt gedruckten  Worten  deutlich  daktylischer  Tonfall  durch, 
oluie  dass  es  bisher  gelungen  wäre,  den  Dichter  nachzuweisen, 
von  dem  sie  entlehnt  sind^.  Daraufhin  dürfen  wir  wohl,  mit  aller 
Beserve,  eine  Yermuthung  aussprechen,  durch  die  sich  die  Kette 
unserer  Combinationen  aufs  überraschendste  zusanunenschliesst: 
dass  nämlich  Plutarch  sich  hier  selbst  citirt,  und  dass  er 
eben  jenes  von  Galen  benutzte  hexametrische  Lehrgedicht  aus- 
schreibt. Der  hier  vorgetragene  Gedanke  würde  nach  unseren 
Annahmen  (vgl.  oben  S.  594)  in  den  Schluss  gehören. 

Endlich  mag  noch  eine  beiläufige,  auf  ein  weiter  abliegendes 
Gebiet   führende  Beobachtung  mitgetheilt  werden,    aus  der  sich 
vielleicht  eine  neue  Stütze  für  unsere  Hypothese  gewinnen  lässt. 
In   der   zweiten  Perotti'echen  Fabel,    abgedruckt  in  Kiesels 
Anthologie  und  von  L.  Müller  sehr  mit  Recht   in   die  Appendix 
zu  Phaedrus  aufgenommen  (Fab.  2  p.  68)  heisst  es  Y.  1  £f.  ^: 
Arbitrio  si  natura  finxisset  meo 
Genus  mortale,  longe  foret  instructius: 
Nam  cuncta  nobis  attribuisset  commoda, 
Quae  cui  Fortuna  indulgens  animali  dedit: 
EJephanti  vires  et  leonis  impetum, 
Comicis  aevum,  comua  et^  tauri  trucis 
Equi  velocis  placidam  mansuetudinem, 
Et  adesset  homini  sua  tamen  sollertia  ... 
Zwar  spricht  Phaedrus  aus  seiner  Person  heraus,    aber  er 


^  Bei  der  Gelegenheit  mag  denn  bemerkt  werden,  dass  sich  für 
die  Auswahl  der  Thiertypen  leicht  noch  weitere  Analogien  aus  Plutarch 
zusammen  bringen  lassen,  wie  z.  B.  de  sollert.  anim.  X  Stier,  Eiephant, 
Löwe  neben  einander  stehen.  Doch  zeigt  sich  darin  zunächst  nur  eine 
Abhängigkeit  von  der  ans  Fabel  und  Sprichwort  zu  erschliessenden 
Volksanschauung. 

^  An  Philoxenos'  Kyklops  erinnert  mich  R.  Yolkmann  mit  Hin- 
weis auf  die  letzten  Worte;  doch  stimmen  die  Rhythmen  der  Frag- 
mente (PLGr.  ΠΙ*  p.  609)  nicht  recht. 

^  Gegen  Riese's  Ausführungen  II  p.  XXXI  vergl.  L.  Müller,  de 
Phaedri  et  Aviani  fabulis  (Lips.  1875)  p.  11  sq. 

^  Die  Hdss.  Corpus  inaevum,  gloriam  t.  tr.;  gloriam  lässt  sich  viel- 
leicht halten,  wenn  auch  das  Zusammentreffen  mit  [Tibull.]  IV  1,  208 
zufäUig  sein  mag. 


eoi  Crnsias 

wird  die  Hanptzflge  doob  wohl  der  von  ihm  benntxten  giiedU- 
Bohen  Fabeleammlnng  entnomineii  haben.  Wenigstens  finden  sieh 
uahverwandte  Stücke  bei  Babrine  paraphr.  Bodl.  87  p.  40  Kn. 
=  feb.  153  p.  85  Gitlb.,  Maxim.  Tyr.  XXYI  6,  Aristid.  adv. 
Plat  pro  rhet.  I  tom.  III  p.  167  Gant.^  Aneh  die  Verfasser 
von  PsendophooyL  122  ff.  nnd  Anacreont  24  werden  eine  aeso- 
pisohe  Fabel  vor  Angen  gehabt  haben  ^.  Wenn  demnach  der 
Grandgedanke  gerade  in  jener  Spätseit  ein  locns  oommnnis  ge- 
wesen sein  mag,  ans  dessen  Yorkommen  man  keinerlei  Schlllsse 
neben  darf,  so  zeigt  doch  seine  Ansffihmng  nnd  Exemplifioimng 
bei  Phaedms  eine  so  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  entsprediendsn 
Stelle  des  Chilenischen  Mythos,  dass  hier  doch  wohl  ein  engerer 
Zusammenhang  anzunehmen  ist.  Nun  hat  Plntarch  bekannflieli, 
um  seiner  Darstellung  eine  Msche  yolksthttmliche  Fftrbung  zu 
leihen,  mit  grosser  Vorliebe  neben  den  Sprichwörtern'  Fabeh 
angewandt,  sowohl  in  ausfUhrlicher  Erzählung,  wie  in  kurzer 
Andeutung;  theoretische  Studien  in  dieser  Richtung  enthielten 
yermuthlich  die  im  Lampriaskataloge  unter  Nr.  40  angeführten 
pu6u)V  βιβλία  τ  \    Hier  zeigt  nun  Plutarch  auch  sonst  eine  auf- 


^  Vgl.  Eraemue  Adag.  II  1,  86  p.  885  Bas.  Besonders  die  letste 
Parallele  ist  sehr  frappant.  Der  in  diesen  Fabeln  ausgesprochene  Ge- 
danke, dass  die  Sprache  Schöpferin  gesitteter  Zustände  und  hoher 
Kultur  ist,  scheint  epikureisch  zu  sein:  vgl.  Hör.  sat.  I  8, 103  m.  d.  £rk1. 

^  Sehr  richtig  Bergk  PLGr.  11^  p.  99:  fortassc  Aesopus  princeps 
hui  US  sententiae  auctor,  quae  apologo  in  primis  convenit. 

'  Auf  paroemiographische  Arbeiten  Plutarch's  deuten  zwei  No- 
tizen des  Larapriaskatalogs :  Nr.  142  π€ρΙ  τΟυν  παρ'  *Αλεζανδρ€θσι  πα- 
ροιμιών —  wohl  mit  einer  Sammlung  des  Laurentianus  identisch:  AnalL 
ad  paroemiogr.  p.  14  —  und  Nr.  55  παροιμκίιν  βιβλ(α  β'  —  vielleicht 
jene  'sophistische*  letzte  Sammlung  des  Laurentianus  und  Athous,  ans 
der  auch  die  unter  Plutarch's  Namen  gehenden  Excerpte  περί  τών  αδυ- 
νάτων paroemiogr.  Gott.  vol.  I  p.  843  geflossen  sind  und  mit  der  die 
Anall.  ad  paroemiogr.  p.  76.  100  sq.  besprochenen  Paroemiographica 
des  Eustathius  eine  auffallige  Aehnlichkeit  zeigen.  Doch  bleibt,  auch 
wenn  diese  Identificirung  richtig  sein  sollte,  der  Plutarchische  Ursprung 
der  letzteren  vorläufig  sehr  zweifelhaft;  nur  eine  eingehende  Unter- 
suchung über  die  Sprichwörter  in  den  sicher  echten  Schriften  Plutarch's 
wird  vielleicht  ein  bestimmteres  Urtheil  ermöglichen. 

*  ΜΟΘος  ist  im  Sprachgebrauche  Plutarch's  und  seiner  Zeit  meist 

gleichbedeutend   mit  λόγος  ΑΙσώπειος;    ebenso   enthielt  die    δεκαμυθία 

des  Rhetors  Nikostratos  besonders  Fabeln,    die  Babrius  mitverarbeitet 

zu  haben  scheint.    Das  einzige  GT\\«X\.etv.^  Yx^-^xaftiit  aus  der  erwähnten 

Scbnit  bestätigt  die  obige  Xm^ää^vwi^.   \χϊΝλ»λ..  w.^W  ^."fiTv  Κ  =  ^t. 


£ίη  Lehigedicht  des  Plutardi.  606 

fallige  Verwandtschaft  mit  Pliaedrue.  Zwar  wird  man  gut  thun, 
davon  abzuseilen,  dass  das  echmutzige  Geechichtchen  Aeeopus  et 
rusticue  Phaedr.  III  3  nur  noch  in  dem  neuerdings  verdächtigten, 
jedesfalls  aber  in  Plntarcirs  Zeitalter  entstandenen  Convivium 
sept.  sapient.  III  vorkommt,  und  zwar  auf  Thaies  übertragen. 
Aber  auch  das  ΑΙσώπειον  γελοϊον  vom  Fuchs  und  Kranich, 
welches  in  den  sicher  echten  quaestt.  conviv.  I  5  erzählt  wird, 
ist  weder  bei  Babrius  noch  unter  den  bisher  veröffentlichten  Prosa- 
fabeln zu  finden,  wohl  aber  Phaedr.  I  26  vulpes  et  ciconia,  mit 
einer  geringen  Abweichung  in  den  Personen,  dagegen  in  allen 
Einzelheiten  übereinstimmend.  Ebenso  ist  die  Pointe  von  Phaedr. 
ΠΙ  8  frater  et  soror  aus  dem  bei  Plutarch  coniug.  praec.  XXV 
erzählten  Geschichtchen  entnommen  ^,  welches  freilich  auch  in 
Apuleius'  Apologie  wiederkehrt.  Noch  bemerk enswerther  ist  es, 
dass  sich  die  Anekdote  mulier  parturiens  Phaedr.  I  18  auch  bei 
Plutarch  in  derselben  Schrift  XXXIX,  und  nur  hier,  wieder- 
findet. Ausserdem  vergleiche  man  z.  B.  Phaedr.  I  20  und  Plut. 
de  commun.  not.  adv.  Stoic.  XIX;  IV  10  und  Vit.  XXXIX  32,4; 
IV  4  und  Vit.  LXVI  38,  6;  IV  24  und  Vit.  XLIV  36.  Ver- 
muthlich  hat  beiden  Autoren  dieselbe  Sammlung  von  Fabeln  und 
Anekdoten  vorgelegen;  einen  bestimmten  Namen,  wie  den  des 
Demetrios  von  Phaleron,  dafür  in  Anspruch  zu  nehmen,  wäre 
voreilig,  so  lange  auf  diesem  noch  ganz  vernachlässigten  Gebiete 
nicht   gründlich    aufgeräumt  ist^.     Jedesfalls  aber  bietet   dieses 


XXXII  p.  48  Dbn. :  Πλουτάρχου  δέ  €l  τά  μυθικά  διηγήματα  των  σων 
€Ϊσω  χειρών  άφΐκτο,  οΟποτ'  öv  έλελήθει  σβ  τ(νι  διαφέρει  πλάσαι  τε  11 
αρχής  μΟθον  καΐ  τόν  κε(μενον  έφαρμόσαι  πράγμασιν  οΙκε(οις.  Diese 
μΟθοι  enthielten  also  Nutzanwendungen  auf  das  Leben,  d.  h.  sie  waren 
Fabeln.  Was  hier  über  Neubildung  und  Anpassung  gesagt  wird,  er- 
innert sehr  an  die  Anm.  8  erwähnten  bei  Eustathios  erhaltenen  Bemer- 
kungen über  Erfindung  und  Gebrauch  von  'Sprichwörtern*. 

^  Vgl.  auch  fara.  ine.  XL VIII  p.  53  Dbn.  (είς*  κάτοπτρον  κύψας 
κτλ.)  Auch  Galen  in  Protrepticus  VIII  p.  18  Κ  nimmt  darauf  Hezug; 
doch  wird  er  nach  unseren  obigen  Ausführungen  von  Plutarch  ab- 
hängig sein. 

3  Bei  dieser  Gelegenheit  mache  ich  auf  die  unverkennbaren  Spuren 
von  jambischem  Rhythmus  aufmerksam,  die  sich  in  etlichen  von  Plu- 
tarch erzählten  Anekdoten  finden.  Z.  B.  de  Fort.  IV  p.  99  Β  (226, 16  Hr.): 
Νεάλκη  μ^ντοι  φασίν  ϊππον  ΣωγραφοΟντα  (etwa:  ΦασΙν  Νεάλκη  2!ωγρα- 
φοΟνθ'  Υππον  (ποτέ)  ||  τοις  μέν  [δλλοις]  κατορθοΟν  είδεσι(ν)  καΐ 
χρώμασι,  ||  τοΟ  δ'  άφροΟ  τήν  περί  τφ  χαλινφ  κοπτομένην  χαυνότητα 
.  .  .  μή  κατορθοΟντα  γράφειν  τε  πολλάκις  καΐ  έΕαλεΙφειν^  IJ^  τΙ- 


60β  Cr u 81  π 8  flin  Lebrgedioht  des  Plutarcli. 

Zusammengelien  des  Galen'sclieii  Fragmentes  und  siclier  Plutar- 
clieiecher  Stücke  mit  Phaedrue  —  oder  vielmehr  der  Qnelle  des 
Phaedms  —  ancli  eine  gewisse  Bestätigung  für  den  angenom- 
menen gemeinsamen  Ursprung  beider. 

Wird  die  vorgetragene  Vermuthung  bei  weiterer  Prüfung 
stichhaltig  befunden,  so  kann  sie  wohl  einiges  Interesse  bean- 
spruchen. Sie  bietet  uns  die  erste  und  einzige  Probe  von  Plu- 
tarch^s  dichterischer,  oder  besser :  versificirender  Thätigkeit.  Denn 
ein  sonderliches  poetisches  Verdienst  wird  man  jener  moralischen 
Abhandlung  ja  schwerlich  zusprechen  wollen.  Doch  muss  aner- 
kannt werden,  dass  Sprache  und  Vers  des  Epos  mit  Geschick 
gehandhabt  werden  und  bei  der  nicht  ohne  Humor  geschilderten 
Krönung  des  Όγκητής  eine  hübsche  parodische  Wirkung  her- 
vorbringen. 

Dürfen  wir  aber  jener  Notiz  des  Lampriaskataloges  über- 
haupt Glauben  schenken,  da  doch  von  ähnlichen  Versuchen  Pln- 
tarch's  sonst  keine  Spur  nachweisbar  ist?  Ein  derartiger  Zweifel 
könnte  wohl  den  Einen  oder  Andorn  gegen  unsere  Vermuthungen 
von  vornherein  misstrauisch  machen.  Man  erwäge  aber,  wie  auch 
Lucian  und  manche  Mitglieder  des  Sophistenkreises  jener  Zeit 
gelegentlich  kurze  Abstecher  auf  das  Nachbargebiet  der  Poeeie 
gemacht  haben  \  Verwandte  Bestrebungen  wird  man  auch  bei 
Plutarch  voraussetzen  dürfen,  zumal  er  die  ΜοΟ(Τα  παιοειττική, 
durch  welche  auch  unser  Fragment  inspirirt  ist,  von  seinem  frei- 
lich beschränkten,  aber  echt  antiken  philoßophisch-ästhetiRohen 
Standpunkte  aus  nachweislich  besonders  hochschätzte  und  sich  mit 
den  Epikern,  besonders  denen  der  lehrhaften  Kichtung,  aufs  ein- 
gehendste beschäftigt  hat  *^.  Und  so  gewinnt  unsere  Vermuthung, 
dass  Plutarch  der  Verfasser  jenes  hexametrischen  Lehr- 
gedichtes ist,  auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet 
nur  an  AVahrscheinlichkeit  ^. 

Leipzig.  0.  Crusius. 


λος  b'  υπ'  οργής  προσβαλ€ΐν  τώ  πίνακι  ||  τόν  σπόγγον  ώσπερ 

€Τχε  [τών]  φαρμάκων  [ανά]  πλ€ων  κτλ.  (die  Parallelstellen  bei  Wytten- 
bach  Animadv.  I  tom.  'VI  p.  (375  Oxoii.).  Inhalt  und  Stil  erinnern  an 
die  bei  Athenaeus  erhaltenen  Excerpte  aus  Machon's  χρ€ϊαι;  auch  wird 
ihr  Ilauptheld  Stratonikos  bei  IMutarch  wiederholt  erwähnt.  —  Aehn- 
liches  habe  ich  beobachtet  de  sollert.  anim.  X.  XI.  XVI  Die  Sache 
verdiente  eine  genauere  Untersuchung.  —  Ueber  jambische  Aneodoten 
und  Fabeln  (bei  Zenol).)  vgl.  auch  Anall.  ad  Paroemiographos  p.  57*, 
de  Habr.  aet.  23o2  237^^ 

^  Vgl.  darüber  die  Ausführungen  Rohde's,  gr.  Roraan  S.  332  f. 
2  Einen  unterrichtenden  Einblick  in  seine  poetisch-grammatischen 
Studien    gewähren    uns    die   Bruchstücke    aus    seinen   Commentaren  zu 
Homer  und  Hesiod,  Arat  und  Nikander. 

"^  Von  einer  detaillirten  Untersuchung  der  Sprache  wird  man  bei 

'em  geringen  Umfang  und  völlig  singulären  Charakter  der  Fragmente 

"iinen   Erfolg   erwarten    dürfen.     IJemerkenswerth    ist    immerhin,    dass 

oh  mir  für  gewisse  sprachliche  Einzelheiten  wie  von  selbst  Parallelen 

18  Plutarch  boten. 


lieber  die  ταμίαι  und  das  Arcbontenjahr  des 

Themistokles. 


Das  letzte  Drittel  der  hier  folgenden  Miscellen,  welche  frühestens 
hn  August  und  September  des  Jahres  1880,  also  in  derselben  Zeit  wie 
die  Besprechung  der  eleischen  Urkunde  (Kh.  Mus.  38, 526—539),  nieder- 
geschrieben sind,  bildete  von  den  Worten  S.  615  an:  'Man  hat  das 
Scholion  des  Aeschines  benutzt*  einen  Theil  des  Manuscripts  über  die 
olympische  Inschrift.  Es  fand  sich  an  der  Stelle  eingelegt,  wo  dieses 
die  Lücke  zeigt,  welche  es  augenscheinlich  nicht  auszufüllen  bestimmt 
war.  Nachträglich  entdeckte  Blätter,  welche  die  ταμ{αι  der  Strategen 
und  das  Kriegszahlmeisterjahr  des  Hegesander  behandeln,  stehen  durch 
Stellen  des  Aeschines  in  loser  Beziehung  mit  dem  Folgenden  und  schliessen 
sich  mit  den  Worten  S.  GIO:  'Dass  Zahlmeister  den  Befehlshabern  zu 
Wasser  und  zu  Lande*  auch  ziemlich  genau  an  den  (zugehörigen?)  An- 
fang des  Aufsatzes  über  die  ταμ{αι  an.  Die  geehrte  Redaktion  willigt« 
in  den  Abdruck  dieser  Miscellen,  obgleich  sie  wohl  weder  ganz  voll- 
ständig sind  noch  durchweg  Neues  bringen  und  der  eigentliche  Aus- 
gangspunkt der  Untersuchung  nicht  überall  klar  vorliegt  (vgl.  Rh.  Mus. 
37,  356). 

Berlin,  den  11.  Juni  1883. 

Gustav  Hinrichs. 


In  dem  Dekrete  für  Straten,  den  König  von  Sidon,  CIG•. 
I  87  ist  τους  ταμίας  ungenauer  Ausdruck  für  τους  ταμίας  τής 
θ€θΟ,  wie  die  Urkunde  des  neuen  Seebundes  Z.  69  beweist  und 
Meier  richtig  erkannt  hat  (comm.  epigr.  I  12.  II  58),  während 
Boeckhs  Vennuthung  fehl  griff,  da  er  von  dem  Reservefond  der 
zehn  Talente  keine  Kunde  haben  konnte. 

In  dem  Psephiema  zu  Ehren  des  Rathes  Ol.  109,  2  III  9 
[vgl.  CIA  Π  114  Β  7—9]:  boövai  (bfe)  αύτ(ίκα  μάλα  Χ)  οραχμάς 
τους  ταμίας,  οΟς  εϊρηται,  έκ  του  νόμου  τοις  boEamv  δριστα  των 
βουλευτών  έπιμεμβλήΟΓθαι  τής  €ύκο(Τ(μίας)  sind  die  Zahlmeister 
des  Rathes  zu  verstehen :  meine  früheren  Bedenken  halte  ich  nicht 
mehr  aufrecht.  Das  Gesetz  über  die  Theaterpolizei  wird  den 
Mitgliedern  des  Rathes,  die  sich  um  die  Handhabung  der  Ordnung 
verdient  gemacht  hatten,  eine  Remuneration  aus  der  Kasse  des 
Rathes  zugesichert  haben;  ob  im  einzelnen  Falle  diese  zu  ge- 
währen sei,  entscheidet  nicht  der  betheiligte  Rath,  sondern  eine 
höhere  Instanz  der  Volksversammlung. 


606  Bergk 

Auch  in  der  Rede  des  (Demostlienee)  51»  1  bereitet  die  Er- 
wähnung des  ταμίας  Schwierigkeiten.  Boeckh  Staatsh.  I  249  läset 
es  unentschieden,  welcher  Schatzmeister  zu  verstehen  sei;  Schäfer 
Demosth.  III  2,  152  bezieht  die  Stelle  auf  den  ταμίας  τής  βου- 
λής. Ich  nehme  an  der  Erwähnung  des  Schatzmeisters  in  diesem 
Zusammenhange  Anstoss;  denn  der  Eath  verleiht  dem  Trierar- 
chen, der  sein  Schiff  zuerst  fertig  gestellt  hat,  die  Auszeichnung, 
wie  eben  jene  Rede  zeigt.  Dies  ist  auch  selbstverständlich,  da 
der  Rath  in  der  Regel  die  Absendung  jeder  Flottenabtheilung 
beaufsichtigte  und  daher  in  dieser  Sache  competent  war.  Der 
Herold  des  Rathes  verkündet  seiner  Zeit  den  Preis,  dagegen  der 
Zahlmeister  des  Rathes  wirkt  dabei  in  keiner  Weise  mit;  denn 
da  der  trierarchische  Kranz  vom  Rathe  auf  Grund  eines  Volks- 
beschlusses zuerkannt  wird,  hat  eine  der  öffentlichen  Kassen  die 
Zahlung  für  die  Anfertigung  des  Kranzes  zu  leisten,  s.  Seeurkun- 
den S.  464,  wo  die  Apodekten  dazu  angewiesen  werden.  Nur  bei 
selbständigen  Beschlüssen  des  Rathes  erfolgt  die  Zahlung  aus  der 
Kasse  des  Rathes,  der  dazu  bei  der  Feststeilung  seines  Budgets 
jedesmal  eine  gewisse  Summe  auswarf  (dabei  die  Formel  boOvai 
τό  άργύριον  έκ  τών  κατά  ψηφίσματα  όναλισκομένων  τή  βουλή 
in  den  Verhandlungen  des  Rathes  aus  Ol.  109,  2).  Ausserdem 
befremdet  mich  der  Singular  τον  ταμίαν;  denn  in  der  Demosthe• 
nischen  Zeit  wählt  der  Rath  aus  seiner  Mitte  zwei  ταμίαι,  wie 
die  oben  erwähnten  Urkunden  aus  Ol.  109,  2,  über  die  ich  in 
zwei  Abhandlungen  Halle  1863  [Nr.  215.  221  des  Schriftenver- 
zeichuisses]  gesprochen  habe  (vgl.  auch  Riedeiiauer  in  d.  Verb, 
der  philologischen  Gesellschaft  zu  Würzburg  S.  77  ff.),  ausweiseu. 
lieber  die  früheren  Zeiten  ist  mir  nichts  bekannt.  Schatzmeister 
hat  der  Rath  zwar  von  Anfang  an  gehabt,  und  er  mag  früher 
sich  mit  einem  begnügt  haben;  zu  dieser  Einrichtung  kehrt  man 
auch  später  in  der  Zeit  der  zwölf  Phylen  zurück.  Allein  selbst 
wenn  sich  nachweisen  Hess,  dass  zur  Zeit  jener  Rede  (Ol.  104 
gegen  Ende  oder  Anfang  Ol.  105)  es  nur  einen  Zahlmeister  des 
Rathes  gab,  ist  doch  nach  dem  vorher  Bemerkten  die  Erwähnung 
des  ταμίας  unzulässig,  und  der  Verdacht  einer  Verderbniss  nahe 
gelegt,  worauf  auch  die  in  der  klassischen  Zeit  ungewöhnliche 
Struotur  von  KpoqTacTcreiv  hinweist.  Ich  verbessere:  vöv  bt  τψ 
πρώτψ  παρασκευάσαντι  την  τριήρη  τον  στεφανον  προςεταΕεν 
ό  δήμος  boövai.  Die  ungewöhnliche  \^ertauschung  von  στεφανον 
mit  ταμίαν  ist  auf  eine  missveratandcnc  beigeschriebene  Erklärung 
zurückzuführen;  entweder  war  schon  in  alter  Zeit  von  kundiger 
Hand  Π  MNCON  oder  von  einem  Byzantiner  ταινίαν  darüber 
gesetzt.  Damit  ist  auch  die  Vermuthung  Schaefer's,  dass  in  der 
Seeurkunde  S.  4G3  (aus  Ol.  113,  4):  τον  be  πρώτον  πα(ρασκ€υά)- 
σαντα  στ€φανωσά(τυϋ  ό  οή)μος  χρυσώ  στ€φά(νψ  άπ)ό  Ρ  δραχ- 
μών vielmehr  στεφανωσάτω  ό  ταμίας  zu  ergänzen  sei,  hin- 
fällig. Da  man  nicht  ή  βουλή  schreiben  kann,  ist  an  Boeckh's 
Ergänzung  festzuhalten,  so  ungeschickt  auch  der  Ausdruck  ist, 
wie  Schaefer  richtig  erkannt  hat.     Da  der  Kriinz  vom  Rathe  dem 


Ueber  die  ταμ(αι.  609 

Trierarcben  auf  Grund  eines  A^olksbescliluRses  zuerkannt  wird,  so 
kann  man  wohl  sagen:  ό  δήμος  ό  'Αθηναίων  στέφανοι  τριήρ- 
αρχον,  aber  (Ττεφανωσάτω  ό  δήμος  in  einem  Volksbescblusse 
ist  ganz  abnorm,  da  das  souveräne  Volk  wohl  anderen,  aber  nicht 
eich  selbst  Vorschriften  macht.  Die  Urkunde  liegt  in  einer  nach- 
läseigen, theilweise  ungeschickt  abgeänderten,  vielleicht  hier  und 
da  verkürzten  Copie  vor.  In  der  Urkunde  wird  sich  gefunden 
haben:  τόν  be  πραττον  παρασκευάσαντα  στεφανώσαι  χρικτψ 
(Ττεςκίνιμ,  was  mit  einer  nicht  zu  rechtfertigenden  Willkür  in 
(ΓτεφανιυίΤάτιυ  ό  δήμος  abgeändert  wurde.  Geradezu  widersinnig 
ist  der  Satz:  δπω(ς  fjv  ή)  φανερά  ή  φιλοτι(μία  πρό)ς  τόν  δήμον 
τοις  (τριηρά)ρχοις.  In  der  Urkunde  stand  nur:  δπιυς  δν  ή  φανερά 
ή  φιλοτιμία  εις  (so,  nicht  προς  ist  zu  ergänzen)  τόν  [δήμον],  und 
dieser  Satz  schloss  sich  dort,  wie  sich  gebührt,  an  die  Verkün- 
digung der  trierarchischen  Kränze  am  Thargelienfeste  an,  während 
er  jetzt  höchst  verkehrt  mit  der  Zahlungsanweisung  verbunden 
wird.  Die  Worte:  τοις  τριηράρχοις  gehören  entweder  zu  einem 
Satze,  den  der  nachlässige  Steinarbeiter  ausliess,  oder  sie  gehören 
zu  dem  folgenden  Satze:  τοις  τριηράρχοις  (δ')  δπιυς  δν  και  α\ 
(Τκήψείς  εΐ(Ταχθώ(Τι,  woraus  der  Steinarbeiter  nach  Art  schlechter 
Abechreiber  machte:  τοις  τριηράρχοις.  'Όπιυς  δ'  δ  ν  και  αι  σκή- 
ψεις  κτλ.  Autfallend  ist  auch  S.  462:  (το)ύς  δέ  τριηράρχους  (τους 
καθ)εστηκότας  πα(ρ)α(σκευάίει)ν  τάς  ναυς  έπι  τό(ν  έκπλου)ν 
....  και  παρέχειν  (παρεσ)κευασμένας  εις  (πλουν),  da  hier 
zweimal  dasselbe  und  zwar  mit  den  gleichen  Worten  gesagt  Λvird. 
Hier  trifft  jedoch  der  Tadel  die  Ergänzung;  man  schreibe  παρα- 
(πληρου)ν  τάς  ναυς  έπι  τό(ν  πλου)ν  ....  και  παρίχειν  πα- 
ρ€(Τκευα(Τ[μένας  εΙς]  (έκπλουν).  Nun  stimmt  dies  aufs  Beste  mit 
dem,  was  vorher  über  die  Leistungen  des  Staiites  bei  dieser  Expe- 
dition festgesetzt  wird:  der  Staat  soll  den  Trierarchen  den  Rumpf 
des  SchifTe«  und  die  Geräthe  (τάς  ναυς  και  τά  σκεύη)  liefern;  wer 
für  die  Bemannung  der  Schiffe  zu  sorgen  hat,  wird  nicht  gesagt. 
Allerdings  lag  diese  Verpflichtung  damals  dem  Staate  ob;  allein 
unter  Umständen  wird  man  auch  in  di(;ser  Epoche  die  Trierarchen 
dazu  verpflichtet  haben.  Die  Gründung  einer  Colonie  am  Adria- 
tischen  Meere  zum  Schutz  des  Attischen  Handels  gegen  die  Tyr- 
rbenischen  Piraten,  die  wahrscheinlich  damals  selbst  die  grie- 
chischen Gewässer  unsicher  machten,  wird  als  ein  Unternehmen 
zum  Schutz  des  attischen  Staatsgebietes  betrachtet.  Am  Schluss 
der  Urkunde  heisst  es :  ταύτα  δ'  εΐναι  δπαντα  είς  φυλακήν  της 
χώρας.  In  diesem  Falle,  ebenso  wenn  es  sich  um  die  σωτηρία 
τής  πόλεως  handelte,  war  man  befugt  von  den  bestehenden  Nor- 
men abzugehen  und  ausserordentliche  Massregeln  zu  ergreifen; 
80  war  auch  damals  in  einem  besonderen  Psephisma  über  die 
Auerüetung  der  Flotte  festgestellt,  dass  der  Staat  nur  ναυς  και 
σκεύη  κατά  τά  δεδογμένα  τψ  δήμψ  (dies  ist  eben  jene«  Pse- 
phisma, welches  die  gesetzliche  Ordnung  für  diesen  Fall  suspen- 
dirte)  zu  liefern  habe;  für  das  πλήρωμα  hatten  die  Trierarcben 
ΖΠ  sorgen.     Meine  Ergänzung  παραπληροΟν  ist  also  sicher;  diese 

RliclB.  Mut.  r.  Phnul.  M.  F.  XXXIX.  30 


eiO  Bergk 

Gompositioii  bedeutet  hier  nicht  «oviel  als  έΕαναπληροΰν,  die 
Lücken  der  Mannschaft  ergänzen,  denn  dies  kam  gewiss 
auch  nicht  selten  vor,  wenn  der  Staat  die  Mannschaft  stellte, 
sondern  vertritt  die  Stelle  des  einfachen  πλη|>οΟν,  was  allerdings 
ungewöhnlich  ist.  Boeckh  hat  freilich  S.  464  ergänzt:  τους 
θεσμοθέτας  παρα(πλ)ηρώ(Ται  δικαστήρια  βίς  (£ν)α  καΐ  διακόσιους 
τφ  στρατηγφ,  allein  hier  ist  vielmehr  παρα(κλ)ηριΣισαι  = 
έπικληριϊΚΤαι  χα  lesen. 

Dass  Zahlmeister  den  Befehlshabern  xu  Wasser  nnd  zu  Lande 
beigegeben  waren,  müssten  wir  voranssetxen,  auch  wenn  kein  aus- 
drückliches Zeugniss  vorläge.     Da  es  aber  keine  stehende  Kriegs- 
macht gab,  so  können  diese  ταμ(αι  auch  keine  ständige  Behörde 
gewesen   sein,    sondern  man  wird   jedesmal  bei  der  Ausrüstung 
einer  Expedition  jedem  Feldherm,  nach  Umständen  vielleicht  auok 
anderen  Befehlshabern,  einen  ταμ{ας  beigegeben  haben.     So  be- 
gleitete Hegesander  als  Zahlmeister  den  Strategen  Timomachos  auf 
seinem  Feldzuge  nach  dem  Hellespont  Ol.  104,  4,  wie  Aeschinee 
gegen  Timarch  §  56  (80)  bezeugt:  €τυχ€  hk  τάτε  συμπλ€υσας  €ΐς 
Ελλήστωντον  ταμίας  Τιμομάχψ  τφ  'Αχαρνεΐ  τφ  στρατηχήσανη. 
Hegesander,  der  Bruder  des  bekannten  Bedners  Hegesippos,  wsr 
ein  vermögender  Mann,  wie  das  später  von  ihm  bekleidete  Schatz- 
meisteramt  der  Athene  beweist,  und  trat  auch  als  Bedner  öffent- 
lich auf:    daraus  sieht  man,  dass  die  Stelle  eines  Eriegszahlmei- 
sters   gesucht  war,    denn   sie   bot,    wenn  einer  die  Umstände  £0 
benatzen  und  eich  mit  seinem  Gewissen  abzufinden  verstand,  viel- 
fach Cxelegenheit  dar,  sich  zu  bereichern,  was  bei  der  Gorruptioo, 
die  das  öffentliclie  Leben  Athens  durchdrang,   häufig  genug  vor- 
gekommen sein  mag.     Arietophanes  läset  in  den  Wespen  in  der 
ergötzlichen  Sceno  des  Hundeprocesses,  einer  Parodie  des  Rechts- 
handels,   den  Kleon   gegen   den  Feldherm  Laches   wegen  Unter- 
schlagung öffentlicher  Gelder  u.  s.  w.  angestellt  hatte  (s.  240  ff.), 
beim  Zeugenverhöre,  das  Schabmesser  auftreten  V.  963: 
άνάβηθι,  τυρόκνηστι,  καΐ  λεΕον  μίγα* 
σύ  γαρ  ταμιεύουσ'  έτυχες*  όπόκριναι  σαφώς, 
€1  μη  κατέκνησας  τοις  στρατιώταις  αλαβες. 
Hier  wird  in  nicht   misszuveretehender  Weise  ^    der  Zahlmeister 


^  Den  Erkläreru  ist  diese  Beziehung  entgangen,  was  nicht  zu  ver- 
wundern, da  die  ταμίαι  der  Strategen,  abgesehen  von  diesen  Verden, 
nur  bei  Aeschines  und  Dernosthenes  (s.  nachher),  so  viel  ich  weiss,  er- 
wähnt werden.  Wenn  Harpokration  (ταμ(αι)  berichtet,  aus  dem  Marikus 
des  Eupolis  erhelle,  dass  auch  den  Trierarchen  Zahlmeister  zugetheilt 
waniu,  so  wird  dies  auf  die  sog.  heih'gen  Trieren  zu  beschränken  sein; 
denn  von  diesen  hatte  jede  einen  eigenen  Zahlmeister,  worüber  ich  auf 
Boeckh  Staatsh.  I  23G  und  701  verweise.  Da  diese  Schiffe  fortwährend 
in  Dienst  waren,  ist  auch  dieses  Amt  als  ein  ständiges  zu  betrachten. 
i>a^ep'en  wird  der  Zahlmeister  des  Strategen  oder  sonstigen  Befehls- 
Jiahers  Sold  und  VerpfteguT\v;i^ge\ÖLeT  den  Mannschaften  der  Rriegsscbiffe 
awsg-ezahlt  habeu,  wie  aus  d^ir  vP^T£vo^\>cvfem^Osi^\i^\kvi^vt  %M^<iu  Timotheoe 


Ueber  die  ταμ(αι  611 

des  Strategen  als  Mitwisser  und  Theilnebmer  der  Betrügereien 
vorgeführt.  In  den  Process  des  Timotheos  Ol.  101,  4  ward  auch 
sein  Zahlmeister  Antimachos  verwickelt^;  die  Klage  lautete  auf 
Verrath,  aber  der  Angriff  richtete  sich,  wie  herkömmlich,  gegen 
die  gesammte  Amtsführung,  insbesondere  die  A'^erwendung  der 
öffentlichen  Gelder.  Der  Schatzmeister  wurde  zum  Tode  verur- 
theilt  und  sein  Vermögen  eingezogen,  s.  die  Rede  gegen  Timotheos 
10  und  45  ff.  Ob  ihm  eine  Schuld  nachgewiesen  war,  wissen  Λvir 
nicht;  möglicherweise  haben  die  Geschworenen,  welche  den  Feld- 
herrn auf  Fürbitte  seiner  einflussreichen  Freunde  freispracben, 
den  Zahlmeister  nur  verurtheilt,  um  die  leidenschaftlich  aufge- 
regte Menge  zu  befriedigen^.  Glücklicher  war  der  schon  erwähnte 
Hegesander;  als  Zahlmeister  des  Strategen  Timomachos  im  Hel- 
lespont  Ol.  104,  4  hatte  er  sich  auf  unredliche  Weise  bereichert•'^, 
ohne  dass  man  ihn,  wie  es  scheint,  zur  Verantwortung  zog,  wäh- 
rend der  Feldherr  zum  Tode  verurtheilt  wurde  und  in  die  Ver- 
bannung ging.  Nach  Aeschines  hatte  Hegesander  das  Vertrauen 
des  gutmtithigen  Timomachos  gemissbraucht,  und  diese  Verun- 
treuungen hatte  man  dem  Feldberrn  zur  Last  gelegt*. 

Timomachos,  der  gegen  Ende  des  Sommers  das  Kommando 
im  Hellespont  übernommen  hat,  kehrt  bereits  gegen  den  Ausgang 
des  Wintere   nach   Athen   zurück    (s.  Schaefer  Dem.  ΙΓΙ   2,  141 


49,  11  und  14  hervorgeht.  Der  in  derselben  Rede  (§  14)  genannte  'Αν- 
τιφάνης aus  Lamptrae,  ος  έπ^πλει  ταμίας  Φιλίππψ  τφ  ναυκλήρψ,  der 
dem  Timotheos  einen  Vorschuss  leistet,  steht  offenbar  im  Privatdienste 
auf  einem  Kauffartheischiff;  Boeckh  I  237  lässt  diese  unentschieden 
und  entbält  eich  ebenso  über  die  Schatzmeister  der  Trierarchen  eines 
findurtheiles  I  706. 

^  S.  die  Rede  gegen  Timotheos  (Demostb.)  49,  6:  Άντιμάχψ  τφ  τα- 
μίί/,  τφ  έαυτοΟ,  δς  τούτψδιώκ€ΐ  τότε  πάντα,  10:  Άντίμαχον  μέν  ταμίαν 
οντά  καΐ  πιστότατα  διακείμβνον  τούτψ.  Dass  Antimachos  nicbt  im  Pri- 
vatdienstc  des  Timotheus  stand,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  er  zu- 
gleich mit  dem  Feldherrn  vor  Gericht  gestellt  [wurde]. 

2  Die  Buchführung  des  Antimachos  mochte  zu  berechtigten  Aus- 
stellungen Anlass  geben,  aber  die  Schuld  truf^en  der  Feldherr,  dem  of- 
fenbar der  Sinn  für  strenge  Ordnung  in  Geldsachen  abging,  dann  aber 
vor  allen  die  Athener,  welche  den  Anführer  der  Expedition  mit  unzu- 
länglichen Mitteln  versahen  und  so  in  die  peinlichsten  Verlegenheiten 
brachten.  In  dem  ganzen  Kechtshandel  erscheint  Timotheos  in  sehr 
ungünstigem  Lichte;  denn  in  allen  wesentlichen  Punkten  wird  der  Kläger 
wohl  Recht  haben,  wurde  doch  auch  Timotheos  zur  Bezahlung  dieser 
Schulden  vom  Gerichte  verurtheilt. 

•  Aeschines  gegen  Timarch  §  Γ)0  (80)  sagt,  er  habe  80  Minen  heim- 
gebracht, füfft  jedoch  vorsichtig  hinzu  ώς  λ^γ€ται. 

*  Aeschines  a  a.O. :  καΐ  τρόπον  τινά  ούχ  ήκιστα  αίτιος  έγ^νετο  ούτος 
τφ  Τιμομάχψ  τής  συμφοράς.  1η  wie  weit  diese  Darstellung  begründet 
ist,  steht  natürlich  dahin.  Aus  der  Rede  des  ApoUodor  gegenPolykles 
erfahren  wir  Genaueres  über  die  trostlose  Verfassung  der  Flotte  unter 
Timomachos:  für  die  Ver];)flegung  war  schlecht  gesorgt,  Sold  wurde 
nicht  ausgezahlt,  so  dass  häufig  Desertionen  vorkamen;  der  Strateg 
nahm  Gelder  auf  von  Trierarchen  u  β.  w. 


612  Bergk 

und  148)  und  wird  alsbald  vor  Gericht  gestellt.  Wenn  man  auch 
seinen  Zahlmeister  nicht  zur  Rechenschaft  zog,  so  hatte  man  doch 
nach  den  früheren  Erfahrungen  allen  Grund,  als  man  im  Früh- 
ling desselben  Jahres  Ol.  104,  4  eine  Expedition  nach  der  asia- 
tischen Küste  aussandte,  den  neugewählten  Kriegszahlmeistem 
specielle  Instructionen  zu  geben  und  alles  eigenmächtige  Ver- 
fahren zu  untersagen,  wie  die  betreifende  Urkunde  zeigt  ^. 


Nach  Aeschines*  Rede  gegen  Timarch  §  56  (80)  war  Hegesan- 
der  als  Kriegszahlmcister  dem  Strategen  Timomachos  heigegeben, 
als  dieser  das  Kommando  im  Hellespont  übernahm,  von  dem  man  ihn 
nach  wenigen  Monaten  abberief  und  vor  Gericht  stellte,  welches  den 
Feldherm  zum  Tode  vemrtheilte.  Da  Aeschiues  sich  ausdrücklich 
auf  diesen  unglücklichen  Ausgang  bezieht,  so  kann  nur  der  Feld- 
zug des  Jahres  Ol.  104,  4  (Archon  Nikophemos)  verstanden  wer- 
den. Damit  steht  jedoch  eine  andere  Stelle  der  Rede  in  schnei- 
dendem Widerspruche.  §  109  f.  (127)  schildert  er  das  Verhalten 
des  Timarchos   als  Mitglied  des  llathes:    βουλευτής  έγένετο  έτη 

δρχοντος  Νικοφήμου έπι  τοίνυν  του  αύτου  άρχοντος,  δθ* 

ούτος  έβούλβυεν,  ταμίας  ήν  τών  της  θεού  Ήγήσανδρος  ούτος  ό 
Κριυβύλου  άόελφός^.  Zwei  Α  emter  neben  einander  in  demselben 
Jahre  zu  bekleiden  war  bekanntlich  in  Athen  durch  das  Gesetz 
verboten;  am  wenigsten  konnte  einer  gleichzeitig  als  Kriegszahl- 
nieißter  im  Hellespont  und  als  Schatzmeister  auf  der  Burg  in 
Atlien  fungiren;  und  wäre  dies  vorgekommen,  so  würde  Aesrhines 
nidit  unteilasHcii  haben,  eine  solche  ofTenbare  Verhöhnung  des 
(-iesetzes  zu  rüiren.  Um  diese  Schwierigkeit  zu  liisen,  nimmt 
Schaefer  an,  Hogesaiuler  habe  auf  einem  früheren  Feldzuge  den 
Timoniaclios  hegleitet,  und  Aesehines  übertrage  dies  willkürlich 
auf  die  letzte  Kx]K'dition  jenes  Feldherrn,  um  den  Hegesander 
zu  verdächtigen.  Aber  Aesehines  will  nur  zeigen,  dass  Timarch 
sich  in  jenem  Amte  auf  unrechtmässige  Weise  bereichert  habe; 
er  hatte  gar  keinen  Grund,  eine  falsche  Zeitangabe  zu  machen; 
denn    dass   Hegesander   durch   jene   Unredlichkeit    seinem   Yorge- 


'  Schaefer  Dem.  II  311  sucht  naclizuweisen,  dass  die  Darstellung 
des  AeRcliincs  in  BctretV  lh»<^csandor's  incorrect  sei:  Hegosander  könne 
niclit  Ol.  lO-l,  4  Kric^f-szalilincister  im  Hellcsj)ont  «^ewi^sen  sein  und 
öil'onllictlie  Gt-ldcr  v(!ruiitrout  Juibcu,  da  er  in  demseUx^n  Jahre  Schatz- 
meister der  Atheiii'  u^ewcseii  sei,  und  nimmt  thilier  an,  Ih'gesamler  haho 
drii  Timnmaclios  aui"  «'iucui  iViihcrcii  Fehlziinro  bci^leitct.  ich  halte  d:i- 
;>•('ίΓ<'π  an  (h'r  sclir  best inimtcii  Aiiirube  dos  Acscliiiies  fest;  wie  die 
Widersprüche  in  der  Darstelluiio•  des  lierhiers  zu  lösen  sind,  hrt)>e  ich 
in  .  .   .   I  I*'(»l<;eridein]  nachzuweisen  versucht. 

-  Im  Weiteri'i),  Ix-idc  hätten  LTeuieinsam  den  Scliat/.  um  1000 
Drachmen  bestolilen,  die  S;iche  sei  in  der  Volksversamndun^i•  zur  Spracht' 
i^^ekomm'ii,  d<r  liatli  h;i])(>  niclit  umhin  liekc^nnt  Ivenntiiis.s  von  (h^n  Vor- 
falle zu  nelnnen.  aber  'I'imarch  sei  wedi-r  dem  (ieri(;hte  iiberiJfcben  necb 
aus<,nist(»ss(>n  A\«)rden;  deshalb  habe  das  Volk  (h'Ui  abtretenden  Raih'' 
deJi   üblichen  Khrenkranz  entzogen. 


Ueber  die  ταμ(αι.  618 

setzten  schadete,  wird  nur  ganz  obenhin  erwähnt  und  ist  neben- 
sächlich. Aeschines  hat  sich  nicht  selten  erlaubt  die  Thatsachen 
geflissentlich  zu  entstellen,  aber  dem  gewandten  Sachwalter  ist 
es  nimmer  begegnet,  ohne  allen  sichtlichen  Grund  sich  in  einen 
so  augenfälligen  WiderRpru<!b  zu  verwickeln:  die  Gegenpartei 
würde  auf  der  Stelle  die  Täuschung  enthüllt  habend 

Unzweifelhaft  liegt  eine  Verderbniss  des  Textes  der  Rede 
vor,  und  da  §  56  (80)  die  in  allen  Theilen  λυοΜ  zusammenhängende 
Darstellung  keinem  Verdachte  Raum  gibt,  kann  der  Fehler  nur 
§  109  (127)  in  den  Worten  βουλευτής  έγενετο  έπι  Νικοφήμου  δρ- 
χοντος  gesucht  werden.  Ich  verbessere  έπι  Θεοφίλου,  d.i.  Ol. 
108,  1.  Arehontennamen  werden  durch  Achtlosigkeit  der  Ab- 
schreiber sehr  häufig  vertauscht  oder  mehr  und  weniger  entstellt ^. 
In  vorliegendem  Falle  ist  wohl  der  Fehler  dadurch  entstanden, 
dass  sich  in  einem  Scholion  von  kundiger  Hand  die  Bemerkung 
fand,  Hegesander  habe  auch  έπι  Νικοφήμου  δρχοντος  als 
Eriegszahlmeister  sich  Unterschleife  erlaubt,  mit  Bezug  auf  §  56. 
Diese  Bemerkung  veranlasste  einen  unwissenden  Schreiber  §  109 
έπι  Θεοφίλου  in  έπι  Νικοφήμου  abzuändern.  Meine  Verbes- 
serang wird  vollkommen  bestätigt  durch  die  Bemerkung  des  Scho- 
liasten:  Νικοφήμου]  ούτος  ήρ£ε  προ  Θεμιστοκλέους.  Dieser 
Scholiast  fand  nicht  die  Vulgata  vor  (denn  das  Lemma  ist  ohne 
jede  Beweiskraft),  sondern  Θεοφίλου;  denn  dieser  ist  der  Vor- 
gänger des  Archen  Θεμιστοκλής  Ol.  108,  2  ^.     Timarch  war  also 


^  Die  Annahme  eines  absichtslosen  Irrthums  ist  bei  Vorgängen, 
welche  der  Zeit  des  Redners  angehören,  ebenfalls  ausgeschlossen.  Nach 
der  Darstellung  des  Aeschines  hat  Hegesander,  als  er  Ol.  104,  4  aus  dem 
Hellespont  zurückkehrte,  die  erste  Bekanntschaft  des  Timarch  gemacht; 
Aeschines  leitet  §  55  (80)  diesen  Bericht  mit  den  Worten  ein:  περί  oö 
πάλαι  €Ö  olb*  öti  θαυμάζετε  διότι  ού  μέμνημοι.  Er  setzt  also  die  Sache 
als  allgemein  bekannt  voraus,  um  so  weniger  konnte  er  in  diesem 
Punkte  so  gröblich  oder  willkürlich  die  Zeitverhältnisse  fälschen. 

2  Indem  ich  mich  auf  diese  Epoche  beschränke  und  leichtere 
Schreibfehler,  wie  Χαρίανδρος  st.  Χαρίσανδρος,  Άρχίδας  st.  *Αρχίας  [über- 
gehe], findet  sich  OL  102,  3  Δυσκίνητος  st.  Δυσνίκητος,  Ol.  105,  1  Καλλι- 
δημίδης  und  Καλαμιών  st.  Καλλιμήδης,  01.106,4  Εύδημος  und  Θούμηδος  st. 
θούδημος,  Ol.  107,  2  Θεσσαλός  (so  noch  das  neueste  Verzeichniss  hinter 
C.  Fr.  Hennanns  Handbuch  und  Ausgabe;  dasselbe  Verzeichniss  hat  auch 
Ol.  98,  1  Pyrgios  nicht  sowohl  Druckfehler,  sondern  Wiederholung  eines 
Schreib-  oder  Druckfehlers  st.  ΤΤυργίων)  st.  Θέ€λλος  (diesen  freilich  un- 
gewöhnlichen Namen  bezeugen  die  Inschriften  und  die  Handschriften  des 
Dionysius),  Ol.  108,  1  Θεόμνητος  st.  Θεόφιλος,  Ol.  108,  4  Εΰδωρος  st. 
Εύβουλος,  Ol.  111,  1  ΤΤυθόδημος  und  ΤΤυθόδωρος  st.  ΤΤυθόδηλος,  01.111,4 
Νικόστρατος  st.  Νικοκράτης,  Ol.  112,  1  Νικήρατος  st.  Νικητής.  Bei  zu- 
gammengesetzten  Namen  ist  meist  der  zweite  Theil,  nur  selten  (wie  Ol. 
106,  4)  der  erste  verderbt,  was  auch  sonst  vorkommt;  selbst  zweifache 
Fehler  kommen  vor,  wie  Άστύφιλος,  der  Archon  von  Ol.  90,  1,  bei 
Diodor  Άριστόφυλος  heisst.  Eine  stärkere  Abirrung  erkenne  ich  auch 
bei  Pollux  X  12H:  καΐ  σταθμία  δέ  χαλκο  έν  τή  ίτχ*  *Αλκιβιάδου  άρχον- 
τος αναγραφή  τών  έν  άκροπόλει  αναθημάτων  άναγέγραπται. 

^  [S.  S.  615  von  den  Worten  an:  'Man  hat  das  Scholion'.^ 


614  Bergk 

Ol.  108,  1,  nicht  104,  4  Mitglied  des  Eathes;  damit  ist  jener 
unverzeihliche  Widerspruch,  in  den  Aeschines  sich  verwickelt  zu 
hahen  schien,  heseitigt.  Aber  zugleich  verschwindet  auch  eine 
andere  Unwahrscheinlichkeit,  an  welcher  die  Darstellung  des 
Redners  leidet.  Nach  Aeschines  hat  Hegesander  zuerst  Ol.  104,4, 
als  er  aus  dem  Hellespont  nach  Athen  zurückkehrte,  den  Timarch 
kennen  gelernt.  War  dieser  damals  Mitglied  des  Rathes,  so  musste 
er  das  dreissigste  Jahr  bereits  erreicht  haben,  und  die  Behaup- 
tung des  Aeschines,  er  habe  sich  damals  dem  Hegesander  preis- 
gegeben, wäre  sicherlich  den  Richtern  als  eine  höchst  unglaub- 
würdige Verläumdung  erschienen;  jedenfalls  würde  der  Redner, 
dem  die  schwache  Seite  einer  solchen  Information  nicht  entgehen 
konnte,  nicht  versäumt  haben  die  (xlaubwürdigkeit  seiner  Be- 
hauj)tung  gegen  Angriffe,  die  er  voraussehen  musste,  irgendwie  zu 
schützen,  was  er  anderwärts  (vgl.  §  49  (73  f.j)  nicht  versäumt,  wäh- 
rend er  den  Timarch  §  61  (84)  in  Worten,  die  nicht  mehr  zu  ver- 
stehen sind,  oubenu)  μά  Δι'  ώσπερ  νυν  άργαλεος  ών  την  δψιν,  αλλ' 
ίτι  χρή(Τιμος  eben  in  dieser  Epoche  als  jungen  Mann  bezeichnet, 
der  dem  öffentlichen  Leben  noch  ferne  stand  ^  Indirekt  ist  dies 
auch  §  160  (161)  ausgesprochen:  δστις  γαρ  νέος  ών  άπί(Ττη  bi'  αι- 
σχράς  ήοονάς  τής  εις  τα  καλά  φιλοτιμίας,  τούτον  ουκ  ώήθη  δεΐν 
πρεσβύτερον  γενόμενον  ό  τρύς  νόμους  εισφορών  έπίτιμον  είναι. 
Wegen  jener  Jugendsünden  wird  Timarch  nach  dem  Sinne  des 
Gesetzes  für  ohrlos  erklärt.  Timarchos  batte  in  seiner  Jugeud 
(als  μειράκιον)  sieb  auch  dem  verrufenen  Misgolas  preisgegeben 
(nacb  Aescliines  ward  dieser  Verkehr  auch  Ri)ätor  fortgesetzt). 
Zur  Zeit  des  Processes  Ol.  108,  3  stand  Misgolas  im  45.  .lahre 
(Aeschines  §  49  (74)),  wäbrcnd  Timareb,  wenn  er  bereits  Ol.  104,  4 
im  Käthe  sass,  Ol.  108,  3  mindestens  das  40.  Jahr  erreicht  haben 
musste.  Timarcb,  der  Ol.  104,  4  etwa  das  20.  Jalir  erreicht  batte. 
war  ungefäbr  10  Jabre  junger  als  Misgolas,  der  sieb  jedoch  ein 
jugendlicbes  Ausseben  bewahrt  hatte,  während  Timarch  älter  zu 
sein  schien,  als  er  in  der  Tbat  war  (Aeschines  4'J) -.     Mit  diesem 

*  Ursprünglich  war  die  »ScbildtTung  wobl  nucb  dotaillirter ;  denn 
wenn  auf  χρήσιμος  foli^t  ύπογ€ν€ΐάίιυν  τόν  άνθριυττον,  so  beruhigen 
sich  zwar  die  Auslogtjr  mit  der  Krkläning  dos  llesycljius:  Λιτανβύων, 
[άπό]  τοϋ  γενείου  άπτόμενος  (ebenso  Et.  Μ.  und  Suida^),  die  mir  ge- 
radezu sj»racbwidrig  scheint.  Wie  yeveiaieiv,  γενειάν,  γενειάσκειν  vi'dlig 
«ileichbedeuteiide  Iiitransitiva  sind,  so  kann  auch  ύπογενειά^ων  nichts 
anderes  Ix-deuten  als  ύπογ€ν€ΐάσκα)ν,  d.  h.  ein  juie^er  Mann,  der  J;\s 
erste  Liartliaar  bekommt.  Hier  lie;j^t  ein  alter  Fehler  vor  (auch  d»'r 
S()<T.  Herodian  Anhanjx  zu  Moeris  448  fand  ihn  vor;  Synesius  alirnt  die 
Stelle,  nach),  wie  auch  das  POhlen  des  W-rbuma  im  Satze  auf  eine  Cor- 
ruptel  hindeutet.  Man  kiuinte  ύπογ€ν€ΐάίιυν  τόν  άνθρωττον  ήκαλλί 
(st  και)  vermuthen,  oder  da  diesi*s  Wort  der  I'rosji  frenul  ist,  αλλ'  έτι 
χρήσιμος  (και)  ύπογενειάΖΙων  (έθώπευί)  τόν  ανθρωπον,  [και]  πάντα 
φάσκων  πράΕειν  ά  άν  ^Κίίνψ  συνδοκή.  Auch  der  Ausdruck  αργαλίος 
ist  befrcujdlicli ;  ])assen(ler  wäre  αύχμαλ^ος,  aber  in  attischer  Prosa 
hium  znlässiir. 

^^  Irrthiimlich  l>eze'\e\u\o\.  "uux  ^v\\\vi\  ν^<^τ  "ii^xoWsic^st  zu  §  180  (173) 
ifera<]ezij    als   γέριυν. 


Ueber  diw  Archontenjahr  des  Tliemistokles.  615 

Ergebnies  etimmt  auch  sehr  wohl  sein  Eintritt  in  den  Kath  Ol. 
108,  1.  Timarch  stand  damal»  etwa  im  33.  Jahre^  und  auch  im 
nächsten  Jahre  gehörte  er  dieser  Körperschaft  wieder  an  ^  und 
entfaltete  in  diesen  beiden  Jahren  eine  sehr  rege  politische  Thä- 
tigkeit,  indem  er  mehr  als  liundert  Psephismen  beantragt  haben 
soll*.  In  der  Volksversammlung  mag  er  schon  vorher  häufig  als 
Hedner  aufgetreten  sein,  vgl.  Demosthenes  de  fals.  legat.  286. 


Man  hat  das  Scholion  des  Aeschines  benutzt,  um  eine  Lücke 
des  Archontenverzeichnisses  in  Ol.  74  auszufüllen.  Krüger  nimmt 
nach  Dodwells  A'^organge  an,  der  Scholiast  habe,  indem  er  eine 
Liste  der  Archonten  einsah,  um  das  Jahr  des  Nikophemos  (Ol. 
104,  4)  zu  ermitteln,  diesen  mit  Nikodemos  Ol.  74,  2  ver- 
wechselt und  ihn  daher  zum  Vorgänger  des  berühmten  Themi- 
stokles  gemacht.  Indem  Krüger  zu  dem  Kesnltate  gelangt  war, 
Themistokles  sei  Ol.  74,  3  Archon  gewesen,  findet  er  in  jenem 
Scholion  eine  erwünschte  Bestätigung,  indem  er  annimmt,  auch 
der  Scholiast  habe  in  der  Liste  in  diesem  Jahre  den  Namen  des 
Themistokles  vorgefunden.  Dies  erΛvei8t  sich  jetzt  als  Täuschung; 
auch  wer  Krüger's  Ansätze  beipflichtet,  darf  sich  doch  nicht  mehr 
auf  das  Scholion  des  Aescliines  berufen.  Der  Name  Θ€μΐ(Ττοκλής 
ist  für  das  Jahr  Ol.  71,  4  überliefert.  Dass  der  Hohn  des  Neokles 
dieses  Amt  bekleidet  hat  und  dass  mit  seinem  Amtsjahre  eine 
neue  Epoche  für  den  attischen  Staat  beginnt,  steht  durch  Zeug- 
nisse des  Thukydides  und  Pausanias  fest,  aber  Neuere  haben  Be- 
denken getragen  bis  auf  Ol.  71,  4  zurückzugehen.  Daher  verlegt 
Clinton,  gestützt  auf  das  werthlose  Scholion  des  Thukydides  I  93, 
die  Amtsführung  des  berühmten  Staatsmannes  in  Ol.  74,  4,  Krüger 
in  Ol.  74,  3,  so  dass  man  unter  den  Archonten  aus  der  Zeit  der 
Perserkriege  einen  Θεμιστοκλής  πρότερος  und  οεύτερος  unter- 
scheiden müsste.  Homonymie  kommt  vielfach  vor;  der  Φαίνιππος 
δεύτερος  Ol.  72,  3  setzt  einen  älteren  Archon  gleichen  Namens 
voraus.  Spielraum  für  solche  Ergänzung  ist  vorhanden,  da  nicht 
nur  Ol.  74  in  unserer  Liste  zwei  Stellen  frei  sind,  sondern  auch 


1  Dass  Timarch  auch  Ol.  108,  2  im  Käthe  sass,  bezeugt  Aeschines 
in  §  80  (108):  öre  έβούλ€υσ€  πέρυσι  ν.  Vergl.  auch  Demosthenes  do 
fals.  legat.  285—286:  καΐ  τοΟτον  απώλεσε,  τόν  Τίμαρχον,  (dieses  ist 
wohl  Zusatz  der  Abschreiber)  ...  δτι  βουλεύων  ϊγραψεν,  αν  τις  ώς 
Φίλιππον  οπλα  άγων  άλφ  κτλ.  Boeckh  Staatsh.  II  763  sagt  zwar,  er 
sei  überzeugt,  dass  man  nicht  zwei  Jahre  nach  einander  Senator  sein 
konnte,  ohne  jedoch  diese  Ansicht  zu  rechtfertigen,  die  im  attischen 
Staatsrecht  nicht  begründet  ist  und  jetzt  auch  durch  das  Beispiel  des 
Timarch  widerlegt  wird.  Wie  es  sich  mit  dem  Falle  verhält,  den 
Boeckh  dort  erörtert,  lässt  sich  hier  nicht  beiläufig  erörtern. 

2  S.  die  ύπόθεσις  zur  Rede  des  Aeschines,  die  wahrscheinlich  von 
Apollonios  verfasst  ist,  dessen  Commentar  der  Scholiast  benutzte,  und 
zu  dem  auch  die  Biographie  des  Redners  gehört,  welche  unter  dem 
Jiamen  des  Apollonios  vorliegt. 


» 


ι 


Ol.  73>  wo  man  ans  einem  ganz  ud  zulängliche  η  Grunde  01.73,3 
den  Lakrateides  einnolialtet;  die  Unsicherheit  wird  noch  rennehrt, 
indem  es  bei  der  schwankenden  Chronologie  der  pariechtta  Chro- 
nik gaiia  ungewisB  ist,  oh  PhilokraleB  Ol.  Τά,  3  oder  4  Arcbon 
WAi*.  Der  θΐμίΕΤτοκλής  ϋεύτερος  beruht  also  ledij^lich  auf  einer 
Com  biiiatioii  nenerer  ForechcT,  und  gewieeeuhaftc  Chronographen, 
wie  C.  Fr.  Hermann  und  Weeterniitnn,  bezeichnen  mit  Hecht  diesen 
AnHut)!  ak  hypothetisch,  während  Gelder  den  Namen  Themietoklee 
ohne  Weiteres  verdoppeU,  als  sei  er  nrknndlieh  «horlicfert,  ein 
Tcrfiihren,  welches  entsoUiedene  HUge  verdient,  da  ee  in  einen 
Handbuche,  welches  auf  Mittheilung  der  Belege  verzichtet,  nur  irre 
führen  kann.  Krüger  hat  sehr  echarfpinnig,  nnd  wenn  auch  nicht 
Qberalt,  doch  theilweieo  mit  gewichtigen  Gründen  neine  Aneioht 
^gen  Boeokh,  der  nur  einen  Archen  Themietoklee  Ol.  71,4  an- 
erkennt, zu  rechtfertigen  versu  ht  Es  ist  «ehr  schwierig  ein* 
EntBcheidnng  zu  treSeii ;  jedoch  hj  ritht  I  ir  Boeckh's  Ansiebt  das 
Zeugnies  des  Philochoroe,  auf  den  sich  Har].okration  an  zwei 
Stellen  S.  IBO  (wiederholt  von  PI  tioe  und  4u  das)  und  S.  89 
(wiederholt  von  Suldss)  berott  7war  viird  Thiniistoklee  nicht 
genannt  und  Jette  beittiniinte  Zeitangabe  vermiBst;  allein  wenn 
dort  berichtet  wird,  unter  dei  Bildnaule  des  Ερμής  προς  τή 
ττυλί&ι,  welche  die  nenen  Archoiiten  stifteten,  nachdem  sie  den 
Feiräeus  zu  befestigen  begoniien  hatten,  habe  foigendee  DistichoD 
gestanden : 

ΆρΕάμίνοι  πρώτοι  τ£ΐχίΣ€ΐν  οϊδ'  άνέθηκαν 
βουλής  και  δήμου  δόγμασι  πειβόμίνοι, 
so  kann  es  nicht  zwrifdbaft  sein,  das«  dieueK  Denkmal  von  Thc- 
inistokles  nnd  seinen  Collegen  errichtet  wurde;  dafür  epricht  das 
gewichtige  Zengniss  des  Thuhydidee  I  139  (193),  Themistoklcs  habe 
in  dem  .Inhre,  wo  er  Archon  war,  die  Anlage  und  Befestigung 
der  Peiräeu«  begonnen  und  später  nach  dem  glücklichen  Auf- 
gange des  Krieges,  als  er  die  Befestigung  der  Stadt  rasch  voll- 
endet hatte,  jenes  begonnene  Werk  wieder  anfgenorauien.  The- 
mutokles  ist  der  OrUnder  der  attischen  iSecherrscbafl.  Die  Anlage 
des  Hafens  und  der  Bau  einer  aiahlreichen,  kricgstne.htigen  Flott« 
ist  sein  Werk;  die  Mittel  nnd  Wege,  dioeeii  Gedankeu  an  vei" 
wirklichen,  bot  ihm  eben  «eine  amtliche  Stellung  als  erster  Ar 
cbon,  war  doch  dieses  Amt,  so  lange  es  dnrch  Wahl  besetzt 
wurde,  kein  wesenloser  Name:  alle  grossen  StaatamUnner  der 
früheren  Zeit  (sicherlich  auch  Kleisthenes,  so  gut  wie  Drakon  oder 
Bolen)  haben  ihre  Heformen  auf  Grund  der  Machtbefugniss,  die 
ihnen  dieses  Amt  verlieh,  ins  Leben  gerufen.  Die  Inschrift  jenes 
Denkmalea,  welches  bestimmt  war,  der  Nachwelt  die  Erinnerunfr 
an  jenen  denkwürdigen  Jlonient  zu  überliefern,  zeugt  von  jener 
echten  Bescheidenheit,  welche  wahrhaft  grossen  Männern  eigen 
ist;  denn  die  Inschrift  besagt  einfach,  das«  die  Archoiiten  auf 
Grund  gemeinsamer  Beschlüsse  des  Käthes  und  der  Bürgerschafl 
a/s  τείχοποΐοί  fungirten.  Ββιβ\ι\\Λ\«ΛνΑ\β\.!Λ'.\ι,  dttssThemistokle« 
gerade  eine    Bildeüule  ies  ^«Tmeft,  ifet  iiwNwV^t  ^ixÄ  "?Ä\Äel 


üeber  das  Archontenjahr  des  Themistokles.  617 

beschtitztey  auf  dem  Markte  errichtete:  der  Staatsmann  hatte  bei 
seinem  Werke  einen  doppelten  Zweck  im  Ange,  das  Weihgeschenk 
deutet  nur  darauf  hin,  dass  es  den  Interessen  des  friedlichen  Ver- 
kehres gewidmet  sei;  denn  diesen  Gewinn  wusste  auch  die  kurz- 
sichtige Masse  zu  würdigen.  Wenn  auf  attischen  Münzen  Hermes 
mit  Stab  und  Beutel  erscheint,  so  int  dies  vielleicht  eine  Nach- 
bildung jenes  Weihgeschenkes  auf  der  Agora.  Eine  verderbte 
Glosse  des  Hesychios:  αγοραίος  Έρμης*  ούτως  έλέγετο  δντος 
και  άφίορυτο  Κεβρίοος  δρέαντος,  ώς  μαρτυρεί  Φιλόχορος  εν 
τρίτψ  bereitet  Schwierigkeiten.  Dass  dieser  αγοραίος  Έρμης 
mit  dem  Έρμης  έπι  τη  πυλίόι  identisch  sei,  hat  man  längst  er- 
kannt; aber  wenn  δρΕαντος  richtig  überliefert  ist,  enthalten  diese 
Worte  keine  Zeitbestimmung,  sondern  besagen,  dass  Kebris  nach 
Verwaltung  seines  Amtes  (δρ£ας)  das  Denkmal  setzte;  dann 
müsste  man  aber  auch  υπό  einfügen.  Allein  δρΕαντος  ist  of- 
fenbar nur  verschrieben  für  δρχοντος,  und  das  sinnlose  δντος 
weist  darauf  hin,  dass  auch  im  Archcty])U8  des  Lexicons  diese 
Correctur  sich  vorfand.  Den  verderbten  Namen  hat  Boeckh 
richtig  mit  Ύβριλίδου  vertauscht;  dieser  bekleidet  sein  Amt 
Ol.  72,  2  im  zweiten  Jahre  nach  Themistokles.  In  diesem  Jahre 
ward  also  nach  dem  Zeugnisse  des  Philochoros  jenes  Denkmal 
vollendet  und  geweiht^.  Die  Verzögerung  hat  nichts  Auffallendes: 
die  Bildsäule  des  Hermes,  als  ein  würdiges.  Denkmal  der  älteren 
attischen  Kunstübung  auch  später  in  Ehren  gehalten,  konnte 
selbstverständlich  nicht  im  Jahre  des  Themistokles  fertig  gestellt 
werden;  der  Künstler  wird  erst  Ol.  72,  1  seine  Arbeit  begonnen 
haben;  im  nächsten  Jahre  erfolgte  die  Aufstellung.  Die  Amts- 
nachfolger des  Themistokles,  Diognetos  und  Hybrilides,  mögen  den 
Mauerbau  weiter  gefördert  haben,  aber  Boeckh  durfte  nicht  dem 
Diognetos  und  seinen  Collegen  Ol.  72,  1  den  Beginn  des  Mauer- 
baues und  die  Stiftung  seines  Denkmales  zusprechen.  Dies  streitet 
gegen  die  klaren  Worte;  dos  Thuk3'dide8  I  93:  Ineiöe  bi  και  τα 
λοιπά  του  Πειραιώς  ό  Θεμιστοκλής  οίκοοομεϊν  (ύπήρκτο  b'  αύτου 
πρότερον  έπι  της  εκείνου  αρχής  ης  κατ'  ένιαυτόν  Άθηναίοις  ήρ£ε), 
mit  unverkennbarer  Hinweisung  auf  die  Inschrift  des  Denkmalcs, 
welches  allen  Athenern  damals  vor  Augen  Λvar;  aber  der  Histo- 
riker wird  aus  den  Urkunden  im  Archiv  noch  Genaueres  über 
den  Anfang  des  Mauerbaucs  in  Erfahrung  gebracht  haben.  Wenn 
dann  Thukydides  die  Intentionen  des  grossen  Staatsmannes  dar- 
Ifigt,  so  darf  man  die  durch  νομίμων  eingeleiteten  Sätze,  weil  sie 
grammatisch  an  έπεισε  sich  anlehnen,  nicht  bloss  auf  die  Zeit  nach 
dem  Kriege  beziehen,  avo  Themistokles  die  Wiederaufnahme  des 
Baues  begonnen,  sondern  alles  hier  Gesagte  gilt  zugleich  für  die 
erste  Anlage  des  Peiräeus.  Daher  fahrt  der  Historiker  fort:  και 
την   αρχήν    ευθύς    Ευγκατεσκεύαίε,    d.   h.   auf  den   Kath  folgte 

^  Die  Glosse  des  Husychios  wird  wohl  so  lierzustcllen  sein;  αγο- 
ραίος Ερμής•  οϋτως  έλ^γετο,  öxi  κατά  τήν  αγορά  ν  ϊδρυτο  Ύβρι- 
kibou  άρχοντος  κτλ. 


618  Bergk 

unmittelbar  (ευθύς)  die  That;  er  legte  selbst  mit  Hand  au  die 
Ausführung  des  Werkes,  welches  damals  unvollendet  blieb,  bis  er 
nach  dem  Kriege  den  Mauerbau  wieder  aufnahm  ^  Nun  folgt  die 
Beschreibung  der  Construction  der  Mauern.  Hier  kann  von  einer 
Unterbrechung  der  beiden  Bauperioden  nicht  die  Rede  sein;  der 
ursprüngliche  Plan  wurde  vollständig  im  Sinne  des  Themistokles 
(γνώμη  εκείνου)  durchgeführt.  Dass  das  Werk  unvollendet  war, 
als  Themistokles  seine  Heimath  verlassen  musste,  hat  der  Histo- 
riker nirgends  angedeutet;  vielmehr  beweisen  die  Schlussworte : 
'Αθηναίοι  μέν  ουν  ούτως  έτειχίσθησαν,  dass  Themistokles  die 
Befestigung  der  Stadt  und  des  Hafens  zum  Abschluss  brachte. 

Ward  der  Hermes  auf  der  Agora  Ol.  72,  2  geweiht  ^,  so 
ist  erwiesen,  dass  Themistokles  OL  71,  4  das  Archontenamt  ver- 
waltet hat  und  den  Mauerbau  des  Peiräeus  in  Angriff  nahm. 
Sollten  neue  Funde  die  Lücken  der  Archontenliste  ausfüllen,  dann 
wird  die  streitige  Frage  endgültig  entschieden  sein. 

Die  Aufschrift  des  Denkmals  ist  uns  nicht  vollständig  e^ 
halten.  Wahrscheinlich  hatte  schon  Philochoros  sich  begnügt,  das 
Distichon  mitzutheilen,  aber  das  weitere  Detail,  welches  er  gibt, 
kann  er  nur  der  vollständigen  Inschrift  entnommen  haben.  Auf  der 
Basis  des  Hermes  wird  ungefähr  noch  Folgendes  gestanden  haben: 
θεμιστοκλέης  και  Ευνάρχοντες  (oder  ΕυνάρΕαντες)  Εύν  τήσι  φύ- 
λησιν  έπι  Ύβριλίοορ  δρχοντος.  Die  Befestigung  des  Peiräeus 
wurde  nicht  durch  Lohnarbeiter,  sondern  durch  die  Bürger  der 
Stadt  ^  ausgeführt,  und  die  Pliylen  werden  auch  zu  dem  Weih- 
geschenke einen  Beitrag  aus  ihren  Kassen  gegeben  hab(?n;  daher 
werden  sie  neben  den  neun  Arrhonten  als  Stifter  des  Denkmals 
genannt. 

Aueli  das  Epigramm  ist  nicht  unversehrt  überliefert.  vStatt 
o\'b'  hat  man  richtig  TOvb'  verbessert,  was  auch  die  Paraphrase 
des    Philoeliiiros    bestätigt^.     Ausserdem    ist    aber    auch    πρώτοι 


^  Krüger  hat  die  Stelle  riehtiir  verstanden,  während  der  Byzan- 
tinische Scholiast  irriger  Weise  όρχήν  auf  die  Seelierrsehaft  bezieht. 
ChiRsen  geht  \vie<h'r  fehl,  wenn  er  hier  di(i  Andeutung  findet,  'dass  der 
Bau  nicht  vor  seiner  Verbannung  ('ί72)  vollendet  wurde'. 

-  Ich  halte  an  Boeckh's  Vcirbesserung  Ύβριλίδου  st.  K€ßpί^oς  Irotz 
Krüfrer's  Zweifel  fest,  da  keiner  der  uns  bekannten  Archontennanien 
dieser  Kfxjche  den   verderbten   Schrift züj^en   so  naiie  kommt. 

•'*  Hei  lIar]>okration  S  nO:  oi  0'  άρχοντες  τα'ις  φυλα'ις  «vtOeoav 
παρά  τον  πυλώνα  τον  Άττικ(')ν  ist  oiTenbar  συν  τα'ις  φυλαις  und  nuelih«  γ 
άατικύν  zu  lesen.  Die  IJiirger  wei'den  phylenweise  aufjioboten:  jnlo 
riiyle  wii-d  immer  eine  bestin)inte  Section  lies  Haues  üV)ernoninien  haben. 
Auch  bei  der  liefest i«_nin»i  dei*  Stadt  wurde  die  «;esanimte  Büryerseliaft 
Atliens  (πανοημεί)  auf«i:eb«jten ;  ja  so^^ar  ^Veibel•  und  Kinder  luusstcii 
mit  Hand  anle«ien. 

^  H:ir]>okration  S.  ItiO:  Φιλύχορος  ^v  τη  e'  Άθηναία)ν  φηοΐν  άρία- 
μfvuJv  τειχίίίειν  τον  ΤΤειρακι  οι  θ'  άρχοντες  τούτον  άνοθεντες  έπ^γραψαν. 
wo  ausserdem  zu  verbessern  ist  ^v  γ'  'Ατθίδος  φησίν  άρΕάμενοι.  uini 
άρ£άμ€νοι  lesen  rhotios  und  Suidaa,  während  sie  έν  e'  'Αθηναίων  uuö- 
Insecn. 


üeber  das  Archontenjahr  des  Themistokles.  619 

anetössig.  Man  erwartet  an  Stelle  dieeee  mÜRsigen  Zusatzes  die 
Nennang  des  Hafens,  den  auch  jene  Paraphrase  gibt:  freilich 
konnte  Philochoros  zur  Erläuterung  τον  Πειραιά  einschalten,  da 
er  wusste,  dass  das  Denkmal  sich  auf  die  Befestigung  des  Hafens, 
nicht  der  Stadt  beziehe,  aber  ich  glaube,  er  fand  auf  der  Basis 
des  Hermes 

όρεάμβνοι  ΤΤείραν  τειχΚβιν  xovb'  άνέθηκαν 
vor.  Der  Name  ΤΤειραιεύς  ist  offenbar  erst  aufgekommen,  nach- 
dem Themistokles  den  Hafen  angelegt  hatte;  denn  man  muss  da- 
bei λιμήν  ergänzen '.  Ursprünglich  wird  die  Oertlichkeit  Πειραιά 
(περαία)  geheissen  haben;  dafür  ist  im  Epigramm  die  kürzere 
Form  Πείρα  (πέρα)  gebraucht,  deren  Existenz  durch  das  Dichter- 
fragment: Πειρήτιδος  Ιερός  δρνις  hinlänglich  gesichert  [?]  ist^. 
Dieselbe  hat  sich  noch  sj)äter  in  der  Volkssprache  behauptet,  wie 
das  noch  später  in  einer  Inschrift  mehrmals  wiederholte  έμ  Πείρφ 
OiKUiv  bezeugt^  |die  Form  beruht  einfach  auf  Abkürzung  in  der 
Schreibung]. 

Bonn.  Th.  Bergk. 


^  Steph.  Byz.  führt  daneben  auch  ΤΤ€ΐραιός  an,  was  er  als  die 
ältere  Form  bezeichnet. 

2  Steph.  Byz.  ΤΤειραιός,  richtig  mit  ΤΤειρήτης  zusamniengehalten, 
was  auf  ΤΤείρη  hinführt,  dann  aber  wohl  nach  Ucrodian  irrig  mit  den 
von  TTcipaia  abgeleiteten  ΤΤειραιάτης  und  ΤΤειραιήτης  durch  Annahme 
einer  Hyphäresis  in  Verbindung  gebracht.  Meineke  gibt  den  Vers  dem 
Parthenins  und  denkt  an  die  Eule  der  Athene;  es  ist  aber  wohl  eher 
von  einem  der  Artemis  Munychia  heiligen  Vogel,  vielleicht  der  Wachtel, 
die  Rede. 

^  Curtius  Inscr.  Atticae  XII  n.  7,  der  jedoch  hier  eine  contra- 
hirte  Form  st.  TTcipaci  findet  und  daher  ΤΤειρςΙ  betont.  Sollte  jemand 
in  dem  Epigramm  vielleicht  περάτη  ν  τειχίίειν  vorziehen,  so  würde 
dieser  gewählte  Ausdruck  bei  einem  Dichter  den  Vorzug  verdienen; 
allein  in  diesem  Distichon  ist  alles  ganz  schlicht,  und  man  erwartet 
einen  Eigennamen. 


HiseeUen: 


CtiieetAiw, 

I  EpidanriH.  narmt  nh  Aesimliiiiio  eauatui*  Äpellas  ex  Caria 
^kuitio  fere  nequitlin  Aelio  Arifitulae,  i^uot  ct.  qualia  sibt  deue  nil 
BmorboB  atque  ώπΕψίπς  rpiußdia  monstrnvi'rit.  inler  cetera  versn 
Γ  jnscriptionis  13  μόνον  λούσασοαι  κοΊ  άττικήν  δοΰναι  τώι  βα- 
Β^ν£ΐ,  κοινή  θύσαι  Άσκληπ[ΐί>  ήτιιον  f\  έλΕυΟΕίνίαις.  sie  Iup« 
M«8Criiieit  Kabbtidias  eplifiu.  nrcb.  Athen.  III  ISSS  \>.  230.  eiri- 
FilieiidDin  erat  Ήττιόνη.  eaio  ah  Epidauriie  nxoroui  dei  habitain  esae 
ftli^nkque  in  urbe  lucoque  huQoratam  PaueautaA  refert. 
I  coliinicfllie    indtia   legebantur  in  fano   iniracula  qnibiis  deue 

f  inverat  laboranlPH,    ΐάματα  ApoUinia  et  AeHciiIapii  conncripta  ex 
I  iabellte  votivin,    digeeta  in  epeciem  übclli,    referta   inulienim   ac 
t  warificulüruin   snperBtitionibus    Notnniieque,    expoeila  eeinoone  du- 
trico.     Cleo  per  quiinjuennioni  puerum  in  utero  gcetarnt  ante  quam 
BÜiviiiHi  "pc  pijpprit,  titulnniqne  dicuvit  iiiinü,  I.  s.  s.  p.  211  veran  7 
ού  μ^γ€θος  ττΐνακος  θαυμα€Γτΐον,  άλλα  τό  θεϊον, 
Π€νθ'  'έττ]  ύ»ς  έκΟησί  ίγ  γαστρΊ  Κλίώ  βάρος,  ?στ€ 
ΐΤΚοτ*κοΐΜΟΘιι,  καί  μιν  ίθηκΕ  ύγιη. 
fngit  Kabhadiaiu   (ianiiinin   riilio   ca   arte   tuiiditi  qtm   extellunt  Tri- 
malchionee:  hexametroe  dnoe  nnue  eequitnr  pentameter. 

p.  215  V.  118:  laborabat  vir  pedie  digito  mor8o  ab  angue, 
saiiatus  Bibi  in  eumnis  vieuin  eeac  ait  νεανίσκον  ευπρεπή  ταμ 
μορφάν  im  τόν  &άκτυλον  έπιπην  φάρμακον.  hie  confirnialur 
unieum  Heeyohii  teHtimonium ;  πήν  πη  και  ττην  im  τοΰ  κατά- 
πααΟί  και  καταπάσσ€ΐν,  vide  Lobeckü  rheniaticon  ρ.   104. 

itcin  qui  enieiidai'i  opurteat  Heeychii  gloNBam  bεμßλEΪς' 
ßbeXXai,  quae  inter  &έμει  <'t  &εμνιθ  media  est,  lapis  hie  oRtendit 
V.  98  άνηρ  Τορίυναΐος  δεμελεας:  devuravat  hoiuo  hinidines  iiu- 
vercae  dolo  iniectaH  in  cinnuni,  cnbanti  deiis  vIhuh  eet  diKrieeo 
pectore  τάς  δεμελέας  έΗελεΐν.  ergo  ut  ah  et  ha  graeua  littera 
compvehenduntur  una,  eic  ilH  ßb  qua«  bß  pronuntiantes  binc 
pvincipiiiDi  νουϊ  fecerunt  bμ  «ive  ϋεμ,  cf.  plumbuni  βολιβ-  μό- 
λυβοος,  Άβαντία  Άμαντία,  «im. 

ctiani  ali.i  Hpaychiiia  derivata  habet  ex  vetere  hoc  libello. 
vctut  ille  ίατρα'  μισθοί  θεραπείας,  hie  ρ.  214  ν.  4Γι  ϋιτοδέκίσ' 
άποθΟσειν  τά  ϊατρα;  ύποδέκομαΐ.  porro  ρ.  215  ν.  120  caeeitile 
HberatuK  ffirtur  Άλκέτας  Άλικος,  lIcByebiua  Άλικος•  άλικοι  κα- 
λούνται οΊ  τά  προς  θάλασσαν  οίκοϋντες  μέρη  της  Πελοπον- 
νήσου, verisninie  iit  opiiior.  at  Tansaniae  II  3Γ>,  1  η  Αλίκη  τά 
μέν  έφ'  ημών  έστϊν  έρημος,  ψκεΐτο  δε  κα'ι  αΰτη  ποτί,  και  Άλι- 
κος λόγος  έν  στήλαις  ίστ'ι  ταΐς  Έπιδαυρίων,  ai  του  Ασκληπιού 
τά   Ϊάματα   Ιχ^ΐ,-^(ΐιιμμέ\α  έχουσιν,    άλλο  bk  σύγγραμμα  ουδέν 


Miscellen.  621 

olba  άΗιόχρβιυν  ?νθα  ή  πόλειυς  Άλικης  ή  avbpuiv  έστιν  Άλικων 
μνήμη,  laudibus  Kabbadiae  Pausaniae  fideni  extollit,  qui  Hali- 
cornm  e  columellis  istis  inemoriam  rcpetierit,  vereor  ne  praeter 
rem.  nam  Άλικος  est  in  lapide,  noii  (|uem  ille  dixit  Άλικος  λό- 
γος, videtur  Paiieanias  alieiia  verba  perverse  interpretatus  esse 
ad  consuetndinem  rhetonim  Όλυμπικόν  TapcJiKOV  al.  ita  vocan- 
tium  ut  compendi  facerent  λόγον.  certe  ipsins  verba  Paueaniae 
Graecus  nemo  sie  potuit  intellegere  ut  sententiae  auctor  intellegi 
voloerat:  Άλικος  λέγεται,  voeabulum  hoc  iuvenitur  in  actis  Epi- 
daariis.  nee  deleri  λόγος  aut  ad  librarios  culpa  transferri  potest, 
nisi  quie  Pausaniae  ut  iideni  adquirat,  orationeni  inquiuare  uialit. 
tenemuB  ergo  eignatorem  falsi. 

IT     Aniorginum    epitaphium    Coniparettius    inter   varias    in- 
scriptiones  edidit  Museo  Hai  di  müivhitä  clasa.  I  2  ]>.  25,  carinen 
memorabile  ob  letuni  epbebi  et  quaiulaiu  pootae  facundiam.  quod 
repetere  hie  placet  emendatis  non  nullis  quae  ille  practeriit: 
τον  δεκαίιΗ  έτίιυν  αριθμούς  προφεροντ'  έν  έφήβίοις 

αινόδακρυν  λεύσσεις,  Ηεϊνε,  τον  έν  φθιμε'νοις 
πριν  τελέσαι  λυκάβαντος  όλον  δρόμον.   ήλθε  γάρ  δλλας 
τύρσώος  άγριόνους,  ούχ  δσιός  τις  άνήρ, 
5     και  σύν  όμαλικίοισι  νέιυν  ανά  γυμνάδα  φαώράν 
στείχοντ'  άνδροφόνψ  οεΕιτερςί  παλάμα 
λόγχας  ^οιίήεντα  βαλών  άφύλακτον  άκωκήν 
έν  σταδία)  πλευραϊς  πικρόν  ένήκε  βέλος, 
δχρι  V  έπ'  όστέον  ήλθεν,  έλεϊν  hi  τις  ούο'  έπαρήΗαι 
10  ή5ύνατ\  άλλα  βία  τ'  εΤκε  μόλις  b'  "Αρεως 

ήλκύσθη  προβολςί  bia  σώματος,  αίμα  h"  άνέρρει. 

χώ  μέν  ?βα  πελάγους  ίβ]ένθος  [έ]π'  άτρύγετον. 
πεμπταΐον  h'  έμέ  [Μο]ϊρα  τον  έΗ  άγέλας  Διότιμον 
ήιθέιυν  οΙκτρά  μάρ[ψε]ν  έν  Άρκεσίνςι 
15     πατριοί'  και  μάτηρ  μέ[ν  Ά]ρισταρέτη  συν  όδυρμώ 
κώκυσεν,  γενέτας  V  [ώλετο  €]ιυσαγόρας 
5ακρυχέιυν  γηραιό[ς,   ί]δεκτ[ο]  γάρ  άντι  τροφήων 
έλ[π]ίδος  έν  μελάθροις  [ττΙένθος,  έπει  νεκύιυν 
άργαλέ]ους  έπέρασα  μυχούς*  ό  οέ  σύντροφος  Έρμάς 
20  ώ5ήγ]ησε  λαβών  χώρον  [ές  ήλύσιον. 

verau  3  ΟΔΟΝ  lapis  exhiberc  dicitur  clarissime.  10  legi- 
timum  erat  μόλις  τ\  11  TTPOBOAAI  exemplar  lapidis:  acuto 
mncrone,  ut  Celsus  ait  med.  VT II  3,  telum  ex  corpore  extere- 
bratum  est  profususque  sanguis.  cf.  AP.  VIT  433  θηκτόν  b'  έν 
προβολςί  θεμένα  Ηίφος,  Ruhiiken.  ep.  crit.  ρ.  (58,  lacobs.  AGr. 
Λαΐ  ρ.  412.  12  EHA  ex.  13  ΔΕΜΕΜΕ  . .  IPA .  ON,  inter  Α  et  0 
superior  pars  litterae  velut  Ζ  undc  [πε]ιράΖ!ον  Comp.     14  MAPI'  ..N 

19  ΘΟΥΣ:  verum  non  invcni,  ές  πλή]θους  Comp.         20  post 

χώρον  nihil  ampliuB  scriptum  est  in  lapide,  (juasi  scrupulum 
iniecerit  scalptori  placitum  ac  nomen  ethnicum:  explevit  Comp. 
III  Propertius  immatura  morte  raptum  Marcellum  Octaviae 
filium  deflet  elegis  III  18.  describit  regionem  in  qua  occider»* 
Baianam:  qua  iacet  Troiae  tubicen  et  sonat  Herculea  via, 


622  Miscellen. 

5     hie  ubi  mortales,  dexter  cum  quaereret  urbee, 
cymbala  Thebano  concrepuere  deo  — 
at  nunc,  invisae  magno  cum  crimine  Baiae, 

quis  deus  in  veetra  constitit  hoetis  aqua?  — 
bis  preeeuR  Stygiae  voltum  demisit  in  undas. 
hanc  optumi  codicis  ecripturam  recipiendam  ceneeo,  abiciendam 
quae  volgatur  hie  ubi,  mortalis  deMra  cum  quaereret  urbes.  poet 
Misenum  atque  Herculem  Bacchus  inducitur  sua  orgia  ferens  per 
Baiana  littora  concitansque  moi*ta1e8.  Baccho  ThebaR  et  Apolline 
DelphoR  insignes  accepimus:  Thebanum  deum  noli  credere  Her- 
culem esse  8cd  illum  cuius  pompam  in  proxumiR  elegis  ipeae 
Thebae  ducnnt  III  17,  33.  BacchuR  a  graecis  poetis  fingebatnr 
ΝάΗον  έάσας  Ελλάδος  δστεα  πάντα  μ€τ€λθ€Ϊν,  latini  eum  dum 
terraR  permeat  lustraeRe  etiam  Oenotriam  faciunt  velut  AL.  745  R., 
PropertiuR  Campaniam,  nam  quae  rura  aeque  fuerunt  plena  Baccho 
magisque  experta  huius  dei  praesentiam?  dexter  deuR  mortale« 
illoR  adiit,  id  CRt  propitiuR  favensque,  quem  ad  modum  et  Baccho 
et  Äpolline  dextro  et  alia  multa  dicta  sunt  quaerebat  deus  urbes, 
nam  aberant  etiara  tum  illi  orae  nee  priuR  extitiflse  videri  volt 
poeta  quam  Lenaeus  pater  sua  munera  advexerit.  at  dejctra  mann 
qtiaerere  quis  aptius  dicatur  quam  mendicue?  bellatori  id  ver- 
bum  qui  con venire  putant  interpretes  exempla  adscripsere  minime 
idonea.  immo  dextrum  Bacchum  ora  Campana  peregrinantem  et 
deum  hostem  in  Baiana  aqua  consistentem  poeta  inter  se  fecit  con- 
trariüR.  illum  olim  laetissimus  chorus  comitatuR  est,  liomincR  cym- 
bala concrepuere  (cf.  Ovidi  fast.  II  441  concrepat  aern^  al.),  at 
nunc  — .  nimirum  in  fabulosum  tempus  deorumque  cum  niorta- 
libus  commercium  Propertius  eas  voluptates  retorquet  rcpercus- 
saH(juc  Rpeculo  oRtendit,  quas  ipsius  aetate  Baiae  solebant  videre, 
ut  Seneca  ait  cp.  51,  4,  ebrios  per  littora  erraiites  et  comissa- 
tiones  iiavigantiuni  et  symphoniarum  cantibus  strepentes   lacu». 

vela  in  theatro  ut  extendercntur  ludis,  iani  diu  nioris  fuerat: 
M.ircellus  sine  ludis  a  kalendis  Augustis  forum  velis  inumbra- 
verat  prospiciens  salul)ritati  litigantium  (Plinius  bist.  n.  XIX  24). 
lianc  rem  Propertius  versu  13  niemorat,  nihil  profuisae  Mareello 
modo  tarn  pleno  IhOtnntla  rcJa  tJteafro  id  est  forum  totum  velis 
mutatum  in  speoiem  theatri.  quo  temj)ore  anni  ille  mortuus  sit, 
etiam  definitius  poeta  dicit  versu  li),  post  quam  pretiosissinia 
8U])ellex  ludis  splenduerit  inafjHt.s:  verbum  ])oetae  fas  est  peiuii 
statrra  aurariii,  Komanos  ille  ludos  signiiirat  (]ni  proprio  niagni 
n])])ellati  sunt  (Monunsenus  (juaest.  roni.  II  ]).  4.*J  n.  3),  nihil  cer- 
tius  est  quam  decessissi^  Maret4hnn  ])ost  idus  Septembres.  ultunii 
bi  ludi  fuere  eurati  ab  aedile,  praetoribus  ea  cura  mandata  est 
ex   niorte  Marcelli  (Dio    LIV   2). 

nioriunduni  est  ennctis:  formosus  licet  fuerit  Marcellus  et 
fortis  et  dives,  mors  non  jx'pereit  talibus.  nee  sin^ulos  tantum 
oppressit  sed  totas  eatervas  lamentabili  strage  permiseens  vivos 
ac  niortuos:  inopinantes  Romanos  MareoUi  luctus  prostravit,  luotus 
in  populum  refusus  a  principe,  Augusto  male  vertit  amor  generi. 
iecta  haec  sunt  o\)due\.a(\VLe,  a^*i  ut  \\er8entiflcere  possit  siquis  per 


Miscellen.  β28 

verba   in    sensa   penetrare    horum   poetarum   stiulet,    exemplo  ex 

Uiade  eompto  v.  29:    hie  olim  ignaros  hicttis  populavit  Achivos, 

Äfridae  magno  cum  stetit  alter  amor,    in  rebus  Troianis  qui  funera 

Graecis  paravit  amor  prior  Helena  est,  alter  Chryseis, 

IV     Invenit  larobus  Cortese   et   delinea\Tit   adnotavitque    in 

Eivisia  di  fihlogia  XII  (1884)  p.  31)6  chartulam  circa  Cassiodori 

tempora  roagnis   litteris  accuratc   signatani,    qua  de   Δ.  Poetumio 

historiarum    scriptore    consule    a.  Gü3/151    nota    ignotaque    refe- 

runtur: 

is,  cum  eo  i empor e^  tU  narrat  /w  /tisforiae   \    suac  prifieipio, 

duae  quiisi  fucihnes  Bomae    \    cssenf,    qiiarum   unn  graeca^ 

5     aries  afgue    \    discijylhtas  adamnhaf,  altera  patriae  ca\ritatem 

praet€[ije\ehat^    acerrime    ah    Uta   sie  fit    Albiuus.    hie  Athenis 

Studiosus  audiemdi  versatus  est  adulescefitulius\  atque  pr  opterea 

graecam  institutioncm  prac  cete\ris  crtoUcbat  uon  sine  quadam 

10     iaelaiio\ne  et  petulantia.    inde  irne  atque  accusa\tiones  adver- 

sarioruMj    qui  minus  pa\terentur  graecum  scrmonem  in  scrip. 

titmihus  usurpari  ad  rem  72.  spvdantihus.     graecc  auiem,    ui 

15     scimus,  historiam  \  Ute  confecerat  Q.  Fjiinio  poetae  inseri\ptam. 

ceferum  satis  in  eo  erat  littera\rum  et  philosophiaej  cuius  alum- 

nam  cloquentiam  inculcandam  aiebat  .  .  .  tum  post  duo8  ver- 

21     8U8  extinctos  f  cofisiulatu  arrepto   cum  dilcctu   .   .   .    quo   de 

dilectu  Livius  egerat  libro  XLVIII. 

4  patriam  Charta,  quod  ipsi  scriptori  imputare  vorcor  9  estoÜebat 

17  ßosofiae 

Cortesius  relicta  haec  esse  sibi  persuasit  ex  libro  Nepotis  de  viris 
iDlnetribus  XIII  (Gelli  XI  8),  mihi  non  item,  non  derecta  est 
eo  cureu  oratio  qui  ad  vitam  enarrandam  tenetur  sed  conversa  ac 
pressa  potiue,  late  Nepos  exposuerat  quae  hie  strictim  dicuntur 
accnsationes  adversariorum,  seimus  {comperimuSy  non  ignoramus) 
et  narrat  talia  comraentatores  interponere  solent  velut  Cicero  qui 
Catonis  orationem  tusc.  I  3  aut  illi  i\\\\  Ciceronin  orationes  histo- 
rico  modo  interpretati  sunt,  prae  ceteris  et  absolute  positum  audire 
atque  alia  quaedam  a  Nepotis  aut  illius  saeculi  latinitate  abhorrere 
opinor.  quis  illa  scripsent  non  divinavi,  scripsit  annalium  non 
volgarium  lectione  imbutus  aliquis  Granius,  gratulor  illi  quod 
fabulas  aspernatus  tarn  πραγματικά  excerpsit. 

Ennio  Albinum  historiam  suam  inscripsisse  discimus,  ergo 
sine  more  iuvenem  confecisse,  tredecim  cum  minimum  anuis  ante 
quam  praetor  fuit  (a.  599/155),  senique  obtulisse  poetae  utpote 
auetori  graecae  eruditionis  locupletissimo.  Polybius  de  Albino 
siroillima  narrans  XXXIX  12  (XL  6)  quod  illius  culpa  την  αϊ- 
pe0iv  την  Έλληνικήν  scribit  προςκόψαι  τοις  πρεσβυτεροις  και 
τοις  άΕιολογιυτάτοις  τών  'Ρωμαίων,  ipso  vocabulo  expressisse 
videtur  Albini  sententiam,  qui  in  prooomio  historiae  duas  has 
quasi  factiones  distinxerat.  ex  eo  quod  in  iine  non  integrum  ad- 
fertur  dicto  intellegimns  Albinum  commendasse  liomanis  studia 
rbetorica. 

B.  F.  Β 


624  Misoellen. 

Die  Joner  in  der  Schlacht  hei  Salamis. 

In  allem  wesentlichen  übereinstimmend  erzählen  Herodot 
(VITI  19),  Polyaen  (Strat.  Τ  30,  7),  Iiistin  (IT  12,  2),  PlutArch 
(Them.  9)  und  Acl.  AriRtides,  der  dem  letztgenannten  folgt  (υπ. 
τ.  τ.  ρ.  155.  panath.  228  vgl.  schol.  in  loc.  p.  179),  dass  The• 
mistokles,  als  die  griechische  Flotte  vom  Artemisionvorgebirge 
abzog,  den  Versuch  machte  die  Joner  durch  Inschriften,  die  er 
anbringen  Hess,  zum  Abfall  von  Xerxes  zu  veranlassen.  Dagegen 
weichen  sowohl  die  neueren  Darstellungen  als  auch  die  Angaben 
der  Alten  von  einander  ab  über  den  praktischen  Erfolg  dieser 
Massregel  in  der  Schlacht  von  Salamis  ^. 

Herodot  benutzt  die  Erzählung  dieser  Kriegslist  uro  seine 
eigene  Ansicht  über  deren  Zweck  (VIII  22  boK^€iv  έμοί)  auszu- 
sprechen: Themistokles  habe  die  Inschriften  angebracht  in  Erwä- 
gung zweier  Eventualitäten;  falls  der  Perserkönig  nichts  davon 
erfahre,  um  die  Joner  zum  Abfall  zu  bringen,  falls  man  ihm 
davon  berichte,  um  sie  zu  verdächtigen  und  so  ihre  Theilnahme 
an  der  Schlacht  zu  verhindern. 

In  der  Erznhlung  der  Schlacht  von  Salamis  kommt  unser 
Autor  wiederholt  auf  die  Haltung  der  Joner  zu  sprechen.  Schon 
da  er  ihrer  Aufstellung  auf  dem  linken  Flügel  gedenkt  (VIII  85), 
bemerkt  er,  es  seien  nur  wenige  von  ihnen  nach  des  Themistokles 
Wunsch  übergegangen,  die  Mehrzahl  aber  nicht  (ήθ€λοκάκ6θν 
μ^ντοι  αυτών  κατά  τάς  θεμιστοκλεος  έντολάς  ολίγοι,  ο\  hk 
ττλευνες  ου).  Ferner  berichtet  er  uns  eine  Episode  aus  der 
Sclilacht  selbst,  in  der  die  Jonor  eine  TloUe  spielen  (VITI  90). 
Die  persischen  Schiffe  sind  bereits  in  VerAvirrung  und  durch  das 
V^)rdringen  der  rückwärts  aufgestellten  gelien  die  aus  den  vor- 
deren Keihen  ilielienden  zu  Grunde,  unter  diesen  befinden  sich 
aiieli  einige  pbönikisebe  Scliiife,  deren  Befehlshaber  nun  die  Joner 
bei  dem  Könige  verlänmden,  sie  seien  in  Λ'errätheriseher  Absicht 
von  ilinen  vernichtet  worden  (bießaXXov  τους  Ίιυνας,  ώς  h\ 
εκείνους  άττολοίατο  αι  νέες,  ώς  προοόντων).  Während  aber 
dies  dem  König,  der  den  (lang  der  Schlacht  von  seinem  Throne 
aus  bcobaclitete,  niitgethcilt  wurde,  griff  ein  samothrakischep 
Scbifl'  eine  attische  Trierc  an  und  bohrte  dieselbe  in  den  Grund, 
ein  äginetisclies  Soliilf  jedoch,   das  herbeikam,    brachte  das  samo- 

^  Nach  GillicH  G riech  G«'sch.  Dcutsclio  Uc])crsetziin<^,  Wien  1825 
III  1(>1  gellen  l.>ei  Sulamis  vei-scliiedinic  usiatisclie  (iriecbcii  über,  jindcro 
wcielnMi  dem  Treifcn  aus.  Tliii-lwall  liist.  (d'  (ireece  II  2()S:  Oio  Treue 
der  Joner  war  niclit  unvtrdä'jlii i^•,  i)b\v(»hl  die  Kla«j;;(?  der  riiöniker 
walirse.heinlicli  grundlos  war.  (irote,  iiriech.  (icicli.  l)eiits(!ht'  VelM^rs. 
III  S.  105:  Viele  jonisidui  Grieclien,  ansclitniiend  eini^  trriisscr•»  Anzahl 
als  Herodot  «»erne  anneinnen  ni(»elite.  waren  in  (]cv  Schlacht  lau  und 
(•iniir»>  soj^-ar  abn^eneii/f.  Curlius,  (ir.  (Jesch.  I  71:  Die  Flottenniann- 
sehaften  waren  ^'cgeii  einander  in  eifersüclitiger  SpannunjLr,  so  JoiuT 
und  Plniniker.  Duntrker,  (iesch.  d.  Alterth.  VIF'  287:  wcnijro  von  den 
Jonern  tliaten,  was  Tlieniistoklos  ihnen  «,a'ratlien,  weitaus  die  nu'iston 
fochten  mit  grt)ssor  Anstrengung. 


Miscellen.  625 

thrakiscbe  zum  Untersinken,  die  Bemannung  des  letzteren  jedoch, 
ans  Bogenschützen  bestehend,  vertrieb  die  äginetischen  Matrosen 
und  bemächtigte  eich  ihres  Schiflfes.  Dieser  Umstand  rettete  die 
Joner,  da  Xerxes  den  Phönikeni  wegen  ihrer  \^erläumdung  die 
Köpfe  abhauen  Hess.  Und  endlich,  da  Herodot  erzählt,  wie 
Xerxes  sich  nach  der  Schlacht  zur  Flucht  wendet  (VIII  97),  er- 
wähnt er  unter  den  Gründen,  die  ihn  hiezu  bestimmen,  auch  die 
Furcht,  die  Joner  könnten  sich  den  Hellenen  anschliessen. 

Was  also  Herodot  über  die  Haltung  der  Joner  in  der 
Schlacht  im  Einzelnen  erkundet  hatte,  bestätigt  durchaus  die 
Ansicht,  die  er  zusammenfassend  VIII  85  ausspricht. 

Zunächst  kommt  nun  das  Zeugniss  bei  Diod.  XI  17,  3  in 
Betracht.  Bei  ihm  findet  sich  von  der  Anbringung  der  Inschriften 
nichts,  er  berichtet  a.  a.  0.  übereinstimmend  mit  Herodot,  dass 
auf  dem  linken  Flügel  der  Perser  die  in  deren  Gefolge  dienen- 
den Hellenen  aufgestellt  gewesen  seien.  Dann  aber  heisst  es, 
die  Führer  der  Joner  hätten  einen  Samier  an  die  Hellenen  ge- 
schickt, der  sie  von  dem  Entschluss  des  Königs  die  Griechen 
anzugreifen  unterrichten  sollte,  und  dass  sie  selbst  während  der 
Schlacht  von  den  Persern  abfallen  würden.  Als  dies  dem  Eury- 
biades  gemeldet  wurde,  rief  Themistokles  hoch  erfreut,  dass  seine 
List  geglückt  sei,  die  Griechen  zum  Kampfe  und  diese  selbst 
gingen  willig  demselben  entgegen  im  Vertrauen  auf  die  Botschaft 
der  Joner  (Θεμιστοκλής,  κατά  νουν  αύται  προκεχιυρηκότος  του 
στρατηγήματος,  περιχαρής  ήν).  Hier  entsteht  nun  die  Frage, 
was  mit  der  geglückten  List  des  Themistokles  gemeint  ist.  Man 
hat  angenommen  (Wolffgarten  de  Ephori  et  Dinonis  historiis  a 
Trogo  Pompeio  expressis  Bonn  1868  p.  33;  Albracht  de  The- 
mistoclis  Plutarchei  fontibus  Gott.  1873  p.  24),  dass  dieser  Aus- 
druck auf  die  Anbringung  der  Inschriften  und  den  nunmehr  in 
Aussicht  gestellten  Abfall  der  Joner  sich  beziehe,  Diodor  habe 
ersteree  in  seiner  Vorlage  gelesen,  jedoch  früher  davon  zu  er- 
zählen vergessen.  Abgesehen  davon,  dass  so  lange  es  nicht 
dringend  nöthig  ist  einem  Autor  eine  Nachlässigkeit  zuzumuthen, 
eine  derartige  Annahme  nicht  gemacht  werden  darf,  widerspricht 
hier  der  Wortlaut  durchaus.  Diodor  hat  vorher  (XI  17,  1)  von 
der  Sendung  des  ersten  Boten  erzählt,  nun  berichtet  der  Samier, 
der  bei  Diodor  die  Stelle  des  Aristides  und  der  tenischen  Triere 
bei  Herodot  (VIII  79  —  82)  und  Plutarch  (Them.  c.  12)  vertritt, 
den  Griechen  von  des  Königs  Entschluss  und  Angriff  (περί  τών 
οεοογμένων  τψ  βασιλεϊ,  κα\  περί  τής  δλης  έκτάΗεως),  wenn  es 
also  dann  heisst  Themistokles  sei  erfreut  gewesen,  dass  seine 
List  glückte,  so  muss  diese  Bemerkung  auf  die  Sendung  des 
Boten  bezogen  werden,  ganz  abgesehen  davon,  dass  Diodor  (XI 
19,  6),  da  er  die  Sendung  des  zweiten  Boten  nach  der  Schlacht 
erwähnt  hat,  ausdrücklich  sagt:  θεμιστοκ>/ίς  μέν  ουν  bvO\  στρα- 
τηγήμασι  χρησάμενος  μεγάλων  προτερημάτων  αίτιος  έγίνετο 
τοις  Έλλησι.  Da  nun  Diodor  über  die  thateächlicbexi  FqI^^y». 
dieser  Meldung  während  der  SchlacVit  ivVcVvl«  m^x  \>«t\.OoL\si\..^  ^*^ 

Bbeia,  Mus.  f.  Pbilol.  N.  F.  XXXIX.  ^^ 


626  Misoellen. 

redncirt  sich  das,  was  wir  ans  ihm  über  die  Sache  lernen  darauf, 
dass  die  Joner  den  Griechen  vor  der  Schlacht  durch  einen  Boten 
ihren  Abfall  in  Aneeicht  etellten.     Da  er  jedoch  ferner  in  eeiner 
immerhin  ziemlich  eingehenden  Darstellung  der  Schlacht  in  keiner 
Weise  verräth,    dass   die  Haltung  der  Joner  auf  den  Gang  der 
selben  irgendwie  von  Einfiuss  war,  so  dürfen  wir  als  wahrschein- 
lich  annehmen,    dass   es  bei  diesem  Versprechen   geblieben  war, 
und    daher    bekannten    Quellenverhältnissen    gemäss    vermnthen, 
dass    auch   Ephoros    wie   Herodot    von    einer    ausschlaggebenden 
Wendung  der  Joner  zu  Gunsten  der  Griechen  in  der  Seeschlacht 
nichts    berichtet    hat.     Ganz    anders   dagegen   lautet  die  Angabe 
des    Trogus    Pompeius    (lustin  II  12,  25;    Oros.  II  10  schreibt 
lustin  aus):  da  die  Schlacht  zweifelhaft  war,   begannen  die  Joner 
nach   des  Theniistokles  Befehl    (ite   cessim,    inhibete   remis  et  a 
hello  discedite  III   12,  7)    allmählich    sich   dem  Kampfe  zu  ent- 
ziehen,   und   ihr  Abfall   brach   den  Muth  der  übrigen.     Es  wird 
also  bei  ihm  zur  Thateache,   was  Themistokles  bei  Herodot  ver- 
geblich   hoff't    und    was   bei  Eph(»ros,    wie  es  scheint,    die  Joner 
versprechen  ohne  es  zu  erfüllen,  oder  erfüllen  zu  können. 

Nach  dem  Gesagten  scheint  es  mir  nicht  zweifelhaft,  dass 
wir  hierin  nur  eine  rhetorische  Uebertreibung  der  Trogus  vor- 
liegenden Angaben  zu  sehen  haben.  Wenn  endlich  der  Scholiast 
zu  AeL  Aristiil.  panath.  III  179  ed.  Dind.  erzählt,  dass  die  Joner 
bei  der  Lesung  der  Inschriften  den  Entschluss  fassten,  es  in  der 
Schlacht  mit  den  Athenern  zu  halten  und  mit  ihnen  des  Xerxes 
Flotte  zu  bekämpfen,  so  haben  wir  auch  darin  eine  blosse  Schlnae- 
folgerung  aus  der  Inschrift  zu  sehen,  die  von  dem  Scholiaeten 
früher,  wie  sie  sich  bei  Herodot  fand,  citirt  wurde. 

Fassen  wir  das  Resultat  dieser  Betrachtung   zusammen,  so 
ergibt    siiili    für    die  Darstellung   der  Salamisschlacht   folgendes: 
Herodot's  Angabe    bleibt   bestehen,    die   Joner    waren    trotz   des 
VorRuches    des   Theniistokles    sie    zum   Abfalle    zu    bringen   den 
Persern  treu,  nur  wenige  gingen  über,  auf  den  Gang  der  Schlacht 
hatte   dies   keinerlei  Einfluss;    Ephoros    hatte    in    gleicher  Weise 
berichtet,    aber   noch    von   einem  directen  Versprechen  der  Joner 
erzählt,    die  durch  einen  samisehen  Boten    meldeten,    sie  würden 
abfallen  und  Xerxes  werde  angreifen.    Diese  Angabe  widerspricht 
Herodot  (dem  Plutarch  Them.  c.  12  und  Aristid.  c.  8  folgt),  nach 
dessen  Darstellung  die  Meldung  von  dem  Eingehen  des  Xerxes  anf 
des  Themistokles  Plan,    durch  Aristides  und  eine  tenische  Triere 
irebracht  wird.     Abgeselieu    von  diesem   Widerspruch    liegt   aber 
f]:egen  die    liieliti^keit  Λ'οη  des   Ephoros  Angabe  noch  ein  Beden- 
ken vor.      Die  S<>nduii;ü:  dieses  Saniiers  hat  eine  durchaus  analoge 
Tendenz,  wie   jene  aueh  anf  des  Ephoros  alleiniger  Autorität  ru- 
hende Erzählung   (Diod.  XI   8,  5),  es  sei  in  der  Nacht  vor  dem 
Entsclieidiingskanipf  in  den  Therniopylen    ein  Mann   Namens  Ty- 
rastiadas,  ein  Kyniäer  —  also  Landsmann  des  mit  starkem  Lokal- 
patriotismus  bega\)ten  Autors  —   ein  Λ•oΓtretHicher  Mensch  (φιλό- 
καλος  δέ  και  τον  τρόπον  öiv  öl^oäoc^  ^>\%.  ^^\sv  \;^\*\schen  Lager 


Miscellen.  G27 

ZQ  den  Griechen  übergelaufen  und  habe  sie  von  dem  Λ^errath 
benachrichtigt,  dem  Hie  zum  Opfer  fallen  sollten.  Hier  wie  dort 
verräth  sich  das  Streben  des  Gewährsmannes  jener  Nachrichten, 
zu  zeigen,  daes  auch  die  Griechen  Kleiuasiens  im  Heere  des 
Xerxes  von  Sympathien  für  ihre  europäischen  Landsleute  erfüllt 
waren.  Wer  die  Autlassung  über  die  ^griechischen  Befreiungs- 
kämpfe zur  Zeit  des  Isokrates  kennt  \  wird  diese  Tendenz  seines 
Schülers  begreiflich  finden,  aber  auch  vorsichtig  in  der  Verwer- 
thang dieser  und  ähnlicher  Nachrichten  sein. 

Graz.  Adolf  Bauer. 


Reinesine  über  Timokles  den  Teratologen. 

Ein  sonst  ganz  unbekannter  Schriftsteller,  Timokles,  hat 
nach  Photios  ep.  LV  unter  dem  abenteuerlichen  Pseudonym 
Χλονθάχονθλος  ein  phantastisches  Büchlein  verfasst,  in  welchem 
er  nach  Art  der  griechischen  Reisefabulistik  Land  und  Volk 
der  wohl  von  ihm  fingirten  Όφιοκανοί  schilderte.  Usener,  der 
neben  manchem  andern 'Vergessenen*  diese  halbverschollene  Notiz 
ans  Licht  gezogen  hat-,  combinirt  sie  mit  einer  Galenstelle  (de 
flimpl.  med.  VI  praef.  vol.  XI  p.  798  K.),  wo  die  Schriften  des 
Hermes  Aegyptius  als  λήρος  και  πλάσματα  του  συνθ€ντος  be- 
zeichnet werden,  ομοιότατα  τοις  Όφιονίκοις  τοις  Κόγχλακος  (so 
in  den  ältesten  Hss.)  oder  Κογχλακόγχλα  (nach  Usener's  V^er- 
mnthnng  im  Anschluss  an  zwei  jüngere  Hss.);  er  erkennt  hier, 
trotz  der  nicht  unbedeutenden  Abweichung  in  den  Namen  un- 
zweifelhaft mit  Recht,  eine  Spur  derselben  Utopie.  Vgl.  die  bei- 
stimmenden Ausführungen  Rohde's,  griech.  Rom.  S.  219. 

Die  eingehende  Behandlung  dieser  Frage  durch  Tb.  Keine- 
eins,  die  freilich  an  einem  sehr  entb^genen  Orte  versteckt  ist, 
scheint  man  bisher  übersehen  zu  haben  ^.  Es  ist  wohl  nicht  mehr 
als  billig,  auch  an  dieses  *  Vergessene*  zu  erinnern.  Reinesius 
antwortet  epist.  XXV  p.  97  sq.  (ed.  Lips.  16ßO)  dem  Galenforscher 
Caspar  Hoffmann  auf  die  Frage,  was  es  mit  den  Όφιόνικοι  ίΐη 
der  angeführten  Galenstelle  auf  sich  habe,  folgendes: 

De  Όφιονίκοις  Κόγχλακος  miror  scrupulositatem  tuam.  Ipsc 
Galcnus  ad  risum  confictum  esse  utrumque  nomen  dicit  a  quodam 
τβρατολόγψ  portentosis  narrationibus  vana  plebeiorum  ingenia 
circumductitante;  scriptorem  autem  hoc  nomine  neminem  vixisse: 
argumentum  etiam  Όφιονίκιυν,  Ούτίνων  Utopicorum   nugatorium 


*  Auch  Aeschyloa  in  den  Persern  trägt  der  Stimmung  der  Zeit 
der  Freiheitskämpfe  selbst  und  den  dichterischen  Erfordern i.Sv««e η  Rech- 
nung, wenn  er  seinerseits  der  Joner  als  Hülfsvolk  des  Xerxes  überhaupt 
keine  Erwähnung  thut 

2  In  dieser  Zeitschrift  XXVIII  (1873)  S.  411.  640. 

^  üsener  weist  nur  darauf  hin,    dass  Fabricius  im  Komikerkata- 
loge bibL  vol.  II  p.  504  liarl.  diesen  Timokles  beiläufig  erwähnt  h< 
und  im  Anschluss  daran  Mcineke  bist.  crit.  p.  431. 


l«*^ 


628  Misoellen. 

plane  et  commentationem  fabuloeam  ...  de  herbaram  portentosie 
.  .  .  et  barbaris  appelLationibus,  luiriBqae  effectibus  .  .  .  ^.  For- 
tasse Όφιονίκοι  Κόγχλακος,  quos  Graece  nominat  Galenus,  e 
Persica  .  .  .  vel  Arabica  inscriptioiie  non  intellecta  .  .  .  comipti 
sunt:  tale  quid  circa  Κυρανίοας  factum  est,  ut  ostendi  I  Var.  2-. 
Α  Fersis  autem  Acgyptiis  et  Chaldaeis  Magicam  e  Mathematica 
et  Medicina  conflatam  in  totum  orbem  manasse  notissimura  est: 
talisque  census  isti  Όφιονίκοι,  quantum  e  Galeno  datur  colligi, 
fuere.  Persae  igitur  alicuius  noraen  inconditnm  est  et  ineffabile 
Graeco  orc.  Id  in  Conchlacis  vel  conchlae,  et  titulum  li  j  beUi 
Persicum  vel  Chaldaicum  in  Όφιονίκας  detorserunt  Graeci:  ad 
pHmitiva  autem  .  .  .  nomina  .  .  .  cognoscenda  nobis  nuUa  paene 
via  machiuave  est  .  .  .^ 

Daran  schliesst  sich  dann  ein  durch  Anführungszeichen  kennt- 
lich gemachter  späterer  Zusatz: 

Haec  quidem  sie  tum  videbantur;  sed  quid  indulgeam  ultra 
coniecturae,  cum  certissimum  sit  id  quod  initio  dixi  de  Coiicklace 
τερθρεϊ,  et  incredibilium  fabularum,  ουκ  άτ€ρπ€Ϊ  bk  compoeitore? 
Autor  mihi  Phot.  Ep,  LV  edif,  nuperr.  Angl.  verissimum  esse 
quod  scripsi.  In  ea  monet  Galatoncm^  ut  amicitia  sua  abdicet 
quendam  familiarium  suorum  (Anatolium  adpellat  Ep.  232\  qui 
insigniter  mentiendo  omnia  Poetarum  figmenta  supergrederetur  et 
faceret  τη  veuuT^pqt  του  ψεύδους  υπερβολή,  ut  monstrosae  quae- 
vis  fabulae  prae  suis  fere  iidem  mereantur  [sie]  .  .  .  [folgt  die 
PhotioRstelleJ.  Adparet  de  eodem  nugatore  mirabiliario  loqui 
Phothim  et  (ialcntfniy  etsi  circa  nomcn,  quippe  barbarum  fictum- 
que  et  in  quo  πλάνη  γραφική  a  librariis  facillime,  ut  fieri  araat, 
coniinitti  potiiit,  pariini  discrepcnt  [sie].  Conlinxerat  niminim  iste 
Chlonthdchonihhis  vel  contracto  nomine  Conchl(LV^  de  Ophioni- 
corum  sivc  Ophiociinorum  (Utinnm)  gente,  regionc  (ütopia),  na- 
tura, politia,  niüribns;  ad  baoc  de  animalibus  et  herbis  miran- 
disque  earum  effVctis  incredibilia  et  andita  ante  nemini,  similia 
λιβυκαϊς  βίβλοις,  "Αννιυνός  τε  πλάναις:  lambuli  περί  τών  έν 
μεγάλη  θαλάττη  παραοόΕιυν,  et  Euomeri  Messonii,  δς  πλεύ(Τας 
εις  τους  μηδαμόθι  γης  γεγονότας  μηοέ  δντας  Παγχώους  και 
Τριφυλλίους  έντετυχήκει  .  .  .  narrationibus,  scribcns  nimirura  ea, 

^  Dio  Parallelen,  welche  R.  für  diese  Art  von  Scbriftstellerei 
<ril»t,  sind  wcnij^  /utr(;iVend  nn<l  f(>rdern  die  Sache  nicht. 

-  Var.  leett.  üb.  I  cap.  1  }>.  (>  (ed.  Altenb.  ΙβΙΟ)  erklärt  W.  diesen 
als  Ki^cnnanii'n  aufircfassten  'l'itel  aus  dem  Seniitischen  als  'Sainndiing'. 

■^  FiS  foljii'en  lk^isj>i<'le  älinlielier  Vcrstümmelun^oii  ^rriechiseher 
Worti^  Ix'i  ai'n  OricMitalen. 

^  Iv.  sieht  hier  also  eine  Koseform  des  längeren  Namens.  \<A. 
seine  sehr  verständij^cn  la-merkunfren  über  Xamenskürzun<T  epint.  L 
p.  4i)l,  wo  auch  eine  hübsch•' Beispielsamndunf^  ofcgeben  ist.  Uebriüfens 
haben  die  \anien  anderer  orientalisclu^•  Wunderthixter.  die  in  dies«T 
Zeit  vorkomnn^n,  einen  iranz  ähnlichen  Klang,  l^ei  Apuleius  11  -JS  er- 
scheint Zat(!hlMs  Aegyptius  proi>heta,  bei  Plinius  XXX VII  10,  l(j9  Za- 
chalias  (Zacthalias)  Babylonius  in  his  libris  <juos  scripsit  ad  retjem  Mi- 
thridatem   iremniis  humana  lata  atlribuens. 


Miscellen.  629 

irepl  ών  μητ*  elbev,  μή5'  έτταθεν,  μήτε  παρ'  άλλιυν  έπύθετο, 
ίτι  bk  μη5έ  όλως  δντιυν,  μηδέ  τήν  αρχήν  γενέσθαι  δυναμένων, 
ut  .  .  .  loquitur  Lucianus  αληθούς  Ίστορ.  [^ 

ReiDeeias  hat  demnach  nicht  nur  die  Identität  der  von  Pho- 
tios  und  Galen  erwähnten  Schrift  erkannt,  sondern  auch  völlig 
correct  den  Litteraturkrein  umschrieben,  dem  dieselbe  angehört. 
Seine  Vermuthung,  dass  der  Titel  ursprünglich  in  einer  orienta- 
lischen Sprache  abgefasst  gewesen  sei,  wird  freilich  heut  zu  Tage 
kaum  noch  Liebhaber  finden. 

Leipzig.  O.  Grus  ins. 


Dialogus  de  or.  32. 

Messalla  klagt  über  die  mangelhafte  wissenschaftliche  Bil- 
dung der  Rhetoren  seiner  Zeit:  *quod*  (eben  die  allgemeine  Bil- 
dung) *adeo  neglegitur  ab  horum  temporum  disertis,  ut  in  actio- 
nibus  eorum  huius  quo<jUc  quotidiani  sermonis  foeda  ac  pudenda 
vitia  deprehendantur,  ut  ignorent  leges  nee  teneant  senatus  con- 
sulta,  ius  civitatis  nitro  derideant,  sapientiae  vero  Studium  et 
praecepta  prudentium  ))enitus  reformidont:  in  paucissimos  sensus 
et  angustas  sententias  detrudunt  eloquentiam  velut  expulsam  regno 
saoy  ut  quae  olim  omnium  artium  doniina  pulcherrimo  comitatu 
pectora  implebat,  nunc  circumcisa  et  ampututa,  sine  apparatu,  sine 
houore,  paene  dixerim  sine  ingenuitate  quasi  una  ex  sordidissimis 
ariificiis  discatur*,  Dass  in  Obigem  der  Ausdruck  *ius  civitatis^ 
unklar  und  ungebräuchlich  sei,  geben  die  unbefangeneren  Kritiker 
zu;  keiner,  auch  von  den  conservativen,  hat  den  Versuch  gemacht 
zu  erklären,  warum  ihn  der  Verfasser  dem  üblichen  und  sachlich 
allein  treffenden  'ins  chnle*  vorgezogen  habe.  Da  aber  offenbar 
mehr  als  dies  in  der  Vorlage  unserer  Abschriften  gestanden  hat, 
so  empfiehlt  sich  vielleicht  vor  anderen  Besser ungs versuchen  fol- 
gender: *iu8  cmle  diciis  nitro  derideant*,  denn  einen  solchen  Zu- 
satz gegenüber  der  blossen  Unkenntniss  erwartet  man.  Trüge- 
rischer verklebt  ist  der  Schade,  welchen  der  Schluss  der  Periode 
erfahren  hat,  wo  die  Herausgeber  höchstens  an  der  wunderlichen 
Attraction  ^una  ex  s.  artificiis'  Anstoss  nehmen:  Bährens  glaubt 
ihn  durch  die  ebenso  wohlfeile  als  unwahrscheinliche  Conjectur 
*  artibus*  zu  beseitigen.  Es  bleibt  auffallend,  dass  der  Verfasser 
gegenüber  der  prächtigen  Personification  der  alten  Beredsamkeit, 
'quae  olim  omnium  artium  domina  pulcherrimo  comitatu  pectora 
implebat*  eine  entsprechende  der  gegenwärtigen  ganz  aufgegeben 
hat:  sie  wird  'gelernt*  wie  eine  der  schmutzigsten  Künste.  Als 
ob  nur  sordidissima  artiücia  gelernt  würden,  als  ob  die  vetus 
eloquentia  nicht  erst  recht  gelernt  worden  und  als  ob  überhaupt 
disci  ein  Symptom  des  Herabgekommenseins  einer  Kunst  wäre. 
Und  das  Bild   einer  äusserlich  in  die  Erscheinung  tretenden  Per- 

^  Die  Mittheilung  vorstehenden  Excerptes  ist  wohl  nicht  ganz 
unnütz,  da  das  Buch  vcrmutblich  nur  wenigen  zugänglich  sein  v* 


eönliohkeit  ist  doch  snoh  hier  nicht  gani  aufgegeben,  da  Bi«'*iac 
apparatu,  eine  bonore,  paeue  diserim  sine  iiigeiiuilate'  geri»nnl 
wird,  fVeilich  ohne  eateprechendee  Yerbiim,  Ee  liegt  liier,  meine 
ich,  ein  ilb erzeugendes  Seispiel  vor,  wie  flüchtig  die  nicht  ganz 
leicht  SU  leeenden  >irhrirtzüge  dex  archety ραβ  τοιι  dem  Clewähr«- 
mann  imeerer  Abachriiten  copirt  nein  mütwen:  denn  ich  bin  uber- 
xetigt,  ilaae  fflr  arlificiis  ein  Nomen  genchrieben  utaiid,  welchen 
das  Q«gentheit  einer  'donnina'  aaitdriichte,  und  statt  discatttr  ein 
Yerbuni,  welches  durch  'circamcisa  et  amputata'  und  da»  Fol- 
gend« Forberuitet,  auf 'implebat'  Kiirückwise,  iiIru:  ' (|uafii  uns  ei 
Dordidiesimie  mmeipün  desfUualur'. 

LeipKig.  O.  Ribbeuk. 

■  Zn  ÄpalciuB. 

Ρ  In    den    Florida    XVI    ed.  Kv.    p.  20,  m    werden    in    einer 

"eprache,  die  lebhaft  an  diu  ui  ittelal  teil  ich  c  Ueimproea  gemahnt, 
Typen  ηαβ  den  Uomudien  den  Fhilemon  Rufgcxahlt;  leno  periurae 
et  auiatur  feniiduH  et  serunlue  oallidiia  et  amica  illtidene  et  nxor 
inhibens  et  mnter  indnlgens  et  pntrnua  obiurgator  et  eodalie  opi- 
tulatür  et  milee  preelialor,  oed  et  piiraeiti  edacee  et  parentes 
tenaces  et  uicretricee  procacee.  Sollte  man  wirklich  tibereehen 
haben,  dass  aus  dem  niilcR  pliator  ein  milee  gtintor  werden  mniDi? 
Wouwere  hat  mit  der  Vermuthung  praedicator  das  Richtige  ge- 
ahnt. Der  άλαίών  ist  aber  gloriator  vgl.  [Fronte]  de  diff.  (iL 
p.  523,  10  K.:  glorius  nniue  etit  glorlae;  gloriator  non  habet  cau- 
sam gloriandi,  scd  tarnen  gloriatiir;  gloriueua  pluribue  es  causis 
esse  cogitur.  Apuleins  selbBt  hat  gerade  in  den  Florida  das  Wort 
80  gebraucht  c.  17  p.  26,  1. 

München.  L.  Traube. 

Eile  Lneianhaidachrift  in  der  Bikllothek  in  Upula. 

Die  Bibliothek  in  Upsala  besitzt  einen  auf  Baumwollenpapier 
geschriebenen  Codex  des  Lncian  in  Unart  (B.jornatal.  Bomb.  Ν  .4, 
in  dem  von  Aurivillins  1835  angefertigten  Kataloge  N.  14),  auf 
welchen  zuerst  Charles  Graux  in  Revue  critique  d'hietoire  et  de 
litteratnre  1879  n.  17  aufmerksam  gemacht  hat.  Er  enthält  ausser 
sieben  vulletündigen  Reden  des  AristideB  und  Bruchstücken  vun 
zwölf  anderen  (fol.  1—136.  17T.  178.  180)  folgende  Schriften  von 
Lncian : 

fol.  137  — HO  (2.  Seite;  ich  bezeichne  im  Folgenden  dif 
erste  Seite  jedes  Blattes  mit  a,  die  zweite  mit  h)  rfc  cnlumniac 
iwn  (emere  credendo. 

fol.  Uö**— 149"^  Galliis  von  c.  6  και  αυτός  χρυσα  πάντα 
Π€ριβ£βλημίνος  bis  c.  31   κατεοκληκότα  δν  (vgl.  fol.  191). 

fol.  150'  und  *■  bis  in  die  Mitte  l'rnmetliciis  von  c.  14  hibui 
"'  ΐλάττω  ΐΓΟίώ  hie  Ende,  fol.  150*' — 155"  Icaromenippus  c.  1  — 
\d\  προς  τάς 


MiscelleD.  631 

foL  156 — 161»  Timon  von  c.  14  αυτήν  έσθίουσαν  bie  Ende. 

fol.  162^* — 165^  Ädvers,  'mdoct.  c.  5  von  και  τούτο*  κατά 
ταύτα  5ή  bis  Ende. 

fol.  165^—167*^  Phalaris  1  ganz. 

fol.  167^—168^  Bacchus  bis  c.  6  της  bi  του 

fol.  169» — 170»  Patriae  encomium  vollständig. 

fol.  170» — 172»  ludicium  vocalium  ganz. 

fol.  172» -175»  Pseudologista  ganz. 

fol.  175•— 176*^  und  179»*'  Somnium  ganz. 

fol.  181»— 190*»  Dialogi  dcorum  ΧΙΓ. 

fol.  191  Gallus  c.  2  ίίαψιυδών  ούχ  ώσπβρ  bis  c.  4  (vgl. 
fol.  145-149^). 

fol.  192 — 209»  Dial.  mortuorum  XXV.  Oialogi  marini  XIV. 

fol.  209» — 216**  Ende  der  Handfichrift  Oemonax  ganz  mit 
Ausnahme  der  letzten  5  Worte. 

Die  Keden  des  Aristides  so  wie  die  Götter  und  Todten- 
Gespräche  sind  grösstentheils  Horgfiiltiger  mit  grösseren  Buch- 
staben und  weiter  von  einander  abstehenden  Linien  geschrieben, 
als  die  übrigen  Dialoge,  welche  sehr  eng  an  einander  gedrängte, 
zusammengezogene  und  in  einander  verschlungene  Buchstaben  mit 
vielen  Abkürzungen  haben  und  deshalb  sehr  schwer  zu  lesen 
sind.  Früher  als  in  das  13.  Jahrhundert  ist  die  Handschrift, 
was  die  Scliriften  Lucian's  belangt,  nicht  zu  setzen. 

Während  meines  Aufenthalts  in  üpsala  (im  Sommer  1881) 
habe  ich  folgende  Schriften  verglichen:  Icaromenippus,  Somnium, 
Timon  von  c.  14  bis  Ende.  Gallus  c.  2 — 4.  c.  6—30.  Adversus 
indoctum  c.  5  — 16.  ludic.  vocalium  c.  1 — 7.  Cataplus  c.  1 — 17. 
Dialogi  deorum  XIII.  XIV.  XV.  XVIII.  Wie  weit  sie  einen 
selbständigen  Werth  hat,  ergibt  sich  aus  der  nachstehenden  Ver- 
gleichung  mit  den  ebenfalls  von  mir  verglichenen  Marcian.  434 
(Ω)  436  (Ψ)  Vatic.  87  (?()  90  (Γ)  Mutinensis,  die  zu  den  wich- 
tigsten Vertretern  der  bisher  bekannten  Handschriften-Familien 
gehören.     Ich  wähle  dazu  das  ludicium  Vocalium  ^. 

Ich  füge  noch  einige  Lesarten  des  Upsalensis  aus  Timon 
von  c.  14  ab  hinzu,  aus  welchen  hervorgeht,  dass  die  Handschrift 
vielfach  mit  Marc.  436  (Ψ)  übereinstimmt,  an  einzelnen  Stellen 
allein  das  Richtige  zu  haben  scheint. 

c.  14  παιδότριψ  mit  436.  c.  15  ές  φώς  mit  436.  c.  19 
ήν — έμφράΗηται  mit  436.  c.  23  άθροός  mit  Cobet;  die  übrigen 
Handschriften  haben  άθφόως.  έκχ€€ΐ  mit  436.  c.  26  Ευνίεις 
mit  Α  (Gorl.).  c.  27  ποικίλον  allein,  c.  28  μεγαλαυχία  mit 
434  (Ω)  und  436.  c.  40  άποστήσομαι  mit  Fritzsche.  c.  44 
Έχεκρατίοου  allein  mit  Brodaeus.  c.  47  προίκα  om.  mit  436. 
c.  51  στεφάνοις  επτά  mit  Fritzsche.  c.  52  αυτός  statt  ά(Ττός 
mit  436. 

Breslau.  Julius  Sommerbrodt. 


1  S.  die  Tabelle  632.  633. 


ll'l"Sl^ill|     Mllllllllllll 


I    M|l  I  I   i-|i  I  I  d  Μ  S  I  I  I  i-S  I  I 


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683 


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Zu  Htru-CenneBtir  <lci  ä»sns. 

Ib  Baiipr  Dissertatiun  'De  Hurntii  Tucibue  HÜiguIuribuB' 
(Bcoün  1863  >  p.  iO  ff.  habe  icli  ilie  Wnuuthiin^  untgeslelll,  du« 
der  eriBUtiker  (J.  T«rentiiiH  Scsuriii^  xti  Horaz  einen  CoinmenUi 
in  mAd  BBohtm  fteschriobeii  habe  und  zwar  in  der  Wciee,  daa« 
joden  Baebc-  des  Dichter«'  nin  Buch  drt>  Commentare  gewidmet 
Kod  im  nluitf'ti  Bache  die  Are  [loetita  behandelt  gewenen  wire. 
Die  DD•  vorliegeniien  drei  ZragniKse  nlininien  dazu  vollkommen. 
ZadenSembiit'D  II  !>, 92  wird  νυα  Porphyrie aoit  in  den  von  Cra- 
^■m  genaiuehrn  Scfaolien  ceine  Erklärung  des  Wortes  Obetijio' 
eitht,  and  da  die  Sclirift.  un«  welcher  dieselbe  entnommen  isl,  siebt 
wird,  B'j  müssen  wir  bis  Kur  etwaigen  Auftindung  eines  bt- 
α  gegen theiligfn  Zeugnisses  annehmen,  daea  diese  &t«Ue  sich 
*Mm  Rortut-Cummenlar  fand.  !n  den  zwei  anderen  Er 
(hei  C'harifins  [>.  182  und  188  P.)  heiest  es  ans- 
drleUiah:  <i.  Ttrrfntiu*  Ki-iinnie  in  fonuncnlHrüs  in  arlem  [ineli- 
oun  libro  X '  nnil  die  eine  derselben  besieht  sich  in  d«r  Thit 
«nf  ein  Won  der  Ars  poi-tica  de»  Horaz  (ini]ULriter,  v.  75);  <lie 
uiden  Bemc-rkung,  über  primiis]  non  lui  ante  omnes.  tied  aiit* 
qnem  nuno  i-sl:  iiuu  guuere  ptiirtG  jiriuii  acctjd  pvenunt'  kana 
•ehr  wohl  in  .inn  Wt'rke  nher  Horas  gentaDdeii  haben,  ja  vielleichT 
hst  eich  sofur  <^iii  Hest  davon  in  ilfm  CrRtjuianisclion  Rcholi 
xnr  Are  poetics  βΑ  erhalten,  wo  'primum'  erklärt  wird  "iiui 
omnee*. 

Dieser  damaligen  Dedaotion  kann  ich  jetzt  ein  Zengnin 
beifügen,  welches  ihr  entschieden  zu  weiterer  Stütze  dient.  Der 
werthvoUe,  aus  Avignou*  stammende  und  wohl  dem  neunten 
Jahrhundert  Angehörige  codex  Ambroeianue  Ο  13t>  eup.  {=  α  bei 
Holder-Ketler,  siehe  II  fasc.  2  p.  IIl)  enthüll  die  Werke  des 
Uoraz  in  der  in  unseren  Handschriften  üblichen  Reihenfolge  1) 
Carmina,  2)  De  arte  poetica,  3)  Epodon  Itber,  4)  Carmen  aaeculsre, 
5)  Epistulne,  6)  Sermoncs.  Am  Schlaeee'  steht  nun  aber  die  von 
Keller  p,   187  abgedruckte  Subscriptio: 

FINIT  DECIMVS  LIBEE  HORÄ 
TU     FELICITER. 

Wir  erfahren  hieraus,  dass  in  der  That  die  tiedichte  des 
Horaz  nach  10  Büchern  durchgezählt  worden  sind,  und  es  steht 
nichls  der    Annahme    entgegen,    dass    diese  Subscriptio  auf  guter 

'  S.Tnioiiiim  I.  II,  Epodon  I,  C'Hrminum  I.  11.  HI.  IV,  Epii^lu- 
laruni  I.  II,  Arti:<  l'ot;tii:au  I,  oder  etwa  in  der  Anordnung,  dass  die 
fünf  liiidif'i'  di'r  Cunnina  und  Epodeu  vorausgingen  und  an  diese  eich 
di>;  fünf  Blicher  dxktylisclior  Wi;rke  anschlössen. 

-  Vorn  in  der  Handschrift  (welche  ich  im  Jahre  1873  cingeseben 
lull»•)  «U'lit.  diu  Hi'nierkung  von  einer  Hand  etwa  des  16.  oder  17,  Jahr• 
liiiiulert.i :    'lliinc   codiesm   notis   adspersum  Anemone    uebendum  cnra- 

^  Der  Hor;ix  schliefst  in  der  Mitte  der  Vorderaeit«  des  letxtCD 
Kliitli's,  Auf  dci-  lotzton  Seite  steht  ausser  anderen  Bemerkungen  der 
fichri-ibcrvi'i's  i^s.  Xll—Xlll):  'Ligua  teredo  terit,  uir  meliere  perit'. 


Misoellen.  635 

alter  Ueberlieferunii:  beruht.  Seitdem  Kieesling  die  früher  ver- 
schDiähten  InscriptioneK  zu  Hhreii  gebracht  hat,  hat  man  eich 
gewöhnen  müsBen,  derartige  Zeugnisse  unserer  Handschriften  nicht 
von  vorn  herein  und  ehe  der  positive  Beweis  ihrer  Werthlosigkeit 
erbraeht  ist,  für  Fictiunen  zu  halten.  Und  wenn  die  vorliegende 
Notiz  einerseits  meine  Verniuthung  über  die  10  Bücher  von 
Scaurus'  Horazconimentar  aus  Hudrianischer  Zeit  unterstützt,  so 
gewinnt  sie  ihrerseits  eben  dadurch  wieder  an  Gewähr.  Dass 
der  Ambrosianus  die  Iforazischen  Gedichte  in  der  8j)iiteren,  nicht 
in  derjenigen  Anordnung  enthält,  welche  Scaurus  befolgt  haben 
muss,  ist  natürlich  völlig  irrelevant ;  in  analoger  Weise  finden' 
wir  ja  bekanntlich  auch  bei  Scholiasten  Erklärungen,  welche  zu 
dem  betr.  fA^nima  nicht  stimmen.  Die  Ars  poetica  ist  erst  von 
H.  Stephanus  dem  zweiten  Buche  der  Briefe  einverleibt  worden, 
die  alte  Ueberlicferung  kennt  dieselbe  nur  als  besonderes  Buch, 
wie  es  schon  bei  Quintilian  8,  3,  (M)  als  'über  de  arte  poetica* 
citirt  wird^  Die  Stelle  aber,  welche  der  Pisonenbrief  in  neuerer 
Zeit  erhalten  hat,  nämlich  hinter  den  zwei  anderen  grossen  Litteratur- 
briefen,  ist  jedenfalls  eine  sehr  passende-:  wir  linden  dieselbe  nach 
meiner  Verniuthung  in  Hudrianischer  Zeit  bei  Scaurus  und  dürfen 
eie  vielleicht  auch  schon  für  die  erste  Gesammtausgabe  der  Horazi- 
Hchen  AVerke  annehmen. 

Heidelberg.  Karl  Zange  meist  er. 


Zur  röuiiMchen  Topographie  (vita  Sept.  Sevcri  19). 

Vita  Septimii  Sev<»ri  VJ  ^  Γ»:  (ppera  publira  praeciptta  eins 
exfatit  septizoinum  et  Ihcrmae  Secvrianae  eiusdenujtw  etiam  ianae 
(so  der  Pal.;  ia)tv  der  Banib.)  in  Traitstiberiita  retfione  adportam 
nominis  sui,  fjiifirum  form  α  wtercidcns  sfnfim  usum  publicum  invidit. 

Otto  Hirschfdd  bat  in  den  AViener  Studien  1884  p.  124  die 
bisherigen  KnuMKlationsversuche  der  verderbten  Stelle,  nämlich 
halneac  (Kcirker,  »ie  nniris  p.  129  und  Handb.  1  p.  213.  vgl. 
Prcller,  Hegiones  p.  217)  und  das  ganz  unmögliche  ianuac  mit 
Recht  zurückgewiesen.  Aber  auch  seine  Vorschläge,  das  iatuie 
durch  nliae  oder  naeh  llartel's  V^ermuthung  durch  \Sevcr\iamic 
zu  ersetzen,  trclVen  meines  Erachtens  nicht  das  lÜchtige ;  aliae '\^i 
paläographistrh  nicht  plausibel  und  bei  der  noch  gewaltsameren 
Aenderung  \Scv€r\iau(ic  wäre  wegen  des  schon  einmal  vorher- 
gehenden Scvcr ianae  ein  Zusatz  wie  aliae  erforderlich.  —  Wenn 
wir  die  Wurzel  des  V^erderbnisses  in  dem  ziemlich  überflüssigen 
etiam  suchen,  so  ergibt  sich,  Avie  ich  denke,  das  Ursprüngliche  sehr 
leicht :  thermac  Scccrianae  ciusdcmqite  SEPTlM/öwac  in  Traust iberina 

*  Vgl.  Michaelis,  Comment.  Mommsen.  p.  430. 

2  Auch  wenn  die  A.  p.,  was  grosse  Wahrscheinlichkeit  besit-zt, 
zeitlicli  nicht  der  letzte  Hricf  ist,  sondern  ihre  Abfassungszeit  in  die 
Jahre  731—781  (nach  Michaelis  a.  a.  0.)  oder  (wie  Mommsen  im  Hermes 
15  8.  113  ff.  mit  allem  Vorbehalte  vorschlägt)  in  die  Jahre  735  bis 
736  fallt. 


Wfregiotie  ad  partum  Hominis  sul.  Offenbar  handelt  ββ  sich  (woran 
r  Bchon  Becker  bei  weinor  Conjectur  halneae  dachte)  um  die  Anlage 
des  8ti|itimius  HeveniEi,  weiche  die  Hegionarien  Septintiitiia  (od«r 
SepHmianntn)  nennen.  Ee  waren  dies  also  nicht  bloeHC  btüncae  (wm 
aucb  Hirschfeld  sebon  bezweifelte)  sondern  thermae.  Bi^kuttntlioh 
hiiiset  norh  heutigen  Tage«  ein  Quartier  an  der  Longara  '  il  Setti- 
gnano',  und  eine  dort  gelegene  Kirche  des  8.  Jacobna  wurde  danacli 
8.  Jttcobi  i«  Set/limiano  genannt  (Murtinelli,  Roma  ex  rthnica  sacra 
Ιβδθ  p.  116).    Wenn  hiernach  die  Thermen  den  Kamen  SeptimianiK 

ttmgen,    ao    echlipset  sieb  daran  bei  dem  Biogntphen  paneend  Ίίί 
porta  nominie  eui'  d.  b.  die  porta  Heptimianaan,  doren  Namen  eith 
noch  bis  heute  erbalten  hat  iur  den  eüdlichen  Anfang  der  r»ngara. 
Heidelberg.  K.  Zangemeieter. 

: 


Zu  Arn  riluisclieu  Itinerarieii. 


Γ  anaBergk's  Nadilaeec  verüli'entlioht« '  iiibaltreiühe  Auf; 
Wtü  'Beitrüge  zur  Untereachung  der  Heerstrueaen  am  Rhein 
WiUnift  einen  Anhang  (8.  1T8— 188)  der  Kritik  der  Zuhleuan- 
gabeu  lies  Itiiterarienhuches.  In  dieser  Untersuchung  bedarf  eiue 
Aufstellnng  des  Yerfaaaere,  weluhe  eeiiit-n  Aungangepuitkt  bildet 
und  Hich  diu-ch  die  ganze  Arbeit  hindurchzieht,  der  Berichtigung. 
Zu  den  wichtigBlun  Ciidiei-H  dt>8  ItiiienirR  gebiireii  der  Wiener 
n.  181  _(s.  Vir--Vlin  =  L  und  .Icr  Pariser  n.  -leüT  (,s.  IX  es.)- 
=  B.  Beide  Handschriften,  eagt  nnu  der  Verfaeeer  S•  179,  sind 
offenbar  in  Deutschland  nach  älteren  (Kopien  gleichfalls  deutscher 
Herkunft  gefertigt.  Dies  beweist  die  Art,  wie  regelmässig  in 
den  Randbemerkungen,  welche  diesen  beiden  Handschriften  eigen- 
thiimlich  sind,  das  Wcgmass  bezeichnet  wird:  denn  gleichviel, 
ob  im  Itinerar  die  l^iitfernung  nach  römischen  Meilen,  milk 
passtis,  oder  nach  gallischen  Leugen  bestimmt  wird,  der  Kloster- 
bmder,  der  die  Mühe  nicht  scheute,  die  Angaben  des  Itinerais 
über  die  Entfernungen  der  Hauptiirte  durch  Zusammenrechnnng 
der  einzelnen  Posten  zu  controliren,  bezeichnet  das  Mehr  oder 
Weniger  regelmässig  mit  R  hie  XXXT  supei-sunt  oder  8•  XI 
minus  sunt,  einmal  8.  372,  3  [ed.  Wessel.]  B.  una  minus.  Β 
kann  nichts  anderes  sein  als  die  germanische  Basta  .  —  Dem 
Verfasser,  welcher  hierfür  auf  die  bekannte  Stelle  des  Hiero- 
iiymus  zu  loel  c.  3  ver\veiNt,  ergibt  sich  bei  dieser  Erklärung 
sofort  das  Bedenken,  dass  jn  die  Uasta  das  Doppelte  des  galli- 
schen, das  Dreifache  des  riimischen  Wegmasaes  beträgt*,  wie 
schon  die  von  ihm  citirle  Stelle  in  den  Feldmessern  I  ji.  3T3 
zeigt^.     Diese  Schwierigkeit  sucht  er  damit  zu  beseitigen,    daee 

1  Zur  Geschichte  und  Topoiinipliie  der  Rhcinlaiide    ϊιι   rÜiniacher 
ieit,  Leipzig  1Ö82  8.  144  ff. 

Ϊ  Bei  Bergk  steht  <,wohl  in  Folge  eines  Druckfehlers)  '  Ende  des 
fehrh  änderte'. 

'  Man  vgl.  aucb   dae  Ul^Xom  v.  i.  ίΑΐ.  '^«■ü.mto..  «i«sna.  Bi^L  I 


Miscellen.  637 

er  sagt:  'In  Germanien,  wo  jene  beiden  HandRchriften  oder  Λ^iel- 
mehr  die  noch  älteren  Codicee,  deren  Copien  LB  sind,  mit  Rand- 
bemerkungen ausgestattet  wurden,  war  Basta  das  übliche  allein 
bekannte  Wegmass,  jene  Schreiber  gebrauchen  daher  den  Aus- 
druck gleichmässig  von  den  römischen  MP  wie  der  gallischen 
Leuga.  .  .  .  Gerade  so  ist  die  französische  lieuc  zwar  etymolo- 
gisch identisch  mit  der  keltischen  leuga,  hat  aber  den  Werth  der 
germanischen  liasta,  was  eben  dem  Einflüsse  der  fränkischen 
Eroberer  zuzuschreiben  ist  .  Tn  der  Anmerkung  zu  S.  179  weist 
Bergk  ausserdem  darauf  hin,  dass  ^  allerdings  nur  als  Abbre- 
viatur für  ratio  oder  für  res  bekannt  sei;  aber  im  Sinne  von 
ratio  (Berechnung)  dürfe  man  die  Sigla  nicht  fassen,  sondern  nur 
als  Hasta,  z.  B. : 

231,  11  hie   |t  V  super  sunt 

356,  6     hie  Β  minus  est 

372,  3  5^  una  minus. 
Dagegen  bedeute  289,  5  3  fal  allerdings  ralio  falsa,  es  sei  aber 
diese  Randbemerkung  in  L  von  zweiter  Hand  li inzugesetzt.  — 
Während  danach  die  deutschen  Schreiher  in  diesen  Handschriften 
Rasta  als  Wegemass  überhaupt  gebraucht  hätten,  glaubt  der  Ver- 
fasser andererseits  noch  in  demselben  Strassenbuche  Spuren  von 
griechischen  Stadien  nachweisen  zu  können.  Zu  p.  162,  5  näm- 
lich wird  bei  einer  Route  in  Aegypten,  wo  BL•  die  Bemerkung  ^ 
XI  minus  sunt  haben,  von  der  Florentiner  Handschrift  R  notirt: 

hie  S  XI  minus 
und  dies  erklärt  der  Verf.  mit  den  Worten  (S.  181  Anm.  2): 
*er  [der  Schreiber J  nahm  also,  was  Beachtung  verdient,  die  MP 
für  griechische  Stadien.  Und  darauf  geht  offenbar  auch  die  wun- 
derlich entstellte  Ueberschrift  im  Pariser  D  S.  163,  2  S.  TAMEN 
M1NVS\ 

Vermuthlich  wird  manchem  Handschriftenkundigen  schon 
beim  Durchlesen  der  vorstehenden  Zeilen  diese  Combination  be- 
denklich erschienen  sein  und  die  richtige  Erklärung  sich  ergeben 
haben.  Es  dürfte  aber  nicht  überflüssig  sein,  die  letztere  hier 
auszusprechen. 

Die  Randnote  R  oder  Β  ist  eine  ungemein  häufige,  auch  in 
solchen  Handschriften,  in  welchen  von  AVegemassen  nicht  im  Ent- 
ferntesten die  Rede  ist,  und  es  ist  auch  längst  bekannt,  was  sie 
bedeutet:  nämlich  require^.  Da,  wo  der  Revisor  oder  ein  son- 
stiger Leser  eines  Codex  etwas  Auffälliges,  Unverständliches  fand, 
setzte  er  diese  Nota  an  den  Rand  zum  Zeichen,  dass  zur  Auf- 
klärung über  diese  Stelle  noch  eine  Nachforschung  erforderlich 
wäre.  Ausgeschrieben  findet  sich  die  Sigla  z.  B.  in  dem  von 
mir   verglichenen  Orosius-Codex  von  St.  Gallen   n.  621    (s.  IX). 


p.  41),  wo  CS  heisst:  Meucas  sex,  quas  homines  loci  istius  dicunt  rastas 
tres  8886*. 

*  S.  z.  B.  Wattenbach,    Schriftwesen   1875  S.  281    und  die   dort 
citirten  Gelehrten. 


688  Miscellen. 

1)  ρ.  10  Col.  2  schreibt  Ekkehart  IV  zu  der  Kapitelüberechrift 
*^ Minutiös  beluae  manum  amputat*  ^  die  Bemerkung:  reguire  de 
tnaftu  heluf,  und  2)  Orosius  V  17  §  3  über  *competitorem']  re• 
(juire.  In  derselben  Handschrift  findet  sich  dafür  auch  guacre 
verwendet,  z.B.  p.  5  (von  Ekkehart's  Hand):  gufre  de  spania  et 
hispama  und  p.  4  (von  dem  früheren  Glossator):  zu  *aera  con- 
snlis*]  Quere  guid  sit  Era,  Und  endlich  kommt  z.  B.  in  dem 
Trierer  Codex  n.  36  vom  Jahre  719^  fol.  30^  die  Randbemerkung 
vor:  lleguirendum  cor  [==  cur]  dictum  sit  u.  s.  w.  Dieselbe  Be- 
deutung hat  nun  unzweifelhaft  das  Β  in  dem  Itinerar,  denn  damit 
erklären  sich  sämmtliche  Stellen  in  sehr  einfacher  Weise.  Es 
genügt,  dies  an  den  oben  bereite  angeführten  Beispielen  zu  zeigen. 

1)  hie  r(equire):  quinque  super  sunt  d.h.  forsche  hier  nach; 
es  sind  fünf  zu  viele,  nämlich  von  dem  an  dieser  Stelle  verwen- 
deten Wegmasse,  milia  passuum  oder  leugae. 

2)  hie  r(equire):  minus  est,  d.  h.  die  Summe  stimmt  nicht 
mit  den  Einzelposten,  sie  ist  zu  niedrig. 

3)  r(equire):  una  minus,  d.  h.  die  Summe  ist  um  1  Leuga 
zu  niedrig. 

4)  r(equire):  fal(litur)  oder  fal(8um  est). 

Das  S  aber  bedeutet  nicht  etwa  Stadien,  sondern  ist  die 
bekannte  Abkürzung  für  8unt\  also  heisst  die  Bemerkung  p.  162,5 
hie  H(unt)  XI  minus,  d.h.  es  sind  in  dem  Summarium  11  weniger 
als  bei  dem  Addiren  der  Einzelposten  sich  ergibt,  und  desgleichen 
ist  p.  163,  2  zu  A^erstehen:  8(unt)  tarnen  minus.  Dieses  niinuB 
Runt  kommt  ausserordentlich  hänlig  ausgeschrieben  in  dem  ftinerar 
vor,    ja  sogar  in  der  von  Bergk  selbst    citirtcn  Stelle  p.   162,  5 

neben  der  Sigla  S,  so  dass  es  in  der  That  ΛVunder  nehmen  muss. 
wie  Bergk  hier  an  Stadien  bat  denken  können.  —  In  dem  um- 
gekt'hrten  Falle,  nämlich  <la,  wo  die  Summe  stimmt,  brauchen 
<li<'  Itinerurbandschriften  die  Bemerkung  sie  d.  h.  'so  ist  es', 
^die  Rechnung  ist  richtig*.  In  neuerer  Zeit  ist  die  Verwendung 
des  'sie'  gerade  in  das  (Tegentheil  umgeschlagen,  wie  wir  ja 
auch  (um  dies  beiläufig  zu  erwähnen)  Punkte  unter  ein  ausge- 
strichenes ΛΥογΙ  setzen,  um  dasselbe  wiederherzustellen,  währen«! 
soli'he  im  Mittelalter  bekanntlioli   zur  Tilgung  gebraucht  wurden. 

Heidelberg.  Karl  Zange m ei ster. 


KtrnskischeR. 

Im  siel)enten  Hefte  meiner 'Ktruskiscben  Forschungen*  (S.  5;'» 
hal»e    icli   die   von   (liov.   Pansa    (Sopra   il   mistico  senso   di   una 
Fitrusca  epigrafe  et(i.    Firen/.c   1883)  verötrentlielite  AVeihinsoliritt 
einer    ncujL^M't'undtnieii     weissliehgelhen   Sehale   von   Orvieto    zuerst 
gedeutet.      Diesell)e  Sehale   aber   entbiilt    ausserdem   in    der  Mitte 

Ϊ  Im   Toxtr•  des  Orosius  selbst  steht  die  Stelle  IV   1   ^.    10. 
-  Wie  ich  in  der  Hescbreihuiig  der  Tafel  49  der  von  Wattenbacli 
und  mir  edirten  Exempla  codd.  1876  p.  11  nachgewiesen  habe. 


Misoellen.  689 

des  Innern  nocli  die  Umrissbilder  von  Sonne  und  Mond,  al«  Kreis 
und  Sichel,  und  an  beiden  Seiten  davon,  isolirt  stehend,  die 
Wörter  crtis  und  lu^s/nei,  offenbar  etruskische  Namen  der  beiden 
Himmelskörper.  Diese  Wörter  nun  bieten  einige  interessante 
etymologische  Ausblicke  dar,  die  ich  hier  kurz  andeuten  will. 

Das  Wort  erus  war  als  männlicher  Eigenname  bereits  aus 
einem  Bronzespiegel  von  Talamone  bekannt  (Gamurr.  Append. 
zu  Fabr.  t.  III  i)2J,  der  einen  getlügelten  weiblichen  Genius  zhi- 
i^repits  zwischen  zwei  bewaffneten  Jünglingen  darstellt,  eitnu&c 
und  erus,  Letzteren  umarmend.  Die  bisherigen  Deutungen,  die 
sich  auf  die  Identificirung  von  erus  als  eines  griechischen  Lehn- 
wortes, sei  es  mit  ήρως  (=  Achill),  sei  es  mit  Έρως  stützten 
(Gott.  Gel.  Anz.  1880,  S.  1443),  sind  unbefriedigend  geblieben. 
Jetzt  ergibt  sich,  dass  eru^i  echt  etruskisch  ist  und  den  Sonnen- 
gott, als  Helios  oder  Hyperion  oder  Apollon,  bezeichnet,  wobei 
ich  unentschieden  lasse,  ob  der  Spiegel  einen  unbekannten  Mythos 
darstidlt  oder  die  Namen,  wie  so  häufig,  irrthümlich  den  Figuren 
beigegeben  sind.  Etymologisch  nun  entspricht  etr.  cru-s  ja  nicht 
etwa  dem  lat.  (h)erus  *^Herr',  das  etruskisch  (h)ere  lauten  müsste, 
sondern,  da  das  u  stammhaft  sein  muss,  höchst  wahrscheinlich 
dem  ind.  aru-s  *  Sonne*,  woher  aruna-s  und  aruea-s  'sonnenfarb, 
roth,  golden,  glänzend*;  substantivisch  * Morgenröthe,  Sonne,  rothes 
Ross',  wb.  *rothe  Kuh*  u.  s.  w. ;  zend.  aurusa-  ^glänzend,  weiss*, 
besonders  auch  von  Rossen;  vielleicht  auruna-  *  wild  (von  Thieren)*, 
vgl.  unser  Mlothwild*.  Das  Formverhältniss  der  drei  Wörter  kehrt 
ähnlich  wieder  in  taru-s,  taruna*s,  tarusa-s  von  tar  *  durchdringen*. 
Dass  nun  das  anlautende  a  von  ind.  aru-s  den  Werth  von  a2  == 
e  hatte,  zeigt,  ausser  etr.  Pru-s,  gr.  έρυ-ί^-αίνιυ  *rÖthen',  έρυ-ί^-ρός 
*roth*  u.  s.  w.,  mit  determinirendem  &^  worin  das  έ  also  nicht 
prothetisch  ist.  Vielmehr  ist  in  ind.  ru-d'-ira-s,  gunirt  rö-h-it, 
rö-h-ita-s  'roth*.  rö-h-im  wb.  'rothe  Stute  oder  Kuh*  u.  s.  w.; 
lat.  ru-b-ere  'roth  sein*;  ru-b-er,  gunirt  rü-f-us  (zunächst  aus 
*roufus)  'roth,  röthlich*,  u.  s.  w. ;  etr.  ru-f-ri'e  =  Rubrius;  gunirt 
rau-f-c  (auch  rauhe,  rafe  und  ruvfe)  •=  Rufus  u.  s.  w.  das  an- 
lautende a,  resp.  e  geschwunden.  Das  weiterbildende  d'  (h),  ί^, 
f  (b,  h)  ist  als  häufig  vorkommend  bekannt,  doch  ist  eine  eigene 
Wurzel  *rud*  'roth  sein,  glänzen*  bisher  nicht  nachgewiesen.  Eine 
andere  Erweiterung  zeigt  lat.  ru-tilus,  auch  etr.  rutlnie  =■  lat. 
Rutilius,  eig.  *Rutilinius. 

Das  zweite  Wort  lu8/nei  *Mond',  wb.,  steht  zunächst  für 
*lus/neia  aus  *lus;<naia,  vom  ml.  *lus;<naie,  durch  die  Endung  -ie 
=  lat.  -ins  weitergebildet  aus  *lu8/na  (Etr.  Forsch.  VI  138;  140; 
145).  Dieses  *lus/na  aber  wird  durch  die  bei  den  Etruskern  sehr 
beliebte  Metathesis  aus  *lu/sna  entstanden  sein,  das  wieder  durch 
A8f)iration  in  Folge  des  Einflusses  des  s  aus  *luc-sna  hervorging. 
Ueber  die  Metathesis  im  Etruskischen  vgl.  man  Otfr.  Müller  Etr.* 
II  436;  Rhein.  Mus.  XXXLX  144;  148;  149.  Sie  findet  sich 
zunächst  in  Eigennamen  z.  B.  cvelne  neben  cvenle;  pevtial  neben 
petvia[l];  velniH(e)  neben  veli^ni(e)  =  lat.  Voltinius;   predns(i)e 


1 

i 


040  MiMellen. 

neben  preBn^i)e  =  lal  Praeeenthie,  nnd  bei  Qnttnrftl  nnd  Sibi- 
lant, wie  in  nneerem  Fall,  in  teaetna,  mit  Einecbnb  aeaeatna, 
aeanctuna,  neben  secetna,  aeostina  =κ  lat  Seztinina;  req;;nialc, 
reacial  ^Name  einer  G5ttin\  neben  reona[l],  recial»  alao  wobl 
ana  *rec-ra-al-o,  ree-ai-al;  nialaviq;^  ^Mgl.  ana  ^alWc-a,  zur 
Wnrael  malv-  *weiben,  eobenken*  (Etr,  Foraob.  YII  46);  ferner 
bei  a  cL  i.  ta  ana  at  s.  B.  in  8(a}lf  nrap.  m1  *drei\  ana  *el!el, 
aCSr;  xi(n)o-  *eobreiben'  s?  lat  8ti(n)g•;  silat  'Riobter^  eig. 
'Stiller*,  aus  *8tila(n)t,  vgl.  lat  atlia,  atUtia;  bna-'attbnen,  opfern' 
s=:  lat.  boat-ire;  Lebnwort  lepann  =  *£T€q)aviiiv,  n.  a.  w.;  aacb 
nmgekebrt  at,  et  ana  ζ  {=-  ta)  s.  B.  eat  *nnd*  neben  ei  (aas  ^et• 
SS  *eti  =  gr.  £ti,  lat  et) :  Lebnwort  ntaste  neben  ntnse  =  Όουσ- 
(Τβύς;  dann  a.  B.  eeap-  aobt*  ana  *oepz-  ss  *cep-ist-,  gr.  κυβι- 
ατός;  sem^p  'aieben',  ans  *Beq{dym  «b  lat  aeptem;  parte  'Yor- 
eitser  dea  Ghericbta*  ans  *pm^e)t  =  lat  pro-aM-;  auf  ana  *aif(i)l 
=  lat  aidilia;  Inn^  =  lat  Inatnun;  eval•  'leben'  =  lat  aalv- 
ere;  farthia-  'Todtenopfer  darbringen'  c=  lat  parenta-re;  poatpo- 
eitire  Gonjnnotion  -το  s=  -e(y)  s=  lat  -qne  *nnd'  n.  a.  w.;  end- 
lieh wieder  bei  Onttnral  und  Sibilant:  leecnl  ans  *lee-anl  (Acc.) 
:=  leotnlnm;  lescem  aus  *lee-eem  =:  lat.  lectnm,  eig.  =  *leotem, 
von  einem  Nom.  *leetie;  vielleiobt  leaoan  ana  *lee-Ban  =  leetam, 
wobei  fiberall  Bildung  mit  β  atatt  lat  t  ansonehmen  iat,  wie  ja 
aaoh  lat  -vexue,  vexare  neben  veotna,  yeetare  n.  a.  w.  vorkommt 

Dem  Yoranegeeetzten  etr.  ml.  *lae-8na  nun  atebt  am  näch- 
sten das  lat.  wb.  läna  ans  *laxna,  Inc-sna;  vgl.  ee-ni  ans  *Bex-ni; 
päluR  aus  *paxlu8,  iila  ans  '*'axla,  velnm  aus  Vexlum  α.  s.  w. 
Diese  aufiallig  häufige  Verflüchtigung  des  χ  vor  Liquiden  im  La- 
teinischen erklärt  sich  ohne  Zweifel  dadurch,  dass  auch  hier,  wie 
im  Etruskischen,  es  in  χΒ,  hs,  s  überging,  das  dann  regelmässig 
ausfiel.  Dies  wird  bestätigt  durch  die  latinische  Form  losna  auf 
einem  Spiegel  von  Palästrina  (Fabr.  2689). 

Ferner  aber  wird  auch  gr.  λύχνος,  PL  λύχνοι  und-  λύχνα, 
für  *λύκ-(Τνος  stehen,  so  dass  die  aspirirende  Kraft  nicht  in  dem 
V  zu  suchen  ist,  sondern  in  dem  (T,  das,  wie  zwischen  Vocalen 
nnd  im  Anlaut  vor  ν  ζ.  Β.  in  νυός,  eig.  ^νυ'ός  =  ind.  snu8»,  so 
auch  hier  im  Inlaut  in  h,  *'  überging.  Etr.  lus/nei  entspricht 
daher  genau  dem  gr.  λυχναία,  Femininum  des  wirklich  vorkom- 
menden Adjectivs  λυχναϊος.  Zu  vergleichen  ist  wegen  des  s  noch 
ind.  ruk-.sn-s  'glänzend,  stralilcnd*  und  wegen  des  ganzen  Suffixes 
-sna  bactr.  raoJkhshna  *  glänzend,  leuchtend*,  subst.  ml.  *  Glanz, 
Flamme';  auch  raokhshni-  nnd  -nu-;  vergl.  noch  ind.  tik-snas 
*  scharf*.  Auf  die  obige  Weise  gehen  wohl  noch  manche  Aspira- 
tionen im  Griechischen  auf  ein  geschwundenes  (T  zurück,  auch  vor 
andern  Liquiden,  wie  z.  B.  in  άκ-αχ-μίνος  =  *άκ-ακ-σ-μ€νος ;  ja 
auch  in  λύ-ί^ρον  (unterschieden  von  λύτρον)  aus  *λυ-(Τ-τρον  = 
lat.  lustrnm.     Es  wäre  dies  einer  näheren  Untersuchung  werth. 

Strassburg.  W.  De  ecke. 

Verantwortlicher  Uedac^AMx•.  'Α^τ\α^τν\ι"^^Λν  \ti  Bonn. 


Rfiein.  Musitim  ΧΧΧΙλ•  ' 


Tifriin  Wustira  XXMX  ! 


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Rhein.  Μπβ.  f.  Philol.  Ν.  F.  XXXIX.   Tafel  III. 


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Stanford,  California 

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